31/183.

An Christoph Ludwig Friedrich Schultz

Weimar den 15. Juni 1819.

Wie sehr uns die Sendung des Herrn Raabe und die demselben ertheilten chromatischen Aufträge erfreut haben, werden Sie aus dem beiliegenden Aufsatz sehen, den wir ihm mit den besten Segenswünschen als Lebewohl zustellen. Sie werden das von und Gesagte völlig einstimmig finden mit dem, was Sie selbst für räthlich und nützlich hielten, auf das nächste Bedürfniß hindeutend und zu einiger Bequemlichkeit anleitend. Freilich wäre ein längerer Aufenthalt bei uns nöthig gewesen, um kurz, jedoch theoretisch zusammenhängend, auszusprechen, was eigentlich gesucht und gewünscht wird. Indessen wird er gewiß, talentvoll, durch eigenen Instinct geleitet, manches Erfreuliche zurückbringen. Den hiedurch gemachte Anfang halte ich indessen für unschätzbar; denn niemand kann wissen, was hiedurch angeregt wird. Sobald einmal von oben Geister und Hände bereit, aus Gehorsam, Glauben, Zutrauen, und endlich aus Überlegung zu handeln. Mich selbst haben Ihre einsichtigen Worte aus dem Schlafe des Unglaubens [182] geweckt. Ich werde diese Tage nach Mailand schreiben, wo sich gerade zu unseren Zwecken kostbare Bilder befinden, die uns durch die Pinacoteca del Palazzo Reale delle Scienze e delle Arti di Milano bekannt geworden. Ich will suchen, daß man Aquarellcopien in mäßiger Größe (die Figur etwa einen Römischen Palm hoch) auf weiß Papier erst getuscht, dann angefärbt erhalte. Ist der Preis billig und der erste Versuch gerathen, so gebe ich Nachricht, und Sie verschaffen sich auch vielleicht dergleichen durch meine Vermittelung. Möchten Sie auf ähnliche Weise auch unsere Farbenlehre in's Leben einführen und zur Anschauung bringen! Mein einziger Wunsch war, die Erscheinung zu sondern, zu ordnen, und nur erst erfreulicher Bekanntschaft näher zu führen. Wenn Seebeck nach Jena kommt, werde ich ihm zur Pflicht machen, sobald er in Berlin wirklich scientifischen Fuß gefaßt hat, einen Apparat bei der Akademie anzulegen, durch welchen sämmtliche Versuche wenigstens dargestellt werden können. Nehmen Sie sich der physiologischen an, Seebeck der physische, so wird sich ja wohl auch Chemiker finden, der vorurtheilsfrei hier eingriffe. Döbereiner in der neuesten Ausgabe seines chemischen Lehrbuchs deutet schon dahin. Die Sache ist freilich schwer, die Elemente einfach, die Anwendung unendlich. Das Verzeichniß eines nöthigen Apparats gebe ich Dr. Seebeck mit, in der sicheren Hoffnung, daß Sie ihn beiderseits beleben werden. Denn freilich ist [183] ein Apparat auch nur wie Pinsel und Palette: wer mahlt aber gleich! Und so hat mich dieser Tage doch ein englischer Mahler, indem er mich abschilderte, sehr angenehm unterhalten. Er war begründeter und unterrichteter, als Künstler zu sein pflegen, praktisch gewandt und auf alles praktisch Brauchbare wie die Katze auf die Maus. Die Hauptlehre vom Trüben ergriffe er mit Freude; er hatte das längst geübte und brachte schnell auf seiner Palette eine Mischung hervor, die er über Schwarz und Weiß zog; dort erschien ein Bläuliches und hier ein Gelbliches, Er versicherte, von nun an diesen Kunstgriff zu besonderem Vortheil anzuwenden. Ich verehrte ihm eine klare Glasphiole mit einer Infusion, die ich Döbereiner schuldig bin, die im Effect, das herrlichste Urphänomen hervorzubringen, alles übertrifft, was vom lignum nephriticum erwartet. Kommt dieser Mann, Dawe genannt, nach Berlin, so gehen ihm freundlich entgegen. Sie werden ihn als Künstler, als Engländer, der freilich um des Gewinnstes willen reis't, als gebildeten, unterrichteten, eine gewisse eigenthümliche Naivetät nicht verläugnenden Mann sogleich beurtheilen.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1819. An Christoph Ludwig Friedrich Schultz. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7159-5