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An Christiane Vulpius

Verdün d. 10. Octbr. 1792.

Deine Briefe hab ich nun alle, mein liebes Herz; das Packet das solange aussenblieb hab ich auch erhalten und zwar in einem Augenblicke wo ich große Langeweile hatte. Ich war recht vergnügt soviel von dir zu lesen.

Die Freude über das Judenkrämchen kann ich mir vorstellen. Ich mache mir Vorwürfe daß ich nicht Spielsachen für den Kleinen eingepackt und den Sohn über die Mutter vergessen habe, er soll nun auch was haben, entweder bring ichs mit oder schicke es voraus.

Du wirst nun wohl schon wissen daß es nicht nach Paris geht, daß wir auf dem Rückzuge sind. Vielleicht bin ich wenn du diesen Brief erhältst schon [29] wieder in Deutschland. Der Krieg geht nicht nach Wunsch, aber dein Wunsch wird erfüllt mich bald wieder nahe zu wissen.

Ich habe viel ausgestanden, aber meine Gesundheit ist ganz fürtrefflich, es fehlt mir nicht das mindeste und an Hypochondrie ist gar nicht zu dencken. Du wirst einen recht muntern Freund wieder kriegen.

Du hast wohl gethan mir nichts vom Übel des kleinen zu schreiben biß es vorbey war. Ich wünsche euch beyde bald wieder zu sehen und euch an mein Herz zu drücken.

Wenn ich dir etwas schrieb das dich betrüben konnte so mußt du mir verzeihen. Deine Liebe ist mir so kostbar daß ich sehr unglücklich seyn würde sie zu verlieren, du mußt mir wohl ein Bißchen Eifersucht und Sorge vergeben.

Ich hoffe du bist nun in Helmershaußens Quartier, auf alle Fälle habe ich dem Herrn G. Ass. Rath ein Wort geschrieben. Ich hoffe biß ich komme soll die Treppe und der Haußplatz auch fertig werden und alles recht einladend und gemüthlich seyn. Es wird eine recht gute Zeit werden wenn wir uns wieder sehen.

In wenig Tagen hoffe ich dir wieder näher zu seyn und du erhältst wieder einen Brief. Nun wirst du ja auch wieder in die Comödie gehen und die Abende wenigstens eine kleine Lust haben.

Lebe wohl, küße den Kleinen und sey vergnügt in deinem Hauswesen.

[30] Diesen Brief schreibe ich dir aus Verdün wo ich mich einmal wieder im trocknen bey einem Caminfeuer erquicke.

Venus ist sehr kranck und auch in der Stadt. Das Wetter ist entsetzlich und der Koth überall abscheulich.

Gedencke mein und lebe wohl.

Verdün d. 10. Octbr. 1792.

G.


Luxenburg d. 15. Octbr.

Wir mußten eilig aus Verdün und nun sind wir seit vorgestern in Luxenburg, in wenig Tagen geh ich nach Trier und bin wahrscheinlich vor Ende dieses Monats in Franckfurt. So bald ich dort ankomme schreib ich dir.

Wie froh ich bin zurückzukehren kann ich dir nicht ausdrücken, das Elend das wir ausgestanden haben läßt sich nicht beschreiben. Die Armee ist noch zurück, die Wege sind so ruinirt, das Wetter ist so entsetzlich daß ich nicht weiß wie Menschen und Wagen aus Franckreich kommen wollen.

Wir wollen es uns recht wohl seyn lassen wenn wir nur erst wieder zusammen sind. Lebe recht wohl, liebe mich und küsse den Kleinen.

Schreibe mir nur nicht eher biß du einen Brief aus Franckfurt erhältst. Es ist gar schön daß ich hoffen kann dir bald näher zu kommen.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1792. An Christiane Vulpius. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8752-8