[332] Vesuv. Sicilien. Puzzuoli.

März

d. 19. März 1787.


Alte Lava. Am Fuße. Weiter hinauf hin und her zerstreut. davon konnte ich keinen Deutlichen Begriff faßen.

Lava von 71. Vegetation derselben. Leichtgefloßne Oberfläche einer ältern Lava den grosen Aschenberg herunter. wie gestandne Butter mit Schörl.

Der große Aschenberg schon gegen die Spitze warm und mit Schwefeltheilen fließend.

Das stehende Stück alten Craters, dampfend, beynahe heiß. Fließende Lava, die sich einen langen Hügel hinunter macht auf dem sie in einem Canal wegfließt.

Langsamkeit. wie sie tiefer kommt Wände.

Sie macht sich ein Dach wo sie herausbricht. und arbeitet unter der Kruste. Macht sich Oeßen in wunderlicher Kegelgestalt. Die Kruste sieht wie ein Fladen aus, mit gezackten Riesen. Sehr schön sieht es so frisch aus, weil bald alles mit Asche bedeckt ist und man nachher keine Idee davon hat.

Der glühende Fluß Lava war oben ohngefähr 6 Palmen breit und ging in ein schroffes Thal hinab.

[332] Aus den Oessen über der Mündung pfiff anhaltend Luft und schien wie ein Kochen.

Wir waren auf dem Aschen Berge und dem mittlern Schlunde, starcker Rauch quoll aus der tiefe. Wir waren kaum hinab als er zu tönen und Asche und Steine zu werfen anfing. Die Steine fielen auf dem Kegel nieder und rollten herab. Die Asche regnete lange nachher erst auf uns.

Die Oeßen die ich schon beschrieben besucht ich wieder. Meine Bemerckung ist richtig daß sich die Zapfen durch Sublimation machen.

Schade daß diese Zapfen an der Luft zerfallen, und daß man von den andern schönen Sublimationen, des Sal Ammoniacks, des Schwefels etc. nichts mitnehmen kann. Es verändert sich gleich.

Der Schwefeldampf ist oft sehr beschwerlich, ja unleidlich.

Mancherley Arten Laven hab ich auf ihrer Entstehungsweise ertappt.

Diese eilige Anmerckungen schicke ich mit, hebe sie auf es dient zur Erinnerung.

April

[9. April.]

Der Weg nach Bagaria geht über Kalck Tuf, Kalck Tuf mit Jaspis und andern Berggeschieben, das Haus Valguarneri liegt auf einem Urkalck Felsen, das Belvedere ist auch Urkalck.

[333] Gebürg. Erstes Lager. Muscheln. Corallen. 2. Lager. Muscheln und Kalch. Aufsteigen Kalch Brecia mit rothem Thon hoch – Kalck grau fest. Pietra della Santa Kalckspat. zweifelhaft. Löcher. Striemen. Ursache.

Gipfel. Höhlen. Ziegendreck. Höhle der heiligen. Halle wie andre Kirchen. – Schiff. Vorhof. Beichtstühle. Altäre unten verdeckt. Bäume. Felsen rechts. Löcher. Grotte. Bley Ableitungen. Bindfaden. Inschrift. Hl. im Grabe. Licht. Wasser Gefäß. Altar.

Heilige. Marmorbild. Gesicht und Hände. Liegend in Entzückung, Rechte Hand unter dem Kopf, Ring am kleinen Finger, Armband an der Hand. Lincke Hand an der Brust, voll Ringe die finger, Locken best vergoldet. Natürliche schöne Haare. Kleid, Metall verguldet. Engel der ihr Blumen reicht. Goldne Blumen Krone auf dem Haupt. Gegitter Messing Blumen Drat darüber. Lampen. Maltheser Kreuz.

Elemente der Tollheit des Prinzen Pallagonia.

Menschen. Bettler, Bettlerinnen, Spanier und Sie, Mohren, Türcken, Buckliche, alle Arten verwachsne, Zwerge, Musikanten, Pulchinellen, Soldaten, Antik Kostüm. Götter Göttinnen. Alte französche Kleider, Soldaten mit Patrontasche und Kamaschen.

Thiere. Nur theilweise Pferd mit Menschenhänden,[334] Mensch mit Pferdekopf. Affen. Drachen vor allem und Schlangen dann alle arten Figuren alle arten von Pfoten, verdopplung verwechslung der Köpfe.

Grichische Geschichten mit Zuthaten Chiron und Achill und Pulcinell. Der Spiegel den ein Satyr einem Weib mit einem Pferdekopf vorhält ist das Wapen des Haußes. Dreyeinigkeit in dem zweyten Thor. Caryatiden.

Vasen. Alle Sorten von Monstern und Schnörckeln die unterwärts zu Vasen Bäuchen und Füßen endigen.

1. Dreyeinigkeit. Riesen mit Camaschen. 2. Avenue Balustrade. Piedestale Vasen Gruppen. 3. Mauer als Festung. 4. Egyptische Figur in der Mauer am Thor. 5. Springbrunn ohne Wasser, Monument zerstreute Vasen. Statuen auf die Nase gelegt. 6. Drachen dazwischen Götter NB. Atlas der ein Weinfaß statt der Weltkugel trägt. Alte Laube vollgestellt NB. Bäncke und Laube vom Onckel her. 7. Spielleute Monster Zwerge. 8. Monster Affen.

Vor dem Pallast Kayser in Karikatur mit dem Lorbeerkranz auf einem Zwergen Leib auf einem Delphin sitzend. Hydern und das Gesims. mit kleinen [335] Büsten. Schiefe der Gebäude des Hofs. Zusammensetzung der Gruppen.



Untersätze wenn die Figuren nicht hoch genug waren.


Schon in Palermo bezweifelte ich des Prinzen Pallagonia Originalität, er hat Vorgänger gehabt und Muster gefunden. Auf dem Wege nach Monreale stehen zwey Ungeheuer an einer Fontaine und auf der Salite einige Vasen völlig in seinem Geschmack. Davon künftig mehr.

Hinter Monreale wenn man den schönen Weg verläßt und ins steinigte Gebirge kommt, oben auf dem Rücken liegen Steine im Wege die ich ihrer Schwere und Verwitterung nach für Eisensteine nahm ??

Alles ist bis an die Höhen bebaut und trägt besser oder schlechter. Der Kalckstein zeigte sich roth und die verwitterte Erde an diesen Stellen auch roth. Doch kann ich noch die Menge rothe Thonig kalkige Erde erklären. Der Boden ist sehr schwer als nächste Verwitterung des Grundgebirgs. Kalckiger Thon, ohne Sand. trägt trefflichen Waizen.

Wir fanden alte sehr verstümmelte aber sehr starcke Oelbäume.

Betteljunge der die Aepfelschälen auffrißt. Hunde die von Betteljungen, diese die wieder von alten Bettlern verjagt werden. Handwercksneid. Bettler mit der zerlumpten Toga der sich immer juckt, als Camerier.[336] Einkaufen der Wirthe durch Bettler was man verlangt. Geschichte der 4 Tarinen. Guter Vetturin. der zugleich Stallknecht, Cicerone, Garde, Einkäufer Koch und alles ist. Alcamo gemauert Bette. Schöne Lage über dem Meerbusen. la Sala Marcktplatz für das höhere Gebirg. Auf den Höheren Bergen der Oelbaum Caruba, Fraxinus. 3 Jahre Favata, Grano, Riposo. Grasso fa piu miracoli che i Santi. Der Weinstock wird sehr niedrig gehalten. Der Wein ist sehr mächtig. Großheit der Gegend, hohe Felsen, tiefe Thäler aber Weite und Manigfaltigkeit. Das schöne doppelte Thal hinter Monreale, wo noch ein Felsrücken in der Mitte herzieht. Die fruchtbaren Felder standen grün und still, indeß das wilde Gebüsch aus dem Wege wie unsinnig von Blüten war. Eine Art Linsenbaum Galega ganz gelb. kein grünes Blat zu sehen. der Weisdorn in schönsten Bouqets. An den Aloe bey Palermo hatte ich schon ein Keimen bemerckt das ich für den Vorboten der nächsten Blüte hielt, hier sah ich daß ich mich nicht betrogen hatte. Blutrother Klee, wie ein Amaranth von weitem, Inseckten Orchis. Alpenröslein Cistus. Eine Art Hyazinte mit geschloßnen Klocken. Borazo. Allium. Asphodelus. Hinaufrucken bis Terracina der Gewächse.

Das Wasser das von Segeste herunterkommt bringt ausser Kalcksteinen, viele Geschiebe eines Ouarzgesteins, das ich auf dem Harz und bey Karlsbad schon gesehen. Die Geschiebe sind sehr fest. Ich fand Dunckelblaue, [337] Rothe, Gelbe, Braune verschiedner Schattirungen. Auch Feuerstein Gänge mit anstehendem Marmorsaalband. unter dem Felsen des Tempels finden sich so große Stücke daß ich fast dachte dort sey die Scheidung mit dem Kalck und dem Quarzgebirg. Es ist aber alles zugedeckt mit Rasen. Von diesem Geschiebe sind ganze Hügel eh man nach Alcamo kommt, auch zwischen Alcamo und Segeste. Durch diese Geschiebe und den zermalmten Sand dieser Steinart wird der Boden dorthin lockrer. Auch steht ein Fels am Weg, gedachte Kiesel mit losem Sandbande gebunden. keinen Jaspis fand ich.

NB. des Fenchels zu gedencken wegen der obern und untern Blätter. Man gätet hier sehr fleisig. Die Männer gehen wie bey einem Treibjagen das ganze feld durch.

Inseckten laßen sich nun auch sehn. In Palermo nur Eidexen, wenige Blut Egel, Schnecken nicht schöner gefärbt als unsre vielmehr nur grau.

Tempel zu Segeste.

Ist nie fertig geworden und man hat den Platz um denselben nie verglichen, vielmehr hat man nur den Raum geebnet auf dem man den Tempel bauen wollte, ringsumher den Grund zu den Säulen gelegt. Denn noch jetzt stehn die Stufen an manchen Orten 9-10 Fuß unter der Erde und es ist kein Hügel in der Nähe, von dem Steine und Erdreich hätten herunterkommen[338] können, auch liegen die Steine in einer meist natürlichen Lage, auch findet man keine Trümmer darunter. Die Säulen stehen alle, zwey die umgefallen waren sind wieder hergestellt überhaupt für das ganze Gebäude gesorgt worden.

Die Nebenseiten haben 12 Säulen ohne die Ecksäulen, die vorder und Hinterseite 6, mit den Ecksäulen also 36.

Die Säulen sollten eigentlich keine Basen haben wie man an der Nordseite sieht die fertig ist.

Dieses Profil von der Seite a angesehn sieht aus als wenn die Säulen auf der vierten Stufe aufstünden.

[339] Auch sieht die Ansicht von Norden würcklich so aus obgleich die Lienie b. der Fusboden des Tempels ist.

Auf der Mitternachtseite aber sieht es aus als wenn die Säulen Basen hätten, aber es ist die Ursache weil die Steine welche in die Zwischenräume cc. kommen sollten noch nicht eingesetzt sind ausser in einer Säulenweite. Die Vorder und Hinterseite laßen auch ihre Säulen ansehn als wenn sie Basen hätten eigentlich sind aber nur die Stufen ausgeschnitten, und das bleibende Stück sieht aus oder ist eine Base. Es will mir nicht in die Augen, besonders da die zwey obern Stufen ausgeschnitten sind und also die Base doppelt wird.

Die Zapfen an denen man die Steine transportirt sind rings um den Tempel nicht weggehauen. Es scheint mir auch dies ein Beweiß daß der Tempel nicht fertig geworden. Am meisten aber der Fußboden. Dieser ist von den Seiten herein an einigen Orten mit Platten angegeben, in der Mitte aber steht noch der rohe Kalckfels, höher als das Niveau des angelegten Bodens, kann also nie geplattet gewesen seyn. Auch ist keine Spur einer innren Halle.

Noch weniger ist der Tempel mit Stucc überzogen gewesen. Die Vorsprünge an den Platten der Kapitäle möcht ich dahin erklären.

Er ist aus Kalckstein gebaut der sehr ausgefressen ist und einem Travertin ähnlich sieht. Jetzt (seit 81) ist er restaurirt.

[340] Die großen besondern Steine deren Riedesel erwähnt könnt ich nicht finden, sie sind wohl zu Restauration der Säulen gebraucht worden.

Die Coupe der Steine ist sehr einfach aber schön.

Vom Ganzen sag ich nichts das muß Houels Werck besser kennen machen als Worte.

Die Lage ist sonderbar, am höchsten Ende eines weiten langen Thales auf einem isolirten Hügel, sieht der Tempel über viel Land in eine weite Ferne, aber nur in ein Eckgen Meer.

Die Gegend ruht in trauriger Fruchtbarkeit.

Alles bebaut und fast nicht bewohnt.

Auf blühenden Disteln schwärmten unzähliche Schmetterlinge, und Wilder Fenchel stand 8-9 Fuß hoch, es sah aus wie eine Baumschule.

Wo eine Stadt gelegen, ist keine Spur in der Nähe.

Der Wind sauste in den Säulen wie in einem Walde und Raubvögel schwebten schreyend über dem Gebälcke. Sie hatten wohl Jungen in den Löchern.

Mai

[Puzzuoli, 19. Mai.]

. . und machte einen kleinen Teich e. f. der die Tiefe c. d. hatte. nun war der untre Theil der Säulen c. b. verschüttet und kein Wassergeschöpf konnte daran kommen, dagegen hatten sie freyes Gastmahl an dem unter Wasser gesetzten Stücke der Säulen c. d. und arbeiteten Hölungen hinein in die man größere und kleinere Finger hineinstecken kann. Die Säulen sind[341] von griechischem Cipolin Marmor, und mögen den Schaalthieren, als eine ausländische zarte Speise treflich ...... herausschauten, nach.. reinigte wie er ietzt steht. NB. die Asche liegt noch, in der Höhe in welcher die Säulen rein und unangefressen sind, um den Tempel her.

Wie vieles wäre nicht von der Solsatara, dem Monte nuovo etc. zu sagen. Nur eins glaube ich ziemlich gewiß, daß die Vulkanischen Würckungen keine sehr tiefe Ursachen haben. Tief will ich hier nur unter dem Niveau des Meers nennen. Doch das ist zu unbestimmt und erfordert eine weitläufigere Ausführung als ich Zeit und biß jetzt Erfahrung habe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Tagebücher. 1787 (Tagebuch der Italiänischen Reise für Frau von Stein). 1787 (Tagebuch der Italiänischen Reise für Frau von Stein). Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-5DD7-4