Zweiter Teil .
Die Bekerin .
Es ist nicht möglich , Ja , Freund !
Es ist möglich - Es ist wirklich - Sehen sie denn - nicht die Freude aus allen Öffnungen meines Körpers herausströmen ?
- " Und Sie haben sie auf den ersten Blick - " Ja - auf den ersten Blick - Ich hatte ihr Bild noch von meinem zehnten Jahre her in meinem Busen - und mit Liebe und Dankbarkeit und Hochachtung so fest umwunden , daß die Zeit auch nicht den kleinsten Pinselstrich darau hatte wegwischen können - " Aber das Original - " war gar nicht zu verfehlen , wenn man mein Bild hatte : und sehen Sie nur - Ein Mensch von einem so harmonischen Leben , wie meine Bekerin , ist nach seinem dreissigsten Jahre nicht mehr den Verwandlungen des Gesichts und der Mine unterworfen -
Das trifft nur die Unharmonischen , denen die Gefrässigkeit das Gesicht aufdunstet oder die grobe Wollust einschrumpft oder - Doch Sie sollen ja meine Dukatengeberin selber sehen - Hier ist Hut , Handschuh , Stock , Degen , Treppe , Türe - Kommen Sie , kommen Sie !
- " Was für ein altes Weib - , Geschwind , Herr Wirt !
Holen Sie den besten Wein , den Sie in der ganzen Stadt auftreiben können - " Für wen denn ?
, Lassen Sie es in der Küche an nichts fehlen - Heute muß alles im Überflusse leben - " Aber für wen denn ?
, Und wo Sie heute mit Ihrem gewöhnlichen mageren Nachtische aufgezogen kommen , so lasse ich Sie in den bürgerlichen Gehorsam - " Aber zum Henker für wen soll - Und wo Sie mich und meinen Gast heute nicht auf den Wink bedienen - wo Sie mir nicht alles in den Augen lesen - Hier verlor der Wirt alle Gelassenheit .
Der Kampf zwischen gekränkter Gastwirts-Ehre und zwischen gewinnsüchtiger Unterwürfigkeit unter die Kapricen eines vielverzehrenden Fremdes - Dieser Kampf in dem Herzen meines Wirts , der , weil er so nahe bei mir vorging , schlechterdings nicht unbemerkt bleiben konnte , war nun zu Ende - Die Ehre hatte gesiegt - Nein , sagte er :
Das ist nicht anszustehen !
Und wenn Sie heute noch aus meimem Hause - Nun mich dünkt :
Auf ein solches Wenn würde ein jeder anderer ein So gesetzt haben , das weder für die Börse , noch für das Poine d'honneur des Herrn Wirts schmeichelhaft gewesen sein würde : aber fühlt wohl der Freudentrunkene eine Beleidigung ?
- Ich aus Ihrem Hause , sagte ich , indem ich den Wirt freundlich starr ansah ?
Ich sollte meinen ehrlichen , dienstfertigen , plauderhaften , drolligen Wirt verlassen ? -
Das Lob tat seine Wirkung auf der Stelle - Die Augen meines Wirts fingen plötzlich an zu funkeln - Er knöpfte die Weste wieder zu , die er im Zorne aufgerissen hatte und war vom Kopf bis auf die Füße versöhnt - Habe ich es Ihnen nicht schon gesagt , fuhr ich nach einer kleinen Pause hastig fort , wer heute mein Gast ist ?
" Nein , sagte er , Habe ich Ihnen meine Lebensgeschichte noch nicht erzählet ?
" Nein , sagte er , Nun Sie sollen alles wissen , sagte ich - Sie sollen die rechtschaffene Frau kennen lernen , die heute und morgen und übermorgen und so lange mit mir essen wird , als ich selbst einen Bissen haben werde - Sie sollen sie mir heute bedienen helfen - Sie sollen tun , als ob es Ihre leibliche Mutter wäre - Sie sollen sich an ihrem ehrlichen , frommen Gesichte satt sehen und von innen und außen besser werden - Hier flog ich wieder die Treppe hinauf zu meiner Bekerin und eben so geschwind wieder zurück zu meinem Wirte - Sehen Sie , sagte ich , wo Sie arme Knaben auftreiben können - so viel Sie können -
Ich will heute Dukaten austeilen - Aber Sie werden in der Geschwindigkeit nicht so viel Knaben zusammenbringen können , als ich wünsche - Nehmen Sie arme junge Mädchen dazu - Alles soll Dukaten haben - Nur unterstehen Sie sich nicht , den armen Kindern etwas vorher zu sagen - Es muß ihnen recht unverhofft , recht unerwartet kommen - Sie müssen in den Gedanken stehen , als bekämen sie nur 6. Pfennige - oder gar nur einen roten Heller - " Bei meiner Seele , sagte der Wirt :
Es muß Ihnen ein großes , großes Glück begegnet sein -
Sie sind ja ganz für Freude trunken , Ja , das bin ich , sagte ich - so trunken , daß ich wünschte , Sie und ihr ganzes Haus und alle Welt , die mir heute vor Augen kommt , möchte es auch sein - " Sie haben gewiß eine reiche Erbschaft getan , Nein , sagte ich - " Oder ein hohes los in einer Lotterie gewonnen , Auch nicht , sagte ich - " Nun so ist es vielleicht eine Partie von ehrliche 50000 .
Taler , Noch weniger , sagte ich - " Oder die Würfel sind ihnen günstig gewesen , Welch ein elendes Glück , sagte ich .
" Hm , sagte der Wirt und legte seinen Finger an die Nase , Ich war viel zu elastisch , als daß ich seine noch übrigen Oder hätte abwarten sollen :
Also flog ich schnell meiner rechtschaffenen Bekerin wieder zu - O hören Sie nur , meine liebe kleine Naive , sagte ich , indem ich ihr einen brennenden Kuß auf die Hand drückte - Hören Sie nur , was mir begegnet ist - Die rechtschaffenste Frau unter der Sonne - Die arme Seele erschrak -
Das wolle der Himmel nicht , sagte sie - Meine stürmische Freude machte auf einen Augenblick Halte - Was soll denn der Himmel nicht wollen , fragte ich , mehr neugierig , als bestürzt ?
Die kleine Naive zog ihre Hand aus der meinigen und rieb sich eine Träne aus den Augen - Ich drückte sie geschwind in meine Armen - Ich beschwöre Sie , sagte ich - Bei unserer warmen , unschuldigen Freundschaft beschwöre ich Sie - Sagen Sie mir , welche voreilige Auslegung Ihr liebes Auge trübe macht - Sprachen Sie nicht , sagte sie , indem sie mich mit schüchternem Auge anblickte - Sprachen Sie nicht von der rechtschaffensten Frau unter der Sonne -
Ja , sagte ich - Von dem besten weiblichen Herzen , was je in einer Brust geschlagen hat - Sogleich fuhr sie mit ihrer Hand wieder nach dem Auge - o wie unglücklich bin ich , sagte sie - Sie unglücklich , sagte ich mit der äußersten Verwunderung - Ja freilich , sagte sie - Sie werden sie ja doch heiraten - diese rechtschaffenste unter allen Frauen - und dann ist es um mich geschehen - Die kleine Naive , fuhr sie mit einer verschämten Stimme fort , hatte sich immer eingebildet , Sie hätten ein Auge auf sie - und weil sie sich das einbildete , so hatte sie auch ein Auge auf Sie und wollte Sie zu ihrem Manne haben , und wollte mit ihnen glücklich sein -
Das ist nun alles vorbei !
Nun , wie steht_es , ihr Herrn Leidenschaftenmaler ?
Hätten Euer Liebden wohl Lust , sich an ein Stück von der Art zu wagen ?
Getrauten Sie sich wohl , einen Menschen abzupinseln , dessen Herz in allen seinen Höhlen und Kanälen gedrungen voll von Freude war , der es selbst auf das eigentlichste fühlte , daß dem also war und der eben deswegen , weil er dieses fühlte , in ganz Leipzig herumlief und bequeme Orte suchte , die Schleusen aufzuziehen - und auf den , in eben dem Augenblicke , da er sich selbst entladen will , ein neuer Freudenstrom von außen zugeschossen kommt - so gradlinig , daß kein einziger Tropfen seitwärts vorbeirinnt -
Das Herz muß noch einmal so groß , so weit , so geräumig werden , als es vorhin war - Es muß zwei Freuden Quartier geben , zu deren einer es kaum Platz genug zu haben glaubte - Ich dächte , meine Herrn !
Sie ließen einen Ihrer Lehrlinge damit das Probestück machen ! -
Und wenn es das Glück haben sollte , Ihren hohen Beifall davon zu tragen , so erlauben Sie mir , daß ich dieses Gemälde in meine Reisen einrücken ließe !
Meine Leser würden es ihnen danken ! -
Doch halte - hat nicht ein jeder Leser , der sich mit sinnlichen Schriften , dergleichen die meinige zu sein scheint , beschäftiget , selbst einen Pinsel ? -
Gut oder schlecht , daran liegt nichts ! -
Nun so sehe ein jeder selbst zu , wie er etwan am besten und bequemsten mit der Abkonterfeiung meines Herzens fertig werden kann !
So hätte ich denn also , auf Willen und Befehl des Herrn Flakkuss Horatius , weiland Hofkavalier und Dichter an dem ebenfalls weiland Römischkaiserlich-augusteischen Hofe , wie auch mit Beistimmung und Einwilligung derer , weiland und unweiland , Herren Batteux , Boileau , Vita , Marmontel , Rammler , Buckingham u. s. w. - meine Leser mitten in die Handlung hereingeführt und es stünde nun bei mir , ob ich es so lassen wollte , oder nicht !
Wohlan also !
Ich will , auf Virgils Fußstapfen , den Vater Aeneas erzählen lassen , wie es ihm in Troia erging , nachdem ich selbst schon erzählt habe , was ihm nach seiner Abreise aus Troja begegnet ist !
Aber ein zentnerschwerer Stein liegt mir auf dem Herzen -
Ich habe den Kunstrichtern versprochen , ich wollte erst ihr Urteil abwarten , ehe ich eine Zeile weiter schriebe -
Ich habe einen Erzschelm aller Schelme darauf gesetzt - zwei Monden habe ich sehnlich gewartet : aber länger kann ich nicht - Weder mein Kopf , noch mein Herz , noch meine Finger leiden das - Ein Urteil zwar von den Ufern der Elbe ist mir so günstig gewesen , daß ich auf der Stelle mein , moralisches Steckenpferd bestieg und darauf einen Erzritt aller Ritt tat : aber die anderen - werden vielleicht desto ungünstiger ausfallen - oder noch ärger -
Ich werde unter dem Gewürme der Nachahmer zertreten werden -
Man wird mich verurteilen , ohne mich beurteilt zu haben - " S** * was hat er geschrieben ?
" - Empfindsame Reisen durch Deutschland - " Er soll hängen , - Ach !
Gnädiger Herr Kunstrichter !
Erzeigen Sie doch dem armen Schelme zuvor die Gnade - " Er soll hängen , , und lesen Sie seine Reisen - " Er soll hängen , - oder nur die Vorrede - " Profoß ! Verwalte dein Amt !
, Schon höre ich die Trommel Lärmen - das Hemde wird mir vom Halse gerissen , der Strick umgeworfen - und so werde ich ohne Gnade und Barmherzigkeit neben Peter Pennyleß hingehangen - Das ist das allerärgste , was ich vorhergesehen und gefürchtet habe !
Aber wie wenn ich nun noch einen Teil Empfindsame Reisen schreibe :
Sollte nicht die Furcht , daß der dritte und vierte auch bald nachfolgen dürfte , die mit yoriken allzusehr , und mit seinen Nachahmern allzu_wenig beschäftigten Kunstrichter - wenigstens dünkt es mich so - endlich einmal aus ihrem Schlummer erwecken ?
Sollten nicht ihre Vorposten , ihre verlorenen Schildwachen endlich einmal :
Wer da ? rufen , wenn ich so ungebeten und so dreiste an ihren Wällen herumklettere ?
Sollten sie nicht meine geschäftige Hand im Monat Oktober des siebzehnhundert ein und siebzigsten Jahres lähmen , wenn sie es auch schon im Monat April eben desselben Jahres , nicht getan haben ?
" Es wird sich ausweisen !
, Wenn ich sage , daß mir die nächtliche Umarmung meiner Bekerin eben so süß und noch süßer war , als die meiner kleinen Naiven , so wird mich gewiß alles Mannsvolk zwischen 16. und 50. Jahren auslachen - wo nicht gar auch alles Weibsvolk zwischen 15. und 46. Jahren - aber wenn ich erst meine Theorie von den Umarmungen werde gegeben haben und wenn man sie erst nach allen Regeln der moralischen Verdauungskunst in Chylus verwandelt haben wird , so wird alles Lachen plötzlich ein Ende haben .
Eine jede Umarmung eines weiblichen Geschöpfes - es sei schön oder häßlich - von zarter oder grober Haut - mit Runzeln oder ohne Runzeln - ist an sich völlig unbestimmt - weder süß noch sauer - weder angenehm noch unangenehm .
Alles hängt von den Empfindungen ab , mit denen man umarmt .
Brennt meine Seele von Liebe oder Freundschaft oder Dankbarkeit , so werde ich in den Armen meiner Geliebten oder meines Freundes oder meines Wohltäters Wonne fühlen , und wenn ihre Gesichter tausendmal häßlicher sein sollten , als das Gesicht des Thersites - und verwelkter , als der Busen des Neides .
Brennt das Feuer der Leidenschaft nicht in meiner Seele , so werde ich mich um den samtenen Hals des schneeweißesten Mädchens eben so hängen , als um den marmornen Hals der schneeweißesten Statue .
Ob es aber in dem ersten Falle nicht angezündet werden würde - Ob Mutter Sinnlichkeit sich dabei so leidend verhalten würde , wie Karl der zwölfte -
Ja , lieben Leser ! das ist eine ganz andere Frage , zu deren Auflösung eine ganz eigene Theorie gehörte -
Das aber , was mir meine Umarmung um die gute Hälfte verbitterte , war dieses , daß die gute Bekerin mich nicht kannte - und mich folglich für einen Rasenden oder für einen Enthusiasten oder für einen Nachtwandler oder für noch etwas Ärgers halten mußte -
Denn für ein Gespenst konnte sie mich nicht halten , da mein Herz mit ungewöhnlicher Stärke klopfte , da meine Augen selbst durch die Finsternisse der Nacht funkelten - und zwar recht menschlich funkelten , da ich vernehmliche Töne von mir gab und , was mehr , als alles ist - da ich sie so fest in warme fleischige Armen drückte , daß mich der Aberglaube selbst , wenigstens für ein fettes Gespenst hätte halten müssen .
Hätte ich es nur für übermäßiger Freude herausbringen können , daß ich der arme zehnjährige junge wäre , der vor 14. oder 15. Jahren von ihr ein so christliches Almosen erhalten hätte , so wäre das Schrecken auf einmal zu Ende gewesen :
aber das war eben der Knoten - und zwar dünkt mich vindice longe dignissimus - Es hätte nur immer eine Gottheit kommen und mit unseren Zungen hocus pocus machen mögen :
Kein Kritiker auf dem ganzen Kirchhof würde sie abgewiesen haben ! - und ich würde ihr dafür , daß sie meine Reklamationen in indicativos und meinen oft wiederholten Indicativus : Du bist die Bekerin , die rechtschaffene Bekerin , die bravste Frau unter der Sonne , in den Indicativus :
Ich bin der arme Schelm , dem du vor 14. Jahren einen Dukaten und Brot gabst , verwandelt hätte Dafür sage ich , würde ich der Gottheit dankbar die Hand geküßt haben - wenn sie nicht etwan so delikat und zart gewesen wäre , daß ich sie mit den Spitzen meines Bartes durch und durch gestochen hätte - Endlich Denn was geschieht nicht endlich ?
Endlich siegt Tugend und Wissenschaft über Laster und Leerheit der Köpfe .
Endlich wird Basedows unermeßliches Verdienst um die Erziehung der Kinder von allen eingestanden und seine Methode - von den klügsten darunter nachgeahmt - Endlich hört man auf , Bahrten zu verketzern - Endlich wird Voltaire vergessen - Endlich zeigt es sich , daß Saint Franc der Vater des Dürimel ist - Endlich also mußte mich meine Bekerin auch für denjenigen erkennen , der ich einst gewesen war - und auf welchen Grad der Freude , Verwunderung und Dankbarkeit gegen das günstigste Geschick , das diese , in ihrer Art ganz gewiß originelle , Wiederfindung und Wiedererkennung veranstaltet hatte - auf welchen Grad , sage ich , der Merkur in dem Leidenschaftenbarometer meiner Bekerin stieg , das überlasse ich den gelehrten Savoyarden zur Entscheidung :
- Es ist beschlossen , lieben Leser !
Ihr sollt die gute Seele , die ich Millionenmal lieber in einem unsterblichen Gedichte besingen möchte , als Achillen , den Unmenschen - Ihr sollt sie ausführlich kennen lernen : aber jetzt da ich noch auf dem Kirchhofe mit ihr stehe , wollte ich nicht ein Wort von ihrem Charakter sagen , und wenn ihr mir um deswillen so Gram werden solltet , wie dem allergröbsten Druckfehler .
Ihr kennt meine Art zu erzählen - So langsam kann kaum ein Esel auf einem Esel reiten - Gleichwohl sticht mich ein kleiner moralischer Trait meiner Bekerin in die Augen , der dicht hinter die Widererkennung gehört - vielleicht entwischte er mir nachher unter den größeren - Wir wollen ihn also mitnehmen !
Mich dünkt , ich habe es schon erinnert , daß der Rock , den ich in Leipzig trug , nicht mehr nach der Korrektur , am allerwenigsten nach Hunger und Durst schmeckte -
Er war wenigstens , wenn man voraussetzte , daß ich ihn bezahlt hatte , der Rock eines Baronets - Die zwei Nebenbrachtunen , die mir dabei einfallen , will ich , bloß um des Unerwarteten Willen , mit A und B bemerken und anderswo einstreuenNun diesen Rock - trug ich zwar damals nicht :
denn ihr wißt , daß ich um meine liebe Kranke Trauer anlegte , mit dem festen Vorsatze , sie nicht eher abzulegen bis ich in meiner Seele fest überzeugt wäre , meine glückselige Freundin hätte mir jenseits des Grabes verziehen - aber der Trauerrock hatte doch zu jenem Rocke ein sehr genaues Verhältnis und kurz - ich konnte in den Augen meiner Bekerin , trotz den Finsternissen der Nacht , keine schlechte Figur machen - Aber das änderte in ihrem Betragen nicht eine Nadelspitze - Es war , als bemerkte sie an mir nicht die geringste Veränderung , als fiele ihr die zierliche Schale gar nicht einmal in die Augen , in der ich jetzt steckte -
Ein jeder anderer an meiner Stelle würde geradeswegs auf die Gedanken gekommen sein , sie wüßte es entweder gar nicht , daß Stolz und Hochmut die treusten Achate der Kleiderpracht wären - und dann war sie so unschuldig , wie ein Lamm - oder sie traute es ihrem ehemaligen armen Schelme schlechterdings nicht zu , daß er sich in seinem izttragenden ganzen Rocke nicht an die Löcher erinnern sollte , die er in seinem ehemaligen gehabt hatte - und daran handelte sie christlich :
denn die Liebe denkt nichts arges - aber freilich auf der anderen Seite , wider die echten Sitten unseres Jahrhunderts :
denn Kleider machen personas - Lumpen machen res - Als wir nach vielen unerzählbaren Fragen und Antworten und Ausrufungen und nach einem sanften Gusse von Freudentränen , der in eben dem Augenblicke auf unseren heißen Wangen vertrocknete , in dem er den Augen entträufelte , aller unserer Sinnen wider mächtig wurden -
denn bisher waren wir nur des Gefühls mächtig gewesen , oder genauer - nur das Gefühl war unserer mächtig gewesen :
so machte ich die erste Bewegung , den mir ewig unvergeßlichen Schauplatz der tiefsten Betrübnis und der höchsten Freude zu verlassen - Komme , sagte ich - " Und warum : Komme ?
, De gustibus non est disputandum , könnte ich hier füglich antworten :
aber ich will de gustibus disputieren , um mein ganzes deutsches Vaterland - wenn es sich von einem jungen Menschen will belehren lassen - zu belehren , welch einen falschen und unrichtigen Gebrauch es von den Wörtern : Du , Er , Sie , Ihr , Sie , zu machen gewohnt ist .
Überhaupt zu reden ist es seltsam und lächerlich , daß man sich durch ein Sie von anderen muß multiplizieren lassen , so wie man selbst andere damit multiplizieren muß - so wie es widersinnig ist , daß ich von jemanden , als von einer ganz fremden Person spreche , den ich vor mir sehe , höre - und fühlen kann , wenn ich will - Allein Deutschland weiß das so gut , wie ich , ohne es ändern zu können - Also muß ich davon schweigen .
Um wie viel aber würde nicht das Übel vermindert werden , wenn man den Gebrauch der gedachten Wörter dergestalt festsetzte .
Du ist nach unserer aller Gefühl ein Ausdruck eines bohn Grades von Zärtlichkeit , Liebe - und da liebe ohne Hochachtung nichts ist , auch von Hochachtung - und folglich auch von Vertrauen , Dankbarkeit u. d. Du also nenne ich Gott , meine Geliebte , meine Mutter , meinen Vater , meine Tochter , meinen Sohn , meine Schwester , meinen Bruder - alle meine Anverwandten - meine Freunde , wenn sie Du vertragen können - und es ist wahrhaftig nicht meine Schuld , daß ich nicht alle Menschen Du nenne - Nichts auf der Welt hält mich davon zurück , als die Furcht ein zinzendorfianer geheißen zu werden - eine Furcht , die mir aus Familienursachen abscheulich ist - Er , Sie , Ihr - So heißen Vornehme die Geringen und Ihnen , meine Herrn ! haben Sprachen , Künste und Wissenschaften nichts zu befehlen - Nur eins !
Ich der ich diese drei Erniedrigungswörter sehr selten gebrauche -
Denn noch bis diese Stunde nenne ich die ganze gutherzige , aber durch Unterdrückung ungutherzig werdende oder bereits gewordene Volk der Bauern - wie auch alle Kinder , von 1. bis 12. Jahr und drüber - alles nenne ich ohne Unterschied Du und befinde mich dabei recht wohl und habe nur sehr selten den Verdruß , ausgelacht zu werden - Ich , sage ich , der ich auch diese angezeigte seltsame Art handele , werde einst , wenn mein Ehestand gesegnet ist ( f * ) das Er , Sie , oder Ihr zu einem Popanz für meine Kinder gebrauchen - Aber nun das letzte - Sie - ist nicht nur dem sensus communis zuwider , wiewohl es eben wegen dieser Kontrarität das Glück gehabt hat , in usum communem überzugehen - sondern es erkältet auch mit Eisschollen die wärmsten Empfindungen unseres Busens und gewiß - ich hätte die gestrichene Hälfte meiner Freude entbehrt , wenn ich meine Wohltäterin in dem glücklichsten Augenblicke meines Lebens hätte Sie nennen müssen - Sagt also , Kinder der Natur ! war es recht oder Unrecht , daß ach mich ungefähr folgendergestalt mit ihr unterhielt :
Komme , beste , rechtschaffenste Mutter !
Komme mit mir nach meiner Wohnung - Ich will Dein alles sein - Du sollst mir alles erzählen , was Dir begegnet ist -
Ich will Dir alles erzählen , was mir begegnet ist - und wenn Dein Mann - " Ach ! er ist tot , sagte sie und sah mich mit trüben Augen an .
Tod , fragte ich mit einer Stimme , mit der man sein Glück von einem anderen zu erfragen pflegt - Tod ist er ?
O Freude , o Freude -
Nun wird meine Wohltäterin bis an ihren Tod bei mir bleiben -
Ich werde sie , wie meine Mutter pflegen -
Ich werde meinen Reichtum , meine Freude , mein Leid - alles mit ihr teilen - und wenn sie stirbt , werde ich ihr die Augen zudrücken - und wenn ich sterbe , wird sie mir die Augen zudrücken und mir sterben helfen Eine Träne , die ein jeder bei dem Gedanken an den Tod bei der Hand haben sollte , floß aus meinem Auge , indem ich dieses sagte - Die Bekerin sah sie fließen und vergoß auch - einige und vergaß darüber den - unmoralischen Streiche , den ich kurz zuvor gemacht hatte und der ihr einen schlechten Begriff von mir würde beigebracht haben , wenn sie darauf gemerkt hätte .
Wie niedrig !
Einem Menschen den Tod zu wünschen - oder doch über seinen Tod vor Freude außer sich zu sein - -
Aber ich freue mich ja über die glücklichen Folgen des Todes , nicht über den Tod selbst - Ja - und zu einer Zeit , wo ich mich über den Tod selbst hätte betrüben sollen -
denn wahrscheinlich ist er äußerst tragisch gewesen !
O Schmerz würde sich dazu besser geschickt haben , als :
O Freude !
Aber was ist_es ?
Da wo die Selbstliebe ihre Rechnung findet , hört Nächstenliebe auf - - Nein , sie hat nicht aufgehört -
Was war es , als die reinste Liebe , die mich dazu verleitete ? -
Unerhört !
- Tugend verleitet zum Laster - Dies und noch mehr waren meine Pro und Contra's , als ich an einem Abende in der Stunde der Selbstprüfung durch , ich weiß selbst nicht was , an meine Aufführung auf dem Kirchhofe erinnert wurde -
Aber damals - in dem Augenblicke des Tuns - fiel es mir mit keiner Silbe ein , daß ich meine Bekerin in der größten Hitze der Erkenntlichkeit wirklich beleidigte , obgleich eben nicht himmelschreiend - dennoch ließ sich das Verbrechen mit einer Träne auslöschen - Wir eilten , was wir konnten , um unsere Wohnung bald zu erreichen - Und auf dem Wege , was tatet ihr da ? -
Wir steckten das Lager unserer Glückseligkeit ab - Ich erklärte die Bekerin ein für allemal für meine Mutter und ließ nicht eher nach , bis sie mich ihren Sohn nannte und mir mit Hand und Mund versprach , mich immer so zu nennen - doch nicht bloß zu nennen , sondern mir auch in aller Absicht so zu begegnen - mir zu befehlen - mich zu warnen - mir mit ihrem Rate und mit ihrer Erfahrung beizustehen - Vorläufig sagte ich ihr , daß ich jetzt auf Reisen wäre , daß es aber bloß von ihr abhinge , ob ich meine herumschwärmende Lebensart aufgeben und dafür eine stetigere erwählen sollte - Sobald ich in den vier Pfählen meines Wirtes war , so führte - ich meine Mutter - ( Süssester Nahme , den die Menschheit aufzuweisen hat !
Wie war es möglich , daß ich nach dem Tode der , die mich mit Schmerzen geboren hatte , so lange , lange zubringen konnte , ehe ich mir eine zweite Mutter aussuchte ?
, Warum lief ich nicht von Haus zu Haus und forschte nach einer rechtschaffenen kinderlosen Matrone , in deren Ohren der Nahme Sohn eben so süß erklänge , als in den meinigen der Nahme Mutter ?
Warum fragte ich in meinem Exilio nicht lieber nach der zärtlichsten der Mütter , als nach dem reichsten Josten ? - - stillschweigend auf mein zimmer - forderte Licht - sagte dem Wirte , der es brachte , nichts weiter , als daß er sein weichstes Bette hergeben und zurecht machen lassen sollte - Es gehorchte - Meine Mutter war müde , ob sie es gleich durchaus nicht sein wollte - Ich begleitete sie in ihr Schlafzimmer - ging zurück - trat an das Fenster und nun ging meine stürmische Freude in sanfte Empfindung der Dankbarkeit gegen meinen höchsten Wohltäter über - " Wie ? in Empfindung ?
- Weg , weg mit Empfindungen im Christentum !
" Nein , mein Freund !
Nicht weg damit !
Du und ich sind sinnliche Geschöpfe zur Ehre und nach dem Willen Gottes sinnlich !
Ist unsere Sinnlichkeit nur wirklich fromm , so zweifele nicht sie wird ihm gefallen ! -
Nach einer so sanften Nacht , als ich je eine gehabt habe und je haben werde - nach einer Nacht , wie sie der Menschenfreund nach dem estelichen Tage eines allgemeinen Friedens schläft - waren ich und der Hahn und der Hofhund die ersten , wachen Personen im ganzen Gasthofe - Der Hofhund bellte , als vor Dieben und Mördern - Das war mir unleidlich -
Bei jedem Hau fürchtete ich , meine Mutter würde aus ihrem Schlafe auffahren - Ich suchte in dem ganzen zimmer nach einem Stück Brot herum - Nichts war zu finden -
Aber sollte denn ein Hundemagen nicht Biskuit verdauen können , dachte ich - und damit eilte ich , mit einem großen Stücke in der Hand , nach dem Hofraume - Die Bestie wollte rasend werden , sobald sie mich erblickte - und wiewohl ich die Vergleichungen zwischen Menschen und Tieren , wo nicht gar hasse , doch gewiß nicht liebe - teils , weil sie größtenteils sehr schief ausfallen - es müßte sie denn ein Reimarus anstellen - teils , weil sie uns wirklich bisweilen erniedrigen - so kann ich doch nicht umhin , eine ganz kleine anzubringen - Nur im Vorbeigehen !
Menschen und Hunde , die eben in vollem Bellen begriffen sind , verhalten sich bei dem Anblicke eines Menschen auf eine völlig gleichförmige Art - Entweder bellen sie noch zehnmal ärger , wie vorher oder sie hören ganz und gar auf zu bellen - Es sollte mich sehr wundern , wenn dieser Satz nicht in der Erfahrung felsenfeste gegründet wäre ! -
Die Hundebestie , die ich vor mir hatte , wollte , wie ich schon gesagt habe , bei meinem Anblicke , rasend werden - sie beräumte sich an der Kette schrecklich in die Höhe - schien sie alle Augenblicke zu zerreißen und mir auf den Hals zu springen - Ich durfte es nicht wagen , mit meinem Biskuit nahe zu kommen -
Also steckte ich ihn auf einen Stock und hielt ihn dem Hunde vor - Der Geruch verführte ihn - aber der Geschmack machte ihn nur noch lüsterner , und da ich ihn nicht stillen konnte , bellte er mir von neuem entgegen - Das ist eine Bestie = ar eoxn " , sagte ich , und damit ergriff ich in vollem Eifer den Stock und bläute ihm Stillschweigen ein - Laß es gut sein , redete ich ihn nach einigen Minuten abbittend an -
Ich will dir deine Schläge reichlich gütigen -
Die arme Bestie krümmte sich jämmerlich - Ich wünschte , daß ich ihm keinen Schlag gegeben hätte , oder daß mir der Hund wenigstens die Schläge zurückgeben könnte -
Aber , dachte ich bei mir selbst , vielleicht verstellt sich das listige Tier nur !
Nach seiner Höhe , Länge und Dicke zu rechnen , können ihm die paar Puffe , die ich ihm gegeben habe , unmöglich so wehe tun - Noch nie hat mein von der Wahrheit in die Enge getriebenes böses Gewissen eine so feine Ausflucht ersonnen !
Der Hund fuhr fort zu winseln - Hätte ich gestohlen und man ertappte mich auf frischer Tat , so glaube ich immer , es würde mir nicht ängstlicher zu Mute sein , als mir bei dem Lamento des Hundes war -
O so schweige doch nur , sagte ich , indem ich alle Taschen durchsuchte , um vielleicht etwas schmerzstillendes darin zu finden - und indem ich in aller Angst den Geldbeutel hervorzog - Dein Gewinsele durchschneidet mein Gebein - Dein Gewinsele durchschneidet mein Gebein - Wüßte ich nur , ob - Hier zog ich ein kleines Flaschen mit Eau de Lavande hervor - Ich legte mich in die Lage eines Duellanten - streckte die rechte Hand mit dem Flaschen so weit aus , als ich konnte und goß das Wasser auf denjenigen Teil , den der arme Hund am meisten legte -
Ich mußte ihn notwendig mit der Spitze des Stockes getroffen haben :
Denn ich sah Blut - Der Hund ließ mit sich machen - Er roch den lieblichen Geruch des Wassers und legte und sah mich an und wedelte mit dem Schwanze - Nun konnte ich mich nicht länger erhalten , ihn zu streicheln , ob ich gleich für seinem Bisse noch nicht ganz sicher war - Eine so großmütige Überwindung des erlittenen Unrechts schien mir einer kleinen Gefahr mehr , als zu würdig zu sein - Sei gutes Mutes , sagte ich zu ihm - Du sollst bald ein Frühstück haben , bei dem du meine Schläge vergessen wirst - und durch diesen Vorsatz gestärkt und aufgerichtet verließ ich ihn - menschlicher , als Vielleiche viele andere , die ihn vor mir geschlagen hatten .
Nun denke ich mir - wo meine Rechnung nicht trügt - eine ganze Fakultät zu Lesern erworben zu haben - und das ist die Fakultät von Ärzten .
" Hahaha , wird ein alter Praktikus lachen und sich seinen Trojanischen Pferde-Bauch widerhalten - Das ist Zeug -
Das sind Streiche - Eau de Lavande in eine Wunde zu gießen -
Hahaha !
- Hat der Mensch einen Wurm oder einen Nagel , wird ihm seine bearzneyete Frau ins Lachen fallen - Eau de Lavande - Warum nicht gar Eau de la Reine d' Hongrie - Kind ! ruft ihr der Dicke mit einer tröstenden Stimme zu - Er ist nicht vom Handwerke !
Er redet , wie er es versteht !
Er hat gar nicht die Absicht , unsere Hochweise Fakultät zu prostituieren :
er macht sich bloß auf seine eigene Hand lustig .
ließ nur die Schnurre selber -
Die Frau liest sie - zeigt sie ihrer Nachbarin - diese ihrem Manne - dieser seinen Kollegen - und so komme ich mit meiner medizinischen Ignoranz , so schnell , wie ein böses Gericht , in dem ganzen Kreise der Ärzte herum !
Die Hundegeschichte hatte in meiner Seele eine kleine Säure zurückgelassen , die mit den Freuden schlechterdings inkompatibel war , die ich dem angebrochenen Tage bereits en groß bestimmt hatte -
Ich suchte sie los zu werden und folglich war ich sie auch schon halb los - Meint ihr nicht ihr Herrn Kritiker , daß mir mein Schöpfer auch Augen für die menschliche Natur gegeben hat ?
Die andere Hälfte - konnte ich nur auf eine Art los werden -
Es kam darauf an , daß sich meines Wirts Küchenmagd aus ihren Federn erhob - Sie tat es - Ich überraschte sie sogleich in ihrem Negligee und machte dadurch sie - und mich so beschämt , daß ich ihr geschwind ein Stück Fleisch für den Hund abforderte und die Knochen selbst zusammensuchte und alles in eine Schüssel zusammenlegte und es , dem Vertrage gemäß , dem armen geschlagenen Viehe überbrachte -
O wie froh war der Hund !
Er wedelte mir schon eine ewige Vergessenheit meiner Schläge entgegen , da er die Schüssel und mich ankommen sah -
Ich blieb nicht nur vom Anfange bis zum Ende der Mahlzeit da , sondern ich legte selbst vor - Da , sagte ich , indem ich dem Hunde das beste Stück Braten in den Rachen steckte - Das ist für die kleine Wunde , die ich dir geschlagen habe - Der Hund schien sich zu seinen Schlägen Glück zu wünschen und - Weg war die ganze Säure in meiner Seele ! - -
Und nun hob sich meine Brust so , wie ich wünschte , daß sie sich an diesem Tage der Freude heben sollte - Alles , was ich ansah , lächelte mir - Die Wallung meines Blutes war jetzt mein ordentlicher Pulsschlag - Auf meinen größten zwoo zehn schlich ich mich nun auch an das Schlafzimmer meiner Mutter - Ich hörte sie darin auf und abgehen - Welche Wonne !
Das Licht des Tages , gegen welches alle angebrannten Öle und Fettigkeiten nur Schmach Schimmer von sich werfen , zeigte mir nun ihr Antlitz bis auf die allerkleinsten Züge - und ihr das meinige !
Liebste Mutter , sagte ich , indem ich sie in meine Arme drückte !
Liebster Sohn , sagte sie , indem ihre schwarzen Augen einen Strom von Liebe in die meinigen - Erspart euch nun die Frage , ob eine Mutter ihre Stiefkinder eben so stark lieben kann , als ihre eigenen !
Ihr seht , es gibt moralische Bande , die eben so stark und dauerbaft sind , als Triebe der Natur - Durch die offene Türe meines Zimmers hörte ich , daß der Wirt aufgestanden war - Ich flog die Treppe herab - Der Wirt war in der Küche und tat eben an seine Untergebene die Frage : " Was für ein altes Weib - "
Die Frage schmerzte mich nicht :
denn der Wirt war von dem ganzen Handel noch gar nicht unterrichtet - aber unterbrochen mußte sie sein - und aus dieser Unterbrechung entstand das Gespräch , welches meine Leser bereits auf der zweiten , dritten , vierten Seite gelesen haben - " Und wie entstanden die anderen Beiden ?
, Alles hat seine Zeit , sagt Vater Salomo - Gespräche aus dem zusammenhänge reißen , den zusammenhäng ergänzen , von dem Wirte zur kleinen Naiven , und von der kleinen Naiven zu meinem Freunde überzuhüpfen , das Regelmäßige oder doch die Zeitordnung dieses Überhüpfens anzeigen , Ich brannte vor Ungeduld , die ganze Geschichte meiner Mutter zu wissen :
aber so viel Iudicium hatte ich doch noch , um einzusehen , daß es zu viel gefordert sei , eine zusammenhängende Erzählung der selben von ihr zu verlangen - Kann ich doch selbst nichts weiter , als Histörchen ganz lose aneinander kleben und dazwischen bald dies , bald das , bald dieses , bald jenes zu setzen , zu legen und zu stellen - und ich gehöre doch unter die Menschen von der ersten Nummer - ich habe - demütiger kann kein Heuchler von sich sprechen - ich habe den Ansatz zur Gelehrsamkeit - Noch mehr - ich bin Schriftsteller - " Aber war nicht Boursault auch ein Mensch von der ersten Nummer - auch gelehrt - auch Schriftsteller - und würde ihn nicht Babet - Trotz ihrer zweiten Nummerschaft - Trotz ihrer Ungelehrsamkeit - Trotz ihrer Ungedrucktheit - würde sie ihn nicht in die engste Enge hineinerzählt haben , wenn er es hätte dazu kommen lassen ?
, O über die groben Instanzen !
- Sie metzeln unter der schönsten Mannschaft logikalischer Schlüsse a maiori ad minus unbarmherziger herum , als Leonidas unter den Persern - Bei dem ehrwürdigen Barte des Barbara Celarent !
Ich sehe kein ander Mittel vor mir , als den Nachsatz .
" Aber so viel Iudicium , zurückzunehmen und dafür einen unangetasteteren zu setzen - - aber eben weil ich vor Ungeduld brannle , so war mir nichts daran gelegen , ob ich das erste Stück ihrer Geschichte zuletzt und das letzte zuerst erführe - " Aber erzähle mir doch , beste Mutter ! wie Du nach Leipzig kommst - Was Dich , zu gleicher Zeit mit mir , auf den Johanniskirchhof führte - Doch das ist leicht zu erraten !
Du wolltest Deines und meines Gellerts Grab besuchen und ihm eine Träne der Dankbarkeit weinen , Ja , liebster Sohn ! sagte sie - das wollte ich zuerst tun -
Ich habe dem frommen Manne , nächst der heiligen Schrift , am meisten zu verdanken - allein wenn dieses geschehen wäre -
Nun , sagte ich mit nicht gemeiner Verwunderung - Wenn meine Seele , fuhr sie fort , erst ganz vom irdischen abgezogen wäre - wenn sie nichts dächte , als Gott und Religion -
Dann wollte ich - Ist es möglich , fiel ich ihr von neuem in die Rede - denn ich konnte mir nicht vorstellen , daß man bei einer frommen Wallfahrt eine höhere Absicht haben könnte , als die fromme Wallfahrt selbst - -
Dann wollte ich , fuhr sie mit einer andächtigeren Stimme fort - meinem Gotte eine geheime Bitte vortragen - zwar vor ihm ist nichts geheim , setzte sie mit einer feierlicheren Stimme hinzu - Nun fiel es mir nicht mehr ein , meine beste Mutter in ihrer Erzählung zu unterbrechen -
Ich hatte eine Tochter , sagte sie - das einzige Kind meiner betrübten Ehe - Fünf Jahre war sie alt , als ich sie - Hier wurde die Sprache meiner Mutter langsamer und beängstigter - als ich sie von mir lassen mußte - Schon fiel es mir wieder ein , meine Mutter in ihrer Erzählung zu unterbrechen -
Aus ihrem beklemmten Wesen zu schließen , mußte sie ein trauriges Geheimnis auf ihrem Herzen haben , welches sie , wenn es möglich wäre , auch mir verschweigen wollte - Verschweige mir nichts , sagte ich - liebe , unglückliche Mutter ! -
Ich bin ja dein Sohn - und , glaube es nur , eben so sehr dein Sohn , als ob ich unter deinem Herzen gelegen hätte -
Die Fromme drückte mir zärtlich die Hand - Ich würde dir nach und nach alles entdeckt haben , sagte sie - Wenn ich auch jetzt , um meinen Mann nicht im Grabe zu beschimpfen , noch geschwiegen hätte : aber du nimmst an meinem Schmerze allzukindlichen Anteil , als daß ich mir ihn nicht endlich einmal erleichtern sollte , nachdem ich ihn Jahre lang allein getragen habe -
Ich seufzte - und horchte - Du wirst Dich noch erinnern , sagte sie , wie ich zitterte , als ich meinem Mann die Treppe herabkommen hörte -
Ach !
er war ein unbarmherziger , wilder Mann ! -
Wollte Gott , ich könnte sein Laster für mir selbst verbergen oder ich könnte es mit seiner schlechten Erziehung oder mit einem Fehler der Natur entschuldigen :
aber ich kann nichts von alle dem -
Ich habe in meiner langen Ehe mit ihm viel , viel erlitten -
Ich habe gehungert , gedurstet , Schläge bekommen :
aber ich habe es ihm schon tausendmal verziehen - Möchte es ihm nur der gerechteste Gott haben verzeihen können ! -
Die Tränen rollten über mein von Schrecken und Verwunderung erstarrtes Gesicht in großen Tropfen herab - Du weinst , liebster Sohn , sagte meine Mutter - O spare Deine Tränen , bis ich Dir von meiner kleinen Tochter erzählen werde - Was dieser arme , gemißhandelte Wurm leiden , mußte , das war traurig !
Was ich litt , das war es nicht ! - - Kaum war meine Tochter , ein Jahr nach meiner Hochzeit , zur Welt gekommen , so nahm auch ihr Elend schon seinen Anfang - Mein Mann hatte sich einen Sohn gewünscht - Ich gebar ihm keinen und er wollte darüber vor Wut rasend werden - Er überfiel mich im Wochen bette und es würde ihm wenig Mühe gekostet haben , meinem unglücklichen Leben ein Ende zu machen , wenn nicht ein kleines Hündchen bei dem schrecklichen Anblicke meines Mannes Lärm gemacht und mir menschliche Hülse verschafft hätte - O Gott ! rief ich aus , welch ein Ungeheuer ! -
O sage es nicht , liebster Sohn , fiel sie mir in die Rede - sage es nicht , daß er es war - Ich bin seine Witwe -
Ich habe Pflichten gegen ihn - Pflichten , fragte ich mit äußerster Verwunderung - Pflichten gegen ihn - Auf einmal fielen mir die Schuppen von den Augen :
denn es gehört nur ein Augenblick von Aufmerksamkeit dazu , um sich von rechtmässigen Pflichten zu überzeugen - es versteht sich , ein Augenblick , in dem die Stürme der Leidenschaften nicht toben , noch die zephyre sündlicher aufsteigender Begierden wehen - in diesen beiden Fällen sind Jahrhunderte von Aufmerksamkeit verloren - Welch ein Irrtum aber oder welche Irrtümer bei dieser meiner Verwunderung zum Grunde lagen , das sage ich jetzt noch nicht - weil ich es selbst noch nicht recht weiß : so bald ich es aber wissen werde , soll es in Gesellschaft der zwei Nebenbetrachtungen A und B unter dem Titel C schuldigst auftreten - Doch ja , sagte ich , nachdem ich mich von den Pflichten einer frommen Witwe gegen ihren , wahrscheinlich zur Hölle gefahrenen Mann , überzeugt hatte - " Und was sind das für Pflichten ? , Bisch--t !
Wollt ihr eine Predigt darüber lesen ? -
Doch ihr seid undankbares , unerkenntliches , unachtsames Gesindel - Ihr habt meine Talente zum Empfindsamen Reisenden noch nicht erkannt - und wer weiß , ob ihr sie je erkennen werdet ! -
So sollt ihr auch zur Strafe meine Talente zur geistlichen Beredsamkeit nicht zu sehen bekommen - es wäre denn , daß die Disposition zu der gedachten Predigt - im Vertrauen , sie ist mit dem Buchstaben D bezeichnet - wider mein Wissen sich in das Manuskript des zweiten Teils meiner Reisen einschleichen sollte - .
Aber ihr Götter , die ihr über die Straßen und Wege und Fußsteige und Alleen wachet : warum habt ihr denn zugegeben , daß ich mich aus dem mit Zypressen und Myrten bedeckten Gange , in den mir gewiß ein groß Teil meiner Leser mit Vergnügen gefolgt war , so plötzlich entfernt habe -
Bei der Nacktheit der Wahrheit !
Entweder ihr seid schlechte Wächter oder ich bin euch zu unbändig - Doch das bin ich nicht :
Denn seht , jetzt in dem Augenblicke , da ich meiner Ausschweifungssucht zum erstenmal Gram bin - jetzt kehre ich auch schon unter die melancholische Laube zurück und sehe mich freundlich nach meinen Lesern um und winke ihnen , mir nur wieder frisch nachzufolgen - Pflichten , fragte ich meine Mutter - Pflichten gegen ihn ? -
Doch ja - Du hast Recht , liebe Mutter - Deine Sittenlehre ist strenger und von kleinen Verbrechen freier , als die meinige - Du sollst nie wieder ein Scheltwort gegen Deinen Mann aus meinem Munde hören - Ich danke dir , lieber Sohn ! sagte sie - Ich danke dir für deine zärtliche Liebe - O möchtest du doch auch unter meinem Herzen gelegen haben -
( Hier drückte sie mich liebreich an ihre Brust ) -
Aber nein , unterbrach sie sich sogleich - Ich weiß nicht , was ich sage - Indem ich mir das größte Glück wünsche , wünsche ich dir das größte Unglück - Wärest du mein leiblicher Sohn , so wäre es dir nicht viel besser ergangen , als meiner Tochter - Ach , sagte ich - und wie erging es denn dieser Armen ? -
Schon an dem Tage ihrer Geburt , sagte sie , schalt sie ihr Vater ärger , als eine zwanzigjährige Spitzbubin aus - Er fluchte - Er schwor , daß er keinen Pfennig zu ihrer Erziehung hergeben wollte - Kaum kann ich es sagen :
Als man ihn mit vieler Mühe von mir losgerissen hatte , so wollte er auch über die arme , unschuldige Kreatur herfallen - Aber da verließ mich alle Gelassenheit - Ich sprang aus dem Bette heraus , so schwach und kraftlos ich auch war - Ich stieß ihn ungestüm von der Wiege des Kindes weg - nahm es auf meine Armen und trug es in mein Wochenbette - Die Folge davon war , daß ich in ein hitziges Fieber fiel , welches mir bei einem Haare den Tod gekostet hätte - Schaudernd saß ich jetzt auf meinem Stuhle - Ich bis die Zähne knirschend in einander - Es reute mich , daß ich meiner Mutter versprochen hatte , ich wollte ihr Ungeheuer von Manne nicht mehr Ungeheuer nennen - Wonne würde es für mich gewesen sein , wenn ich auf dieses Scheusal alle Schimpfwörter aller Sprachen hätte auftürmen können - Nein , sagte ich , indem ich vor Zorn schnaubte - Das ist - Meine Mutter fiel mir in die Rede - Sie wollte mir die Mühe erleichtern , mein Wort zu halten oder eigentlicher , sie wollte mich in eine solche Verfassung setzen , in der ich es nicht einmal brechen könnte , wenn ich auch wollte - Aber durch die Gnade Gottes , unterbrach , sie mich , blieb ich leben -
Nun hatte meine Krankheit meinen Maun etwas weniger unmenschlich gemacht und ich machte mir Hoffnung , er würde auch nach meiner wieder erlangten Gesundheit , so bleiben ; aber ach ! -
Er wurde immer ärger Oft , wenn mein Kind in der Nacht aufwachte und ihn durch sein Schreien aufweckte , stand er in aller Stille auf und schlug ihm -
O der Barbar ! sagte ich - Nein , Mutter , ich bin zu schwach - Der Zorn bemächtigt sich meiner - Nun höre nur , Sohn , sagte sie - ohne alles sichtbares Zeichen der Empfindlichkeit - Er schlug ihm blaue Striemen , die ich oft erst den folgenden Morgen entdeckte -
denn du mußt wissen , daß mein Mann bei seiner Unbarmherzigkeit sehr schlau war und es immer so einrichtete , daß en Mutter und Tochter zugleich und beide gleich em- , pfündlich quälte -
Aber du ereiferst dich , Sohn ! -
Ich will dir das Ende erzählen - Je mehr meine kleine Tochter in die Höhe wuchs , desto mehr hatte ich sie lieb , desto mehr bekam sie Schläge - Das ging so weit , daß ich einigemal für ihr Leben zitterte -
Ich war Mutter - Hätte ich die Leiden meiner Tochter selbst tragen können - Mit Freuden !
- aber daß ich sie sehen mußte , ohne helfen zu können - Daß ich die einzige Freude meines Lebens so mißhandelt sehen mußte - das war über die Kraft eines Weibes !
Ich bat Gott inbrünstig , meine Tochter entweder sterben zu lassen , oder mir einen Weg zu zeigen , sie den Klauen meines Mannes zu entreissen - Mein Mann hatte eine Anverwandte in Leipzig , die ein ziemlich ansehnliches Vermögen besaß und die Witwe eines Posamentierers war - Auf meiner Hochzeit hatte ich sie kennen lernen und sie - als eine Anverwandte meines Mannes gefunden - Menschlicher weise also hatte ich von ihr nichts zu hoffen : allein ich weiß selbst nicht wie - Doch warum sollte ich es nicht wissen ? -
Gott selbst oder doch gewiß einer von seinen guten Geistern mußte mir den Gedanken eingeben , an sie zu schreiben und , wo möglich , ihre Barmherzigkeit gegen mein Kind rege zu machen - Mein Herz gab mir einen langen und rührenden Brief ein und , Gott sei Dank !
er ging wieder zu Herzen - Die Witwe schrieb mir zurück , sie wollte mein Kind mit Freuden zu sich nehmen und es , als ihr eigenes , erziehen - Jetzt mußte ich alle meine Klugheit und List aufbieten , um meinen Mann dahin zu bringen , daß er seine Einwilligung zur Abreise meiner kleinen Tochter gab -
Denn sobald er merkte , daß er mir dadurch eine Freude machte , so war sie schon so gut , als untersagt - Ich wendete mich an einen unserer Nachbarn , den mein Mann seinen Freund nennte und auf den er viel Vertrauen gesetzt hatte -
Es war viel gewagt :
aber was wagt nicht eine Mutter für ihr Kind ? -
Ich entdeckte ihm meine ganze gegenwärtige Lage Ich bat ihn - Ich beschwor ihn mit den bittersten Tränen , er sollte meinen Mann zu bereden suchen , daß er meine Tochter reisen ließe -
Er versprach es mir und - hielt sein Wort - Aber hier hing die Erfüllung meines Wunsches nur wieder an einem Faden - Sobald mein Mann seine Einwilligung gegeben hatte , mußte ich mich stellen , als ob es mich nun wider reute , meine Tochter von mir zu lassen - Dies beschleunigte ihre Abreise , wenn ich meine Rolle gut spielte oder - verhinderte sie auf ewig , wenn mein Mann den Betrug merkte - Allein hier wurde mir die Verstellung sehr leicht -
Ob es mich gleich nicht reute , meine Tochter von mir zu lassen , so war mir doch die Trennung von ihr unaussprechlich schmerzlich - Eine bange Ahnung beklemmte meine Brust - Ich konnte mich des schrecklichen Gedankens nicht erwehren , daß ich sie nie wieder sehen würde -
Ach , seufzte meine arme unglückliche Mutter - und noch bis diesen Augenblick habe ich sie nicht wiedergesehen -
O großer Gott ! -
seufzte auch ich - Meine kleine Tochter wurde also nach Leipzig gebracht - Ob ich gleich vor Begierde brannte , sie dahin zu begleiten , so durfte ich mich doch nicht einen Funken davon gegen meinen Mann merken lassen - Fünf Jahre hinter einander bekam ich die besten Nachrichten von ihr : allein seit dieser Zeit sind sie ausgeblieben und - Gott allein weiß es , ob ich noch eine Tochter habe , oder nicht -
Das sei dem Himmel geklagt , sagte ich - Auch ich würde eine Schwester an ihr finden , so wie ich an Dir eine Mutter gefunden habe ! -
Ich bin schon drei Tage in Leipzig , fuhr meine Mutter fort , und ich habe fast die ganze Stadt ausgefragt - allein kein Mensch weiß mir etwas von der Frau eines Posamentierers zu sagen - Ich bin in ihrem Hause gewesen :
aber es ist nicht mehr ihre - Schon seit fünf Jahren hat es einen anderen Herrn - Das ist kläglich , sagte ich - es könnte einen Klotz zum Weinen bewegen - aber ich gebe die Hoffnung noch nicht auf -
Ja , Mutter ! - ich will an deiner Stelle nachforschen - ich will in öffentlichen Blättern denjenigen eine ansehnliche Belohnung versprechen , der mir von der Witwe Nachricht geben kann - ich will nicht eher ruhen , bis ich - Hier stand ich ungeduldig von meinem Stuhle auf - Der schwache Strahl von Hoffnung , der in meiner Seele leuchtete , wurde immer stärker - immer stärker - Betrübnis und Tränen und Seufzer flohen vor ihm * " Ich nahm meinen Stock und - ging , ohne zu wissen , wohin - Mein Weg führte mich neben dem Hause meines Freundes vorbei - und wenn ihr nicht mehr wissen solltet , was das für ein Freund war , so lest den Artikel Kaffeehaus in dem ersten Teile meiner Reisen - Ich flog auf sein zimmer und da ich ihm gleich bei dem Anfange unserer Freundschaft , meine sämtlichen Schicksale erzählt hatte , so könnt ihr leicht denken , daß mein erstes Wort dieses war : " O mein bester , mein teuerster ! -
Ich habe die gutherzige Bekerin gefunden , von der ich Ihnen so viel erzählt habe .
" Den Rest unster Unterredung habt ihr gleich am Anfange dieses zweiten Teils gelesen - und wenn ihr auch mit dieser meiner zerstreuten Art zu erzählen , höchst unzufrieden sein solltet - und wenn sie auch wirklich allen Regeln zuwider wäre - so habt ihr doch den Vorteil davon , daß ihr sie jetzt nicht mehr lesen dürft - wenn ihr nicht wollt - oder daß ihr die nächste Veranlassung habt , sie noch einmal zu lesen , wenn sie euch gefallen hat .
Mein Freund begleitete mich in meine Wohnung und in zwei Minuten war auch zwischen ihm und meiner Mutter das Band der Freundschaft geknüpft Ich ließ ihn bei meiner Mutter allein und eilte wider der offenen Straße zu -
Halt ! dachte ich - meine kleine Naive muß es auch wissen - und damit ging ich in ihr Haus - Ich traf sie allein auf ihrem zimmer und ohne zu bemerken , daß sie noch im Negligee war - und ohne mir diesen Vorteil zu nutze zu machen , war die Erzählung von meiner Mutter das erste - Doch ihr wißt ja schon alles !
Ihr wißt ja schon alle Worte , die wir miteinander sprachen !
Und sagt , ist eine Methode , wie die meinige , nicht Goldes wert , bei der man die interessantesten Unterredungen als bekannt voraus setzen kann ? -
Aber die Erzählung von meiner Mutter war nicht das letzte - Eine schöne Szene wurde in einem Augenblicke mit einer noch schöneren überzogen - Meine Naive sagte mir auf eine höchst unerwartete und - auf die naivste Art von der Welt , daß sie mich liebte - Ihr könnt leicht denken , daß ich etwas mehr geantwortet habe , als ein Stummer und davon soll mein zweites Kapitel ausführlich handeln .
Ein Seufzer wider den Staat .
Etwas von den Oster- und Michaelismessen .
Erzählung aus den alten Zeiten und durch diesen Seufzer und durch dieses Etwas und durch diese Erzählung - ohne den geringsten Umschweif - zur Sache .
Alles gut - alles billig , sagte ich , als ich - nach meiner Autorschaft zum erstenmal den Befehl Pauli laß :
Jedermann sei untertan der Obrigkeit - Du bist für das Wohl des Ganzen besorgt , göttlicher Mann ! und ich gebe dir im Namen aller meiner Mit Autoren den Handschlag :
Auch wir wollen der Obrigkeit untertan sein !
( Unter uns gesagt :
Unser eigentümliches Schwert , womit wir schon blutigere und langwierigere Kriege geführt haben , als alle Könige auf Erden - womit wir schon tausende von Königen danieder gesäbelt haben und noch niedersäbeln werden , wenn uns nur die Welt mit allen ihren Königen nicht etwan davon läuft - Unser Schwert , sage ich , die Feder , verliert dadurch nicht das geringste von seiner Schärfe - Unsere ganze Gerichtsbarkeit bleibt uns , und ich selbst , der ich doch nur ein Autor ohne Bart bin , habe schon in dem ersten Teile meiner Reisen mit meinem Schwerte - die Lust in Stücken zerhauen - Das ist ein Umstand , den Vater Paulus immer mit ausdrücklichen Worten hätte bemerken mögen -
denn so wäre die Mühe , gegenwärtige Parenthese mit den allerkleinsten Buchstaben zu schreiben und mit den klein sten Lettern drucken zu lassen - Diese Mühe wäre erspart - -
Aber ich bitte euch , lieben Leser ! verketzert mich nicht um des letzten Einfalls Willen - Ich bin so aufgelegt zum Spassen und ich halte mein Spaßmachen für so unschuldig , daß ich glaube , selbst Vater Paulus würde mir den letzten Einfall nicht übel nehmen , wenn er ihn lesen sollte - Aber daß die Obrigkeiten für das Wohl und die Bequemlichkeit der Autoren - für das Wohl und die Bequemlichkeit der Leser nicht angelegentlicher sorgen , das ist - in aller Absicht zum Achselzucken - " Dafür laß sie selber sorgen !
" So ? -
Selber dafür sorgen ? -
Aber so gib Du , der Du dieses sagst - Gib Du den Autoren das Recht , mehr Messen anzulegen , als die paar lumpigen - " Ha - ich verstehe - also an dem Mangel der Messen - oder an ihrer Vielheit hängt das Wohlsein oder Nichtwohlsein , die Bequemlichkeit oder Nichtbequemlichkeit der Autoren und Leser , , Ja , daran - O dürfte ich nur ! Bald sollte man , außer der Oster- und Michaelismesse , auch haben : eine Himmelfahrtsmesse , eine Fronleichnamsmesse , eine Johannismesse , eine Marie Magdalenenmesse , - doch nein - Diese fiele in die Hundstage ! -
Also eine Johannisenthauplungsmesse - und nach der Michaelismesse eine Allerheiligenmesse , eine Katharinenmesse - Bei der Untrüglichkeit meines Gefühls !
Die Zeit zwischen Ostern und Michaelis ist für mich - und für hundert andere Autoren von eben so geschäftigen Fingern , ein wahrhaftiges Secula seculorum - Was insbesondere mich anbetrifft , so habe ich in dem ersten Teile meiner Reisen meine Leser so zu interessieren gewußt - ich habe ihre Neugier so sehr aufgebracht - besonders aber habe ich sie für meine kleine Naive und für meine rechtschaffene Bekerin so vollkommen eingenommen , daß ich -
Ja , gewiß !
Ich muß befürchten , es werden sich viele davon vor Ungeduld aufhängen , wenn ich ihnen nicht bald sage , wie es mit meiner Bekerin und mit meiner Naiven weiter wurde - Wie willkommen würde ihnen nicht eine Fronleichnamsmesse gewesen sein !
Doch es ist nun einmal nicht zu ändern - Wenigstens eher nicht , als bis ich Majestätsrechte bekomme - Also laßt uns unser Kreuz in Geduld tragen und nunmehr hören , was vorher geschah - dann wollen wir auch hören , was weiter geschah - Als ich die Seele meiner kleinen Naiven mit den aufmerksamsten Augen , die ich nur herausbringen konnte , durchschaut hatte -
Als ich von ihrer Unschuld , von ihrer Tugend , von ihrer unaussprechlichen Zärtlichkeit , von ihrer Freiheit im Denken und Empfinden die untrüglichsten Proben gesehen und gehört hatte - so kann ich nicht leugnen , fällte ich bei mir selbst das Urteil , sie als Gattin zu besitzen , müsste , wo nicht das größte Glück , doch wenigstens , eines der größten Glücke auf Erden sein - ich fühlte sogar schon , daß ich denjenigen beneiden würde , der dieses Glück davon trüge - noch mehr - daß ich ihm den Weg zu diesem Glücke versperren würde , wenn es irgend in meiner Macht stünde - Gleichwohl - da sich seit meiner Bekanntschaft mit der kleinen Naiven niemand um ihren Besitz bewarb -
Da mich weder Vater noch Mutter um meine Gesinnungen gegen ihre Tochter befragten - da ich mir fest vorgenommen hatte , mich erst recht in gute Laune zu reisen , ehe ich mich in irgend einen Stand begeben wollte - so fiel es mir auch nicht ein , meiner Fünfzehnjährigen zu sagen , wie hoch ich ihren völligen Besitz hielte - Ohne darauf Achtung zu geben , was wir eigentlich taten oder was wir einst tun würden , blieben wir bloß bei dem gegenwärtigen stehen -
Wir liebten uns , wie Bruder und Schwester und glaubten daran nichts schlimmes zu tun , als Bruder und Schwester - Wir kamen einander mit kleinen Artigkeiten und Gefälligkeiten zuvor - Wir lachten miteinander -
Wir weinten mit einander Wir waren mit einander fromm -
Haben wir Übels daran getan , so macht es mit der Natur aus und laßt uns aus dem Spiele !
Allein sobald der kleinen Naiven das Geständnis entfahren war , was mir gewiß auch entfahren sein würde , wenn ich zuerst Veranlassung dazu gehabt hätte , so änderte sich die Szene auf einmal - ja war es Pflicht , mich zu erklären - vorher war es vielleicht auch Pflicht , aber eine sehr entbehrliche - O Freude , o Wonne , rief ich aus , indem ich die kleine Naive entzückt in meine Armen drückte - Meine Zunge war länger als fünf Minuten ganz sprachlos - und als ich sie kaum wieder gangbar fühlte - Gütiger Vater der Menschen , sagte ich , indem ich mich aus den geliebten Armen losriß und meine Hände zum Himmel ausbreitete -
Nein ! -
das ist zu viel - zu viel Freude für mich - an einem Tage eine Mutter und eine Geliebte - Was , sagte die Kleine - Eine Mutter ?
- Eine Mutter ? -
Ja , meine Beste , antwortete ich - eine Mutter - zwar nicht eine Mutter der Geburt nach - aber eine Mutter der Zärtlichkeit nach - der Tugend nach - der Dankbarkeit nach , die ich ihr schuldig bin -
O ich weiß selbst nicht alles ! -
Kurz die gutherzige Bekerin - Die kleine Naive wußte meine ganze Geschichte sie vergaß ihre und meine Liebe und dachte an nichts , als an meine Mutter - und hinterdrein auch an ihr Mißverständnis - Ich muß mich schämen , sagte sie , indem sie sich errötend in meinen Busen verbarg - Eigentlich hätte ich sie gleich unterbrechen sollen : aber sie verbarg sich zu schön - und ich weiß gewiß , ein jeder anderer an meiner Stelle würde das Unterbrechen noch auf eine längere Bank geschoben haben , als ich - Ich muß mich schämen - daß ich - so voreilig gewesen bin - vergeben sie mir -
Was soll ich Ihnen vergeben , sagte ich - daß Sie mich zum glücklichsten Menschen auf Erden machen ?
- Ist das ihr Ernst , sagte sie , indem sie mich mit froher Erwartung eines aus dem Innersten des Herzens geholten Ja , ansah - Geschwind , lassen Sie mich einmal durch ihre Augen bis auf den Abgrund Ihres Herzens sehen -
Sie zog mich ans Fenster - nickte mit dem Kopfe , daß ich mich büken sollte - ergriff mich mit beiden Händen bei dem Kinn - drehte meinen Kopf langsam hin und her - Ihre Augen fielen bald in die Fronte , bald in die Flanke der meinigen -
Diese drehten sich allemal nach der Seite der Attacke - Nein , nein , sagte sie endlich , indem sie mich gehen ließ - ich sehe es Ihnen an , Sie würden es mir nie mit einem Worte gesagt haben , daß Sie mich liebten , wenn ich es ihnen nicht unglücklicher Weise - Hier sah ich die gute Seele mit einem so kläglichen Auge an , daß sie es nicht über das Herz bringen konnte , den Nachsatz zu ergänzen - Quälen Sie mich nicht , meine Beste !
Lassen Sie es mich nicht entgelten , daß ich bis jetzt noch keine Veranlassung gesunden habe , Ihnen zu entdecken - -
Nur zwei Veranlassungen waren auf meiner Seite möglich - mein Abschied oder ein Nebenbuhler - Weiter keine , sagte sie , als diese beiden ? -
Was hätte es denn nun Ihnen und mir geholfen , wenn Sie mir auch bei Ihrer Abreise gesagt hätten , daß Sie mich liebten ? -
So viel , gab ich zur Antwort , daß , wenn Sie mich auch , geliebt hätten , ich das ganze Reisen auf immer verabschiedet hätte und bei Ihnen , in Leipzig , geblieben wäre . - Schön - sehr schön , sagte sie - Aber - fingen wir beide zugleich zu reden anNun was wollen Sie sagen , fragte mich die Naive - Sagen Sie mit nur , meine Beste , sagte ich - Schriebe ich jetzt eine Komödie , so ließe ich das gegenseitige Expostuliren wenigstens eine Seite dauern : aber da es ein Gespräch mit dem naivsten Mädchen von der Welt ist , so hat das Expostuliren schon ein Ende -
Aber was werden meine Eltern sagen ?
Das war von Wort zu Wort die Frage , die ich im Sinne gehabt hatte - eine Frage , die uns allen beiden vielleicht schon zu spät einfiel -
Denn , wenn es auch wahr ist , daß Ehen von niemanden gültig geschlossen werden können - doch das gehört in den Artikel von Ehe Sachen , sub litera E , in dem ich - jedoch ohne Ruhm zu melden - eben so viel Kluges zu sagen gedenke , als hundert Fakultäten Responsa - -
Doch was werden Sie sagen , fuhr meine kleine Naive geschwind fort ? -
Sie werden sich freuen - Sie werden Ihre Hand in die meinige legen -
Sie haben mir immer in billigen Dingen meinen freien Willen gelassen - Sie werden es auch hier tun - Das wolle der Himmel , sagte ich ; Eben trat das Kammermädchen meiner Kleinen in das zimmer - " Endlich und Endlich , wird ein heimtückischer Leser - denn auf mehr , als einen mache ich mir keine Rechnung - sagen und vor hämischer Freude von seinem Sitze aufstehen - Endlich und endlich kommt auch das Kammermädchen wieder zum Vorscheine - Ich dachte schon , sie wäre in aller Stille gestorben und begraben worden und wir würden sie nicht eher wieder zu sehen bekommen , als auf - " Im Ernst , habt ihr das geglaubt ? -
Nun so wißt , daß ich mit tugendhaften Mädchen in Büchern eben so umgehe , wie im gemeinen Leben - Ich vergesse keine - und erinnere ich mich gleich spät an sie , so erinnere ich mich doch gewiß an sie - Indessen , da ich doch einmal für allemal einen Fehler in euren Augen begangen habe , so diktiere ich mir selbst eine Strafe - und keine kleine - Streichet oben die Zeile aus :
Endlich zeigt es sich , daß Saint Franc der Vater des Durimel ist und setzt dafür euren spinn Einfall : Endlich und Endlich kommt auch das Kammermädchen wider zum Vorscheine - Meine ungemeßene Begierde , etwas neues und spitzfindiges zu sagen , hat mich zu einer Ungerechtigkeit verleitet - Ich hätte den Verfasser des Deserteur nicht tadeln sollen - et apres cette aeclaration , ' espere que Monsieur Mercier sera asez généreux pour me pardonner - Die kleine Naive fragte das Kammermädchen sogleich , ob sie wohl glaubte , daß ihre Eltern jetzt in guter Laune wären - Sie sagte , sie glaubte es - aber wenn sie es auch nicht wären , setzte sie hinzu , wie viel würde es Sie denn kosten , sie darein zu setzen - -
Ich wünschte , daß du diesmal wahr redetest , sagte sie - und der Blick , den sie mir bei diesen Worten gab , verriet dem Kammermädchen das ganze Geheimnis - Laß uns einen kleinen Augenblick allein - Das Kammermädchen warf einen höchst bedeutenden Blick auf sie und mich und - ging - Auch Sie sollen mich verlassen , sagte meine Naive - Ich will mit meinen Eltern sprechen - recht feierlich sprechen -
Ich werde vielleicht eine Stunde im zimmer bei ihnen zubringen , ohne ihnen recht zu sagen , was ich will - wo nicht etwan mein Erröten den ganzen Kram verdirbt - ich lasse Sie aledenn wieder zu mir rufen - Ich ging - " Doch wohl nicht ohne das Kammermädchen erst zu sprechen , Nein - ohne das nicht - Ich würde zu viel verloren haben , wenn ich ihr nicht mein deppeltes Glück , wenigstens mit zwei Worten , hätte bekannt machen sollen - Mehr zu hören hatte sie selbst nicht Zeit , da sie ihre Gebieterin rief - Ich fand meinen Freund noch bei meiner Mutter , als ich nach Hause kam - Das war eins , was des Erzählens wert ist - Wer sonst , als zwei tugendhafte Seelen hätten sich - ohne durch das geringste Band mit einander verknüpft zu sein - so lange mit einander unterhalten können !
Das andere , was ich fand , war , daß ich die ganze Absicht , weswegen ich meine Mutter und meinen Freund verlassen hatte , nicht mit einem Finger - nicht mit einem Ragel davon angerührt hatte - Ich wollte die Witwe ausfragen - Ich wollte meiner Mutter zu einer Tochter und mir zu einer Schwester verhelfen -
Denn mich dünkt meiner Mutter Tochter ist meine Schwester - In welchen Winkel der Seele mochte ich wohl meinen schönen Vorsatz verworfen haben !
Um nun meinen Fehler einigermaßen wieder gut zu machen , zog ich den Wirt in aller Stille bei Seite und befragte ihn auf sein Gewissen , ob er nichts von der Witwe wüßte : allein weder er , noch seine Magd , noch sein ganzes Hausgesinde , noch seine Nachbarn zur rechten und linken Seite die er in aller Eile herbei rufen ließ , konnten mir das geringste sagen - und nun fingen die Grundsäulen meiner Hoffnung selbst an zu zittern !
Ein alter , eißgrauer Mann , der eben vor der Türe vorbei ging , als wir im Hofraume geheimes Conseil hielten , lockte mich durch sein graues Haar an sich -
Ich gab ihm ein Almosen und da ich voraussetzte , daß ihn seine Armut in die Notwendigkeit gesetzt haben würde , eine weitläuftigere beschafft mit den Einwohnern von Leipzig zu machen , als ein jeder anderer , so fragte ich ihn ebenfalls - Er sagte mir , schon vor vielen Jahren hätte er eine Posamentierwitwe gekannt , die ihm auch bisweilen ein Almosen gegeben hätte : allein jetzt wäre sie nicht mehr in Leipzig und er wüßte nicht , wo sie sich hinbegeben hätte -
Durch diese Antwort , die für denjenigen , der den alten Bettler selbst sah und reden hörte , alle Kennzeichen der Wahrheit hatte - wurde der Handel noch viel schlimmer gemacht , als er bis dahin gewesen war - Ich nahm mir fest vor , meine Mutter nichts davon zu entdecken - Wiewohl ich es immerhin hätte tun können : dennoch habe ich keinen Menschen gekannt - noch habe ich von keinem gelesen , der die Kunst , sich in sein Schicksal zu finden , so meisterhaft inne gehabt hätte , als sie - Mein Freund kam eben , von meiner Mutter begleitet , die Treppe herab - Dieses ersparte mir die Mühe , mich zu verstellen - Daß er von seinen Geschäften weggerufen wurde , daß er versprach , eine jede Minute , die ihm übrig bliebe , zum Umgange mit mir und meiner Mutter zu sparen , dieses und mehr noch versteht sich von sich selbst - wiewohl ich als Autor , der kein Buch unter 20. Bogen schreibt , immer das Recht hätte , mir meine Leser als taub , stumm und blind vorzustellen . Bigotterien .
- Ganz gewiß , Bigotterien , die mich um allen Ruhm meines Witzes und Verstandes bringen werden - aber was kann es helfen ?
Es war fast Mittag , als der Wirt einen Knaben und ein Mädchen zu mir und meiner Mutter in das Zimmer führte - Ich war schon Willens , ihn für seine Galanterie , die er an diesen beiden Kindern bewies , zu umarmen - und wahrhaftig , er hätte es verdient , wenn seine Galanterie aus der rechten Quelle kam - allein seine schlüpfrige Zunge brachte ihn um alles - Hier ist die Avantgarde , sagte er - Das Korps wird bald nachkommen - Hätte er nur noch bei den letzteren Worten kein so unmäßiges Gelächter erhoben , als er wirklich tat , so würde ich seinen spöttisch scheinenden Einfall auf die Rechnung seines Kopfes , nicht seines Herzens geschrieben haben :
aber so wurde ich im Ernst wider ihm aufgebracht - Herr Wirt , sagte ich , indem ich ihn mit einem meiner ernsthaftesten Blicke ansah -
Sie sind ein Mann , von dessen Herzen ich mehr erwartet hätte - Nicht doch , sagte er , indem er die armen Kinder gehen ließ und sich mir mit abbittender Mine näherte -
Die Armen , fuhr ich fort , sind in meinen Augen ein sehr ehrwürdiges Volk - Der Wirt geriet in scheinbare Verwirrung - und wagte es nicht mir näher zu kommen - - und ich für meine Person , setzte ich hinzu , möchte nicht das Verbrechen auf mich nehmen , ihnen eine Höflichkeit , geschweige ein Almosen versagt zu haben - - Lassen Sie nur immer das ganze Korps nachkommen - es wird mir und meiner Mutter sehr willkommen sein - Der Wirt machte eine Verbeugung - aber kaum konnte er vor Scham die Stubentüre finden - hätte ich diesen Umstand ganz bemerkt , so würde ich ihm ein Pflaster des Trostes für sein böses Gewissen mit auf den Weg gegeben haben : aber ich merkte ihn kaum halb - denn indem er ging , war ich schon in voller Arbeit mit meinem Paare armer Kinder - Ich hatte es meiner Mutter noch nicht gesagt , was ich mit diesen armen Kindern im Schilde führte - Daß ein Werk der Barmherzigkeit auf dem Tapete wäre , das konnte sie wohl erraten und hatte auch nicht ermangelt , es zu erraten :
aber daß sie zu diesem Werke den Grundstein gelegt hätte , das fiel ihr nicht ein - Sie sah mich mit großen , verwunderten , liebreichen Augen an - Was hast du vor , bester Sohn ! fragte sie mich ? - Nichts böses , gab ich ihr lächelnd zur Antwort - ich bekam einmal in meiner Jugend von einer Bekerin einen Dukaten - Meine Mutter legte mir die Hand auf den Mund , aber ich nahm sie geschwind weg und redete weiter - Dieser Dukaten und der Tag , an dem ich ihn bekam , ist mir unvergeßlich und ich habe allemal an demselben eine kleine Spende an die Armen ausgeteilt - Heute , dünkt mich , ist er - Nein , rief meine Mutter aus und fiel mir in die Armen - heute ist er nicht - Nun so wollen wir ihn dazu machen , sagte ich - Die beiden Kinder sahen den Ausbrüchen unserer Zärtlichkeit , wie es schien , mit innigem Vergnügen zu - Es werden eine ganze Menge Knaben und Mädchen kommen , fuhr ich fort - Wir wollen sie an unseren Tisch ziehen - Du , liebe Mutter , wirst die Knaben auf Dich nehmen - wenn es Deinen schwachen Händen nicht zur Last wird - und ich will die Mädchen bedienen - und wenn sie sich alle - vielleicht das erstemal in ihrem Leben - recht satt gegessen und getrunken haben , dann wollen wir sie ein wenig ausforschen - Du die Mädchen - ich die Knaben - und dann will ich mit Freuden den Dukaten , den ich einem jeden zugedacht habe , in eine größere Summe verwandeln - Meine Mutter war für Freuden außer sich - O mein bester Sohn , sagte sie - Bei dir vergesse ich es , daß ich eine Tochter verloren habe - Nein , sagte ich , ich Ruhe nicht eher bis ich sie gefunden habe - Sie muß eine Tochter ihrer Mutter sein und dann weiß ich , was ich zu tun habe - Hier kam ein ganzer Troß von Knaben und Mädchen - nicht mehr unter der Anführung des Wirts , aber doch unter seiner Begleitung - Ich befahl ihm das Mittagsessen zu besorgen und mich dünkt , er nahm diesen Befehl mit mehr , als gewöhnlicher Zufriedenheit auf , da er mit einer Stimme ausgesprochen wurde , die von meiner vorigen Ernsthaften himmelweit unterschieden war - Aber Sie müssen auch mit mir essen , sagte ich , indem ich ihm nachlief , und mir meine kleinen Gäste bedienen helfen -
Für das erste erfolgte von Seiten des Wirts eine Verbeugung und für das zweite ein , wie es schien , unerzwungenes Vonherzengern - Glauben Sie mir , setzte der Wirt hinzu , ich bin nicht unbarmherzig - wahrlich nicht - am allerwenigsten gegen arme Kinder und ich freue mich von ganzer Seele , daß Sie , mein Herr ! in diesem Stücke so weit von der Etikette Ihres Standes abgehen - Was mochte doch wohl dem Wirte Anlaß gegeben haben , mir seine Liebe zur Barmherzigkeit anzupreisen ? -
Ich nicht - Kein Mensch nicht - Aber was war es ? -
Setzt einen Schelm in die Notwendigkeit , die Ehrlichkeit zu rühmen :
ich wette , er versichert euch mit Hand und Mund - und wenn ihn die Natur nur mittelmäßig weich geschaffen hat , mit Tränen , daß er der ehrlichste Kerl ist - Aber sagt einmal , was sollte ich dem Wirte auf die Versicherungen seiner Barmherzigkeit antworten ?
Sollte ich ihn in der guten Meinung , die er von sich selbst hatte , bestärken ? -
so bestärkte ich ihn in dem allergröbsten Irrtume - denn seine Barmherzigkeit war - leider ! - die Barmherzigkeit der großen Welt - ein karges , seltenes und fühlloses Almosengeben -
Oder sollte ich ihm seine süße Selbstzufriedenheit durch die bittere Wahrheit vergällen , daß er allerdings unbarmherzig wäre ?
Sagt welches von beiden hätte ich tun sollen ?
- " Keines , Nun so habe ich eurem Rate gefolgt , obne ihn zu wissen - welches , im Vorbeigehen , ein Beweis unserer Übereinstimmung im Urteilen und folglich auch ein Unterpfand des starken Abgangs meiner Reisen ist - -
Ich stellte mich nämlich gegen meinen Wirt , als könnte ich von meiner Gesellschaft nicht einen Augenblick wegbleiben - sagte weder ja noch Nein und ging wieder ins Zimmer zurück - -
Und nie war ich in einer Gesellschaft - weder in einer gelehrten , noch ungelehrten - weder in einer männlichen noch weiblichen - so fröhlich , so heiter , als in dieser Gesellschaft von Kindern -
Ich will euch dieses nicht durch Detailliren beweisen :
aber ich will , daß ihr es mir auf mein Wort glauben sollt - Parbleu , sagte ein Franzose , neben den ich unglücklicherweise auf einem Kofferhause zu sitzen kam - Parbleu , sagte er , indem er mit derjenigen allerliebst nachlässigen Manier , die seiner Nation eigen ist , die Charten in die Hand nahm , und sie mischte - c'est pour crever de rire -
Es ist zum totlachen - Und was denn , um Vergebung ? - fragte ich ihn nach einer Minute - nicht aus Neugier , sondern aus bloßer Höflichkeit , weil kein anderer von der Gesellschaft sich die Mühe gab , ihn darum zu fragen - Ich hätte es denken können , daß darunter irgend ein Geheimnis stecken müßte -
denn selten bleibt ein Deutscher einem Franzosen eine Antwort schuldig - Ce que c'est , sagte er - was es ist ? -
Sans doute - mais ques dies je ? -
Peutetre Monsieur aura l4 le Cadre 14 . de J Evangile selon §. Lucas - Sie werden ohne Zweifel - Doch was sage ich ? -
Sie werden vielleicht das vierzehnte Kapitel im Evangelio Luke gelesen haben -
Ein ganzer Strom von Unwillen quoll aus dem Innersten meines Herzens empor - ergoß sich in alle Adern und trieb mein wallendes Blut nach dem Ufer des Gesichtes - aber wenn bekümmert sich wohl ein Franzose um eine Mine , außer der Seinigen ? -
Savez Fous bien ce qui est dit dans le verset 13. - Wissen Sie wohl , was im dreizehnten Verse steht ? -
Ich gab ihm in der Hitze zur Antwort , daß ich kein Französisch verstünde - Seroit il bien possible - Ist es möglich , sagte er ? -
Mais n' Importe -
Aber das tut nichts - Wenn Monsieur nicht parlieren Francois , ik parlieren deutsch -
O geben Sie sich keine Mühe , sagte ich - Warum nicht , sagte er ? -
Is kein Mühe - mais nous nous egarons - aber wir kommen von unserer Materie ab - Aben sie gelesen , daß Menschen - Eb , comment , appelle cela - mit die lahme Fuß - mit die große Rücken - mit die verschlossen Ohren - sollen speisen a ma table ? -
Aben sie gelesen das - sans e. ter de rire - ohne überlaut zu lachen ?
Hier erpob er ein unsinniges Gelächter - So hatte ich mich denn also , ohne es zu wissen , mit einem Freigeiste , und was noch ärger ist - mit einem Französischen Freigeiste ins Gespräch eingelassen -
Die ganze Gesellschaft , die mich über sein sans doute und peutt ädre hatte unwillig werden sehen , schien von mir zu erwarten , daß ich ihn abfertigen würde - und mir stillschweigend die Kommission aufzutragen , daß ich es tun sollte - Aber zu dergleichen Abfertigungen bin ich der ungeschickteste Mensch auf Erden !
Gleichwohl mußte etwas gesagt sein -
Ja , mein Herr , gab ich ihm zur Antwort - sans eclater de rire !
En verite , in Wahrheit sagte er ? -
Je vous le jure - Ich schwöre es Ihnen , gab ich ihm zur Antwort , indem ich meine Hand auf die Brust legte - Die ernsthafte Mine , die ich dazu machte , und die ich dem Franzosen so schnurgerade entgegen hielt , daß er sie bemerken mußte , brachte ihm einigermaßen aus seinem Übergewichte des Lachens -
Ohne dieses würde ich mich wohl in Acht genommen ha ben , eine Erläuterung meines Je Vous le jure hinzuzusetzen - -
Et quand meme , fuhr ich fort , ce ne seroit pas en plaisr divin de faire au bien - et quand meme Asemblee , dont vous aver parle , ne nous feron pas serieusement reftechir sur nous - meme : je la prefererois pourtant à celle des esprits forts - und wenn es auch kein göttliches Vergnügen wäre , wohlzutun - und wenn auch die Gesellschaft , von der sie reden , uns nicht zu dem ernsthaftesten Nachdenken über uns selbst Anlaß gäbe :
so würde ich sie doch allemal eine Gesellschaft von Freigeistern vorziehen - Der Franzose nahm stillschweigend seine Zuflucht zu den Charten - Vous convienarez , fuhr ich fort , que la vertu et la bienseance y trouveroient mieur son compte - Sie werden mir zugeben , daß Tugend und Wohlstand sich besser dabei befinden würden -
Ab , que vous etes serieux , Monsieur ? -
O wie ernsthaft sind Sie - unterbrach mich der Frauzoß - Plle à Dieu , que vous le Fußer plus Sauvene - Wollte der Himmel , daß Sie es öfter wären , sagte ich - Diene m' en garde - Davor bewahre mich der Himmel , versetzte er - le ferieux me feroie perare l' enjouement de mon esprit , qui fait mon bonbeur et celui de ma Nation - Die Ernsthaftigkeit würde mich nur um meine Lustigkeit bringen - und diese ist mein und meiner Nation GlükPoine du tout , Monsteur ! - Keineswegs , sagte ich -
Moi , qui vous parois H serieux , je vous donne ma perole , que , ai presque passe t 6ute ma vie en riant - Ich , der ich Ihnen so ernsthaft zu sein scheine , gebe Ihnen mein Wort , daß ich fast mein ganzes Leben hindurch gelacht habe - Faisons voir , qui de nous aeur - Lassen Sie einmal sehen , wer von uns beiden - Hier nahm ich die Charte - zog meine Börse heraus - der Franzose war über und über bekehrt - Ob mich aber strenge Sittenlehrer dafür halten werden , das ist eine andere Frage !
" Und was will der Franzose hier ?
, Ach ! lieben Leser ! -
Verzeiht es mir ! -
Bloß durch meine Unachtsamkeit hat sich die Unterredung zwischen mir und dem Franzosen am unrechten Orte eingeschlichen - Sie sollte eigentlich in den Gesprächen mit den Freigeistern ihren Platz bekommen , die ich auf meinen Reisen sammeln werde -
Doch ein Versehen ist in einem Buche , wie das meinige , kein Versehen ! Habe ich in dem ersten Teile meiner Reisen Leser und Kunstrichter dahin gebracht , einen der allergröbsten Widersprüche zu übersehen , den je ein Autor in der Erzählung seiner Familienumstände begangen hat :
so will ich es gewiß in dem zweiten Teile , wo nicht noch ärger -
doch gewiß nicht um ein Haar besser machen .
Die Leckerbissen meiner Reisen - Die Vorrede - ist meine Magne Charta - Unter ihrem Schutze kann ich , ohne allen Scheu , Fehler auf Fehler , Unordnung auf Unordnung häufen - und den möchte ich sehen , der Herz genug hätte , eine Magna Charta aufheben zu wollen !
Überdem - Heißt nicht die Überschrift zu dem gegenwärtigen Kapitel , oder Abschnitte , oder Mischmasch , oder wie man es sonst nennen will - Heißt sie nicht , Bigotterien ?
Und läßt sich wohl eine bigottere Antwort denken , als diejenige war , die ich meinem Deutschparlierenden Herrn gab ? -
Jedoch , ut oratio mea redeat , und - O küssenswürdiger Cicero !
Wie viel Dank im ich dir für diesen Tröster in allen Nöten der Ausschweifung schuldig !
Wie weit hatte ich mich nicht von der Gesellschaft meiner armen Knaben und Mädchen verirrt ; aber durch dieses herrliche Kommandowort denke ich eben so geschwind wieder nach Hause zu kommen , als eine Kugel in die Köpfe der Feinde durch Tann - Tapp - Feuer !
- Das erste , was mir bei meinem Eintritte in das zimmer einfällt , ist eine Frage - die zwar in ein gaukelhaftes Buch , wie das meinige hin und wieder ist , nicht gehört - die aber doch bigott genug ist , um in gegenwärtigem Kapitel ein Plätzchen zu finden - -
Was mag doch der Welt im Kopfe stecken , daß sie durchaus den so deutlichen Befehl Gottes von den Gastgeboten nicht verstehen will ?
Oder der französischen Welt - daß sie über einen so wohltätigen , liebreichen , gütigen Befehl für Lachen bersten will ? -
Doch was wird ihr im Kopfe stecken ?
Nichts - durchaus nichts - Das ist eben nicht ihr Fehler , daß ihr viel im Kopfe steckt - Aber im Herzen ? -
Desto_mehr !
Hier schaudert ein angewöhnter , vornehmer Ekel - auf den ich in dem ersten Teile meiner Reisen schon geschimpft habe , auf den ich jetzt von neuem schimpfe und stets schimpfen werde , so lange ich nur noch die Hand und Zunge rühren kann -
Hier schaudert er vor dem bloßen Namen eines Armen - und er sinkt in Ohnmacht , wenn er einen Krüppel nennen hört - Dort tritt der Stolz auf die zehn , wirft Kopf und Nase hochmütig in die Höhe - Ich , sagt er - Ich , so wie ich hier gebe und stehe , sollte mich mit den Armen an eine Tafel - Weg scheußlicher Gedanke !
Du erniedrigst mich bis zum Wurme -
Hier ächzt die Menschenfurcht und windet sich so krumm und enge in einander , wie ein Knaul Bindfaden - Ach , seufzt sie , was würde die Welt von mir urteilen , wenn ich eine so biblische Gasteren anstellen wollte ? -
Dort sperrt die Unbarmherzigkeit ihren verruchten Rachen weit auf und lässt aus ihm ein betäubendes Gelächter erschallen -
Ja , sagt sie -
Ich will euch bitten lassen -
Ich will euch traktieren - mit soviel Stockschlägen , als euch selbst belieben wird - O Welt !
O Welt !
Ich möchte über dich weinen :
aber ich bin zu böse auf dich , als daß ich weinen könnte - - Kostet es denn so sehr viel Überwindung , sich mit einem armen ausgehungerten Seinesgleichen an einen Tisch zu setzen - ihm einen Magenvoll Speise und Trank zu gönnen - ihn eben so satt zu füttern , wie man oft genug seinen Hund , seine Katze , seine Hühner , seine Gänse , seinen Star und alle sein übriges Vieh füttert ? - - O wenn ihr es mir doch glauben wolltet , was ich euch schon gesagt habe , daß ich nie in einer Gesellschaft so fröhlich und so heiter gewesen bin , als in der Gesellschaft von armen , zerlumpten Kindern , die ich auf meinem zimmer beisammen hatte - Freilich trug meine Mutter sehr viel dazu bei - Es war bis zum Entzücken schön , wie sie mit Kindern umzugehen wußte - Sie wußte ihre Liebe , ihr ganzes Vertrauen auf eine solche Art zu gewinnen , daß die Hälfte davon bei ihrem Abschiede bittere Tränen vergoß - - Lest nun getrost weiter , meine unbigotten Herren Leser !
Meine Bigotterien , wenigstens das eigene Kapitel davon , sind nun zu Ende .
Ein Handgemenge zwischen Freude und Traurigkeit .
Kaum war ich mit meiner Mutter eine Stunde allein gewesen , so kam - Ratet einmal wer ? -
Meine Nachbarin im Komödienhause - Ich wünschte , daß ich nicht allemal vier Worte nötig hätte , um sie zu nennen :
aber was kann ich dafür , daß ihr und meiner kleinen Naiven Nahme schon in einem Romane und in einer Operette so verschönert ist , daß ich es nicht wagen darf , ihn zu nennen , ohne euch in Versuchung zu führen , meine Reisen wegzulegen und die Namen Hannchen und Clementine anderswo aufzusuchen ?
Indessen geduldet euch nur noch eine kleine Weile - Ich will zusehen , wie ich meiner lieben Nachbarin zu einem anderen Namen , als Hannchen helfe , der aber doch nicht über einen Buchstaben länger sein soll , als Hannchen - zu einer jeden anderen Zeit würde ich meine Nachbarin mit Freuden auf meinem Zimmer empfangen haben : allein für diesmal konnte ich es schlechterdings nicht - Sobald ich sie erblickte , fiel es mir auch ein , daß sie mir von meiner kleinen Naiven und von dem Entschluss ihrer Eltern Nachricht bringen würde - und von den letzteren ahndete mir nichts Gutes - Ich wurde blaß - Selbst die neugierig frohe Mine , die sie auf meine Mutter warf , vermochte nichts über mich - Sagen Sie nur , rief ich ihr gleich entgegen , was ich zu fürchten oder zu hoffen habe - Sagen Sie nur geschwind -
Das gute Mädchen sah betrübt aus - und ich wurde es auf der Stelle - bis zum Weinen -
Ich habe einen Brief an Sie , sagte meine Nachbarin - Geben Sie her , sagte ich - Geben Sie her - Mein Herz hat mir alles geweissagt - Meine Gebieterin , sagte sie , vergoß Tränen , als sie ihn schrieb -
Das sei dem Himmel geklagt , sagte ich - und eilte mit dem Briefe nach dem Fenster , da sich indessen meine Nachbarin an meine Mutter machte und mit ihr ein leises Gespräch anfing - Hier ist der Brief ! -
Doch nein - Hier ist er noch nicht - Erst muß ich noch etwas beratschlagen - etwas ausrechnen - etwas nachschlagen - etwas erfinden und etwas versichern - wiewohl ich vorhersehe , daß man mir das letztere Etwas - trotz des guten Geruchs von Offenherzigkeit , in dem ich bei meinen Lesern stehe - nicht glauben wird -
Ich muß beratschlagen , wie ich mitten im Abschreiben des versprochenen Briefes meine Ausschweifungssucht befriedigen kann -
Im ersten Teile meiner Reisen ließ mir meine Laune noch so viel Herrschaft über mich , daß ich drei Briefe hinter einander abschreiben konnte , ohne mich selbst zu unterbrechen - Das hat nun ein Ende - Ungeduld und Langeweile würden mich mit glühenden Zangen zwicken , wenn ich den langen Brief meiner lieben Naiven Wort für Wort abschreiben - und nicht wenigstens halbe Seite für halbe Seite einen meiner Einfälle einstreuen sollte .
Da ich aber weiß , daß das ewige Überhüpfen von Brief auf Einfall , von Einfall auf Brief , eine Unbequemlichkeit im Lesen ist , die durch nichts auf der Welt ersetzt werden kann , als durch die Güte der Einfälle : so muß ich ausrechnen , wie viele von meinen Lesern wohl die gedachte Unbequemlichkeit ohne Murren über sich nehmen dürften - wie viele mir einen oder den anderen verunglückten Einfall zu gute halten dürften - zu dem Ende muß ich meinen Tristram Shandy nachschlagen und mich selbst untersuchen , was ich fühle , wenn yorik von der ernsthaftesten Sache von der Welt auf die lächerlichste - von der traurigsten auf die lustigste übergeht -
Und weil ich meinen Tristram eben nicht bei der Hand habe , so muß ich dieses und jenes - kurz alles selbst erfinden - Und dieses Erfinden kostet meinem Kopfe so viel Anstrengung , wie ich offenherzig versichern kann , daß schon ein ganzes Bataillon Kopfschmerzen in vollem Anmarsche ist - Doch das ist ein Etwas , was mir meine Leser leicht glauben würden - Schwache Köpfe , würden sie vielleicht sagen , dürfen nur zwei Ideen mit einander verknüpfen , so ist der Schwindel schon da - Stadt dessen versichre ich also , daß ich meine Einfälle zwischen den Brief der kleinen Naiven nicht etwan darum einstreuen will , damit der zweite Teil meiner Reisen allmählich zu der Länge des ersten anwachsen soll - Point du tout ! -
Aber das glaubt mir gewiß kein Mensch - wenigstens keiner vom Handwerke - als Onkle Tobias oder eines von seinen echten Kindern - Mein lieber kleiner S**- Ich bin ein unglückliches Mädchen und wenn es wahr ist , was Sie mir heute gesagt haben , daß Sie der glücklichste Mensch auf Erden sein würden , wenn ich Ihr Weibchen würde - Wenn das wahr ist , mein lieber ! so bist Du auch unglücklich - eben so unglücklich , wie ich .
( Als ich den Ansang dieses Briefes ein , zwei , dreimal laß , so ließ mich meine Betrübnis den Schatz nicht finden , der darin lag : allein beim vierten , fünften Lesen spielte er mir , wie ein Diamant in die Augen - Bemerkt ihr nicht den sanften , naiven , unnachahmlichen Übergang von Sie zu Du und seht ihr nicht , daß dieser Übergang eine unwiderlegliche Bestätigung der Theorie ist , die ich euch von Ihr , Er , Sie , Du und Sie gegeben habe ? -
Holla , meine geehrtesten Herrn Hypothesenmacher !
Ich forder Sie allesamt heraus -
Doch einem !
Bleiben Sie und hören Sie , ohne sich von der Stelle zu bewegen , meinen wohlgemeinten Rat - Wenn Sie wollen , daß Ihre Hypothesen ohne allen Widerspruch passieren sollen , so schaffen Sie sich nur unter dem schönen Geschlecht eine oder die andere Sekundantin an - Ich wette , die Hypothese wird auf der Stelle zur Wahrheit .
) Mein armer Kopf ist mir ganz zerschlagen und mein Herz ganz beklemmt , seitdem ich das zimmer meiner Eltern verlassen habe - O wenn Sie es nur wissen sollten , meine besten Eltern !
Wenn es Ihnen nur jemand sagte , wie wehe Sie ihrer einzigen Tochter getan haben :
Es würde Sie gewiß reuen , daß Sie mir zum erstenmal in meinem Leben ein so finster Gesicht gemacht haben !
Oder meinst du , daß ich es Ihnen selber sagen soll ? -
Doch nein - Das kannst du nicht meinen - Du hast eben das feine , zarte Gefühl , das ich habe - Nicht wahr , ich muß mich stellen , als ob mich Ihr schmerzerregendes Betragen gegen mich nicht schmerzte - ich darf nur auf meinem zimmer seufzen und weinen , nicht auf dem Ihrigen - ich muß bei allem , was Sie mir , ihrer Tochter , befehlen , eine ruhige Mine machen und meinem widerspenstigen Herzen gebieten - Nicht wahr , lieber kleiner S*** ?
( Eben fällt mir eine Anekdote vom Selbstlobe bei , die ich als eine Rote zu den Worten :
" Du hast eben das seine , zarte Gefühl , das ich habe , , ausche , und die in ihrer Art immer so gut sein mag , als irgend eine , die Immanuel Sincerus zu des Cicero oder Plinius Briesen gemacht hat - Sich selbst loben ist in manchen Fällen eine Art von Appellation an die letzte Instanz , wodurch man den Prozeß gewinnt und in diesen Fällen ist das Selbstlob nicht nur erlaubt sondern es ist sogar eine Sünde wider die Prozeßordnung , wenn man es unterläßt - Beiläufig will ich nur allen meinen Lesern vermelden , daß ich gesonnen und gewillt bin , die Kapitel von Knopflöchern , von dem rechten und linken Ende eines Frauenzimmers und mehrere noch , die Tristram Shandy der Welt schuldig geblieben ist , in diesem zweiten Teile meiner Reisen , zu ihrem Nutzen und zu ihrer Erbauung , in ihr gehöriges Tristrammisches Licht zu setzen - Es werden auch nach und nach verschiedene höchst erhebliche Kapitel von meiner eigenen Erfindung hervortreten - Ein Kapitel über die roten und schwarzen Röcke - Ein Kapitel über die Verbindung der Theologie mit Schwarz - Eines über die - Erst muß ich Atem holen - Europäischenfrauenzimmerschuhabsäze , und bei dieser Gelegenheit auch ein halbes über die Schuhsolen - Eines und das ein rechtes über meinen Namen , und wenn nur Klima und Staatsverfassung und Alter und Sprache und Bedürfnis und alles , was auf die Laune Einfluß hat , gerade zu der Zeit , wenn ich es schreiben werde , ordentlich temperiert sind , so denke ich immer , es soll ein Kapitel herauskommen , wofür sich selbst meine Vorrede verkriechen muß .
) Aber das wird mir jetzt , zum erstenmal , schwer -
Ich habe sonst immer gern gehorchet , aber ach ! -
O hätte ich Dir nur nichts gesagt !
Ja , ja - Das wäre das beste gewesen - Doch es ist mir um das Herz , als ob Dir dieser Wunsch wehe tun würde !
Nun so sei er auf der Stelle widerrufen ! -
Wenn ich nur erst ins Erzählen kommen könnte ! -
Auch dachte , das Schreiben sollte mir besser von den Fingern gehen , als das Erzählen vom Munde - sonst hätte ich Dich zu mir rufen lassen - aber ich merke wohl , es ist eins so gut , wie das andere ? - -
Als du mich verlassen hattest , so zog ich mich ganz allerliebst , ganz zum Bezaubern an .
Ich weiß selbst nicht , warum ich es tat : aber das sollte ich fast nicht denken , daß es bloß um meiner Eltern Willen geschehen wäre .
Seit dem Du das zimmer verlassen hattest , schien es mir , daß ich eine weit stärkere Neigung zur Eitelkeit und eine weit stärkere Begierde zu gefallen hätte , als sonst -
( Garstiges Mädchen , wird hier ein strenger Sittenlehrer ausrufen und die Augen unwillig von dem Blatte wegwenden - Ist das deine Unschuld , deine Tugend , deine Naivetät ? - -
Ja , Herr Storker ! das ist sie - das ist die Unschuld , die Tugend , die Naivetät fünfzehnjähriger Mädchen - Gefällt sie ihnen nicht , so rührt es bloß daher , daß ihnen überhaupt das ganze menschliche Geschlecht ein garstiges , vermaladeytes Lumpengesindel zu sein scheint - weil es das Unglück hat , kein Engelsgeschlecht zu sein -
Ich für meine Person gebe hiermit dem ganzen weiblichen Geschlecht mein Wort , daß ich ihre Eitelkeit , ihre kleinen Coquetterien , ihre Liebe zu Kleinigkeiten , ihre Plandersucht und mehr andere sogenannte weibliche Schwachheiten für natürliche Tugenden halte , die im ganzen , wo nicht mehr wert sind , doch gewiß weniger Schaden anrichten , als unsere männlichen Talente - und wenn mir Mesdames und Mesdemviselles versprechen könnten , daß Sie diesen Ihren Schwachheiten gerade an dem Orte das Ziel sicken wollten , wo es hingehört - daß Sie zwischen Eitelkeit und Kleiderstolz , zwischen kleinen Coquetterien und großen Coquetterien , zwischen Liebe zu Kleinigkeiten und Verachtung von Wichtigkeiten , zwischen Plandersucht und Verleumdungssucht u. s. w. eine unübersteigliche und undurchdringliche Mauer aufrichten wollten . Wissen Sie , was ich da tun wollte ?
Ich zerrisse das beste Manuskript von meinen Reisen in Stücken - verbrennte alle Projekte , die ich zu einer ganzen Karawane von Bänden liegen habe - meine philosophischen Untersuchungen - meine Heterotoxin , welche verdienten Orthodozien zu werden - meine Reden an Freigeister - meine Predigten an Prediger - kurz alles verbrennte ich - legte mein Ämtchen nieder und würde - und als solcher hörte ich nicht eher auf zu schreiben , bis ich die beiden Worte :
Weibliche Schwachheiten aus der Welt ausgerottet hätte .
) Sekretarius perpetuus generis foeminini Beständiger Sekretär des weiblichen Geschlechts Schwachheiten aus der Welt ausgerottet hätte .
) Ich ging mit Erröten und Herzklopfen in das zimmer meiner Eltern - Warum errötest du , sagte ich zu mir selbst ?
Du hast ja nichts Böses getan !
Du liebst nur ! -
Aber mein Sagen half nichts - Ich wollte darauf studieren , wie ich meinen Antrag mit Manier herumbongen wollte - Wie willst du deine Sache anstellen ? fragte ich mich selbst - Willst du alles gerade heraussahnen , oder willst du erst deine Eltern ein wenig ausforschen ? -
Aber mein Fragen half nichts - Mein Papa schrieb - Meine Mama stifte - Ich machte Ihnen beiden eine tiefe verschämte Verbeugung - Sie nahmen sie beide mit ihrer gewöhnlichen Güte auf - Das hätte mir Mut machen sollen : aber es machte mich nur noch verzagter -
Ich sehe dir_es an , meine Tochter ! sagte mein Papa zu mir - Du hast eine Bitte an uns - Rede frei !
Was willst du ? -
Mein Herz wollte aus dem Busen springen , als er dieses sagte - So albern habe ich mich noch nie aufgeführt !
Gewiß es mußte Ahnung sein ! -
( wieder eine Hypothese bestätigt ! -
Denn ihr müßt wissen , lieben Leser ! daß ich ein eifriger Verteidiger der Ahnungen bin - besonders der Ahnungen , die die Autoren und Liebenden empfinden - Mir ahndet eine jede Rezension meiner Reisen eben so gut , als das Verlangen meiner Geliebten , mir etwas dringendes zu sagen - und was das unglaublichste ist , so ahndet es mir , ohne ein Bündnis mit dem Beelzebub zu haben !
) Ja , sagte ich - Liebster Papa !
Ich habe eine große Bitte an Sie - Ich weiß nicht , ob ich mir Hoffnung machen darf , daß Sie sie - Ja , das kannst du , fiel mir mein Papa freundlich ins Wort - Wenn hast du wohl einmal eine Fehlbitte getan , fragte mich meine Mama ? -
Ich küßte ihr die Hand - Ich - Ich - fing ich an zu stammeln , Ich - bin - verliebt - Das Wort war gesagt und ich mußte es nun darauf ankommen lassen , was es für Wirkungen hervorbringen wurde - Verliebt , fragten mein Papa und meine Mama zu gleicher Zeit - Schon so früh , setzte mein Papa hinzu -
In wen denn , setzte meine Mama hinzu - Ich hörte bloß das letzte - Sie kennen ihn , sagte ich - Sie sind ihm auch gewogen - Doch wohl nicht in den Fremden , sagte sie mit einem Tone , der mich zum Leugnen würde verführt haben , wenn ich gegen eine Mutter leugnen könnte : aber es mußte heraus - .
Ja , sagte ich , liebe Mama , in den Fremden - Es entfuhr mir so von ungefähr , daß ich ihn liebte - Er war für Freuden außer sich -
Hier verstummte ich vor einem strafenden Blicke , den mir mein Papa zuwarf und der unmittelbar von mir auf meine Mama überging - Verzeihen Sie , sagte ich endlich nach einem Stillschweigen von einigen Minuten - Verzeihen Sie Ihrer Tochter , wenn sie ohne ihr Wissen - Laß uns einen Augenblick allein , sagte mein Papa - Ich gehorchte und ging : aber der Himmel weiß , mit welcher Unruhe meines Herzens - Jetzt war es mir unmöglich , mich des Wunsches zu enthalten , daß ich weder Dir noch meinen Eltern etwas von meiner Neigung möchte entdeckt haben -
( Und mir , als ich diese Stelle laß , war es eben falls unmöglich , mich einiger Injurien auf das grausame Schicksal zu enthalten - Ich ging in der Hitze des Affekts einigemal in dem Zimmer auf und nieder - gab weder auf meine Mutter noch auf meine Nachbarin im Komödienhause Acht und eilte wider ans Fenster , um weiter zu lesen .
) Kaum hatte ich die Türe hinter mir zugemacht , so hörte ich , daß meine Eltern mit einander ziemlich lebhaft zu sprechen anfingen - und ohne zu untersuchen , ob es recht oder Unrecht wäre , schlich ich mich in das Nebenzimmer und horchte - War ich nicht gleich anfänglich dawider , so hörte ich meinen Papa sagen : aber Deine übertriebene Zärtlichkeit wollte keinen guten Rat , keine Warnung annehmen - Der Fremde sollte und mußte mit unserer Tochter umgehen - Verschone mich , sagte meine Mama mit schmeichelnder Stimme - Verschone mich mit unverdienten Vorwürfen , mein bester Gemahl !
Hätte ich vorhergesehen -
Aber , mein Gott ! fiel ihr mein Papa verdrießlich ins Wort - Das konnte ja ein Kind vorher sehen -
Meine Mama schwieg und die brennenden Pfeile , die ihre Seele durchbohrten , durchbohrten auch die meinige - Ich flog in das zimmer meiner Eltern , warf mich ihnen zu Fuße , weinte , schluchzte - Vergeben Sie mir , rief ich - Vergeben Sie Ihrer Tochter -
Ich will Sie nicht durch eine Liebe kränken , die Sie nicht billigen wollen - Ich opfere mich Ihnen gänzlich auf - Bin ich Ihnen wohl jemals ungehorsam gewesen ?
Nein , das bin ich nie gewesen , ich will es auch nicht sein - Befehlen Sie nur -
Ich stehe Ihnen für mich und für meinen Freund - -
Ich redete noch viel dergleichen , als mich meine bestürzten Eltern aufhoben - Gutes Kind , sagte meine Mama , indem sie ihre betrennten Augen an meine Wangen drückte :
Ich habe dir nichts zu verzeihen - Du hast nichts Böses getan - Setze dich nieder , liebe Tochter ! sagte mein Papa - Ich habe dir viel zu sagen - -
O wie viel hat er mir gesagt , mein rechtschaffener Vater !
Wie viel wohlgemeintes von seiner Seite :
aber wie viel unglückliches für mich und Dich !
Er hat mich für den Sohn eines seiner rechtschaffensten Freunde bestimmt , der sich jetzt auf Reisen befindet und vielleicht bald zurückkommen wird - Du hast ihn nur gesehen , so sagte er zu mir :
aber ich kenne ihn - Er nahm ein Herz voll edler Grundsätze mit auf Reisen und ich denke , er soll es noch edler mit zurückbringen - Wäre ich auch nur dein Freund , nicht dein Vater , so würde ich dir den Rat geben müssen , seine Zurückkunft abzuwarten - Was sollte ich sagen , mein lieber , liebster S*** ? -
Ich dankte meinem Vater für seine kindliche Vorsorge und versprach ihm in aller Absicht Gehorsam -
Aber , sagte ich , indem ich die Türe fahren ließ , die ich bereits in der Hand hatte , und noch einmal zu meinem Papa hinging -
Aber werden Sie mir auch wohl erlauben , daß ich den unschuldigen Umgang mit meinem Freunde fortsetzen darf ? -
Wenn du darauf bestehst , sagte mein Papa :
Ja !
Wenn du aber bedenkst , für wen du bestimmt bist - wie sehr du Ursache hast , dein Herz von seinem Gegenstande loszureissen und - Also muß ich aufhören , ihn zu lieben , fiel ich meinem Papa ins Wort ?
Ganz aufhören ?
Das werde ich wohl nicht können , lieber Papa - Bedenken Sie nur , er liebt mich und das von Herzen - Wie würde es ihm nicht wehe tun , wenn ich jetzt zu ihm sagte : Gehen Sie !
Ich habe nichts mehr mit Ihnen zu schaffen !
Ich bin eines anderen !
Ich kenne ihn zwar noch nicht : aber - gehen Sie ! -
Ich glaube gewiß , er weinte , wie ein Kind , wenn er das mit anhören sollte - und wenn ich ihn weinen sähe , Papa !
dann wäre es vollends nichts -
Dann wischt ich ihm seine Tränen ab , küßte ihn - Mädchen , sagte Papa - Bald bringst du dich um den guten Ruf der Unschuld , in dem du immer bei mir gestanden hast und deinen Fremden werde ich bald - für einen jungen liebenswürdigen Verführer halten müssen - Vergib mir , mein bester Freund !
Wenn ich durch das Vorurteil des väterlichen Ansehens hingerissen einem entfernten Zweifel Raum ließe , ob nicht Dein ganzes Betragen gegen mich ein Meisterstück der Heuchelei und Verführung sei - Der Zweifel verschwand noch in eben dem Augenblicke , in dem er so schwarz , wie das Nichts , in meiner Seele aufstieg - Halten Sie , lieber Papa , sagte ich - Sie tun meinem Freunde Unrecht - Ich leugne es nicht , er hat mich geküßt , ich habe ihn geküßt :
aber wir haben uns so geküßt , daß wenn die Keuschheit selbst unsere unsichtbare Zeugin gewesen wäre , so würde sie sich für Freuden sichtbar gemacht und uns alle beide selbst geküßt haben - Unsere Liebe war - ( ich verbesserte mich geschwind und sagte anstatt war :
) ist auch gar nicht die Liebe , von der in Romanen so viel gutes und schlechtes gesagt wird -
Es ist bloß ein hoher Grad der allgemeinen Menschenliebe - Da ich keinen Bruder habe , so finde ich ein Vergnügen daran , meinen Freund als meinen Bruder zu lieben , und da er keine Schwester hat , so sieht er mich dafür an -
Ist dann das etwas Böses ? - Mädchen , Mädchen , sagte mein Papa : Du bist ein spitzfindiger Advokat - Dein Herz ist verloren und vielleicht wird es nie wider dein eigen - Sie irren sich , Papa , sagte ich :
Ich will Ihnen zeigen , daß eine Liebe , wie die meinige , sich allen Pflichten , ohne Ausnahme unterwirft und ihnen ganz aus dem Wege geht , wenn sie sich mit ihnen nicht vertragen kann -
Ich will meinem Freunde alles entdecken -
Ich will ihm befehlen Leipzig morgen noch zu verlassen , wenn seine Liebe gegen mich von der ungestümen , stürmischen Art ist - Ist sie aber von der sanften , friedfertigen Art , von der die meinige ist , so mag er mich immer besuchen , so lange er noch bei uns ist -
Ich will mich doch wohl in seinen Abschied zu finden wissen - Erlauben Sie , daß ich gleich an ihn schreibe - Gehe nur , sagte mein Papa - Das ist ein gefährliches Mädchen , hörte ich ihn noch sagen , als ich schon zum Zimmer heraus war - Lieber zwei Söhne , als eine Tochter !
Seit diesem Augenblicke , lieber S** " Sitze ich noch auf einer Stelle und schreibe an Dich .
Eigentlich sollte ich den ganzen Brief meinen Eltern zeigen :
aber für diesmal , denke ich , wird es wohl nicht angehen -
Ich werde mein Mädchen in aller Stille damit abfertigen : aber erst muß ich Dir noch mein ganzes Herz entdecken , und wenn ich Dir nur einen halben Gedanken verhehle , so strafe mich !
Ich liebe Dich , mein lieber S "-- und hinge es bloß von mir ab , so glaube mir , daß ich dein Ehebette allen anderen auf Erden vorziehen würde :
aber ich liebe auch meinen Papa und meine Mama - Und wäre das größte Glück auf Erden der Preis für den allerkleinsten Ungehorsam gegen ihn und sie , so würde ich es verschmähen .
Der Vorschlag ist ernsthaft - Mein Papa versteht sich gewiß auf Tugend und Verdienst - Er würde nie den Sohn seines Freundes für den seinigen erkennen , wenn er nicht beides besäße .
Ich muß also seiner Zurückkunft , seiner Anwerbung , kurz allem muß ich stille halten , was über mich beschlossen ist und ich gebe Dir also nicht die geringste Hoffnung - Welch einen schmerzlichen Stich gab mir_es nicht ans Herz , als ich dieses letztere Wort schrieb ! -
Nicht die geringste Hoffnung ! -
Ja , lieber Bruder !
Wenn Du sie zu Deiner Zufriedenheit nicht bedarfst , so gebe ich Dir nicht die geringste : aber wenn Du - zum Unglück - Ach !
ich weiß selbst nicht , was ich schreibe - Wenn Du vielleicht dieser Hoffnung bedurftest oder mit der geringen zufrieden sein wolltest , die ich Dir geben kann - oder wenn der Jüngling , den mein Vater für mich bestimmt , gar nicht zurückkäme - oder mich nicht haben wollte - oder wenn ihn Frankreich verdorben hätte , liebster a *** die Freude will mich ersticken !
- Aber ach !
Was für ein schwaches Geschöpf bin ich !
So fest entschlossen , meine Liebe zu Dir meiner Pflicht aufzuopfern , gebe ich Dir auf Kosten meines mir bestimmten Gatten Hoffnung , mich zu besitzen - O komme meiner Schwachheit zu Hilfe , mein Freund !
Du bist ja ein Mann !
Ich bin nur ein Weib !
Sage nur , was ich tun soll - Sage mir , daß Du mich noch liebst - Sprich mit meinen Eltern - Ich bin ein unglückliches Mädchen Verdammter Unterschied , sagte ich , indem ich den mir so teuren Brief auf die Erde werfen wollte , aber mitten im Ausholen mich anders entschloß und ihn in die Tasche steckte - Verdammter Unterschied , den das stolze Geschlecht der Männer ausgesonnen hat !
Du bist ein Mann - Ich bin nur ein Weib !
Der Himmel weiß es , rief ich aus , indem ich mir kalten Schweiß vom Gesichte wischte - Heute noch will ich den un erträglichen Namen Mann für sechs lumpige Pfennige verkaufen , wenn er mir Pflichten auflegt , zu denen ich zu schwach bin - Du bist ein Mann !
Ja ich bin es - aber ich bin ein solcher , der eine rechtmässige Liebe nicht aufgeben kann , nicht aufgeben will und wenn sich ihr Himmel und Erde widersetzte - Hier steckte ich meinen Degen an , nahm den Stock in die Hand , den Hut unter den Arm - Ich warf nur einen flüchtigen Blick auf meine Mutter und auf meine Nachbarin im Komödienhause - Sie hatten sich auf das herzlichste umarmt und weinten beide aus vollen Augen - Dies war genug , mich noch einen Augenblick aufzuhalten - Nun , sagte ich , liebste Mutter , willst Du mich nicht auch an Deinen Schmerzen Anteil nehmen lassen - Doch nein - jetzt kann ich nicht - ich bin zu unglücklich , zu ärgerlich - Jetzt kann ich über kein Unglück auf der Welt weinen - Meine Mutter wendete ihre nassen Augen gegen mich und jetzt sah ich deutlich , daß sie Freudentränen geweint hatte -
Was ist das , sagte ich -
Was soll das bedeuten ? -
Ich habe meine Tochter wieder , sagte sie und fiel meiner Nachbarin im Komödienhause von neuem um den Hals - .
Warum bebst du zurück , einfältiger Pinsel ! -
So male doch nur - " Ich kann nicht , Aber du hast ja in dem ersten Teile meiner Reisen ein so trauriges Schrecken gemalt , als es je eines auf Erden gegeben hat :
so wirst du ja auch ein freudiges malen können - " Nein , zum Henker , warum nicht ?
" Weil ein freudiges Schrecken schwerer zu malen ist , als ein trauriges - Dieses macht , daß das Rad der Seele plötzlich still steht - Jenes , daß es sich nach einem augenblicklichen Stillstande wie toll und rasend um seine Axt dreht - An diesem verunglückt höchstens ein Geselle - an Jenem kann eine ganze Malerakademie verunglücken - Hm - Ist das wahr ? -
Aber wenn ich dir nun erlaubte , bei der Arbeit so langsam zu verfahren , als es dir selbst belieben wird - es so gut oder so schlecht zu machen , als du willst und kannst , ohne daß du deswegen den geringsten Vorwurf befürchten darfst - " Das läßt sich hören , Noch mehr - Du kannst erst noch eine gute halbe Stunde ausruhen , ehe du an den Tanz kommest :
denn eben werde ich von meiner unbarmherzigen laune zu dem Kapitel von dem rechten und linken Ende eines Frauenzimmers hingerissen .
Ich wünschte , daß Yorick dieses verzweifelte Kapitel selbst gemacht hätte - Ihr wißt , er verstand sich auf alle Ende eines Dinges - aber ich habe mich einmal anheischig gemacht - Nehmt also mit einer kleinen Erzählung vorlieb !
Das Bedürfnis eines neuen Rockes führte mich einstmals in einen Kaufmannsladen - Ihr müßt bemerken , daß ich damals noch Korrektor war und daß ich folglich keinen Dienstfertigern Boten nach dem Laden schicken konnte , als mich selbst .
Der Kaufmann , der eben mit einem prächtig gekleideten Frauenzimmer in Unterhandlung stand und der bei dem ersten Blicke , den er mir zuwarf , gleich ausgerechnet haben mochte , daß er bei mir nicht über einen halben Taler verdienen würde , ließ sich durch meine Ankunft in nichts stören - Belieben das Fräulein nur diesen Stoff zu besehen , sagte er Er hat nicht seines gleichen und das gnädige Fräulein sollen ihn um den civilsten Preis von der Welt haben - Was wette ich , sagte ein junger Mensch , hinter dem ich mich verbarg - Was wette ich , zischelte er seinem Nachbar ins Ohr : Das Fräulein kauft nichts ! -
Nur einen halben Louis pro Elle , sagte der Kaufmann :
Ich habe die Ehre , Ihnen auf meine Ehre zu versichern , daß die Elle in Paris a 2. Taler 8. Groschen verkauft wird -
O du dummer sagte der gedachte junge Mensch ganz leise , indem er sich an seinen Nachbar und mich wendete !
Du schicktest dich eher zum Stoffe , als zum Kaufmanne !
Ich sollte an deiner Stelle sein :
Ich wollte das Fräulein wohl bei dem rechten Ende anfassen - Ein Kleid von diesem Stoffe , fuhr der Kaufmann fort , würde dem gnädigen Fräulein ganz vortrefflich , ganz inkomparabel stehen - Noch immer bei dem linken Ende , sagte der junge Mensch :
Das ist zum Bersten !
- Das Fräulein fragte ihr Kammermädchen um Rat - Que faire , sagte sie - Darf ich mich unterstehen , sagte der junge Mensch , indem er dem Fräulein eine ehrerbietige Verbeugung machte - Darf ich mich unterstehen , Ihre Gnaden meine Meinung zu sagen - Das Fräulein machte eine Verbeugung - Wenn ich den Stoff , sagte er , gegen die Reize des gnädigen Fräuleins halte , so gebe ich Ihre Gnaden den Rat , nicht eine Elle davon zu kaufen - Der Kaufmann fing an , seine Stirn gewaltig zu runzeln -
Aber , fuhr er fort , wenn ich Deren Reize gegen den Stoff halte , so sehe ich , welcher Glanz von jenen auf diesen zurückfallen wird und ich rate dem gnädigen Fräulein ein paar Kleider davon auszunehmen - Das Fräulein machte eine weit tiefere Verbeugung , als die erste - Sie sind sehr galant , sagte sie - Sie sprach leise mit ihrem Kammermädchen - Das Kammermädchen zupfte den jungen Menschen bei dem Ärmel -
Der Kaufmann bekam von dem Fräulein einen Wink , Stoff zu zwei Kleidern abzumessen - Er strich sein Geld , ohne Abzug , ein - Das Fräulein ging fort - Der junge Meusch machte Anstalt , ihr von ferne nachzufolgen - Sie haben eine Mohrweste bei mir gut , sagte der Kaufmann : Befehlen Sie , daß ich sie gleich abschneiden soll ? -
Ich danke Ihnen , sagte der junge Mensch - Ich bin mit Westen versehen : aber wenn Sie ein gut Werk tun wollen , so geben Sie diesem armen Schelmen - Von Herzen gern , sagte der Kaufmann und ließ sich sogleich mit mir in Unterredung ein - Auf diese Art verschaffte mir das Sentiment von dem rechten und linken Ende eines Frauenzimmers einen so wohlfeilen Rock , als ich je einen getragen habe - Kann ich noch mit einem Märchen von der Art aufwarten ?
Liebe Frau , sagte einst ein großer , großer Astronom zu seiner Haus-Ehre : Willst du mir wohl den Schlüssel zum Geldschrank auf einen Augenblick erlauben ?
" Nein , sagte sie - Du gutes , ehrliches Männchen !
Daraus kann nichts werden , Ich will ja nur eine Kleinigkeit zu einer recht extra raren Edition der sämtlichen Werke des - Hier zog er seine Mütze ab - Galiläi - " Und wie viel denn ?
, Nur zwei Louis , sagte er , indem er seine Mütze wieder aufsetzte - Es ist eben so viel , als wenn ich zwei Groschen sagte - " Mann , bist du klug ?
" Ich wünschte , daß du es wärest - Deine übertriebene Sparsamkeit hat mich , leider , schon oft genug um die vortrefflichsten astronomischen Schriften gebracht - " und deine übertriebene Büchersucht hat mich schon oft um die vortrefflichsten Brabanter Spitzen gebracht und wird mich und meine Kinder noch endlich um das Brot bringen , Der Astronom lachte aus vollem Halse - aus Menschenliebe hoffe ich , daß es nur über die Brabanter Spitzen war -
Die Frau wurde böse , stand auf und legte sich in die bequemste Positur zum Schimpfen - Der Mann befand es nicht für gut , seine Frau zu einer Zeit böse werden zu lassen , da er den Schlüssel zum Geldschrank nötig hatte -
Nur ein Wort , liebes Weibchen , sagte er - Wenn du mir die zwei Louis gibst , so verspreche ich dir , ich will dich und mich und mein ganzes Haus bei der Nachwelt unsterblich machen -
Ich will nicht unsterblich sein , sagte sie trotzig und stieß die Hand ihres Mannes von sich -
Ich will Entdeckungen am Himmel machen , fuhr der Astronom fort , ohne sich im geringsten irre machen zu lassen -
Ja , wahrhaftig , Entdeckungen , die mir unmittelbar den Platz neben Eulern verschaffen sollen - Mache was du willst , sagte sie -
Ich will in der Milchstrasse so reine Bahn machen , fuhr er fort , und seine Augen funkelten , wie ein paar Morgensterne - Ich will die Trabanten um den Jupiter und Saturn so belauschen - Was gehen mich deine Trabanten an , sagte sie -
Ich will ein ganzes Jahr nicht zu Bette gehen , fuhr er fort - Ist das dein Ernst , sagte sie und ihre ganze Mine war auf einmal geändert - Es können wohl zwei Jahre daraus werden , sagte er - Wahrhaftig , sagte sie und Freude blitzte aus ihren Augen - Was ich dir sage , fuhr er fort . Denn du mußt bedenken , liebe Frau , daß es eine ganz andere Sache ist , mit bewaffneten Augen zu sehen , als mit unbewaffneten - Wenn das ist , sagte sie , so darf ich dir freilich die 2. Louis nicht abschlagen - Hier ist der Schlüssel !
Aber bedenke nur - zwei Jahre - - sind freilich eine lange Zeit , setzte der Astronom hinzu - Jenun - Es sind ja nicht alle Nächte sternhelle - Schon zog die Frau den Schlüssel wider zurück -
Aber , sagte sie : zwei Louis ist auch keine Kleinigkeit - Frau , sagte der Astronom : Du hast dein Wort einmal von dir gegeben - Ja , sagte sie - und ich will es auch halten :
aber du mußt mir versprechen , daß du es mir allemal sechs Stunden vorher sagen willst , wenn die Nacht nicht sternhelle ist , damit ich mich den Tag über - wenigstens recht ermüden kann - Hier hast du meine Hand , sagte er - Doch nein !
Das kann ich dir nicht immer Vorhersagendia Atmosophäre ist ein sehr veränderliches Ding , fast eben so veränderlich , wie ein Weib - Sie nimmt oft in einem Augenblicke eine andere Mine an - So muß ich mich , sagte die Frau mit einer affektierten Traurigkeit - So muß ich mich zu dem äußersten entschließen , allein zu schlafen - Im Ernst , sagte er - Freilich wohl , sagte sie -
O vortreffliches Weib , rief er entzückt aus - Du erleichterst mir den Weg zur Unsterblichkeit - Allein schlafen willst du ? -
Laß dich umarmen , vortreffliches Weib - Noch heute will ich alle meine astronomischen und mathematischen Instrumente auf mein Schlafzimmer bringen lassen !
Aber du würdest es doch wohl gern sehen , wenn ich dich bisweilen in trüben Nächten besuchte -
Ja , freilich , sagte sie : aber du würdest es doch wohl nicht übel nehmen , wenn ich bisweilen in trüben Nächten deinen Besuch verbäte - Das könnte wohl kommen , sagte er - Nein , sagte sie , das mußt du mir versprechen - Du weißt wohl , ( hier faßte sie ihn aus Kinn ) in trüben Nächten schlafe ich mehrenteils am besten -
Nun ja , sagte er - hier hast du meine Hand - Bravo , sagte sie - und hier hast du den Schlüssel - Beneidenswerter Astronom !
Wie meisterhaft verstehen Sie die Kunst , Ihre Frau bei ihrem rechten Ende anzufassen !
Unsterblich - mehr als unsterblich , wenn es möglich wäre , würden Sie sein , wenn Sie sich auf die Sternkunst eben so gut verstünden !
Soll ich noch mit einem Märchen von der Art aufwarten ?
Aber nein - was zu viel ist , ist zu viel !
Doch ja - Drei ist eine heilige Zahl , die muß man in Ehren halten !
Ich bin verliebt , sagte einst ein kleiner sechszehniähriger Enkel zu seiner großen sechzigjährigen Großmutter - Der arme Schelm hatte Vater und Mutter verloren und befand sich einzig und allein unter der Gewalt dieses alten Weibes , die - wenig gesagt , tausend linke Ende und nur ein einziges rechtes hatte und folglich noch disproportionierter war , als Horazens :
Humano capiti cervicem pictor equinam -
Ich bin verliebt , sagte er mit einem verzagten Tone - fast eben so , als spräche er :
Ich bin geliefert - und guckte dabei ängstlich in den Hut - Was , sagte die Alte und alle ihre Venen wurden so steif , wie Stöcke - Was verliebt ?
Gottloser , ungeratener , undankbarer Bube , verlaufener , bösartiger Bettelbube , was du unterstehst dich in deinem sechzehnten Jahre verliebt zu sein ?
Sein Sie nicht böse , liebe Großmama , sagte der kleine Enkel halb weinend - Ich kann ja nicht davor , daß mein Hannchen so schön , so reizend , so tugendhaft ist - Was , schrie sie , in Hannchen hast du dich verliebt ?
O du gottloser , ungeratener - ( alles ut supra )
Wie , du unterstehst dich , in deinem sechzehnten Jahre in Hannchen verliebt zu werden ? -
Ja , sagte er , mit zitternder Stimme - Und du befürchtest nicht , fuhr sie grimmig fort , daß ich dich heute noch zum Hause hinauswerfe , auf die Straße hinauswerfe - Freilich , sagte er , muß ich das befürchten - Und du zitterst nicht davor sagte sie - -
Das sehen Sie wohl , sagte er - Haha , sagte sie - Ich merke wohl , was der Betrüger will - Er zittert für mir - Er will meinem Ehrgeize dadurch eine Schmeichelei machen : aber ich schwöre es dir , es soll nichts daraus werden - -
Aber , erwiderte der Enkel : wenn es ein Verbrechen ist , im sechzehnten Jahre zu lieben , so haben Sie ja auch eins - Wie ?
Was ? schrie sie - Ich hätte ein Verbrechen begangen ? -
Gehe mir aus den Augen ! - Fort - Den Augenblick fort - Du unterstehst dich deiner Großmutter ihre Fehler vorzuwerfen ? -
Gebe , oder ich lasse dir deine Erbschaft auf den Rücken zuzählen - Der arme Schelm wollte gehen - Nein , sagte sie - Du sollst dableiben - Du sollst meine Vorwürfe anhören - Ich befehle es dir !
Der arme Schelm kehrte wieder um - liebe Großmama , sagte er mit einer schmeichelnden Stimme - Was , liebe Großmama ?
- Ich bin nicht deine liebe Großmama und so lange ich lebe , will ich es nicht wider sein , wenn du mir nicht zuschwörst , daß du Hannchen nicht mehr lieben willst - Liebe Großmama , sagte der Enkel zum zweitenmal -
Die liebe Großmama fing von neuem an zu poltern : aber ihr geduldiger Enkel hörte nicht auf zu schmeicheln , bis sie ihm versprach , ihn ruhig anzuhören - Der alte Herr Temple , fing er an - Was geht dich der alte Herr Tempel an , sagte sie - Sie haben mir versprochen - So rede nur - Der alte Herr Tempel , der uns bisweilen besucht , macht immer so freundliche Augen , wenn er nach Ihnen sieht und Sie , liebe Großmama , machen auch immer so freundliche Augen , wenn Sie nach ihm sehen -
Die Alte wollte reden , aber der Enkel legte ihr die Hand auf den Mund - -
Daß ich geglaubt habe , es würde eine Heirat unter Ihnen beiden zu Stande kommen .
Wie wollte ich mich freuen , wenn ich wahr geglaubt hätte !
- Wie er sich verstellen kann , sagte die Alte - Nein , Nein , liebe Großmama - ich verstelle mich nicht :
denn sehen Sie nur , was ich dachte - Wenn Herr Temple meine Großmama heiratet , dachte ich , so will ich ihr schon an dem Tage ihrer Hochzeit ein Präsent von etlichen 1000 .
Talern abloken -
Diese will ich dann nehmen und mein Hannchen heiraten und meiner Großmama zu Urenkeln verhelfen -
Aber , sage mir nur , loser Schelm , wer hat dir solche ange Gedanken eingegeben - Herr Tempel , gab er zur Antwort - und Sie und Hannchen und alles hat sie mir eingegeben - Du bist ein loser Schelm , sagte sie und lächelte so allerliebst , daß ich nicht besser tun kann , als hier das Kapitel von dem rechten und linken Ende eines Frauenzimmers zu schließen - Finis .
Ist es Ihnen nun gefällig , mich abzulösen , mein werter Herr Pinsel !
- " Nur noch einen Augenblick Geduld - Die Farben sind noch nicht genug gerieben und meine Haare sind auch noch nicht recht in Ordnung , Das ist verzweifelt !
Muß ich nicht ausschweißen , ich mag wollen oder nicht ?
Nun so gehe denn ein ganz neues Kapitel - ein eben so witziges , als verständiges Kapitel - ein Kapitel , das mir eben so viel Bewunderer , als Neider zuziehen wird -
Das Kapitel von Knopflöchern , gehe hiermit aus dem Nichts hervor ! -
Knopflöcher ! sagt yorik - In der Idee von denselben ist etwas sehr lebhaftes - und glaubet mir , wenn ich unter sie komme , so mache ich mich mit ihnen recht lustig - ich werde sie alle für mich selbst behalten - es ist eine jungfräuliche Materie ! -
Ja , Freund yorik , das ist sie - so jungfräulich , wie meine kleine Naive - aber eben deswegen will ich sie nun für mich behalten , da du sie in ihrer Rinde hast liegen lassen -
Ich betrachte sie als ein Stück aus deiner Erbschaft - Eheu !
Es gehört mir !
Einst unterredete ich mich mit meiner kleinen Naiven , wie gefährlich es für die Tugend sei , wenn zwei verliebte Seelen lange allein bei einander wären und ich unterließ bei dieser Gelegenheit nicht , mich selbst auf das strengste abzukanzeln - Sie lächelte die ganze Zeit über und spielte an den Knopflöchern meiner Weste - Sie sind ein unachtsames Mädchen , sagte ich endlich !
Ich gebe Ihnen und mir so wohlgemein Warnungen - Ich bin heute , wider alle meine Gewohnbeit , einmal so philosophisch ernsthaft , daß ich Gefahren erblicke - und Sie tändeln unterdessen an meinen Knopflöchern herum ! zwölf Knepflöcher haben Sie an Ihrer Weste , sagte Sie - Nein , das ist zuviel !
Sie müssen oben ein paar wegnehmen lassen - Kommen Sie her - Ich will den dritten und vierten Knopf abschneiden und die Löcher zunähen - Sie lief wirklich nach ihrer Toilette und wollte die Instrumente des Abschneidens und Zunähens herbeiholen - Begreift ihr es , lieben Leser !
was das lose Mädchen im Schilde führte ?
Ich denke nicht !
Aber bald sollt ihr es begreifen - Sie haben mir so viel von den Gefahren vorgeschwatzt , sagte sie , denen unsere Tugend ausgesetzt sein soll , wenn wir oft zu halben Tagen allein bei einander gelassen werden - Deswegen will ich ihnen die Knöpfe abschneiden und die Löcher zunähen , so behält meine Hand immer eine freie Passage zu ihrem Herzen - Wenn ich nun fühlen werde , daß es stärker , als gewöhnlich klopft , so werde ich zu Ihnen sagen : Verlassen Sie mich , lieber S*** Ihre Sinnlichkeit wird rege - Ihre Tugend ist in Gefahr - und dann werden Sie mich verlassen oder ich werde Sie verlassen und unsere Tugend wird glücklich davon kommen - Nicht wahr ? -
Kato hätte sich bei diesem Einfalle eines süßen Lächelns nicht enthalten können :
Wie konnte ich es , der ich nicht einen Katonischen Nagel an meinem ganzen Leibe habe ? -
Aber , sagte ich , mein Herz klopft allemal stärker , wenn ich bei Ihnen bin , als wenn ich bei jedem anderen Geschöpfe auf der Welt bin - Das weiß ich wohl , sagte sie -
O ich weiß es auf ein Haar , wie stark es klopft , wenn Sie bei mir sind !
Um desto eher werde ich es merken , wenn es stärker klopft -
Aber , erwiderte ich , auf diese Weise fällt ja die ganze Last des Warnens auf Sie zurück -
Sie haben ja nicht einen Knopf , den ich Ihnen abschneiden könnte - Die kleine Naive bedeckte mir mit ihrer linken Hand den Mund und mit der rechten das Herz - Halt , sagte sie , nachdem sie einige Schläge gezählt hatte -
Ich merke Unrat -
Ja , ja - Es ist Gefahr da - Leben Sie wohl - und in einem Augenblicke hatte sie mir den Abschiedskuß auf die Lippen gedrückt und war fort - Ende des Kapitels von den Knopflöchern .
Und nun , lieben Leser !
Hüpft mit mir zwei Kapitel zurück - oder wenn ihr zum Hüpfen schon zu alt seid , so will ich eine Krücke nehmen und mit jetzt diese zwei Kapitel zurückschleichen -
Ich soll jetzt abgeredeter Maßen das freudige Schrecken malen , welches ich , in einem Augenblicke , da mein Verdruß auf den höchsten Gipfel gestiegen war , über die frobe , süße , glückliche , unverhoffte , mehr als einmal aufgegebene Entdeckung meiner Mutter empfand -
Ich habe meine Tochter wieder , sagte sie - Ich glaube immer , man hätte mir bei diesen Worten eine Stecknadel ins Fleisch stechen können , ohne daß ich es für etwas anders , als für einen Mückenstich gebalten hätte - ja ich glaube , wenn man mir , wie dem Sissera , einen Nagel durch den Schlaf geschlagen hätte , so wäre ich zwar davon gestorben , aber mit offenen Augen und ich wäre so senkrecht stehen geblieben , wie zuvor - Alle meine Ideen , klar und dunkel , deutlich und undeutlich , voll ständig und unvollständig , ausführlich und unausführlich , waren wie mit einem Besen aus meiner Seele weggekehrt und ich wußte von meiner kleinen Naiven , von ihrer Liebe gegen mich und von der meinigen gegen sie , von den Riegeln , die vor alle beide geschoben werden sollten , kurz von allen nicht mehr , als am Tage meiner Geburt - Und hätte eine boßhafte Fee meine Mutter und ihre Tochter aus meinem zimmer weggehext , so hätte ich gewiß so lange gedankenlos auf einem Flecke gestanden , bis mich Hunger oder Müdigkeit auf die Diele geworfen hätten - Kurz ich befand mich beinahe in eben den Umständen , in denen sich die Mondbürger befinden , wenn bei ihnen die Sonne aufgeht - Jetzt befinden sie sich in der tiefsten Finsternis - Auf einmal ist es , als ob man einen Vorhang aufzöge - Praz , werden ihre Augen von dem völligen Glanze der Sonne verblendet - wo nicht etwan die Herrn Mondbürger ( dies sage ich , nicht Fontenelle ) so klug gewesen sind , dicke , grobe Vorhänge vor ihre Fenster zu ziehen und den Sonnenstrahlen den Weg zum Auge zu versperren -
Halt ! -
Nicht eine Silbe mehr !
Es wird mir so schwer , mich selber zu malen -
Ich habe über diesen etlichen Duzenden von Zeilen so viel Zeit zugebracht - so viel herumgesonnen - so viel ausgestrichen , daß ich mich vor mir selbst schäme - Überdem habe ich - ihr werdet über mich erstaunen - einen Plan zu einer neuen Welt im Kopfe und dieser nimmt in meinem Gehirne so viel Raum ein , daß ich genötigt sein werde , eine Menge anderer Waren über Bord zu werfen -
Doch fürchtet euch nicht , die Erzählung , wie meine Mutter ihre Tochter wiederfand , will ich nicht über Bord werfen - " Nicht ? -
Ich dachte die Reihe würde zuerst an sie kommen - Es ist fast , als ob du dich davor scheutest - Steht es etwan um den zusammenhäng nicht recht richtig ?
" gesetzt es wäre : ( Im Vorbeigehen muß ich erinnern , daß ich auf eine jede Frage , wes Inhalts , Werts , Wichtigkeit oder dergleichen sie sei , zwei Antworten bei der Hand habe .
Ist die Frage verneinend , so heißt es :
1 ) gesetzt es wäre nicht so ! 2 )
Aber es ist so !
Ist die Frage bejahend :
1 ) gesetzt es wäre so , 2 ) aber es ist nicht so !
Mich dünkt , das ist ein Beitrag zu dem Kapitel von den Mitteln den Scharfsinn zu befördern :
Also merkt es euch , die ihr dergleichen Kapitel zu schreiben habt !
) gesetzt also , es wäre wirklich an dem , daß die Erzählung , wie meine Mutter ihre Tochter wiederfand , nicht allenthalben auf das genaueste zusammenhinge : quid inde ?
Wäre die Erzählung deswegen um ein Haar schlechter ?
Ist denn die historische Wahrheit - Doch mit Respekt zu sagen - eine so gar köstliche Ware ?
Sollte eine pragmatische Erdichtung nicht eben so gut sein ?
Laßt es sein , daß hier und dar eine chronologische Lücke , ein Widerspruch , oder sonst etwas da ist : desto besser ! desto menschlicher ist die Erdichtung - in einem doppelten Verstande - Sind doch in unserem Leben Lücken und Widersprüche die Menge : warum sollten sie nicht in der Beschreibung desselben sein ?
Und - glaubt es mir - Ein Buch ohne Fehler schreiben , heißt die Menschheit beweinen - Aber es ist nicht so - Wenn ihr die Erzählung werdet gelesen haben , so will ich euch auffordern , mir Widersprüche zu zeigen - Meine Nachbarin im Komödienhause - zum letztenmal Neun ich sie so und von nun an Schwester - Meine Schwester also riß mich zuerst aus meinem freudigen Schrecken - Sie wand sich aus den Armen ihrer Mutter los und flog in die meinigen - Mein Bruder , sagte sie - Mein bester , liebster Bruder , erlaube mir , daß ich Dir diesen süßen Namen beilege - Freund ist mir jetzt viel zu wenig - und da Du meine Mutter auch Mutter nennst , so bin ich ja Deine Schwester - Ich taumelte zwischen sie und meine Mutter auf den Sofa - O Leipzig , sagte ich , Freuden volles Leipzig !
Welche himmlische Szenen hast du für mich aufgehoben -
Nach einem langen , affektvollen ( nämlich für uns , aber nicht für meine Leser )
Ausrufen : O meine Mutter !
O mein Sohn !
O meine Tochter !
O mein Brnder ! machte sich endlich meine Neugierde unter dem Haufen von Freude hervor , oder vielmehr , sie wälzte die Last von Freude , die sie zu Boden gedruckt hatte , mächtig auf die Seite Aber , sage mir nur , beste Mutter , sagte ich : wie und woran hast Du denn Deine Tochter wieder erkannt ? -
An diesen stürmischen Herzklopfen , sagte sie - und an diesen - -
Hier zeigte sie mir ein Muttermal an dem Halse meiner Schwester - Dieses hat sie mir verraten -
Aber , bester Bruder , sagte meine Schwester - Wie hast Du mir den Umstand verschweigen könneu , daß Du aus meiner Vaterstadt bist -
Ich hatte meine Ursachen dazu , gab ich zur Antwort - Sie waren von den Lebensumständen meiner Eltern hergenommen -
Und jetzt freue ich mich von ganzer Seele , daß ich meine Vaterstadt verschwiegen habe -
Aber wie hast Du mir den Umstand verschweigen können , daß Du die Tochter einer Bekerin bist - Ich würde gleich gemutmaßt haben - Lieber Bruder , versetzte sie -
Ich habe selbst die Geschichte meines Lebens erst erfahren - Die unbarmherzigen Pocken haben mich um ein gut Teil meines Gedächtnisses gebracht und ich kann mir nicht das geringste vorstellen , was bis in mein sechstes Jahr mit mir vorgegangen ist - Meine Pflegemutter hat mir auch nicht das geringste gesagt - Sie nannte mich immer ihre Tochter - Wie konnte ich daran zweifeln , daß ich es wäre ? -
Sage mir geschwind , liebe Schwester , wo ist dieses Weib ? -
Sie soll mir Rede und Antwort geben - Sie hat es mit mir zu tun - Ich weiß es nicht , sagte meine Schwester - Ich mochte etwan neun oder zehn Jahr alt sein , als sich meine Pflegmutter mit einem jungen Menschen in ein Liebesverständnis einließ , ihr Haus verkaufte und aus Leipzig wegzog - Ich wurde , ich weiß selbst nicht , auf welche Art , in die Familie gebracht , in der ich mich noch jetzt befinde - Ich wurde die Gespielin meiner Gebieterin und dachte an nichts weiter - O hätte ich es denken sollen , als ich in Romeo und Julie neben Dir saß und weinte , daß ich in Dir einen Bruder und durch Dich eine Mutter wiederfinden sollte !
O ihr günstigen zufälle !
Wie Schade ist es , daß man euren Mechanismus nicht weiß - Haben müßt ihr ihn !
Das sehe ich - das fühle ich !
Nur er ist so tief verborgen , daß er nicht eher in die Augen fällt , bis das Ziel , nach welchem ihr laufet , erreicht ist ! -
Doch genug davon -
Die Erzählung von der Entdeckung meiner Schwester ist nun zu Ende - Ich werde sie nun bald nach Hause begleiten und ihr könnt euch vorstellen , daß es wieder pathetische Auftritte die Menge geben wird : aber erst will ich euch meinen Plan zu einer neuen Welt vorlegen -
Dann will ich euch das Kapitel von dem Roten und Schwarzen vorlegen -
Dann will ich euch noch ein anderes Kapitel vorlegen , was mir im Vorlegen der ersten beiden einfallen wird -
Dann will ich euch das Kapitel- von meinem Namen - Doch nein - das ist ein zu originelles Kapitel - das muß bis in die allerletzte Szene verspart werden :
denn ich will , daß ihr den zweiten Teil meiner Reisen , wenn ihr ihn werdet ausgelesen haben , vor Lachen fallen lasst -
Wie müßte wohl eine Welt voll Einwohner ohne Geschlechtstriebe aussehen ?
Eine Welt ohne Mann und Frau , ohne Junggesell und Jungfer - ?
Oder damit ich mich nicht allzuweit versteige , wie müßte wohl die unsrige aussehen , wenn durch eine Quadrillion von Wunderwerken alle Geschlechtstriebe ausgerottet würden ?
Eine ganz andere , eine ganz nagelneue würde sie sein - das müßt ihr auf den ersten Blick einsehen , aber was für eine andere , was für eine nagelnene Welt sie sein würde , das , denke ich , habe ich so ziemlich durch Hilfe der Subtraktion herausgebracht .
Der Veränderung zu geschweigen , die mit unseren Körpern vorgenommen werden müßte - deren Bestimmung ich einer hochlöblichen Anatomie überlasse - fielen sogleich alle weiblichen Seelen aus derselben weg .
Warum ? -
Als ein enthusiastischer Verehrer des weiblichen Geschlechts sollte ich es zwar nicht sagen - Denn gewiß , wenn es verraten wird , ich bekomme sie alle auf den Hals : aber jetzt bin ich Philosoph - Ich zimmere eine neue Welt - Ich sage alles heraus , die Folgen mögen sein , welche sie wollen .
( Der Geschlechtstrieb ist in die weiblichen Seelen so unauflößlich gewebt , daß Ausrottung desselben und gänzliche Vernichtung einerlei ist - Wollt ihr Beweise ? -
Das Weib ist um des Mannes Willen , nicht der Mann um des Weibes Willen !
) Auweh - Ich glaube ich werde gesteinigt - Ein ganzer Hagel voll Nüsse fliegt mir an den Kopf -
Das kann kein Mensch gewesen sein , als die Hausmagd , die nur eben Licht ansteckte , als ich den Spruch in meinen Bart brummte :
Das Weib ist um des Mannes Willen , nicht der Mann um des Weibes Willen !
Himmel , Erde , Meer , das wird ein Lärm werden , wenn man erst die Konsequenz lesen wird , die ich daraus gezogen habe :
aber es sei darum - ich will ein Märtirer meiner neuen Welt werden und nicht so albern abschwören , wie Galiläi !
Sodann fielen auch alle männliche Seelen von 1. bis 50. Jahre , nebst einer auserlesenen Mannschaft von 60 , 70 , 80 , 90 , 100iährigen Greisen weg :
Denn !
( Wiewohl der Geschlechtstrieb in die männlichen Seelen nicht so unauflöslich gewebt ist , wie in die weiblichen , so ist er doch darein gewebt - und das Mitleiden mit dem anderen Geschlecht , in dessen Bestandteile er unauflöslich gewebt ist , zieht die Faden so enge zusammen , daß das Austrieseln größtenteils ganz unmöglich wird .
) Dem zu Folge fielen auch weg : die Poesie , Musik , Malerei , Bildhauerkunst , Tanzkunst , Ball , Maskerade - Die Manufakturen wären zum Henker - Eine ganze Armee von Handwerkern wäre , zum Henker - Kutsche , Pferde , Laken , Zofe , Galanteriekrämer , alles wäre zum Henker - Der ganze Leinwandhandel wäre zum Henker - Sieben Achtteil vom Kirchengeben wäre zum Henker - Ich sage noch viel zu wenig - Der ganze Soldatenstand , und folglich die game Krieaskunst wäre alles zum Henker - Die geizigen Priester auch :
Denn bei dem Verluste so vieler Akzidenzen -
Und wer bliebe denn nun übrig ? - Hahaha - eine allerliebste Gesellschaft - einige Dutzend Quäker - einige Dutzend Galeerensklaven - einige Dutzend Baugefangene - einige Schock Gelehrte - alle Misanthropen - alle verwitwete Harpaxe - der zehnte Teil von der Summe aller Mönche - und wenn er noch lebte , vor allen anderen Karl der zwölfte - Aber bin ich nicht ein Narr mit meiner neuen Welt ?
Ich beginne zu kreißen und gebäre - ein Mäuslein !
Lacht nur , lieben Leser !
ich verdiene es :
aber wenn ihr euch satt gelacht habt , dann hört auch , zu eurer Warnung , wie ich auf diese einfältigen Gedanken geraten bin !
Einst zog ich mir alle Übel zu Gemüte , die aus den Geschlechtstrieben entspringen - Klein sind sie nicht - das hat seine völlige Richtigkeit - und so war gleich der Schluß fertig :
Eine Welt ohne Geschlechtstriebe - ha , das muß ganz ein ander Ding sein !
Schnell griff ich zur Feder -
Meine vermutliche bessere Welt sollte sogleich auf das Papier strömen : aber , sie dankte schön dafür !
Nun so will ich mir denn heute noch an meine Tür eine güldene Regel anschreiben -
Ich will einen Knoten in mein Schnupftuch machen , um mich stets an diese Regel zu erinnern -
Ich will sie auswendig lernen und mein Perukenstok soll mich alle Tage überhören -
Ein jedes Ding hat eine gute und schlechte Seite , oder mit yorik zu reden : Ein jedes Ding hat ein rechtes und ein linkes Ende .
Kommt das Ding unmittelbar aus den Händen des Herrn der Welt , so zweifelt nicht , das gute überwiegt das schlechte himmelweit - und wenn ihr das nicht einsehet , so liegt die Schuld bloß daran , daß ihr den moralischen 7 Augenstar habt .
Das Kapitel vom Roten und Schwarzen . -
Auch ein ganz neues und unerwartetes - Es fiel mir damals ein , als ich euch den kleinen moralischen Trait von meiner Bekerin erzählte und ich habe es schon unter dem Buchstaben A angekündigt - Freilich sollte ich euch , zum vollen Verständnis desselben , entdecken , was für einer Lebensart ich mich eigentlich gewidmet habe : aber eben , weil ich es sollte , so lasse ich es jetzt und entdecke es euch alsdann , wenn ich nicht soll - so befiehlt es der Shandetsmus !
Wie allerliebst ist er nicht , dachte ich , als ich meinen neuen roten Rock zum erstenmal auzog und mit mir selbst vor dem Spiegel liebäugelte - Wie schmeichelt nicht das Rot dem Auge !
Wahrhaftig , fuhr ich fort , indem ich mich niederließ und meine Beine philosophisch über einander schlug - ich wüßte wohl , was ich tun wollte , wenn ich ein roter Tuchfabrikant wäre - ich wollte den ganzen Stand , der nicht weltlich ist , durch Zentnerschwere Gründe - Trotz einer tausend und drüber jährigen Gewohnheit - dahinbringen , mir mein ganzes Warenlager abzunehmen - ohne einmal der Kleidung der Priester und Leviten zu gedenken , die herrlich und schön war - und wie hätte sie das sein können , ohne rot zu sein ? - ja ohne einmal der Garderobbe Ihre teuflischen Maiestät zu gedenken , die , nach der allgemeinen Übereinstimmung der Holzstiche , Kupferstiche , Gemälde und Beschreibungen in Prosa und in Versen von ganz Europa so schwarz sein muß , wie die Galle des Neides - so schwarz , wie es dem Missetäter vor den Augen wird , wann ihm der Henker die Binde von dem Halse reißt - Darf sich wohl ein geringer Fabrikant unterstehen , würde ich sagen , denen Herrn seine Waren anzupreisen ?
" Wir sind ihm sehr verbunden , mein Freund , Nicht doch , meine Herren , ich will Ihnen verbunden sein und wenn sie nur meine Gründe gelassen anhören wollten , so könnte ich hoffen - " Was für Gründe könnten doch wohl stark genug sein " Theologische Gründe - meine Herren !
Vors Erste zeigte ich Ihnen aus dem Sprachgebrauche - Sie lachen ?
Ist es denn etwas so außerordentliches , daß ein Tuchfabrikant den Sprachgebrauch versteht ?
Oder halten Sie es für unmöglich , daß ein ehrlicher Manufakturier durch den schlechten Abgang seiner Ware in die Notwendigkeit gesetzt werden könne , griechisch zu lernen ?
Kurz und gut , ich erbiete mich , meinen Herren aus dem Sprachgebrauche , aus der Analogie , aus der Vernunft zu beweisen , daß das Griechische Wort Kosqios nichts anders bedeutet , als alamodisch - und dieses bewiesen , werden sich meine Herrn nicht entschlagen können , in Zukunft rote Kleider zu tragen .
Vors zweite dünkt mich , hätten Sie , meine Herren , oder vielmehr Ihre Vorfahren die Farbe der Melancholie und der Traurigkeit nie zu Ihrer Leibfarbe machen sollen -
Sie sind ja die Tröster des menschlichen Geschlechts :
O so müssen Sie nicht so aussehen , als bedürften Sie selbst Trost ?
Vors dritte sollte ein Stand , der zum Wohle der Welt eingesetzt ist , keinem Menschen eine rechtmässige Ursache zum Missvergnügen geben : allein - ich kann es Ihnen nicht verhehlen , meine Herren !
Umsre ganze Zunft und noch eine - die Zunft der Nähterinnen , sieht nie ein Mitglied Ihres Standes , ohne einen beimlichen Seufzer !
Vors vierte ist der Reichen fast in keiner anderen Tracht beizukommen , als im roten Rocke - und gleichwohl ist nichts auf der Welt schwerer , als daß ein Reicher in das Reich Gottes komme ! Vors fünfte - doch dieser Grund ist nicht theologisch - er ist politisch - Sie könnten leicht durch seine drohende Mine erschreckt werden und einen Unwillen auf Deren gehorsamsten Diener , den roten Tuchfabrikanten , Wesen -
Doch weil Sie so befehlen , so gehorche ich - Das Kapitel von meiner Lebensart . Habe ich es nicht gesagt , daß es da zu stehen kommen würde , wo es nicht stehen soll ?
Also habe ich doch die Wahrheit gesagt ?
Genug für mich !
Ich bin - was meine Lebensart anbetrifft - ein verzweifelter Chamäleon - bald ein Arzt , bald ein schöner Geist , bald ein Theologe - einen Augenblick darauf wieder ein abgesagter Feind von allem , was sich auf Logie endigt - Heute bin ich ein Musiker - Morgen ein Antiquitätenkrämer - übermorgen ein eifriger Kopernikaner - Mitunter bin ich auch ein Skeptiker - selten ein Po lemiker - Kurz meine Lebensaxt ist die Summe von lauter kleinen Brüchen in den meisten Künsten und Wissenschaften !
Mein Korrektorrat hat hierzu den Grund - Doch nein ! den legte mein leckerer Geschmack , der gern von allem etwas kosten wollte : Mein Korrektorrat verschaffte nur Gelegenheit , ihn zu befriedigen .
Ich sage dieses deswegen , daß wenn sich etwa jemand unter meinen Lesern finden sollte , der sich auf die Kunst versteht , einen flüchtigen Geschmack stetig , einen herumschweifenden beständig , einen allgemeinen Geschmack in einen besonderen zu verwandeln , daß er sogleich mit allen seinen Haken Piken , Zangen , Scheren , Eisen , Spritzen u. s. w. zu mir eile und mich von einem Übel befreie , das zwar in dem jetzt laufenden 1771sten Jahre kein Übel ist , aber doch nach einem oder ein paar Lustrums dazu werden könnte !
Ich will erkenntlich sein - in der vollen Bedeutung des Worts .
Doch dieser ganze Brei stillt den Appetit nicht -
Ich habe versprochen meine Lebensart zu sagen und nun schwanke ich in der Nebenbedeutung des Worts herum - Mich dünkt , mein Genius warnt mich sogar , sie zu sagen - Wenn du klug bist , so wirst du es nicht tun , spricht er - Guter Genius , wenn bin ich wohl je klug gewesen ? -
Wenn du deine Ruhe liebst - Guter Genius , war es nicht von jeher mein Simbolum :
Je unruhiger , je lieber ? zog ich nicht schon als Schule Knabe die lärmenden Interjektionen den stilleren vor ? -
Wenn du deinen guten Namen - Halt , Genius ! den liebe ich und glaube mir , wenn ich auf eine wohlfeile Art dazu kommen kann , so kaufe ich ihn gewiß :
aber wenn ich mein Temperament oder meine Offenherzigkeit oder meine Spaßhaftigkeit , oder meinen Hang zu lachen darüber einbüßen soll -
Genius !
- dann wird aus dem Handel nichts - Guten Namen oder nicht guten Namen ist ohnehin für mich einerlei ; denn in meiner eigenen Vorstellung habe ich ihn immer - und in anderer Vorstellung habe ich ihn vielleicht auch alsdann nicht , wenn ich ihn zu haben glaube - zu einer anderen Zeit will ich mehr davon sagen ! -
Nun so tue es wenigstens um deiner Frau und Kinder Willen - Noch bin ich unbeweibt , Herr Genius ! -
Aber du wirst doch einmal beweibet und bekindert werden - Werde ich es ?
Gewiß , Herr Genius ?
Und das , was ich von meiner Lebensart sage , kann mich also nicht um ein Haar von meiner künftigen Familie bringen ?
O so will ich auch diesen Augenblick alles heraussagen -
Ich bin ein Theologe , aus S** " in S**- Ich heiße S*** Mein Vater ist ein gemeiner Mann : aber ein Bastard , der sich seiner schämt ! -
Meine Mutter war auch eine gemeine Frau :
aber ich wette , sie war so fromm , so ehrbar , so züchtig , so voll Liebe gegen ihren Mann und gegen ihre Kinder , als fünf Dutzend vornehmer Frauen - Ich bin auf dem Lande erzogen und das unvergleichliche Klima , welches ich dem schönsten Griechischen an die Seite stelle , hat in meiner Seele den Grund zu einer immerwährenden Fröhlichkeit gelegt - " O du verdammter Autor !
Also ist deine ganze Lebensgeschichte erlogen !
" Nicht erlogen , mein Freund ! sondern nur in Shantiestischen Fette gebraten - Nur gleichsam - daß ich mich des Ausdrucks bedienen darf - erdichtet - Nur - so zu sagen - für diejenigen zum Vorbilde geschrieben , die mit dem Fleisse eines Tagelohners , der täglich für sich und die Seinigen sechs Groschen braucht und nur vier verdient , dem Grunde der Gelehrsamkeit nachgraben , da indessen ihre Frauen und Knder - ohne die geringste Bemühung - bis auf den Boden des Elendes hinuntersinken - Stört mich nun nicht weiter in meinen Zirkeln !
Ich bin ein Theologe - " Und du hast so viel von Liebe , von Mädchen , von Küssen , die du selber willst gegeben und empfangen haben , vom Komödienhause , von dem garstigen Dinge und von tausend anderen profanen und unheiligen und Dir und Deinem ganzen Stande unanständigen Dingen geschrieben ? -
Ha - Das wünschte ich schon lange !
Mit beiden Händen ergreife ich die Gelegenheit , mich hierüber zu erklären .
Als ich noch ein kleiner Knabe war , so kam es mir schon zu Ohren , daß bloß der weltliche Stand das Monopolium hätte von den Süssigkeiten der Liebe zu schreiben und zu reden - so wie der Geistliche privative das Recht hätte , die Liebe in Predigten , Kinderlehren , Gesellschaften u. s. w. herunter zu machen und sie schimpflicher abzumalen , als Michael Angelo Seiner Eminenz , den Kardinal *** 1 ) .
Welche 1 )
Um doch meinem Buche nicht allein alles witzige - denn das geben ihm die häufigen Querstriche - sondern auch alles gelehrte Ansehen zu verschaffen , mache ich hier einmahr für allemal eine Note Michael Angelo - so erzählt Pater Cabbat - hatte mit einem gewissen Kardinale zu Rom , um einer gewissen Ursache Willen , eine gewisse Streitigkeit gehabt - und da er ein Mann von starken Leidenschaften - ein Stern der ersten Größe in der Kunst war , so fand er in sich selbst eben so starken Reiz , als Dessin , sich auf die beissendste Art zu rächen .
Kurz er malte den Kardinal nach dem Leben auf sein Jüngstes Gericht - mitten unter den Schwarm der Verdammten .
" Das ist der Kardinal , sagten die Einfältigen , die das Bild in Augenschein nahmen :
O der Galgenschwengel von Maler ! - und so ließen sie geradeswegs nach der heiligen Inquisition .
Das ist der Kardinal , sagten die Klugen :
O der Engel von Maler ! -
Ihre Eminenz , die sich in Ihrer gemalten Hölle nicht wohl befanden , brachten bei Ihre päpstlichen Heiligkeit eine lange Klage wider den Maler an - und die geringste Strafe , die ihn treffen sollte , war der Tod .
Der Papst , ein Freund der Künste und Künstler - ein Mann , dem ich im Falle der Not die Füße hätte küssen wollen , ohne sie voll von Folgen der Übelkeit zu machen - ließ den Michael Angelo zu sich rufen - Er wußte , daß er nichts zu befürchten hatte und kam - Angelo , Angelo , rief ihn der Papst entgegen :
Da hast einen garstigen Streiche gemacht - Der Kardinal hat dich bei mir verklagt - Den Augenblick lösche ihn aus deinem Gemälde aus - Was wollte ich Ihre Papstlichen Heiligkeit nicht zu Gefallen tun , sagte der schalkhafte Künstler : aber für die esmahl -
( Hier zuckte er die Schultern )
Hatte ich den Kardinal bloß ins Fegefeuer geworfen , so wäre es Ihre päpstlichen Heiligkeit leicht , ihn mit ein paar Scelmessen zu erlösen :
aber aus der Hölle - ( Hier wurden die Schultern noch mehr gezuckt ) Ihre päpstlichen Heiligkeit wissen wohl :
Ix infernis nulla redemtio - Aus der Hölle ist keine Erlösung -- O du Zweiselter Bösewicht , sagte der Papst und hielt sich seinen heilig fetten Bauch wieder - Du wirst mich mit deinen Einfällen noch ersticken - Er soll stehen bleiben , der Kardinal und wenn er sich über dich zu Tode ärgert , so sollst du sein Nachfolger sein - Angelo triumphierte und der Kardinal wollte zwieseln - Einer von den barmherzigen Brüdern , der erst kürzlich in die Hölle gekommen war und dem das höllische Feuer seine Barmherzigkeit noch nicht ganz von der Seele gesengt hatte , erschien dem Kardinal - Sei gutes Muts , sagte er = Wenn dir der Papst zuwider ist , so sollen dir die Elemente günstig sein -
Ein Rauch , so beissend , wie die Rache des Angelo , soll seinen jüngsten Tag schwärzen - Der Dampf der Wachskerzen , die auf dem hohen Altare brennen , soll bald dein Gesicht und deinen Hut unkenntlich machen - Verlaß dich auf mich ! -
Und , in der Tat , wurde der Kardinal noch bei seinen Lebzeiten aus der Hölle erlöst - Für die Wahrheit der letzten Anekdote bin ich nicht Bürge - Sie ist zwar aus einer alten Handschrift genommen : aber die Handschrift ist nicht viel besser , wie die Handschrift des Evangeliums des heiligen Markus zu Venedig - Indessen , wenn es verlangt wird , so wird Herr Arouet Voltaire auf erhaltene Supplik keine Schwierigkeiten machen , die Garamie über sich zu nehmen .
Welche ungleiche , ungerechte , eigennützige Einteilung , dachte ich damals - und ich denke es noch - und zwar in einem weit höheren Grade der Deutlichkeit und Gewißheit !
Ich bitte euch um alles in der Welt :
Warum soll ein Geistlicher nicht auch von der schönen Seite der Liebe reden und schreiben ?
Darf er sie etwan gar nicht fühlen ?
Oder darf er sie nur plump und hölzern - nicht fein und süß fühlen ?
Sprecht ihr ihm die Geschicklichkeit ab , davon zu reden und zu schreiben , weil ihn sein Griechisch und Hebräisch und Chaldäisch und Syrisch und Arabisch zum finsteren Weisen macht :
O so frage ich euch , wer hat je die Natur der Liebe besser gekannt , als yorik -
Und wer war yorik ?
Oder denkt ihr , indem ihr ihm den Rock des Lehramts anzieht , ihm nun den Rock der Menschheit vom Halse zu reißen ?
Wer ist geschickter zum öffentlichen Vortrage , der Mann mit einem empfindsamen , weichen Herzen , oder der Mann mit einem herzenförmigen Stücke Blei ?
Wer wird am leichtesten rühren , der selbst oft und stark gerührt wird oder der das Wort Rühren nur dem Schalle nach kennt ?
Wer wird am scharfsinnigsten die Grenzen zwischen erlaubter und verbotener Liebe bestimmen , Yorick oder Origenes ? -
Warum nennt ihr denn die Liebe profan ?
Weil sie nicht unmittelbar Religion ist ?
Gut - ich erlaube euch dies Wort :
aber dann müßt ihr auch mit dem Worte profan keine so verhaßte Idee verknüpfen - Profane Dinge - in diesem Verstande genommen - sind ja auch ein Werk des Schöpfers und ohne zweifel auch ein heiliges Werk - Er gab sie uns , weil wir - als Wesen , die von der Pike auf dienen sollen - erst die leichtern Manövers lernen müssen , ehe wir zu den schwereren Kräfte bekommen - Sind wir erst eine Zeitlang gute sinnliche Geschöpfe auf dieser Welt gewesen , so werden wir gewiß gute geistige Geschöpfe auf einer anderen Welt sein - " Aber du hast nicht einen ernsthaften Nerven an deinem ganzen Leibe - Immer Lehen - Immer spaßen - Immer schäkern , das ist deine Sache - "
Falsch - Alles Falsch - Meine Nerven sind im Grunde alle ernsthaft :
Nur mein Temperament gibt ihnen einen so spaßhaften Anstrich - Und ist es denn meine Schuld , daß mein Temperament gerade so , und nicht anders ausfiel - Verbessern sollte ich es ? -
O ich wollte für alle Schätze der Welt meinem Schöpfer nicht ins Amt - und der Hypochondrie nicht in den Rachen fallen - Was die Zeit für gut befinden wird , mir von meinem Merkur abzunehmen , das will ich ohne Murren verlieren :
aber ich selbst will mich mit Vorsatz nicht um einen einzigen Tropfen bringen - " Aber so wie du jetzt bist , taugst du schlechterdings nichts im Lehramt * , Das weiß ich selber mehr als zu gut - und so oft ich über den Umfang und über den Nachdruck des Worts Lehrer der Religion nachdenke , so verzweifle ich , ob ich jemals dazu taugen werde - allein ich verzweifle fast eben so sehr , ob hundert andere , die immer so ernsthaft aussehen , als Korporal Trimm , als er die Predigt vom Gewissen vorlaße - dazu taugen werden - Und kurz - um endlich einmal diesem Kapitel ein erwünschtes Ende zu machen - dünkt mich , daß gute Laune keinem Menschen auf der Welt mehr gute Dienste tun wird , als einem Leh rer der Religion - Sie setzt den Geist über alle krumme Sprünge des Glücks und Unglücks hinaus - Sie versperrt einer ganzen Menge von Lastern den Zugang - Sie rottet die Abkanzelungssucht aus der Seele - Sie befestiget die Gesundheit - Sie lächelt über eine unverdiente Verachtung - Eine schlechte Pfründe ist für sie ein Erzbistum - und Wem Gott Laune beschert hat , den hat er auch Toleranz beschert .
Könnt ihr euch nun noch erinnern , daß ich mich in meiner Wohnung zu Leipzig befinde , daß ich eine Mutter und eine Schwester bei mir habe - Fallen euch die Worte bei :
Ich werde sie nun bald nach Hause begleiten : so lest nun ihre genaue Erfüllung , an die ich vor vielem Spekulieren nicht eher habe denken können , als jetzt .
Mein Wirt belauschte mich , als ich eben meine neue Schwester recht brüderlich küßte - Ich ließ mich durch seine Gegenwart in nichts stören - Er schien es auch eben nicht von mir zu verlangen , daß ich mich durch seine Gegenwart sollte stören lassen : aber verwundert schien er doch zu sein -
Nach seinen Grundsätzen mochte es mir zwar erlaubt sein , ein Kammermädchen zu küssen : aber nur verstohlen - Ich wollte seiner Verwunderung ein Ende machen oder ihr doch eine andere Richtung geben - Herr Wirt , sagte ich :
Die Szene hat sich verändert - Dieses Mädchen hier ist meine Schwester - Der Wirt befand sich in einer verzweifelten Enge - Einmal konnte er es schlechterdings nicht glauben , daß ich wahr redete und dennoch wollte er sich aus Politesse gegen mich und meine Schwester seinen Unglauben nicht merken lassen - Ihre Schwester , sagte er ?
Wahrhaftig ?
- Sie machen mir doch nichts weiß ?
Nun so freue ich mich von ganzer Seele , Ihre Mamsell Schwester kennen zu lernen - Aber warum haben Sie mir denn das nicht eher gesagt ?
Sie wissen wohl , wenn man jemanden nicht kennt , so respektiert man ihn nicht so , wie er es verdiente - Vielleicht habe ich ohne mein Wissen und Willen die Ehrerbietung beleidiget , die ich Ihrer Mamsell Schwester schuldig bin - Vergeben Sie mir_es , Mamsell !
Vergeben Sie es Ihrem Herrn Bruder , daß er mir nichts gesagt hat - Ich muß mich sehr wundern -
Er hat mich sonst seines Vertrauens gewürdigt und gerade in diesem Punkte - Schweigen Sie , sagte ich -
Ich habe es selbst erst den Augenblick erfahren , daß sie meine Schwester ist - Das Geheimnis entwickelte sich unter unseren Händen - O Schade , Schade , sagte der Wirt , daß ich nicht zugegen war - Konnte ich Dummkopf , denn nicht zu einer anderen Zeit Eier kaufen ? -
O erzählen sie mir doch den ganzen Verlauf der Sache - Ich nehme gar zu starken Anteil an solchen wunderbaren Schicksalen -
Ich habe selbst sehr wunderbare gehabt -
Nun gut , sagte ich - So wollen wir einmal unsere Waren gegen einander vertauschen - Aber jetzt habe ich keine Zeit - Wir müssen nach deiner Gebieterin , liebe Schwester ! und nach ihren Eltern - Unsere Mutter wird uns begleiten - Befehlen Sie eine Kutsche , sagte der Wirt - Nein , sagte ich - Sie sollen den Augenblick eine haben , sagte er - und damit eilte er nach der Türe - Nein , Nein , Nein , schrie ich ihm nach -
Ich will keine haben -
Wir alle Drei , wie wir hier stehen , schämen uns unserer gesunden Knochen nicht - Der Wirt hustete - scharrte mit den Füßen - machte sich allerhand Gewerbe , um mir etwas in die Ohren flüstern zu können - zupfte mich beim Rocke :
aber ich gab auf nichts Achtung - Sogleich ergriff er die Sache bei einem anderen zipfel - Er ging zum zimmer hinaus - tat , als ob er mit jemanden spräche - kam wieder herein und sagte , es würde nach mir gefragt - Ich glaubte es und ließ mich die ganze Treppe herablocken - Rähmen Sie es nicht übel , sagte der Wirt , daß ich Sie mit List aus Ihrem zimmer gelockt habe -
Ich kann Sie unmöglich zum Spott der jungen und Alten werden lassen - Ich schüttelte den Kopf und verstand nichts - Wenn Sie mit dieser alten Dame , fuhr er fort , die ich wie meine eigene Mutter verehre - und mit diesem Kammermädchen , Ihrer gegenwärtigen Mamsell Schwester , auf der Straße geben , so stehe ich Ihnen nicht davor , daß alle Leute , die Ihnen begegnen , auf der Straße stehen bleiben - daß alle Leute , die zum Fenster heraussehen , an die Türen herabrennen - daß alle Buben aus allen Zünften sich um Sie herumversammeln und Sie begaffen und Sie auslachen - -
Und daß ganz Leipzig an einem Tage närrisch wird , setzte ich hinzu - Das ist so gewiß , wie ich meine Mütze in der Hand halte , sagte er - Es ist zu auffallend -
Nun gut , Herr Wirt , sagte ich - Ich liebe das Auffallende - O über den Starrkopf , sagte er leise zu sich selbst - So erlauben Sie wenigstens , setzte er hinzu , daß ich Ihnen in einer Entfernung von Dreissig oder vierzig Schritt ein paar Mann Wache darf nachfolgen lassen - Bloß um der Strassenbuben Willen - Ich lachte , was ich lachen konnte , holte meine Mutter und meine Schwester und begab mich mit ihnen auf den Weg - Meine Schwester nahm den Weg nach dem Komödienhause , auf dem ich sie zuerst gesehen und gesprochen hatte - Sie wußte den Ort auf das genaueste , auf dem ich sie zum Stillstehen bewogen hatte -
Ich gerate in Versuchung , sagte sie , indem sie auf einen Pflasterstein trat , diesen Stein ausreissen zu lassen und auf den leeren Platz Rosen zu pflanzen - Und ich , sagte ich , gerate in Versuchung , dich für diesen Einfall auf öffentlicher Straße zu küssen - Bei dem Eingange des Komödienhauses hatten wir ebenfalls verschiedene Merkwürdigkeiten zu besehen und unserer Mutter zu zeigen - Den Ort , wo meine gute Schwester durch den Verlust ihrer Geldbörse beinahe auf das empfindlichste beschämt worden wäre , wenn ich ihr nicht beigesprungen wäre -
In das Komödienhaus konnten wir nicht hineinkommen : sonst würden wir unserer Mutter den Ort bezeichnet haben , wo wir im Romeo und Julie Hand in Hand , saßen und Träne auf Träne weinten - Von dem Komödienhause gingen wir gerade nach - dem Kirchhofe - Da wir einmal in den Leipziger Merkwürdigkeiten , die wir selbst gemacht hatten , steckten , so konnten wir die größte nicht übersehen -
Hier , sagte ich , zu meiner Schwester :
Hier war es , wo ich an dem Halse meiner Mutter für Freuden sterben wollte - Dort stand ich , als ich sie in der Finsternis der Nacht auf mich zukommen sah -
Und hier , liebe Schwester , sagte ich , indem ich ein paar große Tropfen Tränen fallen ließ und mit gesetzteren Schritten voranging - Hier ist das Grab meiner seligen Freundin , um die ich traure und stets trauern werde - Meine Mutter wußte bereits etwas von dieser traurigen Geschichte und meine Schwester wußte sie ganz - Beide traten mit nassen Augen an das Grab - Meine Schwester wickelte sich ein Tuch um die Hand und riß ein paar großer Nesseln aus , die auf dem Abhange des Grabes gewachsen waren - Weg mit euch , sagte sie : Verunstaltet das Grab dieser Heiligen nicht ! -
Eben kam der Totengräber mit seinem ganzen Arsenale und wollte , dicht an der Seite des Grabes meiner Freundin , ein frisches machen - Erst legte er sein Werkzeug neben sich und uns :
dann wünschte er uns einen guten Tag - Der Mann sah munter , unerschrocken , stark und nicht ganz unfreundlich aus - Sein Auge , voll Glut und Feuer , schien allen Gespenstern und Kobolden den Krieg anzukündigen - Kurz , man sah es dem Manne auf den ersten Blick an , daß er zum Totengräber geschaffen war - Sein uns gewünschter guter Tag wurde ihm von uns allen drei freundlich zurückgewünscht und nun kündigte er uns an , daß er hier ein Grab zu machen hätte , und bat uns , Platz zu machen - Mein Freund , sagte ich zu ihm , hat er wohl das Grab hier gemacht -
Hier zeigte ich mit meinem Stocke auf das Grab meiner Freundin - Ja , sagte er - Warum ?
Ist es nicht ein rechtes Grab ? -
Ja freilich , gab ich ihm zur Antwort und klopfte ihn auf die Schultern - Ein recht proportionirrliches Grab ist es , wofür er ein Trinkgeld verdient hat -
Ich gab ihm eins - Er nahm es an und tat , als ob er aus Dankbarkeit sowohl für das Lob , als für das Trinkgeld - denn , nach seiner Mine zu urteilen , schien ihm das erste richtiger , als das letzte - seinen Hut sobald nicht wieder auf den Kopf bringen wollte : allein ich setzte ihm denselben mit eigener Hand auf - Er ist ein alter Mann , sagte ich - Er muß nicht mit bloßem Kopfe gehen - Aber sage er mir , kennt er die Person , die er in dieses Grab eingescharrt hat ?
Der Totengräber sah das Grab einen oder ein paar Augenblicke starr an -
Ja , sagte er -
Ich habe sie gekannt - Es war ein armer Teufel von Mädchen , die mit der schweren Krankheit geplagt war -
Es wird ihr , denke ich , unter meinem Dache recht wohl gefallen ! -
Schon griff ich zum zweitenmal nach meiner Börse , um dem Totengräber ein besser Trinkgeld zu geben , als das erste , aber , dachte ich bei mir selbst - was kann ihm ein lumpiges Trinkgeld helfen ? -
Gott segne ihn , sagte ich und schüttelte ihm die Hand - Kann ich ihm womit dienen ?
Hat er eine Frau ? -
Sie ist tot , sagte er - Hat er Kinder , fragte ich -
Sie sind alle tot und versorgt , sagte er - Ist er arm , fuhr ich fort - Nein , sagte er - Ich verdiene mit meiner Hände Arbeit so viel , als ich brauche - Aber es wird eine Zeit kommen , sagte ich , wo er nicht mehr wird arbeiten können - Das glaube ich nicht , sagte er - Wenn mich meine Kräfte verlassen , dann bin ich gewiß auf dem Sprunge zu sterben - Wir Totengräber wissen nichts von langwierigen Krankheiten - Entweder gesund , wie ein Fisch , oder tot , wie ein Ochse -
Jetzt wünschte ich mir wobl auf eine halbe Stunde Martials oder Boileaus oder Kästners Geist , um auf diesen Totengräber - der Leipzig merkwürdiger macht , als alle seine Messen - ein Epigramm zuspitzen zu können !
O Wunder aller Wunder !
Im achtzehnten Jahrhunderte - Im Jahrhunderte des Mangels und der Bedürfnisse - Im Jahrhunderte des Gelddurstes - lebt zu Leipzig ein armer , unbekannter Totengräber , der nichts braucht !
Ich und meine Mutter und meine Schwester sahen einander wechselsweise an - Was denkst Du zu diesem Manne , sagte ich zu meiner Mutter ?
- Daß Gott gütig ist , gab sie mir zur Antwort - Vortrefflich gedacht , sagte ich - Und was denkst Du , liebe Schwester ? -
Das sollst Du gleich hören , lieber Bruder , sagte sie - Gut , mein Freund , sagte sie zu dem Totengräber - Er braucht nichts für sich : aber so braucht er doch gewiß etwas für andere - vorzüglich für Arme , die nicht Geld genug haben , um unter die Erde zu kommen -
O sagte er - für die ist schon gesorgt - Wenn mir jemand ein gut Wort gibt und ich sehe , es ist ein armer Teufel , so begrabe ich ihm einen Kerl dafür , der so lang ist , wie der Riese Goliath - Wir sahen uns von neuem an - Es ist eine Verlegenheit , die in einem Jahrhunderte kaum ein dutzendmal vorkommt , daß man jemanden von Grunde seiner Seelen dienen will , ohne dazu kommen zu können - So hat er doch vielleicht , sagte ich , indem ich mich zu ihm wendete , einen armen Amtsbruder , dem er gern möchte geholfen wissen -
Ja , sagte er , den hätte ich wohl - einen recht kreuzbraven innigen Kerl , der in ein paar Stunden mit seinem Grabe fertig ist , wie nichts : aber Sie , Herr , Sie können ihm nicht helfen - Noch toller ! Erst war gar nicht zu helfen - Nun ist zu helfen :
aber ich kann nicht helfen ! -
Bei einem Haare wäre ich auf den Totengräber empfindlich geworden , daß er mir platterdings das Vermögen seinem Amtsbruder zu helfen , absprach -
Ich glaube gar , ich verließ mich auf mein Geld - Ich glaubte damit alles ausrichten zu können , allem Übel zu steuern , aller Not ein Ende machen zu können - O wenn ich es wüßte , wie wollte ich eilen des Plunders los zu werden !
Doch still -
Ich habe jetzt eine Mutter und eine Schwester - Beide haben auf meinen Mammon Anspruch - Jetzt ist es Sünde ihn zu schlendern - - - Warum nicht , sagte ich zu dem Totengräber mit einem etwas aufgebrachten Tone ?
Weswegen nicht ? -
Ich will ihm aber helfen und wenn es mich , wer weiß was , kosten sollte - Hier lächelte der Totegräber zum erstenmal - vermutlich wohl nicht darüber , daß ich durch eine guttätige Handlung meinem gekränkten Stolze ein Opfer bringen wollte :
denn dazu war er wohl nicht fein genug - wiewohl , wenn er nur schlau genug gewesen wäre , so hätte er leicht die echte Quelle meines stürmischen Anerbietens entdecken können , - - sondern wohl mehr darüber , daß es ihm lustig vorkam , daß ich mit aller Gewalt jemanden helfen wollte , den ich nicht kannte , den ich noch nicht einmal hatte nennen hören und der , wenn ich ihn auch nennen hörte , nichts mehr und nichts weniger , als ein Totengräber war , dem ich auch , wie es sich bald zeigen wird , eigentlich zu reden nicht helfen konnte -
Nun gut , sagte der Totengräber , so verschaffe ihm der Herr eine Frau - Der Kerl hat sich in ein junges Ding verliebt , das ihn nicht haben will , weil er ein Totengräber ist - Da stand ich - über und über beschämt , wie der Pauvre honteux , den yorik ein so christliches Almosen gab - Ich fühlte nun die Last der Verbindlichkeit , welche zu tragen ich mich anheischig gemacht hatte -
Ich fühlte die Ohnmacht meines Geldes - Ich fühlte , wie viel mich der widerruf meiner angebotenen Dienstleistungen Schmerzen kosten würde - Ich wagte es weder meiner Mutter noch meiner Schwester in die Augen zu sehen , sondern warf starre Blicke auf das Grab meiner seligen Freundin und auf die Schaufel des Totengräbers die daneben lag - In einem Augenblicke raffte ich mich schnell zusammen -
Auch dazu soll Rat werden , sagte ich , indem ich den Kopf plötzlich in die Höhe warf und meinen Stock in die Erde stieß - Sage er mir nur den Namen des Totengräbers und seines Mädchens oder noch besser , schicke er sie beide nach meinem Quartiere - Ich will sie selbst sprechen - Aber das muß er mich versichern , daß die ganze Sache bloß darauf ankommt , daß sein Kamerad ein Totengräber ist - Hat das Mädchen andere Ursachen , warum sie ihn nicht leiden kann , so habe ich mit dem ganzen Handel nichts zu tun - Davor bin ich Ihnen Bürge , sagte der Totengräber - Wäre der Kerl ein Schneider oder Schuster oder söhnst etwas , so nähme ihn das Mädchen mit Freuden - Sie hat es ihm selbst mehr , als einmal gesagt -
Aber da er ein Totengräber ist , so hat sie für ihm einen Abscheu - Der soll sich verlieren , sagte ich - oder ich will nicht ich sein - Der Totengräber schüttelte den Kopf - Er hatte Recht : aber ich müßte nie ein philosophisch Buch in den Händen gehabt haben , wenn ich nicht das Kunststück verstanden hätte , eine Aversion aus der Seele zu vertreiben - Wir machten uns bald darauf auf den Weg - und gerade nach der Wohnung meiner Schwester und meiner kleinen Naiven - Aber ich bitte euch , lieben Leser !
was dünkt euch zu einem so seltsamen Konkursus von Glücksund Unglücksfällen - von freudigen , traurigen , ärgerlichen , närrischen Szenen , die einander alle zur wider sind , und die es doch recht miteinander verabredet zu haben scheinen , daß sie sich an einem Tage in Leipzig treffen wollen - Am meisten aber , was dünkt euch zu meinem seltsamen Vorsatze einem Totengräber zu einem Mädchen zu verhelfen ?
Wie wird euch zu Mute , wenn ihr euch mich als den Kuppler eines Totengräbers vorstellt ?
Wird euch übel - oder erblickt ihr mit mir in dem Totengräber noch immer den Menschen , und in dem jungen Totengräber noch immer den jungen Menschen , dem eben so gut ein junges Mädchen bestimmt ist , wie jedem anderen , der eben so gut nach Neigung heiraten darf , als jeder anderer , der trotz seines Handwerkes eine eben so gute und glückliche Ehe führen kann , als jeder anderer - - oder raffiniert ihr auf die etwannigen Persvasoria , die ich bei dem schierstkünftigen Besuche des jungen Totengräbers und seiner ekelhaften Liebste gebrauchen möchte , um diese zur Heirat mit jenem zu bewegen ?
Was euch letzteren beide anbetrifft - denn mit den ersteren habe ich nichts zu tun -
Was euch also anbetrifft - und eure Anzahl ist eben so groß , als die Anzahl der philosophischen Köpfe unter meinen Lesern - so melde ich euch , daß der junge Totengräber selbst ein Mittel erdacht hat , seiner Geliebten den Abscheu für ihm aus der Seele wegzuscheuchen -
Sie sind ohne mein zutun Braut und Bräutigam geworden :
So hat es mir mein alter Totengräber erzählt - Das Mädchen hatte keine Mutter mehr :
aber sie war ihr , so lange sie gelebt hatte , auf den Wink Gehorsam gewesen - überdies war sie ein furchtsames und abergläubisches Ding - dies wußte der Totengräber und machte es sich vortrefflich zu nutze - Er kam in der Mitternachtstunde - in einer Nacht , die immer halb so helle sein mochte , wie der Tag - den Kopf in eine Weiberhaube verhüllt - vor das Kammerfenster seiner Geliebten - Er rief sie mit einer affektierten Weiberstimme bei ihrem Namen - Das Mädchen fuhr aus dem Schlafe auf und Husch ! unter das Bette -
Aber der Schall kehrte sich an kein Bette - Sie hörte ihren Namen zum zweitenmal rufen und nun glaubte sie deutlich die Stimme ihrer Mutter zu vernehmen - Sie würde Zeter geschrien haben , wenn sie die Kraft dazu gehabt hätte - Der junge Totengräber sagte nichts weiter , als : Heirate den Totengräber ! -
Dies sagte er dreimal und sprach jede Silbe so bestimmt aus , daß das Mädchen den Befehl ihrer vermeinten Mutter wenigstens einmal hören mußte , wenn ihr auch der Schreck die übrigen beidemal die Ohren unnütz gemacht hätte - Kaum war nach einer angstvollen Nacht der Morgen angebrochen , so eilte das Mädchen schon zu dem jungen Totengräber , der sich stellte , als ob er gar nicht Lust hätte , um ihretwillen die Federn zu verlassen - Sie erzählte ihm das ganze Abenteuer mit den fürchterlichsten zusetzen und bat ihn , er möchte sie doch heute noch zum Weibe nehmen - Der Totengräber wollte Ausflüchte machen :
aber das Mädchen schleppte ihn auf der Stelle zu der ersteren Instanz des Heiratswesens fort und die Verlöbnis kam noch denselbigen Tag zur Richtigkeit .
So , lieben Leser ! vertrieb ein Totengräber eine Einbildung durch die andere - Es kostete ihn nicht mehr als ein Dutzend Worte - wieviel würde es wohl unsere Philosophen gekostet haben ?
Was die Prophezeiungen meines Wirts anbetrifft , so wurden sie zur Ehre Leipzigs und seiner Einwohner zu Schanden - Wenigstens war die Wache nicht nötig .
Meine kleine Naive sah mich von fern kommen - Die Ungeduld , nach einer mündlichen oder schriftlichen Antwort auf ihren Brief hatte ihren Kopf schon eine Stundelang zum Fenster her ausgesteckt - Sie verließ das Fenster - flog an die Türe herab - vergaß ihren und meinen Kummer , da sie meine Mutter auf sich zukommen und ihr die fromme Hand reichen sah -
Sie drückte meine Mutter in ihre Armen und - kaum konnte ich ihr durch einen meiner verworrensten Blicke zu verstehen geben , daß auch ich da wäre - Guten Tag , mein lieber , sagte sie , und reichte mir ihre Hand - Ich ergriff sie : aber ich verdoppelte zugleich die Verworrenheit in meinem Blicke - Gleich drückte sie mir die Augen zu - Davon sagte sie , wollen wir einandermal sprechen - Sie nahm meine Mutter in den Arm und wollte mit ihr die Treppe hinauf eilen : aber meine Schwester hielt sie zurück -
Meine teuerste Gebieterin , sagte sie - Meine teuerste Gespielin , gab sie zur Antwort - Meine teuerste Tochter , sagte meine Mutter - und so war das Geheimnis entdeckt - Die kleine Naive konnte sich vor Verwunderung gar nicht fassen - Wir blieben lange an der Treppe stehen und es schien , als warteten wir darauf , daß das zimmer zu uns herabkommen sollte - Die Mutter meiner kleinen Naiven , die eben zu einer Türe herauskam , in welche unser Schatten fiel , erweiterte unseren Zirkel - und bald darauf auch ihr Gemahl - Aber auch nicht ein Wort will ich von unserer ganzen sechsstündigen Freude erzählen -
Für euch , lieben Leser ! ist sie zu einförmig !
Ihr habt mich schon zu oft von meiner lieben Mutter mit Enthusiasmus sprechen hören - Dies einzige will und muß ich euch sagen , daß die Eltern meiner kleinen Naiven meine Mutter bei sich behielten und daß ich nicht die Kraft hatte , es ihnen abzuschlagen - Dieses gab zu einem Abendteuer Gelegenheit , welches ich euch in dem folgenden Kapitel erzählen will .
Die ängstliche Nacht .
Kaum hatte ich aus dem Hause der Liebe und Freundschaft den ersten Fuß auf die Straße gesetzt , so fühlte ich , daß mich jemand von hintenzu bei meinem Rocke wiederhielt - Hätte mich dieser Jemand bloß gezupft , so würde ich , ohne mich umzusehen , weiter gegangen sein - Mein Wirt hatte mich schon nnterrichtet , wie man sich bei nächtlichen Zupfereien aufführen müßte - allein dieser verdammte Jemand hielt mich so fest , daß ich mich gefaßt machen mußte , bei meinem Umsehen entweder einen baumstarken Kerl oder einen baumstarken Nagel zu erblicken - Ich legte die Hand an meinen Degen und sah zurück - Der Kerl , der mich hielt , war in der Tat , von dem Geschlecht des Milo - so breitschultrig , so nervig , so knochig , daß ich sogleich meinen Degen fahren ließ und mich auf Gnade und Ungnade ergab - Er machte mir eine tiefe Verbeugung und da er mit dem Daumen und Zeigefinger seiner rechten Hand meinen Rock widerhielt und mitten im Komplimente seine rechte Hand an sich zog , so rückte er mich seiner Maße um einen guten Schritt näher - Ich stolperte :
aber ich fiel nicht - Wäre ich so dicke , wie er und er so dünne , wie ich gewesen , so hätte ich gewünscht , daß ich gefallen wäre -
Doch nein - ich würde den armen Teufel nur erdrückt haben - und wenn seine Seele materiell war , so zerquetschte ich sie ohne Barmherzigkeit - es wäre denn , daß sie in der Finsternis den Weg durch die Nase oder durch den Mund , oder durch die Ohren oder durch den ersten den besten Porus hätte finden können - Mir war bei dieser Verbeugung gar nicht wohl zu Mute - und glaubt mir , wenn ich am Stolze ein Cäsar gewesen wäre , sie hätte mir unter den gedachten Umständen nicht angestanden -
Als sich der Kerl wieder in die Höhe gerichtet hatte , fing er ein pantomimisches Spiel an , welches dahinauslief , daß ich ihm folgen sollte , wohin er mich füh Ren würde : allein er nahm sich wohl in Acht , den zipfel meines Rocks fahren zu lassen - Was wollte ich tun ? -
Ich trabte , wie ein armer Gefangener , hinter ihm her - Die Passage zu meinem Degen war abgeschnitten und wenn sie auch offen gewesen wäre , so hätte ich doch immer gewärtig sein müssen , mein Polyfan ginge mit meinem Eisen nicht besser , als mit einem eben so laugen Strohhalme um - zum Schreien , welches einzig und allein im Stande war , mich von dem Stricke meines Bärführers loszuschneiden , konnte ich mich aus einer unzeitigen Scham nicht entschließen - Einmal versuchte ich es , meinen Vorgänger mit meiner zusammengeballten Faust auf die seinige zu schlagen : aber ich versuchte es auch nur einmal - Mein ganzes Nerven : Knochen-Arterien-Venensystem und was sich sonst noch in dem menschlichen Körper systemisiren läßt , litt bei diesem Versuche eine so starke Erschütterung , daß ich geschwind mit der Hand nach dem Munde fuhr , um die zersplitterten Knochen mit den zähnen herauszuziehen - Allein was ist_es ?
Schmerz macht nur boßhaft -
Ich zog gleich darauf einen ansehnlichen Schlüssel hervor - vermehrte seine Neigung , sich nach dem Mittelpunkte der Erde zu bewegen , so stark , als es nur irgend in meinen Kräften stand und ließ ihn senkrecht auf einen hervorragenden Knochen in der Hand meines Führers Fall lehn - Dem Schalle nach mußte der Knochen zu Pulver geworden sein : allein , in der Tat , war der Schmerz von dem Schlage meines Schlüssels vor der Haut des Knochens liegen geblieben - denn mein Kerl tat nichts weiter , als daß er sich mit dem Kopfe ein wenig umdrehte - gleich als wollte er sagen :
Was pocht da ? - und in eben dem Augenblicke den Kopf wieder am Ort und Stelle brachte - gleich als wollte er sagen : Mag es doch pochen !
Ein Zufall , den ein mitleidiger Geist in aller Eile angeordnet haben mochte , verschaffte mir und meinem fast schon zerriebenen Rockzipfel Hilfe - Ein halb Dutzend Leute , die bei Madame Gerechtigkeit in Brot und Lohne zu stehen schienen - mit Spiessen und Schwertern - gingen hart bei uns vorbei und sogleich fühlte ich mich von meinen Ketten los - Mich dünkt , ich hätte es vor aller Welt verantworten können , wenn ich meinen stummen Führer - denn das war er in der Tat - in ihre Hände geliefert hätte und es würde auch wenig Schwierigkeiten gekostet haben -
Denn der Kerl hatte seinen schwerfälligen Schritt nicht um einen zoll weder verkürzt , noch verlängert , sondern , wie ich schon gesagt habe , er hatte nichts weiter getan , als mich gehen lassen : allein eben die Scham , die mich zuvor nicht hatte schreien lassen , ließ mich jetzt nicht angeben -
Bin ich doch nun frei , dachte ich bei mir selbst :
Warum sollte ich den armen , bestochenen Teufel , dem ich vielleicht durch meinen unvollendeten Gang zu einem Trinkgelde verholfen habe - Warum sollte ich ihn wider darum bringen ?
Mit diesen Gedanken ging ich zwanzig gute Schritte fort und fing schon an , von dem ganzen Abendteuer zu abstrahieren und mich im Geiste zu meiner lieben Naiven zu versetzen , als ich den fürchterlichen Kerl dicht hinter mir herkommen hörte -
Ohne mich für einen Helden auszugeben , versichere ich euch auf das treuherzigste , daß ich für nichts fliehe - Ich fliehe nicht für dem ganzen weiblichen Geschlecht , es mag sich mir unter einer Maske zeigen , unter welcher es will - Ich fliehe nicht für dem Elende - Die Gestalt , unter der es sich zeigt , mag so ekelhaft sein , als sie will - und glaubt mir , hätte eben dieser Bastard von einem Riesen , der mich so gierig verfolgte - hätte er um Hilfe geschrien oder mich um ein Almosen gebeten oder wäre er selbst so gierig von anderen verfolgt worden , als ich es von ihm wurde - ich wäre still gestanden , ohne mich über sein fürchterliches Ansehn im geringsten zu Entsetzen - Ich fliehe nicht für einer drohenden Mine und wenn sie aus den Augen eines Königes auf mich herabgeschossen würde - Dazu bin ich zu stolz auf die Unsterblichkeit meiner Seele ! -
Ich fliehe für keinent Gespenste , es mag mit Ketten rasseln oder bloß in weißem Domino erscheinen - Hingegen - Jemehr es sich der Körperlichkeit nähert , desto verwegener bin ich - Kurz , ich wüßte nicht das geringste , wofür ich unveränderlich - einmal wie das andere - bei Tag und bei Nacht - flöhe :
Aber für diesem verzweifelten Kerle , der mich aus der Kraft , die in seinen zwei Vorderfingern der linken Hand steckte , einen so mächtigen Schluß a minori ad maius hatte machen lernen - bei dessen Komplimente ich schon , wie bei einem Erdbeben taumelte - auf dessen Schultern mir meine Einbildungskraft , ohne daß ich_es ihr hätte verwehren können , einen Auerochsen , wie bei dem Milo , dann wider ein Stadttor , wie bei dem Simson , dann wider eine Löwenhaut , wie bei dem Herkules hinmalte - der mich so leicht hinter sich herzog , wie einen Knopf an dem Hinterteile seines Rockes - der so dickhäutig war , daß er das starke Anpochen mit dem Schlüssel für ein Anpochen an einer fremden Türe hielt - dem ich durch ein halbes Wunderwerk entgangen war -
Ja , lieben Leser ! für einem solchen Kerle , der jetzt zum zweitenmal hinter mir her war , der mich als einen Entlaufenen betrachtete , den man ein wenig fester halten müßte , wenn man ihn erwischte - Für einem solchen floh ich - Hätte meine Überlegung nur einen Augenblick Zeit gehabt , ihr Werk zu treiben , so würde ich es nicht getan haben - Denn wozu kann doch das Fliehen einer Maus für einer Katze helfen , die sich schämt , ihre Löcher zu suchen ?
- Allein meine Selbstliebe rief ihn :
Saufe Chi peut so geschwind , daß zwischen verfolgt werden und Fliehen auch nicht die allerkleinste Gedanke statt fand - Wäre ich nur noch recht geflohen - mit der Geschwindigkeit eines Hasen und eben so in das Kreuz und in die Quere , wie er , so wäre ich vielleicht glücklich davon gekommen - denn , mich dünkt , der Kerl hatte eben so wenig Gelenke , sich rechts und links zu drehen , wie ein Krokodil - Füße , Beine , Schenkel , Hüften , Unterbauch , Oberbauch , Brust , Hals , Kopf - alles lag bei ihm nur schichtweise über einander - hing bloß durch die Gesetze der anziehenden Kraft zusammen , ohne durch dazwischen liegende Walzen zum Hin und Herdrehen eingerichtet worden zu sein - aber ich armer Tropf ! floh immer in gerader Linie - nicht einmal mit vollem Laufen , sondern nur mit großen und schnellen Schritten - und was das ärgste war , so floh ich in eine enge Nebenstrasse , die eben vor mir lag - Ich verließ mich darauf , daß der Kerl mit seinen beiden Schultern nicht Platz darinnen haben sollte : allein ich bedachte nicht , daß er auch wohl im Notfalle mit eben diesen breiten Schultern die Häuser zu beiden Seiten ein wenig weiter auseinander schieben könnte - Nachdem ich im Geiste vor ihm bereits eben so vielmal war ergriffen worden , als ich Schritte von ihm zählen konnte , wurde ich es auch am Leibe -
Ich wollte mich umdrehen - Ich wollte dem Kerle Geld geben , wenn er mich loslassen wollte - Wo nicht , so wollte ich ihm dennoch Geld geben , um von ihm die Erlaubnis zu erkaufen , als ein Gefährte neben ihm hergehen zu dürfen - Auf sein Begehren wollte ich auch die Hand auf seine Hüfte legen - wenn ich daran hinaufreichte - und ihm bei Goliaths Speere zuschwören , daß ich nicht mehr entlaufen wollte :
Aber der Kerl raffte alles mein Wollen auf einmal mit sich fort - -
Wie er das tat ? -
Das kann ich in der Tat nicht sagen , ohne zu erröten - Doch warum soll der Schwache über dasjenige erröten , was der Starke auf ihm vornahm ?
Oder hat uns der alte Montagne nicht etwan Dinge erzählt , die ihm gewiß eine hohe Röte abjagten , als er sie erzählt und die wir dennoch alle gern lesen und belachen und uns freuen , daß er sie erzählt hat ?
Der Kerl schwenkte mich auf seine Schultern - trug mich die enge Straße wieder zurück , in die ich geflohen war - setzte mich am Ende derselben wieder ab - machte mir ein finster Gesicht und schüttelte den Kopf - gleich als wollte er sagen : Pfui , schämt euch doch , daß ihr mir die Mühe macht , euch nachzulaufen und einzuholen - Freilich ist es nur eine kleine Mühe : aber ihr werdet mich doch gewiß nicht dafür belohnen - und meine Herrschaft eben so wenig -
Ich zog meine Börse - hielt sie so hoch in die Höhe , als meine Arme reichten -
Aber der Kerl schüttelte den Kopf nur desto ärger - -
Ich gab ihm durch Minen und Gebärden zu verstehen , er sollte mich nur gehen lassen :
ich wollte ja gern neben ihm oder vor ihm hergehen - Nach noch einigen Weigerungen ließ er es sich gefallen und nun fing er an , mich dergestalt im Labirinthe herumzuführen , daß , wenn ich Leipzig nicht schon näher gekannt hätte , so würde ich es für so groß und für so verworren gehalten haben , wie Paris - Ich sehnte mich nun herzlich , endlich einmal an den Ort meiner Bestimmung zu kommen , er möchte nun sein , welcher er wollte - wiewohl ich konnte nun nicht mehr zweifelhaft sein , welcher es war - Nach reichlichen zwanzig Minuten hielten wir für einem Hintergebäude still , an dessen Türe uns ein Kammermädchen zu erwarten schien - Der große Kerl , dessen Amt , wie ich glaubte , nun aufhören würde , forderte jetzt mit einer tiefen Verbeugung meinen Degen - Den Augenblick sprang ich drei Schritt zurück und zog vom Leder - Gehe , Ungeheuer , sagte ich :
Erst sollst du seine Schärfe fühlen , ehe du - Der Kerl wickelte sich in der Geschwindigkeit einen alten Lappen vom Schnupftuch um die Hand und faßte meinen Degen mit ein paar Fingern in der Mitte an - Wunderlicher Kopf , sagte das Kammermädchen , wozu brauchen sie doch wohl den Degen bei einem Frauenzimmer ?
- Unterdessen hatte der Kerl schon meinen Degen mit der Spitze in die Höhe gekehrt und seine andere Hand an das Stichblatt gelegt - Ich ließ ihn fahren und gab meine Scheide ungefordert dazu -
Er wartete noch so lange , bis ich zum Hause hineingegangen und die Türe hinter mir verschlossen war - dann ging er .
Das Kammermädchen bewillkommte mich so freundlich , daß ich sie sogleich fragte , ob sie vielleicht die Dulcinea wäre , der ich das Glück hätte zu gefallen - Nein , sagte sie - Meine Gebieterin ist es - Und was ist das für eine Gebieterin , sagte ich - Eine Gebieterin , versetzte sie , die gewiß das Glück haben wird , Ihnen zu gefallen - niederträchtige , sagte ich , indem ich sie trotzig zurückstieß - Wofür helltest Du mich ?
Glaubst Du , daß der Abschaum von Deinem Geschlecht für mich gut genug ist ? -
Was reden Sie da von Abschaum , sagte das Kammermädchen -
Das soll Ihnen nicht ungenossen hingehen ! -
Was kann ich in einem Hause , versetzte ich , in welches ich mit Gewalt geschleppt worden bin , anders vermuten , als Abschaum ! -
O , sagte das Kammermädchen - ich bitte Sie - lassen Sie dieses garstige Wort weg - Weder meine Gedietherin , noch ich , gehören zum Abschaume unseres Geschlechts - Wir sind beide mit der Tugend bekannt !
Das glaube ich wohl , gab ich zur Antwort -
Man kann das Laster nicht Aue üben , ohne bisweilen , etwas von der Tugend zu hören und ohne sie wenigstens par Renommee zu kennen - Sie beleidigen mich , sagte das Kammermädchen in einem so ernsthaften Tone , daß ich zweifelhaft wurde , ob ich wachte oder träumte - So sehr auch der Schein wider uns ist , so gewiß hoffe ich doch , daß Sie bald aus einem anderen Tone sprechen werden - Vielleicht , sagte ich , aus Furchtsamkeit - Nein , sagte sie - Nicht aus Furchtsamkeit , sondern aus wahrer Überzeugung - Hier fühlte ich nach meinem Kopfe :
denn in der Tat , wußte ich es nicht mehr , wo er stand - Sollte die Verstellung so weit getrieben werden können , dachte ich bei mir selbst - oder sollte es ein möglicher Fall sein , daß ein tugendhaftes Mädchen - mitten in der Nacht - einen Jüngling zwingen könnte , sie zu besuchen - Nein , das ist Schimäre - Alles ist Trug und List - Spotte die Tugend nicht , sagte ich zu dem Kammermädchen mit einem schrecklich warnenden Tone - O könnte ich Sie doch überzeugen , erwiderte sie - Doch Sie sollen ja überzeugt werden , wenn Sie nur meine Gebieterin selbst sehen und sprechen wollen - Warum hat man mir denn , wie einem Arrestanten , den Degen abgenommen , fragte ich ? -
Weil Sie ihn nicht brauchen , antwortete sie - weil wir uns für den Mordgewehren der Männer fürchten - Morgen früh sollen Sie ihn unversehrt wieder haben - Der Himmel stehe mir bei , sagte ich und wischte mir den zorn- und Angstschweiß vom Gesichte ab - Kommen Sie , sagte das Kammermädchen - Furchtsamer , harmätiger , ungläubiger Jüngling - kommen Sie und lernen Sie mich und meine Gebieterin gelinder beurteilen - Ich wurde in ein zimmer geführt - über dessen Türe ich mit güldenen Buchstaben die Überschrift setzen möchte :
Die schwere Prüfung .
Ein verschleiertes Frauenzimmer - in ein leichtes Gewand gehüllt - mit einer Hand , die in allen weiblichen Künsten Meister zu sein schien - mit nachlässig , jedoch nicht unsittsam über einander geschlagenen Füßen - saß auf einem Lehnstuhle - den Kopf in die linke Hand gestützt und schien so süß wie eine Engelin zu schlafen - Ich bin ein Jüngling -
Ich habe es euch schon mehr als einmal gesagt , ob ihr mir es gleich durchaus nicht glauben wollt - Wundert euch also nicht , wenn meine jungen Augen wider ihren Willen auf das schlafende Mädchen geheftet wurden und wenn ich wie der Königssohn da stand - Mit starrem Blick und offenem Munde - Leider , hatte ich es schon vergessen , wo ich war - Leider , dachte ich nicht daran , welche tödliche Pfeile diese schlafende Kreatur unter ihrem Schleier verbergen könnte - Jedoch , um auch etwas zu meiner Verteidigung zu sagen - Hätte ich auch jenes nicht vergessen und dieses bedacht , so war doch in dem einen und dem anderen Falle die Türe hinter mir verschlossen - in dem einen und dem anderen Falle war das Schlüsselloch zu klein , mich durchschlüpfen zu lassen - Wiewohl meine Seele durchschlüpfen zu lassen , wäre es immer groß genug gewesen und dann , dünkt mich , hätte der Körper ohne die geringste Gefahr für die Tugend zurückbleiben können : allein - in dem einen und dem anderen Falle ließ sich die Türe zu keiner Scheidewand zwischen Leib und Seele machen - und also war in dem einen und dem anderen Falle ein Kampf zwischen Sinnlichkeit und Tugend unvermeidlich - - Sollte sie wohl schlafen , dachte ich bei mir selbst - -
Aber nein !
Sie kann nicht schlafen -
Sie mag tugendhaft oder lasterhaft sein , so kann sie nicht schlafen - ha , Betrügerin - Diese Überzugang und diesem : ha , Betrügerin zu folge , werdet ihr vielleicht denken , fing ich an , mit großen Schritten das zimmer auf und abzugehen - oder auf die schlafende ein diktönigtes :
Hehda ! loszudonnern - O nein , das tat ich nicht - Ich schlich mich so leise , daß ich mich kaum selbst hören konnte , zu ihr hin - zog meinen Atem an mich und horchte auf - Meine Blicke drangen gierig durch den Schleier hindurch - O !
Wie schön war sie !
So schön kann nie Die Flur im Lenze prangen !
Und nun fing ich in ganzem Ernste an zu zittern - Ich bin verloren , dachte ich - Ohne Rettung verloren - O daß ich nicht lieber meinem verruchten Führer die Sehnen entzweischnitt oder ihm , als ich auf seinem Rücken saß , die Augen auskratzte !
- Scheltet mich nur immerhin für kleinmütig , für verzagt , vielleicht gar für ohnmächtig :
Ich will euch dagegen für unwissend in dem Kapitel von Versuchungen schelten !
Die schlafende - noch weiß ich nicht , wie ich sie nennen soll , Engelin oder Teufelin - setzte ihren wahren oder verstellten Schlaf ungestört fort - Ihre Hand lag noch so unbeweglich , wie zuvor - Sollte denn ein Verbrechen dabei sein , dachte ich bei mir selbst , wenn ich sie ganz leise anrührte - und ohne diese Frage bei mir selbst entschieden zu haben , legte ich die m innige - Verwünschte Macht der Sinnlichkeit !
Möchtest du dich doch in den Augenblicken der äußersten Gefahr für die Tugend - unter den Zepter der Vernunft beugen !
Wie stark würde diese kleine Demütigung den Menschen machen !
Aber von deiner Macht hingerissen , ist er schwach , wie ein Kind - Er sieht eine weiße Hand = Rühre sie nicht an , ruft ihm die Vernunft zu - Rühre sie an , spricht die Sinnlichkeit - Du bist unglücklich , wenn du es tust , sagt jene - Du bist glücklich , wenn du es tust , spricht diese -
Sie ist giftig , spricht jene -
Sie ist süßer , wie Nektar , spricht diese : und von ihr berauscht zu werden , ist besser , als eine ewige Nüchternheit - So behältst du , zänkische Macht ! immer das letzte Wort und wir , Toren ! horchen nur auf das letzte Wort . -
Abi !
Abi .
- Ich legte meine Hand auf den Rücken der ihrigen - Er war sanft , warm , weich -
Ha !
Sie bewegt sich , dachte ich bei mir selbst -
Nun wird es sich zeigen :
Aber es zeigte sich nicht - Das Mädchen machte eine Bewegung , als ob sie im Schlafe gestört würde - Das war natürlich , sie mochte schlafen oder wachen - Sie kehrte sich mit ihrem Kopfe nach der anderen Seite - nahm ihre rechte Hand von ihrem bisherigen Platze weg und legte sie darunter - Die linke aber , die nun eben abgelöst wurde , ließ sie ganz leise auf ihrem Schoß herabsinken - -
So viel Angst , Ungeduld , Furcht , Erwartung hat schwerlich ein Jüngling von meinen Jahren - In der Nacht zwischen zehn und elf Uhr - bei einem schlafenden Mädchen , das ihn mit Gewalt zu sich hatte schleppen lassen - in einem einsamen zimmer ausgestanden , als ich - Ich hätte gewünscht , im Ernste böse werden zu können : allein das war mir unmöglich - und ich glaube , das schöne Geschlecht hat , physisch zu reden , eine Gallenzusammenziehende Kraft , die uns gar nicht zum Zorne kommen läßt -
Ich faßte den friedlichen Entschluß , das Erwachen des Mädchens abzuwarten , ohne es anders , als unwillkürlich zu befördern - Dem zu folge schlich ich mich nach einem kleinen Tische , auf welchem ich ein Buch erblickte - O Himmel , es war Gellerts .
Moral !
Sage mir , redete ich leise zu mir selbst , wie kommst du in dieses zimmer , reines , keusches Buch !
Willst du Tugend noch mehr gründen oder Laster einreissen ? -
Ich nahm das Buch , um vielleicht einen oder den anderen guten Rat zu finden oder doch zu abstrahieren , wie ich mich bei meiner kritischen Lage verhalten sollte : allein aus einer kleinen Ungeschicklichkeit ließ ich das Buch fallen - Schnell war das Mädchen aufgeweckt - Ich sprang auf sie zu , um nur einmal für allemal mein Abenteuer zu erfahren - Wer sind Sie - Was wollen Sie , rief sie mir mit einer furchtsamen Stimme zu , jedoch ohne ihren Schleier fahren zu lassen ?
- Was ich will , gab ich zur Antwort - Erst sagen Sie mir , was Sie wollen -
Sie haben mich mit Gewalt hierher schleppen lassen - Ohne Absicht kann es wohl nicht geschehen sein -
Mit Gewalt , versetzte sie - Das ist wider meinen Willen geschehen !
Rechnen Sie es mir nicht zu - Hier reichte sie mir die Hand , als wollte sie mir eine Abbitte tun - Ich sehe im Geiste die Verwirrung aus euren Augen blinken , ihr meine aufmerksamen Leser !
Wie wäre es möglich , daß ihr sie nicht auch bei mir auf das starkste wahrnehmen solltet ?
Meine Hand war schon auf dem Wege , sich mit derjenigen zu vereinigen , die ihr so schön entgegen kam : allein zum Glück , war ich diesmal Herr über mich selbst - Mademoiselle oder Madame , sagte ich -
denn ich weiß nicht , welches von beiden Sie sind - Ich beschwöre Sie , bei allem , was Ihnen lieb ist - es sei Tugend oder Laster - Sagen Sie mir , wer Sie sind - oder nur wenigstens , wer Sie wollen , daß ich sein soll - Sind Sie vielleicht von mir beleidiget , so verspreche ich Ihnen auf das feierlichste , was Sie von mir verlangen werden , um Sie zu versöhnen - Oder hat sich vielleicht Ihr Abgeordneter in der Person geirrt und einen unrechten gebracht , so erlauben Sie mir , daß ich mich den Augenblick entfernen darf - Sind Sie S ** " fragte mich das Mädchen - Ich bedachte mich einen Augenblick - Vielleicht , dachte ich , kann dich die Verhehlung deines Namens aus dem ganzen Handel reißen : allein das ist niedrig , unmännlich -
Ja , sagte ich , mit einem gesetzten Tone - So sind Sie der rechte , sagte , sie und stand von ihrem Stuhle auf - Halten Sie , sagte ich , indem ich sie bei ihrer Hand widerhielt -
Ich lasse Sie nicht von der Stelle bis Sie mir alles entdecken - trotzen Sie nicht darauf , daß ich in Ihrer Gewalt bin - Ich bin nur in Ihrem zimmer und das will wenig sagen - Aufs allerhöchste können Sie mich durch Ihren riesenförmigen Ambassadeur mißhandeln lassen -
Das ist alles und dazu lache ich - Das Mädchen wollte sich loswickeln : allein ich hielt sie fest , jedoch ohne sie unsanft anzutasten - Sie quälen mich , sagte ich - Sie quälen einen unschuldigen Fremden , der weder Sie , noch Ihr ganzes Geschlecht jemals mit einer Mine beleidiget hat - Wie können Sie das ? -
Lassen Sie mich , sagte sie - Nein , sagte ich - Sie kommen nicht aus meinen Händen - Sagen Sie erst - " Ich kann es nicht sagen , O so hätten Sie mich gar nicht sollen hohlen lassen - " Freilich hätte ich das , Vortrefflicher Entschluß ! -
Also erlauben Sie mir , daß ich wieder gehen darf - " Nein , das kann ich nicht , , Ich zerspringe vor Ungeduld - " Wer ist Schuld daran , als Sie selbst - Warum lassen Sie mich nicht gehen ?
, Könnte ich um diesen Preis die Qualen der Ungewißheit los werden - " Ja , das können Sie , Hier ließ ich das Mädchen gehen und stellte mich in die Lage des aufmerksamsten Zuhörers - " Sie sollen ja nicht hören - Sie sollen lesen -
Dort über jenem Tischchen unter dem Spiegel - " Bei diesen Worten verschwand das Mädchen durch eine Seitentüre - Betrogen , dachte ich ! aber um doch zu sehen , ob ich es wirklich war , langte ich hinter den Spiegel und bekam einen sauber gesiegelten Brief in die Hände , der das folgende Kapitel ausfüllen wird .
Mein Herr .
Wenn ich ihnen sage , daß ich eine abgesagte Feindin von ihrer angebeteten Braut bin - daß ich sie in eben dem Grade hasse , in welchen Sie sie lieben , so werden Sie sich nun leicht vorstellen können , daß Sie ein Opfer meiner Rache sein sollen - Ja , das sollen Sie - An Ihnen will ich mich Rachen , da ich mich an meiner Feindin nicht rächen kann - da ich mit allen Künsten der weiblichen List das kleine , gelbe Gänsen nicht unter den Flügeln seiner Mutter wegpraktizieren kann - noch auch Mut genug habe , mich unter die Flügel der Mutter zu schleichen und an ihrem Gänsen die Hitze meines Unwillens zu kühlen - Alles wohl überlegt tue ich Ihnen auch nicht das geringste Unrecht - Wer für sein Mädchen zu leben und zu sterben wünscht , muß auch für sein Mädchen leiden können - Noch mehr , ich erfülle nichts weiter , als Ihre eigenen Wünsche - Hätte ich mich an Ihrer Geliebten gerochen , so würden Sie unfehlbar als ein braver Ritter nichts mehr bedauert haben , als daß ich Sie nicht zu dem ziele meiner rächenden Pfeile gemacht hätte -
Nun gut , das tue ich - Ich verschone die Geliebte und verlange nur von dem Liebhaber Genugtuung - Worin sie bestehen soll , das werden Sie den Augenblick erfahren - Ich verabscheue in allem , was ich vornehme , das Gemeine und Alltägliche - Ich verachte eine gewöhnliche Rache - Diejenige , nach der ich schmachte , ist eine sehr seltsame - - Horchen Sie !
Wenn Sie mir durch die Seitentüre , durch welche Sie mich haben gehen sehen , folgen wollen , so werden Sie mich in meinem Schlafgemach - Warum erschrecken Sie ?
Warum sind Sie böse ?
Sie sind ja ein tugendhafter , keuscher Jüngling - Sie haben ja Ihrer Geliebten ewige Treue geschworen Sie müssen ja notwendig keine andere Begierde fühlen , als nach ihr !
Wird es Ihnen denn so schwer , einige Stunden in einem zimmer auszuhalten , neben welchem ein Mädchen schläft ? -
Das ist ja alles , was Sie tun sollen - Ich schwöre es Ihnen , ich will Sie nicht zwingen , mir in mein zimmer zu folgen -
Ich will nur in aller Stille die Stärke Ihrer Tugend und Ihrer Liebe bewundern !
Kann Ihnen doch mein Mädchen Gesellschaft leisten , wenn Ihnen die Zeit zu lang wird - Sehen Sie , so gelinde räche ich mich !
Ich glaube , wenn ich mich nicht für eine abgesagte Feindin Ihrer Geliebten erklärt hätte , ich glaube gar , ich könnte mir auf ein Teilen Ihrer Wohlgewogenheit Rechnung machen - Nun , wachen Sie wohl - eben so wohl , als ich schlafen werde !
Vergessen Sie es , daß ein Mädchen , deren Schönheit Sie durch den Schleier zu rühren schien , nicht drei Schritte von Ihnen - ohne Schleier - auf Ihrem Ruhebette - Vergessen Sie die dünne Wand , - die offene Seitentüre - Verstopfen Sie Ihre Ohren , wenn Sie mich sprechen hören .
Ich pflege bisweilen im Schlafe zu reden .
Hören Sie ?
Sie sollen sich das nicht anfechten lassen , und wenn ich auch Sie selbst rufen sollte - Gellerts Moral liegt auf dem Tische - In dem Glasschranke werden Sie noch eine ganze Menge Bücher antreffen , in denen Rezepte die Fülle stehen , wie man seine Leidenschaften im Zaume halten soll -
Sie stehen Ihnen alle zu Diensten , wenn Sie sie nötig haben - Nun , es bleibt babei - wachen sie wohl !
Ich bin sehon in vielen Verwirrungen gewesen - und wie ist das anders möglich , da ich auf : einem Planeten wohne , der gewiß unter allen übrigen der verworrenste ist - in dessen moralischer und unmoralischer Hälfte eine beständige Gehrung berrscht dessen Einwohner alle - jedoch salvo errore calculi , " so kindisch sind , daß sie das Schicksal allenthalhen hintragen oder fahren oder gängeln muß , wo sie eigentlich hingehören - und wem sie dann an Ort und Stelle kommen , so gebärden sie sich übel und weinen und Schreien und wissen nicht , wo es hinaus will - -
Keine aber von allen ist mir schrecklicher gewesen , als diejenige , in welcher ich mich befand , als ich diesen häßlichen Brief durchgelesen hatte - Wäre ich nur noch mit mir selbst in Friede gewesen , so würde ich mich nach dem Bücherschrank umgesehen haben ; allein , glaubet mir , es ist mit den Büchern eine wunderseltsame Sache als Diejenigen , die für die Gesunden geschrieben sind , werden immer nur von den Kranken gelesen und diejenigen , die für die Kranken geschrieben sind , werden immer nur von den Gesunden gelesen - und wenn die Krankheit ihren Anfang nimmt und folglich auch das Bücherlesen angehen sollte , so liegen sich Seele und Leib immer in den Haaren - wie sie auch bei gesunden Tagen sehr häufig zu tun pflegen - Gehe , sagt die Seele zum Körper :
Hohle mir ein Buch - Ich gehe nicht von der Stelle , gibt er trotzig zur Antwort - Ein andermal lechzt der Körper nach einem Buche - Jetzt ist es mir nicht gelegen , sagt die Seele - - Wahrlich , lieben Leser !
Nur mit mir selbst hätte ich im Frieden sehen sollen - aber ich war es nicht :
Ich schämte mich für mir selbst - Ich war auf mich selbst bös , daß ich der Staatsgefangene eines Weibes sein sollte - Ich hätte mich für mir selbst verkriechen mögen !
In dieser verzweifelten Situation warf ich mich auf einen Stuhl , legte meinen Kopf auf einen Tisch und wünschte , durch eine Fee , wenn es möglich wäre , in eine Eule verwandelt zu werden - In dem trat das Kammermädchen ganz leise zur Türe herein - Ich nahm mir nicht die Mühe nach ihr zu sehen , allein sie nahm sich die Mühe nach mir zu sehen und zu fühlen - Ich stieß sie von mir und legte mich wieder in meine Positur : allein das half nichts - Sie neckte mich auf eine halb unverschämte Art so lange , bis ich dafür hielt , es sei besser zu reden , als zu schweigen - da .
Schlange , sagte ich - Rühre mich nicht an - Hauche mich nicht an - Blicke mich nicht an - Du bist giftig , vom Kopfe bis auf die Füße giftig , wie ein Basilisk !
- Das Mädchen lachte - Ich giftig , sagte sie ?
Nicht wahr , das hat Ihnen Ihr Hofincister weiß gemacht - O glauben Sie es nicht mehr .
Sie müssen ja doch wohl schon über zwanzig hinaus sein -
Nur eine einzige Bedingung , rief ich - so will ich es vergessen , daß Du die unverschämteste Kreatur von der Welt bist - Sage mir , wer ist Deine Gebieterin ? - -
Das kann ich nicht sagen -
Klatsch !
- hatte das Mädchen eine Ohrfeige weg : aber kaum hatte sie Dieselbe , so hätte ich mir sogleich zwei und noch mehr dafür geben mögen - Nitz ist unmännlicher , als ein schwaches , wehrloses Geschöpf die Stärke fühlen zu lassen , die uns die Natur zur Verteidigung gegen eben so starke und bewaffnete gegeben hat - und einem Mädchen eine Ohrfeige geben , heißt wahrhaftig die Natur selbst aufs Maul schlagen - und was das heiße , seiner Frau eine Ohrfeige geben , dazu finde ich keine Worte - die Natur mit Füßen treten ist zu wenig - Das Mädchen fing ein erbärmliches Geschrei an - und ohne nur die geringste Mine zu machen , mir gleiches mit gleichem vergelten zu wollen , lief sie in eine Ecke des Zimmers und weinte und schluchzte so kläglich , daß mir auch nicht ein einziger Tropfen kaltes Blut übrig blieb , um auszurechnen , wie viel von ihrem Betragen Verstellung sein mochte - Genug , ich demütigte mich - folgte ihr in die Ecke des Zimmers - umfaßte sie - Sie stieß mich von sich - Ich umfaß , sie wieder - Vergib mir meine unbesonnene Hitze , sagte ich - Räche dich - Forder Genugtuung - Ich bin zu allem bereit - Aber sei auch so gerecht und gestehe , daß du mich gereizt hast - Hätten Sie mich doch nur erst ausreden lassen , sagte sie , so würden Sie gehört haben -
Also willst Du mir es sagen , fiel ich ihr in die Rede , wer Deine Gebieterin ist - was sie auf meine Geliebte so zornig macht -
Ja freilich , versetzte sie , würde ich Ihnen alles gesagt haben - aber nun habe ich alles zutrauen zu Ihnen verloren !
Es kostete mich eine ganze Menge Schmeicheleien - eine gute Anzahl kleiner Karessen - und eine starke Beteuerung , daß ich nicht mehr in Hitze geraten wollte , Ebbe ich das Mädchen dahin brachte , meine ihr zugefügte Beleidigung zu vergessen - Ich mußte mich neben sie niederlassen - Sie schlug ihren Arm um mich , ohne daß ich es ihr hätte verwehren dürfen und erzählte mir - Eine lange Lüge - Sie und Ihre Gebieterin wären die tugendhaftesten Mädchen von der Welt - Diese wäre die Tochter eines sehr vornehmen Witwers , der eben jetzund verreißt wäre -
Sie hätte ehemals einen Geliebten gehabt , den ihr meine kleine Naive abspenstig gemacht hätte - Dieser Eingriff in ihr Eigentum hätte sie zu einer kleinen Rache verleitet - Sie wollte nämlich mich meiner kleinen Naiven auch abspenstig machen und deswegen hätte sie mich zu sich hohlen lassen -
Und das sagst Du mir ohne alle Umschweife ins Gesicht , fragte ich das Mädchen ?
Warum nicht , sagte sie ? -
Ich kenne die Schönheit meiner Gebieterin und sie selbst kennt sie - Wer sie sieht muß sie lieben - Kommen Sie nur Wundershalben Nein , sagte ich Ha - Sie fürchten , Ihr fünfzehnjähriges Bräuen möchte ausgestochen werden , Schweige - oder fürchte , daß ich mein Dir gegebenes Wort breche - " Wie einfältig sind Sie doch - Sie drohen und poltern und Schreien , wenn es darauf ankommt , sich mit Augen zu überzeugen - Kommen Sie nur - Ich wette um meinen Kopf , der spröde Jüngling ist in ein paar Minuten so verliebt , Ich kenne mich - -
Noch nie habe ich drei Worte mit einem so stolzen Selbstvertrauen ausgesprochen , als diese - Aber was Halfs ?
" Aber ich kenne Sie und ihr ganzes Geschlecht auch - Wenn ihr guten Mannspersonen auch , sonst von Steine seid , so seid ihr es doch nicht gegen uns - Wir wollen sehen , sagte ich Gut , wir wollen sehen - Kommen Sie nur , wir wollen sehen - ob nicht Ihre verstellte oder , wahre Unempfindlichkeit gegen unsere Reize zerschmelzen soll , wie Butter an der Sonne -
Bei einem Haare hätte das Mädchen meine schwache Seite bis zu ihrer äußersten Höhe gespannt -
Sie hatte mich bei meinem Stolze angegriffen - Hatte in die Treue gegen meine Geliebte ein Mißtrauen und in die Reize ihrer Gebieterin ein allzugroßes Vertrauen gesetzt - Je mehr sie es tat , desto höher stieg auf meiner Seite das Selbstvertrauen und die Begierde , ihr das Gegenteil dazu tun - Mein Blut hätte nur noch um einen Grad mehr wallen dürfen , so wäre ich ihr trotzig in das zimmer ihrer Gebieterin gefolgt , um ihr zu zeigen , daß bloße Schönheit bei mir bloß den Gedanken an das Mikroskop rege machte - Nur eine einzige Überlegung , vom Wohlstande hergenommen , hielt meiner aufsteigenden Begierde das Gegengewicht - und die Erfahrung , daß das verzweifelte Mädchen den Weg zu meiner schwachen Seite gefunden hatte , daß sie , ohne es sich merken zu lassen , die Kunst verstand , durch Widersprechen zu erhitzen - Diese bewog mich zu dem festen Entschluss , nicht ein Wort weiter mit ihr zu sprechen .
Der Entschluß war gut - Ich gebe ihm noch diesen Augenblick meinen Beifall , welches ich bei wenigen meiner Entschlüsse zu tun pflege - Aber wer zerstört leichter Entschlüsse , als ein Mädchen ?
" Was fehlt Ihnen , sagte sie - Sind Sie stumm geworden - Ha , ich merke , wo Sie hinauswollen - Meine Reden scheinen Ihnen gefährlich - Gut , ich schweige , , Hier nahm sie meine Hand , legte sie auf ihren Mund - und die Bewegung , die sie mit ihrem Munde machte , schien eine bißartige Bewegung zu sein - Die Folge davon war , daß ich ihr meine Hand halb mit Güte , halb mit Gewalt vor dem Munde wegriß - " Lassen Sie mir Ihre Hand , sagte sie -
Unter keiner anderen Bedingung werde ich schweigen , Unter dieser vielleicht eben so wenig , sagte ich - " Ganz gewiß unter dieser , sagte sie - Aber freilich muß ich nebenbei auch den Schlaf zu Hilfe rufen Das tue nur , sagte ich -
Nur nicht in diesem zimmer !
" Ich darf Sie nicht verlassen , sagte sie - Es ist wider den Befehl meiner Gebieterin und Sie sind viel zu tugendhaft , als daß Sie mich zu einem Ungehorsam verleiten sollten , Ein Seufzer - gleich demjenigen , der dem rechtschaffenen Manne entfährt , wenn man ihm die Sünden seiner Jugend vorrückt - war meine ganze Antwort - Ach , sagte ich - Es ist noch nicht Mitternacht - Wenn wird meine Angst ein Ende nehmen ?
- " Die Hand her , sagte das Mädchen !
, Ich gab sie hin , wie sie der Missetäter hingibt , um sie vom Henker binden zu lassen - lehnte mich mit dem Kopfe zurück - drückte die Augen fest zu und ächzte so kläglich , als sollte eine Sektion mit mir vorgenommen werden - Das Mädchen packte meine Hand mit ihrem Munde und mit einer von ihren Händen in ein mehr , als zu weiches Futteral ein - legte sich mit dem Kopfe auf den Tisch und stellte sich , als ob sie schliefe - Schmält nicht , lieben Leser !
wenn euch die Nacht , deren Abenteuer ich euch mitteile , so lang zu sein dünkt , wie eine Nacht auf dem Saturn - Ihr werdet doch nicht so eigennützig denken , daß ihr bloß meine Freuden , nicht meine Angst mit mir teilen wolltet !
Pfui ! - - Hätte ich statt meiner Augen meine Ohren zugedrückt , so wäre es , dünkt mich , besser gewesen - denn so würde ich die Worte , die im Nebenzimmer ausgestoßen wurden , nicht vernommen haben - so würde mir das listige Kammermädchen nicht einen Streiche gespielt haben , dessen Beschreibung mich beinahe eben so viele Mühe kosten wird , als die Beschreibung von dem garstigen Dinge - so würde mit einem Worte - nach dem Ausspruche der Philosophen - eine ganz andere Welt geworden sein , als die jetzige - und da die jetzige - auch nach dem Ausspruche gewisser Philosophen - die schlechteste ist , die nur irgend aus Luft , Wasser und Erde - ( denn das Feuer leugne ich ) - gezimmert werden konnte , so würde ich durch mein Ohrenzudrücken eine bessere Welt hervorgebracht haben , als die jetzige - O Himmel !
Welch eine Philosophie ist unsere heutige !
Fort mit dir , spitzfindiges Weib !
Du sollst mich nicht um meinen gesunden Verstand , nicht um meine Sinnen bringen !
Mit jenem will ich schließen - mit diesen Erfahrungen machen und fühlen und durch den treuen Gebrauch von beiden nach und nach - weise werden , ohne daß du dich sollst rühmen können , mir einen Buchstaben beigebracht zu haben -
Doch dieses , so wie allezeit , nur im Vorbeigehen " Vergeben ! -
Sie sind allzugütig ! -
Gute Freunde ? -
Das habe ich nicht verdient -
Ich will es Ihrer Braut abbitten - Ich hasse sie nicht mehr - nicht mehr - Sie ist besser , wie ich - Das , lieben Leser ! waren die Worte , die ich mit ausgespannten Ohren in dem Nebenzimmer erschallen hörte - Ihr wißt , von wem sie herkamen .
- Ihr werdet auch leicht hinzudenken , daß sie bloß Worte eines nachgemachten Traums waren -
Doch , dünkt mich , hätten sie nicht , natürlicher an sich und Gefahrlicht für mich ausgedacht werden können - So sichtbar mir jetzund der Betrug ist , so unsichtbar war er mir - oder vielmehr wurde er mir damals durch meine eigenen Bemühungen und um euch dieses begreiflich zu machen , muß ich euch den ganzen Prozeß erzählen , der nach Anhörung dieser Worte - und nach einer fünf Minuten langen , aber vergeblichen Erwartung , ob die Träumerin etwan noch mehr hinzusetzen möchte - in meiner Seele vorging -
Ja , dachte ich bei mir selbst - Sie ist besser , wie Du - oder vielmehr , Sie ist gut und Du bist gar nicht gut - Sie ist eine sanfte Königin , Du bist eine Tyrannin !
- Schade um Dich , daß du es bist !
Durch den Schleier kamst Du mir so schön vor . -
Ich wünschte , daß ich Dein Verfahren rechtfertigen könnte - aber nein - Du kannst Dich verstellen - Du bist , Du mußt eine Verführerin sein ! -
Wie wünschte ich , daß ich Dir Unrecht tun möchte - Gern , gern wollte ich auf einen Augenblick böse sein , um die auf immer gut zu sehen -
Aber , bei dem Himmel !
Was kann . ich Dir vorwerfen ? -
Bis jetzt noch Nitz !
Du hast Dich mir in keinem unzüchtigen Aufzug gezeigt - Du willst mich bloß prüfen -
Es sei nun , aus welchen Absichten es will , so tust Du doch mir nicht Unrecht !
Du hassest meine Braut - Kenntest Du sie , so würdest Du sie nicht hassen - " Liebste Freundin ! -
Mit Entzücken umarme ich - Sie - Laß mich , laß mich voll Entzücken - den Mund an deine - Lippen drücken , Nein , dachte ich -
Das kann unmöglich Verstellung sein - Sie lallt ja ordentlich - Ihre Zunge ist sehwer - Gewiß , sie träumt - Wäre es nur Tag - Hätte ich nur meine Freiheit - Ich wollte freundlich mit ihr sprechen :
Aber in der Nacht - allein - in einem verführerischen Schlafgemach - Nein , das ist nichts ! -
Ein kleiner Krampf , den ich in der Gegend meines Ellbogens fühlte , machte , daß ich meine Hand ganz leise anzog , um ihr eine andere Lage zu verschaffen - und jetzt fühle ich eben diesen kleinen Krampf , in der Gegend meines Zeigefingers , da ich etwas beschreiben will , was ich noch nie beschrieben habe - etwas , das man bei Poeten gern beschrieben liest , das man aber bei einem Theologen , der ich bin , durchaus nicht wird vertragen können - etwas , das gar nicht hübsch war und woran ich doch den allerstärksten Anteil genommen habe - quorum pars magna fui - Könnte ich meine Leser alle un einem Orte beisammen haben , so wollte ich mich mitten unter sie stellen und ihnen dieses etwas erst vorlesen - Ich wollte es mit der möglichsten Flüchtigkeit - jedoch ohne zu stottern - hersagen - Ein Regiments-Tambour , den ich zu dem Ende mitgebracht hätte , sollte mit der lärmendsten Trommel , die er nur habhaft werden könnte , mir zur Seite stehen und sobald nur der letzte Buchstabe aus meinem Munde heraus wäre , sollte er auf meinen Wink einen Wirbel aller Wirbel zu schlagen anfangen und nicht eher mit Schlagen aufhören , bis er alle Hosen Gedanken , die mehrgedachtes Etwas zufälligerweise in den Seelen meiner Zuhörer erregt haben möchte , wieder durch die Ohren aus der Seele herausgetrommelt hätte - -
Dann wollte ich fragen :
Kann ich nun dieses Etwas ohne alle gefährde abdrucken lassen ? - und mich dünkt die Antwort würde sein : Ohne gefährde !
d * " * .
Aber , leider ! kann mein Vorschlag nicht ins Werk gerichtet werden - auch nicht einmal auf meine Kosten .
Ich werde mich also wohl ohne Gesang und Klang ohne Trommel und Pfeifen - an die Beschreibung machen müssen - - Stände die Ausführlichkeit der Erzählung hier am rechten Orte , so wollte ich erst mit aller nur möglichen Genauigkeit die Sache negative ausführen - Ich wollte den Anfang damit machen , meinen Lesern zu sagen , daß ich meine Hand nicht mehr zwischen dem Munde und der Hand des Kammermädchens fühlte - Aber die Ausführlichkeit ist bei dergleichen Erzählung , wie ich jetzt unter der Feder habe , das allerschlimmstel Lakonische Kürze - und wenn es möglich wäre , eine noch kürzere Kürze gehört dazu - oder ich verstehe gar nichts : Dem zu folge will ich mich eines :
Alowc :s er Kooar . co bedienen -
Ich will so wenig sagen , als ein Mensch mit einem gläsernen Munde , mit einer gläsernen Zunge , mit gläsernen zähnen , mit einem gläsernen Gaumen - kurz mit einem ganz gläsernen Kopfe , der immer befürchten muß , daß ihm ein oder der andere pars orationis - mitten im Reden - in kleinen Scherben auf die Erde fällt - und wenn ich auch statt drei Worte drei Zeilen brauchen sollte , so wird sich doch finden , daß drei Zeilen gerade das allerwenigste waren , was sich von diesem verzweifelten Etwas sagen ließ ? -
Was den Schaden anbetrifft , dem mein Verleger durch meine unnatürliche Kürze unausbleiblich ausgesetzt ist , so denke ich ihn auf eine andere Art wider zu ersetzen !
Das listige Kammermädchen hatte sich meine Zerstreuung - meine Aufmerksamkeit auf das Lallen ihrer Gebieterin und meine damit zusammenhängende Abstraktion von der Lage meiner Hand , zu nutze gemacht - sie unmerklich unter ihrem Munde weggezogen oder vielmehr weggestohlen und sie - auf ihre größtenteils entblößte Brust gelegt Glücklichster aller Einfälle , der je in eines Skribenten Gehirn gekommen ist !
Versucht es nun noch , mir Erfindung abzusprechen , wenn ihr könnt - So , Freunde , braucht es weder Wirbel noch Tambour !
So , Freunde ! würde ich kaum einmal Ihre zinzendorsischen Gnaden , wenn Sie noch am Leben wären , anstößig sein - Erst mit dem Krampf merkte ich es , daß das Kammermädchen eine echte Schülerin der klügsten unter allen Damen , der Frau Verführung war - Ich riß meine Hand , nun nicht um des Krampfes Willen , sondern um der Scham und Tugend Willen , an mich - sprang auf - das Kammermädchen auch - Ich floh - Sie holte mich ein - Ich geriet an die unglückliche Seitentüre - Das Kammermädchen verfolgte mich durch dieselbe - sprang den Augenblick wieder zurück und - schloß hinter mir zu .
Ich wünschte euch , meine Leser ! jetzt auf einen Augenblick bei einander zu sehen - nicht mehr um des Trommelns Willen - sondern um eure Gedanken über meine zweite Versperrung auf euren Gesichtern zu lesen - Das ist unnatürlich , wird ein Kritiker sagen - Das ist noch das wenigste , wird ihm sein Nachbar zurufen - Es ist auch wider die guten Sitten - In dem Kammermädchen sitzt Beelzebub - -
Sie ist fast so arg , wie meine Frau - -
Nun ist mir im Ernste für den armen Teufel bange ! - - So flieht man , um ertappt zu werden - -
Wo keine Nachtlampe in dem zimmer brennt , so ist der Teufel los ! - - Ich sehe alles , ihr guten Leser - auch das nachteiligste für mich sehe ich - Eure Falten vor der Stirn predigen mir auf das eindringlichste , daß ihr Langeweile habt :
Aber - Geduldet euch !
Noch eine kleine Weile - so höre ich auf zu schreiben !
Mir ahndet eine schwere Rezension - Vielleicht wird sie in diesem Augenblicke geschrieben !
Vielleicht fließt Galle , Bitterkeit , Mürrisches Wesen - vielleicht gar Grobheit - in eben dem Augenblicke , da ich davon schreibe - so dick , wie Tinte , auf das Papier !
Ich denke immer , der siebzehnte Julius des iztlaufenden siebzehnhundert ein und siebzigsten Jahres ist für mich ein kritischer Tag !
Die drei allerersten Dinge , die ich jetzt zu beschreiben habe , erregen in mir den Wunsch , daß unsere Seele nicht so ein armes , successoves Ding sein möchte , das alle Ideen eben so gewiß hinter einander bekommt , als ein Rad seine Schwingungen - Wüßte ich , daß bei den meisten meiner Leser die Succeßion nur noch so geschwind vor sich ginge , als die Succession der Wassertropfen des Nils bei seinem allerhöchsten Falle - oder als die Succession der Luftteile bei einem Wirbelwinde - oder als die Bebungen einer seinen Qumte unter dem Striche des Bogens - Wüßte ich das , so wollte ich nicht eher ruhen , bis ich ein Mittel erdacht hätte , drei verschiedene Dinge zugleich zu erzählen - oder , welches auf eines hinausläuft , drei verschiedene Vor Stellungen zugleich zu erregen : Allein - Wo kein Bedürfnis ist , da liegt die Erfindungskraft tot - - Verwünscht seist Du , rief ich dem Kammermädchen nach - -
Wer ist da , rief die Träumerin von ihrem Lager mir zu - Ein Unglücklicher , sagte ich , dessen Geduld zu Ende ist und der sich bald mit Güte oder mit Gewalt einen Ausgang suchen wird - Hier fing ich an , an den Wänden herumzutappen , um vielleicht noch eine Seitentüre zu finden - Ich fand sie , derjenigen gerade gegen über , durch die ich hereingegangen war - Ich riß sie auf - Hätte ich einen Blick in die Hölle getan , so hätte ich sie nicht geschwinder wieder zuwerfen können -
( Die große Maschine , die mich in dieses Angsthaus gebracht hatte , lag auf der Diele ausgestreckt - meinen Degen zur Seite - und schnarchte aus allen Kräften - -
So war denn alles Betrug , alles abgeredeter , hinterlistiger Betrug , was mir in , diesem Hause begegnete !
Der Kerl war vor meinen Augen weggegangen - Gleichwohl war er noch da !
Das Kammermädchen stellte sich , als ob sie mich um ihr selbst Willen haschen wollte - und sie sperrte mich für ihre Gebieterin ein !
Jetzt war ich auf das äußerste gebracht - Ich warf mich vor dem Bette meiner Tyrannin auf die Knie nieder und Tränen des bittersten Verdrusses standen mir in den Augen - Töten Sie mich , sagte ich - grausames , unmenschliches Mädchen - oder lassen Sie mich durch diesen Elefanten tottreten - Ich bin meines Lebens satt und die Zeit wird mir zu lang , ehe mich Gram , Unwillen , Erniedrigung , Beschimpfung und die tiefste Scham töten - -
Mein Gemüt war so heftig angegriffen , daß meine Knie ihre Last nicht mehr ertrugen - Ich sank um und fiel in eine Ohnmacht - -
Ich mache mir diesen Augenblick zu nutze , um euch einmal für allemal eine Idee von der Lage des Zimmers zu geben - -
Es war ungefähr zweimal so lang , als breit - In der Mitte zu beiden Seiten waren zwei Seitentüren - An derjenigen Seite , durch die ich hereingekommen war , stand ein kostbares Bette - Die Tyrannin lag auf demselben , in eben dem Anzuge , in dem ich sie schon gesehen hatte - nur ohne Schleier - Dem Bette gegen über stand ein kleiner Tisch und auf demselben eine Nachtlampe - Übrigens kann ich euch versichern , daß ich die Tugend durch nichts gerade zu verletzet fand !
Als ich von meiner Ohnmacht wieder zu mir selbst kam , so fühlte ich mich auf dem Bette des Mädchens - Sie saß zu meinen Füßen - hielt meine Hand in der ihrigen - Der Schirm über der Nachtlampe verwandelte ihre Blondinheit in Brünettheit : allein das wesentliche ihrer Mine ließ er unangetastet - Sie sah , wie eine Person aus , der ihr Fehltritt leid wird - Ich erblickte auf ihrem Gesichte die Trümmern einer Leidenschaft , die ich durch meine Ohnmacht zerstört hatte : Allein was es für eine war , konnte ich aus der Mine nicht lesen , wiewohl ich es aus dem Briefe mutmaßen konnte -
Ich war zu entkräftet , um nur einen einzigen bitteren Vorwurf erdenken zu können - und vielleicht , um die Sache aus einem allgemeinen Gesichtspunkte zu betrachten , ließe sich ein ganzes Heer von Affekten - Zorn , unmäßiger Ehrgeiz , Poltronnerie , Faunen-Liebe - vielleicht ließe es sich weit eher weglaxieren , oder wegvomieren , oder wegschwitzen , oder durch Aderlässe von etlichen Pfund Blut abführen , als wegmoralisieren - Laßt nur den Körper schwach sein , so werden auch die Affekten schwach sein :
Denn , was auch die Philosophen dagegen schwatzen und einwenden , oder einwenden und schwatzen mögen , so sitzen sie doch alle leibhaftig im Blute - und die Seele weiß davon nichts mehr und nichts weniger , als daß sie da sind - wiewohl ich gern zugebe , daß sie einem guten Teile derselben freiwillig Quartier anbeut - - " Wie befinden Sie sich , sagte das Mädchen ?
" So gut , als sich ein armer , kranker Gefangener befinden kann , gab ich zur Antwort - Werfen Sie mir nichts vor , Unempfindlicher !
- Ich bin durch ihre Ohnmacht bestraft genug - Wer weiß , erholen Sie sich vor Tage und denn - , Hier sammelte ich meine zerstreuten Kräfte und richtete mich in die Höhe -
Ich habe mich schon erholt , sagte ich , und ich bin bereit , Sie den Augenblick zu verlassen , wenn Sie es befehlen - Lassen Sie mir nur meinen Degen zurückgeben - damit ich in jeder Hand einen Stock habe - " niederträchtiger - Sie sagten ja , Sie wären noch krank , Das bin ich auch , gab ich zur Antwort - Nichts entkräftet mich mehr , als Affekt - Allein zum Gehen habe ich noch Kraft genug -
Es ist ja jetzund Nacht - Es wird mich niemand auslachen , wenn ich auch an den Wänden hinschleiche - Ihre Rache ist doch nun befriedigt , setzte ich hinzu , und indem ich es hinzusetzte , drückte ich dem Mädchen die Hand so zärtlich , sah sie so freundlich au , daß sie notwendig verwirrt gemacht werden mußte - Sie antwortete mir nichts , weder mit dem Munde , noch mit den Augen - Ich wiederholte meine Frage mit erhöhter Zärtlichkeit und Freundlichkeit - " Warum fragen Sie mich , sagte sie , Damit ich mich Ihnen empfehlen kann , sagte ich - " Sie sind ein Barbar Ich würde es sein , wenn ich länger bei Ihnen bleiben wollte - " Wie verstehen Sie das , zänkisches Mädchen , warum fragen Sie mich noch ? -
Meine Gegenwart legt Ihnen zwang an - Ich sehe es - Ich höre es ja - " Nun so geben Sie :
Aber erst schwören Sie mir Ich werde nicht schwören , sagte ich - " Beim Himmel , Sie müssen schwören , Ich werde nicht schwören , sagte ich - aber mit einem weit festeren Tone , als das erstemal - - und wenn ich schwüre , so würde ich meinen Eid nicht halten -
Das Mädchen stand auf und klopfte an die Wand , die den Leipziger Typhon - auf die Diele hingestreckt - umschloß - dieses gab mir Raum , aus dem Bette zu springen - - Halten Sie , sagte ich -
Mit ihrer weichen Hand werden Sie ihn nicht aus dem Schlafe klopfen !
Erlauben Sie , daß ich mit meiner härteren anpoche -
Das Mädchen ließ die Hand sinken -
Es ist mein ganzer Ernst , sagte ich - und da er in meinen eigenen Angelegenheiten erscheinen soll , so ist es billig , daß ich ihn auch selbst rufe - Das Mädchen warf sich mit einer Mine voll verbißener Wut auf einen Lehnstuhl - Ich trat neben sie und nahm sie bei der Hand -
Aber wie können Sie sich doch selbst so empfindlich quälen , sagte ich - Wie können Sie glauben , daß ich ein Geheimnis verraten werde , das mich schon meine Eigenliebe in ewige Nacht hüllen beißt - ein Geheimnis , das mir in der Tat noch selbst ein Geheimnis ist :
denn noch weiß ich nicht recht , ob ich träume oder wache - Was mir heute begegnet ist , weicht zu sehr von dem gewöhnlichen und alltäglichen ab , als daß ich mich auf der Stelle darein finden könnte - - Ihr Kammermädchen hat mir Dinge erzählt - und Ihn Brief - " Nun , mein Brief , sagte sie , Ich kann nicht anders denken , als daß Sie ihn bloß geschrieben haben , um mich verwirrt zu machen - " Aber warum glauben Sie das , sagte sie hitzig , Sie sind zu gut - " Schweigen Sie , Erlauben Sie , daß ich meine angefangene Sentenz zu Ende bringe -
Sie sind zu gut , als daß Sie ein so unschuldiges , gutes , sanftes Mädchen hassen könnten , als die ist , die Sie meine Geliebte nennen - " Ich möchte vor Wut bringen , sagte das Mädchen und ging einmal mit großen Schritten in dem zimmer auf und nieder - Wenn ich ihnen aber auf das heiligste zuschwöre , redete sie mich an , indem sie sich gegen mich zukehrte - daß ich dieses unschuldige , gute , sanfte Mädchen hasse und stets hassen werde - dann werden Sie mich verabscheuen , Nicht wahr ?
Das werde ich nicht , sagte ich - Ich kenne die Schwäche des menschlichen Herzens und bin nur allzugeneigt , mir und allen anderen Menschen mehr zu gute zu halten , als ich sollte - Ich weiß , wir sind schwach !
Vielleicht hat meine Geliebte ohne ihre Schuld - " Ja , das hat sie , er widerte das Mädchen - Sie hat mir einen Blick voll Hohn und Verachtung zugeworfen , Halten Sie , fiel ich ihr in die Rede -
Dazu ist sie nicht fähig - " Sie hat es aber getan , sage ich Ihnen - und dieser einzige Blick hat einen unauslöschlichen Haß in meinem Innersten angezündet -
Ich habe tausend Anschläge gefaßt , mich an ihr zu rächen und habe sie alle tausend verworfen , bis auf denjenigen , den Sie mir verdorben haben , Ich habe ihn verdorben , rief ich aus - O nein !
Sie haben sich versprochen !
Unmöglich , unmöglich -
Wie könnte ich so viel gelitten und doch noch Ihren Anschlag verdorben haben - " Versprechen Sie mir , daß Sie mich mit mir selbst aussöhnen wollen , so will ich Ihnen den Anschlag entdecken , Wie kann ich das ? -
Doch ich will sehen -
Ich will mir alle Mühe geben !
" Mein Kammermädchen ist ein Satan , nicht sowohl an Bosheit , als an List - Ihr hatte ich den Auftrag getan , sie so weit als möglich zu verführen und , wahrlich ! hätten Sie sich nur eine einzige Karesse erlaubt , so war mein .
Rache geborgen - Sie wären von Liebkosung zu Liebkosung hingerissen worden - Sie hätten im Taumel der Sinnlichkeit einen Heiratskontrakt mit m jenem Kammermädchen unterschreiben müssen , ohne einmal zu wissen , was Sie unterschrieben - Dieser Heiratskontrakt - Was meinen Sie wohl , wenn ich ihn meiner Feindin zugeschickt hätte , würde er mich nicht tausendfach gerächt haben ?
" Ich runzelte meine Stirn gewaltig , als ich diesen schwarzen - wiewohl in seiner Anlage verdorbenen Anschlag hörte - Welch ein - sagte ich - " Hören Sie noch weiter , unterbrach sie mich sogleich - Mein Kammermädchen sollte mitten unter ihren eigenen Karessen auch darauf bedacht sein , Ihr Herz gegen meine Reize zu entzünden - Sie sollten von zwei Seiten gleich stark angegriffen werden und wenigstens von der einen Seite den kürzeren ziehen -
Ich habe kein Auge zugetan -
Ich habe alles gehört und es geschah nicht ohne Absicht , daß ich die Worte im Schlafe herlallte , die Sie gewiß auch gehört haben müssen - Ich merkte , daß mein Kammermädchen mit Ihnen nichts ausrichten würde und es war mir lieb , daß Sie zu mir in mein Schlafgemach kamen - Nun dachte ich meine eigene Rolle zu spielen : aber Ihre Ohnmacht .
- Hat Sie gegen mich und meine Geliebte mitleidig gemacht , sagte ich - Nicht wahr ?
O wie willkommen ist sie mir !
Aber , erlauben Sie mir , Sie haben in Ihrem Plane einen Fehler begangen - Sie hätten es mich durchaus nicht sollen merken lassen , daß sie eine Feindin meiner Geliebten wären - " Und warum nicht ?
Eben dieses hätte meiner Rache den mächtigsten Nachdruck gegeben - Ich hätte den Brief bei den Heiratskontrakt gelegt , Sagen Sie mir nichts mehr , rief ich aus - Es tut mir wehe , Sie dafür zu halten , wofür Sie selbst gehalten sein wollen - Sie sind schön - Ewig Schade , daß Sie es nur halb sind - " Kein Muleiden , sagte sie - Keine Zärtlichkeit !
Ich verdiene sie nicht - Ich verlange sie nicht , wollte ich sagen , Sie befehlen also , sagte ich , daß ich mich nach Hause begeben soll -
Es ist weit über Mitternacht - " Warum eilen Sie so ?
, Warum ich so eile ? -
Was für eine Frage !
- " Sie sollen aber noch warten , sage ich Ihnen - Habe ich Ihnen in ihrer Ohnmacht beigestanden , so ist es billig , daß Sie nur auch in der meinigen beistehen - Sie ist nicht mehr weit , Das wolle der Himmel nicht , rief ich aus ! - und in der Tat wäre dieses das allerärgste gewesen , was mir nach so vielen argen Dingen hätte begegnen können - Das Mädchen warf sich plötzlich auf das Bette - Ich ergriff mit gleicher Plötzlichkeit ein Glas , dessen man sich bei meiner Ohnmacht bedient hatte und rieb sie aus allen Kräften Hand , Stirn , Schläfe - Es war mir alles in der Welt daran gelegen , daß sie sich auch nicht einmal ohnmächtig stellen konnte -
Sonst verlängerte sich mein Arrest ohne Gnade bis zum Anbruche des Tages !
" Warum gönnen Sie mir , sagte das Mädchen - die süße Ohnmacht nicht , die mich ohne Ihr zutun gewiß überfallen haben würde !
Wachend bin ich die unglücklichste Kreatur auf der Welt , Das tut mir leid , sagte ich - Doch Sie wollen ja nicht , daß ich mit Ihnen Mitleiden haben soll - " Haben Sie mehr , sagte sie - mehr als kahles Mitleiden , so will ich es annehmen , O ihr Ohnmächte , Wünschhütlein , verrosteten Lampen , die man nur ganz gelinde reiben darf , wenn man eine Legion Geister zu seinem Befehl haben will - oder wovon man sonst noch in Geschichtebüchern liest , daß es einen Menschen unsichtbar - wenigstens unbrauchbar machen kann :
Warum war doch kein einziges von euch in einem so pressanten Augenblicke bei der Hand ?
Und ihr , ihr Zauberer und Zauberinnen , warum liehe mir nicht ein einziger oder eine einzige von euch seinen Stab oder ihre Rute ?
Schneller , wie ein Blitz , wäre ich weggewesen :
denn nun merkte ich es recht eigentlich , daß der Plan des Mädchens nicht so fehlerhaft war , als ich ihn angesehen hatte - Ungeachtet sie mir ihren Haß gegen meine kleine Naive schriftlich und mündlich gestanden hatte - Ungeachtet sie im Durchschnitte nicht nur kein liebenswürdiges , sondern ein hassenswürdiges Mädchen war : so konnte ich doch ihre unverhoffte Forderung um mehr , als kahles Mitleiden nicht anhören , ohne eine kleine , sanfte Bewegung von Zuneigung in der Gegend des Herzens zu fühlen - und das hätte bei einer geringeren Aufmerksamkeit auf mich selbst allmählich schlimmer werden können - -
Aber Dank sei es demjenigen Rade in meinem Körper , welches in eben dem Augenblicke ein empfindliches Kitzeln in meiner Nase und gleich darauf ein starkes Niesen hervorbrachte !
Dieses gab mich mir selbst wieder - - Nein , sagte ich -
Nun kann ich nicht einen Augenblick länger verziehen -
Ich habe eine Geliebte - Das ist genug , um mich mit keinem anderen Mädchen auf der Welt in ein Liebesverständnis einzulassen -
Ich bitte Sie , ich beschwöre Sie bei allem , was Ihnen lieb ist : Geben Sie mir meinen Degen und lassen Sie mir die Türe zeigen - " Sie werden nicht nach Hause finden , So will ich mich von einem Nachtwächter begleiten lassen - " So ist es Ihnen denn möglich , mich zu verlassen - Hier ließ das Mädchen aus ihren Augen ein paar große Tränen fallen , O Himmel , Sie weinen , sagte ich - Bedenkt , lieben Leser ! daß das erste Paar von Tränen , welches man aus einem Paare strenger , wilder , furchtbarer Augen fallen sieht , keinen kleinen Eindruck macht - Ich sprang auf - raffte alle meine Herzhaftigkeit zusammen - ging in das nächste zimmer - nahm dem schlafenden Ungeheuer meinen Degen weg - drückte das Schloß an der Türe ab - steckte meinen Degen an und bot dem Mädchen meine Hand , mit dem festen Vorsatze , sie zu verlassen , es möchte auch kosten , was es wollte - " Sie zerreißen mein Herz , sagte sie , Ich hörte nichts , sondern eilte in das Vorzimmer nach meinem Hute - Sie kam mir nach und da es in diesem zimmer helle genug war , so sah ich nun erst recht deutlich , mit wem ich zu tun gehabt hatte - mit einem Mädchen von ungemeiner Schönheit , die wenn sie das Ding verstände , leicht einen deutschen Petrarca erwecken könnte - allein in einem solchen Augenblicke , wie der gegenwärtige war , würde ich mir nicht die Mühe genommen haben , eine Venus zu betrachten - Ich ergriff das Licht , um mir selbst den Ausgang zu suchen - Das Kammermädchen die in einer Ecke des Zimmers schlief , fuhr auf - " Nimm das Licht , sagte die schöne Tyrannin , Erlauben Sie , sagte ich , daß ich es selbst halte - Ich wollte die Türe eröffnen - Sie war verschlossen : allein meine Hitze und meine Emsigkeit ließen mich nicht verzagen - und nach ein paar Handgriffen ging das Schloß auf - Ich ging mit dem Lichte voran - Die beiden Mädchen kamen mir nach - Ich ging eine Treppe herab und gerade nach der Haustür zu - Ich hörte nicht weit von dem Hause Leute sprechen -
Nun bin ich frei , sagte ich , indem ich das Licht wegsetzte - Den Augenblick , Mademoiselle , lassen Sie mir die Haustür eröffnen oder ich mache Lärm - Geschwind zog das Kammermädchen den Schlüssel aus der Tasche und machte auf - Ich ging zur Türe hinaus - und lief davon , denkt ihr ?
O nein !
Ich rief meiner Tyrannin , die sich von ihrem Schrecken gar nicht erholen konnte - Haben Sie mir nun noch etwas zu befehlen , sagte ich , so reden Sie frei -
Jetzt sollen Sie mich auf meiner gefälligen Seite kennen lernen und wenn Sie nichts von der Nachtluft befürchten , so erbiete ich mich bis an den Morgen mit Ihnen zu plaudern - Ich war , der strengen Luft ungeachtet , so warm - Meine durch mich selbst errungene Freiheit kitzelte mich so lieblich und an dem äußersten Ende meiner Angst hing eine so sanfte Empfindung , daß ich kein schlechter Kompliment machen konnte , als dieses -
Ich hatte dem Mädchen schon alles vergeben - Noch mehr -
Ich hatte schon alles vergessen und ich wußte es nicht einmal recht mehr , wie es mir ergangen war - Gewiß , lieben Leser !
Es ist wahres Glück , bisweilen unglücklich zu sein - wahre Freude , bisweilen traurig zu sein und nur der Sperling , der sich durch ein offenes Fenster in einen langen Saal verirrte und von mutwilligen Knaben lange an der Decke desselben herumgejagt wurde - nur dieser , wenn er in dem Augenblicke , da er bereits alle Hoffnung zu fliehen aufgegeben hat , den Rückweg zum offenen Fenster wiederfindet - kann seinen Kameraden eine Definition von der Freiheit geben - und wer weiß , ob sie nicht richtiger ist , als die Definition gewisser - Um deswillen möchte ich wohl die Sperlingssprache verstehen !
" Nur noch ein Wort , sagte das Mädchen , in dem sie an die Türe trat - Sie sind nicht niederträchtig - Sie werden mich nicht verraten , Hier haben Sie meine Hand , sagse ich -
Ich will weder niederträchtig , noch undankbar sein - und das würde ich sein , wenn ich gegen einen lebendigen Menschen unter der Sonne - " Auch nicht gegen Ihre Geliebte , unterbrach sie mich , Das wird mir schwer werden , sagte ich - Nicht als ob ich so plauderhaft wäre , wiewohl ich es auch nicht in einem kleinen Grade bin - sondern weil ich es für Pflicht halte , schon mit einem Freunde , geschweige mit einer Geliebten , alles gemein zu halten - doch wenn Sie es mir ausdrücklich zur Pflicht machen - " Ja , das tue ich , sagte sie - Ich beschwöre Sie bei dem allen - Halten Sie ein , sagte ich - Es braucht keiner so feierlichen Beschwörung - Beschwören Sie mich bei meinem Handschlage , bei der Unverletzlichkeit meines gegebenen Wortes - so sind Sie gesichert - " Aber werden Sie mich auch bald wieder besuchen ?
" Nein , sagte ich -
Die Frage mag nun Ihr Ernst oder Ihr Scherz gewesen sein , so machen Sie sich darauf nicht die geringste Hoffnung - " Aber wenn ich Sie nun wieder hohlen ließe ?
, Wie ?
Sie drohen schon wieder ? . -
Es tut mir leid , daß ich Sie verlassen soll , ohne eine einzige Regung der Hochachtung für Sie zu fühlen -
Ich werde mich gegen die Anfälle Ihres unhöflichen Abgesandten in Sicherheit zu setzen wissen - Leben Sie wohl - und so endigte sich ein Tag und eine Nacht , an dem ich mehr getan und gelitten habe , als ich manches Jahr zu tun und zu leiden gedenke - ein Tag und eine Nacht , an dem ich mehr , als jemals gelernt habe , daß das menschliche Herz nicht von Fleisch , sondern von lebendigem Quecksilber ist - ein Tag und eine Nacht , die ich in den Augen meiner meisten Leser zu einer unnatürlichen Länge werde ausgedehnt haben , die ich aber in der Tat unendlich kürzer gefaßt habe , als ich sie nach den Gesetzen der Mémoires hätte fassen sollen - ein Tag und eine Nacht voll Unruhe und Verwirrung und eben darum ein recht menschlicher Tag und eine recht menschliche Nacht - ein Tag und eine Nacht , nach deren - quod felix faustumque sir - vollendeten Beschreibung ich auch einmal meine Vorstellungskraft ausruhen zu lassen gedenke - und auch die meiner Leser - -
Damit aber doch mein Buchdrucker nicht durch meine Schuld in Verfall der Nahrung gerate , so will ich die ersten die besten Blätter , die ich zusammenfinden kann , einsenden -
Die besten werden es nun freilich nicht sein : aber dafür hafte ich mit Gut und Blut , daß sie nach dem Geschmacke unseres Jahrhunderts sein werden :
denn man wird in aller Absicht darüber setzen können : Vermischte - wo nicht Abhandlungen , doch gewiß Einfälle - oder Gedanken - und das ist genug zur Empfehlung !
Ich habe einen Einfall gehabt , dessen ich mich stets rühmen werde - nicht weil ich glaube , ihn erfunden zu haben :
denn ich habe allzu_wenig gelesen , um dieses glauben zu können - sondern weil er wirklich in seiner Art gut ist , es mag ihn erfunden haben , wer da will - Diesen nämlich , daß ich ein exercitium ex tempore geschrieben und es den Kunstrichtern zur Beurteilung vorgelegt habe - Folgten alle junge Autoren meinem Beispiele und wären alle Kunstrichter rüstig zur und richtig in der Beurteilung - und dann wiederum , unterwürfen sich alle junge Autoren in christlicher Gelassenheit dem über sie ergangenen Dekrete : Glaubt mir , meine Freunde ! die Autorwelt würde in dreißig Jahren ein ganz ander Ansehn bekommen - - Anfangs , ich muß es gestehen , würde zwar Kunstrichtern und Lesern Kopfweh , Seitenstechen , Magendrücken , Schwindel , Übelkeiten und wer weiß , was sonst noch , ankommen -
Die Exereitien würden aus allen Gegenden so häufig - und so erbärmlich herausgeflogen kommen , daß auch die geschäftigsten Kunstrichter ihres Amtes müde werden würden - Ganze Stöße gedruckten Papiers enthielten vielleicht nicht ein Lot gesunden Verstandes oder Witzes :
Aber das dauerte nur so lange , bis die Kunstrichter anfingen , ihr Amt zu verwalten -
Dann würden vielleicht Neun Zehnteil , wo nicht gar Neunzehn Zwanzigteil dieser Exercitienschreiber nach Urteil und Recht verdammt , in ihrem ganzen Leben keine Silbe weiter zu schreiben - Der Überrest wäre dann eine kleine aber auserlesene Anzahl von Köpfen - ein Ameisenhaufen von Genies - Man bestimmte aus den Exerzitien einem jeden seinen ihm natürlichen Posten - " A. soll vor das Theater arbeiten - B. hat Talente zum Romanschreiber - C. wird uns nach noch einem halben Dutzend Jahre reifen Nachdenkens die wichigsten Untersuchungen in der Pyilosophie liefern - D. hat Ansatz zum Kunstrichter :
Man wird ihm behilflich sein eine Bibliothek zu errichten - E. erzählt gut :
Wie wäre es , wenn er sich auf das historische Fach legte - F. scheint Geduld zum Sammeln zu haben :
Er sollte Bibliothekar sein :
Vielleicht bekämen wir an ihm einen deutschen Muratori - Aus G. H. J. hat man noch nicht klug werden können - Es leuchten zwar aus ihren Exerzitien Funken von Genie hervor : allein ihrer sind zu wenig , als daß man dort aus einen Schluß auf ihren Kopf machen könnte - Sie sollen noch ein Exerzitium ex tempore schreiben und sich ihrer eigentümlichen Denkungsart ganz überlassen , ohne vor dem Publikum eine Larve anzunehmen .
" Nun , meine Freunde , fingen diese Exercitienschmierer an , ein jeder an seinen Posten zu gehen -
Ein jeder bearbeitete das Fach , das ihm die Natur und der Kunstrichter angewiesen hat - Ein jeder schriebe - jedoch in ungleichen Zeiträumen - sein zweites Buch - Es wäre ein Meisterstück ! -
O Gelehrsamkeit !
O Verstand ! O Witz !
Mit welchen Beiträgen würde euch mein Einfall bereichern , wenn er von allen jungen Autoren , wie ich bin , nachgeahmt würde - Dann wäre es Ehre Makulatur geschrieben zu haben - Die Extemporalia wären alsdann die gelehrten Kinderschuhe , die man bei reiferen Jahren auszöge - jedoch ohne sich ihrer , daß sie so klein sind , zu schämen Was nun mich selbst anbetrifft , so ist dieser zweite Teil meiner Reisen auch noch extemporalisch -
Die Urteile der Kunstrichter über den ersten Teil sind teils zu sparsam , teils zu verschieden von einander , teils zu wenig bestimmt gewesen , als daß ich aus ihnen - und aus mir selbst hätte klug werden können - Diesen schönen Vorwand habe ich nicht ermangelt mir zu nutze zu machen und klebe also hiermit den zweiten Teil an den ersten - Nun , meine Herrn Kunstriehter ! ist das Exerzitium lang und breit und dicke genug , um über mich ein langes und breites und dickes Urteil zu fällen - Wo Sie es nun nicht tun , so kann ich mich nicht enthalten , Sie meine Stärke im parodieren kennen zu lernen :
O Critici , Cricici , quae vos dementia cepit !
Doch das war nicht das Eigentliebe , was ich im Schilde führe , wiewohl ich mich sehr in Acht nehmen werde , es wieder auszustreichen - Mein Eigentliches ist etwas , was sehr gefallen wird - etwas , was mich bei der ganzen Welt der Leser beliebt machen wird - Deswegen werde ich auch , wie billig , darauf bedacht sein , es durch eine zierliche Einfassung hervorstechend zu machen .
Versuch einer Selbst-Rezension .
Einleitung .
Die Exercitia ex tempore , deren Absicht , Nutzen und Notwendigkeit ich im vorhergehenden sattsam dargetan zu haben glaube - wären nun eigentlich bloß für die Kunstrichter geschrieben und diese dürften sich ex officio durch ein ganzes Heer von Fehlern nicht beleidigen lassen : allein , leider ! erfordert es der zusammenhäng der Welt - oder um der Sache näher zu kommen , der zusammenhäng des Verlegers mit seinem Vorteile , daß ven einem jeden gedruckten Buche wenigstens tausend Exemplare an Leute , die keine Kunstrichter sind , verkauft werden .
Diese Leute fordern nach göttlichen und menschlichen Gesetzen für Ihr Geld auch Ware - und wenn sie eigennützig sind , so verlangen Sie wohl gar , daß sich ihre zwölf Groschen interessieren sollen :
Allein dieses ist bei Extemporalien eine unmögliche Sache ! -
Die Erstlinge eines Autors können nicht anders , als schlecht ausfallen , wenn er in eben dem Alter , unter eben den Umständen , mit eben der Flüchtigkeit zu schreiben anfängt , als ich es getan habe .
Das ist ein Übel , was vielleicht Salomo auch unter der Sonne gesehen hat - nur daß er es für überflüssig hielt , es zu der Summe der Übel , die er bereits zusammengebracht hatte , zu addieren .
Wie könnte man wohl diesem Übel abhelfliche Maße verschaffen ?
1. Mich dünkt - durch eine Selbst-Rezension , oder durch eine Selbst-Schatzung - Ich will die Sache sogleich mit dem ersten Teile meiner Reisen in ein gehöriges Licht setzen !
Da mein Verleger auf den ersten Teil meiner Reisen keine Pränumeration angenommen hat , so fehlt es mir freilich an einem Verzeichnisse der respektive Kaiser , Könige , Fürsten , Grafen , Barons , Edelleute - wie auch der Generale , Obersten , Maiors , Hauptleute , Leutnants , Fähnriche , Fahneunker , Freikorporals - nicht minder der Doktoren beider Rechte , der Richter , der Advokaten , der Sekretäre , der Kopisten - desgleichen der Kaiserinnen , Königinnen , Fürstinnen und so fort an - Alles in innen - und sollte bisweilen ein oder das andere Wort Schwierigkeiten machen , sich zu Beinen , aus Furcht bei Ihre Sprachgebräuchlichen Maiestät in Ungnade zu fallen , so hoffe ich bei Denselben einen Pardonbrief auszuwirken - -
An einem solchen Verzeichnisse nun fehlt es mir und ich sehe mich genötigt , meine Leser bloß zu raten - doch das entscheidet in der Hauptsache nichts und wenn ich nur erst mit ein paar allgemeinen Sätzen in Richtigkeit sein werde , so will ich mich mutig und getrost ins Detailliren wagen - Alle meine Leser haben , nach Aussage des Meßkatalogus , für den ersten Teil meiner Reisen bezahlt : zwölf Groschen - -
Und alle meine Leser haben nach Durchlesung des Ersten Teils meiner Reisen gefunden , daß sie Ihre zwölf Groschen zum Fenster hinaus geworfen haben - Nicht wahr ? -
Gut !
Nun nimmt meine Selbstschatzung ihren Anfang - gesetzt , ich hätte das Glück , Ihre Maiestät , Ludewig den VX zum Leser zu haben - es versteht sich , durch den Kanal einer Übersetzung - so würden Ihre Maiestät unfehlbar die Depense von zwölf Groschen bereuen : allein Ihre Maiestät bedenken nur , daß ich hin und wieder in dem ersten Teile meiner Reisen Toleranz gepredigt habe - Diese Stellen , die ich in der Eile nicht zusammensuchen kann , sind auf das allergenaueste gerechnet , ihre 6. Groschen wehrt - Die Leiter p. 80 und 81 , auf deren unterste Stufe ich den Esel und auf die Oberste den König gesetzt habe , kann ich unmöglich wohlfeiler als 2 Groschen weggeben - S. 154 habe ich die Juden Menschen genannt - Eine in Frankreich so unbekannte Wahrheit kann dort nicht geringer , als um 4 Groschen argesezt werden - S. 99 habe ich gesagt , daß ich nicht den Henker unter die Franzosen tauge - Ihre Maiestät werden ohne zweifel nicht ermangelt haben , die Schuld davon auf mich selbst zu schieben - Für die Erlaubnis dieses zu tun , könnte die Güte selbst nicht weniger fordern , als 6 Groschen -
Nun lassen Sie uns in aller Eile das Fazit ziehen - Toleranz - - 6 Ggr .
Leiter - 2 Juden- 4 Erlaubniß- 6 macht 18 Ggr .
Davon abgerechnet die bare Auslage 12 Gr. bleiben 6 Gr. Hiervon das Porto abgekechnet 5 Gr. bleibt 1 Gr. Aus dieser ersten Probe meiner Selbstschatzung erhellet , daß sich der erste Teil meiner Reisen bei Königen zu 8 und 1 Drittel pro Cent interessiert - Ich bitte euch Freunde ! was wird er nicht bei Privatpersonen tun ?
Um nun vors erst meine Leser samt und besonders noch einmal in einen Klump zu werfen , so habe ich in dem ersten Teile meiner Reisen mich so entdeckt , wie ich wirklich bin - Meine Leser haben also daraus einen Menschen kennen lernen - Gut oder schlecht , das tut nichts zur Sache - Diese Kenntnis können sie sich doch unmöglich wohlfeiler erworben haben , als um 4 Groschen -
Ich habe sie ferner mit keiner Entführung heimgesucht , wie ich es nach den Ordensgesetzen der Romanschreiber hätte tun mögen , sollen und müssen - Ein Groschen ist das allergenaueste , was ich für die Mühe nehmen kann , mit der ich meine Anwandlungen dazu habe unterdrücken müssen -
Und was das allerwichtigste ist , so habe ich in einem Buche von 308 Seiten kein Laster gepredigt - Dies sage ich mit einem nie gefühlten Stolze , der zwar an sich schon Belohnung genug ist , den aber meine Leser sich nicht entbrechen werden , mit einem Beitrage von 3 Groschen à personne öffentlich zu krönen - -
So wären denn also , Dank sei es meinem erfinderischen , arithmetischen , algebraischen , numismatischen Kopfe !
8 Groschen von dem Quantum der 12 Groschen , richtig verrechnet -
Was den Überrest der 4 Groschen anbetrifft - so dachte ich anfänglich , ich wollte ihn darauf schlagen , daß meine Leser - während des Lesens meiner Reisen - durch die Bank gerechnet - jeder für 4 Groschen Böses zu tun unterlassen hat : allein ich habe nachher überlegt , daß auch ein jeder von meinen Lesern - statt des Lesens meiner Reisen - durch die Bank gerechnet - für 8 Groschen Gutes hätte tun können - Diese Rechnung also ist ohne Wirt !
Stadt dessen nun rechne ich meinen Lesern , das Empfindsame , was sie hier und dar in meinen Reisen angetroffen haben , an - für den Überrest der 4 Groschen und ich denke , auch die allerstrengsten Kunstrichter sollen dawider nichts einzuwenden haben ! -
Wo ist nun das Detailliren ? -
Doch ja - es ist immer noch nicht überflüssig - Also - Ein Jude gewinnt bei Lesung der 154 Seite - oder vielmehr , er verliert an Haß gegen die Christen den Wert von 7 Groschen , nach seinem eigenen Geständnisse aber nur - - 3 und 1 halben Groschen .
Ein Korrektor gibt für die Stellen , die ihn angehen - nichts : aber wert sind sie allemal - - 2 und 1 Drittel Groschen .
Ein Kaufmann - er mag den Kopf schütteln , so sehr er will - kann ohne Risquo annehmen , daß ihm die Geschichte von meinem Wohltäter eingebracht habe - - - - - 8 Groschen .
- Und wenn er in seiner Familie die Geschichte von meiner Wohltäterin nutzen kann - - - - - 12 Groschen .
Ein Kammermädchen - schwört , daß sie lieber ihren Ring vom Finger wollte verloren , als die Geschichten von Kammermädchen in meinen Reisen nicht gelesen haben -
23 Groschen .
Ein Postschreiber gewinnt dafür , daß er mich bei der Landesobrigkeit als einen Briefaufbrecher angibt 10 Rthlr .
- Groschen .
Ein Feldwebel gönnt seinen Kameraden die Freude , neben seinem Geschwisterkinde zu sitzen , eben so gern , wie seine Lehnung von 5 Tagen - - - 12 Groschen .
Ein Abkanzler gerät zuerst über die Erzählung von meiner eigenen Abkanzelung in eine Hitze von 7 Pfennig Scheidemünze , allein er liest weiter und wird klüger um 5 Groschen , 7 Pfennige - gewinnt also bar - - - - 5 Groschen .
Welcher Profit , meine Freunde ! in allen Ständen , Ämtern und Bedienungen ! -
O ihr guten Autoren , die ihr von der immer grünenden Rute der Kunstrichter gezüchtigt worden seid !
Warum verzagt ihr ?
Warum legt ihr nicht der ganzen Welt eine Rechnung vor Augen - Warum beschämt ihr nicht eure Richter durch einen arithmetischen Beweis von der Güte eures Buches ?
Jetzt , Kollegen , jetzt in dem Jahrhunderte der Oktav und Duodezbände , ist dergleichen Beweis eine Lust - aber in dem Foliantensäkulum - und mich dünkt , das war das vorige - hätte ich ihn freilich nicht führen mögen !
Ende .
Mit Erlaubnis meiner Leser !
Ein Kunstrichter , den ich nicht kenne - und mit ihm vielleicht noch mehrere andere - hat meine Geschichte von dem kranken Mädchen , die ich von der Straße in den Gasthof wegtrug , getadelt - und wofür ich ihm großen Dank sage , gelinde und menschenfreundlich getadelt -
Da ich mir fest vorgenommen habe , meine Reisen bei der zweiten Auflage so wenig , als bei der hunderten umzuarbeiten -
Denn ich will , daß mich alle Welt mit allen meinen Fehlern und Gebrechen , im Kopfe und im Gehirne kennen soll - so kann ich diesem braven Manne mit Weglassung gedachter Geschichte nicht dienen : Allein ich könnte doch den Fehler , den er daran tadelt , öffentlich bekennen - und ich würde es ganz gewiß tun , wenn mich nicht etwas zurückhielte , was ich ihm jetzt entdecken will - -
Ich lebe in einer Stadt , wo ich täglich Gelegenheit habe , Urteile über meine Reisen anzuhören , ohne daß es jemanden auf der Welt einfallen sollte , mich für den Verfasser davon zu halten - Ein Glück , welches ich meiner Verschwiegenheit zu verdanken habe und um welches ich mich durch das Kapitel von meinem Namen bringen werde ! -
Diejenigen von meinen Lesern , die Yoricks Höhe im Denken nicht erreichen können , sind mit meiner Tiefe sehr wohl zufrieden und wünschen zum Teil , daß ich noch tiefer sein möchte - Diejenigen , die yorik kühn nachfliegen - erfüllen meine Weissagung - Sie haben bei meinem Lichtlein so viel , als nichts gesehen , sagen sie - Und sie haben Recht , sage ich - Eine andere Partei - wie ich es ebenfalls auf der elften Seite dieses zweiten Teils vorhergesehen und gesagt habe - verurteilt mich zum Strange , ohne mich verhört zu haben und mein bloßes Titelblatt ist ihnen genug , um mir den Hals zu brechen - und auch dieser Partie gebe ich lächelnd Beifall und hänge mich an meine eigenen Beine , um mir einen desto geschwinderen Tod zu verschaffen - Doch das sind Dinge , die niemand wissen will , von denen ich aber doch etwas sagen mußte , um die Wahrheit desjenigen , was ich nun sagen will , in ihr gehöriges Licht zu setzen !
Ich habe nämlich gefunden , daß die Geschichte des epileptischen Mädchens vielen - und solchen Lesern gefallen hat , die Yorick gelesen und verstanden haben -
Es fällt ihnen nicht einen Augenblick ein , daran zu zweifeln , ob auch der Verfasser dieser Geschichte Kräfte genug gehabt hat , die arme Kreatur zwanzig Schritte lang und zwanzig Stufen hoch zu tragen - Eben so wenig messen sie die Länge oder Kürze des Mädchens - Sie bleiben bloß bei dem Buchstaben der Geschichte stehen und meinen , daß es - so recht ist - Urteilen Sie nun selbst , mein unbekannter Freund ! ob es nicht besser ist , daß ich um des Gefühls Willen einen Fehler verschweige , als daß ich ihn um der kritischen Wahrheit Willen entdecke - daß ich meinen Lesern einen unerkannten angenehmen Irrtum lasse , als daß ich ihnen dafür eine unangenehme Wahrheit bekannt mache ?
Was den - ebenfalls sehr gelinden und menschenfreundlichen Vorwurf anbetrifft , den Sie mir in Ihrer Rezension machen , daß ich das Buch der Natur und Erfahrung nicht genug zu Rate gezogen habe : so gebe ich mich überwunden - ohne einen Schwertschlag - Allein bedenken Sie : Ich wurde geboren , im Jahre Ein Tausend Sieben Hundert und Acht und Vierzig , den Achten Mai , Morgens früh zwischen Drei und Vier Uhr - Glauben Sie mir das auf mein Wort - Sonst nötige ich Sie , durch eine vidimierte Abschrift aus dem Kirchenbuche dem Worte des Küsters zu glauben !
Es ist mie allzuviel daran gelegen , daß Kunstrichter und Leser von meiner Jugend überzeugt werden -
Sonst werden weder diese noch jene eine Zeile von mir aus dem rechten Gesichtspunkte lesen Sonst werden Sie mir unvermeidliche Fehler , als vermeidliche vorwerfen -
Sonst werden die Kunstrichter meine in der Vorrede an Sie gerichtete Bitte bloß für Spaß halten und mir nie meinen Kopf anatomieren helfen -
Sonst werde ich nie etwas weiter als Extemporalia schreiben können !
Den folgenden Tag - - - Doch nein !
Erst muß ich noch etwas vom vorigen Tage gedenken -
Ich habe bei mir zwei Dinge auf einmal entdeckt -
Eine große Ungeschicklichkeit und eine große Geschicklichkeit - Eine große Ungeschicklichkeit , eine Historie nach einander herzuerzählen - jedem Tage sein proportionirrliches Teil davon zuzumessen - mit stets gleichen Schritten vorwärts zu gehen und zur bestimmten Zeit an Ort und Stelle zu sein - Auf der anderen Seite aber eine große Geschicklichkeit , eine Minute in einer Geschichte in eine Stunde zu verwandeln - zu tun , als ob ich immer vorwärts ginge und doch immer auf einem Flecke zu bleiben - kurz , von der Geschichte eines Tages ein ganzes Buch zu schreiben - Der Schluß , den ich zum Vorteile meines Kopfes - und zur Erleichterung des Urteils der Kunstrichter über denselben mache , ist dieser , daß ich für das Theater geboren bin - Wenigstens denke ich , wenn ich einmal zu arbeiten anfange , werde ich wider die Einheit der Zeit am allerwenigsten sündigen - Vier und zwanzig Stunden Zeit zu einem Schauspiele !
O Aristoceles , Philosophorum facile princeps - Wo stand dir der Kopf , als du den Theaterdichtern eine so unphilosophische Erlaubnis gabst ?
Drei - höchstens vier Stunden Zeit sollten sie haben - und nicht einen Augenblick mehr und ich begebe mich im Voraus des Rechts , die Musik zwischen den Alten zum Täuschungsmittel zu gebrauchen - Die kürzesten Allegro's oder Adagio's oder Andante's werden mir immer noch zu lang sein und die ganze Wahrscheinlichkeit verderben - -
Um euch doch aber etwas mehr zu sagen , lieben Leser ! als daß ich für das Theater geboren bin -
Denn , im Grunde betrachtet , ist das immer eine große Kleinigkeit und wohl mancher war zum Throne geboren , der jetzt auf dem hölzernen Dreifusse sitzt - so verspreche ich euch im voraus , daß ich euch die ganze Zeit meines Lebens mit keinem Lustspiele plagen will -
Ich weiß es so gut , als es mir kein Kunstrichter sagen wird , daß meine Laune eine arme , keuchende Laune ist , der es an einer dreistündigen theatralischen Stärke fehlt - Für mich ist sie immer gut genug , dabei bleibe ich - und auch für einen großen Teil meiner Leser , die beinahe eben so viel wert sind , wie ich selbst , und die bei einer allgemeinen Musterung des menschlichen Geschlechts meine Nachbarn zur Rechten und Linken sein würden - aber für ein Hochweises Publikum , das des Lachens wegen zusammenkommt - Nein , das ist nichts !
Allein für einem Trauerspiele , lieben Leser ! seid ihr nicht sicher - Daß ich meinen , erschrecken , Mitleiden haben kann , das wißet ihr - Welch ein kleiner Schritt ist nun noch , um euch zum weinen , zum erschrecken , zum Mitleid haben zu bringen - Gehet vollends meine Erbschaft zu Grunde , wie sie denn seit dem Antritte meiner Reisen schon zur Mitte gegangen ist , so hat es seine Richtigkeit - Doch glaubt nicht , daß ich euch mit einem gewöhnlichen Trauerspiele - dergleichen ihr etwa im Sophokles oder Euripides - oder im Senke - oder im Scheakspear , Johnson , Otway , Addison , Congreve , Tillo - und dann wiederum im Racine , Voltaire - der Deutschen nicht zu gedenken - und der Spanier zu geschweigen -
denn bei ihnen ist Mord und Totschlag komisch - - unterhalten werde !
Ich gehe auf nichts weniger , als auf die Originalität - und was noch ärger ist , auf das Epochenmachen aus - Um diesen Preis , denke ich , werdet ihr es vergessen , daß ich in dem ersten Teile meiner Reisen Sternen nachgeahmt und mir dadurch die zottige Bärenhaut verdient habe , die er in seinem Tristram allen Nachahmern - den seinigen nicht ausgeschlossen - ohne Barmherzigkeit umgehangen hat - -
Ich habe euch in dem ersten Teile meiner Reisen gesagt , daß die Musik mein Steckenpferd ist - Jetzt wiederhole ich es und versichere euch , lieben Leser , sie ist es noch und wird es immer ärger - - Weiter , lieben Leser ! habe ich in dem ersten Teile meiner Reisen einen deutschen Hexameter gemacht , den ich keck dem rasselndsten Hexameter des Virgils an die Seite setze und ihr werdet daraus unschwer auf meine Talente zur Poesie überhaupt fortgeschlossen haben -
So wie ein reissender Strom der Dämme Rücken durchwühlet -
Die 6 R ungerechnet , die ich eben zusammengezählt habe und die das Rauschen des Stroms auf das schicklichste ausdrücken - finde ich , daß der Daktyl des fünften Pes so nervig , so körnig , so schwerfällig ist , daß er sich selbst kaum bei der Aussprache durch die Zähne hindurchwühlen kann - Endlich und zuletzt setze ich es als eine bekannte Sache voraus , daß ich im Dialog keine gemeine Stärke habe - Um dieses zu leugnen , müßte man den Dialog , zwischen mir , dem zehnjährigen armen Schelme , und zwischen dem reichen Kaufmanne , den ich trotz seiner Halsstarrigkeit bloß durch die Künste meiner Beredsamkeit zwang , mich auf seine Kosten studieren zu lassen -
Ja , wahrhaftig , man müßte ihn nicht gelesen haben !
Ich wünschte , daß ich eben so sehr auf meine Stärke im Planmachen pochen könnte -
Doch auch das kann ich !
Als ich meine Reisen zu schreiben anfing , so hatte ich nichts mehr und nichts weniger im Kopfe , als " ist er tot , der alte Vetter ?
Ich wusste noch nicht ein Wort , weder von meinem Großvater noch von meinen Eltern - Gleichwohl lernte ich mitten im schreiben alle meine Anverwandten nach einander kennen und es entstand nach und nach eine Historie , die sich - trotz des groben Widerspruchs , den ich selbst angezeigt habe und trotz einiger feineren , die meine Feinde nicht ermangeln werden , anzuzeigen - immer so gut lesen lässt , als ein jedes anderes Pak Begebenheiten - im Oriente oder im Occidente - Es wäre doch schlimm , wenn ich nicht in gehöriger Zeit ein Gespinst ohne Löcher und Brüche sollte zusammenweben können !
Nun rechnet einmal nach , lieben Leser !
Weinen , erschrecken , Mitleiden haben , Musik , Poesie , Dialog , Plan - Was macht das in der Summe ? -
Ihr schüttel die Köpfe d. Daraus kann kein Mensch ein Ganzes machen , sagt ihr -
Nun gut , so will ich es euch zusammenaddieren - Summa , eine Tragische Operette .
Ja , ihr lieben Leseser !
Eine tragische Operette - ein Ding , was ihr nun recht gut versteht , nachdem ich es euch zuerst gesagt habe - Ein solches ist es von dem alle meine musikalischen , poetischen und prosaischen Gefässe so voll sind , daß ich mich nicht enthalten konnte , euch bei Gelegenheit des folgenden Tages etwas davon zu sagen - Ehe ich mich an etwas weiter , als an den Plan mache , so muß ich nur zuvor mit einem Paare Roscier in Leipzig etwas abtun - Sie heissen :
Weise und Hiller .
- Eine Frage und eine Bitte - so oder so beantwortet - macht entweder meinen Plan zum Fidibus - oder zu dem Dinge , was ich euch genannt habe - - . Den folgenden Tag Doch ihr werdet gewiß neugierig sein , zu wissen , wie ich nach so vielen gehabten Abenteuern nach Hause kam - und ob mich nicht der Leipziger Typhon zurück , bis vor die Türe meines Gasthofes verfolgte - Sogleich , soll eure Neugierde befriedigt werden !
Ich bin den körperlichen Verirrungen so oft und so sehr unterworfen , daß ich davon eine Lieblings-Metapher hernehme , so oft ich von den Verirrungen unseres geistigen Teils zu reden genötigt bin - Bei mir ist es kein unmöglicher Fall , mich auf meinem eigenen zimmer zu verirren - nicht aus derjenigen Ursache , aus welcher Leibniz oder Newton Eder Euler oder Cassini oder Galiläi oder vielleicht Lord Bacon oder der fromme Boyle den Finger eines Frauenzimmers für einen helfenbeinernen Tabaksstopfer ansah , sondern teils , weil ich mich gern von den Umständen regieren lasse - und folglich keine einzige ernsthafte Anstalt mache , auf irgendeinem Wege geradezu zu gehen - teils weil ich meine Aufmerksamkeit für viel zu edel halte , als daß ich sie auf Häuser , Straßen , Tore , Pforten , Märkte , Brunnen , Pfeiler u. s. w. richten sollte - bloß in der Absicht , um mir einen unsichtbaren Faden zu spinnen , an dem ich wieder nach Hause finden könne - teils weil ich aus jedem Hause - doch will ich dieses nur a potiori gesagt haben - Materialien entweder zum Lachen oder zu meinen gewöhnlichen Schwärmereien oder gar zu ernsthaften Nachdenken mit herausbringe - und da ich viel zu ungeduldig bin , als daß ich etwas unbesehen und unangetastet unter dem Arme nach Hause tragen könnte , so bin ich es noch weit mehr , wenn ich etwas in dem Kopfe habe - Es muß auf der Stelle besehen und betastet werden und dann fügt es sich freilich sehr oft , daß ich die Treppe herabsteige , wenn ich oben auf den Turm kommen will -
Am öftesten war ich diesem zufalle ausgesetzt , als ich noch auf der Akademie philosophische Vorlesungen hörte und glaubt mir , die Definition , daß die Philosophie eine Wissenschaft von allen Möglichen sei , führte mich zu einer Zeit , wo meine Gegenwart zu Hause höchstnötig war , gerade zum entgegengesetzten Tore hinaus , wo ich mich auf den ersten den besten Platz niederließ und so heftig zu lachen anfing , daß ich mit einem eben so heftigen Husten beschließen mußte -
Doch ich habe mich selbst verirrt , indem ich von Verirrungen reden will und daran , dünkt mich , habe ich eben so gewiß recht getan , als derjenige recht tut , der von erhabenen Dingen erhaben redet - -
Ich wollte nur meine Leser - auf eine nicht gemeine und alltägliche Art - auf die Vermutung Kringen , wie lange sie wohl glaubten , daß ich zugebracht hätte , um nach Hause zu finden - Eine volle Stunde !
Ich geriet gleich anfangs in eine Gasse , die ich noch nie gegangen war - Diese durchwandert kam ich in eine andere , die ich recht gut kannte - Nun war ich meiner Meinung nach schon auf dem rechten Wege - Ich richtete alle meine Aufmerksamkeit auf die Geschichte , die ich beschrieben habe und da ich eben mit einem Teile derselben zu Ende war - es versteht sich bloß historisch :
denn philosophisch werde ich sie nie verstehen lernen - so sah ich , daß ich wieder in einer ganz fremden Gegend war - Der Nachtwächter , der eben bei mir vorbeiging , bot mir seinen Gruß - Ich hätte ihn nicht nur fragen können , sondern ich hatte auch die nächste Veranlassung dazu - Allein , dachte ich bei mir selbst , ich will doch sehen , ob ich in dem kleinen Leipzig nicht zurechte finden soll , da ich in der großen , tumultuarischen Stadt , die man die Welt nennt , schon so lange zurechte gefunden habe - Dieser Gedanke trat mir sehnell in die Füße und machte aus viertelelligten halbelligte Schritte - Ich hörte jemanden an einem Fenster stark husten - Es war mein Wirt - aber ich kannte seinen Husten eben so wenig , als sein Haus und ging hurtig vorüber - Nichts ist geschickter , als einen Mensehen um seine fünf Sinnen zu bringen , als Trotz -
Nach einem halbstündigen Hin- und Herrennen -
Nach manchen krummen und geraden Linien und Figuren , die ich im Gehen beschrieben hatte - glaubte ich endlich in die Straße zu kommen , in der ich wohnte und nun fing ich an , langsamer zu gehen - So bald das Geräusch meiner Füße in die Ohren meines Wirts fiel , so kam er wieder an das Fenster - rief mich bei meinem Namen - Es tut mir leid , sagte ich , daß ich Sie um eine Nacht gebracht habe :
aber es ist nicht meine Schuld - So , sagte er :
Nicht Ihre Schuld !
- Um Vergebung , Herr Nachtwandler , wessen Schuld ist es denn ? -
Das darf ich keiner lebendigen Seele entdecken , sagte ich - Wenn das wahr ist , sagte er , so sind Sie ärger dran , als der König von Cilicien , von dem ich einmal gelesen habe - der auf einem Throne saß - Nicht wahr ?
Ja freilich , sagte ich - -
Und gerade über seinem Throne , fuhr er fort , hing ein bloßer Säbel an einem Pferdehaare - Nicht wahr ?
Was sonst , sagte ich - -
Und unter seinen Füßen , fuhr er fort , war - ich weiß selbst nicht mehr recht - ein Backofen oder ein Brennofen oder ein Kalkofen - Nicht wahr ?
Ganz recht , sagte ich - Also habe ich doch die Geschichte recht behalten , sagte er - Nun sehen Sie nur , wo ich hinaus will !
Ich denke , es kann Ihnen nicht viel besser zu Mute sein , wie diesem armen Teufel - Sie brennen gewiß vor Ungeduld , nur ihr ganzes Geheimnis anzuvertrauen ! -
Wohl dem Wirte , dachte ich bei mir selbst , der , wenn er auf seinen Gast zwei Stunden hinter Mitternacht gewartet hat , noch o viel Laune übrig behält , um an den König von Galicien zu denken - Nun , sagte er , sagen Sie nur immer her !
Aber Herr Wirt , sagte ich - wenn Ihnen nun hernach eben so zu Mute wäre , wie dem Könige von Cilicien !
O sagte er und rückte sich seine Mütze auf einen anderen Fleck - Dafür haben Sie jetzt keine Sorge !
Meine Frau ist tot - Das war das Bon Mot , womit mich mein Schalk vom Wirte schon einmal von der bösartigsten Laune von der Welt befreit hatte -
Auch diesmal gab es meinem Entschluss den Ausschlag , ihm das wesentliche meines gehabten Aben : teuer zu erzählen - Nicht sowohl um mir Luft zu verschaffen -
denn ich war zu müde und zu schläfrig , als daß ich den Druck eines Geheimnisses hätte fühlen sollen - als vielmehr , um die Meinung meines Wirts zu vernehmen , von der ich mir im voraus sehr viel abenteuerliches versprach -
Es traf ein - - O , sagte mein Wirt , nachdem er alles , wie es mir vorkam , als ein Mensch angehört hatte , der sich zwang antun müßte , um nicht in ein lautes Gelächter auszubrechen - O , sagte er und brach nun ohne Zurückhaltung in dieses laute Gelächter aus - Das hat Ihnen geträumt - So müßte es mir auch träumen , sagte ich , daß Sie jetzt lachen - " Ich schwöre es Ihnen aber zu , es hat Ihnen geträumt .
- Und ich Ihnen , daß Sie nichts kl - - " Sagen Sie , was Sie wollen - Ich bleibe dabei : Es hat Ihnen geträumt und davon soll mich nichts auf der Welt abbringen , Aber ich bitte Sie um alles in der Welt - Wie sollte das zugegangen sein ?
- " Was ist das für eine Frage für einen Gelehrten !
Es ist so zugegangen , wie es bei allen Träumen zugeht - wunderlich - verworren - seltsam - so , daß man beim Aufwachen nicht weiß , wie es zugegangen ist , , Aber ich werde ja doch zum Henker Empfindungen von bloßen Einbildungen unterscheiden können - " Wie ?
Was ?
Sie trauen sich das in allem Grnste zu ? -
Nun so erlauben Sie mir Ihnen zu sagen , daß Sie sich sehr irren - Ich , der Leipziger Gastwirt , ich kann das wohl : aber Sie , der Sie ein Gelehrter sind - " O Hiob , stehe mir bei , rief ich aus ! -
Denn , in der Tat , war ich jetzt in dem äußersten Gedrange - von außen und von innen - Von außen attaquirte mich ein intrikater Wirt , der , wenn er einmal eine Hypothese ergriffen hatte , sie gewiß eben so fest wiederhielt , als der Philosoph Shandy -
Von innen quälten mich meine eigenen Kenntnisse , die ich mir über die Schwierigkeiten , eine Empfindung von einer Einbildung zu unterscheiden , gesammelt hatte - Schon wußte ich es mcht mehr gewiß , ob ich mich nach Hause verirrt oder nach Hause geträumt hatte - -
Ich setzte mich mit schwerem Kopfe auf einen Lehnstuhl - der Wirt sah dieses als einen Wink an , sich neben mich zu setzen , und zugleich als eine Herausforderung zum gelehrten Zweikampfe - Er setzte sich beinahe gerade gegen mich über , um mich immer im Auge zu behalten und nun war noch lange Zeit an kein Schlafengehen zu gedenken - Ich fühlte die Wunde des letzten Pfeils , den mein Wirt auf mich abgedrückt hatte , allzugut , als daß ich ihm nur die geringste Anreizung hätte geben sollen , noch einem von der Art auf mich loszuschießen - Ich machte mich also um ein gut Teil näher , um ihn zu nötigen , nach anderen Waffen zu greifen - Aber sagen Sie mir nur , redete ich ihn an - wo wir nicht etwan alle beide träumen - auf welchen Grund bauen Sie denn Ihre unerhörte Grille , daß meine Begebenheit ein Traum sein soll ?
" I darauf , sagte er , daß sie eben so bunt und scheckig unter und wider einander lauft , wie ein Traum - darauf , daß sie selbst sagen , Sie haben eine Ohnmacht gehabt , Ich griff schon nach meinem Stuhle , um ihn näher an den Wirt zu rücken und um ihm zu sagen , daß ich meine Ohnmacht gerade für das stärkste Argument hielte , daß meine Begebenheit kein Traum gewesen sein könne : allein er kehrte sich an nichts und das war mein Unglück - Denn glaubt es mir , es ist mit dem besten Argumente nichts , wenn es nicht an seinem rechten Orte steht - " Sie werden es so gut und besser wissen , als ich , was eine rechte Ohnmacht sagen will - Man weiß nicht , was einem vorher oder nachher begegnet -
Man denkt dies , man denkt jenes und alles ist erlogen , Ich warf mich geschwind auf meinen Stuhl zurück und drückte meinen Kopf halb verzweifelnd an die Lehne desselben - " Ich habe mit meiner Frau dergleichen Zufall erlebt -
Sie hatte sich auch einmal stark alteriert und fiel in eine Ohnmacht , die immer eine gute Viertelstunde gedauert haben mag - Als sie wider zu sich selbst kam , hatte sie fast ein ganzes Viertel Jahr von ihrem bisherigen Leben vergessen -
Ja , Ja , mein junger Herr Gelehrter !
Sie können froh sein , daß Sie noch mit einer so kleinen Verwirrung weggekommen sind , Tausend Taler hätte ich darum geben wollen , wenn jemand an meiner Stelle den verzweifelten Wirt abgefertigt hätte -
Ein Gefecht zwischen Philosophie und Mutterwitz ist ungleich !
Jene Sicht so langsam , wie ein - in eine Löwenhaut gekleideter Esel , dessen Eselei durch den Stolz auf seinen Oberrock noch um ein merkliches erhöht worden ist : Dieser Sicht mit der listigen Geschwindigkeit eines Fuchses - und mit seiner Gegenwart des Geistes - Jene holt weit aus , um einen - ohnmächtigen Stoß zu tun - Dieser tut - ohne auszuholen - eine Menge kleiner , grober Stöße , die ganz verzweifelt schmerzen - Jene zielt , ohne zu treffen - Dieser trifft , ohne zu zielen !
Ich tat meine Augen zu - dem Scheine nach vor Müdigkeit , der Wahrheit nach aber , um meine inneren Teile vor dem Eindrucke zu bewahren , den die Zuverlässigkeit meines Wirtes bei seiner Erzählung , auf sie machen konnte - Ich wenigstens bin in Gefahr , die lügenhafteste Fratze zu glauben , wenn sie mir von einem Menschen , mit dem ich in gutem Vernehmen stehe , in dem echten Tone der Überzeugung dreimal nach einander erzählt wird -
Das erstemal stutze ich und bin ungläubig - Das zweitemal denke ich :
Es wäre doch wohl ein möglicher Fall - Wir armen Gelehrten und mit dem , was wirklich ist , noch allzu unbekannt - Das drittemal - Es muß wahrhaftig wahr sein - und daß dieses nicht bloß mein Leben Lauf , Sendern der Lebenslauf vieler anderen Leute ist , das lehrt mich die Entstehungsart des Dinges , welches man die gemeine Sage nennt - " Madame S. hat ein Kind mit Hasenohren , J warum nicht gar ?
- " Gewiß und wahrhaftig - und noch dazu mit einem Pferdefusse - Ich habe es mit meinen Augen gesehen , So könnte es doch wohl wahr sein - " Was ich Ihnen sage - Sie werden mir doch zutrauen , daß ich sehen kann . "
So muß es freilich wahr sein - Sie sind müde , sagte mein Wirt , als er meine zugedrückten Augen wahrnahm - Gehen Sie zu Bette - Es ist schon sehr spät - Ich ging - und wer wäre nicht an meiner Stelle gegangen ?
Was aber das übrige anbetrifft , so sage ich mit dem Cicero : Quam sapienter , aut quam fortiter , nihil attinet disputare .
Die Begleitung .
Den folgenden Tag besuchten mich meine Mutter und meine Schwester - und wenn ich meinen Lesern sage , daß ich mich bei ihrem Besuche sehr ungebärdig anstellte , so werden sie gewiß auf allerhand Mutmassungen fallen , von denen keine einzige wahr ist - Meine Mutter wollte mit ihrer Tochter eine Reise in ihre und meine Vaterstadt tun , um ihre Angelegenheiten in Ordnung zu bringen - Ich fühlte einen mächtigen Zug der Natur , sie dahin zu begleiten :
aber auch einen eben so mächtigen , da zu bleiben - und dieses verursachte meine Ungebärdigkeit !
Doch bei dergleichen Contrazügen erfolgt bald auf einer Seite das Übergewichte - Ich beschloß dazubleiben und begleitete meine Mutter und Schwester an einem der schönsten und heitersten Tage ein paar Meilen hinter Leipzig - Als ich mit meinem Gaule durch das Rosenthal zurückritt , so hörte ich in einer ganz kleinen Entfernung von dem Fußsteige das Geklirre der Mordgewehre - Dieses brachte mir zunächst meine Theorie vom Ursprunge des Zweikampfs in den Kopf - Gleich darauf aber erregte es in mir eine Grille , die mich hätte unglücklich machen können - und gemacht haben würde , wenn nicht ein gewisses drittes Ding dazwischen gekommen wäre - welches mich vielleicht in der Folge auch noch unglücklich machen wird , wo nicht etwan ein gewisses viertes Ding dazwischen kommt - das Ende aller theologischen Vorurteile !
Über den Ursprung des Zweikampfs .
Höre - sagte einst Beelzebub an einem hoben Festtage in der Hölle -
( Ihre teuflische Maiestät feierten eben , ich weiß selbst nicht das wievielte Jubiläum Ihres Falles und waren an diesem Tage recht höllischvergnügt ) Höre , sagte er zu einem seiner Minister :
Ich habe einen Anschlag im Kopfe - Die Natur tat einen tiefen Seufzer , als er es sagte , und dem Genius der Menschheit standen große Tropfen des Angstschweißes vor der Stirn - Der Minister , gewohnt , von seinem Herrn keine andere Anschläge , als solche zu hören , die seiner wert waren , horchte auf - Er betrifft unsere alten Feinde , die Menschen , sagte Beelzebub - Wie wenn ich an dem Gedächtnistage meiner Erhöhung eine ganz neue Qual für sie aussöhne - Das nenntest du doch ein Jubiläum aller Jubiläums !
Der Minister machte eine lächelnde Verbeugung - Sie haben Schwerter , sagte er - das weißt du - Bis jetzt haben sie sie nur noch immer gegen ihre Feinde gebraucht -
Wie wenn ich es dahin brächte , daß Freund gegen Freund , Bruder gegen Bruder - mit kaltem Blute - den Degen zöge !
Mit kaltem Blute , sagte der Minister mit einiger Verwunderung - -
Aber Beelzebub entdeckte nach seiner Scharfsichtigkeit in dieser Verwunderung einen kleinen zweifel , ob sich auch ein so unpraktikabel scheinendes Projekt würde ausführen lassen -
Das konnte er nicht leiden - Dümmster aller Teufel , sagte er - und die Pforten der Hölle und mit ihnen alle Glieder des Ministers zitterten , als er es sagte - Mir , dem Beelzebub ist nichts unmöglich - Ich und mein Bruder wollen in eigener Person eine Reise nach Italien tun - Wir wollen zwei der hitzigsten Köpfe aussuchen - Wir wollen ihnen Haß , Rache , Wut , Zorn , Unsinn einhauchen - Wir wollen ihnen Degen in die Hände spielen - Sie sollen die Erstlinge der Duellanten sein - Von ihnen soll sich der Zweikampf durch die Macht der Nachahmungssucht unter die Krieger verbreiten - Von diesen unter die Musensöhne - Im achtzehnten Jahrhunderte soll man den Mut zum Zweikampfe schon unter die Pflichten der Ehre rechnen -
Man soll mit kaltem Blute Kartelle schreiben -
Um eines Wortes , um einer Mine Willen , soll man Blut fließen sehen - Das , das ist mein Projekt , und es soll ausgeführt werden , so wahr ich Beelzebub bin !
So , lieben Leser ! habe ich gesucht , mir den Ursprung des Zweikampfs begreiflich zu machen daß ihn die nördlichen Völker in den Zeiten der Finsternis und des Aberglaubens sollten erfunden haben , das ist für mich keine Erklärung - Denn so finster sind die Zeiten noch nie gewesen , daß man nicht gewußt und gefühlt hätte , was ein Leben wert sei !
Diese Theorie nun , die mir auf meinem Gaule - welcher vielleicht im Grunde eben so denken mochte , als ich - wenigstens fuhr er eben so schüchtern zusammen , wie ich - einfiel , hätte mich leicht verleiten können , ihm die Sporen zu geben und auf und davon zu jagen : allein außer dem Gedanken , daß vielleicht das Leben eines Menschen in Gefahr wäre und daß daß ich es ihm vielleicht durch eine Handlung , die sich zu den Umständen schickte , retten könnte - webte meine Seele in aller Eile aus einem gewissen Hörensagen meines Wirtes eine Grille zusammen , von der ich gewiß überzeugt bin , sie ist meine eigene - Mein Wirt nämlich hatte sich sagen lassen , es befänden sich unter dem Haufen von Duellanten auch sechzehn bis achtzehnjährige Kinder , die es kaum einmal recht wüßten , wie scharf ein Degen wäre - Wenn ich nur immer wüßte , setzte er hinzu , als er mir diesen Umstand erzählt hatte - wo ich diese guten Kinder anträfe , so wollte ich - Sie werden lachen , wenn ich es ihnen sagen werde - mit einem Schermesser in der Hand herbeigelaufen kommen - Sie wissen es - mir kann kein Mensch etwas übel nehmen , ich mag tun , was ich will - O meine Herren ! wollte ich sagen . Erlauben Sie mir , daß ich Ihnen erst die kleinen Milchhärchen um das Kinn wegbarbiere , ehe Sie so tapfer in den Krieg ziehen -
Ein oder ein paar Grimassen dazu gemacht , würden der Sache den Nachdruck geben und ich weiß gewiß , die erhitzten Kämpfer lachten und würfen das Gewehr weit , weit weg - -
Diese ganze Geschichte - selbst die Grimassen nicht ausgenommen , die mir mein Wirt mit Arten in der Erzählung vormachte - und die in ihrer Art sehr gut und brauchbar waren - stellte sich bei dem fortdauernden Geklirre der Waffen meinem Geiste - und fast möchte ich sagen , meinen Augen von neuen dar - Wie , dachte ich bei mir selbst :
wenn diese beiden Duellanten ein paar solcher armer , verführter Kinder wären , von denen mein Wirt redete - ich ritt zu ihnen - mein guter Geist gäbe mir irgend einen drolligen Einfall , irgend eine Schnurre ein und ich wände ihnen damit den Degen aus der Hand - Mein Herz hüpfte vor Freuden , als ich diesen Gedanken in seinem vollen Lichte erblickte - und mein Gaul schlug vor Schmerz hinten aus , weil ich ihm vor Entzücken die Sporen gegeben hatte -
Es ist dieses ein Beweis von meiner wenigen Erfahrung - Denn wie konnte ich mir vorstellen , daß ich durch ein Bon Mot erbitterte Gemüter besänftigen würde - oder daß mir eben ein Bon Mot einfallen würde , wenn ich es nötig hätte - oder daß die Duellanten , wenn sie auch jung wären , unfehlbar Geschmack daran finden würden :
aber auf der anderen Seite ist es doch auch ein Beweis , daß ich das Ding , was man Witz nennt - und seine Ausflüsse , die Einfälle , für ein eben so pragmatisches Ding halte , als das Ding , was man Verstand nennt - und da diese meine Meinung gewiß eine der richtigsten ist , die ich in meinem ganzen Meinungsmagazine liegen habe , so verlange ich , daß ihr mir um derselben Willen - oder vielmehr um ihrer unerschrockenen Entdeckung Willen - denn die ernsthaften Herren werden auf mich nicht wenig schmälen - das bisschen Mangel von Erfahrung übersehet -
Erfahrung !
Ich bleibe bei diesem Worte stehen -
Man kann ein Kenner des menschlichen Herzens sein , ohne viel Erfahrung - Die ganze Sache kommt darauf an , daß man selbst ein Herz hat - und das hat freilich nicht ein jeder - daß man Kopfs genug hat , um sein eigenes Herz zu beobachten - um das wesentliche vom zufälligen zu unterscheiden - -
War doch yorik selbst noch in seinem ein und zwanzigsten Jahre so unerfahren in der Welt , wie ein einfältiges Mädchen von dreizehn Jahren und er war doch gewiß schon in diesem Alter kein schlechter Kenner des menschlichen Herzens - Dieses führt mich auf einen anderen Gedanken - Man kann ohne Gefahr auf seiner Studierstube Beobachtungen über das menschliche Herz machen - Sind sie nur sonst richtig angestellt - nicht von einer wilden , zügellosen Einbildungskraft , sondern von einem friedfertigen Verstande , so werden sie sich gewiß durch Erfahrung bestätigen - Erinnert euch , mit welcher Zaghaftigkeit ich in dem ersten Teile auf der 229 S. eine Beobachtung über die Tugend und Schönheit vorbrachte - " Tut mir den Gefallen , meine lieben Leser !
und widersprecht mir bei den paar folgenden Sätzen nicht , von denen ich euch aus Mangel der Erfahrung keinen Beweis liefern kann -
Ich glaube , daß sich die Tugend und vorzüglich die weibliche Tugend so deutlich in der Mine abmalt , daß sie ein scharfsichtiges Auge nicht verkennen kann -
Ich bilde mir ein , daß die erstorbene Tugend in der Mine Spuren zurückläßt , die sich ebenfalls bei einer genauen Beobachtung nicht verkennen lassen .
Ich weiß nicht , wo ich die Augen gehabt habe : sonst würde ich es schon längst gesehen und mir folglich meine Zaghaftigkeit ersparet haben - daß yorik meiner Meinung ist Sagt er nicht gleich im Anfange seines zweiten Teils zum Kammermädchen :
" Ihr Herz ist Ihnen ein kleiner Schatz und gibt Ihrem Gesichte eine größere Zierde , - als ob es mit Perlen geschmückt wäre , Tut es mir nun nicht mehr zu Gefallen , lieben Leser !
Tut es der Wahrheit zu Gefallen und glaubt dieses Zwillingspaar von Sätzen -
Mit einer gleichen Zaghaftigkeit schrieb ich die Stelle vom Briefaufbrechen S. 146 nieder - nicht als wenn ich mich gefürchtet hätte , dem Arme der Gerechtigkeit anheimzufallen - denn mein Verbrechen war ja noch nicht attentatum - sondern weil ich zweifelte , ob auch ein Brief überhaupt eine Kenntnisquelle des menschlichen Herzens sei - Nunmehr aber kündige ich dem Arme der Gerechtigkeit - nicht minder der heiligen Bücherinquisition mutig an , daß ich gedachte Stelle nie wieder zurücknehmen werde - und sähe ich auch Beil und Strick mir dräun - Als ich vor kurzem in einem Briefe des Quintus Cicero an den Konsul laß :
Te totum in litteris vidi - so verwandelte sich meine Zaghaftigkeit in Mut , dem Tode entgegen zu gehen - O Bruder Quintus , rief ich aus - Den Augenblick möchte ich ohne Hut und Stock , ohne Strumpfbänder und Schnallen nach Italien rennen - deine Urne aufsuchen und ihre Asche segnen - Güldener Mann ! der du in Briefen Herzen erblicken kannst -
Auch die angefochtene Stelle von meiner lieben Kranken S. 165 - deren Geburtsort nicht eine Studierstube , sondern eine Kinderstube war - bin ich nun im Stande , durch Erfahrung und Ausmessung zu bestätigen - Meine Kraft ist in ihrem natürlichen zustande - die Kraft eines raschen Jünglings , nicht eines keichenden Gelehrten , der sich von einem Folianten den er auf sein Pulpet legen will , niederwerfen läßt -
Ich will sie nicht nach Zentnern und Pfunden bestimmen , sondern nach Algebraischen Gewichte - und so ist sie Die Last meiner armen , ausgemergelten - nur noch aus Haut , Haar , Knochen - und aus ein paar hin und wieder hängenden Tropfen Bluts bestehenden Kranken - deren armes Kamisol , welches mir noch aus einem feineren Stoffe zu sein schien , als aus Taffent , die ganze Zeit ihres Lebens hindurch eben so arg war mißhandelt worden , als das Kamisol des Herrn Tristram Shandy in den letzten Monaten vor seiner Geburt - diese Last war = 3 Viertel A Nun habe ich euch gesagt , daß ich mich so stark , wie einen Riesen fühlte - und wenn ihr dieses nicht in eigentlichem Verstande nehmt , oder in eigentlichem Verstande genommen , nicht versteht , so - fehlt es euch selbst an Erfahrung .
Habt ihr noch nie einen Hund lebendig anatomieren sehen ? -
So seht ihn noch und lernt den allgemeinen Satz abstrahieren : Körperliche Schmerzen , die in die Seele - vernünftig oder unvernünftig - einen Dolch nach dem anderen - und den letzten immer spitziger , als den ersteren , stoßen treiben den Trieb der Selbsterhaltung auf den äußersten Gipfel - Das Nervensystem wird ganze Oktaven höher gestimmt -
Die Knochen werden zu Eisen - Die Sehnen zu hänfenen Stricken - Das arme Hündchen , was ich lebendig anatomieren sah , würde mich bei dem allerheftigsten Gene kaum eine Linie tief in den Finger gebissen haben - so klein und ohnmächtig war es - aber von seinen unbarmherzigen Metzgern auf die Tortur gespannt und mit grausamer Langsamkeit von der Empfindung des kleinsten Schmerzens bis zur Empfindung des äußersten hinaufgeführt - würde es Diamante zermalmet haben - .
Halt !
ich merke , das meine Einbildungskraft erhitzt wird und das muß sie nicht - denn hier kommt es auf eine ruhige Untersuchung an - Von dem Triebe der Selbsterhaltung gehe ich unmittelbar auf den Trieb der Nächstenerhaltung über -
Ich will jetzt nicht ausmachen , ob ihn alle Menschen haben - noch auch in welchem Grade sie ihn haben - Genug ich habe ihn und ich will mir ihn durch nichts auf der Welt nehmen lassen - Nun dieser Trieb der Nächstenerhaltung hat bei mir eben die Eigenschaften , die der Trieb der Selbsterhaltung hat - beim Anblicke eines Elendes oder Schmerzens der ersten Ordnung , versorgt er nicht mit Kräftendes Körpers , von denen ich nicht weiß , wo sie herkommen - Genug ich fühle sie - und wenn es darauf ankommt , einen armen Teufel , der ertrinken will , bei den Haaren dem Strome zu entreissen , so laßt ihn immer eine Last = 2 A haben - ich will doch wohl mit ihm fertig werden - Die fortdauernde Anstrengung zu retten wird irgendwo neue Schleusen aufziehen , um denen vor Hitze ausgedorrten Gelenken die nötige Anfeuchtung zu geben - Um nun die Applikation zu machen , so fühlte ich bei dem Anblicke meiner lieben Kranken - noch mehr aber bei dem Anblicke einer Menge müßiger Zuschauer , die um sie herumstunden und - - um sie herumstunden , meine Kraft um eine volle Hälfte vermehrt - Nicht bloß der Trieb der Nächstenerhaltung , sondern auch Zorn und Unwillen auf die müßigen Zuschauer hatten diese Hälfte - wer weiß , wie erzeugt -
denn ich mag nicht philosophieren - Meine Finger , die sonst à leur eise neben einander liegen und sich aus Gewohnheit , das Klavier zu spielen , krümmen , waren jetzt so steif und so starr , wie die Finger Korporal Trimms bei der Belagerung von Limerick - Meine Armen waren jetzt nicht die Armen eines Menschen , der ein Excerptum von einer Gans in den Händen hat und damit eine Menge Papier bemalt , welches in Wittenberg und zerbst unter dem Titel : Empfindsame Reisen durch Deutschland verkauft wird , sondern die Armen eines Laokoon , der - manibus tendit divellere nodos Kurz meine natürliche Kraft = A war in dem gegenwärtigen Augenblicke des Affekts = 1 und 1 halb A .
Nun erinnert euch an die Größe der Last - Sie ist = 3 viertel A - Meine Kraft verhielt sich also zur Last , wie 2 = 1 - Hiervon abgezogen die Kraft , die auf einem Wege von guten 20 Fuß und eine Treppe in die Höhe verloren geht , werdet ihr finden , daß meine Kraft sich auf der obersten .
Stufe zur Last auf das allergenaueste verhielt , wie 1:1 - und daß ich folglich in eben dem Augenblicke meine Last ablegen konnte , da sie mich oder ich sie würde zu Boden geworfen haben - Tut euch dieses Algebra noch nicht Genüge , ihr verzweifelten Kritiker ! so will ich noch ein ander Mittel aussinnen -
Ich will in die Eingeweide der Mechanik eindringen -
Ich will eine Maschine erfinden , die eure natürlichen Kräfte zu aller Zeit und Stunde um die gute Hälfte erhöhen soll - da sie zu eurem Besten erfunden werden soll , so ist es billig , daß ihr sie mir auch - es versteht sich , um den civilsten Preis von der Welt - abkaufet und in euer Maschinentheater stellet -
Sie soll aus einer schiefliegenden Scheibe bestehen , die sich um ihre Are dreht - Die Bewegung ist anfangs sehr gemächlich und wer darauf steht , fühlt nichts mehr , als ob er in einem Boote wäre - allein sie nimmt immer stufenweise zu und zuletzt dreht sie sich so geschwind , daß wenn man auch auf den Einfall käme , einen der Bewegung der Scheibe entgegengesetzten Zirkel zu beschreiben , so würde man doch unmöglich so geschwind laufen können , als sie sich dreht - Die Furcht also , vom Schwindel niedergeworfen zu werden , soll hier die Springfeder sein , die eine noch nie gefühlte Kraft des Körpers hervorbringt - An irgend einem Punkte der Peripherie der Scheibe oder vielleicht an mehr , als einem - denn von mathematischen Erfindungen läßt sich nicht so gut Erdtemporisieren , wie von Mädchen - bringe ich irgend ein Impediment an , wodurch sich die Scheibe auch bei ihrer heftigsten Bewegung aufhalten läßt - Allein um dieses Impediment zu seiner Absicht zu nutzen , braucht man eine Kraft , die noch halb so groß ist , als die gewöhnliche bei einem Menschen zu sein pflegt - Ich weiß gewiß , diese Kraft wird sich bei meinem herumirrenden Ritter finden - Mit dieser Ausschweifung , lieben Leser ! die ich von dem Worte Erfahrung an , bis auf die letzte vorhergehende Zeile gemacht habe , bin ich unendlich zufrieden - Einmal ist sie an sich selbst ein ganz originelles Gewische von Witz , Belesenheit , Scharfsinn , gesunder Philosophie , Erfahrung , Algebra und Mechanik - und dann ist sie auch zur unfehlbaren Demütigung der Engländer geschrieben -
Diese stolzen Insulaner bilden sich ein , sie wären die einzigen auf Erden , die einen Schriftsteller um eines einzigen vortrefflichen Werkes Willen in ein für ihn schickliches Amt setzen - und ich denke immer Deutschland wird mich um dieser einzigen vortrefflichen Ausschweifung Willen in ein Amt setzen , das sich für einen jungen Menschen schickt , der ex tempore Maschinen erfindet und auf allerwenigste Hoffnung von sich gibt , alle verlorenen Künste des Altertums wieder ans Tageslicht zu bringen - Die Kunst mit Brennspiegeln Schiffe anzuzünden - Die Kunst , die ganze Erde aus ihrey Angeln zu heben - Die Kunst , einen Akteur auf dem Theater gestikulieren und den anderen deklamieren zu lassen - O Deutschland , o achtzehn tes Jahrhundert !
Welche Revolution steht euch bevor ! -
Und nun dünkt mich - nach einem so hohen Fluge , den ich genommen habe , kann ich mich - nach Art der Poeten - auf die platte Erde niederlassen und weiter erzählen -
Ich habe gesagt , daß mein Herz vor Freuden hüpfte , als ich durch eine unglückliche Verbindung der Ideen den Einfall bekam , durch einen lustigen Einfall zwei ergrimmte Bestien auseinander zu bringen - Dem zu folge ritt ich - nicht gerade zu - sondern durch solche Krümmungen und Zirkel , als sie ein kleines Wäldern für einen Reuter notwendig macht , nach dem Orte des erzielten Blutfliessens zu - Meine Hoffnung ließ ihr Haupt schon zaghaft sinken , als ich anstatt zweier , die ich vermutet hatte , viere zu Gesichte bekam , die in Form eines schiefliegenden Quadrats bei einander Stunden und alle ihre Schwerter gezückt hatten - Nun , dachte ich - der Anschlag ist vergebens - Was wollen Sie , sagte derjenige mit einer furchtbaren Stimme zu mir , dem ich mit meinem Pferde zuerst in die Augen fiel - O Himmel , seufzte ich bei mir selbst - Gib mir kaltes Blut ! -
Ich komme nicht , sagte ich mit einer gesetzten Stimme - um sie zu verraten - Ich bin nicht aus Leipzig - Ich bin ein Fremder - Das ist nicht wahr , sagte er - Grosser Gott , sagte ich - welche niedrige Sprache !
Herr , schrie er , und knirschte mit den zähnen - O meine lieben Leser !
Spottet meiner nicht , wenn ich euch sage , daß mir jetzt noch , indem ich diesen schrecklichen Auftritt beschreibe , um meine Seele so bange wird , daß ich mich in den Reizen der Wand vor der Verfolgung meiner Einbildungskraft verbergen möchte - Ich weiß nicht , ist es bloß Temperament oder durch Grundsätze der Tugend erweichtes Herz - aber das versichere ich euch , eine solche Sprache eines Menschen gegen einen Menschen - ich mag es selber sein oder nicht - durchbohrt mein Innerstes mit tausend Wunden ! und ich sage euch , die Angst , in der ich mich in dem zimmer des rätselhaften Mädchens - oder mit meinem Wirte zu reden , im Traume befand , wer sehr wenig gegen diejenige , die ich jetzt noch bei der bloßen Vorstellung empfinde - Der ungesittete Herr trat aus der Spitze des Quadrats und kam ungestüm auf mich zu - Ihm folgte das ganze Kleeblatt - Ich bitte euch , Freunde !
Was sollte ich tun - Sollte ich fliehen ?
Das konnte ich nicht und wenn ich es auch gekonnt hätte , so würde ich es nicht gewollt haben - Sollte ich den ersten , den besten , der mir zu nahe kam , mit meinem Pferde zu Boden reiten ?
Das konnte mein Pferd nicht und wenn es auch gekonnt hätte , so würde ich es doch eben so wenig gewollt haben - Also hielt ich bloß mein Pferd im zügel - Der Ungestüme machte Mine , mir ihn zu entreissen und nun war ich ein ander Wesen - Ich hatte geglaubt , ich würde nur mit zänkischen Jünglingen zu tun haben :
aber nun sah ich wohl , daß Strassenräuber - Alle meine friedfertigen Gesinnungen , Menschenliebe , Sanftmut , kaltes Blut , Philosophie , Überlegung stoben dahin - dorthin - überallhin - Der Trieb der Selbsterhaltung bekam jetzt die Dikatur über mein ganzes Wesen - Ich riß meinen Degen wütend aus der Scheide - riß mein Pferd einige Schritte zurück - Nahe dich mir , sagte ich - Unsinniger Bösewicht !
Nahe dich mir -
Ich will dir mein Leben teuer verkaufen - zu gleicher Zeit fing mein Pferd an , sich mächtig in die Höhe zu bäumen und Feuer und Flammen zu schnauben -
Ich hatte es elektrisiert - Es elektrisierte mich wieder - Und ihr , fuhr ich fort - Ihr - zittert für dem Rade , das ihr verdient - Werdet ihr mich wohl nach der Wut , die ihr jetzt an mir erblickt habt - Werdet ihr mich wohl noch lieben können , ihr guten Leser und Leserinnen ?
Ich schäme mich ihrer , wenn ich sie in dem Spiegel betrachie - So entstellt und verzerrt kann mein Gesicht noch nie gewesen sein , als in diesem Augenblicke - aber wenn ich daran denke , daß ich mit Ungeheuren zu tun hatte - daß mein Leben in Gefahr war - oder daß ich es wenigstens in Gefahr zu sein glaubte - daß man durch das Streicheln eines tollen Hundes nichts gewinnt , als Bisse Wenn ich daran denke , lieben Leser ! so bin ich geneigt , mir selbst zu vergeben - und weil ich dies nur sehr selten thne , so dünkt mich , habe ich das Recht , euch zu bitten , daß ihr es auch einmal tun möget - Meine donnernde Stimme - So klang sie selbst in meinen Ohren - schreckte die ganze Quaterne von Unmenschen - Sie standen alle viere stille und ließen ihre Degen hängen - Komme , Bruder - rief einer von den hintersten dem vordersten zu - Wir könnten verraten werden , setzte er ganz leise hinzu - Der vorderste , welcher der verwegenste und rasendste war , laß ein Stück aus des Ernulphus Kirchenbann her - So schrecklich könnte nur Beelzebub fluchen , wenn die Teufel einen armen Verdammten aus der Hölle entlaufen ließen - und damit kehrte er zurück - Ich ritt einige Schritte auf und nieder , um meine und des Pferdes Hitze verrauchen zu lassen - und als dieses obenhin geschehen war und als ich nun wieder Ideen mit einander verbinden konnte -
Ich überlasse euch , sagte ich , eurer Raserei - Ihr seid unter aller Moralität - und damit ritt ich nach der Seite zu , wo ich dem Augenmasse nach den verlaßenen Fußsteig wieder finden mußte -
Das heißt wohlfeil aus einem verwirrten Handel herauskommen , sagt ihr - Nur Geduld ?
Ich will den Augenblick wider hineinkommen - Ich hatte mich noch nicht weit von dem Schauplatze der Unmenschlichkeit entfernt , so zuckte mein Pferd mit seinem rechten Forderfusse und fing an zu hinken - Es war nicht ratsam abzusteigen - aber heilsam und pflichtmässig war es gewiß -
denn mich dünkt einen Dorn aus dem Fuße ziehen - er mag nun einem Menschen oder einem Pferde angehören - lindert einen Schmerz - und einen Schmerz lindern ist verdienstlich - überdies fiel mir der Gedanke eines Weisen ein :
Bei Handlungen , die man unterlassen könnte , muß man alle Folgen reiflich überlegen : allein man muß keine einzige kennen , sobald es auf die Ausübung unster Pflichten ankommt .
Ich steige ab , sagte ich - und sollte ich noch einmal in die äußerste Gefahr geraten - -
Ich hörte die Degen nicht weiter klirren - Daraus zog ich den Schluß , die ungedungenen Fechter wären gänzlich aus einander gegangen -
Wie falsch und unrichtig !
Kaum hatte ich den Dorn , der mein Pferd am Knöchel bis zum Blutvergießen verwundet hatte , gefunden und herausgezogen - so war ich wieder von der jungen Brut umgeben - Sie schossen alle mit einem grausamen Freudengeschrei auf mich los - Sie machten sogar Mine , mich zu mißhandeln - Ein Blick , wie ich ihn Kuplern und Küblerinnen mache , hielt sie davon ab - zwei faßten mich unter den Arm - Einer ging voran und einer zog mein Pferd hintennach - Wir wollen nur Satisfaktion haben , sagten sie - Wofür denn , sagte ich -
Ich für den unsinnigen Bösewicht , sagte derjenige , den ich so genannt hatte - und die anderen für das Rad , das Sie verdienen - Habe ich das gesagt , fragte ich mit einiger Verwunderung - Ich wußte es in der Tat nicht - Wenigstens nicht den Worten nach - Mein Nachbar sah mich mit einem höhnischstolzen Lächeln an , als wollte er sagen " Ihr nehmt euch die Mühe , euer Verbrechen zu leugnen , aber es wird euch nichts helfen - zieht den Degen , das ist alles , was ihr zu tun habt , Ich werde nichts lengnen , gab ich auf sein Lächeln mit einem trocknen Tone zur Antwort - Ich pflege immer so zu reden und zu handeln , daß ich mich wenigstens bei Menschen verantworten kann - Diese Versicherung wurde mit einem lauten - doch was sage ich ? - mit einem Gelächter besoffener Centaure aufgenommen - Wie glaubt ihr wohl , daß mir zu Mute sein mochte - mir , der ich eine kleine Naive und ihre Eltern kannte - der ich das Wesentliche des Wohlstandes unter die Tugenden rechne - der ich mich schon vor einem halben Jahre erklärt habe :
" Aber wenn mir jemand mit Radeln um mein Herz spielt - oder mir das gesunde Blut , das darinnen fließt , abzapfen will , so Schreie ich so laut , daß man meine Stimme auf allen Straßen hören kann , Stehe mir bei , sagte ich - allmächtiger Beschützer der Menschen !
Die Spötterei , die darauf erfolgte , will ich , um auch und mich zu schonen , nicht in mein Gedächniß zurückrufen - Ein Cherbury würde sie verabscheuen - -
Jetzt kamen wir auf einem kleinen , freien Platz an - Meine Führer ließen mich gehen - Der eine von ihnen warf seinen Oberrock ab - Ein anderer befühlte meine Handschuhe - Ich will Ihnen meine geben , sagte er - Nur frisch vom Leder gezogen , sagte der Entkleidete , indem er seinen Degen zog und damit in der Luft wetzte - Ein kleiner Schauder fuhr durch meine Glieder - Das blitzende Schwert brachte mir ein anderes in die Gedanken , das ich bei der Enthauptung einer Kindermörderin hatte flammen sehen - Ersparen Sie sich Ihre Mühe , sagte ich zu demjenigen , der mir meinen Oberrock wollte abziehen helfen - So ziehen Sie sich ihn selber ab , sagte er trotzig -
Ich werde ihn nicht abziehen , sagte ich Das wollen wir Sie wohl lernen , sagte derjenige , der mich zum Zweikampfe herausgefordert hatte , indem er auf mich zugelaufen kam und sich das Ansehen gab , als wollte er mir den Rock vom Halse reißen - Schon legte meine Vernunft das Regiment von neuen nieder und übergab es dem Triebe der Selbsterhaltung - Ich schaffte mir den ungestümen Kämpfer durch einen derben Stoß vom Halse - Fort , sagte ich - Ich lasse mir keine Gewalt antun und Sie und die ganze Hölle sollen mich nicht zum Zweikampfe zwingen - Ich trat einige Schritte zurück und lehnte mich mit dem Rücken an einen Baum - und er fuhr in des Ernulphus Kirchenbanne fort - Herr , sagte er , indem er einen Augenblick darauf mit knirschenden zähnen auf mich zukam - Ich ersteche sie auf der Stelle - Das tun Sie , sagte ich - Ich schlage Sie krumm und lahm , sagte er - Das tun Sie , sagte ich - Die Gerechtigkeit wird Sie auch krumm und lahm schlagen - So werde ich nicht allein ein Kröpel sein !
Der Teufel hohle die Gerechtigkeit , sagte er Wenn er nur könnte , sagte ich - Aber zum Henker , sagte ein anderer mit einer etwas gemässigteren Stimme - So geben Sie uns doch nur Satisfaktion - Sie sind ja wahrhaftig nicht wert , daß Sie ein Student heißen !
Aber so hoffe ich doch bei Gott , sagte ich , daß ich wert bin ein Mensch zu heißen Was Mensch , sagte der erste - Hier ist nicht Zeit zu disputieren - Ich wünschte , sagte ich , daß ich meine Menschheit so leicht verleugnen könnte , wie - Wie ich , schrie er , - Verfl - Wie ich ?
So sollen auch alle W - - - Hier lief er von neuem auf mich zu und stieß mit seinem Degen nach meinem rechten Arme - Ich machte eine kleine Wendung und der Degen fuhr in meinen rechten Rockaufschlag - Hätte ich nicht mit dem Rücken an dem Baume gestanden , so würde ich mich zurückgezogen haben :
aber da dieses war , so wagte ich es sogar noch näher zu treten -
Ich bog meine Hand so weit zurück , daß mich die Schärfe des Degens nicht treffen konnte - Dann fuhr ich mir den Degen selbst bis an das Heft in den Aufschlag des Rockes - und mit meiner zusammengeballten linken Hand schlug ich meinen Gegner so unsanft auf seine Rechte , daß er den Degen gehen ließ - Ich sprang zurück - riß mit meiner linken Hand den Degen aus dem durchstochenen Aufschlage heraus = stellte ihn dergestalt auf die Erde , daß er mit der Oberfläche derselben ungefähr einen Winkel von 30 Grad machte und trat ihn mit dem rechten Absaze meines Stiefels entzwei - Das ist meine Satisfaktion , sagte ich , indem ich das Heft über einen Baum wegschleuderte - und so lehnte ich mich wieder mit dem Rücken an meinen alten Ort - Ich hatte dazu die triftigste Ursache - denn nach dem Kriegsreglement der Musensöhne mußte ein anderer an des entwaffneten Stelle treten - Ich nehme mich seiner an , sagte einer aus dem Haufen und zog den Degen - Sie haben es mit mir zu tun Sind Sie von mir beleidiget , fragte ich in einem sehr ernsthaften Tone -
Ja , das bin ich , sagte er - Doch wohl nicht gerade zu , sagte ich - Auch das , sagte er - Erinnern Sie sich nur an das Rad - Das verdienen Sie , sagte ich - und wenn Sie nicht bald aufhören , Ihre Mörderrolle zu spielen , so verdienen Sie vorher mit glühenden Zangen -
Das war nicht sein , lieben Leser !
So hätte ich nicht sagen sollen - So spricht nur der Menschenhaß und der - Scharfrichter !
Es ist wahr , die Athener verdammten ein junges Kind zum Tode , weil es ein Vergnügen daran fand , jungen Vögeln die Köpfe abzudrehen - Nach dem Gesetze der Gradation also würde Rad und Zange für diejenigen nicht zu viel sein , die ein Vergnügen daran finden , Menschen die Köpfe abzudrehen - allein was ging mich Rad und Zange an ?
Von einem ganzen Heere eingefleischter Teufel umringt habe ich immer nur ein einziges Recht - das Recht mich selbst zu verteidigen , nicht das Recht , Strafen zu bestimmen - und da ich mir hierüber selbst den Text gelesen habe , lieben Leser ! -
noch mehr aber - da die Strafe unmittelbar auf mein Menschenhässieges Drohen folgte - so hoffe ich , wir bleiben gute Freunde !
Mein Gegner war eines von den kleinen Gewässern , die sich in einem Augenblick - wie von einem Wolkenbruche ergießen und alles um sich her zu Boden reißen - Ich glaube , wenn ich ihm gelinde begegnet wäre , ich hätte ihn gewonnen : aber kaum hörte er von Zangen , so sah ich alle Auswege abgeschnitten - Entweder mußte ich zum Degen greifen oder ich mußte mich auf das schimpflichste mißhandeln lassen -
Ich sprang vor seinem wütenden Blicke einige Schritte vom Baume zurück - Gott du siehst es , sagte ich , und blickte tränend gen Himmel - und so zog ich den Degen - Aber kaum hörte ich die beiden Eisen an einander klirren , so warf ich das meinige ungestüm zur Erde - riß meinen Oberrock auf -
Hier , sagte ich - hier ist meine Brust !
Durchbohren Sie sie lieber mit tausend Stichen , als daß sie mich zum Duellanten erniedrigen -
Was sind das für Possen , sagte er - Das verzeihe Ihnen der Himmel , sagte ich , daß Sie das für Possen halten - Er bückte sich - hob meinen Degen auf und überreichte mir ihn - Ich nahm ihn an und - warf ihn eine gute Ecke von mir weg .
Bruder ! gib den Degen her , sagte er und rief einen seiner Gesellschafter - Ich würde ihn nur wieder wegwerfen , sagte ich - So würde ich Ihnen den meinigen so lange um den K - -
So , lieben Leser ! sprechen Menschen - So sprechen Menschen in Europa - Menschen , die im Herzen Europas wohnen - Menschen von aufgeklärten Einsichten - Ich fürchte , ich fürchte - die Leidenschaften sind da am stärksten , wo die Vernunft am hellsten sieht - - - Die schnelle Rettung Was ist das ?
Was soll das vorstellen - sagte ein schwarzbrauner , von der Sonne verbrannter Jüngling , dem das Feuer aus den Augen blitzte , indem er mit dem bloßen Degen in der Hand von der Seite her , wo mein Pferd angebunden stand , sich auf uns losstürzte - Mein Gegner suchte seinen Oberrock - Die übrigen suchten -
Beeren -
Aber der glühende Jüngling ließ sich damit nicht abspeisen -
Sie sind der beleidigte Teil , sagte er , indem er sich an mich wandte - Ich sehe es Ihnen an - Ich zuckte die Schultern - Wo ist Ihr Degen , fragte er -
Ich habe ihn weggeworfen , sagte ich - Warum , fragte er - Weil ich ein Mensch bin , sagte ich - Sind Sie von allen vier Bösewichtern angegriffen ? -
Die Frage war zweideutig - Ich wußte nicht , sollte ich ja oder nein sagen - ja war zu viel - Nein zu wenig - aber der Jüngling erwartete auch meine Antwort nicht - Es ist billig , fuhr er fort , daß Sie an allen vieren gerochen werden - Kaum hatte er es gesagt , so ging er mit festem Schritte auf denjenigen zu , der mir gedroht hatte , mir den Degen so lange um den K *** .
Ich weiß nicht , war es Furcht , verraten zu werden oder war es eigentlich Zaghaftigkeit , die sich dieses Verwegenen jetzt sichtbar bemeisterte -
Er kehrte sich halb um - Mit Ihnen , sagte er , habe ich nichts zu tun - Aber ich , antwortete der andere - ich mit Ihnen desto mehr - Ich habe zugehört , wie Sie und noch einer Ihres Gelichters die Menschlichkeit spotten können - Dafür forder ich Sie zur Rechenschaft !
Ich habe mich müde gefochten , sagte der erste - Feiger Lügner , sagte der andere , und stieß ihn verächtlich von sich - Er sah sich nach den anderen um :
aber sie hatten sich in das Beerensuchen so sehr vertieft , daß sie nicht mehr zu sehen waren - So kommen Sie , sagte er zu mir - und fürchten Sie nichts an meiner Seite - Die leere Degenscheide schlug mich um die Füße , als ich zu gehen anfing - Dieses erinnerte mich an meinen weggeworfenen Degen - Ich suchte ihn - hob ihn auf - Warf ihn geschwind wieder weg - Gehe , sagte ich , verruchtes Eisen !
Nie sollst du wieder an meine Seite kommen - Wer dich findet , mag dich hinnehmen - -
Ich warf meine Scheide oben drauf , ging an der Seite meines Retters stillschweigend durch das Gebüsch hindurch , fand sein Pferd neben dem meinigen angebunden , stieg mit ihm auf und ritt mit ihm nach der Stadt zurück .
Nun da ich eine so lange Weile ordentlich hinter einander weg erzählt habe -
Nun hoffe ich , lieben Leser ! werdet ihr es nicht nur erlauben , sondern auch gern sehen , wenn ich wieder einmal eine kleine Ausschweifung mache .
Für diesmal mag sie Von der Entstehungsart eines Buches nach Erfindung der Buchdruckerkunst handeln .
Die Materie ist noch ziemlich jungfräulich - wenigstens weiß ich noch keinen Autor , der seine Leser davon offenherzig genug unterrichtet hätte , wie ich es nun zu tun gedenke .
Ein Buch , lieben Leser ! entsteht , - nach den Zeiten des berühmten Fausts , der , wenn er wirklich der Erfinder der Buchdruckerkunst ist , wie man sagt , mir auf seinem Fasse eben so ehrwürdig ist , wie Diogenes in dem seinigen - Ein Buch , sage ich , entsteht eben so , wie das Gewebe einer Spinne - und diese Vergleichung ist so weit entfernt , die Entstehungsart eines Buches verächtlich zu machen , daß sie vielmehr die allervollkommenste sein würde , wenn die Vergleichung durch und durch passend wäre .
Wenn die Spinne den ersten Faden ihres Gewebes aus ihrem -
Pfui ! - hervorzieht , so denkt sie nicht mit einer Silbe an den Faden , der auf den ersten folgen soll - Eben so wenig denkt ein Autor , wenn er den ersten Bogen seines Werks vollendet hat , an den zweiten - Er gibt ihn oder trägt ihn in die Druckerei und damit gut !
Auf diese Art wird es denn bei der Spinne und bei dem Autor bis ans Ende des Gewebes oder des Buchs gehalten -
Aber wie nun ?
Das Gewebe ist ohne allen Plan zu dem regelmässigsten Dinge in der Natur geworden - Alles steht an seinem Orte - Alles ist nicht nur nach Absicht gemacht , sondern erreicht auch die Absicht - Aber das Buch - ist zwar richtig abgedruckt , aber die Faden durchkreuzen , durchschneiden , verwirren sich eben so arg , als die Zirkel , die sich die lieben Alten am Himmel einbildeten -
Den eine ist zu kurz , der andere zu lang - Der eine zu dicke , der andere zu dünne - Hier ist einer zu viel , dort einer zu wenig - dieser hängt zu hoch , jener zu niedrig - Kurz das Gewebe ist nichts besseres wert , als daß man es mit dem Kehrwische der Kritik wegwischt - zum erstenmal - meine Lebensgeschichte ausgenommen - müßte ich meinen Lesern etwas vorlügen , wenn ich behaupten wollte , daß mein Buch auf eine andere Art entstanden wäre , als auf die angezeigte .
- Die Bogen sind so frisch , wie sie aus meiner Feder geflossen sind , auf die Post gegangen und so von Station zu Station an dem Orte ihrer Bestimmung angelangt - und wenn ihr oft auf Stellen gestoßen send , lieben Leser ! die meiner schlechterdings unwürdig waren , so habt ihr es bloß der Unwiderruflichkeit der Posten zuzuschreiben - und meinem Verleger - Der böse Mann will durchaus , daß mein zweiter Teil eben so lang sein soll , wie der erste - Vergebens schreibe ich ihm , daß er mir durch seine zunöthigung noch den Brand in die Finger jagen wird - das mein armes Gehirn ganz ausgeleert von Ideen ist - daß meine Amtsgeschäfte - " Die paar Bogen werden Sie ja doch wohl noch zusammenbringen - Bedenken Sie nur , ich habe Ihretwegen einen frischen Buchdruckergesellen angenommen - Die Presse kann ja unmöglich müßig stehen - Freilich kann sie nicht müßig stehen : aber zum Henker , sage ich , indem ich meine Nachtmütze verdrießlich vom Kopfe reiße und sie an die Wand werfe - Warum steht mein Gehirn so müßig !
Was kann denn ich davor ? -
Wenn es nur noch in der Mitte wäre - aber gerade am Ende , wo ich mich meinen Lesern auf freundliches Wiedersehen empfehlen will -
Wo ich alle Anstrengung meines Geistes nötig habe , sie auf das Lesen meiner künftigen Schriften eben so neugierig zu machen , als auf das Lesen dieser gegenwärtigen - Gewiß und wahrhaftig , meine Herrn Kunstrichter !
Sie tun uns armen Skribenten himmelschreiend Unrecht , wenn Sie uns um unserer Eilfertigkeit im Schreiben Willen schlechthin verdammen - O lassen Sie sich doch bewegen und schreiben Sie neben Ihren Kritiken über die Autoren auch Kritiken über die Verleger !
Alle Briefe , die ich von dem meinigen erhalten habe , stehen Ihnen im Originale oder in Kopie zu Diensten und in jedem werden Sie ein Contre wider meinen Verleger und ein Pour für mich antreffen - Eben erblicke ich ein solches Pour und Contre - Hören Sie nur , wie verführerisch !
" Schreiben Sie nur von Dingen , die Ihnen bekannt sind - Von Ihnen selbst oder von mir - Machen Sie sich hin und wider ein wenig über mich lustig -
Sie haben ja eine ganz gute Svade - und wie bald ist nicht ein Bogen voll , Welcher Autor , dem sein Verleger in einem Jahre die Ehre einer zweiten Auflage erweist , würde wohl einen solchen Rat verachten ?
Nun wohlan , Herr Verleger !
Auf Ihre Verantwortung also schreibe ich jetzt von einer Sache , die mir sehr bekannt ist - Von meinen Lieblingen .
Einen Liebling nenne ich denjenigen , mit dessen Fehlern ich eben so zufrieden bin , als mit seinen guten Eigenschaften .
Kraft dieser Definition wird mein erster Liebling unstreitig Ich selbst sein - und um davon eine recht einleuchtende Probe zu geben , wünsche ich nichts mehr , als daß derjenige Kunstrichter , der mit meinen Reisen am allerschlechtesten zufrieden ist , diesen Augenblick , da ich das Kapitel von meinen Lieblingen zu schreiben und zu gleicher Zeit zu fühlen anfange , daß es eines der allerschönsten Flickapitel werden wird , die je geschrieben worden sind , an meine zimmer mit recht kritischem Ungestüme anklopfen möchte - Geschwind wollte ich meine Feder weglegen und mein Herein in dem Tone einer so sanften menschenfreundlichen Einladung aussprechen , daß der Kritiker schon ein groß Teil seiner angestrichenen Fehler sollte vor der Türe liegen lassen - Träte er dann mit einer zwar strengen , aber doch nicht erbitterten Mine herein und fragte mich , ob ich der Verfasser der empfindsamen Reisen durch Deutschland wäre , so wollte ich ihm ein so bescheidenes , mit einer so liebenswürdigen Furchtsamkeit begleitetes , und um eine gelinde und sanfte Beurteilung so unwiderstehlich anhaltendes ja zur Antwort geben , daß er kaum einmal ohne ein verwirrtes Stottern sollte zu mir sagen können :
" Sie haben Ihre Sache sehr schlecht gemacht , , Wäre es dann herausgestottert , so wollte ich - ohne mir nur die allerkleinste Empfindlichkeit zu erlauben - mit verdoppelter Freundlichkeit ihn anblicken - " Ich sehe es wohl , würde er sagen , daß Sie nicht viel über zwanzig sind : aber so hätten Sie lieber gar noch nicht schreiben sollen , , Jetzt würde ich geschwind meinem Briefmagazine zuflattern und daraus das Einladungsschreiben meines Verlegers zur Autorschaft herbeiholen - Ein Dokument , welches , wie ich gewiß weiß , jedem billig denkenden Kunstrichter ein Auge zudrücken wird , , Nun so hätten Sie doch diese 23 Stellen , die ich auf diesem zettel angezeichnet habe , nicht schreiben sollen -
Die erste ist bis zum Einschlafen matt , Wollen Sie mir wohl erlauben , würde ich sagen , daß ich Ihnen diese Stelle einmal vordeklamieren darf ?
Ich deklamierte sie dann mit dem wärmsten Gefühle - mit einem noch wärmeren , als dasjenige war , mit dem ich sie schrieb - ich machte meinem Kunstrichter selbst warm - er schenkte mir eine ganze Reihe Stellen - bei den übrigen erzählte ich ihm meine jedesmalige Verfassung in dem Augenblicke des Schreibens - "
Bei dieser spreche ich , war i schon halb eingeschlafen :
aber es war den folgenden Tag Posttag und ich mußte Manuskript einschicken - Als ich diese schrieb , hatte ich zuviel gegessen -
Bei einer anderen , wo ich der Anlage nach lustig sein sollte , war ich wegen eines entsetzlichen Schneegestöbers in der schlimmsten Laune - Jene schrieb ich mit klappernden zähnen und mit wackelnden zehn in einem gegen Morgen kalt_gewordenen zimmer , Ich verwette tausend gegen eins - wir beide - der Kunstrichter und ich umarmten uns in einigen Stunden auf das freundschaftlichste - Der nächste Liebling nach meinem Ich sind meine Eltern - und hier mache ich es mir zum Verbrechen an Fehler zu gedenken - Dann meine brave Bekerin - dann meine liebe Kranke , die , ob sie gleich tot ist , dennoch in meinem Herzen noch immer den Raum einer Lebendigen einnimmt -
Dann meine kleine Naive dann meine Schwester - dann die Eltern meiner kleinen Naiven - dann mein Freund - Und wenn von Lieblingsautoren die Rede ist - Fürchtet euch nicht , daß ich euch ins Unendliche führen werde !
Unter den Griechen - Wer sonst als der Vater der Dichtkunst , Homer ?
Unter den Lateinern - Wer sonst als der Vater der Beredsamkeit , Cicero ?
Unter den Engländern - Wer sonst als yorik ?
Unter den Franzosen oder vielmehr unter den Französinnen - Wer sonst als Babet ?
Dieses vortreffliche Mädchen hat mich durch ihre Dreissig Briefe mit der ganzen Französischen Nation ausgesöhnt - Um ihrennwillen vergesse ich es , daß Boileau , der Kleinigkeitenmaler Popen an die Seite gesetzt wird - daß Racinene Trauerspiele größtenteils nur weichherzige Weiber rühren - daß Voltaire ein Mädchen von Orléans , einen Candide , eine Philosophie über die Historie , ein Philosophisch Lexikon und wer weiß , was sonst noch geschrieben hat - daß Madame Dacier einen Bart hat - daß Maliers Lustspiele zur Hälfte nur zur Abführung der Blähungen geschrieben sind - daß Fontäne ein ganz allerliebster Zotenreisser ist - und vor allen Dingen - daß Monsieur Boursault vierzig Streiche - derb und richtig aufgezählt verdient hätte , dafür , daß er die Briefe seines Mädchens so liederlich ver schleudert hat . Unter den Italienern = Wer sonst als Petrarca ?
Unter den Deutschen - Wer sonst als Gellert ?
Und nach Gelehrten noch einer - Ein Mann , unbekannt und ungepriesen und doch wert , allgemein bekannt und allgemein gepriesen zu werden - Ein Mann , den ich wie einen Bruder liebe , weil ich mit ihm eben so viel - und vielleicht noch mehr Ähnlichkeit und Gleichheit , als mit einem Bruder , denn !
Er liebt Religion und Tugend - Ich auch !
Er ist ein Theologe - Ich auch !
Er schreibt einen Roman - Ich auch !
Einen Roman , in dem viel von Liebe , Zärtlichkeit , Kuß , von garstigen Dingen u. s.w. erzählt wird -
Ich auch !
Er liebt die Musik - Ich auch !
Er macht Verse - Ich auch !
Er schweift aus -
Ich auch !
Ich auch !
Er lacht gern - Er weint noch lieber - Ich beinahe auch !
Ich auch !
Er ist gereist - Er wird zum zweitenmal aufgelegt -
Ich auch !
Er liest einander schnurgerade widersprechende Kritiker seines Romans - Ich auch !
Ich auch !
Er lacht darüber - Kurz der Verfasser der Geschichte der Miß Fanny Wilkes !
Ich könnte die Gleichheit und Aehnlichkrit zwischen uns noch weiter ins Deatil treiben - Er kennt Hands Quadro's - Ich auch !
Er hat sich in Kleists : Ja , liebster Damon ! so sterblich verliebt , daß er es in Französische Verse übersetzt hat - und Ich so sehr , daß ich es komponiert habe -
Er mischt ein französisch Gespräch , Ich auch ! ein - Er soll nachgeahmt haben -
Ich auch !
Er hat zwei Teile gesehrieben -
Ich auch !
Nunmehr , lieben Leser ! ist mir für das Fortkommen meines zweiten Teils und vorzüglich der letzteren Bogen nicht weiter bange - Sie enthalten eine Parallele , die noch nicht gezogen worden ist , seitdem die Welt steht und die nie wieder gezogen werden wird , so lange sie steht !
Ist es euch nun gefällig , so könnet ihr neben dem Gaule meines schwarz braunen Retters und neben dem meinigen bis an die Vorstadt zuckeln und hören , was sich etwan unter Weges zutragen möchte !
Mein Retter , den ich so bald es sieh nur wollte tun lassen , poetisch zu reden , mit meinen blicken verschlang schien mir zu einer ganz anderen Art von Geschöpfen zu gehören , als ich war .
Eine hohe Ernsthaftigkeit schien in seinen ganzen Charakter unauslöschlich verliebt zu sein - Seine Stirn war glatt Sein Auge voller Feuer - aber dieses Feuer war nicht von der hellroten Art , das aus den Augen meines Mädchens blitzt - sondern von der dunkelroten - Es war für mich das Feuer einer Sonne , in das ich nicht hineinsehen kann , ohne zu blinzen - Der Teint war Nußbraun und gab dem runden und vollen Gesichte meines Retters eine so rare Annehmlichkeit , daß ich es auf der Stelle fühlte , ich würde mich darein verlieben , wenn ich ein Mädchen wäre - Die Paroxysmen in der Freude schienen nicht seine Sache zu sein - und eben so wenig ein schnelles hinter einander herstolperndes Gerede .
Von diesen beiden letzteren negativen Eigenschaften wurde ich sehon unterwegs überführt - Sobald ich mit ihm auf die Landstrasse gekommen war , sobald ich alle Gefahr weit genug hinter mir sah , um den Wert meiner Rettung ganz zu fühlen , so überließ ich mich ohne Maße mir selbst - Menschenfreund , sagte ich - Wer Sie auch sein mögen - so nehmen Sie meinen innigsten Dank für Ihre schleunige Befreiung an - Ich bin Ihnen alles schuldig -
Ich werde Sie stets als meinen Vater verehren , als meinen Bruder lieben -
Ich werde mit Freuden wider mein Leben für Sie wagen und so lange ich in Leipzig bin , bitte ich mir Ihren Umgang als das kostbarste Gesehenk aus - So etwas zu sagen , war mir natürlich und ich setzte - ebenfalls ganz natürlich - eine ganz andere Antwort voraus , die ich auf dasjenige , was ich gesagt hatte , haben wollte , als diese war - " Davon wollen wir in Leipzig sprechen , Sie stand mir gar nicht an - Sie war mir viel zu kurz , zu kalt , zu weit in die Zukunft hinausgesetzt - So wünschte ich , sagte ich , daß wir jetzt schon da sein möchten , denn ich brenne vor Ungeduld , den Titel Freund aus Ihrem Munde zu hören - " Ich bin damit äußerst sparsam , sagte er , Ich stutzte einen Augenblick - Das schreckt mich nicht ab , sagte ich - Wenn Sie mich Ihres Umgangs würdigen werden , so werden Sie finden , daß ich ein Herz habe , das zur Freundschaft geboren ist - " Sie werden mir einen Gefallen tun , sagte er - Von Herzen gern , fiel ich ihm geschwind in die Rede - Dieses machte ihn ein klein wenig ärgerlich - Wenn Sie mich in meinen Gedanken nicht stören , fuhr er fort - Ich bin deswegen ausgeritten , um mir selbst gelassen zu sein - So schwer es mir fällt , sagte ich , so gewiß will ich nicht ein Wort weiter sagen , wenn ich Sie dadurch in Ihren Gedanken unterbrechen sollte -
Jetzt , lieben Leser ! könnt ihr eine gute Ecke vorausgeben und euch vor der Wohnung meines Retters versammeln wenn ihr sie finden könnt - den es geht jetzt so stille zwischen uns beiden zu , daß auch nicht ein Wort auf das Tapet kommt - Ich bekomme große Lust ein Kapitel über das Reiten zu schreiben - nicht über den mechanischen Teil desselben - Der hat schon seine Herren , die ihn auch , ohne von mir darum beneidet zu werden , für sich allein behalten und brauchen mögen , wozu sie wollen - sondern über den spekulativen und gedankenvollen Teil desselben - Wie kamen Menschen zuerst auf den Einfall , daß man den Rücken eines Pferdes auch wohl zu einem Stuhle brauchen könnte ?
Wer war der erste , der es wagte , ein Roß zu besteigen ?
Und wie bestieg er es ?
Ich , der ich den Anfang der Künste und Wissenschaften gern so simple , als möglich annehme , bin sehr geneigt , die Erfindung des Reitens aus der Faulheit herzuleiten - Ein Pferdehirte in irgend einem Lande , wo Stutereien sind , hatte die Gewohnheit , sich beim Einund Austreiben seines Viehes die Sache bequem zu machen - Er war es schon längst satt , immer hinter den wilden Bestien herzurennen , wenn sie am Morgen ihrer Aue und am Abende ihrer Horde zueilten - Kurz und gut , er hing sich an den Schwanz des ersten des besten Pferdes und ließ sich hinterherschleppen - Dies war der erste Schritt zur Erfindung des Reitens !
Nun ist es eine bekannte Sache , daß die Begierden der Menschen ins Unendliche gehen - und aus diesem Grundsatze allein ließe es sich schon begreiflich machen , daß der Pferdehirte nach langem Hinterherschleppen auch einmal auf den Einfall geraten wäre : Könnte ich mir_es denn nicht noch bequemer machen ?
- Allein noch natürlicher , dünkt mich , wird es sein , wenn wir annehmen , daß ein junges Füllen , das nicht Lust hatte , sich einen Zentner und mehr noch an den Schwanz hängen zu lassen , dem faulen Hirten eins mit seinem Hufe versetzte - Warte nur , sagte er - ich will dich schon - wenn du mich nicht schleppen willst , so sollst du mich tragen - Er nahm den Zeitpunkt in Acht , da das Füllen sich auf den Bauch hingestreckt hatte - legte sich in gerader Linie mit seinem Bauche auf des Füllens Rücken , schlug seine Arme um den Hals und seine Beine um den Bauch desselben - Das letzte nämlich tat er erst alsdann , als das Füllen aufsprang , welches in dem Augenblicke geschah , als es merkte , zu welcher Funktion es sein Hirte bestimmen wollte - Das Füllen lief aus allen Kräften Querfeld eines schlug hinten aus - es bäumte sich - aber es konnte seinen Reuter nicht abschütteln - den er war eben so schwer , als er sich fest hielt - Aus Müdigkeit so wohl , als weil das Füllen einsehen mochte , daß doch aller Widerstand vergeblich wäre , fing es an langsam zu gehen und nun richtete sich der Hirte allmählich in die Höhe , um sich nach seiner Herde umzusehen , nachdem er zuvor das Füllen fest bei seiner Mähne gefaßt hatte - So wurde das Reiten erfunden !
Was den historischen Teil des Reitens anbetrifft , so will ich jetzt den Rappen Bucephalus nicht in Erwägung ziehen -
Auch will ich des Königs Masinissa mit keinem Worte erwähnen , der in seinem achtzigsten Jahre zur größten Bewunderung aller derjenigen ritt , die seine Historie geschrieben haben - -
Auch Rosinante soll hier nicht auf das Tapet kommen - und eben so wenig Yoricks und Bursaults magreSchindmähren -
Ich will hier weiter nichts tun , als meine eigene Reiterei oder vielmehr nur den letzten Teil derselben in das Archiv der Historie liefern !
Seltsam genug ist er dazu - Mein Retter , dessen Namen ich euch noch lange nicht sagen kann , ritt mit niederhängendem Kopfe - ohne ein Wort zu reden und ohne zu schlafen - neben mir her und sein Pferd lief mit niederhängendem Kopfe unter ihm weg - Einigemal murmelte er etwas leise in seinen Bart und so oft es geschah , fuhr ich begierig auf : allein er sank immer wieder in sein trauriges Stillschweigen zurück -
Ich hatte einmal mein Wort von mir gegeben , daß ich schweigen wollte und so unendlich ich auch unter der Last meines Versprechens litte , so trug ich sie doch : allein als mein Retter vor einem kleinen Hause stillhielt , vom Pferde abstieg , mir die Hand reichte und mir gute Nacht sagte , ohne etwas weiter hinzuzusetzen , so fiel ich ihm ungestüm um den Hals und netzte seine Wangen mit meinen Tränen - Mein teuerster Retter , sagte ich - Wie können Sie so gütig und doch so grausam sein -
Wie können Sie mich von sich lassen , ohne mir nur einmal eine entfernte Gelegenheit zu zeigen , wie ich meine Dankbarkeit gegen Sie Sie sind mir keine Dankbarkeit schuldig , sagte er - Was ich tat , war die Schuldigkeit eines jeden rechtschaffen gesinnten Menschen - und für eine Schuldigkeit muß man keine Belohnung annehmen - Großmütiger Mann , sagte ich - so sagen Sie mir nur wenigstens Ihre Wohnung - Erlauben Sie mir , daß ich Sie besuchen - daß ich mir Ihre Freundschaft erwerben darf -
Ich bin nicht zur Freundschaft geschaffen , sagte er -
O wie ungerecht , sagte ich , sind Sie gegen sich selbst und auch gegen mich - Sie erfüllen mein Herz mit dem allerstärksten Triebe gegen Sie und doch wollen Sie , daß ich diesem Triebe nicht gemäß handeln soll - Sie werden in meinem Umgange kein Vergnügen finden , erwiderte er Ich bin mürrisch , eigensinnig , mißtrauisch , zurückhaltend - Sehen Sie mehr als das , unterbrach ich ihn - legen Sie mir die härtesten Gesetze auf -
Ich will sie alle erfüllen und mit Freuden erfüllen - Nur versagen Sie mir das Glück nicht , nach dem mein Herz schmachtet - Guter Freund , sagte er , indem er mich auf die Schultern klopfte und diese Worte mit einem , durch ein kleines Lächeln gemilderten , ernsthaften Tone aussprach - Sie wissen nicht , was Sie wünschen - Ich weiß es mehr , als zu wohl , sagte ich , ohne über diesem nachdenklichen Worte weiter nachzugrübeln -
Ich will Ihre Freundschaft und ich lasse Sie nicht eher aus meinen Armen , bis Sie mir werden versprochen haben , daß ich danach streben darf - Sagen Sie mir Ihre Wohnung , setzte ich mit einer schmeichelnden Stimme hinzu , indem ich ihn ans Kinn faßte -
Das ist sie , sagte er - und hier ist mein zimmer -
Auf dem ich Sie doch wohl morgen früh antreffen werde , fragte ich ? -
Vielleicht , sagte er - Vielleicht auch nicht -
Ich will sehen , sagte ich - und so verließ ich meinen Retter mit einem kleinen Keime von Hoffnung in meiner Seele , der aber nach ihrer eigentümetlichen Temperatur gar bald zum Stamm in die Höhe wuchs - Von den schönen Mutmassungen , Urteilen , Schlüssen , die ich unterwegs über das Stillschweigen , die Schicksale , Gesichtsfarbe und über das ganze Betragen meines Freundes machte , will ich nichts sagen - Ihr wißt , je dunkler eine Sache an sich ist , desto besser ist es für die Einbildungskraft - Das Reich der Möglichkeiten hat keine Grenzen - Eben klopft jemand an mein zimmer . -
Ich will sehen , wer da ist - Es ist mein Schneider - und so hat die Sache ein Ende -
Aber ich will einmal nicht zusehen , wer da ist , sondern , von meiner Stube aus , meine Einbildungskraft zusehen lassen - so verspreche ich euch ein ganzes Alphabet von Mutmassungen über das Anklopfen an meine Türe zu schreiben - Sobald ich nach Hause kam , fragte ich meinen Wirt , ob er nicht einen jungen schwarzbraunen Menschen kennte , der so und so aussähe - Ja freilich kenne ich ihn , sagte er - Er hat mir oft die Ehre erzeigt , bei mir Abends zu speisen - Er studiert Medizin - Wissen Sie nicht , wo er her ist , sagte ich - Der Farbe nach , denke ich , aus Utopien -
Wie sind sie denn mit Utopien bekannt worden , sagte ich -
Je , sagte er , ich werde ja wohl wenigstens so viel wissen , wie die Gelehrten das Mohrenland nennen - Ich lachte und ging froher zu Bette , als ich es mir vorgestellt hatte .
Ich verschlief das bisschen Nacht in aller Geschwindigkeit und eilte den folgenden Morgen , so schnell ich konnte , nach dem Hause meines lieben Utopiers - Im Vorbeigehen , lieben Leser ! will ich nur ein sehr verbindliches Kompliment an euch abgeben , das ich schon lange bei mir getragen habe -
Es ist von meiner kleinen Naiven - Sie entschuldiget sich , daß sie sich wider ihren Willen so lange hat unsichtbar machen müssen - schmeichelt sich , daß sie übrigens noch in frischem Andenken ist und verspricht , bald wider zu erscheinen - Ich war die Treppe hinaufgeflogen und eben im Begriffe anzuklopfen , als ich ein Fragment von einem Gespräch hörte , dergleichen ich für die unangenehmsten auf Erden halte - Eher hätte ich mir des Himmels Einfall vermutet , sagte mein Freund , als daß meine Wechsel Aussenbleiben sollten -
Das kann wohl sein , hörte ich eine jüdische Stimme aus einem Christenmunde sagen , die mir so wenig Barmherzigkeit zu haben schien , als ein Caraibe mit einem überwundenen -
Nun gut , sagte mein Freund trotzig -
Ich werde mich darein zu finden wissen - aber ihm sage ich es ins Gesicht , daß er mit mir auf eine niederträchtige Art umgeht - Machen es etwa Ihre Landsleute besser mit uns , sagte die vorige Stimme mit einem hämischen Lächeln , dessen ganze Bitterkeit ich erst lange nachher einsehen lernte -
Hier hörte ich meinen Freund laut seufzen - und einen oder den anderen die Hand an die Türe legen - Ich flog geschwind wieder die Treppe herab und stieg sie von neuem , aber mit einem vorsätzlichen Poltern in die Höhe - Der Wirt des Hauses , denn dafür hielt ich ihn , sobald ich ihn sah , ein Mann , der auf das Recht der Widervergeltung sehr viel zu halten schien , kam nun eben aus meines Freundes zimmer heraus -
Ich schoß ihm für das Kompliment , was er mir machte , ein paar starke Strahlen von Unwillen aus meinen Augen in die seinigen - Er nahm sie hin , ohne zu wissen , wie er dazukam und ich trat in das zimmer meines Freundes - Durch zwei Sinnen wurde ich auf einmal überführt , daß mir mein Wirt nichts weiß gemacht hatte - durch die Augen und durch die Nase - Ich erblickte durch einen Gelaßschrank ein Skelett und roch durch den Kanal meiner Nase eine so große Menge von Kräutern , Wurzeln , Tropfen , Pillen und mehr dergleichen Totengräberschaufeln , daß ich wohl nicht zweifeln konnte , mein Freund studierte Medizin - oder wenn die Medizin bloß sein Steckenpferd war , so war es ein so verzweifeltes Steckenpferd , als je eines ist geritten worden - Er selbst sah nicht bloß mürrisch , sondern furchtbar , schrecklich , verzweifelnd aus - Sie treffen mich so , wie ich Ihnen vorhergesagt habe , redete er mich mit einer finsteren Stirn an - Armer Mann , sagte ich , und sah ihn mit wehmütigen , bekümmerten Augen an - Ich bedaure Sie von ganzer Seele - Wollte doch Gott , daß ich Ihnen - Sprechen Sie nicht von helfen , sagte er - Sie können mir nicht helfen , und wenn Sie auch könnten , so würden Sie es nicht wollen und wenn Sie es nicht wollten , so täten Sie recht daran - Hätte ich mich für einen Philosophen ausgegeben - das ist , für einen Menschen , der eine deutliche Erkenntnis von allen möglichen Dingen hat , und ein kleines , neugieriges Kind täte an mich die Frage : Du ! sage mir einmal , was ist denn das rote und weiße Ding , woran ich mir immer die Finger verbrenne - und ich stünde dann mit alberner Mine da und zählte die Knopflöcher an meiner Weste von oben herunter , um es auf diese Art herauszubringen , ob ich ja oder nein sagen , und ob ich dieses rote und weiße Ding einen Körper oder einen Geist nennen sollte :
so würde zwar meine Verwirrung nicht klein sein , aber so groß wäre sie doch bei weiten nicht , als diejenige war , in welche mich mein edelmütiger Befreier durch diese Ankündigungen setzte - Hätte ich nicht noch den leidigen Gedanken zu meinem Troste gehabt , daß er im Affekte spräche , ich glaube ; ich hätte auf der Stelle zu zweifeln angefangen , ob nicht Tugend und Religion und Güte des Herzens bloße Hirngespinste wären - Gott stehe Ihnen bei , sagte ich endlich - Ihr Herz muß schwer verwundet sein - aber wollen Sie mich denn durchaus seine Wunden nicht sehen lassen - Vielleicht könnte ich Ihnen - Sie wissen wohl :
Oft kommt der Trost aus Winkeln her , Wo man ihn nicht vermutet - Ein flüchtiges Feuer des guten Geschmacks blitzte aus seinen Augen - indem ich diese beiden Verse hersagte -
Es war , als wären sie ihm neu - Ich hätte ihn und mich auf einen Augenblick frei von Leidenschaft wünschen mögen , um eine oder die andere Beobachtung über die Macht der Dichtkunst auf das menschliche Herz zu machen - Es gibt Augenblicke , wo ihr Einfluß ungemein stark ist - allein daran war jetzt nicht zu gedenken - Kaum war die Flamme verlodert , so war mein Freund wieder der vorige - Für mich , sagte er , ist kein Trost Schwarze Melancholie , sagte ich - Sie werden sie nur vermehren , sagte er Da sei der Himmel vor , sagte ich - Lieber will ich Sie den Augenblick verlassen !
Das tun Sie , sagte er , indem er mir die Hand reichte - Kommen Sie wieder !
Froh über diese Einladung , die ich aus dem Munde meines Befreiers zum erstenmal hörte - denn bis jetzt hatte ich mich ihm nur immer aufgedrungen , ohne daß er mir die geringste sichere Hoffnung zu seiner Freundschaft gegeben hätte - eilte ich nach Hause , um mit meinem Wirte , der mir sogleich einfiel , ein Projekt zu machen - Herr Wirt , sagte ich , sind Sie heute mit einer Quantität guter , praktikabler Ränke versehen ? -
Er trat an sein Wetterglas - Hm , sagte er - Das Wetterglas ist zwar ziemlich gefallen : indessen - Ganz leer von Ränken , wissen Sie wohl , muß man heute zu Tage niemals sein und am allerwenigsten in Leipzig - lassen Sie nur hören !
Sie sollen mir den Mediziner aus Utopien , sagte ich - Ganz recht , sagte er - Den sollen Sie mir ein wenig ausforschen helfen -
Ich bin bei ihm gewesen - Er ist unglücklich - Ob ich gleich unmittelbar zuvor über des Wirts : Ganz recht ! gelacht hatte , so schlüpfte mir doch jetzt eine kleine Träne aus den Augen , als ich von dem Unglücke meines Freundes zu reden anfing - Ich dachte nicht , daß es mein Wirt bemerken würde : aber er bemerkte es , und indem er mich wohlgemeint bei der Hand faßte , brummte er ein langes , teilnehmendes Hmmmm !
Das war mir Bürge genug für alles Steigen und Fallen des Wetterglases - -
Ich möchte ihn gern glücklich sehen , fuhr ich fort - Er hat mich gestern aus einem verwirrten Handel gerissen , in den Sie mich durch Ihr Räsonieren haben stürzen helfen - Der Wirt tat plötzlich einen Ruck auf seinem Stuhle - War - War - War - Was , stotterte er hurtig hinter einander - Ich hätte Sie -
Ja , sagte ich , Sie haben mich - Doch das will ich Ihnen schon zu einer - Nein , sagte mein Wirt , das müssen Sie mir den Augenblick sagen - Eher kann ich nicht ruhig sein - Neugieriges Weib , sagte ich , so schämen Sie sich doch ! -
Und der Wirt war stille !
Hören Sie nur weiter - Mein Freund ist unglücklich :
aber er will sein Unglück nicht entdecken - Ich merke aber wohl , worin es besteht - Seine Wechsel sind Aussengeblieben -
Das ist freilich arg , sagte mein Wirt und zuckte die Schultern -
Das kann ich nun eben nicht sagen , fuhr ich fort - aber das ist arg- Sein Wirt , mein lieber Herr Wirt ! ist " Was ist er ?
, ist - ein Wirt - Mein Wirt hatte die Rhetorik nicht studiert :
aber so viel wußte er doch , daß dasjenige , was ich gesagt hatte , nicht ein bloßes ldm per Idem , sondern ein solches Ding war , was man sarcasimus nennt -
Das sollen Sie mir büßen , sagte er - Marthe ( das war die Hausmagd ) du hast gehört , was der Herr jetzund sagte - Ich habe viel drauf Achtung gegeben , sagte Marthe ganz höhnisch - So packe dich zum Henker , sagte er - Sie haben mich doch also verstanden , Herr Wirt , sagte ich - Mehr als zu wohl , sagte er - Es ist viel Ehre für die Gastwirte - Hier machte er eine spöttische Verbeugung - Keineswegs , sagte ich , indem ich ihm seine Verbeugung halb zurückgab - Es ist bloße Gerechtigkeit , die man ihm widerfahren läßt - Bei meiner Seele , sagte mein Wirt , das geht weit - und wo sie von mir nicht gleich eine Ausnahme machen -
Wie kann ich das , sagte ich - Ich bin ja noch nie in den Umständen gewesen - aber lassen Sie nur erst einmal meine Wechsel eine Ausnahme machen , dann wollen wir sehen , ob Sie nicht die zweite dazu machen werden - Das wollen wir sehen , wiederholte er - nicht in demjenigen Tone , in dem man es zu sagen pflegt , wenn man über andere zu triumphieren glaubt , sondern in dem entgegengesetzten , bei dem die Nase ein wenig gerümpft , die Lippen ein wenig aufgeworfen und der Kopf ein wenig auf die Seite gekehrt wird - quasi vero - das wollen wir sehen , ob ich so niederträchtig sein werde , wie der Schurke von einem Wirte - Nunmehr war es à propos , meinen Spöttereien Grenzen zu setzen - und ich hätte auch um viel Verstand ( das ist bei mir eben so viel , als wenn andere sagen :
Um viel Geld - doch es läuft auf eins hinaus ) mich nicht weiter von meinem auf die Bahn gebrachten Projekte entfernen mögen -
Sonst war es auf immer um dasselbe geschehen !
Ich drehte mich geschwind nach derjenigen Seite , wo der Wirt seinen Kopf hingekehrt hatte und sah ihm mit aller Macht der Freundlichkeit in die Augen -
Nun sind Sie wohl ganz leer von Ränken , sagte ich - Es wäre kein Wunder , sagte er ganz verdrießlich - Armer Mann , sagte ich !
Ich dachte , ich würde Sie bewegen können , zu meinem Freunde hinzugehen -
Was soll ich da machen , sagte er ? -
Was Sie wollen , sagte ich - Ist das Ihr Ernst , sagte er - Mein völliger , sagte ich - Ein Ambassadeur , wie Sie , muß Plein Pouvoir haben - Sie sind allzugütig , sagte er und machte mir zur Dankbarkeit für den Ambassadeur eine so tiefe Verbeugung , als er sie in dieser neuen Würde für einem Könige würde gemacht haben - Kurz er warf sich seinen Rock über und ging - und ich stand in der Zwischenzeit alle Qualen der Ungeduld aus - Ich hätte den Zeiger an der Uhr vernichten mögen - So ärgerlich war ich auf seine Langsamkeit !
In einer halben Stunde kam mein Wirt wieder zurück und schon die Art , mit der er die Türe aufriß , kündigte mir Sieg an - O mein braver , rechtschaffener Wirt , sagte ich , indem ich ihm die Hand reichte - Ich schmeichle mir doch nicht vergebens - Vielleicht , sagte er , indem er den Stock ablegte -
Von dem Unglücke Ihres Freundes habe ich keine Silbe erfahren können - Schon wurde ich unwillig -
Aber , fuhr er fort , ich habe die Sache so incabinirt , daß Sie es nun bald erfahren müssen - Schon war ich wieder gut - Sagen Sie mir geschwind , lieber Herr Wirt !
Wie haben Sie das gemacht - Ihr Freund , sagte er , wird heute noch in mein Haus ziehen Das ist nicht möglich , rief ich aus - Hören Sie nur , sagte er - Unterwegs dachte ich ein wenig drauf , welchen Vorwand ich etwan brauchen wollte , um meinen Besuch zu bemängeln -
Je , dachte ich , du kannst ja tun , als du Stuben zu vermieten hättest und dem Herrn eine anbieten - Wie gesagt , so geschehen !
Ich ging getrost in das zimmer Ihres Freundes - Er sah wirklich recht unglücklich aus - Ich stellte mich aber , als ob mich das nichts anginge - fragte ihn , ob er mich noch kennte - Er sagte nein - Ich sagte ihm also , daß ich der und der Gastwirt wäre , daß er mir oft die Ehre angetan hätte , bei mir zu speisen , daß ich einige zimmer zu vermieten , die ich gern recht gut anbringen möchte -
Ich habe sie mit Fleiß nicht öffentlich ausgeboten , sagte ich -
denn es ist mir nicht gleichviel , wer bei mir im Hause wohmt -
Ich mag mir meine Mietsleute immer gern selber wählen und am liebsten sehe ich es , wenn ein junger Medikus zu mir ziehen wollte - Wenn man einen Arzt im Hause hat , so kann man noch einmal so ruhig schlafen - Ich wollte mich also nur unterstehen , Ihnen meine zimmer anzubieten - im Falle Sie etwan dieses Quartal Ihre Wohnung zu verändern gedächten -
Ja , sagte er , ich werde es verändern :
aber ich habe jetzt kein Geld - Wenn es weiter nichts ist , sagte ich - Damit will ich Ihnen dienen , wenn Sie zu mir ziehen - Ich danke , sagte er -
Ich mag nicht zum zweitenmal in die Verlegenheit gesetzt werden , in der ich jetzt stecke - In welche , sagte ich - In die , sagte er : Versprechen , daß man bezahlen will - den Tag und die Minute dazu festsetzen , und dann sein Wort nicht halten können - Ich schwöre Ihnen zu , sagte ich : in die Verlegenheit sollen Sie bei mir nicht kommen - Wenn Sie bei mir wohnen , so habe ich ja immer ein sicheres Pfand an Ihrer Person und ehe ein solches Pfand , wie Sie sind , verfällt oder auf den Trödel geschickt wird - Ihr Freund lächelte , als ich dieses sagte - Und überdem , fuhr ich fort , muß ich Ihnen aufrichtig versichern , daß ich in meinem Gastwirtsleben schon so oft von Leuten bin betrogen worden , die mich hätten bezahlen können , daß ich denjenigen kaum einmal ein sauer Gesicht mache , die mich nicht bezahlen , weil sie nicht können - Kurz , mein lieber Herr , ziehen Sie nur zu mir -
Ich habe es Ihnen aber schon gesagt , versetzte er mit einiger Heftigkeit , daß ich kein Geld habe - und ich Ihnen auch , sagte ich , daß ich welches habe und daß Sie nur fordern dürfen - Ihr Freund nahm das einen Augenblick zur Überlegung und , wahrhaftig , der Vorschlag war auch nicht zu verachten - Wenn mir ihn jemand getan hätte , ich hätte keine Silbe weiter darum verloren - Keine Reflexionen , sagte ich - Je nun , sagte er - Eine ist keine - Darauf sah mich Ihr Freund mit ganz verzweifelten Augen an - Herr Gastwirt , sagte er , er scheint mir Absichten zu haben - Ich bitte Sie , sagte ich , was für Absichten könnte ich sonst haben , als diejenigen , die Sie schon wissen - Ich möchte gern einen Arzt im Hause haben - und weil Sie ein Arzt sind , und weil Sie kein Geld haben , so möchte ich Ihnen gern Geld leihen , um Sie zu meinem Mietsmanne zu bekommen -
Und dann , sagte Ihr Freund , werde ich unbarmherzige Interessen geben müssen - Pfui , sagte ich , schweigen Sie mir von unbarmherzigen Interessen -
Ich habe sie schon sehr oft gegeben , sagte er - So sollen Sie sie bei mir desto seltener geben , sagte ich - Machen Sie nur fort und entschließen sich - Er ging einigemal auf und nieder - Es war , als sollte er sich zu wer weiß was entschließen - Endlich kam das Kind zur Welt - Wollen Sie mir zehn Louisdors vorschießen , sagte er - aber - Nehmen Sie es mir nicht übel - Die Art , mit der er es sagte , war gar nicht hübsch -
Er war so trotzig , so unfreundlich dabei -
Es war , als spräche er zu mir : Wißt ihr was ?
Lehnt mir so und so viel , so tut ihr eure Schuldigkeit - Wo nicht , so laßt es bleiben - Keine Reflexionen , sagte ich - Je nun , sagte mein Wirt - zwei ist auch noch nicht viel - Also wegen der zehn Louisdors !
Ich sagte : ja - Sie sollen sie haben - Heute noch , fragte er mich ? -
Ja , sagte ich -
Ich will sie Ihnen in ein paar Stunden bringen - So ziehe ich heute noch zu Ihnen , sagte er - Hätte mich eine Tarantel gestochen und ich läge vor tot auf der Erden ausgestreckt - ein bucklichter Fiedler spielte mir dann auf einer langhalsigen , unreingestimmten Geige mit drei Saiten mein Leibstücken , so würde ich nicht schneller von meinem Lager aufspringen , als ich bei den letzten Worten meines Wirtes von meinem Stuhle aufstand - Kommen Sie , sagte ich , ich will Ihnen Geld geben - Er folgte mir -
Was will sie , meine Tochter , sagte er zu einem kleinen artig gekleideten Mädchen , die im Hause stand und ein Billet in der Hand hatte - Ich bringe ein Billet , sagte sie - Er nahm es an - besah die Aufschrift - O Himmel !
Sie war an mich und =. Ratet von wem - Von meiner kleinen Naiven !
Ich riß es geschwind auf - Mein lieber kleiner S**- Erschrik - Erschrick , sage ich die - Der junge R " " " ist von Paris zurückgekommen .
Cl. Wäre ich in dem Augenblicke , als ich dieses Billet laß , der Philosoph Shandy gewesen , so würde ich dem Wirte den Schlüssel zu meinem Koffer , den ich in der Hand hatte , mit affektloser Hand hingegegeben haben - Herr Wirt , würde ich gesagt haben , hohlen Sie sich das Geld allein - Oder wenn ich Onkel Tobias gewesen wäre , so würde ich meinen Kerporal Trimm gerufen haben - oder wenn ich Doktor Stax gewesen wäre , so würde ich mich gekreuzigt und gesegnet haben - Oder Lafleur - Le Diable l empörte , würde ich gesagt haben - Oder der Mönch mit der hörnernen Dose - so würde ich meine Hände kreuzweiß auf die Brust gelegt haben Das letzte wäre unstreitig das klügsie gewesen und ein jedes von allen fünf war doch immer noch klüger , als das , was ich tat - " Und was tatest du ?
, Etwas sehr natürliches , mein Herr ! -
Ich tat , was Laokoon tat , als er seine beiden Kinder in Gefahr sah - Auxilio subeuntem ac tela ferentem - Ich holte meinen Hut - dachte weder an Wirt noch Louisdors noch Schlüssel und - ging - Der Wirt hielt mich wieder - ich riß mich los - Nur ein einziges Wort , sagte er -
Ich habe nicht Zeit , sagte ich - Nein sagte ich zu mir selbst , als ich vor dem Hause meiner kleinen Naiven stand - So darf ich mich nicht sehen lassen - Ich würde mich und sie nur beschimpfen - Fort !
O vortrefflicher Tobias Shandy , der du von stürmischen Wallungen des Bluts eben so wenig wußtest , als vom rechten und linken Ende eines Frauenzimmers - was würdest du gesagt haben , wenn du mich mit meiner schnaubenden Nase , mit meiner kochenden Brust , mit meinem drohenden Auge und mit meinen knirschenden zähnen hättest sehen sollen ?
Höre auf zu toben wildes Herz ! sagte ich zu mir selbst , als ich um eine Ecke der Straße herumging - -
Er soll sie nicht haben und wenn er aus dem Himmel zurückgekommen wäre -
Aber wenn er tugendhaft wäre - O wenn er es nicht wäre !
Hier böser Geist ! schreibe diesen Gedanken in dein Buch ein - Doch nein , höre erst , was folgt ! -
Unsinniger Gedanke !
Fleuche aus meiner Seele - Er soll tugendhaft sein und wenn ich mich selbst darüber verlieren sollte , so soll er tugendhaft sein -
Ich will ihn sprechen - Ha - Ich schaudere - Aber wehe ihm , wo er die geringste Narrheit begeht - Wo er nicht ganz ohne Fehler ist - - Liebe , unschuldige Seele !
Für mich geboren - Von Ton zu Ton mit mir harmonisch - Dich soll ich verlieren - Nein - nicht um die ganze Welt will ich dich verlieren - Mag doch dein Vater - nieder - nieder - Auch du , schwarzer Gedanke !
Meine kleine Naive ist eine gehorsame Tochter und ihr Vater ist der beste Vater - Der Fluch treffe mich , wenn ich dich zum Ungehorsam verleite - " Belieben Sie , mir was abzukaufen , mein junger Herr !
" -
Ja , sagte ich jetzt mit lauter Stimme - " Belieben Sie sich nur auszusuchen , - Er treffe mich , fuhr er fort , und ging . schnell bei der Galanteriebude vorbei - Ein mächtiges Hahaha schallte hinter mir her - Ich dachte der Sache ein wenig nach - zog meine Börse - wickelte ein Stück Geld in ein Papier und warf es in die Galanteriebude zurück - Das Mädchen , die es mich hatte einwickeln sehen , machte mir von ihrer Bude aus errötend eine Verbeugung - Ich nickte mit dem Kopfe , als wollte ich sagen : Ich habe Satisfaktion genug und ging weiter .
Aber meine Zirkel waren nun ganz zerstört - wiewohl zu meinem Vorteile - Denn dieses kleine Intermezzo hatte auf eine Art , die sich die Philosophen bei ihren schierstkünftigen Kapitel unter einander erklären mögen , mein heißes Blut abgekühlt und ich konnte nun der Sache gelassener nachdenken - Sei edel , sagte ich zu mir selbst - Nimm die Hand deiner kleinen Naiven benetze sie mit einer großmütigen Träne und lege sie in die Hand ihres für sie bestimmten Bräutigams - Es war mir bei diesem Gedanken , als ob um die Gegend meines Herzens ein Nachtstück von Haydens Komposition gespielt würde - Siehe , fuhr ich fort zu mir selbst zu sagen , nachdem ich dem Dolce dieser Musik das Ohr meines Geistes eine gute Weile geliehen hatte - Siehe , sagte ich - so himmlisch harmonisch ist ein edler Vorsatz - Was wird erst die Tat sein !
O Himmel , was wird sie sein ! -
Ich hätte nicht davor stehen mögen , daß ich nicht in einigen Minuten wieder in mein voriges Constrepito zurückgefallen wäre , wenn ich nicht das Haus meiner kleinen Naiven von ferne erblickt hätte - Jetzt werde ich da sein , dachte ich bei jedem Schritte , den ich tat , und dieses erhielt meinen Vorsatz schwebend -
Und jetzt war ich da !
Es steht nun bei euch , lieben Leser ! ob ich bloß das zimmer eröffnen und euch durch die Türe desselben soll hereinsehen lassen - oder ob ich selbst hineingehen , und meine Rolle sogleich anfangen soll ?
Ich habe mir vorgenommen , bei der Welt wenigstens den Namen eines dienstfertigen und gefälligen Autors zu erlangen , wenn ich den Namen eines guten nicht erlangen kann !
Ihr habt also nur zu befehlen - Ganz untertäniger Diener !
Ich werde nicht ermangeln - Das zimmer , dessen Türe ich pflichtschuldigst offen lasse , ist das ordentliche Wohnzimmer der Eltern meiner kleinen Naiven - allein weder Vater noch Mutter ist da - Jener hat eine Ausflucht auf seine Schreibestube genommen , weil eben Posttag ist - Diese geht wirtschaftlich , mit einem Bund Schlüssel an der Hüfte , im Hause herum - Meine kleine Naive lehnt sich mit einer Hand nachlässig an einen Stuhl - Auf ihrem Gesichte ist ein unleserlicher Affekt sehr leserlich ausgedrückt - Verwirrung - Neben ihr steht - Ein junger , vier und zwanzigjähriger Jüngling - schön und lieblich anzusehen -
Die männliche Grazie strahlt aus seinem braunen Gesichte , aus seiner hohen Stirn , aus seinem schwarzen Auge , aus seinem schlanken Wuchs , der den Apoll nicht übel kleiden würde , aus seinem geschmeidigen und zierlichen Fuße - Frankreich blickt aus seinem Kleide und aus seiner Frisur hervor :
aber es blickt schön hervor - so schön , daß es den stolzesten deutschen Landjunker reizen müßte - O mein Herr ! glauben Sie es mir :
Die Sitten zweier Länder - in ein reines Laken zusammengeschüttet - durchgesiegt - und den Unrach von beiden zurückgelassen -
O das gibt etwas ungemein schönes !
Versuchen Sie es nur mit Deutschland und Frankreich , mit Frankreich und England - Ich . -
Doch ich habe kritische Leser !
Leser mit mikroskopischen Augen !
Ehe ich ein Wort von mir sage , muß ich erst den zusammenhäng ergänzen -
Der Fremde war schon den vorigen Tag angekommen - Er hatte auch schon seinen ersten Besuch bei den Eltern meiner kleinen Naive abgelegt -
Meine kleine Naive hatte auch schon ihr Billet den vorigen Tag geschrieben und mir zugeschickt - aber ihr wißt , ich war nicht zu Hause - Deswegen war das Mädchen , die es mir überbringen sollte , wieder damit weggegangen -
Man hatte meiner noch mit keiner Silbe erwähnt und das ist sehr natürlich -
Die Materie war verzweifelt delikat - Genug davon !
Sobald ich die Türe eröffnete , fiel meine kleine Naive in Ohnmacht - War es aus Schrecken oder aus Liebe oder aus Verdruß oder aus irgend einer anderen zu- oder Abneigung , das lasse ich an seinen Ort gestellt sein , an den es die Ärzte - und weil es in die Psychologie eben so stark einschlägt , als in die Somatologie , auch die Philosophen wohl finden werden , wenn sie danach suchen - Ihr schüttelt die Köpfe , lieben Leser !
Ha - ich sehe wohl - Euch kann man nichts weiß machen - Selbst in einer Reisebeschreibung nicht - Nun so will ich euch denn die Sache nach allen drei Wahrheiten , nach der metaphysischen , physischen und moralischen - ( denn ihr müßt wissen , daß wir Gelehrten drei Wahrheiten haben , da ihr armen , einfältigen Laien nur eine einzige habt , mit der ihr euch kümmerlich , und kläglich bis an das Ende eures Lebens behelfen müßt ) - nach allen sechs Vollkommenheiten der Erkenntnis , nach der Weitläufigkeit , Deutlichkeit , Gewißheit , Pragmatigkeit u. s.w . -
und nach meiner eigenen Methode erzählen Sobald ich die Türe eröffnete , kam mir meine kleine Naive - ich kann kein Wort finden , um das auszudrücken , was ich in Gedanken habe - entgegengegangen ist zu schwach - entgegengeschwänzt , wie eine Bachstelze ist zu niedrig und noch dazu gestohlen = entgegengehüpft ist falsch - entgegengeeilt ist etwas , aber nicht expressiv genug und zu leer von Grazie - ( So viel zur Probe von meinen kritischen Fähigkeiten !
) Meine kleine Naive hatte einen allerliebsten klinschrittigen geschwinden Gang - Ihre Nietchen Füße wechselten einander auf eine leichte , durch die Kunst hervorgebrachte , aber zur Natur gewordene reizende Art ab - Es ging nur immer : zip - ziep - ziep - ziep - vorausgesetzt nämlich , daß ihr zu dem Worte zip per combinationem syllabarum nicht etwan : Perllein dazusetzt -
denn in diesem Falle ging es ganz anders - Mit diesem Gange nun , von dem ich euch Kraft der Sparsamkeit eines wirtschaftlichen Romanschreibers , qui bona miscet malis , noch nichts gesagt habe , empfing sie mich - Ihre Mine -
O lieben Leser ! von der könnte ich euch unbeschwert bis an das Ende meines zweiten Teils unterhalten - Sie war so reichhaltig an Empfindungen - so unumwölkt von plötzlicher Überraschung , daß ich euch - wenigstens etwas davon sagen muß - denn mich rufen ganz andere Dinge !
Ich habe meinem Wirte nicht einen Dreyer zurückgelassen - Wo will der arme Teufel die 10 Pistolen hernehmen ?
Wo will ich das Unglück meines Freundes hererfahren , woran mir doch unendlich gelegen ist , so wahr ich Autor bin und so wahr ich wünsche , daß mein Buch , so schlecht oder mittelmässig es auch sein mag , von einem jeden , der es kauft oder auch nur von einem Freunde oder Antiquar borgt , mit Vergnügen - und ohne Vorurteil wider mich mag gelesen werden O stehe mir bei , hundertäugigter Argus !
Leihe mir ein paar deiner Augen , damit ich nur einen einzigen Blick in meine Wohnung zurücktun kann -
Jo wird ja nicht gleich davonlaufen - O mein Wirt ist ein Engel !
Mehr will ich jetzt nicht sagen Meine kleine Naive warf , sobald sie zu gehen anfing , einen Blick auf den Fremden , der , wie ich schon gesagt habe , neben ihr stand - Dieser Blick verriet mir nicht nur den Charakter des Fremden , sondern auch die ganze Verbindung , in die er seit gestern mit meiner Naiven gekommen war - " Du bist gut - recht sehr gut : aber dieser da ist auch gut - und mache dir ja keine Rechnung , daß ich ihm deinetwegen unfreundlicher begegnen werde , wie zuvor -
Ich habe ihn eher gekannt , als dich , ob mich gleich mein Vater eher für dich bestimmt hat , als für ihn , Schade , daß bei Übersetzung der Minen in vernehmliche Worte , das Original nicht eben so zu Rate gezogen werden kann , wie bei Übersetzung der Worte in Worte - Ich verliere dabei offenbar !
Nunmehr traf mich der Blick meiner kleinen Naiven - " Sehnlich erwarteter , lieber , kleiner S*** hisst du da ?
Wo hast du gestern den ganzen Tag gesteckt ?
Doch - bist du doch nun da !
" Sie war mir nun näher gekommen , ergriff mit ihrer linken Hand meine Rechte und führte mich zu dem Fremden -
Hier , sagte sie mit einer ganz unaussprechlichen Naivität - Hier sehen Sie den Freund meines Herzens - Ich habe ihn von ungefähr kennen lernen - Meine Eltern sind ihm allebeide von Herzen gut - Ich weiß wohl , daß mich mein Papa zu ihrer Frau bestimmt hat und wenn Sie mich haben wollen , so werde ich auch meinem Papa nicht ungehorsam sein - aber diesen hier -
( Hier legte sie ihren Arm um meinen Hals ) - werde ich doch lieb behalten , so lange er in Leipzig ist und wenn er abreisen wird , werde ich um ihn weinen und wenn er fort sein wird , werde ich immer an ihn denken und ihn nie vergessen Stellt euch - Doch was sage ich ?
Ihr könnt euch gar nichts vorstellen , sage ich - und wenn ihr es nicht glauben wollt , so wißt , daß der Fremde nicht ein Wort davon wußte , daß ihn der Vater meiner kleinen Naiven zu seinem Schwiegersohne bestimmt hatte . Es war bis auf diesen Augenblick ein Familiengeheimnis gewesen - Es würde auch für meiner kleinen Naiven ein Geheimnis geblieben sein , wenn ich nicht , wie ihr wißt , dazwischen gekommen wäre - Er stand da - So viel kann ich mit Gewißheit sagen und da ich alles , was ungewiß ist , beinahe eben so arg als die Kuppler verabscheue , so versicherte ich auch , daß wenn es bloß auf mich ankäme , ich nicht ein Wort weiter hinzusetzen wollte - Aber - Ich fühle es in eurer aller Namen , lieben Leser :
wie kahl und kurzschwänzigt das läßt - Erstand da !
Deswegen setze ich gleich hinzu -
Wie die keusche Göttin Luna , wenn sie beim Endimion ertappt wurde - so unschuldig und noch unschuldiger beschämt zugleich aber auch von einer so süßen Trunkenheit berauscht - Wie die Göttin von Cythere , wenn sie ihre Macht fühlte - Ich hoffe , daß ihr für Göttinnen Respekt haben werdet !
Die kleine Naive merkte bald , was sie angerichtet hatte : allein sie gab der Sache gleich eine andere Wendung - Werden Sie nicht rot , sagte sie zu dem Fremden - Sonst werde ich denken müssen , daß Sie von mir und meinem Freunde - Ich bitte Sie inständigst , unterbrach er sie - Nun da dieses die ersten Worte sind , die ich aus dem Munde meines Nebenbuhlers hörte , so will ich euch in möglichster Eile so viel sagen , daß sie in dem Tone eines reinen , hellen Tenors - innerhalb der einmal gestrichenen Oktave - mit allem Affekte der Rede und der Natur der Deutschen Sprache gemäß ausgesprochen wurden -
Ich bitte Sie inständigst , sagte er - Vergeben Sie mir - Ich bin zu froh - zu sehr überrascht -
Die Türe knarrte , als er dieses sagte = O gebe nicht auf , garstige Türe !
Jetzt sind mit in der Crilis - Aber sie hört nicht und die Mutter der kleinen Naiven tritt herein - Gleich bei der ersten Begrüßung gab sie mir einen Wink , den ich verstand - Ich nahm die erste Gelegenheit wahr , mit ihr allein zu sein - Nun wie ist Ihnen , sagte sie -
Wie einem Menschen , sagte ich , der sich ein Königreich erträumet hatte und es beim Aufwachen wieder verliert - Armer Schelm , sagte sie - Wie gefällt Ihnen denn der junge R*** ?
Besser , als ich mir , sagte ich - Sie reichte mir die Hand - Sie sind ein gutes Kind , sagte sie - Ich führte den Fremden an der Hand ans Fenster , um mit ihm unter vier Ohren etwas abzutun -
Ich kenne Sie nur erst seit ein paar Minuten , sagte ich , aber ich kenne Sie schon genug , um Sie zu bewundern - Ein Jüngling , den Frankreich nicht verdorben hat , ist eine Seltenheit - Sagen Sie mir nur , ob Sie Ihre und meine Freundin lieben - Über alles sagte er - Es ist Ihnen also auch nicht zuwider , fuhr ich fort , daß Ihre beiderseitigen Eltern Sie für einander bestimmt haben , ohne Sie ins besondere um Rat zu fragen ? -
Das ist das größte Glück , was mir - Ihr Herz ist auch gewiß noch frei , unterbrach ich ihn - Es hat noch nie geliebt , sagte er - Meine kleine Naive kam eben dazu - Kommen Sie , sagte ich , beste Ihres Geschlechts - Noch einmal umarmen Sie Ihren Freund - Sie tat es - Ich überschwemmte sie mit meinen Tränen - ( In meinem Plane stand nur von Einer ) -
Ich hing so fest an ihren Lippen , als ob ich auf ewig von ihr Abschied nehmen wollte - Und nun , sagte ich , indem ich mich aus ihren Armen losriß -
Und nun nicht mehr - Von diesem Augenblicke an sehe ich diese Armen als Heiligtümer an - die Ehrfurcht verbietet mir , Sie anzurühren - Nehmen Sie , sagte ich , indem ich die Hand der kleinen Naiven in die Hand des Fremden legte - Nehmen Sie diese Hand - Sie war mein und ewig würde sie mein gewesen sein , wenn Sie nicht zurückgekommen - und so zurückgekommen wären , wie Sie gekommen sind -
Es floß immer noch ein Tränchen mit unter , als ich dieses sagte - Und was tat die kleine Naive ?
Sie ließ mich machen - umarmte mich von ganzem Herzen und weinte auch von ganzem Herzen mit - Als ich aber ihre Hand in die Hand des Fremden gelegt hatte , so laß ich auf das deutlichste in ihren Augen , daß ein Vorsatz oder eine Hoffnung oder ein Trieb oder ein Projekt oder sonst etwas in ihrer Seele aufstieg -
Sie zog ihre Hand sanft an sich - Lassen Sie mich , sagte sie zu dem Fremden - Ich bin den Augenblick wieder bei Ihnen - Sie war schon an der Türe , als sie schnell wieder um kehrte , den Fremden bei beiden Händen ergriff und ihn also anredete : Wissen Sie , was ich tun will ?
Ich will meinen Papa rufen - Er mag es sagen , wem ich meine Hand geben soll - Es wäre doch ein möglicher Fall , daß er sich anders besonnen hätte - Sein Sie nicht böse , daß ich Ihnen das so gerade hin sage - Ich sage es , weil ich es denke und ich denke es , weil es mir mein Herz eingibt - Ist es nicht so recht ?
Der Fremde küßte meiner kleinen Naiven die Hand mit einer Entzückung , die den eifersüchtigsten Nebenbuhler nicht hätte aufbringen können -
Sie sind ein Engel , stammelte er - Mehr ließ ihm sein Entzücken nicht aufbringen - Kaum war die kleine Naive weggeflattert , so richtete er sein entzücktes Auge auf mich - Ich wurde unwiderstehlich zu einem gleichen Affekte hingerissen und wir flogen einander , wie Brüder , die als Kinder weit von einander weg in die Welt geschleudert wurden und an einem glücklichen Tage einander entdeckten - so flogen wir uns , mit einem gleichen Feuer , mit einem gleichen Vorsatze , uns nicht sobald wider aus den Armen zu lassen , um den Hals - Die kleine Naive kam mit ihrem Papa von dem Komtor zurück - Lieber Papa , sagte sie , als sie in das zimmer trat -
Es ist hier ein kleiner Streit um meine Hand - Jetzt erblickte sie uns - Arm um Arm geschlungen - Wange auf Wange gedrückt - Sie ließ ihren Papa gehen und umarmte uns geschwind alle beide - Der gute Alte , der weder meine Gegenwart - denn davon hatte ihm die kleine Naive nichts gesagt , um ihn desto_mehr zu überraschen noch auch die Verräterei seines Familiengeheimnisses wußte , konnte sich in nichts finden - Eine halbe Minute hlieb er von ferne stehen - Dann näherte er sich uns mit langsamen Schritten Kinder , sagte er Ihr habt mich zum Besten - Nein , sagte die kleine Naive - Wir haben Sie nicht zum Besten , lieber Papa ! und indem sie es sagte , verwickelte sie auch ihn in unsere Umarmung - Ein guter Geist , der unsere Freude vollkommen machen wollte , führte in eben dem Augenblicke die Mutter meiner kleinen Naiven herbei - Ohne zu untersuchen , welcher Zusammenkunft von zufällen sie unsere vierfache Umarmung zuschreiben sollte , machte sie sie geschwind fünffach - und so war es in aller Absicht : Umarmung über Umarmung - Eine herrliche Schlußscene zu einem rührenden Lustspiele !
Schade , daß ich schon auf das Lustspiel Verzicht getan habe - Wiewohl - Gibt es nicht Kasuisten ?
Und sollten nicht diese Herrn gegen Gebühr einen Winkelzug für mich ausfindig machen können ?
Denn , in der Tat - Die Schlußscene gefunden heißt alles gefunden - so wie bei der Fuge das Thema - beim Hexameter den Daktyl im fünften Pes - bei einer Frau das rechte Ende - bei einem deutschen Verse den Reim - bei einem Patrone die schwache Seite gefunden haben , alles gefunden haben heißt - Ein kleiner Skrupel ist mir noch übrig - Wenn man eine fünffache Umarmung auf das Theater bringen wollte , so würde vielleicht Madame Bienseance über Gewalt und Unrecht schreien - Allein , ich weiß ein Mittel , sie wieder gut zu machen - Gestrenge Dame , wollte ich zu ihr sagen - Nehmen Sie immer diesen kleinen Puff ohne Murren hin :
Ich will Ihnen dafür - ein Ballett weniger zu sehen geben .
Knoten , vom zufalle geknüpft , werden auch eben so leicht vom zufalle wieder aufgelöst - Ein vermaledeites Niesen , das ich nicht unterdrücken konnte , machte dem süßen Spiele plötzlich ein Ende und wir flogen alle aus einander - Kein Mensch kann zu einer so ungelegenen Zeit genießt haben , als ich und dieses Urteil , welches ich genötigt bin , von mir selbst zu fällen , macht mich , indem ich es hinschreibe , so bitter und böse , daß ich sogleich eine andere Feder ergreife , um damit eine andere Geschichte anzufangen .
Das Abendgebet .
Nun , sagte ich zu meinem Wirte , indem ich ihn aus dem Schlafe zerrte -
Denn , als ich ziemlich spät nach Hause kam , traf ich ihn mit dem Kopfe auf den Tisch gelehnt in festem Schlafe an - Nun , sagte ich : haben Sie Ihre Sache gut gemacht ?
Haben Sie meinem Freunde die zehn Pistolen gebracht ?
Ist er da ?
Schläft er schon ? -
Ja , sagte mein Wirt mit schläfriger Stimme - -
Aber er meinte sich selbst - und darum brauchte ich nicht zu fragen - Er soll aber den Augenblick aufwachen , sagte ich und rüttelte ihn so heftig , als wollte ich ihn aus der allerstärksten Ohnmacht wieder zu sich selbst bringen - Je , sagte er , ganz verdrießlich - Ich habe jetzt auch nicht Zeit - Ich wußte nicht gleich , was ich dieser Replik für eine Duplik entgegen setzen sollte - Ha , dachte ich - und wenn ich erst anfange , Ha zu denken , dann ist Duplik und alles , was ich brauche , gefunden -
Das ist zum Totärgern , sagte ich !
Ich habe Ihnen kein Geld zurückgelassen , Herr Wirt ! -
Ja wohl , sagte er mit einer nachdrücklichen Stimme - Er ist gefangen , dachte ich - O über die unverzeihliche Nachlässigkeit , sagte ich !
Nein , das kann ich mir in alle Ewigkeit nicht vergeben - Je nun , sagte er mit einer etwas tröstenden Stimme - Sagen Sie mir nichts , fuhr ich fort , um ihn in eine gutherzige Hitze zu setzen , von der ich wußte , daß sie nicht mehr ferne sein konnte - Das ist der dümmste Streiche , den ich in meinem ganzen Leben gemacht habe !
Ich muß mich schämen , Sie anzusehen - Sein Sie doch kein Kind , sagte er und trauen Sie einem Gastwirte wie ich bin zehn bare Pistolen zu - Es ist alles besorgt - Ihr Freund , sagte er , indem er mit dem Finger an die Decke des Zimmers zeigte - ist da oben - Kaum kann ich vor ungeduldigem Verlangen , mein ungeduldiges Verlangen nach meinem Freunde , zu beschreiben , eine Beobachtung hersetzen , die bei meiner Duplik in Sachen der 10. Pistolen zum Grunde lag - Beleidigte gutherzige Seelen macht man dadurch wieder gut , daß man auf sich selbst böse ist oder böse tut - und die Geschwindigkeit des Gutmachens verhält sich eben so , wie die Quantität des Böseseins oder Böseaussehens - Wie man die entgegengesetzte Art von Seelen wieder gut machen kann , das weiß ich nicht - aber das weiß ich , daß man sie dadurch stille machen kann , daß man auf sich selbst gut zu sprechen ist - Ich sah die Decke , die mir mein Wirt gezeigt hatte , mit unbeschreiblichem Vergnügen an - Sie dünkte mir keine gemeine Decke zu sein - Ich hätte viel Geld darum geben wollen , wenn ich einen Fußtritt meines Freundes gehört hätte : aber ich hörte keinen - O mein braver , rechtschaffener Wirt , sagte ich - Was bin ich Ihnen nicht alles schuldig !
Ja wohl , sagte er - zehn Pistolen und 6. Pfennige - Geben Sie mir das Licht , sagte ich -
Ich will mich leise an die Türe meines Freundes schleichen und ihn wie ein Dieb überfallen -
Sie haben es ihm doch wohl gesagt , daß ich bei Ihnen logiere - Nein , sagte er -
Ich habe es ihm nicht gesagt - Ihre Freunde werden ja wohl Ihr Logis wissen - Ich konnte mich nicht enthalten , meinen Wirt in aller Eile zu umarmen - Es war für die Verschweigung meiner Wohnung , die zwar von Seiten meines Wirts ein bloßes Ungefähr war , die aber doch von meiner Seite Dank verdiente - Denn ich nach meinen Grundsätzen , bin dem Steine Dank schuldig , der mir nach dem Kopfe geworfen wird , aber durch irgend ein Ungefähr eine andere Richtung nimmt - Ich selbst hatte meinem Freunde meine Wohnung nicht angezeigt - Es fehlte mir an aller Voranlassung dazu , wie es ein jeder von meinen Lesern einsehen wird , der deswegen die beiden kurzen Gespräche nachschlagen will , die ich mit ihm vor seinem Hause und auf seinem zimmer hielt - Mein Wirt hatte es ebenfalls nicht getan - Kurz es war ein Mißverständnis aller Mißverständnisse und einer Umarmung vollkommen wert -
Ich ging nun mit dem Lichte in der Hand ganz leise die Treppe herauf - Der Wirt wollte mir folgen , ich ließ es aber richtet geschehen - Denn außer dem daß ich Geräusch besorgte , befürchtete ich auch seine Plauderhastigkeit - Ich hörte meinen Freund laut reden und mein Herz antwortete ihm durch stärkere Schläge , obgleich mein Kopf auf keine Art begreifen konnte , was er noch laut zu reden hätte - Denn wenn er Gesellschaft bei sich gehabt hätte , so würde es mir mein Wirt gesagt haben - Ich wollte eben das Licht , das ich in der Hand hatte , mit vieler Behutsamkeit auf das Gesimse der Treppe setzen , als ich die Lichtschere mit vielem Gepolter herabwarf -
Ich hatte nicht Zeit , auf mich böse zu werden :
denn in dem Augenblicke das Gepolters hörte ich die Bewegung eines Menschen , der von den Knien aufspringt - Ich hörte ihn ein paar hastige Schritte nach der Türe tun und höchstens nach einer Minute mit gemässigteren Schritten zurückgehen - Diese Minute , schloß ich , müßte er gehorcht haben , wo das Gepoltere herkäme und weil er vielleicht keine Gespenster glaubte oder sich nicht dafür fürchtete oder weil er nichts weiter hörte , müßte er bei sich selbst beschlossen haben , sich nicht darum zu bekümmern - Erst einen Schritt hatte ich getan , um mich dem zimmer meines Freundes zu nähern , als ich die Bewegung eines Menschen hörte , der auf die Knie fällt -
Da erst schoß es mir auf das Herz , daß mein Freund sein Abendgebet verrichtete und geschwind - ich weiß selbst nicht aus welchem Triebe - denn Bewegungsgrund mochte es wohl nicht sein - faltete ich meine Hände und tat noch etliche Schritte , so daß ich nunmehr sehon das zimmer meines Freundes mit der Hand erreichen konnte - Sei mir treu , wohltätige Kraft in meiner Seele , gütiges Gedächtnis !
Sei du jetzt die einzige wirkende - Widerhole mir , ohne allen Zusatz , ohne alle Weglassung , ohne alle Änderung weder in Gedanken noch in Worten , das Gebet meines Freundes und du , wilde Einbildungskraft !
Schone dich zu einer desto größeren Petulanz !
" Unendlich großer und erhabener Prophet !
Größer als alle die überirdischen Wundertäter , die vor dir mit ihren heiligen Füßen die unheilige Erde betreten haben - Größer als Abraham , der bewundernswürdige Überwinder der natürlichen Liebe - Größer als David , der erhabene Sänger seiner himmlischen Etzükungen - Höher als der Himmel - Breiter als das Meer - Tiefer als der Abgrund der Ewigkeit - O Mohammed !
O Gott , seufzte ich und -
denn warum sollte ich es leugnen oder vielmehr , wozu sollte es mir helfen , wenn ich es leugnete ?
- Schrecken und Entsetzen fuhr mir ins Herz , als ich diesen Namen hörte Doch alles Sagen fremder Affekten steht hier an seinem unrechten Orte !
Nur noch ein Wort -
Als mein Freund den Namen seines Propheten nannte , warf er sich mit Ungestüm nieder und ich hörte deutlich seine Stirn auf die Diele fallen -
Nach einem kleinen Stillschweigen fuhr er also fort : " Göttlicher Mohammed ! -
Doch es ist Lästerung , dich also zu nennen - Gott Mohammed !
Älter als Zeit und Wesen und Dauer !
Vor der Welt und - über die Welt - auch über mich - das Stäublein - Laß meine Klagen vor deine allhörende Ohren dringen und wenn deine königlich göttliche Ruhe dadurch nicht gestört wird , so erhöre mich -
Ich bin in einem fremden Lande - voll von Ungläubigen , die dich , Mittler Gottes und der Menschen nicht kennen - Stärke mich , daß mich der Feuereifer über sie nicht verzehre -
Das ist meine erste Bitte -
Dann , erstgeborener der Wesen ! erleuchte mich , dein heiliges Gesetzbuch so weit zu verstehen , als es blinde Menschen verstehen können - Alsdann , Regierer der Schicksale ! rette mich aus meinen leiblichen Nöten - Ich zergehe vor Scham und Schande , wenn ich noch länger der Gnade und Barmherzigkeit der Ungläubigen leben soll - Ihre Wohltaten sind mir ein verzehrend Feuer - Es brennt das innerste meiner Seele - Offenbare mir im Traume oder im Wachen - Ich wage es mit zittern , so mit dir zu reden - ob ich noch lange vergebens nach vaterländischen Briesen schmachten werde - Sende mir einen deiner Boten , deren dir Millionen zu Befehle stehen - nur einen deiner geringsten mir damgeringsten - und laß mich wissen , ob meine Eltern noch leben - ob sie mich noch wissen - oder ob vielleicht ein unglücklicher Sturm - Wende ihn ab , Regierer der Welt ! Dir sind Winde Gehorsam - Dir schweigen Stürme - Ich bin nun gestärkt , O Mohammed ! und deinem Schutze empfehle ich mich , Hier warf sich mein Freund mit dem vorigen Ungestüm auf die Diele - Und ich - Ja . -
ich - Ein Mensch mit Vorurteilen , wie jeder anderer , ging mit durchdrungener Seele zurück , nahm das Licht und schlich mich in meines Wirts Stube herab Grosser Gott , seufzte ich bei mir selbst - Mein Freund ist ein Türke !
Religion also war die Quelle seiner Zurückhaltung gegen mich - Nun , sagte mein Wirt : Sie sehen ja ganz zerstört aus - Ich antwortete nichts - Haben Sie Ihren Freund nicht gesprochen , sagte er - Nein , sagte ich - Und warum haben Sie ihn nicht gesprochen , sagte er - Bei diesen Worten fing mein Gewissen sogleich Feuer - Mein Wirt schien mir mit dieser Frage mehr sagen zu wollen - Ich hätte drauf geschworen , er machte mir Vorwürfe , daß ich meinen Freund nicht gesprochen hätte -
Es kam mir vor , als spräche er zu mir : Warum haben Sie ihn nicht gesprochen ?
Hört er etwan dadurch auf Ihr Retter zu sein , weil er ein Türke ist : Oder sind Sie Richter über seinen Glauben ?
Oder der Rächer desselben ?
verrät der nicht ein edles Herz , der einem Menschen ungerufen aus einer Gefahr befreiet und verdient er nicht um deswillen Liebe , wenn es auch in seinem Kopfe so verstört und wüsste aussehen sollte , wie in dem Kopfe eines Unsinnigen ?
Darf dir für dem ekeln , für dem Gott nicht ekelt ?
Alle diese Fragen , die ich mir selbst auf das genaueste zergliederte , machten mir so bange , daß ich schon im Begriffe war , meinen Wirt um Verzeihung zu bitten - -
Aber ich will ihn sprechen , sagte ich laut - Nun ist es entschieden - und wenn er ein Heide wäre , so ist er mein Retter - und auch dies beiseite gesetzt ein Mensch , ein Bild Gottes - Ist er abergläubisch - Dank sei es dir , Vater der Wahrheit , daß ich es nicht bin -
Durch diesen Gedanken gestärkt ging ich nun die Treppe mit sichereren Schritten herauf - Ich klopfte an die Türe - Ich wurde eingelassen - Wäre ich klug - das heisst , für das Anwachsen meiner Reisen besorgt gewesen , so würde ich mich meinem Freunde anfangs nur bloß zur Schau vorgestellt haben -
Es mußte ihm in aller Absicht fremd vorkommen , mich zu einer solchen Zeit , in einem solchen Hause zu finden - Dies hätte mir dann den schönsten Stoff zu einer recht kritischen Bilance der verschiedenen Ausdrücke der Freude bei verschiedenen Temperamenten gegeben und dieses hätte dann nicht nur einen kleinen Beitrag zur Philosophie , Ästhetik , Medizin und Schaubühne abgegeben , sondern es hätte mir auch etwas in meine Argyriotheke eingebracht - aber , leider ! lief ich auf meinen Freund sobald ich ihn erblickte , mit offenen Armen zu - Sie sind ein Türke , sagte ich - Den Augenblick riß er sich von mir los - Wer hat Ihnen das gesagt , fragte er mit einem zornigen Blicke - Ich habe Ihr Abendgebet gehört , sagte ich - So bin ich verraten , sagte er und ging mit starken Schritten in dem zimmer auf und nieder Und warum wollen Sie es denn nicht sein , fragte ich ihn - Warum ich es nicht sein will , fragte er bitter - Frage dich selbst , Ungläubiger !
Ob dir nicht dein ungestümes Bitten um meine Freundschaft jetzt leid wird - Ich bin eben gekommen , sagte ich , Sie das Gegenteil zu versichern - und Ihnen einen Vorschlag zu tun , bei den unsere Freundschaft , trotz der Verschiedenheit unserer Religionen , außer Gefahr ist - Lassen Sie uns , fuhr ich fort , ein jeder für sich seiner Religion anhängen - Studieren Sie Ihren Koran , so wie ich meine Bibel studieren will - Verachten Sie mich nicht , so wie ich Sie nicht verachten will - Der Gott , dem wir beide dienen , ist eben derselbe - Er allein weiß es , an wessen Dienste er mehr Wohlgefallen hat oder vielmehr - Mein Freund unterbrach mich -
Aber , sagte er , Sie werden über meine Religionsgebräuche spotten - Dafür bewahre mich der Himmel , sagte ich - Nun so werden Sie doch wenigstens im Herzen Mitleiden mit mir haben , sagte er -
O ich kenne deine Sprache , hochmütiges Christenvolk ! - und ein solches Mitleiden tötet mich - So lassen Sie uns dieses zur Bedingung machen , sagte ich , daß wir unser gegenseitiges Mitleiden nie wollen in Anschlag kommen lassen Das kann ich nicht , sagte er - O Sie werden es lernen , sagte ich mit einer schmeichelnden Stimme - Gewiß Sie werden es lernen - Umarmen Sie mich !
Er hörte nicht - Umarmen Sie mich , sagte ich noch einmal - zum Zeichen der lauteren Freundschaft , die uns von diesem Augenblicke an verbinden soll -
Er hörte noch nicht - Ich beschwöre Sie , sagte ich zum drittenmal - bei allem was Ihnen heilig ist , bei der Menschenliebe , die Ihre Religion gebietet - Ha , sagte er - Sie treffen die empfindliche Seite meines Herzens - Ich umarme Sie mit der lautersten Freundschaft , die zwischen zwei von einan der so weit entfernten Religionsverwandten möglich ist - Sind Sie damit zufrieden ? -
Ich war es so sehr , daß ich vor Zufriedenheit nicht einmal ja sagen konnte - - - Ich pochte meinem Wirte - Bringen Sie , sagte ich zu ihm , von Ihrem besten Weine - Ich muß trinken - sonst kann ich für Freuden die ganze Nacht nicht schlafen -
Er war schon wieder zur Türe hinaus , als mir Etwas einfiel , was meinen Lesern schon eingefallen sein muß - Lassen Sie es sein , rief ich ihm nach - Mein Freund trinkt keinen Wein und allein trinken , ist ein trauriges Vergnügen - Mein Freund drückte mir , nachdem ich dieses gesagt hatte , mit ungemeiner Zärtlichkeit die Hand - Wir werden die besten Freunde werden , sagte er , wenn Sie fortfahren , so delikat im Punkte der Religion zu denken - Was mit dem Türken sich noch ferner zugetragen , Will ich im dritten Teile sagen .
Denn in der Tat , hieße das eine der interessantesten Geschichte , die sich je auf Erden ereignet haben , wegwerfen , wenn ich sie zu Ende des zweiten Teils obenein geben wollte .
Nicht wahr , Herr Verleger !
Sie lassen sich noch lange zum Verlage einer : Geschichte eines jungen Türken oder Das Bild einer falschen Gott wohlgefälligen Religion verführen !
So will ich auch alles stehen und liegen lassen , wie es steht und liegt und spornstreichs Das Kapitel von meinem Namen anfangen .
Tausend und abermals tausend Ideen schwärmen schon , durch die bloße Überschrift rege gemacht , in meinem Kopfe herum - Ich fürchte , es wird mit mir zum Trepanieren kommen !
Ein kleiner Schwarm von furchtsamer und zaghafter Natur , besteht darauf , daß ich dem Anfang dieses Kapitels mit einer Rede über die Gefahren machen soll , die mit der Entdeckung seines Namens verbunden sind - zu ihm gesellt sich ein anders noch kleineres Schwärmchen , unter der Anführung des Gedächtnisses und erbeute sich , zu dieser Rede Beispiele aus der Geschichte herzugeben - Ein anderes Chor von Ideen will darüber rasend werden und droht , die glandulam pinealem meines Gehirns in Stücken zu werfen , wo ich nicht den Augenblick meinen Namen hinschreibe - Das Chor launischer Ideen - Allein ich werde euch böse machen , lieben Leser ! wo ich nicht gleich eure Neubegierde befriedige - Also nur zugehört !
Ich heiße : Schummel - Legt nun mein Buch weg , wenn es euch gefällt oder behaltet es in der Hand - Gebt nach der Reihe eure Verwunderung zu über einen so seltsamen Namen durch Lachen , Kopfschütteln - oder wie Onkel Tobias durch Lispeln und Pfeifen oder durch Händeklatschen oder durch sonst ein sichtbares Zeichen zu erkennen - Daun lest die Geschichte der Unruhen , die nur mein verzweifelter Nahme seit dem zehnten Jahre meines Lebens verursachet hat und die erst vor kurzen ein Ende genommen haben !
In diesem Alter war es , als ich zuerst über den Ursprung der Wörter nachdenken lernte und da mein Nahme auch ein Wort ist - und zwar ein Wort , was mich unter allen übrigen am nächsten angeht , so war es natürlich , daß ich neugierig wurde , die eigentliche Radix meines Namens zu wissen - Ich lief geschwind zu einem meiner Lehrer , der in dem Rufe stand , daß er die Radices der Wörter von Judäa , Soria , Arabia an bis , aus Äthiopien und von der Küste der Caffern herbeiholte - Allein er lachte mich nur mit meiner Frage aus - und da ich ihn nun in allem Ernste versicherte , daß mir an dem Ursprunge meines Namens unendlich viel gelegen wäre , so sagte er : Dein Nahme , mein Sohn , mag wohl mit der Polnischen , Böhmischen , Sklavonischen , Wendischen oder aus einer verwandten Sprache herkommen und auf diese habe ich mich nicht gelegt - Hätte er mich um meiner Frage Willen ins Karzer geworfen , es würde mich nicht so sehr gekränkt haben , als es diese verzweifelte Antwort tat - O nein , sagte ich , mit zittern und Beben und mit Tränen in den Augen - Lieber wollte ich gar keinen Namen haben - Du bist ein wunderlicher Kauz , sagte er -
Was kann dir denn das verschlagen , ob dein Nahme daher oder dorther kommt ?
Freilich wohl , gab ich ihm zur Antwort - Aber - Wenn er nur nicht aus dem Sklavonischen käme !
Ist es denn nicht möglich , daß Sie ihn aus dem Lateinischen herleiten ?
Mehl heißt ja Honig - Sie sind ja ein gelehrter Mann - Sie werden ja wohl die erste Silbe auch herausbringen !
Mein Lehrer ergötzte sich von ganzen Herzen an meiner Einfalt - Weißt du was , sagte er ?
Vielleicht kommt die erste Silbe deines Namens von Jum her - daß er also so viel bedeuten soll , als :
Ich bin Honig !
O nein , sagte ich und mein Herz hüpfte für Freuden - Das ist zu viel Ehre für mich - Damit kann ich mir wohl nicht schmeicheln -
Da wirst du auch wohl daran tun , sagte er !
Denn es stößt sich noch an ein ch - Das ist auch gar zu arg , sagte ich !
Je nun : Wenn es mit dem Lateinischen nichts ist , so ist es vielleicht mit dem Griechischen etwas - In der ganzen Griechischen Sprache , sagte er , ist kein Wort , das dem deinigen nur von fern ähnlich wäre - Oder mit dem Hebräischen , fuhr ich immer noch hartnäckig fort !
Dadurch gab ich , ohne es zu wissen , meinem Lehrer das Steckenpferd zwischen die Beine -
Er bestieg es den Augenblick - ritt ein paarmal unter der Allee der hebräischen Konjugationen auf und ab - hielt vor dem Partcipium Benoni stille - hier sagte er , indem er den Finger auf die Nase legte - Das läßt sich hören !
Cholem in Schureck !
zehre in Sägol !
sin in Schin !
Dagesch sorte in media radicali !
In Pänultima ein Metheg , damit die überflüssige Mora wegkommt !
So haben wir ohne sonderlichen grammatikalischen zwang Haben Sie nun meinen Namen heraus , fragte ich meinen Lehrer ? -
Er fuhr auf - hielt seine Hand an die Stirn - Was habe ich gemacht , sagte er ?
Das Verbum n : kommt nur im Arabischen vor - Das ist Schade , sagte ich - und was heißt es denn im Arabischen ?
Es heißt , gab er mir zur Antwort : Umgeben , umringeln , umfassen - Wenn es nichts klügeres heißt , sagte ich ganz frostig ! -
Aber es hat im Hebräischen Kinder gezeugt !
Das wird freilich schwer halten , sagte er - Und was heißt denn das , fragte ich ihn ?
Alles , was link ist , sagte er !
Pfui , sagte ich - Der gute Mann hatte nicht Zeit , mein Pfui anzuhören - Er jagte schon wieder einer anderen Radix nach - sagte er und lächelte - Ja , sagte er , das ist es , mein Sohn !
Daß es mir nicht gleich eingefallen ist ! -
Und was heißt denn das wieder , sagte ich ?
So viel als Samuel , gab er mir zur Antwort - Es kommt hier nur auf eine kleine Metathesen literarum an - Ich stellte mich , als ob ich , mit dieser Herleitung meines Namens vollkommen zufrieden wäre und ging weg : aber im Herzen war ich es doch nicht - Ich konnte mir gar nicht vorstellen , daß meine Ahnen bis an den Samuel hinauf reichen sollten , da ich selbst nur bis an meinen Großvater zählen konnte - Mein Lehrer ließ mich noch einmal zurückrufen - Er hatte ein Syrisch Lexikon in der Hand - Siehst du , mein Sohn , sagte er !
Hier ist es noch genauer - Ich dankte ihm und versicherte ihn , daß ich es bei dem hebräischen wollte bewenden lassen -
Dies waren die Unruhen meiner Kinderjahre - Als ich etwan vier Lustrums durchlebt haben mochte , so vertauschte ich sie gegen noch größere -
Ich wurde rot , wie Scharlach , als ich zum erstenmal meinen Namen einem Gelegenheitsgedichte vorsetzen wollte - Weh mir , sagte ich , ich werde von aller Welt ausgelacht werden und wenn ich ja einst so glücklich bin , Autor eines ordentlichen Buches von einem Alphabet zu werden , so werde ich nur immer inkognito - Aber gibt es nicht eine ganze Menge wunderseltsamer Namen , die gleichwohl Lieblingsnamen geworden sind ?
Wer denkt wohl beim Cicero an Erbsen oder beim Katull an junge Hunde - oder beim Corneille an Krähen , oder beim Racine an Wurzeln ?
Und ist es mit Klopfstock , Hagedorn , Lichtwer , Rabner - um ein Haar besser ? -
Aber ich werde nie die Höhe dieser Männer erreichen und so ist es auf ewig um meinen Namen geschehen - Aber nun , lieben Leser ! nun sind alle meine Unruhen zu Ende - Ich bin nun mit meinem Namen einig geworden und weiß die Idee auf ein Haar die er eigentlich involviert - Alles was man dieser Idee etwan vorwerfen könnte , ist dieses , daß sie ein wenig stolz läßt : allein sie läßt auch nun so - Sein würde sie es alsdann , wenn ich daraus stolze und eigenliebige Folgen herleiten wollte und dafür wird mich meine Demut Dafür werden mich die Kunstrichter bewahren - Ich behaupte nämlich , daß Schummel im Deutschen eben die Idee involviert , die yorik im Englischen - Die Idee einer ununterbrochenen Fröhlichkeit - Die Idee eines Mensehen , der immer freundlich ist , viel lacht , wenig Galle , aber desto_mehr Milz hat - Der mitten durch die zwiefache Reihe seiner Kunstrichter und Leser hindurchtanzt und zu beiden Seiten freundlich grüßt - sich bald mit diesen , bald mit jenen ins Gespräch einläßt , ohne böse zu werden , wenn sie ihn bisweilen unfreundlich anschnauzen -
Die Idee eines Menschen , der niemand etwas zu leide tut und es daher für unmöglich hält , daß ihm jemand etwas zu leide tun könne - Kurz , die Idee eines musikalischen , friedfertigen Geschöpfs , das mit sich und mit aller Welt zufrieden ist und sich eher würde in zehntausend Bastille werfen lassen , als daß es die Welt ein Jammertal heißen sollte -
Unter dieser Idee schäme ich mich meines Namens so wenig , daß ich ihn vielmehr kühn vor das erste beste meiner künftigen Händewerk setzen werde - Bis dahin überlasse ich ihn allen gelehrten Journalen , Bibliotheken , gelehrten und politischen Zeitungen , Nachrichten , Anzeigen u. s. f. zur Besichtigung - und zum beliebigen Gebrauche - zum Lachen , zum Weinen , zum Gähnen , zum Einschlafen , zum Schimpfen - Kurz , wozu Sie wollen - Schreiben Sie ihn in die Rolle der Kezer - oder in die Rolle der Freidenker - oder in die Rolle der schreibsüchtigen Autoren - Kurz , in welche Sie wollen , und mit welcher Tinte Sie wollen - Er ist einmal gedruckt -
Nun ist er nicht mehr mein - Geehrter Herr Reichspostereuter !
Sie sind ein schöner Herr - daß Sie es nur wissen !
Mit Ihrer verdammten Rezension haben Sie Dinge angerichtet , die Sie freilich nicht so werden vorher überlegt haben , die Sie aber doch hätten überlegen sollen !
Mein junger Herr ist von Ihrer verdammten Rezension - daß sie es nur wissen - todkrank !
Er liegt im Bette und schwitzt - und schwitzt - Ich denke immer er wird sich aus der Welt Schwitzen !
Und so oft er seine Finger besieht - Da möchte einem das Herz aus dem Leibe springen !
Eben , als er Ihre verdammte Rezension gelesen hat , da hat er eine Ohnmacht bekommen - und da ist er vom Stuhle herabgefallen - und da hat er ein Becken mit glühenden Kohlen umgestoßen - und da hat er sich die Finger daran verbrannt - Es ist Blase an Blase - und so weiß , wie Postpapier !
O das ist ein Jammer , wenn man es nun so mit ansehen soll und nicht helfen kann !
Er ißt nichts - Er trinkt nichts - Kurz ich habe durch Ihre verdammte Rezension einen Schaden , den Sie mir nicht ersetzen würden , und wenn Sie ganze Jahre bei mir in Leipzig logierten - Daß Sie es nur wissen !
Deswegen schreibe ich auch an Sie , um Ihnen wenigstens das Gewissen einem wenig zu schärfen , wenn es auch weiter nichts hilft .
Sagen Sie mir nur , welcher böser Geist Sie besessen hat , als Sie Ihre Rezension schrieben ?
Warum poltern Sie denn gleich so auf meinen jungen Herrn los - bloß deswegen , weil er ein Buch geschrieben hat ?
Da möchte einem ja der Grauen ankommen , in seinem ganzen Leben eine einzige Silbe zu schreiben -
Ich habe Ihre Rezension selber durchgelesen und mich mit den Herrn , die bei mir zu Mittage speisen , darüber beratschlagt -
Sie waren alle böse auf Sie - der eine mehr , der andere weniger - daß Sie es nur wissen !
Sie haben mich alle aufgewiegelt , daß ich an Sie schreiben soll -
Vor die Orthografie sagten sie , wollten sie schon sorgen Ich sagte Ihnen , was doch das helfen könnte : Denn Sie säßen doch in Ihrem Altona und bekümmerten sich um die ganze Welt nichts - Aber der eine von den Herrn sagte , er wollte sie doch wohl treffen er wollte den Brief drucken lassen - ja nun , wenn es so ist , sagte ich -
denn ob ich gleich nur ein Gastwirt bin , so fühle ich doch , daß das eine Ehre ist , wenn man seine Schreibereien kann drucken lassen - und also entschloß ich mich , je eher je lieber an Sie zu schreiben .
Hören Sie nur , Herr Reichspostereuter !
Ich habe Ihnen allerhand zu sagen- Was möchten Sie wohl am liebsten zuerst hören ?
Meine eigenen Einfälle oder meiner Herrn ihre ?
Ich dächte , ich sagte Ihnen zuerst meine Gedanken über Ihren Karrenschieber - Als ich in Ihrer Rezension auf die Stelle kam , so ging mir auf einmal ein Licht auf , warum mein junger Herr so plötzlich krank geworden war - Das hätte ich wahrhaftig selber nicht ausgehalten , wenn ich an seiner Stelle gewesen wäre - Ich bitte Sie um alles in der Welt , wie Ihnen das gefallen würde , wenn ich z. E. sagen wollte :
Eine solche Kritik zu machen , wie die Ihrige ist - ein paar Seiten mit Fragen anzufüllen - eine Stelle abzuschreiben und darunter zu setzen : welch ungesundes Gewäsch ! - und zuletzt mit einem freundschaftlichen Rate ( den Henker mag das freundschaftlich sein ) zu schließen , dazu gehört nicht mehr Judicium , als - auch der Karrenschieber hat - Pfur !
Wie wollte ich mich schämen , einem Gelehrten eine solche Beleidigung unter die Augen zu sagen !
Der eine von meinen Herrn meint zwar , Sie hätten das nicht so böse gemeint - Sie hätten nur überhaupt so viel sagen wollen , daß daran weiter gar nichts besonders sei , wenn man ein krankes Mädchen von der Straße wegtrüge - Das könne allenfalls auch ein gemeiner Mann :
aber das mag mir mein Herr nicht übel nehmen , daß ich hierenn nicht seiner Meinung bin .
Hätten Sie bloß das sagen wollen , o wahrhaftig , Sie hätten sich etwas höflicher ausgedrückt !
Warum nahmen Sie denn gerade den Karrenschieber ?
Aus keiner anderen Ursache auf der Welt , als daß mein junger , kranker Herr mit einem Karrenschieber sollte in Vergleichung gestellt werden !
Ich weiß nicht , wo er die Gelassenheit hernimmt , so etwas zu dulden - Wüßte ich nur -
Ja , wahrhaftig , wüßte ich nur , daß Sie nicht etwan einmal nach Leipzig kämen und bei mir logieren wollten , so wollte ich Ihnen wohl zeigen , was - doch ich will mich nicht ereifern !
Man weiß die Fälle nicht !
A propos , wegen des freundschaftlichen Rates !
Ist das Ihr Ernst ?
Das ist wohl nicht möglich !
Sie werden ja nimmermehr dem Manne einen freundschaftlichen Rat geben , von dem Sie sonst nichtsfals Böses sagen - Ich wenigstens , versichere Sie auf meine Ehre , daß ich denjenigen , den ich so rezensiert hätte , wie Sie meinen jungen Herrn , nicht einen Augenblick vor Augen leiden könnte !
Ich gäbe ihm nicht einen Bissen Brot , nicht einen Trunk Wasser - geschweige einen freundschaftlichen Rat !
Das täte ich - Der Gastwirt !
Überdem meinte auch einer von meinen Herrn : Ihr freundschaftlicher Rat wäre auch nicht weit her - Denn sagte er , wenn in dem ersten Teile eines geschwindgeschriebenen Buches , Erfindung , Charakter , Erzählung , Empfindung , Betrachtung und Moral nichts , durchaus nichts taugten , so möchte wohl der Sache in dem zweiten Teile durch das langsame Schreiben nicht abgeholfen werden .
Ein anderer von meinen Herrn wollte vor Lachen bersten , als er Ihre Rezension laß und rief einmal über das andere : Wohl geschossen , Hanß Velten !
Ich fragte ihn , was es gäbe : aber ich brachte weiter nichts aus ihm heraus , als :
" Das macht also die Reisen unempfindsam , daß die Lebensgeschichte , die gar nichts mit den Reisen zu tun hat , nicht so recht geraten ist ?
Wohl geschossen , Hanß Velten !
So bleibt vielleicht in unempfindsamen Reisen noch Empfindung übrig !
Unverbesserlich geschossen , Hanß Velten !
, Sie werden wohl wissen , Herr Reichspostereuter ! was das eigentlich heißen soll - Das , einzige will ich nur dabei erinnern , daß der Herr , von dem ich Ihnen erzähle , die Gewohnheit an sich hat , bei allem , was ihm lächerlich vorkommt wohl geschossen , Hanß Velten , zu sagen - Er hat sich das aus einem wunderlichen Buche angewöhnt - Ich glaube es heißt der Tristram - Daß Sie also nur nicht etwan denken , es geht auf Sie oder es soll ein Gegenpräsent für Ihren Karrenschieber sein !
Als ein Gegenpräsent wäre es wahrhaftig zu lumpig - Einer von meinen ansehnlichsten Tischgängern war mit der letzten Zeile Ihrer Rezension gar nicht zufrieden - Sollte der Mann , sagte er , der die Talente eines Yoricks zu besimmen weiß - der von festen , unfehlbaren Pinseln und von glühenden Farben spricht - sollte der nicht die kleineren , unendlich kleineren Talente eines jungen Autors bestimmen können ?
Warum sagt er denn ganz kalt und frostig :
An Talenten scheint es ihm nicht zu fehlen ?
Warum nicht lieber gerade zu :
Er hat keine Talente - oder er hat dies und jenes Talent , aber um dieses Talents Willen verlohnt es sich nicht der Mühe , Autor zu werden - Der vorige Herr , der deinem Lesen Ihrer Rezension so stark hanßveltete , machte es noch arger , als er sie zum zweitenmal Durchlaß .
" Die Vorrede oder Nachrede , sagte er , soll ein besonderes Beispiel von Verunglücktem Witze sein !
O wohl geschossen Hanß Velten !
Das verständigste Kompliment , was je ein junger Autor den Kunstrichtern gemacht hat - und was von Ihrer Seite auch wohl eine verständige Antwort verdient hätte , soll unter die Rubrik des verunglückten Witzes verrechnet werden !
Wohl geschossen !
Der Autor bittet um ein unparteiisches Urteil über seinen Kopf und bekommt dafür - ein Urteil über seine schlechte Frisur !
Wohlgeschossen !
Ein Gelehrter , ein Herr , der auch Zeitungen schreibt und ich denke immer eben so gute , wie Sie , Herr Reichspostereuter ! sagte :
Durch solche Rezensionen , wie die Ihrigen , machte man nur junge Autoren hartnäckig .
Wenn sie einmal sähen , daß die Kunstrichter mit Ihnen auf eine unhöfliche , partheische und nichts weniger , als freundschaftliche Art umgingen , so setzten sie sich über alle Ihre Urteile hinaus und hielten sie für nichts besseres , als für Manuskript , das von einem Verleger bezahlt und auf der Leipziger Messe verkauft wird - und dann gäben sie sich mit ihren Schreibereien nur desto weniger Mühe .
Verschiedenes in Ihrer Rezension haben wir gar nicht verstanden , als da ist : Karikatur , neologisch , Boufsonnerie - Ich habe meinen jungen Herrn mit Fleiß nicht darum fragen mögen , um seine Krankheit nicht zu verschlimmern - Unausstehlich haben wir nicht recht verstanden - Wir wissen nicht , soll es heißen , daß es Ihnen bloß unausstehlich ist -
denn das kann wohl sein - oder daß es allen Lesern ohne Unterschied unausstehlich ist .
Nehmen Sie mit diesem wenigen vorlieb , Geehrter Herr Reichspostereuter !
Sie sehen doch nun , was Sie angerichtet haben und ich denke , ich habe es Ihnen deutlich genug gemacht , daß Ihre Rezension kein Orakelspruch ist .
Wenn nur mein armer kranker Herr diesmal glücklich davon kommt !
Ich denke , das zweitemal soll ihm Ihre Rezension nichts schaden und wenn Sie darin mit Baugefangenen aufgezogen kämen - daß Sie es nur wissen !
Und damit Gott befohlen .
Noch ein Wort !
Wenn Sie einmal , durch Leipzig durchkommen , geehrter Herr Reichspostereuter ! so werden Sie ja doch nicht bei meinem schlechten Gasthofe vorübergehen - Das bisschen gelehrte Zänkerei will ja so viel nicht sagen und ich verspreche Ihnen , daß ich Ihnen deswegen nicht einen Heller mehr anschreiben will -
Denn ob ich gleich in diesem Briefe ein wenig auf Sie losgezogen habe , so will ich es doch mit Ihnen nicht ganz und gar verderben - Denn wie ich schon gesagt habe :
Man weiß die Fälle nicht !
Sehen Sie nur , mein geehrter Herr Reichspostereuter !
Ein rechtschaffener Kerl von einem Wirte muß seinen Gästen in allem dienen - und wenn Sie einmal mein Gast sein und Sie werden so arg rezensiert , wie mein junger Herr , so sollen Sie es auch zu genießen haben !
Nun - leben Sie wohl und wenn Sie nach Leipzig kommen - damit Sie es nur nicht vergessen - so erinnern Sie sich an Ihren Leipzig den 1sten September im Jahre der Welt 1771 . dienstfertigen und bereitwilligen Diener Zebedäus W-- - -r Gastwirt in der S * zu Menn Sie mich lieb haben , Herr Verleger , wenn Sie mit meiner verbrannten Hand Mitleiden haben , so drucken Sie den Brief meines Wirts nicht ab - Ich bin ohne hin schon unglücklich genug , als daß ich mich noch in gelehrte Zänkereien einlassen sollte .
Lassen Sie nur den Buchdruckergesellen weiter wandern mit meinem Schreiben ist es zu Ende -
- Lizenz
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CC-BY
Link zur Lizenz
- Zitationsvorschlag für diese Edition
- TextGrid Repository (2025). Schummel, Johann Gottlieb. Empfindsame Reisen durch Deutschland: Teil 2. Bildungsromankorpus. https://hdl.handle.net/21.11113/4c0q9.0