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An Joseph Carl Stieler

Von München kommt uns, mein theuerster Herr, so viel Gutes und Angenehmes, daß ich mich eilen muß davon Anzeige zu thun und bestens zu danken, um nicht allzutief in Schuld zu gerathen. Die so schön gearbeiteten lithographischen Blätter, so würdige als wohlgebildete Personen vorstellend, gereichten zu Vergnügen und Bewunderung aller; auch verfehlt mein Sohn nicht, auf das traulichste zu danken für das ihm zugedachte Blatt der königlichen Dame.

Herrn Inspector Dillis bitte für die mitgetheilten Radirungen verpflichtet zu danken. Gerade solche, kaum bedeutend scheinende Gegenstände, glücklich aufgefaßt und mit Geschmack wiedergegeben, setzen mich in die angenehmste Empfindung; man gelangt zum Mitgefühl, wie der Künstler, indem er sich mit dergleichen beschäftigte, einer wünschenswerthen Gemüthsruhe genossen und solche der Landschaft, dem Himmel, der Erde, Bäumen und Baulichkeiten, nicht weniger dem Wasser mitzutheilen gewußt habe.

Vielleicht überliefert der Poet nicht so unmittelbar seine innern Zustände als der Maler, der, ohne im mindesten daran zu denken, uns zu seinen Gesellen macht und die Welt durch seine Augen und seinen Sinn anzusehen nöthigt.

[61] Wie soll ich mich aber in der allerliebsten Gesellschaft halten und ausnehmen, in welche mich eine ganz besonders höchste Gunst einzuführen beliebte. Ihro Majestät aber haben die Gabe von Gott, das Große und Einzige auch eben mit soviel Anmuth zu thun und auszuführen, daß man über dem Vergnügen, das eine solche Handlung erweckt, beynahe die Höhe und die Macht desjenigen vergessen dürfte, der allein dergleichen zu verleihen im Stande ist.

Gedenken Sie meiner zum besten, wo es Gelegenheit gibt! Sie haben so tief und genau in unsre Zustände hineingesehen, daß Sie immer überzeugt bleiben werden, wie nöthig mir künstlerische Mittheilungen sind, und wie ich alles dasjenige zu schätzen weiß, was mir vor Augen kommt und irgend mit mir in Berührung tritt.

Empfehlen Sie mich daher der bayerischen Künstlerwelt auf's beste und fahren Sie fort geneigt zu veranlassen, daß von der dortigen großen Thätigkeit auch mir einiger Theil werde.

Die Witterungs-Angelegenheiten betreffend so bemerke, daß die Augsburger Hefte bey unsern Anstalten schon vorhanden sind. Was in diesem Fache mir sonst wünschenswerth wäre, vermelde nächstens, sobald ich meine Gedanken wieder dahin richten darf.

Dem werthen, immer mehr anerkannten Herrn Professor Gruithuisen empfehlen Sie mich zum schönsten; [62] wie ungern vernehm ich seine nicht günstigen Gesundheitszustände. Auch den theuren Boisserées sagen Sie das Beste. Wenn ich mich nach entfernten Freunden umsehe, so thut es mir diese Zeit her gar zu weh, daß Freund Sulpiz gerade in dem Augenblick, wo durch mannichfaltiges Zusammentreffen sein Schicksal die günstigste Wendung nimmt, ihm nicht auch Gesundheit zu statten kommt, die uns denn doch eigentlich das Gute genießen läßt. Versichern Sie ihn meiner treusten Theilnahme.

Und nun zum Schluß noch einen Auftrag, der Sie selbst interessiren wird; in München lebt ein Opticus Namens Nickel, welcher die Glasplättchen und Cuben, nicht weniger die Maschinen, wodurch jene Erscheinungen bey Spiegelung hervorgebracht werden, sehr gut und brauchbar zu verfertigen weiß; möchten Sie sich bey ihm erkundigen: ob er dergleichen vorräthig hat? oder auf Bestellung verfertigt? ob er irgend die Preise anzeigen möchte, wofür er dergleichen Apparat abzulassen geneigt wäre? Es ist der Mann, der Ihnen das weiße und schwarze Kreuz, für das Sie sich bey mir interessirten, am besten darstellen kann.

Hier aber will ich schließen, damit diese, schon einige Tage ruhenden Blätter, von den treuesten Wünschen und der aufrichtigsten Theilnahme begleitet, endlich an Sie abgehen. Wozu ich doch noch nie freundlichsten Grüße an Herrn v. Martins beyzufügen nicht unterlasse.

[63] Sowie ich von seiten meiner und der Meinigen Ihre theure Lebensgefährtin des lebhaftesten Antheils zu versichern bitte.

Treu ergeben

Weimar den 20. November 1828.

J. W. v. Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1828. An Joseph Carl Stieler. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7AFF-D