[322] 9/2927.

An Johann Friedrich Reichardt

Es war nicht ganz recht, daß Sie nach Ihrer Rückkunft mir nicht einige Nachricht von Ihrer Reise gaben und daß ich, da ich Sie noch tief in Frankreich[322] glaubte, von andern Leuten erfahren mußte Sie seyen schon lange wieder zu Hause angekommen.

Vor meiner Abreise nach den kriegerischen Gegenden war meine Absicht Ihnen nochmals zuschreiben, und Sie beschleunigen diesen Entschluß durch Ihren Brief für den ich Ihnen danke.

Es freut mich, daß Sie Ihre alte Neigung zum Cophta noch nicht verlohren haben, und daß Ihnen die Vorstellung in Lauchstädt nicht ganz mißfallen hat, ich werde es wenigstens alle Jahre einmal als Wahrzeichen aufführen lassen. Die übrigen deutschen Theater werden sich aus mehr als einer Ursache davor hüten. Wie leicht würde es nun seyn eine Oper daraus zu machen, da man nur auslassen und reimen dürfte, man brauchte, weil die Geschichte bekannt ist, wenig Exposition, und weil das Lustspiel schon Commentar genug ist, wenig Ausführlichkeit. Allein da man das deutsche Theater und Publikum von innen und von außen kennt, wo soll man den Muth hernehmen auch nur zu einer solchen Arbeit und sollten Sie Ihre Bemühungen abermals verlieren, wie es bey Erwin und Elmire und bey Claudinen gegangen ist, die man auf keinem Theater sieht; die politischen und Autor-Verhältnisse, welche der Aufführung des Großcophta entgegen stehen, würden eben so gut gegen die Oper gelten und wir einmal wieder einen Stein in den Brunnen geworfen haben. Ich schreibe jetzt wieder ein paar Stücke die sie nicht aufführen [323] werden, es hat aber nichts zu sagen, ich erreiche doch meinen Zweck durch den Druck indem ich gewiß bin mich auf diesem Wege mit dem denkenden Theil meiner Nation zu unterhalten, der doch auch nicht klein ist.

Genießen Sie der Ruhe die Ihnen gegeben ist und erfreuen sich des Lebens mit den Ihrigen. Ginge nicht meine Reise in wenigen tagen südwärts, so besuchte ich sie gewiß, in der Zeit wenn Schuckmann zu Ihnen kommt, den ich von Herzen liebe und ehre. Grüßen Sie ihn ja aufs beste von mir.

Ich dachte Ihnen aus meinen neuren kleinern Gedichten vor meiner Abreise etwas auszusuchen; es ist aber doch ganz und gar nichts Singbares darin. Es scheint nach und nach diese Ader bey mir ganz aufzutrocknen. Sie würden sich aber auch darüber nicht wundern, wenn Sie meine neue Camera obscura und alle die Maschinen sähen, welche von Zeit zu Zeit bey mir entstehen. Es ist im Grunde ein tolles und nicht ganz wünschenswerthes Schicksal, so spät in ein Fach zu gerathen, welches recht zu bearbeiten mehr als Ein Menschenleben nöthig wäre. Leben Sie recht wohl und grüßen Sie die Ihrigen.

Weimar den 29. July 1792.

Goethe. [324]

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1792. An Johann Friedrich Reichardt. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7DFF-F