942. An Nanda Keßler

942. An Nanda Keßler


Wiedensahl 27. Dec. 93.


Meine liebe Nanda!

Das war ein hübscher Einfall mit dem Staarkästchen; und so nett bemalt ist's. Ich danke dir herzlich, daß du meiner so freundlich gedacht hast.

Wir hier standen still um den Weihnachtsbaum. Denn leider fehlten die Kinder. Und wie alles so schweigend und feierlich war, gingen meine Ge- [22] danken nach Frankfurt und sahen zu, wie lebhaft und lustig es da zuging beim hellen Lichterglanz, und wie ihr euer Stücklein aufführtet; und, wie mir schien, klappte alles vorzüglich.

Du fragst nach meinem Befinden. Ja ja! Die Zeit, gleich einem Raubvogel, wie's mal so geht in der Welt, hat auch mich beim Kragen und trägt mich hinweg. Meist kaum merklich – aber mitunter, wenn sie mir mal einen aparten Klapps giebt an die Ohren mit ihren Flügeln, und ich besinne mich und beseh mich genauer, dann find ich jedes Mal, daß ich wieder um tausend Jahre älter geworden. Und schöner, in gewißem Alter, wird auch wohl Keiner.

Zu Sylvester hoff ich in Wolfenbüttel, mit den besten Wünschen für dein Wohlergehn, mein Glas zu leeren.

Bleib froh und gesund, liebe Nanda! Mit den herzlichsten Grüßen an dich und die Kinder,

dein alter Onkel

Wilhelm.


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TextGrid Repository (2012). Busch, Wilhelm. 942. An Nanda Keßler. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-1A09-8