1151. An Grete Meyer

1151. An Grete Meyer


Hunteburg 10. Sept. 97.


Liebe Grete!

Ich wollte mich auch bedanken für den guten Bericht, den du mir, noch kurz vor deiner Abreise, nach Wiedensahl geschickt hast. Wie schad aber, daß du grad entwischt warst, als ich hier in Welplage ankam.

Das Wetter ist bislang windig, regenschäuerlich, kühl und abends sogar hand- und fußkalt gewesen. Übernacht indeß hat sich der Wind nach Osten gedreht; es hat gethaut; beides bedeutet ja Sonnenschein, heißt es; und bis jetzt, halb fünf, ist es auch richtig mal eingetroffen.

Gestern war Hochzeit von Engel ihrer Schwester. Vier Möbelwagen raßelten vorüber; auf dem ersten fix und fertig das rothcarrierte Bett; Pferde und Fuhrleute geschmückt mit künstlichen Sträußen, natürlich viel schöner als natürlich. Um halb Zwölf kamen die Brautleute und ein paar Begleiter, gewißermaßen so beiläufig, hinter Kemnadens Hause hervor, drückten sich in lockerem Gänsemarsch um die Kirche herum und verschwanden darin, alles ganz stilleken. Engel huschte auch hinein. Sie hatte vorher hinterm Haus und am Wiesenwege das Heu ausgebreitet. Das zugekaufte, was weiter weg steht, mußte in Hocken bleiben, weil kein Heumensch zu [108] kriegen war. Nachmittags, wir saßen mitten im besten Kaffee, kam plötzlich ein Regen gesaust. Else und Otto, mit Martin, Harke und Heugabel, eilten hinaus und bildeten flink die nöthigen Schober. Das Heu, das ersterwähnte, ist soeben glücklich über den Meckerziegen auf die Bähne gepackt. Das andre muß noch einen heiteren Tag im Freien durchleben, eh es durch die Luke nach oben auf den Boden gelangt.

Und das muß ich sagen: Ruth ist wirklich sehr wohlgeformt. Und artig. Stundenlang ruht sie einsam in ihrem Wagen im Schatten der Linde, heiter zufrieden mit ihrem Geschick. Sie lutscht, sie kräkelt, und kommt man ihr nahe, so sieht sie erst ernsthaft aus, wenn man aber ergebenst fragt: Nun, altes Mädchen, wie geht's? dann lächelt sie neckisch verbindlich. Ich vermuthe fast, sie wird noch mal ebenso nüdlich wie eine von ihren Tanten.

Ade, liebe Grete! Betäube dich nur nicht dermaßen mit harmonischem Lärm, daß du ganz vergißt

deinen getreuen Onkel

Wilhelm.


Seid alle von uns allen gegrüßt! – Martin ist mit Engel in's Heu geschickt, und Else ging vorhin zu Docters in Kaffee.

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TextGrid Repository (2012). Busch, Wilhelm. Briefe. 1151. An Grete Meyer. 1151. An Grete Meyer. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-1DA6-E