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An Johann Heinrich Merck

Endlich kann ich dir das Spezimen schicken, worauf ich dich so lange vorbereitet habe. So wenig es ist, hat es mir viel Plage gemacht, bis ich es habe so zusammen bringen können. Der junge Mensch, der[409] die Zeichnungen gemacht hat, heißt Waiz und ist ein Zögling unserer Akademie. Du siehst, wie gut er sich anläßt und was man von ihm hoffen kann.

Da ich Euch diese Blätter nur zum Versuch schicke, so habe ich die besten Zeichnungen, die nach der Camperischen Methode gemacht sind und jedesmal das os intermaxillare von drey Seiten entweder in natürlicher Größe, oder nach einem gewissen Maasstabe verkleinert vorstellen, zurückbehalten, und mache mir nun, wenn ich meine Abhandlung weiter ausführe und ich nicht etwa veranlaßt werde, einen Theil davon in Kupfer stechen zu lassen, ein Exemplar davon und lege es bey.

Die lateinische Übersetzung ist in der Absicht gemacht worden, daß Camper das Werkchen sehen soll. Du wirst am besten beurtheilen, in wiefern er eine Rektifikation seiner Meinung von einem Layen gut aufnehmen möchte, wenn du es ihm überschickst, so gebe ich dir Carte blanche, ihm von mir an Artigem und Verbindlichem zu sagen, was du Lust hast, und ihm zugleich für seine Büste zu danken. Sie ist unzerbrochen, aber fleckicht angekommen, denn die Eichenspäne worin sie gepackt war, waren naß geworden. Sie macht mich nur neugieriger, diesen Mann kennen zu lernen.

Noch wünschte ich, daß mein Opus auf der Reise zu Campern bey Sömmeringen durchginge. Schicke es ihm also so bald als möglich zu, daß er es weiter[410] spediere. Ich habe ihm geschrieben, daß er etwas von dir zu erwarten hat. Das Eigenthum des Manuskriptes selbst überlaß ich dir. Du magst es nun für dich behalten, oder Campern abtreten wollen.

Nun sey aber auch thätig und hülfreich, daß ich bald einen Beytrag von Schädeln erhalte, wenn es auch nur zum Abzeichnen ist. Denn ich möchte gar zu gerne eine vollständige Suite von Zeichnungen dieses Knochens beysammen haben.

Ich füge ein Verzeichniß bey von denen Schädeln, die schon in dieser Absicht gezeichnet sind. 1 Hauptsächlich bitte ich dich auf das inständigste um die Myrmekophaga und um den Rhinozeros, es soll dir nichts daran versehrt werden.

Wie artig sich von diesem einzelnen Knöchlein wird auf die übrige vergleichende Knochenlehre ausgehen lassen, kannst du wohl einsehn und wird sich in der Folge mehr zeigen.

Auch bitte ich dich, wenn du etwas Tüchtiges über den Elephantenschädel unter deinen Papieren hast, mir es nicht vorzuenthalten, besonders eine deutliche Auslegung eurer neuesten Meinung über die Backzähne. Ich habe einen Casselschen Elephantenschädel hier gehabt, an dem fast alle Suturen noch [411] sichtbar sind. Ich habe ihn von vier Seiten zeichnen lassen, werde ihn kürzlich kommentiren und Sömmering eine ihm versprochene Kopie schiken, die du dann auch sehen sollst.

Es liegen auch ein Paar von meinen Kritzeleyen für dich bey. Vielleicht kann ich dir bald etwas Besseres schicken. Wenigstens hab ich neuerdings einige Zeichnungen gemacht, die besser sind. Die Blätter, worauf hinten meiner Mutter Nahme steht, schicke ihr doch zu.

Schreibe mir etwas vom Herzog. Ich möchte von dir ein aufrichtig Wort über ihn hören und überhaupt, was er für Sensation bey euch gemacht hat.

Lebe wohl. Grüße Frau und Kinder. Mir geht es gut. Adieu.

G.


NB. Ich habe in meiner Abhandlung zu sagen unterlassen, daß schon bey Affen sich Fälle finden, wo die äußere Sutur des ossis intermaxillaris kaum sicht bar ist. So ist der Schädel einer Meerkatze, von dem ich dir schrieb, und den ich vor mir habe; man muß ihn gegen das Licht halten, wenn man die Sutur sehen will. Wahrscheinlich war es auch mit dem Affen so, den Tyson zergliedert hat.

Weimar d. 19. Dez. 1784.


Note:

[412] [411]1 Reh, Ochse, Trichechus rosmarus, Pferd, Babirussa, Fuchs, Löwe, weißer nordischer Bär; Affe, vom Elephanten der ganze Schädel.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1784. An Johann Heinrich Merck. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-73AF-4