Johann Beer
Die teutschen Winter-Nächte

[5] Zendorii a Zendoriis
Teutsche Winter-Nächte

oder die ausführliche und denkwürdige

Beschreibung seiner Lebens-Geschicht,

darinnen begriffen allerlei Fügnissen und

seltsame Begebenheiten, curiöse Liebes-Historien

und merkwürdige Zufälle etlicher von Adel

und anderer Privat-Personen.

Nicht allein mit allerlei Umständen und

Discursen ausführlich entworfen, sondern auch

mit tauglichen Sitten-Lehren hin

und wieder ausgespicket,

allen Liebhabern der zeitverkürzenden Schriften,

wes Standes oder Condition dieselben

sein mögen,

zu sonderlicher Belustigung, nicht ohne

dem daraus entspringenden Nutzen,

entworfen und erstlich

von dem Autore selbsten beschrieben,

hernachmals aber zum bessern Gebrauch

der Lesenden übersetzt und mit saubern Kupfern

gezieret an den Tag gegeben.

[5][7]

Unterricht an den geneigten Leser

Ehe und bevor wir zu diesem Werk schreiten, ist notwendig zu wissen, daß dieser ganze Entwurf mehr einer Satyra als Histori ähnlich siehet. Der geneigte Leser hat dannenhero Freiheit, nach seinem Belieben davon zu urteilen, wenn er zuvor von mir, als dem Übersetzer, freundlich gebeten wird, sich die angemerkte Tugenden zu einem Wegweiser und die bestrafte Laster zum Abscheu dienen zu lassen, in den Wegen, die einem Weltmann täglich unter die Füße kommen.

Nachdem ich dieses erhalten, muß ich ferner meine Meinung erklären und frei gestehen, daß zwar diesem und jenem bald eine Schand, bald eine andere Begebenheit zugeschrieben worden, welches keinem Menschen, er sei auch, wer er wolle, zum Präjudiz seines Standes oder Person beschrieben worden. Denn, in Betrachtung des Originals, ist solches allgemach etlich sechzig Jahr in einer Canzeley eines adeligen Schlosses urheblich geschrieben und daselbsten bis zu gegenwärtiger Zeit im Verborgenen, weiß nicht aus was Ursachen, aufbehalten worden. Man läßt also die ganze Sach an und vor sich selbst dahin gestellet sein, und solle sich ein oder der andere darinnen beleidiget finden, so muß man wissen, daß nicht dieses Buch, sondern seine eigne begangene Fehler daran schuldig sind. Ist also ein solches Buch gleich einem Maler, welcher mit einer Kohle ein Gesicht an die Wand malet, es kommt aber ungefähr ein Fremder dahin, dem dasselbe Gesicht naturel gleich siehet, da weiß jedermann, daß der Maler deswegen nicht die Ursach des Conterfeyes, sondern derjenige selbsten sei, der dem Gesicht gleich siehet.

Dieses ist das meiste, warum ich hierinnen streite, daß man nämlich alles aufs beste auslegen und deuten wolle. Und obschon [7] durch und durch die ganze Materi satyrisch gehandelt wird, werden doch nur die Laster, nicht aber diejenigen Leute, so damit behaftet sind, gestrafet und auf einen bessern Weg gewiesen, worinnen der Urschreiber dieses Buches keineswegs zu tadeln, sondern vielmehr zu loben ist, daß er gleich einem Gärtner das Unkraut ausrauft und herentgegen die guten Pflanzen einsetzet.

Der Nutz solcher Schriften und die daraus entspringende Lehren werden jederzeit bei denen in hohem Aufnehmen bleiben, die fähig sind, unter dem Bösen und Guten einen Unterscheid zu machen. Denn was ist einem bescheidenen Gemüt anständiger, als das Gute lieben und das Böse hassen? Was ist ihm nützlicher, als den Tugenden nachstreben und vor den Lastern zu fliehen? Dieses bringet Ruhm und Ehre, und was noch das meiste ist, so stellet es auch das Gewissen in eine friedsame Ruhe, welches ein solcher Schatz ist, der nicht mit Worten kann ausgesprochen werden.

Und wer siehet nicht, daß daraus die Fröhlichkeit des Herzens entspringe? Ein tugendliebender Mensch ist frei von Sorgen, fröhlich im Geist, und was er trägt, trägt er mit Lust. Dulce jugum amor est. Diese Liebe zur Tugend verringert alle menschliche Zufälle, so bös auch dieselbige mögen erdacht werden.

Es ist auch hieran der größte Teil der zeitlichen, ja ewigen Ehre gelegen, daß man dem Guten folge und das Böse hasse. Zwischen diesen beiden gibt es keine andre Stufe, entweder zur Ehre oder zur Schande zu gelangen. Wohl dem, der auf die erste tritt, wo seine Füße nicht gleiten. Er wird nicht allein geliebt, sondern allenthalben gelobt werden, und seine Ehre wird ihm einen solchen Kranz flechten, dessen Blätter in alle Ewigkeit nicht verwelken.

Aber was haben endlich diese davon, die im Gegenteil aller Unreinigkeit pflegen? Schand, Schimpf, Spott und Hohn ist ihr endlicher Sold, und wenn sie den Lastern lange gedienet, werden sie mit großer und schmerzlicher Verachtung von allen Menschen angesehen. Es ist auch in solchem sündlichen Leben keine Lust, sondern vielmehr eine Last, wenn das Gewissen anfängt, von all diesen Taten zu predigen, die [8] wir auf einem so schändlichen Weg begangen haben. Man macht dadurch die Ehre beschreiet und den guten Namen verdunkelt, und endlich wird alles verloren und verdorben, was zu unserer Auferbauung dienlich ist.

Wer hiervon auf beiderlei Weis ein Exempel begehret, der durchlese diese Schrift, allwo er eine genugsame Anzahl aller dieser Tugenden und Laster finden wird, die ihm wohl und übel anstehen. Auf eine solche Art wird der Leser gleichsam lachend unterrichtet, was zu seinem Besten dienet, und kann durch fremde Gesichter seine eigene Gestalt erblicken, es sei darnach gleich gut oder bös.

Wenn ich eine lustigere Art als diese zu schreiben gewußt hätte, so hätte ich solche unter die Feder genommen und diese Mühe in einer andern Arbeit angewendet, aber zu solchem bin ich geleitet worden aus gewisser Hoffnung des großen Nutzens, der demjenigen daraus entspringen wird, der nicht nach der bloßen Schale, sondern nach dem Kern schnappet, der darinnen verborgen lieget. Mancher tritt einen Stein mit Füßen, der mehr Gold in sich hält, als sein ganzes Vermögen ist, weil er aber nicht weiß die Art und Weis, wie das Gold daraus zu nehmen sei, gehet er als ein unbedachter Mensch darüber weg und klaubet hingegen eine Nuß von der Erde auf, die etwan einer Obstkrämerin entfallen ist. Darum müssen dergleichen Bücher mit genauer Obsicht und gutem Fleißge lesen werden, damit man nicht statt des Goldes Kot und statt der Perlen kleine Steinlein sammle, darauf man nur die Füße wund gehet.

Solches lasse sich der geneigte Leser zum vorhergehenden Unterricht dienen, auf daß er die Schrift nicht in einer andern Meinung lese, als sie geschrieben worden. Alsdann wird die Frucht keineswegs mangeln, welche er in Fliehung der entworfenen Laster und in Nachfolgung der belobten Tugenden nächst meiner Dienstfertigkeit zu gewarten hat.

[9] Der Autor an sein Buch

Ich habe nur dem Volk, so in den Lastern wohnet,
Geschrieben, wie es mir die Tat gewiesen hat.
Mit Ruten wird doch nur der frevle Mensch belohnet,
Und solche Streiche sind die Straf der Missetat.
Hingegen hab ich euch, ihr Kinder von dem Adel,
An eurer hohen Ehr ganz nicht gegriffen an,
Ich weiß wohl, daß ihr stets ganz rein und ohne Tadel
Und daß man euer Tun nicht gnugsam loben kann.
Ob ich gleich der und der ein Laster beigemessen,
So aus des Adels Stamm und Quell entsprossen ist,
Bei frommen Leuten ist Iscarioth gesessen,
Man findet in dem Gold den allergröbsten Mist.
Ich kann auch euch hierin mit keinem Wort beschulden,
Ihr Frauen, derer Ehr die Sterne übersteigt;
Es ist ja meinem Kiel von eurer Gunst zu dulden,
Daß er der Welt nur die, so lasterhaftig, zeigt.
Es leben stets beisamm die Bösen und die Frommen,
Ich zeige, welcher gut und welcher böse sei.
Und wenn ihr meine Lehr zu eurem Nutz genommen,
Ist mein Verlangen schon von seinem Willen frei.
Ich schreibe niemand vor, wie er es solle machen
In Sünden, denn hierin wär sträflich solcher Fleiß.
Die Welt treibt ohnedem so ehrvergeßne Sachen,
Die nur ein kluges Aug zu überwinden weiß.
Ich schreibe nur zur Lehr, wie sie es hab gemachet,
In meiner ersten Blüt, zu meiner besten Zeit.
Man kann sich, ob man schon zuweilen drüber lachet,
Entfernen von dem Gift der süßen Eitelkeit.
Die bittre Medicin wird oftermals versüßet,
Damit dem Magen nicht vor starkem Ekel graut;
Ein überstrichne Stirn wird heftiger geküsset,
Ob sie schon in dem Grund ist eine faule Haut.
So bist auch du, mein Buch, mit lauter Lust gespicket,
Du bringest deinen Schatz in dem verborgnen Schoß.
Ich habe wie ein Schiff dich in die See geschicket,
Wo Tugend, Treu und Lieb nunmehr liegt segellos.
[10]
Wo man nach schnödem Gift der Sünden pflegt zu schiffen,
Daselbsten schicke ich dich, schwaches Schifflein, hin.
Ich acht es nicht, ob du gleich werdest angepfiffen,
Weil ich in dieser Glut schon wohlgeprobet bin.
Wer allen recht tun will, der muß zum Toren werden,
So kommt er leichtlich nicht mit seinem Nächsten an.
Doch weil ich gerne klug will bleiben auf der Erden,
So folget, daß ich ja nicht allen recht tun kann.
Der Jupiter ist selbst so glücklich nicht gewesen,
Sein Tun gefiele ja dem Pöbel nicht gar wohl.
Drum acht es nicht, mein Buch, wie man dich möge lesen,
Die Welt ist jederzeit der Wirbelwinde voll.
Es hat mein schwangrer Kiel dich in der Trau'r geboren,
Ich finge deinen Bau in finstern Nächten an,
Drum hast du auch den Schein der Zierlichkeit verloren,
Weil aus der Dunkelheit nichts Helles werden kann.
Ihr Freunde, die mir noch zum Trost und Freude leben,
Nehmt diese meine Schrift zu euren Diensten an.
Ich weiß euch anders nichts als dieses Buch zu geben,
Darin ihr mich und ich euch wiedersehen kann.
Ich denke oftermals an jene süße Stunden,
Da wir in voller Lust beisammen konnten sein;
Die Laute ist verstimmt, die Zeit ist nun verschwunden,
Das Finstre folget stets auf klaren Sonnenschein.
Der wohnet gegen West, der andre gegen Morgen,
Der auf erhabnem Berg und jener in dem Tal,
Bald sind wir frohen Muts, bald wieder voller Sorgen,
Die Menschen sind doch nur des Glückes Wunderball.
Zu denen gehe hin, wo ich nicht hin kann gehen,
Mein Buch, und sprich, daß ich noch voller Flammen leb,
Auch, daß in solcher Glut mein Leben wird bestehen,
Bis ich der Eitelkeit mein letztes Vale geb.

Erstes Buch

1. Capitul. Zendorii Gefängnis auf dem Schloß der Veronia
I. Capitul.
Zendorii Gefängnis auf dem Schloß der Veronia.

Wer ohne Schuld kommt in die Band,

Kommt ohne Strafe aus dem Land.


Es war allgemach Mitternacht, als ich mich ganz ledig außer dem Schloß befand, darinnen ich bis dahero mit tausend Sorgen und Grillen gefangen gesessen. Einesteils verwunderte ich mich über meine unverhoffte Begebenheit, andernteils über den Zettel, welcher mir durch eine Gräfin in das Gefängnis geschickt worden. Aber über dieses alles nicht so sehr als über der großen Sorgfalt und Treu des Jägers, welcher alle Kräften angewandt, mich meiner Fessel zu befreien. Die finstre und dunkele Nacht taugte mir zu einem vortrefflichen Deckmantel, meine Person dahinter zu verstecken, deswegen eilete der Jäger mit mir zu dem Dorfe hinaus, und weil wir große Sprüng getan, hatten wir nicht viel Zeit, uns zu unterreden, so sehr mich auch verlangte, der Sache auf den Grund zu kommen. Ich hatte nunmehr die Landstraße erreichet, deswegen heißet mich der Jäger geschwinde forteilen, damit ich mich durch mein längers Aufhalten nicht aufs neue in die Fessel brächte und also das letztere ärger als das erste machte. Hiermit eilete er zurück und ließ mich ganz bestürzet an der Straße stehen, voll Verlangen und Begierde zu wissen, wie und aus was Ursachen ich in dieses Gefängnis gesetzet worden.

Ich machte mir wohl hunderttausend vergebene Einbildungen, aber es taugte keine zur Sache, weil ich dadurch mir meine Verwunderung vielmehr verstärkte als solche verringerte, und aus dieser Ursach wurde ich leichtlich gezwungen [12] zu glauben, daß meine Verweilung keine geringe Gefahr nach sich ziehen dörfte. Derohalben fing ich an zu laufen, so gut es meine Beine vermochten, welche allgemach von dem Eisen angegriffen und beschunden worden. Solchergestalten verbrachte ich einen ziemlichen Teil der übrigen Nacht, also zwar, daß ich mich bei anbrechendem Tage in einer weitschichtigen Irre befunden und nicht gewußt, in welcher Gegend ich dazumal herum wandelte.

Die Glieder waren mir ziemlich matt, teils wegen der zuvor angelegten schweren Banden, teils auch wegen meiner schnellen und continuierlichen Flucht. Dahero eilete ich auf ein nächstgelegenes Dorf, daselbst ein wenig auszuruhen und mich wiederum auf die rechte Straße zu fragen. Ich erhielt gar leichtlich, was ich verlanget, und nachdem ich in dem Dorf ausgeruhet, wiesen mich die Bauren über die Höhe eines Berges, allwo ich auf diejenige Straße zu gelangen versichert wurde, dahin sich mein bekannter Weg erstreckte.

In solchem Fortwandeln verwunderte ich mich ohne Unterlaß meiner Geschicht und konnte die Gedanken auf keine Art noch Weise aus dem Kopfe verjagen, bis ich endlich einen adeligen Sitz vor mir sah, welcher trefflich altväterisch gebauet und aufgeführet war. Ich hatte meines Erachtens noch eine gute halbe Stunde dahin, deswegen suchte ich mein Testimonium hervor, mich mit demselben auf den Ort zu machen und um ein Viaticum zu betteln, welcher Gebrauch bei den Trivial-Studenten ein gemeines Handwerk zu sein pfleget, damit sie sich von Ort zu Ort promovieren. Hiermit richtete ich meinen Weg auf das Schloß zu, und weil die Bettler nichts umzugehen pflegen, achtete ich es nicht gar groß, ob ich eine halbe oder viertel Meil Weges von der Landstraß abgewichen.

Nach einer kurzen Zeit traf ich an den Ort und wischte mit meinem Testimonio hervor, dasselbe dem Torwärter bestermaßen zu recommendieren, gestaltsam ich zu meinem Behuf die stattlichsten Worte hervorbringen und demselben um das Maul schmieren konnte, damit er mich bei dem Edelmann anmelden möchte. Aber ich fand den Gesellen ganz in einem andern Laun, und weil er dazumal den Dorfbettlern [13] das Brot austeilete, kann es sein, daß er sich in seinen nötigen Amtsgeschäften nicht gerne zurückhalten noch verwirren lassen. Er sagte mir auch mit widerwärtigen Mienen, daß der Herr dieses Schlosses schon vor sechs Jahren gestorben sei, und die Edelfrau, so solches besäße, wäre dermalen über Land verreiset.

Wie ich nun gesehen, daß ich die Insul bonæ spei vorbeigesegelt, ging ich meinen Weg wiederum zurücke, zumalen mir der Torwärter zum Überfluß nachgerufen, daß man einem so wohl Bekleideten kein Almosen zu geben schuldig wäre. Ich sollte davor meinen Caputrock verkaufen und vor solchen ein Stück Brot schaffen, das wäre besser vor den Magen als ein Gansflügel. Über solche Wort des ehrvergessenen Rotbarts wollte ich mich nicht viel bekümmern, zumalen ich ohnedem von Natur dahin incliniert, über solche Narrenpossen zu lachen, welche mir an diesem Ort weder schaden noch nachteilig sein konnten. Ging dahero immer meinen Weg von dem Schlosse hinweg und stackte das Testimonium wieder in meine Tasche.

»Domine, Domine, Domine, allo he, Domine, Signor, Monsieur!« rufte ein junger Edelmann, so ober dem Tor an einem Fenster ganz ausgezogen stund, und als ich mich umgesehen, meinte er mich. Er deutete mir wohl zweinzigmal mit dem Haupt und winkte mit der Hand, was er nur winken konnte. Ich nahm den Hut herunter, machte mein Reverenz und ging eilends zurück an das Tor, allwo ich ihn fragte, was sei nes Begehren sei. »Saprament, Domine, per Dieu,« sagte der Edelmann, »wett der Teufel, was macht der Herr da?« Ich erstaunte über diese Rede nicht ein geringes und hielt den Menschen vor rechtschaffen wahnwitzig. Auf dieses verlor er sich an dem Fenster, und da ich aus Meinung, als wär es nur Vexierung, fortgehen wollte, kam dieser Junge vom Adel zu mir herunter und führte mich mit sich über eine lange Treppe hinauf. Ich ließ es immer gut sein, und weil ich einmal in eine unordentliche Verwirrung geraten, trug ich keinen Scheu, mich ferner in dergleichen Begebenheiten zu verwickeln. Wir kamen in eine ziemlich enge Stube, darinnen dieser seine Bibliothek stehen hatte. [14] Daselbst empfing er mich sehr höflich und sagte, daß ihm die Zeit seines Lebens kein solches Wunder als in Ansehung meiner Person zugestoßen, derohalben solle ich mir belieben lassen, niederzusetzen, und wies mir einen absonderlich wohlausgewirkten Sessel. Nach solchem trug er mit eigener Hand einen Krug spanischen Wein herauf und erwies mir allerlei Höflichkeiten, über welche ich mich rechtschaffen verwundert.

»Monsieur!« sagte er, »ich sehe es Ihm an, daß Ihn seine widrige Gedanken heftig peinigen, darum, ist es Ihm nicht zuwider, mir sein Anliegen zu offenbaren, so lebe Er versichert, daß ich solche Affection vor ein absonderliches Stück seiner Höflichkeit erkennen werde.« – »Mein Herr,« gab ich zur Antwort, »die Gedanken, welche mich gänzlich eingenommen, verhindern mich anitzo, höflich zu sein. Damit ich aber nicht vor undankbar angesehen werde, finde ich mich verbunden, mein Geschicke zu eröffnen demjenigen, welcher mich aus unbekannter Freundschaft nicht allein unverschuldet, sondern über dieses ausdermaßen freundlich tractiert. Vom Anfang meiner Geburt und geführten Schuljugend würde dieser Tag zu wenig sein, meinem Patron ausführlichen Bericht abzustatten, und weil sich solches Leben nur mit lächerlichen, zum Teil kindischen, zum Teil auch eitlen Historien verwickelt, schreite ich vielmehr zur Erzählung einer Sache, die mich vor ungefähr fünf Tagen in einen recht abenteuerlichen Stand gebracht.

Ich bin von Profession ein Student und habe auf unterschiedlichen Universitäten Philosophiam gehört. Zu Ende dessen nahm ich meine Reise in mein Vaterland vor, daselbsten meine Beförderung zu suchen, weil mir zu solcher schon vor langen Jahren gute Hoffnung gemacht worden. Ich bin etwas arm von Mitteln, aber nichtsdestoweniger von gut und ehrlichem Namen. Mein Vater war ein Mesner in einer berufenen Thumkirche, und weil ich lustigen Humors war, nennte ich mich Zendorio, nur darum, weil ich meinem Vater als ein Jüngling die Lampen und Kirchenkerzen auf den Altären habe anzünden helfen. In solchem Zustande geriet ich auf die [=der] neulich vorgenommenen Reise, aus Überfallung [15] der Nacht, in einen an der Straße gelegenen Gasthof. Ich versah mich nichts Übels, sondern legte mein Felleisen in eben die Kammer, dahin mich eine Magd schlafen gewiesen. Nächst meinem Bette stunden noch drei andere, aber ich sah nur in einem einen Kerl schlafen, welcher aber, wegen ausgezogenen Habits, ganz nicht zu erkennen war. Ich bin sonst von Jugend auf ein trefflicher Liebhaber zu schwätzen, weil aber dieser Mensch schon tief eingeschlafen, wollte ich ihn nicht aus seiner Ruhe verstören noch aufwecken, und aus dieser Ursach unterließ ich auch, mit der Magd zu scherzen, welche ich sonsten weidlich wollte in der Kammer herumgejagt haben. Ich schlief ein, und wenn es keine Narrheit wäre, einen so wackern Cavalier mit Traumerzählungen aufzuhalten, so wollte ich wohl eine Stund lang allerlei Vorstellungen daherbringen, welche mir dazumal in dem Schlaf lebhaftig vorgekommen.

Endlich erwachte ich, als es schon heller Tag war, und weil sich mein Weg noch eine ziemliche Ecke erstreckte, wollte ich aufstehen und mich ankleiden. Aber, tausend gute Jahr, wie zersuchte ich mich an meinem Kleide? Ich guckte auf und unter alle Bettstätte, aber da war nicht der geringste Fleck, geschweige was anders von meinem Kleide zu sehen noch zu hören, ja sogar die Schuhe waren nicht mehr anzutreffen, sondern ich befand mich vor diesmal in der Kammer ganz dismundiert und entkleidet. Ich wollte den Fremden in der Kammer fragen, aber er war allem Ansehen nach schon lange hinweg; und was das Allerwunderlichste war, so hat dieser sein Kleid in der Kammer gelassen und vielleicht das meinige anstatt desselben angezogen. Erstlich glaubte ich, es wäre dieser Fehler in der Finstern vorgegangen, weil ich viel hundert Exempel gehöret, da wohl ärgere Stücke durch und vermittelst der Finsternis sind practicieret worden, aber ich erfuhr leider darnach allermeistens, auf was dieser Betrug angesehen gewesen.

Monsieur! Ebendieses Kleid, so ich am Leibe trage, war demjenigen zuständig, welcher statt dessen das meinige in der Kammer angezogen und damit davongegangen. Der Verlust meines Gewandes war endlich so übermächtig groß [16] nicht, dahero ließ ich mich leichtlich von dem Wirt bereden, dieses davor an den Leib zu werfen und damit meine Wege zu gehen. Ich tat es, und als ich gleich einem Cavalier etwan eine Stunde außer des Gasthofes in einen Wald kam, ergriffen mich nächst einem Brunnen ihr vier bewaffnete Männer, welche, weil sie verlarvet waren, ich nicht erkennen können. Sie redeten kein Wort, sondern eileten mit mir einem Schlosse zu, aus welchem ich heute nacht so wunderlich losgelassen als geschlossen worden. Man satzte mich in ein finster Gewölb, und allem Ansehen nach war es eine Diebesstube, weil darinnen nichts als grausame Tormenten zu sehen waren. Ich halte, es sei gar eine Marterkammer, und dahero kann mein Herr leichtlich gedenken, wie mir zumut gewesen. Sobald sie mir eine Kette an das linke Bein geschlossen, sperrten sie mir auch eine Leibkette samt einem Halsring an und sagten, ich sollte mich nur so lang gedulden, bis der Graf wieder nach Haus käme, alsdann würde mir der Kopf zum längsten auf den Achseln gestanden haben.

Wahrhaftig, so unschuldig ich mich wußte, so war mir doch bei der Sache nicht allzuwohl. Ich gedachte wohl auf tausend Schelmstücklein, die ich hin und wieder sowohl öffentlich als heimlich, absonderlich aber mit Frauenzimmer begangen. Dahero mutmaßte ich immer, es dörfte eines oder anders sein offenbar worden, davor ich nun meine Laudes empfangen würde. Meine Speise bestund in schlechtem Brot und Wasser, und war zu diesem allem noch das Übelste, daß mir der in der Kammer mein Felleisen mit sich genommen, in welchem ich noch bei sechs Taler nebenst anderm weißen Zeug und etlichen Autoribus verschlossen hatte, dadurch ich mir bei so beschaffenen Zeiten aufs wenigst etwas Bessers zu essen schaffen können. Der Schergenknecht sagte mir bei solcher Ankunft, daß morgen das Examen vorgehen würde, aber ich verließ mich auf mein gutes Testimonium von der Universität, welches ich jederzeit in mein Hemd gewickelt hatte, und aus dieser Ursach konnte mir solches von dem Fremden in der Kammer nicht genommen werden. In solchen herumschweifenden Gedanken fühlte ich in den Schubsack des neu angezogenen Kleides und fand darinnen [17] einen ziemlichen Particul alter Groschen, bis ich endlich in die acht Reichstaler zusammenbrachte.

Die Unschuld, welche in diesem Gefängnis meine höchste Trösterin war, ließ mich in keine übermäßige Schwermut fallen, dahero achtete ichs sehr wenig, es möchte hinauslaufen, wie es wollte. Der andere Tag bricht heran, und ich konnte dieselbe ganze Nacht vor wunderlichen Gedanken kein Auge zutun, dahero schlummerte ich gegen Morgen ein wenig ein, wurde aber bald der Ruhe verstöret, weil ich jemanden klopfen gehöret. Ich wußte nicht, wars an der Tür oder an dem Fenster, legte mich demnach wieder hinum, und weil ich ganz allein war, kam mich schier eine Furcht wegen eines an dem Ort herum wallenden Gespenstes an, welches in den Gefängnissen nichts Neues ist. Ich hörte noch einen stärkern Schlag, und als ich mich umsah, wars an dem Fenster, welches mir zum Rücken stund. Es brauchte gar geringe Mühe, dasselbe zu eröffnen, dahero guckte ich hinaus und sah mit großer Verwunderung auf dem Felsen darunten einen Jäger mit einem langen Blasrohr stehen, durch welches er zu mir herauf geredet, ich sollte mir die Zeit nicht lang werden lassen, noch mich mit vergeblichen Sorgen umsonst quälen und martern, morgen wollte er mir tief in der Nacht aushelfen und mich sicher davonbringen. Nach solchen Worten schied der Jäger die steinichte Klippen wieder hinweg und verlor sich gar bald unter dem Gesträuße an dem Berg, denn das Schloß liegt an derselben Seite etwas höher als vornen, und der Fels gedünkte mich wohl bei zwanzig Klafter hoch zu sein. Der Jäger aber stund nicht gar drei Klafter unter meinem Fenster, zu welchem einer wohl hätte ausspringen können, so es nicht die Fessel und die absonderliche und grausliche übrige Höhe verhindert hätten.

Mein Herr betrachte doch nur, was ich aus der Rede des Jägers schließen können, indem mir seine Worte lauter Böhmische Dörfer waren! Ich sollte daraus einen Trost empfangen, und er machte mich nur betrübter, er sollte mich unterrichten, und ich wurde nur desto verwirrter, mit einem Wort: ich wußte gar nicht, wie abenteuerlich mit mir gefangenem Menschen gespielet wurde. Sowenig ich die vorige [18] Nacht geschlafen, sowenig konnte ich auch diese ruhen, bis der Jäger des andern Tages, aber etwas früher als zuvor, mit dem Blasrohr an das Fenster kam und mir dasselbe aufzuschließen befahl, denn er wollte mir mit seiner Armbrust einen Brief von der Gräfin hinaufschießen. Wunderlicher Zufall! ich war hierzu leichtlich zu bereden, und als ich das Fenster eröffnet, schießt er mir ein kleines Brieflein, an einen Stein gebunden, ins Gefängnis, nach welchem er sich davongemachet und mir sichere Erlösung zugesagt, sobald sich nur die Nacht würde genähert haben.

Mit unzähligen Grillen brach ich das Brieflein auf und fand mit ungemeiner Verwunderung diesen Inhalt darinnen, welcher von Wort zu Wort unfehlbarlich also hieß: ›Monsieur, sein zugestandenes Elend legt mein Herz ins Grab, wenn ich durch seine Schmerzen meine eigene Wunden fühle. Er sei versichert, daß der Jäger redlich mit Ihm umgehen wird, sollte es aber mißlingen, bitte ich nochmals mit vielen Tränen, Er leugne so lang, als Er kann, und erzeige in dem Werk, daß ein beständiger Liebhaber sich nicht scheuet, alle Marter auszustehen, zu verschweigen dasjenige, daraus der Geliebten alles Unheil entstehen kann. Er lebe wohl und ertrage die Fessel mit Geduld in gewisser Sicherheit, daß ich leben und sterben werde – Seine getreueste Veronia.‹

Dieses war der kurze, doch nachdenkliche Inhalt des von dem Jäger hineingeschossenen Briefleins, welchen ich augenblicklich in Stücken zerrissen und samt dem Stein wieder über das Fenster hinabgeworfen. Indem kommt der Kerkermeister zu mir in das Gewölbe, etliche Ketten abzuholen, weil er vorgegeben, er müßte noch vor Mittag etlichs Hurengesind über dem See anpacken und solches auf Befehl der Landrichterin mit sich gefangen anhero bringen. Ich fragte diesen wegen meiner Begebenheit, und ob ich ihm gleich ein gutes Trankgeld angeboten, wollte er doch mit der Sprache nicht heraus, entweder weil ihm solches verboten oder aber sonsten unbekannt war. Er hatte wohl acht Springeisen auf dem Arm, weil er vorgegeben, daß sich die ehrbare Compagnie fast in die zwölf Personen beloff, unter welchen eine alte Frau die Rädelführerin und Principal-Person sein [19] solle. Dergestalten ging er mit einem kleinen Jungen, mit vielen Ketten behangen, von mir hinweg und hatte vielleicht den Jüngling deswegen mit sich genommen, auf daß er seinen ruhmwürdigen Qualitäten dermaleins nachfolgen und sein wohlerlerntes Handwerk auf die Nachwelt fortpflanzen könnte. Ich hatte mir indessen durch einen Wächter, derer continuierlich viere vor meinem Kerker stunden, ein gut Mittagmahl bestellet und etliche Krammetsvögel in der Dorfschenke braten lassen, weil ich mein Geld an diesem Ort nicht anders anlegen konnte. Derohalben lud ich sie zu Gast, und der eine ließ einen Krug Bier herholen, welchen wir mit schlechter Reputation ausgesoffen, denn dergleichen Leute halten wenig von Gesundheiten und dergleichen Höflichkeiten, und ich hatte von dieser Gasterei keinen andern Nutzen, als daß ichs endlich von ihnen herausbrachte, daß sie ebendiese gewesen, so mich vorerzähltermaßen bei dem Brunnen in dem Wald angepacket und mit sich an diesen Ort gebracht hatten.

Solchergestalten speisete ich diejenigen, so mich in meinen Fesseln bewachten, und gleichwie sie ohne Ehrerzeigung gekommen, also gingen sie auch ohne Dank davon, und war ihr meister Trost, indem sie mir versprachen, daß auf das längste in vier Stunden eine gute Compagnie zu mir würde eingeschlossen werden, damit ich nicht so gar ohne Ansprache und alleine läge. Einen solchen Häschertrost mußte ich dazumal wider meinen Willen annehmen und habe wohl hundertmal gewünschet, nur zu wissen, welcher Teufel ein solch unverhofftes Spectacul mit mir angefangen. Ich wartete von einer Stunde in die andere auf das Examen, aber da hörte man kein Wort, viel weniger was anders von der Sache, bis endlich die Nacht herankam, in welcher ich, nach dem klaren Inhalt des Briefes wie auch nach den Worten des Jägers, gewiß sollte losgemachet werden.

Dazumal habe ich sehr klug getan, daß ich eines sowohl als das andere gegen die Wächter verschwiegen, und bin um so viel glückseliger gewesen, je unwissender ich in dieser Sache herumgeführet wurde. Ich hatte ein wenig Brandwein zu mir genommen, deswegen überfiel mich ein großer Schlaf, [20] und auf eine solche Weise legte ich mich auf das zubereitete Stroh, ob mich schon die Fessel an den Beinen aufzuschörfen angefangen, weil ich dergleichen Banden ganz ungewohnt war. Es schlug zwölf Uhr auf der Schloßglocke, als ich unverhofft aus dem Traum erwachte und mich ziemlich forchte, sowohl wegen der Gespenster als auch wegen des Jägers, welcher mich aus den Ketten schließen sollte; denn weil mir von der ganzen Sache nicht der geringste Umstand wie auch das Schloß selbsten nicht bekannt war, hielt ich den Jäger vor einen halben Teufel, und ist nicht zu sagen, was ich mir vor wunderliche Imaginationes gemachet.«

2. Capitul. Er kommt zu Isidoro. Eröffnen einander den Betrug
II. Capitul.
Er kommt zu Isidoro. Eröffnen einander den Betrug.

So heimlich wird gar nichts gekart't,

Das endlich nicht wird offenbart.


Diese Erzählung gefiel dem Jungen von Adel ausdermaßen wohl, zwischen welcher er mir etliche Gläser vom spanischen Weine zugetrunken und sich dergestalten zerlachet, davor ich mich selbsten verwundern müssen. Und als ich bis daher gekommen, sagte er zu mir folgende Worte: »Mein Herr, seine absonderliche Erzählung ist fürwahr ein merkwürdiges Stück einer ungemeinen Rarität. Ich bin ein Liebhaber aller Historien, aber mein Herr beliebe in seiner Erzählung fortzufahren und dieselbe nach ihren Umständen zu continuieren, alsdann will ich Ihm sagen, was mir absonderlich wohlgefallen und wie sehr mich solche zufriedengestellet.«

Auf dieses erzählte ich weiter und fing an, die Geschicht mit folgendem hinauszuführen: »Ich habe zuvor mit etlichen Umständen entworfen, welchergestalten ich die Zeit bis um Mitternacht in dem Gefängnisse passieret, nun ist nichts mehr übrig, als meinen Patron mit wenigem zu berichten, wie ich aus demselben losgekommen. Der Inhalt des Briefes war so gar ungereimt nicht, denn ich hörte nach meiner Ermunterung eben die Streiche an das Fenster, welche ich die zwei vergangene Nächte auch gehöret. Ich eröffnete dasselbe, [21] soviel mir möglich, und erblickte den Jäger mit einer Latern eben an dem Orte, da er zuvor mit dem Blasrohre gestanden. Dazumal aber redete er durch selbiges Instrument nicht mehr mit mir, sondern gebrauchte sich seiner Sprache wie etwan in gemeiner Conversation. Er lehnete eine Feuerleiter an, welche lang genug war, mich aus dem Ort zu bringen. Sobald solche in rechte Postur gestellet, leschte er die Laterne aus, welche ohnedem zu nichts als unserem Verderb brennen konnte. Hierauf stieg er behend an das Fenster, und wir redeten unsern Handel ganz in der Stille miteinander ab, damit wir von den nächst anbei liegenden Wächtern nicht gehöret würden, sonsten sollten sie uns die Suppe sauer genug gesalzen haben.

Es war sich zu verwundern, wie künstlich sich der Jäger durch das Fenster hineingeschwungen, und nachdem er mit einem Dietrich mich meiner Eisen befreiet, bringt er mich mit großer Obsicht auf die Leiter, denn es dörfte gar ein geringes in den Weg kommen sein, so wären wir beide darunten auf dem Felsen gelegen; und ob ich schon sonsten dem Schwindel trefflich ergeben bin, hatte ich doch keine Gelegenheit, in die Tiefe zu sehen, zumalen es so stockfinster war, daß wir einander selbsten kaum gesehen. Der Jäger stieg voran und ich hinter ihm hinnach, dergestalt kam ich unvermerkt, und zwar in höchster Stille, aus dem Kerker und half dem Jäger die Feuerleiter eben wieder an den Ort tragen, allwo er sie zuvor genommen. Wir liefen nach dieser Handlung immer zum Dorfe aus, und ob ich ihn auch schon um des Himmels willen gebeten, mir zu sagen, was es bedeutete, so sagte er doch jederzeit, ich sollte mit Worten stille halten, meinen Weg schnell fortlaufen, denn man würde mir gar gewiß mit Pferden nachjagen, dörfte also das letztere schlimmer werden als das erste, da ich doch von einem soviel wußte als von dem andern, und solchergestalten aus eitler Furcht einen Weg dahin, den andern wieder dorthin, bis ich ganz verirret mich in einer unbekannten Gegend befunden. Und ebenderselbige Irrweg trägt mich hierher vor das Schloß, welches zweifelsfrei meinem Patron zugehören wird. Dieses ist das wenige, warum ich [22] meinen sonst lustigen Humor mit einzigen traurigen Wolken bezogen habe.«

Der junge Edelmann fing hierauf ein abscheuliches Gelächter an, er streckte die zwei Daumen in die Seite und wollte fast vor Atemholen entzweibersten. Als er solches fast eine Viertelstund getrieben, setzte er sich wieder gegen mir über und sagte: »Monsieur, seiner Erzählung bin ich einen größern Dank schuldig, als ich bezahlen kann. Dieses Schloß, wie mein Herr glaubet, ist nicht mein eigen, sondern wird dermalen noch von meiner Frau Mutter besessen. Was nach diesem geschehen kann, weiß ich nicht, es ist genug, daß ich auf solchem mehrere Freiheit und Ergötzlichkeit genieße als mancher Großhans mit allen Prahlereien.

Damit Er aber wisse und ich Ihm meinem vorigen Versprechen gemäß offenbare, was mir in seiner Erzählung absonderlich wohlgefallen und aus was Ursachen ich bewogen worden, ein solch unhöflich Gelächter anzufangen, so verstehe Er, daß mich nichts so sehr unter allem contentiert, als daß Er in diesem Spiel meine eigene Person präsentiert.

Monsieur, der Kerl, so bei Ihm in der Kammer gelegen und seine Kleider davongetragen, der bin ich, wie Er mich hier vor Augen siehet, und dieses Kleid, das Er hier an dem Leibe trägt, ist derjenige Habit, welchen ich Ihm statt des seinen in der Kammer gelassen, als ich noch vor Tages mich aus dem Staub gemacht. Sein Felleisen liegt hier unter dem Ofen, und ist nicht das geringste Schnupptuch geschweige etwas anders daraus gekommen, weil ich durch dieses Mittel keinen Diebstahl zu begehen, sondern vielmehr eine Gelegenheit gesuchet, mich vor dem Schergengesind verborgen zu halten und also unerkannt zwischen ihnen hindurchzumarschieren, indem ich schon Kundschaft hatte, welchergestalten ich ihnen in die Klauen kommen würde. Und weil ich keinen andern Weg über das Gebürge wußte als ebendenjenigen, bin ich durch diesen Kleiderraub zu einer solchen großen Unhöflichkeit gezwungen worden, die mich die Zeit meines Lebens reuen wird, absonderlich, weil ich sie an einem solchen Menschen begangen, den ich wegen seiner angebornen Qualitäten vielmehr schuldigst bedienen [23] sollen. Damit ich aber dem Herrn aus dem Traum helfe und Ihm offenbare, was Er von seinen Scherganten nicht erforschen können, bitte ich, unbeschweret eine kleine Audienz zu geben. Er wird sich verwundern, wie artig Er in das Spiel geraten.

Ich heiße Isidoro und verbrachte meine adelige Jugend in tausend Ergötzlichkeiten, die ich hier sowenig als der Herr seine Schulpossen zu entwerfen suche. Allein ist zu wissen, daß ich von Natur niemand mehr als dem Frauenzimmer nachgestrebet, und gleichwie ein hungeriger Vogel leicht zu locken ist, also versaumte ich nicht die geringste Gelegenheit, mich an das Bett zu schwingen, es möchte sein, wie oder wo es wollte, und durch diese Unvorsichtigkeit brachte ich es leichtlich dahin, daß man allenthalben von mir ausgegeben, ich wäre der ärgeste Frauendiener in dem ganzen Land. Es ist wahr, daß kein solcher perfecter Fuchsschwänzer nicht zu finden war als eben ich, denn ich schmeichelte bald dieser, bald jener und wartete oft um einen lausigen Kuß vier ganzer Wochen auf. Die Musik lernete ich nur deswegen und aestimierte sie nur aus dieser Ursach so hoch, weil man sich durch dieselbe bei dem Frauenzimmer entweder beliebt machen oder dasselbe damit bedienen könnte. Dahero geschah es, daß ich, als ein Student, bald eine Gasse hinauf, die andere wiederum hinab fiedelte oder von andern fiedeln ließ, ja, ich machte wohl denen die meiste Couranten vor das Fenster, die ich am wenigsten kannte oder die zum wenigsten von mir gehöret hatten, auf daß ich ja allenthalben möchte bekannt und angenehm werden.

In dieser liederlichen Stümperei blieb ich nicht in den Schranken meines Standes, sondern ich kleidete mich wohl an als ein Bauerflegel, und in solchem Habit ging ich verkleidet auf die Dörfer und in die Dorfschenken, allwo ich mit den Bauermägden oft bessere Kurzweil trieb als mit mancher hochangesehenen und lumpichten Zofe, die nichts kann als den Hintern hin und wider schwenken wie eine Gans. Mein Herr kann betrachten, wie elend ich dieselbe Zeit zugebracht, die ich zu nichts anders als meinem eigenen Verderb angeleget habe, und dieses währte so lang, bis [24] ich mich eben in diese Gräfin verliebet, die dem Herrn den Brief in das Gefängnis schießen lassen.

Drei Meil Wegs von hier ist in einem Wald ein lustiger Platz, allwo der Graf seinen Hirschen nachzujagen pfleget. Und weil kein größerer Liebhaber vom Weidwesen in dem ganzen Lande ist, geschicht es, daß man ihn die meiste Zeit durchs Jahr an obbenanntem Ort zu sehen bekommet. Er versäumet dadurch viel nötige Canzeley-Geschäfte und macht seinen Untertanen nicht allein große Ungelegenheit mit dem Jagen, sondern stellet ihnen noch über dieses gewisse Jagdhunde in die Kost, welchen sie so viel müssen zu fressen geben, davon sie gar leicht einen Knecht erhalten könnten. Ich selbsten habe einen Proceß wegen meiner Frau Mutter zu führen, aber die Wahrheit zu bekennen, so wird auf solche Weise sehr wenig getan, und glaube kaum, daß innerhalb zwölf Jahren wird gesprochen werden. Dieser Proceß gab mir die erste Anleitung, mit der Gräfin Veronia in Bekanntschaft und von dar in eine nähere Vertraulichkeit zu kommen. Sie liebte die kleinen Hunde, dahero unterließ und ersparte ich nicht den geringsten Fleiß, ihr einen von absonderlicher und rarer Art zu verehren, der mich in die vierundzwanzig Taler kostete. Ich tat es unter dem Schein, meinem Proceß einen Fortgang zu machen, aber ich hatte viel ein anders Absehen als auf die Canzeley, ob es schon der Graf dazumal nicht anders als einer guten Meinung aufgenommen.

Die Gräfin, welche ein Weibesbild von unvergleichlicher Schönheit, wollte dieses Geschenk nicht unvergolten lassen, sondern schickte mir vor den Hund ein Dutzet der allerneuesten Ducaten, welche ich noch bei mir habe. Von dieser Zeit an suchte ich Gelegenheit, mit ihr in Person zu sprechen, denn die Wahrheit zu bekennen, so war ich in sie verzweifelt verliebt, und ich glaube, ich wollte mich dazumalen haben erstechen und tothauen lassen, sofern ich nur gewußt hätte, daß ihr dadurch einziges Gefallen geschähe. Ich konnte weder essen noch trinken, und was noch das Allerschlimmste war, so empfand ich in mir eine rechte Marterkammer, die vielleicht ärger als diejenige ausgesehen, [25] daraus Ihr heut nacht entflohen seid. Und ebendieses ist das Schloß, allwo ich meinem eigenen Verderb so sehr nachgeeilet, allwo Ihr so sehr, und zwar unter meiner Person, gefesselt gewesen.

Nachdem ich in dieser Liebe fast bis auf den Tod gequälet worden, entschloß ich mich, ihr meine Liebe zu offenbaren, sie möchte mich darnach sauer oder süße anblicken. Verehrete ihr dahero in einem Garten bei zufälliger Gelegenheit einen Apfel, in welchem ich ganz verborgenerweise einen Brief auf ein kleines Pergament-Zettulein geschrieben, etwan dieses Inhalts: ›Holdseligste Creatur! Wer dasjenige hasset, von welchem er geliebet wird, der wird unbillig großmütig genennet. Weil ich aber glaube, daß Sie an Großmütigkeit alle Menschen ihres Geschlechtes weit übertrifft, lebe ich der angenehmen Hoffnung, Sie wird denjenigen in dem Verlangen nicht zugrunde gehen lassen, welcher ohne Genieß Ihrer Gegenliebe zwar leben, aber doch allezeit vor Schmerzen sterben wird.‹

Dieser Brief, ob er zwar nicht stracks von ihr erblicket worden, erweckte doch keinen geringen Widerwillen gegen mich, also gar, daß ich noch in dem Garten entschlüssig wurde, in ein Wasser zu springen oder mich an die oberste Balken des Hauses aufzuhangen, denn es ist gewiß, daß ich die Impression von ihrer Holdseligkeit dermaßen ins Herze gedrücket, daß ich ohne ihrer Gegengunst unmöglich zu leben vermeinte. Ich weinte Tag und Nacht wie eine alte Bade-Hure, so die Lauge verschüttet, und scheuete mich endlich, vor ihr sehen zu lassen, weil ich dadurch meine Verzweifelung nur würde vergrößert haben. Und weil die Gräfin nächst an der See ihren Wohn-Erker hatte, satzte ich mich Nachts-Zeiten in ein Schifflein, nahm die Laute unter den Arm und sang, oder ließ durch andere singen, die verliebtesten Arien, so ich nur aufsetzen konnte, unter welchen ich diese einzige noch auswendig behalten:


Veronia!
Ich sterbe vor Verlangen
Und schiffe in den Tod.
[26]
Du stürzest mich in solche Liebesnot,
Ich bin von dir gefangen!
Ach, hilf! ist keine Rettung da?
Veronia!
Veronia!
Komm doch, mein Schiff zu retten,
Ich strande auf der See,
Wo ich vor Schmerzen endlich untergeh.
Entreiße mich den Ketten!
Komm, Schöne, sprich nur einmal: Ja!
Veronia!
Veronia!
Ich will dich gleichwohl lieben,
Ob ich schon untergeh
Und sterbe auf der unglücksvollen See
Mit schmerzlichem Betrüben!
Es ist doch keine Rettung da,
Veronia!

Dieses sind die wenige Strophen, die ich aus so vielerhand Arien noch auswendig behalten, und wären erst alsdann recht angenehm zu hören, so meinem Herrn die anmutige Melodey bekannt wäre, durch welche die Gesänge recht lebhaft exprimiert werden. Unterweilen machten wir wohl ganze Suiten von Balletten und Sonaten, weil ich keine Unkosten ersparete, ihre Affection zu gewinnen, es möchte auch kosten, was es wollte. Je länger ich mich aber um ihre Liebe bearbeitete, je weniger konnte ich solche zum Stande bringen. Das nahm mich dergestalten ein, daß ich mich entschloß, den Ort zu verlassen, auch meine Gerichtssache anderwärts anhängig zu machen. Und solchergestalten getrauete ich mir endlich wohl, mich selbsten samt meinen Affecten zu überwinden, weil die Abwesenheit das beste Medicament wider alle unreine Begierden ist, die ich dazumal nicht recht erkennen können, weil ich das höchste Gut auf der Erde gesuchet und nicht betrachtet habe, welch [27] einer jämmerlichen Eitelkeit unsere blinde Mutmaßung unterworfen sei.

Ich satzte mich endlich zu Pferd und ritt so voll von verliebten Grillen aus der Stadt, daß ich nicht sagen kann, wie mir dazumal um das Herz gewesen. Ich sah keinen Menschen an, und es kann wohl sein, daß ich vor unterschiedliche Bekannte geritten, die ich entweder nicht gesehen noch beurlaubet habe, so gar hatte mich dazumal die Liebe eingenommen, außer welcher ich alles vor weniger als nichts gehalten. Ich sah auf der Straße ohne Unterlaß zurück und seufzete wohl tausendmal. Ja, es fiel mir endlich ganz unmöglich, weiterzureiten, sondern stund unter einem großen Baum ab, daselbsten das Schloß noch vors letzte Mal anzusehen und demselben zu valedicieren. Auf solches fing ich eine ordentliche Oration an, durch welche ich mit mir selbsten und sonsten mit keinem Menschen geredet.

Monsieur sei versichert, so ich Ihm alle Schwachheiten erzählen würde, die ich dazumal in meiner Oration angebracht, würde Er sich in der Wahrheit viel mehr über meine Erzählung, als ich über die seine getan, zerlachen und erlustigen. Endlich schämte ich mich vor den vorübergehenden Leuten, derer allgemach eine ziemliche Zahl zusammengeloffen, mir zuzuhören, weil ich ihnen entweder wegen der überhäuften Gedanken oder aber, weil ich rückwärts auf der Erden gelegen, nicht gewahr worden, stund demnach auf, schwang mich zu Pferd und ritt immer im Galopp fort, was das Pferd laufen konnte.

Auf eine solche Weise lief ich über Stock und Stauden, daß es taugte, ja ich schrie unterweilen, wie ein Pferdknecht, der hundert Roß zu commandieren hat. Letztlich ließ ich dem Pferd den Zaum, willens, dahin zu reiten, wohin es mich bringen würde, daraus ich schließe, daß ich dazumal über drei Grad von der wahrhaftigen Wahnsinnigkeit nicht entfernet gewesen, weil ich keinen Weg zu finden gewußt, dieser Passion zu entgehen. Mein Gaul ging einen ziemlichen Schritt, und weil er den Zaum ledig hatte, brachte er mich auf einer ganz ungebahnten Straße in einen Wald, davor mir recht grauete. Die Bäume stunden nicht allein dicht beisammen, [28] sondern es hatte auch hin und wieder tiefe und felsichte Löcher, darinnen sich ingemein die Räuber und das andere ehrlose Gesindlein zu verstecken pflegte. In Betrachtung dieser Gelegenheit kam ich wieder ein wenig zu mir selbst, obschon viel zu spat, denn ich hatte noch nicht wahrgenommen, daß ich meinen Hut, meine Handschuhe und meinen Degen zwischen dem Gesträuße verloren und zurückgelassen. Solchergestalten stieg ich ab, und weil es nunmehr bald Abend war, suchte ich besten Fleißes einzigen Ausgang, führte auch das Pferd so lange hin und wider, bis es endlich Nacht und mir, wegen Ermanglung des Lichts, der Weg ganz unbekanntlich wurde.«

3. Capitul. Isidoro wunderlicher Zustand in des Einsiedlers Habit
III. Capitul.
Isidoro wunderlicher Zustand in des Einsiedlers Habit.

Brand, Schwefel, Pech, das quälet sehr,

Die Liebe aber noch viel mehr.


»Gegenwärtige Nacht war ein rechtes Vorbild meines Geistes, welcher gänzlich mit einer irdischen Finsternis umgeben war. Das allerschlimmste war, daß ich das wilde Vieh brummen hörte, und dachte erst dazumal an meine große Torheit, da ich keine Gelegenheit mehr hatte, aus dem Wald zu gelangen. Ich wollte mich zur Versicherung meiner Person auf einen Baum retirieren, aber weil ich des Steigens unerfahren, mußte ich mein Vorhaben zurückstellen, so lieb mir auch das Leben war. Dazumal verschwanden mir die Liebesgedanken ein ziemliches, und ich hätte in der Wahrheit endlich nicht gewußt, was ich anfangen sollte, so ich nicht in der Revier ein Glöcklein gehöret. Erstlich machte ich mir die Einbildung, es wäre vielleicht eine Kuh in dem Wald verirret, der man eine solche Glocke an den Hals gehenket, und dahero bekam ich Ursach zu argwohnen, als wäre nächst hierbei eine Schäferei. Aber zum andernmal, als ich den Schall hörte, fand ich, daß ich mich selbst in mei ner Meinung betrogen, weil es viel eine größere Glocke gewesen, als ein solches Mastvieh an dem Hals hätte tragen können. [29] Ich ging dem Schall nach und sah auf einem hohen Berge ein Licht schimmern, daraus ich geschlossen, daß sich daselbst ein Einsiedler enthalten müßte. Mein Pferd hatte ich zum Raub des wilden Viehes, an der Tanne gebunden, stehenlassen, weil ich viel zu sorgfältig war, mein eigenes Leben zu erretten. Der Einsiedler läutete noch einmal, und als ich mich auf dem Berge ganz verstiegen, rufte ich sehr laut um Hilfe, weil ich mich keines geringen Falls beförchtete. Nach solchem Ruf eröffnete der Klausner sein Fensterlein, und ich bat ihn nochmalen ganz freundlich, mir aus der Irre zu helfen. Er läutete ein anders Glöcklein, auf dessen Schall alsobald ein junger Eremit mit einer brennenden Laterne gegangen kam und mir vermittelst eines Strickes zu sich hinauf half, weil ich sonsten weder vor noch hinter mich gekonnt hätte. Er führte mich mit sich in des Alten seine Zelle, welche meist von Baumrinden und Moos beschlagen und ausgezieret war. Daselbsten satzte ich mich an den warmen Ofen, weil ich in dem Wald ein ziemliches gefroren hatte. Ich war froh, daß ich so einen sichern Ort vor meine Person gefunden, und erzählete den Einsiedlern ganz einen andern Weg, wie und auf was Weise ich in den Wald gekommen. Sie hatten mit meinem Geschicke ein treffliches Mitleiden, und der Junge ließ nicht nach, das Pferd so lange zu suchen, bis er solches durch einen gebahnten Weg mit sich über den Berg zu der Zellen brachte, allwo ers in eine Kammer einsperrte, darinnen sie ihre Instrumenten, die Wurzeln zu graben, liegen hatten.

Ich wäre wohl der größte Narr auf Erden gewesen, so ich den Einsiedlern von meiner Liebe einzige Nachricht erteilet hätte, deswegen verlangte ich, mich niederzulegen und auf meinen ausgestandenen Schrecken ein wenig auszuruhen. Sie versorgeten mich hierauf mit einer Liegerstatt viel treuer als leibliche Brüder, und es war nichts in ihrem armen Vermögen, welches sie mir nicht angetragen, soferne ich es nur würde vonnöten haben.

Es ist ungezweifelt wahr, daß ich ihr Leben tausendmal heiliger und vollkommener als mein eigenes befunden, ja, ich schätzte sie recht glückselig, daß sie den Irrweg noch nie so [30] weit wie ich gewandelt hatten; aber dessenungeachtet ließen mich doch meine Anfechtungen bei keinen heiligen Gedanken, sondern zerstreueten solche wohl tausendfältig nach der Gewohnheit ihrer giftigen Art, welche stetigs zu töten suchet denjenigen, so ihnen zu viel nachhänget.

Die unterschiedliche und mannigfältige Verwirrungen ließen mir nicht so viel Ruhe, daß ich hätte einen Augenblick schlafen können, sondern die Veronia, die Veronia stak mir immer im Kopf. Und so sehr ich mich auch ihrer Gedächtnis entschlagen wollen, konnte ich doch über mich selbsten nicht Meister werden, vielleicht darum, weil ich mein Vorhaben gar zu seichte und auf liederliche Mutmaßungen gegründet, da ich doch davor die wahre Tugend zum Fundament sollte geleget haben.

Nach einer Stunde nahm der junge Klausner Urlaub, und der alte machte sich auch zu Bette, vor welchem ich von Herzen erschrak, denn es war eine Totenbahre mit Moos angefüllet, die zog er hinter einer Bank hervor. Das Hauptkissen war ein großer ausgehöhlter Stein, darein er sich nach der Länge auf den Rücken legte mit der Überdeck seines Mönchmantels, welchen er auch vor den Regen trug. Er redete mit mir fast eine halbe Stund, nachdem er sich niedergeleget, und vermeldete mir unterschiedliche Ursachen, warum er in die Klausen gegangen und aus der gottlosen Welt gewichen wäre. Er sagte, daß der junge Einsiedler ein Graf sei, dessen Geschlecht er aber mit Fleiß verborgen hielt. Er hätte sich seinesteils schon achtundsechzig Jahr in dieser schröcklichen Wildnis aufgehalten, in welcher er sich mit Wurzeln und Wasser, auch zuweilen mit wildem Obst und gebetteltem Brot gespeiset und ernähret hätte. So sammlete auch der Junge wöchentlich in den Dörfern herum und brächte Käse, Butter, Milch, Brot, Eier, Fleisch und Kraut mit sich, und solchergestalten beliefe sich ihre Hofhaltung, und waren doch allem Ansehen nach viel frischer und gesünder als ich, der ich doch bei einer köstlichen Tafel von Jugend auf erzogen worden.

Er erzählte beinebens unterschiedliche Begebenheiten, so sich seit der Zeit seiner ersten Ankunft in dem Wald mit ihm [31] zugetragen hatten, aber die Nachsinnung meiner eingebildeten Liebe verbot mir, ihm ferner Gehör zu geben, weil ich mich entschlossen, den Eremiten dahin zu persuadieren, daß er mir seinen Mönchsrock liehe, damit wollte ich angekleidet in das Schloß gehen und von der Gräfin in unbekannter Gestalt endliche Resolution holen, sie möchte darnach urteilen und sich entschließen, was sie wollte.

Auf solches schlummerte ich ein wenig ein, aber des folgenden Tages wurde ich eins mit dem Alten, daß er mir wollte leihen einen alten Rock, welchen er noch vor zehen Jahren getragen, und vor solchen schoß ich ihm so viel Geld dar, davor er einen neuen bekommen konnte. Er behielt das Pferd bei sich, und weil das obgedachte Schloß seiner Aussage nach nur zwei kleine Meilen von dar abgelegen war, versprach ich, innerhalb vierundzwanzig Stunden gewiß wieder in der Klause zu sein. Damit zog ich den Habit über den Leib, und weil ich ohnedem einige Parücke trug, konnte ich wohl leiden, daß sie mir das übrige Haar gleich einem Mönch von dem Kopf hinwegschnitten, und in einer solchen Gestalt wiesen sie mich aus dem Wald auf die Straße, so zu dem Schloß leitete.«

4. Capitul. Er muß von dem Schlosse die Flucht nehmen
IV. Capitul.
Er muß von dem Schlosse die Flucht nehmen.

Was wir verdecken ganz und gar,

Wird oftmals plötzlich offenbar.


»Es gingen nicht so bald zwei Stunden vorüber, als ich das Schloß schon zu Gesichte bekommen, denn die Wahrheit zu bekennen, so trieb mich die Liebe noch einmal so schnell fort, als ich sonsten zu gehen pflegte, und absonderlich in einem großen und rauhen Mönchsrock, welchen ich zu tragen nicht gewohnet war. Das Schloß lag an einer See, und weil von einem Dorf ein Schiff dahin abfuhr, dingte ich mich auf und kam an das Ufer, allwo ich meinen Mantel um mich schlug und dem Schloß zueilete. Ich verlangte vor die Gräfin, vorgebend, ihr ein Geschenke zu überreichen, welches ich um so viel füglicher tun können, weil ihr Herr, dem gemeinen [32] Ruf nach, noch auf der Jagd war. Sie ließ mich gar bald vor sich, und als ein Geistlicher konnte ich ohne Argwohn gar wohl in ihr Cabinet gelassen werden, allwo ich anfing, ihr von der großen Armut zu schwätzen, die ich in dem Klippen-Wald ausstehen müßte, denn also war derselbe Wald genennet, darinnen ich die Kutte geborget hatte. Dahero bat ich die Gräfin, mir eine bessere Wohnung zu schaffen, ich wollte alles in demütigen Diensten und dergleichen entgelten.

Die Gräfin seufzete hierauf, und als sie gehöret, daß ich aus dem Klippen-Wald gekommen, forschte sie aus mir, ob ich nicht einen wahnwitzigen Menschen in demselben angetroffen, welcher ein Edelmann und Isidoro heißen sollte. Ich erschrak über ihre Erwähnung und sagte ja, daß ebenderselbe sich auf der Erde gleich einem Hunde hin und wider gewälzet hätte, was ihm aber sei, wisse kein Mensch, weil er auf keine Frage einzige Antwort gebe. Hierauf seufzete sie und schwieg lange still. Ich merkte ihrs an, daß sie Mitleiden mit mir trüge, und weil ich gerne wissen wollte, an wem oder an was ich wäre, offenbarte ich mich ihr ganz treuherzig und erzählte ihr meinen Zustand in und an sich selbst und verlangte nichts mehrers als ihren Entschluß.

Sie wurde ganz blaß, und weil sie in dieser Verwechselung nicht geschwinde zur Resolution kommen konnte, sagte sie: ›Monsieur, mein neulicher Zorn war so böse nicht gemeinet. Ein beständiger Liebhaber wirft nicht so geschwinde einen Mönchsrock über den Leib, Er sei versichert, daß ich Ihn durch meine Mienen nur versuchen wollen, ob Er auch beständig sei in dem, das Er mit so großer Gefahr an mich gesuchet.‹ Aber indem wir am besten miteinander redeten, kam der Graf von der Jagd ganz unvermerkt ins Zimmer. Er nahm erstlich den Hut vor mir ab und sagte: ›Woher, Herr Pater, woher?‹ Dem Grafen war meine Sprache wohlbekannt, derohalben neigte ich mich sehr tief, drehete mich zu der Tür und lief ohne Antwort zum Zimmer aus. Es ist bei meiner Treu wahr, daß ich all mein Lebtag nicht so sehr geloffen bin. Ich ließ den Mantel, meinen Stock und die Capuzen hinter mir hinwegfallen, und weil sich der Graf nicht [33] geschwind resolvieren konnte, legte ich einen ziemlichen Weg zurücke, ehe mir die Diener nacheileten. Es sprangen wohl ihrer acht oder noch mehr nach mir, aber ich hatte mich schon in den Wald verstecket und mich ganz heimlich an die vorige Klausen gemachet, allwo ich meine Kleider angezogen und mich ohne ferners Umsehen auf meinem Gaul nach diesem Schlosse gewendet.

So kalt und frostig es dazumal war, so schwitzte ich doch am ganzen Leibe, und fehlete nicht viel, ich hätte das Pferd bei einem Haar zu Tode geritten, weil mir an dieser Flucht nicht ein geringes gelegen war. Meine Frau Mutter erschrak selbst über meiner schnellen Ankunft, aber ich erzählte ihr weit eine andere Zeitung, die mich so geschwinde zu sprengen verursachet hatte. Zwei Tage hernach kam ich wieder, aber in einem andern Habit, auf das Schloß, und zwar viel mit einer andern Courasche, als ich bis dahero hatte spüren und sehen lassen, weil mir die Ungewißheit der vorigen Liebe allen Geist genommen und mich nur mit verdrießlichen Schmerzen beleget hatte. Mein Herr wird gewiß das Lachen nicht enthalten können, wenn ich Ihm sage, welchergestalten die Auslaufer aus dem Schlosse bis in den Klippen-Forst nachgesetzet und daselbsten den armen Einsiedler mit sich gefangen auf das Schloß gebracht haben, denn die Gräfin brachte eine Haupt-Entschuldigung zu ihrem und meinem Behuf vor, indem sie ausgegeben, der Einsiedler hätte sie totstechen wollen. Und dieses ist eigentlich die Ursach, warum der Graf so schnell nachsetzen lassen.

Aber als der Graf die grauen Haare des Altvaters erkennet, reuete es ihn, daß er sich an ihm vergriffen hatte, bat ihn um Vergebung und lud ihn zu Gast. Aber unter währender Tafel erzählte der Einsiedler all dasjenige, so sich mit mir in dem Wald begeben hatte. Ich verbarg mich vor ihm, soviel ich konnte, und ich glaube, so er meinen Namen gewußt, ich wäre samt der Gräfin zuschanden worden, aber ob es schon dazumal verschwiegen geblieben, konnte ich doch meinem Unglück nicht entfliehen, in welches ich endlich gleich einem gefangenen Vogel in den Sprenkel gefallen.«

5. Capitul. Warum Zendorio in Verhaft gekommen
[34] V. Capitul.
Offenbarung seiner Liebe und warum Zendorio in Verhaft gekommen.

Das Unglück liebt den Widersinn,

Kommt oft, wo es nicht solle, hin.


»Veronia wurde von mir je länger je eiferiger verehret, aber zu nichts als meinem eigenen Verderb. Sie konnte mir keine andere Gegengunst erweisen als freundliche Blicke, von welchen ich das Jahr nicht fünf Groschen Interesse auftreiben können, es wäre denn, daß ich sie bei einem närrischen Kaufmann capitaliter ausgeleget hätte. Aber gleichwie das heimliche Verständnis endlich auszubrechen pfleget, also konnte es auch mit mir armen Schelmen keinen langen Bestand haben. Ich mußte die Gelegenheit suchen, wie ich konnte, und nicht, wie ich wollte, denn weil ich bei Hofe nichts zu tun hatte, mußte ich eine solche Sach hervorsuchen, welche schien, als hätte ich daselbst was zu verrichten, ob es schon in dem Werk nichts als ein bloßer Müßiggang war. Ich gab zu Ende dessen vor, wie ich entschlossen wäre, eine aus der Gräfin ihrem Frauenzimmer zu ehelichen, ob ich gleich niemalen des Willens gewesen, mich mit einer von dem Hofe zu verbinden, entweder weil sie gar zu arm oder gar zu hoffärtig waren. Doch gewann ich durch diese Scheinheiligkeit einen offenen Zutritt und wurde mit Veronia so gemein, daß sie sich endlich nicht scheuete, mir Kirschenstengel, Haselnüsse, Confect, Zucker, Mandelkern und dergleichen Materien ins Gesichte zu werfen. Der Teufel tat denn auch seine Verrichtung darbei, bis ich glaubte, das Glück hätte nunmehro ein ewigwährendes Verbindnis mit mir eingegangen. Ich bin von Jugend auf zu dem Apfel- und Citronenschnitt abgerichtet worden, deswegen verehrte und schnitt ich in ihrer Gegenwart allerlei Arten der raresten Formen.

Die Braut, welche ich zu freien vorgab, wußte sich einen Haufen wegen meiner, aber das gute Kind hätte billiger weinen sollen, wenn sie gewußt hätte, wie gar und wie durchaus ich sie nicht haben möchte. Ich verehrte ihr allerlei perfomierte Handschuhe, die allernobelsten seidne Strümpfe, schöne Armbänder, wohlausgearbeitete Schlaguhren, aber [35] ich bestellte einen Jungen, der ihr den Kleiderschrank brechen und alle spendierte Sachen wieder hinwegstehlen mußte. Mein Herr kann gedenken, wie ich diese unschuldige Dam wider alle Ehr und Reputation, auch wider billigen Respect und Observanz so liederlich bei der Nase herumgezogen. Es war hohe Zeit, daß ich aus dem Schloß entwich, sonst hätte ich etwas anrichten dörfen, das man ohne Spott und Schand nicht melden kann.

Solches Leben wurde mir als einem Bräutigam gar wohl passiert, aber meine Mutter schrieb mir, so ich eine vom Hof heuraten würde, so wollte sie mich bis aufs Hemd enterben, weil sie mit vielen Quittungen belegen konnte, daß ich auf der Universität in die 8000 Taler extra vertan. Ich entschuldigte mich wieder gegen ihr und vermeldete, daß ich an nichts weniger als an eine solche Heurat gedacht hätte, und was ich bei Hof mit dem Frauenzimmer vorhätte, wäre nur zur Verkürzung der Zeit und auf keine ehliche Verbündnis angesehen. Auf einen solchen Entschluß besanftmütigte ich meine Mutter, welche sonsten einen ziemlich harten Kopf hatte, und dahero mußte sich das arme Mensch auf dem Schloß von mir eine Nase nach der andern drehen lassen. Und ob sie mich schon ohne Unterlaß fragte, wann wir wollten Verlöbnis machen, benamsete ich ihr doch eine Zeit nach der andern und machte ihr so viel Hoffnung, davon sie noch zwölf Säcke übrig hat, so sie ihren Mitschwestern nicht welche davon verspendieret.

Endlich erwischte mich ein Page, gleich als ich die Gräfin küßte, und ob ich schon dem Jungen zwei Taler geschenket, davon stille zu schweigen, trägt er doch solches dem Grafen zu, welcher in vollem Grimm von der Jagd dem Schloß zu ritt und entschlossen war, mir seinen Jagdspieß durch die Rappagnie zu rennen, denn es ist gewiß, daß kein zornigerer Mensch weit und breit in dem Land anzutreffen gewesen. Zu meinem Glück wurde mir solches durch den Forst-Schreiber gestecket, und dahero machte ich mich aus dem Staube, ehe mich der Graf zu Gesicht bekommen. Ich habe hernachmals in einem langen Schreiben umständlich vernommen, wie ungeduldig sich die Gräfin wegen meiner bei [36] ihrem Herrn beklaget. Sie sagte, ich hätte sie heimlich von hinten überfallen und sie geküsset. Item, noch andere Stücklein sagte sie, deren ich mich unterfangen hätte, und also machte sie sich weiß und mich hingegen schwärzer als eine indianische Dinte.

Folgende Woche erhielt ich gar von vertrauter Hand, daß man mich auf meiner damaligen Reise zwischen dem Gebürge ausgespähet, und weil ich die vor gewandte Heurat gegen der Dam renunciert, wollte mich der Graf mit Gewalt haschen und mir wie einem schändlichen Betrüger was anders tun lassen. Aber der Herr ist zu allem Glück in meine Kammer auf der Straßenherberg gekommen, sonst wäre ich statt des Herrn in der Häscher Hände gefallen, wie Er sich leichtlich die Rechnung wird machen können.

Dieses ist also der Verlauf meiner Fortun, und anitzo halte ich mich ganz in geheim hier auf dem Schlosse verborgen, habe auch meinen Leuten befohlen, keinen Menschen zu mir zu lassen, als welchen ich selbst heraufführen werde. Und dieses ist die Ursach, warum ich mich in diesem engen Zimmer aufhalte, sonsten wollte ich den Herrn wohl in einem größern und säuberern tractieren. Er vergebe mir indessen und nehme mit dem guten Willen vorlieb, es geschicht, meinen Leib in besserer Versicherung zu halten, weil ich von daraus weit auf die Straße sehen und eigentlich betrachten kann, was zu dem Schloß ein und aus gehet. Ich förchte mich zwar vor dem Grafen nicht ein Härlein oder Nagel groß, und es ist noch lang dahin, ehe er mich solle henken lassen, aber das ist mir zum schlimmsten, daß ich förchte, er dörfte mich deswegen am gebührenden Ort verklagen. Aber solang er nichts Hauptsächliches auf mich bringen kann, wird man ihn nur auslachen. Der arge Fuchs hat mich so heimlich erlauschen und in dem Gefängnis wacker carniffeln wollen, aber ich glaube, ich habe eine Comödia gespielet, die lustig genug ist. Mein Herr vergesse seines Schmerzens und bleibe bei mir, solange es Ihm anstehet, mein Tisch und ein schlecht Bett stehet zu seinen Diensten, und Er sei versichert, daß ich mich gegen Ihm ganz verobligiert befinde.«

6. Capitul. Eine harte Wette
[37] VI. Capitul.
Eine harte Wette. Die alte Kupplerin erzählet eine artige Buhlerei und hilft ihnen dardurch aus dem Traum.

Ein Vogel, der gefangen ist,

Sucht zu der Ausflucht Weg und List.


Diese Erzählung dieses jungen Edelmanns war das einzige Mittel, welches mich meiner bishero heftig quälenden Gedanken enthoben. Ich machte ein Kreuz hin, das andere wieder her und mußte mich ausdermaßen verwundern, daß mir so unverhofft auf diesem einsamen Schlosse aus dem Traum geholfen worden. Denn diejenigen wissen gemeiniglich das meiste um unser Anliegen, die wir zum wenigsten davor ansehen, und also hat der geneigte Leser umständlich verstanden und ist zugleich mit mir aus dieser Unordnung herausgekommen, in welcher ich bis gegenwärtige Stund dergestalten verwickelt war.

»Vielgeehrter Patron,« sagte ich darauf zu dem Edelmann, »seine Höflichkeit spielet nur mit Dero Dienern, zumalen ich mich viel zu wenig befinde, seine Gutwilligkeit gleichzumachen. Er hat sich im geringsten nicht zu bedanken noch mich um Verzeihung zu bitten, daß ich wegen seiner ein so Unverhofftes ausgestanden, weil ich nicht solches Geschicke seiner Person, sondern vielmehr dem wunderbaren Glücke zuzuschreiben habe. Denn hätte mich solches nicht so unverhofft in die Straßenherberge getragen, so hätte sich Monsieur in meinen Kleidern nimmermehr verstellen können; aber über nichts muß ich mehr lachen als über den Brief und über den Jäger. Hätte die Gräfin den Possen gewußt oder wüßte ihn noch, ich glaube, sie sollte sich ärger darüber verwundern als wir beide. Unter anderm, so mein Herr vorgebracht, wundert mich nicht ein wenig, daß der Graf so geschwind zur Execution ist. Ha, man henkt nicht gleich, und wenn ich den Betrug gemerkt hätte, ein Schelm will ich sein, ich wollte einen solchen Spaß angefangen haben, darüber das ganze Hoflager lachen sollen, aber nun ist es zu spat, und auf eine andere Weise hätte ich nimmermehr so umständlich hinter die Springe kommen können. Nur dieses möchte ich noch wissen, was es mit dem Hurenpack [38] über der See vor einen Ausgang genommen. Denn nach der Abreise des Schergens habe ich selbigen Abend keinen Gefangenen, viel weniger ein Hurenpack gesehen, weiß also nicht, ob was an der Sach war oder nicht.«

Der Edelmann sagte, es würde hieran gar ein weniges gelegen sein, und in solchem Gespräche brachte eine Magd, welche ich vor die Beschließerin hielt, das Essen herauf, welches er indessen zu einem Glas Wein hatte zurichten lassen. Es ist gewiß, daß mir dieser Cavalier alle Höflichkeit erzeiget und in dem geringsten nichts ermangeln lassen, was zu meiner Aufwartung dienlich war. Wir speiseten unter einem sehr angenehmen Gespräche wohl drei Stunden, und weil das Stüblein wegen anhaltender Kälte eingeheizet war, stieg mir nebenst der Ofenwärme der hitzige Wein zugleich in den Kopf, also daß ich fast einen Dummel fühlete.

Er erzählte mir beinebens, wie er ohngefähr vor vier Wochen mit einem von Adel gewettet und dreihundert Ducaten pariert hätte, daß er sich, mit Erlaubnis seiner Frauen, zu ihr ins Bett legen wollte, ehe ein Jahr vorüberginge. Der andere hätte gesagt, das wäre so unmöglich, als unmöglich es sei, daß man das Gras von dem Himmel herunter schnitte, und es wäre die Frau selbst bei dem Contract gestanden, im Beisein vieler andern Cavalier, welche als Zeugen mit zugehöret hätten. Deswegen bat er mich, ihm eine Invention zu communicieren, aber ob ich gleich ziemlich nachsinnete, konnte ich doch keinen Weg erdenken, auf welchem ihm der Gewinst vom Gewette hätte zufallen können. Solchermaßen hebte die vorige Magd wiederum auf, denn der Edelmann wollte nicht viel Diener oder andere Leute einlassen, weil er, sich verborgen zu halten, anhero gekommen und sich ein neu Kleid verfertigen ließ, mit solchem unbekannter weise hinwegzureisen an solche Örter, allwo er sich am tauglichsten aufzuhalten vermeinte.

Auf dieses zog er mein Felleisen hinter dem Ofen hervor und wies mir auch in der anstehenden Kammer mein abgeschabenes Kleidlein. Ich mußte von Herzen lachen, daß es dannoch so wohl aufgehoben ward, und nach solchem führte er mich mit sich in die Hofstube, nachdem er das Tor stark [39] zuriegeln und verschließen lassen. Bei Überreichung der Schlüssel vermeldete der Torwärter, daß der Gärtner gekommen, welcher mitgebracht, die alte Edelfrau würde über drei Stunden nicht mehr außen bleiben, weil sie schon bei seiner Abreise von der Tafel aufgestanden wären. Dieses zu verstehen, berichtete mich der Edelmann, daß seine Frau Mutter vor zwei Tagen auf eine adelige Hochzeit abgereiset, von welcher sie heute wieder zurückegelangen würde. Der Weg erstreckte sich auf drei Meil Weges, und dannenhero wäre sie an den Ort gefahren, hätte aber außer dem Gärtner niemand als einen Gutscher mit sich genommen, weil der Landadel dieses Orts wenig auf große Kostbarkeiten, sondern vielmehr auf ein gut Stücke Geld sein Absehen hätte.

Nach diesem Bericht gab er dem Torwärter, welcher mich diesen Tag so spöttlich von dem Schlosse hinweggewiesen, nebenst einem guten Filz wegen meiner, zugleich Befehl, fleißige Obsicht auf die Fraue zu haben, damit sie bei dem Tor nicht lange halten dörfte. Solchergestalten gingen wir in die Hofstuben, allwo sich wohl eilf Weibesbilder befanden, welche teils aus dem Dorfe, teils aus dem Schlosse zusammengekommen, daselbsten ihr Garn und Werg zu spinnen, denn die Edelfrau wendete auf solche Arbeit gewisse Kosten, dadurch sie einen ziemlichen Particul von Hausleinwand zusammenbrachte. Der junge Edelmann war ein ausdermaßen lustiger Kopf, und allem Ansehen nach waren unsere Affecten in einem Model gegossen. Dahero hielt ich mich sehr vertrauet zu ihm, und er sagte, daß ihm durch meine Gegenwart die Zeit noch so angenehm falle, weil er ohnedem in der Langweil hätte sitzen und vergebliche Grillen fangen müssen.

Indem satzten wir uns an einen Tisch unfern des Ofens, allwo er den Weibern befahl, etliche Märlein zu erzählen, bis seine Frau Mutter nach Hause käme. »Ja wohl, Märlein,« sagte ein altes Rabenstück, so eine Hechel zwischen den Beinen hatte und das Werg dadurchzog, »mein lieber Junker, ich will Euch wohl was anders erzählen als ein Märlein!« Als sie nun der Edelmann gebeten, sie möchte es immer und fein balde tun, fing sie mit unserer großen Verwunderung[40] an, folgendes zu erzählen, nachdem wir uns beide bei einem Licht in eine Ecke gesetzet.

»Ich habe von Jugend auf viel Schnacken gehöret, aber so artlich war gewiß keiner, als welcher mich gestern betroffen. Wenn ich die Wahrheit sagen soll, so könnt Ihr leichtlich aus meinem Alter ermessen, mit was ich mich bei so beschaffenen Zeiten ernähren muß. Das Spinnen und Hecheln tut es wahrlich nicht allein, sondern ich habe ehedessen, als ich noch ein junges Mägdlein, solche Griffe gelernet, die nicht eine jede kann.«

Hiermit fing sie an zu lachen und sagte weiter: »Ihr Herren, mit einem Wort: eine alte Frau, die nicht kuppeln kann, ist keines lausigen Pelzes wert, ja, dieses Handwerk ist mir oft in einer Stunde zuträglicher gewesen, als ob ich sonsten eine ganze Woche weiß nicht was gearbeitet und verrichtet habe. Aber gestern hätte ich bei einem Haar den Teufel zu braten bekommen, indem etwan zwei Meilen von hier bei der großen See aus meinem Antrieb etliche Edelleute und Kaufmannsdiener zusammengekommen, welchen ich fünf schöne Dirnen zugeführet. Der Landrichter dieses Orts ist auf die Huren so scharf wie der Henker selbst. Aber wie man sagt, so treibet ihn zu solchem Eifer niemand mehr an als seine stolze und hochtrabende Frau, die es vor diesem ebensowohl als die heutigen Huren getrieben; und ich gedenke wohl der Zeit, da ich manchen Reichstaler von ihr bekommen, daß ich ihr einen wackern Galan zugepartieret habe. Ha, ha, ich weiß es gar wohl.

Dem sei nun, wie ihm wolle, so wurde doch wegen unserer Zusammenkunft bald eine Kundschaft nach dem Schlosse geschicket, und ehe wirs gewahr wurden, war unser Haus mit vielen Schergen umringet, und hörten schon die Ketten klingen, in welche wir sollten geschlossen werden.

Es war eine unter dem Haufen, die überaus schön war und ehedessen bei dem Landrichter als eine Kammermagd gedienet hatte, derselben war ausdermaßen angst und bang. Sie bat und flehete mich an, ich sollte doch auf Mittel und Wege gedenken, daß ich sie sicher und ohne Anstoß hindurchbrächte, aber es mangelte mir am allerbesten Mittel, [41] nämlich an der Gelegenheit. Die Herren Galanen wollten des Ausgangs auch nicht erwarten, sondern sprangen mit Gefahr Leibes und Lebens über das Fenster in einen Garten, in welchen die Schergen nicht kommen konnten. Solches war nun dem Weibesvolk unmöglich zu tun, und wenn es auch schon wäre möglich gewesen, so hatte doch keine das Herz, voran zu springen, und also stunden wir in Angst und Jammer; denn die Schergenknechte hatten Befehl, sobald die Huren würden zur Tür hinaustreten, solche gefangenzunehmen und mit sich auf das Schloß zu führen.

Wie wir nun fast eine halbe Stunde untereinander beratschlaget und das Geräusche der Ketten immer je größer vor der Tür wurde, entschlossen sich die drei, an einem Betttuch zum Fenster auszusteigen und sich an solchem all sachte hinunter zu lassen. Es ging perfect an, aber die schöne Kammermagd, auf welche eigentlich die ganze Karte angesehen war, wollte sich nichts entschließen, denn sie fürchtete, sich über das Fenster tot zu fallen, weil sie vor Furcht am ganzen Leibe zitterte. In solchem gefährlichen Zustand kommt ihr der Hausknecht zu Hülfe, welcher ein rechter Ausbund aller Schelmen ist. Er brachte ihr ein altes Mannskleid, und dasjenige, so sie antrug, stopfte er mit Heu aus, legte auch solches in ein Bett und gab bei den Schergen vor, die andern wären schon längst durch den Garten entflohen, aber die schöne Kammermagd läge in der obern Kammer ganz krank und matt darnieder, weil sie wegen ihrer Ankunft unvergleichlich erschrocken.

Wie es nun den Schergen zu lang wurde, bekamen sie vom Landrichter Befehl, mit Gewalt in das Haus zu treten und die übrige Huren hinwegzunehmen. Das geschah, aber die Kammermagd wischte ganz unvermerkt zwischen ihnen hindurch, und ich steckte mich indessen in das Heu, so tief und weit ich nur konnte.

Es ist nicht zu sagen, wie die Schergen auf den Hausknecht gefluchet, und es stund dahin, so hätten sie den Gesellen bei einem Haar anstatt der Hurer mit sich hinweggeführet, wenn er sich nicht so hurtig unter ihnen herumgezanket und vorgegeben hätte, er wollte von dem Landrichter solche [42] Stücklein an Tag bringen, die ihn mehr als zuviel beschämen sollten. Hiermit mußten die Spürhunde fein sauber passen und vor dieses Mal leer nach Hause gehen. Ich begab mich nach ihrem Hinscheiden auch heimlich aus dem Staube wiederum hieher in das Dorf und lachte sie heimlich wacker aus.«

Unter solcher Erzählung stieß ich den Edelmann und er mich wieder bald mit dem Ellenbogen, bald mit dem Fuße, und nach Vollendung derselben mußten wir uns verwundern, wie unter artige Stücklein wir diesen Tag gerieten. Denn dieses war nach allen Umständen kein anders Hurenpack als ebendasjenige, von welchem mir der Kerkermeister in der Custodia erzählet, daß er solches über der See fangen und mit sich anhero bringen solle. Solchermaßen kam ich aus aller Irre und verwunderte mich über die leichtfertige Vettel, daß sie sich mit ihrer Profession noch zu rühmen gesuchet, die doch des Henkers viel mehr als des Eigenlobs würdig gewesen. Aber der Edelmann sagte, ich solle mir solche Gedanken aus dem Kopfe schlagen, die Leute machten es doch nicht anders, wer vor sich selbst fromm leben könnte, der hätte sich solches vor eine absonderliche Glückseligkeit zu rechnen; und indem er also fortreden wollte, höreten wir schon ein Gerassel in dem Hofe, daraus wir schlossen, es würde die alte Frau Mutter sein.

7. Capitul. Isidoro gewinnt die Wette
VII. Capitul.
Isidoro gewinnt die Wette.

Ums Geld bekömmt man all's zu kauf',

Das Glück löst Wett und Rätsel auf.


Kein Mensch hat sich, solang die Welt stehet, so sehr verwundert als wir beide, da wir mit Lichtern zu der Gutsche geloffen, daselbsten die alte Frau zu empfangen, denn anstatt derselben saß eine ganz junge Weibesperson, etwan in dem achtzehenten Jahr ihres Alters, darinnen. Sie selbsten erschrak über uns, und nachdem sie herausgestiegen, sah sie sich allenthalben in dem Hofe herum und wußte sich nicht zu erkennen. »Gutscher,« sagte sie, »Ihr seid irrgefahren!«[43] – »Ei was!« gab der Gutscher zur Antwort, »ich bin ja hier in meinem Schlosse!« Als er aber zurücksah, verwunderte er sich, wie diese junge Dam in seine Gutsche gekommen. Sie mochte aber machen, was sie wollte, so war es doch nunmehr hohe Nacht, und das Schloß lag auf einer weitschichtigen Einöde. Dahero mußte sie wider ihren Willen an dem Orte verbleiben, so gern sie auch wieder zurückkehren und nach Hause fahren wollen.

Der Edelmann nahm mich auf eine Seite und sagte mir heimlich ins Ohr: »Monsieur, dieses ist die Frau desjenigen Cavaliers, mit welchem ich gewettet, ich wolle mit ihrem Willen bei ihr schlafen. Weil nun durch den Kleiderwechsel diesen Tag so manches Stücklein offenbar worden, werde ich mich ankleiden als eine Jungfrau, mich vor die Beschließerin ausgeben, und Er sehe indessen zu, daß Er sich anstelle, als wäre Er der Sohn in dem Schlosse. Ich verhoffe und lebe der gewissen Zuversicht, weil Er in dem Gefängnisse davor gehalten worden, sie wird solches auch gewiß glauben, weil sie mich über zweimal all ihr Lebtag nicht gesehen.«

Die Sach ging perfect an, denn nachdem ich diese Dam in ein Zimmer begleitet und ihr gar sichers und gutes Logament versprochen, mit Versicherung, daß ich sie morgens bei aufgehendem Tage wiederum wollte heimführen lassen, gab sie sich in etwas zufrieden. Sie sagte: »Monsieur, seine ungemeine Art, das Frauenzimmer zu bedienen, ist in der Wahrheit weit angenehmer, als ich solches sagen und rühmen kann. Es ist mir sehr leid, daß ich durch eine recht verwunderliche Irre zugleich seine höfliche Gebärden verunruhigen müssen. Weil es das Glück so füget, bitte ich, meine Unhöflichkeit entschuldiget zu halten. Monsieur sei versichert, daß mein Herr sowohl als ich in allen Gegendiensten schuldigstermaßen abstatten und in andern Diensten gutmachen werden.«

Mit solcher Rede dieser ausdermaßen schönen Frauen führte ich sie folgends in eine Kammer, allwo ich ihr das Schlafbett wies mit Zusage, daß die Beschließerin sich zu ihr legen sollte, damit sie ihr desto weniger förchtete, ob es sonsten [44] schon ganz sicher in dem Schlosse wäre. Sie bedankte sich nochmals meiner Gutwilligkeit. Indessen hatte sich Isidoro schon angekleidet, und wenn ich zuvor nicht um den Betrug gewußt hätte, sollte mich nimmermehr kein Mensch überredet haben, daß er eine Mannsperson wäre, so gar ausdermaßen wußte er sich in seinen Habit zu schicken. Er hatte von Natur eine ganz subtile Weiber-Sprache, und dahero fragte er die adelige Dame, ob sie zufrieden wäre, daß sie bei ihr schliefe, auf welches die Dam in Beisein vieler andern Knechte und Schloßleuten mit einem Ja geantwortet, und solchergestalten hatte Isidoro die Wette schon gewonnen. Er stellte hierauf so viel Personen in die Kammer, so viel sich nur heimlich verbergen konnten, und es war kein Winkel so klein, in welchen er nicht einen Kerl hineinsteckte, mir aber, der ich nebenst zweien andern unter der Bettstatt lag, befahl er, sobald er sich zu der Dam würde geleget haben, hervorzuspringen und öffentlich zu zeugen, daß ichs samt den andern gesehen, daß er nach seiner Wette wahrhaftig bei der Frauen gelegen hatte.

Hiermit gingen kurze Complimenten vor, und nachdem wir alle in der Kammer verborgen lagen, leuchtete ihr Isidoro hinein und kleidete sie aus. Sie legten sich miteinander zu Bett, und die junge Edelfrau schwätzte mit ihm von nichts als von der vergangenen Hochzeit, welche Erzählung währete fast in eine gute Stund. »Gestrenge Frau,« sagte Isidoro, »mir ist heute auf diesem Schlosse ein großes Glück zugestoßen, welches ich die Zeit meines Lebens nicht vergessen werde.« – »Wie denn so?« fragte die vom Adel, »habt Ihr vielleicht einen Liebsten bekommen?« – »Ach nein,« antwortete Isidoro, »ich gewann innerhalb zwei Stunden dreihundert Ducaten.« – »Das ist viel,« sagte die vom Adel, »aber wo nehmet ihr Mägde so viel Geld her, daß ihr euch im Spielen dergestalten sehen lasset?« – »Strenge Frau,« sagte Isidoro, »ich habe nicht gespielet, sondern solches Geld ist mir durch eine gewonnene Wette zugestanden.« – »Wer hat es denn verspielet?« fragte die vom Adel. »Madam,« gab Isidoro zur Antwort, »Ihr Herr!« – »Was,« sagte sie, »mein Herr?« – »Ja,« antwortete Isidoro, »Ihr Herr. Denn wisset [45] Ihr nicht, wie wir miteinander gewettet, ich wollte mit Zulassung Eurer bei Euch in dem Bette schlafen?« – »Hilf Himmel!« schrie die Dam, »ist Er der Isidoro?«

Und damit wollte sie zum Bett hinausspringen, aber Isidoro hielt sie zurücke und rufte: »Allo, Ihr Herren, die Ihr hier verborgen seid, kommet hervor, daß Ihr zeugen könnet, welcherweise ich bei der Frauen gelegen!« Wir hatten zu unserm Behuf das Nachtlicht brennen gelassen, und sobald Isidoro gerufen, krochen wir hinter dem Bett, ober dem Bett, zwischen dem Bett und in summa aus allen Winkeln hervor, und die Frau versteckte sich aus großer Scham hinter die Decke. Endlich schrie sie hervor, sie wollte die dreihundert Ducaten zu bezahlen gerne schuldig sein, Isidoro sollte sich nur dieses Mal aus dem Bett machen. Nach solchem Versprechen stieg er heraus, und die Dame blieb in viel tausend Bestürzungen an dem Orte liegen.

Des andern Morgens wurde ihr Feder, Dinte und Papier vor das Bette gebracht, eine Obligation wegen des verspielten Geldes zu schreiben, nach welchem man sie mit einem kostbaren Frühstücke beehret und auf der Gutsche heim auf ihr Schloß führen lassen, dahin sie vier Meil Wegs zu reisen hatte.

Wir wußten so wenig als sie um die Verwechselung, dahero ließen wir die Sache immer gut sein, sie möchte sich zugetragen haben, wie sie wollte, weil wir nur das Geld gewonnen und die Dam ausdermaßen artig betrogen hatten. Hierauf begaben wir uns wieder in das vorige Zimmer, weil sich der Edelmann nicht getrauete, anderwärts aufzuhalten.

Alldorten fingen wir allerlei Discursen an, die zu Vertreibung der Zeit am tauglichsten waren. Indem rückte der Mittag heran, und ich sah von fern auf der Straßen eine Gutsche gegen unser Schloß fahren, welche der Edelmann nicht erkennen können. Sie rückte immer je näher und näher heran, bis sie endlich gar für das Tor kam. Aber weil der Edelmann gemutmaßet, es dörfte in solcher ein verdecktes Essen vor seine Person verborgen sein, hatte er zuvor durch eine Glocke ein Zeichen gegeben, das Tor zuzuschließen. Der Gutscher wußte nicht, was ihm zu tun wäre, aber der [46] Edelmann sah mit Verwunderung, daß seine Mutter aus dem Wagen herausguckte und aufzuschließen befahl.

Hiermit eröffnete man das Schloß, und die alte Frau bewillkommte uns beide sehr freundlich. Sie fragte ihren Sohn heimlich in das Ohr, wer ich sei. Da gab er ihr zur Antwort, daß ich vor diesem auf Universitäten sein bester Freund und Camerad gewesen, auf welchen er sich in dem allergefährlichsten Zustand am allermeisten hätte verlassen können, und was dergleichen Aufschnitte mehr waren.

Sie hieß mich mit ihrem Sohne zu Tische kommen, allwo sie mir alle Höflichkeit erwies. »Frau Mutter,« sagte Isidoro, »all mein Lebtag ist mir kein solcher Poß als eben in dieser Nacht widerfahren.« – »Ja, mein Sohn,« sagte sie, »mir auch nicht. Denn als wir gestern von der Tafel aufgestanden, wurde ein Tanz gehalten, auf welchem sich absonderlich unser junger Vetter Pongratz wacker sehen lassen. Wir sahen dem Herumspringen eine ziemliche Zeit zu, und zwar bis es endlich ganz finster war. Man machte darauf bald Kehraus, und es lief alles untereinander zu den Gutschen wie die Schafe. Ich hätte mich tausendmal nicht bereden lassen, daß ich in einer fremden Gutschen säße, denn sie siehet innenher natürlich aus wie die meine, und heute Glock acht Uhr Vormittag kamen wir an einem Hohlwege zusammen, und weil es die Gelegenheit nicht gab, die Gutschen umzuwenden, bin ich genötigt worden, in dieser hierher und sie dorthin auf ihr Schloß zu fahren.

Fuhren also in dem Land hin und wider, von dem zu dem, und muß von Herzen lachen, wenn ich daran gedenke, wie der Edelmann erschrocken, als er anstatt seiner jungen Frauen mich aus der Gutsche gehoben, und wie man mir gesagt hat, so habe er den Gutscher heimlich im Stall so herumgeprügelt, daß es taugte. Er schlug ihm fast alle Pferdhalftern an dem Leibe entzwei, soviel er nur in dem Stall erhaschen konnte, aber gegen mir ließ er sich im geringsten nichts vermerken, sondern sagte, er schätzte sich diesen Wechsel vor eine absonderliche Glückseligkeit, indem er noch niemalen die hohe Ehre genossen, meiner Person auf seinem Schlosse aufzuwarten. Ich selbsten bin überaus [47] erschrocken, denn ich konnte mich nicht so geschwinde besinnen, wo und in welchem Ort ich war. Doch will ich verhoffen, ihr werdet mit der vom Adel so verfahren sein, daß sie keine Ursach habe, sich gegen ihrem Herrn wegen einziger ihr angetaner Unhöflichkeit zu beklagen, denn sie ist sonsten ausdermaßen empfindlich, und man darf ihr nur ein scheeles Aug zuwerfen, so findet sie sich auf Leben und Tod beschimpfet.«

8. Capitul. Schnelle Ausforderung. Gefährliches Gefechte
VIII. Capitul.
Schnelle Ausforderung. Gefährliches Gefechte. Kommen wunderlich hinter den Betrug.

Der falsche Wahn ist Trügens voll,

Stift' oft, was er nicht stiften soll.


Wir bekräftigten alle beide, daß wir nicht das geringste mit ihr vorgenommen, welches nicht zu ihrer absonderlichen Ehre gereichet. Was den Gewinn wegen getaner Wette anbeträfe, den hätte man bei so beschaffenen Zeiten auf keine andere Weise als geschehen erhalten können, und Isidoro setzte anbei, daß er nach dem Zorn der Damen so sehr nicht fragte, wenn er nur seine dreihundert Ducaten im Säckel hätte, man möchte darnach von ihm halten oder ausschreien, was man wollte. Aber seine Frau Mutter hieß ihm dieses Stücklein nicht allerdings gut, so sehr er solches auch zu bescheinigen wußte, sondern sie vermeinete, daß, wenn der Ehemann dieser Frauen die Sache erfahren würde, dörfte er ins Teufels Küchen kommen, weil dergleichen Stücklein bei ihren Lebzeiten mehr geschehen, welche allezeit große Gefahr, auch zuweilen Mord und Totschlag nach sich gezogen. Aber Isidoro lachte so lang und hielt seinen Hohn von dem Spiel, bis von dem Edelmann abends ein Schreiben eingelaufen, welches er mit der zurückkommenden Gutsche übersendet.

Die Überschrift stund an Isidoro, und er bildete sich in Erblickung desselben ein, es wären vielleicht in solchem die dreihundert Ducaten verschlossen. Nach Erbrechung desselben fängt er mit mir an zu lesen folgende Worte: ›Erz-Bärnhäuter! [48] Der Teufel soll dich über Stock und Stauden holen, wenn ich dich attrappieren werde. Dein Gewinn soll dir über deinem Kopf zu Feuer werden, und ich will dich lehren, wie du Erz-Schlingel eine Wette gewinnen sollest. Hätte dir meine Liebste ein Messer davor in den Leib gestochen, hätte sie besser getan, als daß sie sich nach getaner Beschimpfung gegen dir noch bedanket hat. Der andere Flegel, so den Betrug befördern helfen, ist hierinnen gleichfalls begriffen, und ihr sollt beide wissen, daß ich euch vor die allerliederlichsten Erz-Schelmen auf der Erden und unter der Sonnen ästimieren werde, so ihr euch nicht räsonabel mit mir herumschmeißet, nachdem ichs verlangen und begehren werde. Ihr Schlingels!‹

Dieses war der grausame Inhalt des Briefes, und kam zu unserm Unglück gleich dazumal die alte Frau darzu, als ihn Isidoro in die Ficke stecken wollen. »Gib mir den Brief her,« sagte die Mutter, »denn ich habe schon vor der Tür gehöret, daß dich einer auf die Fuchtel gefordert. Ach, wie hab ich doch eine so stete Plage mit dir ungeratenem Kind auszustehen! Du bringest mich noch vor der Zeit ins Grab, und kann keine Stunde ohne Sorge leben, weil ich stets fürchten muß, daß du noch endlich dem Henker in die Hände geraten werdest!«

»Frau Mutter,« antwortete Isidoro, »das wäre nicht gut, will nicht hoffen, daß das Euer mütterlicher Segen sein soll. Hier habt Ihr den Brief, und sehet, ob ich nicht genug darinnen angegriffen bin. Der Schelm ist zornig, daß er die dreihundert Ducaten hergeben soll, und will sich lieber davor schlagen. Aber ich schwöre ihm, daß ich ihn mit der Fuchtel so herumzausen will wie einen Tanzbär. So kommt man mit den Galgenvögeln an, darum lasset nur ab, ungeduldig zu sein, da liegt meine Reputation an, ich muß mich schlagen.« »Hör doch,« sagte die Mutter, »es muß nicht sein, denn das ist kein Cartel, sonst hätte er dirs müssen durch einen von Adel und deinesgleichen Standes Person zuschicken, was hat der Stallknecht damit zu tun?« – »Ei,« sagte der Sohn, »Adel hin oder her, morgen will ich vor sein Schloß reiten und den Bärnhäuter so zerhudeln, bis er herauskommt und [49] sich mit mir links und rechts, nach der Läng und der Quer, hinten und vornen und mit einem Wort: auf alle Arten und Stellungen, wie diese Namen haben mögen, schlägt und schmeißet, davor solle ihn die ganze Welt und seine Handvoll Untertanen nicht schützen noch handhaben können!« Die Mutter weinte immer, daß es taugte, aber sie konnte doch dem erzürnten Sohne das vorgenommene Werk nicht aus dem Kopfe schwätzen. Sie sagte, er sollte bedenken, daß er der einzige Erbe ihrer Güter wäre, aber es war alles nicht genug, seinen Zorn zu stillen, sondern er ließ des andern Tages zwei gute Pferde satteln, auf welchen wir vor das Schloß desjenigen geritten, welcher uns gefordert hatte.

Wir wurden unterwegen eins, mit demselben auf den Hieb zu schlagen, und zwar einer nach dem andern. Isidoro machte mir gute Hoffnung zu dem Sieg, weil er vorgegeben, daß unser Contrapart all sein Lebtag nichts auf dem Fechtboden getan und oftmals von schlechten Lumpenhünden wäre gestochen und gehauen worden. In solchem Gespräche kamen wir nahe an das Schloß und sahen in einer nächstgelegenen Wiese vier miteinander hauen und stechen. Wir hielten es nur vor Vexiererei und glaubten gänzlich, der Edelmann exercierte sich vielleicht, mit Rappieren, auf daß er in dem ernsten Gefechte mit uns möchte desto sicherer sein. Aber wir fanden endlich den Ernst gar zu nahe unter Augen, weil ein Kerl über den Haufen fiel und mit großem Ach und Weh den Geist aufzugeben schien. Wir eileten hinzu, die Partie zu entscheiden oder zu sehen, was es bedeutete, als ein Laquay gegen uns gelaufen kam, bittend, wir sollten uns nicht nähern, denn es lägen in einem Busch achtzehn Kerl mit Musqueten, die wären nach Abrede der duellierenden Partei dahin gestellet, alle diejenige über den Haufen zu brennen, welche sich unterfangen würden, sie in dem Gefechte zu verstören und zu verhindern.

Der Diener, so uns solches gesagt, redete sehr schlimm teutsch, doch weil er seine Sach mit einer sonderlichen Manier vorgebracht, entschlossen wir uns, die Begebenheit etwas genauer aus ihm zu forschen, fragten dannenhero, wie und aus was Ursachen sich dieser Streit erhoben. »Meine [50] Herren,« antwortete der Diener, »dieser Streit hat sich noch angesponnen in Paris, und gehet nunmehr schon in das andere Jahr, als ein Kaufmann aus diesem Lande darinnen gewesen, der heißet Valentin Isidoro, welcher meinem Herrn mit einer Wette einen absonderlichen groben Possen gerissen.

Sie wetteten miteinander, wer dem andern die ärgste Schalkheit tun könnte, und weil mein Herr außer der Stadt ein stattliches Landgut liegen hatte, passete ihm dieser Isidoro an der Straße mit seinem Diener auf, erschoß ihm das Pferd, entkleidete ihn auf offenem Felde, legte solches Kleid über seinen Leib, und in einer solchen Postur ritt er abends in meines Herren Schloß. Weil ihn auch die Frau wegen Dunkelheit der Nacht nicht erkennen können, legte sie sich zu ihm ins Bett, und dergestalten behauptete er, daß er die Wette gewonnen und mein Herr schuldig sei, ihm tausend Kronen zu bezahlen, vor welche Summa sie gewettet hatten. Er sah aber wohl, daß ihm dieser Streich trefflich mißlingen würde, hat sich dahero in der Stille aus dem Staube gemachet, und weil mein Herr fast vor Zorn gestorben, hat er sich entschlossen, eine Tour in Teutschland zu tun und den saubern Vogel aufzusuchen.

Erst gestern bekam uns ein Gutscher in nächster Herberg an der Straße, welcher von dem Schlosse ausgefahren, den fragten wir um den Isidoro und ob er von solchem Namen keine Wissenschaft hatte. Aber er sagte, daß sich dieser auf dem Ort aufhielte, wo er hinführe. Weil auch unsere Frau hoch beteuret, daß Isidoro noch einen bei sich gehabt, den sie vor einen Laquayen angesehen, als mutmaßete mein Herr, derselbe Gesell würde auch zu der Sach geholfen haben, forderte sie also durch einen Brief, welchen er in dem Schloß schrieb, alle beide zugleich. Aber weit ein anders begegnete uns gestern abends, denn als wir, uns zu erlustieren, mit dem Edelmann dieses Schlosses auf der Straße ausritten, begegnete uns dieser ehrliche Isidoro samt seinem Diener, den er dazumal vor seinen Laquay gebrauchet. Wir sahen lang einander an, aber mein Herr gab ihm seine Meinung mit wenigem zu verstehen, und weil die Sache keinen großen [51] Aufschub litt, verabredeten sie sich stehenden Fußes, heute früh an gegenwärtigem Ort zusammenzukommen. Und weil der Kaufmann selbander war, so nahm mein Herr einen von seinen Dienern zu sich, und den Ihr dorten habt zur Erden fallen sehen, der ist des Isidori Diener, und werden wohl so lange zu stechen und hauen nicht ablassen, es sei denn, daß sie die Nacht oder der Tod scheidet.«

Wie wunderlich uns diese Zeitung vorgekommen, kann der Leser bei sich selbsten betrachten. Wir stunden beide von den Pferden und sahen nebenst dem Laquay dem Scharmützel mit sonderlichem Belieben zu. Der Kaufmann wehrte sich nach äußerstem Vermögen, und weil sie zu Fuß fechteten, sprang er bald hin, bald her, den Streichen seiner Feinde zu entweichen. Die hieben einander herum, daß die Haar davonflohen, aber der gute Diener kroch auf der Erde wie eine Schildkröte davon, weil ihm des französischen Cavaliers sein Laquay einen ziemlichen Fang in die Seite gegeben. Letztlich traf das Unglück auch den Kaufmann, denn er wurde so abscheulich auf dem Leib hin und wider zerfetzet und zerhauen, daß ihm das Blut sowohl über den Kopf als über den Leib abfloß. Die Lappen von dem Rock und Hemde hingen ihm natürlich an der Seite wie einem Strohmännlein, das man zum Schrecken der Hirsche in die Rübenacker stellt. Endlich begehrte er auf gebogenen Knien Quartier, aber sie gaben ihm unerachtet dessen noch einen Hieb zwischen die Ohren, davon er auf die Erde hin umsank. Nach solchem eileten die verborgene Soldaten mit den Secundanten hinter dem Busch hervor und geboten Friede. Die zwei Verwundeten wurden in das Schloß gebracht, und weil wir zu solchem etwan vier Büchsenschuß hatten, bekam Isidoro Lust, solches zu sehen und den Inwohner zu fragen, was es mit seiner Wette vor eine Beschaffenheit hätte, denn er war gänzlich resolviert, sofern er ihm die dreihundert Ducaten nicht darschießen würde, wollte er ihn, gleich diesem geschehen, zerhauen und nachmals mit mir die Flucht zum Lande ausnehmen.

In solchem Entschluß ritten wir in das Schloß, allwo wir von der Frauen alsobald erkennet worden. Der Besitzer [52] lachte von Herzen, und als Isidoro ins Zimmer gekommen, lagen die dreihundert Ducaten in specie auf dem Tische, die er nur einstreichen und zu sich stecken dörfte. Ja, was noch mehr war, so erwies uns dieser Herr allerlei Höflichkeit und lachte seine Frau noch aus darzu, daß sie sich so unvorsichtig betrügen lassen. Und dieses Stück ist an diesem Herrn nicht genug zu loben, weil er gesehen, daß zu geschehenen Sachen das Beste zu reden sei, wo man anderst nicht verlanget, dieselbe zu verschlimmern, und eine kurze Geduld tut in einem solchen Fall viel mehr denn eine langwierige Widerspenstigkeit. Denn ob sich gleich der französische Cavalier so generos erzeiget und, sich an dem Kaufmann zu rächen, sein Vaterland verlassen, hat er sich doch dadurch jedermann ins Maul gebracht und verursachet, daß seine Victori von vielen nicht geglaubet, seine Person aber von allen vor einen leibhaftigen Hahnrei gehalten worden.

Wir soffen alle drei miteinander Brüderschaft, und sie versprachen, mir mit allerehestem zu einem guten Dienst zu helfen, es wäre gleich auf dem Dorfe oder in der Stadt. Solchergestalten fragte ich wenig darnach, daß ich so großen Kummer in dem Gefängnis ausgestanden, sondern gleichwie man nach aufgegangener Sonne die Finsternis der abgewichenen Nacht wenig oder gar nicht mehr achtet, also achtete ich auch nicht bei solchem fröhlichen Zustand die Stunden, so ich voll mit vergeblichen Sorgen in der Custodi zugebracht hatte.

9. Capitul. Der Gärtner, als ein Jud verkleidet
IX. Capitul.
Der Gärtner, als ein Jud verkleidet, wird von Ludwigen, einem Edelmann, abscheulich betrogen. Ludwig offenbaret sich selbst.

Wer andre fäht, wird selbst befleckt,

Die Untreu seinen Meister schlägt.


Der Barbier, so die in dem Duell Verwundeten in die Cur genommen, berichtete uns derselben großen Schmerzen mit gewissen Umständen, daß sie schwerlich Hoffnung hätten, zur völligen Genesung zu kommen, indem der Herr achtzehn [53] und der Diener vierundzwanzig Wunden in dem Leib hatte. Indessen kam auch dahermarschiert der französische Cavalier und bedankte sich gegen dem Besitzer wegen aller Höflichkeit, die er seiner unbekannten Person in einer so fernen Abgelegenheit erzeiget und erwiesen hatte. Er redete gar sauber teutsch, über welches wir uns endlich so sehr nicht verwundert, weil er erzählet, daß er sich ehedessen in teutschen Kriegesdiensten bis ins zehente Jahr gebrauchen lassen. Solchergestalten schied er wieder hinweg und ließ dem Besitzer zum Zeichen seiner Dankbarkeit eine ausdermaßen saubere Halsuhr zurücke, welche die Königin in Frankreich sollte gebrauchet haben.

Nach dem Hinritt dieses Cavaliers machten wir es auch nicht lange, sondern ritten noch am halben Abend zurücke in unser Schloß, allwo wir die tränende Mutter in dem Hofe angetroffen. Isidoro half ihr gar bald auf den rechten Weg, indem er ihr umständlich ausgeleget, was vor ein hauptsächlicher Betrug mit dem Briefe vorgelaufen. Sie gab sich endlich zufrieden, und weil ihr der Anblick der dreihundert Ducaten eine sonderbare Ergötzlichkeit verursachet, bekam sie Lust, eine ziemliche Quantität von dergleichen Stücken einzuwechseln. Schickte dahero, uns ganz unwissend, ihren Gärtner mit einem Esel in die nächstgelegene Stadt, auf welchem er den Geldsack hineinbringen mußte. Sie legten die Sache so heimlich miteinander ab, daß der Sohn nicht das geringste Wörtlein davon innen wurde, und damit sich der Gärtner in der Stadt nicht zu bloß gebe, verkleidete ihn die Edelfrau gleich einem Juden, und damit zog er ganz unkenntlich aus dem Schloß.

Die Frau hatte ihm fleißig befohlen, genaue Kundschaft zu halten, wo und in welcher Gegend er die schönsten Stücke erhalten könnte. Deswegen fragte er fast alle Leute, die ihm auf der Straße entgegenkamen. Unter andern traf er an einen Edelmann, welcher der allerreichesten einer im ganzen Lande war. Er nahm derowegen diesen Wechsler mit sich und versprach, ihm so gute Ducaten zu lassen, als er sie im Vermögen hätte. Der Gärtner gedachte wunder welch einen Hauptfund er getan, wendete dahero seinen Geldesel auf der [54] Straße um, solchen ganz sachte nach des Edelmanns Pferd treibend, und also ritt einer nach dem andern.

Nach einer Stund kamen sie auf dessen Schloß, allwo ihn der Edelmann in dem Hofe warten ließ, er aber ging indessen in seine Schatzkammer und zählete fast in die tausend Ducaten zusammen, weil der verstellte Gärtner bei einem gleichen einzuhandeln verlanget. Der Cavalier hielt es vor keine Sünde, einen Juden über den Tölpel zu werfen, nimmt dannenhero einen Haufen der neuesten Reifpfennige, wägt solche gegen die Ducaten, also daß beiderlei Sorten in einem Gewichte stunden. Er steckte beides in zwei gleiche Säcke und lässet den Juden vor sich kommen, welchen er entschlossen war, rechtschaffen zu betrügen. Der Gärtner hat in seiner Zurückkunft hoch beteuret, daß er allen möglichsten Fleiß angewendet, seine Person zu präsentieren und einen Juden recht lebhaftig vorzustellen, dahero schoß ihm der Cavalier tausend Ducaten auf den Tisch, steckte solche in den Sack und versiegelte es. Der Gärtner trug darauf mit Hülf zweier Knechte das schwere Geld hinauf, zwischen welcher Arbeit der Edelmann den andern Sack mit den Reifpfennigen an die Stelle geleget, und als der Gärtner seinen Particul samt der Lagio dargeschossen, nimmt er den falschen Goldsack auf den Esel und kam ganz spät zum Tor herein.

Wir hatten den Narren niemalen verkleidet gesehen, deswegen glaubten wir, es wäre ein Wechseljud, dergleichen dazumal das ganze Land voll war. Aber wir wurden bald ein anders innen, denn die Edelfrau schandierte ihn in ihrem Zimmer aus, daß wirs bis zu uns hinüber hören können. Sie weinete, daß es taugte, und der verkleidete Gärtner raufte sich fast die Haare aus, daß er so jämmerlich betrogen worden. Er wußte weder den Edelmann noch das Schloß zu nennen, unerachtet er sagte, daß er denselben öfters solle gesehen haben, dahero kunnte man auf keine Rede nicht gewiß fußen, sondern mußten uns mit Geduld in diesen hauptsächlichen und großen Verlust schicken, welcher allem Ansehen nach innerhalb sechs Jahren nicht zu erschwingen war. Es war alles voll Trauer und Elend, denn keiner wußte ein Mittel vor diesen Schaden aufzusuchen, so sehr wir uns [55] auch darum gesorget und bemühet haben. Man wurf den Gärtner ins Gefängnis, weil man glaubte, daß er das Geld mit Partiterey vertan, und die Frau wollte sich deswegen bei einem Rechtsgelehrten Rats erholen, was etwan in diesem unverhofften Casu zu tun oder zu lassen wäre.

Den dritten Tag darauf kam eben der Edelmann in das Schloß, bei welchem der Gärtner die Ducaten eingewechselt hatte, aber er wußte ganz nichts darum, daß der Jude aus diesem Schlosse gewesen, sonst hätte er wohl das Maul gehalten oder zuvor den Betrug unterlassen. Isidoro kennte ihn alsobald, daß es Monsieur Ludwig wäre, welcher ehedessen mit ihm zu Genève und Mompelgart hätte reiten gelernet. Sie waren tausend Brüder zusammen, und wegen alter Vertraulichkeit lud ihn Isidoro zu Gast, ob er schon wegen des verlorenen Geldes voll Traurigkeit steckte. Man richtete an, aber die Edelfrau lag wegen großen Schmerzens zu Bette, weil sie einen so merklichen Verlust stets mit Tränen beseufzete. Ludwig machte sich indessen mit uns zweien an der Tafel rechtschaffen lustig, und: »Herr Bruder,« sagte er zu Isidoro, »weißt du, wie es mir vor drei Tagen mit einem Juden gegangen? Der Teufel führte einen Donnermauschel auf der Straße zu mir, der hatte auf einem Esel tausend Taler lauter große und schwere Münze und was noch darüber ist. Ich fragte ihn, wo er damit aus wollte, da ließ er sich mit mir in einen Wechsel vor Ducaten ein.« Und auf solche Weise erzählte Ludwig die ganze Geschicht, wie es an sich selbst war.

»Herr Bruder,« sagte Isidoro, »hast du das Geld noch beisammen?« – »Freilich,« antwortete Monsieur Ludwig, »ich werde es ja in diesen drei Tagen nicht versoffen haben.« Damit stund Isidoro von dem Tische auf, brachte seiner Frau Mutter die Zeitung, welche noch in dem Bette zu lachen anfing, daß man ihr alle Zähne sehen können, weil sie über viere nicht viel im Maul hatte.

Auf solches hieß man den Gärtner aus dem Gefängnis holen, welcher sich in seinen vorigen Habit verstellen und zu uns vor den Tisch kommen mußte, darob Monsieur Ludwig ganz erblaßte. »Herr,« sprach der Gärtner, »wie ist die Ducat, [56] die Ducat und die Guldi, die Guldi? Ist sie gued, hat sie das Gewicht? Schalamachey, ei, ei, schlimmi Christ, schlimmi Christ, betrogni Christ, issi schlimm Leut, ei, ei, schalamachey.« – »Safframent,« gab der Ludwig mit einem großen Gelächter zur Antwort, »Herr Bruder, ich habe mich selbst verraten. Hui, daß der Jud von dir ausgeschickt worden!«

Hierauf berichteten wir ihm die ganze Geschicht, wie es an sich selbst war, darob er das Kreuz wohl zwanzigmal vor sich schlug. Solchergestalten hatten wir den arglistigen Vogel gefangen, und er versprach der Edelfrauen, die Specie Ducaten morgiges Tages anhero zu schicken, bittend, sie sollte ihm die verübte Unhöflichkeit als eine kluge Dam nicht vor übel halten, es wäre nicht ihr, sondern dem Juden gemeinet gewesen. Versprach beinebenst, dem Gärtner vor seine Gefängnis ein gutes Trankgeld zu spendieren und sich gegen ihm, als einem Cavalier zustehet, einzustellen. Ob ers aber gehalten habe oder nicht, das weiß ich nicht, denn die Edelleute versprechen zuweilen güldene Eier, und wenns dazu kommt, so sinds kaum Ratzendreck. Er setzte auch anbei, daß er die Zeit seines Lebens keinen so artigen Juden als eben den Gärtner gesehen, welcher seine Sach so natural vorbringen können. Und weil sich der Betrug so artig offenbaret, gelobte er an, allerehestens eine stattliche Mahlzeit auszurichten und die tausend Ducaten dabei zu versaufen.

Auf solches tranken wir lustig herum, und weil sich in unserer Dorfschaft zwei blinde Leirer aufhielten, mußten sie mit ihren Instrumenten herein und Lärmen darzu aufspielen. Der Gärtner konnte ein wenig auf dem hölzernen Gelechter oder, wie mans in Sachsen heißet, auf der Strohfiedel, derohalben mußte er widers Teufels Dank damit aufwarten. Endlich luden wir die Pistolen und schossen zu jeder Gesundheit zum Fenster aus, bis wir gar Pirst-Röhre und Musqueten geladen, damit trieben wirs den ganzen Abend hindurch, daß die Nachbarsleute nur einen Verdruß davon hatten. Letztens schmissen wir Tisch und Bänke über den Haufen, wurfen die Gläser zum Fenster aus und trieben allerlei Mutwillen, was wir nur erdenken konnten, und mir [57] gefiel dieses Leben dermaßen wohl, daß ich nicht viel Geld genommen hätte, ihre Gesellschaft zu missen.

Zwischen währendem solchen Tumult entschloß ich mich, folgenden Tages das Schloß zu verlassen und meinen Weg nach meinem Vaterland zu nehmen. Aber Isidoro hieß mich einen Schelm, so ich mich nicht noch acht Tag allhier aufhalten würde, weil ihm mein Humor trefflich anstünde. Derowegen versprach ich ihm, solche Zeit bei ihm auszudauren, aber hernachmals bat ich, mir einige Gelegenheit zu verschaffen, damit ich desto ungehinderter nach Haus abreisen mochte. Er versprach mir eine Calesche, und weil mich seine Frau Mutter nicht ungern gesehen, wollte ich diese acht Tage noch zusehen, was etwan guts Neues passieren möchte.

10. Capitul. Eine neue Poesie
X. Capitul.
Eine neue Poesie.

Wer alles neu will richten ein,

Ist töricht, wenn er klug soll sein.


Wir hatten den Monsieur Ludwig dergestalten angesoffen, daß er nichts von Sinnen wußte. Er purzelte von einer Seite zur andern, bis wir ihn endlich zu Bette brachten und mit warmen Tüchern zudeckten. Es mangelte uns nur an Compagnie, sonst hätten wir wahrhaftig die ganze Nacht hindurch geschwärmet, zumalen wir ohnedem viel ärger gesoffen als die Bürstenbinder. Endlich brachte uns die alte Frau durch gute Worte zu Bette, allwo wir die Decken und Polster in Stücken zerrissen, daß die Federn in der Kammer herumgestoben, daraus man zu sehen hat, was volle und besoffene Leute vor Narren sind, daß sie auch keinen Scheu tragen, ihre eigene Sachen zu zernichten, ob sie sich schon den andern Tag darum zwischen den Ohren krauen.

Des folgenden Tages machte sich Monsieur Ludwig wieder auf sein Schloß und schickte noch selbigen Morgens die Ducaten zurück, um welche er sich durch sein eigenes Maul gebracht hatte, nebenst einem Brief, daß er die versprochene Mahlzeit allerehestens ausrichten wolle, dazu wir uns bereit [58] und fertig halten sollten. Es gereuete mich keinesweges, daß ich allhier geblieben, denn Isidoro hatte vergangener Tagen aus einer Stadt stattliche Landkarten mit sich gebracht, und weil ich von solchen ein großer Liebhaber war, durchsuchte ich eine nach der andern und entsinnete mich in Ansehung der Städte zugleich etlicher Schelmenstücklein, die ich in solchen ehedessen begangen hatte.

Seine übrige Bibliothek bestund meistens in historischen Büchern, und weil mir der Kopf ohnedem ziemlich wehe tat, setzte ich mich zu einem jüngst herausgegebenen Buche, über welches ich mich fast krank gelachet. Der Titul desselben gab leicht zu verstehen, daß es eine Information wäre, innerhalb vierundzwanzig Stunden den perfectesten Vers zu machen, derohalben legte ich die Landkarten beiseite und fing an, folgende Zeilen zu lesen:


Des allgemeinen Collegii Poetici

Pars prima oder Erster Teil


Die Poesie ist gewesen weiland Fritzens in der Schustergassen älteste Tochter, so sich interdum mit Strümpfstricken ernähret. Dahero kommt das Sprichwort: Versum contexere, einen Vers machen.

Nachdem sie aber an einen Sammetweber verehlichet worden, hat sie ihr officium aufgegeben, und ist dermalen die Poesie nichts anders als ein Schleifstein, an welchem man die übrige Stunden hinwegpallieret.

Ihre Objecta circa quod sind alle Sachen, deren man sich entsinnen kann, derer man sich aber nicht entsinnen kann, die sind objecta oblivionis.

Ihre Accidentia sind allerlei Spendaschien, die man dort und dar recompensweise erhält, es sei gleich viel oder wenig. Und obschon heutzutag mancher großer Prahler vor ein hauptsächliches Carmen nur ein paar Groschen gibt, soll sich dennoch der Versifex nicht einbilden, daß sein Carmen dadurch getadelt, sondern nur nicht genug bezahlet sei.

Das Subjectum der Poesie ist das Papier, da es darauf stehet.

Das Objectum ist der Poet in eigener Person.

Und das Medium der Vers, er sei gleich gut oder bös.

[59] Nach diesem kommt Causa principalis und darnach Causa minus principalis seu subordinata und endlich Causa finalis oder die Endursach, warum ich endlich den Vers schreibe oder geschrieben habe.

Principalis causa oder die Hauptursach des Verses ist Lesen und Schreiben, denn dieses wird principaliter erfordert.

Minus principalis, seu subordinata, ist der Tag oder das Licht, sonsten könnte man unmöglich in der Finster schreiben.

Und Causa finalis ist die Zeitvertreibung. Quia autem unius rei plures possunt esse fines & modi, lässet mans dabei bewenden, daß das objectum per quod, welches der Poet ist, tausend Ursachen anführen mag, warum er Verse schreibet, und entsinne mich hier zu meinem großen Glück, welchergestalt ein Student, so von den Häschern wegen Nacht-Krakeels in die Eisen geschlossen worden, über Nacht diesen Vers gemacht:


O Teutschland, großer Platz der wolfsgegrabnen Gruben,
Ich sitze wie ein Narr hier in der Schergenstuben!

Dieser hat seine Causam finalem wegen der Schergenstuben gehabt, ein andrer Poet kanns anders haben, nachdem es ihm anstehet und beliebet.

Gibt also die Freiheit jedem, finaliter zu handeln und zu schreiben, wie es ihm beliebet.

Nach diesem folgen die Modi figurales und chorales, fast wie in der Musik. Denn gleichwie die ganze Musik in Figural und Choral eingeteilet wird, also auch die Poesie. Was ist aber, möchte einer fragen, die Figural-Poesie? Und respondetur: die Figural-Poesie ist eine Weise und Art, einen Menschen oder ein Ding rechtschaffen zu loben, und dieses heißt figuralismus plausibilis.

Der andere Modus aber ist diesem e diametro contrar, denn er wird gebraucht, die Menschen oder ein Ding abscheulich zu zerschänden, und dieses heißt figuralismus spurius.

Diese beide figuralismi versieren circa Argumenta topica und werden nur probabiliter geschmiedet. Exempli gratia: Ich will einen per figuralismum plausibilem loben, daß er ein wackerer Mann sei, so sag ich also (das subjectum laudis soll sein ein Scherg):


[60]
Du allerbester Mann, der sein mag auf der Welt,
Bekommest von dem Rat dein Amt, dein Kleid, dein Geld!

Und diese figuralismi sind hauptsächlich schön anzubringen, wie denn aus obgesetzten Versen zur Genüge erhellet, absonderlich aber per negationem suppositi, als wenn ich exempelsweis sage von einem heimlichen Aufseher oder Leisegeher:


Du bist kein Schelm, kein Dieb, kein Flegel, auch kein Jud,
Ob man dich überall gleich heißet ein Hunds- etc.

Solchergestalten sind diese zwei figuralismi ordentlich ausgeleget, und dieses wird eigentlich die Figural-Poesie genennet. Camerarius Justus nennet sieoptimam poesiam Teutonum, denn es ist ziemlich teutsch und lässet sich fast von allen verstehen.

Nun will ich auch de poesia chorali Meldung tun, welche ist vierfach:

Die erste ist Pfaffutianisch, die andere Bartmausisch, die dritte Hobelabisch und die vierte Stutz-Michlisch. Alle viere will ich nun etwas weitschichtiger auslegen.

Die Pfaffutianische Choral-Poesie kommet urspringlich von einem Pfaffen her, dahero sie, philologice davon zu reden, den Namen führet. Der Pfaff und Autor hieß Pfafficus Pfaffatius von Pfaffenhoven, Pfarrer in der Pfalz. Weil nun gar viel Pf hierinnen anzutreffen, müssen die Verse fliegen wie ein Pfeil und consequenter gar geschwinde gelesen und ausgesprochen werden. Exempli gratia:


Geschwind, geschwind
Wie der Wind,
Wer nicht sieht, der ist blind.

Dieses muß in einem Hui und Augenblick herausgeredet werden, sonst hat es keine Art. Es werden auch solche Vers von etlichen Poeten militarisch geheißen, weil sie fast wie die Werbung auf der Trummel lauten, und hat solches ein Feldscherer observieret, als er um Mitternacht auf die Scharwache schlagen hören.

[61] Die andere Art, nämlich der Bartmausischen Verse, gehöret auf die, so rote oder sonsten unförmliche Bärte haben, und wird von etlichen Autoribus barbarisch genennet. Kann gebraucht werden auf die Geburts- oder Namenstage des Frauenzimmers folgendergestalten:


Mein Barbarilis schöner Art
Ist wert viel tausend Groschen,
Dieweil sie hat kein roten Bart
Um ihr leichtfert'ge Goschen.

Hier muß der Leser nicht gedenken, daß leichtfertig eine calumnia oder formula calumniandi sei, nein, sondern es bedeutet soviel als: leicht und fertig zu reden, zu arbeiten, zu nähen, zu würken und zu complimentieren. Denn solche Verse recht auszulegen, gehöret darzu ein fähiger und fertiger Geist, welcher eigentlich hierinnen requiriert und erfordert wird.

Die dritte Art abgesetzter Verse ist die Hobelabische, kommet her von den Schreinern, Zimmerleuten und Drechslern, welche sich allerlei Hobel gebrauchen, durch welche sie die rauhen und unglatten Bretter abhobeln und von den wilden und hockerichten Ästen befreien, und losmachen. Also, wenn ein Poet einem groben Bachanten einen Vers will schreiben, muß er vor allem wohl zusehen und in Obacht nehmen, daß er bei Leib und Leben kein anders Genus Carminis als ebendieses unter die Feder nehme, alsExempli gratia:


Ich hobel, ich hobel gleich, was ich will,
Ich hobel gleich offen oder still,
So hobel ich dich doch nimmer gar,
Du bleibst dein Leben lang ein Narr.

Diese Vers halte ich vor meinen Teil vor die allernötigsten in der ganzen Welt. Aber nun kommt die vierte und letzte Art, nämlich der Stutz-Michlischen.

Diese Stutz-Michlischen Verse werden ex tempore gemachet. Wenn man nämlich einen Kerl prügelt und unter währendem Zuschlagen Vers dreinredet, so werden solche von den Accuratioribus Poetis geheißen Stutz-Michlisch oder Knipper-Dollingisch, [62] und wäre zu wünschen, daß sich die Poeten, absonderlich aber die Tyrones, fleißig in diesem exercitio übten und zuweilen bei der Nacht eine Prob versuchten, dabei sie dann ungefähr folgendes recitieren könnten:


Pumpidi, Pumpidi, Pumpidi, Pum!
So schlägt Tambour die große Trum.

Sobald man aber dergleichen Verse gemacht hat, muß man geschwinde in der Still davonlaufen, sonst kommt die Wacht und verderbt die ganze Composition, daß es ein Spott und Schande ist. Es ist auch ratsam, daß sich der Autor solcher Verse beileib nicht mit eigenem Namen unterschreibe, sondern sich, so viel möglich, verborgen halte.

11. Capitul. Isidori Loci communes
XI. Capitul.
Isidori Loci communes. Gefährlicher Fall eines Botens; artiger Selbstbetrug.

Wer sich, sooft er will, sauft voll,

Der fällt, wenn er nicht fallen soll.


Es verdroß mich recht von Herzen, da mir Monsieur Isidoro das Buch aus den Händen riß und mich einen Schulfuchs hieß, denn ich hatte kaum den Anfang von dieser artigen Invention gelesen, welche mich recht contentierte, denn ich sah, daß der Autor die Poeten jämmerlich durchhechelte und ganz und gar nichts auf die Reguln hielt, nach welchen sie die Jugend mit Gewalt zwingen wollten. Ich lachte von Herzen, und so sehr ich auch um das Buch gebeten, gab er mirs doch nicht allein nicht wieder, sondern sperrte es noch darzu in einen Schrank, dadurch mir alle Gelegenheit abgeschnitten wurde, meine fernere Lust zu genießen. Weil er nun sah, daß ich auf das Bücherlesen so sehr verpicht war, wurf er mir zu einen kleinen Tractat, darinnen allerlei Loci communes angezeichnet stunden, die er vor diesem auf der Schul eingeschrieben hatte, als:

Parvus Monachus: Ein Barfüßer-Mönch.

Dominus mentitur: Der Herr irret sich.

Natura paucis contenta: Käs und Brot.

[63] Malum per accidens: Eine Ohrfeige.

Homo multorum negotiorum: Ein Haushahn.

Verba neutra: Diejenigen Leute, quæ servitium ad significant, welche gern einen Dienst hätten, dativum adsciscunt, müssen, die Spendierhosen anlegen.

Inservio Musis: Ich bin ein Schwammendrücker.

Quo magis premitur, eo magis resurgit: Ein Furz in einem Wasserbade.

Vita implicita erroribus: Er wollte zur Frau und kam zu der Magd.

Solus & artifices, qui facit, usus erit: Ein Pudelhund.

Augere aliquem honorem: Einen die Treppe hinunterstoßen.

Adoptare aliquem in filium: Mit einem auf die Brüderschaft saufen.

Exautorare aliquem: Einem die Hosen ausziehen.

Rei militaris peritum esse: Wacker fluchen und stehlen können.

Ipse sibi perniciei fuit: Er hat die Hosen verunreinigt.

Se in mare dejicere: Wenn einer in die Kotlachen fället.

Natantem excipere: Eine Lüge von dem Hintern wegfangen.

Præstat honesta mors turpi vitæ: Eine tote Laus.

Cives agro atque urbibus augere: Neue Steuren ausrufen.

Pecuniam numeratam ab aliquo accipere: Ein Stipendiat, der auf der Messe einen Wechsel empfängt.

Necessitas non habet legem: Ein Wechselbrief.

Cum primis ætatis suæ comparatum: Unter dem Bettelvogt und Stadtknecht ist kein großer Unterscheid.

In bello versari: Flöhe töten.

Copiæ ordinatæ consistunt: Die Bettelleute stehen bei dem Leichbegängnis an der Reihe hinweg.

Magna severitate exercitui præest: Ein Bettelrichter.

Omnia in meliorem partem: Eine geflickte Hosen.

Copias alicui fugare: Einem die Schweine aus dem Garten jagen.

Cavete vobis: Ein Gassenarzt.

Accedere ad ignem: Ein angesteckte Schöpskeul.

Omnem pudorem exuit: Er hat das Hemd ausgezogen.

Turpe est doctori, cum culpa redarguit ipsum: Ein garstiger Spiegel.

[64] Qui proficit in literis: Ein Ordinari-Bot.

Et de ficit in moribus: Ein Bauer.

Male me habeo: Ich habe kein Geld.

Aliquid ad rem conferre: Einen zum Hahnrei machen helfen.

In hac domo quotidie lites nascuntur: Ein Weiberspital.

Artes ad summa cacumina ascendere: Der Stadttürmer.

Homo perversæ mentis: Eine umgewandte Hosen.

Juva me consilio, si potes: Sage mir, wo komme ich zum heimlichen Gemach?

Hæc res est a tuo foro aliena: Du weißt einen Dreck von der Sach.

Nulla salus bello: Im Krieg gibts nichts zu saufen.

Cepi ursam & sex catulos eius: Ich habe die Wirtin zum ›Schwarzen Bär‹ mit sechs Kindern bekommen.

Redde quod debes: Der Weiber Hauptlatein.

Res mirabilis: Eine Bartbürste.

Res inaudita: Ein reicher Student.

Ne sutor ultra crepidam: Eine Grenzsäule.

Magnas turbas dare: Schröcklich viel Läuse haben.

Aliquem foras extrudere: Ein ungeladener Gast.

Oculos alicui effodere: Einem die Brillen zerbrechen.

Magnitudine rerum gestarum aliquem nobilitare: Einem Hörner aufsetzen.

Prælii signum dare: Einem eine Ohrfeige geben.

De aliquo detrahere: Den Speck vom Kraut wegnehmen.

Addere equo calcaria: Zwölf Taler auf die Supplication legen.

Multa huius viri sunt: Dieser Mensch hat viel Schwäger.

Exitu notabili concludere vitam: Sein ganzes Leben mit Notenschreiben zubringen.

Rem bene scit expiscare: Er kann die Heringe schinden.

Omnes superare cursu: Ein Renntier.

Præteribo hac vice: Ein unzeitiger Dieb, der vor den Galgen geht.

Nullam tibi fidem habeo: Ein Kettenhund.

Quærere fugam: Seine Gesundheit in acht nehmen.

Admirari aliquem: Ein krummer Tanzmeister.

Magnum onus alicui imponere: Einem den Galgen an den Hals hängen.

[65] Ornare aliquem honore: Einem das Licht putzen heißen.

Merces venum exponere: Eine Hure.

Rem impatienter tulit: Er hat den Staupbesen bekommen.

In amplexum amicorum venire: Mitten unter die Esel geraten.

Vitam componere distractiorem: Zerrissene Hosen flicken.

Vanitatem meditari: Tobak trinken.

Posito, non tamen concesso: Einem einen Wächter vor die Tür setzen.

Artem pictoriam exercere: Dreck an die Wand schmieren.

Nullæ mihi sunt vires: Ich habe keinen Wechsel.

Commodum Reipublicæ promovere: Würste hacken.

Posteriora levare: Wenn man einem Hund den Schwanz abhaut.

Ludere in fidibus: Tobak anfeuren.

Esse immobili animo: Auf der Schildwache stehen.

Spem metumque deposui: Eine geschundene Sau.

Mihi nulla dies sine linea: Ich begehe täglich ein neues Schelmenstück.

Vitam exultando consumere: Ein Spielmann.

Iam mæsta quiesce quærela: Ein Tanzboden.

Semper in armis: Ein Fliegenwedel.

Video omnium oculos in me esse conversos: Wenn einer im Narrenhäusel stehet.

Trahit quamlibet sua voluptas: Hätte er nicht gejuchzet, hätt' man ihn nicht auf die Wache geführet.

Extra modum: Eine Strohfiedel.

Barbatos decet: Eine Filzlaus.

Cæteros omnes facilitate superare: Ein Schneidergesell.

Kaum als ich bis daher gelesen, kam die alte Frau zur Stube herein und schrie: »Lauft, lauft und helft!« Ich gedachte erstlich, es wäre gar Feuer vorhanden, und Isidoro, welcher indessen auf der Bank ein wenig geschlafen hatte, sprang auf und ergriff den Degen an der Wand, weil er glaubte, der Graf hätte irgendeinen heimlichen Spion in das Schloß geschicket, welcher ihn hier zu überrumpeln suchte. »Ach, liebster Sohn,« sagte die Alte vom Adel, »es ist keines unter beiden, es ist weder Feuer noch Verräter vorhanden, sondern nächst dem Schloßberg sah ich zu meinem Wohnfenster [66] aus, und daselbst sah ich einen Boten über Hals und über Kopf den Berg herunterstürzen. Ach, lauft, lauft und helfet doch! Der Mensch hat den Hals wohl gar gebrochen, denn er gibt ganz kein Zeichen von sich.«

»Zendorio,« sagte hierauf Isidoro zu mir, »eile geschwind, wir wollen dem armen Teufel zu Hülfe kommen. Ich weiß die Gelegenheit des schlimmen Weges mehr als zuviel, auf welchem schon manch ehrlich Kerl die Beine abgebrochen. Es ist um einen einzigen Fehltritt zu tun, so liegt man im Grund. Warum geht der Narr den Berg hinab, hat er nicht zur rechten Hand die Mühle vor sich liegen, allwo der Weg gebahnt ist?« – »Ja freilich,« sagte die Edelfrau, »aber was hilft es, die Sache ist geschehen, vielleicht hat er die Gelegenheit noch nicht gewußt und ist wohl gar ein Fremder. Ach, eilet doch fein geschwinde, ich zittere auf Händ' und Füßen, er ist gewiß tot! Ach, ach, ach, der gute Mensch!«

Wir zogen hierauf zwei Caputröcke an und eileten geschwinde dahin, allwo sie gesagt hatte, daß der Bot gefallen wäre. Allem Ansehen nach so war der Mensch noch bei Leben, denn er gab unterschiedliche Anzeigungen von sich, aus welchen man spüren konnte, daß er nicht gestorben sei. Dannenhero verschafften wir eine Trage und ließen ihn durch zwei Knechte in das Schloß tragen, allwo ihm die alte Edelfrau mit kostbaren Wassern zu Hülfe kam. Er fühlete gar bald einzige Linderung und fing ein wenig an zu reden, aus welchem man gar leichtlich abnehmen können, daß er getrunken war, denn seine Kleider stanken von Tobak und Brandewein wie nichts Gutes. Wir forschten aus ihm so viel nur möglich, von wem und wohin er geschickt wäre, aber man konnte ganz keine Gewißheit daraus nehmen. Endlich wurden wir gewahr, daß ihm das Ruckgrat abgebrochen, denn er schrie zu jeder Wendung dergestalten, daß man nichts anders daraus abnehmen konnte.

»Mein Herr Zendorio,« sagte die Edelfrau zu mir, »Er sehe doch, was ihm fehlen muß, denn ich getraue mir ihn nicht anzurühren, der Mensch schreiet gar zu schmerzlich.« Ich suchte und griff hierauf hin und wider, und indem ich so herumvisitierte, fiel ihm ein Brief aus der Tasche, dessen [67] Obschrift einer Weiberhand gleichte. Isidoro hatte es viel eh als ich wahrgenommen, derohalben hebte er solchen auf, und weil seine Frau Mutter wenig oder gar nicht darauf Achtung gegeben, stackte er ihn in die Ficke, und damit gingen wir aus der Stube in unser voriges Zimmer, weil wir den Boten ein wenig wollten ruhen lassen.

Sein Wappenschild, welches er an dem Leibe trug, gab nichts anders zu verstehen, als müßte er von einem von Adel ausgeschicket sein, weil in solchem drei offene Helm zu sehen, die wir aber nicht erkennen noch auslegen konnten. Solchergestalten kamen wir in das vorige Gemach, allwo wir die Tür verschlossen, den Brief aufgerissen und folgends heruntergelesen:


›Geliebte Herzensfreunde! Nunmehr ist die angenehme Gelegenheit erschienen, Sie nach Ihrem eigenen Wohlgefallen zu befriedigen. Wir sähen aber sehr gern, daß Sie Monsieur Christophen zu Hause ließen und Sie beide nur alleine kämen, weil wir seine alberne Possen und Disräson im Lieben nicht loben können. Gegenwärtiger Bot hat zwei Kleider und Masquen bei sich, in welche Sie sich verstellen und noch heute abends hier auf unserm Landgut zu Peltzingen zusprechen können, denn wir getraueten uns nach der Abreise unserer Frau Mutter nicht, in dem Schlosse zu bleiben, weil wir schröcklich viel Aufseher zu befürchten haben. Es ist zwar auf dem Gut auch nicht gar viel zu trauen, aber man muß sich endlich der Gelegenheit so gut bedienen, als man kann. Der Bruder Emilius ist gestern auf die Universität verreiset, sonst wüßte ich nichts, was ich zu beförchten hätte. Sie leben gesund und kommen gewiß, weil wir Ihrer beider mit Schmerzen und Hoffnung verlangen.


Verbleibend Ihre bekannte Schwestern S.D.L.

12. Capitul. Die Liebsgeschicht der drei Jungfern
[68] XII. Capitul.
Die Liebsgeschicht der drei Jungfern auf dem Landgut Peltzingen.

Wer andern in die Karte guckt,

Dem wird der Buckel abgejuckt.


»Bruder,« sagte Isidoro zu mir, »die Sache können wir perfect verrichten.« Mir schauerte die Haut und wurf allerlei Meinungen ein, warum es nicht sein könnte, aber Isidoro war in allem zu arglistig, daß er mich bei einem Haar überredet hätte. Ich sagte, daß, ob wir gleich den bestimmten Ort, nämlich das Peltzingen, wüßten, so mangelte uns doch das Hauptsächlichste, nämlich, daß wir nicht wüßten, wie die Jungfern hießen. Vors andere kunnten wir auch die Sprache nicht, derer sich die zwei Galanen bedienten. »Possen,« antwortete Isidoro, »daran ist am wenigsten gelegen, die zwei Edelleute, an welche die Abschrift lautet, wohnen von hier nur anderthalbe Stund, der eine heißt Ignatius und der andere Ruprecht. Sie sind weder Brüder noch Freunde zusammen, aber solche Erz-Galanen, dergleichen im ganzen Erdenrund schwerlich werden anzutreffen sein. Christoph aber, welchen sie zurückzulassen gebeten, ist ein rechter Erz-Flegel, der weder Ehr noch Respect in acht nimmt, sondern seine Saupossen allenthalben, absonderlich aber bei dem Frauenzimmer so zotenhaftige Schnitzer vorbringet, davor sie sich billig zu scheuen und zu beklagen Ursach haben. Aber ich glaube, ich will ihnen die Fuchtel in eine andere Scheide stecken lehren, darum gehe der Herr Bruder geschwinde in die Stube, da der Bot lieget, und sehe, wie Er den Ranzen hinwegkrieget. Sodann wollen wir verkleidet nacher Peltzingen ziehen. Ob wir gleich der Jungfern Namen nicht wissen, kann man doch solches von dem Landvolk bald erfahren, und ist genug, daß wir die großen Buchstaben in dem Briefe gesehen haben. Ruprecht redet fast wie der Herr Bruder, und ich glaube, daß Er nur ein klein wenig eine subtilere Sprache habe. Aber Ignatius redet etwas heischer, und ist nur um eine Handvoll welsche Nüsse zu tun, so wird man zwischen mir und ihm einen geringen Unterscheid finden. So ist auch noch das beste, daß wir verlarvet [69] sind, denn durch dieses Mittel wollen wir perfect dahin gelangen, wo wir noch niemals gewesen.«

Isidoro hatte mich mit diesen Worten ganz eingenommen, und dannenhero kriegte ich den Ranzen aus der Stube des Botens gar sicher und unvermerkt hinweg. Wir fanden in demselben zwei Jägerskleider und rote Sammet-Larven, deren wir uns nach Inhalt des Briefes bestmöglichst bedienen sollten. Sobald wir nun angekleidet waren, gaben wir dem Torwärter Befehl, nicht das geringste von unserm Abschied zu vermelden, weil wir heute nacht gewiß wiederum auf dem Schlosse uns einfinden würden.

Wenn wir durch das Dorf nicht so geschwinde geloffen wären, hätten uns die Bauerjungen leichtlich mit Kotbrocken dörfen auf den Buckel werfen, aber wir kamen gar bald auf das Feld und sprangen über die Äcker wie die jungen Ziegenböcke, weil wir auf solchem Weg nacher Peltzingen eine gute Viertelstunde näher hatten. Es war schon Glock vier Uhr abends, als wir das Dorf zu Gesicht brachten, in welchem diese drei Damen sich enthalten sollten. Je näher wir nun hinzukamen, je begieriger wurden wir, uns mit Manier in diesem Spiele zu üben, darzu keine geringe Sorgfältigkeit erfordert würde.

Als wir fast nur einen Steinwurf an den Garten hatten, welcher an dem Hofe stund, satzten wir uns nieder und unterredeten uns alles haarklein, damit einer den andern nicht verriete und uns also selbsten in dieser Hauptsache bloß gäben. Wir sagten, daß wir alle Lichter, gleich als geschehe es aus Spaß, mit den Hüten ausleschen wollten, denn unsere Gesichter trafen mit der zweien Edelleuten ganz nicht überein. So hatten wir auch andere Haare, welches eine Haupt-Faute bei solchen Comödien verursachet, und hätten die Kleider wie auch die Larven nicht das Beste getan, glaube ich schwerlich, daß wir uns einer so gefährlichen Sache unterfangen hätten.

»Potzhundert gute Jahr!« sagte Isidoro, »Bruder Zendorio, es reuet mich fast, daß ich anhero gekommen, aber laß es immer gut sein, kommen sie schon hinter den Betrug, so wissen sie doch nicht, wer wir seien, und sollten sie es gleich [70] darnach erfahren, wird es doch so viel nicht zu bedeuten haben, weil sie dadurch nur ihre eigene Schande entdecken würden.« Ich gab ihm in allem recht. Indem gehet eine Magd mit einem großen Bund Heu. Die fragten wir, wem das Gut zugehöret, und ob sie nicht wüßte, wer sich anitzo darinnen aufhielte. Die Magd wußte nicht, solle sie uns vor Engel oder vor Teufel halten, und gab zur Antwort, daß sie den Besitzer nicht anders als den Rittmeister Doppel nennen hören, sie wüßte aber nicht, ob er oder wer anderer anitzo hier wäre, Leute hätte sie zwar gesehen, die heute das Tor aufgemachet, und darnach wären zwei Kerl in langen Golleten hineingeritten. Damit ging sie fort.

Isidoro und ich machten uns hierüber tausend Gedanken, denn er wußte, daß Rittmeisters Doppel seine Schwestern die schönsten Jungfern im ganzen Lande waren. So konnte er sich auch beiläufig entsinnen, daß die älteste unter denselben Susanna hieß, welcher Name mit dem großen Buchstaben in dem Brief allerdings übereinkam. Derohalben stunden wir auf, und ich muß bekennen, daß uns bei der Sach nicht aller dings wohl war, so viel wir auch Herz im Leibe hatten.

Wir gingen den Zaun an dem Garten hinauf und wandten uns ganz heimlich um etliche Stroh-Städel hinum, bis wir zu dem Tor gelangten. Sobald wir solches eingetreten, schrie ein Kerl vom Gang herunter: »Macht zu, macht zu, macht zu!« Augenblicklich versperrte man hinter uns das Tor, und es fielen aus allen Winkeln des Hofes bewaffnete Kerl hervor, welche so wohl vermummet waren als wir, die zerklopften uns recht jämmerlich mit Knitteln und Prügeln, daß es taugte. »Ihr Bärnhäuter!« schrien sie, »wir wollen euch lehren, auf die Courtesie gehen!«, und in solchem Zuschlagen suchten wir Mittel und Wege, uns aus dem Hofe zurückzubegeben, aber es waren uns schon alle Löcher verrennet. Wir schrien endlich um Gnad und Hülfe, denn die Menge unserer Widersacher hatte uns den Buckel dergestalten zerklopfet, daß es zu erbarmen war. Damit stießen sie uns wieder zum Tor hinaus und hießen uns hingehen, wo wir hergekommen.

[71] Der geneigte Leser kann gedenken, wie wir da aneinander angesehen haben. Einer klagte seinen Arm, der andere seinen Kopf. »Nun,« sagte Isidoro, »der Teufel weiß es, was unter dieser Karte stecket, heißt das, auf eine Courtesie eingeladen? Halt, halt, ich will dahinterkommen, und soll ich das Leben darum einbüßen.« – »Bruder Isidoro,« sagte ich, »hier ist nicht gut lang zu bleiben. Das allerbeste ist, daß man uns nicht erkennet. Indessen bleibt doch wohl der Spott dem Ignatius und Ruprecht, ob wir gleich die Schläge davongetragen. Es ist gar nicht ratsam, sich hier zu offenbaren und sich selbsten eine ewige Beschimpfung auf den Hals zu laden. Laß uns wieder nach Hause eilen, sie dörften uns sonsten noch ein Confect auftragen, das härter zu verdauen wäre als die vorige Speisen, es geschicht uns eben recht, es ist mir vorgegangen, wir würden in die Kluppe geraten.« – »Dasti der tausend Henker hol!« sagte Isidoro. »Bin ich nicht ein Erz-Bärnhäuter und laß mich so zerprügeln. Halt, der Bot soll mir sagen, was es vor eine Beschaffenheit hat, oder ich will den Schelm im Schlosse totschlagen, wenn er anders nicht verrecket ist.«

Zweites Buch

1. Capitul. Sie kommen hinter den Betrug. Gesalzene Prügelsuppe
I. Capitul.
Sie kommen hinter den Betrug. Gesalzene Prügelsuppe.

Die Rache triffet jedermann

Und oftmals den, der nichts getan.


Dieser stattliche Prügelschmaus, welchen wir gar zu wohl auf diesem adeligen Gut verdienet, indem wir, aus bloßem Vorwitz getrieben, nicht allein den Brief unrechtmäßig eröffnet, sondern noch überdieses dem Boten den Ranzen genommen, die Kleider angeleget und endlich gar unter verborgener Gestalt fremde Personen uns präsentieret. Darum hatten wir uns über niemand mehr als über uns selbsten zu beklagen, die wir hierinnen der Anfang und das Ende unser eigenen Stöße waren. Bald mußten wir lachen, bald wiederum wegen der Schmerzen heulen und klagen. Einer vexierte den andern, und jeder meinete, der andere hätte die meiste Schläge empfangen, da doch einer so gut als der andere ist abgeprügelt worden.

Es hatte gleich Glock acht Uhr in die Nacht geschlagen, als wir uns ganz heimlich auf unserm Schlosse in die Torstube verfügten. Die Edelfrau wie auch die andern alle wußten nichts um die vorgegangene Masquerade, und dahero hatten wir gar gute Gelegenheit, die Kleider samt den Larven in den Ranzen zu stecken und den Brief, so gut wir konnten, wiederum zuzusiegeln. Es gelingte alles sehr wohl, und so gut wir die Sachen hinweggepracticieret, so gut brachten wirs wieder an die vorige Stelle, ohne daß jemand um den Betrug etwas gewußt hat. Der Bote kam endlich zu sich selbst, und weil ihm nach seinem eigenen Bekenntnis der [73] hohe Fall in dem Rausch widerfahren, fühlete er nach seiner Ausnüchterung keine so große Schmerzen, weil man gemeiniglich in dem Trunk die empfangenen Schläge nicht so schwerlich, als die man ungetrunken bekommt, empfindet. Ja, es reuete uns selbsten, daß wir nicht zuvor einen guten Salus angesoffen, ehe wir auf das Gut zu Peltzingen gegangen, allwo sie uns den Pelz ziemlich ausgeklopfet haben.

Er sagte, daß er sich nirgend als in dem Rücken verrenket hätte, deswegen wollte er seine Reise fortsetzen, müßte uns aber zur Dankbarkeit unserer erwiesenen Höflichkeit etwas vertrauen, welches nicht der zehente wüßte. Wir satzten uns zu ihm auf die Bank, auf welcher er sich allgemach aufgerichtet hatte, und glaubten, es würde vielleicht ein Kunststücklein sein, welche dergleichen Leute auf ihren Reisen hin und wieder zu erfahren haben. Aber weit einen andern Anfang hatte des Botens Rede, und wir merkten um so viel beflissener auf, je mehr uns die Sach anging.

»Gestrenge Herren,« sagte er, »ich bin ein Bot und wohne in dem Dorf zu Killingen, eine kleine Viertelstund von dem Dorf Gertzing. Daselbsten wohnet ein Rittmeister mit Namen Doppel, der hat drei Schwestern, so schön und zart, daß nichts darüber. Nun sind nicht weit von hier drei Edelleute lediges Standes auf einem Schlosse beisammen, die haben die Jungfern fast alle Wochen zwei-, dreimal, auch wohl öfter besuchet. Der Rittmeister ist gar ein spitziger Mann und hat immer geforchten, die drei Edelleute möchten ihm eine Schande antun, denn er hat bald diesen bei der und jenen bei jener Schwester alleine in der Kammer angetroffen. Er tat in der erst, als ob ers nicht achtete, aber endlich kamen sie auch über seine Frau, und weil der Rittmeister voll Eifersucht war, traumte ihm nichts Gutes.

Nicht lang darnach verbot er ihnen das Schloß, absonderlich aber den zweien, welche ziemlich hinter dem Hütlein zu spielen gewußt. Der dritte aber ist kein sonderlicher Liebhaber des Frauenzimmers und hält alle Weibesbilder sehr höhnisch, so höflich sie sich auch gegen ihm anstellen. Dieses bewog den Rittmeister, ihn vor den andern zu gedulden und wohl zu leiden, wollte doch wegen der beiden einem [74] nicht günstiger denn dem andern sein, sondern verbot ihnen zugleich, daß sich keiner im Schloß sollte blicken lassen.

Die drei Schwestern stieß solches hart vor die Köpfe und wollten zu Bezeugung ihrer Freiheit dennoch löffeln, wo es ihnen am tauglichsten vorkam. Sie haben noch eine alte Mutter, weil sie aber Stiefkinder sind, gibt keine nichts auf sie, sondern tun, was ihnen anstehet und beliebet. Das merkte der Rittmeister und paßte gar oft auf die Edelleute, aber sie wichen ihm wohl zwanzigmal arglistig aus dem Garn. Ihr könnt gedenken, wie der Mensch so widerwillig geworden, dahero resolvierte er sich neulich anderst. Er bricht in seiner Schwestern Kammer und vermeinte da die Galanen anzutreffen, aber sie waren schon über alle Berge aus, ob er schon gewisse Kundschaft hatte, daß sie dagewesen. Letztlich setzte er sich über einen Brief, und zwar über diesen, so ich hier in der Taschen habe, malte auch die Hand seiner Schwester Susanna so ähnlich und scheinlich nach, daß der tausende nicht anders gedenken wird, als sei es eine Weiberhand.

Er hat sich aber mit achtzehn Soldaten, seinen Schwestern ganz unwissend, auf das Gut zu Peltzingen begeben, darinnen wird er sie erwarten und nach allem Ansehen jämmerlich zerklopfen. In diesem Ranzen liegen zwei Kleider und zwei Larven, und der Rittmeister hat mich selbst gebeten, die Sache noch so nötig zu machen und den zweien zu sagen, daß sie den dritten zu Hause ließen, weil er den armen Teufel nicht wollte in solchem Unglück wissen.

So ungern ich nun meines Nächsten Schaden suche, so muß ich doch etwas wider meinen Willen und Wohlgefallen tun, weil er mir sonsten gedrohet, eine Kugel durch den Leib zu jagen. Das bin ich versichert und gewiß, daß sie eine wackere Prügelsuppen bekommen werden, dergleichen sie nicht vermutend sind, denn die Soldaten sind alle vermummet und haben schon heute abend mit großem Verlangen ihrer Ankunft erwartet, aber wegen meines zugestoßenen Unglücks haben sie die Lust bis hieher noch versparen müssen. Nun bitte ich gar freundlich, die gestrenge Herren wollen mir sagen, was ich vor die unverdiente Aufwartung schuldig [75] bin, weil ich mich ohne fernern Verzug aufmachen und die Sache zum Ende bringen muß.«

Dazumal hätten wir einen klugen Kopf gebraucht, welcher uns hätte raten sollen, was hierinnen zu tun wäre. Isidoro sah gern, daß die zwei Edelleute auch geprügelt würden, und wollte doch auch beinebens dem Rittmeister einen extra Possen reißen. Endlich sagte ich ihm in das Ohr, wie ich eine Invention ersonnen, daß wir beides zugleich gar leichtlich verrichten könnten. Wir ließen zu Ende dessen den Boten an das bestimmte Ort mit dem Briefe fortwandeln, und kann der Leser leichtlich erraten, was wir sowohl zwischen währender Erzählung als auch nach Vollendung derselben gedacht haben. Aber damit an der Sache nichts versäumet wurde, verkleideten wir uns beide, nahmen sechs Bauernknechte zu uns und paßten also vermummet in einer Höhle auf, allwo der Bot mit den zwei Edelleuten vorbei mußte.

Ehe wir aus dem Schlosse schieden, schrieben wir einen Brief folgenden Inhalts an den Rittmeister: ›Verfluchter Cujon! Dein Masquarada haben wir viel eher gerochen, ehe du sie zu Werk gebracht. Die zwei, so du abgeprügelt, waren Bauernflegel, die wir statt unser dahin geschicket, und dieser Bot wird dir schon zu sagen wissen, wie es ihm durch unsere List auf dem Wege gegangen. Wir werden zwar deine Grenzen nicht mehr betreten, aber lasse dichs gelüsten und komme auf unsern Mist, wir wollen dich gewiß brennen, daß dir der Dampf zu den Hosen ausgehet. Dieses schreiben wir dir zur Warnung.‹

Nach Verfertigung dieses Briefes begaben wir uns mit den bestellten Bauernknechten in die vorerwähnte Höhle, allwo wir so lange stehengeblieben, bis der Bot mit den zwei Edelleuten auf der Straße daherkam. Wir hielten uns mit unsern Knitteln sehr fertig, und als sie nahe an uns kamen, fielen wir zugleich hinaus und klopften sie ärger als die Stockfische, bis sie endlich gleichwie wir auf die Erde gefallen und um Gnade gebeten.

Dazumal gedachte ich an die vorgelesene Poesie, und zwar an das Genus Pumpidi, Pumpidi, Pumpidi, Pum, weil wir sie [76] abscheulich zerklopfet haben. Der Bot wußte nicht, an wem er war, denn die Wahrheit zu gestehen, so hat er fast die meisten Schläge davongetragen, ja, wir droheten ihm, noch schröcklicher zu prügeln, sofern er uns nicht bei Treu und Glauben zusagte, daß er unsern Brief dem Rittmeister selbsten in die Hände überliefern wollte. Er versprach dieses nicht allein, sondern wohl noch ein mehrers zu tun, wir sollten ihn nur dieses Mal mit Schlägen verschonen, weil er kurz zuvor über einen Berg herabgefallen. Hiermit gaben wir die Losung, hinwegzulaufen, und verstreueten uns auf dem Felde, einer da-, der andere dorthin. Ich begab mich mit Isidoro wiederum heim in das Schloß, allwo wir mit vielem Gelächter eine ziemliche Zeit zugebracht, indem dieser Poß nicht allein wohl angefangen, sondern auch glücklich und nach unserm Verlangen vollendet worden.

2. Capitul. Wie sie beide die Zeit passiert
II. Capitul.
Wie sie beide die Zeit passiert. Der andere Teil der Poesie.

Wer bei dem Ofen sitzen kann,

Hats besser als ein Wandersmann.


Es ist gewiß keine geringe Lust, einen arglistigen Vogel arglistig zu fangen, dahero kann sich der Leser leichtlich einbilden, welch eine Freude wir in dem Herzen empfunden, daß wir unsere Schläge wieder an den Mann gebracht haben, und zwar eben an diejenige, auf die es ursprünglich angesehen war. Wir hätten uns noch einmal so vergnügt befunden, so wir nur gewußt hätten, was sich doch die zwei Edelleute als auch der Rittmeister selbst nach empfangenem Brief vor Mutmaßungen gemachet, denn wenn ich die Wahrheit bekennen will, so hat sich unter allem demjenigen, was sich bis auf gegenwärtige Stunde in diesem Schloß mit mir und dem ehrlichen Bruder Isidoro zugetragen, keine solch lustige Abenteuer als eben diese begeben, darüber ich wohl tausendmal lachen müssen.

Diesen Tag bekam Isidoro ein neues Kleid, welches eine ganz sondere Mode war. Er hat sichs selbst inventieret und [77] dem Schneider ein Model vorgerissen, nach welchem ers verfertigen müssen. Jedennoch nahm er sich vor, bei ehester adeliger Zusammenkunft beständig vorzugeben, als wäre es die neueste französische Mode, da wollte er auf tausend Taler parieren, daß nicht vier Tage ins Land gehen würden, da man schon ein Dutzet dergleichen an jungen Edelleuten zu sehen bekäme. Auf eine solche Art rüsteten wir uns aus, weil wir Bericht empfangen, daß der Edelmann, so die Ducaten verwechselt, künftiger Tagen seine versprochene Mahlzeit halten würde, dabei wir dann die Hauptpersonen präsentieren sollen.

Inzwischen suchten wir unsere Ergötzlichkeit auf der Wildbahn, und weil sich ein Laquay auf dem Schlosse enthielt, welcher ehedessen ein Wildhetzer gewesen, bekamen wir Gelegenheit, die Hasen aufzusuchen, weil dazumal eine ziemliche Kälte einfiel und allgemach mit Gewalt der Winter herzu nahete. Frühmorgen, ehe die Sonne aufging, waren wir mit unsern Windhunden schon zu Pferde und ritten neben den Weinbergen eine Seite hinab, die andere wieder hinauf. Zuweilen hebte sich ein Has nahe, zuweilen auch ferne, aber wir holten sie mit den Hunden bald ein, und hätten sie sich auch auf hundert Schritt vor den Pferden aufgehoben. Den Bauren und Dorfleuten ritten wir durch Kraut und Rüben, und sagten sie was, so schmissen wir sie mit der Carabatschke noch darzu über den Rumpf, bis der Staub davonging, unerachtet wir zuvor Schaden genug verursachet hatten.

Als wir dieser Lust bis an den Mittag hin genossen und die Hasen zu Wald gezogen waren, fanden wir uns wieder in dem Schloß ein und vertrieben nach dem Mittagmahl die Zeit mit Brett- oder Kartenspiel. Unterweilen schossen wir auch mit dem Pirst-Rohr nach der Scheibe, und die Edelfrau sah gar gern, daß ich ihrem Sohn Gesellschaft leistete, weil er sonsten gewohnet war, in die umliegende Städte zu verreisen und daselbsten in einer Nacht oftermalen so viel Geld zu verspielen, welches er in Jahr und Tag nicht wiederum zu gewinnen wußte.

Unterweilen setzte ich mich wiederum über die Bücher, und [78] weil ich bei dem warmen Ofen meine Zeit nicht besser vertreiben konnte, passierte ich solche mit Lesen, denn die Wahrheit zu gestehen, so hatte ich aus solchem Fleiß mehr Nutzen, als ob ich zwölfmal in ein Collegium gegangen und daselbsten dempro und contra zugehöret hätte. Ich bekam zu meiner absonderlichen Vergnügung den Schlüssel zu sehen, welcher eben an dem Kasten stackte, darein Isidoro vor zwei Tagen die wunderliche Reguln der Poesie verschlossen hatte. Dannenhero eröffnete ich solchen und fand gleich von vornen das Buch stehen, über welches ich mich zuvor so sehr ergetzet. Wo ichs nun zuvor gelassen, da fing ich aufs neue wiederum an, weil man unter Verlust einer großen Annehmlichkeit nicht wohl eine einzige Zeile unterlassen konnte. Es waren aber folgende Reguln dieses Inhalts:


Nachdem wir nun genug geredet von den vier Figuralismis, muß man notwendig zu einer höhern Scienz, welche bestehet in Ausmessung und Erkenntnis der Füße, schreiten und gehen. Die Füße sind aber viererlei, unter welchen zwei Directi und zwei Indirecti genennet werden.

Die directi sind wieder dreierlei, und wird die erste Art derselben genennet curre cito, das ist: solche Füße, die geschwinde laufen können, gleichwie etwan der Renntiere, Hirsche oder auch die Schweinfüße, denn es ist klar und braucht keines großen Beweises, daß die Schweine fix genug laufen können, sofern sie einmal recht erhitzt sind.

Weil nun, originaliter davon zu reden, diese Versecurre cito heißen, so werden sie mit einem Wort Currecitianische Verse genennet und müssen viel geschwinder gelesen und ausgesprochen werden als die obbeschriebene Pfaffutianische Choral-Poesie, als zum Exempel:


Reuten und reuten und reuten zu Pferd
Ist doch die köstlichste Lust auf der Erd.

Diese Art recht zu exprimieren, wäre vonnöten, daß man ein geschwindes Tripla-Zeichen davor setzte, wie die Musici zu tun pflegen, wenn sie den Tact geschwinde anzeigen wollen. Dahero ist mein getreuer und wohlgemeinter Rat, [79] daß sich beileib keiner über dieses genus mache, welcher eine langsame Zunge oder Feder führet.

Die andere Art der Füße, so directi sind, heißet und wird insgemein genennet tardianisch, das ist: langsam und fein sachte, und wird diese Art Verse der vorigen e diametro entgegengesetzet, wie ich denn beileib keinem will geraten haben, solches genus Carminis geschwinde auszusprechen, sondern ganz langsam, gleich [als] ob einem [die] Zunge abgehauen wäre, auszusprechen, als exempelweis:


Langsam ... langsam ... liebes Kind!

Folgender Vers muß schnell gelesen werden, denn er ist ein Currecitianischer:

Du eilest vergebens so schnell und geschwind!


Wenn man diese zwei Vers nicht recht, und zwar jeden nach seiner Art und Natur, gelesen hat, ist es nötig, daß man solche noch einmal wohl betrachte und alsdann regelmäßig überlese.

Die dritte Art dieser Verse ist intelligenzisch, das ist, welche ohne Ausdrückung der Wort verstanden werden, als Exempli gratia:


Du meinst, du bist der Kriegsgott Mars,
Komm her und lecke mich ...

Da versteht es sich von selbst, daß es heißen muß: im Arsch. Denn dieses ist die Natur dieser intelligentianischen Verse, daß mans auch wider seinen Willen verstehen muß. Will noch ein Exempel geben, auf daß ich dem begierigen Discipel desto bessere Erleuchtung gebe:


Ich schieb mit dir nicht gerne Kegel,
Denn du bist gar ein ......

Da versteht es sich abermal durch obbenannte Figur, daß es heißen muß: grober Flegel. Und auf eine solche Weise wird der geneigte Liebhaber in dergleichen intelligentianischen Versen nach seinem eigenen Belieben fortzufahren wissen, nachdem ihm solches sein eigenes Gut-Gedünken erklären wird. [80] Damit ich aber die Zeit nicht vergebens so hinwegstreichen lasse, muß ich, um bessere explication willen, nur noch ein Exempel hersetzen, quia per exempla via brevis est. Gebt Achtung, so kommt es hübsch:


Es ist an dir kein Härlein gut,
Du bist ein grober ...

Da versteht es sich intelligentianischerweis, daß es heißen muß: Funfzehn-Hut. Und dieses nennen etliche reservationem mentalem poeticam, und wenn mans betrachtet und recht bei dem Licht besiehet, so ist es zulässiger, als mit welcher sich etliche Scholastici so großgemachet, indem von ihnen ausgegeben worden, daß es ein sonderliches theologisches Stratagema sei, einen per reservationem mentalem tapfer hinter das Licht führen können.

»Wett der Teufel,« sagte Isidoro, als er zu der Stube hereinging, »bist du schon wieder über dem Buch?« Damit riß er mirs aus den Händen und sagte, er wollte mich lieber alle Bücher im ganzen Schlosse als dieses lesen lassen, weil es ein seiniger Vetter zum ewigen Schimpf der ganzen Freundschaft geschrieben und er sich ehedessen in den Trivialschulen wegen dieser Schrift trefflich hätte leiden müssen, indem der Autor die Schulfüchse nur zu scheren gesuchet und dort und dar solche Stiche ausgegeben, die ihnen in dem Herzen wehe getan. Es wäre besser, daß ein solch Buch im verborgenen bliebe als jedermann ohne Unterscheid in die Hände liefe, zumalen die glorwürdige Künste und absonderlich die Poesie ohnedem genugsam geschimpfet und bei vielen in einem üblen Verdacht wäre. Wäre also unvonnöten, daß man Läuse in den Pelz setzte und den Teufel an die Wand malete. Deswegen wollte er das Buch zu Staub und Aschen verbrennen. Und damit schmiß ers in Ofen. Mich aber reuete es wohl tausendmal, daß ichs nicht heimlich in die Tasche geschoben und mit mir incognito davongetragen hatte.

Dieses Mal konnte es aber nicht anders sein, und ob ich gleich einen Schürhaken genommen, dasselbe wieder aus dem Feuer zu kratzen, verhinderte mich doch Isidoro so [81] lang, bis die Blätter allgemach angegangen und der ganze Tractat unbrauchbar gemachet worden. Zwar die Wahrheit zu bekennen, so hatte ich hieran nicht gar zuviel verloren, denn weil ich die Invention einmal gesehen, war es mir keine so große Kunst, dergleichen Reguln viel tausend, ja noch wohl lächerlichere zu schreiben. Denn ich fragte wenig darnach, ein anderer möchte von meiner Arbeit halten oder judicieren, was er wollte, wenn ich nur dadurch meine Grillen verjagen und meine langweilige Stunden verkürzen konnte, nach einer solchen Weise, die ich bei mir selbsten vor die vergnüglichste hielt.

3. Capitul. Ludwigs Gasterei. Was dem Zendorio dabei begegnet
III. Capitul.
Ludwigs Gasterei. Was dem Zendorio dabei begegnet.

Die Trunkenheit macht matt und träg,

Wo Wein eingeht, geht Witz hinweg.


Noch diesen Abend bekamen wir durch einen Laquay in einem blauen Rock ein langes Schreiben von Herren Ludwigen, welcher nunmehr entschlossen war, die Mahlzeit anzustellen, darauf wir uns bis daher so greulich gespitzet hatten, indem wir willens waren, uns auf solcher rechtschaffen lustig zu machen, und zwar so sehr, als wir noch niemals getan hatten. Isidoro versah mich mit sauberm und reinem weißen Gewand, er machte mir eine Parücke zurecht, ließ vor mich einen wackern Gaul satteln, Geschoß und Zeug fertig halten, und in einer solchen Form erschienen wir beide auf dem Schloß, diejenige Lust zu genießen, auf die wir so lang mit Verlangen gewartet hatten. Ja, wir hatten indessen auf unserm Schlosse gar oft mit der Karte gespielet, wer unter uns beiden den mehrsten Wein aussaufen sollte; und dergestalten gingen die Unkosten über niemand als Ludwigen, es möchte gleich verspielen oder gewinnen, wer da wollte.

Ich halte es gar vor unnötig, mich lange bei demjenigen aufzuhalten, davon sich der Leser selbst wird berichten können. Ich meine die absonderliche Höflichkeit, welche uns Monsieur [82] Ludwig bei unserer Ankunft erwiesen. Er hieß uns seine Tausendbrüder und rechte Galgenvögel, so wir nicht von Herzen bei ihm würden lustig und guter Dinge sein. Das Zimmer, in welches er uns logierte, hing voll mit achtundneunzig Bildnissen von Narrenköpfen, und sobald wir hineingetreten, sagte Monsieur Ludwig: »Ihr Herren Brüder, nun sind hundert herein!«, und damit schloß er die Tür zu und ließ uns alleine stehen. Wir mußten über die Capricen des artlichen Menschen von Herzen lachen, und als der Knecht unser Reisezeug heraufbrachte, berichtete er uns, welchergestalten gar viel Frauenzimmer und andere Edelleute auf Pferden und in Caleschen angekommen, so zweifelsohne zu diesem Gastgebot würden invitiert und eingeladen sein.

Man holete Spielleute, soviel man in der Nähe finden und bekommen konnte, und diese fingen allzugleich ihre Fiedelei an, einer in diesem, der andere in jenem Winkel. Ja, es stunden sogar welche in den Dachfenstern, in welchen sie ebenmäßig aufgeigten, so gut sie es gelernet hatten, denn Monsieur Ludwig hatte fast in die zweiundvierzig zusammengebracht, davon er welche vor die Secret und heimlichen Gemächer stellete, auf daß sie denjenigen, welche in solchen ihre Notdurft verrichteten, den Pergamasca darzu aufspielen sollten. Er kleidete sie an wie Satyren, und sie sahen so abscheulich häßlich, daß sich ein schwanger Weibesbild gar leichtlich hätte versehen können.

Man machte an der Tafel eine bunte Reihe, und es fehlete nicht viel, so hätte ich mich bei einem Haar verliebt, so ich nur gewußt hätte, in welche ich mich am meisten verstricken sollte; denn das Frauenzimmer war fast gleicher Schöne und Höflichkeit, auch von gutem Esprit, daß sie wohl zu unterscheiden wußten, was aus Vexation oder aus Ernst gemeinet war. Es ist nicht sattsam zu entwerfen, wie gar einig und fröhlich die ganze Compagnie war, und uns war nichts Liebers, als daß die alte Edelfrau wegen zugestoßener Unpäßlichkeit nicht bei dem Schmaus sein können, dahero dörfte Isidoro den Hasen nach seinem Gefallen laufen lassen. Das anwesende Frauenzimmer war erwünscht vergnüget, [83] und ich glaube, daß sich auf dieser Zusammenkunft wohl dreißig Hochzeiten angesponnen, wie sie aber ausgeschlagen, weiß ich nicht zu berichten. Etliche soffen ewige Brüderschaft zusammen, aber es stunden kaum drei Wochen an, als wir hernachmals gehöret, daß sie sich auf Leib und Leben miteinander geschlagen. Ich selbsten kriegte nicht einen geringen Particul adeliger Personen zu Saufbrüdern, aber mein Intent stund meistens auf das Frauenzimmer, und daher hörete und vernahm ich kaum das zwanzigste Wort, was zu mir geredet ward.

Diese erwünschte Gelegenheit gab mir Ursach, mich zu entschließen, mich diesen Abend noch mit einer Damen, sie möchte auch sein, wer sie wollte, in eine verträulichere Bekanntschaft einzulassen, richtete dahero mein Absehen bald hin und wider. Denn weil sich dergleichen Gelegenheit nicht täglich präsentierte, hielt ich es vor eine absonderliche Vorsichtigkeit, sich die Pfeife zu schneiden, da man noch in dem Rohr sitzet, weil die hinweggegangene Gelegenheit so wenig als die abgewichene Zeit sich zu ereignen pfleget. Dahero hielt ich vor das Ratsamste, mein Glück zu versuchen, weil sich durch dieses manch elender und armer Bärnhäuter wohl eher in die Höhe und emporgeschwungen. Und ob ich auch gleich keiner von Adel, noch auch keines Mesners Sohn – davor ich mich zwar bei Isidoro ausgegeben hatte –, sondern von einem solchen Geschlecht war, darüber sich der geneigte Leser kurz hernach selbst verwundern wird, so hatte ich doch wohl solche Qualitäten an mir, damit auch wohl mancher Großhans nicht begabet war. Ja, ich hätte auch dazumal ohne allen Zweifel durch meine angenehme Art ein Frauenzimmer über den Tölpel werfen und mir anhängig machen wollen, so ich nicht von Monsieur Ludwigs Compagnie dermaßen zeitlich mit Weine zugedecket worden, daß ich endlich keine Katzen mehr erkennen können, sondern wohl darzu einen weißen Hund vor einen Müllerknecht angesehen habe.

Dergestalten wurde ich zu fernerer Ergötzlichkeit ganz untüchtig gemachet und hörete nur gleichsam in dem Traum, wie lustig sie auf dem Tanzsaal nächst meiner Kammer herumsprangen. [84] Weil ich auch nicht wußte, was ich tat, stund ich auf und ging also in dem Hemd auf den Saal, darob das Frauenzimmer dergestalten erschrocken, daß sie teils in die Zimmer, teils über die Treppe hinuntergeloffen. Isidoro brachte mich endlich noch zurecht, und ich wußte so lang nichts von der Sache, bis er mich den folgenden Morgen berichtet, daß ich alle Leute erstechen und tothauen wollen. Er vermeldete anbei, daß man mir hinten und vornen durch das Hemd gesehen, weil ich solches vor Ungeduld in Stücken zerrissen hätte. Ja, was das Allerschlimmste war, so war in demselben hinten her ein so abscheulicher großer gelber Fleck gewesen, darüber sie sich fast krank gelachet, absonderlich aber hätte das Frauenzimmer gefraget, was das vor ein grober Flegel sei. Aus der Rede meines Bruders Isidoro verging mir aller Mut, fast wie jenem, der mitten in dem Meer auf einem Felsen gesessen und mit seiner Laute heruntergestürzet.

Monsieur Ludwig machte mir noch größere Possen, denn er brachte ein Hemd in meine Kammer und schwur hoch und teuer, das Frauenzimmer sendete ihn damit hieher, sie hätten sich gestern mit Verwunderung meiner Blöße erbarmet, und hiermit wollten sie mich mit einem schlechten Frühstücke beehret haben. Ich glaube nicht, daß so viel Federn in dem Bette gewesen, als vielmal ich mich vor großer Ungeduld hin und wider gewendet, denn ich fand, daß Isidoro ganz nicht gelogen hatte, weil ich mein Hemd wohl in tausend Stücken zerrissen sah. Ich konnte mich auch noch zum Teil entsinnen, daß ich auf den Saal gekommen, wie aber und auf was Weise man mich wieder zu Bette gebracht, davon hatte ich nicht die geringste Wissenschaft. Bald kam gar eine ganze Compagnie Frauenzimmer vor die Kammertür und machten mir zu Ehren Pfaffutianische Verse, darüber ich im Bette vor Scham zerspringen mögen, resolvierte mich dannenhero, heimlich in den Stall zu gehen und allen unwissend davonzureiten.

Zu solchem gab mir keine geringe Ursach die große Beschimpfung und Calumnien, die ich in voller Weise wider etliche Cavalier herausgestoßen hatte. Denn sobald ich in [85] den Stall kam, berichteten mir hiervon die Knechte, welche dabeigestanden hatten. Isidoro hat es, vielleicht aus Höflichkeit, gegen mich verschweigen wollen, aber mir war die Sach dermaßen zuwider, daß ich mich auch nicht die geringste Viertelstunde länger auf diesem Schlosse zu enthalten verlangte, setzte mich dahero zu Pferd und ritt immer davon, daß es stäubte. Der schnelle Lauf nahm mir den Hut, aber ich sah mich nicht einmal zurück, unerachtet mir alle Cavalier, ja das Frauenzimmer selbst nachgerufen, aber ich hörte und sah nicht mehr.

Sie schickten zwei bis drei Kammerdiener nach mir, aber sie hatten zu tun, daß ich ihnen mit der Klinge nicht über die Köpfe herwischte, so grausam war ich außer mir selbst. Und damit es nicht das Ansehen hatte, als wollte ich einen Pferdraub begehen, ritt ich heim in das Schloß, stieg ab und gab dem Torwärter das Zeug in Verwahrung, bat auch, Herrn Isidoro zu vermelden, daß ich hiergewesen und ihn hinfüro so bald nicht wiedersehen würde. Auf eine solche Weise ging ich von dem Schloß hinweg und machte mir wunderseltsame Grillen. Ich wollte gern ein Finger aus der Hand darum geben, daß ich niemalen zu dieser Gesellschaft gekommen noch sie mit einem Auge gesehen hätte. Aber es war geschehen, ob sich schon niemand so sehr als eben ich durch mich selbsten beschimpfet befand. Meine Zehrung war so groß nicht, deswegen mußte ich mich behelfen, so gut es der Säckel litt, und solchergestalten vagierte ich von einem Pfarrhofe zum andern, wohl wissend, daß alle Geistliche derjenigen Schuldner seien, welche mit Supplicationen zu ihnen kommen.

4. Capitul. Zendorio findet einen am Baum hängen
IV. Capitul.
Zendorio findet einen am Baum hängen, siehet den Betrug durch einen Zaun, geht auf der Caspia Schloß.

Wo man mit Worten nichts tun kann,

Das greift die Welt mit Listen an.


Meine Herumschweifung in dem Lande währete wohl acht Tage, als ich bei angehender Nacht zu einem großen Eichbaum [86] geriet, an welchem sich einer erhenkt hatte. All mein Lebtag ist mir kein so wunderlicher Anblick unter Augen gekommen. Derohalben blieb ich von fern stehen und betrachtete den Menschen von unten zu oben oder, wie man im gemeinen Sprichwort zu sagen pfleget, von der Fußsohle bis auf die Scheitel. Ich sah ganz eigentlich, daß er noch ein Bein zückte, und weil sich meine Straße ohnedem vor den Baum erstreckte, eilete ich hinzu, dem armseligen Menschen zu Hülfe zu kommen, indem ich aus seinem Beinzucken nichts anders schließen können, als müßte er noch nicht gestorben, sondern noch ein wenig bei Leben sein.

Demnach machte ich mich etwas näher, und als ich an den Baum geriet, solchen zu ersteigen, guckte ein Kerl in einer roten Liverey hervor und sagte: »Du Kerl, bleibe hinweg, oder ich brenne dich mit der Büchse auf die Haut!« Mit diesen Worten verduckte er sich wiederum in den ausgehöhlten Baum, und ich sprang mit nicht geringer Bestürzung wieder zurücke, indem ich festiglich geglaubet, es wäre der Teufel gar dahinter verborgen, welcher diesen erhenkten Menschen verwachte. Aber ich schoß gar weit außer der Scheiben, denn als ich mich von ferne hinter eine Hecke gesetzet und durch dieselbe an den Baum gegucket, hilft der Diener dem Erhenkten wieder von dem Ast, und ging einer so gut als der andere quer Feldes gegen einem Dorf, allwo sie vielleicht ihre Pferde stehen hatten, sich auf denselben nach Haus zu verfügen.

Wahrhaftig, ich wußte durchaus nicht, was ich aus dieser wunderlichen Masquarada urteilen oder schließen sollte. Daß er gehangen, hatte ich gesehen, und daß er wieder lebendig über das Feld gegangen, hatte ich ingleichen gesehen. Ich wußte nicht, sei es ein Gespenst oder anders Ding. Weil aber die Nacht hereinbrach und ich meine matte Glieder genugsam zufriedengestellet, ging ich auf einen nächstgelegenen Pfarrhof, weil ich von dar über eine Stunde nicht mehr in das Dorf hatte, darinnen ich geboren worden. Der langwierige Regen und die mit eingefallene Schneekälte hatten mein Kleid nicht ein weniges verdorben, und weil ich allgemach in den neunten Tag von einem Ort zum andern [87] herumvagierte, ist leichtlich zu schließen, wie ich werde ausgesehen haben, zumalen ich weder Kleid noch Haare, weder Schuh noch Strümpfe, noch auch was anders gesäubert und mich gewaschen, indem ich in einem ziemlich desperaten Zustand gelebet und hoch bekräftigen kann, daß es mir die Zeit meines Lebens nicht so wohl gegangen als eben auf dem vorigen Schlosse, wovon ich angefangen, diese meine Geschicht zu entwerfen und vorzustellen.

Der Pfarrer dieses Orts herbergte mich gar gerne, und weil er ehedessen mit unterschiedlichen Herren Professoribus auf der Universität, davon ich herkam, bekannt gewesen, bekam er gute Gelegenheit, sich mit mir in einem und andern zu bereden, weil die Begebenheit der vorigen Zustände durch das nachkommende Angedenken gleichsam wieder an den Spieß gestecket und aufs neue gebraten wird. Er legte mich in ein sauber Bette und versah mich sonst in allem sehr freundlich, aber ich kann nicht sagen, wie sehr er erschrocken, da ich ihm wegen des gehangenen Menschen Relation erteilte. Er wußte sich so wenig zu helfen als ich, und also ließen wir die Sache gut sein, es möchte dahinterstecken, was da wollte. Aber das sagte er mir, welchergestalten heute abend eine Gutsche durch das Dorf gefahren, in welcher ein Frauenzimmer gesessen, welche dergestalt geweinet und geheulet, daß nichts darüber.

Ich hatte über dieser Erzählung nicht viel noch großes Nachsinnen, weil ich glaubte, es würde vielleicht des Gehangenen Befreundte gewesen sein. Denn er war trefflich sauber bekleidet, und es lag neben ihm auf der Erde ein überdiemaßen kostbarer Hut mit Straußfedern, daraus ich erkennen können, daß es nichts Geringes sein mußte. In diesen Gedanken schlief ich ein, und des andern Morgens nahm ich meinen Weg weiter, nachdem mir der Pfarrer einen alten Rock verehret, weil er geschwinde zu der Predigt eilen mußte und also vor dieses Mal nicht länger Zeit hatte, ferner mit mir zu reden.

Es verging keine Viertelstunde, als es aufs neue recht grausam zu wittern anfing. Derohalben versteckte ich mich bald da, bald dort in einen Strohstadel und wärmete mich bei mir [88] selbsten, soviel ich nur konnte und vermochte. Der Pfarrer hatte mir auch eine gebratene Taube mit auf den Weg spendieret, daran zehrte und aß ich so lange, bis ich vor ein großes Haus kam, an dessen Tore allerlei Bären-, Wölfs- und anderer Tiere Köpfe angenagelt waren. Ich merkte, daß es ein adeliger Sitz sein müßte, und weil nächst darbei ein altes Weib Obst feilhatte, fragte ich sie, wer darinnen wohnte. Sie aber gab mir zur Antwort, daß der Ort schon in das dritte Jahr ledig gestanden, aber anjetzo hielte sich in solchem eine adelige Jungfrau auf, welche bis dahero im gerichtlichen Proceß darum gestritten, und nunmehr wäre ihr dieser Sitz erbmäßig zugesprochen worden. Weiter wüßte sie nichts von ihr, als daß sie gar eine feine, fromme und guttätige Jungfer sei, welche, absonderlich gegen die armen Leute wohlgewogen, ein ziemliches Almosen austeilete.

Die Rede dieser alten Obstkrämerin machte mich keck, in diesem Hause mit meiner Supplication einen Anwurf zu tun, ob ich nicht irgendeinen halben Taler davontragen könnte. Klopfte derohalben an und wurde durch einen kleinen Knaben, welchen ich vor ihren Page angesehen, hineingelassen. Er fragte mich, was ich wollte und ob ich ein Bettler wäre. Ich sagte, daß ich zwar kein Bettler, aber doch auch nicht viel besser sei, dahero sollte er mein Testimonium der Jungfer übergeben und sagen, daß sie mir einiges Almosen mitteilen sollte, weil ich solches auf meiner Reise höchst vonnöten hätte. Der Jung ging damit die Treppe hinauf und kam bald wieder zurück, vermeldend, ich solle mich ein wenig gedulden, seine Jungfer schriebe einen Brief, darnach würde ich bald abgefertigt werden.

Nach einer Viertelstund kam sie selbst aus ihrem Zimmer heraus und hieß mich hinaufkommen. Ich war ganz und gar mit Dreck und Kot besudelt, und der Leser kann wohl betrachten, welch ein sauber Ansehen ich dazumal müsse gehabt haben. Derohalben scheuete ich mich, hinaufzugehen und vor ihr zu stellen, weil sie ein ausdermaßen schönes Bild war, dergleichen ich noch die Zeit meines Lebens wenig gesehen hatte. »Monsieur,« sagte sie, »seine Person ist würdig genug, vor mir zu erscheinen, denn wie ich sehe, so ist [89] Er ein Student, ich wollte wünschen, daß ich Lateinisch verstünde, alsdann würde ich gewiß ein mehrers von seiner Wissenschaft zu reden wissen. Ich bin durch studierte Leute zu großem Glück gekommen, darum finde ich mich verbunden, denselben zu dienen, wo ich kann und mag.«

Unter währender Rede stieg ich die Treppe hinauf, wohl wissend, daß sie mich, so schlimm ich auch aufzöge, nicht fressen würde. Dannenhero empfing ich sie gar höflich, und sie hieß mich mit ihr in das Zimmer kommen. Sie war ganz allein, derowegen fing sie, nach Auslöschung ihres Wachsstockes, welchen sie zum Siegeln gebrauchet, an und sagte: »Mein lieber Freund, warum ich Ihn in mein Zimmer geführet, geschicht aus keiner übeln Meinung, sondern einig und allein darum, Ihm einen Gedanken zu offenbaren, der mich nicht wenig im Gewissen ängstiget.

Er ist ein Student und dahero gelehrter als andere, gemeine Leute, die ich zwar täglich um mich habe, aber von ihnen weniger als nichts unterrichtet werden kann, was ich mir in diesem unerhörten Fall einbilden oder davon halten solle. Er beliebe sich auf gegenwärtigen Sessel niederzulassen, und so es Ihm beliebt, sei Er heute mein angenehmer Gast, aber zuvor bitte ich Ihn himmelhoch, mir die Wahrheit nicht zu verschweigen, sondern seine Meinung offenherzig zu eröffnen über die Sache, die ich Ihm gar mit wenigen Umständen, wie es an sich selbst ist, erzählen werde.

Es wohnet nicht gar vier Meil Wegs von hier ein Junger vom Adel, der heißet Faustus. Sein Geschlecht ist fast das älteste in dieser Revier, und er ist vor einem andern trefflich wohl gezogen und höflich von Sitten und Gebärden. Seine Jugend brachte er in lateinischen Schulen zu, und hernachmals durchsuchte er die Länder nicht ohne sonderlichen Nutzen, denn er redete seine Sprachen, wie sichs gehöret, und ist deswegen bei männiglich in gutem Ruf. Ehe denn ich auf dieses Haus zog, wohneten wir nicht gar eine Meil Wegs voneinander, denn ich war bei meiner Muhmen in der Kost, weil ich dazumal wegen dieses Gutes noch im Streit lag, welcher aber auf meiner Seite erwünschet ausgeschlagen, also daß ich nun mein Eigentum besitzen kann. Aber, auf [90] das vorige von dem Edeljunkern zu kommen, so ist es wahr, daß er meine Affection ohne Unterlaß gesuchet, mir etliche Sachen verehret und keine Gelegenheit vorbeistreichen gelassen, die er zu meinen Diensten, doch in allen zulässigen Dingen, hat anwenden können. Aber wie dem allen, so war es mir doch nicht in der Natur, daß ich ihn lieben oder ihm die geringste Gegenaffection erweisen konnte.

Er weinete oft vor mir die bitterste Tränen, ja, er schwur hoch und teuer, daß, so ich ihn nicht lieben würde, volle er sich erstechen oder aufhängen, davor solle ihn die ganze weite Welt nicht retten noch ihm wehren können. Ich verwunderte mich über die unsinnige Liebe dieses stattlichen Menschens und war mir selbsten heimlich zuwider, daß ich ihn nicht lieben konnte, ja, meine Muhme selbsten schalt mich wohl tausendmal einen groben und ungeschliffenen Holzbock, aber ich konnte doch einmal so wenig als das andere sagen, daß ich den Faustus liebte.

Mein Herr gedenke weiter, wie es mir ging. Neulich hatte ein Edelmann in diesem Lande einen Schmaus, der heißet Monsieur Ludwig, sehr reich von Mitteln und ein Mann von artigem Humor. Ich war dazumal gleich in selbiger Gegend, wegen des Syndicus und Advocatens, welcher meine Sache bei Gericht so stattlich geführet, Richtigkeit zu machen, aber sie sagten, daß Faustus schon lange bei ihnen gewesen, der ihnen einen solchen Recompens verschaffet, davon sie satt und vergnügt wären. Es war ein Wunder, daß die Leute doch zu sättigen waren. Aber Ludwig erfuhr, daß ich sein Schloß vorbeireisen mußte. Weil er mir auch ein wenig mit Gesippschaft zugetan, als lud er mich samt dem Faustus zur Mahlzeit, allwo er durch seine artige Invention uns ausdermaßen ergötzet.

Nun gestehe ich dem Herrn hier im Vertrauen, daß ich bis gegenwärtige Stunde noch niemalen in keinen Menschen verliebt gewesen. Aber es war einer zugegen, welchen ein Edelmann mit Namen Isidoro mit sich gebracht, den hießen sie Zendorio, in denselben Menschen habe ich mich dergestalten verliebet, daß ich nicht gewußt, wie mir am Tisch war. Ich hätte mich glückselig geschätzet, wenn ich mit ihm [91] nur ein einziges Wort hätte reden können. Aber man soff ihn noch über der Tafel so blind und sternvoll, daß er nicht von Sinnen noch viel weniger von seinem Tun gewußt.

Faustus merkte wohl, daß ich in denselben verliebt war, denn es ist gewiß, daß ich die Augen nicht von ihm abwenden können, und obgleich Faustus sagte, es wäre keiner von Adel, sondern nur ein gemein Bürgerskind, muß ich doch gestehen, daß er in meinen Augen mehr als adelig erschienen. Nun betrachte mein Herr, was Faustus vor einen Geist habe, denn als er gesehen, daß ich dem Zendorio zugetan wäre, entschließt er sich, diesen heimlich aus dem Wege zu räumen. Aber Zendorio mag davon Wind bekommen haben, ist also des andern Tages, da der Tumult erst recht anging, auf einem Pferd auf und davon geritten, darüber ich so bestürzt worden, daß ich dem Faustus unter das Gesicht sagte, ich könnte und wollte ihn durchaus nicht liebhaben, und sollte er sich, seinem Vorgeben nach, gleich tausendmal hängen, erschießen oder totstechen.

Monsieur, ich hätte nimmermehr geglaubt, daß meine Worte bei dem verzweifelten Menschen so viel wirken sollten, noch, daß er mich so gar nach dem äußersten Vermögen liebte. Denn als ich gestern nach Hause fuhr und hier zu meinem Sitz kam, sah ich ihn kurz von hier an einem Eichbaum aufgehangen, darob mir noch Arm und Beine zittern. Ich weinete mit Heulen und Seufzen, denn mein Gutscher fand einen Zettel an den Baum geschlagen, darinnen stund geschrieben, daß ich die einzige Ursach seines verdammlichen Todes sei. Ja, er wollte auch in der Höllen Rache über mich schreien, daß ich ihn in seiner gutgemeinten und wohl zulässigen Liebe so gar jämmerlich und ohne Erbarmung hätte verzweifeln und sterben lassen.« Hiermit fing sie an zu weinen und bat mich, ihr zu sagen, ob sie die Ursach dieses Todes sei oder nicht.

»Gestrenge Jungfer,« gab ich hierauf zur Antwort, »Ihren geführten und wohlberedten Discurs verlange ich nicht von Wort zu Wort zu beantworten, denn was die Liebe sei oder welch eine Natur dieselbe habe, bin ich selbst noch nicht erfahren, ob ich gleich ehedessen viel davon in den Büchern [92] gelesen. Wahr ist es, daß die Inclination allezeit freistehe und sich nicht leichtlich an etwas zwingen lässet, so tugendreich auch dasselbe zu sein scheinet. Dahero findet man auch bei den Poeten die Liebe blind gemalet, weil sie nichts liebet als eine solche Sache, die ihr am tauglichsten vorkommet. Man lässet nun hierin einem jeden seine freie Wege, und man sieht keine Inclination einen schlimmem Ausgang nehmen, als die entweder gar zu unverständig oder mit Zwang unterfangen werden.

An dem Tod dieses Faustus ist Sie so wenig Ursach als mein Reisrock, denn es folget gar nicht, daß ich mich hängen soll, wenn ich nicht genießen kann, was mir anstehet. Wenn solches folgete, so glaube ich schwerlich, daß ein einziger Mensch noch leben würde, sondern hätten sich schon alle aufhängen müssen, weil keiner noch erlanget, worzu ihn seine Neigung getragen. Ist also der Narr an seinem Tod selbst schuld, und kann der Jungfer hierinnen kein Heller Schaden zugerechnet werden. Zwar der Affect der Liebe ist eine unter den größten Bewegungen, die der Mensch zu empfinden hat, solang er lebet, und ich selbst weiß tausend Exempel, da sich dergleichen Stockfische den Tod angetan und sich also nicht verbessert, sondern ihnen selbst das zeitliche und ewige Heil abgeschnitten haben.

Meine adelige Jungfer betrübt Ihr Gewissen ganz vergebens, aber Sie wird lachen, wenn ich Ihr den Grund von diesem Aufhängen eröffnen werde.« – »Was,« sagte sie, »weiß denn der Herr darum?« – »Freilich,« gab ich zur Antwort, »Faustus ist nicht tot. Ich ging gestern vor ebendenselben Baum, sah den Hut mit Straußfedern auf der Erde liegen und den Menschen an dem Baum hangen. Ich ging hinzu, denselben herabzuschneiden, weil er noch mit einem Beine zuckte, aber ein Laquay im roten Rocke sah aus dem hohlen Baum hervor und hieß mich zurückbleiben, oder er wollte mich auf die Haut brennen, daß mir die Federn zu den Hosen herausfahren sollten.

Auf solches ging ich fort und setzte mich weit von ferne hinter eine Hecke, allwo ich mit diesen meinen Augen ausführlich gesehen, daß Faustus durch Hülf seines Dieners [93] von dem Baum heruntergestiegen, als es ganz dunkel geworden. Ich wollte, so ichs vermöchte, tausend Reichstaler parieren, daß der Faustus über drei Meil Weges nicht von hier ist, und er wird sich so lang verborgen und heimlich halten, bis er hören wird, wie Sie sich anstellet, sonst wüßte ich nicht, was er durch diese henkermäßige Politik gesuchet, als sich der Nachwelt jämmerlich zu prostituieren und seinem Geschlecht nicht einen geringen Klecken anzuwerfen. Derjenige, welchen Isidoro mit sich auf das Gastmahl Monsieur Ludwigs geführet und in den sich meine adelige Jungfer so sehr verliebet, der bin ich in eigener Person, denn ich heiße Zendorio und kam dazumal mit großer Unhöflichkeit aus dem Schlosse, davor ich noch recht beschämet bin.«

Die adelige Jungfer sah mich hierauf mit starren Augen an und schämete sich, daß sie so freigebig in dem vorigen Discurs herausgefahren, wollte doch nicht widerrufen, sondern sagte: »Ja, Monsieur, nun kenne ich Ihn. Er ist ebenderjenige Zendorio, aber Er sage mir, wie ist Er so jämmerlich an seinen Kleidern zugerichtet? Gehet Er mit Fleiß so in der Welt herum, oder was treibt Ihn vor ein Zufall zu einem solchen Leben?« – »Schönste Jungfer,« sagte ich, »kein anderer Zufall ist an meinem Wandel Ursach als das bloße Unvermögen. Ich habe mich bei Isidoro nicht anderst aufgehalten als ein Mensch, den das Geschicke mit einer Abenteuer an den Ort gebracht.« Und damit erzählete ich ihr fast die ganze Geschicht, die sich mit mir und Isidoro zugetragen. Sie verwunderte sich recht erstaunend und wußte nun nicht, was sie für Freuden anfangen sollte, weil sie an mir gänzliches Vergnügen hatte. So kam es ihr auch gar wohl zupasse, weil sie hier auf der Einöde wohnete, und dahero machte sie bei sich selbsten wohl tausend Ratschlüsse, mich bei sich zu behalten, denn ich merkte es an ihren Gebärden, daß sie über alle Maßen in mich verliebet war.

5. Capitul. Er hat daselbst groß Glück und dahero Ursach
[94] V. Capitul.
Er hat daselbst groß Glück und dahero Ursach, sich zu betrüben.

Oft manchen Menschen würgt die Gnad,

Ein Käfer stirbt am Rosenblatt.


Auf diesem Hause und bei so beschaffenen Sachen wurde ich gewahr, daß demjenigen, welcher das Glück hatte, die Liebe auch mitten in dem Schlaf über den Hals fiel. Denn unerachtet meines schlechtbeschaffenen Lebens und rechten Übelstandes liebte mich doch diese schöne Jungfer dergestalten, daß ich zweifelte, ob es vielmehr eine Glücks- oder eine natürliche Liebe zu heißen wäre. Sie befahl alsobald, ein Bad anzumachen, und nachdem solches in gegenüber gelegenem Zimmer zubereitet war, verschloß ich mich ganz alleine und säuberte mich geschwinde, soviel mir die Zeit Raum gab. Nach solchem brachte mir die Jungfer selbsten ein Kleid, welches vor diesem ihrem Herrn Vetter, als verstorbenen Besitzer dieses adeligen Gutes, zugehöret, damit ich solches an den Leib werfen und mit ihr zu Mittag speisen konnte. Sie hängte beinebenst einen kostbaren Bademantel nebenst einem seidenen Schlafrock an die Wand, dahero kann der Leser leichtlich bei sich selbst die Rechnung machen, daß es mir auf diesem Hause viel besser als auf dem Schlosse des Isidoro ergangen. Sie wusch mir selbst den Kopf und trücknete mir die Haar mit eigener Hand, und nachdem nichts mehr übrig war, gehet sie hinweg und hieß mich bald nachfolgen.

Eine solche Gestalt hatte es um mich dazumal, als ich fast nicht wußte, was ich tun oder lassen sollte. Eine so gute Gelegenheit war nicht wohl aus den Händen zu lassen, gestaltsam sie sich nicht alle Tage und kaum alle hundert Jahr einmal auch nur allein den Allerglückseligsten ereignet. Und solcher sich so unbesonnen zu unterfangen, war auch nicht gar ratsam, weil man sich in dergleichen Feuer leichtlich verbrennet, und ich ehedessen mit Isidoro auf dem adeligen Gut zu Peltzingen genugsam erfahren müssen, wie ein unverhofftes Übel sich derjenige auf den Rücken zu binden pfleget, der ohne alle Vorsichtigkeit herumzunaschen [95] keinen Scheu träget. Stund dannenhero in tausend Sorgen und fand in der Wahrheit, daß auch der Mensch zu einer solchen Zeit mit den größten Grillen behaftet sei, welche seine glückseligste zu sein pfleget.

Ich zog mich an und fand vor mir solche Kleider, die ich weder durch Geburt noch durch meine Wissenschaft verdienen können. Jedennoch wollte ich dieser adeligen und schönen Dam nicht zuwider sein in einem solchen Zustand, da es mir am nötigsten war, meinen bloßen Leib zu bedecken. Ich hatte zwar Ort und Gelegenheit genug, meine Sorgen auf die Seite zu setzen, aber die vorige Ursach und noch eine andere, die der Leser bald erfahren soll, hielten mich gar billig an meiner Freiheit zurücke und machten, daß ich mich nicht wenig forchte. So gar ist der Mensch der Eitelkeit unterworfen, daß er auch in seiner allergrößten Glückseligkeit nicht vollkommen vergnüget sein kann, sondern es hänget ihm stets eine Makel ah, die ihm durch seine eigene Einbildung verdrüßlich wird. Ich kam in das Zimmer, allwo der Tisch gedecket und die Speisen schon aufgetragen waren. Sie hieß den jungen Knaben beten, und bei ihrer Beschließerin gab sie vor, daß ich vor diesem ihr Præceptor gewesen.

Es ermangelte nicht an der geringsten Höflichkeit, so sie mir, als eine adelige Dam, erweisen können, und unser Discurs war nichts als Ratschlüsse, wie ich ungehindert auf ihrem Schlosse verbleiben und sie mich genug bedienen möchte. Es ist gewiß, und wird es nur ein Unverständiges leugnen können, daß ich dazumal meinem Glück recht in dem Schoß gesessen, denn die Dam ließ sich endlich heraus, sie wollte mich durch ihre Mittel adeln lassen und hernach zum Ehemann annehmen. Diesergestalten hatte ich einen Vorschlag von hunderttausend Reichstalern.

Nach Tische redeten wir etwas mehr von der Sache, und sie führte mich mit sich in ihr Cabinet, allwo ich alle kostbare und rare Sachen, so sie von ihrem Vetter geerbet, zu sehen bekam. Die Ducaten lagen in einem sonderlichen Schrank, in welchem Fach auch die Ringe und andere Kleinodien verschlossen waren. Das übrige Currentgeld stund in versiegelten [96] Säcken, welche in eiserne Kisten eingeleget waren. Sie wies mir beinebens eine Kiste von einer Elle, so mit Reichstalern durch einen Hammer ganz voll angeschlagen war, also daß man keinen mit der Hand herauskriegen konnte. Die Ställe stunden voll Vieh, und der Boden lag voll Getreid, ohne was sonst in Mobilien und anderer Barschaft da war. Sie hatte drei Dörfer und in jedem achtzehn bis zwanzig Bauren. Desgleichen hatte sie Gerechtigkeit, zwei Gehege zu jagen und vier Teiche zu fischen, aus welchen jährlich alleine vierundvierzig Centner Karpfen zu verkaufen wären.

In einem solchen Stand befand sich ihr Vermögen, und ich wollte einen Finger aus der Hand darum gegeben haben, wenn das Gut und diese Gelegenheit mir außer Landes oder gar hundert Meil Wegs von dar zugestoßen wäre, dahero fand sie mich in allem sehr kaltsinnig, und sie konnte sich verwundern, daß ich so traurig war. Ich seufzete öfters, aber ob sie gleich nach allen Kräften um die Ursach fragte, wollte ich doch nicht heraus, sondern gab vor, die zuvor auf der Reise ausgestandene große Kälte bekäme mir so übel, daß ich eine bevorstehende Krankheit daraus urteilete. Sie gab mir auf solches Vorgeben kostbare Medicin ein und pflegte meiner nach aller Möglichkeit, daraus ich mit Verwunderung verstehen müssen, daß dieses liebe Kind mit mir nicht anders als ihrem leiblichen Bruder umging, aber es war mir doch nichtsdestoweniger recht übel bei der Sache, und hätte über mein eigenes Verhängnis selbst weinen mögen.

Solchen Zustand erlitt ich auf dem Hause bis in den vierten Tag, als sie mit Gewalt an mich setzte und mich dahin brachte, daß ich ihr zusagte, sie zu ehelichen. »Adelige und schönste Jungfer,« gab ich ihr zu verstehen, »Ihre große und ungemeine Qualitäten verdienen einen Cavalier, welcher meiner Wenigkeit weit vorzuziehen ist. Ich bin nicht reich, nicht schön, nicht klug, nicht verständig und weiß also kein Mittel, Ihre Holdseligkeit zu vergnügen, über welches ich billig Ursach zu seufzen habe. Weil Sie aber zu meiner Person so sehr getrieben wird, bin ichs zufrieden, Sie also zu vergnügen, als es mein Vermögen zulassen wird. Ich habe [97] mich billig zu erfreuen über ein solch hohes Glück, welches nicht jedem entgegenlaufet. Aber zum Behuf meiner Niedrigkeit schwöre ich hier einen hohen Eid, daß ich von mir selbsten nicht getrachtet, Sie zu ehelichen, wo ich nicht, Ihr eigenes Verlangen zu stillen, mich höchst schuldig befunden, das große Glück samt Ihrer Person demütigst zu um fassen und Ihr durch mein ganzes Leben als ein gehorsamer Diener aufzuwarten.«

Caspia, so hieß sie mit Namen, war über meine Antwort höchst vergnüget, und weil es zu diesen Zeiten ohnedem der Gebrauch war, stille und heimliche Hochzeiten ohne Wissen und Willen der Befreundten, ja, wohl auch ohne Consens des Vaters und der Mutter zu machen, als verehrete sie mir einen Ring von zehen Kronen, und über drei Tage wollte sie welche von ihren besten Freunden hieher rufen und die Hochzeit vollziehen lassen.

Nun war ich auf einer solchen Stufe, auf welche noch der zehente nicht gestiegen, ich wußte nicht, wie mir selbst war, denn es ging mir vor, daß ich so geschwinde wieder hinunterfallen würde, als ich hinaufgestiegen. Hätte ich gewußt, daß es so weit mit mir kommen sollte, ich wollte mich nimmermehr so herausgelassen haben, denn ich gedachte etwan dadurch ein gutes Trankgeld davonzutragen. Aber die Dam war schon zu heftig in mich verliebt, bin derohalben nur deswegen unglückselig zu nennen gewesen, weil mir das Glück gar zu wohl gewollet hat.

Man machte auf dem Hause allerlei Zubereitungen, und dem Pfarrer war schon der Text geschicket, welchen er bei der Trauung auslegen sollte. Indem trägt sichs zu, daß ein Stück Rind umfället und verrecket. Weil es nun bei gegenwärtigen Zeiten bald mußte aus dem Hofe geschaffet werden, holete man den Schinder, und zu meinem Unglücke war ich gleich dazumal mit der Caspia in dem Keller, weil ich daselbsten den Wein auskosten sollte. Sobald wir wieder zurückgelanget, gehet der Schinder durchs Haus, und als er mich sah, grüßte er mich und sagte: »Sohn, wo kommt Ihr da her?« Ich konnte es nicht leugnen, daß er mein rechter Vater wäre, darum kann der Leser gedenken, wie ich [98] nebenst der Caspia erschrocken. Ich wurde wie ein Schnee und Caspia feuerrot. Der Schinder aber lachte und hieß mich mit der Hand willkommen. Ich dankte ihm und gab einen Wink, aber die Sache war schon zu grob am Tage.

Caspia wußte nicht, an wem sie war, und ich eilete vor Spott und Schand auf und davon, so schnell ich auch nur eilen konnte. Mein ganzer Reichtum bestund in dem Ring, den sie mir auf die Ehe gegeben, welchen ich in nächster Stadt verschacherte und meinen Weg den österreichischen Landen zu nahm. Sie hat mir einen langen Weg auf der Straße nachgerufen, ich sollte zurückbleiben, daraus ich noch verstehen konnte, daß sie mich dennoch liebte; aber ich sah mich nicht einmal mehr um und glaube, es wird den Schinder wohl tausendmal gereuet haben, daß er sich sowohl als mich durch seinen Gruß eines so merklichen Glückes verlustig gemachet. Und ebendieses ists, warum ich zuvor so traurig gewesen, nämlich, weil ich geforchten, ich möchte offenbar werden, daß mein Vater nicht weit von dem Ort ein Schinder war, welches ich dem Isidoro noch nicht geoffenbaret hatte.

6. Capitul. Macht sich aus dem Staub
VI. Capitul.
Macht sich aus dem Staub. Beweiset eine wunderliche Gegenlieb.

Unkeusches Herz verdirbt in Spott,

Die keusche Seel sucht Ruh in Gott.


Hier muß ich dem Leser seine eigene Mutmaßung passieren lassen, was vor ein wunderlicher Zustand sich nach meinem Hinscheiden auf diesem adeligen Hause erhoben. Zweifelsohne wird diese Zeitung weit und breit von mir ausgelaufen sein, und wird Monsieur Isidoro, Monsieur Ludwig und noch mehr andere Edelleute sich von Herzen geschämet haben, daß sie mit einem Schinder auf Brüderschaft gesoffen haben. Ja, die alte Edelfrau wird ihrem Sohn nicht einen Filz deswegen gegeben, sondern ihm wohl täglich, ja sogar stündlich vorgeworfen haben, daß er mit einem so liederlichen Teufel sich vermenget, welcher fast bei der ganzen Welt verhasset und verspottet war. Ich will nun nicht sagen [99] von der großen und schmerzlichen Reue, welche die Caspia sich darum wird zu Herzen gezogen haben, daß sie mich nicht allein bei der Beschließerin vor ihren gewesenen Præceptor, sondern hernachmals gar vor ihren eigenen Bräutigam gehalten und ausgegeben.

Ach, was wird wohl der Pfarrer mit dem Hochzeittext vor Grillen gemacht haben? Gewiß, die gute Caspia wird sich fast zu Tod geweinet und mich sowohl als ihren Unstern, welcher sie hierinnen ganz unvorsichtig betroffen, viel mehr als Millionen-tausendmal verfluchet und an den Galgen gewünschet haben. Und wenn mans etwas besser betrachtet, so hatte sie zu solchem gar keine unbillige Bewegung, indem der erste Liebhaber Faustus sich henken wollen und der letztere, als ich, Zendorio, ein gebornes Schinderkind war. Und was noch das Allerschlimmste in dieser Sache gewesen, so wußte sie sich in ihrem Gewissen überzeuget, daß sie sich aus freiem Willen ohne meine Zumutung mit mir verlobet und verbunden hatte, und konnte hier die Ungleichheit des Standes gar nicht schaden, weil ich ihr genugsam zu verstehen gegeben, daß ich viel zu niedrig wäre, ihr Mann zu sein. Aber, möchte einer sagen, ich hätte ihr vor dem Verlöbnis wegen meiner Geburt sollen Meldung tun, auf daß sie sich in diesem Hauptstücke wohl vorsehen mögen. Aber, lieber Leser, ich wollte kein solcher Narr sein, noch mir durch meine eigene Verräterei ein so köstliches Stück Brot vor dem Maul wegschneiden, zudem, so stund es auch noch dahin, ob sie diese Entschuldigung nicht vielmehr vor einen nichtigen Entschluß und keinnützige Ausflucht gehalten, dadurch ich sie an meiner Standhaftigkeit hätte können zweifelnd machen. Ja, ich hatte dazumal den Pfeffer rechtschaffen versalzen und war gänzlich entschlossen, all mein Leben lang nicht wieder zurückzukehren, noch mich in dieser Gegend meines Vaterlandes einzufinden, weil mich aufs wenigst ihre Freunde wegen dieser abscheulichen Beschimpfung würden aufreiben und aus dem Wege räumen lassen. Und hieraus hat der Leser zu lernen, was vor einer großen Unbescheidenheit sich diejenige unterfangen, welche sich unwissend aller Umstände aus einem bloßen Ansehen [100] verlieben und hernachmals ohne Rat und Tat heimlich in einem Winkel ihren Ehecontract schmieden, daraus hernachmals Früchte entstehen, davon ein ganzes Land zu singen und zu sagen weiß. Ja, ich glaub es ungezwungen, daß man diesen Streich auf allen offenen Gassen an den Wochenmärkten wird abgelesen und gesungen haben, so sehr es auch diejenige verdrossen, die an ihrem eigenen Schimpf die größte Ursach war.

Ich habe zuvor gesagt, daß ich dem österreichischen Lande zugewallet, daselbst meine Fortun zu suchen, so gut es die Zeit und Gelegenheit leiden würden. Dahero hielt ich mich an keinem Ort lange auf, denn ich machte mir die Einbildung, Faustus würde mir aus übermäßigem Eifer schnell nachsetzen und mich auf dem Ort und der Stelle in Stücken und Fetzen zerhauen, allwo er mich anträfe. Allein ich forchte mich ganz vergebens, weil ich mehr als sicher dahin gelangte, wo sich meine Lust hingestrecket hatte. Es war mir alles Tun der Menschen zuwider, und ich wünschte mich lange tot und begraben zu sein. Einesteils plagte mich die Liebe, die ich noch zu der Caspia trug, andernteils beschämte mich die Offenbarung meiner Person. Dahero ging ich unter den Leuten herum wie ein Schatten und schrieb mir selbsten zum Trost allerlei Verse, die ich nur ersinnen konnte. Wenns mir beliebte, sollte der Leser hier durch etliche Bogen nichts anders zu erfahren haben als etliche Carmina, die ich in meiner großen Trauer zu Papier gebracht; denn so einen fähigen Geist ich hatte, ließ mich doch die Schamhaftigkeit wegen meiner niedrigen und verachteten Geburt nicht hoch steigen noch auch beflissen sein, mich selbsten in die Höhe zu schwingen, aus Furcht, ich möchte noch mit größerer Ungelegenheit heruntergestoßen werden, als bei diesem Verlöbnis geschehen. Brachte also meine Zeit dahin als ein Famulus und behalf mich bei einer Conditions-Person, die ich nicht nennen will. Sonsten dörften seinesgleichen glauben, ich hätte ihnen zum Præjudiz geschrieben, daß ihnen ein Schinderssohn aufzuwarten genug wäre.

Dazumal gedachte ich aufs neue zurück an die Veroniam und seufzete wohl tausendmal, daß ich mich nicht vielmehr [101] in dem Gefängnis umbringen lassen, als daß ich mich selbsten um nichts anders als meine eigene Geburt bekümmern mußte, die ich doch nicht anders machen konnte. Dahero sah ich klar, daß jeder Mensch seinen gewissen Ursprung hat, daraus er muß gepeinigt werden, so lang er lebet. Ich hatte weder gestohlen noch gemordet, weder geraubt noch die Häuser angezündet, so war ich auch sonsten mit keinem hauptsächlichen Laster behaftet, doch schmerzte michs unvergleichlich, daß mir durch meine Geburt verschlossen waren alle Türen, sowohl zur Ehre als zur Glückseligkeit zu gelangen.

Mein Herr hatte eine Frau, die war nicht gar zu richtig. Sie suchte allerlei Gelegenheit, mit mir zu reden, und gab ihre Meinung genugsam zu verstehen. Neben absonderlichen Ehrbezeigungen spendierte sie mir Geld und Kleider, doch also, daß ihr Herr nichts davon merkte. So war ich über dieses ein so verschwiegener Mensch, daß ich mir viel eher den Kopf hätte einschlagen lassen, ehe ich das geringste Wörtlein offenbaret. Aber als die Sache zu weit kommen wollte, offenbarte ich mich ihr im Vertrauen ganz aufrichtig und redlich, damit sie nicht länger betrogen und ich nicht weiter verführet würde. Aber die Frau fragte nicht allzuviel darnach, ich möchte gleich eines Schinders oder Henkers Sohn sein, sondern sie gab vor, sie liebte nicht meine Geburt, sondern meine Person, æstimierte nicht den Ursprung, sondern meine Qualitäten, denen ich gewachsen genug wäre. Dazumal wurde ich erst recht klug und muß bekennen, daß ich gleichsam erst anfing zu leben und kennenzulernen, in was vor einem schröcklichen Aberwitz und in was vor einer großen Irre wir Menschen hier auf Erden herumzuwandeln pflegen, die wir uns oft selbst nicht kennen noch unsern eignen Schimpf vermeiden.

Es waren ihrer mehr, welche diese zu besuchen pflegten, dahero entschloß ich mich, die Frau zu betrügen, ihr etliche Ketten zu stehlen und damit davonzulaufen. Schmeichelte mich dannenhero so viel an sie, als ich nur konnte, und brauchte gar keine Mühe, sondern dorfte nur den Schlüssel umreiben, so hatte ich zwei Ketten zu ergreifen, die etliche [102] Mark wägten. Damit machte ich mich vor Tages davon, und vor meiner Abreise schlug ich alle Scheiben in dem Hause ein, zerriß mein Bettgewand, und wenn ich Feuer gehabt, hätte ichs Haus darzu angezündet. So feind war ich der Huren, welche wider alle Ehr und Ehrbarkeit sich an einen jeden Flegel angehänget und sich nicht gescheuet, mit mir als einem Schinderskind sich wissentlich in Gemeinschaft einzulassen.

Der Herr war von so großen Mitteln noch Gewalt nicht, daß er mir hätte können nachsetzen lassen, so eilete ich auch nicht gar sehr, weil ich durch den Raub dieser Ketten keinen Diebstahl, sondern nur eine kleine Züchtigung vorgenommen, aus welcher die schlimme, wilde und unzüchtige Frau lernen sollte, wie es ihr ins Künftige gehen dörfte. Sie hatte drei bis vier Töchter, aber es war keine besser als sie. Endlich wurden auch sie zu Huren wie die Mutter, und war nur der Unterschied unter ihnen, daß eine älter und die andere Hure jünger gewesen. Das beste war, daß ich meinen Namen verleugnet, indem ich mich anstatt Zendorio Fidrian genennet, dadurch man mich in der ganzen Welt nicht erfragen können, wenn anders das Lumpengesind auf mich etwas Hauptsächliches suchen wollen. Aber gleichwie sie die Hurerei vor keine Sünde hielten, also schätzten sie auch mein Tun vor keine Übeltat, wie es denn in der Wahrheit auch keine zu heißen war, weil ich die Hur durch diesen Griff nur ein wenig gestraft habe. Ich wollte, es würden dergleichen Stück mehr gepracticieret, so würden sich hinfüro nicht so viel Bestien auf den Messen einfinden.

7. Capitul. Zendorio wird ganz bestürzt über der Abenteuer
VII. Capitul.
Zendorio wird ganz bestürzt über der Abenteuer, die ihm Isidoro erzählet.

Wir irren stets in unserm Wahn,

Wohl dem, der kommt auf rechte Bahn.


Mit den Ketten machte ich keinen langen Proceß, sondern versilberte sie zu meinem Vorteil bei der nächsten Gelegenheit, so sich an die Hand gab. Nach solchem eilete ich den [103] Donaustrand hinunter, willens, mich in den Krieg zu begeben und zu suchen, ob mir da das Glück favorisieren wollte, gleichwie es willens gewesen, mich außer desselben in die Höhe zu schwingen. Zu Ende dessen nahm ich mir vor, in dem Feld ein wenig herumzuspazieren und in solchem Gang den endlichen Entschluß zu fassen, wie mir am besten durch mein zukünftiges Leben möchte geholfen sein. Ich setzte mich auf einen grünen Wasen unter den Schatten eines Baumes, als ich eine Gutsche daherfahren sah, auf welcher ich den Fuhrmann kennen sollte. Es war ebenderjenige, welcher bei dem Isidoro auf dem Schlosse gedienet hatte, und als ich etwas genauer Achtung gab, sah ich den Isidoro selbsten in der Gutsche sitzen.

Eben an dem Ort brach ein Rad entzwei, darum mußten sie halten, und unerachtet ich indessen wohl viermal bei der Gutsche vorbeispazieret, wollte mich doch Isidoro nicht erkennen, entweder weil meine Gestalt von dem starken Trauern und unaufhörlichen Melancholieren ganz verfallen war oder aber weil ich einen andern Habit anhatte. Endlich räusperte ich mich und rufte nur vor mich so hin: »Isidoro!« Sobald er solchen Namen nennen gehöret, siehet er mich etwas schärfer an, und: »Wett der Teufel,« sagte er, »was machst du hier? Du Tausendkerl, was tust du da? Bruder Zendorio, wie bekomme ich dich da zu sehen? Sehet doch, wie die Menschen so wunderlich zusammentreffen!« Auf solche Worte empfingen wir aneinander, und weil man erst aus der Stadt ein neues Rad mußte bringen lassen, gingen wir indessen hin in das Feld und unterredeten uns, was sich in meinem Absein zugetragen, weil ich nunmehr schon ein halb Jahr aus war.

Isidoro verwunderte sich anfangs sehr heftig über mich, daß ich mein eignes Glück so jämmerlich geflohen, als ich aber sagte, es würde ihm wohl, und zwar zur Genüge, bekannt sein, warum ich solches zu fliehen wider meinen Willen wäre gezwungen worden, fing er laut an zu lachen und sagte: »Bruder, setze dich ein wenig hier in das Gras, ich will dir sagen, wie du, die Caspia und der Schinder in dem Hause aneinander betrogen worden. Liebster Zendorio, du[104] meinest, du bist eines Schinders Sohn, und dein Vater ist doch ein Edelmann in dem Lande von solchen Mitteln, als du selbst nicht weißt. Nachdem du aus dem Lande entflohen, wurde dir allenthalben nachgesetzet, und es sind noch etliche Posten aus, die deinem Namen nachforschen sollen, und allem Ansehen nach mußt du denselben verwechselt und verändert haben, weil man nicht einen Buchstaben von deiner Person erfahren können.

Dein Vater ist einer von Adel und wohnet eben auf dem Ort, da du meinest, von dem Schinder gezeuget zu sein. Er wird genennet Monsieur Pilemann und hat all sein Leben lang auf nichts mehrers als Wahrsagereien der Zigeuner und anderer Landfahrer gehalten. In deiner Geburt wurde ihm eben von einem solchen Landstürzer prophezeiet, daß, so er dich in deiner Jugend würde unter die Bauren tun, welche dich berichten würden, daß dein Vater ein Schinder sei, so würdest du ein Glück haben als kein Mensch im ganzen Lande, ja, sie logen ihm vor, du würdest noch im achtzehenten Jahr ein General über eine ganze Armee werden, und was dergleichen Lumpensachen mehr waren. Dein Vater glaubte den Stümpern mehr, als sie von ihm verlangten, dahero tat er dich noch in der Jugend unter die Bauren, welche dir diese Sache so weisgemachet, daß sie dich bis gegenwärtigen Augenblick gedrücket und gequälet hat.

In solchem Irrtum schickte man dich auf die Schule, und du wurdest dennoch keinesweges eines andern berichtet, dahero ist es geschehen, daß du diesen Fehler von Jugend auf vor die allergewisseste Wahrheit gehalten. Es wurde deinem Vater ferner vorgelogen, er solle sich dir nicht eher zu erkennen geben, bis du ein Monarch wärest, sonst dörfte es sein Leben kosten. Und weil er diesen Schwachheiten keinen geringen Glauben beigemessen, hat er sowohl sich als dich selbsten betrogen. Ich gehe nun das andere alles vorbei, wie kümmerlich du dich mit gar wenigen Mitteln durchbringen müssen, welche dir von ihm, aber erst durch die sechste Person, übermachet worden.

Zu der Zeit aber, als du vor einem halben Jahr einen so glücklichen Zug an der Caspia tatest, gab sich die Gelegenheit, [105] daß dort eine Kuh umfiel, wie dir selbst bekannt ist. Hat sich also dein Vater in die Gestalt des Puffers verkleidet und dir zuvor einen Schröcken, hernach aber desto größere Freude verursachen wollen, indem er viel glaubwürdige Zeugen bei sich hatte, dir deinen Scrupel zu benehmen. Aber du konntest des Ausganges nicht erwarten, und mich freuet von Grund meines Herzens, daß ich dich in dieser weit abgelegenen Landschaft auftreibe, und lebe versichert, daß ich viel eher sterben, als dich zurücke lassen werde. Caspia seufzet tausendmal um dich, und ich kann selbst noch etliche Lieder auswendig, welche sie in deinem Absein auf dich gemachet hat.«

Dazumal hatte ich Ursach und Gelegenheit, über die Erzählung des Isidoro mich recht zu verwundern. Ich stund von der Erde auf und sah gen Himmel, schlug die Hände ineinander, wurf den Kopf auf die Seite, seufzete und sagte: »Bruder, ist es möglich, was du sagest, und soll ich deinen Worten Glauben beimessen?« – »Ich betrüge dich nicht,« antwortete mir Isidoro, »und wollte wünschen, du wärest zu Hause, dann solltest du Ursach haben, dich zu verwundern.« Hatte ich nun zuvor nachgegrübelt, so grübelte ich darnach noch mehr nach. Aber Isidoro beredete mich gar leichtlich, mich dieser Narrheiten zu entäußern, weil man sich durch das Melancholisieren nur das Leben abfresse.

Er hatte eine kleine Reise vor, Schulden einzufordern. Wenn ich mich acht Tage an gegenwärtigem Ort enthalten wollte, sollte ich mich indessen parat machen, mit ihm nach Hause zu reuten, und ein Paar Pferde bestellen. Zwischen solcher Rede wurde das Rad verfertiget, und Isidoro stieg wieder auf die Gutsche, nachdem wir zusammen verlassen, daß wir zwischen dieser Zeit an einem gewissen Ort zusammentreffen und miteinander nach Hause kehren wollten.

8. Capitul. Caspia wird begraben
[106] VIII. Capitul.
Caspia wird begraben.

Wer sich die Buß ein Ernst läßt sein,

Geht vor dem Tod das Leben ein.


Indessen hatte ich allerlei Mittel ersonnen, mir die verdrüßliche Zeit zu verkürzen, denn es ist gewiß, daß das Verlangen einen Augenblick oftermalen zu einer Stunde machet. Derowegen reisete ich bald da-, bald dorthin, weil ich durch solches Mittel einen absonderlichen Weg fand, meinen häufigen Grillen zu entgehen. Ich bauete mir dazumal unzählig viel Schlösser in die Luft, und glaube schwerlich, daß sich ein großer Potentat noch so viel Ratschläge geschmiedet, als ich dazumal in Hoffnung meiner künftigen Fortun getan. Dazumal wurde ich erst gewahr, was es hieß, glückselig sein, aber die Wahrheit zu bekennen, so war ich doch noch nicht also zu heißen, weil meine völlige Vergnügung noch an der zukünftigen Zeit gehangen, welche den Menschen ungewiß zu sein pfleget. Die Schönheit der Caspia stund mir immer in Gedanken, und dahero konnte ich auf nichts anders als ihre angenehmste Gestalt bedacht sein. Solchermaßen verbrachte ich alle meine Zeit in den Liebesgedanken und verschwendete durch den Essig meiner noch unvergnügten Zustände gar viel Perllein derjenigen Sachen, die ich zu meinem bessern Nutzen billig hätte anwenden sollen.

Des Tages setzte ich mich wohl zwanzigmal über die Landkarten. Bald meßte ich mit dem Circul, bald mit der Nadel die Örter ab und fand schon eine Zufriedenheit in der bloßen Ansehung der Gegend, wo sich meine Caspia enthielt. Wahr ist es, daß ich dazumal ein rechtschaffener verliebter Narr war, derowegen schätze ichs unvonnöten, den Leser mit solchen Sachen zu beschweren, welche nichts als eine eitle Torheit mit sich zu führen pflegen, sondern werde dermalen fortschreiten, zu erzählen meine folgende Begebenheit.

Es strichen etliche Tage hinaus, als sich Isidoro an dem Ort befand, allwo wir zusammenzukommen verlassen hatten. Er erzählete mir wohl dreißig wunderliche Streiche, die ihm indessen in der Fremde zugestoßen, und in solcher Erzählung [107] brachten wir eine ziemliche Zeit auf der Rückreise gegen das Schloß und Rittergut der Caspia. Ich stellte ihm ingleichen vor, wie gar wunderlich das Glück mit mir gespielet hätte und auf was vor eine Art ich mich indessen durchgebracht, über welcher Erzählung er gleichfalls großes Vergnügen hatte. Wir kehrten eines Abends mit unsern Pferden in einer Herberg ein, welche von dem Schloß der Caspia nur noch etliche wenige Meil Weges abgelegen war. Daselbsten satzten wir uns zu Tische und verstunden von einem Landreisenden, daß vergangenes Tages eben auf dem Gut, da Caspia wohnete, eine Leiche aus dem Schlosse geführet worden, welche mit großen Ceremonien in nächstgelegener Stadt allerehestens würde beigesetzet und begraben werden. Aus der Rede dieses Reisenden konnten wir wohl schließen, daß es keine niedrige Standesperson gewesen. Dahero fragte ihn Isidoro, ob er nicht wisse oder gehöret hätte, wer diese Leiche oder von wannen sie wäre? »Monsieur,« gab der Fremde zur Antwort, »es ist eine ledige Dam von adeligem Stande namens Caspia, welches, wie mich die Leute berichtet, kürzlich gestorben. Und weil ich gestern ohnedem vorbeireuten mußte, blieb ich so lange daselbst stehen, bis die Sach vollzogen ward, in Erwägung, daß ein Reisender sich deswegen in der Welt herumtut, allerlei Begebenheiten, wie und wo sie sich auch zutragen mögen, zu besehen und darauf zu merken.«

All mein Lebtag ist mir kein solcher Stich durch das Herz gegangen als eben, da der fremde Gast uns eine so gar unverhoffte Zeitung vorbrachte, die alleine stark genug war, mir den Geist aus dem Leibe zu jagen. Isidoro erblaßte im Angesicht wie ein weißes Tuch, daraus der Fremde leichtlich schließen können, daß ihm an der Erzählung seiner Historien ein merkliches müßte gelegen sein. Gleichwie aber die Bestürzung über einer Sache ein großes Verlangen erwecket, die gründliche Wahrheit zu erfahren, als satzten wir uns wieder zu Pferd, willens, in einem Currier dahin abzulaufen und zu sehen, wie es um die Caspia beschaffen sei. Die glaubwürdigen Worte dieses ehrlichen Mannes konnten wir nicht in den geringsten Zweifel ziehen, zumalen solches [108] sein hohes Alter und Ehrbarkeit verbot, und ob wir auch solchem keinen Beifall gegeben hätten, fanden wirs doch mehr als wahr, da wir eben an einen Ort gerieten, allwo sie mit sechs Pferden kurz vor uns durchgeführt worden. Die Straße lag von unserm Weg auf rechter Seite ab, derohalben wandten wir die Pferde, der Leiche zu folgen und die Sache aus dem Grund zu erkundigen. Ich fing dazumal schon an zu weinen und konnte vor Tränen nicht sehen, wo ich hinritt, obschon Isidoro mich zweimal berichtet, daß er die Leiche fahren gesehen. In einem solchen Zustand sprengten wir hinnach, und Isidoro hatte kein geringes Mitleiden mit mir betrübtem Menschen, welcher sich durch das Glück gleich einem Federlein in der Luft hin und wider mußte drehen und wehen lassen.

Endlich ereileten wir solche mit Schmerzen nächst einem hohen Berge, allwo sie stille gehalten, damit die Pferde auf der Höhe nicht ermüdet würden. Man nahm aus den anbeiliegenden Bauerhäusern Vorspanne, und dahero hatten wir indessen Gelegenheit genug, uns mit demjenigen zu unterreden, welcher befehlicht war, die Obsicht zu halten. Es war ein Mann von ziemlichen Jahren, und er betrübte sich selbst über den frühzeitigen Tod dieser edlen Caspia, weil er nichts mehr bedauerte, als daß durch ihre Person der Welt ein ziemliches Stück kluger und vorsichtiger Weisheit aus dem Schoße gefallen.

Ich konnte vor allzu großem Schmerzen keine Tränen mehr vergießen oder hatte mich aufs wenigste schon dergestalten von denselben ausgeleeret, daß ich bei gegenwärtigem Zustand nichts als seufzen konnte. Hiermit wandte sich Isidoro zu mir auf die Seite, sagend: »Bruder Zendorio, du bist ein Mensch von schlechter Beständigkeit, wenn du dich nicht weißt zu schicken in das allergrausamste Unglück, so dir widerfahren mag. Die Tote aufzuwecken ist weder mir noch deinem Seufzen zugelassen. Darum ist es vergebens, daß wir uns bekümmern über eine Sache, die nicht mehr kann anders werden. Eine kurze Geduld überwindet ein langes Elend, und du wirst dich selbst trösten können, wenn du gedenkest, daß sie dich nur allein geliebet und vielleicht noch auf [109] dem Totbett tausendmal gewünschet, daß es dir wohl und nach deinem besten Vergnügen gehen möchte.«

Nach solcher Rede des Isidoro beurlaubeten wir den Befehlshaber, und ich wußte nicht mehr, wo ich mich enthalten sollte. Ja, so sehr auch Isidoro an mir war, konnte ich doch keinesweges seines Willens werden, sondern entschloß mich, der Leiche zu folgen und mich alsdann selbsten zu erhungern, weil mich die Trauer dazumal dergestalten eingenommen, daß ich mich nicht scheuete, mir selbsten das Leben zu nehmen. Auf diesem Wege entschloß ich mich, zu meinem Vater zu reuten, auf daß ich aufs wenigste in diesem großen Schmerzen einige Linderung fühlen möchte, weil ich sonsten des gänzlichen Vorsatzes war, mich samt dem Pferde in eine See zu stürzen, dadurch ich in eine viel größere Pein und Qual würde gefallen sein. Aber Isidoro hatte gute Aufsicht, bis wir das Gut meines Vaters erlangten, auf welchem wir überaus stattlich empfangen worden.

Dieser Tag war der erste, an welchem ich meinen Vater habe kennenlernen, und er bat es mir unzähligmal, auch sogar mit vielen Tränen ab, ihm zu verzeihen, daß er mir so übels Geschicke durch seinen Aberglauben über meine Person gezogen. Er beweinete neben mir den plötzlichen Hintritt der alleredelsten Caspia und erzählete beinebens allerlei Ursachen, welche sie zu dem Tod gebracht, darunter die absonderliche Melancholey, welche sie wegen der Abwesenheit meiner Person geschöpfet, nicht die geringste gewesen.

Alle diese Erzählungen verwundeten mein Herz aufs neue. Derowegen begab ich mich auf dem Schlößlein in ein abgelegenes Zimmer, darinnen ich alle meine Zeit mit Seufzen und Ächzen zugebracht. Ich hatte nur noch eine Schwester von fünfzehen Jahren, die war sehr tugendsam erzogen, dieselbe tröstete mich nach ihrem kindlichen Verstand und wußte nicht, wie sehr der Verlust desjenigen Dinges schmerze, welches man sowohl aus dem Besitz als der Hoffnung verloren.

Der Vater selbst trauerte mit mir. Er weinete und stellete sich wegen meiner schmerzhafter, als ichs geglaubet hätte, daß ers sollte tun können. Meine Frau Mutter war ingleichen [110] geschäftig, mich meines so jämmerlichen Schmerzens zu entledigen, aber ihre Gründe waren nicht genug, mir dasjenige aus dem Herzen zu heben, was sich mehr als zu tief darinnen eingesenket und gegründet hatte. Ich verschloß dannenhero das Zimmer und weinete ganz allein, ohne Trost und Hoffnung, wie der verlassenste Mensch unter der Sonnen.

Isidoro hatte sich indessen wieder nach Hause verfüget, welchem der Vater das Geleite gegeben und ihn gebeten, mich nach seiner Gelegenheit zu besuchen und zu sehen, wie er mich wieder zurechtbrächte, weil ihm an mir ein merkliches gelegen. Er glaubte auch gänzlich, so ich mir in solchem Zustand einiges Leid zufügte, daß er an solchem allen die einzige Ursach wäre. Nach solchem nahmen sie auf der Straße von einander Urlaub, und mein Vater tröstete mich nach seiner Zurückkunft, soviel ihm anständig und möglich war. Ich aber wurde je länger je melancholischer und fand in dem Grund der Wahrheit, daß kein so lustiges Gemüt auf Erden zu finden, welches durch die Zustände einer unvergnügten Liebe nicht zu überwinden und mit den allerdickesten Wolken der Trübseligkeit zu überziehen wäre.

9. Capitul. Zendorii elender Zustand
IX. Capitul.
Zendorii elender Zustand. Wird ein Einsiedler, und was ihm in der Wildnis begegnet.

Die Welt ist voll mit Schmerz und Tand;

Weit von dem Feu'r, weit von dem Brand.


Eine solche elende Beschaffenheit hatte es dazumal mit mir ganz verlassenen Menschen. Es mangelte mir zwar weder an Essen noch Trinken, so hatte ich auch zu Vertreibung meiner übermäßigen Grillen Gelegenheit genug, mit den Windhunden in unsere Gehege zu reuten und daselbsten meine verdrüßliche Stunden mit Hetzen zu vertreiben, aber die unvergleichliche Liebespassion hatte mich dergestalten eingenommen, daß sie alle zufällige Lustsuchungen gänzlich bezwungen und überwunden. Der Herr Vater wußte endlich selbst nicht, was mit mir anzufangen sei. Er hatte Barbierer[111] und andere Ärzte bestellet, meine Krankheit zu curieren, aber ich nahm so wenig ihre Ratschläge als die Medicamenten an, sondern entschloß, mich heimlich aus dem Staub zu machen, in eine Wildnis zu gehen und daselbsten das übrige Teil meines Lebens zuzubringen.

Die Gegend des Landes gab meinem Vornehmen nicht geringen Vorschub, indem es weit und breit herum genug rauhe Berge und scharfichte Steinklippen gab, in und zwischen welchen ich nach meinem Vorsatz gar wohl und einsam leben konnte, denn ich achtete außer der Liebe der nunmehr verstorbenen Caspia alles Zeitliche nur vor einen geringen Schatten, ja viel weniger als nichts, und dahero fand ich in mir selbsten keinen Widerstand, vermittelst welchem ich in meinem Vorhaben hätte können zurückegezogen werden, obschon die Sache selbsten und die Art eines solchen Lebens Ursach genug gab, abgeschrecket zu werden. Jedennoch konnte ichs um so viel desto leichter ins Werk stellen, je eine größere Vergnüglichkeit ich in einem so erwünschten Wandel suchte.

Vier Tage nach meiner gefaßten Resolution nahm ich so viel Geld zu mir, als etwan zu einem solchen Vornehmen möchte erfordert werden. Ich hatte mir bei unserm Schloßschneider ganz in der Stille einen Waldbruders-Rock verfertigen lassen, welches ein ziemlicher dicker und dauerhafter Mönch-Boy war, damit kleidete ich mich in meiner Kammer an, hing einen großen Paternoster an den Lendengürtel, nahm einen Stock in die Hand, den Pfaffenmantel um den Leib, und damit ging ich in tiefster Nacht zum Schlosse hinaus.

Die Kettenhunde belleten mich ziemlich an. Weil aber ihr Geheule aus Gewohnheit nicht viel in acht genommen wurde, zum Teil auch das meiste Gesind im ersten Schlafe begriffen war, kam ich ganz unvermerkt auf die Straße, nachdem ich zuvor einen Brief in der Kammer zurückgelassen, aus dessen Inhalt meine Eltern ersehen konnten, welch eine Lebensart ich auf mich genommen und wie ich eigentlich resolvieret wäre, mein trauriges Leben zu beschließen. Solchergestalten verließ ich das Schloß in der Nacht und [112] begab mich in eine abscheuliche Wüstenei, allwo vielleicht viel mehr wilde Tier als Menschen gewohnet. Ich setzte mich zwischen zwei hohen Felsen auf der Höhe eines Berges und machte meine Wohnung von dem Moos, welches ich von den Bäumen riß. Meine Oberdecke oder das Dach richtete ich zu mit großen und abgefallenen Rinden, mit allerlei Blättern vermischet, die ich da antreffen konnte. Dergestalten saß ich an einem Ort, wo mich weder Sonn noch Mond bestrahlen konnte, in großem Elend und langweiliger Einsamkeit.

In der erste konnte ich die menschliche Gesellschaft sehr hart entbehren, ging dahero auf unterschiedene und weit abgelegene Örter betteln und sammlete da zusammen allerlei Victualien, bis ich gewohnet wurde, mit meinen Händen die Wurzel aus der Erde zu graben. Es ist mir all mein Lebtag nichts Verdrüßlichers vorgekommen, als wenn ich zu Nachtzeit so gar einsam und von aller menschlichen Gesellschaft verlassen in meinem Nest gesessen und mein großes Elend betrachtet habe. Ich hörte weder Uhr noch Glocke, dardurch ich hätte können die Zeit abmessen, und kann mir nicht einbilden, daß ein Mensch auf der Welt so große Verdrüßlichkeiten als ich dazumal gefühlet. Unter meinem Berge war ein großer See, und wenn ich auf solchem etwan des Tages ein paar Fischerschifflein vorüber- oder auch auf der Ferne fahren sehen, so war es die allervortrefflichste Lust, die ich in dieser Einöde zu genießen hatte. Urteile dahero nicht unbillig, daß ich durch die Erzählung meiner Trauer dem geneigten Leser wenig Freude verursachen werde, indem ich nur vorstelle solche Sachen, die von aller Ergötzlichkeit weit entlegen sind.

Aber eben darum werden solche Zustände mit so gewissen Umständen beschrieben, auf daß man sehen kann, welch einem Übel sich der Mensch oftermalen selbsten unterwirft, wenn er sich weder führen noch raten will lassen. Ich hatte zwar genug Ursach, die Eitelkeit der Erden zu fliehen, und bin deswegen von keinem Menschen zu verdammen, aber wenn ich betrachte die Ursach und den Anfang meiner Einsamkeit, finde ich keinen großen noch starken Grund darinnen, [113] auf welchen ich meine angefangene Strengigkeit des Lebens hätte bauen und fortführen können. Denn es war vielmehr eine Verzweifelung als ein wahrer Vorsatz zu nennen, durch welche ich angetrieben worden, eine solche Lebensart zu erkiesen, vor der sich auch die Tiere scheuen.

Wenn es regnete, legte ich mich hinter das Dach der Baumrinden, damit ich daselbsten bei dem angenehmen Gemurmel der Wassertropfen einschlummern und schlafen möchte. Genoß auch diese angenehme Lust ziemlich oft und viel, weil auf diesem Gebürge fast täglich große Sturmregen waren, unter welchen ich zuweilen in einem Buche gelesen, die ich zu Vertreibung der Zeit von dem Schlosse zu mir genommen. Wahrhaftig, diese Art zu leben war mir fast noch die allerangenehmste, wenn ich nur nicht so sehr außer mir selbsten wäre entzucket gewesen, denn das Angedenken der Caspia ließ mich bei keiner Gemüts-Zufriedenheit, sondern zerstreuete meine Gedanken wohl tausendfältig hin und wider, daß ich mir endlich selbst nicht mehr zu raten wußte.

Sehet, wohin endlich das menschliche Gemüt gerate, wenn es durch gelegte Stricke in sich selbsten verwickelt wird. Es ist keine Hand so künstlich, solche Knöpfe aufzulesen, und Alexandri Schwert ist viel zuwenig gewetzet, diese Knoten entzweizuschneiden, denn ich halte kein Elend so groß und unermessen als dasjenige, welches verursachet, kleinmütig zu werden, weil dadurch umgestoßen wird diejenige Kraft, durch welche sich der Mensch selbsten zu trösten vermag.

»Armer Zendorio,« sagte ich zu mir selbst, »du bist gleich einem wilden Vieh, welches in der Wildnis herumwallet, seine Speise und Aufenthalt zu suchen. Das Unglück peinigte dich unter den Menschen, und die Einsamkeit quälet dich unter dem wilden und vernunftlosen Vieh! Du bist viel verlassener als jene, weil du etwas bindest mit Gewalt, was sie von Natur auszustehen gewohnet sind. Sei geduldig und ertrage dein Leid. Dein Schmerz wird doch deswegen nicht verringert, ob du dich gleich darum betrübest, daß er nicht kann gemindert werden. Diese Einöde hält deinen Leib verborgen, aber sie vermag nicht auszuschließen die [114] widrige Gedanken, so dich ohne Unterlaß peinigen. O ihr meine Gedanken! Ihr seid diejenige Würze, welche mein Fleisch vor der Zeit verzehren, und ich werde so lang in euch unglückselig sein, solang ihr mich Unglückseligen nicht verlasset.

Ich habe von euch und auch von dir, o eitle Erde, nichts als unaufhörlichen Verdruß! Wo ich mich hinwende, erblicke ich nichts anders als eine Kreuzschule meines Lebens, in welcher ich so lange lernen und studieren muß, als lang meine mühselige Tage nicht vollendet werden. Deine Bitterkeit, o schnöde und bald verschwindende Zeit, ist mir mehr als zuviel bekannt, und dennoch habe ich dich noch nicht verwerfen können, weil es mir mangelte an dem wahren Grund einer herzlichen Andacht, durch welche ich mich deinen Stricken möchte entrissen haben. Diese grobe Einöde und dieser grausame Ort tragen mit mir ein herzliches Mitleiden, und die Blätter, so an den Bäumen hin und wider wanken, geben sattsam zu verstehen, wie betrübt sie alsdann über meinen Zustand sein würden, so sie das Leben hätten, solches gegen mich zu entdecken. Ach, wie schmerzet ihr, ach wie peiniget ihr, ihr quälende Gedanken! Eure Folter übertrifft alle Grausamkeit der Henker, und eure Fessel sind an der Schärfe nur mit sich selbst zu vergleichen. Was soll ich nun tun oder ferners in der Welt beginnen, weil ich diejenige in dem Grab verschlossen weiß, bei welcher ich alle meine Zufriedenheit gesuchet? Warum soll ich leben, wenn ich hinfüro all meine Stunden in derjenigen Trauer vergraben muß, welche mich je länger je mehr zu töten drohet? Wahrhaftig, dieses Betrübnis übertrifft alle Marter der Barbaren und Tyrannen, mit welchen sie ihre Gefangene beleget haben.«

Mit solchem Wehklagen wandelte ich die Wildnis auf und ab. Meine Hütte wurde bald von dem Wind, bald von dem Regen zuschanden gemachet, dahero kriegte ich ohne Unterlaß zu flicken und zu arbeiten, dadurch ich in etwas verhindert worden, meinen Grillen nachzuhängen. Endlich sah ich zu meinem Vorteil einen hohlen Baum, darinnen ich mich so gut enthalten, als es der Ort mit seiner Gelegenheit erdulden[115] wollen. Ich schnitt durch die Rinde ein Fensterlein, und vor das übrige Loch des Einganges flocht ich eine von Weidruten zusammengeflochtene Tür, welche ich mit Baummoos und anderm Grase verstopfte, und auf eine solche Weise bestallte ich meine neue Eremiterey elend und barmherzig genug, verlangte auch nichts mehr, als in diesem miserabeln Zustande bis an das Ende meines Lebens zu verharren.

Eines Abends, als ein sehr starker Regen einfiel, befand ich mich in einem tiefen Tal, ober welchem ich meinen Wohnbaum stehen hatte, daselbsten das Moos von den Rinden zu sammlen, mit welchem ich meine Wohnung vor Frost und Kälte zu verwahren willens war. Der Regen wurde immer je stärker, dahero eilete ich über den Berg hinauf und verschloß mich in meine Klausen, so gut ich konnte. Das angenehme Geräusch desselben verursachte gar bald, daß ich mich niederlegte, weil ich zu solchem Raum genug hatte, und durch dieses Mittel schlummerte ich je länger je tiefer ein, bis ich endlich zu schlafen angefangen und eine ziemliche Zeit getraumet hatte.

Aus solchem meinem tiefen Schlaf wurde ich unversehens erwecket, wußte aber erstlich nicht, von was. Ich rieb die Augen, wendete mich hin und wider, hörte aber gar bald etliche Wölfe heulen, durch welches Geschrei ich ohne Zweifel dazumal aufgewecket worden. Nachdem ich das Fensterlein eröffnet und hinausgesehen, stehen unfern von mir sechs große Wölfe bei einem Hirschen, welchen sie schon halb aufgefressen hatten. Der Anblick dieser Tiere machte mich nicht ein geringes bestürzet, weil ich mir weder zu raten noch zu helfen wußte. Ich verknüpfte die Tür, so gut als ich nur konnte, aber allem Ansehen nach so war solche gegen so viel und große Wölfe viel zu schwach, und hinauszulaufen war gar nicht ratsam, weil ich mich durch dieses Mittel ihnen selbst in den hungerigen Rachen würde gestecket haben. Weil nun der Baum hinaufwärts etwas enger war als untenher, resolvierte ich, mich dahin zu verfügen, stieg also gleich einem Feuer-Mäuer-Kehrer über mich, und daroben stieß ich ein absonderliches Loch aus, durch welches ich den Wölfen ferner zusehen können.

[116] Diese Retirierung kam mir ausdermaßen wohl zustatt, denn die Wölfe kamen nach aufgefressenem Hirsch nicht allein zu meinem Baum her, sondern rissen die Tür auf und voneinander, allwo noch vier andere zu der vorigen Zahl gekommen und ein greulich Geheule angefangen. Ich hielt mich in der Höhe mit allen vieren an, so gut es der Baum leiden konnte, kroch auch je länger je höher hinauf und zitterte vor Furcht gleich einem Blatt an dem Baum. Auf den Regen kam ein großer Wind, durch welchen ich in dem Baum hin und wider geschwenket worden, also daß ich geforchten, der Wind dörfte mich samt dem Baum zur Erden werfen, und solchergestalten hätte ich einen doppelten Untergang zu förchten.

Die Wölfe schnupften immer mit der Nase gegen mir herauf, sie sprangen und kratzten wider den Baum, und unerachtet ich grausam und stark hinwieder geschrien, wichen sie doch keinesweges, sondern fuhren in ihrem abscheulichen Geheule dermaßen fort, bis ich ganz an meinem Leben verzaget. Ich stieß daroben noch ein Loch aus und rufte um Hülfe. Aber wer sollte mich in dieser Wildnis haben hören können, da ich noch keinen Menschen gesehen habe? Dahero war dieses mein endlicher Entschluß, so lange in der Höhle auszudauren, als es meine Kräfte erdulden wollten, und solchergestalt wurf ich meine Einsiedlerskappe vom Kopf hinweg und unter die Wölfe hinunter, welche sie in kleine Stücke voneinander gerissen, daraus ich gespüret, wie sie meinem Leib mitfahren würden, so ihnen solcher in die Zähne geriete. In solchen Gedanken erhörte ich ein Jägerhorn, und ich glaubte gar, es wäre der böse Geist, weil man Exempel hat, daß dergleichen Jagden gar viel und zu unterschiedlichen Malen von ihm gehöret worden, dahero kann der geneigte Leser betrachten, in was vor einer Furcht dazumal mein Herz gestanden, welches sich allgemach von zweien Feinden angelaufen zu werden glaubte. Allein das Jägerhorn kam je länger je näher, und ich sah zum großen und unverhofften Trost meiner Person einen Jäger zu dem Baum kommen, welcher das Anzeichen gab, als wären seine Glieder vom starken Herumstreifen sehr müde.

[117] Er ließ sich zur Erde nieder, als schon vier andere seiner Gesellen hernachkamen, zu welchen er geredet, daß er in dem Gehölze gänzlich verirret sei. Kurz darauf kamen ihrer drei zu Pferd, gleich den Jägern bekleidet; und die Wölfe, so in und um meinen Baum herumgestanden, wendeten sich um, teils blieben stehen, teils liefen in die Tiefe, aber ich rufte oben zu dem Loche heraus um Hülfe, welche sie mir auch alsobald geleistet, indem sie noch zwei Stück vor meinem Baum erschossen. Die übrigen gaben die Flucht, und solchergestalten kam ich mit großer Gefahr den Baum wiederum hernieder und bedankte mich wegen ihrer Hülfe.

Es war bald Nacht, derhalben machten sie ein Feuer nächst dem Baum und blieben die Nacht bei mir auf der Erde schlafen. Es hielt einer um den andern die Wach, und verwunderten sich über die Begebenheit, so mich heute abend so unversehens in dem Walde betroffen. Weil ich nun in so geraumer Zeit keinen Menschen in dieser Einöde gesehen noch verspüret, als bat ich denjenigen, so die Wache hatte, mir zu erzählen, wie und auf was Weise sie so unverhofft in diese Gegend geraten.

10. Capitul. Etliche Jäger werden in den Wald geschicket
X. Capitul.
Etliche Jäger werden von Ludwig in den Wald geschicket.

Wenn Unglück, Furcht und Schrecken blitzt,

So kommt ein andrer, der uns schützt.


»Mein lieber Eremit,« gab der Jäger zur Antwort, »es ist freilich nicht ohne, daß in dieser Gegend wohl der tausendste Jäger, viel weniger ein anderer Mensch niemalen gewesen ist. Aber die Ursach unsers so weiten Herumstreifens wird verursachet von einer Hochzeit, welche über acht Tage auf dem Schlosse eines Edelmannes solle vollzogen werden.

Wir dienen einem Freisassen namens Ludwig, auf dessen Schloß enthält sich schon ein halbes Jahr her eine schöne Dam namens Caspia, die ihresgleichen schwerlich in der Welt haben wird. Es ist noch kein Jahr, als sie sich mit einem Kerl in ein heimliches Verständnis eingelassen. Derselbe muß [118] ohne allen Zweifel nicht wohl sein bei Sinnen gewesen, denn er hielt sich selbst vor einen Schinderssohn, welcher er doch nicht war, sondern er ist dem gemeinen Ruf nach von seinem Vater von Jugend auf mit dieser wunderlichen Meinung aufgezogen worden, dadurch er Ursache und genugsamen Grund bekommen, sich selbsten vor verachtet zu halten, ob er schon in dem Werk selbsten von einem alten Geschlechte des Landes entsprossen. Seine Qualitäten sind dermalen nicht anders bekannt, als was Unterschiedliche vom Adel von demselben bishero rühmlich berichtet haben, und erscheinet aus dem, daß er ein wackerer Mensch müsse gewesen sein, weil Caspia nach seinem Hinwegscheiden in tausend traurige Verwirrungen geraten, dadurch sie gezwungen worden, das Gut zu verlassen und sich in eine Einöde zu begeben, darinnen sie auch durch zwölf ganzer Wochen ein recht scharfes und eremitisches Leben geführet.

Es trug sich aber ungefähr zu, daß mein Herr in der Wildnis herumritt, daselbsten die Forste aus- und abzuteilen, als er ihrer mit großer Verwunderung in einer Steinhöhle gewahr wurde; brachte sie endlich mit sich heraus und hat sie so viel beredet, auf seinem Schloß zu wohnen und ihr voriges Leben anzufangen. Sie hat gefolget, obwohl ganz gezwungen. Aber Monsieur Ludwig, als er erfahren, daß ihr gewesener Liebster nimmermehr und nirgends anzutreffen sei, beredete er sie so weit, daß sie sich mit einem vom Adel in ein eheliches Gelübde einzulassen schien, obschon hierinnen sonderliche Practiquen steckten, welche der Bräutigam durch Finanzereien angestiftet. Er heißet mit Namen Faustus und ist ein Jüngling, der vor allen den Ruhm und Vorzug alleine hat. Seine Güter sollen sich in zwei Tonnen belaufen, aber dem allen ungeachtet, weinet doch die Jungfrau Tag und Nacht, weil sie sich nicht entschließen kann, das Gedächtnis des Vorigen aus ihrem Herzen zu jagen. Sie erbarmet allem Schloßgesinde, und wie es scheinet, so dörfte wohl gar nichts aus der Hochzeit werden, denn es kam neulich ein junger Edelmann namens Isidoro auf das Schloß, welcher meines Herrn vertrautester Freund und Bruder ist. Derselbe brachte Bericht, daß er den vorigen Liebhaber [119] nicht allein in der Ferne wieder angetroffen, sondern denselben auch mit sich nach Haus gebracht.

Nun ist sichs zu verwundern, was vor eine große Irre in dieser Sache entstanden; denn als Caspia aus Unmut und großer Melancholey das Schloß verlassen, gegen den Wald gegangen und in demselben ein so scharfes Leben angefangen, hat sie ganz heimlich und im verborgenen ihre Muhme an ihre Stell auf das Gut gesetzet, [ihr] auch all dasjenige eigen übergeben, was sie zuvor im Besitz gehabt.

Diese ihre Muhme war eine ausdermaßen artige Jungfer, und konnte man unter beiden keinen großen Unterscheid finden. Sie nennete sich zu mehrerm Behuf auch Caspia, wurde aber unversehens mit einer schnellen Krankheit überfallen, dadurch sie ins Grab gebracht und neulich beerdigt worden. Nach dem Tod dieser Caspia nahm Monsieur Ludwig als der nächste Erbe das Gut in Besitz, aber nachdem er die rechte Caspia mit Verwunderung und wider alles Verhoffen nach vorerzählter Historia in einem groben und rauhen Wald zwischen spitzigen Steinklippen angetroffen, hat er ihr das Erbe wieder eingeraumet, ob sie sich schon entschlossen, nicht das geringste Wort mehr davon zu hören.

Ich habe Euch kurz zuvor gesaget von der Wiederkunft des Isidori auf unser Schloß und zugleich von der fröhlichen Post, die er an die Caspia nach entdecktem Zweifel abgeleget, aber die Jungfrau hielt alles nur vor einen traumenden Trost, der viel mehr zu peinigen als die Pein zu lindern pflegte. Auf solches ritt mein Herr mit ihm in eigener Person auf des Fremden Gut, welchen sie Zendorio hießen, kamen aber leider mehr als gar zu traurig wiederum zurücke, indem sie keine andere Nachricht von ihm einholen können, als daß er in einer Nacht wider Verhoffen das Schloß ganz heimlich verlassen und sich zweifelsohne in einen solchen Ort begeben hätte, darinnen er nimmermehr würde zu finden sein.

Diese Zeitung brach der betrübten und noch lebenden Caspia fast gar das Herze, und sie wußte lange nicht, wie sie sich darein schicken sollte. Faustus aber hat bei so beschaffener [120] Sache seine Gelegenheit in Obacht genommen, und stehet dahin, ob ihr eheliches Verlöbnis ehestens vorbeigehen dörfte, weil wir ausgeschicket worden, zu solchem etliche rare und kostbare Tiere aufzusuchen. Und dieses ist eigentlich der Weg und die Ursach, welche uns in diese abscheuliche und von allen Menschen abgesonderte Wildnis getrieben, sonst hätten wir nimmermehr die Gelegenheit gehabt, Euch frommen und einsamen Menschen mit unserer Hülfe beizustehen und Euch aus einer solchen Gefahr zu erretten, in welcher manch ehrlicher Kerl zuschanden gegangen.«

11. Capitul. Zendorio kommt auf Ludwigs Castell
XI. Capitul.
Zendorio kommt auf Ludwigs Castell.

Der Tag bricht nach der Nacht herein,

Auf Regen folget Sonnenschein.


Der Jäger hatte bei dem Feuer seine Rede mit einer sonderlichen Höflichkeit beschlossen, als ich in meinem Herzen viel tausend Kreuz gemachet, zumalen er solche Sachen erzählet, die wohl eine mehrere Verwunderung als diese würdig waren. Ich seufzete unter währender Erzählung unzähligmal und wußte meine Affecten nicht so tief zu verbergen, daß der Jäger nicht eines und das andere an mir wohl wahrgenommen. Denn es ist einem recht Verliebten unmöglich, die Schalkheit so gar aus dem Grund und Fundament zu verbergen und auf die Seite zu stellen, so sehr und beflissen er auch ist, sich mit einem scheinheiligen Fuchsschwanz zu verdecken.

Er fragte mich dannenhero, was ich so bitterlich über und unter währender seiner Erzählung geseufzet hätte, und ob mir von gegenwärtiger Sache etwas bekannt wäre. Ich gab zur Antwort, daß ich nicht ein Wort um seine erzählte Begebenheit wüßte, sondern daß ich mich vielmehr in meinem Herzen erfreuete, daß Monsieur Ludwig noch im Leben wäre, welcher ehedessen mein vertrautester Freund unter Tausenden gewesen, auch so es möglich wäre, wollte ich wünschen, daß ich ihn noch vor meinem Tod sehen möchte. [121] Der Jäger versprach, mir hierzu fleißige Hülfe zu leisten, redete darauf eines und das andere, ich aber legte mich hinum und schlief auf meinen eingenommenen Schrecken ein wenig aus.

Sie bliesen schon ihr Horn, als ich morgens aufwachte und das Feuer ausgeloschen befand. Der vorige Jäger hieß mich mitkommen, so gut ich könnte, und damit eilete ich mit diesen Leuten den Wald mit müden Füßen hin und wider, bis wir nach dreien Tagen ganz ermüdet nach Hause und auf das Schloß Monsieur Ludwigs gerieten.

Sie hatten etliche Tiere gefället, mit welchen man der Küche zueilete, weil man beflissen war, den Faustus mit einer guten Mahlzeit zu bewillkommen, welcher mit seinen Leuten ganz herrlich eingezogen war. Ich stund in der Jägerstube, dahin mich meine Begleiter logieret hatten, und sah mit Verwunderung, wie sehr er sich zu seinem Hochzeittage gerüstet. Seine Diener prangten mit der schönsten Liverey, aber wie ich berichtet war, so weinete die Caspia unermeßlich, und Ludwig war beflissen, die Sache zu hintertreiben, soviel ihm möglich, weil er gesehen, daß sie durchaus gegen dem Fausto mit einziger Gegenliebe nicht zu bewegen war.

Ludwig forschte endlich aus den Jägern, wo sie bishero herumgestreifet, und erfähret endlich von denselben, daß sie einen Eremiten mit sich gebracht, der nach seiner Person so vielmal geseufzet und verlanget hätte. Er lachte und kam auf die Botschaft der Jäger selbst zu mir in ihre Stube, allwo er mich angeredet und gefraget, was meines Tuns wäre und wie ich mit ihm bekannt wäre. Ich nahm Monsieur Ludwig ein wenig auf die Seite und sagte ihm ins Ohr: »Monsieur Ludwig, kennest du deinen Bruder Zendorio nicht mehr?« Auf diese Frage wendete er sich schnell gegen mir, heißet die Jäger hinausgehen und sagte: »Ach, allerliebster Freund unter der Sonnen, welch ein wunderlich Glück gibt mir zu, daß ich dich hier in meine Arme schließen kann? Ich grüße dich, o allerwertester Freund, und erfreue mich über deiner Gegenwart mehr denn über Gold und Silber. Herzliebster Bruder, sage mir, wie hat dirs gegangen und wie [122] kommst du in diesen artlichen Habit? Wett der Teufel, wie siehst du aus? Ich hätte dich viel eher vor einen Wiedhopf als vor den Zendorio gehalten, erzähle mir doch nur mit wenigem, wie es dir ergangen, denn ich sterbe fast vor Begierde, deine Zustände zu erfahren.«

Hiermit führte er mich mit sich über eine steinerne Treppe von acht Stufen hoch, daselbst setzte ich mich mit ihm in ein kleines Zimmer, allwo ich ihm ganz umständlich erzählet, wie und auf was Weise ich bis dahero gelebet und wie elend ich meine Zeit zugebracht hatte. Bald sprang er in die Höhe, bald setzte er sich wieder nieder, so sehr konnte er sich über meine Erzählung verändern. Er wand die Hände zusammen, schwang dieselbe bald über den Kopf, bald auf den Bauch, bald umfaßte er mich gar mit beiden Armen und trieb ein rechtes Affenspiel mit mir. »Du armer Schelm,« sagte er, »kommst gleich noch recht zur Hochzeit. Deine Liebste hat sich fast die Augen ausgekratzet, dadurch sie endlich würde ausgesehen haben wie diejenigen, welche in dem Meer oft ohne Nasen, Augen und Ohren an das Ufer geworfen werden, welches nach dem Zeugnis unterschiedlicher Autoren von den Meerwundern, so sich in der Tiefe des Wasserreichs befinden, geschehen solle. Deine Zustände sind zu beschmerzen, aber weil du nach ausgestandenem Ungewitter nunmehro unter warmer Sonnen stehest, hast du dich nicht mehr zu betrüben über ein solches Geschicke, welches dir vielmehr Anlaß gegeben, deine Freude zu verdoppeln. Mein Schloß soll diesen Tag vor den allerfreudenreichsten halten, und nichts wird in meinem geringen Vermögen stehen, das ich dir zu Ehren zurückhalten werde. Lebe wohl, ich gehe nun zu der Caspia, welche sich in dem obern Geschoß ganz alleine verschlossen.«

Nach diesen Worten verließ mich der ehrliche Ludwig, und ich legte mich indessen auf eine Bank, weil ich von der Reise noch nicht ausgeruhet hatte. Nach einer Viertelstund kam er wieder herunter, und ich hörete ihn schon über die Treppe springen, als er zugleich an der Tür war und mich geschwinde mit sich kommen hieß, weil er einen Hauptpossen angestellet hatte. Er machte es fast wie Marchetti, der kaiserliche[123] Musicus. Als sich ein teutscher Violinist zu Wien wollte hören lassen, lauft er zu ihm und sagt: »Schwind, schwind, schwind, schwind, fein schwind!« So ging es auch mit mir, denn ich konnte mich kaum so bald von der Bank erheben, als er mich schon bei dem Ärmel genommen und mit sich zu der Caspia Gemach hinaufgeschleppet. Er eröffnete die Tür und führte mich mit sich in großer Ehrerbietigkeit zu ihr hinein, und nach solchem nahm er seinen Abschied, uns ganz alleine beieinander lassend.

Caspia, welche noch voll Tränen stund, fing an, gegen mir folgende Worte zu reden: »Allerliebster Herr Doctor, ich höre, Er habe eine Salbe, die Tränen zu stillen. Weil mir nun meine Augen von denselben ganz wund geworden, bitte ich, Er lasse mir welche zukommen.« Ich mußte heimlich lachen, daß Ludwig in dieser ernstlichen Sache seine Narrenpossen nicht verbergen können, sondern mich bei der Caspia vor einen Quacksalber ausgegeben, die da Salben vor die Augen verkaufen, und mußte dahero lachen, wenn mich nicht die plötzliche Freude sowohl als die große Erbarmnis über dieses unschuldige Kind zu einem Mitleiden bewogen hätten. »Caspia,« sagte ich, »Ludwig ist ein scherzhafter Mensch, welcher unter einem Waldbruder und Gassenarzt keinen Unterscheid machet. Aber warum bittet Sie um eine Salbe vor die Tränen? Sie ist eine Braut und hat vielmehr Ursach, zu frohlocken als zu weinen!«

»Ach, Ihr irret ganz weit,« sagte Caspia, »mein frommer Eremit. Ludwig scherzet zwar, und ist mir leid, daß er Euch vor einen Arzt bei mir angegeben, der Ihr doch nicht seid. Entgegen aber habt auch Ihr in diesem unrecht geschlossen, daß ich eine Braut sei, die ich doch nicht zu sein verlange.« Hiermit fing sie wieder an zu weinen, aber Ludwig eröffnete das Zimmer und sagte: »Bruder Zendorio, was machst du mit ihr viel dicentes?« Hiermit riß er mir die Mütze vom Kopfe und sagte gegen die Caspia: »Jungfer, erschrecket nicht und sehet den Kerl recht an!« Mit diesen Worten lief er wieder zum Zimmer hinaus. Caspia war fast vor Freuden zu Boden gesunken, als sie mich zu betrachten angefangen, denn sie erkannte mich mehr als zuviel. Ich war so weichherzig, [124] daß ich mit ihr zu weinen anfing, ob uns schon Ludwig von Herzen außer der Tür aushöhnete. Ich küssete sie wohl tausendmal, und sie wußte nicht, was sie mir vor übergroßen Freuden vor Freund- und Liebsstücke erweisen sollte, bis uns Ludwig voneinander brachte und sagte: »Nun muß aller Scherz auf die Seite gesetzet sein. Die Sach braucht Ernst. Denn Faustus muß mit Manier abgewiesen, und dir, Bruder Zendorio, muß die Jungfrau werden. Das ist das beste, daß er noch keine Versicherung hat, sonst dörfte der Handel blutig ablaufen. Aber er mag beginnen, was er will, wenn er Verstand im Kopf hat, so wird er spüren, daß ihm die wunderliche Zustände des Glückes und nicht wir ihm die Braut aus den Händen gespielet haben.«

Hierauf redete er die Sache ganz ausführlich mit uns ab und ließ zur Beförderung dessen Monsieur Isidoro von dem Schlosse hierherrufen, welcher sich fast zu Tode verwundert, da er mich in meinem lästerlichen Einsiedlersrocke betrachtet. Sie machten die Sache ganz kurz und unterrichteten die Caspia auf eine solche Weise, daß sie zu Fausto sagen sollte, er solle ihr in Gegenwart gewisser und nötiger Zeugen einen Eid ablegen, daß er sie nicht heuraten wollte, sofern sich Zendorio innerhalb vierundzwanzig Stunden auf dem Schlosse einfinde, käme er aber zwischen dieser gesetzten Zeit nicht, so wollte sie ihm entgegen schwören, ihn, den Faustus, zu ehelichen, und auf eine solche Weise wäre sie entschlossen, die Ehe zu schließen und zu contrahieren.

Faustus, welcher sich nichts weniger als die Gegenwart des Zendorio eingebildet noch geglaubet hätte, daß ich solle so nahe sein, ließ sich mit einer hohen Verpflichtung nach Verlangen der Caspia heraus und vermeinete, nunmehr den Fisch gefangen zu haben.

12. Capitul. Zendorio macht mit der Caspia Hochzeit
[125] XII. Capitul.
Faustus geht durch. Zendorio macht mit der Caspia Hochzeit.

Oft mancher greift nach schnödem Gut,

Hat nichts, wenn er die Händ auftut.


Der Eid, welchen Faustus abgeleget, geschah in einer großen Frequenz der Adeligen, welche sich ob der geschwinden Resolution der Caspia sehr verwunderten, zumalen sie sich sonsten auf keinerlei Condition noch Manier mit ihm einlassen, viel weniger verbinden wollen. Aber Ludwig hatte indessen mit Isidoro dem Schneider gerufen und mir ein stattliches Kleid verfertigen lassen. Es ging der Morgen vorbei, und Faustus gedachte schon an das vierte Teil seines Gewinsts, unerachtet er nicht gedacht, was der späte Abend mit sich bringen dörfte. Solchermaßen rückte der Abend herzu, und wurde schon die funfzehente Stunde gezählet, von der Zeit, da der Pact eingegangen worden. Das Tor war zu und dahero die Freude des Faustus desto größer, daß Zendorio nicht hereinkommen würde. Zu Ende dessen bestach er den Torwärter, damit er alle Fremde abweisen sollte, und auf eine solche Art verhoffte er eine so lang belagerte Vestung zu gewinnen und einzunehmen.

Man trägt das Abendessen zur Tafel, und Faustus wurde der Caspia an die Seite gesetzet. Sie war viel eines heroischem Gemüts als sonsten, deswegen gratulierte sich Faustus recht freudig in dem Herzen, verhoffend, nunmehr einen glücklichen Ausgang gefunden zu haben. Ludwig und Isidoro, die continuierlich als zwei Brüder beisammen gestecket, brachten mich mit sich ganz in einem andern Habit und Gestalt. Faustus hielt mich erstlich vor einen Reisenden vom Adel, und weil ich unter ihm gesetzet wurde, glaubte er mich nichts weniger als den Zendorio zu sein.

Aber nachdem Caspia das erste Glas ergriffen, trank sie solches mir mit folgenden Worten zu: »Zendorio, seine Dienerin bringt Ihms, in Gesundheit des Faustus.« Ich stund hiermit von dem Sessel auf und Faustus ingleichen, viel mehr aus Bestürzung als Ehrerbietigkeit. Isidoro und Ludwig sagten hierauf zu Fausto: »Monsieur, der Pact ist verspielt, wir [126] præsumieren von keinem Cavalier, daß er seine Parola, viel weniger seinen Eid leugnen und zurücknehmen werde. Hier sitzet Zendorio, herumgetrieben von tausend Unglückswinden. Er ist, eine Dame zu besitzen, wohl würdig, welche der Himmel keinem andern vergönnen wollen, und wir versichern uns, daß Monsieur deswegen viel mehr Freud als einzigen Widerwillen erzeigen werde, zumalen solches zu urteilen seine angeborne Höflichkeit genugsam verspricht und gewiß ma chet. Derohalben lasset uns ihm Glück wünschen und zugleich auch derjenigen, welche beide bis dahero in unzähligem Seufzen geschieden waren, nunmehr aber nach so vielen ausgestandenen Sturmwinden in dem erwünschten Port einer angenehmsten Vergnügung eingeschiffet.«

Anstatt sich nun Faustus von den wohlgegründeten Reden dieser beiden Cavalier sollte haben bezwingen lassen, eilete er mit Zurückschmeißung des Stuhls samt seinen Laquayen zu der Stube hinaus, setzte sich zu Pferd und ritt noch in der Nacht mit allen seinen Leuten zu dem Schlosse aus. Es wurde hierauf ein großes Frohlocken gehöret, und die adelige Gesellschaft achtete das schnelle und unbesonnene Hinscheiden des Faustus nicht um ein Haar. Man jubilierte die ganze Nacht, und konnte Caspia kaum den andern Tag erwarten, da sie sich mit großem Pomp und Pracht an mich verehlichen ließ. Werde auch die Beschreibung dessen hier mit Stillschweigen vorübergehen, weil dergleichen Erzählungen wenig oder gar nichts nützen, sondern nur ein eitles Verlangen in demjenigen erregen, der seiner Begierden nicht mächtig ist.

Drittes Buch

1. Capitul. Artige Fügnis bei der Hochzeit
I. Capitul.
Artige Fügnis bei der Hochzeit. Pilemanns Ankunft auf das Schloß. Ein Page schiebt Kegel. Das gesalbte Gaukelseil.

Die Welt ist stolz, hochtrabend, keck,

Ihr Wesen ist beschmiert mit Dreck.


Bis hieher habe ich mit großer und weitläuftiger Erzählung zugebracht, wie manche Abenteuer mir bis gegenwärtige Stunde wider mein Verhoffen zugestoßen und welch einem Unfall ich bis dahero unterworfen gewesen. Hinfüro aber wird meine Feder beflissen sein, meine folgende Zustände ganz deutlich zu entwerfen, wenn ich zuvor dieses einzige werde vor meine Person gesprochen haben, daß ich in Beschreibung dieser Historia nicht des Willens bin, jemandem an seiner Ehre zu nahe zu kommen, sondern werde es dermaßen glimpflich unterfangen, daß auch diese, so dadurch getroffen werden, vielmehr lachen als sich gegen mir in unbilligem Zorn bewegen sollen.

Es ist auch diese Schrift nicht darum unterfangen worden, damit man die Leute, wes Standes dieselben auch seien, durch die Hechel ziehen und sie der Welt als ein Muster alles Übels vorstellen möchte. Nein, sondern man hat ihnen zu Gefallen und ihrem eigenen Besten die Laster zugleich abgemalet, auf daß dadurch nicht die Personen, so damit behaftet, sondern nur die Unarten an und vor sich selbst gestrafet würden. Und was ist es wohl vor eine Lust, seinen Nächsten durchzuziehen, da wirs doch selbst nicht gerne sehen, daß wir durchgezogen werden? Aber der Leser soll wissen, daß ich mich von diesem Übel keineswegs ausgeschlossen habe, [128] wenn ich frei gestehe, daß ich unter allen der Lasterhafteste sei. Oder glaubet vielleicht jemand, daß ich durch dieses Buch ihn oder einen andern geärgert? So muß es nur geschehen sein aus einer Ursach, die demjenigen alleine bewußt, so sich geärgert befunden. Und wer wird endlich unter so viel Tausenden allen recht tun können? Das ist so unmöglich, als man dem Unreinen etwas Reines schreiben kann, weil sie gleich sein denjenigen, so mit der wassersüchtigen Krankheit behaftet, welche auch die beste Speis und Trank in Wasser verkehren und ihren Untergang von einer solchen Sache nehmen, die ihnen zur Gesundheit dienen solle.

Meine bis gegenwärtige Stunde wunderliche Begebenheit hat den Leser genugsam unterrichtet, wie in einer großen Mühsamkeit der Mensch stets und ohne Unterlaß in der Welt herumschweben muß und was vor grausamen Verleitungen er unterworfen ist, so er sich selbst nicht klug zu regieren weiß. Er hat gesehen, daß es mir auch in meinem höchsten Grad der Glückseligkeit sehr widrig gegangen, und bin nur allein deswegen unglückselig gewesen, weil ich meine Glückseligkeit nicht erkennen können. Nun ist nichts mehr vonnöten und wird mir auch nichts angelegener sein als die Erzählung meines folgenden Lebens.

Meine Hochzeitfreude lief endlich zum erwünschten Ende, und Ludwig stund nach vollendetem Tanz schon bereit, mich mit zwein brennenden Fackeln über den Schloßhof in meine Kammer zu begleiten, darinnen ich mit der Caspia schlafen sollte. Er ging demnach als Marschall voran, und nach ihm folgeten welche von Adel, denen die Spielleute nachgingen, und in einer solchen lustigen Procession folgeten wir untereinander drein, daß ich wohl sechs Bogen vollschmieren könnte, so ich alle Hagelspossen erzählen wollte, die wir in gegenwärtiger Reihe vorgenommen. Anstatt ich aber vermeinte, in die Kammer zu kommen, führte uns Ludwig auf einen weiten Saal, darinnen man anfing zu springen und zu tanzen, bis es endlich Tag ward.

Ich hatte keine sonderliche Lust zu tanzen, sondern soff mit Ludwigen und Isidoro indessen eins aus der großen Flasche, darüber ich so blitzvoll ward, daß ich Sehen, Hören und [129] Reden vergaß, gleichwie ehedessen auf seinem Schlosse. In solchem Zustand brachte man mich zu Bette, da ich nicht wußte, ob ich ein Manns-oder Weibsperson sei. Ja, ich kann sogar nicht vermelden, wie und auf was vor eine Weise ich aus den Kleidern gekommen, und sagte mir Isidoro des andern Tages mit ziemlichem Gelächter, daß ich bei solcher Entkleidung all dasjenige hergewiesen und öffentlich aufgezeiget hätte, was ich von der Natur zu Fortpflanzung meines Geschlechts mitbekommen hatte.

Es war in ziemlicher Dunkelheit, da ich in dem Bette erwachte, weil ich zuvor wegen gar zuviel hineingegossenen Weines in augenblicklichen Schlaf gefallen. Deswegen wandte ich mich auf die Seite und herzete die Caspia wohl tausendmal nacheinander. Ich druckte sie an mich, und weil sie sehr hart schlief, erweckte ich sie ganz gemählich. Aber sie hielt sich in solchem Schlaf mit allen vieren dergestalten an die Bettstatt, daß ich sie weder mit Gutem noch Bösem von der Stelle zu wenden vermochte. Der Wein war mir noch ziemlich im Kopfe, deswegen urteilte ich, daß aus Ursach dessen Caspia entweder gar wenige oder gar keine Lust hatte, mit mir als einem berauschten Menschen umzugehen, ließ es demnach immer gut sein und legte mich auf die andere Seite, den Rausch gänzlich auszuschlafen.

Als ich nun zum andern Mal erwachte, scheinete mir die Sonne schon auf das Bett und in die Kammer. Ich richtete mich behend in die Höhe, und als ich mei ner Caspia, die ich diese Nacht soviel unzähligmal mit Seufzen und Küssen umfangen, einen guten Morgen zu wünschen willens war, wurde ich recht von Herzen beschämet, denn ich fand anstatt derselben Monsieur Ludwigen mir an der Seite liegen, welcher auch diese vergangene Nacht bei mir geschlafen hatte.

Ich sprang alsobald aus dem Bette. Aber indem ich die Hosen an den Leib warf, übereileten mich die sämtlichen Hochzeitgäste, so sich durch die ganze Nacht samt der Caspia mit Tanzen und andern bei dergleichen Begebenheiten gebräuchlichen Spielen ergötzet. Es ist nicht zu sagen, wie höhnisch sie mich ausgelachet und mit meinem Beischläfer [130] vexiert haben. Ludwig selbsten verursachte noch das größte Gelächter, indem er mit geraumen Umständen erzählet, welchergestalten ich ihn diese Nacht vor einen Baum gehalten, weil ich ihn ohn Unterlaß besteigen wollen. Das Frauenzimmer zerriß fast Mund und Nase über dieser Relation, und weil ich sah, daß es nicht anders sein konnte, so trug ich meine vier Heller mit unter. Und solchergestalten schraubete bald einer den andern, und ich schämte mich von Herzen, daß ich mich gegen Bruder Ludwigen so bloß gegeben hatte, welches mir doch keinesweges zu verargen war, weil ich in dem Trunk gleich einem Sinnlosen herumgeschwärmet und närrische Händel genug vorgenommen habe, wegen welcher ich von Isidoro und den übrigen Gästen ziemlich durch die Hechel gezogen ward.

Indem wir solchermaßen in der Kammer miteinander redeten, kam ein Laquay gelaufen, welcher mitbrachte, daß Monsieur Pilemann, als mein Herr Vater, auf dem Schlosse angekommen, und durch dieses Mittel mußten sie nachlassen, mich länger zu schrauben, welches sie sonsten schwerlich innerhalb einer Stunde würden haben unterwegen gelassen, zumalen sie mich ohnedem durch den ganzen folgenden Tag angestochen, und muß die Wahrheit bekennen, daß ich fast zu zweifeln angefangen, ob sich nicht auch Caspia unversehens möchte verirret und mir zum höchsten Nachteil sich also zu einem andern geleget haben. Und ob ich mich dessen gleich nichts merken ließ, gedachte ich doch desto mehr und sehe nun im Ausgang, daß ich dazumal ein rechter argwohnischer und eingemachter Narr gewesen, der seinen allerbesten Freunden eine solche Sache beimessen dörfen, an die man ohne großem Verbrechen der wahren Freundschaft nicht gedenken kann. Und dahero fragte ich überall nach, wo doch Caspia geschlafen hätte, und weil sich auf Hochzeiten alles gerne will großmachen oder auf das wenigst jedermann gerne der nächste bei dem Bräutigam ist, schlich sich ein Aufwartmägdgen zu mir und erzählte mir bei Treu und Glauben, daß die Caspia bei der Frau Ludwigin gelegen, welche beide über eine Stunde nicht geschlafen hätten, weil man ohne Unterlaß getanzet.

[131] Ich saß gleich dazumal auf dem Repositorio des Nacht-Königes und mußte von Herzen lachen, daß ich der Magd so ehrbare Audienz erteilen könnte. Aber solche Abgesandte sind keiner bessern Canzeley wert, und reuet mich noch bis gegenwärtige Stunde, daß ich ihr nicht zum Recompens vor ihre Legation den Arschwisch verehrt habe, aus welchem der geneigte Leser leichtlich wird schließen können, daß ich vor lauter Liebesgedanken alle nötige Sachen vergessen und auf die Seite gesetzet habe.

Mein Vater weinete vor Freuden die lichten Tränen, und seine meiste Salutation bestund in einer Abbitte, die er mir deswegen tat, daß er den leichtfertigen Landstreichern, den ehrvergessenen Zigeunern, so leichtgläubig gefolget und mich in einem so verteufelten Wahn unter dem Bauervolk hätte aufziehen lassen. Er wollte solche Unbilligkeit mit seiner väterlichen Liebe tausendfältig ersetzen und mir vor der Schwester 18000 Ducaten zum voraus vermachen, auch das ganze Testament dergestalt einrichten, davon ich keine geringe Ursach haben sollte, seine väterliche Vorsorge nach seinem Tode zu rühmen. Er hatte auch zu gegenwärtiger meiner Hochzeitfreude tausend Ducaten und zweitausend Specie-Taler mit sich gebracht, welche er mir nebenst Einraumung eines Landguts hiermit samt aller Zugehör wolle eigentümlich cediert und übergeben haben. Solchermaßen wurde ich von meinem Vater beschenket, welcher auf nichts mehr bedacht war, als mich bei gutem Laun zu erhalten. Die Frau Ludwigin war indessen bemühet, dem Frauenzimmer eine sonderliche Kurzweil auszusinnen, denn diesen Tag waren unterschiedliche andre von dem Land angekommen, welche ihre Lust bei dieser Freude beitragen wollten.

Auf dem Schlosse war ein Koch, der von Jugend auf als ein Gaukler unter den Polacken herumgezogen, mußte er uns in der Tafelstube fast den halben Morgen mit Gaukeln zubringen. »Bruder,« sagte mir Monsieur Ludwig ins Ohr, »lerne von dem Koch etliche Lectiones, sie werden dir heut nacht trefflich zustatten kommen!«, darüber ich von Herzen lachen mußte. Und als mich Frau Ludwigin deswegen fragte, was mir zu solchem Gelächter Ursach gegeben, erzählte ich [132] ihr den artigen Vorschlag ihres Hauswirts, aber sie sagte, daß ich solches selbst erfunden und sie nur betrogen hätte, ob es schon männiglich, absonderlich aber der Frau Ludwigin bekannt war, daß ihr Mann ein sonderlicher Scopticus war, der die Leute nicht allein lustig machen, sondern dieselben auch in allem behaglichen Scherz trefflich unterhalten konnte.

Caspia hatte sich indessen an dem artigen Gaukler halb versehen, und Ludwig sagte ihr ingleichen ins Ohr, daß heute nacht noch ein artigerer Gaukler über sie kommen werde. Und weil er die Wort etwas laut geredet, ward sie darob dergestalten beschämet, daß sie auf den Saal hinauslief und daselbsten den andern Jungfrauen zusah, welche mit ledernen Sandkugeln bosselten, denn Monsieur Ludwig hatte ihnen eine güldene Halskette zum Gewinst aufgeworfen, welche er aber durch folgenden Vorteil wieder an sich selbst brachte:

Er hatte einen Page von sonderlichem Angesicht, seine Gestalt war recht weibisch und war von verborgener Art, einen gegen ihm verliebt zu machen, voraus aber diejenigen, welche nicht vermocht haben, sich durch eine gute Vernunft zu regieren. Dahero kleidete er solchen ganz alleine in seiner Kammer an. Er satzte ihm die allerzierlichste Florhaube auf, die er unter allen Kleidern seiner Frauen finden konnte, und nach allem solchem weibischen Aufputz mußte der Page unter die spielende und bosselnde Compagnie treten, allwo ihn der Ludwig vor eine seiner Basen ausgab; und dahero bekam er gute Gelegenheit, das ausgesetzte Geschenke selbst zu gewinnen, weil der angekleidete Page ein Hauptboßler war, als man einen in dem ganzen Schlosse sollte gefunden und aufgetrieben haben.

Das Frauenzimmer verwunderte sich über die absonderliche Hurtigkeit der neuen Damen und gestunden ungezwungen, daß sie dergleichen Behendigkeit noch von keiner ihresgleichen gesehen. »Madamoselle,« sagte der Page zu ihnen, »das Spiel habe ich von Jugend auf getrieben, denn meine Frau Mutter duldete außer diesem keine andere Kurzweil auf ihrem Schlosse, und dahero haben Sie sich nicht zu verwundern, [133] warum ich mehr Kegel umwerfe denn Sie.« Hiermit schob er hin und traf von dem Ziel alle neune, und Ludwig höhnete die andern alle aus, daß sie sich von dieser seiner Muhmen dermaßen in den Sack schieben lassen.

In dem obern Zimmer wurde inzwischen gesoffen und in dem Brett gespielet. Etliche machten ein Dick-Dack, andere versetzten, die dritte Partei machte ein Damen-, die vierte ein Torwärterspiel, und in einer solchen Lust verging die Zeit, und hielten sie alle vor gar gut angewendet, außer denjenigen, die sich in dem Trischacken zu weit in die Flüsse gestürzet hatten.

Ludwig hatte zum Vorrat einen Seiltänzer verschrieben, welcher nach der Abendmahlzeit gleich einem brennenden Vogel von dem höchsten Turm des Schlosses in den Hof herunterfahren sollte, aber weil der Tänzer forchte, es dörfte ihm mit den Raqueten mißlingen wie dem unglückseligen Atavan zu Regenspurg, bat er den Isidoro, ihm zu vergünstigen, daß er ohne Feuer heruntergaukeln möchte, welches ihm endlich zugelassen worden mit der Auflage, daß er schuldig sein sollte, den Proceß zu erzählen, wie und wasgestalten der Atavan zu Regenspurg heruntergefallen und gestorben sei. Damit ging er auf den Turm, aber der leichtfertige Isidoro hatte das Seil mit Menschenkot überschmieren lassen, davon der Gaukler in seiner Herabkunft dermaßen gestunken, daß das Frauenzimmer die Naslöcher mit den Servetten verstopfen mußten, darüber sich Isidoro und Ludwig fast krank gelachet.

Nach dieser Lust litt man mit einer Glocke zum Abendessen. Monsieur Ludwig fragte das Frauenzimmer, wer sein Geschenke gewonnen. Dem gab man zur Antwort, daß seiner Jungfer Muhmen hierinnen der Ruhm zustünde. Hierüber bekam er Gelegenheit, noch stärker zu lachen, indem sie von ihm so augenscheinlich betrogen worden, welches sie erst alsdann vermerkten, als die Muhme des Ludwigs nicht zur Tafel kam. Das Frauenzimmer fragte wohl tausendmal um sie, aber Monsieur Ludwig entschuldigte solche, mit Vorgeben, sie hätte sich dermaßen an dem Kegelspiel abgemattet, daß sie sich zu Bette begeben müssen. Der Page war [134] schon wieder ausgezogen und stund seinem Herrn an der Seite, lachte derohalben immer in einem Stück, und Ludwig trieb donnerische Hagels-Possen untereinander, davon sie fast halb toll waren. Inzwischen kam der Seiltänzer vor die Tafel, welcher ein hauptartiger Kerl war. Weil wir aber da zumal andere Zeitvertreibungen vorhatten, als mußte er mit seiner Erzählung bis morgen innenhalten.

2. Capitul. Zank zwischen den Spielleuten
II. Capitul.
Zank zwischen den Spielleuten.

Die Titulsucht reißt trefflich ein,

Die Esel wollen Pferde sein.


So gut der Koch vorher gegaukelt hatte, so gut richtete er darauf an. Die Tafel wurde mit den raresten Speisen besetzet, die man dazumal in allen Elementen antreffen könnte. Und gleichwie nach der Liebe keine größere Ergötzlichkeit als die Musik zu finden, als wurden hierzu von etlichen Schlössern gewisse Leute verschrieben, die das Ihrige mit sonderlicher Anmutigkeit verrichteten. Der Gaukler konnte auf der Laute spielen, und dannenhero tat er doppelten Dienst, erstlich den Augen, vors ander dem Gehör. Nach solchem begehrte ich, daß die Spielleute abwechseln sollten, auf welches mich Caspia in die Seite gestoßen, vermeldend, daß man sie nicht Spielleute, sondern Stadt-und Kunstgeiger heißen müßte, in Erwägung, daß sie solchen Titul von einem Ehrbaren und Hochweisen Rat erlanget. »Aber was ist es mehr,« gab ich zur Antwort, »ob ich sie Spielleute oder Stadtpfeifer heiße, es ist ein Titul so gut als der andere. Man sagt: Der Kerl spielt eine gute Geige. Ist das gut, so ists auch gut, daß ich sage: Er ist ein guter Spielmann. Streicht er gut, so ists ein guter Streichmann, fiedelt er, so ists ein Fiedelmann, geigt er, so ists ein Geigmann, in summa, ich wüßte hierinnen keinen Grund zu finden, warum Spielmann ein unehrlich oder disreputierlich Wort sein sollte, nur daß es die alberne Narren nicht leiden wollen.

Einem Stadtrichter schadet es weder an seiner Ehr noch Reputation, wenn schon der vornehmste unter den Bettlern [135] auch Richter genennet wird, und niemand ist so närrisch, der sie nicht an dem Stand unterscheiden kann. Also auch die Spielleute untereinander sind wohl zu erkennen, welche im höhern und welche hergegen im niedrigen Grad Spielleute sind. Diejenigen, so in Städten auf dem Chor dienen, ihre Noten verstehen und noch mehr, was zu der Sach gehören möchte, das sind die vornehmsten Spielleute, da heißt es nach den Worten der Schrift selbsten: ›Spielet dem Herrn‹, und solchergestalt kann man sie auch aus der Schrift bestreiten, daß sie Spielleute sind.

Dergleichen vornehme Spielleute wohnen gemeiniglich in einer Stadt und führen unterschiedliche Namen. In Österreich werden sie genennet Stadttürmer, wie auch zum Teil in ganz Bayerland. In Reichs-und Seestädten heißt man sie Stadtmusicos, zum Teil auch Stadtpfeifer. Die Kunstgeiger heißt man in etlichen, aber gar wenigen Orten Hemmauer. Dieser Titul ist in einer Reichsstadt aufgekommen, denn als es daselbsten eine Zeit bei unterschiedlichen Freudenfesten gar viel aufzuspielen gab, hatte man dergleichen Leute eine große Zahl vonnöten, wurden dahero aus dem Städtlein Hemmau, drei Meil Weges davon, etliche Spielleute hingeholet, welche sich hernachmals daselbst haußässig niedergelassen, und ihre Nachfolger behalten noch auf diesen Tag den Titul Hemmauer. Dieses ist also der philologische Weg und Grundstraße, auf der man zu dem Ursprung der Hemmauer gelangen kann.

An etlichen Orten werden die Stadtpfeifer auch Ratsmusici genennet, aus der Ursach, weil sie ordinarie bestimmet sind, um gewisser Zeit auf dem Rathause oder bei demselben zu erscheinen und auf ihren Instrumenten abzublasen. Daß man sie aber in Österreich Stadttürmer nennet, geschieht darum, weil sie insgesamt auf dem höchsten Turm der Stadt zu wohnen pflegen, und dieses ist vor diesem so gemein gewesen, daß noch viel Städte den Gebrauch haben, ihre Musicos oder Stadtpfeifer auf dem Turm abblasen zu lassen.«

Es war ein Irländer an der Tafel, der hatte den Discurs kaum angehöret, als er sagte: »Monsieur, Er redet recht. An dem Titul ist wenig oder gar nichts gelegen, wer seine Sach verstehet, [136] den weiß man schon zu respectieren, er mag genennet werden, wie er will. Und wer nichts verstehet, der kommt auch in keine Consideration, er habe einen Titul, so herrlich und groß er auch sei, und fundamentaliter davon zu reden, so ist es insgemein unter allen Menschen eine rechtschaffene Eitelkeit, denjenigen Namen fliehen wollen, von dem man seine Nahrung hat.

Ich weiß fürwahr nicht, ob es nicht viel besser gesagt sei Spielmann als Stadtpfeifer. Denn die Sach gründlich auszuforschen, kann ich die Häscher nicht unbillig Stadtpfeifer nennen, ratione dessen, weil sie in der Nacht alle Viertelstunden pfeifen. Solches geschieht öffentlich in der Stadt, und daraus folget diese unwidertreibliche Schlußrede: Wer in der Stadt pfeift, der wird billig ein Stadtpfeifer geheißen. Der Häscher pfeift in der Stadt, ergo wird er billig ein Stadtpfeifer geheißen. Sagt jemand, es sei ein anders von dem Namen, ein anders von der Condition reden, so sage ich, daß es in diesem Discurs nicht angehe, ratio est, weil wir hier von nichts als dem Wort Spielmann reden und nicht von dem Amt und Condition, ihrer Bestallung und Verrichtung. Dieselbe ist nach Unterschied der Städte auch unterschiedlich. Es ist klar, daß die Welt ungleich ist. Mancher Schüler hat ein besser Ingenium als sein Præceptor, also ist mancher Spielmann künstlicher als mancher Stadtpfeifer, ich sage: mancher. Also setzet auch mancher Kantor besser als mancher Kapellmeister, und daraus sehen die Spielleute abermal, daß der Name eine Sache nicht gut machet, wo es an der Kunst fehlet.

Man erzählet von dem hauptsächlichen Musico Adam Krüger, daß er sich einsmals gleich einem Schiffknecht verkleidet und auf einer Orgel gespielet habe. Die umstehenden Musicanten merkten wohl, daß diese keine Schiffersgriffe wären, und unerachtet seine äußerliche Gestalt grob genung aussah, erwiesen sie ihm doch eine solche Reverenz, die man billig keinem Schiffknecht erwiesen hätte. Dahero, wer vor groß will gehalten werden, der muß auch große Dinge tun, denn es ist nichts Garstigers auf Erden, als ein Künstler sein wollen und sich der Stümpelei nicht erwehren können.

[137] Und was wollen denn endlich die Leute durch ihren Titul suchen? Ich kenne gar viel, die sich wegen dessen wie die Hunde herumgebissen und mit den Zähnen geknirschet haben. Ohne ist es zwar nicht, daß ein jeder gern bei dem Titul bleibet, welchen er von den Obern empfangen, ja, es gibt ihrer wohl gar viel, die damit nicht zufrieden, sondern noch ein mehrers suchen. Aber wer seinen Titul betteln muß, den weiß ich fürwahr nicht, wie man sie auf lateinisch heißen solle als eleemosinarios superbitatis. Ist zwar schlimm Latein, aber dergleichen Leute Profession ist nicht viel besser. Kann also schlimme Sachen nicht gut geben, welches die klare Vernunft mit sich bringet.

Ja, wenn ich wissen sollte, daß sie mit mir wegen meiner Rede streiten wollten, so würde ich ihnen in allen Sachen gar recht geben und die Kunstgeiger mit ihrem Titul wohl tausendmal begrüßen. Kunst heißt auf lateinisch ars, und dahero könnte ich sie ohne große Mühe noch darzu Ars-Geiger nennen, wenn ja die Leute so artig wären, sich viel mausig zu machen.

Aber gleichwie unter den Großen, also heißet es auch unter den Kleinen: nemo sua sorte contentus. Ja, ich habe einen Bettelrichter gekennet, welcher sich verlauten lassen, sich in seinem Stand nicht länger zu schleppen, sondern allerehestens sich um eine höhere Scharsche zu bewerben.« Hierauf rufte der Irländer gegen die Musicanten: »Wohlauf, ihr Herren Spielleute, machet euch lustig! Wo ihr das Rechte treffet, so schenke ich euch einen Ducaten!«

Diese Worte schnuppten ihnen nicht ein wenig in die Nase, dahero fingen sie an und sangen zwischen ihren mitklingenden Instrumenten folgend Lied:


Stadtpfeifer hier, Stadtpfeifer dort,
Wir sind Stadtpfeifer mit einem Wort.
Stadtpfeifer dort, Stadtpfeifer hier,
So heißen uns wackre Cavalier.

Der Irländer mußte des Possens lachen, und ich sah mich gegen die Kerl rücklings um; weil auch Isidoro, so gegen uns über saß, wohl gemerket, auf was es angesehen sei, fing [138] er an und sagte: »Ihr Herren Brüder, singet mir nach!« Hierauf sang er uns folgende Worte vor, die wir ihm nachschreien mußten, gleich denjenigen, so das neue Jahr zu singen pflegen.

Das Gesang hieß also:


Spielleute hier, Spielleute dort,
Ihr seid Spielleute fort und fort.
Spielleute dort, Spielleute hier,
Wir bleiben doch wohl Cavalier.
Auf solches nahmen die Schergeiger wieder aus und sangen:
Spielleute hier, Spielleute dort,
Spielleut ist gar ein garstig Wort.
Spielleute dort, Spielleute hier,
Wir sind Stadtpfeifer für und für.
Nach diesem entrüstete sich Isidoro in etwas und sang:
Spielleute hin, Spielleute her,
Was habt ihr Kerl vor ein Gescher?
Wollt ihr keine Spielleut sein,
So schlag'n wir euch die Stieg hinein.

Als unsere Gegenpart wieder aufs neue anfangen wollten, wischten wir mit umgekehrten Bänken über sie her und jagten sie samt ihren Geigen und Schalmeien zu dem Zimmer hinaus, denn was hatten wir Ursach, uns bei dieser Freude wegen eines einzigen Wörtleins zu zanken, dadurch doch ihrer Kunst nichts benommen noch zugetan wird? Ja, ich selbsten erzürnte mich so sehr über die Gesellen, daß ich ihnen noch einen Bierkrug über das Fenster auf die Baßgeige hinuntergeworfen. Und weil unter uns etliche vor diesem geigen gelernet, holeten wir allerlei Instrumenten zusammen, und spielete eine Partei nach der andern ein Stücklein vor der Tafel, darüber wir mehr Kurzweil empfunden als von der besten Harmonie, die man zwischen Nova Zembla und dem Toten Meer antreffen mögen. Denn zur Lust ist eine rauschende Musik viel bequemer als subtile Ohrenkitzeleien, die weder fressen noch trinken lassen. [139] Denn man soll hören, schmecken und riechen zugleich, durch welches man den Geist mehr quälet als erquicket.

So war auch zu unserm Vorteil der Seiltänzer noch zurück, welcher uns mit seinen Schwänken Ergötzlichkeit genug verursachte. Hiermit fing man an zu schwärmen, daß es taugte, so viel man Gläser ausleerte, so viel schoß man Pistolen zum Fenster aus, und die Spielleute schickten einen Jungen herauf, welcher ihren Recompens abholen sollte. Aber wir jagten den Jungen so gut als seine Principalen davon und sagten ihm, wo sie sich nicht beizeiten packen würden, sollten ihnen die Laquayen mit guten Knitteln den Weg zum Tor hinaus leuchten.

Dieses gab uns Gelegenheit, von der Sache ein mehrers zu reden, und der Irländer fuhr fort und sagte: »Es ist schon wahr, Ihr Herren, daß der Landesgebrauch nicht ein wenig bei der Sache tut. Sie schämen sich nur deswegen, Spielleute genennet zu werden, weil es schon in einem schlimmen Ruf ist und nur diejenige also genennet werden, die sich da auf allen Bierbänken sehen und hören lassen, die da auf jeder Strohhochzeit eines herabfiedeln und zuletzt mit einem Stück Semmel davonlaufen. Und dahero kommt es, daß sie sich billig davor scheuen, ob es schon in dem Grund ein gut Wort an sich selbst ist, und wer den ›Hercules‹ gelesen, der wird wissen, daß sie Pompeia, des Statthalters zu Padua Ehegemahl, auch also nennet, und zwar am 62. Blatt in der 35. Zeile. Aber die Ursach ist, wie gesagt, nur der Mißverstand. Als zum Exempel: das Wort Tyrannus war vor diesem ein herrlicher und schöner Titul, welcher nur vor große Herren kam, aber heutzutage ist es umgekehrt und keine geringe Beschimpfung vor solche Leute, die sich doch zuvor durch ebendiesen Titul so großgemachet.

Das Wort Amtmann gebraucht man in dem Land ob der Enns im schlimmen Credit, und wird insgemein der Scherg also genennet. Aber wer weiß nicht und wem ist wohl unbekannt, daß ebendieser Name in Sachsen eine hohe Scharsche sei, nach der sich auch gar viel mit großen Schenkungen bei den Höfen einfinden und doch wohl mit einer Handvoll Ducaten leer ausgehen. Das Wort Einspännier hält man [140] etlicher Orten in grobem Verdacht, und man darf im Bayerland nur zu einem Edelmann sagen: Morgen wird der Einspännier kommen, so bleibt er gewiß nicht auf dem Loch sitzen, sondern suchet bald, wo der Zimmermann den exitum ex Israel gelassen habe. Entgegen ist das Wort Einspännier eine gute Scharsche an etlichen Orten, und dringen sich auch gar viel mit Schenkaschien darzu. Das Wort Dirn ist ein alt und gutes Wort, bedeutet eine Hausmagd, die in dem Haus arbeitet oder kochet, doch wenn man eine Nürnbergerin eine Dirne heißet, siehet man bald ein katzenhaftiges Kragell, weil sie sich lieber dörfte herumschmeißen als eine Dirne wollen nennen lassen. Darum ist es an diesem Ort so, an einem andern wieder anders beschaffen, und wir hätten ihnen zu Gefallen sie wohl Stadt- oder gar Königreichspfeifer heißen können, so sie den Titul nur nicht mit Gewalt von uns hätten herauszwingen wollen.

Man weiß wohl, wie man einem Kerl, was Standes und Profession derselbe auch sei, begegnen solle, aber wegen eines solchen Pfeiferlings in einer Privat-Compagnie solche Narrenpossen anzufangen, ist nichts Bessers wert. Nur nicht viel disputieret, sondern die Kerls bei dem Wamsärmel genommen, sie zu der Tür hinausgeworfen und damit ihre Wege laufen lassen. Damit ist der Handel richtig.«

3. Capitul. Discurs bei der Tafel
III. Capitul.
Discurs bei der Tafel.

Heißt du ein jeden, was er ist,

So heißt dich jeder, was du bist.


Unterdessen fing das Frauenzimmer auch an zu singen, denn es war eine unter ihnen, die hieß Fräulein Anna, die hatte ehedessen von einem Pedanten oder lateinischen Schwarzmantel etwas aus der Musik gelernet. Sie schlug einen hauptsächlichen guten Driller und machte sehr fertige Coloraturen, daraus wir geschlossen, daß sie sehr wohl müsse haben singen lernen und daß ihr Lehrmeister sehr fleißig in die Information gegangen. »Ach nein,« gab Fräulein Anna zur Antwort, »die Herren irren sich gar weit, denn ob ich schon [141] einen Schüler zum Lehrmeister gehabt, habe ich doch von ihm nicht halb soviel als von unserer Amme gelernet, welche ausdermaßen trefflich damit umspringen konnte.

Der, so mich gelernet, war aus der Weise ein artiger Mensch. Er sang einen Discant und gab sich vor einen Kapaun aus. Dahero stach mich der Vorwitz, von dem Menschen singen zu lernen, weil ich, die Wahrheit zu bekennen, die Kapaun all mein Lebtag sehr liebgehabt. Aber anstatt er mir die Noten weisen sollen, machte er allerlei Gaukelpossen, damit er die meiste Zeit verschwendet und hingebracht. Wir meinten uns oftermalen über ihn krank zu lachen, so einen artigen Humor hatte der Kerl. Dahero lernte ich wohl in acht Tagen nicht vier Noten singen, und die Lieder, die er mir vorsang, die quiekte ich so lang nach, bis ichs auswendig konnte wie der Papagei das Paternoster. Sonsten wollte ich wohl etwas von ihm gelernet haben, aber, wie gesagt, so trieb er seine Lehrstunden nur mit Narrenpossen hin und lachte uns noch zu Hause wohl aus darzu. Habe also das wenige, was ich kann, nicht von ihm, sondern von der Amme erlernet.«

Ich verwunderte mich, wie die Amme zu dieser herrlichen Kunst gelanget, und als Fräulein Anna verstanden, daß ich einziges Verlangen trüge, dahinter zu gelangen, bat sie mich um Gehör, indem sie entschlossen war, die ganze Geschieht zu erzählen. »Monsieur,« sagte sie, »es ist gar ein artiger Casus, so hierinnen vorgelaufen. Es wohnete eine Dam in einer Stadt, die begehrte und war willens, etwas in der Musik zu tun, weil sie eine absonderliche schöne Stimme hatte. Es hielt sich auf dem Rathause desselben Orts ein Schreiber auf, welcher fast der beste Musicant der ganzen Stadt war. Von demselben verlangte die Dam unterrichtet zu werden, aber nachdem der gute Mensch das erste Mal bei ihr gewesen, verliebte er sich dergestalten in sie, daß er den Hasen keinesweges bergen konnte. Die Dam merkte es endlich, nicht ohne sonderlichen Widerwillen ...«

»Madam,« fiel ihr Isidoro in die Rede, »Sie spaziert hinter der Wahrheit, es ist ihr eine herzliche Freude gewesen!« – »Ach, wahrlich nein,« gab Fräulein Anna zur Gegenantwort, »gewiß, sie war recht böse und sagte, er sollte sich in seinesgleichen [142] verlieben.« – »O köstliche Antwort!« sagte hierauf Isidoro, »ich höre es schon, die Dam hat vor Freuden nicht gewußt, was sie antworten sollte, sonst hätte sich was anders auf ein solches Beginnen gebühret.« – »Ach, seht doch,« ruft Fräulein Anna, »das Frauenzimmer ist gewiß so grob, flugs mit Maulschellen um sich zu werfen! Zudem war zu besorgen, ob ihr nicht der Schreiber wieder eine dichte Dachtel gegeben, denn es war ein ziemlich ungeschickter Dieb, der einem eine gute Huschen hätte versetzen können.« – »Saprament,« sagte Isidoro, »war er ein solcher Kerl, der gute versetzen kann? Ich habe in unserm Dorf ein paar alte Weiber, die haben sehr schlimme, könnte er vorhanden sein und ihnen ein paar gute davor versetzen, er sollte ein gut Trankgeld davontragen.« – »Pfui,« sagte Fräulein Anna, »Monsieur Isidoro ist gar garstig, ich schweige still.«

Hiermit fingen sie alle an zu lachen, und war ihr Ausspruch, daß deswegen einer doch ein rechtschaffen Kerl wäre, ob er gleich sich unterfinge, eine höhere Standesperson, als er ist, zu lieben. Das wären geringe Possen, ein Mensch sei ja wie der andere, und grobe Leute hätten auch grobe Affecten, und dahero gäben sie oft mehr Vergnügung als mancher großer Prahler, der sich, weiß nicht was, bei der Sache zu tun einbildet. Eine Dam wäre doch deswegen dennoch eine von Adel, ob sie schon zuweilen recreationis gratia einem armen Stümper einen Kuß verstattete, welches so wenig zu bedeuten hätte, als ob ihr ein Strumpfband aufginge.

»Ja,« sagte Monsieur Ludwig, »das sind die Rechten, und ich halte meinesteils alles adelige Frauenzimmer samt den Bürgerstöchtern vor rechte Narren, wenn sie eines andern Glaubens sind, und es bilde sich ja keine ein, daß sie von einem Edelmann so sehr wird geehret und geliebet werden, als so sie einen von niedrigem Stande zum Manne oder ihrem Liebhaber bekommet. Denn durch den Grund dieses Mittels hat sie schon Gelegenheit und Ursach genug, über ihn zu herrschen, ihm das Commando zu nehmen und also einen steten Sclaven aus ihm zu machen, da sie im Gegenteil das ganze Widerspiel erfahren und oft von ihren Männern tapfer ausschandieret, gestiegelfritzet und geholhipt werden. Meine [143] Frau kann selbst Zeugnis geben, wie oft ich ihr den Stock um das Wammes gemessen, denn es kann zuweilen nicht so gleich in der Ehe hergehen. Ein Bißlein vor das Haus schadet nicht gar sehr, und ich tat es auch nur zu Fortpflanzung besserer Liebe, weil ich durch das Sprichwort erfahren, daß wahre Liebe muß gezanket haben. Wenn ich ein Weibesbild wäre, so wollte ich mich in einen solchen niedrigen Menschen von Herzen verlieben, mit ihm heimlich auf und davon wischen, in der Fremde mich auf ein Rittergut setzen und also alle meine Tag in Fried und Freud zubringen.«

»Potztausend,« sagte eine gegenübersitzende Edelfrau, »das ist eine feine Resolution. Hätten wir doch alle so getan und wären mit Schreibern, Stallknechten, Studenten und Schuhknechten davongelaufen, darnach möchte ich gern sehen, wen Monsieur Ludwig wollte geheuratet haben.« Diese Rede belachten alle Anwesende, aber Monsieur Ludwig wickelte sich gar bald heraus, wenn er sagte, daß er so gern eine Bauerdirn als eine vom Adel wollte zum Weibe haben, weil er anders vor der Ehe, anders aber in derselben hätte schließen gelernet.

»Meine liebe Frau von Pockau,« – von diesem Geschlecht war sie – sagte er zu ihr, »Sie mag sagen oder höhnisch darauf sein, wie Sie will, so ist es doch wahr. Ihr wisset euch in der Jugend mit eurer abgeschabenen und lausigten Affection so viel, daß ihr meinet, alle eure Blicke sollen und müssen mit doppelten Wechselbriefen bezahlet werden, und es reimt sich gar nicht, daß Ihr unter die gemeine Kerl die Studenten mit einmenget. O liebste Frau von Pockau, seid versichert, daß es Studenten gibt, die noch nach höhern Frauenzimmer, als Ihr seid, nicht eines Nagel groß fragen. Studenten sind keine Narren, sie wissen, wo sie sitzen. Der hohe Stand tuts nicht alleine, die Galgenvögel machen keins auf, man spendiere ihnen denn pro labore & studio ein paar Reichstaler, wie den Herren Medicis, nachdem sie einen Kranken curiert haben. Und wenn es wahr ist, was das lateinische Sprichwort von den Studenten saget, so halte ich siehac in parte und diesesfalls vor die besten Contentierer in der ganzen Welt; denn es heißet: omne animal post coitum triste, [144] excepto studioso. Wollt Ihr wissen, meine Frau, was dieses heißet, so lasset Euchs durch Euren Aufwärter verteutschen, denn der dünkt mich auch ein solch animal zu sein, weil er mir trefflich spitzfindig auf das Maul gucket.« Hierüber lachten sie alle auf den Studenten, welcher der Frau von Pockau vor diesmal bei der Tafel aufwartete, aber sonsten zu Hause ihre Kinder informierte. Der Seiltänzer machte vor Freuden eine Capriol in die Höhe, und die von Pockau wurde selbst in ein Gelächter beweget, so sehr sie auch Monsieur Ludwig getroffen hatte.

Die Fräulein Anna wurde nach diesem von dem Irländer und Monsieur Isidoro gebeten, die Geschieht wegen der Dam und dem Schreiber zu continuieren und auszuführen, auch nicht zu achten, was Monsieur Ludwig oder auch ein anderer dawider einwerfen würde, weil ihr ohnedem zur Genüge bekannt wäre, warum sie an gegenwärtigem Ort zusammengekommen, und daß sie nicht allein ein wenig lustig, sondern auch ein bißchen grob sein müßten, welches gute Freunde untereinander nicht übel auslegen würden. Mit diesem fing Fräulein Anna aufs neue an und sagte wie folget: »Die Art des Schreibers war in der Wahrheit sehr kurzweilig zu betrachten, denn der Mausekopf liebäugelte dergestalt auf die Dam, daß es nicht zu beschreiben. Anstatt der Noten schwätzte er ihr etwas von der Liebe daher, und damit er zu solchem Discurs Gelegenheit hätte, so höret, wie ers herumbrachte: ›Madam,‹ sagte er, ›die Ton sind unterschiedlich. Etliche sind lustig, etliche traurig, etliche mittelmäßig. Die lustigen Toni kommen den Vergnügten zu, die traurigen den Verliebten und die mittelmäßigen den Hoffenden, und in diese Zahl der letztern bin auch ich eingeschlossen, weil ich stets in Hoffnung lebe.‹ Nach solchem Discurs brachte er der Dam immerzu Lieder aus den allertraurigsten Tonen. Dahero bekam die Dam Gelegenheit, ihn zu vexieren, denn sie glaubte, er müßte nicht allein hoffen, sondern auch verliebt sein. Er sagte, daß es mehr als wahr wäre, und sagte rundheraus, was seine Meinung sei.

Die Dam hielt es anfangs vor einen Scherz, aber der Schreiber legte ihr die Hand auf die Schoß, dadurch sie gezwungen [145] worden, ihn zu verlassen und sich in ihr Zimmer zu begeben. Nun war dazumal unsere Amme noch eine Jungfer ...« – »Das weiß Sie mit keinem Eid zu bekräftigen, Fräulein Anna«, sagte Ludwig. »Nun,« gab ihm Fräulein Anna zur Antwort, »sie mag gewesen sein, wer sie will, so hatte sie doch dazumal noch keinen Mann, sondern wartete dieser Dam vor ein Kammermensch auf, welcher die Dam alles dasjenige geklagt, was der Schreiber mit ihr voll Begierde und Unsinnigkeit ohne alle Complimenten hätte vornehmen wollen. Das Rabenaas war so klug und legte des andern Tages der Damen ihre Kleider an, putzte sich in ihren gewöhnlichen Schmuck und erschien also vor dem Schreiber, welcher nicht anderst glaubte, als wäre es die Dam. Fängt darauf mit ihr an zu singen, und im Hinweggehen bittet er sie gar höflich um Verzeihung, versprechend, daß er ihr alle Vorteil in der Musik offenbaren wollte. Solches tat er, und die Amme lernete dazumal hauptsächliche Triller und Manieren von dem Schreiber, weil sich die Dam nicht mehr getrauet, in seine Gesellschaft zu kommen.

Endlich, als die Dame fast singen konnte, hielt der Schreiber um die vorige Gelegenheit aufs neue an. Die Amme hatte aber schon zum Vorrat drei Nadel unter das Vortuch an ein bequemes Instrument gemachet, daran der Schreiber mit der Hand hinangefahren wie ein Bauer mit einem Fuder Holz wider die Steinmauer. Er stach sich in die Finger, daß das Blut darnach lief ...« – »Wenn Sie auch ein solch Instrument darunter gehabt hätte,« sagte der Irländer zu der Erzählenden, »so hätte mancher zerstochene Finger davongetragen.« – »Bei meiner Treue,« sagte sie, »die Herren schrauben mich je länger je ärger.« Darauf schwieg sie still und wurde noch mehr ausgelachet als zuvor. »Ihr seid mir wohl die Rechten zusammen,« sagte die Frau von Pockau, »oh, man höret wohl, wie schön ihrs treibet.« – »Frau von Pockau,« sagte Isidoro, »kein Haar anders als der Schreiber.« Darüber lachten sie noch abscheulicher, und damit redeten sie noch allerlei, bis endlich die Tafel aufgehoben wurde.

4. Capitul. Die Geschicht des Atavan
[146] IV. Capitul.
Die Geschicht des Atavan.

Der Vorwitz stürzt den Icarus,

Daß er im Meer ersaufen muß.


Ich glückseliger Zendorio wußte dazumal nicht, wie ich meine Zeit fröhlich genug passieren sollte. Nahm derohalben allerlei Mittel vor, und nach gehaltenem Tanze machten wir die Abrede, daß, weil die Zeit ohnedem sehr widrig und kalt sei, solle sich die ganze adelige Gesellschaft morgens in dem Zimmer der Caspia einfinden, und daselbsten wollten wir bei einem Gläslein Veltliner die Zeit mit Erzählung allerhand kurzweiligen Sachen zubringen. Sie sagten alle ja, aber Ludwig nahm sich aus, daß, wenn er ja darbei vermittelst des so gefaßten Schlusses erscheinen müßte, solle ihm freistehen und erlaubt sein, ein bißchen was Garstiges mit unterzumischen, weil sie ohnedem keinen Pickelhering auf dem Schlosse hätten. Das Frauenzimmer sprach, es möchte immer sein, aber er sollte beileib nicht außen bleiben. Damit gingen wir voneinander, und begab sich männiglich zu Bette.

Morgens funden wir uns abgeredtermaßen in dem Zimmer der Caspia ein, und da wurde sie von den Gästen heute so gut als ich gestern geschraubet und ausgevexieret, weil ein jeder wissen wollte, wie es sich die erste Nacht bei dem Bräutigam schliefe. Nach diesem gab man jedem seinen Stuhl zu sitzen, und weil der Seiltänzer seit gestern seine Erzählung übrig hatte, mußte er mit solcher den Anfang machen, auf daß die andere Courage hätten, desto besser sich auf ihre Erzählung gefaßt zu machen. Er fing demnach an und brach in folgende Worte heraus:

»Hochadeliges Frauenzimmer wie auch edelgestrenge Herren und Junkern! Ich bin von Ihnen insgesamt ersucht worden, eine Geschicht zu erzählen, die ich mit eigenen Augen angesehen habe. Solche aber ist die traurige Begebenheit des stattlichen Arzts und Bruchschneiders, des sogenannten Atavan. Dieser Atavan war von Geburt aus Orléans an der Loire und ernährete sich durch seine Kunst sehr reichlich. Seine Curen waren dermaßen glücklich, daß er viel eher einen Bruch geschnitten als einen Kaphan tranchieret. Dieser [147] Ruf brachte ihn bei Großen und Kleinen in gutes Ansehen und ward allenthalben stattlich verehret.

Nebenst dieser herrlichen Profession machte er einen Theriack, den hieß er nach seinem Namen Atavan, und solcher ward ihm auf offenem Markt reißend bei dem Theatro abgekaufet, weil er ihn vor ein sonderliches Præservativ wider die unreinen Nebel und anderer giftiger Dünste ausgab. In solcher Qualität kam er auch nach Regenspurg, in welcher Stadt ich mich dazumal Studierens halber aufgehalten. Ich hielt es vor eine Sünde, so ich einen Gaukelpossen sollte versäumet oder übersehen haben. Ich lief sogar von der Lection hinweg und ließ meine Topic, den Suetonius und Horatius auf der Tafel liegen, wenn ich hörte, daß die Klopffechter oder sonsten etwas Artiges in der Stadt herumtrommelte, davon ich ein großer Liebhaber ward. Denn ich gab mich dazumal aus und hielt mich bei mir selbsten vor einen Marx-Bruder, der ich doch nicht war, und beging viel tausend Stücklein, die ich nicht alle sagen mag.

Es geschah eben zur selben Zeit, daß dieser Atavan auf dem Theatro durch seinen Pickelhering ausrufen ließ, welchergestalten er künftig neues Jahr von dem Thum-Stift in lauter Feuer herunterfahren wollte gleich einem Vogel Phönix. Aber weil dieser Ort zu heilig war, ein solch Gaukelspiel zu fovieren, nahm er sich vor und suchte sich einen Turm aus auf dem Platz, so die Heyde genennet wird. Es wurde ihm ins zweite Mal widerraten, aber nichtsdestoweniger stellete er sich zurecht und machet das Seil an dem obern Fenster eines ziemlich hohen Turms an, also daß das andere Ende bis an das Eck der Trinkstube oder Waage gereichet. Ich halte die lineam rectam ungefähr auf dreißig Angel, die longitudinem bis zum Turmfenster funfzehen Ruten, daraus kann ein Erdmesser beiläufig wissen, wieviel Klafter das obliquum und also der ganze Strick gewesen.

Es war an einem Sonntag abends, und des folgenden Tages fiel der Heilige-Drei-König-Tag ein, welches ich mich noch aus dem entsinne, daß die Prediger in allen Kirchen trefflich darauf geschmälet haben. Die Nacht und das Anwesen vieler tausend Personen machte das Spiel viel abscheulicher, als [148] man sich einbilden können. Das Wetter war etwas feucht, dahero ward das Seil ganz benetzet, welches die Seilfahrer insgesamt und ich in spcie vor eine große Hinderung in dergleichen Begebenheiten schätzen, weil man erfahren hat, daß schon ihr tausend dadurch den Hals gebrochen.

Ich selbsten stund mitten unter dem Haufen, nicht weit von dem Eck, da das Seil angeheftet war, und daselbsten waren auch wie die Teufel angekleidete Kerles, welche ihn mit Bettgewanden auffangen und halten sollten. Andere Diener gingen bei dem Seil und unter demselben mit brennenden Pechfackeln hin und wider, und hofften alle einen bessern Ausgang, als leider in dem Werk selbsten erfolget ist. Wir warteten sehr lange und mit großem Verdruß. Endlich schrie er herunter: ›Allumez! Allumez!‹ Das solle, wie man mich berichtet, ›Zündet an!‹ heißen. Kurz nach diesen Worten sah man viel Raqueten von ihm steigen. Wir hofften immer, er würde besser herunterkommen, aber es dauerte wohl ein Vaterunser lang, da er weiter nicht als etwan zwei Klafter gekommen, ob sich schon das Seil ausdermaßen geschwungen. Er hatte ein anders Seil unter dem großen in nächstgelegenem Güldenen Kreuze angespannet. An demselben sollte eine feurige Katze hinunterlaufen und diejenige Feuerräder anzünden, die er ringsherum um den Brunnen angebunden. Aber ehe man sichs versehen, fiel der arme Mensch von dem Seil herunter und blieb eben an der Stelle mausetot liegen, dahin er gefallen, und viel Leute haben sich besorget, daß solche in die Dächer fliegen und anzünden möchten, so gar hatte das Spiel mißlungen.

Man ließ alsobald die Feuerräder von dem Brunn hinwegnehmen und um die Ursach dieses erschrecklichen Falls fragen, und wurde alle Schuld einem Sandkörnlein oder Papierlein beigemessen, so sich in dem Lauffeuer auf der andern Seite befunden, daraus gefolget, daß die eine Seite eher angezündet und der Arzt also gezwungen worden, auf die eine Halbe zu fallen, weil die Last des Pulvers ziemlich viel war. Zudem hatte man ihm auch die beide Armen mit einem großen Brett auseinander gespannet, auf welchem Raqueten gelegen, er hat aber in der Hinüberwälzung noch mit einer [149] Hand das Seil zu fassen gekriegt, und wenn er die andere Hand los gehabt, hätte er noch mit gesundem Kopf davonkommen können. Aber das Feuer und der Dampf machten ihm große Qual, und sagten ihr viel, daß er noch in der Luft von dem Pulver erstickt worden.

Mit was Schrecken das Volk von dem Platze gegangen, könnet ihr leichtlich urteilen. Man gab darnach geschwind Kupferstück heraus und wurden Verse darzu gemachet, welches die Händler nur ihnen selbst zum Besten taten, weil ein ziemlicher Particul von dergleichen Briefen ist verkauft worden. Hat also der Autor derselben Relation und Verse einen gaukelhaftigen Dank von der ganzen weiten Welt verdienet, den ich ihm auch gerne lassen will.«

»Monsieur Seiltänzer,« sagte Ludwig, »Er hält seine Profession sehr verdächtig, wie sie denn auch in dem Werk selbsten nicht gar reputierlich ist. Meinesteils liebe ich die Gaukelei, aber die Gaukler selbsten achte ich nicht gar hoch, der Herr muß aber nicht meinen, als sei Er mir verhaßt, denn ich verstehe aus seiner abgelegten Relation, daß Er gestudieret, daraus ich Ursach habe, Ihn vielmehr vor einen Studenten als Gaukler zu achten.« Der Gaukler gab zur Antwort, Monsieur Ludwig möchte ihn halten, vor was er wollte, ihm würde zustehen, in allen Begebenheiten gehorsame Dienste zu leisten.

5. Capitul. Der Seilfahrer erzählet seinen eigenen Lebenslauf
V. Capitul.
Der Seilfahrer erzählet seinen eigenen Lebenslauf.

Wer andre unterrichten will,

Der fang bei sich erst an das Spiel.


Isidoro hatte dem Seiltänzer unter währender Erzählung angemerket, daß er ein lustiger Kopf von Natur war. Gab dahero mehrere Gelegenheit und ersuchte ihn, seinen Lebenslauf zu erzählen, und weil bei dieser Bitte das Frauenzimmer auch das Ihrige taten, ließ er sich hierzu leicht bewegen, und Monsieur Ludwig versprach, daß er nach solchem auch den seinigen eröffnen und nicht das geringste [150] Stücklein verschweigen wollte, was sich mit ihm zugetragen. Hiermit erzählete der Seiltänzer folgendes aufs neue:

»Zuvor habe ich erzählet eine Historia, die traurig genug war, von einem solchen Menschen, der die Bein außer seinem Beruf auf gefährliche Schritt gesetzet, davon er leichtlich den Hals gebrochen. Nun aber werde ich an den Tag bringen meinen lustigen Lebenslauf, den kaum der Tausendste glauben kann. Meine Geburt ist so gar niederig nicht, denn mein Vater war ein Stadttürmer in Burgund, bin also ein Hochgeborner sowohl als ein anderer. Und weil ich in Teutschland noch wenig so hohe Türme gesehen als dieser, wo ich geboren worden, habe ich keine geringe Ursach, mich mit hiesigen Edelleuten in einen Præcedenz-Streit einzulassen. Ich glaube, es wäre auch schon geschehen, so ich nicht von Natur zur Niedrigkeit geneigt wäre, mit der ich absonderlich dem edlen Frauenzimmer ergeben bin.

Drei Jahr nach meiner Geburt führte mich meine Mutter auf den Gang hinaus, welcher rings um den Turm ging, und weil mein Vater dazumal das Abendlied geblasen, hieß sie mich ihm zuhören, vermeinend, ich würde das Trompeten-Blasen ebenso aus dem Gehöre lernen wie die Canari-Vögel die Melodien. Aber ich weiß nicht, wie es geschah, als der Wind meinen Vater in dem Gang umwarf, denn er war eine so kleine und federringe Person, daß ihn meine Mutter zu Zeit der Sturmwinden mit einer Handwelle an das Gitter anbinden müssen, sonst hätte ihn der Wind über die Turmspitze ausgeblasen, und der närrische Pöbel hätte alsdann glauben dörfen, es hätte ihn wer anderer davongeführet. Dieses Mal aber kam der Wind ganz unverhofft und wider unser eigenes Vermuten, dahero kam es, daß er mir unversehens mit der Trompete eine ganze Reihe Zähne einschlug, und aus diesen Ursachen konnte ich nicht zu der Trompete gebrauchet werden, weil ich noch als ein Jüngling allerlei Ungelegenheit an dem Zahnfleisch fühlete. Und ob mir schon hernach die Zähne wieder wuchsen, war ich doch schon zu alt, einen Trompeter abzugeben, entschloß mich dahero, in dem angefangenen Studieren fortzufahren. Ich kam auf eine Schule zu einem Præceptor, der war noch [151] eine ledige Person, hatte aber eine Kammachers-Tochter überaus lieb.

Ich war damals ein Jüngling von achtzehn Jahren, und es fehleten gar wenig Jahr, so war ich so alt, als mein Schulmeister gewesen. Den Bart anbelangend hatte er soviel als ich, und er stellete sich auch zu Hause mit mir oft so närrisch an, daß uns die Hausmagd oft ausgescholten und gesagt hat: ›Herr Præceptor, seid doch kein solcher Narr!‹ Solche Wort mußten wir von der Dienstmagd einfressen, und ich gedachte: Kanns mein Herr leiden, so kann ichs auch leiden. Ja, wenn wirs gar zu grob machten, jagte sie uns wohl mit dem Besenstiel aus der Stube darzu, daraus leichtlich abzunehmen, wie ein Paar nobile fratrum wir zusammen gewesen und wie fleißig ich vor meinen Part studieret habe.

Die Kammachers-Tochter machte mir fast die größte Mühe, denn er schrieb Briefe, die mußte ich hernach ins reine übersetzen, und er sagte, daß ich den Stylum wohl observieren sollte, weil man sich dieser Art auch in anderen Zufällen und Materien gebrauchen könne. Er hatte die Gewohnheit, sie allezeit in der Nacht zu besuchen, weil er sich scheuete, bei Tag an einen solchen schlechten Ort zu gehen, und weil er ein ehrlich Amt hatte, glaubete die Tochter ganz sicher, es würde ihrem Kragen gelten. Butzlia, so hieß sie mit Namen, freuete sich schon auf die Hochzeit, und war doch noch nichts von dem Versprechen gedacht. Er selbsten machte ihr hierzu gute Hoffnung, und ich glaube, wenn sie hätte singen können, sie hätte auch solche Ton gleichwie der Schreiber, dessen heute gedacht worden, von der Hoffnung hervorgebracht. Aber der Præceptor verschob das Werk von einer Zeit zur andern und suchte nichts, als sie unter dem Schein einer ehelichen Liebe zu betrügen.

Der Kammacher war ein alter verlebter Mann, desgleichen auch seine Frau, und sie hatten zu ihrem bißchen Vermögen nur diese einzige Tochter, welche sie nur deswegen nicht versperren wollten, damit sie bald sollte einen Mann kriegen. Sie wußten, daß mein Præceptor stellatim ging und sich fast alle Abend in ihrem Hause bei der Tochter einfand. [152] Weil ich aber niemalen mit ihm in dem Hause gewesen, kannten sie mich keinesweges, sooft ich auch des Tages vorübergegangen und sonsten Buhlbriefe hingeschicket hatte, welche des Præceptors quinta essentia von den Liebesgedanken waren.

Einer Zeit geschah es, daß er sich bei einem Schulschmaus einfinden mußte. Dorthin bestellete er mich, aufzuwarten, ich aber gab vor, daß mir der Magen so weh täte, daß nichts darüber, auf welche Entschuldigung er mir vor dieses Mal nichts mehr befohlen, als zu Hause zu bleiben und mich warm zu halten. Ich aber drehete die Sache ganz auf eine andere Art hinum; ich ging hin zu der Tochter, verrichtete ihr einen freundlichen Gruß von dem Præceptor und sagte ihr mit wenigem, daß er heute nach Glock acht Uhr ganz alleine und in der Finster kommen wollte, darnach sie sich würde zu halten wissen.

Butzlia dankte mir gar höflich, und allerdings, die Wahrheit zu gestehen, so war das Rabenaas schön genug vor einen solchen Menschen, wie mein Herr war, wenn sie ihm nur nicht so gar viel und oft hätte in ihrem Buche lesen lassen. Nach zwei Stunden kam ich selber. Ich hatte des Præceptors alltägige Kleider angezogen, weil er bei der Gasterei mit seinen Sonntagshosen erschienen. Und weil ich stetigs um und bei ihm war, brauchte ich keine große Kunst, mich seiner Stimme und Gebärden zu gebrauchen. So hatte ich auch zuvor in Ablegung der Post meine Rede viel anders gestellet, als ich sonsten natürlicherweise zu reden pflegte, dahero ging meine Invention gar stattlich an, welches derjenige nicht würde haben zu Werke richten können, der keine Resolution und eine wackere Courage im Leibe gehabt.

Ich passierte in dem Habitchen so in der Dunkelheit über die Gasse, und es bekamen mir gar viel Schüler auf der Straße, die den Hut vor mir abnahmen, zweifelsohne, weil sie mich in der Finster vor den Præceptor hielten. Da hieß es: Respect, ins Teufels Namen. Nicht lang hernach kam ich in des Kammachers Haus, allwo die Tochter schon unter der Tür stund und mich geschwinde mit sich in einen Kühestall [153] führte. Nunmehr wußte ich auch, wo der Præceptor Lectiones explicierte, und wunderte mich von Herzen, daß sie zu ihrer Zusammenkunft diesen Ort erwählet hatten. Aber es ist vielleicht darum geschehen, weil es die Gelegenheit des Hauses nicht anders leiden wollen oder daß der Præceptor an den daselbst stehenden Kühen und Ochsen möchte sein zukünftiges Ebenbild erblicken.

›Mein Herr,‹ sagte sie zu mir, als wir uns miteinander auf das Heu niedergesetzet, ›ich kann heute nicht lang hier verbleiben. Der Vater turniert wie nichts Gutes, und die Mutter ist auch aller mürrisch. Wir haben eine Kammer, darinnen liegt all unser Horn, das ist uns gestern abend halb gestohlen worden. Nun will er heute und morgen mit seinen Gesellen wachen, und so sich einer gelüsten lässet hineinzusteigen, werden sie ihn dermaßen empfangen, daß ihm der Buckel krachen soll. Er komme ja morgen nicht zu mir, denn man weiß nicht, wie man in Unglück kommt und was der Henker vor ein Spiel führt.‹

Hierauf umfing ich sie und küßte ihre Backen wohl tausendmal. ›Monsieur,‹ sagte sie, ›Er ist noch niemal so ungestüm mit mir umgegangen!‹ Daraus ich geschlossen, daß es der Discipul besser als sein Præceptor gemachet. Ich hätte noch weiter fortgefahren, so sich nicht eine Kuh an dem Stricke losgerissen, und dahero wurde sie gezwungen, solche wieder anzubinden und der Magd zu rufen, zwischen welchem ich mich heimlich zum Hause aus machte, nachdem sie mich zuletzt gebeten, nur morgen auszubleiben, aber übermorgen möchte ich kommen, früh oder spat, nachdem es mir möchte gelegen sein. Mit dieser Post eilte ich so gut hinweg, als ich hergekommen, und reuete mich nichts so sehr, als daß ich nicht auf eine andere Art mit ihr conversieren können, welches mein Præceptor wohl wert gewesen wäre, sofern es anders die Zeit und Gelegenheit hätten leiden wollen. Aber was konnte ich weiter tun, weil es nicht anders sein wollte. Resolvierte mich derohalben, meinen Herrn so sauber anzuführen, daß er mirs mit dem Teufel danken sollte.

Ich wartete in die tiefe Nacht auf ihn und trieb indessen mit der Magd wohl tausend Schelmenspossen, derer ich schon [154] mehr als zuviel gewohnet war. Bald riß ich sie bei dem Rock über die Ofenbank herunter, und wenn sie sich niedersatzte, einzuschlummern, zog ich ihr den Stuhl unter dem Fetzer hinweg, daß sie bald lachte, bald über mich fluchte, wie denn die Weibesbilder insgemein bei solchen Begebenheiten bald zum Zorn, bald wieder zum Gelächter zu bewegen sein. Bald schlug ich ihr gar das Hemd über dem Kopf zusammen, und ob sie schon drohete, solches ihrem Herrn zu sagen, fragte ich doch keine Schnellfeige darnach, weil es der Præceptor viel ärger als ich zu treiben pflegte. Hatte also einer dem andern nicht viel vorzuwerfen, und daraus ist ja leichtlich abzunehmen, wie fromm die Jugend werde, wenn man sie solchen Leuten zu versorgen gibt.

Zwischen solchen Exercitien klopfte er an der Haustür. Die Magd lief mit dem Licht ganz geschwinde hinunter, und es fehlete gar ein weniges, so hätte er ihr einen Fuchs in das Angesicht geschossen, so sehr hatte er bei der Schulmahlzeit eingeladen. Er taumelte von einer Wand zu der andern und machte an denselben seinen seidenen Mantel so schneeweiß, daß einer sollte geschworen haben, er käme aus der Mühl von den Eseln her. Die Magd hat wohl die Zeit ihres ganzen Lebens nicht so viel Mühe und Stärke angewendet, als da sie ihn über die Treppe hinaufschleppte. Sie hielt bei jeder Stufe still und klagte sich trefflich über die schwere und harte Arbeit, welcher sie in diesem Hause vorgesetzet sei.

›O Ihr versoffenes Ding!‹ sagte sie zu ihm, ›sehet, wie Ihr Eure Halskrause zugerichtet. Ihr seid viel unsättiger als eine Sau, die frißt und trinkt nicht mehr, als sie kann, aber Ihr seid mit einem halben Eimer Wein nicht zu erfüllen. Zudem so steckt Ihr auch so gern in Compagnien und wisset doch nur gar zu wohl, ja, ich muß es selbst oftmalen mit anhören, daß sie Euch noch schrauben darzu. Sie loben Euch ins Gesicht, aber hinterrücks lachen sie Euch aus, wenn sie sehen, daß Ihr so leichtgläubig seid. Über dieses, so könnet Ihr auch keinen Trunk vertragen, und morgen werde ich erst meine schwere Angst haben, wenn ich Eure verstunkene Hosen werde auswaschen und säubern müssen. Der Teufel weiß es, wie Euer Hemd aussehen wird, wahrhaftig, die Wäschweiber [155] sind öfters darüber erschrocken, und haben es diejenige, so von fern ungefähr auf die Wäschstange geblicket, vor einen Comet-Stern gehalten. Ja, der Türmer, so in der Wäscherin Hof sehen kann, hat mir selbst gesagt, daß er Euch einmal bei der Nacht heimgehen und Euch das Feuer vom Brandewein zum Hals und den Naslöchern habe herausschlagen gesehen.‹

›Urschel, Urschel,‹ sagte der Præceptor, ›bringt mich doch hinauf, ich bin so voll wie ein Schwein.‹ – ›Das sehe ich gar wohl,‹ sagte die Urschel, ›die Knaben werden etwas Schönes von einem solchen Weinschlauch lernen. Pfui, schämt Euch in den Arsch hinein, daß Ihr Euch so anstellet.‹ Hiermit rufte sie mir, und ich tat, als ob ichs nicht gehöret, da ich doch nächst ober der Treppe in einem Winkel gestanden und mit Lust zugesehen, wie sie ihn eine Stufe herauf-und die andere hinuntergezogen. Endlich ließ sie ihn in seinem eigenen Unflat liegen und lief herauf, mich zu holen und hinunterzuschaffen, aber ich legte mich quer in den Weg. Da purzelte sie samt dem Licht über mich zur Erde, daß das Licht auslöschte. Nach solchem zog ich sie bei den Beinen rücklings auf die Treppe hinunter, daselbsten wälzten wir uns beide über den Præceptor, welcher ach und weh schrie. Die Magd selbsten hielt mich vor ein Gespenst und fing ein solches Geschrei an, davon die Nachbarn aufgewecket wurden. Ich gab dem Præceptor im Hinaufgehen noch etliche gute Kopfnüsse, die er in dem großen Trunk nicht sonderlich empfunden noch gefühlet. Alsdann schlug ich ein Licht und fragte die Magd, was sie vorhätte, daß sie sich nicht scheuete, ein so grausames Spiel in der Nacht mit dem Herren anzufangen. Aber sie hieß mich einen Schelm und einen Dieb; denn sie gab mir alles dasjenige schuld, was ich vor dieses Mal mit ihr sowohl als dem Præceptor verübet.

›Du Hunds- etc.,‹ sagte sie, ›du und dein Herr, ist ein Bärnhäuter wie der ander. Wäre mein Vierteljahr herum, ich wollte keinen Augenblick mehr in diesem Hause bei euch groben und unhöflichen Leuten bleiben. Man hat ohnedem so viel zu arbeiten, daß einem möchten die Nägel braun und blau darüber werden, und wenn man seine Ruhe haben soll, [156] so kommen die Flegel, einer hinten, der ander vor einem, her und zerzausen eins wie einen Flederwisch. Ach, denkt nur, daß ich eine Herrschaft finden will, die euch den Kitzel vertreiben werde. Wollt ihr Narren sein? So seid es ins Teufels Namen und lasset mich mit euren Narrenpossen ungeschoren. Die Bärnhäuter gucken kaum auf die Schul und lernen ein wenig was aus dem Vexibulo, da wollen sie flugs Studenten sein. Ja, Bachanten seid ihr und nichts Bessers. Der Teufel schlage drein, ich will es dem Herrn Rector sagen. Oh, er ist kein Mann, der sich mit Hudelei wie der Ding placket, sondern er wird euch so Mores lernen, daß ihr an mich gedenken sollet.‹

Ich glaube, die Magd hätte noch eine halbe Stunde aneinander fortschandieret, wenn ich nicht indessen den Præceptor mit Haut und Haar, Rock, Hosen und Mantel hätte zu Bette gebracht. Ich riß auch zum Possen etliche Löcher in das Oberbett, davon er mit Federn oben und unten überzogen war. Seine Peruque trat ich mit Füßen, und weil wir etliche junge Hühner unter dem Ofen hatten, schmiß ich sie in die Hühnersteige, zog sie auch daselbsten so lang herum, bis sie ziemlich eingepudert war. Einen Schuh warf ich hinter die Bettlade, den andern zum Fenster aus, und des Morgens sagte ich, er hätte solchen gestern auf der Gasse verloren und nur einen nach Hause gebracht. Die Krause zerriß ich wohl zu hundert Stücken und gab darnach vor, er hätte sich mit der Magd auf der Stiege dermaßen überworfen, daß nichts darüber wäre, denn ich wußte wohl, daß er sich in dem Suff auf keinerlei Art besinnen konnte und daß er all dasjenige aus der Vernunft zu lassen pflegte, was ihm in solchem Zustande vorgebracht oder angetan würde.

Die Urschel legte sich indessen mit Fluchen und Schelten ins Bette, und ich mußte von Herzen über ihr Geschmäl lachen, welches sie ganz alleine mit sich selbsten in der Kammer führte. Denn dieses ist die gemeinste Art des Frauenvolks, daß sie gleich den beißigen Hunden mit sich selbst murren und auch alsdann nicht aufhören können, wenn niemand mehr zugegen ist, mit dem sie zu zanken haben.

[157] Des andern Tages war kein Mensch unschuldiger als ich, ja, der Præceptor selbsten fragte mich um Rat, was er tun oder ferners beginnen sollte, weil die Magd heute früh, als sie eingeheizet, vor sein Bett gekommen und ihm gedrohet hätte, zu dem Rector zu gehen und demselben alles haarklein zu offenbaren, was wir bis dahero vor Donners-Possen miteinander in dem Hause vorgehabt. Aber ich gab ihr nur ein Becherlein rheinischen Brandewein. Damit machte ich einen guten Hausfried, welches nicht vonnöten gewesen wäre, so sich der Præceptor von der Magd nicht so sehr commandieren lassen. Aber wo keine Autorität ist, da ist auch keine Sorge, und das kindische Vornehmen eines Hauswirts gibt den Dienstboten keine geringe Gelegenheit, übel von der Sache zu reden. Sonsten hätte sich auf der Urschel ihren hockerichten Buckel eine gute Knittelsuppe gebühret, und des andern Tages sollte man ihr fein sauber die Tür gewiesen haben. In Ermanglung aber dessen mußten wir uns dieses Mittels mit dem Brandewein bedienen, welches wir bis daher öfters vor die Hand nehmen müssen. Ja, die Urschel wurde der Sache so gewohnet, daß sie flugs eine Ursach von dem Zaun herunter suchte, so sie etwan eine Lust, Brandewein zu trinken, bekam.«

6. Capitul. Der Seilfahrer wird ein Bader
VI. Capitul.
Der Seilfahrer wird ein Bader, kommt wunderlich aus der Gefahr.

Die Lieb ist blind, acht' keinen Stand,

Nimmt Kot vor Gold in ihre Hand.


»So klug sich sonsten der Præceptor gedünkte, so merkte er doch diesen Streich keinesweges, ob ich ihn schon merklich hinter die Springe gewiesen, weil er aber meinen Worten nicht glauben wollen, als ließ ich die Sache immer gut sein und erzählte ihm vor diesmal, welchergestalten des Kammachers Tochter gestern abend ins zweite Mal hergeschicket und entbieten lassen, daß er morgen, als nämlich heute, sich zwischen Glock neun und zehn in der Nacht gewiß und unfehlbar bei ihrem Haus einfände. Sie wollte in der Hornkammer, [158] da das Hörn läge, seiner erwarten, allwo sie etwas Absonderliches mit ihm zu reden hätte. Der Præceptor sprang wegen dieser fröhlichen Zeitung vor Freuden aus dem Bette, und hätte ihm gleich der Kopf noch einmal so wüst und wehe getan, achtete ers doch keinesweges, sondern dichtete schon auf tausend Einfälle, wie er möchte in die Kammer kommen, weil ihm nicht unbewußt war, daß der Kammacher das Haus allenthalben wohl zu verschließen pflegte.

Weil ich nun die Post so sauber und manierlich bei ihm abgeleget, als hielt er mich auch darüber zu Rat, wie ihm nämlich am füglichsten wäre in die Kammer zu helfen. Ich säumete mich hierzu keinesweges, sondern schlug ihm unsere Feuerleiter vor, vermittelst welcher er ohne Anstoß hineinsteigen und mit der Butzlia hantieren könnte, nachdem es ihm gutdünken würde. Er sah, daß hierinnen meinem gegebenen Rat nicht ein weniges zu trauen war, erwartete also der Zeit, und weil ich schon vorher ohne Perspectiv ersehen und spüren konnte, wie sich diese Comödia schließen würde, als raumete ich indessen alle meine Sachen zurecht, auf daß ich mich in dem Sprung heimlich aus dem Staube machen könnte. Es ging mir gar erwünscht vonstatten, denn als die bestimmte Zeit vorhanden, nahm der gute Præceptor die lange Leiter unter das Mäntelchen, und weil es ohnedas stock- und blindfinster war, verhoffte er desto ungehinderter in die Kammer der Butzlia zu kommen, so ihm aber ausdermaßen mißlungen und fehlgeschlagen. Er ging gar behutsam hin an das Haus, und ich folgete aus Begierde, den Ausgang anzusehen, mit einer Laterne hintennach. Er hatte aber seine Leiter kaum so bald an das Kammerfenster angestellet, als er schon auf allen Seiten gleich einem Nachtdieb mit bewaffneter Hand angefallen und auf die Hauptwache geführet worden.

Ich aber packte mein Felleisen geschwinde zusammen, nahm es unter meinem Mantel auf den Rücken und marschierte immer heimlich zu der Stadt aus, weil sie allenthalben offenstund. Außer des Orts lag bei vier Meil Weges ein Sauerbrunnen, daselbst hatte ich einen Wirt zum Vetter, bei dem [159] ich mich vor diesmal als ein Pædagogus aufgehalten und ihm seine zwei kleine Töchter informieret. Und weil sich an diesem Ort allerlei Reisige von fremden Orten wie auch aus vorbemeldter Stadt herzugetan, erforschte ich gar bald hernach von einem Burger, daß der Præceptor die Kammachers-Tochter wider des Teufels Dank habe ehelichen und bei zwanzig Taler auf das Rathaus Strafe geben müssen. Mir aber hätte er gedrohet, sobald er mich unter die Fäuste kriegte, den Kragen wie einer Gans umzudrehen.«

Bis hieher hatte der Seiltänzer seinen Lebenslauf mit sonderlicher Kurzweil erzählet, und die Wahrheit zu bekennen, so hatte er in solcher Erzählung eine so angenehme Manier erwiesen, davon das Frauenzimmer eine absonderliche Vergnügung empfunden, ja, was noch das Allerverwunderlichste unter allem ist, so hat sich zwischen solcher Relation in ihn verliebt ein über die Maßen schönes und adeliges Jungfräulein mit Namen Kunigunda. Ihr Geschlecht war weder gar zu alt noch zu bekannt, aber wegen ihrer Schönheit und großem Reichtum war sie allenthalben im Ruf; und ich glaube selbsten, daß Isidoro aus keiner andern Ursach zu meiner Hochzeitfreude gekommen, als nur deswegen, daß er sich bei ihr an das Brett bringen möchte, weil er durch dieses Mittel ein stattliches Wildbret in das Garn könnte bekommen haben, welches aber freiwillig in des Seiltänzers Netze gelaufen. Daraus wir zu sehen haben, wie verkehrt und widerspenstig die Liebe in den Herzen der Menschen zu spielen pfleget.

Weil aber die Compagnie noch voll Verlangen war, seine weitere Historia anzuhören, in specie aber, wie er zu dem Gaukeln gekommen, redete er mit genommener Licenz folgendermaßen fort: »Zuvor habe ich der adeligen Gesellschaft die erste Geschicht meines Schulstandes erzählet und bin gekommen bis in das Wirtshaus meines Vetters auf den Sauerbrunnen, allwo ich zwei Kinder informieret, welche Arbeit ich mehr aus Spaß als Not vor die Hand genommen, weil ich von Jugend auf ein großer Liebhaber der neuen Zeitungen war, derer man an gegenwärtigem Ort fast täglich eine ziemliche Zahl haben können. Und hätte es auch [160] schon an den ausländischen ermangelt, so konnte man bei den schwätzigen Mägden und bei den Wäschweibern fast stündlich so viel zusammenbekommen, davon man sich wohl ein halbes Jahr möchte beholfen haben.

Diese Art zu leben war mir fast die allerangenehmste, und ich trieb sie so lang, bis zu einer Zeit eine Gräfin an dem Ort angelanget, sich daselbsten der Cur zu gebrauchen. Ihre Diener sagten mir, daß sie es wegen ihrer Unfruchtbarkeit täte, aber sie meinten, daß sie fruchtbar genug wäre, so nur ihr Herr etwas taugte, welcher sich durch den angewöhnten Suff dermaßen verderbet, daß alle Hoffnung, einen Erben zu bekommen, bei ihnen verloschen war. Ich spielete dazumal schon ein wenig auf der Harpfen, und sie verliebte sich dermaßen in selbiges Instrument, daß sie mit meinem Vetter bald einig wurde, mich mit ihr zu nehmen und zu ihrem Kammerdiener zu bestellen. Hundert gute Jahr, wie war ich dazumal so froh! Ich sprang in meiner Kammer höher als gegenwärtiger Ofen und rüstete mich, so gut ich vermocht, auf gegenwärtige Reise.

Sie reisete vier Tage darnach von dem Ort hinweg und satzte mich zu ihr in die Gutsche, allwo sie mir so viel Ehre erwiesen, daß ichs selbst kaum glauben können, daß sie es ernstlich meinete. Nachdem wir etliche Stunden gefahren, trafen wir an einen sehr hohen Berg, auf welchem ein dichter Wald war. Der Weg war etwas steinicht und widerlich zu fahren, derowegen stunden wir aus der Gutsche, und sie ging mit mir über die Höhe und befahl mir, sie zu führen, weil sie des Steigens sehr übel gewohnet war. Die andern Laquayen hieß sie der Gutsche folgen, und solchergestalten kamen wir bald voneinander, weil sie unter dem Berg, wir entgegen ober demselben hingingen.

Als wir ein wenig in den Wald kamen, fing sie an, gegen mich folgendes zu reden: ›Monsieur, auf der ganzen Welt und unter der Sonnen æstimiere ich nichts so hoch als die Liebe, und Er sei versichert, daß ich seine Person nicht wegen der Harpfe, sondern bloß allein wegen der Inclination, die ich des ersten Anblicks zu Ihm gehabt, zu mir genommen. Will Er, daß ich leben soll, so versichere Er mich seiner Gegenliebe, [161] und will Er, daß ich Ihn lieben soll, so verspreche Er mir, verschwiegen zu sein. Ich habe einen Mann aus Notzwang meiner Eltern heiraten müssen, weil er von ansehnlichen Mitteln und ein Graf ist. Von Geburt bin ich nur eine von Adel und habe in nichts wenigers als in diese verdrüßliche Ehe willigen wollen, so ich nicht wider meinen Willen darzu wäre benötiget worden. Ist mein Herr aber entschlossen, dasjenige zu tun, was ich denselben gebeten, so versichere Er mich dasjenige, was ich von Ihm verlanget!‹

Man kann gedenken, wie ich über der Rede der Gräfin werde ausgesehen haben. Ich schätzte meine Glückseligkeit ganz unermeßlich, denn ich kann nicht genugsam entwerfen, wie sehr mich die Schönheit dieser Damen besieget. Ich glaube nicht, daß der türkische Kaiser so fröhlich gewesen, da man ihm die Eroberung der Vestung Neuheusel vorgetragen, als ich dazumal war, da mir diese Schöne selbsten den Paß öffnete. Sagte derohalben kurz und gut: ›Allerschönste Creatur, wer Sie nicht lieben wollte, müßte entweder etwas mehr oder weniger als ein Mensch sein. Eine solche Affection ist die allergrößte Vergnügung dieser vergänglichen Zeit, durch dero Genuß man sehen kann, was schwarz oder weiß ist. Meine Verschwiegenheit soll so gewiß als meine Treu erfolgen, so Sie mir ingleichem zusaget, daß Sie hiervon weder Ihrem Herrn noch jemand anders entweder durch Wort oder andere Gebärden will zu verstehen geben, daß Sie mir gewogen sei!‹ Hiermit umfing sie mich mit einem Kuß, als wir nächst vor uns die Gutsche sahen an dem Ort, da wir mußten zusammentreffen. Damit ließ sie es gut sein, und wenn ich mich vor dem adeligen Frauenzimmer nicht ein wenig schämte, wollte ich alles haarklein erzählen, was wir miteinander in der Gutsche getrieben, bis wir heim in das Schloß kamen, welches von dem Sauerbrunn nicht gar sechs Meil Weges abgelegen war.«

»Ha,« sagte Monsieur Ludwig, »das sind Possen, Herr Seiltänzer, das Frauenzimmer höret es gar gerne, und je gröber es ist, je lieber hören sie es an. Äußerlich zwar tun sie wie der Teufel, innerlich aber gedenken sie in ihrem Herzen: noch mehr, noch mehr, noch mehr.« – »Ja freilich,« sagte [162] Fräulein Anna, »gleich, wie Monsieur Ludwig meinet, Herr Seiltänzer, ich bitte Ihn, Er verschweige es. Aber wenn Er Herrn Ludwigen einen Gefallen zu erweisen verlanget, so erzähle Ers immer heraus, er liebt die Zoten, daß nichts darüber.« – »Sehet doch,« antwortete Monsieur Ludwig, »wie ist das Fräulein Anna heute so keusch worden, man weiß gewiß nicht, wie sie es macht. Sobald sie ein verliebtes Buch in die Hände bekommet, stellet sie sich in einen heimlichen Winkel, und wo es am garstigsten ist, da lieset sie wohl vier- bis fünfmal hinunter und fraget nichts darnach, ob es schon noch gröber und natürlicher herauskäme. Ja, sie machet ihr noch wohl Gedanken darzu, die nimmermehr in dem Buche anzutreffen, und leugnet es nur nicht,« sagte er ihr weiter ins Gesicht, »ich kenne Frauenzimmer, die es noch wohl garstiger machen, und wenn sie was dergleichen lesen, so wollten sie gar, daß noch Kupferstücke darzu darbeistünden oder daß sie gar an der Tür stehen und der Sache selbsten durch ein Löchlein zusehen könnten, und dieses sind solche Leute, denen es man nicht ansehen sollte. Aber, Herr Seiltänzer, Er fahre fort und verschweige ja nichts, was sich mit Ihm auf dem Schlosse zugetragen. Ich will hernachmals auch ganz unparteiisch sein und in meiner Erzählung nicht das Allergeringste außen lassen, was sich mit meiner Person zugetragen.«

»Es ist wahr,« sagte der Seiltänzer, »Frauenzimmer sind Menschen und dahero von Begierden nicht entäußert. Ja, sie stecken von denselben viel völler als mancher Mensch, der sich durch schwere Arbeit allerlei Üppigkeit befreiet. Die Faulenzereien, welcher dasselbe unterworfen, stecket sie mit tausend schädlichen Gedanken an, und ich halte, dieses sei die Ursach, daß etliche Österreichische vom Adel ihre Töchter lassen in dem Kühstall arbeiten und mit den Hausmägden allerlei andere Arbeit verrichten, damit sie desto weniger Gelegenheit hätten, ihren verliebten und von Natur zur Buhlerei inclinierten Meinungen nicht nachzuhängen. Aber weil etliche das donum continentiæ nicht haben oder aber von ihren Eltern gar zu sehr eingesperret werden, damit die Cavalier nicht darüberkommen möchten, geschieht es gar [163] oft, daß statt derselben die Stallknechte darüber herwischen und also die Schande vierfach so groß machen, als es sonsten gewesen wäre. Ich hätte der Exempel genug anzuführen, weil ich aber keine fremde, sondern meine eigene Erzählung vorzustellen entschlossen, unterlasse ich solches und fahre in meiner eigenen Geschicht fort.

Auf dem neuen Schlosse hatte ich auch neues Glücke, denn die Gräfin konnte kaum einen Tag vorbeistreichen lassen, als sie mir schon durch tausend Winke zu verstehen gegeben, wie sehr sie sich in mich verstrickt befand. Ich selbsten blickte sie viel mehr als verliebt an, aber es gab nicht die allergeringste Gelegenheit, allein mit ihr zu sprechen, dahero könnt Ihr gar leichtlich gedenken, welcher einer schweren Trauer ich dazumal unterworfen gewesen, darüber ich nicht in eine geringe Melancholey geraten. Aber solche zu verbergen, wußte ich gewisse Krankheiten vorzuwenden, welche mich alles Verdachts enthoben.

Der Graf war ein Mensch von kleiner Statur. Seine Hosen waren nicht viel über eine Viertelelle lang, und dahero könnt ihr leichtlich urteilen, welch ein großer Ries er gewesen, denn man mußte gar wohl Achtung geben, wenn man ihn unter andern Leuten sehen wollen. Er hatte einen Bruder, der war ein ausdermaßen geiziger Mensch, und wie man sagt, so solle er aus großem Geiz sich verkleidet und den Bauren den Mist aus dem Stall haben tragen helfen, damit er nur des Tages einen Groschen verdienen können. Diese Filzigkeit ist ihm bei andern Cavaliern dermaßen vor ungut gehalten worden, daß sie ihn endlich eingesperret und ihm von allen seinen Gütern nur so viel an Speise, Trank und Kleidern reichen lassen, damit er nicht vor Hunger noch Blöße stürbe. Aus diesem kann man sehen, von was vor einer Gattung mein Graf gewesen, welcher, ob er schon nicht so geizig, doch auch nicht allzu freigebig war.

Er hörte meine Harpfe nicht gar gern nur deswegen, daß er mir zu essen geben mußte, denn er meinete, durch solches wäre ein Künstler meinesgleichen schon zu befriedigen. Es ist nicht zu erzählen, wie ihm der Rotz stetigs zu der Nase heraushing, dahero kann ichs der Gräfin bis gegenwärtige [164] Stunde nicht vor unrecht ausdeuten noch ihr Beginnen als ein freventliches Stück halten, wenn sie ihm aus natürlichem Antrieb nicht hat können gewogen sein. So war er beinebens so ungestalt, und wenn diejenigen Könige wären, die große Nasen haben, so dörfte dieser wohl unter allen die größte Krone davongetragen haben.

Er war in keinerlei Ritterspielen noch andern Exercitien erfahren, weil zu allen diesen sein Leib und die Glieder ganz indispost und ungeschickt waren. So war er auch von so obscurem Ingenio, daß er kaum recht lesen konnte. Seine Discurs waren meistens von seinen Kleidern, was er vor Zeug bei denselben hätte und wenn sie fertig wären geworden. Item, wie lang er vor diesem geschlafen hätte und wie er einsmals aus Unvorsichtigkeit über eine lange steinerne Treppe hinuntergefallen.

Mit solchen verdrüßlichen Sachen verbrachte er seine Discurs, und wenn man ihm von fremden Sachen sagte, so riß er das Maul auf und fragte, ob in Hispanien auch Leute wären und ob dieselben auch Köpfe hätten. Aus diesem ist wohl zu sehen, daß die Gräfin vielmehr einem Block als einem Menschen ist anvertrauet worden, weil sie von diesem Salpeter nicht die geringste Ergötzlichkeit hatte, und was noch das allerschlimmste, so hat er Befreundte auf dem Schlosse, als seine Mutter und noch ein anders Frauenzimmer, die geben Tag und Nacht Achtung, damit die Gräfin nicht extra gehen und etwas suchen möchte, das ihr abgeschabener Mann nicht hätte, dadurch sie viel ärger geplaget worden, als ob sie in dem allergröbesten Gefängnisse zu Wildenstein auf der Vestung gesessen wäre.

Die Gräfin sah wohl, daß es unmöglich war, mit mir zu sprechen, es wäre denn Sache, daß solches durch eine sonderliche Invention gesuchet würde, in Erwägung, daß ihr von der alten Gräfin stets auf den Dienst gelauret worden, welche vielleicht am besten gewußt, wie man den Paß abschneiden solle; aber dem ohne Schaden stellete sie die Sache ganz auf eine andere Art an, ob ich schon nicht das geringste Wort darum gewußt.

Eines Abends, als ich ganz allein an dem Fluß, welcher das [165] Schloß vorbeirann, auf und ab spazierenging, hieß mich ein vorübergehendes Weib geschwinde folgen, weil sie mir etwas Nötiges zu sagen hätte. Ich ging ihr nach, und als wir unter die Bäume gerieten, sagte sie mit Verwunderung, daß sie bei der Gräfin gewesen, und zwar vor acht Tagen. Die hätte ihr an mich folgende Post abzulegen befohlen:

Erstlich, so wäre sie vor ihre Person die Baderin in dem Flecken und hätte ehedessen gold- und silberne Spitzen in das Schloß gemachet, damit sie auch noch bis gegenwärtige Stunde zu tun und zu arbeiten hätte. Und in Erwägung ihrer Verschwiegenheit hätte sie die Gräfin so lieb und wert, daß nichts darüber, indem sie ihr auch die geheimste Sachen nicht verhielte. Sie wüßte wohl, und hätte ihrs die Gräfin schon vertrauet, daß sie mich von Herzen liebte, und ich solle mich zu ihr, als der Baderin, so sicher als gegen mich selbst versehen, daß sie hiervon nicht das geringste Wörtlein offenbaren oder unter die Leute bringen wollte. Die Gräfin hätte nicht ohne Schmerzen meiner so lange entbehren müssen. Ließ mir derohalben durch sie vermelden, wie ich zu ihr alleine gelangen könnte. Ich sollte nämlich bei der Tafel ein Glas zerbrechen, welches von sonderm Wert wäre. Dadurch würde die alte Gräfin bewogen werden, mich aus dem Schlosse zu schaffen, und sie, die junge Gräfin, wollte selbst daran sein, damit ich desto eher davonkommen möchte. Auf solches sollte ich zu ihr, der Baderin, gehen, und mich daselbsten vor einen Badknecht ausgeben, auch Dienste suchen. Wenn solches geschehen, so wollte mich die Gräfin als einen Bader in ihre Badstube auf das Schloß holen lassen, ihr daselbst zu schröpfen, und solchergestalt könnten wir alleine zusammenkommen, sonsten wäre es ganz unmöglich ins Werk zu richten.

Meine Gönner können gedenken, daß mir diese Botschaft viel angenehmer als ein Säckel voll Gold war, in Erwägung, daß die Qualitäten der Liebe allen Wert der Metallen weit übertreffen. Dahero redete ich die Sache mit der Baderin ferner ab, und ich fand sie in allen Stücken so richtig, daß sie billig ein Muster der vollkommensten Kupplerinnen hätte können genennet werden. Weil es sich auch an diesem offenen[166] Ort nicht viel conferieren ließ, ging sie von mir, und ich versprach, morgen auf das längste in ihrem Hause zu sein.

Nach diesem ging ich in meine Kammer, daselbsten meinen häufigen Grillen Audienz zu geben, und verwunderte mich nicht unbillig über diese Invention, die wahrhaftig das äußerste Mittel war, zu der Gräfin zu gelangen. Derowegen resolvierte ich mich, das schönste Glas von der ganzen Tresur zu zerschmeißen und mich nach der Tat aus dem Schlosse zu packen.

Folgenden Morgens wurde ich mit meiner Harpfe zur Aufwartung bestellet, und ich stellete mich mit derselben so ungeschickt, daß ich nicht allein ein, sondern wohl zwölf Gläser von der Stellage herunterstieß. Die alte Gräfin fing an der Tafel an zu fluchen und schelten, und wenn der Graf gewußt hätte, wie man sich in dergleichen Fällen verhalten sollte, so hätte er mir ohne allen Zweifel einen Teller an den Kopf geschmissen. Die junge Gräfin schmälte selbsten wider mich, und ehe ich mich recht umgesehen, schickte die alte schon einen Kammerdiener zu mir, der mir den Dienst aufsagte und noch darzu mit einem Gefängnis drohete. In Erwägung aber, daß ich noch ein junger Diener war, ließ mans darbei bewenden, daß ich meinen Dienst samt dem Schlosse räumen mußte, sobald es sein könnte. Damit ging ich fort, nahm mein Felleisen auf den Rücken, und als es schon ziemlich Nacht war, wendete ich mich auf der Straße zurück und kam zu der Baderin, wie ich ihr zuvor versprochen hatte.

Anitzo kann ich in meiner Erzählung keinen großen Umschweif suchen, sondern muß geschwind heraus sagen, daß folgenden Tages die Gräfin eine Kammermagd zu der Baderin geschicket mit Vermeldung, daß sie sich gerne wollte schröpfen lassen. Deswegen solle sie einen Knecht hinauf in das Schloß schicken, der zwischen vier und fünf Uhr Nachmittag gewiß droben wäre, denn sie wollte darauf noch spazierenfahren. Ich war schon ganz verkleidet, so hatte ich auch statt meiner natürlichen Haare eine garstige rote Paruque aufgesetzet, und weil ich ohnedem kaum fünf Tage auf dem Schlosse gewesen, brauchte ich keine fernere Kunst, mich vor dem Schloßgesinde besser zu verbergen. Auf solches [167] machte ich mich mit zugehörigem Zeuge fertig, schlug den Mantel um und nahm den Kasten unter den Arm, mit welchem ich in langen Schritten dem Schlosse zuwanderte und daselbsten durch ein altes Weib in die Badstube geführet wurde, derer bequeme Gelegenheit ich zuvor nicht gewußt habe.

Nach ungefähr einer Viertelstunde kam sie selbst an, und nach ihr ging eine schon ziemlich erlebte Jungfer, welche ihr die Badkleider nachtrug. Es hatte gleich darneben ein Stübelein, in welchem sie sich angekleidet und zu mir hereingekommen, allwo alle Sachen in guter Bereitschaft stunden. Sie sperrete die Tür sehr feste zu, und ich verwunderte mich rechtschaffen über die Zartheit ihres Leibes, dergleichen ich noch die Zeit meines Lebens nicht gesehen habe. Ich umfing sie mit großem Belieben, und sie küssete mich nach aller Möglichkeit. Wir wollten uns auch schon zusammen niedersetzen, als eine andere Magd an der Badstube anklopfte und vermeldete, daß die alte Gräfin auch ankommen würde und sich jetzund wollte schröpfen lassen.

Diese Post, wie sehr sie uns erschrecket, können Sie leichtlich gedenken, indem durch dieses all unser Vorhaben zu Grund und Scheitern gegangen. ›Das ist ein altes Rabenfell,‹ sagte die Gräfin, ›welche mir auch nicht trauet, einen sichern Tritt zu tun. Ach, wäre ich doch so frei, daß ich die Hoffnung haben könnte, davonzulaufen, alle Mauern des Schlosses sollten nicht so hoch sein, ich wollte doch darüber springen und mein Leben lieber in einer ungeheuren Wildnis als unter diesen Leuten zubringen, welche mich nur zu peinigen geboren sind.‹

Kaum als sie diese Worte geredet, kam die alte Gräfin in dem oberwähnten Badstüblein an, allwo sie sich ausgekleidet und sich überaus verwundert, daß ich ganz alleine bei ihrer Schwiegertochter verschlossen wäre. Sie fragte mich, wie ich hieße und wo ich her wäre, aber ich war wohl so klug, der alten Kratzerin eine Nase zu drehen, und sollte sie klüger als der Teufel selbst gewesen sein. Denn ich gab mit einer ausländischen Sprache vor, wie ich erst aus Stralsund daherkäme und unterwegens von zweien Beutelschneidern [168] bis auf das Hemd wäre ausgezogen und ausgeraubet worden. Item so sagte ich ihr auch, wie ich vor zwei Jahren unter dem Türken wäre gefangen gewesen, hätte auch in solchem Gefängnisse mit einem türkischen Säbel eine Wunde in den Kopf bekommen, von wegen welcher mir oftermalen ganz unversehens eine so starke Ohnmacht zuginge, daß ich mich länger als eine halbe Stunde nicht zu besinnen wüßte.

Sie verwunderte sich über meine Erzählung, und mir war angst und bang, denn ich war in dem Schröpfen ganz unerfahren, ja, ich wußte sogar nicht, wie man die Fliete ansetzen und damit in das Fleisch hauen sollte, machte es doch endlich so gut, als ich konnte, und fing an der Alten an, welche über meinem ungestümen und unbarmherzigen Zuhauen zu schreien angefangen. Ich aber fiel meiner vorigen Erzählung gemäß rücklings nach der Länge in die Badstube hin und stellte mich so artig an, daß sie selbst nicht anders glauben konnte, als wäre mir der Zufall, mit welchem ich seit dem türkischen Gefängnisse behaftet, aufs neue zugestoßen. Rufte dahero ihrer Magd, so indessen in dem Badstüblein bei den Kleidern geblieben, dieselbe mußte allerlei Stärkwasser bringen, mit dem sie mich wieder aufbrächten und ohne Verzug nach Hause schickten.

Dieses war die Invention meines unverhofften Geschickes, ohne welcher ich mich trefflich hätte dörfen bloßgeben. Die Baderin verwunderte sich selbst über meine Arglistigkeit und schickte einen andern Kerl, welcher statt meiner das Werk verrichten sollte. Also mußte sich die verliebte Gräfin wider ihren Willen schröpfen lassen. Aber bald darnach kam die Baderin von dem Schlosse und bat mich, so lieb mir das Leben sei, solle ich mich aus dem Staube machen, weil die Alte ziemlich hinter die Sprünge gekommen, indem mich eine Magd erkennet hätte, daß ich der Harpfenist gewesen. Diese Post brachte sie mir den dritten Tag, nachdem ich in der Badstube gewesen. Dannenhero sah ich mich nicht lang um, und weil ihr die Gräfin ohne Verdacht kein Geld mitgeben dörfen, hat sie ihr befohlen, mir drei Stück güldene Spitzen zu geben, damit ich auf dem Weg eine Zehrung hätte. Ich verkaufte solche flugs in der nächsten Stadt, und[169] dort wäre ich bei einem Haar in das Gefängnis gekommen, weil ein Cavalier in dem Hause war, da ich die Spitzen verkaufte, welcher erkannte, daß sie von der Fasson der Gräfin wären. Von dar an lernete ich von einem Gaukler zur Kurzweil Seilfahren, und Sie haben mich bis dahero vergebens einen Seiltänzer genennet, zumalen mir kein Glied am Leibe gebrochen ist. Aber das Seilfahren brauche ich zur Lust, hat mir auch bis dahero so sehr gelungen, daß ich dadurch und meine Harpfe bishero mein Brot gewonnen.«

Diejenige Frau, welche sie zuvor die von Pockau genennet, bedankte sich wegen der andern allen, daß er seine beste und merkwürdigste Lebensstücke vorgetragen hätte, und weil sie an der Reihe die Ordnung traf, fing sie folgenden Discurs an:

7. Capitul. Die Geschicht wird censiert
VII. Capitul.
Die Geschicht wird censiert.

Der Zwang ist wider die Natur,

Zeucht man stark auf, so reißt die Uhr.


»Zuvor, ehe daß ich anfange zu reden von meinem eigenen Geschicke, muß ich sagen, was ich von der Erzählung des Herrn Seilfahrers halte. Erstlich hat er wohl getan, daß er nicht alle Possen oder etwan dasjenige bei seiner Erzählung dargetan, was entweder nicht tauglich zu erzählen noch würdig zu merken ist. Vors andere hat er übel getan, daß er seine Historia so gar garstig und ohne Beschneidung hervorgeschwatzet ...« – »Ja,« sagte der Seilfahrer, »Madam, ich bin ein Christ und kein Jud, deswegen tat ichs ohne Beschneidung.«

Hiermit lachten sie alle, absonderlich Kunigunda, welche von Herzen froh war, daß derjenige, in welchen sie petersilisch verliebt war, sich so wacker und behende gerochen hatte. »Er sei ein Christ oder Jud,« sagte die von Pockau weiter, »so ist Er doch mit einem garstigen Spieß darein gelaufen ...« – »Das ist erlogen,« sagte Monsieur Ludwig, »es kam ja die Alte darzu, sonst hätte es leichtlich dörfen geschehen!«

[170] Auf dieses lachten wir noch abscheulicher, aber die von Pockau ließ sich nicht irremachen, sondern redete fort und sagte also: »Mein Herr Seilfahrer, die Gräfin, welche in Ihn verliebt gewesen, ist zu loben und zu schänden. Zu loben ist sie ...« – » ... daß sie ihn hat wollen drüber lassen«, sagte Ludwig. Kunigunda sagte: »Pfui, Herr Ludwig, wie ist Er so grob!« – »Wenn Er mir so in die Rede fallen will,« sagte die von Pockau, »so will ich meine Historia einer andern überlassen.« – »Meinethalben,« sagte Ludwig, »so hebe ich an, meine Geschicht zu entwerfen, welche vielleicht die euren alle übertreffen soll, darum so höret mir zu.« – »Nichts, nichts,« sagte Zendorio, »Bruder, lasse das Frauenzimmer fortreden!« – »Madam,« sagte Caspia zu der von Pockau, »Sie solle ihrer Erzählung überhoben sein, aber Sie sage, was ist Ihr Urteil von der Geschicht des Seilfahrers?« – »Mein Urteil«, sagte die von Pockau, »ist dieses, daß diejenige Eltern, welche aus Grund einer zufälligen Sache ihre Kinder zu ehlichen nötigen, eine unbescheidene Sache vornehmen. Aber daß sie sich so unbillig verliebet, ist auch nicht allerdings billig zu heißen, weil einem tugendsamen Gemüt zustehet, das Unglück mit Geduld zu ertragen und den widrigen Winden mit starkmütigen Schultern entgegenzugehen.« – »Ihr habt gut davon sagen,« antwortete Monsieur Ludwig, »Ihr habt vierzehn Kinder gezeuget und des Dinges öfters genossen, als mein nackichter Hund Haare auf dem Leibe hat. Ihr könnt wohl sagen, wie man tun soll, aber Ihr könnt nicht beweisen, wie man tun kann. Eine junge Dam ist so wenig ein Narr als ich; das Ding will gefüttert sein wie ein junges Pferd!«

Auf dieses Wort lief das gesamte Frauenzimmer zur Stube hinaus, und Monsieur Ludwig sperrte dasselbe zu, wohl wissend, daß sie wegen instehender großer Kälte nicht lang würden draußen bleiben können. Demnach mußten sie wieder anklopfen, und Monsieur Ludwigs Frau sagte zu ihnen, daß es ihr Mann nicht anders zu machen pflegte, deswegen sollten sie ihm etwas zugut halten, denn je mehr sie sich darwider sperreten, je gröbere Zoten würde er auf die Bahn bringen. »Ha, ha,« rufte er nach ihrem Anklopfen heraus, [171] »gelt, ihr könnet wieder um Pardon bitten. Ich sehe, ihr wollt es noch gröber hören. Kommet nur herein, ihr müßt erst hören, wie es mir gegangen, darnach könnet ihr hingehen, wo ihr hin wollet. Aber Fräulein Anna kommt mir vor, als ob sie wäre pinkeln gewesen«; hiermit fuhr ihm seine Liebste über das Maul, sonst hätte er noch was gesagt, das ich nicht hätte beschreiben dörfen.

Nach solchem satzten sie sich wieder an ihre alte Örter und sagten, so er wieder würde so garstig sein, wollten sie alle die Finger vor die Ohren stecken. »Ich dachte,« sagte er, »ihr habt sagen wollen: in den Hintern.« Hiermit erhebte sich ein abscheulich Gelächter, und weil man mit der Glocke das Zeichen zum Mittagmahl gab, verwunderten sie sich alle über der schnell hingestrichenen Zeit.

8. Capitul. Carl Heinrich kommt in ein wunderlich Bad
VIII. Capitul.
Carl Heinrich von Zweydig kommt durch die Liebe in ein wunderlich Bad.

Der Bär sucht Honig mit der Pfot',

Drum stechen ihn die Bienen tot.


Auf das gegebene Zeichen wurden wir durch zwei Hofherren in die Tafelstube begleitet, und nach gesprochenem Gebet satzten wir uns zu Tische. Die Compagnie hatte sich diesen Tag etwas verstärket, deswegen gab es trefflichen Spaß und mangelte nur an den Spielleuten, die zweifelsohne wieder zu Hause arrivieret. Aber ein Laquay, welcher mit seinem Herrn erst vor zwei Stunden durch ein nächstgelegenes Dorf geritten, der vermeldete, daß er sie in der Dorfschenke angetroffen, allwo ein Edelmann mit einer Bauermagd hätte Hochzeit gehalten. Die Rede des Laquayes kam mir ziemlich verdächtig vor, deswegen fragte ich seinen Herrn, welcher ebenfalls berichtete, was zuvor sein Diener erzählet. Er setzte hinzu, daß der Bräutigam Faustus hieße, und hätte kein Mensch erfahren können, warum er ein so hochwichtiges Werk mit einer Bauersmagd vorgenommen, da doch das ganze Land voll Adel steckte, und deswegen müßte er hierzu absonderlich sein verleitet worden. Erst [172] fingen wir an, uns rechtschaffen zu verwundern. Ich, Isidoro und Ludwig machten ein Kreuz hin, das andere wieder her, denn es ist unmöglich zu beschreiben, wie sehr uns diese Zeitung bestürzet. »Es ist nicht anders,« sagte der vorige Edelmann, »die Hochzeit ist geschehen, und allem Ansehen nach wird er mit der Braut schon zu Bette sein. Es ist schad vor den rechtschaffenen Menschen. Ich konnte an ihm nichts verspüren als absonderliche Höflichkeit, und wie ich von seinen Dienern verstanden, so ist er bei vortrefflichen Mitteln. Die Ursache, warum er das Bauermägdlein geehlichet, haben sie mir nicht sagen wollen, vielleicht weil es ihnen von ihrem Herrn verboten worden.«

Diese Erzählung zerstörte all unsere Lust, denn wir sahen augenscheinlich, daß den Faustus eine grausame Raserei ergriffen, indem er eine solche Sache unterfangen, die entweder nicht bestehen oder aber in eine grausame Reue könnte verkehret werden. Denn eine unbesonnene Heirat schließen bringet keine andere Früchte als eine schamhafte Reue, die nimmermehr in dem Herzen auszulöschen ist. Man verlegt sich dadurch den Paß zu höherer Promotion, und wer zumal ehrgeizig ist, dem fährt der Teufel darnach gar über den Hals.

Der Irländer sagte hierauf gegen uns über: »Monsieurs, es ist wahr, daß man niemals blinder als auf der Liebesstufe gehet, da man doch auf solcher alle Vorsichtigkeit anwenden sollte, damit man nicht irregehe. Verfehlet man den Weg auf dieser, so ist kein Mensch unter der Sonnen, welcher wieder auf den rechten Weg zu bringen weiß. An einer Heirat kann man ein großes Stück der Glückseligkeit übersehen, und ich glaube, daß diese einzige Furcht, die Sache übel zu treffen, so unzählig viel alte Junggesellen macht. Doch ist es besser, daß Faustus sich an eine Bauermagd verehlichet, als ob er sich um eine Person beworben, die seinem Stand zu hoch wäre, wie denn erst einem vom Adel in Italien geschehen, der deswegen das Leben lassen müssen.« Auf solches bat ihn das Frauenzimmer, die Geschicht zu erzählen, und weil er sich hierzu verbunden erkennete, erzählete er dieselbe folgendermaßen:

[173] »Ihr Herren,« sagte er, »dieses ist der Anfang, welcher uns vor Augen stellet die große Gefahr Carl Heinrichs von Zweydig, eines Teutschen vom Adel. Er verbrachte seine Jugend unter ziemlich bösen Buben, und ist nicht zu zweifeln, daß er dahero gleich anfangs verführet und verderbt worden. Sein Herr Vater ging ihm noch in jungen Jahren mit Tod ab, und dahero hatte er desto bessere Gelegenheit, seinen Wegen nachzugehen, weil die gelinde Mutterzucht nichts als einen schlechten Gehorsam der Kinder nach sich zu ziehen pfleget. Ein solches Leben führte unser Carl bis ins funfzehente Jahr, und weil er von Natur mit einem fähigen Kopf begabet war, hatte er das Seine noch ziemlichermaßen gelernet, also daß er auf eine Schul getan wurde, sich daselbst so viel zu versuchen, bis er würdig wäre, auf eine hohe Schul zu reisen. Er war ein Jüngling von absonderlicher Schönheit des Leibes, und war kein Schüler, welcher sich nicht glückselig geschätzet, seiner Gesellschaft zu genießen, teils wegen seines hohen Adels, teils wegen des gespickten Beutels, mit welchem ihn die Mutter ohne Unterlaß beschenkte.

Man hielt ihm zu Hause einen eigenen Præceptor, aber sie wußten nicht, daß sie das Schaf einem Wolfe anvertrauet hatten, weil nach wenigen Wochen solche Stücklein an den Tag gekommen, die dermalen auszulegen weder die Enge der Zeit noch auch die billige Abscheu erduldet. Der Præceptor wurde aus dem Hause gejagt und dem Carl anstatt dessen ein Hofmeister zugegeben ein Mensch, welcher sich ehedessen in den Ländern durch unterschiedliche Reisen sehr bekannt gemachet, aber er hatte den absonderlichen Fehler an sich, daß er gerne soff, und durch dieses Übel hat er sowohl an sich selbst als an dem Untergebenen mehrer versäumet, als er verantworten können.

Man schickte sie in Italien, daselbsten die Sprache samt andern Exercitien zu lernen, und wurde zu Ende dessen Verona erwählet, welches ist eine herrliche und absonderlich dazumal von dem teutschen Adel sehr weit berühmte Stadt. Der Hofmeister versprach allen Fleiß anzuwenden, damit sie nicht allein bald, sondern wohl geschickt wieder zurückkommen möchten, zu Ende dessen er allerlei Vorschläge tat, [174] wie und auf was Weise das Studium sowohl als die andern Exercitien anzugreifen wären. Hiermit schieden sie beide, mit einem Diener vergesellschaftet, davon und ließen die weinende Mutter in tausend Sorgen, welcher es schon vorging, wie es mit ihrem Sohne würde gespielet werden.

Die vierte Woche bekam die Mutter Briefe von dem Hofmeister, wie sie per Posto glücklich angekommen, und also gab sich das traurige Weib in etwas zufrieden und war um nichts sorgfältiger, als wie sie ihrem Sohne die Wechsel gewiß übermachen, daraus zu sehen, wie lieb sie ihn gehalten, indem sie ihre ganze Freude an der Vergnügung ihres einzigen Sohnes gesuchet. Indessen hatte sich aber weder [der] Hofmeister noch der adelige Jüngling in Italien keinesweges gebessert, denn einer geriet durch seine Völlerei in den schändlichen Müßiggang, und dieser suchte nichts, als sich in den öffentlichen Hurenhäusern bekannt zu machen, gestaltsam sie beide zu ihrem Verderb die beste Gelegenheit an der Hand hatten, weil sie weder an Geld noch einzigem andern Mittel nicht den geringsten Abgang litten.

Julia di Foro, eine schöne, aber auch zugleich sehr hohe Standesperson, welche ihresgleichen in Verona nicht hatte, sah unsern Carl etlichmal bei ihrem Quartier vorbeireiten, weil er sich wenigst in der Woche zweimal auf der Reitschule einzufinden pflegte. Sie war eine Dam von sonderlicher Eingezogenheit, aber doch darneben so verliebt, daß es nicht sattsam kann entworfen werden. Sie verwunderte sich über die Tapferkeit des Teutschen vom Adel und forschte endlich um sein Geschlecht, welches aber so heimlich und verdeckt zugegangen, daß weder der Hofmeister noch der von Zweydig darum ein einziges Wort gewußt.

Eines Abends, als er von der Tafel aufstund, allwo er bei einem andern Teutschen zu Gast gewesen, wird er durch einen Laquay gerufen, welcher ihm ein Schreiben überlieferte, dessen Inhalt in dem bestund, daß er sich innerhalb zwei Stunden aufs längste in dem und dem Palast ganz alleine einfinden sollte, weil sich daselbsten ein seiniger Landesmann ganz incognito aufhielte. Carl von Zweydig wußte nicht, daß es ein verdecktes Essen sei, sondern kleidet sich [175] sauber an und erscheinet nach dem Inhalt des Briefes in dem benannten Palast, ehe noch eine Stunde vorbeigegangen, fragt auch daselbst um den Teutschen, und weil er noch etwas trunken war, führte ihn eine Magd in ein kleines Stüblein, sich indessen darinnen so lange aufzuhalten, bis sie seinen Landesmann würde gerufen haben.

Nach einer Viertelstunde erscheinet die Magd samt dem sogenannten Teutschen, welcher aber niemand anders war als eben die vorerwähnte Italienerin Julia di Foro. Sobald sie da hineingekommen, gehet die Magd hinweg, und die verkleidete Dam schleußet die Tür zu, fängt auch an, mit dem von Adel so viel zu parlieren, bis er mit Verwunderung verstehet, daß sie sich in ein Mannskleid gestecket, ihren Palast verlassen und in diesem Hause keinem Menschen als der vorigen Magd bekannt sei. Wenn er derowegen wollte verschwiegen sein, sollte ihm freistehen, ihren Leib nach seinem Belieben und Wohlgefallen zu gebrauchen. Wäre Zwey-dig wohl erzogen und in der Hurerei gleichsam von der ersten Kinderstufe nicht so unverantwortlich verführet gewesen, wäre er nimmermehr von seinen bösen Affecten überwunden noch von einer so scheinheiligen Huren gefangen worden. Er legte alsobald seinen Degen ab und verübte mit dieser Schändlichen allen Greuel, der mehr zu beweinen als zu beschreiben ist. Er läßt es nicht dabei, sondern fähret eine geraume Zeit fort, der Julia ihre böse Begierden zu sättigen, weil er genugsame Proben abgeleget, daß kein verschwiegenerer Mensch als er auf Erden leben könnte. Aber hierinnen hatten sie sich beide betrogen, weil sie vor demjenigen nichts verbergen konnten, welchem auch die Gedanken des Herzens bekannt sind.

Man hat hernach von dem Hofmeister erfahren, daß er diesem Leben über acht Monat nachgegangen, unter dem Vorwand, einem Teutschen zuzusprechen, welcher sich wegen einer Mordtat gerne wollte verborgen wissen. Und so sehr er sonsten dem Spielen obgelegen, hat er doch von der Stund an dasselbe auf die Seite gesetzet und sei stets melancholisch gewesen, vielleicht wegen der Ursache, die ich schon gemeldet habe.

[176] Es trägt sich zu, daß ein junger Freiherr durch Verona reiset, welcher unserm Carl mit absonderlicher Vertraulichkeit zugetan war. Sie verbrachten zwei bis drei Tage in großer Lust, und es war keine Ehre mehr übrig, welche dem Freiherrn nicht erwiesen worden, bis ihn endlich Zweydig zu Pferd begleitet, weil der Fremde willens war, wieder in Teutschland zu gehen. Indem sie an den Ort kommen, wo Zweydig seinem Untergang so eiferig nachgehangen, vertrauete er dem Verreisenden alle seine Heimlichkeit und vermeldete, daß er in diesem Hause die schönste Dam von der ganzen Welt bedienete und sich also vor den glückseligsten Menschen unter der Sonnen zu schätzen hätte.

Der Freiherr verwunderte sich selbst, und indem kommen sie vor den Palast, darinnen Julia di Foro mit noch anderem vornehmen Frauenzimmer wohnete. Sie stund dazumal gleich an einem Fenster, mit etlichen unter ihren Gespielinnen vergesellschaftet, und fragte zu Verhehlung ihrer Schandtat, wer diese zwei Cavalier wären. Damit aber der Freiherr sehen sollte, daß Zweydig nicht gelogen, als machte er daselbst mit Zurücksehung gegen dem Fenster ein Reverenz, und der Freiherr lächelte in gleichen gegen das Frauenzimmer, daraus Julia geschlossen, sie sei von dem Zweydig verraten.

Das geschah am halben Abend, und es stunden nicht vier Stunden an, als Zweydig von der Dam aufs neue berufen war, welcher, seiner vorigen Freiheit zu genießen, ganz froh hinging und sich im geringsten nichts Übels befürchtete. Er wurde gar geschwind in den Palast eingelassen, aber ehe die Tür wieder zugeschlossen war, hatte er schon zwei Stoßklingen in den Leib, daß er ohne einziges Wortsprechen tot zur Erden fiel, allwo er sich noch ziemlich hin und wider geworfen. Dieses war der Ausgang seiner unreinen Liebe, welche selten anders zu belohnen pfleget.

Julia ließ noch in selbiger Nacht den toten Körper auf die offene Gasse werfen, und weil er vor ihrer Tür gefunden worden, schöpfte die ganze Stadt keinen geringen Argwohn. Endlich kam der Hofmeister hinter etliche heimliche Briefe, und weil ihm gleich seinem Untergebenen nachgestellet [177] worden, machte er sich heimlich davon und brachte der Mutter nichts zurück als die schmerzliche Botschaft von dem entleibten Sohne, welche ihr fast die Augen aus dem Kopfe weinete.«

9. Capitul. Philipp Celsi kommt in ein wunderlich Bad
IX. Capitul.
Philipp Celsi, ein Kaufmannsdiener, kommt durch die Liebe in ein wunderlich Bad.

Zuvor getan, hernach betracht'

Hat manchen in groß Leid gebracht.


Über solcher Erzählung fingen etliche Frauenbilder an zu weinen, und weil meine Liebste absonderliches Belieben daran getragen, nahm sich der Irländer Erlaubnis, noch eine zu erzählen, die sich nicht lang nach dieser zugetragen, über welchem Vortrag das Frauenzimmer wohl zufrieden war. Darauf machte er seine Reverenz und fing an zu erzählen:


»Die unglückliche Liebe Philippi Celsi,

eines Kaufmanns-Dieners

in Paris.


An was für ein großes Joch sich die geilen Gemüter anzubinden pflegen und welch eine Last sie sich selbst auf den Rücken binden, erzeiget nebenst der täglichen Erfahrung folgende Jammergeschicht:

Philipp Celsi, ein Normandier, hatte sich durch die Kaufmannschaft von Jugend auf ernähret und ist endlich in Paris zu einem vornehmen Handelsmann als ein Buchhalter in Dienst gegangen. Die Dam Del Phile oder, wie man sie dazumal nennete, die Princessin aus Roan, kaufte einer Zeit ein Stück seidenen Zeug, unter welchem Kauf sie sich in diesen Celsi dergestalten verliebte, daß sie ihres hohen Geschlechtes ganz vergessen und stets um die Liebe dieses Kramdieners geseufzet.

Sie findet bald ein Mittel, dem Celsi ihre Meinung zu verstehen zu geben, weil sie befahl, ein Stück dergleichen Zeug herzubringen, indem sie entschlossen, noch vor ein Kleid auszunehmen. Der Kaufmann, als Principal, wußte die [178] eigentliche Endursache dieses Handels nicht, deswegen bringt er den Zeug selbst, womit die Princessin ganz nicht zufrieden war, wie sie denn den Kaufmann wieder hinweg-geschicket, vorgebend, daß mit seinem Diener noch einmal so gut als mit ihm, dem Principaln, zu handeln wäre. Der Kaufmann lacht, gehet weg und schickt statt seiner den Celsi in das Logament der Princessin, welcher sich aber nicht hineinzugehen getrauete, sondern gibt den Zeug einem Laquay, so vor dem Zimmer aufwartete.

Die verliebte Phile empfand hierüber kein geringes Vergnügen und heißet den Diener selbst vor sich kommen, damisie ihm vielmehr ihre große Liebe entdecken als den begehrt ten Zeug abhandeln konnte. Celsi, welcher so gar blöd nicht war, entsetzte sich doch anfangs über ihrem Zumuten und entschuldigte sich wegen seiner tiefen Niedrigkeit, bat ingleichen, die Princessin solle seiner Wenigkeit verschonen, indem er vielmehr ihr zu dienen als sie solchergestalten zu lieben geboren wäre. Die Princessin verfluchte sich hoch und teuer, so er hierinnen nicht parieren würde, solle er viel eher seines Todes als ihrer fernern Gnade gewärtig sein. Er solle ihr deswegen bei gegenwärtiger Gelegenheit einen Eid schwören, daß er sich zu ihrer Vergnügung wollte brauchen lassen und von solcher Heimlichkeit keinem Menschen, ja auch seinen allerbesten Freunden nicht das geringste davon melden.

Celsi wußte nicht, was hierinnen am tunlichsten wäre, denn er konnte sich in dieser verwirrten Sache nicht so bald entschließen. Indem geht die Princessin weg und bringet mit sich drei Laquayen, jeden mit einem Puffer, die sollten ihn, sofern er nicht ja sagen wollte, in dem Zimmer über den Haufen schießen. Als er sah, daß es Ernst war und die Diener allgemach die Puffer gespannet hatten, gibt er nur der Princessin einen Wink, nach welchem sie die Laquayen wieder abwies, und Celsi mußte ihr darauf einen teuren Eid schwören, daß er von der Heimlichkeit zwischen ihnen beiden nicht das Allergeringste vermelden wollte. Auf solches wurde der arme Mensch zu allen Schandtaten gezwungen, und so gern er auch seinem Ungemach entfliehen wollen, [179] fand er doch keinesweges einzige Gelegenheit, sich von dem Irrwege zu entäußern, weil sie ihm so sehr angelegen, daß er endlich von ihr ganz überwunden wurde.

Scipio, so hieß sein Nebendiener, ein Mensch, welcher viel mehr mit Betrug als mit seiner Rechnung umzuspringen gewußt, bestahl aus Angebung anderer losen Beutelschneider seinen Principalen und ging mit einem ziemlichen Particul durch, nachdem er zugleich in dem Hause Feuer angeleget, dadurch er verhindert, daß ihm nicht alsobald hat können nachgesetzet werden.

Diese Tat schien etwas verwegen, und weil der Obrigkeit zu argwohnen vergönnet ist, wurde Celsi eingezogen, weil man glaubte, daß er sowohl wegen des Diebstahls als angelegten Feuers gute Kundschaft gehabt. Er verpflichtete sich, einen Eid zu tun, weil man aber in seinen Kisten die schönsten Diamantringe und andere Edelgestein gefunden, wurde gemutmaßet, er hätte sich solche kostbare Sachen von dem gestohlenen und entwandten Gelde zuwegen gebracht. Alle diese Kleinodien aber waren nichts als Geschenke, mit welchen ihn die Princessin begabt, denn er kam niemalen unter hundert Kronen von ihr, und weil er seine Hurerei allgemach ein Jahr lang getrieben, kann man gedenken, welch einen Vorrat die Obrigkeit gefunden, daraus sie genugsam schließen können, daß er solchen Wert seit der Zeit durch seine bloße Buchhalterei keineswegs gewinnen können.

Man examinierte ihn ins dritte Mal, und weil er wegen getanen Eides sich pflichtschuldig urteilte, die Sache zu verschweigen, wollte er mit der Sprache durchaus nicht an den Tag, sondern schützte allerlei Sachen vor, durch welche er sich mehr bloß gab als jemals zuvor, weil er als sonst aufrichtiger Mensch noch nicht gelernet hatte, wie man mit subtilen Lügen und Betrügereien umgehen solle. Es kommt mit ihm zur Folter, und dorten bekannte er aus Schmerzen, was man mit guten Worten nicht von ihm bringen können, nämlich, er habe allen diesen Reichtum von der Princessin von Roan, der sogenannten Phile, auf eine solche Art bekommen, die sie sich selbsten wohl würden einbilden können; erzählte beinebens den Anfang und den Ursprung, wie [180] oben verzeichnet. Aber es war das Schlimmste vor den armseligen Menschen, daß, indem er die Wahrheit geigte, hielt es die Obrigkeit vor einen Mantel, mit welchem er seine strafwürdige Schuld zu verdecken suchte. Es kam endlich dahin, daß er das andermal sollte aufgespannet werden, und weil er von der vorigen Aussage nicht abweichen wollte, wurde mit der Tortur fortgefahren, denn es hat sich keiner unter den Richtern einbilden können, daß sein Vorgeben in der Wahrheit gegründet sei, weil die Princessin als ein Exemplar aller Reinigkeit und jungfräulicher Keuschheit in der ganzen Stadt ist gehalten worden.

Die Schmerzen, welche der elende Mensch ausstund, zehrten ihm den Leib dergestalten hinunter, daß er endlich keinem Menschen mehr gleich sah. Ja, sein Principal hatte selbst Erbarmnis mit ihm und weinete gar oft in dem Gefängnis, denn er konnte wohl merken, daß Celsi mit der Princessin zu tun gehabt. So wurden auch die Ringe von unterschiedlichen Jubilierern gekannt, und stund dahin, daß man die Sache wollte an die Princessin gelangen lassen, welche sich zeit währender Begebenheit auf der Jagd erlustieret.

Es geschicht aber, daß der schuldige Kramdiener zu Lyon wegen eines andern Diebstahls gefangen gesetzet und wegen seines Lebens examinieret wird, allwo er unter anderm auch dieses gestanden, daß er in Paris der einzige Urheber dieses Frevels gewesen. Die Sache kommt aus und also vor Gericht, welches den bis auf den Tod gemarterten Celsi entschlossen ist, loszusprechen, wird auch Anstalt gemachet, ihn nochmalen wegen der Princessin zu examinieren, damit man desto gewisser hinter die Sache kommen möchte.

Phile hatte sich nunmehr genug auf der Jagd ersättiget, kommt nach Paris und schickte nach ihrer Gewohnheit um ihren Buhler, aber die Kupplerin berichtet ihr bald ein anders, denn es ging schon das Geschrei in der ganzen Stadt, als sollte er auf das Feuer geworfen werden. Die Princessin entsetzte sich ausdermaßen, und gleichwie endlich nichts kann verschwiegen bleiben, kommet sie bald dahinter und wird ihr das Protocoll zu lesen vergönnet. Sie war eine hochvermögende Person, deswegen war man beflissen, dem Pöbel [181] hierdurch das Maul zu stopfen, indem Celsi noch selbigen Abend in dem Gefängnis mit einem großen Seil gewürget und dergestalten elendiglich und also recht jämmerlich getötet worden.

Aus diesem traurigen Exempel entstehet die Frage, ob Philipp Celsi seinen Eid zu halten schuldig gewesen oder nicht. Und es wird geantwortet: nein, denn er hat nicht geschworen, die Folter zu erdulden, sondern seine Zusage betraf nur den Statum extra torturam, welches er endlich wohl hätte tun können. Vors andere ist ers keinesweges schuldig gewesen ratione obligationis, weil die Dam gar keine Gerechtigkeit hatte, den armen Menschen mit einem Eid zu verbinden, entgegen hatte die Obrigkeit wohl Gewalt, ihn davon zu entledigen. So ist auch dieses kein zulässiger Eid zu nennen, welcher zu Bekräftigung der Sünde und Unterdrückung der Wahrheit geschiehet, ich geschweige von dem augenscheinlichen Zwang, welchen die Phile hierinnen vorgenommen. Aber da hat er unrecht getan, daß er sich nicht ehe totschießen als sich zu einer so schändlichen Unreinigkeit gebrauchen lassen, præstat enim honesta mors turpi vitæ: weil ein tugendsamer Tod viel höher als ein schändliches Leben zu schätzen ist.«

10. Capitul. Urteil des Frauenzimmers über diese Geschicht
X. Capitul.
Urteil des Frauenzimmers über diese Geschicht.

Wer sich geschwind entschließen kann,

Der ist ein recht glückselig Mann.


»Diese Historia«, sagte Isidoro, »ist etwas melancholisch, aber die Wahrheit zu gestehen, so haben aus solcher junge Leute zur Genüge zu sehen, welch einer Gefahr sie sich alsdann unterwerfen, so sie ohne Vorbedacht nach einem solchen Köder schnappen, an welchem sie oftermalen das Leben vor der Zeit abfressen. Es wäre nach dem Urteil des Herrn Irländers freilich besser gewesen, wenn sich Philipp Celsi in dem Zimmer der Damen hätte über den Haufen brennen lassen. Aber wenn es darzu kommt, so hat die Larve ein anders Aussehen. Der Tausendste ist kein solcher Narr, [182] daß er sich flugs totschießen lässet, und in einem solchen Fall ist es unmöglich, sich so geschwinde zu resolvieren. Der in der ganzen Welt bekannte Wallensteiner, so beherzt und unerschrocken er sonst war, konnte doch dazumal vor großer Entsetzung kein Wort aus dem Munde bringen, als er in der letzten Nacht seines Lebens zu Eger überfallen und totgestochen worden. Ihr Herren, Ihr Herren, sterben sollen ist ein hartes Bißlein, und eine geschwinde Resolution zu dem Tode ist ein solches Blümlein, welches nicht in jedem Garten anzutreffen. Aber die ehrvergessene Phile muß barbarische Brüste gesogen haben, daß sie denjenigen erwürgen lassen, welchen sie aus Furcht des Todes zu ihrer Liebe gezwungen, wohl wissend, daß durch solches Mittel viel könne erhalten werden.

Man sieht auch hieraus das leichtfertige Gemüt etlicher Weiber, welche nur deswegen mit ihrem Stande ganz unanständigen Personen zu tun haben, damit ihre Laster nur desto mehr sollen verschwiegen bleiben, und meinen, daß dieselbe verbergen gar nicht sündigen heiße.

Etliche charisieren gar kleine und unerzogene Jungen und wissen nicht, daß sie dadurch nicht allein ihre, sondern auch die Seele des Jünglings verlieren. Denn die Hurerei ist kein schlechtes Werk, wie es von etlichen unter uns gehalten wird, und wenn es hier an der Zeit wäre, so wollte ich selbsten etliche traurige Exempel beibringen, welche sich erst vor einem Jahr in meinem Heimat zugetragen, da einer vom Adel einen Stalljungen bei seiner Tochter erwischet und denselben alsobald in der Kammer an sein Servet aufgehenket. Aber wer sich will warnen lassen, der hat an den beiden Historien des Herrn Irländers schon genug zu sehen, wie übel und elend es den beiden armen Teufeln ergangen. Carl Heinrich von Zweydig betreffend, ist dem Narren recht geschehen, denn es ist nicht zu zweifeln, daß es auch noch heutzutage solche Extranarren abgebe, die sich mit ihrer Liebe ein Haufen einbilden und hätten schier Lust, sich deswegen zu Ritter schlagen zu lassen, wenn nur die Leute Narren wären und den Phantasten flugs Epitaphia aufschlügen.

[183] Ich kenne einen solchen in einer Stadt, der geht bald zu der, bald zu jener, und dorten plaudert der Monsieur nichts als von der Liebe, wie er nicht lieben könnte noch wollte. Aber warum gehet er an solche Örter, da man nichts anders schließen kann? Er sagt, er könne nicht lieben, und kann es doch nicht lassen, dem Frauenzimmer aufzuwarten. Sagt man ihm von einer Heirat, so stellt er sich an, als wenn er darum gebeten sein müßte, und glaubet festiglich, die Jungfer sei übel aufgehoben, die er nicht heiratet. Er kann nach unsern allgemeinen Gesetzen doch nur eine zum Weibe bekommen, und dahero lässet sich schließen, daß nach seiner Meinung die andern alle crepieren müßten. Ha, ha, ich habe gar oft über diese Grillen gelachet. Er glaubet ganz festiglich, daß alle diejenige übel geheiratet, welche ihn nicht um Rat gefraget haben, und wenn man seine Ratschläge bei dem Licht besieht, so hat er sich bis dahero selbsten noch wenig helfen können oder hat auf das wenigste kein taugliches Zeugnis, daß er andern geholfen habe.

In solchem Wahn ist seine beste Jugend hindurchgestrichen, und er ist allgemach nicht weit mehr von funfzig Jahren, welches Alter dem Frauenzimmer von Natur nicht gar angenehm ist, hat also schon das beste Mittel, dem Frauenzimmer angenehm zu sein, hindurchstreichen lassen; und dieser Fehler ist um so viel desto häßlicher, weil er ihn erstlich als ein Hofmeister der Liebe selbsten begangen und vors andere kein Mittel unter der Sonnen kann erfunden werden, durch welches er denselben verbessern möchte. Was ist aber endlich der Ausgang solcher Personen, die sich einbilden, daß sich das Frauenzimmer sogar von ihnen träumen lasse? Nichts anders als ein höhnisches Gelächter derjenigen Leute, die sie zuvor in die Schul führen wollen. In fine videtur, cuius toni, alsdann findet sichs im Auskehren, wie unbescheiden man gehandelt, wenn man andern auf das Pferd helfen wollen und sich selbsten auf den Signor Esel, setzet. Mancher bildet sich ein und gibt vor, er wolle keine andere heiraten, welche nicht ein Capital von 40000 Ducaten besäße. Aber meinen sie denn, daß die Leute das Geld hofieren oder von den Bäumen herunterschütteln können? Vierzigtausend [184] Ducaten sind keine Narren, und damit ich die Sache desto deutlicher gebe, so beliebe Ihnen zu wissen, daß derselbe Kerl ein Maler und nur so lang glückselig ist, als der Fürst lebet, dem er dienet. Darnach muß er ›Marchier extra!‹ malen und hin gehen, zu sehen, wo seine Grandetz eine Stell finden kann.

Er ist so stolz, daß nichts darüber, und wenn er in sein Vaterland kommt, alsdann ist gar keiner über ihn, sondern er allein bleibt Meister in allem, daß man sehen solle, wie angesehen er bei Hofe sei, da es sich doch in der Wahrheit mit ihm der Mühe nicht so sehr belohnet, als er sichs wohl einbildet. Er lobet andere Malereien trefflich, aber bei sich selbsten hält er seine Arbeit jederzeit vor die beste und kann seinen eigenen Ruhm nicht bergen. Dahero weiß ich nicht, ob ihn die Natur oder die Liebe des Frauenzimmers so wunderlich disponieret habe, daß er diesen merklichen Fehler einer guten Politik so liederlich übersiehet, da er doch sonsten kein geringes Glied an dem politischen Körper zu sein vermeinet.

Was hilft es, ob sich ein solcher in seinem Vaterland so großmachet, man weiß doch wohl, wer er ist, und wird ihm deswegen keine größere Ehre als sonsten erwiesen, so sehr ihn auch darnach verlanget. Ich bin ein Cavalier von lustigem Humor, und solche Lustbarkeit schätze ich höher als die höchste Ehre dieses ganzen Landes. Ich habe wohl das Herz, Bettelleute auf der Gasse anzupacken und mit denselben eins herumzutanzen, und wenn ich auf mein Schloß komme, so fresse ich ein gebraten Rebhuhn und bin so ehrlich als zuvor. ›Ja,‹ sagt mancher, ›du Kauz, das stehet übel vor dem Frauenzimmer.‹ Aber ich sage hinwieder: ›Mein lieber Kauz selbsten, Frauenzimmer hin, Frauenzimmer her, meinest du denn, daß ich dardurch etwas verliere? Ein Frauenzimmer, das mich liebet, achtet solche wenig oder gar nicht, entgegen die, so mich nicht lieben will, lasset sich auch wohl deswegen abschrecken, wenn ich nur eine Fliege totschlage.‹ Ein Mannsbild ist von Natur edler als ein Weib, so edel dieselbe auch sei, und dahero muß mich das Weibesvolk und nicht ich sie charisieren. Aber wer kann davor, daß es solche [185] Weichmietlinge gibt, die sich einer jeden Sauborstenkrämers-Tochter unterwerfen und sie eine Göttin nennen. Einen solchen bärnhäuterischen Geist habe ich nicht im Herzen, und hätte ich ihn, so wollte ich mich so lange zerprügeln lassen, als lange noch ein Glied an meinem Leibe wäre.«

»Bruder Isidoro,« sagte Monsieur Ludwig, »du redest etwas deutlich, aber doch wahr. Vor diesem lag ich eben in dem Spital krank. Ich zerlöffelte mich, ich zerbuhlte mich, ich zercharisierte mich, ich verschamerierte mich, ich verobligierte mich, ich verschwur mich, in summa, ich vernarrisierte mich, daß ichs selbsten nicht genugsam aussprechen kann. Aber seitdem ich die Frau an dem Halse habe, ist mir der Narr ziemlich gestochen worden, darum sage ich, daß kein Mensch recht klug sein kann, er habe denn gefreiet. Derohalben,« sagte er zur Fräulein Anna und der Kunigunda, »so freien Sie fein bald, damit Sie auch dermaleins klug werden.« Aber Fräulein Anna gab zur Antwort, wenn Monsieur Ludwig gleich noch zwänzigmal ehlichte, so bleibe er doch vor wie nach, denn sie hätten an ihm keine andere Klugheit in der Ehe wahrgenommen, als die er zuvor in dem ledigen Stande gehabt. Aber dieses müßten sie zeugen, daß er je länger je garstiger in seinen Reden geworden. »Ja,« sagte er, »wovon ich rede, daran gedenkt ihr desto öfter, könnte ich eure Gedanken sehen, wie sollte ich artliche Posturen erblicken, fast wie zu Schlackewerth in dem Gartensaal auf der Oberdecke anzutreffen.«

Über solche Rede lachten all diejenigen, so an dem Orte gewesen, und Fräulein Anna möchte es selbst gerne wissen, so sie nicht geforchten hätte, Monsieur Ludwig dörfte ihr eine garstige Antwort geben. Und in solchen Gesprächen vertrieben wir bis drei Stunden, und wurden von uns diejenigen am glückseligsten geschätzet, welche die Affecten der Liebe klüglich mäßigen und sich von aller Gesellschaft der Weiber behutsam vorsehen könnten. Hiermit wurde die Tafel wieder aufgehoben, nach welcher wir einem lustigen Tanz beigewohnet, darzu das Frauenzimmer einen Spielmann in dem Dorfe und noch einen andern Vaganten bestellet, welche beide elend genug aufgekratzet.

[186] Die Gedanken aber, welche ich und Caspia wegen des Faustus geschöpfet, quäleten uns immer im Gemüt, denn wir forchten, der wunderliche Mensch dörfte etwan in eine unverhoffte Verzweifelung geraten, weil er sich schon ehedessen an einem Baum aufgehenket und gleichsam ein Vorbild seines zukünftigen Zustandes entworfen. Ludwig aber redete uns solche Grillen mit genugsamen Gründen aus dem Sinn, denn er vermeldete, daß Faustus ein Mensch von sonderlichen Capricen sei, welcher oft in einer Sache seine größte Vergnügung gesuchet, daran ein anderer kaum seine Schuhe zu wischen verlanget. Derohalben halte er davor, Faustus würde sich mit einer Bauersmagd viel besser vertragen als mit einer königlichen Princessin aus dem Lande des Großen Moguls. Und damit ich die Geschicht recht ausführlich erfahren möchte, versprach er mir, allerehestens mit mir verkleidet dahin abzureisen, durch welches Mittel wir seinen Zustand von Grund aus könnten innen werden.

Dieser Vorschlag stellete mich in etwas zufrieden, und weil dieser Tag sehr lustig und nicht ohne Moralien zugebracht worden, bat ich Monsieur Ludwigen, die noch übrige Zeit bis zur Abendmahlzeit mit Erzählung seiner Lebensgeschicht zuzubringen, worzu er schon bereit war, so nur das Frauenzimmer genaue Aufmerksamkeit haben wollte. Hierauf brachten wir diejenigen, so nicht länger zu tanzen verlangten, in das Zimmer, und obschon Kunigunda über die Maßen gerne tanzte, so folgete sie doch dem Isidoro auf dem Fuß nach, weil sie ihm wegen absonderlicher Eigenschaften allgemach ganz zugetan war.

11. Capitul. Ludwig erzählet seinen Lebenslauf
XI. Capitul.
Ludwig erzählet seinen Lebenslauf.

Der junge Most vergärt im Haus

Und stößt dem Faß den Zapfen aus.


Als man verstanden, welchergestalten Monsieur Ludwig seinen Lebenslauf erzählen würde, wurde der Tanzsaal alsobald leer, aber das Frauenzimmer wendete wegen Verlassung desselben viel eine andere Ursach vor, indem sie die große [187] Kälte vorschützten, durch die sie gezwungen würden, in eine warme Stube zu gehen. Man ließ ihre Ursach an seinem Ort beruhen, denn man muß nicht so grob sein und das Frauenzimmer lügen heißen, ob man es auch gleich mit Händen greifen kann, und weil gleichsam in einem Augenblicke das Zimmer voll worden, mußte man noch aus andern Zimmern Stühle hereintragen, auf die sich diejenigen setzen konnten, welche heute früh nicht bei der Erzählung des Seilfahrers gewesen.

Mein alter Vater kam selbst in seinen schwedischen Stiefeln angestochen, und ich glaube, daß auf dem ganzen Schlosse kein einziges Kammer- oder Jungfermägdchen mehr übrig gewesen, welche sich nicht heimlich hinter den Ofen oder hinter das Bett gestecket, weil sie wohl wußten, daß Monsieur Ludwig eine stattliche Historia erzählen würde, wenn er anders all diejenige Stücklein hervorbringen wollte, die er die Zeit seiner Jugend begangen. Hiermit setzte er sich auf einen großen Sessel, und nachdem sich die adelige Gesellschaft in der Form eines halben Mondes um ihn herum gesetzet, fing er folgende Rede an:

»Zehen-, zwanzig-, dreißig-, vierzig-, funfzig-, sechzig-, siebenzig-, achtzig-, neunzig-, hundert-, tausendmal habe ich mich verwundert, wie ein reputierlicher Mensch ich in meiner Jugend gewesen. Als ich noch ein kleiner Knabe und kaum der Mutter von den Brüsten genommen war, denn sie saugte mich selbst und hielt mir keine geschorne Hure zur Amme, wie etliche heutzutage gewohnet sind, da fing ich schon meine Schelmenspossen mit den Raben an. Wir hatten einen Jäger, der war ein Mensch, der hinschießen konnte, wo er wollte, denn er tat Fledermäus-Herze unter das Blei, wie auch junges Hirschhorn, welches zur gewissen Zeit dem Tier muß abgenommen werden, dadurch er viel und unterschiedliche Gewinn in seinen Sack schob.

Derselbe Jäger brachte mir zwei lebendige Raben in das Schloß, und ich verehrte ihm davor einen silbernen Löffel, welchen ich in der Küche heimlich hinweggestohlen. Nach solchem half er mir, die Raben mit allerlei gefärbtem Papier und anderm Gezeuge auskleiden; auf den Kopf satzten wir [188] ihm ein Raquet mit Pulver, und durch das Naseloch zogen wir ihm eine Feder von einem Pfauschwanz, und an jedes Ende derselben Feder hängten wir eine kleine Schelle. Und als wir den ganzen Vogel halb blau und halb rot angestrichen hatten, zündeten wir das Raquetlein über seinem Kopie an und ließen ihn alsdann fliegen, wohin er selbst wollte.

Durch dieses verursachte ich schon ein ungleiches Urteil unter den benachbarten Leuten, denn etliche hielten es vor einen Drachen, etliche vor einen Paradiesvogel, und hatten doch die Zeit ihres Lebens keinen unter beiden gesehen. Etliche hielten es gar vor einen fliegenden Cometen, denn wir banden ihm wohl vierundzwanzig Klafter langen Zwirn an den Schwanz und machten von dem Raquet ein Lauffeuer hinunter, davon der Rabe am ganzen Leibe zu brennen angefangen. An jedes Ende der Flügel hängten wir ingleichen eine Schelle, damit er sich durch derselben Resonanz desto mehrere Zuseher verursachte. Auf eine solche unerhörte Weise brachten wir die Leute in einen tausendfältigen Argwohn, und es ist hernachmals weit und breit in die Zeitungen geschrieben worden, daß man einen brennenden Drachen in der Luft gesehen, die Leute sollten sich bekehren und fromm sein, sonst dörfte es nicht gut werden, habe also durch dieses Mittel gar viel Menschen von dem Bösen abgeschrecket.

Nach solchem tat mich mein Vater in eine Schule, so nicht gar weit von dem Schlosse abgelegen. In derselben trieb ich so viel Schelmenstück, die ich wohl innerhalb fünfzehn Jahren nicht würde erzählen können, denn wenn mir der Schulmeister wegen meiner Nachlässigkeit im Lesen oder Schreiben Schläge gab und mich einen ungeschliffenen Flegel nennete, so legte ich ihm in seinem Absein Schusterpech auf das Ort, wo er saß, und alsdann zerriß er gar oft aus Unvorsichtigkeit seine Hosen. Zuweilen wurf ich ihm auch die Fenster ein und schmierte in der Nacht seine Haustür mit vernünftigem Tierenkot und hetzte auch zu solchem meine Mitschüler an, welche sich von mir viel ehe als von dem Schulmeister bereden ließen.

[189] Weil der Ort vorerzähltermaßen von meines Vaters Wohnung etwas abgelegen war, so dingte er mich bei dem Schulmeister auf ein halb Jahr in die Kost und versprach, ihm vor die Kost samt dem Lehrgeld zwanzig Taler zu geben. Aber ich kann schwören, daß ich dem Schulmeister zwischen und binnen solcher Zeit wohl vor vierzig Schaden getan, denn ich seichte ihm in alle seine Dintentöpfe, zuweilen auch wohl in die Trinkgeschirre, und konnte mich also trefflich bei mir selbst ergötzen, wenn ich sie über Tische daraus trinken sah. Die zerbrochene Fensterscheiben zerrieb ich zu Pulver und streuete solches hernachmals in der Mägde ihre Betten, davon sie sich am ganzen Leibe wund gerieben haben. Wenn ich zuweilen zuviel Zwetschgen oder anders Obst aß, davon mich zur Nachtszeit das Rumpeln in dem Leibe ankam, so hofierte ich ihm in die Kammer und sagte des andern Tages, das Bauchwehe hätte mich von seinem Essen angekommen; und solchergestalten trauete er nicht, mich zu strafen, weil er forchte, mein Vater möchte ihm einen harten Filz geben, daß er mir vor das Geld nicht besser zu essen gab.

Einsmals hieß mich die Magd einen lausigen Landschuften und Kratzhansen, da schmiß ich in ihrem Absein wohl eine ganze Handvoll tote Fliegen in den Kraut- und Fleischtopf, und als das Essen so unsauber auf den Tisch kam, konnte sich der Schulmeister abscheulich darüber zereifern und schlug also die Magd eine Treppe hinunter, die andere wieder hinauf. Wenn er sich unterweilen einen roten Vigerner Wein, welchen er überaus gerne trank, holen ließ und etwan zu der Stube ging, da raufte ich mir selbst die Haare aus dem Kopfe und schmiß solche heimlich in das Geschirr, denn ich wußte, daß er nichts essen noch trinken konnte, worinnen er nur das allergeringste Härlein fand. Solchermaßen bekam ich den Wein zu saufen, und er ließ sich einen frischen holen. Er hatte seine Instrumenten, als Clavicimbel, Lauten, Geigen und Clavichordien, kaum so bald bezogen, als ich dort und dar die Saiten wieder hinweggerissen. Ich ließ es auch nicht bei dem bleiben, sondern zerschnitt ihm Mäntel, Rock und Hosen, und was ich nur an einer Wand hangen sah, darüber wischte ich mit meinem Taschenmesser her und [190] zerlästerte fast alles, was mich ankam. Wenn der Küfer kam und die Faß ausbesserte, so satzte sich die Schulmeisterin gemeiniglich auf eine Bank, daselbsten dem Arbeiter zuzusehen, und indem er mit seinen Gesellen zu klopfen anfing, nahm ich einen Stein und Nagel, und damit nagelte ich die Schulmeisterin unter währendem Klopfen der Küfer perfect an die Bank, und wenn sie hernach wieder davongehen wollte, so schleppte sie entweder die Bank hintennach, oder sie riß ein Loch in den Rock.

Soviel mir fremde Hunde in das Haus kamen, denen machte ich eine papierene Krause um den Hals, bestrich sie über den ganzen Leib mit Dinte und ließ sie hernachmals hinlaufen, wo ihr Weg am nächsten war. Mit einem Wort: ich trieb es so gar grob und wild, daß sich der Schulmeister endlich gegen dem Vater beklagte, und nach diesem kam ich wieder nach Haus, allwo ich einem Præceptori unter die Information getan worden, dem ich vor seine große Mühe allen Widerwillen erwiesen.

Ich klaubte den Hunden Flöhe und den Betteljungen die Läuse von den Köpfen und Kleidern, solche tat ich in ein Schächtlein zusammen und streuete sie hernachmals auf meines Præceptors Kleider und seinen Mantel. Wenn er nun also bei uns über Tisch saß, so ist nicht zu sagen, wie abscheulich ihm alsdann die Läuse hin und wider auf der Achsel herumgekrochen, ja, meine Frau Mutter hat sich oftermalen darüber so sehr entsetzet, daß sie von dem Essen weggehen müssen. Und weil ihn männiglich vor einen Lausebalg gehalten, gab ihm der Vater seinen Abschied, und ich bekam dadurch meine vorige Freiheit, mit dem Jäger hinzugehen, wo mir beliebte, ob ich schon kaum so viel gelernet, daß ich meinen Namen recht schreiben konnte.

Eine Stunde von unserm Gut wohnete ein Geistlicher, dahin wir alle Sonn- und Feiertage in die Predigt fuhren. Demselbigen Pfarrer habe ich in meiner Jugend wohl tausendmal den Teufel auf den Hals gefluchet, weil er meinem Vater weisgemachet, daß er eine große Sünde beginge, so er mich in meiner Jugend so sehr verabsäumete; schlug ihm hiermit unterschiedliche Gelegenheiten vor, wie mir am füglichsten [191] möchte geholfen werden. Sie wurden endlich eins, und ich mußte zu dem Pfarrer in die Kost, daselbsten so viel Lateinisch zu lernen, daß ich aufs wenigste tauglich sein möchte, auf eine lateinische Schul zu kommen, und auf eine solche Manier wurde mir ein ziemliches Stück meiner Freiheit abgeschnitten, ob ich schon den Mägden and Knechten wie auch des Pfarrers Schreiber selbsten manchen Possen gerissen.

Wir wohnten nächst an der Kirche, und neben uns war des Küsterers sein Haus, bei welchem ein kleiner Obstgarten stund. Und weil solchen von unserm Gebäude nur eine kleine Mauer entschied, fand ich mich meistens, wenn es wollte Abend werden, mit einer Leiter an dem Ort ein und rupfte dort und dar eine Birn, Apfel, Zwetschgen oder auch einen Pfirsich hinweg, nachdem ich viel haschen und langen konnte. Aber einsmals paßte mir der Küsterer auf und gab mir solche Kopfnüsse, dergleichen ich noch die Zeit meines Lebens nicht gegessen hatte.

Dieses Abendessen verdroß mich so sehr, daß ich entschlossen war, dem Küsterer ein brennend Raquetlein in sein Haus zu werfen, weil seine Dachfenster gleich gegen die unserige über stunden. Aber ich ging etwas in mich selbst und gedachte, daß uns die Gefahr sowohl als ihn betreffen dörfte, weil sein Boden voll mit ungedroschenem Korn lag, welches er von den Kirchbauren zum Zehent bekommen. Dannenhero ergriff ich ein anders Mittel, und weil es von unserm Hintergebäude ein Fenster in den Kirchturm hatte, stieg ich dort heimlich hinein und besudelte die Glockenstricke über und über mit Pfifferling, daran hernachmals der Küsterer seine Hände abscheulich besudelte. Weil mir nun dieser Poß so wohl angegangen, versuchte ichs auch das andermal und war willens, die Stricke gar abzuschneiden, aber der Küsterer passete mir dazumal gleichwie vor hinter einer Ecke auf und zerklopfete mich mit dem Strickknopf aufs neue so herum, daß ich zum Fenster so bald wieder heraussprang, als ich hineingekommen.«

»Ach,« sagte das Fräulein Anna, »das ist recht gewesen. Wüßte ich den Küsterer noch anzutreffen, ein paar Taler [192] wäre mir nicht zuviel, ich wollte ihms deswegen verehren.« – »Großen Dank, mein schönes Fräulein,« sagte Monsieur Ludwig, »Sie sei in dieser Sache unbemühet, Sie wird bald hören, wie es dem armen Schelmen gegangen hat. Denn als ich noch voll Zorn und Rachgier zurückkam, brannte ich das gemachte Raquet an und schmiß es in einem Hui hinüber in das Stroh, davon nach einem Vaterunser lang die Glut schon zu dem Dachfenster herausgeschlagen und auf der Gasse ein grausames Geschrei erschollen. Ich lief immer, was ich laufen konnte, und als ich mich auf dem Felde zurücksah, erblickte ich schon das Feuer wohl drei Klafter hoch in die Luft schlagen, und es ist nicht auszusprechen, wie sehr michs gereuet, daß ich ein solches Elend angerichtet, weil ich geforchten, der Pfarrer würde ingleichem schon angestecket sein.«

12. Capitul. Kommt auf das Schloß seines an
XII. Capitul.
Kommt auf das Schloß seines Vetters und trifft daselbst wider Verhoffen zwei artige Abenteuren an.

Die Esel haben einen Brauch:

Der alte farzt, der junge auch.


»Diese Furcht machte mir mehr Füße, als ich sonsten gehabt, dahero ereilete ich unser Gut gar bald, hatte aber das Herz nicht, mich bei dem Vater anzugeben, sondern lief in den nächst angelegenen Meierhof, in welchem ich auf ein Pferd saß und so geschwind, als es sein konnte, damit fortritt. Ich wußte weder Weg noch Steg, derohalben rannte ich hin, wohin mich das Pferd trug, und reuete mich je länger je mehr, daß ich dem armen Küsterer eine solche Suppe zugerichtet, an der er genug würde zu dauen haben.

Bei untergehender Sonne kam ich vor ein Schloß, darinnen ich einen Vetter hatte. Ich erkannte mich an dem Turm, daß ich einsmals mit meiner Frau Mutter dar gewesen, denn der Besitzer dieses Schlosses war ihr leiblicher Bruder und ein ziemlich verlebter Mann. Dazumal war ich etwan in dem funfzehenten Jahre meines Alters, und als ich in den Hof geritten kam, empfing mich seine Tochter, welche in die [193] Küche gegangen, daselbsten das Essen zuzurichten. Sie verwunderte sich über mich, und als ich nach ihrem Herrn Vater fragte, sagte sie mir, daß er mit ihrer Frau Mutter auf eine Hochzeit verreiset wäre und erst morgen wieder zurückgelangen würde. Indessen hieß sie mich absteigen und das Pferd in den Stall führen und so lange auf dem Schloß bleiben, bis ihr Herr Vater wieder zurückkäme. Ich war noch voll Sorgen und Schrecken, der mich daher in das abgelegene Schloß getrieben, welches sie mir wohl anmerkte. Aber ich wollte mit der Sprache nicht heraus, sondern sagte zu ihr, daß ich eine Post an den Herrn Vater abzulegen hätte, welchen ich auch erwarten wollte.

Mit diesem führte sie mich über eine Treppe hinauf in eine kleine Stube, allwo ich in einem Erker auf die Straße sehen können, wer etwan in das Schloß aus und ein ginge. Sie schickte mir kurz darauf durch eine Magd ein Licht samt einem kurzweiligen Buch, darinnen ich mich bis um Tischzeit umsehen und die Zeit passieren könnte. Aber meine Gedanken hatten nicht viel Zeit, in dem Buche herumzublättern, sondern ich besorgte mich immer, jetzt würde ein Scherg kommen und dann bald wieder darauf würde wieder einer kommen, die mich anfesseln und zurückführen würden. Aber es geschah doch nicht, so sehr ich mich auch darum geforchten habe.

Als es nun fast sieben Uhr war und man das Zeichen zum Essen gab, hörete ich jemand auf der Schloßbrücke reiten. Ich wendete mich behend um und sah über dem Erker, daß es ein Kerl sei, welcher ganz vermummet war. Dieses verursachte, daß ich ihn bald vor einen Henker, bald vor was anders hielt, weil mir die Furcht seine Person wohl hundertfältig vorgemalet, und dannenhero sperrete ich das Zimmer zu, willens, sofern es ein solcher sein sollte, der mich zu fangen hergeschickt wäre, mich über den Erker abzulassen, auf die Brücke zu springen und in das nächstgelegene Holz zu laufen.

In diesem kommt die adelige Jungfer an meine Stube, und weil sie zugeschlossen, sperrete sie mit einem Hauptschlüssel, welchen sie nebst andern an der Seite trug, dieselbe auf. Ich erblaßte gänzlich, und sie fragte mich so lang, bis ich ihr [194] vertrauete, wasgestalten mir das Unglück über den Hals gefallen und ich aus lauter Mutwillen dem Küsterer das Haus angezündet hätte. Nun aber wäre jemand hereingeritten, den hielte ich vor einen Landknecht, der mich fangen sollte, bäte sie deswegen herzinniglich, mich nicht zu verraten, daß ich in dem Schlosse gegenwärtig wäre. Ich wollte morgen noch vor Tages mich auf das Pferd setzen und immer damit zum Lande ausreiten. Die Jungfer entsatzte sich über meine Relation, und sie erschrak nicht wenig, als ich ihr von demjenigen sagte, welchen ich hatte zu dem Tor einreiten gesehen. Weil ich aber in dem Wahn stund, als wäre solcher ein Landknecht gewesen, ließ sie mich hierinnen und in dieser Meinung ganz unberücket und versprach mir, meine Gegenwart keinem Menschen zu vermelden, der mich hier auf dem Schlosse suchen würde. Und damit ging sie fort und sagte, sie wollte mir in diesem Zimmer ganz alleine zu essen geben und hernach in eine Kammer weisen lassen, darinnen ich die Nacht schlafen sollte.

Hiermit ging sie mit einem brennenden Wachsstock ihre Wege, und kurz hernach kam die vorige Magd mit einem Tischkorb und deckte mir auf. Sie brachte eine gesottene Henne mit Petersilchen und Erdäpfeln samt einem Viertel von einer gebratenen Spansau nebenst einem Salat. Das verzehrte ich unter unzähligen Sorgen und Grillen mit Furcht und Zittern, weil ich nicht wußte, ob das Feuer noch mehr Schaden getan hätte oder nicht. Bald sah ich zu diesem, bald zu einem andern Fenster aus, ob ich nicht die Flamme an dem Himmel könnte gewahr werden. Aber weil ich mich dazumal wenig auf die Landkarten verstund, wußte ich nicht, um welche Gegend der Ort lag, da ich ein so saubers Feuerwerk angerichtet hatte. Als ich meine wenige Mahlzeit verrichtet, leuchtete mir diejenige Magd, so mir zu essen gebracht, in eine Kammer, darinnen vier große Betten stunden, und da gab sie mir freien Willen, mich hinzulegen, wo es mich am besten zu sein gedünken würde. Sie brachte mir auch einen kleinen Becher Brandewein mit einem bißchen Semmel. Damit löschte ich das Licht aus und legte mich bald zu Bette.

[195] Die Sorgen sind die besten Instrumenten, einen Menschen wachbar zu machen, dahero konnte ich unmöglich einschlafen, weil ich dazumal von denselben dermaßen eingenommen war wie ein Hund von den Flöhen in Hundestägen. Bald wälzte ich mich auf diese, bald auf eine andere Seite, aber es war alles umsonst und vergebens. Endlich kam etwas an die Kammer, welches ich in der erst vor ein Gespenst gehalten, weil es die Tür ganz leise eröffnet und mit großem Geräusche hereingeschlichen. Ich fing schon an, das Oberbett mit den Zähnen zu fassen und mich unter dasselbe zu verstecken, als ich eine leise Stimme hörete, welche ich kennen sollte. Ich stackte das Ohr etwas weiter hervor und wurde bald gewahr, daß es die Jungfer Muhme war, welche denjenigen mit sich hereinführte, der zuvor ganz vermummet über die Schloßbrücke geritten. Sie hatten ein verdecktes Licht bei sich und konnten mich so wenig als meine Kleider erblicken, weil ich in dem hintersten Bett ganz verborgen lag.

Dazumal wurde ich gewahr, wieviel es geschlagen und warum dieser ehrliche Vogel so ganz vermummet angekommen. Ich hörete und sah mich fast zum Narren, wie sehr ihm meine Muhme zugetan war, denn sie hießen einander nichts als Schatz, Kind, Herz, Engelchen und solche ehrbare Phrasiologien, darob ich mich nicht wenig zu verwundern Ursach hatte.

Sie zogen sich beide aus, und meine Muhme bat ihren Buhler, nicht so laut zu reden, sonst dörften sie von der Amme erhöret werden, welche unter der Kammer ihr Schlafgemach hätte. Auf solches legten sie sich nach ausgelöschtem Licht zu Bette, und ich muß gestehen, daß ich wegen Ehrbarkeit denjenigen Discurs verschweige, welchen sie mit meinem großen Ärgernis eine geraume Zeit miteinander in demselben geführet. Wenn wir alleine wären, so wollte ich es endlich noch sagen, aber es stehen dort hinter dem Ofen und dem Bette etliche junge Gelbschnäbel, denen muß man ebendergleichen Arcana nicht auf die Nase binden noch die Läuse in den Pelz setzen, weil sie wie das dumme Vieh den fleischlichen Lüsten nachstreben und ihnen die Abscheulichkeit [196] eines Lasters nicht zur Besserung, sondern vielmehr zu einem angenehmen Angedenken dienen lassen, dadurch sie sich selbst verderben und oft um den besten Teil ihrer Wohlfahrt bringen. Ich hätte es meiner ehrlichen Muhm' nimmermehr angesehen, daß sie so verschameriert wäre, aber nun wurden mir beide Augen aufgetan, und kann es wohl hoch beteuren, daß mir seitdem wenig dergleichen Handlungen zu Gesichte gekommen, die mich in eine so unerhörte Verwunderung gestürzet haben. Ich wollte mich zwar dazumal melden, aber ich forchte, der Kerl dörfte mich um das Leben bringen, weil ein mit Sünden befleckter Mensch sich von einem Laster in das andere zu stürzen keinen Scheu trägt.

In solchen Gedanken schlief ich ein, und es traumte mir die ganze Nacht von nichts als Henken und Köpfen, also daß ich oftermalen aufwachte und mir selbst nach dem Kopfe fühlete, ob er noch an seiner alten Stelle stünde oder nicht. Endlich wurde es Tag, aber ich konnte von den zwei Personen niemand mehr in der Kammer sehen, ohne daß das Bett ganz zerwühlet war. Ich stund auf und kleidete mich an, als die Muhme zu mir hereinkam und mich fragte, wo ich heute nacht geschlafen hätte. Ich sagte, daß ich hier in dem Bette gelegen und überaus schwere und artige Träume gehabt hätte, darob sie blutrot unter dem Gesicht wurde. Sie fragte mich weiter, ob ich bald eingeschlafen wäre und ob ich niemanden in der Kammer gehöret hätte, aber ich antwortete hinwiederum, daß ich keine Maus, geschweige einen Menschen vernommen und warum sie solches zu wissen verlangte. Hierüber ward sie etwas lustiger, denn sie glaubte, daß ich nichts von ihrer verübten Schelmerei würde gehöret noch vernommen haben, und ging wieder hinweg. Aber darunten in der Stube gab sie der Magd, welche mich in die unrechte Kammer geführet hatte, eine Ohrfeige hin, die andere wieder her und sagte ihr kurz und rund den Dienst auf. Die Magd schrie und sagte, wo sie nicht würde zu schlagen aufhören, so wollte sie alles sagen, was sie von ihr und dem Musicanten wüßte, darüber meine Muhme noch zorniger wurde und noch mehr Stöße austeilete. Endlich kam ich selbst hinunter und brachte sie mit gutem voneinander.

[197] Aber die Magd schwätzte in dem Zorn solche Sachen heraus, daß ich mir schier ein Gewissen machte, ob ich meine Muhme noch ferners dörfte eine Jungfer heißen oder nicht.

›Ihr garstiger Lausekittel‹, sagte die Magd zu ihr, ›habt von dem Monsieur Julian um keiner andern Ursach willen auf dem Instrument schlagen lernen, als daß Ihr mit ihm desto ungehinderter charisieren könntet! Oh, ich habe es schon gesehen, wie ers mit Euch gemacht hat, schweigt nur still, ich wills Eurer Frau Mutter alles bei einem Pünktlein schon erzählen, so wahr ich ehrlich bin. Ich will sehen, ob Ihr Ursach habt, ihm in den Schubsack Confect und Reichstaler zu stecken. Der Teufel reute Euch, Ihr Hurenvieh, und kein guter Geist!‹ – ›Was,‹ sagte die Muhme, ›du vermaledeites Donneraas, hast du nicht vor sechs Jahren gar mit einer um einen Kerl gefochten, weißt du nicht, wie du mit deiner Mitbuhlerin mit Degen zusammengegangen und du Erzvettel in ein Bein gestochen wor den? Ha, schweige nur still und laß dir die Weil nicht lang werden, ich will mir ein Loch lassen durch die Nase stechen, so ich dir dieses schenken will. Meinest du denn nicht, daß ichs weiß, wie du es mit des Gutschers seinem Stalljungen getrieben? Denkest du noch daran, wie du das Teller gestohlen und dem Juden verkauft hast? Warte, warte, ich will dirs Capitel lesen, daß es gelesen heißen sollte.‹

Ich glaube, sie hätten noch länger fortgefahren, so nicht in dem Schloßhof ein Gerassel erschallet, durch welches sie an gegenwärtigem Zank zurückgehalten worden. Die Muhme sprang geschwind hinaus, und ich stellete mich in Postur, meinen Herrn Vetter zu empfangen, welcher mir noch in dem Wagen mit dem Stocke drohete und sagte, was vor ein ehrlicher Kerl ich wäre und wie köstlich ich mit dem Feuerwerk umspringen könnte. Ich erschrak über seiner Rede und bildete mir gänzlich ein, nun müßte ich ungezweifelt hängen, aber ein Laquay stieß mich in die Seite und sagte mir heimlich, wenn ich ihm etwas schenken wollte, so sollte ich bald wissen, wie es um die Sach beschaffen sei.

Ich versprach, ihm einen silbernen Knopf von meinem Rocke zu spendieren, er solle mir nur sagen, wie sie es [198] erfahren und wie großen Schaden es getan habe. Da sagte er mir, daß weiter nichts als der Giebel von des Küsterers seinem Hause hinweggebrannt, und heute wären sie durchgefahren, weil sie der Weg von der Hochzeit dahin getragen hätte. Und also blieb es vor dieses Mal dabei. Mein Vetter selbst war froh, daß er mich in seinem Schlosse gefunden, weil er unterweges bei meinen Eltern abgestanden und die Mutter wegen meiner weinend gefunden, weil sie geglaubet, ich wäre mit dem Pferd schon in Nova Zembla geritten.

Der Vetter hieß mich mit sich in sein Zimmer kommen, und dort erzählte er mir gar mit wenigen Umständen, daß ich mich wegen des Feuers nicht fürchten dörfte, sondern sollte heute bei ihm verbleiben, und morgen wollte er mich durch einen Diener heim auf unser Gut bringen lassen. Und damit war die ganze Furcht verschwunden, welche mich bis daher so jämmerlich und unsäglich gequälet hatte. Blieb auch durch den ganzen Tag auf dem Schlosse, und in folgender Nacht trug sich noch eine wunderlichere Abenteuer zu als in der vergangenen, werde es derowegen gar mit wenigem erzählen.«

Gleich als Monsieur Ludwig diese Worte vollendet, gab man das Zeichen zum Abendessen. Weil wir aber noch voll Begierde staken, die folgende Nachtsgeschicht anzuhören, schickte man in die Küche und befahl den Köchen, mit dem Anrichten noch eine Viertelstund innenzuhalten, indessen fuhr Ludwig fort und sagte: »Nach der Ankunft meines Vetters ging die Frau Muhme in die Küche und fragte, ob in ihrem Aussein niemand wäre in dem Schlosse gewesen, und weil eben die abgeprügelte Magd zu allem Unglück am nächsten stund, führte sie die Frau ein wenig auf die Seite und sagte ihr heimlich in das Ohr, daß der Musicant Julian dagewesen und bei der Tochter geschlafen hätte. ›Was?‹ sagte die Frau Muhme, ›du ehrvergessenes Rabenaas, solltest du von meiner Tochter solche Sachen ausgeben? Ach, daß dich der Teufel zum Kamin hinaushole, du Donner- und Strahl-Hexe! Geschwinde, packe deine Lumpen zusammen und eile damit zum Schlosse aus, ehe ich dich mit dem Schergen in der Fiedel herumführen und hernachmals in das Wasser werfen lasse.

[199] Gedenke doch ein Mensch, was die Erz-Hure von meiner Tochter ausgibt! Packe dich aus meinem Gesicht, oder ich stoße dir die Ofengabel in den Bauch hinein, du schandloses Blunder-Vieh, du Hagel-Hure, du Bauernknechts-Hure, du Teufels-Hure!‹ Unter und zwischen solchen Tituln lief die Magd immer, was sie konnte, zu dem Schlosse aus, und die erzürnte Frau Muhme ließ ihr das übrige Gewand, was sie nicht in der Eil zusammenraffeln können, durch einen Jungen nachschicken und sagen, wo sie sich mehr würde auf ihrem Schlosse blicken lassen, so wollte sie dem Jäger befehlen, daß er sie totschösse. Ich bekenne die Wahrheit, daß ich mich über dem schnellen Zorn mei ner Frau Muhmen sehr verwundert, indem sie doch sonsten ein Weibesbild von absonderlicher Bescheidenheit war. Aber es stunden nicht vierundzwanzig Stunden an, so wußte ich mir ohne große Mühe aus allem Zweifel zu helfen, und ihr werdet bald hören, worinnen der Knack gestecket.

Weil es nunmehro schon Essenszeit ist, so werde ich meiner Erzählung so viel abbrechen, als es die Materia leiden wird. Den Tag brachte ich meistens darinnen zu, indem ich die Mägde in dem Kühestall unversehens und hinterrücks überfallen und sie mit Rock und Hemd, über und über gepurzelt habe. Ich schnitt die Kühe von den Stricken los, und was ich sonst nur anfangen konnte, das die Leute verdroß, darzu war ich trefflich beflissen. Ich habe auch sonsten etwas mit einem Kindermägdchen vorgehabt, welches ich wegen der Fräulein Anna nicht gern erzählen mag, ob es schon die hinter dem Ofen und das Fräulein Kunigunda trefflich gern hörten. Darum so eile ich geschwinde zu der Hauptsache, auf daß wir zum Essen kommen.

Nach der Abendmahlzeit führte mich ein Laquay in eine andere Kammer, welche ziemlich altväterisch gebauet war. Es stund in derselben ein ganzer Hausrat von Spinnrädern, Küchengeschirr, Satteln, Gabeln und andrer Lumperei, daß ich die Kammer viel eher vor einen Roßstall als ein Schlafgemach sollte angesehen haben. Es kam mir fast eine Furcht an, daß ich in diesem Lumpennest alleine schlafen sollte, und dahero schwieg ich so lange still, bis der Diener wieder hinweg [200] war. Ich hatte das Schloß und die Gelegenheit desselben ziemlich innen, derohalben war ich willens, mich in einen sicherern und säuberern Ort zu legen, und schlich also heimlich über den Gang hinüber, woselbst ich mich in eine Kammer logieret, nächst welcher ich wußte, daß der Herr Vetter seine Lagerstatt hätte. Es war zwischen solcher und der meinen nur eine hölzerne Wand, mit Kalk angestrichen, darzwischen, und derohalben forchte ich mir da nicht den vierten Teil so viel als in der vorigen und legte mich also zu Bette. Nach einer Viertelstund kamen zwei Weibsbilder in des Herren Vetters seine Kammer, und weil sie ein Licht bei sich hatten, stund ich heimlich auf, zuzusehen, was ihr Tun wäre, weil ich es vor Mägde gehalten. Die ausgehöhlerten Äste gaben mir zu meinem Vorhaben gar gute Gelegenheit, aber ich dachte gleich des ersten Augenblickes, ich müßte mich zu Heber-Tafel sehen, wie sehr sich diese zwei Weibesbilder aneinander zerherzet und zerküsset haben.

Sie wollten immer vor großer Liebe aneinander auffressen, und als sie sich gegen mir gewendet, sah ich, daß es meine Frau Muhme und ihre Köchin waren. Ihr könnt gedenken, was ich mir hierüber ein bilden können, und wußte nicht, ob ich glauben sollte, daß solches aus einer Liebe oder Freundschaft entstünde. ›Monsieur Fido,‹ sagte meine Muhme zu der Köchin, ›Er ziehe sich nur kecklich aus. Mein Herr schläft heute in seinem kleinen Stüblein alleine, deswegen sei Er ohne Sorgen und lasse mich vor die Sache stehen, so es anders und wider unsern Willen ausschlagen sollte.‹ – ›Madam,‹ gab die Köchin zur Antwort, ›ich traue Ihrer Person und Worten nicht nur mich allein, sondern auch mein ganzes Vermögen. Auf Ihren Geheiß ziehe ich mich aus, und ich bin wohl so klug, der größten Gefahr zu entrinnen. Kommt Ihr Herr etwan unversehens mit dem Licht, so sehe Sie zu, wie Sie solches am ersten auslösche.‹ – ›Ach nein,‹ sagte meine Frau Bas, ›er glaubet nicht anders, als sei Monsieur meine Köchin, und ich habe ihm auch schon gesagt, daß ich in Ermanglung seiner wolle die Köchin bei mir schlafen lassen, dessen er wohl zufrieden war.‹ In solchem Gespräche zogen sie sich beide aus, und ich sah mit Verwunderung, [201] daß die Köchin unter ihrem Rock mit Mannskleidern, und zwar mit den allerschönsten seidenen Hosen, angetan war.

Dazumal merkte ich, wieviel es auf der Uhr war, und nachdem sie sich niedergeleget, erzählte ihr Monsieur Fido ganz weitläuftig, wie ihr heute der Schreiber einen Buhlbrief geschrieben, darüber sich beide dergestalten hinter der Decke zerlachet, daß michs selbst verdrossen hat. Ich lag die ganze Nacht vor Verwunderung ohne Schlaf und gedachte auf tausend Mittel, dieses schändliche Leben offenbar zu machen, weil ich einen solchen verteufelten und giftigen Betrug all mein Lebtag nicht auf diesem Schlosse gesuchet. Derohalben, als es fast begunnte Tag zu werden, stund ich heimlich auf, machte das Bett so viel zurecht, als ich wußte und konnte, damit nahm ich meinen kleinen Puffer aus der Ficke, welchen ich blind geladen. Das Rohr steckte ich in einen ausgehöhlerten Ast und brannte also in die Kammer hinüber los, über welches sie vor Schrecken beide aus dem Bette gesprungen und geglaubet, daß sie verraten wären.

Ich aber hatte mich geschwinde wiederum in die andere Kammer gefunden, daselbst ich die Kleider vom Leibe gerissen und mich eilends ins Bette geworfen, nachdem ich den Puffer zuvor in den Wassergraben des Schlosses geschmissen, weil ich solches zu tun durch ein Fenster dieser Kammer gute Gelegenheit hatte. Dieser Schuß hat gar viel Schlafende und halb Traumende erwecket. Derohalben entstund bald ein Geläufe in dem Schloß, und etliche meinten gar, es wären Diebe und Mörder vorhanden. Ich selbsten rufte diejenige, so bei meiner Kammer vorübergeloffen, zu mir hinein und fragte, was der Tumult bedeutete. Aber es wußte keiner gewissen Bericht zu tun, und ich mußte vor Gelächter in den Bettzipfel beißen, sonst dörften sie die Abenteuer ausgekundschaftet haben.

Monsieur Fido konnte das Kleid nicht so geschwinde an den Leib bringen, als schon ein Diener an der Kammer war, und es fehlete nicht viel, so hätte er die vermeinte Köchin in Mannshosen dastehen gesehen, wenn sich nur meine Frau Muhme mit dem Aufschließen nicht so gar lange aufgehalten hätte. Der Herr Vetter selbst wurde von dem Tumult [202] ermuntert, und mich reuete nichts, als daß die Kammer nicht offen gewesen. Denn solchergestalten wäre die Sache wunderlich eröffnet worden, welche aber dermalen verschwiegen geblieben, indem Monsieur Fido von allen vor ein natürlich Weibesbild und die Köchin ist gehalten worden, welcher doch ohne allen Zweifel muß ein junger Lecker gewesen sein, welchen sie in dieser Gestalt zu ihrem Buhlen gebrauchen können, sooft es ihr beliebet und angestanden hat. Hiermit will ich vor dieses Mal schließen, weil sonsten die angesteckte Spanferkel gar zu sehr verbraten dörften, und was noch übrig ist, will ich hernachmals erzählen.« Hiermit leuchtete man uns durch zwei Fackeln in die Tafelstube, und nach genommenem Handwasser satzte man sich zu Tische.

Viertes Buch

1. Capitul. Der Irländer sieht ein Gespenst
I. Capitul.
Der Irländer sieht ein Gespenst.

Die Meinung hat gar oft gelog'n,

Wer leichtlich glaubt, wird leicht betrog'n.


»Wahrhaftig,« sagte das Fräulein Anna, »der geführte Lebenslauf Monsieur Ludwigs hat einen recht wunderlichen Anfang, und wenn ich davon judicieren sollte, so müßt ich ohne Heuchelei gestehen, daß er noch höflich genug darinnen verfahren, auch eine größere Verschwiegenheit darinnen angezeiget, als er sonsten gewohnet ist.« – »Es ist wahr,« sagte die Kunigunda, »aber mir gab er einen Stich, den will ich zu seiner Zeit schon wieder revanchieren, und wenn mich anjetzo nicht so sehr hungerte, wollte ich ihm die Laudes wakker heruntersagen.« – »Bruder,« sagte ich zu ihm, »morgen mußt du absolvieren, aber Frau von Pockau, was hält Sie von der erzählten Begebenheit des Ludwigs?« – »Mein Herr,« sagte sie zu mir, »ich habe daraus ersehen, wie die Jugend viel mehr zum Mutwillen als der Disciplin geneigt sei, und daß sich auch die Rache schon in der zarten Jugend in unsere Herzen zu pflanzen pfleget. Ich habe auch zur Genüge verstanden, daß auf etlichen Schlössern große Hurerei und Ehebruch getrieben wird und daß man denjenigen den Fiedelbogen meistens um den Kopf zu schlagen pfleget, welche die Wahrheit sagen und beflissen sind, die Laster auszurotten. Ich habe auch daraus gelernet, daß sich die Laster oftermalen, ja gemeiniglich, selbst bloßgeben und offenbaren, wie es denn die Historia klar und augenscheinlich weiset, daß Monsieur Ludwig sowohl hinter der Tochter als ihrer Mutter ihre heimliche Stücklein ohne einzigen vorgehabten [204] Willen und Meinung, solches auszuforschen, gekommen sei. Man hat auch aus solcher Erzählung mit anzumerken, daß die Furcht und Sorgen sich schon in der Jugend in unser Gemüt einschleichen, welche doch zu nichts dienen, als den Schatten einer Sache großzumachen, dessen Leib doch an sich selbst klein und unächtig ist. Man kann sehen und daraus abnehmen, wie in eine große Betrübnis die Kinder ihre Eltern stecken, so sie sich unwissend aus dem Staube machen oder sonsten irgendein großes Elend anrichten helfen. Ingleichen lehret uns der vermummte Musicant, daß sich die Laster vor dem Licht scheuen, weil sie wahrhaftige Geburten der Finsternis sind. Auch gibt der getane Schuß genug zu verstehen, wie wir uns vor aller Unreinigkeit fleißig hüten sollen, weil wir nicht wissen, welchen Augenblick wir sterben und gleichsam in einem Nu dahinfahren müssen. Mit einem Wort, Monsieur Ludwigs Erzählung, ob er sie schon etwas lustig hervorgebracht, hat doch Salz genug, und wenn mir nicht wäre wie der Fräulein Kunigunda, als die ich auch hungere, so wollte ich noch ein mehrers erzählen, welches alles zu dem Lobe Monsieur Ludwigs gedeihen sollte.« – »Saprament,« sagte Ludwig, »nun sehe ich erst selbst, was ich vor ein Kerl bin! Halt, halt, weil Euch dieses allzu geistlich gewesen, so sollet Ihr morgen gewiß eine andere Sermon von mir zu hören bekommen, die weltlich genug sein solle.«

»Er mag es machen, wie Er will,« sagte die von Pockau, »so hat man doch Gelegenheit, eine Lehre daraus zu nehmen. Natürliche Sachen sind endlich nicht garstig, und deswegen werden solche Sachen erzählet, damit wir uns in der Gelegenheit derselben wohl vorsehen und hüten sollen. Ich habe vor diesem in manchen Büchern ein Haufen Zeuges von hohen und großen Liebesgeschichten gelesen, aber es waren solche Sachen, die sich nicht zutragen konnten noch mochten. War also dieselbe Zeit, die ich in Lesung solcher Schriften zugebracht, schon übel angewendet, weil es keine Gelegenheit gab, mich einer solchen Sache zu gebrauchen, die in demselben Buche begriffen war; aber dergleichen Historien, wie sie Monsieur Ludwigen in seiner Jugend begegnet [205] geschehen noch tausendfältig und absonderlich unter uns. Dahero halte ich solche viel höher als jene, weil sie uns begegnen können und wir also Gelegenheit haben, uns darinnen vorzustellen solche Lehren, die wir zu Fliehung der Laster anwenden und nützlich gebrauchen können.

Was hilft es, wenn man dem Schuster eine Historia vorschreibet und erzählet ihm, welchergestalten einer einesmals einen göldenen Schuh gemachet, denselben dem Mogol verehret, und also sei er hernach ein Fürst des Landes worden? Wahrhaftig, nicht viel anders kommen heraus etliche gedruckte Historien, welche nur mit erlogenen und großprahlenden Sachen angefüllet, die sich weder nachtun lassen, auch in dem Werke selbsten nirgends als in der Phantasie des Scribentens geschehen sind. Denn ob es schon den Schuster ergötzet, daß ein seiniger Mitcollega sei ein Fürst geworden, kann ers doch unmöglich nachtun, und täte ers gleich, so wüßte er niemanden, dem er solchen verehrte. Verehrte er ihn nun gleich einem großen Potentaten, so stehet es noch im Zweifel, ob er einen schlechten Recompens, geschweige ein Fürstentum deswegen erlangte. Ist also viel nötiger, solche Sachen zu entwerfen, welche uns können zur Warnung unsers künftigen Lebens dienen.

Ich will ein Exempel von mir geben. Als ich noch eine kleine Bachstelze war, kam ich über eine Liebesgeschicht einer türkischen Kaiserin. Da bildete ich mir ein, ich wäre dieselbe türkische Kaiserin, und ward so stolz und hoffärtig, daß ich gar viel Freiereien ausschlug, festiglich glaubend, die Cavalier sollten auch also, wie um die türkische Kaiserin geschehen, fechten und turnieren. Aber Narrenpossen! es hat sich wohl geturnieret! Sie ließen mich endlich gar sitzen, und letztens hätte ich gern einer Magd einen Ducaten geschenket, die mir nur die Post gebracht hätte, es würde wieder einer um mich bei der Frau Mutter anhalten. Das hatte ich nun der liederlichen Liebesgeschicht zu danken, denn ich lernete mit zunehmendem Verstand, daß ich noch einen großen Sprung tun müßte, ehe ich zur türkischen Kaiserin würde, ob ich gleich einen halben Mond in dem Schild führete. Denn ein anders war der Türken, ein anders war mein [206] Stand. Darum halte ich noch einmal so viel darauf, solche Sachen hören und lesen, die unserem Stande gemäß sind. Und ich glaube es sicherlich, daß dardurch gar viel Frauenzimmer verleitet worden, ihre sonst gepflogene Gemeinschaft in dem bürgerlichen Wandel auf die Seite zu setzen und durch die Einbildung, große Frauen zu sein, sich in ihrem eigenen Gemüte zu überheben und dadurch in ihr eigenes Verderben zu fallen.«

»Was die Frau von Pockau anjetzo vorbringet,« sagte der Irländer, »das erfuhr ich als noch ein Jüngling in der Tat. Ich las in meiner Jugend nichts Liebers als diejenigen Geschichten, welche von Abenteuer und ritterlichen Taten Meldung getan. Und weil ich gelesen, daß gar viel dergleichen Leute in die Gewölbe der Erde gestiegen, legte ich eines Abends einen Harnisch an, welchen ich mir von unserem Hofschneider mit Papier habe zurichten und zusammennähen lassen. Damit ging ich nächst unserm Schlosse in eine Gruft, von welcher ausgegeben worden, daß sie vier Meil Weges in die Erde gehen, dergleichen es auch eine in dem polnischen Reußen geben sollte. Aber ich ward daselbst von einem Gespenst dergestalten erschrecket, daß ich lange Zeit darauf an einer starken Krankheit darnieder gelegen. Besagtes Gespenst sah ich von ferne und wohl zwölf Schritt von mir in einem Winkel sitzen und ohne Unterlaß Feuer ausspeien. Ich hatte schon über hundert Ellen in dem finstern Gang hinter mich geleget, und die Wahrheit zu gestehen, so war ich aus keiner andern Ursache hineingegangen, als daß sich etwan ein liederlicher Schreiber darüber setzen und meine Abenteuer der Nachwelt in den Druck geben sollte, welche man hernachmals auf allen Lumpenmärkten vor ein oder zwei Dreier verkaufen und den Leuten könnte zu lesen geben. Aber es nahm weit einen andern Ausgang, denn das Gespenst stund endlich gegen mir auf, und ich sah vor mir stehen einen rechten lebendigen Menschen, dessen Gesicht viel abscheulicher anzusehen war als ein Meerkatzenkopf. Die Augen stunden ihm voll Feuer, und um die Mitte seines Leibes hatte er einen ganz brennenden Kranz, und sooft es den Mund aufsperrte, fuhr eine große Flamme heraus.

[207] Die Haare stunden mir gen Berge, und ich habe mich in der großen Angst zu nichts Gewisses resolvieren können, bis mich eine große Ohnmacht ergriffen, in welcher ich ganz sinn- und kraftlos hinumgefallen und mich endlich unter einer großen Eiche befunden, als ich wieder zu mir selbst gekommen. Es war mitten in der Nacht, und ich spürte es am ganzen Leibe, daß mich eine ungewöhnliche Krankheit überfallen; und weil ich außer des Baums nichts erkennen konnte, forchte ich mich, heimzugehen, weil ich glaubte, ich wäre nicht weit von der Hölle, darinnen mich das abscheuliche Gespenst so erschrecket und so sehr gequälet hatte. Es war mir, als hätte mir jemand alle Haare aus dem Kopfe geraufet, und ich dachte nicht anders, als sei ich lebendig geschunden worden, weil mir der Schauer den ganzen Leib eingenommen und mich fast zu einem andern Menschen gemacht hatte. Endlich raffte ich mich in der Dunkelheit auf die Straße und kam zu einer Schäfers-Horte, darinnen ich zwei Jungen in meinem Alter angetroffen, welche das Vieh auf dem Felde hüteten. Ich erzählte ihnen meinen Zustand, der mich in dieser Nacht betroffen, aber sie wußten noch viel andere Historien von der Gruft zu erzählen, die sich mit allerlei reisenden Menschen zugetragen.

Sie behielten mich durch die übrige Nacht bei sich, in welcher ich je länger, je kränker worden, bis sie mich bei angehendem Tage ganz erkranket nach Hause geschicket, allwo ich wohl vierzehen Wochen an einer Stelle gelegen, und hatte von meiner Abenteuer niemand größern Nutzen als der Doctor und Apotheker. Meine Mutter verbrannte darauf alle Bücher, die mich zu einem solchen Vorhaben verleitet, und also fühlete ich die Frucht derjenigen Beschreibungen, die entweder nur ein Zauberer oder aber ein sonderlicher Abenteurer nachtun kann. Ja, ich las einsmals, daß derjenige, so auf freiem Kopf stehen könnte, der stattlichste Mensch zu einem Ritter wäre. Da fing ich an, mich dergestalten auf das Kopfstehen zu exercieren, bis mir endlich das Blut zu dem Halse herausschoß.«

Fräulein Anna wurf ein, daß sie wegen Erwähnung des Gespenstes ganz furchtsam geworden, und wenn sie solches [208] sowohl als der Irländer gesehen hätte, hätte sie ohne allen Zweifel sterben müssen. »Was wäre es denn mehr,« sagte Ludwig, »wenn Sie gestorben wäre? So hofierte Ihr der Hund auf das Grab!«, auf welches die gesamte Gesellschaft zu lachen anfing, und das Fräulein machte ein ziemlich scharfes Gesicht auf ihn, daß er wieder anfing, so abscheulich zu packen und mit der Sauglocken zu läuten. Aber Ludwig sagte, wenns der Hund nicht tun wollte, so wollte ers tun, und ob auch schon der Totengräber samt seinem Weibe in dem Freidhofe gegenwärtig wären, auf welches man noch stärker gelachet. Und als das Fräulein Anna merkte, daß es Ludwig nicht anders zu machen pflegte, lachte sie auch mit, und Ludwig verglich sie hernachmals mit dem Hund, welcher das Fleisch von dem Metzger getragen und unterweges von andern Hunden angefallen worden. Wie er nun gesehen, daß sie seine Meister über den Korb wurden, fraß er auch mit, damit er seine Mühe nicht so gar umsonst verrichtet hätte.

2. Capitul. Der Seilfahrer courtesiert
II. Capitul.
Der Seilfahrer courtesiert.

Das Garn spinnt man so kleine nicht,

Es kommt doch an das Sonnenlicht.


Zwischen und in solchem Gespräche endete sich unser Abendmahlzeit, bei welcher noch gar viel andere Historien erzählet worden, welche aus dem Grund solcher Schriften entsprungen, die da pflegen die Phantasie des Lesenden zu verleiten und aus Klugen Narren zu machen. Nach dem Essen tanzte man aufs neue, und nach solchem nahm man die Abrede, morgen wieder zusammenzukommen und die angefangene Ordnung zu vollführen, mit dem Anhang, daß sich diese Nacht keiner auf erlogene und niemals geschehene Geschichten legen sollte, dadurch die Compagnie viel mehr betrogen als ergötzet und gebessert würde. Ludwig sagte, er wollte so viel Hörner zum Kopfe herausgewachsen haben, als viel er verlogene und unwahrhaftige Worte hervorbringen würde, und die andern gaben zur Antwort, daß man [209] ein solches Beginnen von adeligen Leuten nicht præsumieren solle, zudem wollten sie auch nicht hoffen, daß man argwohnen sollte, als wären ihre Lebensläufe so schröcklich besudelt, daß sie dardurch beweget würden, sich auf an dere Inventiones zu legen. Mit solchem ging man zu Bette, und ich legte mich mit meiner Caspia nächst an einen Erker, welcher in den Schloßhof ging.

Nachdem nun fast alle Lichter in den Zimmern ausgeleschet worden, hörten wir in dem Schloßhofe eine Laute. Und weil dieses Instrument absonderlich zu Nachtszeiten recht lieblich und sehr angenehm zu hören, stund ich mit der Caspia an das Fenster, und verwunderten uns, daß der Lautenist in dieser großen Kälte ohne Handschuh spielen könnte, dahero urteileten wir, daß er entweder von der Natur oder von der Liebe gegen das Frauenzimmer so hitzig sein müßte, weil er endlich angefangen und folgende Strophen gesungen:


»Ihr Lippen, derer Zier ich tausendmal geküsset, seid gegrüßet!
Ihr Lichter, derer Strahl mein Herze eingenommen, seid willkommen!
Seid willkommen, o ihr Flammen!
Flammet nun in mir zusammen!«

Diese Verse schrieb ich geschwind bei dem Nachtlicht in meine Schreibtafel, aber indem ich solche mit Hülfe der Caspia aufzeichnete, vergaß ich darüber das andere Gesätz, welches noch viel stattlicher herauskam. Und wenn es nicht so tief in der Nacht gewesen wäre, hätten wir ihn ohne Zweifel heraufkommen heißen, weil absonderlich Caspia eine große Liebhaberin solcher Liebeslieder gewesen, deren sie ein ganzes Buch, von eigener Hand geschrieben, ganz voll hatte. Aber als wir am besten zuhören wollten, hörete der Sänger auf, und wir wußten nicht, wer der Kerl sein müßte, weil wir zuvor keine solche Stimme in dem Schlosse vernommen hatten.

Wir legten uns wieder zu Bette, das übrige Teil dem Morpheus zu überliefern und uns ein wenig in dem Traumreich umzusehen. Aber morgens weckte mich die Caspia aus dem [210] Schlafe, weil sie jemanden an das Zimmer anklopfen hören. Ich eröffnete die Tür noch in den Schlafhosen, denn ich vernahm, daß es mein Diener war, welchen ich erst vorgestern aufgenommen hatte. Und als er hereingekommen, nahm er mich auf eine Seite und bat mich, ihm zu verzeihen, daß er mich von meiner Ruhe verstöret, er müßte mir etwas Artiges erzählen, was er heute nacht wäre gewahr worden.

»Gestern abends,« sagte er, »als ich mich in meiner Kammer zu Bette geleget, kam der Seiltänzer mit einem langen Kerl und noch einem andern, welcher eine Laute trug und auf derselben überaus schön geschlagen. Er marschierte vor das Gemach der Kunigunda, allwo ein kleines Mägdlein stund, welches ihn hineingehen hieß. Ich weiß die Gelegenheit dieses Schlosses gar wohl, indem ich ehedessen und gleichsam von Jugend auf mein Schneiderhandwerk hierin getrieben, und weil ich wußte, daß es einen Kamin hat, welcher in die Kammer der Kunigunda ging, eilete ich geschwinde hinter das Dach hinauf, ihrem Gespräche zuzuhören. Sie mögen allem Ansehen nach schon eine Weile miteinander geredet haben, als ich das Brett-Fenster, so in den Kamin gehet, ganz sachte hinweggehoben. Da hörte ich mit Verwunderung, wie ihr der Seilfahrer erzählet, daß er kein so schlechter Kerl sei, wie sie ihn geschätzet, sondern er wäre einer vom Adel, hätte sich auch auf gegenwärtigem Orte aus keiner andern Ursache eingefunden, als sich bei dem Frauenzimmer beliebt zu machen.

›Das Schreiben‹ sagte er, ›welches Monsieur Ludwig um einen Gaukler geschicket, ist mir in dem Dorfe zuhanden gekommen, welches ich heimlich erbrochen. Und weil ich ehedessen vor die lange Weil auf dem Seil fahren lernen, bekam ich Lust, mich anstatt desselben hier anzugeben und einzufinden.‹ Auf solches antwortete die Kunigunda, daß sie solches überaus gerne hörte, und wenn er auch gleich kein Edelmann, sondern der allerniedrigste Bauernkerl wäre, so wollte sie sich doch glückselig schätzen, seine Person zu lieben. Deswegen solle er morgen abends, und zwar um diese Zeit, mit einem langen Schlafrock vor ihr Fenster kommen und nur mit einem Steinlein an dasselbe anwerfen, [211] dadurch sie ihn alsobald einlassen und fernere Gewogenheit erweisen wollte.«

Diese Worte erzählte mir der Schneider an meinem Fenster mit großer und ungemeiner Verwunderung. Ich sagte hierauf, daß er bei Leib und Leben keinem Menschen etwas davon vermelden sollte, alsdann mußte er mir gar erzählen, was sie weiter miteinander getan. Aber der Schneider wußte keinen fernern Proceß, sondern vermeldete, daß sie ihn wegen Argwohn seiner Mitgesellen nicht länger aufzuhalten verlangte, und er sagte, daß solche seine Musici wären, deren er immer zwei oder drei auf seinem Schlosse aufzuhalten pflegte. Anitzo aber hätte er sie, gleichwie Gauklersleuten zustehet, angekleidet, wie denn er selbsten sich bei solcher Gelegenheit eines solchen Kleides bedienen müssen, auf daß er durch die Federn den Vogel nicht verraten möchte. Mit diesem wäre der Seilfahrer hinweggegangen, und als ihn Kunigund um seinen Namen gefragt, hätte er ihr zur Antwort geben, daß er Caspar genennet würde und daß sein gestriger erzählter Lebenslauf erstunken und erlogen wäre. Sie sollte sich nicht daran kehren, er hätte es seinem angenommenen Stand gemäß tun müssen. Darauf hätte die Kunigunda seine köstliche Invention gelobet und bekennet, daß sie seinesgleichen wenig unter den Leuten gesehen. Solchergestalten wäre er hinweggegangen, nachdem sie nochmals gewisse Abrede miteinander genommen, daß er morgen um diese Zeit gewiß in einem Nachtrock vor das Fenster ihrer Schlafkammer kommen wollte.

Die Wahrheit zu bekennen, so war mir die Relation des Schneiders viel lieber, als wenn er mir vier Paar Hosen geflickt hätte. Ich gebot ihm nochmals, von der Sache reinen Mund zu halten, und unerachtet mich meine Caspia tausendmal ersuchte, ihr zu offenbaren, was der Schneider so geheim mit mir geredet, sagte ich ihrs doch keinesweges, und dannenhero entäußerte ich mich von der Anzahl derjenigen Weibernarren, welche kaum so bald eine neue Zeitung oder anders Geheimnis angehöret, da gehen sie stracks hin, sagens ihren Weibern nicht allein, sondern auch allen denen, so ihnen auf der Gasse begegnen. Man klaget, daß so[212] wenig Treu und Redlichkeit in der Welt sei, aber viel mehr ist zu beklagen, daß es gar keinen Papyrium mehr gibt. Aber das kann man nicht leugnen, daß die Verschwiegenheit ziemlich papierern geworden, dardurch oftermalen großes Herzeleid angerichtet wird. Was gehen die Weiber solche unnötige Sachen an? Mancher sagt: Meine Frau ist ja kein Block, sie muß ja auch wissen, wie es in der Welt zugehet. Ich sage: Ja, sie ist freilich kein Block, aber sie ist auch der Kerl nicht darnach, eine Sache zu wissen, daran ihr nichts gelegen ist. Viel Wäschereien verderben nur die Sitten, und hätte mancher keine neue Zeitung gehöret, so wäre er nicht darüber zum Narren worden.

Als der Schneider aus dem Zimmer war, ließ ich Monsieur Ludwig zu mir rufen, welchem ich die ganze Comödia vertrauete, so gut als sie mir von dem Schneider erzählet worden. Er raufte sich fast vor Freuden die Haar aus dem Kopfe, denn er nahm sich vor, den ehrlichen Caspar, als vermeinten Seilfahrer, so durch die Hechel zu ziehen, daß nichts darüber. Er resolvierte sich, daß er künftigen Abend selbst in dem Schlafpelz vor der Kunigunda Kammer gehen wollte, und indessen sollte ich dem Caspar mit dem Trunk wacker zusetzen, damit er keine Gelegenheit hätte, die Sache ins Werk zu richten. Und nachdem wir es alles genau hinten und vornen, unten und oben überleget, gingen wir wieder voneinander und erwarteten der Zeit.

3. Capitul. Ludwig erzählet wunderliche Sachen
III. Capitul.
Ludwig erzählet wunderliche Sachen. Kommt zu einem Schneider in die Kost. Wie es der Doctorin mit ihrem Leibstück gegangen.

Die Jugend ist der Schalkheit voll,

Frißt, säuft, wenn sie studieren soll.


Kurz vorhero ist erwähnet worden, daß die adelige Gesellschaft entschlossen, ihre angefangene Erzählung fortzuführen. Dahero kamen wir abgeredetermaßen in dem vorigen Zimmer diesen Morgen zusammen, und als sich jeder an seinen Ort gesetzet, fuhr Ludwig fort, seine Begebenheiten folgends zu endigen:

[213] »Gestern«, sagte er, »habe ich mit gar kurzen Umständen entworfen, welchergestalten ich eine verhurte Abenteuer in dem Schlosse meines Vetters angetroffen, nach welcher ich voll von wunderlichen Gedanken durch einen Laquay zu meinem Vater auf das Gut zurückgeführet worden. Mein Herr Vater gab mir nach einer langen Predigt die Absolution mit einem guten spanischen Rohre, aber die Frau Mutter fiel ihm fast in alle Streiche, die er auf mich tat, dahero traf mich der zehente nicht, und ich war damals schon so klug, daß kein bessers Mittel als die Tür vor mich möchte ersonnen werden. Dahero wartete ich so lang in einer Kammer nächst der Canzeley, bis meinem Vater der Zorn vergangen, welcher nicht allzu lang zu dauern pflegte, und nach einer halben Viertelstund machte ich mich wieder aus dem Winkel hervor, nachdem ich die Schläge von dem Rükken gebeutelt wie ein nasser Hund das Wasser. Und ob ich schon nichts Hauptsächliches empfund, stellete ich mich doch nicht anders an, als hätte er mir eine Rippe in meinem Leibe entzweigeschlagen, welches denn die Jugend, absonderlich zu diesen Zeiten, meisterlich zu practicieren weiß und oft nach einem kleinen Puff ein solch großes und jämmerliches Geschrei anfängt, gleich als wäre der Kopf schon weiter von dem Leibe gesprungen als der Apele von Gallen.

Ich sagte zu der Mutter, daß mir das Herz so wehe täte, da fing sie an zu weinen. ›O mein allerliebstes Kind,‹ sagte sie, ›dein Vater hat dich mit dem Fuß in die Seite gestoßen, es kann gar wohl sein, daß er dir das Milz in dem Leibe hat entzweigesprungen.‹ Auf solches gab sie mir vor einen halben Taler ein Wässerlein ein, und ich selbst war mit Haut und Haar nicht acht Groschen wert. Ich mußte mich geschwind in ein Bett legen, und damit mich die Kälte nicht erschreckte, wärmte sie mirs mit einer Wärmflasche und hebte mich mit allen Leibeskräften hinein, allwo ich ein wenig schwitzen sollte. Sie satzte sich mit einem Fliegenwedel vor das Bette und weinete wohl zwei Schnopf-Salvet voll mit Tränen, daß man hätte das Wasser daraus winden können. Aber ich hätte immer heimlich unter der Decke lachen mögen, denn mir mangelte nichts als Pulver und [214] Papier, damit ich aufs neue Raquetlein machen und unser Schloß gar hätte anzünden können.

Demnach trachtete mein Vater auf Mittel und Wege, mich in eine andere Kost zu verschaffen, und tat mich zu einem Pferd-Bereiter, allwo ich die adelige Exercitien begreifen sollte. Er hatte wohl in die achtzehen adelige Jünglinge beisammen und hielt ihnen ein eigenes Haus zur Miete, in welchem ich aufs neue allerlei Ränke und Schwänke angerichtet. Es war mir nicht genug, meinen Kameraden in dem Schlafe heimlich das Haar abzuschneiden, sondern ich stutzte endlich den Pferden die Schwänze in dem Stall, und unter die Sättel setzte ich Scorpionen, die haben hernachmals die Pferde gestochen, daß sie groß aufgeschwollen und gar umgefallen sind. Dergestalten bekam mein Vater einen Proceß an den Hals und wurde durch das Urteil gefället, daß er innerhalb Jahr und Tag schuldig sein sollte, dem Bereiter hundert Ducaten zu bezahlen.

Mein Vater floh die juristische Zänkerei wie der Teufel das Kreuz, dannenhero disputierte er das Geld gar nicht, ob sich schon etliche Advocaten bei ihm eingefunden, welche ihn versichert haben, daß sie die Sache so bestreiten wollten, daß er keinen Pfenning zu bezahlen sollte schuldig sein. Aber weil er dergleichen Leute artige Causen schon zur Genüge erfahren oder aber von andern erzählen hören, gab er keinem Gehör, sondern erlegte das Geld, ehe ein Monat ins Land ging. Aber nach seinem Tode fand ichs im Testament abgerechnet und mußte mirs mit großem Verdruß abziehen lassen, wie auch wegen des Küsterers abgebrannten Giebel, der ward mir allein auf zweiundvierzig Taler angerechnet.

In einen solchen Schaden stürzte mich mein eigener Mutwill, und der Vater wurde wieder gezwungen, mich von dem Bereiter anderwärts hinzutun, schickte mich dahero auf eine lateinische Schule und sagte, wo ich da nicht gut tun würde, müßte ich wider des Teufels Dank ein Schuhflicker werden. Er hielt mir ein stattliches Valet, bei welchem gar viel von meinen Freunden gewesen, welche vielleicht nur deswegen darzu berufen worden, daß sie mir eine gute Vermahnung geben, mit der ich auch vor diesmal hinweggezogen, nachdem [215] mir zuvor meine Frau Mutter heimlich zwölf Reichstaler in einem Schnuptuch in meine Tasche gestecket.

Ich ging daselbst bei einem Schneider in die Kost, welcher ehedessen in seinem jungen Gesellenstand auf unserem Schlosse gearbeitet hatte. Derohalben befahl mich der Vater ihm in seine Aufsicht, aber der gute Schneider hätte selbst einen Præceptor vonnöten gehabt, welcher ihm fleißiger arbeiten und nicht so gar oft und viel Bier trinken hätte lernen und unterweisen sollen. Dieser Meister respectierte mich mehr, als mir zuvor geschehen. Er hieß mich Herr Junker und gab mir einen eigenen Hausschlüssel, damit ich aus und in das Haus kommen konnte, wann und wie es mir beliebte. Dieses gab mir gleich anfangs Gelegenheit, meinem Zaun nachzugehen, und es ist gar gewiß, daß ich niemals liederlicher als auf dieser Schule gewesen. Das Geld, vor welches ich mir hätte die Autores schaffen sollen, versoff ich mit meinen Condiscipuln im Brandewein, und wenn ich also sternvoll nach Hause kam, vermeinte der Schneider, ich wäre krank, und weil er Befehl hatte, vor mich auf Wiedererstattung Geld auszulegen, schickte er geschwind in die Apotheke und ließ allerlei Purgantien holen, damit ich bei meiner Gesundheit möchte erhalten werden.

Endlich wurde mein Herr Vater den Fehler innen und schickte mir anstatt des Geldes die eingebundene Autores, aber ich war doch viel schlauer, denn ich verkaufte dieselbigen Bücher um ein Spottgeld und spielete davor in der Karte und mit den Würfeln, welche ich viel öfter als eine Schreibfeder angegriffen. Wo ich einem ein Buch stehlen konnte, das steckte ich in der Schul heimlich in den Hosenschlitz, und hernachmals verkaufte ichs auf dem Trödel und versoff das Geldlein, so gut und so lang es dauerte. Es wird mirs wohl keiner unter allen meinen Mitschülern nachsagen können, daß ich, solang ich in der Schul gesessen, auf die Explication Achtung gegeben oder meine Lection gekonnt habe, dahero hieß mich der Præceptor immerzu hinter den Ofen knien, bis ichs recitieren konnte. Letztlich aber wurde ich ihm auch zu klug, denn ich ließ mir die Knie braun, blau und rot malen und stellete mich an, als hätte ich das rote[216] Feuer an den Beinen, dadurch entledigte ich mich von der Strafe und lernete nichtsdestoweniger doch nicht, was er mir aufgegeben.

Wenn ein Examen Scholasticum vorüberging, so gab ich einem andern, der in der Klasse vor den Besten gehalten wurde, zwei Groschen, davor mußte er mir mein Argument, Carmen, Oration, Chriam oder dergleichen Dinge machen, und ich muß bekennen, daß sich diejenigen, so solche gelesen, oftermalen über meine Erudition verwundert haben. Und weil zur selben Zeit mein Vater gemeiniglich in die Stadt gekommen und dem Examen beigewohnet, gefiel es ihm von Herzen wohl, wenn er mich von andern loben hörte, und spendierte dem Præceptori wohl noch ein paar Ducaten darzu, und die Mutter schickte ihm einen halben Centner Flachs samt einem Dutzet westphälischer Schinken. Zuweilen verehrte sie ihn auch mit Käs, Butter und Leinwand, da ließ er fünfe gerade sein. Und ob ers gleich bei sich selbst gemerket und wohl gewußt hat, wie mir am füglichsten zu helfen wäre, verschonte er mich doch nur wegen der Geschenke, weil er geforchten, meine Eltern durch seine Strafe zu beleidigen.

Aus diesem Übel entstunden noch unzählig viel andere, durch welche ich angefrischet worden, meiner Blindheit nachzufolgen. Und weil der Müßiggang eine Wurzel großer Sünden ist, fiel ich von einem Laster in das andere, bis ich endlich gar nicht mehr in die Schule gegangen, sondern mich meistens unter liederlichen Leuten in rechten Hurenwinkeln aufgehalten. Aber wenn ich aus dem Grunde der Wahrheit reden will, so lernete ich in solchen viel mehr als in der Schule, denn ich lernete viel Laster durch ihre eigene Abscheulichkeit fliehen und wurde eben von denjenigen auf eine bessere Bahn gewiesen, die mich zuvor auf ihren Pfad geleitet hatten.

Sehet, solch eine Frucht und ein solcher Kern stecket dennoch in einer verfaulten Schale, und es ist gewiß, daß man kein Laster, mit was vor Worten es auch sei, so abmalen kann, als es uns der Leib selbsten zeiget, und dahero ist ihre Häßlichkeit sehr wirkend in dem Gemüte desjenigen, [217] welcher vermögend ist, seinen Affecten die Larve abzuziehen und der Tugend nachzufolgen. Wenn man gebrennet wird, so scheuet man sich desto mehr vor dem Feuer, und ich habe von derselben Zeit an kein Laster mehr gehasset noch geflohen als die Hurerei, weil sie der größte Feind ist aller derjenigen, so die Vergnügung in dem Geist suchen.

Es hat keiner mit mir studieret, der nicht wissen wird, daß ich trefflich gerne getrunken. Dahero trug ich sogar eine absonderliche Flasche in dem Schubsack, und sooft mich dürstete, begab ich mich unter die Tafel, gleich als ob ich Streusand zu langen willens wäre, aber ich tat es nur darum, daß ich einen guten Zug aus der Flasche herausheben könnte. Unterweilen gab ich auch meinen Mitschülern davon zu trinken, und anstatt wir unser Argument machen sollten, soffen wir uns voll, daß wir in der Schule hin und wider torkelten und die Schreibezeuge samt den Büchern über die Tafel hinabwarfen.

Mit dem Schneider ging ich gar um, daß es zu erbarmen war. Ich richtete in dem Haus allerlei Ungelegenheit an, und wenn mir in der Nacht not wurde, hofierte ich ihm auf einen großen gestohlenen Tuchfleck und schmiß ihn zum Fenster aus. Oh, das war gar nichts Neues noch Seltsames, daß ich den Hintern an seine Kleider gewischet, die er in seiner Stube hängen hatte, denn solches zu tun hatte ich durch ein Fenster, welches von meiner Kammer in seine Stube ging, gar gute und bequeme Gelegenheit.

Einesmals schickte eine Doctorin ein Leibstück zu ihm, das sollte er über Hals und über Kopf arbeiten und verfertigen, weil sie folgenden Tages auf eine Kindestaufe gehen sollte. Der Meister eilete soviel möglich, und weil ers nur um ein paar Finger mußte enger machen, wurde es noch vor Abend fertig. Ich gab gar genaue Achtung auf die Stelle, dahin er dieses Futteral über die Doctorin hingehänget hatte; und in der Nacht stund ich auf und wischte mich so rein aus, als vielleicht das Kind gewischet worden, zu dem die Doctorin morgen gehen würde. Aber ich machte es nur innenher, und zwar an dem braunen Taffet, damit das Leibstück durchaus gefüttert war, welches ich deswegen dorthin getan, auf daß [218] mans an der Farbe desto weniger unterscheiden könnte. Des andern Tages holete der Schreiber dasselbe gar früh ab, und weil es der Schneider geschwinde zusammenlegte, unterließ er, solches innenher zu besehen. Es war sehr kalt, und derowegen eilete der Schreiber damit unter dem Mantel fort, und die Doctorin ließ es auch gut sein, weil sie gleich etwas von Armbändern zu kaufen hatte, welche sie heute bei der Kindestaufe antun wollte.

Als die bestimmte Stunde vorhanden war, kleidete sie sich an, und die Bittfrau sagte ihr schon zum andern Mal an, daß die andern Frauen schon in der Kindbetterin Stube versammelt wären und nur auf sie alleine warteten, alsdann sollte gleich angerichtet und gespeiset werden. Die Doctorin eilete, was sie konnte, und weil die Mägde keinen Spiegel in der Stube hatten, prügelte sie eine da hinaus, die andere dort hinaus. Bald war der Sessel nicht recht gesetzet, bald lagen ihr die Stecknadeln nicht recht, ja, sie konnte sich über eine Lumpensache so abscheulich zerfluchen, daß ihr Herr darüber erschrak, und weil sie keine Vermahnung von ihm annahm, mußte er aus der Stube gehen. Nach diesem rufte sie den Mägden wieder und wurf das Leibstück an den Leib, welches ich ihr vergangene Nacht so stattlich eingebalsamieret hatte. Als sie nun in ihrem besten Aufputz, mit einer Magd begleitet, über die Gasse ging, bildete sie sich ein, wie sie viel höher als arabianisches Gold glänzete, da sie doch innenher mit nichts als einem Kot gefuttert war. O vanitatum vanitas! war lauter Phantasey.

Die Compagnie war ob ihrer Gegenwart sehr erfreuet, ohne etlicher wenigen Frauen, welche ihr wegen der Präcedenz und andern Sachen halben heimlich in dem Herzen neidisch waren. Das Zimmer war ziemlich warm eingeheizet, derowegen fing der Pfifferling in der Doctorin ihrem Leibstück grausam an zu stinken, und so sehr sie auch Franciscus-Kerzlein auf den Ofen setzten, wollte es doch nichts helfen, sondern der Geruch wurde je länger je abscheulicher. Man merkte wohl, daß es von der Doctorin herkam, aber niemand getrauete, ihrs zu sagen. Sie merkte es selbst wohl und gedachte erstlich, sie hätte gar ins Hemd purgiert, und [219] konnte fast vor Scham keinen Bissen essen. Etliche hielten die Nase zu, andere strichen Balsam auf die Hand und an den Wamsärmel, weil es auf demselben nach der neuesten Invention ein halb Jahr nacheinander riechen solle. Diejenige, so keinen Balsam hatten, brennten die Haar an den Händen ab, aber die Doctorin wußte nicht, was sie sagen oder wie sie sich anstellen sollte. Endlich gab sie vor, wie sie eine Schwachheit des Hauptes überfiele, und solchergestalten kam sie nach Haus, allwo sie bald die Schuhe, bald ihr Hemd beguckte, aber sie konnte kein Merkmal finden, daran sie sehen könnte, daß sie entweder eingetreten oder aus Unvorsichtigkeit losgebrennet hätte. Endlich, wie sie das Leibstück auszog, da kam der rechte Resonanz mit Haut und Haar, und ihre Mägde bekamen so viel davon zu riechen als die andern Gäste alle. Da sahen sie, wo der Schuh zerrissen war, und es hat gar nicht viel gefehlet, so hätte sie den Schneider einstecken lassen, wenn sie nur nicht so sehr geforchten hätte, daß ihre Schande der ganzen Stadt würde offenbar und hernachmals die Geschicht auf offenem Platz dörfte abgesungen werden.«

4. Capitul. Vier Studenten machen sich eine Collation
IV. Capitul.
Vier Studenten machen sich bei dem Schneider eine Collation.

Das Glück ist tückisch, still und schlau,

Dir brät mans, und er frißt die Sau.


»Nachdem ich die Doctorin dergestalten beschämet, legte ich mich auf allerhand lose Stücklein, und wenn man alle meine Condiscipulos oder diejenige, welche dazumal mit mir studieret haben, schrauben und zwicken sollte, so würden sie in der Wahrheit bekennen und gestehen müssen, daß sich keiner auf der ganzen Schule dazumal eingefunden, der mir an der Schalkheit überlegen gewesen.

Gleichwie ich aber in des Schneiders Quartier allerlei Mutwillen getrieben, also schaffte ich ihm in dem Gegenteil wieder allerlei Nutzen. Er beklagte sich gar oft wider die Leute, die unangemeldet in seine Stube gleich den unhöflichen und [220] groben Bauren hineinplatzten, und er fragte hin und wieder vor einen Rat, den ihm doch niemand als meine geschwinde Invention mitteilen konnte, indem ich ihn hieß die Klinke wegnehmen, und solchergestalten mußten alle anklopfen, welche in der Stube etwas zu verrichten hatten.

Einsmals hatte sich sein Weib unter der Zeit, da er in der Kirche war, heimlich eine Wurst gebraten, weil sie sich ganz alleine zu sein vermeinet. Und als unter dem Zurichten jemand anläutete, mit welchem sie eine ziemliche Weile darunten in dem Hause zu reden hatte, schlich ich heimlich aus meiner Kammer hervor und schmiß die Wurst ins Feuer hinein, daß sie über und über verdorrete und verbrannte. Wenn sie einen Braten in ihrem Fleischkasten aufgehoben, eröffnete ich das Schloß mit einem Dietrich, schnitt das beste Fleisch von dem Beine, und hernach zernagte ich den übrigen Knochen mit den Zähnen, sperrte auch zur Bescheinigung meiner Unschuld eine Katze hinein, und diese mußte alsdann den Braten gefressen haben, so wenig sie auch davon zu beißen bekommen hatte. Dieses war zwar kein großer Nutzen des Schneiders, meines Hauswirts, aber ich wies ihm entgegen gar viel Arbeit von den Schülern zu, von welchen er dort und dar ein paar Groschen erhäkelte, die wir abends in rotem Brandewein versoffen.

Einesmals bestellten die Schüler durch mich eine Spansau. Es waren unser viere, und weil sie dazumal sehr rar und teuer, auch zum Teil nicht wohl zu bekommen waren, gab der Mann sechs Groschen, und waren willens, solche in meinem Quartier zurichten zu lassen, weil es bei den andern keine so gute Gelegenheit gegeben, unsere Mahlzeit zu verzehren. Wir bestellten beinebens einen Salat und Karpfen. Aber damit die Mahlzeit dem Schneider alleine blieb, nahm ich ein Schnuptuch, solches tauchte ich in einen Safransaft und braune Latwergen, davon es natural ausgesehen, als hätte einer gleich wie ich an der Doctorin ihr Leibstücke getan. Dasselbe stackte ich unversehens in den Bauch des Spanferkels, und an dem Tische gab ich vor, es wäre der Hader, mit welcher wir unserer Magd ihr krätziges Bein verbunden, fluchte auch auf den Schneider und seine Frau, daß [221] nichts darüber, durch welches ich meinen Mitfressern einen solchen Ekel verursachet, daß einer hinter die Bank, der andere hinter den Ofen gekotzet.

Solchergestalten brachte ich die Spansau salvo und franco davon, und der Schneider, mit welchem ich die Sache haarklein abgeleget, wußte sich so artig in das Spiel zu finden, daß michs selbst über ihn wundernahm. Er sagte, daß es ihm von Herzen leid wäre und daß nicht er, sondern seine Magd, die erzverdammte Galgenhure, daran schuldig wäre, welche ihm schon mehr dergleichen Fauten und Possen angerichtet. Sobald ihr nur das böse und geschwollene Bein würde gut und heil sein, wollte er sie zum Teufel und seiner Mutter jagen, er hätte sie auch deswegen schon zerprügelt wie einen Tanzbären. Die Herren Studenten sollten sich ihr Geld nicht gereuen lassen, die zwei Karpfen wären schon hübsch blau abgesotten, sie sollten sich derohalben an denselben in etwas erholen, aufs nächste wollte er in dergleichen Begebenheiten selbst in der Küche sein und gute Ordre halten, daß alles nach der Ordnung und gebührendermaßen möge zu- und vorübergehen. Diese Rede gefiel meinen Kameraden gar wohl, und weil ich keine Mühe ersparet, sie zu befriedigen, gaben sie sich endlich zufrieden. Aber sie fluchten nichtsdestoweniger der Magd viel tausend Schock Teufel auf ihren Rücken, weil sie durch ihren abscheulichen Fußlappen wären um die köstliche Spansau gekommen, dergleichen noch kaum ein Schüler gefressen hat.

Einer unter diesen war ein Weinschenkenssohn, und weil er zu Hause unterweilen in den Keller hat laufen müssen, bestahl er seine eigene Eltern nicht um ein geringes an dem Geld, sondern er schickte auch durch seine Mit-Consorten viel Wein an gewisse Örter, allwo wir ihn hernachmals versoffen haben. Dieses Mal ging es auch nicht anders, denn wir bestellten des vorigen Tages die Schneiderin eben zu der Zeit, als er zu Hause war. Derselben gab er unter dem Schein, als kennte er sie nicht, wohl zwölf Maß von dem besten Fasse und sagte zu seinen Eltern, die Schneiderin hätte ihm um einen Groschen zu viel gegeben, darüber seine Mutter wohl zufrieden war, weil sie eine unter der Zahl [222] derjenigen, welche dem Nächsten augenscheinlich unrecht zu tun keinen Scheu tragen.

Dieses konnte er aber um so viel desto sicherer sagen, weil die Cassa des Weingeldes in dem Keller stund und niemand sehen konnte, ob er etwas oder nichts hineingeworfen. Dieser kam uns bei so beschaffener Gestalt trefflich wohl zustatten, denn wir hatten nicht gar viel übrige Pfenninge zu verzehren, und hätten es die Præceptores gewußt, ich glaube, sie sollten uns haben das Benedicite gesungen. Aber wir aßen nichtsdestoweniger unsern Fisch und den Salat frisch aus der Schüssel und hatten noch wohl das Herz darzu, auf Gesundheit des Herrn Rectoris seiner Tochter zu trinken, weil sie es trefflich mit den Schülern gehalten und ihren Vater manchmal von der Schul abgehalten, wenn wir gesagt, daß es Schläge regnen würde. Es hatte auch dieser Rector einen Sohn, der mit uns in der Klasse saß. Das war ein Strick von einem Jungen, denn er stahl seinem Vater alle diejenigen Argumenta, die morgen sollten gemachet werden, den vorigen Abend aus dem Cabinet, dardurch wir Gelegenheit bekamen, solche vor der Zeit auszuarbeiten, und solchergestalt gingen wir schliffeln und schlenkern, wenn die andern Schüler mit Haut und Haar darüber saßen und fast ihre Köpfe zerbrachen.

Ich habe schon zuvor etwas von meiner Buhlerin gemeldet, wie ich nämlich schon dazumal auf die Courtesie gegangen, und zwar an solche Örter, vor welchen billig die Jugend allen Abscheu haben sollte. Aber weil ich mir nicht zu helfen wußte, sondern den süßesten Zucker suchte, da das allerstärkste Gift verborgen lag, verwundert michs gar nicht, daß ich so gar nichts gelernet. Diese Courtesien kosteten mich viel Geldes, denn je ärmer die Mägdchen waren, mit welchen ich umzugehen pflegte, je mehr mußte ich ihnen kaufen und an ihren garstigen Leib schaffen.

Ha, es reuet mich wohl tausendmal, daß ich mich in meiner Jugend mit den Schandbälgen so gemein gemachet, und was noch das meiste ist, so kam etwan vor fünf Wochen noch eine alte und bucklichte Bettlerin auf der Gasse zu mir und sagte: ›Herr Ludwig, Herr Ludwig!‹ Ich sah die Frau über [223] die Achsel an und gedachte, was ihr wäre, da fuhr sie fort: ›Wisset Ihr denn gar nichts mehr von der schönen Catharina? Habt Ihr sie denn ganz vergessen? Wisset Ihr noch, wieviel Eid Ihr herausgestoßen, nur daß sie glauben sollte, daß Ihr sie vor allen andern liebet?‹ Da muß ich bekennen, daß ich über der Rede dieser scheußlichen Frauen überaus erschrocken, denn ich wußte mich noch zu entsinnen, daß ich auf bemeldeter Schul mit einer Magd gelöffelt, welche ich meine schöne Catharinam genennet. Ich mußte mich wider meinen Willen entsinnen, daß ich ihr vielmal einen Eid geschworen, daß ich sie viel höher als die ganze weite Welt mit allen Königreichen liebte und schätzte, und dannenhero sagte ich zu ihr: ›Ja, ich weiß noch darum, und wie geht es denn meiner schönen Catharina?‹ – ›Ach, Herr Ludwig,‹ sagte sie, ›sehet mich recht an, ich bins selbsten und keine andere, die Ihr so oft geherzet und geküsset.‹

Pfui Teufel, gedachte ich bei mir, was habe ich getan? ›Bist du die Catharina?‹ – ›Ja,‹ sagte sie, ›ich bins selbsten.‹ – ›Packe dich weg von meinem Angesicht,‹ antwortete ich ihr, ›oder ich stoße dich mit einem Beine, daß du über gegenwärtigen Berg hinuntergaukelst, du teuflische Schandhure! Du hast mich in meiner Jugend zu allerlei Unreinigkeit verleitet und Anlaß gegeben, daß ich meine bevorstehende Glückseligkeit in dem Studieren versäumet habe.‹ – ›O mein Herr Ludwig,‹ sagte sie, ›Ihr seid dazumal selbst schon so klug gewesen, daß Ihr gewußt, was zu Eurem Aufnehmen gut sei. Habe ich Euch nicht vielhundertmal gebeten, Ihr sollt in die Schule davor gehen, Eure Priceptinger würden böse werden, und was dergleichen Zeuges mehr war? Aber habt Ihrs getan? Habt Ihr gefolget, oder habt Ihr mich zufriedengelassen? Oh, wahrlich nicht, je mehr ich mich gewehret, je besser habt Ihr an mich gesetzet, und ich konnte in der Nacht niemalen Bier oder andere Sachen ins Haus holen, so seid Ihr mir schon heimlich auf dem Fuß nachgeschlichen. Ihr habt keine einzige Gelegenheit versäumet, mich zu hintergehen, und anitzo gereuet es Euch, daß Ihr mit mir umgegangen? Ach, daß Euch ja der Teufel geholt hätte, ehe ich Euch zu sehen bekommen, denn Ihr seid an [224] meinem ganzen Verderb die Ursach. Schenkt mir doch nur einen Kreuzer, daß ich meinen Bettelweg weiter fortgehen kann.‹

Sie können sich einbilden, wie ich mich in dem Herzen müsse geschämt haben, und damit sie nur aus meinen Augen käme, gab ich ihr einen Groschen, und wenn es nicht auf offener Straße gewesen, hätte ich mir selbst eine Ohrfeige geben mögen, so sehr verdroß michs auf mich selbst, daß ich so unvorsichtig gehandelt und mich an diese Hexe gehangen hatte. Ja, hernachmals wurde ich etwan sechs Tage darnach berichtet, daß sie gerichtlich wegen Zauberei eingezogen worden, allwo man sie auch jüngst verbrannt hat.

Wenn es die Zeit leiden wollte, könnte ich noch andere Exempel anführen, in was großes Unglück und in welch schröckliche Laster ich auf eine solche Art gefallen. Aber ich bin versichert, daß Ihr ohnedem wohl wissen werdet, wie es in dergleichen Begebenheiten zuzugehen pfleget, darüber man hernachmals die Hände über den Köpfen zusammenschlagen möchte.

Dazumal überfiel mich eine große und schwere Krankheit, und diese war eigentlich der Deckmantel meiner Faulenzerei, der ich die ganze Zeit auf der Schule ergeben gewesen. Denn ich sagte nach meiner Genesung und Hinkunft auf das Schloß, daß mich die Krankheit dermaßen meiner Memori beraubet, darüber ich all dasjenige vergessen, was ich bis dahero so fleißig gelernet hätte. Ich sagte, daß mir meine Bücher seit der Niederlage ziemlich entwendet worden, und auf eine solche Art ließ sich mein Vater überreden, daß der Sache nicht anders sein könnte. In derselben Krankheit hatte ich unzählige Phantasien, und ich redete länger denn sechs Wochen ganz irre, weil mir die allerabenteuerlichsten Sachen vorkamen, die unter der Sonnen geschehen könnten. Weil ich auch hier noch ein wenig Zeit und Gelegenheit habe, will ich wegen gewisser Ursachen erzählen, wie mir eigentlich in derselben Krankheit zumut gewesen und wie artige Bildnissen meiner Phantasie vorgekommen.«

5. Capitul. Ludwigs seltsame Krankheit
[225] V. Capitul.
Ludwigs seltsame Krankheit. Seine Visiones, Briefe und dergleichen.

Wer seinen Witz nicht brauchen kann,

Sieht Weißes oft vor Schwarzes an.


»In der erst war mir nicht anders, als wenn ich etliche Wagen, voll mit Ziffer und Stecknadeln gefüllet, daherfahren sah, welche nach Frankfurt auf die Messe reisen und daselbsten auf dem Seil tanzen wollten. Darnach kam eine Landkarte in einem Mantel dahergezogen, die gab sich vor einen Schuhknecht aus. Bald darauf satzte ich mich auf einen Vogelbauer und ritt damit über Berg und Tal, oft in einem Sprung wohl vierhundert Meil Weges, und es gedünkte mich natürlich, als müßte ich meinem Præceptor aus der Terra di quir ein gut neu gebacken Paar Semmel holen. Bald kamen viel hundert Paar gestrickte, zerrissene und zerlumpte Strümpfe, die flickte ich mit meinem Schreibgezeug, und sie verehrten mir zum Recompens eine alte Paruque. Auch sah ich die Leute in der Luft herumschiffen und Stockfische von der Erde hinauffischen. Meine Grammatica zerriß ich in tausend kleinen Stücken, und dieselben Papierlein ließ ich an einem Spieße braten und fraß sie vor calecutische Hühnerfedern. Bald kam mir eine mit Saiten bezogene Ofengabel vor das Bett, auf welcher ich länger als vier Stunden aneinander musicieret. Die Schrauben waren von Taubenflügeln und der Sattel eine Bierstütze, aus solchem könnt Ihr schließen, wie närrische Sachen mir in der Krankheit zugestoßen, über die ich noch bis gegenwärtige Stunde von Herzen lachen muß.

Oftermalen gedünkte mich, ich kröche in einen Floh hinein, und in dem Floh saßen lauter Mohren und Ägyptianer, und wenn ich mich dann vor ihnen forchte und zum Hintern wieder hinausschliefen wollte, blieb mir der Floh am Halse hängen, und gedünkte mich natürlich, als wäre es ein Handfaß, daraus man sich wäschet. Den Ofen, in welchem mir eingeheizet wurde, sah ich gar oft vor einen Baum an, auf welchem Bratwürste wüchsen, und sooft ich eine herunterlangte, ward ein Taschenmesser daraus. Oftermalen [226] kam ein ganzes Regiment Totenköpfe zu mir ins Bett, und war mir nicht anders, als ob einer mit einem Fliegenwedel hinter ihnen drein wäre, welcher sie wieder von mir hinwegjagte. Die Frau, welche mir gewartet hat, sagte oftermalen, daß sie all ihr Lebtag keinen Menschen so gar artlich als eben mich hätte reden hören. Bald habe ich sie gefragt, wer ihrem Pelz die Nase abgeschnitten, bald wieder, wieviel Wochen man reisen müßte, ehe man in einen Pantoffel käme. Zuweilen gedünkte michs, als führte mich ein Schmied auf seinem Amboß gleich in einem Schlitten über die höchsten Berge aus, und wenn wir dann so in der Luft herum Schlitten fuhren, so gedünkte michs wieder, als säße ich auf dem Meer. Anstatt des Wassers sah ich lauter Entenschnäbel, und die Insuln bestunden in lauter Weiberhandschuhen. Die Schiffe dünkten mich von Fensterblei zusammengegossen, und in denselben wurde georgelt, daß es taugte. Ich kann nicht genugsam aussprechen, wie in abscheuliche Klüften der Erde ich gefallen und gefahren.

Einsmals war mir nicht anders, als hängte mir einer wohl hundert Mühlsteine an die Füße, damit fuhr ich in einem Augenblick durch die Erde hindurch in eine Schublade hinein, allwo ich in eine Landschaft gekommen, darinnen man nichts als lauter Wehrgehänge verfertigte. Nichts Artlichers kam mir unter allem vor, als da mich gedünkte, ich sähe zwei Eichbäume auf der Fechtschul mit dem Dusacken miteinander fechten. Alle, die solchem Gefechte zusahen, wurden hernach zu Schweine verwandelt und fraßen die Eicheln auf, welche die beide zuvor mit dem Holz aneinander heruntergeklopfet hatten. Es war mir nichts Neues, aus dem Bette zu springen und die Fenster einzuschmeißen, weil sie mir als herumfliegende Grillen vorkamen, die mich stechen wollten.

Oftermalen war mirs, als regnete es Schlafhauben und Hufeisen untereinander, sobald sie aber auf die Erde gekommen, wurden Eierschalen daraus. Alle, die mich in dieser Krankheit besuchten, hielt ich vor Felleisen, Flederwische, Turmknöpfe, Haselnüsse, Schreibfedern, Bänkfüße und auch Kühschwänze, so gar grausam hatte mich meine eigene [227] Mutmaßung betrogen. Ich bin zeit währender Krankheit mehr denn dreißigmal mit einem Fuchsschwanz geköpfet und geradbrecht worden, und es war mir gar oft, als gäbe mir eine alte Frau mit einem Waschblei den Staupbesen. Keine einzige Speise konnte ich an dem Geruch noch an der Gestalt erkennen, sondern wenn ich die Suppe aß, war mir nicht anders, als fräße ich Werg und Hobelspäne, und den Löffel hielt ich vor einen Schlafrock. Unterweilen kam ich zu mir und weinete über mich selbsten, weil es sich je länger je schlimmer mit mir anließ.

Wie es nun so gar arg mit mir und meiner Krankheit wurde, besuchte mich die Frau des Præceptors, in dessen Klass' ich dazumal saß, und welcher so viel Flachs von meiner Frauen Mutter ist spendieret worden. Dieselbe nun fragte mich um meinen Zustand, denn sie wußte noch nichts um die große Raserei, in welcher ich gegenwärtiger Zeit begriffen war. Und weil ich sie in meiner Phantasie für eine Feuerzange hielt, sagte ich zu ihr: ›O du verrostetes Donnerding, der Teufel hat dich vor meine Herrlichkeit geführt, wer heißet dich reden? Gehe mir vom Gesicht, oder ich schneide dir das nächste, das beste Ohr von dem Kopf hinweg. Sa! Ihr Brüder, werfet die Hagelsfeuerzang in Ofen. O du garstige Feuerzang, wie tut mir meine Fußsohle so wehe! Ach, hätte ich nur dieses Mal eine Halsuhr, daß ich sehen könnte, was wir vor einen Tag hätten. Ha, ha, ha! Seht, seht! Wie die Pomeranzen nacheinander heruntergaukeln! Auf die Seite, du mit deinem Tragkorb, gehe weg, gehe weg, Feuerzang, gehe weg! Ich habs all mein Lebtag gehört, daß kein Unglück bei dem Soldatenleben sei; denn sie haben viermal gewesen, sehen zu, und warum denn der Drechsler? Eine gute Nacht! Großen Dank!‹

Diese Worte und verwirrte Possen redete mir hernachmals meine Wartfrau von Wort zu Wort nach, und ich schrieb sie zum Angedenken in meine Schreibtafel, nachdem ich wieder mächtig worden, meine Vernunft samt der Feder zu gebrauchen, woran es mir aber in meiner Krankheit nicht allerdings gemangelt. Denn ich schrieb einen Brief an meinen Vater, wo er mich nicht würde gesund machen lassen, so [228] wollte ich ihn bei dem türkischen Kaiser verklagen und dergleichen.

Der Brief hieß also: ›Vater, Vater, Vater, ich schreibe Dir, Du Vater, Vater, Vater! Ich bin krank, mach mich gesund, oder ich will Dich bei dem Ottomanus Ottomani Ottomano Ottomanensis, hörst Du es? verklagen, accusare, verklagen will ich Dich. Anitzo will ich auf das Feld spazieren und meinen königlichen Thron mit Nußschalen zieren, ornare, ornavisti. Salus.


Dein getreuer Spiritus, Spiritus,

Spiritus, habes, habes, adieu.


Diesen und noch viel andere Briefe schickte ich dazumal nicht allein nach Hause, sondern auch anderwärtig hin, Absonderlich schrieb ich einen an den Apotheker in der Stadt, denn ich hielt ihn vor meinen Vetter und auch vor einen Türken, weil ich mir gänzlich einbildete, ich wäre König in Peru. Der Brief war dieser:

›Großmächtigster, mächtigster und kunsterfahrnerPatruelismus habet in Genitivo patruelismi, participii casus!

Hiermit deute ich Dir an, daß ich bin König worden. Du weißt schon wo, darum lasse mir meine Hosen flicken und stoße meine Kron in dem großen Mörsel, purgiere sie wohl und gut, wohl und gut, wohl und gut. Sage Deiner Schwester, daß sie mich heirate, oder ich werde nicht König. Alsdann will ich Constantinopel belägern und dem König aus Persien den Rock von dem Arsche hinwegreißen. Meine Pantoffeln gehen ganz zugrunde, du mußt mir Laquayen verschaffen und Trummeln bestellen, damit wollen wir in Africa schiffen und daselbst Contribution von den Bauren nehmen.

Jede Tobakspfeife wollen wir vor ein Zielrohr einschachern, und der König aus Griechenland muß unser Spielmann werden. Dann wollen wir erst recht zu tanzen anfangen und den Leuten Pillullen eingeben, davon sie bettlägerig werden. Der Wirt im Roten Rössel reiset auch mit uns, ich habe schon achttausend Wagen voll Lunten und Pulver bestellet, das muß alles mit.

[229] Die Wunden, welche ich in Arabien empfangen, will ich schon wieder auswetzen, wenn ich erst Alexander dem Großen seine Sturmhaube mit Füßen treten werde. Deine Schwester ist ja gar zu schöne, sie muß auch mit, sie muß auch mit, sie muß auch mit. Die Fahnen sind schon voran, nun kommen deine Medritat-Büchsen hintennach, darnach der Schnupftobak und süßen Säfte, die wollen wir den Bauren geben, so uns den Weg weisen und den Feind verraten. Die Völker sind schon zu Schiffe, siehe Du zu, wo Du die Trompeter bekommest, es sind schon drei gestorben. Friedrich ist noch nicht Kaiser in Japonien, sonst hätte er mir auch drei Regimenter geschicket. Mein Præceptor auf der Schule gibt mir vier Squadronen Fußgänger mit, die müssen zu dem Sturm gebraucht werden. Rüste Dich nur bald, ich bin schon wegfertig und will nur noch das Frühstück essen. Kommst Du nicht beizeiten, so reite ich davon, daß der Staub hinter mir dreingehet. Indessen lebe wohl und schicke mir ein Aquavit.


Ich verbleibe des Herren Oberpro-
fectors über die Medritat-Büchsen
alleruntertänigster Herrscherin Peru
Jeremias Sebastian Ludwig,
der König zu Antissenhofen.‹

Diese Briefe sind mir nach meiner Genesung wieder vorgelesen worden, und ich schämte mich über meine eigene Grillen, weil ich berichtet worden, daß sie gar in der Aderlässe großer und vornehmer Leute herumgeschicket worden, welche sich nicht ein wenig damit gekützelt hätten. Denn es ist wahr, daß mir dazumal nicht anders zumut gewesen, als wäre ich ein großer und mächtiger König über zwölfhunderttausend Mann, mit welchen ich Constantinopel belägern wollte. Die Vorhänge hielt ich vor meine Kriegesfahne und meinen Nachtstuhl vor die Kesselpauken.

Sooft die Wartfrau mit ihrem Suppennapf zu mir kam, hielt ich sie vor einen türkischen Chiausen, welcher mir von seines Kaisers wegen Krieg ankündigte. Meine Mitschüler kamen mir vor als große Squadronen Fußknechte, deren sie [230] vielleicht in ihren Hosen und Hemden einen ziemlichen Teil sitzen hatten, und wenn sie mir einen Gruß von dem Præceptor brachten, meinte ich, der Præceptor ließ mir durch sie noch mehrer Völker zu meinem bevorstehenden Kriege anbieten, aus welchem leichtlich zu schließen, wie mit einer großen Wahnsinnigkeit ich dazumal schwanger gegangen.«

6. Capitul. Der Irländer glossiert die Erzählung
VI. Capitul.
Der Irländer glossiert die Erzählung.

Das Elend, so uns traurig macht,

Find't allzeit jemand, der drauf lacht.


Fräulein Anna hatte bis dahero dem Gespräche des Ludwigs mit sonderlicher Beliebung zugehöret, und weil sie ihm gerne eine Ruhe vergönnete, sprach sie den Irländer an, er sollte über die neue Erzählung des Ludwigs seine gutgegründete Meinung hören lassen und dadurch Monsieur Ludwigen einen kleinen Raum geben, sich auf das folgende zu besinnen. Auf welches [der] Irländer seine Reverenz machte und zu reden anfing, daß ers mit Erlaubnis der Compagnie auf ihr Geheiß tun wollte, aber sie möchten ihm nebenst Monsieur Ludwigen verzeihen, so er ein ungleiches Urteil fällete.

»Gestern«, sagte er, »hat die Frau von Pockau nicht übel von der angefangenen Erzählung Monsieur Ludwigens judicieret, und ich wollte, daß ich von dem Fortgang seiner Lebensgeschicht besser urteilen könnte, wenn ich nur nicht darzu von dem augenscheinlichen Mutwillen Monsieur Ludwigens getrieben würde, welcher sattsam vor Augen gestellet, wie er auf der Schule habe hausgehalten. Erstlich ist der Vater an seinem übeln Leben keine geringe Ursach gewesen, denn was gehet den Schneider die Aufsicht an? Solche Leute haben sich vielmehr um ihr Handwerk als um der Schüler Wohlfahrt zu bekümmern, und wenn es auch gleich wäre, daß sie vor solche Sorge trügen, so sind sie doch zu wenig, einem solchen Menschen vor Hofmeister zu dienen. Ist also hierinnen kein geringer Fehler begangen worden. Vors andere ist der Schneider gar kein guter Hauswirt gewesen, [231] daß er Monsieur Ludwigen den Hausschlüssel anvertrauet, denn wo Freiheit ist, da sind gewiß die Laster nicht weit, und wer solchen mit ungehindertem Fuß nachgehen kann, der ist nicht leichtlich wieder auf eine gute Straße zu bringen. Man hat auch aus seiner Historia zu sehen, wie die Kinder gar oftermalen gleich in frühzeitiger Jugend von ihren Müttern verleitet und gehätschelt werden, und daß durch solches Liebkosen nicht geringer, sondern ein merklicher Schade in dem folgenden Alter entspringe. Denn wenn die Kinder keine Forcht in der Jugend haben, so ist es klar, daß sie solche auch in dem erwachsenen Alter hintansetzen werden, und binden sich also manche Eltern wegen ihrer Kinder eine ewige Rute über ihrem eigenen Kopfe zusammen.

Man hat auch zur Genüge gesehen, was Unheil diejenigen Schullehrer unter der Jugend anrichten, so sie in Ansehung der Geschenke denjenigen verschonen, um dessentwillen sie die Spendaschien empfangen. Ich hatte ehedessen auch einen Præceptor; je mehr man ihm aber verehrete, je mehr war er demselben auf der Haube und gab ihm fast allezeit um eine Ohrfeige mehr denn einem anderen, der ihm nichts gegeben, und solchergestalten machte er fleißige Jungen, weil keiner auf Connivenz zu hoffen Ursach hatte.

Aber leider, leider, heutzutage gibt es solche Schabhalser und Sparmunks. Wenn man nicht continuierlich mit den Spendierhosen zu ihnen kommet und fast stündlich neue Schmieralien verehret, so lassen sie den besten Kern ihres Fleißes zurück, sie sehen die Jungen mit dem Rücken an, und: Lernen sie was, ists gut, lernen sie nichts, so ist es auch gut. Aber was vor eine schwere Verantwortung sie ihnen [sich] auf den Hals ziehen, das predigt ihnen ihr eigenes Gewissen. Er hat weiter erzählet, wie es die Jugend in den Schulen zu treiben pfleget, welches mehr als zu erbarmen ist, und zum Überfluß setzte er anbei, wie er mit den Mägden schon dazumal zu charisieren angefangen, das ihn doch anjetzo von Herzen reuet. Daraus haben wir abzumerken die schröckliche Blindheit der Jugend, mit der sie ihre eigene Vernunfts-Augen besudeln und oftmals einer Sache nacheilen [232] welche sie hernachmals auch sogar mit Tränen bedauern.

Er bekennet, daß er durch die Abscheulichkeit der Laster sei zur Besserung und Erkenntnis der Sache gelanget; aber was hilft es einen, daß er sein Haus anbrenne, auf daß er solches möchte löschen lernen? Wahrhaftig, der Schaden übertrifft den Nutzen ein merkliches, und ich kann auf keine Weise sehen, was dabei vor ein Vorteil solle verborgen sein. Doch geschicht es gemeiniglich, daß diejenige, so in der Jugend in aller Unreinigkeit herumgezogen, in dem erwachsenen Alter bei allen ernstlichen Sachen untauglich sind. Sie sind mit vielen Worten nicht zu der Ehe zu bewegen, weil sie in ihrem Hurenweg schon zu tief eingewurzelt. Dahero entstehet die Verachtung des Frauenzimmers, die Kaltsinnigkeit in der Affection, und was man tut, geschicht aus keinem andern Grund, als die Leute zu betrügen.

Von der Doctorin erzählet er gar einen groben und häßlichen Possen, und ich weiß nicht, soll ichs gut oder schlimm auslegen. Aber Monsieur Ludwigen zu Gefallen will ich hierinnen parteiisch handeln und sagen, daß er nichts Strafwürdiges getan, denn es ist kundbar, wie der Stolzteufel fast die ganze Welt, absonderlich aber das Frauenzimmer, besessen, davon nicht ein geringer Schade, absonderlich aber in Teutschland, entspringet. Denn da will nun eine jede Smirallerin ein Leibstück tragen, da wollen sie flugs Florhauben tragen, Armbänder tragen, Rosen tragen, Ketten tragen, und daran ist niemand schuldig als solche großaugichte Frauen, die haltens nicht davon ab, sondern frischen sie noch darzu an. Manches Mägdchen, das anitzo einer Gräfin, einer Freiherrin oder sonsten einer Standesperson aufwartet, die will flugs Generalin über alle Regimenter zu Fuß werden. Sie meinen, man müsse auf die Knie niederfallen und sie mit abgedecktem Haupt anbeten, aber darnach lauern sie Tag und Nacht, wo einer kommen und sie ehlichen möchte. Geschicht es dann, witsch, da haben sie einen Stallknecht geheiratet oder einen Schuhflicker bekommen. Da steckt hernachmals die große Herrlichkeit. Sie verstehen in dem Hauswesen nichts, aber gewiß ist es, daß sie mit nichts mehrers [233] als mit der Hoffart umzuspringen wissen. Da trägt man aufgesteckte Röcke am Leibe und keinen Taler im Säckel. Man trägt Florhauben auf dem Kopfe, aber wenig Hirn in dem Kopfe; und man glaube nur sicherlich, je größer der Aufputz ist außer der Frauen, je kleiner ist der Verstand in der Frauen, omnia enim sua ornamenta habent exterius: sie haben ihren Schmuck nur außen und sind oft gleich den Schnecken, welche ihr Hab und Gut, Haus und Hof mit sich auf dem Rücken tragen. Sie sind gleich dem Philosopho Phias, der gesagt: Omnium mea mecum porto: Alles, was ich habe, trage ich mit mir. Derowegen hat man sich vor solchen hochtrabenden Leuten wohl vorzusehen, damit man nicht in ihre Stricke gerate, und Monsieur Ludwig hat recht getan, daß er die Doctorin so delicat und nobel ausgezahlet.

Itzt meinet manche, wenn sie nur eine Doctorin sei, darnach ist dem ganzen Handel schon geholfen. Aber es gehöret mehr zum Tanz als ein neu Paar Schuh, und dieses ist fast das größte Netz des Teufels, in welchem er die Hochmütigen zu fangen pfleget, nämlich die Titulsucht. Dieses ist eine solche Seuche, welche fast alle Menschen angreifet und aufreibet. Ich selbsten befinde es bei mir, daß ich gerne mehr wäre, als ich bin. Aber die Doctorin mit ihrem Leibstücke hat genug zu verstehen gegeben, wie im Augenblick man wieder kann zuschanden gemacht werden, so sehr man auch nach der eitlen Ehre strebet.

Es hat auch Monsieur Ludwig beiläufig mit angemerket, wie fein sein Condiscipul den Wein aus dem Keller practicieren können, aus welchem zu lernen, welchergestalten oftermalen die Eltern von den Kindern vervorteilet und heimlich betrogen werden. Daran ist Ursach erstlich ihre faule und hätschlende Zucht, vors andere ihre Nachlässigkeit in der Obsicht, vors dritte die üble Anordnung mit dem Geldkasten. Denn was hat die Cassa in dem Keller zu schaffen? Die Gelegenheit macht den Dieb; und vors vierte sind auch die Eltern an ihrem eigenen Unheil keine geringe Ursach, indem sie die Kinder wegen begangenen Betrugs nicht abstrafen, sondern aus Furcht, als möchten sie dadurch offenbar und andern Leuten suspect werden, behalten sie es [234] selbst in geheim und schenken den Kindern noch Geld darzu, damit sie es nur nicht aussagen sollen, daß sie etwas gestohlen haben. Andere Eltern lassen den Kindern den Zaum gar zu lang. Ja, ich weiß wohl Väter, die mit ihren eigenen Söhnen, als noch unerwachsenen Schißlingen, gespielet und sich oft wegen des Labets miteinander gezanket haben. Da hieß es: Vater, setzet zu! das lautet schön in den Ohren eines Verständigen. Wer seine Kinder handeln lässet, wie sie wollen, der muß sie hernach in Unglück sehen, das er nicht will, und man hat viel Exempel, daß Kinder, welche sich von ihrem Vater nicht ziehen wollen lassen, sich hernachmals von dem Henker haben müssen strafen lassen.

Aus der Erzählung seiner Krankheit haben wir zu betrachten, wie wunderlich die Phantasie in dem Menschen zu spielen pfleget, dabei ich ein merkliches beitragen könnte, so ich nicht zum Ende eilete. Man hat Exempel, daß sehr gelehrte Leute in die größte Wahnwitzigkeit und Raserei gefallen, mit welcher sie eine ziemliche Zeit angefochten worden. Aber die Vorstellungen waren bei Ludwigen um so viel desto lustiger, je lustiger er von Natur vor einem andern ist, denn seine Complexion hat eine absonderliche und von vielen Tausenden ganz eine entfernte Art. Dahero ist zu glauben, daß seine Visiones und Einbildungen auch um so viel rarer und ungemeiner gewesen, je ungemeiner seine Natur ist.

Ich habe auch gemerket, daß sich vornehme Leute an seinen in der Krankheit ausgearbeiteten Briefen noch erlustiget darzu. Dahero geschicht auf der Welt kein so elendes und erbarmungswürdiges Ding, das nicht seine gewisse Leute finde, die darüber lachen, da sie doch vielmehr Ursach hätten, den Zustand eines solchen Menschen herzlich zu bedauern und zu fürchten, daß es ihnen nicht noch ärger gehen dörfte, denn wir sind noch nicht alle über den Zaun und fallen gemeiniglich in das Übel, welches wir an andern verspottet haben.«

7. Capitul. Ludwig erzählet weiter, was er auf der Universität getan
[235] VII. Capitul.
Ludwig erzählet weiter, was er auf der Universität getan.

Wenn alle Menschen wolln studiern,

Wer will die Säu ins Felde führn?


»Der Herr Irländer urteilet nicht übel von der Sache,« sagte Monsieur Ludwig, »ob er schon das Übel, so aus meiner getanen Erzählung zu entspringen pfleget, mit gewissen Umständen entworfen. Seine meiste Meinung läuft da hinaus, indem er die Notwendigkeit der Kinderzucht vor das allerbeste Mittel hält, durch welches die Welt könne zur Besserung gebracht werden, und dannenhero schilt er nicht unbillig auf diejenige Freiheit, welche vielmehr zum Verderben als Aufnehmen gereichet. Aber hierinnen ist, gleich andern Sachen allen, die mittlere Straß wohl zu observieren, denn gleichwie es ein großes Übel, der Jugend freien Zaum zu lassen, so ist es auch eine große Tyrannei, dieselbe in allzu scharfe und harte Fessel legen. Ich meine, daß man mit derselben nicht allzu scharf verfahren solle, wie vor diesem Otto Hahn, sechs Meil ober Linz, gewohnt gewesen, welcher alle seine Ergötzlichkeit, alle seine Lust und Freude in dem gesuchet, daß er die ihm untergebene Jugend nur streichen, aber nichts oder gar wenig lernen möchte. Denn durch solche Phantastereien wird die Jugend zu allen Dingen feige, sie wird von vielen guten Fortgängen abgeschrecket, und dieser Schrecken ist ein Pflock vor demjenigen Wege, welcher zur angenehmen Lust der Künste leitet. Mancher Jüngling wirft aus gar zu großer Schärfe seines Lehrmeisters das Buch hinter die Tür und will sich lieber auf dem Acker als in der Schule bei der Arbeit einfinden, nur darum, weil er sich fürchtet, gleich einem Hund ohne Unterlaß gepeitschet zu werden, dadurch viel Ingenia verderbet werden und zugrunde gehen. Arcus nimium intensus frangitur: ein allzu stark und stets gespannter Bogen zerreißet endlich. Und dannenhero halte ich unter allen Conditionen das Schulwesen vor das Allerkünstlichste, weil sich unter tausend kaum zwei recht und ohne Tadel dareinfinden können.

Nach meiner ausgestandenen und sehr schweren Krankheit [236] eilete man mit mir auf eine Universität, und weil der Ort über dreißig Meilen von meinem Vaterlande abgelegen, muß ich bekennen, daß die Alteration der Luft wie auch die unbekannte Gegend des Orts selbsten mein ganzen Horizont verändert und verwechselt haben. Es ging allgemach zum Winter, und aus diesen Ursachen waren die Gärten und andere lustige Plätze unter dem freien Himmel mit Schnee beschlossen, in welchen ich sonsten gewißlich meine meiste Zeit würde hingebracht haben. In Ermanglung dessen mußte ich mich in meinem Quartier bei dem warmen Ofen zu meinem Autore setzen, und ich gestehe es rundheraus, daß ich solchergestalten diesen Winter mehr getan als die ganze Zeit meines vorigen Lebens.

Die satyrischen Schriften und andere Romanen gaben mir in allen Sachen das beste Licht, und ich achtete sie zu dem menschlichen Leben viel tauglicher und notwendiger als die Logik und alle andere Definitionen, weil ich gesehen, daß die Gelehrten viel uneiniger untereinander waren als die Satyri, welche einer wie der andere kein Laster vor gut geschätzet, sondern eines wie das andere durch gleiche Hechel gezogen, entgegen die Tugenden mit gleichgültigem Lobe beehret haben. Auf dieser Universität entäußerte ich mich vor dem vorigen Wandel. Aber, die Wahrheit zu bekennen, so wollte ich doch immer gern wieder auf der vorigen Schule sein; und ich halte, es sei allen jungen Studenten nicht ein Haar anders als mir dazumal gewesen, indem entweder die Gewohnheit der vorigen oder aber die Ungewohnheit der gegenwärtigen Gesellschaft daran schuld und Ursach ist.

Ich durchlas allda so viel teutsche Schriften, als nur möglich zu bekommen waren: als den ›Hercules‹ und den ›Herculiscum‹, welchen ein Geistlicher, Bucholtz mit Namen, Superintendent zu Braunschweig, soll ausgearbeitet haben. Die ›Arcadia‹, den ›Philander von Sittenwald‹, die ›Alamodische Hobel-Bank‹, des Barclai ›Argenis‹, den ›Wettstreit‹, alle Schriften des sinnreichen Harsdörffers, den ›Francion‹, die ›Aramena‹, die ›Aerumöna‹, die meisten Schriften des Erasmi Francisci, den ›Onogambo‹, die ›Clelia‹, den ›Simplicissimum‹, in welchem der ganze Teutsche oder Dreißigjährige [237] Krieg beschrieben ist, die ›Stratonica‹, den ›Pastor Fido‹, alle Teil des ›Amadis‹, ›Lisimene und Pamelie‹, den ›Jan Peru, Erst und Andern Teil‹, Schweigers Reisebeschreibung samt viel andern mehr dergleichen, des vortrefflichen Jesuiten Massenii seine Schriften, item des Baldi, des geistreichen Drexelii, des Bonnae samt noch unzähligen kleinen Tractaten in politischen und theologischen Materien, teils auch von medicinischen Büchern, absonderlich aber den belobten und weitberühmten Pareum.

Mit einem Wort: wenn ich alle gelesene Schriften zitieren sollte, würde dieser Tag alleine nicht genug sein. Aber ich bekenne es, daß ich daraus zu einer bessern Beredsamkeit gekommen, als es mir mein Professor zwölf Monat aneinander von der Stellung einer Oration dahergesagt hätte. Denn ich fand darinnen allerlei Anredungen gegen die Könige, gegen die Kaiser, gegen die Fürsten, gegen Herren und andere, gemeine Leute. Ich sah beinebenst, gleichsam als auf einem Theatro, wie es die Welt zu treiben pfleget, und fand es nicht anders in dem Werke, als es mir der Buchstabe gewiesen. Dadurch ward ich schon ein halber Politicus, denn es begegneten mir viel Sachen, welche andern in dem Buche begegnet, und ich wickelte mich eben durch diesen Vorteil heraus, durch welchen sie sich vorsichtig losgemachet. Entgegen will ich flugs einen Eid schwören, wenn ich solche Klugheit in der Lection gelernet hätte.

Denn die Definitionen taugten gar nicht in meinen Kram, und es ist mir jetzt weit ein größerer Nutze, daß ich weiß, wie und wann man das Feld pflügen, das Korn säen, das Gras schneiden, die Äpfel abschütteln, die Schweine in die Mast tun, die Kälber abnehmen, das Holz fällen, das Hausgesind regieren und dergleichen nützliche Sachen tun solle, als wenn ich ein großer Doctor wäre. Und meine Scheunen prangen viel herrlicher angefüllet von Getreid als mit Büchern. Dadurch lebe ich viel vergnügter in meiner Freiheit, welche ich von Jugend auf so hoch gehalten, daß ich mich niemalen einer Meinung eines Philosophi unterwerfen wollen. Ich habe mein Tag keine Ordnung, eine Oration zu tun, gelernet, aber ich wollte flugs mit einem Gelehrten ex tempore [238] auftreten und vielleicht mehr res auf die Bahn bringen als jener Wort. Denn wenn mir anjetzo ein Gelehrter reden sollte vom Ackerbau, da kommen sie daher mit einem abstrahierten Exordio, sie fangen an, einen Umschweif zu suchen, und brauchen unter dem Schein ihrer Gelehrsamkeit einen Haufen Phrases, aber sie tun es nur, daß sie sich inzwischen desto besser besinnen können, und machens so artig, daß, wenn ihnen gleich einer eine Viertelstund zugehöret, weiß er doch noch nicht, was er gesagt hat. Aber ich mache es schlecht und recht, ich greife der Sach geschwind ins Maul, und lauter res, lauter res, rede auch in einer Viertelstund so viel als jener in achtzehn Wochen. Ja, ich hab es selbsten gesehen, wenn gelehrte Leute vom Ackerbau reden wollen, haben sie Bauren zu sich kommen lassen und vorhero alles genau von ihnen erkundiget, darnach haben sie sich damit großgemachet und sich viel eingebildet in der Wissenschaft dessen, welches sie doch in dem Werke nicht tun mögen, haben also den Schatten höher als den Leib geschätzet. Aber ich bin viel anders gesinnet. Denn ich acker eines mit den Bauren herum, helfe ihnen säen, pflanzen, grasen, Haber abschneiden, eggen, pflügen, Korn und Weizen einführen, dreschen, die Garben binden und auflösen, den Zehenten auszählen, die Schnitter richten, dieselben heimführen.

Ich gebe auf die Tranksteuern, auf die Winkelzinsen, Erbzinsen, Haus- und Grundsteuern, Landsteuern, Kopfsteuern, auf die Extraordinar-Steuern fleißige Achtung, damit keinem zuviel noch zuwenig geschicht. Ich weiß um alle ihre Anlagen, Aufschläge, Dätz, Umgeld und andere Gefälle. Es sind mir bekannt ihre Gebührfuhren, Bittfuhren, Kirchendienste, Amtsdienste, Frondienste, Robeltdienste, Notdienste. Ich weiß um die Vierteläcker, halbe Äcker, ganze Hufen, halbe Hufen, wie lang dieselben sind und wieviel Ruten sie messen und was sie an Getreide tragen. Das Frühkorn, das späte Korn, den Haber, den Hirschbrei und Weizen weiß ich zu seiner Zeit auf das Feld zu bringen, den Hopfen kann ich bei hohem Wachstum erhalten, ich kann mich in die Brennreife, starke Nebel, giftigen Tau, Frühtau, Abendtau, Georgen-Tau [239] Viti-Regen und dergleichen Jahrereignungen perfect finden.

So weiß ich auch die Bäume zu pflanzen, die Reiser zu pfropfen, sie von den Würmern wie auch das Kraut selbsten zu hüten. Ich weiß die Obststämme mit Wachs, Kühekot und Teig schon hübsch zu verwahren und umzäunen. Über dieses so bin ich auch in der Viehzucht erfahren. Die Pferde kenn ich ingleichen, ob sie hufschlägig, seitig, strittwärtig oder mit dem Koller behaftet sind, vom Mast- und anderm Vieh, als Geflügel, Tauben, Enten, Fasanen, calecutischen Hühnern und dergleichen, mag ich nichts sagen. Und dieses alles erschwingt mein Hauswesen viel höher, als so ich alle Wissenschaften des Aristotelis mit Haut und Haar gleich einem gebratenen Speck auf dem Kraut hinweggefressen hätte.

Oh, es ist keine Narrheit um den Ackerbau, es gehört so wohl und noch größerer Fleiß darzu als zu der Philosophie. Man hält die Bauren nur deswegen vor einfältig, weil sie sich nicht bücken und wie die heutigen Weltphantasten anstellen können, aber sie sind in ihrer Profession so wohl Doctores als wir in unsern Wissenschaften. Denn ackerte der Bauersmann nicht, so würde der Doctor in der Schule wenig zu essen bekommen, ist also der Bauer als ein principium undcausa sine qua non zu respectieren und in acht zu nehmen. Wir Adelige heißen denjenigen einen Bauren, welcher etwan ungebärdige Sitten oder grobe Wort saget. Aber, Ihr Herren, Ihr Herren, wären etliche unter uns gute Bauren, so gäbe es nicht so viel schlimme Edelleute. Bauren, ob sie schon nach unserer Meinung grob, schätzen sie uns doch nach ihrer Meinung auch vor grobe Leute; und ich will schwören, daß wir ihnen in vielen Lastern den Rang abgewinnen. Und also weiß ich nicht, welcher unter beiden vor den Besten soll gehalten werden.

Dieses rede ich nur darum, daß Ihr sehet, was vor eine Frucht ich aus dem Haus der guten Wissenschaften, nämlich von der hohen Schul, hinweggetragen, denn nach vier Jahren zog ich nach Hause, und anitzo sind es acht Jahr, da ich mich nach dem Tode meiner Eltern in diese gegenwärtige [240] auserlesenste, großmächtigste und großgünstigste Madam Madamoiselle verehlicht habe.« – »Mich gedünkt,« sagte seine Frau darauf, »es kommt dich die vorige Krankheit aufs neue an.« Aber Fräulein Anna lobte die Vollendung seiner Historia auf das allerbeste, denn sie gestund selbst, daß durch einen guten Hauswirt nicht allein die Welt bei gutem Wohlstand erhalten, sondern der Nutz desselben in tägliches Aufnehmen gebracht werde. Entgegen hätte ihr Vater schon zu seiner Zeit sehr über den im Schwang gehenden Schulstreit geklaget, und sie wollte selbst lieber einen heiraten, der den Ackerbau als die Juristerei verstünde. »Ha, ha,« sagte Monsieur Ludwig, »Sie hätte gern einen, der sich auf das Pflügen wohl verstünde, ich merk es schon.« Hiermit wurde Fräulein Anna ausgelachet, und es war gleich Zeit, zur Mittagsmahlzeit zu gehen.

8. Capitul. Etliches Frauenzimmer erzählet ihren Lebenslauf
VIII. Capitul.
Etliches Frauenzimmer erzählet ihren Lebenslauf.

Das Frauenzimmer schwätzet viel,

Und wenn es soll, so schweigt es still.


Monsieur Ludwig hatte heut morgen dem Koch ansagen lassen, daß er sich diesen Nachmittag wiederum auf ein neues Gaukelspiel fertigmachen sollte, weil sie von den Lebenserzählungen ein wenig innenhalten wollten. Zudem so entschuldigte sich auch das Frauenzimmer mit Vorwand und hohem Beteuern, daß sie nichts Absonderliches zu erzählen hätten, welches ihnen nicht ohnedem sattsam und zur Genüge bekannt wäre. Man wüßte ja wohl, daß sie als Weibespersonen wenig unter die Leute gerieten, und dannenhero könnte man leichtlich erachten, welche Heldengeschichten ihnen in ihrem ganzen Leben zugestoßen, wenn es aber den Cavaliern beliebte, so wären sie erbötig und erkenneten sich schuldig, eine gelesene Historia zu erzählen, sonsten wäre es ihnen unmöglich, etwas mehrers zu tun.

Monsieur Ludwig und wir insgesamt waren mit dieser Entschuldigung nicht allerdings zufrieden, und der Irländer gab [241] vor, daß ihren Worten nicht stracks Glauben beizumessen wäre und daß sich vors andere mit dem Frauenvolk in einem heimlichen Winkel oft viel seltsamere und merkwürdigere Sachen zuzutragen pflegten als mit manchem Reisenden, welcher die halbe Welt hindurchpassierte. Derohalben sollte es bei dem gefaßten Entschluß bleiben, und als das Frauenzimmer sah, daß es nicht anders sein konnte, waren sie es zufrieden, damit man nicht Ursach zu sagen hätte, sie wären nicht so generös, dasjenige zu erzählen, was ihnen in ihrem Leben zugestoßen wäre. »Ei ja,« sagte Monsieur Ludwig, »hierinnen begehet ihr auch eine große Klugheit, sonsten würden wir uns artige Concept wegen euers Lebens machen und uns solche Sachen einbilden, die euch nicht mehr begegnen können.« Damit satzte man sich zur Tafel, und wurde dem Koch seine Gaukelei bis morgen wieder abgesaget, weil das Frauenzimmer entschlossen war, sich nach dem Essen in dem vorigen Zimmer wieder einzufinden und ihre Begebenheiten zu eröffnen.

Es ist nicht genug zu beschreiben, wie begierig die gesamte Gesellschaft zu Anhörung dieser Geschichten war. Derowegen wurde noch einmal so geschwinde abgespeiset, als es sonsten wohl geschehen wäre, und Monsieur Ludwig stackte auch voll Begierde, dem Seiltänzer einen stattlichen Possen zu reißen. Demnach kam man geschwinde auf den Tanzsaal, und als daselbsten etliche wenige Ballette abgestrichen worden, eilete man wieder in das warme Zimmer, allwo das Frauenzimmer losen mußte, welche die erste zu der Erzählung sein sollte.

Die Zahl belief sich in neun Personen, als Fräulein Anna, Fräulein Zusia, Fräulein Leonora, Fräulein Kunigund, Fräulein Crusis, die Frau Ludwigin, Frau von Pockau, Frau Burgundia und meine Caspia. Weil auch dazumal ziemlich frühe angefangen worden, verhofften sie vor dem Abendessen noch alle hinauszukommen. Denn sie nahmen sichs vor, nicht den halben Viertelteil so lange, als der Seiltänzer und Herr Ludwig getan, sich damit zu verweilen. Und der Irländer mußte ihnen versprechen, seinen Lebenslauf hernach bei dem Abendessen zu erzählen. Damit war die Sache [242] verglichen, und das Los hatte mit großem Gelächter der ganzen Gesellschaft gleich Fräulein Anna getroffen, weil sie unter allen das allerkürzeste Hölzlein gezogen. Derowegen satzte sich jeder an seinen bestimmten Ort, und sie fing an, folgendes zu reden: »Ich habe unter allen das kürzeste Hölzlein gezogen, unter allen will ich auch in Erzählung die Kürzeste sein.« Aber Monsieur Ludwig wurf ein, daß, wo sie nicht aufrichtig und nach der Wahrheit verfahren würde, wollte er heute nacht eine Trud über sie schicken samt noch einem Gespenst, welches er in dem Schlosse hinschicken könnte, wohin er nur verlangte. »Ja, ja,« sagte das Fräulein Anna, »ich werde meinesteils nichts außen lassen, es müßte nur sein, daß ich etwas vergessen hätte.«

Damit fing sie weiter an und sagte: »Meine Geburt ist Ihnen allen bekannt, und meine Jugend verbrachte ich in Österreich auf einem Schlosse, welches den um Krembs Wohnenden wohl bekannt ist. Anfangs meiner Jugend, als ich eben zwölf Jahr alt war, verliebte sich in mich ein Freiherr, aber es war ein häßlicher Mensch, als ich jemalen einen gesehen. Er stank nach den Füßen, daß ich oft vermeinet, neben ihm umzufallen, und tat auch alle Nacht gleich einem kleinen Kind in das Bette. Wenn er sich seine Stiefel flicken ließ, so schrieb ers ins Hausregister, und solches brachte er allezeit mit sich auf unser Schloß, damit meine Eltern nur sehen sollten, wie einen fleißigen Haushalter ich bekäme, so ich ihn heiraten würde. Sein Kammerdiener gefiel mir viel besser als er, dahero gab ich ihm so oft den Korb, so oft er um mich anhielt.

Nach diesem fand sich ein junger Gelbschnabel ein, der erst neulich aus Frankreich gekommen. Der wollte lieben und konnte sich nicht dareinfinden. Er konnte von der französischen Sprache nichts als Monsieur und Madam, diese zwei Worte mischte er unter alle seine Reden, und wenn er was erzählte, so mengete er allezeit mit unter, daß er zu Paris gewesen oder dasjenige in Paris gesehen hätte, was er erzählete. Er hat mir auf zweihundert Reichstaler Wert in einer Woche angehänget, und ich halte, er hätte noch mehr getan, so ihm solches nicht von seinem Hofmeister wäre [243] verboten worden, welcher wohl gewußt hat, daß nichts daraus würde, denn er war noch nicht zwanzig Jahr alt und hatte kaum achthundert Reichstaler bare Mittel. Er wußte nicht mehr als ein einziges Reverenz, und dasselbe machte er gegen einem jeden Jungen, der auf der Gasse den Hut vor ihm abgenommen. Endlich machte er mir Liebesverse, die waren so artlich, daß man glauben sollte, er wäre dazumal mit Monsieur Ludwigs seiner Krankheit behaftet gewesen; und ich muß, nur der Kurzweil wegen, einen einzigen Brief erzählen, welchen er mir voll Liebe und Zuversicht mit Versen zugeschrieben. Dieser hieß also:


O Lieb, o Lieb, du großer Stein,
Wie druckst du doch das Herze mein!
Mein Geist verschwindet gar in mir;
Ich brüll vor Liebe wie ein Ochs.
Wenn ich an Fräulein Anna denk
Und ihr viel tausend Seufzer verehr,
Freut sich mein Herz vieltausendmal,
Im Bett, bei Tisch und überall.
Monsieur Cupido, der hat mich
Ganz überwunden grausamlich.
Er schoß mit seinem Liebesschwert
Mein Herz bis in den Grund der See.
Die Morgenröte mich nicht kann
Mit ihrem Munde lachen an,
Wenn Fräulein Anna mich nicht will.
Das Herz klopft mir gleich einer Plump'.
Ein wildes Tier hat es viel besser
Als ich verlornes Taschenschwert.
Die Qual will mich zu Tode drücken,
Ich reiß die Haar aus der Parüquen,
Die ich gekaufet zu Paris,
Nicht weit vom Markt bei Sanct Denis.

Solche lächerliche Verse schrieb er mir gar viel auf das Schloß, und sie taugten unserm Schreiber trefflich zum Lichteinmachen. Ein halb Jahr darnach fiel ich unversehens auf dem Schloßhofe, weil es sehr glatt gefroren war. Über [244] diesen Fall mußte ich wohl zehen Wochen in der Stube bleiben, und dieses ist meine meiste Begebenheit, der ich mich entsinnen kann. Andere Possen, die zwischen und unter unsern Mägden vorgelaufen, mag ich nicht erzählen, weil wir keine Bauernknechte unter uns haben, die sich darnach zu richten wüßten.«

Frau Burgundia war an der Zahl die andere und an den Worten etwas gravitätischer. Sie erzählte von nichts, als wie sie stricken, würken und nähen gelernet. Derowegen verdrießt michs rechtschaffen und will sie nicht so viel würdigen, daß ich ihre abgeschmackte Pertel-Würkers-Possen in diesem Buche beitragen sollte, weil solches nur zur Ergötzung der darinnen Lesenden von mir aufgezeichnet und beschrieben worden.

Die dritte war an der Ordnung Fräulein Zusia, und damit sie sich bald absolvieren möchte, erzählte sie folgendes: »Meine Herren! Die Geburt meiner Person ist Ihnen bekannter als mir, und man hat genügsame Zeugnis, daß ich meine Jugend in dem Felde zugebracht, weil mein Vater ein Obrister über zwei Regimenter zu Pferde war. In dem zehenten Jahr meines Alters kam ich zu einer Gräfin, welche an Frommkeit ihresgleichen nicht hatte, ob sie schon von Natur von ziemlichen schwachen Kräften war. Sie war mir in etwas befreundet, und dahero hatte ich gute Hoffnung, auf ihrem Schlosse zu bleiben, wenn nur nicht eine erschreckliche Sache in den Weg gekommen, die uns voneinander geschieden.

Ihr Herr hurte mit einer andern, so die Schönste in dem ganzen Lande gewesen. Und damit er seiner Frau los und entgegen der andern möchte habhaft werden, erwürgte er seine Frau mit dem Pferdezaum auf einem Sessel und gab hernachmals vor, sie wäre an dem Schlag gestorben. Aber ein Page, welcher an der Tür gestanden und den ganzen Proceß angehöret hatte, offenbarte die Sach an einem solchen Orte, da sie am allerverdächtigsten war, und es wäre dem Täter nicht so ungestraft hingegangen, so er nicht ein erschreckliches Geld in die Büchse geblasen hätte. Er heiratete hernachmals seine Concubina, hatte aber in allem seinem [245] Tun und Wandel keinen glücklichen Fortgang, vielleicht, weil er eine solche Sache begangen, die sich schwerlich verantworten lässet. Man hat kurz darnach den Page in einem Wald tot gefunden, daraus man geschlossen, er sei durch einen Jäger, welcher darzu von dem Grafen bestellet gewesen, erschossen worden. Denn solches zu argwohnen, verursachte die Kugel, welche in seinem Kopfe gefunden und ausgeschnitten war. Aber das Schloß ging letztlich in dem Feuer auf, und die Concubina verbrannte samt einem Kind, so sie zeit währender Ehe gezeuget.

Dazumal habe ich in einer Stunde oft mehr geweinet als anitzo in zehen Jahren. Denn ich kann nicht sagen, wie eine fromme und liebe Frau meine Bas' gewesen. Nur weil sie nicht schöne war, so hassete sie ihr Herr ausdermaßen, unangesehen, daß sie eine überaus gute Haushalterin war und ihm niemalen einzig böses oder widerwärtiges Wort gegeben. Darauf kam ich in Ungarn und von dorten hieher, und dieses ist alles, was ich von meinem ganzen Leben zu erzählen weiß.«

Auf solches fing die Frau von Pockau an, denn sie war an der Ordnung die vierte, und sagte: »Die Geschicht der Fräulein Zusia hat genugsam zu verstehen gegeben, wie eine blinde Wegweiserin die nichtige Begierde sei, welche die Schönheit vor die Tugend erkieset und also in schändliche Laster einplumpset, weil sie eine Sünde mit der andern zu verknüpfen pfleget und aus einem Übel immer in ein größers fället. Wie es aber der Graf mit seiner ersten Gemahlin gemacht hat, ebenso hat es eine meinige Befreundte mit ihrem Herrn getrieben, welches ich nun kürzlich erzählen werde.

Meine Mutter starb an dem Fieber, und weil man vermeinet, als wäre es vielmehr eine grassierende Seuche gewesen, tat man uns Kinder von dem Schlosse hinweg, und ich kam samt meinem Bruder, der vor zwei Jahren in einem Duell erstochen worden, in eine Stadt, außer welcher meine Muhme zwei liegende Güter hatte.

In einer Nacht hörten wir einen greulichen Tumult in dem Hause, und wir meinten dazumal nicht anders, als verübten solches die Geister und Gespensten, weil es mitten in der [246] Nacht war, aber der leidige Ausgang gab es, daß unser Vetter in seiner Kammer heimlich überfallen und verräterisch erstochen worden. Das Stilett steckte ihm noch in der Brust, und meine Muhme war samt ihrem Galan, welcher ein Student soll gewesen sein, über sieben Berge aus. Aber bald darnach ist der Student erwischet, in einem Wald gefangen und auf das Rad geleget worden, die Frau aber hat kein Mensch mehr erforschen noch erfragen können.

Hiernach kam ich zu einem Apotheker in die Kost, aber nicht zu dem, welchem Monsieur Ludwig einen so artigen Brief geschrieben, sondern zu einem solchen Mann, der weder Himmel noch Hölle geglaubet und stets mit Goldmachen umgegangen. Er hatte einen Sohn, den informierte ein Schüler, so auch Ludwig hieß, und in denselben Præceptor habe ich mich merklich verliebet und wollte ihm gar gern ein paar Ducaten spendieret haben, so er einmal bei mir geschlafen hätte, aber es konnte mir dazumal so gut nicht werden. Aber gegenüber wohnte ein Schuhknecht, der verliebte sich recht abenteuerlich in mich, und ich muß die Wahrheit gestehen, daß ich dem Narren so gar ungünstig nicht gewesen, und ich glaube, wenn wir bessere Gelegenheit gehabt hätten, miteinander zu sprechen, es dörfte etwas geschehen sein, welches ich nicht gern offenbaren wollte. Aber es blieb dazumal auch unterwegen, weil er von den Studenten in der Stadt gehauen worden und sich hernachmals aus Furcht, gar totgemachet zu werden, hinwegbegeben müssen.

Das geschah noch in dem Stand meiner jungen Jahre, da ich weder um Schwarzes noch Weißes wußte, aber da ich ein wenig klüger wurde, verliebte sich in mich ein stattlicher Cavalier. Demselben wurde ich ein Jahr darnach verehlichet, denn er mußte wegen meiner Jugend so lange auf mich warten, und ich kann nicht sagen, wie sehr ich mich durchs ganze Jahr auf die Hochzeit gefreuet. Ja, ich nahm auch in gesunden Tagen Arznei ein, nur daß ich nicht krank werden möchte, damit ja die Hochzeit ihren Fortgang haben möchte. Derselbige Herr wurde in dem Krieg erschossen, nach welchem ich zum andernmal an einen Obristen vermählet worden [247] der Ihnen allen wohlbekannt gewesen. Nun aber bin ich eine Witwe und zweiundvierzig Jahr alt.«

9. Capitul. Abschied aus dem Schlosse
IX. Capitul.
Abschied aus dem Schlosse. Lächerlicher Betrug wird zwischen dem Seilfahrer, Kunigund, Isidoro und Ludwig offenbar.

Wir meinen oft, wir geigen recht,

Hört jemand zu, so klingt es schlecht.


»Wenn ihr nichts anders vorzubringen wisset,« sagte Monsieur Ludwig, »so könnet ihr mit solchen Erzählungen nur zu Hause bleiben. Ich sehe wohl, daß ihr gar zu viel vergessen und dannenhero auch das meiste unterwegen lasset, welches zur Lust gedienet hätte. Was nützen solche Trauergeschichten an einem Ort, da man nur wegen Kurzweil beisammen wohnet? Ich seh es doch gar zu klar, daß man die Wahrheit mit zwölf Peitschen nicht aus dem Frauenzimmer treiben kann, weil sie allerlei Wege suchen, ihre eigene Zufälle zu verhehlen.

Oh, wie wird euch heut nacht mein Gespenst drücken! Zusia, Zusia, Sie wird wohl das meiste davon zu empfinden haben, weil Ihr etwas erzählet, das ich schwerlich glauben kann. Und weil ihr demnach mit der Wahrheit gar zu tief hinter dem Berg haltet, ist es gar eine schlechte Kurzweil, den übrigen zuzuhören, denn ich weiß besser um all ihr Tun als sie selbst. Und ob sie gleich was Lustiges erzähleten, so wäre es doch nicht wahr, weil mir bekannt ist, daß sie von Jugend auf nicht über vier Meil Weges von ihren Geburtshäusern gekommen und stets als eingeschlossene Personen zu Hause sitzen müssen. Aber dieses reuet mich am allermeisten, daß ich nicht mit eingedungen, auf daß alle, die nicht weit in der Welt gewesen, aufs wenigste ihre Gedanken eröffnen sollten, die sie die Zeit ihres Lebens von der Liebe getragen. Alsdann würden wir wahrhaftig zu lachen genug bekommen, so sie anders nicht den vorigen gleich sein wollten und den meisten Teil davon zu vertuschen suchten.«

[248] Über dieser Loszählung war das übrige Frauenzimmer gar wohl zufrieden, denn sie studierten wie die Canari-Vögel auf ihre Relation, und weil sie mit schlechter Beredsamkeit begabt waren, scheueten sie sich, viel ungereimte Worte auf die Bahn zu bringen. Was ihnen aber an der Beredsamkeit abging, das ersetzten sie im Gegenteil mit ihrem Stolz um ein merkliches, wurde also eines mit dem andern gutgemachet und aufgehoben. Also zertrennte sich vor diesmal das Gespräch. Und weil sich die meisten entschlossen, morgen das Schloß zu verlassen und wiederum nach Hause zu kehren, ließ Monsieur Ludwig den Bauren zur Vorspanne ansagen, und der übrige Abend wurde mit Spielen verbracht, bei welchem Isidoro über hundert Ducaten in den Säckel schob.

Zwischen solchem Spielen hatte das Frauenzimmer eine andere Ergötzung, welche ihnen der Irländer mit Katzen angerichtet. Denn er war ein Mensch von sonderlicher Kurzweil und doch nicht halb so garstig mit Worten als Monsieur Ludwig. Derowegen hatte ihn das Frauenzimmer gerne um sich und spendierten ihm allerlei Angedenken zur Belohnung seiner steten Aufwartung.

Bei der Abendmahlzeit wurde er gebeten, abgeredetermaßen seinen Lebenslauf zu entwerfen. Aber er entschuldigte sich erstlich, weil er sich nicht darauf gefaßt gemacht, indem er bis dahero mit dem Frauenzimmer beschäftigt gewesen. Vors andere gedünkte ihn nicht übelgetan zu sein, wenn er solchen bis morgen zur Abreise versparete, indem auf dem Weg ohnedem wenig würde zu discurrieren sein; mit welcher Entschuldigung wir uns gar wohl zufriedengaben. Und Monsieur Ludwig setzte anbei, daß er selbsten noch ein Stücklein zu offenbaren hätte, welches ihm erst vor einer Viertelstunde eingefallen. Denn er war entschlossen, all dasjenige, so ihm heute nacht mit der Kunigund begegnen würde, zu erzählen und der Compagnie nicht eine geringe Lust zu verursachen, weil er wohl so klug war, die Sache so artig an den Mann zu bringen, daß sich auch derjenige nicht zu beklagen hätte, welcher am meisten durch die Hechel gezogen würde.

[249] Hiermit erhebte sich ein abscheuliches Turnieren, weil es gleichsam das Valet war, nach welchem sie morgen fortzureisen gedachten. Es wurden auf die Gesundheit einer glücklichen Reise so viel Gläser herumgetrunken, davon sie bald wären verhindert und zurückgehalten worden, solche mit gesunden Köpfen anzutreten, denn des andern Morgens lag noch alles in tiefen Federn, unerachtet es schon eilf Uhr auf der Schloßglocke geschlagen.

Ich selbsten wußte nicht, wo ich lag, und der Kopf lief dergestalten in dem Circul herum, daß ich alles vor doppelt ansah. Dahero gedünkte mich auch, als lägen zwei Weiber bei mir, und sooft ich nach beiden griff, fand ich doch nur eine. Ludwig sprang indessen an allen Zimmern herum und weckte uns mit einem großen Geschrei aus dem Schlafe. Alle seine Leute mußten hinter ihm dreinschreien und heulen wie die Wölfe. Und wer nicht geschwind hervor wollte, dem rissen sie das Oberbett hinweg und spritzten ihm mit Wasser auf den Leib. Er machte sich auch nur deswegen so lustig, weil er gedachte, vergangene Nacht einen solchen Possen gerissen zu haben, dergleichen noch nicht auf der Welt geschehen. Aber im Gegenteil ist er selbst so mit dem Handel der Kunigunda betrogen worden, daß nichts darüber. Muß derohalben dem Leser die Geschicht gar mit wenigem eröffnen.

Daroben habe ich geschrieben, wie der Schneider zu mir in das Zimmer gekommen und erzählet, welchergestalten er heute nacht bei einem Kamin zugehöret und verstanden, was Worte die Kunigunda mit dem vermeinten Seiltänzer gehalten. Und solche Geschicht habe ich hernachmals dem Ludwig erzählet, als welchen ich unter allen Cavalieren vor den schlauesten und arglistigsten gehalten. Er hat sich auch darüber dermaßen ergötzet, daß er vor großem Verlangen kaum die Nacht erwarten können, weil er sich entschlossen, seine Arglistigkeit hierinnen merklich an den Tag zu bringen, indem ihm die Zeit seines Lebens keine so bequeme Gelegenheit an die Hand gestoßen. Aber es ging in der Sach eine ganz andere Meinung vor. Der Schneider hat zwar wohl am rechten Kamin gehorchet, aber in der Kammer lag anstatt der Kunigund Isidoro, welcher sich in der Finster [250] vor die Kunigund ausgegeben, auf daß er nur erforschen möchte, wer der Seilfahrer eigentlich wäre, weil er ihm unter der Erzählung gar wohl abgemerket, daß seine Geschicht ganz erlogen sei.

Ich habe zuvor gesagt, daß Isidoro nur deswegen auf das Schloß gekommen, die Zusia zu lieben, und sie hatten auch schon heimlich miteinander gesprochen, wie sie den Seilfahrer fangen wollten. Dahero verwechselte die Zusia mit der Kunigund die Kammer, und ist also kein geringer Betrug vorgegangen, wie sich der geneigte Leser bestermaßen wird einbilden und schließen können, wie der betrogene Monsieur Ludwig angelaufen sei.

Ich hielt nach unserer Abrede vergangenen Abend den Seilfahrer fast bis zwölf Uhr mit Gesundheit-Trünken auf und vermerkte gar wohl, daß er gerne bei der Kunigunda wäre, denn er glaubte fest, sie hätte mit ihm gesprochen. Aber ich ließ alle gegenwärtige Diener vor die Tür stellen, und so sehr er auch durch allerlei Ungebärden hinauszukommen gesuchet, ließ ich ihn doch nicht von der Stelle, sondern zwang ihn, wider seinen Willen zu bleiben, weil ich ihm solche Gesundheiten zugetrunken, die er mir als ein ehrlicher Kerl nicht ausschlagen können.

Indessen hatte sich Ludwig in einen Nachtpelz verkleidet und kam zur bestimmten Zeit vor die Kammer der vermeinten Kunigund, welche ihm auch nach gegebenem Zeichen eröffnet und er durch das vorige Mägdlein hineingelassen worden. Er wurf sich mit tausend Seufzern hin auf den Isidoro und küssete ihn, nicht anders glaubend, als wäre es der Seilfahrer, flocht sich also ein Betrug in den andern. Und weil Isidoro willens war, den Seilfahrer bei der ganzen Compagnie zuschanden zu machen, nahm er dem unerkannten Ludwig die Schlafmütze ab, auf daß er solche morgen – als heute – vorzeigen und jedermänniglich weisen könnte, auf was der vermeinte ehrbare Seilfahrer in dem Schlosse umgegangen und gesonnen gewesen.

Ludwig war kaum so bald in mein Zimmer gekommen, als er mir, noch in dem Bette liegend, mit sonderlicher Vergnügung erzählete, wie er in der Kunigunda Kammer gelanget [251] und dieselbe mehr denn vierzigtausendmal geherzet und geküsset hätte. Er hätte auch mit ihr ganz in der geschwinde abgeredet, wie sie miteinander wollten ein Paar werden und noch heute früh davonziehen. Wir eröffneten endlich auch meiner Caspia die Abenteuer, welche sich nicht genugsam über die Arglist verwundern konnte. Ludwig sprang vor Freuden über Tisch und Bänke, hieß mich auch geschwinde aus dem Bette aufstehen, damit wir die Lust inzeiten genießen könnten. Man kam gar bald in dem vorigen Zimmer zusammen, und ich hielt es nicht unfüglich, so Ludwig die Erzählung dieser Geschicht bis auf die Reise versparete. Und alsdann gäbe es bei dem Abschied einen desto größern Possen, zumalen in dem Schlosse leichtlich ein Unheil entstehen dörfte, weil die Sach an sich selbst etwas kützlig wäre. Er gab sich endlich in meinen Willen, und damit wurde das Frühstück angerichtet, bei welchem allerlei vorgelaufen, welches ich wegen allzu weitläuftiger Umschweifung nicht vermelden kann, zumalen ich entschlossen bin, etwas Angenehmers auf die Bahn zu bringen.

Die Bauren hatten sich schon vor Eröffnung des Tores mit ihren Pferden auf dem Schlosse eingefunden, und nachdem allenthalben an gespannet worden, fuhren teils auf Kutschen, teils ritten [wir] auf Pferden nebenher, und also schied man mit großem Frohlocken und vielen Pistolschüssen aus dem Castell.

Nachdem sie das Feld erreichet, fuhr man etwas langsamer, damit sie der Erzählung des Irländers möchten Gehör geben. Darauf erzählte er ganz weitläuftig, wie er in einer Meerinsul geboren und sein Leben unter den Barbaren zugebracht. Hernachmals wäre er kommen nach Trapezunt, allwo er durch vier Jahr als ein Jüngling in Eisen und Banden zugebracht. Von dar hätte ihn die Fortun durch einen Teutschen von Adel in hiesiges Land gebracht, allwo er nicht allein studiert, sondern auch seine Exercitien gelernet. Er hätte sich unter der französischen Fahne drei Jahr versuchet, und von dar wäre er in gegenwärtigen Zustand geraten, darinnen er sich bis auf diese Stunde befinde. Diesen Discurs des Irländers hab ich darum nicht mit eignen geführten [252] Worten entwerfen und aufsetzen wollen, weil ich dadurch ziemlich lang verweilen müssen, zu der Hauptlust zu gelangen, welche kurz darauf vorgelaufen. Denn nachdem der Irländer seine Rede fast auf eine ganze Meil Weges hinaus getrieben, trafen wir auf den Scheidweg, bei welchem ein großes Wirtshaus gelegen war. Man achtete es vor gar tunlich, daß man daselbsten absteigen und sich sowohl wärmen als zum Valet miteinander letzen möchte. Und als man in die Stube gekommen, wurden nebenst vielem Weine etliche Biscotten aufgetragen, die man in dem Lande häufig zu backen pfleget.

Indem nun Monsieur Ludwig anfangen will, die vergangene Geschicht verblümterweise vorzubringen, fängt Isidoro an und fragte die Compagnie, was derjenige wert sei, welcher sich vergangene Nacht unterstanden hätte, einer Frauensperson auf dem Schlosse in einem Nachtpelze zuzusprechen und sich zu ihr ins Bette zu legen. Wie sehr diese Rede den Seilfahrer, noch mehr aber den Ludwig bestürzet, ist leichtlich zu gedenken. Aber Ludwig, welcher diesesfalls das Sicherste getroffen zu haben vermeinte, gab zur Antwort, daß derjenige ein solcher Mauskopf wäre, als einer zwischen Himmel und Erden sein könnte. Hierauf zog Isidoro die abgenommene Schlafmütze hervor, sagte, er hätte sie in dem Schlosse gefunden und wem solche angehörte. Ludwig bekräftigte, daß sie sein wäre, und die Frau Ludwigin war selbst ein Zeuge, daß sie ihm solche mit eigenen Händen gemacht hätte. »Ha, ha, Bruder,« sagte Isidoro, »bist du der ärgste Mauskopf zwischen Himmel und Erden? Wett der Teufel, was hast du bei mir in der Kammer vorgehabt? Gelt, du hast mich zerküsset und zerherzet?« Ludwig wußte nicht, was er vor Bestürzung antworten oder sagen sollte, ingleichem war auch der Seilfahrer käsweiß, und die Kunigund half ihnen folgendermaßen aus dem Traum:

»Ihr Herren, man weiß gar wohl, auf was die Karte angesehen gewesen. Ich hätte nicht mehr vermeinet, daß man ein solches von mir præsumieren solle. Monsieur Seilfahrer, Er ist schröcklich in der Sache angefahren, und ich weiß nicht, wie Monsieur Ludwig so artig erhaschet worden. Ich [253] gestehe es, daß ich nicht ein weniges an der Erzählung des Herrn Seilfahrers gezweifelt. Dahero verwechselte ich mit Herrn Isidoro die Schlafkammer, dahin ihn Isidoro unter meiner Person durch das Mägdlein kommen heißen, und der Herr Seilfahrer war so voll Ehr und Redlichkeit und ließ sich also stattlich verführen. Was er darinnen getan, wird Monsieur Isidoro schon sagen.«

»Er hat«, sagte Isidoro, »geglaubet, als wäre ich die Kunigunda. Er ließ sich von mir bereden, als liebte ich ihn, und auf eine solche Art brachte ich aus ihm, wer er wäre. Er heißet Caspar und ist einer vom Adel wie wir. Wie ich aber sehe, so kam des andern Abends Monsieur Ludwig zu mir, der herzte mich wohl vierzigtausendmal nacheinander und sagte solche Sachen zu mir, die ich nicht erwähnen mag.«

Hiermit brach Ludwig auch heraus und sagte, wie er durch mich und ich durch meinen Schneider hinter die Sach gekommen. Da ist nicht auszusprechen, wie man den Seilfahrer und Ludwigen ausgelachet. So sehr sie zuvor gelachet hatten, daß ich den Ludwigen anstatt der Caspia umfangen, so sehr, ja noch viel stärker lachten sie darnach über gegenwärtigen Zustand.

»Ha,« sagte Ludwig, »der Spott ist mir die Zeit meines Leibens nicht widerfahren. Gazo, wie habe ich mich so abscheulich verirret. Ich gebe dreihundert Taler vor den Schimpf«; und der Gaukler wollte gar aus der Haut fahren. Je mehr sie sich aber anstelleten, je mehr wurden sie verspottet, und dieses währte so lang, bis wir endlich voneinander schieden und ein jeder seinen Weg fortreisete.

10. Capitul. Sie kommen zu einem Leichbegängnis
X. Capitul.
Sie kommen zu einem Leichbegängnis. Schreckliche Geschicht eines Totengräbers.

Die Welt fragt nach dem Erdenkot

Mehr als um einen sanften Tod.


Oben ist mit mehrerm gedacht worden, welchergestalten sich Monsieur Ludwig mit mir entschlossen, dem Faustus zuzusprechen und ihn wegen seiner getanen Heirat zu befragen. [254] Aber ob er gleich auf der Straße mit mir dahinritt, hielt ers doch für ratsamer, daß wir uns verkleideten und die Caspia heim auf ihr Gut reisen ließen, weil wir innerhalb zwei Tagen gar gewiß daselbst erscheinen würden. Derowegen verkleideten wir uns in unserer Laquayen Röcke, und nachdem wir mein Weib beurlaubet, ritten wir auf ebendas Dorf, darinnen sich Faustus mit seiner Braut nach dem gemeinen Ruf aufhalten sollte.

Wir hatten zum bessern Behuf unserer Sachen meinen alten Vater mitgenommen, vor dessen Diener wir uns bei dieser Gelegenheit auszugeben entschlossen waren. Demnach ritt er voran, und wir beide folgeten ihm mit seinen zwei Knechten, gleich als gehörten wir zu ihnen. Etwan eine halbe Stunde darnach trafen wir in eine volkreiche Stadt, in welcher wir an dem Tor angehalten worden, weil gleich eine herrliche Leiche sollte heraus- und in den nächstgelegenen Kirchhof getragen werden.

Es war eine erlebte Matron, und ihr Herr besaß in selbiger Stadt kein geringes Amt, ob er schon ehedessen soll ein Pflastertreter und ein solcher Mensch gewesen sein, der den Leuten nur zum Verdruß unter den Augen herumging und nichts als einen Prügel in der Hand herumzutragen hatte. Demnach er aberomnia cum tempore zu einem hohen Amt gestiegen, als fanden sich auch bei der Leiche gar viel Bürger und andere Menschen ein, die es entweder ihm zu sonderlichen Ehren oder aus andern Ursachen taten. Denn das Leichgehen hat viererlei Ursachen: die erste und Hauptursach, zu der Leiche zu gehen, ist diejenige, wenn man muß. Exempli gratia: es stirbt einer von unsern Befreundten oder aus unserer Verwandtschaft, da muß man darzu, ob man gleich nicht will oder mag, so heißt es doch: du mußt gehen; ingleichen auch, wenn unsere gute Freunde oder Bekannten sterben, so muß man ebenermaßen mitgehen, wenn man anders Hirn in dem Kopfe hat.

Die andere Ursach ist und heißet der Reputationsgang, als wenn einer ein Amt bekommt und die Stadt weiß es nicht, so geht ein solcher geschwinde mit der Leiche, und durch dieses Mittel kann man der ganzen Stadt ein offenes Zeichen [255] des Rangs und Vorganges geben und ohne Mühe beibringen. Ja, es ist auch gar genau zu observieren, daß gar viel bei dem Leichenbitter sich anschmeicheln und ihm ein Viergroschenstück spendieren, damit er sie nur wacker hinauflociere, und dieses sind die größten (verstehe, Narren).

Der dritte Modus, zur Leiche zu gehen, heißetModus adulandi oder der anschmeichlende Gang, und hierein gehöret das Sprichwort: dum moritur dives, concurrunt undique cives. Dieser schmeichlende Gang ist weltkündig und dahero so gemein wie das Schusterhandwerk. Es geschicht also das Leichengehen auf solche Art aus keiner rechten Andacht, sondern ganz aus einem andern Grund, welcher der Tugend ganz zuwider und conträr ist. Gleichwie aber die Fuchsschwänzer in allen Sachen sich einzumischen wissen, als können sie von der Leiche nicht bleiben.

Die vierte Ursach, dieses Werk zu verrichten, ist die Gleisnerei, daß die Leute sagen sollen: Ach, wie ist dieses ein christlicher Mann! Wie ist dieses ein andächtiger Mann! Sehet doch, wie er so fleißig zur Leiche gehet; es wird das ganze Jahr niemand ohne ihn begraben, es ist ja gar zu ein christlicher Mann! Solche Wort hören die Gleisner gar gerne, und weil es ihnen sonsten um nichts anders zu tun ist, so können sie hierinnen eine große und erschröckliche Ergötzlichkeit finden.

Alle diese Arten sind verwerflich und ungültig, weil sie nicht geschehen noch ursprünglich herkommen aus einem solchen Grunde, der ohne Larven ist. Die Toten begraben ist ein christlich Werk, und gehöret auch darzu oder wird durch, das Totenbegraben verstanden, mit der Leiche zu gehen oder den toten Leichnam bis zu dem Grabe begleiten und nicht hinter der Haustür oder unter dem Stadttor auf die Seite gehen und ausreißen. Mein, was wäre dieses vor eine Ehre, wenn dich einer zu Gaste bäte, dich zu Tische setzte und auftragen hieße, die Köchin aber trüge die Speisen nur bis an den Tisch und von dort geschwinde zu der Kammer hinein. Du würdest in der Wahrheit gedenken, man hielte dich vor den größten Narren. Eben ein solches begehest du in einem solchen Proceß. Du sollst mit der Leiche gehen und [256] tust es nicht. Mancher sagt: Weib, ich will mit der Leiche gehen. Er nimmt darauf den Mantel um, gehet hinweg, und sobald er nur in das Buch geschrieben ist, kehret er wieder zurück nach Hause, hat also weder Sarg noch Klagleute gesehen, und das soll zur Leiche gegangen heißen.

Ja, wir sahen uns an diesem großen Stadttor fast zu halben Narren, denn da riß ein Paar aus, dort wieder ein Paar, und blieben von fünfzig Paaren kaum zehen übrig, welche gar in den Kirchhof gingen.

Wenn du in dem Sarg lägest und könntest durch ein Fensterlein herausgucken, ich glaube, du solltest dich ohne Zweifel darüber von Herzen betrüben, daß die Freundschaft derjenigen nicht größer sei, welche sich dir oder den Deinigen so oft verbunden haben. Mancher sagt: Ich mag nicht mit der Leiche gehen, denn der Tote gehet doch auch nicht mit mir! Diese Rede soll im Scherz geredet sein, aber wie ärgerlich sie in dem Grund sei, laß ich andere aussprechen, die einen größern Verstand haben. De mortuis & absentibus nil, nisi bene: von Toten und Abwesenden soll man nichts als alles Gutes reden. Ob aber dieses eine gute Rede sei, kann ich nicht glauben, weil sie auch unter den blinden Heiden unbekannt gewesen.

Nach den Männern kamen die Weiber in ihrer Ordnung, die schwätzten von der jetzigen Mode, und anstatt sie bei der gegenwärtigen Gelegenheit den Tod und ihr zukünftiges Sterbstündlein erwägen und betrachten sollten, hatten sie eine andere Plauderei von Bettgewanden, Küchengeschirre, von ihren Dienstboten, Aufwartmägden und Kindern. Eine schwatzte gar, wieviel sie dieses Jahr Freier gehabt hätte, die andere redete wieder von einer Sache, die des Staupbesens nicht wert war. Derohalben verwunderte ich mich über die Trägheit der blinden Weltgemüter, welche nicht ehe an den Tod gedenken wollen, bis er vor der Tür stehet. Wahrhaftig, da ist es zu spät. Und weil an dem Sterben unser meistes gelegen, ist es vonnöten, daß wir die Gedanken des Todes niemalen verlassen oder auf die Seite setzen. Nachdem nun alles Volk, das zur Leiche gehörte, aus dem Tore, ritten wir hindurch und fragten den nächsten Weg, [257] auf das Dorf zu gelangen, welches uns über zwei Feld Weges hinüber gewiesen wurde.

Unterwegens erzählte mein Vater eine erschröckliche Historia von einem Totengräber, welcher vor achtzehen Jahren zu Magdeburg den verstorbenen Leuten das Herz aus dem Leibe geschnitten, dadurch er ein Pulver brennen wollen, auf daß alle, denen ers auf die Gasse streuete und darübergingen, sterben mußten, und er also zum Reichtum gelangen könnte. »Einsmals trägt sichs zu, daß ein kleiner Jüngling eines vornehmen Mannes begraben wird. Dem schneidet der Erz-Böswicht gleichfalls das Herz aus seinem zarten und unschuldigen Leibe, und dem Vater traumete in derselben Nacht, wie sein begrabenes Kind zu ihm käme und keine Brust mehr hätte. Er erwachte über dieses Gesicht und erzählet es seiner Frauen, welche ihm die Gedanken aus dem Sinn geredet, vorgebend, es wäre nur ein Traum, der könnte ja leichtlich betrügen. Er sollte sich nichts irren lassen, ihr Kind wäre schon begraben und an dem Ort, da es hingehörte. Er sollte sich deswegen keine vergebene Sorgen mehr machen und schlafen. Er schläft darüber ein, und sein Söhnlein erscheinet ihm aber einmal wie zuvor, darüber er aufs neue wieder aufwachte und schmerzlich darüber seufzete. Die Frau tröstete ihn wie zuvor, bis er endlich zum drittenmal einschlief und nichtsdestoweniger von seiner Vision keine Ruhe hatte. Ist auch vors dritte Mal dergestalten darüber erschrocken, daß er mit Verlangen den Tag erwartet und alsobald zu dem Totengräber gegangen, bittend, er möchte ihn das Grab seines Kindes noch einmal sehen lassen. Der Totengräber tut es, aber der Vater findet das Grab in einer andern und ganz unordentlichen Gestalt, bittet ihn dahero, er solle das Kind herausgraben, er wollte es nur noch einmal sehen. Aber der Totengräber will sich hierzu durchaus nicht bewegen lassen, weil er die große Strafe der Obrigkeit vorgeschützet, mit welcher sie ihn deswegen belegen dörfte.

Endlich gehet der Vater an die Obrigkeit, welche ihm sein Begehren gestattet und dem Totengräber befiehlt, das Kind auszugraben. Er tut solches, aber der betrübte Vater sah [258] ganz erstaunend das Kind eben in einer solchen Gestalt, wie es ihm in dem Traum vorgekommen. Darüber wird der Totengräber eingezogen, allwo er hernach in der Marter alles und noch ein mehrers bekannt hat. Unter anderm bekannte er ingleichen, daß er eine Sechs-Wöchnerin – wie man sie zu nennen pfleget – samt ihrem Kind, welches sie in den Armen hatte, in der Nacht ausgegraben und ihr das Kind aus den Armen habe reißen wollen. Aber die Mutter hätte dasselbe so fest und stark an sich gehalten und endlich die Augen aufgetan, darüber er dergestalten erschrocken, daß er das Grab geschwinde wiederum zugemachet, und neben demselben hätte er lauter Augen erblicket, die er gar nicht von sich treiben können.

Einen solchen Ausgang nehmen solche Missetaten, und dergleichen Leute sind nur deswegen recht unglückselig zu nennen, weil sie ihr eigenes Unheil nicht ehe erkennen lernen, bis ihnen die Rute über dem Kopfe ist. Man hat so viel tausend Exempel, daß niemalen ein Laster ungestraft geblieben. Ist es nicht hier, ist es doch dort. Und doch sieht man die Gottlosen um den Kranz streiten, der ihnen doch nicht geflochten ist, und indem sie nach demselben laufen, fallen sie in die Hände des Henkers, weil ein jeder der Meinung ist, er wolle es am allerbesten machen. Wie der Spiegel den Augen dienet, so sollen uns dienen die Zufälle unsers Nächstens, aber die verkehrten Gemüter scheuen nicht den pechschwarzen Rauch der Sünden. Dahero ist sichs nicht zu verwundern, daß sie sich auch stürzen in eine unaufhörliche Flamme und oftmals von dem zeitlichen in den ewigen Tod gehen.«

11. Capitul. Faustus macht mit einer Bauermagd Hochzeit
[259] XI. Capitul.
Faustus macht mit einer Bauermagd Hochzeit. Carander hilft dem Faustus aus dem Traum.

Wenn man oft meint, es sei getan,

So fängt der Tanz von vornen an.


In solchem Trauergespräche, welches fast das Allerbetrübteste in diesem ganzen Buche ist, kamen wir in das Dorf, darinnen Faustus kurz vorhero seine Bauerhochzeit begangen. Und ich bin nicht mehr des Willens, den Leser durch das folgende mit dergleichen schmerzlichen Erzählungen zu belegen, zumalen ich nicht des Vorhabens bin, seine Gedanken zu verstören. Aber ich muß es doch gestehen, daß ichs aus keiner andern Ursache mit beigetragen, als daß ich diesen Tractat auch solcher Geschichten teilhaftig machte, über welche sich auch steinerne Herzen erbarmen sollten. Hinfüro aber bin ich entschlossen, solche Abenteuren zu erzählen, welche zwar überaus angenehm zu lesen, aber doch demjenigen nicht ärgerlich fallen werden, welcher gewachsen ist, seine Affecten in dem Zaum zu halten und unter dem Guten und Bösen einen Unterscheid zu machen. Bis anhero habe ich meines Entsinnens niemand mit höhnischen Worten angestochen, dadurch ich einzigen Unwillen wider mich möchte erreget haben. Und wird zweifelsohne mir eine solche Freiheit bis zu Ende des Buches wohl zu vergönnen sein, wenn ich nur die Laster und nicht diejenige, so damit behaftet sind, anklage und sie gebührendermaßen ausfilze.

Man brachte uns in ebendas Haus, allwo Faustus mit seiner neuen Hausfrau Hochzeit gehalten. Philiman, mein alter Vater, stund ab, und wir folgeten ihm bis an die Tür, allwo Faustus ganz lächelnd stund und ihn mit einem freundlichen Kuß bewillkommte. Er hieß ihn seinen lieben Vater und schätzte sich glückselig, ihn an diesem einsamen Ort zu sehen, absonderlich aber zu einer solchen Zeit, da er in dem höchsten Vergnügen von der Welt stünde, daraus wir insgesamt abgenommen, daß er mit seiner neuen Bauerehe viel vergnügter war, als man wohl geglaubt hätte.

Er führte meinen Vater mit sich in eine warme Stube, allwo ihn die Braut mit sehr höflichen Gebärden empfangen und [260] uns mit ihren ungemeinen Sitten keine geringe Verwunderung verursachet. Der Vater satzte sich zu ihm an den Tisch, und nachdem er den Faustus wegen der Ursach zu solcher Heirat gefraget, antwortete er ihm folgendergestalt: »Mein Herr, wer den Hof liebet, der hasset sich selbst, denn ebendiejenige, welche ihn emporzuheben versprechen, die drücken ihn zum tiefsten darnieder. Aus diesem Grund habe ich geforchten, mich an solchem Ort aufzuhalten, wo das Glück am schlüpfrigsten ist. Es ist Ihm bekannt, daß ich meine meiste Jugend in der Fremde zugebracht und daß mich so manches Unglück angestoßen, als manches Frauenzimmer ich geliebet habe. Ich glaube schwerlich, daß ein Mensch an solche unglückliche Fessel angeschlossen gewesen als eben ich. Aber eben darum war ich billig ein Tor zu nennen, weil ich geglaubet, keiner könne glückselig sein als derjenige, so liebet.

Caspia, welche nunmehr Eurem Sohn an der Seite lieget, war unter allen die einzige, um derentwillen ich mein Herz aus dem Leibe verbannet. Aber ich sah, daß der Schluß von oben ein anders über mir beschlossen, welchem ich nicht entgegengehen können. Ich bin aus keinem Groll oder Neid aus dem Schlosse des Ludwigs geschieden, sondern die geschwinde Bestürzung über die unverhoffte Veränderung hat mich dazumal aller Höflichkeit beraubet. Ich entschloß mich, ehe noch zwei Tage ins Land gingen, ein Mägdlein zu ehelichen, welches mir am besten anstehen würde; und nachdem ich solchen Entschluß Monsieur Carandern eröffnet, begab ich mich hier in dieses Dorf, weil es sein absonderlicher Rat erforderte, und schlief vor meiner Resolution ein wenig aus, daß ich sagen konnte, die Sache beschlafen und wohl beschlossen zu haben. Nachdem ich erwachte, kam mir zu Gesichte mein nunmehr verehlichtes Weib, und solche lieget mir nicht unbillig an der Seite, weil ich sie voll Ehr und Redlichkeit befunden.

Sie ist arm und darzu eine Bauernmagd, aber was ist es mehr? Sie gibt mir so wohl und gute Vergnügung als eine meines Standes, und sie erzeigt sich gegen mir um so viel desto diensthafter, je höher sie mein Geschlecht vor dem ihrigen [261] urteilet. Ich gestehe die runde Wahrheit, daß ich sie je mehr und mehr liebe und zweifele, ob ich die Caspiam mit solchem Bestande lieben können, weil ich tausendfältig zu eifern genugsame Ursache gehabt hätte. Ich vergönne sie dem Zendorio von Herzen und wollte wünschen, daß er ihr gleichwie ich der meinigen mit ewiger Liebe und Wohlgewogenheit zugetan wäre, so ist nicht zu zweifeln, daß er seine Zeit in höchstem Vergnügen zubringen würde. Bauerntöchter sind auch keine Hunde, und ich schätze weder Schönheit, Adel noch Reichtum, wo keine Vergnügung zu finden.

Ich habe nunmehr das Hofwesen auf die Seite gesetzet und will mich setzen auf ein einsames Gut, daselbsten meinem eigenen Belieben und keinen fremden Reguln nachzugehen. Ich habe Geld genug, einen Bettler zu bereichern, so werde ichs ja auch meiner Bauermagd tun können. Und vielleicht ist mein Segen mit ihr um so viel desto größer, je gewisser es ist, daß ich sie nicht aus bloßer Begierde geheiratet, sondern dardurch der ganzen Welt zeigen wollen, daß ich auf keinen Betrug gefreiet habe. Die Hofleute mögen darzu sagen, was ihnen beliebt, so weiß ich doch, daß es keinem unter allen so wohl gehet als mir, weil keiner unter allen solche Vergnügung genießet als eben ich.

Man hat meine Heirat der ganzen Welt vor unbedachtsam vorgestellet. Aber es taten es nur solche Leute, welche gewußt haben, daß die Narren alles glauben, was sie hören. Es hat wohl eher ein Edelmann eine Fürstin geheiratet. Warum soll denn der Adel die Freiheit nicht haben, zurückzugehen und eine Bauersmagd zu freien? Da Adam pflügt' und Eva spann, wer war damals ein Edelmann? Sie sind, wie man gar klar kann lesen, gar keine Edelleute gewesen. Ich weiß wohl höhere und größere Hansen, als ich bin, die sich doch wohl mit einer niedrigen Standesperson verbunden haben. Man sagt: gleich und gleich gesellt sich gern. Geht das in dem äußerlichen Wandel an, vielmehr wird solches der innerlichen Affection und Gemütsneigung betreffend zugelassen sein.

Manchem geschieht ein größrer Dienst mit einem Stück Brot als mit einem Saphirstein. Mir gefällt meine Bauersmagd [262] besser als eine kaiserliche Princessin von Trapezunt oder die Oriana, mit welcher der Amadis zu Prandiflor gebuhlet. Ha, ich bin kein solcher Weichling, und man glaube nur nicht, daß es mich reuen werde, so sehr auch andere darüber klagen und seufzen, denn es kann nun nicht mehr anders sein. Kreuz hinter mich oder Kreuz vor mich, kommt der Teufel, so bescheußt er sich, darzu bin ich viel zu raisonnabel. Es hat keine Reue bei mir statt ohne derjenigen, so wegen meiner Missetaten entspringet, ja, ich müßte deswegen wohl ein ausgemachter Narr sein, und nichts erfreuet mich mehr, als daß sich andere viel mehr um mich und meinen Wohlstand bekümmern, als ich selbsten zu tun pflege. Und ob ich auch gleich schlimm gehandelt hätte, so geht mich doch die Sach nur allein an. Aber weil ich nicht traurig sein kann, noch mich deswegen zu betrüben weiß, wie ichs denn keine Ursach habe, so sehen es etliche nicht gerne. Aber wenn ich an den Bettelstock geriete, da würden sie die Mäuler vor Gelächter aufreißen, daß man ein ledern Paar Hosen darinnen waschen könnte. Aber ich lasse die Narren immer lachen, was sie wollen, weil ich ihnen die Freiheit nicht zu nehmen noch über dasjenige zu zürnen verlange, durch welches Mittel ich selbsten ihr Gelächter zu überwinden vermag.

Ich gestehe es, daß eine Dam in dem Lande, die ich tausendmal lieber als die Caspiam geheiratet hätte. Sie ist eben Caranders einzige Tochter und heißet Celinda. Dieser Celinda bin ich wohl öfter als der Caspia zu Ehren und Gefallen gereiset, aber ich bekam sie nicht allein niemals zu sprechen, sondern sogar kaum zu sehen. Ihr bekannter Ruhm kann Euch, mein werter Philiman, nicht verborgen sein, und dahero gestehe ichs gar gerne, daß, wenn ich auf dieselbe gedenke, sich mein Herz ein ziemliches bewege, weil ich mich durch meine geschlossene Ehe ausgeschlossen habe, dasjenige ferner zu suchen, was mir ohne Unterlaß in dem Herzen gelegen. Aber bildet Euch nicht ein, daß ich Euch dadurch einzige Reue andeuten, sondern nur zu verstehen geben wollen, wie und auf was Maßen ich verliebt gewesen.«

Faustus hätte noch weitergeredet, wenn nicht unversehens [263] vor dem Hause ein Schuß geschehen, dardurch er veranlasset worden, zu dem Fenster auszusehen. »Bonus dies, Herr Bruder«, rufte einer draußen, und Faustus wendete sich zurück, vermeldend, daß es Carander wäre, dessen er zuvor Erwähnung getan. Sie empfingen ihn mit großer Höflichkeit, und Carander beschmerzte es mit hohen und teuren Worten, daß er nicht bei der Hochzeit sein können, welches er doch ohne Unterlaß gewünschet hätte. Er war meinem Vater Philiman schon vor langem bekannt, derohalben satzte er sich zu ihnen an den Tisch und fragte den Faustus, ob es ihn nicht gereuet, daß er in einer so hochwichtigen Sache so schnell verfahren und sich so geschwinde resolviert hätte.

»Ich sehe wohl,« antwortete Faustus, »daß die Welt viel anders von meiner Ehe judicieret, als es in dem Werk selbsten ist. Mein Herr Carander lasse sich vom Herrn Philiman meine Meinung eröffnen, so wird Er sehen, daß ich niemalen als eben anitzo in einer vollkommenen Vergnügung lebe, und obschon auf der Welt nichts kann vollkommen genennet werden, so wünsch ich doch, daß Ihr die Zufriedenheit meiner selbst ersehen könntet. Daraus würdet Ihr ohne Zweifel schließen, daß ich in diesem Entschluß so beständig bin, daß, wenn ich noch nicht geheiratet, so wollte ich es diesen Augenblick tun, auf daß man sehen möchte, daß ich von aller Unbesonnenheit entfernet gewesen.«

»Monsieur,« antwortete Carander, »Euer vollzogene Ehe hat viel ein anders Aussehen, als Ihr Euch einbildet. Drum höret mir zu. Dann werdet Ihr gestehen, daß ich meinem Ratgeben nicht aus der Grenze gewichen, in welcher sich die wahre Freundschaft enthalten soll. Ihr seid in mein Schloß gekommen voller Sorgen und Grillen, die Euch nach Eurer eigenen Bekenntnis tausendfältig gequälet haben. Ich sah wohl, um was es Euch zu tun war, denn es ist nicht zu leugnen, daß Ihr meine Tochter Celindam gesuchet, welcher Ihr öfters und unzähligmal aufgewartet. Ich glaubte selbst, es sei nur Euer Scherz, Euch an eine Bauermagd zu verehlichen. Als ich aber den Ernst gesehen, kleidete ich meine Tochter heimlich in ein Bauerhabit und schickte sie eben allhier in dieses Haus, gab Euch auch hernachmals beflissene Anschläge, [264] Euch hierher zu verfügen, und also hab ich Bericht empfangen, daß Ihr Euch meiner Tochter, in Meinung, eine Bauermagd zu heiraten, beigelegt und dieselbe nunmehr zum Weibe habt.«

Kaum als er dieses ausgeredet, kam die verkleidete Celinda in die Stube und empfing ihren Herrn Vater, und ich muß es selbst gestehen, daß mir all mein Lebtag nichts so abenteuerlich als eben diese schnelle und unverhoffte Veränderung vorgekommen. Ludwig selbst hätte sich nimmermehr eingebildet, daß Faustus die Celinda auf eine solche Art bekommen sollte, und Faustus wußte nunmehr nicht, wie er sich gebärden sollte.

»Sehet,« sagte Carander, »daß ich Eure Qualitäten allzeit hochgeschätzet und mit Eurer großen Liebe Mitleiden getragen habe. Celinda, kleide dich an mit den Kleidern, so ich mit mir gebracht, und Ihr, liebwertester Herr Schwiegersohn, lebet mit ihr nicht als einer Bäurin, sondern als einer von Adel, aus dem alten Hause Breitenberg entsprossen. Zehntausend Ducaten habt ihr zur Aussteuer.«

Faustus erzeigte hierauf noch eine so große Fröhlichkeit. Er verwunderte sieh bei sich selbsten und umfing den Carander mit einem freundlichen Kuß, welcher ihm durch diese Gelegenheit eine solche Freundschaft erwiesen, die ihresgleichen kaum würde auf der Welt zu finden haben. Bei solcher wachsender Freude konnten wir uns beide auch länger nicht verborgen halten, gaben uns derohalben zu erkennen, darob sich Faustus recht erstaunend verwunderte. Nichts war mehr zu wünschen, als daß die übrige Compagnie zugegen sein konnte. Alsdann sollt' es in diesem Bauerhause eben eine so große Fröhlichkeit als auf dem Schlosse abgegeben haben.

Celinda erfreuete sich von Herzen unserer Gegenwart, und wir machten uns denselben ganzen Tag recht erwünscht lustig, indem ein Teil dem andern erzählet, was sich beiderseits sowohl auf unserm Schlosse als auch auf der vermeinten Bauerhochzeit zugetragen hatte. Und war Faustus in diesem Stück viel glückseliger als ich, weil ihn die Hochzeit solchergestalten nicht den halben Viertelsteil gekostet, als hoch [265] sich meine Unkosten belaufen haben. Denn reichen Leuten wird alles doppelt angeschrieben, und bei solchen Gelegenheiten siehet jeder auf seinen Vorteil.

12. Capitul. Einer hängt am Galgen. Sie discurrieren davon
XII. Capitul.
Einer hängt am Galgen. Sie discurrieren davon. Betrogene Leichproceß. Isidoro macht Hochzeit mit der Zusia.

Die Arbeit zeucht nach sich den Lohn,

Wer stiehlt, der wird – du weißt es schon.


Folgenden Morgen begaben wir uns auf die Reise, und nachdem man beiderseits mit sonderlichen Complimenten Abschied genommen, ritt jede Partei seinen Weg. Es fing dazumal an, mit Gewalt Winter zu werden. Derohalben mußten wir in dem Schnee mit großer Verdrießlichkeit fortreiten und kürzeten uns den Weg mit allerlei Gesprächen, absonderlich aber wegen des wunderlichen Geschickes, so sich dieser Zeit mit und zwischen uns zugetragen. Mein Vater wußte selbst keine solche wunderliche Veränderungen, so alt und erlebet er auch war. Daraus wir gesehen, daß uns das Glück gleich einem runden Ballen gebrauchet und uns bald an diesen, bald an jenen Ort ganz wunderbarlich in der Welt herum geschmissen. Ludwig wußte wohl, daß Isidoro ziemlichermaßen in die Zusiam verliebt war. Deswegen wollte er in der Sache Unterhändler sein und sie allerehestens zusammenbringen, ja, er verhoffte auch, diesen Winter solche Kurzweilen anzustellen, damit sich die Nachbarschaft über nichts weniger als über eine langweilige Kälte zu beklagen hätte.

Zwischen solchen Unterredungen ritten wir vor einen Galgen, daran ein Dieb ganz starr gefroren hing. Wir fragten von einem Bauern die Ursach dieser Hinrichtung, welcher uns zu verstehen gegeben, daß er etliche Schaf und Hämmel gestohlen, wie auch seinem Nachbar das dürre Obst von dem Boden entfremdet. Aus dieser Antwort bekamen wir Ursach zu discurrieren, ob der Kerl billig gehangen worden oder nicht. Und mein Vater sagte: »Nein, denn erstlich wäre [266] es wider das heilige Gesetz, welches nicht will, daß man einen Dieb henken soll, sondern daß er doppelt gebe, was er gestohlen. Hätte ers aber nicht, so solle man ihn verkaufen zur Dienstbarkeit und so fortan. Ob nun schon die Juristen sagen, daß demjenigen nichts Unrechts geschehe, welcher weiß, daß er wegen des Diebstahls henken muß, so fragt sichs, ob sie genugsamen Grund haben, einen Dieb zu hängen. Sie antworten: Es ist wahr, daß es das Gesetz nicht haben will und in diesem Fall nicht nach dem Leben zielet, aber: crescentibus delictis crescunt pœnæ. Darauf antworte ich, daß auch andere Sund und Laster wachsen, und dennoch behalten sie ihre verordnete Strafe. Ja, sagen sie, die Strafe des Diebstahls ist bestandenermaßen zu gelind, so wird geantwortet: Ihr sollt nicht von dem Gesetz, sondern aus dem Gesetz urteilen, welches nicht haben will, daß man einen Dieb henken soll. Ob nun Lex Carolina mehr gilt als Lex Sacra, davon ist gar nicht zu disputieren.

Sie kommen über dieses und sagen, es stünde in der Schrift, ein Lügner wäre ärger als ein Dieb, aber zuletzt kämen sie beide an den Galgen. Aus welchem satt, klar und offentlich erscheine, daß die Diebe gehenkt würden. Ich sage: Nein, mein Herr. Das Hebräische heißt nicht Galgen, sondern es heißt: Zuletzt kommen sie beide ins Verderben, welches der Dolmetscher um deutlicherer Erkenntnis nach dem Gebrauch unserer Zeit durch das Wort Galgen gegeben. Denn es ist klar, daß man noch wenig oder gar keinen wegen einer Lügen gehenket, sonst wären mehr Galgen in der Welt als Ziegel auf den Dächern, taugt also ganz nichts zur Sache.

Meinesteils halte ich die Hurerei so stark und hoch als den Diebstahl. Denn der da gesagt: Du sollst nicht stehlen!, der hat auch gesagt: Du sollst nicht huren! Und dennoch werden sie mit einer gelindern Strafe beleget. Da wird geantwortet, die Hurerei sei gelinder Gradu; aber ich frage: Was ist mehr, etwas stehlen, das man wiedergeben kann, oder etwas stehlen, das man nicht wiedergeben kann? Wenn ich Herr wäre, so müßten mir die Hurer sowohl hängen als die Diebe. Aber man sagt: non exstat, es ist nicht geboten. Ich frage: Wo ists geboten, daß du den Dieb henkest? Sie sagen: [267] in Cconstitutionibus Carolinis, aber quid Carolus adversus scripturam? Und dannenhero halte ichs mit: dem Hugo Grotius, weil man in so hohen Sachen, absonderlich wo es das Leben des Menschen kostet, behutsam verfahren solle.«

In diesem Diebesdiscurs gelangten wir auf mein Schloß, allwo Caspia, an dem Fenster stehend, uns empfangen, nachdem sie zuvor frische Pferde entgegengeschicket, durch welche wir desto eher fortkommen können. Wir waren kaum in die warme Stube gekommen, als schon ein Bot' vor dem Hause erschienen, welcher durch ein Schreiben mitgebracht, daß Isidoro seine Mutter in höchster Krankheit angetroffen, darauf sie nach etlichen Stunden ihren Geist aufgegeben.

Auf solches condolierten wir ihm durch ein Antwortschreiben und wünschten ihm auch in demselben zugleich Glück zu seiner herrlichen Erbschaft, und Ludwig setzte ins Postscriptum, ob ihm seine Mutter die Zusiam nicht vermachet hätte, darüber er zweifelsohne wird gelachet haben. Und also bekamen wir Gelegenheit, uns zu unterreden, wie wir künftigen Frühling passieren möchten, weil Isidoro nicht lang in der Trauerbinde herumzugehen entschlossen war, gestaltsam solches sein Brief genugsam folgendermaßen ausgewiesen, welcher von Wort zu Wort also lautete:

›Geliebte Freunde! So Sie samt den Ihrigen vergnüglich nach Hause gelanget, gaudeo. Ego autem habe meine Frau Mutter in gar schlechtem Zustande angetroffen, wie sie dann auch tres horas darnach gestorben und noch in dem Sarg stehet. Sie werden mir die absonderliche Ehre und Freundschaft mit Ihrer angenehmen Gegenwart erweisen und aufs längste über drei Tage hier bei der Begräbnis erscheinen. Solches zu verschulden wisset und kennet Ihr. Euren getreuesten und aufrichtigsten Freund, welcher sichs vor die größte Glückseligkeit schätzet, angenehme Gegendienste zu leisten.

Den Flor werde ich nicht gar zu lange tragen, und werde es machen wie unser Dorfmüller, der sich noch in der Trauermahlzeit nach Absterben seiner Frauen mit einer andern verlobet. Aus diesem habet Ihr nicht zu schließen, daß ich nicht traurig sein sollte, sondern daß mir die Gesellschaft [268] auf dem Schlosse noch in dem Kopf stecket. Denn ich muß noch darüber lachen, wenn ich daran gedenke, wie sehr mich der betrogene Ludwig geküsset. Ich werde in diesem Fall genugsam zu erfahren haben, ob er mir so sehr mit Affection zugetan sei, als er sichs dazumal in der Kammer merken lassen. Valete! und kommt gewiß. Der Seilfahrer, der Irländer und in summa alle, die neulich beisammen gewesen, werden gewiß erscheinen.‹

Dieser Brief war vor einen traurigen etwas zu lustig, aber wir wußten wohl, daß es Isidoro aus keinem Frevel getan, zumalen uns sein gutes Gemüt gar zu bekannt war. Und es ist gewiß, daß ein solcher Mensch oft mehr Schmerzen in dem Gemüt empfindet, je fröhlicher er sich äußerlich anstellet. Denn je härter der Stein ist, je mehr Feuer liegt in demselben verborgen; also je fröhlicher sich das Herz bei dergleichen Begebenheiten äußerlich erzeiget, je mehr Betrübnis kann es innerlich verborgen haben. Die Tränen sind oftermalen falsche Botschafter einer ernstlichen Trauer, und ob er auch gleich Spielleute und Sackpfeifer deswegen aufgenommen, so hätten wir doch nichts darnach zu fragen gehabt, weil er vor sich tun mögen, was er gewollt, und uns an seinen Gebärden nicht ein Heller auf Interesse gelegen. Nur dieses ist zu beklagen, daß die Welt alles anders auszulegen pfleget, als sie gemeint sind.

Wir machten uns darauf mit unsern Trauerkleidern zurechte, und als wir ganz schwarz auf das Schloß des Isidori angelanget, lachten uns die anwesende Cavalier von Herzen aus. Sie trieben ihren Spott, daß es nicht zu beschreiben, denn es war alles nicht wahr, was Isidoro wegen des Todes seiner Frauen Mutter an uns abgehen lassen, aber dieses war nur die Ursach, daß er uns auch auf seiner Hochzeit sehen möchte, weil er mit der Zusia auf dem Schlosse noch die Abrede genommen und ihm die Mutter noch bei ihren Lebzeiten das ganze Vermögen eingeraumet hatte. Es waren alle diejenigen zugegen, so vor wenig Tagen auf meiner Hochzeit erschienen, ja, Faustus selbst, samt seiner Liebsten, wie auch Carander erschienen bei dieser angenehmen Winterfreude, allwo wir sehr köstlich und höflich tractiert worden sind.

[269] Wir bekamen die vorigen Stadtpfeifer auf diesem Castell wieder zusammen, und was wir ihnen zuvor zu viel getan hatten, das ersetzten wir mit einem stattlichen Recompens und hielten uns untereinander so bescheiden und vergnügt, daß keiner über eine angetane Unehre sich zu beklagen hatte. Denn wir wußten wohl, daß man mit Zwietracht und Uneinigkeit wenig auszurichten pflegte, sondern daß durch guten Vertrag und Einigkeit die Menschen, wer sie auch seien, in stetem Frieden zu erhalten wären. Und auf eine solche Art bin ich auch geflissen und bis dahero bemühet gewesen, meinen Kiel also zu gebrauchen, damit durch denselben auch nicht der Geringste beleidigt würde. Denn was hilft es dem Menschen oder was bringt es ihm vor Nutzen, wenn er seinen Groll durch öffentliche Schriften ausstreuet, welchen er gegen einer oder andern Privatperson führet? Wahrhaftig, er gibt dadurch zu erkennen, daß sein Gemüt unversöhnlich und nur mit Zänkerei schwanger gehe. Daß ich aber ein und anders Laster umschweifig angezogen, ist geschehen nicht zur Verbitterung, sondern vielmehr zur Lust derjenigen, die sich dardurch getroffen befinden.

Ich habe niemalen etwas auf Erden höher geschätzet als die Freiheit. Darum vergönne ich auch einem jeden, dieses Buch nach seinem Gutdünken auszulegen, weil ich ihn nicht zu berauben gedenke desjenigen Kleinods, welches ich selbst vor das köstlichste halte. Ich habe mich in vielen Stücken selbst durchgezogen und unter andern Historien meine eigene Zustände entworfen. Habe also in diesen Winternächten in dem Schnee vorangewandelt, auf daß mir diejenige, so ich dort und da getroffen, desto leichter, gleichsam in einem gemachten Pfad, folgen möchten. Alles, was ich in diesem Buche discurrieret, gebe ich nicht aus vor einen unbeweglichen Grund, sondern nur als gewisse Meinungen, die ich von denjenigen Sachen halte, von welchen ich geredet. Ob auch jemand sagte, daß keine Zierlichkeit der Worte hierinnen anzutreffen, so ist zu wissen, daß ich diese Schrift an einer langen Zeitelle nicht ausmessen können und ich sie meistens zur Nachtszeit ausgearbeitet, dahero sichs nicht zu verwundern, daß kein Glanz einer Beredsamkeit [270] darinnen anzutreffen. Ich habe dardurch des Menschen Leben und nicht seine Beredsamkeit zu unterrichten gesuchet, deren ich selbsten unerfahren bin.

Die Ursach dieser Schrift ist nicht entsprossen aus einer eitlen Phantasie, sondern aus dem getanen Ver sprechen, daß ich alle diejenige Handlungen beschreiben wolle, welche mir und denjenigen, so bis dahin mit mir umgegangen, begegnet. Hab also mein Wort nicht widerrufen, sondern, soviel möglich, alle Stück, derer ich mich entsinnen können, ganz kürzlich entwerfen wollen. Ich hätte zwar die Mühe solcher Schrift dem Herrn Irländer oder einem andern gerne gönnen wollen, aber weil sie mich hierzu gleichsam genötigt, hab ich um soviel desto bessere Ursach gehabt, die Sach also zu beschreiben, wie es an sich selbsten gewesen.

Nach vollzogener Hochzeit des Isidoro lief nichts Denkwürdiges vorbei, ohne daß er bei solcher eine Comödia spielen ließ, welche lustig genug war. Der Irländer versprach, uns allerehestens zu seiner Hochzeit einzuladen, und nach diesem schied jeder seinen Weg, den übrigen Winter zu Hause zuzubringen.

Andre haben ihre Ergötzlichkeit auf eine andre Weise gesuchet, ich aber satzte mich, dasjenige zu entwerfen, weswegen ich mich der Compagnie, absonderlich dem Isidoro, so sehr verobligiert hatte. Ob ich auch gleich gemeinet, das Werk etwas kürzer zu verfassen, hat es doch nicht sein können, wenn ich nicht etliche Stück hinweggeworfen, die ich vor diesmal nicht auf die Seite stellen können.

Fünftes Buch

1. Capitul. Zendorii Haushaltung
I. Capitul.
Zendorii Haushaltung.

Wer mehr ausgibt, als er nimmt ein,

Frißt endlich statt des Fleischs die Bein.


Wenn ich meine Feder wiederum aufs neue ansetze und meine angefangene Schrift zu continuieren verlange, geschicht es nicht deswegen, daß ich den geneigten Leser mit vielen und unangenehmen Umständen aufzuhalten verlange, zumalen mir die Begierde eines Lesenden aus dem genugsam bekannt, weil ich selbsten in Lesung solcher Schriften nichts mehr als eine umschweifende Weitläufigkeit gehasset, dadurch sowohl der Zeit als der Materi nicht ein geringer Abbruch geschiehet. Es hat aber keiner nichtsdestominder einzige Ursach zu glauben, daß ich gleich einem öffentlichen Marktschreier oder Possenreißer ihn nur mit lächerlichen Schosen zu unterhalten gedenke, denn darzu gibt mir weder meine Profession noch andere Ursach einzige Gelegenheit, welche ich jederzeit viel höher geschätzet als einen solchen Stand, der billig jedermanns Narr möchte geheißen und gehalten werden, denn ich weiß gottlob noch wohl, zu was solche Narrendeutungen gereichen und daß sie oftmals das Verderben nach sich zu ziehen pflegen.

Es sagte ein bekannter Ketzer auf seinem Totbett:A utinam non scripsissem: Ach, daß ich meine Feder niemalen hätte auf das Papier gesetzet! Zweifelsohne, weil er allgemach in seinem Herzen empfunden und gewahr worden diejenige Pein, welche auf ketzerische Schriften zu folgen pflegen. Ach, wie mancher wäre in dem ewigen Leben ein Kind der Seligkeit, wenn er auf dieser Welt seine Seele nicht liederlicherweise, [272] nach den Worten des gelehrten Guevaræ, in dem Dintenfaß ertränkt hätte! Denn ein lästerlicher Schreiber verderbet erstlich nicht allein die Zeit, welche er billig besser hätte anwenden können, sondern vors andere mißbraucht er auch sein verliehenes Donum, aus welchem etwas Bessers hätte entspringen können.

Vors ander beschmiert er das Papier und versudelt die Dinte vergeblich, auf welchem und durch welche etwas Bessers hätte können verrichtet und getan werden. Solcher dreifacher Schade tut es nicht allein, sondern er schwingt sich auch in die Druckereien, dadurch die niemals genug gepriesene Druckerkunst gemißbrauchet und beschändelt wird. Ich geschweige der vergebenen Arbeit und Mühe, so man mit dergleichen Schriften haben muß. Von dar an unterwirft mans tausendfältigen Augen und streuet das Gift unvermerkt und unter dem Schein der Zulässigkeit in die Herzen der Lesenden, welche ebendasjenige an sich selbsten verderben, was sie von allen Fehlern auf das meiste erhalten sollten, nämlich das Gewissen. Wird also der Autor solcher Irrtümer fremder Sünden schuldig und hat oftmals bei sich selbst Ursach zu rufen: A utinam non scripsissem: Wollte GOTT, daß ich niemal die Feder auf das Papier gesetzet! Wie es denn gemeiniglich mit solchen Klüglingen zu geschehen pfleget, welche, da sie andere genugsam durch die Hechel gezogen, sich endlich selbsten von dem höllischen Feind angegriffen sehen.

Aber weit ein anders Absehen hat diese Arbeit, und bilde sich nur keiner ein, daß ichs bloß aus der Ursach unterhanden genommen, damit ich die kalte und verdrüßliche Winterstunden passieren möchte. Nein, fürwahr, sondern dieses war mein einziger vorgesetzter Zweck, die Laster mit lachendem Munde zu strafen und die gemeinen Fehler mit gelinder Hand zu züchtigen. Es ist zwar nicht ohne, daß ich nach dem Inhalt der vorigen vier Bücher versprochen, all unsere Begebenheit zu entwerfen, welches ich zu tun in den frostigen Winternächten gar gute Gelegenheit gehabt. Aber ich kam viel eher damit hinaus, als ich mirs selbst eingebildet, weil eine Materia in die andre gleichsam spornstreichs [273] gelaufen und dannenhero kein großes Nachsinnen vonnöten gewesen, welches sonst in andern Schriften die Grundlage zu sein pfleget. So brauchte es auch keines großen Bücher-Aufschlages, wie etwan diejenige zu tun pflegen, welche vierzehen Postillen zusammennehmen und aus denselben die funfzehente Predigt machen. Einen solchen Reiter zu Fuß habe ich niemalen, absonderlich aber in einem solchen Werk, zu geben verlanget, von welchem noch kein Mensch auf Erden, ich meine, von unserm geführten Leben, etwas geschrieben hat. Demnach ist es nicht unbillig, daß ich nach Verfertigung der vorigen vier Bücher fortfahre und erzähle, wie der Winter in und zwischen unsern Handlungen ferner abgelaufen, denn zu solchem ermahnet mich sowohl die allerangenehmste Zeit des allgemach herbeikommenden Frühlings als auch das wunderliche Geschicke, so sich mit uns bis dahero zugetragen.

Meine Zeit passierte ich zwischen Verzeichnis und Aufschreibung unserer Histori sehr vergnügt. Wenn ich von dem vielen Schreiben ermüdet, nahm ich meine zwei Windhunde, welche dazumal all meine Freude und Zeitvertreiber waren. Mit denselben durchsuchte ich auf einem stattlichen Klepper meine Gehege und hetzte die Hasen hin und wider und bekam auch in kurzem einen ziemlichen Particul derselbigen Tiere wie auch nicht weniger der Füchse zusammen, also daß ich in kurzem einen stattlichen Winterpelz erjaget. Unterweilen wurde mein Weib – dazumal sind die Leute keine solche Narren gewesen, daß sie die Weiber ihre Liebste genennet, wie man heutzutag gewohnt ist – von Unterschiedlichen ihresgleichen vom Lande besuchet, welche in den Kobelwägen hin und wider fuhren. Vom Isidoro und der Zusia hatten wir fast wöchentlich Nachricht wie auch von den meisten, welche zuvor bei meiner Hochzeit gewesen. Also hatte ich keinesweges Ursach, mich über eine große und langweilige Einsamkeit zu beklagen, obgleich mein Schlößlein ganz einschichtig lag. Und wenn es auch schon gewesen wäre, so hätte ich doch die Einsamkeit zuvor in der Einsiedlerei zur Genüge gewohnet, wie ich denn meistenteils ganz alleine gesessen und, sooft ich ein oder zwei [274] Blätter vollgeschrieben, bei einem Glas Weine das Zimmer auf und ab spazieret, welches mir zu meinem Vorhaben viel tauglicher gewesen, als ob ich zehenmal nacheinander die Feder gespitzet hätte. Zuweilen besuchte ich auch meinen Vater auf seinem Schlosse, allwo wir die Zeit entweder mit Eisschießen auf dem Teiche oder aber mit einem Piquet-Spiele vertrieben, nachdem es die Gelegenheit des Wetters zugelassen.

Ich hatte zwanzig bis dreißig Bauren unter mir, die quälete und peinigte ich kein Härlein groß, und was sollte ich an den Narren heruntergeschunden haben, zumalen sie von dem vorigen Besitzer fast bis auf das Blut ausgesogen und ihnen das Fell bis über die Ohren abgezogen worden. Hatte also treffliches Mit leiden und hielt ein solches Mittel zwischen mir und ihnen, daß sie aus meiner Nachsicht viel mehr Ursach kriegten, mich zu lieben und loben, als sich selbsten dardurch stolz zu machen. Mein Gesind, Knechte, Mägde, Laquayen und andere Diener, besoldete ich fleißig und ohne Mangel, gestattete es auch auf keiner Weise, daß mein Hofmeister oder auch der Schreiber durch die Auszahlung einzige Schmieralien und dergleichen einnehmen oder auch andere Causen damit machen möchten. Dardurch gewann ich vieler Leute Herz und konnte mich billig rühmen, daß ich wie jener Herzog zu Württenberg jedem Untertan sicher wollte in dem Schoß geruhet haben.

Die Heuchler haßte ich wie das Feuer, wohl wissend, daß dadurch viel tausend Menschen der ewigen Glut zulaufen, und dahero hielt ich einen recht christlichen Staat, und kann es kein Mensch mit Grund der Wahrheit nachsagen, daß ich von den Obersten bis zum Untersten einen Kreuzer vom Lohn bin schuldig geblieben. Denn war schon klein meine Kammer, so war doch darinnen nicht Angst und Jammer. Desgleichen war in meiner Canzeley kein großes Elend noch Armutey. Weil ich auch der katholischen Religion zugetan war, gab ich alles nach Verdienst und wenig oder gar nichts aus Gnaden. Es mußte nur sein, wenn ich mich etwan in der Ausgabe um einen oder ein paar Groschen übersah oder sonsten ein Almosen gab, welches nicht der Freigebigkeit, [275] sondern der christlichen Schuldigkeit zuzumessen ist.

Auf eine solche Art machte ich fleißige Leute und verhütete viel Diebstahl, der sonsten in Ermanglung meiner guten Auszahlung wäre verübet worden. Denn das Gesind, welches nicht richtig noch völlig bezahlt wird, suchet allerlei Gelegenheit, ihres Schadens teilhaftig zu werden. Dannenhero greifen die Mägde ins Schmalz, in die Butter, in den Käs, die Knechte in die Säckel oder lassen zum großen Verderb die Pferde nachlässig in dem Stall stehen, dem Vieh wird nicht zu rechter Zeit zu essen gegeben, und wer wollte die Causen alle erzählen, die sich in solchen Zufällen ereignen können. Wahrhaftig, dieselben sind mancherlei, und nachdem ein solcher übel bezahlter Diener in einem Amt sitzet, nachdem tut er seinem Herrn Schaden und Nachteil, weil kein Ämtlein so klein ist, welches nach dem gemeinen Sprüchwort den Galgen nicht verdienen kann.

So hatte ich auch vors ander diesen Vorteil nicht allein, sondern noch darzu von allen meinen noch andern Leuten einen großen Ruhm, daß ich nicht allein alle meine Diener richtig und fleißig bezahlete, sondern deswegen mir selbsten manches Stücklein Brot oder andere Recreation an dem Maul ersparte. Denn wenn ich sah, daß hundert Gulden in die Canzley eingelaufen und ich gern eine Mahlzeit halten und anstellen wollte, rufte ich dem Hofmeister und befragte ihn, ob es sich tun ließe, eine Gasterei auszurichten, und wie oder auf was Weise solches anzufangen wäre. »Mein Herr,« sagte der Hofmeister – denn dazumal hat man die Edelleute noch nicht Ihr Gnaden heißen dörfen wie anitzo –, »die Cassa ist dermalen sechshundertunddreizehn Gulden reich. Die bevorstehende Mahlzeit richtet der Herr unter dreihundert Gulden schwerlich aus. Nun, wenn diese hinweg sind, bleiben noch dreihundert übrig. Mit diesen reichen wir nicht, das Gesind zu bezahlen. Sollte man einen Vorschuß tun oder Geld deswegen aufnehmen, das macht eine Irrung in die Canzeley, und wenn mans betrachtet, ist diesem Schloß an der bevorstehenden Gasterei und Mahlzeit wenig gelegen. Wir wollens versparen bis künftigen Sommer, [276] da die Renten vollständig sind. Alsdann kann man ohne Schaden und Nachteil mit einem guten Hinterhalt sich hervortun und sehen lassen.«

Aus solcher Antwort des Hofmeisters verstund ich, wie nötig es sei, eine richtige Ordnung zu halten. Wäre er aber ein nichtswürdiger Mauskopf gewesen, hätte er mich gar leicht in einen Ruin hineinbringen können, daraus mich Sanct Velten nicht mehr gerissen hätte. Solche Gesellen gibt es in der Welt noch hin und wieder, die dem gemeinen Wesen viel mehr zum Schaden als Vorteil dienen, bezahlen keinen Men schen, lassen sich umsonst aufwarten und machen es so grob und arg, daß man ihnen weder glaubet noch trauet. Aber die Tränen, welche wegen des verdienten Lohnes vergossen werden, sind nicht schlechtes Wasser, sondern Griffel, die das Unrecht dergleichen Leute vor GOTT und Menschen in das Herz der nachkommenden Welt einschreiben. Dem Ochsen, der da drischt, soll man das Maul nicht verbinden, wieviel weniger einem Menschen, der das Seinige dran strecket und nichtsdestoweniger keine Hoffnung hat, desjenigen zu genießen, wovor man ihn gedinget. Dahero überfällt manchen ein unverhofftes Übel, nicht, daß er an sich selbst, sondern an fremdem Blut und Schweiß gesündiget hat.

Je besser ich nun bezahlte, je größer wurde mein Ruhm, ja, wenn ich dazumal wäre ein Soldat gewesen und einzige Werbungen vorgehabt hätte, wollte ich in kurzer Zeit mehr Soldaten als die Westphäliger schweinerne Schinken zusammengebracht haben, weil mir das Geld nicht an die Finger gewachsen war. Aber endlich wurde ich gewahr, daß sich mein Hofmeister vom Teufel reiten ließ, weil er anfing, die Causenmacherei mit Gewalt zu studieren. Er gab statt baren Geldes den Knechten gewisse Amtsschweine, und solches rechnete er ihnen abscheulich teuer an. Item er gab den Verehlichten Salz, Licht, Holz, Butter, Käse, Würst, Leder und dergleichen. Aber da sie eine Klafter Holz hätten vor einen halben Gülden kaufen können, da rechnete er solche vor einen Taler an dem Jahrlohn herunter, kamen also die armen Teufel, wie leichtlich zu erraten, weit zu kurz und kratzten sich mit Ach und Weh hinter den Ohren.

[277] Erstlich glaubte ich, es ginge der Canzeley zu gut; aber ich fand nicht allein, daß er das übrige Geld in den Säckel geschoben, sondern es ging mir im ganzen Hauswesen sehr unglücklich, weil ich den Segen verloren, durch welchen alles erhalten und conserviert wird. Die Diener seufzeten gegen den Himmel, und alle Ersprießlichkeit zerging auf meinem Schloß dergestalten, daß ich die augenscheinliche Strafe allgemach handgreiflich fühlen konnte. Derohalben jagte ich den Hofmeister vor den Teufel und seine Mutter. »Du Lumpenhund,« sagte ich zu ihm, »sollst du in deinem Wohlstand die Leute, die nicht dir, sondern mir dienen, so tribulieren? Bin ich oder bist du Herr? Packe dich vor die Hunde, oder ich lasse dich noch prügeln darzu. Du Bärnhäuter tribulierst die Leute, als ob sie deine Narren wären. Schier dich vom Dienst hinweg, wo du hergekommen, und zur Strafe deiner Übertretung sollst du verlustig sein alles deines Habs, so du besitzest!«

Der Hofmeister zuckte die Achsel und wendete ein, ich solle doch daran denken, wie treulich er mir oft wegen ein und anderer Sachen geraten und beigestanden. Aber ich sagte, daß das letztere das erste ganz verderbet und daß es nunmehr ganz vergebens wäre, sich mit solchen Sachen zu entschuldigen, die er ohnedem wegen Erforderung seines Amts zu verrichten wäre schuldig gewesen. Demnach jagte ich ihn hinweg, und mußte der arme Mensch und Leute-Tribulierer sein Brot in ziemlichem Miserere essen.

2. Capitul. Artig Geschicht des Jägers
II. Capitul.
Artig Geschicht des Jägers.

In einer Stund geschiehet oft,

Was man ein ganzes Jahr nicht hofft.


Kurz und gut, heißet das gemeine Sprüchwort, also machte ichs auch mit denjenigen, welche entweder mit großen oder kleinen Schelmereien auf meinem Schlosse umgingen und hausierten, denn ich halte, daß in diesem Stücke die größte Glückseligkeit der Menschen bestehe, nämlich in Belohnung der Tugenden und in Bestrafung der Laster ohne Ansehung [278] einziger Person, wes Standes oder Würden dieselbe auch sein möge, welches ich zwar so gar sehr nicht vonnöten gehabt, denn meine Jurisdiction erstreckte sich nicht gar weit, und dahero hatte ich keine sonderliche Capitalsache zu verrichten. Damit ich mich aber nicht zu lang in meinem eigenen Lob enthalte, schreite ich zu der Erzählung meiner folgenden Begebenheit.

Ich bin von Jugend auf ein großer Liebhaber der Musik gewesen, und dannenhero hatte ich von derselben manche Ergötzung zu genießen, wenn ich unterweilen eine Stockfiedel oder kleines Flötlein zuhanden kriegte, worauf ich ehedessen auf der Schul gelernet hatte. Mit dieser Kurzweil ging ich auch dazumal um, als ich auf bemeldtem meinem Schlosse in diesem Werk begriffen war, solches aufzuzeichnen und hernach in den Druck zu verfertigen.

Einsmals ging ich in dem Zimmer auf und ab, als ich unvermerkt außer des Schlosses einen Büchsenschuß vernahm. Ich legte das Geiglein, auf welchem ich das Lied ›Drei Schmied bei einem Amboß stunden, sie waren all drei schwarze Kunden‹ aufgestrichen, beiseits, eröffnete das Fenster und gab meinen Knechten Befehl, dem Schuß nachzugehen, denn mir gedünkte, es sei ein Pirstrohr, mit welchem keiner unter Verlust desselben in dieser Gegend und Revier wie auch in all meinen Gehegen zu schießen befügt war.

Nicht lang darnach brachten sie mit sich geführet einen Jäger von ziemlicher Stärke, und allem Ansehen nach hätten sie ihn nicht übermeistert, wenn mir nicht der eine Knecht gesagt, daß er ganz ohnmächtig in dem tiefen Schnee gestecket und sich annoch nicht besinnen konnte, wie ihm wäre. Ich muß es ohne Ruhm bekennen, daß ich gegen die notleidende oder sonst andere betrübte Menschen trefflich mitleidig war, gestaltsam sich in solchem Mitleiden nicht ein geringes Stück des wahren Christentums enthält. Derowegen mußten mir ihn die Knechte hinter den Ofen legen, damit er alldorten, durch die Wärme erquicket, zu sich selbst käme.

Mein Rat war nicht ohne Frucht, denn der Jäger stund endlich auf, und gleich als käm er erst aus der neuen Welt daher, [279] sah er sich allenthalben in dem Zimmer herum. Er griff nach seinem Hirschfänger, und die Wahrheit zu bekennen, so forchte ich dieses Beginnen und glaubte, er wollte mir damit über den Leib, weil ich die vergangene Nacht ohnedem einen wunderlichen Traum gehabt hatte, fragte ihn derowegen, wer er sei und woher er wäre.

»Mein Herr,« gab er mir zur Antwort, »ich weiß in der Wahrheit nicht, wo ich bin. Jedennoch muß ich mich gegen demselben nach dem äußersten Vermögen unterdienstlich bedanken, daß Er mich an diesen Ort bringen und also meinem Verderben aus dem Rachen reißen lassen.« Ich sagte, daß solches nicht aus meinem guten Willen, sondern vielmehr aus einer billigen Rache geschehen, welche diejenige mehr als wohl verschuldeten, die wider Gebühr und Recht sich in und um gegenwärtiges Schloß mit einzigem Büchsenschuß hören ließen. »Ihr wisset wohl,« sagte ich zu ihm, »daß die Gehege ein Teil der Kammergüter vornehmer Herrn sind, und weil Ihr Euch als ein Jäger in einer solchen Sache vergriffen, die Ihr doch vielmehr mit Eurem Vermögen beschützen und die frevlen Übertreter davon abhalten sollt, dörft Ihr Euch nicht verwundern, wenn ich Euch nicht allein Eures Geschoß berauben, sondern noch darzu vor etliche Reichstaler strafen lasse, weil ich über meiner Freiheit sowohl als über meinem Leben halte und nichts zu tun verlange, was der gemeinen Ordnung und den Landesstatuten zuwiderläuft. Habt Ihrs gehört?«

»Ich hab es wohl gehört,« antwortete der Jäger, »und habe nur gar zu viel gehört. Die Rede, welche Euer Gestreng gegen mich führet, ist nicht allein an den Worten, sondern an der Sach selbsten höchlich zu rühmen. Daß das hohe und wilde Bahn-Recht muß gehandhabet sein, ist mir als einem Jäger unverborgen, der ich selbsten ehedessen viel Gehege beritten und die Übertreter nach Gestalt der Sachen abgestraft habe, und solches, verhoffe ich, wird mir auch an gegenwärtigem Ort widerfahren, wenn ich sage, daß ich nicht darum geschossen, auf daß ich das Wild schrecken oder ein anders Tier fällen möchte, nein, sondern ich fiel unversehens in einer Windesbraut in einen Haufen Schnee, in [280] welchem ich mich so lang und viel herumgearbeitet, bis ich endlich schachmatt ward und mir länger nicht zu helfen wußte.

Wie ich nun also immer weiter und weiter hinunterpurzelte, ging mir die Büchse von sich selbst los, vielleicht darum, weil es das Glück also verordnet, daß ich durch Hülfe anderer Leute herausgehoben und also bei Leben erhalten würde. Und es ist gewiß, wo ich nur noch eine Viertelstunde wäre in dem Schnee liegen- und steckengeblieben, wäre ich ohne Zweifel darinnen umkommen und nunmehr schon ersticket. Aus diesem urteile Euer Gestreng, ob ich recht oder unrecht habe, was meinen Sie?«

»Wenn die Sache so beschaffen,« sagte ich, »so habt Ihr nicht unrecht. Aber ich will die Umstände von meinen Knechten erforschen, wie und auf was vor eine Art Ihr gefunden und in dem Schnee angetroffen worden.« Hiermit rufte ich dieselbe zu mir, aber es zeugte jeder dem Jäger zum Besten, weil sie vorgaben, daß er in dem Schnee schon halb tot gewesen und kein Zeichen von sich gegeben hätte. Dieses Zeugnis vergnügte mich um so viel desto mehr, weil ich ihn selbsten in einem recht erbarmenswürdigen Zustand zu sehen bekommen, wie denn seine Kleider abscheulich zugerichtet waren. Ich ließ darauf etwas mehr einheizen und ihn dieselbe an dem Ofen trücknen, weil es trefflich windig und kalt war.

Auf solches schaffte ich zur Erquickung einen Trunk Wein und bat den Jäger, daß er mir erzählen sollte, wer er sei und wohin er dermalen zu reisen gesinnet. Und weil ich schon viel Leute angehalten, daß sie mir ihren Lebenslauf erzählen möchten, ersuchte ich auch hierum diesen Jäger, welcher sich sehr fertig erwies, und als er sich auf den nächststehenden Sessel mit dem Rücken gegen den Ofen gesetzet, fing er an, folgendes zu erzählen:

»Ich wollte ein Dutzet Taler darum schuldig sein, so ich meinen Herrn berichten könnte, wer mein Vater oder meine Mutter gewesen, denn dardurch würde ich meines großen Kümmernisses befreiet, welches mich nicht selten gleich einer großen Marter peinigt und plaget. Weil ich auch unter [281] den Burschen oftermal deswegen beschimpfet worden, habe ich mich fast so oft geschlagen, als viel ich Haar auf dem Kopfe habe. Meine Jugend verbrachte ich bei einem Gärtner, dem ich dazumal vor die Tür gesetzet worden, und derselbige hat mich aus Befehl der Obrigkeit wider seinen Willen ernähren und aufziehen müssen, ob er schon an der Tat unschuldig und sonst ein recht christlicher und frommer Mann war. Er lebte allgemach ins zehente Jahr in dem Witwenstand, als ihm dieser Extraordinar-Schimpf angetan worden. Aber ich muß es gleichwohl gestehen, daß er michs nicht in dem geringsten entgelten lassen, sondern hat sich vielmehr bemühet, von der Stadt zu wenden, außer welcher er dazumal seine Gärtnerei in dem Schwang führte.

Ich gedenke es kaum wegen allzu zeitiger Jugend, als er auf ein Schloß befördert worden, allwo ich mich noch bis gegenwärtige Stund aufhalte und der Gräfin daselbsten vor einen Hofjäger aufwarte, weil sie mich nach meines Pflegvaters Hinscheiden zu sich genommen und mich in dieser Kunst hat unterrichten lassen. Ich dienete nach Erlernung der Jägerei auf unterschiedlichen Schlössern, unter andern aber nächst des wilden Forstes auf einem Schlosse bei einem wohlhabenden Edelmann. Der hatte einen Sohn mit Namen Ludwig; mit demselben Ludwig trieb ich allerlei Mutwillen, denn ich lernte ihn die Raben gar artig mit Feuer und Farben auskleiden; und wenn wir solche in der Luft fliegen ließen, kam in der Nachbarschaft ein Geschrei aus, gleich als wäre ein brennender Drach herumgeflogen. Mit solchen Possen vertrieb ich eine geraume Zeit auf dem Schloß, bis sich endlich die ältere Tochter eisenfest in mich verliebte, und weil ich nicht wußte, wer mein Vater war, schwätzete ich ihr oft ein Haufen wegen einer hohen Geburt vor. Und weil die Verliebten ohnedem leichtgläubig sind, überredete ich sie gar leicht mit solchen abscheulichen Lügen, die man wohl mit allen fünf Fingern hätte haschen und greifen können. Sie schenkte mir gar viel Geld, auch zuweilen silberne Löffel, die ich verschacherte, und das Geld zu solchen Sachen wandte, davon ich und bemeldeter Ludwig einziges Vergnügen haben konnten. Allein, er wurde endlich von seinem [282] Vater in eine Schule geschicket, daselbst er der gepflogenen Schelmereien so gewohnet war, daß er dem Schulmeister und dessen Frauen so mancherlei Possen gerissen, als mancherlei er sie erdenken können. Er nagelte die Schulmeisterin gar oft auf den Stuhl, darauf sie saß, dem Schulmeister legte er Harz auf den Sessel und trieb sonsten so leichtfertige Stücklein, darüber sich der Schulmeister gegen dem Alten beklagen und ihn zugleich bitten mußte, daß er seinen ungeratenen Sohn wiederum zu sich abfordern möchte.

Solchergestalten kamen wir wieder zusammen, aber ich verunglückte bald darauf auf der Hirschspur, mußte also wider meinen Willen von dem Schlosse hinweg und zu einem andern Edelmann auf sein Gut ziehen, dessen Frau mich vortrefflich charisieret hat. Es trugen sich zwischen mir und dieser Edelfrauen so viel Schnacken und Abenteurei zu, davon ich allein einen ganzen Tag zu erzählen hätte. Denn sie kam hinter etliche Briefe, welche mir die Tochter des vorigen Edelmanns nachgeschrieben, und daher kann mein Herr leichtlich gedenken, wie sehr ihr der Hureneifer zu Herzen gestiegen, worzu sie doch nicht die allergeringste Ursach hatte. Denn erstlich war ich nicht ihr Mann, vors andere ihr auf keinerlei Art noch Weise zugetan als aus einer blinden teuflischen Begierde, welche gemeiniglich alles Ungemach nach sich [zu] ziehen pfleget.

Euer Gestreng können gedenken, wie leichtfertig die Frau an ihr selbst gehandelt, indem sie aus großer Liebe gegen mir sich entschlossen, ihren Herrn zu vergeben, der doch noch ein junger und stattlicher Cavalier, auch noch kaum funfzig Jahr alt war. Dieses Beginnen erschreckte mich auf einmal so sehr, daß ich nichts mehrers trachtete, als mich von dem Ort hinweg und wieder auf das vorige Schloß zu der adeligen Jungfer zu begeben, welche mir ganz in das Herz – hätte bald woandersthin gesagt – gebacken war.

Aber der Edelmann war zeit meines Abseins hinter die Springe gekommen, war also nicht gut Plasy zu finden, weil er seine Tochter über einem Brief erwischet, welchen sie an mich ausgefertiget. Da prügelte er sie mit der Carabatschke dergestalten herum, daß ich glaube, er hätte noch nicht [283] aufgehöret, wenn nicht die Edelfrau in die letzteren Streiche gefallen, welche ihre Kinder gar zu viel charisieret, dadurch nicht wenig an ihrer Wohlfahrt versäumet worden. Nach solcher Züchtigung und ausgeteiltem Schreiblohn kam er selbst zu mir und drohete, mich an der Stelle totzuschießen, so ich nicht noch vor abends das Schloß räumen und mich aus dem Staube machen würde. Solchergestalten nahm ich meine Ranzen auf den Buckel, das Jägerhorn um den Leib, mein Pirstrohr über die Achsel und marschierte immer ad patres, was ich nur marschieren konnte.

Dazumal war ich in den Begierden fast ersoffen und klagte über nichts mehr als das große Unglück, welches mich wider Verhoffen auf diesen beiden Schlössern in die Fessel bekommen. Aber was sage ich Unglück! Ich sollte mich vielmehr über mein großes Glück erfreuet und dem Himmel gedanket haben, daß er mir durch seine gnädige Hand diese Gelegenheit abgeschnitten, in einen rechten Pfuhl der erschröcklichen Unreinigkeit zu fallen, aus welchem sich der Tausende nicht herauszuwickeln weiß.

Ich versuchte es auf eine andere Art und verehlichte mich auf meiner Gräfin Schloß mit ihrem Kammermädchen, mit welcher mirs teils wohl, teils übel gegangen, wie es insgemein in dem Ehestand zu gehen pfleget. Aber gewiß ist es, daß ich mir tausendmal mehr Ergötzlichkeit zuvor eingebildet, als ich hernachmals nicht genossen habe; denn wir hatten beide nicht viel zum Besten, und der Teufel konnte ihre Hoffart nicht von dem Hintern wegreißen – Monsieur verzeihe mir, daß ich so grob reden muß, es ist die Wahrheit. Also ging mein bißchen Geld auf das bloße Gewand und hatte hingegen wenig oder gar kein Brot zu Hause. Ich weiß nicht, was ich länger mit ihr hätte anfangen sollen, aber zum Glück starb sie mir in dem andern Jahr an einer Krankheit, welche allen hoffärtigen Weibesbildern gar gemein ist, indem sie nicht leiden können, daß andre auch so gut sind als sie, und solcher Zorn dringet ihnen eifrig zu Herzen, durch welchen auch mein Weib aufgeopfert worden.

Ich fand, daß mir durch ihr Abscheiden eine ziemliche Sorge von dem Herzen gewälzet worden, denn die Wahrheit zu [284] bekennen, liebte ich sie nicht allzusehr, nur darum, weil sie so ausdermaßen stolz und übermütig war, denn sie hieß mich ohne Unterlaß einen Hurensohn über den andern. Und wenn mich andere Leute einen hießen, so defendierte sie mich doch und sagte zu denen, so wider sie zankten, ich wäre so redlich als keines unter ihnen, ja, noch wohl tausendmal redlicher darzu. Also ward mein Weib gleich den Ketzern, welche niemal einig sind, als wenn sie die wahre Kirche bestreiten.«

3. Capitul. Das Leben der Veronia
III. Capitul.
Das Leben der Veronia.

Die Keuschheit decket sich mit Lust,

Das geile Herz entblößt die Brust.


»Aus diesem können Euer Gestreng leichtlich sehen, daß ich mit meinem Weib niemalen besser Fried gehabt, als wenn andere mit mir gezanket haben, und dannenhero mußt ich mein Leben in stetem Zank und Zwietracht zubringen, solange sie mir an dem Hals gehangen. Ja, ich kann nicht sagen, wie oft ichs beschmerzet, daß ich so unbedacht zugegriffen und nur nach dem äußerlichen Schein gefreiet habe, denn ich gedachte: Saprament, ein Kammermädchen ist kein Hund, wenn du eines bekommen möchtest, die ganze Welt würde von dir zu singen und zu sagen wissen. Bald gedachte ich: Narr, werde ein Pfaff, betrachte in dem Kloster die schnöde Eitelkeiten und lerne fromm sein, es ist dir besser, als ob du eine Fürstin heiratest. Nein, gedachte ich wieder, es geht nicht an, Klosterleben sind keine Narrenpossen, es gehöret Ernst darzu. Was willst du dann anfangen? Wirst du ein Soldat und lässest dich unterhalten? Es ist nicht allein ein gefährlicher, sondern recht miserabler Stand, da man stets in Elend, Jammer, Not, Hunger, Blöße und Durst, mit einem Wort: in aller Dürftigkeit herumschwebet und endlich hinter einem eingefallenen Zaun sein Leben einbüßet. Dankt man ab, so mußt du betteln oder stehlen: jenes ist schimpflich, dieses gefährlich, drum ist es besser, du bleibest, wer du bist, und versuchest dein Glück, wie dirs am [285] nächsten ist. Du findest doch unter so viel unzählig tausend Menschen keinen einzigen, wes Standes, Condition oder Religion derselbe auch sei, welcher ohne Sorg und Arbeit ist. Betrifft dich gleich ein Unglück, wisse, daß du mit solcher Condition das Leben empfangen, auf daß du mit Sorgen stets gequälet würdest. Du wirst es nicht alleine sein, der sich den gemeinen Verdrüßlichkeiten entheben wird. Nur frisch daran!

Audentes fortuna juvat, timidosque repellit. Diesen Vers habe ich noch von Ludwigs Præceptor gelernet, welcher mir in diesem Stück trefflich zupaß kam, denn als ich sah, daß gar kein Mensch ohne Sorgen sein oder leben könnte, lachte ich mich selbst aus. Denn derjenige, so in der Glut wandelt, muß gebrannt werden, es sei an einem Teil des Leibes, wo es wolle, und ich glaube, daß keiner unter allen angetroffen werde, welcher nicht immer gedenkt: Ach, du hättest besser heiraten können, du hättest die Sach so und so angreifen können. Aber in der Wahrheit selbst sind es nur Vorwürfe desjenigen Feindes, welcher von Anfang ein Lügner und Ehestörer gewesen. Mancher gedenkt: Ach, wärst du der und der, und wenn ers gleich wäre, so will ich mir die Haut über die Ohren abziehen und mich mit einer dichten Hechel pritschen lassen, wenn es ihm nicht viel unglückseliger als in dem vorigen Stand ginge. Darum ist dieses nicht die geringste Plag unter den Menschenkindern, daß niemand mit seinem Stand zufrieden ist, und meinesteils halt ich diesen vor den Glückseligsten, welcher alle Erhöhung geringschätzet und nur allein liebt denjenigen Ehrenstand, welcher in Ewigkeit bestehen wird.

Solche Gedanken schöpfte ich nicht aus der bloßen Luft oder aus einem leeren Beutel, sondern sie kamen mir aus einer andern Hand in das Herz, allwo ichs reiflich und fast stündlich erwog – und dahero entschloß, hinfüro allein zu bleiben und mich vor dem Frauenvolk so viel zu verbergen, als es die Zeit und Gelegenheit erdulden wollte. Und ob mir die Gräfin schon wiederum ein anders Rabenvieh an den Hals werfen wollen, eröffnete ich ihr doch meine Gründe und bedankte mich wegen der guten Vorsorge. So sie aber entschlossen [286] wäre, so gnädig zu sein und mir mit hundert Ducaten zu Hülfe zu kommen, wollte ichs vor ein größers Hülfmittel als die vorgeschlagene Heirat erkennen. Sie mußte lachen, und daß ich ihre Affection verspüren möchte, stackte sie mir dort und da etwas bei, machte mich auch durch dieses Mittel ihr so sehr zugetan, daß sie mir endlich alle ihre Heimlichkeiten vertrauete.

Diese Gräfin heißet mit Namen Veronia und wird Euer Gestreng ohne Zweifel mehr als wohlbekannt sein, weil das Schloß von hiesigem Ort über zehen Meilen nicht abgelegen ist. Und ob sie mich gleich trefflich mit Spendaschien an sich verband, mußte ich doch solche Sachen verrichten, über welche, so man mich ertappet hätte, ich gewiß das Leben einbüßen müssen. Sie ist eine überaus verliebte Frau, und glaube nicht, daß diesfalls ihresgleichen weit und breit anzutreffen. Ist auch nicht zu erzählen, wie sie es mit den Cavalieren nicht allein, sondern auch mit Studenten, Kaufmannsdienern, in summa: mit allerlei Leuten, so sich auf ihrem Schlosse aufhalten, zu treiben pfleget.

Vor diesem las ich in einem Büchlein, welches das Leben der abgefallenen Königin Christina beschrieben, aber es war halb oder doch das meiste in derselben Schrift erlogen und ist nur ein leichtfertiges Pasquill eines solchen Menschens, welcher vor Rachgier gleichsam wider sie gebrennet, wie denn umständlich zu sehen und reiflich zu merken, wie passioniert seine Feder in Abmalung ihrer Leibesdisposition gewesen. Mich verwunderte in Durchlesung desselben Tractats, daß sie in Mutierung der Religion zugleich die Leibspostur verwechselt haben sollte. Hat sie es aber nicht verwechselt, warum hat man zuvor nichts davon gewußt? Dieses werfe ich nur so umschweifig ein, denn obschon in demselben Büchlein schändliche und ärgerliche Sachen zu befinden, so trieb es doch meine Gräfin noch ärger, und ich war gleichsam der Unterhändler, welcher ihre Buhlbriefe bestellen, ihre Verliebte unterrichten und diejenige, so etwan wegen ihrer ins Gefängnis geworfen worden, wiederum losmachen mußte.

Dergleichen Dienste leistete ich ihr vielfältig mit Gefahr [287] meines eigenen Lebens. Ich habe einen Studenten, welchen der Graf bei ihr im Garten erwischet, aus vier Ketten losgemachet, welcher ohne allen Zweifel den Hals hätte hergeben müssen, denn er hört keine Entschuldigung, so sehr man sich auch darauf berufet, und verfährt in dem Urteil viel schärfer, als es die Rechten erfordern.

Einem Zuckerbecken half ich ingleichem aus einem Keller, darinnen ihn der Graf ganz alleine verschlossen, weil er von ihm einen Brief zuhanden bekommen, welcher hätte an die Gräfin sollen, solches Inhalts:›Stern meines Himmels! Heute abend will ich mich nach getaner Abrede gewiß unter Ihrem Erker einfinden. Will Sie mir alsdann fernere Gelegenheit eröffnen, stelle ichs zu Dero Belieben. Ich förchte mich überaus vor Ihrem Herrn, darum bitte ich, Sie mache es fein behutsam und zerreiße diesen Zettel in tausend Stücklein.‹ Also lautete der gefundene Brief des Zuckerbeckens, davor der Graf in so viel Stücke hätte zerspringen mögen, als die Gräfin den Zettul sollte zerrissen haben. Sperrte ihn derohalben in einen tiefen Keller, weil dazumal gleich eine große Gasterei auf dem Schlosse vorgegangen, zwischen welcher er nichts Hauptsächliches an dem armen Bärnhäuter hat verüben können. Aber die Gräfin feierte gar nicht, den Gefangenen durch meine Hülfe loszumachen. Denn weil der Keller etwas abgelegen, zerspaltete ich mit meinem Hirschfänger die Tür und schickte ihn in der Nacht mit verwechselten Kleidern ganz unkenntlich aus dem Schloß.

Es ist zwar nicht zu leugnen, daß das Leben der Veronia höchst sträflich sei, aber es muß eine andere Ursach dahinter verborgen liegen, und sooft ich sie im Vertrauen deswegen gefraget, gab sie mir allezeit zur Antwort, sie wollte mirs schon zu seiner Zeit sagen. Ich kann schwören, daß sie mich oftermalen geküsset und gesagt: ›Ach, Jäger, Jäger, mein lieber Jäger! Wenn du wissen solltest, wie ich dich liebe, du wärest gegen mir nicht halb so unbarmherzig.‹ Ich sagte hinwiederum: ›Gnädige Frau, ich glaube es daraus, weil Sie mir so gnädig ist.‹ Und in einem solchen Gespräche wurden wir gar oft verstöret, und sie dorfte mit mir desto mehr umgehen, weil ich ihr das Pflanzen der Tulipanen, welches ich [288] von dem Gärtner erlernet, gewiesen und vors andere noch darzu verehlichet war. Ich habe mich oftmals nicht ohne sonderliche Gemütsbewegung verwundert, wie abscheulich und garstige Kerls sie so bald und plötzlich liebgewonnen, herentgegen die schön Proportionierte, Studierte, Weitgereiste und in allen Sprachen Erfahrne hat sie gehasset und ist ihnen niemalen mit steter oder unwandelbarer Liebe zugetan gewesen. Und wenn ich sie fragte, warum dieser wunderliche Wechsel bei ihr stattfände, antwortete sie kurz und gut, daß sie es so in der Natur hätte. Die Verständigen wären gemeiniglich zur Liebe etwas untauglicher als die plumpen und etwas keckern Leute, mit welchen sie ihre Vergnügung nach Verlangen und nach ihrem selbsteigenen Wohlgefallen haben könnte.

Ich hörte diese Antwort nicht ungern, denn es ist gewiß, daß die Unreinigkeit viel mehr ein tölpisches Gemüt als einen klugen Geist erfordert, und man muß gestehen, daß in solchen Handlungen keine geringe Brutalität vorläuft, darüber man sich bei gesunder Vernunft selbst schämen muß, so sehr man auch dieser Unreinigkeit zugetan ist.

Man lieset von einem Italiener, daß derselbe sich einer Zeit in eine aus dem Geschlecht der bekannten Ursiner verliebt. Dieser hängte er dergestalten an, daß er weder ruhen noch schlafen konnte. Er ersonn dieser seiner Liebsten ein Sinnbild zu Ehren, welches folgendergestalt mußte gezeichnet werden: erstlich ließ er malen einen Adler, welcher gegen das Gestirn flog. Anstatt sich aber derselbe zu der Sonnen wenden sollte, wendete er sich gegen dem Bärn, mit der Unterschrift: solem alium non habeo; wollte damit zu verstehen geben, daß er außer dieser seiner Liebsten keine andere Gestalt noch Schönheit mehr liebte, und sollte sie auch gleich schöner und hellglänzender als die Sonne selbst sein. Ich halte dieses Sinnbild meinesteils vor eine recht kluge und ungemeine Erfindung eines vortrefflichen Kopfes, dergleichen ich entweder wenig oder gar keines gehöret. Aber wenn man solches umkehrt und auf die geilen Gemüter applicieret, so ist es leider mehr als zuviel zu bedauern, daß sie die wahre Sonn der Tugenden so liederlich vorbeifliegen [289] und sich gegen die zottichsten Bärnhäuter der sündhaften Handlungen zuwenden und um so viel tiefer in die Finsternis fallen, je weiter sie das Licht der Wahrheit aus dem Gemüt und Herzen verlöschen und verschwinden lassen.

Diese Gräfin liebte schlechte Leute, solem enim alium non habebat: sie hatte in ihrem Herzen keine andere Sonne, und also gehet es auch noch mit allen in der Welt. Einer sucht seine Vergnügung in dem Gold und sagt in seinem Herzen: solem alium non habeo. Ein anderer liebt vor den Schöpfer das Geschöpf und sagt: solem alium non habeo. Der dritte suchet seine Vergnügung in der Karte, aber sobald ihm sein Glücksstern auslischet, verschwindet auch seine Sonne in dem Säckel, das ist das Gold, welches sonsten mit der Sonne verglichen wird. Mancher sucht seine Ergötzlichkeit in der schnöden und vergänglichen Weltehre und sagt zu sich selbst: solem alium non habeo. Derohalben wird mit ihm auch seine Sonne in das Grab steigen, und er mag zusehen, wo ihm hernachmals eine andere Sonne aufgehen und scheinen möge. Ein andrer sucht seine Lust in Verkehrung der Lehre und Schriften. Solem enim alium non habet: er hat keine andere Sonne, nach der er sich leiten will, und fället also mit denen, so er als blinde Böcke an seinem Leitseile führet, in die Grube, wo es ewig finster ist. Und dorten wird es mit ihm heißen:solem alium non habebit: er wird in alle Ewigkeit keine andere Sonne mehr haben.

Euer Gestreng vergeben mir, daß ich durch diesen Umschweif meine Historia auf die Seite gesetzet, welches ich nur deswegen getan, auf daß Sie sehen möchten, wie übel und irrig diejenigen Gemüter, absonderlich aber die benamte Gräfin Veronia, zu handeln pflege, welche einem stinkenden Stück Fleisch nachgeflogen und darüber ihre eigene Tugendsonne so liederlich auf die Seite gesetzet. Solem enim alium non habuit: denn sie hat keine andere Sonne als diese erkennen wollen, vermittelst welcher sie sich bei der Nachwelt einen ewigen Gestank ihres Namens gemachet, sooft man ihrer gedenken wird. Sie hat ihre eigene Glückseligkeit gleichsam mit beiden Händen vergraben und ist verhaßt [290] allen denjenigen, die mächtig sind, das Gute von dem Bösen zu unterscheiden.

Einsmals kam einer von Adel auf das Schloß, welcher unterschiedliche Rechtssachen auf der Canzeley anhängig gemachet. Sein Name heißt Isidoro, und demselben reise ich auch dermalen eben aus der Ursache zu, welche mich ihm dazumal mit einer großen Freundschaft verbunden gemacht. Er liebte die Gräfin auf eine verbotene, aber nichtsdestoweniger der Gräfin sehr angenehme Weise, von welchem ich so lang nichts innen wurde, bis der arme Teufel in einem Walde gefangen und, in starke Eisen geschlossen, ins Gefängnis gelegt worden. Der Graf war dazumal auf der Hirschjagd, wie er denn seine meiste Zeit auf der hohen Wildbahn zu vertreiben gewohnt. Dahero wurde die Execution bis zu seiner Zurückkunft verschoben, und das Urteil war schon in der Feder, daß dem Isidoro ohne einzige Anzeigung seiner Verhaftung wie auch ohne seine Gegenverantwortung oder Entschuldigung sollte der Kopf zwischen die Füße gelegt werden. Und man hätte es ohne allen Zweifel ins Werk gerichtet, wenn ich nicht heimlich von der Jagd entwischet und dem verlassenen Menschen über das Fenster hinuntergeholfen hätte.«

»Monsieur,« fiel ich dem Jäger in die Rede, »was ich von seiner Historia halte, will ich hernachmals sagen, aber Er berichte mich doch, wie Er hinter das Latein gekommen, denn ich hörte Ihn zuvor etliche Sentenz und Phrases mit einmischen, derer sonsten die gemeine Jäger nicht gar zuviel auf dem Butterbrot fressen.«

»Es ist wahr,« gab der Jäger zur Antwort, »und in diesem hab ich gleich anfangs meiner Erzählungen geirret, indem ich vergessen, etwas von meinem Schulstand zu berichten, welches ich aber so gar hochnötig nicht erachtet. Denn erstlich, so waren alle meine Præceptores, deren ich zwar nur dreie gehabt, rechte Erzkalmäuser.

Von dem ersten, in dessen Klass' ich zwei Jahr in der Stadt gesessen, allwo ich dem Gärtner vor die Tür gelegt worden, kann ich nichts Absonderlichs erzählen, denn es war so wenig an ihm, daß er uns, als seine Discipul, selbst um neue [291] Zeitungen gefraget, und also logen wir ihm oftermalen ein langes und ein breites daher, und wenn er sich gleich betrogen befand, konnte er uns solches als jungen Kindern nicht vor übel haben. Der andere war etwas fröhlicher von Gemüt, aber dabei so faul, daß ich bei ihm wieder vergessen, was ich bei dem vorigen gelernet. Der dritte war ein Sauerampfer, denn er duldete ganz keine Fröhlichkeit der Gemüter, wenn sie auch gleich angeboren war. Dahero machte er uns zu allen Sachen sehr feige, und ich glaube, so ich länger bei ihm gesessen, er hätte mich gar zu einem Stockfisch zusammengeprügelt, weil ers durchaus nicht leiden wollen, daß ich einen oder andern Possen gerissen.

So zerklopfte er auch andere meine Kameraden, daß ich schwören kann, ich hab all mein Lebtag kein Bettgewand so rein und sauber als eben desselben Schülers seinen Mantel ausstauben gesehen. Ja, was noch das Närrschste unter allem war, so dorften wir in den öffentlichen Comödien keinen rechten und lebendigen Possen machen, sondern, obschon die Sach an sich selbst lächerlich genug gesetzet und gegeben war, dorften wirs doch nicht exprimieren, wie wir wollten, denn der Præceptor sagte, es käme zu leichtfertig heraus. Tat es aber einer wider sein Verbot, so mußte ers das ganze Jahr hernach auf dem Brot fressen und wurde fast von allen ein Possenreißer genennt.

Solchermaßen hab ich ein bißchen studiert, und weil sich mein Humor mit den Præceptorn nicht vereinigen noch vertragen konnte, gab ich den Büchern eine gute Nacht, und es reuet mich noch keines Nagels groß, denn ich habe manche Ergötzlichkeit in dem Walde genossen, die viel Doctores in ihrer Bibliothek nicht gehabt haben. Ich lasse einen andern bei dem Buche sitzen, ich entgegen durchstreiche Auen, Wälder, Felder, ich besteige die Berge, lasse mich in die Täler, suche die Spur des Tiers, streife die Füchse aus, stelle den Wölfen und Füchsen, fange die Rebhühner und andre Vögel in der Schleife wie auch zum Teil die Hasen, und es ist gleich gut, daß meine gewesene Præceptores nicht durch mein Gehege gereiset, ich hätte sie sonst gewiß auch in die Schlinge bekommen.«

4. Capitul. Die alte Edelfrau schickt sich zum Sterben
[292] IV. Capitul.
Die alte Edelfrau schickt sich zum Sterben.

Durch Alter und durch graue Haar

Wird manches Stücklein offenbar.


»Ihr habt genug erzählet,« sagte ich zu dem Jäger, »und was ich von Eurer Erzählung halte, das habt Ihr hiermit zu verstehen. Erstlich ist es eine große Unwissenheit, wenn einer nicht weiß, wer sein Vater ist. Weil aber diese Unwissenheit heutzutage so gar gemein ist, so ist es keine Unwissenheit, sondern nur eine Ermanglung desjenigen zu nennen, welches nicht nötig zu wissen ist. Es sei Euer Vater, wer da wolle, so geht Euch doch an Eurem Wesen nicht ein Härlein ab, sondern es ist genug, daß Ihr ein Jäger seid, die doch viel zu sein wünschen, welche ehrlich genug entsprossen und geboren. Und deswegen könnet Ihr auch Euer Dutzet Taler wohl in dem Säckel behalten, denn es ist gut, daß mancher seinen Vater nicht weiß. Aber das ist nicht gut, daß mancher seinen Vater nicht wissen will.

Durch dieses Nichtwissenwollen bildet sich mancher mehr ein, als er ist, weil er durch seinen Hochmut die Niedrigkeit seines Ursprungs bedecken will, welches wider die Natur laufet. Der Rab bleibt ein Rab, und ob ihn gleich die Vögel vor einen König erwählten, und glaubet sicherlich, daß ich in diesem Fall ganz einer andern Meinung bin. Allein weil die Welt betrogen sein will, so geschieht ihr recht, daß sie manches Hurenkind mit beiden Händen umfanget, und aus dieser Blindheit ist das Sprüchwort entsprungen, welches sagt, daß solche Kinder gemeiniglich das größte Glück haben. Und ich bin der Meinung, daß dadurch eine große Freundschaft gestiftet werde, denn weil Ihr nicht wisset, wer Euer Vater ist, so ist es nötig, daß es alle sein können, welche Euch mit funfzehn Jahren übertreffen.

Dieses rede ich nur aus Scherz, damit Ihr sehet, daß ich kein solcher Essigkrug sei, wie Eure drei Præceptores gewesen. Wegen der Gräfin hab ich selbst Mitleiden, und mein Rat wäre dieses: Will der Graf der Plage überhoben sein, so sollte er die Frau über den Haufen brennen. Es ist gleichwohl eine Frage, ob die Schleife oder der Has daran schuldig [293] sei, daß er gefangen werde. Wenn ich also frage, so ist die Schleife daran schuldig. Frage ich aber: ist die Schleife oder der Has daran schuldig, daß er sich fängt, so ist der Has daran schuldig. Also hat es eine Beschaffenheit mit Eurer Veronia. Etliche werden von ihr gefangen, und etliche fangen sich selbsten. Sie ist die Schleife, die Hurer sind die Hasen, also ist weder sie noch die Hurer aus der Schuld, sondern gehören beide zusammen in eine Schul. Aber wenn ich ihr Herr wäre, so wollte ich die Schleife aus dem Weg räumen, auf daß sie weder fangen noch gefangen werden könnte.

Die Gelegenheit macht den Dieb, und eine Ehebrecherin ist zeitig genug, von dem Lebensbaum abgeschnitten zu werden, denn sie erstickt nur andre gute Früchte, welche beides von ihrer Leichtfertigkeit genießen und hören. Wehe demjenigen, durch welchen Ärgernis kommt! Unter diesem Spruch werden verstanden allerlei Greuel beides Geschlechts, was sie sowohl an ihrem eigenen Fleische als auch in anderen Sachen, als mit Ketzerei, Zwiespalt und dergleichen, sündigen. Ich habe von der Veronia viel mehr gehört, als Ihr mir erzählet, und woher ich um die Gräfin weiß, werdet Ihr von Isidoro sattsam berichtet werden. Sie hat Euch, als ich verstanden, zur Antwort gegeben, sie liebte viel mehr plumpe als verständige Leute, und es ist kein großes Wunder, denn ich finde welche Leute, die lieber gemeines als preußnerisches Leder zu ihren Schuhen tragen, und die meisten Schreiber schreiben lieber auf Papier als auf Pergament. Die Ursach stelle ich Euch heim, solche auszulegen, wie es Euch am nächsten taugt. Denn davor sehe ich Euch an, daß Ihr, als ein Witwer, wohl so klug seid, meine Meinung zu erkennen.

Ich habe mich oftermalen verwundert, warum diese Seuche so gar stark unter den vornehmen Leuten eingerissen, und glaube, es komme daher, weil sie nicht glauben, daß solches bei ihnen eine Hurerei, sondern nur eine Unvollkommenheit der keuschen Tugend könne genennet werden. Und gesetzt, daß dem also sei, so weiß ich doch nicht, wie sie diese Unvollkommenheit ersetzen könnten. Es müßte nur sein, daß sie dieses Laster gänzlich aufhebten, darzu aber so lang keine [294] Hoffnung ist, so lang sie nicht glauben werden, daß diese Unvollkommenheit eine erschreckliche und große Sünde sei, dardurch man endlich in die Hölle fährt wie eine Pilliard-Kugel ins Loch.

Dieses wenige habe ich wegen des Lebens der Veronia anmerken wollen. Aber unter anderm hab ich mich insonderheit über Eure Heirat ergötzet, und Ihr habt wohl gesaget, daß der Stolz des Frauenzimmers gar viel Unheil nach sich zu ziehen pfleget. Manche Frau leidet lieber Hunger zu Haus und kleidet sich davor mit ihren Lumpen sauber an. O schröckliche Torheit! Der Leib ist geputzet äußerlich und hungert innerlich. Du Närrin verbirgest deine Not und machest entgegen deine Hoffart männiglich offenbar. Du willst nicht haben, daß man dich arm heiße, und bist doch nicht reich. Aber dieses ist nicht ein geringes Stück der menschlichen Schwachheit: je ärmer sie sein, je mehr sie sich einbilden.

Ihr seid beinebens nicht ein geringes zu loben, daß Ihr Euch nicht gescheuet, Euer eigenes Leben zu wagen, damit Ihr solches dem Isidoro erretten möchtet. Er ist mein Hauptfreund, und es ist noch nicht gar lang, als er zum völligen Erben seines Vaters Gütern eingesetzet worden. Dahero wird er Euch Euers großen Fleißes wegen keine geringe Dankbarkeit erweisen, weil er einer aus den alten Teutschen und ein solcher Mensch ist, welcher sich auch keinen Strohhalm umsonst aufheben lässet. Aber unter allem möchte ich zum liebsten wissen, wie Euer Name hieße.« – »Euer Gestreng,« gab der Jäger zur Antwort, »Sie fragen nicht vergebens, und allem Ansehen nach ist dieses Stück das wunderlichste, so mir in allen meinen Lebenszeiten begegnet. Denn der Gärtner hat mich hernachmals gar oft berichtet, wie er ein Zettlein in meinen Windeln gefunden, auf welchem gestanden, daß ich schon getaufet und mit Namen Ergasto hieße. Denselben Zettel habe ich noch bei mir und ist mein größtes Erbe, so ich von meinen Eltern, sie mögen nun sein, wer sie seien, davongetragen.«

Auf solche Antwort des Ergasto war ich gar vergnügt, und damit er den Betrug, so mit mir und Isidoro vorgegangen, [295] nicht gar zu zeitlich innen wurde, hielt ich mit meiner Auslegung vor dieses Mal zurück, wohl wissend, daß dem Isidoro dadurch eine ziemliche Kurzweil benommen würde, als welcher in solchen Verwechslungen seine größte Freude unter der Sonnen gesuchet. Demnach behielt ich Ergasto zu Gast, und was ich ihm vor Ehre erzeigen konnte, die einem Jäger gebührte, erwies ich ihm solche ganz beflissen, doch also, daß er mir nicht in die Karte gucken noch sonsten merken konnte, daß ich anstatt des Isidori in dem Gefängnisse gelegen.

Nach vollendeter Mahlzeit nahm er seinen freundlichen Abschied und schied wiederum davon gegen das Schloß des Isidori, nachdem er zuvor seine Kleider in meiner Stube getrücknet und ihm sein Rohr samt der übrigen Zugehör wieder überliefert worden. Ich aber machte mir nach seinem Hinscheiden wohl tausend Mutmaßungen, denn dieses war ebenderselbige Jäger, von welchem ich auf dem ersten Blatt dieser ›Winter-Nächte‹ Meldung getan, daß ich mich über nichts mehrers als seine große Sorgfalt in meiner Befreiung aus dem Gefängnis verwundert habe.

In solchen verwunderlichen Gedanken brachte ich den Tag zu Ende und konnte dieselbe ganze Nacht kein Auge zubringen, weil ich gleichsam in einem solchen Aspecten geboren war, welcher rechte wundersame Offenbarungen nach sich zog. Und in solchen Gedanken strichen drei Tage vorbei, nach welchen der Ordinari-Bot, den wir unter uns eigentümlich bestellet, von Isidoro folgenden Brief anbrachte: ›Geliebter Herr Bruder! Du bist ja wohl ein rechter Erzschelm, als einer zwischen Jacobi und Westphalen anzutreffen. Du schickst mir ebenden Jäger auf den Hals, welcher Dich in und unter meiner Person so sorgfältig aus dem Gefängnis gebracht. Und als ich ihm nach seiner Erzählung aus dem Traum geholfen, machte der Jäger wohl tausend Kreuz hintereinander und sagte, er hätte Dirs nimmermehr angesehen, daß Du so hinter dem Berge halten könntest. Es ist gewiß, daß mir diesen Winter noch keine so angenehme Abenteuer widerfahren, von welcher wir ins künftige ein mehrers reden und lachen werden.

[296] Nunmehr ists mit mir dahin gekommen, daß ichplenarius heres aller Verlassenschaft bin. Und weil meine Frau Mutter allgemach auf dem Grabe gehet, ist sie entschlossen, ihr Testament zu schließen; dabei ich dann Dich und Ludwigen zu erscheinen freundlichst will gebeten haben. Der Doctor, so meinen Ehecontract geschlichtet, wird auch bei diesem Actu gegenwärtig sein. Ich sehe ihn vor einen redlichen Mann an, der mir nichts vergeben wird. Indessen lebe mit Deiner Liebsten wohl. Den Jäger will ich so lange hier behalten. Und weil er ohnedem nichts auf seinem Schlosse als mit Buhlbriefen der Veronia zu tun hat, soll er diesen Winter nicht von mir kommen, denn er schickt sich trefflich in meinen Humor und steht mir mit seinen Discursen sehr wohl an. Adieu!

Wildenstein, den 4ten Febr.

Verbleibe Dein ewiger Freund

Isidoro.‹


Aus diesem Schreiben verstund ich, daß der Jäger bei ihm angekommen und zweifelsohne sich über mich schrecklich werde verwundert haben. Demnach mich aber Isidoro zu einem so hohen Werk als einen Beistand ersuchet, machte ich mich auf einen Schlitten, dahin abzufahren, sowohl mit Ludwigen als Isidoro die Winterlust zu bestätigen als auch dem Jäger einzige Ehre wegen seiner getreuen Dienste zu erweisen.

5. Capitul. Die Edelfrau eröffnet eine wunderliche Geschicht
V. Capitul.
Die Edelfrau eröffnet vor ihrem Tod eine wunderliche Geschicht.

Kein größers Glück auf Erd' man find,

Als wenn die Brüder einig sind.


Der Weg war ziemlich von dem anhaltenden Nordwind verwehet, dannenhero hatte mein Knecht genug zu tun, mich aus den Wirbeln herauszubringen, bis wir endlich das Schloß zu Gesicht kriegten, da ich einsmals bei dem Torwärter um ein Viaticum gebettelt. Dazumal hat mich der rotbartete [297] Mauskopf mit groben Worten abgewiesen, aber anitzo stund er mit seiner Mütze unter dem Arm vor dem Tor, einen tiefen Pückling machend, und dieses war die ganze Soldatesca, so mich vor dem Schlosse empfangen. Ludwig war eine kurze halbe Stund samt seiner Frauen zuvor kommen, und sie war nicht ein wenig böse, daß ich nicht meine Frau auch mitgenommen, aber ich entschuldigte mich aus der Ursachen, weil sie zu Hause müßte Trummel schlagen lernen, indem ich ihr eine ziemlich große angehangen und ihr wohl zwölf Lectiones aufgegeben, die sie mir in meiner Zurückkunft alle perfect aufspielen müßte.

»Er ist ein lustiger Mensch,« sagte die Frau Ludwigin zu mir, »sieht Er nicht, wie die Frau Zusia auch eine hat?« – »Nein,« antwortete ich, »dieses ist keine Trummel, sondern gar eine Heerpauken, hätte also eins das andere in dem Studieren irregemacht.« Sie lachten alle von Herzen, und die Frau Zusia hielt vor Scham das Schurztuch vors Gesicht, dardurch man ihren großen Leib noch mehr sehen können; darüber wir noch abscheulicher gelachet, bis sie sich gar in eine Kammer verstecket.

Die alte Edelfrau lag vor großer Schwachheit zu Bette, und als bald der Doctor mit einem Notario angekommen, schritten wir zum Werk, und weil keine große Difficultäten vorbeiliefen, ward die Sach in einer Stund gerichtet und geschlichtet. Dem Doctor verehrte Isidoro hundert Reichstaler samt einem silbernen Pokal, dem Notario funfzig Gulden samt einer Schlaguhr, und dem Copisten bezahlte er alle seine Schulden, die er in den Bierkellern stehen hatte.

Es wurde aber mit der Alten je länger je schlimmer, also daß sie endlich an ihrem Leben zu zweifeln anfingen. Isidoro, so lustig er sonsten war, entfärbte sich doch in dem Gesicht ein merkliches. Zusia weinte ingleichem vor dem Bette, und wurde dem Schloßpriester gerufen, daß er bei dieser Hinsterbenden sein Bestes tun sollte.

Als sie sich aber wiederum ein wenig aus der Ohnmacht hebte, hieß sie alle hinweggehen und nur mich und ihren Sohn Isidoro alleine bei sich bleiben, weil sie uns jederzeit vor ihre beste Freunde geschätzet. »Lieber Herr,« sagte sie [298] zu mir, »wie auch herzlieber Sohn! Ich befinde es in allen meinen Gliedern, daß ich dem Sterben am allernähesten sei. Weil ich nun absonderlich von einer Sach gedrücket werde, die ich eine ziemliche Zeit verborgen gehalten, so muß ich mich doch anitzo in meinem Sterbstündlein davon entbürden, wenn anders noch so viel Zeit übrig ist, solches nach der Ordnung herauszureden.

Es sind nun wohl zweiunddreißig Jahr verflossen, als ich mit deinem seligen Vater und meinem lieben Manne zu Felde ging. Dazumal betrat er die Charge eines Obrist-Lieutenants und hielt sich so wohl, daß er, so der Krieg nur noch ein Jahr continuiert hätte, gar wäre Obrister geworden. Aber nachdem unsere Partei vor Wittstock das letzte Mal geschlagen worden, wurde bald Fried, und ich ward dazumal in der Flucht Kindesmutter unter dem freien Himmel. Der Feind hauete hinter uns drein, deswegen mußte sich mein Mann jämmerlich mit mir schleppen, weil er durchaus nicht von mir scheiden wollte.

Wir kamen endlich in ein Bauerndorf, und daselbsten ließen wir das Knäblein taufen und Ergasto nennen. Aber als wir vor das Dorf kamen, war der Feind unsern Leuten bei Felßlingen wieder auf dem Rücken. Dahero mußten wir galoppieren, was wir konnten, und das Kind wäre ohne Zweifel ersticket, so wir es nicht unterweges einem Schulmeister gelassen mit Bitt, diesen Ergasto so lang bei sich zu behalten, bis es sicherer und wir ihn wieder abfordern könnten. Er nahm das Kind mit beigelegten funfzig Ducaten zu sich. Aber nachdem wir wieder zurückgelanget, war er schon von Haus und Hof verjaget. Dahero wußte ich meines Jammers kein Ende mehr.

Wir fragten ihm allenthalben nach, aber kein Mensch konnte uns wegen des Schulmeisters Nachricht erteilen, und also ist es mit dem Ergasto bis auf diese Stunde geblieben. Deswegen bitte ich euch, ihr meine beste Freunde, der Sache nachzufragen, wo ihr könnt und möget. Denn ich weiß nicht, ist das Kind noch im Leben oder ist es tot. Sollte es aber noch im Leben sein, so verfahre mit ihm wie mit deinem rechtmäßigen Bruder und vertraget euch miteinander, [299] wie sichs gebühret und ein solcher Freund dem andern zu tun schuldig ist.«

Nach diesen Reden seufzete sie vielmals, und wir wurden unter dem Gesicht feuerrot. Weil sich auch unser Lebtag das Geschick so gar artig unter uns eröffnet, wurfen wir stracks eine Mutmaßung auf den Jäger, welcher Ergasto hieß. »Saprament,« sagte ich dem Isidoro ins Ohr, »hui, daß der Jäger dein Bruder wäre!« Isidoro antwortete: »Es kann sein.« Hierauf fragte er seine Frau Mutter, ob denn Ergasto kein Zeichen am Leibe gehabt, dadurch man ihn erkennen möchte. Sie aber wußte nichts und seufzete noch mehr als zuvor, auf welches sie von allen denjenigen, so gegenwärtig versammlet waren, Urlaub zu nehmen verlangte. Es ging einer nach dem andern zu der Sterbenden, und als der Jäger seine Hand hinreckte, fing ihm und der Alten zugleich die Nase an zu bluten. Wir erstaunten über solches nicht ein wenig, und dahero wurde bald offenbar, was uns die alte Edelfrau zuvor ingeheim vertrauet hatte.

Wir erzählten die Geschicht öffentlich, und nachdem wir sie vollendet, seufzete der Priester, welcher noch nicht ein halb Vierteljahr auf unserm Schlosse in Diensten war. »Geliebte Herren,« sagte der Geistliche, »anitzo ist es Zeit, Ihnen die Sach etwas klärer zu erzählen. Vor drei Jahren,« sprach er weiter, »als ich noch außer Landes auf einem Dorf dienete, starb ein Schulmeister, und allem Ansehen nach ist es ebenderjenige gewesen, von welchem anitzo erzählet worden, daß er das Kind Ergasto empfangen.

Er eröffnete mir solches in höchstem Vertrauen und sagte, das Kind wäre ihm von einem unbekannten Kriegs-Obristen samt funfzig Ducaten zugestellet worden, mit der Nachricht, daß solches innerhalb wenig Tagen von ihm sollte abgeholet werden. Aber der Feind wäre ihm so bald auf den Hals kommen, daß er kaum noch Zeit gehabt, des Kindes Namen auf ein Zettulein zu schreiben und solches in die Windel zu stecken, wäre auch damit dergestalten davongelaufen, daß er noch in der Nacht bei der Stadt M. angelanget, allwo er das Kind vor eines Gärtners Tür niedergeleget und seinen Weg weiter gesucht hätte. Diese Wort erzählte [300] mir der Schulmeister mit großer Reu und fragte mich, ob ichs ihm vergeben könnte, denn es wäre sein Will' nicht gewesen, das Kind so liederlich zu verlassen, sondern die höchste Not wäre hierinnen Ursach gewesen, welche ihm solches wider seinen Willen abgejagt hätte.«

Die plötzliche Alteration, welche die gesamte Gesellschaft wegen dieser Erzählung eingenommen, kann sich der geneigte Leser leichtlich zu Gemüt führen. Dem Jäger Ergasto war diese Botschaft viel lieber und angenehmer, als wenn ihm zwölf Füchse und acht Wölfe zugleich in die Grube gefallen. Damit man derowegen desto gewisser hinter die Sach gelangen möchte, verschaffte er den Zettul, welchen er stets bei sich zu tragen pflegte. Wir konnten aus demselben nicht anders urteilen, als daß Ergasto der natürliche und leibliche Sohn und also ein Bruder des Isidori sei, weswegen denn die Alte die lieben Tränen auf ihrem Totbette vergossen, daß sie vor ihrem Ende den wohlgewachsenen Ergasto noch einmal zu sehen bekommen. Darauf wurde das Testament geändert, und obschon Isidoro dardurch zu kurz kam, ist es doch nicht möglich auszusprechen, wie eine große Freude er über diese unverhoffte Veränderung empfunden. Er küßte den Ergasto und dieser ihn wieder, und in solchen Freuden verschied zugleich ihre alte Mutter, welche drei Tag darnach sehr herrlich zur Erden bestattet worden.

Also kam der Jäger aus dem Traum und wurde aus ihm ein Edelmann und aus dem Huren- ein rechtmäßiger Sohn eines Kriegs-Officiers. Wir blieben auf solche Verwandlung wohl in die drei Wochen beisammen und machten unter uns eine neue Gesellschaft, welche wir den Orden der Vertrauten nannten, und der Doctor richtete uns zwischen dieser Zeit folgende Reguln auf, nach welchen ein jeder Ordensgenosse leben sollte:

Erstlich soll keiner in den Orden aufgenommen werden, welcher unter fünfundzwanzig Jahren sei.

Vors ander soll er schuldig sein, seinen ganzen geführten Lebenslauf mit solchen Umständen zu entwerfen, davon der Leser nicht geärgert noch durch die Hechel gezogen, sondern in allem gebessert werde.

[301] Drittens, so einer stürbe, soll ihm von der Gesellschaft ein Grabmal gestiftet werden.

Viertens, so einer eine merkliche Mißhandlung beginge, solle von der gesamten Gesellschaft gesprochen und derselbe nach Gestalt der Sachen entweder auf eine Zeitlang suspendiert oder um gewisses Geld gestraft werden.

Die Gesellschaft soll vors fünfte jederzeit zwei Principalen erwählen, einer, der die Cassa, und der andere, der das Regiment führet.

Sechstens solle jedem freistehen, sich aus der Gesellschaft loszusagen, doch mit einem vorhergehenden Schmaus und dergleichen.

Siebentens solle jeder Gesellschafter schuldig sein, alle Jahr zwei Comödien auf seine eigene Unkosten agieren und auf dem Theatro vorstellen zu lassen, dabei alle darzugehörige Glieder eingeladen sein sollen und werden müßten. Die Mahlzeit bei solchen Actionen wäre per se.

Mit dieser Ordnung war man gar content, und unterschrieb sich erstlich Ludwig von Retz, Isidoro von Zittwig, Ergasto von Zittwig und ich, Zendorio a Zendoriis. Denn diesen Titul hatte ich mir selbst gegeben, wegen dessen, weil ich mich vor eines Küsterers Sohn ausgegeben, wie der geneigte Leser in dem ersten Capitel des Ersten Buchs mit mehrern Umständen wird verstanden haben. Diese Ordnung wurde hernach von meinem Vater Philiman, Fausto und Carander samt vielen andern unterschrieben.

Wir satzten uns hierauf zu Tische, und Ludwig fragte mich, was wir vor einen Discurs gehabt, als wir das letzte Mal von ihm geschieden. Da erzählte ich ihm die ganze Reise, wie wunderlich wir hinter den Grund wegen des Fausti seiner Hochzeit gekommen, und daß er keine Bauertochter, wie man insgemein ausgegeben, sondern die einzige Tochter des Caranders, nämlich die Celindam, geheiratet, davon ich ihnen zuvor etwas in den Briefen vermeldet. In specie aber erzählte ich ihnen wegen des gehangenen Diebes und daß mein Vater Philiman der Meinung sei, daß es wider das Heilige Gesetz wäre, so man einen wegen des Diebstahls hängen ließe. »Er tut hierinnen nicht unrecht,« antwortete [302] Monsieur Ludwig, »denn ich sehe selbst in diesem Sentenz, daß das Heilige Gebot dadurch beleidigt werde, welches will, daß ein Dieb dasjenige, was er gestohlen, doppelt geben sollte. Dahero ist es unrecht, daß man von dem Gesetz hinweggehet und suchet Menschen-Statuta. Aber weil hier ein solcher gegenwärtig sitzet, der uns am besten von der Sache helfen kann, so soll er uns den Knopf auflösen. Darum ersuchen wir den Herrn Doctor, was hiervon seine Meinung sei. Er muß aber nicht behaupten, was Er von den andern behaupten gehöret, sondern seinen Sentenz so vorstellen, daraus wir sehen können, daß Er unparteiisch handele und selbst seinen eigenen Kopf habe, non enim autoritate sed veritate pugnandum est.«

6. Capitul. Der Schreiber bekommt weidliche Pumpernisse
VI. Capitul.
Der Schreiber bekommt weidliche Pumpernisse, retiriert sich woandershin.

Wer sich mit Federvieh vermischt,

Wird von den Gänsen ausgezischt.


»Ihr Herren,« antwortete der Doctor, »Ihr wollt von mir haben, daß ich nicht behaupte, was ich behaupten gehört, und solchergestalt werde ich auch nicht sagen dörfen: quod ego sim animal.« – »Gar recht,« antwortete Ludwig, »ebendiese Definition halt ich vor caduc, denn ich bin kein animal, sondern creatura ad imaginem Dei creata. Diese Definition ist besser und um zwölfmal exquisiter als die alte, die so viel tausend Logici ohne besserer Untersuchung gleich hinpassieren lassen. Aber davon zu abstrahieren, ist es recht, daß man den Dieb wider den Willen der Schrift hänge oder nicht?« – »Domine,« sagte der Doctor, »wo ist es in der Schrift verboten, daß ich den Dieb nicht solle hängen lassen? Alsdann will ich antworten.« – »Ha, mein Herr Doctor,« antwortete Monsieur Ludwig, »in diesem Fall muß ich Euch ein wenig in die Schul führen. Ihr müßt wissen, daß in dem Gebot stecke das Verbot und in dem Verbot stecke das Gebot. Exempli gratia: wenn dasteht: Du sollst Vater und Mutter ehren, so ist es soviel als: Du sollst deinen Vater und [303] deine Mutter nicht verunehren; steckt also in dem Gebot das Verbot virtualiter und eminenter, welches kein vernünftiger Mensch umstoßen wird.

Entgegen wenn es heißet: Du sollst nicht töten, so ist es soviel als: Du sollst leben lassen. Steckt also in dem Verbot das Gebot. Nun beziehe der Herr Doctor diese beide Exempel gegen das Gebot in dem Gesetz, vermittelst welchem der Dieb sollte gezüchtiget werden, so wird Er sehen, daß in dem Gebot das Verbot stecke, das ist: er soll auf keine andere als auf die vorgeschriebene Weise gestraft werden. Vors andre verzeihe mir der Herr Doctor, ist Er katholisch, oder ist Er lutherisch?« – »Monsieur,« sagte der Doctor, »ich bin lutherisch.« – »Nun,« antwortete Ludwig, »so haben die Katholischen Fug und Recht, die andere Gestalt des Abendmahls aufzuheben, denn es stehet nach des Herrn Doctors Urteil nirgend in der Schrift, daß man den Kelch nicht wegtun solle, und ich sehe nicht, wie Er ausfliehen kann, es sei denn, daß Er gestehe, das Verbot stecke in dem Gebot.«

»Es ist wahr,« sagte der Doctor, »ich habe mich in etwas verhauen. Monsieur Ludwig sagte gar recht, meinetwegen mag man einen henken oder den Staupbesen geben lassen, ich habe wegen dieser Materia öfters gedisputiert, aber weil es schon der Gebrauch war, daß man die Diebe an den Galgen knüpfe, so konnte weder ich noch ein anderer viel damit ausrichten. Wer ein guter Politicus ist, der weichet nicht von dem Sentenz der Mehristen. Tut ers, so verketzert man ihn mit tausend Flüchen, und mancher griffe gern besser um sich, wenn er nicht fürchten müßte, dardurch seine zukünftige Fortun zu demolieren und über den Haufen zu werfen.« – »Ihr habt Euch nun gar wohl verantwortet«, sprach Ludwig.

Zwischen diesem Discurs stieß ich den Ergasto in die Seite und sagte ihm, daß ebendieses der Ludwig wäre, welchem er die Raben so sauber angekleidet und solche hernachmals in die Luft ausfliegen lassen. Darob schlug er die Hände über dem Kopf zusammen, und als der Doctor seinen henkermäßigen Discurs absolfünfet, redete Ergasto Ludwigen mit [304] folgenden Worten an: »Monsieur Ludwig, wollen wir bald wieder fliegende Raben machen und den Leuten Ursach geben, solche vor brennende Drachen anzusehen?« Ludwig erstaunte ganz über dieser Rede, wendete sich vom Doctor hinweg und machte ein großes Kreuz vor sich. »Hunderttausend Straplicordi,« sagte er, »und ist Er derjenige Jäger? Das hätte ich mir die Zeit meines Lebens nicht mehr eingebildet. Potztausend gute Jahr, und ist Er derselbige Jäger?« – »Ja,« antwortete Ergasto, »ich bin derselbige Jäger, der dazumal seine Schwester geliebet, und wüßte ich, wo sie wäre, sie sollte mir anitzo lieber sein als zuvor.« – »Ach, Ihr guter Mensch,« antwortete Ludwig, »sie ist schon lange vor die Hunde gegangen.«

Und weil Ergasto die Geschicht gern anhören möchte, erzählte Ludwig folgendes auf der Post herunter:

»Das arme Ding bekam einen Mann, der hatte keinen, nämlich keinen adligen Sitz.« – »Pfui, garstig,« sagte Zusia, »ich sehe wohl, Monsieur Ludwig ist diesen Winter um kein Haar anders geworden, als Er vergangene Hochzeit auf seinem Schloß gewesen.« – »Narrenpossen,« sagte Ludwig weiter, »ist doch der Caplan nicht da, und zudem versteht ihrs nicht recht, man legt euchs denn zuvor recht aus. Derohalben so hat meine Schwester einen Mann bekommen, der hatte keinen, nämlich keinen adeligen Sitz. Es war wahrhaftig ein recht elender Kerl und soff stetigs in seiner Dorfschenke mit den Bauren, in Meinung, durch seine Familiarität dieselbe an sich zu bringen. Aber unter dieser Meinung verschwand sein ganzer Respect, und die Bauren dreheten ihm zuletzt den Hut auf dem Kopf herum. Absonderlich, wenn er sich vom Tobak und Brandwein vollgesoffen, da wurden die Bauren so gemein mit ihm, daß sie ihm auch sogar Brüderschaft zutrunken. Da saß nun der Bruder Edelmann unter den Bauerflegeln, und meine Schwester weinte zu Haus Rotz und Wasser untereinander.

Es verdrießt mich von Herzen, daß ich meinem Schwager kein bessers Lob geben kann, und wenn ichs gleich täte, so wäre es doch erlogen, desto besser ist es, ich sage die Wahrheit, wie es an sich selbst ist. Er war ein Spieler, daß es zu [305] erbarmen war, denn er dorfte nur einen Groschen verspielen, da fing er an zu fluchen und schelten, daß sich der Himmel ober ihm und die Erde unter ihm hätte auftun mögen. Endlich weinte er gar wie ein Kind, dem der Truthahn das Butterbrot genommen, und er hatte das Herz, sich wegen eines Zweipfennigers eine ganze Stund zu zanken und zu keifen.

Er hat all sein Lebtag keinen Pfenning Trankgeld ausgegeben, aber vor Lumpensachen, die nicht einen Heller wert waren, verschwendete er abscheulich viel Geld. Meine Schwester hat uns oft in geheim vertrauet, daß, wenn sie einem Kind einen Apfel oder sonst was gegeben, habe ers ihnen heimlich aus den Händen gerissen und gefressen. In der Dorfschenke hat er dergestalt gesoffen, daß, wenn der Wirt den Pachtzins verrechnet, hat ihm der ehrbare Schwager noch Geld darzu hinausgeben müssen. Mit einem Wort: er hielt gar zu grob Haus, und unerachtet ihn der selige Vater die Woche wohl zehenmal ausgefilzet, half es doch alles nichts. Dahero ging sein Gütlein bald zugrunde, und die Schwester starb auf unserm Schloß, nachdem sie fast anderthalb Jahr nicht mehr bei ihm gewohnet. Die zwei Kinder sind her nach auch bald gestorben, und er hat sich unterhalten lassen, weiß also nicht, wo er etwan einen Stadtgraben gefüllet hat.« Ergasto war über dieser Erzählung nicht ein wenig betrübt, weil ihm hierdurch ein erwünschtes Mittel abgeschnitten worden, sich in Ludwigs Gesippschaft zu begeben. Aber wir machten ihm bald eine andere Speranz, weil dergleichen Vögel die ganze Welt voll war und Monsieur Ludwig noch viel adelige Freunde hatte, die generis feminini studieret hatten.

Unter diesem Gespräche entstund in dem Schloßhofe ein großes Geschrei, und als wir die Fenster eröffneten, waren es zwei Dienstmägde, die miteinander zankten und haderten, daß es taugte. »Es ist erlogen,« sagte die erste, »du hast es getan, du hast es getan.« – »Was?« sagte die andere, »du Plundervieh, du Hexenvieh, du Couranie, du hast es getan!« – »Du lügst es in deinen Hals hinein,« replicierte die erste hinwider, »du Schandbalg, du Rabenstück, du ausgedörrte[306] Commißhure, du hast es getan!« Darauf schrie die andere entgegen: »O du aller Hurenkinder Großmutter, du Generalhure, du Feldhure, du Soldatenhure, du hast es getan!« Die erste rufte mit unter: »Du Studentenhure, du Erzhure, du Galgenhure, du Handwerkskerlnhure, du Bauernhure, du aller Huren Hur, du Diebin, du Vettel, du Teufelshure, du hast es getan, du hast es getan, du hast es getan und kein andrer Mensch!«

»O du Sternhure,« schrie die andere ganz zornig, »ich schlage dir die Schlüssel um den Kopf, du Totengräbershure, du Henkershure! Stundest du denn nicht dabei, du Aas, du Frosch, du Ding auf der Erd?« – »Däßti der Teufel hol!« antwortete die erste, »komm her, hast du das Herz, du Gauklershure, du Bubenhure, du der ganzen Welt Hure!« Hiermit schlugen sie die Schlüssel, welche sie an den Seiten trugen, hurtig um die Köpfe und griffen endlich gar in die Haare, daß ihnen die Haube samt dem Zopf von dem Kopfe fiel. Isidoro befahl seinem Schreiber, nachdem sie sich eine Weile würden miteinander herumgezauset haben, sollte er mit seinem spanischen Rohr Fried machen und sie voneinander reißen.

Solchergestalt überwurfen sich die beide Mägde, daß ihnen der Rock samt dem Hemd über dem Kopf zusammenschlug und sie uns gar oft den bloßen Hintern anzusehen gaben. Als sie aber letztens um die Messer griffen, schlug der Schreiber wacker auf sie los, und: »Ihr verfluchte Corporalshuren,« sagte er, »wer heißt euch hier einen solchen Tumult anfangen?« Aber die Mägde sprangen voll Zorn und Widerwillen über den Schreiber her, rissen ihm erst den Überschlag von dem Hals hinweg, hernachmals kriegten sie ihm das Rohr aus der Hand, und ist nicht zu beschreiben, wie artig sie ihn unter sich gekriegt. Und dergestalten zog eins das andere in dem Schnee herum wie drei in den Pflug gespannte Ochsen.

Es schien fast, als sollte der Schreiber die meiste Schläge davontragen, derowegen kamen zwei andere Diener zu Hülfe, und als der Schreiber wieder emporgekommen, prügelte er erst nach Vermögen und Kräften zu, und ich glaube, er hätte es zuvor getan, so ihn nur nicht die zwei Mägde so [307] grausam bei der Cartausam gehalten hätten. Derohalben brachte er anitzo ein, was er zuvor versäumen müssen, und er gab ihnen viel mehr Streiche, als sie ihm Haar aus dem Kopf gerissen.

»Ihr nichtswürdige Hagelshuren,« sagte er im Zorn, »nun will ich euch lehren, wie man soll mit meinesgleichen umgehen. Wer heißet euch mich so in die Klauen nehmen? Der Teufel soll euch über das Schloß da wegholen. Ich will euch zerklopfen, daß es gut heißet. Haben mich die Äser nicht zerrauft und zerkratzet? Heißet das die Reputation in acht genommen, einen Schreiber so erschrecklich zuzurichten? Wartet, ihr eingefleischte zwei Teufel, ich will euch zurichten, wie der Henker und seine Jungen!« Und unter währenden solchen Worten schmiß er immer nach allen Leibeskräften auf die Mägde los, welche endlich wie die Katzen zu schreien anfingen, denn das spanische Rohr war schon in kleine Stücken und fast bis zu dem Handknopf hinunter zerschmissen. Und als er aus der Ursach nicht mehr zuschlagen konnte, stieß er ihnen das übrige Trumm noch ins Genicke und mattete sich dergestalten ab, daß er schwitzte wie ein Bär, der allgemach eine halbe Stunde in der Hatze gewesen.

Wir mußten uns in der Wahrheit viel mehr über den Schreiber als über die zwei Mägde zerlachen, welche ihn gleich den Katzen am ganzen Gesicht abscheulich beschändelt und die Nase so zerdroschen, daß sie gleich einer großen Pfundbirn aufgelaufen. Und was noch das Ärgste war, so merkte es der Schreiber nicht, daß ihn Isidoro mit Fleiß in die Gefahr geschicket, weil er wohl gewußt, daß es ihm nicht anders gehen würde, als es etlichen gegangen, die sich unterstanden haben, ehedessen diese zwei Mägde, welche das Raufen schon gewohnet, zu entscheiden.

Als nun der Scharmützel in etwas gestillet und jede Magd wieder an ihrem Ort war, rufte man sie herauf, und als sie erschienen, mußte eine auf die rechte, die andere aber auf die linke Seite des Zimmers stehen, und Isidoro examinierte sie, aus was Ursachen sich zwischen ihnen ein solcher unverhoffter Streit erhoben. »Gestrenger Herr,« sagte die erste, [308] »die Beschließerin kam heute früh in die Küche. Da sah sie auf der Erde ein zerbrochen Ei liegen, das hat dieselbige dort« – wies hierauf mit allen fünfen auf die Gegenüberstehende – »getan, ich habs gesehen.« – »Nein, Herr,« sagte die Beklagte, »es ist mein Seel nicht so, sie hats getan.« – »Herr, glaubt mir, sicherlich,« sagte die erste, »sie hats getan.« – »Wenn es wahr ist,« sagte die andere, »so will ich verschwinden, sie hats getan.« – »Ihr Teufelshexen,« antwortete Isidoro, »wer lehret euch so fluchen? Sollt ihr wegen eines Eies einen solchen Tumult erregen und übereinander in die Haare fallen? Ihr Küchenratzen! Samt der Beschließerin ist eine so gut als die andere. Schert euch aus dem Schlosse, oder ich will euch den Weg weisen, daß euch der Henker über den Hals kommen soll. Um eines kahlen Eies willen so zu hadern und zu fluchen! ...« – der Schreiber sprang unter solcher Rede immer vor Freuden in die Höhe – »packt euch aus meinen Augen, und seh ich euch über eine Viertelstund, so wirds andre Birn regnen! Zusia,« sagte er zu seiner Frau, »gebt ihnen ihren Sold und lasset die Äser hinlaufen, wo sie wollen.«

7. Capitul. Des Pfarrers Discurs vom Fluchen
VII. Capitul.
Des Pfarrers Discurs vom Fluchen. Artige Disposition über die Grabschrift der verstorbenen Edelfrauen.

Wo Fluch und Schwören wohnt im Haus,

Da gehet Glück und Segen aus.


Dieses war die ganze Valetrede und oratio valedictoria, mit welcher die ehrbaren Madamen vor dieses Mal abgefertigt wurden. Und wir mußten uns verwundern, daß sie wegen eines einzigen Eies ein solch grausames Spectacul anheben mögen. Aber dieses ist der Weiber gemeine Art und angeborne Gewohnheit, daß sie wegen eines Lausebalgs eine halbe Stunde nacheinander zanken und sich nicht schämen, wegen einer Sache, die nicht zwei Wort wert ist, einen ganzen Leviten herunterzulesen, darüber sie selbsten lachen müssen, wenn man ihnens bei dem Licht zu sehen gibt. [309] Auch sind die Beschließerinnen so geschäftig und hofmeisterisch, daß sie glauben dörfen, keine Magd könne ohne ihr Hofmeistern klug noch fleißig sein.

»Ihr Herren,« sagte die Zusia zu uns, »meine Beschließerin hat wegen des Eies ein solch Duell unter den Leuten angefangen. Aber wie sie neulich den Honigtopf zerbrochen und kurz darauf ein großes Glas voll Rosen wasser über die Stelle hinuntergeworfen hatte, da schwieg sie fleißig still und schob es der armen Katze zu, da ich sie doch beidesmal auf der frischen Tat erwischet.« – »Ja,« sagte die Magd, welche sich vor der Tür verstecket und zugehöret hatte, »davon kann die Beschließerin schrecklich viel machen, daß wir das Ei über die Tafel abgeworfen, aber daß der Schreiber neulich die halbe Nacht in ihrer Kammer gesessen, das lässet sie wohl unberühret, ei ja, dieses schmecket ihr auch viel besser!«

Mit diesen Worten lief sie die Treppe hinunter, und unter uns entstund ein großes Gelächter über den Schreiber, welcher in dem Gesicht so rot als der volle Mond aussah. »Die Teufelshure«, sagte er, »schimpft mich noch darzu. Wart,« rufte er ihr nach, »ich will dich carniffeln, du Hure, daß du gecarniffelt sein sollest.« – »Ach, ja,« schrie die Magd von der Treppe zurück, »carniffelt davor die Beschließerin, die hat es besser gewohnt als ich!« Der Schreiber wollte hierauf hinunterlaufen und sie gar zum Schlosse hinausjagen. Aber Isidoro hieß ihn zurückbleiben, weil kein bessers Mittel vor verschwätzte Dienstboten zu finden wäre, als die Tür vor dem Hintern zugeschlagen und sie ihre Wege gehen zu lassen.

Damit aber beiden Parteien die Gelegenheit, ferner in die Haare zu geraten, benommen würde, schickte Isidoro den Schreiber in die Canzeley, daselbst eine Grabschrift aufzusetzen, welche er auf seiner Frau Mutter Grabstein einhauen zu lassen willens war. Auf solches redeten wir Unterschiedliches miteinander, absonderlich aber, wie ein elendes Tun es um einen Hauswirt sei, wenn er in seinem Hause das Fluchen und Schelten geduldete, und weil zu solchem Gespräche gleich der Caplan ankam, fragte ihn Ergasto folgendermaßen: [310] »Mein Herr,« sagte er, »was ist seine Meinung von folgender Erzählung? In dem Schlosse der Veronia hielt sich vor diesem ein Bierbrauer auf, welcher nebenst seinem absonderlichen Fleiß ein überaus frommer Mensch war. Er heiratete endlich, und die Gräfin schenkte ihm die Braustatt außer des Schlosses auf Kindeskinder zu einem ewigen Erbe. Nun sitzt er in derselben und nährt sich von dem Trank, welches er vor allerlei Leute brauet, die alldort einzukehren pflegen. Jetzt ist die Frage: kann der Brauer mit gutem Gewissen in seinem Hause gestatten, daß die Bauren oder das andere Hofgesind aus dem Schlosse bei dem Trunk schelten, fluchen, schwören und andere Narrenpossen vorhaben, die sich nicht geziemen? Oder ist er verbunden, seine Nahrung fahrenzulassen und die Flucher abzuschaffen? Was ist des Herrn seine Meinung?«

»Diese Frage«, antwortete der Geistliche, »will ich mit wenigem beantworten, denn ich bin kein großer Prahlhans, der weitschichtige und nichtswürdige Umschweif suchet. Erstlich soll der Brauer das Fluchen der Bauren oder wer sie seien bloßerdings nicht gestatten, sondern sagen: ›Ihr Herren Bauren, fluchet nicht, oder gehet hinaus!‹ Und solchergestalten halte ich davor, daß es besser sei, Hunger leiden im Frieden, als ein stattliches Stück Brot gewinnen im Fluchen. Denn weil der Bierbrauer Herr in seinem Hause ist, so kann er auch vermög derselben Gerechtigkeit strafen, wer in seinem Hause sündiget – versteh: nicht hauptsächlich. Als exempelsweise: es stößet ein Schuhknecht einen Müllner über den Haufen, so darf der Brauer beileib dem Schuhknecht den Kopf nicht abhauen, rede also nur von der Straf, sofern sie gelind und mit Manier kann angebracht werden.

So ist es vors andere ganz nicht zugelassen, daß ein solcher könne einen Superintendenten agieren und den Flucher dörfte in Bann tun, wie es gar viel dergleichen Grillenhansen gibt, die, wenn sie das geringste Wörtlein hören, das wider ihre eingebildete Frommkeit laufet, so seufzen sie, sehen mit verkehrten Augen gen Himmel, schlagen das Kreuz vor sich und gebärden sich so ungeduldig, daß es mich oftmals selbst[311] verdrossen, daß sich die Heuchler so gar närrisch anstellen können. Ja, auch ein Geistlicher meinesgleichen hat nicht allerdings Macht, in einem Wirtshause aufzutreten und einen Sermon zu tun, denn es ist der Ort nicht darnach; und machte man also inter aram & haram keinen großen Unterscheid. Sagst du, man hat aber an solchen Orten die beste Gelegenheit, so sag ich, es ist wahr. Aber eine volle Sau ist in einer solchen Beschaffenheit auf eine andere Weise zu strafen, und finden sich tausend Arten, derer man sich in solchen Begebenheiten gebrauchen kann.

Wenn ich Brauer wäre,« sagte der Pfarrer weiter, »so wollte ich den Locum aufschlagen, welcher ausdrücklich sagt, daß wir allerdings nicht fluchen sollen, weder bei dem Himmel noch der Erde und so fort. Hörte ich nun einen fluchen, so wollte ich ihms vorlegen und bitten, daß er solches geschwinde lesen wollte. Könnte er nicht lesen, so soll es der tun, der ihm am nächsten säße, oder ich wollte es selbst lesen. Ließe ers nach solchem nicht, so wollte ich mit ihm zum Hause hinausfahren wie mit einem räudigen Schafe aus dem Stall. Gewinn hin, Gewinn her. Ein einziger Fluch, welchen man fahrlässig zulässet, verursacht oft, daß man in einer Stunde verliert, was man in zehen Jahren mit großem Fleiß erworben. Das ist meine Meinung.«

Diese Antwort gefiel uns insgesamt nicht uneben, und obschon andere ihre Meinung anders geben wollen, gestunden wir doch keinem keine Rede und sagten, es wäre genug, daß wir bei dem Ausspruch des Priesters bleiben wollten. Ein anderer möchte Gründe aufbringen und einwerfen, was er auch immer könnte und wüßte. Darob ihr viel recht zornig waren, daß man nicht glauben wollen, daß sie auch studieret hätten, absonderlich der Doctor, der meinte gar, er wäre nicht schuldig, der Rede des Geistlichen Beifall zu geben. Aber wir lachten ihn nur aus und waren entschlossen, sobald er zu grübeln anfangen würde, wollten wir ihn zum Zimmer ausweisen und ihn seine gelehrte Wege gehen lassen. Denn dieses halte ich auch bis gegenwärtige Stunde vor das beste Mittel, daß man keinen vor studiert halte, welcher meinet, er sei studiert, und daß man auch mit einem [312] solchen Alfanser nicht viel Disputierens mache, der eine klare Sach umzudrehen gedenket, sondern, ob sie auch gleich Recht hätten, soll man ihnen doch nicht Recht lassen, und damit gute Nacht.

Isicloro hatte sich insonderheit über dasjenige ergötzet, was der Geistliche zuvor wegen des Brauers auf die Bahn gebracht, und er wünschte selbst, daß es allenthalben so beschaffen wäre. Allein so gestattete man nicht nur allein solches an öffentlichen Örtern allzusehr, sondern es werden auch wissentlich von vielen Hauswirten solche Sachen zugelassen, die sie hernach auf dem Totbette allermeistens um das Herz drücken werden.

Nach solchem stund man von der Tafel auf, weil der Geistliche etliche Bücher gebracht, die Isidoro zuvor bei ihm bestellet hatte. Er nahm nach Überlieferung derselben wieder Abschied, und wir begaben uns in die Canzeley, zu sehen, was der Schreiber vor gute Geister würde gehabt haben, vermittelst welcher er die Grabschrift entworfen. Und weil man ihn in der Arbeit nicht verstören wollen, gingen wir ganz sachte. Der Schreiber mußte mit jämmerlich großen Grillen besessen sein, denn man hörte ihn wohl zwanzig Schritt von der Canzeley schreien und mit sich selbst disputieren.

Ich und Isidoro waren etwas curiös. Derohalben eileten wir am ersten hinzu, aber anstatt wir glaubten, er discurrierte mit sich, so fluchte er im Gegenteil, daß der Himmel erschwarzen mögen. »Du Donnervieh,« sagte er, »daß dich der Teufel hole! Willst du nicht gut tun? Willst du nicht parieren? Höre, du Rabenzeug! Soll ich dir das Maul um den Tisch stoßen? Du Teufelswesen, du nichtswürdiges Rabenaas, willst du aufs nächst besser daran? Du Sterngut, du, gelt, ich will dirs machen, du Hagelvieh!«

Wir konnten den leichtfertigen Worten nicht länger zuhören, zumalen auch die andere indessen angekommen und nicht gewußt, was den Schreiber so zu fluchen veranlaßte. Etliche meinten, es wäre ein Vers; andere aber waren der Meinung, er hätte gar einenspiritum bei sich, der ihm nicht parieren wollte. Solches verursachte, daß wir die Tür geschwinde [313] aufrissen, und da kamen wir alle in einem Augenblick aus dem Zweifel, weil wir ihn sahen eine Feder um den Tisch stoßen, welche gar nicht schreiben wollen.

»Ihr Erzcujon,« sagte Isidoro zu ihm, »wie wär' es, wenn ich Euch prügeln ließe, wie Ihr heute die Mägde zerprügelt habt? Sollt Ihr ein solcher Erznarr sein und ein Ding so ausschelten, das weder sehen noch hören kann? Ihr Herren,« sagte Isidoro weiter zu uns, »sehet mir doch den Lümmel recht an. Er stößet die Feder um den Tisch, welche weder Feuer noch Schwert empfinden kann. Straft also der Narr ein lebloses Ding, und mich verwundert, warum ers nicht gar aufhängt. Zwar, der große Eifer lässet ihm nicht so viel Zeit, seine Narrheit der ganzen Welt zu verstehen zu geben, sonst glaube ich, er legte sie gar auf das Rad. Er soll eine Grabschrift machen und flucht dabei ärger denn ein Heid. Das müssen schöne geistliche Gedanken sein! Ihr Sapraments-Bärnhäuter, schert Euch aus meinem Gesicht, oder ich will mein Rohr so gut auf Euch zerschmeißen, als Ihr das Eurige heute auf den Mägden zerschmissen habt.«

Der Schreiber hatte sich unter währender Bedrohung ziemlich geducket, und weil er keine andere Ausflucht wußte, nahm er sein Refugium in das nächstgelegene Secret, allwo er sich innenher verriegelt und vor dem Zorn des Isidori vorgesehen hat. »So klug«, sagte Isidoro, »sind die beide Mägde nicht gewesen, sonsten wären sie auch ins Kackhaus geloffen.« – »Lasset uns hinweggehen,« sagte Ludwig, »wer weiß, was der Schreiber auf dem Secret vor eine Feder schneidet; wenn er seine Poesie darinnen ausspeculiert, so wird es sehr stinkende Verse absetzen.«

Die gesamte Gesellschaft begunte hierüber zu lachen, und Isidoro nahm den Zettul mit sich, worauf der Schreiber bis daher sein Concept wegen der Grabschrift entworfen. Solches aber hieß, so viel man lesen konnte, wie folget:

Causa principalis, causa materialis, causa formalis, causa finalis, aus diesen vier Ursachen muß ichs herausbringen, daß die alte Edelfrau gestorben sei. Hernach muß ich setzen: locum in quo, locum a quo und locum ad quem. Nach diesem kommt dasprocedere senectutis in genere, darnach in specie. Auf solches [314] muß der Vers per logicam tractiert werden: quia homo est animal, ergo homo moritur, ist eins. Secundo und vors ander: quia homo est sapiens, ergo sapienter moritur. Tertio kann ich ein schöne Ration geben: quia homo est bipes, ergo etiam moritur bipes, es sei denn, daß ihm im Krieg ein Bein abgeschossen worden. Dahero entstehet gratiarum actio, daß es der lieben Edelfrauen nicht begegnet und also die Logik nicht beschändelt worden. Ich kann auch eine Quæstion movieren und fragen: an mors sit ens rationis physicum oder positivum in abstractione principii essendi. Item, ob Hans Sachs recht getan, daß er den Tod einen Streckenbein geheißen; ob es de jure oder de facto sei, daß der Totengräber zu Winterszeit die harte Erde mit warmem Wasser weich und gelind machet, daß er mit seinen Leuten desto besser graben könne. Darnach kommen die causæ subordinatæ, das sind diejenige, so die Leiche tragen; darnach causa media, das ist der Leidträger, denn er gehet zwischen zweien in der Mitten;causæ abstractæ sind die alten Weiber, weil sie ganz zur letzte und weit hinter dem Sarch hergehen.‹

8. Capitul. Die Grabschrift in forma
VIII. Capitul.
Die Grabschrift in forma. Monsieur Caspar macht mit der Kunigund Hochzeit, und wie es da zugegangen.

Man findet mehrer Stroh als Hirn,

Wenn Narren in der Schrift studiern.


Was der Schreiber mit diesem Concept vor eine Lust erweckt, ist leichtlich zu schließen. Dahero war Isidoro um so viel desto begieriger, die folgende Verse zu lesen, welche nach der vorhergehenden Meinung eingerichtet waren und hießen, wie hernach folget:


Die erste Ursach, lieber Christ,
Warum die Frau gestorben,
Ist gewesen ihr Lebens Frist.
Damit hat sie erworben
Den Tod, o Not!
Es ist ihr doch kein Spott.
[315]
Die andre Ursach ungefähr
Ist wahrlich nur gewesen,
Dieweil sie kam vom Fleische her,
Wie ihr allhier könnt lesen:
Sie starb, verdarb,
Verlor ihr alte Färb.
Die dritte Ursach, wie sie ist
Gestorben will ich sagen:
Sie starb am Bett, nicht auf dem Mist,
Zwölf Träger haben sie getragen
Hinab, ins Grab.
Isidoro besitzt ihr Hab.
Causa finalis, diese sei,
Auf daß sie nicht mehr aß,
Halt ich in meiner Phantasey,
Darauf ich mich verlaß.
Sie liebte mich, inniglich,
Ihr Schreiber war ich.
Den Ort, da sie die Welt vergaß,
War eine große Kammer.
Der Tod ihr dort das Milz abfraß,
Ohn sondern Schmerz und Jammer.
Drum so weiß, mit Fleiß,
Sie ist im Paradeis.
Sie ist geborn von Adel gut,
Wie mancher hat erfahren,
Ihr Vater trug ein eisern Hut,
Im Krieg von dreißig Jahren.
Sie liegt da, ach ja,
Ich sing nicht: Alleluja.
Wohin sie aber gezogen ist,
Das kannst du leichtlich wissen,
Wenn du ohndem bei Sinnen bist,
[316]
Sonst sein sie dir zerrissen:
In den Himmel, ohn Getümmel,
Glaubs, ich schenk dir einen Schimmel.
Willst wissen, wie alt sei ihr Geschlecht?
So alt als meine Hosen,
Die schon dreihundert Jahr gar recht
Gemacht worden in dem Wald. Schosen
Liebt sie und ihr Herr, nimmermehr.
Ich war bestellter Hofschreiber.
In specie aber war sie alt
Sechs mal funfzehn Jahre,
Sie war gar hübsch und wohlgestalt,
Hatt' anfangs gelbe Haare.
Darnach warn s' weiß, mit Preis,
Sie hatte keine Läus.
Ein Mensch ist sterblich allezeit,
Deswegen muß er sterben.
Der Spruch ist kundbar weit und breit,
Darob sich viel entfärben.
Tod ist kein Narr, fürwahr,
Er geht Fuß-bar.
Der Mensch ist ein verständig Tier,
Das kann man daher sehen:
Trinkt lieber Wein als braunes Bier,
Lobt Reuten vor dem Gehen,
Große Klugheit, jederzeit,
Stärker als Bären-Häut.
Es hat ein jeder duo pes,
Das heißt auf teutsch: zwei Füße,
Das ist fürwahr ein vera Res,
Obs dich auch gleich verdrieße.
Drum stirbt er auch, wie der Gebrauch,
Mit zweien Füßen wie ein Rauch.
[317]
Mit zwei Bein stirbt gar keiner nicht,
Wenn eins wird abgeschossen,
Aber, wie ich dich bericht',
Es sind nur Kinderpossen.
Unser Frau fein hat zwei Bein,
Sie waren ihr und nicht mein.
Nun fragt sichs, ob Johannes Sachs,
Der Mann von großem Leder,
Auch wert sei eines Lichtlein Wachs,
Weil er sagt durch die Feder,
Daß Streckenbein der Tod soll sein,
Pfui Teufel, ich schiß darein.

Isidoro wollte gleich weiterlesen und die übrigen sechs Strophen noch absolvieren, wenn ihm nicht die Zusia den närrschen Zettul aus den Händen gerissen. »Pfui,« sagte sie, »was ist der Schreiber vor ein garstiger Zotenreißer!« – »Nun merke ich,« antwortete Ludwig, »warum er sich auf das Secret retirieret, ist das nicht ein Narr, einer Edelfrauen eine solche Grabschrift zu machen? Welcher Teufel in der Hölle soll einen solchen Grabstein herbringen, auf den man die Schnacken einhauen könnte? Ja, ich glaube, daß mancher Kirchhof darzu viel zu enge wäre.« – »Bruder,« sagte er zu Isidoro, »dein Schreiber ist ein Narr. Laß ihn wieder los, ich will dir selbst ein paar Zeilen aufsetzen. Was willst du mit dem Esel anfangen? Mein Rat wäre es, du gäbest dem Schreiber durch diesen Winter nichts zu tun, als gewisse Themata zu tractieren. Denn dardurch würdest du nicht allein, sondern alle, die es unter Augen bekämen, zu lachen genug haben. Denn es ist gewiß, daß manch studierter Mensch mit Fleiß nicht so irrgehen kann, wie dieser, in Meinung, was Hohes zu verfertigen, irregehet.« Isidoro war es zufrieden, und zum Ende dessen verzeichnete er allerlei Titulos, über welche der Schreiber seine Auslegungen und Einfälle beschreiben und in gebundener Rede entwerfen sollte.

Hierauf wurde er aus dem Secret zitiert, und Ludwig fragte [318] ihn, wer sein Vater wäre und wo er studiert hätte. Aber er gab weiter nichts zur Antwort, als daß sich seine Mutter, da sie mit ihm schwanger gegangen, an einem armen Manne versehen hätte, daher wäre er gezwungen worden, auch arm zu sein. Was sein Studieren anbelangte, hätte er nichts aus der Theoria, aber alles der bloßen Praxi zuzuschreiben, nach dem lateinischen Sprüchwort: solus & artifices, qui facit usus erit. Er hätte auch einmal einem Gastwirt einen Truthahn gestohlen und hernachmals auf das Haustor geschrieben: O mihi præteritum, referat si Jupiter Truthahn! Und dieses wäre sein ärgster Possen gewesen, den er die Zeit seines mühsamen Lebens gerissen, bis daß er das Schreiberhandwerk gelernet, seine Wanderschaften verrichtet und also in derselben Profession wäre licentiatus calami geworden, das ist, daß er die Freiheit habe, eine Feder groß oder klein, kurz oder lang, mit oder ohne Schnitt zu temperieren, zu schneiden und zu formieren, wie es ihm beliebte und anstünde. Und solchergestalten wäre er licentiatus calami und dörfte ihm gar kein ehrlicher Mann einen Eintrag tun, es wäre denn ins Secret oder heimliche Gemach, welches der Nachtkönig mit seinen Leuten wieder ausräumen und also den Austrag tun müßte.

Nach allen diesen vorgeloffenen Sachen satzten wir uns in etliche Schlitten, darinnen die Zeit zu verkürzen, weil uns die Köpfe in der Wärme gar zu dämisch werden wollten. Demnach fuhren wir sowohl in dem Schloßhof als auch auf offenem Felde, doch ohne Geläute, herum. Und weil sich zu solcher Lust gar viel Frauenzimmer von den nächsten Schlössern und Edelmannshäusern eingefunden, wurf einer da und der ander dort eine Jungfrau über die Kufen in den Schnee hinein. Aber etliche waren unter dem Frauenvolk so klug und legten Hosen unter die Röcke an, dadurch sie ein merkliches Einsehen verhindert haben. Andere satzten große eiserne Gluttöpfe unter den Rock, damit der Podex nicht Schaden litte, aber wenn sie umgeworfen wurden, waren ihre Pelze von dem Feuer dergestalten zugerichtet, daß sie samt dem Hemd auf den Brand zu betteln verursacht wurden. Eine solche Lust hatten wir in unserer Trauer, und [319] wenn es füglich sein konnte, brachten wir wohl gar Spielleute auf das Schloß, dabei wir allerlei Kurzweil verübten.

Eines Abends, als ich mit meinem Flötlein an einem Fenster gegen die Straße gestanden und mich daselbst zum Abzug resolviert, kommt ein reitender Bot' an, welcher von dem Caspar oder gewesenen Seilfahrer Brief brachte, daß seine Hochzeit mit der Jungfer Kunigund nunmehr richtig und geschlossen sei. Es war ein ziemlich großes Paquet, in welchem nichts anders als nebengeschlossene Briefe an mich, Ludwigen und noch viel andere eingeschlossen waren. Derowegen resolvierten wir uns kurz und gut untereinander, und obschon Isidoro noch in frischer Trauer begriffen war, dispensierte doch der Geistliche so weit, daß er mit seiner Liebsten wohl auf die Hochzeit gehen, aber bei Leib und Leben nicht tanzen dörfte. Demnach satzten wir uns in etliche Gutschen, bei der Hochzeit des arglistigen Caspar zu erscheinen, weil wir ihm solches ehedessen so gewiß versprochen, kamen auch auf das Schloß, ehe der andere Tag vergangen.

Man erwies uns daselbsten alle mögliche Ehre, und weil uns Caspar ehedessen auf meiner Hochzeit einen solchen Possen gerissen, indem er sich in verkleideter Person eingefunden, bezahleten wir ihn mit gleicher Münze; denn Isidoro kleidete den Schreiber als einen Prinzen heraus und gab vor, wie es ein junger Freiherr von einem gewissen Stamm wäre, von welchem Monsieur Caspar ehedessen große Promotion genossen hätte. Aus dieser Ursach wurde er gezwungen, dem verstellten Schreiber alle Ehre zu erweisen, und der Schreiber hatte schon genugsame Nachricht, sich in alle Sachen zu schicken, ob er schon sonsten ein ziemlich dummer Narr war.

Es gingen wohl acht Tage vorbei, ehe die Braut ankam, und wie wir am gewissesten verhofften, daß sie ankommen sollte, kam Botschaft, sie wäre heimlich durchgegangen, da saß Monsieur Caspar in seinen weiten Hosen und wußte nicht, sollte er lachen oder weinen.

9. Capitul. Etliche Schüler machen eine artige Musik
[320] IX. Capitul.
Etliche Schüler machen eine artige Musik auf dem Schlosse.

Was oftermals der Groß' nicht kann,

Darum nimmt sich der Kleine an.


Einen Violinisten verdrießt es nicht ein wenig, wenn ihm eine Saite unter währendem Spielen entzweireißet und abspringet, aber viel teufelhaftiger muß es einen Bräutigam verdrießen, wenn ihm seine Braut alsdann entwischet, wenn er sie mit beiden Händen zu umfangen vermeinet. Und wußte Monsieur Caspar nunmehr von allen beiden Teilen guten Bescheid zu geben, weil er zugleich ein Musicus und Bräutigam war. Er schickte seinen Kammerdiener auf die Straße, welcher mit vier berittenen Knechten der Braut nachjagen und die Abenteuer auskundschaften sollte. Aber sie konnten nichts sehen noch hören, so sehr sie auch hin und wider auf den umliegenden Dörfern Kundschaft eingeholet. In einer solchen Verrichtung kamen sie wieder zurück, und es fehlte nicht viel, der ungeduldige Caspar hätte sie alle fünf auf eben das Seil aufgehängt, welches wir ihm auf meiner Hochzeit so sehr mit Theriack beschmieret hatten. Er fragte denjenigen, so ihm die Post gebracht, wohl tausendmal um die Beschaffenheit, und indem er sich ganz vergeblich ängstigte, gibt sich die Jungfer Kunigunda zu erkennen, welche eben der Bot selbsten war und sich nur aus lauter Spaß in solche Kleider gestecket hatte.

Habe ich jemals ein großes Gelächter gehöret, so war es dasjenige, welches über dieser geschwinden Veränderung auf dem Schlosse erschollen. Hiermit ging es alles in floribus, und mich verdrießt es, alle Particularitäten umständlich zu entwerfen, weil ich viel andere Sachen vor mir habe, derer ich vor Vollendung des Tractats werde Meldung tun. Man war vor allen Dingen bemühet, lustige Spielleute aufzutreiben, aber der Ruf wegen unserer vorigen Disputation hatte sie alle so feige und eingezogen gemacht, daß wir sie viel weniger bekommen konnten als die Krambsvögel um Bartholomäi, welches Fest der Schneider Leib-und Namensfest pflegt genennt zu werden. Derohalben nahmen wir einen andern [321] Mann aus dem Dorfe, welcher ehedessen eine Ratsschul versehen, auch die Jugend daselbsten in litteris informiert hatte. Er brachte vier Schüler mit sich, so ihre Nahrung tonweise auf dem Land und absonderlich auf den adeligen Schlössern suchten. Die wischten augenblicklich mit ihren Geigen hinter den Mänteln hervor, und nach ihnen kamen zwei mit Trompetta-Marinen, welche rechten Landstürzern nicht gar ungleich sahen.

Beide Parteien stunden auf dem Saal gegeneinander und machten also ihre stümperhafte Kunst so gut, daß wirs schwerlich in sechs Dörfern besser würden angetroffen haben. Necessitas non habet legem, so hieß der erste Schüler, der andere, so die Violin strich, wurde Emendemus in melius geheißen, den dritten nannten sie Solamen miseri socios habuisse malorum; der vierte hatte den Namen Artem quæ vis terra alit, und der Musicus hieß Gallus in arbore sedens, gi gi li, gi gi li, dicens. In einer solchen Ordnung wiesen wir sie in die Küchenstube, allwo ihnen Stockfisch und gebratene Hasen vorgesetzet worden. Weil sie aber vorgaben, daß sie wegen gewisser Devotion geschworen hätten, von ihren Befreundten nichts zu essen, als wurden sie auf eine andre Art tractiert. Die zwei Trompetter-Mariner aber speisten wir absonderlich, und damit sie keine Läuse unter uns brachten, mußte der Pfisterer oder Schloßbeck ihre Kleider in den Backofen schieben und visitieren, ob sie nicht heimliche Puffer und Stilett bei sich führten. Zumalen uns gar wohlbekannt, welchergestalten dergleichen Gesellen auf der Straße mit denjenigen zu hausieren pflegten, über welche sie getrauten, Meister zu werden, denn bei so beschaffenen Zeiten geigen sie manchem eine Sarabanda auf, daß er das Hupfen darüber vergisset.

Inzwischen erschienen alle diejenige, so mir zuvor die Ehre auf Herrn Ludwigs Schlosse gegönnet, neben vielen andern, die Monsieur Casparn aus sonderlicher Freund- und Bekanntschaft zugetan waren. Meine Liebste ließ ich, so kalt es auch war, auf einem Schlitten über Land herholen, und der Irländer ritt einen so schlimmen Weg, daß er hoch beteuerte, wie ihn der Schnee und der Wind bei einem Haar [322] erstickt hätten, so ihm nicht etliche Bauren zu Hülfe gekommen wären. »Ja,« sagte Monsieur Ludwig, »so wars auch mit meinem Säckel beschaffen, hätten die Bauren nicht das Beste getan, er und ich wären mit Butzen und Stengel verdorben.« Vielem Frauenzimmer war fast die Nase samt den Ohren abgefroren, und es war keine zugegen, welche dazumal von ihrer gefährlichen Reise nicht hätte können eine Beschreibung in Druck gehen lassen, so sie nur wie ich die Mühe auf sich wollten genommen und solche so fleißig und umständlich aufgezeichnet haben.

So kalt es aber war, so steckte doch Ergasto bei dieser Zusammenkunft voller Feuer und Glut und legte also einen ziemlichen Grund zu einer andern Mariage, darzu wir ihm alle verhülflich sein wollten. Ich schreibe es dem Frauenzimmer nicht zum Schimpf nach, aber wahr ist es, als sie vermerket, daß ich in dieser Sache Unterhändler war, kamen gar viel zu mir und baten mich heimlich, ihre Person vor einer andern zu recommendieren und an den Ergasto zu bringen. Ob er schon von keinen absonderlichen Eigenschaften war, so hatte ihn doch eine jede gern, und war an ihm nichts zu wünschen, als daß er ein Türk gewesen, denn durch dieses Mittel hätten sie ihm endlich noch alle können zuteil werden. Ich aber nahm flugs einen Schüler, welcher die beste Stimme hatte, und lernte ihm folgende Tagweise:


Ein' alte Magd, ein altes Pferd,
Taugt keines nichts auf dieser Erd.
Hätt' ich ein Mann, ich wäre froh,
Wär kurz od'r hoch,
Und solls auch einer sein von Stroh.
Ich lieg die ganze Nacht betrübt,
Weil mich kein Mensch auf Erden liebt.
Hätt' ich ein' Mann, ich gäbe drum
Ein' große Summ'.
So heißt es ab'r: Silentium!
[323]
Ein Mann, der tät mir ja so not
Als wie das liebe täglich Brot.
Nehmt mich, Ergasto, ich bin reich,
Ich bitte Euch,
Auf daß der Schmerz von mir entweich.

Diese drei Strophen mußte mir der Schüler geschwinde auswendig lernen, indessen sollte mir der Musicus eine Melodia auf die Verse machen. Aber der Schüler sagte mir, daß er nichts von der Composition verstünde. Deswegen war mein Vornehmen wieder mit Dreck versiegelt und hätte es auch unterwegen lassen müssen, so der Schüler nicht selbsten etwas erdichtet und der Sach ein Färblein angestrichen hätte. Weil er auch den Baß fiedelte, strich er auf den Saiten das Fundament oder den bassus ad organum, wie ihn die Musici heißen, welches in der Not perfect genug kam, denn es ist besser eine Laus in dem Kraut als gar kein Fleisch. Und also war der Schüler Cantor, Organist, Tenorist und Calcant zusammen, und wenn ich ihn wegen seiner behenden Hülfe nicht verschonte, hätte ich ihn noch einen Bachanten darzu geheißen.

Als ers nun perfect singen konnte, erwartete ich der Nacht, in welcher Zeit das Beilager zwischen den neuen Eheleuten sehr prächtig vollzogen worden, welches ich nur darum nicht beschreib, daß ich dem Leser das Maul nicht wässerig mache. Denn, ob ich schon versprochen habe, nicht die geringste Particularitäten zu überschreiten, so habe ich doch Erlaubnis genug, dasjenige vorbeizugehen, welches dem Leser nichts anders verursacht als ein Verlangen nach dem Leib, dessen bloßer Schatten verletzen kann. Weil ich auch in den vorigen Büchern bei dergleichen hochzeitlichen Zusammenkünften die Tugenden und Laster der Vornehmen genugsam zu betrachten vorgestellt, ist es nicht unbillig, daß man auch den gemeinen Leuten, welche sich bei solchen Hochzeiten einzufinden und aufzuwarten pflegen, ein wenig den großen Bart putze.

Ich wollte zwar von dem Musico und den Schülern wie auch von den Trompette-Marinern viel Dicentes machen und sie [324] abscheulich durch die Hechel ziehen, wenn ich nicht wüßte, daß ihre absonderliche Schwachheiten ohnedem weltbekannt wären und man fast auf allen Bierbänken von ihnen plauderte und schandierte. Und was hätte ich davon, ob ich sie gleich durch alle Figuren in der Rhetorik beschriebe. Denn es ist keine Kunst, einem Menschen seine Fehler vorzuwerfen, aber dieses kostet Mühe, seinem Nächsten einen Weg zu zeigen, wie er sich bessern könne. Wer einen Esel schlägt und ihm nicht dabei weiset den Weg, wohin er gehen solle, der ist ein ärgerer Esel, als welchen er schlägt. Und dieses Laster hängt vielen Satyricis gleich einem Härlein an der Feder, indem sie nur schmälen auf die Laster und aufdecken den Irrweg der Menschen, nicht zeigend noch weisend auf den Weg der Besserung noch instehenden Tugend. Eine solche Züchtigung hab ich viel mehr als die Pest geflohen, weil sie nicht bessert, sondern die Gemüter der Bestraften nur widerwillig gemacht, und also ist durch ein Übel noch ein größers entsprungen, und die Laster haben in Ermanglung des Lichts ihrer Finsternis nachgefolget eben auf dem Pfad, da sie erst eingetreten.

Ein solcher Satyricus bin ich nicht und wollte mir viel lieber die Feder in die Brust als auf das Papier stoßen, weil sich in derselben vielleicht mehr Laster als in allen denjenigen befinden, welche ich durch die Federspitze angegriffen. So gäbe ich auch durch solches Aufziehen meinem Zweck keinen geringen Stoß, welchen ich bloß dahin gesetzet, alle Lesende durch dieses Buch zu ergötzen in einer solchen Zeit, welche das Gemüt des Menschens durch bloßes Ansehen kann traurig und betrübt machen. Aus dem Grund dieses Obgesetztens erhellet klar und zur Genüge, was ich gesuchet und bis zum Ende des Buches zu suchen willens bin. Dannenhero schreite ich ohne spanische Schritte zum fernern Verlauf, damit ich sowohl die Materia als auch meine Feder einmal möge auf die Seite legen, welche vielleicht dem Leser viel eine größere Ungeduld in dem Lesen als mir in dem Schreiben verursachet hat.

Herr Carander, Faustus und Celinda kamen noch vor der Copulation auf das Schloß. Dahero ward die Freude um so [325] viel desto größer, je bessere Freundschaft sie gegen uns getragen. Man machte sich allenthalben mehr denn lustig, und der Schreiber empfing mehr Ehre als wir alle, weil er nächst der Braut und dem Bräutigam die Oberstell besaß. In dieser Lust verschwand der Tag, und in der folgenden Nacht marschierte ich mit dem abgerichteten Schüler heimlich in den Schloßhof, allwo er mir hinter einer Wasserpumpen das obgesetzte Lied absingen und den Baß darzu fiedeln müssen. Es war dazumal noch kein Mensch zu Bette, unerachtet man wegen der großen Kälte nicht lang auf dem Tanzsaale bleiben können und allgemach zwölf Uhr geschlagen hatte. Dannenhero entstund in den Zimmern ein großes Gelächter, und leuchteten gar viel mit den Lichtern aus den Fenstern, damit sie den Sänger sähen und kennenlernten. Aber wir duckten uns, so weit wir konnten, hinter die Wasserpumpe, obschon die Baßgeige noch bei einem Zipflein – wenn anders die Baßgeige ein Zipflein haben kann – hervorguckte.

Ludwigen und Isidoro gefiel das Lied so wohl, daß sie ganz verstohlens in ihren Nachtkleidern zu mir in den Hof kamen, und also mußte der Schüler von vornen anfangen und dasselbe aufs neue heruntersingen. Etliche unter dem Frauenzimmer hielten es vor Scherz, etliche vor eine grobe Kurzweil, etliche gar vor einen Hauptschimpf. Also findet jede Sache gewisse Leute, von welchen sie gelobt und von welchen sie im Gegenteil wieder geschändet wird. Absonderlich aber drang es denjenigen stark zu Herzen, welche sich am meisten dardurch getroffen befanden. Damit ich aber aus dem Verdacht kam, befahl ich dem Schüler, daß er nach Vollendung des Lieds sich in der Stille verborgen davonmachte und sich in seiner Kammer verschlossen hielte. Indessen sprangen wir drei unter währendem Gesang die Treppe hinauf und redeten gegen das Frauenzimmer hinüber, welche den Schüler bald einen donnerischen Bärnhäuter, bald etwas anders hießen.

10. Capitul. Der Schreiber macht ein Hochzeit-Carmen
[326] X. Capitul.
Der Schreiber, so Baron gewesen, macht ein Hochzeit-Carmen. Discurs von der häuslichen Klugheit.

Wer heute küßt und morgen beißt,

Vor diesem hüt dich, wie du weißt.


Niemand aber befand sich mehr beschimpft als der Musicus, weil der Schüler wider seinen Willen und Vorbewußt eine Sach unterfangen, darob das Frauenzimmer wie die wilde reißische Bären murrte. Ja, ich glaube, er hätte ihm die Baßgeige über den Kopf geschlagen, daß er mit demselben durch den Boden herausgegucket, wenn ich nicht der dritte Mann in dem Spiel gewesen und den erzürnten Menschen in etwas befriedigt hätte. »Monsieur,« sagte ich, »was ist es mehr, ob der Schüler mit Eurem oder ohne Euren Willen das Lied gelernet, componiert und abgesungen hat? Dardurch ist Eurer Ehr und Reputation nicht das geringste genommen. Ihr seid weder klüger noch närrischer dadurch geworden und habt Euch also nur einen unnötigen Zorn zugezogen.

Was der Schüler kann, das werdet Ihr ihm nicht nehmen, und es liegt an mir, daß ich den Schüler zu meinem Kammerdiener mache, so ist er mehr als Ihr und die Trompetta-Mariner. Er hat dem Frauenzimmer nicht den geringsten Schimpf, aber mir und allen anwesenden Cavalieren wohl eine solche Dienstleistung erwiesen, die Ihr zu erweisen nicht im Vermögen gehabt. Sonst wären wir nicht so irräsonabel gewesen, Eure Person vorbeizugehen und Euch um eine solche Sache zu ersuchen, die wir Eurem Vermögen nicht gemäß geschätzet. Hiermit wünschen wir Euch eine gute Nacht, schlaft wohl, und morgen will ich Euch ein Glas Wein zubringen.« Mit solchen Worten ging ich schlafen. Aber folgenden Morgens, als ich aus dem Schlaf erwachte, machten sich die mit den Trompette-Marinen schon tapfer lustig. Sie strichen etliche alte Stücklein von dem Schwedischen Mörser, und das Geld, so sie vor Calovonium begehret, versoffen sie im Brandewein. Ob sie auch gleich keinen Groschen in dem Säckel wußten, waren sie doch lustiger als ich und satzten ihre Hüte auf die Halbe des Kopfes gleich den Sackpfeifern, die anstimmen wollen.

[327] Diesen Morgen wurde der Bräutigam samt der Braut trefflich durch das Leder gezogen. Aber Caspar lachte mich nur aus, vorgebend, daß ihm lang kein solcher Poß wie mir mit dem Ludwig widerfahren. Als wir aber zu Mittage den Betrug mit dem Schreiber offenbaret, schämte er sich in dem Herzen, daß er diesem Masculini so schrecklich und fast alle mögliche Ceremonien erwiesen. Hiermit erhebte sich ein neues Gelächter, und der Schreiber wurde aller seiner bis anhero gehabten Dignitäten und Würdigkeiten gleichsam in einem Augenblick entsetzet. Isidoro befahl ihm hierauf, dem Brautvolk zu Ehren ein Carmen aufzusetzen. Solches arbeitete er innerhalb einer Viertelstunde aus und brachte solches Concept, ehe die Tafel halb aus war, zu Tische.


Nil iuvant status splendidi,
Si non habemus Weib.
Qua sine sumus miseri
An unserm ganzen Leib.
In cœlibatu vivitur
Wahrhaftig nicht gar wohl,
Ibique male agitur,
Und raro, wie man soll.
Vos ergo cæci monachi,
Wie seid ihr doch so arm!
Absque fæmella stolidi,
Wird keiner von euch warm.
Die Eh' ist gut, ihr wißt es ja,
Nemo negabit hoc:
Habetur caro optima,
Im langen Weiberrock.
Confiteor me labilem
In meiner Liebesnot,
Ni dederis mulierem,
So bin ich morgen tot.
Hanc ego amo unicam,
[328]
Ich wollt', sie wär schon da!
Tunc vellem meam fæminam,
Gar bald, et cetera.

Das Frauenzimmer, welches des Lateins nicht kündig, ließ sich solches meist von den Schülern auslegen, weil sie der Verteutschung des Ludwigs wie auch den andern studierten Edelleuten nicht getrauet. Denn sie wußten, daß wir unterweilen gar zu teutsch gewesen und in allen Sachen mit ihnen nur gescherzet hatten. Damit ging auch dieser Tag zu Ende, und in angehender Nacht satzten wir uns auf die zubereitete Schlitten und fuhren bei brennenden Pechfackeln, daß es taugte. Ihr viel wurfen das Frauenzimmer mit Fleiß in den Schnee, dadurch man sehen können, was sie ihr Leben lang in dem Schilde geführet, und solchergestalten vollendeten wir auch diese Lust, nach welcher wir drei Wochen aneinander auf dem Schlosse zugebracht, welche nicht viel anders als verloren waren.

Wir hatten zwischen dieser Zeit dem Monsieur Caspar so viel in der Stube verzehret, daß fast nichts mehr in seiner Kammer von Mitteln übrig war. Zu letzt mußten noch etliche Amts-Schweine herhalten, mit welchen er auch alle diejenige zu bezahlen pflegte, die sich bei seiner Hochzeit mit Aufwartung oder sonst einem Ämtlein bedient gemacht. Aber etliche waren damit nicht wohl zufrieden. Derohalben wurde er von denjenigen, von welchen er Wein, Bier, Fleisch und anders geborget, fast stündlich angelaufen. Es gingen nach diesen drei Wochen kaum zwei Tage ins Land, da fanden sich schon ein Haufen Mahnbriefe, daß er ganz ungeduldig darüber war. »Bruder,« sagte er zu mir, »so wahr ich ein ehrlicher Mann bin, diejenigen Leute, die es am wenigsten brauchen, die lassen mich zum öftern überlaufen. Du kennest den weißkopfichten Edelmann hinter dem Wald, der hat weder Weib noch Kind und eine solch stattliche Barschaft an seinen Mitteln, daß es nicht zu sagen. Jedennoch lässet er immerzu an mir zupfen wie an einem Bettlersmantel. Nun weiß ich gar wohl, daß die Schulden müssen bezahlt sein. Aber das unaufhörliche Mahnen macht mich [329] so verdrossen, daß es nicht zu beschreiben. Vor diesem hat er mir versprochen, mit hundert Talern zu Hülfe zu kommen. Aber nun lässet er mich vor ein Lumpengeld kaum schlafen noch ruhen, sondern will wider des Teufels Dank bezahlt sein, und du hast heut selbst gesehen, daß mich sein Diener, wie die unhöfliche Flegel alle tun, unter euch allen fein öffentlich gemahnet und die Sache so nötig gemachet hat, gleich als ob seinem Herrn seine ganze Wohlfahrt daran gelegen. Ich wollte es gern tun, aber, so wahr ich ein ehrlicher Mann bin, wenn ichs im Vermögen habe. Ja, ich wüßte nicht sechs Taler bar Geld aufzubringen, wenn ich nicht die Mittel meiner Liebsten an der Hand hätte, welche ich aber unangefochten lasse. Nur dieses verdreußt mich zum meisten, daß er mein so guter Bruder sein will und mir acht oder zehen Taler nicht borgen will. Jeder Mensch braucht zwar das Seinige, aber einem Freund zu Gefallen wollt' ich den Rock an dem Leibe entbehren und warten, bis es seine Gelegenheit wäre.«

»Narr,« sagte ich zu ihm, »was betrübest du dich deswegen. Ich will dir tausend Taler vorstrecken, und solche Schuld will ich entbehren, solang du nicht bezahlen kannst. Die guten Brüder sind zuweilen schlimme Freunde, bei dem Trunk kann ein jeder große Sprünge tun, aber wenn sie in dem Werk helfen sollen, so sind sie lahm und hinken. Ach, daß du solchen Leuten trauest! Du siehest manchen vor deinen besten Freund an, und ists doch am wenigsten. Ein jeder kann mit fremdem Gut liebkosen, aber wenn es aus seinem Säckel gehet, da ist altum silentium, heißt: eine lange Kleiderbürste.

Du guter Freund,« sagte ich weiter zu ihm, »du bist noch kein Hofmann, denn sonst würdest du wissen, daß nichts Nötigers zur Ruhe sei, als keinem Men schen von Herzen vertrauen. Ja, mir selbsten darfst du nicht alles glauben, denn in diesem bestehet die Erkenntnis der Vergnügung, welche nur deswegen bei so vielen ausbleibet, weil sie gar zu viel auf andere gebauet haben oder noch bauen. Ein Mensch ist zwar dem andern zu helfen geboren, und in diesem Stück ist ein Mensch des andern sein Gott. Aber sie [330] verlassen diese Majestät so oft als Jupiter, wenn er mit Menschen gebuhlet. Dahero werden sie leichtlich aus Hilfsgöttern Plageteufel, welche darnach viel mehr peinigen, als sie geholfen haben. Wenn du willst mit Ruhe leben, so siehe zu, daß du alle deine Schulden, je eher je besser, bezahlest; denn dardurch wälzest du dir einen großen Stein von dem Herzen, welcher sonst viel Jahr von deinem Leben abfrißt und in sich gleich einem Schwamm verschlucket. Ehe daß du borgest, leide lieber Not, denn ein bezahltes Stück Brot schmeckt besser als ein geborgter Braten, welchen ich nicht zu bezahlen im Vermögen habe. Vors ander so schenke nichts vergeblich hinweg und sei nicht gar zu gastfrei, denn solang du aufträgst, bist du ein wackerer Kerl, kommst du aber in die Armut, achtet dich kein Mensch mehr. Ja, nicht allein deine beste Freunde, sondern deine Brüder und Schwestern verachten dich und spotten deiner, wo sie können. Darum behalt das Deinige zusammen, weil du nicht weißt, wann eine schlimme Stunde kommt. Darum ist es besser, du machst dich vor der Not gefaßt, als daß du dich in derselben erst zu rüsten verlangest. Ein Soldat, der vor der Schlacht sich in dem Harnisch exercieret, ist in dem Streit desto gefaßter.«

»Wahrhaftig,« sagte Monsieur Caspar zu mir, »so will ichs machen. Deine Lehre ist nützlicher als der ganze Discurs, den wir zeit meiner Hochzeit untereinander geführet haben. Ich weiß der Exempel mehr, daß solche Herren, nachdem sie in Abschlag geraten, nicht allein von ihren vorigen Freunden, sondern von ihren gewesenen Dienern und Knechten hernachmals sind verlachet und verspottet worden. Wer sich zuvor mit Wasser versiehet, der kann in der Feuersgefahr desto besser löschen. Hierbei entsinne ich mich, was einem berühmten Kaiser begegnet. Derselbe, als er sich eine Braut beilegte, sagte er das erstemal zu ihr:›tota es formosa‹, du bist ganz wohlgestalt. Er zog darauf hin und schlug seine Feinde aus seinen Grenzen, nach welchem gloriosen Sieg er wieder zurückkehrte, aber seine Kaiserin mit einem heftigen Fieber eingenommen antraf. Ihre vorige Gestalt war durch diese Krankheit dergestalten verschwunden, daß [331] er sie beinahe nicht mehr gekannt. Sagte derohalben zu ihr:›periit facies tua‹, meine Schöne, wollte er sagen, deine Gestalt ist ganz dahin, sie ist vergangen und verloren.

Eben also heißt es auch mit vielen guten Freunden. In dem ersten Anblick kann man zu ihnen sagen:totus es formosus: mein lieber Freund, du bist ganz aufrichtig, ganz verträulich, ganz freundlich und liebreich. Währt es eine Zeitlang und kommt etwan ein kleiner Krieg darzwischen, so verändert sich die schöne Gestalt in eine häßliche Fieber-Krankheit und heißet alsdann: facies tua periit: mein Freund, dein Gestalt, das ist deine Aufrichtigkeit, deine Redlichkeit, deine brüderliche Liebe, ist vergangen, facies tua periit, deine Hülfe ist verschwunden, facies tua periit, du bist nicht mehr der alte Teutsche. Und dieses ist auch eine unter den Plagen, welchen der Mensch auf dieser Erden unterworfen ist, indem sich des Menschen Wandel gleich einem Rad an dem Wagen herumdrehet, da alle Teile bald unten, bald oben, bald wieder auf der Seite stehen, und also der ganze Mensch nichts anders ist als ein ringer Ball, mit welchem das Glück so lang spielet, bis der Zwirn reißet.«

Unter währendem Gespräche hörten wir schon die Schlittenpferde angeschirren. Derohalben machte sich jeder aufs beste zur Abreise bereit, und ehe wir voneinander schieden, bat ich Monsieur Caspar, er möchte mir vertrauen, ob die Geschicht, welche er von seinem Leben auf meiner Hochzeit erzählet, in der Tat geschehen oder ob es nur eine Geburt der Phantasie wäre. Darauf gab er mir zur Antwort, daß sie einem jungen Studenten in der Tat selbsten widerfahren, welcher deswegen die Flucht genommen und sich vierzehen Wochen auf diesem seinem Schlosse aufgehalten und hernachmals seinen Weg weitergenommen hätte. Dieses war mir ein genugsamer Bericht, denn, in der Wahrheit zu gestehen, so habe ich mir über seiner damaligen Erzählung tausend Einbildungen gemacht.

11. Capitul. Eröffnung der Geschicht wegen der Gräfin in dem Bade
[332] XI. Capitul.
Artige Eröffnung der Geschicht wegen der Gräfin in dem Bade, und wem sie eigentlich begegnet. Ein gar zu scharfer Richter kriegt von einer Hur wunderseltsame Antwort.

Ein andrer hat die Schlacht getan,

Ein andrer trägt den Ruhm davon.


Dazumal stieg die Sonne schon etwas höher, und die Jungen hörten allgemach auf, die Schuhe mit dem Eisfahren zu verderben, als wir aus dem Schlosse schieden. Der Irländer gab uns das Geleite, und unerachtet wir geglaubet, bei seiner Hochzeit zu erscheinen, war doch alles noch in weitem Felde, weil seine Affection gegen seiner Liebsten diesen Winter ziemlich eingefroren war. Soviel man auch von ihm vermerken konnte, hatte er solchen Vorsatz gänzlich auf die Seite gesetzet, denn er war entschlossen, ein Capucinermönch zu werden oder aber gar einen Eremiten und Einsiedler zu agieren. Er sagte, daß er nächst seinem Schlößlein einen bequemen Ort zur steten Wohnung auserwählet, in welcher ihn kein Mensch möchte zu sehen bekommen. Das Schloß wollte er zu einem Spital der reisenden Personen machen, und er wollte indessen eine lange und weite Wallfahrt tun.

In solchem Discurs schieden wir voneinander. Isidoro konnte sich ob dem schnellen Beginnen des Irländers nicht genugsam verwundern, weil er sonsten sein Leben lang ein lustiger Kopf gewesen und jederzeit viel vom perfecten Frauenzimmer gehalten. Ich hielt mich nebenst meiner Liebsten nach seinem Hinscheiden noch drei Tage bei dem Isidoro auf, und dorten mußten uns unterschiedliche abgedankte Soldaten, welche sich mit ihren Abschieden vor dem Tor angemeldet, ihren Lebenslauf erzählen, davon ich allein ein ganzes Buch auszuarbeiten hätte. Nach solchem nahm ich vor diesmal von Isidoro Urlaub und schied mit meiner Liebsten aus dem Schlosse, hatte auch ziemliche Zeit, weil ich sonsten gewiß meinen Schlitten auf einen Wagen legen und mich samt demselben hätte müssen über Land führen lassen, denn das Wetter tauete allenthalben auf. Und solchergestalt kam ich gleich noch zu Hause, da es Zeit war.

[333] Sobald ich abgestiegen, sagte mir der Schreiber, daß ein Student auf mich wartete, welcher ein paar Wort mit mir zu sprechen verlangte. Ich ließ ihn vor mich, aber sein Anbringen bestund in nichts als in Begehrung eines Zehrpfenniges, welchen er bei so beschaffner Zeit höchst nötig hatte. Das meiste, so mich contentierte, war, daß er überaus artig Latein redete, und allem Ansehen nach war er ein singularer Kopf. Er vermeldete unter anderm, daß er ehedessen von denen von Adel großen Favor genossen und sich bei einem aufgehalten hätte, welcher Caspar geheißen. Demselben sei er willens, auch vor dieses Mal zuzureisen und sich bei demselben um einzige Condition zu bewerben. Aus diesem vermerkte ich, daß es der Student sei, von welchem Monsieur Caspar seine erzählte Geschicht entlehnet, bekam dahero um so viel desto größers Verlangen, ihn als den Principaln von der ganzen Sache reden zu hören, worzu er sich gar leichtlich verstanden. Fing also auf mein Begehren folgenden Discurs an:

»Monsieur, die Fortun treibt mich gleich einem Schiff au dem Meer herum ...« (Hiermit erzählte er die Geschicht von Wort zu Wort, wie sie der Seilfahrer im fünften Capitel des dritten Buches erzählet.) » ...Und als ich die silbern Spitzen verkaufen wollen, wurde ich von dem Cavalier, welcher sie gekannt, ins Gefängnis gesetzet und hart geschlossen.« (Diese Erzählung beziehet sich auf den Ausgang des sechsten Capitels im dritten Buch.) »In diesem Gefängnis lernte ich erkennen,« sagte der Student weiter, »wie einer schrecklichen Gefahr sich die geilen Gemüter zu unterwerfen pflegen, denn ich wurde gleich einem Dieb angehalten, der ich doch nicht war. Wollte ich nun außer der Gefahr sein, so mußte ich notwendigerweise bekennen, wie es mit den Spitzen beschaffen sei. Denn weil ich von der Gräfin keinen Genuß mehr zu hoffen hatte, wollte ich wegen ihr mein Leben nicht so schändlich verlieren, denn es ist gewiß, daß man mich ohne Gnad und Barmherzigkeit an den lichten Galgen aufgehangen hätte. Dahero machte ichs kurz und gut, wenig achtend, es möchte hergehen, wie es wollte. Die Sach wurd ad referendum angenommen; und bald darauf brachte man [334] eine Hure zu mir ins Gefängnis, die hatte in der Welt eine ziemliche große Freundschaft gestiftet, weil sie gar viel mit Schwägerschaft zusammen verwandt gemacht. Dieser schändliche Lasterbalg wurde gegen mir über geschlossen, und dahero sah ich augenscheinlich, in was ehrbare Gesellschaft die leidige Sucht der Hurerei zu leiten pfleget.

Ich beseufzete mein Unglück recht schmerzlich und wünschte, daß ich die Gräfin all mein Lebtage mit keinem Auge angesehen hätte. Bald darauf wurde die angeschlossene Hure durch den Richter examinieret, welcher noch ein junger und scharfer Herr war. Sie bekannte ihm viel Stücklein, welche sie außer der Stadt begangen. Weil er aber daran keinen großen Fisch zu fangen wußte, nötigte er ihr gar viel Sachen heraus, die sich in und zwischen den Bürgern derselben Stadt zugetragen.

Er ließ nach einem langen Register der Missetäter doch nicht nach, sondern satzte noch schärfer an sie als jemals zuvor. Als sie nun sah, daß es unmöglich konnte verschwiegen bleiben, so gab sie diese Antwort: ›Gestrenger Herr Richter, weil Ihr ja alles recht wissen wollet, so muß ichs mit der Wahrheit gestehen, daß ich gar nichts wegen meines begangenen Übels verhalten will. Hört demnach fleißig zu und schreibt es ja ordentlich ins Buch. Der erste, so bei mir geschlafen und mich als eine Hure gebraucht, der ist Euer Vater gewesen, als er da und da noch Schreiber war.‹ – ›Was,‹ sagte der Richter, ›mein Vater?‹ – ›Ja,‹ antwortete die Hure, ›Herr Richter, es ist nicht anders, Euer Vater ist der erste gewesen, der bei mir geschlafen hat.‹ Ich kann nicht sagen, wie sich der Richter vor denen geschämt, die als Notarii an dem Tisch gesessen. Und weil sich die Magd einen Eid darauf zu tun erklärte, gab der Richter vor, sie wäre närrisch und ihrer Sinnen beraubt, ließ sie los und sagte, wo sie ein einziges Wort deswegen bei dem gemeinen Mann ausbringen würde, wollte er sie auf den Scheiterhaufen werfen lassen.

Dazumal wurde ich gewahr, was die Affecten bei einem Richter vermöchten, der seiner selbst nicht allzeit mächtig ist, und in dieser Verwirrung hatte ich die beste Gelegenheit, [335] mich von meinen Fesseln loszumachen und heimlich aus dem Gefängnis zu entweichen. Stieg demnach ganz heimlich zum Fenster hinaus und machte mich also in der Nacht auf und davon, bis ich in dem Schlosse obgemeldten Caspars angelanget, der mich vierzehen Wochen in Versichrung hielt. Auf solches begab ich mich, gleich einem Handwerksgesellen verkleidet, wieder unter die Leute, ob ich schon von der Stadt, darinnen ich gefangen worden, eine ziemliche Ecke abwich. Aber man sagte allenthalben, wie der Graf seine Gemahlin wegen meiner abscheulich zerprügeln und die Baderin zu dem Dorf hätte ausjagen lassen, weil sie solche Kupplerei unterfangen hatte.

Die elende Gräfin ist bald darauf aus Schmerzen gestorben, und der Graf kann keine Braut mehr kriegen, so sehr er auch darum beschäftiget ist. Aber, wie man insgemein davon redet, so will er wieder eine vom Adel nehmen, die nicht viel zum Besten hat, und dieses gehet endlich noch an, denn das Frauenvolk ist nicht gern allein. Und ob sich manches Frauenbild schon klug zu sein gedünket, sind ihrer wenig doch nicht mächtig genug, sich selbst das Beste zu raten, absonderlich in einer solchen Sache, die den jungfräulichen Stand aufhebet. Aber sie wird ärger anfahren als der Richter mit seinem Hurenexamen.«

Mich verwunderte die Erzählung des Studentens nicht ein geringes. Absonderlich aber kam es mir seltsam vor, daß ihn die Gräfin lieben können, weil er ein ziemlich ungehobelter und unförmlicher Mensch war, gedachte dahero an den Ergasto, welcher mir eben an diesem Ort erzählet, daß auch die Veronia viel lieber mit groben als subtilen Leuten zu tun gehabt, dardurch sie sich nur selbsten zuschanden gemacht und jedermann ins Maul gebracht hat. Er erzählte mir beinebenst noch unterschiedliche Stücklein, die er als ein Schüler mit den Mägden und andern Weibspersonen vorgehabt, aber, wie ich schon zuvor geschrieben, ich will aus so schändlichen Taten keine Gelegenheit nehmen, diejenigen zu ärgern, welche dergleichen Bücher nur darum lesen, auf daß sie sich nicht so wohl vor dem Laster hüten als demselben erst beflissen nachfolgen möchten.

12. Capitul. Ein Student muß das Examen rigorosum ausstehen
[336] XII. Capitul.
Ein Student muß das Examen rigorosum wider seinen Willen auf offenem Felde ausstehen.

Die großen Diebe laufen weg,

Der kleine kriegt die meisten Schläg.


Hierauf eröffnete ich dem Studenten meine Meinung und schickte ihn mit einem Recommendation-Schreiben an den Caspar, weil er ihm zu seinem Vorhaben bestermaßen konnte beförderlich sein und ihm auf eine Pfarr zu helfen gar wohl vermochte. Er bedankte sich wegen meiner Gratification, aber es ging dem armen Teufel sehr wunderlich.

Unterweges kam er an ein Schloß, in welchem ebendesselben Tages ein Præceptor schröckliche Insolentien begangen. Er hatte sich erstlich vollgesoffen und hernach alle Fenster in dem Schlosse ausgeschlagen, weil ihm der Edelmann schon ein halbes Jahr keinen Pfenning Geld gegeben hatte. Dieses Spiel hat der Præceptor wohl eine Stunde getrieben und dergestalten auf seinen abwesenden Herrn geflucht und schandiert, daß sich die Balken hätten biegen mögen. Endlich hat er sich gar unterstanden, die Edelfrau mit dem Stock zu prügeln, und hat ihr gedrohet, wo sie ihm das restierende Geld nicht bezahlen wollte, so sei er entschlossen, ein Licht zu nehmen und das Schloß anzubrennen. Die Frau ist über solches Beginnen von Herzen erschrocken, gab ihm also das Geld und wünschte tausendmal, daß doch ihr Herr bald nach Hause kommen möchte. Als der Præceptor das Geld empfangen, machte er sich damit unsichtbar und stahl mehr denn vor zwanzig Taler Sachen aus dem Schlosse. Dieses geschah um Mittag, und abends kam der Edelmann nach Hause, welcher die Zeitung in großem Zorn angehöret. Er satzte sich mit seinem Knecht alsobald wieder zu Pferd, dem Gesellen nachzurennen und einzuholen.

Nun traf das Unglück ebendiesen ehrlichen Studenten, welcher mir kurz zuvor seine Geschicht so ausführlich erzählet. Und weil er dem Præceptor des Edelmanns nicht viel ungleich gesehen, prügelte ihn der Edelmann in der Furia auf der Straße herum, daß es taugte, und hieß ihn einen Hunds- etc. über den andern. Was sich der Student dazumalen eingebildet,[337] kann der Leser bei sich selbst betrachten, wie ihm zumut wäre, so er ohne Ursach mit solchen Tractamenten unversehens überfallen würde. Er hielt ihn erstlich vor einen Soldaten, welcher die reisenden Leute auszurauben pflegte. Deswegen sprang er in seinem Mantel herum, daß man ihn von ferne gar leichtlich vor eine Windmühl hätte halten und ansehen können. Endlich gingen dem Edelmann die Augen auf, und als er hinter den Betrug kam, setzte er den Studenten auf seines Knechtes Pferd und versprach, ihn wegen dieser unvermeinten Pastanade allerehestens zu promovieren. Also wurde der Student wider seinen Willen zum Magister geprügelt, denn die darauffolgende Woche machte er ihn zum Pfarrer in dem Dorfe, und der Student konnte sich billig rühmen, daß er sein Examen rigorosum wacker ausgestanden hatte.

Ich dachte, ich müßte mich über diese Begebenheit fast krank lachen, weil mir der Student seine wunderliche Promotion mit gar artigen Umständen durch ein Schreiben zu wissen gemacht, welches ich von Wort zu Wort hier anzeichnen wollte, so mich nur diejenige Materi, welche ich im folgenden Sechsten Buch zu tractieren habe, nicht davon zurückhielte. Denn was sind dergleichen Briefe nütz, als daß man dadurch die Zeit verderbt und weniger als nichts damit zu verstehen gibt. So schreibe ich auch dieses Buch keinem Bauren, welchem es viel besser tut, wenn er das Kot von seiner Pflugschare zu säubern weiß, als ob er die Verwicklungen dieses Tractats künstlich auflöse und auswendig lerne, sondern ich habe sie geschrieben solchen Köpfen, die fähig sind, aus der Begebenheit des Studentens selbst einen Brief zu schmieden und in den Gedanken vorherzusehen, wie und auf was vor eine Art das Schreiben an mich eingerichtet müsse gewesen sein.

Und was ist es nütze, die Historienbücher mit solchen Sachen zu erfüllen, die nur Verdrüßlichkeit verursachen? Und obschon einem oder dem andern dardurch einziges Wohlgefallen erwiesen wird, ist es doch bei den meisten eine unvorsichtige Weitläuftigkeit, welche von dem Hauptzweck abweichet und aus einer eitlen Glorie entspringet, seine Feder [338] dardurch großzumachen und zu zeigen, daß man auch in der Schule gewesen und die Nase in die Bücher gestecket habe. Vors andre, so ist es auch keine geringe Wahnsinnigkeit, in dergleichen Schriften aufzuzeichnen, wie die Cavaliers und Damen, item andere Standespersonen gegeneinander Ceremonien geschnitten und was sie neben ihren Höflichkeiten vor ein sonders Wortgepränge angestellet. Denn ob ich gleich schreibe und aufsetze eine solche Hofrede, die an dem Ort im Schwang gehet, da ich schreibe, wird sie doch an einem andern nicht vor gut oder auf das wenigst nicht vor bräuchlich gehalten, und wenn ich wegen gewisser Ursachen nicht zurückhielte, wollte ich dergleichen Sachen einen ganzen Catalogum hiermit anzeichnen, welche in unterschiedlichen Büchern zum höchsten Verdruß der Lesenden angewendet worden.

Aber der Grund solcher Schriften bestehet nur in der eitlen Hoffart der Gemütsneigung, weil die meisten meinen, es wäre eine große Unvorsichtigkeit, wenn sie nicht auch in dem kleinsten Tractat all ihre Scienz und Wissenschaft, all ihre locos communes und memorierte Sentenzen der Heiden sowohl als anderer Scribenten, item all ihre eingebildete und affectierte Höflichkeit, all ihre zierliche Wortstellung und dergleichen anbrächten und also an das allgemeine Tagelicht übergäben. Aber ich habe mich im Gegenteil weit eines andern beschlossen, weil ich weder dir noch einem andern zu Gefallen große Orationen ausspintisieren werde, indem ich eine Sache und nicht Worte tractiere. Derowegen soll die Sach nicht mit Worten, sondern die Wort mit Sachen angefüllet sein, denn die Wort verderben die Zeit viel mehr, da sie hingegen durch die Sachen verkürzt wird.

So habe ich auch in diesem Buch allenthalben kurz abgebrochen und keinen Discurs eingeführt, welcher immerzu in einerlei Terminis oder gar zu lange ist gehalten worden. Lange Comödien sind bloßerding verdrüßlich, so angenehm auch die Materi an sich selbst ist, denn es hat mir nicht beliebt, unterschiedliche Unterredungen auszusinnen, vermittelst welchen ich solche Schrift zu zieren verlanget. Nein, in der Wahrheit nicht, sondern ich bin geblieben bei [339] ebendiesen Worten und Formalien, die man dazumal in unserer Compagnie gebrauchet, weil ich solche weder zu gelehrt noch zu einfältig gehalten, daß sie wohl jedermann möchte vorgetragen werden.

Widrigenfalls sei der Leser versichert, daß ich durch Veranlassung der häufigen Materien, von welchen hierinnen gehandelt wird, einen großen ›Herculem‹ auszuarbeiten wohl getrauet, wenn ich nicht gewußt, daß solche Bücher die angenehmsten seien, welche aufs wenigste innerhalb drei oder vier Tagen bei müßiger Ruhe könnten ausgelesen werden.

Ist demnach mein Vorhaben, weiterzuschreiten und zu vermelden, wie es sich mit der Gräfin Veronia geendet, weil ich weiß, daß hiervon einzige Nachricht zu haben nicht unangenehm sein werde demjenigen, welcher ohnedas gern in den Liebessachen herumgrübelt. Es bilde sich aber beileib kein Frauenzimmer ein, daß ich in Darstellung der Veroniæ groben Hurerei irgendeiner an ihrer Ehre zu nahe getreten, denn ein solches Vorhaben ist von meiner Feder jederzeit entfernt gewesen, welche sich nichts mehrers wünscht, als von dem Frauenvolk günstig angeblickt zu werden, ob ich schon in der Wahrheit kein sonderlicher Liebhaber noch närrscher Galan bin, welche die meiste Zeit vergeblich anwenden, indem sie auf nichts mehr als ihre eigene Narrheit studieren und wegen eines stinkenden Stück Fleisches oftermalen ihre ewige Wohlfahrt verscherzen und mit Füßen treten.

Ich wollte mich auch viel lieber in einen Finger beißen, als eine Sach von einer so hohen Dam ausgeben, welche doch in der Wahrheit nicht kann hochge heißen werden, weil sie sich durch ihre Untugend ihres eignen Adels verlustig gemacht und sich also weit unter den gemeinen Stand hinuntergesenkt, indem sie keinen Scheu getragen, das Mittel, vermittelst welchem der Adel blühet, nämlich die keusche Tugend, aus der Obacht zu lassen und ihren Leib mit vielen tausend Hurenstücklein zu besudeln. Ich wollte, daß ihr diese Schrift unter Augen gebracht würde, und sie müßte alsdann, durch ihr eigenes Gewissen überzeugt, bekennen, [340] daß nicht das vierte Teil ihres Mißverhaltens in solcher aufgezeichnet worden, mit welchem ihr noch eine große Gunst durch mich, als den Urschreiber dieser Histori, erwiesen worden. Aber ob ich gleich gegen einer solchen nicht gnädig bin noch den Ruhm haben will, einem lasterhaften Menschen zu favorisieren, werfe ich doch nur deswegen die gröbsten Stücke ihrer heimlichen Liebs-Practiken auf die Seite, auf daß sich nicht irgendein unschuldig Gemüt daran ärgere und also aus Eröffnung einer stinkenden Pfütze viel andere giftige Schlangen heraussteigen und eine gute Meinung kein übel Ende nach sich ziehe.

Sechstes Buch

1. Capitul. Was Crispan vor ein Filzhut gewesen
I. Capitul.
Was Crispan vor ein Filzhut gewesen.

Der Geizhals kargt im Lebenslauf,

Hängt endlich sich mit Juda auf.


Auf demjenigen Schloß, welches mir mein Vater zum Heiratgut verehret, bestellte ich einen Meier, daselbsten nebenst der Haushaltung zugleich gute Obsicht auf das Mühlwasser und die Wiesmater zu haben, welche mir jährlich einen merklichen Beizins trugen. Und ich muß gestehen, daß ich zwischen Verfertigung dieses Buchs gar oft ab und zu geritten und unterweges viel tausend Grillen und Schnaken gefangen.

Unterweilen pfiff ich auf solcher Reise etliche Reiterstücklein, und weil mein Knecht ein Steyermärker war, mußte er mir unterwegs erzählen, wie es die Mägde in seinem Dorf zu treiben pflegten und wieviel er sein Lebtag beschlafen hätte. Da hörte ich, daß der Mauskopf in dergleichen Begebenheiten viel ein besser Glück als mancher vom Adel gehabt, und war noch um so viel desto glückseliger, weil ihn seine Courtesien nicht halb soviel gekostet als einem meinesgleichen, indem sich zum öftern manch armer Schlucker an den Huren fast zum Bettler gespendieret und sich zuletzt wider seinen Willen zwischen den Ohren gekrauet.

»Ich bin«, sagte mein Knecht, »nicht weit von Grätz bei der Haupt-Vestung in Steyermark erzogen, und der Edelmann in dem Dorf hatte die Gerechtigkeit, wegen einer alten Leibeigenschaft die Bauernknechte und andere Kinder, so daselbst geboren worden, ohne Entgelt in seine Dienst zu nehmen. Ach, Herr,« sagte er weiter zu mir, »derselbe Edelmann [342] ist ein Filz, ich weiß aber nicht, lebt er noch oder nicht. Lebt er aber nicht, so ist er ein Filz gewesen, dergleichen wenig auf der Welt gelebt haben. Es traf mich schon das Unglück, daß ich ihm in meiner Jugend aufwarten müssen, und weil er denn gar zu geizig war, mußten die Bauren in dem Dorfe zusammenschießen und mir eine Liverey machen lassen. Wenn ich aber in die Schenke kam und die Bauren getrunken waren, gab mir dort einer eine Kappe und da wieder einer eine, wurde also in meiner Jugend halb gehörlos geschlagen, und dahero prügelte mich der Edelmann ingleichen, so ich nicht geschwinde verstehen konnte.

Ah, ha, ich hab mich oft scheckicht gelacht, wenn der Edelmann Briefe bekommen, denn er sparte derselben so viel zusammen, bis er eine ziemliche Anzahl in eine kupferne Pfanne legen und das Petschier- Wachs daraus brennen konnte, mit welchem er andere Briefe versiegelt. Aus welchem man klar sehen können, was vor ein erschrecklicher Geizteufel den Edelmann besessen. Ich müßt es wohl als ein Sapraments-Bärnhäuter lügen, wenn ich sagte, daß ich das ganze Jahr einen Tropfen Bier zu trinken bekommen, es sei denn, daß mir die Base des Edelmanns ein Becherlein gegeben, dergleichen er allezeit über Essenszeit zwei auszutrinken pflegte. So ungeschickt und tölpisch ich aber mit meinem Herrn umgegangen, schlug er mich doch nur mit der Hand. Denn er hatte das Herz nicht, seine Peitsche zu gebrauchen, weil er geforchten, solche an mir zuschanden zu schlagen, und also hätte er vier Groschen vor eine neue auslegen müssen.

Er hielt nur ein einziges Pferd und schickte allenthalben in dem Land herum, obs nicht einer oder der ander auf ein paar Tag entlehnen wollte. Alsdann mußte er ihm durch solche Zeit zwei Gülden geben und dem Bauern, welcher mitgeloffen, ein Trankgeld spendieren, welches er ihm auch abnahm, und also mit seinem Roß allerlei Groschen und Pfenninge erwarb. Er hat sich gar oft in dem Kopf gekratzet, wenn er gesehen, daß die Mägde den Hühnern zu essen gaben. Aber die Eier suchte er in den Ställen selbst zusammen und hatte doch das Herz nicht, eins zu essen, sondern ließ es auf den Wochenmarkt tragen und teuer genug verkaufen. [343] Einsmals zählte er wohl fünfzig einer Bauermagd in den Korb, aber sie fiel unterweges über einen Stein und zerbrach sie alle auf der Straßen. Da ließ er ihr all ihre Kleider nehmen, und solche behielt er so lang in Verwahrung, bis sie die fünfzig Eier wiedergutgemachet.

Es ist gewiß, daß kein Mensch größern Zahnschmerzen als eben er erlitten. Und dennoch ist ihm das Geld so lieb, daß er viel ehe vor Schmerzen sterben als nur den geringsten Heller vor ein Wässerlein auslegen wollen. Einsmals ließ er das Dach decken, und als es ihm an einem Arbeiter mangelte, schickte er zu dem Pfarrer und ließ ihn bitten, er möchte dieselbe Stell ersetzen. Alle seine Fenster bestunden in Papier, und kann wohl schwören, daß ich auf dem Schlosse mit nichts als mit demselben zu tun gehabt, weil ich bald einen Fleck herunterreißen und wieder einen hinanpappen müssen. Hat also der Edelmann mit einem halben Metzen Mehl all seine Glasscheiben versehen und erhalten können. Aber es ist nicht zu sagen, wie das Frauenzimmer und andere darauf geschmälet und gestochen haben, wenn sie etwan von großem Regen oder sonst von einem Ungewitter überfallen und daselbst einzukehren genötigt worden. Sonsten würde wohl kein Mensch zu ihm gekommen sein, es sei denn, daß sich etliche an seiner Lebensart zu kitzeln verlanget, die viel eine größere Filzigkeit in dem Schlosse erfahren, als man ihnen zuvor gesagt hatte.

Ich denke es noch wohl, daß er schröcklich verliebt war, und so ungeschickt ich sonsten bin, habe ich ihm doch alle seine Künste leichtlich abmerken können, weil er bei seiner Filzigkeit ziemlich ungeschickt war. Er hat sich auf keinerlei Weise zu verehlichen getrauet, aus großer Furcht, gar zu viel dardurch zu verlieren. Denn er sagte gar oft, er müßte sich die Augen aus dem Kopfe weinen, wenn er ein Kind zum Erben bekäme. Und mit solchen Hudeleien hatte er ohne Aufhören zu tun und mußte sich nicht allein von seinesgleichen Standespersonen, sondern auch von Niedrigen, ja sogar von seinen Bauren selbsten durch die Hechel ziehen und auslachen lassen.

Er kam einsmals auf eine Hochzeit, nicht als ein Gast, sondern als ein verkleideter Zuseher, weil er gehöret, daß es auf [344] solcher überaus stattlich hergehen sollte. Diese Hochzeit ging auf einem Schlosse vorüber, und ich mußte mit ihm über Feld gehen, weil er sich als ein Schulmeister angekleidet, welchen Habit er noch von seines Großvaters Urahnherrn geerbet hatte. Denn sein Geschlecht hatte lauter solche saubere Zweigen getragen, und wenn man sie alle miteinander zu Markt gebracht hätte, glaub ich schwerlich, daß jemand vor die ganze Gesellschaft einen Batzen würde gegeben haben. Wir kamen gleich dazumal zu der adeligen Hochzeit, als man schon zu tanzen an fing. Und weil ich wegen meiner Liverey gar bald erkannt war, fragten mich die Cavalier, was mein schabhalsichter Junker Guts machte und ob er die Läuse noch um den Balg zu schinden pflegte.

›Pfui Teufel,‹ sagte einer zu mir, ›es ist schad, daß du bei dem Erzsparmunkes aufgezogen wirst. Der Bärnhäuter ist nicht wert, daß er den Namen vom Adel führet, weil er billig aller Knickhansen Lieutenant kann genennet werden. Der Hosenscheißer soll sich in den Arsch hinein schämen, daß er solchen Geiz treibet, davon die ganze Welt zu sagen und sich zu kitzeln weiß, und ich selbsten will allerehestens ein solch Buch über den leichtfertigen Schabhansen ausgehen lassen, davor er erschrecken soll. Ich glaube, der Teufel reitet ihn mit Haut und Haar, und könnte ich ihn nur einmal an einem bequemen Ort anpacken, ich wollte ihm das karge Fell dermaßen zerklopfen, daß er an einen Rechtschaffenen von Adel gedenken sollte.‹ Alle diese Wort redete der von Adel in Beisein meines Herrn, welchen er doch wegen verstellter Kleidung nicht gekannt. Dahero fing mein Herr an zu zittern und zu beben, weil er geglaubt, der Hochzeitgast würde ihn gar an den Hals schlagen. Aber zu allem Glück wurde ein neuer Tanz aufgestrichen, dardurch der vom Adel verhindert wurde, meinem Herrn die Laudes weiter herunterzulesen, welches er sonsten in der Wahrheit nicht würde gesparet haben. Denn er hatte ein recht verschnapptes Maul und redete die Wort nicht anders als unter einer Garnwinde heraus, ob er schon in diesem Stück einen schlechten Verstand bewiesen. Denn was hat es ihn angegangen, daß mein Edelmann geizig gewesen? Er hat dardurch nichts verloren [345] und nichts bekommen, ist auch weder klüger noch närrscher worden.

›Ja,‹ sagte mein Herr, als wir wieder zurück vom Tanzboden gingen, ›Jost, mein lieber Jost, das mag wohl ein Hundsfutt sein, der mich so geschimpft hat. Ach, hätte ich meine rechte Kleider angehabt! Ich wollte dem Flegel die Feige gewiesen haben. Es ist gleich gut, daß er mich nicht gekannt hat. Oh, wie will ich mich noch so gelegen an ihm rächen! Heute will ich vier Bauren an der Straß aufpassen lassen. Ich kenne ihn schon, ich kenne ihn schon, oh, ich kenne ihn schon! Er ist ein ehrbarer Vogel, ein Prahlhans ists, sonst nichts. Er macht einen Haufen aus sich und ist alles schuldig. Wenn er in die Compagnie kommt, da läßt er sich sehen wie ein Narr. Und wenn er nur neun Pfenning vor eine Kanne Bier hergeben soll, so zeucht der Narr eine ganze Hand voll Geld hervor, damit die Leute sehen sollen, daß er auch bei Mitteln sei. Aber zu Hause hungert seine Frau doch wohl, und ich hab es schon erfahren, daß er seine zwei Diener auf die Dörfer herumschicket, den Bauren die Hühner hinwegzufangen. Oh, der Hühnerfänger! Hol ihn der Teufel samt seinem Reichtum! Das ist ein Bärnhäuter, das ist ein Hundsfutt! Er heißt mich einen Schabhalser, o du Schabhalser selbsten in deine Haut hinein!

Könnte ich fechten, oh, wie wollte ich ihn auf die Goschen stoßen, daß ihm seine Frauenzimmer-Zähne herausspringen sollten! Ei, ei, was bin ich doch vor ein Narr, daß ich die Ringkunst nicht kann. Wett der Teufel, wie wollte ich ihn wider den Boden werfen, daß ihm die Kniescheiben in Trümmer zerspringen müßten! O Jost, o Jost, daß du ihn nicht ins Gesicht geschlagen hast und geschwind davongelaufen bist! Du bist wohl ein rechter Hundsfott gewesen.‹ Ich gedachte aber: ›Herr, weil Ihrs nicht getan habt, so seid Ihr einer!‹ – ›O der Galgenschelm,‹ fuhr er fort, ›wie hat er mich nicht an meinen Ehren angegriffen. Oh, hätte dieses mein seliger Herr Vater gewußt, ich glaub, es sollte ihm recht schmerzlich weh getan haben. Aber, basta, basta, ich kann borgen, kommts heut nicht, so ists morgen. Wer weiß es, wie sich der Handel füget. Hat mich wohl der Teufel auf die Hochzeit geführet [346] und kein guter Engel. Dasmal auf eine Hochzeit gangen und keinmal mehr, ich möchte mir vor großem Zorn die Haare gleich aus dem Kopfe reißen!‹

Mit solchem närrschen Gespräche vertrieb mein Herr den Weg bis zu seinem Schlosse mit sich selber, und ich mußte hinter ihm von Herzen lachen, daß er so gar artige Anschläge hatte. Als wir ins Schloß gekommen, bestallte er alsobald vier Bauren auf ebendie Straße, da der Edelmann vorbeireisen mußte, welcher zuvor sehr wider ihn geschmälet hatte. ›Ihr Bauren,‹ sagte mein Herr zu ihnen, ›werdet ihr euch wohl halten und wacker zuschlagen, so verehre ich euch einen Groschen zu Bier und lasse euch eine Stunde auf meiner Kegelstatt umsonst bosseln.‹ Diese ungemeine Freigebigkeit des Edelmanns machte die Bauren mächtig mutig, nahmen also ihre Dreschflegel zur Hand und gingen hin auf die Straße, nachdem ihnen mein Herr zu einer bessern Courage einen Becher Bier von einer halben Maß einschenken lassen.«

2. Capitul. Er läßt einen vom Adel prügeln
II. Capitul.
Er läßt einen vom Adel prügeln. Wird von etlichem Frauenzimmer besucht. Ihre Complimenten vor dem Tor. Wunderlicher Duell.

Gleich wie man schreiet in den Wald,

Also das Echo widerhallt.


»Diese Abgesandte verrichteten ihre Sache gar wohl und gaben vielleicht mehr Schläge aus, als ihnen der Edelmann zu tun befohlen. Konnte sich auch mein Herr nicht genugsam erfreuen, als er gewahr worden, daß etliche ganz mit Blut bespritzet vor ihm erschienen. Er sprang vor Freuden in die Höhe wie ein Ziegenbock, und sie mußten ihm alles haarklein erzählen, wie sich der Geprügelte angestellt oder was er zu ihnen geredet hätte. Allein, sie konnten ihm nichts anders berichten außer, daß sie ihn übers Pferd abgeworfen, ihm die Dreschflegel über den Buckel geschmissen und das Pferd zu Tod geschlagen hätten. ›Ja,‹ sagte einer, ›wie einen Frosch haben wir ihn zudroschen, und wären ihm nicht etliche zu Hülfe kommen, wir hätten ihn gar mausetot geschlagen. [347] Aber wir entsprangen noch zu unserm großen Glück in einen Busch, in welchem sie uns nicht nachreiten konnten, ob sie schon mit zwei Pistolen hinter uns drein geschossen haben.‹

In diesem Gespräch kam eine Gutsche voll Frauenzimmer in das Schloß, welche auf der vorbeschriebenen Hochzeit gewesen und gehört hatten, wasgestalten dieser Orten ein so karger Filz lebte, als einer möchte anzutreffen sein. Deswegen waren sie vielmehr aus Spaß als aus einer andern Ursach gekommen, den Edelmann, als meinen Herrn, zu besuchen, damit sie die abenteuerliche Mär in rechten Augenschein nehmen möchten.

Sie kamen gleich vor dem Schloßtor an, als ich mit ihm daselbsten unter zwei großen Linden spazierengegangen. Weil er nun sein Schulmeisters-Kleid nicht ausgezogen, kannten sie ihn auch nicht, sondern fragten ihn, ob der karge Lumpenhund, der Edelmann Kratzfilz, zu Hause wäre oder nicht? ›Ja,‹ sagte er, ›er ist zu Hause und wartet nur auf eine Gutsche voll abgefeimter Huren. Wenn ihr es seid, so könnet ihr nur hineinfahren.‹ Hieraus erkannten sie, daß ers selbst war, hießen den Gutscher umkehren und sagten ihm ins Gesicht, daß sie die Zeit ihres Lebens keinen so garstigen Flegel und groben Erz-Bachanten als eben ihn nicht gesehen noch gehört hätten. ›Seht doch,‹ sagte er, ›leckt mich doch alle woanders, ihr garstigen Seichtaschen!‹ – ›O du Schabhalser,‹ schrie eine aus der Gutsche, ›du bist nicht wert, daß dich eine Laus beißet!‹ Hiermit fuhren sie schnell fort und hießen ihn einen Hutzelnager und er sie hinwider Erzhuren. Also ruften sie beiderseits so lange mit Ehrentituln zu, so lange sie aneinander hören konnten.

›Seht mir doch die stolzen Bachstelzen an,‹ sagte er zu mir, ›wie sie so geschwind in dem Harnisch sind. Ich glaub, der Teufel will sich gar an mir reiben. Oho, sie fressen mich mit ihrem Gespötte noch lange nicht! Und wer weiß, wer den andern begräbt, die Hunde fressen auch Fleisch. Narren, Narrenpossen! O ihr Rabenäser, ihr Aschebrätel, ihr flöhsichtigen Gabelhexen! Ihr habt Zeit gehabt, daß ihr davongefahren seid, sonsten wollt ich euch den Kratzfilz gemusiciert[348] haben, ihr Erz-Sackpfeifen! Es wird euch kaum ein Paar Handschuh verehret, da fangt ihr an zu stolzieren, ihr reiche Narren! Oh, daß euch ja der Teufel euer Schimpfen eintränkte! Hab ich das um euch verdient? Habt ihrs Herz, kommt mir wieder! Dem heutigen Galgenvogel habe ich schon gewiesen, wieviel es auf der Uhr ist. Wüßte ich nur, wer ihr wäret, ich wollte euch garstige Teufel so abklopfen lassen, daß euch der Filz zu Augen und Nasen ausspringen sollte, ihr stinkende Ledersäcke! Da machen die Narren ein Prahlen daher, und wenn man ihnen die Röcke aufhebt, so haben sie zerrissene Hemder an! Ja, der Teufel müßte mich reiten, daß ich eine vom Adel nehme! Nein, nein, ich weiß es viel besser, jenseit der Bäche sind auch Leute und vielleicht viel besser als ihr, ihr Bettratzen!

Heißen mich die Donnerhuren einen kargen Lumpenhund und, was noch mehr ist, auch einen Kratzfilz darzu! O ihr Lumpenhunde selber, ihr seid Lumpenhund und nicht ich! Ihr wisset noch nicht, was die Gesparsamkeit vor eine Tugend ist, ihr lasterhafte Leute. Seht doch, seht doch, sie heißen mich einen Kratzfilz, ach, daß euch doch weiß nicht wer in dem Hintern kratzte, ihr garstige Lochtauben. Ei, daß ich nicht ein Schwert habe, welches eine Meil Weges lang ist, ich glaub, ich wollte euch zerhacken wie die kleine Rüben!‹ In solchem Gespräche, das er abermal mit sich selbst führte, schickte er mich zu seiner Base, damit sie nichts zu essen machte, weil er mit erschrecklichem Zorn und Widerwillen eingenommen war. Und als ich ihr die Ursach erzählet, wie es ihm sowohl auf dem Tanzboden als vor dem Schloßtor gegangen, verwunderte sie sich nit groß darüber, weil sie wohl wußte, wie schändlich der gemeine Pöbel von seiner Haushaltung zu reden pflegte. ›Mein lieber Jost,‹ sagte sie zu mir, ›die Hudelei meines Vettern ist gar zu bekannt. Wenn du erst recht dahinterkommen wirst, alsdann kannst du mirs besser glauben, als ich dirs sagen kann. Ich hab mir schon meine Rechnung gemacht, gehts mir an, so frag ich nichts darnach.‹

Ich wußte nicht, was sie durch diese Red wollte zu verstehen geben, aber hernach erfuhr ich die Auslegung mehr als zu [349] viel, muß dahero alles nach der Ordnung erzählen, auf daß der Herr hören kann, wie artig es auf dem Schlosse abgelaufen. Derjenige Edelmann, welcher von den vier Bauren aus Anstiftung des kargen Filzes so jämmerlich zu Schaden gekommen, hat endlich die Abenteuer ausgekundschaftet, und weil er hiervon gewissen Grund hatte, schickte er meinem Herrn folgenden Brief: ›Ein Beschimpfter vom Adel wünschet dem Erzschurken Crispan alles Unheil über den Hals, welches einem Bärnhäuter unter der Sonnen begegnen kann. Hiermit mache dich fertig zum Scharmützel, oder du sollst dein Schloß samt dem Dorf innerhalb zwei Stunden in der Flamme sehen. Was dich dein Schulmeister nicht mit der Rute gewiesen, das will ich dir mit dem Degen weisen, und das Fell, welches dir die Bärnhäuterei an geleget, das will ich dir mit meinen Händen über den Kopf herunterreißen, du aller Schelmen Erzschelm! Ich werde nicht ruhen, bis ich deinen Leib mit tausend Wunden durchstoßen. Alsdann sollen denselben die Raben unter dem Himmel auffressen, und mit Pflugscharen will ich deinen Sitz umackern lassen, wie vor diesem zu Troja bräuchlich gewesen, wenn ohnedem deine Wissenschaft sich bis außer das Dorf erstrekket. Hiernach wisse dich zu richten, in einer halben Stunde bin ich vor dem Tor.‹

Diesen Brief brachte ein Laquay, und sobald er ihn übergeben, nahm er seinen Abschied, mit Vermelden, daß sein Herr in großem Zorn entbrannt und ehestens auf einem Schimmel erscheinen würde. Nach solchem Bericht ging er wieder zurück, und meinem Herrn war wegen dieser unverhofften Herausforderung so angst, daß er sich nicht zu resolvieren wußte, was in diesem Fall zu tun sein möchte.«

3. Capitul. Jost erzählet seinen Lebenslauf
[350] III. Capitul.
Jost erzählet seinen Lebenslauf. Ludwig und Isidoro probieren einen Diebsgriff.

Wir sind oft Freund nur mit der Zung',

Das Herz denkt wie des Goldschmieds Jung'.


»Ich habe von derselbigen Zeit an keinen so lustigen Spaß all mein Lebtag gesehen. Denn dem armen Crispan wurde je länger je übler um das Herz, also daß er sogar den Pfarrer deswegen um Rat fragen ließ, ob er sich mit gutem Gewissen in ein so schröckliches und gefährliches Gefechte einlassen dörfte oder nicht. Aber der Pfarrer war zu großem Unglück anitzo gleich nicht zu Hause, weil er einen Wassersüchtigen besuchen müssen, welcher allgemach zu himmeln anfangen wollte. Deswegen nahm er ein ander Mittel vor die Hand, indem er entschlossen war, alle Bauren in dem Dorfe aufzubieten, derer nicht mehr als etwan ihr sechs darinnen waren. Aber dazumal war es gleich in der Saatzeit, hatten also alle mit ihren Pferden auf den Äckern zu tun, welches dem verzagten Crispan vor großer Furcht noch nicht zu Sinnen kommen war. Er fragte hierauf bald mich, bald seine Base um einen tauglichen Rat, aber ich war nicht gewachsen, ihm hierinnen einen sichern Ausschlag zu geben, ob ich gleich von Herzen gewünschet, daß ich doch von meinen verdrüßlichen und hundsfüttischen Diensten einmal los würde. In solchem Zustande kam der Dorfwirt in das Schloß, welcher etlich Stroh kaufen wollte, seine neue Scheune damit zu bedecken. Aber mein Herr, ob er wohl dem Geiz ziemlich ergeben war, ließ er doch vor diesmal den Handel mit dem Wirt fahren und fragte ihn vielmehr um ein taugliches Mittel, seiner instehenden Gefahr zu entgehen. Der Wirt war ein ausgestochener Vogel und sein Leben lang mit solchen Ränken umgegangen, daß nichts drüber. Er wußte gar wohl, daß Crispan keine Courage hatte, deswegen machte er ihm die Sache noch so gefährlich.

›Mein lieber Herr,‹ sagte er zum Edelmann, ›Ihr habt Euch gar an dem Rechten verbrannt. Es ist kein solcher geübter Fechter im ganzen Land, und Ihr habt noch nicht so viel gebratne Hühner gefressen, als viel wackere Kerls er an den [351] Degen gespießet hat. Ich wollte wahrhaftig nicht tausend Taler drum geben, daß ich anitzo an Euer Stelle wäre, denn ich fürchte, Ihr dörft eine Wunde davontragen, darüber Ihr des Aufstehens vergesset.‹

›Ich glaub es gar wohl,‹ sagte der Edelmann, ›aber ist denn ganz kein Rat vor mich zu finden?‹ – ›Herr,‹ antwortete der Wirt, ›besser ist vor diesmal nichts, als daß Ihr Euch vor dem Tor künstlich in eine Schlingen, dergleichen ich eine zu Haus habe, aufhängt. Dann wird Euer Widerpart nicht allein über solchem Eurem Beginnen eine große Gewissensangst empfinden, sondern angesichts wiederum zurückreiten, wo er hergekommen. Euer Schloßgesind aber und ich wollen vor dem Tor heulen und klagen, und solchergestalten könnet Ihr die Gefahr mit lachendem Munde abwenden.‹

›Es ist kein geringer Vorschlag‹, sagte der Edelmann, welcher den Wirt mit zusammengeschlagenen Händen bat, nur bald zu der Sache zu tun und die Schlinge anher zu bringen, weil der Provocant keine Viertelstund mehr ausbleiben würde. Auf solches sprang der Wirt über Hals und über Kopf nach der Schenke zu und brachte die Schlinge mit sich, welche von gutem Pfundleder zusammengestochen war. Er legte solche dem Edelmann auf die Unterkleider, und wir brachten ihn insgesamt auf einer Leiter auf das Schloßtor hinauf, allwo ihm der Wirt das Gesicht mit Nußfarb überschwärzet, welches das Ansehen gab, als wäre ihm das Blut schon gänzlich gestocket. Es war sich zu verwundern, wie artige Lectiones der Wirt dem Edelmann gab, wie er sich recht naturell darzu anstellen, wie er den Kopf neigen und wie eine artige Henkerspostur er machen sollte, und schien fast, der Wirt wäre entweder schon einmal gehängt worden oder würde auf das wenigste noch gehangen werden, denn er richtete den Edelmann so meisterlich ab, daß wir endlich selbsten gezweifelt, ob er noch lebte oder nicht, wenn er nicht zu unterschiedlichen Malen gefragt hätte, ob der Provocant schon daherritte oder nicht. Er rufte immer: ›Ist er da? Ist er noch nicht da?‹

Aus diesem konnten wir leichtlich schließen, daß ihn die Furcht trefflich quälen mußte, denn er bat uns, daß wir ihm [352] in der Gefahr ja treulich beistünden, er wollte alsdann ein Viergroschenstück nicht ansehen, sondern unser im besten gedenken. Nach solcher Vermahnung sprengte der Edelmann mit zwei Laquayen schon gegen das Schloß, und wir fingen ein abscheuliches Hunds- und Wolfsgeheule vor dem Tor an. Der Wirt lief mit dem Kopf immer wider die Mauer, gleich ob er toll und töricht wäre. Desgleichen trieben auch wir andere wunderliche Schosen, und der Provocant blieb endlich nebst seinen Dienern mit Verwunderung stehen, indem er allgemach mit Augen ansehen konnte, warum wir ein so jämmerliches und klägliches Spiel getrieben.

›Ihr armen Leute,‹ sagte er zu uns, ›wer ist dieser aufgehängte Mensch?‹ – ›Ach, mein lieber Herr,‹ sagte der Wirt mit einem großen Seufzer, ›unser Edelmann!‹ Damit lief er wieder an die Wand, daß es taugte, und die andern baten den Edelmann um Rat, was sie mit dem Erhängten anfangen sollten. ›Ihr habt euch nicht zu betrüben‹, antwortete er, ›über einen solchen Menschen, der euch nur mit Schanden und Unehr regieret hat. Ihr habt an ihm keinen von Adel, aber wohl einen solchen Bachanten verloren, dergleichen die Welt nie getragen hat. Vor vier Tagen ließ er mir durch etliche Bauren auf der Straße aufpassen, welche mich nicht allein in dem Trunk ganz kraftlos geschlagen, sondern mir noch darzu mein bestes Pferd zuschanden gemacht. Eine solche Büberei hat dieser euer Herr angestellet und hat dadurch keinen bessern Tod verdienet. Und zu meiner Revanche will ich ihm diese Kugel noch in den Leib jagen, und sollte ich dadurch in das größte Unglück von der Welt geraten.‹ Mit solchen Worten zückte er die Pistole und zeucht den Hahn über.

Als dieses der hangende Crispan erblickte, rufte er in der Schlinge und schrie um Gnad. Der Provocant sagte: ›Wie, ist es auf diesem Schloß der Gebrauch, daß die Tote reden?‹ Der Wirt merkte, daß seine Invention zu Wasser worden, deswegen nahm er die Flucht seinem Hause zu, und wir folgten ihm bald nach, indem sich einer hier, der ander dort in das Schloß verstak. Als aber der Provocant hinter den Betrug geraten, zerprügelte er den Crispan, welcher sich[353] in der Schlinge weder regen noch wehren konnte, dergestalten, daß er die Hosen um ein merkliches vergüldete.

Zwischen solcher Action hatte der Schreiber und die Base in dem Schloß alles in eine Lade zusammengepacket und das meiste Silbergeschmeid samt dem Geld hinweggestohlen. Und weil ich bei so beschaffenen Zeiten meinen besten Vorteil ersah, lief ich auch heimlich davon, und die andern stahlen, was ihnen am nähesten war. Dergestalten blieb kein Mensch zurück, welcher ihm von der Schlinge hätte helfen können, ohne dem Wirt, welcher ihn halb tot heruntergeschoben und zu sich in sein Haus genommen hat. Wie es weiter abgelaufen, kann ich nicht berichten, denn ich kam zu einer alten Edelfrauen auf ein einschichtiges Schlößlein, welche mich nur deswegen aufgenommen, weil ich schon eine Liverey am Leibe hatte. Deswegen konnte ich mir leicht die Rechnung machen, daß ich so lang in Diensten bleiben würde, als lang dieselbe nicht zurisse noch in Stücken ginge.«

Diese Erzählung, welche mir mein Knecht Jost nicht ohne sonderlichem Zeitvertreib vorgestellet, brachte mir eine ziemliche Ergötzung, daraus ich verstanden, daß es mir und meiner adeligen Compagnie nicht allein, sondern auch bei andern Leuten wunderlich zu gehen pflege, nur daß mans nicht allezeit wüßte noch diejenige Leute kennete, welche oftermalen eine größere Abenteuer als uns selbsten betroffen. Weil demnach meines Knechts wunderliche Zustände nicht unangenehm zu hören waren, wollte ich vernehmen, wie es mit ihm bei der Alten vom Adel abgelaufen, aber wir waren ganz unvermerkt so nahe an das Gut geraten, daß ich nun nicht mehr genug Raum hatte, seinen Worten ferner Audienz zu geben. Sagte ihm dahero etliche Lehren, welche er aus seiner Relation ziehen sollte, item, was der Geiz vor ein abscheuliches wildes Tier sei. Und damit ritten wir zum Meierhof hinein.

Der Meier war von Herzen froh, daß ich selbsten in Person angekommen, denn er hatte sich schon fertiggemachet, mir entgegenzureisen und anzudeuten, was vor eine große Gefahr sie gestern abends in der Nacht ausgestanden. »Euer [354] Gestreng«, sagte er zu mir, »kommen zu allem Glück hier an, denn gestern kam ein Dieb in den Schafstall, welchen wir erwischet und in einem Keller an zwei Ketten angeschlossen haben.« – »Ha, ha,« sagte ich, »den Raubvogel muß man rupfen! Saget mir, ists ein Soldat, oder wer ist der Dieb?« – »Das wissen wir nicht,« antwortete der Meier, »aber wir hatten alle zu tun, ehe er sich gab. Es war noch einer bei ihm, der ist davongelaufen und hat immer gelacht, daß wirs noch übers Feld herüber hören können.«

Ich dacht, ich müßte den Dieb gleichwohl sehen und ihn nach Gestalt der Sachen gerichtlich einziehen lassen, ging also in den Keller, und als der Meier die Tür eröffnet, sagte der Angeschlossene zu mir: »Bruder, du hast Zeit, daß du selbst kommest.« Über diese Wort sprang ich vor Verwunderung wieder zurück, denn es war Monsieur Ludwig, und ich konnte mich unmöglich enthalten, sondern prügelte den Meier samt seinen Knechten in dem Keller herum, daß nichts darüber. Aber Ludwig hieß mich innenhalten, vorgebend, daß sie das Ihrige getan und mit ihm nicht unbillig verfahren wären. Aber in der Nacht hätte ihn ein Poltergeist ausdermaßen erschreckt. Man machte ihn alsobalden los, und ich umfing ihn mit tausend Freuden. Er aber konnte des Lachens nicht mehr satt werden.

Hierauf gingen wir in ein absonderliches Zimmer, allwo er mir erzählet, wie er gehöret, daß ich mich einsten auf hiesigem Gut aufhielt, »und,« sagte er weiter, »weil ich dazumal einen abgedankten Soldaten bei mir hatte, welcher von unterschiedlichen Practiken zu schwätzen wußte, ließ ich den Isidoro zu mir über holen, weil ich wußte, daß er ein sonderlicher Liebhaber von dergleichen Händeln war. Der Reiter erzählte uns einen Haufen, wie man künstlich stehlen sollte, und unter andern sagte er, daß, wenn man ein Loch in einen Schafstall gerissen und wissen will, ob der Schäfer oder der Bauer darinnen vor dem Loche stehe und aufpasse, so solle man einen Hut an dem Degen oder auf einem Stock hineinstoßen. Wäre es nun Sach, daß jemand aufpaßte, so schlüge er zu, könnte man sich also wieder dahin begeben, woher man ge kommen. Vernähme man aber keinen Schlag, [355] so sei es ein Zeichen, daß niemand in dem Stall sei, welcher die Schaf verwachte.

Nun muß ich bekennen, daß mich dieser Diebsgriff ohne Unterlaß gekützelt, ich denkte Tag und Nacht auf Gelegenheit, dieses Stücklein zu practicieren und in das Werk zu richten. Weil ich nun die Gelegenheit deines hiesigen Gutes allerbestens darzu erkieste, kam ich gestern gar spät mit Isidoro über Feld, und als wir das Haus schon zugeschlossen fanden, stiegen wir an deinem Schafstalle vom Pferd, nicht anders meinend, als das gelernte Reiterstücklein zu exercieren und dir eine Recreation zu machen. Isidoro schlug mit seiner mitgebrachten Axt ein großes Loch in die Wand, und ich steckte den Hut wohl zwölfmal nacheinander hinein, wurde doch nicht gewahr, daß jemands darinnen aufpaßte. Es war auch niemand darinnen. Als ich nunmehr selbst hineingeschloffen war und dem Isidoro die Schafe und Hämmel hinausgeben wollen, machte der Mauskopf das Loch zu, und kurz darauf erwischte mich der Meier mitten in dem Stall, und ist nicht zu sagen, wie ich mich mit seinen Leuten herumgeschlagen, ehe sie mich an die Ketten geschlossen. Dieses ist also der Verlauf, und ich will dem Meier noch darzu ein Trankgeld schenken, daß er so wachbar gewesen und mich so festegehalten.«

Über dieser Erzählung habe ich mich viel mehr zerlachet als noch über eine, welche in diesem Buche begriffen ist, aus welcher zu sehen, daß man sich vor allem Frevel fleißig in Obacht nehme. Denn in solchen Zuständen laufen auch die Allerunschuldigsten in die Gefahr, und die es am besten meinen, tragen die meisten Schläge davon. Aber dieses verwunderte mich allermeistens, daß ihn Isidoro so plötzlich verlassen und gleich einem Diebe die Flucht genommen hatte. Deswegen schrieben wir ihm einen Brief, und als er den dritten Tag darauf bei uns anlangte, trieben wir unsern gewöhnlichen Scherz trefflich miteinander, und Ludwig versprach, allerehestens die ganze Geschieht in eine Comödia zu fassen und solche auf seinem Schlosse agieren zu lassen.

Nach diesem machten wir uns noch acht Tage nacheinander [356] lustig und vertrieben die Zeit auf allerlei Art und Weis, die zu erdenken war. Weil sich auch Ergasto allernächstens mit einer Ausländischen vom Adel, und zwar auf Isidori Schlosse, verehlichen würde, als machte sich jeder bereit, auf derselben Zusammenkunft rechtschaffen lustig zu sein. Inzwischen passierte ich meine Zeit mit Zoten und spanzagelte mit ihm auf der Mühle, weil er in solchem ein sonderlicher Meister und Altgesell war.

4. Capitul. Jost kommt zu einer Alten von Adel
IV. Capitul.
Jost kommt zu einer Alten von Adel. Wie es ihm mit ihrer Tochter gegangen.

Was man in jungen Jahren treibt,

Im Alter selten außen bleibt.


Nach ihrem Abschied blieb ich noch etlich wenige Tag auf dem Gut, in welcher Zeit ich dem Meier Nachricht gegeben, wie er künftigen Frühling die Kühe- und Schweinställe samt den neuen Miststätten zurichten sollte. Und weil ich wohl sah, daß ihm, das Werk auf diesem Hof allein zu führen, etwas zu schwer fallen wollte, ward ich entschlossen, mich um einen tauglichen Hofmeister umzusehen, welcher hierinnen die Inspection führen und meine Rechnungen führen sollte. Nach solcher Anordnung ritt ich mit meinem Josten wieder zurück. Und weil ich noch voll Verlangen war, zu hören, wie es ihm bei der alten Edelfrauen gegangen, fuhr er in seiner hinterlassenen Erzählung weiter fort und sagte:

»Ich habe Euer Gestreng mit mehrerem erzählet, wie und auf was Art der karge Edelmann als mein erster Herr in der Schlinge ist zerprügelt worden, auch wie etliche unter uns, insonderheit aber ich, von dem Schlosse hinweggekommen.« – »Ja,« sagte ich, »das hab ich alles von dir vernommen. Darum sage nur fort, wie es dir bei der alten Couranie, nämlich der Edelfrauen, ergangen.« – »Nun,« sagte der Knecht, »so vernehmet mich weiter. Zuvor sagte ich, daß sie mich nur wegen meiner Liverey aufgenommen, und dahero hatte sie mich so lang in Diensten, als lang mir solche an dem Leibe sitzen geblieben. Aber nach einem halben Jahr jagte sie mich [357] wieder hinweg, zwischen welcher Zeit ich hinter manches Stücklein gekommen.

Sie hatte eine Tochter, die war nicht allerdings plasy.« – »Was ist das,« sagte ich zu dem Jost, »plasy?« – »Das ist so viel,« sagte er, »als nämlich, sie war vor dem Loche nit allerdings sturmfrei, denn sie löffelte trefflich gern, und weil ich ein einfältiger Jung war, mußte ich ihr allerlei Buhlbrieflein austragen. Ein Alter vom Adel, welcher nit weit über das Feld hinüber wohnete, hatte sich am allermeisten an sie gehangen. Aber das Mädchen zog ihn nur bei der Nase herum und narrte ihm gar viel Spendaschien ab, welche sie hernach eines Schulmeisters Jungen verehrte, der in der Kirche auf der Orgel gesungen hat. Dieser war achtzehen Jahr alt, und kam ihm allgemach die Weiberandacht an, als sie ihm allerlei Gelegenheit gab, seinen Mutwillen zu treiben. Aber der Schreiber war dem Jungen deswegen aus lauter Eifer so gehässig und widersinnig, daß er allerlei Schelmstück bei der alten Edelfrauen von ihm vorgab, auf daß sie ihn aus dem Dorf jagen möchte. Die Tochter sagte es dem Jungen wieder, und der Jung sagte es dem Schulmeister. Darüber kam der Schreiber mit dem Schulmeister in einen Zank und von dar gar zu guten Kopfnüssen, indem sie oft wie die giftigen Hunde aneinander angefallen und sich über Tisch und Bänke herumgerissen haben. Der Bierbrauer in dem Schloß war noch ein Junggesell und dachte vielleicht auch öfter an die Tochter als an sein Malzhaus. Und weil sie zu solchen Händeln leichtfertig genug war, hätte sie sich leicht an ihn gehänget, bis der Jäger auch zum Brett kam; und ich kann schwören, daß sie mich gar oft zu sich ins Bett geleget, besonders wenn ihre Frau Mutter an dem Stein krank lag, mit welchem Zufall sie ziemlich angefochten worden. Denn zur selben Zeit mußte die alte Hausfrau Ursel bei ihr wachen, und also gab die Tochter vor, sie fürchtete sich so sehr alleine. Aber sie verbot mir doch, weder ihrer Frau Mutter noch einem andern Menschen etwas davon zu sagen.«

»Jost,« sagte ich, »wie tat dirs denn, wenn du bei ihr lagst?« – »Ha,« antwortete er, »wie sollt mir gewesen sein? Ich habe dazumal wenig oder gar nichts um die Sache gewußt. Aber [358] das weiß ich noch wohl, daß sie mich oft eine halbe Stund aneinander geküsset und mir an dem Leib hin und wider gegriffen, gleich als wollte sie mir die Flöhe abfangen. Aber ich war halt gar zu eine kleine Kröt, deswegen wußte ich nicht, meinte sie es böse oder gut mit mir. ›Mein liebes Kind,‹ sagte sie, ›du bist gar zu fein zu einem Bauerjungen. Ich wollte, daß du größer wärest, du sollst flugs Schloßverwalter und hernach mein Mann werden.«‹ – »Jost,« sagte ich, »der Vorschlag war gut.« – »Ja, Herr,« antwortete er, »aber es wurde nichts daraus, sonst säße ich besser als anjetzo.« – »Jost,« sagte ich, »wie hieß die Tochter?« Er antwortete: »Herr, sie hieß Veronia und ist hernach gar eine Gräfin geworden, habe sie aber seit meiner Jugend nimmer zu sehen bekommen.«

Aus dieser Erläuterung verstund ich mit einem rechten Stich durch das Herz, daß ebendiese die Veronia sei, von welcher der geneigte Leser schon einen ziemlichen Particul eingenommen. Deswegen ließ ich ihn fortfahren, denn mir war nicht unbekannt, daß sie schon in frühzeitiger Jugend ein schlimmes Leben angefangen, ob ich schon noch niemalen so artig hinter die Sprünge gekommen. »Jost,« sagte ich, »fahre fort! Mein Jost, fahre fort! Wie ist dirs denn weiter mit der Veronia gegangen? Hatte sie dich denn trefflich lieb?« – »Ei, Herr,« antwortete er, »überaus.« – »Wie alt war sie denn?« fragte ich. »Dreizehen Jahr«, antwortete er. »Wie alt warest denn du?« fragte ich weiter. »Ich war kaum acht Jahr alt,« antwortete der Jost, »aber ich hatte es doch gar gern, daß sie mich hin und wieder abgeklaubet hat. Und sooft sie mich zu ihr gelegt, schenkte sie mir des andern Tages gar viel süße Nonnen-Fürzlein, derer ich so viel gefressen, daß ich fast eine Äbtissin davon gehofiert habe.«

»Pfui, garstig,« sagte ich zu ihm, »du bist ein rechter grober Flegel.« – »Ja, Herr,« antwortete er mit lachendem Mund, »sie schmeckten mir gleichwohl gar zu gut. Aber einsmals soff sie mich, ehe wir uns zu Bette legten, in gutem Weine sternblitzvoll, und ich weiß wahrlich nicht, wie sie dieselbe Nacht mit mir umgegangen. Aber des andern Morgens wurde ich gewahr, daß ich das Bett über und über ganz verunreinigt [359] und besudelt hatte, denn ich ließ hinten und vorn von mir gehen. Und damit die Sache verschwiegen blieb, stackte die Tochter die Bettücher heimlich ins Secret und nahm stracks ein anders Paar aus dem Schrank, weil sie in dem Schloß zu allen Kisten und Kasten die Schlüssel bei sich hatte.

Es ist nicht zu beschreiben, wieviel sie Freier gehabt. Denn sie wurde je länger je schöner, bis sie endlich in ein stattliches Frauenzimmer gekommen, und das geschah noch vier Wochen zuvor, ehe mich die Alte vom Adel wieder hinweggejaget, weil sie mich zu keiner Sache gebrauchen können. Sie gab mir nicht mehr als drei Groschen zur Wegzehrung. Deswegen weinte ich auf dem Weg die bittersten Tränen, weil ich nicht gemeint hätte, daß sie mich so schlecht abfertigen sollte. Ach, gedachte ich, wäre doch die Veronia nicht so bald hinweggezogen! Diese hätte dir wohl einen schönen Ducaten verehret, aber nun ist es zu spät. Wüßte ich, wo sie wäre, ich wollte stracks zu ihr. Was fang ich nun an? Ich habe kein Geld, ich habe kein Kleid, ich habe keinen Dienst und darf nicht wieder heim in das Dorf. Ja, gedachte ich, du mußt halt hingehen, wo dich der Weg hinträgt, es sei gleich auf- oder abwärts. In einem solchen Zustand ging ich einen ziemlichen Umschweif. Und wenn mich hungerte, bettelte ich mich bei einem Bauren zu Gast, war es aber in einer Stadt, so suchte ich meine Gelegenheit anders.

Nichts wundert mich mehr, als da ich einsmals in eine Stadt kam, bettelte ich zu einer adeligen Dam über das Fenster hinauf. Sie ließ mich gar zu ihr kommen, und dorten fragte sie mich alles aus, wer mein Vater war, wie meine Mutter hieße, wie alt sie wären, wo ich gedienet hätte, wer mir die Liverey machen lassen und dergleichen. Als ich nun auf alles Bescheid gegeben, daß mein Vater Martin und meine Mutter Anna hieße und daß sie allgemach über funfzig Jahr alt wären und so fort, da bekam sie Lust, mich weiter zu examinieren, wie ichs auf den Schlössern gemacht hätte, ob es nicht schönes Frauenzimmer darauf gegeben. Hiermit erzählte ich ihr, wie ichs mit der Veronia oder wie sie es vielmehr mit mir getrieben. Das gefiel ihr ausdermaßen [360] wohl, und weil sie meinem Unverstand ziemlich trauete, fragte sie mich noch viel mehr, ob ichs nicht so und so gemachet und dies und das getan hätte. Daraus ich bis gegenwärtige Stunde geschlossen, daß dem Frauenzimmer an der Wissenschaft solcher Lappereien ein ziemliches müsse gelegen sein, unerachtet ich nicht sehen kann, was sie vor einen Nutzen davon haben.«

»Ja, mein lieber Jost,« sagte ich zu ihm, »du bist ein Narr. Solche Sachen hören sie viel lieber, als wenn du ihnen von allen Geschichten der Welt ein langes und ein breites daherplauderst. Denn solche Heimlichkeiten sind kützlich zu hören, bevoraus, wenn sie in der geheim und still dahinterkommen können. Aber öffentlich werden sie von solchen Erzählungen hinweglaufen, wie sie der Henker davonjagte. Ich kenne ihrer gar viel, mein lieber Jost, die nichts Liebers lesen, als wo es ein wenig garstig kommt. Sie sagen zwar: Pfui Teufel, ist das nicht ein zotenhaftiges Buch! Aber sie gedenken: Ach, wenn es doch noch besser käme, wenn es doch noch besser käme! Und dieses ist ein Fehler, welchen alle Menschen bekennen müssen, wenn man von der unvollkommenen Keuschheit disputiert.

Mein lieber Jost, was meinest du wohl, daß dich die Veronia mit sich ins Bett genommen und dich die andre von Adel so haarklein examiniert hat? Oh, sie haben wohl gewußt, daß du ein einfältiger Teufel seiest, welcher weder um Schwarzes noch Weißes weiß. Gehe anitzo die ganze Welt aus, du wirst eine solche Gelegenheit nimmer erhaschen, nur darum, weil du nicht mehr so einfältig bist. Denn etliche Leute glauben, daß die Sünde verbergen so viel sei als nicht sündigen, und weil niemand verschwiegener ist als ein Einfältiger, als hat niemand größers Glück bei dem Frauenzimmer als die Narren. Ich rede aber von solchen, welche wie die unbändige Wildstuten von Begierden brennen und ihre größte Vergnügung in der Winkelliebe suchen, auch sich nicht scheuen, einen unschuldigen Jüngling zu verführen und das Hurengift beizeiten in die jungen Herzen zu gießen. Aber, Jost, wie ist dirs denn weiter gegangen?«

»Euer Gestreng,« antwortete er, »es ging mir gewaltig närrisch. [361] Denn wie ich so gar nicht ankommen konnte, kam ich in einem Wald in eine Glashütten. Daselbsten bin ich bei dem Kühlofen gebrauchet worden, aber es währete auch nicht gar zu lange. Als ich etliche Gläser zerbrach, da jagte mich der Meister wieder davon, ob ich den Ort schon ausdermaßen ungern vermisset, denn es war Winterzeit so hübsch warm, und nicht weit davon wohnte ein Einsiedler, der uns fast alle Tag zugesprochen.

Nachdem ich die Glashütte verlassen, lief ich zu dem Einsiedler Bernhard, welchem ich das Brot auf den Dörfern sammlen mußte. Er hing mir einen langen Capucinermantel um den Leib, also daß ich obenher nur mit dem Kopf hervorguckte. Auf dem Rücken hatte ich einen angenähten Sack hängen, in welchen mir die Bauerweiber Käs, Brot, gedörrte Äpfel, Bim, Kletzen und Hutzeln hineinwarfen; unterweilen gaben sie mir auch Geld. Aber etliche hießen mich des Einsiedlers Hurenkind und jagten mich mit großen Knitteln von der Tür hinweg. Mit solchem Bettelgehen vagierte ich so lang in den Dörfern herum, bis mein Sack genug hatte. Alsdann ging ich wieder nach der Klause zu, allwo Bruder Bernhard einen ziemlichen Particul dergleichen Speisen beisammen hatte. Er lernte mich recht schöne Gebet, und ihm hab ich es zu danken, daß ich lesen kann. Ich hab mein Leben lang kein so geruhiges Leben geführet, und es hat mich gar oft gereuet, daß ich nicht mein Lebtag bei ihm geblieben. Er war ein überaus frommer Mann, und ich kann nicht mit Wahrheit sagen, daß ich zeit meines Daseins nur ein ungereimtes Wort von ihm gehöret. Wenn ich ihm sagte, daß mich die Leute seinen Hurensohn hießen, sagte er: ›Die Welt machts nicht anders, sie siehet das Beste vors Schlimmste und das Schlimmste gemeiniglich vors Beste an.‹

Er fastete alle Wochen drei Tage und betete täglich sechs Stunden auf den Knien. Aber einsmals, kam ich in einen Pfarrhof betteln, da ließ mir der Pfarrer meinen Mantel samt dem Brotsack abnehmen, denn er sagte, daß das müßige Leben zu nichts taugte, als die Leute faul zu machen und von der Arbeit abzuhalten. Aber die Wahrheit zu gestehen, [362] so ist der Einsiedler Bernhard zehnmal andächtiger als der Pfarrer gewesen, so viel sich derselbe auch mit seinem Leben vor dem Einsiedler eingebildet. Anstatt meiner vorigen Andacht wurde ich zu der Stallarbeit angehalten, und dorten lernete ich in kurzem viel mehr von den Knechten fluchen, als ich zuvor bei dem Einsiedler beten gelernet. Ich brachte wohl drei ganzer Wochen mit Mist-Austragen zu, und ist nicht zu sagen, wie voller Läuse ich geworden. So war auch unsre Haushalterin mit Haut und Haar des Teufels nicht wert. Denn sie konnte es nicht gestatten, daß wir nach schwerer Arbeit auch nur ein Viertelstündlein ausruheten, sondern gab uns einen Filz über den andern, sooft sie uns in dem Stall oder sonsten müßig stehen sah. Wenn die Stallarbeit verrichtet und die Pferde gefüttert waren, so mußte ich mit den Knechten Holz tragen oder die Stockfische in dem Holzstadel klopfen, und ich kann nicht sagen, wie uns die Haushalterin getribulieret.

Wenn wir den Hut nicht geschwinde vor ihr abnahmen, so sagte sie: ›Ihr Eselsköpfe, ihr Galgenschwengel! Wisset ihr eine große Befehlshaberin nicht anders zu respectieren? Müßt ihr grobe Bachanten so unhöflich sein und mich ohne Reverenz vor euch gehen lassen? O ihr ungeschickte Tölpelsköpfe! Man sollt euch eure Ochsenköpfe vor die Füße legen! Der Teufel soll euch über den Hals kommen. Ihr sollt meinen Respect in acht nehmen, oder es wird aus einem andern Fasse gehen!‹ Und mit solchen Worten begegnete sie uns fast täglich, denn sie legte selten eine Rede gegen uns ab, welche nicht mit unterschiedlichen Bärnhäuters-Titeln untermischet war.«

5. Capitul. Jost kommt zu einem Jungen von Adel
V. Capitul.
Jost kommt zu einem Jungen von Adel. Was sie miteinander vor ein Leben geführet.

Vor Arbeit grauet jedermann,

Drum greift Herr Pongratz auch nichts an.


»Mein lieber Jost,« gab ich ihm zur Antwort, »ich habe in meiner Jugend studiert, daß sich die kleinen Leute am allergrößten [363] zu machen gewohnt sind und daß diejenige, so wenig zu verrichten haben, sich insgemein solche Ämter andichten, davor auch ein Esel den Rücken zerbrechen möchte. Eure Hausverwalterin, oder wie die Hure heißt, ist auch mit unter dieselbe Zahl zu rechnen, weil sie von euch als schlechten Leuten eine so große Ehrerweisung verlanget. Laudari a non laudatis, vituperium est, sagen die Lateiner. Das muß ich dir, mein lieber Jost, jetzund verteutschen und heißet, daß das Lob und die Ehre, welche wir von einem nicht Gelobten oder von einem solchen, der nicht viel Ehre besitzet, empfangen, ist nicht allein keine Ehre, sondern vielmehr eine Schand und Ungebühr zu nennen. Sind demnach all diejenige ausgemachte Narren und Phantasten, welche von solchen Leuten wollen geehret sein, die selbst wenig oder gar keine Ehre besitzen. Wie kann mir nun einer geben, was er selbst nicht hat? Es ist so unmöglich, als wenn ich sage: Jost, mache mich zum Doctor, da du doch ein Narr bist.«

»Es ist wahr, gestrenger Herr,« sagte der Jost, »daß ich nicht gar zu gelehrt bin. Aber gleichwohl machte es auch die Haushalterin so grob, daß es auch die Bauren haben merken können.« – »Aber höre, mein Jost,« sagte ich zu ihm, »hat sie nicht bei dem Pfaffen geschlafen, und weißt du ganz nichts darum?« – »Herr,« gab er zur Antwort, »das weiß ich, mein Trauen, nicht. Aber wie ich weglief, da hörte ich nicht gar lang darnach, daß sie allenthalben vor eine Pfaffenhure ist ausgerufen worden.«

»Narr,« sagte ich zu ihm, »die Leute sagen viel, es ist doch nicht wahr.« – »Freilich,« antwortete der Jost, »denn sie sagten auch von mir, daß ich ein frommer Jung sei, und war doch ein Erzschelm in der Haut, denn höret nur, wie mirs ging:

Ich lief endlich von dem Pfarrhof weg und war willens, dem alten Bruder Bernharden in dem Wald zuzusprechen, auch ihm zu sagen, wie es mir dieses Vierteljahr gegangen und wie manches schmales Stücklein Brot ich essen müssen. Aber unterweges fing mich ein Student auf, welcher auf die Universität zu ziehen willens war. Er hatte einen violbraunen[364] Reisrock an, und weil er zu Pferd saß, hatte er große französische Stiefel an, denn die teutsche hatte er viel leicht mit der teutschen Redlichkeit schon zerrissen. An dem linken Arm trug er ein spanisches Rohr an einer silbernen Kette, und ich dachte erstlich, es wär ein Jan Potage, weil er den Stock zu Pferde führte. Sein Hut stutzte mit weißen Straußfedern, und wenn er mit mir redete, mischte er viel Französisches mit ein und sagte, so ich nicht mit ihm in Gutem fortmarschiern würde, so wollte er mich bastanieren. Ich gedachte, er wollte mir Kastanien schenken, deswegen sagte ich: ›Ei, Herr, gebt mir doch einen Hut voll.‹ Aber er zuckte die Pistol aus der Hulfter. Damit merkte ich erst, was er meinte, und ging also hinter ihm drein.

Als wir nun so fortwandelten, kam er mit dem Pferd an einen Graben, allwo er eine ganze halbe Stunde zu tun hatte, ehe er hinüberkam. Da gedachte ich: Nun, Jost, jetzt hast du Plasy, nun laufe davon. Damit nahm ich den Hut unter den Arm, und hast du was, so gibst du was, machte ich mich aus dem Staube, denn ich wußte wohl, daß er mich nicht wieder ereilen konnte, wenn er so lang wieder herüber- als hinüberzuspringen hätte. ›O du Generalschelm‹, rufte er hinter mir drein. Aber ich gedachte heimlich: Schelm hin, Schelm her, der ist ein Schelm, der nicht über den Graben kann. Eilete demnach dem nächsten Busch zu, und dorten legte ich mich auf die Erde und guckte so lang nach dem Studenten, bis ich ihn nicht mehr sah.«

Aus dieser Erzählung hatte ich von Josten gar genugsame Nachricht, daß eben Isidoro derselbe Student gewesen, welcher mir ehedessen seine Geschicht in geheim erzählet und unter andern auch diese Erwähnung wegen des auf der Straße ihm aufgestoßenen Bauerjungens getan. Weil wir aber nunmehr nahe an meinem Schlosse waren, hieß ich ihn in seiner Erzählung fortfahren und nur mit kurzem vermelden, wie es weiter mit ihm abgelaufen. »Darnach«, sagte Jost, »begab ich mich anderwärts hin und hütete einem Bauern die Schafe auf dem Feld. Aber einsmals kamen zwei Wölfe zu der Herd, und ich lief aus Schrecken mit meinen Hunden davon. Die Wölfe zerrissen mir wohl achtzehn Hämmel. Da mußte ich [365] nun wieder aufs neue davonlaufen, denn ich forchte, der Bauer dörfte mich totschlagen, weil er ein loser Erzschelm war und dem Fürsten in dem Land gar viel Hasen, Wildstücke und Schweine geschossen.

Nach solchem kam ich zu einem Küsterer in einem einschichtigen Dorfe. Dort mußte ich morgens, mittags und abends zum Gebet läuten. Aber einsmals schmierte mir einer die Stricke mit stinkenden Pfifferling so voll, daß ich ganze Brocken davon in die Hände kriegte. Es war ein junger Edelmann, der es dem Küsterer zum Schabernack tat. Aber wie er zum andern Mal kam und die Stricke wiederum mit dergleichen Wundöl salben wollte, prügelten wir ihn der gestalten mit knöpfichten Stricken in dem Glockenhaus herum, daß er anstatt der Seile die Hosen hätte beschmieren mögen. ›Du Galgenvogel,‹ sprach der Küsterer zu ihm, ›wer hat dich gelehrt, solchen Medritat an meine Glockenstricke zu salben? Solche Ärzte, wie du bist, curieren keine Krankheit.‹ Damit nahm er eben den Quark, welchen der junge Edelmann mit sich gebracht hatte, und beschmierte ihn allenthalben im Gesicht, daß er ausgesehen wie einer, der im Fasching herumlaufet.«

Aus dieser Erzählung des Jpstens merkte ich gar genau, daß es eben die Historia sei, welche neulich der ehrliche Bruder Ludwig in seiner Lebensbeschreibung angemerket hatte. Denn ich konnte mich noch wohl entsinnen, daß er darauf dem Küsterer das Haus angezündet und sich auf der Straße oben aus und davongemacht hatte, darinnen dann mein Jost mit seiner Erzählung allerdings übereinstimmte. »Wie ging es dann weiter,« sprach ich darauf zu ihm, »und was vor einen Fortgang hat deine fernere Lebensgeschicht?«

»Nach diesem Schelmenstücklein«, sprach er, »trauete ich mir nicht gar zu wohl mehr in dem Dorfe zu bleiben, denn ich sah oft auf dem Kirchhof oder wohl gar in dem Beinhäuslein zuweilen etwas sitzen. Absonderlich aber, wenn jemand sterben wollte, gab es gemeiniglich in unserer Stube ein Zeichen. Und wenn ich dann desselben Abends zum Gebet läutete, rumpelte es in der Kirche, daß mir oft vor Furcht die Haare gen Berge stunden. Der Küsterer bezahlte mich besser als [366] alle meine vorige Herren. Ich kam auch mit größerer Ehr von ihm aus dem Dienst, und er gab mir einen guten Reichstaler auf den Weg, wurde aber nach meiner Abreise bald eingezogen, denn er hat den eingegrabenen Leuten zu Nachtszeit die Ringe von den Fingern und die Kleider von dem Leibe gezogen, und diese Stücklein hat er meistens ganz allein practicieret. Ich sah ihm auch einsmals in der Nacht von dem Dachfenster, allwo ich zu schlafen pflegte, heimlich zu. Aber ich wollt doch nichts sagen, sondern trachtete auf Mittel und Weg, wie ich ohne Schaden und Nachteil davonkommen möchte.

Ich weiß nicht, wie mich das Glück so gar oft traf, daß ich wieder zu einem Jungen von Adel kam, weicher aber nicht viel zum besten hatte. Er gab mir des Jahres nur drei Gulden Lohn, und solche bezahlte er mir da vier Groschen und dort drei Kreuzer, bald wieder einen halben Patzen, bald gar einen Zweier, und solches geschah meistens, wenn er gespielt und etwan ein halben Taler oder drei Funfzehner gewonnen hatte. Meine meiste Arbeit bestund in dem, daß ich ihm alle Nacht den Buckel kratzen und die Läuse von dem Kopfe suchen müssen. Er hatte nur ein einzig Paar Schuhe, und wenn ers flicken ließ, so mußte ich ihm unterdessen die meinige leihen, dahero blieb ich hinter dem Ofen sitzen, allwo ich ihm Kugel und Bleischrot gießen mußte, mit welchem er die Hasen schoß. Denn mit dergleichen Müßiggang vertrieb er all seine Zeit, und wenn ihm sein alter Herr Vater sagte, er solle sich über ein Buch setzen und anstatt des schändlichen Waldstreichens etwas lesen, so lachte er ihn aus und sagte, daß ihm seine Flinte viel lieber wäre als zwanzig Bücher, so gut sie auch geschrieben seien. Er hat oftmals gefluchet, daß er so arm ist, und wünschte hingegen ein Kaufmannssohn zu sein, so könnte er sich perfecter in der Kleidung halten. Er nahm seinem eisgrauen Vater gar viel silberne Knöpfe von den Röcken, und vor das Geld, welches er daraus lösete, kaufte er Pulver und Blei. Unterweilen fingen wir den benachbarten Bauren die Tauben hinweg und ließen uns solche heimlich braten.

Einsmals wurde er zu einer Hochzeit geladen, und wenn ihm [367] seine Muhme, welche nicht weit davon, und zwar jenseits des Holzes, wohnte, nicht etliche Taler geliehen hätte, wäre er genötigt worden, darvon zu bleiben. Ich reisete mit ihm, und damit ich auf solcher Zusammenkunft ehrlich erscheinen möchte, mußte mir der alten Edelfrauen ihr Diener seinen Livereyrock leihen. Aber die Schuhe waren so zerrissen, daß ich mit den teutschen Sohlen auf der Erde ging. Desgleichen hängte auch mein Hut die Flügel wie eine gelähmte Gans,. und mein Hemd war wohl in sechzehn Wochen nicht gewaschen worden.

In einem solchen Aufzug gingen wir eine halbe Meil Weges zu der Hochzeit. Und weil er niemal oder gar wenig unter den Leuten gewesen, so war ich fast höflicher als er, wenn ich nur ein wenig besser aufgezogen wäre. ›Jost,‹ sagte er auf dem Weg zu mir, ›hol dich der Teufel, wie will ich mich einmal so satt und recht vollfressen! Ha, ha, ich freue mich schon darauf von Herzen! Du mußt nicht weit von mir stehen, ich will dir manch Stück Gebratens hervorgeben, das behalte mir auf den Weg, und was du essen sollst, das will ich dir auch sagen. Schiebe nur wacker Semmel in die Hosen oder wo du zukannst. Ich wollte, daß es niemand möchte gewahr werden. Ein Hundsfott bin ich, ich wollte sehen, wie ich zu einem silbernen Becher gelangen möchte. Aber wenn du so geschickt wärest, einen auf die Haube zu schlagen, wäre mirs um so viel desto lieber.‹

›Mein Herr,‹ sagte ich, ›sie dörften mich erwischen und auf die Finger klopfen. Wollt Ihr stehlen, so stehlt immerhin, alsdann hab ich aufs wenigst den Vorteil, daß ich nicht gehangen werde.‹ – ›Narrenpossen,‹ sagte er, ›was hängen? Du mußt dich vollsaufen, alsdann kannst du sagen, es sei in dem Trunk geschehen. Ein Voller wird ohnedem vor halb unschuldig geachtete.‹ – ›Nein, nein,‹ sagte ich, ›Herr, aufgesetzt, es geschicht nicht. In der Trunkenheit dörfte ich stehlen, und nüchtern hinge man mich auf. Davon hätte ich keinen andern Vorteil, als indessen den Rausch auszuschlafen. Saprament, Herr, es geht nicht an, sie dörften mich und Euch davonjagen.‹

›O du verzagte Bratwurst,‹ sagte der Junker, ›bist du so alt [368] worden und kannst nicht mausen?‹ – ›Herr,‹ sagte ich zu ihm, ›seid Ihr ein Edelmann und schämt Euch nicht, zu stehlen?‹ – ›Ah, ha!‹ antwortete er, ›das ist eine Kunst, die nicht ein jeder Tölpel, wie du bist, zu practicieren weiß. Ich will auf einen Griff so viel zu mir stecken, davon ich ein halbes Jahr genug zu schießen und manch Wildbret in die Küche werde zu bekommen haben. Du mußt dir gar nicht einbilden,‹ sagte er weiter zu mir, ›daß man einen deswegen henket, weil man gestohlen hat. Oh, das mußt du nicht glauben, sondern darum werden die Diebe gehänget, daß sie so plump sind und stehlen, daß mans merken kann. Diejenige, derer Diebstahl man nicht merkt, die werden ihr Leben lang nicht gehängt, sondern ihre Arglistigkeit und verschlagene Vorsicht macht sie von dem Galgen quitt, frei und ledig. Ah, ha! Ich habe manchen silbernen Löffel auf den Gastereien heimlich in den Schubsack gepromovieret, das mußten darnach die armen Diener und gemeine Leute, welche bei der Tafel aufgewartet, getan haben. Und ich müßte wohl ein ausgehobelter Bärnhäuter sein, daß ich auf der Hochzeit nicht so viel einsteckte, als michs kostete. Was hätte ich denn vor meine Mühe, daß ich mich vollsaufen und in dem Tanzen so erhitzen sollte. Ach, das muß man den Leuten nicht weismachen, daß man umsonst fressen und saufen, auch noch das Geschenk darzu geben soll. O Jost, mein lieber Jost, du bist noch nicht in der rechten Schul gewest. Stehlen ist keine geringe Klugheit, und gehöret viel ein größers Spintisieren und Nachsinnen darzu als zu der allervollkommensten Oration. Derowegen gib wohl Achtung. Was gilts, wir wollen über vier Tag reicher nach Haus kehren, als wir ausgegangen.‹«

6. Capitul. Pongratz hält sich auf einer Hochzeit trefflich nett
[369] VI. Capitul.
Pongratz hält sich auf einer Hochzeit trefflich nett. Schiebt nichts als Becher und silberne Teller ein. Und wie es weiter mit seiner Hure gegangen.

Dem man viel Guttat hat getan,

Läßt oft zurück den schlimmsten Lohn.


»Nun, gedachte ich, die Sach wird gut werden, stiehlt der Edelmann, so hängt der Edelmann. Ich schere mich nicht ein Haar darnach. In solchem Gespräch kamen wir in den Marktflecken, darinnen die Hochzeit sollte gehalten werden. Wir hörten die Trompeten schon von fernen, und dahero gingen wir dem Gepfeife so lang nach, bis wir ins Haus kamen, allwo allerlei Schalmeienpfeifer, Bockpfeifer, Spielleute und andere Dorfgeiger mehr zugegen waren, welche die adelige Hochzeit in die Kirche fiedeln sollten. Mein Junker wurde von dem Bräutigam gar höflich empfangen. Hätte er aber gewußt, was wir unterweges miteinander geredet, er solle ihm das Requiem gesungen haben, daß die Drümmer davongeflogen wären.

Unter währender Trauung zog sich mein Junker nebenst anderen Edelleuten in einem kleinen Stüblein an, weil ich ihm im Ranzen allerlei Kleider nachgetragen, die er auch auf dem Schloß seiner alten Muhmen geborget. Oh, wie war er dazumal so froh, daß er unter eine so angenehme Compagnie geraten war! Seine Gesellen waren kein Haar besser als er, und mich gedünkte, der Bräutigam würde von diesen ehrbaren Gesellen gar einen schlechten Profit haben. Denn einer sagte, daß er um keiner andern Ursach auf die Hochzeit gekommen, als ein Duell anzufangen. Der andere war willens, das Frauenzimmer zu beschimpfen. Der dritte wollte sehen, wie er den Bräutigam zum Hahnrei machte, und mein Herr hatte sich vorgesetzet, das Nächste das Beste in den Sack zu schieben und mit sich wegzunehmen. Ihr ehrbare Bürschlein, gedachte ich bei mir selber, hättet wohl mögen zu Hause bleiben, und wenn ich wüßte, daß ich solche Hochzeitgäste auf meine Hochzeit bekommen sollt, ich wollte Scheiter kaufen und die Schelmen alle verbrennen, ehe sie noch die Mäntel umnähmen.

[370] Aber vor diesmal konnte es nicht anders sein. Die Hochzeit kam aus der Kirche zurück, und als man sich zur Tafel gesetzet, kann ich nicht sagen, wie es die vier von Adel so erbärmlich und jämmerlich getrieben. Man hatte kaum eine halbe Stund gespeiset, da ging der Duell mit dem ersten schon an, denn er goß einem, auf welchen er einen alten Groll getragen, ein Glas Wein ins Gesicht. Darüber wurden Teller und Schüsseln in die Stube geworfen, die beide gerieten aneinander in die Haare, und indem alles wehren wollte und der Schlägerei zusah, schob mein Junker einen großen Becher in die Ficke, zwei silberne Teller in die Hosen und noch ein Salzfäßlein in die Rocktasche. Solches gab er mir aufzuheben, und als wir wieder zurückgingen, lachte er mich aus, daß ich so einfältig und verzagt wäre. ›Du Narr,‹ sagte er, ›gelt, ich konnte die Zeit hübsch in acht nehmen. Ich glaube, ich hab die Geschirr bei der Cartausen gekriegt. Sie sind aufs wenigste zwölf Ducaten wert. Davor kann ich den ganzen Winter nicht allein Pulver und Blei, sondern auch genug Schuhe kaufen.‹ Als wir nun nach Hause kamen, verbot er mir, seinem Vater kein Wort davon zu melden, sondern er satzte sich mit mir ganz heimlich hinauf unter das Dach. Daselbsten machte er zwischen einer Feuermauer eine große Glut, über welcher er das gestohlene Zeug zerschmolzen. Mit solchem geschmelzten Silber schickte er mich in eine Stadt, allwo ich das Lot vor einen halben Taler verkaufte und ihm in einem Schnupptuch auf einmal dreiundzwanzig Taler hineinbrachte.

Er hieß mit Namen Pongratz und hielt über ein halbes Jahr lang eine heimliche Hure in seiner Kammer auf, um welche kein Mensch auf dem Schlosse als nur ich und er gewußt. Alles dasjenige, was sie aus Leibesnotdurft in einen großen Scherbel gemachet, das mußte ich aus der Kammer tragen, und Pongratz versprach, mir wegen dieser Dienstleistung monatlich einen Taler zu schenken. Aber sooft er mir das Geld in die Hand gab, mangelten neunundzwanzig Kaisergroschen daran, sonst wäre der Taler richtig und voll gewesen. Einsmal ging der Alte visitieren, und als er in des Pongratz seine Kammer kam, fand er die Hure ganz ausgezogen [371] auf der Truhen sitzen, weil sie sich gleich dazumal die Flöhe absuchte. Der Monsieur Pongratz war vor diesmal mit seiner Flinte wieder in den Wald gegangen, und dannenhero konnte er nicht bei der Comödia sein, welche mit der Huren auf dem Schlosse gespielt wurde. Denn der alte Edelmann jagte sie ganz nackicht und ausgezogen mit seinem Stock über die Treppe hinunter, und sie hatte genug zu tun, daß sie den Knechten entsprang, welche sie sollten gefangen haben. Es ist nicht zu sagen, wie sie in ihrem zerrissenen Nachtrock das Querfeld hinübergeloffen. Denn daselbsten hatte sie ehedessen bei einer alten Frauen eingemietet, welche allerehestens in einen Spital gehen würde. Die Knechte haben sie zwar bis an dasselbe Häuslein verfolget, als sie aber verstanden, daß sie des Pongratzen Hure sei, schwiegen sie stille und sagten zu dem alten Edelmanne, sie wäre ins Wasser gesprungen und würde nunmehr schon über die Schlacht hinuntergeschwummen sein.

›Die Strahlhure‹, sagte der Alte zu uns, ›darf sich lassen gelüsten, in meines Sohnes Kammer zu gehen und daselbsten die Flöhe abzusuchen? Ich glaub, der Henker und seine Mutter habe sie hineingeführt. Wüßte ich, daß Pongratz einzige Wissenschaft darum hätte, ich wollte ihm gewiß ein Lied aufpfeifen, daß nicht gar zu wohl klingen sollte.‹ Indem kommt Pongratz nach Hause, und der Alte fragte ihn, ob er wegen des Weibesbild Kundschaft hätte, so in seiner Kammer die Flöhe abgesucht. Ich hatte dem Pongratzen vor der Schloßmauern schon alles haarklein erzählet. Deswegen konnte er sich desto besser in die Sprünge finden und sagte: ›Was, hat der Herr Vater ein Weibsbild in meiner Kammer gefunden?‹ – ›Ja,‹ sagte der Alte, ›ich habe sie nicht allein darinnen gefunden, sondern auch Flöhe absuchen gesehen.‹ – ›Ach, die Schandhexe,‹ sagte Pongratz, ›es war gewiß eine Diebin, die nicht Flöhe, sondern gewisse Dietrich hervorgesucht hat, in dem Schlosse einzubrechen. Der Herr Vater verlaube mir, ich will ihr mit meinem Diener Josten nachsetzen, und treffe ich sie auf der Straße oder sonsten wo an, so will ich ihr eine Kugel in den Pelz brennen, daß ihr das Flöhesuchen ihr Lebtag vergehen sollte.‹

[372] ›Nein, nein,‹ sagte der Alte, ›gib dich nur zufrieden, mein Sohn, sie hat ihren verdienten Lohn schon empfangen. Die Hure hat sich selber ins Wasser gestürzet, allwo sie der Flöhe bald wird loswerden. Sind das nicht Rabenäser? Gehen mir bei offenem Tage in das Schloß und machen sich so gemein, daß man davor erschrickt.‹ Pongratz wandte hierauf allen möglichen Fleiß an, seinen Vater zu befriedigen. Aber die folgende Woche wurde ein kleines Kind vor der Schloßpforte gefunden, darüber sich der Alte fast die Haar aus dem Kopf herausriß, denn er kam allgemach hinter den Betrug, und hat ihn wohl tausendmal gereuet, daß er die Hure nicht in bessere Verwahrung nehmen lassen.

Der Sohn wollte sich zwar excusieren, vorgebend, das Kind gehörte vielleicht einem Stallknecht zu. Aber es lag ein Zettelein dabei, in welchem der Vater Pongratz mit Namen genennet war. Und weil aus dieser Ursach nicht viel mehr Plasy vor ihn auf dem Schlosse war, ließ er sich unterhalten, und ich zog mit ihm in [den] Krieg. Nach ungefähr einem Jahr darnach wurde er in einem Scharmützel auf der Partei erschossen, und ich wischte mit seinen zwei Pferden heimlich davon, weil er mirs nach seinem Tod vor einen Zehrpfennig zu schenken versprochen.

Ich brachte seinem Vater die Zeitung, welcher nicht gar zu viel darüber betrübt war, weil er das Kind bei sich behalten und aufziehen lassen mußte. ›Der Bärnhäuter‹, sagte er zu mir, ›hat nichts Bessers verdient, und es wird noch allen ungehorsamen Kindern zuletzt nicht anders gehen, die wider den Willen ihrer Eltern allerlei Mutwillen treiben und der Hurerei so nachge hen.‹ Nachdem er nun allerlei widrige Reden wegen seines Sohnes herausgestoßen, fragte er mich, ob ich nichts von seinem Gewehr oder Kleidern mit mir gebracht. Aber ich beteuerte, daß ich zu seiner Begräbnis noch Geld darzu hergeliehen hätte, weswegen ich die Pferde vor mein Eigentum genommen. ›Was,‹ sagte er, ›die Pferde vor dein Eigentum? Da soll dich der Henker davor holen, du mußt mir das eine lassen, davor kann dich nichts helfen! Nur geschwind, lasse eines hie, und mit dem andern magst du an einen Galgen reiten, wohin du willst. Wer weiß, ob du nicht [373] der Täter selber gewesen und meinen Sohn Pongratz über die Mähre hinuntergeschossen hast!‹ Als ich den närrischen Vater solche Wort wider mich reden hörte, satzte ich mich wieder auf meinen Gaul, und das andere Pferd nahm ich in die Hand, damit ich so schnell wieder hinweggeritten, als ich hergekommen. Im nächsten Dorf versilberte ich solche einem Filialaufschläger, welcher ehedessen zu Franckenburg Hofwirt gewesen. Und mit demselbigen Geld schaffte ich mir saubere Kleider und dienete viel Jahr unterschiedlichen Bauren, bei welchen es mir durcheinander gegangen, wie das Wetter zu gehen pfleget.«

Bis hieher hatte mir der Jost einen ziemlichen Teil seines Lebenslaufs erzählet, und er wäre ohne allen Zweifel weiter fortgefahren, wenn wir nicht so bald in das Schloß gekommen und er dardurch wäre verhindert worden, weil er die Pferde wieder absatteln und dieselbe mit Beihülf des Stalljungen in die Schwemme hätte reiten müssen. Wahr ist es, daß ihm das Glück ziemlich gestiegelfritzet und er sich so wohl als ein anderer in der Welt herumgeschleppet. Nichts verwunderte mich mehr, als daß er die Veronia schon in seiner Jugend bedienet. Dahero wissen die Tausendste nicht, wer des andern sein Freund und Schwager ist. Das Exempel des verhureten Pongratzen ist zu erbarmen genug, und solche Laster pflegen gemeiniglich zu folgen, wenn man der Jugend gar zu freien Zaum lässet, dadurch sich die Eltern oftermalen das bitterste Elend über den Hals ziehen. Aber nichts Liebers möchte ich wissen, als was doch die Huren vor ein Gewissen haben, die sich eine so geraume Zeit ganz verborgen in den Schlössern und andern Häusern aufzuhalten pflegen und sich in einer wissentlichen Todsünd so abscheulich herumschleppen lassen. Letztlich aber ergreift sie Furcht und Zittern und nehmen sich nicht, Weile ihre Kleider zu sich zu raffen. Und obschon diese Hure des Pongratzen nach dem Vorwand der Knechte nicht in das Wasser gesprungen noch sich ersäuft hatte, bin ich doch gewiß und versichert, daß sie nicht viel eines bessern Todes wird gestorben sein, es sei denn, daß sie ihre Fehler beizeiten erkennet und sich von dem Irrweg abgewendet habe. Huren [374] tut wohl auf eine Zeitlang gut, aber zuletzt folget das Verderben. Und ob es schon nicht merklich gespüret wird, ist es doch genug, daß das muntere Gewissen die Hurer nicht anders als feurige Zangen in die Brust zwicket und sie, von ihrer gepflogenen Unreinigkeit überzeuget, ihres eigenen Leibes Henker werden.

Zwischen diesen Gedanken sattelte der Jost die Pferd ab, und ich erzählte meiner Caspia den wunderlichen Verlauf, welcher den ehrlichen Ludwig auf unserm Gut in dem Schafstall betroffen, darüber sie vor Gelächter die Hände auf dem Schurztuch wohl zwanzigmal zusammengeschlagen und sich erfreuet hat, daß der Ludwig, welcher sonsten andere ziemlich stiegelfritzen konnte, selbst wäre über den Tölpel geworfen worden.

7. Capitul. Der Alamode-Schneider führt Heu und Stroh in das Schloß
VII. Capitul.
Der Alamode-Schneider führt anstatt der Hochzeitkleider Heu und Stroh in das Schloß. Ein Bauerknecht verliebt sich in Zendorii Köchin.

Den Reichen sieht man immer froh,

Greift er nach Geld, so hat er Stroh.


Indem sie sich nun so ausdermaßen darüber verwunderte, nahm ich meine Stockfiedel und geigte das Lied: ›Dreizehen Schneider hab'n vierzehn Pfund, fressen ein Geißbock in anderthalb Stund.‹ Nach diesem nahm ich eine andere Phantasie vor, denn es ist gewiß, daß ich in dieser Einsamkeit keine bessere Zeitvertreibung als durch die Musik gesuchet, welche ich ehedessen in meiner Jugend gelernet und schon allgemach nach den Noten habe singen können. So wohnte auch unfern von meinem Schlosse ein Organist in einem kleinen Städtlein. Demselben spendierte ich etliche Scheffel von meinem Wintergetreid. Davor mußte er alle Mittwoch zu mir auf das Land herauskommen und mir ein bißchen von der Composition weisen. Ich schreibe nicht umsonst ›ein bißchen‹, denn er konnte selbst nicht gar viel. Sonsten hätte er mich noch mehr lernen müssen.

Ich hatte zwar eine große Ölshaut, aber die Stücklein, die ich [375] darauf satzte, waren sehr klein, weil ich nichts als Trompetenstücklein componieret, die mir die Schalmeienpfeifer auf unsern Zusammenkunften abblasen müssen. Unterweilen schrieb ich auch Verse und unterschiedliche Lieder, welche ich aber nur deswegen nicht hereintragen wollen, damit der Tractat nicht zu weitläuftig und die Lust des Lesers dardurch nicht gehemmt werde.

Etliche habens zwar im Gebrauch, denn sie meinen, das Haus sei nicht wohl gebaut, wenn nicht ein oder andre Reimzeile daran geschrieben stünde. Aber, die Wahrheit zu bekennen, ob ich schon selbsten eine unzählige Menge allerlei dergleichen Lieder ausgearbeitet und dardurch oft manche langweilige Zeit, absonderlich aber in den verdrießlichen Winternächten, passiert, bin ich doch in der Sache und in dem Grund selbsten kein großer Liebhaber der Poesie, weil die Phantasie niemalen mehr mit Lügen überdecket ist, als wenn man Verse schreibt. Diese Ursach habe ich dem Leser nicht verhalten wollen, auf daß er nicht meine, ich hätt es etwan liederlicherweise übersehen oder wäre entweder so rar und delicat mit meinen Sachen wie etliche andere Narren jetziger Zeit, welche auch nichts herausgeben wollen, es sei denn, daß man ihnen vor jeden Buchstaben einen Taler auf dem Brett weg zahle. Aber man wird ihnen was anders in den Beutel tun, und in diesem Stück bin ich ganz einer an dern Meinung, weil ich einen Kopf vor mich habe und mich nach andern Leuten so wenig richte als die Franzosen nach der schwäbischen Mode.

Demnach geigte ich mit meiner Stockfiedel tapfer auf, zwischen welcher Zeit das Abendessen fertig geworden. Caspia hatte bei meiner Wiederkunft einen Kaphan an den Spieß gestecket und einen Karpfen blau abgesotten, weil ich solchen Fisch überaus gerne genossen. Und indem ich bei mir selbsten in Gedanken gesessen und mich entschlossen, eine lustige Comödia mit dem Pickelhering zu machen, hörte ich auf der Straßen etliche Schellenkränze erklingen. Sie kamen immer näher. Deswegen mutmaßete ich, sie würden das Schloß vorbeifahren, weil die Hauptstraße des Landes vorüberging. Sobald sie aber herzukamen, stunden sie stille und [376] fragten, ob hier nicht ein Wirtshaus wäre, darinnen sie diese Nacht herbergen könnten. Ich rufte über das Fenster hinab, daß ich zwar kein Wirtshaus hätte, wenn sie aber die Nacht in diesem geringen Schlößlein heute nacht vor gut nehmen wollten, wäre es mir lieb, so ich ihrer Gesellschaft genießen könnte. Derjenige, so das Commando über die beiden Schlitten führte, wollte schon weiterfahren, als ich ihn abermal dazubleiben geheißen, welches er endlich einging, doch mit der Condition, daß ich seiner Grobheit verzeihen und mir wegen ihrer keine Ungelegenheit zuziehen wollte. Allein mir geschah dadurch vielmehr ein stattliches Wohlgefallen, weil ich mit niemanden lieber als denjenigen geredet, die das Land auf und ab gereiset. Ja, ich kann es mit gutem Gewissen sagen, daß kein Bettler sicher vor mein Schloß passieren können, der mir nicht seinen ganzen Lebenslauf von Wort zu Wort erzählen müssen.

Ich ging endlich gar hinunter und verstund gar bald, wer der angekommene Monsieur war. »Mein Herr,« sagte er zu mir, »Er verzeihe meine Grobheit. Die Nacht und die Kälte überfallen mich zugleich. Ich bin heute schon sechs Meilen gereiset und fürchte, es dörfte den Pferden Schaden tun, wenn ich länger in die Nacht hinein führe, ob ich schon keine Zeit übrig habe, meine nötige Reise zu verzögern, denn ich bin ein Alamode-Schneider aus einer benachbarten Landschaft und habe etliche Brautkleider auf das Schloß Wildenstein zu führen, allwo einer mit Namen Ergasto allerehestens wird Hochzeit machen. Die vier, welche auf dem hintern Schlitten gesessen, sind meine Obergesellen, die auf dem Beilager werden arbeiten müssen. Und also hat mein Herr Nachricht von unserer Compagnie. Hoffe, sie wird dem Herrn nicht zuwider sein.«

»Monsieur,« sagte ich zu dem neuen Alamode-Schneider, »ich habe aus seiner Relation gar genug verstanden. Er lasse seine Obergesellen nur mit sich hereinspazieren. Ich werde sie zwar nicht alamode tractieren, aber wohl versichern, daß sie mir sehr angenehme Gäste sein werden.« Hiermit führte ich sie in meine Wohnstube, allwo sie sich überaus über die Zierlichkeit derselben verwunderten. Sie fragten meine [377] Leute, wer ich wär. Aber ich hatte schon zuvor geboten, daß sie mich vor einen Weißgerber ausgäben. Derohalben bekamen sie keine andere Antwort, als daß ich ein solcher Handwerksmann sei. Zum Behuf dessen ließ ich etliche gearbeitete Bock- und andere Häute hin und wider in dem Vorhause aufhängen, und also glaubten die Schneider leicht, was meine Leute von meiner Profession bei ihnen ausgaben. Die Kisten, in welchen die Brautkleider verschlossen lagen, ließ ich in mein obers Zimmer bringen. Aber unter währendem Essen befahl ich dem Josten, daß er solche heimlich aufschlüge, die Kleider herausnähme, solche in dem Cabinet hinter dem Schreibtisch verwahrte und die Kisten anstatt derselben mit Heu und Strohwischen ansteckte. Jost verrichtete seine Sachen, daß ich damit zufrieden sein konnte, und ich erwies dem Alamode-Schneider samt seinen Assessoren und Mitcollegen mit meinem Kaphan und dem Karpfen keinen unangenehmen Dienst. Der Principal redete unter ihnen das allermeiste, das allerwenigste aber von seinem Handwerk, sondern nur von hohen Staatsmaterien, darüber ich mich verwunderte. Aber es waren lauter Sachen, die in den gedruckten Zeitungen das Land auf und ab fuhren und niemand verborgen waren, als die nicht lesen konnten oder keine Ohren hatten. Ich sagte: »Mein Herr, ich bin ein geringer Handwerksmann und weiß um die Sachen das ganze Jahr kein Wort. Ich esse mein Stücklein Brot mit Frieden und lasse die kriegende Parteien Sturm laufen, Bomben anfeuren, die Stuck und Cartaunen losbrennen, Schiffbrücken schlagen, über die Wasser setzen, die Bagage anfallen und so fort. Dahero ist mir mit solchen Sachen sehr wenig gedienet, weil ich nur dadurch verunruhiget werde und doch keinen Pfennig Interesse davon habe. Dieses halte ich vor die größte Wissenschaft und vor die allernötigste Zeitung: Fromm leben und selig sterben.«

»Ja, ja,« sagte der Schneider, »mein lieber Herr Weißgerber, es ist wahr, daran hänget freilich das meiste. Indessen muß doch ein Mensch auch wissen, wie es die Welt treibt. Eins muß man tun und das andere nicht lassen, auf der Erden leben und nichts um die Erd wissen ist eine grobe Unwissenheit. [378] Und wie meinet der Herr,« sagte er weiter zu mir, »wenn sich der Krieg in unser Land ziehen sollte und die Armeen in diese Gegend zu stehen kämen, meinet der Herr nicht, daß ich viel Kleider zu arbeiten und der Herr viel Häute gar zu machen bekäme? Oh, es weiß noch keiner, wo einer oder der andere seine Fortun machen kann. Ich hab manchem was zugute getan, absonderlich den Krämern. Denn der die elendeste War' hatte, zu dem wies ich die meisten Leute an und gab vor, daß er recht frische und französische Waren bekommen, dergleichen weit und breit nicht anzutreffen wären. Solchergestalten half ich manchem verlegenen Stuck Zeuch aus dem Kram, und ich hatte meinen gewissen Profit, welcher mir als einem Kleider-Advocaten billig nicht konnte abgeschlagen werden.«

Die Rede des Schneiders gefiel mir nicht übel, aber an seinen Schelmenstücken hatte ich schlechtes Wohlgefallen, trank ihm demnach wacker mit Weine zu, bis ich ihn samt seinen Leuten ganz berauschet. Solchergestalten gingen sie zur Ruhe, und morgen, ehe es Tag war, wollten sie die Zeche wissen. Allein ich sagte, daß man in diesem Weißgerbershause nichts bezahlen dörfte, sondern daß ichs vielmehr meinem Handwerk vor eine sonderliche Gnad ausrechnete, indem ich gewürdiget worden, von einem Alamode-Schneider heimgesuchet zu werden und seiner trefflichen Ansprache zu genießen, welches ich an meinem Orte mit gleichgültigen Diensten wiederum würde zu ersetzen wissen.

Mit einem solchen Compliment fertigte ich den Schneider mit seiner Zugehörung ab, und er fuhr mit seinen Schellnkränzen lustig davon, nicht anders glaubend, als wäre er diese Nacht bei einem Weißgerber gelegen. Und weil ihnen mein Knecht den Weg bis über das Gebirg hinaus weisen müssen, brachte er zurück, daß sie sich über nichts mehrers als über meinen stattlichen Reichtum verwunderten. Indessen hatte ich aber die Hochzeitkleider ein Stück nach dem andern besehen, und möchte nichts Liebers wissen, als warum doch Ergasto so gar still mit diesem hohen Werke zu verfahren gedächte, da wir doch als Gesellschafter und gute Freunde nicht das geringste gegeneinander zu verschweigen [379] ehedessen versprochen hatten. Aber wie ich hernachmalen verstanden, so hat ers nur deswegen in der geheim behalten, auf daß er uns desto unverhoffter zusammenrufen und also eine unverhoffte Freude anrichten könnte, bei welchem man insgemeine zum lustigsten ist. Denn je unverhoffter die Freude, je angenehmer ist die Lust derselben, aber mir war sie um so viel desto ergötzlicher, weil ich zu solcher allgemach einen fröhlichen Anfang gemachet.

Ich dachte wohl einen ganzen Tag, was doch Ergasto und sein Bruder Isidoro zu diesem Streiche sagen, auch wie sich doch der Alamode-Schneider in Eröffnung der Kleiderkisten anstellen würde. Aber ich mußte die Geschicht mit kommender Zeit erwarten, zwischen welchem ich aufs neue allerhand Lieder componierte und solche hernachmals in die Musik übersetzte. Ich hatte auch meine sonderliche Kurzweil mit dem Sperling- oder, wie mans in Österreich heißet, mit dem Spatzenfangen, welche sich häufig auf meinem Misthaufen einfanden. Teils erschoß ich [sie] mit Pallester-Kugeln, teils fing ich sie mit Leimruten und dergleichen, und unerachtet ich mir ziemliche Anzahl derselben zusammengebracht, war ich doch lange nicht so karg und filzig, daß ich solche braten und meinem Gesind zu essen hätte geben lassen, mit welcher Hudelei viel andere meinesgleichen auf dem Lande und in den Städten umgegangen, welche ihren Leuten nit allein Sperlinge, sondern sogar geschossene Raben vor Wildtauben zu fressen gegeben.

O nein, ein solcher Sparmunks bin ich all mein Leben lang nicht gewesen und will auch, wenns Wetter gut ist, noch lang keiner werden, denn was hat der Mensch auf Erden anders zu genießen als das Leben? Wahrhaftig nichts. Drum ist es eine absonderliche Eitelkeit, so lange sparen und scharren, bis man ins Grab gehet, da man doch von den erworbenen Mitteln nicht einmal froh noch satt wird, weil die Geizhälse immer gedenken: Heut zerrinnet mir mein Hab und Gut, morgen zerrinnet mirs, übermorgen zerrinnet mirs, und so fort ohne Ende. Nein, solche lapperhaftige Gedanken hab ich niemalen in mein Herz kommen lassen. Ich ließ mein Gesind und Schloßbediente meiner Mittel und des [380] wenigen Vermögen reichlich genießen und fraß selten einen Braten, da ich nicht ihnen auch einen zurichten ließ. Ja wohl, Sperlinge, es war mir genug, daß ich durch den Fang derselben die Zeit passieren konnte. Was sollte ich erst noch darzu einen Gewinn gesucht und solche den armen Dienstboten zu essen vorgesetzet haben? Sie arbeiten ja viel mehr als ich, deswegen hielt ichs vor unbillig, daß ein Feiernder besser denn ein Arbeiter solle tractieret werden. Und in diesem Teil erhielt ich kein geringes Lob unter meinen Leuten. Sie arbeiteten auch noch halb soviel, und ich spürete ihre fleißige Hände in Zunehmung des Viehes, in Fruchtbarkeit der Äcker und in Ersprießung vieler andern Sachen um ein merkliches.

Zwei Tage darnach, als der Alamode-Schneider seinen ehrlichen Abschied von mir genommen, kam ein Bauernknecht aus dem Dorfe zu mir, vorgebend, er hätte auf meine Köchin eine heimliche Liebe geworfen. Wenn ich so gnädig sein wollte und ihm zu der Heirat würde behülflich sein, wollte er mir ein Dutzet Taler nicht versagen. Ich sagte zu ihm, daß sein Vorhaben nicht schlimm, sondern vielmehr zu loben sei, absonderlich, weil er diese Sache an dem gehörigen Ort anbrächte und mir als ihrer Herrschaft solches anfangs zu wissen machte. »Mit deinem Geld«, sagte ich zu ihm, »kannst du den Acker bestellen, denn ich bin kein Bärnhäuter, der wegen einer solchen Sach sich mit einer Kalmäuserei zu tun schaffet. Hast du aber schon mit meiner Köchin geredet?« – »Gestrenger Herr,« antwortete der Verliebte, »geredet hab ich nichts mit ihr, aber sonsten bin ich mit ihr umgegangen.« – »Wie bist du denn mit ihr umgegangen?« – »Herr,« sagte er, »ich hab mit ihr ein paarmal getanzet.« – »Ja,« sagte ich, »so bist du nicht mit ihr umgegangen, sondern du hast mit ihr umgetanzet.« Hiermit erzählete er mir die Gelegenheit, wo er sie zu sehen bekommen, und weil mir der Narr nicht übel gefiel, ließ ich meine Frau und die Köchin heraufkommen. Denselben trug ich vor, wasgestalten dieser gute Freund, aus einer sonderlichen Liebe getrieben, eine ehliche Werbung an mich getan, und zwar wegen der Köchin. Wenn sie nun hierinnen gleiches [381] Sinnes sei und sich in ein ehliches Gelübde mit ihm einlassen wollte, stünde es zu überlegen und sich darnach zu richten. Ich und meine Hausfrau würden unsersteils nichts dabei ermangeln lassen, was zu ihrem Besten und Aufnehmen gedeihen möchte, und was dergleichen Worte mehr waren.

»Was,« sagte die Köchin, »soll ich einen Bauernflegel heiraten? Oh, das geschicht nimmermehr! Er kann mit seiner Werbung wegen meiner wohl zu Hause bleiben, wenn kein anderer kommen will, so mag es dieser auch bleiben lassen. Ich glaub nicht, daß ich noch ein Wort mit ihm gesprochen, und er darf sich unterstehen, um mich zu freien? O der schändlichen Unbehutsamkeit! Ich sehe, daß der Kerl ein Narr ist oder aufs wenigst den Sonnenschuß hat. Nein, nein, ich mag noch nicht heiraten!« Damit lief sie zum Zimmer hinaus.

8. Capitul. Die Köchin hätte lieber den Schreiber
VIII. Capitul.
Die Köchin hätte lieber den Schreiber.

Viel lieber hätt der Küchenratz

Den Schreiber als den Baur zum Schatz


Der Freier stund nach ihrem Abschied da, wie man ihn ans Ohr geschlagen hätte, und mich verwunderte es, daß sich die Köchin so einen Haufen einbildete und keinen Bauren heiraten wollte. »Lieber Freund,« sagte ich zu ihm, »dein Anbringen hat einen schlechten Anfang, aber die Winde, welche sich anfangs still erheben, haben auf die letzte einen größern Nachdruck. Eine Vestung wird nit stracks auf einen Sturm eingenommen, mußt du dahero sehen, wie du deine Sachen anstellest, daß du sie besser aus dem Sattel heben mögest. Wie hoch erstreckt sich dein Vermögen?« – »Euer Gestreng,« antwortete er, »an baren Mitteln habe ich zweihundert gute und harte Reichstaler.« – »Ha,« sagte ich, »vor die Köchin ist ein Harter schon genug.« Hiermit lief mein Weib auch davon, und ich blieb allein bei dem Bauerknecht stehen, welcher schon ein wenig zu schmunzeln anfing. »Was hast du denn noch weiter?« sagte ich zu ihm. »Weiter«, antwortete er, »hab ich vierhundert Scheffel Wintergersten [382] und neun Morgen Landes. Das ist all mein Reichtum, und wenn mich die Köchin nicht nehmen will, so muß ich halt schauen, wie es in einem andern Haus beschaffen sei.« Ich sagte zu ihm: »Wenn du so viel vermagst, so bist du wohl ein Narr, daß du nicht wacker den Huren nachlaufest, dadurch du wohl ledig bleiben und dich mit der Haushaltung nit viel schleppen darfst.« – »Nein, Herr,« sagte er, »huren ist verboten. Ich hätte lieber ein Weib als eine Hure. Es gewinnt keiner nichts mit der Hurerei, und unsers Nachbars Stoffel hat oft gesagt, wenn er den Huren nit so nachgelaufen wäre, er wollte jetzo um hundert Gulden reicher sein.«

»Mein lieber Kerl,« sagte ich zu dem Bauerknecht, »du bist in diesem Stück viel glückseliger als mancher großer Hans, dem es an der Erkenntnis dieses Lasters ein merkliches mangelt. Aber ich höre, du seiest sonsten an dem Leib schlecht genug beschaffen, denn man sagt, du wärest vor diesem geschnitten worden und hättest also gar ein geringes Vermögen, ein Frauenzimmer zu befriedigen.« – »Ei, Herr,« sagte der Bauernknecht, »ists möglich, wer hat das Ding gesagt? Ich glaub, die Leut sind Narren oder werden noch zu Narren werden. Hat sich wohl, geschnitten sein! Narrenpossen, deswegen wollt ich mit der Köchin schon übereins kommen, wenn sie mich nur sonst haben möchte.« – »Nein,« sagte ich, »du magst machen, was du willst, ich kann keines darzu zwingen. Will dich die Köchin, so kriegst du die Köchin, will sie dich nit, so kriegst du sie auch nit.« – »Herr,« sagte der Bauer, »das hätt mir wohl ein Narr gesagt. Drum frag ich Euch um Rat, wie ich die Köchin bei der Cartausen kriegen und zu meinem Weib bekommen könnte. Hört Ihrs nicht, zwölf Taler will ich Euch schenken, Herr, zwölf Taler, zwölf Taler!«

Mit diesen Worten stieß er mit dem Stock auf den Boden, und weil die Köchin geglaubet, ich klopfte, kam sie wieder herauf und fragte, was ich zu befehlen hätte? »Nichts anders,« sagte ich, »als daß du dich entschließest, wessen sich dieser ehrliche Mensch gegen dich zu versehen habe. Nimm dir etliche Tage vor, alsdann will ich dir wieder zusprechen und deine Antwort abholen lassen, es werde darnach gleich[383] etwas draus oder nicht.« – »Ach, Herr,« sagte die Köchin, »einen Bauren zu heiraten kann ich nicht über mein Herz bringen. Wenn Ihr mir aber zu einem Schreiber oder zu dem Schulmeister in unserm Dorfe helfen wollet, dann wollte ich mich bald herauslassen, was ich zu tun gesonnen sei.« Entzwischen ging der Bauerkerl wieder fort und schüttelte den Kopf mit etlichen Worten, die er in der Stille herausgemurmelt.

»Der Teufel hat dich beschissen,« sagte ich zu der Köchin, »daß du den ehrlichen Kerl nicht willst. Ihr Narren hätt gerne einen in weiten Hosen, und wenn ihr ihn bekommet, so habt ihr oft das Brot kaum zu fressen. Was geht dem Kerl ab? Er ist wohlgestalt vom Leib, und ist er schon ein Bauer, so ist er doch kein Narr. Er bekommt wohl allenthalben ein Weib, aber du nicht stracks einen Mann, wie dirs gefällt. O meine Köchin, da hast du noch weit hin! Glaube sicherlich, daß dir die Gelegenheit nicht alle Tage vor der Küchentür stehen und dir einen Tanz auf dem Hackbrett aufspielen wird. Früh gefreit, Bat niemand gereut, wenn es billig zugegangen. Und meinst du denn mit einem Schreiber so viel auszurichten? Köchin, Köchin, du irrest gar weit! Du wirst noch einmal die Finger darnach ablecken, wenn du einen solchen braven und jungen Bauernknecht bekommen sollst.

Ihr Eselsköpfe macht euch selbst untereinander so hoffärtig, und wenns dazu kommt, sitzt ihr bis über die Ohren in Elend und Jammer. Du meinest und bildest dir ein, an dem Schulmeister ein Haufen zu erhaschen. Was willst du aber mit dem dalketen Narren anfangen? Er kann und versteht ja nichts, und wie ich ihn neulich zu Gast hatte, seichte er gar in die Hosen, als ich ihm nur ein paar Gläser Wein zugetrunken.

Er hat einen zornigen und hartnäckigen Kopf, spielt gern und zanket sich fast öfter, als er betet. Wenn ich dir erzählen sollte, was er bei denen vor ein Lob hat, welchen er von Jugend auf beigewohnet, so würdest du ihn vielmehr auslachen als lieben. Man beschimpfet ihn allenthalben, und so sehr man ihn angreifet, wehret und bessert er sich doch [384] nicht. Darum kannst du schließen, daß er nicht gar viel auf sich halte. Es kanns kein Mensch in dem ganzen Dorf sagen, daß er die Zeit seines Lebens einem eine Höflichkeit erwiesen. Aber er hauet hingegen alle Leute bei mir hinein und ist ein solcher Fuchsschwänzer, daß nichts darüber. Er hält sich bloß an meiner Gunst, und wenn ich ihn absetzte, so mußt du mit ihm betteln gehen und bist also schon zeitlich verdorben. Darum so resolviere dich mit wenigem, ich will dich weder nötigen noch von deinem Vorhaben mit dem Schreiber oder dem Schulmeister abwendig machen. Allein, es ist an allen beiden nicht gar viel übriges. Mein Rat wärs, du nähmest den Bauernknecht, stinkt er schon nach Mist, so stinkt er doch auch nach Reichstalern, die findet man heutzutage nicht überall. Manche heiratet lieber einen Soldaten als einen Bauren, und wenn man abdankt, so kommt sie doch wohl mit zweien Kindern auf dem Rücken vor des Bauers seine Haustür und bettelt um ein Stück Brot. Wer einen gewinnenden Pfenning erheiraten kann, ist heutzutag glückselig genug, und dergleichen Gelegenheiten werden dir wahrhaftig nicht alle Tage offenstehen. Sophia, was denkst du?«

»Gestrenger Herr,« antwortete sie, »Er weiß und ist Ihm zur Genüge bekannt, daß ich all meine Tage und meine meiste Zeit unter dem adeligen Frauenzimmer zugebracht. Und wenn ich nun sollte einen Bauer und Landmann heiraten, hilf Gott, wie sollten mich diejenige auslachen, die mich zuvor gekannt oder um mich gelöffelt hätten. Gestrenger Herr, mit klatschenden Händen würden sie über den Köpfen zusammenschlagen und sprechen: ›Seht mir doch den Handel an! Die Sophia, des Herrn Zendorii Köchin, hat einen Bauerknecht geheiratet. Der und der ist ihr viel zu schlecht gewesen, nun ist sie eine Viehmagd worden.‹ Gelt, Euer Gestreng, das Ding sollte mich trefflich im Bauche vexieren.«

»Narrenpossen,« sagte ich, »wenn dich der Bräutigam nicht besser in dem Bauche vexieret als diese Reden deiner Bekannten, so ist der Handel schon geschlossen. Ihr seid halt Affen und Narren. Durch die Heirat suchest du deine eigne [385] Glückseligkeit. Triffst du es wohl, so hast du es auch wohl, und hilft oder schadet nichts, die Leute mögen davon sagen oder urteilen, was sie wollen. Was ist dir geholfen, wenn du den Schulmeister heiratest und mit ihm betteln mußt? Ist gleich sein Amt was reputierlicher als des Bauern, so ist doch auch hernachmals das Elend desto größer. Ich halte es viel besser, in einem niedrigen Stand ein Stücklein Brot vermögen, als in einem hohen Hunger leiden müssen. Sophia, Sophia! Du weißt noch nicht, wie es in der Welt hergehet. Das Reden der Leute tut nichts zur Sache. Wenn sie sagen: ›Pfui Teufel, die Sophia hat einen Bauern genommen‹, und du issest einen guten Braten, so ists besser, als wenn sie sagen: ›Ach, wie wohl hat Sophia getan, daß sie den Schreiber geheiratet‹, bei welchem du doch Sauerkraut essen mußt. Gelt, meine liebe Sophia, du merkest wohl, daß nichts an dem Urteil der Menschen gelegen.«

»Euer Gestreng,« sagte die Sophia, »Sie sollten bald einen wunderlichen Entschluß aus mir bringen. Hat denn der Kerl was im Vermögen?« – »Sein Vermögen«, sagte ich, »ist so liederlich nicht, als du dir wohl einbildest. Er hat nebenst ziemlichem Stücke Geld viel Getreid liegen und noch darzu seines Vaters Gut zu hoffen. Der Haussegen bestehet nicht in großen Mitteln, sondern wie man mit wenigem sich in die Höhe und emporschwinget. Er hat zweihundert Taler in specie und viel Getreid auf dem Boden liegen. Das ist dasjenige, was er bis anhero mit seiner Arbeit erworben, und sein Vater gibt ihm auf das wenigste eine Heimsteuer von fünfzig Gülden. Er hat überdieses ein liegend Feldgut, von welchem ihr das Jahr Brot genug zu essen habet. Dahingegen mancher großer Prahler das Geldlein dort und dar zusammenklauben muß, wenn er das Wochenbrot kaufen soll. Lasse andere immer sagen, was sie wollen, wenn du deine eigene Frau bist, hast du dich wenig nach fremden Leuten zu kehren. Mancher wird deinen Stand auslachen, der doch wohl froh ist, wenn du ihn zu Gast bittest und eine Mahlzeit vorsetzest, die er oft nicht zu bezahlen hat.

Ich bin ein Cavalier von sattsamen Mitteln, und solchergestalten hätte ich schon lang ein Minister bei einem Hofe sein [386] können. Aber die Vergnügung, welche ich in der Niedrigkeit finde, hält mich billig ab von einem Ruhm, der nur in der hinschwindenden Eitelkeit bestehet. Du siehest, daß ich hier ein schlechtes Geiglein in der Hand habe, und bin damit nicht halb mit so hochwichtigen Sorgen belegt, als wenn ich statt dessen einen Scepter führte. Diese Geige ist vor mich, aber der Scepter ist vor andre Leute, und brauchet große Mühe, klug regieret zu werden. Du bist zwar nur eine Köchin und um zwei Grad nicht von dem Bauerstand erhoben. Und wenn ich dich betrachte, wovon du hergekommen, so sehe ich nicht, was du vor Ursach habest, dich so sehr wider diesen Kerl zu sperren, denn deine Mutter ist eine schlechte Leinweberin gewesen. Dahero mußt du betrachten, wo du her bist, und nicht, in was vor Frauenzimmer du dich aufgehalten und gearbeitet hast. Du bist überdieses keine unter den Schönsten, und es ist um ein paar Jährlein zu tun, so bist du schon voll Runzel. Und sooft du in den Spiegel sehen wirst, wird es dich gereuen, daß du die Gelegenheit, zu heiraten, dir selbsten zum Verdruß so jämmerlich hast vorbeistreichen lassen.«

»Herr,« sagte die Köchin zu mir, »ich will mich darüber besinnen. Was Euer Gestreng vorgebracht, ist wohl die gründliche Wahrheit, ich wills versuchen, wie es tut, aber vier Wochen nehme ich Bedenkzeit.« Solchergestalt ließ ich den Bauerknecht wieder rufen, und er war wegen des Entschlusses wohl zufrieden, nahm auch hinfüro mit meiner Erlaubnis einen freien Zutritt in das Schloß, damit er die Köchin und sie ihn hinwieder besser kennenlernete.

9. Capitul. Zendorio erhält Brief wegen des Alamode-Schneiders
IX. Capitul.
Zendorio erhält Brief wegen des Alamode-Schneiders, erscheinet auf Ergasto Hochzeit.

Es gibt sich mancher davor aus,

Der er doch niemals war im Haus.


Dahin hatte ichs unter diesen zweien Leuten mit der Hochzeit gebracht, als mir unverhofft ein Brief aus dem Schloß Wildenstein überliefert wurde. Und weil ich Isidori Handschrift [387] kennete, eröffnete ich solchen um so viel begieriger, je größers Verlangen ich bis daher getragen, wegen des Alamode-Schneiders und seinem mitgebrachten Heu und Stroh einzige Nachricht zu erhalten. Der Brief aber bestund in folgendem Concept:


›Vielgeliebter Herr Bruder! Allem Ansehen nach ist der Alamode-Schneider, Meister Jonas, von Dir als dem reichen Weißgerber trefflich tractiert worden. Und wenn ich nicht irre, so bist Du auch derselbe, welcher ihm seine Kleiderkästen mit Heu und Stroh angefüllet. Denn als er Dein Conterfey an der Wand hangen sah, erbot er sich, gegen mir und meinem Bruder Ergasto, einen Eid zu tun, daß dieses und kein anderer der Weißgerber wäre, bei welchem er unterweges eingekehret und der ihn so wacker tractiert hätte. Du kannst nimmermehr glauben, wie sich der Schneider angestellet, als er statt der Hochzeitkleider solche unverhoffte Materia angetroffen, und es stund nicht gar weit, so hätte er gar zu weinen angefangen. Deswegen schicke dieselben Kleider bei dieser Gelegenheit anhero und sei zugleich auf künftigen Dienstag eingeladen, weil mein Bruder entschlossen ist, mit einer Ausländerin, namens Sylvia, sich zu verehlichen, und nunmehr auf dem Weg begriffen ist, solche hieherzuführen. Cetera textus habet. Verzeihe mir, daß ich so schlimm schreibe. Ich habe eine Comödia unterhanden, die soll auf das Hochzeitfest gespielet werden.

Wildenstein, am Tage Eduardi.‹


Diesen Brief las ich wohl zwanzigmal nacheinander hindurch und sprang vor Freuden in dem Zimmer herum, daß der Schneider so artig, und zwar durch das Conterfey, zu meiner Erkenntnis gekommen. Und weil die Hochzeit so gar nahe war, nahm ich die Kleider selbst mit mir. Aber Caspia mußte vor diesmal zu Hause bleiben, weil sich allerehestens ihre Geburtsstund nahete. Ich nahm nebenst meinem Jungen niemand mit mir als den ehrlichen Josten, welcher mir auf dem Weg weiterhinaus erzählen mußte, wie es ihm in seinem Leben gegangen. Weil aber in solcher Relation nichts als allerlei Veränderungen seiner Dienste vorgegangen, will ich [388] mit einem unnötigen Bericht wenig Papier einnehmen, sondern vielmehr erzählen, wie es auf dem Schlosse zu Wildenstein abgelaufen.

Der Schneider schlug vor Freuden die Hände über dem Kopf zusammen, als er mich in das Schloß einfahren sah. »Willkomm, Herr Weißgerber«, schrien etliche Cavalier über den Altan herunter, welche ich wegen schneller Fahrt nicht erkennen können. Nachdem ich aber ausgestanden, sah ich neben Monsieur Ludwigen den ehrlichen Herrn Caspar und den Faustus auf dem Gange stehen, welche mich fragten, wieviel Dutzet Bock- und Kalbfell ich mit meiner Caspia bis dahero ausgearbeitet hätte. Über solche Frage mußte ich von Herzen lachen, und der Schneider kam gleich an den Schlitten, seine Kleider abzuholen, als wir fast eine halbe Comödia miteinander anfingen.

Indem kommt Ergasto mit seiner Liebsten samt sechs Schlitten fremder Cavalier und Frauenzimmer dahergefahren. Und ich hätte auf zwölf Bogen Papier nicht genug Raum, wenn ich all dasjenige erzählen sollte, was sich zwischen uns in dieser Ankunft zugetragen. Ich habe aber zuvor geschrieben, daß ich nicht gesonnen sei, aufzusetzen bloße Wort der abgelegten Complimenten, sondern nur solche Sachen, die zur Histori gehören.

Abends tractierte man sehr herrlich, und des folgenden Tages ging die Trauung vorüber, nach welchem ein herrliches Banquett gehalten wurde. An dem fremden Frauenzimmer war so gar extraordinar nichts Schönes noch Ruhmwürdiges, es müßte denn nur sein, daß die Hoffart auch einen Ruhm nach sich zu ziehen pflegte. Sonst wüßte ich in der Wahrheit nicht, was ich ihnen vor Qualitäten beimessen sollte. Ihrer viel würdigten uns keiner Rede, wir sahen schon, wieviel es geschlagen hatte, und daß sie darum wollten gebeten sein. Aber man ließ sie samt ihrer Einbildung auf dem Hintern sitzen, und scherte sich um ihre Grandetz gar niemand als etwan die einfältige Bauernjungen, die bei der Tafel mit aufwarten müssen. Denn sie sagten, daß sie all ihr Leben lang den Hintern nicht so hin und wider wetzen gesehen, als wie es diese Docken getrieben. Vor diesmal wurde aber nicht gar [389] zu lange gespeiset, denn weil Isidoro eine Comödia wollte agieren lassen, eilete man mit den Speisen bald von der Tafel, und wurden die Gesundheit-Trünk bis zu einer andern Gelegenheit versparet, weil es gar übel stehet, wenn ein Vollgetrunkener einer Comödia oder andern Action zusehen will. Hiermit hebte man auf, und das Frauenzimmer stackte das Confect in ihre Schubsäcke, solches unter währendem Agieren zu verzehren oder die Cavalier damit ins Genicke zu werfen, aus welchem der Leser urteilen kann, daß die Mannsbilder dazumal voran gesessen.

10. Capitul. Lustige Comödia daselbst samt andern Sachen
X. Capitul.
Lustige Comödia daselbst samt andern Sachen.

Wer seine Meinung nicht läßt fahr'n,

Wird oft darüber gar zum Narr'n.


Der Leser verwundere sich nicht, warum ich in dem vorhergehenden Capitul so kurz abgebrochen, denn weil alles so sehr zu der Action eilete, konnte ich mich billig länger darinnen nicht aufhalten. Die ganze Gesellschaft wurde unter Trompeten- und Paukenschall in eine große Tafelstube geführet, allwo das Theatrum aufgeschlagen war. Actores hatte Isidoro so gut aufgebracht, als er sie auf unterschiedlichen Schulhäusern in den umliegenden Dörfern antreffen können. Das Theatrum selbst bestund meistens in Vorhängen und auf Bretter gepappten Tapezereyen. Dahero ist leichtlich zu schließen, daß es sehr schlechte Maschinen und dahero gar wenig Verwendungen abgegeben.

Man hatte gegen dem Theatro über etliche erhabene Sitzbänke verfertiget, und als die anwesende Hochzeitgäste sich in ihre Ordnung gesetzet, ließ sich über dem Theatro eine gemachte Taube herunter, die pfiff die Wort »Der verliebte Österreicher« ganz hell und deutlich, denn Isidoro hatte ehedessen nicht ein weniges in der Mathematik getan, und war ihm also gar nichts Neues, gewisse Wort in ein hölzernes Instrument zu schließen und dieselben zu gewisser Zeit wieder herauszulassen.

Es schien fast, als wollte man in einer erdenen Schüssel ein [390] herrlich Gericht auftragen, ich meine, als sollte auf diesem lumpichten Theatro eine herrliche Action præsentiert werden. Deswegen gab man gar beflissenes Gesicht, unerachtet einer gar viel Niespulver auf die Sitzbänke gestreuet, dardurch die Aufmerksamkeit der Zuhörer zu zerstören, aber ehe sie sichs versahen, hebte sich an


Actus primus. Scena prima


Jorgias und Rutilio.


Jorgias. Ich weiß in der Wahrheit nicht, was ich anfange oder auf was vor eine Weise ich zu dem Ausgang meiner Liebe gerate. Zur Rechten druckt mich das Unvermögen, auf der Linken die Verachtung, dadurch ich allem Frauenzimmer verhaßt bin. Aber hier wohnt ein Philosophus, der ist ein mächtiger Doctor. Er weiß sich in seinem Mantel viel mehr als alle Windmüller in spanischen Niederlanden. Er mischt sich in alles wie eine Sau, die man im Frühling zum erstenmal auf das Feld treibet, und wovon man ihm sagt, darinnen ist er Magister. Sein Name heißt Rutilio. Darum werde ich ihn zu Rate ziehen und sehen, was seine Meinung wegen meiner Liebe sei. Sehet, hier kommt er erwünscht.

Rutilio. Das ist ein Flegel! Der Bärnhäuter will behaupten, Erfurt in Thüringen sei keine Stadt, sondern sagt simpliciter hinweg: Erfurt ist ein Dorf, ein Reichsdorf, das größte Dorf in Teutschland. O der Bärnhäuter! Er hat Zeit gehabt, daß er mir aus dem Auditorio entlaufen, ich wollte dem Schlingel sonsten argumentiert haben, daß ihm die Nasen bluten soll! O du Bärnhäuter!

Jorgias. Herr Doctor, einen guten Tag!

Rutilio. Hör mir nur ein Mensch die Consequenz an:Omne id, quod est pagus, non est civitas. Erfurdium est pagus, ergo non est civitas. O du Esel, du impertinenter Erzflegel mit deinem Argument!

Jorgias. Herr Doctor, wie wird mirs doch mit meiner Liebe gehen?

Rutilio. Ich wollte, daß du mit deinem Argument an den Galgen gehen müssest. Der Narr kann nicht distinguieren [391] inter esse politicum etc. inter esse physicum. O du Erzgrobianus!

Alia einm est intentio entis politici, alia entis physici.

Jorgias. Mein Herr Rutilio, hört Ihr mich denn nicht? Ich wollte gern ein Wort mit Euch sprechen!

Rutilio. Ach, daß ich dem Bachanten keine Ohrfeige gegeben! Erfurdium enim considero aut physice, aut politice, si considero physice est civitas, si politice est pagus imperii. So ist die Sach ausgemacht.

Jorgias. Ei, was hab ich mit Erfurt zu schaffen! Sagt mir doch, ob mir meine Liebste wird getreu sein!

Rutilio. Secundo antworte ich so: ubi non habitant rustici, ibi non est pagus. Erfurdii non habitant rustici, ergo Erfurdium non est pagus. Die Sache ist so klar als die Sonn am Himmel.

Jorgias. Laßt mich doch nicht so vergebens hier stehen.

Rutilio. Was wollt Ihr denn?

Jorgias. Mein Herr Doctor, wie ratet Ihr mir, soll ich in meiner Liebe mit der Schneiderstochter fortfahren oder nicht?

Rutilio. Tertio sage ich so: quod vulgariter vocatur civitas, illud est civitas; Erfurdium vulgo vocatur civitas, ergo Erfurdium est civitas. Wer beißt mir die Nuß auf?

Jorgias. Was, Nuß aufbeißen? Nuß aufbeißen? Hört mich doch nur ein Wort!

Rutilio. Du Schlingel, samt deiner Logik, sollst du sagen, esse physicum sei eine Moraldisciplin? So argumentiere ich: esse tuum, est esse physicum, ergo tu es homo moralis, quod est absurdum.

Jorgias. Herr Rutilio, höret mich!

Rutilio. Ich höre Euch schon, aber der Esel, der Impertinent, will mich mit Gewalt überstreiten, Erfurt sei keine Stadt. Ehe daß ich dieses affirmieren wollte, daß Erfurt ein Dorf wäre, ehe wollt ich sagen: quod forma et figura differant realitate intrinseca, quod etiam est absurdum.

Jorgias. Herr Rutilio, Ihr habt philosophische Grillen, sagt mir doch, was soll ich denn mit meiner Liebsten anfangen?

Rutilio. Und was noch das allermeiste ist, so affirmiert der Galgenvogel, quod per esse intentionis intelligantur realitates animi? Quod est contra rationem.

[392] Jorgias. Herr Rutilio, kommet mir nur dieses Mal mit Eurem Rat zu Hülf.

Rutilio. Si enim esse intentionis spectat realitates animi, sequitur, quod cantus sit esse intentionis, quod est absurdissimum.

Jorgias. Soll ich denn wieder hinweggehen?

Rutilio. Insuper so sagt der Bärnhäuter: qualitates rationis sunt coadæquatæa species intentionis, quod est risibile.

Jorgias. Mein Herr Rutilio, ich glaube Euch alles, sagt mir doch, wie ich mich in meiner angefangenen Liebe zu verhalten habe?

Rutilio. Ja, ja, es ist nicht anders: notio prima est qualitas rationis, ergo notio prima est species intentionis, non est credibile, es ist unmüglich.

Jorgias. Hat mich der Teufel mit Eurem Disputieren beschissen?

Rutilio. O der Bärnhäuter, der ungehobelte Bärnhäuter, darf mich fragen: quid sit musica? Narr, die Musik ist eine Kunst dem, der sie nicht kann, und dem, der sie kann, ists eine Wissenschaft. Res est clarissima.

Jorgias. Ich glaub, er disputiert sich heute noch närrisch.

Rutilio. Omne enim, quod scio, non scio, ut artem, sed ut scientiam. Da steckt das Fundament.

Jorgias. Herr Rutilio, Herr Rutilio!

Rutilio. Was hab ich mit Euch zu schaffen? Scientia est effectus artis, ergo quod per artem didicimus, hoc necessario scimus.


(Gehet ab.)


Actus primus. Scena secunda


Strabo, ein Philosophus. Jorgias.


Strabo. Ich suche den ehrlichen Rutilio, mich mit ihm zu unterreden, was er von der Sach statuiert, die ich heute mit meinen Auditoribus vorgehabt. Aber wen sehe ich hier?

Jorgias. Mein Herr, ich bin Jorgias, der verliebte Österreicher, und habe mich bei dem Rutilio Rats erholet, aber er ist ein halber Narr und antwortet mir gar nichts zur Sache.

Strabo. Was? Rutilio ein Narr? Sollt Ihr einen meinesgleichen so unhöflich beschimpfen? Ich schwöre, Euchs bei den [393] Göttern nicht zu vergessen, sondern Euer unbescheiden Maul in allen Schulen bekannt zu machen.

Jorgias. Wie? Ist mein Herr auch ein Gelehrter?

Strabo. Freilich, und zwar ein vollkommen Gelehrter, dergleichen sonst in der Welt nicht ist.

Jorgias. Mein Herr, ich bin hergekommen ...

Strabo. Ihr müßt nicht sagen: ›Ich bin hergekommen‹ sondern: ›Es gedünkt mich, ich sei hergekommen.‹

Jorgias. Und dahero bitte ich Euch ...

Strabo. Ihr müßt nicht sagen: ›Ich bitte Euch‹, sondern: ›Es gedünkt mich, ich bitte Euch.‹

Jorgias. Weil, ich bin der verliebteste Mensch.

Strabo. Ihr seid kein Mensch, sondern ein Esel, id probo sequentibus: Asinus habet duas aures, tu habes duas aures, ergo es asinus.

Jorgias. Herr Philosophus, wer zwei Ohren hat wie ich, der ist sowohl ein Esel als ich. Ihr habt auch zwei Ohren wie ich, ergo seid Ihr auch ein Esel wie ich.

Strabo. Was sagst du, du Bärnhäuter?

Jorgias. Ein Schelm seid Ihr!

Strabo. Das will ich dem Richter klagen, daß du mich einen Schelm geheißen.

Jorgias. Herr, Ihr müßt nicht sagen: ›Ich wills dem Richter klagen‹, sondern: ›Es gedünkt mich, ich will ihms klagen.‹ Auch nicht, daß ich Euch einen Schelm geheißen, sondern: Es gedünkt Euch, ich habe Euch einen geheißen.


Sie wollten weiter miteinander fortreden, so fiel aber zu allem Unglück das Theatrum über den Haufen, und wurden ihrer viel nicht ohne Gefahr verletzet, daß also diese lustige und kurzweilige Action nicht konnte zum erwünschten Ende gebracht werden, so sehr auch diejenige darnach verlanget, welche ehedessen auf Schilen das Ihrige getan. Aber Isidoro mußte es wider seinen Willen so dabei verbleiben lassen, weil etliche Hauptpersonen von der eingefallenen Wand in dem Gesicht verletzt worden und dahero große Pflaster aufzulegen genötiget wurden.

Aus dieser Ursach verschob man die Action bis zu einer andern [394] Zeit, denn Isidoro berichtete, daß noch zwei Philosophi darinnen wären, welche mit dem Pickelhering ihre Propositiones haben würden. Dahero gaben sich die Cavalier in etwas zufrieden, und das Frauenzimmer waren indessen geschäftig, damit der Tanz gehalten wurde, nach welchem aufs neue sehr magnific tractiert worden.

11. Capitul. Das Ende des Lebens der Veronia
XI. Capitul.
Das Ende des Lebens der Veronia.

Wer Gift verschluckt, der würgt das Herz,

Auf Laster folget Pein und Schmerz.


Nebenst dieser Erzählung auf dem Tanzboden genossen wir sonst eine treffliche Lust mit den Klopffechtern, welche das Land auf und ab zu fahren und ihre Fechtschulen an die Rathäuser anzuschlagen pflegen. Es war eine ziemliche Partei Marxbrüder und Federfechter, und dannenhero mußten sie sich drei Tage nacheinander auf dem Schloßhofe herumschlagen, so gut sie es von ihrem Obermeister gelernet hatten. Der weißköpfichte Beck tat mit der Stange das Beste, und der schwarze teilete gute Kopfnüsse aus. Der Bruder Hansel hielt sich auf der Federfechter Seiten nicht gar übel. Aber mit dem Dusacken kriegte er unterweilen eine weidliche Huschen über seine lederne Hosen, darüber ich noch lachen muß, sooft ich mir einbilde, wie eine artliche Positur er dazumal gemachet. Ich und Bruder Ludwig als zwei alte redliche Marxbrüder saßen nächst beisammen, und als ich ihn fragte, was er sowohl wegen der vorigen Comödia als dieser Fechtschule vor Gedanken hätte, gab er zur Antwort, daß er zwar die vorige Action noch niemalen gesehen, aber seines Entsinnens bei dem Herrn Molier in französischer Sprache eine solche ehedessen gelesen hätte.

Es würden in derselben die Philosophi nicht allein billig durchgezogen, sondern auch mit ihren wunderlichen Grillen wacker ausgelachet. »Denn, es ist keine geringe Aberwitz,« sagte er, »sich von einem philosophischen Argument dergestalt einnehmen zu lassen, darob man alle Gesellschaft der Menschen vergisset und oft nicht höret, was ein anderer sagt oder redet. Bei dem andern Philosopho haben wir zu [395] sehen, daß es vor diesem eine Anzahl dergleichen Narrenköpfe gegeben, die geglaubt, es könne gar kein Mensch wahrhaftig sagen, das und das sei geschehen, sondern sie vermeinten, es wäre viel besser, wenn man sagte: mich gedünkt, es sei geschehen. Aber aus diesem Philosophieren ists hernachmals geschehen, daß, wenn einer unter den Philosophis auf offener Gasse oder sonsten geprügelt worden, daß der Richter keinen gewissen Ausspruch tun können, denn wenn der geprügelte Philosophus gleich geklagt und gesagt hat: es gedünke ihn, wie er von dem und dem sei geprügelt, abgeschmiert und wacker zersauset worden, so sagte der Richter: ›Wenn es Euch nur so gedünkt und Ihr die Sache nicht gewiß zu berichten wisset, so kann ich Euch mit meinem Urteil nicht an die Hand gehen.‹ Dieses halte ich von der vorübergegangenen kurzen Action, und es verdrießt mich, daß die Wände so bald über den Haufen gefallen. Sonst würden wir noch artliche Sachen und Schosen angehört haben, denn Isidoro sitzt fleißig über den Büchern. Aber was noch mehr ist, so hat er einen sehr fertigen Kopf, eine Invention an den Tag zu bringen, darüber man genug zu lernen und zu lachen hat.

Die gegenwärtige Klopffechter anbelangend, liebe ich zwar die Art und ihre Manier zu fechten, aber ihnen selbsten bin ich nicht gar zu gewogen. Denn ihre Profession ist eine unter den miserabelsten, und zwar die allererste, die auf der Welt vor einer andern wohl möchte abgeschaffet werden. Die Leute schlagen einander die Leiber ungesund, daß sie nur andern um einen schlechten Gewinst zu lachen machen. Ich glaube nicht, daß eine Profession unter der Sonnen sei, aus welcher man so gar nichts lernen kann. Das Seiltanzen taugt endlich zur Leibsbewegung. Die Taschenspieler brauchen eine subtile Verzauberung der Augen. Ein Gassenarzt hilft endlich noch denjenigen, die an seine ausgegebene Sachen einen festen Glauben haben, so schlecht und nichtswürdig auch seine Medicamenten seien. Diejenige, so die Tier sehen lassen, Feuer fressen, Messer verschlucken und dergleichen, geben doch verwunderlich zu verstehen, wie unglaubliche Sachen können ins Werk gestellet werden und wie die Natur [396] so manch abenteuerliches Tier an allen Orten der Erden bestellet. Hingegen weiß ich nicht, was ich von dem Klopfobes Klopfuntes halten solle. Aber das weiß ich wohl, daß die Zuseher oftermalen größere Narren seien als die Fechter selbsten, weil man ihrer gar viel nach geendigter Fechtschul hat in die Haare fallen und untereinander wacker zerzausen und zerklopfen gesehen. Die Kerl reisen von einer Stadt zur andern, und weil sie kein recht christliches Leben führen, so sterben sie auch selten christlich. Es wäre besser, sie fechteten wacker mit ihrem Handwerk.«

Zwischen solchem Gespräch, welches er mit vielen Exempeln untermischte, endigte sich die Fechtschule, nachdem beide Parteien wacker aneinander abgeklopfet und die Kolben gelauset hatten. Isidoro führte uns nach diesem wieder in den großen Tanzsaal, allwo wir zum Abendmahl durch das Zeichen einer Glocke berufen worden. Über der Tafel wurde aufs neue allerlei gediscurrieret, absonderlich aber von der Liebe, welcher Discurs dem Frauenzimmer zum allerangenehmsten war. Des andern Tages prelleten wir dreihundert und etliche dreißig Füchse, und nach diesen wurden zwei Wildschweine gehetzet, mit welcher Lust wir vor diesmal insgesamt Urlaub genommen.

Ich war trefflich begierig, nach Hause zu gelangen. Denn ich bekam Zeitung, daß meine Caspia mit nächstem würde Kindsmutter sein, und die Cavalier sagten mir einhellig zu, alle meine Gevattern zu werden. Mit solchem Versprechen schied ich neben vielen andern aus dem Schloß, und weil Monsieur Ludwig an der Straße einen Schuldmann zu besuchen hatte, ritt er fünf Meilen mit mir. Und ich erzählte ihm unterweges die Geschicht meines Jostens, die sich mit ihm und der Veronia zugetragen, fragte ihn auch beinebens, ob er seitdem keine Nachricht von derselben erhalten.

»Liebster Bruder,« antwortete Monsieur Ludwig, »nunmehr hat sichs gewiesen, was ein solches Leben endlich vor ein Ende nimmet, nämlich mit Schrecken. Sie ist vor ungefähr drei Wochen mit einem Galan durchgegangen. Ihr Herr aber folgete in verkleideter Gestalt dem Räuber nach und erwischte ihn in einer kleinen Stadt außer Landes, allwo er sich [397] nicht enthalten können, mit einem versteckten Puffer hervorzuwischen und seinem Ehrenschänder mit zwei Kugeln das Leben zu nehmen. Er hätte ihr noch Genad erwiesen, so sie ihn um Vergebung gebeten, aber in dem Zorn und in der Furcht konnte sich keines unter beiden begreifen. Dahero wurde sie von ihrem Herrn mit einem italienischen Dolchen jämmerlich erstochen, und man sagt vor ganz gewiß, daß sie über achtzehn Wunden in der Brust gehabt.

Solche Comödien nehmen gemeiniglich einen solchen Ausgang, und es wäre zu wünschen, daß die abscheulich gestrafte Veronia nicht in eine größere Pein eben in der Stunde gefahren, in welcher sie gestorben, nämlich in den Pfuhl, welcher allen solchen Gemütern zum ewigen Schrecken brennet.«

12. Capitul. Der Irländer wird ein Einsiedler
XII. Capitul.
Der Irländer wird ein Einsiedler. Redet von der Welt Eitelkeit.

Der Tor sucht Freude, Ehr und Geld,

Der Kluge haßt und fleucht die Welt.


Er hätte weiter fortgeredet, wenn er nicht durch einen hellen Glockenklang daran wäre verhindert worden, und weil solcher auf unserer linken Seite in einem tiefen Tal gehöret wurde, wandten wir die Pferde und sahen in die Tiefe, allwo ein alt ruiniertes Kloster gestanden, aus welchem wir einen jungen Mönch herausgehen gesehen, mit einem großen Sack über der Achsel. Wir hielten ihn erstlich vor einen Conventbruder, welcher den andern im Kloster Wohnenden das Brot in der umliegenden Gegend erbetteln sollte. Dannenhero blieben wir so lange stehen, bis er die Höhe zu uns heraufkam. Ludwig redete ihn an, und unerachtet er ihm solche freundliche Worte gab, ging er doch gleichsam in den tiefsten Gedanken bei uns vorbei und sah sich nicht um. »Bruder,« sagte Ludwig weiter, »seid Ihr ein Esel oder seid Ihr ein Mensch?«-»Mein Herr,« sagte dieser, sich zurücksehend, »Ihr haltet mich gleich vor einen Esel oder Menschen, so gehöre ich doch in Eure Gesellschaft.«

Aus dieser Antwort verstunden wir beide, daß es der ehrliche Irländer sei, welcher von der Welt abgesondert sein [398] übriges Leben in einer absonderlichen Einsamkeit zuzubringen sich ehedessen entschlossen. Ludwig ergriff ihn hierauf bei seinem Bettelsack, und der Irländer machte vor großer Verwunderung ein Kreuz vor sich, weil er so unverhofft zu uns und wir zu ihm geraten. Er erzählte uns seinen jetzigen Zustand, wie es ihm zeit seiner Einsiedlerei in diesem Tale gegangen und daß nebenst ihm nur noch ein alter Einsiedler darunten wohnete, mit dem er all seine Zeit zu vertreiben pflegte. »Ich habe die Welt«, sagte er zu uns, »schon lange aus meinem Herzen verbannet, denn sie gibt endlich nichts als schmerzlichen Verdruß und kann sich in der Anfechtung selbst nicht trösten. Ich habe abgesagt aller hohen Ehre und streite um nichts mehr als die tiefeste Niedrigkeit, solang ich leben werde. Die Lüste des Fleisches und den heimlichen Künsten des bösen Feindes bin ich von Herzen zuwider, denn sie ermorden die Seele und können sie hernach viel mehr peinigen, als sie zuvor ergötzet haben. Ich verachte allen Reichtum der ganzen Welt und halte keinen Schatz vor beständig als denjenigen, welchen sich die Menschen in dem Himmel sammeln. Den eiteln Ruhm und das nichtige Lob der Menschen halte ich vor ganz nichtig und elend, weil mancher, durch das zeitliche Lob gekitzelt, der ewigen Schmach und Schande zueilet. Ich verdamme allen Stolz und Hochmut, weil sie ein Strick sind, der viel tausend arme Seelen fesselt und führet an den Ort, wo der hoffärtige Geist in Ewigkeit brennet und bratet. Ich vermaledeie den schändlichen Geiz und greife darvor nach der freigebigen Hand des Himmels, welche den Dürftigen reichlich mitzuteilen pfleget.

Ich stoße von mir alle Rache und vergebe allen denjenigen von Grund meines Herzens, welche mich heimlich oder öffentlich, wissent- oder unwissentlich, in oder außer Landes an meinen Ehren oder sonsten verletzet und beleidiget haben. Ich bitte es auch insonderheit einem jeden ab und bitte, ingleichem mir zu verzeihen von denjenigen, die auf gleiche Weise von mir sind verletzet oder beleidiget worden. Ich verfluche alle Laster insgesamt, von welchen die schnöde Erde verblendet der unendlichen Qual zulaufet. Ich hasse [399] sie, ich fliehe sie und verdamme sie. Alle Eitelkeit der Welt läuft meinem Geist zuwider, und ich wollte, daß ich schon begraben und meiner Mutter, der Erden, in ihrem Schoß ruhete, in welcher wir alle noch werden verwandelt werden. Fahret wohl, ihr meine gewesene Güter, lebt wohl, ihr meine geweste Freunde, ich bin von euch geschieden und werde nicht wieder zurücke kommen. Ich liebe die Einsamkeit mehr denn eure Gesellschaft, denn dardurch fliehe ich keine geringe Gelegenheit zu sündigen.

Ich hasse ein großes Wortgespräch, denn die Einsamkeit lehrt mich, auf mich selbst merken und nur zu reden von solchen Sachen, die nimmermehr vergehen können. Glückselig ist derjenige, der dich, o eitle Erde, erkennet, der dich nicht liebet! Noch glückseliger, der dich fliehet! Du machst viel Wort, aber beweisest sehr wenig in dem Werk, versprichst deinen Dienern einen guten Lohn, und endlich bezahlst du sie mit dem Schwert. Nein, nein, ich gebe dir eine gute Nacht; denn ich hänge schon an demjenigen Gut, außer welchem kein größers kann gefunden werden.«

Mit diesen Worten machte der Irländer in seiner braunen Kutte ein kleines Reverenz und ging seine Wege. Ludwig lobte sein gutes Vorhaben und sagte, daß die Welt an ihm ein sonderliches Muster der Höflichkeit verloren. »Seine Lebensart«, sagte er, »ist christlich genug, aber in der Wahrheit nicht vor alle Menschen tauglich. Zwar, wenn wir das Ende dieser Erde und ihre Herrlichkeit betrachten, ist es nicht ohne, daß wir dardurch zuweilen recht innerlich bewegt und zu einer neuen und reinern Lebensart angefrischet werden. Der Irländer hat nicht übelgetan, und ich glaube, daß seine Lebensvergnügung die unserige weit übertrifft, weil die Zufriedenheit des Geistes des Leibes Ergötzlichkeit weit übersteiget. Ich wollte wünschen, daß ich ein solches Gemüt von Natur eingepflanzet bekommen hätte, auf daß ich, gleich dem Irländer, mich in einer unbekannten Wüstenei oder in einem großen Wald, gleichwie du vor diesem getan, aufhalten möchte. Aber ich befinde mich sowohl innerlich als äußerlich zu diesem Werk ganz ungeschickt und verdrossen.

[400] Was hilft es uns, ob wir gleich in aller Glückseligkeit auf diesem Runde herumwallen, große Dinge tun, unsern Namen dardurch groß und unsterblich zu machen! Wahrhaftig, es ist nur ein Wahn, der in dem Grund niemand mehr betrügt als denjenigen, welcher gar zu viel darauf bauet. Der Irländer beurlaubet die Begierde des fleischlichen Wohllebens nicht ohne Ursach; denn es ist gewiß und unleugbar, daß durch diese sündliche und beweinenswürdige Seuche viel unzählig tausend Menschen in den ewigen Abgrund gestürzet werden. Und was richten wir endlich mit unsern Wollüsten anders aus, als daß wir durch dieselbe ein Grab bauen, in welches wir oftermalen unser zeitliches und ewiges Wohlergehen einscharren. Oh, der Irländer ist in diesem Stücke wohl gefahren, und seine Meinung, sich der Welt zu entreißen, wird ihn zu dem Himmel leiten, sofern er in seinem angefangenen Werk eifrig und unablässig fortfähret.

Was hilft es uns Menschen, daß wir die Länder mit Krieg einnehmen, dieselben verheeren und versehren, auch unter unsere Botmäßigkeit bringen? Mancher streitet und überwindet seinen äußerlichen Feind und lässet sich doch nichtsdestoweniger von dem innerlichen und unsichtbaren so liederlich besiegen, welcher doch oftermalen durch einen einzigen frommen Gedanken kann zurück- und abgetrieben werden. Was hat nun die elende Veronia von ihrer Unreinigkeit? Ihre Lust war kurz, ihre Vergnügung unvollkommen, ihre Ergötzlichkeit lasterhaftig, ihre Ehe befleckt, das Leben verkürzet und, welches ich doch nicht glauben will, ihre Seele vielleicht ewig verloren! Solche Früchte bringt die Unreinigkeit des Fleisches, und diese hat sie auch genossen, weil sie niemalen erkennet hat denjenigen Fehler, in welchem sie sich so greulich verstiegen.« Diese Wort waren die letzte, welche Ludwig auf der Straßen zu mir redete, weil er kurz darauf in das vorerwähnte Ort eingeritten, da er wegen der Schuldforderung zu tun hatte. Hiermit beurlaubete ich ihn und ritt mit meinem Josten sporenstreichs nach Hause, allwo ich nunmehr einen jungen Erben antraf.

13. Capitul. Die Köchin setzt dem Bauerknecht Hörner auf
[401] XIII. Capitul.
Die Köchin setzt dem Bauerknecht Hörner auf.

Bucephalus ist teu'r im Kauf,

Er ließ nur einen sitzen auf.


Dazumal hatte ich wohl die größte Freude unter der Sonnen, und weil sich die Gelegenheit gar wohl darzu fügte, verehlichte ich meine Jungfer Köchin an den Bauernkerl, welcher ihr je länger je besser anstund. Aber der Gesell ist ein Vierteljahr darnach jämmerlich ans Horn gelaufen, weil bald dieser, bald ein anderer Junger von Adel in seinem Absein ins Haus gekommen. Der Buhler, der fast täglich zusprach, hieß Finis, der Bauer Opus, dahero hätte einer wohl sagen können: Finis coronat Opus. Aber ich nahm letztlich die Köchin unter die Sporn, und nachdem sie mir ein langes Register derjenigen herausgebeichtet, welche ihr die horas zu singen pflegten, legte ich ihre schändliche Handlungen augenscheinlich an Tag samt beigehängtem Unheil, welches auf ein so arges Leben zu folgen pfleget. »Meinest du,« sagte ich zu ihr, »daß dieser Tanz ewig werden wird? Ach, meine liebe Köchin, wer nach dieser Fiedel tanzet, der wird die große Saiten bald abspringen sehen. Meinst du denn, daß man um deine Lumpenstücklein nicht weiß? Dein Mann hat mirs mit weinenden Augen geklaget, wie sauber du ihm die Farbe haltest. Pfui, schäme dich ins Herze hinein, hast du solches von mir oder meiner Frau gelernet? Haben dich zu solchem Handwerk deine Eltern unterwiesen, oder wo hast du die Fretterei aufgegabelt? Nun stehest du Hure da ganz erblasset und erschrocken, aber wie wird dirs gehn, wenn du gestorben bist und einen schärfern Richter als mich zu förchten hast? Gelt, es klopft dir dein Herz und pufft dir im Leibe wie ein Weber in seinem Weberstuhl. Warum hängst du dich an solche Narrn, die dich nur zum Verderben führen? Meinst du nicht, ich hätte Macht und Gewalt, dich entweder öffentlich in der Fiedel herumführen zu lassen oder dir gar den Tact mit der Rute auf den Buckel zu geben? Ich will dirs hiermit vors letzte Mal gesagt und dich getreulich vermahnet haben. Laß ab von solchen Händeln, oder es wird spanisch mit dir ablaufen.«

[402] Indem kommt ihr Mann zu mir ins kleine Stüblein und sprach: »Ich habs schon vor der Tür gehört, gestrenger Herr Edelmann, daß Ihr meinem Weibe einen guten Filz gebt, und Ihr tut, auf mein Eid, auch recht daran. Herr, ich kann Euch nimmermehr genug klagen, wie sie es verhunzelt und verheinzelt. Bald treff ich sie auf dem Feld, bald in dem Garten mit einem Gassenstutzer an, aber ich will mir bei Euer Gestreng Erlaubnis nehmen, kommt mir noch einer ins Haus, so will ich ihn so abschmieren, daß er sein Lebtag ans Fenstern gedenken soll. Ich kann vor dem Geläufe kaum ein Fuder Heu absicheln. Neulich jagte ich einen mit der Sensen übers Feld, daß mich meine Nachbarn genug auszulachen gehabt haben. Darum bitt ich Euer Gestreng, gebt Ihr mir eine gute Inforation (er wollte Information sagen), daß sie eine Weil daran zu gedenken hat.«

»Siehst du,« sagte ich weiter zu ihr, »was vor ein ehrbar Zoberl du bist?« Damit rufte ich meine Frau, welche ihre drei Heller auch darzu gab und der Köchin dergestalten zuredete, daß sie endlich zu weinen und ihr Mann vor sie zu bitten anfing. »Nun,« sagte ich, »wenn du selbst vor dein Weib eine Intercession einlegest, so mag die Sache immer gut sein.« Damit gingen sie hinweg, und die Köchin gelobte mir und meinem Weibe an, ihr Hurenleben zu bessern und besser Haus zu halten. Als sie aber vor das Tor hinuntergekommen, kriegte sie ihren Mann bei den Haaren und zerkratzte ihm das Gesicht viel ärger, als die zwei Mägde dem Schreiber getan hatten. Aber ich nahm meinen Pallester und schoß die Hure so lang auf das Mieder, bis sie davongelaufen und ihren Mann in dem Kot bis über die Ohren zurückgelassen.

»Ja,« sagte ich zu meiner Frau, »wo ein solches Gift unter Eheleute kommt, da ist keine Medicin kräftig genug, die Krankheit aufzuheben. Ich weiß es wohl, daß unser Schreiber der einzige Anfang aller dieser Unreinigkeit ist. Aber ich will ihm mit Allernächstem die Feder hinter dem Ohr hervorziehen, daß es gezogen heißen solle. Und daß er keine Gelegenheit habe, auszugehen, will ich ihm seinen Rock und Hosen samt dem Mantel einsperren. Solchergestalten[403] muß er mir in dem Bette sitzend schreiben und seine Plackscheißerei verrichten. Ich hab es schon lang gemerkt, auf was vor ein Dintenfaß er seine Feder gespitzet, aber ich will ihm das Loch verrennen, wie uns die Kerl das Loch verrennet haben, als ich und Isidoro zu Peltzingen auf dem Landgut geprügelt worden.« – »Freilich,« sprach mein Weib, »Ehebruch ist eine große und häßliche Sünde. Lieber den Kerl aus dem Haus gejagt, als einen solchen Mutwillen wissentlich gestattet. Der Schulmeister ist auch nicht weit über Feld her. Es wäre mein Rat, Ihr ließet sie beide in Polnischen Bock spannen und so lang prügeln, bis sie eine andere Haut kriegten, denn in der alten tun sie kein gut. Darum, weil Ihr Euch ehedessen vor einen Weißgerber ausgegeben, stünde es Euch nicht übel an, so Ihr ihnen das Fell wacker ausgerbet und die Bachanten zum Dorf hinausjagte.«

14. Capitul. Jost macht Hochzeit
XIV. Capitul.
Jost macht Hochzeit. Schrecklicher Tumult auf dem Schlosse. Der Irländer bringt sie auf einen guten Weg. Sie resolvieren sich all, ein frommes Leben zu führen. Damit schreitet dieses ganze Buch zum Ende.

Die Welt mit ihrer Lust ist Nacht,

Wohl dem, der hier sein Heil betracht.


Indem kommt mein Jost die Treppe heraufgegangen, und weil ich vor meinem Stüblein wenig Trabanten hatte, die da mit Partisanen und Spießen Schildwache stunden, ging er gleich zu. »Herr,« sagte er, »ich hab mich nun eines andern bedacht. Wenns Euch und der Frauen recht wär, so wollte ich die kleine Viehmagd und sie wollt mich heiraten. Bitte Euch derowegen, Ihr wollet Euren guten Willen nicht bergen, und weil ich Euch schon eine ziemliche Zeit treulich und mit Fleiß gedienet, so gebt mir doch einen guten Rat, wie die Sach aufs beste ausschlagen möchte.« – »Ja,« sagte ich, »du auf sie allein und keine anderer Leut, dieses ist der beste Ausschlag.« Jost schmunzelte über diese Antwort und drehete sein ledernes Käpplein immer in der Hand herum wie einen Katzenschwanz. »Herr,« sagte er, »das wäre freilich [404] der beste Handel, und drauf gehe ich auch um.« – »Du garstiger Esel,« sprach meine Frau, »du hast einen schönen Heiratsvortrag!« Damit eilete sie wieder hinweg. Aber ich gab dem Jost einen guten Anschlag und sprach: »Wie willst du dich denn ernähren mit deiner Trautl?« – »Herr,« gab er zur Antwort, »ich muß halt fleißig arbeiten, wie Ihr selbst wohl wißt. Man erspart nit viel im ledigen Stand, und wenn man auf den Tanz kommt, so verzettelt sichs Geld ins Bier und in die Sackpfeifen, daß es ain schlet ins Herz verdrießt. So denk ich auch, das Mensch sei an und vor sich gut genug.« »Ja, ja,« sagte ich, »das glaube ich auch, daß sie vor sich gut genug ist, wie meinst du aber, daß sie hinten beschaffen sei?« – »Herr,« sprach er, »Ihr könnt Euer Keyverig nicht bleiben lassen, wann, meint Ihr denn, daß wir Hochzeit halten könnten?« – »Ja,« sagte ich, »wenn dir die Braut nicht davonlauft, so kann es sein, wann du willst.« – »Ha,« sagte er, »ich wills schon wacker anködern, davor dörft Ihr Euch keinen grauen Bart wachsen lassen.« – »Nun,« sagt' ich, »wenn es denn dein Ernst ist, so besinne dich erst recht, mein lieber Jost. Man fähret nicht stracks in Ehestand, wie du in deine Stiefel hineinfährest. Wers da glücklich treffen will, muß die Augen weit aufreißen.« Als ich dieses sagte, riß Jost ein Paar Augen auf, wie eine Katz, die mit einem Kettenhund anbinden will. Ich mußte aber seiner Einfalt lachen. Und weil an seinem Ehestand wenig konnte verbessert oder verschlimmert werden, zumalen er sich ohnedem schlecht genug behelfen mußte, nahm ich auch zugleich das kleine Viehmensch, als seine zukünftige Braut, vor und sprach zu ihr:

»Es hat Gegenwärtiger, der viel ehr- und tugendbegabte, in seiner Arbeit treu fleißiger Pferd striegelnder und Mist austragende Monsieur Jost, als mein respective getreuer und sorgfältiger Stall-Inspector urid Hof-Reformierer, bei mir einen rittermäßigen, wohlstilisierten und trefflich ausspintisierten Orations-Anwurf getan und vorgegeben, dich zu heiraten und deine Person zu seinem getreuen Ehegemahl und Hausfrau zu erkiesen und zu erwählen. Willst du ihn haben, so sprich ja, aber fein laut, daß mans hören kann.«

[405] Damit schrie die Magd so hell und stark, daß es in den herumhängenden Geigen und Instrumenten resonierte. Damit mußten sie beide die Tatzen aneinandergeben, und ich machte mit meiner Frauen Anstalt zur Hochzeit, auf welcher alle diejenigen erscheinen sollten, bei denen ich ehedessen auf ihren Schlössern bin fröhlich und lustig gewesen. Sie machte sich demnach mit einer guten Küche fertig, und ich schrieb an alle meine Bekannte, absonderlich aber an Ludwigen, folgenden Brief:


›Nunmehr ist die Ordnung an mir, Dich samt allen unsern guten Bekannten auf mein Schlößlein einzuladen, und zwar zu einer Hochzeitfreude des Hoch-Edel Gestrengen, Viel Ehr- und Mannfesten Herrn Josten, welcher sich mit der Viel Ehr- und Tugendbegabten Madamoiselle Traute, meiner kleinen Viehmagd, in ein ehliches Verbündnis eingelassen. Solches zu vollentziehen wird ohne Deine Gegenwart nicht wohl möglich sein, bitte also, mir die Ehr und Kurzweil zu vergönnen, daß ich mich auch an meinem Ort mit Euch lustig machen könne. Sinne unterdessen auf eine lustige Schalkheit, die wir dem Bräutigam erweisen können. Den disputierenden Doctor mag ich nit einladen. Der Narr bildet sich ein Haufen ein und meinet, wer nicht mit ihm disputieren kann, der sei gar ein Narr. Wo mir Deine Frau den Gefallen erweisen und meinem Weib kochen helfen wollte, wärs mir lieb. Sie muß aber künftige Woche gewiß hier sein. Wegen der Spielleute lasse ich Dich sorgen. Mich hat der Teufel mit dem neulichen Musico, Stadtpfeifern und solchen Narren beschissen, daß ich fast nichts mehr mit ihnen mag zu tun haben. Indessen lebe wohl. Den Zwanzigsten dieses Monats ist der Hochzeittag aufgesetzet, darnach wirst Du Dich zu richten und mit Pulver zu Gesundheittrünken vorzusehen wissen. Vale!

Dein mehr als vertrauter Zendorio.‹


Auf dieses abgegebene Brieflein erhielt ich folgende Antwort:


›Vielgeliebter Herzensfreund! Dein Schreiben ist mir durch unsern Ordinar-Post-Meister gar recht überliefert worden, [406] wünsche dem Bräutigam zu seinem Beilager tausend Glück. Er ist ein einfältiger Tropf, redlich in Worten und fleißig in seiner Arbeit, er wird ohne allen Zweifel einen hübschen und fein geduldigen Hahnrei abgeben. Du schreibest wegen der Spielleute, daß Du nichts damit mögest zu tun haben. So wärs mein Rat, wir verschrieben von einer lateinischen Schul vier oder fünf Schulfüchse, die machen uns Lärmen genug, und wenn wir sie vollsaufen, so hat man mehr über sie als über zwölf Narren zu lachen. Sie nehmen auch mit einem Taler vorlieb, da man die andern Esel kaum mit achten bescheiden kann, schieben auch nicht so viel Braten, Torten und Kuchen in Sack. Aber da sieh wohl zu, daß Du den Spieltisch weit von der Hochzeittafel stellest, sonst kriechen uns die Läuse auf die Kleider. Lebe wohl, mein Weib will gewiß kommen, darauf hat sich Deine Frau zu verlassen.

Dein Contra-Servus Ludwig.‹


Solche und dergleichen Antworten bekam ich fast von allen denjenigen, welche ich zu dieser Hochzeit eingeladen habe. Jost war indessen beschäftiget, eine neue Hosen von Schafleder machen zu lassen, und der Braut kaufte er einen grünen Rock von Carmasin. Das war auf beiden Seiten der ganze Hochzeitschmuck. Denn der Schelm, ob er gleich in die anderthalbhundert Gülden an barem Geld hatte, fing er doch auch an, allgemach zu schaben, vielleicht, weil er bei dem kargen Edelmann Crispan aufgezogen worden. Nach acht Tagen kam einer nach dem andern auf mein Gut, und ich war froh, daß ich Gesellschaft bekam, mich rechtschaffen lustig zu machen. Denn was hat der Mensch mehr auf Erden zu seinem Besten als eine frohe und fröhliche Stund? Viel Geld machet nur Sorgen und große Güter große Aufsicht. Aber ein kurzweiliges Stündlein versüßt alle Mühe, und ein guter Trunk Wein ist das beste Pflaster wider alle Sorgen und Grillen.

Mein Schlößlein war nicht weit vom Rhein abgelegen. Deswegen hatte ich meinen Keller, ob er schon nicht gar groß war, dennoch voll vom köstlichen Bacheracher. Da hieß es: ›Unser guter Bacheracher, unser Rausch- und Freudenmacher. [407] O edler Rinkauer, du köstlicher Wein, es trinkt dich kein Bauer, du bist ihm zu rein.‹ Solchergestalten fingen wir das Jubelfest vor der Zeit in meinem Hause an, und ich gab alles preis, was nur konnte gefressen oder getrunken werden. Indem kommt Ludwig mit fünf Schülern auf meinem Wagen gefahren. »Siehest du,« sagte er zu mir, »da bring ich meine Musensöhne. Wer aber ihre Mutter gewesen, weiß ich nicht. Dieser«, sagte er, auf den mit der Baßgeige deutend, »ist von Purmesquick, wo man die kleinen Löcher drehet, der wird dir mehr Spaß machen als ein halb Dutzet Sackpfeifer.« Damit kam Jost und empfing seine Hochzeitgäste. »Jost,« sprach Ludwig, »wieviel sind Narren hier?« – »Laßt sehen,« sprach Jost, auf die Schüler schauend, »ich bin einer vor mich, und da sind ihrer fünfe vor Euch, was Ihr seid, weiß man ohnedem.« Hiemit entstund ein großes Gelächter, und Ludwig fragte: »Jost, was bin ich denn?« – »Herr,« sprach Jost, »Ihr seid der größte!« Damit eilete er in den Hof, und Ludwig wurf ihm seine Reisemütze auf den Buckel.

Es ist nicht zu sagen, wie wir darauf die ganze Nacht geturnieret. Wir ritten auf Sessel und Bänken in dem Haus hin und wider, bald eine Treppe hinauf, die andere wiederum hinunter, wir tanzten in Hemden und sprangen mit allerlei Instrumenten in dem Hof herum. Jost mußte allenthalben dabeisein, und solchergestalten hatten wir genug zu lachen über die Löcher, die er in seinem Hemd hatte. Weil auch dazumal in meiner nah gelegenen Stadt großer Jahrmarkt war, kamen dahin allerlei Vaganten, unter welchen die Italiener, so da die schöne Raritäten und Spielwerk herumtrugen, nit die Geringsten waren. Weil nun fast die meiste mein Schlößlein vorbeireisen mußten, bekam ich derer etliche Stücke zusammen, die mußten mir alle zugleich ihre schöne Raritäten und Spielwerke herumdrehen. Und da konnten wir uns samt dem Frauenzimmer, welches in häufiger Anzahl gegenwärtig war, nicht genugsam zerlachen, wenn die Jungens so abscheulich zusammen schrien und von der Bella Catharina sangen. Unter solchem Tumult mußten auch die fünf Studenten mit Geigen das Ihrige tun, darzu wir Edelleute auf [408] Jägerhörnern geblasen. So mußte mir auch der Dorfhirte mit seinem Horn darzu blasen, und was sonsten kein Instrument hatte, dem gab ich einen Schlüssel in die Hand, das war ein Gepfeife und Raspeln untereinander wie auf einer Stampfmühl. Bald stiegen wir in den Kamin und ruften die Stund-Uhr zum Fenstern hinaus, bis endlich der Hochzeittag vor die Tür kam.

So lustig wir zuvor gewesen, so lustig waren wir auch auf dieser. Der Pfarrer mußte uns wider seinen Willen Erlaubnis zu turnieren geben. Den Josten und seine Braut satzten wir an der Tafel oben an und machten eine lateinische Schrift auf die Oberdecke, die hieß: locus supremus inter nos supremum stultum capit. »Herr,« sprach Jost zu dem Schüler mit der Baßgeige, »was heißt das auf teutsch?« Der Schüler antwortete geschwind: »Gut Essen kommt vom guten Koch, wollt Ihrs nicht glauben, schabt mirs Loch.« – »Ja, ja,« sagte Jost, »Herr Ludwig hats hinaufgeschrieben, er ist unterweilen fein grob und lustig, man muß ihm nichts vor übel halten.« – »Freilich«, sagte der Schüler, »darf man den Edelleuten nichts vor ungut ausrechnen, man muß zu all ihrem Tun lachen, und sollten sie gleich sagen: leckt mich woanders!« – »Ihr sagt die Wahrheit«, sprach Jost. Damit erhebte sich ein großes Gelächter, denn etliche hatten den Discurs zwischen ihnen beiden gar zu wohl observieret und in acht genommen. Darum satzte man den Baßgeiger zu uns an die Tafel, damit wir daselbst seiner Unterredung desto füglicher genießen könnten.

Er gab darauf in der Stille einen Vorschlag, wie man dem Bräutigam einen guten Possen reißen könnte, machte demnach Anstalt, daß man aus dem Brautbett den Boden herausmachte und unter dasselbe eine Wanne voll frisches Wasser satzte. Nach solchem ließ er eine saubere Zieche, gleich als wäre das Bett hübsch neu gemachet, überziehen und die Kissen samt dem Deckbett mit kleinen Nägeln annageln. Als nun der Bräutigam abends mit der Braut zu Bette gehen wollte, machte er mit der Braut eine große und häufige Ceremonie. Es wollte keines das erste zu Bette sein, und wir hatten durch heimlich gebohrte Löcher genug an diesen [409] Complimenten zu betrachten. Endlich kamen sie nach langen Wortwechseln dahin, daß sie zugleich hineinstiegen, aber potz Velten! wie fielen sie ins Wasser hinein. Sie hatten genug zu tun, sich wieder in die Höhe und aus der Zieche zu wickeln. »Schelm, Dieb, Bärnhäuter,« sprach Jost, »Galgenvögel haben mir dieses Bad zugerichtet. Hei, ich wollte, daß dir die Finger krumm würden, du Schelm samt deiner Wanne voll Wasser.« Damit eileten wir in der Finster in die Kammer, löschten das Licht aus und zerpritschten den Bräutigam samt der Braut, daß es klatschte. Etliche spritzten mit Wasser um sich, und solchergestalten verderbten wir unsere gute Kleider, bis wir endlich die Bettstatt in kleine Stücken zerrissen und des Josten samt seiner Braut Hochzeitkleider zum Fenster ausgeworfen haben.

Wie Jost sah, daß es nicht anders werden wollte, gab er sich endlich mit Geduld drein, faßte einen andern Mut und machte so gut mit als keiner unter uns. Darauf brachten wir ihn mit uns wieder herunter, und die Studenten machten ihn im Hemd zum MagisterPhilosophiæ, darzu sich der baßgeigerische Galgenvogel pickelheringhaftig gebrauchen ließ. Andere brachten die Braut herunter, und weil sie beide noch pfitznaß waren, banden wir sie mit den Hemdzipfeln zusammen und jagten sie beide wieder über die Treppe in eine andere Kammer hinauf.

Nichts war artiger als ein Schüler, der sich in der Frauen Ludwigin ihre Schwester, die Jungfer Magdalena, verliebte. Diese, weil sie eine spitzfindige Dam war, sagte zu dem Schüler, daß er sich von seinen Gesellen abstehlen und heimlich in den Kamin hinter dem Keller steigen sollte, daselbst wollte sie, nachdem alle schlafen wären, zu ihm kommen. Das Bürschlein glaubte ihren Worten so gut als einer Regel im Syntax. Macht sich derowegen heimlich aus dem Staub und klettert so gut hinauf, als er kann. Aber sie eröffnete uns indessen die Invention. Da kam der Baßgeiger mit Feuer unter denselben Kamin und gibt vor, er wolle Bratwürste braten. Also zwang er den verliebten Affen durch den Rauch dergestalten, daß er endlich ganz ohnmächtig herunterfiel. Er hatte den Kopf zwischen den Beinen, daß man ihn vielmehr [410] vor eine Sackpfeife als vor einen Menschen urteilen können, und das Gelächter der Umstehenden war so groß, daß man kaum gesehen hat, wie und auf was Weis er aus dem Feuer herausgesprungen sei.

Damit fingen wir die vorige Musik aufs neue an, und damit das Frauenzimmer nicht vergessen würde, tanzten etliche so lange, bis sie schläfrig geworden, alsdann fingen wir erst an, rechtschaffen zu turnieren. Wir gossen den Wein nicht allein in die Gurgel, sondern auch auf den Kopf. Sooft ein Glas ausgeleeret war, schmiß mans auf die Gasse hinunter und schoß eine Pistole oder einen Carbiner los. Letztlich ließ ich alle Rätschen im ganzen Dorfe zusammensuchen, damit fingen wir ein Gerumpel an, daß einem das Gehör davon hätte verfallen mögen. Da nun fast alle Gläser zerbrochen waren, trunken sie aus andern Geschirr, als Laßköpfen, blechernen Streubüchsen, Pantoffeln, Pulverhörnern, Pinkelscherben, davon einer unter den Tisch, der andere über das Fenster hinausgespien. Alsdann hatten wir erst die größte Lust, da die Schüler trunken waren. Denn da fingen sie an, miteinander zu disputieren und endlich gar in die Haare zu fallen, daß wir genug an ihnen zu wehren hatten. In solchem Rausch und Dummel trugen wir einen dahin, den anderen dorthin, einen auf den Heustadel, den andern in den Taubenkobel, und den dritten stackten wir ins Ofenloch hinein. Summa summarum, wir trieben das Spiel bis an den hellichten Morgen, bis endlich einer da, der andere dort hingefallen, voll vom Wein und Tumult, nicht wissend, ob es Tag oder Nacht war.

Ich wurde von einem Schlag erwecket, und als ich in dem Hause, allwo ich unter andern von Adel auf dem Stroh gelegen, erwacht und mit halben Augen in die Höhe guckte, sah ich einen Mönch mit einem langen Sack über die Achsel unter uns stehen, welcher mit seinem Stecken an die Speisekammer geschlagen hatte. »Wie ist es,« sprach er, »bin ich unter Menschen, oder bin ich unter Vieh? Finde ich hier eine Vernunft, oder komme ich zu sinnlosen Leuten, die nicht bei sich selbst sind? Ach, Zendorio, ach, Ludwig, ach, Caspar, ach, Isidoro, ach, Ergasto und ihr übrigen guten [411] Freunde, wie seid ihr in diese Schwelgerei geraten? Heißet das, die Gaben des Himmels recht gebrauchen? Wo ist euer Vernunft? Wo ist euer Licht? Wo ist euer gutes Exempel? Heißt das, sein Leben bessern? Heißet das, sein Leben glückselig und friedsam zubringen? Ach, stehet auf aus dem Grab zum Leben, erwachet von den Sünden zur Tugend, eröffnet eure Augen zu dem Guten und bessert euch.« Es erwachte endlich einer nach dem andern, und wie wir den Mönch recht betrachteten, war es der Irländer, welcher als ein Einsiedler das Land auf und ab bettelte.

Wie sehr wir darob erschrocken, ist nicht genug zu sagen, denn wir haben ehedessen seine Lebensart nicht gar zu gut geheißen, und dannenhero hatte er gute Gelegenheit, uns unsern Fehler vor diesmal fein vor die Nase zu reiben. »O ihr Brüder,« sprach er ferner, »ich komme nicht her, euch zu züchtigen, sondern zu vermahnen, daß ihr munter werdet nicht allein aus dem Schlaf, sondern auch im Geist. Leget ab diese schändliche Höllenlarven der zeitlichen Lust und bemühet euch vielmehr, in steter Buße dem Himmel zu dienen. Was hilft es euch, euer Leben in einem solchen Zustande zu verbringen, da ihr alle Augenblick den ewigen Tod zu fürchten habet. Die wahre Glückseligkeit stehet nicht im Besitz großer Mittel, sondern wie man dieselbe mit christlicher Bescheidenheit zu gebrauchen weiß. Ich trage zwar einen rauhen Rock auf meinem Leibe, aber dennoch dabei ein unverletztes Gewissen in dem Herzen, welches das höchste Kleinod des menschlichen Lebens ist.

Nach diesem sehnet euch, nach diesem bemühet euch, welches, so ihr solches gewonnen habt, wird sie tauglich sein, euch mit der wahren Glückseligkeit, das ist: mit dem ewigen Leben zu beschenken. Was nützt es euch, eure Leiber mit Schwelgerei und stetem Gastieren hinzurichten? Ihr begrabt euch dardurch nicht allein vor der Zeit, sondern schadet noch darzu dem Heil eurer Seelen. Fasset eine andere Resolution und verändert euer Leben nicht mir, sondern euch selbst zu Gefallen, denn die Welt stirbt in ihren Lastern. Darum verlasset sie, auf daß ihr nicht mit ihr zugleich sterben müsset.«

[412] Mit diesen Worten ging er weg, und: »Wie?« sprach Ludwig, »war nicht dieses unser Irländer?« – »Ja,« antwortete ich, »er war es und redete mehr als wahr.« – »Ich«, sprach Ludwig, »fühle alle seine Reden im Gewissen.« – »Und ich«, sprach Caspar, »bin voller Reue.« – »Darum«, antwortete ich, »lasset uns aufstehen von unserm Unwesen und auf einer andern Bahn gehen, unserm ewigen Heil nachzustreben.«

Hiermit stunden wir auf und erweckten zugleich die andern, und weil der Einsiedler uns noch immer in Gedanken lag, eilete jeder seinen Weg nach Hause mit steifem Vorsatz, sein bisher geführtes Leben zu bessern und in einem gottseligen Wandel zuzubringen. Damit wir endlich nach diesem vergänglichen Erdentand und flüchtiger Eitelkeit gelangen möchten zu dem Triumph der unzergänglichen Ewigkeit, wo die rechte beständige Ruhe und der wahre Friede ohne Falsch, Vergnügung ohne Mangel, Liebe ohne Haß, Einigkeit ohne Zwietracht, Leben ohne Tod und alle sattsame Glückseligkeit blühen und grünen wird, ohne Aufhören und ohne Ende.

Kurze Nachricht an den Leser

So dieser Tractat einziges Vergnügen bei denjenigen angetroffen hätte, die den Kern aus dergleichen Schriften zu suchen pflegen, erbietet sich der Übersetzer, ihrem Verlangen zu willfahren, die Teutschen Sommer-Täge allerehestens auszufertigen und in den Druck zu præsentieren. Indessen recommendiert er sich in des Lesers beharrliche Freundschaft und bittet, weil er ein Mensch ist, daß ihm die menschliche Fehler zugut gehalten werden mögen. Vale.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2011). Beer, Johann. Romane. Teutsche Winter-Nächte. Teutsche Winter-Nächte. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-2E52-A