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An Johann Heinrich Meyer

Die wilden Wetter die uns hier an der Ecke gewaltsam bestürmen thun mir nicht viel zu Leide; denn indem sie mich hindern, die lieben Terrassen zu besuchen, so nöthigen sie mich hineinwärts, wo mannichfache Geschäfte zu besorgen und über manches hinauszuschreiten ist. Eigentliche aber betrüben mich diese Sturmregen, da sie von Ihnen zu uns herüberkommen und unsre theuren Fürsten wohl nicht den heitersten Empfang in Belvedere möchten genossen haben.

Doch dieß wechselt in gegenwärtiger Jahrszeit von Stund zu Stunde; und so erleuchtet die Sonne nach einem solchen allgemeinen heftigen Abwaschen auf eine ganz eigene Weise die Gegend. Ich kann Sie versichern, daß das Grün der Wiesen blendend ist, wie ich es nie gesehen habe, so daß man die Augen abwenden muß. Wie denn auch alles Grüne der gegenüberliegenden Berge frisch und leuchtend erscheint.

Mein Aufenthalt wird mir von Tage zu Tage heilsamer und lieber; gar mannichfaltige Thätigkeit wird fortgesetzt, andere knüpft sich neuerlichst an, so daß es mir selbst komisch vorkommt, mit welcher Leidenschaft ich das zur Sprache gebrachte Weinbaugeschäft seit acht Tagen ergreife. Das Herrliche hat aber die Natur, wie man auf sie losgeht, daß sie immer wahrer wird, sich immer mehr entfaltet, immer neu erscheint, [263] ob sie gleich die alte, immer tiefer, ob sie gleich immer dieselbe bleibt.

Ein Büchlein das ich sende wird Sie gewiß interessiren. Freund Dorow manifestirt sein Talent auf einem höheren Schauplatze. Im Auffinden und Aneignen hat er sich am Rheine wacker geübt, dieß scheint er nun in Italien fortzusetzen. Er schreibt mir daß er zweyhundert gemahlte Vasen mit den wichtigsten, bis jetzt noch nie gesehnen mythologischen Darstellungen, reich und voll mit Inschriften versehen pp!! anzuschaffen das Glück gehabt habe. Was uns dabey zu Gute kommt ist daß er eben so sehr nach öffentlichen Ehren als nach Besitz strebt, daß er vieles eilig herausgeben wird, da ihm besonders die Lithographie zu statten kommt. Sein Text wird manche historische Notiz enthalten und, mit Kritik gebraucht, immer zu nutzen seyn. Soviel läßt sich voraussehen. Die Darstellungen der Tafeln, welche mitkommen, scheinen mir neu, nach manchen Seiten hinweisend und bedeutend. Sie werden den Werth derselben beurtheilen als ein Wissender vom Anfang her bis auf's Neuste. Ich kenne nicht einmal Inghirami durchaus und bin nur durch Dorows Aufsatz wieder in jene Regionen hingezogen worden.

Gegenwärtiges wünsche mit meinen Kindern nach Weimar zu spediren, daher wird mir schließlich zur Pflicht, Sie, mein Werthester, dringend zu ersuchen, mich höchsten Ortes treu-angelegentlichst zu empfehlen, [264] zugleich mir fortgesetzte unschätzbare Huld und Gnade zu erbitten.

Herrn Hofrath Soret danken Sie zum schönsten für seine bisherigen und seinen letzten Brief von Belvedere. Ich hoffe, unsere Angelegenheit wird sich nun immer mehr fördern und abrunden; ich werde nächstens demselben noch manches Angenehme und Gute deshalb zu vermelden haben.

Nach allem und vor allem würde ich Sie bitten, mir von dem Befinden Ihro Kaiserlichen Hoheit gefällige Nachricht zu geben.

Und so getrost fortan!

Dornburg den 10. August 1828.

Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1828. An Johann Heinrich Meyer. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-88D6-5