21/6019.

An den Herzog Carl August

Ew. Durchl.

nunmehr in Töplitz zu wissen beruhigt mich gar sehr, besonders da Sie in der letzten Zeit um äusserer Umstände willen Sich nicht schonen konnten und körperlichen Leiden nicht einmal durch Ruhe und Bequemlichkeit [354] zu schmeicheln im Falle waren. Nun in der Nähe einer schon erprobten Quelle läßt sich neue Hoffnung schöpfen, von deren Erfüllung ich selbst bald Zeuge zu werden wünsche. Leider hat sich nach langem Gutbefinden wieder ein alter Anfall gemeldet, wobey Starckens Gegenwart mir sehr zu statten kam. Ich bin nunmehr desto emsiger am zweyten Absatze meiner Brunnen Cur.

Der gute Starcke selbst befindet sich abwechselnd und hat einige böse Tage gehabt und ist da er selbst Hülfe bedarf immer hülfreich für andere. Ich habe abermals in geringeren und wichtigern Dingen seine Einsicht, Besonnenheit und Entschlossenheit kennen lernen. Möge er uns erhalten werden!

Nach einer alten leider eingewurzelten Unart ist dieser Brief einige Tage liegen geblieben. Allenfalls könnte ich Zelters Gegenwart zur Entschuldigung an führen. Es war mir eine große Freude den so tüchtigen Freund und Künstler wiederzusehen und mich mit ihm über mancherley Gegenstände zu unterhalten, die uns beyde lebhaft interessiren. Erwünscht uns zu der neuen Orgel Glück, so wie zu der Acquisition Müllers, auf dessen Thätigkeit ich zunächst für künftigen Winter großes Zutrauen setze. Bringt er Einheit in unsre musikalischen Elemente; so werden wir erst gewahr werden was wir alles besitzen.

Möge Ew. Durchl. Wohlbefinden und das der geliebten Ihrigen uns zu solchen Genüssen eine recht[355] behagliche Witterung und einen reinen unbewolckten Himmel gewähren.

Daß Ew. Durchl. viel Freude haben würden der Kayserinn Majestät zu kennen hatte ich mir zum voraus versprochen. Der Eindruck den ihre Person und ihr Betragen macht ist höchst wohlthätig, man erinnert sich ihrer so gern. Ich finde mich glücklich ihr nicht ganz unbekannt geblieben zu seyn, und mich in dem Falle befunden zu haben, etwas, so wenig es auch seyn mag, für sie thun zu können. Wenn Wünsche etwas bey den Göttern vermögen; so muß sie gewiß erhalten werden.

In den Augenblick der Abreise Ihro Maj. fiel auch unsre erste Societät auseinander und ich fühlte mir nicht die Fähigkeit ein Glied der folgenden zu werden die sich nach und nachbildeten; doch hab' ich vorzügliche und gute Menschen mancher Art kennen lernen, leider keinen behaglichen. Jedermann hat viel verlohren und wenig wissen das zu schätzen und zu genießen was ihnen übrig geblieben ist.

Mein Wunsch war Ew. Durchl. gleich zu Anfang August aufzuwarten und in Ihrer Nähe mir die guten Wirckungen der Töplitzer Wasser zuzueignen. Nun da ich einen kleinen Rückschritt im Wohlbefinden gemacht habe will ich suchen mich hier noch herzustellen und alsdann meinen ersten Vorsatz eilig auszuführen. Wegen des Quartiers habe ich Vogeln ein Wort geschrieben.

[356] Müllers Geschichtswerk hat mich diese Tage sehr unterhalten, es ist ein schönes Vermächtniß das er uns hinterlassen hat. Aus mehr als einer Ursache ist es in seinen Theilen nicht gleich, gewisse Theile aber, die durchgearbeitetsten sind fürtrefflich.

Mich zu Gnaden und Hulden empfehlend

Carlsbad d. 22. Jul. 1810.

Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1810. An den Herzog Carl August. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8962-1