649. An Eduard Daelen

649. An Eduard Daelen


Wiedensahl 29 Juli 1886.


Geehrtester Herr Daelen!

Sie haben sich in Ihrem Büchlein mit so viel Muth und Wohlwollen meiner angenommen, daß ich Ihnen meinen verbindlichsten Dank dafür aussprechen muß, wenn ich auch, wie Sie schon vermuthet, natürlich nicht ganz damit einverstanden bin. Auf Ihren Wunsch mache ich einige Bemerkungen dazu.

Der Biograph ist in einer mißlichen Lage. Er sollte Alles wißen, um klar zu sein, und erfährt wenig; er sollte Alles sagen, um genau zu sein, und muß doch vieles verschweigen; denn der Tackt ist ein feiner empfindlicher Mann, dem z.B. die frankfurter Erzählung mit Namennennung, dem die Gloßen zum Angeli schon anstößig sind und der die »Schuster u. Schneider«, als gänzlich für die Kneipe bestimmt, nur ungern veröffentlicht sieht. – Was anderseits Frau Wahrheit anbetrifft, so zeigt sie sich selbst ihren intimsten Verehrern nur in keuscher Umhüllung. Der Biograph, sobald er sich nicht mehr auf die eigne, ehrliche, scharfe Beobachtung verlaßen kann, oder auf zweifellose Urkunden, wird im günstigen Fall zum anmuthigen Märchenerzähler. Auch Ihnen haben die Berichterstatter einige Ungenauigkeiten unter die Tinte gemischt, und Einer hat sich, gar ergötzlich, geschmackvoll-kühn drapirt, die Gelegenheit benutzend, behaglich mit im Vordergrund des Bildes niedergelaßen. Mich erinnert's an den Geschäftsführer einer Verlagshandlung, der unter der Hand zu verstehn gab, daß der Kaulbachsche Reinicke Fuchs eigentlich von ihm sei. Ein kindliches Vergnügen! – Mit derFirma Hallberger hab ich nie über den Antonius verhandelt. Es war der rothe Hallberger, der ihn kaufte und [269] eine theilweise Zahlung in Zigarren anbot. – Daß der alte Richter von der Veröffentlichung des Max u. Moritz abgerathen, ist nicht der Fall. Der Sohn, sehr anständig aber ängstlich, schrieb mir, als ich ihm nach dem Mißerfolg der Bilderpoßen den »Max u. Moritz« umsonst anbot: »er habe ihn seinem Vater und verschiedenen Malern gezeigt, die sich allerdings sehr darüber amüsirt hätten, aber solche Leute kauften keine Bücher.« – Ein paar ungenaue Angaben über meine Familienverhältniße und dergl. scheinen mir nicht von Belang.

Was Sie von Vischer erzählen, war mir neu. Ich habe ja meine Nücken; doch einen reizenden Strich hätt ich mir niemals zugetraut. Entweder sah der Mann mit Proletenaugen oder mit bösen. Nie hab ich ein Wort mit ihm gesprochen; sah ihn nur mal in »Jung-München«, wo er, von Pixis eingeführt, zum allgemeinen Erstaunen über den Ästhetiker, höchst schweinerne Anekdoten colportirte. – Einem alten Esel, sofern er bloß die Hinterbeine zum Gehn gebraucht, sind ja ein paar Hiebe zu gönnen. Was aber der arme Heilgenmaler auf pag. 14 zu seiner Vermöblung begangen, ist nicht recht ersichtlich. – Von dem erwähnten Aachener erhielt ich seinerzeit wenig Auskunft über katholische Verhältniße, dagegen einen Roman, ich glaube vom Verfaßer der Bernsteinhexe, worin mein hochverehrter, deutscher Luther auf das pöbelhafteste mißhandelt wird, was denn auch wohl eine Anregung für mich gewesen, aber nicht in der vom Geber erwünschten Richtung.

Der scharfe, leidenschaftliche Ton den Sie, besonders auch zum Schluß, gegen die Ultramontanen anschlagen, stimmt, ob ich gleich kein Freund derselben, doch nicht zu meiner gelinden Gemüthsverfaßung. Ich bin nicht als Satyriker nach Italien gegangen, lebte dort auch in einer solchen Traum- und Wunderwelt, daß mir sämtliche Pfaffen höchst gleichgültig waren.

In den Briefen find ich folgende Druckfehler. Seite 114: persönlicher Selbstmörder statt gewöhnlicher. Seite 117: Wochen statt Wachen. Seite 120: mülnen statt mülmen.

Übrigens ist Ihr Büchlein, wie in frischem Anlauf begonnen, so mit andauernder Lebendigkeit zu Ende geführt. Hoffentlich haben Sie den erwünschten Erfolg damit. Nur fürcht ich Eins: Da das Lob, welches Sie ertheilen, schon dem Belobten viel zu groß erscheint (und der Mensch kann in dieser Hinsicht doch einen gehörigen Puff vertragen) so wird es andern Leuten erst recht so vorkommen.

Leben Sie wohl, und seien Sie auf's freundlichste gegrüßt von

Ihrem ergebensten

Wilh. Busch.


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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Busch, Wilhelm. 649. An Eduard Daelen. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-18AB-0