Die Täuschung

Es steht die Bäuerin abends in der Stube am Backtrog, hat die Ärmel aufgeschlagen und macht das Brot an. Sie tut die Säure hinein und knetet, daß es quietscht und quatscht – und wie sie endlich meint, es wäre genug, streift sie die Hände ab, rückt den Backtrog an den Ofen, der noch hübsch warm ist, daß der Teig über Nacht aufgeht, nimmt ein Tischtuch und deckt es darüber, daß keine Fliegen hineinfallen.



Drauf schaut sie noch in der Stube herum, räumt dies auf und jenes; der Bauer ist noch nicht zu Haus, wer weiß, wann der wieder kommt! – geht nachher in die Kammer, betet ihr Nachtgebet, legt das Gewand ab, putzt das Licht aus, flackt sich ins Bett und schläft. Während der Weil sitzt der Bauer im oberen Wirtshaus mit ein paar Kameraden, und im Disputieren trinkt er eine Maß nach der andern, [17] bis ihm endlich ganz dumm im Kopfe wird und alles sich mit ihm herumdreht. Die andern Kameraden trinken nach und nach aus und gehen nach Haus, bis unser Bauer noch ganz allein dasitzt und alleweil fortsauft. »Jetzt meinet ich aber schon«, sagt die Nanni, die schon seit vier Jahren Kellnerin beim obern Wirt ist, »jetzt meinet ich schon«, sagt sie, »wär's Zeit, Bauer, wenn du heimgingst, du kannst ja nimmer aus den Augen 'rausschauen, vor lauter Rausch.« »No, no!« sagt der Bauer, »ich geh' schon, nur Zeit lassen, er kommt[18] schon! – Geh' schenk' noch amal ein a Maß, Nanni!«



»Heut' nimmer, geh du nur heim zu deinem Weib, an dere Leut' möchten auch in ihr Bett – es wird so elfe, bis ich all' die Krügeln noch geputzt hab'; geh du nur auch heim! Hast's gehört?« »No, no, ich geh' schon!« Und richtig steht er auf, wackelt hinum und herum, bis er endlich die Türe findet, und taumelt das Dorf hinunter, seinem Hof zu.

Wie er ins Haus kommt, stößt er da an und dort, rumpelt an den Tisch, wirft die Stühle um, zieht sich aus, soweit es geht, und endlich legt er sich nieder. »Heut' hat die Bäuerin amal gut aufbettet, heut' liegt sich's amal schön weich«, brummt er so vor sich hin, schlaft ein und schnarcht wie eine Sägmühle die ganze Nacht fort, und gerade so macht's die Bäuerin auch. Wie es aber nur ein bißchen grau wird in der Früh, wacht die auf und schaut hinum nach dem Bauern seinem Bett. »Ja, wo ist denn der Bauer? Was wär' denn das? Gar nit heimgeh'n? Die ganze Nacht saufen, no wart' nur Lump, dir will ich kommen!«

Mit einem Satz ist sie aus dem Bett, schlieft in den Unterrock, bindet das Kopftüchel um und hat nichts anderes im Sinn, als einen Besen zu nehmen, zum obern Wirt zu laufen und dem Bauern heimzuleuchten.

Wie sie in die Stube heraustritt, kriegt sie schier die Maulsperre, vor lauter Schreck: –»Ja um Gottes willen, was wär' denn jetzt das? Ja, Bauer, was hast denn du getan?« – Liegt der Bauer gestreckterlängs in der Bäuerin ihrem Backtrog, die Haare, das Gesicht, die Hände und die Füße um und um alles verpippt und verpappt, mitten im Brotteig!


[19]

Notes
Fliegende Blätter, München (Braun und Schneider), 1859, Nr. 745: S. 118.
License
Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).
Link to license

Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Busch, Wilhelm. Die Täuschung. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-24A1-3