44/167.

An Friedrich Jacob Soret

Schloß Dornburg den 14. Juli 1828.

Zuvörderst also, mein Theuerster, zu Beantwortung Ihrer Anfrage:

Staub-Beutel. L'anthére (anthera) est une sorte de bourse portée par le filet, et qui renferme une poussiére qu'on nomme pollen. Comme le pollen renferme lui-m(me la matiére fécondante, et qu'il est par-conséquent la partie essentielle de l'organe, l'anthére qui le protége et le nourrit, est aussi un organe fort important. De Candolle Organogr. T. I. p. 460.

So weit mit den Worten des Meisters; Sie werden das Werk mit dem größten Vergnügen lesen, wenn Sie sich durch mein abstractes Büchlein durchgearbeitet haben, und sich alsdann gar bald die Wege in's ganze vegetabilische Reich heiter geöffnet sehen.

Der zweyte fragliche Ausdruck: Agrumen ist von mir aus dem Italiänischen herüber genommen worden. Man bezeichnet hiemit die ganze Sippschaft der Citronen, Pomeranzen u.s.w. und hat dadurch [193] den Vortheil, sich eines leichter bezeichnenden Ausdrucks aus dem gewöhnlichen Leben in der Wissenschaft zu bedienen.

Nun aber nehm ich mir die Freyheit, Sie mit einem kleinen Auftrag zu beschweren, indem ich einen Brief beylege den ich aus dem Haag erhielt; die Unterschrift ist mir nicht wohl leserlich, vielleicht wüßten Ihro Königliche Hoheit der Herzog Bernhard mich hierüber aufzuklären, nicht weniger mich über die Titulatur zu belehren, die man diesem Manne zu geben hat, welcher so freundlich eine längst erwartete Sendung an mich zu befördern geneigt ist. Bey welcher Gelegenheit ich dem verehrten Fürsten mich angelegentlichst zu empfehlen bitte.

Die freudliche Anfrage wegen des angekündigten Porträts kann ich leider nicht mit frohem Muthe beantworten. Ich habe die Zeichnung gesehen, ohne mich darüber freuen zu können. Wie es eine Verschönerungskunst gibt, welche Herr Stieler aus dem Grunde besitzt, so scheint eine andere Kunst in's Häßliche zu streben, und man würde sich über solche Parodien menschlicher Bildung nicht beruhigen, wenn man dem heiligen Nepomuk auf so mancher Brücke nicht auch in merkwürdiger Entstellung von jeher hätte begegnen müssen.

Frau Gräfin Henckel und Fräulein Ulrike sind, wie ich höre, gegenwärtig in Wilhelmsthal; sie werden[194] meinen und der Meinigen tief empfundenen Antheil an der Lage Ihro Königlichen Hoheit der Frau Großherzogin wiederholt und aufrichtig ausdrücken. Möge Wilhelmsthal zu Milderung der allgemein lastenden Gefühle das Seinige beytragen.

Was mich betrifft, so find ich mich höchst glücklich, meinen Aufenthalt in Dornburg verlängern zu dürfen. Die den gegebenen Localitäten gemäß schicklich und glücklich angelegten Terrassen sind gegenwärtig so prächtig grün an Zweigen, bunt an Blumen als reinlich gehalten. Ich kam glücklicherweise noch in dem Augenblick, als die große Hitze die Herrlichkeit der Rosenlauben erst zu entblättern anfing.

Unser Geschäft halte ich immerfort, und zwar ganz ausschließlich, im Auge. Herrn De Candolle's Organographie und Herrn Hofrath Voigts Lehrbuch der Botanik, beide erst vor einem Jahr herausgegeben, dienen mir statt einer vollständigen Bibliothek, um die Stellung dieser Wissenschaft in Absicht sowohl des Erkennens als des Denkens, des Ordnens und des Meynens zu übersehen. Dadurch erheitert sich mir gar sehr der freye Blick über dieses gränzenlose Reich und ich finde mich auf mannichfaltige Weise gefördert.

Zu den erwünschten, kaum gewünschten tröstlichen Ereignissen habe ich denn auch zu rechnen daß Herr v. Beulwitz im Namen Ihro Hoheiten mir einen höchst verehrlichen Brief geschrieben, wodurch ich für ein [195] gnädigstes Andenken höchlich verpflichtet werde. Ich will suchen es möglich zu machen, daß eine schuldige Erwiderung unserm vortrefflichen Fürsten auf der Herreise begegne. Ich glaubte sonst immer daß mir Worte zur rechten Zeit nicht fehlen könnten, dießmal aber find ich daß gerade das tiefste Gefühl solcher äußern Hülfsmittel ermangelt.

Sey es mir daher fernerhin vergönnt, durch Sie, mein Theuerster, als durch einen Vermittler zu sprechen und Sie gegenwärtig abermals anzurufen, mich bey Ihro Königlichen Hoheit der Frau Großherzogin zu gnädigstem Andenken zu empfehlen.

Sie sehen, mein Theuerster, aus diesem vollendeten Bogen daß wie gute Gesellschaft sprachlustig, die Einsamkeit schreibselig mache. Nehmen Sie alles Mitgetheilte freundlich auf, es ist durchaus wohlgemeynt, wenn auch der Ausdruck hie und da besser seyn könnte. Und somit zum Schluß die Bitte, bey unserm lieben hoffnungsvollen Herrn Erbgroßherzog meiner in allem Guten zu gedenken.

treu angehörig J. W. v. Goethe.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1828. An Friedrich Jacob Soret. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-6BBE-5