144.

Der Latzmann 1 geht am Johannistag herum. Am Vormittag läßt man den Latzmann im Dorf sehen. Dieser Latzmann ist ein Knabe, der unsichtbar in einem zehn bis zwölf Fuß hohen, bald pyramidenförmigen, bald kegelförmigen, aus Stangen und Latten zusammengenagelten Gestell, welches vollständig mit Tannenreisern verkleidet ist, herumgeht; er hat bei der ganzen Procedur nichts zu sprechen und ist blos die bewegende Kraft des Latzmanngebildes. Er hat eine Glocke bei sich drinn und schellt während er geht. Der Latzmann wird am Nachmittag unter einer großen Begleitung durch das Dorf getragen. Den Zug eröffnet der Läufer, welcher mit einer Geisel dreimal vor jedem Hause knallt. Nach diesem kommt im Zuge der Oberst, dann der Trabant, der Hanswurstel, der Metzgerbursch, der Schmalzhaf, der Mehlsack, der Eierkrätt, der Engel, der Teufel, die Hexe, das Bäuerlein, das Büntelein, und zulezt der Doktor. Im Gänsemarsch geht es zum ersten besten Hause, da macht der Zug Halt und Jeder thut vor dem Hause der Reihenfolge nach seinen Spruch, indem er vor dem Hause hin und her geht, um alsdann auf die andere Seite des Zuges sich hinzustellen. Haben Alle gesprochen, so gehen die, welche etwas zu sammeln haben, in das Haus. So geht es von Haus zu Haus. Ist dieser Umzug fertig, so [114] wird aus dem Erbettelten in einem bestimmten Hause ein Schmaus zubereitet. Der Läufer ist hemdärmelig und trägt am rechten Arm ein rotes Band, in der Hand hält er eine Peitsche, welche ebenfalls an ihrer Spitze mit einem roten Band geziert ist. Er knallt vor jedem Hause dreimal. Der Oberst trägt einen preußischen Hut und an der Seite einen Säbel. Man wählt zu diesem Act den Größten unter dem Bubenhaufen. Der Engel trägt über die Hosen ein weißes Hemd, seine Haupt ziert eine Krone von Blumen. Er hält einen Stab in der Hand. Der Teufel ist angerußt, reitet auf einer Schürgabel, sonst hat er alte Kleider um sich hangen. Die Hexe reitet auf einem Besen und trägt eine alte Nudelhaube. Das Gesicht stellt ein mittelst gekautem Brod erzeugtes »Rufengesicht« dar und ringsum flattern wirr die Haare. Das Büntelein hat einen Ranzen auf dem Rücken, den es auf der lezten Miste von sich wirft und liegen läßt. Der Doktor trägt Hut, Brille und langen Rock.

Die Verse, wie sie Jeder singend ableiert, lauten der Reihenfolge nach:

Der Laufer.

Ich bin der Laufer, ich geh' voran,
Ich frag euch auf das allerhöflichste an:
Ob ihr wollt sprechen, hören oder es mir verwehren.
Kommt her, kommt her, ihr jungen Knaben,
Eure Sprüche müßt ihr noch deutlicher sagen;
Deutlicher sagen ist nicht genug,
Ein Sack voll Mehl g.hört auch dazu;
Ein Sack voll Mehl ist nicht genug,
Ein Haf voll Schmalz g.hört auch dazu;
[115]
Ein Haf voll Schmalz ist nicht genug,
Ein Krätt voll Eier g.hört auch dazu;
Ein Krätt voll Eier ist nicht genug,
Ein Beutel voll Geld g.hört auch dazu;
Ein Beutel voll Geld ist nicht genug,
Kurasch, Kurasch g.hört auch dazu.

Der Oeberst.

Ich bin der Oeberst unter euch,
Den ganzen Tag denk ich an euch,
Den ganzen Tag kann ich euch nicht vergessen,
Sonst hätt' euch der Türk schon längst gefressen.
Dreiunddreißig Jahr bin ich Soldat geweßt,
Sobald sich der Türk hat aufgemacht,
Dann hab ich nur dazu gelacht.
Ich setz' mein Hütlein auf,
Zieh' mein Schwertlein raus,
Hau rum, hau num –
In einer Stund hab ich 24,000 Mann auf den Platz gehauen.
Es war aber gewesen ein Lärm,
Im Blut bin i g'stande bis unter d'Aerm,
Wenn i hätt it könna da schwimma und klimma,
Wär i im Blut versoffa.
Wisset er aber au was?
Kurasche haune g'hett wia – na Has,
Voarama Johr hauni älle Anhauser Bueba
Und Mädla zwunga,
Jetz därf i's aber keckle saga,
Jetz däffetsemer äll hintadrein jaga. Holla!

[116] Der Trabant.

Ich bin dem Latzmann sein Trabant,
Den Stock trag' ich in meiner Hand,
Den Degen an der Seiten,
Mit dem Türken will ich schlagen und streiten.
I bi so klein, i mueß mi ducka,
Mueß ällaweil hinta nochhe rucka,
I deff it schreia laut,
Oder d'Roßbueba schlaget me äll uffs Maul.
I wett die Küechlo wäret bacha,
I müeßt me halba z'taudt dra lacha.
Der Latzmann, der ist selbst dabei,
Der frißt so viel als unser drei. Holla!

Der Hanswurstel.

Ich bin der Hanswurst von der ganzen Welt,
I hau en graußa Geldbeutel, aber wenig Geld,
Dia Heller und Pfennig, dia sind so klein,
Gienget noh viel in mein Bli Bla Bläterle nein.

Der Metzgerbursch.

Ein Metzgerbursch bin ich genannt,
Im ganzen Land bin ich bekannt,
Im ganzen Land muß ich umlaufen,
Muß Ochsen, Kälber, Küh einkaufen,
Kauf ich aber wohlfeil ein,
So trink ich alle Tage meinen kühlen, rothen Wein,
Kauf ich aber eine alte, theure Kuh,
So stoß ich meine Nas in Wasserkrug. Holla!
[117]

Der Schmalzhaf.

Schmalzhaf, Schmalzhaf in der Scheer,
Mei Schmalzhaf ist noch ziemlich leer;
I wett dui Housfrau bitta,
Sie thät mer a Pfunda virzge in mein Hafa nei schütta,
Ich wett noh mit er akkordiara,
's wär g'nueg an viara.

Oder:

I thät dui Housfrau bitta,
Sie möcht a Bröckele Schmalz in mein Hafa nei schütta,
It z'klein und it z'grouß,
Daß i mein Hafa nit verstauß.

Der Mehlsack.

I bi a-n armer Bäck,
Hau weder Mehl noch Säck,
Hau weder Roß noch Wagen,
Muß mit der Katz in d'Mühle fahren. Holla!

Oder:

I komm dohear von Burladinga,
Ma hott me hoißa nen Sack mitbringa,
Bäuerle, Bäuerle, zahl me aus,
Oder i reiß der Hoor und Bart rous.

Der Eierkrätt.

Ich heiß Johannes Klugemaier,
I friß dia Henna mit sannt de Eier;
Die eine aus dem Salz,
Die ander aus dem Schmalz.
Dies gibt mir und dem Latzmann einen guten rauhen Hals. Holla!

[118] Oder:

Weiber, Weiber, d'Oier raus,
Oder i laß da Mader in's Hennahous.

Der Engel.

Du Teufelsbild, du wüstes Thier,
Du hast den Menschen für ein Hüer,
Du hast ihm gegeben vieles Geld,
Ach, Mensch es ist dir hart gefehlt.

Der Teufel.

Ach, das mußt du nicht glauben,
Ich mach dir einen Nebel vor die Augen,
Ich will dich belohnen, mit Gold und Silber will ich kommen.

Der Engel.

Laß dich nicht vom Satan blenden,
Sieh kein Blei für Silber an,
Dann er wird dich ewig schänden,
Wann du kommst in d'Höll hinab.

Der Teufel.

Weisch du was?
Leck mir am A..
Färb du dein A.. mit Dinta na,
Dann brauchst du keine Hosa na. Holla!

Die Hexe.

Hex, Hex, hinta drei,
Morga wead dei Hochzeit sei;
Z'Gamentinga im Brauthaus,
Da theilt ma guete Speisa-n aus,
[119]
Die ei ist mit Läus übersalza,
Die zweit mit Flaih überschmalza,
Die dritt mit Niß übersprizt,
Kommet hear ihr Herra und Fraua
Und haltet au mit. Holla!

Das Bäuerlein.

I bi-n a-n arm's Bäuerle,
Metzg all Jahr a Säule,
Jetz führt der Teufel dia Soldata hear,
Und fresset mir mei Säule mit santem Schmear. Holla!

Das Büntelein.

I trag mein Büntelein auf der Achsel herum,
Bis ich auf die lezt Miste komm. Holla!

Der Doktor.

I bin der Dokter von der Kunst,
Ich hilf da Jungfera ummasonst,
Zahn h'rousreissa,
Löcher sch . ...
Wehler Teufel ka dees verreißa? Holla!

Fußnoten

1 Mitgetheilt aus der Ertinger Gegend von Herrn Dr. R. Buck.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Birlinger, Anton. Märchen und Sagen. Sitten und Gebräuche. Sitten und Gebräuche. 1.. 144. [Der Latzmann geht am Johannistag herum]. 144. [Der Latzmann geht am Johannistag herum]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-0658-C