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An Carl Friedrich von Reinhard

Seyn Sie mir also, verehrter Freund, in der Nachbarschaft willkommen! Vielen Dank daß Sie mich aus meiner Ungewißheit gezogen. Wären Sie doch einige Tage früher nach Frankfurt gekommen, so hätten Sie meine Frau angetroffen, die sich sehr glücklich gefunden hätte, Ihnen und Ihrer Frau Gemahlin wieder zu begegnen. Lassen Sie uns nun wegen unserer Zusammenkunft nähere Abrede nehmen. In diesen letzten Tagen war unsre kleine Theaterwelt in einer starken Krise, woran sogar das Publicum [229] Theil nahm. Es wird zwar nicht schwer seyn alles wieder in die rechten Fugen zu rücken; doch kann ich mich in der ersten Zeit nicht entfernen, auch steht es zwar mit meiner Gesundheit ganz leidlich, doch möchte ich mich gerade in dem Augenblick nicht auf den Weg machen. Eine Stelle Ihres Briefes verstehe ich nicht ganz: es scheint mir als sollte ich etwas ostensibles schreiben und Sie zu einer Zusammenkunft einladen. Haben Sie die Güte sich näher zu erklären und ich will recht gerne thun was erforderlich ist. Lassen Sie uns indessen, und wenn es auch nur kurze Briefe sind, lebhafter wechseln.

Es freut mich, daß Sie sich entschließen konnten und mußten wieder in Thätigkeit zu treten. Unter einem solchen Heerführer wer möchte da nicht streiten und wenn es auch mit Aufopferung und Unbequemlichkeit geschähe.

Also ist das wunderbare Wort des Kaisers womit er mich empfangen hat, auch bis zu Ihnen gedrungen? Sie sehen daraus, daß ich ein recht ausgemachter Heide bin, indem das Ecce homo im umgekehrten Sinne auf mich angewendet worden. Übrigens habe ich alle Ursache mit dieser Naivität des Herrn der Welt zufrieden zu seyn.

Da es Ihnen, wenn ich Ihre Lage betrachte, nothwendig seyn möchte sich selbst in Cassel erst einzurichten und umzusehen, ehe Sie sich, und wär' es auch nur auf einige Tage, von dort entfernen, so [230] unterdrückte ich im so eher meine Ungeduld die ich habe Sie wiederzusehen. Auf alle Fälle erfahre ich bald von Ihnen. Empfehlen Sie mich Ihrer Frau Gemahlin und nehmen Sie sich ein hübsches Quartier, damit Sie Ihren Rhein nicht gar zu sehr vermissen. Doch höre ich die Wohnungen sind sehr theuer. Frau von Wolzogen empfiehlt sich mit und vor andern Freunden auf das beste. Ich bitte um eine förmliche Adresse.

Weimar den 2. December 1808.

Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1808. An Carl Friedrich von Reinhard. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7392-2