22/6296.

An die Königl. SächsischeStift-Merseburgische Regierung

[Concept.]
Hochwohlgeborne und Wohlgeborene
Höchst- und Hochzuverehrende Herren.

Nach Ew. Hochwohl- und Wohlgeb. geäußerten Wunsche haben wir sogleich, nach dem Empfang Hochdero [328] verehrlichen Schreibens, die Angelegenheit nochmals in Überlegung gezogen und von allen Seiten betrachtet, und es sey uns erlaubt, unser Verhältniß zuvörderst mit Offenheit darzustellen und zur Erwägung anheim zu geben.

Ew. Hochwohl- und Wohlgeb. sind seit mehreren Jahren selbst Zeuge gewesen, welche Schwierigkeit es habe, wenn auch nur an einem Orte die meisten Tage der Woche ein interessantes Schauspiel geleitet werden soll. Bey der sichersten Einrichtung und dem besten Willen sieht man sich öfter in dem Fallen, statt einem vorzüglicheren Stück ein geringes Stück zu geben und dadurch, zu eigenem Leidwesen, bey dem Publicum eine verdrießliche Stimmung zu erregen. Das Unangenehme dieser Lage vermehrt sich mit jeder neuen Bedingung, wenn jeden Tag der Woche, oder gar an zwey Orten zu spielen wäre. Nimmt man an, daß in solchem Falle bey dem Hin- und Wiederreisen der Schauspieler so manche unangenehme Zufälligkeit eintreten kann, so läßt sich die Möglichkeit wohl einsehen, wie man, anstatt ein doppeltes Publicum zu befriedigen, keinem von beyden genug thun werde, wobey man durch Transport, Zuschüsse und Entschädigungen sich noch überdies in pecuniären Schaden versetzt sehen könnte.

Als wir nun, in Betracht früherer Verhältnisse eine solche Gefahr und Beschwerde zu übernehmen nicht ungeeignet waren, durften wir hoffen und erwarten[329] daß ein solches Anerbieten mit vorzüglichen Begünstigungen möchte erwiedert werden.

Die im Gegentheil aufgeregten, mehr auf glückliche Zeiten passenden Bedingungen mußten uns, nicht sowohl auf unseren Vortheil, als auf die schwere von uns zu übernehmende Pflicht aufmerksam machen, da uns denn gar nicht entgehen konnte, daß eine Vermehrung unseres Personals nöthig seyn würde, wenn wir sowohl Halle, als Lauchstädt befriedigen und mit Ehre an beyden Orten bestehen wollten. Dieses setzt aber eine Aussicht auf längere Zeit, und bey so vielen Schwierigkeiten eine geneigte Bey- und Nachhülfe voraus.

Sollte man aber wegen der Spieltage selbst an beyden Orten gebunden und an dem einen nur auf einen Sommer gleichsam zum Versuche aufgenommen seyn, so würde sich bey einer sehr unbequemen Gegenwart keine Einrichtung für die Zukunft lassen. In diesen Betrachtungen werden Ew. Hochwohl- und Wohlgeb. uns gewiß nicht verargen, wenn wir den Antrag in Lauchstädt auf bemerkte Weise diesen Sommer eine Anzahl Vorstellungen geben, geziemend ablehnen. Wir glauben dieses um so eher thun zu dürfen, als sich Lauchstädt, wie die Sache gegenwärtig liegt, in dem besonderen Vortheil befindet, ein geräumiges Schauspielhaus bey sich errichtet zu seyen, welches von einer jeden antretenden Schauspielgesellschaft, mit der wir wegen des Locariums billigmäßige [330] Abfindung zu treffen geneigt sind, sogleich genutzt werden kann; so wie es denn auch nicht fehlen dürfte, eine solche Gesellschaft zu deren Aufnahme Ew. Hochwohl- und Wohlgeb. schon allergnädigst autorisirt sind, aufzufinden, und zur völligen Zufriedenheit der Badegäste und der Nachbarschaft daselbst auftreten zu lassen.

Wir werden nicht verfehlen, zu Entrichtung der Realgaben, als des Canons an 5 Rthlrn., ingleichen der Baubegnadigungsgelder an 2 rh. 12 gr. so wie der Brand-Affecurationscasse-Gelder vom Hause den nöthigen Befehl zu ertheilen, dahingegen alles übrige, was wegen der Vorstellungen, als der Beytrag zu dem Lauchstädter Brunnen-Armeninstitute, und was sonst zeither entrichtet worden ist, wohl von der neuauftretenden Gesellschaft zu leisten seyn wird.

Wir können das Gegenwärtige nicht schließen ohne die Versicherung, daß es uns unendlich leid thut, nicht Hochdero Willen in allem befriedigen zu können. Wie wir denn unsern lebhaften Dank für die bisher erzeigte Geneigtheit abermals auszusprechen nicht verfehlen und die Bitte hinzufügen, uns dieselbe auch in der Folge, da wir uns wegen des, mit vieler Anstrengung erbauten Schauspieles immer als jenem Lande verbunden und verpflichtet ansehen, zu erhalten. Es geschieht dieses mit desto größerer Zuversicht, als Hochdieselben durch die Äußerung, daß mit einer neuen Gesellschaft nur auf einige Jahre contrahirt werden [331] solle, uns die Aussicht offen lassen, an den geliebten und gewohnten Ort wieder zurückzukehren und die verehrten und geschätzten Verhältnisse wieder anzuknüpfen.

Die wir indessen Denenselben angenehm zu dienen bereit und geflissen beharren.

Sig. Weimar den 9. April 1812.

Commissio.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1812. An die Königl. SächsischeStift-Merseburgische Regierung. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7589-E