[44] Lied

Gebt eine Leyer mir von Golde,
Gebt mir des Zephyrs zarte Hand,
Daß mir ein Lied auf jene Holde
Gelinge, die mein Herz verstand!
Ein hoher Stern ging sie vorüber
An meines Lebens Düsterheit,
Und manche Wolke ward noch trüber
Seitdem als sonst in trüber Zeit.
Gefällig Jedem, nie gefallsam,
Gefährlich immer meiner Ruh,
Schloß sie mit ihrer Anmuth Balsam
Zugleich der Seele Wunden zu.
Mit solchem Wuchse, reich an Jugend,
Mit solchem Blick, in Gluthen mild,
War sie der Schönheit und der Tugend
Verwirrend und erlösend Bild.
Soll ich vergessen, soll gedenken
Ich ihrer oft mit süßem Schmerz?
Vergessen heißt, ich soll sie kränken,
Erinnerung bricht mir das Herz.

License
Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).
Link to license

Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Eichrodt, Ludwig. Lied. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-9EBD-3