914. Wie die Herrn von Scheuernschloß in Besitz des Klosters Hachborn gekommen sind.

(S. Gottschalk, Ritterburgen Bd. II. S. 33 etc.)

Die Ritterfamilie von Scheuernschloß bewohnte in früherer Zeit das Schloß Frauenberg, welches auf dem gleichnamigen kegelförmigen Basaltfelsen, der einen Theil des am linken Ufer der Lahn sich hinziehenden Lahnberges, 1¹/₂ Stunde von Marburg gelegen, ausmacht. Später aber vertauschten sie diesen Sitz mit dem ohngefähr eine Stunde davon entfernten ehemaligen Kloster Hachborn (jetzt Dorf). Hierüber existirt nun folgende Sage.

Ein Landgraf von Hessen, wahrscheinlich Philipp, hatte sich einst verkleidet in eine feindliche Festung geschlichen, um ihr Inneres zu erforschen. Er wurde von der Wache, einem geborenen Hessen, selbst in seiner Verkleidung erkannt. »Um Gottes Willen«, redete ihn der in fremdem Solde stehende Hesse leise an, »was wagt Ihr, mein Fürst?« Er verrieth jedoch seinen angestammten Landesherrn nicht, sondern war ihm zum Entkommen behilflich. Der Landgraf aber beschenkte ihn mit einem kostbaren Ringe und sagte zu ihm: »Wenn Du je in Noth gerathen solltest, so komm nur zu mir!« [784] Nach vielen Jahren kam nun aber ein Fremdling, im dürftigsten Anzuge, nach Cassel und verlangte allein vor den Landgrafen gelassen zu werden. Anfänglich ward er von der Wache, die ihn für einen Landstreicher hielt, zurückgewiesen, nach wiederholten Bitten aber, und weil er dem Landgrafen etwas Wichtiges entdecken zu wollen vorgab, wurde er vorgelassen. Der Landgraf erkannte den Fremdling anfangs in seinem ärmlichen Aufzuge nicht, sobald dieser ihm aber den einst von ihm empfangenen Ring vorzeigte, reichte er ihm gerührt die Hand und beschenkte ihn mit dem eben säcularisirten Kloster Hachborn, denn der Fremde war kein Anderer als ein von Scheuernschloß, der aus Armuth fremde Kriegsdienste hatte suchen müssen.