Vorwort , welches zugleich eine Zueignung enthalt .
Im Jahr 1803 erschien in Cotta's Taschenbuch für Damen eine Erzahlung :
" Das Urteil der Welt , eine herrnhutische Geschichte " , welche viele Teilnahme er weckte und sogar den Beifall Goethes erhielt .
Oftmals erging an die Verfasserin die Frage : welches Hannahs , des Findlings , spateres Schicksal gewesen sei ?
Zu jener Zeit waren die Verhaltnisse der strengeren Sekten in unserer Mitte noch so unschadlich für das Ganze , daß diese es für unfein hielt , diese Neugier durch Aufdeckung mancher Schwache zu befriedigen , in welche Hannahs Wohlthater wohl mehr in Folge ihres Charakters , und nur in der Form ihrer Sekte , gefallen sein mußten .
Wie jener kleinen Erzahlung ein Plack in der zweiten Sammlung von Huber's Erzahlung gegönnt wurde , erneuerte sich jene Frage : welches war Hannahs spateres Schicksal ? besonders von Seiten einer lieben Jugendfreundin , der die Verf . nun , ihr selbst unbekannt , diese Erzahlung widmet .
Sie berichtet darin , was nach ihrer Überzeugung von Hannah wahr sein kann , und was sie über die in ihr Schicksal einwirkenden Personen wußte und sagen durfte .
Man verzeihe ihr die Lücken , die hie und da sichtbar sind ; es lag in der Natur der Sache , sie nicht auszufüllen .
Vielleicht gibt es einen oder den anderen Leser , der es besser könnte als die Verfasserin selbst , da sie alle Menschen dieser Erzahlung nur in Beziehung auf Hannah kannte , das Geheimnisvolle ihres Schicksals aber in allgemeine Interessen einzugreifen scheint , die außer ihrem Gesichtskreise liegen .
So rechne man es auch nur der notwendigen Schonung mancher Lebenden zu , wenn durch die Verfalschung von Zeit und Ort hie und da das Costum an Wahrheit verliert .
Hannahs Schicksal wird dennoch innige Teilnahme einflößen , und die ferne Freundin , wenn diese Erzahlung sie unter ihrem milderen Himmelsstriche aussucht , wird die Erfüllung ihres ihr getanen Versprechens , sollte ihre Erwartung auch noch so unbefriedigt bleiben , mit Nachsicht aufnehmen .
Es stieg ein machtiges Gewitter auf , als Baron Moor in Gelnhausen Pferde forderte , um seinen Weg von der Poststraße ab nach Feldheim , seinem Landgute , das jenseits des Waldes lag , zu nehmen .
Der Postmeister riet ihn ab , es unnüher Weise mit den Elementen aufnehmen zu wollen , da er unmöglich vor dem Gewitter anlangen könnte ; seine Tochter bat mit befangener Beharrlichkeit , die Baronin sagte trocken hin :
" Wer die Gefahr nicht scheut , kommt darin um .
Meinetwegen ! " . und stieg wieder in den Wagen .
Der Postillon eilte davon , und schon was Ren sie auf dem Letten Drittel des Weges , als der Sturmwind sich erhob , der gewöhnlich dem Ausbruche des Gewitters vorhergeht .
Man fuhr auf einem ziemlich ebenen Waldwege , die Gipfel beugten sich , die Stamme knarrten , die Vögel rückten mit einzelnen Schreien von Ast zu Ast tiefer in den Baum hinein , um dem Schwanken der Zweige zu entgehen .
Luisens Wangen glühten von Furcht vor den Folgen , die so heftiges Fahren im Walde bei so nahen Wetterwolken nach sich ziehen könnte , ihre Mutter blickte gleichgültig zum Wagen hinaus in den wirbelnden Staub ; fie sah aus , als warte sie auf den kleinen Donnerschlag , der sie an ihrem ganz passiven und in seiner Pasivitat vollkommen eigensinnigen Gemahl Rachen sollte .
Jet erblickte Luise eine weibliche wohlgekleidete Gestalt nahe am Wege in einem kleinen trockenen Graben hingekauert , die bittend die zusammengelegten Hande gegen fi emporhob .
Halt , halte ! rief das Fraulein dem Bedienten zu , und ehe der Vater es hindern , die Mutter fragen konnte , hatte Joseph den Wagen geöffnet , und sie sprang heraus .
Jet ist nicht Zeit auszusteigen , rief der Baron unwillig Gott ! sehen Sie doch diese rührend bittende Gestalt ! " erwiderte Luise auf den Weg zurückzeigend , riß sich los , und eilte die Strecke rückwärts , die sich der Wagen schon von der Flehenden entfernt hatte .
Um Gotteswillen helfen Sie mir aus dem Walde , rief die Fremde , der Luise ist nahe kam , zu , ich habe das Bein gebrochen oder schwer verrenkt und warte hier seit drei Stunden auf den wohltaten Samariter , der sich meiner erbarme ! - "
Geschwind , Joseph ! " rief das Fraulein dem ihr langsam folgenden Die- Er faßt sie an ; wir tragen sie zum einer zu :
" Wagen " - das können Sie nicht , gnadiges Fraulein ! erwiderte der Diener , sah sich aber genötigt mit Hand anzulegen , um die Leidende auf ihr eines Bein zu bringen , aber sie konnte sich gar nicht helfen " Dorette " , rief Luise der Kammerfrau zu , die zwar ausgestiegen war , sich aber behutsam an dem Kutschenschlag hielt , " Dorette ! helfe sie ! "-- nun mußtedas Kammermadchen unter Ach und Weh mit Luisen die Schultern der Verunglückten Unterstößen , indes Joseph ihre Knie umfaßte ; so kamen sie lang = fam beim Wagen an . " Bist du unsinnig , beim Donnergeröll uns aufzuhalten ? " rief der Vater , " was sollen wir mit der Frauensperson " ? -- " Sie mitnehmen , Vater , wie dort der Samariter tat , " antwortete Luise mit einigem Ernste .
- " Dorette , sebe sie sich auf den Bock . "
- Nun und nimmermehr " , ertönte des Vaters Stimme " So will ich zu Fuße gehen , " sagte Luise entschlossen . " gnadiger Herr , nahm die Leidende flehend das Wort , was Ihr tut dem Geringsten unter ihnen ! "-- In diesem Augenblicke rollte ein furchtbarer Donner über ihre Haupte dahin .
" Dorette , sie steigt auf den Bock " entschied plöglich die Baronin , indem ihr Gemahl erblassend sich in den Winkel des Sites zog und nun wurde die Fremde hereingehoben und der Wagen eilte fort .
Sich einander zu beobachten , schien der Augenblick nicht gelegen , denn Schlag folgte auf Schlag , die Pferde gehorchten mit Widerstreben dem fluchenden Postillon .
Doch endlich war man aus dem Walde und erblickte das Schloß , der Donner rollte fern ab , und über dem bemoosten Turme des nahen Dorfes bildete sich der Bogen des Friedens .
Luise sah ihn nicht , fi saß rückwärts und horchte angstlich auf die unterdrückten Schmerzens - Seufzer der armen Leidenden ; der Eltern Blick glitt kalt über die still feiernde Natur .
Keiner sprach , aber wohl der Fremden Blick , der voll Dank an Luisens mit " leidsvollem Auge hing .
Endlich halt der Wagen .
still .
Die Baronin mußte , Troß ihrer anscheinen den Gleichgültigkeit , wahrgenommen haben , daß der Fremden Anzug vom feinsten Perkal , die Spitzen ihres Haubchens , ihr ganz ungarnierter , aber kostbarer Strohhut , kaum eine Abenteurerin , aber in keinem Falle eine Bettle = rein verrieten .
Sie befahl , fi neben der Kammerfrau in ein Zimmer zu tragen und fragte , wo der Kammerdiener sei , der mit dem Bagagewagen vorangeschickt worden war .
Dieser lief eben herbei , und die Baronin befahl ihm , der zur Not Wundarztdienste leisten konnte , sogleich die Leidende zu verbinden .
Eben so kalt , wie sie diese im Wagen aufgenommen , folgte sie ihr ins angewiesene Zimmer , und wohnte der Operation bei .
Das Bein war zu verschwollen , um jetzt den Knochen einzurichten .
Der Kammerdiener machte lindernde Umschlage , und schickte auf Befehl seiner Herrin einen reitenden Boten , un aus Berneck einen guten Wundarzt zu holen .
Der Fremden Züge verklarten sich im Gefühl der Schmerzens Linderung , die Lage und Hilfe ihr gaben , fi griff nach der Baronin Hand , und hob sie zu ihren Lippen . " Gut ! sagte diese , Hilfe ist Ihnen gewiß ; aber wer sind Sie , wo kommen Sie her ?
Meiner Tochter Jugend gebietet mir ; eine Kranke , die sie interessiert , zu kennen , ehe ich ihr erlaube , sich Ihnen vertraulich zu Nahern .
Wie kamen sie in den Wald ? "-- " Ich heiße Hannah , " antwortete die Fremde , mit dem Ausdrucke der einfachsten Aufrichtigkeit " , und bin die Tochter des Baron Schönaich , der in der Brüdergemeinde zu Ebersdorf lebt .
Nach den Gebrauchen unserer Religionsgenossen sollte ich einen Mann ehelichen , den mir das Los beschien den , den ich aber verabscheute , und deshalb entfloh ich .
Meine Absicht war , in Frankfurt , wo man geschickte Nachterinnen soll zu schaßen wissen , Dienste zu suchen .
Da erfuhr ich heute früh , daß in dieser Gegend ein Oberamtmann lebe , der seine Ostern jahrlich in der Brüdergemeinde feiert ; aus Furcht ihm zu begegnen , suchte ich einen mir angedeuteten Querweg im Walde , und fiel nahe an dem Orte , wo Sie mich fanden , über einen gefallt Baum .
Der Gedanke , im Walde liegen zu bleiben , jetzt ein Krüppel zu werden , nun ich mein Brot mit Arbeit verdienen muß , der unsachliche Schmerz , wie ich auf Knien und Handen mich zum Fahrweg schleppte , beraubten mich endlich der Besinnung - ich habe seit heute früh da gelegen . "
-- Die Erinnerung ihres elenden Zustandes wirkte jagt heftiger , wie vorher , der Schmerz des Fahrens und Verbindens ; sie verlor die Sinne , wie sie aber erwachte , fand sie Luise neben sich , die sie auch von jekt an wenig mehr verließ .
Hannah's vortreffliche Gesundheit überstand bald das Fieber , was Schmerz und Erschöpfung herbeiführten , und so gefahrlich ihr Beinbruch war , forderte die Natur doch bald nichts weiter als Ruhe , um wohlthatig herzustellen , was gewaltsam zerstört war . -
Die Baronin hatte keine Frage mehr über ihre Verhaltnisse getan , nur ihr Alter hatte sie schon in den ersten vier und zwanzig Stunden zu wissen verlangt .
Nach mehreren Tagen trat fi zu der Kranken , die schon vom Fieber befreit war , und sagte , ihr einen Brief zeigend , ohne ihr ihn einzuhandigen : " Hier habe ich einen Brief von Ihrem Vater .
Er ist über Ihre Entweichung höchst entrüstet , und will keinen Verkehr mit Ihnen haben , doch ohne tragische Bitterkeit und Rache Empfindung ; er sichert Ihnen aber ein Jahrgeld und tragt mir auf , Sie bei mir . zu behalten , oder für ein anstandiges Unterkommen für Sie zu sorgen .
Fürs Erste ver- Lassen Sie mein Haus auf keinen Fall , nachher haben Sie freie Wahl .
Da Sie mündig finde und die Landesgesehe den Ihnen gedachten Zwang nicht gut heißen , haben Sie keine andere Obliegenheit , als durch Ihr Betragen zu beweisen , daß Ihr Vater Unrecht hat , Sie aus seinem Hause Das sprach sie so trocken , daß zu verweisen . "
Hannah gar nicht den Mut hatte zu danken , aus Furcht ihren Dank verworfen zu sehen .
Sie bat schüchtern , ihr fernerhin Rat zu erteilen , und ihre und Luisens Blicke , die sich liebevoll begegneten , bewiesen , daß beide in diesem Moment ihr Gefühl gefangen hielten .
Wie die beiden Madchen allein waren , fiel Luise Hannah um den Hals und drückte ihr ihre Hoffnung aus , daß sie nun keinen anderen Zufluchtsort suchen würde , wie ihrer Eltern Haus .
Hannah war zu sehr von der Wendung ihres Schicksals betroffen , um diesen Punkt sogleich zu fassen , sie sagte bestürzt zu Luise : " Ihre Mutter ist unendlich gütig-- ich hatte kaum geglaubt , daß sie meines Vaters Namen behalten hatte und nun -- " " Das muß Sie nicht wundern , liebe Hannah !
So thatig und schnell handelt die Mutter immer .
Den Namen wird sie aber wohl schon gekannt haben , denn der Vater hat in Ebersdorf viele Verhaltnisse und hangt gewissermaßen an der Gemeinde . "- Nun fühlte sich Hannah Plots lich einheimisch - sie wußte wohl , daß sich viele Personen zu der Gemeinde halten , ohne mit ihr in Gemeinschaft zu leben , konnte also glauben , daß ihre Wohlthater den ihr gedrohten Zwang nicht billigen könnten , und sich doch zu der Gemeinde bekennen ; dennoch wurde sie sehr behutsam in ihren Äußerungen gegen sie , aber taglich warmer und inniger gegen Luisen , die , stets unter den Augen ihrer kalten , nur der berechnenden Vernunft Gehör gebenden Mutter lebend , mit Heißhunger zum ersten Male das Glück ausgetauschter Empfindung genoß .
Hannah war vier und zwanzig Jahre alt ; das machte sie zur weiseren Freundin der Achtzehn Jahrchen Luise , aber Luise hatte unter mannigfaltigen Verhaltnissen in der Welt gelebt :
das hatte viele Begriffe in ihr erzeugt , welche der Herrnhuterin Hannah fehlten .
Allein diese hatte eine Mutter gehabt , die am größten Hofe und auf einer wüssten Insel das gewesen Ware , was man eine Heilige nennt .
Rein in Gedanken , Worten und Tat , und dazu noch so klaren Geistes , daß sie Hannah hatte des Menschen Inneres kennen lehren , in Erwartung , daß sie Gelegenheit fande , ihn in seinen mannigfaltigen Verhaltnissen in der Welt kennen zu lernen , die ihr in der Einförmigkeit der Brüdergemeinde fehlten .
Ja die kluge Mutter mochte auf die Momente , wo sich innerhalb dieses Gemeindelebens auffal = ledere Charakterzüge blicken ließen , ihre Hannah nicht aufmerksam machen .
Die Leidenschaften , die sich in dem schleppenden Gange , den starren .
Formen einer Brüdergemeinde zeigen , finde von der Art , daß ihre Ausbrüche roh , und mit dem ei- : gentlichen Sinne ihrer Stiftung in schneidendem Kontraste stehen ; darum hatte Frau von Schönaich ihrer Tochter Blicke lieber von ihnen abgewendet .
Luise hingegen war von ihrer Mutter in der größten Abhangigkeit erhalten , sehr sorgfaltig . unterrichtet , aber mit der höheren Bedeutung des Lebens gar nicht bekannt gemacht worden .
Bei ihrem Vater lag Lebenslust und Todesfurcht immer im Streite ; herrschte jene , welches immer der Fall war , wenn seine körperlichen Gebrechen ihm Ruhe ließen , so war er geneigt mit seiner reizenden Tochter in der Welt zu Glanze .
Er brachte dann einen Teil des Jahrs in Dresden oder Prag zu , oder versammelte Gesellschaft auf seinen , in der Nahe der böhmischen Bader gelegenen Gütern .
Überfiel ihn Engbrüstigkeit , Schwindel und schlechte Verdauung , so nahm er die Religionsübungen seiner früheren Jahre , wo ihn besondere Schicksale zur Brüdergemeinde geführt hatten , wieder vor ; dann mußte Luise mit ihm beten , ihm Zinzendorfs Schriften vorlesen , und Chorale fingen .
Die Mutter ließ Luisen nie eine Gesellschaft ohne ihre Begleitung besuchen , hütete sie aufs sorgfaltigste , je etwas Böses zu sehen oder zu hören , belehrte sie aber über nichts , was sich ihrer Beobachtung darbieten konnte .
Wenn ihres Gemahls fromme Zeitraume eintraten , außerte sie sich darüber eben so gleichgültig gegen ihre Tochter , wie über jede andere Erscheinung seiner Kranklichkeit ; sie sprach von der Stunde , wo Luise vorlesen sollte , ganz so kalt wie von dem Krauterumschlag , der zu einer anderen Zeit erneuert werden mußte , und fragte nach der Betstunde , wie nach der Quantetat Zucker , welche die Haushalterin zur Apfelgelee verlangte .
Unter diesen Umstanden konnte in Luisen weder für Batter noch für Mutter lebhafte Liebe entstehen ; Achtung aber konnte sie Frau von Moors Konsequenz im Handeln und Pflichterfüllung nicht Fan , und jedesmal , wenn eine günstigere Stimmung die Mutter vermochte , die Liebeszeichen der Tochter zu bemerken , floß Luisens Herz von Liebe über .
Diese Verhaltnisse hatten einen Traurigeneinfluß auf die Entwicklung ihres Gemüts haben köns einen .
Die Frommelei ihres Vaters konnte sie anstecken , die Verstandeskalte ihrer Mutter , ihr religiös ses Gefühl ertöten , sie konnte , um den mürrischen Vater zu verbinden , eine Heuchlerin , sie konnte , von der imposanten Haltung der Mutter geblendet , ein Starkgeift werden ; aber Gott wachte über sie Ihre Anlagen waren so herrlich , daß Alles , was ihr das Leben bot , sich zum Guten in ihr gestaltete .
Aus des Vaters Beterei abstrahierte sie sich das Bedürfnis des Gemüts nach dem Unsichtbaren , allein sie suchte ihn auf ihrem eigenen , nicht des Vaters Wege ; der Mutter geringschaßende Abfertigung dieser Beterei lehrte fi den Wert der außen Form durchschauen : fi erkannte solche für eine Schwache , aber auch als für wert geachtetes Eigentum ihres Vaters , das sie ihm nicht zu erseßen fahig sei und deshalb behutsam behandeln mußte , um es nicht zu Lehen .
Ihre Sehnsucht nach Liebe und Mitteilung war bei der Milde ihres Herzens , und die Entbehrung , die einem Kinde aufgelegt ist , das den Vater nicht hochachten kann , und dessen Mutter Liebe nicht aufnimmt , nicht erwidert , sehr groß .
Luise half sich mit Blumen , Vögeln ,- mit Liebe zu Gott in der Natur ; die Baronin störte sie in nichts , sondern behandelte ihre Genüsse wie Kinderspiele , denen sie Vorschub tat , ohne sie zu teilen , aber auch nie sie verspottete .
Ein feucht kaltes Frühjahr hatte des Barons alte Brustleiden aufgeregt und er war von einem Dresdner Arzte bei guter Zeit nach Liebenstein geschickt worden .
Das Wasser bekam ihm aber schlecht , die Todesfurcht ergriff ihn , und führte ihn in die benachbarte Gemeinde Diätendorf , deren Geistlichen er im Bade hatte kennen lernen .
Die Baronin zuckte die Achseln , wie sie nach einigen Ta- . gen ihr Gemahl bat , verschiedene Bedürfnisse zu besorgen , um ihren Aufenthalt in Diätendorf mit einiger Bequemlichkeit Verlangern zu können .
Die Baronin war katholisch , besuchte demnach die Kirche der Brüdergemeinde niemals , ließ auch Luisen nicht dahin gehen , und diese war erstaunt , von ihrem Vater gar nicht dazu ermahnt zu werden .
Es war das erste Mal , daß sie sich in so einer Niederlassung befand , es graute ihr davor ; die Förmlichkeit , die sie an ihrem Vater mit Ehrerbietung duldete , war ihr an diesen Unbekannten , drückend , Mißtrauen einflößend .
Sie war jeden Tag froh , an dem ihre Mutter in die freundliche benachbarte Residenzstadt Gotha fuhr , was fi ganz gegen ihre Gewohnheit , da sonst die Anregungen zum Weltleben von ihrem Gemahl kamen und von ihr wohl bestritten wurden , sehr oft tat .
Gotha bot durch seine gesellschaftliche Lebensweise den angenehmsten Aufenthalt dar .
Die Baronin faßte entfernte Freundschaftsfaden unter dem Adel auf , erneuerte einige Badebekanntschaften unter dem gebildeteren Bürgerstand , und Luise hatte ihre Mutter nie so mitteilend in der Gesellschaft gesehen .
Eines Abends wurde eine Landpartie auf das ehemalige Gottärsche Gut Molsdorf verabredet .
Einige gothaische Bekannte sollten sich dort einfinden und Frau von Moor wollte sie von Diätendorf aus daselbst treffen .
Die Gesellschaft war sehr wenig zahlreich , man kannte sich ; sie bestand aus Leuten von Verstande , und das schöne Wetter versprach in den schattigen-Umgebungen dieses Schlosses , das noch lange Jahre nach dem Tode seines bizarren , aber geistreichen Besißers eine besondere Teilnahme einflößte , einen heiteren Tag .
Merke , der Arzt , den der Baron von Dietersdorf aus , in Gotha zu Nahte gezogen , war auch bei der Gesellschaft , er brachte einen jungen Fremden mit , Herrn von Radaste , einen Böhmen , der sich bei Frau von Moor als Gutsnachbar vorstellen ließ , indem sein Vater Naniz , ein Gut gekauft hatte , das an Trepzy , der an der böhmischen Grenze liegenden Besehung des Baron Moor stieß .
Radaste hatte in Göttingen studiert , und kehrte nun zu seiner Familie zurück , die jetzt Naniz bewohnte .
Er war ein blühender junger Mensch mit einer Heiterkeit , die noch einen anderen Charakter hatte , als Jugend allein ; es war eine gewisse Weichheit darin ,` die auf einen dunklen Hintergrund deutete , und dann auch ein Leichtsinn , der sich nicht bei dem klaren Bewußtsein des Glückes findet , denn Bewußtsein denkt nach ; der teilnehmende Zuschauer . erwartete , wenn er diesen Jüngling beobachtete , ` ein Weh oder ein Unrecht , an dem seine Heiterkeit scheitern könnte .
Er und Luise waren die einzigen jungen Leute der Gesellschaft , sie befanden sich deshalb viel neben einander , und Frau von Moor , welche gewöhnlich jede neue Bekanntschaft bewachte , schien an dem durch Kindlichkeit einnehmenden Radaste keine Vorsicht üben zu wollen .
K Luisen war die Sorge für den Mittagstisch aufgetragen , zu dem ein jeder seine Schüssel mitgebracht hatte ; Radaste half ihr dabei .
Stadt der zierlichen Anmaßung , mit welcher unsere modernen Ritter ihre Dienstleistungen gegen Damen ausstaffieren , und damit zartere weibliche Wesen sogleich zurück und abschrecken , betrug er sich mit einer einfachen Dienstfertigkeit , welche Anfangs viel mehr das geschafft , wie seine Gefahrtin zum Augenmerk hatte .
Ehe aber der Tisch ganz gedeckt war , herrschte eine freundliche Stille zwischen ihnen beiden , bei der ihr geschafft mit Winken und Blicken betrieben wurde .
Das Ruheplaßchen war an der Schattenseite der kleinen Wiese Gewalt , welche gegen Diätendorf zu ans Gehölze stößt ; hier , wo ein Weg , der zwischen hohen Buchen und niederem Buschwerk in den Wald geht , war die Tafel gedeckt .
Luise hatte mit Radasta's Hilfe große Kranze von gelbem Ginster , Malven und blauen Glocken mit Eichen- und Buchenlaub untermischt gebunden , und sie von Busch zu Busch , von Stamm zu Stamm also gehangen , daß durch sie der Raum zu einem Speisesaal abgeschieden wurde .
Die Kranze hingen , durch die Buchen-Leste gezogen , zum Teil über die Speisetafel .
Der Anblick machte Luisen unendliche Freude ! sehnsüchtig sagte sie zu Radata : ach , daß in dieser Gegend kein schönes Obst ist !
Wenn wir an diese Kranze Pfirsichen und Aprikosen über die Tafel hangen könnten !- Radasta's redende Augen leuchteten , und ohne zu antworten flog er fort .
Luise sah ihm verwundert nach und ließ sich von dem Bedienten weiter helfen .
Nun fehlten noch Kranze , sie seht sich ins Gras , schickte nach neuen Blumen und wand indes von dem alten Vorrate , als Radaste mit einem Korbe zurück geeilt kam und Doktor Merke lachend heiter hinter ihm drein stieg .
Radaste blieb , wie er Luisen ins Auge faßte , einen Augenblick entzückt stehen .
Wirklich sah das liebe schöne Madchen unter dem Laubdache des Waldes mit seinen Blumen beschaftigt , mit Blumengehangen umgeben , wie ein Feenkind aus .
Bald aber nahte er sich ihr , und zeigte ihr den Gehalt seines Korbes er war voll der schönsten Orangen ! - Doktor Merke , sagte er , wollte mir nicht erlauben auch meine Schüssel mitzubringen , da habe ich mir eine Beisteuer ausgedacht , welche mir die Damen am Ende der Mahlzeit verzeihen sollten aber nun ... .
Mit Freudenruf war Luise schon aufgesprungen und sann auf Mittel , die Orangen in Büscheln von Blattern halb verborgen über die Tafel zu hangen .
Es gelang vollkommen und gewahrte den reizendsten Anblick .
Merke war so wie der junge Böhme von dem erfreulichen Bilde des Blumen - Madchens überrascht worden , schien aber jeht in ernste Betrachtungen vertieft , das Tun der jungen Leute zu beobachten .
Er saß seitwärts , das Kinn auf sein spanisches Rohr Gestüt , mit seinen hellen Augen den beiden Gestalten folgend , die in Jugendfrohsinn vor ihm umher gaukelten .
Nun ´ war alles fertig und herrlich schön !
Unverabredet wie gute Schulkinder , die ihr Pensum geendigt , standen plößlich beide junge Leute vor dem Doktor und sagten :
nun können wir gehen !
Merke sah sie wunderlich an .
Luise schien plöhlich sich irgend etwas bewußt zu werden , sie errötete und schlug die Augen nieder ; Radata sah sie erröten , legte seine Hand auf des Doktors Binde über den Stockknopf und rief : D lieber Doktor ! - und der wunderliche Doktor fing laut zu lachen an , sprach aber nichts , sondern ging sinnend und schweigend auf das Schloß zu , wo die altern Personen Billard spielten .
Dieser Tag hatte der Gesellschaft so viel Vergnügen gemacht , und Herr von Moor hatte sich wahrend desselben in Diätendorf tête à tête mit dem Herrnhuter Pfarrer so wohl befunden , daß sie sich vornahm , manche andere schöne Blaße der Gegend also zu besuchen .
Auf Luise hatte die Bekanntschaft mit Radata einen sehr angenehmen Eindruck gemacht .
Ohne Gespielin , ohne Freundin erzogen , ganz ungewohnt ihren Eltern irgend eine Freude mitzuteilen , im Gegenteil sie meistens als Kindereien geringschaßend behandelt , oder streng verboten zu sehen , hatte sie sich von jeher gewöhnt , ihr Liebstes als Geheimnis zu behandeln , darum aber um so inniger daran zu hangen .
Manchmal kam sie in ihren Kinderjahren mit einem Strauß Wiesenblumen zur Mutter gesprungen , regelte vor der Zimmertüre den Schritt , begab sich auf den ersten Wink auf ihr Arbeitsbankchen am Fenster und legte den Strauß verstohlen neben sich , um nach vollendeter Arbeit ihn ins Wasser zu setzen .
Bald tönte der Mutter Weisung :
Wirf die Blumen zum Fenster hinaus , fi riechen zu stark . "
Luise tat es mit glühender Wange , eine große Trane fiel auf ihr Strickzeug .
Sie hatte in diesem Augenblicke schweigend das größte Opfer gebracht .
Wie sie heranwuchs , nahm sie die Blumen nicht mehr mit in der Mutter Zimmer , sondern pflegte fi am Ende einer abgelegenen Galerie , wo es Frau von Moor wohl wahrnahm , Luise es auch nicht verbarg , dennoch aber die Mutter herrschend , die Tochter ergeben neben einander standen .
Als erwachsene Jungfrau verbarg es Luise , wenn sie ihr Bette vor Tagesanbruche verlassen hatte , um auf dem nahen Hügel die Sonne aufgehen zu sehen ; die Mutter tat , als wenn sie es nicht wüßte ; Frau von Moor gab Luisen Mittel und Anweisung , arme Kinder zu kleiden , Kranke mit Kost zu erquicken , aber sie schien dabei kalt wie ein Marmor , und Luise verbarg das warme Mitgefühl ihres Herzens bei dem Anblicke menschlichen Elends , wie ihr Entzücken , wenn es ihr , solches zu milderen , gelungen . -
Nun hatte sie den ganzen Tag in Molsdorf neben einem Wesen zugebracht , das jede ihrer Empfindungen geteilt , und sympathetisch geaußert hatte .
Es war ihr wie ein Traum , und -- wunderlich genug wurde ihr jetzt Radaste , so wie ehemals ihre Blumen , Spaziergange und Wohltatenspenden , zu einem Gegenstande , den sie gern auch vor der Mutter verborgen hatte , damit er ihr nicht verachtet , nicht verworfen würde .
Sie suchte sich in ihrem Betragen so ahnlich zu bleiben , wie nur möglich , besann sich aber insgeheim auf hundert Dinge , die ihr lieb waren : Blumen , Lieder und Anblicke in der Natur , und war sehr neugierig , ob diese Herrlichkeiten Radaste wohl auch Freude machen könnten ?
Das Nacheste Mal kam die Gesellschaft in Reinhardsbrunnen zusammen .
Radaste machte kein Hehl aus seiner Freude , sich wieder in diesem Kreise zu finden , man sah , wie gern er sie , besonders Luisens Mutter bezeugte , und die kalte , stolze Frau konnte sich des angenehmen Eindrucks , den sein einschmeichelndes Wesen machte , nicht erwehren .
Luise hielt sich , wie sie gewohnt war , so lange die Gesellschaft versammelt blieb , neben ihrer Mutter , sobald sich aber der altere Teil derselben mit Schachbrett , Karten und Dechis- Schachtel , unter die großen Linden am Schlösschen niedergelassen hatte , rief Doktor Merke die beiden jungen Leute zu einem Spaziergang nach den Teichen ab .
Luise hing sich an des Doktors Arm und bezeugte ihm eine kindliche Herzlichkeit , bei welcher der Alte satirisch lachelnd aus seinen klaren Augen sah , aber offenbar gerührt und ergoßt , jeden Genuß des Spaziergangs beförderte .
Nadasa schien ihm den Vorzug , Luisen zu Unterstößen , nicht zu beneiden , sondern nur durch selbst geschaffene Freude sich ersehen zu wollen .
Er holte von Baumen und aus dem Wasser und vom Anger alles zusammen , was die Aufmerksamkeit Luisens anregte , und Merke unterbrach fein sinnendes Schweigen , um jedem dieser Gegenstande durch geistreiche Erklarungen neues Interesse zu geben .
Ist traten die Wanderer aus dem Dickicht des Waldes an den weißen .
Teich , der mit dem feinsten Rasen umgeben , an einem Ende von hohen Eichen beschattet , Wolken und Baumgipfel aus stillem , tiefem Grunde abspiegelte .
Der Himmel strahlte im dunklen Blau des hohen Sommers , die Abendseite des Teiches war mit der weißen Nympha bedeckt , deren Blume leise vom Hauche der Luft bewegt auf dem Wasserspiegel sich wiegte .
Am Ufer vor einem Gebüsche schön geröteter Pfaffenkappchen , um das einige Kühe weideten , saß ein kleiner Knabe , streichelte seinen Hund , der seinen Kopf auf seine Knie stüßte , und blickte mit ahnenden Kinderaugen dem Schwanken der Wasserlilien zu .
Radaste trat zuerst aus dem Dickicht .
Der Zauber die ses Gemaltes mochte alle drei Beschauer ergriff fen haben , aber wir wissen nicht , ob ein anderer als Merke es wahrnahm , daß Radata Luisens Hand an sein Herz drückte und lange ohne Worte auf dieses Bild des Friedens hindeutete .
Luisens Freude wurde nun kindlich laut .
Sie wollte durchaus dem Knaben Geld geben : Merke brachte sie in sokratischem Wechsel - Gesprach auf die Einsicht , wie sie mit elendem Gelde dieses kleine Paradieses Bild in die gemeine Welt zöge .
Sie errötete ungeduldig .
" Nun , so zeichnen Sie es mir , Herr von Radaste " , rief fi lebhaft , zu dem jungen Böhmen gewendet , " da lege ich_es in meine Mappe zu ein Paar an deren niedlichen , niedlichen Bildern , die ich mir verschafft habe . "
Das Format ist zu klein , bemerkte der Doktor .
- " Gewiß ich versuche eine Aquarellzeichnung , und wenn sie gelingt , so darf fi über ihren Sofa .... " setzte Radata schüchtern hinzu .- "Nein !
Nein ! unterbrach ihn Luise eifrig , das darf ich nicht .... "
Hier schwieg sie bestürzt , und ein jeder der drei Personen schien eine eigene Ursache zu dem folgenden Stillschweigen zu haben .
Man war indessen weiter gegangen , und kam an die Höhe gegen die Abendseite des jebigen Amthauses , in dessen Nahe man die legten Trümmer des Klosters erkennen will , das Ludwig der Springer hier gebaut haben soll .
Moos und Sauerklee bekleidet das Gemauer und hohe Waldbaume wölben sich darüber in geheimnisvollem Dunkel . ´ Merke erzahlte abgebrochen und mehr mit seinem Ideengang als seinem Vortrage beschaftigt , von dem Zeitalter , wo das Kloster erbaut wurde , der Rohheit der damaligen Zucht , ging dann betrachtend zum Zwange des spaten Ordenslebens über , und nachdem er sich immer an Nadasta wendend , gegen die geistlichen Gelübde mit der Warme geaußert hatte , die Protestanten eigen ist , blickte er ihn lange an und fügte dann gleichsam wie zur Bekraftigung des Gesagten mit dem Kopfe nickend hinzu : " Ja , so ist_es , mein Herr Domizellar ! "
Das ist grausam , lieber Doktor , rief dieser , daß Sie mich bei tiefer Gelegenheit an meinen Beruf erinnern .
Sie sollten für meine Philosophie mehr Schonung haben " hierbei warf er einen Seitenblick auf Luisen , der aber den braven Doktor in seinem Ideengange nicht zu stören vermochte ; vielmehr fuhr er ruhig fort : " Wie ich als Feldarzt diente , da erzahlte man mir in Böhmen eine solche Geschichte von Gelübden wer weiß denn , ob es nicht eine Cousine von Ihnen anging ?
· Das Madchen wurde von ihren Eltern , um einen Sohn zu begünstigen , fürs Kloster bestimmt ; aber ehe die Umstande diesen Entschluß veranlaßten , hatte sie schon ihr Herz verschenkt und das ihr zugesprochene Schicksal schien ihr einem Todesurteile gleich .
Aber sie war in ihren religiösen Begriffen erzogen , war ein gutes Kind- und es ist überhaupt in dem Schlendrian des taglichen Lebens sehr viel schwerer , sich dem Unrecht zu Wiedersehen , wie man es meint - kurz , das Madchen ging ins Kloster , bat sich aber aus , den strengsten Orden Wahlen zu dürfen .
Ich weiß nicht , wie sie ihn hießen ?
Die Nonnen dürfen nur ein Mal im Jahre ihre Nachesten Verwandte sehen .
Der junge Mensch hatte gebeten , gefleht , er hatte aber seiner Geliebten kein Glanzendes Glück anzubieten , es fehlten ihm die Mittel , Gewaltstreiche zu begehen , er sah verzweiflungsvoll das Noviziatsjahr verlaufen , und am Tage , wo sein Madchen Profeß tat , brachte ihm einer ihrer Vettern , der vor der Einkleidung mit den übrigen Verwandten Abschied von ihr genommen , ein zusammengelegtes Blatt , das sie ihm als ihr Ver- = machtniß überschickte .
Es war so ein kleines Bild , wie ihr deren in Gebetbücher legt Mutter Gottes mit den sieben Schwertern .
Ich kann mir wohl denken , was das alles für ihn mochte zu bedeuten gehabt haben ; der Eindruck war auch fürchterlich der Jüngling bei = die kam den Starrkrampf -- ich vergesse es nie ! ich - war der Nacheste Arzt , darum kam ich zuerst zu ihm ; er saß , das Bildchen in seinen beiden gefalteten Handen verknittert , das bleiche Haupt zurückgelehnt , die Augen hatten wohl wollen den Himmel suchen Ich wollte , ich hatte ihm Schierling verschreiben dürfen !
Leider brachte ich ihn zum Leben zurück , aber nicht zur Vernunft -er blieb wahnsinnig . "-- Und das Madchen starb gewiß bald ? " fragte Luise , nachdem sie sich ihrer Tranen bemeistert hatte .
Liebes Fraulein , es stirbt sich nicht so schnell ! die phy sische Natur bekampft den Seelenschmerz , sie wird seiner wohl Meister , am leichtesten , wenn ihr Beten und Cateien die Hand bieten .
Sonst fanden wir wohl wenig alte Nonnen , was doch sehr haufig ist .
Das Kloster bildet eine Art geistiger Schildkrötenschale , unter welcher der Mensch fast ohne Herzensschlag und Gedanken fortlebt .
" das ist schaudervoll " seufzte Luise , mit beiden Handen ihr Gesicht bedeckend .
" Doktor , der junge Mann war ein Schwachlinge " , rief Radaste mit hoher Röte " , wenn er liebte , mußte er wagen , oder untergehen . "
Der Doktor nickte wieder stillschweigend mit dem Kopfe und fi gingen zur Gesellschaft .
Der altere Teil derselben fand die Luft etwas rauh und man trennte sich bald .
Radaste erhielt Erlaubnis , Frau von Moor in Diätendorf zu besuchen , und ob die jungen Leute gleich nicht so heiter , wie in Molsdorf gewesen waren , trennten sie sich mit noch viel lebhafterer Sehnsucht , sich wieder zu sehen .
" Liebe Mutter , was ist denn ein Domizellar , fragte Luise an einem der folgenden Tage , wie sie am Stickrahmen saß und einen sanfteren Blick wahrnahm , den Frau von Moor auf sie heftete . "
- " Wie kommst du auf den Domizellar , " erwiderte die Mutter mit ungewöhnlicher Heiterkeit .
" Doktor Merke nannte Herrn von Radaste , Herr Domizellar . "
" So nennt kein Mensch einen Menschen " , antwortete Frau von Moor , indem sie ihr Gesicht ahndete ; nun schwieg Luife , neugieriger als je , den Sinn dieses ihr unbekannten Titels zu finden .
Radaka dachte hingegen der Sache seit einiger Zeit so oft und viel nach , daß er ihr sehr gründlich darüber hatte berichten können .
Dies sehr junge Mann war wirklich Domizellar des Stiftes ... Burg und von seiner Familie dem Geiste Lichen Stande bestimmt .
Sein Vater war der Jüngste einer unbemittelten , aber sehr alten böha mischen Familie .
Er heiratete aus Liebe , und wieder ohne Vermögen ; wenn gleich mit ungetrübtem alt- adeligem Glanze .
Die Notwendiges keit , sich bei wenigen Mitteln aus der großen Welt zurückzuziehen , machte , daß er sich nie bez mühte , aus den ungarisch - türkischen Grenzfestungen , in die sein Regiment herum verlegt wurde , abgelöst zu werden .
Er hatte mit Ehren gegen die Türken gedient , war in Folge einer . davon getragenen Wunde zum Felddienst untüchtig geworden , der Ausbruch des leßten Kriegs anderte daher seine Lage keineswegs .
Sein altefter Bruder hatte ihm bei seines Vaters Tode edel- . mutig sein altes Stammschloß an der polnischen Grenze überlasen , und war schon im achtzehnten Jahre als Netter nach Malta geeilt .
Armut und alter Adel hatten unseres Radasta's Vater zu gar kühnen , aber etwas verworrenen Ansichten seiner Standesverhaltnisse gebracht .
Er wollte keines seiner Vorrechte hingeben , aber alle Vorzüge des Bürgerstandes dazu , für seine Söhne erobern , damit es ihnen nicht fehlen könnte , die ersten Stellen im Staate zu erlangen .
Zu diesem Endzwecke hatte er ihnen , ungeachtet seiner beschrankten Lage , einen jungen Piaristen als Hofmeister aus der Kaiserstadt kommen lasen und der Himmel hatte seinen treuen Willen begünstigt , denn man schickte ihm einen der Junglinge , die unter des edlen Josephs Regierung mit frohem , jungem Leben die Geistesfittiche regten :
Papa Radata war innig froh , wie er seine Söhne eben solche Wissenschaften lernen sah , wie die norddeutschen Kavaliere , die wahrend des Siebenjahrchen Krieges , in dem er seine ersten Feldzüge gemacht hatte , in Leipzig studierten .
Aber mit dieser Wissenschafts-Ernte war es nicht getan , sie waren nur Mittel , und der Zweck erforderte noch andere Schritte .
Nepomuk , der altefte Sohn , wurde zur Diplomatik bestimmt , Casimir , den wir in Molsdorf kennen lernten , zum geistlichen Stande , und Ignaz , der jüngste , sollte durch taktische Kenntnisse im nach ften Kriege General werden .
Nepomuk hatte nichts dagegen , es war ein gewandter , bedachtsamer und bei angenehmem Betragen etwas eigenfinniger Knabe .
Ignaz lernte tapfer , übte aber seine Fauste noch eifriger in jeder wilden Klopffechterei , und entwickelte ein Lauf- und Springtalent , dem der Vater endlich argelich Einhalt tat , weil man dessen Wert in der damaligen Kriegskunst noch nicht einsah .
Casimir war der einzige , den Anfangs seine Bestimmung verdroß .
Er hatte einen gleich lebhaften Trieb in die Welt hinaus zu schweifen , und auf einen kleinen Fleck sich zu beschranken ; Reisebeschreibungen , Robinsonaden zogen ihn an , und ein einzeln gelegenes Bauernhauschen , die Arbeit in dessen kleinem Garten hatte für ihn einen unendlichen Reiz .
Wenn dann Abends der Bauervater mit der Egge nach Hause geklappert kam , so ein Bauerknabe die Pferde abspannen half und mit unnötigem Mutaufwande die geduldigen Tiere herumstieß , so sah er mit Jubel zu , und war nicht glücklicher , als hie und da helfen zu können .
Doch der forts schreitende Unterricht seines Piaristen anderte endlich seine Ansicht .
Wie er in dem Vortrage der Geschichte die geistlichen Orden kennen lernte , war sein Entschluß gefaßt : er bat ohne Aufhören den Vater , Malteserritter werden zu dürfen , und sprach mit Entzücken von den Gelegenheiten , die ihm dieser Stand geben sollte , die Lander des mittellandischen Meeres bis in ihren Kern hinein zu bereisen .
Das war aber gar nicht des Vaters Plan .
Bruder Malteser hatte bisher der Fas milie , die Abtretung des alten Stammschlosses , das damals nicht mehr bewohnt werden konnte , abgerechnet , wenig Vorteil gebracht undseit einem Duhend Jahre wußte man gar nichts mehr von ihm , als daß er nicht tot sei .
Dahingegen hatte man sich diese und jene Protektion verschafft , war der Ernennung zum Domizellar des Stiftes zu ***burg sicher , und somit einer Domherrnstelle und eines Lebens wie in Abrahams Schoß . .
Casimir's Wunsch wurde deshalb ohne alle Bedingung verworfen , und bei seinem hartnackigen Beharren behandelte ihn der wohlmeinende Vater rauher als es der edle Drang des Jünglings verdient hatte .
Unerwartet kam der Bruder Malteser als Komtur seines Ordens zurück .
- Was für Abenteuer den schönen , starken , ernsten , aber doch heiteren , mit einigen Orden und einigen Narben gezierten Mann wahrend den vierzig Jahren seiner Irrfahrten beschaftigt hatten , erfuhr man nie genau .
Lorbeer und Gold war dabei gewonnen , denn er kaufte nach seiner Rückkehr das schöne Gut Nanzy in der Nahe der böhmischen Bader für seinen Bruder , und baute neben . den halb verfallenen Familiensiß am Fuße der Karpathen ein sehr bequemes Wohnhaus in bürgerlichem Stil , aber dem Himmelsstrich und den Hilfsmitteln der Gegend so angemessen , daß Pachter und Bauer es beneideten und die benachbarten Barone es eine idealische Hütte nannten .
Das alte Schloß ließ er , da wo es nicht mehr zu bewohnen war , von allem neueren Anbaue und hölzernen Gesparre befreien , in die noch bewohnbaren Teile Jager und Verwalter ihren Herd bereiten , durch einfache Vorkehrung den ferneren Verfall verhindern und die Trümmer von allen Seiten zu schönen Gesichtspunkten der Spaziers Gange benußen .
Neben diesen Beschaftigungen die er , ohne einen Menschen zu Rate zu ziehen , ohne besondere Arbeiter kommen zu lasen , nach eigenen Planen still und ohne sichtliche Eile , betrieb , war er sehr haufig in des Bruders Garnisonsstadt , beschaftigte sich mit dessen Kindern und hörte den Bruder recht gerne sich über die Plane seines vaterlichen Ehrgeizes ausbreiten .
Mit der wackeren Zuversicht , das Beste getan zu haben und vorwurfsfrei vor der langen Reihe seiner Ahnen stehen zu dürfen , erzahlte der alte Oberst Radaste seinem Bruder seine Familienschicksale , wie er sie aus seinem Gesichtspunkte ansah .
Der Malteser Komtur gab ihm in der Bestimmung seiner Söhne völligen Beifall ; er hatte in Wien Verhaltnisse , die sich auf seine ordensritterliche Verdienste stüßen mochten , ja auf persönliche Gunst beim Kaiser , denn der vierzehnjahrige Ignaz wurde alsobald in die kaiserliche Kadettenschule aufgenommen .
Der Oheim gab Nepomuk ein sehr anstandiges Jahrgehalt , und schickte ihn , mit einem Ungarn , der durch sonderbare Schicksale von Jugend an in französischem Kriegsdienste gestanden und spate im Maltheser- Ordensdienst in der Kanzlei gedient hatte , nach Wien , und zum halben Schrecken des alten Obersten , spate sogar auf eine protestantische Universitat .
Nun blieb Casimir mit seinem alten Lehrer allein , aber nicht mehr in der Garnison feines Vaters .
Der Oheim nahm ihn mit sich , mochte er in Nanzy ein stilles , zwischen Studien und landlicher Beschaftigung geteiltes Leben führen , oder mochte er im Stammschlosse die neuen Arbeiten anleiten und dazwischen das Wild in den uralten dichten Waltern verfolgen .
Aber wo er auch sein mochte , durfte der Unterricht des Jünglings nie unterbrochen werden ; ja der Oheim gab ihm mehr Ausdehnung und durch Nachhülfe , durch Gesprach und gesellschaftliche Lektüre , einen Neiz , den er bisher nie gehabt hatte .
Casimir hatte einen so glücklichen Charakter : Genussesfahigkeit und Empfindung , heller Verstand und Phantaie waren so gleichmassig gemischt , daß der Widerstand , welchen sein Vater seinen Wünschen nach dem schwarzen Kreuze entgegengeseßt hatte , nicht vermögend gewesen war , seine Jugendtage zu trüben .
Der Dheim erwarb sich aber von ihm eine Art Liebe , wie er sie noch für Niemanden empfunden hatte ; er fühlte sich von ihm bes herrscht , beraten , belehrt , und weit entfernt , seine Freuden und Leiden vor ihm zu verbergen , hatte er sie ihm gerne alle mitgeteilt , wenn nicht die Stunden , die er mit ihm zubrachte , mit so vielerlei wichtigem Interesse ausgefüllt worden waren , daß er meistens seine Zukunft über den Augenblick vergaß , oder sich scheute , durch persönliche Interessen allgemeinere zu gedrangen .
Nach einem Jahre war aber die Rede davon , den jungen Menschen nun auch auf eine Universitat zu senden , und wunderlicher Weise verlangte der Oheim , das solle Bologna sein .
Nun konnte Casimir sich nicht langer halten , -- er fange Kirchenversammlung , Glaubensdisputen und alle Mittelalters - Auftritte der polemisierenden Geistlichkeit vor seinen Augen und bat seinen Oheim mit leidenschaftlicher Heftigkeit , ihn nicht zu dieser verjahrten Bestimmung , die Natur und Geist zur Erstarrung verdammen , zu verurteilen ! --
Nun , nun ! so arg ist_es nicht ! war des Oheims erstes , mit leichtem Spotte ausgesprochenes Wort , von dem an er aber in mehr wie einer Unterredung des Jünglings Vorurteil zu bestreiten suchte .
So klug der Mann war , so bedachte er doch nicht , daß die Ansichten , die er in seinem langen Lebenslaufe erwarb , nicht zu Lehrsahen . für die erblühende Jugend taugten .
Er gab dem Jünglinge als Vordersack , was er , der nun greifende Mann , als Endfolge abstrahiert hatte .
Nachdem er dem Jünglinge den Grund seines Mißfallens an dem geistlichen Stande abgefragt hatte , überzeugte er sich , daß nicht heftige Leidenschaften , Sinnenbedürfnisse noch troßige Freigeisterei ihn gegen denselben aufbringe .
Es war im Gegenteil die stille , heitere Harmonie seines Wefens , die sich gestört fühlte bei der Anforde Runge , durch die Entsagung des natürlichsten Glückes , ein künstlich zusammengesetztes einzutauschen .
Für dieses natürliche Glück kannte er nur den Ersak , welche Kraftanstrengung in Gefahr und Tod gibt .
Deshalb sehnte er sich in die enge Welt des Landlebens und dessen Beschaftigungen , oder in die Weite hinaus zur unbekannten Natur fremder Lander und Einöden .
Der Komtur hörte ihn ruhig seine Traume Erzahlen , er forschte den wissenschaftlichen Umfang seiner Kenntnisse über Landeskultur und fremde Lander nach , gab ihm viele Bücher darüber , und nach manchem Gesprach stellte er ihm die Verhaltnisse seiner Familie dar : wie sie eine der Altesten des Landes , seit Friedrich V schnell zerstörter Herrschaft durch Armut in Vergessenheit geraten sei , wie ein paar Ahnherrn sich widerstandslos diese demütigende Lage hatten gefallen lasen " , bis ein Zufall - das waren des Komturs Worte , und dabei glanzten seine Augen und eine lebhafte Röte überflog feine Zuge ein Zufall , den ich Niemand mitteilen kann , der deinem guten Vater nie ganz klar wurde , den du , wenn ich dich noch zum Manne werden sehe , vielleicht einst begreifen kannst , plöglich ein Streben in mir anregte , das mich aus dem engen Landjunkerleben heraustrieb , und in eurem guten Vater ihm selbst unbewußt die Begriffe entwickelte , nach denen er euch durch eine bessere Erziehung diesem engen Kreise entzog . "
Darauf fegte er seinem Neffen auseinander , wie der Weg , auf welchem die Nadata's wieder zu neuem Glanz emporsteigen sollten , fest vorgezeichnet sein müßte .
Nepomuk mußte man auf seiner Bahn alle Unterstüßung an Geld aufopfern , welche des Komturs Ersparnisse darboten , nicht allein um feinem Stand Ehre zu machen , sondern um ihn zu einer großen Heirat zu berechtigen .
Diese Ersparnisse oder Erwerbungen waren wirklich nicht so ansehnlich , wie die hochfliegenden Hoffnungen der Familie Ges meint hatten .
Bei Ignaz mußte sobald möglich Kriegsruhm das Vermögen erseßen , für Casimir blieb kein sicherer Weg reich zu werden , wie das Domstift .
" Aber muß ich denn reich werden , teurer Oheim ? " unterbrach der Jüngling diese Deduktion , die ihm im Nachgeben gebietenden Zusammenhänge eben das sagte , was er sich aus des Vaters fragmentarischen , sich selbst widersprechenden Strafpredigten schon oft abges Nomen hatte . "Warum denn reich ? "
-- " Guz ter junger Mensch , so fragte ich auch , wie ich achtzehn Jahre alt war , und weil ich Niemand um mich hatte , der mir eine vernünftige Antwort gab , verfiel ich in vielfache Torheit .
Wenn du eines Bürgers Sohn warst und fragtest mich : warum reich ? würde ich dir sagen : weil Reichtum das einzige Gut ist , was Geburt ersaßt . "-- " Das Einzige Oheim ? und Ruhm und Kennt : Nisse ? " ... ,Teufel ! will ich dich vom Ruhm ausschließen , du fantattischer Junge ? und Kenntnisse ?
wenn du einst ein Domherr bist , wie sie das Sprichwort schildert , so vernein ich dich lebend , und wenn mich das Grab umschließt , tot !
du sollst als Domherr deine Würden , deinen Reichtum zieren , hörst du mein Neffe ?
du sollst , wenn Umstande es wollten , von ihm zum Fürsten oder zum Minister überschreiten können . " . . .
" O mein Oheim , wenn ich nun aber die Clase wackerer Landedeln zierte , wenn ich glückliche Bauern machte " . ... "Junker , du vergißt ja , daß du ein Krippenreiter bist . "
" der abscheuliche Reichtum ! aber Oheim , warum darf ich nicht ihre Laufbahn betreten " . . .
" Denkst du , die mache reich ? denkst du , ich habe meinen kleinen Besieg von den Unglaubchen zusammengeplündert ? denkst du , wenn man den Mut hat , Vaterland , Familie und die kultivierte Welt vierzig Jahre lang aufzugeben , man tue es , um in einer schmusigen Korvette diesen Muffelmannern zu rauben , was ihnen früh genug ihr Pascha nimmt ?
Ehe ich diese .
Vorurteile gründlich aus deinem Kopfe ausrotte , mußt du noch mannlicher werden , lieber Casimir . "
Und dabei legte er seine eine Hand auf des Jünglings Schulter , die andere unter sein Kinn , und sah ihn mit einem Ausdrucke an , der viel Wichte ger schien , wie feine Nede , mit Augen , in deren dunkler Tiefe ein Geheimnis leuchtete , wie das Flammlein auf einem vergrabenen Schah .-"Lieber Casimir , " fing er nach einer Pause wieder an , ich möchte dich mir gern , gern zum Freunde erziehen .
Mein einziger , den ich bisher hatte , ...... starb , ehe ich zu euch wiederkehrte , und nun ich alt werde , bedarf ich einen jungen Freund , einen Sohn , ich möchte dich dazu ziehen .
Mit dem Ritterwesen ist es nichts .
Es ist eine Mummerei , die dem achten Adel Schande macht er soll sich nicht zu bloßen politischen Zwecken hergeben .
Meinen Weg kannst du nicht gehen , den wird man nie geführt , den muß man finden ; und gefallt dir der gewöhnliche Ritter ?
Du sahst ja dergleichen in Karlsbad genug . die etwas gelten , tun es nicht als Malteser , und du sollst `gelten als Domherr .
Was hindert dich als Domherr deinem Bruder Nepomuk den Rang abzulaufen ?
Ach Gott ! meine Sehnsucht in kleinem Kreise zu wirken , wachsen zu sehen , was ich Fete . . .
Also Eichen willst du nicht saen ? nicht einmal Buchen ? getraust du dir wohl Sumpfholz ? "
Oheim , Spott verdiene ich nicht , " sagte Casimir mit erstickter Stimme und konnte die Zornestrane nicht mit den großen Augenwimpern festhalten , sie rollten über seine glühenden Wangen .
" Willst du denn etwa so gern heiraten ? "
" Ich bin noch ein Knabe , und habe mich bei dem Gedanken an Heiraten noch immer geschamt .
Darf ich es einst nicht , so werde ich hoffentlich dieses Gebot , wie jedes andere erfüllen können . "
" Mein lieber Knabe , wenn du das kannst , so hangt es nur von dir ab , deine übrigen Wünsche früher oder spate zu erlangen .
Laß uns einmal die glücklichen Falle deiner Zukunft durchgehen :
du wirst jetzt nach Wien geschickt , damit den Landesanstalten ihr Recht geschehe , von da schicke ich dich , wenn dir Bologna so bestimmt zuwider ist , nach Göttingen , in der Zwischenzeit hoffe ich dich als Domizellar aufgenommen zu sehen , und somit ist deine Bahn begonnen .
Dann gehst du auf einige Jahre auf Reisen , und nicht pour faire le grand tour , sondern es hangt von deinem Geschmacke und Kenntnissen ab , wofür du reisen willst und wo dich aufhalten , nur mit der Bedingung , daß du dich lange genug in Rom aufhaltest , um dich dort bekannt und geachtet zu machen , und diesen Hof , dessen Wichtigkeit wir Katholiken aus Schlendrian , und die Protestanten aus Hochmut gar nicht einsehen , genau kennen zu lernen .
Von deiner Rückkehr an , hoffe ich dich zu Pfründen , zu politischer Wirksamkeit kommen zu sehen -- sei fi diplomatisch oder in Geschafften deines Stifts .
Die Zeit wird kommen , wo dieses Letzte sehr Not tun wird , und ein Tattiger , unterrichteter Mann unter den faulen Bauchen der Stiftsmitglieder eine große , Glanzende Rolle spielen , vieles Gute stiften kann .
Kannst du dann nicht alle Annehmlichkeiten des Lebens um dich versammeln ?
Die Freundschaft edler Frauen , wenn du dieser bedarfst z Vaterfreude , wenn du deine Neffen liebst , wie ich dich , Landleben Menschen beglücken Was fehlt dir denn alsdann ? der ? nun ! entweder , oder ! --- Ehe ? eigene Kin- Der schöne Stolz , dich selbst besiegt zu haben , oder jene Genüsse , denen der Mensch in hundert Lagen des Lebens doch entsagen muß ich gestehe dir , daß es mir ein bisschen verdachtig vorkommt , wenn unsere Geistlichen also gegen das Cdlibat schreien .
Für die Maße kann ich das Gelübde tadeln .
Jeder Einzelne sollte es mannlich tragen .
Ich kann ihn im Gegenteile ja nur verachten .
Komtur hatte Casimirs feurige , reine Seele jetzt , ohne es zu wissen , bestochen .
Entsagen und Wirken waren die Hauptzüge , die er aus dem ganzen Bilde , welches der Oheim vor seine Phantasie führte , aufgefaßt hatte ; indem er diesen sprechen hörte , schien ihm diese hinreichend , um seine Laufbahn zu verschönern .
Casimir liebte noch nicht , ihm waren noch keine Plane zerstört , er hielt festen , reinen Willen zum Erlangen für hinreichend , er glaubte , zum Entsagen sei es mit Selbstherrschaft getan , und so kam es , daß er beim Schlusse des Gesprachs mit freiem , mutigem Blicke dem Oheim einen Handschlag gab , sich seiner Leitung zu überlasen .
- Das Eesprach hatte sehr tiefen Eindruck auf Casimir gemacht .
Er hatte vorher nie darüber nachgedacht , ob er des Oheims Denkungsart verstehe , seine Ansichten teilen könne .
Er hatte ihn geliebt , und sich auf seine Überlegenheit verlassen .
Auch bei diesem Gesprache hatte er den Einfluß eines überlegenen Menschen gefühlt , der seine Meinungen nicht auseinander seßt , nicht aufnötigt , nicht einschmeichelt , sondern den Zuhörer mit ihnen durchdringt , Kraft der Überzeugung , der Warme , der Zuversicht , mit welcher er sie vortragt .
Casimirs Gemüt fühlte sich in diesem Zustande wohl , ruhig , klar -- um diesen Zustand zu erhalten , mußte er diese Ansichten in sich aufnehmen , sie sich zu eigen machen .
Bei der ihm dadurch aufgelegten Untersuchung fing er an wahrzunehmen , daß der Oheim noch Vicles verbarg , das ihm zu wissen nötig war , um mit ungeteilter Heiterkeit seinen Entschluß auszuführen .
Er gedachte mit ehrerbietiger Scheu der rathfelhaften Worte über den ersten Antrieb , den der Komtur zu seiner Laufbahn erhalten ; feine Phantasie durchwandelte alle Denkmale des alten Drients , alle Grabhöhlen Acgyptens , die auch der Sheim besucht und in denen er seinen Reichtum gefunden haben mußte , da er seine Ritterzüge so verachtlich berabseßte .
Wenn der Oheim fortan von seinem Aufenthalte in jenen Landern sprach , hörte der Jüngling spahend zu , er tat auch wohl Fragen , welche über Sagen und Traume , die Trümmer des Altertums in jenen Landern betreffend , um Erlauterung baten ; aber dann belehrte der Komtur den Fragenden so gründlich , sammelte alle Nachweisungen , die Natur und Geschichte geben , so auffal= lehnt um den Gegenstand her , daß die abenteuerliche Phantasie bewundernd vor der großen Wirklichkeit schwieg .
Der Aufenthalt in Wien , wohin Casimir im neunzehnten Jahre abging , befriedigte ihn nicht , und schien auch seinem Dheim nicht recht zu ge fallen .
Sein alter Lehrer blieb dort neben ihm , und die Fortsehung seines bisherigen Unterrichts , gab ihm mehr Befriedigung , als die Lehrstunden , zu welchen ihn der Komtur angewiesen hatte .
Er vermißte an den Lehrern der großen Kaiserstadt den Geist höherer Anschauung und allgemeinerer Überblicke , an die ihn sein heim gewöhnt hatte .
Er fand bei ihnen , was er so angstlich fürchtete : die Absicht , einen Geistlichen in ihm zu erziehen .
Casimir hatte sich von Iche , mochte das Domherr- oder Malteserkreuz sein Anteil werden , im buchstablichen Sinne des ihm aufer legten Gelübdes zu einem reinen Wandel entschlossen .
In diesem Sinne hatte er es oft bedauert , keine Schwestern zu haben , hatte schmerzlich oft den frühen Tod seiner Mutter beklagt , in der er vielleicht eine Freundin gefunden haben würde .
Schüchtern zwar , aber mit der Unbefangenheit , die Unschuld und Kraft dem Jüngling geben , der unter so günstigen gesellschaftlichen Umstanden auftritt , wie unser Radaste , hatte er sich den Damen der Hauptstadt genaht , aber in keiner fand er den Anklang seiner Seele wiedertönen , die nur Kindlichkeit und einfache Freuden sich wünschte .
Er wendete sich unwillig und verschüchtert von ihnen ab und besuchte am liebsten den kleinen Kreis von ein paar jüngern Verwandtinnen , welche hausliche Verhaltnisse von der groß Ben Welt entfernt hielten .
Das waren alles Praliminarien , die unseren Casimir nicht zu der wichtigen Rolle vorbereiten konnten , welche sein geheimnisvoller Oheim ihm von ferne gezeigt hatte .
Die öffentlichen Angelegenheiten nahmen in jener Zeit eine Wendung , welche dem Komtur ahnen ließen , daß dem Glanze der Familie Radaste schwerlich durch Domherr- Pfründen wieder aufgeholfen werden könnte .
Wie Casimir Wien verließ , um sich nach Göttingen zu begeben , fand er seinen Oheim , den er auf dem alten Stammschlosse aussuchte , sehr bewegt .
Er sprach mit Sehnsucht von dem Freunde , den , wie er schon chemals geaußert hatte , der Tod ihm entrissen , und drückte Bedauerniß aus , sein graues Haupt noch so spat zur nördlichen Sonne verdammt zu haben .
Wenn er sich über wissenschaftliche oder allgemein . menschliche Dinge mit seinem Neffen unterhielt , war ein sonderbares Gemisch von Wehmut und liebender Freude an dem Jüngling , in ihm sichtbar .
Casimir war sehr bestürzt über diese Veranderung , der feste , lichtumstrahlte Felsen , mit welchem er stets seines Oheims festen Sinn verglichen hatte , war von Wolken umzogen , und mit ihm schien zugleich Casimirs künftige ganze Laufbahn umwölkt .
Er war um so betroffener , da keine Äußerung des Komturs ihm eine Vermutung über die Ursache seiner ahndeten Stimmung , noch weniger den Mut gab , um Erklarung dessen , was ihm so drohend schien , zu bitten . Seinem weichen , edlen Gemüte blieb nun nichts übrig , als der Vorsack , so weit es von ihm abhange , des geliebten Oheims Wünsche zu fördern , und diesen führte er wahrend seines Aufenthalts in Göttingen auf das redlichste aus .
Der Weg der Wissenschaft , den er wandelte , machte ihn zu einem gebildeteren Manne , aber sein Wohlgefallen am geistlichen Stande konnte er nicht vermehren .
Die Geschichte lehrte ihn , daß dieser stets ein Werkzeug der Herrschsucht , oder eine Freistatt der bösen Lust gewesen sei : indes seine eigentliche Bestimmung : zu belehren und zu erbauen , nur von den unbeachtetsten , unbelohntesten seiner Mitglieder erfüllt wurde .
Hörte er daneben , wie die Politik den Einsturz aller alten Einrichtungen für unausbleiblich hielt , so kam ihm sein Bestreben des Oheims Wünsche zu erfüllen , wie ein neckender Traum vor , in welchem wir uns abarbeiten , ohne unsere Stellung zu andern , und wahrend der Anstrengung selbst , daß er nur ein Traum sei , uns bewußt sind .
Auf dieses neu und rein erhaltene Herz machte Luisens Erscheinung einen sehr tiefen Eindruck .
Hier fand er zum ersten Male den Anklang seines eigenen Herzens in der Kindlichkeit ihrer Freude , in der Innigkeit ihres Benehmens gegen Alles , was sie umgab .
Und sonderbar Sie , die ihm sein Ideal einer Schwester darstellte , war doch das erste Madchen , neben dem er an Gelübde und Orden , geistlichen Beruf und Pflicht gedachte .
Des Doktors nicht absichtloser Zuruf , der Luise mit Casimirs Stand bekannt machte , erklarte ihm plöhlich die Veranderung , welche sein Dasein erlitten , mit ihm begann der Streit zwischen Bestimmung und Gefühl , aber in diesem Streite erstarkte auch der Jüngling zum Manne .
Nun ihm sein Herz ein bestimmtes Ziel : Luisens Besieg , vorsteckte , sammelten sich plöglich alle Gründe , die er ehemals gegen die Bestimmung zum Geistlichen gehabt hatte , zu allen denen , welche er wahrend seines Aufenthalts in dem protestantischen Lande seit ein paar Jahren gegen die jchige Form seiner Geistlichkeit überhaupt gehört hatte .
Was bisher nur Gegenstand des Nachdenkens für ihn gewesen war , trat nun ins Leben , und schickfalsvoll kam ihm in diesen Tagen die erste Nachricht von den Planen zu Ohren , nach welchen die Aufhebung aller geistlichen Stiftungen und Pfründen , den Bedürfnissen und dem Geiste der Zeit gemaß , beschlossen waren .
Sein Abschied von Göttingen war nahe , dann wollte er alle Stürme des vaterlichen Widerspruchs überstehen ; des Oheims Einwilligung zu einer ganzelichen Umanderung seines Lebensplans , glaubte er sich bei den neu eintretenden Umstanden versprechen zu können .
Lange ging er mit sich zu Rate , ob er , bis es ihm gelungen sei , seine Bestimmung zu andern , das Recht habe , Luisen wieder zu sehen , das heißt : sich um ihre Liebe zu bewerben und selbst heftiger zu lieben .
Der Arzt beendigte unsanft seinen Zweifel , indem er bei einer zufallen Begegnung ihm zurief : à propos , mein junger Herr , unser schönes Kind ist uns entführt .
Das ist eine gestrenge Herrin , diese Baronin ! - Sie hat ihren Gemahl mit allen seinen Bet- und Büßpsalmen eingepackt und auf seine frankeschen Güter geführt .
Das verhielt sich wirklich also .
Die Baronin hatte einige Kunde von Radasta's Familie , sie wußte , daß der alt-katholische Adel sehr großes Ärgernis an des Komturs Beschluß , einen seiner Neffen auf eine protestantische Hochschule zu schicken , genommen hatte ; doch daß dieses der künftige Domherr sein solle , erriet sie nicht .
Von Casimir's Liebenswürdigkeit angezogen , war vielleicht wirklich der Gedanke einer Verbindung zwischen ihm und Luisen in ihr aufgestiegen ; der Widerwille , welchen sie gegen die Sekte hatte , zu der ihr Gemahl sich gesellte , machte ihr den vollkommensten Gegensatt : eine Verbindung mit einer katholischen Familie , wünschenswert , und deshalb hatte sie unvorsichtig der Gelegenheit Raum gegeben , welche die Herzen der beiden jungen Leute verband .
Luisens Frage nach der Bedeutung des Wortes : Domizellar , hatte sie aufgeschreckt .
Sie kannte nur kaltes Gehenlassen der Verhaltnisse oder eigenmachtiges Bestimmen derselben :
ihr Entschluß war daher schnell gefaßt : der Baron mußte ihr nachgeben , weil er dem Einflusse ihres starken Wesens nie zu widerstreben vermochte , und da ihm Diätendorf schon wieder Langeweile zu machen anfing , ihr Wille seine Neigungen also nicht eigentlich durchkreuzte , so ge= Schah es denn , daß die Familie nach wenig Tagen nach Feldheim , dem frankeschen Gute , auf dem Wege war , und auf diesem Hannah beizustehen Gelegenheit fand .
Hannah erfuhr von Luisen Alles , dessen sich das unschuldvolle Wesen bewußt war .
Das war wenig , und wurde von der ganz unerfahrenen Hannah nur ganz im Sinne ihrer Worte verstanden .
Was ein vereinzeltes Herz leidet , hatte sie seit ihrer Mutter Tod peinlich empfunden , denn Niemand hatte sie seitdem wieder verstanden ; mit warmer Teilnahme nahm sie daher Luisens rührende , unbefangene Geschwaßigkeit auf , als sie mit der kindlichsten Freude von ihrem Zusammentreffen mit Casimir sprach , und noch immer der widerstandlosen Hingebung in fremden Willen gewohnt , sich gar keine Klage über ihre Trennung von ihm erlaubte , soudern von ihrer Sehnsucht , ihn wieder zu sehen , sprach , als könne sie ja heute noch erfüllt werden .
In des Barons ganzem Wesen fand Hannah ihres eigenen Vaters Charakter abgespiegelt , nur mit dem Unterschiede , daß die lange Reihe von Jahren , welche dieser in der unwandelbaren Form der Brüdergemeinde gelebt , ihm jede Gelegenheit zur Unruhe und Welttand entzogen , und seine Büßgedanken ihren Gegenstand aus frühem , Hannah nie bekannt gewordenem , Leichtsinne herbeiholend , sein ganz zes Leben in zwei gleiche Abschnitte von Beten und bequemem Genießen eingeteilt war .
Allein der Baronin Eigentümlichkeiten verwundeten fi , und zogen doch ihre schüchterne Liebe an .
Bei jedem Zuge abstoßender Kalte , so oft sie durch eine Bemerkung , ein spottendes Wort , den Flügelschlag von Luisens lebhafter Phantaie lahmte , oder ihr eigenes Zutrauen zum Guten im Menschen , mit kaltem Reif überzog , war es ihr , als Ware das Alles nur die Truggestalt eines bösen Traumes , der jetzt gleich enden würde , als habe fi diese Frau gewiß schon anders gekannt und sie geliebt , und sei von ihr geliebt worden .
Allein der böse Traum endete sich nicht , und je langer je mehr fühlte sie sich beangstiget , durch die vielfaltigen , und in vielfaltigen Formen in ihrer Gegenwartchen Lebensweise sich vor ihr bewegenden Gestalten .
Gegen die Einförmigkeit ihrer Brüdergemeinde stach das Leben eines gatfreien Landedelmanns grell ab .
Sie bewunderte Luisen , der es völlig gleichgültig war , ob zwanzig , oder ob fünf Menschen im Salon fi empfingen ; sie vertiefte sich in jeden einzelnen Zug ihrer Lagen , ihrer Schicksale und war ganz betroffen , wenn die Baronin , derselben ihre aufgelesenen Nachrichten angelegentlich wieder erzahlend , ihr lachend sagte -- " das hat man Ihnen weiß gemacht " und ihr dann dieselbe Geschichte , statt -- der rührenden , von der skandalösen Seite erzahlte .
Glücklich war sie nur , wenn sie , die schönen Herbsttage benuhend , mit ihrer Luise die nahen Waldgegenden durchstreifte , wo Luise bei allen Genüssen , die Blumen , Farben , Himmel , Luft ihr gaben , von Casimir sprach , wie ihn alles dieses auch entzücken würde ! und sie entzückte ihre Hannah , die ihre Freude schon im voraus mit ihr genoß .
Wie sie bei einem ahnlichen Spaziergange durch eine Gartenpforte auf die Seite des Waldes zu gehen wollten , fanden sie vor dieser einen Mann von mittleren Jahren , dessen sehr ge = braunte Gesichtsfarbe , so wie seine Kleidung den Reisenden verriet .
Er nahte sich den beiden Madchen und bat in auslandischer Mundart des Deutschen um Erlaubnis , das Innere des Gartens zu besehen .
Luise hielt es für eine müßige Neugierde , aber des Fremden Ausdruck hatte etwas so Schwermütiges und Zutrauliches zugleich , daß sie ihm nicht nur die Türe öffnete , sondern mit ihm zurückging , und nebst Hannah einige Gange des Gartens durchstrich , wobei er aber sehr zerstreut nach dem Schlosse blickte , und demnach durch das Wenige , was er sagte , die jungen Madchen sehr anzog .
Bei einer Bemerkung , die er über eine Aussicht machte , sagte Luise rasch : " Sie kennen also die Gegend schon ? "
" Ich kannte sie in meiner Kindheit , und das erregte meinen Wunsch sie wieder zu sehen " , sagte er mit offenbarer Rührung .
Luise schlug vor , den Hügel zu besteigen , um einen größeren Raum zu übersehen ; der Fremde stimmte dankbar ein , doch an Hannah gerichtet , die er für die altere Schwester hielt , und die schüchterner wie Luise , doch gar nicht sicher war , ob dieser Spaziergang sich zieme .
Doch die unbefangene Luise war schon durch die Gartenpforte dem Walde zu gehüpft und schweigend gingen der Fremde und Hannah hinter ihr .
Plöhlich blieb jener stehen , blickte um sich , zeigte dann auf einen vom Alter gekrümmten wilden Birnbaum am Eingange des Waldes und sagte mit tiefem Gefühl :
Wie überlebt doch die Natur der Menschen Willen und Werk !
Vor vier und zwanzig Jahren schon stand dieser Baum , damals in voller Jugendpracht .
Dort an der Gartenecke befand sich aber damals ein Belvedere ; das ist zerstört .
" Haben Sie das auch gekannt " , rief Luise wieder rückwärts hüpfend , und sich neben die Stillstehenden stellend " , das hat die Mutter abtragen , und dagegen die Mauer so durchbrechen lasen , wie sie jekt ist . "
Der Fremde hörte nicht , er sah sonderbar bewegt , aber sehr finster , ja wie Luise nachher sich außerte , bösartig auf den alten Birnbaum , und Hannah schüchtern auf ihn .
Jet richtete er sich schnell auf , wie Jemand , der seinen Tiefsinn verscheuchen will ; da nahm er Tranen in Hannah's schönen blauen Augen wahr . --
Nein , rief er , unmöglich kann dieser Platz für Sie Bedeutung haben ?
Er scheint sie tief zu bewegen , bemerkte Hannah errötend vor Befangenheit ......
Nun ja , gütige , teilnehmende Seele !
er tut es !
und warum sollte ich es verschweigen ?
Dieses Gut gehörte meinem Vater ; - wahrscheinlich hat es der Ihre von ihm erkauft .
Wir hatten eine Stiefmutter , meine Schwester und ich ; vielleicht machte uns das Andenken unserer eigenen Mutter ungerecht , vielleicht litten wir , wie noch heute mein Gewissen mir sagt , unschuldig von ihrer Harte .
Um ihretwillen schickte mich mein Vater im vierzehnten Jahre in die Welt hinaus ; die Nacheste Veranlassung war eine kleine Begebenheit , die hier Stadt hatte , hier unter diesem Baume , und wenn ich bedenke , daß mir dieses Wiedersehen heiliger Statten durch Ihre Freundlichkeit erheitert wurde , so ist mir_es , als müsse ich Gott danken für diese Wohltat , dadurch , daß ich Sie , meine lieben Trösterinnen , nicht im Weltton wie Fremde behandle , sondern wie Mitgenossen eines frommen Gefühls .
--- Die beiden Madchen sahen sich betroffen an , allein Hannah fand sich einheimisch in der gefühlvoll frommen Sprache des Fremden .
Er fuhr indes , sich meist an Hannah richtend , fort :
Ich kam eines Abends mit meiner Schwester fi fand schon langst , nachdem sie in den Wunden des Lammes gelebt hatte , in dem Schoße ihres Gottes die Befreiung von einer Ehefessel , in die sie sich hatte schmieden lassen , um der Knechtschaft im entfremdeten Vaterhaus zu entgehen -- kam eines Abends mit meiner Schwester von einer Streiferei im Walde zurück .
Da fanden wir unter diesem Baum ein junges , Weib sehen , die ein liebes , schönes Kind , das gar heftig weinte , zu beruhigen suchte .
Sie rührte uns sehr durch den Ausdruck von Angst und Kummer , der über ihr schönes , ganz jugendliches Gesicht verbreitet war .
Wenn ich jetzt an , sie zurückdenke , denn ihr Bild ist mir sehr lebendig geblieben kann ich nicht glauben , daß sie schon Mutter war , sondern irgend ein Zufall machte sie zu des Kindes Pflegerin in der Fremde .
Wir baten sie , mit uns naher ans Schloß zu kommen , um ihr von unseren Sparpfennigen zu geben , als unsere Stiefmutter , die unglücklicher Weise auf jenem Belvedere saß , das ich an der Gartenecke vermißte , über unsere bedrückte Pilgerin alle Harte ihres mißtrauischen und mißgünstigen Gemüts ausgoß .
Die Fremde ermahnte uns mit Engelsmilde zum Gehorsam , zum Nachgeben gegen unseres Vaters Gemahlin -- aber ach !
mein junges Herz war zu stolz , um über Unrecht zu schweigen .
Meinem armen Vater schien es leichter , sich vom Sohne zu trennen , als seine Gattin zu regieren , und so wurde ich auf die Ritterschule nach *** geschickt ; ein sehr verehrter Lehrer das selbst zog mich nach sich nach Neuwied .
Umstande lehrten mich an dem stillen Erwerbe der Fabrikanstalten mehr Freude finden , wie an den juristischen Studien , zu denen mein Vater mich bestimmt hatte ; meine Stiefmutter hatte ihres Gatten Herz dergestalt von mir abgelenkt , daß er meinem Entschluss gar keinen Widerstand entgegen sette ; um so weniger , da er voraus sah , daß er nach wenig Jahren uns kein Erbteil mehr zu geben haben würde .
Meine Stiefmutter hatte sein nicht ansehnliches Vermögen vertan , und so kam endlich , da wir keine Lehen besaßen , auch dieses Gut in andere Hande .
Ich suchte indes mein Glück zu machen , wie man es nennt .
Ich ging in Handelsgeschafften nach Bengalen , doch Reichtümer zu sammeln in weltlichem Sinne , war mir nicht beschieden ; aber im geistigen wurden sie mir zu Teil ; ich erwarb Glauben , Liebe , Hoffnung ! werde auch wohl jenseits , Einem oder dem Anderen begegnen , der sie durch mich auch fand .
Doch unabhangig leben kann . ich , und da will ich , nun ich meines Vaters Grab besucht habe , mich irgendwo niederlassen , wo ich Gutes stiften und friedlich dem Grabe zuwallen Fan .
Hannah hatte bei des Fremden Erzahlung mehrmals die Farbe gewechselt , und die Gegenstande , welche der Fremde , der sich Herr Liefen nennen ließ , obschon sein Vater zum Reichsadel gehört hatte , andeutete , mit Rührung betrachtet .
Warum mit solchen Gesinnungen , warum gehen sie nicht nach Herrenhut oder Ebersdorf ? fragte Hannah schüchtern und unfahig , ihre Bewegung zu verbergen .
Ich verehre diese Stiftungen , und fand in ihnen die mich befriedigende Richtung , aber in sie beschranken , kann ich mich nicht .
In der reifen Natur Indiens hat der Geist mit mir aus allen Kreaturen gesprochen ; daß man mich dort zwingen wollte , ihm beschrankte Formeln zu geben , trieb mich fort .
Ich suche eine Hütte , ein paar Menschen , die mit mir empfinden , Kinder , Blumen ....
Liefen schlug als ein Bittender seine Hande in einander und sah begeisternd und verstummend den beiden Jungfrauen in ihre feuchten Augen .
Der Spaziergang war aber bei diesem Gesprache sehr langsam fortgesetzt worden , die Sonne war gesunken , der Hügel konnte nicht mehr bestiegen werden ; Hannah bemerkte es , und Luise lud den Fremden freimütig ein , sich ihrer Mutter vorstellen zu lasen .
Nach einigem Zögern , wahrend dem sein Gesicht ein beinahe angstliches Mißtrauen ausdrückte , willigte er ein .
Er entschuldigte sich bei der Baronin mit dem beflissen demütigen Anstande , welcher Religiösen eigen ist , wegen seines Reiseaufzugs , berührte im Vorbeigehen , daß sein Wagen in der Dorfschenke stehe , und gestand mit fast yorikschem Scherze , das heißt : bei dem die Zuhörer mit Nasen Augen lacheln , daß der Salon , wo man den Tee trank , der Tummelplah seiner Kindheit gewesen sei .
Die Baronin behandelte ihn mit Feinheit und An stand , fi stellte ihn ihrem Gemahl auf eine Art vor , die feine ehemaligen Verhaltnisse gegen das Gut unerwahnt ließen , und brachte Liefen auf seine Reisen zu sprechen .
Der Abend verging unter sehr anziehendem Gesprache .
Bei einigen mystischen Äußerungen des unbekannten Gastes lachelte die Frau vom Hause halb verstohlen ; der Baron horchte auf und warf einen herrnhutischen Gemeinspruch dazwischen .
Hannah wurde gar nicht von einer sonderbaren Befangenheit frei ; ihr erschien , was die Liebe und Gottergebenheit betraf , in diesem Fremden , seiner Schicksale und seiner Weltdurchwanderung wegen , das Herrnhutertum , in einer Glorie , und dann bekam sie doch wieder einzelne Acußerungen über außer Zucht aus seinem Munde zu hören , deren uneuropaisches Geprage in die Brüdergemeinschaft nicht paßte .
Die Baronin hoffte , der Herrnhuter solle sich verleiten lassen , auf diesem Wege Blößen zu geben und das war ein Possen , den sie ihrem Manne sehr gerne spielte ; allein Liefen wich aus und vertiefte sich in einen Pomp indischer Allegorien und Naturansichten , bei dem der Baron die Hande faltete , so oft von ganzelicher Ertötung des irdischen Menschen die Rede war , Hannah aber angstlich auf ihre Handarbeit fang ; weil sie das Lacheln auf der Baronin stolzen Lippen verstand .
Liefen verlicß das Schloß , mit zuhaltender Ehrerbietung in seinem Danke für die Einladung bald wieder zu kommen , und einem ausdrucksvollen , oft zu Hannah zurückkehrenden Blick , wobei er von dem heute in ihm erwachten Wünsche sprach , in der Nahe dieses seines Geburtsortes ein kleines Eigentum kaufen zu können . hatte ganz vergessen , wie Vaterlandsboden anzieht , " sagte er ; " nun ich hier als Fremdling stehe , fühle ich , daß ich hier leichter heimisch würde , Ich als anderswo . "
Hannah grüßend , deren Hand er allein geküßt , und sie sanft haltend in ihr Auge sah .
Die Ba= ronin blieb nach seinem Fortgehen gedankenvoll stehen ; wie ihr aber gleich darauf die Madchen gute Nacht wünschten , zog sie Hannah zu sich und umarmte sie mit Gefühl .
Hannah schien sehr überrascht -- das war nie geschehen ! fi küßte in demütiger Stellung der Baronin Hande und sprach leise und innig : liebe , liebe Mutter ! -
Er sagte das im Weggehen , Sobald die jungen Freundinnen im Schlafziem = mehr waren , schloß Luise die Türe ab , als solle Niemand sie stören , und rief , indem sie mit komischer Verwunderung die Hande aufhob : heute ist viel , viel vorgefallen ! der Fremde hat dich lieb , und die Mama ist zartlich gewesen ! das Erste ist ganz natürlich , aber das Zweite ist unerhört ! mich hat sie noch nie so an ihre Brust gedrückt . -- liebe Hannah , nun sehe ich , wie lieb du mir bist , weil ich gar keine Eifersucht darüber empfinde , nur eitel Freude .
- Hannah liebkoste die kleine -- Schwagerin für ihre edle Freude an ihrer Mutter Teilnahme , war aber selbst von dem Eindrucke des heutigen Tages so voll , daß sie wenig zu antworten vermochte . " Ob wohl Casimir an dem Herrn von Liefen Gefallen finden würde ? " fing Luise eine von ihren Betrachtungen wieder an , " das wahre gar schön ! ach , da sollte Liefen sich lieber in Böhmen ankaufen , damit wir alle beisammen waren ! "
" liebes , kindisches Madchen " , sagte Hannah , indem sie sich nach ihrer Gewohnheit in den dunkelsten Teil des Zimmers zu einem stillen Gebete zurückzog " , ich habe dich schon oft gebeten , nicht am Schlusse des Tages so in die Zukunft hinein zu flattern .
Da sollen wir vielmehr mit der Vergangenheit abrechnen .
Ach , und der heutige Tag hatte mich mehr , wie du weißt , in die Vergangenheit fest . "
Mit zartlichem Ungestüm drang Luise um Aufschluß tiefer rathselhaften Worte , aber bei Hannah's halb vorwerfendem Blicke ehrte sie die andachtvolle Stellung der Gespielin und legte sich nieder ; fi gewann es über sich sogar , dann nicht mehr zuschwaßen , wie sie ihre Freundin nach beendigtem Gebete leise weinen hörte .
Sie rief sie nur zu sich und küßte schweigend und innig ihre bethranten Wangen .
Vielleicht war es derselbe Abend , an welchem Casimir , nachdem er auf seines Oheims Befehl Berlin und Dresden besucht hatte , in dem alten Stammschlosse seiner Ahnen ankam ; er fand zu seiner großen Überraschung seinen Vater , den er in seiner Garnison glaubte , bei seinem Oheim , und beide über die Nachricht von seines Bruders Ignaz Tode trauernd .
Eine Wunde , die er bei H. .... empfing , hatte durch ihre Folgen den blühenden Jüngling zerstört .
Casimir hatte noch keinen geliebten Toten beweint , dieser erste schien ihn in den ersten Tagen von allem Leben zu scheiden , so , daß er nicht wagte seines Planes zu einem frohen Leben zu gedenken .
Wie nun aber die erste Bestürzung vorüber war , scheute er sich dennoch die lachende Freudenwelt , die er sich schaffen wollte , vor das Auge der beiden trauervollen Manner zu führen .
Des Komturs Versunkenheit in finsteres Nachsinnen beangstigte ihn mehr , wie seines Vaters Weichheit .
Nach und nach wurde es ihm aber klar , daß er seines Bruders Tod wohl mit unter die Gründe rechnen dürfte , warum es gut für ihn sei , den geistlichen Stand zu verlassen und daß die Dauer der Familie Radaste nun einzig auf seinem Bruder Nepomuk beruhe .
Sein zartes Gefühl gebot ihm , diese Betrachtung zurück zu weisen , er fand es so unwürdig , an dem Grabe eines Bruders einen Vorteil zu berechnen , und in diesem Streite seiner Gefühle gingen einige Tage vorüber .
Unmutig stand er einst in der Abenddammerung in Betrachtung vertieft an einem Fenster , welches die Aussicht auf die verlassene Stammburg hatte , und erblickte seinen Oheim , der eine kleine Laterne tragend auf die Ruinen zuging , sich aber nicht dem , noch vom Verwalter bewohnten , Teile des Schlosses naherte , sondern um die alten Mauern schritt und sich in dem dichten , diesen Teil des alten Schlosses umschließenden Walde verlor .
Casimir erstaunte über einen so gewagten Gang im Herbstdunkel auf einem , zu keinem Ziele führenden Wege .
Unbefangen verließ er das Haus , um dem Oheim nachzugehen , bloß auf dessen Gesundheit bedacht , weshalb er , wie er bei seiner Annaherung an jenes Dickicht durch die halb entlaubten Baume eine Laterne erblickte , sicher , daß es der Oheim sei , ihm zurief .
In diesem Augenblicke warf jener seine Laterne zu Boden , oder fi fiel ihm aus der Hand , und indem das Licht vom Boden noch einmal aufloderte , erblickte Casimir ganz deutlich eine , in ein graues Eremiten- oder Mönchsgewand gekleidete Gestalt , die den dürren Reisig mit dem Fußtritt zerbrechend entfloh .
Der Komtur schien auf seine Leuchte zu treten , schritt dem Neffen entgegen und führte ihn , seinen Arm fasend , zu dem Wohnhaus zurück .
Casimir machte ihn liebevoll auf die Gefahr dieses nachtlichen Ganges für seine Gesundheit aufmerksam , erhielt aber ein so gefaßtes : " Die kann zuweilen auch nur die zweite Stelle in der Betrachtung einnehmen , " zur Antwort , daß er , von des Oheims alter Herrscherweise zur Ruhe gewiesen , weder Fragen tat , noch seinen Vorstellungen etwas zuseßte , sondern schweigend neben ihm herging .
Da Casimir's Zimmer der Hinterpforte , durch welche sie ins Haus kamen , am Nachesten war , traten sie zusammen , um Licht zu holen , dort ein , statt daß sich der Komtur aber fortbegeben sollte , schritt er schweigend im Zimmer auf und ab , und schien mit finsteren Gedanken zu Kampfe .
Casimir ging mit sich selbst zu Rate , ob er nicht diesen Augenblick ungestörten Beisammenseins unverzüglich benußen solle , um seinem Oheim sein Herz zu eröffnen .
Noch unentschlossen , weil er Scheue trug , den Greis in der spaten Nachtstünde zur Aufmerksamkeit aufzufordern , und seinen Blick wehmütig auf ihn geheftet , weil er seit seiner Letten Trennung von ihm so gar gealtert , und heute so gar Kummer gebeugt dahin schritt , schreckte ihn die lebhafte Bewegung auf , mit welcher der Komtur plößlich mit der Frage auf ihn zuschritt : "Casimir , wenn deiner beiden Vater Wunsch und das Wohl deiner Familie es fordern , deine bisherige Laufbahn zu andern und eine dir von uns bestimmte Frau zu nehmen , wirst du es tun ? "
Auf diese Frage war Casimir nicht gefaßt gewesen .
Seine gewohnte Ehrfurcht gegen den Dheim und die be- sondern Umstande dieses Moments , machten es ihm unmöglich , das Beglückende in diesem Zusammentreffen seiner und seiner Verwandten Wünsche hervorzuheben .
Die zweite Halft der Frage " , eine von ihnen bestimmte Frau " dampfte jedoch seine Freude .
Er sagte daher mit großer Bestürzung : " Mein Oheim , ich nahm die Tonsur auf Ihren Rat , ich trete mit Freuden in die Welt zurück , allein die Frau , welche ich nehme , muß ich Wahlen . "
" Casimir , nahm der Komtur mit sichtbarer Spannung das Wort " , dieser Moment vereinigt die traurigsten Botschaften .
Dein Bruder Ignaz hat mit Leichtsinn seinem künftigen Glücke getraut und hinterlaßt uns viele Schulden zu zahlen und nie sollen unbefriedigte Glaubeger den Namen Radaste verwünschen !
Ich habe mit unseliger Blindheit Summen gewagt , welche deine Zukunft sicheren sollten des Siegers Schwert , des Siegers Geisteskraft , der Zeiten Geist ist starker , als das mühselig zusammengelegte Gold , zu dem ein großer Teil meines indischen Reichtums , wie ihr es nanntet , geflossen ist .
Die Stifter , diese Fontäne de jouvence des hohen Adels , werden gewiß aufgehoben , und auf diesem Wege findeft zu keine Größe , keinen Wirkungskreis mehr .
Zum wirklichen Priester mit der Tiare im Hintergrunde , mein Casimir , dazu kann in Nachesten Zeiten , so daß es der Mühe wert ist , nur ein zweiter Hildebrand gelangen , - aber , Casimir , du sollst nicht Fürstendiener werden , für armseligen Sold ; kannst du nicht mit reichen Hilfsmitteln ins Große wirken , so sollst du als freier Mann deinem Lande nüsslich sein , deshalb bestimmen wir dir eine reiche Frau . " warum reich ?
Oheim , wir haben ja nun Gesetz hen , wohin Menschenplane führen " Reich ?
Lassen Sie Nepomuk die reiche Frau nehmen , lasen Sie ihn der Familie ihren Glanz wieder geben "
Der Komtur schwieg einen Augenblick , dann sagte er finster und halbleise :
" Nepomuk heure täte die Tochter eines französischen Feldherrn und dient jetzt am Hofe des Siegers . "
" Gott , ein Abtrünniger ! " rief Casimir von einem sonderbaren Schauer ergriffen , daß der Einsturz alles Alten mit seinen ungeheuren Trümmern auch das kleine Gebaute seiner Heimat hingerissen hatte .
Nenne das nicht so , " rief der Oheim warnend . "Lebe und lerne !
Ich habe in diesen zwei Jahren so viel gelernt ! .... "
Er hatte sich gesetzt und hielt das Gesicht in beide Hande gelegt , inne .
" Nun weißt du unsere Wünsche , " nahm er nach einer Pause wieder das Wort : Morgen früh sprechen wir in deines Vaters Gegenwart weiter .
Schone deinen Vater , eröffne ihm die lehte frohe Aussicht im Leben , denn sein Herz ist gebrochen , vielmehr durch Nepomuks Glück als Ignazens Tod ! "
- Der Cam thur nahm einen angezündeten Wachsstock und ging zur Türe ; wie ihm Casimir angstlich und wie traumend nachtrat , blieb er stehen , sah ihn an und streichelte sonderbar bewegt seine Wangen . " Mein Sohn , ich bin sehr anders geworden , " sagte er mit bebenden Lippen " , und um mich her ist sehr Vieles anders geworden ...... . .
Gute Nacht ! "
Ach Casimir sah es wohl , daß er anders geworden war !
er war aus einem markvollen Manne mit südlicher Lebendigkeit in Haltung und Gang , ein blasser ergebener Greis Ges worden ; nur da im Garten , als er sagte : " die Gesundheit könne auch wohl die zweite Stelle in der Betrachtung einnehmen , " loverte sein altes Feuer in ihm auf und er war auf einen Augenblick der Alte ; jekt schwand er vor Caimir's Aus gen zur Türe hinaus , wie eine bleiche Erscheinung .
Wie des anderen Tages die Veranderung in Casimir's Lebensplan in Gegenwart seines Vas Teeres besprochen wurde , stand der Jüngling nicht an , seine Neigung für Luise zu gestehen , und bat feine vaterlichen Freunde mit dem Feuer der Liebe und der Jugend , seine Wünsche mit ihren Platz einen in Einklang zu bringen . " Sie ist eine Kezerin , " rief Vater Radata mit gewohntem Unwillen .
Über des Komturs trübes Gesicht glitt ein Lacheln ; er sagte besanftigend : " Sieh , Bruder , das ist nun einer von den Fallen , in dem wir unsere alten Ansichten durchaus andern müssen .
Luisens Mutter ist ja katholisch .
Liebt nun das Madchen , liebt sie ... . . wie ein Weib den Mann lieben soll , so wird sie sich auch in der Kirche nicht von ihm trennen wollen . das der Zeit .
Aber ist sie reich ? "
Überlasse " Das sagt man , " antwortete Casimir , an den sich diese Frage richtete , doppelt angeregt über den Anstoß wegen der Kirche und der empörenden Bedingung des Geldes . " Casimir , " nahm der Oheim wieder das Wort , ich habe mein Leben damit hingebracht , Irrtum um Irrtum zu tauschen , und würde . jetzt verzweifeln , wenn ich mir gar nicht bewußt Ware , stets in so fern uneigennüßig das Gute gewollt zu haben , als ich meinen persönlichen Vorteil nicht dabei suchte .
Wie wir dich der Kirche bestimmten , hatte ich große , große Absichten .
Sie sind dahin .
Die Kirche ist in Deutschland gestürzt , der Adel kann es auch werden ; aber die Geschichte wird alle diesen Einsturz überleben , fi nennt deine Ahnen .
Und nun bleibt mir nur noch eine Hoffnung , eine Aussicht : daß eine reiche Heirat dir die Mittel gebe , wie deine Urvater Land zu besiken und durch Einfluß oder Gesetz Leute zu regieren , in patriarchalischer Zucht .
Unsere Böhmen gehen so langsam mit der Zeit fort , daß der Neuerungsschwindel veraltet sein wird , ehe er sie ergreift ; - bis dahin siehst du ferne von dem Einsturze der Fürstenhauser ein beglücktes Geschlecht um dich erblühen .
Du erinnerst dich , was ich dir gestern Nacht von meinem Vermögen sagte ;- um nicht unseren Namen in unsere Graber versinken zu sehen , sagen dir deine beiden Greifenvater , du mußt eine reiche Frau heiraten . "
- "Casimir , dein Oheim sprach mit meiner Zustimmung in meinem Geiste , " fing der Vater wieder an " , nur eine sehr reiche Frau kann ich als Schwiegertochter anerkennen , und diese Nachgiebigkeit bist du mir schuldig , um mich um Ignazens Tod zu trösten .
Durch sie kannst du den Fluch von deines noch lebenden Bruders Haupt abwenden denn wahrlich , wahrlich , zwei mißratene Söhne ertrüge ich nicht , o ich ertrüge sie nicht " . ... Casimir nahm erst jeht wahr , wie tief sein Vater erschüttert war .
Der alte Mann stand mit zitternden Knien und hatte beide Hande auf seinen Scheitel gelegt und drückte fi fest , als wolle er sein armes Hirn zur Ruhe drücken , indes sein Blick , immer an der Decke schweifend , den untergegangenen Leitstern zu suchen schien , Für Casimir war das Geld immer von so wenigem Wert gewesen , seit kurzem war ihm die Liebe so viel geworden , in ihm stritt seine Verachtung von Luisens Glücksgütern mit der Notwendigkeit , sie um seines Vaters Segens Willen mit in Rechnung zu ziehen ; und in diesem Gedrange überredete er sich von den Summen , nach welchen man in Gotha des Barons Vermögen geschaßt hatte , und bat seinen Vater , sich auf irgend eine Art um die naheren Umstande ihres Vermögens zu erkundigen .
Der alte Vater ging in diesen Vorschlag mit der Bereitwilligkeit ein , mit welcher des Kummers müde Menschen einen Aufschub des drohenden Übels so gerne für eine Vermeidung desselben ansehen .
Die Zeit , bis diese Vorsichtsmaßregeln Folgen haben Konen ten , ging sehr trübe hin .
Wie wir Rosenknospen sehen , deren außer Blatter welken und die schwellende Kraft der Knospe gewaltsam umschließend , ihre Entfaltung verhindern , so war die schöne Blüte von Casimir's Liebe im Entfalten gelahmt .
Und was er vornahm , und in welcher Verbindung er sich die Dinge des Lebens dachte , war doch Luise dazu unentbehrlich geworden .
Des Vaters Gesundheit wurde taglich schwacher .
Gewohnheit und Alter machten ihm das Neue , was auf ihn einstürmte , schon als Neues drückend , dem eigenen Kummer wußte er gar nicht zu widerstehen .
Der Oheim lebte in einer für Casimir ganz unerklarlichen Thatigkeit , die alle seine Zeit hinnahm und alle seine Heiterkeit tötete .
Des Tages über sah man ihn emsig mit auslandeschen , meist geschriebenen und mit befremdlichen Bildern bereicherten Schriften beschaftigt , Nachts , wenn alles zur Ruhe war , bemerkte Casimir zu seinem Erstaunen , daß er nie fehlte , jenem Teile des alten Schlosses zuzugehen , um dort mehrere Stunden zu verweilen .
Ehrerbietige Scheue vor feinem Geheimnis hielt den Jüngling ab , jene Gegend zu untersuchen ; der Nachhall des Kinderglaubens , der Oheim sei mit sonderbaren Kraften vertraut , gesellte sich zu dem Eindrucke , welchen die Bestimmtheit machte , mit welcher er jetzt von dem Nahen großer politischer Veranderung sprach , die er schon jetzt in die Berechnung von feines Neffen Lebensplan aufnahm .
Der Kuma mehr , der den tief gerührten , ehemals so klaren Alten dabei sichtlich drückte , trug dazu bei , sein Geheimnis in Casimirs Augen zu heiligen .
In einer Nacht vor Schlafengehen sah er ihn mit einem Manne von dem Gebüsche herwandeln , der in ein graues Gewand gehüllt , ganz der Gestalt glich , die er an jenem Abend , da er den Dheim beim alten Schlosse aufsuchte , in dem Gebüsche gesehen zu haben glaubte .
Der Komtur trug einige Packe , die Casimir für Schriften hielt , begleitete den Fremden an eine ins Feld führende Pforte , zu der er sich den Schlüssel allein vorbehalten hatte , und schien ihn nach einer langen Umarmung zu entlassen .
Casimir hörte den heim darauf in sein Zimmer gehen , das im entgegengesetten Flügel einem seiner Fenster zugekehrt war .
Aufgeregt durch die Sonderbarkeit des beobachteten Vorgangs , blieb er noch eine Weile außer Bett , als er plößlich eine Besorgnis erregende Helle in des Oheims Zimmer gewahr wurde , die ihn Feuergefahr fürchten ließ .
Er flog durch die Gange und trat ohne Vorsicht bei ihm ein .
Rauch und Flammenhelle stritten in dem Gemache allein der alte Mann saß am Kamin und suchte mit der Feuerzange eine Menge Papiere zusammenzuhalten , um sie zu schnellem Auflodern zu bringen .
Casimir rief ihm zu , wie er besorgt wegen der ungewöhnlichen Helle herbeigeeilt sei , um im erforderlichen Falle ihm Hilfe zu leisten .
Es war unnötig , sagte jener , offenbar eine unangenehme Überraschung verbergend , ich ver- Zugleich ergriff er einige Stücke weißen Zeuges , welche reich und farbig verziert waren , und suchte sie schnell in die Flamme zu stoßen .
So gehe ich wieder , sagte der Neffe verlegen , als hatte er sich einer Zudringlichkeit schuldig gemacht .
Mit Gott , mein Kind , sprach der Komtur leise und arbeitete fort .
Langsam und verdrießlich kehrte Caimir zurück , ein metallenes großes Petschaft in der Hand bebrenne Papiere haltend , an das er , wie er des Oheims Türe öffnete , mit dem Fuße gestoßen war , es von dem Boden aufgehoben und aus Verlegenheit in der Hand behalten hatte .
Wie er es in seinem Zimmer besah , erblickte er eine wunderliche Gestalt darauf : eine menschliche Gestalt auf einem runden Gefaße fekend , das auf einem Gewasser schwamm .
Er erinnerte sich eine ahnliche Gestalt in mancherlei Abanderungen auf der Schriftrolle gesehen zu haben , welche der Oheim in der letzten Zeit so fleißig gelesen , aber stets sorgsam verschlossen gegolten hatte .
Der einfache Jüngling , dem Ritter- und Geistergeschichten nie den Kopf angefüllt hatten , fühlte sich sonderbar beengt über den Zusammenhäng , den diese Geheimnisse mit dem Leben seines Oheims zu haben schienen .
Er scheute sich , diesen des morgenden Tages wieder zu sehen , weil es ihm , der nie einen Gedanken seiner Seele verborgen hatte , peinlich wurde , immer mehr Gegenstande , die ihn so lebhaft beschaftigten , nicht vor dem geehrten Manne erwahnen zu dürfen .
Von der Verlegenheit dieses Wiedersehens wurde er durch eine frühe Botschaft von seinem Vater zerstreut .
Der alte Mann hatte eine sehr schlechte Nacht zugebracht , in der er die Ruhe seiner Hausgenossen durchaus nicht stören wollte .
Nun sehnte er sich nach dem Anblicke seines Sohnes .
Casimir brachte einen großen Teil des Tages an seinem Bette zu , und nur wie die thatige Hilfe des Arztes für jetzt das Leiden gemildert hatte , begleitete er den Komtur in das Freie , wo die ersten Vorboten des Frühlings die tote Landschaft mit dem belebenden Lichte , mit dem Ahnung erregenden Leben , die unser Herz so selig beklemmen , umfassen .
Der Oheim sprach über den herrlichen Wirkungskreis , den sich Casimir als Gutsherr schaffen könnte , wenn er mit seiner Frau Vermögen seine Güter ganz schuldenfrei machend , die Vorteile ihrer Lage benukend .
Die großen Walder von Trepzy sollten Boden zu einer Kolonie hergeben , welche von den fleißigen Protestanten des benachbarten Sachsens bevölkert , ihre katholischen Brüder belehren würden ; in den Hügeln und auf den Heiden des Stammschlosses sollten Schaf- und Bienenzucht die Einwohner bereichern und doch in der Einfachheit erhalten , die ihre Abgelegenheit von großen Staaten ihnen bisher zugesiz kehrt hatte " , auf deiner Luise Gütern , sagte er , wenn sie dein wird , steht dir eine neue , eben so wohlthatige Wirksamkeit bevor ; in zwei Landern Vertreter deines Standes , oder Abgeordneter des Volkes , kann dich freilich etwas ganz Anderes als ich wollte , aber eine sehr schöne Zukunft erwarten . "
Casimirs Herz war sehr voll , aber verstimmt , weil er in allen Aussichten des Oheims die Berechnung oben an stehen sah , und die Gegenstande , welche seinen Reden zum Grunde lagen , Standesvertreter und Volksabgeordneter , damals als praktische Dinge einem jungen deutschen Ritter so fremd waren , wie ' das agyptische Totengericht den regierenden Haupten .
Das Unverstandliche in des Oheims Rede erinnerte ihn an das Geheimnisvolle der verflossenen Nacht , und aus übler Laune und Verlegenheit zog er das befremdliche Siegel hervor und gab es , die Weise wie er dazu kam erzahlend , dem Oheim in die Hand .
Sichtbar überrascht nahm es dieser mit den Worten :
" Ich habe diese Nacht dieses Siegel sehr sorgfaltig gesucht , es gehört zu den Papieren -- es gehört zu meinem vergangenen , vergeblichen Leben " .
-- Er hatte , es betrachtend , und am Ufer eines , wie man diese Quellengründe nennt , bodenlosen Teiches hingehend , sehr langsam gesprochen ; ` jekt schleuderte er es plößlich mitten in die Tiefe , sah ihm scharf nach und sagte , sich mit sonderbar verklarten Zügen aufrichtend : doch warum vergeblich ?
weil nicht alle Blütentraum reiften ? reifte doch ich -- und Casimir , kannst du mir doch eine Unsterblichkeit auf Erden gewah Ren , wie ich der Unsterblichkeit jenseits , wenn gleich ganz im Gelingen verarmt , dennoch entgegen gehe .
- Casimir war überwaltigt von diesem Vorgang ; er ahnte , daß , was er von des Oheims Reden nicht verstand , sehr groß , daß was er von seinen Planen nicht faßte , sehr edel sein könnte , und drückte reuig des Greisen Hand an seine Brust .
Dheim , rief er , wenn mein Herz nur frei Ware , damit Ihre Wünsche nicht als Handelsplan in meine Wünsche eingriffen .
Oder , unterbrach ihn der Komtur zürnend , damit die Vergaffung eines Jünglings die Absicht , wenn auch nur mit wenigen Sandkörnern , an dem Glücke der künftigen Jahrhunderte zu bauen , nicht zerstörte .
Casimir ließ des heims Hande langsam sinken und zwang den Strom von Leidenschaft zurück in sein Herz , der sich in seiner Antwort ergießen wollte .
Um so tiefer wühlte er da , und die Liebeswarme , die in den Tagen des ersten Bisam menseyns mit Luisen sein Gemüt entfaltet , die ihm mit frommer Sehnsucht , nur das Rechte zu tun , bisher den Wunsch erhalten hatte sein Glück auf die Bedingung seiner geehrten Verwandten suchen zu wollen , wurde nun zu einer Glut , in der sich Selbsttantigkeit , ja Eigensinn : stahlt .
In dieser Stimmung kam ' endlich die lang erwartete Antwort auf die Nachfrage wegen des Baron Moors Vermögen .
Sie besagte , daß es ohne Zweifel bedeutend sei , aber nicht wie das Publikum glaube , unfehlbar der einen Tochter gehöre , sondern jeden Augenblick durch Wiederfinden einer früher Verlorenen , die Erbschaft in zwei Teile gehen könnte .
-- " Dann reicht sie nicht hin , deine Güter von Schulden zu befreien , und somit ist diese Verbindung unwiderruflich abgebrochen " sagte der Vater , nachdem er die angegebene Totalsumme von Luisens Erbe dividiert hatte , und sich nun mit der sich zum Gesetz aufdringenden Gleichgültigkeit des Alters , der Krankheit und des Unglücks an seinen Sohn wendete .
Casimir schwieg , im heftigsten Kampfe mit seinen Empfindungen .
Der Komtur hatte , leise im Zimmer auf- und abgehend , dem Ablesen des Briefs zugehört , er blickte jetzt seinen Neffen fest an , nahte sich ihm und sagte , nicht ganz unbefangen seine Hand auf des Jünglings Schulter legend :
" Du siehst , wir sind offen zu Werke gegangen , nun ist es an dir , in unserem Sinne zu handeln . " ---- Mein Oheim , erwiderte Caimir , indem er frei und edel vor ihn hintrat , in so fern ich unsrer Familie Ehre machen will und der Name Radaste durch mich zuverlassig mit Segen und Liebe ausgesprochen werden soll , bin ich fest entschlossen , nur in Ihrem Sinne zu handeln .
Allein die Gemahlin , welche Sie mir vorschlagen , nehme ich nicht , und wo möglich nie eine andere , wie Luisen .
Ich werde nicht so reich sein , aber mein Lebensplan ist entworfen , ist in diesen trüben Wochen gereift .
Die heilige Pflicht , diese Landereien , die Ihnen , mein Oheim gehören , von allen Schulden frei zu machen Vermögen , auch ohne Luisens diese Pflicht übernehme ich :
- Lassen Sie mich ihr Verwalter sein !
Der Vater klagte mit kranker Empfindlichkeit den Sohn an , ihm die lehte Beruhigung seines Les bens zu rauben .
Der Oheim sagte : und wenn ich diese Landereien einem anderen Pachter gebe und den Lehensherrn mit dem verschuldeten Stammschloß allein stehen lasse ?- Dann , mein Oheim , muß der Verarmte auf einem weiteren Umwege auf sein Ziel zugehn , aber erreichen tut er es doch ! --
Knabe , rief der Komtur überrascht , woher kam dir dieser Troß ?-- Ich weiß es selbst nicht , mein Oheim , antwortete Caimir mit tiefer Ehrfurcht , der Anblick vom Umsturz alles Bestehenden , wovon die Nachricht mich hier empfing , Ihre eigenen Äußerungen , Ihr eigener Wille eine Laufbahn abzuandern , hat mir ein Mißtrauen in alle Hilfsmittel gegeben , die ich mir nicht selbst verschaffen kann , zu denen ich nicht selbst genüge .
Ich fühle mich begeistert und kann Martyrer werden , wenn die Umstande es heischen , aber Mittel , die auch dem Gemeinsten zu Gebote stehen , muß ich verachten .
Von da an erlebte der Jüngling eine sehr bittere Zeit .
Der alte Radaste konnte sein Lager wenig mehr verlasen und statt von der Nahe feines Sohnes Trofft zu schöpfen , bot er jede kraftigere Stunde seines hinschwindenden Lebens auf , um ihm ein Versprechen abzubringen , das ihn auf ewig von Luisen getrennt hatte .
Casimirs Seele war zerrissen , aber er beharrte fest auf seiner Antwort : daß er sich nicht für berechtigt hielte , feinem Vater in einem Unrecht beizupflichten , das dieser falbst früher oder spate bereuen würde .
Ich verspreche , mein Vater , wiederholte er oft , Luisen nicht wieder zu sehen , so lange es Ihnen selbst nicht Freude macht .
Allein das war dem an der einzigen ihn noch beschaftigenden Idee klebenden Manne nicht genug ; in der Nachesten Stunde , begannen Bitten und Zorn von Neuem .
Der Komtur blieb bei Cafimirs bestimmter Erklarung finster und in sich gekehrt .
Nicht Unwille gegen den Neffen schien sein Wesen zu bestimmen , denn er betrachtete ihn mit Rührung und Beifall , wenn er in fichtbar peinlichem Kampfe der kindlichen Liebe mit dem Bewußtsein seiner Rechte , des Vaters Zudringen die liebevollste Milde entgegen seßte .
Er erhielt von Zeit zu Zeit unbekannte Boten , deren gebrachte Nachrichten ihn immer mehr betrübten , wobei er aber jedesmal mit mehr Weichheit Casimirs Gruß erwiderte , oder feine Rede beantwortete .
Diese beiden Menschen gingen um einander herum , als verhindre fi ein Zauber sich zu vereinigen , aber als wüßten sie , es müsse , ihn abzuwarten , gelingen .
- In diesen Verhaltnissen trat unerwartet des Vaters sanfter Tod ein .
Mit unendlicher Angst hatte sich Casimir seine letzten Bitten , sein lehtes Gebot gedacht , und Gott oft um Kraft und Erleuchtung gebeten , diesem zu begegnen .
Nun wachte er eine Nacht bei ihm , tat ihm herzliche Hilfsleistung bis nach Mitternacht ; da ließ der Husten nach , den Kranken zu Qualen , er schlummerte ein , und Casimir den Kopf an dessen Hauptkissen lehnend , schlummerte auch , seine Hand auf des Vaters Brust ruhend , um seine leiseste Bewegung zu empfinden .
Endlich wachte er von dem Druck einer schweren kalten Hand auf , welche seine auf des Vaters Brust ruhende Rechte gefaßt hatte , die kalte Hand die ihn festhielt , war des Vaters schon erstarrte Totenhand .
Er war sanft hinüber geschlummert , seine lehte Bewegung hatte des Sohnes Hand liebkost , aber dieser spürte fi erst , wie fi mit schwerer Todeskalte auf ihm lastete .
Der Sohn blieb lange in zerfließender Wehmut _ neben der Leiche ; er sprach mit ihr , als sei aller Mißverstand zwischen ihnen gehoben , als sei er nun des Vaters Segen sicher zu dem Beginnen , zu dem er ihm wohl oft mit seinem Fluch gedroht hatte .
Die Umstehenden wußten einen so tiefen Schmerz bei solcher Beharrlichkeit , die Leiche nie zu meiden , bei einem so vertraulichen Dienst bei ihr , gar nicht zu begreifen .
Der Komtur hatte ihn am Sterbemorgen gefragt : hast du dich noch mit deinem Vater verstandigt ?
Hier nicht , antwortete Caimir , aber jekt versteht er mich !
Der Oheim fragte nichts mehr .
Die Laffenschaft war bald berichtigt , das Wenige , das der Vater gehabt hatte , war zu Bezahlung von Ignaz Schulden nicht hinreichend , das Stammgut mit den darauf haftenden Schulden fiel Caimir als dem altere zu .
Wie das geschaftsmaßig und gefeßmaßig erwiesen war , trat Caimir vor den Oheim und sprach :
" Mein zweiter Vater , ist es wirklich Ihr Wille , mich fortan zu verleugnen , soll ich einzig mit den Kraften , die Ihre Erziehung in mir entwickelte , und mit der Ehre meines Namens mein Glück machen , so ehre ich Ihren Willen , gehe innig dankbar gegen Sie in die Welt und suche einen Rang , ein Auskommen zu erstreben , welches mir das Recht gibt um Luisen zu werben .
Zuerst gehe ich zu ihr , nicht um sie zu fesseln nicht einmal um sie zu gewinnen , auch nicht um meine Augen an ihr zu weiden ! - -
O ich habe sie genug gesehen aber um ihr zu sagen , daß ich sie liebe und sie zu verdienen streben will . "- Und wenn ich dir die Trümmer meines Vermögens hinterlasse ? --- Mein Oheim , Sie haben mir erlaubt , mich mit Ihren Angelegenheiten , so weit sie actenmaßig bestehen , bekannt zu machen dann gehe ich auch zu Luisen , frage sie ob sie mich lieben kann , gibt sie mir Hoffnung , so bitte ich Sie mich zu Ihrem Pachter zu machen .
Dann arbeite ich vier , fechs Jahre mit aller Kraft der Jugend und der Liebe , und dann habe ich , wenn Gott mein Bemühen nicht hindert , die Güter so weit hergestellt , daß ich mich nicht schamen darf , einen Teil von dem Vermögen meiner Frau auf sie zu verwenden . "
Und wenn der Baron dem verschuldeten Radata seine Tochter verweigert ?
- Casimir glühte , stand einen Augenblick an , sagte aber dann mit stolzer Haltung : " So fahre ich fort zu arbeiten , bis ich Alles allein vollbracht , und Ihr Alter entbehrt der Tochter Pflege , wie meine Jugend des Glücks . "- Der Komtur hatte diese ganze Zeit gegen heftige Rührung gekampft , ist wendete er sich ab und schritt den Saal herab , in welchem das Gesprach Stadt fand , blieb unten , Fassung erkampfend , vor dem Bilde eines alten Radaste stehen , der bei der Erstürmung von Belgrad gefallen , weshalb der Hintergrund des Bildes nach alter Kunstmanier Metzelei und Brand darstellte ; wie er glaubte , er werde nun ruhig sprechen können , ging er den Saal wieder hinauf , aber sein Gefühl nötigte ihn noch eine Station zu machen , und er lehnte sich an einen mit Kupferstichen belegten Tisch .
Nach einem Moment sah Casimir , wie er beide Hande vor das Gesicht legend schluchzte .
Er flog zu dem Greis , umfaßte seine Knie und rief innig : "Dheim , Dheim , wollen auch Sie mein Tun auf Erden nicht segnen ? " Komtur reichte ihm die Rechte zum Aufstehen , zeigte mit der Linken auf einen großen Kupferstich Franklins , vor den er zufallig hingetreten war , und sagte mit mühsam gehaltener Stimme : " diesem Mann ist das Höchste geglückt , ihn ´ umgibt der Segen einer neuen Welt , ihm schmeichelt die himmlische Harmonie lauter reiner Taten im Letten Schlaf ; mir ist Alles mißglückt , der Fluch und der Spott des Zeitalters ruht auf den Trümmern meines ganzen Standes und die Mißtöne eigener Handlungen heulen um mein Totenbett . "- Von Neuem bedeckte er sein Gesicht und ein langes Schweigen , das Casimirs schreckenvolles Ergriffensein nicht unterbrach , lag auf Beiden .
" Forsche nie weiter , nahm nach langer Pause der Oheim gelassen das Wort , fürchte nichts für mich , ich kenne die Zeit , ich sehe sie vor mir , wo mir in dieser Finsternis Licht entglimmen wird .
Mit deinem Vater sank die lehte Stüße meiner Hoffart ins Grab , und es tut mir Not zu sagen , was ich lange mit Beschamung erkannt hatte :
ich war kein gereifter Mensch , ich war nur ein Krafttiger Egoist .
Unter dieser Erkenntnis hast du mich in dieser Zeit leiden sehen ; wie ein Schiff nicht in eigener lebendiger Kraft die Wogen durchschneidet , sondern wenn günstige Winde seinen mechanischen Bau forttreiben , so haben fremde Kraft mich getrieben , sie brachen ein und ich bin nun ein wertloses , hülfloses Wrack , die Masten , die Segel von einem machten Sturme zerschmettert , trieb es leblos an einen dürren Strand .
Was ich habe , ist dein , zuerst mein Segen -- reise , aber sprich mir nicht - von deinem Glück -- in mir ist es nicht immer so - ruhig , wie ist ... .
" Er küßte des Neffen Stirn und verließ den Saal . --
Der ganze Winter war vergangen , ohne daß Liefen sich in Feldheim hatte blicken lasen , aber mit den ersten Frühlingstagen erschien er auf dem Schloß und drückte feine innige Dankbarkeit für den allseitigen freundlichen Empfang mit einem Wunderlichengeprange aus , das herrnhutische Milde mit orientalischer Emphae verband .
Ernahm , so dringend ihn auch die Baronin aufs Schloß einlud , seine Wohnung in dem Gathof des Dorfs und reiste ab und zu , bis er endlich nach einer neuen Abwesenheit erzahlte , daß er Elfheim , ein kleines Landgut an den Vorhügeln des Fichtelberges gekauft habe .
Ganz einzeln an einem wilden Bergstrom sei es gelegen , der durch hohe Felsufer bis weit ins Tal am Überschwemmen verhindert Ware ; dort von den fleißigen Handen der Talleute so gedammt und verteilt , daß er ihre Mühlen treibe , ihre Wiesen bewasfere , aber zu keiner Tücke mehr Kraft habe .
" Nun sagte er , Hannah sinnvoll anblickend , nun ist mein Auferstehungs-Plaßchen gefunden , mir fehlt nichts mehr , als eine liebende Hand , welche Rosen um dasselbe pflanzt , so lange wir armen Menschen es Grab nennen . "
Hannah schlug errötend die Augen nieder , ohne daß die lange Wimper die Trane aufhalten konnte , fi rollte langsam über die glühende Wange ; Luife , welche seit Liefen öfter in ihrer Gesellschaft gewefen war , eine gewisse Abneigung gegen ihn empfunden hatte , blickte erschrocken auf ihre Gespielin ; der Baron sagte salbungsvoll : " recht , Herr von Liefen , der Mann suche sich eine Mannin ; um mit ihr vereint dem Höchsten zu dienen . " , Die Baronin wandelte ein spöttisches Lacheln in einen Achtlichen Blick auf ihren Gemahl und . tat mehrere Fragen , seine hauslichen Einrichtungen betreffend , an den neuen Gutsbesiker , wahrend denen fi befanden sich im Garten fi sich mit ihm und dem Baron in dem Gange ents fernten .
Hannah , rief Luise , so bald die Anderen weit genug entfernt waren , und fiel ihr um den Hals , Hannah , du mußt diese Rosen nicht pflanzen : um Gotteswillen tue das nicht ! - - Liebe Toren , warum Liefen Worten diesen Sinn geben ?
und warum dieses zunehmende Vorurteil gegen diesen Mann ?
Warum ich den Mann nicht liebe , weiß ich nicht - aber gewiß , kenntest du Casimir , du wüßtest , warum .
Der ist gerade das Gegenteil vom Herrn von Liefen .
Casimir spricht immer so einfach wie ein Kind , und sieht man ihm dabei ins Auge , so denkt man immer an Gott und Unsterblichkeit ; dieser Liefen hingegen spricht immer von Tod und Unsterblichkeit und wenn er mich ansieht , werde ich rot , als sagte er eine Gautriole , wie mein alter Merke es nennt . --
Hannah weinte still . liebe Hannah , bleibe bei mir und höre den Mann nicht !
bat die Kleine von Neuem .
Casimir darf nicht heiraten , und ich will nicht heiraten , und da bleiben wir beisammen .
Wir pflanzen uns Rosen um unser Grab . -
Das weinende Kind drückte ist Hannah fest an sich und blieb mit ihrem Gesicht auf ihrer Schulter liegen .
Liebe Luise , fing Hannah leise an , denn ihre Stimme war von Scham und Wehmut erstickt , du bist so jung , du hast kaum in die Welt geblickt und hast doch schon das höchste Glück empfunden , was - Gott seinem Geschöpfe gab -- denn er sagt ja an mehr als einem Orte in der Bibel , daß Liebe das Höchste sei ; und wenn du auch _thust , wie du sagst und keinen anderen Mann liebst , ....
Nie , nie ! weinte Luise an der Freundin Busen ... .
Nun ja ; wenn du nie einen anderen Mann mehr liebst , so hast du doch den Frühling des Lebens blühen sehen .
Ich aber nicht . -
Liebe Luise , mein ganzes Leben war bedrückt ; die ersten innigsten Verhaltnisse der Natur , waren für mich in ein unwohlthatiges Dunkel verhüllt , und was mich für Alles entschadigt hatte , wurde mir verkümmert , denn meinem Geist wurde als Fessel angelegt , was Gott uns schenkte , mit Engelfittichen uns zu Sonne zur heben : die Religion wurde mir zum Geisteszwang .
Ach das erkennen zu müssen , ist so schrecklich !
Dennoch gab diese Erkenntnis mir den Mut vor der unwürdigen Ehe zu fliehen , die unsere Gebrauche mir drohten .
Aber meine Jugend ist fast entschwunden ; ich bin einem elenden Leben entgangen , aber ich habe mich in eine Einöde verloren .....
Einode ?
bei mir ? unterbrach sie Luise , und bei der Mutter ?
denn wahrlich sie liebt dich ; du bist die erste Liebe , die ich von ihr kenne .
Ich erkenne das innig ! aber - halte mich nicht für undankbar !
ich liebe sie mit Furcht , und mein weiches Herz schnte sich immer danach ohne Furcht zu lieben , mich anzulehnen mit Vertrauen .
Du kannst das nicht begreifen , wie es auf mein verschüchtertes Wesen wirkt , da zum erstenmal ein anderes , das starker , sich ihm zuweihen scheint .
Diese Empfindung gab mir Liefen zum erstenmal .
Nun schwiegen fi beide in tiefer Betrübnis ; Hannah hatte Luisen verstummen gemacht durch inniges Mitgefühl , hatte sie aber nicht widerlegt .
Sie gingen schweigend und traurig auf das Haus zu , als sie den Baron wahrnahmen , der halb schla fand , halb betend seitwärts in einer Laube bei einem Schaßkaftleins-Buche faße und ihren Grüß kaum wahrnahm .
Luise blickte schmerzlich zu ihm hin und weinte von Neuem .
Auf Hannahs besorgte Liebkosungen sagte sie : Hannah , ich glaube , deine und meine Jugend , so verschieden unsere Lage war , hat doch ein gleicher Mangel getroffen .
Er ist es , warum ich mich so innig an Caimir anschloß -- ach ich war so Glück : lich Jemand zu finden , der sich mit mir freute !- und er ist es wohl einzig , der es dir möglich macht , Liefen zu lieben .
Was meinst du nun wieder , liebe Schwarmerin ?-- Uch Hannah ! unsere beiss den Eltern-Gott verzeih es mir !
ich danke ihnen ja herzlich für alles Gute , was mir die meinen schenkten , aber sie liebten uns nicht , so wie es uns recht wohlgetan hatte .
Was weißt du von den meinen , Luise ? klagte ich je , so beging ich Sünde .
Du klagtest nicht , aber wie hatte dein Vater dich zu einer solchen Heirat zwingen können ? wie könnte er dich , wofür ihn Gott segnen möge , dich uns lasen , wenn er dich wie ein rechter Vater liebte ?
Mir taucht , wenn ich meine Eltern so lieben dürfte , wie ich_es anderwärts wohl fang , wie unsere Bauern sich lieben , Casimir Ware mir nicht so schnell lieber als alles Andere geworden .· Liefen , welcher von Hannahs Verhaltnissen nichts wußte , als daß sie eine reiche Erbin und jetzt unter der Baronin Schuß sei , hatte dieser , fast mit alttestamentlicher Wichtigkeit seine Werbung um ihre gegenwartige Pflegbefohlne voriges tragen .
Frau von Moor schien nicht überrascht , aber bewegt , ja unangenehm bewegt ; antwor tete indes ungesaumt , daß sie ihn an des Frauleins Vater verweisen müßte , aber wohl so viel voraussehe , daß er die Wiederannahme seines Adels zur vorlaufen Bedingung seiner Einwilligung machen würde , und bei seiner evangelischen Denkart stieß ihm hierin freilich ein Hin derniß auf .
Sehr bestimmt antwortete Liefen : dadurch kommt Herr von Schönaich meiner Absicht entgegen ; der Mensch soll keine Gabe des Himmels auf die Erde fallen lasen , und den Rang , welchen ich von meinen Vatern geerbt , muß ich meinen Kindern wieder übermachen .
Die Baronin machte ein wunderliches Gesicht und sagte nachlassig : das müssen Sie wissen , wie sich Ihre Ahnen und Ihre Demut vertragen .
- Ohne sehr große Fehlschlagungen , fuhr Liefen mit Salbung fort , hatte ich hoffen können auf diesem Boden meiner Voreltern mit Glanz auftreten zu dürfen ; mein Gott hat mich aber bestimmt in Niedrigkeit zu ihm zu wandeln , jedoch meinem Stande gemaß .
So will ich mich nun begnügen in den Armen einer Zartlichen Gattin , unter geliebten Kindern , Gott und der Natur zu leben .
Nun , mit einem artigen Landgut und einer reichen Frau laßt sich das schon aushalten .
So endigte die Baros nenn mit sichtbarem Spotte das Gesprach .
- Der Baron , welchem Liefen christliche Abfechten auf seinen Gegenwartchen Schößling mit geziemender Achtsamkeit vorgetragen wurden , sagte eine solche Menge wunderlich frommer alttestamentlicher und mystisch-herrnhutischer Sprüche über die Pflichten , die Seligkeit und den Zweck einer guten Ehe , daß die Baronin in einem Ausbruch von Mißfallen Luisen unter seinen Zuhörerinnen zu sehen , ihr eine Schachtel Mit-Hirse hinschob und befehlend rief , gehe und füttere die Dompfaffen .
Der Baron- ließ sich nicht das durch stören , sondern durch seinen ungewöhnlichen Redefluß aufgeregt , bot er seiner Frau an mit ihr und Luisen das Liebespaar selbst nach Barby , wohin Herr von Schönaich seit Hannahs Flucht aus dem vaterlichen Hause seinen Wohnort verlegt hatte , zu begleiten , um daselbst persönlich für Liefen zu werben .
Hannah war sehr gerührt über diese Güte , sehr erleichtert durch diesen Entschluß .
Die Baronin schien darüber betroffen , verwarf ihn aber nicht , auf Luisen allein machte er einen unverkennbar widrigen .
Eindruck ; sieward noch zurückhaltender gegen Liefen als vorher , und hing mit der wehmütigsten Zartlichkeit an ihrer Hannah .
Der Tag der Abreise wurde festgefeßt .
Lies fen sprach mit Sicherheit von dem Erfolge seiner Bewerbung , und schien Hannah schon als seine Braut ansehn zu wollen ; sie wies ihn mit schüchterner Zartlichkeit in die Schranken züchtiger Bescheidenheit zurück , und geriet dadurch ohne die Abstufung in ihrer beider Betragen wahrzunehmen , in ein leidenschaftliches Verhaltniß , in welchem ihr großmütiges Herz Liefen Unrecht stets durch verdoppelte Achtsamkeit abbüßte .
Unter diesen Umstanden war es ihr eine Erleichtes Runge , wahrend seiner Besuche , mit Luisen allein sich auf Spaziergang zn entfernen , und war dieser nicht hinderlich , wenn sie durch irgend eine Lift Liefen die Richtung ihres Weges zu verbergen wußte ; ja sie gewann noch dabei , daß die Mutwillige bei ihrer Nachhausekunft ihre kleine Bosheit durch ungewöhnliche Freundlichkeit gegen ben Betrogenen zu ersehen strebte .
Aber die Wann_es derungen der beiden Freundinnen waren nicht mehr dem endlosen Geschwag unbedeutender Madchen-Interessen geweiht ; stumm gingen sie neben einander , und zeigten sich Hande drückend einander die von der Finkenden Sonne mit Gold übergossenen Gipfel des nahen Fichtelgebirgs .
Dahin geht der Weg nach Nanez , sagte Luise , das Stillschweigen unterbrechend , indem sie ist eine Höhe betraten , wo sie freier die Bergkette überblicken konnten .
Das ist auch der Weg nach Elfheim , bemerkte Hannah errötend und verlegen .
Ist er das ? rief Luise und umarmte sie innig , so sehe ich dich doch jedes Jahr , wenn wir auf die böhmischen Güter gehen .
Denn was auch mit dir und mit mir werde ; wenn Liefen dich nur nicht ganz von uns ents fernt !
Hannah wollte des wunderlichen Madchens Vorurteil gegen ihren Bewerber milderen , allein ehe sie zu demonstrieren begann , era blickte sie einen jungen Mann , der aus dem Gebüsch trat , indem Luise mit dem Freudenruf : Casimir , ihre Hand faßte und dem eilig Heranz schreitenden entgegen trat ; Luise ! entgegnete jener , bin ich noch Casimir ? ist das kein Traum , daß mein Glück mir in dieser Segenssonne entgegen kommt ? daß ein Wort mir meine Hoffnung , meinen Mut wiedergibt ?
Bei diesen schüchtern und voll Überraschung ausgesprochenen Worten strahlte sein Gesicht , wie der umsonnte Frühlingswald um sie her . -
Liefen Verhaltniß zu Hannah hatte die Kinderwelt in Luisens Busen zerstört ; dieses Mannes zuversichtliches Benehmen , und Hannahs angstliches Bemühen ihm auszuweichen , seine Sicherheit und ihrer Freundin religiöse Demut , hatten ihr unbewußt ihre Begriffe entwickelt , und der geliebte Jugendgespiele von Mollsdorf war nach achtzehnmonatlicher Trennung zu ihrem Geliebten geworden , dessen Verlust sie beweinte , dessen Rückkehr sie ersehnte , und dessen unerwahrte tes Erscheinen ihr unbewachtes Herz zum Verz Rat hingerissen hatte .
Radastas Anblick und feine Worte riefen schmerzlich und verlegend seine Gelübde in ihr Gedachtniß , und unfahig diese überraschenden Empfindungen zu beherrschen , sank sie schluchzend an Hannahs Brust .
Casimir sah diese erschrocken , aber bald freudig an : Tauscht mich die Ähnlichkeit nicht , rief er , so sind Sie die wiedergefundene Schwester meiner Luise , und Ihnen darf ich zuerst mein beglückendes Geheimnis anvertrauen : der künftige Domherr ist zum wirklichen Landjunker geworden - hier umdammerte plöslich Scham und Trauer fein freudiges Antlitz aber der Landjunker , der -- -- verarmte Landjunker ist nicht gekommen , um Ihre Schwester zu werben ; nur ihr ewige Treue zu weihen .
Hannah sah mit innigem Vergnügen , den Ausdruck von Liebe , Beschamung und freudigem Mut in des Jünglings Gesicht ; seine Stimme so rein und so innig , rief unbefangen Schwesterliebe in ihr auf .
So wenig Mühe es dem Kleeblatt kostete , sich ganzelich zu verstanden , so wenig nahm das Gesprach einen erlauternden Ton an .
Eine Weile nach Radastas Erscheinen kam ein Reitknecht mit einem Handpferde die Höhe herauf und lud durch Zurufung Casimir zum Aufeßen ein .
Dieser heftete einen bittenden Blick auf Hannah , die er immer noch für die wieder gefundene Schwester hielt ; und befahl ihm voraus nach Feldheim zu reiten und ihn im Gasthof zu erwarten .
Sie sind meiner Mutter Gast , sagte Luise .
- Wenn sie mir es Diese Jet noch erlaubt , erwiderte der Jüngling , und seßte errötend hinzu : sie lud einst den künftigen Domherrn ein , wird sie den böhmischen Krautjunker gastfreundlich aufnehmen wollen ?
Worte führten die Erzahlung seiner Schicksale , so weit sie auf seine Liebe Einfluß gehabt hatten , herbei .
Er sagte seiner Freundin , wie der Tod seines jüngsten Bruders , die politischen Ansichten seines zweiten , seine ehrwürdigen Verwandten zu dem Entschluss bestimmt hatten ihn dem geistlichen Stande zu entziehen , wie traurige , zum Teil ihm unbekannte Begebenheiten feines Oheims Vermögen geschmalert , und er sich nun selbst die Pflicht auferlegt habe , durch eigene Kraft , dieses geliebten Oheims bisheriges Bestreben , den Flor seiner Güter zu erlangen .
Dieser Ehrgeiz , sagte Nadata feurig , ist seiner und Ihrer würdig .
Luise , ich will meinem Oheim , ich will Ihren Eltern beweisen , was ernster Wille vermag , welche reiche Fundgrube der Mensch in dem mütterlichen Boden findet und welch ein wichtiger Staatsbürger der Edelmann bleibt , wenn er sucht der beste Bauer zu sein ; ich will Ihnen beweisen , daß ich meine Gattin auf meinen Gütern zur Königin machen kann ; denn sie soll Mittel haben Alles , um sich her zu beglücken .
Luise empfand bei dieser Erzahlung ihres Freundes Bekümmernisse , als wenn sie ihn noch belasteten , sie weinte an des Vaters Sterbebette , sie liebte ihn , ob er gleich Casimirs Wünsche so lange bestritten hatte , und glühte von Liebe und zartlicher Scham , da ihr junger Freund seine feurigen Hoffnungen für die Zukunft aussprach .
Die Reihe zu Erzahlen kam nun an sie , und mit der liebenswürdigsten Redseligkeit schilderte sie ihm das Begegnung , welches ihr ihre Hans nah geschenkt hatte , wie sie seit achtzehn Monas ten nun so innig mit ihr gelebt , wie sie ihr allein von den Landpartien in Mollsdorf und Rheinhardsbrunnen gesprochen habe .
Wer die jungen Leute angehört , hatte nicht gemeint , daß es erst eben vereinte , erst eben verstandigte Liebende gewesen waren .
Es war , als habe seit ihrer Trennung in Diätendorf die Liebe sich mit dem Verlaufe der Zeit ungestört zum Beruf ihres Lebens ausgebildet , und sei in dieser Stunde in voller Reife ans Licht getreten .
Beide gingen von einem so unbefangenen Kins dervertrauen Eine in den Anderen , aus , das alle Leidenschaftlichkeit unstatthaft machte , nur ihre gegenseitige Schüchternheit würde sie haben vers raten können ; diese betrogen fi aber mit uns schuldiger und unvorsaßlicher List , indem sie beide alles Innigste und Zarteste an Hannah richteten , die sie , an unseres größten Dichters Bild erinnernd , umgaukelten wie ein paar bunte Schmetterlinge eine dunkelfarbige Blume .
Hannah war bei dem Glück ihrer Luise von einem noch nie bekannten Zauber angezogen .
Das vertraue liche Beisammensein , die Sicherheit , die sie in Casimirs Nahe empfand , erinnerten sie :
so möge wohl die Schwester den Bruder lieben , wie sie den neuen Freund zu lieben geneigt war .
Cafimir war über die Zartlichkeit entzückt , die Luise für ihre Hannah ausdrückte ; er fand den Augenblick mit der dringendsten Herzlichkeit zu ihr zu sagen : einst , mein Fraulein , darf ich Sie ja auch meine Hannah nennen , und wenn das graue Schloß Radaste seine Herrin empfangt , darf ich dann hoffen , daß Sie Zeugin meines Glückes sein mögen ?
Bei diesen Worten sank eine trübe Wolke über Luisens Gesicht ; Hannah zog fast erschrocken die Hand , welche der Bittende ergriffen hatte , zurück und schwieg in peinlicher Verwirrung .
Sie empfand im voraus den Schmerz , zwei ihr teure Wesen , Casimir und Liefen , sich einander mißfallen zu sehen .
Der neue Freund sah Beide betroffen an .
Luise sagte nach einer angstlichen Pause mit einer von Tranen gedampften Stimme : ach , sie folgt bald einem Manne , der sie uns hinweg führt . -
Die heitere Vertraulichkeit war gestört , und auf dem Letten Teil der Rückkehr zum Schlosse sagten sich der Liebenden Augen mehr , wie ihre Worte .
Beim Eintritt in die Gartenpforte wendete sich Hannah schnell zu ihrer Freundin , und sagte : Nichts , was mich angeht , soll Radaste verheimlicht werden .
Ich weiß Alles , was du über meine Zukunft denkst , sage ihm Alles , vielleicht beruhigt er dich über mein Schicksal .
Die Baronin empfing den neuen Gat mit ungezwungener Artigkeit ; doch entging es Hannah nicht , daß sie eine kleine Überraschung verbarg und ihn sowohl wie Luisen bei ihrem Eintritt scharf ins Auge faßte .
Bald nahm sie aber wahr , daß diese beobachtenden Blicke einen sanfteren Ausdruck annahmen , nachdem sie der liebenswürdige Böhme einige Minuten in einer Fensterwölbung allein unterhalten , und glaubte nicht mit Unrecht , er habe sie von seiner Berufsveranderung unterrichtet .
Das hatte er :
aber nur diese hatte er ihr anvertraut und seines Altesten Bruders Tod ; seine ökonomischen Unfalle deutete er mit der Heiterkeit an , die ihm sein fester Wille gab , seine Kraft zu üben .
Er mußte die Baronin sehr in diesem Gesprach gewonnen haben , denn sie behandelte ihn von da an mit sichtbarer Achtung .
Hannah aber beobachtete an diesem Abende noch mehr und was ihr recht weh tat !
Liefen schien an ihrem Spaziergang in Gesellschaft eines Fremden Mißfallen zu finden , er unterbrach Radastas unbefangenes Geplauder und die , sich heute einer ganz ungewöhnlichen Heiterkeit hingebenden Baronin , in welche Luise kindlich froh und kindisch behutsam , sich ja nicht zu verraten , mit einstimmte , durch mißtönende Gemeinsprüche , schwülstige Frömmelei , zu welchen der Baron immer ein Echo hergab , wie die Gemeinde dem singenden Priester .
Hannah bemühte sich Liefen Empfindlichkeit zu zerstreuen , sie sprach von Elftal auf dem Wege , wohin sie ihr Spaziergang geführt hatte , erschrak aber schmerzlich , wie er ihr mit liebevoll sanfter Stimme eine Bemerkung machte , in welcher sich Eifersucht und Ingrimm verrieten .
-- Ein Madchen , dem die erste Jugendblüte keine Zuversicht für die Zukunft mehr gibt , das schon sein Los steter Hingebung für Andere erraten hat , wird von der Liebe auch dann noch gerührt , wenn sie als Unbilligkeit auftritt .
Sie nimmt die Laune des rauhen Mannes als eine Steigerung der Leidenschaft auf , tragt die stille Ergebenheit in ihrer Brust , ihm ihr ganzes Leben hin durch zu verzeihen .
Mit diesem schmerzlichen Gefühl beschaftigt , nahm Hannah einen unbewachten Augenblick gewahr , in welchem sich Luise und Caimir durch einige flüchtige Blicke alle Seligkeit fest vertrauender Zart lichkeit ausdrückten .
Ihr war es in diesem Moment , als sei ihrer Beider Los geworfen , jener Liebenden in Rosenschimmer , das ihre in trübe Nebel ; aber Beider in Liebe , und darum müßte sie den Mann , der schon so Vieles erlitten , in der Duldung mildem Lichte durchs Leben führen .
Mit sanften Vorstellungen suchte sie den Unbilligen zu besanftigen , und so gewann er als Gegenstand ihrer wehmütigen Teilnahme mehr Raum in ihrem Herzen , als er durch seine Unart verlor .
Das Gesprach der Gesellschaft hatte sich bald mit der beschlossenen Reise nach Barby beschaftigt , Casimir verbarg seine Bestürzung über einen Plan , der seinen Besuch in Moorheim abkürzen mußte , allein ihm wurde es besser , als er es je zu hoffen gewagt hatte .
Die Baronin behandelte den ganzen Plan als eine Luftreise , bei der sie Hannahs Vater einen Besuch abzulegen gedachten , und lud Radaste zur Begleitung ein .
Die Reiseeinrichtung wurde zu Liefen sichtbarem Verdruß dahin abgeandert , daß Frau von Moor ihn bat , seinen Plah in der Berliner aufzugeben und sie hingegen mit Nadata zu Pferde zu begleiten .
Sie war sehr froh diesen Ausweg zu finden , um Liefen , dessen fortwahrende Gesellschaft , besonders in ihres Gemahles Gegenwart , ihr großen Zwang auflegte , aus dem Wagen zu entfernen .
Luise atmete bei dieser Aufforderung leichter ; Hannah verstand der Baronin Bewegungsgründe , ihr weiches Herz litt bitterlich bei ihrem Mißfallen an Liefen , allein dieses Herz wurde bei der neuen Einrichtung am meisten erleichtert , denn ein Gefühl , welches sie sich selbst vorwarf , hatte ihr die Aussicht mit Liefen in Einem Wagen zu fahren , angstlich gemacht .
Wirklich wurde diese Reise nun für die meisten der Gesellschaft sehr angenehm .
Casimir war für die Baronin bei den Fußpfaden , welche fi gelegentlich durch die Talwindungen machten , so wie bei den Abendunterhaltungen der gefalligste Gesellschafter ; seine Aufmerksamkeit erinnerte an keine Galanterie , weil eine kindliche Herzlichkeit ihn antrieb .
Luise hielt sich natürlicher Weise neben der Mutter und empfand das Füße Vergnügen ihre Vorliebe für ihren jungen Freund , durch ihrer Mutter zunehmendes Wohlgefallen an ihm gerechtfertigt zu sehen .
Der Sinn keines seiner an die Mutter gerichteten Reden entging ihr , solchergestalt , daß die strenge Mutter in allen Ehren zum Liebesboten zwischen der Tochter und ihres Geliebten reiner Neigung wurde .
Sobald die Damen das Fuhrwerk verließen , bildeten der Baron , Liefen und Hannah , eine zweite Halft der Gesellschaft -- nicht immer zu Hannahs Beglückung , obschon ihr Bewerber in Mitten der schönen Natur oft mit einem poetis schen Schwung , der sie hinriß , von ihren Wundern sprechen und sie durch seine mannigfaltigen Kenntnisse verstandlich und dadurch noch erhabener darstellen konnte .
Auch die kindliche Sorgfalt , die sie dem Baron widmete , gereichte ihr zum Genuß ; es war oft als wenn seine leeren Floskeln Secle bekamen , wenn er sie , beim Wandern auf ihren Arm gelehnt , eintönig herbei Hannah sann oft nach , warum die Freude dieses Mannes , den sie nicht achten , nicht lieben konnte , ihr so wert , seine intellektuelle Verdumpfung so schmerzhaft sei .
Da die Reise immer von der Heerstraße ab , durch die kleinen Gebirgstaler ging und sie jeden angenehmen Punkt zum Ausruhen benußten , hatten sie erst am dritten Tage Ebersdorf zu ihrem Nachtquartier bestimmt .
Sie kamen Nachmittags durch ein langes Tal von beiden Seiten mit felsigen , waldbewachsenen Höhen eingeschlossen ; haufig liefen rechts und links kleinere Taler oder doch Buchten in das Haupttal aus ; in diesen von der Sonne oft sehr begünstigten Raume war der Frühling in üppigster Pracht entfaltet , alle Büsche blühten , der Grasteppich war mit Blumen durchwirkt , das hellgraune Laub der Buchen und Birken glanzte wie Edelgesteine gegen den von angehauften Gewitterwolken scharfer zurückleuchtenden Sonnenstrahl .
Von allen Höhen rieselten kleine Quellen geschwaßig herab , nähten die Wurzeln der neubelaubten Baume und eilten dem Kristallhellen .
Bach zu , der das Tal entlang floß .
Sonderbar malten sich auf dessen grünem Wiesengrunde an den Weiden - beschatteten Ufern des Gewassers lauter schwarze Hütten von Holz und mit Schindeln gedeckt , alles Mühlen und Eisenwerke , die den Bach in Rinnen auffingen und über Nader leiteten , worauf er Schaumende und brausend sein Bett wieder suchte , lange zürnend , den über ihm nickenden Zweigen seine erlittene Unbilde erzahlte , bis er wieder auf sanftem Sande fortgleitend das Antlik der Sonne in seinen kleinen Wellen in Millionen Funken wiederstrahlte , bis eine neue Knechtschaft ihn bezwang .
Die ganze Gesell- *schaft legte diesen Weg zu Fuß zurück ; die Stunden vergessend horchte sie hier auf das Echo , das in einem Seitentale die Hammerschlage eines Eisenwerks widerhallte ; einige Schritte weiter sahen sie eine hochgeschürzte Dirne , die ihre Leinwand von der Bleiche aufnahm und da bei ein frommes Lied sang , von dem das Geklapper einer Walkmühle nur einzelne Töne zu ihnen gelangen ließ .
Doch plöhlich wurde die Sonne verhüllt , und sie vernahmen einen rollenden Donner , welcher den Hammer und die Mühlstampfen übertonte .
Verwundert sah man sich einander an , die beiden getrennten Gesellschaften traten zusammen und sahen sich nach ihren Reisebequemlichkeiten um ; aber da war weder Reitpferd noch Berliner zu erblicken ! -
Man schritt eilig fort ; große Tropfen fielen aus den schweren Wolken , hörten dann auf -- und nun senkte sich die Donnerwolke recht trocken und schmetternd in in das Tal .
Doch ist erblickte Casimir , der mit seinem Arm die Baronin , mit seinem Blick Luisen auf diesem angstlichen Wege unterstüßte , Jet erblickte er Wagen und Pferde vor einer großen Mahlmühle und sie vernahmen , wie der Müller die Bedienten ermahnte , Rosse und Wagen unter Dach zu bringen , indem das Wetter mit schwerem Regen endigen müßte .
Man tat noch einige Fragen über die Möglichkeit Ebersdorf in der Nacht zu erreichen , als eine feurige Schlange herabfuhr , und mit furchtbarem Krachen eine himmelhohe Buche im Angesicht der Mühle traf .
Sie tauchte unter im Laubmeere , das ihr Wipfel bisher beherrscht hatte , aber wie das Rollen des Donners schwieg , hörte man das Prasseln ihrer Nachbarstamme , welche sie in ihrem Falle dahin riß , und indem sie von den steilen Abhang eine Strecke herabglitt , sah man eine dunkle Lücke entstehen , wie ein neu geöffnetes Grab .
Die Damen waren schon in die Mühle geflohen , der Regen war jenem furchtbaren Schlag in Strömen gefolgt , den Talbewohnern ein Pfand , daß die Wut des Wetters erschöpft sei .
In des Müllers geraumiger Stube , auf den rings um die Wand laufenden Banken um einen großmachten Tisch versammelt , hörte die Gesellschaft Liefen mit Teilnahme von den Stromenden Regengüssen der Tropenlander Erzahlen , und der wundergleichen Schnelligkeit , mit der sie die Pflanzenfülle bis dahin kahler Steppen beleben .
Ein Jeder war nach dem eben gesehenen Schauspiel günstiger wie gewöhnlich gestimmt , die fromme Emphase des Erzahlers anzuhören .
Der anschwellende Bach hatte die Mühlrater zu stellen genötigt , der Donner rollte fern ab , und ist vernahm man zwischen dem Anschlagen des Regens an die kleinen Fenster , eine hülferufende weibliche Stimme .
Casimir zeigte sie dem Mauler an und eilte mit ihm zu dem Bach herab , wo der Ruf herkam .
Sie erblickten eine Frau an dem gegenseitigen Ufer , die auf dem überflossen Nasen sehend , ein ziemlich erwachsenes Kind auf dem Schoße hielt und mit ihren Kleidern vor dem Regen zu Schüssen suchte ; ein größeres stand von Nasse triefend neben ihr .
Sie bat wehklagend , ihr über den Bach zu helfen .
Der Steg war , um ihn vor der Gewalt des Wassers zu Schüssen , abgehoben , reichte auch Jet nicht über das überschwemmte Ufer .
Casimir zeigte dem Müller lange Baubalken ; dieser verstand ihn , sie warfen sie über den Bach , wo er am seichtesten war ; so gelangten sie zu der Frau ; dort nahm ihr Casimir das kranke Kind ab , faßte ihren Arm , der Müller leitete das erwachsene Madchen und so führten sie , selbst bis an die Knie im Wasser watend , die armen Wanderer sicher über die Balken .
Er nahm wahr , daß der Müller die Frau kannte und freute sich über den Eifer , mit dem alle die Seinen bei ihrem Eintritt ins Haus bemüht waren , ihren Zustand zn erleichtern .
Viel mehr erfreute ihn die Thatigkeit , mit welcher Luise und Hannah den Leidenden zu Hilfe eilten .
Sie bemachtigten sich des Fünfjahrchen , von Ermattung und Schrecken bis zu Nervenkrampfen erschütterten Knaben ; Hannah holte aus ihrem Nachtsack trockene Leinwand herbei ; Luise rieb das Kind mit warmem Branntwein und die beiden lieben Madchen fielen einander freudeweinend in die Arme , wie der kleine Kranke wieder völlig bei Bewußtsein , ein kraftiges warmes Bicr speiste , das ihm Casimir mit jugendlicher Gutmütigkeit höchst linkisch in den Mund stopfte .
Die Armen waren nun alle Drei notdürftig in trockene Kleider gehüllt und bei dem guten Müller für die Nacheste Nacht geborgen .
Die jungen Leute kehrten , froh über ihre gelungene Hülfleistung zu ihrer Gesellschaft zurück , waren aber fair betroffen , Liefen in heftigem Wortwechsel mit der Baronin zu finden .
Sie begriffen nichts von dem Spott , mit welchem diese von frommem Despotismus sprach ; Hannah hatte sich , um sich schneller zu verstanden , neben diese Dame gesetzt , die , jetzt das Gesprach abbrechend , das junge Madchen mit vielem Ernste anblickte , dann sie plöslich umfassend an sich drückte und zu ihr sagte : " Hannah , hüten Sie sich vor dem Zepter , das in ein Kreuz ausgeht !
Es birgt Beil und Skalpiermesser . "
Liefen sprang außer sich auf , faltete aber , statt vorzuschreiten die Hande , und betete mit bleichen zitternden Lippen : vergib ihnen , denn sie wissen nicht , was fi tun !
Luise hielt die bebende Hannah umfaßt , die Baronin selbst schien vor dem Auftritt , den sie herbei geführt hatte , zu schaudern ! --- Glücklicher Weise machte ihm die Nachricht ein Ende , daß man die Reise nun fortsehen könnte , indem der Weg bis Ebersdorf , obgleich die Nacht einbrach , ohne Gefahr fortzusehen sei .
Im Wagen teilte die Baronin den beiden Frauleins mit ihrer gewöhnlichen schon langst wieder zurückgekehrten Kalte , die Veranlassung des Streites mit .
Die arme Frau , welche nebst ihren Kindern in einem so bedauernswürdigen Zustand in der Mühle angelangt , war die zweite Gattin eines wohlhabenden Bauers , dessen Hof nur zwei Stunden von jener Mühle entfernt , war selbst schon verheiratet gewesen und der Knabe , den Casimir über das Wasser trug , mehrere Monate nach ihres ersten Mannes Tode geboren .
Sie hatte ihren zweiten Mann , der sehr viel alter als sie gewesen war , aus Dankbarkeit für die Teilnahme geheiratet , die er ihr als sehr armer Witwe erwiesen .
Er bedurfte einer Aufsicht über seinen großen Haushalt , da keine Töchter seiner Ehefrau Stelle erseßten , und er versprach ihr beide Kinder zu versorgen .
Martin war wohlhabend , sein Sohn erster Ehe wurde als sein Erbe angesehen ; anfangs sah er seine Stiefmutter sehr mißgünstig an , die Frau war aber so brav und gut , der kleine Heinrich so herzlich , die Tochter wurde dem Haushalt bald so nüsslich , daß er ; da keine Stiefgeschwister kamen , sich sehr gut gegen sie betrug .
Dieser Hausfriede machte den Vater sicher , nach fünf Jahren starb er plöhlich und hinterließ kein Testament .
Nun schritt der Sohn unverzüglich zu einer Heirat ; seine Stiefmutter hatte zwar einen ihr vom seligen Vater in diesem Fall angewiesenen Teil des Hauses inne , allein ein kleines Gardchen , das ihr auch ver- . sprachen war , schlug er ihr ab und bewies ihr je mehr und mehr , wie ihre Gegenwart ihm laftig sei .
Bitterlich weinte die Frau , wenn die harte Stiefföhnerin ihrer Juliane Wassereimer am Brunnen umstieß , um den ihren unter die Röhre zu sehen ; noch weher tat ihr Herz , wenn der kleine Heinrich das Köpfchen an die Gartenlatten gelehnt , durch die Reizen hin ein paar Primeln und Leberblümchen blühen sah , von denen er bei des guten Stiefvaters Lebzeiten pflücken durfte , aber von der Stieftante aus dem Garten gewiesen , sie nur von Weitem ansah .
Die Witwe hatte einen einzigen Bruder , einen Weber , in Ebersdorf z fi waren immer besonders einig gewesen , er hatte fi stets in Ehren gehalten , da sie als altere Schwester nach der Mutter Tode für ihn gesorgt hatte .
Auf seiner Wanderschaft hatte er gelernt sich zu den Frommen halten , und seine Tröstungen hatten der Schwester in ihren früheren Trübsalen zur größten Aufrichtung gedient .
Diefent schrieb sie ist die traurige Veranderung , welche nach dem Tode ihres Mannes in ihrer Lage Stadt gefunden hatte ; der Weber drang in sie , ihre Witwenrechte für irgend einen Ersaß dem Stief . fohne zu überlassen und zu ihm zu kommen , da er als Hagestolz doch eine Haushalterin brauche und Heinrich einstens sein Gewerbe übernehmen könnte .
Es wurde der Witwe gar schwer , von ihren Grabern und ihren Feldern Abschied zu nehmen , und sie stand lange an , den Entschluß zu fasen .
Da hörte sie eines Tages ihren Stiefsohn sehr zanken und Marie , ihre Tochter , weinen .
Sie eilte hinzu und erblickte Heinrich , der totenbleich und mit Tranen seiner Schwester , die einige Blumen in der Hand hielt , liebkosend sagte : "Laß sie ihm nur , Vater laßt andere wachsen ! "
Wie im Frühjahr der Stiefe Sohn sein Lattichbeet umgegraben , hatte er einige Ableger der wenigen , zwischen dem Gemüß wachsenden , Blumen über die Lattenwand geworfen ; Marie hob sie auf und kam auf den Einfall , sie auf ihres Vaters Grabhügel zu pflanzen .
Seitdem waren Wochen und Monden vergangen , Marie hatte die Pflanze unter dem hohen Grae aus den Augen verloren .
Heute hatte nun Heinrich auf dem Kirchhofe gespielt und wie er mit frommer Scheu einen Umweg macht , um nicht über des Vaters Grabhügel zu springen , glanzt es blau wie Saphir aus dem Grae her ; er schleicht heran und sieht schöne blaue Blümchen , die im Abendwinde sich wiegen .
Mit Entzücken pflückt er einige davon und eilt sie Marie zu zeigen ; diese war aber fat böse , daß er sie dem Grabhügel geraubt .
Indem geht der Stiefbruder vorbei , sieht die Blumen , gerade wie die , welche in seinem Garten blühen , in der Kinder Handen , reißt sie ihnen weg und stürmt in sie , wohnend , sie hatten sie seinem Garten entwendet .
Die Kinder waren in Verzweiflung !
Es schien , als hatten sie bisher ihres Vaters Grab für ihr einziges Erbe gehalten , und nun sprach man ihnen auch das ab : es war , als hatten ihnen die Blumen die Stimme des guten Toten gebracht , und nun schließe man ihm den Mund !- Uch es war , als ahnten sie in dieser einen Mißkennung allen Druck , der ihrer Zukunft bevorstand .
Die Witwe hatte so viel Unrecht ertragen , aber dieser Vorfall summierte es zusammen , und ihre Ausdauer fiel zu ohnmachtig dagegen aus .
Sie fand sich wegen ihres Witwenunterhalts mit ihrem Stiefsohne ab , und zog nach Ebersdorf zu ihrem Bruder Weber .
Der fromme Sinn in den Briefen dieses Mannes , sein schwarmarischer Trost und seine strengen Ermahnungen hatten ihr zu wohlgetan , hatten sie bei den kleinen Plagen ihres beschrankten Lebens erhoben ; in der fortwahrenden Nahe dieses Mannes machten seine Äußerungen eine ganz verschiedene Wirkung ; Brotforge , mühselige Arbeit , rauhes Zurücksehen ihrer Kinder litt sie nun nicht mehr , aber das gebotene Beten , das Warnen vor unbekannten Sünden , die müßige Betrachtung war ihr ist Qualender als jene Drangsale .
Der Bruder hatte den Webestuhl gegen einen Leinwandhandel vertauscht , allein seine Wohlhabenheit machte ihr große Sorge , wenn sie ihn mit den armen Webern , deren Waren er kaufte , handeln hörte .
Er dingte ihnen mit einer Harte ab , die den bedürftigen Leuten oft Tranen auspreßte , sie hatten fast Alle Vorschuß von ihm , waren ihm also leibeigen , und mußten die frommen Sprüche , mit denen er ihnen ihre Armut vorwarf , gedul dig anhören .
Bald wurde es ihr auch sehr angstlich , daß der Oheim ihre beiden Kinder zu sehr langen Gebetsübungen anführte ; wie sie über dieses und jenes ihm Vorstellungen machte , behandelte er sie wie eine gemeine Magd , die für Nahrung und Obdach nun auch alles Recht an eigenen Willen und Urteil verloren hat .
Die Witwe sah mit Kummer , daß ihre Kinder auf diesem Wege zu Wohllebenden und Heuchlern gebildet werden mußten , sie sah , daß der fromme Eifer ihren Bruder sogar verleitete , die Gottesfurcht ihrer Kinder auf Kosten ihrer kindlichen Liebe befördern zu wollen .
Das Gemüt der armen Frau war sehr bewegt .
Da sie von dem einfachen Begriffe von Verwandtenliebe und weiblicher Demut ausging , glaubte sie sich allgemeinem Tadel auszusehen , wenn sie ihren Bruder , der dem Anschein nach so gut für sie sorgte , vorz wißig verließe .
Zu ihrem Troste kam der Müller , welcher unsere Reisenden beherbergt hatte , am Ostermarkte nach Ebersdorf .
Die Witwe klagte ihm , als einem alten Freund , ihre Sorgen ; aber des Mannes Ansicht bestarkte nur ihre Furcht vor fremdem Urteil ; denn da er vor Allem den Vorteil eines bequemen Lebens und die Aussicht der Waisen , den wohlhabenden Oheim zu beerben , vor Augen sah , ermahnte er sie zur Geduld .
Die Arme wußte wohl , wie trocken Tagelohnsbrot war , wenn zwei Kinder es teilen sollten ; sie dachte sich ihren Heinrich , indes sie in fremden Hausern arbeite , in der Irre umher laufend , aller Verführung ausgesät , fi sah ihre funfzehnjahrige Marie von rauhen Brotherrn mißhandelt , und um ihren Kindern dieses Los zu ersparen , suchte sie ihre Gegenwartegelage zu ertragen , zu verbessern , sich mit ihr zu versöhnen .
Da war eben Flachs gehechelt und die Witwe sortierte , was den verschiedenen Spinnerinnen gegeben werden sollte ; der Bruder hatte ihr zu helfen versprochen , oder vielmehr hatte er sollen das Hauptgeschafft abtun , weil die Witwe in dessen Führung noch nicht geübt war ; da kamen aber fremde Brüder , mit denen betete er den ganzen Nachmittag , ging dann mit ihnen aus , kam nach Mitternacht heim und schlich sich in seine Kammer .
Die Witwe hatte lange auf ihn gewartet ; wie er aber aus dem Hause ging , arbeitete sie , da des morgenden Tages , wegen der Marktzeit , die Weber ihr Garn , die Spinnerinnen ihren Flachs abholen sollten , unter herzlichem Gesprach mit ihrem Mariechen fort .
Dem Kinde wurde das Wachen sauer , und wie der Oheim um Mitternacht nach Hause kam , und ohne nach ihnen zu sehen , zu Bette ging , drückte sich die Kleine mit etwas Ungestüm über ihn aus .
Die Mutter verwies es ihr , mahnte sie mit Liebe zu dulden , damit sie nicht ihre Last als Knechtin trüge , und stellte ihr vor , wie viel harter es ihr fallen würde , ihr Brot bei Fremden zu verdienen .
Endlich gegen Tagesanbruch legten sie sich zur Ruhe .
Wie der Oheim am folgenden Morgen betend in den Laden kam , sah er mit heuchlerischen Blicken nach dem Flachs und fragte halb singend , die schon wieder bei der Arbeit beschaftigte Witwe : können die Weber ihr Garn holen ?
Die Witwe freute sich der vollbrachten Arbeit , bejahte mit der Zufriedenheit , die dem guten Weibergeschlecht alles Wirken für Andere gibt , zeigte dann auf ein Pack besonders feinen Flachses und sagte : fiehe ! diesen hier will ich dir künftigen Winter selbst spinnen .
Das soll eine Leinwand werden , die Gold aufwiegt .
Da nimm du ihn nur mit dir zum Stiefsohn , sagte der Mensch mit einem süßlich hamischen Gesicht , denn ich kann dich nicht behalten .
Dein weltliches Wesen stört mein Gewissen , deine Tochter magst du auch mitnehmen ; aber den Knaben behalte ich hier , der ist noch zu ziehen , und dem will ich mit Gottes Hilfe die Weltluft noch austreiben .
Der Bruder hatte lange Fortsprechen können , die Mutter war von dieser Behandlung wie vernichtet ! - allein Marie rief im schmerzlichsten Ton : O Mutter !
dann müssen wir ja bei fremden Leuten Arbeit suchen !
und dabei warf sie ihre Arme um der Mutter Hals .
Das müssen wir , sagte die Witwe , zitternd , aber bestimmt , und Gott wird uns helfen .
Aber mein Heinrich bleibt nicht bei dir , Bruder ; möglich , daß ich meine Kinder einen anderen Weg zu Gott Lehre , als den deinen , aber ihn sollen hoffentlich einst keiner Witwe Tranen näßen .
Damit verließ sie den Laden , packte ihre Truhe , ordnete alle ihre Geschaffte und sagte nach genossener Suppe ihrem Bruder Lebewohl .
Dieser war ihr den ganzen Vormittag nicht von der Seite gegangen und hatte sie mit lauter Beweisen ihres weltlichen Sinnes unterhalten ; wie sie an einem Sonntage mit Marie weltliche Lieder gesungen , wie sie bei eines frommen Mannes Erzahlung von dem Todeskampf seiner Frau , welche vier und zwanzig Stunden lang ununterbrochen nach ihrem Herrn Christus gerufen haben sollte , gesagt habe : daß ein stilles Gott vertrauendes Ende erbaulicher wie dieses Toben um Versöhnung sei , und manchen anderen Vorwurf , auf welchen die Witwe durchaus nicht antwortete , ihren Kindern aber beim Abschied mit weinenden Augen befahl , dem Oheim für seine Wohltaten zu danken .
Der arme Mensch war sehr bewegt , allein da er Alles , was nicht seiner Frömmigkeitsform glich , für Unrecht anzusehen gewohnt war , konnte er sein Herz nicht wieder finden und entließ die armen Kinder mit einem von Flüchen bedingten Segensspruche .
So wanderte nun das verwaiste Hauschen seinem ehemaligen Wohnorte zu .
Die Witwe gedachte bei alten Bekannten ein Obdach zu erbitten , bis sie für Marie einen Dienst gefunden und für sich und den kleinen Heinrich eine Wohnungahn Arbeit hoffte fi , sollte es ihr nicht fehlen , denn sie war als fleißig und redlich bekannt .
Bei günstigem Wetter hatten unsere Wanderer die 'Mühle des bekannten Müllers ohne Anstrengung erreichen können , denn Heinrich war ein rüstiger Knabe , aber das Unwetter ereilte sie ; sie hofften ihm durch Eile zuvorzukommen , versaumten also den letzten Zufluchtsort , wo sie es hatten abwarten können , zu benußen ; der Abschied aus Ebersdorf mochte die Armen auch schon mutlos gemacht haben ; so kam es denn , daß der Schrecken über den Donnerschlag , welcher die alte Bucheniederstürzte , den Knaben , der bisher seine Gewitterfurcht bekampft hatte , solchergestalt erschütterte , daß er mit gichtischem Zucken zusammenbrach .
Unter dem herabströmenden Regen mußte die arme Mutter das zuckende Kind nun forttragen , und endlich an die Mühle gelangt , sah sie sich von dem angeschwollenen Bach von ihr getrennt , und der Steg , der sie hatte hinüber leiten sollen , war verschwunden .
Der Müller hatte seinen vornehmen Gasten die Hauptzüge dieser Geschichte mitgeteilt , wahrend unsere jungen Freunde mit der Pflege der Bedrangten beschaftigt waren .
Die Baronin warf einige Worte kalter Verachtung hin über eine Frömmigkeit , welche zum Haustyrannen und heimlichen Schlemmer machte jedoch hatte fi die Sache wahrscheinlich unerörtert gelassen , hatte sich nicht Liefen zum Verteidiger des Ebersdorfer Oheim aufgeworfen und aus einer Menge frommer Lebensgeschichten bewiesen , daß man auch seine Liebsten von sich stoßen soll , wenn sie uns zur Sünde verleiten , oder in unserer Gottseligkeit hinderlich sind .
Frau von Moor hatte sich noch nie . in einen Streit über Liefen religiöse Ansichten eingelassen , allein es war sichtbar , daß diese es waren , welche sie in dem Maße , wie er sie bestimmter an den Tag legte , von ihm entfernten ; in diesem Augenblick vernachlassigte sie dieses einzige Mittel mit Menschen von Liefen Denkart in dußerem Frieden zu leben ; sie stellte die ruhige Selbsttantigkeit eines philosophischen Geistes , der in Glaubenssachen Jeden Wahlen laßt , was er zu seiner Beruhigung bedarf , neben den Eifer Jener , die sich im Besitz des Richter- und Strafamtes glauben und ihre Leidenschaften befriedigen , indem sie sich bald für den Hohepriester , bald für das Opferlamm ausgeben .
Liefen behielt zwar seine Fassung , aber der ruhige Beobachter hatte mit Schrecken gesehen , welcher Grimm unter dieser freundlichen Oberflache kochte .
So fand ihn Hannah , wie sie mit ihren jungen Freunden wieder in das Zimmer trat , und ihr Kummer wurde nicht geringer , als ihr die Baronin die Veranlassung zu ihrem Streit auf dem übrigen Wege nach Ebersdorf erzahlte .
Frau von Moor nahm diesen Kummer wohl wahr , sie sagte beim Schluß ihrer Erzahlung mit ungewöhnlicher Warme :
Wenn Ihre Denkart nicht mit der seinen übereinstimmt , so trennen Sie sich von diesem Manne , so lange es noch Zeit ist . -
Teure gnadige Frau , erwiderte das beangstigte Madchen , diese Denkart wurde mir von Kindheit an gelehrt , ich weiß , wie viele Tugenden neben ihr bestehen können ; deshalb darf ich auch hoffen daß Liefen , neben einigen falschen Formen des Guten dennoch Güte besiegt .
War er der Mann , der er Ihnen , wie ich mit unaussprechlichem Schmerze schon lange wahrnehme , zu sein scheint , so müßte ich ja erst seinem Ausspruche folgend , ihn von mir stoßen , denn eine Verbindung mit ihm Ware eine kecke Versuchung zum Unrecht .
Gutes , wackeres Kind , sprach die Baronin und reichte ihr fast mit Herzlichkeit die Hand , wie leicht würde dein klarer Sinn den rechten Weg gegangen sein !
Bei allen diesen Vorgang gab der Baron seine Teilnahme nur durch undeutliche Töne des Beiz falls bei Liefen frommen Formeln , und sein Mißfallen bei dem lebhaften Tadel seiner Frau , durch Handfalten und einen fürbittenden Blick nach Oben zu verstehen ; wurde aber in beiden Fallen wenig von ihr beachtet .
Bei der ziemlich spat erfolgten Ankunft in Ebersdorf , fanden sie die besten Zimmer des Gasthofs schon besaßt , und wie es sich auswies , war ihr schon seit einigen Tagen hier verweiz Länder Bewohner Herr von Schönaich aus Barby , Hannahs Vater .
Machtig und schmerzlich überrascht , denn sie warf sich ihre Flucht aus dem vaterlichen Hause immer als ein Unrecht vor , so rechtfertigend deren Ursache ihr schien , wollte Hannah zu ihm eilen ; der Wirt bedeutete sie aber , der Herr sei nicht zu Hause , sondern bei dem reichsten Fabrikherrn der Stadt , mit dessen einziger Tochter er heute seine Verlobungsfeier begehe .
Diese Worte schienen wie eine Zauberformel auf alle Anwesende zu wirken ; Hannah erblaßte und blickte stumm vor sich nieder , bis große Tranen auf ihren hochaufseufzenden Busen herabrollten .
Luise setzte sich erschrocken neben sie , und faßte , ohne sprechen zu dürfen , ihre Hand z. Casimir , dem die Schicklichkeit verbot , bei einem Vorgange , dessen Zusammenhäng er ohne Luisens Unvertraunisse gar nicht verstanden . hatte , Anteil zu nehmen , zog sich in ein Fenster zurück , von wo er mit dem lebhaftesten Ausdruck der Unruhe in seinem redenden Gesicht , die beiden Freundinnen beobachtete , und beim Eintritte des Aufwarters mit einigen Erfrischungen , in der Angst seines Herzens nichts Besseres zu tun wußte , als ihnen Limonade , Orangen und Wein so eifrig zuzutragen , als könnten sie Dolmetscher seiner Teilnahme sein .
Sie waren_es wirklich , denn mit der liebevollsten Stimme bat er Luisen Hannah zu bereden , fi folle sich starken , kühlen , erwarmen , zerstreuen , und in diesem Augenblick hatte man denken sollen , Hannah sei die Herrin seiner Gefühle .
Die befremdlichste Rolle bei diesem Auftritt spielte Liefen .
Mit eifriger Neugierde tat er dem Wirt mehrere Fragen über Baron Schönaichs Verhaltnisse , ohne auf Hannahs sanfte Bitten , seine Nachhausekunft abzuwarten , zu achten .
Frau von Moor faßte sich zuerst ; sie führte Hannah in ein Nebenzimmer , wo ihr kluges Zureden die Bestürzung des armen Kindes in etwas milderte .
Darauf bat sie die Gesellschaft , sich nach Wohlgefallen zur Ruhe zu begeben und befahl Luisen , in ihr Schlafzimmer zu gehen , indem sie gesonnen sei , mit Hannah Herrn von Schönaichs Nachhausekunft abzuwarten , um seiner Tochter die Freude zu verschaffen , ihn noch heute Abend zu begrüßen .
Luise küßte , che sie das Zimmer verließ , wiederholt die Hande ihrer Mutter , voll innigen Dankes für die Güte , welche sie der Freundin erwies .
Hannah war nur kurze Zeit mit der Baronin allein gewesen , als ihr Vater nach Hause kam und der Anweisung gemaß vom Gastwirt eingeladen , sich in der Baronin Zimmer begab .
Hannah eilte ihm zitternd entgegen , küßte fast kniend seine Hand , und stellte ihm dann die Baronin als ihre Wohlthaterin vor .
Frau von Moor erblickte einen Mann , dessen regelmassige Züge und Wohlgestalt von ehemaliger Schönheit zeugten , jekt waren sie aber erschlafft und sein Körper dick ohne Kraftigkeit .
Sinnliche Güte und gemütliche Schwarmerei sprachen aus Stirn , Augen und Mund .
Er schien über Hannahs Gegenwart sehr verlegen , aber auch sehr gerührt , so daß er die Worte der Baronin , welche ihm den Zweck ihrer Reise sehr bestimmt und in großer Kürze vortrugen , nur am Schlusse erst verstand , denn er hörte gespannt zu und sagte erst nach einer Pause mit herrnhutischem Ausdruck , aber wirklicher Erheiterung :
Ja hier ist Gottes Schickung den armen Menschenkindern offenbar worden !
In der Stunde , wo ich sorgenvoll kampfte , weil die Wahrheit mich zu einem großen Opfer drang , diese Wahrheit aber dich , meine arme Hannah , in jedem Fall der irdischen Güter berauben mußte , in derselben Stunde sorgte Gott , daß du einen Ersatz in einem frommen Ehegatten fandest .
Ein Gut , mein Kind , das dein Weltsinn aus der Hand unserer Gemeine gottlos genug von sich gewiesen hatte ... .
Wir hören , Herr von Schönaich , unterbrach ihn die Baronin , indes Hannah versöhnend seine Hande küßte , daß Sie eine zweite Gattin zu Wahlen gedenken , meine junge Freundin kann sich nur freuen , daß die Liebe , die Pflege , welche sie Ihnen mit Freuden gewidmet hatte , von einer würdigen Stiefmutter , übernommen werden soll .
Schönaich verbeugte sich beifallig , erwiderte aber mit sichtbarer Verlegenheit :
Außer diesem meinen neuen Chebündniß , von welchem ich zu meiner Befremdung Sie schon unterrichtet sehe , erwarten dieses junge Frauenzimmer noch andere Nachrichten , welche ohne eitlen Gram anzuhören , die christliche Erziehung , die sie von meiner in Gott ruhenden Gattin empfing , sie geschickt gemacht haben sollte .
Die Baronin sah Hannah besorgt an , diese erblaßte und Schönaich fuhr nach einer Pause fort :
Frommer Irrtum hat mich und meine verklarte Gattin verleitet von hier an sah Schönaich seine Zuhörerin nicht mehr an , sondern blickte meist ausdruckslos vor sich hin , und legte seine ausgespreizte Hand auf die Brust -- frommer Irrtum hat uns verleitet , unsere Mitchristen und dieses werte Kind zu hintergehen .
Meine Gat tin empfand schon auf ihrem Totenbette große Angst darüber , allein in ihr war noch nicht die Kraft fügend , welche den Spott der Welt um der Wahrheit Willen nicht achtet .
Wie nun Hannahs Widerspenstigkeit die Ordnung der Gemeinde höhnte , da ging ich in mich und erkannte , daß ich die Strafe des Truges erlitt ; da nun jetzt der Entschluß zu einer zweiten Ehe mir Gottes Gnade besonders notwendig macht , und ein , von meiner ersten Frau vergeblich gehoffter , Segen mich in Zukunft erfreuen kann , habe ich bes schlossen , nicht langer der Lüge zu frönen , sondern gerichtlich darzutun , wie diese Hannah weder mein , noch meiner in Gott entschlafenen Gattin Kind ist , sondern ein Findling , welchen die Selige aus Leichtsinn aufnahm , aber mit christlichem Mute erzog .
Erst in dieses Findlings zehntem Jahre führte mir der Herr ihre unvergeßliche Pflegemutter zu , worauf ich denn das · verlaßene Kind zu mir nahm und meiner Gattin zu Liebe als mein eigenes erzog . -
Hannah saß , ihr Gesicht verhüllend , regungslos und so scharf sie hörte , doch ihres Daseins kaum bewußt .
Diese bürgerliche Vernichtung , dieses Leben in Trug , ihre stets gehegte Liebe für Fremde , diese von einer Fremden genoßene unwandelbare Mutterliebe , dieses Verwandeln von dreier Menschen Leben durch die dürren Worte eines einzigen Menschen das Alles zusammen drang ihr ein solches Gefühl von Vernichtetsein , von Gelassensein auf , daß sie sich ins Grab wünschte und ihr nach und nach vorkam , als sei sie schon im Grabe und die Stimmen , welche ihr Ächtung im Verbande der Gesellschaft aussprachen , tönten nur noch zu ihr herab .
Sie vernahm nicht , daß die Baronin die Pause , welche Herr von Schönaich jetzt machte , dazu benußte , ihm zu sagen :
Für Hannah Ware es besser gewesen , Ihr Gewissen hatte sich von jeher dieser Zartheit beflissen , Ihrer würdigen Pflegtochter Ware dadurch eine bittere Fehlschlagung erspart .
Sollten Ihnen noch eigene Kinder geschenkt werden , so ist zu wünschen , daß sie Hannah gleichen mögen an Tugend und Ehrerbietung gegen Sie .
Da Sie aber dieses junge Frauenzimmer zu einer bestimmten Aussicht erzogen , da fi fünfzehn Jahre lang Ihnen Tochter war , da sie auch in Zukunft nicht ermangeln wird , Kindespflichten gegen Sie zu erfüllen , so zweifle ich gar nicht , daß Sie dieselbe auch ferner als Schwester Ihrer künftigen Kinder behandeln werden .
Herr von Schönaich trat einen Schritt zurück , legte die Hand beteuernd auf die Brust und sagte mit einem schwimmenden Blick gen Himmel :
Die Frucht der Sünde soll nicht im Garten des Gerechten gepflegt werden .
Hannah vernahm diese Worte deutlich und ein Schrei des Schmerzes , bei dem sie hülflos ihre Hande ausstreckte und dann gefaltet vor ihr Angesicht legte , drückte ihre Empfindung aus .
Die Baronin war bei Schönaichs ' letzten Worten vor Unwillen verstummt ; bei Hannahs Verzweiflung ausdrückender Bewegung trat sie zu ihr , legte ihre Arme um sie und sprach ruhig : Hannah , den Vater will ich dir er_es sehen , und wenn Liefen deiner wert ist , so wird er dein Unglück für einen größeren Brautschat halten , wie dieses Mannes Gut dir ihn hatte geben können .
Es ist genug , mein Herr , wendete sie sich ohne Hannah aus ihren Armen zu lassen , an Herrn von Schönaich ; morgen bitte ich Sie um die genauesten , so viel möglich gerichtlichen Beweise , unter welchen Umstanden Hannah von ihrer würdigen Pflegmutter aufgenommen wurde ; alles Andere , was dieses junge Frauenzimmer betrifft , liegt mir und meiner Tochter ob .
Um diese Nachrichten so authentisch wie möglich zu machen , erwiderte Schönaich , ist dieses der geschickteste Ort . -
Ebersdorf ? rief die Baronin , in höchster Überraschung emporblickend .
Ebersdorf , wiederholte Jener ; denn hier wurde Hannah gefunden und morgen früh werde ich die Ehre haben , Ihnen die gewünschten Papiere nebst einem kleinen Aufsaß meiner Seligen zu übersenden .
Herr von Schönaich nahm , da die Baronin ihr Gesicht auf Hannahs Kopf niederbeugte , nicht wahr , wie heftig fi bei seinem Abschied bewegt war ; und Hannah war nicht im Stande sie zu beobachten .
Diese Beide brachten , nachdem sie sich ge = trennt hatten , eine schlaflose Nacht zu .
Die Baronin in gespannier Unruhe neben dem Bette ihres fest schlafenden Gemahls umherschreitend , Hannah auf Luisens Lager sehend , der sie mit überwaltigender Wehmut die Entdeckung ihres verlaßenen Zustandes erzahlte .
Sobald die Morgensonne die Laubhütte in dem Garten des Gathofs beschien , schlichen die beiden Madchen in den erquickenden Duft der blühenden Holunderaste , von denen große Tautropfen einzeln in den Staub rollten , indes die Sonne den diamanten Schimmer anderer aufküßte .
Hannah saß schweigend an Luisens Seite und genoß der Morgenluft , welche ihre von Wachen und Weinen glühenden Wangen kühlte .
Nach wenigen Minuten trat Cafimir zagend an den Eingang der Laube und sagte :
Ich habe freilich gar keine anerkannten Rechte , aber wenn die unleugbaren der Freundschaft etwas gelten .... Hannah , rief Luise bittend , ist denn das nicht ein Trost , den Gott uns schickt ? sollen wir ihn aus Menschenfurcht und Menschenweisheit von uns stoßen ?
- Indes sich Hannah angstlich besann , saß Caimir schon neben ihr und faßte ihre Hand .
Ich bin nicht anmaßend , sagte er , aber dennoch ist mir_es , als Ware ich berufen .
Ihr Schuß und Beistand zu sein .
Der erste Irrtum , in welchem ich Sie für Luisens Schwester hielt , hat so tiefen Eindruck auf mich gemacht , daß mir immer noch ist , als müsse ich Sie bitten , einen Bruder in mir zu sehen . --
Dwie notwendig Ware mir ein Bruder ! rief Hannah , mit neuen Tranen ihr Gesicht an Luisens Busen verbergend .
Diese wartete gar nicht auf ihrer Freundin Erlaubnis , sondern erzahlte Radata mit wenig Worten , welche wunderbare Entdeckung am gestrigen Abend Stadt gefunden hatte .
Dieser richtete sich wie ein Mensch auf , der eine rechte frohe Nachricht erhalt , wo er eine traurige Kunde erwartete doch ein zweiter Gedanke schloß ihm den , schon zu freudiger Rede geöffneten Mund .
Nach einer kleinen Pause sagte er aber herzlich : Luise , unsere Hannah verlor keinen wahren Vater , aber wahre Geschwister soll sie in uns beseßen .
Entweder zeigt sich jetzt Liefen ihrer wert und die sonderbare Scheidewand zwischen ihm und uns fallt , oder Hannah nimmt uns wirklich als einzige Verwandte an , und dann wird das beschrankte Schloß in den böhmischen Waltern die Heimat der Freundschaft und Liebe sein .
Die beiden jungen Köpfe malten sich ihr Paradies , an dem sie schon langst alle Plattchen coloriert hatten , plöslich von Neuem aus , um Hannah darin eine bleibende , Statte einzuraumen .
Ruhig sprach Casimir von seiner nahen Abreise , um an die Vollstreckung seines ökonomischen Planes mit neuem Eifer zu arbeiten .
Zwischen einfacher Vernünftigkeit und jugendlichen Ansichten des Lebens , zogen sie die altere , nur trübere , nicht erfahrenere Freundin in ihre Zukunftstraume , bis der Baronin Ruf sie zum Frühstück besammelte .
Hannah fand Liefen sehr unruhig im Zimmer auf und abgehen ; er trat sogleich zu ihr und übergoß sie mit einer Menge frommer Aufmunterungsgründe , durch die er ihr die Verlassenheit ihrer Lage erst recht grauenvoll hinstellte , und darauf forderte er sie auf , jeden Trost den Gott ihr senden würde , mit freudiger Demut anzunehmen .
Die Baronin hatte ihn vor dem Frühstücke von Hannahs Schicksal unterrichtet ; er tadelte Herrn von Schönaich mit Bitterkeit , weil er seine stillschweigend übernommene Verbindlichkeit , nun so gewissenlos abzuschütteln gedachte , ohne zu bedenken , ob er es Anderen nicht dadurch unmöglich mache , des jungen Frauenzimmers Glück zu begründen .
. Deshalb , unterbrach ihn die Baronin mit sichtbarer Arglist , deshalb sehe ich es als ein sehr günstiges Schicksal für das liebe Kind an , daß Sie ihren ganzen Wert kennen gelernt haben .
Sollte sich auch hie und da bei Hannahs Freunden irgend eine Sorge bei ihrer Verbindung mit Ihnen gefunden haben , so verliert sie sich doch ganzelich , da Ihnen das Glück wird , Hannahs Wohlthater sein zu können .
- Liefen wurde hochrot und meinte : daß nur leider ! sein Vermögen allein ihr nicht den Wohlstand zu verschaffen vermöge , in den er sie so gern versaßt gesehen hatte .
Dann wird Ihnen die süße Pflicht verdoppelter ökonomischer Thatigkeit und Benuhung mancher schönen Talente , fuhr die Baronin in ihrer Rede fort , und darin finden Sie wieder einen neuen Anspruch auf Ihrer Gattin Verehrung .
Herr von Schönaich wird aber doch , bemerkte ist Licfen mit schlecht verhehltem , Mißbehagen , alle Umstande von Hannahs unglücklichem Schicksal Ihnen mitteilen ?
Das wird er , erwiderte die Baronin immer mit gleicher Ironie , und vielleicht findet da Ihre thatige Menschenliebe auch Gelegenheit , sich über Hannahs beklagenswerte Eltern auszubreiten .
Langer konnte Liefen den bitteren Spott in der Baronin Reden nicht ertragen , er brach in großem inneren Aufruhr das Gesprach ab , und schien sich , wie Hannah eintrat , auf das was er ihr sagte , vorbereitet zu haben .
Ein unwissender Zeuge hatte müssen Hannah , nicht für eine aller Stüße beraubte , er hatte sie müssen für eine von liebenden Verwandten gefeierte Schwester halten , so sorgfal tig waren Luise und Casimir um sie beschaftigt , so sonderbar gerührt , wenn gleich ohne Worte und ohne Liebkosung , behandelte sie die Baronin .
Liefen suchte unbefangen zu sein , und der Baron , der seit seiner Ankunft in Ebersdorf sehr seufzend gewesen war , las ohne an den Übrigen Teil zu nehmen , fat ununterbrochen in einem schmalen , in gespaltener Oktavform gebundenen Büßbüchlein .
Jet trat aber ein Bedienter des Herrn von Schönaich herein , glatt gekahmt , in schlichtem dunklen Rocke und schwarzem Halstuch , mit einer Lachelenden Demut , durch welche der Bediente im dienenden Bruder unterging .
Er übergab Hannah einen Brief und meldete der Baronin , Herr von Schönaich würde vor seiner Abreise noch die Ehre haben , Abschied von ihr zu nehmen .
Hannah hatte das Schreiben mit zitternder Hand geöffnet , sie nahm ein gefaltetes Papier heraus , an welchem Liefen forschender Blick sogleich ein großes Siegel erblickte .
Er machte , neben Hannah fihend , fast eine unwillkürliche Bewegung es zu ergreifen , die aber Hannah sogleich bemerkte , die Hand darauf legte und nach augenblicklichem Besinnen , das ganze Paket der Baronin hinreichte .
Lesen Sie gnadige Frau , rief sie , der arme Findling hat keine andere Teilnahme als die Sie und die Ihren ihr schenken -- ist er Ihnen nicht schuldig , sein Schicksal aus ihrem Munde zu empfangen ?
Radaste stand leise auf , und wollte sich , von seinem Zartgefühl angetrieben , fortbegeben ; die Baronin bemerkte es und schien seine Entfernung abwarten zu wollen , Hannah aber rief bittend , gnadige Frau , erlauben Sie Ihrem jungen Gaste zu bleiben !
ich kann es nicht über mich gewinnen , ihn , der mir brüderliche Teilnahme erzeigte , jetzt als Fremden behandelt zu sehen .
O der Verlassene geizt mit seinen Freunden ! seht sie mit ausbrechenden Tranen hinzu .
Der Baronin Gesicht drückte einen heftigen Streit ihrer Gefühle aus , bald schien aber der Stolz die Oberhand zu behalten ; kalt , aber mit zuckendem Munde sagte sie nach einigem Besinnen :
Herr von Radata , Hannah' ist Herr ihres Geheimnisses , ich gebe aber dem Beweise von Achtung meinen Beifall , den sie Ihnen zugesteht .
Bleiben Sie bei uns .
Jet durchlief ihr - Auge schnell die verschiedenen Papiere und eines in der Hand haltend sagte sie :
Hier ist ein Schreiben Ihrer Pflegemutter , liebes Kind , soll Hannah bejahte mit . immer ich es lesen ?
- angstlicherer Spannung .
Die Baronin rückte ihren Stuhl also , daß ihr Gemahl am bequemsten hören könnte , und las ohne Unterbrechung folgenden Brief der verewigten Frau von Schönaich .
- " Meine geliebte Hannah , ich muß dem Willen dessen , der seit zwölf Jahren als Vater für dich sorgt , nachgeben -- er wünscht , das Geheimnis deiner Geburt solle erst nach seinem Tode dir kundwerden , indem dessen Entdeckung sich nicht mit dem vaterlichen Ansehn vertrage .
Ach , deine kindliche Ehrerbietung ist fester gegründet , wie er glaubt , und kein Nachteil ist dem zu verglei chen , in der Lüge zu leben .
Dieses Bewußtsein , vor dir nicht in der Wahrheit zu wandeln , hat mich so oft gequalt , hat meinem ganzen Leben eine besondere Farbe gegeben , um so mehr , da es mir nicht entging , wie du früh über das Rathsel- * hafte , das auf deiner Kindheit ruhte , dir einen Irrtum bildetest , der in dir manche schöne Tugend der Milde und Behutsamkeit entwickelte , der mich aber schmerzlich demütigte .
Doch durch diese Demütigung selbst hoffte ich für meine erzwungene Unwahrheit gegen dich entsündigt zu sein . "
-- " Wann nun aber auch dieses Blatt in deine Hande kommen mag , so wisse , meine geliebte Hannah , du bist weder mein noch meines Gemahls Kind , so wie unsere Liebe dich überredete , und falscher Dünkel und falsche Großmut dich hat glauben lasen .
Höre die traurige Geschichte deiner ersten Kindheit . "
Ich habe es dir anvertraut , daß ich eine arme Weberstochter aus Schlesien bin , aber das habe ich dir verschwiegen , daß meine Eltern , wie ich noch ein Kind war , nach Ebersdorf zogen , wo damals noch keine Brüdergemeinde bestand .
Nach meiner Mutter Lote narrte meine Handarbeit meinen alten , fat stumpfsinnigen Vater ; die Mutter meines jetzigen Gatten , die eine große Fabrik in Ebersdorf besaß , gab mir Arbeit , auch ihr Sohn , damals ein weltlich gesinnter Jüngling , den Gott um seines weichen und großmütig gesinnten Herzens Willen nachmals zur Gemeinschaft des Lammes rief , verwandelte die Bezahlung meiner feinen Nathereien in eine reichliche Unterstüßung .
In unser beider Herzen keimte unleugbar damals eine törichte Neigung , Gott behütete uns aber vor allem Unrecht in Gedanken , Worten und Tat .
Indem Herr von Schönaich bald von seinen Geschafften hinweggerufen wurde , erleichterte mir Gott den Kampf mit weltlicher Liebe .
Einige Zeit nach seiner Abreise starb mein Vater nach langem Leiden und ließ mich hülflos zurück .
In der Nacht , wo ich bei seiner Leiche wachte , wo ein paar rohe Mietlinge neben mir meinen Letten Groschen in Kaffee und starkem Getranke verzehrten , und ich mit allen meinen Kraften rang " geduldig zu leiden bis zum Tode " , wenn es sein Wille Ware , in derselben Nacht hatte eine leichtsinnige Unglückliche dich , du geliebte Herzenstochter , auf mein armes Lager gelegt .
Ich fand dich , und die harte Welt beschuldigte mich , deine fitenlose Mutter zu sein . "
Hier zitterte die Hand der Baronin , welche das Blatt hielt , und ihre Stimme versagte fat .
Der Baron war bestürzt aufgestanden und machte eine Bewegung , sich des Papiers zu bemachten .
Er sagte angstlich : mir bedünkt doch , diese Lektüre sollte das junge Frauenzimmer allein machen ?
Wer soll sie allein machen , Herr Baron ? fragte diese befremdliche Frau , plößlich ihre Stimme mit Strenge erhebend , sollte uns des jungen Frauenzimmers Geschichte nicht ein gemeinsames Interesse einflößen ?
- Ihr Gemahl nahm betroffen die Stellung eines Zuhörers wieder an und indes Hannah mit verhülltem Gesichte gar nicht auf die Außenwelt zu achten schien ! fuhr die Baronin fort .
" Die Schmach , mit welcher die Welt mich um deinetwillen bedeckte , überzeugte mich , daß Gott dich zum Werkzeuge meines Seelenheils ersehen hatte .
Mein bisher so züchtiger Wandel , meine Tranen , meine Schwüre konnten meine Unschuld nicht beweisen , ich wurde lange gefangen gehalten und endlich Landes verwiesen , nahm dich auf meine Arme und wanderte in die weite Welt hinein . O mein Kind , damals gab mir Gott " den Frieden , der höher ist wie alle Vernunft . "
In dieser Zeit erfuhr ich die kleine Begebenheit , die deine kindische Phantasie einst so machtig beschaftigte -- ich war selbst das junge Madchen , welches mit einem Findelkind auf dem Arm , hülflos an eines Waldes Saume saß , wie ein paar liebe Geschwister kamen und ihm Almosen reichten , und eine harte Stiefmutter es ihnen verbot , der Verlasfnen Hilfe zu leisten .
Du weintest so untröstlich über diesen Auftritt , daß ich nicht vermögend war meine eigene Wehmut zu bemeistern .
Doch dieser hülflose Zustand dauerte nicht lange ; Gott ließ mich gute Menschen finden , er gab zehn Jahre lang meinem Gebet und meinem Fleiße seinen Segen ; ich erzog dich in der Furcht des Herrn , und du warst mein Trost .
Deine frühesten Erinnerungen haben dich , wie ich oft wahrgenommen , nie weiter zurückgeführt , als zu dem Begrabniß meines ersten Gatten , eines gottesfürchtigen Schreiners in C , der mich als eine arme Dienstbotin erwahlte und mir durch sein Beispiel in der Gottseligkeit forthalf .
Mein zu weiches Herz , das die Erinnerung an mein vergangenes Unglück scheute , wie der langsam von schwerer Wunde Genesende die Berührung seiner Narbe , mein zu weiches Herz scheute sich damals , dich von den traurigen Schicksalen deiner ersten Kindheit zu unterhalten ; Niemand kannte sie in der Fremde , wo ich mein Brot crward ; du fragtest nicht , denn du hieltest die für deine Mutter , die dich mütterlich liebte , und so wurdest du zehn Jahr alt , und ich vergaß über meiner innigen Liebe zu dir oft Monate lang , ja viel langer , daß du nicht mir dein Leben zu danken hattest .
Nur einzelne Bruchstücke meiner Schicksale erzahlte ich dir , gleichsam als Beispiele , um dir Vertrauen zu Gott und Gehorsam für meine Gebote einzuflößen .
Da begab es sich einst , daß Herr von Schönaich auf einer Reise von Wien nach Ebersdorf begriffen , sehr gefahrlich krank in C * , wo ich dich und mich anstandig narrte , eintraf .
Ein angesehener Mann der Stadt , dessen Gemahlin mich mit ihrem Wohlwollen beehrte , war fein Jugendfreund , er trug seiner Frau auf , eine Warterin für den Leidenden zu suchen und diese traute nur mir zu , diesem Geschaffte sorgfaltig vorstehen zu können .
Sehr bald entdeckte ich in dem kranken Fremden den Mann , der in meiner ersten Jugend mein Wohlthater gewesen war .
Ich erschrak in meinem Herzen , wie ich wahrnahm , daß die Erinnerung an jene weltliche Neigung , vor welcher mich damals die ewige Gnade Gottes rettete , noch jetzt mein Gemüt bewegte .
Doch vor dem Todesengel , welcher in dieser Zeit den geliebten Freund umschwebte , schwiegen alle irdischen Gedanken , und wie es Gottes Barmherzigkeit gefiel , sein Leben zu einem frommen Wandel zu retten , wurde uns die Kraft von oben , dem Genesenden und mir , uns wieder zu trennen .
Du erinnertest dich dessen einige Jahre darauf , indem du mich einst fragtest : wohin der Vater damals gereist gewesen sei ?
- Du gutes Kind warst unwillkürlich durch deines Pflegevaters Güte und meine Schüchternheit verleitet , auf den Wahn gekommen , Herr von Schönaich sein schon damals dein Vater gewesen .
Sonderbar kam es mir oft vor , daß du in spaten Jahren so selten von der Zeit vor deines Pflegevaters Krankheit sprachst .
Es schien deine Erinnerung erst von dem schönen Gartenhause zu beginnen , wo er damals wohnte , und ich erwahnte der Vergangenheit nicht mehr gern , seit ich meinem Gatten hatte versprechen müssen , deine zweideutige Geburt und meinen demütigen Stand vor unserer Ehe , zu verschweigen . "
" Ja wie bald nach der oben erwahnten Tren= nung der Geist des Herrn so machtig in deinem Pflegevater wirkte , daß er mich arme Handwerker - Witwe zu seiner Gemahlin erhob , schien es mir je langer je mehr gegen Gottes Gebot " ehre Vater und Mutter " , daß ich sollte deinem unerfahrenen Sinne meine leidenvolle Jugend Erzahlen , der Menschen Unbill , die ich erfahren , und die wunderbaren Wege , auf denen mich Gott zu großen Ehren gebracht hatte .
Zu meiner Beruhigung bewies mir Herr von Schönaich , daß er das Recht habe sein Vermögen , wem er wolle zu hinterlassen , da nur reiche , entfernte Verwandte solches hinnehmen könnten ; daß diese aber Zorn und Unmut Narren würden , wüßten sie , daß er solches einer Fremden zu vermachen gez denke .
Ihnen solche feindselige Gesinnungen zu ersparen , bedürfe es nur sie bei dem allgemeinen Irrtum zu lassen , als seist du wirklich unser Kind . "
" Indem ich bei dem Gedanken errate , daß du , meine geliebte Hannah , diese Worte einst lesen sollst ; da ich doch alsdann dort stehen werde , wo alle Herzen offenbar sind , und Gott meine Unschuld und meine Schwache wird aufdeckendaß ich dem Tode Reifende jekt erröte , ist Bü- Bung für meine Einwilligung in diesen Betrug ... "
Hier unterbrach sich die Baronin , überlief eine halbe Seite , die ihr noch zu lesen übrig blieb , und entfaltete dann das Papier mit dem großen Siegel .
Es war ein Dokument des Magistrats von Ebersdorf , in welchem dieser das Datum des Tages , wo Hannahs Daeyn zu seiner Kunde gekommen war , und welches Deborahs , der nachmaligen Frau von Schönaich Aussage über die Art , wie sie das Kind gefunden , die Aussage und Anklage der beiden , in jener Nacht Gegenwartchen , Leichenwager , die sie als Mutter des verborgen gehaltenen Kindes angaben , und Deborahs Landesverweisung als leichtfertige Dirne enthielt .
Frau von Moor durchlas diese Schrift leise mit vielem Nachsinnen , indem sie sich nur mit Mühe von dem Baron unterbrechen ließ , der sie in ein anstoßendes Zimmer führte , wo er eifrig aber angstlich leise mit ihr sprach .
Luise hatte , sobald ihre Mutter zu lesen aufgehört , Hannah in ihre Arme geschlossen , und sie unter den zartlichsten Liebkosungen aufzurichten getrachtet .
Casimir hielt sich in bescheidener Entfernung , er glaubte Liefen Rechte , das liebenswürdige Madchen zu trösten , nicht vorgreifen zu dürfen ; wie dieser aber in dumpfem Stillschweigen vor sich hinstarrend beharrte , nahte er sich den beiden Freundinnen und versuchte mit herzlicher Zuversicht Hannah zu überzeugen , daß eine Mutter , wie Deborah , die eine Martyrerin ihrer frei auf sich genommenen Pflicht war , mehr Ehre auf eines Findlings Scheitel vererbe , wie tausend wirkliche Mütter , die ihre natürliche Obliegenheit Saume .
Liefen mußte ungeachtet feiner Abgezogenheit diese jungen Leute beobachtet haben , denn er stand plöhlich auf und sagte mit fast rauhem Tone : dieses junge Frauenzimmer würde jetzt besser tun , seinen Trost in Gebet und Demut zu suchen , als in solchem leidenschaftlichen Übermaß fremdartiger Empfindungen .
Wahrend dieser , die jungen Herzen empörenden Worte hatte sich die Baronin wieder genaht ; ihr Gemahl folgte ihr mit Schluchzen und Tranen , und seßte Luisen in das größte Erstaunen , als er ihre und Hannahs Hand faßte , und wahrend die Baronin sprach , beide vereinigt , mit seiner Rechten festhielt , wahrend er mit der Linken ein um das andere Mal seine reichlichen Tranen trocknete .
Seine Gemahlin hingegen nahm mit dem Ausdrucke gewaltsamer , in Harte untergehender Fassung , sich an Hannah und Luise wendend , das Wort :
Luise du kennst meine Art mich zu außen , es ist die einzige , welche mich Stetigkeit im Leben erhalten ließ . -
Tat ich wehe damit , nun , so ersparte ich auch vieles Weh .
Luise , Hannahs Eltern sind gefunden .
Sie ist deine altere , so lange ver geblich gesuchte Schwester .
Die beiden Madchen verschlangen mit einem lauten Ausruf des Entzückens ihre Arme , und so vereint zog Hannah Luise mit sich vor ihrer Mutter auf die Knie .
Diese behauptete gewaltsam ihre Fassung , legte die Hand segnend auf Hannahs Stirn , und mußte lange um ihre liefe Stimme Kampfe , mit der sie sehr feierlich sagte : Gott segne dich !
Der Baron wiederholte diese Worte hundertmal , mit den wunderlichsten Kraft Troft- und Büßsprüchen verbunden .
Endlich drückte er Hannah an seine Brust und stellte sie Radaste und Liefen als seine wirkliche , Alteste , eheliche Tochter vor .
Radaste dachte nicht daran die vertrauliche Teilnahme an dieser höchst günstigen Wendung von seiner Freundin Schicksal zu verbergen , er weinte und lachte vor unendli cher Freude , kniete vor der Baronin nieder , um ihr Glück zu wünschen , und umarmte den noch immer in Tranen zerfließenden Baron , daß er ihm den Atem verseht .
Viel gefaßter ließ sich Liefen vernehmen .
Er trat hinzu , um salbungsvoll seine Freude zu bezeigen , daß nicht seine Bemühungen allein von der Vorsehung aufgerufen sein sollten , seiner geliebten Hannah Lebenspfad mit Rosen zu bestreuen , sondern die Liebe würdiger Eltern .... Davon hernach , sagte schnell einfallend die Baronin kalt und strenge , ist sind wir euch , meine Kinder , wir sind Ihnen , meine Herren , welche uns der Zufall bei dieser Begebenheit als Familienmitglieder zu behandeln bewog , einige Aufklarung über Ereignisse schuldig , die ganz von gewöhnlichen Verhaltnissen abgewichen zu sein scheinen .
Ich war eine katholische Erbtochter aus Böhmen ; meine Familie verbot mir die Verbindung mit dem Baron , weil er Keßer und Auslande war ; seine Wünsche und meine Überzeugung , daß meiner Vormünder Verbot sich auf sehr unbillige Vorurteile gründete , bewogen mich zu einer geheimen Heirat , welche in dem Augenblick meiner Volljahrigkeit erklart werden sollte .
In der Zeit dieser Geheimhaltung gab ich meiner Hannah das Leben , der Baron vertraute das Kind in der Nahe dieses Stadtchens einer Pflegerin , und nach wenigen Wochen erfuhr ich , daß es gestorben sei .
Die Baronin wurde wahrend dieser Erzahlung immer kalter , da hingegen des Barons Gemütsbewegung bis zur Trostlosigkeit stieg , so daß er Hande ringend seinen Erlöser um Gnade bat .
Frau von Moor fuhr fort : Unfre Heirat wurde erklart ; nach einigen Jahren reisten wir von Wien , wo wir einen Winter zugebracht , nach Sachsen zurück , und nahmen unseren Weg zufallig über Würzburg .
Wir besuchten das Julius - Hospital ; wir fanden eine Kranke , welche denselben Morgen eine gefahr- . liche Operation überstanden hatte , - hier stürzte der Baron laut achzend ins Nebenzimmer , wodurch sich aber seine Gemahlin nicht abhalten ließ , ihre Erzahlung gegen die zitternden Madchen , die noch immer mit säst verschlungenen Armen vor ihr standen , zu beendigen .
Die Unglückliche erkannte euren Vater , sie entdeckte ihm , daß die Versuchung sich einer anschnlichen Summe zu bemachten , welche ihr unvorsichtiger Weise zu Hannahs Verpflegung anvertraut worden war , sie verführt habe , ihren Pflegling auszusehen und mit dem Gelde zu entfliegen .
Sie diktierte ihrem Beichtvater den Tag , den Ort , die Umstande , - so viel Zeit ließ ihr die Rachende Gottheit , denn noch am selben Tage besiegelte sie ihre Aussage mit ihrem Tode . ---- Ra taste sah die Baronin wahrend des Erzahlen immer blasser werden , sah ihre Lippen konvulsivisch zucken die Töchter beobachteten sie nicht , sondern bargen ihr Antlih ` eine an der anderen Busen da ergriff der Jüngling der erstarrten Frau kalte Hand , drückte sie schüchtern , aber innig an seine Brust und sagte : arme , arme Mutter !
Gott erhielt ja Ihr Kind , Sie können sie ja noch viele Jahre lieben ! -- - Ich bin fertig , nahm sie das Wort von Neuem mit Anstrengung ihrer Leste Kraft .
Unsere Nachforschungen in diesem Stadtchen , wo deine unmenschliche Pflegamme dich ausgesät hatte , belehrten uns , daß dich ein armes junges Madchen gefunden , daß die rauhe Unbilligkeit des Magistrats diese ins schrecklichste Elend gestürzt , und daß fi nach langer Haft entlassen und mit dir verschwunden sei ....
Nie entdeckten ) wir eine Spur von dir .
Jet ergriff sie erschöpft eine Stuhllehne , um sich zu stüßen ; Casimir seht sie sanft nieder , die Madchen umschlangen fi , sie lag schweigend wie eine Schlafende in ihren Armen , und der ernste , lange , nachdenkende Blick , mit dem sie darauf ihre beiden Töchter abwechselnd ansah , gebot eine Stille , die etwas ängstliches zu haben begann , als das laute Beten des Barons aus dem anstoßenden Zimmer herübertönte .
Mit fester Stimme befahl die Mutter :
" " Geht zu eurem Vater .
Euer Bemühen sei ihn zu erfreuen , eure Pflicht ist_es , ihm Ehrerbietung zu erweisen . "
Die Madchen eilten hinaus , und nun nahte sich Liefen und drückte ziemlich geschaftsmaßig feine Hoffnung aus , von ihr und ihrem Gemahl die Einwilligung zu erhalten , welche er von Herrn von Schönaich zu erbitten , ausgereist sei .
Hannah hat ihr Schicksal ganzelich in ihren Handen , war die trockene Antwort der Baronin , sie hat Gelegenheit gehabt Sie zu beobachten , und ihre Vernunft ist so reif , daß sie diese gewiß nicht unbenußt gelassen hat . "
Hier fiel ihr Radaste , der im lebhaften Kampfe mit sich selbst gestanden war , einen kühnen Entschluß fassend , fast in die Rede : und mich , gnadige Frau , ich weiß nicht , ob Sie mich würdigten , mich zu beobachten ?
ich muß es wagen , mich zu geben wie ich bin Ihre wiedergefundene Tochter , indem sie Luise um die Halft ihres Vermögens bringt , gibt mir den Mut , der Zeit vorzugreifen , die ich mir zur Eröffnung meiner Wünsche Der verschuldete Gutsbesiter geseht hatte . wollte sich erst ganz frei arbeiten , ehe er als Bewerber auftrat , aber ich gestehe cs , der unvorsichtige Jüngling ließ sich hinreißen als Liebhaber zu handeln .
Ich habe mich sehr deshalb geschamt , aber ich konnte es nicht bereuen ! -
Nun es sicher ist , daß Sie zwei Töchter beseßen , darf ich nun hoffen , bitten ? darf ich abreisen mit der Aussicht , die mir alle Mühen erleichtern wird , mit der beglückenden Hoffnung , nach zwei Jahren als ganz schuldenfreier Mann um Ihre Luise werben zu dürfen ?
Der Jüngling hielt Frau von Moors beide Hande , und blickte so verschamt und bittend und ehrlich , so ernst und in seiner gebückten Stellung doch so flehend zu ihr auf -- ihre starren Züge gingen erst zum gefallen Lacheln , dann plößlich in eine heftige Wehmut über , sie warf ihre Arme um Caimirs Hals und sagte schluchzend : vielleicht wird mir_es an eines Sohnes Herzen wohl !
Diese Frau mußte fürchterlich erschöpft sein !
Die natürlichsten Gefühle ihres Geschlechts , die so viele Jahre lang unter der Herr schafft ihres Verstandes gefesselt gelegen hatten , stellten sich ihm jetzt im Kampf gegenüber , und je furchtbarer sie so eben , wie die Folge zeigen wird , das Strafamt gegen ihren Gemahl geübt hatte , je mehr überwaldige sie selbst der Schmerz .
Die Umstande , welche sie von Hannahs Geburt erzahlte , waren nicht so einfach , wie sie dieselben vortrug .
Gertrude von Goldast war wirklich , wie sie gesagt hatte , eine reiche Erbtochter aus Böhmen .
Vaterlose Waise , kurz nach ihrer Geburt , der Abgott ihrer schwachen Mutter , hatte sie sich in der Lage gefunden , erst ihren kindischen Willen , dann ihre leidenschaftlichen Wünschen stets befriedigt zu sehen .
Wenn man den Grundsah , einem Kinde nie Zwang aufzulegen , mit Konsequenz befolgt , bildet man aus schwachen Elementen das , was man gutherzige Menschen nennt , kraftige Wesen hingegen können nie die Erfüllung aller ihrer Wünsche erlangen , sie sehen nach einer solchen Erziehung jede Fehlschlagung für ein erlittenes Unrecht an , und Rache für gerechte Vergeltung .
Das war auch Gertrudens Schicksal .
Wie sie heranwuchs , und ihre Wünsche an Umfang zunahmen , fand fi ein Hindernis , sie zu erfüllen , in der Ökonomie ihrer Vormünder .
Diese kannten , wie so viele , welche Vaterstelle zu übernehmen wagen , keine Pflichterfüllung , als das Vermögen ihrer Mündel , zusammen zu halten " und bewogen die Mutter , manchen kleinen Reiseplan , teure Lehrer oder landliche Feste abzustellen . .
Der eine der beiden Manner hatte noch ein viel naheres Interesse , die Zinsen der Mündel ´ aufzuhaufen er gedachte sie zur Braut seines Sohnes aufzubewahren .
Gertrude hatte einen sehr hellen Verstand , fi begriff die Berechtigung der Vormünder , ihre Ausgaben zu beschranken , sehr bald , aber auch des Einen eigennützige Absichten , und nahm sich vor durch ein völlig vernunftgemaßes Betragen sich ihren Tadel zu ersparen , sich aber auch dadurch Unabhangigkeit von ihrem Einfluß zu verschaffen .
Es gelang ihr vollkommen .
Die Vormünder rühmten sie als ein Muster von Vernunft , und sie haßte sie als Tyrannen .
Gertrude hatte auf diesem Wege eine Heuchlerin werden können , hatte nicht ihr Stolz sie genötigt , wirklich zu sein , warum Andere sie lobten .
Durch diese Selbstzucht wurden ihre Leidenschaften alle heftiger , aber ihre Herrschaft über sie in hohem Grade geübt .
Diese Herrschaft wurde aber nicht benuht , um zur Geistesfreiheit zu gelangen , sondern zu momentanen Zwecken des flachen , vornehmen Lebens .
Die wankende Gesundheit der Baronin von Goldaft , führte sie mit Gertruden , die damals achtzehn Jahr alt war , nach Karlsbad .
Dort lernte sie Herrn von Moor kennen , der seinem Vater , der ebenfalls das Bad brauchte , als Begleiter gefolgt war .
Beide Kranke fanden es als Hausgenossen , des ungünstigen Wetters wegen , das alle Landpartien unmöglich machte , sehr bequem , sich in den Zimmern der Frau von Goldaft zu einer vertraulichen Spielpartie zu vereinigen , und bei dieser Gelegenheit entstand zwischen den beiden jungen Leuten ein Verhaltniß , das sie beide für Leidenschaft hielten , und dessen Unvorsichtigkeit und Strafwürdigkeit Leidenschaft allein hatte veredeln kön einen .
Allein die Leidenschaft der Liebe ist eine gesündere Seelenkraft als der Zug , welcher den Baron und Gertruden vereinigte .
In dem Madchen war es sinnliches Wohlgefallen und Bedürfnis zu lieben , sie gab sich diesen Trieben mit der Willkür ihres Charakters hin .
Sie hatte bisher , was sie gewollt , erhalten , sie hatte nie etwas für Andere getan , sondern nur von ihnen empfangen , ihr wurde zum erstenmal das Glück des Gewahrens bekannt , sie hielt ihres Liebhabers Heftigkeit für Leidenschaft und ihre Freude am Gewahren für Liebe .
Der Baron war ein alltaglicher Weichling nach dem damaligen Zuschnitt der empfindsam genialen Epoche ; er tandelte mit Veilchen , Mondschein und allem Liebesapparat der Sicgwarte , wütete und . schnaubte in wertherrischem Tone , und beides zog Gertruden mehr an als Alles , was ihr bisher ihr Alltagsleben geboten .
Gertrude aber war züchtig durch gute Gewohnheiten und unschuldig , weil sie nie Böses zu sehen Gelegenheit hatte .
Moor war keines von beiden .
Leider bedurfte er nur die Gelegenheit zu benußen , welche Gertru dens Unvorsichtigkeit ihm gab , und deren Opfer sie wurde .
Gertrudens Fall war ihre Schule der Erkenntnis .
Sie sah allmahlig ein , wie unwürdig fi geirrt und wie noch viel unwürdiger der Baron an ihr gehandelt hatte .
Stolz und Selbstsucht , welche ihre Erziehung so unmassig in ihr genarrt hatten , überzeugten sie , daß ihre Rechte gegen den Baron unanfechtbar seien , und daß er durch kein Opfer das Unrecht versöhnen könnte , was er ihr getan .
Also tief gedemütigt vor sich selbst , sah sie sich dennoch als Moors rechtmassige Gattin an .
Sie kannte ihrer Mutter Frömmelei , sie wußte daß ihre Vormünder die Verschiedenheit ihrer Kirche von der des Barons zum Vorwand ihrer Weigerung aufstellen würden ; allein da sie des Barons Liebe gewiß zu sein glaubte , verließ sie Karlsbad ohne dringende Sorge , in der Hoffnung , durch die Überlegenheit ihres Einflusses dennoch ans Ziel ihrer Wünsche zu gelangen .
Allein bald empfand sie , daß sie ihren Fehltritt schwerer abbüßen sollte , als sie leichtsinnig gehofft .
Bei ihrem ersten Zweifel über die Folge ihrer unbewachten Stunde nahmen ihre Gedanken , ihre Gefühle einen neuen Weg .
Wie gern hatte sie nun in dem Baron den Gegenstand wirklicher , auf Achtung gegründeter Liebe erkannt ! -- allein es war , als wenn mit dem Gefühl ihrer Schande ihre Urteilskraft aufgehellt worden Ware .
Die Sinnentauschung schwand , und sie fühlte für den Mann , in dessen Handen ihr und ihres künftigen Kindes bürgerliches Wohl lag , nichts wie Verachtung .
Sie ging Tag und Nacht mit der Sehnsucht umher , sich ihrer Mutter zu entdecken zum erstenmal Schuld gegen die eins zugestehen , deren Schwache sich nie getraut hatte , fi einer Schuld zu zeihen - da riß ein plöhlicher Tod diese von ihrer Seite und ließ sie mit ihrem schmachvollen Geheimnis allein .
Die Selbstherrschaft , die Kunst Andere zu behandeln , welche sie so lange zu Erreichung geringfügiger Zwecke angewendet hatte , kam ihr jetzt zu Statten .
Bei den Anordnungen , welche die Verlassenschaft der Frau von Goldast notwendig machten , trat nun der Vormund unvers holen mit dem Vorschlag auf , die Angelegenheit zu vereinfachen , indem sie sich_es gefallen ließe , die Gemahlin seines Sohnes zu werden .
Gertrude kannte ihre Gefahr , sie widersprach dem zufolge fair wenig , forderte aber , wahrend der Trauerzeit zu keinem Versprechen gezwungen zu werden , und bedung sich die Erlaubnis aus , zur Linderung ihres jchigen Kummers eine Freundin in Sachsen zu besuchen , deren Bekanntschaft sie im Bade gemacht hatte .
Die Vormünder waren fair vergnügt mit ihrem Mündel , ohne Einmischung ihrer Verwandten auszukommen , und beförderten gefallig die von ihr geforderte Reise .
Baron Moor glaubte seine Büberei ungestraft begangen zu haben , weil Stolz und Angst Gertruden jede Äußerung über ihren Zustand verboten .
Seine Briefe waren daher in einem Tone geschrizben , welcher vor einem Advokaten - denn nur solche scheuen Menschen von des Barons Gattung kein Stadt gehabtes Eheversprechen erweisen konnte ; und wenn gleich die Art , wie er auf die Vergangenheit anspielte , nicht fehlen konnte , Gertrudens Achtung für ihn zu vernichten , so glaubte sie dennoch keine Spur von Untreue darin zu entdecken .
Ihrem Scharfsinn entging jedoch seine Bestürzung bei ihrer unerwarteten Ankunft in seiner Nachbarschaft keineswegs .
Das Gestandenes , was sie ihm ich zu machen hatte , ein Gestandenes , welches das Madchen vor dem abgöttisch liebenden Geliebten mit Scham und Demütigung überwaldigen muß , mußte vor dem Angesichte dieses Mannes , dessen Kleinheit sie durchsah , Gertrudens stolzes , kaltes , selbstsüchtiges Gemüt empören .
Der Baron nahm es als eine unglaubliche Nachricht , als einen höchst widrigen Zufall auf , und indem er damit alle Faden , welche ein Band der Liebe zwischen ihm und Gertruden hatten weben kennen , zerriß , legte er ihr selbst die unerbittliche Strenge auf , mit welcher sie ihre Rechte eintrieb .
War das , was Gertrude für Moor als Liebe empfunden , seit ihrer Erniedrigung verschwunden , so vertilgte sein jeßiges Betragen auch das Gefühl der Natur , weil er sie durch feine Gleichgültigkeit gegen ihre ersten Gefühle Lette ; nun blieb Furcht vor Schande , und Verachtung gegen ihren Verführer der einzige Trieb ihres Tuns .
Kaum achtzehn Jahre alt , ohne Welterfahrung , ohne Kenntnis ihrer selbst und der Menschen , brachte der Verrat dicses einzigen Menschen an ihr eine Bestimmtheit des Charakters hervor , welche jede fernere Entwicklung desselben unmöglich machte .
Um so zu handeln , wie sie fortan tat , mußte sie fortfahren zu denken , wie sie von nun an dachte und wie viele kraftigere Menschen beharren im Unrecht , weil sie nicht lernten , daß besser werden die Neue , vor der sie sich fürchten , schon entwaffnet .
Die erste Äußerung der Erstarrung , die fortan in Gertrudens Wesen Platz nahm , könnte man als die Frucht eines Gespraches ansehen , in welchem Moor sie über ihre Vermögensverhaltnisse ausfragte , wovon sie ihm einsilbig und ihn scharf beobachtend Rechenschaft gab .
Plöhlich raffte sich aber das verlorene Madchen aus dieser Dumpfheit auf , und sprach mit einer Fassung , die den ihr gegenüber stehenden Baron immer mehr zum armen Sünder niederdrückte .
Hier ist nicht sowohl die Rede von meinen Verhalt = Nissen , als von den Ihrigen ; ich muß noch sieben Jahre auf meine Mündigkeit warten , allein auf den Namen Ihrer Gemahlin warte ich keinen Tag mehr .
Sie begleiten mich morgen zu Ihrem Vater Sie mögen ihn heute , wenn Sie wollen , vorbereiten ; mein Zustand wird ihn belehren , daß seine und meine Ehre eine schleunige Heirat fordern . "
Nein ! nein ! rief Moor mit Schrecken .
Meines Vaters Ansichten über weibliche Tugend finde unbarmherzig !
Ger Ich hange ganzelich von ihm trude erblaßte . ab ; wenn er mich verstößt , so wird Ihr Unglück offenbar , Ihre Vormünder protestieren gegen den unrechtmassigen Erben , und ich habe keinen Pfennig , nur das Kind zu verpflegen .
Gertrude hatte gar keinen Begriff von dem geselligen Gange in Angelegenheiten , gleich den ihrigen .
Ihre Seelenkraft arbeiteten gewaltsam , um der Wut oder der Ohnmacht zu widerstehen , denn eine um die andere mußte bei Moors unwürdigem Betragen in ihr um die Oberhand streiten .
Was bei einem zartlichern Madchen vielleicht zum Mordgedanken geworden Ware , Ges bar in ihr den Entschluß einer lebenslangen Nage durch die vollendetste Knechtschaft des Mannes , der ihre unmassige Verachtung auf sich gezogen hatte .
Sie kannte Moors Vater nicht hinlanglich , um seines Sohnes Aussage über ihn zu prüfen .
Als ein Beter und strenger Sittenrichter war er in der Badegesellschaft verrufen gewesen , und Mitleid über des jungen Barons unterworfene Lage hatte ihm Teilnahme und Nachsicht erworben .
In der jeßigen Erschütterung ihres Gemüts war sie nicht fahig , die Gründe ihres Verführers zu widerlegen , und das fürchterliche Gesprach verstummte heute , ohne einen Entschluß hervorgebracht zu haben .
Noch in derselben Nacht fiel Gertrude in eine langwierige Krankheit ,' sie erleichterte ihr und ihrer Freundin , die ihre Vertraute war , die Verhehlung ihres Zustandes , allein fi nötigte sie auch , sich gegen Moor völlig leidend zu verhalten .
Der Winter , in welchem sie die Reise gemacht , war einer der strengsten ; er verzögerte ihre Genesung und somit auch die heimliche Trauung , in die sie , um des Vaters Einwilligung nach und nach zu erschmeicheln , auf Moors dringende Bitten gewilligt hatte .
Diese Trauung bei Minderjahrchen konnte sie nur von einem katholischen Priester hoffen , und in dem protestantischen Orte , wo sie sich befand , nicht wagen , ihn kommen zu lassen .
Unter diesen Umstanden überfiel sie die Stunde von Hannahs Geburt .
Dieses Kind verdankte seine Entstehung einem Vergehen , von dem die Gefäße der Natur schweigen ; wie streng es aber die der Sittlichkeit strafen , bewiesen die traurigen Empfindungen , unter denen das unwillkommene Geschöpf sich entwickelte .
Allein da sie ans Licht trat , sprach die Natur allein , sie beschwichtigte Haß und Furcht und Reue , Gertrude weinte Freudentranen über ihre Tochter , und Moor , den der vaterliche Instinct überraschte , wünschte Jet selbst mit der Mutter der Neugeborenen getraut zu werden .
Da man Getrudens Niederkunft unter einer vorgeblichen Verschlimmerung ihrer Krankheit verbarg , mußten es Neugierige und Nachbarn natürlich finden , daß ein katholischer Geistlicher aus dem , mehrere Meilen entfernten N** geholt wurde , fic mit dem Trost ihrer Kirche zu versehen ; allein dieser , statt Gertruden auf dem Wege zum Licht einzusegnen , knüpfte das freudenlose Band ihrer Ehe .
Der Baron hatte für seine neugeborene Tochter eine Pflegemutter in einem , durch die Gebirgslage von Gertrudens jeßigem Aufenthalte sehr getrennten Dorfe , nahe bei Ebersdorf , ausfindig gemacht ; er bezahlte sie reichlich , und damals lag gewiß keine böse Absicht in ihm .
Allein die bloß sinnliche Regung von Vaterliebe , die bei dem ersten Anblicke des Kindes in ihm aufgelodert war , verflog , und nach wenigen Tagen fang er das unwillkommene Geschöpf nur als den Bürgen seiner übernommenen Pflichten an .
Für Gertrude war aber die Mutterliebe eine Berechtigung - ihrer Ansprüche , und ihres Gatten schnellrückkehrende Theilnahmlosigkeit an ihrer Lage ein neuer Grund ihn zu verachten .
Die Wechselwirkung zwischen den Menschen und den Umstanden , die wir , Gedanken und gottlos , Zufall nennen , wollte , daß der alte Priester , welcher Moor und Gertruden , einzig in der Freundin Gegenwart , bei der sich diese aufhielt , getraut hatte , von der rauhen Witterung , in welcher er seine Reise gemacht hatte , angegriffen , krank nach Hause kam , und nach wenigen Wochen , ehe er dem Ehepaar ein Zeugnis seiner kirchlichen Verbindung gegeben hatte , starb .
Die Freundin , welche in Abwesenheit ihres Mannes diese ganze Intrige geführt hatte , durfte , um seinen ernsten Unwillen zu vermeiden , nie als Zeugin auftreten , und gerade jetzt schlug der alte Moor , der von allen diesen Vorgang keine Ahnung hatte , seinem Sohne eine sehr reiche und Glanzende Heirat vor .
Moor hatte ohne außer Anreizung vielleicht den Druck von Gertrudens Übermut fortertra = gen ; seine Schlaffheit fand in kleinen Emanci Pattionen eine Entschadigung , und so hatte er als Gatte eigentlich nur sein Sohnesverhaltniß fortgeseht ; allein die Versuchung zu der Unabhangigkeit , welche ihm ein junges , schüchternes , ziemlich ungebildetes Fraulein mit großem Gute geben würde , im Vergleich des fortwahrenden Geistesdrucks und der Charakter-Knechtschaft , in der ihn Gertrude erhielt , war zu machtig für ihn .
Nach dem Tode des alten Priesters , und bei der Furchtsamkeit der als Zeuge zugegen gewesenen Freundin , sah er Hannah für das einzige Hindernis an , seine Freiheit wieder zu erhalten , und entschloß sich , dieses aus dem Wege zu Raume .
Er verabredete mit Hannahs Pflegerin den Plan , das Kind auszusehen und seinen Tod zu bezeigen .
War sein kleines Dasein unbemerkt verschwunden , so zweifelte er nicht , daß ihn Gertrude ohne Widerfehlichkeit aufgeben würde , denn er erkannte wohl , welche Gefühle sie an feine Ferse heftete .
Allein er kannte diesen unerschütterlichen Charakter nicht !
Wie ihr die Nachricht von ihres Kindes Tod gebracht wurde , stand die Überzeugung , daß es lebe , daß es ihr durch Betrug entrissen sei , als unbezweifelte Wahrheit vor ihren Augen , und der Beweggrund zu diesem unmenschlichen Betruge entging ihrem Scharfsinne nicht .
Hannah wiederzufinden , des Barons meineidige Absichten zu vereiteln , blieb ihr kein Mittel als die Anerkennung ihrer Heirat zu erzwingen .
Alles was weiblich , ja was menschlich in ihr war , hatte sich zu ihrer Liebe für ihr Kind hingeflüchtet , in dem Teile ihres Herzens , wo diese herrschte , war Milde und Klarheit .
Dieses Herz Ware vielleicht von tiefem Heiligtume aus noch gesundet , und ein dunkles Bewußtsein dieser Möglichkeit machte ihr Hannahs Verlust unertraglich .
Sie hatte einen ziemlich geschickten Plan angelegt , um das Kind bald zu sich nehmen zu können , es durch eigene Sorgfalt zu erziehen - ist war es ihr entrissen , und sie sollte den Zerstörer ihres ganzen Lebensglückes triumphieren sehen !
Mit fürchterlicher Kraft bemeisterte sie ihr empörtes Gemüt , in dem der Zweifel , daß Hannah dennoch gestorben sein könnte , den furchtbarsten Aufruhr noch dop pellte ; sie bemühte sich , dem Anschein nach gefaßt , alle Beweise von dem Tode des Kindes in ihre Hande zu bekommen .
Moor hielt seinen Plan schon für gelungen , überließ ihr die Papiere , und kehrte frohlockend in das vaterliche Schloß zurück .
Gleich nach seiner Abreise bat Gertrude ihre Gastfreundin , unter dem Vorwande , eine Einladung des alten Barons endlich angenommen zu haben , um ihre Begleitung , und fuhr mit ihr hinüber auf sein Gut. Moor war über ihre unerwartete Ankunft aufs höchste bestürzt , sie ließ aber weder ihm noch ihrer Freundin Zeit zu Mutmaßungen , sondern entdeckte dem alten Baron gleich nach der ersten Begrüßung mit einer Kalte , die mehr wie alle Äußerungen des Schmerzes ihre innere Peinigung aussprach , ihr ganzes Verhaltniß zu seinem Sohn , legte ihm alle seine Briefe bis zu ihrer Ankunft in feine Nachbarschaft vor , eben so die Beweise von Hannahs Tod , und forderte dann das Zeugnis ihrer Freundin , so wie das Gestandenes des Barons über die Wahrheit ihrer Erzahlung und die Echtheit dieser Beweise auf .
Die erste gab es unbedingt , seßte aber , durch die Art , wie sie dazu gezwungen wurde , beleidigt hinzu :
Das selbst dieser Drang der Umstande Gertruden nicht entschuldige , fi durch den Verrat ihrer Teilnahme an dieser Begebenheit den nachteiligsten Folgen auszuseßen . -Wer darf hier den Anderen des Verrats beschuldigen ? fragte Gertrude .
Der Baron , der ein Mann von Ehre ist ? sein Sohn , der unter der Last zehnfach bösen Gewissens bebt ? ich , die nur Recht finden kann , oder Rache nehmen werde ?
Herr Baron , ich warte , bis Sie diese Belege gelesen haben werden , fügte sie kalt hinzu , und setzte sich in ein entferntes Fenster , damit andeutend , daß sie ihm völlige Freiheit zu lasen gemeint sei .
Der alte Moor konnte lange vor dem Zittern feiner Hand und der Empörung seines Gemüts , nicht zur Durchsicht der vorgelegten Papiere schreiten .
Endlich faßte er sich aber .
Ob er sich gleich die sanfte Form der frommen Sekten angeeignet hatte , drückte er dennoch gegen seinen Sohn in den wenigen Erlauterungen , die er von ihm zu begehren genötigt war , den heftigsten Unwillen aus .
Endlich nahm Gertrude , die ihn aufmerksam beobachtete , wahr , daß er die Durchsicht der Papiere beendigt hatte , und trat wieder naher .
Der alte Baron sprach sie schmerzvoll an :
" Sie sind mit meinem Sohn verheiratet ; ich kann keine Schande mehr von meiner Familie abwenden , sie nur Haufen , wenn ich über diesen Punkt rechte .
Vor Gott ist er auch begründet .
Somit erkenne ich Sie als Schwiegertochter an .
Sie bekommen einen schlechten Menschen zum Mann , er wird unter seiner Frau seufzen müssen , und seiner Mitschuldigen Knecht sein .
Doch die Art , wie Sie handelten , zeugt von Kraftwenden Sie diese an , um die Vergangenheit wieder gut zu machen . "
-- Ob ich gut zu machen habe , nahm Gertrude das Wort , ge= ziemt mir vor Ihnen nicht zu untersuchen , allein Ihre Ehre ist fortan auch die meine , Ihre Achtung der Grund meiner Ansprüche an die Ihres Sohnes .
Jetzt bitte ich Sie in Übereinkunst mit mir , mit meinen Vormündern zu unterhandeln ; unter Ihrem Schusse glaube ich ihre Anmaßungen bald zu beseitigen .
Tödlich kalter wurde wohl nie eine Ehe geschlossen ; der lutherische Geistliche , welcher auf des alten Moors Verlangen die Trauung wiederholte , wurde obschon er von den ihr vorhergegange einen Umstanden nicht unterrichtet war , wie er seine Blicke auf die Gesichter des Brautpaares heftete , von ihrem Ausdruck so ergriffen , daß er den Anfang feiner Rede vergaß , und blaß und mit flehender Innigkeit nur das Gebet zu stammeln vermochte , bei welchem der Vater in Tranen zerfloß , Gertrude aber wie ein Marmorbild zuhörte .
Moor war bei dieser traurigen Verbindung der verlierende Teil .
Sein Vater hatte an seinem Aufwande , seichtem Wissen und müßigen Empfindelen ein Behagen gefunden ; eine Heirat in eine katholische Familie war ihm sehr empfindlich , allein seine Achtung für die Rechte der Natur und die Schwache des Weibes hatte ihm seine Gefühle zu beseitigen geboten , und er war hellsehend genug um zu begreifen , daß seines Sohnes haltungsloser Charakter ihn unter allen Umstanden der Herrschaft seiner Frau unterwerfen mußte , Gertrudens Entschlossenheit , welche sie mit einer so Troßchen Offenherzigkeit verbunden gezeigt hatte , flößte ihm Achtung ein , und bei den Unterhandlungen mit ihren Vormündern , die Gertruden oft Gelegenheit gaben sich mit ihm zu bereden , entdeckte er so viele mannliche Eigenschaften an ihr , wie er ihre Bestimmtheit und klare Ansicht nannte , daß er sie lieb gewann und ihre Verhaltnisse zu seinem Sohne sehr vorteilhaft entschied .
Unerfahren , wie Gertrude in Geschaftssachen war , hatte sie diese Vermögensvorteile gar nicht beabsichtigt ; die Leichtigkeit , mit der sie Rechnungen auszog , über Pachtbe . stande berichtete , Verbesserungen anschlug , war ihr selbst befremdlich ; sie vervollkommnete diese ´ Geschicklichkeit aber bald durch angestrengten Fleiß , da fi gewahr wurde , wie sehr sie damit ihres Schwiegervaters Gunst gewann , und ihre Herrschaft über ihren Gemahl , dem es zu dies fem Allen an Fleiß und Kenntnis gebrach , befestigte .
Moor war von dem ganzen Vorgange so überrascht gewesen , daß er sich anfangs aus Bestürzung und Bewußtsein seiner Schuld ganz leidend verhielt , sobald es aber nicht auf Befriedigung eines Gelüstes ankam , war ihm dieser Zustand gar nicht drückend , und im Fortschritt der Zeit , löste sich , wie wir es taglich vor Augen sehen , seine Empfindsamkeit und Schwarmerei in zunehmende Indolenz auf .
Um sich über zufallige Beschrankungen zu trösten , sagte er sich , daß jedes Ehejoch ihm solche würde aufgelegt haben , und Gertrudens Stolz vielleicht weniger , als einer anderen Gattin Zartlichkeit .
Sobald die Unterhandlungen mit den Vormündern ganzelich beendigt waren , schickte sich das neue Chepaar zu einer Reise nach Böhmen an , um Gertrudens Vermögen in Besiß zu nehmen , als der alte Baron , dessen Gesundheit von jener Badereise keine Starkung gewonnen hatte , zusehends schwacher wurde und in wenig Wochen zur Ruhe einging .
Da nur noch ein Jahr zu Moors Mündigkeit fehlte , und ihn seine Verheiratung schon gewissermaßen für mündig erklarte , wurde ihm von den Gesehen der unbedingte Gebrauch seiner Nächte zugesprochen .
Auf diese Wendung der Dinge hatte Gertrude nicht gerechnet ; sie hatte ihren Schwiegervater für einen machten Bundesgenossen gehalten , dieser gebrach ihr nun und ihr blieb keine gesetzliche Herrschaft , wie die über ihr eigenes Vermögen , dessen Besit ihr der alte Baron gesichert hatte .
Bei einem Charakter , wie der ihre , konnte diese Fehlschlagung keine Milde hervorbringen , bei dem ihres Gemahls , die Mündigkeit keine Mannlichkeit erzeugen .
Bei solchen Gesinnungen hatte sich zwischen zwei gewöhnlichen Menschen die Ehe bald aufgelöst , aber das war_es nicht , was Gertrude bezweckte , noch wozu ihr Gemahl Mut besaß .
Die tiefe Krankung , welche sie von Moor empfangen , hatte den festen Entschluß in ihr erweckt , sein Lebelang sein böser Engel zu sein ; allein die menschliche Natur ist viel besser , wie des Menschen Wille , fi verwandelte nach und nach den Gegenstand ihrer Verfolgung in einen Gegenstand der Hut und Sorgfalt etwa wie sie der Warter eines chronisch Kranken empfand , selbst wenn die Persönlichkeit desselben feiner Individualetat ganzelich widerstrebte .
Freilich bedurfte es Jahre , um diese Veranderung hervorzubringen , deren Abstufungen wir nicht zu bezeichnen . wissen .
Ohne manchen gefahrlichen Sturm in der heftigen Frau Gemüt mochte es nicht abgegangen sein ; in dem Zeitpunkt , wo wir sie naher kennen lernten , fanden wir sie vollendet ; Moor zum herrnhutischen Frömmling gediehen - das Erklarlichste bei den Erinnerungen , die er durch kein edles Leben zu büßen verstand und Gertrude als die weise , aber jede Herzensregung verneinende Herrin seiner , seines Vermögens und seines Hauswesens .
- Nachdem die durch des alten Barons blöcklichen Tod herbeigeführten Geschaffte beseitigt waren , trat sein Sohn mit seiner Gemahlin die notwendige Reise nach Böhmen an .
Gertrude bestand darauf über das Dorf zu gehen , wo ihre Hannah gelebt hatte , um an Ort und Stelle die Umstande ihres Todes zu erforschen .
Der Baron willigte mit dem größten Widerwillen in ihr Begehren , er machte ihr dringende Vorstellungen , doch nicht ohne Notwendigkeit dem Schaublahe so vielen Jammers nahen zu wollen .
Sie ließ ihn ohne Widerrede sprechen , und sagte dann , indem sie einen finsterforschenden Blick auf ihn heftete :
Ich habe die Wiege meines Kindes nie gesehen , der Statte feines Grabes will ich wenigstens sicher sein .
Ihr Wunsch wurde erfüllt ; in Bernfeld , wo Hannahs Pflegamme gewohnt hatte , bezeugte der Pfarrer , daß die erwahnte Person zu der angegebenen Zeit einen Saugling angenommen , daß er wunderbarlich gediehen sei , dann habe die Pflegmutter das Töchterchen zu einem Besuch bei einer Base in dem benachbarten Wolfungen mitgenommen , durch den Weg bei nasser Kalte angegriffen , sei das Kind dort plößlich an Krampfen gestorben .
Das Zeugnis stimmte völlig mit dem Berichte der Pflegamme überein .
Indes der Pfarrer sprach , heftete Gertrude unverwandt ihr Auge auf den Baron mit einem Blicke , der gar nichts ausdrückte , sondern nur ihm das Haupt niederzudrücken schien .
Und diese Pflegamme , wo ist sie ?
Sie ist bald nach diesem Vorfalle zu Verwandten ins Frankische gezogen .
Nach Wolfungen ! rief Gertrude dem Kutscher bei ihrem Austritte aus des Pfarrers Hause zu .
Unwillig , aber ohne Widerspruch , folgte ihr der Baron .
Gertrude erhielt dort die Bestatigung aller früheren Angaben z die Pflegamme war bei ungesundem Tauwetter von Bernfeld herüber gekommen , das Kind war wenige Stunden darauf an Krampfen gestorben .
Der Pfarrer las den Eltern aus dem Kirchenbuche den Todestag , und der Küster zeigte der Mutter einen Plah auf dem Kirchhofe , wo ein kleiner Hügel vom Regen und den Füßen der Vorübergehenden fast geebnet war .
Schwei- + - gähnt setzte sich Gertrude auf ein benachbartes Grab , fi verhüllte ihr Gesicht ; der gewaltsame Schmerz , der sie ist zerriß , konnte wie Schmerz doch immer tun sollte , weil er uns die Unzulanglichkeit unseres irdischen Daseins zeigt - konnte keine Versöhnung in ihr bewirken , weil er auch ihr Schuld auf das Herz legte .
Ehrlos und trostlos denn sie war sich bewußt , daß ihre Ehe eine unwürdige verließ sie diese Statte .
Wie der Custer sie durch die Kirche zurückführte , machte er fi in der Vorhalle auf ein altes Gemalte aufmerksam ; es stellte ein Elternpaar vor , welches am jüngsten Gericht seine zahlreichen Nachkommen zu Gott führt .
Es war ein ehemaliger Schulz des Dorfes , der in seinem hundert und fünften Jahre von der Welt scheidend , so viele Kinder , Enkel und Urenkel hinterlassen hatte .
Der Gedanke dieses Bildes im Gegensache mit dem Schicksale ihrer Mutterschaft ergriff Gertruden gewaltig !
Jet vielleicht zum ersten Male ahnte sie den Wert des Familienglücks , die Würde der Familienmutter , die Erdenunsterblichkeit , die liebende Nachkommen uns gewahren -- ihre seichte Erziehung , ihr leeres Vornehmleben hatten nie diese Ahnung-in ihr erzeugen können , und ist machte sie ihr Güter kenntlich , die sie auf immer verscherzt hatte .
Sie dachte , daß ein edler Mann sie zu einer wackeren Frau hatte erheben können , und selbstsüchtig beschuldigte sie ihren Gatten , fi an ein wertloses Leben gekettet zu haben . -
Nach einem langen Aufenthalt auf den böhmischen Gütern brachte das Ehepaar den Winter in Wien zu , besuchte dann die Schweiz und reiste von da nach Dresden , wo es fortan die Wintermonate zu verleben gedachte .
Wer sah nicht schon in einem eleganten Reisewagen Sattheit und Trübsinn über die Heerstraße rollen ?
wer sah nicht bequem Reisende gahnend oder knirschend in der schönen Natur stehen , stumpf oder krittelnd vor Werken der Kunst ?
So ließ sich der Baron von Stadt zu Stadt fahren .
Seine Gesundheit war leidend , er zog alle berühmten Ärzte , die ihm vorkamen , zu Rat ; und wurde besonders von dem Vorschlage eines mystisch frommen Heilkünstlers in der Schweiz angezogen , der von der Folge zur Ursache aufsteigend , zuerst den Gedanken in ihm weckte , auch Büßbetrachtungen als Heilmittel anzuwenden .
Neben diesem Schwachlinge trat Gertrude , ohne je die außer Form ihrer Verhaltnisse zu verlegen , dem fremden Beobachter unerklarlich , und doch selbst im Ungeschicktesten ein unheimliches Gefühl weckend , wie sein Satansengel auf , ihn nie in seiner Weise störend , aber drückend ihm stets fühlbar machend , was er zu sein nicht vermochte .
Mit klarer Erkenntnis faßte sie hingegen jede Schönheit der Natur , der Kunst , der Wissenschaft , ja des Menschenlebens auf , aber es blieb für sie eine historische Notiz ; sich selbst nie hingebend , wurde sie auch nie von Anderen in den Kreis des Lebendigen gezogen .
Auf der oben erwahnten Rückreise aus der Schweiz waren unsere beiden unluftigen Reisegefahrten bis Würzburg gekommen , wo der Baron , so wie bei jeder sich darbietenden Ge = legenheit aus frommer Zerknirschung , seine Gemahlin aus wissenschaftlicher Neugier das Juliushospital besuchten , wurden sie in einem der Sale von dem Ehrfurcht gebietenden Geprange der Todesweihe überrascht , wie sie die katholische Kirche ihren Glaubchen angedeihen laßt .
Die Reifenden nahten , der allgemeinen Andacht sich anschließend .
Nach dem ersten Blicke auf die Sterbende schien Moor in eine ¯ angstliche Unruhe zu geraten .
Ist war die heilige Handlung vollbracht ; das halbgebrochene Auge der Sterbenden , welches wahrend des Gebetes den Himmel aufgesucht hatte , den ihr der Segen der Kirche verhieß , suchte nun noch ein Mal ihre Erdengenossen , - es fiel auf den Baron , und mit dem lauten Schrei :
Ach dieser ist_es , der mich zur Sünde gereizt ! fuhr sie vom blöcklichen Schrecken mit neuer Kraft belebt , von ihrem Lager empor , Der Beichtvater , welcher sie vom Fieberwahn befallen glaubte , sprach ihr besanftigend zu , sie aber rief mit Todesangst des Barons Namen ! und setzte hinzu : Ihr Kind ist nicht tot , ich habe es ausgesät , wie Sie mir befahlen der geistliche Herr weiß Alles retten .
Sie Ihr Kind , und verzeihen Sie mir , damit Gott Ihnen verzeihe .
Man entfernte die Umstehenden , und der Beichtvater teilte auf der erschöpften Kranken Begehren , indes Moor in völliger Vernichtung neben ihrem Bette saß , der vor Abscheu und Wehmut zitternden Mutter den Vorgang mit , welchen ihm kurz vorher die Kranke in der Beichte vertraut hatte .
Moor , welcher die Bande aufzulösen wünschte , durch die Natur und Gesäß ihn nötigten , Gertruden als seine Gattin anzuerkennen , hatte der Pflegamme seines Kindes eine ansehnliche Geldsumme _ versprochen , wenn sie Mittel finden wollte , dessen Tod glaubwürdig zu machen , indes sie dasselbe nach *** in das Findelhaus bringen sollte .
Die Elende ging den Vorschlag ein ; allein Moor hatte ihr außer ihrem Sündenlohn auch eine ansehnliche Geldsumme anvertraut , um des Kindes Zustand im Findelhaus ertraglicher zu machen , und dadurch ihre Habsucht zur doppelten Treulosigkeit gereizt .
An einem naßkalten Frühlingstage machte sie sich mit ihrem Pflegkinde unter dem Vorwande , eine Base in Wolfungen zu besuchen , von Bernfeld auf den Weg doch nicht nach dem Findelhause in *** , sondern , sich einen langen Weg zu ersparen und das , jenem Institute bestimmte Geld sich zuzueignen , ging fi nach dem , nur wenige Stunden entfernten Ebersdorf , wo sie durch frühere Verhaltnisse die Tätlichkeiten sehr genau kannte .
Sie schlich nach Mitternacht durch die Baumgarten , bis zu dem Hinterfenster eines kleinen Hauses , das , wie sie wußte , von einem sehr armen Weber bewohnt war .
Vermöge einer Baumleiter stieg sie in das Schlafkammerchen seiner einzigen , schönen und tugendhaften Tochter , und legte das festschlafende Kind auf ihr Lager .
Unter welchen , für die Weberstochter so schrecklichen Umstanden sie diese gewissenlose Tat vollbrachte , erzahlte vor mehreren Jahren Deborahs Geschichte in dem Cottaischen Taschenbuche , von manchem guten weiblichen Wesen mit Teilnahme gelesen , und wir möchten fast bitten , unsere Leser erganzten aus jener Geschichte , was wir hier von Hannahs edler Pflegemutter nicht wiederholen dürfen .
Wie die treulose Pflegamme wieder nach ihrer Heimat zurückkehrte , fingen ihr an angstliche Zweifel aufzusteigen , ob wohl der Baron durch Nachfrage im Findelhause ihren Betrug entdecken und dadurch sie in Strafe verfallen könnte ?
Da er so wenig Gefühl für sein Kind geaußert hatte , vermutete sie , daß ihm jeder Beweis , daß die kleine Unglückliche ihm nicht mehr im Wege stehe , willkommen sein würde , und sann nur auf Mittel , ihn selbst mit der Versicherung ihres Todes zu hintergehen .
So trieb sie die Angst vor Entdeckung des ersten Verbrechens zu einem zweiten , wozu die Umstande ihr die Mittel in die Hand zu geben schienen .
Nicht weit von Wolfungen , wo das Weib jetzt einzukehren gedachte , fand sie an dem Ausgange eines Waldes eine Bettlerin , welche am Boden fißend , angstlich um ein Kind , ganz in Hannahs Alter , bemüht war , das dem Anschein nach tot auf ihren Knien lag .
Die Bettlerin hatte sich bei ihrem Umherschweifen weiter , wie gewöhnlich , von ihrer Heimat _entfernt ; ohne ihrem kranken Kinde bei der kalten Witterung ein Obdach zu gönnen , wanderte sie fort und sah es nun vom Tode ereilt .
Hannahs Pflegamme faßte schnell ihren Entschluß , fi handelte der Elenden den kleinen Leichnam ab , hüllte ihn in die Kleidungsstücke , deren sie Hannah , um alle Entdeckung zu vermeiden , beraubt hatte , und ihn in ihren Mantel hüllend eilte sie damit auf Wolfungen zu .
Sie bedurfte nicht bei ihrer Ankunft bei ihrer Base die Erschrockene oder Beangstigte zu spielen ; der kleine Leichnam , den ihr Mantel barg , hatte schwer wie ein Berg auf ihrer Brust gelegen , und es hatte wie Gewittersturm um ihr Ohr getobt , so stumm seine blassen Lippen geschlossen sein mochten .
Bleich und bebend trat sie bei der Bauerin ein , wickelte das Kind aus seinen Hüllen , und erzahlte heulend , wie sie sich im Nebel verirrt , das Kind Krampfe bekommen , und in ihren Armen verschieden sei .
Doch wer beschreibt der Elenden Entseßen , als das kleine Geschöpf durch die Warme , welche sie ihm im Gehen mitgeteilt hatte , von seiner Erstarrung erweckt , jetzt wieder zu atmen begann .
Martha , die Bauerin , killte zu dem Dorfbarbier , manche Nachbarin , der sie unterwegs die wichtige Nachricht ins Schiebfenster rief , drangt sich in Marthas Hütte , und es fehlte nicht an Zeugen , daß die Kleine sogleich nach des Barbiers Eintritt ins Zimmer das lehte Lebenszeichen von sich gegeben hatte .
Marthas Bestürzung und traumerisches Wesen , das man dem Leid um ihres Pflegekindes Tod zuschrieb , wurde ihr zur Ehre ausgelegt , die Dorfbehörden stellten ihr ohne den geringsten Verdacht , die Zeugnisse über den Tod und das Begrabniß des Kindes aus , und Martha kehrte unbesorgt vor Entdeckung in ihr Dorf zurück .
Doch sie erfuhr , daß es leichter ist ein Verbrechen zu begehen , als sich dessen zu erinnern .
Ihre Hütte war ihr fortan eine Hölle ; bald glaubte sie Hannahs blühendes Gefechtchen zu sehen , das nun vielleicht durch Mangel und Vernachlassigung entstellt sei , bald erblickte sie die blasen Züge der kleinen Elenden , deren Tod sie befördert hatte .
Dieses Weib , das aus natürlicher Rohheit von den ihr anvertrauten Pfleglingen so manchen Kuß Mangel an liebevoller Wartung hinsterben sah , war von dem Andenken der ersten überlegt bösen Tat um allen Frieden gebracht .
Nach wenigen Wochen verließ sie ihre Heimat , sie streifte anfangs in dem benachbarten Franken umher .
Das entwendete Gut war bald verzehrt , und von Stufe zu Stufe herabsinkend , gewahrte ihr nach langer schmerzhafter Krankheit das Juliushospital ein dürftiges Sterbebett .
Die Todkranke war wahrend dieser Erzahlung ihres Beichtvaters in heftigen Jammer geraten , doch stets bemüht , sie durch ihre Beistimmung so authentisch wie möglich zu machen .
Wie der Geistliche geendet hatte , bat ihn Gertrude , so bald seine Pflicht am Sterbebette es erlaubte , zu ihr in den Gasthof zu kommen , um seinen Bericht , den sie unmittelbar zu Papier bringen würde , zu bescheinigen ; darauf entfernte sie sich , ohne um den Baron sich zu bekümmern .
Wir wollen es eben so wenig tun , denn die Himmelsstürmerei einer Unglücklichen , welche ihre vor dem Tode weichenden Leidenschaften durch ungestümes Beten ersaßt , empört jeden frommen Sinn .
Für Moor war diese zerknirschte Sünderin Spiegel und Prophet zugleich , und er wartete mit besonderer Erbauung ihr lehtes Glaubensgeschrei ab .
Dieser Auftritt hatte den Baron in einen reuigen Fanatismus verseht , welcher seiner Furcht , nach so schmachlichen Entdeckungen vor seiner Frau zu erscheinen , die Waage hielt .
Erst den folgenden Morgen sah er sie wieder ; sie hatte den Geistlichen schon bei sich gesehen ; er hatte Marthas von ihr noch dieselbe Nacht niedergeschriebene Aussage bestatigt , sie hatte ihm ein anstandiges Geschenk für seine Mühe gemacht , einige Messen für die Verstorbene bezahlt und dem Hospital ein ansehnliches Geschenk angewiesen .
Den Baron ließ sie über den ganzen Vorgang gar nicht zum Worte komme men , sondern deutete ihm mit Bestimmtheit an , daß sie sogleich nach Ebersdorf abreisen würde , wo er alle mögliche Sorgfalt anwenden müsse , um über das Schicksal ihrer Tochter Aufschluß zu erhalten .
Vor der Gewalt ihres kalten Gei stesdespotismus verstummte Moors Zerknirschung , und sich wohl bewußt , daß er sein Unrecht durch keine Erörterung minderen könnte , gewöhnte er sich immer mehr an das kraftzermalmende Schweigen der Schuld .
In Ebersdorf angelangt schrieb ihm Gertrude alle Schritte zur Nachforschung nach ihrem Kinde vor .
Durch die Bestimmung der Zeit und des Orts auf die Spur geholfen , fanden sich sehr leicht alle , zur Versicherung von des Findlings Aufnahme in des Webers Haus nötigen Zeugnisse .
Gertrudens Tochter war das Kind , welches Deborah , die nachmalige Frau von Schönaich in der Nacht , wo sie bei ihres Vaters Leiche wachte , auf ihrem Bette fand .
Die Unduldsamkeit ihrer Mitbürger nahm mit Freude die Beschuldigung auf , daß die herrnhutische Weberstochter , ein Kind , die Frucht eines verbotenen Liebeshandels , verheimlicht habe ; ihr engelreiner Wandel rettete sie nicht , die jungfrauliche Zartlichkeit , mit der sie das ihr von Gott zu ihrem Elend geschenkte Kind pflegte , vermehrte den Verdacht gegen sie , und nach mehrere Wochen dauernder Haft wurde die Arme nebst ihrem Pflegekinde aus dem Landchen verwiesen .
Deborahs Unschuld war durch des Barons Nachforschungen klarlich dargetan , aber für Hannahs rechtmassige Eltern denn Deborah hatte ihrem Pflegekinde im zweifelhaften Falle der schon genossenen Taufe , bei dieser heiligen Handlung diesen Namen beilegen lassen für Hannahs Eltern war von da an alle Spur ihres Daseins verloren .
Deborah schien beim Austritte aus dieser Stadt von der Erde verschwunden zu sein .
Von diesem Zeitpunkt an verlor die Vaterlandtische Gegend das Ehepaar eine Zeitlang aus dem Gesichte .
Das Bedürfnis , den Baron zu Allem , was er verabscheute , zu nötigen , schien seiner Frau ein besttantiges Umherschweifen angenehm zu machen .
Der Gedanke , ihre Tochter wiederfinden zu können , erlosch nie in ihr ; und da sie dieselbe nur unter den verlassensten Geschöpfen antreffenzukönnen glaubte , zog fi allenthalben die Beobachtung der Armesten Volksclasen an ; dort studierte sie den Menschen , dort entriß sie manches Kind dem Verderben und trug , sich unbewußt , an andere Verlaßene die Schuld ab , welche ihr Deborah durch die zartliche Pflege ihrer Hannah taglich auferlegte .
Die Umstande , unter welchen Luise das Leben erhielt , sind selbst den aufmerksamsten Beobachtern Gertrudens ein Rathsel geblieben .
Sie wurde in Neapel schwanger ; Deutsche , die fi dort kannten , und die sehr gern bei ihrer Rückkehr die Ersten sind , ihre Landsleute im Auslande preiszugeben , sprachen nur mit Achtung von ihrem Betragen .
Sie war in Begleitung eines Maltesers von Rom aus dahin gereist er schien Hausfreund , und Personen , welche das Ehepaar früher in Wien und einigen deutschen Badern gekannt hatten , fanden Gertrudens Benchmen gegen den Baron sehr gemildert , ihren Geist weniger streng , und das durch ihre Gesellschaft ungleich liebenswürdiger als zuvor .
Des Maltesers Einfluß auf sie war unbezweifelt , aber er übte ihn durch Geist und strenge Sitten , bei den angenehmsten gesellschaftlichen Gaben , auf alle seine Bekannten aus .
Moor hielt sich noch lange nach seiner Abreise in Neapel auf , Gertrude verhehlte ihren Schmerz um seine Abwesenheit nicht , studierte mit besonderer Vorliebe die Geschichte seines Ordens , und Luise sah immer unter ihren Reliquien und Geschmack einen reich verzierten türkischen Dolch , an dessen Griff , vermittels einer venezianischen Kette , ein Malteserkreuz befestigt war .
Luise kam auf den böhmischen Gütern , für welche Gertrude stets eine besondere Vorliebe hatte , zur Welt ; ihre Mutter schien das Reisen nun aufgegeben zu haben , sie übernahm , ohne alle Widersehlichkeit von Seiten ihres Gemahls , die Führung der Güter , die sie durch ihre thatige Aufsicht sehr verbesserte , und lebte im Winter in Dresden , wo ihr Haus sich durch guten Ton und gebildete Unterhaltung auszeichnete .
Allein Zutrauen flößte sie nie ein und schien es auch nie erweisen zu wollen .
Ihr Verstand war Licht ohne Warme , und ihre großmütigen Handlungen schlossen weder der Geberin noch dem Nehmer das Herz auf .
Daß alle einzelnen Umstande dieser traurigen Geschichte für Luise ein Geheimnis blieben , lag in der Natur der Sache ; wie aber Luise ihre Schwester wieder gefunden , und sie in inniger Vertraulichkeit Ahnungen und Erfahrungen des Lebens sich einander mitteilten , entwickelte das gesunde Gefühl eine Divinationsgabe in ihnen , welche Ursache und Wirkung in dem unseligen Eheverhaltniß ihrer Eltern erriet .
In der verschiedenen Wirkung , die es auf beide machte , sprach sich die Verschiedenheit ihrer Charaktere aus .
Luise , der ihre Mutter die Radata erteilte Begünstigung seiner Bewerbung mitgeteilt hatte , schien durch das Glück ihrer Liebe mündig geworden ; sie zeigte gegen ihre Mutter eine Sicherheit im Betragen , die sie vorher nie gewagt hatte , sie durfte nun liebend bitten , unbefohlen handeln ; Hannah , welche bisher den Baron mit einiger Schüchternheit vermieden hatte , war nun mit unermüdlicher Sorgfalt um ihn und schien nur darauf bedacht , ihm darzutun , wie dankbar sie gegen Gott sein müsse , der sie auf dem zurückgelegten Pfad geleitet habe .
Moor , der sich nur durch sinnliche Eindrücke leiten ließ , überzeugte sich bald durch Reue und Gebet , seine frühere Untat gegen sein Kind ganzelich tilgen zu können , um so mehr da seine jetzige Vaterliebe ihm eine schöne Tugend zu sein schien .
Liefen , der sich bei seinen Besuchen in Feldheim immer mehr zu ihm gesellte , gab allen seinen Empfindungen Beifall , wobei er nie die Mahnung vergaß , daß die Tochter , welche noch nie des Vaters Großmut erfahren , auch ganz besondere Rücksichten verdiene .
Diese Anregung Lette Hannahs Gefühl ; die ganze Form seiner Empfindung , durch ein freudenloses Leben Gott wohlgefallig werden zu wollen , mißfiel ihr , und je langer je mehr schien sie sich den Grundsack , bei Opfern und Mühen dennoch heiter durchs Leben zu gehen , aneignen zu wollen .
Die Reisegesellschaft war schon langst wieder nach Feldheim zurückgekehrt .
Casimir hatte seine Rückkehr nach seinem Stammschloß mit den frohsten Aussichten in die Zukunft angetreten ; liebend und geliebt ging er eine Lebensbahn zu betreten , die das Ideal seiner Kindheitstraume , der Wunsch seiner Jünglingsjahre gewesen war , der er nur aus kindlichem Gehorsam entsagt hatte , und der er nun aus klarer Verstandesansicht sich widmete .
Seine herzlichste Sehnsucht war ist ; seinen Oheim in seine Freude einstimmen zu sehen ; nicht nur feine Einwilligung in seine Wünsche , nein , feine herzliche Teilnahme an seinem Glücke war ihm Bedürfnis .
Dieses gestand er Luisen in den Letten Momenten ihres Beisammenseins ; sie nahm den innigsten Anteil daran , und rief ihm , wie sein Pferd die Anfuhrt hinantrabte , noch als lehtes Lebewohl nach : vom Oheim schreiben Sie gleich , gleich !
Casimir verstand , daß dies der zartlichste Abschied sei . und Ohne der Mutter so nahe wie Luise zu stehen , nahm Hannahs Verhaltniß gegen sie , das vor der Entdeckung ihrer innigen Verwandtschaft schon auf erprobte Achtung gegründet war , an Vertrauen und Anerkennung zu .
Hannah vertraute ihr den Wunsch ihren Vater durch ein , seiner Denkart angemessenes Interesse den dumpfen Betrachtungen und dem müßigen Beten zu entziehen .
Bei der ersten Anregung dieses Gegenstandes ahndete die Baronin die Farbe und schien eine fremdartige Empfindung zu bekampfen , küßte dann aber ihre Tochter auf die Stirn und sagte besonnen : " finde du ein solches auf , rechne auf meine Zustimmung bei Allem , was dazu abzwecken kann , halte mich aber nicht für gleichgültig , wenn ich nicht mitwirkend neben deinem Vater auftrete .
Ich würde ihn stören und dein Bemühen scheitern machen . "
Hannah drückte ihrer Mutter Handelan ihr Herz .
So Vieles , was sie sonst für Mangel an Gefühl bei dieser Frau gehalten hatte , erkannte sie jeßt für ruhigen Verstandesentschluß .
Sie ahnte immer mehr , . wie beschrankt ihre Menschenkenntnis in ihrer herrnhutischen Brüdergemeinde geblieben sei .
Das menschliche Herz hatte sie an ihrem eigenen studiert , allein die Menschen hatte man sie in zwei Glasen zu teilen gelehrt : in Fromme und Gottlose ; was in ihrer Gemeinde sie umgab , gehörte zu den Frommen ; von den Gottlosen da draußen hatte man ihr ein so fürchterliches Bild gemacht , daß fi in der ersten Zeit ihres Weltlebens beinahe deren Dasein bezweifelte .
Sie hatte erwartet die Bösen , wie den nordischen Teufel , an außen Abzeichen zu erkennen , und hielt nun alle Menschen für gut .
Nach und nach begriff sie wohl , daß die Vergehen , welche das Gefäß bestrafen kann , nicht die sind , warum der gesellschaftliche Zustand ein verderbter ist , fi begriff , wie die Seele selbst bei Verbrechen hohen Adel erhalten kann , indes oft in einem vom Gesetz nie angeklagten Menschen Gottes Ebenbild kaum mehr zu erkennen ist .
Diese Betrachtungen verschafften ihr allmahlig einen richtigen Maßstab für die Menschen , deren Gottseligkeit man sie bisher blind zu bewundern gelehrt hatte , und befreite ihre Liebe zu ihrer Mutter immer mehr von der drückenden Verurteilung , die sie anfangs gegen ihre Vergangenheit auszusprechen sich für verbunden gehalten hatte .
• Der Plan , welchen sich Hannah zur Beschaftigung ihres Vaters ausgedacht hatte , erfüllte zugleich einen Wunsch , der sie seit der Entdeckung , welchem Elende ihre zarte Kindheit durch ihrer guten Pflegemutter Deborah fromme Sorgfalt entgangen war , sehr haufig beschaftigte .
Es scheint ihr dabei ein Bild vorgeschwebt zu haben , welches Fellenberg in Hofwyl durch seine Armenanstalt wohlthatig verwirklicht hat .
Sie beredete ihren Vater , ein geraumiges Haus zur Verpflegung eines Dußend Kinder einzurichten , die sie unter den Verlassensten der Gegend aussuchte .
Weifen zogen vor allen ihre Sorgfalt auf sich , und ihr Zweck war , sie für den Landbau zu er_es ziehen .
Der Verwalter war angewiesen , die Fahigen unter ihres Lehrers Aufsicht zu allen , ihren Kraften angemessenen Arbeiten im Landhaushalt und beim Landbau zu benußen ; und der Unterricht beschrankte sich außer der Religion einzig auf die Kenntnisse , die der Alge = meinen Dorfjugend beigebracht werden .
Mit schmeichelnder Überredung bewog steh ihren Vater , der viel Musik geübt hatte , den Gesangsunterricht der Kinder , welcher nur Arbeitslust und Kirchenfeier befördern sollte , anzuleiten , fi bewog ihn auf den Arbeitsblahen , besonders der kleineren Kinder , gegenwartig zu sein , wodurch er sich , da er leicht in kleine Interessen einging , ihre Liebe erwarb .
Hannahs Absicht wurde zum Teil erreicht : nicht so wohl die neue Beschaftigung wirkte wohlthatig auf ihn , als die neue Geltung , die er bei diesen Kindern hatte .
Er wußte nun einen Kreis , wo er der Mittelpunkt war , und hatte einen Gegenstand , dem er notwendig zu sein glaubte .
Hannah hatte sich die Aufsicht und auch wirkliche Teilnahme beim Schulunterricht vorbehalten , und genoß taglich den Lohn ihres Bemühens , indem gesundes Leben und gesunde Lehre , einander wirkend , ihr das fortrückende Gedeihen der Zöglinge taglich auf ihren an Gesundheit und Heiterkeit zunehmenden Gesichtern deutlich zeigte .
So hatte Hannah nun glückliche Tage verleben können , denn Alle , die sie liebte , waren , seit sie ihnen Angehörte , froher geworden , aber eben diese Mittel , die sie zu ihrem Wohle , anwendete , zeigten ihr unaufhörlich , daß sie an Liefen Seite ihrer beraubt sein würde .
Stadt ihre Bemühung um ihres Vaters neu begründete Stiftung zu Unterstößen , suchte er des Barons Freigebigkeit durch stete Berechnung der Kosten zu beschranken , und so oft er sich unter die Kinder . mischte , ermüdete er sie mit Ermahnungen , die ihr Gebet zum Sklavendienst , die empfangene Wohltat ihrer Erzichung zum Almosen , und ihren Dank zum müßigen Herplappern demütigender Formeln zu erniedrigen drohten .
Luise war ihre einzige treue Gehilfin ; fi lehrte die kleinen Madchen Stricken und fange frohe Lieder mit ihnen , bei denen die Kein der , von ihrer Silberstimme angeführt , schnellere Fortschritte machten , wie die Knaben vers mittels des Barons schulgerechter Theorie .
Oft kam Hannah vom Felde , vom Schulhause traurig in das Schloß zurück , wie ein Gartner , der feine Pflanzen vom Mehltau oder bösem Gewürm verkümmert fand ; trat sie dann in das Gemach , aus dem die heiteren Lieder der kleinen Madchen erschallten , so dachte sie : unter allen tiefen wird doch Ein und das Andere gedeihen !
dann machte sie es wie ein guter Gartner , bemühte sich und hoffte von Neuem , und Luise , ihre weinenden Augen küssend , sagte zuversichtlich : beharre nur , bis Casimir kommt !
ich bin sicher , was du tust , ist gut , aber dir fehlt die Kraft ach , Hannah , dir fehlt sie ja zu deinem eigenen Wohl ! aber warte , bis Caimir kommt , der hilft dir gewiß !
Luise betrog sich spaterhin in dieser recht madchenhaften Zuversicht zu dem Geliebten nicht .
In einer Zeit , die über unsere Geschichte hinaus geht , hat Hannah das Glück gehabt , mit Radata's naht ihre Anstalt gedeihen und schon lange für das sittliche und hausliche Glück ihres Gutes die schönsten Früchte tragen zu sehen .
In diesen , von gesundem Frohsinn sehr entfernten Verhaltnissen waren viele Monate ver strichen , als Liefen die endliche Vollziehung seiner Heirat mit Hannah mit Bestimmtheit verlangte .
Seit der Erklarung , die gleich nach der Wiedererkennung ihrer Tochter Stadt gefunden , hatte die Baronin jedes Gesprach über diese Verbindung vermieden ; nach Liefen bestimmtem Ansuchen sagte sie zu ihr :
ich habe nie meine Pflichten als Mutter gegen dich erfüllt , meine Hannah , darf also deren Rechte über dich nicht üben .
Aber wir lieben uns innig , und die Freundin darf fragen : gedenkst du denn noch dieses Menschen Gattin zu werden ? -
Ich muß es , teure Mutter , erwiderte Hannah , indem sie in Tranen ausbrach ; denn seit der Zeit , wo ich durch eitle Neigung bewogen ihm Hoffnung gab , tat er nichts , was vor Gott den Bund brach , den er mit mir eingegangen hatte .
Soll ich meinen Mitwanderer auf dem Wege stehen lassen , weil sein Fuß zum Straucheln geneigt ist ?
Ich hoffe zu meinem Gott , er soll mir tragen helfen , was ich versprochen habe für diesen Mann zu übernehmen .
- Hannah , nennst du denn das in deiner frommen Sprache nicht Gott versuchen ?
Nein , Mutter , es heißt tragen , was der Herr auflegt .
Arme !
Arme ! und was könnte - dich , deiner Ansicht nach von deiner Pflicht gegen ihn entbinden ? Bruch von ihm . -
Nur Eines ! Pflicht- Die Baronin wurde sehr nachdenkend und brach das Gesprach ab .
Die Anstalten zu Hannahs Verbindung wurden nun wirklich getroffen ; die Braut bat dringend allen außen Pomp dabei zu vermeiden , suchte sich allen Glückwünschen zu entziehen , und floh zu ihrem Trost in den Kreis ihrer Armenkinder , wo sie allein sich vergaß .
Nur wenn Liefen seine Rechte als Brautigam durch Liebkosungen wollte gelten machen , zuckte Angst um ihre erbleichenden Lippen , und jeder Vorwand war ihr willkommen , seiner Nahe zu entgehen .
Dazu diente ihr jetzt oft ihres Vaters wohlmeinender Wahn , als ob der künftige Schwiegersohn nun Teilnehmer seiner strengen Andachtsübungen sein müsse .
Mit sichtbarem Widerwillen willfahrte dieser seinem Wunsch , ihm asketische Bücher vorzulesen , und bezahmte kaum seinen Unwillen , wenn Luise nach wenigen Minuten Hannah von ihrem Zuhören wegen irgend eines Geschafftes abrief .
Eines Abends , als die Baronin mit ihrem Gerichtsamtmann Geschaffte abzumachen hatte , bemerkte Luise , die ihre kleinen Schülerinnen im Hofe vor sich spielen ließ , daß zwei Bauerinnen auf das Schloß zukamen , an dessen Tore ihrer Mutter alte Kammerfrau auf sie gewartet zu haben schien , denn sie führte sie sogleich in der Baronin Cabinet .
Da diese sehr wenig Verkehr mit den Landleuten hatte , beschaftigte dieser Besuch Luisens Neugier ; um so mehr , da ihr die eine dieser Bauerinnen jung , sehr hübsch und sehr traurig schien .
Mit jugendlichem Bedürfnis der Mitteilung eilte sie ihrer Schwester diesen Vorgang zu Erzahlen ; aber Licfen , der freilich diesen Abend war erwartet worden , saß neben Hannah und machte ihre Fröhlichkeit verstummen .
Gutmütig suchte sie ihn dennoch freundlich zu bewillkommnen , fand aber keine ahn liche Erwiderung , sondern nahm zu ihrer Bestürzung wahr , daß ihre sanfte Hannah heftig bewegt war .
Zürnend , daß seine Ankunft seine Braut nicht ganzelich von ihrem Stickrahmen abriefe , hatte Liefen , der seine Anmaßung unter unpassendem Scherz verbarg , um sie am Arbeiten zu hindern , die Spannfaden des Rahmens samtlich zerschnitten .
Hannah hatte sich Abwarts gerückt und suchte vergeblich gleichgültig zu scheinen .
Luise von Zorn überrascht rief , sobald sie sein Beginnen erblickte : der Spaß ziemt einem kleinen Leutnant mehr , wie meinem gottseligen Herrn Schwager .
Liefen entgegnete tückisch :
ich werde doch dem Pfaffchen Casimir raten , seine Braut durch gleiche Strenge zu gefalligerem Betragen zu zwingen .- Hannah brach bei dieser geschmacklosen Anspielung auf Radasta's frühere Bestimmung in Tranen aus ; Luise blickte den Beleidiger mit stolzer Verachtung an und würde diesen widrigen Auftritt nicht schweigend beendigt haben , wenn nicht eben der Baronin alte Kammerfrau hereingetreten Ware , die Liefen einlud , unverzüglich zu ihrer Herrin zu kommen .
Der ungewohnte Aufruf machte ihn bestürzt , doch faßte er sich bald , legte die Schere , mit wel = " cher er seine unhöfliche Arbeit vollbracht hatte , gelassen auf den Rahmen , und sagte seine Hand gleisnerisch auf die Brust legend :
Gott verzeihe es , wenn die reinste Seelenliebe , so schnöde zurückgewiesen , einen Augenblick den schwachen Menschen der Leidenschaft preisgab .
Und damit folgte er der an ihn ergangenen Einladung . -
Luise warf sich vor , durch ihre Bemerkung Liefen gereizt zu haben , und bat ihre Schwester ' mit Tranen um Verzeihung ; obgleich Hannahs Erklarung ihr bewies , daß sie nicht die erste Veranlassung zu seinem Unmut gewesen , war doch die heitere Ursache , die sie zur Schwester geführt , Jet ganzelich vergessen , und anstatt Hannah von der geheimnisvollen Zusammenkunft der Bauerinnen mit ihrer Mutter zu Erzahlen , fassen beide Schwestern Arm in Arm und suchten sich , da der Schmerz in einem weiblichen Herzen so schnell zu religiösen Empfindungen führt , durch fromme Hoffnungen und Vorsage zu trösten .
In dieser Stellung fand die Baronin ihre Töchter , wie sie nach geraumer Zeit zu ihnen eintrat .
Liefen schritt ihr nach , sein Gesicht verriet die heftigste Bewegung , er griff nach Hut und Reitgerte und schien zu Hannah sich wenden zu wollen ; allein der Blick der Baronin , die mit sonderbarer Kalte und Hoheit alle seine Bewegungen bewachte , schien ihn fort zu treiben-er eilte , ohne ein Wort zu sprechen , aus dem Schloß .
Erschrocken und fragend sahen sich die Schwestern einander an ; die Mutter heftete ihre Augen noch einige Augenblicke auf die Türe , die Liefen hinter sich zumachte , dann trat sie zu Hannah und ergriff ihre Hand .
Hannah , sprach fi , meine gute Tochter , ich beschuldigte mich lehthin vor dir , keine der Pflichten gegen dich erfüllt zu haben , zu der die Natur mich berufen .
Deine Kindheit , deine Jugend genossen meiner Vorsorge nicht , aber deine ganze Zukunft , meine Hannah , habe ich vor Verderben gerettet Liefen hat deine Hand nach dem Grundsake , den du selbst aufstelltest , verscherzt , die Gesetze verbieten ihm , Ehre und Gewissen verbieten dir , die vorgehabte Verbindung zu vollziehen .
O meine Mutter , darf mein Gewissen sich mit Ihren Gründen beruhigen ? rief Hannah in der bangsten Erwartung .
- Es darf , sprach die Baronin im bestimmtesten Ton ; das Gefäß macht den Mann zum Gatten von der Mutter seines Kindes ; ob Liefen dieses Gesek erfüllen wird , mache er mit seinem Gewissen aus ; daß er allen Ansprüchen an dich entsagt , beweist die Art seines Forteilens , nach der mit ihm Stadt gehabten Erklarung .
Weitere Beweise erspare ich eurer Sittsamkeit , allein sie sind in meinen Handen .
-- Hier deutete fi auf einige Papiere , die sie in der Hand hielt , aber die beiden Madchen vernahmen nichts mehr ; errötend , freudig weinend lagen sie einander in den Armen , Luife rief einmal um das andere : nun , nun erst bist du unser , und Hannah sank dann mit Dankgebet vor ihrer Mutter aufs Knie .
Nun das Gespenst gebannt war , konnte keine der beiden Schwestern begreifen , wie man sich also von ihm umgarnen , also in seinem Banne hatte halten lassen .
Luise war ist aus zarter Schonung für ihre Schwester am bereitwilligsten Liefen Fehler zu entschuldigen fi fühlte , wie viel schmerzlicher des Liebhabers Unwert dem weiblichen Herzen ist , wie sein Unrecht .
Die Baronin sagte mit einer Milde , die ihr ist taglich gewohnter wurde :
Vieles wird euch ein Rathsel bleiben bei diesem verlebenden Vorgange , doch meine Lieben , vergeßt bei eurem Nachsinnen nicht , daß der erste Fehler von uns kam .
Unsere Gutmütigkeit verleitete , euch den Mann gleich anfangs höher zu stellen , als er unaufgefordert sich selbst gestellt haben würde .
Wir schmücken gern die Gegenstande , welche unsere Empfindungen erregen , mit ihrer würdigen Eigenschaften aus weil er klagte , hielten wir ihn für gefühlvoll ; weil er von heiligen Dingen sprach , für fromm ; weil er unser Echo war , für gleichgestimmt .
Mein Unrecht war ernsterer Art , Hannah !
ich wartete erst , bis ich dich als mein Kind erkannt hatte , um mich deiner mütterlich anzunehmen , und ließ dein reines Herz sich einem Menschen ergeben , essen Unwert mir vom ersten Abend an nicht entging .
Nun laßt uns Gott danken , daß dieser Irrtum entdeckt ist , und bekümmert eure Herzen , verunreinigt eure Phantasie nicht weiter , indem ihr über das traurige Rathsel solch eines Menschenherzens nachsinnt .
Nach der Veranderung , die ist in Hannahs Verhaltnissen Stadt gefunden hatte , war es für die ganze Familie sehr angenehm , ihre Reise nach dem böhmischen Gute bald antreten zu können .
Man hatte verabredet gehabt dahin abzugehen , sobald Hannah mit ihrem Gemahl das Schloß verlassen haben würde .
Freudig bereitete diese sich , ihre Eltern zu begleiten ; ihr war , wie der Wagen den Berg hinab rollte , wo der Weg sich nach Liefen Gut hinwendete , wie einem Gefangenen , der seiner Freiheit wiedergegeben , noch ein Mal den Turm seines Kerkers betrachtet .
Sie war , dem größten Elend entgangen zu sein , glücklich , Luise war es in der Aussicht einer frohen Zukunft ; denn obschon Casimirs Briefe ihr eingestanden , daß sein Fleiß noch lange nicht das ersehnte Ziel erreicht habe , so versicherte ihr doch Alles , was er ihr schrieb , den Ernst seines Bestrebens .
Ihre brautliche Freude wurde jedoch sanft von dem Gedanken verschleiert , daß ihre Hannah mit verwaistem Herzen Zeugin ihres Glückes sein müßte , und das machte ihr Betragen gegen die geliebte Schwester zu einem steten Bemühen , Ersaß für ihr verfehltes Glück zu ersinnen .
Mit der Erwartung Radaste vielleicht schon in Trepzy vorzufinden , kam die Familie in Nanez an ; allein fi wartete vergeblich auf seinen Besuch , und hörte auf eingezogene Erkundigung , daß man auf feinem Gute seiner verzögerten Ankunft wegen in Sorgen sei .
Von diesem Augenblicke an war freilich nicht mehr Luise die tröstende , die ihr Glück fat schüchtern verhehlende Schwester , sondern fand in Hannahs der Entsagung und Ergebung früh gewohntem und doch so weichem Herzen reiche Zinsen ihrer erwiesenen Zartlichkeit .
An Untreue und Verrat denkt unveranlaßt kein treues Herz ; allein wie viele Gefahren konnten nicht den Geliebten bedrohen ?
Sie grübelte sich die seltsamsten Ursachen seiner Zögerung aus , und blieb doch fern davon , die ernsten Vorgange zu erraten , welche Eaimir gebieterisch von ihr fern hielten .
Der Komtur hatte seinen Neffen bei seiner Rückkehr von Feldheim in trüber Stimmung , aber mit der warmsten Herzlichkeit empfangen .
Ganz gegen seine Art fragte er , für den sonst das Einzelne nur durch eigene Auffassung Wert erhielt , das Gesprach aber als Gedankentausch , nicht als Erzahlung Interesse hatte , mit Beharrlichkeit nach allen Verhaltnissen , in die sein Neffe durch seine Verbindung mit Luisen gekommen war .
Casimir , durch die Neuheit tiefer Neugier befremdet und Alles , was Luisen anging , als Heiligtum bewahrend , wich anfangs seinen Fragen etwas scheu aus ; allein bei der Aufmerksamkeit des Zuhörers und dem steigenden Interesse seiner Erzahlung verlor sich die Scheu , und wie er zu der Entdeckung von Hannahs naher Verwandtschaft mit seiner Geliebten kam , und er den Moment schilderte , wo die Baronin auf ihn gelehnt gesagt hatte : " vielleicht wird_es mir wohl am Herzen eines Sohnes " überwaldige ihn die Erinnerung an das zermalmte Herz der starken Frau , so daß er inne halten mußte .
Und da hob dem erbleichenden Jüngling gegenüber der Greis fein gebleichtes Haupt und rief , indem ein schönes Feuer über seine ernsten Züge zuckte : ja , in dieser Frau wurden schöne Anlagen verkümmert ! nein Casimir , auch an deinem Herzen wird sie nicht heilen , auch ihre wieder gefundene Tochter wird ihr keine Heilung gewahren .
Da Luisens Geburt ihre Verachtung gegen ihren Gatten nicht milderen konnte , mußte ihr Herz unwiderruflich erstarrt Casimir sah ihn erstaunt an .
Woher diese Teilnahme an diese Frau ? woher diese Kenntnis ihres Gemüts ?
Der Oheina nahm das wahr und sagte : Sage deiner Schwiegermutter einst , dein Oheim sei der Malteserritter , dem es auf einen Augenblick geglückt sei , sie mit ihren Pflichten zu versöhnen .
Sie wird jener Zeit gern gedenken , denn sie veranlaßte das einzige Glück , was ihr Leben versüßte .
Nun sage mir weiter , wie wendete sich Hannahs Geschick ? fragte er schnell , da er auf seines Neffen Gesicht unruhige Neugierde las .
Casimir , der Ehrfurcht für feines Oheims Willen gewohnt , erzahlte , fast zerstreut , weiter und wurde nur wieder gesam- 'melter , als der Komtur bei Liefen stets dentlicher heraustretender Schlechtigkeit mit bitterem Unmut ausrief : elendes Werkzeug einer ausgearteten Macht ! und nachdem er einige Male heftig auf und ab geschritten war , schte er zu sich selbst sprechend - hinzu :- könnte ich mich von Allem so leicht lossagen , wie von ihm ! -
Casimir trat zu ihm , faßte seine Hande und drückte sie kindlich an seine Brust ; guter Oheim , sagte er bittend , bin ich denn nicht stark genug , einen kleinen Teil der geheimnisvollen Last zu tragen , die Sie drückt ?
Du sollst deine Kraft der Zukunft weihen , nicht einer eingestürzten Vergangenheit .
Diese Zukunft laß uns nun sicheren .
- Darauf ging er auf den Zustand der Familiengüter über , bezeichnete den Weg , den Casimir einschlagen müsse , fi von Schulden zu befreien und durch eigene Aufsicht ihren Ertrag zu verbessern .
Casimir machte die Bekanntschaft eines sehr wackeren Nachbars vom Schlosse Radaste .
Sein Großvater war ein Köthner dieser Gegend gewesen , er selbst hatte mit seines Vaters im Kornhandel gewonnenem Gelde Felder zusammengekauft , und auf dem Fleck , wo des Großvaters Kot gestanden , ein grobes , bequemes , und so zweckmassiges Bauernhaus gebaut , daß es als solches für eben so musterhaft galt , wie des Komturs , neben dem alten Schloß gebautes Herrschaftshaus als Wohnung eines Edlen .
Als ihn Caimir kennen lernte und seine Einrichtungen bewunderte , sagte der Besicher zu ihm : " mein Zweck bei allem diesen war , unserer Gegend durch meine Bewirtschaftung und meine Lebensweise zu zeigen , wie sehr sich der Bauer veredeln kann , ohne daß er aufhört Bauer zu sein . "
Casimir fand in diesem Sah sein Bestreben ausgedrückt , durch sein Beispiel zu zeigen , wie der Edelmann so ganz Landwirt könnte sein , ohne seine Tüchtigkeit zum Staats- und Kriegsdienste zu verlieren .
Gelang es seinem Nachbar Wrany und ihm , so mußten beide am Ziele sich die Hand reichen .
Wrany es Sohn hatte seinen Kenntnissen nach eben so gut Stabsoffizier werden können wie ein Radata , und nun strebte Casimir ein eben so guter Landbauer zu werden , wie Damian Wrany , dem schon in seinem zwei ( und zwanzigsten Jahr der Vater einen ganzen Pachthof übergeben hatte .
Vater und Sohn wurden nun Casimirs Ratgeber .
Mit erzwungener Aufmerksamkeit hörte der Komtur die Berichte , welche ihm sein Neffe von den neuen Kulturen , Einhegungen , Ausreutungen gab .
So zwingt uns unser künstliches Leben der armen Erde Gaben zu ertrotzen ! rief er einst bei so einem Berichte aus .
Wie würde ein Parse das verabscheuen ! für ihn ist der Boden , der ihn tragt , ein heilig Verbündeter , kein Leibeigener Knecht , dessen Rücken er . zerfleischt , wenn er sein Tagewerk nicht fördert . "
Casimir begriff , daß des alten Mannes Gemüt sehr krank sein müsse , um in der gedeihlichen Gegenwart nur Anlaß zu nachteiligen Vergleichen aus seiner geheimnisvollen Vergangenheit zu finden .
Er nahm wahr , daß der Greis nach solchen Augenblicken , wo ihn feine Schwermut zu unwilligen Äußerungen verleitet hatte , die einsame Waldgegend hinter dem alten Schlosse haufiger besuchte ; schon langst war er überzeugt , daß diese ein seinem Oheim " sehr wichtiges Geheimnis verberge ; allein Ehrfurcht und Mitgefühl für die zunehmende Verdunkelung eines Lebens , das ehemals dem seinen voranleuchtete , verbot ihm jedes Forschen nach dem , was ihm der Oheim verschwieg .
Wenige Wochen vor dem Zeitpunkt , in welchem Casimir das Glück erwartete , seine Geliebte als Gutsnachbar von Nanez in : Trepzy wiederzusehen , traten in der politischen Welt die Ereignisse ein , welche die morsche Form unfers vaterlandeschen Staatsgebaudes als aufgelöst erklarten .
Der Komtur erwartete jeden Briefboten mit schweigender Spannung und las , was Zeitungen und Briefe brachten von Verteilung der Staaten und Einschmelzung einzelner Vorrechte in allgemeine Berechtigung , ohne sich darüber zu außen .
Casimir sagte bei der Klage eines Verwandten im südlichen Deutschland , dem die neuen Ordnungen mit feinen Vorrechten die Halft seiner Einkünfte gekostet : ist der Mann nicht von der öffentlichen Sache begeistert , so muß er das Bessere als bitteres Unrecht empfinden .
Der Dheim antwor täte nach einer Pause : der Mensch handelt taglich , ohne Nachdenken , wenn gleich mit Willkür , im Kleinen , wie die Goftheit im Großen tut .
Du besserst deine Felder , und taufende von Stauden , Grafen , Kreaturen jeder Art , sind das Opfer deiner Verbesserung diesen Gang geht die jeßige Welt ein bisschen im Großen ; weiter ist_es ja nichts .
Was sein Leben dabei einbüßt , schreit freilich dabei zum Rache auf , wird aber nur von dem großen Gotte gehört .
Casimir fühlte wohl , daß der Augenblick nicht wohlthatig sei , um Verstandigung über diese Unglück ahnenden Worte zu fordern , und war nur bemüht , die schmerzlichen Lücken in des alten Mannes Leben durch kindliche Ergebenheit zu erganzen .
In dieser Zeit , in welcher Deutschland einem Sterbehause glich , in dem lachende Erben dem Meistbietenden verkaufen , hatte der Komtur oftmals Besuche von Unbekannten , offenbar unter fremder Gestalt reisenden Mannern , erhielt hie und da Briefe durch besondere Boten und schenkte von da an , von fremden Gegenstanden ganzelich beschaftigt , seines Neffen Angelegenheiten weiter kein Gehör .
Trafen Oheim und Neffe auf dem Felde , in den Garten zusammen ( den taglichen Mahlzeiten wohnte der befremdliche Greis schon lange nicht mehr bei ) , so drückte die Herzlichkeit , mit welcher er des jungen Mannes Hand faßte , und sie haltend ohne Worte eine Zeitlang neben ihm herging , ihn nur dann und wann nach Luisen fragte , und auf diesen oder jenen Gegenstand in Beziehung seines künftigen , hauslichen Wohles deutete , sein Bestreben ihm wohlzutun aus .
Doch von Casimirs Antworten schien er nur den Ton zu vernehmen , der Sinn blieb ihm fremd , und mit trübem Blicke schied er von ihm .
Endlich wurde durch einen von Luisen erhaltenen Brief , Casimirs Abreise nach der Nachbarschaft von Trepzy bestimmt .
So lange hatte er sich nach dieser Reise gesehnt und jetzt dachte er voll Sorge daran , seinen Oheim zu verlasen .
Zögernd ihn mit der nahen Trennung bekannt zu machen , dachte er darauf , die Pflege dieses werten Greises seinem Nachbar Wrany zu übergeben , und machte sich , deshalb mit ihm die nötigen Verabredungen zu treffen , auf den Weg als ein Gartnerbursche ihm daherlaufend angstlich zurief , daß der Komtur in einer Gartenlaube ohnmachtig gefunden worden sei .
Casimir eilte hinzu , des Komturs alter Diener suchte gleichen Schritt mit ihm zu halten , sagte aber verzweifelnd neben ihm her eilend :
Er muß ja sterben !
ich ahnte -- schon lange , daß er Hungers sterben will . -
Er betrügt mich nicht , wenn er durchaus ohne Zeugen will speisen - er bringt die Nahrung , ohne sie zu genießen , bei Seite .
Schaudernd hörte Casimir diesen unglaublichen Verdacht .
Ist sah er den Oheim , nicht leblos , aber erstarrt auf einer Bank angelehnt , er hielt ein Zeitungsblatt in seiner festgeschlossenen Hand , er sah dem Neffen zwar nicht entgegen , erkannte ihn aber , wie die geistige Verklarung seines Blickes bewies .
Casimir warf sich zu Boden , drückte mit inniger Liebe des Oheims Knie an seine Brust , bat flehend , sein Leben zum Segen seines Neffen zu fristen !
Jetzt sank der Greis zusammen , die Hand öffnete sich und ließ das Blatt fallen , und es gelang nun , dem Ohnmachtchen die schnell herbeigeschafften Starkungsmittel beizubringen .
Wie das Leben in ihn zurückkehrte , war sein erstes Wort die Bitte um Ruhe und Alleinsein .
Der Neffe flehte , ihn ins Schloß bringen zu dürfen , allein der Oheim entzog seine kalte Hand seinen Liebkosungen , und deutete zu dem blauen Himmel , der durch die Zweige herab glanzte : bin ich Ihm denn hier nicht eben so nahe ? fragte er lachelnd , warum denn Dach und Balken zwischen uns ? --
Nun verließ ihn der Neffe , nachdem der Ermattete freiwillig einige Nahrung genossen hatte , und nahm sich vor , ihn von ferne zu bewachen ; doch das Zeitungsblatt , das des Oheims Hand entfallen war , nahm er mit ; er war überzeugt , in demselben die Ursache zu seines Dheims schrecklicher Zerrüttung zu finden .
Er las es von einem Ende zum anderen , fand darin diplomatische Toilettenkünste , wie sie damals , den Staatskadavern Lebensanschein zu geben , ausgekramt wurden , Jubelfeste verschiedener , glücklicher Völker , bei den neuen Bei kanntschaften mit ihren heißgeliebten Soüverains seufzend blickte er nach dem Laubdach hin , wo sein Oheim ruhte , daß dieser starke , lebendige Geist von solchen Fastnachtsstückchen um feine innere Harmonie gebracht worden sei , als ihm noch die tragischen Geschichten in die Augen fielen , welche diesem Blatte angehangt zu sein pflegen .
Hier las er :
" Den 16ten dieses kam ein alter Mann von edlem Ansehen und sehr anstandig gekleidet in einer Postchaise von M ; Passe wiesen ihn als einen italienischen Kaufmann aus , er ließ seinen Mantelsack im Posthause liegen , ging durch einige Gassen , wahrscheinlich um den Fluß an mehreren Stellen zu betrachten , dann sprang er an einem einsamen Orte in die Fluten .
Kinder die dort spielten , wollten gesehen haben , daß er einige große Steine vermittels eines bunten Luches , an seinem Hals befestigt habe , bevor er seinen gewaltsamen Ein solches türkisches Entschluß ausführte .
Taschentuch , wie die Kinder beschrieben , hatte man im Posthause in des Fremden Hand gesehen .
Der Leichnam hat bei der jetzigen Höhe des Stromes , an dem Wohlgewalten Plage noch nicht gefunden werden können .
Der Mantelsack des Unbekannten enthielt gar nichts als etwas feine Wasche mit einem fremden Zeichen , das einen russischen oder griechischen Buchstaben vorstellen soll , eine zerbrochene stahlen Uhrkette mit einem Petschaft von Karneol , auf welchem ein Meer dargestellt ist , auf dem ein Mann in einem kleinen runden Fahrzeuge treibt . "
Das war eben das Bild jenes Siegels , das Casimir einst in des Oheims Zimmer aufgenommen , und dieser so bedeutungsvoll vor seinen Augen in den Teich geworfen hatte .
Ihm graute vor der Todesverbrüderung , welche er zwischen dieses Unbekannten Selbstmord und seines Oheims anscheinenden Bemühens langsamer Selbstzerstörung ahnte ; den lebenslustigen Jüngling , der noch so fest vermeinte das Schicksal bekampfen , besiegen zu können , machte das Geheimnisvolle dieser Vorgange ungeduldig ; er zerriß zürnend das Unheil bringende Zeitungsblatt , und kehrte in die Nahe seines Oheims zurück .
Doch er ging nicht weit ; schwankenden Schrittes kam ihm der Komtur entgegen " Sieh ! ich bin wieder erstarkt , sagte er freundlich ; führe mich ist auf mein Zimmer und dann laß die Mahlzeit hier unter die Linden bringen ; ich kehre zu dir zurück . "
Casimir ergriff ein Schauder bei der Weise des Greises ; er war geisterbleich und seine Augen glanzten wie Tautropfen im Mondesstrahl .
Ihr Glanz kam nicht mehr von jenen heraus , sondern es war der Wiederstrahl des Erdenlichtes .
Doch anstatt auf des Neffen Arm sich latent zu legen , schien fein Körper gar kein Gewicht mehr zu haben , er stieg wankend , wie eine flackernde Flamme , aber unschwer die Treppen hinauf ; an der Türe seines Zimmers bat er den Neffen , ihn eine Weile zu erwarten .
Casimir hörte ihn einige Schlösser öffnen und schließen , Papiere falten oder ordnen dann kam er zurück .
Casimir leitete die federleichte Totengestalt die Treppe herab unter die Linden , und ergriff die Veranlassung von einer fremden Pflanze , welche der Gartner so eben hier , an seines jungen Herrn Lieblingsplaß aufgestellt hatte , um von einem gleichgültigen Gegenstande zu sprechen .
Der Komtur hatte , zu Casimirs zunehmendem Schrecken eine sonderbare , stille Freude an ihr ; er stellte sie vor sich und deutete auf einige andere reich blühende Stauden , ließ sie auf den Tisch vor sich ordnen , und sagte mit einer Stimme , deren tonender Wohls klang wie ein Siegeslied des Jünglings Herz burchdrang : "Siehe , wie das Leben hervor quellt ! der Keim schlief in seiner Hülle wie im Tode , da kam seine Stunde , und er gebar blühendes Leben . "
Dabei spiegelten sich die glühenden Blumenfarben in seinen durchsichtigen Augen , die nur ihr Bild zurückstrahlten , aber keine Seele mehr aussprachen .
Die Speisen standen vor den Beiden .
- Casimir schwoll das Herz so hoch auf , daß ihn der Bissen erstickt hatte ; der Oheim sah nicht hin , ob er aße , aber er nahm einen Becher voll Weins und einen Bissen Brot und genoß beides mit sichtbarer Andacht .
Seine Kraft stellten sich merklich wieder her , sein Auge wurde matt , aber bekam wieder Ausdruck ; nach einer Weile bat er seinen Neffen , seinen Geschafften nachzugehen und nicht weiter für ihn zu sorgen .
Als dieser zögernd und ungern gehorchte , legte er seine Hand auf dessen Haupt , blickte betend gen Himmel und winkte ihm zu gehen .
Caimir wurde ´ von seinen Geschafften auf ein paar Stunden hinweg gerufen , und hörte bei seiner angstlich beschleunigten Rückkehr von dem alten Kammerdiener , dem er seinen Oheim nicht aus den Augen zu lasen dringend befohlen hatte , daß dieser sehr aufmerksam in einem griechischen Buche es waren die Evangeliengelesen , das zwischen aber geruht und mit Wohlgefallen die Natur um sich her , vor Allem die Blumen betrachtet habe .
Beim Untergange der Sonne war er ziemlich festen Schrittes dem alten Schlosse zugegangen , oft stillstehend und die Gegend betrachtend ; am Eingange des geheimnisvollen Gehölzes habe er lange verweilt , doch die Entfernung verhinderte den treuen Diener , seinen Ausdruck zu unterscheiden , und in jenem Gehölz verweile er noch ist .
Ängstliche Ahnungen trieben Casimir _ dahin ; seine bisherige Schüchternheit vergessend , drang er durch das dichte Gebüsch dem Ge = mauer entlang bis an eine Pforte , die seit langen Jahren verschlossen , der Sage nach von innen verschüttet war .
Eine Ahnung steigt in Casimir auf - er lehnt sich gewaltsam dagegen , das schwere mit Eisen beschlagene Tor drehte sich knarrend in seinen Angeln , und fiel endlich dröhnend wider die Steinwand .
Leere und Dammerung umgab hier den Sucher ; er konnte sich nicht entschließen , Leute und Licht zu holen , es war seines Oheims Geheimnis , was er erforschte .
Schweigend tappte er langes den kalten feuchten Mauern um die Dertlichkeit zu erkunden , aber er kam wieder an den Eingang , ohne die Spur seines Dheims entdeckt zu haben .
Der Dammerung allmahlig gewohnt , bemerkte er Jet den alten Diener , der ihm nachgefolgt war und nun seiner Seits das Gewölbe hinab ging .
Hier ist Licht ! rief dieser plößlich und ging auf die rechte Seite der Mauer zu , wo in einer Nische Querbretter angebracht waren .
Ohne Verdacht hatte sie Caimir mit den Handen untersucht .
Von dem Druck seiner Hand wich die ganze hintere Wand der Nische als Türe zurück und zeigte ihm ein gewölbtes Gemach , von einem blaulichen Lichte dammernd erhellt , und von einem höchst beangstigenden Geruche erfüllt .
In der Mitte stand ein kleiner Tisch mit einem Becken voll glühender Kohlen , in welchen in den kleinen Zwischenraume blauliche Flammchen sich entzündeten ; auf jeder Seite des Tisches saß eine Gestalt -zween Manner , die ihre neben dem Feuerbecken ruhende Rechte verschlungen hielten , indes ihre Haupte an die hohen Lehnen der alten Sessel gelehnt lagen .
Jet erhellte wieder ein leichtes Flammchen , das aus dem Kohlenbecken aufloderte , den angstlichen Dunstkreis .
Oheim ! mein Oheim ! - rief Caimir in Todesangst und raffte den einen der Erstarrten auf , hilf , hilf ! in die Luft , unter den freien Himmel -- und nun trug er ihn mit dem Diener hinaus und ohne sich aufzuhalten in des Beamten Wohnung ,' welche diesem Gewölbe am Nachesten lag .
Schweige von dem Gewölbe , rief Casimir im Gehen dem alten Diener leise , aber dringend zu . -- gnadiger Herr ! von dem unseligen Gewölbe schweige ich schon seit drei Jahren ....
Hier kamen ihnen Leute aus des Beamten Wohnung entgegen ; man wendete bei dem Komtur alle Hilfsmittel an , welche die Vorsicht des Gutsherrn seine Beamten für solche Falle schon langst gelehrt hatte ; aber vergeblich !
Geist des Greises war entflohen .
Die Bemühung um des Oheims Rettung hatte Casimir den neben ihm gefundenen Mann ganz vergessen lasen , jetzt sah er sich angstlich nach dem alten Diener um , der allein Mitwisser des entdeckten Geheimnisses bleiben sollte , Niemand hatte ihn , seit er des Komturs Leiche herbei tragen half , gesehen , und erst nach langem Verweilen trat er ein , verstört , in geahndeter Kleidung , mit verbundenem Gesicht und verlegten Handen .
Alle Auesenden fragten :
was ihn für ein Unfall betroffen ?
er sagte , zitternd und matt sich ´ hinsehend , er habe Arzneimittel und Binden zu feines Herrn Aderlaß aus dem neuen Schloß herüber holen wollen ; um den Weg abzuschneiden , sei er durch die Anlagen geeilt und beim Zwielicht und seiner Angst in das Wasserbecken beim Gewachshaus gestürzt , wo er mit den Scherben der umgestürzten Blumentöpfe sich verwundet habe .
Der Erblichen beschaftigte alle Anwesenden zu sehr um Wolfs Bericht zu beachten , doch Casimir rief ihn bei Seite , still , still ! um Gottes Willen still , flüsterte Wolf zitternd , der Tote ist geborgen aber um meines Herrn - Ehre und Ihrer Sicherheit wegen , still bis - wir allein finde .
In diesem Augenblick ertönte ein Schreckensruf aus dem Munde derer , die den Leichnam umgaben .
Casimir eilte an das Bette zurück , er sah das blase , liebe , heitere Gesicht seines Oheims mit Blut umflossen , das Schaumende aus seinem geschlossenen Munde drang .
Dieser Anblick hatte etwas so Herz- : empörendes , daß der Neffe laut aufschreiend neben dem Bette auf die Knie fiel und sein Haupt in die Decken verhüllte .
Der Arzt sagte betroffen :
er ist tot , rettungslos tot ; ein besonderer Umstand muß sein Blut aufgelöst haben , daß so schnell eine so heftige Garung sich einstellte .
" Laßt den Leichnam nun ruhen und beten wir für die Seele unseres teuren Herrn " gebot eine sanfte Stimme , und erst ist trat ein Priester hervor , der bisher an das Haupt des Bettes zurückgedrangt , leise · gebetet hatte .
Alles entfernte sich einige Schritte vom Bette und sank auf die Knie .
Sanft nahm der Priester die herabhangend Rechte des Toten , und legte sie ihm auf die Bruft ; " Er starb im Vertrauen auf seinen Erlöser , rief er laut , seht hier wie seine Totenhand das heilige Kreuz gefaßt halt ! "
Casimir sprang auf , alle Knieenden blickten zur Leiche empor wirklich hielt des Toten fest geschlossene Rechte ein kleines eisernes Chriftusbild , das mit ihr auf der erkalteten Brust ruhte .
Andachtig sprengte der Priester mit Weihwasser , betete das Kyrie und Requiescant in pace , und nachdem er die Anwesenden gesegnet , bat er fi , dem Toten Stille zu gönnen .
Bald war das Zimmer leer , der Priester allein blieb , mit dem Beamten bei der Leiche zu wachen , und Casimir eilte mit Wolf fort , unter dem Vorwande , im neuen Schlosse ein Zimmer zur morgenden Aufnahme des Leichnams zu bereiten .
Sobald sich Casimir mit Wolf allein sah , forschte er nach dem Todesgefahrten des Komturs gnadiger Herr , antwortete dieser mit Grauen , Gott hat ihn wundervoll vernichtet , so wie ihn bisher wundervoll zu erhalten ihm gefallen hatte .
Erst nach vielen Fragen brachte Casimir aus des von aberglaubigem Schrecken ganz verwirrten Mannes Bericht Folgendes heraus .
Es ging nun schon weit ins dritte Jahr - und nach Casimirs Berech nung war das genau die Zeit , wo er seinen Oheim einmal mit einem Unbekannten in Mönchsöder Einsiedler-Kleidung den Garten durchschreiten und an der abgelegenen Pforte desselben innig Abschied nehmen sah .
Es ging nun ins dritte Jahr , daß der Komtur seinen Kammerdiener durch das Übergewicht seines Herrenansehens bewog , jenes Gewölbe zu einer notdürftigen Wohnung einzurichten .
Er versprach ihm nichts für die Vollziehung dieses Befehls und drohte auch nicht , sondern sagte sehr ruhig :
Ein Unglücklicher soll sich dort verbergen ; wird er entdeckt , so gilt es mein Leben und seines , und da du nun unser Vertrauter bist , auch das deine .
Da mußte ich wohl schweigen , erzahlte Wolf .
Das unselige Gewölbe war von Vater auf Sohn so verschrien , daß die Neugier sich nie mehr daran wagte .
Woher nahmst du aber den Mut ? unterbrach ihn Nadasta .
Der Komtur befahl es ja ! rief der Mensch mit einer angstvollen Zuversicht , die Radaste nicht ergründen wollte ; denn sie deutete auf das Unbegreifliche in seines Oheims Verhaltnissen , das er immer gescheut hatte .
-- Ich raumte , fuhr Wolf fort , zur Nachtzeit das Gewölbe aus ; es soll schon zu Ziskas Zeiten zum Versteck von Kehren gedient haben , denn es hatte Abzugsrinnen und einen Herd , es ließ sich leicht zu einem ertraglichen Aufenthalte herstellen .
Dahin verbarg sich der Mann , der heute mit meinem alten Herrn umkam .
Doch wer war es ? rief Casimir dringend .
Ich weiß es nicht , ich habe ihn nie gesehen . still , lieber Er aß nicht , er trank nicht . -
Alter ! sage mir , wo ist sein Leichnam ?
Verbrannt , mit Allem , was in dem Gewölbe war , verbrannt .
Hier schrak Radata unwillkürlich zusammen .
Wolf sagte die Wahrheit .
Er war auf Casimirs Befehl von der Leiche des Komturs zu dem Gewölbe zurückgekehrt ; gleich bei seinem Eintritt in dem vorderen Raume nahm er war , daß jenes Gewölbe , welches der Schauplah von seines Herrn Tod gewesen war , von blaulichen , scharf riechenden Flammen angefüllt sei ; obschon von Schrecken halb erstarrt , habe er sich , seiner Erzahlung nach , hincin gewagt ; anfangs dünkte ihm auch , daß die Flamme vor ihm zurückwich .
Er sah deutlich die Gestalt des zweiten Toten , der dem Komtur gegenüber gesessen hatte , sie schien in blaulichem Lichte zu glühen ; da aber jetzt die Flammen Wolfs Haare und Kleidung erfaßten , entfloh er und schlug die Türe des Gewölbes hinter sich zu .
An Haar und Kleidern verbrannt , eilte er in sein Zimmer , um die Spuren dieses Vorfalls zu verbergen , und kam jedem Verdacht durch das Marchen seines Falles in das Brunnenbecken zuvor .
Radata sann , nach der Beendigung dieses Berichts , tief erschüttert dem Vorgange nach . Seinem geraden Sinn , feinem ungeprüften Leben schien jede Verheimlichung so nahe mit Unrecht verwandt , daß seiner Ansicht nach nur die wichtigsten Gründe seinen Oheim hatten bewegen können , in so verborgenen Dingen Teilnehmer zu sein .
Und dann , wenn so große Schicksale auf seinen Schultern lagen , wie einsam trug er sie !
wie wenig war ihm sein Neffe ! wie schmerzvoll war es ihm beschieden , die Letten Schritte zum Grabe zu tun !
Mit einiger Anstrengung riß er sich aus dem Dunkel seiner Gedanken los und fragte von Neuem : Wolf , das alte Schloß ist doch nicht in Gefahr , vom Feuer zu leiden ? -
Es ist ja kein wahres Feuer , entgegnete der Alte angstlich , es ist ein Zauberfeuer .
Ich habe es ehemals wohl abgesehen , wie es mein armer Herr in kleinen Flaschchen ... .
Gut , gut , Wolf .
Du gehst nie mehr in jenes Gewölbe und haltest meinem Oheim dein Versprechen . -
Jesus Maria , ich habe es ja schon gebrochen !
Sie haben ja den Waldbruder entdeckt , und ich weiß es ja , mein Leben ist verwirkt .
Casimir war überzeugt , daß die Zeit diese Schrecken am besten schwachen würde , er wies deshalb ohne weitere Widerlegung den Alten freundlich zur Ruhe und machte sich an die traurigen Geschaffte , welche des Dheims Beerdigung ihm auferlegte .
Wie es Tag wurde , brachte ihm der Gartner des Oheims Schlüssel und Uhr , die er unter die schöne blühende Pflanze gelegt , welche ihm seine lehte irdische Freude gewahrt hatte .
Casimir fand in des Oheims Pulte keine Briefschaften , aber wohl ein Kastchen mit einem ansehnlichen Schaße ungefaßter Juwelen und eine unerwartet große Summe an Gold .
In der Nacht , welche der Begrabnißfeier des Komturs folgte , wo er sicher war , daß Müdigkeit und religiöse Empfindung alle Schloßbewohner in ihren Zimmern zurückhielt , ergriff er eine Laterne und begab sich in das furchtbare Gewölbe .
Er hatte von Wolf erfahren , wo der Luftzug angebracht sei , und diesen stellte er von Außen her , ehe er das Gemauer betrat .
Er spürte , wie scharfe , brenzliche Dünste herausstrichen , und sein Grauen wie seine Begier nach den Geheimnissen dieses Drts bemeisternd , öffnete er darauf mit behutsamem Zögern die Pforten der beiden Gewölbe .
Endlich zog eine frische Nahtluft durch das machtige Gemauer ; die Fackel , die er an seiner Laterne angezündet hatte , flackerte und drohte zu verlöschen .
Er trat in den Raum , wo er seinen Oheim gefunden ; die Türe war vom Feuer verzehrt .
Er sah auf den ersten Blick die Wand mit Gestellen umgeben , welche Bücherrollen zu tragen schienen .
In der Mitte stand noch der Tisch , des Oheims Sessel lag umgestürzt , wahrscheinlich war er beim Forttragen des Entseelten mit fortgezogen worden , und der zweite Tote saß noch ganz in seiner vori gen Stellung auf seinem Stuhl .
Doch der Eintretende gewahrte dieses Alles nur mit einem Blick , aber dieser eine Blick pragte ihm auch auf immer dieses farbenlose Bild ein .
Radaste tat noch einen Schritt , als alle diese Gegenstande einsanken , wie Wolkenbilder herabflossen und den Erstaunten in eine Staubwolke verhüllten .
Nach wenigen Minuten lag Alles - - in leichten Aschenhaufen am Boden .
-- Radaste ahnte des Oheims Absicht , jede Spur von seines Todes - Gefahrten Dasein und von dem seinen zu vertilgen .
Wahrscheinlich hatte sich aber das chemische Feuer , das diese beiden Alchimisten bereitet hatten , um nach ihrem Tode ihre Leichname und den ganzen Inhalt des Gewölbes zu verzehren , nicht schnell genug entzündet , oder Casimir hatte es durch sein Öffnen der Luftlöcher zu früh erlöschen machen jekt war die Verglühung auf eine grauenvolle Art geschehen !
Die Gebeine des Unbekannten hatten dem Feuer zum Teil widerstanden , sie waren in verzerrter und doch menschlicher Gestalt in die weiche Asche der sie ehemals verhüllenden Gewande hingegossen .
Radaste sammelte sie mit frommer Scheu auf ; die verkohlten Knochen der rechten Hand faßten ein eisernes Gottesbild , ganz dem ahnlich , was die Rechte seines Oheims gehalten , und unter den Trümmern des Leichnams und der Gerate fand er ein Siegel ganz der Drillingsbruder dessen , welches der Komtur in die Tiefe des Teichs senkte , und jenes , welches sich unter der Hinterlassenschaft des Selbstmörders in *** gefunden hatte .
Ohne einen Gehilfen herbei zu holen , grub er in den Boden des Gewölbes nach aufgebrochenem Steinpflaster eine Grube , barg die Gebeine des Unbekannten darein , füllte sie mit der ache der versunkenen Geratschafte aus und warf , um jede Spur dieses Geheimnisses zu vertilgen , das Siegel mit hinein ; nur das Christuskreuz behielt er zurück , und in der heitersten Stelle des Waldes , wo zwei Straßen die Bewohner verschiedener Dörfer zur Radataer Kirche führten , senkte er es als Erooto in einen Eichbaum , und wenn die vorüberwallenden Kirchenganger fromm vor dem Bilde verweilten , schien ihm die Asche des unbekannten Toten geehrt .
Wie das Gewölbe durch die Arbeit mehrerer Nachte von allen Spuren des Feuers gereinigt war , teilte Radaste dem Gartner im gewöhn Lichen Geschaftstone seine Absicht mit , das Gehölz an der verfallenen Seite des Schlosses lichten zu lassen und die in diesem befindlichen Gewölbe zu einem bestimmten Gebrauche der Landwirtschaft zu benußen .
Der Gartner erschrak und begann einige Einwürfe , Radaste wies sie durch einen bestimmten Befehl , sich in einer gewissen Stunde dort mit einigen Arbeitern einzustellen , zurück .
Die Arbeit wurde unter Radastas Augen vollzogen .
Einige große Baume , welche stehen blieben , ohne Dunkel zu verbreiten , verstatteten den Raen , mit welchen Cafimir den Boden bedecken ließ , schnelles Gedeihen .
Die Gewölbe wurden gereinigt , die alten , mit Eisen bedeckten Türen von leichtem Gatterwerk erseht , und eine zweite vers mauerte Pforte , welche in den ehemaligen Schloßgraben führte , die feit Menschenaltern von Außen ganzelich mit Buschwerk verwachsen war , wieder geöffnet .
Indem die Mittags fonne in ihre Öffnung fiel , benahm das liebliche Licht , wie durch Zaubergewalt , dem Orte all sein Grauen .
Von allen diesen Dingen erfuhr Luise durch den Brief , der endlich statt ihres Geliebten ankam , Nichts als den unvorhergesehenen Tod feines Dheims . " Die Nahern Umstande , meine Luise , setzte er in seinem Schreiben hinzu , haben meine Heiterkeit vielleicht auf immer bewölkt , doch meine Liebe , meinen Mut , meine Zuversicht nicht gestört ; der Segen des teuren Toten bekraftigte sie , das Gute , welches ich bezwecken will , ist das Denkmal und die Rechtfertigung seines Verdienstes . "
Die Baronin und Hannah bemerkten sogleich , daß diese Worte auf sehr unangenehme Vorfalle deuten mußten ; Luise fand Tugend , Liebe , Treue darin und meinte , daß sich mit diesen alles Andere entbehren oder erlangen lasse .
Hannah schloß die zutrauenvolle Seele innig in ihre Arme ; die Mutter blickte ernst , dann schmerzlich auf sie und schwieg .
Doch Radaste kündigte in seinem Briefe an , daß er nicht ohne Gesellschaft Trepzy besuchen würde ; er hatte Luisen schon oft von seinem Ratgeber Wrany geschrieben und dessen wackeren Sohn Damian erwahnt .
Sein jeßiger Brief sagte von diesem : " ich lernte Freunde in der Not kennen , meine Luise ; was mir zwei Jahre gewöhnliches Leben nicht finden ließen , entdeckte mir das Unglück , das in meines Oheims Tod mich betraf .
Damian Wrany , den ich langst als einen klugen , umsichtigen Mann schaßte , kam mir so um vieles naher , wurde mir Freund und Vertrauter .
Er ist nur ein paar Jahr alter wie ich , aber um wie vieles ist er reifer !
Das macht , daß er nie ungewiß war , wozu seine Kraft ausgebildet werden sollten .
Sein Beruf wuchs mit seinen Kraften .
Das Viele , was er außer ihm lernte , behandelte er mit freudiger Liebe als Schmuck seines künftigen Lebensgebaudes .
Ich , meine geliebte Freundin , strebte Lebelang nach dem Schmuck , die Bestimmung blieb mir ungewiß , bis ich Sie sah -- da entwarf ich den Tempel , in dem ich fortan Hohepriester sein werde , und alle Blüten meines Geistes , alle Gefühle meines Herzens sollen ihn schmücken . "
Wie die beiden Schwestern allein waren , ließ Luise Hannah diese Zeilen lesen ; fi machten ihr zu viel Freude , fi zeigten ihr Caimir in einem zu liebenswürdigen Lichte , um ihren Genuß nicht durch Teilnahme zu erhöhen .
Doch indem Hannah las , schien ihr das , was sie tat , grausam zu sein ; ach ! zeigte sie nicht dem Landmann , dem das Wetter die Saaten zerschlug , ihr blühendes Fruchtfeld ?
Wie ihr Hannah das Blatt mit Tranen = vollen Augen zurückgab , warf sie sich stumm , aber mit Verzeihung flehenden Blicken in ihre Arme .
Gewiß , sagte Hannah leise , weil Wehmut ihre Stimme brach , die Liebe ist Alles , was der Gottmensch von ihr gesagt hat ; sie geht unter in der Geliebten Glück .
Nie empfand ich , da ich noch Glück hoffte , die Freude , die deine Wonne mich genießen laßt .
Nach wenigen Tagen traf Radata in Trepzy ein und eilte die Familie des Barons in Nanez zu besuchen .
Wie die ersten seligen Stunden des Wie . dersehens verlebt waren , fragte Caimir seine künftige Schwiegermutter mit einiger Schüchternheit , ob sie seinem Freund Wrany erlauben würde ihr Haus zu besuchen ?
Und warum sollte ich es ihm nicht gestatten , erwiderte die Baronin mit ihrem kalten , jekt mit etwas Spott gemischten Lacheln .
Weil er ein bloßer Bauer ist , - meine Gnadige . - uns nicht gefallen .
-- Ja !
da wird er sich bei Casimirs Wangen glühten , die Madchen sahen angstlich vor sich nie- Womit vertreiben Sie sich denn die der .
Zeit , wenn Sie mit dem jungen Bauer allein sind ? fing die Baronin nach einer kleinen Pause nachlassig zu Radaste gewendet an .
Die Zeit vertreiben wir uns mit Musik ; er spielt die Geige viel besser als ich und hat eine vortreffliche Stimme , aber gelernt habe ich von ihm Mathematik und Englisch genug , um ist mit ihm Gibbons und Smiths Staatensystem zu Lesen .
Und den Mann nennen Sie einen bloßen Bauer und bitten für ihn , als wolle er mein Schwiegersohn werden ?
Hannah errötete und fragte sich selbst , warum Branys Wohl und Wehe fi so beschaftige ?
Bisher hatte sie ihn um seine Lage beneidet , die frohsten Bilder ihrer Kindheit , und die ihres ganzen Lebens frohste Bilder geblieben waren , hatte fi aus diesem Stande erhalten .
Wenn ihre gute Pflegemutter mit ihr an Feiertagen das kleine Zimmerchen , wo sie die ganze Woche lang nahte , verließ und in einem nahen Dorfe alte Bekannte besuchte , genoß die kleine Hannah das eigentliche Glück der Kindheit .
Der Festtag zeigte ihr das Leben des Landmanns in seinen glücklichsten Momenten : gereinigte Wohnungen , anstanden Puß , Kirchengehen , Sorntagsruhe . der nahen Wiese Blumen gesammelt , eilten den unter der Dorflinde Schwassenden Vatern in die Arme ; einzelne Paare durchschritten ihre Saatfelder und freuten sich des Segens des Herrn ; Knaben platschten im Bach und bauten kleine Schütten von Weidenzweigen , hochaufjauchzend , wenn die klare Flut gegen den kindischen Widerstand schaumte .
In den engen Schranken der Herrnhutergemeine hatte Hannah spaterhin nie mehr das Bauerleben gesehen ; vom Schlosse ihrer wiedergefundenen Eltern aus wurde sie nicht an das Dörfchen ihrer Kinderjahre erinnert .
Unbewußt warum , hatte Casimirs Beschreibung von Wranys Bauerstand jene Erinnerungen schon oft in ihr angeregt , und wahrend die Baronin mit Casimir jene Worte wechselte , hatte sie Wranys in Beziehung Die kleinen Madchen , die auf auf jene Kindheitsfreuden gedacht .
Deshalb mochte der Scherz ihrer Mutter ihr die Röte über die Wangen jagen und ihre Teilnahme an " dem jungen Bauer " , noch ehe sie ihn kannte , erhöhen .
Wrany wurde in Nanez eingeführt und fand die Aufnahme , welche aufgeklarter Adel bürgerlichem Verdienst unbedingt angedeihen laßt .
Er schien die Eigentümlichkeit eines Jeden in der Familie schnell durchblickt zu haben , und gewann Jedes Beifall , indem er sie schonte , und Jedes Achtung , indem er keiner schmeichelte .
Mit besonderer Milde behandelte er den Baron , der seit einem Besuch in Barby , den er bei Gelegenheit seiner Reise nach Nanez gemacht hatte , mehr trübe als teilnahmslos war ; er begegnete in seinem Bemühen ihn aufzuheitern Hannah , die des Vaters Pflege ihr besonderes Augenmerk sein ließ .
Das einzige gesellschaftliche Vergnügen , das ihn anzog , war Musik ; deshalb vereinigte sich Wrany gern mit Hannah zu frommen Gesang , welche das verschüchterte Gemüt des armen Mannes beruhigten .
Wußte Hannah den Vater durch den Besuch eines frommen Bruders , deren er ist oft empfing , trostlich beschaftigt , so vereinigte sie sich gern mit Luisen , und die jungen Leute verlebten dann die frohsten Stunden in den romantischen Gegenden der alten Burg .
Ohne alle Ansprüche an Freude , mit den festen Willen Andere in der ihres gen nicht zu stören , gab die Mutter ihren Töchtern und jungen Gasten völlige Freiheit ihre Zeit zu benußen ; sie begnügte sich , die Geschafts-Seele des ganzen Haushaltes zu sein , und hatte Teilnahme an dem Wohl , das sie spendete , in ihrem Wesen gelegen , so Ware sie als der gute Engel dieses Hauses angesehen worden .
Auf irgend einer waldigen Höhe , neben den Trümmern irgend eines die Landesgeschichte beurkundenden Schlosses , auf der beschatteten Wiese eines Meierhofes genoß das Freundespaar mit seinen beiden liebenswürdigen Gefahrtennen die fröhliche Zeit .
Hannah war die kleine Mama der fröhlichen Vierzahl ; nicht , weil sie wirklich die Alteste war , sondern weil sie stets Liebe spendete , ohne je Dank dafür zu erwarten , weil sie also liebte , wie eine Mutter .
Ihr stand Damian zur Seite , der , obgleich kaum alter als Casimir , als der Weisere erschien , auch schon , weil er nicht der Glücklichere war , denn er hatte keine Geliebte ; und so wurde er unvermerkt Hannah verbündet durch das heiligste Band der Selbstvergessenheit und des Lebens für Andere .
Bei einem solchen Spaziergange , wo die Freunde von einem Hügel herab die ruhigen Fluren überblickten , erinnerte Luise ihren Geliebten , daß er ihr versprochen habe , in einer recht heiteren Stunde die trübe Geschichte von seines Oheims Tod zu Erzahlen .
Mir taucht , seht sie mit einem Blick auf die Natur und die sie umgebenden Lieben hinzu , mir taucht , wenn wir so beisammen sind , kann unsere Freudigkeit durch Nichts gestört werden , denn die Hauptsache bleibt uns .
Zugleich bot sie Casimir und ihrer Schwester , Jedem eine Hand , wobei sie cinen Blick auf Wrany warf , der ihren Wunsch ausdrückte , er möge Hannahs und Casimirs Hande ergreifend den Zirkel schließen .
Wrany mochte sie verstehen , allein er seufzte errötend und streckte seine Hande nicht aus .
Sie lagerten sich auf das frisch gemachte Gras , und Casimir erzahlte alle Umstande , die wir den Lesern von des Komturs Tode mitgeteilt haben .
Luise , welche wahrend der Erzahlung einen Haufen abgepflückter Feldblumen zum Kranze band , ließ diese bald aus der Acht , legte ihre Rechte in Casimirs Hand und blickte ihm immer angstlicher mit hochgeröteter Wange in die Augen .
Hannah hatte , mit der --- * Nadel beschaftigt , lange zugehört , bald legte fi aber die Arbeit in den Schoß , sammelte traumerisch die umher liegenden Blumen auf und schien sich in den Tranen zu spiegeln , die langsam in Kristallhellen Tropfen auf die Blumen fielen .
Wie Casimir den Moment bei = schrieb , wo der Priester die Hand des Toten mit dem Christusbilde auf dessen Brust gelegt , schauderte Hannah zusammen und verhüllte ihr Gesicht .
Schon war die Erzahlung beendigt , und Casimir beantwortete der fast von Gespensterfurcht befallenen Luise vielfaltige Fragen , als Wrany , der Hannah stets beobachtet hatte , zu seinem Freunde sagte : suchen wir Fraulein Hannah von diesem Gegenstande zu zerstreuen !
Jet faßte Luise sie ins Auge , und indem sie plöhlich ihrem Geliebten ihre Hand entzog , lag fi auf ihren Knien neben Hannah , legte ihre Arme um sie und rief selbst in Tranen ausbrechend : Hannah !
sei nicht so betrübt um . den armen , armen Oheim !
Denke , was ich sagte : wir bleiben uns ja !
Liebe und Freundschaft .
Diese aber hob ihr schmerzlich bewegtes Antlig empor und sagte :
O des werten Greises Tod ist es nicht allein .
Sein ernstes Streben , wie irrig es sein mochte , findet gewiß seinen Lohn .
Es ist das Leben überhaupt , wie es mir immer naher und naher tritt , das mir das Herz beklemmt , daß ich um mich weine jedes Mal , daß ein Anderer zur Ruhe eingegangen ist .
D wie ruhig war ich bei meinem Gehorsam , meiner Trauer in der bez stimmten Form meines Kindheit - Glaubens !
Ich kannte nur Gutes und Böses und glaubte es auch immer erkennen zu können .
Jett höre ich Menschen , die mich erbauen , und muß ihre Taten verachten ; jetzt höre ich von Taten , vor denen mir grauet , und möchte dem Tatter nachdringen in das Land , wohin er eigens machtig geeilt ist .
Die Welt erschreckt mich mit ihren verzerrten Gestalten , und ich kann den Weg nicht zurückfinden in die ruhige Enge , die mir nicht mehr genügt !
Sie weinte voll unendlicher Wehmut und wiederholte bei Luisens Bedauern , diesen himmlischen Abend durch die Erwahnung des Oheims getrübt zu haben :
Schelte dich nicht ; habe vielmehr Dank , die Fessel gebrochen zu haben , die meinen Schmerz in meiner Bruft zurück hielt .
Er drohte schon lange sie zu sprengen .
Ich bin nicht für diese Lage erzogen , in die meine Eltern mich Set du weißt es , meine Kindheit verfloß in dem glücklicheren Stande - hier begegnete ihr Auge , wohl ohne ihn zu suchen , Wranys Blicken , der mit gewaltsam beherrschter Unruhe fi beobachtete ; Beide erröteten , und Hannah suchte stockend ihre Worte zu wiederholen : in dem Stande , der sein Ideal des Guten und Bei = glückenden vielleicht noch erreichen , der ihm wenigstens nachstreben kann , weil es der Natur gemaß ist ; spate war meine unendliche Sehnsucht freilich nach einem viel herrlicheren , überirdischen Vorbild gerichtet , allein man hatte mich gelehrt , daß im Streben nach ihm Liebe aushelfe , wo Kraft uns gebrach . hatte die Vorsehung mich in meinem Dunkel erhalten !
Eine ungeheure Ungerechtigkeit lehrte mich mein Menschenrecht kennen ; ihr zu entgehen , zerriß ich alle Bande , die mich Schüchterne hielten jetzt begreife ich meinen damaligen Mut selbst nicht .
Seit ich nun in der Welt bin , sind meine Begriffe von Menschenwert und von der Erhabenheit Gottes unendlich gesteigert , mein Glaube ist fest , mein Sinn demütig geblieben , aber für die Einsicht , die mir und Anderen gegeben ist , sehe ich kein hinreichendes Maß von Kraften , das Gute zu tun .
Ich gerate in einen Zwiespalt meiner Empfindung mit meiner Einsicht , meinen moralischen Gewohnheiten und den Forderungen meiner Dammenden Vernunft , der mich durch Mißtöne zerreißt .
O wie beneidete ich gestern die Agnesen-Nonne , die , ihren Rosenkranz gegen Casimirs Angriff zu verteidigen , so unbefangen sagte : " indem ich die Ave zahle , kann ich nichts Böses tun . "
Dieses Alles sagte Hannah nicht in Zusammenhangender Rede ; es war der Sinn des Gesprachs , zu dem die eifrigen Fragen ihrer Freunde sie zwangen .
Casimir und seine Luise konnten eine Welt , in der sie vorhatten so viel Gutes zu wirken , unmöglich so trübe ansehen wie Hannah , und doch lahmte das Bewußtsein , daß ihre reiche Zukunft einen ganz anderen Schimmer über diese Welt verbreitete , als Hannahs getrübte Aussicht ihr erblicken ließ , ihre Beredsamkeit .
Wrany sprach nicht mit , er blickte mit bewegtem Gesicht auf die Sprechende hin ; wie es dieser aber an Gründen gebrach , ihre Scheu vor der Welt zu rechtferti gen , sagte er sanft aber bestimmt : Fraulein , es ist nicht der Kampf des Guten und Bösen , der Ihnen den Frieden nimmt ; es ist das ge = künstelte Wohl und Weh , um das er sich erhebt .
Kehren Sie dahin zurück , wo Ihrer Kindheit Freuden entblühten kommen Sie mit der Grafin auf das Stammschloß ! sollen sehen , Ihres Schwagers Bauern und Nachbarn wissen noch Wunsch und Genuß zu massigen , Gebet und Glauben zu vereinen , ein Jeder nach der Höhe seiner Erkenntnis .
Sie kommt ja mit mir nach Radaste , rief Luise mit einiger Ungeduld über ihren mißlungenen Versuch , die Schwester zu trösten , sie verlaßt uns ja nie mehr deshalb kommt ja die Mutter im Fasching nach Dresden .
O das ist ja eben die Welt , die in Fraulein Hannah den Mißton erregt hat , teures Fraulein , das ist auch die Welt , in der Ihr und Ihres Geliebten Glück nicht den rechten Himmelsstrich findet ... .
Wie ?
Sie wollten Hannah immer in Radata behalten ? und am Ende Casimir . . .
Ich will nichts , meine Gnadige , am wenigsten Ihren Zorn mit meiner beschrankten Vorliebe für das Landleben verdienen - unterbrach sie Wrany hocherrötend und zog einen anderen Gegenstand des Gesprachs herbei .
Der Abend endete in einer zwangvollen Stimmung .
Ein Jeder fühlte , daß er etwas unberührt lasen mußte , um Mißtone zu vermeiden ; und wo diese Vorsicht eintritt , ist die reine Harmonie des Beisammenseins zerstört .
Luise blickte Radaste etwas schüchtern an und bemühte sich seinem Freunde Aufmerksamkeit zu beweisen ; Wrany und Hannah vermieden einander , aber des jungen Mannes Blicke hüteten nachdenkend und glühend Hannahs niedergeschlagenes Auge .
Radaste handelte , wie es dem Manne , dem Freunde geziemt .
Er suchte Wrany auf ; ist , sagte er , Luisens madchenhafter Eifer dir als Abneigung gegen das Landleben erschienen , so bist du im Irrtum .
Sie wird mit mir auf dem Lande leben .
Denn du kannst es doch unmög= lich für eine Untreue an meinem Lebensplane halten , wenn ich einige Wochen in der Hauptstadt verlebe ? O beschame mich nicht , antwortete der junge Landmann , nicht das Erste , nicht das Zweite hat meine Heiterkeit gestört .
Beides aber traf mein törichtes Herz .
Was willst du ?
ich empfand mit Hannah den Zwiespalt zwischen Einsicht und Empfindung und die Einsicht soll siegen !
Er brach mit schmerzvollem Blicke ab .
Casimir drang , zu bewegt , um den Freund zu erraten , auf die Beendigung seiner Nede .
Welcher Zwiespalt könnte dein Vertrauen zu mir schwachen ?
Wrany !
es liegt ein fremder Gedanke in deiner Seele ; habe Mut , ihn an das Licht zu ziehen , so ist sein drohender Einfluß vernichtet .
Das will ich , erwiderte Wrany , kraftig sich aufrichtend und entschlossen .
Radaste ! es ist eine Probe , auf die unsere Freundschaft gesetzt wird bestehen ! suche sie zu Mit dieser Erklarung mußte sich Casimir begnügen .
Sie befriedigte ihn nicht ; mehrere Tage war es deutlich , daß er in jedem Wort , jeder Bewegung seines Freundes eine Verstandigung zu finden hoffte .
Doch sein warmes Herz löste wie die Johannissonne alle Nebel schnell auf .
An einem der Nachesten Tage kehrte er von einem einsamen Spaziergang , den er mit Luisen gemacht , ganzelich erheitert zurück ; seine Zuversicht schien die Wolke auf . des ernsteren Freundes Stirn zu zerstreuen , und das liebende Paar winkte sich wahrend der Stunden allgemeiner Heiterkeit hie und da bedeutungsvoll zu , wie glückliche Kinder , die ein frohes Geheimnis im Besieg zu haben glauben .
Das Schicksal der Liebenden rückte in prosaischer Ordnung fort ; Casimir war durch die Hinterlassenschaft seines Oheims in den Stand gesetzt , Nadasta zum Empfange seiner neuen Herrin , zu bereiten und eilte einige Wochen nach seinem ersten Besuche nach Nanez , seine Hochzeit zu feiern .
Die Baronin ging bei der Anordnung von Luisens Mitgift auf eine Weise zu Werke , die Casimir mit Besorgnissen erfüllte , die er jedoch ihren Töchtern verbarg .
Sie behandelte sich wie eine Verstorbene , übergab Luisen ihre von ihr herstammenden böhmischen Güter , Hannah setzte sie ist schon in den Besitz der frankeschen , ihr ebenfalls gchörigen Herrschaft , und vermochte ihren Gemahl mit leichter Mühe , dieser auch die Leitung seiner eigenen in Sachsen gelegenen Güter , die sie seit vielen Jahren geführt hatte , zu übergeben .
Caimir rief bei der Mitteilung , die sie ihm von diesen Anordnungen machte , voll Bestürzung : Teure Mutter Und Sie ? und -- Ihre Gewohnheit mannlicher Thatigkeit ?
Ich habe aus Laune und Mißfallen an den öffentlichen Angelegenheiten seit Jahren viel bares Geld gehaust , war ihre Antwort , von dem will ich leben , und jener Thatigkeit bedarf ich nicht mehr ; ich will ruhen .
Hannah ist schon mit allen jenen Geschafften vertraut , und Sie gehen Ihr in den Hauptpunkten zur Hand .
Der Baron kann das nicht , gebt ihm Ruhe , könnt ihr , so betet mit ihm , macht ihm Freude .
Casimir glaubte ein Testament besiegeln zu sehen und der Sterbenden gehorchen zu müssen .
Seine Empfindung teilte sich ohne Anvertrauniß der ganzen Familie mit ; die Hochzeit wurde sehr still gefeiert , die ungewohnte milde Teilnahme der Mutter umzog die jungen Gemüter mit einem wehmütigen Nebel , und also gestimmt , reiste gleich nach der Feier das neuvermalte Paar nach dem Stammschlosse ab .
Die neu Vermahlten blieben allein .
Beider kindliches Gefühl brachte der Mutter Hannahs Gesellschaft zum Opfer .
So wurde der langgehegte Traum ihres ersten hauslichen Glückes zerstört .
Aber der Mutter Gesundheit und Stimmung hatte sich seit ihrem Aufenthalte in Nanez auffallend ahndet .
Casimir glaubte dieses von dem Tage an hernehmen zu können , da er ihr seines Oheims geheimnisvolles Vermachtniß , die Erinnerung an ihren Aufenthalt in Italien , mitgeteilt hatte .
Er walte einen Augenblick dazu , wo sie allein waren , und wußte es sich Dank ; denn die fonst so starke Frau wurde aufs Höchste erschüttert .
Doch beherrschte sie sich .
Ich habe , sprach sie nach langer Pause mit wankender Stimme , in Manchem was Sie von Ihrem Oheim sagten , jenen Freund zu erkennen geglaubt .
Hier schwieg fi in heftigem Kampfe mit ihrer Empfindung , reichte dann , wie zu einem Versprechen Radaste die Hand und seht leise hinzu : jekt weiß er , warum ich seinen Rat nicht befolgen konnte . nicht früher , wie er . -
Richten Sie mich Daß sie sich bei Luis sens Heirat der Verwaltung aller Güter begab , machte Hannah sehr besorgt , noch mehr aber die Veranderung ihrer Zeiteinteilung ; denn anstatt wie sonst den größten Teil des Tages in ihren Cabinet zu verleben , brachte sie manche Stunde in dem Familienzimmer zu , wo sie nicht , wie ehedem die vorkommenden Interessen mit kalter Einmischung entschied , sondern stumm , aber teilnehmend , dem Gesprache zuhörte .
Sie entzog sich weniger wie früher der liebkosenden Aufmerksamkeit ihrer Kinder , und bei einigen Zufallen , die der Arzt einer kranshaften Beschaffenheit des Herzens zuschrieb , verschloß fi sich nicht wie ehemals , um dem Beileid zu entgehen , in ihr Zimmer , sondern nahm schweigend , aber mit Wohlgefallen , ihrer Kinder Hilfsleistungen an .
Traurig gestanden sich die Schwestern die Unmöglichkeit , die Mutter allein zu lasen , angstlich teilten sie sich einander ihre dunklen Besorgnisse mit ; ihnen war es , ahnend , als fahen sie das goldene Insekt langsam und langsamer im Sonnenstrahl sich regen , und die Todesfaden sich spinnen zum eigenen Grab .
Die Mutter hörte Hannahs Entschluß , bei ihr zu bleiben , ohne Widersehung verkünden .
" Du tust es gern , und ich sehe es gern " war alles , was sie sagte ; und wie der Reisewagen das junge Ehepaar fortfuhr , sagte sie zu der weinenden Hannah , die Hand auf ihr Haupt legend und mit besonderem Ernst im Tok und Auge :
' " Du wirst erfahren , daß es also gut war . "
Mit unbeschreiblicher Freude führte Casimir seine Luise in die Wiege seiner Vater , den Schauplah seiner Wirksamkeit , ein .
Festlich wurden sie von gutherzigen Nachbarn und wohlmeinenden Untertanen empfangen , alle wurden von Luisen mit holder Freundlichkeit , von Casimir mit lebhafter Freude begrüßt .
Vergeblich hatte er Damian , schon auf seinem Wege zu finden gehofft , vergebens suchte er ihn jetzt unter der Menge .
Sein alter Vater , der Casimirs Pfarrern und Schulzen behilflich ge= Wesen war , den festlichen Empfang zu bereiten , antwortete sogleich auf Radatas dringende Frage nach seinem Freund : Gnadiger Herr , seit er von Trepzy nach Hause kam , habe ich ihn nicht wieder fröhlich gesehen .
Ich fürchte , das Glück , in Ihrer Gesellschaft zu sein , hat ihm seine Einsamkeit verleidet .
Ich habe in ihn gedrungen , sich ein liebes Weib zu suchen , und fast hoffe ich , dieser Umstand vermochte ihn jetzt zu einer kleinen Reise .
Casimir warf einen bedeutenden Blick auf Luise , die mit schnellem Farbenwechsel ihres lieben Gesichtes bemüht war , etwas , das in ihrem Inneren vorging , zu verbergen , und es sich angelegen sein ließ , dem alten Wrany Achtung zu bezeigen .
Den folgenden Tag kam Wrany mit seinem Sohn und einer sehr angenehmen , doch nicht mehr blühenden Frau auf das Schloß .
Casimir schloß Damian heftig bewegt an seine Brust und blickte , nach langer Umarmung , in welcher beide Manner einen nicht anvertrauten Schmerz zu bekampfen suchten , nach der schüchtern wartenden Frau .
Herr Graf , nahm nun Damian mit anstandigem Ernste das Wort , bitten Sie Ihre Gemahlin , meine künftige Frau mit ihrer Gunst zu beehren , sie und die drei Kinder ihrer ersten Ehe .
Sie beschuldigten mich oft , mein Freund , setzte er nun völlig gesammelt und bedeutend hinzu , ich finde Mittel , alles Schwere mir leicht zu machen da sehen Sie wieder ein Beispiel !
Stadt mich der Sehnsucht auszusehen , mit der andere junge Gatten ihren Kindern entgegen sehen , gewann ich mir mit meiner Braut drei liebe Geschöpfe , und indem ich dafür ihr Schuldner bin , bildet sie sich ein : der Beschenkte verdiene noch Dank .
Gnadige Grafin , nahm die angenehme Frau , indem ihre Augen von Gefühl leuchteten , das Wort ; ich muß die Wahrheit wieder herstellen .
Wrany hat meines ersten Gatten Andenken vor Schmach , meine Kinder vor Berarmung gerettet ; nun will er ihr Vater , ihr Erzieher sein , er will seine schöne Jugend . . .
Er will seinen frohen Wirkungskreis erweitern , das ist Alles , unterbrach Damian die von dankbarer Begeisterung hingerissene Frau , und Luise unterbrach der Witwe Rede auch ihrer Seits wieder , indem sie mit einer Gemütsbewegung , welche dieser Wetteifer von Großmut nicht allein hervorbringen konnte , sie in die Arme schloß und beglückwünschte .
Der stets heiter gewesene Vater Wrany fand bald Mittel , diese lebhafte Rührung durch ein vernünftiges Gesprach zu beseitigen , wodurch er den beiden jungen Mannern , die nach einer herzlichen Unterhaltung verlangten , Gelegenheit sich zu entfernen gab .
Wrany fand vor zwei Jahren bei einer Geschaftsreise in ein benachbartes Stadtchen , den damaligen Gatten seiner jeßigen Braut , durch einen Sturz vom Pferde tödlich verwundet , in einem Hohlweg liegen .
Erst nach langem Bemühen brachte er ihn so weit ins Leben zu rück , daß er ihm seine Heimat anzeigen konnte .
Durch die Entlegenheit des Ortes alles Beistandes beraubt , suchte er ihn so bequem wie möglich in seine einspannige Chaise zu legen , und führte ihn , sorgfaltig jeden Stoß des Fuhrwerks vermeidend , in das Stadtchen vor sein Haus .
Des Unglücklichen Los war freilich ist hart , Großmann , so hieß er , ein Auslande , hatte durch die Empfehlung eines österreichischen Großen , dem er wichtige Dienste geleistet , in diesem böhmischen Stadtchen einen Kassendienst bekommen , und durch eine größere außer Bildung , als die Landessitte dort allgemein mit sich bringt , die Liebe eines wohlha Bänden , liebenswürdigen Madchens erworben .
Der feine außer Schein verschwand bald vor den schlechten Gewohnheiten dieses wertlosen Menschen .
Er zerrüttete seiner Frau Vermögen , das ihm leider , da sie eine Waise war , ganzelich übergeben werden mußte , und belehrte fi durch seine Unsittlichkeit , wie weit die Leidenschaftlichkeit , durch die er ihr unerfahrenes Herz eingenommen hatte , von wahrer Liebe entfernt sei .
Elisabeth zeigte bei dem Unglück , welches ihrem Gatten ist befallen hatte , die thatigste Teilnahme , zeigte Gegenwart des Geistes und Ergebung ; aber dennoch entschlüpften ihr einige Worte , welche Wrany befürchten machten , daß sie ihr und ihrer Kinder bürgerliches Wohl für rettungslos verloren achten mochte .
Der herbeigerufene Wundarzt . erklarte des Verwundeten Zustand für hoffnungslos ; Wrany beschwor die Frau , unverzüglich einen Freund zu berufen , um den Kassenbestand vor der bei einem Todesfalle unverzüglich erfolgenden Versiegelung bestmöglichst zu ordnen .
Ich habe keinen Freund , erwiderte Elisabeth mit ergebenem Schmerz ; mein Mann ist ein Fremder , er gewann keine Freunde , ich bin eine Waise , meine wenigen Verwandten finde ferne und haben mich wegen meiner Heirat getadelt ; die Herrschaft wird hinnehmen , was von meinem Vermögen übrig ist , und die harte Welt wird mir keine Arbeit anvertrauen wollen , weil Schmach unser Hanpt deckt .
Die Frau sagte das so hoffnungslos , und doch ihre Lage so klar übersehend , daß sie Verstand , Redlichkeit und Mut damit bewies .
Brany konnte in diesem Augenblick einzig durch Menschenliebe getrieben werden , ihr seine Dienste anzubieten ; denn die Frau war durch eine weit vorgeschrittene Schwangerschaft und den erlittenen Schrecken dermaßen entstellt , daß sie , wahre er auch schneller Eindrücke fahig gewesen , ihn Jet nicht blenden konnte .
Im Gefühl der Pflicht , den Verlassenen zu helfen , bat er fi , ihn als einen von Gott gesandten Beistand an zusehen , ihm zu vertrauen , ihn wie einen alten Freund zu behandeln , und sogleich in Kenntnis von ihres Mannes Geschafften zu sehen .
Die Frau war fast erschrocken über diesen Antrag ; sie gestand ihrem großmütigen Retter nachmals , daß durch ihre von so vielen Seiten unglückliche Lage sie so unglaubig an ihrem guten Glück geworden Ware , daß fi sein Verlangen damals gar nicht klar verstanden , aber in jedem Falle geglaubt habe , da sie unschuldig an der Zerrüttung ihrer Umstande sei , müsse sie keine Abneigung bezeigen , sie aufzudecken .
Wrany wendete die wenigen Tage , wahrend Großmann bewußtlos dem Tode entgegen ging , zur Untersuchung seines Rechnungswesens an ; er fand offenbare Defecte ; aber durch sorgfaltige Arbeit zeigte sich mehr Unordnung und Saumseligkeit wie Veruna Trauung und ein bares Darlehen , das die Case deckte , machte es möglich , einen großen Teil von Elisabeths Vermögen zu retten .
Schnell eilte er zu seinem Vater , vermochte ihn zu dem Darleihen der benötigten Summe , befriedigte die kaiserliche Case vollstandig , und brachte darauf den Vermögenszustand der Frau solcher Gestalt ins Klare , daß sie mit kluger Bewirtschaftung eines ihr angehörigen ansehnlichen Freigutes , ehe ihre beiden Knaben erwuchsen , alle Schulden tilgen konnte .
Elisabeth zeigte eine Thatigkeit und Einsicht , die Wrany schon nicht mehr wunderte ; denn er hatte alles , was in des Verstor benenn Schreibestube berechnet und eingezeichnet war , von ihrer Hand geschrieben gefunden ; sie zeigte aber auch eine gefaßte Hingabe in die Notwendigkeit , die , auf Mutterliebe und Gottvertrauen gestüßt , sie sehr achtungswert machte .
Sobald ihre Waise geboren war , zog sie aufs Land und begann , nach einem ihr von Wrany angegebenen Plan , ihr Gütchen zu bauen .
Gott segnete ihre Mühe ; als Wrany fi nach einem Jahre besuchte , sah er , daß er eine glückliche Familie gemacht hatte .
Brany erzahlte alle diese Umstande mit einer Fassung , die nicht ohne Mühe erkampft schien .
Dieses Frühjahr , fuhr er darauf fort , begleitete ich sie nach Trepzy ; der Umgang mit Ihrer Familie lehrte mich die Scheidewand erkennen , welche keine Aufklarung , keine Vers nunftkraft niederwirft , welche nur Leidenschaft überfliegt , und nur die Zeit untergraben kann , Ich liebte Hannah unaussprechlich ! -- Wah rennt Damians ganzer Erzahlung hatte Radatas Gesicht fortwahrend Ungeduld ausgedrückt , so daß eine bittende Bewegung des Erzahlers mehr wie einmal ihn am Unterbrechen verhindert hatte ; ist rief er heftig : Unglücklicher ! und sie liebt dich !
und du solltest unser Bruder werden , Luise und ich waren nur mit deinem Glücke beschaftigt .
Casimir hatte im Sturm feiner Emwww .
di pfindungen fortgesprochen , aber er sah Damian erbleichend , feine Arme fest verschlingend in der Stellung eines Mannes , der eine Gefahr ermessen will , einen Fuß fest rückwärts stellend und doch wankend .
Er wollte ihn auffassen , aber Wrany hielt ihr ab .
Wort sein ! rief er matt Laß das dein lehteslaß mich mein Leben vor Verzweiflung behüten !
Ich hoffte meine Zukunft auf den festen Grund der ganzelichsten Entsagung alles Herzenglückes gebaut zu haben , aber sie sollte doch noch eine kleine Zeit vor zu heftigen Stürmen geschont werden .
Das arme Gebaute soll ja nur fest werden , nur Dach und Fach gewahren , auf alle Kranze , allen Schmuck soll es nie Anspruch machen ; es soll jeden Augenblick ein Totenhaus werden können , ohne daß ein Stein an ihm verrückt zu werden braucht .
Damian besprach den schrecklichen Sturm seiner Seele durch die poetischen Bilder , in denen er sich , gegen seine Gewohnheit wortreich , jetzt ausdrückte .
Radaste war zu sehr mit dem Fehlschlagen seiner Hoffnung beschaftigt , um diesen Ausdruck recht zu deuten .
Und auf Hannahs Herz nahmst du gar keine Nücksicht ? rief er ihm bitter vorwerfend zu .
Auf Hannahs Herz ? ja ! indem ich das meinige unterjochte , antwortete Damian nun schon gefaßter , meine Liebe und mein Stolz litt es nicht , sie mit ihrer Familie , mit ihren Verhaltnissen zu *entzweien .
Gott sei Dank , daß ich , was Sie jetzt aussprachen , nicht früher hörte !
Ich Ware nicht stark genug gewesen .
Ich hatte Hannah ein schmerzvolles Leben bereitet ihr Herz ... ihr Herz umfaßt die ganze Welt mit Liebe , der Raum , den sie mir darin schenkte , wird ihr nicht wehe tun , und ich ... vollbringe in ihrem und der Tugend Namen Alles , was mir fortan noch gelingt . -
Nun lassen Sie uns , seßte er nach langem , schmerzlichem Schweigen hinzu , auf immer über diesen Gegenstand schweigen .
Fragt Hannah nach mir , so sagen Sie ihr Alles !
Alles ! mir aber , mein Freund , mir sagen Sie es , wenn Hannah glücklich ist .
Hier verließ er ihn mit angstlicher Eile und kam spate aber ganz heiter in die Gesellschaft zurück .
Casimir fühlte sich seit dieser Unterredung in seinem Inneren verstimmt ; sein Gefühl und feine Denkart straubten sich gegen die Wahrheit der Behauptung von der " unerschütterlichen Scheidewand " , und ein feindseliger Damon , den er praktischen Verstand nennen mußte , gab ihm doch recht .
Wranys unbestechbar klare Ansicht der Verhaltnisse , seine großmütige Aufopferung , die Seelenstarke , mit der er Gutes wirken an die Stelle des Glücklichseins geseht hatte , stellte diesen seinen Freund im Reiche der Geister so viel höher , als er durch das Opfer seiner Standesvorzüge sich gestellt hatte , da er beschloß , Hannahs Eltern zu ihrer Einwilligung in Damians Verbindung mit ihrer Tochter zu vermögen .
In einem sehr bewegten Gesprache entdeckte . er Luisen die Nahern Umstande von Wranys großmütiger Selbstverleugnung .
Sie beweinte mit jugendlicher Leidenschaftlichkeit die Vereitlung ihres so schön ausgemalten Lebensplans .
Was Casimir Großmut schien , nannte sie herzlose Verstandesgewalt , bei der ein noch wesenloserer Stolz als Adelftolz das Zepter gc = führt hatte .
Wer gab ihm das Recht , rief sie unwillig , diesem sanften duldenden Weibe seine kalte Totenhand zu bieten , um sie durch ein farbenloses Leben zu schleppen ? wenn er zu Stolz war , um Hannahs Hand zu gewinnen , warum mußte er auch diese sanfte Elisabeth opfern ?
Denn ist etwas Schrecklicheres , als das Los , das er ihr bestimmt hat ?
Radastas Leidenschaftlichkeit kühlte sich an Luisens Eifer gegen seinen Freund ganzelich ab ; ihre Unbilligkeit zerstreute den kalten Nebel , den das Bewußtsein von ihr an Edelmut übertroffen zu werden , um sein Herz gelegt hatte , und er zweifelte nicht , daß auch seine Gattin bald wieder der Billigkeit Gehör geben würde .
Seine Hoffnung wurde erfüllt .
Der kleine Groll gegen Damian legte ihr eine Schlinge , in die sie sich selbst verwickelte .
Überzeugt von dem Unrecht , was der getadelte Freund seiner wackeren Gattin tue , glaubte sie diese an ihm zu Rachen , wenn sie sie mit Freundlichkeit überhauste .
Was sie aber aus Rachsucht zur Schau getragen , wurde schnell Ausdruck ihrer wahrsten Empfindung .
Die herrlichen Eigenschaften Elisabeths gewannen ihr Herz , und der Pachthof Branys war das liebste Ziel ihrer Spaziers Gange .
Da konnte es nun nicht fehlen , daß sie in mannigfachen Zügen das Gemalte erkannte , was ihr Casimir von seines Freundes Herzenszustand gemacht hatte .
Wrany war der Vater siez einer Stiefkinder , ein liebender , ihnen gewidmeter Vater , aber nur der Freund seiner Frau .
In Elisabeth sprach sich jedes beruhigende , heitere Gefühl aus ; aber weder die Unruhe der Liebenden , noch die Zuversicht der Gattin war sichtbar .
Wie eine Tochter ehrerbietig , wenn sie ihm dankte , wie eine Mutter heiter und bestimmt , wenn sie mit oder für ihn arbeitete , für ihn sorgte , schien sie nicht seine Gattin , aber seine freudig für ihn lebende Schwester zu sein .
Luise hatte bei der ersten Entdeckung von Damians Verhaltnissen angstlich gefragt :
wie voll meine Hannah das erfahren ? -
Durch mich , antwortete schnell Radaste , und , so viel möglich , in unseres Freundes eigenen Worten .
In ihnen liegt Verwundung und Heilung .
Glaube mir , Hannah ! billiger als du , wird sie durch die Achtung für Damians Beweggründe ihren Schmerz besiegen .
Radaste hatte Hannahs Herz richtig beurteilt ; auf den Brief , welcher ihr Wranys Heirat mit allen den Umstanden , die sie begleiteten , mitgeteilt hatte , antwortete sie :
" Mein Bruder , Sie haben Ihre Hannah in ihrer Schwache und in ihrer Kraft erkannt ; die eine und die andere wird in dem Lebensalter in mir aufgeregt , wo im gewöhnlichen Laufe der Dinge , das Schicksal des Her =' zens schon entschieden ist .
Mein Leben gleicht einer Pflanze , die eine wandelbare Jahreszeit durchlebt .
Meine Kindheit endigte so früh !
Aus dem stillen Zimmer meiner frommen Pflegemutter , wo der wahre milde Frühlingsschein der Güte mein Gemüt entwickelte , wurde ich nach Herrenhut verseht .
Dort konnte Wohlleben und Überfluß nicht meine landlichen Freuden , strenge Beterei nicht meine kindliche Frömmigkeit ersehen .
Ich bildete mir ein Schattenleben von Arbeit und Wohltun , und je mehr meine Sehnsucht nach einer reicheren Gegenwart , als der mich umgebenden , wuchs , je notwendiger wurde mir die unwandelbare Form unseres Gemeindelebens .
Ach glauben Sie mir ! der die Klosterzucht erfand , kannte das menschliche Herz .
Die kleinen Obliegenheiten der Frömmigkeit betrügen um den langsamen Schritt des leeren Lebens , wie der Weg auf einer Heide uns kürzer scheint , indem wir die Meilenzeiger zahlen .
Die Entfernung alles Ungleichartigen um uns her , die Übereinstimmung Aller in eben der Regel , die wir tragen , erhalt das Herz in einem künstlichen Frieden , den ich in der Welt nicht wieder habe erlangen können .
Freilich würde ich jetzt andere Ansichten des Lebens nach Herrenhut zurückbringen ; andere Gedanken würden mein Gebet füllen ; aber wenn meine Stimme beim Lobgesange des Lammes in Tranen erstickte , verziehe mir mein Gott gewiß , daß ich nicht an seine , sondern an meines Herzens Wunden dachte .
Ich begreife ich wohl , daß meine vortreffliche Pflegemutter dem Einfluß der Brüdergemeine nicht- hat entgehen können ; allein welch ein Herz voll Liebe hat sie sich erhalten !
Mein Pflegevater , der vor wenig Wochen starb , hatte befohlen , mir manches liebe Andenken von ihr einzuhandigen , und , wahrscheinlich ihm unbewußt , sind einige höchst rührende Nachrichten von ihrem früheren Leben darunter gewesen , die ich meiner Luise und Ihnen in Dresden mitteilen werde * ) .
Wie nach ihrem Tode mein Pflegevater die Verfassung der Brüdergemeinde despotisch auf mich anwenden wollte , ergriff mich der Mut der Verzweiflung .
Das Vermögen , in meiner Ge- * )
Aus diesen Notizen entstand die herrnhutische Erzahlung , welche sich in dem Cottaischen Taschenbuch für Frauen , Jahrgang 1803 , befand . meinde der Sahung zu widerstehen , hatte ich nicht ; ich fühlte mich ausgestoßen durch die Unmöglichkeit , jenem Manne als Gattin zu gehören , und stieß mich nun selbst aus .
Was ich nun auch weiter tat und sagte , war bloß Folge jenes Anstoßes der Verzweiflung , und es ist ist oft ein Gegenstand der Betrachtung für mich , wie sich in der vorgeschriebenen außen Ruhe die wirkliche Seelenruhe erzeugt .
Luise war mein schüßender Engel , aber auch mein verführender fi schmeichelte mich in eine neue Welt hinein ; im Wahn , ich müßte glücklich werden wie sie , der Mann , der sich meiner Neigung bemachtigte , müßte edel sein wie Radata , geriet ich in Liefen Sklaverei .
O diese Erinnerung tut mir zu weh ! es ist ein unvertilgbarer Seelenmakel , einen Unwürdigen geliebt zu haben .
Genug !
Gott rettete mich vor dem schrecklichen Schicksal , einem Achtlichen Gatten zu gehören , und euer Glück , mein Bruder , das Glück meiner Luise schien mir hinreichend zum Leben .
Freund . "
Da erschien Ihr " Nun sind meine Ansprüche an das Leben geschlossen ; ich habe geliebt und bin geliebt worden .
Die Art , wie er über sein Schicksal entschied , erlaubt mir ja von ihm , wie von einem Toten zu sprechen und bin ich denn nicht auch tot , so wie er ?
ich will aber auch leben , wie er ; Sie sollen Ihre Hannah wetteifern sehen im Guten mit ihm . Dich muß rüstig die Bahn gehen , um ihn jenseits mir nicht vorgeeilt zu finden , "
" Unsere gute Mutter hat Ihren Brief mit der lebendigsten Teilnahme gelesen .
Sie sagte nichts , aber sie las in meinem Herzen , was ich ihr nicht zu verbergen gedachte .
Ich warf mir es taglich vor , daß die zunehmende Milde in der Mutter Gemütsstimmung mich mit Besorgnissen erfüllt ; sollte ich nicht vielmehr Gott für diese milde Abendsonne ihres Lebens danken ?
Sie leidet nicht , sie liest sehr viel , meist in der Bibel ; aber mir taucht , sie sei zerstreut dabei , denn ihr langes und haufiges Nachsinnen scheint mir mehr Traumerei .
Aber ihr wunderbar Glanzendes Auge , ihre von hoher Röte zur Totenblasse wandelnde Farbe macht mich besorgt .
Der Vater lebt in einer ungestörten Ruhe !
er spricht oft davon , ganzelich nach Herrenhut zu ziehen , wobei mich der Mutter unweigerlicher Beifall mit Schmerz durchdringt . "
Nach dem Empfange dieses Briefes schienen die jungen Eheleute unter einem mild bewölkten Frühlingshimmel zu wandeln .
Die Farben der Natur sind dann umflort ; wir sehen dem Gewitter entgegen , aber das glaubige Gemüt weiß , daß Gedeihen in dem Blizstrahle zückt .
Was sich nun weiter mit diesen Menschen , deren Schicksalen wir einige Jahre teilnehmend · gefolgt sind , und so ihre Seelen ziemlich genau kennen gelernt haben , zugetragen hat , gibt der Erzahlung wenig Stoff .
Der Seelenkuns dige muß fast ihre weitere Fortbildung sich vorher sagen können .
Radaste eilte mit seiner jungen Gattin zu der anberaumten Zeit nach - Dresden ; sie fanden Hannah wohlthatig und heiter um ihre Eltern beschaftigt , den Vater in seiner gewöhnlichen Abwechslung von Beten und Traumen , die stumme Mutter verharrte aufmerksam und sinnend , aber stumm in dem Kreise ihrer Kinder und schien ihre Liebe und Aufmerksamkeit wie einen schönen Traum zu genießen , aus dem sie sich selbst durch irgend eine Bewegung aufzuwecken scheute .
Der Tod dieser geliebten , aber stets mit Bangigkeit geliebten Frau , war die lehte erschütternde Begebenheit in dem Familienleben unserer Freunde .
Nur wenige Tage waren sie in Dresden vereinigt ge= Wesen , als die Baronin von einem ihrer gewöhnlichen aber schnell vorübergehenden Zufalle , von Herzklopfen befallen wurde .
Sie verschaffte sich gleich nach dieser keine besondere Besorgnis erregenden Krise , einige medizinische Bücher , die sie , wahrscheinlich wegen ihres Gemahls unaufhörlicher Beschaftigung mit Ärzten und Arzneien , sehr verabscheut hatte , und las wahrend ihrer Kinder Gesprache sehr flüchtig und unters berochen darin .
Auf die bittenden Vorstellungen , die Radaste endlich gegen die Schadlichkeit einer solchen Beschaftigung machte , sagte sie sehr heiter , daß sie es höchst lagerlich fande , wenn der Mensch , der jeden Gegenstand , der zu seinem Wohle beitragen sollte , kennen zu lernen bemüht Ware , seinen eigenen Körper in Blindheit einem Fremden zu behandeln überließ .
Jekt weiß ich aber genug , fakte sie , schlug das vor ihr liegende Buch zu und schickte die medizinischen Autoren alle dem Arzte , von dem sie diese geborgt hatte , zurück .
Von diesem Augenblick an schien eine ganz neue Teilnahme sie zu beseelen .
Sie fragte nach mancherlei Umstanden in Casimirs Verhaltnissen , nach dem Fortgang seiner Gutsverbesserungen und der Einrichtung seines Hauswesens . - nun wird die Mutter ganz gesund ! flüsterte Luise freudig ihrem Gatten zu , so viel hat fi , seit wir Feldheim verließen , niemals mehr geredet .
-- Mit Hannah sprach sie von ihrer Schulanstalt in Franken und des Vaters Wunsch , nach Herrenhut zu ziehen , wobei sie die Notwendigkeit zeigte , ihn fortwahrend zu frommen Anwendungen seines Einkommens zu bewegen , da er selbst keine Beruhigung bei den Opfern fande , zu denen seine Gemeinde ihn in der Stille verleitete .
Hannah ergriff mit Bereitwilligkeit diese Geneigtheit ihrer Mutter , sich so nach langer Zeit wieder mit dem Geschafftsinteresse ihrer Familie bekannt zu machen , und die Baronin ließ sich zwei Morgen nach einander Rechnungen und Plane vorlegen , gab Rat und Auskunft .
Radaste sah angstlich dabei aus und sagte zu Hannah : Sie spannen ihren Kopf an ; sehen Sie nicht , daß bei dieser Erscheinung etwas Erkünsteltes vorwaltet ?
Nicht doch , Bruder .
Ich verstehe das Alles .
Unsere gute Mutter hat ihren Zustand für gefahrlich gehalten , wozu des armen Vaters stete Ängstlichkeit beitrug , ihre Vernunft hat in den medizinischen Büchern eine beruhigende Einsicht ge = schöpft und nun bemüht sie sich , ihre vorige Thatigkeit wieder zu gewinnen .
Ich werde ihr behutsam einige Zweige meiner kleinen Verwaltung wieder aufladen ach Bruder ! wie glücklich kann die gute Mutter noch werden , wenn ihr Lebens - Abend von Liebe und Vertrauen erwarmt wird .
Hannahs schmeichelnde Hoffnung teilte sich ihren Geschwistern mit .
Man hatte sich nach Dresden begeben , um den Stadtaufenthalt zu genießen , und vierzehn nach Tagen war noch kein Besuch gemacht , selbst Casimir besuchte nur als unbe Kanter Fremder die Schaße der Kunst , welche diese Stadt darbietet , weil er angstlich besorgt war , eine Störung in das sich durch der Baronin ahndete Gemütsstimmung neu bildende liebe Familienverhaltniß zu bringen .
Luise hatte eines Tags mit lieblicher Verschamtheit ihrem Gatten die Hoffnung mitgeteilt , in deren Erfüllung die Natur und die Gesäße den Schlußstein des heiligen Domes sehen , in dem Gatte und Gattin das heilige Priestertum verwalten .
Beim Weibe ist diese Hoffnung reiner und feierlicher wie beim Manne .
Sie ist mit ihr der Sorge geweiht und vielleicht dem Tode zum Opfer geboten .
Den Mann knüpft sie an die Welt , in der er seinem Kinde einen Weg bereiten soll , und schmeichelt seiner Eitelkeit unter Mannern , um als Mann bewahrt sich zu zeigen .
Das Weib nahrt sie deshalb gern still im verschamten Herzen , der Mann verkündet sie gern auch außer vertraulichem Kreis .
Auch Radaste konnte nicht , im Übermaß zartlicher Freude , seiner Luise Bitte um Geheimhaltung erfüllen ; wie der Abend den kleinen Zirkel traulich versammelt hatte , erregte sein bis zum Mutwillen steigender Frohsinn erst in freundlicher Teilnahme . die Gemüter , und endlich machte er sein beglückendes Geheimnis kund .
Die laute Freude schwieg , die Baronin hielt die verschamt in ihre Arme eilende Tochter lange stumm umfaßt , der Vater fand gleich die Schriftstellen in seinem Gedachtniß , welche auf die Freuden und Pflichten der Eltern anwendbar sind ; und indem er sie mit recht herzlicher Rührung herbetete , störte er diese Weihestunde nicht , sondern gab den Gefühlen der Seinigen den frommen , Kraftchen Ausdruck , in dem die Schrift sich erklart .
Indes Hannah ihre Geschwister segenwünschend umarmte , trat die Baronin besonnen zu ihrem Gemahl , reichte ihm die Hand und sagte mit Nachdruck :
ich glaube , ich habe nun vollendet .
Lassen Sie uns einander verzeihen !
Der Mann schwieg zitternd - sie schien Geister in ihm verschworen zu haben , und stand hoch und stolz , und doch mild und verklart vor ihm .
Da er nicht antwortete , hob sich ihre Brust wie von einem plöglichen Schmerze bewegt , fi legte die Hand auf ihr Herz und schien zu wanken , ihre Kinder eilten hinzu , fi umfaßte ihre beiden Töchter , sie reichte Radaste die Hand und sagte hochatmend : Ihr habt mich mit mir selbst versöhnt , Gott segne euch jenseits bleibt mir ein langer Weg einzuholen , aber ich werde ihn finden .
Nun atmete fi leiser , und , ihr Haupt auf Hannahs Schulter fekend , verstummte sie auf immer .
Kein schriftlicher Nachlaß gab eine naher Erklarung über das innere Leben dieser Frau .
Sie hatte keine Jugendfreundin gehabt und in den sieben und zwanzig Jahren ihrer Ehe sich nie über eine ihrer Empfindungen , die doch so stürmisch in ihrer Brust wogen mochten , mitgeteilt .
Nur einmal vielleicht , gegen Casimirs Oheim , war das geschehen ! und der starb schweigend , wie sie .
Casimir war bemüht , den Schrecken der Frauen durch eigene Fassung zu milderen ; er berief Priester , und ließ bei der Leiche alles Geprange seiner Kirche , zu der auch die Verblichene gehört hatte , beobachten , Luise fand sich erhoben durch den schönen ernsten Ausdruck , in dem sie neben ihrer Mutter Sarg ihren unendlichen Schmerz und ihre fromme Zuversicht ausgedrückt sah ; Hannah wachte über ihren Vater , der voll weichlichen Jammers die abstrakte Ansicht des Todes , die seine Gemeinde aufstellt , ohne Trost in ihr zu finden , in Gebet und Gesang aussprach .
Nun die so streng getadelte , so lang gefürch täte Frau aus den Blicken der Welt entschwun den war , schien man sich nur noch ihrer Glanzenden Seiten zu erinnern , und auf den weit entfernten Gütern , deren Verwaltung so viele Jahre in ihren Handen gewesen war , stand kein Einziger auf , der gesagt hatte : Sie hat mir Unrecht getan .
Die Bauern , die sie zu lieben nie das Herz gehabt hatten , dürften nun sie beweinen , und Hannah , welche in die Stelle der Verewigten trat , gewann verdoppelt die Herzlichkeit dieser treuen Gemüter .
Der Baron schritt gleich nach dem Tode seiner Gemahlin zu der Erfüllung seines lang gehegten Wunsches : eine Brüdergemeinde zu seinem Aufenthalte zu Wahlen .
Ebersdorf , in der Mitte seiner frankeschen und sachsischen Güter gelegen , hat Hannah den Vorteil , ihre übernommenen Pflichten als Tochter und Gutsverwalterin zu vereinigen , und dort fand sie die außen Formen wieder , die , wenn sie solche gleich jetzt durch einen anderen Geist belebte , durch lebenslange Gewohnheit innig mit ihrem Wesen verschmolzen , allein vermögend waren , Gleichgewicht in ihrem Inneren zu sicheren .
Hannahs Besuche auf dem Schlosse Radaste sind stets ein Fest gewonnener Fortschritte in dem treu befolgten Lebensplan des glücklichen Ehepaars .
Luisens Kinder jauchzen vor Freude , wenn " die schöne Tante mit dem Nonnenhaubchen kommt " , die ganze , Radata in Liebe und Achtung ergebene Gegend eilt , sie zu begrüßen , herbei ; nur Wrany fehlt in dem glücklichen Verein , denn sein Herz hatte schon im zweiten Jahre seiner Ehe ein stiller Kummer gebrochen .
CC-BY

Rechtsinhaber*in
Bildungsroman Projekt

Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2025). Korpus. Hannah. Hannah. Bildungsromankorpus. Bildungsroman Projekt. https://hdl.handle.net/21.11113/4c0qx.0