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An Joseph Sebastian Grüner

Jederzeit, mein Theuerster, wenn die Jahrszeit herannaht, die ich sonst so vergnüglich und nützlich in[305] Böhmen zubrachte, fühl ich eine mächtige Sehnsucht dorthin und vor allem wird der Wunsch lebhaft, Ew. Wohlgeboren zuerst bey'm Eintritt zu begrüßen, manches Neue zu erfahren und mich gesellig des frühern Guten zu erinnern.

Ich bin gewiß daß Ihnen jene Zeiten auch nicht aus dem Gedächtniß entschwunden sind und daß Sie mit mir gleiches Verlangen empfinden. In diesem Sinne besonders waren mir die übersendeten Medaillen höchst angenehm. Der Guß ist gut gerathen und ich danke herzlichst daß Sie diese Denkmale vervielfältigen mögen. Das Bildniß unseres trefflichen Fürsten war mir um so erwünschter, als er uns leider vor kurzem verließ, uns in die größten Schmerzen versetzte und eine unbeschreibliche Leere in allen Herzen seiner treuen Diener zurückließ. Sie kannten ihn selbst, er zeichnete Sie aus, und Sie sind wie wir von diesem Falle schwer betroffen.

Unsere jungen Herrschaften befinden sich jetzo, soviel ich weiß, beiderseits in Böhmen. Mögen die dortigen heißen und frischen Quellen ihnen heilsam seyn! Denn auf ihnen ruht unsre Hoffnung und Zuversicht, und dieß um soviel gewisser, als der Gang der Haupt-und Nebengeschäfte in dem von unserm verewigten Herrn eingeleiteten Sinn ruhig fortgeht und auch wir alten treuen Diener in demselben Gleise unsern Weg fortsetzen, um nach Überzeugung und Gewissen dem Herrn wie dem Lande uns dienstlich zu erweisen.

[306] Soviel für dießmal mit wiederholter Versicherung daß es mich jedesmal herzlich freuen wird, von Ihnen und den werthen Ihrigen gute Nachricht zu vernehmen, in völliger Gewißheit daß, wenn ich noch einmal die Voigtländischen Gebirge übersteigen sollte, ich Sie in Ihrem herrlichen Egerkreise, den ich mir so gern vergegenwärtige, immer gleich thätig und theilnehmend zu finden.

Sollten sich unter dieser Zeit irgendwo einige Granitklippen unversehens hervorgethan und auf ihren Gipfeln regelmäßig gebildete Basalte, Phonolithe, auch wohl entschiedene Neuigkeiten aus der Tiefe mit hervorgehoben haben, so wird uns dieß zu großem Vortheil dienen. Wir werden unsre Hämmer nur desto muthiger an solchen Gegenständen erschallen lassen und unsere Sammlungen unglaublich bereichern.

Wie vor Alters im Ernst und Scherz

treu ergeben

J. W. v. Goethe.

Schloß Dornburg an der Saale den 3. September 1828.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1828. An Joseph Sebastian Grüner. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-898B-7