Gut !
So nehme ich die Feder und schreibe bei den langen Winterabenden den dritten und letzten Teil , so wahr ich Walther heiße .
Der Herr Verleger ist es zufrieden :
Und wenn der es zufrieden ist , so ist der größte Berg überstiegen .
Das großgünstige Publikum wird sagen :
Hm !
Wenn es weiter nichts ist !
Es sind jetzt schwere Zeiten .
Walther will sich das Geldchen mitnehmen .
Wenn er nur seine Sache nicht gar zu schlecht macht , so ist uns ein geschwätziger Gastwirt eben so willkommen , als ein geschwätziges altes Weib .
Aber die gestrengen Herren Rezensenten , Zeitungsschreiber und so fort , von denen ich meinen jungen Herrn in seiner Krankheit immer vorgesungen habe : Gott wohl uns befreien vom Rezensenten-Mord !
Was werden die sagen , daß ein schlechter Gastwirt ein Buch schreiben will ?
Meinetwegen , was sie wollen .
Sie können doch nichts eher sagen , als bis das Buch heraus ist !
Und wenn es heraus ist und ich gerate nur nicht etwan mit meinem Herrn Verleger in einen Prozeß , daß er seine Ware nicht los werden kann , wie ich mir ein Exempel habe erzählen lassen , das sich in M * " soll ereignet haben : so lache ich , was ich lachen kann und trinke mit meinem Herrn Verleger ein Gläsern :
Auf guten Absatz zur Oster-Messe !
Nachdem ich es also gleich auf der zweiten Seite meines Buches so weit gebracht habe , daß ich ohne Furcht und Grauen frisch hinter einander wegschreiben kann : so will ich nur vor allen Dingen dem geneigten Leser kund und zu wissen tun , womit ich ihn für seine zwölf Groschen zu bewirten gedenke .
Haben ihm die Speisen gut geschmeckt , die er bisher für sein Geld genossen hat , so wird er auch für diesmal zufrieden sein :
denn ich werde nichts neues , auch nichts anders auftischen , als was bisher aufgetragen worden ist .
Es wäre denn , daß die Gerüchte vom Trakteur allzulange Aussenbelieben und die Gäste allzuhungrig wären :
denn da wäre freilich kein anderer Rat , als daß ich meinen eigenen Speisekeller auftäte und da ist eben nicht viel sonderliches anzutreffen , als ein wenig gesunde Hausmannskost , die delikaten Zungen nicht so recht behagen möchte .
Hat ihm aber das bisherige Traktament nicht recht angestanden :
Sind ihm die Gerüchte zu ausländisch oder zu leicht oder zu schlecht gekocht oder sonst zu schlecht zugerichtet gewesen , so daß er wünschte , er hätte sein Geld sonst wo verzehrt :
So wird ihm das jetzige gewiß nicht um ein Haar besser anstehn und dann kann ich nichts weiter tun , als die Schultern zucken und sagen :
Es tut mir leid , mein lieber Herr ! daß es Ihnen nicht schmecken will .
Ich wollte Ihnen gern was besseres geben , wenn ich_es nur hätte !
Nun zur Sache !
Mein junger Herr ist fort :
Über alle Berge fort , und wer weiß , ob ich ihn in meinem Leben wiedersehe .
Etwan vor vier Wochen kam ein Brief an ihn .
Ich merkte es gleich , daß die Aufschrift von einem Frauenzimmer war : aber das hätte ich mir in meinem Leben nicht träumen lassen , daß er sich sollte bewegen lassen , Leipzig so geschwind zu verlassen , an daß er von allen Seiten , wie mit Ketten angeschmiedet war .
Ich gab ihm den Brief , als er eben höchst vergnügt nach Hause kam und mir im Triumphe zurief :
Es ist nur ein Leipzig auf der Welt !
Er nahm ihn hin , laß ihn in einem Angenblike durch und seine Augen brannten für Freude .
Adieu , mein lieber , braver Walther , sagte er und drückte mir die Hand !
Was soll das bedeuten , sagte ich ?
" Ich muß heute noch fort !
Da lesen Sie diesen Brief !
" Ich nahm ihn und laß , so viel ich mich erinnern kann , wie folget : Mein Erretter , Ich habe Ihnen schon unendlich viel zu verdanken : allein ich will Ihnen noch mehr zu verdanken haben .
Verlassen Sie Leipzig auf einige Wochen und eilen Sie zu Ihrer dankbaren Freundin .
Sie ist in einer Verlegenheit , aus der sie niemand befreien kann , als Sie selbst .
Kommen Sie , mein Freund !
Kommen Sie bald .
Ich werde von morgen an eine Vorpost an das Leipziger Tor stellen , die Sie nach meiner Wohnung bringen soll ; Schließen Sie daraus auf meine Ungeduld , Sie zu sehen und zu sprechen und glauben Sie , daß , wenn es in meinem Vermögen stünde , ich Sie den Augenblick , auch wider Ihren Willen , aus Leipzig nach Bautzen herüber zaubern würde .
Das ist ein gefährlicher , verfänglicher Brief , sagte ich !
Nehmen Sie sich in Acht .
Gut , sagte mein junger Herr :
So reise ich bloß deswegen nach Bautzen , um Ihnen zu zeigen , daß er nichts weniger , als gefährlich und verfänglich war :
Und kurz und gut , in einer Stande war er reisefertig .
Er ließ mir ein paar Abschiedsbrieschen an seine Freunde zurück , die ich bestellen sollte , gab mir Kommission , daß ich alle Briefe auf der Post auffangen sollte , die an ihn kämen und versprach mir , alles Haarklein zu schreiben , was ihm begegnen würde .
So schieden wir uns von einander :
Er mit funkelnden , und ich mit nassen Augen , und es hätte nicht viel gefehlt , so hätte es mich geärgert , daß er nicht auch ein Tränchen vergoß :
Aber ich dachte bei mir selber :
Mag es doch gut sein !
Jetzund kann er nur für Freude nicht zum Weinen kommen :
aber zu einer jeden anderen Zeit würde er_es wahrlich getan haben .
Einige Tage nach einander kam mir mein Gasthof verzweifelt leer vor .
Nunmehr fühlte ich_es erst recht , wie lieb ich meinen jungen Herrn gehabt hatte , da ich ihn nicht mehr genießen konnte .
Es ist doch ein schnurriges Ding um die Freundschaft !
Sie bekümmert sich nicht den Kuckuck um Stand und Würden .
Mein junger Herr war doch , wo mir recht ist , eines Magisters Sohn und ich bin nichts weiter als eines Gastwirts Sohn :
aber wir hatten uns doch so lieb , als ob wir alle beide Magister oder Gastwirtssöhne gewesen wären Eben so wenig fragt sie nach dem Alter .
Ich war gerade noch einmal so alt , als mein inger Herr : aber was verschlug uns das ?
Aber was das allerseltseltsamste ist , so übersieht sie auch die Fehler und Mängel , wenn sie auch noch so ärgerlich darüber sein sollte .
Mein junger Herr hatte vieles , vieles an mir auszusetzen :
Einmal war ich ihm zu unbarmherzig ; dann wieder zu barmherzig :
Einmal schalt er auf meine Höflichkeit ; dann wieder auf meine Unhöflichkeit , wie alles dieses in den ersten zwei Teilen der empfindsamen Reisen weiter und ausführlicher zu lesen ist :
Aber ich konnte doch nicht auf ihn böse werden .
Doch !
Ein einziges Mal wurde ich es :
Aber wie lange währte es ?
Mein junger Herr hatte ganz verzweifelte Kunstgriffe , einen wieder gut zu machen :
Der Himmel weiß , wo er sie her hatte .
Aus Büchern schwerlich !
Er muß sie einem Advokaten oder sonst einem pfiffigen Kopfe abgemerkt haben :
Sonst ist_es unbegreiflich !
Aber nur weiter im Texte !
Ich hatte an meinem jungen Herrn ebenfalls vieles , vieles auszusetzen .
Mit dem Gelde ging er mir ganz verzweifelt locker um und ich weiß nicht , wo das hinaus will , wenn es so fortgeht . zwanzig tausend Taler ist viel :
Aber wenn hier einer und dort einer und hier ein Paar und dort wieder ein Paar immer in Eins weg davon abzwacken , ohne daß man sie auf die Finger schlägt , und was das ärgste ist , wenn mein junger Herr so fortfährt , wie er es bisher getan hat , sein Geld , wie Samen , auszusäen , so ist er in ein paar Jahren wieder der arme Schelm , der er in seinem zehnten Jahre war .
So war er mir auch zu leichtsinnig , zu unüberlegt , zu unbedachtsam .
Er dachte mir gar nicht gehörig in die Zukunft hinaus .
Zwar wehrte er sich seiner Haut , wie ein Mann , wenn ich ihn manchmal um dieser Fehler Willen ein bisschen koram nahm .
Es ist , als wenn ich ihn sprechen hörte :
Aber sagen Sie mir doch , Herr Walther !
Woher mag es wohl kommen , daß Leute von meinen Glücksumständen unglücklich und elend sind ?
Nicht etwan daher , daß sie eben so schwersinnig sind , als ich leichtsinnig bin ?
Nicht etwan daher , daß sie eben so viel überlegen und bedenken , als ich nicht überlege und bedenke ?
Nicht etwan daher , daß sie ihre Augen nach der Zukunft weit aufsperren , da ich sie hingegen sorgfältig zuschließe ?
Mit diesen und dergleichen Reden trieb er mich oft so in die Enge , daß ich nicht wußte , wo aus noch ein :
aber ich blieb doch bei meinem Sagen und ich weiß gewiß , ich wäre nicht dabei geblieben , wenn ich Unrecht gehabt hätte .
Auch das gefiel mir gar nicht an meinem jungen Herrn , daß er den Leuten so gerade hin alles Liebes und Gutes zutraute .
Die Welt ist so arg , wie die Hölle , nur daß sie nicht brennt :
Das ist mein Wahlspruch und ich habe bis diese Stunde noch keine Ursache gefunden , ihn für falsch und lügenhaft zu halten .
Es ist , leider ! nicht gut : aber vernünftig ist es wahrhaftig , daß man zu itzigen Zeiten den Leuten alles Böse und Arges zutraut , bis man sie von innen und außen kennt .
Das war nun gar nichts für meinen jungen Herrn !
" Bleiben Sie mir mit solchen abscheulichen Grundsätzen vom Leibe .
Es gibt eine Menge guter Menschen in der Welt :
Nur nachgeforscht !
Nur aufgesucht !
So wird man sie finden .
Freilich liegen sie nicht , wie Steine auf der Straße da :
aber doch gewiß , wie Edelgesteine auf dem Riesengebürge .
( Mein junger Herr ist ein Schlesier .
) Hier einer ! zehn Schritte weiter noch einer !
Daneben noch einer !
Aber man muß sie kennen .
Der Rubin springt nicht gleich in die Augen !
Er will unter einer dicken Schale gesucht sein .
Mit solchen kostbaren Reden , während welcher gemeiniglich eine Kanonade verächtlicher und grimmiger Blicke auf mich abgefeuert wurde , suchte er mich von seiner Menge guter Menschen zu überführen :
aber ich weiß gewiß und wahrhaftig , wenn er bei meinem Nachbar anfangen und so von Haus zu Haus ganz Leipzig durchsuchen sollte - Doch ich will meiner Vaterstadt nichts Böses nachsagen !
Ich habe ohnehin noch eins und das andere von meinem jungen Herrn nachzuholen : als , z. E. daß er sich so wenig aus dem Gerede der Leute machte und gerade das tat , was kein anderer Mensch an seiner Stelle würde getan haben , darüber habe ich mich oft was ehrliches geärgert .
Wenn ich zu ihm sagte :
Ich bitte Sie um alles in der Welt , tun Sie das und das nicht !
Die ganze Stadt wird über Sie lachen :
" So wird die ganze Stadt nicht gescheut sein , gab er mir ganz trotzig zur Antwort .
Wenn ich zu ihm sagte : Pfui , schämen Sie sich ! die Leute sehen_es : so fragte er mich : Was für Leute ?
Je , sagte ich : die Leute !
Sie werden wohl wissen , was man Leute nennt !
" Ich will aber wissen , was für Leute ?
" Da stand ich , wie Butter an der Sonne :
denn nun merkte ich schon , wo er hinaus wollte .
Hätte ich gesagt : Narren ! so hätte er mir zur Antwort gegeben : Sie mögens sehen !
Hätte ich aber gesagt : Kluge !
" Die mögen es noch weit eher sehen .
" Aus diesem wenigen wird ein hochgeneigtes Publikum ersehen , daß mein junger Herr zu denen Leuten gehört , mit denen , wie das Sprichwort sagt , nichts auf der Welt anzufangen ist .
Eigensinnig war er eben nicht , und wenn es darauf ankam , so konnte ich ihn mit ein paar Worten so geschmeidig machen , daß man ihm hätte um den Finger wickeln können :
aber in manchen Stücken war er auch so hartnäckig , daß einem alle Geduld verging .
Seine Freiheit , die er , ich weiß selbst nicht warum , seine moralische Freiheit nannte , steckte ihm Tag und Nacht im Kopfe und was nun , nach seiner Meinung , dawider war , dazu und davon konnte ihn kein Mensch bringen .
Bei dem allen aber war ich ihm doch in der Seele gut und ich werde zeitlebens mit Vergnügen daran denken , daß er mein Gast gewesen ist .
Ich übersah ihm seine Fehler , so viele ihrer waren und er machte es mit mir eben so :
Darum konnte ich mich nicht enthalten , die Freundschaft ein schnurriges Ding zu nennen und eins und das andere davon zu schwatzen .
Mein junger Herr hielt sein Wort , als ein braver Mann und schickte mir etwan zehn Tage nach seiner Abreise einen mächtig langen Brief , den ich von Wort zu Wort abschreiben und zum Drucke befördern werde .
" Betrogen , Herr Walther !
Betrogen !
Ihr Mißtrauen ist , wie gewöhnlich , ungegründet gewesen .
Der Brief , der mich von Leipzig abrief , war ein Brief der reichen Freude - ein Brief , fern von Trug und List - kurz ein Brief von der armen verführten Karoline , die Sie kennen und der Sie gewiß nunmehr die Hochachtung doppelt erweisen werden , die Sie ihr bisher versagt haben .
Lassen Sie sich nur erzählen !
Ich kam den Tag nach meiner Abreise gegen Abend bei Bautzen an , ohne von irgend etwas gequält worden zu sein , als von Neugier .
Karoline hatte ihr Wort richtig gehalten .
Etwan zwanzig Schritte vor dem Leipziger Tore kam ein schlechtgekleideter einfältigscheinender Kerl auf mich zu , nahm seine Mütze unter den Arm und sagte :
Mit Gunst , daß ich fragen darf !
Kommt der Herr von Leipzig ?
Ich hatte genug und sagte ihm , ich wäre der rechte .
Nun das ist mir lieb , sagte er :
Der halbe Gulden war geschwind verdient !
Der Postillion fuhr fort und der arme Kerl mußte aus Leibeskräften hinter dem Wagen herrennen .
Ich ließ bei dem ersten dem besten Gasthofe stille halten und so bald ich mit meinem Postillion in Richtigkeit war , überließ ich mich der Anführung meines Töffels , mit einer so süßen , zärtlichen Empfindung , Herr Wirt ! und mit einer so sanften , temperierten Wallung des Bluts , die ich in dem freudenreichen Leipzig doch nur ein einziges Mal gehabt habe und die schon allein der Reise wert war .
Ich sehe Sie jetzt im Geiste den Kopf mächtig schütteln und eine alberne Mine der Unbegreiflichkeit machen .
Ganz natürlich lache ich darüber und erzähle weiter .
Mein Kerl führte mich vor ein kleines , allerliebstes Häusern , das ich mir bei dem ersten Anblicke zu meinem immerwährenden Aufenthalte wünschte .
Wenn Sie wollen , so können Sie daraus untrüglich auf die Lage desselben schließen .
Die Türe war schon verschlossen :
aber sie wurde bald von einer artigen sächsischen Grisette geöffnet , die mir ziemlich neugierig unter die Augen leuchtete .
Doch die Ungeduld zu erzählen , so wie sie , die Ungeduld zu hören , reißt mich über alle die kleineren Vorfälle mit sich fort !
Ich trat in Karolinens Zimmer .
Sie war ganz allein .
Ach , er ist es , er ist es , rief sie mir entgegen und schlug für Freuden in die Hände : Sein Sie mir tausendmal willkommen , mein Schutzengel !
mein - Aber nein !
Ich will diese Szene durch meine Erzählung nicht verderben .
Sie empfinden doch das lange nicht dabei , was Sie , auch bei Ihren 46 Jahren , noch dabei empfinden könnten :
Und wo ich mich nicht sehr irre , machen Sie wohl gar Glossen dazu !
" Nun , bei meiner Ehre !
Die muß mit Ihrer Scham schon ziemlich zu Rande sein , daß sie einem Menschen so frech entgegen laufen kann , der ihre ganze Schande weiß .
" Nicht wahr , Herr Wirt !
Das sind ungefähr Ihre Gedanken ?
Sie müßten Ihren sauberen Maximen auf einmal den Abschied gegeben haben : sonst ist_es richtig .
Aber lassen Sie sich nur immer sein geduldig zu recht weisen und merken Sie sich , was ich Ihnen jetzt sagen werde :
Eine unverhoffte Freude geht über alles , unterdrückt alles , vergißt alles , wenigstens ein paar Minuten , so lange noch die ganze Flamme lodert .
Hätte sich Karoline gar nicht vor mir geschämt , so hätte mich leicht meine Reise gereuen können .
Hätte sie sich aber gleich bei meinem Eintritte vor mir geschämt ; Wäre sie mir mit niedergeschlagenen Augen oder mit der Hand vor dem Gesichte entgegen gekommen , so würde ich sie für eine Komödiantin gehalten haben und so wäre es auf das vorige hinausgelaufen :
Aber so , wie sie es machte , war es in aller Absicht natürlich und jedes Wort , jede Mine bestärkte mich in der guten Meinung , die ich immer von ihr gehabt habe .
Kaum waren die heftigen , ungestümen Regungen der Freude vorüber , so wendete sie ihr Gesicht von mir weg und fing an zu stammeln und zu weinen .
" Ach ! -
ich muß mich schämen - mich vor Ihnen sehen zu lassen - meine Schande - meine Verwirrung "
Ich ließ sie nicht weiter zu Worten kommen und ich glaube gewiß , das hätten Sie bei aller Ihrer Hartherzigkeit auch getan .
Sie mußte mir mit Hand und Mund versprechen , daß sie , so lange ich bei ihr wäre , nicht eine Silbe weiter davon gedenken wollte .
Aber ums Himmels Willen erzählen Sie diesen Umstand ja keiner lebendigen Seele :
Sonst muß ich wieder den Vorwurf hören , ich hätte Karolinen an der Erkenntnis ihres Vergehens verhindert !
Die Verlegenheit , von der mir Karoline geschrieben hatte , wurde erst nach dem Abendessen auf das Tapet gebracht .
Ich wünschte , daß ich Ihnen unser Gespräch darüber von Wort zu Wort mitteilen könnte :
Ich weiß gewiß , Sie würden um die Gegend ihres Herzens gewisse Regungen fühlen , die ich Sie zur Ehre des menschlichen Herzens , nur gar zu gern fühlen sehe .
Ich will versuchen !
" Aber ist es Ihnen denn nicht recht schwer geworden , sagte Karoline , sich so plötzlich von Ihrem lieben Leipzig zu trennen ?
" Was sollte mir schwer werden , wenn es darauf ankommt , Karolinen aus einer Verlegenheit zu reißen !
" Ach , seufzte sie und sah mich mit jammervollen Augen an , Arme Karoline !
Was ist Ihnen ?
Ist Ihre Verlegenheit so groß ?
" Ach ja , sagte sie , Ich bedaure Sie von ganzer Seele .
Aber Sie haben mir ja geschrieben , daß ich im Stande wäre , Sie aus dieser Verlegenheit zu befreien !
O so sagen Sie mir nur gleich alles .
Ich will alles tun , alles wagen , was nur irgend in meinem Vermögen steht .
" Ach , mein alter , ehrlicher Vormund !
, , Was wollen Sie mit Ihrem Vormunde ?
Sagen Sie ?
Hat er Ihnen was zu Leide getan ?
Will er Sie um Ihr Vermögen bringen ?
" O Nein !
Er hat mir nichts zu Leide getan : aber ich ihm - ich ihm - Sie ?
Was könnte ihm Karoline zu Leide getan haben ?
" Ich habe ihn hintergangen .
Ich habe ihm die Wahrheit verhält .
Der redliche Alte weiß noch nicht ein Wort von meinen schändlichen Ausschweifungen Ich habe ihm bloß gesagt , daß ich in Leipzig von der Untreue meines Liebhabers sichere Nachricht erhalten hätte und daß ich mich nie mit ihm verbinden würde .
Er hat mir auf mein Wort geglaubt und nun kann ich ihm vor Scham und Verwirrung nicht unter die Augen gehen .
Jeder Blick von ihm ist ein Schwert in meine Seele .
So oft er mich , nach seiner Art , freundlich auf die Schultern klopft , und mich seine liebe , fromme Karoline nennt , so möchte ich vor Schmerz in die Erde sinken , Grämen Sie sich nicht , gute Karoline !
Dem Übel ist abzuhelfen .
Wenn Ihr Vormund wirklich der brave , ehrliche Mann ist , wie Sie mir ihn beschreiben - " Ja , das ist er , Nun so will ich bald mit ihm fertig werden .
Ich will ihm alles geradehin erzählen , was ich von Ihnen weiß ; Ich will ihn bei seiner Liebe zu Karolinen fest halten .
O schicken Sie mich heute noch zu ihm hin , damit ich Sie heute noch aus Ihrer Verwirrung reiße .
" Ach , lieber Freund !
Wenn das alles wäre ! aber - Nur Herz gefaßt !
Es wird alles gut gehen .
Sagen Sie nur - " Mein Vormund , weil er in den Gedanken steht , daß mein Herz ganz frei ist , will mich an einen jungen Menschen verheiraten , Er will Sie doch nicht mit Gewalt dazu zwingen ?
" Nein : aber - ich kann nicht Nein sagen , ohne meine Schande zu gestehen , Was ist es denn für ein junger Mensch ?
" Ein Kaufmann , der sich vor kurzem durch Hilfe meines Vormunds etabliert hat und der sein ganzes Herz besitzt , , Wissen Sie gewiß , daß Sie von diesem jungen Manne geliebt werden ?
" Noch habe ich keine Ursache , daran zu zweifeln , Aber -
Ich werde Ihnen jetzt eine Frage unmittelbar ans Herz legen - Aber - Lieben Sie ihn ?
" Ja - ich fühle es - ich liebe ihn , Hier schwieg ich einen Augenblick still , um die Verlegenheiten der armen Karoline unter einen Gesichtspunkt zu fassen .
Wie mir dabei zu Mute war , das können Sie leicht ermessen .
Ich hatte mich so gut , als durch ein Gelübde anheischig gemacht , sie aus allen ihren Nöten zu befreien :
aber aus solchen ?
Wer konnte das vorhersehen ! -
Glauben Sie wobl , fragte ich Karolinen nach einiger Überlegung , daß Ihr Liebhaber Sie stark genug liebt , um Ihnen Ihre Fehltritte zu übersehen , wenn er sie erfahren sollte ?
" Nein !
Das kann ich nicht glauben .
Er ist noch so unschuldig , wie er aus den Händen der Natur hervorgegangen ist .
Er wird mich verachten und wie eine Schlange fliehen , wenn er hört , daß ich es nicht mehr bin , Das ist noch nicht ausgemacht .
Wer weiß ? -
Was meinen Sie ?
Soll ich ihm den ganzen Handel entdecken ?
Ich will alle meine Beredsamkeit zusammennehmen - " Ach , Sie wagen zu viel - zu viel - Er wird mich gewiß verachten - und gleichwohl - Es ist kein ander Mittel übrig - ich kann ihn nicht hintergehen - Er muß alles wissen - alles , Dieses alles wurde mit einem so kläglichen , ganz von Schmerz durchdrungenen Tone ausgesprochen , daß ich erschrocken zusammenfuhr .
Es fiel mir ein , daß mir Karoline vielleicht noch kaum die Hälfte ihres Kummers entdeckt haben könnte , und ich schauderte schon im voraus für dem , was sie mir noch entdecken würde .
- Was muß er denn noch mehr wissen , fragte ich sie ?
" Ich bin von meinem Verführer noch nicht los , Wie ?
Noch nicht los ?
Sie lieben ihn ja nicht mehr !
" Nein !
" Nun gut !
So sind Sie ja frei !
Der Niederträchtige liebt Sie gewiß auch nicht .
" Ach ! " Dieses , mit einem Strome von Tränen , mit Händeringen , mit heftigem Schlucksen begleitete Ach , brachte mich um alle meine Fassung .
Karoline ! rief ich : Liebe , unglückliche Karoline !
Quälen Sie mich nicht - Quälen Sie sich nicht !
Sagen Sie mir alles , was Sie auf dem Herzen haben !
Sie müssen es mir sagen !
" Ich sterbe vor Scham - Ich bitte Sie - Ersparen Sie mir - Erraten Sie , , O Himmel !
Sie sind doch nicht etwan - " Ja , unterbrach sie mich mit den heftigsten Bewegungen des Schmerzes - Ja - Ich bin schwanger - Der Räuber meiner Ehre -
Ja , ich bin von ihm schwanger , Wie ist Ihnen Herr Wirt ?
Was regt sich in Ihrem Herzen ?
Was fühlen Sie für die arme , unglückliche Karoline ?
Schreiben Sie mir alles Haarklein !
Was ich für Sie fühle ist mir nicht genug .
Ich wollte gern , daß Sie und alle meine Freunde und alle Welt mit dem armen Mädchen das aufrichtigste Mitleiden empfänden .
Warum ich das will , das weiß ich selbst nicht recht :
aber das weiß ich , daß Karolinens Unglück mein ganzes Herz weg hat und daß ich nicht eher ruhen werde , bis ich sie daraus gerettet habe .
Es ist mir schon gelungen , einen kleinen Grund dazu zu legen .
Ich bin bei dem Vormunde gewesen .
Er ist gewonnen !
glücklich gewonnen !
Doch davon muß ich Ihnen mehr erzählen .
Ich verließ Karolinen so ruhig , als sie es bei dem ersten Ausbruche eines so lange geheim gehaltenen Kummers durch die wohlgemeinten , aber mißlichen Versprechungen eines Freundes werden konnte und begab mich ziemlich spät nach meinem Gasthofe .
Sobald ich den Morgen herangeseufzt hatte , machte ich mich auf den Weg :
denn Karoline hatte mir gesagt , ich könnte ihren alten Vormund so früh sprechen , als ich wollte .
Ich wurde ohne Umstände in sein Zimmer geführt und ich traf ihn eben bei seinem Thetische an .
Es war ein kleiner , allerliebster , weisköpfigter Mann , dem die Grundehrlichkeit aus den Augen leuchtete .
Sein erster Blick weissagte mir , daß ich nicht vergebens von ihm weggehen würde , und der gute Morgen , den er mir entgegen rief , indem er mir zugleich freundlich seine Hand bot , machte meine Hoffnung zur Zuversicht .
Ich mußte mich neben ihn auf das Kanapee setzen und eine Tasse Tee annehmen .
So wenig ich nun Ursache hatte , bei einem solchen Manne verlegen zu sein , wie ich meinen Antrag machen wollte : sosehr war ich es doch , als er mit einer ihm ganz eigenen Art , die ihn mir immer werter machte , zu mir fakte :
Nun was bringen Sie mir denn Gutes ?
Denn was gutes muß es wohl sein :
Ich sehe Sie nicht dafür an , daß Sie mir was böses bringen sollten .
Ich wußte nicht , sollte ich Ja , oder Nein , oder gar nichts sagen oder vielmehr , ich war gar nicht im Stande , nur ein Wort aufzubringen :
so sehr hatte mich dieser unerwartete Einfall verwirrt gemacht .
Der gute Alte merkte es .
" Haben Sie etwan ein Anliegen an mich ?
, Ja , sagte ich :
Ein sehr großes .
" Sagen Sie nur frei heraus !
Wenn es in meinem Vermögen steht :
Warum sollte ich Ihnen nicht so gut , wie jedem anderen dienen ?
Sagen sie mir : sind Sie aus der Stadt ?
, Nein !
Ich komme von Leipzig .
" Von Leipzig ?
O da können Sie mir vielleicht von einem gewissen jungen Rosenfeld Auskunft geben !
" Das kann ich , mein lieber Herr !
Nur bedaure ich von Herzen , daß die Nachrichten eben nicht die besten - " Ich weiß schon !
Ich weiß schon !
Es ist ein liederlicher Bursche !
" Wenn nur das alles wäre !
Aber ich weiß , daß er erst vor kurzem ein junges , unschuldiges , liebenswürdiges Mädchen verführt hat - " O der Bösewicht !
" Und , sobald er ihrer überdrüssig gewesen , hat er sie in ein Haus bringen lassen , das ich nicht nennen mag .
" Das ist entsetzlich , himmelschreiend !
Und die Obrigkeit hat dem Buben nicht seinen verdienten Lohn gegeben ?
, O mein guter , alter Herr !
Wenn die Obrigkeit alles wüßte - " Aber nehmen Sie mir_es nicht übel , mein junger Mensch !
Wenn Sie es gewußt haben , so hätten Sie es auch angeben sollen .
" Ich habe es erst erfahren , da es schon zu spät war .
" Wie so , zu spät ?
" Das gute Mädchen war schon aus dem schändlichen Hause erlöst und wieder aus Leipzig weggereist , als ich es erfuhr .
Hier fingen dem guten , alten Manne an , die Augen aufzugehen .
" Was sagen Sie ?
Sie ist wieder aus Leipzig weggereist ?
Wohin denn ?
" Das kann ich nicht gewiß sagen :
Aber mich dünkt , ich habe mir sagen lassen , sie wäre hier aus der Stadt .
" Gott im Himmel , rief der alte ehrliche Mann , sprang von seinem Sitze auf und schlug die Hände über dem Kopfe zusammen -
Ach , meine Karoline !
Meine Karoline !
Mit tausend Freuden hätte ich alles dahin geben wollen , wenn ich dem redlichen Greise dieses Schrecken hätte ersparen können :
Aber Sie werden mir selber das Zeugnis geben müssen , daß ich es auf keine andere Art anfangen konnte - Ich setzte , oder vielmehr , ich mußte meine Verstellung noch einige Zeit fortsetzen , so sehr ich auch für Verlangen brannte , mich zu entdecken .
Mein guter Greis , sagte ich : Was ist Ihnen ?
Was sagen Sie von Karolinen ?
Ich bedaure , wenn ich - " Ach ! Sie sind ein Bote des Unglücks !
Ach meine Karoline !
Was hast du gemacht ?
Was hast du angerichtet ?
" Darf ich nicht wissen , wer diese Karoline ist ?
" Ach es ist mein Kind ?
, , Ihr Kind ?
" Nein !
Nicht mein Kind !
Aber ich habe sie geliebt , wie mein Kind !
Das weiß der allwissende Gott !
Ach !
und ich muß auf meine alten Tage solches Herzeleid an ihr erleben !
O wie wünschte ich , daß Sie da gewesen wären - daß Sie ihn hätten sehen mögen : So könnten Sie sich doch rühmen , daß Sie in Ihrem leben einmal recht aus Herzensgrunde geweint hätten !
Sie sind also ein Anverwandter von ihr , fuhr ich fort und die Tränen liefen mir heiß über die Wangen herab ?
" Nein , sagte er :
Ich bin ihr Vormund !
Aber ich habe kein Kind mehr am Leben : und was ich sie nur auf der Welt lieb haben konnte , das habe ich sie lieb gehabt .
Aber , mein lieber , alter Herr !
Wollen Sie sie nun nicht mehr lieb haben , da sie Ihrer Liebe am meisten bedarf ?
" Ich weiß nicht -
Ich kann nicht böse auf sie sein : und doch hat sie es tausendmal verdient .
Was hat sie mir nicht alles weiß gemacht ?
Aber ich hätte es merken können , daß es mit ihr nicht richtig ist .
Sie hat mir nicht ein einzigesmal dreist in die Augen sehen können , seit sie von Leipzig zurück ist .
" Ein sicheres Merkmal , mein lieber Herr ! daß ihr ihr Fehltritt leid ist .
Ihre Scham ist der stärkste Beweis , daß alle Schuld ihrer Verführung auf den Verführer zurückfällt .
" Wenn ich_es nur glauben könnte :
aber sie weiß es ja doch , daß ich sie , wie meine eigene Seele lieb habe und daß ich meinem Nächsten einen menschlichen Fehltritt gern zu gute halte .
Warum hat sie mich denn so belogen , daß ich ihre Streiche erst von fremden Leuten erfahren muß ?
, Guter Greis , sagte ich und drückte ihm lächelnd die Hand : Ich bin nicht so fremd , als Sie vielleicht denken .
Jetzt hatte ich den Augenblick erhascht , wo ich mich recht a propos entdecken konnte .
Der ehrliche Greis erheiterte sein betrübtes Gesicht .
" Was sagen Sie da ?
Ich wüßte doch nicht , daß ich Sie in meinem Leben gesehen hätte .
Das ist wohl wahr :
Aber gleichwohl - " Sind Sie etwan einer von meinen weitläufigen Anverwandten in Leipzig ?
, Nein :
Aber gleichwohl - " Nun , Sie müssen einen alten Mann nicht mit Ungewißheit martern .
" Ich kenne Karolinen .
Der gute alte Mann schüttelte den Kopf und ich sah es ihm an , daß er zweifelhaft war , wie er dieses Kennen auslegen sollte .
Ich setzte also gleich hinzu :
Ich bin ein Freund von Karolinen und komme ausdrücklich zu Ihnen , um Ihnen das zu sagen , was sie sich vor Scham Ihnen nicht zu sagen getraute .
Die Ungewißheit des Greises , was er aus mir und aus meiner Freundschaft gegen Karolinen machen sollte , nahm sichtbar zu und ich gab mir mit Fleiß noch nicht die geringste Mühe , sie zu zerstreuen .
Ich mag gar zu gern , die Redlichkeit und Aufrichtigkeit in allen ihren Wendungen und Falten sehen und hier hatte ich gerade einmal die seltene Gelegenheit , meinen Wunsch zu befriedigen .
Sollte ich sie wohl aus der Hand lassen ?
" Junger Mensch , sagte er : Nehmen Sie mir_es nicht übel !
Wenn Sie bloß deswegen hergekommen sind , mir , altem Manne Herzeleid zu machen und mich bei der Nase herum zu führen : so wünschte ich lieber , Sie wären gar nicht gekommen .
Nicht wahr , Herr Wirt !
Diese geradeswegs aus dem Herzen kommende Versicherung wäre Ihnen auch lieber gewesen , als tausend Süssigkeiten , die , wer weiß woher , nur nicht aus dem Herzen entsprungen sind ?
Ich beantwortete sie damit , daß ich das Billet , welches mir Karoline nach Leipzig geschickt hatte , aus der Tasche zog und es ihm gab .
Sie sind ein braver , ehrlicher Mann , sagte ich :
Aber ich möchte mir auch nicht gern den Ruhm nehmen lassen , daß ich es bin .
Hier lesen Sie !
Er laß , schielte im Lesen einigemal nach mir , und sobald er fertig war , ging er mit offenen Armen auf mich zu .
" O sein Sie mir tausendmal willkommen , mein lieber junger Mensch !
Sagen Sie : womit kann ich Ihnen dienen ?
Ich will Ihnen alles reichlich vergelten , was Sie an meiner Karoline getan haben .
Ich habe nichts getan , als was die Menschlichkeit von mir forderte .
Ein glücklicher Zufall , eine gewisse Ahnung , ein geheimer Zug , ich weiß selbst nicht , was es alles war , führten mich in das Haus , wohin der niederträchtige Rosenfeld die arme Karoline hatte bringen lassen .
Ich sah sie und auf den ersten Blick hatte sie mein ganzes Mitleiden weg .
Ich fragte sie , ob sie aus diesem Hause befreit sein wollte ?
Sie bat mich mit Tränen darum .
Wie hätte ich ein solches Ungeheuer sein und ihre Bitte nicht erfüllen können !
Ich nahm sie in meiner Kutsche mit nach der Stadt und noch denselben Tag reiste sie von Leipzig weg .
" Gott sei_es gedankt , daß es noch so glücklich abgelaufen ist .
Wie leicht hätte ich nicht gar um meine Karoline kommen können !
Das hätte ich auf meine alten Tage nicht ertragen .
Aber , lieber Gott !
Bin ich nicht eben so schlimm dran ?
, Daran lassen Sie uns jetzt nicht denken .
Es wird alles gut gehen , wenn Sie nur erst erlauben wollen , daß sich Karoline Ihnen zu Füßen werfen und um Vergebung bitten darf .
In diesem Augenblicke trat Karoline selbst ins Zimmer .
Ihre artige Grisette hatte mich zu ihrem Vormunde gehen sehen und ihr davon Nachricht gegeben .
Nach ihrer Rechnung blieb ich zu lange aus : Sie nahm also alle ihre Herzhaftigkeit zusammen und kam selbst .
Allein alle ihre Herzhaftigkeit reichte nicht weiter , als vor das Zimmer und so , wie sie den ersten Schritt berein tat , zitterte und bebte die arme Seele so heftig , daß ich ihr entgegen gehen und sie halten mußte .
" Arme Karoline !
Armes Kind ! rief ihr der Greis entgegen :
Was hast du gemacht ?
" , Karoline zerfloß in Tränen , indem sie sich ihrem Vormunde näherte und seine Hand ergriff , um sie zu küssen .
Mein Vater , stammelte sie - verzeihen Sie - Lassen Sie sich mein Unglück zu Herzen gehen !
Liebe Karoline ! unterbrach ich sie :
Er hat Ihnen schon verziehen !
" Ja , sprach der Greis und warf sich ihr kraftlos in die Armen -
Ja !
Ich habe Dir ziepen -
Ich habe Dich zu lieb - Du bist und bleibst meine Tochter - aber ich zittre für Dich - Du weißt , was ich mit Dir vorhatte !
Ich weiß es auch , sagte ich : aber ich fürchte noch nichts für Karolinen .
Lassen Sie uns einander nur gemeinschaftliche Hände blieten und vor allen Dingen Karolinen aus aller Verbindung mit ihrem schändlichen Verführer reißen .
Mein Rat wäre :
Karoline schriebe an ihn !
" Ach , das kann ich nicht , sagte sie , Ich werde Ihnen die Hand führen , sagte ich - " Aber , was wollen wir ihm schreiben ?
, Viel Böses , liebe Karoline !
Viel Böses , Wir müssen uns unbarmherziger und grausamer gegen ihn anstellen , wie die Tiger - " Werden Sie das können ?
, Ja , ich werde es .
Ich will schon mit meinem Herzen einen Akkord zu treffen wissen , daß es , einer unglücklichen Freundin zu gefallen , meinem Kopfe erlaubt , ein Gespinst von schrecklichen Vorwürfen und Drohungen zusammen zu weben .
" Der arme Rosenfeld !
Wenn er sich nur nicht den Brief allzusehr zu Herzen nimmt - und wohl gar verzweifelt !
" Dafür bin ich Ihnen Bürge !
Der Mann , der ihm den Brief überbringen soll , läßt niemanden verzweifeln .
Doch ich brauche Ihnen nicht ein Wort weiter zu sagen !
Hier , mein lieber Walther ! ist der Brief selber , den sie gehörig zusiegeln und an den Bösewicht bestellen sollen :
Doch nicht bloß bestellen !
Ich beschwöre Sie bei aller Ihrer Klugbeit , bei aller Ihrer Freundschaft gegen mich und bei allem Mitleiden , was Sie gegen die unglückliche Karoline empfinden : Gehen Sie nicht eher aus Rosenfelds Zimmer , bis Sie ein Schreiben von ihm in Händen haben .
Es ist uns allen unendlich daran gelegen .
Meine Ehre , Ihre eigene Ehre ist hier im Spiele : Denn Sie müssen wissen , daß ich dem guten Alten von einem Freunde vorgesagt habe , der mein ganzes Vertrauen besitzt und der nicht eher ruhig sein wird , bis er die Sache nach unserem Wünsche eingelenkt hat :
Und dieser Freund , mein lieber Walther ! sind Sie selbst .
Genug für einen rechtschaffenen Manne , der noch keinen seiner Freunde im Stiche gelassen hat und am allerwenigsten seinen redlichen S** Dieser Brief ging mir durch die Seele , wie ein Schwert .
Ich war ganz voll von Mitleiden gegen das arme , verführte Mädchen und ganz voll von Freude , daß ich auch etwas dazu beitragen sollte , den armen Teufel aus ihrer Not zu befreien .
Mit dem Briefe an den schurkischen Rosenfeld tat ich , was mir war befohlen worden :
Ich siegelte ihn zu und machte mich damit auf den Weg .
Es ist mir lieb , daß ich einem Hochgeneigten Publikum eine Abschrift vorlegen kann , die ich davon genommen habe .
Räuber meiner Ehre , Wo soll ich die Kraft hernehmen , an Dich zu schreiben !
Wie werde ich , voll von Scham und Reue und Verzweiflung , die Feder halten können !
Und doch brenne ich , vor Begierde - nicht an Dich zu schreiben , sondern Dich zu verfluchen , meinen ganzen Haß und meine ganze Verachtung gegen Dich auszuschütten , Dich , wenn es möglich ist , mit den bittersten , beissendsten Vorwürfen zu quälen und den ganzen Rest Deines Lebens so elend zu machen , als Du den meinigen gemacht hast - Sage mir , welchem bösen Geiste lerntest Du den unseligen Vorsatz ab , mich , nachdem Du mich meiner Ehre beraubt hattest , in das Haus der Schande und des Lasters bringen zu lassen ?
Und welchem Fürsten der Hölle hast Du es zu verdanken , daß Du Dich vielleicht jetzt noch - doch was sage ich vielleicht ?
- daß Du Dich jetzt noch Deines mehr als mörderischen Anschlages freuen und gegen Unsinnige Deines Gelichters rühmen kannst ?
Sei stolz !
Triumphiere !
Du lässt den Barbaren Ynkle weit unter Dir .
Er verkaufte seine schwangere Yariko nur an einen Sklavenhändler : Du verkauftest Deine schwangere Karoline an das Laster selbst .
Jene verlor nur ihre Freiheit :
Ich verlor alle Möglichkeit , zur Tugend zurückzukehren .
Aber wisse , Schändlicher !
Ich bin gerettet .
Der Gott , der seinen Donner bereit hält , Dich zu zerschmettern , hat gütig auf ein gemißhandeltes Geschöpf herabgesehen - hat mir einen Schutzengel gesandt , der mich Dir aus dem Rachen gerissen hat .
Ich bin frei .
Ich bin wieder in meiner Vaterstadt .
Ich habe meinem Vormunde alles entdeckt und er hat mir verziehen .
Ich biete alles wider Dich auf .
Ich schärfe alle Pfeile selbst , die Dich treffen sollen :
Und Sie werden Dich treffen - tief treffen .
Meine Schande ist gewiß : Dein Unglück soll es auch sein .
Zwar bist Du bereits unglücklich genug .
Eine himmelschreiende Schuld liegt auf Deinem Gewissen :
Aber ich will sie noch schwerer machen .
Ich will Dich der Obrigkeit in die Hände liefern .
Du sollst ehrlos , mit einem V. auf der Stirn , von Stadt zu Stadt , von Haus zu Haus herumgejagt werden .
Wer Dich sieht , soll Dich verabscheuen .
Wer von Dir spricht , soll Dich verabscheuen .
Wer Deinen Namen nennen hört , soll Dich verabscheuen .
Wer meine Schande vernimmt , soll Dich verabscheuen und Dir fluchen und von Dir sagen :
Er leidet , was seine Taten wert sind .
So rächet sich an Ihrem Verführer Karoline .
Wäre auch dieser Brief noch einmal so toll gewesen , so hätte ich doch Herz genug im Leibe gehabt , Briefträger zu sein .
Einem Bösewichte muß man so schreiben :
Sonst denkt er , man spaßet nur !
Kurz und gut , ich ging mit dem Briefe zu Rosenfelde mit dem festen Entschluss , mich meiner Haut tapfer zu wehren , wenn es zum Handgemenge kommen sollte .
Was da vorging und wie ich meine Sachen machte , das wird der geneigte Leser aus folgendem Briefe mit mehreren ersehen .
Mein lieber junger Herr , Werfen Sie mir nun noch einmal meine Hartherzigkeit vor , wenn Sie Luft haben !
Dieser Brief , den ich jetzt schreibe und der andere , den ich Ihnen anbei schicke , wird Ihnen doch endlich einmal die Augen auftun .
Ich bin bei Rosenfelde gewesen und ich habe ihm glücklich einen Brief abgelockt , wie Sie ihn nur wünschen können .
Gleich anfangs muß ich Ihnen nur sagen : Rosenfeld ist kein so gar arger Bösewicht , wie man es von Rechtswegen aus seiner Schandtat schließen kann .
Wissen Sie , wie er mir vorkommt ?
Wie ein Besoffener .
Er taumelt in seiner Wollust herum und sieht weder Himmel noch Erde .
Dabei ist er ganz abscheulich leckerhaft .
Kaum hat er eine Sache recht gekostet , so ekelt ihm schon davor und er will wieder etwas anders .
Sehen Sie , so hat er es auch mit der armen Karoline gemacht .
Der Himmel bewahre mich , daß ich ihn entschuldigen sollte !
Er ist ein Bösewicht und bleibt ein Bösewicht :
Aber ich meine nur , er würde vielleicht seine Schandtat unterlassen haben , wenn ihm jemand vorgestellt hätte , wie groß sie wäre .
Das , was ich Ihnen jetzund erzählen werde , wird Sie vollends überführen , daß ich nicht gelogen habe .
Rosenfeld hatte eben eine hübsche Dirne bei sich , als ich zu ihm kam , und war recht in seiner Wonne .
Ich sagte ihm mit einer ziemlich gleichgültigen Mine , daß ich ihm einen Brief brächte : und zugleich sah ich das Mädchen an , gleichsam als wollte ich sagen :
Sei sie so gut , Jungfer ! und packe sie sich .
Aber sie hatte weder Augen , noch Ohren !
Rosenfeld nahm den Brief in die Hand und das junge Ding trödelte immer in der Stube herum und stellte sich , als hätte sie , wer weiß was , zu verrichten :
Aber ich machte der Pauke bald ein Loch !
Herr Rosenfeld , sagte ich :
Bei dem Briefe werden Sie wohl allein sein müssen .
Wie so , sagte er ?
Wo ist er her ?
Aus Bautzen , sagte ich .
Dieses Wort war für Rosenfelde ein Donnerschlag .
Er ließ den Brief an die Erde fallen und wurde blaß wie der Tod .
Ach , daß Gott ! sagte er .
Das Mädchen tat einen lauten Schrei und drückte Rosenfelde in die Armen :
Aber ich war so hart , wie Stein .
Pfui , sagte ich , indem ich den Brief aufhob ; Sie sind ein Student und stellen sich so albern an !
Lesen Sie diesen Brief :
Dazu ist er geschrieben .
Nein , sagte er und zitterte über den ganzen Leib :
Aus Bautzen lese ich keine Briefe .
So müssen Sie auch keine Mädchen aus Bautzen verführen , sagte ich und lehnte mich großmächtig auf meinen Stock .
Ach , daß Gott ! schrie der Hasenfuß von neuem und wollte vor Angst aus der Haut fahren .
Das Mädchen drückte ihn wieder mächtig an sich : allein für diesmal ließ sie es nicht dabei bewenden , sondern schüttelte eine ganze Ladung von Schimpfwörtern über mich aus und das so geschwind , daß ich dachte , ihre Zunge müßte in Stücken gehen .
Ich ließ mich nicht irre machen und sagte ganz höhnisch zu ihr : Höre sie , Jungfer , oder was sie sonst ist !
sie hat zwar ein sehr gutes , dauerhaftes Mäulchen , so viel ich vernehmen kann : aber ich dächte doch , sie schonte sich etwas .
Das Mädchen wurde nun erst recht böse und drohte , sie wollte um Hilfe Schreien und das ganze Haus zusammenrufen und ich sollte nicht lebendig herauskommen :
aber da traf sie mich eben recht .
Unterstehe sie sich , sagte ich , und gebe sie nur einen Laut von sich !
Es soll ihr übel bekommen :
Das schwöre ich ihr .
Gut , sagte sie :
Das will ich sehen , das will ich sehen !
Sie ließ ihren Herrn Rosenfeld gehen , lief fort und schmiß die Türe mit Donnern und Krachen hinter sich zu .
Und was meinen Sie wohl , daß ich tat ?
Ich spielte den Herrn im Hause , zog den Schlüssel aus der Türe und verriegelte sie noch dazu inwendig .
Nun laß sie kommen , dachte ich !
Eher müssen sie die Türe einschlagen , ehe ich sie hereinlasse .
Indessen hatte sich Rosenfeld auf einen Stuhl geworfen und stand dem Ansehen nach schon mit einem Fuße im Grabe .
Nun sind wir allein , Herr Rosenfeld , sagte ich :
Machen Sie fort und lesen Sie den Brief ; ich muß Antwort haben .
Lassen Sie mich , sagte er und gebärdete sich über alle Maße jämmerlich - und gehen Sie , wo Sie hergekommen sind .
Das werde ich wohl bleiben lassen , sagte ich :
Machen Sie , daß Sie zum Lesen kommen oder ich breche auf und lese vor .
Geben Sie her , sagte er und riß mir den Brief aus der Hand : aber das war noch lange nicht das Ende !
Er wollte nun mit dem Briefe in sein Kabinett und er hätte sich gewiß darin verschlossen und kein Mensch hätte ihn herausgebracht , wenn ich es hätte geschehen lassen :
aber ich hielt den verzagten Tropf bei dem Ärmel .
Das ist nichts , sagte ich : Sie müssen den Brief in meiner Gegenwart lesen .
Ich habe Order und davon weiche ich nicht einen Daumbreit ab .
Endlich und endlich , als er alle Passagen , sich aus meinen Klauen zu retten , abgeschnitten sah , laß er :
aber ein solches Lesen müssen Sie sich , in alle Ewigkeit nicht vor stellen können .
Wer es nicht gewußt hätte , hätte wahrhaftig geglaubt , er läse ein Todesurteil : so verzweifelt stellte er sich an ; so blaß sah er aus ; so ein kalter Schweiß lief ihm über die Stirn ; solche Stöße gab es ihm ans Herz .
Er konnte auch wirklich den Brief nicht weiter lesen , als bis auf die Stelle von der Obrigkeit :
Da war es ganz aus mit ihm .
Aber wie ich Ihnen schon gesagt habe , ich war so hart , wie Stein .
Falle nur immer in Ohnmacht , dachte ich !
Ich will dich schon durch den Schluß des Briefes aufwecken : und eine tücheige Strafpredigt obendrein , soll Dich schon munter erhalten .
Ich laß also den Brief vollends zu Ende und hernach fing ich meine Predigt an .
Pfui , sagte ich :
Was haben Sie für einen schlechten Streiche begangen !
Ein gutes , ehrliches Mädchen erst um seine Unschuld zu bringen und sie hernach ins - " Ach , daß Gott !
Ich bin verloren - Ich bin verloren , Und das mit Recht .
Man kann es der Obrigkeit nicht verdenken , wenn sie ein für allemal ein Exempel statuiert !
Hier warf sich der arme Sünder vor mir auf die Knie nieder .
" Ach , helfen Sie mir ! -
Helfen Sie mir ! -
Ich bitte Sie um Gottes Willen !
" Aber da brach mir mein steinhartes Herz mit einemmal !
Ich hätte ihn nicht vor mir auf den Knien sehen und noch unbarmherzig gegen ihn sein können , und wenn es meinen Gasthof gekostet hätte .
Es ist wahr , dachte ich bei mir selbst :
Er ist ein Schurke ; aber der Schurke ist doch ein Mensch und wenn ich nun auch mit dem Schurken kein Mitleiden haben kann , so muß ich es doch mit dem Menschen haben .
Ja doch !
Ja !
Ich will Ihnen gern helfen .
Wenn ich nur wüßte , wie ?
Versuchen Sie es nur mit einem Briefe .
Schreiben Sie an Karolinen !
" Ach , ich darf nicht - ich kann nicht - sie wird meinen Brief nicht lesen , Dafür lassen Sie mich sorgen .
Tun Sie ihr nur eine recht wehmütige Abbitte !
Vielleicht !
Es setzte noch viele krumme Sprünge , ehe ich ihn zum Schreiben brachte :
Endlich aber ging es doch .
Ich versprach ihm , daß ich den Brief bestellen wollte und sagte , er möchte nur unterdessen ganz ruhig sein und sich für nichts fürchten .
Er sagte mir tausendfachen Dank und suchte sogar nach Gelde :
aber ich sagte ihm , er möchte es nur stecken lassen .
Als ich eben die Türe in die Hand nehmen und gehen wollte , so ging es mit einemmal Husch über die Treppe herunter !
Das war ganz gewiß das Mädchen , die die ganze Zeit über gehorcht hatte .
Das konnte ich ihr nun endlich wohl gönnen , ob ich gleich nicht üble Lust gehabt hätte , ihr vor meinem Weggehen noch eine Sottise unter die Augen zu sagen !
Nun ich habe das Meinige getan !
Tun Sie nun auch das Ihrige und arbeiten Sie mit Händen und Füßen , daß die arme Karoline aus ihrer Not kommt : und hernach schreiben Sie mir nur wieder hübsch alles .
Weiter weiß ich Ihnen für diesmal nichts zu melden , als daß ich wieder in der Komödie gewesen bin und daß ich steif und feste dabei bleibe , daß es gar keine Kunst ist , Komödien zu schreiben .
Ich weiß wohl , Sie werden sagen :
Nun , das muß wahr sein !
Der Walther bleibt doch in alle Ewigkeit Walther !
Aber Mag_es !
Wenn ich in meinen Grillen Walther bleibe , so bleibe ich auch gewiß in meiner Freundschaft gegen Sie von nun an bis ins Grab Walther .
Anbei folgt der Angstbrief !
Ein groß Teil ist von mir , und es würde also nicht so übel sein , wenn ich das Meinige unterstriche : allein ich denke , ein großgünstiges Publikum wird nun schon meinen Stelum ohne Striche erkennen können !
Unglückliche Karoline , Ich werfe mich mit den bittersten Tränen zu Ihren Füßen und flehe um Gnade und Erbarmung .
Ich weiß , daß ich alles verdient habe :
Ich bin ein Schurke gewesen :
Ich habe Sie um Ihr kostbares Gut , um Ihre Tugend gebracht und so oft ich daran denke , möchte ich mir fünfzig Prügel geben lassen .
Fällt mir aber der unsinnige Einfall auf das Herz , den mir der Teufel eingegeben hat , Sie , bejammernswürdige Karoline , ins Haus der Schande zu schicken , so bin ich allemal in Versuchung , meinem unglücklichen Leben ein Ende zu machen und mich selbst auf der Stelle zu erstechen : und wer weiß , was schon geschehen wäre , wenn nicht der Gastwirt Herr Walther mir Trost und Mut eingesprochen hätte .
Ach , haben Sie Gnade mit mir !
Lassen Sie sich mein Unglück und meine Verzweifelung zu Herzen gehen !
Es ist wahr , ich habe als ein Hundsfott an Ihnen gehandelt : aber sein Sie gegen mich großmütig !
Übergeben Sie mich nicht der grausamen Obrigkeit , für deren Namen ich schon über und über zittere !
Mein Unglück kann Sie nicht glücklich machen : aber Ihre Großmut kann mich glücklich machen .
Bedenken Sie , daß wenn ich mein Verbrechen ungeschehen machen könnte , ich es diesen Augenblick mit meinem Blute ungeschehen machen wollte : Oder dürfte ich Elender mich unterstehen , so wollte ich Karolinen meine Hand anbieten - Pfui , was habe ich geschrieden ?
Ich verdiene keinen Finger von Karolinen , geschweige ihre ganze Hand .
Ich bin unwürdig , Vater des Kindes zu sein , das ich gezeugt habe -
Ach bei diesem Gedanken fließen meine Tränen , wie ein Strom !
Ich bin nicht mehr der wollüstige Rosenfeld :
ich bin jetzt der mit Furcht , Gewissensbissen und Reue angefüllte Rosenfeld , der sich Ihnen aufs neue zu Füßen wirft und um Gnade flehet .
Dürfte ich etwas zur Entschuldigung meines Verbrechens anführen , so wäre es dieses , daß ich es nicht für mich , sondern auf den gottlosen , vermaledeiten Rat eines Mädchens getan habe , die mich schon seit langer Zeit in ihrem Netze verstrickt hält - Doch ich darf mich durchaus nicht entschuldigen !
Ich - Ich allein habe Karolinen ins Unglück gestürzt -
Ich habe es alles auf meinem Gewissen -
O wie drückt es !
Ich bin schon gestraft , schon gebrandmarkt genug .
Großmütige Karoline !
Lassen Sie sich erweichen und fügen Sie zu meinen Leiden nicht noch mehrere hinzu .
Ich will mich freiwillig von Ihrem Angesichte verbannen : Sie sollen in Ihrem Leben den Erzverführer Rosenfeld nicht wiedersehen .
Der Gott , der auf mich zürnet , sei Ihnen gnädig !
Leben Sie wohl !
Karoline ist unglücklich , aber noch weit unglücklicher ist Rosenfeld .
Diese Briefe fertigte ich mit einem reitenden Boten ab , der mir aber nichts weiter zurückbrachte , als diese paar Zeilen :
Haben Sie Dank , mein lieber Walther !
Bald will ich Ihnen schreiben , was Ihre Bemühungen gefruchtet haben .
Jetzt schicke ich Ihnen nur einen Brief , den Sie gehörig besorgen werden .
Adieu .
Einen Brief ?
Wider alle Gewohnheit meines jungen Herrn sehr sauber geschrieben : aber versiegelt , daß ihn Walther nicht lesen sollte .
Haha !
Zebedäus Walther war nicht so dumm und gab den Brief aus den Händen , ohne ihn gelesen und abgeschrieben zu haben .
Hier ist er !
Teuerste , Meinem Herzen ewig werte Freundin , Noch einmal will ich in dem süßen vertraulichen Tone mit Dir sprechen , in dem ich so oft und so brüderlich mit Dir sprach - Noch einmal müssen es mir Deine Eltern und Dein Bräutigam erlauben , daß ich Dich Freundin meiner Seele , Schwester , Du nenne - Noch einmal musst Du das für mich empfinden , was Du , in der Blüte unserer Bekanntschaft , für mich empfandest :
und dann nie wieder Morgen , meine Beste !
Morgen führt man Dich zur Traue ?
Wünschtest Du mich wohl zum Zeugen Deiner Verbindung ?
Ich glaube , ja .
Dein unschuldiges Herz würde gewiß nicht , einen Schlag mehr für mich klopfen , als es nach der strengsten Tugend klopfen dürfte .
Deine schönen Augen würden , wie zuvor , vertrauliche Blicke in die meinigen senden und anstatt sich durch das Klagen derselben zu einem sträflichen Mitleiden verführen zu lassen , diesen Klagen selbst Einhalt tun - Dein Kuß , Deine Umarmung , Dein ganzes Herz wäre für Deinen Bräutigam :
Für mich wäre heiße Freundschaft , Versicherung , daß Du mich eben so glücklich gemacht haben würdest , wie Deinen Geliebten , wenn Doch nein !
Das würdest Du mich nun nicht mehr versichert haben .
Vormals , da der Befehl Deines Vaters und die Tugend Deines Liebhabers erst die Liebe in Deinem Herzen gepflanzt hatte - vormals konntest Du das :
Jetzt aber , da sie in die Höhe geschossen , Blätter gewonnen , reif geworden , jetzt ist keine Versicherung mehr für mich .
Dank sei es meinem günstigen Geschicke , das mich aus Leipzig weggerufen hat .
Glaube mir , ich hätte bei Deiner Hochzeit eine so alberne Rolle gespielt , als ich noch nie gespielt habe - und um desto alberner , weil ich es vorhergesehen und mich doch dazu gedrungen haben würde , ein zeuge Deiner Verbindung zu sein .
Ich kenne mich - und ich sehe mich jetzt in aller meiner Albernheit .
" Den Abend vor Deiner Hochzeit lange Selbstgespräche - lange Chrien über das Thema :
Man muß sich in sein Schicksal zu finden wissen und dann fröhlich eingeschlafen .
Den Morgen früh aufgestanden - nochmalige Repetition der gestrigen Lektion - Vermeintliche Standhaftigkeit und folglich sogleich nach dem Hochzeithause gewandert .
Bei der Ankunft unwillkürliche Verwirrung - verkehrte Komplimente - niedergeschlagene Augen .
Bei der Trauerrede steigendes Herzklopfen - scheinbare Aufmerksamkeit bei einer ungemeßenen Ausschweifung der Einbildungskraft -
Mit unter ein erstickter Seufzer .
Bei der priesterlichen Einsegnung , beim Geben der Hände - ein Donnerschlag ans Herz ; Urplötzlich aus aller Fassung ; Bald blaß , bald rot ; Bald geweint Wie gefällt Dir dieses kleine Verzeichnis ?
Und wie würde es Dir gefallen haben , wenn die letzte Hälfte Stück vor Stück vor Deinen Augen geschehen wäre ?
Aber so , wie es das Schicksal nun gefügt hat , ist es in aller Absicht recht .
Abwesend von Dir habe ich so ziemlich Kälte genug , an Deine Verbindung zu denken : und Wärme - im Überflusse , Dir dazu Glück zu wünschen .
Lebe dann ewig wohl , o Rahel !
Du Lust meines Lebens .
Mit Dir entflieht mein liebster Wunsch , mein heißes Verlangen , Meine süßeste Freude .
So etwas habe ich einmal irgendwo gelesen und ich muß mir nicht wenig Gewalt antun , die tote Rahel nicht in die lebendige Braut zu verwandeln :
aber ich tue mir Gewalt an .
Lebe glücklich , meine Beste !
Der Schutzengel der Unschuld bleibe mit Dir !
Dein Ehestand sei ein Paradies !
Das wenige Unkraut , was hier und dar in die Höhe schießt , sei an jedem Abende bis auf die Wurzel verwelkt !
Nur eine Tochter wie Du , nur einen Sohn , wie Dein Bräutigam - so hast Du Dich schon un sterblich um die Welt verdient gemacht :
Und Du , glücklicher Jüngling !
Mache Dich Deines Glückes ganz würdig .
Halb bist Du es schon : Ganz kannst Du es nur durch lebenslange gleich treue Liebe werden .
Werde es also !
Und Sie , besten Eltern der besten Tochter !
Genießen Sie das Glück Ihrer Tochter zwiefach :
denn Sie haben es gegründet -
Und wenn Sie sich im Taumel der Freude noch eine Tochter wünschen : so wünschen Sie auch dieser Tochter einen Gatten , Namens - - .
Dieser Wunsch sei und bleibe die Entschädigung für das vergebens gehoffte Glück Ihres etc . etc .
Mit diesem Briefe war es nun freilich nicht so gefährlich als mit dem an Rosenfelde : wiewohl wenn der Herr Bräutigam so eifersüchtig gewesen wäre , als ich und mancher anderer an seiner Stelle , so würde Zebedäus Walther für seine Mühe doch immer ein schlechtes Trinkgeld bekommen haben .
Meine Braut Du zu nennen :
das wäre nimmermehr gut abgelaufen !
Ich glaube , ich hätte den Ehecontrakt auf der Stelle zerrissen und wenn mir der saubere Herr Dusager in den Wurf gekommen wäre :
ich hätte ihn treffen wollen .
Doch weiter von der Sache zu reden : so siegelte ich den Brief wieder zu und trug ihn an Ort und Stelle .
Den Tag nach der Hochzeit kam die Antwort .
Ich war gleich wieder darüber her und schrieb mit vieler Verwunderung ab , wie folget :
Denn , wie gesagt , ich hätte meine Braut nicht Du nennen lassen !
Teuerster , auch meinem Herzen ewig werter Freund , Du bist brav !
Mag doch mein kleiner , lieber Mann hinter meinem Rücken stehen und mir über die Schultern gucken :
So bist Du doch brav !
Mir war immer , als ob ich vor meiner Heirat noch einen Brief von Dir bekommen sollte und es ist mir sehr lieb gewesen , daß ich ihn bekommen habe .
Dein Glückwunsch - ich muß es Dir nur sagen - ist mir unter allen , die mir sind gemacht worden , und die sind nicht zu zählen , der liebste gewesen .
Die anderen habe ich kaum einmal recht angehört : Sie waren meistenteils nur nach Gewohnheit des Festes und gingen weder von , noch zu Herzen :
Aber der Deinige kam aus der Tiefe Deines Herzens und ging auch in die Tiefe des meinigen .
Es ist mir auch verschiedenes dabei eingefallen , was ich Dir alles schreiben muß !
Wenn mir der Himmel eine Tochter gibt - Doch erst muß ich Dir Glückwunsch für Glückwunsch geben !
Irgendwo ist ein Mädchen , ganz für Dich geschaffen : verständig wie ein Orakel , tugendhaft , wie Gellert , lächelnd wie Aurora , unschuldig wie der kleine Yorick , zärtlich wie Julie .
Ihre Hand ist frei .
Bald mußt Du sie auf Deinen Reisen in ihrem Irgendwo antreffen , sie lieben und Dich auf ewig mit ihr verbinden .
Schenkt sie Dir dann einen Sohn , wie Du und mir gibt der Himmel eine Tochter , so soll aus den Kinderchen ein Paar werden .
Das ist mein Projekt und mein Kopf ist schon so voll davon , daß ich gestern Nacht davon geträumt habe .
Ich wollte Dir auch meinen ganzen Traum erzählen , wenn ich Dir nicht noch so viele andere Dinge zu sagen hätte .
Ich bin nun Frau :
Und trotz des festesten Vorsatzes , nicht um ein Haarbreit anders zu werden , bin ich es doch schon ein gut Teil geworden .
Der Ehestand muß wohl eine eigene Atmosphäre haben , die die jungen Mädchen gleich bei ihrem Eintritte durchdringt und umschafft .
Ich bin ernsthafter , als jemals .
Mein Papa und alle freuen sich ausnehmend darüber :
aber mir ist nicht wohl bei der Sache zu Mute .
Ich wünschte , ich wäre noch das flatternde , hüpfende , singende , unbekümmerte Geschöpf , das ich unter Deinen Augen war : tändelnd , wie ein Kind , aber auch so glücklich , wie ein Kind .
Geschwind muß ich Dir von meinem lieben Manne etwas erzählen , weil es mir eben einfällt .
Ich wollte ihm Deinen Brief vorlesen :
aber er ließ es durchaus nicht geschehen .
Er blieb dabei , daß er Dich und mich genug kennte , um uns nichts Böses zuzutrauen .
Auch die Antwort an Dich will er nicht lesen .
Ich soll durchaus mit meiner Feder nach meinem Gefallen schalten und walten und es hätte nicht viel gefehlt , so wäre dieser Artikel mit in die Ehepakten gesetzt worden .
Was meinst Du ?
Das hat er gewiß den Franzosen abgelernt , die er bei allen Gelegenheiten wegen ihres gesunden Ehestandes , wie er zu sagen pflegt , rühmt und als ein Muster der Nachahmung anpreist .
Meinetwegen !
Was ihm gefällt , gefällt auch mir :
Und so leicht es mir , die ich nie in Frankreich gewesen bin , sein würde , ihm wer weiß was für Nebenabsichten schuld zu geben , so wenig bin ich doch aufgelegt , es zu tun .
Das ich Dich zum Hochzeitgaste gewünscht habe , hast Du richtig erraten : aber daß Du Dir so wenig zutrauen solltest , hätte ich nicht geglaubt .
Eben kommt meine Mama .
Sie hat Deinen Brief gelesen und so sehr sie anfangs den Kopf dazu schüttelte , so gut wurde sie am Ende .
Sie sagt , sie hätte den Wunsch , auf den Du einen so hohen Preis setztest , nicht einmal - schon hundertmal getan und sie würde ihn gewiß noch öfter tun : so lieb hätte sie Dich .
Aber das werde ich nicht zugeben !
Nein , Nein , gute Mama !
Sie müssen in meinen Wunsch willigen !
Der ist ja weit besser , als der ihrige ; und entschädigt von beiden Teilen weit mehr .
Doch meine Mama ist nicht ohne Ursache gekommen .
Ich soll das Schreiben liegen lassen und mit ihr , wer weiß wohin gehen : aber erst will ich meinen Brief an Dich schließen und Dir sagen : daß du unter allen meinen Freunden der liebste bist und stets bleiben wirst ; daß ich nie ohne innigliche Freude hören und lesen werde , daß es Dir wohlgeht ; daß unser ganzes Haus Dich immer als einen seiner nächsten Angehörigen betrachten wird ; daß meine Tochter - Du weist schon !
Und dann sehen wir uns doch wieder ?
Ich will es nun einem hochgeneigte Publikum anheim stellen , ob ich nicht Recht gehabt habe , von Eifersucht zu sprechen ?
Eine junge Ehefrau einen solchen Brief ?
Aber da sieht man , was das Herumreisen anrichtet :
Ich meine nur das , in fremde Länder .
Wäre der Herr Bräutigam nicht nach Frankreich gewesen , er würde wohl eifersüchtiger sein :
aber man komme nur dahin , da kann man seine deutschen Sitten und Gewohnheiten bald los werden .
Doch ich will mich nicht zur Unzeit ereifern !
Ich möchte sonst hernach ins Zittern kommen und nicht schreiben können :
Und ich habe doch wieder einen mächtigen Brief abzuschreiben .
Nämlich ich fertigte diesen Brief der jungen Frau sogleich ab und der zurückkommende Bote brachte mir einen Brief , den ein hochgeneigtes Publikum , denke ich , von Wort zu Wort lesen wird .
Es stehen Dinge darinnen !
Kurz , man muß sie selber lesen .
Mein lieber Walther , ( Springen Sie , so hoch Sie können !
Schwenken Sie statt der Fahne Ihre graue Mütze um den Kopf !
stecken Sie ein Siegesfeuer - auf Ihrem Herde an !
Schiessen Sie aus Ihren zerplatzten Blaserohre eine Tonkugel in die Luft !
Alles für heller lauterer Freude :
Denn Karoline ist glücklich !
Sie bekommt Ihren lieben Berthold !
Er liebt sie !
Meine Mühe ist nicht fruchtlos gewesen , und ich kann nun Bautzen im Triumphe verlassen !
Ich werde es auch bald verlassen und dieser Brief , den ich Ihnen jetzt schreibe , ist der letzte !
Sobald ich Karolinens Vormund nicht nur von allem unterrichtet , sondern auch ganz für seine Mündel gewonnen hatte : so sehnte ich mich herzlich , Bertholden zu sehen .
Er kam ungerufen , als wir noch beisammen waren und zum Glück war es schon verabredet , unter welchem Charakter ich mich ihm darstellen wollte : unter dem Charakter eines weitläufigen Anverwandten aus Leipzig .
Als solchen , empfing mich Berthold mit vieler Freundlichkeit : aber auch mit ungemeiner Blödigkeit und Zurückhaltung .
Sein erstes Kompliment verriet mir einen Menschen von einer kleinstädtischen Erziehung - ein gutes , einfältiges Schaf , das alle junge Leute aus der Stadt für nichts viel besseres , als Wölfe hielt .
Bei einem Haare hätte ich mich durch diese Erscheinung von meinem ganzen Vorhaben abschrecken lassen : allein ein Blick von Karolinen auf ihren blöden Berthold , der ihr selbst in seiner Blödigkeit zu gefallen schien , machte mir von neuem Mut , und ich überlegte bei mir selbst , wie ich mich unvermerkt in sein Herz einschleichen könnte , eben als er den ehrlichen Alten in einen Winkel zog , um ihn meinetwegen auszufragen .
Der Alte mußte ihm nicht nur viel gutes von mir gesagt , sondern dieses gute mußte auch auf den jungen Menschen starken Eindruck gemacht haben :
denn er kehrte nach einigen Minuten mit dem Alten zurück , sah mich mit einer ganz neuen Art von Augen an - Er schien mich zu bewundern und sich von ganzem Herzen meine Freundschaft zu wünschen :
aber auch zu zweifeln , ob ich mich nicht vielleicht zu vornehm dünken würde , sein Freund zu sein - Ich umarmte ihn ohne viele Umstände , versicherte ihn , daß er auf den ersten Blick einen großen Teil meines Herzens weg hätte - Mein ganzes Herz durfte ich nicht sagen :
Das hätte er unfehlbar für eine Schmeichelei angenommen - Ich setzte hinzu :
So lange ich in Bautzen wäre , würde ich mich vorzüglich an seinen Umgang halten .
Er war in Verlegenheit um eine Antwort :
Nicht als ob ihn allzustarke Empfindungen sprachlos gemacht hätten , sondern weil es die Natur der Blödigkeit mit sich bringt , daß man auch seine natürlichsten Empfindungen bei aller Anstrengung nicht in Worten von sich geben kann .
Ich half ihm auf die Spur .
Sie wollen mich also zu Ihrem Freunde haben , sagte ich ?
O ja , sagte er , wenn ich Ihnen nur gut genug bin .
Sie sind ein Gelehrter - Was sagen Sie da , unter brach ich ihn ?
Das sollen Sie den Gelehrten gewiß abbitten , daß Sie sie für so stolz halten .
Der junge Mensch lächelte .
Nein , fuhr ich fort :
So gewiß ich kein Gelehrter bin , so gewiß sind Sie mir nicht nur gut genug , sondern sehr gut und ich verspreche Ihnen , wir wollen , die kurze Zeit , die ich mich in Bautzen aufhalten werde , wie Brüder zusammenleben .
Das war , dünkt mich , ein sehr guter Anfang , auf den ich sogleich weiter fortbaute , indem ich den jungen Menschen bat , er möchte mit mir eine kleine Lustreise nach Dresden tun .
So begierig ich sonst war , Dresden zu sehen , so wenig kam doch jetzt diese Begierde in Betrachtung .
Ich wollte bloß den jungen Berthold auf eine gute Art in meine Gewalt bekommen - doch nicht bloß dieses .
Spannen Sie , Herr Walther ! auf das , was nun kommt !
Ich wollte auch Karolinen auf ein paar Tage nicht sehen .
Ich hatte mich mit ihr auf den Fuß einer gewissen Vertraulichkeit gesetzt , die ich in Bertholds Gegenwart gänzlich verleugnen mußte , um die Rolle eines kalten Anverwandten zu behaupten , und noch mehr um diesen jungen Menschen nicht im mindesten eifersüchtig zu machen - Und wie mir aller zwang unausstehlich ist , so war es mir auch dieser .
Ich machte mich also mit Bertholden , der sich nicht lange bitten ließ , auf den Weg nach Dresden .
Unterwegs nahm ich mein bisschen Kenntnis des menschlichen Herzens zusammen und fing an , meinen jungen Reisegefährten auszuhorchen .
Ich bemerkte an ihm nicht sowohl Tugend im eigentlichen Verstande , als vielmehr einen mächtigen Ekel für dem Laster , der sehr weit ging und nicht nur auf den Lasterhaften selbst , sondern auch auf den verführten fiel .
So bald ich wußte , was ich wissen wollte , lenkte ich das Gespräch auf Leipzig und vorzüglich auf die ausgelassene Lebensart der Akademisten .
Ich erzählte ihm die Geschichte zwischen Karolinen und Rosenfelde , als eine , die sich erst vor einigen Wochen zugetragen hätte ; Ich unterließ nicht , die erdichtete Wilhelmine fleißig mit Karolinen zu vergleichen , um Bertholden ganz in das Interesse zu ziehen .
Ich richtete es so ein , daß alle Schuld und aller Abscheu auf Rosenfelde fallen mußte und mitten im Erzählen , beobachtete ich jede Mine , jede Bewegung , die Berthold dabei machte .
Sie , mein lieber Walther ! werden wohl Bertholds Betragen schon wissen !
Als ein Mann , der das Komödienschreiben für keine Kunst hält , kann es Ihnen nicht verborgen sein , wie Berthold seinem Charakter gemäß handelt .
Ich will Ihnen also nur sagen , was nach der Erzählung geschah .
Was meinen Sie zu dieser Geschichte , fragte ich Bertholden ?
" Es ist Schade um Wilhelmminen , sagte er !
Sie wird nun gewiß keinen Mann bekommen .
, Das wollte ich eben nicht sagen , antwortete ich mit einiger Bestürzung !
Ein Niederträchtiger unseres Geschlechts hat sie ins Verderben Gestürze :
Ein Großmütiger unseres Geschlechts wird sie wieder herausreissen !
Das hoffe ich .
Berthold lächelte .
" Ich möchte Sie wohl etwas fragen , sagte er , wenn Sie es mir nur nicht übel nehmen .
Fragen Sie , was Sie wollen , sagte ich .
" Wollten Sie wohl dieser Großmütige sein , sagte er ?
" Warum nicht , gab ich ihm zur Antwort ?
Mein ganzes Geschlecht würde es mir danken .
" Das wohl , sagte er : Aber , Ich weiß , was Sie mit Ihrem Aber wollen .
Sie meinen das Urteil der Welt !
Aber , dem Himmel sei Dank , ich habe schon gelernt , mich darüber wegzusetzen .
Berthold schüttelte den Kopf .
" Das meine ich nicht , sagte er .
Ich meine , ob Sie wohl ein Mädchen lieben könnten , die einen ganzen Monat in einem so schändlichen Hause gewesen ist ?
" Warum nicht , sagte ich ?
Sie war es ja nicht durch ihre Schuld .
" Aber sie war es doch .
" Aber doch nicht durch Ihre Schuld .
Berthold schüttelte den Kopf und schwieg .
" Aber , fuhr er nach einem Augenblicke fort - ich weiß nicht , ob Ihnen so zu Mute ist , wie mir - aber ich fühle so etwas Widerstehendes , , Das fühlen Sie jetzt :
Aber sie sollten nur Wilhelmminen selbst sehen !
Sie sollten nur sehen , wie sie vor Scham sich nicht getraut , die Augen aufzuschlagen - " Das würde etwas helfen :
aber nicht viel .
Dies , mein lieber Walther ! war unser ewiges Thema auf unserer Hin- und Herreise .
Mit aller Mühe , die ich mir gab , konnte ich Bertholden nicht weiter , als zu dem Geständnisse bringen :
Das Mädchen verdiente immer noch einen Mann ; wahrscheinlich würde sie auch einen Mann glücklich machen , wenn sie in der Tat so wäre , wie ich sie beschrieben hätte :
aber gegen den Besitz von Karolinen wäre dieses gar nichts . Habe ich mir jemals einen guten Rat von Ihnen gewünscht , so war es jetzt .
Meine ganze Weisheit war zu Ende und ich sah nun kein ander Mittel übrig , als den guten alten Vormund anzuspannen .
Ich wußte , daß ihn Berthold als seinen Vater verehrte , und so wie ich den Plan gemacht hatte , konnten die Reden des Alten keinen anderen , als den allertiefsten Eindruck auf den Jüngling machen .
Der redliche Alte war auch sogleich willig , seine Rolle zu spielen , wiewohl es für seine grauen Haare eine sehr schmerzliche Rolle war .
Er sollte nämlich - Doch hier ist die ganze Szene , wie sie mir Berthold wieder erzählt hat .
Gleich den Tag nach unserer Rückreise von Dresden ließ der Alte Bertholden zu sich kommen .
" Mein lieber Sohn , sagte er zu ihm : Glaubst Du , daß ich Dich lieb habe ?
" Berthold küßte ihm die Hand .
Ja , sagte er :
Wie könnte ich daran zweifeln ?
" Glaubst Du auch , daß es mich in der Seele schmerzt , wenn ich mich genötigt sehe , Dir Herzeleid zu machen ?
" Berthold wurde bestürzt .
Was sagen Sie ?
Wenn Sie sich genötigt sehen , mir Herzeleid zu machen ?
Das können Sie nicht .
Sie sind zu zärtlich .
Wer weiß , was Sie für Herzeleid ansehen .
" Wollte Gott !
" Mein Vater !
Was ist Ihnen ?
Was haben Sie auf dem Herzen ?
Sagen Sie mir alles !
Ich will alles ertragen , wenn es Ihnen nur nicht Schmerzen macht !
" Du wirst mich für Deinen Feind halten .
Ich ?
Sie für meinen Feind ?
O glauben Sie das nicht .
Befehlen Sie mir , was Sie wollen - es sei so hart , als es wolle - Sie sollen sehen !
" Es betrifft Karolinen !
" Meine Karoline ?
O da wird es mir gewiß kein Herzeleid machen .
" Wenn ich Dir aber sage , daß ich von Herzen wünschte , Du möchtest Karolinen nicht so sehr lieben , als Du sie zu lieben scheinst !
, Hier wurde Bertholds Stirn finster - seine Augen wild und streng - Die Ehrfurcht , die er stets für den ehrlichen Alten gehabt hatte , verließ ihn .
Er sprang von seinem Sitze auf :
Ich werde sie aber lieben , sagte er , und von Tage zu Tage mehr lieben - und wenn sich mir alle Welt widersetzte - Ich sehe , ich werde hintergangen Dieses hintergangen sollte mir gelten .
Der arme Berthold stellte sich in der ersten Hitze seiner Leidenschaft vor , ich wäre sein Nebenbuhler und was noch mehr ist sein Nebenbuhler Rosenfeld , von dem er etwas gehört , aber bis jetzt nichts geglaubt hatte .
Er glaubte , ich hätte ehemals zu einer Heirat mit Karolinen Lust bezeigt :
Weil ich aber auf der Akademie aus der Art geschlagen wäre , so hätte der alte Vormund den Anschlag gefaßt , ihm Karolinen zu geben .
Nun ich mich aber selbst zeigte und entweder meiner Streiche Willen um Vergebung gebeten oder sie gänzlich geleugnet hätte , nun sollte er hintangesetzt werden und Karoline meine sein :
Diese Grille , die in einem Augenblicke gemacht war , erfüllte Bertholds Herz mit Abneigung , wo nicht gar mit Haß gegen seinen Vormund und mich , da sie hingegen seine Liebe gegen Karolinen nur noch mehr entflammte , die er in seinem Herzen von dieser ganzem Kabale freisprach .
Der Alte fiel Bertholden in die Rede , sobald er von hintergehen anfing .
Mein Sohn , sagte er mit einer Stimme , die Berthold bei aller seiner gegenwärtigen Wildheit für keine Verstellung halten konnte :
Mein Sohn !
Ich bitte Dich , mache Dir nicht selbst Kummer und Sorge .
Du wirst nicht hintergangen , weder von mir , noch von Karolinen - Glaubst Du wohl , daß man bei diesem grauen Haare noch hintergehen kann ?
" Diese rührende Frage brachte Bertholds verirrten Geist wieder zu sich selbst .
Er sah die grauen Haare seines alten Vaters und seine Grille , entfloh eben so plötzlich , als sie gekommen war .
An ihre Stelle trat Scham und Verwirrung .
Vergeben Sie mir , sagte er :
Ich habe es nicht so böse gemeint - Ich glaubte nur , Sie wollten Karolinen - aus guten Gründen - einem anderen geben .
" Nein , mein lieber Sohn , sagte der Alte :
Es soll sie kein anderer Mensch auf Erden haben - " Als ich !
Als ich ! rief Berthold mit der größten Begeisterung eines Verliebten :
Nun so bin ich ja glücklich !
So kann mir kein Herzeleid begegnen .
Hier traten dem ehrlichen Alten die Tränen in die Augen : allein ohne sich von ihnen zur Wehmut hinreissen zu lassen , nahm er vielmehr alle Standhaftigkeit des Geistes zusammen .
" Fasse Dich , mein Sohn ! sagte er .
Auch Du kannst sie nicht besitzen :
Sie wird nie heyrahen .
" Wie Bertholden bei diesen Worten zu Mute gewesen , das konnte er mir selbst nicht sagen .
Nur daran erinnerte er sich , daß ihm die Zunge gelähmt war .
Der redliche Alte setzte noch dieses hinzu : " Und wenn Du Deine Glückseligkeit lieb hast , mein Sohn ! so frage nie danach aus welcher Quelle Dein Unglück herrührt .
Das würde nur noch eine neue Marter für Dich sein !
Nun war Berthold der Ohnmacht sehr nahe .
Er sah , er hörte nicht mehr und sein ganzes Bewußtsein erstreckte sich nur noch auf den Namen Karoline , den er öfters mit einem verzweifelnden Tone ausrief .
Er warf sich vor seinem alten Vater auf die Knie , sprang wieder auf , schalt ihn grausam und unbarmherzig , dann schmeichelte er ihm wieder : und endlich tat er dasjenige , was ihm bei seiner Verzweifelung sehr natürlich war :
Er ging zu Karolinen .
Hier eröffnete er eine neue Szene des Schmerzens und der Verzweifelung .
Meine Karoline , schrie er mit einer verzweifelnden Stimme , sobald er in das Zimmer trat - Die Tränen überschwemmten sein Gesicht und er sank kraftlos auf den nächsten Stuhl .
Karoline hätte für Schrecken in die Erde sinken mögen ; so bestürzt war sie , ungeachtet sie alle Minuten einen Auftritt , von der Art erwarten mußte .
Ihre ganze Liebe vereinigte sich nun in einen Punkt .
Noch nie hatte sie Bertholden umarmt :
Noch nie hatte sie ihn den Ihrigen genannt :
Jetzt tat sie beides .
Mein Berthold , sagte sie und vermischte ihre Tränen mit den seinigen : Beruhigen Sie sich !
Was ist Ihnen widerfahren ?
Berthold hörte weder auf die tröstliche Anrede , noch auf die Frage :
In seinen Ohren tönte nichts , als das Mein , welches sein höchster , aber noch bis jetzt unbefriedigter Wunsch war .
Ist_es möglich , rief er und seine Augen glühten mitten in den Tränen vor Freude ?
Sie nennen mich Ihren Berthold ?
Nicht wahr , liebste Karoline !
Sie haben mich so genannt ?
O nennen Sie mich noch einmal , noch tausendmal so !
Karoline hatte nicht vorhergesehen , daß Berthold seine Gedanken bloß auf das Mein richten würde , welches ihr die Liebe entrissen hatte .
Die ungestüme Bitte Ihres Liebhabers setzte sie daher in große Verlegenheit .
Ihr Herz schmachtete sie zu befriedigen und alles übrige gebot , sie unbefriedigt zu lassen .
O lassen Sie uns jetzt nicht daran denken , sagte sie !
Erzählen Sie mir nur - Nein , nein , fiel er ihr in die Rede - Ich bitte Sie !
Ich beschwöre !
Nennen Sie mich noch einmal den Ihrigen :
So ist mein Leiden zu Ende .
Mein grausamer Vater hat mir gesagt , ich könnte meine Karoline nicht besitzen : aber wenn Sie mich nur den Ihrigen nennen , so will ich Sie besitzen und wenn sich die ganze Welt dagegen empören sollte - O meine Karoline lassen Sie sich erbitten !
Jemehr Bertholds Herz durch die Hoffnung gestärkt wurde , daß Karoline seine schmeichelnden Bitten erhören und ihn den Ihrigen nennen würde : desto_mehr wurde Karolinens Herz beklemmt .
Die Versicherungen Ihres Geliebten waren für sie Dolche .
Die Furcht ihn zu verlieren , so bald er ihre Geheimnisse erfahren würde , bemächtigte sich ihrer .
Es wurde ihr finster vor den Augen ; Sie reichte Bertholden ihre Arme , der ein lautes Geschrei erhob und sie in einen Lehnstuhl setzte .
Sie war nicht ganz ohnmächtig geworden , allein sie stand an dem Rande der Ohnmacht .
Berthold umarmte sie ganz außer sich und schien ihre Seele nicht aus seinen Händen lassen zu wollen .
Meine Karoline !
Mehr konnte er nicht sagen .
Die arme Karoline , die nach und nach ihrer Zunge wieder mächtig wurde , sagte mit einer schwachen Stimme : Lassen Sie mich - wenn Sie mich - lieb haben - Aber - Sie können - mich nicht lieb haben - Ein neuer Donnerschlag in Bertholds Ohren !
Noch heftiger , als er ihn in seines Vaters Hause gehört hatte .
Er warf sich zu Karolinens Füßen :
Ich Sie nicht lieb haben ?
O Gott !
Ich schwöre Ihnen aber - bei dem Himmel - bei allem , was heilig ist -
Ich habe Sie lieb - Ich liebe nichts , als meine Karoline - Ich wollte mein Leben tausendmal für sie lassen -
Ach !
Wie können Sie daran zweifeln ?
Karoline zog ihn sannst in die Höhe , oder vielmehr , sie machte eine sanfte Bewegung , es zu tun :
denn es wirklich zu tun , hatte sie keine Kraft .
Stehen Sie auf , sagte sie - Ich zweifele nicht - daß Sie mich lieben - Aber - ich bin unwürdig - die Ihrige zu sein .
Hier ging der Kampf des Herzens von neuem an .
Nein , schrie Berthold :
Bei Gott !
Wie - Ich bin unwürdig , der Ihrige zu sein - O lassen Sie einen Gedanken fahren , der mich bis zur Erde niederbeugt !
Hören Sie mich , liebster Berthold ! sagte Karoline :
Ich habe ein Geheimnis auf dem Herzen .
Ich bin zu schwach , es Ihnen zu entdecken .
Gehen Sie zu Ihrem Freunde S*** Er wird es Ihnen sagen .
Leben Sie wohl !
Hier ging sie in ihr Kabinett , um sich der Verzweifelung ganz zu überlassen , die , ungeachtet der Standhaftigkeit , mit der sie die letzten Worte ausgesprochen hatte , an ihrem Herzen nagte .
Berthold sah ihr , ich weiß nicht , soll ich sagen , gedankenvoll oder gedankenlos nach .
Er blieb noch lange auf einem Flecke stehen , ohne zu wissen , ob er seiner Karoline ins Kabinett folgen oder zu mir gehen sollte : Endlich aber entschloß er sich zu dem letzteren .
Er nahm Hut und Stock , klopfte ganz leise an Karolinens Kabinett :
doch weil er keine Antwort bekam , so hielt er dieses für einen Wink zu gehen ; rief ganz leise : Leben Sie wohl , meine Karoline und kam sogleich zu mir .
Sie irren sich , mein lieber Walther ! wenn Sie vielleicht den Auftritt zwischen Berthold und mir für weniger schmerzhaft halten , als die beiden vorigen .
Es ist wahr , zur Betrübnis war der arme Schelm schon eingeweiht :
allein was war alle bieherige Betrübnis gegen diejenige , die ich ihm nun erst durch Entdeckung des Geheimnisses machen sollte !
Sie denken etwan , sie könne doch nimmermehr so groß gewesen sein , da Berthold auf unserer Dresdner Reise sich deutlich genug erklärt habe , daß man ein unschuldig verführtes Mädchen lieben könne :
Wie falsch !
Berthold ließ sich zwar auf unserer Reise durch meine Reden hinreissen , Mitleiden gegen die erdichtete Wilhelmine zu fühlen : allein ich merkte doch mehr als zu deutlich , daß seine ganze Liebe gegen Karolinen auf der Vorstellung von ihrer unbefleckten Tugend beruhte und daß sie , wenn diese Vorstellung wegfiele , plötzlich einstürzen würde .
Das glaubte ich zwar , daß sie auch ohne diese Vorstellung , von neuen könnte gegründet werden : allein mit welcher unsäglichen Mühe !
Doch , ich muß eilen , Ihnen das Ende zu erzählen , wenn mein Brief nicht ein Buch werden soll .
Berthold kam mit einem zerstörten und wilden Gesichte zu mir .
Ich bin unglücklich , sagte er :
Ich soll meine Karoline nicht besitzen .
Sie hat mich zu Ihnen geschickt .
Ich soll von Ihnen ein gewisses Geheimnis erfahren .
Ich kann nicht erraten , was das sein soll !
Verschonen Sie mich , sagte ich !
Lassen Sie mich dieses Geheimnis auf immer verschweigen .
Es macht Sie nur noch unglücklicher !
Noch unglücklicher , rief er ?
Ich antwortete ihm - mit einem teilnehmenden Seufzer - Berthold schwieg einen Augenblick und sah mich starr an .
entdecken Sie mir , sagte er , wie Sie zu dem Geheimnisse kommen , von dem mir Karoline gesagt hat !
" Das kann ich nicht , ohne Ihnen das Geheimnis selbst zu sagen , So sagen Sie mir_es , wenn Sie mein Freund sind - Sind Sie aber auch mein Freund , setzte er mit einem merklichen Mißtrauen hinzu ?
" Ja , sagte ich und schloß ihn fest in meine Armen , So sagen Sie !
" Sie werden vor Schmerz zerspringen !
, Aber ich werde doch meine Karoline besitzen ? -
Nun ?
Sie schweigen ?
Werde ich sie nicht besitzen ?
Wer will mir sie denn rauben ?
" Ein grausames Schicksal .
Wissen Sie noch , was ich Ihnen auf unserer Reise nach Dresden von einer gewissen Wilhelmine erzählte ?
" Wilhelmine ?
Ja !
Ich besinne mich !
Wie kommt das hierher ?
" Fassen Sie sich , liebster Freund !
Wilhelmine und Karoline sind eine Person , , Hier überlasse ich es Ihnen , zu bedenken , wie den armen Berthold zu Mute sein mochte .
Beschreiben kann ich es nicht , und wenn ich mit meiner Hand tausend Federn zugleich führen könnte .
So viel sah ich , daß ihm das Blut in den Adern erstarrte , daß er so blaß wurde , wie eine Leiche und daß ihm selbst die Lunge ihren Dienst versagte .
Ich wollte ihn aus seiner Fühllosigkeit reißen ; Ich redete ihm freundlich zu : aber er hörte nichts , sah steif vor sich auf die Erde , sprang auf einmal plötzlich auf und ging .
Ich wollte ihn halten :
Er ließ es nicht geschehen .
Ich warf mich den Augenblick in meine Kleider und eilte ihm nach :
aber er war nirgends zu sehen , Ich eilte zu Karolinen :
Er war nicht da .
Ich flog zu dem alten Vormunde :
Auch da war er nicht .
Mir wurde bange :
Nicht als ob ich einen Selbstmord befürchtet hätte -
Den befürchte ich bei einem Menschen nie - sondern , weil ich besorgte , Berthold möchte entfliehen .
Ich setzte mich sogleich zu Pferde :
Denn was konnte ich anders mutmaßen , als daß Berthold ein Pferd genommen und sich auf den Weg gemacht hätte ? Bald wurde meine Mutmassung zur Gewißheit .
Berthold war durch das Leipziger Tor geritten : aber wohin ?
das konnte mir niemand sagen .
Ich durchkreuzte die Gegend 4 bis 5 Stunden , ohne nur einen Schatten von Bertholden zu erblicken und kehrte , mit der größten Betrübnis , nach der Stadt zurück .
Was sollte ich nun Karolinen und ihrem Vormunde sagen ?
Noch wußten sie es nicht einmal , daß Berthold fort wäre , und ich sollte ihnen noch dazu sagen , daß ich ihm vergebens nachgeeilt wäre !
Ich weiß am besten , mit welchem Herzklopfen ich bei meiner Zurückkunft zu Karolinen ging .
Es war immer noch aus zweien Übeln das kleinste !
Sollte ich Karolinen , die sich , seit dem Berthold sie verlassen hatte , mit der grausamsten Furcht und Erwartung quälen mußte , noch länger in diesem traurigen Zustande lassen ?
Das war das allerärgste !
Sind Sie da , rief sie mir mit einer jammernden Stimme entgegen ?
Was bringen Sie mir für Nachrichten ?
" Traurige , liebe Karoline !
Ich habe Berholden das Geheimnis entdeckt .
Er erschrak , wie Sie leicht denken können !
" Und verabscheut mich nun ?
O sagen Sie mir alles !
verhehlen Sie mir nichts !
" Er ist jetzt in der ersten Betäubung .
Wenn nur erst ein paar Tage verstrichen sind , Wo ist er denn ?
Warum ist er denn nicht zu mir gekommen ?
Doch was sollte er bei mir ?
Er wird mich nun nicht mehr sehen wollen !
O ich Unglückliche !
Wo ist er denn ?
" Ich weiß es nicht .
Er ist weggeritten !
, Gott !
" Ich wollte ihn begleiten : aber er verbat es .
Ganz gewiß will er sich seinen Gedanken allein überlassen .
Machen Sie sich keine ängstlichen Vorstellungen !
Die Liebe wird ihn bald zurückbringen , Grausamer Freund !
Sie spotten meiner .
Berthold liebt mich nicht mehr !
Er kann mich nicht mehr lieben !
" Aber bedenken Sie !
Würde wohl meine Erzählung einen so starken Eindruck auf ihn gemacht haben , wenn er Sie nicht so stark liebte ?
, Machen Sie mir keine Hoffnung !
Ich mache mir selbst keine !
Mein Entschluß ist schon halb gefast .
Ich will mich der Welt entziehen , und in irgend einem Frauenzimmerstifte den Rest meiner Tage zubringen .
" Übereilen Sie sich nicht , liebe Karoline !
" Bald werde ich nun auch der Spott meiner Vaterstadt werden !
Vielleicht ist meine Schwangerschaft schon bekannt .
" Wie könnte sie das ?
, Nun so muß es doch bald geschehen und dann sterbe ich vor Scham und Schande .
O Rosenfeld !
Rosenfeld !
Was hast du angerichtet ?
" Entreissen Sie sich diesen traurigen Gedanken und lassen Sie uns diesen Abend zu Ihrem Vormunde gehen .
Der arme Mann stirb sonst vor Gram und Sorgen !
" Karoline ließ sich durch meine Bitte bewegen und ging mit mir zu dem ehrlichen Alten .
Karoline brachte es nun in allem Ernste auf das Tapet , daß sie sich in ein Stift begeben und ihr Leben eheloß beschließen wollte .
Sie stellte ihrem Vormunde vor , daß Berthold sie nun verachtete , daß ihre Schwangerschaft sie nicht nur um ihren guten Namen , sondern auch um alle Möglichkeit einer glücklichen Heirat brächte -
Die Wunde des ehrlichen Alten fing von neuem an zu bluten - Er sagte , er könnte seine Karoline eben so wenig verachtet sehen , als sie verlieren - Ich sollte ihm einen Rat geben !
Ich !
Mitten in dieser Verlegenheit ereignete sich etwas , worauf wir uns am wenigsten gefast gemacht hatten .
Es war mir gelungen , sowohl Karolinen , als den Vormund wegen Bertholds Reise sicher zu machen .
Sie bildeten sich ein , er wäre vielleicht nach Dresden geritten - würde , wenn der Sturm vorüber wäre , sich schon wieder einfinden und ich selbst fing an , dieses zu glauben .
Plötzlich wurde an unsere Türe geklopft und Berthold stand vor uns .
Er stutzte , als er uns beisammen sah und machte Mine wieder fortzugehen :
Allein ich hielt ihn fest !
Dem Himmel sei tausendmal Dank , sagte ich , daß Sie wieder da sind !
Was habe ich nicht um Ihretwillen für Angst ausgestanden .
Wo haben Sie denn gesteckt ?
Ich bin Ihnen auf dem Fuße nachgeritten : aber es war kein Berthold zu hören und zu sehen .
Willkommen , Willkommen , rief ihm der Alte entgegen : Allein ohne diesen Gruß zurückzugeben , sagte mir Berthold ins Ohr : Helfen Sie mir nur , liebster Freund ! daß ich Karolinen einige Augenblicke allein sprechen kann .
Das war erwünscht !
Ich gab ihm einen Wink , ging hin zu dem alten Vormunde , nahm ihn bei der Hand und führte ihn in ein Nebenzimmer .
Daß ich horchte , können Sie sich leicht vorstellen :
aber was ich erhorchte , möchte wohl Herr Zebedäus Walther ohne meine Erzählung nicht erraten können .
Mir kam es vor , als ginge Berthold zitternd und bebend auf Karolinen zu .
" Meine Karoline , sagte er - Nach einer kleinen Pause :
Meine unglückliche Karoline , Mein Berthold , gab ihm Karoline mit beklemm ter Brust zur Antwort - Aber Nein - Sie sind nicht mein Berthold - Nennen Sie mich nicht Ihre Karoline - Sie zerreißen nur mein Herz !
" O meine Karoline !
Was soll ich Ihnen sagen ?
Ich liebe Sie - noch über alles !
Ich glaube es - Mein Herz sagt es , daß Sie an allen unschuldig sind : aber wären Sie nur ganz unschuldig - . .
Berthold , sagte Karoline hierauf mit einer männlicheren und gesetzteren Stimme : Hören Sie !
Ich bin unglücklich - nicht ganz ohne meine Schuld :
aber was ich verschuldet habe , war menschliche Übereilung .
Ich kann nicht die Ihrige sein und will nun keines anderen Menschen sein .
Helfen Sie nur meinen Vormund bewegen , daß er mich von sich läßt !
Ich will fort von hier - so weit ich nur kann .
" Was verlangen Sie von mir ?
Sie wollen fort ?
Wo soll denn ich bleiben ?
, Sie sollen in den Armen eines würdigeren , oder wenigstens nicht so unglücklichen Mädchens bleiben , als ich bin .
" Martern Sie mich nicht !
Ich kann kein ander Mädchen auf Erden lieben , als meine Karoline : und doch werden ich und meine Karoline unglücklich sein , Nein !
Das werden wir nicht sein !
Ich allein werde es sein !
Berthold wird mich bald vergessen und eine unschuldigere lieben !
" Ich Sie vergessen ?
Gott strafe mich , wenn ich Sie vergesse , Berthold !
Sie bedenken nicht , was Sie tun .
Sie zünden die Liebe in meinem Herzen an , die Sie auslöschen sollten .
" Halten Sie ein , Karoline ! und lassen Sie uns ernstliche Entschlüsse fassen .
Ich frage Sie - als wäre Gott zugegen - Ist das alles wahr , was mir mein Freund von Ihrer Leipziger Geschichte erzählt hat ?
" Ja , Berthold !
Nur wissen Sie noch nicht alles .
Er hat selbst den stärksten Anteil an meiner Geschichte .
Er hat mich aus dem Hause des Lasters befreit !
Und daher rührt unsere Bekanntschaft .
" Es ist nicht möglich !
Er !
Er !
Und das haben Sie mir so lange verschwiegen ?
" Er wollte es :
Was konnte ich tun ?
" Wieder ein Stein vom Herzen !
Ich muß Ihnen nur meine Schwachheit gestehen :
Ich hin oft auf meinen Freund eifersüchtig gewesen !
, Das hätten Sie nicht Ursache gehabt .
" Ich sehe es nun wohl und ich will es ihm abbitten !
Aber lassen Sie uns vorizt weiter sprechen , liebste Karoline !
Versprechen Sie mir , daß Sie mich glücklich machen wollen ?
Sie können es ?
, , Nein , Berthold !
Ich wünschte es !
Ich wollte !
Aber ich kann nicht .
Der Gedanke an meine unglückliche Geschichte - " Den werde ich unterdrücken , das schwöre ich Ihnen ! " Sie setzen mich in die größte Verlegenheit .
Bedenken Sie nur !
Ich trage ein fremdes Kind unter meinem Herzen ?
, " Es soll meine sein !
Ich will es das meinige nennen .
O sagen Sie mir , ob Sie mich lieben , ob Sie mich glücklich machen wollen ?
, Aber - " Keine Ausflüchte !
Wollen Sie , liebste Karoline ?
" Ja : aber - " Wollen Sie mir auch folgen , wo ich hingehen werde ?
Sie sehen wohl :
Hier können wir nicht bleiben .
Ich will mich mit Erlaubnis meines Pflegevaters anderswo etablieren !
, Berthold !
Die Freude will mich töten .
Wie kann ich mir bei meinen Umständen auf ein solches Glück Rechnung machen !
" Gut , Sie sind entschlossen !
Geben Sie mir Ihre Hand !
Hier ist die meinige !
- Mein Vater , mein Freund , rief er laut , und wir kamen sogleich aus dem Kabinette hervor .
Sein Sie Zeugen , sagte er , von meiner Verbindung mit Karolinen !
Ich bin auf ewig der Ihrige .
Welche Freude war nun der unsrigen gleich !
Der redliche Alte wurde auf der Stelle zum Jünglinge - er versprach Bertholden , daß er ihn aus seinem Vermögen etablieren wollte , wo es ihm selbst gefällig wäre - Kurz , die traurige Geschichte , die uns so lange am Herzen genagt hatte , nahm das glücklichste Ende .
Freuen Sie sich , lieber Walther ! und danken Sie mir , daß ich mir die Mühe genommen habe , Ihnen alles der Länge nach zu erzählen .
Die Erzählung hat mir selbst Vergnügen gemacht : sonst würde ich sie doch nicht so gedehnt haben .
Ich bin noch nicht entschlossen , wo ich nun hinreisen werde :
aber wegreisen werde ich bald -
Ich habe mich in Dresden nach dem rechtschaffenen Landprediger , von dem ich Ihnen so viel gutes erzählt habe , halb tot gefragt : aber , leider ! nichts von ihm erfahren können .
Haha !
Ich muß lachen .
Sie bleiben also noch dabei , daß es keine Kunst ist , Komödien zu machen .
Das wußte ich wohl , daß Sie in Ihren Grillen durch die Zeit eher bestärkt , als davon abgebracht werden !
Aber , wenn ich bitten darf :
Machen Sie doch einmal ein Pröbchen und schicken Sie es mir zu !
Ich verspreche Ihnen , Sie sollen es wohl durchstrichen wieder zurückbekommen .
Sie haben mir_es immer nicht glauben wollen , daß dasjenige , was am leichtesten scheint , gerade am schwersten ist :
Nun so versuchen Sie es auf Ihre eigene Unkosten !
Ich werde hierbei eine neue Gelegenheit gewinnen , den Herrn Zebedäus Walther von ganzem Herzen auszulachen .
Leben Sie wohl !
Was ?
Mich auszulachen ?
Gut , das wollen wir sehen !
Die Reihe des Auslachens kann auch mich treffen .
Kurz und gut , ich bin steif und fest überzeugt , daß das Komödienmachen gar keine Kunst ist .
Ein jeder Gastwirt im Lande , der nur irgend ein bisschen Nahrung und Zulauf von Fremden hat , muß das können .
Es gehen in Gasthöfen solche Streiche aller Art vor , daß man nur zusehen darf , wenn man Komödien daraus machen will .
Ich habe unter anderen eine Geschichte im Kopfe , die sich in meinem jetzigen Gasthofe zugetragen hat .
Damals lebte mein Vater seliger noch und ich war nur noch ein kleines Bübchen :
aber er hat mir die Geschichte mehr als einmal erzählt .
Ich scheue mich nicht , sie sogar einem großgünstigen Publikum vorzulegen :
denn , wie gesagt , ich Zimmere eine Komödie daraus , oder ich will nicht Walther heißen .
Sie soll auch gar nicht possenhaft , sondern recht ordentlich , recht gesetzt sein und Sie , mein junger Herr ! sollen , wenn die Sache glücklich abläuft , pro poena wieder nach Leipzig kommen .
Es war einmal ein Edelmann , der hatte ein junges Weib : ein Weib , das jeder lieb gewann , gleich schön an Seele und Leib .
Sappelot , was habe ich geschrieben ?
Das sind ja gar Verse !
Hilf Himmel , Walther !
Wirst du auf deine alten Tage ein Narr oder ein Poet ?
Es war einmal - Wahrhaftig es sind Verse !
Nun so bewahre mir der Himmel meinen Gasthof .
Ich habe immer gehört , die Poeten müßten schlechterdings arm sein :
So wird es wohl mit meinem bisschen Vermögen bald zu Ende gehen !
Aber mag_es !
Die Freude muß ich mir doch machen , die vier Verschen ordentlich hinzusetzen , damit ein jeder sieht , daß es wirklich Verse sind !
Es war einmal ein Edelmann , der hatte ein junges Weib :
Ein Weib , das jeder lieb gewann , gleich schön an Seele und Leib .
Wäre das nicht eine Fürstenlust , wenn ich die ganze Erzählung in Versen herausbringen könnte ?
Laß sehen ! zwei volle Jahre hatte er sie mehr , wie sich selbst geliebt :
Recht gut :
Aber wie nun weiter !
Geliebt - geübt - zerstiebt - betrübt !
Verzweifelt !
Hier will es schon nicht gehen !
Nun das erste das beste !
Noch hatte ihre Ehe nie ein Ehekreuz betrübt .
Betrübt will mir gar nicht gefallen : aber warum sind nicht mehr Reime auf geliebt !
Ein Bubenstück verübt wäre angegangen :
aber wie reimt sich der König Salomo und mein Gasthof ?
Allein , ehe sich_es ein Mensch versah , war alle Freude aus !
Hört , wie so plötzlich dies geschah und werdet weiser draus .
Das heißt mit einer Klappe zwei Fliegen totschlagen !
Ich brauchte einen Reim auf sah .
Halt , dachte ich : Du kannst ja eine Anrede an deine lieben Mitbürger hinzusetzen :
Eine gute Warnung ist nie überflüssig !
Gleich war der Reim da ! Einst legte sich die Edelfrau bei guter Zeit zur Ruhe .
Die holden Augen zu ! wäre wohl das gewöhnlichste :
aber ich weiß nicht - es behagt mit nicht so recht !
Ich will lieber so setzen :
Der Kopf tat weh der armen Frau :
Denn das hat die Edelfrau wirklich auf Treue und Glauben ausgesagt !
Darum legt sie sich zur Ruhe .
Aus zweien Übeln das kleinste !
Lieber mag sich die Edelfrau zweimal zur Ruhe legen , als daß sie nur einmal die holden Augen zutut .
Nach zehn -
Es wird nicht viel drüber gewesen sein - - kam der Mann erst nach , des Schreibens herzlich satt .
Was folgt daraus ?
Willkommen war ihm Schlafgemach und weiche Lagerstatt .
Nun , wahrhaftig !
Entweder ich bin behext , oder ich kann hexen .
In meinem Leben habe ich keinen Vers gemacht : und auf einmal fließen sie mir so schön von der Faust weg , wie dem Herrn Professor Gottsched , seliger .
Aber ich fürchte , es wird wohl nicht lange dauern !
Doch , als er eben schlafen will , rauscht etwas im Gemach .
Was ist das , schreit er ?
Ich wüßte nicht , wie er anders hätte schreien sollen :
Aber -
Nur noch 3 Silben !
Ei , Ei ! - schreit er ? -
Gleich ist_es still und läßt auf einmal nach .
glücklich ertappt !
Nicht nur die Verse , sondern , wo mir recht ist , sogar einen Kunstgriff bei dem Versemachen .
Wenn ein Reim fehlt , so muß man nur recht herzhaft ausholen - als wenn man mit einem Steine ein Nest auf dem Dache einwerfen wollte .
Gleich kommt der Reim !
Er horcht : Ganz natürlich !
Doch weil er nichts mehr hört , legt er sich auf sein Ohr : Ein anderer würde gesagt haben , auf seine Ohren : aber , wo ich nicht meinen Verstand verloren habe , so kann man sich nur auf ein Ohr legen .
Ob es übrigens , das rechte oder linke gewesen , mögen die Herren Rezensenten mit einander ausmachen Und auszuschlafen ungestört nimmt er sich ernstlich vor .
Aber hier ist meine Kunst zu Ende !
Ich bringe keine Zeile weiter heraus und ich bin auch für diesmal mit mir selber mehr als zu wohl zufrieden .
In einem Atem - ist das übrig genug !
Den Rest will ich schon nachholen , wenn ich einmal ein Glas Wein getrunken habe .
Jetzt will ich nur auf einen gescheuten und vernünftigen Titel miner Komödie denken .
Ich dächte unmaßgeblich :
Die unschuldige Ehebrecherin oder Viel Lärmen um Nichts . die Personen sind :
Der Edelmann und seine Frau !
Er ist tot und ich könnte also seinen Namen immerhin nennen :
aber ich will doch lieber einen erdichteten Namen annehmen .
Er mag Taubenhain heißen !
Also : Der Herr von Taubenhain .
Die Frau von Taubenhain .
Johann , der Bediente des Herrn von Taubenhain .
Lottchen , das Kammerkätzchen der Frau von Taubenhain .
Nun mein Vater !
Gott gebe ihm heute einen guten Tag !
Es war ein braver Mann , bis auf ein paar kleine Narrheiten , von denen kein Mensch frei ist .
Ich denke , es ist keine Sünde dabei , daß ich ihn in einer Komödie vorkommen lasse !
Hat er doch nichts Böses darin vor , wie der geneigte Leser bald sehen wird .
Also : Herr Walther , der Gastwirt und Marthe , seine Magd .
Das sind die Personen alle , die nun ihr Spiel zusammen machen sollen .
Der Schauplatz ist oben auf meinem Saale , und damit der geneigte Leser sogleich auf demselbigen , wie zu Hause ist , so will ich einen kleinen Grundriß davon beifügen .
Nummer 1 bedeutet das Zimmer , wo die gnädige Frau mit ihrem Kammerkätzchen logiert .
Grade gegen über , auf Nummer 2 logiert der Herr von Taubenhain mit seinem Kammerdiener .
Nummer 3 ist ein Tisch , nebst einigen Stühlen .
Nummer 4 ist eine Klingel , die an die Wand befestiget ist und unten herab geht .
Mein Vater , der ein sehr ordentlicher Mann war , hat sie bloß für die Fremden machen lassen .
Nummer 5 geht die Treppe herab .
Die Geschichte trug sich gerade in der Ostermesse zu und ich weiß es noch recht wohl , wie ich vor der gnädigen Frau und dem gnädigen Herrn meine kleine Mütze abnahm , als sie sich auf die Rückreise nach ihrem Gute machten .
Früh , um die Zeit , wenn die Fremden aufzustehn pflegen , ging der Tanz los .
Lottchen und Johann machten den Anfang , so wie ich ihn jetzt mache .
Erster Auftritt .
Lottchen und Johann .
Lottchen , ( ein hübsches ordentliches Mädchen , wie mir mein Vater immer sagte , die gar nicht so naseweiß war , wie die anderen Kammermädchens ) kommt aus ihrem Zimmer und geht nach der Klingel .
Es versteht sich , nicht ohne Ursache : Sie will für ihre Herrschaft Kaffee herausklingeln .
Johann kommt in eben der Verrichtung aus seines Herrn Zimmer und klingelt auch .
Ganz natürlich kriegen Johann und Lottchen einander zu sehen :
sie machen aber beide große , große Augen , stehen da , wie die Narren , und wundern sich halb zu Tode .
Wenn das vorbei ist , fangen sie folgendes Gespräch an :
1. Wie ist mir ?
Wen sehe ich ?
Wache ich oder träume ich ?
Johann !
Mein lieber Johann !
J.
( fällt Lottchen vor Freuden in die Armen , und tut , als ob er sie tot drücken wollte ) Mein liebstes Lottchen !
Mein allerliebstes Lottchen !
Finde ich Dich endlich wieder , nachdem ich Dich ein ganzes , langes , halbes Jahr nicht mit einem Auge gesehen habe ?
( Nun stößt er eine ganze Menge Fragen in einem Odem hinter einander aus .
) Sage mit nur , wo kommst Du her ?
Was machst Du ?
Hast Du mich auch noch lieb ?
Ist Deine Frau bei Dir ?
Bist Du schon lange hier ?
Wirst Du noch lange hier bleiben ?
( Nun wieder in die Armen gefallen ) Mein allerliebstes Lottchen !
1.
Lieber Johann !
Laß mich nur vor Verwunderung zu mir selber kommen .
Sage mir doch wie kommst denn Du hierher ?
J.
Wie sonst , als mit meinem Herrn ?
L.
Wo ist denn Dein Herr ?
J.
Hier in diesem Zimmer .
Aber , mein liebes Herzens Lottchen , wie kommst denn Du hierher ?
L.
Je mit meiner Frau .
J. Wo ist sie denn ?
L.
Hier in diesem Zimmer. J.
Das ist zum Totwundern , zum Totwundern !
L.
Nun , sage mir nur , was macht denn Dein Herr ?
J.
Der liegt noch in tiefem Schlafe .
Wir sind gestern Abend um zehn angekommen und der närrische Kerl vom Wirte hat uns mit seinem infamen Trödeln nicht eher schlafen gehen lassen , als um Mitternacht. L .
Aber , wo habt ihr denn das ganze halbe Jahr gesteckt ?
J.
Allenthalben , liebes Lottchen !
Allenthalben .
Wir sind gewesen in Potsdam , in Berlin , in Dresden , die kleinen Nester ungerechnet und nun kommen wir nach Leipzig zur Ostermesse. L .
Aber , mein Gott !
Johann , was hat denn Deinen Herrn bewogen , meine brave , rechtschaffene Frau so lange Zeit zu verlassen und mit Dir in der Welt herumzuschwärmen ?
J.
Ja , das mußt Du mich nicht fragen , liebes Lottchen !
Du weißt ja , wie er ist .
Man kriegt ja nichts aus ihm heraus , man mag_es anfangen , wie man will .
So viel habe ich wohl gemerkt , daß ihm etwas in dem Kopfe stecken muß , was ich nicht darin haben möchte .
L.
Nun , was denn ?
J. O Du kannst es gar nicht glauben , wie melancholisch er jetzund ist .
Seitdem wir von euch weg sind , sind wir doch , Gottlob ! in allen möglichen Gesellschaften herumgelaufen .
Wir haben keinen Ball , kein Konzert , keine Oper , keine Komödie versäumt .
Wie sind Dir alle Tage in einem Fiaker Strass auf , Strass ab gefahren , daß es gerasselt hat .
Wir haben Dir alle Paläs in Berlin und Potsdam inwendig und auswendig besehen .
Alle das Zeug , ich weiß selbst nicht , wie es heißt , die Bildergalerien und die Naturalienkabinette und - kurz alles , alles haben wir begafft : allein das hat bei meinem Herrn alles nicht das geringste geholfen .
So lange er unter fremden Leuten ist , so lange geht es noch zur Not : allein so bald er allein ist , so geht das liebe Leben an .
Da sitzt er und sieht immer auf einen Fleck vor sich hin .
Er spricht nicht ein Sterbenswort und wenn er ja einmal eins herausstößt , so ist_es , als ob man die leibhaftige Verzweifelung sprechen hörte ; und - das ist nun wahrhaftig zum Erbarmen , was er seufzt !
Das geht nur immer ( Es ist Jammerschade , daß ich_es nicht mit Buchstaben ausdrücken kann , wie Johann seinem Herrn nachgeseift hat .
Nachmachen kann ich_es ganz unvergleichlich , ohne mich zu rühmen .
) 1. Und Du hast noch Mitleiden mit ihm ?
J.
Ja wohl !
Wenn er seufzt , so gibt es bei mir allemal ein Echo .
L. ( böse ) Das Echo würde bald schweigen . wenn Du meine arme , abgemergelte Frau sehen solltest .
Sie sieht sich gar nicht mehr ähnlich :
so sehr hat sie der Gram und der Kummer angegriffen .
Sie hat so viel Tränen geweint , daß Dein Herr der unglücklichste Mensch auf dem ganzen Erdboden sein müßte , wenn sie alle mit einander um Rache schrien .
J. ( wundert sich ) Um Rache ?
Was willst Du denn mit der Rache ?
Ist es denn ein Verbrechen , einmal ein halbes Jährchen von Hause wegzubleiben und sich in der großen Welt umzusehen ?
L.
Also weißt Du gar nicht das geringste , was Dein böser , gottloser Herr - J. ( fällt Lottchen hitzig in die Rede )
Was sagst Du , Lottchen !
Mein böser , gottloser Herr ?
L.
Ja , Dein böser , gottloser Herr !
Er hat meiner Frau weiß gemacht , er müßte einen von seinen Anverwandten in Thüringen besuchen : Höchstens in 14 Tagen wollte er ganz gewiß wiederkommen .
Ich habe den Abschied nicht mit angesehen :
Aber meine Frau klagte es mir gleich nach eurer Abreise , daß ihr Gemahl so kaltsinnig gegen sie gewesen wäre , daß er sich ordentlich hätte zwingen müssen , ihr den Abschiedskuß zu geben , daß er mit einem zornigen und verächtlichen Blicke fortgegangen wäre , der ihr in der Seele weh getan hätte .
Du kannst Dir leicht vorstellen , wie wir die 14 Tage zugebracht haben .
Ich hatte alle Mühe von der Welt meine Frau nur so halb und halb zufrieden zu stellen .
Ich machte ihr weiß , ihr Gemahl hätte ganz gewiß in Thüringen verdrußliche Geschäfte abzutun , von denen er ihr mit allem Fleisse nichts hätte sagen wollen , um sie nicht zu betrüben .
Gnädige Frau , sagte ich :
Machen Sie sich nur gar keine Sorge .
Der Herr von Taubenhain wird schon zu rechter Zeit wiederkommen .
Nun waren die 14 Tage um .
Meine Frau wartete mit Schmerzen auf ihren Gemahl :
aber ihr kamt nicht .
Ich speiste sie immer wieder mit leerer Hoffnung ab .
Schon wieder 14 Tage vorbei und ihr kamt noch nicht .
Ach , nun wollte meine Frau verzweifeln .
Es war alles vergebens , ich mochte sagen , was ich wollte .
Sie fiel in eine hitzige Krankheit und mehr als zwanzigmal ( Hier mag wohl Lottchen ein bisschen dazu geweint haben ) dachte ich , sie würde ihren Geist aufgeben müssen .
J. Arme Frau !
Armes liebes Lottchen !
L.
Ja , Gott weiß , was wir ausgestanden haben .
Ich mußte in ihrem Rahmen nach Thüringen schreiben :
aber da war kein Herr von Taubenhain zu hören und zu sehen .
Ich schrieb an alle Anverwandte , wo nur irgend eine Möglichkeit da war , daß ihr euch hättet aufhalten können :
Aber auch nicht eine Silbe Nachricht .
Nun stelle Dir einmal vor , Johann , wie mir zu Mute sein mochte , wenn ich ihr alle die leeren Briefe vorlesen mußte J. Sage mir nichts mehr , Lottchen !
Es geht mir schon durch Mark und Bein :
Aber Deine Frau ist doch nun wider gesund ?
1. Sie denkt es , die gute Frau :
aber sie ist es wahrhaftig noch nicht .
Der Dokter sagte ihr ein , zwei , dreimal :
Gnädige Frau !
Ich bitte Sie , halten Sie sich ja noch einen Monat oder ein paar zu Hause !
Die Frühlingsluft ist schädlich !
Allein sie ließ sich nicht halten .
" Ich muß sort !
Ich muß meinem Taubenhain nach !
Ich muß ihn wiederhaben , und wenn ich ihn in allen Enden der Erden auch suchen sollte !
Du mußt mit , Lottchen !
Wir wollen nach Leipzig !
Vielleicht ist er da !
" J.
Nun so möchte ich doch ewig wissen , was meinem Herrn in seinen - bald hätte ich gesagt , tollen Kopf gefahren ist , daß er eine so brave , rechtschaffene Frau im Stiche läßt .
Höre , Lottchen !
Ich bin kein Kavalier :
aber wenn aus uns beiden noch ein Pärchen wird , so schwöre ich Dir im voraus auf Kavalierparole :
In meinem Leben lasse ich Dich nicht im Stiche !
Es wäre denn , daß Du mir - ( Hier macht Johann auf der Stirn ein gewisses Zeichen , vor dem der Himmel einen jeden christlichen Ehemann bewahren möge !
) Du verstehst mich wohl ! -
Halt , Lottchen !
Mir fällt was ein ! -
( heimlich ) Sollte nicht etwan Deine Frau - ich meine nur so - L. Schweige , wenn Du mich lieb hast , und unterstehe Dich nicht meine Frau in einen so miederträchtigen Verdacht zu ziehen .
Ich kenne sie und ich setze den Augenblick mein Leben für ihre Tugend zu Pfande. J. Ei , Ei , Lottchen !
Das ist viel gewagt .
1. Genug , ich habe Proben. J.
Das glaube ich gut und gern !
Ich habe immer nichts als gutes an ihr gesehen und von ihr gehört und ich wollte selber darauf schwören , daß sie hundert Meilen im Umkreise die beste Frau eines Mannes ist :
Aber - L. ( fein höhnisch ) Höre , Johann !
Nun merke ich , daß Du gereist bist .
J. Ja , das bin ich , Lottchen ! zwar eben nicht allzuweit :
aber ich habe doch manches gesehen und gehört .
Glaube mir , der Schein betrügt oft ganz verzweifelt !
Deine Frau L. ( ärgerlich ) Du kränkst mich , Johann !
In der Seele kränkst Du mich , wenn Du so sprichst .
Ich schwöre Dir_es zu :
Meine Frau ist nicht nur treu , sondern ein wahrhaftiges Muster der Treue .
O was würde sie sich für ein Gewissen daraus machen , einem jeden anderen , außer ihrem Gemahle , nur so viel zu erlauben .
Siehst Du , Johann , so habe ich sie zwei ganzer Jahre lang kennen lernen und ich müßte entweder ganz blind oder meine Frau müßte ein Teufel in menschlicher Gestalt sein , wenn ich mich irren sollte .
Du weißt es ja selbst , wie zufrieden und vergnügt die beiden Eheleute seit ihrer Heirat miteinander gelebt haben !
Es war ja nur ein Herz und eine Seele !
Aber auf einmal , ehe man eine Hand umdreht , hat alle Freude ein Ende .
( noch ärgerlicher ) So sage doch , wer ist denn sonst daran Schuld , als Dein böser , gottloser Herr ?
J.
( wirft sich in die Brust und gibt sich ein Ansehn )
Sei stille Lottchen ! und sprich mir nicht so .
Mein Herr ist ein braver , rechtschaffener Kavalier !
So habe ich ihn auf unserer Reise kennen gelernt .
Hätte er seine Gemahlin deswegen verlassen , weil er sie satt wäre :
O was hätte er nicht allenthalben für herrliche Gelegenheit gehabt , seinen Appetit zu stillen .
In Berlin , Lottchen !
da gibt_es Mädchen -
O es geht gar nichts drüber !
Und das sind rechte gutherzige Mädchen - Sie sind gar nicht so närrisch stolz und widerspenstig , als wohl an anderen Orten .
Aber ich sage Dir , Lottchen !
Mein Herr hat keine mit einem Finger angerührt .
Ich habe es mit meinen Augen gesehen , daß große , vornehme Damen - und Damen , ja bei meiner Treue ! aufs allerwenigste so schön , wie Deine Frau :
die haben ihm nachgestellt , aber er hat sie schmachten lassen .
L. O freilich !
Was ist Dein Herr nicht alles für ein Mann !
J.
Nun kurzum , Du magst denken und sagen , was Du willst :
Mein Herr ist doch ein braver , rechtschaffener Mann , dem kein Mensch auf Erden was Böses nachsagen kann - L. Ausser daß er seiner Frau davon gelaufen , und sie in das größte Elend gestürzt hat .
Johann , Johann !
Bald werde ich aus einem anderen Tone mit Dir sprechen , wenn Du ein solches Verbrechen noch länger vertheidigest. J .
Werde nur nicht böse , liebes Lottchen !
Du verteidigst ja auch Deine Frau .
L.
Ich müßte ein niederträchtiges Mensch sein , wenn ich sie nicht verteidigen wollte .
J.
Und ich ein niederträchtiger Kerl , wenn ich meinen Herrn nicht verteidigen wollte .
L.
Das ist nicht auszustehn !
J.
Laß es nur gut sein , Lottchen !
Nun muß die Sache bald ans Tageblicht kommen .
Sobald ich zu meinem Herrn sage :
Die Frau von Taubenhain ist da , so muß es sich gleich auf seiner Stirn zeigen , wie die Kommerkien stehen .
Sage Du_es nur Deiner Frau : Oder soll ich_es ihr etwan selber sagen ?
L.
Nein , Johann ! das ist meine Sache .
Ich werde ohnehin das Ding sehr gescheut anfangen müssen :
Sonst könnte es leicht kommen , daß meine Frau vor allzugroßer Freude wieder krank würde .
Ich werde -
( Sie tut , als ob sie sich worauf besinnt ) Doch ich will schon sehen , wie ich es mache .
Adieu , Johann !
( Sie wirft ihm einen Kuß zu )
J. Nein , Nein , Lottchen !
Solche Küsse statuiere ich nicht .
Ich muß solche haben .
( Er gibt ihr einen ) Adieu !
Mache Deine Sache gut .
( Lottchen geht ab und so ist der erste Auftritt glücklich zu Ende .
Freilich ist er ein wenig lang :
Aber wer kann sich helfen ?
Wenn nun die Leutchen einander so viel zu sagen haben !
) Nun :
Der zweite Auftritt .
Johann allein .
( Es kann nicht fehlen , er muß noch dies und jenes in den Bart gemurmelt haben , ehe er zu seinem Herrn gegangen ist und das kann nichts auf der Welt gewesen sein , als was nun folget :
) Nun , das nenne ich doch Fata !
Kauderwelscher , als ich sie das ganze halbe Jahr gehabt habe .
Hier ist der Mann !
Dort ist die Frau !
Er ist jung : Sie ist auch jung !
Er ist reich : Sie ist auch reich !
Er ist schön : Sie ist noch schöner !
Er hat sie lieb : Sie hat ihn noch lieber !
Er ist ihr treu : Sie ist ihm noch treuer !
Und dennoch ist er ihr fortgelaufen und sie kommt ihm nachgereist !
Er ist unglücklich und sie ist unglücklich .
Er ist an der Seele krank und sie an Leib und Seele zugleich !
Das reime mir eine Christenseele zusammen .
Ich bin nur neugierig , wie sich mein Herr anstellen wird , wenn ich zu ihm sagen werde :
Die Frau von Taubenhain ist hier !
Das bin ich nur neugierig !
( Johann geht ab .
) Nun ist der Saal leer und nun ist es auch gerade die allerhöchste Zeit , daß der Kaffee gebracht wird .
Im Dritten Auftritte erscheinen also Walther und Marthe .
Nun denke ich doch , ein hochgeneigtes Publikum wird mir zutrauen , daß ich meinen Vater gekannt habe ; und auch meines Vaters Magd , das gute , ehrliche Tier !
Von diesem Auftritte wird es also nichts ganz schlechtes erwarten .
Also - Mein Vater kommt mit Marthen die Treppe herauf .
Es versteht sich , daß er vorangeht :
Denn so gebührt und geziemt es sich .
Marthe folgt ihm mit zwei Kaffeservicen nach ; eins für den gnädigen Herrn , das andere für die gnädige Frau. W.
Da setze hin auf den Tisch !
( Auf Nummer 3 )
Hübsch neden einander !
Ordentlich !
Wie es sich gebührt und geziemt ! M. J. Herr Walther !
Sie werden sich ja nicht mit dem Kaffezeuge schleppen .
W. Höre , Marthe !
So mußt Du nicht reden .
Du verstehst den Kuckuck , was zur Ordnung gehört und was sich gebührt und geziemt .
Vornehme Leute muß der Wirt selbst bedienen !
Merke Dir das , Marthe !
Es gehört zur Ordnung und Ordnung hilft Haushalten. M.
Ich möchte aber gern die gnädige Frau in diesem Zimmer sehen !
Lassen Sie mich nur das Kaffezeug hereintragen .
W. Du sollst aber nicht , sage ich Dir !
Das wäre schöne Ordnung , wenn Leute von Stande von einer Magd sollten bedient werden. M.
Wenn_es weiter nichts ist !
W .
Nun , kurzum , es gebührt und geziemt sich nicht !
Mache , daß Du fortkommst , damit Dich niemand auf dem Saale zu Gesichte kriegt ! M.
Aber , Herr Walther !
Wenn ich Sie nun recht sehr bitte !
Ich habe gestern Mittag die gnädige Frau so halb und halb gesehen und wenn ich nicht , Gott verzeih mir_es ! den Star gehabt habe , so ist_es richtig die Frau von Taubenhain .
W. Wer ? M.
Je , die Frau von Taubenhain , meine gewesene Frau. W. Das wäre ! M.
Darum eben , Herr Walther ! möchte ich gern hinein , damit ich es gewiß weiß .
W. Ja , Marthe - Das wird schwerlich angehen ! M.
Was wird_es nicht angehen ?
Ein Gesinde wird ja wohl seine gewesene Herrschaft besuchen können !
Lassen Sie mich nur !
( Sie will nach dem Kaffezeuge greifen :
aber da kommt sie schön an !
) W .
Nun nicht so hitzig , Marthe !
Nur erst die Sache gehörig überlegt und erwogen , wie es sich gebührt und geziemt !
Wenn sie es nun nicht wäre und du kämst nun so , wie Du da bist , ins Zimmer der gnädigen Herrschaft hereingetappst !
Mein ganzer Gasthof käme in Schimpf und Schande !
Da würde es heißen :
Der Walther ist doch ein rechter alter Esel !
Er versteht nicht einmal , was sich gebührt und geziemt. M.
Das ist doch ein ewiges Gebühren und Geziemen .
W.. Marthe , sprich mir nicht so naseweiß !
Du bist Gesinde und ich bin Herrschaft und es gebührt und geziemt sich durchaus nicht , daß ein Gesinde mit seiner Herrschaft so spricht .
Wenn Du es gewiß weißt , daß es die Frau von Taubenhain ist - M. ( verstellt sich ) Ja , Herr Walther !
Ich weiß es gewiß !
W. Du sagtest ja aber , Du wolltest erst sehen ! M. Nein , Nein , Herr Walther !
Ich habe mich nun besonnen .
Es kann kein Mensch auf Erden sein , als die Frau von Taubenhain .
Lassen Sie mich nur !
( Sie greisst wider nach dem Kaffezeuge :
aber es wird nicht statuieret .
) W. Je willst Du Dich den Augenblick trollen ?
Du sollst mir gleich heruntergehen und Dich vom Kopfe bis auf die Füße ordentlich anziehen , wie es sich gebührt und geziemt .
Hernach sollst Du zu mir kommen und wenn ich sehe , daß alles recht sitzt , denn will ich einen Kniff machen , Marthe !
Der soll sich gewaschen haben. M.
Nun ?
W .
Denn will ich zur gnädigen Frau gehen und fragen , ob sie untertänigst etwas zu befehlen hat. M.
Das ist ein rechter Kniff !
W. J Du dumme Marthe , so höre doch nur !
Jetzt kommt das Kniffige erst recht !
Siebst Du ?
Wenn hernach die gnädige Frau sagt : Ja , Herr Wirt !
ich habe dies und das und dies und jenes zu befehlen , so mache ich einen tiefen Reverenz und sage :
Aber , gnädige Frau , darf ich mich wohl untertänigst unterstehen , Ihnen dies und das und dieses und jenes durch meine schlechte Magd zu übersenden ? M.
Was ?
Ich wäre eine schlechte Magd ?
Geben Sie mir mein Lohn , Herr Walther !
Ich mag nicht mehr bei Ihnen dienen .
Wenn ich Ihnen zu schlecht bin , so sind sie mir auch zu schlecht .
W. ( fängt mächtig an zu lachen ) Haha !
Nun das ist zum Totlachen , zum Totlachen ! -
( Auf einmal aber nimmt er sein herrschaftliches Wesen an )
Aber Marthe !
Ein Wort im Ernste .
Schämst Du Dich denn nicht , daß Du es noch nicht einmal besser weißt , was sich gebührt und geziemt ?
Es geht nun schon in den siebenden Monat hinein , daß Du bei mir Dienst .
Es ist ja wahrhaftig Sünde und Schande ! M.
Kurz und gut , wenn ich Ihnen zu schlecht bin , so sind Sie mir auch zu schlecht - Daß Sie es nur wissen !
Ich kann zehn Herrschaften kriegen .
W. Marthe , Marthe , Je so sei doch nur gescheut und besinne Dich !
Wenn Du nun z. E. der gnädigen Herrschaft den Kaffee bringen solltest : wolltest Du denn so grob sein und gerade zu sagen :
Da ist der Kaffee ! M. J warum denn nicht ?
W .
Das ist zum Tollwerden !
O Du ungelehriges , ungeschicktes Mensch Du ! M.
Wie soll ich denn sagen ?
W. Schlecht sollst Du sagen !
Mit einem schlechten Kaffee !
Mit einem schlechten Butterbrote !
Mit einem schlechten Nachtlager !
Mit einer schlechten Suppe . M. Gut , daß ich das weiß .
Wenn mich also jemand fragt : Marthe , wo Dienst Du ?
So werde ich sagen , bei einem schlechten Gastwirte .
( Sie will vor Lachen bersten .
) W .
Das ist nun wieder ein anders .
Siehst Du , Marthe , das hängt so zusammen !
( Beiseite )
Das ist ein vertrackter Streiche ! ( Laut ) Lache nur nicht so , Marthe , sage ich Dir !
Das gebührt und geziemt sich durchaus nicht .
( Er hält ein wenig inne : aber Marthe lacht immer fort ) Höre , Marthe , ich werfe Dich den Augenblick die Treppe herunter , wo Du Dich nicht packst .
( Marthe lauft fort : Drauf spricht er für sich )
Die Here die !
Hätte sie mich nicht bei einem Haare mit meinen eigenen Worten geschlagen !
( Nun greift er endlich nach dem Kaffee , der ganz gewiß schon eisekalt ist :
aber das war nun einmal seine Art so !
Wenn er in das Kapitel von dem Gebühren und Geziemen kam , so konme er sich nie wieder herausfinden .
Auch jetzund trägt er das Kaffezeug noch nicht ins Zimmer , sondern setzt es gleich wieder weg , weil ihm was einfällt ) Blicks !
Das ist ein fataler Streiche !
( Er schreit die Treppe herunter ) Marthe !
Marthe ! M. ( kommt zurück ) Nun , was gibt_es ?
W. Höre , Marthe !
= ( Pumps ! da fällt ihm noch was ein )
Daß Dich der Kuckuck !
Noch einen dummen Streiche !
Gehe mir den Augenblick wieder herunter !
( Marthe geht fort oder brummt fort , wie man es nennen will .
Kaum aber ist sie die Treppe herunter , so geht mein Vater an die Klingel und klingelt Marthen wieder herauf !
War ich nicht ein rechter Esel !
( spricht er unterdessen bei sich selbst )
Da hängt die Klingel und ich denke nicht einmal dran ! M. ( kommt zurück ) Nun , der Henker !
was ist es denn schon wieder ?
W. Marthe , sprich mir nicht vom Henker , oder es wird nicht gut .
Du hast ohnehin noch etwas bei mir im Fasse :
Warum kamst Du denn , als ich Dich rief ? M.
Nun so höre nur eine Christenseele , was das für eine Frage ist !
Je eben darum kam ich , weil ich Sie schreien hörte .
W. Du hättest aber nicht so dumm sein und kommen sollen .
Ich habe Dir_es schon hundertmal gesagt und nun sage ich Dir_es zum hundert und erstenmal :
Wenn jemand klingelt , so sollst Du kommen !
Sonst aber nicht :
Denn dazu ist die Klingel und so gebührt und geziemt es sich in einem ordentlichen Gasthofe !
Es war auch ein dummer Streiche von mir , daß ich Dich rief :
aber ich hatte wichtigere Dinge im Kopfe - Höre , Marthe ! weißt Du nicht , wer vorhin zuerst nach dem Kaffee geklingelt hat , der Herr oder die Dame ? M.
Was weiß ich_es !
W .
Das habe ich wohl gedacht , daß Du es nicht wissen würdest .
Es hat mir geschwant !
Da Sitze ich nun zwischen zwei Stühlen und weiß nicht , was ich tun oder lassen soll. M.
Je , so geben Sie nur der gnädigen Frau den Kaffee zuerst !
W .
Aber wenn nun der gnädige Herr zuerst geklingelt hätte .
Da würde was schönes herauskommen .
Das ist ein verdammter Streiche !
Mir ist Himmelangst !
Ich wüßte nicht , was ich darum gäbe , wenn ich_es erfahren könnte , wer zuerst geklingelt hat !
( Er schweigt einen Augenblick still und wischt sich unterdessen den Angstschweiß vom Gesichte ) Höre , Marthe !
Ging die Klingel das erstemal sehr stark ?
( Mein Vater denkt die Sache auf eine recht kniffige Art herauszubringen : denn denkt er , das Kammermädchen muß doch wohl ehrbarer und leiser klingeln , als der Kammerdiener .
Aber Marthe , die des ganzen Krames satt hat , führt ihn doch irre ) M. ( ärgerlich ) Ja freilich !
W. O so ist es des Herrn Bedienter gewesen !
Ja , Ja , der ist es gewesen .
Nun bin ich auf einmal aus aller meiner Noth. Habe Dank , Marthe , daß Du mir drauf geholfen hast !
Ich will Dich auch bei der gnädigen Frau anmelden .
Mache nur , daß Du Dich anziehst !
Fix !
Hurtig !
( Marthe geht ab .
) In Parendesis !
Nun sind die ersten drei Auftritte vorbei und doch ist der Herr und die Frau von Taubenhain noch nicht zum Vorscheine gekommen .
Aber nur Geduld !
Alles zu seiner Zeit !
Sie haben sich alle beide erst aus den Federn gemacht : Sie werden nun bald kommen .
Vierter Auftritt .
Walther und Johann .
( Walther nimmt nun das eine Kaffeezeug und weil ihm das Maul nimmer stille steht , so murmelt er unterwegs , als er nach dem Zimmer des Herrn von Taubenhain zugeht , folgendergestalt : ) Bei einem einzigen Haare hätte ich im üblen Ruf kommen können , daß ich nicht wüßte , was sich gebührte und geziemte :
Denn wer zuerst geklingelt hat , muß zuerst bedient werden , es mag Herr oder Dame sein .
( Das habe ich noch vergessen zu sagen , daß mein Vater , mit der Mütze unter dem Arme und üverhaupt mit vielen Zeremonien auf das Zimmer des Herrn von Taubenhain zugeht .
Er klopft sehr ehrerbietig an und Johann öffnet die Türe )
Mein lieber Herr Kammerdiener !
Hier nehme ich - J. Gebe er nur her !
Hurtig !
Hurtig !
( Er nimmt den Kaffee , trägt ihn ins Zimmer und macht die Türe hinter sich zu ) W. zu untertänigstem Befehle !
( betroffen ) Es soll nicht viel fehlen , so bin ich in Ungnade gefallen , daß ich den Kaffee nicht eher gebracht habe :
Aber was kann denn ich davor ?
Hätte die dumme Marthe gewußt , was sich gebührte und geziemte , so hätte ich ihr nicht to lange den Text lesen dürfen !
Da gehe hin , Marthe , und mache es mit dem gnädigen Herrn aus .
Ich wasche meine Häute in Unschuld !
Doch ich muß nur machen , daß ich nicht ano dem Regen in die Traufe falle !
Fünfter Auftritt .
Walther , Lottchen und die Frau von Taubenhayn. W.
( Er geht mit dem anderen Kaffezeuge und mit noch größeren Zeremonien an das Zimmer der Frau von Taubenhain und klopft an .
Lottchen macht auf .
) Ich nehme mir die Freiheit , Ihre Gnaden untertänigst mit einem schlechten Kaffee aufzuwarten .
L. Gebe er nur her , Herr Wirt !
W. ( zur Frau von Taubenhain , die er durch die offene Türe ins Zimmer erblickt ) Haben Euer Gnaden sonst noch was zu befehlen ?
Fr. v. T. ( im Zimmer ) Ein wenig Morgenbrot !
W. zu untertänigstem Befehle .
Aber ( hier fällt es ihm ein , was er Marthen versprochen hat ) Darf ich mich wohl unterstehen , denselben für diesmal mein schlechtes Morgenbrot durch meine schlechte Magd zu übersenden ?
F. v. T.
Das ist einerlei !
W .
Nun so werde ich gleich die Ehre und das Glück haben , Denselben untertänigst aufwarten zu lassen .
Fr. v. T. Keine Komplimente ( Sie tritt an die Türe ) W .
Zu Deren untertänigstem Befehle .
( Er geht rücklings , wie ein Seiler , doch mit etwas mehr Komplimenten ab. ) Sechster Auftritt .
Lottchen und die Frau von Taubenhain .
( Da ist sie ja schon !
Aber ich muß wohl bekennen , daß mir für diesem Auftritte etwas bange ist .
Edelmännisch kann ich sprechen : darauf pariere ich :
Aber Edelweibisch - das habe ich noch nicht versucht !
Je nun - wir wollen sehen !
Ein großgünstiges Publikum erinnere sich nur an das , was Lottchen im ersten Auftritte zu Johannen sagte :
Sie würde ihrer Frau die Ankunft ihres Gemahls auf eine sehr listige Art beibringen müssen .
) L .
Sehen Sie , gnädige Frau !
da wohnt der fremde Herr , ( Sie zeigt auf das Zimmer des Herrn von Taubenhain ) der Ihnen von Ihrem Gemahle Nachricht geben wird .
Hier auf diesem Flecke habe ich seinen Bedienten gesprochen !
F. v. T .
Dem Himmel sei Dank ! tausendmal Dank , daß ich meinem Glücke so nahe bin !
Komme , liebes Lottchen !
Ich muß Dich noch einmal umarmen !
Du hast mir eine allzugute Nachricht gebracht .
Weißt Du denn wohl , daß ich nun wieder ganz gesund bin ?
Weißt Du das ?
1. Ich wünsche es von ganzem Herzen. Fr. v. T. Hm !
Bloß wünschen ?
Siehst Du es denn nicht ?
So sieh mich doch nur an !
Merkst Du wohl noch eine Spur von Gram auf meinem Gesichte ?
Fangen meine blassen Wangen nicht schon wieder an zu blühen ?
Bin ich nicht munter , vergnügt , fröhlich ?
Sage Lottchen !
L.
Ja , gnädige Frau !
Sie sind es : aber - vielleicht allzufrüh !
Fr. v. T.
Was sagst Du ?
1. Ich fürchte , ich fürchte - Fr. v. T. Du sollst aber nichts fürchten !
L. O wie gern wollte ich es : aber - Fr. v. T. Garstiges Lottchen !
Du bringst mich um meine ganze Freude .
( freundlich ) Oder spaßest Du etwan nur ?
Nicht wahr , Lottchen !
Du fürchtest nichte ?
Sieh mir einmal recht starr in die Augen .
( Lottchen tut es :
aber sie kann ihre Ängstlichkeit nicht verbergen und dieses macht der Frau von Taubenhain selber bange )
Lottchen !
Lottchen !
Was ist Dir ?
Was fehlt Dir ?
Warum siehst Du so ängstlich aus ?
Nun fürchte ich auch !
Sage !
Sage !
L.
Sie quälen sich auch gar zu gern !
Meine Augen - Ich wüßte nicht , daß sie jetzt ängstlicher aussehen sollten , als sonst !
Fr. v. T. Nein , nein , Du hast mich hintergangen !
Du hast mir nicht die reine Wahrheit gesagt !
Gestehe !
1. Sie machen mir Angst und bange , gnädige Frau !
Fr. v. T. ( mit einer weinerlichen Stimme )
Ja , ich merke nun schon !
Du hast traurige Nachrichten von meinem Taubenhain .
Es ahndet mir !
Du willst mir sie nicht sagen : aber Du sollst !
Du mußt !
Ach !
Ein neues Unglück !
Mein armer Taubenhain !
Was ist ihm begegnet ?
Gestehe es Lottchen !
Den Augenblick gestehe es !
L.
Ich bitte Sie um des Himmels Willen , gnädige Frau !
Beruhigen Sie sich !
Ihrem Gemahle ist nichts begegnet - wahrhaftig nichts .
Fr. v. T. Nein , Lottchen !
Nun glaube ich Dir_es nicht .
Wenn meinem Taubenhain nichts begegnet wäre , so würdest Du vorhin nicht so ängstlich ausgesehen haben. L .
Wenn ich Sie aber versichere , daß Ihr Gemahl so frisch und gesund ist , wie ich !
Fr. v. T. ( in einer freudigen Bestürzung )
Was sagst Du Lottchen !
Woher weißt Du das ?
Hat Dir das der Bediente gesagt ?
O wenn das wahr wäre , Lottchen !
Lottchen !
1.
Ja , gnädige Frau !
Es ist wahr .
Ihr Gemahl ist nicht nur frisch und gesund , sondern er ist auch nicht weit von hier .
Fr. v. T. ( außer sich ) Nicht weit von hier ?
Wo ist er ?
Wo ist er ?
Komme ! wir wollen ihm den Augenblick entgegen fahren !
Wir wollen ihn einholen !
L.
Aber , gnädige Frau !
Ich bitte Sie ums Himmels Willen : vergessen Sie es denn ganz und gar , was Ihnen Ihr Dokter befohlen hat ?
Sie sollen sich für allen starken Gemütsbewegungen in Acht nehmen , oder Sie sind ein Kind des Todes !
Fr. v. T.
Wie kannst Du mich doch jetzt mit dem Dokter quälen ?
Von meinem Taubenhain ist jetzt die Rede ! den sollst Du mir verschaffen !
Du weißt , wo er ist !
1.
Ja , doch , gnädige Frau !
Sie sollen ihn haben !
Ganz gewiß sollen Sie ihn haben :
aber nur unter einer Bedingung !
Fr. v. T.
Hier hast Du meine Hand , Lottchen !
Fordere , was Du willst !
Ich gehe alles ein !
Ich gebe Dir alles , was Du haben willst !
Brauchst Du Geld ?
Hier hast Du meine Börse !
Hier - L. Nichts von alle dem , gnädige Frau !
Sie müssen mir versprechen , daß Sie Ihre Freude mäßigen wollen .
Sie werden sonst wahrhaftig wieder krank !
F. v. T. Topp , liebes Lottchen !
( Sie gibt Lottchen die Hand ) 1. Aber Sie müssen auch gewiß Ihr Wort halten !
Fr. v. T. ( in der größten Hitze der Ungeduld )
Ja doch !
Ja doch !
L.
Nun noch eins , gnädige Frau .
Versprechen Sie mir , daß Sie Ihren Gemahl nicht eher sprechen wollen , bis - Fr. v. T. Bis wenn ?
Nein , Lottchen ! daß werde ich Dir nicht versprechen .
Das kannst Du nicht von mir verlangen !
L.
Glauben Sie wohl , gnädige Frau ! daß ich es von Herzen gut mit Ihnen meine ?
Fr. v. T. Ja , Ja , Du meinst es gut : aber eben darum mußt Du mir meinen Taubenhain auf der Stelle wiederschaffen .
L.
Aber sagen Sie mir :
Wäre es Ihnen nicht lieb , wenn Sie erst wüßten , wie er gegen Sie gesinnt ist ?
F. v. T.
Das weiß ich schon !
Mein Herz sagt es mir !
L.
Ach das Herz !
Fr. v. T. Nein Lottchen ! das meinige betrügt mich nicht !
Mein Taubenhain liebt mich gewiß noch !
Du wirst es sehen .
L. ( für sich ) So ist denn alles vergebens !
Fr. v. T. ( die das letzte Wort gehört hat ) Nein , Lottchen , es ist nicht vergebens : Nimmermehr vergebens !
L.
( die nun wohl einsieht , daß mit Ihrer Frau nichts anzufangen ist )
Nun wissen Sie was , gnädige Frau ?
So will ich Sie nur vor allen Dingen vollends ankleiden .
Hernach will ich sehen , daß ich den Bedienten noch einmal auffischen kann und hernach wollen wir - Fr. v. T. ( voller Freuden ) Meinem Taubenhain entgegenfahren ?
Meinem Taubenhain ?
L.
Nicht doch , gnädige Frau !
Fr. v. T. ( kehrt sich an nichts ) O Freude !
O Entzücken !
L.
Wir wollen ihm aber nicht entgegenfahren Er soll zu uns kommen !
Fr. v. T. ( bizig ) Nein , Lottchen ! durchaus nicht .
Wir wollen ihm entgegenfahren !
Wir wollen ihn einholen !
Bestelle nur den Wagen und mache , daß Du mit dem Bedienten sprichst .
Nur bleibe mir nicht lange weg !
Hörst Du , Lottchen ?
L.
( Hier will die Fr. v. T. gehen : aber Lottchen hält sie zurück ) Halten Sie doch , gnädige Frau !
Ich muß ja mit .
Ich muß Sie ja vollends anziehen .
Fr. v. T. Nein , nein !
Ich will mich allein anziehen !
Bleibe !
L. J Gnädige Frau !
Ich bitte Sie - Sie werden ja nicht !
. Fr. v. T.
Ich werde aber ! Dir zum Possen werde ich !
Wir wollen einmal sehen , wer am ersten fertig ist , ich oder Du. L .
Wenn Sie denn durchaus wollen !
Hier ist der Schlüssel !
Es liegt alles im Kabinette beisammen .
Fr. v. T.
Nur her , Lottchen !
Nur her .
Mache nur , daß Du mit dem Bedienten sprichst .
Hörst Du ?
L.
Ja doch !
Ja !
( die Frau von T. geht ab .
) Siebenter Auftritt .
Lottchen allein .
Was doch die Liebe für ein ausgelassenes , wunderliches , närrisches Ding ist !
Meine Frau freuet sich halb zu Tode und sie hat es wahrhaftig noch nicht Ursache .
Ich denke immer , es wird noch manchen harten Stoß setzen , ehe sich die arme Frau wird freuen können .
Der Himmel gebe nur - ( Lottchen hört ein Geräusch und erschrickt ) Was ist das ?
Was geht vor ?
( Sie horcht gegen das Zimmer des Herrn von Taubenhain ) Gott , was höre ich ?
( Sie geht furchtsam ein paar Schritte näher )
Was für ein Tumult !
( Noch näher )
Er geht zornig auf und nieder !
Er ruft !
( Sie prallt zurück .
) Achter Auftritt .
Lottchen und Johann. J. ( stürzt sich wie toll und rasend nach der Klingel : im zurückgehen sieht er Lottchen ) Bist Du da , Lottchen !
Ach , ums Himmels Willen !
L. Gott im Himmel !
Was soll das bedeuten ?
J.
Ach , ich habe es meinem Herrn gesagt , daß Deine Frau da ist .
Er will nicht einen Augenblick länger im Hause bleiben .
Er will fort .
Er will sie weder sehen noch sprechen .
Eben will er mit dem Wirte zusammenrechnen .
Er tobe und lärmt .
O hätte ich daß gewußt , ich hätte kein Wort gesagt .
L. Ach , das kostet meiner armen Frau das Leben .
J. Dem Himmel sei_es geklagt :
aber ich bin unschuldig ! wie die Sonne am Himmel - L. Gerechter Gott ! was will daraus werden ?
J.
Ich weiß es nicht :
Gott weiß es .
Aber , liebstes Lottchen !
Ich muß fort zu meinem Herrn : Ich soll und muß einpacken .
L.
Ich bitte Dich um alles in der Welt : Verlaß mich nicht !
Gib mir einen guten Rat , was ich anfangen soll !
J.
Ich kann nicht , Lottchen !
Ich kann nicht !
Ich muß fort .
Lebe wohl .
( Er geht ab .
) In Parendesis !
Ein hochgeneigtes Publikum wird nun wohl ersehen , daß das Lustspiel , was ich demselben geziemend übergebe , nicht zu den ganz lustigen gehört , sondern daß auch mit unter ein Tränchen vorkommt .
Ich hätte leicht unter dem Haufen von Geschichten , die sich in meinem Gasthofe ereignet haben , eine andere nehmen können :
aber ich weiß , mein junger Herr liebt das weinerliche , und da ich das ganze Ding bloß ihm zum Possen Aufsätze , so habe ich nicht umhin gekonnt , gerade die Geschichte von der unschuldigen Ehebrecherin zu nehmen .
Es folgt nun in der Reihe der : Neunte Auftritt .
Lottchen allein und hernach Walther. L. ( Nachdem sie ihrem Johann einige Augenblicke mit unverwandten Augen nachgesehen , schlägt die Hände über dem Kopfe zusammen ) Grosser Gott im Himmel !
( Nach einer kleinen Pause , mit heftigem Schluchzen ) Ach meine arme Frau !
Meine arme Frau !
Ich kann mich nicht vor ihr sehen lassen !
Ich kann sie nicht unter die Erde bringen !
( Unter diesen Reden taumelt sie bis an das Ende des Saales und wirft sich auf einen Stuhl )
Aber ist es nicht eben so schlimm , wenn ich sie in der Ungewißheit stecken lasse ?
Sie muß es ja doch erfahren !
( Nach einem kleinen Weilchen springt sie plötzlich auf )
Was tue ich ?
Gehe ich , oder bleibe ich ?
( Sie geht zitternd und bebend nach dem Zimmer ihrer Frau zu , bebt aber vor der Türe zurück ) Nein !
Es ist mir unmöglich !
Das Herz will mir vor Angst zerspringen :
Ich kann nicht :
( Sie geht zurück und wirft sich wieder auf den Stuhl )
Ach meine arme , unglückliche Frau !
( Sie springt wieder auf und weint bitterlich ) Sterben wird sie - Sterben !
( Indem hört sie meinen Vater die Treppe herauf kommen : Sie erschrickt )
Ach , es kommt jemand !
Ich kann mich nicht sehen lassen .
( Sie tritt an die Wand zwischen der Treppe und dem Zimmer des Herrn von Taubenhain .
) W .
( Er geht , ohne Lottchen zu bemerken , mit starken Kopfschütteln nach der Klingel )
Ei , Ei , Ei !
( Indem schleicht sich Lottchen hinter seinem Rücken die Treppe herab .
Mein Vater hört das Geräusch , kehrt sich um , erblickt sie noch und ruft ihr nach :
) Guten Morgen , guten Morgen , Jungferchen !
Wohlgeschlafen , ist mir_es lieb zu vernehmen .
Nun , will Sie ein bisschen frische Luft schöpfen ?
L.
( auf der Treppe )
Ja , Herr Wirt !
W .
Das ist mir lieb und angenehm : ( Jetzt kehrt er sich wieder um , fängt sein Kopfschütteln von vorne an und befühlt die Klingel oben und unten )
Aber , Monsieur Bedienter !
Höre er nur !
Das steht mir gar nicht an , daß er mir mit meiner Klingel so tölpisch umgeht .
Das gebührt und geziemt sich gar nicht , wenn er_es wissen will !
Er wird mir gewiß keine andere machen lassen und daß ich deswegen bei dem gnädigen Herrn klagen sollte , das gebührt und geziemt sich auch nicht .
Es wird wohl was sehr notwendiges sein !
Wir wollen doch hören . zehnter Auftritt .
Walther und der ( längsterwünschte ) Herr von Taubenhain .
W. ( er klopft an das Zimmer des Herrn von Taubenhain .
) Hr. v. T. ( kommt aus seinem Zimmer )
Ist er es , Herr Wirt !
Gut , ich habe ihn rufen lassen .
Mache er mir gleich die Rechnung .
Ich will fort .
W. ( der sich einbildet -
doch ich will nichts sagen .
) Ach , ich bin verloren !
Ich bin ein unglücklicher , geschlagener Mensch !
O haben Sie Gnade mit mir ! vergeben Sie mir !
Ich bin nicht Schuld !
Marthe ist an allem Schuld .
Ich habe es dem Mensch zehn , zwanzigmal gesagt :
Je so mache doch , daß der Kaffee fertig wird !
Aber sie trödelte immer in eins weg .
Lassen Sie mich_es und meinen Gasthof nicht entgelten , gnädiger Herr !
Ich will Ihnen meine Marthe ausliefern .
Sie mögen mit ihr machen , was Sie wollen :
Und wenn Sie ihr 50 Prügel geben lassen , es soll kein Hahn über sie krähen .
Hr. v. T. ( kurz und gut )
Er ist nicht gescheut !
W .
Ich kann es Ihnen nicht verdenken , gnädiger Herr ! wenn Sie auf mich schelten : aber ich schwöre es Ihnen hoch und teuer , daß bloß Marthe - Hr. v. T .
Er ist ein Narr , sage ich ihm !
Was geht mich seine Marthe an ?
Genug , ich finde es für gut , in einem anderen Gasthofe zu logieren .
Hat er was dawider einzuwenden ?
W. beileibe nicht , gnädiger Herr !
Das würde sich für mich sehr schlecht gebühren und geziemen .
Hr. v. T.
Nun so mache er die Rechnung !
W .
Den Augenblick ! zu hohem Befehle !
Also , daß ich mich unterstehe zu fragen :
Sind Euer Gnaden nicht auf meine Wenigkeit ungehalten ?
Hr. v. T. Nein !
W. Untertänigsten Dank !
Ich darf also auch nicht befürchten , daß Ihre Gnaden mich und meinen schlechten Gasthof in üblen Ruf bringen werden ; gleichsam , als wüßte unser einer nicht , was sich gebührte und geziemte !
Hr. v. T. Nein , sage ich ihm !
W .
Nun so hat alles seine Ordnung :
denn jede Herrschaft kann ihr Geld verzehren , wo sie will und es gebührt und geziemt sich nicht , jemanden aufzuhalten .
Ich weiß wohl , es gibt Gastwirte , die ihre Gäste respektive halb mit Gewalt zurückhalten :
aber das sind dumme Kerls , die nicht den Kuckuck verstehen , was sich gebührt und - Hr. v. T. zum Henker mache er , daß er fortkommt oder - W .
Ich gebe schon , gnädiger Herr !
Ich gehe schon .
Marthe soll mir den Augenblick nach Postpapiere laufen , damit ich die Rechnung wachen kann .
Ich werde doch noch Hamburger Federspulen im Vorrate haben !
Eilfter Auftritt .
Die Vorigen und Johann , der aus seines Herrn Zimmer einen Koffer geschleppt bringt .
W .
Nur her damit , Nur her damit !
Ich will ihn schon heruntertransportieren .
( Sie schleppen beide den Koffer bis an die Treppe .
) Herr Kammerdiener !
Nur eine kleine Frage .
Wie tituliert man denn den gnädigen Herrn ?
J.
Jetzt ist_es nicht Zeit , danach zu fragen .
W .
Nur ein kleines Augenblickchen , Herr Kammerdiener !
Nur ein ganz kleines !
Ich habe meine Schreibetafel bei mir .
Es ist um Ehre und Schande Willen !
Ich soll die Rechnung machen und da könnte ich leicht noch zu guter letzt in Ungnade fallen , wenn ich - J. Gehe er zum Teufel !
W. Ei , Ei , das gebührt und geziemt sich gar nicht , so zu sprechen .
Hr. v. T. Johann !
J.
Gnädiger Herr !
W. ( fast zu gleicher Zeit )
Ich gehe schon !
Ich gehe schon !
( Er schleppt den Koffer die Treppe herunter .
) Zwölfte Szene .
Der Herr von Taubenhain und Johann. Hr. v. T. Komme her !
J.
Was befehlen Sie ?
Hr. v. T .
Nicht wahr , Du hältst mich für einen Barbaren , für einen Tyrannen ?
J.
( verwirrt ) Ich , gnädiger Herr ?
Ich Sie ?
Wie können Sie so fragen ?
Hr. v. T.
Ich habe vorhin im Zimmer so etwas auf Deiner Stirn gelesen .
J. Vergeben Sie mir , gnädiger Herr ! für dieses Mal werden Sie sich wohl geirrt haben .
H. v. T .
Aber was denkst Du denn , daß ich meine Frau nicht sehen will ?
J.
( gleichgültig ) Nichts , gnädiger Herr !
Ich habe keinen Beruf etwas darüber zu denken .
Hr. v. T. Wenn ich Dir aber den Beruf dazu gebe .
J. So werden Sie mir erlauben , daß ich ihn nicht annehme .
Hr. v. T. Warum nicht ?
J.
Weil Sie mein Herr sind .
Hr. v. T. Wenn ich Dir aber als Herr befehle , frei zu reden !
J.
So muß ich gehorchen .
Hr. v. T.
Nun gut !
Also was sagst Du dazu , daß ich meine Frau fliehe ?
J.
Daß Sie Ursachen dazu haben müssen , die ich nicht zu wissen brauche .
Hr. v. T. Gut , ich habe Dir diese Ursachen bisher um meiner Frauen Ehre Willen verschwiegen : jetzt aber muß ich sie Dir um meiner eigenen Ehre Willen entdecken .
Wisse also !
Meine Frau ist mir untreu !
J.
( erschrickt ) Was höre ich ?
Die Frau von Taubenhain ?
Ihnen untreu ?
Nimmermehr !
Es ist nicht möglich !
Hr. v. T. Genug ich sage Dir : Sie ist mir untreu !
Du kannst mir zutrauen , daß ich eine Sache von der mein Glück und Unglück abhängt , selber untersucht haben werde .
J.
Die Frau von Taubenhain !
Meine gnädige Frau !
Ich kann es immer noch nicht glauben !
Sie ist zu gut !
Sie liebt Sie zu sehr !
Hr. v. T. zu sehr , sagst Du ? -
Und ich sage Dir :
Mit diesen meinen Augen habe ich den Ehebrecher aus ihrem Schlafzimmer gehen sehen - Hast Du genug ?
J.
Unmöglich , Unmöglich !
Soweit vergeht sich die Frau von Taubenhain nicht .
( Bei dieser Verteidigung muß man es Johannen an der Nase ansehen können , daß ihm sonst noch was am Herzen liegt , als die gnädige Frau - und das ist sein Lottchen .
Nämlich , er denkt so bei sich selber :
Kann die brave , rechtschaffene Frau von Taubenhain untreu werden , so kann es auch Lottchen .
Nun hat er aber für Hörner einen ganz gewaltigen Abscheu : deswegen verteidigt er die Frau von Taubenhain so tapfer ; Eigentlich aber gilt alles seinem Lottchen .
Das ist nun , ohne mich zu rühmen , so eine Anmerkung , die wohl schwerlich ein anderer Gastwirt hätte machen können , als Zebedäus Walther .
) H. v. T. Meinst Du , daß ich gesunde Augen habe ?
J.
Ja - aber - es wäre doch ein möglicher Fall - Hr. v. T. ( hitzig ) zeige mir einen , Johann ! zeige mir einen !
( In seiner ordentlichen Sprache :
Doch ich habe ja noch nichts davon gesagt !
Nun also , sie ist - die Sprache eines eifersüchtigen Mannes , der Stein und Bein schwört , daß ihm seine Frau untreu ist , der Stein und Bein schwört , daß er seine Frau nicht mehr liebt und der ihr doch noch insgeheim herzlich gut ist ; Sie ist - Sie ist - recht so , wie ich mir sie vorstellen und nicht beschreiben kann ) doch ich habe Dir die nähern Umstände noch nicht erzählt !
Erinnere Dich an den Abend vor unserer Abreise .
Da war es , als sich die Schlange von Weibe krank stellte und schon um 8 Uhr zu Bette ging .
Sie wußte , daß ich ihr vor 11 Uhr nicht nachkommen konnte und das machte sie sich zu nutze !
Ich kam endlich .
Ich legte mich zu Bette .
Meine Frau stellte sich , als ob sie schliefe .
Gut , ich ließ sie schlafen , ob ich gleich selbst kein Auge zutun konnte .
Etwan eine halbe Stunde darauf hörte ich hinter meiner Frauen Bette ein Geräusch .
Ich fuhr auf :
da war es wider still .
Es währte nicht lange , so rauschte es wieder .
Diesmal aber blieb ich ruhig liegen , um doch zu sehen , was daraus werden wollte .
Nun stelle Dir vor !
Doch Du kannst Dir nichts vorstellen ; Kein Mensch auf Erden kann es sich vorstellen , wie mir in diesem entsetzlichen Augenblicke zu Mute war .
Hinter meiner Frauen Bette kroch ein schlechtgekleideter Kerl auf den Zehn hervor , schlich sich stillschweigend an die Türe , machte sie ohne das geringste Geräusche auf und ging weg .
Meinst Du , daß ich Kraft genug hatte , ihm nachzufolgen ?
Ich lag auf meinem Bette , wie angedonnert .
Sinnen und Gedanken vergingen mir .
Ich wußte nicht , war ich auf Erden oder in der Hölle .
Endlich stand ich auf und ging in mein Zimmer .
Was ich da ausgestanden , das läßt sich mit Menschenzungen nicht beschreiben .
Wohl zehnmal nahm ich mir vor , meine Wut in dem Blute meiner Gemahlin zu kühlen , für die ich eine Stunde zuvor das meinige mit Freuden vergossen hätte : allein es war mir unmöglich .
Endlich , nach tausend gemachten Projekten entschloß ich mich , sie zu verlassen , die Schändliche ! und wenn ich sie erst ganz aus meinem Herzen verbannt hätte , mich von ihr scheiden zu lassen .
- Du zitterst , Johann !
Ich erzähle Dir ja nur meine Geschichte !
Wenn der Zuhörer zittern will , was soll denn der beschimpfte , geschändete Ehemann tun ?
J.
Ich bin vor Schrecken und Entsetzen außer mir .
Wer hätte das gedacht ?
Die Frau von Taubenhain ?
Die Frau von Taubenhain !
Hr. v. T.
Nun ersinne einmal mögliche Fälle , wenn Du kannst !
Ich fordre Dich heraus !
J.
Ich weiß nicht , was ich sagen soll .
Wenn ich mich an Ihre Stelle setze , so fühle ich , ich würde eben das geglaubt haben , was Sie glauben , aber es wäre doch möglich -
H. v. T.
Was wäre möglich ?
J.
Wie , wenn ein Dieb - Hr. v. T. ( höhnisch ) Ein artiger Dieb , der sich hinter das Ehrbette versteckt und wenn er glaubt , daß der Mann eingeschlafen ist , sich aus dem Staube macht !
Wenn Deine übrigen möglichen Fälle nicht besser Stich halten .
J.
Wie schwer wird es mir , die Frau von Taubenhain für schuldig zu halten .
Hr. v. T. Johann ! denkst Du , daß es mir leichter geworden ist ?
J.
Aber wenn Sie nun Ihren Fehltritt bereut und das tut sie gewiß - Hr. v. T. So denkst Du , soll ich ihr wieder in die Armen laufen ?
In die Armen einer schändlichen Ehebrecherin , die unter der Larve der strengsten Tugend so teuflisch betrügen kann ?
Die sich vielleicht in eben dem Augenblicke , da ich mein Leben für sie hingegeben hätte , mit einem schlechten Kerle über ihren Pinsel von Manne lustig machte ?
O laß mich den verwünschten Gedanken nicht zu Ende bringen !
Dreizehnter Auftritt .
Die vorigen beiden und Lottchen. L .
( Sie kommt die Treppe herauf und sieht sogleich den Herrn von Taubenhain ) Ha , da ist er ! -
Ach , gnädiger Herr !
Wenn Sie nur noch einen Funken von Mitleiden besitzen - Wenn Sie die gnädige Frau jemals geliebt haben -
Ich bitte Sie - Ich beschwöre Sie , gnädiger Herr - zu Ihren Füßen ( Sie wirft sich auf die Knie ) Söhnen Sie sich mit der gnädigen Frau aus oder glauben Sie gewiß und wahrhaftig , daß Sie sie ums Leben bringen .
( Anbei geweint und geschluchzt , wie es der Inhalt von selbst zeigt ) Hr. v. T. ( läßt es wohl bleiben , daß er sie sollte aufstehen heißen : sondern spricht bei sich selbst ganz zufrieden ) Sie spielt ihre Rolle gut !
J.
( hat mehr Mitleiden ) Stehe nur auf , liebes Lottchen !
Ich kann Dich unmöglich knien sehen .
( Er ergreift sie mit beiden Händen , um sie in die Höhe zu ziehen : allein sie zieht ihn nach sich , daß er mit ihr und neben ihr knien muß .
) L. Komme , mein lieber Johann !
Hilf mir den gnädigen Herrn erbitten !
Laß uns nicht eher von seinen Füßen weggehen , bis wir ihn erweicht haben .
Ach , gnädiger Herr !
( Sie will seine Knie umarmen ) H. v. T. ( tritt einen Schritt zurück ) Ich merke , Lotchen !
Du bist bei meiner Frau in die Schule gegangen :
aber es soll Dir nicht gelingen .
Schone nur Deine Knie und stehe auf !
L.
( springt erschrocken in die Höhe : Johann auch .
) Gott !
was höre ich ?
Sie spotten meiner ?
Sie sprechen mit Gift und Galle gegen mich ?
Was für eine unglückliche Veränderung muß mit Ihrem Herzen vorgegangen sein ?
Hr. v. T. Du hasts erraten L.
Ich erstaune !
Hr. v. T. ( immer höhnisch ) Das wundert mich !
Als Kammermädchen Deiner Frau solltest Du eben nicht erstaunen .
L. ( in der größten Hitze )
Sie töten mich !
Was sind das für schreckliche Reden ?
Sagen Sie !
Sage Du , Johann !
Du liebst mich !
Was ist es ?
J.
( ängstlich ) Deine Frau - Ach ich kann es Dir nicht sagen !
L.
Meine Frau ?
Was willst Du mit meiner Frau ?
Was soll meine Frau begangen haben , das Du nur nicht sagen könntest !
J. ( noch ängstlich ) Ach , Deine Frau - Nein es ist unmöglich !
Ich kann es Dir nicht sagen .
Hr. v. T.
Nun so will ich es Dir sagen !
Höre wohl zu : Deine Frau ist eine Ehebrecherin L. ( halb rasend ) Entsetzen !
Tod !
Verderben !
Meine Frau eine Ehebrecherin !
Den Gedanken hat Ihnen der Satan eingegeben !
Niederträchtiger !
Elender !
Nichtswürdiger !
Hr. v. T. Schweige , Spizbübin !
Oder lerne vor mir zittern .
L.
Ich für Ihnen zittern ?
Für einem Bösewichte ?
Hier ist meine Brust !
Durchbohren Sie sie !
Hier ist sie !
Einen Mord kann Ihnen der Himmel vergeben :
Aber einen so entsetzlichen , himmelschreienden Verdacht gegen Ihre Gemahlin , gegen die Tugend , gegen die Keuschheit selbst , den kann er Ihnen nimmermehr vergeben , nimmermehr J.
Ich bitte Dich um alles in der Welt , liebstes Lottchen !
Erbose Dich nicht so !
Du meinst es Seelengut , Lottchen : aber Du irrest Dich. L. Wer ?
Ich ?
Worin irre ich mich ?
Niederträchtiger , meschanter Mensch !
Auch Du unterstehst Dich - Hr. v. T. ( zu Johannen ) Laß die Närrin austoben !
Wir wollen gehen !
Hier hast Du Geld !
Bezahle dem Wirte die Rechnung und damit fort !
L.
( kommt nun zu sich selber ) Nein ! das heißt die Bosheit auf den höchsten Gipfel treiben !
Bleiben Sie !
Bleiben Sie !
Meine Frau ist unschuldig !
Johann , halte doch Deinen Herrn auf !
Rede ihm doch zu !
Meine Frau ist unschuldig !
Sie hat nichts getan .
J. Gnädiger Herr !
Ich bitte Sie mit Tränen : Besinnen Sie sich !
Hr. v. T.
Was soll ich mich besinnen ?
Soll ich den Reden eines bestochenen Kammermädchens Gehör geben ?
J.
Sie ist nicht bestochen ! das schwöre ich Ihnen bei dem Himmel !
Sie hat mir erst kurz zuvor beteuert , sie wollte ihr Leben für die Tugend Ihrer Frau zu Pfande setzen .
Hr. v. T.
Das heißt , sie spielt ihre Rolle gut .
L. Wer spielt seine Rolle gut ?
Ich ?
Hier vor dem Angesichte Gottes schwöre ich Ihnen :
Ich spiele keine Rolle !
Keine - als die Rolle eines rechtschaffenen Kammermädchens , die ihre Herrschaft liebt , die die Tugend Ihrer Frau gegen die entsetzlichen Beschuldigungen Ihres Gemahls verteidiget :
Hr. v. T. Verteidiget ?
Du hättest Deine Frau verteidiget ?
Wenn das Rasen einer Furie verteidigen heißt , so hast Du sie freilich verteidiget .
L.
Sie verlangen also , daß ich meine Frau gegen einen unsinnigen Verdacht - Hr. v. T.
Den unsinnigen Verdacht laß nur weg .
Es ist Gewißheit , sage ich Dir - und wenn Du es noch nicht hören willst , so will ich Dir_es in die Ohren donnern !
Mit diesen meinen gesunden Augen , die , so lange sie offen stehen , keinem Irrtume unterworfen sind , habe ich den Ehebrecher aus meinem Schlafzimmer gehen sehen . -
Wie wird Dir , Lottchen ?
Schlägt Dir etwan Dein Gewissen ?
Du hast ihn doch helfen hereinpraktizieren :
Nicht wahr ?
L.
Ich höre :
Aber wenn Sie die Mine eines Menschen kennen , der stolz auf sein gutes Gewissen ist , so sehen Sie die meinige .
Hr. v. T.
( Er sieht Lottchen in dieser Mine einen Augenblick aufmerksam an )
Gut , ich kenne sie .
Du bist unschuldig .
Um desto größer ist das Verbrechen Deiner Frau , die ihre geheimen Sünden auch so gar vor Dir verborgen hat. L. ( kehrt das Blatt um ) Nein , gnädiger Herr !
Ich bin nicht unschuldig !
Ich bin die Verbrecherin .
Strafen Sie mich , so viel Sie wollen !
Nur schonen Sie Ihre arme , kranke Gemahlin .
Sie hat nichts getan :
Bei Gott im Himmel !
Sie hat nichts getan !
Hr. v. T. Einfältiges Ding ! denkst Du mich mit diesem armseligen Geschwätze zu hintergehen ?
Ich weiß , was ich weiß und hier in Deiner Gegenwart fasse ich meinen letzten und äußersten Entschluß , nie wider meiner unwürdigen Gemahlin vor Augen zu kommen .
Unsere Ehescheidung - ( Kauen hat er das Wort aus dem Munde , so kommt die Frau von Taubenhain , die nun mit ihrem Staate fertig ist , munter und vergnügt aus ihrem Zimmer geflattert .
Also : Der Vierzehnte Auftritt .
Die Vorigen und die Frau von Taubenhain .
( Aber nun wünschte ich mir wohl auf einen Augenblick des Herrn seinen Kopf , der die Mienen von Barnhelm gemacht hat .
Bei meiner Ehre !
Das sollte ein Auftritt werden , der sich gewaschen hätte .
Die Anlage dazu ist da :
aber ob sie nicht Zebedäus Walther verderben wird -
Es wird sich zeigen !
) Fr. v. T. ( indem sie aus ihrem Zimmer kommt )
Nun bin ich fertig .
( Sie werden alle mit einander wie vom Blitze gerührt .
Die Frau von Taubenhain bleibt unbeweglich stehen , sieht einen nach dem anderen an , behält aber ganz natürlich ihren Taubenhain allein im Auge .
Die Freude leuchtet ihr aus den Augen und bricht endlich in folgende , zerstreute Worte aus : ) Wo bin ich ? -
Lottchen -
Lottchen -
Halte mich - Die Freude - Die Freude - Taubenhain !
Mein Taubenhain !
Bist Du es ?
Mein liebster , liebster Taubenhain !
( Sie geht auf ihn zu und will ihn in ihre Armen schließen , aber er tritt zurück , ohne sie mit einem Auge anzusehen .
Sie versucht es noch einmal :
aber er tritt zurück , ohne sie mit einem Auge anzusehen .
Sie versucht es noch einmal : aber er stößt sie mit ziemlichen Unwillen zurück .
) Hr. v. T. Weg , Madam !
Fr. v. T.
( Sie wird darüber bestürzt , und glaubt , es sei nicht ihr Gemahl .
) Lottchen !
Was hast Du angerichtet ?
Das ist ja nicht mein Taubenhayn. L. ( mit den bittersten Tränen )
Ja , leider ! ist er es. Fr. v. T.
( Sie sieht ihren Gemahl nochmals recht aufmerksam an .
) Ja , er ist es - er ist es !
Nun kenne ich ihn .
Aber - er kennt mich nicht mehr - oder will mich nicht kennen , der kleine Bösewicht ! -
Ja , Ja , so ist_es ! -
Aber er soll mich bald kennen lernen - ( Sie stellt sich in einiger Entfernung gegen ihn über und spricht so zärtlich , daß es einem Stein bewegen möchte :
) Mein bester , liebster , zärtlichster Taubenhain !
Hr. v. T. ( er schlägt , wie zuvor , die Augen nieder und antwortet nicht eine Silbe .
) Fr. v. T.
( Sie tritt einen Schritt oder was näher und spricht noch zärtlicher :
) Mein verlorener , mein wiedergefundener Gemahl !
( Drauf geht sie von neuem auf ihn zu und will ihn umarmen :
er stößt sie aber noch härter von sich .
) Hr. v. T. Weg , Madam ! sage ich Ihnen. Fr. v. T. ( erschrocken ) Ihnen ?
Ihnen ?
Was soll das bedeuten ?
Sind wir so unbekannt .
Hr. v. T.
Wir sind es geworden und wollen es bald noch mehr werden .
Fr. v. T. ( noch erschrockener ) Lottchen !
Ach , Lottchen !
Höre nur !
Höre nur !
L.
Herr von Taubenhain !
Ich beschwöre Sie bei den Strafgerichten Gottes : Schonen Sie meine arme , schwache Frau !
unterdrücken Sie Ihren entsetzlichen Verdacht !
Fr. v. T. Ach ! -
Ach ! -
Was sagst Du von Verdachte ?
Hr. v. T. ( für sich )
Wie fremd sie sich stellen kann !
Fr. v. T. Mein Taubenhain hat mich in Verdachte ?
Schrecklich !
Schrecklich ! -
Aber nein !
Er kann nicht .
Er weiß es !
Er muß es wissen , daß ich nur einen lieben kann .
Hr. v. T. ( höhnisch ) Nur einen ?
( In seiner ordentlichen Sprache ) Doch ja !
Nur einen .
Nur Schade , daß ich das Unglück gehabt habe , nicht dieser Eine zu sein .
Fr. v. T.
Was sagt mein Taubenhain ?
Ich weiß nicht !
Ich verstehe nicht !
Meine Gedanken vergehen mir. L .
( Sie nimmt ihre Frau unter den Arm und führt sie auf einen Stuhl )
Ach , liebste Madam !
Ihr Gemahl hat Sie in einem schrecklichen Verdacht .
Sie sollen ihm untreu sein -
Ach ich kann es nicht aussagen .
Fr. v. T. Sage es !
Den Augenblick sage es mir !
L.
Sie sollen -
Ach !
Sie sollen - Es ist unerhört ! - die Ehe - gebrochen haben .
( In eben diesem Augenblicke steht die Frau von Taubenhain von ihrem Stuhle auf - mit einem Anstande , den ich mir recht gut vorstellen kann , der sich auch auf dem Theater ganz inkomparabel ausnehmen müßte , den ich aber nicht beschreiben kann und wenn es mein Leben kostete .
Eben so wenig kann ich es beschreiben , in welchem Tone sie folgende Worte ausspricht :
) Fr. v. T. Entsezlich !
Und das hat mein Taubenhain gesagt ?
( Sie geht auf ihn zu )
Und das hast Du gesagt ?
Du ?
Du ?
Hr. v. T. ( spottet ihr nach )
Und das haben Sie getan ?
Sie ?
Sie ?
Fr. v. T. ( ohne sich irre machen zu lassen , in einem mitleidigen , gerührten Tone ) Armer , unglücklicher Mann !
Und wie lange hast Du Dich mit diesem grausamen Verdachte gequält ?
Hr. v. T. Madam , ich verbitte einmal für allemal alle Vertraulichkeit. Fr. v. T. ( standhaft ) Gut , ich gehorche .
Also , mein Herr von Taubenhain !
Sie sind ein Mann von Ehre .
Lassen Sie sich_es gefallen , mich einige Augenblicke für den Advokaten Ihrer Gemahlin anzusehen und beantworten Sie mir einige Fragen .
Wie lange hegen Sie gegen Ihre Gemahlin den grausamen Verdacht - Hr. v. T. Weiß das die Frau Gemahlin nicht selber ?
Fr. v. T. ( unschuldig ) Nein , mein Herr !
Hr. v. T. Ich zerspringe - Fr. v. T.
Und wenn sie es auch wüßte , so hat sie noch nicht Zeit gehabt , es Ihrem Advokaten zu sagen .
Ich bitte um Antwort .
Wie lange ist es ?
Hr. v. T .
So lange , als ich in meinem und Ihrem Schlafzimmer den Ehebrecher gesehen habe .
Fr. v. T. ( höchst erschrocken ) Gott stehe mir bei !
( Sie fasset sich wieder ) Und wenn war das ?
Hr. v. T. zum Teufel , Madam !
Stellen Sie sich nicht so fremd .
F. v. T.
Ich beschwöre Sie bei den Pflichten , die Sie auch Ihrem ärgsten Feinde schuldig sind .
Sagen Sie mir , wenn ?
Hr. v. T.
Die Nacht vor meiner Abreise. Fr. v. T. Und was haben Sie da gesehen ?
Hr. v. T. Beim Himmel !
Ich will es nicht hundertmal wiederholen .
Ich habe genug gesehen , um Sie auf ewig zu fliehen , um auf ewig das Ehebette zu verabscheuen , daß Sie - wer weiß , wie oft - mit einem anderen geteilt heeen .
F. v. T. Mein Taubenhain !
Hr. v. T. Unterstehen Sie sich nicht weiter , das Wort mein über Ihre Lippen zu bringen Fr. v. T. Mein Taubenhain !
Hr. v. T. Kaum kann ich mich halten Fr. v. T.
Ich bin unschuldig !
Hr. v. T. Boßhafte Lügnerin !
Fr. v. T.
Ich bin unschuldig .
Erwarte Sie nicht , daß ich meine Unschuld mit Schwüren verteidige .
Sie würden mir doch nicht glauben und sich nur noch mehr versündigen .
Das einzige widerhohle ich Ihnen :
Ich bin unschuldig und Gott , der Allmächtige , wird meine Unschuld an den Tag bringen .
Sie wollen mich verlassen ?
Auf immer verlassen ?
Gut , ich spreche Sie von allen Pflichten los , die Sie mir als Gemahl schuldig sind .
Leben Sie wohl !
Ich werde Tag und Nacht für Sie beten , daß es Ihnen wohl gehe .
Komme , Lotchen !
Wir wollen gehen .
L. ( weinend ) Ach , wohin denn ?
F. v. T.
In unser Zimmer .
Wir wollen gleich zu unserer Abreise Anstalt machen .
Ich bin nun Witwe , Lottchen und ich will nach meinem Wittwensize .
Du sollst bis an meinen Tod bei mir bleiben und mir die Stelle meines verlorenen Gemahls ersetzen .
Du sollst mir die Augen zudrücken und meine Erbin sein .
Leben Sie wohl , ewig wohl !
( Sie macht eine Verbeugung gegen den Herrn von Taubenhain und geht mit Lottchen ab , die mit den Augen von Johannen Abschied nimmt , der ebenfalls vor Schmerz zerspringen will .
) Wie mir zu Mute gewesen ist , indem ich diesen Auftritt zu Papiere gebracht habe , will ich nicht sagen .
So etwas habe ich noch niemals gefühlt :
Und wenn ein hochgeneigtes Publikum beim Lesen dieses Auftritts nur die Hälfte , nur das Viertel davon fühlt , so will ich_es aller Welt in die Augen sagen , daß ich ein Meisterstück gemacht habe .
Ich eile zum : Fünfzehnten Auftritte .
Der Herr von Taubenhain und Johann. Hr. v. T.
( Er sieht seiner Gemahlin , ganz außer sich , nach )
Wie wird mir ?
Wie ist mir ?
Welch eine Angst !
Welch ein ungestümes Herzklopfen !
Ich zittre - Mir ist , als hätte ich ein Centnerschweres Verbrechen begangen ! -
Wenn sie unschuldig wäre ! o Gott , wenn sie unschuldig wäre ! -
( hitzig ) Aber Nein !
Sie ist nicht unschuldig !
Sie kann nicht unschuldig sein .
J. Mein liebster Herr !
Beruhigen Sie sich !
Hr. v. T. Ha , bist Du da ?
Sage , Johann !
Ist meine Frau unschuldig ?
J.
Ich weiß es nicht , gnädiger Herr !
Hr. v. T. Du mußt es wissen !
Sage mir_es den Augenblick !
J.
Fast muß ich es glauben .
Hr. v. T. entsetzlich !
Unglücklicher !
Du hältst sie für unschuldig ?
J.
Nein , mein Herr !
Wenn Sie sie noch nicht dafür halten können , so kann ich sie auch nicht dafür halten .
Hr. v. T. Gut , so tue es !
Ich kann sie nicht dafür halten .
Sie ist ein Teufel !
Das ist ihre Unschuld , und ich well nicht eher ruhrn , bis sie mehr alle Ihre Schandtaten mit Ihrem eigenen Munde bekannt hat .
( Er geht ins Zimmer seiner Gemahlin .
) Sechzehnter Auftritt .
Johann und hernach Marthe. J.
( Er sieht seinem Herrn ängstlich nach )
Das sei Gott im Himmel geklagt !
Mein Herr unglücklich !
Meine Frau unglücklich !
Mein Lottchen unglücklich !
Ach !
( Hier erfolgt ein langer Seufzer .
Indessen kommt Marthe , in völligem Staate , wie ihr mein Vater befohlen hat und bringt das Morgenbrot .
Sie sieht Johannen .
) M.
Je das ist ja wohl gar Herr Johann , der Kammerdiener !
( Sie setzt das Morgenbrot auf den Tisch )
Nun ist_es richtig , daß die Frau von Taubenhain da ist ! -
Schönen guten Morgen , Herr Johann !
Nun wie geht_es denn noch ?
Ist er denn auch noch hübsch frisch und gesund ?
Hebe , was sieht er mich denn so groß an ?
Kennt er mich denn nicht mehr ?
Ich bin ja Marthe .
O ich weiß noch die liebe Zeit , wo ich ihm manchen Kaffee gekocht habe .
J. Bist Du mit Deiner Frau hergekommen ? M.
Mit meiner Frau ?
Ach , die Frau von Taubenhain ist jetzt nicht mehr meine Frau .
Ich diene bei Herr Walthern. J.
Wie lange ist das her ? M.
Es wird nun bald ein halbes Jahr voll sein .
Aber Herr Johann !
Was fehlt Ihm denn ?
Warum sieht er denn so grämisch aus ?
Er war ja sonst immer so freundlich und so aufgeräumt !
( Johann seufzt )
Je das Gott erbarm !
Er seufzt ja gar .
Was fehlt ihm denn ?
Was ist ihm denn widerfahren ?
J.
Ach , mir fehlt nichts :
Aber mein Herr und meine Frau - Hast Du denn noch nichts in der Stadt davon gehört ? M.
Je wovon denn ?
Ich weiß kein Sterbens Wort. J .
Mein Herr will sich von seiner Frau scheiden lassen. M.
Das wäre entsetzlich !
Je weswegen denn ?
J.
Das darf ich Dir nicht sagen. M.
Was wird er mir_es nicht sagen können !
Ich dächte , das sollte er noch von alten Zeiten her wissen , daß ich nichts ausklatsche .
Sage er_es immer .
J. Mein Herr hat seine Frau im Verdachte , daß sie ihm untreu ist. M.
Nimmermehr !
Er wird ja nicht toll sein !
J.
Ja Du gute Marthe !
Er hat_es nur , leider , mit Augen gesehn. M.
Daß ist erstaunend !
J .
Nicht anders !
Er hat hinter seiner Frauen Bette einen Kerl gesehen. M.
( Will aus der Haut fahren )
Der Himmel stehe mir bei !
Ach , ich bin verloren !
Ach , lieber Herr Johann !
Nehme er sich meiner an :
Sonst muß ich aufs Zuchthaus .
Ich will gern alles gestehen !
Helfe er mir nur , daß ich mit einer gelinden Strafe davon komme .
Ich bin an allem Schuld !
Ich will mich der gnädigen Frau zu Füßen werfen - Siebzehnter Auftritt .
Die Vorigen und Walther .
W. Je Marthe , Je Du Blixmarthe !
( dies schreit er schon , indem er mit der Rechnung in der Hand die Treppe heraufgelaufen kommt .
) Was hast Du denn hier oben auf dem Saale zu spektakeln ? -
Was hat sie gemacht , Herr Kammerdiener !
Ich will es wissen - Warte nur , ich will Dir schon geben , was sich gebührt und geziemt - ( zu Johannen ) Nur frei heraus !
J.
Hat er die Rechnung gemacht , Herr Wirt ?
W. ( ganz freundlich ) zu dienen !
Ich denke doch , daß es so recht sein wird .
Ich habe den Titel nur so aus dem Kopfe gemacht :
" An den Hochwohledelgebohrnen , tugendsamen , Erenfesten , Hochgelahrten und Hochweisen Herrn Herrn von Taubenhain , et_cetera , et_cetera , , J. ( verbeisst das Lachen )
Schon gut , schon gut. W. ( liest weiter ) Erbe : Lehn : und Gerichtsherrn auf et_cetera , et_cetera - J. Recht sehr gut !
Behalte er nur seine Rechnung noch .
Mein Herr wird sich wohl anders besinnen .
W. Je , das wäre ja ganz vortrefflich ! ganz unvergleichlich !
J.
Wie gesagt !
W .
Nun , das freut mich von ganzem Herzen .
Da will ich nur gleich wieder herunterlaufen und es den Leuten sagen , daß sie des gnädigen Herrn seinen Koffer nicht wegtragen .
( Er geht )
Das ist ja vortrefflich !
( Er kehrt wider um ) Adieu , Adieu , Herr Kammerdiener !
Ich bitte nicht übel zu deuten :
Bei einem Hare hätte ich_es vergessen .
J. Ganz und gar nicht. W. ( Er sieht , daß das Morgenbrot noch auf dem Tische steht .
) Aber - Je Du ungeschickte , dumme Marthe Du !
Da steht ja das Morgenbrot für die gnädige Herrschaft noch auf dem Tische .
Ist das recht , he ?
Gebührt und geziemt sich das wohl ?
J.
Es ist nichts daran gelegen .
Jetzt hat kein Mensch Appetit zu essen .
W. Wenn schon , Herr Kammerdiener !
Es gebührt und geziemt sich doch nicht .
J. Genug , ich nehme alle Verantwortung auf mich W .
Denn ist es ein anders .
O ich lasse mich wohl bedeuten , wie es sich gebührt - J .
Wo er nicht bald geht , so laufen ihm die Leute mit dem Koffer fort , ehe er sich_es versieht .
W .
Das sollen sie wohl bleiben lassen .
( Er läuft geschwind die Treppe herab .
) Achtzehnter Auftritt .
Johann und Marthe. J. Gottlob , daß er endlich einmal fort ist .
Marthe !
Erzähle mir den Augenblick - M.
Ach daß Gott im Himmel erbarm !
Wie wird mir_es gehen !
J.
So heule doch nicht , einfältiges Tier !
Es hat Dir ja noch niemand was zu Leide getan .
Nun was hast Du denn , so sage doch ! M.
Ach , ich bin an allem Schuld !
J.
Ich sehe wohl , ich muß nur der Pauke ein Loch machen .
( Er klopft stark an das Zimmer der Frau von Taubenhain .
) Neunzehnter Auftritt .
Die Vorigen , Lottchen ; hernach die Frau von Taubenhain und der Herr von Taubenhayn. L .
( Sie kommt geschwind aus ihrem Zimmer )
Was ist_es ? M. ( Sie stürzt sich auf die Knie ) Ach , gnädige Frau ! haben Sie Gnade mit einer armen , unglücklichen Magd !
L.
Himmel !
Was soll das bedeuten ?
( Sie ruft )
Gnädige Frau !
Gnädige Frau !
Fr. v. T. ( kommt aus ihrem Zimmer )
Was ist_es ? M. ( noch immer auf den Knien )
Ach , gnädige Frau !
Haben Sie Gnade mit einer armen , unglücklichen Magd !
F. v. T. Marthe , bist Du es ? M.
Ach ja , gnädige Frau !
( Indem tritt auch der Herr von Taubenbain heraus .
) Ach daß Gott !
Ach , gnädiger Herr !
Erbarmen Sie sich .
Ich bin an allem Ihrem Unglück .
Schuld : Aber erbarmen Sie sich nur und haben Sie Gnade mit mir , Hr. v. T. Mensch , was willst Du ? M.
Ach , Herr Johann hat mir gesagt , daß Sie sich von der gnädigen Frau wollten scheiden lassen und daß Sie hinter Ihrem Bette einen Kerl gesehen hätten - Ach haben Sie Gnade mit mir !
Hr. v. T. ( wütend ) Den Augenblick gestehe es !
Was war das für ein Kerl oder ich massakriere Dich auf der Stelle ! M.
Ach , gnädiger Herr !
Es ist Töffel gewesen .
Hr. v. T. Töffel ? -
Töffel ?
- Ich gratuliere , Madam !
Fr. v. T. ( ohne sich an diese Höhnerei zu kehren ) Stehe auf , Marthe ! und erzähle alles Haarklein .
Es soll Dir nicht das geringste widerfahren !
Sage nur alles , was Du weist ! M. ( steht auf )
Ach , gnädige Frau !
Sie sind gar zu gut .
Ich habe Ihnen so viel Kummer und Herzeleid gemacht - Fr. v. T. Stille davon !
Jetzt sollst Du erzählen. M.
Je nun , gnädige Frau !
Sie werden wohl Toffeln kennen , des alten Drescher Valentins seinen Sohn .
Weil ich bei Ihnen auf dem Edelhofe war , da ist er mir immer in eins weg nachgelaufen und hat mich gar nicht mit Friede gelassen , und wie nun unser eins ist , daß man auch gern einmal seinen eigenen Herd haben will , so habe ich mich endlich mit ihm in ein christliches Eheverlöbnis eingelassen :
Und danach setzte er mir immer zu , daß ich ihn einmal in meine Schlafkammer sollte kommen lassen , aber ich wollte immer nicht .
Das weiß der liebe Himmel , daß ich nicht wollte !
Aber wie nun das Zeter-Mannsvolk ist , das läßt nicht nach , man mag sich wehren , wie man will .
Fr. v. T.
Nur weiter ! M.
Da habe ich mich endlich übertölpeln lassen !
denn unser eines hat ja doch auch Fleisch und Blut , und wir waren ja doch schon so gut , wie Eheleute. Fr. v. T. Recht , Marthe !
Nur immer weiter ! M.
Ja , Sie können mir_es glauben , gnädige Frau !
Ich habe Toffeln meine Schlafkammer auf ein Haar beschrieben :
Ich dächte , er hätte sie blindlings finden müssen .
Ich habe ihm gesagt , im zweiten Stockwerke , gleich wenn man die Treppe herauf kommt , rechter Hand : aber der ungeschickte Kerl der !
Hätte ich mir das in meinem Leben träumen lassen , daß er_es nicht wissen würde , welches das erste oder zweite Stockwerk wäre ?
Kurzum , was habe ich zu tun ?
Ich praktiziere ihn gegen Abend in die Küche und da muß er so lange Katz aushalten , bis nach dem Glockenschlage zehn , bis alles auf dem ganzen Edelhofe tot ist :
Und danach läuft der Tölpel in seiner Blindheit ins erste Stockwerk und kommt also unglücklicherweise in Ihr Schlafzimmer .
Sobald er herein ist , merkt er Unrat und will ausziehen :
Aber da kommt eben der gnädige Herr und da weiß sich der arme Teufel nicht anders zu raten und zu helfen , als daß er sich hinter das Bette versteckt .
Er hat mir_es erzählt , daß er rechte Angst ausgestanden hat .
Er hat über eine halbe Stunde gesessen , wie ein armer Sünder und sich nicht gerührt und immer den Atem an sich gehalten .
Endlich und endlich als er bei sich selber denkt :
Nun muß doch wohl der gnädige Herr eingeschlafen sein !
so kommt er in aller Still hinter dem Bette hervorgekrochen und macht , daß er nur wieder in die Küche kommt :
Und da hat er die ganze , sinkende Nacht gefroren , wie ein armer Hund und ich habe auch die ganze Nacht vor Himmelangst kein Auge zutun können ; Denn ich dachte immer :
Nun wo bleibt denn Töffel ?
Hernach den folgenden Morgen , da ging die Katerjagd erst recht an :
Denn ich stand mit dem frühesten auf und weil ich herunter in die Küche kam , da fluchte und wetterte Töffel ganz abscheulich auf mich , daß ich ihn bei der Nase herumgeführt hätte und er wollte in seinem Leben nichts mehr mit mir zu tun haben .
Ja , gnädige Frau !
Es hätte nicht viel gefehlt , so hätte er mich gar geschlagen :
so bitterböse war er .
Hernach erzählte er mir denn , wie es ihm gegangen wäre und da bin ich erschrocken , daß ich flugs hätte mögen in die Erde sinken .
Ich schlug immer die Hände über dem Kopfe zusammen .
Ach , es hat mir geahndet , daß da nichts gutes heraus kommen würde !
Töffel , sagte zwar immer :
Je , es hat ja weiter nichts auf sich !
Hat mich doch niemand gesehen .
Aber ich dachte :
Nein ! hier ist nicht gut sein .
Kommt es heraus , so bist Du geliefert :
Und kurz und gut , ich nahm in aller Geschwindigkeit meine gebackenen Birnen zusammen und lief über alle Berge fort : Und da bin ich nun hernach bei Herr Waltern in Dienste gegangen .
Aber , mein Gott im Himmel !
Wer hätte das gedacht , daß ich und Töffel solch Unglück anrichten sollten !
Fr. v. T. Marthe !
Ist das alles wahr ? M.
Ja , gnädige Frau. Fr. v. T. Auch gewiß ? M.
Ganz gewiß und wahrhaftig , gnädige Frau !
Ich will_es alle Stunden vor der weltlichen Obrigkeit beschweren und danach können Sie ja auch Toffeln selber vornehmen , wenn Sie wollen .
Fr. v. T.
Es ist gut , Marthe !
Jetzt kannst Du gehen : Wenn wir Dich nötig haben , wollen wir Dich wider rufen lassen. M. ( fängt wider an zu heulen )
Aber , gnädige Frau !
Wenn ich nur nicht aufs Zuchthaus muß !
Fr. v. T. Sei nur ruhig und gehe !
Es soll Dir nichts widerfahren .
J. ( zu Marthen ) So packe Dich doch nur , dummes Tier !
Du hörst ja , daß alles gut ist .
( Marthe geht ab .
) zwanzigster und letzter Auftritt .
Die Vorigen. Fr. v. T.
( Sie geht nun mit einem fröhlichen Gesichte , wie man leicht ermessen kann , auf ihrem Gemahl zu , der die ganze Zeit über wie versteinert gestanden hat und noch steht .
) Mein Taubenhain !
( Es erfolgt keine Antwort .
Sie tritt ganz nahe an ihn heran und sieht ihm in die Augen ) Mein Taubenhain !
( Noch keine Antwort .
Sie fährt ihm mit ihrer Hand so sanft als möglich über die Backen .
) Mein Taubenhain !
Bin ich nun unschuldig ?
( Der Herr von Taubenhain fängt an zu taumeln und fällt bei einem Haare die Länge lang auf den Saal .
Ich denke doch , ein jeder wird mich verstehen , wie das zugeht .
Es wandelt ihn nämlich , weil ihn der Gram und der Kummer so stark angegriffen und weil er nun einsieht , wie sehr er seiner lieben Frau Unrecht getan , eine Art von Ohnmacht an .
Die Frau von Taubenhain erhebt sogleich ein Geschrei )
Ach Himmel !
Er stirbt !
Er stirbt !
( Sie fängt ihn in ihre Armen auf : Lottchen und Johann springen zu und helfen ihn halten .
Die Frau von Taubenhain schreit :
) Hilfe , Hilfe !
( Johann holt einen Stuhl herbei und setzt seinen Herrn darauf :
Lottchen kriegt aus ihrer Ficke ein Gläsern Ungarisch Wasser und hält es ihm vor die Nase .
Unterdessen ruft die Frau von Taubenhain immer noch ganz verzweifelnd :
) Mein Taubenhain !
Mein Taubenhain !
Mein Gemahl !
Erwache !
Erwache !
L.
Machen Sie sich keine Sorge , gnädige Frau !
Es hat keine Gefahr. Fr. v. T. Mein Taubenhain ! -
( freudig ) Ha , er regt sich !
Sprich , Sprich !
Hr. v. T. ( Er schlägt die Augen auf , sieht sich allenthalben wild um und spricht mit einer gedämpften Stimme ) Wie ist mir ?
Wo bin ich ?
Fr. v. T.
Bei mir bist Du , liebster Gemahl !
Bei mir und nun immer bei mir. Hr. v. T. Lassen Sie mich !
( Er versucht aufzustehen : sinkt aber wider zurück auf den Stuhl ) Fr. v. T. Nein , mein Geliebter !
Ich lasse Dich nicht .
Ich lasse Dich nicht. Hr. v. T.
Ich muß - Ich muß - ( Er reißt sich von der Frau von Taubenhain los und steht vom Stuhle auf .
) Fr. v. T. ( ergreift ihn wider ) Nimmermehr !
Nimmermehr !
Hr. v. T. ( reißt sich wieder los )
Rühren Sie mich nicht an !
Ich bin ein Unglücklicher !
Ein Elender !
Nicht wert - Hassen Sie mich ! verabscheuen Sie mich : Fr. v. T. Armer , unglücklicher Mann !
Willst Du noch nicht aufhören Dich zu quälen ?
Hr. v. T. ( Er schlägt sich wütend vor die Stirn ) O ich abscheulicher Bösewicht !
Fr. v. T. Du tötest mich !
Liebster Gemahl !
Beruhige Dich !
Ich liebe Dich !
Über alles liebe ich Dich !
Aber Du mußt mich auch wieder lieben .
Hr. v. T.
Ich Sie lieben ?
Ich ?
- Soll ein Teufel einen Engel lieben ?
O ich Unmensch !
Was habe ich getan ?
Konnte ich Unsinniger nicht vorher untersuchen ?
Fr. v. T.
Ich bitte Dich !
Ich flehe Dich ! Hr. v. T. Nein !
Ich muß fort - Ich bin nicht wert - Ich muß fort .
( Er will fortgehen :
Aber Lottchen und Johann treten ihm in den Weg )
L. und J. ( zugleich ) Ach gnädiger Herr !
Hr. v. T. Ha , seid ihr auch da , um meine Qual vollzumachen ?
L. und J. Nein , Gnädiger Herr !
Wir möchten sie gern endigen !
Lassen Sie sich erbitten .
Fr. v. T. ( außer sich ) Mein Taubenhain !
Ich sterbe vor Deinen Augen , wenn Du mich nicht erhörst - wenn Du mich nicht liebst !
Hr. v. T. ( wagt es endlich ganz furchtsam , seine Gemahlin von der Seite anzublicken .
) Fr. v. T. ( ist darüber ganz entzückt .
) Nun lebe ich wieder auf .
Mein Taubenhain sieht mich an !
Lottchen , er sieht mich an !
Hr. v. T. ( ganz von Reue durchdrungen und mit tränenden Augen , die er noch immer von der Seite auf seine Gemahlin richtet ) Unschuldige , reine , englische Seele !
Fr. v. T. O liebster , liebster Taubenhain !
Hr. v. T. Kannst Du wohl einem Verbrecher , wie ich bin , vergeben ?
Fr. v. T. Ja , liebster Gemahl !
Es ist alles vergessen .
Ich denke nicht mehr daran .
Du bist unschuldig .
Komme in meine Armen !
Hr. v. T. Nein , Verehrungswürdige !
Diese Stellung schickt sich besser für mich ( Er fällt vor seiner Gemahlin auf ein Knie nieder .
) Fr. v. T. Stehe auf , liebster Taubenhain !
( Sie reicht ihm beide Hände :
Er ergreift sie und legt sich voll Wehmut mit dem Kopfe darauf ) Nein , Nein !
Du sollst aufstehen ( sie zieht ihn in die Höhe ) und mich in Deine Armen -
( Sie umarmen einander mit einem Feuer , das sich nur sehen , nicht beschreiben läßt .
) J. ( fängt nun auch Feuer ) O liebes , liebes Lottchen !
Eine solche Umarmung ist unter Brüdern eine halbe Welt wert .
L. Sage nur bald eine ganze !
J.
Auch das , Herzens Lottchen !
Wohl noch mehr !
Fr. v. T. ( noch in den Armen Ihres Gemahls ) Mein liebster Gemahl !
" O wie reichlich werde ich für mein kurzes Leiden belohnt !
Welche Wonne !
Hr. v. T. O meine unaussprechlich beleidigte Gemahlin !
Wie soll ich das Unrecht wieder gut machen - Fr. v. T. Durch Liebe , mein Taubenhain !
Durch Liebe !
Ich will heute im Triumphe mit Dir nach Hause fahren und an Deiner Seite die glücklichste auf Erden sein - Hr. v. T. ( als stünde er vor dem Altare )
So gelobe ich Dir denn hier vor den Augen Gottes : Mein ganzes Leben - Meine ganze Seele -
O ich weiß selbst nicht -
Ich kann nicht Fr. v. T. ( der dieses Stammeln mehr behagt , als die schönste Rede )
Ich glaube Dir , mein Taubenhain !
Ohne Schwor und Gelübde - L. ( geht mit niedergeschlagenen Augen zur Frau von Taubenhain )
Gnädige Frau !
Fr. v. T.
Was willst Du , liebes Lottchen !
Willst Du mir Glück wünschen ?
L. ( weil sie darum gefragt wird , so sagt sie :
) Ja - und Sie um Vergebung bitten .
( das ist das Eigentliche .
) Fr. von T. Weswegen ?
Mich ?
L.
Ich habe vorhin in der Hitze einige Worte wider den gnädigen Herrn ausgestoßen - Fr. v. T. ( sehr ernsthaft ) Lottchen !
Ist das wahr ?
Hr. v. T. ( macht der Sache gleich ein Ende ) Du willst also , daß ich für Scham und Reue vergehen soll ?
L.
( macht einen tiefen Knicks ) O Sie sind die Güte selber !
( und damit verfügt sie sich wieder zu Johannen ) Fr. v. T. ( lächelnd ) Nun , das war bald abgetan !
Noch eins von der Art ! -
Wirst Du denn auch wohl der ehrlichen Marthe vergeben , mein lieber Taubenhain ?
Hr. v. T .
Ob ich ihr vergeben werde ?
Fr. v. T. Gut , so nehme ich sie wieder in meine Dienste .
Aber mein lieber Taubenhain , wenn Du nur das geringste dawider hast - Hr. v. T. Nein , meine teuerste Gemahlin !
Ihr Anblick wird mich stets an den unglücklichsten und glücklichsten meiner Tage , an heute erinnern .
Fr. v. T. Vortrefflicher Gemahl , komme !
Wir wollen den Augenblick zu unserer Abreise Anstalt machen , damit wir ihn auf das feierlichste begehen können .
( Sie legt ihren Arm um ihren Gemahl und geht mit ihm in ihr Zimmer ab .
) J. ( macht es mit Lottchen eben so ) Komme , liebes Lottchen !
Wir müssen auch dabei sein .
Aber sage einmal :
War das nicht ein Lärmen um Nichts ?
Finis .
Ich bin jetzt fast eben so dran , wie ehemals , als ich noch als Schüler in Tertia saß und alle halbe Jahr mein Dokimastikum machen mußte - eben so , als wenn mein Dokimastikum in Gegenwart der Schulinspektoren , der Schulmonarchen und aller meiner Mitschüler die Musterung passieren sollte und ich zwischen Furcht und Hoffnung da stand , entweder eine Prämie zu bekommen oder von einem Haufen ausgelassener Buben ausgezischt zu werden :
So stehe ich auch jetzt da !
Aber doch mit etwas weniger Furcht für dem Auszischen .
Das macht , ich bleibe doch immer ein guter Gastwirt , wenn ich auch eine schlechte Komödie gemacht hätte , da ich hingegen kein guter Schüler blieb , wenn mein Dokimastikum gar zu elend war . Habe ich doch nun an meinen jungen Herrn mein Meuten gekühlt . Habe ich ihm doch nun gezeigt , daß es keine Kunst ist , Komödien zu machen !
Was will ich mehr ?
Ich fahre nun in der Geschichte fort und mache mich geschickt , etwas zu erzählen , was der geneigte Leser so leicht nicht vermuten wird .
Ich habe einen Gast bei mir gehabt , der mir lieber ist , als alle Gäste , die ich jemals gehabt habe : einen Gast , den alle meine Leser kennen und verehren : den Mann , welchen zu sehen ich so lange schon vor Verlangen lichterloh gebrannt habe :
Kurz den würdigen Landprediger , der mit meinem jungen Herrn auf der Post gefahren ist .
Dieser brave Mann ist von seiner Reise über Leipzig zurück gekommen , um meinen jungen Herrn aufzusuchen und noch einmal zu sprechen .
Weil er ihn aber nicht bei mir gefunden , so ist er nur eine Nacht bei mir geblieben und wieder nach Hause gereist .
Ich bin ihm fast nicht von der Seite weggekommen , außer wenn er mich bat , daß ich ihn allein lassen möchte .
Ich hätte ihm gern sein theologisches Unglück abgefragt :
aber so keck ich sonst bin , so feige war ich gegen diesen Mann , der - Himmel und Erde !
Hier bringt mir meine Magd ein kleines , geschriebenes , zusammengeheftetes Büchelchen , das sie in dem Zimmer gefunden , wo der brave , rechtschaffene Mann logiert hat .
Es ist von ihm ! von ihm selbst !
Es ist sein Tagebuch !
Ich lasse alles stehen und liegen , um es geschwind durchzulaufen - - - - - Nun ist es geschehen !
Ich habe gefunden , was ich wünschte .
Nur noch einen kleinen Zwist mit meinem Gewissen !
Es will durchaus nicht zugeben , daß ich dieses Diarium drucken lasse .
Es soll mit aller Gewalt Sünde sein !
Aber nein , es ist durchaus keine Sünde : oder wenn ja etwas dabei ist , so ist es doch nicht der Rede wert .
Genug , es muß einem jeden daran gelegen sein und im Vertrauen , es wird auch manchem nützlich und den meisten angenehm sein , das Tagebuch eines rechtschaffenen Predigers kennen zu lernen , der den geraden Weg zum Himmel geht und führt !
Bin ich doch auf die rechtmässigste Art dazu gekommen !
Er hat es verloren :
Meine Magd findet es : Sie bringt es ihrem Herrn : Dieser liest es :
Es gefällt ihm :
Er schwört Stein und Bein , daß es anderen auch gefällt :
Er läßt es also drucken !
Eins fließt aus dem anderen und auf die natürlichste Art von der Welt .
Wie könnte dabei Sünde sein !
Es ungelesen lassen oder ungelesen wieder zurück schicken , das sollte meine Pflicht sein ?
Umgekehrt , umgekehrt !
Das wäre Sünde gewesen , was auch der rechtschaffene Landprediger dagegen einwenden mag .
So klug werde ich ja doch sein und Personalien weglassen !
Nur bloß das Marks - Hier ist es !
Mein Tagebuch .
Jahr 17- - 10 März .
Ich trete heute mein Amt an .
Herr stärke mich !
Ein heiliger Schauer ergreift mich !
Ich falle Dir zu Füßen -
Ich habe mein Amt angetreten . zum erstenmal habe ich zu meiner Gemeine , als Lehrer geredet und , Gott gebe es ! nicht ohne Nachdruck geredet .
Ich sprach , wie mich dünkt , nicht bloß mit dem Munde , sondern mit dem vollen Ausdrucke eines gerührten Herzens , das am liebsten durch Gebärden spricht .
So möchte ich immer sprechen .
Irre mich nicht , so bemerkte ich bei denen , die mir am nächsten saßen , sympathetische Bewegungen mit den meinigen :
Aber vielleicht sympathisierten diese meine Zuhörer bloß mit der Person des Redners !
Vielleicht lassen Sie es bloß bei einem : " Das ist ein schöner Redner !
Das war eine schöne Predigt !
" bewenden !
Und dann wäre mein ganzer Vortrag eine klingende Schelle !
Gleichwohl lehrt mich die Natur mit Affekt reden !
So werde ich also meine Gemeine insbesondere belehren müssen , daß sie es nicht bloß bei dem Anhören , auch nicht bloß ben dem Gefallen bewenden läßt !
Sie muß über die Predigt nachdenken und praktisch räsonnieren lernen :
Und dazu muß ich den Schwächeren die Anleitung selber geben !
Morgen werde ich den Anfang dazu machen .
12 März .
Zum erstenmal einen Kranken besucht !
Ich fühle , daß dieses meine Lieblingsbeschäftigung werden wird !
Bei dem Krankenbette glaube ich jener Welt um ein großes näher zu sein , als auf der Kanzel .
Mein erster Kranker wird des Todes der Gerechten sterben !
Es ist ein Greis , der mich bloß deswegen rufen ließ , um seine Kinder zu trösten , die über sein herannahendes Ende verzweifeln wollen :
Und doch hinterläßt er ihnen großes Vermögen !
Den 14 März .
Ich habe diesen kranken Greis sterben sehen und mir sein Bild unauslöschlich in meine Seele geprägt .
So laß mich auch sterben , o Gott !
So laß mich auch sterben , o Gott !
So laß mich auch zu meinen Kindern sagen : Lebt wohl , Kinder !
Wir sehen uns wieder ! 15 März .
Ich habe einen Jüngling von 19 Jahren überzeugt , daß er auch sterben könne .
Bei dieser Gelegenheit habe ich den Entschluß gefaßt , meine Argumente , so oft als nur immer möglich , aus Erfahrung , entweder ganz allein zu führen , oder doch jedesmal zu unterstützen .
Vergebens stellte ich diesem Jünglinge die Zerbrechlichkeit unserer sterblichen Hütte aus Schrift und Vernunft vor !
Er gab mir die Wahrheit zu und leugnete heimlich die Möglichkeit ihrer Applikation auf sich .
In der Angst nahm ich zu Beispielen meine Zuflucht .
Ich erzählte ihm den schleunigen Tod eines meiner Freunde auf der Akademie .
Auch er , sagte ich , hielt es für unmöglich , im neunzehnten Jahre zu sterben : und ich : mein Freund ! fuhr ich fort , wie er mich hier sieht , habe ihn drei Tage darauf , auf diesen meinen Schultern zu Grabe getragen .
Diese Worte waren Spieße und Nägel in das Herz meines Kranken und nun war er von der Möglichkeit seines Todes überzeugt .
16 März .
Ich werde meinen Schulmeister in die Schule nehmen müssen .
Halb mit Mitleiden , halb mit Unwillen habe ich seine Lehrart angehört !
Alles mechanisch !
Alles für das Gedächtnis !
Nichts für den Verstand !
Noch weniger für das Herz !
Und doch arbeitet er mehr , als er Kräfte hat - und verdient weit weniger , als er arbeitet .
Ich muß mit ihm Mitleiden haben !
Aber noch mehr mit seinen Untergebenen .
- So will ich mich denn der Arbeit selbst unterziehen !
Alle Tage eine Stunde ist eine Kleinigkeit .
Ich vertrödelte sie vielleicht bei einem Buche oder bei noch etwas schlechterem ! 29 März .
Dieser Tag ist für mich einer der glücklichsten meines Lebens .
An ihm habe ich das gesehen , was ich in den Stunden der Neugierde schon so oft zu sehen gewünscht habe - wovon ich mir einbildete , daß ich es vergebens suchen würde , und welches zu suchen ich mir doch fest vornahm : Dich , meine Willhelmine , habe ich gesehen .
Eine Stunde zuvor kannte ich Dich nicht !
Eine Stunde darauf liebte ich Dich schon mit dem Vorsatze Dich immer zu lieben .
Wie wunderbar !
Ich , der ich nie geliebt - nur immer gesehen und übersehn habe , liebe zum erstenmal so rasch !
Und doch kann ich diesen raschen Schritt nicht für leichtsinnig erklären , selbst bei der kältesten Überlegung nicht !
Was zeigte mir meine Wilhelmine , in einem Augenblicke , in dem sie nicht glauben konnte , von mir bemerkt zu werden ?
Ein Herz voll Scham über die Laster ihres Vaters :
Ein Herz voll Bereitwilligkeit alle seine Fehler zum Besten zu kehren :
Ein Herz voll Liebe für seine , nur gar zu kleine , gute Seite !
Wer diese Tugenden hat , der hat sie alle !
Gottlose Eltern sind verdammt , ungehorsame Kinder zu haben ; Diese wird einst an jenem Tage die allgewaltige Macht böser Beispiele entschuldigen , wenn jene schon büßen werden :
Aber wenn durch Gottes gnädige Fügung in dem Schoße lasterhafter Eltern ein gehorsamer Sohn oder eine gehorsame Tochter aufwächst , so haschet ihr nach , Jünglinge !
Haschet ihm nach !
Jungfrauen !
Ihr werdet einen tugendhaften Gatten an ihm und an ihr finden , wie ich ihn an Wilhelmminen gefunden zu haben glaube - nicht glaube - fühle .
Ich habe mich ihr noch nicht entdeckt , außer durch kleine Verrätereien meines Heezens , durch Blicke ; aber ich werde mich ihr entdecken - noch heute !
Ich will an sie schreiben :
An ihren Vater muß ich !
Muß ich !
Es ist unglücklich , an einem Vater irgend etwas müssen !
Wie wollte ich ihn verehren , hätte er seiner Tochter Herz und machte mich zu seinem Schwiegersohne !
Aber er hat es nicht - und vielleicht schlägt er mir seine Tochter ganz und gar ab , wenn mein Brief nicht nach seinem Geschmacke ist !
Soll ich ihn nach seinem Geschmacke machen ?
Nein , Wilhelmine !
Bei der Liebe zu Dir :
Ich will ihn in meinem Geschmacke machen , ihm ohne Umschweife die Geschichte meines Herzens erzählen und um Dich anhalten : Dich aber will ich meine glückliche Entdeckung - nur von ferne merken lassen :
Mehr darf ich nicht !
Dann aber mit eben so viel Worten Dir sagen , daß ich Dich liebe und stets lieben werde .
Dein Herz ist noch nicht verschenkt : Du wirst mich wieder lieben !
7 April .
Bald wäre ich in dem Entschluss , mich zu verheiraten , wankend gemacht worden .
Heute sah ich eine junge , blühende Ehefrau im Wochenbette sterben .
Der hinterlassene Ehemann war der Raserei nahe .
Mein Trost , aller Welt Trost , Gottes Trost selbst war für ihn kein Trost .
Er liebte sie also zu sehr und vielleicht strafte ihn Gott eben darum mit dem Tode seiner Gattin !
Aber kann ich nicht noch leichter in eben den Fehler fallen ?
Und falle ich auch nicht darein , ist nicht meine Liebe zu Wilhelmminen schon jetzt so stark , daß , wenn sie in diesem Augenblicke stürbe , ich ohnmächtig vom Stuhle herabsinken würde ?
Und besitze ich sie erst , kenne ich erst ihre Seele ganz , hat mich erst die Macht der Gewohnheit an sie gefesselt :
Was soll alsdann geschehen ?
8 April. Weg mit allen zweifeln !
Wer ein Schiff zu bauen hat , fragt nicht , untersucht nicht , fürchtet nicht , daß es vielleicht auf der ersten Fahrt untergehen möge .
Genug , er braucht es :
Also baut er_es .
Wenn es die Winde an die Klippen schleudern und in Stücken werfen werden , das überläßt er dem Herrn der Winde .
Also auch ich ! 14 April .
Endlich habe ich den Tag herangeschmachtet , den der liebe Wohlstand so lange ver schoben - den Tag des Ja oder Neins .
Noch liegt mein Glück oder Unglück jenseits zweier Siegel Aber es soll bald diesseits kommen - Wilhelmine ist mein !
O Wonne !
Aber ihr Vater ist mein Vater !
Das schmerzt !
Das ist meiner Gemeine anstößig !
Und folglich - Nämlich in dem Falle , wenn der Anstoß von mir gerade zu gegeben und durch Vorstellungen nicht gehoben werden könnte !
Aber ich will ihn heben und er wird sich heben lassen .
Ich will meine Wilhelmine in der ganzen Gemeine bekannt machen !
Ein jeder und eine jede , die ihres Verstandes mächtig sind , sollen meine Wahl billigen und es mir zum Verdienst anrechnen , daß ich sie den Klauen eines unwürdigen Vaters entrissen habe !
Aber was wird sie selbst dabei leiden , diese arme Tochter , wenn man sie bewundern wird , daß sie so gut und rein aus einem bösen Hause gekommen - wenn man sie darum noch mehr lieben wird ; weil sie die Tochter eines lasterhaften Vaters ist !
Und was werde ich leiden und sie selbst leiden machen , wenn mein Amt mich bisweilen nötigen wird , den Lieblingelastern ihres Vaters den Krieg anzukündigen !
Mit welchem beklemmten Herzen werde ich da reden , und mit welchem beklemmten Herzen wird sie mich hören !
Ich sehe traurige Auftritte in meinem Ehestande vorher .
Verminderten sie meine Liebe zu Wilhelmminen nur um einen Gedanken , gleich wollte ich es für einen Wink ansehen , Wilhelmminen gar nicht zu besitzen : aber sie vermindern sie nicht .
Gott , unsere Liebe und ein wenig Klugheit werden uns durch alle diese traurige Auftritte glücklich hindurch helfen ! 20 April .
Ich merke , meine Predigten sind zu lang .
Heute sah ich einen meiner aufmerksamsten Zuhörer ungeduldig werden , die Augen von mir wegwenden und gähnen .
Schade , daß es unseren Sitten zuwider ist , in der Predigt kleine Pausen von einigen oder nur einer Minute zu machen !
Der Vernunft ist es gewiß nicht zuwider und mit der Erfahrung stimmt es auf das genaueste überein , die mich gelehrt hat , daß die Aufmerksamkeit im strengsten Verstande , die Aufmerksamkeit , die sich vor allen fremden Gedanken verwahrt , bei Köpfen , die des Denkens nicht ganz gewohnt , wie Gelehrte , aber auch nicht ganz ungewohnt sind , wie Bauern , höchstens eine halbe Stunde - bei dem niedrigsten Haufen aber kaum eine Viertelstunde dauert .
Diese Pausen , dünkt mich , wären ein vortreffliches Mittel , den Zuhörern eine Predigt ganz in die Seele zu bringen .
Ich will die Sache weiter überlegen !
1 Mai .
Ich werde den Vorsatz aufgeben müssen , den ich mit in mein Amt brachte , in der neueren Gelehrsamkeit ja nicht zurückzubleiben .
Meine Arbeiten häufen sich und ihnen muß alle Gelehrsamkeit nachstehen .
Der Frühling ruft mich in meinen Garten !
Ich höre seinen Ruf und vergesse darüber den Ruf des Meßkatalogus und der Journale .
Aber so werde ich für einen Idioten ausgescholten werden ?
Es sei .
In diesem Punkte will ich den erleuchteten Engländern beitreten !
Das Fach , worin Unwissenheit Sünde ist - Das Fach , worin ich einen jeden Fehler zu verantworten habe : Kurz das Fach eines Lehrers der Religion in einer Dorfgemeine will ich nach allen Kräften studieren !
In allen übrigen Fächern will ich vorsätzlich unwissend bleiben .
Auf alle diese Fragen :
" Haben Sie nicht dies neue Produkt des menschlichen Witzes , des menschlichen Verstandes oder der Kritik gelesen ? , will ich , ohne zu erröten und ohne erröten zu dürfen , Nein antworten .
" Ich habe iz ein großes , weitläufiges Buch vor mir , ( das soll meine Antwort sein ) was ich mit der größten Aufmerksamkeit lesen muß , Was für ein Buch , wird mich vielleicht die Neugier fragen ?
" Meine Gemeine , werde ich sagen , , Beschämt wird der Fragende in sich selbst kehren : Oder wenn er ja mit einer neuen Frage oder mit einem Vorschlage angezogen kommt - Etwan mit diesem : " O mein Herr !
Da will ich Ihnen ein vortreffliches Buch vorschlagen , was erst diese Messe erschienen ist !
, so mag er diese meine Antwort hören und beherzigen : Vergeben Sie !
Ich möchte gern aus der Quelle schöpfen : 3 Mai .
Ich muß mein Klavier ungestimmt lassen , damit ich mich allmählich an die Disharmonien meines Schulmeisters gewöhne , mit denen er alle Sonntage auf einer kläglichen Orgel meine Ohren peiniget. 5 Mai .
Den ersten Verdruß gehabt !
Ein trunkener Bauer ist vor meinem Hause mit großem Geschrei vorbei getaumelt .
Ich will ihn nüchtern werden lassen und dann in Gegenwart seiner Freunde beschämen .
Ich will sein Weib antreiben , ihn durch die Bande der Liebe zu Hause fest zu halten , daß er nicht wieder in das Haus der Trunkenheit geht .
Dem Gastwirte will ich vorstellen , welche ein elender Profit das ist , den man dadurch gewinnt , daß man seine Gäste sich um ihren Verstand saufen läßt .
Der trunkene Bauer ist selbst bei mir gewesen , hat mich um Verzeihung gebeten - noch mehr aber darum , daß ich ihn in der nächsten Predigt nicht abkanzeln möchte !
Es muß also sonst in dieser Gemeine Mode gewesen sein , nicht nur die Laster , sondern die Lasterhaften selbst abzukanzeln und aus der Furcht des trunkenen Bauers schließe ich , daß es ein kräftiges Mittel gewesen ist , die Lasterhaften zu beschämen .
Aber weg mit diesem Mittel !
Die Kanzel ist mir zu heilig , als daß ich sie zum Gerichtsplatze der Lasterhaften machen sollte .
20 Mai .
Der Tag meiner Verlobung mit Wilbelminen - ein eben so süßer , als saurer Tag .
Ihr Vater soff sich vor meinen und ihren Augen um seinen Verstand und forderte mich mit den unedelsten ausdrücken zu einem gleichen Verhalten auf !
Wilhelmine ging beiseite und weinte .
Ich folgte ihr und weinte mit .
Aber mein ist sie nun :
Auf ewig mein !
Ich habe mich in dem Schlusse von dem Gehorsam eines Kindes gegen einen gottlosen Vater , auf alle anderen Tugenden nicht geirrt .
Auch ist sie in den weiblichen Künsten nicht ungeschickt !
Ich werde mit ihr die Lasten dieses Lebens tragen , ohne daß sie mich sonderlich auf die Schultern drücken .
Aber ihr Vater !
Wie soll ich mich gegen ihn betragen , daß ich mir seinen Haß nicht zuziehe ?
Zwar der Haß gegen mich würde den Haß gegen seine Tochter voraussetzen :
Aber , gebe Gott , daß ich lüge !
Er scheint mir dazu fähig zu sein .
Jetzt hält er mich noch für blöde , und um deswillen übersieht er_es mir , daß ich nicht in seine Laster willige :
Aber wenn er mich nun nötiget , ihm ohne Scheu zu sagen , daß er ein Bösewicht ist - Er ist stolz - Er wird mich und sein Kind verfolgen :
Doch -
In allen meinen Taten Laß ich den Höchsten raten !
1 Junis .
Es sind einige Arme in meiner Gemeine :
Ich muß ihr Vater sein .
Ich werde nachrechnen , wie viel sie bedürfen und meine Gemeine zu einer Kollekte zu bewegen suchen .
Ich will selbst das erste Scherflein in den Gotteskasten werfen !
10 Junis .
Meine Schulstunden sind nun schon für mich die süßesten meines Amts .
Eltern und Kinder lieben mich , daß ich mir Mühe gebe , ihre Seelen zu bilden und diese Bildung ist sich doch schon selbst Belohnung !
Meine Kinder fangen an zu denken , die Schönheiten der Natur zu fühlen , die Werke Gottes zu bewundern : Sie sehen mich als ihr Orakel an und fragen mich bei allen Kleinigkeiten um Rat und ich finde wahres Vergnügen daran , zu werden wie die Kinder .
Ich muß auf ein Lesebuch für sie bedacht sein !
12 Junis .
Viel Glück !
Ein Bauer ist bei mir gewesen und hat mir einen Zweifel wider meine Predigt gemacht .
Gewiß ich habe aufmerksame Zuhörer !
16 Junis .
Wehe mir !
Ein reisender Handwerksbursche hat im Gasthofe den Freigeist gespielt und die Bauern zu überreden gesucht , daß die Bibel gar nicht ein so altes Buch wäre , als sie sich einbildeten .
Sie wäre nicht älter , als die Buchdruckerkunst und diese nicht älter , als Doktor Faust , und dieser nicht älter , als ein paar hundert Jahr , wie er_es selber in Heidelberg gehört hätte .
O Wahnwiz , o Wahnwitz !
Gleichwohl werde ich gegen diesen Wahnwitz ernsthafte Anstalten machen müssen .
Was dem Starken nicht schadet , schadet doch dem Schwachen !
Ich werde über das Altertum der heiligen Schrift , zusammengenommen mit ihrer Göttlichkeit , eine Rede halten .
Ich werde die Geschichte der Schreibekunst und des Druckens , nicht minder die Geschichte der Bibelübersetzungen nicht unberührt lassen dürfen , so wenig auch diese Materien auf die Kanzel gehören !
So bald es das Bedürfnis der Gemeine ist , sobald gehört es darauf .
17 Junis .
Meine Einsamkeit fängt mir an beschwerlich zu werden .
Ich bin ein Beweis von der Geselligkeit der menschlichen Natur !
Aber bald wird meine Einöde in ein Paradies verwandelt werden . 5 Julius .
Mein Hochzeittag !
Der zweite nach dem Tage meiner Geburt : aber der freudigste unter allen .
Meine Willhelmine dankt es mir nun , daß ich sie aus ihres Vaters Hause erlöst habe .
Sie fängt an , wie eine Rose im Tale aufzublühen .
Der Gram über ihren Vater verzehrt sich allmählich im Genusse der Freuden .
Ich glaube , sie wird sogar noch schön werden !
Aber sie sei es nicht , sie werde es auch nicht , sie sei häßlich , wie Frau Thersites , so liebe ich sie doch .
20 Julius .
Mein Schwiegervater hat mich besucht und meine Vorhersehung ist erfüllt .
Er ist durch mich und um meinetwillen , mein und seines eigenen Kindes , Feind geworden .
Er forderte von mir mit vielem Ungestüm die Nahrung seines verwöhnten Gaumens .
Ich konnte sie ihm nicht geben , weil ich sie nicht hatte , noch wollte ich sie ihm geben , wenn ich sie auch gehabt hätte , noch durfte ich sie ihm hohlen lassen , um nicht meiner Gemeine Anstoß zu geben .
Dieses brachte ihn auf .
Er verlangte von mir unbedingten Gehorsam , weil ich sein Sohn wäre , und ich erklärte ihm gerade zu , daß ich ihm , so wie er jetzt wäre , nicht für meinen Vater erkennen könnte .
Er wurde halb rasend und wollte sich an seiner Tochter vergreifen .
Ich nahm sie in meinen Schutz und drohte , ihn aus dem Hause zu werfen .
So wurde das Feuer angezündet !
Er fuhr in der größten Hitze , ohne Abschied , fort .
Gott weiß es , was daraus entstehen wird !
25 Julius .
Es ist ein Kandidat bei mir gewesen , der mich , armen Landprediger , nicht wenig in die Enge getrieben hat .
Er sprach von allem !
Vom Kennikot und Buddeus und Moßheim und Götze .
Er wollte alle ihre Schriften gelesen haben und fällte von allen ein positives Urteil :
Entweder : Es ist ein vortrefflicher Mann , oder :
Es ist ein Stümper in der Theologie !
Er nannte mir ein Heer von Auslegern , alter und neuer Zeiten - Die neueren Streitigkeiten unter den Kritikern wußte er alle auf ein Haar - Kurz , ich mochte gelesen haben , was ich wollte , so hatte er_es auch gelesen !
Ich war schon im Begriffe , der Kanzel zu einer so seltenen Akquisition Glück zu wünschen , als er mir frei gestand , ein Buch hätte er noch nicht Zeit gehabt im Zusammenhänge zu lesen : Die Bibel !
So nehme ich denn meine Gratulation zurück und kondoliere !
1 August .
Ich wünschte , daß sich ein guter Kopf unter uns Deutschen entschließen möchte , für das Landvolk zu arbeiten .
Ein junger , aufgeweckter Bauersmann brachte mit heute Gellerts Fabeln und Erzählungen zurück , die ich ihm gelehnt hatte ; Als ich ihn fragte , was ihm am besten gefallen hätte , so nannte er mir sogleich :
Die Bauern und der Amtmann , der Informator , der junge Drescher , ein guter dummer Bauerknabe , kurz , alle Fabeln und Erzählungen , die auf ihn , als Bauer unmittelbare Beziehung haben und bat mich auf das treuherzigste , ihn mehr dergleichen hübsches Zeug lesen zu lassen .
Aber wo soll ich es hernehmen .
Gellerts letzter und zweiter Brief - ein paar Briefe von Rabnern - ein Lied von Hagedorn - und zum Teil die Jagdlust Heinrich des 4ten ist alles , was ich weiß !
Ich kann es den geschmeidigen Dichtern , die sich in alle Gesichtspunkte zu setzen wissen - manchmal in sehr schlechte - in den Gesichtspunkt eines Säufers , eines Epikurs u. s. f. nicht vergeben , daß sie sich nicht auch einmal in den Gesichtspunkt eines ehrlichen , zwar kurzsichtigen , aber doch sehenden , zwar einfältigen , aber desto redlicheren Bauers setzen .
Warum liefern sie uns nicht : Fabeln und Erzählungen für das gemeine Volk : Briefe zur Bildung des Landvolks : Bauerlieder ?
Woran liegt es ?
Sollte sich etwan kein Verleger finden ?
Ich denke immer , wenn sonst der Versuch nicht mißlänge , so könnte ein Verleger ohne Risiko die Hälfte der Exemplare für die Städte drucken lassen .
Es gibt , wie man mich versichert , in mancher großen Stadt , eine schöne Menge Landvolks !
Oder hält man vielleicht diese Dichtungsarten für unmöglich ?
Sie sind ja schon alle einzeln vorhanden !
Oder für schwer ?
Dem Genie ist nichts mögliches zu schwer .
Oder für zu unedel für einen denkenden Kopf ?
Wollte der Himmel , gewisse andere Dichtungsarten wären es nicht , die schon manchen denkenden Kopf beschäftigt haben .
Oder glaubt man vielleicht , daß das Landleben nicht Stoff genug zu Fabeln , Briefen und Liedern darbot ?
Stoff die Menge !
Nur freilich liegt er den Städtedichtern nicht nahe genug .
Sie müssen selbst einige Zeit auf dem Lande wohnen und die ganze Denk- und Handlungsart , des Bauern studieren , sich eine Menge von Dorfhistorien erzählen lassen , und darunter eine Auswahl Tressen :
Vor allen Dingen aber die ihnen größtenteils unbekannte , natürliche , nervichte , treuherzige Sprache des Bauern erlernen und dann einmal von der Höhe des Beifalls und der Bewunderung herabsteigen und mit der kleinen Ehre vorlieb nehmen , Bauern genützt zu haben .
Hätte ich nur Kopfs genug , wie gern wollte ich der Dichter meiner Bauern werden !
Indessen - zu Briefen !
Es kommt auf einen Versuch an :
Sieht ihn doch niemand als ich !
Gürge , des Schulzen Sohn an Rosinen , eines armen Gärtners Tochter .
Nun , Rosine !
Es bleibt also dabei , daß ich heute auf den Nachmittag zu Deinem Vater komme und ordentlicher Weise um Dich anhalte .
Mit meinem Alten habe ich rechte Not gehabt , ehe ich ihn herumgebracht habe .
Er wollte Dir anfänglich gar nichts wissen und hören , weil ich sagte , daß ich Dich freien wollte .
Er schalt mich einen Esel über den anderen , daß ich ein solches blutarmes Ding heiraten wollte , wie Du wärst , und er möchte in Deiner Eltern ihre Freundschaft nicht kommen :
Denn er wäre der Schulze im Dorfe und ich sollte mich auch was schämen , daß ich meine Nase nicht höher trüge :
Ich könnte wohl bei dem Pachter anfragen und er gäbe mir seine Tochter mit tausend Freuden .
Siehst Du , das hat mein Vater gesagt :
Aber ich habe mich hinter dem Schulmeister gesteckt und ihm ein Biergeld gegeben .
Der hat denn meinen Vater auf andere Gedanken gebracht .
Er brummt zwar noch immer mit unter :
aber er wird_es wohl satt kriegen .
Genug , auf den Nachmittag komme ich herunter zu euch und bringe mein Wort an .
Dein Vater wird doch Grütze im Kopfe haben , denke ich !
Eines Schulzen Sohn möchte nun wohl sobald nicht wieder kommen .
Putze Dich nur ein bisschen an , Rosine !
Denn Du weißt wohl , ich heirate Dich bloß auf Dein hübsches Gesichte und auf Dein hübsches Ansehen .
Weiter ist bei euch nichts zu Brüdern :
Und wenn ich nicht selber Geld und Geldeswert hätte , so könnte aus uns beiden nichts werden .
Aber siehst Du , so wirst Du auf einmal zum reichen Weibe und noch dazu Frau Schulzen .
Das hast Du alles mir zu danken !
Nun , wie gesagt : Mache Dich nur unterdessen gefaßt .
Ich will nur erst ein paar Bissen essen !
Hernach will ich mich anziehen und hernach komme ich zu Dir .
Viel Glück derweil !
Rosine an Gürgen .
Gebe er sich nur keine Mühe , Herr Gürge , und bleibe er hübsch zu Hause .
Ich mag seine Frau nicht werden , daß er_es nur weiß , und wenn sein Vater ein Edelmann wäre .
Tut er doch so dicke , als wenn er , wer weiß was , wäre !
Und sein Vater auch .
Wenn er in meiner Eltern Freundschaft nicht kommen will , so will ich in seine auch nicht kommen .
Meine Eltern lasse ich nicht verachten .
Sind sie gleich nicht reich , so sind sie doch ehrliche Leute .
Haben wir doch , Gottlob ! bis jetzt ohne euch leben können :
So werden wir_es ja auch noch weiter können .
Daß ich nicht ein Narr wäre und ließe mich auf mein hübsches Gesicht heiraten !
Wenn ich nun das bisschen Hübschigkeit verlöre :
Nicht wahr , dann Stöße er mich nicht gern mit dem Fuße fort ?
Nein , Nein , heirate er , wen er will , nur mich nicht .
Lieber will ich Zeit meines Lebens bei meinen Eltern bleiben und ihnen mit Rat und Tat an die Hand gehen , als daß ich ihn zum Manne haben wollte .
Gehe er doch zu Pachters Tochter , wenn er sie kriegen kann !
Versuche er_es doch .
Sie wird ihm die Türe weisen , wenn er_es wissen will .
Ich kenne sie besser .
Sie kann das meschante Dicketun eben so wenig leiden , wie ich .
Das ärgert mich nur , daß ich ihn vor 8 Tagen auf der Kirmiß nicht gleich abgeführt habe !
Ich dachte in meinem Sinne , weil er mir von heiraten vorschwatzte , er schäkerte nur und ich wollte die Lust nicht verderben :
Darum ließ ich Sein Geschwätze zu einem Ohr hereingehen und zum anderen wider heraus .
Aber hätte ich das gewußt , daß es sein Ernst wäre : Ich hätte ihm ganz anders antworten wollen .
Denn sieht er , wenn er auch nicht so hoffärtig wäre , wie er_es denn ist : so möchte ich ihn doch nicht haben .
Denn warum ?
Gleich und gleich gesellt sich gern .
Weil ich arm bin , so will ich auch nur einen armen haben :
denn kann er mir_es nicht vorwerfen , daß er mich reich gemacht hat : Satt Brot wollen wir doch wohl verdienen , wenn er nur so arbeiten kann , wie ich :
Und viel mehr braucht man auf dem Dorfe nicht .
Es hat mich auch schon einer auf dem Korne :
aber ich werde es ihm nicht gerade auf die Nase binden , wer_es ist .
Mein Vater ist ihm gut und meine Mutter auch und ich kann ihn auch leiden :
Aber ihn kann ich nun gar nicht leiden , daß er_es weiß und damit hat er seinen Bescheid .
Adieu ! 2 August .
Ich lese die beiden vorhergehenden Briefe durch und finde sie gar nicht so , wie ich sie wünsche .
Sie sind moralisch :
aber sie sind es nicht genug .
Ich will es auf eine andere Art versuchen !
Christel an seine Eltern .
Hättet ihr mich nur gar nicht in die Stadt geschickt !
Ich kann es nicht gewohnt werden , ich mag_es anfangen , wie ich will .
Es ist immer ein Getobe und ein Gelärme , daß man sein eigenes Wort nicht vernehmen kann : Und auf unserem Dorfe :
Ach !
da war_es immer so hübsch stille und so ruhig .
Ich möchte weinen , wenn ich daran denke !
Ihr habt mir immer gesagt , daß die Stadtleute so höflich sind .
Das ist mir eine liebe Höflichkeit !
Es sieht mich keiner über die Schultern an .
Wenn ich sie Grüße , so danken sie mir nicht , oder lachen mich wohl gar aus .
Wenn ich auf der Straße gehe , da heißt es alle Augenblicke :
Aus dem Wege , Schurke !
Kurz , ich kann_es euch nicht beschreiben , wie grob sie einem begegnen .
Und wenn das nur noch alles wäre !
Aber da bin ich den Sonntag in der Kirche gewesen .
Ja , ihr mögt mir_es glauben oder nicht :
Es ging euch nicht viel besser zu , als in einer Schenke .
Da liefen sie ein und aus , wie sie wollten und hernach standen sie wieder und hatten die Filze auf , als wenn sie sich die Köpfe erfrieren wollten und plauderten und plauderten :
Ja , ich war so böse , daß ich hätte mit Prügeln drein schlagen mögen .
Nein , da lobe ich mir unseren Gottesdienst .
Wir danken den lieben Gott , daß die Woche vorbei ist , daß wir nun auch wieder einmal Gottes Wort hören können : und wenn wir unseren Herrn Pfarre sehen , so sitzen wir still und haben Respekt vor ihm :
denn er ist Gottes Diener !
Aber das ist alles noch nichts .
Ihr denkt doch , ihr habt mich auf die Schule getan , daß ich was lernen soll :
Aber ihr werdets sehen !
Von der Bibel wissen sie euch fast gar nichts .
Manchmal lesen sie wohl ein Kapitel , aber das schnattern sie so geschwind , wie die Gänse :
Und hingegen mit dem lateinischen , da quälen sie einen halb zu Tode .
Ich muß alle Tage auswendig lernen , daß mir der Kopf platzen möchte und ich weiß bis diese Stunde nicht , wozu mir_es helfen soll .
Aber das ist alles noch nichts !
Wenn ich_es euch erst erzählen sollte , was in der Stadt Böses geschieht :
ihr würdet euch des Todes wundern .
Bald hat einer gestohlen !
Bald schlagen sie sich bis aufs Blut !
Bald höre ich die Leute fluchen , daß mir die Ohren wehe tun ! Bald ist dies , bald ist das .
Nein , da lobe ich mir unser Dorf .
Solche grobe Sünder gibt es bei uns nicht : und wenn auch hier und da einer ist , Je nun , lieber Gott !
War doch unter des Herrn Christus seinen Jüngeren auch einer ein Teufel .
Ich denke nun so in meinem Sinne :
Das ist nun einmal mit den Menschen nicht anders .
Wir sind allzumal Sünder !
Aber soviel Unheil , als hier ausgeübt wird : das ist schlechterdings unerhört !
Nein , liebe Eltern !
Bei euch ist_es besser !
Ihr seid hübsche , ordentliche , christliche Leute !
Bei euch habe ich in einer Stunde mehr Gutes gesehen , als ich hier vielleicht in 4 Wochen sehen werde .
Ich möchte lieber wieder nach Hause kommen :
denn da ich doch nichts weiter werden soll , als ein Handwerksmann oder ein Kunstverständiger , so dächte ich , könnte ich in unserer Dorfschule eben so viel lernen .
Doch wie ihr wollt !
Ich bin euer Sohn und ich muß euch folgen .
Lebt wohl !
Noch nicht nach meinem Geschmacke !
Ich sehe wohl und fühle es , daß es leichter ist , ein Ding zu projektieren , als auszuführen .
Oder fehlt es mir vielleicht noch an hinlänglicher Erfahrung ?
Ich glaube es fast !
Gut , so mag diese Idee noch einige Jahre unausgeführt bleiben .
Kommt Zeit , kommt Rat ! 3 August .
Noch ein Embryo von einem Projekte !
Könnte man nicht auch durch Gespräche den Bauer belehren ?
Warum nicht ?
Man müßte nur eine Materie herein legen , die der Ausarbeitung wert wäre :
Man müßte die redenden Personen in einer gemeinen und alltäglichen Situation darstellen :
Man müßte ihnen nur recht viel Bon sens in den Mund legen , durch den man eben so strenge Beweise führen kann , als durch die tiefsinnigste Philosophie ! Gut :
Ich bemerke , daß meine und vielleicht alle Bauern ihre Steuern und Gaben mit Unwillen und Zwang hingeben .
Sie betrachten es als ein Geld , das sie gerade zu zum Fenster hinaus werfen müßten .
Der Landesherr kann weder , noch braucht er seinen Untertanen anzuzeigen , wozu er die von ihnen empfangenen Steuern und Gaben anwendet :
Gleichwohl scheinen sie so etwas zu verlangen , oder wenigstens , scheint es , als ob ihr Unmut dadurch vertrieben werden kann , wenn man ihnen anzeigt , daß sie ihre Steuern zu ihrem eigenen Besten hingeben .
Wie wäre es also , wenn ich ein kleines , tröstliches Gespräch über diese Materie versuchte und es , als eine fremde Arbeit , in meiner Gemeine herumgehen ließe ?
Ad arma !
K. Wohin , wohin , Gevatter !
So rund vorbei ! N.
Viel Glück !
Gevatter !
Ich trage da eben meine Steuern in die Schenke !
K .
So wartet nur einen kleinen Augenblick ich gehe mit . -
Nun , das Geld , was ich hier habe , geht nun wieder flöten !
Ich habe mir_es sauer genug verdient : aber nun Holz der Kuckuck auf einmal ! N.
Wie denn so , Gevatter !
K. Je , es sind die Steuern. M. Haha , ich muß lachen ! vor ein paar Tagen redete ich auch noch so :
aber ich bin gestern beim Herrn Pastor gewesen , der hat mir den Star gestochen !
Wißt ihrs wohl ?
Wir sind alle mit einander Narren , wenn wir uns so ungebärdig anstellen , daß wir ein paar lumpige Groschen Steuern und Gaben an unseren gnädigen Landesherrn geben sollen .
K. Gevatter , wie ist euch , daß ihr auf einmal so sprecht ? N.
Je , wie wird mir sein ?
Recht herzlich gut .
Ich wollte lieber einen baren Taler entbehren , als daß ich gestern nicht beim Herrn Pastor gewesen wäre K. Warum denn das ? R. Hört , Gevatter !
Er hat mir Dinge gesagt !
Ich habe Maul und Nase aufgesperrt , als ich sie hörte : und es war alles so wahrhaftig wahr , als wenn es von Wort zu Wort aus einem Buche abgeschrieben wäre .
K. Nun , was war es denn ?
So sagt_es doch ! R.
Je , das kann ich euch nicht so hersagen !
Wenn ihr mich um dies und jenes fraget , so dächte ich wohl , daß ich euch keine Antwort schuldig bleiben würde .
K. Seid doch nicht wunderlich , Gevatter !
Wie kann ich euch denn fragen ?
Ich weiß ja nicht , was er gesagt hat. R.
Nun , hört nur , Gevatter !
Da sagte er zum Exempel :
Unser Landesvater müßte uns verteidigen , wenn Not an den Mann ginge .
Darum müßte er auch immer eine Armee auf den Beinen haben , und die kostete ein ganz schmähliches Geld .
Da wären 100000 Taler weg , wie nichts !
K. Seid ihr gescheut , Gevatter ?
Wo wollte er denn mit so viel Gelde hin ?
Ich dächte , wenn ich so viel hätte , dafür könnte ich mir ein Land , so groß wie unseres , mit Soldaten und alles ankaufen. R.
Ihr redet , wie ihrs versteht , Gevatter !
Aber laßt euch nur zu rechte weisen .
Ihr denkt , weil ihr in eurem Leben keine 100000 Taler beisammen gesehen habt , so könnt ihr wer weiß was damit ausrichten : aber fangt nur einmal an und kauft Soldaten davon , da werdet ihr sehen , wie weit es kleckt .
Die Soldaten sind euch eine verzweifelte teure Ware .
K. J , was wollten sie denn viel kosten ?
Ich weiß ja wohl auch , was die Lehnung austrägt .
Mit ein paar Talern behelfen sich ihrer Sechs ihre 5 Tage. N.
Nun ja , das ist nun wieder so in den Tag hinein geredet !
Grade , als wenn der Soldat weiter nichts brauchte , als das bisschen Lehnung .
Braucht er denn keine Montur , keine Schuhe und Strümpfe , keinen Degen , keine Flinte , Gevatter ?
He ?
Und was denkt ihr denn , daß eine Flinte kostet ?
Aber das ist euch noch gar nichts .
K. Nun , was wird da herauskommen ! N.
Ich dächte , ihr müßtet mit Händen greifen .
Hat denn unser gnädige Landesherr keine Offiziere und denkt ihr denn , daß ein Offizier nicht mehr kostet , als ein Gemeiner ?
Hört , Gevatter !
Ich habe einmal einen gesehen und ich dächte , seine Montur und alles , was er so um sich hatte , müßte an die 50 Taler gekostet haben .
Nun rechnet einmal nach !
Aber das ist euch alles noch gar nichts .
K. Was werdet ihr nun wieder zu Markte bringen ? R.
Hört doch , hat denn unser Herr keine Kavallerie ?
Und was denkt ihr denn , das euch Mann und Pferd kostet ?
An die 200 Taler .
K. Ihr meint doch eine Schwadron ? N.
Ihr Narr , ihr !
Ein einziger Mann und ein einziges Pferd kostet an die 200 Taler , mit Küraß und alles .
Da seht ihrs , was wir für dumme Schöpse sind , wenn wir so ins Wesen hinein räsonnieren !
K. Gevatter , ihr wollt mir wohl nur was weiß machen ? N.
Warum nicht gar ?
Was hätte ich denn davon ?
Ich will euch wohl noch ganz andere Dinge sagen .
Ihr habt doch einmal eine Kanone gesehen ?
K. Ja , Gevatter !
Ich habe einmal eine vor einer Schmiede stehen sehen. N.
Was denkt ihr denn wohl , daß ein solches Ding kostet ?
K .
Ich schätze es so an die 10 bis 12 Thaler. N.
Da kommt ihr schöne an !
Ich sage euch , es kostet bis an die Hunderte :
Denn hört nur wundershalber !
Mancher Schuß kostet allein an die 5 Taler .
Das hat mir der Herr Pastor vorgerechnet :
Die Kugel so viel , das Pulver so und so viel !
Kurz das steigt euch ganz entsetzlich ins Geld. K. Wenn es der Herr Pastor nicht gesagt hätte , Gevatter ! so schölte ich euch gerade zu Lügen :
aber so muß es wohl wahr sein .
Aber wenn nun das Soldatenwesen so vertracktes Geld kostet :
Je nun , so schaffte ich meine ganze Armee ab , wenn ich wie der gnädige Landesherr wäre .
Es ist ja jetzt Ruhe und Friede ! R.
Das sagte ich auch zu unserem Herrn Pastor !
Aber er schüttelte den Kopf ganz gewaltig dazu .
Denn seht nur , Gevatter !
Die großen Herrn haben zu itziger Zeit alle große , mächtige Armeen auf den Beinen :
Da muß ein Landesvater immer auf seiner Hut stehen .
Läßt er seine Soldaten aus einander geben , so geht es :
Hast du nicht gesehen !
da kommen sie von allen Ecken und Enden heran und plündern uns unser Land rein aus .
Wie würde euch das schmecken ?
K. Je , die großen Herrn müssen einander hübsch zufrieden lassen. N.
Ja freilich , sollte es so sein : aber es ist nun nicht so ?
Und hernach - Ja was wollte ich denn sagen - Ja - Wenn unser gnädiger Landesherr seine Soldaten wollte auseinander gehen lassen und es würde über kurz oder lang wieder Krieg :
Hernach müßte er wieder von vorne anfangen und sie exerzieren lernen , und wenn sie nun so lange auf der Bärenhaut gelegen hätten , das würde ein schöner Feldzug werden !
Das wäre gerade so , als wenn wir beide in den Krieg ziehen sollten :
wie würden wir uns nur mit unseren Flinten anstellen !
K. Gevatter , ihr habt recht !
Ich sehe es nun wohl ein , daß unser gnädiger Landesherr Geld braucht , und daß es recht und billig ist , daß wir Steuern und Gaben geben :
Aber es ist nur so grausam viel ! R.
Es ist gar nicht viel , sage ich euch !
Ich will euch noch ganz andere Rechnungen vorlegen .
Rechnet nur nach , was der Landesherr für eine Menge Bedienten ernähren muß !
Da sind die Justitienbedienten , die Recht und Gerechtigkeit verwalten !
Da sind die Kammerbedienten , die Zollbedienten und wer weiß , wie sie alle heißen - und hernach am Hofe die Minister !
Denkt ihr denn , daß die Herren alle von der Luft leben können ! die zehren alle auf unseres Herrn Kosten : und da gehört ein Geldbeutel dazu , so groß wie ein Kornsack !
K. Wahr und wahrhaftig , Gevatter !
Ihr seid nicht dumm. N.
Das denke ich auch , Gevatter !
O ich will euch wohl noch mehr sagen :
Denn jetzund ist meine Zunge erst recht im Gange !
Unser Herr Landesvater muß doch auch ein bisschen Staat machen , damit man sieht , es ist unser Landesvater !
Und überhaupt , wie es heißt :
Ein jeder nach seinem Stande !
K .
Das läßt sich alles hören ! R.
Er muß in Essen und Trinken was aufgehen lassen , er mag wollen oder nicht :
Denn seht nur , es sind am Hofe immer fremde Herrn aus anderen Ländern .
Was würden die sagen , wenn sie heim kämen und sie wären von unserem gnädigen Herrn nicht recht nach der Dauer traktiert worden ?
Pfui , würden sie sagen :
In dem Lande geht_es verzweifelt hungrig zu .
Nun seht ihr , das gehört also mit zur Ehre und Reputation : und darauf halten wir Bauern ja schon große Stücken .
Da muß ja unser gnädiger Landesherr auch drauf halten .
K. Recht gut gegeben , Gevatter !
Ist mir doch auf einmal ganz leicht ums Herz geworden .
Ich glaube , ich trage nun meine Steuern mit Freuden in die Schenke ! N.
Recht so , Gevatter ! Seinem Landesherrn muß man gehorchen .
Das steht in der Schrift und der Herr Pastor hat mir_es gestern recht schön ausgelegt .
Aber hört nur , ich will euch noch was sagen !
Unser gnädiger Landesherr muß auch immer einen Notpfennig in Paratschaft liegen haben :
denn es kommen manchmal Fälle , wo er in einem Huy Geld braucht , und wenn er_es nicht gleich bei Wege hat , so siehts schlimm aus .
Seht ihr , das heißt die Schatzkammer : und die ist bloß zu unserem Besten angelegt .
K. Daran habe ich nun auch wieder nicht gedacht !
So ist_es , wenn man nach nichts fragt !
Nun , nun , ist mir_es doch lieb , daß ihr mir aus dem Traume geholfen habt , Gevatter !
Ich will meinem Nachbar nun auch aus dem Traume helfen :
denn der schmält auch immer , wenn er seine Gaben abtragen soll .
Kommt nur , Gevatter !
Ihr sollt auch bei mir ein Glas Bier zu Gute haben .
4 August .
Dank sei dem Schöpfer , daß er in unsere Natur die Kraft gelegt hat , durch eine Reihe angenehmer Gedanken eine Reihe schmerzhafter Empfindungen , ich will nicht sagen , zu unterdrücken , aber doch gewiß zu vermindern und ihnen ihre ursprüngliche Schärfe zu benehmen .
Über dem Raffinieren über die Mittel und Wege , dem Verstande eines Bauern beizukommen , vergesse ich mein häusliches Unglück !
Armes , braves Weib !
Wie soll ich die Wunden heilen , die dir dein Vater geschlagen hat !
Wie soll ich dich wieder mit ihm aussöhnen !
Du siehst , er will nicht versöhnt sein !
zwei Briefe hat er uns unerbrochen zurückgeschickt : , Er wird uns den dritten und vierten eben so zurückschicken !
Aber wie , wenn wir selber zu ihm reisten !
Du scheinst es zu wünschen und ich habe bei deinen Wünschen keine Bedenklichkeit .
Wohlan also !
Zu ihm !
Vielleicht bricht sein Herz , wenn er seine Kinder zu sich kommen sieht , um es ihm abzubitten , daß - er sie beleidiget hat . 6 August .
Alles vergebens !
Wir sind von der Türe abgewiesen :
Er hat uns nicht vor sich gelassen .
Herz , was empfindest du bei diesem Streiche ?
It es Angst , oder Unwillen über die zugefügte Beleidigung , oder ein böses Bewußtsein , daß du mit solchem Ungestüm schlägst ?
Sei ruhig , wenigstens ruhiger !
Du hast Dir nichts vorzuwerfen !
Laß sein , daß aus einer rechtschaffenen Handlung tragische Folgen entstanden sind .
Sie hängen mit ihr auf gar keine notwendige Art zusammen - Denn welche Verwandtschaft ist zwischen Haß und Liebe , und Liebe war es doch , die uns den Haß unseres Vaters zugezogen hat : Liebe zu Gott und zu ihm , daß ich mich weigerte , ihn in elendem Getränke seine Vernunft ersäufen zu lassen ; Liebe zu dir , meine teuerste Gattin ! daß ich dich gegen die Mißhandlung deines Vaters in Schutz nahm - Und wie leicht ist es nicht unserem Gotte , die unglücklichen Folgen , die mit dem , was ich getan habe , nur so schwach zusammenhängen , ganz davon zu trennen !
Aber deine Schmerzen beste Gattin ! dein Gram , deine Tränen , daß du von dem Angesichte desjenigen verstoßen sein sollst , dem du dein Leben schuldig bist :
Die , die !
Ich sollte sie auch ertragen !
Ich habe sie eben so wenig verschuldet , sondern nur veranlaßt :
Aber hier bin ich Mensch !
- Wie ? -
Ja , das will ich tun .
Ich will alle Stärke meines Geistes , allen Witz und Scharfsinn aufbieten und zusammennehmen , und an dich schreiben !
Die Trostgründe für Dich sind nicht schwer zu finden :
Aber sie in gerader Linie in dein Herz zu führen , das vermag nur meine Feder .
Im Trösten muß man nicht durch Tränen , am allerwenigsten durch Tränen einer Gattin unterbrochen werden !
Du sollst den Brief auf deiner Toilette finden und mein getreues Tagebuch soll es aufzeichnen , welche Wirkungen er auf deine Seele gemacht hat !
12 August .
Meine Bauern wollen mich durchaus zu ihrem Ehestandsconsulenten haben !
Ein gefährlicher Posten .
Frage doch dein Herz , junger Bauer ! wen du heiraten sollst , nicht deinen Pastor !
Doch ich darf und kann mir das gute Zutrauen , das du gegen mich äußerst , nicht verscherzen .
Es ist ein falsches Zutrauen !
Was hat die Ehestandskasuisterey mit der Theologie zu schaffen ?
Oder wie bin ich , der ich dir sagen kann , was in der heiligen Schrift steht und nicht steht , im Stande , die zu sagen , ob du , wenn du Micken heiratest , eine glückliche Ehe mit ihr führen wirst oder nicht ?
Dazu gehört Wahrsagergeist !
Dennoch muß ich dir irgend etwas auf den Weg geben , was wie ein guter Rat aussieht , damit du mich nicht weder für ungelehrt und ungeschickt , noch für undienstfertig ansiehst .
Also vor allen Dingen :
Bist Du Micken gut ?
Ja .
Denkst Du ihr auch immer gut zu bleiben ?
O Ja .
Du kennst sie also wohl schon lange her ?
O Ja .
Nun wie ist sie denn ?
Hihi .
Du willst sagen , sie ist sehr hübsch ?
J ja .
Ihr Vater gibt ihr auch was mit ?
O Ja .
Nun das ist recht gut !
Aber was hat sie denn sonst für Eigenschaften ?
Ist sie auch hübsch sittsam , hübsch tugendsam ?
Ja , Herr Pastor !
Ist sie auch flink zum Arbeiten ?
O Ja .
Ist sie Dir auch gut ?
O recht sehr .
Gut , so wage es auf Deine Gefahr !
Aber sage ja nicht , daß ich Dir zur Heirat geraten habe .
Das wäre ein Schema !
Nun Micken auch vorgenommen .
Mieke , ich höre , Du wirst mich bald zur Hochzeit bitten :
Nicht wahr ?
Hehehe .
Sei nur nicht verschämt und sage mir_es , ob Du zu Steffens Gürgen Lust hast ?
Hehehe .
Nun Du lachst , das ist so gut , als ob Du ja sagtest :
Nicht wahr ?
Hehehe .
Aber höre nur , Mieke :
Bist Du denn auch Gürgen gut ?
Ja oder Nein ?
O Ja , Herr Pastor .
Wirst Du ihm auch immer gut sein ?
Wenn es Gottes Wille ist .
Daran zweifele nicht .
Es muß nur auch Dein Wille sein .
Aber Mieke , Mieke !
Gürge ist ein wilder Bursche : Nimm Dich in Acht , daß er Dich nicht einmal schlägt !
Hehe , Herr Pastor !
Sie haben mich wohl nur zum Besten .
Also meinst Du , daß er Dich nicht schlagen wird ?
O Nein .
Aber Mieke !
Der Ehestand ist ein Vogelbauer !
Ist man einmal gefangen , so kommt man nicht wieder heraus !
Wenn schon .
Wirst Du auch Dein Ehestandskreuze tragen ?
O Ja , lieber Herr Pastor .
Nun , so heirate auf Deine Gefahr , aber sage ja nicht , daß ich Dir zur Heirat geraten habe .
4 August .
Ich wünschte , daß meine Bauern nicht so zänkisch wären , oder daß ich sie weniger zänkisch machen könnte .
Die Leidenschaften , die sie zum Zanken antreiben , sind nun auf einmal nicht auszurotten : aber wie , wenn sich eine Situation erdenken ließe , wo alle ihre zänkischen Leidenschaften schweigen müßten !
Gut ich spreche mit Ihnen .
Ich erzähle Ihnen , daß die Einwohner der Städte gewisse Zusammenkünfte unter einander haben , bei denen es bloß darauf abgesehen ist , das Band der menschlichen Gesellschaft zu erhalten .
Ich rühme ihnen diese Zusammenkünfte und lasse mich merken , daß es mir lieb sein würde , wenn sie auch wöchent lich eine unter sich anstellten .
Allein ich werde sie nicht ohne Gesetze lassen , denen sie sich auch leicht unterwerfen werden , wenn sie hören , daß es die Einwohner der Städte eben so halten .
Es müssen gewisse kleine Geldstrafen festgesetzt werden auf Fluchen , Schwören , Schimpfen , Grobheiten und besonders auf das Zanken ; Nur notdürftiges Getränk muß gegeben werden ; Der klügste im Dorfe muß quasi Praefes sein und über Ordnung halten ; Er muß folglich auch die Strafen einfordern .
Wer sich weigert , sie zu geben , verliert eben dadurch das Recht , ein Mitglied der Gesellschaft zu sein .
Es werden nur solche zu Mitgliedern angenommen , die über ihrer Arbeit nichts versäumen .
Die Beschäftigung soll Lesen und Diskuriren sein .
Ich werde die Zeitungen und ein paar Landkarten hergeben : und damit mir meine Bauern nicht politische Kannengiesser werden , so werde ich sie selbst in ihrer Gesellschaft besuchen .
Zwar nicht als ein ordentliches Mitglied , ( das kann ich wohl nicht ohne der Würde meines Amts und meinem Ansehen etwas zu vergeben , so gern ich auch wollte ) aber doch gewiß recht oft .
Sie sollen eine Geographie oben ein haben und alle Kupfer von Städten , die ich nur irgend auftreiben kann : Und damit es an nichts gebricht , so will ich mir selber die Mühe geben , einen armen Bauerknaben , der sehr gute Fähigkeiten besitzt , etwas Deklamieren zu lehren .
Dieser kleine Bursche mag alsdann der Vorleser der Gesellschaft sein :
Es versteht sich für eine kleine Belohnung , die ihm bei seiner Armut sehr wohl tun wird .
Ich verspreche mir viel von dieser projektierten Gesellschaft .
Das wenigste , was sie stiftet , ist die Erhaltung der Einigkeit und das Ende des Zankens :
Ich habe in der Stadt bemerkt , daß Leute , deren Charakter eben nicht der beste war , und die sich eben kein Bedenken machten , ihrem Nächsten Schaden zu tun , denjenigen nicht das gerinaste zu Leide taten , mit denen sie öfter zusammenkommen mußten .
Sollte es bei den Bauern anders sein ?
Allein ich verspreche mir noch mehr :
Auch das Ende oder doch wenigstens die Verminderung bäurischer Ungezogenheiten .
Werden die Bauern das Fluchen , Schwören r. c. welches sie , wie ich sicher weiß , unter gewissen Umständen für gar keine Sünde halten :
Werden sie es nur erst aus Furcht für der Strafe unterlassen , oder auch nicht einmal vor Aufmerksamkeit auf die politischen Händel haben tun können , so werden sie allmählich ein feineres Gefühl annehmen :
Und ich werde nicht ermangeln , ihnen das Gesittete des Stadtlebens vorzumalen .
Welch ein reizendes Projekt habe ich nicht ersonnen !
Nur für mich reizend und vielleicht für einen oder den anderen meiner Mitbrüder :
Für die feinere Welt aber nicht anders , als äußerst ekelhaft !
Wie würde sie die Nase rümpfen , wenn sie es lesen sollte !
Aber ich werde dafür sorgen , daß sie es nie liest : Und wenn ich ja durch irgend einen Zufall dich , mein getreues Tagebuch , verlieren soll , so wünsche ich , du magst in die Hände eines Würzkrämers fallen , der dich unmittelbar in seinem Laden braucht . 7 August .
Ich habe einen garstigen Handel beizulegen .
Ein Mann hat seine Frau geschlagen und , was das ärgste , ein Mann , von dem man sagt , er glaubte das Recht zu haben , seine Frau zu schlagen .
Die Frau hat ihn bei mir verklagt und besteht darauf , daß ich ihn soll rufen lassen .
Ich werde für diesmal meine ganze Weisheit nötig haben und ich fürchte , ich fürchte - sie reicht nicht zu .
Ja : Sie hat zugereicht !
Dank sei es dem , der sie mir verliehen hat .
Der Bauer kam mit einem halben Räuschen zu mir :
Es ist eine nicht auszurottende Gewohnheit der Bauern , sich Kurage zu trinken , wenn sie vor Gericht gefordert werden .
Betrunken war er nicht ; Sonst hätte ich ihn mit einem derben Verweise fortgeschickt und auf eine nüchternere Stunde wieder zu mir bestellt :
Aber das sah ich ihm an , daß er Mut genug hatte , mir Dinge zu sagen , die er ohne ein Gläsern nicht würde gesagt haben .
Die Frau hatte ich auf ihre Bitte in ein Nebenzimmer gebracht , damit sie die ganze Verteidigung ihres Mannes anhören könnte .
Ein Gespräch von der Art ist nicht alltäglich :
Ich will es mir aufzeichnen !
Ich .
Wie geht_es euch , Nachbar ?
( Schon die Frage machte den Mann verwirrt .
Er hatte sich eingebildet , ich würde ihn sogleich mit Verweisen in Empfang nehmen und sich vermutlich auf die Antwort gefaßt gemacht :
Da dieses nicht geschah , so war er auch auf einmal um seine ganze Kurage .
) N.
Je wie sollte_es gehen , Herr Pastor !
( antwortete er mir mit einer nicht geringen Scham und Verwirrung .
) Ich .
Gut ?
Nun das freut mich !
Aber eurer Frau soll es ja nicht gut gehen , wie ich höre. N.
Ja , Herr Pastor !
Wir haben nur so einen kleinen Handel mit einander gehabt .
Ich .
Also ist es doch wahr , was ich gehört habe ?
Das hätte ich nicht geglaubt , Nachbar !
Ich habe immer ein gutes Vertrauen zu euch gehabt :
Ich hätte nimmermehr gedacht , daß ihr eurer Frau was zu leide tun würdet. N.
Ach , Herr Pastor !
Sie kennen nur mein Weib nicht .
Sie ist in den Grund nichts nutze .
Ich .
Schämt euch was , Nachbar ! daß ihr von eurer Frau so redet .
Sie ist ein gutes , braves Weib , so viel ich weiß. N. Kurzum , Herr Pastor !
Nehmen Sie mir_es nicht vor übel !
Ich muß sie besser kennen .
Es ist gar nicht mit ihr auszukommen .
Wenn ich ihr was befehle , so hat sie auch allemal was dawider einzuwenden .
Ich .
Ist das wahr , Nachbar ? N.
Wahr und wahrhaftig , Herr Pastor !
Ich werde ja Sie nichts vorschwatzen .
Kurzum , sie will mir nicht Gehorsam sein : und ich bin doch nun von Gott und Rechtswegen ihr Herr und Mann und da werde ich freilich auch hitzig , wenn_es so geht .
( Aus diesen Worten des Bauern fiel mir auf einmal der ganze Status controversiae in die Ahnen .
Hätte er gesagt :
Mann und Herr , so würde ich nichts bemerkt haben :
Aber da er sagte , Herr und Mann und , da er auf das Wort Herr einen nicht geringen Akzent legte , so fiel es mir sogleich ein , ob nicht vielleicht der Mann in einem hohen , gebieterischen Tone sprechen möchte , den seine Frau durchaus nicht vertragen könnte , und ob dies nicht vielleicht die ganze Quelle ihrer Streitigkeit sein möchte .
) Ich .
Mein lieber Nachbar !
Ihr verlangt vielleicht von eurer Frau zu viel Gehorsam und erweist ihr dagegen zu wenig Liebe . N. Kurzum , ich tue was recht und billig ist und mein Weib tut es nicht :
Denn ich bin ihr Herr .
Das hat mir der vorige Herr Pastor , Gott habe ihn selig !
vor dem heiligen Altare vorgelesen und hernach steht es auch in der Schrift :
Die Weiber sein untertan ihren Männern .
Und also muß mir mein Weib auch untertan sein , oder es geht nicht gut .
Ich .
Ihr seid ein braver Mann , mein lieber Nachbar ! daß ihr euch nach der heiligen Schrift richtet : aber ihr müßt sie auch recht verstehen .
Soll ich euch erklären , was das heißen soll :
Er soll ihr Herr sein ? N. Meinetwegen , Herr Pastor !
Ich .
Das heißt :
Der Mann soll mehr : Verstand und Klugheit und Überlegung besitzen , als seine Frau ; Er soll ihr befehlen , weil er die Sache besser versteht , als sie ; Er soll für ihr Bestes sorgen ; Er soll ihr mit Rat und Tat an die Hand gehen ; Er soll sie liebreich ermahnen , und wenn sie etwas verbracht hat , so soll er sie liebreich bestrafen :
Denn er ist Fleisch von ihrem Fleische und Bein von ihren Beinen - Ihr schüttelt den Kopf , Nachbar !
Seid ihr nicht meiner Meinung ? N.
Ja , fürwahr , Herr Pastor !
Wenn Sie_es nicht wären , so dächte ich , Sie machten sich nur einen Spaß mit mir !
Ich habe Zeitlebens gedacht , der Mann der kann mit seiner Frau schalten und walten wie er will :
denn dafür ist sie seine Frau und er ist ihr Herr - und wenn_es nicht in Gutem gehen will , so geht_es mit Gewalt .
Ich .
Nicht doch , Nachbar !
So müßt ihr nicht sprechen .
Eure Frau ist nicht eure Magd .
Sie ist eure Gehilfin , die euch der liebe Gott zugeführt hat und die euch dieses kurze Leben angenehm machen soll. N.
Ja , sie macht mir_es schön angenehm !
Ich .
Daran seid ihr ganz gewiß selber schuld .
Sie hat mir geklagt , daß ihr ihr immer so grob begegnetet und das könnte sie nicht vertragen. N. J , daß ich ein Narr wäre und machte ihr erst lange Krazfüsse !
Ich .
Das habt ihr nicht nötig !
Man kann ja doch wohl gegen jemanden höflich und artig sein , ohne große Komplimente zu machen .
Ich dächte , ich wollte wetten , eure Frau trüge euch auf den Händen , wenn ihr ein wenig sauberer mit ihr umginget .
Versucht es nur einmal ! N. Nein , Herr Pastor !
Das ist mir zu politisch .
Wenn ich dem Weibe einmal nachgebe , so habe ich das Seil über die Hörner , und hernach ist sie Herr im Hause .
Ich .
Glaubt das nicht , Nachbar !
Dazu ist euch eure Frau viel zu gut : Und , seht nur , wenn man Unrecht hat , so muß man hübsch nachgeben .
Ihr müßt eurer Frau heute noch die Schläge abbitten ! N.
Aber , Herr Pastor !
Ich habe sie ja wahrhaftig nur angerührt .
Ich habe sie nicht einmal recht getroffen , weil ich nach ihr schlug .
Ich .
Das tut nichts zur Sache !
Die Schande tut ihr mehr wehe , als die Schläge .
Macht nicht Umstände und entschließt euch ! N.
Aber wahrhaftig , Herr Pastor - Ich .
Ihr wollt nicht :
Gut !
Frau Nachbarin , komme sie doch ein wenig zu uns ! -
Könnt ihr wohl eurer Frau recht dreist in die Augen sehen ?
Könnt ihr sie wohl weinen sehen , ohne daß es euch auch ein paar Tränen kosten sollte ?
Hier wurde das harte Herz des Bauern auf einmal weich .
Er ergriff seine Frau bei der Hand , tat herzliche Abbitte , versprach , sein Herrenrecht nie wieder zu mißbrauchen und wird , wo Gott will , sein Wort halten .
18 August .
Entsetzen !
Welche himmelschreiende Entdeckung habe ich gemacht !
Weib meiner Seele :
Nun sehe ich die Quelle deines Grame , deines blassen Gesichts , deiner Tränen !
Wer hat diesen verruchten Brief geschrieben ?
Du , mein Schwiegervater ?
Du wigelst Deine Tochter gegen ihren Mann auf ?
Du streust Haß und Eisersucht in ihr gütiges , liebendes Herz ?
Du willst mich durch Deine eigene Tochter unglücklich machen , da Du mich durch mich selbst nicht unglücklich machen kannst ?
O Sanftmut , verlaß mich nicht !
Bewahre mich für dem Jachzorne , der mein Blut in die ungestümste Wallung setzt ! -
Ist es möglich , die boßhafteste Lüge , die je erdacht worden , so wahrscheinlich zu machen !
Armes Weib !
Nun wundere ich mich nicht , wenn dich der Gram vor meinen Augen verzehrt , ohne daß ihn meine Bitten und Tröstungen stillen können .
Du kannst mich nicht lieben , so lange du Deinem Vater Gehör gibst - und diesem Gehör zu geben , ist deine Pflicht : allein du mußt auch mir Gehör geben .
Ich werde dich von meiner Unschuld überzeugen :
Ich werde deine ungegründete Eifersucht ausrotten :
Ich werde dich daran erinnern , daß dein Vater - mich hasset , mich unglücklich zu machen sucht und daß sein Zorn keine Grenzen hat -
Es wird dir wehe tun : aber bei Gott !
Du bist mir mehr schuldig , als deinem Vater .
Wohl mir !
Meine Gattin ist von meiner Unschuld überzeugt .
Sie willigt ein , daß ich an ihren Vater schreiben und ihm , wenn es möglich ist , das Gewissen rühren soll .
Ein trauriges , aber ein notwendiges Geschäfte !
Gott segne es !
10 September .
Ein neues , furchtbares , schreckliches Ungewitter !
Ich bin - klagt .
Ich werde zur R - - gezogen .
Gut !
ich erscheine mit - - 8 Oktober .
Triumph !
Die Unschuld hat obgesiegt .
Man hat meine redlichen Absichten nicht verkannt und ich bin glücklich !
Hier ist das Lied zu Ende !
Mehr kann und will ich von diesem merkwürdigen Tagebuche nicht abschreiben :
denn ich bin politisch , wie Thomas der Pachter . zu dem habe ich auch den braven Landprediger von ganzem Herzen lieb und möchte nicht gern seine Heimlichkeiten verraten .
Genug , daß ich mich doch in so weit zwischen ihm und dem neugierigen Leser ins Mittel geschlagen habe , der so gern sein theologisches Unglück hätte wissen mögen !
Nun kann er_es doch erraten .
Aber ich muß mich nun auch einmal für allemal recht satt lachen !
Es geht nun schon mit meinen Schreibereien bergab - immer auf die 21 Bogen los , ohne daß ich bis jetzt noch viel dabei gedacht hätte .
Ob es wohl mit den anderen Herrn Bücherschreibern eben so ist !
So wäre ja wahrhaftig keine bequemere Sache auf der Welt , als mein jetziges Metier und ich möchte fast Zeit meines Lebens dabei bleiben .
Ich habe wieder einen schönen , langen Brief von meinem jungen Herrn liegen , der mir auch wieder einen Bogen , wie nichtanfüllen soll .
Da ist er !
Mein lieber Walther , Ich wünschte von Herzen , Sie nur eine Stunde bei mir zu haben :
So wollte ich Ihnen alles weit besser erzählen , was ich Ihnen Kraft meines Versprechens schreiben muß - und Kraft meiner jetzigen Verwirrung schlecht schreiben werde .
Es geht jetzt eine Menge Unglücks in meinem Kopfe herum -
mein eigenes ist es nicht :
denn das , wissen Sie wohl , geht immer gerade durch meinen Kopf hindurch - es ist fremdes , dem ich gern abhelfen möchte und , wo Gott will , wenigstens zum Teil abhelfen werde :
Aber ehe ihm abgeholfen ist , bin ich zu allem auf der Welt unfähig .
Nehmen Sie also mit diesem Mischmasch von Erzählung vorlieb !
Ich schwamm noch in Bautzen in Freude und Entzücken , oder vielmehr ich fing erst an , darin zu schwimmen , als ich an einem Abende nach der Post ging , um mich , nach , ich weiß nicht was , zu erkundigen .
Ich guckte wie gewöhnlich erst durch das Fenster und sah dem Sekretär zu , der einen ganzen Haufen von Briefen wie Karten unter einander mischte - nicht ohne einen heimlichen neidischen Gedanken , an seiner Stelle zu sein :
denn Sie wissen wohl noch meine seltsame Grille in Punkto des Brieferbrechens .
Stellen Sie sich meine Verwunderung vor , als ich unter dem Haufen eine Aufschrift an mich erblickte , unter welcher a Leipsic stand .
Mit der größten Hitze der Ungeduld stürzte ich mich in die Stube und ohne weitere Umstände forderte ich meinen Brief .
Ich bin S** sagte ich .
Ich habe nichts dawider , sagte der Sekretär : aber der Brief ist nach Leipzig addreßirt ; Er muß also auch nach Leipzig gehen .
Aber wenn ich nun nicht in Leipzig bin , sagte ich , sondern hier in Bautzen leibhaftig vor Ihren Augen stehe , so daß der Brief gerade zu an mich addreßirt werden kann - Der Sekretär lächelte und ließ sich auf meine Bitte bewegen , mir mein Eigentum gegen das Franco bis Leipzig auszuliefern .
Raten Sie ums Himmelswillen , von wem der Brief war ! von dem reichen Kaufmanne aus D , meinem ehemaligen großen Wohltäter , den ich fast ganz vergessen hatte , dessen Bild mir aber nun auf einmal mit Frau und Haus und allem wieder vor den Augen stand .
Ich zerriß ihn mehr , als daß ich ihn sollte erbrochen haben und laß : Mein liebster Sohn , Darf ich Dich noch so nennen , so darf ich Dich gewiß auch bitten , sobald als möglich zu mir zu kommen und mich , Deinen ehemaligen Pflegevater zu besuchen .
Ich bin krank und werde vielleicht bald das Zeitliche gesegnen .
Vor meinem Ende möchte ich Dich gern noch einmal sprechen und Dir das Unrecht abbitten , das ich Dir zugefügt habe .
Ich erwarte Dich und wenn ich Dich ja vergebens erwarte , so nehme ich bis auf jenes leben von Dir Abschied .
Lebe wohl , mein liebster Sohn !
Lebe wohl .
Ich sterbe mit den zärtlichsten Gesinnungen eines Vaters .
Sie kennen mich , lieber Walther ! und wissen , was ein Brief wie dieser für Eindruck auf mich machen kann .
Ich glaube , wenn ich auch eben im Begriffe gewesen wäre , den Ehesegen über mich sprechen zu hören , ich hätte ihn vor der Hand verbeten und mich zu meinem Vater auf die Reise gemacht - wenn nämlich die Post schon auf mich gelauert hätte :
Sonst , versteht es sich , würde die Liebe über alle , auch die natürlichsten Neigungen , den Rang behauptet haben .
Mein Abschied war bald gemacht .
Ein dreimaliges : Leben Sie wohl , mit einer proportionierten Anzahl von Tränen versetzt - und damit fort !
Was ich unterwegs ge macht , oder gedacht habe , weiß ich selbst nicht mehr - und so weit ich es weiß , wissen Sie es auch .
Genug ich kam nach meiner Ungeduld gerechnet , ziemlich spät , nach meiner Uhr aber ziemlich früh in D an und lief spornstreichs nach meinem Hause - Lassen Sie mich_es immer noch so nennen , lieber Walther und lachen Sie mich nicht darum aus !
Es bringt mir zu viel Vergnügen , es noch , wie ehemals , mein Haus zu nennen .
Sie werden mir_es auch nie glauben , mit welchem unersättlichen Auge ich es ansah , wie sich die alte Liebe zu demselben auf einmal aus der Tiefe meiner Seele hervormachte , mit welchen funkelnden Augen ich nach der Gegend des Zimmers hinsah , auf welchem ich mein zehntes bis achtzehntes Jahr verlebt hatte und - nicht zu vergessen - welchen tiefen Reverenz ich dem alten ehrwürdigen Schulgebäude machte , in dessen halbverfallenen Mauern ich fast von A B C an bis an die Grenzen der Akademie hinaufgestiegen war , wo ich als Knabe oft gesessen , oft gespielt , oft Unfug grtrieben , oft ertappt worden und bisweilen Schläge bekommen - ( denn als mit einem erklärten Pflegesohne eines sehr reichen Mannes , verfuhr man mit mir sehr säuberlich und schlug mich nur um großer Verbrechen Willen , z. B. wenn ich meine Seite Vokabeln nicht gelernt hatte , oder wenn ich Dies nach der dritten deklinierte ) - immer aber vergnügt und in meiner Idee glücklicher gewesen , als eine ganze Reihe von Königen , von denen ich in der Historie laß .
Bei dem Eintritte in das Haus konnte ich mich eines lauten Gelächters nicht enthalten .
Mir war , als sähe ich den Bedienten , der mich vor etwan 14 Jahren von der Treppe herab so vornehm anschnarchte , der Länge nach vor Augen - Ich erinnerte mich an meinen großen Hut und an den kleinen Trotzkopf , der darunter steckte - Insbesondere auch an den Tausche , den ich dem Bedienten vorschlug , mir für meinen Hut den seinigen zu geben : und so war es mir unmöglich , ernsthaft zu bleiben .
Noch auf der obersten Stufe hatte ich das Lachen nicht weit im Rücken :
Als ich aber das Zimmer vor mir sah , wo es mir gelungen war , durch die eindringliche Sprache der Natur , das Herz eines Mannes zu rühren , über welches der Überfluß und die Sorglosigkeit eine dicke Rinde gezogen hatten - als ich überdachte , daß in diesem Zimmer der Grundstein meines Glücks auf dieser Erde gelegt worden wäre , so ging das Lachen in ein gerührtes Lächeln über :
Ich faltete meine Hände und hielt auf dieser obersten Stufe der Treppe Gottesdienst .
Meine Stille machte mich auch auf die Stille aufmerksam , die in dem Zimmer herrschte :
Mich dünkte , es war keine lebendige Seele darin : Weder Bedienter , noch Magd , die sonst auf das geringste Geräusch bei der Hand waren , ließen sich iz sehen : und doch war es früh um 10 Uhr .
Dieser kleine Umstand ließ mich sogleich auf eine große Veränderung in meinem Hause schließen .
Ein dunkler Gedanke von Unglück stieg in meiner Seele auf und so dunkel er auch war , so war er doch der richtige .
Ich nahte mich dem Zimmer mit bangem Herzen : aber es steckte kein Schlüssel .
Grosser Gott ! dachte ich : Sollte er vielleicht gar schon tot sein ? -
Aber der Brief ist ja keine 5 Tage alt - Und so ging ich , ich weiß selbst nicht in welcher Verbindung mit meinen vorhergehenden Gedanken , nach meinem ehemaligen Zimmer .
Je näher ich ihm kam desto weiter entfernten sich die Ahnungen von dem Tode meines Wohltäters .
Ich mußte in dieses geliebte Zimmer hinein ; Ich mußte es sehen ; Ich mochte nun darin antreffen , wen ich wollte , so war es doch beschlossen , ich wollte mich darin auf ein Viertelstündigen niedersetzen .
Ich klopfte an und ging hinein .
Eine unbekannte , artige Dame , mit einem kleinen Kinde auf dem Arme , kam mir fast bis an die Türe entgegen .
Ich grüßte sie , ohne mich für dem Unbekannten zu Entsetzen , mit aller Freundlichkeit , die ich ihrer offenen und heiteren Mine schuldig war .
Verzeihen Sie , sagte ich - Um Vergebung , sagte sie :
Wen habe ich die Ehre zu sprechen ?
Einen Fremden , der in diesem Hause 8 seiner schönsten Jahre zugebracht hat .
Auf diesem Zimmer , Madam ! habe ich ehemals gewohnt und ich konnte mir das Vergnügen nicht versagen , es zu besuchen .
Erlauben Sie mir , daß ich mich recht satt daran sehen darf - Von Herzen gern , sagte sie - Das kleine Tischchen , auf dem ich ehemals meine Langens Grammatik und meinen Muzelus und meine Colloquia und weiterhin meinen Cicero und mein griechisch Testament vor mir liegen hatte , stand noch an seinem alten Orte .
Wie von einem Magnete gezogen , näherte ich mich ihm und legte meine Hand darauf - Mich dünkte , sie hatte nie auf dem feinsten Samt so weich gelegen - Dieses sanfte Gefühl teilte sich meinen Augen mit und ich ließ eine Träne nach der anderen fallen .
Die artige Dame wurde durch dieses seltsame Schauspiel mir näher gezogen , trat zu mir und sagte in einem vertraulichen und gütigen Tone : Sie weinen ?
Ich sah sie an und - Himmel !
Auch aus ihren Augen flossen Tränen - Gütige Dame , sagte ich : Wenn Ihnen bloß die Sympathie diese Tränen ablockt , so besitzen Sie das empfindlichste Herz , was je in einem Busen geschlagen hat - und da sei Gott vor , daß es nicht Unglück ist , was Sie mit mir zu weinen zwingt -
Ich danke Ihnen für Ihr Mitleiden , sagte sie , indem das kleine Kind , was sie auf den Armen trug , mit seinen kleinen roten Wangen ihre Tränen abwischte - Mein Zustand ist freilich nicht der glücklichste ; Ich habe einen zärtlichen , lieben Mann , der von 12 Monaten nur 6 bei mir zubringen kann .
So oft er mich verläßt , treten wir gemeinschaftlich an dieses kleine Tischchen und schwören uns ewige Liebe und Treue .
Sie können also leicht denken , daß ich bei diesem kleinen Tischchen keine Tränen kann vergießen sehen , ohne die meinigen darein zu mischen - Ich schwieg - zu schwach meine Empfindungen durch Worte auszudrücken .
Ich glaube , wenn man einmal in der Laune zu weinen ist , so ist auch ein ganz fremdes Unglück im Stande , einen bis zur Erde zu beugen .
Die Lage des armen Weibes , die ihren zärtlichen , lieben Mann nur halb besaß und , wie mich dünkte , fast glücklicher war , wenn sie ihn nicht besaß - denn da konnte sie sich mit der Hoffnung aufrichten , ihn wiederzusehen - als wenn sie ihn besaß - denn da mußte sie stets den schrecklichen Augenblick der Trennung vor sich sehen - Diese traurige Lage stellte sich mir in einer solchen Düsterheit vor Augen -
Der Gedanke : Wie , wenn diese Lage die Deinige wäre , oder es einst würde ? bemächtigte sich meiner so stark , daß ich des Trostes derjenigen bedurfte , die ich hätte trösten sollen : Allein eine Kleinigkeit gab meiner Seele schleunig eine andere Richtung .
Das kleine Kind , was die Dame auf dem Arme trug , langte mit seiner kleinen Hand nach meinen Rockknöpfen .
Ich trat näher - Das Kind freute sich über meine Knöpfe und sein Lächeln erheiterte mich und die Mutter wieder auf .
Kleiner , niedlicher Engel , sagte ich darauf zu dem Kinde : Könntest Du doch Deiner Mutter nur einen ganz kleinen Teil Deiner Freuden abgeben !
Ist es Ihr einziges , Madam ?
Ja , sagte sie : Mein einziges Kind und meine einzige Freude .
Wenn mein Mann nicht zu Hause ist , dann lebe ich bloß für dasselbe .
Es kommt nicht einen Augenblick aus meinen Augen .
Es steht mit mir auf und geht mit mir zu Bette :
Und so bemerke ich es fast nicht einmal , daß ich mehr Witwe , als Frau bin .
Ich fühlte in mir einen starken Hang , mich noch lange mit dieser liebenswürdigen Dame zu unterhalten : allein da unser bisheriges Gespräch nur eine bloße Episode war , die mit der Haupthandlung nur sehr zufällig zusammenhing -
Da mir die gute Dame ihre Umstände so offenherzig entdeckt hatte , so war es auch Pflicht ihr die meinigen zu entdecken .
Wie glücklich sind Sie , sagte ich - mitten in Ihrem Unglücke !
Aber eine Dame von Ihrem Charakter müßte gar nicht unglücklich sein - und mein Herz weissaget Ihnen eine Zeit , wo sie gar nicht mehr unglücklich sein werden !
Sie werden Ihren Gemahl noch ganz besitzen :
Das verspreche ich mir von der Vorsehung !
Gott gebe es , sagte sie -
Ja , er gebe es , sagte ich - Doch ich muß mich losreissen -
Ich danke Ihnen unendlich für das himmlische Vergnügen Ihres Gesprächs :
Es wird mir unvergeßlich sein !
Eigentlich kam ich nur hierher , um mich an die Freuden meiner Kinderjahre zu erinnern .
Ich habe mich daran erinnert :
Jetzt muß ich zu meinem Pflegevater eilen .
Sein ordentliches Wohnzimmer war vorhin verschlossen -
Um Vergebung , sagte die Dame : von wem sprechen Sie ?
Von dem Besitzer dieses Hauses , dem Kaufmanne - Das ist Ihr Pflegevater gewesen ?
So bedauere ich Sie von Herzen - Madam !
- Sie werden ihn in den kläglichsten Umständen antreffen .
Dieses Haus gehört nicht mehr sein .
Es ist verkauft .
Seine Frau hat ihn verlassen und an seinem Unglücke keinen Anteil genommen .
Jetzt höre ich , ist er krank - Womit soll ich mein Schrecken und Erstaunen vergleichen .
Mit nichts - es ist nicht zu vergleichen .
Die Dame sah mir_es an , daß sie mein Herz tödlich verwundet hatte : Und weil sie entweder eine wirkliche Philosophin war , oder weil ihr weiblicher Mutterwitz so gut , als männliche Philosophie war , so brachte sie mich sogleich in Bewegung - Immer das beste Mittel , das Schrecken los zu werden .
Eilen Sie geschwind zu ihm , sagte sie - Sie werden ihm bei seinem Elende willkommen sein , wie ein Engel vom Himmel !
Er wohnt in dem kleinen Häusern vor dem Tore , wo ehemals sein Gärtner gewohnt hat - Ich gehe , Madam ! sagte ich :
Leben sie wohl ! -
und so ging ich , nachdem ich dem kleinen Kinde noch ein : Adieu ! zurückgerufen hatte .
Ich war in diesem kleinen Häusern unzähligemal gewesen - hatte mir unzähligemal von dem Gärtner Blumen geben lassen und ich würde es gewiß aus alter Affektion besucht haben :
Aber wenn mir jemand gesagt hätte , ich würde bei meinem ersten Besuche , statt Blumen soviel Dornen betreten , den würde ich gewiß einen Narren oder einen Propheten geheißen haben !
So etwas vorauszusehen , mußte man entweder gar keinen oder allen Verstand haben :
Nicht wahr , lieber Walther ?
( Mit Erlaubnis !
Mein junger Herr Gelehrter : Hierin bin ich nun gar nicht ihrer Meinung .
So was voraus zu sehen , brauchte es nichts weiter , als Gastwirtsverstand !
Ein Verschwender muß endlich arm werden : und das war Ihr Herr Wohltäter , aller Beschreibung nach , ob Sie es gleich niemals haben gestehen wollen : und daß Sie es niemals haben gestehen wollen , geht gar sehr natürlich zu .
Erstlich war es ihr Wohltäter und also konnten sie nicht anders , als ihn loben : Und zum zweiten , wie das Sprichwort sagt :
Eine Krähe hakt der anderen die Augen nicht aus .
Sie werden mich wohl verstehen .
Walther .
) Ich trat , wie Sie leicht denken können , mit beklemmten Herzen über die Schwelle .
Die Schritte , die ich dem Elende entgegen tue , sind für mich immer saure Schritte , selbst wenn ich die Mittel mitbringe , dem Elende abzuhelfen .
Ich ging unangemeldet und unangeklopft in die Gärtnerstube .
Vielleicht hatte meine plötzliche Erscheinung meinen kranken Vater erschreckt :
Sein Schlaf ersparte ihm dieses Schrecken .
Ich sah ihn in einem schlechten Bette , mit einem ausgezehrten und sich fast gar nicht mehr ähnlichen Gesichte , und verdorrten Händen liegen .
Neben seinem Bette stand ein kleiner , hölzerner Tisch , mit einigen Arzneien besetzt , Gellerts Trostgründe wider ein sieches Leben mit eingeschlossen , die ich auch mit unter die Arzneien verrechne .
Ich sah ihn gleich bei meinem Eintritte in die Stube schlafen : deswegen näherte ich mich dem Bette ganz leise und sah meinen schlafenden Vater mit unverwandten Augen an .
Er schlief dem Ansehen nach sehr ruhig :
aber es war auch nur dem Ansehen nach .
Seine Seele arbeitete an einem Traume , davon ich der Gegenstand war .
Ich hatte meine Hand auf das Deckbette gelegt , um ihm desto gerader ins Gesicht sehen zu können :
Auf ein Mal kehrte er seinen Kopf um , fuhr mit seiner Hand nach der meinigen , ergriff sie und schrie :
Mein Sohn !
Bist Du da ?
Bist Du da ?
Und in dem Augenblicke erwachte er auch und richtete seine Augen starr auf mich .
So war denn freilich dem Schrecken am allerbesten vorgebeugt :
denn ein Träumender , der bei seinem Erwachen seinen süßen Traum erfüllt und den geliebten Gegenstand vor sich stehen sieht , erschrickt wahrlich nicht - kann nicht erschrecken :
Denn in dem Augenblicke , da er es könnte , in dem ersten Augenblicke des Erwachens kann er Empfindung und Phantasie noch nicht von einander unterscheiden , und in den nachherigen Augenblicken - könnte er es zwar : aber wer wollte erschrecken , eine angenehme Phantasie mit einer angenehmen Empfindung verwechselt zu sehen !
Mein Vater wischte sich nach dem ersten starren Blicke auf mich , die Augen ein , zwei , dreimal - machte sie bald groß , bald klein - sah nach dem Fenster - wollte seine Hand aus der meinigen wegnehmen : allein der Widerstand , den ich tat , lehrte ihn , daß er mit einem Phantasma von Fleisch und Blut zu tun hatte .
Er richtete sich ein wenig in die Höhe .
Ist_es möglich , sagte er mit einer langsamen , kreischenden Stimme , doch mit einer sehr aufgeheiterten Mine Mein Sohn !
Bist Du es ?
Mein Sohn !
Rede ! -
Hier ging es mir , wie es mir schon sehr oft gegangen ist :
Ich konnte mich der Wehmut nicht erwehren , - Weil ich von Natur etwas mitleidig bin .
Kaum hatte ich_es heraus gesagt , daß ich es wäre , so fing ich an zu weinen -
mein Vater mir nach - Denn was tut der Unglückliche wohl lieber , als weinen ?
Und erst nach reichlichen 5 Minuten , als wir uns satt geweint hatten , ging unser Gespräch an .
Ich hätte mir eher des Himmels Einfall vermutet , als Sie in solchen Umständen anzutreffen , sagte ich - Sie schrieben mir doch in Ihrem Briefe nichts !
- " Mein guter Sohn , ich tat das mit Vorbedacht .
Ich wollte Dich nicht durch so traurige Nachrichten abschrecken , zu mir zu kommen . , O mein guter Vater , das würde nur meine Reise beschleunigt haben .
Aber sagen Sie mir , wenn es ohne Alteration geschehen kann , wie kommen Sie in diese unglücklichen Umstände ?
" Bloß durch meine eigene Schuld .
" Ich bitte Sie - Klagen Sie sich nicht ohne Ursache an - " Nein , mein Sohn !
Ich weiß wohl , was ich sage .
Ich bin nun zur Erkenntnis meiner selbst ge kommen und ich kann die Schuld meines Elendes niemanden zuschreiben , als mir selber .
Mein Stolz , meine Verschwendung , mein Aufwand , der Vermögen weit überschritt - Du wirst Dich noch erinnern , wie es zu Deiner Zeit in meinem Hause zuging .
" Aber sollten Sie denn ganz allein daran Schuld gewesen sein - sollten nicht vielleicht auch andere " Nein , mein Sohn !
Ich weiß , was Du damit sagen willst .
Meine Frau war dem Staate und der Eitelkeit auch sehr ergeben : aber das hätte ich als Mann hindern können und sollen - und da ich es nicht getan habe , so liegt die Schuld auf mir .
Mein Vermögen ging vor einem Jahre zu Grunde - Aber vor allen Dingen , lieber Sohn ! vergib mit , daß ich Dich unschuldig in Verdacht gezogen habe .
O martern Sie mich nicht mit Vergeben .
Ich habe Ihnen nichts zu vergeben , mein Wohltäter !
Genug , daß Sie meine Unschuld einsehen .
" Ja , mein Sohn !
Ich bin davon auf eine sehr wunderliche Art überführt worden .
Eben das Kammermädchen , die meine Frau so schwarz bei mir abgemalt und das Feuer der Eifersucht so heftig bei mir angezündet hatte , daß es mit nichts zu löschen schien - Eben diese half mir aus dem Traume .
Ich ertappte sie einstmals in einem Gespräch mit meinem Bedienten .
Ich hörte sie mit vernehme Lichen Worten zu ihm sagen :
Es täte ihr leid , daß sie die Sache so weit getrieben hätte ; Sie wünsche lieber , daß sie gar nichts gesagt hätte ; Sie hätte nicht geglaubt , daß es ihrer Frau so gar schlimm gehen würde .
Mehr brauchte ich nicht , um hinter die Wahrheit zu kommen .
Ich ließ Kammermädchen und Bedienten kommen .
Ich zwang sie , eines nach den anderen , zu bekennen und so erfuhr ich , daß meine Frau unschuldig und auch nicht unschuldig war , daß ich ihr Unrecht getan und auch nicht Unrecht getan hatte - Du wirst mich wohl verstehen !
Es ist eine ärgerliche Geschichte , an die ich nicht gern mehr denke .
Ich ließ meine Frau aus ihrem bisherigen Arreste los : allein das Leben , was wir nach der Zeit mit einander führten , war weit ärger , als hätten wir beide im Arrest gesessen .
Ich konnte sie nicht ansehen , ohne ihr Vorwürfe , entweder durch Blicke oder durch Worte zu machen : Sie mich auch nicht , ohne ein gleiches zu tun .
Unsere Herzen waren ganz von einander abgewandt .
Ich betrachtete sie als eine Untreue und sie mich als einen Tyrannen .
Mitten unter diesen unglücklichen Streitigkeiten näherte sich das Ende aller meiner Pracht und Verschwendung .
Ich sollte für meinen Stolz gedemütigt werden -
Ich habe ihn Dich auch empfinden lassen .
" Ich beschwöre Sie , bei allem , was Sie lieben :
Nicht solche Erinnerungen !
Sie sind mir tödliche Stiche in mein Herz !
" Nicht also , mein Sohn !
Ich will und muß frei von mir sprechen .
Wer zur Tugend zurückkehren will , muß sich des Geständnisses nicht schämen daß er ehemals lasterhaft gewesen ist .
Ich bin es gewesen : aber , Gott helfe mir !
Ich will es nicht mehr sein .
Weiter !
Es brach ein Konkurs über mein Vermögen aus .
Ich konnte ihn vorhersehn :
Aber was sieht wohl der Blinde vorher ?
War es doch so weit mit mir gekommen , daß ich nicht mehr wußte , wer mir schuldig war , wem ich schuldig war - Meine Kaufmannsdiener sahen meine Nachlässigkeit und ahmten sie nach , doch , versteht es sich , mit gehöriger Provision für sich .
An eben dem Tage , da der Konkurs ausbrach , brach auch noch ein anderes Unglück aus .
Meine Frau , die meinen Fall sah , fand nun die bequemste Gelegenheit , sich wegen ihrer ehemaligen Gefangenschaft an mir zu rächen .
Sie rettete ihr Vermögen aus dem Schiffbrüche und reiste nach Z** da ich indes , von meinen Gläubigern auf der Flucht eingeholt , im Turme sitzen mußte .
Hier hatte ich Zeit genug zur Erkenntnis meiner selbst zu kommen .
Armer , bedauerswürdiger Vater , sagte ich - " Still davon !
Ich bin nicht zu bedauern .
Ich bedauere mich auch selbst nicht , sondern gratuliere mir vielmehr zu meinem Elende .
Es hat mich klug und weise gemacht und nun ich es gewohnt bin , trage ich es ohne Murren , laß Dir nur daß Ende erzählen !
Der Prozeß um mein Vermögen dauerte ein halbes Jahr .
Zu Ende desselben wurde ich aus meinem Gefängnisse losgelassen und es blieb mir nun von allem meinem Vermögen nichts als dieses Gärtnerhäusern , welches mir die Barmherzigkeit meiner Gläubiger noch zum Eigentume ließ .
Ich bezog es , um allen meinen Mitbürgern zum schrecklichen Exempel zu dienen und ich hoffe zu Gott , daß sich mancher an meinem Unglücke spiegeln wird .
Ich habe Dir schon lange schreiben wollen , aber ich habe immer nicht gewußt , wohin ich den Brief addreßiren sollte :
Denn seitdem ich Dir Deine beiden Briefe unerbrochen zurückgeschickt , habe ich nicht das geringste von Dir gehört .
Als ich aber vor einigen Wochen in eine tödliche Krankheit verfiel , so konnte ich dem Verlangen nicht widerstehen , Dich , wenn es möglich wäre , noch einmal zu sehen und zu sprechen - und so schickte ich Dir den Brief , den Du auch , Gottlob ! noch eher empfangen hast , als ich es nur wünschen konnte .
Ich bin nun ruhig und wenn Du einige Zeit bei mir bleibst , so hoffe ich , Du sollst mir die Augen zudrücken .
" Denken Sie sich das übrige hinzu , lieber Walther !
Und das können Sie sehr leicht , Sie , der Sie mir mehr , als einmal bis auf den Grund meines Herzens gesehen haben .
Es liegen mir jetzt zwei Dinge mächtig am Herzen .
Ich will gegen meinen ehemaligen Wohltäter erkenntlich sein .
Ich habe an meinen Vormund - So kann ich ihn wohl nennen , den Freund , der meine geerbten Patzen besorgt -
An den habe ich geschrieben .
Er soll einen Wechsel nach Leipzig an die Gebrüdere F* ausstellen , und Sie sollen das Geld , Kraft der beigelegten Vollmacht , in Empfang nehmen und mir mit einem Expressen zuschicken .
Eilen Sie damit , so sehr Sie können :
Alsdann will ich einen Versuch machen , die Untreue , die ihren unglücklichen Mann im Stiche gelassen hat , wieder auf gute Wege zu bringen .
Ich reise in einer Stunde nach Z** und vor großer Ungeduld kann ich Ihnen nichts weiter schreiben , als daß ich etc .
Um der guten Ordnung Willen füge ich sogleich den Brief bei , den ich von Z** aus erhalten habe .
Mein lieber Walther , Es ist mir gelungen !
glücklich bin ich .
Ich - habe meinem Wohltäter seine Frau wieder zugeführt und sobald er von seiner Krankheit genesen ist , verläßt er sein Gärtnerhäusern und reißt mit ihr nach Z** um mit ihr einen ganz neuen Ehestand anzufangen , von dem ich mir weit mehr Vergnügen verspreche , als von dem ersten .
Wenn ich so lange hier bleibe , so werde ich bei ihrer Quas :
Hochzeit sein und mich als den Stifter derselben nicht wenig kitzeln .
Wie ich das gemacht habe , meinen Sie ?
Ich habe sie bei Ihrem rechten Ende angefaßt ?
Verstehen Sie mich nur !
Nicht bei dem Ende , wo ich sie ehemals nicht - denn das ist meiner Rechnung nach das Linke , wiewohl es anderer Rechnung nach das Rechte sein mag .
Also nicht bei diesem !
Sondern - wie gesagt , bei dem Rechten .
Sie sollen es aus der Erzählung selbst abnehmen , welches es ist .
Erst aber muß ich Ihnen sagen , daß sich die Ungetreue bei einer Schwester aufhielt , die eine Witwe und ein recht gutes Weib war .
Sie schien mir von der geschmeidigen , gefügigen Gemütsart zu sein , die man hier und dar , wiewohl ziemlich selten bei den Schönen antrifft - am meisten aber noch bei denen , von denen einer unserer Dichter sagt , sie wären ein wenig zu dumm und ein wenig zu fette .
Bei den Hagern sucht man sie vergebens !
So schlecht sich also auch im Durchschnitte genommen zwei Schwestern , die noch dazu ihre Männer gehabt haben , mit einander zu vertragen pflegen :
So gut vertrugen sich doch diese beiden .
Meine ehemalige Wohltäterin war die älteste und als solche führte sie das Zepter , dem sich die andere , als jüngste , ohne Widerstand unterwarf .
Sie erstaunte nicht wenig , mich , ihren fast ganz vergessenen Sohn bei sich zu sehen und ihre Schwester ermangelte nicht zur Gesellschaft mitzuerstaunen .
Ich ließ mich anfangs nichts merken , weswegen ich gekommen war , sondern erwartete erst einen günstigen Augenblick , mit ihr allein zu sprechen :
Als ich aber die Geschmeidigkeit der Schwester bemerkte , so glaubte ich , ich könnte vielleicht auch diese zu meinen Absichten gebrauchen - und so wagte ich es , in beider Gegenwart nach dem rechten Ende von Madam zu langen .
Sie sind also , sagte die geschmeidige Witwe , der kleine , liebe Sohn , der ehemals bei meiner Schwester und bei meinem Bruder in der Kost gewesen ist !
Nun das freut mich von Herzen , daß ich Sie kennen lerne .
Meine Schwester hat mir recht viel von Ihnen erzählt .
Es muß Ihnen seit der Zeit wohl recht gut gegangen sein - und daß es sich gerade so artig fügen muß , daß Sie zu uns kommen und uns besuchen .
Meine Schwester hat schon immer gedacht , Sie wären gar aus der Welt :
Je nun , ist es doch recht hübsch , daß Sie noch drinnen sind .
Sie werden uns gewiß recht viel zu erzählen haben .
Nun setzen Sie sich nur nieder und kramen Sie alles aus !
Wir wollen recht zuhören - Nicht wahr , Schwester ?
Ich .
Ich werde die Ehre haben , Ihnen alle meine Schicksale zu erzählen , wenn es Ihnen beliebt liebt , anzuhören : aber erlauben Sie mir , daß ich meine Verwunderung an den Tag lege - Ich habe mir sagen lassen Madam wären nicht mehr - Die Witwe .
Haben Sie es schon gehört ?
Ja , es ist freilich in kurzem ganz anders geworden , wie es denn manchmal in der Welt zu gehen pflegt .
Gewiß , Sie werden sich nicht wenig gewundert haben .
Ich hätte Sie wohl sehen mögen , was Sie für ein Gesicht gemacht haben , als Sie es zum erstenmal hörten , daß meine Schwester und Ihr Mann von einander sind .
Ich .
Ich muß gestehen , daß es mir nicht wenig nahe geht , daß diejenigen Personen , die ich so hochschätze und deren Wohltaten mir unvergeßlich bleiben werden , sich in einer so traurigen Lage befinden sollen .
Die Witwe .
Nun das muß wahr sein , Sie sprechen wie ein Geistlicher .
Ich wollte Ihnen ganze Stunden lang zuhören !
Es ist doch gar zu gut , daß noch Mitleiden in der Welt ist .
Freilich ist es wohl ein wenig selten :
aber es ist doch noch hier und dar manche barmherzige Seele .
Ja , Ja !
Es ist freilich nicht gut , daß meine Schwester nicht mehr bei Ihrem Manne ist :
Denn Ehen werden im Himmel geschlossen !
Und was Gott zusammengefügt hat , soll der Mensch nicht scheiden !
Aber , wenn_es nun einmal nicht anders ist - Es hat nun einmal so sein sollen !
Ich .
Noch dazu habe ich gehört , daß mein ehemaliger Wohltäter sich in der äußersten Armut befindet - aber das kann ich nicht glauben !
Madame sind viel zu großmütig , als daß Sie den sollten darben lassen , den Sie sonst Ihrer Umarmung - Ihres Ehebettes gewürdigt haben .
Nicht wahr , Madame !
- Oder noch lieber , Mama !
Wenn ich Sie noch so nennen darf - Nicht wahr , der arme Mann befindet er sich nicht in der äußersten Armut ?
Sie könnten das nicht zugeben -
Unmöglich !
Schweigen Sie nicht so lange - Ich muß allein mit Ihnen reden !
Schwester !
Du wirst mich verstehen !
Die Witwe .
Je , liebes Schwesterchen !
Laß mich immer mit zuhören -
Ich will nicht -
Ich kann nicht - Die Witwe .
Nun denn ist es freilich was anders .
Werde nur nicht böse :
Ich gehe schon !
Ich .
Vor allen Dingen " Wissen Sie , wo ich herkomme ?
Von Ihrem armen , kranken Gemahle !
Es ist nicht möglich ! -
Und ich komme mit dem festesten Vorsatze , nicht eher von ihnen wegzugehen , bis ich Sie wieder mit ihm ausgesöhnt habe !
Ich weiß , ich kann mich auf Ihr gütiges , menschenfreundliches Herz verlassen -
Sie haben einen Schritt getan , den Sie mit nichts auf der Welt verantworten können - Sie hätten Ihren Mann nicht verlassen sollen - Junger Mensch !
Was haben Sie für ein Recht , mir Vorwürfe zu machen ? -
Ich mache Ihnen keine !
Ihr eigenes Herz macht sie Ihnen .
überlegen Sie nur !
Sie leben im Überflusse und er - verschmachtet im Elende .
Es ist seine eigene Schuld !
Warum hat er mich so sklavisch traktiert ? -
Aber erinneen Sie sich nur , wodurch Sie diese Härte veranlaßt haben ?
Setzen Sie sich an seine Stelle !
Sein Sie eben so eisersüchtig , wie Er - Sie und ich würden es nicht besser gemacht haben !
Nein , Madame !
Die Strafe ist zu hart - Die meinige war auch zu hart - Wenn schon !
Wir sollen uns nicht rächen !
Am wenigsten alsdann , wenn uns das Unglück schon gerächt hat .
Ihr Gemahl war durch den Verlust seines Vermögens bestraft genug - Wie edel hätten Sie ihn jetzt bestrafen können , wenn Sie Ihr Vermögen mit ihm geteilt hätten !
O gewiß Sie hätten ihn auf immer gewonnen .
Es könnte wohl sein : aber jetzt ist es zu spät - O Nein !
Eine edle Handlung ist nie zu spät .
Entschliessen Sie sich !
Machen Sie mit einemmal alles gut , was Sie - Ersparen Sie mir die Erinnerung an meine ehemaligen Torheiten !
- Ich wollte , ich könnte : aber eben um dieser Willen haben Sie die größte Verbindlichkeit auf sich - so wie ich die größte Verbindlichkeit auf mir habe -
Ich werde mir_es Zeit meines Lebens vorwerfen müssen , daß ich in Ihrem Hause meine Erziehung genossen habe - Wäre ich nie in Ihr Haus gekommen , so wäre alles das nicht - Sie haben sich nichts vorzuwerfen ! -
Wie wünschte ich es :
aber ich kann mich , leider , des Gedankens nicht erwehren , daß ich an einer Ehetrennung Schuld bin :
Und ich sollte nicht alles tun , alles anwenden , um dieses Gedankens leßzuwerden ?
O ich bitte Sie - ich beschwöre Sie - Machen Sie mir das Herz nicht schwer !
Alles , was ich tun kann , ist dieses , daß ich mich meines Mannes annehme .
Ich will ihm Geld schicken -
Das ist zu wenig !
Was hat das Geld ohne die Person für einen Wert ?
Ich sehe vorher :
Er nimmt es entweder gar nicht an , oder er nimmt es mit Seufzen an - Die Barmherzigkeit einer Person , die man liebt - ich meine die bloße Barmherzigkeit und die wäre es doch bei Ihnen :
denn sonst täten Sie mehr - O gewiß , sie tut mehr wehe , als Unbarmherzigkeit - Lassen Sie sich erbitten ! -
Ich kann mich nicht entschließen !
Ich kann mich dem Urteile der Welt nicht Preis geben - Vergeben Sie - Sie wissen nicht , was Sie sagen !
Sie haben sich dem Urteile der Welt schon mehr als zu sehr Preis gegeben .
Was wird die Welt von einer Frau urteilen , die ihren Mann nur geliebt hat , da er reich war und ihn nun nicht mehr liebt , da er arm ist -
Die zwar sein Glück mit ihm geteilt hat , aber die sein Unglück nicht mit ihm teilen will !
Welche harte Urteile wird man nicht von Ihnen fällen , daß Sie Ihr Vermögen in Ruhe und Friede verzehren , da indessen Ihr Gemahl in einer elenden Gärtnerhütte vor Hunger schmachtet !
Aber wie günstig wird nicht die Welt von Ihnen urteilen , wenn Sie Ihr Unrecht durch eine großmütige Handlung auf einmal wieder gut machen - Wenn Sie Ihren Gemahl freiwillig wieder aufsuchen , ihn aus seinem Elende erretten , ihn glücklich machen - O gewiß !
Das ganze schöne Geschlecht wird sich Glück wünschen , eine so gütige , großmütige Dame aufweisen zu können !
Ein jeder Mund wird zu Ihrem Lobe - Halten Sie ein !
Ihre Reden durchbohren mein Herz !
Ich will sehen , was ich tun kann - Nein , Nein !
Nicht erst sehen !
Geschwind entschließen ist bei großmütigen Handlungen das Beste -
Aber mein Mann wird mich nun auch seine Rache empfinden lassen .
Hat er mich einmal wieder in seiner Gewalt , so - Bilden Sie sich das nicht ein .
Ihr Gemahl ist der beste , vernünftigste Mann von der Welt geworden .
Er hat mir ein so offenherziges Geständnis seiner Torheiten getan , daß ich darauf schwören wollte , er wird nie wieder in die Versuchung geraten , sie zu begehen .
Sein Stolz ist gedemütigt :
Er wird nie wieder zu Kräften kommen .
Sein ganzes Betragen ist sanft und leutselig .
Er erkennt , daß er einzig und allein an seinem Elende Schuld ist und er will durchaus nicht das geringste auf Sie kommen lassen .
Bedenken Sie das ! -
Hat er das ausdrücklich gesagt ? -
Ausdrücklich !
- So liebt er mich also noch ? -
Er haßt Sie nicht - Was urteilt er denn von mir ? -
Er urteilt gar nicht von Ihnen - Der arme Mann ! -
Wollte Gott ! dieser Seufzer käme aus dem Innersten Ihres Herzens !
- Das können Sie glauben - Auch das können Sie glauben , daß ich jetzt zum erstenmal wahre Hochachtung gegen ihn fühle und daß ich mir von unserer zweiten Vereinigung weit mehr verspreche , als von der ersten - Aber -
Nun keine Aber mehr !
Sie sind auf dem besten Wege von der Welt : Entfernen Sie sich ja nicht wieder davon ! -
Nein , das will ich nicht :
Aber ich verlange , daß mein Mann die ersten Schritte tut - Welche Zeremonien ! -
Es sind keine Zeremonien !
Er hat mich zuerst beleidiget :
Ohne Abbitte kommt er nicht davon - Madame !
wenn das die Denkungsart des schönen Geschlechts überhaupt ist , die sie jetzt an den Tag legen , so - - Sind wir ein wenig schwer zum Abbitten zu bewegen !
Je nun , das ist nun einmal unser Fehler !
Ihr Geschlecht ist mit den seinigen auch im Überflusse versehen -
Aber doch gewiß nicht mit dem , daß wir uns abzubitten schämen , wenn wir Unrecht haben -
Ich will nicht hoffen , daß dieses der Fall bei mir ist ! -
Verzeihen Sie , wenn ich zu frei rede - Ich kann mir keine größere Ungerechtigkeit vorstellen , als daß man demjenigen , dem man mehr schuldig ist , als Vater und Mutter , weniger leistet , als einem Unbekannten - Immer Predigen !
Immer Moralisieren ! -
Und sich nach nichts richten wollen , Madame !
Doch nein , Sie haben mir versprochen - und Sie werden auch gewiß Ihr Wort halten -
Unter dieser Bedingung : sonst nicht ! -
Aber bedenken Sie nur , wie Ihnen eine Abbitte von der Art gefallen würde :
Liebe Frau ! vergib mir , daß - Du mich durch Deine Untreue in Harnisch gejagt hast ; Laß es gut sein , daß - Du mich bei meinem Unglücke verlassen , mir Dein Vermögen entzogen , mich im Gefängnisse hast schmachten lassen .
Du hattest mir zwar geschworen , Du wolltest mich nicht verlassen , so wahr Dir Gott helfe :
Aber - Laß es nur gut sein ! -
Grausamer , schweigen Sie !
Aus Ihrem Munde gehen Dreischneidige Schwerter - Und mein Mund ist jetzt der Mund der Wahrheit !
Entschliessen Sie sich -
Ja doch , Ja ! -
Aber entschließen Sie sich freiwillig und mit mehrerer Freudigkeit !
Eine gute Handlung verliert viel von ihrem Werte , wenn man mit finsterer Stirn dran geht - Ich wüßte nicht , wo ich jetzt die Freudigkeit hernehmen sollte :
In der Tat nicht -
Das will ich Ihnen gleich sagen !
Stellen Sie sich einmal vor :
Jetzt führen wir zusammen zu unserem armen Unglücklichen !
Er vermutete unsere Ankunft nicht - und er vermutet sie ganz gewiß nicht :
Ich bin Bürge !
Sie träten in das elende Gärtnerhäusern .
Schon der Anblick des Elendes würde Sie bis zu Tränen rühren :
Doch das wäre noch nichts !
Sie träten dann mit mir in die Stube - vor das Bette Ihres Gemahls - reichten ihm die Hand - ließen Tränen der Reue und Zärtlichkeit fallen - sprächen zu ihm : Liebster Mann !
Wirst Du mir auch vergeben ?
Kannst Du mir auch vergeben ?
Ich komme zu Dir , um Dich aus Deinem Elende zu reißen - Nein , ich kann es nicht aussprechen !
Kaum vorstellen kann ich mir_es , wie entzückt der rechtschaffene Maun sein würde , wie sich auf einmal seine Seele aufheitern würde , wie gerührt er Ihnen die Hand küssen würde - Schmeichler !
Was malen Sie mir da für eine angenehme Szene ! - O Ja , ich bin ein Schmeichler !
Das muß mir jedermann nachsagen -
Nun für diesesmähl habe ich alles hingenommen , was Sie mir gesagt haben ! zu einer anderen Zeit würde es vielleicht nicht geschehen sein -
O gewiß , es würde zu einer jeden Zeit geschehen sein !
Die Wahrheit findet bei dem schönen Geschlecht immer Gehör - Nun diesmal werden Sie es doch nicht leugnen wollen , daß Sie eine recht vorsätzliche Schmeichelei gemacht haben - Ganz gewiß werde ich es auch diesmal leugnen -
Die Witwe .
Lassen Sie sich nicht stören , lieben Kinderchen .
Ich gehe nur durch die Stube .
Ich bin mit meinem Hauswesen beschäftigt , wie Martha - Ich .
Madame , ich bitte gehorsamst - Bleiben Sie bei uns - Helfen Sie mir Ihn Frau Schwester in einem wichtigen Entschluss befestigen .
Sie will wieder zu Ihrem Manne !
Die Witwe .
Liebes Schwesterchen , ist das Dein Ernst ?
O das ist ja ganz vortrefflich .
Das ist immer mein Wunsch gewesen :
Ich habe es nur nicht heraussagen mögen .
Denn wofür sind denn Mann und Weib , als daß sie miteinander leben -
Nur nicht so zuversichtlich gesprochen , Schwester !
Es ist noch gar nicht unterschrieben - Ich .
Allerdings ist es unterschrieben - Die Witwe .
O zeigen Sie mir_es doch , zum Spaß -
Nun was lachst Du denn , Schwester !
Hihi , Du bist ja heute recht aufgeräumt .
Ja , Ja , nun merke ich_es schon , es hat seine Richtigkeit .
Nun , nun , ich will auch bei eurer zweiten Hochzeit nicht wegbleiben .
Seit dem mein Mann - Gott habe ihn selig !
Es war ein gar zu guter Mann , so fromm , wie ein Lamm - Ich wünschte , daß Sie ihn gekannt hätten !
Ich weiß auch gar nicht , wie es gekommen ist , daß es sich nicht ein einzigesmal hat schicken wollen , daß wir mit einander zu meiner Schwester gekommen sind , weil Sie noch bei Ihr gewesen sind .
Wir habens immer Willens gehabt :
aber wie es denn nun in der Welt geht - Machen Sie das übrige selbst dazu , mein Herr Komödienschreiber !
Nach der Anlage , die Sie in Ihrer Ehebrecherin gezeigt haben , kann es Ihnen gar nicht schwer fallen .
Im Ernste gesprochen :
Ganz schlecht haben Sie Ihre Sache nicht gemacht , und für einen Gastwirt sind Sie gewiß der einzige im Land : , der von seinen Gästen so starken Profit zu ziehen weiß - für seinen Beutel und für seinen Kopf !
Ihr Vater ist ein sehr komischer Mann : Schade , daß sie ihm nur als eine Nebenrolle haben brauchen können .
Als solche hat er schon zu viel zu tun !
Johann und Lottchen haben einen Fehler - nicht an sich : den Fehler gegen ihre Herrschaften so unerträglich naseweiß zu sein , als es gemeiniglich zu meinem großen Ärger die Theaterbedienten und Zofen sind !
Es gefällt mir , daß sie sich in die Sachen Ihrer Herrschaft nicht weiter mischen , als es diese erlaubt !
Lottchens Raserei fließt nicht geradezu aus der Natur :
aber sie kann doch mit der Natur vereinigt werden - Kurz , das übersehe ich !
Aber daß Lottchen und Johann einander in der ersten Szene ihre Schicksale erzählen , - ist zwar drollig genug durch die Klingel eingeleitet ; Das eine weiß auch noch nicht , was dem anderen begegnet ist :
Aber dennoch glaube ich und fühle ich , daß diese Erzählung auf dem Theater ganz verzweifelt langweilig ausfallen möchte .
Hier hätten Sie lieber einen Schwenk von Ihrer Art anbringen sollen !
Der Herr von Taubenhain handelt nach Proportion der anderen Personen ein bisschen zu wenig !
Zwar wüßte ich nicht , was er mehr hätte handeln sollen :
Aber Sie sollten es wissen !
Die Frau von Taubenhain ist - vielleicht ohne Ihr Wissen - eine Kopie der Minna von Barnhelm geworden .
Diese reist ihrem Bräutigam nach :
Jene ihrem Manne .
Diese weiß nicht , daß sie mit Ihrem Geliebten in einem Gasthofe wohnt :
Jene weiß es eben so wenig .
Diese glaubt mit Ihrem Geliebten Ihr ganzes Glück gefunden zu haben :
Jene auch .
Diese wird in Ihrer Meinung hintergangen :
Jene auch .
Diese räumt alle Hindernisse aus dem Wege , und wird glücklich :
Jene auch .
Eine sehr sichtbare Ähnlichkeit , die jedermann Nachahmung nennen wird , und die den Wert ihres kleinen Versuches um ein großes herabsetzt , wenn auch die Ähnlichkeit noch so wenig gesucht sein sollte !
Marthe - spricht gut und ich glanbe fast , man wird ihre lange Erzählung anhören , ohne zu gähnen .
Aber nun - Ist es wohl natürlich , daß der Herr von Taubenhain , dem seine Frau zwei Jahre hindurch nicht den geringsten Argwohn der Untreue gegeben hat , sie nun um einer so seltsamen Erscheinung Willen , ohne alle weitere Untersuchung für schuldig erkennt ?
Sind wir Deutschen so unsinnig eifersichtig ?
wehte der Herr von Taubenhain ein Italiener , ehe bien ?
Aber ein Deutscher , Herr Walther !
Wollten Sie wohl so blindeifersüchtig gegen Ihre Frau gewesen sein ?
Und überdem - Ist es wohl jemals auf dem Theater erhört , daß man eine Handlung entwickelt , die vor einem halben Jahre ist verwickelt worden ?
Fragen Sie einmal nach und sagen Sie mir Bescheid !
Indessen schicke ich Ihnen Ihr Manuskript mit großem Danke zurück .
Einzelne Szenen haben mir viel Vergnügen gemacht und ich gestehe Ihnen , daß Sie mir meine spöttische Herausforderung mit der besten Münze von der Welt bezahlt haben - Machen Sie nur , daß mein Wechsel kommt !
Ich dächte , er müßte schon da sein .
Adieu !
Sei dir der Himmel gnädig , du armer Schelm !
Du armer Schelm !
Du lebst ohne Kummer und ohne Sorgen und weist nicht , daß Du um dein ganzes Vermögen gekommen bist .
In meinem ganzen Leben ist mir nichts so nahe gegangen !
Ich habe oft sagen hören :
Der und jener ist arm , wie eine Fledermaus geworden , aber ich habe auch oft dazu gelacht .
Jetzt vergeht mir alles Lachen !
Ich habe den unglücklichen Brief in Händen , den mein armer , unglücklicher junger Herr von seinem gelehrten Freunde und zugleich Bankier erhalten hat .
Es ist nur noch gut , daß ich ihn zuerst bekommen habe , so kann ich doch wenigstens noch ein kleines Trostschreiben beilegen !
Aber , lieber Gott ! wo soll ich ize das Trösten hernehmen können ?
Ich weiß nicht , steht mein Kopf auf dem Rumpfe , oder habe ich ihn unter dem Arme :
Da werde ich schöne trösten !
Vielleicht wenn ich mit ein paar Schnurren anfinge , so machte hernach das Unglück nicht so großen Eindruck :
aber das sind auch nur Possen !
Kurz , ich muß es versuchen und es darauf ankommen lassen , wie es wird !
Mein lieber junger Herr , Wissen Sie was ?
Es ist Ihnen ein sehr dummer und naseweiser Streiche begegnet .
Wenn ich wüßte , daß Sie sich viel aus dem Gelde machten , so vertuschte ich den ganzen Handel vor Ihnen , so gut ich könnte und hülfe mir mit ein paar Lügen davon :
aber da ich weiß , daß sie sich aus dem Gelde nichts machen , wie es sich gebührt und geziemt , wie es die Herren Gelehrten , so viel ich weiß , von jeher getan haben , so kann ich es Ihnen wohl gerade zu sagen .
Ihr Wechsel , den Sie mir zu besorgen gegeben haben , ist kaduk .
erschrecken Sie nur nicht ! 1000 Taler mehr oder weniger muß bei Ihnen gar nichts ausmachen , wenn Sie ein echter Gelehrter sein wollen .
Freilich ist es mir nicht lieb , daß er durch mich kaduk gegangen ist !
Ich wünschte wahr und wahrhaftig , daß dieses Schicksal einen anderen , als mich getroffen hätte :
Aber wenno nun einmal hat sein sollen , so ist es doch immer noch besser , ich bin_es , als wäre es ein anderer .
Die Schläge , die ich durch Unachtsamkeit verdient habe , werden ja doch aus alter Freundschaft und Bekanntschaft nicht allzustark sein !
Bedenken Sie nur .
Ihr Wechsel kommt zu rechter Zeit glücklich an .
Ich nehme ihn und gehe damit , wie Sie mir_es befohlen hatten -
Denn wenn ich gefahren oder geritten wäre , so wäre es vielleicht besser gewesen -
Also , ich gehe damit zu den beiden Herren , die ihn mir auszahlen sollen .
Nun kann ich Sie auf meine Ehre , auf meines Schneiders Ehre , auf aller Welt Ehre versichern , daß ich immer ganze Taschen habe , in Rock , Weste , und Beinkleidern , daß ich die Löcher überhaupt in den Tod nicht leiden kann und wenn ich ja einmal eins habe , so wissen Sie ja wohl - Der Meister Schneider ist mein Gevatter .
Was konnte ich also anders denken , als daß mein Wechsel in der besten Verwahrung von der Welt wäre !
Mit dem Schnupftuche habe ich ihn auch nicht herausgezogen , so viel ich mich erinnern kann : Entfallen ist er mir auch nicht - Doch damit ich nur zur Sache komme , oder noch lieber , sobald als möglich wieder herauskomme , denn sie ist verzweifelt kritisch - So ging ich also zu den beiden Herrn Kaufleuten und da brauchte ich denn ganz natürlich den Wechsel und weil ich ihn in die Tasche gesteckt hatte , so wollte ich ihn auch wieder da herausnehmen .
Das würde ein jeder anderer an meiner Stelle getan haben : Sie selber !
Und doch war das gerade der Schritt zu meinem Unglücke :
denn indem ich nach dem Wechsel lange , ist er nicht mehr da .
Ich sachte , Ich suchte - Verzeih mir_es der Himmel , ich glaube , ich fluchte auch mit unter ; aber durch alles Reden und Seufzen und durch allen Angstschweiß wurde kein neuer Wechsel : und was das ärgste war , so wäre ich bei einem Haare um Ehre und Reputation gekommen , die mir hundertmal mehr am Herzen liegt als alles Geld .
Denken Sie nur !
Ich stehe schon vor dem Kaufmanne und habe es ihm schon gesagt , daß er mir einen Wechsel auszahlen soll , als mir eben das Unglück arriviert - Nun möchte ich nur ewig wissen , wie der Wechsel aus meiner Tasche gekommen ist !
Der Kaufmann stand da , als ob er einen Narren vor sich hätte , wie es denn auch wohl wahr war und also machte ich nur , daß ich fortkam - Ich suchte den ganzen Weg herunter , den ich gegangen war : Nichts !
Ich fragte alle Leute , die mir begegneten , ob sie nicht ein Papier , so und so , gefunden hätten : Nichts !
Ich lief nach Hause Und suchte in allen Ecken und Enden : Nichts !
Nach einer guten Stunde lief ich wieder zu dem Kaufmanne Und wollte es ihm wenigstens sagen , daß ich einen Wechsel verloren hätte , damit er sich danach richten könnte :
Aber nun denken Sie erst einmal , ob ich nicht hätte rasend werden mögen !
Ein verdammter , fataler Kerl , dem ich wünsche , daß er heute noch an den 1000 Talern ersticken mag -
Ja !
Ich will ihn beheren lassen !
Es ist eine Zigeunerin hier und auch ein Weiser Mann .
Kurz , er soll nicht eher Ruhe haben ; Es soll ihn so lange kneipen und reißen und stoßen , bis er sich selbst angegeben hat -
Und wenn er zu mir kommt , dann will ich ihm erst eine Tracht Prügel zuzählen , und hernach soll ihm der Hausknecht eine zuzählen , und hernach soll ihm Marthe 100 bare Nasenstüver zuzählen - Warte nur , du Spitzbube !
Das Stehlen soll dir schon auf einandermal vergehen .
überlegen Sie_es nur : so hat er mich hinters Licht geführt !
Doch ich habe es Ihnen ja noch nicht erzählt , wie es mir gegangen ist .
Weil ich also das zweitemal zum Kaufmanne komme , so sagt er mir :
Ob ich gescheut wäre ?
Mein Kerl wäre schon da gewesen und hätte gegen Auslieferung des Wechsels das Geld in Empfang genommen :
Nun ich weiß am allerbesten , wie mir zu Mute war , als ich das hörte !
Armer , lieber Herr - und noch ärmerer ( Schelm , Walther !
wenn du nicht Gnade findest .
Es tut mir in der Seele weh : aber wie gesagt :
Ich tröste mich damit , daß Sie sich aus dem Gelde nichts machen .
Sie haben mir das hundertmal gesagt und ich glaube es Ihnen auch recht gern .
Denn was ist doch alles Geld und aller Reichtum ?
Du - ist es , wie Paul Werner sagt und da hat er völlig recht dran .
Wenn ich auch heute noch alle mein Hab und Gut verlöre , wenn mir mein Gasthof mit Vieh und Möbeln und allem Plunder verbrennte und ich behielt nichts auf der Welt übrig , als die Jacke , die ich auf dem Leibe trage , so wollte ich doch kein Narr sein und verzweifeln .
Ich machte es , wie jener Bauer , wärmte mich an den Bränden meines Hauses und lachte !
Was hat man doch wohl im Unglücke besseres , als Lachen und einen guten Freund !
Den hätte ich denn an Ihnen .
Sie würden mich gewiß nicht betteln lassen .
Wenn Sie von Ihrer reichen Erbschaft nur noch einen Kreuzer hätten , so gäben Sie mir gewiß die Hälfte davon ab :
Und gewiß und wahrhaftig , ich machte es auch so , wenn Sie einmal , wie es denn immer ein möglicher Fall ist , um ihr Vermögen kämen .
A propos , haben Sie noch nichts gehört ?
Es soll in L**k ein sehr starker Bankerut vorgefallen sein .
Ich wünsche nur , daß Sie nicht mögen darin verwickelt sein . zwar wenn es auch wäre - Ich nehme nur so den Fall - Was wäre es denn weiter ?
Arm oder reich , daß muß Ihnen fast einerlei sein , da Sie beides schon zweimal gewesen sind .
Sie haben mir sogar gesagt , Sie hätten sich bei Ihrer Armut besser befunden , als bei Ihrem Reichtume :
Was scheren Sie sich also ums Geld ?
Ich glaube wahrhaftig , ich könnte es sicherlich probieren und es Ihnen geradehin sagen , daß Ihre Vettertaler den Weg alles Fleisches gegangen sind : Sie lachten nur dazu !
Nun so tun Sie es denn .
Sein Sie standhaft !
Sie haben oft gelacht , wo kein Mensch an Ihrer Stelle Mut genug gehabt haben würde , zu lachen : Tun Sie mir_es diesmal zu gefallen und lassen Sie sich von der Nachricht nicht niederschlagen , die ich Ihnen schreiben muß !
Alles Ihr Geld ist Heidie !
Ihr alter Vetter muß es Ihnen nicht gegönnt haben , oder er hat etwan einen Teufel abgeschickt , daß er_es ihm in die Hölle nachbringen soll , weil er gehört hat , daß sie so locker damit umgehen :
Kurzum fort ist es !
Denken Sie ums Himmelswillen nicht , daß ich darüber lache , weil ich so herzlich wünsche , daß Sie darüber lachen mögen !
Mir ist es gar nicht lächerlich :
aber für Sie wäre es der allerbeste Rat auf der Welt , es wäre Ihnen lächerlich !
Tun Sie Ihr möglichstes und geben Sie sich zufrieden !
Not werden Sie nimmermehr leiden dürfen :
Denn Not macht erfinderisch und hernach - Lebt denn nicht Zebedäus Walther noch ?
Nun sollen Sie sehen , ob ich Ihr Freund bin oder nicht .
Brauchen Sie was ?
Pumps , da ist es !
Wollen Se noch mehr ?
Da ist es !
Ich habe keine Kinder !
Und wenn ich auch Kinder hätte , so würde ich Ihnen doch das Geld geben und hernach , wenn ich einmal mit Tode abginge , wollte ich Ihnen meine Kinder auf den Hals schicken - nicht daß Sie Ihnen das Geld wiedergeben sollten , sondern daß Sie sie die Kunst lehren sollten , die Armut zu ertragen .
Doch ich habe nun schon Einleitung genug gemacht : Lesen Sie nur immer den inliegenden Brief !
Mein junger Freund , Sind Sie nicht schon zweimal arm und glücklich gewesen ?
Wo ich mich nicht irre , Ja :
Nun so muß es Sie gar nicht erschrecken , gar nicht aus Ihrer Fassung bringen , wenn ich Ihnen sage , Sie sind es zum Drittenmal .
Ihre ganze Erbschaft ist nicht mehr Ihre und durch alle meine Bemühungen habe ich durchaus nichts retten können .
So lange Ihr Vetter den unreinen Dunst des Geizes um sich verbreitete , so lange wagte es niemand , sich seinen Anverwandten zu nennen .
So bald er aber in die Erde verscharrt war , sobald sich der liebliche Geruch der goldenen Hinterlassenschaft auszubreiten anfing , kam von ferne her ein Bastard Ihres Vetters mit heißhungrigen Ansprüchen auf die Hinterlassenschaft .
Seine Mutter ist wirklich die ehemalige Frau Ihres Vetters .
Sie hat ihn erst nach der Ehescheidung geboren , und - nicht spät genug , um alle Möglichkeit aufzuheben , daß Ihr Vetter sein Vater sein kann .
Kurz , die Gesetze können nicht anders , als ihn zum Erben erklären und das Testament Ihres Vetters umstoßen .
Ich selbst habe schon freiwillig das Haus geräumt , welches Sie mir in Ihrem Traume geschenkt haben .
Im Traume ?
Ja , mein Freund !
Lassen Sie uns bei dieser Idee Stäben bleiben .
Ihre ganze Erbschaft war ein Traum .
Mein Brief weckt Sie aus Ihrem Schlummer auf :
Sie werden sich anfangs die Augen verwundernd reiben , aber Sie werden nicht über den Verlust erträumter Güter in Wut geraten .
Der Traum war süß !
Es sei .
Was ist_es denn mehr , einmal aus einem süßen Traume gerissen zu werden ?
Darüber zürnt kein Weiser mit dem , der ihn wohlmeinend aufweckte .
Sie verlieren - Lassen Sie einmal sehen , was ?
Die Möglichkeit , ihre Lustreise fortzusetzen , Freund ! zu Ihrer Erholung sind Sie schon genug gereist , und nachdem ich Ihnen dieses mit allem Ernste der Freundschaft gesagt habe , würden Sie gewiß Ihre Lustreise ohnehin aufgegeben haben . zur Erforschung der menschlichen Natur würden Sie sich mit 20 und noch mehreren tausend Talern nicht satt gereist haben - und diesen Endzweck können Sie sehr leicht in einem Stande , dem Sie sich widmen , beiher erreichen -
Überdies -
Doch dieser Schade ist zu klein , als daß ich seine Größe zeigen könnte .
Was verlieren Sie nun noch mehr ?
Überfluß .
Aber ist denn der Verlust des Überflusses ein wahrer Verlust ?
Nur derjenige dünkt mich , der wirklich entbehrt , dem wirklich mangelt , der hat verloren .
Nur der , der um seinen Rock kommt , den er auf dem Leibe trägt , kann sagen :
Ich habe verloren !
Nicht aber der , der um einen Ballen Zeug gebracht wird , aus dem er sich zwanzig andere Röcke hätte können machen lassen , der aber übrigens seinen Rock , wie vor auf dem Leibe behält - Der Verlust des Überflusses geht nur auf die Zukunft - und diese ist nicht unser : folglich auch der Verlust Ihrer Güter nicht unser .
Glauben Sie mir : Darben werden Sie nie .
Sie sind ein sehr reges Geschöpf : Ihre eigene Kraft wird Sie ernähren .
Was verlieren Sie weiter ?
Eine ansehnliche Bibliothek .
Diese will ich unter den wirklichen Verlust verrechnen , denn sie war schon so gut , wie angeschafft :
Aber was ist es denn nun mehr ?
Sie werden dafür die wenigen Bücher , die Sie sich von Zeit zu Zeit anschaffen , desto fleißiger lesen - mehr für sich selbst denken - weniger irren und weniger zweifeln .
Ist das nicht eher Gewinn als Verlust ?
Aber Sie verlieren auch ein sehr schätzbares und recht göttliches Vermögen , das Vermögen wohlzutun .
Darüber bedaure ich Sie - und nur allein darüber : Allein , mein Freund ! haben Sie mich nicht schon längst eben darüber bedauert ?
Ich kann nicht wohl tun !
Nur wohl handeln , nur wohl wünschen kann ich .
Den Rest überlasse ich unserer aller Wohltäter !
Ich bin bei dieser Denkungsart ruhig und glücklich :
Können Sie es nicht auch sein ?
Nun dieses ist das Unglück alle , was ich Ihnen hier vorgerechnet habe .
Das ist in der Tat nicht viel - genau genommen gar nichts .
Alles , was Sie vor der Hand nötig haben , um sich in das plötzliche Ihrer Glücksveränderung zu finden , ist der Umgang eines Freundes .
Kommen Sie zu mir , sobald Sie können !
Ich will Sie mit offenen Armen erwarten .
Wie bald sollen Sie in meiner , meiner Frauen und meiner Kinder Gesellschaft bekennen müssen , daß nur das Glück ist , was man sich selbst macht - nur das , was durch keine zugefallene oder geschwundene Erbschaft alteriert werden kann .
Hören Sie : Sie sollen kommen und mir sagen , daß Sie mich von ganzem Herzen lieben , so oft ich Sie versichere , ich sei ganz der Ihrige .
Nun sehen Sie nur , lieber junger Herr !
Was das für ein hübscher , artiger Brief ist !
Der Herr hat es Ihnen ja Pfennig für Pfennig vorgerechnet , daß Sie gar nichts verloren haben : Sie werden_es ihm ja doch glauben !
Aber ich will ihm die Ehre nicht allein lassen , Sie bei Ihrer Armut zufrieden zu stellen .
Ich will das meinige auch tun , als ein rechtschaffener Kerl !
Hören Sie nur :
Da habe ich alleweil ein kleines , hübsches Büchelchen !
Der Titelbogen fehlt nur daran .
Da steht allerhand schnakisches , philosophisches Zeug darin , was Sie bei Ihren Umständen recht gut gebrauchen können .
Hören Sie nur !
Die Gesundheit und ein aufgeräumtes Gemüt sind die einzigen wahren Güter .
Suchet dieselben zu erhalten und verachtet alles Übrige .
Ist das nicht kurz und gut ?
Ist es nicht die pure , lautere Wahrheit ?
Nun , Gottlob !
Gesund sind Sie ja .
Aufgeräumt auch - für sich und für zehn andere mit .
Sappelot !
Was wollen Sie denn mehr ?
Schade doch was für allen Plunder von Gelde .
Das macht ja wahrhaftig nur ungesund , an Leib und an der Seele , wie wir denn der Exempel bei hunderten vor uns haben .
Aber weiter im Texte !
Ich genieße soviel Gutes :
Warum sollte ich mich über etwas Böses beschweren ?
Nicht recht hübsch ?
Nicht recht artig ?
Ich denke immer , Sie werden nun einmal in aller Stille das Gute nachrechnen , was Sie genießen - Gesundheit der Seele - Gesundheit des Leibes - Eins , zwei , drei Freundinnen , die Sie lieben , und hernach - Eins , zwei , drei , ich weiß selbst nicht , wie viel Freunde , die es mit Ihnen gut meinen und die Sie wahr und wahrhaftig nicht werden Not leiden lassen - Nicht zu vergessen , Ihr Klavier , das Ihnen schon manches Gute erwiesen hat und das Ihnen gewiß auch in Ihrer Armut noch wohl klingen wird -
Ist das nicht viel ?
Noch mehr !
Wie viele gibt es nicht , die an meiner Stelle sich glücklich schätzen und mich darum beneiden würden ?
Ja , Sie mögen mir_es glauben oder nicht -
Ich will Sie Ihnen bei Hunderten bringen , die alle , einer wie der andere , aus Herzens Grunde sagen sollen :
Ach wenn ich nur an seiner Stelle wäre !
Wenn ich nur so aufgeräumt wäre !
Wenn ich mich nur so gut durch die Welt durchfressen könnte , wie er ! -
Bloß auf meiner Straße , dächte ich , wollte ich an die Fünfzig auftreiben :
Und Sie wollten sich bei dem Verluste Ihrer Erbschaft , auf der ganz gewiß der Unsegen ruht , ungebärdig anstellen ?
Nimmermehr - oder ich halte in meinem Leben nichts mehr von Ihnen !
Ihr müsset in diesem Leben keine zu große Glückseligkeit erwarten :
Die menschliche Natur ist Ihrer nicht fähig .
Das ist eine güldene Regel !
Ich hätte sie Ihnen auch gewiß mit goldenen Buchstaben geschrieben , wenn ich meinen Farbenkasten noch hätte .
Doch Sie werden sie wohl vorher schon wissen und lange gewußt haben , wo Sie sie nur nicht etwan schon über den leidigen Mammon ausgeschwitzt haben und denn wünschte ich , Sie hätten nicht einen roten Heller geerbt !
Ich begehre reich zu sein .
Warum ?
Damit ich mir viele schöne Sachen anschaffen kann , Häuser , Gärten , Kutsche , Pferde etc . etc .
Die Natur bietet mir aber allenthalben Sachen an , die weit schöner sind und mir nichts kosten .
Wenn ich nur sie zu genießen weiß , werden sie mir hinreichend sein .
Wenn ich dieses aber nicht kann , so werde ich eben so wenig die Reichtümer zu genießen wissen .
Nun will ich zwar eben nicht sagen , daß Sie gar nicht gewußt hätten , Ihren Reichtum gehörig zu gebrauchen . zum Aufheben haben Sie ihn nicht gebraucht :
Das muß Ihnen der Feind nachsagen !
Aber , offenherzig , sind Sie nicht ein bisschen ein Verschwender ?
Haben Sie mir nicht selbst Hundertmal mit Lachen gesagt , Sie wollten noch die liebe Zeit erleben , da Sie von Ihren 20000 Talern nur noch 20000 Pfennige hätten ?
Gut !
Bleiben Sie der Meinung !
Stellen Sie sich vor , die liebe Zeit wäre nun da , wie sie es denn auch wirklich ist , und bleiben Sie so aufgeräumten Gemüts , als Sie es sich vorgenommen haben , so hat alles seine Richtigkeit .
Das einzige fürchte ich , wird Ihnen zu Kopfe steigen , das diejenigen , die Sie reich gekannt haben , Sie nunmehr , da Sie wieder zum armen Schelmen geworden sind , auslachen , verachten , und verspotten werden - Aber Nein !
Auch das kann Ihnen bei Ihrer Denkungsart keinen Kummer machen .
Sie haben die Narren von jeher reden lassen , was sie gewollt haben : Geben Sie Ihnen dieses Privilegium von neuen !
Wollen Sie nun bald lachen ?
Ich denke , wenn Sie nur meinen und Ihres Freundes Brief nicht gleich vor Ärger weggeworfen haben , so sollen Sie ziemlich nahe daran sein .
Aber ich will Sie noch näher bringen !
Ich weiß , eine gute Schnurre ist bei Ihnen nicht verloren .
Haben Sie sich ehemals mit dem schnurrigen Tristram Shandy in Ihren Korrektornöten getröstet , so sollen Sie sich auch jetzt mit Ihrem schnurrigen Zebedäus Walther trösten .
Er hat einen Streiche aller Streiche gemacht !
Er läßt den dritten Teil Ihrer Reisebeschreibung drucken .
- Herr hilf !
Fahren Sie doch nicht so auf !
Werden Sie doch nicht gleich so ärgerlich !
Was Sie nicht getan haben , haben Sie ja auch nicht zu verantworten !
Und was ich getan habe , will ich schon verantworten :
Das ist meine Sorge !
Ich lasse in meinen Namen auf den Titel setzen : Parbleu , Monsieur , was gehen Sie an , wie ik spielen ?
Genug , der Herr Verleger wollte einen dritten Teil haben .
Sie wollten keinen machen .
Nun bedenken Sie einmal , was jetzt vor schlechte , elende Zeiten sind !
Wenn man auch alles anschreibt , was fremde Herrschaften verzehren und auch alles , was sie nicht verzehren , so kommt doch kein ordentlicher Profit heraus .
Man muß ja also wohl ein gelehrtes Handwerk ergreifen und irgend sehen , wie man das liebe Leben durchbringt !
Deswegen habe auch ich die Feder ergriffen , nun es mit der Kreide nicht mehr gehen will .
Ich habe geschrieben , was nur die Feder hat laufen wollen .
Ich habe alle Briefe erbrochen , die mir zu Händen gekommen sind - Ihre und andere .
Ich habe trotz dem größten Gelehrten , geraubt und geplündert , und ich stehe eben wieder im Begriffe , eine Streiferei zu tun .
Es ist ein Brief an Sie angekommen .
Sie sollen ihn richtig haben :
Aber nicht eher , bis ich für mein hochgeneigtes Publikum gehörige vidimierte Abschrift genommen habe .
Sehen Sie , jetzt spreche ich schon aus einem ganz anderen Tone !
Sie sind Autor :
O ich auch , wenn Sie es nicht übel nehmen wollen .
Ich will Ihnen Ihren Ruhm nicht allein lassen : sondern auch etwas davon abhaben .
Aber was dem einen recht ist , ist dem anderen billig !
Ich will auch den Tadel ehrlich mit Ihnen teilen und wenn Sie mir ein gut Wort geben , so nehme ich ihn ganz allein auf mich .
Nun das kann ich nicht leugnen , sehen möchte ich Sie jetzt !
Es muß in Ihrem Gesichte ein so allerliebster Mischmasch von Lachen , Weinen , Verdruß und dergleichen zu sehen sein , daß ich glaube , Herr Öser nähme sich die Mühe und malte Ihr Porträt - und ich hinge es hernach oben auf meinen Saal und lachte alle Tage meine richtige Stunde darüber !
Nun , Nun , gehaben Sie sich nur für diesmal fein wohl !
Merken Sie sich hübsch alles , was ich Ihnen geschrieben habe : und wie gesagt , wenn Sie Geld brauchen , so denken Sie hübsch dran , daß ich welches habe und daß in meinem Gelde mehr Segen steckt , als in alle dem Quarge , um den Sie gekommen sind .
Schreiben Sie mir hübsch bald Antwort und wenn Sie zu Ihrem Freunde reisen , so können Sie sich ja den kleinen Umweg machen und unterwegs wieder bei mir ansprechen .
Adieu !
Nun das muß ich aufrichtig gestehen :
Auf diesen Brief tue ich mir etwas zu gute !
Es ist sonst nicht meine Sache , daß ich mich selber lobe :
aber wenn doch auch die Sache so handgreiflich ist , so , dächte ich , könnte man ja wohl auch einmal ein Wörtchen von sich selbst fliegen lassen !
Ich pariere , mein Brief bleibt nicht ohne Wirkung !
Ich kenne meinen jungen Herrn gar zu gut .
So groß auch das Unglück ist , das ihm begegnet ist ; so sehr es ihn schmerzen wird , nicht mehr im Überflusse zu leben : so wird doch ganz gewiß sein lustiges Temperament sein Spiel haben .
Es wird ihn im Lesen meines Briefes nicht einmal recht zum Unmut kommen lassen :
In den Augen werden ihm die Tränen stehen und auf dem Munde das Lachen - Doch ich besinne mich Ich habe kein Papier mehr zu verschleudern !
Hier sind die beiden Briefe an meinen jungen Herrn !
Einer : Lieber Bruder , Ließ meinen Brief zuerst - Ja zuerst !
Es ist mir zu Mute , als ob er Dich in einem mißvergnügten Augenblicke antreffen würde und dann heitert er Dich ganz gewiß wieder auf .
Weißt Du was ?
Ich bin verliebt - sterblich eben nicht , aber doch ganz gewiß recht eigentlich verliebt .
Es freut mich in der Seele , daß ich Dich jetzt zu meinem Vertrauten habe und daß ich Dir alle kleine Narrenspößchen , die ich gemacht habe , recht von Herzen weg beichten kann .
Ob allen Verliebten so ums Herz ist , wie mir , das weiß ich nicht :
aber daß mir so zu Mute ist , als ob mir meine Liebe , ohne einen Vertrauten zu haben , viele Langeweile machen würde , das weiß ich wohl .
Zum Glücke bin ich nicht in dem Falle .
Ich habe der Vertrauten Drei !
Das bist Du , meine Mutter und Monsieur , mein Geliebter :
Und von allen Drei , glaube ich , werde ich gegen Dich am offenherzigsten sein .
Mit Mon sieur - sind wir noch nicht so weit , daß wir ihm schon unsere Schwachheiten gestehen sollten ; vor meiner Mutter schäme ich mich , wenn ich Schwachheiten gestehen soll :
Aber Dir kann ich , will ich alles gestehen .
Das macht , Du bist selbst die offenherzigste Seele von der Welt : Und eine offenherzige Seele macht die andere .
Höre also !
Sobald ich und meine Mutter mit einander in unserem Städtchen angelangt waren , so wurde auch meine Geschichte gar bald von einem Ende zum anderen ausposaunt .
Ich glaube , sie muß auf ihrer Reise von Haus zu Haus , von Mund zu Munde noch einmal so abenteuerlich geworden sein , als sie an sich selber ist :
Sonst wäre es mir unbegreiflich , daß die Leute von einer so unbändigen Neugier geplagt wurden , mich zu sehen .
So oft ich auf der Straße ging , so flogen alle Fenster auf , und alle Köpfe flogen heraus -
Auf der Straße blieb eine Menge Maulaffen stehen , die sich so dumm anstellten , als hätten sie in ihrem Leben kein Mädchen von meiner Art gesehen .
In unserem Hause ging keine Stunde vorbei , wo nicht dieser und jener und diese und jene mich aus der Stube herausvexierte , um mich zu begaffen : Kurz , es kann Zeitlebens kein Mensch so viel von der Neugierde erlitten haben , als ich .
Nun höre nur Wundershalber , wie es mir gegangen ist !
Ich und meine Mutter saßen einmal an einem Morgen beisammen und sprachen von Dir .
Da kam ein noch ziemlich junger Mensch im Mantel und Kragen - aber so häßlich , so häßlich , daß ich es Dir nicht sagen kann - Der kam geradeswegs zu uns !
Nun muß ich Dir aber gleich im Voraus sagen , daß der gedachte junge Mensch , so häßlich er auch war , doch etwas sehr anzügliches in seiner Mine , etwas sehr hübsches in seinen Augen und übrigens eine große ansehnliche Taille hatte , die gar nicht häßlich war !
Dieser nun kam mit einem sehr treuherzigen Wesen auf meine Mutter zu und bat sie um Erlaubnis , mit ihr etwas im Vertrauen zu sprechen .
Meine Mutter schlug es ihm nicht ab und ging sogleich mit ihm ins Kabinett , um doch zu hören !
Aber das rätst Du in alle Ewigkeit nicht , was er zu ihr sagt .
" Ich bin ein Geistlicher , sagte er , der vor kurzen ins Amt getreten ist .
Ich suche eine Gehilfin , de um mich sei : aber ich bin zu sehr von meiner Häßlichkeit überzeugt , als daß ich sie mit gehöriger Zuversicht suchen könnte .
Ihre Tochter , meine recht schaffen Frau , hat mir gefallen , und wenn sie sich entschließen könnte , mich auf mein häßliches Gesicht zu nehmen , so könnte aus uns ein recht gutes Paar werden .
Was meinen Sie ?
Wollen Sie die Sache überlegen oder wollen Sie mir sogleich im Namen Ihrer Tochter das Körbchen geben ?
, So sagte er , Brüderchen ! und diesmal wurde ich für mein Horchen nicht wenig bestraft .
Die Verwunderung machte mich ganz lachen !
Mit Kummer und Not konnte ich von der Wand bis auf meinen Sitz zurückgehen .
Wie ich aber im Gesichte aussah , das weiß mein Spiegel am besten !
Als wäre ich im Angesichte der ganzen Welt beschämt worden .
Ich rieb und wischte , was ich konnte :
Aber ich konnte meine Verwirrung durchaus nicht verwischen .
Zum Glück ging es meiner Mutter nicht viel besser .
Sie blieb die Antwort auch etwas lange schuldig , und so gewann ich ein paar Augenblicke Zeit , mich zu erholen .
Aber was Halfs Sobald der Fremde mit meiner Mutter ausgeredet hatte , sobald er mich bei seinem Eintritte ins Zimmer in die Augen faßte , so wurde ich auch wieder so rot , wie ein Scharlach .
Meine Mutter begegnete ihm mit vieler Höflichkeit , ließ ihn niedersetzen , fragte ihn nach diesem und jenem .
Er antwortete auf alles , als ein Mensch , der gar nichts häßliches an sich hätte , sah mich mitten in seinem Diskurse öfter und aufmerksamer an , als es Not gewesen wäre und als es der Zusammenhäng mit sich brachte - Kurz ich merkte aus allen Umständen , daß es ihm Ernst wäre . zum Glück oder Unglück mußte meine Mutter uns allein lassen .
Das hatte ich befürchtet und auch gewünscht -
Es war mir lieb und auch nicht lieb - Siehst Du , Bruder !
Ein so offenherziges Geständnis kann ich nur Dir allein tun .
Sobald meine Mutter allein war , nahm mich der Fremde bei der Hand - Was sollte ich machen ?
Ich ließ es geschehen !
Mademoiselle , sagte er - erschrecken Sie nicht , wenn ich Ihnen sage , daß ich Sie liebe -
Himmel !
Wie erschrak ich ! -
erschrecken Sie nicht , sagte er nochmals - Ich bin nicht so ungestüm , als ich häßlich bin -
Ich werde Ihre Hand deswegen nicht fahren lassen , wenn Sie mir auch sagten , Sie könnten mich jetzt und in alle Ewigkeit nicht lieben - Wir blieben darum doch gute Freunde !
Aber ist es Ihnen möglich , so sagen Sie es nicht - Mein Inneres ist nicht häßlich - Darauf gebe ich Ihnen mein Wort und ich habe von Ihrer Mutter die Erlaubnis , mich Ihnen auf allen meinen Seiten bekannt zu machen .
Mein Herr , sagte ich - Ihr Antrag - kommt mir so unerwartet - daß ich - Ich weiß in der Tat nicht - wie ich zu Ihrer Bekanntschaft - Es ist wahr , Mademoiselle , sagte er :
Ich habe Sie freilich nur ein einzigesmal gesehen :
aber dieses einzigemal habe ich Sie auch aufmerksamer gesehen , als zwanzigmal zusammengenommen !
Ich verstehe mich etwas auf die Gesichtsbildung .
Die Ihrige verrät eine sehr gute Seele :
Das ist für mich genug , um aus allen Kräften nach Ihrem besitze zu streben - und das gute , was die Stadt von Ihrer Mutter sagt - " Erlauben Sie , mein Herr :
Ich fange jetzt erst an , mit meiner guten Mutter bekannt zu werden -
Ich habe das Unglück gehabt , lange Zeit ihre Tochter zu sein , ohne es zu wissen - "
Ich habe es gehört :
aber ich weiß auch , daß Sie in Leipzig in einer recht guten Familie gewesen sind - " Ja - dem Himmel sei Dank !
In der besten Familie unter der Sonne - Ich habe so viel Gutes genossen - , Und so viel Gutes gelernt , ( fiel mir der häßliche Mann ins Wort - aber sah mich dabei mit so schmeichelnden , treuherzigen , liebreichen Augen an , daß ich ihm gut werden mußte - Ja gewiß , ich mußte es : Freier Wille ist es unmöglich gewesen ) als Sie brauchen , um mich glücklich zu machen - Denke nur , lieber Bruder !
Mit welcher Dreistigkeit der ungestüme Mann zu mir redete .
Gleich vom Heiraten !
Mußte mich das nicht verwirrt machen ?
Nun in diesem Tone fuhr er in eins fort !
Ich sehe es Ihnen an , Mademoiselle ! sagte er :
Meine Dreistigkeit macht sie verwirrt - Aber bedenken Sie !
Ich bin unausstehlich häßlich !
- " Vergeben Sie , sagte ich - " Nein , Nein !
Es ist die Wahrheit .
Mein Spiegel hält mir meine Häßlichkeit alle Tage vor und Predigt mir genug - " Ich bitte Sie , mein Herr !
Sie machen mich immer mehr verwirrt - Ich weiß nicht mehr - Ich glaube es , Mademoiselle !
Es muß Ihnen äußerst fremd vorkommen , eine Mannsperson auf ihr Gesicht so schimpfen zu hören .
Es ist unserem Geselchte sonst eben nicht eigen !
Aber bei mir , Mademoiselle ! ist es zu sichtbar -
Und wenn ich auch die Eitelkeit selber wäre , so könnte ich mich nicht anders , als für häßlich halten .
Sehen Sie nur diese verunglückten Züge - " Verschonen Sie mich -
Ich bitte Sie ums Himmels Willen - Ich wollte es Ihnen nur recht deutlich machen , Mademoiselle , daß ich bei meiner Häßlichka um ein gut Teil dreister sein muß , als andere meines Geschlechts , die sich mit keinem so verzerrten Gesichte placken dürfen !
Sehen Sie !
Da ich bei aller meiner Häßlichkeit doch eine sehr zärtliche Seele besitze und also auch gern mich mit einem Mädchen verbinden möchte , die mir meine Zärtlichkeit erwiderte - Bedenken Sie , wie schlecht ich wegkommen würde , wenn ich bei meinen verliebten Unternehmungen zaghaft zu Werke gehen wollte !
Ich muß Sturm laufen !
Ich muß gleich die Erklärung vorausschicken , daß ich mich selbst für häßlich halte : daß ich aber gleichwohl zu einem glücklichen Ehestande geschaffen bin - O könnten Sie sich überwinden , Mademoiselle !
Können Sie es ?
Sagen Sie aufrichtig :
Können Sie es ?
Was sollte ich sagen , lieber Bruder !
Einen häßlichen Mann , der aber gleich bei seinem ersten Auftritte so viel gutes Herz , so viel Zärtlichkeit , so wenig Eigenliebe , so viel gutes Zutrauen zu mir blicken ließ -
Wer könnte den hassen !
Noch mehr , wer könnte ihn nicht ein wenig lieben !
Ich glaube , wenn alle häßliche Mannspersonen ihre Sachen bei uns so anfingen , wie sie dieser anfing : Gewiß , sie fänden eben so gut geneigtes Gehör , als die mit den schönsten Gesichtern .
Weißt Du , was ich ihm zur Antwort gab ?
" Ich setze den Wert einer Mannsperson nie in ihr Gesicht "
So bin ich glücklich , rief er !
Dem Himmel sei Dank !
So bin ich glücklich !
Sie stoßen sich nicht an mein Gesicht - " Schließen Sie ja nicht zu viel - " Nein , Nein !
Ich schließe nicht zu viel !
Nur was recht ist !
Hier hätte ich mich beinahe des Lachens nicht enthalten können .
Läßt sich wohl etwas Drolligteeres gedenken , als ein solcher Schluß !
Aber um Dich und mich nicht länger aufzuhalten , so wisse :
Es ist mit uns beiden völlig richtig !
Wir werden ein Paar !
Ich werde Landpriesterin und meine Mutter begleitet mich !
Und wo Du nicht auf meine Hochzeit kommst und alles stehen und liegen lässt - so sage nicht , daß ich Deine Schwester bin !
Sage nicht , daß ich Dich je lieb gehabt habe !
Noch eins !
Ich verlange auch von Dir ein Hochzeitpräsent - Und ein ganz eigenes !
Du kannst mir_es geben , wenn Du nur willst !
Mein zukünftiger Mann könnte mir_es auch geben :
Aber ich habe nun meine Ursachen , warum ich es gerade von Dir haben will .
Ich habe da in einem Romane eine Stelle gefunden , die recht für mich geschrieben zu sein scheint , die mir auch recht gut gefällt , die ich auch beinahe nicht anders als für wahr halten kann : Und gleichwohl !
Das ist sie !
" Eine Predigers Frau spielt in Beziehung auf das weibliche Geschlecht eine eben so wichtige Rolle , als ein Prediger in Beziehung auf das männliche und in Beziehung auf seine Gemeine überhaupt .
Ist sie ein Weib , wie der größte Haufen der Weiber ist : Herrschsüchtig , oder eitel , oder schwatzhaft u. s. w. ( Man lese hierüber nach Joachim Rachels Böse Sieben )
Ist sie eine schlechte Mutter gegen ihre Kinder , oder eine schlechte Frau gegen ihr Gesinde :
So wird sich ihr schlechtes Beispiel auf das weibliche Geschlecht in ihrer Gemeine fortpflanzen und unersetzlichen Schaden anrichten .
Ihr Mann mag sich alsdann auf der Kanzel noch so viele Mühe geben die Weiber von ihren Lieblingstorheiten abzubringen :
Alles wird vergebens sein .
Der Gedanke : Des Predigers Frau macht es nicht besser , wird alle Ermahnungen , alle Vorstellungen durchaus zu Schanden machen .
Ist sie hingegen eine Zierde ihres Geschlechts :
Wohnt Tugend in ihrer Brust : Ist sie , wie die Schrift sagt , mit Scham und Zucht geschmückt , so wird sie eine nachdrückliche Lehrerin ihres Geschlechts und sie wirkt gewiß durch ihr Beispiel mehr , als der Mann durch seine Predigten .
Siehst Du , lieber Bruder !
Über diese Stelle verlange ich Deine Meinung zu wissen - und zwar recht ausführlich !
Das weiß ich wohl , daß ein jeder Mensch verbunden ist , anderen gute Beispiele zu geben , aber daß eine Priesterfrau dazu mehr verbunden sein soll , als andere Frauen , daran habe ich niemals gedacht :
Und nach dieser Stelle zu urteilen , sieht es doch fast aus , als ob es wahr wäre .
Setze also nur immer eine kleine Abhandlung , oder einen hübsch langen Brief darüber auf und mache mir damit ein Präsent auf meine Hochzeit .
Aber schicken mußt Du mir_es ja nicht , sondern , wie gesagt , selbst bringen , selbst in die Hände geben - Deswegen nehme ich auch in diesem Briefe nur ganz kurz von Dir Abschied :
Bis auf Wiedersehen !
Der andere : Mein lieber Sohn , Ich will nur immer den alten Titel beibehalten , den Du so gerne hörest und den ich Dir so gerne gebe .
Mein lieber Sohn !
Ich bin immer noch Deine gute , redliche Mutter , die keinen Tag vorbei gehen läßt , ohne an Dich zu denken und ich weiß gewiß , Du denkst auch manchmal an mich .
Es ist mir jetzund recht wohl , da ich das Glück meiner Tochter vor Augen sehe .
Sie wird Dir wohl alles recht ausführlich geschrieben haben !
Ich will Dir nur sagen , daß es mir eine ungemeine Freude ist , daß ich meine alten Tage auf dem Lande beschließen kann .
Ich weiß nicht , es ist , als ob man in der Stadt gar nicht recht mit Ruhe und Friede an den Tod denken könnte .
Auf dem Lande , denke ich , will ich es noch einmal so gut können Mein Schwiegersohn ist ein rechter braver Mann , den ich so lieb habe , wie Dich .
Er wird es ma an nichts fehlen lassen und so werde ich meine Todesstunde heranbringen , ohne es einmal recht zu merken :
Ich habe letzthin einen bösen , garstigen Traum von Dir gehabt .
Es kam mir vor , Du stündest vor einem Manne mit einem Papiere in der Hand , das wie ein Wechsel aussah .
Indem Du dem Manne das Papier überreichen wolltest , kam ein anderer und riß es Dir aus der Hand und damit fort .
Du liefest ihm nach , aber Du konntest ihn nicht einholen .
Ich bin eben nicht abergläubisch :
aber ich habe schon oft Träume gehabt , die mir und anderen etwas bedeutet haben .
Es könnte wohl sein , daß Dir ein kleines Unglück begegnet wäre oder noch bevorstünde !
Je nun :
Was sagt unser lieber Gellert ?
Wir leben nicht auf Erden um glücklich hier zu werden .
Doch ja !
Wir können auch schon hier glücklich werden , wenn wir nur unser Glück da suchen , wo es zu finden ist .
Ich mag mich jetzund wohl glücklich nennen !
Mein einziges Kind wird nun bald versorgt werden :
Nun habe ich keine Sorgen auf dieser Welt mehr .
Noch einen Wunsch habe ich !
Ich möchte Dich gern auf meiner Tochter Hochzeit sehen .
Doch sie wird Dir_es wohl selber nahe genug gelegt haben .
Komme also nur , lieber Sohn ! wer weiß , siehst Du mich auf dieser Welt noch mehr , als ein einzigesmal .
Lebe wohl !
Nun Glück auf den Weg , diesen vier herzbrechenden Briefen , von denen einer immer mehr an die Seele geht , als der andere .
Bis die Antwort einlauft , will ich mit einem hochgeehrten Publikum noch dieses und jenes schwatzen !
Mein junger Herr hat mir da allerhand Einwürfe wider meine Komödie gemacht , von denen wohl einer oder andere wahr sein mag : aber alle sind sie es gewiß nicht .
Ich soll da die Minna von Barnhelm nachgeahmt haben !
Zum Kuckuck , wie kann man denn nachahmen , wenn man Dinge aufs Theater bringt , die sich wirklich zugetragen haben ?
Was kann denn ich dafür , daß die Frau von Taubenhain eine eben so brave Frau ist , als die Minna ein braves Mädchen ?
Was kann denn ich dafür , daß sie ihrem Manne nachreist , so wie diese ihrem Bräutigam ?
Ich dächte doch so unmaßgeblich , zum Nachreisen hatte Madame noch eher Recht , als Mademoiselle .
Ja , wenn ich das ganze Stück aus meinem eigenen Gehirne erfunden hätte , so könnte es wohl sein - aber dawider protestiere ich für den ganzen hochgeneigten Publikum !
Ein anderer Einwurf ist nun auch so so :
Ob die Eifersucht des Herrn von Taubenhain wohl einem Deutschen natürlich ist ?
Ja wohl ist sie ihm natürlich , oder ich müßte kein Deutscher sein .
Sappelot , wenn ich an des Herrn von Taubenhain Stelle gewesen wäre und ich hätte hinter meiner Frauen Bette einen Kerl gesehen -
Ich wäre toll und rasend geworden ; Ich hätte in dem Schlosse einen Lärm angefangen , daß das ganze Dorf zusammengelaufen wäre .
Möchte doch meine Frau vorhin noch so tugendhaft gewesen sein , so hätte ich sie doch in der Hitze Nickel etc . und wer weiß , was sonst noch geheißen .
Das wäre mir natürlich gewesen :
aber das war nun dem Herrn von Taubenhain nicht natürlich .
Meine Hitze geht allemal nach außen :
Die seinige ging nach innen .
Meine Flamme schlägt über sich und macht ein Geprassel , daß einem die Ohren wehe tun :
Aber seine Flamme glüht in aller Stille weg und ist bei alledem so heiß , als meine nur immer sein kann .
Eines ist so natürlich , als das andere .
Was fragt der Mensch in der Hitze nach dem Vergangenen ?
Da sieht wohl , denke ich , ein jeder bloß aufs Gegenwärtige .
Freilich wäre es besser , wenn wir_es nicht so machten :
Aber die Welt ist nun einmal für allemal ein großes Narrenhaus !
Wer kann sie anders machen ?
Bei dieser Gelegenheit kann ich mich nicht enthalten , ein Projekt auszukramen , das mir letzthin einmal bei einer Pfeife Tabak einfiel und das auch vielleicht nicht mehr wert ist , als eine Pfeife Tabak : Indessen - hören läßt es sich immer : und wenn ich der Mann wäre , der den Projekten den Nachdruck geben könnte , so glaube ich immer , dieses müßte mir gelingen .
Die Malerei ist doch eine Kunst ?
Nun Ja !
Das gibt mir ein jeder zu !
Die Tragödien- und Komödienmacherei ist doch auch eine ?
Richtig !
Nun gibt es doch Malerschulen ? O Ja !
Und rechte schöne !
Gut , so müßte es auch Theaterschulen geben !
Das ist mein Projekt - und es ist ein vernünftiges Projekt , oder ich will nicht Walther heißen .
Zum - !
Die Komödien und Tragödienschreiber können ja unmöglich wie Schwämme aus der Erde wachsen !
Freilich in gewisser Absicht müssen sie wohl .
Sie müssen ihre Geschicklichkeit aus Mutterleibe mitbringen .
Das Spaßmachen muß ihnen eben so natürlich sein , wie dem Vogel das Fliegen :
Aber sie können doch weder Komödien noch Tragödien aus Mutterleibe mitbringen .
Die müssen sie erst machen lernen - und wenn man etwas soll machen lernen , so muß man einen Lehrmeister haben : Und also sollen und müssen von Rechtswegen Theaterschulen sein .
Mich wundert gar nicht , daß wir so wenig gute deutsche Komödien haben :
denn ob ich gleich nur ein Gastwirt bin , so habe ich doch soviel Iudicium in meinem Kopfe , daß ich einsehe , der guten deutschen Komödien sind sehr wenig - Aber wie gesagt , mich wundert gar nicht .
Denn wenn nun einmal ein junger Mensch auftritt und etwas theatralisches zu Markte bringt , so fallen die Kunstrichter über ihn her , peitschen ihn bis aufs Blut und jagen ihn mit Schimpf und Schande fort : den armen gepeitschten Herrn Autor tut das wehe .
Er schreibt entweder in seinem Leben nichts wieder oder er denkt in seinem Herzen : Ihr seid alle mit einander nicht gescheut - und schreibt solche erbärmliche Komödien , als seine erste war , immer in einem Atem fort , ohne sich an die ganze Welt zu kehren .
In beiden Fällen kommt das Theater zu kurz !
Aber wäre nun husch in Deutschland eine Theaterschule , so könnten sie solche junge Herrchen frequentieren .
Anstatt ihre Lehrburschenstücke drucken zu lassen , könnten sie sie ihrem Meister zeigen und ihm zu Fidibus geben , wenn sie nichts taugten .
Taugten sie etwas , so könnten sie sie korrigieren lassen :
So müßten wir ja wahrhaftig in 10 , 20 Jahren Komödien haben , die Hände und Füße hätten !
Hätten die Herren Schüler noch überdies ein wenig Ambition , so daß ein jeder immer wünschte und trachtete , den anderen zu übertreffen , so müßte es mit unrechten Dingen zugehen , wenn aus einer solchen Theaterschule nichts ordentliches herauskäme !
Aber , Herr Walther , Hochedlen ! der Sie so gut von Theaterschulen schwatzen können : Sein Sie doch so geneigt und nennen uns einen oder den anderen Mann , den Sie zum Meister der gedachten Schule vorschlagen könnten !
O warum nicht ?
Ich bin sogleich erbötig !
Herr L und Herr W** " beide ausgelernte Meister in ihrer Kunst !
O was würden sie für Schüler heranziehen !
Was würden unter ihrer Aufsicht und durch ihren guten Rat für Meisterstücke zur Welt kommen !
Aber wo sollen denn die Schüler herkommen ?
Sie werden schon herkommen !
Nur erst die Schule errichtet .
Schüler werden sich von selbst finden .
Da wird ein lustiger , dort ein trauriger , dort ein ernsthafter Kopf aufstehen und in die Schule gehen , und wenn auch schon nicht ein so großer Meister , doch gewiß auch ein Meister werden !
So wahr ich Walther heiße :
Wenn die Theaterschule hier errichtet würde , ich liefe , ganz Leipzig zum Spektakel hinein und probierte , was ich noch auf meine alten Tage vor mich bringen könnte .
Was die Schüler machen sollen ?
Das läßt sich an den Fingern abzählen !
Sie sollen mit dem Kleinen anfangen und mit dem großen aufhören .
Erst Gespräche - Erst ganz klei ne - dann große - dann Nachspiele !
Wir haben ohnehin wenig oder gar keine - dann immer weiter - Stücke von 3 bis 5 Akten .
Haben Sie einmal ein gut Stück gemacht , so mögen sie die Schule verlassen :
denn nun werden sie sich schon allein forthelfen .
Aber sollen Sie denn immer arbeiten ?
Ums Himmels Willen nicht .
Bloß nach Lust und Belieben !
Sie sollen sich brav mit Menschen bekannt machen :
Von Rechtswegen müßten sie in allen Familien Zutritt haben , so wie die Maler zu allen schönen Kindern .
Es könnte auch nicht schaden , wenn sie bisweilen die Gasthöfe besuchten - Der meinige steht , im voraus bei Tag und bei Nacht zu Diensten .
Ich denke , ich habe es deutlich gemacht , daß der Gasthof ein Ort ist , wo man Materie genug zu Komödien einsammeln kann .
Sie müssen den Menschen hübsch bis auf den Grund des Herzens sehen lernen - Ie , das ist mein Projekt !
Und so gewiß es , so lange die Welt steht nicht zu Stande kommen wird , so gewiß ist doch eine Theaterschule nicht unmöglicher zu errichten , als eine Malerschule - so gewiß würden aus jener eben so gut Meister hervorgehen , wie aus dieser - so gewiß würde jene von eben dem Nutzen für das werte Vaterland sein , als diese .
Das denke ich , Zebedäus Walther !
- Weg mit allen Projekten !
Da ist der Brief von meinem jungen Herrn !
" Ja - Dich habe ich zwar da in der Hand :
Aber wenn ich nur auch die Kraft hätte , dich zu halten - Also an Sie soll ich schreiben , mein lieber Walther !
An Sie selbst ?
Oder ist es nur ein bloßer Traum gewesen , daß Sie an mich geschrieben haben - daß ich wieder arm und unglücklich bin - Aber da steht es ja mit deutlichen Worten : Sie sind es zum drittenmal !
Grausam !
Grausam ! zum erstenmal ist nichts .
Arm sein ist so gut , wie reich sein , wenn man reich sein nicht kennt .
Dem armen , der nichts kennt als reines Quellwasser , kitzelt dieses Quellwasser die Zunge eben so sehr und inniglich , als dem Reichen sein Tokajer :
Aber erst reich sein - erst den Überfluß gewohnt werden - und dann ein - zwei *- dreimal arm werden , das ist grausam , grausam !
Muß ich armes Geschöpf gerade gut genug sein , bald von der Höhe ins Tal , bald vom Tale ans die Höhe herab und herauf geschleudert zu werden .
Ich habe keinen Schritt getan , um reich zu werden .
Ohne alle mein zutun - ohne mein Wissen , Vermuten bin ich es geworden :
aber dann hätte ich es auch bleiben sollen -
Sollen -
Es sollte vieles sein , vieles anders sein .
Aus diesem Kapitel werde ich wohl meine Klage und mein Murren nicht führen dürfen :
denn das geht bis ins Unendliche - Vielmehr - Ebendarum , weil ich zu meinem Gelde gekommen war , wie die blinde Henne zu - ich weiß selbst nicht was , so hätte ich_es auch denken können , daß ich auf eben die Art wieder darum kommen würde - und wenn ich es nicht gedacht habe , so ist es ein Zeichen , daß mich das Geld schon um meinen halben Verstand gebracht hatte .
Doch ich werde nun Musse genug haben , wider dazu zu kommen - Dem Himmel sei Dank , daß fast alles um mich her glücklich ist -
Ha ! das war ein vernünfiger Gedanke !
Kann ich noch vernünftig den ken ?
Kann ich_es noch , Freund Walther ?
So habe ich Hoffnung , daß ich ruhig werden werde .
Aber einen vernünftigen Gedanken muß man ausdenken Wer ist glücklich ? -
Meine Mutter und ihre Tochter - Mein Wohltäter und seine Frau - In Bautzen steht alles noch wohl - In Leipzig auch - sowohl auf dem Johanniskirchhofe , als in der Familie meiner kleinen Naiven - Ich allein , der ich sie alle mit einander als eine Familie und mich als einen Anverwandten betrachte , obgleich das Blut nichts davon weiß - Ich allein bin unglücklich !
Nun das ist bei alledem nicht so gar arg !
Unter so vielen Personen nur einer unglücklich - und noch dazu nur von außen - Das geht in dieser Welt wohl an - ist sogar schon mehr , als man in dieser Welt durch die Bank antrifft !
Aber wie gesagt , was mich schmerzt , ist dieses , daß mich das Glück ordentlich zum Besten hat und mit mir , wie mit einem kleinen Kinde spielt - " Da hast Du was , mein Engelchen !
Nimm hin ! - " Das Kind nimmt es - und freut sich - und freut sich halb tot - " Nein , du mußt mir_es wieder hergeben !
Das ist nicht für Dich - "
Das Kind gibt es hin und weint und schreit - Sobald es stille ist und den Plunder schon ganz aus den Gedanken hat , so :
" Nun da hast Du es wieder , mein Engelchen !
Es war nur mein Spaß !
" Das ist mein Text gewesen von Jugend an !
So hat das Glück mit mir gespielt , so lange ich vor mich denken kann : und wenn ich länger lebe , wie ich es denn kann - Himmel !
Was wird es noch für närrische Streiche mit mir vornehmen ! -
Ha - Allmählich wird mir leicht ums Herz !
Das Schreiben tut gut !
Doch wohl mehr das Denken , als das Schreiben - So hat mir doch das einfältige Glück das Beste lassen müssen : Mein Denken !
So habe ich ja in mir eine stete Quelle der Glückseligkeit - und eine Quelle , die kein Bastard bei der Obrigkeit , als die seinige in Beschlag nehmen kann .
Nun ist mir etwas wohl , mein lieber Zebedäus Walther !
Wie lange - weiß ich nicht :
aber doch jetzt - und bis zu Ende meines Briefes , hoffe ich - Bei Ihrem und meines Freundes Briefe habe ich mich sehr albern gebärdet - Bald gelacht - bald mit den zähnen geknirscht - Bald eine mürrische , bittere Träne vergossen - Bald wieder gelacht und vor Ärger mit dem Fussel gestampft , daß ich lachen mußte - Schreiben Sie ums Himmels Willen keinem Menschen einen solchen Brief mehr !
Das ist der gerade Weg einem anderen verrückt zu machen - Ein anderer als ich , hätte auch ihren Brief gar nicht zu Ende gelesen Denn wer läßt sich wohl gern in seinem Verdruß und Ärger stören ?
Aber , guter Freund !
Ich merkte gleich , wo sie hinauswollten , als sie mit der schönen Lehre von der Verachtung des Geldes anfingen .
Das ist die gewöhnliche Captatio benevolenteae - Doch das verstehen Sie nicht und ich mag es Ihnen nicht übersetzen - kann es auch nicht - Sie müssen einen Unterschied machen , lieber Walther !
Bei der Verachtung des Geldes - Ich verachte das Geld überhaupt - das heißt :
ich halte es für eins der schlechtesten Mittel sein Glück zu machen - Man hat Exempel die Menge von unglücklichen Geldkasten - Kurz , ich strebe nicht nach dem besitze von Reichtümern :
Aber wenn mir die Reichtümer ohne mein zutun zugeworfen werden , so setze ich allerdings darin einen großen Wert - und wenn sie mir , ebenfalls ohne mem zutun , wider genommen werden , so nenne ich das allerdings einen Verlust , einen großen Verlust - der schmerzlich , recht sehr schmerzlich ist - Es ist nicht leicht und für einen jungen Menschen , wie ich bin , unendlich schwer , die Rolle eines unachtsamen Verschwenders ( Ich bekenne und leugne nicht ) mit der Rolle eines achtsamen Sparers zu vertauschen .
Ehe ich mich wieder darin finde , wird mancher Tropfen der Ungeduld auf meiner Stirn stehen - und wenn ich dieses bedenke , so geht meine Munterkeit , so wie mein Geld , den Weg alles Fleisches .
Wäre mein alter Vetter doch nie reich gewesen !
Oder mein Freund hätte mich ihm nie empfohlen ?
Oder es wäre ihm nie eingefallen , mich zum Erben einzusetzen ?
Oder , du elender Bastard ! wärest einen Monat später in die Welt gekommen ?
So dürfte ich nicht , wie der Fuchs ohne Schwanz , einherziehen , so hätten meine Mitbürger nichts zu lachen , nichts zu schaden frohlocken -
Und wer weiß , wie Monsieur Bastard sein Geld anwendet ! vielleicht pflanzet er bloß den Geiz seines Vaters fort - und um dieser Absicht Willen mußte ich hintennach stehen ?
Ich , der ich eine ganze lange Reihe der schönsten Vorsätze hatte , die ich gewiß - ganz gewiß ausgeführt hätte - Oder vielleicht war es noch ärger -
Die Mutter schickt den Jungen nah Gelde , damit sie es mit Ihren Galanen durchbringen kann - - Pfui , was habe ich geschrieben !
Verleumdungen , Ungerechtigkeiten - was weiß ich_es !
Du elender Bastard ?
Du armer Bastard hätte es heißen sollen .
Gewiß er ist arm - er braucht das Geld nötiger , als ich .
Wie würde ihn nicht ohne dasselbe seine zweifelhafte Geburt verfolgen !
Und ich wünsche sie noch einen Monat später ? -
Daß ich mich nicht in die Augen schlage !
Verdient habe ich_es !
Woher weiß ich_es denn , daß er den Geiz seines Vaters fortpflanzen wird ?
Darf ein Vernünftiger auf ein Vielleicht bauen ?
Oder , wenn er es darf , wird er nicht so bauen müssen :
Vielleicht wendet er seinen Reichtum besser an , als ich - Vielleicht hat er noch weit bessere Vorsätze und noch weit mehr Überlegung , sie auszuführen , als ich - Wie ungleich bin ich mir !
Vorhin einen so vernünftigen Gedanken - Wer weiß auch , war er_es !
Doch in ! -
Dem Himmel sei Dank , daß fast alles um mich her glücklich ist !
Gut , daß es mir einfällt !
Ich habe im zählen eine glückliche vergessen !
Raten Sie einmal , wen ?
Die brave Frau , die ich auf meinem ehemaligen Zimmer antraf - Sie hat ihren Mann wieder und kann ihn nun auf immer genießen !
Ich habe sie besucht !
Sie hat mir für meine günstige Weissagung oder vielmehr für ihre glückliche Erfüllung die Hand gedrückt !
Um diesen Händedruk verschmerze ich schon ein Kapital .
Mein Wohltäter ist wieder gesund :
Die Freude über die Aussöhnung mit seiner Gattin hat ihn in einem Nun geheilt .
Sie scheint ihn nun in der Tat recht brünstig zu lieben , so wie er sie !
Alles ist vergeben und vergessen .
Es geht nächster Tages nach z**- Ich soll mit : aber Nein !
Ich will fort .
Ich will zu meinem Freunde nach L fliehen .
Selbst meine Mutter , meine Schwester sollen mich nicht mit einem Auge sehen .
Ich würde nur den Verlust meines Vermögens ausplaudern und sie dadurch unglücklich machen .
Nein !
Aus meinem Munde soll ihn niemand der Meinigen erfahren .
Nach L will ich - und ums Himmels Willen nicht über Leipzig .
Ich denke , Sie sollen mir keine Vorwürfe machen !
Was soll ich in Leipzig , wenn ich mit der Erzählung meines Unglücks niemanden lästig werden will ? zu dem jungen , zärtlichen Weibchen und zu ihrem lieben Manne und zu ihren braven Eltern müßte ich ja doch geben - und das , sehen Sie wohl , kann ich nicht , will ich nicht .
Machen Sie sich also nur gefast , mich auf dieser Welt nie wieder zu sehen !
Guter , ehrlicher Walther !
Dank für alles !
Besonders für Ihre Anbietung , mich mit Gelde zu unterstützen .
Glauben Sie mir : Schon damals , als ich noch bei Ihnen war , traute ich Ihnen diese Freundschaft zu , ob ich sie Ihnen gleich bisweilen aus Mutwillen absprach .
Ich habe noch so viel , als ich zu meiner Reise brauche :
Für das Übrige wird der sorgen , der den jungen Raben ihr Futter gibt .
Ich werde mich mit meiner Reise nicht übereilen , sondern sie ganz gemächlich tun .
Unterwegs werde ich fleißig nachfragen , ob es Menschen gibt , die bei einem ähnlichen Schicksale mit dem meinigen , sich zu trösten wissen und wie sie das machen ?
Und so wie ich sonst nach Empfindungen gehascht habe , will ich jetzt nach Elend haschen .
Ich denke , es soll mir an Gegenständen nicht fehlen - und da ich einmal meine kleinen Begebenheiten gern schriftlich Aufsätze , so sollen Sie auch von dieser meiner Reise alles haarklein erfahren - Aber eben fällt mir_es ein ! -
Freund , Freund !
Was haben Sie für einen seltsamen , wunderlichen , närrischen Streiche gemacht ?
Meine Briefe drucken zu lassen !
Sehen Sie , wenn ich Sie nicht um Ihrer guten Seite Willen so lieb hätte , um Ihnen alles zu vergeben , es sei auch , was es wolle :
Dieses vergäbe ich Ihnen gewiß nicht !
Sie nehmen nichts auf Ihr Risiko : Über Sie wird man lachen und mich wird man tadeln !
Doch das ist noch das wenigste !
Sie bedenken nicht , unter welchen Meisterstücken des menschlichen Verstandes und Witzes , dieser armselige , zusammengestoppelte Teil Reisen auftreten wird !
Und welche klägliche Figur wird er alsdann machen ?
Ernstlich - Ich bin böse auf Sie , und käme ich nach Leipzig , ich würde Ihnen einen gewaltigen Text lesen !
Doch es ist geschehen !
Lassen Sie die paar Briefe , die ich Ihnen noch schicken werde , abdrucken und damit Finis !
Aber das bitte ich Sie : Mir ja kein Exemplar !
Ich mag nicht noch mehr Ärger und Verdruß haben , als schon - Leben Sie wohl !
Ich bin nicht böse .
Sie sind ein braver , rechtschaffener Mann !
Selbst wenn Sie nur Streiche spielen .
Über mein Unglück will ich mich wohl nach und nach selbst beruhigen !
Es währt keine 8 Tage , so haben Sie wieder einen Brief von mir .
Bei meinem Wohltäter wende ich vor , ich wollte auf meiner Schwester Hochzeit :
Ich muß mich weglügen , anders geht es nicht !
Leben Sie wohl !
Welch ein Brief !
So hatte ich ihn nicht vermutet !
Aber nun vermute ich :
Der Verlust der Erbschaft wird aus meinem jungen Herrn einen ganz anderen Menschen machen .
Nicht einen ganz anderen :
Denn das wäre Schade :
Aber Dach in manchen Stücken ganz anders .
Er wird lustig und aufgeräumt bleiben , wünsche ich von Herzen :
aber er wird seine Lustigkeit so - wie sage ich doch ? -
so mehr in seine Gewalt bekommen .
Er wird du überflüssige Ende von seinem Leichtsinne verliehen und nur so viel davon übrig behalten , als da nötig ist , um ohne Sorge und Kummer zu leben .
Er wird nun auf das zukünftige denken lernen -
O nein , lieber Herzensfreund !
Ich möchte mich der Augenblick auf die Post setzen und zu Ihnen fahren , um Ihnen einmal die Hand recht satt zu drücken !
Eins !
Und um Ihnen rechte herbe Vorwürfe zu machen , daß Sie mein Geld nicht haben wollen !
O Sie sollen es schon noch nehmen -
Und wenn ich acht Tage auf einen Schwenk sinnen soll , es Ihnen beizubringen , so sollen Sie es ganz gewiß noch nehmen !
Um sind die 8 Tage und da ist der Brief !
Lieber Walther , ( Ich habe mich doch in meinem letzten Briefe unglücklich genannt ?
Ich tue einen herzlichen Widerruf .
Ich bin es nicht .
Ich bin glücklich - glücklicher als ich es zu sein verdiene .
Gestern habe ich einen kleinen Anfang gemacht , Unglückliche kennen zu lernen .
Ein Soldat - Noch habe ich sein Bild vor Augen !
Ein alter , ehrwürdiger , abgedankter Soldat sprach mich , als ich eben auf der Post zum Tore herausfuhr , um ein Almosen an :
aber auf eine Art - Denken Sie nur , wie mir zu Mute sein mochte .
Sie sind doch ein Mensch , rief er mir mit einer harten Stimme und mit einer finsteren Stirn zu , als ich bei ihm vorbeifuhr - Ich wußte nicht , wie mir geschah - hieß den Postillion halten und fragte , was er wollte ? -
Sie sind doch ein Mensch , rief er zum zweitenmal mit eben der Stimme und mit eben der kriegerischen Mine -
Ja , mein Freund ! sagte ich - Und ich bin doch auch einer , sprach er in eben dem Tone -
Ja , sagte ich - Nun so nehmen Sie sich meiner an , sagte er - Da sehen Sie !
Hier streckte er mir den rechten Arm entgegen - ohne Hand -
Himmel !
Welch eine Appellation an die Barmherzigkeit der Menschen !
Ich dächte , wo nur noch ein Funken davon vorhanden wäre , so müßte er auf einen solchen Schlag herausspringen ! -
Fahre er nur zu , Postillion , sagte ich , indem ich vom Wagen stieg : Ich will schon nachkommen .
Nehmen Sie es nicht übel , mein Herr ! sagte der Soldat , daß ich so hart mit Ihnen gesprochen habe .
Es ist heute das erstemal , daß ich bettle ; Bisher habe ich es noch nicht nötig gehabt : aber jetzt treibt mich die Not dazu .
Leider , ist nur kein Barmherzigkeit unter den Menschen !
Es sind eben zwei Kutschen mit vornehmen Leuten bei mir vorbei gefahren .
Ich habe sie alle beide angesprochen :
aber ich habe nicht einen roten Heller bekommen :
Darüber bin ich böse geworden - und wenn ich auch bei Ihnen vergebens gebettelt hätte , so würde ich mir meinen alten Säbel ins Herz gestoßen haben .
Lieber so , als verhungert !
So sei es dem Himmel gedankt , sagte ich , daß ich zu rechter Zeit gekommen bin , um ihn zu retten .
Hat er nichts zu versäumen ?
" Nein , Nun so gehe er mit mir .
Ich kann ihm zwar nicht viel geben :
Jetzt bin ich selbst arm - Wäre er vor ein paar Wochen zu mir gekommen , so wäre es für ihn besser gewesen - Aber wer weiß , wie es der Himmel fügt .
Was ich ihm nicht geben kann , das kann ich doch vielleicht für ihn erbetteln !
Erbetteln ?
- Bei diesem Worte machte der Soldat ungemein große Augen - und ich glaube , Sie machen sie wohl selbst , mein lieber Walther !
Sie hätten schwerlich den Mut für einen Bettler , der nicht kräftig genug für sich betteln kann , etwas zu erbetteln : Aber bedenken Sie , wie gut das sein würde , wenn dieses Vice- Betteln eingeführt würde - wenn ein jeder Mensch von irgend einiger Extraktion sich zum Vize-Bettler eines armen Teufels oder einer ganzen armen Familie aufwürfe und bei seinen Anverwandten , Freunden , Gönnern , Bekannten etc . sein Wort führte - Den Bettler kann man ohne Schande abweisen , wenigstens glaubt man_es : Den Vice- Bettler könnte man nicht abweisen - Der Bettler darf sein Elend nicht ausführlich vorstellen - zwar er darf es : aber wer hört ihn ?
Der Vice- Bettler hingegen dürfte es - Den Bettler flieht man - oder vielmehr man flieht seine Lumpen - Schlecht genug :
aber es ist nun einmal so !
Den Vize-Bettler könnte man aus dieser Ursache nicht fliehen - O gewiß ein guter Vice Bettler wäre eben so gut , als der beste Armenvorsteher !
Aber wer wird sich dazu für schlecht - oder gut genug halten ?
Erbetteln ?
- Pfui ist die allgemeine Antwort , die ein jeder darauf gibt und so ist mein Vorschlag in den Wind geschrieben und gedruckt .
So oder nicht viel anders mußte sich der arme Soldat die Sache vorstellen , weil er bei meiner Anerbietung so große Augen machte :
Indessen ließ ihn der Ton , den ich auf alles lege , was mir von Herzen geht , nicht im geringsten zweifeln , es sei wenigstens mein Ernst .
Sie sind auch gar zu gutherzig , sagte er - Das macht , ich bin selbst unglücklich - aber freilich , noch nicht so unglücklich , wie er - Armer Mann !
Wie ist er denn um seine Hand gekommen ?
Eine Lumpen- Kartätsche hat sie heiße mitgehen .
Eine Lumpen-Kartätsche ? sagte ich -
O was send ihr Soldaten für Leute !
Wenn ihr von einer verlorenen Hand , so kalt und verächtlich sprechen könnt , so wißt ihr gar nichts von Unglück .
O mein guter Herr , sagte er - Eine Hand mehr oder weniger ist auch im Kriege gar nichts .
Wenn nun das Stück Kette , was mir meine Hand mitnahm , ein paar Hände breit tiefer gekommen wäre und hätte mir meine Beine mitgenommen :
Wäre das nicht noch ärger ?
Ein kalter Schauder fuhr mir durch alle meine Glieder , als er das sagte - Der Rumpf ohne Beine stand mir vor Augen - und mein Haar sträubte sich beim Anblicke desselben in die Höhe -
Ja , Herr , fuhr der Soldat fort , da ich zu schwach war , ihm auf seine Frage zu antworten - Ein Schlachtfeld sollten sie einmal sehen - und so etwan eine Stunde nach der Bataille darauf herum marschieren !
Da würden Sie Blessuren sehen , die etwas mehr zu bedeuten haben - und auch ein bisschen mehr wehe tun , als diese da .
Hier fing er an , mir eine Beschreibung von diesen mehrbedeutenden Blessuren zu machen - Ich wünschte , daß alle diejenigen , die sich für unglücklich halten , sie hätten hören mögen - Wie würden sie sich ihrer nichtigen Klagen schämen !
Ich bin nicht unglücklich :
Darauf will ich nun schwören !
So weit hat mich der Soldat gebracht .
Mitten unter seiner gräßlichen Erzählung langten wir in einem kleinen Städtchen an , wo ich mein Vice- Bettleramt anzutreten gedachte .
Ich ließ den Soldaten nicht von meiner Seite , ohne zu bedenken , daß ich dadurch das ganze Städtchen irre machte , ob der Soldat mein Gefangener oder ich der Seinige wäre .
Der Burgermeister war meine erste Frage .
Man sagte mir seine Wohnung und ich ging mit meinen Soldaten herzhaft darauf zu .
Ich ließ ihn vor der Türe stehen und sachte das Zimmer des Herrn vom Hause .
Eine Magd kam mir aus einer Küche entgegen geschossen und sagte uns , er wäre nicht zu Hause -
Aber die gestrenge Frau ist doch zu Hause ?
Ja , sagte sie - Nun so tue sie mir den Gefallen und melde sie mich bei der gestrengen Frau !
Die Magd ging sogleich in die Stube , vor der ich stand und meldete mich so laut an , daß ich ein jedes Wort vernehmen konnte .
Frau Burgermeisterin , sagte sie - Es ist ein fremder Herr draußen - in einem grünen Kleide - in einer roten Weste - er ist noch sehr jung - ich schätze ihn etliche zwanzig Jahr - er trägt sein eigen Haar - er hat hübsche rote Backen und ist so höflich - so höflich - er sagte zu mir : Jungferchen !
Tue sie mir nur den Gefallen und melde sie mich bei der gestrengen Frau Denken sie nur bei der gestrengen Frau - Ist das nicht recht hübsch ?
Er fragte gleich , ob die gestrenge Frau nicht zu Hause wäre - O es ist ein gar zu höflicher Herr !
Wer weiß , was er bei Ihnen will - Herr Jemine , sagte die gestrenge Frau :
Wenn ich doch gleich angezogen wäre !
Wie jung ist er ?
J , etliche zwanzig Jahre - wo er sie noch ist - Und trägt seine eigenen Haare ?
Ja , Ja , und rechte schöne lange Haare So gehe nur den Augenblick und hohle mir meine rote Kontusche von der Kammer und sage nur , zu dem fremden Herrn , er möchte sich nur ein klein wenig gedulden :
Die gestrenge Frau würde gleich fertig sein - Hörst du ?
Die Magd brachte mir sogleich dieses Kompliment , das ich schon gehört hatte -
Wenn sich nur die gestrenge Frau meinetwegen nicht etwan Ungelegenheit machten , sagte ich - Es sollte mir sehr leid tun - Ich muß mich schämen , daß ich der gestrengen Frau so unordentlich unter die Augen trete - Aber ich hoffe , die gestrenge Frau wird mich entschuldigen :
Ich komme von der Reise - Die Magd lief gleich wieder in ihrer Frauen Stube zurück Hören Sie nur , Frau Burgermeisterin , sagte sie - Der fremde Herr kommt von der Reise - Er sagte mir , ich möchte nur zu der gestrengen Frau sagen , daß sich die gestrenge Frau ja keine Ungelegenheit machten - Denn das sollte ihm herzlich leid tun - er sagte einmal über das andere gestrenge Frau - er ist gar zu höflich - J , Herr Jemine , sagte sie , machst Du mir doch eine ordentliche Freude !
Gut , nun soll mich die Stadtschreiberin auch gestrenge Frau nennen - Hohle mir nur die Kontusche - Hörst Du ? J , was brauchen Sie denn nun die Kontusche ?
Sie sind ja doch gestrenge Frau .
Es ist wahr , sagte sie - Nun sage nur zu dem fremden Herrn - Er muß es ja doch wenigstens wissen , wegen der Kontusche - Sonst denkt er , ich habe keine - Sagen Sie es ihm nur selber , Frau Bur - Gestrenge Frau wollte ich sagen - Nun , ich will ihm die Türe aufmachen - Nicht ?
Ja , Ja , mache nur auf - Aber erst hättest Du wohl ein bisschen auskehren mögen - J das währt ja zu lange - Knacks , ging die Türe auf .
Gestrenge Frau , sagte ich , indem ich herein trat und eine sehr tiefe Verbeugung machte - Ihre Dienerin , sagte sie - Nehmen Sie es nur ja nicht übel , daß ich meine Kontusche nicht anhabe - Ich dachte nicht , daß ich heute Besuch bekommen würde -
O die Kontusche ist ganz überflüssig - Man sieht es Ihnen ja doch wohl an , daß Sie die Frau Gemahlin des gestrengen Herrn Burgermeisters sind - Hier erfolgte ein verschämtes Hihi und eine Verbeugung - Ich höre , der Herr Gemahl sind nicht zu Hause , fuhr ich fort - Nein , sagte sie : Mein Herr Gemahl ist auf dem Rathause :
Ich denke aber , er wird gleich nach Hause kommen -
Sie haben gewiß was an ihn zu bestellen -
Ja , gestrenge Frau !
Ich wollte mich unterstehen , dem gestrengen Herrn Gemahle einen armen Soldaten zu empfehlen , der mich unterwegs angesprochen hat - Der Herr Burgermeister Hochedelgebohrnen -
( Hier erfolgten ein paar so dankbarer Augen , als hätte ich der Frau Burgermeisterin ein Präsent mit Brabanter Spitzen gemacht ) - - sind weit und breit als ein Vater der Armen bekannt - .
Sie sind gar zu gütig , sagte sie - Ich bin im voraus überzeugt , Sie werden sich des armen Schelmen erbarmen - besonders wenn die gestrenge Frau die Güte für mich haben und ein gut Wort bei dem Herrn Gemahle einlegen wollen - Ich weiß , wie viel Sie über den Herrn Gemahl vermögen -
Sie sind gar zu gütig , sagte sie -
Ja , Gott sei Dank !
Wir leben in unserem Ehestande zusammen , wie Kinder - Wir haben uns nun schon in die 15 Jahre :
Aber es ist auch noch nicht ein böses Wort unter uns vorgefallen - Was ich will , das will auch er - Das bin ich überzeugt , sagte ich - Deswegen habe ich auch nicht ermangeln wollen , mich an die gestrenge Frau zu wenden , ob ich gleich hörte , daß der Herr Gemahl nicht zu Haufen wären - Ich dachte , es wäre eins -
Ja , Ja , sagte sie - Sie können sich darauf verlassen - Wir wollen schon für ihn sorgen - Ach Herr Jemine !
Nehmen Sie es ja nicht übel -
Ich habe Sie noch nicht niedersitzen heißen - Setzen Sie sich ! -
Nicht eher , als bis sich die gestrenge Frau werden niedergelassen haben -
Sie sind gar zu galant - Ich weiß meine Schuldigkeit -
Nun wenn Sie es denn so haben wollen - Aber mit Erlaubnis :
Wie ist denn der Soldat zu Ihnen gekommen ? -
Ganz von ungefähr - Ich fuhr auf der Post bei ihm vorbei und sah , daß er nur eine Hand hatte -
Ach , Herr Jemine !
Nur eine Hand ?
Je welche fehlt ihm denn , die rechte oder die linke ?
Es ist die rechte .
Herr Jemine !
Die rechte Hand ?
Je wie ist er denn darum gekommen ?
Sie ist ihm im Kriege abgeschossen worden .
Im Kriege ?
Ach , daß doch gar kein Krieg in der Welt wäre Nun mit dieser Deklamation auf den Krieg will ich sie verschonen , mein lieber Walther , und Ihnen nur das Ende vom Liede erzählen .
Wir waren bereits vom Kriege auf den Frieden , vom Frieden auf die schlechten Zeiten , von den itzigen schlechten Zeiten auf die ehemaligen guten und wer weiß worauf sonst noch gekommen , als der Herr Burgenmeister Hochedelgebohrnen nach Hause kam und seine Ankunft sogleich durch einen recht burgermeisterlichen Lärm ankündigte .
Er hatte meinen ehrlichen Soldaten unten vor seinem Hause angetroffen und ihn trotzig gefragt , wer er wäre ?
Dieser hatte ihm eben so trotzig geantwortet , er wäre ein Soldat .
Was er wollte ?
Hierauf hatte der Soldat nichts weiter getan , als seinen rechten Arm ohne Hand vorgezeigt .
Der Herr Burgermeister hatte sich in diese Appellation , die gar nicht in forma war , nicht finden können oder war wohl gar ein wenig aus seiner Fassung gebracht worden - Kurz er kam sogleich die Treppe herauf , machte die Türe auf und fragte :
Was ist das für ein Kerl da unten ?
Madame ging ihm sogleich entgegen - und er nahm , als er mich erblickte , seinen Hut ab - Mein lieber Herr Gemahl , sagte sie - Hier der fremde Herr hat ein Anliegen an Dich -
Ich soll ein gut Wort für ihn einlegen - Er sagte , der gestrenge Herr Burgermeister würden von der Güte sein und für den armen Soldaten sorgen - Du wärest weit und breit bekannt , sagte er -
Ja , fiel ich ihr in die Rede - Gestrenger Herr !
Ich weiß , daß Ihre Polizeianstalten weit besser sind , als die in den großen Städten und daß Sie auf meine untertänige Bitte sich ein Vergnügen daraus machen , für einen armen Teufel zu sorgen , der nur eine Hand hat - Er will nicht auf das Armenhaus - Er will nur Arbeit haben ; und ob er gleich nur eine Hand hat , so sagt er , könnte er doch mit den Schultern arbeiten - Ich hoffe , gestrenger Herr !
Sie werden es Ihrer Frau Gemahlin zu Gefallen tun - Ach ja , mein Kind , tue mir_es nur zu Gefallen - Du weißt wohl !
Nun , nun , mein Kind , sagte er :
Man muß eine Sache erst gehörig überlegen -
Was ist es denn für ein Kerl ?
Ein sehr braver Kerl , sagte ich , der es tausendmal verdient hätte , daß ihn seine Vaterstadt ernährte :
Aber , leider !
Die Polizeianstalten - Sie werden wissen , mein gestrenger Herr ! wie schlecht sie meistenteils in großen Städten sein .
Ich wünschte , daß mancher , den ich recht gut kenne , zu Ihnen in die Schule ginge - Hier fing der Herr Burgermeister an zu lachen -
Nun , es sei darum , sagte er !
Ihnen und meiner Frau zu Gefallen - Ich hielt mich noch einige Zeit bei dem Herrn Burgermeister und bei der gestrengen Frau aufnahm darauf von Ihnen den höflichsten Abschied - und von dem alten , ehrlichen Soldaten , den beherztesten - Er blieb gleich da - drückte mir für Dankbarkeit die Hand fast entzwei und sagte mit , nun wolle er nicht wieder verzweifeln -
Nun für diesmal , muß ich selbst gestehen , habe ich die Barmherzigkeit der Menschen ein wenig links angefaßt :
Aber dafür war ich auch auf der Reise !
Das Sicherste war hier das Beste !
Ein andermal will ich es mehr rechter_Hand tun .
Das ist meine erste Avantüre - Sobald ich wieder eine habe , so sollen Sie sie wissen !
Indessen gebe ich Ihnen die teuerste Versicherung - Meine Taler sind ganz vergessen !
Ich kann ohne sie vergnügt und zufrieden sein .
Nächstens ein mehreres Adieu !
Lieber Walther , Also hat er doch ihr Herz ein wenig erschüttert - Der alte rauhe Soldat , mit einer Hand ?
Es freut mich von Herzen .
Wir Menschen verhalten uns in einer gewissen Absicht umgekehrt wie die Bäume .
Je fester diese in ihrem Boden stehen - Desto besser .
Je lockerer wir - Desto besser .
Unsere Tugend besteht darin , daß wir uns leicht erschüttern lassen , so wie jener , nicht leicht erschüttert zu werden .
Lassen Sie sich nur immer noch einmal - und nicht bloß ein wenig - stark und ganz erschüttern :
Es wird Ihnen gewiß gut tun !
Der alte Soldat ist nichts - Auch er ist nicht unglücklich !
Er hungerte , es ist wahr :
Aber wie oft mochte er wohl schon im Felde gehungert haben !
Die Vorüberfahrenden wollten mit ihm keine Barmherzigkeit haben - Auch hart und kränkend :
Aber wie oft mochte man schon mit ihm keine Barmherzigkeit gehabt haben !
Kurz das ist nichts -
Ich habe eine Unglückliche gesehen - Er komme , wer sich mit ihr zu messen getraut - Er komme und gehe beschämt zurück und sage : Nein !
So unglücklich bin ich nicht !
Ich danke es meinem guten Geschicke tausendmal , daß es mich diese Unglückliche hat kennen lernen !
Der Eindruck , den sie auf mich gemacht hat , wird nie verlöschen - ist unauslöschlich .
So oft sich ihr Bild meiner Seele darstellt , so oft scheu mir die Welt so klein , so verächtlich - alles Glück so abgeschmackt - alle Freude so albern , als ich immer gewünscht habe , daß es mir scheinen möchte , als es mir aber noch nie geschienen hat .
Ich war schon viele Meilen auf meiner Reise weiter fortgerückt , ohne das geringste Merkwürdige gesehen oder gehört zu haben , als ich aus Verdruß und Langeweile , nicht weit von einem Marktflecken , wie es mir vorkam , vom Postwagen abstieg und zu Fuße nachschlich .
Die schlechten Häuser , die ich erblickte , zogen meine Augen ganz natürlich an sich - Ich dachte , ob nicht vielleicht in ihnen mehr Glückseligkeit und Tugend wohnen möchte , als in den großen , großen Pallästen - Diesem Gedanken zu folge betrachtete ich eine Hütte nach der anderen - Bald aber erblickte ich etwas weiter vor mir einen weiblichen Kopf aus einem mit Papier beklebten Fenster heraussehen - Der Kopf wandte sich nach der Gegend zu , wo ich herkam - und siehe :
Es war ein weißes Frauensgesicht - mit einer schlechten Haube auf dem Kopfe , an deren Stelle aber etwas besseres und modischeres zu gehören schien -
Ein rotes , gesundes Dorfgesicht würde mich gar nicht in Verwunderung gesetzt haben :
Aber ein weißes - wo kam das hierher ?
Meine Neugierde erwachte - Ich machte allmählich kürzere und langsamere Schritte , um hinter die Sache zu kommen - Ich dachte , ich wollte sie bloß mit meinen Augen zusammenbuchstabieren :
Aber das weiße Gesicht wendete sich gar bald wieder von mit weg , so daß ich nichts weiter davon sah , als die eine Wange - Ich verlängerte meine Schritte um nichts - Das würde mich , dachte ich , um den ganzen Aublik bringen - Und so kam ich dem weißen Gesichte bald gegen über - Ich blickte nach ihm :
Aber es blickte nicht wieder nach mir - Ich war schon vorüber , als es einen ganz kleinen , schüchternen Seitenblick nach mir tat , den ich aber ganz auffaßte - Gleich darauf verließ das weiße Gesicht das Fenster gänzlich und ich konnte nun von der Avantüre denken , was ich wollte .
Ich blieb mitten auf dem Wege stehen - Ein weißes , junges , blasses Gesicht - dem Anscheine nach aus der großen Welt , ( dachte ich bei mir selbst ) wie kommt das in dieses elende Haus ?
Das muß ich wissen - Aber wozu ?
Vielleicht ist die Ursache sehr alltäglich - Mag sein , ich muß es wissen - Und so ging ich gerade an das Haus und klopfte an .
Ein stierer , schwarzer :
aber doch eben nicht grausam scheinender Mann - den ich , so obenhin betrachtet , zu irgend einem Metier rechnete , wobei man die Barmherzigkeit bisweilen verleugnen muß - kam zur Türe heraus .
Was soll_es sein ?
Mein Freund - Er muß es mir nur nicht übel nehmen - Auslachen mag er mich immer .
Wer ist denn das Frauenzimmer , die aus seine Stube zum Fenster heraussah ?
Etwan seine Tochter ?
Er muß nicht denken , daß ich Absichten auf sie habe - Ich bin nur neugierig - Der Mann lachte - Sie sind wohl ein Fremder , mein Herr ?
Ja , sagte ich -
Nun , das höre ich aus Ihren Reden - Wie so ?
Sie würden sonst bei meiner Seele nicht zu mir kommen .
Warum denn nicht ?
Wissen Sie denn , wer ich bin ?
Nun ?
Ich bin der Gerichtsdiener .
Immerhin !
Ein Gerichtsdiener ist so gut ein Mensch , wie andere - Das macht bei mir keinen Unterschied .
Nun , nun : Aber wissen Sie denn auch , wer die ist , die zum Fenster herausgesehen hat ?
Nun ?
Eine Missetäterin .
Gott !
Sie hat ein Kind umgebracht !
Allmächtiger Gott !
Nun werden Sie wohl genug haben , denke ich - Viel Glück !
Der Mann ging fort und ließ mich vor seiner Türe in der tiefsten Gedankenlosigkeit stehen .
Ich hatte mir immer einmal gewünscht , einen Missetäter oder eine Missetäterin zu sprechen - Ich glaubte immer , und ich glaube es auch noch , daß ein Gespräch mit solchen Personen unter gewissen Umständen lehrreicher und nützlicher wäre , als irgend ein Gespräch in einem Staatszimmer - Jetzt hatte ich die Gelegenheit :
aber sie kam mir zu unerwartet - sie überfiel mich zu plötzlich - Kaum aber war ich meiner wiederum selbst mächtig , so stand auch der Entschluß fest , diese Unglückliche zu sprechen .
Ich klopfte den finsteren Mann noch einmal heraus -
Ich habe noch nicht genug , mein Freund , sagte ich - Ich möchte wohl diese unglückliche Person selbst sprechen - Will er mich wohl für Geld und gute Worte einlassen ?
Das kann wohl geschehen - Hier machte er mir die Türe auf - und ich war schon im Begriff , ins Gefängnis zu gehen , als mir eine Bedenklichkeit einfiel -
Aber , mein Freund , die arme Seele wird vielleicht erschrecken , wenn eine ganz unbekannte Mannsperson zu ihr hereintritt -
Das wird nicht viel zu sagen haben !
Besucht sie denn bisweilen jemand ?
Keine lebendige Seele !
Das ist kläglich ! -
So melde er mich lieber erst bei ihr an - Sage er , ich wäre ein Fremder :
Aber ich wäre eines Jeden Unglücklichen Bruder !
Sie möchte sich nicht vor mir scheuen - J , sie wird sich auch nicht scheuen !
Besser ist besser !
Sage er_es ihr lieber vorher -
Der Gerichtsdiener ging herein - kam bald wieder heraus und sagte mir , ich sollte kommen -
Ich kam auch : aber der Himmel weiß , mit welchem Herzklopfen , mit welcher Angst - Das Gefängnis , in das ich hereinzutreten glaubte , war nicht ein eigentliches Gefängnis , sondern die ordentliche Wohnstube des Gerichtsdieners , in der die arme Seele die Erlaubnis hatte , sich den Tag über aufzuhalten - Freilich nicht viel von einem Gefängnisse unterschieden - Die hölzernen Wände waren schwarz -
Die Decke drohte mir alle Augenblicke auf den Kopf zu fallen - Wenig Licht - Dieses fiel bloß durch ein paar kleine , halb aus Glas , halb aus Papier zusammengeklebten Fenster - Ein paar elende , hölzerne Schemel und eine Ofenbank waren die Meubeln alle - Ich hätte über den Anblick , bloß dieser Stube erschrecken können , wenn er mir neu gewesen wäre : aber so habe ich ihn schon öfter gesehen -
Aber nun die arme Seele selber !
Sie war schlecht gekleidet - vom Kopf bis auf die Füße - nicht bis zum Ekel :
Aber doch so weit , daß man sehen konnte , alles was sie anhatte , hatte ihr die karge Barmherzigkeit der Menschen zugeworfen - Sie war sehr mager - nicht groß - Ihr Gesicht , hatte viele regelmässige Züge und sie mußte ehemals nicht schlecht ausgesehen haben :
aber , so wie sie jetzt war , waren ihre blauen Augen so matt , als wollten sie jeden Augenblick im Tode brechen - Ihre Wangen waren eingefallen - Ihre Farbe war die Farbe des eingewurzelten Grames und Kummers - Ihre Mine war aus Schmerz und Gelassenheit zusammengesetzt - Sie saß bei meinem Eintritte auf einem der hölzernen Stühle und schlug die Augen nieder - Ich ging mit meinem pochenden Herzen auf sie zu - stellte mich - nicht vor sie hin , sondern ihr zur Seiten - schwieg lange und sah bloß - Dann nahm ich sie bei der Hand - Ich schäme mich gar nicht , Ihnen dieses zu sagen , Herr Walther !
Sie werden zwar nach Ihrer Art viel daran auszusetzen finden -
Die Haut wird Ihnen dafür schaudern - Sie würden es in alle Ewigkeit nicht getan haben -
Es sei :
Genug mein Herz fand , in dem Augenblicke , da ich es tat , nichts daran auszusetzen - Mehr brauche ich nicht , um meine Handlungen aller Welt zu erzählen .
Armes , unglückliches Mädchen ! sagte ich - Ich bedaure Dich von ganzer Seele - Das Mädchen schlug ihre Augen auf und sch mich an - ich glaube , um mich stillschweigend zu fragen , ob es mir mit meinem Vorgeben Ernst wäre -
denn sobald sie meine Augen gesehen hatte , die voller Tränen standen , so schlug sie die ihrigen wieder nieder , drückte mir die Hand und seufzte - Wollte Gott , fuhr ich fort , ich könnte Dir einen Teil Deiner schweren Last abnehmen ! -
Oder kann ich vielleicht ?
Soll ich Dich zu trösten suchen ?
- Oder willst Du Dir nicht lieber das Herz durch Erzählung Deines Unglücks erleichtern ?
O tue es - Ich schwöre Dir , ich will den besten Gebrauch davon machen - Aber nein ! die Erzählung würde nur Dein schon zu sehr gemartertes Herz noch mehr martern - Ach , sagte sie mit trauriger und langsamen Stimme - Mein Herz ist seiner Martern schon gewohnt - Es ist nun schon ein Jahr , daß ich in diesem Kerker Sitze - Grosser Gott !
Ein Jahr ! -
Ein Jahrhundert kann nicht länger sein , als dies Jahr ! -
Und ganz allein ? -
Es hat mich niemand besucht - Der Name Kindermörderin ist ein Donnerschlag in die Ohren des Frommen und Gottlosen - Ich wundere mich , daß ein ganz Fremder sich überwindet , mich zu besuchen - Gott sei Dank !
Es hat mich keine Überwindung gekostet - Unglückliche zu besuchen muß ein rechtschaffenes Herz keine Überwindung kosten , und wenn sie in den tiefsten Kerker verschlossen wären - Aber sage mir , armes , unglückliches Geschöpf !
Sage mir ohne Scheu - wie bist Du so tief gesunken ?
Warne mich , Unglückliche !
Vielleicht könnte ich auch sinken - Du scheinst mir ehemals höher gestanden zu haben .
Sage - Es war eine Zeit , wo ich fromm war - Wenigstens bin ich von frommen Eltern und , so lange ich bei meinen Eltern war , bin ich ihnen immer Gehorsam gewesen - Leben Sie noch ?
Ja - Ist_es möglich ?
Ich bete alle Tage zu Gott , daß er sie mag sterben lassen -
Es ist ein schreckliches Gebet : aber ich glaube , ich tue wohl daran und Gott wird mich erhören .
Seit meinem Verbrechen sind sie gewiß die unglücklichsten Eltern unter der Sonne -
Als sie bei mir waren - Himmel !
Sie sind hier gewesen ? -
Ja - der Vater und die Mutter -
Ich habe mich mit ihnen ausgeweint - Meine Augen sind nun vertrocknet -
Ich kann nicht mit weinen -
Kläglich !
Über alle Massen kläglich !
Wenn ich daran denke -
Gott ! -
Mein Mutter konnte vor Heulen und Schluchzen nichts weiter heraus bringen , als :
Meine Tochter !
Meine Tochter ! -
Mehr als einmal fiel sie in Ohnmacht und sie mußte zuletzt mit Gewalt von mir gerissen werden -
Und mein Vater - verfluchte mich - und dann umarmte er mich wieder - und dann wieder Fluch - und dann wieder Segen - Nun ich weiß es , Gott weiß es am besten , was das für ein Tag war -
Arme Seele !
Quäle Dich nicht mit so tödlichen Erinnerungen - Gott wird Deinen Eltern Barmherzigkeit schenken !
Erzähle mir nur , wer sie sind - Mein Vater ist ein Pachter - ein sehr rechtschaffener und gottesfürchtiger Mann - Meine Mutter gab ihm in keiner Tugend etwas nach - Ich bin ihr einziges Kind - Mein Vater kam durch eine Menge von Unglücksfällen um sein Vermögen und ich sah mich genötigt , mein Brot zu suchen - O hätte ich bei meinem Vater gehungert - Wäre ich lieber Hungers gestorben , als daß ich einen Schritt aus seinem Hause tat !
Gutes Mädchen , in dem Schritte aus Deines Vaters Hause ist nichts böses - Ja - aber er hat doch zu allem Gelegenheit gegeben - Ach meine Mutter - Wie schwer wurde es Dir , mich von Dir zu lassen - O hätte doch mein Vater Deinem Traume Gehör gegeben ! -
Was für einem Traume ? - Meiner Mutter träumte den Tag vor meiner Abreise : Sie sähe mich in Gesellschaft eines jungen Menschen , der mir viele Schmeicheleien machte - Er sagte mir einmal über das andere etwas ins Ohr :
Aber ich schüttelte immer den Kopf dazu - Endlich aber nähme er mich unter den Arm und wollte mich in ein Nebenzimmer führen - Er machte die Türe auf - ich träte herein : allein hinter der Türe spränge ein Kerl mit einem bloßen Schwerte hervor , der mir den Kopf abhiebe - Ha , welch ein gräßlicher Traum ! -
Und diesen Traum ließest Du Dich nicht Schrecken ?
Ohne die elenden Kunstgriffe eines , der sich meinen Liebhaber nennte , wäre er mir wahrlich nie aus dem Sinne gekommen - Dafür strafe ihn Gott - diesen abscheulichen Liebhaber !
Nicht also - Nicht also !
Gott wird ihn richten , das hoffe ich - Er wird mich auch gelinder richten , als ihn - Auch das hoffe ich - Aber Gott wird ihm auch die Augen eröffnen ! -
Wenn auch noch nicht jetzt - doch einst auf dem Sterbebette - Aber wer ist denn dieses Ungeheuer ?
Ich lernte ihn in dem Hause kennen , in dem ich meinen Unterhalt genoß - Es war bei einer adeligen Herrschaft , wo er Haushofmeister war - Meine Mutter hatte mir ihn nach dem Leben beschrieben , noch ehe ich ihn mit einem Auge zu sehen bekam - So wie er war , hatte sie ihn im Traume gesehen !
Das ist seltsam !
überaus seltsam !
So oft sie an mich schrieb , warnte sie mich auch und erinnerte mich an ihren schrecklichen Traum - Ihre Erinnerungen waren auch anfangs nicht vergebens .
Ob ich gleich bei mir selbst dachte , ein Traum wäre nur immer ein Traum , so konnte ich mich doch kaum eines geheimen Schauders erwehren , so oft ich den Haushofmeister sah .
Überdem war die gnädige Frau , deren Kammermädchen ich war , eine sehr strenge und exemplarische Dame - Sie nahm mich oft ingeheim vor und warnte mich vor den Verführungen des männlichen Geschlechts - Sie stellte mir vor , welche Schande auf uns armen Mädchen ruhte , wenn wir schwach genug wären , den Liebkosungen unserer Verführer nachzugeben - Kurz , es war eine Zeit , wo ich meiner Tugend so gewiß zu sein glaubte , als ich jetzt meiner Schande gewiß bin -
Und doch bist Du es nicht gewesen ?
O so ist es mit aller Tugend aus - so ist es nicht möglich , sich tugendhaft zu erhalten - Ja - es ist möglich - hinterher sehe ich wohl ein , woran ich es habe fehlen lassen und was ich hätte tun sollen , um den Fallstricken meines Verführers zu entgehen -
Leider ! bin ich nur zu spät klug geworden - Aber sage mir ums Himmels Willen :
Wie ist es diesem Teufel gelungen , sich einen Weg in Dein Herz zu bahnen ? -
Wie es ihm immer gelingt - durch List , Verstellung , Schmeichelei - Was weiß ich_es ? -
Er sah mich gleich bei meiner Ankunft mit nicht gleichgültigen Augen - Ich begegnete ihm mit mehr als Kaltsinn - mit Verachtung , und daran tat ich schon nicht recht !
Durch Verachtung - das hätte ich voraus wissen können - bringt man die Mannspersonen nur auf - Haben sie vorher ihre Liebe nur , als ein Nebenwerk getrieben , so setzen sie jetzt ihren Kopf auf , nehmen Ränke und Betrug zu Hilfe und so gelingt es ihnen - Welch ein schreckliches Bild von meinem Geschlecht , zu dem ich , leider ! die Achseln zucken muß - Er ließ sich also durch Verachtung nicht abweisen ?
O nein - er wurde nur dadurch dreister .
Bei der ersten Gelegenheit , da er mit mir allein war , fing er an eine Menge Schmeicheleien und Tändeleien auszukramen - Ich tat , als hörte ich sie nicht - Dann machte ich ihm Vorwürfe - begegnete ihm hart und nachdrücklich - floh ihn :
Aber alles vergebens - Er schlich mir immer wieder nach , sagte mir einmal über das andere vor , wie Liebe er mich hätte , wie glücklich er mich machen wollte , wenn ich mich entschließen könnte , ihn zu lieben - Mein Herz war immer noch mein und ich erinnere mich , daß ich ihm das eine Mal recht ernstlich drohte , wenn er nicht aufhörte , mich zu verfolgen , so würde ich mich genötigt sehen , ihn bei meiner gnädigen Frau zu verklagen -
Da bat er mich , da beschwor er mich mit Tränen , ich sollte es nicht tun , ich sollte ihn nicht unglücklich machen - Wenn ich denn durchaus den redlichen Versicherungen seiner Liebe nicht trauen wollte , so wollte er sich Mübe geben , sich selbst zu überwinden - Ach der Lügner !
Er tat es also nicht ?
Weit gefehlt !
Nachdem er mich nur davon abgebracht hatte , daß ich ihn verklagen wollte , so nahm er eine andere Larve an .
Er stellte sich , als ob er mit der größten Mühe von der Welt seine Liebe zu mir bekämpfte - Er ging stets tiefsinnig und niedergeschlagen umher -
Die gnädige Frau fragte ihn oft : Was ihm fehlte ?
Er antwortete immer : Nichts - aber so oft er konnte , gab er mir durch einen kläglichen Blick zu verstehen , daß er unendlich viel litte und daß bloß ich an seinem Leiden Schuld wäre - Und nun , nun geriet mein Herz in Gefahr !
Nun hätte ich entweder meiner Frau alles entdecken - oder noch besser , ich hätte auf der Stelle ihr Haus verlassen sollen -
Das war das einzige Mittel , mich zu retten !
Mein Vater und meine Mutter würden mich mit Freuden aufgenommen haben , wenn ich um einer solchen Ursache Willen zu ihnen zurückgekommen wäre : aber - ich war verblendet !
Es fing allmählich in meinem Herzen sich etwas an zu regen , was ich für Mitleiden , für bloßes unschuldiges Mitleiden hielt -
Ach , es war die Liebe !
Unglückliche , Unglückliche !
So wie Du verführt worden bist , würde sich wahrlich auch ein Engel in menschlicher Gestalt verführen lassen .
Ein solcher Teufel - Ja , er hat mich hintergangen , grausam hintergangen - Einmal kam er mit einem erkünstelten , matten , kranken Wesen zu mir - warf sich auf einen Stuhl und tat einen tiefen Seufzer - Ich fragte ihn , was ihm fehlte ?
Sie wissen es , sagte er , und Sie allein können mir auch nur helfen - Die Liebe zu Ihnen hat mich krank gemacht und wird mich unter die Erde bringen , wenn Sie mich nicht erhören -
Ich war bei diesen Reden in der äußersten Augst - Ich wollte Ihnen gern helfen , sagte ich : aber lieben kann ich Sie nicht -
Ich kann gar nicht lieben - Kaum hatte ich es gesagt , so stellte er sich , als würde er ohnmächtig - Ich erschrak , als hätte ich ein Verbrechen begangen , schrie , rieb ihn und brachte ihn in einigen Minuten wieder zu sich - Bin ich sträflich ?
Nein , Nein !
Er allein ist sträflich - der Satan !
Gott verzeihe es ihm ! -
Darin , dünkt mich , habe ich mir nichts vorzuwerfen , daß ich seine verstellte Ohnmacht für eine wirkliche hielt , daß ich glaubte , ich müßte alles mögliche tun , um seine wankende Gesundheit wieder herzustellen und daß ich Mitleiden mit ihm fühlte - Ich würde eine schlechte Kreatur gewesen sein , wenn ich das nicht getan hätte - Gleichwohl war das der erste Schritt zu meinem jetzigen Unglücke !
Kaum hatte er sich von seiner Ohnmacht erholt , so fing er stärker als jemals an , in mich zu dringen , daß ich ihn lieben sollte - Er schwor mir seine Liebe in den zärtlichsten ausdrücken - Was sollte ich tun ?
Was konnte ich anders tun ?
Ich gestand ihm , daß er mir nicht gleichgültig wäre -
Daß seine Liebe zu mir in meinem Herzen Mitleiden erregt hätte .
Er war für Entzücken außer sich - drang noch weiter in mich , daß ich ihm ewige Liebe schwören sollte , so wie er mir sie geschworen hatte : allein dazu ließ ich mich durchaus nicht bringen - Ich sagte ihm , er sollte sich damit begnügen , daß er mich so weit verführt hätte - und um mich nicht weiter mit ihm einlassen zu dürfen , verließ ich ihn unter dem ersten , dem besten Vorwande. Gut - alles gut : aber offenherzig zu reden - daß ich ihn liebte , hätte ich mich durch alle Ohmachten nicht verführen lassen , zu gestehen - Nichts weiter als Mitleiden !
So will es die strengste Tugend !
O es reute mich auch bald , daß ich es getan hatte .
Sobald ich das , was vorgefallen war , bei mir selbst überlegte - daß ich mir ein Liebesgeständnis hatte ablocken lassen - ohne Wissen meiner Eltern - ohne Wissen meiner Herrschaft - mit einem Menschen , von dem ich nicht wußte , ob er im Stande war , eine Frau zu ernähren , sobald reute es mich .
Ich nahm mir fest vor , alles geschehene ungeschehen zu machen - Ich schrieb an ihn und erklärte ihm ernstlich , daß ich mich ohne Vorwissen seiner Eltern , meiner Eltern und unserer beider Herrschaft in nichts einlassen würde - Das Schreiben war wohl nicht strafbar ! -
Keineswegs !
Das Mündliche würde mehr Böses , als Gutes gestiftet haben .
Und was war denn die Antwort ?
Wollte Gott , sie wäre auch schriftlich gewesen :
Aber der Verführer verließ sich auf seine Künste , die er mit seiner Person zu spielen wußte , mehr , als auf seine Feder .
Er kam zu mit - Wenn es weiter nichts ist , sagte er , so sind wir schon so gut , wie Eheleute - Von Seiten meiner Eltern habe ich freie Wahl - Die Ihrigen werden gewiß auch keine Schwierigkeiten machen - Und was hat uns denn die gnädige Frau zu befehlen .
Das wäre doch schlimm , wenn sie auch Frau von unseren Herzen sein sollte .
Nein , meine Geliebte !
Lernen Sie etwas stolzer von sich denken .
Ehen werden im Himmel geschlossen : Menschen haben darein gar nichts zu reden .
Wenn die Herzen einig sind , so ist der Befehl des Himmels vollzogen - In diesem Tone fuhr der Räuber meiner Ehre alle Tage fort - Um ihn , wo möglich , noch von mir abzuwehren , erzählte ich ihm den Traum meiner Mutter : allein er lachte mich nur aus , spottete meiner und meiner Mutter , daß wir so abergläubisch sein und auf Träume bauen könnten - und so eilte ich mit jedem Tage meinem Verderben näher !
Nun mein Herr , sagte der Gerichtsdiener , werden Sie sich nun bald müde geredet haben ?
Noch nicht , mein Freund , sagte ich - Ich weiß noch wenig oder nichts -
Nun , nun , sagte er :
Nur fort geredet !
Lange muß es nicht mehr dauern - Erzähle nur weiter , gute Seele !
Du bist im Kerker glücklicher , als manche im Pallaste - Was soll ich weiter erzählen ?
So bald mein Verführer nur einmal in meinem Herzen festen Fuß gefaßt hatte , so griff er immer weiter um sich - Unter dem Vorwande , daß ich seine Braut wäre , daß unsere gänzliche Verbindung nur noch durch einen kleinen Umstand verzögert würde , verführte er mich von Karesse zu Karesse - In seiner Sprache waren sie alle unschuldig - ja einmal suchte er mir sogar zu beweisen , daß sie Pflicht wären :
Aber hier empörte sich aufs neue der Überrest meiner Tugend - Ich sagte es ihm ins Gesicht , daß er ein Verführer wäre , der seinen Verstand bloß dazu anwendete , mich um den meinigen zu bringen - Kaum merkte er , daß es mir in der Tat Ernst war , so kroch er wieder zum Kreuze - gab seinen ganzen Beweis für einen weitgetriebenen Scherz aus und versprach mir , nie so etwas wieder zu sagen .
Und Du ließest Dich damit hintergehen , gutherziges Geschöpf ? -
Wie konnte ich anders ? -
Ach , wäre ich nur nicht noch ärger hintergangen worden :
Aber ich wurde es - Mein Verführer brachte mir , um , wie er sagte , meinen Geschmack zu bilden , allerhand Bücher - Romanen und Gedichte - Die ersten , die er mir brachte , konnte ich alle lesen , ohne zu erröten :
Aber bald folgten solche , die ich wegwerfen mußte -
Ich stellte ihn zur Rede -
Er spottete über meinen schlechten Geschmack - sagte mir , daß die Bücher , die er mir gebracht hätte , von ganz Deutschland mit dem innigsten Vergnügen gelesen würden - daß ihre Verfasser für die witzigsten Köpfe gehalten würden - Ich weiß selbst nicht mehr , was er alles hervorsuchte , um mich auf seine schmutzigen Bücher begierig zu machen - Als ich immer noch nicht hören wollte , laß er mit selbst daraus vor und so oft ich errötete , wußte er irgend etwas , um mich fest zu halten - Da hat er mir unter anderen aus einem gewissen Rost vorgelesen - Gott habe ihn selig ! -
Er hat durch seine Schriften manches junge , unschuldige Herz verführen helfen :
Aber er hat es auf seinem Sterbebette bereut - So will ich ihm nicht fluchen ! -
Hernach habe ich auch gewisse Erzählungen lesen müssen - nicht Marmontels !
Die sind sehr artig - Nein , andere - Wie heißen sie doch gleich ?
Eben derselbe Verfasser hat noch mehr dergleichen geschrieben -
O ich kenne ihn schon !
Ich kenne ihn schon !
Nun diese Bücher zusammengenommen , haben mir den Rest gegeben .
Sie entzündeten in mir ein heftiges , ungestümes Feuer - hatte ich diese Bücher erst weggeworfen , so konnte ich sie jetzt nicht satt genug lesen -
Meine sittsamen Augen wurden jetzt frei und coquet - Jetzt hatte mein Verführer seinen Endzweck erreicht - Nun brachte er mich ohne sonderliche Mühe dahin , wohin er mich haben wollte -
Ach , Gott ! verzeihe mir , daß ich so schwach gewesen bin - Er hat Dir verziehen , arme Seele ! das kannst Du gewiß glauben - Ich hoffe es -
Ich habe mich nicht mutwillig ins Laster gestürzt - Ich bin fast mit Gewalt darein verwickelt worden -
Ich habe mich gesträubt : aber ich konnte nicht länger -
Das nur geht mir durch die Seele , daß ich meinen Eltern nicht geschrieben habe !
Das ist mein größtes Verbrechen ! - zwar , wie gesagt , ich hätte es tun müssen , ehe der Fehltritt geschehen war :
denn hernach war es zu spät - Nun war ich nicht mehr mein eigen - Nun war ich bloß meines Verführers .
An Gott , an meine Eltern , an Tugend wurde nun nicht weiter gedacht - bloß an ihn - Es war auch nun nicht mehr die Frage von meiner Heirat -
O wie wahr , was ich irgendwo gelesen habe !
Laß dich den Teufel bei einem Haare fassen - und du bist sein auf ewig - Ausser , wenn Du so , wie ich in den Kerker gehen mußt , wo Du alle Menschheit müssest ausgezogen haben , wenn Du nicht zur Reue zurückkehren wolltest ! - -
Ich war nun schwanger und nun ging auch die Strafe meiner Sünden an - Die Furcht für der Schande , für meinen Eltern , sie meiner Herrschaft quälten mich Tag und Nacht unaussprechlich - Ich entdeckte es meinem Verführer : aber er sprach von nichts , als leeren Einbildungen und es gelang ihm durch seine lügenhaften Reden , von denen sich kein Mensch eine Vorstellung machen kann , als wer sie selbst gehört hat , es gelang ihm , mich auf lange Zeit sicher zu machen - Bald aber war die Sache nicht mehr zu verbergen - Ich hätte vor Angst unter die Erde sinken mögen - Ich ging zu ihm , fiel vor ihm auf die Knie , beschwor ihn bei Himmel und Hölle , sich meiner auzunehmen - Er behauptete immer noch , es wäre bloße Einbildung :
Als ich aber darüber in den äußersten Affekt geriet , so versprach er , er wollte alle Anstalten machen , mich an irgend einen Ort zu bringen und sich mit mir trauen zu lassen - Er reiste auch wirklich weg :
Aber - ach ! er kam nicht wieder .
Gar nicht wieder ?
Ja - aber zu spät - Als er kam , war das Kind schon zur Welt geboren - und auch - umgebracht .
Umgebracht ?
Ich entsetze mich - Sage mir , Mädchen ! die Du so viel Verstand zu besitzen scheinst - die Du sogar fromm und tugendhaft gewesen bist - und auch jetzt wieder bist - Sage mir , wie konntest Du an Dein eigenes Kind Hand anlegen ?
Wie konntest Du das ?
Erstarrte Dir nicht die Hand , indem Du sie nach der Mordtat ausstrecktest ?
Nicht ?
Ich weiß selbst nicht , wie es zugegangen ist - Ausser mir war ich - Das einzige weiß ich !
Vor Verzweiflung , von meinem Liebhaber verlassen zu sein - Vor Furcht der Schande , die mir jetzt noch tausendmal größer vorkam , als sonst - Ein jedes Geräusch , das ich hörte - brachte mich beinahe in Ohnmacht - Ich wußte nicht , wohin ich mein Kind verbergen sollte - Gott !
Gott !
Sei mir gnädig ! -
Mein Verbrechen ist mir leid und ich will es gern auf dem Rabensteine büßen .
entsetzlich ! auf dem Rabensteine ?
- Mir schaudert !
Du , Du , Verführer !
Du solltest darauf - Ihn wird Gott richten - Mich müssen die Menschen richten !
Nur das tut wehe , ein ganzes Jahr zwischen Furcht des Todes und Hoffnung zum Leben zu sitzen - Ich wünschte , mein Schicksal würde nun bald entschieden !
In desem Kerker habe ich , Gottlob ! der Welt entsagen lernen - und das Todesurteil - Erschüttern wird es mich freilich - Es erschüttert mich schon - aber ich hoffe zu Gott , daß er mir Kraft geben wird , mich wieder aufzurichten - Ich denke , ich will ohne Führer dem Tode entgegen gehen -
In diesem Augenblicke trat der Gerichtsdiener wieder berein - Mein Herr , sagte er :
Machen Sie , daß Sie fortkommen - Es ist ein anderer Herr draußen , den die Neugier auch plagt und zwei auf einmal , darf ich nicht wegen - Ich könnte Verdruß haben - Wer ist es denn ? -
Da habe ich nichts nach zu fragen - Genug , er hat mich bezahlt !
Ich will ihn aber auch bezahlen , wenn er mich noch daläßt - Nun - Noch auf eine kleine Viertelstunde !
Aber länger nicht !
Indem machte er die Türe auf und ließ den anderen Fremden herein - Der Fremde lief mit vielem Ungestüm auf die arme Missetäterin zu und fiel ihr um den Hals - Gott !
Wer war es ?
Wer konnte es anders sein , als ihr Liebhaber selbst ? -
Ich wußte nicht , wie mir geschah - So sehr ich wider ihn aufgebracht gewesen war , so wenig war ich es nun - Er überschwemmte sie mit seinen Tränen - Meine Charlotte !
Meine liebste , unglückliche Charlotte , rief er aus - Vergib - vergib - Ha , bist Du es , sagte sie und riß sich aus seinen Armen - Du , Verführer , Räuber meiner Ehre !
Er schloß sie von neuem in seine Armen - Ja , sagte er , ich bin_es - Nein , ich bin_es nicht - Ich bin der reuende Verbrecher - Ich komme zu Dir - will mit Dir leben oder sterben - bei Gott ! leben oder sterben -
Ach , meine Charlotte !
Unglücklicher , wo kommst Du her ?
Was weiß ich_es ?
Dein Bild verfolgt mich allenthalben - Schon seit 3 Monaten habe ich Tag und Nacht keine Ruhe gehabt -
Ich bin herum geirrt - Ich habe zu Dir kommen müssen - müssen , und mein Schicksal sei auch , welches es wolle , so will ich bei Dir bleiben - Hier in diesem Gefängnisse - und Dich nicht verlassen - nie verlassen - Ach , Charlotte !
Vergib mir nur - Vergib mir nur - Bitte Gott um Vergebung , sagte sie - Ach - Erst muß mir der sichtbare vergeben , ehe ich glauben kann , daß mir der unsichtbare vergeben wird - Vergib mir , teuerste Charlotte !
So lieb Dir Deine Seligkeit ist -
Nun ja , ich vergebe Dir , sagte sie - Und liebe mich , fuhr er fort - Aber wie kannst Du doch jetzt von Liebe sprechen ? -
Ich lieben ?
Gottlob , daß ich die Liebe habe verabscheuen lernen , die an allem meinem Unglücke Schuld ist -
Sie soll aber von nun an Dein Glück machen - Höre , liebste Charlotte !
Ich habe ein Projekt - Ein Engel muß es mir eingegeben haben -
Ich will unserem Landesherrn einen Fußfall tun - Er ist die Gnade selbst - Ich will ihm alles haarklein erzählen -
Ich will ihn für Dich und mich um Vergebung bitten - Glaube mir , ich komme nicht unerhört zurück !
Ich gehe nicht von seinen Füßen - Eher mag er mich töten lassen , ehe ich unerhört weggehe -
Gewiß -
Unglücklicher !
Und mit solchen leeren Hoffnungen willst Du mir die Ruhe meiner Seele rauben ?
Ich bin schon auf meinen Tod gefaßt - und Du willst die Liebe zum Leben wieder in mir rege machen ?
O wärest Du gar nicht zu mir gekommen - Schweige , liebste Charlotte !
Das ist die Sprache der Verzweifelung - Ich sage Dir -
mein Herz sagt es mir - mein Projekt gelingt - Du wirst noch meine Gattin - Der Dich in den Kerker gestürzt hat , wird Dich auch wieder herausreissen -
Aber , glaubst Du denn , daß unser Landesherr ein Verbrechen wie das meinige , wird ungestraft hingehen lassen ?
Nein - aber ich werde ihn fußfällig bitten , daß er Dich und mich mit Landesverweisung straft - So geschieht seiner Gerechtigkeit Genüge und wir sind glücklich -
glücklich !
Wie kann ich glücklich sein , wenn mir das Bild meines getöteten Kindes , immer vor Augen schwebte ?
- Du hast es nicht getötet !
Es war schon tot ! -
Aber ich habe es doch töten wollen -
Und wenn ich es auch hätte leben sehen , so würde ich es doch getötet haben -
Das habe ich vor Gericht gestanden !
Wenn schon !
Der Landesherr wird mit Deiner Angst - mit Deiner Verwirrung - mit Deiner Jugend Mitleiden haben -
Ich werde darauf anfragen , daß Du selbst vor ihm erscheinen darfst - O gewiß , Du wirst ihn rühren !
Ich werde ihn rühren !
Wir werden noch glücklich - Wollte Gott !
Doch nein -
Unglücklicher !
Du machst den Wunsch zu leben in mir rege - und ich muß doch sterben ! muß doch sterben ! -
Nein , Du mußt nicht - Du sollst nicht - Ich mache mich gleich auf den Weg - Hoffe nur , liebste Charlotte !
Bete nur !
In drei Tagen bin ich wieder bei Dir - mit der glücklichsten Nachricht , die - Hier wurde der Haushofmeister durch einen kleinen Tumult unterbrochen , der vor dem Hause des Gerichtsdieners entstand -
Es kamen vier bis fünf Personen , die sich vor der Türe laut genug mit dem Gerichtsdiener zankten , daß er 2 Fremde eingelassen hätte - Sie fragten ihn :
Wer wir wären ? -
Er sagte , er wüßte es nicht - Sie befahlen ihm :
Er sollte uns heißen fortgehen Er kam mit einem gebieterischen Wesen herein Fort , schrie er :
Den Augenblick fort !
Ich weiche nicht von dannen , sagte der Haushofmeister - Ohne Umstände , sagte der Gerichtsdiener und wollte Gewalt brauchen - Der Haushofmeister stieß ihn aber ziemlich unsanft von sich - Sogleich trat ein ansehnlicher Mann herein - Was ist das , sagte er ?
Warum wollen Sie nicht fort ?
Wer sind Sie ? -
Ich bin der Haushofmeister , sagte er - Also der Vater des umgebrachten Kindes , sagte er mit einem bitteren Tone - und der Mörder dieser unglücklichen Person ?
Das bin ich nicht , rief der Haushofmeister - Nicht ?
Nicht ?
Und wir kommen eben ihr im Namen unseres gnädigsten Landesfürsten das Todesurteil anzukündigen .
Hier lege ich meine Feder nieder - Sie ist zu schwach , diese Szene zu beschreiben - Ich sah die arme Missetäterin für Schrecken niederfallen - Den Haushofmeister ohnmächtig werden - Was mir widerfahren ist , wie ich aus dem Hause herausgekommen bin , weiß ich nicht - werde ich mich auch nie erinnern können - nie - Und nun , lieben Leser , nun sind wir , was wir vielleicht noch nicht vermutet hätten - am Ende .
Herr Zebedäus Walther hat es für gut befunden , abzutreten und mir den Platz zu überlassen , der ich mit Ihnen noch so viel zu schwatzen habe , daß ich nicht gleich weiß , wovon ich anfangen soll .
Hören Sie mich nur noch einmal - Dieses Weges komme ich gewiß nie wieder .
Fürs erste - danke ich Ihnen recht ernstlich für die geneigte Aufnahme meines ersten Händewerks .
Ich hatte mir wenig oder gar keine Rechnung drauf gemacht - und wir allebeide , mein Verleger und ich , würden , im Falle meine Schreiberei gleich die erste Ostermesse Makulatur geworden wäre , ein jeder zu sich selbst gesagt haben :
Warum war ich ein Narr und verlegte es ? -
Warum war ich ein Narr und ließ es verlegen ? -
Und damit wäre das Lied zu Ende gewesen .
Ihre Nachsicht , lieben Leser , hat es dazu nicht kommen lassen -
Ich will nicht sagen Ihre Einsicht .
Hätten Sie dieser streng folgen wollen , so würden Sie mein Buch höchstens gelesen , aber nicht gekauft haben .
Diese Nachsicht ist es eigentlich , wofür ich Ihnen so großen Dank sage . zwar haben mir einige unter Ihnen sie , wo nicht gänzlich versagt , doch mit der äußersten Mühe widerfahren lassen :
Aber wehe dem Autor , der sich nicht darauf gefaßt macht - auch wohl noch auf etwas Ärgers gefaßt macht .
Die gelehrte Welt , in dem weitläuftigsten Verstande genommen , ist eine Republik - Demokratischer Form - Ein jeder kann nachsehen oder nicht nachsehen , wie er will .
Im ganzen genommen bin ich - muß ich mit der Aufnahme meines Buches überaus zufrieden sein , und ich bin es , ohne das geringste Ingredienz von Stolze .
Wie könnte ich auch auf etwas stolz sein , das seiner Natur nach , weder der Ehre noch der Schande fähig ist ?
Wo ich mich nicht sehr irre , habe ich den Kauf meines Buches größtenteils der Jugend zu danken , die auf allen Seiten desselben hervorschimmert - und die Jugend hat , wie der Frühling , nun einmal für allemal etwar , das alle Welt an sich lockt - Könnte ich wohl darauf stolz sein ? Fürs zweite - halte ich es für Pflicht , mich am Ende meiner Schrift einmal für allemal über das Ganze zu erklären .
Ich sehe einen Zeitpunkt als möglich vorher , wo es mich gereuen kann , Empfindsame Reisen geschrieben zu haben - " Was uns im zwanzigsten Jahre lebhaft und erlaubt vorkommt , das scheint uns im vierzigsten töricht und unanständig . "
So schreibt ein Haller - und macht die Applikation davon auf das vortreffliche Gedicht : Des Tages Licht hat sich verdunkelt - Sollte ich das vierzigste oder nur das dreissigste Jahr erleben :
Wird es mir nicht eben so ergehen ?
Ein Gellert wünscht auf seinem Sterbebette nicht von allen seinen Schriften geschrieben zu haben , aus sehr seine geistlichen Oden und Lieder - Dieser Wunsch muß für mich eine starke Warnung sein - Wer weiß verdamme ich nicht einst mit der festesten Überzeugung diese meine ganze Schrift ?
Wer weiß , mache ich mir_es nicht zum Verbrechen , daß ich in derselben bloß das Vergnügen meiner Leser zur Hauptabsicht , den Ruzen zur Nebenabsicht gemacht habe ?
Wer weiß , quält mich nicht diese und jene leichtsinnige Stelle , die vielleicht nicht moralisch strenge genug ist ?
Wer weiß martert mich nicht der Gedanke , der Jugend Anlaß zum Zeitverderb , zur Wollust , zum Leichtsinne und zu noch mehreren Lastern gegeben zu haben ? zwar das weiß ich und darauf lebe und sterbe ich , daß mein Sterbehette nie das Sterbebette eines Rosts sein wird .
Ich habe die sinnlich grobe Wollust nirgends empfohlen , nirgends dazu aufgefordert , nirgends dazu Anweisung gegeben , sie nirgends poetisch ausgemalt -
Ich habe nirgends epikuräisirt -
Das bin ich mir so stark und so wahrhaftig bewußt , daß ich hoffen kann , es stets zu bleiben - Ich bin dieser Art von Schriften so Gram , daß ich mich nicht enthalten kann , gewisse Lieder im Geschmacke des Grekourt , die erst vor kurzem ohne Namen des Autors zum Vorscheine gekommen sind und wie die Pest in der Finsternis herumschleichen , hier - ob es gleich gar nicht der Ort dazu ist - ohne mich für den möglich nachteiligen Folgen meines Urteils zu fürchten - für das abscheulichste Buch zu erklären , was ich je gesehen und geblättert habe -
Es ist möglich , daß es noch abscheulichere gibt , aber , wie gesagt , ich habe noch keines gesehen - Dergleichen Schrift stürzt unsere ohnehin weichliche Jugend ohne Rückhalt ins Verderben - macht , wenn sie , welches Gott verhüte ! bekannter werden sollte , vielleicht mehr Hurer und Onaniten , als das beste Buch unter der Sonne gute Gedanken erweckt - Ein Wieland muß sich für beschimpft halten , daß ihm ein solcher Gräuel dediziert wird -
Alles dieses , sage ich mit derjenigen Freiheit , die ein jeder Schrifesteller hat - und insbesondere mit der noch größeren , mit der man von Anonymischen Schriften urteilen kann -
Oder will sich der Autor vielleicht nennen ?
Will er sich vielleicht von mir für beleidigt halten ?
Gut , er nenne sich - Ich getraue mir , ihn so weit zu bringen , daß er seine Schrift mit der größten Angst seines Herzens aufkaufen und verbrennen soll -
Das getraue ich mir , wenn anders Wahrheit auf ihn noch Eindruck machen kann .
Hiervon bin ich , dem Himmel sei Dank ! ganz frei - Ich kann eher hoffen , daß der Wollüstling mein Buch wegwerfen wird , weil es ihm zu keusch ist , als daß er_es lesen sollte , weil es ihm in seinen Kram paßte - Und dennoch ! - werde ich mir vielleicht einst Vorwürfe machen , daß ich zufälligerweise böse Gedanken , böse Handlungen veranlaßt habe -
Ich habe einigemal die Tugend bis an den Rand des Lasters geführt - Meine Absicht dabei war gut - Aber wird nicht vielleicht die Einbildungskraft mancher meiner Leser davon Anlaß genommen haben , auf üppige und wollüstige Ideen zu fallen ?
Wird nicht vielleicht mancher Jüngling sich aus meinem Buche ein leichtfinniges Moral-System erbaut haben ?
Wird man nicht vielleicht größtenteils unter der lachenden , schäkernden Larve mein ernsthafteres Gesicht verkennen ? -
Sollte dieses geschehen oder geschehen sein , so müßte ich freilich wünschen , nie Empfindsame Reisen geschrieben zu haben -
Doch , was geschrieben ist , ist geschrieben !
Alles , was jetzt noch in meinem Vermögen steht , werde ich tun , um allen zufälligen Schaden meiner Schrift vorzubeugen .
Ich bitte einen jeden meiner Leser auf das an gelegentlichste , meine Reisen stets als ein Werk eines drei , bis vier und zwanzig jährigen Jünglings und folglich , nach Proportion , als das fehlerhafteste anzuseben , was von 1771 bis 1772 aus der Presse gekommen ist -
Ich habe mein Alter offenherzig entdeckt - und wenn irgend etwas im Stande ist , mich zu entschuldigen , sowohl in Absicht des Vorsatzes zu schreiben , als auch in Absicht des Geschriebenen selber , so ist es dieses mein Alter .
Was können unreife 24 Jahre Gutes hervorbringen ?
Guten Willen vielleicht im Überflusse :
Aber nicht eben so gute Tat .
Aus diesem Gesichtpunkte bitte ich - verlange ich - forder ich , von einem jeden meiner Leser betrachtet zu werden .
Weiter - bitte ich auch einem jeden meiner Leser recht angelegentlich , diese meine Schrift nie anders , als ein Extemporale anzusehen , wie sie es denn auch in der Tat und Wahrheit ist - Von den ersten beiden Teilen habe ich es öffentlich erklärt - Ich tue es nun auch von dem dritten -
Ich habe auf seine Ausarbeitung nicht mehr Zeit verwandt , als ungefähr 160 Stunden .
Muß nicht aus einer so flüchtigen Feder , wie die meinige , ungemein viel elendes , schlechtes und unausstehliches geflossen sein ?
Kann wohl das Eilen , das nie etwas Gutes bringt , bei mir viel Gutes gebracht haben ? -
Um nur ein Beispiel zu geben : Ich hatte in dem ersten Teile eine sehr anzügliche Stelle einfließen lassen - ebenfalls in der größten Eile .
Sie wurde untergeschlagen - und Dank sei es meinem guten Geschicke , daß sie es ist .
Kaum acht Tage nachher schämte ich mich ihrer so sehr , daß ich viel Geld darum gegeben haben würde , sie nie geschrieben zu haben - Ich erlaube Ihnen also nicht nur , lieben Leser , sondern ich ersuche Sie darum , alle diejenigen Stellen , von denen Sie einzusehen glauben , daß ich sie bei mehrerer Langsamkeit und Überlegung nicht würde geschrieben haben , in Gedanken zu konfiszieren - Ich gebe sie mit Freuden Preis !
Weiter - will ich auch meine Schrift stets nur als eine Nachahmung von Sternes Reisen angesehen wissen - inklusive den Tristram Shandy - und als solche hat sie gewiß , wenige oder gar keine Schönheiten des Originals - aber alle seine Fehler an sich .
Es war eine Zeit , wo ich für den Tristram enthusiastisch eingenommen war - Ich bin es auch noch zur Genüge :
Aber Sonnenfels und Riedel haben mein heißes Blut doch etwas abgekühlt .
Ich fange nun an , Fehler zu erblicken - Fehler , die ich nicht hätte nachahmen sollen .
Von seinem Vater - wenn es auch nur ein eingebildeter , selbstgeschaffener Vater ist - Narrheiten zu erzählen und sich darüber zu küzeln - ist mir nun am Tristram und an meinen Reisen unausstehlich .
Der große Nahme Vater schließt alle Spöttereien schlechterdings aus - Daran habe ich nicht gut getan .
Ich habe zwar in den 2 Teile S. 117 von meinem wahren Vater gesprochen : aber wer weiß haben meine Leser , auf diese Stelle gehörig gemerkt !
Wer weiß machen sie nicht bei sich selbst den Schluß :
Wer von einem erdichteten Vater spöttisch sprechen kann , kann es auch wohl von einem wahren !
Aber nein , lieben Leser ! das kann ich nicht - Ich spreche ein anders von meinem Vater , als so :
Er ist nur ein Bauer schlichtweg -
Aber ich will lieber sein Sohn und ein Bauernsohn , als eines anderen Sohn und ein Königssohn sein - und meine Mutter - O sie ist die Güte selbst - Eine kreuzbrave Frau , eine kreuzbrave Frau !
An diese Stelle halten Sie sich und nicht an jene schlechte Nachahmung eines schlechten Originals .
Noch weiter - Dieses geht insbesondere meine jungen Leser an -
Ich habe mich Ihnen als Jüngling dargestellt : aber , ums Himmels Willen nicht als ein Muster eines Jünglings .
erblicken Sie in meinem Porträte Züge , die nichts taugen , so wenden Sie Ihr Gesicht davon weg oder fällen Sie doch wenigstens bei sich selbst das Urteil , daß es schlechte Züge sind .
Wenn Sie mich , mit meiner vorgeblichen Erbschaft so verschwenderisch umgehen sehen , so schildere ich mich Ihnen als einen Jüngling , wie er ist , nicht wie er sein sollte .
Wenn Sie mich sagen hören , ich wollte lieber in 10000 Bastille gehen , als daß ich die Welt ein Jammertal heißen sollte , so erinnern Sie sich , daß ich dieses nur schreibe - nur jetzt schreibe - nur jetzt denke - und daß ich es bei mehrerer Erfahrung gewiß nicht wieder denken werde .
Wenn ich der Unbedachtsamkeit eine Lobrede halte und dagegen die Bedachtsamkeit der Alten auslache , so denken Sie daran , daß ich mich selbst mehr als einmal unbedachtsam geheißen habe und daß diese ganze Lobrede wohl auch nichts weiter sein dürfte , als Unbedachtsamkeit .
Kurz , lesen Sie mein Buch mit einem skeptischen Geiste , mit dem Sie ohnehin jeden Roman lesen sollten - so bin ich für allen Schaden sicher .
Mit dieser Ermahnung könnte ich jetzt füglich abbrechen :
aber um nichts zu unterlassen , was den baldigen Untergang meiner Reisen - meines Extemporale - beschleunigen kann , und um den Kunstrichtern eine Mühe zu ersparen , die so ungern an das kritisieren der Romane gehen , will ich einen Versuch machen - Gut oder schlecht , daß ist nun einerlei - Unparteiisch soll er sein , dafür hafte ich !
Empfindsame Reisen durch Deutschland - Durch Deutschland ?
Nimmermehr !
Es ist ja nur durch Leipzig , Bautzen und noch ein paar ungenannte Orte :
Machen die zusammen Deutschland aus ?
Als eine Nachahmung von Sternen sollten sie auch ein Versuch über die menschliche Natur und über die individuelle Art der Deutschen sein :
Wo sind sie es ?
Ein Roman sind sie - Nichts weiter !
Der Charakter der Deutschen ist nirgends kenntlich gezeichnet , so wie Sterne den Charakter der Franzosen und Engländer kenntlich gezeichnet hat - Und wie konnte er auch von einem 24 jährigen Köpfen gezeichnet werden , das nur 50 Meilen unterwegs gewesen ist - und sich noch dazu weder zur Rechten noch zur Linken viel umgesehen hat , weil es damals noch nicht von dem Einfalle besessen war , Reisen zu schreiben .
Indessen - ein Roman sind sie doch , und als solcher müssen Sie auch beurteilt werden .
In welcher Manier aber ?
In Richardsons ?
Oder Fieldings ? zum Teil in dieser , zum Teile in jener , zum Teile in keiner von beiden :
Ein untrügliches Merkmal , daß nur ein Jüngling diesen Roman geschrieben haben kann .
Einige Charaktere sind a la Richardson - so gut , daß sie nur in der Welt der Romanen an ihrer rechten Stelle sind - Einige Charaktere sind à la Fielding , aus dem gemeinen Leben hergenommen - Dem ganzen aber fehlt ein ordentlicher zusammenhängender Plan , und in sofern ist es weder à la Richardson , noch a la Fielding .
Nicht übel !
Aber Sterne hatte ja bei seinen Reisen auch keinen Plan ?
Die Begebenheiten , die er erzählt , hängen ja auch nur durch die allgemeinen Bande des Orts und der Zeit zusammen ?
Recht gut :
Aber Sterne ersetzte den Mangel des Plans dadurch tausendfach , daß er die menschlichen Herzen auf ein Haar anatomierte - uns bald mit dieser , bald mit jener schönen Seele bekannt machte - uns so sehr mit uns selbst beschäftigte , daß wir nicht Zeit behielten , nach den Plane zu fragen .
Aber bei Dir , gutes Nachahmarchen ! behalten wir Zeit im Übersinn danach zu fragen - Je nun -
So ist meine Reise ein Empfindsamer Roman - So braucht es doch keines Plans !
Ein Empfindsamer Roman ?
Ein schönes Ungeheuer !
Aber auch das - Der Plan soll Dir geschenkt sein : Du wirst ohnehin noch genug zu bezahlen haben !
Es kommt hier auf folgende Stücke an :
Auf Erfindung der empfindsamen Begebenheiten - auf Charaktere - auf Erzählung - auf Sentiments - von jedem etwas !
Doch es geht vor der Reise eine lange - 90 Seiten lange Lebensgeschichte vorher -
Das soll Tristrammisch sein !
Aber , gutes Kind , das ist gerade am untristammischsten !
Schlecht erfunden - schlecht zusammenhängend , und nicht sonderlich erzählt !
Großvater , Vater , Mutter , ( besonders ihre Anwerbung ) Wohltäter , Wohltäterinnen , Vetter - größtenteils Karikatur !
Oder Abgedroschen !
Der Reichspostereuter hat Dir wohl nicht Unrecht getan , und von der ganzen Avantgarde , ist wohl schwerlich etwas zu verdauen , als :
Eine gute moralische Stelle S. 21. " Gleichwohl wollte ich um alles in der Welt das Unglück nicht von der Erde verbannen u. s.w . -
Der arme , zehnjährige Junge - Die gutherzige Bekerin - Das Gespräch des armen Jungen mit dem reichen Kaufmanne , dem man wohl schwerlich Natur absprechen kann -
Das übrige ist beinahe unter aller Kritik - Die ersten Seiten sind handgreifliche Nachahmung - Das Gespräch des Philosophen und der Witwe schlechter , als langweilig - Die 22 , 23 , 24 und 25 Seite , um Gespenster damit zu verjagen - Kurz Allee schlecht - in kleinerem oder größerem Grade - Nun die Reise selbst !
Der Entschluß dazu wird S. 97 gefaßt . zur Not geht er an !
Er enthält wenigstens mit unter gute Sentiments , ob gleich auch manches Platte darin vorkommt - und manches Undelikate , das man schwerlich wird verdauen können , wenn man nicht den Tristram oder Hudibras gelesen hat :
Aber dafür folgen nun auch unmittelbar auf einander beinahe volle 18 Seiten , die schlechterdings für einen Mann oder Dame von feinem Geschmacke nicht auszuhalten sind - die , wie Yoricks Perücke über und unter aller Kritik sind. S. 100 .
Wo reise ich hin ?
Was brauchte da lange herumgefragt zu werden ?
Es stand ja schon auf dem Titelblatte : Reisen durch Deutschland !
Und warum mußte denn gerade die Reise durch Deutschland auf Unkosten aller anderen Reisen erhoben werden ?
Sollte es sich denn schlechterdings nicht der Mühe verlohnen , nach Frankreich , England , Italien zu reisen ?
Sollte England durchaus nichts für einen Empfindsamen Deutschen sein ?
Ich denke immer , wer nur sonst Herz und Augen nach England mitbrächte , sollte immer genug zu empfinden und zu sehen bekommen -
Aber weiter ! S. 102. Deutschland .
Der Reichspostereuter hat unter diesen Abschnitt bereits das Motto gesetzt :
Welch ungesundes Geschwätz !
Und er hat sich wohl nicht geirrt .
Die Deutschen sollten keinen Nationalcharakter haben ?
Auch Niet einen Pfeifenstiel davon ?
Das wäre doch schlimm !
Die Engländer und Franzosen hingegen sollten einen Charakter haben , den man spielend mit 2 Worten ausdrücken könnte ?
Ei , seht doch !
Nur gut , daß noch dabei steht :
Doch , ich kann mich irren -
Ja , ein klein wenig ist hier geirrt - S. 103 .
Die Landkarte - Wozu die ?
Wozu ein schales Räsonnement von einer Menge Städte , die man nie mit einem Auge gesehen hat ?
Wenn nun doch einmal Leipzig erwählt werden sollte , wozu die anderen Städte , die nicht erwählt werden sollten ?
Das ist sehr im Postillengeschmacke z. B. über den Text :
Und Petrus tat seinen Mund auf - Der Mund Petri 1 )
Was er nicht gewesen 4 .
Kein Huren-Mund b .
Kein Sauf-Mund e. Kein Lügen-Mund d. Kein Lästermund e. Kein Prahl-Mund etc . 2 )
Was er gewesen ein Wahr-Mund - Überdem kann man gewiß in einer jeden Stadt - groß oder klein - Hansestadt oder nicht Hansestadt - Leipzig oder nicht Leipzig den Empfindsamen spielen , wenn man nur sonst einen hinlänglichen Vorrat von Empfindsamkeit und Weltkenntnis besitzt :
Aber weiter ! S. 105. Heideldum .
Kläglich !
überaus kläglich - Es sollte mich nicht wundern , wenn manche Leser bei dieser Stelle ungeduldig geworden wären und das ganze Buch weggeworfen hätten -
Von einem ist es zuverlässig , daß er beinahe vor Lachen darüber erstickt wäre -
Es ist eben derselbe , über den ich auch einmal beinahe vor Lachen erstickt wäre , weil er behauptete , es wäre jemand ein geschickter und gelehrter Mensch :
Denn er schriebe : S-o-n Son , und nicht S-o-h-n Sohn ! S. 111 .
Die Dedikation an Yorick - geht an , einige Auswachse des wilden Witzes ungerechnet. S. 114 - 116 .
Die Grille von den Schutzgeistern und Teufeln - ist als eine Grille betrachtet immer gut genug - wenigstens hat man ihrer unendlich schlechtere , mit und ohne Namen - Endlich folgt die Reise nach Leipzig S. 118 .
Sie fängt sich mit einer Deklamation wider die Einsamkeit an , die eben nicht sehr erbaulich ist .
Die Einsamkeit ist schlechterdings eine Temperamentssache - oder genauer zu reden , der Hang oder Abscheu danach ist es - Sie ist arg für Dich , nicht aber für tausend andere -
Nun die erste sein sollende empfindsame Begebenheit !
Mit dem rechtschaffenen Landprediger - Aber hier ist entsetzlich viel Dunkelheit gelassen !
Sie kann und darf auch nie aufgeklärt werden !
Alles also , was von dieser ganzen Begebenheit zu gebrauchen ist , ist der Charakter des Landpredigers - und an diesen wird wohl nicht sehr viel auszusetzen sein !
Ich sage dieses mit aller Trockenheit der Überzeugung - und wenn ich mich auch einst jedes Wortes meiner Reisen schämen sollte , so werde ich mich dieses Landpredigers nie schämen - nie , denke ich , Ursache haben , nichts gereuen zu lassen , was ich von ihm im ersten und dritten Teile geschrieben habe . zwar das Tagebuch könnte tausendmal besser sein - aber auch , so wie es ist , nehme ich es getrost auf mein Gewissen .
Unzufriedener bin ich mit seinem Antipoden , dem Landprediger , dessen S. 173 u. s.w. gedacht wird .
Eine Abkanzelung ist durchaus nichts Empfindsames - Eben so wenig die ganze Postschreibergeschichte .
Das Beste davon ist die Stelle , S. 147 : Du , der Du unter 400 Nächten etc .
Erst S. 169 kommt die erste Empfindsame Geschichte :
Mit dem armen , epileptischen Mädchen - Ich gebe dem Reichspostereuter den Umstand Preis , den er , obgleich viel zu plump , daran tadelt :
Aber diesen Umstand abgeändert , sollte man wohl dessen Geschichte das Empfindsame , Rührende und Moralische absprechen können ?
Ich rechne das Ende dazu von S. 287 - 302 , wo ich jedoch den Brief des Epileptischen Mädchens für nicht natürlich genug erkläre !
Worauf ich aber dabei am meisten stolz bin , ist dieses , daß ich bei dieser Erzählung nicht Nachahmer bin .
Sie ist mein eigen - und ich habe nicht Lust , mir sie so wohlfeil nehmen zu lassen .
Ich weiß auch von vielen meiner Leser , daß Sie sie sehr fest halten ! S. 185 .
Das Komödienhaus - S. 210 .
Das Parterre - enthält nicht viel Empfindsames :
aber ich denke doch auch gewiß nichts böses , nichts anstößiges .
Nur ist die eine empfindsame Situation mehr leicht berührt , als erzählt -
Ich meine , die S. 213 .
Es wäre allerdings der Mühe wert gewesen , dem Gange der Empfindungen nachzuspüren - bei einem leicht zu rührenden Herzen , die in ihrem ganzen Leben keine Tragödie gehört hat und nun die erste hört - Nun die Spazierfahrt oder Das garstige Ding S. 229 .
Ich habe Urteile über diese Geschichte gehört , die mir das Haar zu Berge gesträubt haben .
Ein Theologe ?
Untersteht sich , schämt sich nicht von einem Hurenhause zu schreiben ?
Pfui !
Aber Du , der Du so sagst , ließ , ließ , ließ !
Was habe ich davon geschrieben ?
Was ist meine Absicht , die Jugend dahinein oder da heraus zu führen ?
Jedes unkeusche , schlüpfrige Wort , jeder unmoralische Gedanke , werde an mir auf das nachdrücklichste gerügt !
Ich unterwerfe mich freiwillig !
Der Artikel La Naive enthält von meiner Seite viel gut gemeintes - Ich wollte darin den Charakter eines Mädchens bilden , an den die besten Eltern , der beste Lehrmeister Gellert und die beste Mutter Natur gleichen Anteil haben Aber ein solcher Charakter war über meine Kräfte !
Ich habe ihn wo nicht ganz verpfuscht , doch gewiß nicht rein ausgemahlt. S. 302 .
Die Wallfahrt nach Gellerts Grab - - mag übrigens so schlecht sein , wie sie will , so ist sie doch nicht unmoralisch und so wie sie mit der Erscheinung der gutherzigen Bekerin verknüpft wird , vielleicht - auszuhalten .
Das ist der Erste Teil , der , substractis subtradeudis , kaum , kaum 100 gute Seiten enthält .
Der zweite - ist gewiß schlechter als der erste - zwar nicht so voll von groben Fehlern - mein Witz ist mir nicht so oft mit dem Verstande davon gelaufen , wie im Ersten - aber desto leerer an Empfindungen .
Fast lauter Räsonnement lauter Ausschweifung - gar keine Geschichte - Ausser der gutherzigen Bekerin , die ihre Rolle fortspielt - Ausser der Totengräbergeschichte , von S. 128 u. s. w. - Ausser der Duell- und Türkengeschichte , an der jedoch noch eine ganze Menge zu verbessern stünde , enthält er nichts als ein Gewebe von Unwahrscheinlichkeiten , das sich von S. 140 bis 195 erstreckt .
Mit diesen habe ich nichts mehr zu schaffen -
Ich mag es auch nicht einmal mehr ansehen und seine Fehler aufsuchen - Die Stelle S. 45 würde ich nicht zum zweitenmal schreiben -
Die Parenthese von S. 76 bis 77 nehme ich ganz zurück - Es ist mir darin eine sehr mögliche Mißdeutung gezeigt worden , die ich beim Schreiben nicht vorhergesehen habe und nun befürchten muß - Genug , ich nehme sie zurück - Der Artikel von der tragischen Operette ist Gewäsche - Vielleicht könnte ich einst eine liefern :
Aber , ich glaube doch meine Zeit besser anwenden zu können - Fort zum dritten Teile !
Aber von diesem bin ich wohl noch nicht im Stande mein Urteil zu fällen - Er ist für mich noch zu neu - Ich klebe noch zu sehr daran - Dieses aber weiß ich jetzt schon , daß er weit moralischer ist , als der zweite - Daß er mit weniger Unbändigkeit geschrieben ist als der erste - Wie der Einfall mit Herr Zebedäus Waltern gefallen wird , muß ich erwarten !
Ich denke , seine Sprache habe ich getroffen , wenn es auch weiter nichts ist - Aber freilich führt dieser Einfall unvermeidlich eine verzweifelte Langeweile mit sich - An Herr Waltern und von Herr Waltern , und wieder an Herr Waltern , was gar nicht an ihn gehört - Überdem schwatzt Herr Walther oft über seinen Horizont - Das Lustspielchen z. E. so schlecht es auch ist , so gewiß war es über seine Kräfte !
Gut , daß ich noch einmal an dieses Ding denke .
Ich habe es schon kritisiert :
aber jetzt würde ich es noch strenger kritisieren -
Es hat , dünkt mich , nicht mehr , als 2 gute hervorstehende Szenen , aber auch 2 recht gute , auf die ich gegen den größten Kenner des Theaters pariere - Die letzte , und die , ich weiß selbst nicht , die wie vielte , kurz diese , wo die Frau von Taubenhain zuerst ihren Gemahl erblickt - In diesen wird man , denke ich , die Natur nicht verkennen !
Wären alle übrigen Szenen von gleichem Gehalte - ich wüßte nicht , was ich darum gäbe :
aber so sind es nichts , als Monologen - Episoden - Erzählungen , so daß dies kleine Stück nie sein Glück auf dem Theater machen kann , machen wird - An der Sprache wird nicht viel zu tadeln sein !
Ich denke , die Sprache des gemeinen Lebens größtenteils in meiner Gewalt zu haben :
Aber wo ist das Gedankenreiche , das die Sprache des Theaters über die Fadsprache des gemeinen Lebens erheben soll - oder sich vielmehr mit ihr vereinigen soll ?
Wo ist das Gedankenreiche , das Lessing allen theatralischen Dichtern so angelegentlich empfiehlt und das der neidische Mann nur für sich allein behält ? -
Aber ich werde vielleicht durch dieses kleine Lustspiel wieder Ärgernis gegeben haben !
Ein Theologe ein Lustspiel ?
Himmel , welche Vermessenheit !
Und noch dazu eine unschuldige Ehebrecherin ?
In die Hölle mit solche Bubens , daß sie brennen , wie ein Talglicht !
Nun , nun , recht gern :
Nur bitte ich , mich an Gellerts - an meines lieben Gellerts Seite brennen zu lassen , Der auch Lustspiele geschrieben hat - Und nun , meine lieben Leser !
Lasse ich alles noch übrige stehen und liegen und - nehme von Ihnen Abschied !
Leben Sie wohl !
Haben Sie Dank !
Bleiben Sie mir , aller meiner Fehler ungeachtet , geneigt !
Wir sehen uns über kurz oder lang wieder - das hat seine Richtigkeit - nur auf einem anderen Wege und ich möchte doch gern , daß sie mich bei unserer schierstkünftigen Zusammenkunft gleich auf den ersten Blick wiederkennten - Merken Sie sich nur die Haupttraits , so können Sie nicht fehlen -
Ich bin stets mit aller Aufrichtigkeit Magdeburg den 25 April 1772 .
Ihr dankbarer Freund Schummel .

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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2025). Schummel, Johann Gottlieb. Empfindsame Reisen durch Deutschland: Teil 3. Bildungsromankorpus. https://hdl.handle.net/21.11113/4c0rn.0