Nro. 50. Halber Blasenstein , eines Dachshunds. J. P. F. Rs. Brief an den Haschlauer Stadtrat .
P. P. Hier übersend ich den trefflichen Testaments- Exekutoren durch den Student und Dichter Sehuster die 3 ersten Bände unserer Flegeljahre samt 4 diesem Briefe , der eine Art Vor- und Nachrede vorstellen soll .
Von dem geschickten Schön- und Geschwindschreiber Halter , bisherigen Infanteristen beim Regiment Kurprinz -- der zum Glücke des elend geschriebenen Manuskripts gerade in diesem Monat aus Bregenz mit freundlichem Abschied und gesunder Schreib-Hand nach Hause an das Schreibpult kam , nachdem er über 4 Jahre sich auf mehreren Schlachtfeldern mit den Franzosen gemessen und geschlagen -- von diesem sind , darf ich hoffen , sowohl die 3 Bände als dieser Brief so gut geschrieben , daß sie sich lesen lassen ; folglich setzen und rezensieren ohnehin .
Will ich mich über das Werk hier bis zu einem gewissem Grade äußeren :
so müssen einige allgemeine Sentenzen und Gnomen vorausgehen :
Nicht nur zu einer Perücke , auch zu einem Kopfe gehören mehrere Köpfe -- Ferner : Jedem muß seine Nase in seinen Augen viel größer und verklärter , ja durchsichtiger erscheinen als seinem Nebenmenschen , weil dieser sie mit anderen Augen , und aus einem viel ferneren Standpunkte ansieht -- Weiter : die meisten jetzigen Biographen ( worunter auch die Romanciers gehören ) haben den Spinnen wohl das Spinnen , aber nicht das Weben abgesehen -- Ferner : die Verdauung spüren , heißt eben keine spüren , sondern vielmehr Unverdaulichkeiten -- Weiter : zur zweiten besseren Welt , worauf alle Welt aus ist und aufsieht , gehöret auch der Höllenpfuhl samt Teufeln -- Ferner : der Schatte und die Nacht sehen weit mehr als Gestalten und Wirklichkeit aus , als das Tageslicht , das doch nur allein existieret , und jene scheinen lässt -- Und zuletzt :
man reiche dem Leser etwas in einer Nuss , so verlangt er es noch enger als Nus- Öl ; man breche für ihn aus der steinigen Schale eine köstliche Mandel , so will er um diese wieder eine Hülse von Zucker haben -- -- Bloß diese wenigen schwachen Sätze wende ein ehrlicher Stadtrat auf das Buch und sich und den Leser an , und frage sich : " ist noch jetzt die Frage von diesen und jenem ? "
Noch vier Punkte habe ich außerdem zu berühren .
Der erste Punkt ist nicht der erfreulichste .
Noch habe ich nicht mehr als 50 Nummern vom Kabelschen Naturalienkabinett ( denn dieser Brief ist für den halben Dachshunds-Blasenstein ) erschrieben ; und fahre schon mit drei Bänden vor , die abzuladen sind ; da nun das Kabinett 7203 Nummern in allen besitzt :
so müssen endlich sämtliche Flegeljahre so stark ausfallen , als die allgemeine deutsche Bibliothek , welche sich doch von ihnen im Gehalte so sehr unterscheidet .
Ich sage letzteres nicht aus Bescheidenheit , sondern weil ich_es selber fühle .
Indes werde ich nächstens in meinen Vorlesungen über die Kunst gehalten in der Leipziger Ostermesse 1804 * ) erweisen , daß ( was man ja sieht ) und zweitens warum der Epiker ( in wessen Gebiet dieses Werk doch zu ru * ) in der Michaelis-Messe 1804 . briziren ist ) unendlich lang werde und nur mit dem langen Hobels-Arme den Menschen bewege , anstatt , daß der Lyrikus mit dem kurzen gewaltig arbeitet .
Ein epischer Tag hat wie der Reichstag , kaum einen Abend , geschweige einen Garaus ; und wie lang Goethes Dorothea , die nur einen Tag einnimmt , ist , weiß jeder Deutsche ; der Reichsanzeiger würde eine bloße prosaische Geschichte dieser poetischen Geschichte , in den Flächenraum einer Buchhändler Anzeige einzupressen vermögen .
Auch dürfte ein ehrlicher Magistrat noch bedenken , daß die Autoren gleich gespannten Saiten -- welche oben und unten , Anfangs und Endes sehr hoch klingen , und nur in der Mitte ordentlich -- eben so im Eingange und nachher im Ausgange eines Werkes die weitesten und höchsten Sprünge machen ( die immer Platz einnehmen ) , um sich teils zu zeigen , teils zu empfehlen , in der Mitte aber kurz und gut zu Werke gehen .
Sogar diesen Dreiband habe ich mit Briefen an Testaments-Exekutoren begonnen und beschlossen , um nur zu schimmern .
Ich hoffe von den mittleren Bänden der Flegeljahre das Beste , nämlich lyrische Verkürzungen worin meines Wissens Michel Angelo ein wahrer Meister ist .
Der zweite Punkt ist noch drüslicher , weil er die Rezensenten betrifft .
Es wird ihnen allen , weiß ich , so schwer werden , sich alles seinen und groben , schon aus dem Titel Flegeljahre geschöpften und abgerahmten , Spasses gegen mich zu erwehren , als es mir wirklich selber , sogar in einem offiziellen Schreiben an ehrliche Exekutoren , sauer ankommt , solchen Personen mit keinen versteckten Retorsionen und Antizipationen des Titels entgegen zu gehen .
Doch das ließe vielleicht sich hören , wenigstens machen -- und durch eine Grobheit wird leicht eine zweite fast zu einer Höflichkeit -- Allein , verehrte Väter der Stadt , wie der Vorstädte , man Pakt sie an , man fängt mit der Exekution bei den Exekutoren den Prozeß an .
" Allgemein -- schreibt man mir sehr kürzlich aus Haslau , Weimar , Jena , Berlin , Leipzig -- wundert und ärgert man sich hier , daß die ... ... Exekutoren des Kabelschen Testaments gerade Dir ( Ihnen ) die Biographie des Notarius , die nach der Testatorrischen Klausel ja eben so gut Richardson , Gelehrten , Wielanden , Scarron , Hermessen , Marmonteln , Goten , Lafontainen , Spiessen , Voltairren , Klingern , Nikolain , Mds .
Stael und Mereau , Schillern , Dicken , ticken , u. s. w. aufgetragen werden konnte , eben Dir ( Ihnen ) zugewandt und das herrliche Naturalien-Kabinett dazu , das viele schon besehen .
Freunde und Feinde benannter Autoren wollen -- Dich ( Sie ) ohnehin -- den Haschlauer Magistrat in Journalen verdammt herunter setzen und heimschicken .
Doch bitte ich dich ( Sie ) mich nicht zu nennen .
Ein künftiger Rezensent schwor hoch :
Er wolle nicht ehrlich sein , wenn Er ehrlich bleibe bei so bewandten Umständen . "
Hiergegen lässt sich nie etwas machen , ausgenommen Antikritiken , die aber ins Unendliche gehen ; denn ein Hund Bild das Echo an ; es tritt der alte Zyklus von Jücken und Kratzen , und von Kratzen und Jücken ein .
Das sind aber böse Historien ; und der Autor leidet dabei unsäglich ; er hat immer einen Namen zu verlieren , und nur der Rezensent einen zu gewinnen ; er lobt sich überhaupt das Lob und feiert so ungern nach seinem Namenstage noch einen Ekelnamens-Tag .
Es ist ihm terribel und so unangenehm als irgend etwas , daß das deutsche Publikum von seinen Autoren , wie das englische von seinen Bären , wünscht , sie nicht nur tanzen , sondern auch gehetzt zu sehen .
Ein jeder Autor hat doch -- oder soll_es haben -- so viel Stolz als irgend ein Peha , oder Tezet , oder Ecks oder ein anderer Kapital-Letter von Klopfstock in dessen grammatikalischen Gesprächen , besonders da er ja der Chef dieser aufgeblasenen XXIIger Union oder dieser grande Bande des 24 Violons ou les vingt-quatre ist , die er in Glieder stellt auf dem Papier wie er nur will .
Allerdings gäbe es ein gutes Mittel und Projekt dagegen , hoch edler Stadtrat , wenn es angenommen würde .
Hundertmal habe ich gedacht : könnte nicht eine Kompanie wackerer Autoren von einerlei Grundsätzen und Lorbeer kränzen zusammen treten und so viel aufbringen , daß sie sich ihren eigenen Rezensenten hielten , ihn studieren ließen und salarierten , aber unter der Bedingung , daß der Kerl nur allein seine Brotherren öffentlich in den gangbaren Zeitungen , streng aber unparteiisch und nach den wenigen ästhetischen Grundsätzen beurteilte , die ein solcher Famulant und Valet de Fantaisie haben und behalten kann ? --
Wenn sich eine solche Ordonanz , so zu sagen , in seiner Chefs Manier einschlösse , nichts weiter triebe und wüßte : sollte sie sich nicht niedersetzen , und hinschreiben können : " da und da , so und so ist die Sache ; und wer_es leugnet , ist so gewiß ein Vieh , als ein Affe . " -- Einigermassen , ehrlicher Stadtrat , habe ich einen Anschlag ; und er betrifft eben den jungen Mann , der Ihnen die Flegeljahre persönlich überbringt .
Der Mensch heißt eigentlich Schuster , hat aber den dumpfen Namen durch Ein Stricheln mehr in den helleren Sehuster umgeprägt .
Anfänglich stößt er vielleicht einen wohlweisen Rat etwas ab , durch sein Äußeres , durch den verworren-grimmigen Blick , Schweden- und Igelkopf , gräulichen Backenbart und durch die Ähnlichkeiten , die er mit so genannten Grobianen gemein hat .
Heimlich aber ist er höflich , und er hat überhaupt seine Menschen , die er veneriert .
Ich mochte diesen Sehuster etwan 14 Tage , nachdem er sein Gymnasium , als ein scheuer stiller leiser Mensch verlassen , der eben keinen besonderen Zyklopen und Enak versprach , 14 Tage darauf in Jena wieder gefunden haben --
Himmel ! wer stand vor mir ?
Ein Fürst , ein Gigant , ein Flegel aber ein edler , ein Atlas , der den Himmel trug , den er schuf , setzend eine neue Welt , zersetzend die alte !
Und doch hatte er kaum zu hören angefangen , und wusste eigentlich nichts Erhebliches ; er war noch ein ausgestrekt-liegender Hahn , über dessen Kopf und Schnabel Schelling seine Gleicher-Linie mit Kreide gezogen , und der unverrückt , ja verrückt , darauf hinstarrt und nicht auf kann ; aber eben er war schon viel und mehr , das fühlte er , als er verstand und schien .
Dies beweiset beiläufig , daß es eben so gut im geistigen Reiche eine schnell le Methode , den inneren Menschen in 14 Tagen zu einem großen Manne aufzufüttern , geben müsse , als es die ähnliche im körperlichen gibt , eine Gans , schwebend gehangen , die Augen verbunden , die Ohren verstopft , durch Nähren in nicht längerer Zeit so weit zu bringen und zu mästen , daß die Leber 4 Pfund wiegt .
In der Tat bestimmte mich dieses , da der gute Gigant nichts hat außer Kräfte , mit vier anderen belletristischen herrlichen Verfassern -- ( ich werde ihnen nie die Schuhriemen auflösen , -- gesetzt , sie verlangten ) , aus der Sache zu sprechen und sie zu fragen , ob wir uns nicht könnten zusammenschlagen , und ihn auf den nötigsten Akademien für unser Geld absolvieren lassen : " wir hobeln Sehustern , sagte ich , ganz nach unseren Werken zu , oder vielmehr er hat seine deduzierenden Theorien nach dem Meister , und anderen Stücken seiner Kostherren einzurichten , um einstens im Stande zu sein , als unser Fixstern-Trabant , Brautführer und Chevalier d' honneur unserer 5 Musen , kurz als un sehr Rezensier-Markör in den verschiedenen Zeitungen , die die Welt jetzt mithält , zu beurteilen und zu schätzen . "
Das nahm man an .
Und wir Fünfer hatten wahrhaftig keine Ursache , unsere Ausgaben zu bereuen , als wir später , im ersten Semester hörten , daß er die Polaritäten und die Indifferenz leiden könne , daß er ein Transzendenter Äquilibrist sei , und ein polarischer Eis-Bär , daß er die Menschen indifferenziere , sich aber potenziere , daß er zwar kein Dichter , kein Arzt , und kein Philosoph sei , aber , was vielleicht mehr ist , alles dieses zusammen genommen .
Und in der Tat nannte er uns bald darauf in seinen Rezensionen die fünf Direktoren , ja die fünf Sinne der gelehrten Welt , ich soll darunter der Geschmack sein , le Goût , el Gusto * ) spricht aber doch verdammt frei von jedem anderen .
" Gesetzt , mein feuriger Schuster , " wandte ich einstens ein , als er hingeschrieben hatte , er sehe voraus , in 4 oder 5 * ) Für den Sprachforscher ist le Goust von el Gusto das Anagramm , oder umgekehrt , und welche Sprache versetzte die andere ?
Jahren sei Goethe so tief herunter als gegenwärtig Wieland ; -- " O was ? versetzt er , ich stecke zuweilen einen Kometen-Kern ins blaue Ätherfeld , und bekümmere mich nicht , ob er aufgeht und fliegt als Feuer-Blume .
An der Himmels- Achse der Unendlichkeit sind die Pole zugleich Gleicher , alles ist eines , H. Legaz . ! "
Nun halten vier Treffer der Literatur ( fünf würde ' ich sagen , wäre ich nicht darunter ) , bei einem Hochedlen Rate um das Maushackische Legat , das eben für arme Studenten aufgeht , für den guten Ohnehosen an ; denn letzteres ist er , wechselnd eigentlich und uneigentlich , gleichsam als differenziere und indifferenziere er auch hier , und wähle Realismus und Idealismus beliebig als zwei Wechselstandpunkte aus einem dritten .
Ich meine aber so :
er hat nichts .
Sein Marquisat de Quint * ) wirft zu wenig ab -- er braucht zu viele erregende Potenzen , wenn er selber eine sein soll , und Weinberge sind die Terrassentreppe zu seinem Musenberg -- wir fünf Markis verspü * )
So nannte Scarron seinen Ehrensold vom Buchhändler Quint .
Ren das Ernähren eines sechsten auch stark :
-- Wiese man nun aber Sehustern das Maushackische Legat zu :
so könnte er_es pro forma in Jena oder Bamberg verzehren ; und dabei gemächlich beurteilen , einige bekränzen , und ganz weg haben , unzählige kaum von der Seite ansehen , die Gemeinheit herzlich verachten , viele Sachen deduzieren , wie z. B. den Roman , den Humor , die Poesie , aus vier oder fünf Termen und Schreibern , und völlig unter die sogenannten ganzen Leute gehören .
Der selige Maushacke selber -- den ich zwar nicht kenne , der aber doch von der anderen Welt muß endlich profitieret haben -- würde droben , wenn er von diesen Früchten seines Nachlasses hörte , seelenvergnügt sagen : " herzlich gönne ' ich der wilden Fliege drunten das Legat , bloß weil sie um eine Welt früher als ich , von dem Reflexions-Punkte weggeflogen . " O Gott , Stadtrat !
was wäre noch zu sagen , würde es nicht gedruckt !
Ein Autor gibt lauter Nüsse aufzubeissen , welche dem Gehirne gleichen , das nach Le Camus ihnen gleicht , und die also 3 Häute haben ; wer aber schälet sie ab ? --
Ein bekannter Autor ist allerdings bescheiden ; das ist aber eben sein Unglück , daß niemand weiß , wie bescheiden man ist , da man von sich nicht sprechen und es sagen kann .
Er könnte seinen Stiefelknecht hundert Livreefarben anstreichen , er könnte den Eisen-Fang seines Windofens zu seinem brennenden Namens-Zug schweifen und ringeln lassen , aber niemand weiß es , daß er_es nicht tut .
Erwägt man vollends , wie viele Schlachten Bonaparte , sowohl in als außer Europa , ausstand und lieferte , bloß damit nur einmal sein Name richtig geschrieben würde , ohne das U , wofür er jetzt den Franzosen jenes X macht , jenes algebraische Zeichen der unbekannten Größe , erwägt man also , mit welcher Mühe ein Name gemacht , und mit wie leichter er wieder ausgewischt wird :
so ist_es wahrlich ein matter Trost , daß es in Rücksicht des Verkennens auch anderen größten Männern nicht besser ergangen , z. B. dem großen Gottsched , der selber sogar im Gällertischen Leipzig so manches erlitt , was man hier nicht wiederholen will .
Der vierte Punkt , wovon ich einem hoched len Magistrate zu schreiben versprach , ist gerade ein närrischer , den der junge Schuster am besten ausfechten würde , in öffentlichen Blättern .
Ein hochedler Stadtmagistrat wünschte nämlich von weiten , daß das Werk etwas verweint , und beweglich verfasset würde .
Aber wie war das noch tunlich in unseren Tagen , Verehrteste , die ein wahrer einziger heller Tag sind , wo die Aufklärung als ein eingeklemmter angezündeter Strick fort glimmt , an welchem an öffentlichen Orten jedes Tabakskollegium seine Köpfe anzündet ? --
Wer öffentlich noch ein wenig empfinden darf -- und der ist zu beneiden -- das sind entweder die Buchhändler in ihren Bücher-Geburts-Anzeigen , indem man alle etwannige Empfindsamkeit darin mit dem Eigennutz entschuldigen kann ; oder es sind_es die lachenden Erben in ihren Todes-Anzeigen , wo aus demselben Grunde der Korkzieher der Tränen darf eingeschraubt und angezogen werden .
Sonst aber hat man gegen Weinen , besonders wahres , viel -- die Tränenkrüge sind zerschlagen , die weinenden Marinbilder umgeworfen von zeitiger Titanomanie -- die besten Wasserwerke sind noch früher angelegt als die Bergwerke , welche davon auszutrocknen sind -- wie in Schmelz-Hütten , ist in die Seelenschmelz- Hütten , in die Romane , einen Tropfen Wasser zu bringen streng verboten , weil ein Tropfe das Gluth- und Flus-Kupfer zertrümmernd auftreibt -- der Mensch fängt überhaupt an , und zwar bei den Tränen ( nach Hirschen und Krokodillen zu schließen ) , das Tierische abzulegen , und das Menschliche anzunehmen , wo man bei den Lachen anfängt , so daß jetzt eine poetische Zauberin , wie sonst eine prosaische Hexe , daran eben erkannt wird , daß sie nicht weinen kann .
Kurz , Rührung wird gegenwärtig nicht verstattet -- leichter eine Rückenmarksdürre als eine Augenwassersucht ; -- und wir Autoren gestehen es uns manchmal unter einander heimlich in Briefen , wie erbärmlich wir uns oft wenden und winden , damit wir bei Rühr-Anlässen ( wir müssen selber darüber lachen ) keinen Tropfen fahren lassen .
Ich schließe diese Zeilen ungern ; aber der Ohnehosen Sehuster steht hinter dem Kopisten , Halter , schon gestiefelt und wartet auf die Kopie der 5 selben mit der Jagdtasche ; denn es wäre kaum zu sagen , was ich den trefflichen Testaments-Vollstreckern , noch zu sagen hätte über das Werk .
Möge ich und die Welt nicht zu lange bei Ihnen auf die nächsten 500 Nummern passen müssen !
Nachgerade gegen den vierten Band spinnt sich in der Biographie ordentlich merkbar eine Art von Interesse an .
Denn nun müssen die kostbarsten Sachen kommen und im Anzug sein ; und ich brenne nach Nummern .
Überall stehen Tellerfallen , und Dampfkugeln fliegen , Wildrufdreher schleichen , Hummerscheren klaffen -- Walls und Winas neuester Bund ist seltsam , und kann unmöglich lange bleiben ohne die größten Stürme , die Bände-lang rasen von Messe zu Messe -- Jakobinens Nachtvisite muß konfuse Folgen haben , oder kann es doch -- der Larvenherr muß entlarvt werden ( wiewohl ich ihn wahrlich errate ; denn er ist mir zu kenntlich ) --
Vult hat seinen Schmollgeist , ist -- erlogen von Adel , lebt von Luft , stürmt so leicht -- der testierende Elsaßer ist ganz hergestellt und sieht zum Schallloch heraus -- die meisten Erben minieren gewiß , ich sehe ' aber , bekenn ich , noch nichts -- des Helden Vater sitzt zu Hause und rennt und verschuldet Haus und Hof -- Passvogel , Harprecht , Glanz , Knol müssen sich sehen lassen , und graben noch unter der Erde -- guter Gott , welche eine der verwickeltsten Geschichten , die ich kenne !
Walten soll Pfarrer werden , und ich begreife nicht wie , und hundert andere Dinge nicht besser -- der Graf Klotar will heiraten , kommt zurück und findet beim Himmel eine neue Wirtschaft und Historie , die ihn natürlich etwas frappieret -- Walten will unendlich gut und willig bleiben , und ein zartes ein Gottes-Lamm und soll daraus ein Schaf , ein Hammel werden , unter Wollen-Scheren , unter Schlachtmessern -- Schlingen , Flammen , Feinde , Freunde , Himmel , Höllen , wohin man nur sieht !
. . . . . . -- Allerdings , ehrlichster Stadtrat ! hat eine solche Geschichte noch kein Dichter gehabt ; aber ein Jammer ist es eben und ein noch unbestimmliches Unglück für die ganze schöne Literatur , daß sie wahr ist -- daß mir so etwas nicht früher eingefallen als zugefallen -- daß ich unglückliche Haut , an Testaments Klauseln , und Naturalien-Nummern gefesselt gehend , wie an klein-schrittigem Weiber-Arm , nichts von romantischen Gaben und Blüten ( indem ich doch auch unter den Romanciers mitlaufe ) künstlich pelzen darf auf solchen Stamm -- --
O Kritiker !
Kritiker , wäre_es meine Geschichte , wie wollte ich sie für euch erfinden und schrauben und verwirren , und quirlen und kräuseln !
Würfe ich z. B. etwan nur ein schmales Schlachtfeld in eine solche göttliche Wicklung -- ein Paar Gräber -- einen Schlägelschen Revenant des Euripideischen Jons * ) -- fünf Schaufeln voll italischer Erde oder sonst klassischer -- einen schwachen Ehebruch -- einen Klostergarten samt Nonnen -- von einem Tollhause die Ketten , wenn nicht die Häusler -- ein Paar Maler und deren Stücke -- und den Henker und alles : -- -- -- ich glaube , Vollstrecker , es fiele anders aus als jetzt , wo ich bloß nur nachschreibend zusehen muß , wie die Sachen gehen , und aus Haslau kommen , ohne daß ich , im möglichen Falle ungewöhnlicher Lang * )
Jon heißt der Kommende . Weile , etwas anderes für die Welt und für H. Cotta in der Gewalt hätte , als wahres Mitleiden mit beiden , fast zu sehr von Gewissen , und sonst eingeklemmt und angepfählt . --
Aber mein Rezensent , der junge Sehuster , der eben zwischen Schreiber und Abschreiber steht , treibt außerordentlich und will fort , und sieht drüslich nach dem Gottesacker hinaus .
Noch schlüsslich ersuch ich die Vollstrecker , falls schwere Kapitel , die besondere Kraft und Stimmung fordern , im Anzuge sein sollen , mir sie bald und jetzt zu schicken , wo gerade mein Lokale ( wozu auch mein Leib zu rechnen ) , mein Schreibfenster , das den ganzen Ilzgrund beherrscht , ( denn ich wohne im Grunerschen Hause in der Gymnasiumsstrasse ) und das Blühen der Meinigen ( worunter mein empirisches Ich mit gehört ) mich sichtbar unterstützen ; ja ich würde -- wenn nicht solche Selbst-Personalien eher vor ein Publikum , als vor einen Stadtrat gehörten -- dazu selber den gedachten Gottesacker schlagen , wo man eben jetzt ( es ist Sonntags 12 Uhr ) halb in der Salvatorskirche , halb auf deren Kirchhofe im Sonnenscheine zwischen Kindern , Schmetterlingen , Sitz-Gräbern und fliegenden Blättern des Herbstes den singenden , orgelnden und redenden Gottes-Dienst so hält , daß ich alles hier am Schreibtische höre .
Ich könnte dabei manches empfinden ; aber Rezensent drängt erbärmlich -- weil die Tage kürzer werden -- und er ist schuld , daß ich in größter Eile mit der größten Hochachtung erharre eines Hochedlen Stadtrats Coburg , den 23. Okt. 1803 .
J. P. Fr. Richter .
Viertes Bändchen .
Tübingen , in der J. G. Cotta'schen Buchhandlung .
1805. Nro. 51. Ausgestopfter Blaumüller .
Entwicklungen der Reise -- und des Notariats .
Der Notar glaubte wie ein erwachter Siebenschläfer eine ganz umgegossene Stadt zu durchtreten , teils weil er einige Tage daraus weggewesen , teils weil eine Feuersbrunst , obwohl ohne Schaden , da gehaust hatte .
Noch in den Gassen blieb er auf Reisen .
Auch zog das Volk , durchs Feuer aus der Alltäglichkeit aufgerissen , geschart hin und her , um das Unglück zu besehen , das hätte geschehen können .
Walten lief zuerst zum Bruder mit dem größten Drange , dessen Neugierde unglaublich zu spannen und zu stillen .
Vult empfing ihn ruhig , sagte aber von sich , er sehe erhitzt aus und gebe das glühende Gesicht der Feuers- Not Schuld .
Der Notar wollte ihn sofort mit den erlebten Reise-Wundern in die Höhe schrauben und droben erquicken ; er schickte daher die lockendsten Ankündigungen voraus , indem er sagte : Bruder , ich habe dir Sachen zu melden , in der Tat Sachen -- " Auch unterbrach Vult " bin mit einigen sieben Wundern der Welt verse " hen und kann erstaunen lassen .
Nur erst das " erste !
Flette genas !
Noch staunt und starret " die Stadt . "
-- " Unter dem Lazarus-Thor sah " ich ihn schon am Schallloch stehen , " versetzte Walten eilig wegredend .
-- " Das ist ganz " natürlich , fuhr jener fort .
Denn der D. Hut , " ein wahrer Chaupeau wie wenige , hat ihn wie " der auf die Hinterbeine gebracht , so daß der " Testator sich selber beerbt als allernächster An " verwandte und du so wenig bekommst als der " Rest .
Wie freilich darüber die alten Ärzte , bei " besonders die ältesten , welche in jeder Stadt als " ein wahrer Rat der Alten einen Alters " laß ( veniam aetatis ) nicht von 20 , sondern " von allen irdischen Jahren dem Jüngsten erthei " lehn und so die Sterblichkeit der Einwohner kost " lich mit der Unsterblichkeit verknüpfen , wie sie " sage ' ich , darüber , daß ein so junger Wicht ei "nen nicht älteren herstellte , außer sich sein Mys " sein : dies kann man ganz natürlich noch wenig " oder nicht bestimmen , bevor gar eine bekannte " Arbeit von Flette gedruckt und bekannt gewor " den .
Es hat nämlich der Elsässer eine schwache " Danksagung ein Paar Male umgearbeitet , wor " in er im Reichs-Anzeiger ( D. Hut schießt die " Inserats-Gelder her ) mitten vor der Welt Hu "ten gerührt genug dankt und beteuert , nie " könn ' er_es ihm lohnen , was ein so wahres Ge " fühle ist , da er nichts hat . "
Walten konnte sich nicht länger eindämmen : " liebstes Brüderlein , begann er , wahrlich mehr " deinen Einfällen als deinen Berichten horcht ' " ich zu ; denn das was ich dir zu erzählen . . . " Deinen Brief nämlich mit dem Wunder-Traum " habe ' ich wirklich und in der Tat empfangen ; " aber was wäre bloß dies ?
Eingetroffen ist er von " Punkt zu Punkt , von Komma zu Komma ; " höre nur ! "
Er legte ihm jetzt die Spiel-Wunder zum ersten Male vor -- dann ( wegen der verworrenen Wellen der alles heran schwemmenden Flut ) -- zum zweiten Male .
Kein Abenteuer , selber das schlimmste , ist je so selig zu erleben als zu erzählen .
Ja er hätte beinahe von Wina's liebendem Blick unter dem Wasserfalle , in seinem Sturm den Schleier gehoben , hätte er nicht auf dem ganzen Wege , mit Wina an einer Hand und mit Volten an der anderen , das Wichtigste vorläufig bedacht und sich die stärksten Gründe eingeprägt gehabt , daß er durchaus Wina in den General einkleiden müsse und Empfindungen , obwohl nicht Tatsachen , unterschlagen ; so gern er auch in das einzige , ihm vom Leben aufgeschloßene Herz die beiden Arme seines in Liebe und in Freundschaft geteilten Stroms ergossen hätte .
" Aus deinen Abenteuern in Bezug auf meinen Brief , sagte Vult , mache ich eben nicht das Meiste -- ich lege dir nachher eine sehr gute Hypothese darüber vor -- hingegen in Jacobinens " Stelle -- dich -- ein " sähe ich mit Freuden klarer . "
Walten erzählte dann den Nachtbesuch ganz wahr , hell und leicht und vergaß keine einzige Empfindung dabei .
" Nichts will ich leichter erklären , fing Ende " lich Vult an .
Kann denn nicht ein Kerl , der " alle Verhältnisse weiß , dir durch Wälder und " Felder immer drei Schritte nach- oder vorige " schlichen sein -- mit der Flöte geblasen haben -- " deinen Namen in den Krügen und Hotels vor " aus gesagt -- die kleinste Sache bestellt und an " gestellt , z. B. mit dem Bilderhändler und dem " Quodlibet und dessen quod deus vult est bene " factus , statt factum -- und so fort ?
Was den " Brief anlangt , so war er ja in meinem Namen " und Stil so leicht zu schreiben , unterwegs auf " zugeben , darin alles zu weissagen , was man " eben selber vollführen wollte , das Geld aber " eine Minute vorher einzugraben ! "
-- " Un " möglich ! sagte Walten .
Und vollends der Lar " venherr ? " --
Hast du die Larve etwa in der Tasche , sagte Vult .
Er zog sie hervor .
Vult drückte sie vor das Gesicht , funkelte ihn dahinter mit Zorn-Augen an , und rief wild mit bekannter Stimme des Larvenherrn : " He ?
Bin ich_es ? --
Wer seid ihr ? "
-- Himmel , wie wäre denn das ? rief der erschrockene Walten . --
Sanft hob Vult die Larve ab , sah ihn ganz heiter an und sagte : " ich weiß nicht , was deine Gedanken über die Sache sind ; ich sentire , daß sowohl der Larvenherr und Flötenspieler als auch ich und der Briefschreiber dieselben Personen sind . "
-- Mein Verstand steht still , sagte Walten .
" Kurz , ich war_es , " beschloß Vult .
Aber der Notar wollte seiner eigenen Bestürzung nicht recht glauben : " etwas Wunderbares , sagte er , steckt gewiß noch " hinter der Zauberei ; und warum hättest du " mich überhaupt so sonderbar hintergangen ? "
Aber Vult zeigte , daß er ihm einige Lust zuwenden , ja einige Unlust ersparen wollen .
Er fragte schelmisch-blickend , ob er nicht zur rechten Zeit seine Maske ins Zimmer geworfen , ehe Jacobine die ihrige fallen lassen ?
Endlich sagte er gerade heraus , die Klausel des Testaments , welche für Fleisches-Sünden um halbe Erbschaften bestrafe , sei allgemein bekannt und Walten sei leider stets sehr unschuldig , auf nichts aber werde in einer Aktion öfter und besser geschossen als auf Schimmel wegen der Farbe der Unschuld -- die sieben Erben decken , wie kluge Feldherrn , ihr Lager mit Morast -- kurz , beschloß er , wie Taubenhändler wahrhaft betrügen und zwei Täubinnen oft für ein ordentliches Paar Ehetauben ausgeben : hätte man es mit dir und der Aktrize nicht eben so machen können , wäre ich dir nicht nachgereist ? --
Da wurde der Notar blutrot vor Scham und Zorn , sagte : o garstig über die Massen , setzte unter dem Umherfahren nach dem Hute hinzu : " in diesem Lichte steht ein armes Mädchen bei dir ?
Und dein eigener Bruder dazu ? " lief fort -- sagte wild weinend : " gute Nacht ; aber bei Gott , ich weiß nicht , was ich dazu sagen soll " -- und ließ keiner Antwort Zeit .
Vult ärgerte sich fast über den unvermuteten Zorn .
" Ich , ich ? -- wiederholte Walten auf der Gasse innigst-verletzt -- ich hätte mich versündigen sollen an einem Tage , wo mir Gott den rührendsten Reise-Abend bescherte und die fromme Wina mir so nahe lebte ? --
Das wolle Gott nicht ! "
-- Als er aber in sein Stübchen trat : überflog ihn eine ganz besondere Seligkeit und zehrte den Schmerz auf :
-- eine neue Empfindung wird an einem alten Orte lebendiger ; -- es war Wina's guter Blick unter dem Wasserfalle , der jetzt ein ganzes Leben wie ein Morgenlicht golden überstrahlte und alle Taublumen darin blitzen ließ .
Vieles um ihn war ihm nunmehr zu eigen geworden so wie neu ; der Park unten , in dessen Gängen er sie einmal gesehen , und Raphaela im Hause , die ihre Freundin war , gehörten unter die Habseligkeiten seiner Brust .
Selber seinen eigenen Roman Hoppelpoppel kannte er kaum mehr , auf so neue Gemälde des liebenden Herzens stieß er jetzt darin , von denen er erst diesen Abend recht faßte , was er neulich etwa damit haben wollen ; nie fand er Autor einen gleichtoniger gestimmten Leser als er heute .
Er baute sich sogleich ein zartes Bilderkabinett für die Gemälde von den Auftritten , die Wina vermutlich diesen Abend haben könnte ; z. B. im Schauspielhause , oder in den Leipziger Gärten , oder in einer gewählten Gesellschaft mit Musik .
Darauf setzte er sich hin und beschrieb es sich mit Feuerfarben , wie ihr etwa heute sei in Glucks Iphigenie auf Tauris ; dann machte er selige Gedichte auf sie ; dann hielt er die Papiere voll Eden ins Talglicht , und verkohlte alles , weil er , sagte er , nicht einsehe , mit welchem Rechte er ohne ihr Wissen so vieles von ihr offenbare ihr oder anderen .
Als er zu Bette ging , verstattete er sich , Wina's Träume sich zu erträumen .
" Wer kann mir verbieten , sagte er , ihre Träume zu besuchen , ja ihr sehr viele zu leihen ?
Ist der Schlaf vernünftiger als ich ?
O sie könnte im wilden Wahnsinn desselben ja recht gut träumen , daß wir beide unter dem Wasserfalle ständen , verbunden aufflögen in ihn , umarmend hinschwämmen auf seinem flüssigen Feuergolde und zum Sterben herabstürzten mit ihm und vergöttert still nun weiter flössen durch die Blumen , in den Strahlen , sie mit ihrer Welle in meine schimmernd , und wir so uns in einander verrönnen in das weite hohe blaue reine Meer , das sich über die schmutzige Erde deckt ?
Ach , wenn du so träumen wolltest , Wina ! " --
Dann sah er auf dem Kopfkissen recht hell und scharf -- weil Nachts in der wilden Zeit des Vortraums vor der Seele alle blasse Bilder junge Lebensfarben annehmen und die Gestalten blitzende Augen öffnen -- das liebe , milde Auge Wina's vor sich aufgetan und wie einen Mond , den der Tag zum Wölkchen verdünnte , am Nachthimmel herrschend strahlen ; und er sank in das liebe Auge , wie ein Frommer in das Auge , unter welchem man Gott abbildet .
Wie leicht und dünn ist ein Blick und ein erinnerter !
Kaum das Alpenröschen ist er , das der Mensch von der höchsten Stelle seines Lebens herunter bringt .
Aber doch hält der Mensch unter der Maße von Massen und Weltkugeln sich gern an die kleine , die ein Augenlid bedeckt , an einen verhauchten , kaum entstandenen Blick -- und auf dem himmlischen Nichts ruht sein Paradies mit allen Bäumen fest !
So sind Geister ; denn da die Unsichtbarkeit ihre Welt ist , so ist ein Nichts leicht ihre Sichtbarkeit !
Am Morgen lag Sonnenschein und Seligkeit um ihn her .
Alle Blüten zu Zankäpfeln waren abgefallen .
Die Morgenstunde hat Gold , aber das reinste , im Mund ; die Sonne scheidet das in Schlacken verarzte Gemüt ; das finstere Übermaß , besonders des Hasses , hört auf .
Walten sah sich um im Morgenlicht , fand sich wie von einem Arm aus den Wolken durch alle übereinander stehenden Wolken des Lebens durchgehoben ins Blau -- Wer liebt , vergibt , wenigstens den Rest dem Rest ; er fragte sich , wie er denn gestern , gerade am Heimkehr-Feste , so gegen den armen Bruder aufbrausen können .
" Ja wohl den armen Bruder , fuhr er fort ; " denn er hat gewiß keine Geliebte , deren Liebes " Blick ihm wie ein Lebensbrennpunkt im Herzen " bleibt . "
Nun ging er ganz ins Einzelne und stellte sich -- nach seinem Instinkte , der ihn stets in die fremde Seele trieb und in ihr über sie hinzuschauen zwang -- an Vults Stelle , wie dieser nichts habe , nichts wisse ( vom Wasserfalle nämlich ) wie er alles oder vieles so sehr gut meine , besonders für Walten , wie er nur herrschsüchtig hart verfahre u. s. w. In dieser Gesinnung beschloß er , zum Bruder zu gehen und kein Wort zu sagen über die Essig-Sache , sondern bloß mit seiner Hand eine schon in Mutterleib verknüpft gewesene anzufassen und einiges gelassen zu besprechen , besonders was bevorstehende Wahl eines neuen Erbamts betreffe .
Vult war verreiset .
Ein Briefchen an Walten war an die Tür gesiegelt :
" Bester !
Ich reiste heute flüchtig ab , um in Rosenhof mein versprochenes Konzert zu blasen .
Künftig Arbeit ich viel fleißiger ; denn wirklich tue ich für unseren Gesamt-Roman zu wenig , besonders da ich gar nichts dafür tue .
Es entgeht uns nicht , daß ich lieber spreche -- im reissendsten Strome mich schwemmend -- als schreibe .
Gut aber ist_es nicht , weder für die Literatur noch das Honorar . In Schulen gilt sonst Rechen- und Schreib-Meister für Einen ; ein trefflicher Buch-Schreibmeister hingegen ist selten ein Rechenmeister ; leider bin ich nicht einmal einer von beiden und brauche doch Geld .
Adieu !
v. H .
" Der gehetzte Bruder ! sagte Walten , so muß er sich jetzt das Geschenk erpfeifen , das er mir so spaßhaft in die Hände gespielt ; warum falle ich immer so heftig aus und drücke den Guten ? "
Er faßte den ernstlichen Vorsatz , künftig seinem Sturm- und Poltergeiste ganz anders den Zügel anzuziehen .
-- Aber Rosenhof warf bald heiteres Licht auf alles und heiligte fast den Flötenspieler , den er in den Nachschimmernden Auen des schönsten Morgens mit Glanz bespritzt umher waten sah .
Wackerer als je betrat er nun seine Notariats- Gänge wieder , die sich gegen das Ende seines Erbamts immer häufiger auftaten .
Es war ihm ganz einerlei -- so freudig ging sein Puls -- worüber er ein Instrument aufsetzte , ob über die Verlassenschaft eines Hofpredigers , oder über eine angebohrte Oel-Tonne , oder über eine Wette : immer dachte er an das Haus des Generals , oder an den Wasserfall , oder an Leipzig und es konnte ihm gleichgültig sein , ( denn er gab nicht darauf Acht , ) was er niederschrieb als offener kaiserlicher Notar .
So glänzend-umsponnen vom Nachsommer des Herzens kam er aus dem September und dem Notariat endlich in den Oktober hinüber , wo er vor den Kabelschen Testaments-Exekutoren die Rechnung über das bisherige Erbamt abzulegen hatte , vor welcher ihm nicht im geringsten bange war ; denn Wina's Blick hatte in ihm einen so feurigen Herzschlag entzündet , daß er mit einem solchen Frühlings-Pulse vermochte , in jeder äußeren Kälte des Schicksals warm zu bleiben .
Sein Vater Lukas hatte ihn neuerlich in mehreren Kopien von Brief-Originalen ( die der Schulze behielt , weil im Briefschreiben das Original das schlechtere ist ) seine Angst vor dem No tariats-Hintergrund und die Beteuerung seiner " Herbeikunft " wissen lassen .
Walten wurde die Wiederholung desselben dürren Gedankens , die so manchen frischen erdrückte , sehr zur Last und er wünschte nichts weiter als die alte Freiheit , an hundert Dinge zu denken : " warum ist denn ein " Irrweg so verdrießlich , sagte er , als bloß weil " man so lange , bis man den rechten wieder " erwischt , immer die abgeschabte platte Idee des " Wegs besehen und behalten muß ? "
Die gemeinen Qualen des Lebens belasten weniger unter ihrer Geburt als während ihrer Schwangerschaft und der eigentliche Leidenstag geht 24 Stunden oder Zeiten früher an als der äußere .
Der erste Schritt , den Walten am anberaumten Morgen ins Rathaus tat , machte ihn zu einem anderen Menschen , nämlich zum alten -- die Sache war für ihn vorbei , denn sie war so nahe . --
Zu bald kam er im Vorzimmer an , harrte aber vergnügt und machte einen Polymeter , worin er einige gute Gruppen besang , die in halberhobener Arbeit am Ratsofen mit aller der Wärme dargestellt waren , welche die Jahreszeit an einem kalten Ofen Ofen erlaubt .
Tanz-Horen , Füllhörner voll Heu , Fruchtschnüre oder Stricke , Büschel von dicken festen Blumen oder Obst , und sechs Frühlinge aus Ton ( denn es war ein Zirkulier-Ofen ) waren allerdings im Stande , einen Dichter wie er zu heizen . --
Als noch immer die Ratsstube zu blieb , so geriet er auf Neben- Ideen , ob nämlich nicht ein ganzer Roman aus Ofen-Pasten darzustellen und zu entwickeln wäre , besonders ein komischer .
So vermag nur ein Mann vor einer wichtigen Wendepunktsstunde z. B. vor einer Krönung , Schlacht , Selbstermordung , nicht aber seine Frau vor einer ähnlichen , z. B. vor einem Balle , -- zu dichten , zu schlafen , zu lesen .
Da endlich der Schirmherr der Kabelschen enterbten Erben , der Pfalzgraf Knoll , eintrat , so fing alles an und wurde gehörig vor den Bürgermeister Kuhnold gestellt .
In seinem Leben war ihm nie so federleicht in einer Ratsstube gewesen ; auf dem Staubfaden einer Lilie hätte ' er sich schaukeln können .
Er fiel aber bald von seiner Lilie ins Beet herunter , als der Flegeljahre IV. B. 2 Schirmherr anfing vorzutragen und zu belegen , " daß der offene Geschworene Notar bisher sehr absurd gewirtschaftet " -- daß er nicht nur erstlich und zweitens zweimal in Instrumenten abbreviret -- drittens ein nächtliches ( das Turm-Testament ) mit zweierlei Tinte und viertens bei einerlei Licht geschrieben -- fünftens einmal radiert -- sechstens einmal gar nicht angegeben , daß er ausdrücklich zur Aufrichtung des Instruments vorgefordert worden , -- desgleichen siebentens in dem nämlichen auch die Stunde nicht -- achtens den nägelein-braunen Bindfaden , womit die Klagschrift N. N. contra N. N. umwickelt gewesen , als einen gelben zu Protokoll gebracht -- neuntens Hauszeugen , als sie eidlich aussagten für ihren Herrn , ihrer Pflicht vorher durch Handgeben sowohl zu entlassen , als diesen Akt des Entlassens anzuzeigen ganz vergessen -- sondern daß er auch zehntens einen falschen Datum im Wechselprotest , ja eilftens neuerlich und ganz zuletzt ein Instrument gar an einem 31 September , der nicht existiere , auszufertigen wenig Anstand genommen .
-- Nun wurde er gerichtlich befragt , was er dawider einzuwenden habe .
" Ich wüßte eigentlich " nichts -- versetzt er gegnerischen Seits ; -- auch " traue ich fremdem Gedächtnis hier weit mehr als " eigenem .
Doch was die Hauszeugen anlangt , so " hielt ich es für eigenmächtig und unmöglich , sie " durch mein bloßes Wort ihren Pflichten zu ent " nehmen , und wieder zurück zu geben . "
Darauf sagte H. Kuhnold , dieser Grund sei mehr edel gedacht als juristisch und berief sich auf H. Fiskal Knoll .
Nichts sei lächerlicher , versetzte dieser und schob nun zehn bis zwanzig breite hohle Worte an einander , um bei den Testaments-Exekutoren um daß nachzusuchen , was sich von selber verstand -- die Eröffnung des hier eintretenden geheimen Artikels .
Ehe es Kuhnold tat , erwies er dem Pfalzgrafen , daß gar nicht alle Rechtsgelehrten allgemein zu Nacht-Kontrakten drei Lichter begehrten , sondern nur mancher ; und langte -- als Knoll auf seinem Satze beharrte -- bloß das promtuarium juris von Hommel oder Müller als den nächsten Beweis aus dem Schranke vor .
Die Ratsbibliothek war nicht höher als die vier Bände des promtuarium stark ; dennoch fehlte ihr , wie den meisten öffentlichen Bibliotheken , ein Katalog .
Knoll behielt sich das Seinige vor ; Kuhnold gab aber nicht nach , sondern verlas den Straftarif ; " daß nämlich für jeden juristischen Notariats " Schnitzer des jungen Harnisch jedem der 7 Erben " ein Tannenbaum in Kabels Wäldchen zu fällen " verstattet sein sollte . "
Da er nun in 10 Sünden geraten war -- ohne die streitigen Lichter -- so belief sich der Decem , mit den 7 letzten Plagen multipliziert , auf den ansehnlichen Schlag von 70 Stämmen , so daß Walten nie halb so gut dadurch gelichtet werden konnte , als das Wäldchen selber .
-- " Nun , sagte der Notar , schnell beide Hände seitwärts auswerfend , was ist zu machen ? " --
Er wußte sich innerlich über die Zufälle des Lebens so erheiternd zuzureden , wie ein Schuster den Kunden über neue Stiefel , die er bringt ; sind sie zu enge , so sagt der Meister , sie treten sich schon aus ; sind sie zu weit , so sagt er , die Nässe zieht sie schon ein .
So dachte Walten heimlich : " das witzigt mich .
Jetzt kann ich doch als Notar ruhig alle meine Instrumente machen , ohne daß mir geheime Arti kel das Geringste zu befehlen oder zu nehmen haben . "
Aber am Ende machte ihm doch der Fiskal Knoll den leichten poetischen Götter-Ichor des Herzens schwer , dick und salzig , als dieser , ohne im Geringsten durch die Freude über den Gewinn von Schlagholz irre oder trunken zu werden , seine Protestation im Punkte der 3 Lichter erneuert zurückließ .
Die stehende Gegenwart eines deutlich hassenden Wesens drückt und preßt eine immer liebende Seele , die ihre Kälte schon für Haß ansieht , mit dem schwülen Dunstkreis eines Gewitters , dessen Schlag weniger quält als dessen Nähe .
Betrübt , selber von Kuhnolds sanftem Worte , das ihm so vermeidliche Fehler eben als die unverzeihlicheren vorwarf , ging er nach Hause ; und er sah Vults Fluchen und Scherzen darüber schon entgegen .
Das erste , was er zu Hause machte , war ein Sprung aus demselben auf die schönen stillen Höhen der Oktober-Natur , um seinem Vater , dem Schultheiß , und dessen Scherbengerichte zu entspringen , der , wie er gewiß wußte , in die Stadt laufen würde , um jede Scherbe des zerbrochenen Glücktopfes ihm an den Kopf zu werfen .
Auf ei einer friedlichen Anhöhe -- dem Wäldchen gegenüber -- konnte er , während er das medizinische Miserere des Schicksals durch Dichten und Empfinden in ein musikalisches verwandelte , recht gut wahrnehmen , daß schon mehrere Erben mit verständigen Holzhauern im Erb-Forste lustwandelten , um einträchtig mit Waldhämmern ihr Gnadenholz einzuplätzen .
Endlich ritt im Schritt Flette an der Spitze einer holzersparenden Gesellschaft mit Äxten , Sägen , Maßstäben in den Händen , den Wald hinan .
Gleich einem Witwer , der seine Halbtrauer täglich in kleinere Brüche zerfällt , in Drittelstrauer , in ein ¼ , 1/8 , [ FORMEL ] Teil -- wiewohl die Trauer oder der Zähler nie null werden kann , nach mathematischen Gesetzen -- verkehrte Walten bei diesem Anblick seine schwache Halbtrauer , arithmetisch zu sprechen , in einen unendlich großen Nenner und in einen unendlich kleinen Zähler , d. h. er wurde das , was man gemeinhin froh nennt .
" Es ist schon recht , dachte er , daß ich dem guten Flette für seine gutmütige Erbeinsetzung meiner Person , doch einen schwachen Dank durch meine Fehler zuschanze ; er habe recht viele Freude dabei , nur keine Schadenfreude . "
Aber die Lustigkeit über die Holz-Einbusse wurde Walten etwas verkümmert , als er den alten Schulzen aus der Stadt schreiten und ins Holz dringen sah , Märtirerkrone und Zepter tragend .
Auf die angeplätzten Stämme lief Lukas zu -- fragte , sagte dies oder das und keifte -- durchschnitt den Gehau nach allen Ecken -- stritt ohne Vollmacht wider alles -- flog als ein flüchtiges Waldgericht und Forstkollegium hin und her , an jeden Busch , neben jede Säge -- machte die Wüste , seines Gesichts immer dürrer und arabischer , je mehrere Erben ankamen , die größten Baumschänder , die er sich denken konnte -- sah seufzend zu jedem Gipfel auf , der stürzen wollte -- und trieb nichts durch als forstgerecht den Weg , auf welchem der fallende Baum das Buschholz schonen mußte .
Walten schaute erbärmlich herüber ; so leicht er sonst sein schwarzes Schicksal wie sein weißes nur zu dichterischer Farbengebung verrieb , gleichsam zu Kohle und zu Kreide :
so konnte ' er sich doch den Holzschlag des Schlagholzes zu keinem dichterischen Baumschlag ausmalen , weil ihn der Vater bei nichte .
Er wartete aber fest dessen Weggang ab ; dann fragte er nach der glühendsten Abendröte vor seinen Augen nichts , sondern er ließ in sich abstimmen , welches Erbamt , das seinen Vater freudig lasse , er jetzt zu wählen habe .
Nun fehlte es ihm aus Mangel des Flötenspielers , an einer Stimmensammlung und an irgend einer , auch nur kleinsten Minorität , weil die Majorität selber ( er ) nur 1 Mann stark war , welches , wenn nicht die kleinste -- denn oft ist gar kein Mann beim Stimmen -- doch keine beträchtliche ist .
Endlich wählte er das kürzeste Amt , nämlich das siebentägige Leben bei einem Erben .
Die Stelle darüber heißet im Corpus juris des Testaments claus. 6. Litt. g. so : " er ( Walten ) soll bei jedem " der H. Akzessit-Erben eine Woche lange wohnen "( der Erbe müßt ' es sich dann verbitten ) und alle " Wünsche des zeitigen Mietsherrn , die sich mit " der Ehre vertragen , gut erfüllen . "
Ein so kurzes Amt , hoffte er , ohne große Fehltritte und Fehlsprünge und mit einiger Ehre und in Kurzem , noch ehe der Bruder erschiene , zu beendigen .
Nach der Wahl des Amts musste er wieder die neue desjenigen Erben anstellen , welchem die erste Ehre davon zuzuwenden sei .
Er erlas sich zum wöchentlichen Wohnen den , bei welchem er bisher gewohnt , H. Neupeter .
" Auch begehrt die Zarte " sagte er .
Nro. 52. Ausgestopfter Fliegenschnäpper .
Vornehmes Leben .
Nachdem er am Morgen die feinste Anrede an den Hofagenten ganz in den Kopf gebracht hatte , woraus sie ohnehin noch nicht gekommen war : trat er vor Neupeter , der ihn in der Schreibstube neben einem brennenden Lichte , mit dem Petschaft am nassen Maul und mit der Nachricht empfing , es sei Posttag .
Während der Kaufmann fortsiegelte , hielt er hinter dessen Rücken leicht seine Rede voll Zärte , bis dieser , da er ausgesiegelt hatte , das Licht ausputzte und fragte : was gibt_es ?
Zerfahren war dem Notar der ganze Sermon .
Kein Mensch kann dieselbe Rede zweimal nach einander halten ; in der Eile mußte er nur darauf denken , aus dem Gesagten einen dünnen Bleiextrakt zu liefern .
Der Hofagent ersuchte ihn aber , " mit solchen Schnurpfeifereien den Leuten vom Halse zu bleiben . "
Alle mögliche Sünden im neuen Amte hätte er lieber getragen , als dieses harte Türzuschlagen vor demselben .
-- Jemanden nun ferner Ordensketten durch geschenktes Vorkaufsrecht der Wohnprobewoche überhängen zu wollen , fiel ihm nicht mehr ein :
sondern wo ein armer , aber guter Teufel , mit welchem sich mehr Thränen- als Himmelsbrot , z. B. ein elendes Wohnloch , teilen ließe , anzutreffen und zu beglücken wäre , danach ging sein Sehnen , nicht sein Fragen ; denn besagter Teufel war längst da , Flette aus Elsaß .
Walten ging auf den Nikolai-Thurm und trug , aber furchtsam , Fletten den Vorzug an , daß er bei ihm die erste Probewoche halten wolle .
Der Elsaßer umhalste ihn erfreuet ; und versicherte , er ziehe diesen Tag noch vom Turm herab , weil er ganz hergestellt sei und der frischen Turmluft weniger bedürfe .
" Ich miete für uns ein Paar kostbare garnierte Zimmer beim Cafetier Fraise ; pardieu wir wollen leben comme il faut , " sagte er .
Walten wurde zu selig .
In einer halben Stunde hatte Flette ein- und darauf ausgepackt ; denn mit seinem Geräte hatte er , wie eine Raupe und Spinne mit ihrem Fadengespinste , gewöhnlich den Gang durch seine Wechselwohnungen bedeckt und bezeichnet ; gleichsam mit schönen Haarlocken , die zum Andenken ausgerauft werden ; und hatte sich , wie gedacht , wie Weltkörper durch Umlauf kleiner eingeschliffen .
Er wagte es jetzt , aus seinem Turm , -- seiner bisherigen Bastie und Grenzfestung gegen Gläubiger -- herabzurücken in ein unbefestigtes Kaffeehaus , weil er teils sein eigenes Testament beerbet hatte , nämlich den Kredit davon , teils das Kabelsche , in dessen Gütergemeinschaft ihn Walts neueste Fehler vor der Stadt einzusetzen schienen , teils die 10 Tannenstämme , Walts Klage-Eichen .
" Der ausgestopfte Blaumüller " Nro. 51. erwähnte schon weitläufiger , mit welchem Gepränge er die durch Walten gesäte Fehler-Ernte von Steinobst und Kernhäusern aufgeknackt und ausgekernt hatte , um sich der Stadt zu zeigen .
Walten schied am schönsten Nachsommer-Morgen halb wehmütig aus seiner leisen Klause ; ihm war , als brauche sie ihn und habe denn so leer und allein Langeweile , besonders sein Sessel .
Aber wie fuhr er , da er beim Cafetier Fraise eintrat , vor der Garnitur der Zimmer , vor den langen Spiegeln voll Zurückfahrern , vor den Ei-Spiegeln an den Wandleuchtern und vor der Rest-Pracht zurück ! --
Er erschrak .
Flette lächelte -- Fremden wollte Walten ein Ersparer sein ; -- daß der gute Elsaßer solche Palaste von Stuben miete , bedacht er und stöhnte sehr .
Denn er hielt für Aufwand seinetwegen , weil er nicht voraussetzte , daß Flette unter die wenigen sogenannten Verschwender gehöre , die wie der deutsche Kaiser schwören , nichts auf die Nachkommen zu bringen , Reich oder Reichtum , und welche wie hohe Staatsbediente Athens zum Zeichen ihrer Vaterlandsliebe nichts hinterlassen , als Nachruhm und Schulden .
Walten zog ohne weiteres das aus der Kabelschen Operationskasse für die Probenwoche bewilligte Goldstück hervor , und legte es mit den Worten auf den Tisch : " dies bestimmte der Testator ; ich wollte gern , es wäre mehr . " -- Wenige Menschen wurden noch so stark angefahren , als er von Fletten , der ihn fragte , ob er denn beim Henker nicht sein Gast sei ?
Aber nun hatte er noch einen feineren Punkt , nämlich den testatoreschen Zweck seines Wohnens zu besprechen .
Er nahm folgende Wendung : " es wird ordentlich schwer , in diesen kostbaren " heiteren Zimmern und bei Ihnen an etwas so " Juristisches wie das Testament und dessen Haupt- " Klausel zu denken ; da ich aber meine Freude nicht " meiner Obliegenheit gegen meine Eltern opfern " darf : so -- darf ich eben schwerlich , sondern ich " muß Sie um den Vorschlag dessen bitten , wor " in ich etwa Fehler begehen könnte .
Wahrlich , " es wird mir schwerer , zu fragen als zu haben " deln . "
-- Der Elsaßer faßte ihn nicht sogleich mit seinen Feinheiten : " Pah , sagte er , was ist zu sa " krisiziren ?
Wir parlieren und tanzen zusame " men ; das geht den alten Kabel nichts an . "
-- -- " parlieren und tanzen ?
( versetzte der vom Notariat zusammengescheucht Walten )
Und zw _ beides zusammen ? --
Ich kann hier nichts sagen , als daß schon eines von beiden einen unabsehbaren Spielraum zu Fehlern auftäte , geschweige -- Wahrlich , an und für sich oder für mich , lieber Herr Flette -- aber . . . " -- -- " Sacre -- ! wovon " reden wir denn eigentlich ? --
Wird denn ein " Mensch auf der Erde prätendieren , daß man " zum langnasigen Bürgermeister läuft und ihm " es vorsingt , wie man lustig gewesen ist ? " --
Walten faßte schnell die Hand und sagte :
ich vertraue ; und Flette umarmte ihn .
Sie frühstückten unter freudigen Gesprächen .
Die langen Fenster und Spiegel füllten das geglättete Zimmer mit Glanz ; ein kühler blauer Himmel lachte hinein .
Der Notar verspürte sich in vornehmer Behaglichkeit ; das Glücksrad drehte ihn , nicht er das Rad , und er brauchte es nicht wie ein Wagenrad erst rot zu malen .
Flette las ihm zwei für den Reichs-Anzeiger in wenigen Tagen ausgearbeitete Inserate vor ; -- im ersten forderte er einen Generalkriegszahlmeister H. v. N. N. in B. auf , ihm die Summa von 960 Albusthalern für Wein innerhalb 6 Monaten zu bezahlen , wenn er nicht gewärtig sein wolle , daß er ihn öffentlich an den Pranger in dem R. Anzeiger stellte .
Dem Notar entdeckte er gern den Namen des Mannes und der Stadt ; indessen war an der Sache nichts .
Das zweite Inserat enthielt mehr ungefärbte Wahrheit , nämlich die Nachricht , daß er einen Compagnon mit 20,000 Thlr . zu einem Weinhandel suche und wünsche .
Walts Gesicht glänzte von Freude , daß der gutmütige Mensch so viele Mittel habe , und erhob dessen vergoldete Wetterstangen des Lebens recht stark .
Flette aber versetzte :
" Sagen Sie mir aufrichtig , ob keine Stil-Fehler darin sind ?
Ich warf die Dinge in der Zeit einer kleinen Stunde hin . "
Walten erklärte , je kleiner eine Anzeige sei , desto schwerer werde sie ; er wolle leichter einen Bogen für den Druck ausarbeiten , als dessen [ FORMEL ] Bogen .
" Schadet wohl überhaupt lukubriren viel ?
An der Makrobiotick sahen mich oft die Nachbarn bis 3 Uhr aufsitzen , " sagte Flette , nicht ganz unwahr , da er bisher durch seine Nachtmütze auf einem Haubenstock und durch ein Licht daneben einen makrobiotischen Leser auf die leichteste und gesündeste Weise vorgestellt hatte .
Darauf schnürte er vor dem Notar , dessen herzliches aufrichtiges Bewundern und einfältiges Vertrauen ihn mit süßer Wärme durchzog , ein Bündel seiner Liebesbriefe an sich auf , worin er , sein Herz und sein Stil sehr geschätzt wurde .
Der Elsaßer hatte das Paket von einem jungen Pariser , an den es geschrieben war , zum sicheren Verschluss bekommen .
Walten wußte sich so wenig zu lassen vor Beifallklatschen über den Stil der schönen Schreiberin , daß der Elsaßer am Ende beinahe selber glaubte , die Sache sei an ihn geschrieben ; aber jener tat es sehr deshalb , um nicht über die Liebe selber viel zu reden .
Da er als ein unerfahrener verschämter Jüngling noch glaubte , die Empfindungen der Liebe müßten hinter dem Klostergitter , höchstens in einem Klostergarten leben .
So sagte er nun im Allgemeinen : " die Liebe dringt wie Opferrauch , so zart auch beide sind , doch im dicken Regenwetter durch die schwere Luft empor " -- wurde aber ungemein rot .
" Suremet , sagte der Elsaßer , die Liebe strebt jeden Tag immer weiter . "
Flette ging noch weiter und zeigte sich seinem Gaste Gaste gar gedruckt , er wies ihm nämlich die feinsten Liebes-Madrigale , die er , wie er sagte , drucken lassen in Centesimo-Vigesimo Format und nie über einen [ FORMEL ] Bogen stark ; es waren Verseblättchen aus Pariser Zuckerwerk ausgeschält , wahre Süßbriefchen , deren Plagiat Flette sich dadurch erleichterte , daß er den süßen Einband aufaß .
Warum lässt die deutsche Poesie der französischen den Vorzug der süßesten Einkleidung ; warum wollen wir nämlich , wenn die Franzosen Zucker und Gebäck um ihre Verse wickeln , es umkehren und mit dem unsrigen Zucker und Gewürz einkleiden und einpacken -- könnte man hier fragen , wenn es der Ort wäre , hier zu antworten .
-- Walten pries unmäßig ; der Elsaßer schwamm auf Freudenöl , ertrank beinahe in Lobes-Salb-Oel .
Über jeden Genuß , den man den Menschen wohlwollend zubereite , waltet der Zufall der Aufnahme , des Gaumens , des Magens , der ihn verarbeitet ; hingegen für den Genuß eines aufrichtigen Lobes hat ohne Ausnahme jeder Mensch zu jeder Stunde Ohr und Magen aufgetan ; und er sagt Flegeljahre IV. Bd. 3 außer sich :
" Lob ist Lust , die das einzige ist , was der Mensch unaufhörlich verschlucken kann und muß . "
Flette nicht anders ; neuerfrischt zog er den Notar auf die Stadtgassen hinaus , um ihm einige Freuden zu machen und sich Platz .
Nämlich die alten Gläubiger jagten ihm so eifrig nach als er neuen ; da er nun die Maxime der Römer kannte , welche nach Montesquieu so weit als möglich vom Hause Krieg führten :
so war er selten zu Hause .
Beide durchstrichen die Morgenstadt ; und Walten wurde sehr wohl .
Da Flette der Stadt sich zeigen wollte -- nämlich den Kabels-All-Erbenharnisch in der Probewoche -- so sprach er mit vielen ein Wort ; und der Notar stand glücklich dabei .
Vor jedem Parterre-Fenster -- parterre , sagte Flette , sprechen die Deutschen ganz falsch aus -- klopfte er wie an einer Glastüre an und sagte dem aufmachenden Mädchenkopfe , dem noch die halbe Aurora des Morgenschlafs anschwebte , hundert gute Dinge , und die Tochter in der Morgenkleidung mußte am Fensterrahmen Fortnähen .
Oft gab er ohne weiteres Fragen Küsse von außen hinein -- was Walten für einen Grad von Lebensart hielt , den nur einige Günstlinge Frankreichs erreichten .
Rauchte ein ansehnlicher Mann in der Schlafseide mit der Pfeife aus dem zweiten Stock herab :
so sprach oder ging Flette hinauf und Walten tat es mit .
Jener kannte jeden lange ; denn bei dem Hochbürgerstande lehrte er die Kinder tanzen und beim Adel die Hunde ; letzterem ging er auch auf heiligeren Wegen nach , nämlich zur Altar-Partie .
Denn da der Haßlauer Adel , wie bekannt und sonst gewöhnlich ist , in corpore öffentlich auf einmal als eine heilige Tischgesellschaft und Kompagniegasse das Abendmahl genoß :
so war er hinterdrein und der letzte Mann , wie hinter den Bürgerlichen der Scharfrichter ; das einzige Mal ausgenommen , wo er wie ein Schieferdecker es bloß nahm , weil er einen Turm bestiegen .
Walten betrat nie mehr Zimmer als an diesem Morgen .
Sprengte ein Herr vorbei , Flette wußte ein Wort über den Gaul nachzuschicken , etwa dieses :
er hinke .
Stand ein Wagen fahrfertig :
Flette paßte bis man einstieg und verhieß nachzukommen aufs Landgut .
Kehrten verspätete Kaufleute von der Leipziger Messe zurück :
Flette ließ sie auf die Meß- Neuigkeiten von Haßlau nie so lange warten bis sie unter Dach und Fach waren , sondern er packte aus , während sie auspackten .
Walten wurde aller Welt vorgestellt und redete mehrmals .
Es wäre schwer zu glauben , daß beide an Einem Morgen so viele Besuche abgestattet haben , wäre nicht die Gewißheit da .
Sie gingen zu den Spitzen- oder Klöppelherrn H. Öchsle und besahen die Sachen und die hübschen Klopperinnen aus Sachsen und viele Knöpfe aus Eger , in welche Vögel halb mit Farben , halb mit eigenen Federn gefasst waren .
Walten hatte dessen schöne Fußtapeten ganz mit Stiefelspuren verschont durch einen einzigen tapferen Weitschritt , den er über sie sogleich in die gebohnte Stube tat .
Sie gingen ins Gartenhaus des Kirchenrat Glanz , wo Flette seine Latinität an dem Kupferstich eines Kanzelredners schwach zu zeigen suchte , indem er die darunter gesetzten lateinischen Verse und Notizen fertig und mit gallischer Aussprache ablas , ausgenommen bis zu den Worten mortuus est anno MDCCLX .
Denn wer solche fremde Zahlen-Zeichen mehr in eigener als in fremder Sprache ablesen muß , weil er diese nicht versteht , fällt halb ins Lächerliche bei aller sonstigen Gelehrsamkeit .
-- Er ging mit Walten zum Postmeister , bloß um , wie er gewöhnlich tat , nach Marseiller Briefen vergeblich zu fragen .
Dem Postsekretair las er eine schwere französische Aufschrift vor .
Walten pries dessen Akzent und Prononciation aufrichtig .
Auf der Straße machte ihm nun Flette zehn vergebliche Male vor , wie er wenigstens beide Worte zu akzentuieren und zu prononcieren habe .
Walten gestand , daß ihm mehr Ohr als Zunge fehle , drückte ihm die Hand mit dem Bekenntnis , daß er die meisten Franzosen gelesen , aber noch keinen gehört , und daß er deswegen so eifrig auf jeden Laut von Flette horche ; indes berief er sich auf den General Zablocki , ob er nicht vielleicht eine erträgliche Hand von Schomacker davon gebracht .
Darauf zeigte ihm Flette gegenseitig Germanismen der Phrasen , die ihm noch anklebten .
Sie gingen zur Stückjunkerin , bei welcher Walten neulich Saiten aufgezogen hatte .
Diese sprach von dem Tode ihres Mannes und der Einäscherung eines Palastes , den sie im belagerten Toulon gehabt , aus welchem sie nichts gerettet , als was sie zur Erinnerung ewig aufbewahrte , einen Nachttopf aus feinstem Porzellan .
Der Zug entzückte den Notar durch den vornehmen Zynismus , womit er in Hoppelpoppel Leute von Welt kolorieren konnte .
Selten sieht ein romantischer Anfänger einen alten General oder jungen Hofjunker im Zwielicht z. B. pissen , ohne sich an den Schreibtisch wieder zu setzen und wieder zu schreiben :
" Herren vom Hofe stellen sich gemeinhin im Zwielicht in Ecken . "
Man sprach viel französisch ; und Walten tat was er konnte und sagte häufig : comment ?
-- Flette zeigt ihm nachher den Germanismus in der Frage .
Sie gingen in die weibliche ihm durch Vult bekannte Pensions-Anstalt , worin noch mehr Gallizismen und noch mehr Schönheiten regierten .
Fletten war nicht nachzufliegen im freien Artigsein ; doch war_es ihm genug , nur nachzublicken und zwischen den Beeten voll Seelenlilien eng die eine Fuß zähe an die Ferse der anderen anzuschienen .
" Ach ihr Lieben ! " sagte sein Herz .
Was er nur hörte , entklang ihm so zart ; " aber dachte ' er , sind denn " Frauenzimmer anders ?
Mitten im unreinen " männlichen Weltleben , das alle Ströme und " Leichen aufnimmt , sind sie ja abgesondert voll " eigener Reinheit ; im salzigen Weltmeer kleine " Inseln voll frischen klaren Wasser ; o diese Geo " ten ! "
-- Als er heraus trat , wurden ihm auf einem goldenen Eßgeschirr des regierenden Fürsten leichte Sarschen , Roulette und Frikandellen aufgetischt -- für die Freßspitzen der Phantasie .
Das Geschirr -- das Geschenk eines alten Königs -- wurde nämlich jährlich zweimal öffentlich auf dem Markte abgescheuert und geputzt unter den Augen eines kleinen Kommandos zu Fuß , das seine Waffen hatte , um es gegen ungeratene Landeskinder zu decken .
Sie gingen zum Galanteriehändler Prielmayer und ließen sich von der Pracht der weiblichen Welt umgeben .
Ein so freier , leichter , alle Stände mischen der Vormittag war Harnischen noch nie vorgekommen ; ein Musenpferd nach dem anderen wurde seinem Siegeswägelchen angeschirrt und es flog .
Flitterns Leben hielt er von jeher für ein tanzendes Frühstück und für einen thé dansant ; sein eigenes hielt er jetzt für ein eau dansant .
Er genoß eben so sehr in Fletten -- den er sich wie sich begeistert dachte -- als in sich selber hinein ; die elsaßischen Sonnenstäubchen vergoldete und beseelte er zu poetischem Blütenstaub .
Zuletzt machte er neben ihm gehend , heimlich folgende Grabschrift auf ihn : Grabschrift des Zephirs .
Auf der Erde flog ich und spielte durch Blumen und Zweige um zu weilen um das Wölkchen -- Auch im Schattenland werde ich flattern um die dunklen Blumen und in den Hainen Elysiums .
Stehe nicht , Wanderer , sondern eile und spiele wie ich .
Um 10 Uhr brachte ihn Flette dem Hofe näher : " wir gehen in die champs elisees und nehmen ein dejeauner dinatoire . "
Es war ein bejahrter Fürstengarten , welcher den Weg zur ersten Chaussee im Lande gebahnt hatte .
Unterwegs fin gen zwar Warnungstafeln gegen Kinder und Hunde an ; aber in den champs elisees wurde erst ordentlich alles verboten , besonders die elysischen Felder selber , -- in keinem Paradies gab es so viele verbotene Bäume und Frucht- und Blumen- Sperren -- auf allen Gängen blühten oben oder keimten unten Kerker-Diplome und Aus- und Einwanderungsverbote -- unter Expektanzdekreten der Züchtigung durchkreuzte jeder als ein lustwandelnder Züchtling das Eden und feierte Petri Kettenfeier im Gehen und strapazierte sich hinter seinem Rücken -- mehr wie eine Wallfahrt durch Dante's Höllenkreise ( der Himmel blieb nirgends über dem Kopfe ) denn als ein katholischer Bußgang durch Christi Leidens-Stationen kam jedem unter dem schriftlichen Anschnauzen aller fluchenden Bäume und Tempel sein Lustwandeln vor -- -- ja der Mensch verstimmte sich zuletzt in den champs und kam fatigiert heraus .
War Walten je froh und frei :
so war_es in diesen Feldern ; sein innerer Mensch trug ein Thyrsus- Stäbchen und rannte damit .
Von allen diesen Warnungstafeln war nämlich nichts mehr da als die Tafel , das Holz , Stein , Blech ; die Warnung aber war gut vermooset , verrast , versandet .
Köstliche Freiheit und Freilassung beherrschte nun Eden , wie ihm Flette beschwor und bewies .
Die ganze Sperrordnung war bloß in jenen Zeiten an der Tagesordnung gewesen , wo große und kleine Fürsten -- ganz anders als jetzt die großen ( höflich zu sprechen , ) etwas grob gegen Untertanen waren , und wo sie als Ebenbilder der Gottheit -- welche darin eben nicht von dem Maler geschmeichelt wurde -- dem mehr jüdischen als evangelischen Gotte der damaligen Kanzeln ähnlich , öfter donnerten als segneten .
" Was die Herrschaft jetzt " etwa im Parke sehr lieb und gern hat , sagte " Flette , dies ist schon besonders recht eingezäunt , " so daß ohnehin niemand hinein kann . "
Beide nahmen ihr dejeauner dinatoire , Morgenbrot und Morgenwein , in einen offenen und lustigen Kiosk , unweit des Gartenwirts .
Der Notar war erwähnter maßen selig ; -- den auf- und absteigenden Tag- und Nachtgarten samt dem leichten wie herabgeflogenen Lustschlosse , das ein versteinerter Frühlings-Morgen schien , ferner die Wäldchen , woraus bunte Lusthäuschen wie Tulpen heraus wankten , desgleichen die gemalten Brücken und weißen Statuen und die Regelschnüre vieler Hecken und Gänge -- -- das konnte er dem Elsaßer , dem er_es zeigte , gar nicht feurig genug entfärben , je länger er trank .
Diesem gefiel natürlich ; denn gewöhnlich führte er seine Claude- Lorrain's nur mit dem einzigen Wort und Striche wacker aus : süperb ! --
Jeder aber hat seine andere Hauptfarbe der Bewunderung ; der eine sagt : englisch -- der andere : himmlisch ! -- der dritte : göttlich ! -- der vierte :
ei der Teufel ! -- der fünfte : ei ! --
Walten aber sagte , obwohl zu sich : " dies ist " von Morgen an , oder ich irre entsetzlich , das " wahre Weltleben Eleganter .
Bin ich nicht wie " in Versailles und in Fontainebleau ; und Louis " quatorze regiert zurück ?
Der Unterschied ist " schwerlich erheblich .
Diese Alleen -- diese Beete "-- Büsche -- diese vielen Leute am Morgen -- " dieser lichte Tag ! "
-- Walten war nämlich , der Himmel weiß von welchen Frühblicken des Lebens , eine so romantische Ansicht von der Jugendzeit des galanten liberalen , Länder , Weiber , Höfe besiegenden Ludwigs XIV. nachgeblieben , daß ihm dessen Jugend mit ihren Festen und Himmeln , wie eine eigene Vorjugend , schön als sanftes Feuerwerk in den Lüften vorschwebte , und wie der freie frische Morgen eines im Negligé spazierenden Hofs -- so daß ihn jeder Springbrunnen nach Marly warf , jede geschniegelte Allee nach Versailles , und hohe Fantanger Kupferstiche an Schranken-Wänden ins damalige Königs-Schloß , ja sogar die ausgeschnittenen aufgepappten Bildchen auf seinem Schreibtische flogen mit ihm in jene lustige Hof- , wenn auch nicht lustige Völkerzeit .
-- " Ist " nicht das Leben der Hofleute -- hat er sich mehr " Mals gesagt -- fortgehende Poesie , ( wenn an " des die französischen Memoires nicht lügen , ) Oh " ne pressende Nahrungs-Qualen und in geflü " gelten Verhältnissen , und die Hofmänner können " sich an jedem Musik-Abend verlieben und dann " am Garten-Morgen mit den herrlichsten Ge " liebten spazieren gehen ?
O wie ihnen die Göt " Tennen blühen müssen im frischen schminkenden " Morgenrot ! " Dadurch genoß er im Garten einen ganz anderen schon beerdigten ; als Feuerwerk hing das phantastische Nachbild über dem liegenden Vorbild .
Glücklicher Weise tat ihm Flette -- der in jeder Gesellschaft stets eine neue suchte -- den Gefallen , daß er mit dem Garten-Restaurateur in ein Gespräch geriet und ihn dadurch mit der köstlichen Einsamkeit zu einigen träumerischen Streifzügen beschenkte .
Wie freudig tat er diese !
Er sah alles und dabei an -- die grünen Schatten , von Sonnen-Funken durchregnet -- die fernen Seen , einige wie dunkle Augenlider des Parks , einige wie lichte Augen -- die Barken auf Wassern -- die Brücken über beide -- die weißen hohen Tempel-Staffeln auf Höhen -- die fernen aber hellhehrglänzenden Pavillons -- und hoch über allen die Berge und Straßen draußen , die kühn in den blauen Himmel hinauf flogen -- Sein Vormittag hatte sich stündlich geläutert , aus reinem Wasser zur Zephyr-Luft , diese oben zu Äther , worin nichts mehr war und flog als Welten und Licht .
Den Bruder hätte ' er gern hergewünscht -- Wina's Blick unter dem Wasserfall sah er am hellen Tage .
Er war selig ohne recht zu wissen wie oder warum .
Seine Fackel brannte mit gerader Spitze auf in der sonst wehenden Welt und kein Lüftchen bog sie um .
Nicht einmal einen Streckvers machte er , aus Flucht des Silbenzwangs , es war ihm , als würde er selber gedichtet , und er fügte sich leicht in den Rhythmus eines fremden entzückten Dichters .
In diesem inneren Wolklang stand er , vor einem sonderbaren Garten im Garten und zog fast nur Spiels-Weise an einem Glöckchen ein wenig .
Er hatte kaum einigemal geläutet : so kam ein reich besetzter schwerer Hofdiener ohne Hut herbeigerudert , um einigen von der fürstlichen Familie die Türe aufzureissen , weil das Glöckchen den Zweck einer Bedientenglocke hatte .
Als aber der vornehme Mensch nichts an der Türe fand als den sanften Notar :
so filzte er den erstaunten Glöckner in einer der längsten Reden , die er je gehalten , aus , als hätte Walten die Sturm- und Türkenglocke ohne Not gezogen .
Diesem war indes sein Inneres so leicht und fest gewölbt , daß das Äußere schwer eindringen konnte , nicht mit einem Tropfen in sein leichtes fliegendes Schiff ; zu Fletten kehrte er sogleich zurück .
Sie gingen heim .
Die großen Eßglocken riefen die Stadt zusammen , wie zwei Stunden später kleinere den Hof ; dies wirkte auf den satten Notar , der jetzt nicht zum Essen ging , sehr romantisch .
Gibt es einen wahren Mann nach der Uhr , der zugleich die Uhr selber ist , so ist_es der Magen .
Je dunkler und zeitiger das Wesen , desto mehr Zeit kennt es , wie Leiber , Fieber , Tiere , Kinder und Wahnsinnige beweisen ; nur ein Geist kann die Zeit vergessen , weil nur er sie schafft .
Wird nun dem gedachten Magen oder Manne nach der Uhr , seine Speise-Uhr um Stunden voraus oder zurück gestellt :
so macht er wieder den Geist so irre , daß dieser ganz romantisch wird .
Denn er mit allen seinen Himmels-Sternen muß doch der körperlichen Umdrehung folgen .
Das Frühstück , das ein Spätstück gewesen , warf den Notar aus einem Gleise , worin er seit Jahrzehenden gefahren war , so weit hinaus , daß vor ihm jeder Glockenschlag , der Sonnenstand , der ganze Nachmittag ein fremdes seltsames Ansehen gewann .
Vielleicht macht daher der Krieg den disziplinir ten Soldaten durch die Vorkehrung aller Zeiten in unordentlichen Ebben und Fluten des Genusses romantisch und kriegerisch .
Um die Vesperzeit erschien ihm der Schattenwurf der Häuser noch wunderlicher und in Fraissens Zimmer wurde ' ihnr die Zeit zugleich eng und lange , weil er wegen seiner untergrabenen Sternwarte nichts voraussehen konnte .
Er wollte wieder Monde , und begleitete Fletten in ein Billardzimmer , wo er verwundert hörte , daß dieser die Bälle nicht französisch zählte , sondern deutsch .
Hier entlief er bald aus dem mageren Zuschauen allein hinaus an das schöne Ufer des Flusses .
Als er da die armen Leute erblickte , welche an diesem Tage nach den Stadtgesetzen fischen durften ( obwohl ohne Hamen ) und Holz lesen ( obwohl ohne Beil ) : so erhielt er plötzlich an ihren heutigen Genüssen eine Entschädigung der seinigen , die ihm allmählich zu vornehm und zu müßiggängerisch vorgekommen waren : " auch ich habe , " dachte ' er , heute vornehm genug geschwelgt und " kein Wort am Roman geschrieben ; doch mor gen " gen soll ganz anders zu Hause geblieben wer " den . "
Die langen Abend-Schatten am Ufer und die langen roten Wolken legten sich ihm als neue große Schwingen an , welche ihn bewegten , nicht er sie .
Er durchstreifte allein die dämmernden Gassen , bereit zu jedem Abenteuer , bis der Mond aufging , und seine Mond-Uhr wurde .
Da war der Wirrwarr gelichtet , und der Magen wußte , welche Zeit es sei .
Vor Wina's schimmerndem Hause trug er das vielfach erregte Herz auf und ab ; da sank ihm in dasselbe eine stille Sehnsucht wie vom Himmel nieder und den lustigen Erden- Tag kränzte die heiligste Himmels-Stunde .
Nro. 53. Kreuzstein bei Gefrees im Bayreuthischen .
Gläubiger-Jagdstück .
Am Morgen freute sich Walten kindisch in den vergangenen Tag zurück , weil dieser durch eine kleine Wendung sein Leben so schillernd gegen die Flegeljahre IV. Bd. 4 Sonne gehalten , daß er eine Menge Tage an Einem verlebte , indes sonst viele hintereinander fliegende sich deckende Zeiten des Menschen kaum eine zeigen .
Heute aber blieb er zu Hause und schrieb sehr .
Das war Fletten nicht recht ; zu Hause bleibende Einsamkeit war ihm wohl Würze und Zukost der Gesellschaft , aber nicht diese selber .
Indes wer nicht nachahmt , wird eben nachgeahmt ; Walten hatte ihm mit seinem poetischen Saus und Braus so sehr gefallen -- ob er sich gleich als seine prosaische Sprech-Walze neben jenes dichterischer Spiel-Welle drehte und ihn selten verstehen oder beantworten konnte -- und dessen ungewöhnliches Anlieben und Anlegen hatte den umherfliegenden Menschen so sehr erwärmt , daß er selber mit zu Hause blieb , bloß bei ihm , ob er gleich besser als einer in der Welt voraussah , welche Gläubiger-Moskiten ihn heute stechen würden , da Mücken bekanntlich uns mehr im Stehen als Gehen anfallen .
Denn ein Grundgesetz der Natur ist dies : wer nichts baut als spanische Schlösser , rechne auf nichts als spanische Fliegen , welche so gewaltig ziehen .
Ein zweites Gesetz ist :
man kann nicht früh genug bei einem schlechten Schuldner vorsprechen , der eben Tags vorher Geld bekommen .
Es kam das gewöhnliche wütende Heer , das er Elsaßer immer als ein geheiltes zurück schicken mußte , zu rechter früher Tageszeit an ; und Flette konnte es hier wie überall in der besonders dazu gewählten Audienz-Kammer empfangen , um solchem das einzige zu geben , was er hatte , Gehör .
Bloß letzteres mußte wieder der Notar versagen , der eifrig-taub fortdichtete , während Flette von weitem seine Schlachten schlug .
Es lohnet der Mühe , die Feldzüge flüchtig zu erzählen , welche der Elsaßer an einem Tage tat , bevor er Abends das warme Winterquartier des Betts bezog .
Der linke Flügel des täglich angreifenden Heeres war aus Juden geworben ; und den rechten formierten Zimmer- und Pferde- und Bücher-Verleiher und sämtliche Professionisten des menschlichen Leibs und deren Fisch-Weiber ; und an der Spitze zog als Generalissimus ein Mann mit einer Trotte ; -- die offiziellen Berichte davon sind aber folgende :
Am Früh-Morgen im Nebel griff ein Quarre Juden an ; leicht schlug er sie mehr mit grobem Kriegsgeschrei als feiner Kriegslist zurück und sagte nur : " sie wären nur Juden , und er habe noch nichts , und was sie weiter wollten ? "
Beim Frühstück mit Walten berennte ihn ein Uhrmacher , von welchem er eine Repetier-Uhr gegen seine Zeige-Uhr und Geld-Assignate eingekauft hatte .
Flette schwor , sie repetiere schlecht , seine sei ihm eben so lieb -- auch repetiert eine Zeige-Uhr wenigstens das Zeigen -- und bot Auswechslung der Gefangenen an .
Da nun der Mann die stumme schon selber verkauft hatte -- Flette freilich auch die laute : -- so zog sich der Feind mit dem Verlust einer Uhr zurück .
Später sah er zu seinem Glücke aus dem Fenster und die Bewegungen des berittenen Feindes , eines Pferde-Verleihers .
Er empfing ihn in der Audienz-Kammer , bekannt mit dessen einhauender Stimme und Kriegsgurgel ; erstickte aber dessen Feldgeschrei durch die Dampfkugel , die er so warf : " lieber Mann ! kennt Er die Ecktanne in " Kabels Wald , die eben mein Erbstück gewor " den , samt vielem anderem des Künftigen zu " geschweigen -- Eine Mühlwelle drechselt sich " daraus her ! --
Was brauchts Redens !
Kurz " ich hatte sie schon halb einem anderen Verspro " chen ; Er soll aber das Vorzugsrecht haben -- " Schätze ' Er sie -- dann gebe Er nach Abzug der " Schuld heraus , was honett ist -- was sagt " Er , mein Freund ? "
-- Sein Feind versetzte , das sei einmal ein Wort , das Hand und Fuß habe und räumte das Feld .
Hart hinter ihm trabte ein zweiter Pferdelieferant ein , in langem , blauen , über dem Schurzfell aufklaffenden Überrock , und schob grimmig und grüßend die Ledermütze von hinten über die halbe Stirn hinein : " wie wird_es , fragt er ?
" Finten und Quinten schlagen heute nicht an bei " mir . "
-- " Gemach ! versetzte Flette .
Kennt " Er die Ecktanne etc .
-- Eine Mühlwelle drech " selt etc. -- kurz , ich hatte sie schon etc. " -- Der Feind versetzte : ist_es aber Vexiererei :
Gott soll -- Gott befohlen !
Mit einer harthörigen Altreißen turnierte er gefährlich , weil ihr Geschrei nur mit einem soll chen empfangen werden mußte , daß Walten es vernehmen konnte .
Zum Glück konnte er einen alten vergoldeten Schaupfennig -- der schon 100 Mal seine Belagerungsmütze und sein Hecktaler gewesen -- herausziehen und ihn hinhalten und bloß ins Ohr schreien : " wechseln -- Abends 6 Uhr ! "
Doch feuerte sie auf dem Schlachtfeld noch lange fort ; weil sie sich nie verschoß .
Die weibliche Bellona ist furchtbarer als der männliche Mars .
" Nur hierher ! " rief er ; ein kurzstämmiger , rundbackiger , runder Apothekers-Junge kugelte sich herein .
" Allhier überbring ich als Dißipel " unserer Hechttischen Offizin laut Rechnung die " Rechnung für die arme Bitterlichen in der " Hopfegasse , weil sich mein Herr Prinzipal bei " stens empfiehlt und die Heilungskosten dafür zu " haben ersucht .
Es ist nur von wegen unserer " Ordnung in der Offizin ; denn übermorgen wer " de ich bekanntlich zum Subjekt gesprochen . "
Vor dem sanften Feinde streckte er das Gewehr , eine halbe Pistole ( auf alten Pistolenfuß ) , sagte aber : " H. Hecht lässt sich seine versilberten Pillen stark vergolden .
Den Geburtshelfer -- richtet Er_es aus -- habe ich schon saldieret . "
Guter , guter Mann ! sagte Walten .
" Die Frau war ja in den kümmerlichsten Umständen von der Welt und heute noch ; und ist nicht einmal hübsch dabei , " sagte er .
Ungesehen war eben ein Heerbann eingerückt , Einen Banner stark , der so anfing : " Gehorsa " mehr ! --
Ein für allemal , der Mensch läßt sich " in die Länge nicht hänseln .
Seit Pauli Bei " Kehrung bin ich Sein Narr und laufe nach dem " Bisschen Mietzins .
Herr , was denkt Er denn " von Unsereinem ? " --
Weiß Er wohl , versetzte Flette , daß ich nur Messenweise zahle und " überhaupt mich gar nicht mahnen lasse , Er ?
-- " So ? erwiderte der Banner .
Ich und noch drei " Hausherren und der Stiefelwixer haben uns " schon zusammengeschlagen und die Schuld dem " Armen-Leute-Hause vermacht . "
-- " Wahhas , " ungehobeltes Pack , sang Flette dehnend ?
Das " ist mir ja recht lieb .
Eben gab ich dem Heg " tischen Subjekt ( der Herr da zeugt ) ein halbes " Goldstück für die blutfremde blutarme Bitter " lich ; was geht sie mich weiter an ? " --
Hier hielt er ihm den einen , mit einem Ringe zugeschraubten vollen Beutelpol mit der Erklärung vor , der Zins sei hier für ihn schon bereitgezählt gewesen , jetzt bekomme er keinen Deut ; -- worauf der Feind nach vergeblichen Einlenkungen , das Armenhaus habe nichts Schriftliches , ohne alles klingende Spiel abzog , äußerst verdrießlich , daß der Beutel , wie bei den Türken , das Geld selber bedeutet habe .
Diesem folgte der 23te Herr , der Territorialherrschaft über ihn ausgeübt -- dem 23ten sukzedierte der 11te -- diesem der fünfte , -- jeder , um den Grundzins , die Quatembersteuer , das Stättegeld für den Winkel seines Staatsgebäudchens einzutreiben .
Groben Herren gab er nichts als die Antwort , unter ihnen sei in die Zimmer mehr der Wind als das Licht eingedrungen , die Aufwartung schlecht und die Möbeln alt gewesen .
Höfliche bezahlte er für ihre Territorialrechte mit Territorialmandaten auf die 10 Erb-Stämme , mit den Bonbons der Bons .
Darauf kam der Herr , der vor dem Türmer regiert hatte , ein frommer Hüter , mit zwei großen grauen Locken , welche aus dem knappen Lederkäppchen vorwallten , und bat ihn um ein Darlehn , gerade die Hälfte der Schuld .
Flette gab ihm das Geld und sagte : " ohnehin restiere ich , entsinn ich mich recht , noch etwas , Herr Hüter . "
" Es wird sich finden , " sagte er .
Nach dem Vesperbrot lief ein Bücherverleiher Sturm und Gefahr .
Er forderte für ein Buch à 12 gr. und 12 Bogen genau 2 Thlr. Lesegeld auf 2 Vierteljahre .
Flette hatte nämlich nach seiner Weise , keine Sache abzuborgen , die er nicht ihrer Bestimmung gemäß wieder verborgte , das Werk so lange umlaufen lassen --
denn jeder ahmte ihm nach -- daß es verloren war .
Umsonst erbot er sich zum Drittel , zum Kaufe ; der Verleiher bestand auf Lesegeld und fragte , ob viel mehr als ein Pfennig auf die Seite komme ?
Selber Walten suchte den Verleiher von seinem " Eigennutzen " zu überzeugen .
" Eigennützig ? das verhoff ' ich eben ; vom Eigennutzen lebt der Mensch , " sagte der Verleiher .
Flette ließ ihn ganz kurz ab- und wild in die nächste Gerichtsstube hineinlaufen , nachdem er bloß zehn Neu Jahrswünsche und fünf Kalender , die er zur Auswahl gehabt und behalten , großmütig bezahlet hatte .
Kurz vor 6 Uhr wollte das Paar ein wenig in die Luft , von der Flette am liebsten lebte ; auf der Hausschwelle bebte der Pinselmacher Purzel -- jüngerer Bruder des Theaterschneiders -- ihnen entgegen mit einem ausgehöhlten Gesicht wie ein Hohlglas ( Stirn- und Kinn-Ränder waren konvex ) -- das schabte Überröckchen auf die linke Seite hinübergeknöpft -- mit einem langen Fadenwurm von Zopf aus Zopfband -- und wackelnd mit dem rechten Knie :
" Ihre gnädigen Gnaden , " fing das Jammerbildchen an , werden meinen " Miniatur-Pinsel vorgestern herrlich und nett " erhalten -- Ich stehe davor , daß der Pinsel " ganz vortrefflich einigermaßen -- und bitte denn " um das Wenige , was er kostet , und auch , " daß Sie mir bei dieser Gelegenheit etwas schen " ken . "
-- " Hier ! " sagte Flette zum stillen lebendigen Friedensfest , ja ruhigen R. Friedensprotokoll , zu Purzel dem Jüngeren .
Abends machte den Waffentanz der Kaffee Tier Fraise mit einem Großvatertanz aus .
Er kam herauf , um höflich anzumerken , es sei seine herkömmliche Weise , Gästen aus der Stadt jeden Abend die Rechnung zur Einsicht vorzulegen , damit sie solche sähen und saldierten .
Walten sah hier zum erstenmal einen französischen oder elsassischen Zorn ohne Ohren ; es war ein stürzendfortrollender Streit- und Sichelwagen , woran Flüche , Schwüre , Blicke , Hände , auf- und niederschlugen und zersäbelten .
Fraisen wurde das nötige Geld vor die Füße , ja an den Kopf geworfen , dann eingepackt und fluchend fortgezogen in des verreisten D. Huts leeres Haus .
Walten wehte durch seine niederblasenden Friedenspredigten die Flammen nur höher auf .
Eine verlebte Stunde war für Flette der einzige Epiktet. Nro. 54. Surinamischer Aeneas .
Malerei -- Wechselbrief -- Fehdebrief .
Licht und leicht flogen die Hören in D. Huts vielgehäusigem Hause ein und aus und holten Honig .
Hier , in diesem sonnenhellen Eiland der unschuldigen Freude sah Walten keinen höflich-groben Fraise -- hörte keinen Geld-Werber und Geld-Jäger , der das durch Kontrakte eingezäunte Wild pürscht , keinen aus den fünf ( Mosis- Bücher- ) Klassen der Gläubiger , die uns ewig an die Lebens-Darre und Dörrsucht erinnern -- hier hörte er nur Liedchen und Sprünge ; hier waren ganze Sackgäßchen aus dem neuen Jerusalem .
Denn was aus dem alten teils von Juden , teils von Christen einwanderte , konnte er nicht hören , weil Flette sich von seinen Arsenikkönigen der Metalle , den Gläubigern , bloß in einem fernen Schmollwinkel vergiften ließ .
Im ersten Stockwerke wohnte die streitende Kirche , Flette und die Könige ; im dritten die triumphierende , Flette und Walten .
Indes brachte der Notar es doch nicht so weit , daß er gar nichts gemerkt hätte .
" Ich wollte , ich wäre kurzsichtiger , ( sagt ' er sich ) ; bedenkt man , wie froh und freigebig der gute Mensch schon ist in Drangsalen und wie er_es vollends wäre ohne die geringsten Qualen -- denn wahrlich gewisse Menschen hätten Tugend , wenn sie Geld hätten -- ; und mit welcher Süßigkeit er vom Reichsein spricht : wahrhaftig , so wüsste ich keinen schöneren Tag als den , wo der arme Narr die höchsten Geldkästen und Geldsäcke plötzlich in seiner Stube stehen sähe .
Wie könnten einem solchen Menschen schon die Zinsen von den Zinsen der Zinsen der englischen Nationalschuld aufhelfen ! "
Er fragte , warum , da alle Leiden Ferien finden , denn die eines deutschen Schuldners nie absetzen , indes in England doch der Sonntag , ein Ruhetag des verschuldeten Ohrs ist , wie so gar um die Verdammten ( nach der jüdischen Religion ) am Sabbat , am Feste des Neumonds und unter dem wöchentlichen Gebete der Juden die Hölle erstirbt und ein sanfter kühler Nachsommer des begrabenen Lebens über die heißen Abgründe weht .
Lieblich überwallte ihm das Herz , wenn er sich das Seelenfest ausfärbte , womit er den Flötenspieler durch den Elsaßer und diesen durch jenen zu beschenken hoffte , wenn er Volten die unschuldige liberale poetische Lebensfreiheit Flitterns beschwüre und diesem einen Spiel- und Edelmann zugleich zuführte :
" o ich will dabei dem wackeren Bruder das Bewußtsein und Geständnis , geirrt zu haben , so sanft ersparen ! " sagte er entzückt .
Immer wärmer lebten beide sich in die Woche und in einander hinein , sie hätten die Probewoche lieber wiederholt als geendigt .
Fletten war das liebende , warme Wesen , womit Walten wie mit einer elektrischen Atmosphäre umgeben war , etwas neues und anziehendes ; er konnte zuletzt schwer mehr ohne ihn aus dem Hause .
Walten machte daraus desto mehr , je weniger beide eigentlich , wie er fühlte , einander unterhalten konnten ; ihre Nervengewebe hatten sich strickt , sie waren wie Polypen in einander gesteckt ; doch fraß jeder so auf eigene Rechnung , daß keiner weder der Magen , noch die Nahrung des anderen war .
Es kam der letzte Probe- und Flitterwochentag .
Walten scheute alles letzte , jedes scharfe Ende , sogar einer Klage .
Ein Ripienist von Vults Spiele in Rosenhof hatte dessen Eintreffen verkündigt .
Auch der D. Hut wollte Nachts anlangen .
Einige schöne Mitternachtsröte stand ihm bevor .
Flette bat ihn , diesen letzten Nach mittag , wo sie beisammen wären , ihn zu Raphael zu begleiten , welche ihm heute flüchtig sitze zu einem schlechten Miniatur-Portrait für den Geburtstag ihrer Mutter : " wir 3 sind sü " perbe allein , fügte er hinzu .
Wenn ich nun " Male , parlier ich wenig ; und doch animiert " Reden ein Gesicht unglaublich . "
Ob Walten gleich wenig delikate Welt darin fand , daß man ihn als Sprach- und Reiz-Maschine vor ein Sitzgesicht aufzustellen trachtete :
so folgte er doch .
Er war_es schon gewohnt seit einer Woche , einige Male des Tags zu erstaunen über Mangel an zartester Denkart , sowohl auf dem Markte als in den besten Häusern , welche äußerlich einen glänzenden Anstrich und Anwurf hatten .
Mit Vergnügen kam er in dem eigenen Hause wie in einem fremden an .
Raphaela lächelte beiden von der obersten Treppe herab und führte sie hastig in ihr Schreibzimmer hinein .
Hier waren schon widersprechende Weine , Eise und Kuchen gehäuft .
Da eine Frau leichter das Herz als den Magen eines Mannes errät :
so weiß sie freilich nicht , was er Abends um 4 Uhr am liebsten trinkt .
Ein Bedienter nach dem anderen sah durch die Türe , um einen von Raphaelens Wünschen zu holen und erfüllt zurück zu bringen .
Die ganze Dienerschaft schien ihre Regierung für eine goldene von Saturn zu halten ; man sah einige von der weiblichen sogar im Park spazieren gehen .
Die immer voller ins Zimmer hineinströmende Abendsonne und der Freudenglanz , der jedem Gesichte steht , bewarfen das Mädchen und die Situation mit ansehnlichen Reizen .
Flette war gegen Raphaela nicht die Falschheit selber , sondern ein Fünftelsaft von Wesen -- nämlich ein Fünftel galant , ein Fünftel gut , eines sinnlich , eines Geldsüchtig , ein Fünftel ich weiß nicht was als sie zu Walts Entzücken gesagt hatte :
" Schmeicheln sollen Sie meinem Gesichte nicht , es hilft nichts ; machen Sie es nur , daß ma chère mère es wieder erkennt . "
-- Im Notar kroch heimlich die stille Freude herum , daß er jetzt gerade unter seinem eigenen Zimmer stehe , im Hause zugleich Gast und Mietsmann , daß er ferner nicht die kleinste Verlegenheit spüre -- denn Flette war ihm nicht fremd und über Eine Frau war war schon zu regieren -- und daß die schönsten Düfte und namenlosesten Möbeln jede Ecke schmückten : " hätte ich aber dies sonst als Bauernsohn aus Elterlein denken sollen ? " dachte er .
Flette zog nun das Elfenbein und das Farbenkästchen hervor und erklärte dem Modelle , je freier und belebter es sitze , desto besser glück es dem Maler .
Indes hätte sie eben so gut auf dem Nordpol sitzen können , er aber auf dem Südpol kleben : die Ähnlichkeit wäre ihm nicht anders gelungen ; er , überhaupt kein malerischer Treffer , wollte nichts treffen als das , was sie anhatte .
Sie setzte sich hin und verfertigte das Sitz-Gesicht , das die Mädchen unter dem Malen schneiden .
Die noble masque , womit sich alsdann der Mensch überstülpen will , ist das Kälteste , wozu er je sein Gesicht aushauet , so daß seltener Menschen als ihre Büsten porträtiert werden .
Dieses Gesicht heißet in weiblichen Pensions-Anstalten das Sitz- Gesicht der Mädchen ; -- dann kommt das gespannte Frisiergesicht -- dann das essende Butterbrod-Gesicht , eines der breitesten -- endlich zwei Ballgesichter , das eine , die Wetterseite , für die Flegeljahre IV. Bd. 5 Putzjungfer , das andere , die Sonnenseite , für den Tänzer .
Walten kam jetzt in Gang und ins Feuer , und zwar , um selber zu malen , nicht um andere malen zu helfen .
Er kelterte -- vortrefflich genug -- Auszüge aus seiner neuesten Reise um die Welt und mischte beiher ein , daß er ihre Freundin , Wina , unter der Katarakte gesehen .
Unter allen Erzählern und Unterhaltern sind Reisebeschreiber die glücklichsten und reichsten ; in eine Reise um [ FORMEL ] der Welt können sie die ganze Welt bringen und niemand kann ihnen ( zweitens ) widersprechen .
Der Notar wollte sich seiner malerischen Stärke in Sommer- und Herbst- Landschaften -- Flette lieferte die Winter-Landschaft -- noch stärker bedienen und setzte zu einem wandbreiten goldenen Bergstücke der Rosenhöfe Berghörner an ; -- aber Raphaela war ganz entzückt davon und brachte die Rede bald auf ihre Freundin Wina , um solche allein fortzuspinnen .
Sie erhob deren Reize und Handlungen mit Feuer -- sie zeigte ein Mahagonny-Kästchen , worin deren Briefe lagen -- sie wies die sogenannte Winens-Ecke im Winkel , wo diese gewöhnlich saß und zwischen der Park-Allee der untergehenden Sonne nachsah -- sie glänzte ganz liebend und warm . --
Der Notarius war ziemlich schwach bei sich ; nach seinen stillen Augen zu urteilen , jubelte er laut , feierte er Bacchanalien , trieb artes semper gaudendi , lieferte Lusttreffen , sprach sich selber die Seligsprechung -- ja er ging so weit , daß er sich zufällig hinein setzte in Wina's Ecke -- Der Jubel wuchs ganz .
Man trank fort -- in jeder halben Viertelstunde machte ein Diener die Türe auf , um einem zweiten späteren Befehle wegzufangen .
Flette wußte gar nicht , wie er auf einmal zu der Glückseligkeit gelangte , daß man so viel sprach ohne alles Langweilen zum Henker , und daß Raphaela sich so herrlich enthusiasmierte .
Zufällig rückte Walten den Fenster-Vorhang und eine Sonne voll warmer Tinten übergoß Raphaelens Gesicht , daß sie es wegkehrte ; auf sprang Flette , wies ihr ihr Sbozzo , fragte , ob es nicht halb aus den schönen Augen gestohlen sei .
" Halb ?
Ganz ! " sagte Walten aufrichtig , aber einfältig ; denn sie hätte demselben Bildchen eben so gut mit dem Hintere-Kopfe und Stahlkamm gesessen .
Der Elsaßer gab ihr darauf einige Küsse öffentlich .
Er tat es vermutlich zu abrupt , dachte zu wenig daran , daß auch erblickte Empfindungen -- so gut als gelesene -- vor dem Zuschauer wollen motiviert sein ; Walten sah eiligst in den Park und stand endlich gar auf .
" Ich wäre ja ein Satanas , dachte er , ließ ich sie nicht einander abherzen " und schlich unter einem landschaftsmalerischen Vorwand ein wenig auf sein Zimmer .
Flette machte sich , so bald er die Türe zugedrückt , vom schönen Munde wieder ans Malen desselben und punktierte fleißig .
" Wie müssen jetzt die Seligen , sagte oben Walten , " einander an den Herzen halten , und die Abend " Sonne glüht prächtig dazwischen hinein ! "
-- In seine eigene Stube quoll das Füllhorn der Abendrosen noch reicher und weiter aus ; dennoch standen seine verschlissenen Zimmer-Pieces ( die Wohn- und die Schlaf-Kammer ) im Abstich von der eben verlassenen Putz-Stube und er Maß die Kluft seines äußerlichen Glücks .
Er wurde weich , und wollte aus Sehnsucht , die Liebe wenigstens zu sehen , eben eilig hinunter , als Vult hereintrat .
Ans Herz , ins Herz flog ihm Walten : " ach so himmlisch , sagte er , daß du jetzt eben kommst ! "
Vult mit sanfter Stimmung zurückkehrend , tat zuerst ( nach seiner Gewohnheit ) die Fragen nach fremder Geschichte , ehe er die nach eigener auflöste .
Walten teilte frei und froh den Ablauf des Notariats-Amtes und den Verlust der 70 Stämme mit .
" Schlimm ist_es nur , sagte Vult gelas "sen , daß ich gerade selber verschwende und Geld " verachte ; sonst würde ich dir aus Vernunft , " Gewissen , Geschichte zeigen , wie sehr und wie " recht ich meine Ebenbildnerei an anderen , z. B. " an dir verfluche .
Verachtung des Geldes macht " weit mehrere und bessere Menschen unglücklich , " als dessen Überschätzung ; daher der Mensch oft " pro prodigo , nie pro avaro erklärt wird . "
-- " Lieber ein volles Herz als einen vollen Beutel ! " sagte lustig Walten , und sprach sogleich von der neuen Erbamts-Wahl , und von der schönen Flitte's-Woche , und vom Lobe des Elsaßers : " wie oft , beschloß er , wünscht ich dich her in " unsere heimlichen geflügelten Feste hinein ; auch " damit du ihn weniger hart richten lerntest ; denn " dies tust du , Lieber ! "
" Flette scheint dir erhaben ? ein Seelenklos " sicker oder so ?
Und seine Lustigkeit poetisches Se " gel- und Flugwerk ? fragte Vult .
Ich habe " in der Tat , versetzte Walten , recht gut seinen " schönen Temperaments-Leichtsinn , der nur Ge " genwart abweidet , von dem dichterischen Leich " ten Schweben über jeder unterschieden ; er freue " te sich nie lange nach . " -- -- " Hat er dich in deiner Probe-Woche , " die du dir selber sehr gut ohne allen fremden " Rat gewählt , keine bedenklichen Sprünge ma " chen lassen , die etwa Bäume kosten ? " sagte Vult .
" Nein , versetzte Walten , aber französische Fehltritte hat er mir abgewöhnt . "
Hier fuhr Notarius fort und bediente sich der fragenden Figur , ob Flette ihm nicht das Feinste entdecket habe , z. B. daß man nie oder selten comment fragen müsse , sondern höflicher Monsieur oder auch Madame ? Habe Er_es nicht gerügt , fragte Walten , als er so ganz unfranzösisch bon appetit wünschte , oder eine Kammerfrau , femme de chambre zur Kammerjungfer machte , oder einen Friseur nicht coeffeur hieß ? Habe
Er ihm nicht gut erklärt , warum porte-chaise dumm sei , weil man die Wahl habe zwischen einer chaise à porteur und porteurs de chaise ?
" Ich glaube nicht , sagte Vult , daß dich " diese Sprachstunden mehr kosten als den Rest " des Kabel-Walds . "
-- " Ein Hund wolle Er " heißen , sagte Walten , schwor mir Flette , benütz ' " Er_es .
In der Rechtschreibung aber dient ich " Ihm , z. B. Jabot schrieb er chapeau .
Ach , " bekäme der Arme nur weniger Gläubiger und " mehr Geld ! "
" Das wird eben deine Klippe " auf ihm , sagte Vult .
Wer arm wird -- nicht " wer_es ist , -- verdirbt und verderbt , und wäre_es " nur , weil er jeden Tag einen anderen Gläubiger " oder denselben anders zu belügen hat , um nur " zu bestehen .
So feiert er jeden Tag ein Fest der " Beschneidung fremder Narren .
So muß auch " jeder Schuldner ungemessen prahlen ; er muß " mit Leibnitzens Dyadik die 8 ( z. B. Gulden ) " mit 1000 schreiben .
Welche Reden -- jeden " Tag eine andere -- habe ich oft denselben Schuld " Mann an seinen Faust- und Pfand-Gläubiger " halten hören und seine herrliche Unerschöpflich " keit Dichtern und Musikanten gewünscht , womit " er dasselbe Thema -- daß er nämlich eben nichts " habe -- so köstlich und süß immer mit Varia " zionen vorzuspielen verstanden ! "
-- " Ich lasse dich erst ausreden , " sagte Walten .
" So beschoß z. B. , um es kurz zu machen "-- fuhr Vult fort -- der polnische Fürst *** in " W. jeden Gläubiger anders ; denn ich stand da " bei , gemeines tiefes Volk beschoß er teils mit " dem Dragon , der 40 Pfund schießt , teils mit " dem Dragon volant , der 32 -- nämlich er war " grob gegen das Grobe -- Honorazioren , beson " des Advokaten , denen er schuldete , griff er " teils mit der Coulevrine , die 20 Pf. schießt , " teils mit der demi-coulevrine an , die 10 -- " höher hinauf gebraucht er den Pelikan , der 6 "-- den sacre von 5 -- den sacert von 4 -- " und gegen seines Gleichen einen Fürsten , den " ribadequin , der 1 Pf. schießt . "
" Nun , begann Walten , darf ich dir doch mit eine " ger Zufriedenheit berichten , daß der gute Mensch , " weit entfernt hartherzig zu sein , eben durch " Arme selber ein Armer wird .
Aus lauter guter " Freude über ihn , bezahlte ich hinter seinem " Rücken zwei Damenschneiderinnen ; denn er sel " ber braucht doch nur einen Herrenschneider , und " zwar Einen ; so aber überall ; z. B. die Bitte " terlich . "
Da entbrannte der Bruder -- sagte , dies sei vollends der Satan , im Dezember Häuser anzuzünden , um einige Brände an Hausarme auszuteilen -- niemand verschenke mehr , als Personen , die man später henke -- nichts sei weicher als Schlamm , der versenke -- Tyrannen , solche Tränen-Räuber , sängen und klängen wie Seraphim , aber mit Recht , da Seraphim feurige Schlangen bedeuteten -- und haß er etwas , so sei es diese Mischung von Stehlen und Schenken , von Mausen und Mausern -- -- " O Gott , Vult ! -- sagte Walten -- kann " der Sterbliche so hart richten ? --
Soll denn " ein Mensch sich gar nicht ein wenig liebhaben " und etwas für sich tun , da er doch den gan " Zähne Tag bei sich selber wohnt und sich immer " hört und denkt , was ihn ja schon mit den nie " drigsten Menschen und Tieren zuletzt versöhnt , " nämlich das Beisammensein ?
Wer nimmt sich " dann eines armen Ich_es von Ewigkeit zu " Ewigkeit so sehr an als dieses Ich selber ?
"-- Ich weiß recht gut , was ich sage ; " und jeden Einwurf .
Doch basta ! --
Nur " möchte ' ich wissen , wenn man wie du , schon " kalt und ohne Leidenschaft die armen Menschen " so rauh richtet und nimmt :
was dann werden " soll in heftiger Hitze , wo man von selber über " treibt ?
Vielleicht wie mit deiner Uhr , wovon " du mir sagtest , daß der Stift , bloß weil er " eben und recht passe , in kalter Zeit gut tue , " aber in der Hitze , weil er sich ausdehne , das " Werk aufhalte . "
" Solltest du nicht getrunken haben ? -- sage "te Vult .
Du sprichst heute so viel ; aber in der " Tat sehr gut . "
Nun bat ihn Walten , selber mit zu trinken , und mit ihm hinab zu gehen , um sich drunten mit eigenen Ohren von seinem schönen Leben mit Flette zu überreden .
" Der Tollheit wegen , tue ich_es , versetzt er , ob ich gleich weiß , daß ich beiden bürgerlichen Narren einen Eitelkeits-Jubel über die Herablassung eines adeligen bereite ; du aber mußt mich mit einer Feinheit zu entschuldigen wissen , die kaum zu schätzen ist . "
"H. v. Harnisch -- führte drunten Walten ihn ein -- fand mich in meinem Zimmer : wie sollte ich , Demoiselle , nun mein Vergnügen schöner teilen , als daß ich_es mit Ihm und mit Ihnen zugleich teilte . "
Er warf dies so leicht hin und bewegte sich so leicht auf und ab -- auf den teils von Flette bisher polierten Rädern , teils auf den vom Wein eingeölten -- daß Vult ihn heimlich auslachte und sich dabei ärgerte ; er verglich still den Bruder mit Minervens Vogel , mit einer Eule , der der Vogelsteller gewöhnlich noch einen Fuchsschwanz anheftet .
Das erstemal , da ein Mensch , den wir vorher als unbeholfen gekannt , uns beholfen und gewandt vorübertanzt , will er unserer Eitelkeit durch einen Schein der seinigen nicht sonderlich gefallen .
Vult war sehr artig -- sprach über Malen und Sitzen -- lobte Flettes Miniatur-Punkter Kunst als ziemlich ähnlich , ob die Farben-Punkte gleich so wenig als roter und weißer Friesel ein Gesicht darstellten -- und lockte dadurch den Bruder , der aufrichtiger lebte , in den Ausbruch der schelmischen Zartheit hinein :
" Raphaela ist ja nicht weit von Raphael . "
Als jene indes nach ihrem Trauerreglement der Lust , sich ihr Freudenöl in Tränentöpfen zu kochen , auf des Flötenspielers Musik , dann schnell auf die Blindheit und deren schönen Eindruck auf andere verfiel , und sich nach seinem Augen-Stand erkundigte : unterbrach Vult sie kurz : " das war nur ein Scherz für mich und ist vorüber . . . . . . H. Notar , wie können wir beide so müßig dastehen und reden , ohne zu Malen zu helfen ? "
-- " H. von Harnisch ? " fragte Walten , ohne comment zu sagen .
" Kann denn nicht einer von uns , Freund , vorlesen , versetzte Vult , -- ist nichts dazu da ? --
und ich dazu die Begleitung blasen ? --
Wie oft sah ich auf meinen Reisen , daß Personen , welche saßen , sich hoben und entfalteten , weil nichts die Physiognomie , welche der Maler auffangen will , in ein so schönes Leben setzt , als eine mit Musik begleitete Vorlesung von etwas , das gerade anpaßt ! "
-- Raphaela sagte , sie nehme freilich ein Doppelgeschenk von Musik und Deklamation dankend an .
Vult faßte einen nahen Musenalmanach , -- blätterte -- sagte , er müsse klagen , daß in allen Musenkalendern leider der Ernst zu hart mit dem Spaß rangiere , wie in J. P. .s Werken , wolle aber Hoffnung geben , daß er vielleicht durch Töne zu diesen Mißtönen Leittöne herbeischaffe -- und reichte Walten eine Elegie , mit der Bitte , sie vorzulesen und darauf unbekümmert die satirische Epistel und dann das Trinklied .
Da dieser erfreuet war , daß er seinem Feuer eine Sprache , obwohl eine nachsprechende , geben durfte :
so verlas er so , heiß , laut , und taub das sehr rührende Gedicht , daß er gar anfangs nicht vernahm , mit welchen närrischen [ FORMEL ] Takten , Ballett-Passaten , sogar mit einem Wachtelruf ihn der Bruder flötend sekundierte .
Erst als er die satirische Epistel vorlas , hörte er in der Kälte einigen Wider-Ton , daß nämlich Vult dem Witze mit Lagrimosi's Passagen und eine gen Silben aus Haydn's 7 Worten zur Seite ging ; er nahm sie aber für Überreste voriger Rührung .
Dem Trinkliede nachher setzte Vult mehrere Languido's-Halte , gleichsam schwarz und weiße Trauerschnee an .
Der Widerstreit preßte den Zuhörern einen gelinden Angstschweiß aus , der eben , wie Vult fest behauptete , ein Gesicht , das sitze , beseele .
Aber plötzlich trat ein ganz anderer Miß- und Dur-Ton , der vier Fuß lang war , höflich mit dem Hut in der Hand ins Zimmer .
Es kam nämlich der Reisediener des Kauf-Herrns in Marseille , bei welchem Flette lange gewesen , und präsentierte ihm einen fälligen Wechsel , den er auf sich ausgestellt .
Flette verlor die Farben , die er Raphael geliehen , und verstummte ein wenig , und wurde wieder reich an roter .
Endlich fragte er den Reisediener : " warum er so spät am Verfalltage komme ?
Jetzt habe er eben nichts . "
Der Diener lächelte und sagte , er habe ihn vergeblich gesucht zu seinem Verdrusse , denn er müsse jede Minute fort , so bald er die Valuta habe .
Flette zog ihn aus dem Zimmer auf Ein Wort ; aber fast noch unter dem Worte trat der Fremde wieder mit gezuckten Achseln ein und sagte : " entweder -- oder -- ; in Haßlau gilt das sächsische Wechselrecht . "
Lieber fuhr Flette in die Hölle , welche wenigstens gesellig ist , als in die Einsiedelei des Kerkers ; dennoch lief er ohne eine sanfte Miene auf und ab und murmelte fluchende Angriffe ; endlich sagte er französisch Raphael etwas ins Ohr .
Diese bat den Reisediener so lange um Geduld , bis eine Antwort auf ein Blättchen von ihr zurück sei ; es war eine Bitte an ihren Vater um Geld oder Bürgschaft .
Flette setzte sich wieder zum Malen mit jener Folie des Stolzes nieder , wovon der Diener eigentlich den Juwel besaß .
Walten jammerte leise und flatterte so ängstlich um den Bauer , als Flette in demselben und folgte jedem Umherschiessen des eingekerkerten Vogels außen am Gitter nach .
Vult beobachtete scharf den gewandten Diener : " sollt ' ich Sie nicht , sagte er , in der Gegend von Spolletto schon gesehen haben , wovon die alten Römer , wie bekannt , die Opfer- Tiere hergeholt wegen der weißen Farbe ? " --
Ich war nie da und reise bloß nördlich ( sagt ' er ) , " mein Name klingt zwar italienisch , aber nur meine Großeltern waren_es . "
" Er heißet Mr. Paradisi , " sagte Flette .
Endlich kam Neupeters Antwort , Flette sah keck mit Raphaela ins aufgehende Blatt : " ich glaube , du bist betrunken .
Dein Vater P. N. "
Mit großem Schmerzen blickte sie sinnend auf die Erde .
Der Elsaßer war von oben und von unten gerädert zu einem organischen Knäuel , und sann , wiewohl ins Blaue hinein .
Paradisi trat höflich vor Raphaela , und bat um Vergebnug , daß er sie und die Gesellschaft in der schönen Stunde des Malens unterbrochen habe ; " aber , beschloß er , H. Flette ist in der Tat ein wenig mit Schuld . "
-- " O sacre ! sagte er , was bin ich ? "
-- " Sie kommen , fragte Raphaela , aus Norden wieder hierdurch ? und wann ? " --
In 6 Monaten , aus Petersburg , sagte der Reisediener .
Darauf blickte sie ihn , dann den Notar mit feucht-bittenden Augen an .
" O , " H. Paradisi !
( fuhr dieser heraus ) ich will ein " Wort " Wort mit wagen -- ein Kriegszahlmeister , den " H. Flette im R. Anzeiger auffordert , muß ihn " dann gewiß bezahlt haben -- "
-- " Lassen Sie " denn keine Bürgschaft bis zu Ihrer Rückkehr " zu , edler Signore ? fragte Raphaela .
" Herr Harnisch ! " sprach sie und zog ihn in ihr Schlafzimmer .
" Nur auf Ein Wort , H. Notar ! " sagte Vult .
" Gleich ! " versetzte Walten und folgte Raphael .
" Ach guter Harnisch , fing sie leise an , ich " bitte Sie mit Tränen -- ich weiß , Sie sind " ein edler Mensch und lieben den armen Flette so " aufrichtig -- denn ich weiß es von ihm selber -- " Und er verdientes , er geht Freunden durchs " Feuer -- Mit diesen meinen Tränen . . . . "
Aber eine nahe laute Trommelschule von Kriegs- Anfängern , ein taub-stumm-machendes Institut , zwang sie unwillig inne zu halten .
Er blickte ihr unter der Lärmtrommel in die großen runden Regen-Augen und nahm ihre weiße Wachs- Hand , um etwan durch beides ihre Bitte zu erraten .
" Mit Wonne tue ich alles -- rief er im wohlduftenden Kabinette voll Abendsonnen , Flegeljahre IV. Bd. 6 und roter Fenstervorhänge , voll Amor und Psychen , und vergoldeter Standuhren mit herüber gelegten Genien , -- weiß ich nur was . "
" Ihre Bürgschaft für H. Flitter . , ( fing sie an ) sonst muß er heute noch ins Gefängnis ; -- hier in Haßlau , ich beteure Ihnen , borgt und bürgt für ihn kein Mensch , selber mein lieber Vater nicht . --
O wäre meine Wina da ; -- oder hätte ich mein Nadelgeld noch . . . . -- Sie schlug ihren weißen Bettvorhang auf die Seite und wies ihn oben auf die kurze Furche des blendenden Deckbettes mit den Worten : " da liegt er stets am Morgen , der holdselige Wurm , den ich ernähre , ein Soldatenkind -- aber ich bürg
Ihnen für alles . "
-- " H. Notarius Harnisch , rief Vult aus dem Malerzimmer , Sie sind hier nötig ! "
-- " Ich bin in der Tat selig ( sagte Walten und faltete die gehobenen Hände ) --
Auch jene teuren Spielwaren dort auf dem Tisch , schafften Sie für Kinder an ? "
-- " Ach ich wollte lieber , ich hätte das Geld noch , " sagte Raphaela .
-- " Mit welcher Gesinnung ich H. Paradiesen Bürgschaft leiste , -- denn ich leiste sie -- brauche ich wahrlich Ihnen in solchem Zimmer nicht auszusprechen ; glauben Sie mir ! " sagte er .
Sie stürzte aus einer von ihr halb angesetzten Umarmung zurück , drückte die Hand und führte ihn daran heiter in die Gesellschaft zurück , der sie alles meldete .
Der Reisediener dankte dem Mädchen lange und verbindlich , kam aber mit einer fein gekleideten Frage über des Bürgen Rückbürgschaft zum Vorschein .
Sie schrieb hastig eine Bitte an ihren Vater , den der Diener längst für solid gekannt , damit er diesen über Walts künftige Reichtümer belehre und bewähre .
Paradisi ging handküssend damit ab und versprach wieder zu kommen .
Vult bat freundlich den Notar um einen Augenblick auf seinem Zimmer .
Auf der Treppe dahin sagte er :
" Himmel , Hölle !
Rasest du ?
-- " Öffne nur hurtig ! --
Eile , fleh ich ! --
O Walten , " was hast du heute gemacht im Schlafzimmer !
"-- Drehe ' nicht -- es ist Brot im Schlüssel -- " Klopf ihn aus -- Ist denn der Mensch ewig ein " Hund , der zu passen hat ? --
Was hast du " darin gemacht ! --
Wieder ein Ebenbild " von dir ; -- wenn nun Feuer wäre ! --
Aber " so bist du überall .
. .
Ein Ebenbild wäre mir " daraus wahrlich lieber entgegengehüpft als du " selber -- Gottlob ! "
Die Stube war offen .
Walten begann :
ich erstaune ganz .
-- " Du merkst " also nicht , sagte Vult , daß alles ein vom Sa " tan gedrehter Fallstrick ist , womit sie dich H. " Bürgen würgen , und in den Fußblock schnü " Ren , damit du dich ihnen der dummen Testa " mentsklausel * ) so lange verzinsest als du sitzest ? "
" Ich fürchte nichts , " sagte Walten .
" Du hoffest wohl , versetzte Vult , der alte Kaufmann werde dir den Kredit schon abschneiden , daß man deine Bürgschaft gar nicht annimmt ? "-- " Das verhüte der Himmel ! " sagte Walten .
-- " Du verbürgst dich ? "
-- " Bei Gott ! schwor Walten .
Der Flötenspieler sank jetzt steilrecht und versteinert auf den Stuhl , starrte waagerecht vor sich hin , jede Hand auf eines von den aufgesperrten , * )
In der neunten steht ausdrücklich :
" Tagreisen und Sitzen im Kerker können nicht zur Erwerbzeit der Erbschaft geschlagen werden . " rechtwinkligen Knien gelegt und wimmerte eintönig : " nun so erbarm denn Gott und wer will !
Das sind also die Garben und Weinlesen , die ich davon trage nach allem Anspannen und Hiersein !
Und der Teufel hauset wie er will !
das ist der Lohn , daß ich wie der Rumormeister bald hinten , bald vorne im Heere ritt bei jedem Unfug . -- --
Nun so schwöre ich , daß ich tausendmal lieber einem Schiffsvolk mitten im Sturm auf einem Schaukel-Schiffe den Bart abnehmen will , als einen Dichter sauber scheren , den alles bewegt und erschüttert .
Lieber den Brocken hinauf will ich als hinterster Leichenträger im Wedel- Mantel eine Leiche tragen und nachstemmen , als einen Poeten geleiten und fortschaffen hinauf und hinab ; denn dem redlichen , nicht ganz viehdummen Bruder glaubt der Poet weniger als weichem Diebsgesindel , das ihn umstellt und mit Füßen tritt wie ein Töpfer den Ton , um ihn zu kneten . "
" Ich muß dir gestehen -- erwiderte Walten sehr ernst -- daß der weichste Mensch zum ersten Mal hart werden könnte gegen einen harten , der über die Menschen stets ungerecht richtet .
" Wie gesagt -- fuhr Vult fort -- das tut er nicht , der Poet .
Vergeblich reitet ihm ein leiblicher Zwillingsbruder , wie dem Suworow ein Kosak , nach und hat den leichten Nachtstuhl für ihn am Halse hängen , so daß er sich nur zu setzen brauchte aufs Gestelle -- er tut es nicht , sondern er zeigt sich -- und mehr dazu -- der Welt " -- " An Menschheit glauben , versetzte Walten , an fremde und eigene -- durch sein Inneres ein Fremdes ehren und kennen -- das ist_es , worauf das Leben und die Ehre ankommt ; alles Übrige hole der Henker .
Wie , größere Leute haben in größeren Gefahren auf Leben und Tod vertrauet , ein Alexander hat seinen Schein-Gift während der Brief-Lesung seines Arztes getrunken ; und ich sollte den heißen Tränen eines menschenfreundlichen Mädchens nicht glauben ?
Nein , lieber nehme ich diesen Stab , der ein Bettelstab ist , und gehe damit so weit mich meine Füße tragen " . .
" Weiter kann auch kein Bettler -- sagte Vult -- aber du unterbrichst .
So daß also , will ich nur noch zusetzen , die Alten nicht ohne Anspielung dem Gotte der Dichter einfältige junge Schafe geopfert .
-- Daher ein Reichs-Hofraths- Schluß jeden , der einen Band Gedichte bei Trattner verlegen lassen , sofort pro prodigo erklären sollte , da er in Betracht seiner ewigen göttlichen Apollo's-Jugend von 15 Jahren zu bürgerlichen Handlungen , z. B. Schenken unter den Lebendigen nicht fähig ist , welche Volljährigkeit befehlen .
. . . . " Nun aber einmal gelassen , Bru " der !
Was ist denn das für ein Leben dahier , " zum Sakrament ? --
Aber ganz ruhig !
Va " ter , Mutter , Zwillingsbruder willst du Leuten " opfern , von denen ich -- nichts weiter sage ?
" Bedenk ' alles -- siebzig eben gefällte Notariats "Bäume -- eine so unerwartete Verkettung so " vieler Ketten -- manche deiner Irrsaale auf " dem Weg nach Rosenhof -- und in der Tat " bist du auch heute ganz . . . . . belebt durch den " Wein . --
Am Ende fliegst du wohl gar mit " Sperber- und mit Weihe-Fittichen um das " Brautherz der Sitzerin , Fuchs , und brauchst " den Pinsel-Bräutigam nur zum Lockvogel , du " Raub- und Spaßvogel !
doch du wirst rot .
" Was Raphaelens Tränen anlangt -- glaube " mir , die Weiber haben größere " Schmerzen als die , worüber sie wie "nen ! "
" Gott , wie desto trauriger ! " rief Walten .
" Weiber und Müller , sagte Vult , halten ver " steckte Windlöcher , damit Mehl für sie verstau " bei , wenn der andere malt . "
-- " Meinetwegen ! sagte Walten .
Ich gab einem " Frauenzimmer mein Wort .
Ich bürge .
Gott " dank ' ich nur , daß er mir eine Gelegenheit bei " scherte , das Vertrauen zu zeigen , das man zu " den Menschen haben soll , will man nicht das " eigene verlieren .
Soll es aber sein -- lasse mich " reden in dieser Stunde -- daß kein Gefühl mehr " wahrsagt , soll der Glaube und die Liebe bluten " und verbluten : o so freue ich mich , daß ich die " Wunde nur empfange , aber nicht schlage .
Ich " bürge entschieden .
Vater-Zorn -- aber kennt " er in seiner Dorf-Welt meine höheren Verhält " Nisse ? -- und Mutter-Zorn -- und Kerker " und Not : es breche ein ; ich bürge .
Zürne " du .
Ich bürge und gehe hinab . "
Vult hielt ordentlich noch an sich , ganz bestürzt und aus dem Sattel gehoben von Walts Sprüngen , der jetzt immer weniger zu regieren war , je mehr er ihn stach und trieb ; -- vielleicht , weil der sanfteste Mensch , so bald man seiner Freiheit statt zu schmeicheln droht , spornstetig * ) wird -- :
" Du gehst , sagte Vult , ( ich bitte dich gewiß ruhig ) , gehe bloß in dich .
Fahre nicht , wie ein geblendeter Vogel , gerade in die Höhe !
Kehr um .
Ich flehe dich , Bruder ! "
-- " Und müßte ich gleich ins Gefängnis , ich hielte Wort ! " sagte er -- " Verschimmle da , sagte Vult ; ich wehr ' es nicht ; nur aber die klärst Vernunft und Billigkeit behalte ' ihr Recht -- nur das Gesindel triumphiere nicht -- Am Ende wird noch dazu erfahren , daß ich mit dir verwandt bin und ich werde so verflucht ausgelacht als einer von uns -- Freund , Bruder , höre , Teufel ! "
* )
So sagt man von Pferden , welche das Spornen zu nichts bringt als zum Stehen .
Er ging aber .
" O du wahrer Linker !
* )
( sagte glühend der Flötenist )
Doch zusehen will ich dir unten , wie du vor meinen Augen die Wintersaat zur herrlichsten Sommer-Ernte von Distelköpfen für Finken aussäest ! "
Als sie eintraten , fanden sie das Liebes-Paar allein ; der Reisediener war noch nicht zurückgekommen zu Volts Verdruß , der oben manche Reden lange gesponnen hatte , um versäumen zu lassen .
Walts Gesicht glühte bewegt , auch die Stimme ; dabei warf er Blicke auf Vult in Angst , dieser werde grob .
Aber gegen alles Erwarten war der Flötenspieler eine Flöte ; er schaute so unbefangen an und sprach so sanft .
" Malen Sie ganz lustig weiter , " sagte Vult zu Fletten .
" Darüber kann wohl jeder sein Lied singen , über dergleichen Bußtexte ; manche besitzen ganze Liederbücher .
Ich habe selber einmal in diesem Gesange der drei Männer im Feuer auf eine Weise eine Stimme gehabt , daß ich_es beinahe hier zum Besten geben möchte , wenn ich wüßte , daß es * )
So hießen in Elterlein bekanntlich die adeligen Insassen . uns zerstreute .
Ich entsinne mich nämlich noch sehr wohl , daß ich vorher in London eine Zeitlang in einer Sakristei wohnte und Nachts den Kniepolster des Altars als Kopfkissen unterhatte , weil mir die Gelder ausblieben , die ich aus Deutschland bezog .
Nicht ganz reich , noch weniger bequem kam ich mit noch 6 Emigranten auf der Post nach Berlin , aber nicht blind , sondern samt unserer ganzen geldersparenden Gesellschaft für ein einmänniges Postgeld .
Einer nämlich ließ sich stets einschreiben , welcher zahlte und öffentlich vor der Welt einsaß .
Draußen stieg einer um den anderen von uns auf , nach der anciennete der Müdigkeit , indes die übrigen Deutschlandsfahrer neben dem Wagen auf beiden Seiten mitgingen ; so daß vor dem zweiten Posthaus immer ein anderer Passagier absprang als vor dem ersten aufgesprungen war .
Die deutschen Posten fahren immer so gut , daß man schon mit fortkommt zu Fuße .
In Berlin selber fuhr ich , weil mir die Gelder ausblieben , die ich aus England bezog , noch viel härter .
Vom einzigen Berge da , monte di Pita , hatte ich Aussicht ; in großen Städten mietet man sich alles , Häuser , Pferde , Kutschen , böse Frauen , besonders aber zuerst Geld .
In letzterem ging ich weit .
Schulden führen wie andere Silber-Pillen erst den Morgen darauf , wenn man ausgeschlafen , das ab , was man noch hat .
Eine Figurantin bei dem Ballett , welche ich heiraten wollte ; weil sie die Unschuld selber war , und folglich solche nie verlieren konnte , steigerte das Leid ohne Beilied , die Schulden , noch höher , weil wir die Flitter- und Honig- Wochen vor der Ehe abtaten , damit diese nachher ungestört aus Einem Stück gemacht wäre ; Flittern und Honig wollen aber gekauft sein .
Wie wir freilich liebten , sie im besseren Sinne Figurantin , ich Figurist , mit welchen Konfigurationen -- davon ist kein anderer Zeuge mehr da -- denn sie wollte kein bloßes Bruststück -- als ihr Herzgrubenstück , das ich in einer Ferne von 6 Schuhen malte , indem ich nämlich , selber ein lebendiges Kniestück , die niedrigen Beine aus Ehrfurcht hinter mich oder meine Schenkel zurückwerfend , vor ihr stand auf den bekannten Scheiben der Knie .
Ärzte haben oft bemerkt , daß Plötze Leiches Erschrecken den Körper und dessen Finger so frostig-knapp einziehe und einklemme , daß Ringe , die letzteren sonst nicht abzuschrauben waren , von selber abglitten .
Es sollte mir so gut werden , etwas ähnliches zu beobachten .
Das gute Tanz-Wesen erschrak so fürchterlich , als ich nachher beschreiben werde , den 7 Februar im Karneval .
Ich stieß bei ihr vorher meine gewöhnliche Anzahl Seufzer in einer Minute aus -- nämlich vier und zwanzig , wovon , weil man in einer nur zwölfmal atmet , die Hälfte aus- , die Hälfte eingezogen wird -- tat die alten Wünsche , ich möchte meinen Seufzern Luft machen können , als ob ein Seufzer aus etwas anderem bestände , und rief endlich im Feuer aus : " wie viel , du Kostbare , bin ich Berlin schuldig , daß ich dich kennen lernte , Unbezahlbare " -- : als plötzlich bei diesen Worten , wie bei Stichworten , meine ganze Dienerschaft von Lakaien und meine ganze Herrschaft von Hausherren an der Spitze eines Jockeys herein drangen auf mein Theater -- leider keines , worauf meine Kebsbraut sprang -- und Dinge von mir verlangten , die ich natürlich nicht bewilligen konnte .
Meiner Geliebten -- die weniger darauf vorbereitet war als ich -- entglitschte vom erschrockenen erkälteten Ringfinger unser großer Ring der Ewigkeit , und sie sagte im Schrecken ohne Bewußtsein verflucht grob :
Herr von Lumpenhund !
Wer in Berlin war , wundert sich gar nicht , sondern weiß , wie man da zuweilen angeredet wird , wenn man zwar von Stand und folglich nicht zu bezahlen ist , aber auch nicht zu bezahlen hat .
Ich mutmaße , ich wäre damals gestorben in der Friedrichs-Straße , wäre ich nicht zu meinem Glücke erkrankt an einem hitzigen Fieber .
Die Krankheit -- weniger der Arzt -- rettete mich .
Sie , H. Flette , wurden , höre ich , von der Ihrigen auf dem Turm durch die Kunst gerettet ; wahrscheinlich also eine ganz andere als die meinige .
Mein Fieber organisierte mich so sonderbar , daß mir nicht nur die alten Haare ausfielen -- bloß zu einem Titus behielt ich schwachen kurzen Pelz -- sondern auch die alten Ideen , vorzüglich verdrußliche .
Platner bemerkt recht gut , -- so wie den teleologischen Vorteil davon -- daß das Gedächte Niß des Menschen das Süsse weniger fahren lasse als das Bittere .
Mit mir -- obwohl nicht vom Krankenlager -- standen meine Gläubiger auf .
" Trefflicher H. Musikhändler Rellstab !
-- mein Bedienter versichert , Sie hießen so -- ( sagt ' ich zu dem bekannten Manne , meinem starken Gläubiger ) eben mache ich mich vom hitzigsten Fieber von der Welt auf und habe alles , 100000 Dinge , ja den Namen vergessen , den ich gewöhnlich unterschreibe .
Erklären läßt sich_es gut genug aus Physiologie , aus Schweißen , Fieberbildern und Ermattungen ; aber verdrießlich ist_es für einen Mann wie ich , der gern seine Nota von Musikalien abführt , und dem doch alles entfallen .
In dieser Not bitte ich Sie , so lange zu warten , bis ich mich der Sache entsinne , guter Rellstab ; dann , wahrlich haben Sie Ihr Geld auf der Stelle im Hause , was sich im anderen Sinne ohnehin versteht . "
Darauf erschien der erste Theaterschneidermeister und Garderobier und ersuchte mich um das Seinige .
Ich antwortete : " lieber H. Freitag -- denn Sie sind , höre ich , ein Namensvetter des heutigen Karfreitags -- entfährt jedem Schuldner so viel auf dem Krankenbette als mir ( z. B. etwa den Blutschuldnern , Ehrenschuldnern , ) so ist_es schlimm für Gläubiger .
Denn mir für meine Person ist rein alles entfallen , was ich schuldig bin ; -- Sie werden mir kaum glauben , wenn ich Sie an meine Krankenmatratze führe , wo ich geschwitzt , und gefiebert , daß ich nichts behalten habe .
Münzen helfen hier wenig ohne Gedächtnis-Münzen ; es ist aber betrübt , Rellstab . "
Er heiße Freitag , sagte er .
" Das hole der Teufel , sagte ich , brauche ich auch gar einen Kor- Repetitor ?
Nun , ich will nicht vergessen , mich zu erinnern . "
-- Der Kammerherr Julius ..... trat ein und wünschte zu meiner Genesung sich sowohl Glück als die zwanzig Friedrichsdor Spielgeld von mir .
" Ich soll Sie kennen , " sagte ich .
-- " Quoddeusvult ? --
Ich hoffe , du verstehst mich , " sagte er .
-- " Entschieden ! " sagte ich .
" Aber du verschreckst ; denn wenn ich weiß , ob ich mehr dir oder dem Mann im Mond oder dem Groß Wesir Wesir Spielgeld schuldig bin :
so will ich nicht krank gewesen sein .
Recht hast du gewiß ; aber sollte man sich denn nicht jedesmal , ehe man in ein hitziges Fieber verfällt , tausend Knoten ins Schnupftuch machen , um genesen manche besser zu lösen als durch das Zuwerfen des Schnupftuchs ?
Sprich , Kammerherr ! -- Pass also , bis mir die Memorie wieder aufhilft !
-- aber verflucht fatal , daß Ihr Leute vom Hofe ganz gegen Plattners Bemerkung gerade nur das Fatale ( weniger fast Fatalien ) behaltet .
Aber wie geht_es übrigens ?
Revue schon an ? "
-- " Wie im Winter , Vult ? " sagte Julius .
Nun , du siehst es selber , sagte ich .
Was macht denn die liebenswürdige Königin ? -- Manches , glaube ich , vergißt man weniger . "
-- Darauf bat ich ihn , nächstens mich zu erinnern und wir schieden ganz gütlich .
Anders ging_es , als ich von der langen Brücke in die Königsstraße wollte und mich ein gebildeter Jude aufhielt : " lieber Moses ! sagte ich , böse Nachrichten ! das Fieber hat mich zu einem Titus geschoren . "
-- " Böse ! unterbrach der Jude ; Flegeljahre IV. Bd. 7 wenn wir Juden einen schlimmen Fürsten malen wollen , so sagen wir :
das ist ein wahrer Titus ! --
Die Titusköpfe bauen uns kein Jerusalem . "
" Sonst -- fuhr ich fort -- war Hebräisch , Judendeutsch , Neuhebräisch , mein Fach , samt den Hilfssprachen , dem Chaldäischen , Arabischen -- alles ist vergessen durchs starke Fieber , Moses -- Sonst kannte ich meine Schuldner auf hundert Schritte , die Gläubiger auf tausend weit . "
-- " Wechsel , versetzt er , sind da gut " und präsentierte mir einen fälligen noch über der Spree " . . . . .
Hier machte aufgeheitert H. Paradisi die Türe auf und dankte Raphael sehr für ihr Blatt , und warf ein höfliches Auge auf Walten .
Er nahm dessen Bürgschaft an .
Selten war der Notarius seliger -- und unseliger gewesen .
Vults parodischer , zynischer Spaß hatte ihm allein reinbitter geschmeckt -- anderen nur abgeschmackt -- ; indes ihn das neue Glück erquickte , Flettes Entsatz und Schutzgeist zu werden .
Vor Vults Ohren und Augen wurde kühn und kalt die Wechselsache vollführt und geründet und der Flötenspieler wurde über die so frei auseinander blühende Ge genwart bestürzt und erzürnt , obwohl heimlich ; so wenig verträgt sogar der Kraftmensch fremde Stärke und Konsequenz , sobald sie mehr wider ihn auftritt als für ihn , weil jeder überhaupt vielleicht von fremder mehr zu fürchten als zu hoffen hat .
Als der Wechsel erneuert war , schied der Flötenspieler sanft von der Gesellschaft , besonders von Walten .
Dieser begleitete ihn nicht .
Er fragte Fletten , ob er die wenigen Stunden , die etwa seiner Probe-Woche noch abgingen , nicht in seinem eigenen Zimmer verbringen dürfe .
Flette sagte freudig Ja .
Raphaela drückte dankend Walten noch ihre zarte Hand in die seinige .
Er ging in seine stille Stube zurück , und beim Eintritte war ihm , als wenn er in Tränen ausbrechen sollte , ob vor Freude , oder Einsamkeit , oder Trunk oder überhaupt , das wusste er nicht ; am Ende vergaß er sie vor Zorn. Nro. 55. Pfefferfraß .
Leiden des jungen Walts .
-- Einquartierung .
Der Notarius konnte eine ganze Nacht lang weder schlafen , noch seinen Bruder lieben ; sondern der Zorn war sein Traum , und das nächtliche Auftürmen zankender Gründe erhitzte ihn zuletzt dermaßen , daß er , wenn Vult sich an dessen Bett gewagt hätte , vielleicht fähig gewesen wäre , ihm zu sagen : " ich rede nun anders mit dir , Bruder ; " setze dich aber nicht aufs scharfe Bettbrett , son " deren mehr auf die Kissen herein ! "
-- Unbegreiflich und unverzeihlich fand er dessen Kraft , Menschen ins Gesicht hinein zu martern , den armen Flette und ihn selber .
Schon öfters hatte er bei der Weltgeschichte versucht , in jene mächtigen Schnee- und Gletscher-Männer , welche mitten unter dem Hasse eines ganzen Hofs und Volks heiter glänzen und gedeihen , sich so gut poetisch zu versetzen als in andere Charaktere ; aber es hatte nie besonderen Erfolg -- er wäre eben so gut einer Statue durch den Mund ins Herz gekrochen .
Ihm griff schon ein Menschen-Antlitz in die Seele und wäre es punktiert an der Puppe eines Nachtschmet terlings erschienen , oder wächsern an der Puppe eines Kindes ; er hätte beide nicht kalt eindrücken können mit dem Daumen .
Er stieg aus dem Bette in einen platt-gemähten Herbsttag ; denn er wollte , wie er pflegte , lieben , und der süßesten Empfindung kaum mächtig sein ; fand aber nichts Brauchbares dazu , sondern nur die Zuckersäure der vorigen Zuckerinsel .
Jetzt stellte er sich , da es sein erstes Zürnen war , recht dazu an .
Ein Herz voll Liebe kann alles vergeben , sogar Härte gegen sich , aber nicht Härte gegen andere ; denn jene zu verzeihen , ist Verdienst , diese aber Mitschuld .
Darauf machte er sich auf den matten Weg aufs Rathaus , um da , wie bisher , sich für seine Erbamts-Sünden wacker abstrafen zu lassen .
Der Spaßvogel Flette , jetzt sein gestriger Unglücksvogel , war schon da --
denn er hatte fast nichts auf der Erde , als Zeit -- ; samt Paßvogeln , dem Buchhändler .
Walten sah so liebe-gießend dem Elsaßer ins Auge , als hätte dieser sich für ihn verbürgt ; nie warf irgend ein Fegfeuer auf den Gegenstand , der es für ihn schuld los angezündet , vor seiner Seele irgend einen gelben häßlichen Widerschein ; vielmehr freute er sich recht , allein im Fegfeuer zu stehen , und den Fremdling rein aus den Flammen anzuschauen .
Der Testaments-Ober-Vollstrecker H. Kuhnold eröffnete nach der 7ten Klausel -- möchte doch jeder Leser das Testament aus dem Buche herausgeschnitten , broschiert , immer neben sich haben -- den geheimen Artikel des Reguliertarifs , der rechtmäßig zu öffnen war .
In der Tat war darin auf jeden französischen Germanismus , den Flette von ihm an Eidesstatt berichten würde , ein Tag verspäteter Erbschaft zur Schulstrafe gesetzt .
Flette erwiderte darauf , " er wisse Nie " mand , der so viel Organ für französische " Sprache besitze , so wie Kalligraphie dafür , als " Herrn Walten , und er entsinne sich keines erheb " Lichen Fehlers . "
Walten griff nach dessen Hand , und sagte :
" o wie schön , daß ich mir Sie so im " mehr dachte !
Aber meine Freude ist nicht so un " eigennützig , als sie scheint , sondern noch uni " gennütziger . "
Der Ober-Vollstrecker wünschte ihm erfreuet Glück -- desgleichen der Buchhände leer -- und jener bat ihn um die Wahl des neuen Erbamtes .
Es ist sehr schlimm für diese Geschichte , daß die Welt nicht die sechste Klausel " Spaßhaft und leicht mag_es " auswendig kann , auf welcher doch gerade die Pfeiler des Gebäudes stehen .
Der Notar wußte sie ganz gut , und der Buchhändler am besten .
Als Walten in dem Seelen- Rausche über die schönste Rechthaberei , die es gibt , sich nämlich nicht in guten Voraussetzungen von Flette geirrt zu haben -- nicht so gleich das Erbamt erlesen konnte , das er begleiten wolle : trat Paßvogel zu ihm , und erinnerte ihn an den Buchstaben C der Klausel , welcher sagt , " er soll " als Korrektor 12 Bogen gut durchsehen . "
-- trefflich genug ! sagte Walten , verstand und erklärte sich dazu ; -- in das vom Nacht-Zorne zerfressene Herz flossen die kleinsten Ergüsse menschlicher Milde balsamisch-heilend ein .
Außerhalb der Ratsstube fand er auf einmal sein Herz um- , und dem Bruder wieder zugewandt ; Flette war gerechtfertigt , er selber entschuldigt , und er verzieh in Massen , bloß weil er so viel -- Recht gehabt .
Nachdem er eilig seinem geängstigten Vater den schönen Ablauf seines Wochenamtes geschrieben hatte :
so machte er sich ernsthafter an seine alte Versetzung ins fremde Ich , und fragte : " kann denn Vult seine Handlungen nach anderen Grundsätzen zuschneiden , als nach seinen eigenen ?
Und wollte er denn anders , als ich selber , eben für mich handeln ? --
Jeder begehrt von Anderen Gerechtigkeit und dann noch ein wenig Nachsicht dazu ; ei gut , so gebe er anderen auch beides , und das will ich tun . "
Er fand zuletzt in Vults Stoßkraft eine Ergänzung seiner eigenen weichwolligen Außenseite ; die Freundschaft und Ehe wird , so wie ein Fernrohr , durch Zusammensetzung erhobener und hohler Gläser gemacht .
Was half aber sein aufgetanes Herz ?
Niemand ging hinein .
Liebes-Schamhaft harrte er , daß Vult nur eine Viertels-Elle von einer weißen Friedensfahne flattern ließe , um sogleich mit Liebesaugen in die fremde Seele einzuziehen ; aber nicht einen Fingerbreit davon streckte dieser aus , sondern er schickte ihm Ausschweifungen für den Hoppelpoppel ohne ein Wort dazu .
Walten sandte ihm mehrere Kapitel , die er in seinem Herzenskloster um so leichter aufgesetzt , da ihn Paßvogel noch immer auf den ersten Korrekturbogen warten ließ , so wie die Stadt ihn auf irgend ein Notariats-Instrument , das ihn hätte stören und bereichern können .
Ihnen fügt er bloß zwei Streckverse bei : I .
Meine ganze Seele weint , denn ich bin allein ; meine ganze Seele weint , mein Bruder !
II.
Ich sah dich , und liebte dich .
Ich sah dich nicht mehr , und liebte dich .
So muß ich dich immer lieben , ich mag nun frohlocken oder weinen tief im Herz .
Einen Tag darauf schickte ihm Vult die ausgearbeitetsten Ausschweifungen zu , und gedachte des Genusses kurz , den ihm jetzt Walts Hoppelpoppel oder das Herz zuführe , da jedes Kapitel mit wahrer Kunstwärme erschaffen sei , und überfeilt -- und schrieb noch , er selber schreibe zwar eifriger als je , dürfe aber nicht entscheiden , wie glücklich -- und schrieb weiter nichts .
" Nun denke ich " -- sagte Walten zu sich -- " weiß ich " recht gut , woran ich bin , ich bin fast sehr un " glücklich -- es ist vorbei mit dem Himmel , der " sich hier auftat für mein Armen-Auge -- Auf " ewig ist mir der Bruder begraben und eingesenkt "-- Tritt er etwan einmal vor mich , so , weiß " ich wohl , ist_es ein Antlitz grimmig verzogen , " und mich wird schaudern durch mein Herz .
O " mein Bruder , wie schön war es einst , als ich " dich noch umarmte , und zwar weinen muß " te , aber ganz anders ! "
Darauf schrieb er wieder ein gutes Kapitel am Romane , schickte es ihm mit folgendem , hier ganz mitzuteilendem Briefe : Bruder !
Hier ! -- -- -- -- -- -- -- Dein Bruder G. Vult versetzte nichts darauf .
Gott Walten erzürnte sich nach der Terzien-Uhr ; dann hatte er wieder lieb nach der Turm-Uhr .
Nur die Träume drangen mit ihren gräulichen aufgerissenen Larven in seinen Schlaf , jede mußte wie ein Bruder aussehen , der ihn martert auf einer unabsehlichen Folterleiter , auf der er ausgespannt lag von Stern zu Stern .
An einem November-Nachmittage ging er in das Wirtshaus zum Wirtshaus , wo er ihn , wie bekannt , nach einem langen Lebens-Winter gefunden hatte , wie einen Mai .
Der Herrnhutische Wirt prügelte eben , da er eintrat , die Wirtin aus dem Gasthofe hinaus , warf ihr seinen Jungen nach , und schrie :
wäre ' er kein Christ , so würde er sie anders behandeln ; so eben zähm er sich , und kein böses Wort komme aus seinem Maule .
Walten kannte er gar nicht mehr , als dieser um das vorige , jetzt zugemauerte , Oberzimmer anhielt , wo er im Juli geschlafen hatte .
Teils Würste , teils Flachs auf Stroh waren darin auseinander gebreitet .
Er entfloh auf den herrnhutischen Gottesacker , wo er einstens , als die Sonne unter- und der Bruder aufging , so froh und so neu geworden . --
Aber die Bäume waren , anstatt begrabene Gerippe laubig zu bedecken , selber steilrechte geworden -- dabei schneite es regnerisch -- mehr das Gewölk als die Sonne ging unter -- und Abend und Nacht waren schwer zu sondern .
Der Notarius sah aus wie der eben regierende November , der , noch weit mehr dem Teufel als dem April ähnlich , nie ohne die verdrießlichsten Folgen abtritt .
Von da trug er sich verarmet -- fern von jenem reichen Morgen , wo er neben dem reitenden Vater zu Fuße hergelaufen -- zurück in die Stadt .
Als er über die kalt wehende Brücke ging und nichts um ihn war als die öde dunkle Nacht :
so flogen zwei dicke Wolken auseinander -- der helle Mond lag wie eine Silberkugel einem weißen Wolkengebürge im Schoß und der lange Strom wand sich erleuchtet hinab .
Auf dem Wasser kam etwas herabgeschwommen wie ein Hut und ein Ärmel .
" Geht es durch die Brücke unter mir durch , sagte Walten , so nehme ich_es für ein Zeichen , daß auch mein Bruder so von mir dahin geht ; stößt es sich an die Pfeiler , so bedeutet es etwas Gutes . "
Er fuhr zusammen , da es unten wieder hervor kam ; endlich fiel ihm ein , daß wohl gar ein ertrunkener Mensch unter ihm ziehen könne , ja Vult selber .
Er sprang herunter ans Ufer herum , wo sich das schwimmende Wesen in eine Bucht voll Buschwurzeln verfangen hatte .
Mühsam und zitternd hob er mit seinem Stabe einen leeren Ärmel , dann noch einen und darauf gar noch einige auf , bis er sehr sah , daß das Ganze nichts sei als eine ins Wasser geworfene , von der Jahrszeit abgedankte -- Vogelscheuche .
Aber ein Schauder dauert länger als sein Anlaß oder Irrtum ; er ging noch sorgend für den Bruder in dessen Wohngasse , als seine Flöte schon von ferne herauf tönte und wie nun die Flut alle die offenen rauhen Klippen der Welt mit Einem weichen Meer zudeckte .
Der elende November , der herrnhutische Wirt , die Vogelscheuche und die leere Ebbe des Lebens gingen nun unter in schönen Wogen .
Walten trat , weil_es finster war -- denn am Tage schaute er nur die lange Gasse hinab -- dicht vor Vults Haus , obwohl in die Monds-Schatten-Seite .
Er drückte den Türdrücker , wie eine Hand , weil er wußte , wie oft ihn die brüderliche mußte angefaßt haben .
Vult , dies merkte er aus dem Schatten und dem Lichtschimmer gegenüber , mußte mit dem Notenpulte nah am Fenster stehen .
Als wieder ein langer Wolkenschatte die Gasse heraufflog : schritt er quer über und guckte hinauf , und sah hinter dem erleuchteten Notenpulte das so lange begehrte Gesicht ; und weinte bitter .
Er ging an ein großes rotes Tor seitwärts , worauf Vults Schattenriß , aber gräulich aus einander gezogen wie ein angenagelter Raubvogel hing und küßte etwas vom Schatten , aber mit einiger Mühe , weil sein eigener viel verdeckte .
Gern wäre er jetzt zu ihm hinauf gegangen mit der alten Bruder-Brust an sein Herz ; aber er sagte : " blies ' ich selber droben , o so weiß ich alles wohl -- nein es gäbe für mich kein fremdes Herz ; aber er ist fast immer das Widerspiel seines Spiels und oft fast hart , wenn er sehr weich dahin flötet . --
Ich will ihn in seiner Geister-Lust nicht stören , sondern lieber manches zu Papier bringen und morgen schicken . "
Er tat es zu Hause , die Flötentöne des Bruders fielen schön in das Rauschen seiner Gefühle ein -- er versiegelte einen geistigen Sturm .
Er legte dem Sturm zwei Polymeter über den Tropf Stein bei , dessen Säulen und Bildungen bekanntlich aus weichen Tropfen erstarren .
Erster Polymeter .
Weich sinkt der Tropfe im Höllen-Gebirge , aber hart und zackig und scharf verewigt er sich .
Schöner ist die Menschen-Träne .
Sie durchschneidet das Auge , das sie wund gebiert ; aber der geweinte Diamant wird endlich weich , das Auge sieht sich um nach ihm und er ist der Tau in einer Blume .
Zweiter .
Blicke in die Höhle , wo kleine stumme Zähren den Glanz des Himmels und die Tempelsäulen der Erde spielend nachschaffen .
Auch deine Tränen und Schmerzen , Mensch , werden einst schimmern , wie Sterne , und werden dich tragen als Pfeiler .
Vult antwortete darauf : " mündlich das Übrige , Lieber !
Wie mich unser so wacker gefödertes Schreiben freut , weißt du besser als ich selber . "
-- " So hole ihn der Henker , sagte Walten , ich habe mehr eingebüßt als er , denn ich lieb ihn ganz anders . "
Er war nun so unglücklich als es die Liebe auf der Erde sein kann .
Er webte -- ganz entblößt von Menschen und Geschäften -- seinen Roman fort , als das einzige dünne leichte Band , das sich noch aus seiner Stube in die brüderliche spannen ließ .
An einem Abende , als der ausgewachsene reife Mond gar zu hell und lösend schien , bedacht er , ob es denn nicht schicklich sei , ordentlich Abschied zu nehmen .
Er schrieb folgendes Briefchen :
" Empfange mich nicht übel , wenn ich diesen Abend um 7 Uhr komme .
Wahrlich , ich nehme nur Abschied ; alles wird auf der Erde ohne Abschied aus einander gestürmt ; aber der Mensch nimmt seinen von einem Menschen , wenn er kann , wenn kein Meer-Sturm , wenn kein Erdbeben die Seelen-Nächsten plötzlich zerwirft .
Sei wie ich , Vult ; ich will dich nur wieder sehen und dann nicht länger .
Antworte nur aber nicht ; weil ich mich fürchte . "
Er bekam auch keine Antwort , und wurde noch furchtsamer und trauriger .
Er ging Abends , aber ihm war , als sei der Abschied schon vorbei .
In Vults Stube war Licht .
Welche Bürde trug er er die Treppe hinauf , nicht um sie oben abzuladen , sondern zu verdoppeln !
Aber niemand sagte : komme herein !
Das Zimmer war ausgeleert , die Kammertüre offen -- auf einem Stallleuchter wollte ein sterbendes Licht verscheiden -- die Bettstelle beherbergte , gleich einer Scheune , nur fatales Stroh -- verzettelte Papier-Späne , Brief- Umschläge , zerschnittene Flöten-Arien bildeten den Bodensatz verlaufener Tage -- es war das Gebeinhaus oder Gebeinzimmer eines Menschen .
Walten dachte im ersten Unsinn des Schreckens , Vult könne , wenn nicht damals , doch später , im Wasser gelegen sein , und griff alle Papier-Reliquien mit groß tropfenden Augen halb unbewußt zusammen .
Auf einmal rief die baßstimmige Frau des Theaterschneiders herauf , wer droben umtrabe .
Harnisch , versetzt er .
Da fuhr sie die Treppe herauf und schalt : das sei Harnisches Stimme nicht .
Als sie ihn gar im Finsteren sah --
denn er hatte das sterbende Licht getötet , weil jede Nacht besser ist , so wie der Tod besser als Sterben , -- so musste er sich mit der Theaterschnei Flegeljahre IV. Bd. 8 dein in ein anzügliches Hand- nämlich Wortgemenge über seine Diebs-Tendenzen einlassen und zuletzt über sein Lügen .
Denn er hatte sich in der Eile für Vults dasigen Bruder ausgegeben und doch gefragt , wohin Vult gekommen sei .
Verworren und gescholten wanderte er seiner Stube zu und schlich auf den Treppen voll Lichter und Leute -- der Hofagent gab einen tanzenden Tee -- gebückt hinauf .
Da fand er sein Zimmer aufgetan und einen Mann darin mit Hämmern arbeitend , um sich gut einzurichten in seiner neuen Wohnung .
Es war Vult .
" Erwünschter -- sagte Vult und nagelte an einer Theaterwand fort -- Aber guten Abend !
Erwünschter , meinte ich nämlich , kann mir nichts kommen , als du endlich kommst .
Schon seit Schlag sieben vexier ich mich ab , um alles aufs Beste aufzustellen und etwa so einzurichten , daß keiner von uns nachher brumme oder grunze ; unterstütze mich aber dabei , bei der gemeinschaftlichen Einrichtung und hilf !
-- Du siehst mich so an , Walten ?
-- " Vult ?
-- Wie ? --
Sprich nur !
( sagte Walten )
Es könnte doch etwas himmlisches sein !
Und sei nur von Herzen willkommen ! "
Hier lief er mit Kuß und Umhalsen an ihn ; Vult konnte aber , da er in der einen Hand den Nagel hielt , in der anderen den Hammer , nichts dazu ablassen als Gesicht und Hals , und antwortete : " die Hauptsache ist wohl , daß du jetzt ein vernünftiges Wort darüber hören lässt , wie die Sachen zu traktieren sind für beiderseitige Lust .
Denn ist einmal alles fest genagelt :
so ändert der Mensch ungern .
Mich deucht aber , so besitzest und beherrschest du gerade das eine Fenster und fast drüber , und ich das andere ; ein drittes fehlt . "
" Ich weiß wahrlich nicht , was du vorhast , aber mache nur alles und sage dann , was es ist , " sagte Walten .
" So muß ich dich gar nicht verstehen , versetzte Vult , oder du mich nicht .
Solltest du kein Briefchen von mir erhalten haben ? " sagte Vult . --
Nein , sagte er .
" Ich meine das heutige , fragte jener fort , worin ich schrieb , ich würde dein Schweigen für ein Ja auf meine Bitte nehmen , daß wir doch möchten zusammen wie ein Vögelpaar Ein Nest oder Quartier bewohnen , dieses nämlich ?
Wie ? "
-- " Nichts ( sagte Walten ) .
Aber du willst dies ?
O warum traut ich denn deinem Gemüte weniger ?
Gott züchtige mich dafür !
O wie bist du ! "
-- " In diesem Falle muß ich das Blatt noch in der Tasche tragen , ( versetzte Vult und zog es hervor ) zuvörderst müssen wir aber unseren Stuben- Etat für den Winter ins Reine und aufs Trockene bringen ; denn , Freund , leichter verträgt sich ein Simultaneum von Religionsparteien in einer Kirche als eines von Zwillingen in einer Stube , wie sie dann schon als kleine Kraken nicht einmal im Mutterleibe es ein Jahr lang ausdauern , sondern sich sondern .
Mein Wunsch ist allerdings , daß die Feuermauer , die ich zwischen uns Flammen gezogen , -- und die Bühnenwand langt zum Glück so nett -- uns körperlich genug abtrenne , um uns nicht geistig zu trennen .
Die Scheidewand ist auf deiner Seite mit einer schönen Reihe Paläste übermalt , auf der meinigen ist ein arkadisches Dorf hingeschmiert und ich stoße nur dieses Pallast-Fenster auf , so sehe ich dich von mei einem Schreibtische an deinem .
Reden können wir ohnehin durch die Mauer und Stadt hindurch . "
" Das ist ja köstlich , " sagte Walten .
" Wir arbeiten dann in unserem Doppel-Käfig am Hoppelpoppel Tag und Nacht , weil der Winter für Autoren und Kreuzschnäbel die beste Zeit zum Brüten ist , und wir darin und die schwarze Nieswurz ( was sind wir anders als Nieswurz der Welt ? ) im Froste blühen . "
" O herrlich , " sagte Walten .
" Denn ich muß leider bekennen , daß ich bisher aus einer Ausschweifung in die andere , nämlich aus spaßhaften in reelle geraten und in der Tat wenig gegeben .
So aber werden wir beide schreiben und dichten , daß wir rauchen ; -- nur für Bücher und Manuskripte wird gelebt , nämlich von Honorarien . --
In 14 Tagen , mein guter Freund , kann schon ein sehr hübscher Aktenstoß an einen Verleger ablaufen vom Stapel . "
" O göttlich " , sagte Walten .
" Falls ein solches gemeinschaftliches Zusammenbrüten in Einem Neste -- ich als Tauber , du als Täubin -- nicht am Ende einen Phönix oder sonst ein Flügel-Werk aussitzen kann , das sich vor der Nachwelt so gut sehen lässt , daß sie ihre Vorwelt fragt , wer beide Brüder waren , wie lang , wie breit , wie sie gegessen , geniest , und was die Gebrüder sonst für Sitten und Möbeln und Narrheiten gehabt ; wenn das , sage ich , nicht der Fall bei uns sein soll :
so will ich nicht im Ernste gesprochen haben . "
" Ach du schöner Gott " , rief Walten mit Freudenblicken .
" Fressen will ich meine Zunge vor Hunger und , wie man von Bomben sagt , krepieren , creper , wenn wir uns hier nicht lange vorher lieben , ehe wir uns zanken , kurz überhaupt wenn nicht Sachen vorfallen , wovon in Zukunft ein Mehreres mündlich .
-- " Bei Gott , du gibst mir neues Leben , " sagte Walten .
" Hältst du es aber genehm , sagte Vult und führte ihn in die Schlafkammer , daß ich unsere Bettstellen durch die spanische Wand -- für die spanischen Schlösser der Träume -- quer geschieden halte ?
Ich sehe sie aber mehr für einen alten Bettschirm an . "
" Du kennst darüber meine Grundsätze , sagte Walten ; ich hielt es schon in früheren Jahren für unschicklich , nur mit einem Freunde gymnastisch zu ringen oder ihn zu tragen , es müßte denn aus Lebensgefahren sein . "
Darauf zeichnete ihm Vult den ganzen Weg und engen Paß vor , worauf er hereinkommen , ferner seine Zukunfts-Karten .
Schon längst habe er , sagte er , zu ihm ziehen wollen , teils aus Liebe für ihn und den Hoppelpoppel , teils des halbierten Mietzinses halber , teils sonst .
Neulich auf einem Spaziergange habe er sich in die Gunst der guten Raphaela zurück geschwungen , mit welcher er als mit einem Hebels-Langarm dann den Vater habe bewegt .
Vor einer Stunde sei er mit der Theaterwand von Purzel und mit dem Koffer eingetroffen und habe den Stubenschlüssel im bekannten Mausloch gefunden .
" Nun erbrich aber doch mein Schreiben " , beschloß er .
Auf dem Umschlag stand : " an H. Walten , abzugeben bei mir . "
Walten bemerkte nicht , daß auf dem Briefe neben Vults Siegel auch seines stand und daß es jener alte war , worin Vult ihm in der Zukunft das nächtliche Poltern , Türen-Zuwerfen seines Polter- oder Schmollgeistes voraussagt , um nachher entschuldigt zu sein , und den wir früher gelesen als Walten , oder vielmehr später .
* ) Walten glaubte eilig , er meine eine von heute an zukünftige Zukunft und sagte , dahin komme es nicht ; aber als Vult ihm am Datum zeigte , daß eine vergangene geschildert sei :
so faßte der Notar seine Hände mit beiden fest , sah ihm in die Augen und fing mit langem Ton der Rührung an :
Vult ! --
Vult ! --
Den Flötenspieler drückte es , daß er einige Tropfen in die eigenen Augen , über die er mit den gefangenen Händen nicht hin fahren konnte , mußte treten lassen : " nun , fuhr er auf , auch ich bin kein Kiesel ; lasse mich aber auf mein Zimmer gehen und auspacken , " und fuhr hinter die Bühnenwand .
Er packte aus und stellte auf .
Walten ging im seinigen auf und ab und erzählte ihm über die Stadt herüber seine bisherigen Versuche , ihren Seelen-Tauf-Bund zu erneuern .
Alsdann kam er * ) B. II. S. 10. wieder in den Verschlag und half ihm sein Haus- oder Stubengeräte ordnen .
Er war so hülf-fertig , so freundlich-tätig , er wollte dem Bruder so viel Platz aufdringen samt Fenster-Licht und Möbeln , daß Vult heimlich sich einen Narren schalt , daß er ihm den eigensinnigen Widerstand in der Flittischen Wechselsache zu hart nachgetragen .
Walten hingegen stellte seiner Seits wieder heimlich den Flötenspieler ins größte Glanzlicht , dafür daß er ihm zu Liebe den Widerwillen gegen Raphaela ersticke ; und nahm sich vor , alle schönen Züge desselben unbemerkt aufzuschreiben , um sie als Rezepte nachzulesen , wenn er wieder knurren wolle .
Die Gütergemeinschaft und Stuben- Verbrüderung wurde auf die hellsten Grenzverträge zurückgebracht , damit man am Morgen gleich anfangen könnte , beisammen zu sein .
Schön bemerkte Vult , man müsse innerlich dem Zorne recht viel Platz machen , damit er sich abtobe und tot renne an den Gehirnwänden ; dann werde ja dem Menschen nichts leichter als mit dem gestorbenen Wolf im Herzen ein weiches Lamm zu sein außen mit der Brust .
Man könnte aber hier noch andere Bemerkungen machen , z. B. -- Die starke Liebe will für Fehler nur bestrafen und dann doch vergeben -- --
Wenn mancher von kleinen Beleidigungen der Freundschaft zu tief getroffen wird :
so ist daran bloß eine hassende Denkungsart über alle Menschen schuld , die ihn dann in jedem einzelnen Falle ergreift und diesen zum Spiegel des Ganzen macht . -- --
Die höchste Liebe kennt nur Ja und Nein , keinen Mittelstand ; kein Fegefeuer , nur Himmel und Hölle ; -- und doch hat sie das Unglück , daß sie Geburten der Stimmung und des Zufalls , die nur zu Vorhimmel und Vorhölle führen sollten , zu Pförtnerinnen von Himmels- und Höllentoren macht -- Beide kleideten von einander die eigentümlichsten Gefühle in allgemeine Sätze ein .
Aber als Vult hinter dem Schirme ins Bett einstieg : sagte er : " versetze mir nichts darauf -- denn ich stopfe mir eben die Ohren mit dem Kopfkissen zu -- aber ich glaube selber , ich hätte dich bisher noch besser lieben können . "
-- Nein , ich dich , schrie Walt. Nro. 56. Fliegender Hering .
Brief des Biographen -- Tagebuch .
Gegenwärtiger Biograph der jungen Harnische bekam nach dem Abschlusse der vorigen Nummer , ( des sogenannten Pfefferfraßes , ) von dem Haßlauer Stadt-Rate vier neue -- nämlich den fliegenden Hering 56 , den Regenpfeifer 57 , die Giftkuttel 58 und die Notenschnecke 59 -- samt einem äußerst wichtigen Tagebuche Vults über Walten .
Darauf antwortete er den trefflichen Testaments-Exekutoren Folgendes , was durchaus als ein Zeitstück der Flegeljahre hereingehört .
P. P .
Indem ich Ihnen , ehrlicher Stadtrat und Vollstrecker , die Ausarbeitung der 55sten Nummer Pfefferfraß zusende und den Empfang der vier neuesten Naturalien , der Nummern 56 , 57 , 58 , 59 , desgleichen des Vultischen Tagebuchs , bescheinige : lege ich zugleich die vier Kapitel für das Nummern-Viereck bei , welche ich dadurch geliefert zu haben hoffe , daß ich das Vultische Tagebuch unzerzaust einwob und es durch Überschriften in Kapitel schnitt und andere Drucker-Sachen anflocht , z. B. Gänsefüße , um Vults jetzige Worte von meinen künftigen zu scheiden .
Man griffe ohne weiteres meinen Charakter an , wenn Sie mich deshalb etwan einen Schelm , einen Naturalien-Räuber schölten und einen Arbeits-Knauser .
Sähe es ein ehrlicher Haßlauer Stadtrat etwan lieber , -- was so unmöglich zu glauben -- , wenn ich den herrlichen Vult , einen zwar außen ungemalten , aber innen schön glasierten Sauertopf , mit meinen Töpferfarben umzöge ?
Oder kann irgend ein Testament ansinnen , daß ich einem fremden Charakter etwas aus meinem eigenen vorstrecke ?
Mich dünkt , ich und sämtliche poetische Weberschaft haben oft genug bewiesen , wie gern und reich wir jedem Charakter -- und wäre er ein Satan oder Gott -- von unserem leihen und zustecken .
Wir gleichen am wenigsten -- dies dürfen wir sagen -- jenem englischen Geizhalse , Daniel Danker , welcher auf einen fremden Acker nichts von dem , was die Natur bei ihm übrig hatte , wollte fallen lassen , sondern wie toll vorher auf seinen eigenen rannte mit der Sache .
Sondern recht freudig leiht der Roman zier alles , was er hat und was er ist , seinen geschriebenen Leuten ohne das geringste Ansehen der Person und des Charakters !
Folglich hätte wohl niemand Vults Tagebuch so gern umgeackert und besäet als ich , wäre es nötig gewesen .
Andere Gründe , z. B. Zeitmangel und Haus- Tumult schütz ich nicht einmal vor , weil diese sich auf persönliche Vertrauungen gründen , womit man wohl schicklicher das Publikum , als einen ehrlichen Stadtrat , behelligt ; worunter aber in jedem Falle die Nachricht gehören würde , daß ich gestern nach meinem Wechselfieber des Wechsels -- doch nur mit Städten -- wieder aus Coburg abgezogen bin nach Bayreuth .
Niemand muß überhaupt die Zeit mehr sparen als einer , der für die Ewigkeit nicht so wohl lebt -- das tut jeder Christ -- als schreibt .
Wie viel Blattseiten lässt denn die Biographie britannica unseres Ich_es der Historiole des Universums übrig ? --
Wie ohnehin alles uns Dichter drückt , scheinen nur die alten Holzschnittschneider zu ahnen , wenn sie Bienen und Vögel -- diese bildlichen Verwandten unseres Honigs und unseres Flugs -- bloß als fliegende Kreuze zeichnen .
Wer hängt an diesen kreuzen als wir Kreuzträger , z. B. Ihr testierter Bayreuth , d. 13. August 1804 .
Biograph , J. P. F. Richter ?
Jetzt geht Walts Geschichte so fort , nämlich Vults Wochenbuch fängt so an :
" Ich schwöre hiermit mir , daß ich ein Tagebuch wenigstens auf I Vierteljahr schreiben will ; höre ' ich früher auf , so strafe mich Gott oder der Teufel .
Von heute -- dem Tage nach dem gestrigen Einzuge -- gehe es an .
Ja wenn mich der Gegenstand -- nicht ich , sondern Walten -- hinge , pfählte , knebelte , zerfetzte , nach Sibirien schickte , in die Bergwerke , in die zweite Welt , in die dritte , ja in die letzte :
so führe ich das Wochenbuch fort ; und damit ich nicht wanke , so will ich mit den Fingern , die man sonst dazu aufhebt , es herschreiben :
Ich schwöre .
Die Welt -- welche aber nie dieses Blatt bei kommen soll -- kann sich leicht denken , über wen das Wochenbuch geführt werde ; nicht über mich .
Ein Tagebuch über sich macht jeder Dinten-Mann schon an und für sich , wenn er seine opera omnia schreibt ; bei einem Schauspieler sind_es die Komödienzettel ; bei einem Zeitungsschreiber die Jahrgänge voll Welthandel ; bei einem Kaufmann das Korrespondenzbuch ; bei einem Historienmaler seine historischen Stücke ; Angelus de Constantio , der an seiner storia de regno di Napoli 53 Jahre verschrieb , konnte bei jeder Reichsbegebenheit sich die seinigen obwohl nur auf 53 Jahre denken ; und so schreibt jeder Verfasser einer Weltgeschichte damit seine eigene mit unsichtbarer Tinte dazwischen , weil er an die Eroberungen , inneren Unruhen und Wanderungen der Völker seine eigenen herrlich knüpfen kann .
Wer aber nichts hat und tut , woran er seine Empfindungen bindet , als wieder Empfindungen : der nehme Lang- und Querfolio-Papier und bringe sie dazu , nämlich zu Papier .
Nur wird er Danaiden- und Teufelsarbeit haben ; während er schreibt , fällt wieder etwas in ihm vor , es sei eine Empfindung oder eine Reflexion über das Geschriebene -- dies will wieder niedergeschrieben sein , -- kurz der beste Läufer holet nicht seinen Schatten ein .
Und welch ein lumpiges knechtisches katoptrisches Nach-Leben , dieses grabes-luftige Zurückatmen aus lauer Vergangenheit statt eines frischen Zugs aus frischer Luft !
Das flüchtige Getümmel wird ein Wachsfigurenkabinett , der blühende flatternde Lebensgarten ein festes pomologisches Kabinett .
Ist_es nicht tausendmal klüger , der Mensch ist von Gegenwart zu Gegenwart wie Gott von Ewigkeit zu Ewigkeit , und der fröhliche Trieb tut seinen Windstoß in die Blumen und Wellen hinein , wirft Blumenstäubchen und Schiffe an ihren Ort und gähnt und stöhnt nicht wieder erbärmlich zurück ?
Hingegen ein Tage- und Wochenbuch über andere !
-- Ich gestehe es meinem geneigten Leser , dem guten Vult , dies ist etwas anderes ; aber ich muß freilich sehen und -- anfangen .
Doch so viel lässt sich auch , ohne anzufangen , annehmen , daß mein Hausherrlein und Brüder lein lein Walten , vielleicht zu einem historischen Roman ( den Titel " Tölpeljahre eines Dichters " verschwör ich nicht ) zu verbrauchen ist , nämlich als Held , besonders da er eben in Liebes-Blüte und vollends gegen eine Häßlichkeit * ) steht ; wenn mich nicht der ganze neuliche Wechsel-Prozeß und sein heißes verteidigen und Beschauen ihres Gesichts und Herzens zu sehr betrügt .
Nur ist durchaus erforderlich , daß ich als der Beschreiber des Lebens ihn geschickt , wie eine herkulanische Bücherrolle , auseinander winde und dann kopiere .
Ich sehe auch nicht ein , warum ich nicht überhaupt so gut einen göttlichen Roman schreiben sollte , wie Billionen andere Leute .
Mir selber ist Schriftstellerei so gleichgültig , Vult !
Wie ich lebe , nicht um zu leben , sondern weil ich lebe , so schreibe ' ich bloß , Freund , weil ich schreibe .
Worin soll denn das Ebenbild Gottes sonst bestehen , als daß man , so gut man kann , ein kleines Aseitätchen ** ) ist und -- da schon Welten mehr als genug * )
Gegen Raphaela , glaubt er .
* * ) aseitas , seine eigene Ursache sein .
Flegeljahre IV. Bd. 9 da sind -- wenigstens sich Schöpfer täglich erschafft und genießt , wie ein Meßpriester den Hostiengott ? --
Was ist überhaupt Ruhm hienieden in Deutschland ?
Sobald ich mir nicht einen Namen machen kann , daß ich vom Niedrigsten bis zum Höchsten täglich genannt , gelobt und vor Begierde verschlungen werde -- diesen Namen aber hat in Deutschland weiter niemand als Broihann , nämlich der erste Bauer des Broihanns -- so erhebe mich doch nie ein Journal , fleh ich .
Eben so gern als einer Vergrößerung durch dasselbe , will ich einem Erzengel zu Gebote stehen , welcher mit einem mittelmäßigen Sonnen- und Weltenmikroskop auf dem Marktplatz der Stadt Gottes etwas verdienen will und daher , um anderen neugierigen Markt-Engeln die Wunder Gottes und des Mikroskops zu zeigen , mich als die nächste Laus einfängt und auf den Schieber setzt mit vergrößerten Gliedmaßen zum allgemeinen Bewundern und Ekeln .
Dies bei Seite , so merke ich noch für dich besonders an , liebes Weltlein , falls du der zweite Leser dieses Wochenbuchs würdest , wie dein Vult der erste ist -- in welchem Falle du aber ein ausgemachter ausgebälgter Spitzbube wärest , der sein gestriges Wort bräche , nie in meine Papiere zu blicken -- ja ich setze es absichtlich zur Strafe der Lesung für dich her , was ich jetzt behaupten werde , daß ich nämlich dich echter zu lieben fürchte als du mich liebst .
Wäre dies gewiß :
so ging ' es schlimm .
Sehr zu besorgen ist , meine ich , daß du -- ob du gleich sonst wahrlich so unschuldig bist wie ein Vieh -- nur poetisch lieben kannst , und nicht irgend einen Hans oder Kunz , sondern bei der größten Kälte gegen die besten Hanse und Künze , z. B. gegen Klotar , in ihnen nur schlecht abgeschmierte Heiligenbilder deiner inneren Lebens- und Seelenbilder kniend verehrst .
Ich will aber erst sehen .
Du wirst dich nicht erinnern , Weltchen , daß ich dir gestern oder heute oder morgen weißgemacht , daß ich nicht aus anderen Gründen , sondern deinetwegen allein in deine Schweiß- , Dachs- und Windhunds-Hütte eingezogen bin .
Folglich log ich nichts vor .
Nur keine Lüge sage der Mensch , dieser Spitzbube von Haus aus !
Fast alles ist gegen einen Geist eher erlaubt , weil er gegen alles sich wehren kann , nur keine Lüge , welche ihn wie ein altrömischer Henker die unmannbare Jungfrau in der Form der innigsten Vereinigung schänden und hinrichten will .
Schauest du also so sehr spitzbübisch und ehrvergessen in dieses Journal :
so erfährst du hier nach dem vorigen Doppel-Punkt , daß ich ein Narr bin , und eine Närrin will , mit Einem Wort , daß ich eben ein Fenster von dir , -- wie zu einer Hinrichtung Damiens um vieles Geld -- gemietet , bloß um aus dem Fenster mich selber hinzurichten , nämlich hinunter zu sehen in den Neupeterschen Park , wenn Wina , in die ich mich vergafft habe , zufällig mit deiner Raphaela lustwandelt .
Ich freue mich darauf , wie wir beide an unseren Fenstern stehen und hinabschmachten und lächerlich sein werden .
Nichts ist komischer als ein Paar Paare Verliebter ; noch mehr wäre es ganzer rechter und ein linker Flügel , der seufzend einander gegen über stände ; -- hingegen eine ganze Landsmannschaft von Freunden sähe nur desto edler aus .
Für jeden ist eine Frau freilich etwas anderes ; für den einen Hausmannskost , für den Dichter Nachtigallenfutter , für den Maler ein Schauessen , für Walten Himmelsbrot und Liebes- und Abendmahl , für Weltmenschen ein indisches Vogelnest und eine pommersche Gänsebrust -- kalte Küche für mich .
Die Lungensucht , welche Liebende und die Wärter der Seidenraupen -- jene wollen ja auch Seide dabei spinnen -- davon tragen , wird mich als Seladon eher verlassen als ergreifen , weil ich so lange die lungen-gefährliche Flöte einstecke , als ich auf den Knien liege und spreche .
Ich bin dir aber wirklich sehr gut , Wina , zumal da deine Singstimme so kanonisch ist und so rein ! --
Aber ich will denn mein heutiges Tagebuch über den Bruder anheben .
. . Nachtrag zu N. 56. der fliegende Hering .
Das vorstehende war zur Testaments-Exekution abgeschickt , als ich es von derselben -- dem trefflichen Kuhnold -- mit diesem Briefe wieder bekam : " Verehrtester Herr Legations-Rat !
Ich glaube nicht , daß die van der Kabelschen Erben das bloße Einheften der zugefertigten Dokumente , wie das Vultische Tagebuch ist , für eine hinlängliche Erfüllung der biographischen Bedingungen , unter welchen Ihnen das Naturalienkabinett testieret worden , nehmen werden .
Und ich selber bin , gestehe ich , mit den Vorteilen meines Geschmacks zu sehr dabei interessiert , als daß es mir gleichgültig sein sollte , Sie durch Vult verdrängt zu sehen .
Ihr Feuer , Ihr Stil etc. etc. -- -- huldigen * ) . --
Dazu steht noch vieles andere dagegen .
Es kommen im Verfolge des Vultischen Tagebuchs -- zumal im Februar , wo er in vollen Flammen tobt -- Stellen vor , deren Zynismus schwerlich durch den Humor , weder vor dem poetischen , * )
Die Bescheidenheit erlaubt nicht , Lobsprüche stehen zu lassen , die , wie leicht zu erraten , den Gegenstand zu einem literarischen Pair ausrufen und die desto größer und folglich desto unverdienter sind , je feiner , gebildeter und aufrichtiger der Geschmack des H. Bürgermeisters bekanntlich ist . noch sittlichen Richterstuhle , zu entschuldigen steht .
Z. B. die am 4ten Februar , wo er sagt , " das junge Leben als eine Sonne verschlingend verdauen und es als einen Mond kacken " -- Oder da , wo er dem dezenten Bruder , um ihn zu ärgern , erzählt , wie er , da er kein Wasser um sich gehabt , um es ins vertrocknete Tintenfaß zu gießen , sich doch so geholfen , daß er eintunken konnte , um sein Paket Briefe , seinen " Briefbeutel " , zu schreiben .
Das zweite mag eher hingehen , daß er , wenn er mit vielen Oblaten Pakete gesiegelt und doch keine Siegelpresse und keine Zeit , sondern zu viele Arbeit gehabt , sich bloß eine Zeit lang darauf gesetzt , um andere Sachen zu machen unter dem Siegeln .
Es sind überhaupt , Verehrtester , in unserer Biographie so manche Anstößigkeiten gegen den laufenden Geschmack -- vom Titel an bis zu den Überschriften der meisten Kapitel -- daß man ihn wohl mehr zu versöhnen als zu erbittern suchen muß .
Noch einen Grund erlauben Sie mir , da er der letzte ist .
Unsere Biographie soll doch , der Sache , der Kunst , der Schicklichkeit und dem Testamente gemäß , mehr zu einem historischen Roman als zu einem nackten Lebenslauf ausschlagen ; so daß uns nichts verdrußlicheres begegnen könnte , als wenn man wirklich merkte , alles sei wahr .
Werden wir aber dieses verhüten -- verzeihen Sie mein unhöfliches Wir -- wenn wir bloß die Namen verändern , nicht aber den Stil der Akteurs ?
Denn wird man uns nicht auf die Spur kommen schon durch Vults unverändert geliefertes Tagebuch allein , so bald man dessen Stil mit dem Stil des Hoppelpoppels ( auch dieser Titel gehört unter die Gesammt- Rüge ) , den die Welt gedruckt in Händen hat und dessen Verfasser seit dem neulichen Artikel im literarischen Anzeiger jeder kennt , zusammen zu halten anfängt ?
O ich fürchte zu sehr . --
Aber alle diese Noten stören die Verehrung nicht , womit ich ewig etc. Kuhnold .
Ich antwortete Folgendes :
" Ich fluche , aber ich folge .
Denn was half es , den Deutschen zuzumuten und das Bei Spiel zu geben , nur wenigstens auf dem Druckpapier -- nicht einmal auf dem Reichsboden -- so keck zu sein als ihre Vorfahren im 16ten , 17ten Säckul auf beiden waren ?
Gedachte sagen , sie hofften seitdem von den Franzosen weiter gebracht zu sein .
Unser Diamant der Freiheit ist aus unserem Ringe in einen Drachenkopf gekommen , wo er nicht eher glänzen kann als bis wir im Drachenschwanze stehen .
Ich weiß nicht , ob ich mich dunkel erkläre , hoffe es aber .
Trefflichster ! der Humorist hat zwar einen närrischen , widerlichen Berghabit zum Einfahren in seine Stollen ; -- er verleibt sich zwar nach Vermögen alle Aus- und Miß-Wüchse der Menschheit ein , um das Beispiel der Mißgeburten zu befolgen und zu geben , die in vorigen Jahrhunderten bloß darum mit fleischernen Fontangen , Manschetten und Pluderhosen geboren wurden , um damit der Welt , wie die Strafprediger errieten , ihre angezogenen vorzuwerfen ; -- und hiermit wäre Vult entschuldigt -- ; aber wie gedacht , ich folge und schlage nichts ein als den alten aristotelischen Mittelsteig , der hier darin besteht , daß ich weder erzähle , noch erdichte , sondern dichte ; und wenn Skalicher in einem Werkchen von 8 Bogen über seine Familie im Stande war , vierhundert und neun und neunzig Verfälschungen anzubringen , wie Scioppius gut erwiesen * ) : so dürfte in einem Werkchen von eben so vielen Bänden die Doppelzahl davon eben so leicht als nützlich ausfallen .
Vor dem Erraten der wahren Namen unserer Geschichte dürfen wir , H. Bürgermeister , uns nicht ängstigen , da bisher für keine von allen Städten , die ich in meinen vielen Romanen abkonterfeiet habe , der Büschingische Name ausgespäht wurde , ungeachtet ich in einigen davon selber wohnte , sogar z. B. in Haelwebeemcebe und Efgeerenengeha .
Indes ersuch ich die Testaments-Exekution , daß mir doch Vults Einleitung zu seinem Tagebuch samt unserem Briefwechsel darüber in den fliegenden Hering ( No. 56. ) einzunehmen Zuge * ) Mencken de Charl. erud. ed. IV. lassen werde , weil Sachen dadurch vorbereitet werden , die ohne das Tagebuch kein Mensch motivieren kann , nämlich Vults schnelles Einziehen und Verlieben .
Wahrlich Sie , ehrlicher Stadtrat , sind glücklich und erfahren nichts von den Vater- und Mutterbeschwerungen erträglicher Autoren .
Sie als Menschen stehen samtlich unter dem herrlichen Satze des Grundes , und der Freiheit dazu , und alles was Sie nur machen oder sehen , bekommen Sie sogleich schon motiviert -- --
Aber Dichter haben oft die größten Wirkungen recht gut fertig vor sich liegen , können aber mit allem Herumlaufen keine Ursachen dazu auftreiben , keine Väter zu den Jungfernkindern .
Wie ihnen dann Kritiker mitspielen , die weniger mit als von kritischem Schweisse -- der hier die Krankheit , nicht die Krisis ist -- ihr Brot verdienen , wissen der Himmel und ich am besten .
Der ich verharre etc. etc. J. P. F. R.
Meiner Bitte wurde , wie man sieht , willfahren .
Nro. 57. Regenpfeifer .
Doppel-Leben .
" Der Himmel besteht wahrscheinlich aus ersten Tagen -- wiewohl die Hölle auch -- so sehr jauchzet mich heute dein elendes Nest an , " sagte Vult beim Frühstück .
Beide gingen in ihre Wohnungen an ihre Arbeiten nach Hause .
Vult schrieb am Tagebuch ein wenig und schnitt zwei brauchbare Ausschweifungen sogleich heraus für den Hoppelpoppel .
Dann sah er aus dem Fenster und sprach zur freundlichen Raphaela herab , welche auf Vaters Befehl im Garten Wach-Stehen mußte , weil man die Bildsäulen wie die Orangerie-Kästen in die Winterquartiere trug .
Da er voraus sah , daß Walten ihn hören müßte , so schneite er zierlich-gefrorene Eisblümchen von Anspielungen auf Liebe , Kälte , Halbgöttarchen und ganze Göttinnen hinab , welche , hoffte er , Walts und Raphaelens Wärme schon zu schönen bunten Tropfen auftauen würden .
Raphaela ließ ähnliche Eisblumen an seinen Scheiben anschießen ; und wurde im kalten Wetter des Gartens schön geheizt , bloß weil Vult ein Mann und ein Edelmann war .
Für manches Mädchen sitze ein Ahnen-Mann auf seinem Stammbaum so eingliedert und zerschoßen wie ein Schützenvogel am dritten Tage auf der Stange , sie wird doch an ihm gern zur Königin und will ihn erzielen .
Mit einer Freude ohne Eifersucht gab sie ihm auf die Frage , wann der General mit seiner Tochter komme , die Hoffnung ihrer Nähe .
Kaum hatten die Gebrüder mit größerer Mühe wieder zu fliegen und zu scherzen angefangen im Roman :
so stand Vult auf und murmelte so zu sich -- Walten musste es hören -- : " ich wüßte nicht , warum ich nicht zu meinem einsamen Bruder einmal einen Spaziergang machte , da die Wege von hier zu ihm noch ebener und fester sind als selber in Kursachsen . "
Darauf öffnete er das Kapfensterchen am gemalten Palaste der Bühnenwand und rief hindurch : kannst du mich hören ?
Ich hätte Lust zu dir zu marschieren , wenn du eben allein wärest .
" Du Schelm , du guter , " sagte Walten .
Jener reiste denn um die Wand mit anderthalb Schritten und dem Wandnachbar entgegen mit Vorgestrecke tem Handschlag sagend : " mich schreckt das Schneegestöber draußen wenig ab , dich in deiner Einsiedelei aufzusuchen und sie vielleicht zu verwandeln in eine lachende Zweisiedelei . "
-- " Bruder , sagte Walten , vom Schreibetisch aufstehend , könnte ich komisch dichten oder dürfte man einen Freund abschatten in Rissen und Schattenrissen : wahrlich ich schriebe jeden Schritt ab von dir .
Aber ich glaube nicht , daß es sich geziemt , ein geliebtes Herz auf den poetischen Markt zur Schau zu legen .
Bin ich etwa zu sehr im Schreibfeuer ? "
" Nein , versetzte Vult , auch nicht im Rechte ; ist_es Zufall oder was , daß du in der Stube wieder ein Linker bist , und ich ein Rechter ?
* ) --
Aber ich muß endlich nach Hause , Alter , und da spaßen -- vor Welt und Nachwelt . "
Er ging .
Walten hielt es für Pflicht , ihn auch bald zu besuchen , um ihm die Einsperrung in eine halbierte * ) Bekanntlich hießen im Dorfe Elterlein die fürstlichen Untertanen am rechten Bachufer die Rechten , die adeligen am linken die Linken .
Stube ein wenig zu vergelten .
Er sagte Volten , wie heute so viele andere Zufälle sich zu ihrem Glück vereinigten , daß z. B. der erste Schnee falle , der von jeher etwas häusliches und heimisches für ihn aus der Kindheit gehabt , gleichsam die Maiblümchen des Winters -- und daß er heute von hier aus die ersten Drescher höre , diese Sprach- oder Spielwalzen des Winters .
" Du meinst die Flegel , sagte Vult ; nur störet ihr Takt meiner Flöte ihren . "
-- " Wie kommt beiläufig , mein Alter , -- sagte Walten -- daß ein fast so einfältiger Vers , der den Takt von drei Dreschern nachklappen soll , etwas Anziehendes für mich hat : " im Winter , mein Günther , so drischt man das Korn ; wenn_es kalt ist , nicht alt bist , tapfer gefroren . " --
Es kann so sein , antwortete Vult , daß der Vers in seiner Art vortrefflich ist , und nachahmend , wer will_es wissen ? --
Oder auch , weil ihn uns unser Vater so oft aus H. v. Rohrs Haushaltungs-Recht vorlas .
Nämlich in Kursachsen hatte damals die Drescherzunft besondere Gesetze .
Z. B. wer wie du weißt , das halbe Vierte nicht nach dem Verse drasch : Fleisch in Töpfen , laßt uns hopfen , bekam 40 Streiche mit der Wurfschaufel auf den Steiß .
So war_es ein Zunftartikel , daß man für jeden Zank in der Scheune einen neuen Flegel abgeben mußte ; eine Strafe , welche bei literarischen Zwistigkeiten schon im Fehler selber abgeführt wird .
Beide hoben wieder das Schreiben an .
" Ich dachte jetzt daran -- rief ihm Vult aus dem Pallastfensterlein -- als ich dich laut das Papier umwenden hörte und innen hielt , wie von solchen Kleinigkeiten ganze europäische Städte , für die wir etwa arbeiten , mit ihren feinsten Empfindungen geradezu abhängen .
Eine von Staub verdickte Tinte -- oder eine elende weiße , die sich später schwärzt -- ein ähnlicher bestohlener Kaffer -- ein rauchender Ofen -- eine knuspernde Maus -- eine verdammte rissige Feder -- ein Bartscherer , der dich gerade mitten in deinem höchsten Schuß durch den Äther einseift und dir mit dem Bart die Flügel beschneidet -- -- sind das nicht lauter elende Wolkenflocken , welcher einer ganzen Erde eine Sonne voll Strahlen , um einen Autor so zu zu nennen , verdecken können ?
Es ist ja ordentliche Fopperei der Welt .
Auf der anderen Seite ist es allerdings -- schreibe aber dann fort -- eben so ermunternd und erhaben , daß der Tropfe Tinte , den du oder ich nachher aus der Feder aufs Papier im Stillen hinflößen , Wasser für die Mühlräder der Welt sein kann -- aushöhlendes Ätzwasser und Tropfbad für das Riesengebirge der Zeit -- ein Riechspiritus und Hirschhorngeist für manches Volk -- der Aufenthalt des Meergottes als Zeitgeistes -- oder sonst etwas ähnliches dem Tropfen , womit ein Bankier oder ein Fürst Städte und Länder überschwemmt .
Gott ! womit verdient man es , daß man so erhaben ist ? --
Jetzt schreibe aber . "
Abends gegen vier Uhr hörte Walten deutlich , daß Vult zu Floren sagte : " ehe ' du uns bettest , schönes Kind , so laufe zum H. Notarius Harnisch , in meiner Nachbarschaft , und ich ließ ihn bitten , diesen Abend zum Tee , auf einen Thé markant -- und bringe nur mir Licht , weil er dann keines braucht . "
-- Walten erschien , um das erstemal in seinem Leben einen Tee anders als Flegeljahre IV. Bd. 10 nach Laxiermitteln zu trinken .
Vult gab ihn mit Wein , den er nie vergaß zu borgen .
" Wenn die Alten schon den Ahorn mit Wein begossen , wie viel mehr wir den Lorbeer ! --
Wer einen Hoppelpoppel schreibt , sollte ohnehin einen Hoppelpoppel trinken , ja er sollte beides vereinen , und ein Punsch-Royalist werden , wenn du weißt , was Punsch royal ist .
Ich genieße das Leben sub utraque . "
Beide führten darauf ihre guten Diskurse wie Menschen pflegen und sollen .
Vult : " Ich spreche unendlich gern -- vorher ehe ich das Gesprochene aufschreibe .
Tausend Sachen lassen sich erfinden , wenn man keift und kriegt .
Daher kommt vielleicht , daß man auf Akademien sich in alle Würden und Erlaubnisse , zu lehren , nicht wie an Höfen hineinschmeichelt , sondern hineinzankt , d. h. disputiert , wozu Sprechen so nötig , z. B. so bringe ich selber diesen Einfall oder den vormittägigen vom Flegel zu Papier . "
-- Walten : " darum werden Briefe als Nachhalle der Gespräche so geschätzt . "
-- Vult : " denn sogar zum Philosophieren ist ein zweites Menschengesicht behilflicher als eine weiße Wand- oder Papier Seite . "
-- Walten : " O Lieber , wie hast du Recht !
Doch kann es nicht so sehr auf poetische Darstellungen passen , als auf scherzhafte und witzige und philosophische ; dir hilft Reden mehr , mir schweigen . "
-- Vult :
" Der Winter ist überhaupt die furchtbarste Lettern-Zeit ; Schneeballen gefrieren zu Bücherballen .
Hingegen , wie reiset und fliegt ein Mensch im Lenz !
Hier wären Bilder leicht ; aber die Ostermesse ist der beste Beweis . "
-- Walten :
" Es ist , als wenn der Mensch von neuen Bergen aus Wolken umschlossen , ohne Himmel und ohne Erde , bloß im Meer des Schnees treibend -- so ganz allein -- kein Sington und keine Farbe in der Natur --
ich wollte etwas sagen ; nämlich der Mensch muß aus Mangel äußerer Schöpfung zu innerer greifen . "
Vult : " Trinke ' diese Tasse noch. O sehr wahr !
Wiewohl wir heute eben nicht viel geschrieben und ich gar nichts . "
Beide bedauerten nur , daß ihre so schöne Gemeinschaft der Güter durch Mangel an Gütern etwas gestört würde , indem alles , was sie von Gold in Händen hätten , sich bloß auf die Gold Finger daran einschränke .
Weder Vult konnte auf dem Instrumente , das er blies , noch Walten mit den Instrumenten , die er jetzt selten zu machen bekam , sich viel verdienen .
Armen-Anstalten für beide mußten getroffen und jeder der Almosen-Pfleger des anderen werden .
Noch heute , ja auf der Stelle mußte ein Zauberschlag von unabsehlichen Folgen getan werden ; sie taten ihn im Weinfeuer mit vier Armen .
Sie schickten die ersten Kapitel und Ausschweifungen des Hoppelpoppel oder das Herz an den Magister Dyk in Leipzig zum Verlage .
Denn ein Werk kann immer mit dem hinteren Ende noch in der Schneckenschale des Schreibpultes wachsen , indes das vordere mit Fühlhörnern schon auf der Poststraße kriecht .
Sie setzten ihre erste Hoffnung gütiger Annahme darum auf den Magister , weil sie glaubten , ein Buchhändler , der selber ein Gelehrter ist , habe doch immer mehr prüfenden Geschmack für Manuskripte als ein Buchhändler , der erst einen Gelehrten hält , welcher prüft .
Walten mußte im Briefe -- auf Vults Welt Rat -- sich stolz gebärden und viel begehren , und sich alle Rechte der folgenden Auflagen vorbehalten .
" Da Milton -- setzte er hinzu -- 12 Guineen für sein verlorenes Paradies einstrich :
so wollen wir , um in Leipzig zu zeigen , wie wenig wir uns ihm gleichsetzen , acht und vierzig begehren . "
-- Der Notar erstaunte , daß ein Autor , besonders er , die große Gewalt ausübe , Papier , Druck , Format , und Stärke der Auflage -- 3000 Exemplare wurden dem Magister zu drucken erlaubt -- dem Verleger vorzuschreiben .
Vult trug darauf selber die Kapitel auf die sächsische Post , um , wie er sagte , einmal wieder die Welt zu sehen .
Am Tage darauf schufen beide sehr .
Ein junger Autor glaubt , alles was er auf die Post schickt , sei schon dadurch verlegt und gedruckt , und schreibt darum fleißiger .
Kein Besuch , kein Fest , kein Mensch , kein Brief störte sie .
Vult hatte kein Geld und Walten war zum Setzling geboren .
Dichter bauen , wie die afrikanischen Völker , ihre Brotfelder unter Musik und nach dem Talte an .
Wie oft fuhr Walten überglücklich vom Sessel auf und durch die Stube mit der Feder in der Hand ( Vult sah oben über die spanische Wand hinein und merkte es an ) und ans Fenster und sah nichts und konnte den süßen Sturm kaum aus der Brust aufs Papier bringen und setzte sich wieder nieder !
Darauf sagte er überfließend :
" Flöte immer , mein Vult , du störest mich nicht ; ich gebe gar nicht darauf Acht , sondern verspüre nur im Allgemeinen das Ertönen vorteilhaft . "
-- " Sagt mir lieber , ihr Kauz , von was ich jetzt auszuschweifen habe in Eurem Kapitel , damit wir beisammen bleiben ? " sagte Vult .
Über dem Essen -- bald auf Walts , bald auf Vults Zimmer -- dehnten beide die Mahlzeit in die Länge , die aus Einer Portion für zwei Menschen bestand , weil kein Wirt die zweite herborgte ( was jedoch das Beisammenwohnen desto schöner motiviert ) , und zwar dadurch , daß sie mit höherem Geschmacke sprachen als mit körperlichem und mehr Worte als Bissen über die Zunge brachten .
Sie rechneten aus , um wie viele Meilen die ersten Kapitel dem Magister Dyk schon näher wären , mit welchem Feuer der Hoppelpoppel ihn durchgreifen und aus allen Fugen schütteln würde und ob das Drucken etwa , wenn es anginge , nicht so schnell fortginge , daß mit dem Schreiben kaum nachzukommen wäre .
-- Vult bemerkte , wenn ein Romanschreiber gewiß wüßte , daß er sterben würde -- z. B. er brächte sich nur um -- so könnte er so seltsame herrliche Verwicklungen wagen , daß er selber kein Mittel ihrer Auflösung absähe , außer durch seine eigene ; denn jeder würde , wenn er tot wäre , die durchdachteste Entwicklung voraussetzen und danach herum sinnen .
" Weißt du denn gewiß , " Walten , daß du am Leben bleibst ?
Sonst wäre " manches zu machen .
-- Inzwischen sehe ich " jetzt in unserer Stube herum und denke daran , " wie auffallend , falls wir nun beide durch un " fern Hoppelpoppel uns unter Ehrenpforten und " in Unsterblichkeits-Panthea hinein schrieben , " unser Nest würde gesucht und besucht werden -- " jeden Bettel , den du an die Wand spucktest , " würde man wie aus Rousseaus Stube auf der " Peters-Insel abkratzen und abdrucken -- die " Stadt selber bekäme einigen Namen , wahr " scheinlich nach Ähnlichkeit von Ovidiopolis " den Namen Harnischopolis -- Was mir aber " die persönliche Unsterblichkeit versauert , ist , " daß mein Name nur lange währt , nicht " lang * ) .
O wer es wissen könnte bei der Tauf " Schüssel , daß er sich einen großen Namen mache " te , würde sich ein solcher Mann , wenn er sonst " scherzt , nicht einen der ausgestrecktesten Erkki " sein , zum Beispiel ( denn der Sinn hat nichts " zu sagen ) den Namen , den schon ein Muskel " führt , nämlich Mr. Sternocleidobronchocri " cothyrioideus .
Belesene Damen kämen zu " ihm und redeten ihn an : H. Sternocl und " könnten nicht weiter .
Militärs täten nach " und sagten : H. Sternocleido !
-- Die Geliebe " te allein suchte den Namen auswendig zu kön "nen und liebt ihn so lange als sie ausspräche : " teurer M. Sternocleidobronchocricothyrioid !
" Er würde gern zitiert von Gelehrten , weil schon " sein Name eine Zeile gilt vor Setzern und Käu * ) Lange bezieht sich auf Zeit , lang auf Raum .
" fern . --
Apropos !
Warum schickt denn der " Sieben-Erbe Paßvogel nicht den ersten Korrek " turbogen , gemäß allen Testaments-Klauseln " in Haßlau ? "
" Der Autor bessere noch an der Handschrift , " ließ er mir vorgestern sagen , " sagte Walten .
-- Darauf verschnauften sich beide in der Luft .
Wie manchen flüchtigen Zug der höheren Stände schnappte der Notar auf der Straße im Vorbeigehen auf für seinen Roman .
Die Art , wie ein Haßlauer Hofkavalier aus dem Wagen sprang oder wie eine Gräfin aus dem Fenster sah , konnte romantisch niedergeschrieben werden und Ein Mann für Tausend stehen und fallen !
Diese Uebertragungs- Manier , ein Farbenkorn zu einer erhobenen Arbeit zu machen , erleichtert Bauernsöhnen das Studium der höheren Stände unglaublich .
Aus demselben Grunde besuchte Walten am liebsten die Hofkirche und tat die Augen auf .
Alsdann ging man nach Hause und ans Erschaffen , das so lange währte bis es finster wurde .
Auf die Dämmerung verschoben sie -- um Licht zu ersparen -- teils weitläuftigere Gespräche , teils Flöte .
Wenn Vult so blies hinter der Wand und Walten so dort saß im Finsteren und in den blauen Sternenhimmel sah und an den Morgen in Rosenhof dachte und an Wina's Herz und Wiederkunft und unter dem mondhellen Flöten- Lichte sein klippenvolles Leben eine romantische Gegend wurde : o so stand er oft auf und setzte sich wieder hin , um den Bruder dadurch im Blasen nicht zu stören , daß er ihm bekannte , wie ihn jetzt die Minuten in Brautkleidern umtanzten und mit Rosenketten umflöchten .
Aber wenn er ausgeblasen hatte , und nach der langen Polardämmerung Licht kam : so sah ihn Walten forschend an und fragte froh : " bist du zufrieden , Bruder , mit dieser süßen Enge des Lebens ; und mit den Orchester-Tönen und inneren Zauberbildern , die wir heute vielleicht eben so reich , nur ungestörter , genossen haben als irgend ein großer Hof ? "
-- " Eine wahre Himmelskarte ist unser Leben , versetzte Vult , freilich vor der Hand nur ihre weiße Kehrseite ; doch einen Taler , den mir jemand auf die Karte legte , sähe ich nicht mit Unlust . "
Am Morgen darauf sprach Walten von seinen schönen Aussichten auf die flötende Nachtigallen- Dämmerung .
Etwas mühsam wurde Vult zu einer neuen Wiederschöpfung des melodischen Himmels gebracht .
Aber mit desto größerem Feuer erzählte darauf der Notar , wie glücklich er die dämmernde harmonische Hörzeit angewandt habe , nämlich zur Verfertigung einer Replik und eines Streckverses im Roman ; der Held sei , -- habe er unter der Flöte gedichtet -- getadelt worden , daß er über das Wort einer alten , kranken , dummen Frau , welche ihn für seine Gaben an jedem Abend in ihr Gebet eifrig einzuschließen versprochen , sich innigst erfreuet , allein der Held habe versetzt : nicht ihres Gebetes Wirkung auf ihn wäre ihm etwas , sogar wenn diese gewiß wäre , sondern die auf sie selber , daß ein so frierendes Wesen doch jeden Abend in eine schöne Erhebung und Erwärmung gelange .
" Ist das kein wahrer Zug von mir , Vult ? "
" Es ist ein wahrer von dir ( sagte Vult ) .
In der Kunst wird , wie vor der Sonne , nur das Heu warm , nicht die lebendigen Blumen . "
Walten verstand ihn nicht ; denn oft kam es ihm vor , als finde Vult zuweilen später den Sinn als das Wort .
Im nächsten Dämmerungs-Feiertag , und Feierabende , nämlich im dritten , war der dritte abgeschafft , Vult griff kein Flötenloch , blies keine Note .
Aber der Bruder nahm den künstlerischen Eigensinn nicht übel , hielt den Bruder für so glücklich als sich und wandte nichts ein gegen einen Wechsel der Dämmer-Partien .
" Habe ich denn nicht eine Luftröhre wie du , so gut zu Lauten gebohrt als die Flöte ?
Kann ich denn dir nichts sagen , ohne das Holz ins Maul zu stecken ?
-- Diskuriren wir lieber beiderseits , " sagte Vult .
In den folgenden Dämmerungen kehrte dieser zur alten Sitte zurück , hinter den Laternenanzündern die Gassen zu durchstreifen -- ein Abenteuer mit einer Schauspielerin zu bestehen -- Burgunder allein zu borgen ( Walten hielt er , seit dieser ihn mit Zucker absüßte , keines mehr würdig ) -- mit der Flöte in fremde Flöten auf der Gasse oder in die Kulisse einzutreten -- und sich endlich auf dem Kaffee-Hause halb tot zu ärgern , daß er am Ende so gut als einer , sich unter die Haßlauer mische , und , allmählich hinabgewöhnt , sich mit ihnen in Gespräche verflechte , da er doch mit der festesten Verachtung im Sommer angekommen sei .
Walten blieb freudig zu Hause ; er fand in den kleinsten Blümchen , die durch einen Schnee hindurch wuchsen , so viel Honig als er brauchte .
Als die Tage abnahmen :
so freute er sich über die Länge der Abenddämmerung so wie des gestirnten Morgens ; ohne dabei zu vergessen , daß er sich eben so gut , nur später , über die Zunahme freuen würde .
Der Mond war eigentlich sein Glücksstern , so daß er ihm in jedem Monate nicht viel weniger als 27 schöne Abende oder Morgen herunterwarf ; denn beinahe 14 Tage ( nur die Paar ersten ausgenommen ) konnte er auf dessen Wachstum bauen ; -- von Vollmond bis zum letzten Viertel , wurde ohnehin Elysiums Schimmer , bloß später , oft über seinem Bette aufgetragen , und das letzte Viertel gab den Morgenstunden Silber in den Mund .
Da einmal gerade in der Dämmerung Ballmusik gegen über war :
so nahm er sich sein Stück Winterlustbarkeit heraus , so gut wie einer .
Die Musik drang unsichtbar , ohne den Armen-Zickzack und die Backen-Kurven des Orchesters , nur entkörpert mit seligen Geistern in sein dämmerndes Stübchen .
Er stellte sich zum Tanzen an , und weil es ihm an den schönsten Tänzerinnen nicht fehlte -- da ganze Harems und Nonnenschafte darin waren und mehrere Rosenmädchen und alles -- : so zog er Göttinnen von solchem Glanz zum Tanzen auf und machte mit ihnen -- obwohl leise , um unter seinen Füßen nicht rezensiert zu werden -- nach den fernen Takten , die er begleitete , so gut seine Pas , seine Seiten- , seine Vorpas zu Hopstänzen , zu Eier- zu Schalltänzen , daß er sich vor jedem sehen lassen durfte , der nichts suchte als einen munteren Geist , der im Finsteren umher setzt .
Was er in der Seligkeit zu scheuen hatte , war bloß Vults plötzlicher Eintritt .
Ihn -- der ohnehin nicht gewohnt war , daß er etwas hatte -- drückte kein Entbehren , er hatte Phantasie , welche helles Kristallisationswasser ist , ohne welches die leichtesten Formen des Lebens in Asche zerfallen .
Doch wurde sein Himmel nicht immer so phantastisch weit über die Lüfte der Erde hinaus gehoben , er wurde auch zuweilen so real herunter gebaut wie ein Theater- oder ein Betthimmel .
An Sonntagsgeläuten , am Hofgarten , an frischer kalter Luft , an Winterkonzerten ( die er unten auf der Gasse spazierend hörte ) hatte er so viel Anteil als irgend eine Person mit Schlüssel und Stern , der im Inneren gerade beide fehlen .
Aß er sein Abendbrot , so sagte er : " der ganze Hof ißt doch jetzt auch Brot wie ich ; " dabei setzte und benahm er sich zierlich und artig , um gewissermaßen in guter Gesellschaft zu sitzen .
An Sonntagen kaufte er in einem guten Hause sich einen der besten Borsdorfer Äpfel ein und trug ihn sich Abends in der Dämmerung auf und sagte : " ganz gewiß werden heute an den verschiedenen Höfen Europas Borsdorfer ausgesetzt , aber nur als seltener Nachtisch ; ich aber mache gar meinen Abendtisch daraus -- und wenn ich mehr Leibliches begehre , du guter Gott , so erkenne ich deine Güte nicht , die mir ja in Einem fort mit stillsten Freuden wie mit tiefen Quellen die Seele überfüllt . "
Im durchsichtigen Netze seiner Phantasie fing sich jeder vorüberschießende Freuden-Zweifalter -- dazu gehörte sogar ein erwachender gelber Schmetterling im Gartenhaus -- jeder Stern , der stark funkelte -- italienische Blumen , deren deutschen Treibscherben zwischen Schauls er auf der Gasse aufgestoßen -- eine bekränzte , zwischen Andacht und Putz glühende Braut -- ein schönes Kind -- ein Kanarienvogel in der Webergasse , der mitten im deutschen Winter in Kanarieninseln und in Sommergärten hinüber schauen ließ -- und alles .
Flog Flora , die Bettmeisterin , mit hellen Gesängen die Treppen herauf , so hörte er erste Sängerinnen für seinen Teil . -- Einst an einem Markttage hatte ' er halb Italien mit einem ganzen Frühling um sich .
Der Tag schien dazu erlesen zu sein .
Es war ein sehr kalter und heller Winternachmittag , worin Mücken Mücken in den schiefen Strahlen spielen , als er im Hofgarten -- den der gute Fürst jeden Winter dem Publikum öffnen ließ -- die silbernen Schneeflocken der Bäume unter der blitzenden Sonne in weiße Blüten , die den Frühling überluden , umdachte und darunter weiter spazierte .
So plötzlich auf die Frühlings-Insel ausgesetzt , schlug er in ihr die heitersten Wege ein .
Er machte einen nahen an der Bude eines Sämereinhändlers vorbei und hielt ein wenig vor dessen Budentisch , nicht um eine Tüte zu kaufen -- wozu ihm ein Beet fehlte , da alle seine Morgen Lands nur in seinem Morgenland bestanden -- sondern um den Samen von französischen Radiessen , Mairüben , bunten Feuerbohnen , Zuckererbsen , Kapuzinersalat , gelbem Prinzenkopf zu denken und zu riechen und auf diese Weise ( nach Vults Ausdruck , glaube ich ) einen Vorfrühling zu schnupfen .
In der Tat geht unter allen Sinnen-Wegen keiner so offen und kurz in das fest zugebaute Gehirn als der durch die Nasenhöhlen .
Darauf holte er sich beim Bücherverleiher vieles , was er von guten Werken über Schmetter Flegeljahre IV. Bd. 11 linge , Blumen- und Feldbau erwischen konnte -- und las aufmerksam in den Werken , um sich die Lenz-Sachen vorzustellen , die darin auftraten .
Bloß das ökonomische , Botanische und Naturhistorische überhüpfte er ohne besonderen Verstand und Eindruck , weil er auf wichtigere Dinge zu merken hatte .
Als der Bruder fort war , stand gerade die Abendröte am Himmel und auf dem Schneegebirge , dieses Vorstück Aurores , dieser ewige Widerschein des Frühlings .
Über das Haus herüber war schon das Mondsviertel gerückt , und konnte , nicht weit von der Röte , zugleich mit ihr in sein Stübchen kleine Farben und Strahlen werfen .
" Wenn nicht der Winter nur eine längere Polar-Morgenröte des Frühlings für die Menschen ist , sagte er , indem er aufstand , so weiß ich in der Tat nicht was sonst . "
Der ganze Nachmittag war voll Frühling gewesen -- und jetzt in der Abendstunde quoll gar ein Nachtigallenschlag wie aus einem äußeren Blütenhain in seinen inneren herüber .
Er nahm einen Judenjungen , der im nächsten Wirtshaus schlug , für eine wahre Nachtigall .
Ein unmerklicher Irrtum , da die Philomele , die uns singt , eigentlich doch nirgends sitzt und nistet als in unserer Brust !
Schnell , wie von einem Zauberer , wurden die steilen Felsenwände seiner Lage umher mit Efeu und mit Blümchen überzogen .
Der Mond kam heller herein und Walten stand und ging mitten in seinem leisen Glanze träumend betend , es war ihm als höben und hielten ihn die geraden Strahlen und als habe er jeden gemeinen Gegenstand im Zimmer oder auf der Gasse mit Festtapeten zu verhüllen , damit der Himmel nur Himmlisches auch auf der Erde berühre .
" So war es gerade einst , " sang er mehrmals , auf jenen Abend deutend , wo er neben Wina's Zimmer mondstill auf und ab ging .
Ja er improvisierte singend den Polymeter : " Liebst du mich " , fragte der Jüngling die Geliebte jeden Morgen ; aber sie sah errötet nieder und schwieg .
Sie wurde bleicher und er fragte wieder , aber sie wurde rot und schwieg .
Einst als sie im Sterben war , kam er wieder und fragte , aber nur aus Schmerz : " liebst du mich nicht ? " --
und sie sagte Ja und starb .
Er versang sich immer tiefer in sein Herz -- Zeit und Welt verschwand -- er spielte wie eine sterbende Ephemere süß in den helleren Strahlen des Mondes und unter Mondsstäubchen -- : da kam Vult heiter zurück und brachte die Nachricht , Wina sei angekommen , deckte aber sogleich deren Wert für ihn selber durch eine zweite lustige zu ( und lachte stark ) " daß er nämlich , sagte er , im Vorbeigehen zu seinem Schuster gegangen , um ihn zu fragen , ob er denn seit 14 Tagen keinen 15ten gefunden , um die Rehabilitierung , Palingenesie , Petersensche Wiederbringung seiner Stiefel ( so drücke mancher leider ihr Besohlen aus ) zu vollenden ; er habe ihn aber nicht eher als auf dem Rückwege gefunden , wo er auffallend ihm immer rechts in die Schattenseite ausgebogen ; -- bis er nach langem Predigen gesehen , daß der Mann die Stiefel , welche der Bußtext der Kasualrede waren , an den Beinen bei sich habe , und herumtrage , um sie erst noch etwas abzutreten , bevor er sie flicke . "
" War dieser Spaß , der noch dazu voll Anspielungen steckt , nicht so viel wert als das beste Paar Stiefel selber ? "
-- " Ist er denn so sonderlich ? " sagte Walten .
-- " Warum , fragte Vult bestürzt , siehst du so sonderbar aus ?
Warst du traurig ? "
-- " Ich war selig , und jetzt bin ich_es noch mehr , " versetzte Walten , ohne sich weiter zu erklären .
Die höchste Entzückung macht ernst wie ein Schmerz und der Mensch ist in ihr eine stille Scheinleiche mit blassem Gesicht , aber innen voll überirdischer Träume. No. 58. Giftkuttel .
Erinnerungen .
Der Notarius erwartete am Morgen nichts geringeres und gewisseres als einen Bedienten außer Atem , der ihn eilig vor das Schreibepult des Generals bestellte .
Nichts kam .
Der Mittelmann glaubt , die Obermänner stehen darum auf den höheren Sprossen der Staatsleiter , um besser die Nachsteiger zu überschauen ; indes er selber das Auge weniger auf den Kopf seines Nachsteigers als auf den Hinteren seines Vorsteigers heftet ; und so alle auf und ab .
Die mittleren Stände haben den höheren keine andere Vergeßlichkeit schuld zu geben als die , welche die niederen wieder ihnen vorwerfen .
Die Dämmerung konnte Vult kaum erwarten , um ein Dämmerungsfalter zu werden und auszuflattern ; Walten zählte eben so stark darauf , um ein Dämmerungs- ein Nacht- und ein Tagfalter zugleich zu sein , aber nur geistig und nur daheim .
Himmel !
er wurde es so sehr !
Denn als Vult ganz spät und nicht in bester Laune nach Hause kam , fand er Walten hingegen darin , nämlich in bester -- feurig schreitend -- fast verjüngt , ja kindlich -- so daß er ihn fragte : " du hast , ich schwöre , heute Gesellschaft gehabt oder gesehen und zwar die angenehmste , nur weiß ich nicht welche .
( Er meinte heimlich Raphaela ) .
Oder hat der Magister Dyk gut geschrieben ? "
" Ich erinnerte mich , versetzte Walten , den ganzen Abend fort und zwar der Kindheit ; denn sonst hatte ich noch nichts . --
Lehre mich diese Gedächtniskunst , sagte Vult .
-- " Das Schulmeisterlein Wutz von J. P. machte es wie ich , so wunderbar errät ein Dichter das Geheimste .
Ich möchte wohl Tage lang über die kleinen Frühlingsblümchen der ersten Lebenszeit reden und hören .
Im Alter , wo man ohnehin ein zweites Kind ist , dürfte man sich gewiß erlauben , ein erstes zu sein und lange zurückzuschauen ins Lebens-Frührot hinein . Dir offenbar ich_es gern , daß ich mir höhere Wesen , z. B. Engel ordentlich weniger selig aus Mangel an Kindheit denken kann , wiewohl Gott vielleicht keinem Wesen irgend eine Kindheits- oder Vergißmeinnichts-Zeit mag abgeschlagen haben , da sogar Jesus selber ein Kind war bei seiner Geburt .
Besteht denn nicht das gute Kinderleben nur aus Lust und Hoffnung , Bruder , und die Frühregen der Tränen fliegen darüber nur flüchtig hin ? "
" Früh-Regen und alter Weiber Tänze und so weiter -- nämlich junge Not und alte Lust und so weiter .
Falle ich noch in den Zeit- Punkt deiner versus memoriales ? " sagte Vult .
" Wahrlich , stets hob ich in Leipzig und hier nur Tage dazu heraus , wo du noch nicht mit dem Musikus entlaufen warst . "
" So erinnere dich deines heutigen Erinnerns wieder vor mir , bat Vult ; -- ich stehe dir mit neuen Zügen bei . "
" Ein neuer Zug aus der Kindheit ist ein goldenes Geschenk " , sagte Walten "-- nur wirst du manches zu kindisch finden .
( Kindisch bloß , sagte Vult )
Ich nahm heute zwei Tage , nahe am kürzesten und längsten . "
Der erste Tag fiel in die Adventszeit .
Schon dieser Name und der andere " Adventsvogel " umfliegt mich wie ein Lüftchen .
Im Winter ist ein Dorf schön , man kann es mehr überschauen , weil man mehr darin beisammen bleibt .
Nimm nur den Montag .
Schon den ganzen Sonntag freute ich mich auf die Schule am Montag .
Jedes Kind mußte um 7 Uhr bei Sternenschein mit seinem Lichtchen kommen ; ich und du hatten schön bemalte von Wachs .
Vielleicht mit zu großem Stolze trug ich einen Quartband , einige Oktavbände und ein Sedez-Werkchen unter dem Arm .
" Ich weiß , sagte Vult . du holtest der Mutter noch Semmel aus dem Wirtshause , als du schon den Markus und seinem Ochsen griechisch exponiertest .
" Dann fing die schöne Welt des Singens und Lehrens in der süßen Schulstubenwärme an .
Wir großen Schüler waren hoch über die kleinen erhoben ; dafür hatten die Abc-Zwerge das Recht , -- und es war ihnen zu gönnen -- daß sie den Kandidaten laut anreden und ohne Anstand ein wenig aufstehen und herumgehen durften .
Wenn er nun entweder die Spezialkarte aufhing und wir am meisten froh waren , daß Haßlau und Elterlein und die umliegenden Dorfschaften darauf standen -- oder wenn er von den Sternen sprach und sie bevölkerte und ich voraus sah , daß ich Abends den Eltern und Knechten dasselbe erweisen würde -- oder wenn er uns laut vorlesen hieß :
-- " Du weißt , fiel Vult ein , daß ich dann das Wort Sakrament , er mochte sagen was er wollte , immer mit einem Akzent herlas , als ob ich fluchte , desgleichen Donnerwetter .
Auch war ich der einzige , der ins laute gemeinschaftliche Abbeten eine Art 3/8 Takt zu bringen versuchte .
" Ich hätte dem arbeitsamen Manne so gern Entzückungen gegeben , wenn ich sie gehabt hätte .
Ich betete oft ein leises Vater unser , damit Gott ihn einen Finken , wenn er hinter seinem Kloben lauerte , darauf fangen ließe ; und du wirst dich erinnern , daß ich stets die Schlachtschüssel mit Fleisch ( du aber nur den Suppentopf ) zu ihm trug .
Wie ich mich auf das nächste Wiedersehen in der Schule freute ! "
" Wer mich hart gegen den Schulmeister findet , sagte Vult , dem halte ich bloß vor , daß mir der Schulmann einmal eine angerauchte Pfeife abpfändete und sie in derselben Schulstunde öffentlich vor meiner Nase gar ausrauchte .
Heißt dies exemplarischer Lebenswandel von Schulmeistern ?
Oder etwa dies , daß sie Fischchen-Fangen und Vögel-Stellen uns Scholaren sprichwörtlich verbieten wie Fürsten die Wagspiele , sich aber selber erlauben ?
Darüber möchte ich einmal Männer in öffentlichen Blättern hören . "
-- " O die liebe erste Schulzeit !
Mir war alles erwünscht , was gelehrt und geboten wurde , die kleinste Wissenschaft war ja ganz voll Neuigkeiten , indes ihr jetzt in Messen nur einige nachwachsen .
Kam nun vollends der Pfarrer mit den großen Augenbraunen im Priesterornat und verdunkelte doch den Kandidaten wie ein Kaiser oder Papst einen Landesregenten , den er besucht : wie süßschauerlich !
Wie groß fiel jeder Laut seiner Baßstimme !
Wie wollte man das Höchste werden !
Wie wurde jedes Wort unseres Schomakers dreifach besiegelt durch seines !
" Ich glaube , man ist schon darum in der Kindheit glücklicher als im Alter , weil es in ihr leichter wird , einen großen Mann zu finden und zu wähnen ; ein geglaubter großer Mensch ist doch der einzige Vorschmack des Himmels . "
In sofern , sagte Vult , möchte ich ein Kind sein , bloß um zu bewundern , weil man damit sich so gut kitzelt als andere .
Ja ich möchte als ein Fötus mit Spinnenarmen an die Welt treten , um die Wehmutter als eine Juno Ludovisi anzustaunen .
Ein Floh findet leicht seinen Elefanten ; ist man hingegen älter , so bewundert man am Ende keinen Hund mehr .
Doch muß ich dir bekennen , daß ich schon damals unserem knurrenden Pfarrer Gelbkoppel aus seiner Kragen-Glorie einige Strahlen ausrupfte .
Ich hatte , wie gewöhn lich , ein Buch unter die Schultafel in der Absicht fallen lassen , hinunter zu kriechen und drunten die Fruchtscheuer von Häng-Füßen am Bank-Galgen lächerlich zu finden : als ich auch Gelbkoppels Wochen-Stiefel auf dem Boden antraf und durch den aufklaffenden Priesterrock die Hosen , die er bei dem Grumt-Aufladen angehabt , zu Gesicht bekam -- weg war seine ganze oben darauf gepelzte Würde -- Der Mensch , wenigstens der Apostel , sei aus Einem Stück gekleidet , er sei kein halber Aposteltag , Walten ! "
" Vult , bist du dergleichen nicht fast in mancher Bemerkung ? --
Nun kam 11 Uhr heran , wo wir beide auf den Turm zum Läuten und Uhr-Aufziehen gehen durften .
Ich weiß noch gut , wie du dich oben auf dem Glockenstuhl an das Seil der ausschwankenden Glocke hingst , um geschwungen zu werden , ob gleich viele dir sagten , sie werfe dich durch das Schallloch .
Ich hätte selber hindurch fliegen mögen , wenn ich so hinaus sah über das ganze Kreuzweiß gebahnte Dorf voll lärmender Dreschtennen , und an die dunkle Bergstraße nach der Stadt , und über den weiten Schnee-Glanz auf allen Hügeln und Wiesen und dabei den blauen Himmel darüber her !
Doch damals war der Erde der Himmel nicht sehr nötig .
-- Hinter mir hatte ich die ernsthafte Glocke mit ihrer eiskalten Zunge und mit ihrem Hammer , und ich dachte mir es schauerlich , wie sie einsam in der frostigen Mitternacht zu mir ins tiefe Haus und warme Bette hinab reden werde .
Ihr Summen und Aufsummen in dieser Nähe umfloß den Geist mit einem stürmenden Meere , und alle drei Zeiten des Lebens schienen darin unter einander zu wogen . "
" Bei Gott !
Hier hast du Recht , Walten .
Nie höre ich dieses Tonbrausen ohne Schauder und ohne den Gedanken , daß der Müller erwacht , so bald die rauschende Mühle still steht ; unser Leib mit seiner Holz- und Wasser-Welt ; indes ergötzt die Betrachtung schlecht für den Augenblick . "
" Nimm nicht dein ernstes Herz so wieder zurück , Bruder !
Sollte ich dein Gleichnis wieder mit einem beantworten , so würde ich sagen , diese Stille sei die auf dem Gipfel des Gotthardsberges .
Alles ist dort stumm , kein Vogel und kein Lüfte chen zu hören , jener findet keinen Zweig , dieses kein Blatt ; aber eine gewaltige Welt liegt unter dir , und der unendliche Himmel mit allen übrigen Welten umfängt dich rings . --
Willst du jetzt weiter gehen in unserer Kindheit , oder lieber morgen ? "
" Jetzt , besonders jetzt .
Der Kindheit werfe ich nichts vor als zuweilen -- Eltern .
Wir stiegen also beide die langen Turmtreppen herunter " -- " und im elterlichen Hause wurden wir durch die reinlich-geordnete Mittags-Welt erfreuet an der Stelle der trüben Morgenstube ; überall Sonnenschein und Aufordnung .
Da aber der Vater in der Stadt war und also das Mittagsbrot schlechter und später :
so ließ ich mir es bis nach der Schule aufheben , weil ich nicht zu spät in diese kommen wollte , und weil mir jetzt aus der Ferne durchs Fenster schon Kameraden und Lehrer wieder neu erschienen . "
In der Schulstube grüßte man die unveränderten Bänke als neu , weil man selber verändert ist .
Ein Schul-Nachmittag ist , glaube ich , häuslicher , auch wegen der Aussicht , Abends zu Hause und noch häuslicher zu bleiben .
Ich freute mich auf das ungewöhnliche Allein-Essen und auf den Vater mit seinen Sachen aus der Stadt .
Ein ganzer Wolkenhimmel von Schneeflocken wirbelte herunter , und wir Schüler sahen es gern , daß wir kaum mehr die kleine Bibel lesen konnten , in der ohnehin dunklen traulichen Schulstube .
Draußen nun sprang jeder in neu gefallenen Schnee sehr lustig mit den lange müßigen Gliedmaßen .
Du warfst deine Bücher ins Haus und bliebst weg bis zum Gebetläuten ; denn die Mutter erlaubte dir das Austoben am meisten in Absein des Vaters .
Ich folgte dir selten .
Der Himmel weiß , warum ich stets kindischer , ausgelassener , hüpfender , unbeholfen-eckiger war , als du -- ich machte meine Kinds- oder Narrenstreiche allein , du machtest deine als Befehlshaber fremder mit . "
" Ich war zum Geschäftsmann geboren , Walten ! "
" Aber in der Vesper las ich lieber .
Ich hatte erstlich meinen orbus pictus , der , wie eine Iliade , das Menschen-Treiben auseinander blätterte .
Ich hatte auf dem Gesimse auch viele Beschreibungen , teils vom Nordpol , teils von alter Norden-Zeit , z. B. die frühesten Kriege der Skandinavier u. s. w. und je grimmig-kälter ich alles in den geographischen Büchern fand oder je wilder in den historischen : desto häuslicher und bequemer wurde mir .
Noch kommt mir die altnordische Geschichte wie meine Kindheit vor , aber die griechische , indische , römische , mehr wie eine Zukunft .
In der Dämmerung flatterte das Schneegestöber , und aus dem reinen Himmel blitzte der Mond durch das Blumengebüsch der gefrierenden Fenster -- Hell klang draußen in der strengen Luft das Abendläuten unter den aufgebäumten Rauchsäulen -- Unsere Leute kamen Hände-reibend aus dem Garten , wo sie die Bäume und Bienenstöcke in Stroh eingebaut hatten -- Die Hühner wurden in die Stube getrieben , weil sie im Rauche mehr Eier legen -- Das Licht wurde gespart , weil man ängstlich auf den Vater harrte --
Ich und du standen auf den Hand- oder Fußhaben der Wiege unserer Seele .
Schwester , und unter dem heftigsten Schaukeln hörten wir dem Wiegenlied von von grünen Wäldern zu und der kleinen Seele taten sich tauschimmernde Räume auf -- Endlich schritt der geplagte Mann über den Steg , bereift und beladen , und ehe er noch den Quersack abgehoben , stand sein dickes Licht auf dem Tisch , kein dünnes .
Welche herrliche Nachrichten , Gelder und Sachen brachte er mit und seine eigene Freude ! "
" Wer bezweifelt seine Entzückung weniger als ich , den er darin allemal ausprügelte , bloß weil ich auch mit entzückt sein wollte , und dadurch , springend und tanzend , den Lärm erregte , den er in stiller Lust am meisten verfluchte ; so wie ein Hund sich nie mehr kratzen muß , als wenn er freudig an seinem Herrn aufspringt . "
" Scherze nicht !
Und bedenke , was er uns mitbrachte ; ich weiß es aber nicht mehr -- mir einen für mein Geld gekauften Bogen Konzeptpapier , wovon ich damals nicht denken konnte , daß so etwas breites nettes mehr koste als zwei Pfennige .
-- Für die Schwester ein Abc-Buch mit Gold-Buchstaben schon auf der äußeren Deckel Flegeljahre IV. Bd. 12 Schale und mit frischen sauberen Tier-Bildern im Vergleich gegen unsere abgegriffenen alten .
" Schießpulver als Digestivpulver für das Schwein , wovon die wenigen Körnchen , die ich zusammenkehrte , mir bessere Feuerwerke auf einen Span bescherten als irgend einem König ein dreißigjähriger Krieg . "
-- " Das beste war wohl der neue Kalender .
Es war mir als hielt ich die Zukunft in der Hand , wie einen Baum voll Fruchtlage .
Mit Lust überlas ich die Namen : Lätare , Palmarum , Jubilate , Kantate , wobei mir mein wenig Latein gute Dienste tat .
Die Epiphanias waren mir verdrießlich , besonders zu viele ; hingegen je mehrere Trinitatis-Sonntage fielen , desto länger grüne , dachte ich , die freudenreiche Zeit .
Lächerlich kommt es mir vor , daß , eben da ich hinten im Kalender die Haßlauer Postberichte las , die kaiserliche reitende Post im Dorfe ins Horn stieß , und ich den guten Menschen bewunderte und bedauerte , der nun , laut dem Berichte , mitten im Winter allein nach ganz Pommern , Preußen , Polen und Rußland ritt ; ein Irrtum , den ich erst in Leipzig fahren ließ .
Wenn nun darauf der Kandidat Schomacker zum Essen kam und wir vom Vater manche Historien mit Vergnügen zum zehntenmal hörten -- wenn du nach dem Essen auf einer Spahn-Geige aus gewichstem Zwirnfaden kratztest -- und ich einen glimmenden Schleußen- Span zu einem Feuerrad umschwang -- und ich und du und der lange Knecht , der mir damals , wie den Kindern vielleicht alle gewohnte Gesichter , schön vorkam , spielten und sangen :
" Ringe , " ringe Reihe , es sind der Kinder drei , Sitzen " auf den Holderbusch , Schreien alle Musche , " Musche , Musche !
Setzt euch nieder !
Es sitzt 'ne " Frau im Ringelein , Mit 7 kleinen Kindern .
" Was Essens gern ?
Fischelein .
Was Trinkens gern ?
" Roten Wein .
Setzt euch nieder ! " --
Innig erfreuet las ich neulich in Gräters Bragur das einfältige Kinderding -- Ich muß aber meinen Satz ganz anders angefangen haben . "
-- " Nunmehr ist er geschlossen .
Das Leben fängt , wie das griechische Drama , mit Possen an .
Beginn ohne ehe du erwachst , deinen versprochenen Sommertag .
" Ich könnte ihn wohl von der Faßnacht anheben , wo der neu erstandene Frühling lauter Sonnenstrahlen in die Schulstube voll kleiner geputzter Tänzer streuet , so daß es in den Seelen früher blühte als in den Gärten .
Schon der alte simple Vers :
" Zur Lichtmeß essen die Herrn am Tage , Zur Faßnacht Tuns die Bauern auch nach , " zog Abendröte und Blütenschatten um den Abendtisch .
Gott , wie wehen noch die Namen : Marientage , Salatzeit , Kirschenblüte , Rosenblüte , die Brust voll Zauberduft ! --
So denke ich mir auch die Jugend meines Vaters bloß als einen ununterbrochenen Sommer , besonders in der Fremde ; so wie ich meinen Großvater und überhaupt die zurückliegende Zeit vor meiner Geburt immer jung und blühend sehe .
Da gab es schöne Menschentage , sagt man sich .
Wie frisch und hell springend , gleich Frühlingsbächen , kommen mir die alten Universitäten , Bologna und Padua , vor mit ihren ungemessenen Freiheiten , und ich wünschte mich oft in diese hinein ! "
" Macht ' ich weniger aus dir , so müßte ich bei deinem Wünsche denken , es wäre damals aus sehr Hauspump , Buren , Landesvater , auch Gassatim rumoren und Degen wetzen deine Sache gewesen ; aber ich weiß gut , du wolltest zu allem nur ruhig sitzen und zusehen als Rektor magnificus .
-- Allein gib nun deinen heutigen Sommertag ! "
" Es war das H. Dreifaltigkeitsfest , und zwar das jener Woche , worin du auf und davon gingest .
Nur vorher lasse mich noch bemerken , daß mir deine erwähnten Studenten-Wörter teils neu klingen , teils roh .
An diesem h. Feste nun , das mit Recht in die schönste Jahreszeit fällt , gingen , wenn du es nicht vergessen , unsere Eltern immer zum h. Abendmahl .
Gerade an jenem Sonnabend -- wie denn überhaupt an jedem Beichtsonnabend -- bezeigten die lieben Eltern sich noch gütiger und gesprächiger gegen uns Kinder als sonst ; Gott aber schenke ihnen in dieser Stunde die Freude , die mir jetzt in ihrem Angedenken das Herz durchwallt !
Die Mutter ließ vieles im Stall durch Leute besorgen und betete aus dem schwarzen Kommunion-Büchlein .
Ich stand hinter ihr und betete unbewußt mit herunter , bloß weil ich das Blatt umkehrte , wenn sie es herab hatte .
Die Bauernstube war so rein und schmuck aufgeräumt für den Sonntag -- wie am h. Christabend war es am Beichtabend -- aber schöner und höher -- dazu hing nun der reich schwere Frühling herein , und der Blütengeruch zog durch das ganze Haus und jeden Dachziegel -- Frühling und Frömmigkeit gehören gewiß recht für einander -- Ich sah nachher , als der Nachtwächter antrat , noch ein wenig aus dem Dachfenster , voll Düfte und Sterne war der Himmel über dem Dorfe -- die Generalin ging so spät noch mit ihrem Kinde an der Hand auf dem Schloßwall spazieren , und das ganze Dorf wußte , daß sie morgen kommunizierte und ich und du die Kommunikantentüchlein dabei hielten -- Wahrlich , ob ich gleich schon sprechen konnte , die weißgekleidete Generalin kam mir als die Mutter Gottes vor , und das Kind als ihr Kind . "
" Hat denn die Generalin einen Sohn ?
Walten sagte verlegen :
ich stellte mir nämlich ihre damalige Tochter so vor in der Ferne .
Ich möchte jetzt noch vor Freude über die Wundernacht weinen , wenn du nicht lachtest .
... "
" So weine zum Henker !
Wer lacht denn , Satan , wenn einmal ein Mensch die Aufrichtigkeit in Person ist ?
" Es erschien denn das h. Trinitatis-Fest mit einem blauen Morgen voll Lerchen und Birkendüfte ; und als ich aus dem Bodenfenster diese Bläue über das ganze Dorf ausgespannt erblickte , wurde mir nicht , wie sonst an schönen Tagen , beklommen , sondern fast wie jauchzend .
Unten fand ich die Mutter , die sonst nur in die Nachmittagskirche ging , schon angeputzt , und den Vater im Gottes-Tischrock , wodurch sie mir , zumal da sie unser Sonntags-Warmbier nicht mittranken , sehr ehrwürdig erschienen .
Den Vater liebt ich ohnehin am Sonntag stärker , weil er bloß da rasiert war .
Ich und du folgten ihnen in die Kirche ; und ich weiß , wie darin die Heiligkeit meiner Eltern gleichsam in mich herüber zog unter der ganzen Predigt ; eine fremde wird in einem blutsverwandten Herzen fast eine größere . "
" Mein Fall war es weniger .
Ich lebte nie lustiger als an ihren Kommuniontagen , weil ich wußte , daß sie es für Sünde hielten , mich früher als nach Sonnenuntergang auszuwichsen -- und weil sie nach dem Abendmahl auch das Mittagsmahl bei dem Pfarrer nahmen , und wir folglich das Schachbrett zum Rösselsprung frei hatten .
Steht es noch vor deiner Seele , malt es sich noch glühend , färbt es sich noch brennend , daß ich an demselben Sonntage mit einem Taschenspiegel vom Chore herab den Sonnenglanz wie einen Paradiesvogel durch die ganze Kirche , und sogar um die zugedrückten Augen des Pfarrers schießen ließ , indes ich selber ruhig mit nachsah und nachspürte ?
Und gedenkst du noch -- denn nun entsinn ich mich alles -- daß mich darüber der satanische Kandidat erwischte , und der Vater nach der Kirche mich nach der peinlichen Halsgerichts-Ordnung von Karl , die ( im Art. 113 . ) Gefangenschaft mit Besen-Streichen leicht vertauschen lässt , aus Andacht bloß einkerkerte , anstatt , was mir lieber gewesen , mich halb tot zu schlagen ? "
" Du hieltest aber dennoch in der Kirche das rechte Altartüchlein bei der Oblate unter den Kommunikanten auf und ich das linke beim Kelch .
Es soll nie von mir vergessen werden , wie demütig und rührend mir unser blasser Vater auf seinen Knien an der scharlachenen Altarstufe vorkam , indes der Pfarrer ihm sehr schreiend den goldenen Kelch vorhielt .
Ach wie wünscht ich , daß er stark tränke vom h. Weine und Blut .
Und dann die tief geneigte Mutter !
Wie war ich ihr unter dem Trinken so rein-gut !
Die Kindheit kennt nur unschuldige weiße Rosen der Liebe , später blühen sie röter , und voll Schamröte .
Vorher aber trat die majestätische lange Generalin in ihrem schwarzen und doch glänzenden Seidengewand an die Altarstufe , sich und die langen Augenwimpern senkend wie vor einem Gott , und die ganze Kirche klang mit ihren Tönen drein in die andächtige Gegenwart dieser idealen Herzogin für uns alle im Dorf . "
" Die Tochter soll ihr so ähnlich sehen , Walten ? "
" Die Mutter wenigstens ist ihr sehr ähnlich .
Darauf zog man denn aus der Kirche , jeder mit emporgehobenem Herzen -- die Orgel spielte in sehr hohen Tönen , die mich als Kind stets in helle fremde Himmel hoben -- und draußen hatte sich der blaue Äther ordentlich tief ins Sonntagsdorf hineingelagert und vom Turme wurde Jauchzen in den Tag herab geblasen -- Jeder Kirchgänger trug die Hoffnung eines langen Freudentags auf dem Gesichte heim -- Die sich wiegende lackierte Kutsche der Generalin rasselte durch uns alle durch , nette , reiche Bedienten sprangen herab -- -- Überhaupt wäre nur nachher nicht die Sache mit dir gewesen -- " " Zu oft käme sie nicht wieder ! "
" Also ging der Vater im Gottestischrock ins Pfarrhaus und hinter ihm die Mutter .
Und als ich , da sie abgegessen hatten , die Klingeltüre des Pfarrhofs öffnete und schon die Truthühner desselben mit Achtung sah :
" Du brauchst mir_es nicht zu verdecken , daß du mich drüben aus meiner verfluchten Karzerkammer losbitten wolltest , weil ich zu sehr schrie und Fenster und Kopf einzustoßen schwor . "
" Die Bitte half wenig beim Vater ; vielleicht weil der Pfarrer sagte , du hättest ihn zu sehr bei leidig und geblendet .
Ich vergaß leider bald dich und die Bitte über dem herrlichen süßen Wein , den ich trank .
Auf dem Lande hat man zu wenig Erfahrung der vornehmeren Welt und bewundert ein Glas Wein .
Der Pfarrer ließ mich Entzückten durch ein Prisma schauen und gleichsam jedes einzelne Stück Welt mit einer Aurora und Iris umziehen .
Ich bildete mir oft ein , ich könnte wohl , da ich so viel Gefühl für Malerei , sogar für Farben an Schachteln , Zwickeln , Zwickelsteinen zeigte , fast mehr zum Maler taugen als ich dächte .
Da ich meinen Vater tief unten an der Tafel sitzen sah , dachte ich mir das Vergnügen , ihn einst sehr auszuzeichnen , falls ich etwas würde . "
" Es ist auffallend , wie oft auch ich schon seit Jahren geschworen , mich meiner Herkunft zu entsinnen , wenn ich im Publikum bedeutend in die Höhe und Dicke wüchse , und mich weder deiner ! noch der Eltern zu schämen .
Man kann fast nicht früh genug anfangen , sich bescheiden zu gewöhnen , weil man nicht weiß , wie unendlich viel man noch wird am Ende . --
Liebe für Farben , wovon du sprachst , ist darum noch keine für Zeichnung ; inzwischen kannst du immer , wenn die eine Art Maler sich von fremder Hand die Landschaften , die andere sich die Menschen darin malen ließ , beide Arten in dir vereinen .
Vergib den Spaß ! "
" Recht gern !
Wir zogen als vornehme Gäste durchs Dorf nach Hause , wo der Vater die Scharlachweste anlegte und mit mir und der Mutter spazieren ging , um Abends gegen 6 Uhr im Gartenhäuschen zu essen .
Nun glaube ich nicht , daß an einem solchen Abende , wo alle Welt im Freien und angeputzt und freudig ist , und die Generalin und andere Vornehme mit rot seidenen Sonnenschirmen spazieren gehen , irgend ein Herz , wenn es zumal in einem Bruder schlägt , es ertragen kann , daß du allein im Kerker hausest . "
" Sakerment ! " sagte Vult .
" Sondern es war natürlich , daß ich und der Knecht dir eine Dachleiter ans Fenster setzten , damit du herunter könntest ins Dorf zur Lust . --
Nein , kein Spaziergang mit Menschen ist so schön als der eines Kindes mit den Eltern .
Wir gingen durch hohe grüne Kornfelder , worin ich die Schwester hinter mir nachführte in der engen Wasserfurche .
Alle Wiesen brannten im gelben Frühlingsfeuer .
Am Flusse lasen wir ausgespülte Muscheln wegen ihres Schillerglanzes auf .
Das Flößholz schoß in Herden hinab in ferne Städte und Stuben , und ich hätte mich gern auf ein Scheit gestellt und wäre mitgeschifft !
Viele Schafherden waren schon nackt geschoren und legten sich mir näher ans Herz , gleichsam ohne die Scheidewand der Wolle .
Die Sonne zog Wasser in langen wolkigen Strahlen , aber mir kam es vor , als sei die Erde mit Glanzbändern an die Sonne gehangen und wiege sich an ihr .
Eine Wolke , die mehr Glanz als Wasser hatte , regnete bloß neben , nicht auf uns ; ich begriff aber damals gar nicht , als ich die Grenzen der nassen und der trockenen Blumen sah , wie ein Regen nicht allezeit über die ganze Erde falle .
Die Bäume neigten sich gegen einander , als die Wolke tropfend darüber wegwehte , wie die Menschen am Abendmahls-Altar .
Wir gingen ins Gartenhaus , das innen und außen nur weiß ist ; aber warum glänzet dieser kleine Name über alle stolz gedeckte Prachtgebäude herüber und blinkt in seinem Abendrot sehr gegen fremdes Morgenrot ?
Alle Fenster und Türen waren aufgemacht -- Sonne und Mond sahen zugleich hinein -- die rotweißen Äpfelknospen wurden von ihren starren struppigen Ästen hineingehalten und zuweilen eine schneeweiße Äpfelblüte mit ( o Vult , ich gebe den Äpfel für die Äpfelblüte gern ) --
Die Bienen gaben dem Vater Zeichen eines nahen Schwärmens -- Ich fing mir in eine Schachtel Goldkäfer , für welche ich den Zucker längst aufgespart hatte --
Noch glänzt mir das Gold und der Smaragd , dieses Paradiesvögelchen hienieden , in Deutschland meinte ich -- Auch zog ich mir im Garten Schößlinge aus , um sie daheim anzupflanzen zu einem Lustwäldchen unter meinem Knie .
Die Vögel schlugen wie bestellt in unserem Gärtchen , das nur fünf Apfelbäume und zwei Kirschbäume hatte und mehrere Pflaumenbäume samt guten Johannisbeer- und Haselstauden .
Zwei Finken schlugen , und der Vater sagte , der eine singe den scharfen Weingesang und der andere den Bräutigam .
Aber ich zog -- und noch jetzt -- meinen guten Embritz vor . "
" Deutlicher in der ornithologischen Sprache Emmerlich , Goldammer , Gröning , Gelbling , Geelgerst , Emberiza citrinella L. -- welcher , wie die Eltern sagten , sang :
wenn ich eine Sichel hätte , wollt ich mit Schnitt . --
Was ist denn das Dunkle im Menschen-Inneren , daß ich wirklich den einfachen Embritz , wenn ich durch Wiesen gehe und ihn an belaubten Abhängen höre , leider über die göttliche Nachtigall , die freilich wenig rein durchführt , sondern heftig springt , zu setzen suche ? --
Floß aber nicht nachher die Abendröte in den ganzen Garten hinein und färbte alle Zweige ?
Kam sie mir nicht wie ein goldener Sonnentempel mit vielen Türmen und Pfeilern vor ?
Und gingen nicht auf den Wolkenbergen die Sternchen wie Maiblümchen auf ? --
und die breite Erde war ein Webstuhl rosenroter Träume ?
Und als wir spät nach Hause wandelten , hingen nicht in den finsteren Büschen goldene Tautropfen , die lieben Johannis-Würmchen ?
Und fanden wir nicht im Dorfe ein ganz besonderes Fest-Leben , sogar die kleinen Viehhirten endlich im Sonntagsputz , und dem Wirtshause fehlte nichts als Musik und auf dem Schlosse wurde gesungen ?
" Und nahm mich nicht , fuhr Vult fort , der gute Vater , als er mich in dieser Freude als Teilhaber fand , leise bei den Haaren mit nach Hause und prügelte mich so verflucht ? --
O daß doch der Teufel alle Erziehungen holte , so wie er selber keine erhalten !
Wer nimmt mir jetzt die Fest-Prügel ab und den Karzer ?
Du kannst dich leicht herstellen und entsinnen und vergnügt außer dir sein und die Repetieruhr der Erinnerung aus der Tasche ziehen .
Aber Hölle , was habe ich denn schmelzend mich zu erinnern als an die lausige Aurora eines aufgehenden Schwanzsterns ?
O wie glücklich , glücklich könnte man ein Kind machen !
Dies probiere aber einmal einer bei einem greisen Schelm von 40 Jahren !
Ein einziger Kindertag hat mehr Abwechsele als ein ganzes Manns-Jahr .
Sieh an , wie er mich , wenn das kühne Bild zu gebrauchen ist , aus einem zarten weißen Kindsgesicht so zu einem braunen Kopfe geraucht und er hetzt hetzt hat , wie einen Pfeifenkopf !
-- Wärme mich nicht mehr wieder so auf ! --
Was sehe ich denn von Clysien und elysischen Äckern um mich her als ein Paar Sessel ? -- unseren Bett- und Stuben-Schirm ? -- nichts zu trinken ? -- dich guten Millionär bloß voll innerer Gedächtnismünzen ? -- und einen hölzernen Sitz der Seligen ? --
O ich möchte . . .
He herein nur !
Vielleicht bringt uns doch , Walten , ein Himmelsbürger ein oder ein Paar Himmelspforten und Empyräen . "
Es schritt die gelbe Postmontur ein mit dem Hoppelpoppel oder das Herz unter dem Arm , das der Magister Dyk mit den Worten zurückschickte , er verlege zwar gern Rabenärsche und Wezelsche Pläsanterie , aber nie solche .
" Nun , ist das kein Sonnenblick aus unserem Freudenhimmel ? " fragte Vult .
" Ach , sagte Walten , ich glaube , ich war eben vorhin und bisher zu glücklich ; darauf kommt immer ein wenig Betrübnis -- Es ist doch gut , daß das Werk nicht auf der Post hin und her verloren gegangen . "
-- " O du weiches --
Holz ! fuhr jener auf .
Aber nicht du sollst es ausladen , sondern der Magister .
Flegeljahre IV. Bd. 13 Ich will ihn waschen mit Seewasser , ob_es gleich nicht weiß macht . "
Er setzte sich auf der Stelle nieder und schrieb im Grimm einen unfrankierten Brief an den Magister , worin die Höflichkeit des Briefstils so gut als ganz hintan gesetzt war. N. 59. Notenschnecke .
Korrektur -- Wina .
Am Morgen kam wieder ein Manuskript , aber ein fremdes abgedrucktes ; der Setzer der Paßvogelschen Buchhandlung -- für Walten war ein Setzer viel -- händigte den ersten Korrekturbogen ein , damit der Universalerbe der Kabelschen Verlassenschaft daran seinen Testamentsartikel erfülle .
Das Werk , dessen Titel war : das gelehrte Haßlau alphabetisch geordnet von Schieße , -- nun in aller Händen -- war sehr gut in deutscher Sprache mit lateinischen Lettern geschrieben , nur aber ganz schlecht oder unleserlich , und enthielt jeden Haßlauer , der mehr als eine Seite , nämlich zwei , d. h. ein Blatt für Straße und Welt gemacht , samt einem kurzen Nachtrag von den Lands-Gelehrten , die schon als Kinder verstorben .
Wenn man zählt , welche Menge von Autoren Fickenschere aus seinem gelehrten Bayreuth bloß dadurch hinaus sperrt , daß er keinen aufnimmt , der nicht mehr als Einen Bogen geschrieben -- sogar zwei reichen als Vorrede nicht hin , wenn_es bloß Gedichte sind -- und welche noch größere Meusel aus seinem gelehrten Deutschland verstößt , dadurch daß er nicht einmal Leute einläßt , die nur Ein Büchlein geschrieben , nicht aber zwei :
so sollte wohl jeder wünschen , in Haßlau geboren zu sein , bloß um in das gedruckte gelehrte zu kommen , da Schieße nicht mehr dazu begehrt zum Einlaßzettel als etwas nicht größeres als der Zettel ist , nur ein gedrucktes Blatt :
denn sich mit noch wenigerem in einen solchen Charons-Kahn , der stets zur Unsterblichkeit des Edens entweder , oder des Tartarus abführt , einschiffen wollen , hieße ja Schriftsteller einladen , die ganz und gar nichts geschrieben .
Der Notar fing sofort das Korrekteren an -- in die Korrekturzeichen hatte er sich längst ein geschossen -- ; aber er fand statt der Hügel Klippen zu übersteigen .
Schieße schrieb eine gelehrte Hand und eine ungelehrte zugleich ; der Korrekturbogen war aus Titeln , Namen , Jahrszahlen und solchen Sachen gewebt , die nirgends zusammenhängen als in Gott .
Es ist daher die gemeine Meinung , daß Paßvogel bloß zum Drucke des Notars den Druck des Werkes eingegangen .
Vult wollte zwar besseren helfen , aber Walten fand fremde Hilfe gott- und treulos und korrigierte allein .
Ehe er_es hintrug in die Buchhandlung , fragte ihn Vult , ob man nicht einen witzigen Einfall haben , und er , Vult , nicht ihren Roman mit einem Briefe an Paßvogel tragen könnte , worin er sich als den Verfasser ausgäbe und sagte , der Endes Unterschriebene stehe dem Leser eben vor der Nase .
Es geschah .
Beide trafen zufällig einander im Buchladen .
Kaum sah Paßvogel aus Vults Tasche eine Manuskript-Rolle stechen :
so machte er sich nichts aus ihm -- weil_es ein Autor war -- , sondern setzte Walten , den Korrektor und Erben , höher und überlas freundlich den Bo gen : " der H. Autor , sagte er , wird schon nachsehen . "
Darauf überreichte ihm Vult furchtsam den Brief samt Roman und sah begierig in seine lesende Physiognomie , wie sie sich bei der Stelle umsetzen würde , wo der Briefschreiber dasteht als Briefträger .
Aber dem feinen im Gesetze der geselligen Stetigkeit lebenden Manne tat der Riß und Zuck weh auf der eleganten Haut und er sagte -- nach dem überlaufen des Titels -- verdrußlicher als gewöhnlich , er bedaure , daß er schon überladen sei und schlage kleinere Buchhändler vor .
" Wir Autoren , versetze Vult , gehen anfangs wie Hirsche , denen das zarte Gehörn erst entsprießet , mit gesenktem Haupte ; aber später , wenn es groß und hart zu sechzehn Enden aufgeschossen , schlägt man damit an die Bäume heftig , und ich fürchte , H. Paßvogel , ich werde im Alter grob . "
Wie so ? sagte dieser .
Vult tat darauf , als kenne er Walten von weitem und sagte : wenn er als Kabelsger Erbe erst den ersten Bogen übergeben , so Schein ' es fast , als wollten ihm die Erben das Zwölfbogige Korrektoramt zu zwölf Wochen ausdehnen .
Dann entsprang er nach seiner boshaften Sitte plötzlich , um dem Feinde die Replik zu entwenden .
Beide verliehen daheim vor allen Dingen dem Romane Flügel , weil die Hoffnung immer so lange zum Totliegenden gehörte als das Buch .
Man schickte ihn an H. Merkel in Berlin , den Brief- und Schriftsteller , damit er das Buch einem Gelehrten , H. Nikolai , empfähle und aufheftete .
Mitten in dem Genuß der abfahrenden Post fiel wieder ein Staubregen ; der hinkende Notar , der bekannte Geschäftsträger der Erben , kam mit dem ersten Korrekturbogen und Schießens Re- Korrekturen .
Walten hatte ein und zwanzig Druckfehler stehen lassen .
Schieße wies aus dem Manuskripte nach , daß er ein c statt einem e -- dann ein e statt eines c -- ein s statt eines s -- ein s statt eines f -- ein Komma statt eines Semikolons -- eine 6 statt einer 9 -- ein h. statt eines b -- ein n statt eines u und umgekehrt , da eben beide umgekehrt waren -- habe stehen lassen u. s. w. Walten sah nach und sann nach und sprach seufzend : " wohl ist_es nicht anders ! "
Arme Korrektoren !
wer hat noch eurer Mutter-Beschwerungen und Kindsnöten in irgend einem Buche ernsthaft genug gedacht , das ihr zu korrigieren bekommen !
So wenig , daß Millionen in allen Weltteilen aus der Welt gehen , ohne je erfahren zu haben , was ein Korrektor aussteht , ich meine nicht etwa dann , wann er teils hungert , teils friert , teils nichts hat als sitzende Lebensart , sondern dann , wann er ein Buch gern lesen möchte , das er zwar vor sich sieht ( noch dazu zweimal , geschrieben und gedruckt ) , aber korrigieren soll ; denn verfolgt er wie ein Rezensent die Buchstaben , so entrinnt ihm der Sinn und er sitzt immer trister da ; eben so gut könnte einer sich mit einer Wolke , durch deren Dunststäubchen er eine Alpe besteigt , den Durst löschen .
Will er aber Sinn genießen , und sich mit nachheben :
so rutscht er blind und glatt über die Buchstaben hinweg und lässt alles stehen ; reisset ihn gar ein Buch so hin wie die zweite Auflage des Hesperus , so sieht er gar keinen gedruckten Unsinn mehr , sondern nimmt ihn für geschriebenen und sagt : " man verstehe nur aber erst den göttlichen Autor recht ! " --
Ja wird nicht selber der Korrektor dieser Klage bloß aus Anteil an dem Anteil , den ich zeige , so manches übersehen ? --
Endlich brachte das schlecht sprechende und schön singende Kammermädchen des General Zablocki nicht nur Raphael ein Briefchen der Tochter , sondern auch um eine Treppe höher Walten die Frage des Vaters , ob er nicht diesen ganzen Tag bei ihm schreiben könnte ?
" O Gott , gewiß ! " sagte er und begleitete das Mädchen drei Treppen herab .
Vult lächelte ihn seltsam an und sagte :
Er kopiere ja Memoires erotiques mit und ohne Feder und jage Mädchen ; er Hund hingegen müsse , wie die Schmetterlings-Puppe eines Naturforschers , sich in eine Schachtel von Stube zum Falter entfalten , wenn jener im Freien gaukle .
" Allein , setzte er dazu , ein Greifgeier , ein Basilisk wie ich , hat so gut seinen Liebes-Pips als ein Phönix wie du . "
-- Walten wurde sehr rot , er sah sein und Wina's Herz gleichsam gegen das helle freie Tageslicht gehalten .
" Nun , nun , versteige dich nur um drei Treppen hinauf , oder hinab ; indes ich daheim hinter meiner arkadischen Dorfwand ein Madrigal auf den Schmelz der Auen und der Zähne setze , und Blumen und Lippen röte .
Das Mädchen gefiele mir selber , sie sollte eher ein Pallast- als ein Kammermädchen sein . "
Sehr Zornrot erwiderte Walten , der endlich eigene und fremde Verwechslung erriet : " du tust gar nicht Recht , da du weißt , wie mir dieses Mädchen bei der besten Singstimme einmal durch unziemliche Reden aufgefallen . "
Damit ging er so rasch und wild fort , daß Vult sich gestand , er würde , wenn er nicht schon früher dessen Liebe für eine vornehmere Raphaela kennte , sie jetzt aus dem Grimm erraten , den bloße Heiligkeit unmöglich einbliese .
Als der Notar in den großen Zablockischen Palast , wovor und worin viele leere Wagen standen , und unter die kalte Dienerschaft kam : so wirkten Vults Scherze , die seine Liebe entweder wie Schießpulver unter das Dach , oder wie Öl in den Keller lagerten , verdrießlich nach und er erstaunte nun erst , daß er Wina liebe , und ihren Morgenblick aufbewahre .
Sein Glück blühte als eine nackte Blumenkrone auf einem entblätterten Stiel .
Spät kam er nach seinem Erinnern an frühestes Vorfordern in das alte Schreibstübchen ; und später der General .
" Innigst -- so spann Walten , nahe an ihn tretend , die Unterredung an , um sie dem anderen nach den Gesetzen der Lebensart zu erleichtern -- wünsche ich Ihnen Glück zum Glück der Wiederkunst , wie damals in Rosenhof zur Abreise , wenn Sie sich dieser Kleinigkeit noch entsinnen .
Möge
Ihnen Leipzig ein fortgesetzter Spaziergang gewesen sein ! "
-- " Sehr verbunden ! " ( sagte Zablocki ) Sie verpflichten mich , wenn Sie heute die bewußten Briefe zu Ende kopieren und mir Ihren Tag weihen . "
-- " Welchen nicht ? --
War Ihr dreifaches Glück -- verzeihen Sie die kecke Frage -- nicht , wie ich hoffe , der Jahrszeit ungleich ? " fragt er .
" Für die späte Jahrszeit war das Wetter gut genug . " versetzte Zablocki .
Da der Notar nichts schwierigeres kannte , als zu fragen -- d. h. im Ozean zu angeln -- , nichts leichteres aber , als zu antworten , weil die Frage die Antwort umkränze :
so hielt er es für Pflicht jedes Unter-Sprechers , auf den Ober- Sprecher nur die leichtere Last zu laden und fragte sogleich .
Wie bequem wohnen dagegen Männer , welche gerade das Widerspiel als Weltsitte kennen und ehren , unter ihrer Gehirnschale , und wie vergnügt , wenn sie vor Kronen und Kronerben treten !
Aller Anreden gewärtig und gewiß , machen sie außer der Verbeugung nichts und keine eigene , sondern warten ab .
Sogar nach der ersten Antwort passen die Welt-Männer gelassen von neuem , weil kein anderer als der gekrönte Kopf fort zu weben hat .
Der Notar machte darauf seine Abschriften von den verliebten Zuschriften , aber seine Seele wohnte mit ihren Fühlfaden nirgends als in der Schnecke des Ohrs : um jedem Laute der verborgenen Lebensseele nachzustellen .
Er schrieb keine Seite ohne sich umzudrehen und das heilige Zimmer zu beschauen , -- das er einen ganzen Tag , aber als den letzten bewohnen durfte , -- für ihn wenn kein Sonnen- doch ein Mondtempel , dem nichts fehlte als die Luna dazu .
Sogar der blaue Streusand voll Goldsand -- das blauweiße Tintenfaß und Papier -- das blaue Siegellack -- und die Blumendüfte , welche aus dem Nebenzimmer einwehten , schmückten sein stilles Aether- Fest der Hoffnung .
In der Liebe ist das Erntefest der Freude nicht um eine halbe Sekunde vom Säetage und Säefest der Freude verschieden .
Als er sich nun abschreibend abmalte , wie ihm das Herz schlagen würde , das schon heftig schlug , wenn die Liebes-Gestalt aus seinem Kopf und lange Traume wie eine Göttin lebendig ins Leben spränge , nämlich vor ihn hin : so kam nichts als das verhaßte Kammermädchen mit einem Stick-Gerüste , aber bald ihr nach die blühende Wina , die Rose und das Rosenfest zugleich .
Es ist schwer zu sagen , womit er sie anmurmelte , da er sie damit nicht anredete .
Sie verbeugte sich so tief vor ihm , als wäre er der goldene und figurierte Knopf am Oberstabe des Generals , und sagte das höflichste Bewillkommungs-Wort , und setzte sich an den Stickrahmen .
Konnte sie nicht hundert Deckmäntel ihrer Absicht , im Schreibzimmer zu sein , als ein Mädchen finden und umlegen ?
Hätte sie nicht z. B. ihr blaues Kleid aus dem Wandschrank holen können -- oder das weiße -- oder den Schleier -- oder einmal eintunken wollen -- oder an der elektrischen Lampe ein Licht zum Siegeln anzünden -- oder hier den Vater ganz vergeblich suchen ? --
So aber trat sie herein , und setzte sich vor den Stickrahmen , um für eine Stiftsdame einen Ordensstern aufgehen zu lassen , der für den abschreibenden Sternseher , wie oft für Trägerinnen , nichts werden konnte als ein Irr- und Nebelstern .
Der Schreiber schwamm nun in der Wonne einer himmlischen Gegenwart , wie in unsichtbarem Duft einer hauchenden Rose , Wina's Dasein war eine sanfte Musik um ihn .
Er sah zuletzt sehnsüchtig kühn ihre gesenkten großen Augenlider und den ernst geschloßenen Mund im Spiegel zu seiner Linken an , versichert der eigenen Unsichtbarkeit , und erfreuet , daß gerade zufällig , wenn er eben in den Spiegel sah , immer ein warmes Erröten das ganze niederblickende Antlitz überfloß .
Einmal sah er im Spiegel den Brautschatz ihres Blicks ausgelegt , sie zog leise wieder den Schleier darüber .
Einmal da ihr offenes Auge darin wieder dem seinigen begegnete , lächelte sie wie ein Kind ; er drehte sich rechts nach dem Urbild und ertappte noch das Lächeln .
" Ging es Ihnen seit Rosenhof wohl , H. Harnisch ? " sagte sie leise .
" Wie einem Seligen , versetzte er , wie jetzt . "
Er wollte wohl etwas viel anderes feineres sagen ; aber die Gegenwart unterschob sich der Vergangenheit und testierte in deren Namen .
Doch gab er die Frage zurück .
" Ich lebte , sagte Wina , mit meiner Mutter , dies ist genug ; Leipzig und seine Lustbarkeiten kennen Sie selber . "
-- Diese kennt freilich ein darbender Musen- und Schulzensohn wenig , der an den Rosen des kaufmännischen Rosenthals nicht höher aufklettert als bis zu den Dornen , weil er jene nicht einmal so oft teilt als ein Maurer-Meister einen fürstlichen Saal , zu welchem dieser stets so lange Zutritt hat , als er ihn mauert .
Indes denken sich die höheren Stände nicht leichter hinab , zu Honora zioren besonders --
denn von Schäfer- , d. h. Bauerhütten , haben sie im französisch eingebundenen Geßner eine gute Modell-Kammer -- als sich die tieferen hinauf .
" Göttlich ist da der Frühling , antwortete er , und der Herbst .
Jener voll Nachtigallen , dieser voll weichen Duft ; nur gehen der Gegend Berge ab , welche nach meinem Gefühl durchaus eine Landschaft beschließen müssen , doch nicht unterbrechen ; denn auf einem Berge selber ist nicht die Landschaft , sondern wieder ein fernster Berg schön und groß . --
Die Leipziger Gegend enget also ein , weil die Grenze , oder vielmehr die Gränzlosigkeit , nichts der Phantasie übrig lässt , was , so viel ich gehört , nicht einmal das Meer tut , das sich am Horizont in den Äther-Himmel auflöset . "
-- " Sonderbar , versetzte Wina , bestimmt hier die Gewohnheit des äußeren Auges die Kraft des inneren .
Ich hatte eine niedersächsische Freundin , welche zum erstenmal von unseren Bergen eben so beschränkt wurde , als wir von ihren Ebenen . "
Der Notarius war über ihre philosophische Sprachkürze -- da überhaupt der Mann an der Frau gerade so sehr seinen Kopf bewundert , als seine Brust verdammt -- so betroffen , daß er nicht wusste , was er sagen sollte , sondern etwas anderes sagte .
" Besuchten Sie zuweilen die Badörter um Leipzig , " fragte sie spät .
Da er darunter nicht Lauchstädt , sondern die Studenten-Badörter in der Pleiße verstand ; und eine solche Frage von weiblichen Lippen zum vornehmen Zynismus rechnete :
so umging er sie nach Vermögen , in der Antwort : " der Leipziger Magistrat habe zu seiner Zeit wegen mehrerer Unglücksfälle erst die besseren Badörter bestimmen lassen . "
-- Wina mißverstand wieder sein Mißverstehen .
Und so kann in Deutschland und fast auf der Erde jeder , der sich verspricht , auf einen zählen , der sich verhört ; so wenige Ohren , ob sie gleich doppelt am Kopfe stehen , gibt es für die hiesigen Zungen und man findet noch schwerer ein offenes als ein kurzes .
Plötzlich sprang der General wie mit einem verschimmelten bleichen Gesicht herein aus dem Puderstübchen -- mit einem Bilde in der Hand und trocknete sich aus den Augenlidern den Puder wie Zähren ab .
" Sage mir , wer ist ähnle cher cher , die Mutter oder die Tochter ?
-- In der Tat recht brav retouchirt ! "
Das Gemälde stellte Wina vor , wie sie zu einem ihr ähnlichen Töchterchen , das nach einem Schmetterling fing , ihr Gesicht herab an die kleine Wange beugt , sehr mütterlich-gleichgültig , ob sie vom Kinde über dem Schmetterling übersehen werde oder nicht .
Im Kunst-Feuer fragte der General auch den Notar : " ist denn die Mutter nicht so ausnehmend getroffen , meine Wina nämlich , daß man die Ähnlichkeit sogar im Kinde wieder findet ? --
Sprechen Sie als Dritter ! " --
Walten verlegen mit seiner Errötung über den bloßen Gedanken , das Kind sei Wina's , versetzte : " die Ähnlichkeit ist wohl Gleichheit ? "
-- " Und zwar auf beiden Seiten ? " erwiderte Zablocki , ohne sehr den Notar zu fassen , der nach den gewöhnlichen Voraussetzungen des Standes schon alles voraussetzen sollte und zwar Folgendes : der General wollte seiner losgetrennten Gattin ein Denkmal seiner Zärte zuwenden , einen Spiegel , der nur sie abbildete , nämlich ein festes Bild ; hatte ' aber leider aus Kälte sie sonst nie sitzen lassen , außer zu Flegeljahre IV. Bd. 14 letzt juristisch -- Zum Glücke war nun Wina ihr so ähnlich -- die wenige Jahrzehende ausgenommen , wodurch sich Töchtern hauptsächlich von Müttern zu unterscheiden suchen -- daß die jetzige Wina als die vorige Mutter zu gebrauchen war , der man nichts als die vorige Wina in die Hand zu geben hatte , die als Kind gemalt eine Aurikel in der Linken hält und darauf einen weißen Schmetterling mit der Rechten setzt .
Diese zweimal , als Bild und als Urbild , angewandte Wina wollte der General seiner Frau als einen öhlgemahlten Ichs-Himmel auf Leinwand auftun , um sie in Erstaunen zu setzen , daß sie über vierzig Meilen gesessen -- einem Maler .
Als der Vater fort war , machte Walten -- noch tiefer in Erstaunen und Unglauben gesetzt -- die Bemerkung , sie sehe dem schönen Kinde ähnlich , um nur herausgezogen zu werden .
" O bliebe man sich nur auch in wichtigeren Punkten ähnlich -- sagte Wina .
Auch war ich noch bei meiner Mutter ; ich glaube Sie oder Ihr Bruder lag damals am Tage des Malens an den Blattern blind ; denn sie ging mit mir in Ihr Haus .
Schöne Zeit !
ich wollte gern die eine Ähnlichkeit auf mich nehmen , könnte ich damit meiner Mutter die andere zurückführen . "
Nun fuhr der Notar über die Nähe des erhellten Abgrunds , in der er hätte treten können , rot zurück , und fürchtete ordentlich , die Betise fahre ihm noch wider Willen aus dem Halse .
" Auch ich ginge gern in jene Blindheit zurück ; die Nacht ist die Mutter der Götter und Göttinnen ! " sagte er und wollte erträglich auf die Aurikelbraut anspielen .
Wina verstand nichts davon als den Ton und Blick ; und so war es genug und gut gemacht .
Man rief sie zum Essen :
Da er glaubte , er werde wie im Rosenhöfe Wirtshaus wieder an Generals-Tafel gezogen :
so stand er auf , um ihr den Arm zu bieten , sie stickte aber fort ; und er stand nahe am Rahmen und sah herab auf das lockige Haupt , worin seine Welt und seine Zukunft wohnte , die sich in lauter Schönheiten verbarg -- das Fruchtgewinde des Geistes war vom Blumengewinde der Gestalt schön verhüllt und schön verdoppelt .
Sie stand auf .
Jetzt näherte er sich mit dem rechten Arme , um sie fort zu führen .
" Ich werde -- sagte Wina sanft -- nach dem Essen wieder kommen , und Ihrem Herzen eine Bitte bringen ; " und sah ihn mit den großen guten Augen unverlegen an , und gab , wie zur Antwort auf seinen fragenden Arm , ihm ein wenig die ablenkende Hand in seine , um sie zu drücken .
Mehr brauchte er nicht , der Liebe ist eine Hand mehr als ein Arm , wie ein Blick mehr als ein Auge .
Er blieb reich zurück , am einsamen Eßtische , den ein verdrußlicher Bedienter an den Schreibtisch gesetzt hatte .
Seine Hand war ihm wie geheiligt durch das Wesen , das bisher nur von seiner Seele berührt wurde .
Wer kann es sagen , warum der Druck einer geliebten Hand mehr innige Zauberwärme in die Seele sendet als selber ein Kuß , wenn nicht etwa die Einfachheit , Unschuld , Festigkeit des Zeichens es tut ?
Er speiste an einer Göttertafel -- die Welt war der Göttersaal -- , denn er sann Wina's nächster Bitte nach .
Eine tun , heißt in der Liebe mehr geben , als eine erhören .
Aber warum macht die Liebe denn diese Ausnahme ?
Warum gibt es denn keine verklärte Welt , wo alle Menschenbitten so viel gelten und geben , und wo der Geber früher dankt , als der Empfänger ?
Mit wunderbaren Gefühlen irrte er um Wina's Bitte herum , da er doch fühlte , Wina sei ein durchsichtiger Juwel ohne Wölkchen und Federn .
Denn dies ist eben die Liebe , zu glauben , man durchschaue das Geliebte noch schärfer als sich , so daß man den blauen Himmel dadurch erblickt , durch welchen man wieder die Sterne sieht -- indes der Haß überall Nacht sieht und braucht und bringt .
Als er die wenigen Strahlen küßte , die am Sterne des Stifts und der Liebe aufgegangen waren oder gestickt : tat sein Himmel alle Wolken wieder auf , nämlich die Flügeltüren , und Wina erschien und schien .
Er wollte sagen :
ich bitte um die Bitte ; aber er hielt es für unzart , das eine Bitte zu nennen , was Wina eine genannt .
So hatte er den höchsten Mut für sie , aber nicht vor ihr ; und von den langen Gebeten an dieses Heiligenbild , welche er zu Hause sich aussann und vornahm , brachte er nichts zum Bilde selber auf seinen Knien als : Amen , oder Ja , ja .
" Sind Sie zuweilen bei den hiesigen Thees , " fing Wina an , und setzte , wie es ihr Stand tut , immer ihren Stand voraus .
" Neulich bei mir , bei dem vortrefflichen Flötenspieler , den Sie gewiß bewundern . "
-- " Ich höre dies heute von meinem Mädchen , " sagte sie , meinend die Nachricht des Beisammenwohnens ; Walten aber nahm an , sie habe von seinem mageren weinte manches gehört .
" Ich meine vorzüglich , sind Sie öfters bei den geistreichen Töchtern des H. Hofagenten ?
Eigentlich rede ich bloß von meiner Freundin Raphaela . "
Er führte -- doch ohne die Wechsel-Not -- den Abend an , wo sie für den mütterlichen Geburtstag gesessen .
" Wie schön ! sagte Wina .
So ist sie eben .
Einst als sie bei mir in Leipzig in eine lange Krankheit fiel , durfte ihrer Mutter nichts geschrieben werden , bis sie entweder genesen oder verschieden sei .
Um dieser Liebe wegen lieb ich sie so .
Ein Mädchen , das seine Mutter und seine Schwestern nicht liebte , -- ich weiß nicht , warum oder wie es sonst noch recht lieben könnte , nicht einmal seinen Vater . "
-- Walten wollt ' es gern äußerst fein auf sie selber zurückwenden und machte daher die allgemeine Bemerkung , daß Töchtern , die ihre Mutter lieben , die besten und weiblichsten sind .
" Ich tauge nicht zu Wendungen , wie Sie hören , H. Sekretär .
Empfangen Sie meine offene Bitte gutmütig auf einmal . "
Es war diese :
da Raphaelens Geburtsstunde in die Nachmitternacht oder Morgenstunde des Neujahrs einfalle :
so wolle sie durch den Beistand Engelbetens sie durch leises Ansingen zur Feier des erneuerten Lebens wecken ; wünsche aber zur dürftigen Stimme eine Begleitung , nämlich die Flöte , und an wen könne sie sich schicklicher wenden , als an H. von Harnisch ? --
Walten schwor freudig , dieser blase freudig dazu .
Sie bat auch um das Setzen des Gesangs ; Walten schwor wieder .
" Aber sogar um die Verse dazu muß ich ihren werten Freund angehen -- setzte sie unbeschreiblich-lieblich lächelnd hinzu -- , da ich ihn aus unserer Zeitung als einen weichen Dichter des Herzens kenne . " -- Ganz froh erstaunt fragte Walten , was Vult darin gemacht .
Sie sagte Ihm -- mit der den Literatoren noch gewöhnlicheren Verwechslung gleicher Namen -- folgenden Polymeter von ihm selber her :
Das Maiblümchen .
Weißes Glöckchen mit dem gelben Klöppel , warum senkst du dich ?
Ist es Scham , weil du bleich wie Schnee früher die Erde durchbrichst als die großen stolzen Farbenflammen der Tulpen und der Rosen ? --
Oder senkst du dein weißes Herz vor dem gewaltigen Himmel , der die neue Erde auf der alten erschafft , oder vor dem stürmenden Mai ?
Oder willst du gern deinen Tautropfen wie eine Freuden-Träne vergießen für die junge schöne Erde ? --
Zartes , weißes Knospenblümlein , hebe dein Herz !
Ich will es füllen mit Blicken der Liebe , mit Tränen der Wonne .
O Schönste , du erste Liebe des Frühlings , hebe dein Herz !
Walten waren unter dem Zuhören vor Freude und Liebe , und vor Dichtkunst , die Augen übergegangen -- und Wina hatte mit geweint , ohne es zu merken -- ; darauf sagte er : " ich habe wohl den Vers gemacht . "
-- " Sie , Lieber -- fragte Wina und nahm seine Hand -- und alle Polymeter ? "
-- " Alle , " lispelte er .
Da blühte sie wie das Morgenrot , das die Sonne verspricht , und er wie die Rose , die schon von ihr erbrochen ist .
Aber einander verborgen hinter den froher Nachquellenden Tränen glichen sie zwei Tönen , die unsichtbar zu Einem Wohllaut zittern , sie waren zwei gesenkte Maiblümchen , einander durch fremdes Frühlingswehen mehr nachbewegt als angenähert .
Jetzt hörte sie den Vaterstritt .
" Und Sie machen den Text für den Geburtstag ? " sagte sie .
-- " O !
( versetzte er ) --
Ja , ja ! " und durfte nicht fort reden , weil Zablocki eintrat und mit dem Väter- und Gatten-Schnauben ihr den arbeitsamen Verzug vorrückte , da sie , wie er sagte , wisse , daß die Neupeters -- dahin fuhr er mit ihr -- Bürgerliche wären , und ehe er solche im Kleinsten manquire , komme er lieber bei Seines gleichen um Stunden zu spät .
Sie floh dahin ; er rief sie aber zurück , um selber mit einem Schlüsselchen , so groß wie ein Staubfaden , ein goldenes Schloß an einer Kette auf Ihrem schönen Halse aufzuschließen und sie abzunehmen .
Unter dem Aufsperren sah sie gutmütig dem Vater ins Auge ; dann warf sie scheidend dem Notar einen Flugblick voll Weltall zu .
Kauen und Schlucken unter einem Adagio Pianissimo einer Tafelmusik hätte Walten nicht so widerstanden , als die Annahme von Kopiergebühren , die ihm der General jetzt aufnötigen wollte .
Das Weigern hielt dieser anfangs scherzend aus , bis er durch den Argwohn , Walten handle aus Ehrgefühl , sein eigenes so beleidigt fand , daß er so heftig schwor , ihn , wenn er nicht gehorche , nie mehr zu einem Notariats- Instrument ins Haus zu lassen , daß Walten sich entschloß , sich seine Himmelspforte nicht selber zuzuriegeln .
Nun war er allein und zum letztenmal als Kopist im Zimmer ; und hatte , was der Mensch zum feinsten Glücke braucht , nämlich einen Widerspruch der Wünsche :
er wünschte nicht nur wegzukommen , um über Wina's Kopf zu Hause mit Sternen-Träumen auf und ab zu schweben , sondern auch da zu bleiben , da er Krönungs- Zimmer seines Lebens zum letztenmal bewohnte .
Die Sonne fiel immer feuriger hinein und vergoldete es zu einer Zauberlaube im elysischen Haine .
Als er es verließ , war ihm , als falle ein blühender Zweig herab , worauf bisher die Nachtigall seiner Seele gesungen .
Wie lag zu Hause , wo ihm nichts fehlte als Vult -- aber dieser kaum -- , das Leben und der Traum im Leben wie vergoldetes Gewölk um ihn her !
Tausend Paradieses-Zweige schlugen über ihm unsichtbar zusammen und durchzogen ihn heimlich mit einem berauschenden Blüten-Dufte , in dessen Eden er nicht hineinsehen könnte .
Wenn bisher die Wolke zu stehen schien und der Mond zu fliehen :
so sah er jetzt die Flucht der Wolken unter dem festen schönen Gestirn .
" Wenn sie nur recht innig liebt -- dachte er -- gesetzt auch , sie meinte mich nicht allein ; die Hauptsache ist ihre Wonne .
Sie sollte dazu ordentlich mehrere Mütter haben , mehrere Väter und unzählige Freundinnen ! "
Er freute sich mehr als dreißigmal über die Freude , womit Wina die Neujahrs-Nacht und jetzt unter seinen Füßen die Freundin anschauen werde .
Daß sie ihn liebe und achte , wusste er nun recht ; aber nicht wie stark ; -- den höchsten Grad ihrer Liebe gegen ihn sich jetzt zu denken hieß ihm , sich abzuzeichnen , wie ihm sein würde , wenn man ihn auf Millionen Weltstufen auf die Gipfel-Sonne geleitete , um ihn , den Notar , zum Gott zu krönen .
Er hatte schon viel von dem Geburtstags- Gedicht ohne sein Wissen ausgearbeitet -- bloß durch das Denken an Wina's Bitte -- , als endlich Vult erschien .
In der Angst , dieser schlage aus Kälte gegen Raphaela und den Adel , das Musikfest ab , wollte er ihn etwas künstlich , wie in einem englischen Garten , auf feinen Schlangenlinien und mit Mäandern vor den Vorschlag wie vor ein Denkmal führen .
" Leider schrieb ich heute das letztemal beim General , " sagte er mit der seligsten Miene von der Welt .
" Du willst sagen " Gottlob , " sagte Vult .
Walten stolperte schon vorne in den Mäander hinein und ertrank fast .
" Ich hoffte bisher , versetzte Vult , du solltest mich Stimmen-Narren allmählich beim Vater einführen , damit die Tochter sänge , wenn ich bliese . "
-- " Beides , schlug Walten heraus , kannst du ohne ihn und mich jetzt haben , dies habe ich dir sogar vorzuschlagen . "
Der Flötenspieler fragte heftig .
Walten bestand aber darauf , daß er , bevor er deutlich werde , ihm einen einzigen Zug von Raphael geben dürfte ; es war der schöne vom Verschweigen des Krankseins .
Es gab keinen Karakterzug von der Welt , den der Flötenspieler je mit einem so absterbenden Gesichte sich vorzeichnen lassen , als diesen ; doch zog er den satirischen zuckenden Stachel in die Scheide zurück , um nur den Vorschlag zu bekommen .
Walten quälte ihn so lange um sein Urteil hierüber , daß er losbrach : " ich schwöre dir ja , ich schätze die Handlung ; der Teufel und seine Großmutter könnten nicht zarter verfahren ; es ist eine Redensart , ich meine wir beide .
Nun sprich ! "-- Walten schlug_es vor .
" Du bist ein guter Mensch -- sagte Vult mit einer schwer zu bergenden Erfreuung -- ich nehme es willig an .
Ich scherze überhaupt oft bloß .
Als Mietsmann zeige ich der Tochter vom Hause so gerne einige Aufmerksamkeiten -- und ich soll es .
Doch die Wahrheit zu sagen -- ein böser Ausdruck , gleichsam als habe man vorher keine gesagt -- so stimmt mich hier Wina mit ihrer reinen rollenden Perlen-Stimme noch mehr .
Gott ! wie kann nicht eine Singpartie gesetzt werden ( besonders von mir ) , wenn man das edle Portamento der Sopran-Person , deren diminuendo und crescendo und ihre herrliche Vereinigung von Kopf- und Brust-Stimme -- du verstehst mich unmöglich , Bruder , ich spreche als Künstler -- dermaßen kennt wie ich ?
Mensch , glaubst du , daß ich damals , als ich sie in Elterlein hörte , schwor , sie soll mit meinem Willen nie mehr à secco singen ? -- à secco , Walten , heißt nämlich allein ; ein Punsch- Royalist wie ich , kommt freilich auch leicht aufs Trockene , aber anders . "
Walten schien es ein wenig , als komme Vult eben nicht vom festen Lande her .
Beider Abend wurde aber im Feuer der Liebe vergoldet .
Jeder glaubte , er sehe über den Paradieses-Strom hinüber recht gut die Quelle der Freude des anderen von weitem rauchen und nebeln .
Walten zwang ihn scherzhaft , es auf einen Bogen zu schreiben , daß er morgen noch der heutigen Meinung sein und blasen und setzen wolle .
Vult schrieb : " ich will , wie Siegwart , den Mond zu meinem Bettwärmer machen -- oder ein Lauffeuer im Laufe aufhalten -- ja ich will die erste beste Glaciere von Prüde heiraten und mir es also gefallen lassen , daß eine Jungfrau die Früchte der Glutzeit zu Eiszierraten ausquetscht , z. B. zu Rosen- und Aprikoseneis , zu Stachelbeerenais , zu Citroneneis :
wenn ich nicht die beste Flötenmusik sogleich Mozartisch setze und blase zur Zauberflöte , in der Minute , wo diese mein Bruder gedichtet und aufgeschrieben hat ; und ich entsage jeder Exzeption , besonders der , daß ich heute nicht gewußt hätte , was ich morgen wollte . "
-- " Ein wahrer Schelm ist doch mein Walten -- dachte er im Bette -- würde ihn ein anderer wohl im Hauptpunkte so durchschauen wie ich ? --
Kaum ! "
Nro. 60. Scheerschwänzel .
Schlittschuh-Fahrt .
Der nächste Tag des Notars war aus 24 Morgenstunden gemacht ; weil er über das Geburtstags-Lied für Wina nachsann .
Der zweite bestand aus eben so vielen Mittagsstunden , weil er es ausführte .
Es war , als müßte er sich selber verklären , um Wina's heiliges Herz auf seine Zunge zu nehmen ; als müßte er in Liebe zerrinnen , um ihre Liebe gegen die Freundin in seiner Seele wie ein zweiter Regenbogen neben dem ersten nachzuglänzen .
Da die Liebe so gern im fremden Herzen lebt :
so wird sie noch zarter , wenn sie in diesem wieder für ein drittes zu leben hat , wie das zweite Echo leise über die Milde des ersten siegt . --
Dies alles aber war nur leichtes Säen im Frühling , wo lauter neue Sänger am Himmel flogen ; aber am zweiten Tage fiel die heiße heiße Ernte ein -- Walten mußte um die ätherischen Träume die feste Form des Wachens legen , nämlich nicht nur die neue metrischer Verhältnisse , sondern auch musikalischer , weil Vult oft den besten Gedanken weder sing- noch blasfähig fand .
So muß sogar der Geist des Geistes , das Gedicht , aus seinem freien Himmel in einen Erdenleib , in eine enge Flügel-Scheide ziehen .
Vult hingegen hatte leicht Gesang und Begleitung gesetzt ; denn im unermeßlichen Äther der Tonkunst kann alles fliegen und kreisen , die schwerste Erde , das leichteste Licht , ohne zu begegnen und anzustoßen .
Da Walten bekanntlich das Gedicht in seinem Roman ganz abdrucken lassen , nur mit wenigen , aber unwesentlichen Abänderungen in den Stellen :
Wache auf Geliebte , der Morgen schimmert , dein Jahr geht auf -- dann : Schläferin , hörst du nicht die Liebe rufen und träumst du , wer dich liebt -- und endlich : Dein Jahr sei dir ein Lenz und dein Herz im langen Mai die Blume -- so setze ich die Verse als allgemein bekannt voraus .
Flegeljahre IV. Bd. 15 Jetzt war bloß die Schwierigkeit , Weinen Musik und Text zuzuspielen .
Walten schlug mehrere ausführbare Mittel und Wege dazu vor , die sehr dumm waren , Vult schlug aber jedes aus , weil man beim Treibjagen der Mädchen , sagte er , nichts zu tun habe als ruhig zu stehen auf dem Anstand schußfertig , um sogleich abzubrennen , wenn sie das Wild vortreiben .
Indes wurde nichts gebracht ; Wina verstand von den weiblichen Vermittlers- und Dietrichs- Künsten so viel als Walten .
Endlich erschien eine helle Dezember-Dämmerung im Park , wo der lange See ( es war ein schmaler Teich ) mit dem Besen von Schnee gesäubert wurde , und wo später , da der Mond scharf jeden dürren Schatten- Baumschlag auf dem weißen Grund abriß , nicht nur die drei Ursachen davon verschwanden in die nahe Rotonda -- ein schönes Rindenhaus , das dem römischen Pantheon auffallend ähnlich war in der Öffnung nach oben -- sondern auch sogleich einander wieder herausführten aufs SeeEis , weil die drei sämtlich Schlittschuhe darin angeschnallt hatten , Wina so wohl als Raphaela und Engelberta .
" Göttlich -- rief Walten , als er fahren sah -- fliegen die Gestalten wie Welten durcheinander , um einander ; welche Schwung- und Schlangenlinien ! "
Eben machte Engelberta , beide Arme malerisch aufgehoben , hernickend Fingerwinke .
" Lauf , mit deinem Musikblatt und sei drunten ein Mensch ! sagte Vult zu Walten , Sie wollen uns beim Teufel . "
-- " Unmöglich , versetzte Walten , betrachte doch die Dämmerung und die Zärte ! "
-- " Für ein Paar Stiefel hat doch der See noch Platz ? " fragte Vult hinab und flatterte drei Treppen hinunter , um einen Ladendiener ohne Weiteres zum Nachtragen von ein Paar Schlittschuhen zu kommandieren , die er voraussetzte .
Walten steckte das heilige Blatt voll Ton- und Dichtkunst an einen Ort , den er für schicklicher als die Rocktasche ansah , nämlich an dessen Geburtsort , d. h. unter die Weste ans Herz .
Drunten am See-Teich ließ er an seinem langen Bückling die drei Danksagerinnen vorüber gleiten und teilend losen , weil er nicht offenbaren konnte , wie viel er jeder von Rückenbogen abschneide .
Aber welche entwickelnde Lebenskraft war mit Volten aufs Eis gefahren und wie schwebte der Geist über dem Wasser , das gefroren war ! --
Zuerst bald Wina's Bart- , bald ihr Wandelstern , bald ihre gerade schießende Sternschnuppe zu sein , damit fing er an -- sie Schachkönigin zu decken gegen jede Königin , es sei als Läufer , als Springer oder Turm -- als Amors Pfeil zu fliegen , so oft sie Amors Bogen war , es nicht zu leiden , wenn sie kühner fliegen wollte als er , sondern sie so lange zu überbieten , bis er selber überboten wurde und dann leichter den Wettflug mit einem Doppelsiege schloß -- dies war die Kunst , womit seine schöne von der Welt erzogene Gestalt ihren Wert entwickelte in leichter Haltung und Wechslung .
Walten war am Ufer als Strandläufer außer sich vor Lust und warf laut den schönen Tanz- und Schweb-Linien Kränze von Gewicht in so richtigen Kunstwörtern zu , daß man hätte schwören sollen , er tanze .
Er sprach noch vernehmlich von drei Grazien ; -- " welche noch dazu , versetzte Vult , wenn nicht um die Venus , doch um deren Mann , tanzen ; und was fehlt denn uns , Herr Harnisch , zu drei Weisen als die Zahl ? "
-- Nur mußte Walten unter dem Bewundern beklagen , nämlich sich und sein Strandlaufen ; denn auf dem Eise wäre er nicht viel leichter zu drehen gewesen als ein Kriegsschiff .
Vielleicht wird der Druck einer niedrigen Abstammung nie schmerzlicher empfunden als in den geselligen Festen , zu welchen die dürftige Erziehung nicht mit den Künsten der Freude ausrüstete , wie Tanz , Gesang , Reiten , Spiel , französisches Sprechen sind .
Gegen Raphaela war Vult der artigste Mann , den es auf dem Teiche gab , sagte ihr Höflichkeiten über ihre für diesen Tanz gemachte Gestalt -- welche ihm und ihr leicht zu glauben waren , weil sie wirklich einige Zolle über Wina hinaus Maß -- und schnitt oder fuhr sogar ihr Namens-R mit den Schuhen in die Eisrinde wie in eine Baumrinde ein .
Sie nahm indes sein höfliches Übermaß ohne eigenes auf ; vielleicht weil das seinige den Scherz nicht genug verbarg und weil sie als eifersüchtige Freundin Wina's unwillig die Hand sah , die er so offen nach dieser ausstreckte .
Er überhüpfte oder überfuhr es .
Zu Engelberta sagte er : wir wollen Geliebten spielen .
-- " Auf dem Eise bin ich dabei , " erwiderte sie ; und so neckten beide sich leicht und rasch mit ihrem Rollen-Schein , er mit edel- und weltmännischer Keckheit , sie mit kaufmännischer weiblicher .
" Wüßte man nur , schien sie zu denken , ob er mehr ein seltsamer Haberecht wäre als ein närrischer Habenichts : dann wäre mehr zu tun . "
Fünfmal hatte schon Walten an sein Musikblatt gedacht , um es einzuhändigen , und es viermal vergessen , wenn Wina wie seine ganze Zukunft um sein Ufer flog oder gar ihn mit einem Blumenblicke bewarf , dem er zu lange nachträumte .
Endlich sagte er der Eisfahrerin : " zwei Ja sind neben Ihnen . "
-- " Ich verstand Sie nicht ganz , " sagte sie lächelnd wiederkommend und entglitt .
Er ging ihr am Ufer ein wenig entgegen aufs Eis : " Ihr Wunsch wurde auch der fremde , " sagte er .
" Wie ist_es mit der Flötenmusik ? " fragte sie fliehend .
" Ich trage Musik und Text bei mir , aber nicht bloß am Herzen , " antwortete er , als sie wieder herfuhr .
" Wie herrlich ! " sagte sie umwendend , und glänzte vor Freude .
Vult flog wie eifersüchtig fragend her : hat sie das Blatt ?
-- " Sehr hingedeutet habe ich dreimal , versetzte Walten , aber wie natürlich fährt sie nicht unweiblich vor mir aus und steht . " --
Jener zog seine Flöte öffentlich vor und sagte laut , daß der ganze Teich es hörte : " H. Harnisch , Sie haben vorhin mein Musikblatt eingesteckt ?
Jetzt blase ich . "
Dieser reichte es ( seinem Blicke mehr als seinem Worte ) zu .
Wina kam herbei : " können Sie , sagte Vult laut zu ihr , es übergebend , im Mondschein noch lesen , was ich abspiele ? "
Das trauende Mädchen sah ihn lieblich an und ernsthaft ins Blatt hinein , da er zu flöten anhob .
Am Härchen des Zufalls hing nun der ganze Neujahrs-Morgen herab , zwar kein Schwert , aber eine blumige Krone .
Gleichwohl tobt und jauchzet der Mensch wechselnd über dasselbe Härchen , bloß weil es zur einen Zeit ein Schwert , zur anderen ein Diadem über seinem Kopfe hält und auf diesen fallen läßt .
Wina las lange auf dem Blatt Noten nach , die er gar nicht blies , bis sie endlich Vults End- Absichten merkte und erfüllte .
Wie flog sie dann der Flöte nach , um mit Blicken zu denken -- und Walts Stand-Ufer vorüber , um ihn anzuschauen -- und freudig über die kalte Fläche , weil ihre freundschaftlichen Wünsche so schön begünstigt waren und dieser Nacht nichts mehr fehlte , als die erste des künftigen Jahrs .
Welche erfreute Blicke warf sie auf ihre Freundin und zum Sternenhimmel !
Dazu ging nun die umher irrende Flöte , die wie mit einem Springstabe den Notar vom Eis der Erde ans Empyreums-Eis des Himmels aufhob .
Alles war zwar selig , Vult besonders , Walten aber am meisten .
Ach wolltest du mir nicht -- sagte Vult herfahrend mit vergnügtem Gesicht -- ein Paar Doppel-Louis vorstrecken nur auf zwei Stunden , armer Wicht ? "
-- Ich ? fragte Walten .
Aber jener fuhr und blies fröhlich weiter ; um als Chorführer mit Sphärenmusiken den himmlischen Körpern auf dem Eise vor- und nach zu schweben .
Wenn die Tonkunst , welche schon in die gemeine feste Welt gewaltsam ihre poetische ein schiebt , vollends eine offene bewegte findet :
so wird darin statt des Erdbebens ein Himmelbeben entstehen und der Mensch wird sein wie Walten , der das Ufer mit stillen Dankgebeten und lautem Freudenrufen umlief und seine Herzens-Welt , so oft die Flöte sie ausgesprochen , immer von neuem und verklärter erschuf .
Er sammelte alle fremde Freuden wie warme Strahlen in seiner stillgehaltenen Seele zum Brennpunkte .
Den mit Sternen weißblühenden Himmel ließ er ins kleine Nachtigallenspiel herabhängen und der Mond mußte seinen Heiligenschein mit Wina's Gestalt zusammen weben .
Dieser Mond , sagte er sich , wird in der Nachmitternacht des Neujahrs fast wieder so am Himmel stehen , und ich werde nicht nur die Flöte und meine Gedanken , auch Ihre Stimme hören .
-- Die Sterne des Morgens werden blinken -- und ich werde erst unter dieser künftigen Musik denken : " so groß hätte ich mir die Wonne am frohen Abend der Eisfahrt nie gedacht . "
Jetzt trat er immer weiter in den Teich hinein , oder stach weiter in die See oder ins Eismeer , um der Geliebten näher zu begegnen .
Da sie ihn nun ein paarmal nahe umkreiste , und seine Freudenblumen den höchsten Schuß taten und mit breiten Blättern wogten , mähte sie Zablockis Bedienter mit der Nachricht ab : der Wagen sei da .
Der stolze Lakai erinnerte ihn wunderbar an Wina's Stand , und an seine Kühnheit .
Nach der Flucht der Drei nahm ihn Vult am Arme aufs Eis hinein , und sagte : " jede Lust ist eine Selbstmörderin , und damit gut .
Aber gibt es denn ein kahleres Paar arme Häute als ich und du , sämtlich ?
Denn wenn es ein Lumpen- Hündchen-Paar gibt , das drei durstige Engel den ganzen Abend trocken auf dem Wasser herumfahren lässt , weil es nicht so viel in der Tasche , oder droben in der Stube zusammen bringen kann , um den Engeln nur die kleinste Erfrischung vorzusetzen , das wenige Kommiß-Eis ausgenommen , worauf sie fuhren -- :
so ist wahrlich das Paar niemand als wir . --
Ach waren wir denn im Stande , wenn sie schlechter Wetter und kein Fuhrwerk hatten , nur eine Halbchaise anzuspannen , und einen Floh dazu anzuschirren , wie einmal ein Künstler in Paris eine samt Passagieren und Postillon so fein ausgearbeitet hatte , daß ein einziger Floh alles zog ? --
Sonst war der Abend hübsch . "
" O wahrlich ! Freilich ; -- aber gewiß so wenig als ich diesen Abend an leibliche Genüsse dachte , so wenig vielleicht die guten Wesen !
Die Frau hat einen Schmerz , eine Freude ; der Mann hat Schmerzen , Freuden .
Sieh nach , dies trifft schön mit den Worten auf der Tafel , die dort an der Eiche hängt . "
-- " Eine Linde ist_es , " sagte Vult .
" So kenne ich , versetzte Walten , immer die Gewächse nur in Büchern .
-- Darauf steht : die schöne weibliche Blüte sucht , wie die Biene , nichts als Blüte und Blume ; aber die rohe sucht , wie die Wespe , nur Früchte . " . . . " Ja sogar Ochsenleber , wie die Fleischer wissen . "
" O , alle , fuhr Walten fort , waren heute so froh , und besonders über dich !
Nun ich sage dir es offen , habe ich dich je als freien , gewandten , kühnen , alles schlichtenden Weltmann erkannt , so war_es heute , " sagte Walten und hob besonders sein Benehmen gegen Raphaela heraus .
Vult bedankte sich mit einem -- Spaße über sie .
Es war der , daß Weiber den Augen glichen , die so zart , rein und für Stäubchen empfindlich wären , und denen doch Mettelsafran , Cayennepfeffer , Vitriolspiritus , und andere angreifende Ätzmittel als Heilung dienen .
Von Zeit zu Zeit ließ er einen mäßigen Scherz gegen Raphaela los , um den Bruder von einer verdrießlichen Eröffnung seiner Liebe zurückzuschrecken .
Allmählich sanken beide sanft und tief in die Stille ihres Glücks .
Von der schimmernden Gegenwart war ihnen nichts geblieben als oben der Himmel , und unten das Herz .
Der Flötenspieler Maß seinen Weg zu Wina's Ich zurück , und fand sich schon auf halbem -- Ihr Danken , ihr Blicken , ihr Nähern , Raphaelens Meiden , langte zu , ihm für die Neujahrs-Nacht , wo er alles durch einen Zauberschlag entscheiden wollte , die schönste Hoffnung zu lassen , und doch noch größere Sehnsucht .
Aber gerade diese war ihm fast lieber und seltener als jene ; er dankte Gott , wenn er sich nach irgend etwas unbeschreiblich sehnte , so sehr mußte er sich nach Sehnen sehnen .
Aber die Entbehrungen und Schmerzen der Liebe sind eben selber Erfüllungen und Freuden , und geben Trost , und brauchen keinen , so wie die Sonnenwolken eben das Leuchten der Sonne erzeugen , und die Erdenwolken vertreiben .
Nur auf Walten , dessen dichterische Nachtigallen in seinem warmen Duft-Eden betäubend schlugen , machten die göttlichen Sterne , und ein glücklicher Bruder zu starken Eindruck ; er dürfe , schwor er vor sich , dem aufgeschloßenen Freunde gerade die heiligste Herzens-Stätte , wo Wina's Denkmal in Gestalt einer einzigen Himmelsblume stand , nicht länger verdecken und umlauben .
Daher schickte er ohne weiteres Hand-Drucke und Augen-Blicke als Vorspiele der schamhaften Beichte seiner kühnsten Sehnsucht voraus , um ihn zu fragen und vorzubereiten ; dann fing er an : " sollte der Mensch nicht so offen sein als der Himmel über ihm , wenn dieser gerade alles Kleinliche verkleinert , und alles Große vergrößert ? "
-- " Mich vergrößert er wenig , versetzte Vult .
Laß uns aber im Schatten gehen ; sonst muß ich alles vorbeigehend lesen , was da von Empfindungen an die Bäume genagelt ist .
Denn so sehr mir Raphaela seit näherer Bekanntschaft in einem anderen Lichte erscheinen muß als sonst , so hasse ich doch das gewaltsame Herauskehren und Umstülpen des Inneren zum Äußeren noch fort , als sei man eine kehrbare Tierpflanze .
Wenn ein Mädchen anfängt , " eine schöne weibliche Seele " :
so Lauf ' ich gern davon ; denn sie besieht sich mit .
-- Herzen hat ohnehin jedes so viele aufzumachen und zu verschenken , als ein Fürst Dosen , und beide enthalten das Bildnis des Gebers , nicht des Empfängers .
Überhaupt !
-- Und so fort ! --
Aber ich berufe mich auf dich selber , ob du wohl bei deiner und unserer Delikatesse fähig wärest , von deinen heiligeren Herzens-Gegenden , vom innersten und heißesten Afrika , alles bekannt zu machen und Landkarten davon zu stechen .
Ein anderes , Bruder , sind Spitzbübereien der Liebe -- bloße schlimme Streiche -- Wiegenfeste des alten Adams -- alles dieses dergleichen wilde Fleisch am Herzen , oder , möchte ich mit den Ärzten sprechen , solche Extravasata , oder mit den Kanonisten , solche Extravagantja , kurz deine starken Ausschweifungen , kannst du mir , ob ich sie dir gleich kaum zugetrauet hätte , ohne Schaden entblößen .
Verliebte Liebe hingegen -- bedenke dies wenigstens für künftige Fälle .
Denn der vortreffliche Mann , dem du etwa deine Flamme und deren Gegenstand bekannt gemacht , weiß nicht recht , da er doch an deinen frohen Empfindungen den frohsten Anteil nehmen will , wie er die Person zu behandeln habe -- Ob ganz wie du ?
Aber dann fehlte gar der Unterschied , und du knurrtest wohl am Ende .
-- Oder ob ganz matt und hochachtend ?
Dann wirst du gequält und gedrängt , daß er dir mit seinen gipsernen Augen , in deine naß-brennenden sieht .
Der vortreffliche Mann schluckt jedes Wort zurück , das nicht wie ein Wunderungs-O über sie aussieht , dieser schöne Selbstlauter , der im Munde eben so gut den Kreis als die Nulle nachspielt .
-- Ihr beide oder ihr drei , sitzt immer befangen neben einander .
Der Mann schämt sich vor dem Mann stets mehr der Liebe , als der Ehe ; denn in der Ehe finden ein paar Freunde schon eher etwas zum sympathisieren , z. B. Wechsel-Jammern über ihre Weiber u. s. w. Walten schwieg , legte sich ins Bett und in die Träume hinein , und tat die Augen zu , um alles zu sehen , was ihn beglückte .
Nro. 61. Labrador Blende von der Insel St. Paul .
Vults antikritische Bosheit -- die Neujahrs-Nacht .
Auf die süßen Früchte und Rosen , die sie an der Wetterseite ihres Lebens zogen , blies wieder ein rauhes Lüftchen , nämlich H. Merkel , der ihren Roman mit wahrer Verachtung zurückschickte , den Waltischen Anteil noch erträglich , den Vultischen aber nicht nur abgeschmackt fand , sondern gar dem Gukguk Jean Paul nachgesungen , welcher selber schon ohne die Gukguks-Uhr der Nachahmung langweilig genug klinge .
Dieses brachte den Flötenmeister dermaßen auf , daß er alle kritischen Blätter dieses Selbst-Redakteurs durchlief , und darin bloß nach Ungerechtigkeiten , Bosheiten , Fehlschlüssen , Fehlgriffen und Fehltritten so lange nachjagte , bis er ihm gerade so viele , als man Delille Delille in seinem homme aux champs Wiederholungen * ) vorwarf , zum zweiten Einrücken zufertigen konnte in einem Briefe , nämlich sechshundert und drei und vierzig .
Der ganze Brief war voll Ironie , nämlich voll Lob -- Anfangs erwähnte Vult achtend der Kritik im Allgemeinen , welche er eine nötige Zuchthäusler-Arbeit nennt , da sie im polieren des Marmors , Schleifen der Brüllen , Raspeln der Färbehölzer , und Hanfklopfen für Stricke bestehe -- machte glaublich , daß , insofern Genies nur durch Genies , Elefanten nur durch Elefanten zu bändigen und zu zähmen wären , ein kritischer Floh sich ganz tauglich dazu anstelle , da er sich von anderen Elefanten weder in der Gestalt , noch , unter einem Vergrösserungsglase , in der Größe unterscheide , und noch den Vorzug habe , sich leichter ins Ohr zu setzen , und überall zu stechen und zu hüpfen -- erklärte jedoch die gewöhnliche Regelgeberei bei Männern * )
Im Appell aux principes , wozu noch 558 -- Antithesen vorgeworfen werden .
Flegeljahre IV. Bd. 16 wie z. B. Goethe , für eben so unnütz als eine zurechtweisende Sonnenuhr auf der Sonne -- rückte nun Herrn Merkel nicht ohne Bosheit näher , indem er es erhob , daß er gerade an großen Autoren , die es am ersten und stillsten vertrügen , sich am meisten zeige durch kleine Ergießungen von Galle und Hirnwasser , so wie man nirgends ( selten an kleine Privathäuser ) so oft , als an erhabene und öffentliche Gebäude wie Raths- , Opernhäuser und Kirchen pißet . --
Er wundert sich , daß das Publikum sich noch nicht die Qual und Arbeit stark genug vorgestellt , womit er ganz allein in den Frauenzimmer-Briefen das tote Musenpferd aus der Straße wegzuschleppen strebte , eine Marter , wovon ein Wasenknecht zu sprechen wisse , der mehrere Tage ganz allein , weil jeder Vorbeigehende sich zur Handreichung aus Vorurteil für zu ehrlich halte , an einem gefallenen Gaule abtrage -- nahm davon Gelegenheit , dessen Stolz im vorteilhaften Lichte zu erblicken , da M. allerdings über die ungeheuren Riesenschenkel und den Riesenthorax seines Schattens vergnügt erstaunen müsse , den er auf die Märker Fläche projektiere bei dem tiefen Stand der Morgensonne der neuen Zeit . --
Da aber Vult im Verfolge anfängt , anzüglich zu werden , ja verachtend :
so hält sich der Verfasser durch kein Kabelsges Testament und durch keine Labrador-Blende von der Insel St. Paul für das Kapitel verbunden , den Rest hier zu exzerpieren ; um so mehr , da nicht einmal Merkel selber das ganze Schreiben eingerückt oder beantwortet hat , den ich hier öffentlich zu bezeugen auffordere , ob nicht der unterdrückte Rest noch unschicklichere Angriffe enthalten habe , und aus gleichen Gründen von ihm , wie von mir , unterschlagen worden ist . --
Darauf wurde der Roman an H. v. Trattner in Wien geschickt , weil man dahin , sagte Vult , nur halb frankieren dürfte .
" Ich danke Gott , so bald ich nur hoffen kann , " sagte Walten .
Die neue Arbeit wurde der alten mit beigelegt .
Der Buchhändler blieb dabei , daß er jede Woche nicht mehr als Einen Korrektur-Bogen zuschickte , und folglich dieses Erbamt des Korrektorrats ungewöhnlich ausdehnte .
Der Notarius beging jede Woche zwar nicht neue Korrektorats-Fehler , aber unzählige ; nur über den Buchstaben W keine , weil sein Wohl und Weh , Wina , damit anfing .
Tod-Öde wäre das Doppel-Leben der Brüder ausgefallen ohne die Liebe , welche den Baugefangenen der Not die höchsten Luftschlösser erbauen läßt , welches so viel ist , als sie bewohnen !
Nichts erträgt die Jugend leichter als Armut , ( so wie das Alter nichts leichter als Reichtum ) denn irgend eine Liebe -- sie meine ein Herz oder eine Wissenschaft -- erhellet ihre dunkle Gegenwart künstlich , und lässt sie im künstlichen Tage so freudig sein , als sei es ein wahrer , wie Vögel vor dem Nachtlicht fortschlagen , weil sie es für einen Tag ansehen .
Vult war nun entschlossen , in der Neujahrs- Nacht auf Wina's Herz seine feindliche Landung -- mit der Flöte in der Hand -- zu machen .
Hoffnungen hatte er -- da aus Gemeinschaft der Arbeit leicht die des Herzens wird , und aus dem Faktor der Handelswitwe leicht ihr Mann -- genug : " wenn ein Paar durch das Ausführen eines zweistimmigen Satzes nicht einstimmig werden : so irre ich mich sehr , " sagte er .
Walten hingegen entwarf keinen anderen Eroberungsplan als den , Wina verstohlen anzuschauen -- vor Freude zu weinen -- je heranzurücken mit sich -- und , wenn Gott ihm Finsternis , oder sonst Gelegenheit bescherte , im Saus und Braus der Wonne ihre Hand zu küssen , und gewiß irgend Etwas zu sagen .
Bis dahin sagte er ihr noch mehr , aber gedruckt auf Taffent und feinstem Papier .
Da er nämlich durch seinen poetischen Anteil an der Haßlauer Zeitung das Vertrauen des Herausgebers so sehr gewonnen hatte , daß dieser von ihm die ganze Lieferung gedichteter Neujahrswünsche , eines beträchtlichen Handels-Artikels des Mannes , sich verschrieben , so legte er in die Blätter , die für Mädchen verkauft wurden , unzählige Phönix- , Paradiesvögel- , und Nachtigallen-Eier zum Wünschen nieder , welche das Schicksal später ausbrüten sollte ; nämlich es gab mit anderen Worten wenig Freudenkränze , Freudenmonde , Freudensonnen , Freudenhimmel , Freudenewigkeiten , welche er auf dem Taffent nicht den verschiedenen Mädchen wünschte , bloß in der Hoffnung , daß unter so vielen Wünschen wenigstens einer von so vielen Freundinnen Wina's werde gekauft werden , für diese .
" O wohl zehn ! " sagte er .
So kam Weihnachten heran und ging vorüber , ohne daß aus der Asche der Kindheit die gewöhnlichen schillernden Phönixe aufstiegen -- da die Neujahrs-Nacht ihnen zu nahe vorglänzte -- und diese brach endlich mit ihrer Abend- Aurora an , die noch dem alten Jahre gehörte .
Noch Abends beim Schimmer des Hesperus , oder sonst eines Sterns , verflucht es Vult von neuem , daß er nichts weiter hatte , als die schönste Gelegenheit , aber kein Geld , Nachts den galantesten Mann von Welt bei den Jungfrauen zu spielen : " ich wollte , ich wäre wie schlechtere Musici mit dem Bettelorden der Neujahrsfahrer umhergeschifft , und hätte wenigstens mir so viel erbettelt , um den Reichen zu machen , " sagte er .
Sobald Engelberta ihn auf 4 Uhr Morgens in die große gelbe Stube mit dem Bewußten bestellte :
so ging er Nachts mit Walten freudeglühend in das Weinhaus , wo er als ein alter Haus Freund den Tag vorher ( es kostete ihm bloß seine feinen Beinkleider-Schnallen ) Champagner-Wein ohne Kork aufs Eis setzen lassen , um , wie er sagte , die Ruinen ihres Hunds-Lebens ein wenig auszutapezieren .
Walten nahm sich eine halbe Stunde Zeit , um zu begreifen , daß dem offenen Weine kein Weingeist verrauchet sei .
Dann trank -- allen Nachrichten zufolge , die man hat -- jeder ; doch so , daß beide einander als positive und negative Wolken entladend entgegen blitzten , Walten mehr mit scherzhaften Einfällen , Vult mit ernsten .
In einer Blumenlese aus ihrem Gespräche , würden die Farben so bunt neben einander kommen , als hier zur Probe folgt : " Der Mensch hat zum Guten im Leben so wenig Zeit , als ein Perlenschiffer zum Perlen- Aufgreifen , etwa zwei Minuten .
-- Manche Staatseinrichtungen zünden ein Schadenfeuer an , um die eingefrorenen Wasserspritzen aufzutauen , damit sie es löschen . --
Man steigt den grünen Berg des Lebens hinauf , um oben auf dem Eisberge zu sterben .
-- Jeder bleibt wenigstens in Einer Sache wider Willen Original , in der Weise zu niesen .
-- Winkelmann verdient Suwarow's Ehrennamen Italiskoi .
-- Heimlich glauben die die meisten , Gott existiere bloß , damit sie erschaffen wurden ; und die durch den Äther ausgestreckte Welten-Partie sei die Erdzunge ihres Dunst- Meers , oder ihre Erde sei die Himmelszunge .
-- Jeder ist dem Anderen zugleich Sonne und Sonnenblume , er wird gewendet , und wendet . --
Viele Witzköpfe an Einer Tafel , heißt das nicht mehrere herrliche Weine in Ein Glas zusammengießen ? --
Kann eine Sonne mit anderen Kugeln als Welt-Kugeln beschossen werden ? --
Sterben heißt sich selber durch Schnarchen wecken . -- --
Und so weiter ; denn im Verfolge war viel weniger Zusammenhäng und mehr Feuer .
So schlug endlich die Totenglocke des Jahrs ; und der unsichtbare Neumond des neuen schrieb sich bald mit einer Silber-Linie in den Himmel ein .
Als die Gläser endlich geleert waren , wie das Jahr :
so lustwandelten beide auf der Gasse , wo es so hell war , wie am Tage .
Überall riefen sich Freunde , die von Freuden-Gelagen herkamen , den Neujahrs-Gruß zu , in welchem alle Morgen- und Abendgrüße eingewickelt liegen .
Auf dem Turm-Geländer sah man die Anblaser des Jahrs mit ihren Trompeten recht deutlich ; Walten dachte sich in ihre Höhe hinauf , und in dieser kam es ihm vor , als sehe er das Jahr wie eine ungeheure Wolke voll wirbelnder Gestalten am Horizont heraufziehen ; und die Töne nannten die Gestalten künftiger Stunden beim Namen .
Die Sterne standen als Morgensterne des ewigen Morgens am Himmel , der keinen Abend und Morgen kennt , aber die Menschen schauten hinauf , als gäbe es droben ihren eiligen Wechsel , und ihre Stunden- und ihre Totenglocken , und den deutschen Januar .
Unter diesen Gefühlen Gottwalts stand die Geliebte als ein Heiligen-Bild , von Sternen gekrönt , und der Himmels-Schein zeigte ihre großen Augen heller , und ihre sanften Rosenlippen näher .
Nicht wie sonst stellte ihm das alte Jahr , das an der Geburt des neuen starb , das Vergehen des Lebens dar ; die Liebe verwandelt alles in Glanz , Tränen und Gräber ; und vor ihr berührt das Leben wie die niedergehende Sonne auf den nordischen Meeren am langen Tage , nur mit dem Rande die Untergangs-Erde und steigt dann , wieder morgendlich den Himmelsbogen hinauf .
Beide Freunde gingen Arm in Arm , endlich Hand in Hand , in den Straßen umher .
Walts kurze Lustigkeit war dem tieferen Fühlen gewichen .
Er sah sich oft um , und in Vults Gesicht hinein : " so müssen wir bleiben in einem fort , wie jetzt , " sagte er .
Geschwind drückte ihm Vult die Hand auf den Mund , und sagte : " der Teufel hört ! "
-- " Und Gott auch , " versetzte Walten ; und fügte dann leise , rosenrot , und abgewandt hinzu :
" In solchen Nächten solltest du auch einmal das Wort Geliebte ! sprechen . "
-- " Wie ? sagte Vult rot , dies wäre ja toll . "
-- Nach langem Genuß des hellen Vorfestes sahen sie endlich Wina mit Engelberta , wie eine weiße Blumen-Knospe in das Feuerhaus einschlüpfen .
Hoffend auf die ausgearbeiteten Plane seiner Liebes-Erklärung , und so glücklich wie ein Astronom , dem sich der Himmel aufklärt , ehe sich der Mond total verfinstert , suchte Vult jetzt die Ohren des Bruders in etwas vom Liebhaber-Theater wegzustellen , indem er ihm vorhielt , wenn er in einiger Ferne , z. B. unten im Park zuhorchte , würden ihn die Töne viel feiner ergreifen .
" Guckst du mir über die Achsel :
so ist_es soviel , als schnaubest du selber mit ins Flötenloch hinein , wobei wenig zu holen ist ; und was überhaupt die Heldin des ganzen Musikfestes zu einem Lager , das zwei junge Männer vor ihrem eigenen im Bette aufschlagen , sagt , braucht doch auch Bedacht , mein Walten ! "
-- " Da es dir so lieb ist , so wende ich nichts ein , " sagte dieser , und ging in den kalten Garten , wo der blendende Schnee so gut gestirnt war , als der tiefe Äther .
Aber oben ging es wider Vults Vermuten , doch nicht wider dessen Wunsch .
Engelberta versicherte , ihre Schwester würde , da sie Flöte und Stimme so kenne , vom ersten Anklang erwachen , und alles verderben .
" So muß die Musik in größter Ferne anfangen , und wachsend sich nähern . "
" Gut , das geschieht im Park , " sagte Wina , und eilte hinab .
Auf der Treppe hinter nahen Ohren , nahm Vult eiligst alle musikalische Abreden mit ihr , damit er auf dem einsameren Park-Wege nichts zu machen brauchte , als seine Eroberung .
Zu seinem Schrecken stand jetzt wie eine stille Pulverschlange , die bloß auf das Loszünden wartete , der Notar auf der Hauptstraße , der mit seiner heiteren Miene sich und anderen versprach mitzugehen , und alles zu begleiten .
Wina gab ihm einen freudigen Morgen- , dann noch einen Neujahrs-Gruß , und die Frage , " geht nicht alles vortrefflich ? " --
Sta , Sta , Viator , sagte Vult , und winkte ihm heftig rückwärts , still zu liegen -- was jener nachdenkend vollzog , " weil ich ja , dachte er , nicht weiß , was er für Ursachen dazu hat . "
" Ein wahrer , inniger Mensch und Dichter , " begann Vult .
" Seine Gedichte sind himmlisch , " versetzte sie .
" Dennoch haben Sie uns beide als Verfasser verwechselt ?
( fragt ' er rasch , weil ihm wie einem Ewigen und Seligen jetzt nichts fehlte , als Zeit . )
Ein solcher Irrtum verdient nicht die geringste Verzeihung , sondern Dank .
Eine andere , aber richtigere Verwechslung denke ich mir eher --
( Wina sah ihn scharf an ) .
Denn ich und er haben ein paar gegenseitige Zwillings- Geheimnisse des Lebens , die ich niemand in der Welt entdecke -- außer Ihnen , denn ich vertraue Ihnen . "
-- " Ich wünsche nichts zu wissen , was Ihr Freund nicht gern erlaubt , " versetzte sie .
Jetzt sprang er , weil das Entdeckungs-Gespräch viel zu lange Wendungen nahm , und er vergeblich auf langsamere Schritte sann , um ihr näher zu kommen , plötzlich vor eine Linde , und las davon folgende Tafelschrift von Raphael ab .
" Noch im Mondschimmer tönen Bienen in den Blüten hier , und saugen Honig auf ; du schlummerst schon , Freundin , und ich ruhe hier , und denke an dich , aber träumst du , wer dich liebt ?
" Eilen wir nur , sagte sie .
Wie köstlich ist Ihr Auge wieder hergestellt ! "
-- " Ich nehme auch alles lieber von Amor an , besonders die Giftpfeile , als die Binde ; ich sah Sie stets , verehrte Wina , wer dabei von uns beiden am meisten gewinnt , das weiß nicht ich , sondern Sie , sagte er mit feiner Miene .
" Schön , fuhr er fort , hat der Dichter in Ihren Gesang die Zeile eingewebt : träumst du , wer dich liebt ? "
-- Darauf drehte er sich halb gegen sie , sang ihr leise diese Zeile , die er absichtlich zu diesem Gebrauche komponiert , ins treuherzige Angesicht , und sein schwarzes Auge stand im langen Blitze der Liebe .
Da sie schwieg und stärker eilte :
so nahm er ihre Hand , die sie ihm ließ , und sagte :
" Wina , Ihr schönes Herz errät mich , Ihnen will ich anders , ja , wenn_es nicht zu stolz ist , ähnlicher erscheinen als der Menge .
Ich habe nichts als mein Herz und mein Leben ; aber beides sei der Besten geweiht . "
-- " Dort , Guter ! " sagte sie leise , zog ihn eiliger an die Stelle , wo sie spielen wollten ; dann stand sie still , nahm auch seine andere Hand , hob die Augen voll unendlicher Liebe zu ihm empor , und auf ihrem reinen Angesicht standen alle Gedanken klar , wie helle Tautropfen auf einer Blume .
" Guter Jüngling , ich bin so aufrichtig als Sie , bei diesem heiligen Himmel über uns versichere ich Sie , ich würde es Ihnen offen und froh gestehen , wenn ich Sie liebte , in dem Sinne , worin Sie es wahrscheinlich meinen .
Wahrlich , ich täte es kühn aus Liebe gegen Sie .
Schon jetzt schmerzen Sie mich .
Sie haben meinen Morgen gestört , und meine Raphaela wird mich nicht froh genug finden . "
Vult zog , schon ehe sie die letzten Worte sagte , die Flötenstücke heraus , setzte sie zusammen , und gab , nur einen Blick hinwerfend , ein stummes Zeichen anzufangen .
Sie begann mit erstickter Stimme , eine kurze Zeit darauf mehr forte , aber bald ordentlich .
Walten durchschnitt den Hauptgang unten hin und her , um beiden nachzublicken , bis sie ihm ferne in den Mondschimmer wie zergingen .
Endlich hörte er den wunderbaren Gruß-Gesang an die Schlafende , seine eigenen Worte , aus der Dämmer-Ferne , und sein Herz in eine fremde Brust versetzt , wie es der armen Schläferin droben , an die selber er bisher gerade am wenigsten gedacht , die Worte sagt : " erwache froh , geliebtes Herz ! " --
Er sah deshalb aufrichtig mit Glückwünschen an ihr Fenster hinauf , um sich zu entschuldigen , und wünscht ihr alles , was Leben und Liebe Schönes zu reichen haben , unter dem größten Bedauern , daß ihr Flette gerade verreiset sein musste .
" Möchtest du dich doch , gutes Mädchen , dachte er , täglich für immer schöner halten , wäre es auch nicht ganz wahr !
Und deine Mutter , deine Wina müsse auch so denken , um sich sehr an dir zu freuen ! "
Auf einmal hörte er Engelberta , die ihm riet , er möge , wenn er sich warm laufen wolle , lieber ins Haus hinauf .
Da ihn nun diese Aufmerksamkeit eines Zeugen störte :
so ging er ins nahe Rindenhaus , wo er nichts sah , als über sich das nächtliche Himmelsblau , mit dem hereinstrahlenden Monde , und nichts hörte und in sich hatte , als die süßen Worte der fernen zarten Lippen .
Er sah hinter der Rinde die schimmernde Wildnis des Himmels aufgetan und er jauchzte , daß das neue Jahr in seiner mit Sternen besetzten Morgenkleidung so groß und voll Gabe vor ihn trat .
Nun kam Wina , die melodische Weckerin zum Wiegenfesttage , immer näher mit stärkeren Tönen , Vult hinter ihr , um die heißen Tränen des des Unmuts , die er neben der Flöte nicht trockenen konnte , niemand zu zeigen , als der Nacht .
In der Nähe gab ihr Engelberta , auf das Schlafzimmer der Schwester und Walts Rinden-Rotunda winkende Zeichen , welchen sie zu folgen glaubte , wenn sie sich in die Rotunda singend verbarg , um da sich und ihr Frühlings-Lied von der erwachenden Freundin finden zu lassen .
Sie fand den Notar mit dem Auge auf dem Monde , mit dem Geiste in dem blauen Äther -- ihre näheren Töne und Vults fernere hatten ihn berauscht , und außer sich und außer die Welt gesetzt .
Eigentlich versteht niemand als nur Gott unsere Musik ; wir machen sie , wie taubstumme Schüler von Henke Worte , und vernehmen selber die Sprache nicht , die wir reden .
Wina mußte Fortsingen , und die Anrede durch ein englisches Anlächeln ersetzen .
Da er gleichfalls nichts sagen durfte , so lächelte er auch an , und sehr , und schwamm vor ihr in Liebe und Wonne .
Als sie nun die schöne melodische Zeile sang : träumst du , wer dich liebt ? und sie so nahe an seiner Brust die heimle Flegeljahre IV. Bd. 17 chen Laute derselben nachsprach :
so sank er auf die Knie , unwissend ob zum Beten oder zum Lieben , und sah auf zu ihr , welche vom Mond , wie eine herabgekommene Madonna umkleidet wurde mit dem Nachglanze des Himmels .
Sie legte sanft die rechte Hand auf sein weichlockiges Haupt ; -- er hob seine beiden auf , und drückte sie an seine Stirn ; -- die Berührung löste den sanften Geist in Freudenfeuer auf , wie eine weiche Blume in üppiger Sommernacht Blitze wirft -- Freudentränen , Freudenseufzer , Sterne und Klänge , Himmel und Erde zerrannen in einander zu Einem Äthermeere , er hielt , ohne zu wissen wie , ihre Linke an sein pochendes Herz gedrückt , und der nahe Gesang schien ihm wie einem Ohnmächtigen aus weiten Fernen herzuwehen .
Die Flöte stand ganz nahe , das letzte Wort wurde gesungen .
Wina zog ihn sanft von der Erde auf ; er glaubte noch immer , es töne um ihn .
Da kam mit freudigem Ungestüm Raphaela hineingestürzt , an die Brust der Geberin des schönsten Morgens .
Wina erschrak nicht , aber Gottwalt -- sie gab der Freundin eine ganze Freundin .
Sie sagte zu Gottwalt , der nicht sprechen konnte :
wir sehen uns Abends wieder , am Montage ? --
Bei Gott , antwortete er , ohne das Mittel zu kennen .
Jetzt trat Vult hinzu , und empfing von Raphaela lauten Dank , und er verließ schweigend mit Walten den seltsamen Garten .
Oben hing sich dieser warm an seinen Hals .
Vult nahm es für Freuden-Lohn seiner Bemühung um Raphaelens Morgenfest , und drückte ihn einmal an die Brust : " Laß ' mich reden , Bruder , " begann Walten .
" O laß mich schlafen , Walten , versetzte er -- nur Schlaf her , aber rechten tiefen , dunklen ; wo man von Finsternis in Finsternis fällt .
O Bruder , was ist recht derber Schlaf nicht für ein köstlicher weiter Landsee für beidlebige Tiere , z. B. einen Aal , der matt vom schwülen Lande kommt , und der nun im Kühlen , Dunklen , Weiten , schwanken und schweben kann ! --
Oder leugnest du so etwas , und mehr ? "
-- " Nun , so gebe dir Gott doch Träume , und die seligsten , die ein Schlaf nur haben kann , sagte Walt. Nro. 62. Saustein .
Einleitungen .
Walten hatte nun in seinem ( mit Blumen ausgeschmückten ) Kopf nichts weiter als den Montag , an welchem er Wina sehen sollte , ohne zu wissen , wo ?
Nach einigen Tagen ließ ihm Raphaela durch Flora sagen , die Redoute am Montage sei durch eine Landestrauer verschoben .
Er stutzte das Mädchen an , und sagte : " wie , es war eine Redoute ? "
Als ihm Vult aber nachher auf die Achsel klopfte , und anmerkte , wahrscheinlich habe ihn Engelberta dahin bestellt , und lasse es fein genug durch die Schwester sagen , so ging ihm ein Licht , ja ein Stern über Wina's Montag auf .
Seine Gehirnkammern wurden 4 Maskensäle ; er schwor , so lange sich abzukargen -- und sollte er verhungern -- bis er so viel Geld zusammen hätte , daß er zum erstenmal in seinem Leben den Larventanz besuchen und mitmachen könnte .
" Habe ich einmal eine Maske vor , dachte er , so tanze ich selig mit Ihr , oder führe Sie , und frage wahrlich nichts danach , wie alles aussieht . "
Wie sanft hätte es ihn berührt und gewärmt , wenn er seinen Zwillingsbruder an und in sein Herz und Geheimnis hätte ziehen können !
Nur war_es zu unmöglich .
Die Schmerzen hatten in diesen harten Edelstein Wina's Namen und Nein sehr tief geschnitten -- dies ertrug er nicht , sondern er wollte den Juwel selber abnutzen und abscheuern , damit nichts mehr daran zu lesen wäre ; nicht vor Liebe , sondern vor Ehrliebe , nicht vor Sehnsucht , sondern vor Rachsucht , hätte er sterben oder töten können .
In diesem Zustand war es jedem , der kein Notarius war , schwer , mit ihm auszukommen .
Vor allen Dingen mißfiel ihm die Nähe und die Ferne , er verfluchte Quartier und Stadt , jenes fein , diese geradezu , indem er sie eine Chaluppe zu Brands Narrenschiff -- eine Loge zum hohen Licht voll ausgelöschter , stinkender Studierlampen -- ein Gebeinhaus von Geköpften ohne Schädelstätte -- eine Tierresidenz mit Viehmarkt und Tiergärten , feinen Käferkabinetten , und einigen Mäuse türmen -- nannte ; Ausdrücke , wovon er viele in den Hoppelpoppel oder das Herz hineinnahm .
Walten leitete die Ergießungen auf die Stadt , doch auf sich selber , nämlich als ob der Bruder sagen wollte :
" Deinetwegen Sitz ' ich im Nest . "
-- " Ach wärst du doch glücklicher , Vult , " sagte er einmal , und nicht mehr .
" Was hast du von mir gehört ? " sagte zornig Vult .
" Nun eben das vorige , " versetzte er , und nahm ihm den Argwohn , daß er um die Fehlschlagung seiner Liebes- Erklärung wüßte .
Am schönen Halbzimmer mit der arkadischen Aussicht auf das gemalte Bühnen-Dörfchen verschliße jetzt aller vorige Glanz .
Vult donnerte -- als wäre Walten an der Störung des Flötens und Schreibens schuld -- hinter der Wand , wenn draußen ein guter angehender Zwerg von Tambour bei leidlichem Wetter sich auf der Trommel nach Vermögen übte und angriff ; -- oder wenn der näher wohnende Fleischer von Zeit zu Zeit ein Schwein abstach , das schrie , wenn er blies ; -- oder Nachts , wenn der Nachtwächter so abscheulich absang , daß Vult mehrmals im Mondschein ihm über den Park hinüber die stärksten Schimpf- und Drohworte zuschreien mußte .
Die milde Wärme des ewig liebenden Notars trieb und blähte seinen Sauerteig nur mehr auf ; " auch ich wäre an seiner Stelle , sagte Vult , ein Gottes-Lamm und eine Madonna und ein Johannes Schoß-Jünger , wenn ich das hätte , wofür er seine Grazie hält . "
Der Notar aber dachte bloß an den Larventanz und an die Mittel dazu .
" O liebte nur mein Bruder irgend eine Geliebte , wie leicht und selig wollten wir sein !
Wir drückten dann alle uns an Eine Brust , und , welche er auch liebte , es wäre meine Geliebte mit . --
So ist_es leicht , ihm alles zu vergeben , wenn man sich an seine trübe Stelle nur setzt ! "
Zufällig verflogen sich in ihre Zimmer Lose einer Kleiderlotterie .
Da nun Walten aus der Sattel- und Geschirrkammer der Masken manches brauchte und nichts hatte , und Vult gar noch weniger ; und doch beide in die Redoute bei gehrten :
so nahm jeder ein Los , um etwa eine Maske zu ziehen .
Beide scharrten das Loosgeld zusammen , Vult unter vielem Fluchen auf ihre Nichtshaberei , und unter dem Beschwören , es gehe ihm so schlimm als den Hinterbacken eines Gaules . --
Überhaupt hielt er über jeden Mangel und Unfall , lange Schimpfreden gegen das Leben , indem er sagte , auf der Vorhöllen-Fahrt sei das Leben ein Hemd-Wechseln , nämlich mit Hären-Hemden , und zu jedem Pis sage das Schicksal bis und auf das Kanonen-Fieber folge das Lazareth-Fieber -- oder indem er fragte , ob nicht so das Gebiß den Zahnfraß bekommen müßte , da es nichts anderes anzubeißen habe , wie Mühlsteine ohne Körner sich selber angreifen ? --
Bald sagte er auch , das Leben sei durch Eis gut darzustellen -- auf einem Eisfeld habe man , außer kalter Küche und Gefrorenes , noch seinen russischen Eispallast mit einem guten Eiskeller für Kühltränke , und , von Eisvögeln umsungen , drücke man den Glacier ans Herz , in der heißeren Zeit eines Maifrosts .
-- " Ich kann dir nicht sagen , sagte er unter dem Anziehen einmal , wie sehr ich wünschte , es wäre bei uns , wie bei den Dahomets in Ober-Guinee , wo niemand Strümpfe tragen darf , als der König , und es wäre jetzt wie unter Karl dem VII. von Frankreich , wo im ganzen Land niemand 2 Hemden besaß , als seine Gemahlin .
-- " Warum ? " fragte Walten .
" Ei , dann könnten wir uns recht gut mit unserem Stand entschuldigen , " versetzte er .
Durch diese Ergießungen führte er eine Menge Verdruß ab , nur aber dem Bruder manchen zu , weil sich dieser für die Quelle hielt .
" Armut , antwortete Walten , ist die Mutter der Hoffnung ; gehe mit der schönen Tochter um , so wirst du die häßliche Mutter nicht sehen .
Aber ich will gern dein Simon von Zyrene sein , der dir das Kreuz tragen hilft . "
-- Bis nämlich auf den Berg , versetzte jener , wo man mich daran schlägt . "
-- Liebe kennt keine Armut , weder eigene noch fremde .
Endlich wurde die Kleider-Lotterie gezogen ; auf welche beide sich bloß durch Länge der Zeit die größten Hoffnungen angewöhnt und weiß ge macht hatten .
Die Gewinne waren für Nro. 515 ( Walten ) , ein beinahe ' vollständiger Anzug von Schützischem Gichttaffent , so , daß er für jeden Gichtischen , es mochte ihn reißen in welchem Gliede es wollte , brauchbar war. Nro. 11000 . ( Vult ) , gewann ein erträgliches blaues Fuhrmanns-Hemd .
In dieser Minute brachte der Postbote den Hoppelpoppel wieder , den sie an die Buchhandlung Peter Hammer in Kölln mit vielen aufrichtigen Lobsprüchen des H. Hammers ablaufen lassen -- nachdem vorher leider das Mscpt. von H. von Trattner mit der kahlen Entschuldigung abgewiesen worden , er drucke selten etwas , was nicht schon gedruckt sei -- ; auf dem Umschlag hatte das löbl .
Kölnische Postamt bloß bemerkt , es sei in ganz Kölln keine Peter Hammersche Buchhandlung dieses Namens zu erfragen , und der Name sei nur fingiert .
Hätte Vult je die beste Veranlassung gehabt , über die ewigen Erdstöße des Lebens zu fluchen , etwa zu fragen , ob nicht alle Höllenflüsse für ihn aufgingen , und Eis und Flammen führten , oder auch zu behaupten , daß in ihr Schicksal gerade so gut Poesie zu malen sei , als auf eine Heuschreckenwolke ein Regenbogen -- hätte er je eine solche Gelegenheit gehabt , so wäre es jetzt gewesen , wenn er nicht aus diesem Schlagregen wäre herausgekommen gar unter die Traufe eines Wasserfalls .
Der Elsaßer erschien , aber er gehörte noch zum Regen .
Er dankte beiden sehr für die Geburtstags-Arbeiten -- noch regnete es -- darauf aber , da er mit seinem Auftrage von Raphaela herausrückte , welche Walten einen vollständigen Berghabit ihres Vaters , den er zuweilen in seinem Bergwerkchen Gott in der Höhe sei Ehre , trug , für den Larventanz anbot -- als Flette seine Glückwünschungs-Minen , und Walten seine Danksagungs-Minen spielen ließ --
dann beide wieder die Minen umtauschten , und dies alles so wohlwollend gegen einander , daß , wenn der Notar nicht der ausgemachteste Spitzbube des festen Landes war , Raphaela durchaus noch die Geliebte des Elsaßers sein mußte :
so fiel auf einmal der lange Nebel und Vult in die Traufe .
" Gott verdamme , Er liebt Wina !
( sagte Vult in sich ) und sie wohl ihn ! "
Alle seine wilden Geister brausten nun wie Säuren auf -- doch fest zugedeckt , ausgenommen im Tagebuch .
" So falsch , so heimlich , so verdammt keck , und wie toll emporstrebend dachte ich mir doch den Narren nicht -- sagte sein Selbstgespräch -- o recht gut ! --
Bei Gott , ich weiß was ich tue , habe ich es nur ganz gewiß ! --
Aber auf dem Larventanz entlarv ich ; -- der Plan geht leicht , darauf kommt der Teufel und holt .
Erst recht klar will ich mich , zum Beweise meiner Freundschaft gegen ihn , überzeugen lassen , und zwar von Ihr selber .
Himmel , wenn der Glückliche meinen refus in der dummen Neujahrs-Nacht erführe ! --
Ich täte ihm viel an . --
O lieber Vult , so sei nur diesmal , eben deswegen , desto gezähmter und stiller , und bändige dein Sprech-Zeug und Gesicht , bloß bis morgen Nachts ! "
Vults bisherige Fehlblicke entschuldigt leicht die Bemerkung , daß dieselbe Leichtigkeit , womit man sich einbildet , geliebt zu werden , ja auch weiß machen müsse , daß ein anderer geliebt werde , Walten von Raphael .
Auch glaubte er , als Weiberkenner , die Weiber so verschieden , und folglich ihre Weisen , die Liebe zu bekennen , noch mehr , daß er nur eine Weise annahm , worauf zu fußen sei , welche aber nicht darin bestehe , daß die Frau etwa an den Hals , oder an das Herz falle , sondern daß sie bloß einfach sage :
ich liebe dich ; alles Übrige , sagte er , sagt dies ganz und gar nicht . "
Um also sich das Wort der Ruhe zu halten , und kalt und fest wie ein Hamilton auf der heißen Lava-Rinde zu stehen , auf welcher er fortrückte :
so sprach er , wovon er wollte , und berichtete Fletten , er und Walten duzten sich jetzt .
Er riet sehr ernsthaft dem Notar , lieber im Gicht- Taffent eingescheidet auf dem Ball zu erscheinen ; und als dieser sich in seinem und der Mittänzerin Namen ekelte vor der Krankenhülle : blieb jener dabei , er sehe hierin nichts als eine ungewöhnliche Maske , die ganz unerwartet sei .
" Doch fahre meinetwegen in den Berghabit ein , und damit in den goldhaltigen Lustschacht : aber mein Fuhrmanns-Hemd wirf wenigstens über das A -- leder , " sagte Vult .
" Wenn in der Redoute , versetzte Walten , sich das Leben und alle Stände untereinander und an einander mischen :
so mögen zwei sich wohl an Einem Menschen finden und einen . "
" Verzeih nur das ganz gewöhnliche Bergwort , " sagte Vult , für welchen es keine größere Freude gab , als Walten ins verlegene Gesicht zu schauen , wenn er von Culs de Paris sprach , welche er anus cerebri Lutetiae nannte ( so heißt der Anfang der vierten Gehirnkammer ) , nie ein anderes Wort zur Übersetzung erlas , als das gedachte , so sehr auch schon dem schwachen Kenner der deutschen Sprache der größte Reichtum zum Wechsel vorliegt .
" Er kann nämlich , wandte er sich zu Fletten , das bekannte Wort A. nicht leiden ; ich bin hierin fast mehr frei wie irgend ein Pariser oder Elsaßer .
Überhaupt H. Flette , sehe ich doch nicht , warum die Menschen so viel Umstände machen , Sachen auf die Zunge zu bringen , zu welchen Gott selber mit seiner sagen mußte : werdet .
Zur Sünde sagte er_es gewiß nicht .
Kannst du denn überhaupt je vergessen , H. Notar -- mehr frag ich nicht -- wenn du an der größten Hoftafel Europas speisest , die es geben soll , daß hinter den feinsten Ordensbändern doch Splanchnologien liegen , wovon jeder die seinige unter die zierlichsten Menschen mitbringt , und sich damit vor den heiligsten Herzen , weil er die Splanchnologie nicht wie seinen Mantel dem Bedienten geben kann , verbeugt .
Wenigstens ist dies immer meine Entschuldigung , wenn er mich scharf vornimmt , weil ich die Feder an der inneren unsichtbaren Überrocks-Klappe abstreife , indem er immer einwirft , die abgewandte Fläche sehe doch wenigstens der Geist ; worauf ich ihm , wie gesagt , den Nabel der Menschheit entgegenhalte .
Doch Scherz bei Seite !
Reden wir lieber von Liebe , die auf dem Larven-Ball gewiß nicht fehlen wird .
Ewige , glaube ich , dauert lange , und länger als man glaubt -- denn ich wüßte nicht , warum ein Liebhaber die seinige beschwüre , wenn er nicht damit verspräche , sein Herz so lange brennen zu lassen , als das Steinkohlen-Bergwerk bei Zwickau , das es nun I Säkulum durch tut . "
" Vive I' Amour ! " sagte Flette .
Vult erzählte jetzt , Jakobine , die Schauspielerin , sei angekommen : " sie wird auf dem Balle auch ihre Rolle spielen , spiele du weder den ersten , noch den letzten Liebhaber , Walten .
Es ist Teufels-Volk , die Weiber ; scheinen sie schlimm , so sind sie es auch ; scheinen sie es nicht , so sind sie es doch .
Indes ziehe ich alle Jakobienen allen Prüden vor , welche ihre himmelblauen Netze durch den Äther aufspannen . "
Walten fragte , wie es denn eine arme S _ _ ne machen solle , wenn Schein und Sein nichts hälfen .
Allerdings ist eine gewisse Zurückziehung ein Netz , aber eines um einen Kirschbaum voll süßer Früchte , nicht um die Sperlinge zu fangen , sondern um sie abzuhalten .
Aber Vults Zunge schonte , ungleich dem Löwen , jetzt keine Frau .
Walten trug mit stillem Beklagen des verarmten Bruders alles ganz gern .
Vor Vult hatte sich die Lebensseite in die Nachtseite gekehrt , darum mußte er im Schatten kalt sein , und , wie andere Gewächse , Gift-Lüfte ausatmen .
Hingegen der Liebe wendet sich die Himmelskugel , wie auch die irdische Welt sich drehe , stets mit auf aufgehenden Sternen zu .
Wie ein Schiffer auf einem windstillen Meer , sieht sie ohne alle Erde , Himmel über , Himmel unter sich offen , und das Wasser , das sie trägt , ist bloß der dunklere Himmel .
Als Vult mit Flette freundlich fortging , dachte Walten : " ich mache ihn ja immer friedlicher ; sogar mit dem Elsaßer scheint er sich auszusöhnen , "
Nro. 63. Titan-Schörl .
Larven-Tanz .
" Nachts werden wir uns sehen , " sagte Vult zu Walten am Morgen der Redoute -- und ging mit diesem Vorgrusse wie mit dem Entschleiern eines Schleiers davon .
In der Einsamkeit brannte dem Notar der Tag zu hell für die schöne Nacht , woraus und wozu dieser Tag bestand .
Unter dem Essen sehnte er sich nach dem Bruder , dessen leeres Gehäuse noch leerer wurde , weil er ihn Abends antreffen sollte , ohne doch zu wissen in welcher Gestalt .
Flegeljahre IV. Bd. 18 Walten ging in eine Larven-Bude , und suchte lange nach einer Larve , welche einen Apollo oder Jupiter darstellte ; er begreife nicht , sagte er , warum man fast nur häßliche vorstecke .
Da Vult ihm geraten , erst um 11 Uhr in den vollen Saal zu kommen :
so holte er im gemächlichen Anputzen sich aus jedem Kleidungsstück wie aus Blumenkelchen feinen Traum-Honig .
-- Das Ankleiden gerade in der Zeit des Auskleidens , und das allgemeine späte Wachen und Lärmen der Stadt so wie des Hauses , färbte ihm die Nachtwelt mit romantischem Scheine , besonders der Punkt , daß er eine Rolle in diesem großen Fastnachtsspiele hatte .
Wie anders klingt das Rollen der Wagen , wenn man weiß , man kommt ihnen nach , als wenn man es hört , mit der Nachtmütze vor dem Bett-Bret stehend ! --
Da er aus dem Stübchen trat , bat er Gott , daß er es froh wieder finden möge , es war ihm wie einem ruhmdurstigen Helden , der in seine erste Schlacht auszieht .
Mit häuslichem Gefühle , in der Doppelmaske des Bergknappen und Fuhrmanns gleichsam zu Hause zu sein , und nur wie aus zwei Mansardenfenstern zu gucken , trug er sich , wie eine Sänfte , über die Gasse , und konnte es kaum glauben , daß er so herrlich ungesehen , und zweigehäusig mit allen Seelen-Rädern überall vorbei gehe , wie eine Uhr in einer Tasche .
Durch einen Irrweg , der sein Leben verfolgte , trat er zuerst in das Punschzimmer ein , das er für den Tanzsaal hielt , worein Musik aus schicklicher Ferne schön-gedämpft eindringe .
Ihn wunderte nichts so sehr , als daß er seine Bergkappe , einfahrend in die schimmernde Baumannshöhle voll Figuren , nicht abzog .
Als er sich kühn aus der Maske mit den Augen ans Fenster legte , fand er umhersehend nicht ohne Verwunderung viele nackte Angesichter , mit der abgeschundenen Maske in der einen Hand , in der anderen mit einem Glas .
Das allgemeine Schöpfen aus dem Gesundbrunnen oder Ordensbecher , rechnete er zu den Ballgesetzen , und verlangte sogleich sein Glas , und darauf -- weil eine Admiralsmaske sein Flügelmann und Muster war -- noch eines .
Wina sah er nicht , auch keinen Schein von Vult .
Eine Ritterin vom Orden der Sklavinnen der Tugend ging gewandt umher , und sah ihm sehr in die Augenhöhlen hinein .
Endlich faßte sie seine Hand , machte sie auf , und zeichnete ein H. darein ; da er aber von dieser Fern- oder Nahschreibekunst nichts wußte , drückte er ihre Hand mäßig , anstatt solche zu beschreiben .
Endlich geriet er , da er das hereinströmende Nebenzimmer prüfen wollte , in den wahren schallenden brennenden Saal voll wallender Gestalten und Hüte , im Zauberrauch hinaus .
Welch ein gebärender Nordschein-Himmel voll wider einander fahrender zickzackiger Gestalten !
Er wurde dichterisch erhoben , da er , wie bei einer auferstehenden Erdkugel am jüngsten Tage , Wilde , alte Ritter , Geistliche , Göttinnen , Mohren , Juden , Nonnen , Tiroler , und Soldaten durch einander sah .
Er folgte lange einem Juden nach , der mit herausgeschnittenen Schuldforderungen aus dem R. Anzeiger behangen war , und las ihn durch , dergleichen einen anderen , welcher die Warnungstafeln des fürstl. Gartens , an passende Gliedmaßen verteilt , um hatte .
Von einer ungeheuren Perücke voll Papilloten , welche der Träger abwickelte und austeilte , nahm er auch seine an , und fand nichts darin , als einen gemeinen Lobspruch auf seine bezauberten Augen .
Am meisten zog ihn und seine Bewunderung ein herumrutschender Riesenstiefel an , der sich selber anhatte und trug , bis ein altväterischer Schulmeister mit dem Bakel ihn so kopfschüttelnd ernst und zurechtweisend ansah , daß er ganz irre wurde , und sich selber an sich , und an seinem Fuhrmanns-Hemde nach seinem Verstoße umsah .
Als der Schulmann dieses merkte , winkte und rügte er noch heftiger , bis der Notar , der ihm erschrocken in die tränenden Augen geblickt , sich in die Menge einsteckte .
Es war ihm etwas fürchterliches , in die dunkle unbekannte Augenhöhle wie in die offene Mündung eines Geschosses hinein zu schauen , und lebendige Blicke eines Unbekannten zu empfangen .
Noch hatte er werde Vult noch Wina gesehen ; und ihm wurde am Ende bange , ob er auch in diesem Meere sie wie Perlen oder Inseln finde .
Auf einmal stellte sich eine Jungfrau mit einem Blumenkranz auf dem Kopfe vor ihn ; aus dem Munde der Maske hing ein Zettel des In Halts : " ich bin die personifizierte Hoffnung oder Spes , die mit einem Blumenkranz auf dem Kopfe , und einer Lilie in der rechten Hand abgebildet wird ; mit dem linken Arm stützt sie sich auf einen Anker oder eine starke Säule. S.
Damms Mythologie , neue Auflage von Levezov §. 454 . "
Walten , der anfangs in jeder Sache mit den dümmsten Gedanken geplagt war , wollte innerlich auf Wina raten , wäre die Gestalt nur feiner und weniger groß gewesen .
Die Hoffnung drehte sich schnell um ; eine verlarvte Schäferin kam , und eine einfache Nonne mit einer Halbmaske und einem duftenden Aurikelstrauss .
Die Schäferin nahm seine Hand , und schrieb ein h. hinein ; er drückte die ihrige nach seiner Gewohnheit , und schüttelte den Kopf , weil er glaubte , sie habe sich mit einem h. unterzeichnen wollen .
Plötzlich sah er die Halbmaske , nämlich das Halbgesicht der Nonne recht an , an der feinen aber kecken Linie der Rosenlippen , und am Kinn voll Entschiedenheit erkannte er plötzlich Wina , welche bloß aus dem Dunkel mit sanften Augen-Sternen blickte .
Er war mit der Hand schon auf dem Wege nach der Berg kappe , bis er sie nahe daran wieder in Maskenfreiheit setzte .
" O wie selig !
( sagt ' er leise )
Und Sie sind die Mademoiselle Raphaela ? "
Beide nickten .
" O was begehrt man denn noch in solcher geistertrunkenen Zeit , wenn man sich , verhüllt wie Geister ohne Körper , in elysischen Feldern wieder erkennt . "
Ein Läufer tanzte daher , und nahm Raphaela zum Tanzen davon : " Glück auf , H. Bergknappe ! " sagte er entfliegend , daß Walten den Elsaßer erkannte .
Jetzt stand er eine Sekunde allein neben der ruhigen Jungfrau -- die Menge war einen Augenblick lang seine Maske --
Neu , reizend , drang aus der Halb-Larve wie aus der Blüten-Scheide einer gesenkten Knospe die halbe Rose und Lilie ihres Gesichts hervor .
-- Wie ausländische Geister aus zwei fernen Weltabenden sahen sie einander hinter den dunklen Larven an , gleichsam die Sterne in einer Sonnenfinsternis , und jede Seele sah die andere weit entfernt , und wollte darum deutlicher sein .
Da aber Walten in dieser Stellung Miene machte , als wollte er einige Jubiläen dieser schönen Minuten feiern und erleben ; so sagte ihm Wina , als Spes forschend die Sklavin der Tugend vorüberführte , ob er nie tanzte ?
Sogleich wurde er in den Tanz-Sturm geweht , und half wehen , indem er tanzte wie die Römer , bei welchen nach Bötticher das mimische Tanzen in nichts bestand als in Bewegung der Hände und Arme .
Mit den Füßen ging er feurig den Walzer bis zum Rast- Zeichen der Waage , wo der fliegende Schwarm hintereinander sich anlegte als Stand-Herde .
Indes glaubte er , er flöge hinter einem mit Sommervögeln fliegenden Sommer .
Wie ein Jüngling die Hand eines berühmten großen Schriftstellers zum erstenmal berührt :
so berührte er leise , wie Schmetterlingsflügel , wie Aurikelen-Puder , Wina's Rücken , und begab sich in die möglichste Entfernung , um ihr lebenatmendes Gesicht anzuschauen .
Gibt es einen Ernte-Tanz , der die Ernte ist ; gibt es ein Feuerrad der liebenden Entzückung , Walten , der Fuhrmann , hatte beide .
Da er aber keinen Fuß bewegen konnte , ohne die Zunge :
so war der Tanzsaal nur sein größerer Rednerstuhl ; und er schilderte ihr unter dem Tanz : " wie da sogar der Körper Musik werde -- wie der Mensch fliege , und das Leben stehe -- wie zwei Seelen die Menge verlieren , und einsam wie Himmelskörper in einem Ätherraum um sich , und um die Regel kreisen -- wie nur Seelen tanzen sollten , die sich lieben , um in diesem Kunst-Schein harmonischer Bewegung die geistige abzuspiegeln .
Als sie standen , und er die Redoute mit ihrem tanzenden Sturmlaufen übersah , so sagte er : " wie erhaben sehen die Mäntel und großen Hüte der Männer aus , gleichsam die Felsenpartie neben der weiblichen Gartenpartie !
Ein Ball en masque ist vielleicht das Höchste , was der spielenden Poesie das Leben nachzuspielen vermag .
Wie vor dem Dichter alle Stände und Zeiten gleich sind , und alles Äußere nur Kleid ist , alles Innere aber Lust und Klang :
so dichten hier die Menschen sich selber und das Leben nach -- die älteste Tracht und Sitte wandelt auferstanden neben junger -- der fernste Wilde , der feinste wie der rohste Stand , das spottende Zerrbild , alles was sich sonst nie berührt , selber die verschiedenen Jahreszeiten und Religionen , alles Feindliche und Freundliche , wird in Einen leichten , frohen Kreis gerundet und der Kreis wird herrlich wie nach dem Silbenmaß bewegt , nämlich in der Musik , diesem Lande der Seelen , wie die Masken das Land der Körper sind .
-- " Nur Ein Wesen steht ernst , unbedeckt und unverlarvt , dort _ nd regelt das heitere Spiel . --
Er meinte den Redoutenmeister , den er mit einem nackten kleinen Gesicht und Kopfe in einem Mantel ziemlich verdrießlich Acht geben sah .
Wina antwortete leise und eilig :
" Ihre Ansicht ist selber Dichtkunst .
So mag wohl einem höheren Wesen die Geschichte des Menschengeschlechts nur als eine längere Ball-Verkleidung erscheinen . "
-- " Wir sind ein Feuerwerk , versetzte Walten schnell , das ein mächtiger Geist in verschiedenen Figuren abbrennt , " und fuhr in seinen eckigen Walzer hinein .
Je länger er ging , bis er stand , je mächtiger pries er die Frühlinge , die im Tanzflug ihm duftend begegneten .
" O dürfte ich mich heute für die schönste Seele opfern , dann wäre ich die glücklichste , " sagte er .
Die Hoffnung ( Spes ) stand ihm überall zur Seite , wenn er sprach .
Die Nonne Wina , eine sanfte Taube , noch dazu mit dem Ölblatt im Munde , bemerkte gar nicht , daß er ungestüm spreche , und schien sich aus Kühnheit über Mißdeutung fast so leicht wegzusetzen , als er aus Unwissenheit .
Heute erschien sie ihm ganz vollendet , wiewohl er bisher jedes letztemal geglaubt hatte , er überschaue ihren ganzen weiten Wert ; wie der Mond schon vorher , ehe er mit vollem Lichte über uns hängt , uns als eine vollendete Scheibe aufzugehen scheint .
Nach dem Ende des deutschen Tanzes ersuchte er sie -- da ihm ihre Nachsicht allmählich zu einer Ehrenpforte seiner Kunst aufwuchs -- gar um einen englischen , bloß damit er recht oft ihre Hand fassen , und recht lange den guten Lippen und Augen gegenüberstehen könnte , ohne aufspringen zu müssen .
Sie sagte leise : Ja ! --
Noch leiser hörte er seinen Namen ; hinter ihm stand Spes und sagte : " gehe gleich durch die große Saaltüre , und siehe links draußen umher . "
Es war Vult .
Erfreut fand er unter Unbekannten , seinen lieben Bekannten wieder , den er auf seiner elysischen Insel herumführen konnte .
Er ging hinaus ; Spes ins fünfte Kabinett ; draußen winkte sie ihm aus einer Türe hinein .
Walten wollte den Bruder umarmen , aber dieser fuhr nach beiden Türschlössern : " bedenke das Geschlecht unserer Masken , " und schloß zu .
Er warf seine Larve weg , und eine seltsame heiße Wüsten-Dürre oder trockene Fieberhitze brach durch seine Mienen und Worte .
" Wenn du je Liebe für deinen Bruder getragen -- begann er mit trockener Stimme , und nahm den Kranz ab , und löste das Weiberkleid auf -- wenn dir die Erfüllung eines innigsten Wunsches desselben etwas gilt , dessen Wichtigkeit du 24 Stunden später erfährst ; -- und ist es dir unter deinen Freuden nicht gleichgültig , ob er die kleinsten oder größten haben soll , kurz wenn du eine seiner flehentlichsten Bitten erhören willst :
so ziehe dich aus ; dies ist die halbe ; ziehe dich an , und sei die Hoffnung , ich der Fuhrmann ; dies die ganze . "
" Lieber Bruder , -- antwortete Walten erschrocken und ließ den im langen Erwarten geschöpften Atem los -- darauf kann ich dir , wie sich von selbst versteht , nur zur Antwort geben : mit Freuden . "
" So mache nur schnell , " versetzte Vult ohne zu danken .
Walten setzte hinzu , sein feierlicher Ton erschrecke ihn beinahe , auch faß er den Zweck des Umtauschs wenig .
Vult sagte , morgen werde ' alles heiter entwickelt , und er selber sei gar nicht verdrießlich , sondern eher zu spaßend .
Unter dem wechselseitigen Entpuppen und Verpuppen fiel Walten auf den Skrupel , ob er aber als Maskendame mit Wina , einer Dame , den versprochenen Englischen tanzen könne : " O , ich freue mich so sehr darauf , sagte er dem Bruder , unter uns , es ist die allererste Anglaise , die ich in meinem Leben tanze ; aber auf mein heutiges Glück und auf die Maske muß ich ein wenig rechnen . "
Da schossen auf Vults dürrem Gesicht lebendige Mienen auf .
" Himmel , Hölle , sagte er , eben so leicht nach dem Takte will ich niesen , oder die Arme zurückstrecken , und meine Flaute traversiere hinten anlegen , als was du vorhast , nachtun .
Deine Walzer bisher , nimm nicht die Nachricht übel , liefen als gute mimische Nachahmungen , teils wagrechte des Fuhr- , teils steilrechte des Bergmanns im Saale durch , aber einen Engli schen , Freund ! und welchen ?
Ein teuflischer , nicht einmal ein irischer wird_es .
Und erwägst du deine Mittänzerin , die ja schamrot und leichenblaß wird einsinken als eine Ritterin von trauriger Gestalt , als deine leidtragende Kreuzträgerin , sobald du nur stockst , plumpst , drunterfährst als Schwanzstern ? --
Aber dies ist nun alles so herrlich zu schlichten , als ich eben will .
Der Pöbel soll nun eben sehen , daß der Fuhrmann sich entlarven , und aus dem Tanz Ernst machen kann .
Denn ich tanze in deiner Maske die Anglaise .
Sogar in Polen galt , ich für einen Tänzer ; geschweige hier , wo nichts von Polen tanzt , als der Bar . "
Walten blieb einige Minuten still , dann sagte er : " die Dame , wovon ich meinte , ist Wina Zablocki , der ich die Mühe bisher gemacht haben soll .
Aber da sie meiner Maske den Tanz versprochen , wie willst du mich und den Wechsel entschuldigen bei ihr ? " --
O dies ist eben unser Triumph ( sagte Vult ) ; aber du sollst nicht eher erraten , wie ich es mache , als morgen .
-- Darauf entdeckte er ihm , er habe heute im Pharao so viel gewonnen , daß er durchaus ein Goldstück als Stückwerk zum Zerstücken von ihm annehmen müsse , wäre es auch nur , damit er unter den Zuschauern etwas zu tun habe , im Magenzimmer ; dabei empfahl er ihm , sich als Spes mit keiner weiblichen Maske einzulassen , da aus einer guten Hoffnung leicht die andere werde .
Walten es Abendstern trat allmählich wieder ins Volllicht , und als er Volten die Halbbüste anlegte , und ihm ins sehr ernste Gesicht und Auge sah , so sagte er heiß : " sei froher !
Freuden sind Menschenflügel , ja Engelsschwingen .
Ich bin nur heute zu sehr von allem berauscht , als daß ich dir meinen Wunsch fein genug ausdrücken könnte , wie du noch mehr lieben solltest , als mich . "
-- " Liebe , versetzte Vult , ist , um in deiner Flötensprache zu reden , ewig ein Schmerz , entweder ein süßer oder ein bitterer , immer eine Nacht , worin kein Stern aufgeht , ohne daß einer hinter meinem Rücken untertaucht -- Freundschaft ist ein Tag , wo nichts untergeht , als einmal die Sonne ; und dann ist_es schwarz , und der Teufel erscheint . --
Aber ernsthaft zu sprechen , die Liebe ist ein Paradies- und Spaßvogel -- ein Phönixvogel voll weicher Asche ohne Sonne -- ist zwar weiblichen Geschlechts , hat aber , wie die Ziege , Hörner und Bart , so wie wieder deren Ehemann wahre Milch hat .
* )
Es ist beinahe einerlei , was einer über die Liebe sagt oder einwirft ; denn alles ist wahr , zu gleicher Zeit .
-- Hiermit setze ich dir den Blumenkranz auf , und verkleide dich in das , was du hast , die Spes .
Gehe aber durch meine Türe in den Saal , wie ich durch deine -- sieh zu , schweige still , und trinke fort ! "
Walten Kamms beim Eintritt vor , als sehe jeder ihm den Larventausch an , und kundschafte seinen Kern hinter der zweiten Hülse leichter aus , als hinter der ersten .
Einige Weiber merkten , daß Hoffnung hinter den Blumen jetzt blonde Haare , statt der vorigen schwarzen , trage , maßen es aber der Perücke bei .
Auch Walt's Schritt war * )
Nach Bächstein und anderen Naturforschern hat der Bock so gut als der Amerikaner Milch , und das alte Sprichwort ist richtig . war kleiner und weiblicher , wie sich_es für Hoffnungen geziemt .
Aber bald vergaß er sich und Saal und alles , da der Fuhrmann Vult ohne Umstände Wina , die jeder kannte , an die regierende Spitze des englischen Tanzes stellte , und nun zum Erstaunen der Tänzerin mit ihr einen Tanzabriß künstlich warf , und , wie einige Maler , gleichsam mit dem Fuße malte , nur mit größeren Dekorationsstrichen .
Wina erstaunte , weil sie den Fuhrmann Walten vor sich zu haben glaubte , dessen Stimme und Stimmung Vult wider Walt's Voraussetzung hinter der Larve wahrhaft nachspielte , damit er nicht etwa als Lügner befunden werde , der sich für den Notarius nur ausgebe .
Spät am Ende des Tanzes ließ Vult im eiligen Händereichen , im Kreuzen , im fliegenden Auf- und Ableiten sich immer mehrere polnische Laute entwischen -- nur Hauche der Sprache -- nur irre aufs Meer verwehte Schmetterlinge einer fernen Insel .
Wie ein seltener Lerchengesang im Nachsommer klang Weinen diese Sprache herab .
Freudenfeuer brannten hinter ihrer halben Larve , Flegeljahre IV. Bd. 19 Wie sie aus der einsilbigen Anglaise in den sprachfähigen Walzer sich hinübersehnte , weil sie ihm ihr Erstaunen und Erfreuen gern anders , als mit frohen Blicken , sagen wollte , sahen seine , die keine frohen waren .
Es geschah .
Aber das zuwehende Lob seiner so lange bedeckten Talente blätterte wieder eines auf , seine Bescheidenheit .
Er habe , sagte er von sich in den besten Polonismen , so wenig Welt , so viel Einfalt , wie wenig andere Notarien , und heiße mit Recht Gottwalt , nämlich Gott walte !
Doch sein Herz sei warm , seine Seele rein , sein Leben leise dichtend ; und er nehme , wie er vorhin im ersten Walzer gesagt , den Larventanz im Erdensaal gern und froh vom Länder und Schäferballett an , bis zum Waffen- und Totentanz .
Da jetzt der zweite Teil der Musik in jene sehnsüchtige Überfülle , wie in tiefe Wogen , einsank , welche gewaltsamer , als alle Adagio's , den innersten Boden der Sehnsucht heiß aus tiefem Meer aufhebt -- und da die Menschen und die Lichter flogen und wirbelten -- und das weite Klingen und Rauschen die Verhüllten wieder in sich selber einhüllte , so sagte Vult im Fluge , aber polnisch :
" Mit großblätterigen Blumengewinden rauscht die Lust um uns .
Warum bin ich der Einzige hier , der unaufhörlich stirbt , weil er keinen Himmel und keine Erde hat , Nonne ?
denn du bist mir beides .
Ich will alles sagen , ich bin begeistert zur Pein , wie zur Lust -- willst du einen Gottverlaßenen aus einem Gottwalt machen ?
O gib ein Zeichen , aber eines Worts !
Nur der Zunge glaube ich mein Hochgericht ; sie sei mein Schwert , wenn sie sich bewegt , Nonne ! "
" Gottwalt , sagte Wina erschüttert , und schwerer , als er , dem Tanze folgend , wie könnte eine Menschenzunge dies sein ? --
Aber dürfen Sie mich so quälen , und sich ? "
-- " Nonne , fuhr er fort , der Laut sei mein Schwert ! "
-- Harter , antwortete sie mit leiserer Stimme , Sie foltern härter zum Schweigen , als andere zum Reden .
Jetzt hatte er alles : nämlich ihr Liebes-Ja für seinen Scheinmenschen , oder Rollenwald , und lachte den wahren aus , der als Rolle und als Wahrheit noch bloße Hoffnung sei und habe ; allein sein erzürntes Gemüt bequemte sich nun zu keinem Schattendank , sondern hartstumm tanzte er aus , und verschwand plötzlich aus dem fortjauchzenden Kreise .
Lange hatte sich Spes mit lauter Segnungen einer Doppelwonne in der Nähe gehalten , und sich und Wina zum besten Tänzer Glück gewünscht , und in der Meinung , ihr sei gesagt , was ihn abbilde , hatte er ihre himmelsvollen Blicke ganz auf sich bezogen .
Zum Unglück schöpfte er eben im Trinkzimmer , als der langweilige englische Tanz ausging , auf desse Enden er seine Anreden verschoben -- Vult schwebte eben in der tanzenden Liebeserklärung , und Spes stand mit dem Blumenkranze auf dem Kopfe und dem Flatterzettel der Inschrift am Kinne leer-harrend da , und mußte dem langen Walzer zusehen .
Kurz vorher , ehe dieser schnell abbrach , kam die Sklavin der Tugend , und zog Spesen in ein Nebenzimmer .
Hundert der seltensten Ereignisse hoffte Spes .
" So , kennen Sie mich nicht mehr , fragte die Maske . "
Kennen Sie mich dann ? fragte Spes .
" Machen Sie nur einen Moment die Augen zu , so bind ich Ihre Maske ab , und meine dazu , " sagte sie .
Er tat es .
Sie küßte ihn schnell auf den Mund , und sagte : Sie habe ich ja schon wo gesehen .
Es war Jakobine .
In diesem Augenblick trat der General Zablocki durch eine zweite Tür hinein : " ei Jakobine , schon wieder bei der Hoffnung , " sagte er , und ging zurück .
Was meinte er damit ? sagte sie .
Aber Walten lief erschrocken und halb nackt in den Saal , und befestigte darin mit einiger Mühe die verschobene Maske wieder vor den bekränzten Kopf .
Wina und Vult waren nicht mehr zu finden , nach langem Suchen und Hoffen mußte er ohne Umtausch als Hoffnung nach Hause gehen .
So schloß der Larventanz voll willkürlicher Verhüllungen endlich mit unwillkürlichen von größerer Schwere. Nro. 64. Mondmilch vom Pilatusberg .
Brief -- Nachtwandler -- Traum .
Vult war , sobald er Walt's überkühne Liebe gegen Wina und deren Begünstigung , so wie sei ne eigene Niederlage , sich recht nah vor die eigenen Augen gehoben hatte , nach Hause geeilt , mit einer Brust , worin die wilden Wasser aller Leidenschaften brausten , um sogleich an Walten so zu schreiben :
" Nur die Lächerlichkeit fehlte noch , wenn ich dir es lange verdächte , daß dein sogenanntes Herz nun auch endlich den Herzpolypen , den ihr Liebe nennt , in sich angesetzt , wenn gleich manches dabei so wenig das Beste ist , als dein künstliches Verstecken vor mir .
Das aber nimmst du mir jetzt nicht übel , daß ich zum Teufel gehe , und dich allein deinem Engel ablasse , da der Liebe die Freundschaft so entbehrlich und unähnlich ist , als dem Rosenöl der Roseneßig .
Halte denn deinen geistigen Schar- und sonstigen Bock aus , bis du auf grünes Land aussteigst , und auf der Stelle genesest , die schwerlich auf der Freundschaftsinsel ist .
Himmel ! zu was waren wir denn beide überhaupt beisammen , und ritten , wie alte Ritter , auf Einem Trauer- und Folter-Pferd ( equuleus ) oder Folteresel ? --
Etwa dazu , daß ich auf dem Wege und zum Besten deiner Erbschaft dich und dein Pferd lenkte und hielte , und einen von euch steigen oder fallen ließ ? --
Nun die sieben Erben wissen , ob ich ihnen geschadet .
Überhaupt , was sind denn die irrenden Menschen anders , als Himmelskörper auf Erden , bei deren täglichen und jährlichen Aberrationen und Nutationen man nichts machen kann , als bloß den guten Zach dabei , nämlich die Zacheschen Tafeln davon .
Eben so hättest du dich auch sonst hintergangen , wenn du dir geschmeichelt hättest , ich würde dich sonderlich ausbilden und ausprägen mit meinem Münzkopf .
Ich lasse dich , wie du warst , und gehe , wie ich kam .
Auch du hast mich nicht merklich umgemünzt , so daß ich leicht schließe , du bist der -- so wahren -- Meinung , es sei im Geisterreich , so wie im Körperreich -- man trage das Fuhrmannshemde sowohl auf Redouten als auf Chausseen -- das Spurfahren verderblich .
Morgen bin ich in die freie Welt hinausgezogen .
Der nahe Frühling ruft mich schon ins weite helle Leben .
Spielgeld , das meine Schulden bezahlt , liegt bei ; -- und somit guten Tag .
Fällt und klagt mich jemand an , Bruder , so verficht mich nicht ; wahrlich , sobald man mich haßt , so frag ich wenig danach , ob man mich um drei Stufen stärker hasse oder nicht ; und wie viele Menschen verdienen es denn überhaupt , daß man sich von ihnen lieben lässt ?
Mich ausgenommen , nicht zwei , und kaum .
Wir beide waren uns einander ganz aufgetan , so wie zugetan ohnehin ; uns so durchsichtig , wie eine Glastür ; aber Bruder , vergebens schreibe ich außen ans Glas meinen Charakter mit leserlichen Charaktern :
du kannst doch innen , weil sie umgekehrt erscheinen , nichts lesen und sehen , als das Umgekehrte .
Und so bekommt die ganze Welt fast immer sehr lesbare , aber umgekehrte Schrift zu lesen .
Wozu sollen wir denn mit einander und von einander Plagen haben ?
Du , als liebender Dichter , als dichtender Liebhaber , hältst deine künftigen so leicht aus , als ein Vogel das Erdbeben -- und ich meine so leicht , als eine Winterlandschaft den Hagel .
Aber warum war ich so dumm , und trank täglich eine Flasche Burgunder weniger , ja oft zwei ?
Du bezahltest mir_es nicht , daß ich nichts trank , und ich nicht einmal , wenn ich etwas trank .
Oder glaubst du , daß ein Mann , der seine Flöte bläst , der mehr Welt hat , sah und genoß , als alle seine Anverwandten , der in Paris und Warschau Abends um 1 Uhr , nach Mitternacht , seine Tasse Suppe trank , und seinen Löffel Eis speiste , so leicht sein Paris und Warschau , als du dein Haßlau und Elterlein , in einer Neupeterschen Mansardestube opfert , die nicht einmal den Quadratinhalt eines Opferaltars groß ist ?
Ich aber glaube , ich war ein Kog , der Freundschafts- und Gesellschaftsinseln entdeckte , und darunter die schöne Insel O-Waihi , welche aber den Entdecker und Weltumfahrer zuletzt , als er den Mastbaum wollte wieder zusammenschienen lassen , gar tot machte und auffraß .
Sogar meine Flöte ist dir entbehrlich , da du einmal ( was du wohl vergessen ) eine Oboe für eine Flöte angesehen , nämlich angehört .
Und da dir , wie du sagst , überall die höchsten Töne am meisten gefallen ; so wirst du immer Musik lisch-glücklich bleiben , weil in der Tat alle Schrei- , Miß- und Zorn-Töne , die den Ohren auf Gassen begegnen , stets hohe und höchste sind .
Meine Gedanken werfen sich so wild umher , wie Granitblöcke ; aber ich schreibe hier im Finsteren bei hellem Sternenlicht ; ich habe keine Zeit -- die Post ist bestellt -- nichts noch eingepackt ; und du sollst nicht eher von meinem Unsichtbarwerden wissen , als nach ihm .
Mit Briefen , die ich dir , hoffe ich , schicke , sollen dir gar die wenigen Ausschweifungen zukommen , die unserem Hoppelpoppel noch fehlen , wenn er als fest zusammengeleimter und langgeschwänzter Papierdrache aufsteigen will in Leipzig in der Zahlwoche .
Gehabe dich wohl , du bist nicht zu ändern , ich nicht zu besseren ; so wollen wir einander denn in wechselseitiger Luftperspektive entlegen erblicken , und jeder von uns sage : " warum warst du ein Narr und kein Lamm ? "
Und doch Walten , bist du allein an allem Schuld .
Als er eben in das Papier noch den zweiten Inhalt , das Geld , gelegt hatte -- und eilte , um noch vorher sein Tagebuch , seine Noten und Notae und alles vorher für die Post zugesperrt zu haben , bevor der Bruder erscheine : hörte er ihn kommen .
Er warf sich vor dessen Eintreten aufs Bett , und schnarchte als Fuhrbergmann ihm entgegen .
Walten trat nahe an ihn , sah als Spes ins braunglühende Gesicht voll stürmischer Träume .
Leise ging er umher , hauchte sich Tanzmelodien vor , und legte als Text Liebesworte unter .
Zuletzt richtete sich Vult -- von diesem windstillen und hohen Himmel wie geärgert -- auf , trat mit zugeschloßenen Augen im Zimmer umher , und stellte sich als Nachtwandler an , um in solcher Rolle ungefragt einzupacken , und sobald jener schliefe , unbedauert fortzugehen .
" He da , rief er , her ihr Leute , und was es noch sonst für Spitzbuben gibt , helft packen , Bestien , und schleppen !
Greift mehr zu , ihr Helfershelfer !
Soll ich denn nicht heute um 3 Uhr nach der Spitzbubeninsel , und unten steht schon mein Pferd gesattelt , wie ? "
Dabei zog er sich an .
Walten begleitete seine blinden Schritte bewachend .
" Allerdings , Freund , taugen die Menschen und die Gurken nichts , sobald sie reif sind ; das ist ja mein eigener Satz .
Der Mensch im Allgemeinen verdient viele Nasen von Gott , und mehrere Nasen , als sich je durch einen alten Theatervorhang gesteckt haben , den man daher an manchen Orten in Blech einfaßte .
Die Gründe sind freilich nicht jedem geläufig . "
Jetzt ging er in seinen Zimmerverschlag und packte , blinzelnd und sich oft von Walten abkehrend , sein Tagebuch und alles in den Koffer .
" Auf der Flöte ? --
Nein , sondern auf dem Kamm will ich ihn künftig anblasen und abkämmen .
Sagen Sie mir nichts von Liebe , H. Reisemarschall , sie ist zu dumm , eine hübsche Antike , die man den ganzen Tag ergänzen muß -- ein Sonnentempel in Hosentaschenformat -- und das dumme Ding glaubt , es lebe .
Ich habe es von ihr selber .
Der Mensch führt sogar Gott vor einen Vergrößerungsspiegel , so unersättlich und so einfältig ist er -- Stecht mich in Kupfer , wie einen britischen Kampfhahn , ich will eben ein Monatskupfer zum Wolfsmonat abgeben , liebster Artilleriesekretair ! "
Als er fertig war , und bloß den Koffer zuzusperren brauchte , schien er nachzusinnen und auf eine neue Idee zu geraten .
" Scher er sich weg , Leichenmarschall , ich sperre meinen Sarg schon selber zu , und will auch den Schüssel als Hals- Geschenke tragen , und niemand hineinlassen , als einen oder den anderen guten Freund .
Was die ganze und halbe Trauer um mich anlangt , so soll sie niemand anlegen , als ich .
Musik wird als requiem während der Trauerzeit am wenigsten verboten , aber ich bestehe auf einem scharfen Trauer-Reglement .
Der Nachtstuhl muß schwarz ausgeschlagen werden -- man lasse das Kammergeschirr wie den Degen stahlblau anlaufen ; -- jede Maus in meinem Haus soll in Krepp gehen -- meine Papilloten können Trauerschnee sein , und der Zopf in einer Trauerschleppe herabfallen .
Aber was Henker ist das ?
Dort stehe ich ja leibhaftig , und erscheine mir eigenhändig .
-- Warte , wir wollen gleich fin den , wer von uns beiden wahren Du es der wahre und haltbarste ist .
Hier versetzte er sich und dem Notar zugleich einen derben Schlag und erwachte davon ; erst , nachdem er wie verdutzt sich von Walten lange auseinandersetzen lassen , wo und was er sei , wurde er dahin gebracht , sich angekleidet aufs Bett zu werfen .
Indem beide einander eine Zeit lang bewachten , fielen beide in einen wahren Schlaf .
Jetzt weckte ihn Walten , der noch traumtrunken und in berauschter Vergessenheit der vorigen Szenen ihm aus dem Bette folgenden Traum aufdrang :
Ich weiß kaum recht , wie oder wo der Traum eigentlich anging , wie ein Chaos wollte die unsichtbare Welt auf einmal alles gebären , eine Gestalt keimte auf der anderen , aus Blumen wuchsen Bäume , daraus Wolkensäulen , aus welchen oben Gesichter und Blumen brachen .
Dann sah ich ein weites leeres Meer , auf ihm schwamm bloß das kleine graue fleckige Welt-Ei , und zuckte stark .
Es wurde mir im Traum alles genannt , ich weiß aber nicht von wem .
Dann fuhr ein Strom mit der Leiche der Venus durchs Meer ; er stand fest , das Meer floß wieder an ihm hin .
Darauf schneite es helle Sterne hinein , der Himmel wurde leer , aber an der Mittagsstelle der Sonne entglomm eine Morgenröte ; das Meer höhlte sich unter ihr aus , und türmte in ungeheuren bleiernen Schlangen-Wülsten am Horizonte auf sich selber auf , den Himmel zuwölbend -- und unten aus dem Meeres-Grund stiegen aus unzähligen Bergwerken traurige Menschen wie Tote auf , und wurden geboren .
Eine dicke Gruben- Nacht quoll ihnen nach .
Aber ein Sturm schlug sich auf den Dampf , und zerquetschte ihn zu einem Meer .
Gewaltig fuhr er auf und ab , und schüttelte alle Wellen , hoch oben im stillen Blau flog langsam eine goldene Biene leise singend einem Sternchen zu , und sog an dessen weißen Blüten , und rund um den Horizont standen Türme heiter mit leuchtenden Gewitterspitzen , bis wieder ungeheure Wolken als reißende Tiere gestaltet ankamen , und am Himmel fraßen .
Da hörte ich einen Seufzer , alles war verschwunden .
Ich sah nichts als ein glattes stilles Meer , aus diesem brach die böse Feindin , Oh ne eine Welle zu machen , wie Licht durch Glas : " seit der Ewigkeit , fing sie an , ist das Wasser öhl-glatt , das bedeutet eben den großen Sturm .
Ich soll dir , sagt man , das älteste Märchen erzählen ; bist du aber vorüber ? "
Sie sah seltsam aus , sie war in Meergrün , und Meerblüten gekleidet , kleine Floßfedern zuckten an ihrem Rücken , ihr Gesicht war meergrau , und doch jung , aber voll kämpfender Farben .
" Ehe ich antwortete , fuhr die böse Feindin fort -- " es war einmal ein ewiges Märchen , alt , grau , taub , blind , und das Märchen sehnte sich oft .
Dort tief in der letzten Welt-Ecke wohnt es noch , und Gott besucht es zuweilen , um zu sehen , ob es noch flattert und sich sehnt .
-- Bist du denn vorüber ?
So schaue die Tiere am Ufer an ! " --
Am glatten Meere hinauf lag es voll reißender Tiere , welche schliefen , aber im Schlafe sprachen , und einander einen uralten Heißhunger und Blutdurst erzählten .
Ehe ich antwortete , versetzte die böse Feindin : " vernimm das alte Wiederhallen ; noch kein Wesen hat den Ton gehört , den es nachspricht .
Wenn aber aber einst der Widerhall aufhört , so ist die Zeit vorbei und die Ewigkeit kommt zurück , und bringt den Ton ; sobald alles sehr still ist , so werde ich die drei Stummen hören , ja den Urstummen , der das älteste Märchen sich selber erzählt ; aber er ist , was er sich sagt .
Hölle , du erschrickst wie ein Sterblicher , bist du denn nicht vorüber , Tor ? "
Noch ehe ich antwortete , wuchsen ihr die Floßfederchen zu hohen zackigen Schwingen aus , womit sie mich unverdient und grimmig schlug ; da verschwand alles , nur das schöne Tönen blieb .
Es war mir , als sänke ich in geflügelte Wogen eines wolkenhohen Meeres .
Wie ein Pfeil schnitt ich durch seine weltenlange Wüste ; aber ich konnte durch die gläserne Fläche nicht hindurch , sondern hing im dunklen Wasser , und schaute hindurch .
Da sah ich draußen , nah oder fern , ich weiß es nicht , das rechte Land liegen , ausgedehnt , glänzend-dämmernd .
Die Sonne schien als Ephemere in ihren eigenen Strahlen zu spielen , und die Strahlen hörten auf .
Nur die leisen Töne des rechten Landes flogen noch um mein Ohr .
Flegeljahre IV. Bd. 20 Goldgrüne Wölkchen regneten heiß übers Land , und flüssiges Licht tropfte überquellend aus Rosen- und Lilien-Kelchen .
Ein Strahl aus einem Tautropfen schnitt herüber durch mein düsteres Meer , und durchstach glühend das Herz , und sog darin , aber das Tönen erfrischte es , daß es nicht welkte .
Ich sagte laut , es regnet drüben heiße Freudentränen ; nur die Liebe ist eine warme Träne , der Haß eine kalte . --
Tief hinten im Lande stiegen Welten , wie Dunstkügelchen , unter einem weit umhüllten Sonnenkörper auf .
In der Mitte drehte sich ein Spinnrad um , die Sterne waren mit tausend Silberfäden daran gereiht , und es spann sie immer näher und enger vom Himmel hernieder .
-- An einer Lilie hing ein Bienenschwarm .
Eine Rose spielte mit einer Biene , beide neckten sich mit ihren Stacheln und ihrem Honig .
Eine schwarze Nachtblume wuchs gierig gen Himmel , und bog sich immer heftiger über , je heller es wurde ; eine Spinne lief und wob emsig im Blumenkelche , um mit Fäden die Nacht festzuhalten , ja den Leichenschleier der Welt zu spinnen ; aber alle Fäden wurden betaut und schim mehrten , und der ewige Schnee des Lichts lag auf den Höhen .
Es schläft alles im rechten Lande , sagte ich , aber die Liebe träumt .
Ein Morgenstern kam , und küßte eine weiße Rosenknospe , und blühte mit ihr weiter -- ein Zephir hing sich küssend an einen Eichengipfel -- einer der leisesten Töne kam , und küßte eine Maiblume und ihr Glöckchen wurde heftig empor geweht -- tausend warme Wolken kamen und hingen sich brünstig an Himmel und Erde zugleich -- Turteltauben wiegten sich dufttrunken auf Nachtviolen , und warfen girrend sich die Küsse auf Blumenblättern zu .
Auf einmal quoll am Himmel ein scharfblizzendes Sternchen heraus -- es hieß die Aurora -- wie vor Lust riß sich einen Augenblick mein Meer auf . --
Stadt der dämmernden Ebene lag ein fester breiter Blitz vor mir .
Aber es schlug sich wieder zu , das verdämmerte Land erwachte , und alles wurde verändert ; denn die Blumen , die Sterne , die Töne , die Tauben waren nur schlummernde Kinder gewesen .
Nun umarmte jedes Kind ein Kind , und die Aurora klang unzählig darein .
Die hohe Bildsäule des Donnergottes stand in der Landes-Mitte .
Ein Kind um das andere flog auf den Stein-Arm , und setzte einen Schmetterling auf den lebendigen Adler , der den Gott umkreiset .
Dann flatterte das Kind wie leichtsinnig auf die nächste Wolke , und sah herab nach seinem anderen , das liebende Arme aufhob .
Ach so wird schon Gott , vor dem wir ja alle Kinder sind , unser Lieben nehmen !
Darauf spielten die Kinder untereinander " Liebens . "
" Sei meine rote Tulpe , " sagte das eine , und das andere war sie , und ließ sich an die Brust stecken .
" Sei mein liebes Sternchen oben , " und es war es und wurde -- an die Brust gesteckt .
" Sei mein Gott " -- " und du meiner , " aber dann verwandelten sich beide nicht , sondern sahen sich lange an voll zu großer Liebe , und verschwanden wie sterbend dahin .
-- " Bleibe bei mir , mein Kind , wenn du von mir gehst , " sagte das bleibende ; da wurde das scheidende in der Ferne ein kleines Abendrot , dann ein Abendsternchen , dann tiefer ins Land hinein nur ein Mondschimmer ohne Mond , und endlich verlor es sich ferner und ferner in einen Flöten- oder Philomelenton .
Aber der Morgenröte gegenüber stand eine Morgenröte auf ; immer herzerhebender rauschten beide wie zwei Chöre einander entgegen , mit Tönen statt Farben , gleichsam als wenn unbekannte selige Wesen hinter der Erde ihre Freudenlieder heraufsingen .
Die schwarze Blume mit der Spinne bog sich krampfhaft bis zum Knicken nieder .
Zu einem Lilienkranze waren vom Rade die Sterne vom Himmel herabgesponnen , und er nur hellblau gemacht .
Der Allklang hatte die Blumen zu Bäumen gereift .
Die Kinder waren dem Auge zu Menschen gewachsen , und standen endlich als Götter und Göttinnen da , und sahen sehr ernst nach Morgen und Abend .
Die Chöre der Morgenröten schlugen jetzt wie Donner einander entgegen , und jeder Schlag zündete einen gewaltigeren an .
Zwei Sonnen sollten aufsteigen , unter dem Klingen des Morgens .
Siehe , als sie kommen wollten , wurde es leiser , und dann überall still .
Amor flog in Osten , Psyche flog in Westen auf , und sie fanden sich oben mitten im Himmel , und die beiden Sonnen gingen auf -- es waren nur zwei leise Töne , zwei an einander sterbende und erwachende ; sie tönten vielleicht :
" Du und ich " ; zwei heilige , aber furchtbare fast aus der tiefsten Brust und Ewigkeit gezogene Laute , als sage sich Gott das erste Wort , und antwortete sich das erste .
Der Sterbliche durfte sie nicht hören , ohne zu sterben .
Ich schlief in den Schlaf hinunter , doch schlaf- und todestrunken , war mir , als verhülle und vergifte mich der Blumenduft eines vorbeifliegenden Paradieses -- --
Da fand ich mich plötzlich am alten ersten Ufer wieder , die böse Feindin stand wieder im Wasser ; aber sie zitterte wie vor Frost , und zeigte ängstlich auf das glatte Meer hinter ihr , mit den Worten : " die Ewigkeit ist vorbei , der Sturm kommt , denn das Meer wird geregt . "
Ich sah hin , und die Unermeßlichkeit gor zu unzähligen Hügeln auf , und zum himmelhohen Sturme ; doch tief im Horizont wallte hinter den Zacken ein sanftes Morgenlicht empor .
Aber ich erwachte ; was sagst du , Bruder , zu diesem künstlich-fügenden Traume ? "
" Du sollst es sogleich hören in dein Bett hinein , " versetzte Vult , nahm die Flöte , und ging , sie blasend , aus dem Zimmer -- die Treppe hinab -- aus dem Hause davon , und dem Posthause zu .
Noch aus der Gasse herauf hörte Walten entzückt die entfliehenden Töne reden , denn er merkte nicht , daß mit ihnen sein Bruder entfliehe .
Ende des vierten Bändchens .
- Holder of rights
- Bildungsroman Projekt
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- TextGrid Repository (2025). Korpus. Flegeljahre: Teil 4. Flegeljahre: Teil 4. Bildungsromankorpus. Bildungsroman Projekt. https://hdl.handle.net/21.11113/4c0rg.0