Julius Roderich Benedix
Die Hochzeitsreise
Lustspiel in zwei Aufzügen

Personen

[178] Personen.

    • Otto Lambert, Professor an einem Gymnasium.

    • Antonie, seine Frau.

    • Edmund, sein Famulus.

    • Hahnensporn, Stiefelputzer.

    • Guste, Kammerjungfer.
    • [178]

1. Akt

1. Auftritt
Erster Auftritt.
EDMUND
geht auf und nieder, ein Buch in der Hand, auswendig lernend.

᾽Ανδρα μοι ἐννεπε Μουσα πολυτροπον, ὁς μαλα πολλα Πλαγχϑη –

Wie war es? ᾽Ανδρα Μουσα μοι ἐννεπε, nein, ἐννεπε Μουσα μοι ἀνδρα – da bin ich aus dem Verse. Es will mir auch heute nichts in den Kopf. Weiß doch nicht warum ich so zerstreut bin. Und morgen muß es gekonnt sein. ᾽Ανδρα μοι ἐννεπε Μουσα πολυτροπον, ὁς μαλα πολλα – –

2. Auftritt
Zweiter Auftritt.
Edmund. Hahnensporn mit einem Koffer auf der Schulter.

HAHNENSPORN.

Uf der ist schwer! Helfen Sie, Herr Famulus! Bringt mit Edmunds Hülfe den Koffer auf die Erde, setzt sich darauf und trocknet sich den Schweiß. Das ist eine Schlepperei! Ich[179] habe es mir gedacht, die junge Frau hat noch keinen Fuß in das Haus gesetzt, und schon geht die Schererei los! Also heute Abend kommt sie, die junge Frau. Na es thut mir leid; ich habe dem Herrn Professor gern gewichst und dem Herrn Famulus auch, aber ich sehe es kommen, nicht acht Tage bin ich mehr im Hause.

EDMUND.

Warum nicht gar! Der Herr Professor hat ausdrücklich gesagt daß durch seine Heirath nicht das Geringste in der bisherigen Hausordnung geändert werden soll. Jeder behält sein Amt und seine Verrichtung nach wie vor.

HAHNENSPORN.
Hat das der Herr Professor gesagt?
EDMUND.
Es sind seine eignen Worte.
HAHNENSPORN.

Wir werden ja sehen, werden ja sehen! Der Herr Professor ahnt in seiner Unschuld gar nicht was die junge Frau für Verwirrung im Hause anrichten wird.

EDMUND
naiv.
Hahnensporn, Ihr seid ein erfahrener Mann – sind denn die Frauen wirklich so schlimm?
HAHNENSPORN.

Na ob! Sie armes Schaf, mit Respect zu melden, thun mir leid, die junge Frau wird Sie schön hin und her hetzen; Sie kommen gar nicht mehr zu Athem.

EDMUND.
Ach es wird so arg nicht sein.
HAHNENSPORN.

Pah Sie haben keine Erfahrung! So wie Sie reden viele und tappen blind hinein in eine Heirath und hinterher seufzen sie Ach und Weh. Ich will gerade nichts Uebles vorhersagen, aber der Herr Professor thut mir leid.

EDMUND.
Habt Ihr denn so bittere Erfahrungen gemacht?
HAHNENSPORN.

Ich? Gott soll mich bewahren, ich war immer zu klug und hielt mich von den Weibern fern. Sehen Sie, ich kam als ganz junger Bursche unter die Soldaten und habe meine zwölf Jahre gedient, wäre auch Unteroffizier geworden, hätte ich ordentlich schreiben und lesen gekonnt. Als Soldat konnte ich nun nicht heirathen. Nachher wurde ich Bedienter, Hausknecht, Kutscher – da konnte ich überall nicht heirathen. Jetzt bin ich Wichsier, und wenn ich wollte, es hat schon manche ihr Auge auf mich geworfen – aber Gott soll mich bewahren; ich diene lauter ledigen Herren und bleibe selbst ledig.

[180]
EDMUND.
Da habt Ihr aber doch selbst keine Erfahrungen gemacht?
HAHNENSPORN.

Bin zu klug gewesen, Herr Famulus, habe mich begnügt an andern zu sehen wie ein Hauskreuz drückt! Sehen Sie, Herr Famulus, Sie können die Spinnen nicht leiden?

EDMUND.
Nein, die Thiere sind mir zuwider.
HAHNENSPORN.
So geht es mir gerade mit den Weibern. Sie gehen den Spinnen aus dem Wege, ich den Frauenzimmern.
EDMUND.
Frauenzimmer und Spinnen sind doch nicht zu vergleichen!
HAHNENSPORN.

Allerdings, Herr Edmund, allerdings! Die Frauenzimmer machen auch Netze, wie die Spinnen, und fangen Männer, wie diese Fliegen. Sie sind auch so eine arme Fliege, für die man Netze spinnen wird.

EDMUND
lachend.
Nun wenn die Frauenzimmernetze nicht stärker sind als Spinnennetze, kann man es schon darauf wagen!
HAHNENSPORN.

Junger Mann, hüten Sie sich. Wenn ich mich hier so umsehe in dieser friedlichen Wohnung, wo die behaglichste Ruhe herrscht, wo man den ganzen Tag die alte Schwarzwälderin picken hört und wo die alten Classicisten ungestört an ihrem Platze stehen, und wenn ich nun denke daß ein Frauenzimmer mit all ihrem Lärm, ihrer Unruhe, ihrem Krimskrams hier herrschen soll – puh da überläuft mich ein Schauder.

EDMUND.
Ihr stellt Euch auch gar zu schlimm an.
HAHNENSPORN.

Sie verstehen das nicht, junger Mensch. Sie sind im Waisenhause erzogen, nachher hat Sie der Herr Professor als Famulus zu sich genommen, so gewissermaßen adoptirt – Sie sind ja niemals mit Frauenzimmern zusammen gewesen. »Gehe den Weibern aus dem Wege,« sagt der Prophet Epiphanias. Sehen Sie, Herr Edmund, unsere eigene Natur, gewissermaßen eine innere Stimme warnt uns vor den Weibern.

EDMUND.
Ach warum nicht gar!
[181]
HAHNENSPORN.

He, nicht? Wenn Sie mit einem Frauenzimmer, besonders mit einem jungen und hübschen zusammen kommen, werden Sie da nicht verlegen?

EDMUND.
Das ist wahr!
HAHNENSPORN.

Sie schlagen die Augen nieder, Sie werden roth, Sie trauen sich nicht zu sprechen, Sie fühlen eine gewisse Beängstigung?

EDMUND.
Das ist wahr.
HAHNENSPORN.

Sehen Sie, das ist die innere Stimme, das ist der Instinct der Natur, der Sie vor den Frauenzimmern warnt.

EDMUND.

Hm hm! Für sich. Die Beängstigung ist gar nicht unangenehm und kommt mir gar nicht vor wie eine Warnungsstimme.

HAHNENSPORN.

Ich begreife den Herrn Professor nicht. Ist auch niemals mit Frauenzimmern umgegangen, war Famulus wie Sie bei dem seligen Professor Oechslein, auch ein wackerer Junggeselle, da durfte niemals ein Frauenzimmer in das Haus. Und so hat es der Herr auch hier gehalten – ich besorgte die ganze Haushaltung. Ich weiß, der Herr Professor hält nichts auf die Weiber und ist doch jetzt zweiunddreißig Jahre alt, wo er über die Jugendstreiche hinaus sein könnte. Und auf einmal fällt es ihm ein zu heirathen – ich begreife es nicht.

EDMUND.
Ich kann Euch wol sagen wie das zusammenhängt.
HAHNENSPORN.
Nun?
EDMUND.
Die Frau ist ihm vermacht worden.
HAHNENSPORN.
Als Erbschaft?
EDMUND.

Ziemlich so. Vor einem Vierteljahre starb der Oheim des Herrn Professors und hinterließ sein Vermögen von etwa dreißigtausend Thalern seinen beiden Bruderskindern, unserm Herrn Professor und seiner Base, mit der Bedingung daß sie sich heirathen sollten. Wenn eines von beiden nicht auf die Heirath eingehen wollte, so fällt das ganze Vermögen dem andern Theile zu.

[182]
HAHNENSPORN.

Hm so kann ich es mir erklären, dreißigtausend Thaler sind allerdings ein Grund. Der Herr Professor wird gedacht haben: mit so schönem Vermögen kann er seiner Leidenschaft Bücher zu sammeln recht nachhängen. Ich weiß aber doch nicht wie der Herr Professor mit der Frau zurechtkommen will, er ist viel zu gelehrt um mit Weibern umgehen zu können und aus den alten Classicisten hat er es sicher nicht gelernt. Steht auf. Wir wollen aber doch den Koffer in das Schlafzimmer schaffen.

EDMUND.
Was mag wol darin sein, Hahnensporn?
HAHNENSPORN.
Hm allerhand Krimskrams: Kleider, Schürzen, Bänder, Flittertand, was so Frauenzimmer brauchen.
EDMUND.
Hahnensporn, seht, der Koffer ist offen!
HAHNENSPORN.

Alle Wetter wahrhaftig! Da ist die Krampe losgegangen! Es wird doch nichts herausgefallen sein! Oeffnet den Koffer. Nein, noch alles in der schönsten Ordnung!

EDMUND.

Wahrhaftig, in der schönsten Ordnung; das liegt alles so glatt und zierlich neben einander, allerliebst!

HAHNENSPORN
nimmt einen Kragen heraus.

Da sehen Sie, alles dünn, wie Spinngewebe! Nimmt Schleier, Hauben, Kragen, Vorhemdchen u. dergl. heraus und entfaltet alles.

EDMUND
empfängt die Sachen, hält sie gegen das Fenster und legt sie auf den Tisch rechts.
Sacht, Ihr zerreißt ihn! Ei wie fein!
HAHNENSPORN.
Da sehen Sie, kein Halt darin!
EDMUND.
Schöne Muster! Und wie fein gestickt!
HAHNENSPORN.
Nichts als unnützer Kram.
EDMUND.
Und hier, mit blauer Seide durchzogen!
HAHNENSPORN.
Hält keinen Windstoß ab!
EDMUND.
Und hier ein Schleier!
HAHNENSPORN
hat ein Packet Haarwickel.
Was ist denn das?
EDMUND.
Ich weiß nicht.
HAHNENSPORN.
Sieht aus wie kleine Würste.
EDMUND.
Vermuthlich Geräthschaften zu weiblichen Arbeiten.
[183]
HAHNENSPORN
lacht.

Nein, mir fällt es ein! Ich hatte einmal einen Herrn, der brauchte auch solche Dinger. Das sind Haarwickel!

EDMUND.
Ihr packt ja aber den ganzen Koffer aus! Es ist genug, wir wollen die Sachen wieder hineinlegen.
HAHNENSPORN.
Na geben Sie her!
EDMUND.
Hübsch vorsichtig, daß alles wieder so ordentlich kommt, wie es war.
BEIDE
bemühen sich, die Sachen wieder in die alten Falten zu legen.
EDMUND.
Wie war doch das zusammengelegt?
HAHNENSPORN.
Verdammter Weiberkram!
EDMUND.
Ich finde die alten Falten nicht wieder!
HAHNENSPORN.
Das paßt nicht hinten und nicht vorn.
EDMUND.
Nein, so war es nicht, so geht es auch nicht in den Koffer!
HAHNENSPORN.
Herr Famulus, das kriegen wir beide nicht wieder so zusammen, wie es war.
EDMUND.
Das merke ich auch.
HAHNENSPORN.
Dazu gehören Frauenzimmerhände, das ist für uns zu knifflich!
EDMUND.
Was machen wir aber? Wenn die junge Frau das bemerkt?
HAHNENSPORN.
Na, die wird einen schönen Lärm schlagen.
EDMUND.
Sie wird uns für neugierig und zudringlich halten!
HAHNENSPORN.
Ja ich kriege die Dinger nicht zurecht.
EDMUND.
Was machen wir? Sie müssen bald kommen!
HAHNENSPORN.

Da müßte uns ein Frauenzimmer helfen! Ich kenne wol die scheele Suse, die an der Ecke einen Schnapsladen hält, aber die wird sich auch nicht auf solche luftige Sachen verstehen.

EDMUND
ängstlich.

Was soll der Herr Professor denken! Er kann es nicht leiden wenn man in anderer Leute Sachen herumstöbert. Schafft Rath, Hahnensporn!

HAHNENSPORN.

Halt, ich hab's! Ich rufe die Kammerjungfer [184] von der Frau Majorin, die im ersten Stock wohnt, die soll uns helfen.

EDMUND.
Aber –
HAHNENSPORN.
Lassen Sie mich nur machen. So ein Kammerkätzchen weiß mit dergleichen umzugehen! Ab.
EDMUND.

Aber Hahnensporn, hört doch! Er ist fort! Die Kammerjungfer hier auf des Herrn Professors Stube? Ich glaube hier ist noch nie ein weiblicher Fuß eingetreten. Wenn das der Herr Professor wüßte! »Ein Weib im Heiligthume der Wissenschaft« würde er sagen! Hm er bringt ja seine eigene Frau mit, da wird das Heiligthum doch einmal entweiht. Nimmt eine Haube. Dünn wie Spinngewebe, es ist wahr, aber es muß doch hübsch aussehen wenn so ein frisches, lächelndes Gesichtchen darunter steckt! Hm jung ist die Base des Herrn Professors, hübsch soll sie auch sein, ein Bischen will ich es mir schon gefallen lassen hin und her geschickt zu werden. Lachend. Wie muß solch eine Haube einem Todtenkopfe stehen! Das muß ich einmal versuchen. Oeffnet den Schrank rechts hinten. Darin stehen mehre Schädel oder ein Gerippe, eine Elektrisirmaschine, physikalische Apparate, Gläser mit Spiritus u. dgl. Er setzt die Haube einem Schädel auf und geht zurück, um sie zu besehen. Hahaha, sieht gar nicht übel aus! Wer weiß, alter Schelm, was du im Leben auf dem Kopfe gehabt hast! Vielleicht findet die junge Frau Gefallen an dir und braucht dich als Haubenkopf!

3. Auftritt
Dritter Auftritt.
Edmund. Hahnensporn. Guste.

HAHNENSPORN.
Na kommen Sie nur mit, ich thue Ihnen wieder einen Gefallen!
GUSTE
eintretend.

Eigentlich sollte ich nicht! Von Ihnen, Herr Wichsier, bekommt man im Leben keinen Gruß, der Herr Professor findet es auch nicht der Mühe werth meine Wenigkeit zu beachten, und der Herr Famulus thut auch immer als ob er unser eine nicht sähe!

[185]
EDMUND
schüchtern und befangen.
Sie müssen nicht etwa denken –
HAHNENSPORN.

Ach was, der junge Mensch da getraut sich noch nicht Sie anzusehen, der Herr Professor hat immer den Kopf voll und sieht überhaupt niemanden an und an mir altem Krippenbeißer würden Sie doch wenig Gefallen finden, wenn ich auch blinzeln wollte! Jetzt helfen Sie uns!

GUSTE.
Dem jungen Herrn da zu Liebe will ich ein Auge zudrücken. Was soll's denn?
HAHNENSPORN.
Ich habe es ja schon gesagt, den Kram da sollen Sie uns ordentlich wieder einpacken.
GUSTE
kniet am Koffer nieder und packt die ihr zugereichten Sachen wieder ein.
So geben Sie her, das soll bald geschehen sein!
EDMUND
indem er ihr die Sachen vom Tische zureicht, für sich.
Mir zu Liebe? Und das sagt sie so freundlich, so lieblich; wahrhaftig –
GUSTE.
Na träumen Sie?
EDMUND
aufschreckend.
Nein nein, hier sind die Sachen!
GUSTE
einpackend.
Also diese Kleider gehören der jungen Frau Professorin?
HAHNENSPORN.

Ja, ihr Gepäck ist mit dem Fuhrmann vorausgeschickt worden, zwei Koffer habe ich schon auf ihr Zimmer gesetzt, jetzt hole ich den letzten.

GUSTE.
Und heute kommt das junge Ehepaar an?
HAHNENSPORN.
Ja heute.
GUSTE.
Lassen Sie doch den jungen Herrn sprechen, der weiß die Sache doch besser als Sie. Also heute?
EDMUND.

Ja heute. Die Frau Professorin wohnte ja nur sechs Stunden von hier in Ebersbach. Heute Morgen ist der Herr Professor hingefahren, Mittags ist die Trauung und Abends kommen sie hier an. Ja sie müssen bald kommen, die Sonne neigt sich zum Untergehen.

GUSTE.
Wie? Und keine Hochzeitsreise?
EDMUND.
Wie?
GUSTE.
Macht denn der Herr Professor keine Hochzeitsreise?
[186]
EDMUND.
Ei ja, er ist ja zur Hochzeit hingereist.
GUSTE.

Sie sind wirklich sehr naiv. Freilich von einer Hochzeits- oder Brautreise steht wohl nichts in Ihren dicken Büchern.

EDMUND.
Keine Silbe!
GUSTE.
Sie sind wirklich sehr – unschuldig. So, nun bin ich fertig!
EDMUND.
Halt, die Haube noch!
GUSTE.
Wo?
EDMUND
auf den Schrank zugehend.
Da!
GUSTE
sieht sie und schreit laut auf.
EDMUND
bleibt stehen.
Was gibt's?
HAHNENSPORN.
Wollen Sie in Ohnmacht fallen?
GUSTE.
Das ist ja abscheulich, huhu, machen Sie den Schrank zu!
EDMUND.
Aber es ist ja nur ein einfacher Todtenkopf, sehen Sie sich ihn doch an.
GUSTE
die Hände vor dem Gesichte.
Machen Sie den Schrank zu, das ist ja entsetzlich!
EDMUND
steht erstaunt.
Aber –
HAHNENSPORN
faßt sie am Arme.
Na wahrhaftig, ein ganz natürlicher Todtenkopf, kommen Sie nur näher!
GUSTE
stößt ihn tüchtig von sich.
Gehen Sie zum Kukuk! Schmeichelnd zu Edmund. Machen Sie den Schrank zu!
EDMUND
reißt rasch die Haube herunter und schließt den Schrank.
Da! Sie sind sehr schreckhaft.
GUSTE
legt die Haube in den Koffer.
Wenn das die Frau Professorin wüßte! Ihre Haube auf einem Todtenschädel – huhu!
HAHNENSPORN.
Aber so hören Sie doch –!
GUSTE.

Sie schweigen still, lassen Sie den jungen Herrn reden. Ist denn alles zum Empfange der Frau Professorin bereit, kann ich vielleicht noch helfen?

EDMUND
verwundert.
Ja – – von einem Empfange ist uns nichts gesagt worden!
GUSTE
schlägt die Hände zusammen.

Also nichts? Nicht ein [187] paar Kränze, Blumengewinde? Keine kleine Gesellschaft, kein Abendessen? So kahl und schaal soll die junge Frau einziehen?

EDMUND
verlegen.
Ja von alledem haben wir nichts gewußt.
GUSTE.

Na Ihrer Jugend muß man etwas nachsehen, aber der Herr Professor und der Alte da hätten doch wissen sollen was sich schickt!

HAHNENSPORN.

Was schwatzen Sie doch, es ist ja alles bereit: Betten, Tische, Stühle, Waschtisch, alles was der Mensch nöthig hat! Halt, da fällt mir ein, eins fehlt noch – aber am Ende braucht sie das gar nicht!

GUSTE.
Was denn?
HAHNENSPORN
trocken.
Ein Stiefelknecht!
GUSTE.

Ich glaube der Herr Wichsier ist unter Hottentotten und Eskimos groß geworden. Wo sind denn die Zimmer der Frau Professorin?

EDMUND
öffnet die Thüre rechts.
Hier, wollen Sie sie sehen?
GUSTE
geht an die Thüre.

Hinten nach dem Hofe heraus? Richtig, das sind eben so ein paar kleine Löcher, wie bei uns im ersten Stock, die wir zu Vorrathskammern brauchen. Und hier unter der Dachrinne muß es ja feucht sein?

EDMUND
immer schüchtern.
Ein wenig feucht ist es wol!
GUSTE.
Aber Sie haben ja gute Zimmer nach vorn hinaus?
EDMUND.

Ja, in dem einen schläft der Herr Professor, das zweite ist Bibliothek, in dem dritten wird Privatunterricht gegeben.

GUSTE
höhnisch.
So? Und die Frau soll hinten nach dem Hofe hinaus wohnen?
EDMUND.

Ja; früher habe ich da geschlafen, ich komme jetzt eine Treppe höher; der Herr Professor liebt keine großen Veränderungen im Haushalte.

GUSTE.
So? Nun das wird sich finden!
[188]
HAHNENSPORN
für sich.
Da haben wir's, die ist noch nicht einmal die Frau und es geht schon los!
GUSTE
die Zimmer musternd.

Und hier soll die junge Frau wohnen? Da ist ja nicht einmal ein Teppich vor dem Bette, und – nein es ist zu arg, kein Sopha – und – wahrhaftig in beiden Zimmern kein Spiegel!

HAHNENSPORN
für sich.
Ich habe es ja gedacht, das Haus wird auf den Kopf gestellt, wenn die Weiber kommen!
EDMUND
verlegen.
Ja ich bin unschuldig, ich weiß ja nicht –
GUSTE
ärgerlich.
Sie wissen auch verdammt wenig. Ist denn schon ein Mädchen gemiethet?
EDMUND.
Nein, das will der Herr Professor nicht.
GUSTE
schlägt die Hände zusammen.
Das will der Herr Professor nicht?
HAHNENSPORN
für sich.
Erst eine Frau, nun auch schon ein Mädchen; das gibt eine ganze Colonie von Weibern. Ich ziehe ab.
GUSTE.
Aber um alles in der Welt was denkt denn der Herr Professor?
EDMUND.

Er will durch seine Heirath durchaus keine Veränderung in seiner Lebensweise haben. Die Hausarbeiten besorgt der Wichsier nach wie vor.

HAHNENSPORN.
Besorge ich!
EDMUND.
Den Kaffee koche ich nach wie vor.
HAHNENSPORN.
Ganz guten Kaffee.
EDMUND.
Und das Mittagsessen holt der Wichsier aus dem Speisehause wie bisher.
HAHNENSPORN.
Das heißt eine Portion mehr.
GUSTE
höhnisch.

Wirklich? Eine Portion mehr? Ich dachte schon die Frau sollte essen was übrig bleibt; zu euren übrigen Einrichtungen hätte das ganz gut gepaßt.

EDMUND.
Aber gefällt Ihnen das nicht?
GUSTE
höhnisch.

O ausnehmend! Ich glaube die Gelehrsamkeit hat euer Gehirn ausgetrocknet. Sagen Sie Ihrem Herrn Professor: wenn er heirathen wollte, sollte er erst lernen [189] was einer Frau zukommt! Von diesem alten Hottentotten wundert mich die Dummheit nicht, aber Ihnen, junger Herr, hätte ich mehr Verstand zugetraut! Die arme Frau thut mir leid, die euch gelehrten Leuten in die Hände geräth. Wenn sie aber nicht geradezu auf den Kopf gefallen ist, wird sie euch schon zurecht stutzen und Ordnung in eure gelehrte Bude bringen. Ich muß die Geschichte nur gleich der Frau Majorin erzählen; alle Frauen aus der ganzen Stadt müssen zusammentreten, um diesen Türken und Indianern zu zeigen was einer Frau gebührt.


Läuft fort.
EDMUND
steckt ein Licht an.
Ei was ist die Kammerjungfer auf einmal bös geworden!
HAHNENSPORN.
Na glauben Sie mir nun? Hatte ich nicht Recht? Da haben Sie gesehen wie die Weiber sind.
EDMUND.

Wenn auch wirklich hier und da etwas fehlt, das kann man ja nachschaffen. Zündet eine Studirlampe an.

HAHNENSPORN.

Als wenn der Herr Professor Zeit hätte sich um alle die Lappalien zu bekümmern. Ein Spiegel? Hä? Das ist die liebe Eitelkeit! Ich möchte wissen zu was eine Frau einen Spiegel braucht!

EDMUND.
Anfangs war das Mädchen so sanft und gut, und auf einmal gerieth sie so in Zorn.
HAHNENSPORN.

Das sind eben die Launen der Weiber! Na sie hat uns wenigstens den Koffer wieder in Ordnung gebracht, ich will ihn jetzt hineinsetzen. Trägt den Koffer rechts ab.

EDMUND.

Das Mädchen war ganz hübsch, aber als sie zornig wurde, hätte ich mich bald gefürchtet und ich bin doch sonst nicht leicht bange. Die beiden Stuben, wo die Frau Professorin wohnen soll, sind für einen Studenten eine prächtige Kneipe, ich wünschte mir im Leben keine bessere. Horch ein Wagen! Am Fenster. Da sind sie! Hahnensporn, sie sind da!

HAHNENSPORN
kommt zurück.
Sie sind da, Gott sei uns gnädig!
[190]
EDMUND.
Ich will leuchten! Mit Licht ab.
HAHNENSPORN.

Ich merke wie das Ding geht, in vier Wochen habe ich meinen Abschied. Füllt sich seinen Tabaksbeutel, den er aus der Tasche zieht, mit Tabak aus einem Kästchen, das auf dem Tische links steht. Es thut mir leid. Ein guter Herr, der Professor, pünktlich in allen Dingen, nicht von vielen Worten, ich glaube ich habe manchmal in Monaten keine Silbe von ihm gehört. Und immer guten Tabak rauchte er. Wo werde ich mir jetzt meinen Tabaksbeutel füllen können, wenn ich hier fort bin? Und alles das einer Frau wegen? Aufgeopfert, hinausgestoßen! Es ist wirklich hart. Wahrhaftig es thut mir leid um den schönen Dienst. Eine schlechte Einrichtung das Heirathen! Ah da sind sie!

4. Auftritt
Vierter Auftritt.
Hahnensporn. Otto. Antonie. Edmund leuchtend.

OTTO
im schwarzen Frack, weißen Halstuch und weißer Weste, etwas steif in der Haltung, gemessen pedantisch im Tone, geht voraus.
ANTONIE
in Mantel und Hut, reisemäßig, eine Reisetasche in der Hand folgt ihm.
OTTO.

So, da sind wir zu Hause. Da wir nun Mann und Frau sind, ziemt es sich daß wir wie christliche Eheleute einander du nennen und ich fange damit an daß ich dich willkommen heiße und sage: deinen Eingang segne Got. Meinen Rock.

HAHNENSPORN
drückt sich leise hinaus.
EDMUND
bringt einen schwarzen Oberrock.
OTTO
zieht den Frack aus und den Rock an.

Dort sind deine Zimmer, in denen du unbeschränkte Freiheit hast zu thun und zu lassen was du willst, natürlich was erlaubt ist. Da ich den ganzen Tag mit gelehrten Arbeiten beschäftigt bin, so verlange ich ungestört zu sein, wünsche überhaupt daß an der Lebensweise, wie ich sie gewohnt bin, nichts geändert werde. [191] Steckt einen Tabaksbeutel ein, den ihm Edmund bringt, nimmt eine lange Pfeife von diesem und seinen Hut. So bin ich gewohnt jeden Abend auf das Casino zu gehen, um daselbst die Zeitungen zu lesen. Um acht Uhr gehe ich dahin und kehre um zehn Uhr zurück, wo ich mich zur Ruhe verfüge. Dieser Gewohnheit werde ich treu bleiben, und da es bereits zehn Minuten über acht Uhr ist, dürfte es die höchste Zeit sein daß ich gehe. Und so wünsche ich dir eine recht gute Nacht. Ab.

EDMUND
leuchtet ihm.
ANTONIE
bleibt verwundert in der Mitte der Bühne stehen.

2. Akt

1. Auftritt
Erster Auftritt.
Antonie im saubern Morgenanzuge von rechts.

Die erste Nacht in einer neuen Wohnung! Der Volksglaube sagt: was man da träume gehe in Erfüllung. Ich habe nicht viel geträumt, nur unruhig geschlafen. Wie wird das enden? Oder wie soll es werden? Ich bin verheirathet – aber an wen? An einen Mann? Ich glaube eher an ein Buch. Gleichgültig kam er, mich zur Trauung zu führen, gleichgültig und kalt war er bei der heiligen Handlung, gleichgültig saß er im Wagen neben mir, als wir hierher fuhren. Kein freundliches Wort, kein Wort des Vertrauens, nicht die leiseste Annäherung. Er betrachtet die Frauen wie untergeordnete Wesen, etwa wie seine Schüler, – vermuthlich stehen in einem dieser alten Bücher solche verwünschte Grundsätze. Er weis't mich in die schlechtesten Zimmer seiner Wohnung, die kaum mit dem Nothdürftigsten ausgestattet sind, er will von den Gewohnheiten seines Hagestolzenlebens nicht abgehen, und stellt diese als Richtschnur für unser eheliches Leben auf – kann sich dabei eine wirkliche Ehe gestalten? Soll ich mich als Magd, als geduldet nur, als unangenehme Zugabe zu der Erbschaft behandeln lassen, wäre es nicht besser gewesen: ich hätte dieser entsagt und wäre, wenn auch nicht wohlhabend, doch frei und [193] fröhlich geblieben?Streicht mit der Hand über das Gesicht, munter. Pfui Antonie, was soll die Kopfhängerei? Warst du nicht einig mit dir selbst? Willst du dir selbst ableugnen daß du eine Neigung zu dem Undankbaren gefaßt hast, als du ihn vor vier Jahren zum ersten Male bei dem Oheim sahst? Daß sein Bild nicht wieder aus deinem Innern schwand? Ja, ich habe ihn im Herzen getragen – aber er erwiedert meine Liebe nicht? Je nun, er kennt mich ja noch nicht, er kennt überhaupt keine Frauen, er meint ganz unbefangen: wir müßten so behandelt werden, er meint ganz Recht zu haben. Es gilt ihn über das Falsche seiner Meinung zu belehren, ihm begreiflich zu machen was eine Frau ist – mit einem Worte: ich muß ihm gefallen! Gut und von edlem Charakter ist er, davon habe ich Beweise, und Grillen und Vorurtheile lassen sich bekämpfen. Es müßte schlimm zugehen, wollte ich ihn nicht bekehren, wenn ich mich klug und fest benehme. Sollte mir die Gabe zu gefallen ganz versagt sein? Ich will es nicht hoffen! Still, es regt sich im Nebenzimmer. Nun denn, Herr Professor, Sie lieben die Ruhe und Ungestörtheit, machen Sie sich darauf gefaßt daß Ihre Ruhe etwas sehr gestört werden wird. Wir wollen sehen ob Ihre bezopften Vorurtheile Recht behalten oder Ihre junge Frau. Rechts ab.

2. Auftritt
Zweiter Auftritt.
Edmund. Dann Otto.

EDMUND
durch die Mitte mit einer Kaffeekanne, einem kleinen Wasserkessel und einigen Tassen.

Er stellt die Tassen auf den Tisch rechts, macht dann im Kamin Feuer mit Holz und setzt den Wasserkessel und die Wasserkanne darauf. Dabei sitzt er theils auf einer Fußbank, theils kauert er sich. Noch alles still. Sie schlafen noch. Vermuthlich sind sie müde von der Reise. Also heute beginnt ein neues Leben in unserm Hause. Etwas ängstlich bin ich doch. Aber auch neugierig wie die Frau Professorin aussieht. Gestern Abend in Hut und Schleier konnte ich ihr Gesicht nicht sehen, und nachher getraute ich mich nicht wieder in das Zimmer.

[194]
OTTO
von rechts, gekleidet, aber im Schlafrock, mit langer, brennender Pfeife.
Eheu!
EDMUND.
Guten Morgen Herr Professor!
OTTO.

Sind Sie da? Setzt sich an seinen Schreibtisch links. Guten Morgen! Schreibend. Ist gestern in meiner Abwesenheit etwas vorgefallen?

EDMUND.
Auf heute Nachmittag vier Uhr ist Conferenz angesagt.
OTTO.
Gut. Wann habe ich heute Unterricht zu geben?
EDMUND.
Um neun Uhr, es ist Samstag!
OTTO.
Richtig! Tacitus in der Prima, und nachher Xenophon in der Secunda.

Es klingelt rechts.
OTTO
horcht hoch auf.
Was ist das?
EDMUND.
Es kam aus dem Zimmer der Frau Professorin!
OTTO.

Ach ja – ich hatte ganz vergessen! Wie kommt denn eine Klingel in das Zimmer? Ich habe doch nichts davon befohlen?

EDMUND.
Vermuthlich hat sie dieselbe unter ihren Sachen mitgebracht.
OTTO.
So wird es sein. Läßt sich in seinen Arbeiten so wenig als möglich stören.

Klingeln.
OTTO.
Was soll denn das Klingeln bedeuten? Famule, gehen Sie einmal hinein und sehen Sie was es gibt!
EDMUND
eilt rechts ab.
OTTO.

Diese Unruhe kann ich nicht gestatten, sie muß sich an Stille gewöhnen. Ich werde es ihr gleich ernstlich verweisen. – Hm, wenn man hier an dieser Stelle statt magnis magis läse – so würde der Sinn weit klarer und verständlicher. Diese Conjectur ist nicht übel.

EDMUND
kommt zurück.
Die Frau Professorin verlangt ein Mädchen!
OTTO.
Puellam quandam? Id est servam, ancillam? Wozu ein Mädchen?
[195]
EDMUND.
Vermuthlich zur Bedienung!
OTTO.

Das kann nicht gehen. Mägde sind schwatzhaft, näschig, unzuverlässig, das kann ich nicht um mich dulden. Sagen Sie ihr das Famule!

EDMUND
rechts ab.
OTTO.

Das wäre nicht übel, ancillas, Mägde, in meinem Hause zu haben. Dieses leichtfertige Geschlecht, das keinen Ernst begreift! Dii avertant! Gott soll mich bewahren!

EDMUND
kommt zurück.
Die Frau Professorin will ein Mädchen, das ihr beim Anziehen hilft!
OTTO.

Beim Anziehen? Mehercule, ich bedarf niemals Hülfe beim Anziehen! – Indessen die Weiber sind das schwache, hülfsbedürftige Geschlecht – so helfen Sie ihr denn, Famule!

EDMUND
springt nach der Thüre.
OTTO.

Doch halt! Für sich. Am Ende ist es nicht passend einen jungen Menschen, der meiner Obhut anvertraut ist, so nahe mit einem Frauenzimmer zusammenzubringen. Laut. Bleiben Sie! Ich werde selbst einmal nachsehen. Geht ein Paar Schritte und bleibt stehen. Doch nein! Darf der Mann der artige Dienste der Frau leisten? Es waren servae, Sclavinnen, welche den Römerinnen bei dem Anziehen behülflich waren. Vermuthlich auch bei den Griechen! Hm – ob nicht ein alter Autor darüber Nachweis gibt? Ich entsinne mich keiner Stelle. Ich muß mir das doch aufschreiben und einmal nachforschen. Geht nach seinem Schreibtische.


Klingeln rechts.
OTTO.

Ja so, meine Frau! Soll ich? Nein, das wäre denn doch gegen die Würde des Mannes – derartige Dienstleistungen sind unpassend. Famule, sagen Sie meiner Frau: es sei niemand da sie zu bedienen.

EDMUND
ab.
OTTO
sinnend, setzt sich wieder.

Wirklich ist mir dieser Umstand noch nicht aufgefallen. Ob wir bei den Griechen nicht irgend einen Nachweis –? Hm – die Mägde der Penelope [196] in der Odyssee spannen und bereiteten ein Bad – aber vom Anziehen ihrer Herrin entsinne ich mich nicht etwas gefunden zu haben.

EDMUND
kommt zurück.
Die Frau Professorin sagte: es wäre für heute gut, sie wollte sich selbst helfen. Geht an den Kamin.
OTTO.

Klytämnestra bereitete dem Agamemnon ein Bad, demnach leisteten auch bei den Griechen die Frauen den Männern Dienste, aber nicht umgekehrt. Halt, die Charitinnen bedienten die Aphrodite beim Anziehen! Aber Aphrodite war eine Göttin und man kann die Charitinnen nicht in einen Rang mit Sclavinnen setzen. Das paßt nicht. Die Frage ist von höchster Wichtigkeit.

3. Auftritt
Dritter Auftritt.
Vorige. Antonie.

ANTONIE.
Guten Morgen.
EDMUND
blickt sie verstohlen an.
OTTO
bemerkt sie nicht, in sein Papier vertieft.
ANTONIE
geht zu Otto, legt die Hand auf die Lehne seines Stuhls, halb über ihn gebeugt, freundlich.
Guten Morgen.
OTTO
saß halb abgewendet, fährt zusammen und beugt sich vor ihrer Nähe zurück.
Guten Morgen.
ANTONIE
bleibt einen Augenblick so stehen, als erwarte sie eine freundliche Annäherung.
OTTO
verlegen, rückt etwas, aber sehr wenig, mit dem Stuhle.
ANTONIE
zieht sich mit Würde zurück, ruhig.
Wie hast du geschlafen?
OTTO.

Ganz gut, wie immer. Er ist fortwährend mehr gleichgültig, ja etwas verlegen, nicht aber barsch. Sein Benehmen geht aus Unkenntniß und Vorurtheil, nicht aus Rauhheit des Charakters hervor.

ANTONIE
nach einer Pause, in der Beide einander ansehen, sanft.
Du fragst nicht wie ich geschlafen habe?
[197]
OTTO.
Ich rechne diese Frage zu den leeren Redensarten, die ein vernünftiger Mann vermeiden muß.
ANTONIE
immer sanft und lächelnd.
Ist es auch eine leere Redensart wenn der Mann seine Gattin so fragt?
OTTO.
Die Römer kannten diesen Gruß auch nicht.
ANTONIE.
So? Wie grüßten denn die Römer ihre Frauen?
OTTO.

Ihre Frauen? Hm ich weiß in der That nicht ob sie außer ihrem salve noch einen besonderen Gruß für ihre Frauen hatten. Murmelnd und schreibend. Das ist schon die zweite wichtige Frage, die mir heute Morgen aufstößt, über welche ich nachforschen muß: wie grüßten die Römer ihre Frauen?

ANTONIE
für sich.

Also die Römer sind es, die mir im Wege stehen, die den mir gebührenden Platz einnehmen, die ich zu bekämpfen habe. Keck. Wir wollen doch sehen, ob eine junge Frau die alten vermoderten Schelme nicht aus dem Felde schlägt.Laut. Sage, lieber Freund, tranken die Römer auch Kaffee?

OTTO
immer gelehrt und wichtig, wenn von derlei Dingen die Rede ist.

Nunquam, niemals! Das Frühstück der Römer oder prandium bestand aus – halt, das prandium der Römer war doch etwas anderes als unser Morgenbrod – Halb für sich. es ist mehr das englische lunch – hm, da stößt mir eine dritte Frage von Wichtigkeit auf. Schreibt.

ANTONIE
lächenld.
Ich will dir keine weitere Mühe machen, deshalb frage ich nur: werden wir Kaffee trinken?
OTTO.
Gewiß. Famule!
EDMUND.
Herr Professor – sogleich!
OTTO.
Du sollst sogleich bekommen!
EDMUND.

Im Augenblick! Holt die Tassen vom Tische, für sich. Was der alte Hahnensporn nur will, die Frau Professorin ist ja so lieb und sanft wie ein Engel!

OTTO
für sich.

Meine Frau sieht recht hübsch aus. Sie scheint auch sanft und verträglich zu sein, wir werden recht gut mit einander auskommen.

[198]
ANTONIE
stand rechts am Tische und schlug ein Buch auf.

Bis der Herr Famule mit dem Kaffee in Ordnung ist, könnten wir wol dieses oder jenes besprechen. Wie hast du dir denn unsere Hausordnung gedacht?

OTTO.

Ich habe dir schon gesagt daß ich wünsche meine einmal festgesetzte Lebensweise nicht geändert zu sehen.

ANTONIE.
Und wie ist denn die?
OTTO.

Sehr einfach! Das Frühstück besorgt der Famulus, das Mittagessen holt der Stiefelputzer aus dem Speisehause, Abends esse ich im Casino, und du magst dir vom Stiefelputzer holen lassen was dir beliebt.

ANTONIE
ganz ruhig.
Lieber Freund, zu dieser Hausordnung kann ich meine Zustimmung nicht geben.
OTTO
horcht hoch auf.
Wie?
ANTONIE.
Die paßt für einen unverheiratheten Mann, nicht für ein Haus, in dem eine Frau waltet.
OTTO.

Hm, ich bin gern geneigt deinen Wünschen etwas nachzugeben, aber meine Arbeiten und Studien erfordern –

ANTONIE
lächelnd.
O meine Haushaltung wird deine Arbeiten und Studien nicht stören!
OTTO.
Was hättest du denn für Vorschläge zu machen?
ANTONIE.

Vorschläge? Ich denke, die Hausfrau wird nicht blos eine berathende, sondern eine beschließende Stimme haben.

OTTO.

Beschließende Stimme? Das geht zu weit. Bei den Römern und Griechen waren die Frauen im gynaeceum, im Frauengemache!

ANTONIE
ruhig.

Lieber Freund ich denke mein Haus auch nicht römisch und griechisch, sondern einfach deutsch einzurichten. Ich werde dir kurz sagen was ich wünsche, was ich will! Erstens wünsche ich noch heute eine Köchin!

OTTO.
Was soll ein so geschwätziges Wesen im Hause?
ANTONIE.

Kochen, mein Freund, sonst nichts. Das Frühstück besorge ich, das Mittagessen wird nicht im Speisehause [199] geholt sondern selbst bereitet, des Abends wird es auch besser sein wenn du zu Hause issest.

OTTO.

Nimmermehr! Zu solchen Umwälzungen meiner Hausordnung kann ich meine Zustimmung nicht geben! Eine Köchin im Hause, Selbstkochen, der Lärm, die Umstände – nimmermehr!

ANTONIE.
Lieber Freund, deine Sachen sind die Römer und die Griechen, das Hauswesen ist meine Sache!
OTTO
aufstehend.
Du führst eine Sprache –
ANTONIE
fest, aber gelassen.
Wie sie der Frau zukommt.
OTTO.
Das kann ich nicht zugeben. Der Mann ist der Herr im Hause und sein Wille entscheidet.
ANTONIE.

Es wäre gut gewesen du hättest dir, als du heirathetest, die Verhältnisse klar gemacht. Der Mann ist der Herr des Hauses, im Hause aber ist die Frau die Herrin.

OTTO.
Mulier taceat in ecclesia!
ANTONIE.
Das verstehe ich nicht, was heißt das?
OTTO.
Die Frau schweige in der Kirche, sie rede nicht mit.
ANTONIE.

In der Kirche? Gern. Im Hause aber muß die Frau nicht schweigen, sondern anordnen, regieren, befehlen, und das alles geht nicht ohne zu sprechen und zuweilen recht vernehmlich zu sprechen.

OTTO.

Der Spruch war auch nur bildlich gemeint, in der Anwendung heißt er so viel als: die Frau soll sich dem Willen des Mannes fügen.

ANTONIE.
Der Mann soll seinen Willen nicht weiter erstrecken als er berechtigt ist.
OTTO.

Der Wille des Mannes ist unbeschränkt. »Und er soll dein Herr sein,« sagt Moses, und der Apostel Paulus spricht: »ihr Weiber seid unterthan euren Männern;« ja die weise und tüchtige Penelope gehorchte ohne weiteres selbst ihrem Sohne Telemach, als er sie in die Frauengemächer verwies.

ANTONIE.

Du erhitzest dich ohne Noth. Die weise[200] Penelope mag es gehalten haben wie sie wollte, ich bin eine deutsche Hausfrau und halte es wie es bei uns Rechtens und Sitte ist.

OTTO.

Wie? Du wagst es dich förmlich gegen deinen Mann aufzulehnen? Ei ei, ich habe dich für sanft und fügsam gehalten. In abgeschmacktem Schulmeistertone. Es ist mir aber lieb daß du gleich anfangs deinen Hochmuth, deinen Ungehorsam an den Tag legst, damit ich dir unumwunden auseinandersetzen kann welche Stellung dir gebührt. Das Weib steht dem Manne nach in allen Eigenschaften des Körpers und des Geistes; deshalb soll der Mann ihr Vormund sein und Gewalt über sie haben, wie über eine Minderjährige, die sie auch ihr Leben lang bleibt. Solches bestimmt daher auch das römische Recht und darnach war die Stellung der Weiber bei den Alten geordnet, indem sie auf ihre Gemächer beschränkt waren und nicht einmal bei der coena, der Mahlzeit, erscheinen durften. Die größten Autoritäten des Alterthums sprechen sich in diesem Sinne aus. Die ältesten Philosophen, selbst die Kirchenväter weisen den Weibern ihre untergeordnete Stellung an. Ich will dabei von dem Simonides absehen, der vielleicht etwas zu weit geht, wenn er die Weiber mit Füchsen, Affen und Hunden vergleicht, ich will auch nicht genauer auf die ungünstigen Schilderungen eingehen, die Euripides von den Frauen macht, aber der Pythagoräer Secundus nennt die Weiber ein nothwendiges Uebel, und der heilige Hieronymus sagt: sie seienignarae, leves, pertinaces, unwissend, leichtsinnig und hartnäckig. Du wirst nun hoffentlich einsehen welche Stellung dir deinem Manne gegenüber gebührt, wirst dich in schweigendem Gehorsam meinen Anordnungen fügen und mich nicht zwingen meine Autorität gegen dich geltend zu machen.

ANTONIE
hat ihn ruhig angehört.

Dein Pythagoräer mag ganz Recht haben, daß wir unwissend, leichtsinnig und hartnäckig sind. Unwissend bin ich so weit, als ich deine alten groben Philosophen und Kirchenväter nicht kenne, allein ich danke Gott daß ich deren Dummheiten nicht weiß und mir von ihnen nicht habe den Kopf verdrehen lassen. Leichtsinnig [201] mag ich auch sein, und das ist mir sehr lieb, denn es gehört wirklich viel leichter Sinn dazu in diesem Sammelplatze vermoderter Gelehrsamkeit als Frau aushalten zu wollen. Und damit dein Pythagoräer ganz Recht hat, werde ich so hartnäckig sein deine Autorität in Bezug auf die Hausordnung durchaus nicht anzuerkennen.

OTTO
heftiger.
Du mußt.
ANTONIE
fest.
Durchaus nicht!
OTTO.
Ich werde dich zwingen!
ANTONIE.
Das will ich abwarten.
OTTO
stark auf sie zutretend.
Du wagst es, femininum!
ANTONIE
die Hände auf dem Rücken, schaut ihm keck in das Gesicht.
Nach einer Pause lächelnd. Mein Herr Gemal.
OTTO
durch ihre Keckheit entwaffnet, für sich murmelnd.
Wir werden sehen.
EDMUND
hat mit Aengstlichkeit dem Auftritt zugesehen.
Der Kaffee ist fertig.
ANTONIE
neckisch.
Machen wir Waffenstillstand bis nach dem Frühstück.
OTTO
setzt sich, für sich.
Ich werde schon Mittel finden!
ANTONIE
sich umsehend.
Ich bemerke aber noch keine Anstalten zum Frühstück?
OTTO.

Was sind da für Anstalten nöthig? Ich nehme meine Tasse Kaffee während der Arbeit, dir kann er auf dein Zimmer gebracht werden.

EDMUND
bringt Otto eine Tasse Kaffee und setzt sie auf seinen Tisch.
ANTONIE.

Ich will mir heute einmal diese Art gefallen lassen. Schiebt die Bücher auf dem Tische rechts zusammen.

OTTO
fährt in die Höhe.
Halt, die Bücher!
ANTONIE.

Auf ein wenig Platz wird deine Gattin doch Anspruch machen können. Herr Famule, bringen Sie mir den Kaffee hierher.

EDMUND
setzt ihr eine Tasse Kaffee auf den Tisch rechts.
4. Auftritt
[202] Vierter Auftritt.
Vorige. Hahnensporn mit Stiefeln an einem Stocke.

HAHNENSPORN
bleibt hinten, stellt die Stiefeln weg und beschäftigt sich mit Röcken, die über einem Stuhle hängen.
Guten Morgen allerseits.
OTTO
brummend.
Guten Morgen!
EDMUND
sitzt am Kamin und trinkt Kaffee.
ANTONIE
am Tische sitzend, dreht sich um, sieht ihn an, freundlich.
Guten Morgen.
HAHNENSPORN
für sich.
Aha, da ist die Frau! Und hier im Studirzimmer? Schüttelt den Kopf.
ANTONIE
hat getrunken.
Pfui, pfui, pfui, was ist das für ein Getränk!
OTTO
der schrieb.
Was gibt's?
EDMUND
verlegen, steht auf.
Schmeckt Ihnen der Kaffee nicht?
ANTONIE.
Kaffee? Das soll Kaffee sein?
EDMUND.
Frisch aufgewärmt.
ANTONIE.
Wie?
EDMUND.

Wir kochen den Kaffee immer für vierzehn Tage im Voraus und wärmen jeden Tag die nöthige Portion auf.

ANTONIE
aufstehend.
Nein, das ist zu toll! Lacht stark.
HAHNENSPORN
zieht sich nach der Thüre.
Jetzt platzt die Bombe!
ANTONIE.
Und solchen Kaffee, meint ihr, soll ich trinken?
OTTO.
Aber ich habe –
ANTONIE
ohne sich an ihr zu kehren, den ganzen folgenden Auftritt rasch, entschieden.
Ich will euch zeigen was Kaffee ist. Ist das Wasser da in dem Kesselchen?
EDMUND.
Frisches Brunnenwasser, ich wollte eben für die nächsten vierzehn Tage Kaffee machen.
[203]
ANTONIE.
Kocht es?
EDMUND.
Im Augenblick.
ANTONIE.
Auf meinem Tische steht eine Kaffeemaschine, holen Sie mir die!
EDMUND
rechts ab.
ANTONIE.
Sie da hinten, wie heißen Sie?
HAHNENSPORN.
Hahnensporn, ich heiße Hahnensporn.
ANTONIE.
Herr Hahnensporn, holen Sie geschwind frisches Weißbrod!
HAHNENSPORN
immer auf Otto sehend.
Aber ich –
ANTONIE.
Da liegt Geld! Nimmt von Otto's Schreibtische Geld. Hier nehmen Sie.
HAHNENSPORN.
Aber ich weiß nicht –
ANTONIE.
Ganz frisches Weißbrod, hören Sie!
HAHNENSPORN.
Aber der Herr Professor muß doch erst –
ANTONIE
heftig, mit blitzenden Augen.
Wollen Sie gehorchen! Im Augenblick!
HAHNENSPORN
verblüfft, eilt ab.
OTTO.
Aber der Lärm –
ANTONIE.
Beruhige dich, du sollst gleich guten Kaffee haben!
EDMUND
bringt eine Kaffeemaschine.
Hier, Frau Professorin!
ANTONIE.
Geben Sie her. Setzt die Maschine auf das Fußbänkchen am Kamin. Wer wohnt unten im ersten Stock?
EDMUND.
Die Frau Majorin Birnbaum.
ANTONIE.

Gehen Sie hinunter, sagen Sie eine Empfehlung von mir, ich würde ihr nachher meinen Besuch machen, jetzt bäte ich sie mir etwas Sahne und frische Butter zu leihen, ich sei noch nicht eingerichtet.

EDMUND.
Ich bin gleich wieder da! Durch die Mitte ab.
OTTO.
Aber Frau, das geht ja nicht –
ANTONIE
gutmüthig.

Armer Mann, wenn du immer so schlechten erbärmlichen Kaffee getrunken hast, mußtest du ja ganz schwermüthig werden. Jetzt kann ich begreifen daß du [204] in manchen Dingen so sonderbare Grillen hast. Schlechter Kaffee wirkt nachtheilig auf das Geblüt und erzeugt Melancholie und Hypochondrie. Nein lieber Freund, das darf ich nicht dulden, du sollst gleich guten Kaffee haben. Wo aber – halt, ich habe noch Kaffee und Zucker in meiner Reisetasche. Rechts ab.

OTTO.

Ich weiß nicht, sie widerstrebt meinem Willen – und doch – sie ist flink und rührig, das steht ihr ganz gut.

HAHNENSPORN
kommt mit Weißbrod in Papier gewickelt, außer Athem.
Da bin ich – uf – ah, Herr Professor – uf, was bin ich gelaufen. Das ist zu arg.
OTTO.
Nun nun, das bischen Laufen wird dir nicht schaden.
ANTONIE
nimmt mit Kaffee in einer Düte zurück.

Ah da sind Sie ja. Hier auf den Tisch das Weißbrod! Geht zum Kamin, schüttet den Kaffee in die Maschine und gießt aus dem Kesselchen auf.

HAHNENSPORN
legt das Weißbrod auf den Tisch rechts.
Es ist ganz frisch, heute Morgen erst gebacken!
ANTONIE.
Rücken Sie den Tisch da hinten in die Mitte.
HAHNENSPORN.
Welchen?
ANTONIE.
Den an der Thüre.
HAHNENSPORN.
Aber da liegen ja Bücher.
ANTONIE.
Legen Sie die Bücher auf den Stuhl!
HAHNENSPORN.
Was? Die Bücher auf den Stuhl?
ANTONIE.

Sie sind entsetzlich langsam und ungeschickt! Stellt den Kessel weg, eilt nach hinten, legt die Bücher von dem Tische rasch auf den Stuhl, wobei einige auf die Erde fallen. Es liegt ja alles so voll von Büchern, daß man sich nicht rühren und bewegen kann. So, so, so – sehen Sie, nun ist der Tisch leer. In die Mitte damit! Eilt nach dem Kamin und gießt auf.

HAHNENSPORN
trägt den Tisch in die Mitte, doch nicht zu weit vor.
OTTO
unbehaglich.
Du machst aber eine heillose Verwirrung!
ANTONIE.
Das kommt dir nur so vor! Du wirst bald die schönste Ordnung sehen!
[205]
EDMUND
kommt mit einem Milchtöpfchen und einem Teller mit Butter.
Da bin ich, die Kammerjungfer hat mir alles gegeben. Setzt alles auf den Tisch rechts.
ANTONIE.
Auf den Tisch da vorn! Herr Famule!
EDMUND.
Sie befehlen?
ANTONIE.
Gehen Sie – nein, kommen Sie hierher und schütten Sie den Kaffee auf. Können Sie das?
EDMUND
thut es.
Gewiß.
ANTONIE.
Gut. Eilt in ihr Zimmer.
HAHNENSPORN.

Aber Herr Professor, was soll das geben? Was werden die alten Classicisten sagen, wenn hier in Ihrer stillen Wohnung so gewirthschaftet wird?

OTTO.
Was redest du für Zeug? Laß meine Frau nur gewähren, wir werden ja sehen was da herauskommt.
EDMUND
für sich.
Die greift rasch an und bringt Leben in unsere Stille. Das kann wahrhaftig nicht schaden!
ANTONIE
kommt mit einer damastnen Kaffeeserviette über dem Arme und einem vollständigen Kaffeeservice auf breitem Präsentirteller.

Sie stellt es auf den Tisch rechts und reicht Hahnensporn die Serviette. Decken Sie das auf den Tisch.

HAHNENSPORN
breitet die Serviette über den Tisch in der Mitte.
ANTONIE.
Bringen Sie mir den Kaffee her!
EDMUND
bringt die Kaffeemaschine auf den Tisch rechts.
ANTONIE
gießt während dessen die Milch in die Milchkanne des Service und thut die Brödchen in einen blechernen lackirten Brodkorb, den sie mitbrachte.

Das Service ist ein Hochzeitsgeschenk meiner Freundin Sophie. Du hast ihm gestern nicht die geringste Aufmerksamkeit geschenkt, mein Freund. Gießt den Kaffee aus der Kaffeemaschine in die Kanne des Service. Setzen Sie Stühle an den Tisch, Herr Hahnensporn!

HAHNENSPORN
setzt drei Stühle an den mittlern Tisch.
ANTONIE.
Auf meinem Zimmer stehen kleine Teller und Messer, holen Sie mir die, Herr Famule!
EDMUND
rechts ab.
ANTONIE.

Wenn du immer so zwischen den Arbeiten trinkst, kann es dir nicht bekommen, man muß sich zu allem Zeit nehmen, auch zum Essen und Trinken.

[206]
EDMUND
bringt die Teller und Messer und stellt sie auf den mittlern Tisch.
ANTONIE
ist fertig und setzt das ganze Kaffeeservice auf den mittlern Tisch.
So – nun ist alles bereit.
EDMUND
setzt das Körbchen mit dem Weißbrod auch auf den Tisch.
ANTONIE
geht zu Otto, mit anmuthiger Verbeugung.

Willst du jetzt die Güte haben die erste Tasse Kaffee, die deine Frau bereitet, mit ihr in Gesellschaft zu trinken?

OTTO
legt die Feder weg und steht auf.
Hm du bist so freundlich – und das sieht wirklich ganz einladend aus.

Setzt sich.
ANTONIE
Kaffee einschenkend.
Herr Famule, wollen Sie Platz nehmen?
EDMUND
setzt sich schüchtern.
ANTONIE
reicht Otto eine volle Tasse.
Hier ist Zucker und Sahne, bediene dich! Steht auf. Herr Hahnensporn!
HAHNENSPORN.
Hier!
ANTONIE.
Wissen Sie wo die Näherin Lisette Ueblich wohnt?
HAHNENSPORN.
Ja wohl!
ANTONIE.
Bestellen Sie sie um zwölf Uhr zu mir.
HAHNENSPORN.
Ich weiß nicht – Herr Professor – soll ich –?
ANTONIE
entschieden.
Sind Sie nicht als Aufwärter hier in Diensten?
HAHNENSPORN.
Allerdings – aber –
ANTONIE.

So erfüllen Sie ohne Widerrede die Aufträge, die ich Ihnen gebe, ich, die Frau vom Hause. Und rasch, kommen Sie bald wieder, ich habe noch mehr für Sie zu thun. Gehen Sie!

HAHNENSPORN
verblüfft.
Wie Sie befehlen. Ab.
ANTONIE
setzt sich, sehr freundlich.
Nun, mein Freund, wie ist der Kaffee?
OTTO.
Ich muß gestehen, so habe ich ihn noch nicht getrunken. Gib mir noch eine Tasse.
[207]
ANTONIE
einschenkend.
Pflegst du nicht des Morgens zu essen?
OTTO.
Während des Anziehens bin ich gewöhnt ein Brödchen zu mir zu nehmen.
ANTONIE.

Erlaubst du daß ich dir eins bereite?Schmiert ein Weißbrod und reicht es ihm dann auf einem Teller. Das Essen, das man so halb stehend und halb gehend zu sich nimmt, kann ja nicht bekommen.

OTTO.

Daran mag etwas Wahres sein. In der That, der Kaffee ist trefflich! Famule, mit Ihrer Kochkunst ist es nicht weit her, da müssen Sie etwas lernen.

ANTONIE
die indessen auch Edmund eingeschenkt hat, freundlich.

Ich entbinde Sie in Zukunft von dem Küchenamte, das sich jedenfalls besser für die Köchin als für Sie paßt.

OTTO.
Aber mit der Köchin –
ANTONIE.
Noch eine Tasse, mein Freund?
OTTO.

Nun ja – es schmeckt mir trefflich, ich muß anerkennen daß du dich darauf verstehst ein Frühstück zu bereiten.

ANTONIE.

Ich hoffe, du sollst in jeder Beziehung finden daß ich meinen Platz als Hausfrau auszufüllen verstehe. Trinkt der Herr Famule noch ein Täßchen?

OTTO.
Lus!
ANTONIE.
Wie?
OTTO.
Famulus, nicht le.
ANTONIE.
So? Darf ich dem Herrn Famulus noch einmal einschenken?
OTTO.
Lo, Famulo!
ANTONIE.
Nun wieder lo? Meinetwegen. Ich frage den Herrn Famulo –
OTTO.
Famulum!
ANTONIE.
Geh, du hältst mich zum besten! Sagen Sie mir selbst, heißen Sie Famulus, lum, lo oder le?
OTTO
schulmeisternd.

Das sind die verschiedenen Casusendungen. Es gibt einem tüchtigen Grammatiker immer einen Stich in das Herz, wenn ein Casus falsch angewendet wird.

ANTONIE
lachend.

Nun, mein Freund, vielleicht lerne ich [208] die Anwendung der verschiedenen Casusendungen noch von dir. Schenkt Edmund ein. Damit aber über die Casus nicht der Casus eintritt daß Sie keinen Kaffee bekommen, hier! Zu Otto. Hättest du nicht Lust zur letzten Tasse ein Pfeifchen zu rauchen?

OTTO.
Hm das wäre nicht übel –
ANTONIE
holt ihm rasch eine Pfeife.
Ich weiß, der selige Oheim liebte es auch beim Kaffee zu rauchen. Da.
OTTO.

Hm hm, du bist sehr gefällig – ich finde es in der That ganz behaglich, was ich bisher niemals gethan, sein Frühstück mit etwas Ruhe zu genießen. Es scheint mir auch im Grunde kein Unrecht sich an dem Wohlgeschmack der Speisen und Getränke zu erfreuen, da dieser Wohlgeschmack eine Eigenschaft ist, die Gott seinen Gaben beigelegt hat.

ANTONIE.
Der Meinung bin ich auch, also zünde deine Pfeife an.
OTTO
sieht nach der Uhr.

Ich möchte wohl – indessen – Springt auf. o weh, es ist schon neun Uhr vorüber, und ich muß in die Classe. Ich begreife nicht wie die Zeit so rasch vergangen ist.

ANTONIE.

Kannst du nicht am ersten Tage deiner Ehe den Unterricht einmal aussetzen? Ich habe noch so manches mit dir zu besprechen, niemand wird es unbillig finden wenn du einmal einen Tag überschlägst.

OTTO
zweifelnd.
Ich habe noch nie eine Stunde versäumt.
ANTONIE.
Desto weniger wird es dir jemand verargen.
OTTO.

Nun denn es ist ohnehin schon spät, ich habe mich auch nicht ordentlich vorbereiten können. Famule, eilen Sie in die Classe und sagen Sie: ich wurde Morgen sowol die Stunde des Tacitus als die des Xenophon ausfallen lassen.

EDMUND.
Augenblicklich. Ab.
ANTONIE
zündet an einem Schwefelhölzchen einen Fidibus an und reicht ihn Otto.
OTTO
hat es nicht gleich bemerkt.
O – ich danke!
ANTONIE
sitzend.
Entsinnst du dich wol noch des Besuches [209] bei dem seligen Oheim, wo wir uns zum ersten Male sahen?
OTTO
rauchend, sich immer mehr behaglich fühlend.
Ja, o ja, das war vor vier Jahren.
ANTONIE.

Richtig! Der selige Oheim war ein munterer Mann und liebte es viel Gesellschaft um sich zu sehen. Du aber standest immer finster und zurückhaltend in einer Ecke und runzeltest die Stirn, wenn wir munter und fröhlich waren. Die jungen Mädchen nannten dich den Philosophen! Ich habe dich immer darauf angesehen. Mir wollte diese Benennung gar nicht passend erscheinen. Unter einem Philosophen dachte ich mir immer einen alten graubärtigen Mann, du aber sahst jung und gar nicht übel aus.

OTTO
belehrend.
Man kann auch jung ein Philosoph sein. Philosophie ist nämlich die Wissenschaft –
ANTONIE
schmeichelnd.

Ich bitte dich, jetzt keine Gelehrsamkeit. Ich weiß auch ungefähr daß Philosophie Weisheit sein soll – wenn ich aber an die Aussprüche der Philosophen denke, die du mir vorhin mitgetheilt hast, so erheben sich in mir doch einige Zweifel an ihrer Weisheit.

OTTO.
Das sind aber Autoritäten, die weisesten Männer des Alterthums.
ANTONIE.

Und du meinst daß sie Recht haben?Springt auf. Da war der eine, der uns Frauen mit Füchsen, Affen und gar mit Hunden verglich. Sich anmuthig vor ihm drehend. Sieh mich einmal an. Findest du denn Aehnlichkeit an mir mit einem Fuchse oder Affen oder gar – ach ich mag es gar nicht sagen.

OTTO
sie wohlgefällig betrachtend.

Mein Kind, das ist auch nicht wörtlich gemeint. Simonides spricht nicht von körperlicher Aehnlichkeit, sondern von geistigen Eigenschaften. Man nennt diese Redeweise –

ANTONIE.

Pst – heute Morgen schweigt die Gelehrsamkeit. Sitzend. Warum schautest du vor vier Jahren so finster darein, wenn wir lustig waren? Hältst du die Fröhlichkeit für Unrecht?

[210]
OTTO.
Das nicht, allein ein gemessenes Betragen ziemt namentlich jungen Mädchen.
ANTONIE.
Waren wir denn ungemessen?
OTTO.
Das will ich gerade nicht sagen – aber – ich – habe mich im Kreise von Frauen niemals wohl befunden.
ANTONIE.
Bist du denn schon viel in Frauenkreisen gewesen?
OTTO.
Selten oder nie.
ANTONIE.

Sieh mein Freund, da ertappe ich dich. Du kennst also die Frauen nicht aus eigner Anschauung, sondern nur aus deinen alten, garstigen Büchern. Und gestehe es nur, es war nichts als Verlegenheit, was dich damals bestimmte in deiner Ecke zu bleiben?

OTTO.

Verlegenheit? Quod non. Der Mann, der sich seiner Würde bewußt ist, wird niemals verlegen. Allein ich fühlte mich da nicht an meinem Platze.

ANTONIE.

Das ist dasselbe. Der Mann, der sich seiner Würde bewußt ist, muß sich an jedem Platze zurechtfinden können. Sieh, du kennst weder mein Geschlecht, noch die Art mit uns umzugehen, und deshalb bin ich nachsichtig gegen dich.

OTTO
versucht sich in Würde zu werfen, was ihm nicht mehr recht gelingen will.

Du übst Nachsicht gegen mich? Die Frau gegen den Mann und Herrn? Das ist ein gänzliches Verkennen deiner Stellung.

ANTONIE.

Meinst du? Ich will einmal von allen den harten und ungerechten Urtheilen absehen, die du über mein Geschlecht gefällt hast, muß ich aber nicht nachsichtig gegen dich wegen der Art und Weise sein, mit der du mich heimgeführt hast? Als unsere Verbindung feststand, freute ich mich schon auf die Hochzeits- oder Brautreise. Eine solche Reise ist jetzt allgemeine Sitte, und ich habe noch so wenig von der Welt gesehen. Statt dessen kommst du einsylbig angefahren, lässest dich mit mir trauen, fährst einsylbig hierher, führst mich in dein Haus und lässest mich ruhig stehen. Gestehe daß ich dafür sehr nachsichtig sein mußte.

[211]
OTTO
nicht ohne Verlegenheit.

Die Griechen und Römer führten ihre Frauen einfach in das Haus, aus dem diese nie heraus kamen. Die Alten wußten auch nichts von der Hochzeitsreise.

ANTONIE.

Lieber Freund, wir sind aber nicht die Alten. Alle Achtung vor den Griechen und Römern, allein wir haben andere Sitten und nicht zu verwerfende Sitten. Eine solche ist die daß zwei junge Eheleute zum Antritt ihrer Ehe eine Reise zusammen machen. Wird nach und nach ernster. Zwei Menschen, die sich für das Leben mit einander verbinden, die Freud' und Leid zusammen tragen wollen in langen, langen Jahren, die es aufgeben in selbstsüchtiger Vereinzelung zu stehen und hinfort eins für das andere leben wollen, müssen sich in einander fügen und schicken lernen, sie müssen ihre Seelen austauschen in unbegrenztem Vertrauen, in gegenseitiger Liebe. Denn das, mein Freund, ist das Wesen der Ehe. Darum ist es eine schöne Sitte daß sie sich zum Anfang losmachen von den gewöhnlichen Geschäften des Lebens und mit einander hinausreisen in die weite Welt. Sie meiden für den Anfang die Menschen, mit denen sie gewöhnlich umgehen, um eins nur für das andere auf einige Wochen wenigstens zu leben. Als Bild der großen Lebensreise gilt ihnen die kleine Reise durch Städte und Länder, und wie sie da, überall fremd, desto mehr auf einander angewiesen sind, so lernen sie daß sie im Leben auch fest an einander halten sollen. In heiterer Muße durchwandeln sie auf ihrer Reise die herrlichen Gegenden und erregt von der Fülle und Schönheit der Natur ketten sich ihre Herzen fester an einander, denn der Mensch fühlt nie wärmer, tiefer, besser, als wenn der frische Athem der weiten Natur seine Brust durchzieht. Es ist eine recht schöne Sitte, eine Hochzeitsreise, die beste Vorbereitung für die Freude – – und den Ernst der Ehe.

OTTO
von ihrer Schilderung ergriffen.
In der That du schilderst mit so viel Lebendigkeit – –
ANTONIE
sanft.
Hattest du wirklich so viel zu thun, daß du keinen Urlaub zu einer Reise bekommen konntest?
OTTO.

Es hätte dessen gar nicht bedurft, denn morgen [212] beginnen die Ferien auf sechs Wochen, in denen ich ganz frei bin.

ANTONIE
plötzlich munter.

Das ist nun vorbei, die Alten machten keine Hochzeitsreise, also thun wir es auch nicht. Mein Geplauder scheint dich zu langweilen?

OTTO.
Nein nein, du sprich recht hübsch!
ANTONIE.

Wirklich? So will ich einmal eine recht gelehrte Frage an dich thun. Haben die Alten ihre Frauen nicht geliebt?

OTTO
im gelehrten Tone.

Hm es ist keinem Zweifel unterworfen daß die Alten die Liebe kannten, hatten sie doch einen Gott der Liebe, Amor oder Eros genannt, und auch die Venus oder Aphrodite kann man als Göttin der Liebe bezeichnen – dennoch war das Verhältniß der Frauen ein anderes als bei uns, es war würdiger, gemessener, gehaltener. Die Frauen waren auf das Haus beschränkt und hatten weder Stimme noch Einfluß bei den Männern.

ANTONIE.

So? Es schweben mir so einige Geschichten vor von einem gewissen Coriolan, von einer Frau Lucretia, einer Arria, Cornelia u.s.w., die beweisen daß die Alten dennoch viel auf ihre Frauen hielten, wenn diese nur darnach waren.

OTTO
schmunzelnd.

Sieh sieh, auch einige Kenntniß des Alterthums, wie ich mit Wohlgefallen bemerke. Auch ist diese Citation ganz gut angebracht.

ANTONIE.

Es freut mich deinen Befall zu haben. Wenn also die Alten unzweifelhaft auch geliebt haben, du aber den Alten nacheiferst – hast du denn auch schon geliebt?

OTTO
verlegen.

Man muß hier bedenken daß später das Christenthum uns offenbart und dadurch die Sitten der Alten wesentlich verändert worden sind. Das Christenthum gebietet aber die Liebe zu seinem Nächsten, und ich habe mich immer bestrebt seine Gebote zu erfüllen.

ANTONIE
hat ganz in der Stille Tassen u.

s.w. auf dem Präsentirteller zusammengesetzt, steht jetzt auf und trägt ihn auf den Tisch rechts. Während[213] dessen für sich. Es ist wie ich dachte, nichts als Unkenntniß und Unerfahrenheit.

OTTO
für sich.
Sie macht alles so zierlich und anmuthig, sie ist wirklich eine ganz angenehme Frau.
ANTONIE
faßt den Tisch an.
Hilfst du mir?
OTTO.
Mit Vergnügen. Tragen den Tisch nach seinem Platze.
ANTONIE.
Du hast eine hübsche Wohnung, nach vorn heraus sind ganz angenehme Zimmer.
OTTO.
Hast du die schon gesehen?
ANTONIE
lächelnd.

Als du mich gestern Abend allein ließest, hatte ich hinreichend Zeit mir alles zu besehen und auch den größten Theil meiner Habseligkeiten auszupacken. Ich muß dir doch das Schlafkissen geben, das uns Base Karoline zur Hochzeit geschenkt hat; das Geschenk ist doch für dich und wird sich auf dem Sopha im vordern Zimmer ganz gut ausnehmen. Rechts ab.

OTTO.

Sie hat die Hochzeitsreise so hübsch beschrieben, daß man fast Lust bekommt. Die Alten konnten diese Sitte auch füglich nicht haben, da sie weder Posten, noch Dampfschiffe, noch Eisenbahnen kannten. Jedenfalls sind wir in dieser Beziehung fortgeschritten, und deshalb möchte die Sitte der Hochzeitsreise nicht zu verwerfen sein. Es muß lohnend sein die Schweiz einmal zu sehen – ich kann mir eine solche Reise ganz angenehm denken.

ANTONIE
kommt zurück.
Ich habe ganz vergessen, das Schlafkissen ist hier in dem Schranke.
OTTO
erstaunt.
In dem Schranke?
ANTONIE
öffnet den Schrank, er ist ganz voll weiblicher Kleider.
Ich glaube wenigstens!
OTTO
heftig.
In diesem Schranke deine Kleider?
ANTONIE
ruhig.

Ich fand in meinem Zimmer keinen Schrank, und da ich doch einen Platz für meine Kleider haben mußte, so habe ich sie hieher gehängt.

OTTO.
Aber meine Instrumente, meine physikalischen Apparate?
[214]
ANTONIE.
Die habe ich unterdessen in mein Schlafzimmer gestellt.
OTTO
sehr heftig.

Wie, meine theuren, kostbaren Apparate in dem feuchten Zimmer, wo sie dem Roste und dem Verderben ausgesetzt sind?

ANTONIE
sanft, aber ernst.

So, mein Freund, du wußtest, daß diese Zimmer feucht und dumpfig sind? Und doch hast du diese feuchten Zimmer, in die du nicht einmal deine Instrumente stellen willst, deiner Frau angewiesen?

OTTO
von dem Vorwurf betroffen, beschämt.
Du hast Recht, das ist unpassend – Rasch. du magst sogleich die vorderen Zimmer beziehen.
ANTONIE
freundlich.

Dann müßtest du in dem feuchten Zimmer schlafen und Unterricht geben? Nicht doch, wir wollen überlegen wie es sich am besten einrichten läßt – und geht es nicht, ei nun, so nehmen wir eine andere Wohnung!

OTTO.

Wie du meinst. Für sich. Wo hatte ich auch meine Gedanken, sie in die feuchten Zimmer zu weisen? Und sie ist so gut, kein Vorwurf kommt über ihre Lippen. Laut. Es ist wirklich ein grober Verstoß meinerseits mit den Zimmern, Antonie, und ich bitte –

ANTONIE.

Sprich nicht mehr davon, du hast es nicht bedacht, nicht überlegt. Für sich, vergnügt. Das erste Mal daß er mich beim Namen nennt. Laut, sich umsehend. In der That wird es am besten sein eine neue Wohnung zu nehmen, ich kann mich dann auch mit der Küche besser einrichten.

OTTO.
Also meinst du noch immer daß eine Köchin in das Haus kommen soll?
ANTONIE
freundlich.

Herr Professor, die Hausordnung ist meine Sache. Was würden Sie sagen, wenn ich Ihnen Rath geben wollte über eine Stelle im Plautus? Es bleibt also dabei, wir nehmen eine neue Wohnung. Die alten Griechen und Römer hier im Zimmer werden sich wundern, wenn sie aus ihrer behaglichen Ruhe vertrieben werden. Sie hatten sich so fest eingenistet, als wollten sie ewig hier bleiben. Neckisch, sich verbeugend. Ja ja, meine Herren Cicero, Virgil, Horaz, Tacitus, [215] Terenz, und ihr Herren Sophokles, Homer und Pindar, ihr müßt auswandern.

OTTO.
Ei ei, mein Kind du scheinst ja mit den Alten recht vertraut zu sein?
ANTONIE
schelmisch.

Recht vertraut? Bewahre der Himmel, nur oberflächlich kenne ich die alten Herren, just so viel als eine christliche Frau darf, um nicht in schlechten Ruf zu gerathen.

OTTO.
Man kann mit den Alten nie zu bekannt sein.
ANTONIE.

O doch, wenn man die Lebendigen darüber vergißt. Wir leben um zweitausend Jahre später, sind andere Völker, in andern Ländern und müssen uns selbstständig entwickeln. Wollen wir die Ansichten und die Sitten der Alten auf unser Leben übertragen, so verwischen wir unsere Eigenthümlichkeit und in dieser liegt unser Werth.

OTTO.

Ha jetzt kommst du mir in mein Feld und ich werde dir die Antwort nicht schuldig bleiben. Die Sitten der Alten waren so vortrefflich, daß wir uns immer bestreben sollen nach ihnen zu leben. Ich werde dir das beweisen. Das Leben zerfällt –

ANTONIE
lachend.

Halt, glaubst du wirklich ich wäre so einfältig dich in deinem Felde mit deinen Waffen bekämpfen zu wollen? O nein, euch ihr Herren gehört das Wissen, uns die Anwendung!

5. Auftritt
Fünfter Auftritt.
Vorige. Edmund.

EDMUND.
Herr Professor, es ist besorgt!
OTTO.
Gut.
ANTONIE
immer heiterer, immer launiger.

Du willst nach den Sitten der Alten leben? Sieh dich einmal an mit diesem Schlafrocke, dem weißen Halstuche, der langen Pfeife – und denke dir du wärst Plato oder Sokrates, mußt du nicht lachen? Denke dir: Cicero wäre in deiner gestrigen Kleidung, im [216] schwarzen Frack mit rundem Hute in den römischen Senat getreten, um eine seiner berühmten Reden zu halten! Oder denke dir, ein römischer Jüngling, der die Toga vir – vir –

OTTO.
Virilis.
ANTONIE.
Virilis empfängt, hätte ausgesehen wie dieser Herr Famule – mußt du nicht lachen?
OTTO.
Du suchst es in den Aeußerlichkeiten, aber folge mir in das Wesen der Sache –
ANTONIE.

Daß ich nicht klug wäre, ich bleibe bei dem was ich verstehe. Uebrigens sprich nicht so verächtlich von den Aeußerlichkeiten, in ihnen liegt die Schönheit, und das Gefühl für Schönheit war eine der größten Tugenden des Alterthums. Davon lehrt ihr auf eurem Katheder wol nichts?

OTTO
naiv.
Nein.
ANTONIE
ernst.

Sieh, so könnte ich eher sagen daß ihr an den Aeußerlichkeiten klebt, daß ihr die todte Form der Sprache zur Hauptsache macht und euch das Wesen des Alterthums entschlüpfen laßt.

OTTO.
Das stünde noch zu beweisen, ich erwarte deine Argumente.
ANTONIE
munter.

O wie gern möchtest du mich in eine gelehrte Disputation verwickeln, daß ich bald wie ein gefangenes Mäuschen nicht aus noch ein wüßte. – Nichts da, mein gelehrter Herr, ich beweise auf meine Art. Wenn ihr denn Römer sein wollt, so fangt wenigstens etwas im Aeußern an. Wie geschmacklos das glattrasirte Kinn, die zurückgestrichenen Haare! Setzt einen solche Kopf, getragen von der steifen weißen Halsbinde, auf eine römische Statue und ihr müßt vor Lachen vergehen.

OTTO.
Geschmacklos? Das ist stark!
ANTONIE.
Herr Famule, setzen Sie sich einmal hieher!
EDMUND.
Wie Sie befehlen! Nimmt einen Stuhl und setzt sich in die Mitte der Bühne.
ANTONIE
holt rasch aus einem Toilettekästchen im Schranke einen Kamm.

Wo hätte jemals ein Römer sein Haar so getragen, [217] daß sein Kopf einem Kehrbesen ähnlich sieht? Macht rasch Edmund, der das Haar von vorn nach hinten glatt zurückgestrichen trägt, einen Scheitel, und kämmt das Haar an der Seite herunter. Ihr scheltet uns Frauen eitel, weil wir uns gern putzen, ich meine aber: wenn der liebe Gott nicht seine Freude an unserm hübschen Aussehen haben wollte, hätte er uns wie Nachteulen erschaffen und uns nicht mit Schönheit begabt. Ist fertig. Da, ist das nicht ein anderes Gesicht?

OTTO.
Ja ja, es sieht etwas kecker aus, aber Antonie, es ziemt sich nicht für einen ernsten Mann –
ANTONIE.

Hübsch auszusehen? Drollig ihm die Augen sehend. Ei warum denn nicht? Und obendrein für einen jungen Ehemann! Sage einmal ehrlich: hast du nie gewünscht mir zu gefallen?

EDMUND
steht auf, besieht sich im Spiegel, zupft den Hemdkragen heraus und gefällt sich.
OTTO.
Aber nie durch Aeußerlichkeiten.
ANTONIE.

Das heißt: es ist dir nicht eingefallen. Zur Strafe setze dich hieher, ich will dir auch einen Scheitel machen.

OTTO.
Wo denkst du hin, ein ehrbarer Professor!
ANTONIE
schiebt ihm den Stuhl unter die Beine.
Bitte, bitte.
OTTO.
Du treibst Possen und Allotria!
ANTONIE
während sie ihm, der das Haar ebenso zurückgestrichen trägt, einen Scheitel macht, lachend.

Und Possen trieben deine ehrbaren Alten nicht? Ja, mein Freund, das macht, ich gehöre nicht zu den Alten, sondern zu den Jungen – und deine Philosophen sagen ja: wir seien etwas leichtsinnig!

6. Auftritt
Sechster Auftritt.
Vorige. Hahnensporn außer Athem.

HAHNENSPORN.
Die Nätherin wird um zwölf Uhr hier sein!
ANTONIE.
Gut.
[218]
HAHNENSPORN.
Ne das ist mir außer dem Spaße!
ANTONIE.
Was gibt's?
HAHNENSPORN.
Der Herr Professor werden frisirt!
ANTONIE.
Nimm dich in Acht, Alter, sonst kommst du auch noch d'ran!
HAHNENSPORN.
Das fehlte noch!
ANTONIE
mit neckischem Knixe.
Besehen sich der Herr Professor jetzt im Spiegel.
OTTO
ist aufgestanden, sich gefallend.
Hm ja, es ist wahr!
ANTONIE.

Wenn du nun das steife weiße Halstuch mit einem farbigen vertauschest, wenn deine Röcke ein wenig mehr nach dem Schnitte der Welt sich richten werden – und du erzeigst mir die Ehre mich einmal spazieren zu führen, so werden die Leute sagen: ein ganz hübsches Paar!

OTTO.
O welche Eitelkeiten! Wahrhaftig ich muß mich schämen!
ANTONIE.

Der Eitelkeit? Nicht doch, ein wenig Eitelkeit steht ganz gut. Du kannst von mir etwas abbekommen, vielleicht habe ich zu viel – denn ich will dir nur gestehen, ich habe entsetzlich gewünscht dir zu gefallen, dir sehr zu gefallen – und ich hatte mich gestern geputzt, so gut ich konnte – aber Komisch ärgerlich. du hast es gar nicht beachtet.

OTTO.
Das heißt – – o ja – gefallen hast du mir schon, recht gut gefallen.
ANTONIE.

Das muß ganz inwendig bei dir gewesen sein, denn gezeigt hast du nichts davon. Nicht einmal die Hand hast du mir gereicht. Sag', hast du nie andern Mädchen die Hand gereicht?

OTTO
ehrlich.
In meinem Leben nicht, ich habe ja nie mit Mädchen verkehrt.
ANTONIE
immer ausgelassener.
Am Ende hast du auch im Leben nie geküßt?
OTTO.
Niemals, wie hätte ich auch dazu kommen sollen.
ANTONIE.

Am Ende verstehst du gar nicht wie man das [219] macht? Sieh, da kannst du gelehrter Mann noch von deiner dummen Frau etwas lernen! Ich will es dir gleich zeigen. Herr Famule, kommen Sie einmal her!

EDMUND
tritt zu ihr.
Frau Professorin!
OTTO.
Was willst du?
ANTONIE.
Dir zeigen wie man küßt.
OTTO
mit erwachender Eifersucht, tritt dazwischen.
Doch nicht an dem?
ANTONIE.
An wem denn sonst?
OTTO.
Nun – – wenn es denn sein soll – – an mir!
ANTONIE
mit Würde, fein.
Wäre es geziemend wenn ich dich küßte?
OTTO
schlägt sich vor den Kopf, geht ein paar Schritte, dann mit raschem Entschlusse.
Hahnensporn!
HAHNENSPORN
kläglich.
Herr Professor!
OTTO.
Geh zum Sattler, er soll mir drei bis vier Reisekoffer zur Auswahl schicken!
HAHNENSPORN
der immer an der Thüre bleibt.
Wollen der Herr Professor verreisen?
OTTO.
Frage nicht, thue was ich dir sage!
HAHNENSPORN
im Abgehen.
Da haben wir's, die Frau dreht alles herum. Ab.
OTTO.
Edmund!
EDMUND.
Herr Professor!
OTTO.
Bitte, gehen Sie zum Schneider, er soll gleich zu mir kommen.
EDMUND.
Im Augenblick. Ab.
OTTO
vor Antonien stehend, schüchtern.

Liebe Antonie, wir wollen die Hochzeitsreise noch machen, aber gleich, wir reisen noch heute ab – ist es dir recht?

ANTONIE.
Dein Wille trifft ja mit meinem Wunsche zusammen.
OTTO.

Liebe Frau, ich bin dir kalt, gleichgültig entgegengekommen – sieh, ich verstand es eben nicht besser!

[220]
ANTONIE.
Ich weiß, die alten Herren dort hatten sich zu fest bei dir eingenistet.
OTTO.

Aber du hast sie herausgeschlagen – Mit naiver Verlegenheit. – du bist so liebenswürdig – ich habe das früher nicht gekannt.

ANTONIE
herzlich.
Ist das dein Ernst, Otto, ich wäre dir recht so mit meinem muntern Sinne, meiner heitern Laune?
OTTO
eifrig.

Sehr recht, ich möchte nicht daß du anders wärst. Schüchtern. Du beklagst dich daß ich dir keine Hand gegeben – darf ich? Reicht ihr die Hand.

ANTONIE
giebt ihm die Hand.
Da!
OTTO.

Die andre auch! Nimmt sie bei beiden Händen, hält diese mit der Linken fest, zieht Antonien an sich und legt schüchtern den rechten Arm um sie. Mir ist so seltsam zu Muthe, Antonie, kannst du mir meine Unbeholfenheit vergeben?

ANTONIE
herzlich, ihm ins Auge sehend, leise.
Die hat dir eben nicht bei mir geschadet.
OTTO.
Nicht?
ANTONIE
lächelnd.
O nein!
OTTO.
So versprich mir auch –!
ANTONIE.
Was?
OTTO
verlegen.

Du wolltest vorhin den Famulus küssen – er ist zwar noch ein halbes Kind – aber du mußt das doch nicht thun.

ANTONIE.
Lieber Otto, das war nur ein bischen Komödie!
OTTO.
Wirklich?
ANTONIE.
Du sagst ja selbst: du wärst unbeholfen, mußte ich dir da nicht ein wenig nachhelfen?
OTTO.
Und wenn das nicht gefruchtet hätte, wenn ich kalt und gleichgültig geblieben wäre?
ANTONIE.
Dann war das Glück meines Lebens verloren! Eine liebeleere Ehe ist die Hölle auf Erden.
OTTO.
Und du hast es doch mit mir gewagt?
[221]
ANTONIE.
Ich hatte dich ja schon vorher gern, sonst hätte ich es nicht gethan!
OTTO.
Du liebe, liebe Antonie. Möchte, aber wagt nicht sie zu küssen. Also wir reisen noch heute?
ANTONIE.
Wohin du willst. Und deine Philosophen?
OTTO
sie an sich drückend.
Ach das sind alte Esel!

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2011). Benedix, Julius Roderich. Dramen. Die Hochzeitsreise. Die Hochzeitsreise. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-2E73-F