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An Johann Friedrich Cotta

Möge diese gegenwärtige, einigermaßen verspätete Erwiderung auf drey von Ew. Hochwohlgeboren an mich erlassene Schreiben Denenselben in glücklicher Stunde zu Handen kommen, bey Rückkehr von einem so bedeutenden und hoffentlich nach Wunsch eingeleiteten Geschäft.

Der erste Band der Correspondenz, angenehm gedruckt, ist nunmehr in meinen Händen; den zweyten erwarte zunächst, und das Übrige wird, wie ein jedes Geschäft, das Sie unternehmen, seine gemessene Folge haben.

Wie ich die Widmung dieser Briefsammlung an Ihro Majestät den König verstehe, möchte ich mich gern deutlich ausdrücken. Es ist hier von keiner gewöhnlichen Dedication die Rede, sondern, wenn die sechs Bände vollendet vor uns liegen, soll mir hoffentlich etwas gelungen seyn, was, darauf Bezug habend, das Allgemeine, Würdige und Schickliche ausspräche. Es klingt dieses freylich einigermaßen mystisch, mehr kann ich jedoch nicht sagen und wünsche nur indessen, [67] daß man das, was ich mir vorsetze, als etwas Selbstständiges betrachten und erwarten möge.

Daß Herrn Stieler das Porträt glücklich gelungen und sowohl dem Höchsten Anordnenden als sonstigen Beschauenden Freude macht, bis zu einem Enthusiasmus der Theilnahme, biß ist ein höchst schätzbares Ereigniß; freylich war es zu hoffen und zu erwarten von einem solchen Talente. Ich bin der gültigste Zeuge von seiner Überlegsamkeit, sorgfältiger Wahl und zwar nicht raschem, aber entschiedenen Handeln. Hiezu nun die Unermüdlichkeit, das Erfaßte durch-und auszuführen; wobey denn die Zeit, die darauf verwendet werden mußte, glücklicherweise durch anmuthig-belehrende Unterhaltung auch mir zu Gute kam. Grüßen Sie den werthesten Mann zum allerbesten.

Was den Stich des Bildes betrifft, so müßte nur soviel zu sagen: daß ich mich auf die Künstler über den Alpen bey dieser Gelegenheit am liebsten verlassen würde. So gibt Toschi in Pavia durch seinen Einzug Heinrichs des IV. nach Gérard, sowie durch das Probeblatt einer Nachbildung des Raphaelischen Spasimo di Sicilia das beste Zeugniß von seinen Talenten und einer Mitbewerbung um den Ruhm des vortrefflichen Longhi. Auch ist Anderloni als vorzüglich anzusehen. Ob aber solche Männer, mit wichtigen Arbeiten immerfort beschäftigt, dergleichen Unternehmen selbst eigenhändig ausführen würden, ist noch [68] eine Frage; doch werden Sie ja hierüber noch manche Erkundigung einziehen.

Die von dem guten Neureuther zu erwartenden Blätter geben mir die angenehmste Aussicht; lassen Sie mir die jedesmaligen Probedrücke nicht fehlen. Zugleich aber Verzeihung einer Anfrage: Sollte denn keine Hoffnung seyn, den belobten und beliebtenCharon auf irgend eine Weise anständig und eindringlich vervielfältigt zu sehen; sollte denn ein, auf eine so fördernde Anregung, glücklich entstandenes Kunstwerk im Verborgenen bleiben, da so vieles an den Tag kommt, das man ansieht und nicht weiß, warum oder wozu es da ist.

Herrn Baron v. Hormayr bitte, mit den schönsten Empfehlungen, mich möglichst zu entschuldigen. Es bleibt mir, bey genauster Übersicht, zu Neujahr nichts übrig, als mich, in Bezug auf Briefwechsel, für insolvent zu erklären. Der große Unfall, der uns betraf, hat mir zwey Monate fortschreitender regelmäßiger Thätigkeit geraubt, die sich nicht wieder eindringen lassen. An welche Stelle des königlichen Staats-Dienstes ist dieser würdiger Mann aufgenommen worden?

Nun aber lassen Sie mich eine wichtige Betrachtung mittheilen, zu welcher ich durch Ihre neuliche erwünschte Gegenwart veranlaßt worden. Männer, die in so bedeutenden Lebensverhältnissen verbunden sind, sollten nicht so lange anstehen, sich persönlich zu [69] nähern und mündlich zu besprechen. Entfernung entfernt die Gemüther, es sey wie ihm wolle; ein Augenblick der Gegenwart hebt alle die Nebel auf, die sich in der Weite nur gar zu leicht vermehren und verdichten.

Ihrer Frau Gemahlin bitte von uns die angelegentlichsten Empfehlungen zu vermelden, mit der Versicherung, es sey unser bester Wunsch: Sie möge die gleichen Eindrücke mitgenommen haben, die sie bey mir, nicht weniger bey meiner guten Schwiegertochter zurückgelassen hat.

Ew. Hochwohlgeboren auf Ihrer Rückreise von Berlin bey uns zu sehen, wäre freylich von dem höchsten Werthe gewesen; doch durfte ich es nicht einmal wünschen, weil in dieser Jahreszeit die Wege über den Thüringer Wald schwer und unbequem zu passiren sind.

Mich aber und abermals angelegentlichst empfehlend.

Weimar den 30. November 1828.

J. W. v. Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1828. An Johann Friedrich Cotta. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8758-B