6/1969.

An Charlotte von Stein

Zellerfeld d. 11. Aug. 84.

Wäre ich weiter von dir, nur auf einer sicherern Postroute, entfernt, so hätte ich Hoffnung daß dieser Brief schneller als ietzo geschehen wird zu dir kommen könnte. Wir sind hier glücklich angelangt und haben das schönste Wetter, besteigen die Berge und sehen uns in der weiten Welt um, du hast ausser den Steinen keine Nebenbuhlerinn und ich wünschte dich zu denen schönen Tagen hierher.

Du hast nun ich hoffe den Anfang des Gedichtes[334] den ich dir durch Herders schickte, du wirst dir daraus nehmen was für dich ist, es war mir gar angenehm dir auf diese Weise zu sagen wie lieb ich dich habe.


d. 13ten früh.

Gestern sind wir von Morgens fünfe in Bewegung gewesen und haben noch Abends mit einem Soupee beym Berghauptmann v. Reden geendigt ich schreibe dir dieses unterm Frisiren, denn heute giebts wieder Bewegung genug. Es wird in die Gruben eingefahren ein beschwerlicher Weeg der mir sehr lehrreich seyn wird. Auf Höhen und in Tiefen schicke ich dir meine Gedancken zu und freue mich die Berge wieder zu sehen die ich schon vor Jahren mit Sehnsucht zu dir im Herzen bestiegen habe. Meine Gedancken gehen immer darauf dir was ich gesehen zu erzählen oder dir etwas zu dichten das dich erfreuen könnte. Ich dencke fleisig an den Plan des Gedichtes und habe ihn schon um vieles reiner, wenn uns Regenwetter oder sonst ein Unfall begegnet, so fahre ich gewiß weiter fort. Ich kann dir versichern daß ausser dir Herders und Knebeln ich ietzt gar kein Publikum habe. Krause zeichnet ganz fürtrefflich und ich bin recht glücklich daß ich dir die schönen Gegenstände so schön gezeichnet mitbringen kann, mit meinen Spekulationen gehts immer vorwärts und ich komme gewiß und balde auf den rechten Punckt. Das Wetter ist ganz köstlich, und es fehlt mir nichts als Briefe von dir.

[335] Mögtest du diesem Blat recht anfühlen wie lieb du mir bist und wie meine einzige Aussicht ich mag eine Höhe ersteigen welche ich will, dein süser Umgang bleibt.


d. 13. Nachts.

Heute Abend hoffte ich mich recht mit dir zu unterhalten ich hoffte um 3 Uhr zu Hause zu seyn, und verschiednes zu arbeiten. Jezt ists eilfe und ich kann dir nur eine gute Nacht sagen. Gute Nacht Lotte erinnre dich wie offt ich dir eine herzliche gute Nacht geboten habe.


d. 14. früh.

Ich muß dir wieder unter dem Frisiren schreiben und es wird wohl ziemlich das lezte seyn. Heute geht es nach einem hohen Berge wo eine schöne Klippe zu sehn ist und morgen nach Goslar hinunter.

Es ist hier so viel interessantes daß ich wohl eine Zeit hier bleiben und mich unterrichten mögte, mein Lottgen müsste aber auch in Zellerfeld wohnen daß ich sie Abends fände wenn ich müde nach Hause käme.

In meinen Spekulationen bin ich auch glücklich, ich finde überall was ich suche und hoffe den Ariadneischen Faden balde zu besitzen mit dem man sich aus diesen anscheinenden Verworrenheiten herauswinden kann.


Abends.

Nur noch eine gute Nacht! Liebste Lotte. Morgen früh gehts zeitig von hier ab nach Goslar. Krause [336] hat heute wieder sehr schön gezeichnet und wenn ich die Gegenstände die wir sehen auf seinem Papiere wachsen sehe freu ich mich nur immer daß ich dir sie werde zeigen daß ich dir ein Theil an unsern schönen Stunden geben kann.

Ich habe keine Sorge als dich zu verlieren, und wenn ich dencke daß du mir bleibst, scheint mir alles in der Welt auszuhalten, habe ich auch Muth zu allem.

An dem Gedichte habe ich bin und her gesonnen, geschrieben nichts wieder.

Die Operette ist auch bald fertig, daran manche ich eine Arie oder ein Stück Dialog wenn ich sonst gar zu nichts tauge.

Adieu liebste Lotte nun fangen mir an deine Briefe zu fehlen, vielleicht finde ich etwas in Braunschweig.

Du erhälst von daher auch bald Briefe von mir. Lebe wohl, liebe mich.

G.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1784. An Charlotte von Stein. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-6CE9-E