600. An Friedrich August von Kaulbach

600. An Friedrich August von Kaulbach


Wiedensahl 28. Febr. 84.


Lieber Fritz!

Es wär hübsch von dir, wenn du mich »Oansigl« im Hinterwald demnächst mal wieder brieflich-gespensterhaft umsäuseln würdest. So ein Schriftstück ist ja allerdings nur wie ein Lüftchen aus der Gegend, wo der Liebste wohnt, oder wie's im Liede heißt: »Kommt ein Vöglein geflogen«; allein man spürt doch Was und freut sich halt. – Wo seid Ihr denn, was treibt Ihr denn, was malst du denn? Was weißt du von Lenbach, Piglhein, Levi? Wie geht's bei Gedon's? – Hoffentlich umspielen dich, sammt Frauchen, auch schon längst die anmuthigen, frühentwickelten Wunderkinder des heurigen Frühlings. Seit Neujahr pfeifen die Staare. In allen sonnigen Winkeln blüht's. Die Knospen zwängen sich rücksichtslos durch die harte Rinde der Bäume und Gesträuche. Muß man sich nicht drüber ergötzen? Sind's nicht Anverwandte? Darf der Gebildete nicht mehr unbefangen über's Wetter reden? Machen nicht Wind, Nebel, Schnee, Regen und Sonnenschein so gut, wie Lieb und Haß und Kunstgenüße und Kunstverdrüße die Witterung unter der Haut eines gefühlvollen Menschenkindes?

Sei gegrüßt, lieber Fritz, und gehab dich wohl in jedweder Richtung, und gieb bald einen Zettel auf die Reichspost an deinen alten getreuen

Wilh. Busch.


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TextGrid Repository (2012). Busch, Wilhelm. 600. An Friedrich August von Kaulbach. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-2321-D