Zweiter Band .
Zehnte Jubelperiode .
Roquairols advocatus diaboli -- der Feiertag der Freundschaft .
53. Zykel .
Nicht nach den Kinderjahren , sondern nach der Jünglingszeit würden wir uns am sehnsüchtigsten umkehren , wenn wir aus dieser so unschuldig wie aus jenen herkämen .
Sie ist unser Lebens-Festtag , wo alle Gassen voll Klang und Putz sind und um alle Häuser goldene Tapeten hängen , und wo Dasein , Kunst und Tugend uns noch als sanfte Göttinnen mit Liebkosungen locken , die uns im Alter als strenge Götter mit Geboten rufen ! --
Und in dieser Zeit wohnt die Freundschaft noch im heiter offenen griechischen Tempel , nicht wie später in einer engen gotischen Kapelle .
Herrlich und reich schimmerte jetzt um Albano das Leben mit Inseln und Schiffen bedeckt ; er hatte die ganze Brust voll Freundschaft und Jugend , und durfte die drängende Kraft der Liebe , die auf Isola bella an einer Statue , am Vater zurückprallte , nun ungebändigt und fröhlich auf einen Menschen stürmen lassen , der ihm völlig so erschien , wie ihn der Jünglingstraum entwirft .
Er konnte keinen Tag von Karl lassen -- er deckte ihm seine Seele auf und sein ganzes Leben ( nur Lianen Name stieg tiefer in sein Herz zurück ) -- alle Vorbilder der Freundschaft unter den Alten wollte er nachbilden und erneuern und alles tun und leiden für seinen Geliebten -- sein Dasein war jetzt ein Doppelchor , er trank jedes Glück mit zwei Herzen , sein Leben schloß ein doppelter Himmel in lauter Äther ein .
Als er am anderen Tage die befreundete feste Gestalt antraf , die ihm aus dem nächtlichen Specktakelstück der Geisterwelt übrig ge blieben war , wie ein blasser Mond aus den weggelöschten Sternen der Nacht ; und als er sie so kahlköpfig und bleich fand -- wie die feurige Ätnas-Rauchsäule am Tage grau aufsteigt -- :
so sah er gleichsam den vorigen Selbstmörder vor sich stehen , freier , aber desto wärmer reicht er dem einsamen Wesen , das nach dem Sprunge über das Leben nur noch auf seinem Grabe wie auf einem fernen Eiland wohnte , die Hand hinüber .
Andere ziehen sie eben darum weg ; der gestörte Selbstmörder , der das schöne feste Leben durchrissen , kehrt aus seiner Todesstunde als ein fremder unheimlicher Geist zurück , dem wir nicht mehr trauen können , weil er in seiner Ungebundenheit jede Minute das wegwerfende Spiel mit der Menschengestalt wieder treiben kann .
Daher sah Albano im chaotischen Leben des Hauptmanns nur die Unordnung eines Wesens , das einpackt und auszieht .
Als er das erstemal in dessen Sommerstube trat , so hatte er freilich darin eine Bedienten- eine theatralische Anziehstube und ein Offizierszelt auf einmal vor sich .
Auf der Tafel lagen verworrene A 2 Völkerschaften von Büchern , wie auf einem Schlachtfeld , und auf Schillers Tragödien das hippokratische Gesicht von der Redoute , und auf dem Hofkalender eine Pistole -- das Bücherbrett bewohnte die Degenkuppel neben ihrer Seifenkugel aus Kreide , ein Schokoladequerele , ein leerer Leuchter , eine Pomadebüchse , Fidibus , das nasse Handtuch und die eingetrocknete Mundtasse -- das Glashaus der ausgelaufenen Standuhr , und der Wasch- und der Schreibtisch standen offen , auf welchem letzteren ich mit Erstaunen umsonst nach Unterlage und Streusand suche -- der Pudermantel lehnte sich in der Ottomane zurück und ein langes Halstuch ritt auf dem Ofenschirm , und das Hirschgeweihe an der Wand hatte zwei Federhüte aufs rechte und linke Ohr geschoben -- Briefe und Visitenkarten waren wie Schmetterlinge an die Fenstervorhänge gespießt .
Ich wäre nicht fähig , darin ein Billet zu schreiben , geschweige einen Zykel .
Gibt es aber nicht ein sonnenhelles freiflatterndes Alter , wo man alles gerne sieht , was reisefertige Unruhe , Abbrechen der Zelte und Nomadenfreiheit verkündigt , und wo man mit Dank in einem Reisewagen haushielte und darin schriebe und schliefe ?
Und hält man nicht in diesen Jahren gerade eine solche Studentenstube für geistiges Studentengut des Genies und jedes Chaos für ein infusorisches voll Leben ?
Man gönne meinem Helden diese irrende Zeit ; es hielt ihn doch etwas Edles in seiner Natur zurück , aus einem Lobredner ein Nachahmer zu werden .
Wie nach einem weggeschmolzenen Nachwinter auf einmal die grüne Erdendecke in Blumen und Blüten hoch aufflattert , so fuhr in der warmen Luft der Freundschaft und Phantasie auf einmal Albanos Wesen üppig blähend und grünend aus .
Karl hatte und kannte alle Zustände des Herzens , er erschuf sie spielend in sich und anderen , er war ein zweites Sanenland , das alle Klimata von Frankreich bis Nova Sembla beherbergt , und worin eben darum jeder seines findet ; er war für andere alles , wiewohl für sich nichts .
Er konnte sich in jeden Charakter werfen , wiewohl ihm eben darum zuweilen einkam , bloß den bei quemsten durchzusetzen .
Die Gurt- Brust- Schwanz- und Sattelriemen des höfischen , kleinstädtischen und bürgerlichen Lebens hatte sein Buzephalus längst abgesprengt ; und wenn sich der Graf jeden Tag über den Sprach-Laufzaum des Lektors ärgerte , der alles richtig sagte , Kanaster statt Knaster , Juften statt Juchten , fünfzig statt fuffzig , und barbieren , ( welches R ich selber für eine dumme Härte halte ) : so war Roquairol ein Freidenker bis zum renommistischen Freiredner , und sprach nach seinem eigenen Ausdruck , der zugleich das Beispiel war , " von der Leber und vom Maule " weg " .
Dem Grafen klebte zu seinem Verdruß eine gewisse epische von Büchern anerzogene Sprach- Würde an .
Sie überdachten und verwünschten oft mit einander das erbärmliche Glazen-Leben , das man hätte , wenn man , wie der Lector , als ein wohlgewachsener Staatsbürger von Extraktion dahin lebte , Konduite und einen sauberen Anzug hätte , und hübsche nicht unebene Kenntnisse von mehreren Fächern und zur Erholung seinen Tischwein und Geschmack an trefflichen Maler- und anderen Meistern , und wenn man zu höheren Posten avancierte , bloß um von da aus zu noch höheren aufzusteigen , und man so nach allem diesen sich frisiert und gewaschen in den Sarg streckte , damit doch die gigantische Körperwelt ihren Pestizer auch der erhabenen Geisterwelt einhändige . -- --
Nein , sagte Albano , lieber wirf eine schwarze Bergkette von Schmerzen ins platte Leben , damit nur eine Aussicht dasteht und etwas Großes .
-- Aber Roquairol war nicht der , der er ihm schien ; -- die Freundschaft hat ihre Täuschungen wie die Liebe -- und oft wenn er diesen liebestrunkenen hochherzigen Jüngling mit keuschen Mädchenwangen und stolzer Männerstirn , der ein solches Vertrauen auf seine wankende Seele setzte , und dessen Herz so weit offen stand und an dessen Phantasie sogar , er die Heiligkeit beneidete , lang anblickte :
so rührte ihn die Täuschung des Edlen bis zum Schmerz und sein Herz drängte sich vor und wollte ihm mit Tränen sagen : Albano , ich bin deiner nicht wert .
Aber dann verliere ich ihn ; setzte er allemal hinzu ; denn er scheute die moralische Orthodoxie und die Entschiedenheit eines Man nes , der nicht wie ein Mädchen spielend zu erzürnen und wieder zu gewinnen war .
Und doch kam der wichtige Tag für beide , wo er_es tat .
Wie hätte er je der Phantasie widerstanden , da er nur durch Phantasie widerstand ? --
Ich tue ' ihm halb Unrecht ; höret den besseren Engel , der seinen Mund aufschloß .
Roquairol ist ein Kind und Opfer des Jahrhunderts .
Wie die vornehmen Jünglinge unserer Zeit so früh und so reich mit den Rosen der Freude überlaubt werden , daß sie wie die Gewürz-Insulaner den Geruch verlieren und nun die Rosen zum Sybariten-Polster Unterbetten , Rosensirup trinken und in Rosenöl sich baden bis ihnen davon nichts zum Reiz mehr dasteht als die Dornen :
so werden die meisten -- und oft dieselben -- von ihren philanthropischen Lehrern anfangs mit den Früchten der Erkenntnis vollgefüttert , daß sie bald nur die honigdicken Extrakte begehren , dann den Apfel-Wein und Birnmost davon , bis sie sich endlich mit den gebrannten Wassern daraus zersetzen .
Haben sie noch dazu wie Roquairol eine Phantasie , die ihr Leben zu einem Naphthaboden macht , aus welchem jeder Fußtritt Feuer zieht :
so wird die Flamme , worein die Wissenschaften geworfen werden , und die Verzehrung noch größer .
Für diese Abgebrannten des Lebens gibt es dann keine neue Freude und keine neue Wahrheit mehr und sie haben keine alte ganz und frisch ; eine vertrocknete Zukunft voll Hochmut , Lebensekel , Unglauben und Widerspruch liegt um sie her .
Nur noch der Flügel der Phantasie zuckt an ihrer Leiche .
Armer Karl ! --
Du tatest noch mehr !
Nicht bloß die Wahrheiten , auch die Empfindungen antizipierte er .
Alle herrliche Zustände der Menschheit , alle Bewegungen , in welche die Liebe und die Freundschaft und die Natur das Herz erheben , alle diese durchgieng er früher in Gedichten als im Leben , früher als Schauspieler und Theaterdichter denn als Mensch , früher in der Sonnenseite der Phantasie als in der Wetterseite der Wirklichkeit ; daher als sie endlich lebendig in seiner Brust erschienen , konnte er besonnen sie ergreifen , regieren , ertöten und gut ausstopfen für die Eisgrube der künftigen Erinnerung .
Die unglückliche Liebe für Linda de Romeiro , die ihn später vielleicht gestählt hätte , öffnete so früh alle Adern seines Herzens und badete es warm im eigenen Blute ; er stürzte sich in gute und böse Zerstreuungen und Liebeshändel , und stellte Hinterher alles auf dem Papier und Theater wieder dar , was er bereute oder segnete ; und jede Darstellung höhlte ihn tiefer aus , wie der Sonne von ausgeworfenen Welten die Gruben blieben .
Sein Herz konnte die heiligen Empfindungen nicht lassen , aber sie waren eine neue Schwelgerei , höchstens ein Stärkungsmittel ( ein Tonikum ) ; und gerade von ihrer Höhe lief der Weg zu den Sümpfen der unheiligsten abschüssiger .
Wie im dramatischen Dichter engelreine und schmutzige Zustände nebeneinander stehen und folgen , so in seinem Leben ; er fütterte wie in Curinam die Schweine mit Ananas ; gleich den älteren Giganten , hatte er hebende Flügel und kriechende Schlangenfüße .
Unglücklich ist die weibliche Seele , die sich in ein so großes mitten im Himmel aufgespanntes Gewebe verfliegt ; und glücklich ist sie , wenn sie sich unvergiftet durchreisset und bloß die Bienenflügel beschmutzt .
Aber diese allmächtige Phantasie , diese strömende Liebe , diese Weichheit und Stärke , diese erobernde Besonnenheit wird jede weibliche Psyche mit Gespinsten überziehen , sobald sie nicht die ersten Fäden wegschlägt .
-- Könnte ich euch warnen , arme Mädchen , vor solchen Kunturs , die mit euch in ihren Krallen auffliegen !
Der Himmel unserer Tage hängt voll dieser Adler .
Sie lieben euch nicht , aber sie glauben es ; weil sie wie die Seligen in Muhammeds Paradies statt der verlorenen Liebes-Arme nur Fittiche der Phantasie haben .
Sie sind gleich großen Strömen nur am Ufer warm und in der Mitte kalt .
Bald Schwärmer , bald Libertin in der Liebe , durchlief er den Wechsel zwischen Äther und Schlamm immer schneller bis er beide vermischte .
Seine Blüten stiegen am lackierten Blumenstab des Ideals hinauf , der aber farbenlos im Boden verfaulte .
Erschreckt , aber glaubt es , er stürzte sich zuweilen absichtlich in die Sünde und Marter hinab ; um sich drunten durch die Wunden der Reue und Demut den Schwor der Rückkehr tiefer einzuschneiden ; wie etwan die Ärzte ( Darwin und Sydenham ) behaupten , daß stärkende Mittel ( China , Stahl , Opium ) kräftiger wirken , wenn vorher , schwächende ( Aderlaß , Brechmittel etc. ) verschrieben worden .
Äußere Verhältnisse hätten ihm vielleicht etwas helfen können und das Gelübde der Armut hätte ihm die beiden anderen erleichtert ; hätte man ihn als Neger verkauft , sein Geist wäre ein freier Weisser und ein Arbeitshaus ihm ein Purgatorium geworden .
Daher gaben die ersten Christen den Besessenen immer Geschäfte , z. B. Kirchenausfegen * ) u. s. w. Aber das müßige Offiziersleben arbeitete ihn bloß noch eitler und kecker aus .
So stand es in seiner Brust , als er an Albanos seine kam -- Liebe schwelgerisch aufjagend , aber bloß um mit ihr zu spielen -- mit einem unwahren Herzen , dessen Gefühl mehr lyrisches Gedicht als wahres dichtes Wesen ist -- * ) Simons christl. Altertümer , von Mursinna etc. p. 143 unfähig , wahr , ja kaum falsch zu sein , weil jede Wahrheit zur poetischen Darstellung artete und diese wieder zu jener -- leichter vermögend , auf der Bühne und auf dem tragischen Schreibepult die wahre Sprache der Empfindung zu treffen als im Leben , wie Boileau nur Tänzer nachmachen konnte , aber keinen Tanz -- gleichgültig , verschmähend und keck gegen das ausgeschöpfte stofflose Leben , worin alles Feste und Unentbehrliche , Herzen und Freuden und Wahrheiten , zerschmolzen herumschwammen -- mit ruchloser Kraft vermögend , alles zu wagen und zu opfern , was ein Mensch achtet , weil er nichts achtete , und immer nach seinem eisernen Schutzheiligen umblickend , nach dem Tode -- an seinen Entschlüssen verzagend und sogar in seinen Irrtümern schwankend -- aber doch nur des Stimmhammers , und nicht der Stimmgabel der feinsten Moralität beraubt und mitten im Brausen der Leidenschaft stehend im hellen Lichte der Besonnenheit , wie der Wasserscheue seinen Wahnsinn kennt und davor warnt . -- --
Nur Ein guter Engel war nicht mit den anderen entflohen , die Freundschaft .
Zur Liebe konnte sich sein so oft aufgeblähtes und zusammengefallenes Herz schwer aufheben ; aber die Freundschaft hatte er noch nicht verschwendet .
Seine Schwester hatte er bisher befreundet geliebt , so brüderlich , so ungehemmt , so wachsend !
Und jetzt tritt ihm Albano glänzend-gewaffnet entgegen !
-- Anfangs spielte er auch mit ihm lügend wie mit sich , in der Redoute und im Tartarus .
Er merkte bald , daß ihn der ländliche Jüngling vor eigenen Strahlen falsch und geblendet sehe ; aber er wollte lieber den Irrtum wahrmachen als benehmen .
Die Menschen -- und er -- gleichen der Quelle der Sonne neben dem Tempel des Jupiter Ammon , die am Morgen nur kalt war , Mittags lau , Abends warm , Mitternachts heiß ; von den Tageszeiten hing er nun so sehr ab -- wie der rüstige gesunde Albano so wenig , der sich daher vorstellte , ein großer Mann sei den ganzen Tag vom Aufstehen bis zum Niederlegen groß , wie die Heraldiker dem Adler immer die Schwingen ausspreizen -- daß er selten am Morgen und mei stens abends zu Albano ging , wenn die ganze Girandole seiner Kräfte und Gefühle brannte in dem Weingeist , den er vorher aus Flaschen zugegossen .
Aber kennt ihr die Arznei des Beispiels , die Heilkraft der Bewunderung und der seelenstärkenden Achtung ?
" Es ist schändlich von " mir " ( sagte Roquairol ) ; " ist er nicht so gläu " big und offen und bieder ? --
Nein , die ganze " Welt will ich belügen , nur seine Seele nicht ! -- "
Solche Naturen wollen die Verheerung der Menschheit durch Treue , gegen Einen vergüten .
Die Menschheit ist ein Sternbild , in welchem Ein Stern oft die Hälfte des Bildes malet .
Von dieser Stunde an stand sein Entschluß der herzlichsten Beichte und Buße fest ; und Alban , vor welchem das Leben noch nicht in einen Brei der Verwesung zerlief , sondern sich fest und scharf und organisch zergliederte und der nicht wie Karl klagte , daß ihn nichts recht erpacke und alles nur luftig umspüle , dieser sollte dessen kranken Wünschen Jugend wiederbringen und mit dem unwandelbaren Sinn des reinen Jünglings und mit der Gefahr der Freund schafft wollte Roquairol sich zwingen , diesem das Wort der fruchttragenden Bereuung zu halten , das er sich selber zu oft gebrochen .
Lasst uns ihm folgen in den Tag , wo er alles sagt .
54. Zykel. Einst kam Albano schon Vormittags zum Hauptmann , wo dieser sonst nach seiner Sprache noch " ein von gestern herabgebranntes Lichtstümpfen auf Stacheln " war ; aber heute stand er brausend-arbeitend wechselnd am Pianoforte und am Schreibepult und war wie ein verdorrtes Infusionstieren schon so früh der Rege und Alte , weil Wein genug aufgegossen war , nämlich viel .
Voll Entzückung lief er dem willkommenen Freunde zu .
Albano brachte ihm von Falterle die kindischen Blätter der Liebe (-- denn der Exerzizienmeister hatte nicht den Mut gehabt , sie ins Feuer zu werfen ) , die er aus Blumenbühl an das unbekannte Herz geschrieben .
Karl wäre darüber bis zu Tränen gerührt geworden , wäre er es -- nicht schon vor der Ankunft gewesen .
Der Graf mußte da bleiben -- den ganzen Tag -- und alles Säue men men -- es war sein erster unordentlicher Tag -- komisch war_es , wie sich der sonst so unbändige , aber einer langen Gewohnheit täglicher Anstrengungen dienstbare Jüngling gegen die kurze Meerstille , worin er keine Schiffe trieb , wie gegen eine Sünde sträubte .
Indessen war_es himmlisch ; der tiefliegende Kindertag , der ihn sonst beflügelte , wenn das Haus voll Gäste war und er -- wo er nur wollte , kam wieder herauf ; die Gespräche spielten und beschenkten mit allem , was uns hebt und bereichert ; alle Kräfte waren ohne Ketten und im trunkenen Tanz .
Genialische Menschen haben so viele Festtage als andere Werkeltage und daher ertragen jene so schwer einen Trivial- und Schlendrians-Schalttag -- und vollends an solchen Jünglingstagen ! --
Wenn ihm Karl tragische Gewitterwolken aus Shakespeare , Goethe , Klinger , Schiller vorführte und sich das Leben kolossalisch im dichterischen Vergrößerungsspiegel beschaute :
so standen alle schlafenden Riesen seines Inneren auf , sein Vater kam und seine Zukunft , selber sein Freund stand neu wie aus jener glänzenden phantastischen Kinderzeit her Titan II. B ausgehoben da , wo er sich ihn in diesen Rollen vorgeträumt , und in den inneren Heldenzug wurde sogar die Wolke , die durch den Himmel schwamm , und die über den Markt wegmarschierende Wach-Truppe eingeschichtet .
Zu groß erschien ihm der Freund , weil er wie alle Jünglinge noch von Schauspielern und Dichtern glaubte , daß sie wie die Bergleute immer die Metalle in den Leib bekommen , in denen sie arbeiten .
Wie oft sagten beide in der Jünglings-Metapher : " das Leben ist ein Traum " und wurden bloß froher und wacher dadurch !
Der Greis sagt es anders .
Und die schwarze Todespforte , an welche Karl so gern hinführte , wurde vor dem Jünglingsauge eine Glastür , hinter welcher das helle goldene Zeitalter des verspäteten Herzens in unermeßlichen Auen lag .
Mädchen , bekenn ich -- da ihre Gespräche zerstückter , faktischer , und weniger berauschend sind -- erstehen statt eines solchen Eden-Parks einen hübschen holländischen Garten gut zugeschnitten von Krebs- und Damesscheeren , und ( nachmit- ) täglich dargereicht von der schwarzen Stunde , die ihnen auf dem Kaffee- oder Theebrette das schmale schwarze Brett einiger üblen Nachreden , ein paar neue dasitzende Shalws , einen wohlgewachsenen Menschen , der mit einem Testamente oder Trauschein vorbeigeht , und letztlich die Hoffnung des häuslichen Referats serviert .
-- Kommt zu den Jünglingen zurück !
Gegen Abend bekam der Hauptmann ein rotes Billet .
" Es ist ganz gut ! " sagte er zur Überbringerin und nickte .
" Wird nichts daraus " Madam ! " ( sagt ' er , sich gegen Albano kehrend . )
-- " Bruder , wahre Dich nur gegen " Eheweiber .
Schnappe einmal zum Spaße " nach einem roten Schminkläppen von ihnen : " flugs schieben sie Dir die Angelhaken in die " Rückenhaut * ) .
Der Haken sieben sind in " meiner allein , wie Du sie da siehst , seßhaft . "
Das unschuldige Kind Albano !
Es nahm es für etwas moralisch-Großes , die Freundschaft von sieben Eheweibern auf einmal zu behaupten und wäre froh in Karls Fall gewesen ; er * ) Anspielung auf die Art , Frösche mit einem Stückchen roten Tuch zu angeln . B 2 konnte das Schlimme nicht finden , daß die Freundinnen wie die Römer , der Viktoria ( nämlich uns ) gern die Flügel abschneiden , damit die Gottheit nicht weiter fliege .
-- An einem schönen Tag ist nichts so schön als sein Sonnenuntergang ; der Graf schlug vor , ins Abendrot hinauszureiten und auf der Höhe nach der Sonne zu schauen .
Sie trabten durch die Straßen ; Karl zog bald vor einer schönen Nase , bald vor einem großen Augenpaar , bald vor durchsichtigen Stirnlocken den großen schiefsitzenden Hut ab .
Sie flogen in die Lindenallee , die sich mit einer bunten Lambris von Spaziere -- Sitzerinnen festlich putzte .
Ein großes feurig durchblickendes Weib schritt im roten Schal und gelben Kleide durch das weibliche Blumenbeet hoch wie die Blumengöttin ; es war die Konzipientin des roten Blattes ; sie war aber aufmerksamer auf den schönen Grafen als auf ihren Freund .
An allen Wänden und Bäumen blühte das Rosenspalier des Abendrots .
Sie brausten die weiße Straße nach Blumenbühl hinauf -- an beiden Seiten schlug das goldgrüne Meer des Früh lings die lebendigen Wellen -- eine geflügelte Welt ruderte darin und die Vögel tauchten sich tief in die Blumen unter -- hinter den Freunden brannte die Sonne , und vor ihnen lag die Blumenbühle Höhe ganz rosenrot .
Oben wandten sie die Pferde gegen die Sonne , die hinter den Kuppeln und Rauchsäulen der stolzbrennenden Stadt in fernen hellen Gärten ruhte .
Nahe gerückt lag die erleuchtete Erde um sie her und Albano konnte die weißen Statuen auf Lianen Dach lebendig unter dem blühenden Gewölk erröten sehen .
Er drängte sein Pferd an das fremde , um die Hand auf Karls Achsel zu drücken ; und so sahen sie schweigend zu , wie die liebevolle Sonne die goldene Wolkenkrone ablegte und mit dem flatternden Laubgewinde um die heiße Stirn ins Meer hinunterzog .
Und als es dämmerte auf der Erde und glühte am Himmel und Albano sich hinüber neigte und seinen Freund ans brennende Herz herüberzog :
so stieg das Abendgeläute in Blumenbühl herauf -- " und dort drunten , " sagte Karl mit sanfter Stimme und kehrte sich hin , " liegt Dein friedlich Blumenbühl wie ein " stiller Kirchhof deiner Kindertage .
-- Wie " sind die Kinder glücklich , Albano , ach , wie " sind die Kinder glücklich ! "
-- " Sind wir_es " nicht ? " ( antwortete er mit freudigen Tränen ) " Karl , wie oft stand ich auf den Höhen " an Abenden wie dieser und streckte inbrünstig " meine kindischen Hände aus nach Dir und " nach der Welt . --
Nun habe ich_es ja alles .
" Wahrlich du hast nicht Recht . "
-- Aber er , am brausenden Ohrenklingen vergangener weiter Zeiten krank , blieb taub gegen das Wort und sagte : nur die Wiegenlieder , nur die zurücktönenden Wiegenlieder , schläfern die Seele ein , wenn sie heiß geweint hat .
Stiller und langsamer ritten sie zurück .
Albano trug eine neue Welt der Liebe und der Wonne in der Brust ; und der Jüngling , -- noch nicht ein Schuldner der Vergangenheit , sondern ein Gast der Gegenwart -- sank , vom langen Jubel des Tags süß abgespannt , in helldunkle Träume unter , gleichsam ein hoher Raubvogel still auf entzückt-offnen Schwingen hängend .
" Wir wollen die ganze Nacht bei Ratto bleiben . " sagte Karl in der Stadt .
55. Zykel .
Sie stiegen in Ratto's italienischen Keller hinunter .
Das Haus kam anfangs nach dem Anblicke der weiten Natur dem Grafen wie ein Felsenstück darüber gewälzt vor -- wiewohl ja jedes Stockwerk unter architektonischen Lasten liegt -- , aber das schwere Gefühl des unterirdischen Zwingers vergaß sich bald und sonderbar klang in die welsche Grube das hohe Rasseln der Wagen herein .
Der Hauptmann bestellte einen Punch royal -- --
Wenn er so fortfährt in seiner guten Feuerordnung und immer ein volles Gefäß im Hause hat als Löschanstalt und die Schlangenspritzen probiert :
so kann mein Buch nie der Vorwurf treffen , daß man darin wie im Grandison zuviel Tee konsumiere , eher zuviel starkes Getränk geht auf .
Schoppe saß im welschen Souterrain .
Er liebte den Hauptmann nicht , weil sein unversöhnliches Auge an ihm zwei ihm herzlich unleidliche Fehler auswitterte , " das chronische Geschwür der Eitelkeit und ein unheiliges Schlemmen und Prassen in Gefühlen . "
Karl gab die Abneigung zurück ; die heißesten Wellen seines Enthusiasmus setzten sogleich vor des Titularbibliothekars Gesichte Eisspieße an .
Nur heute nicht ! --
Er trank so hinlänglich vom Königspunsch -- wovon ein Paar Gläser durch alle Köpfe des Briareus oder der lernäischen Schlange durchbrennen konnten -- , daß er dann alles sagte , sogar das Fromme .
" Bei Gott !
"(sagt' er , sich im Bethesda-Teich durch -- Her " ausschöpfen heilend ) da es doch Lumperei mit " dem Besserwerden ist , so sollte man sich etwas " vor die Stirn drücken , damit der gehetzte Geist " nur einmal loskäme von seinen Wunden und " Sünden . "
-- " Von Sünden ? --
( sagte Schoppe ) " Läuse und Bandwürmer der besseren Art wer " den allerdings aus meinem Gebiet auswan "dern , wenn ich mich kalt mache ; aber die " schlimmen trägt mein innerer Mensch gewiß " mit hinauf .
Beim Henker !
wer sagt Euch " denn , daß dort der ganze hiesige Armesünders " Kirchhof auf einmal als eine unsichtbare Kir " che voll Märtyrer und Sokratesse einziehen " werde und jedes Bedlam als eine Loge zum " hohen Licht ? --
Ich dachte heute ans andere " Leben , als ich eine Frau auf dem Markte " mit fünf Schweinchen sah , die sie jedes mit " einem Strick am Bein , vor sich her treiben " wollte , die ihr aber wie elektrische Strah " Lehnbüschel auseinander fuhren ; jetzt schon , " sagt ' ich , mit unseren wenigen Kräften und " Wünschen , die das kultivierende Säkulum im " quintuplo stellte , geht es uns schon so erbärm " lich wie der Frau mit ihrer Kuppel , wenn " wir nun vollends zehn und mehr neue Ferkel "( da die zweite Welt wie ein Amerika doch neue " Objekte und Wünsche bringen muß ) an den " Strick bekommen , wie will da der Ephorus " amtieren ? --
Auf größere unbeschreibliche " Nöten , Lehnsfrevel und Oppositionen mache ' " ich mich da gefaßt . "
Aber Roquairol war in seiner roten Lohe ; er setzte sich über Schoppe und sich hinweg und leugnete die Unsterblichkeit geradezu , um Schoppen zu parodieren : " ein " einziger Mensch , ( sagt ' er ) , glaubte seines we "gen allein schwerlich die Unsterblichkeit ; aber " da er mehrere sieht , hat er Mitleiden und " hält es der Mühe wert und glaubt , die zweite " Welt ist ein monte testaceo aus Menschen " Scherben .
Der Mensch kann Gott und dem " Teufel künftig nicht näher kommen , als er_es " hier schon tat ; wie ein Wirtshausschild ist " sein Revers so bemalt wie sein Avers -- Aber " wir brauchen die künstliche Zukunft zur Ge " genwart ; wenn wir noch so still schweben über " unserem Schlamm , so zappeln wir noch im " mehr wie stillliegende Karpfen , mit den poeti "schen Flossen und Flügeln .
Daher müssen wir " den künftigen Paradiesgarten so herrlich an " legen , daß nur Götter hineinpassen , aber so " wie in Fürstengärten , keine Hunde .
Lumpe " rei ist_es !
Wir schneiden uns verklärte Leiber " zu , die den Soldatenröcken gleichen ; Taschen " und Knopflöcher fehlen ; welche Freuden " können sie denn fassen ? -- "
Alban sah ihn staunend an .
" Weißt Du , Albano , was ich " meine ? --
Just das Gegenteil . "
So leicht wird der Phantasie alles , auch Laune .
Jetzt wurde er hinausgerufen .
Er kam zurück mit einem roten Billet .
Er warf die Halsbinde um -- à la Hamlet war er da gesessen -- und sagte zu Albano , in einer Stunde flieg er zurück .
Unter der Schwelle stockt er noch sinnend , ob er weg solle ; dann lief er rasch die Treppe hinan .
In Albano floß der Freudenbecher , worein der ganze Tag zugeschüttet hatte , mit dem glänzenden Schaume einer schalkhaften Laune über .
Beim Himmel !
Die Scherzhaftigkeit stand ihm so lieblich wie eine Rührung und er ging oft lange , ohne Sprechen , schalkhaft-lächelnd umher , wie schlummernde Kinder lächeln , wenn , wie man sagt , mit ihnen Engel spielen .
Roquairol kam wieder mit sonderbar empörten Augen ; er hatte wild in sein Herz hineingestürmt ; er war schlecht gewesen , um zu verzweifeln und unten auf dem Abgrund kniend dem Freunde sein Leben zu bekennen .
Dieser so willkürliche Mensch lag unwillkürlich auf den Windmühlen-Flügel seiner Phantasie geflochten und wurde bald von der Windstille gefesselt , bald vom Sturme umgeschleudert , den er zu durchschneiden glaubte .
Er wurde nach dem Beispiele der Feuerfresser , jetzt ein Feuersäufer , in der unruhigen Erwartung , daß Schoppe weiche .
Dieser wich endlich trotz Albanos Bitte mit der Antwort : " kaufet die Zeit , " sagte der Apostel , das heißt aber , fristet " euer Leben länger ; das ist die Zeit .
Dazu " fordern nun die besten Kaufbuden der Zeit , die " Apotheken , daß der Mensch nach dem Punch " royal zu Bette gehe und unmäßig schwitze . "
-- Wie wurde es jetzt anders ! --
Da ihm Zesara freudig um den Hals fiel -- da der Jugend-Rausch zu Liebesmelodien wurde , wie der Regen in der Höhle zu Derbyshire von ferne zu Harmonien -- da dem Grafen süß , wie man sich schlummernd verblutet , das ganze Innere , sein ganzes voriges Leben von der Lippe floß und alle Plane des künftigen , sogar die stolzesten ( nur der zarteste nicht ) -- und da er sich , wie ( nach der Burignon ) Adam im Unschulds- Stand , so kristallen-durchsichtig vor das befreundete Auge stellte , nicht aus Schwäche sondern aus altem Drang und im Glauben , so müsse der Freund sein :
so traten dem unglücklichen Roquairol helle Tränen der liebevollsten Bewunderung über die ungeschminkte Reinheit und über die energische , gläubige , noch in nichts schwankende Natur und über den fast zum Lächeln reizenden naiven hohen Ernst des rotwangigen Jünglings in die Augen .
Er schluchzte an dieser freudetrunkenen Brust und Albano wurde weich , weil er dachte , er sei es zu wenig und sein Freund so sehr .
" Hinaus , hinaus ! " sagte Karl ; und das war lange Albano's Wunsch .
Es schlug Ein Uhr , als sie auf der engen Kellertreppe die Sterne des Frühlingshimmels oben an der Einfahrt des Schachtes blitzen sahen .
Wie frisch quoll die eingeatmete Nacht über die heißen Lippen ! --
Wie fest baute sich über die flüchtigen Zeltgassen der Stadt die Welt-Rotunda mit ihren festen Sternenreihen dahin !
Wie erquickte und erweiterte sich das feurige Auge Albanos an den Riesenmassen des dämmernden Frühlings , an dem unter dem durchsichtigen Mantel der Nacht schlummernden Tag !
Zephyre , die Schmetterlinge des Tags , flatterten schon um ihre lieben Blumen und sogen aus den Blüten und trugen Weihrauch für den Morgen ein , eine schlaftrunkene Lerche fuhr zuweilen in den stillen Himmel hinauf mit dem lauten Tage in der Kehle , über die dunklen Auen und Stauden war schon der Tau gegossen , dessen Juwelenmeer vor der Sonne entbrennen sollte und in Norden wehten die Purpur-Wimpel der Aurora , die gen Morgen schifte . -- --
Erhebend faßte der Gedanke den Jüngling an , daß nun dieselbe Minute Millionen kleine und lange Leben messe und den Gang der Minierraupe und den Flug der Sonne und daß jetzt dieselbe Zeit durchlebet werde vom Wurm und von Gott , von Welten zu Welten , -- überall .
-- " O " Gott , " rief er , " wie herrlich ist_es , daß man " ist ! "
Karl klebte bloß mit dem hängenden schweren Gefieder des Nachtvogels an den heiteren Gestirnen um ihn : " wohl Dir , " sagte er , " daß " Du so sein kannst und daß die Sphinx in dei "ner Brust noch schläft .
Du weißt nicht , was " ich will .
Ich kannte einen Elenden , der sie " recht gut schildern konnte .
In der Brusthöhle " des Menschen , " sagte er , " liegt das Unge " heuer mit aufgehobenem Madonnengesicht auf " seinen vier Tatzen und lächelt eine Zeitlang " umher und der Mensch mit . --
Plötzlich springt " es auf , gräbt die Krallen in die Brust , zehr " schlägt sie mit dem Löwenschweif und den har " ten Flügeln und wühlt , drängt und tobt und " überall rinnt Blut an der ritzten Brusthöhe " le . --
Auf einmal legt es sich blutig wieder hin " und lächelt wieder fort mit dem schönen Ma " Tonnenangesicht .
O er sah ganz blutlos aus , " der Elende , weil das Tier so von ihm zehrte " und durstig an seinem Herzen leckte . "
" Gräulich ! ( sagte Albano ) " und doch ver "steh' ich Dich nicht ganz . " -- --
Der Mond hob jetzt sich und eine finster an seinen Seiten gelagerte Wolken - Herde empor und zog einen Sturmwind nach , der sie unter die Sterne jagte .
Karl fuhr wilder fort :
" Anfangs hatte ' " es der Elende noch gut , er hatte noch derbe " Schmerzen und Freuden , rechte Sünden und " Tugenden ; aber als das Untier immer schnell " leer lächelte und zerriß und er immer schneller " Lust und Pein , Gutes und Böses wechselte ; " und als Gotteslästerungen und Rotbilder in " seine Gebete krochen und er sich weder bekeh "ren noch verstocken konnte : da lag er in öder " Verblutung in der lauen , grauen , trockenen " Nebel-Masse des Lebens da und starb so " durch das Leben fort .
-- " " Warum weinest Du ?
Kennst Du den " Elenden ? "
-- " Nein , " sagte Albano mild .
-- " Ich bin_es ! "
-- " Du ?-- schrecklicher Gott , " Du nicht ! "
-- " O , ich bin_es ; und wenn Du " mich auch verachtest , Du wirst was ich . . .
" Nein , mein Unschuldiger , ich sage es nicht .
" Sieh , jetzt steht die Sphinx wieder auf .
O " bete mit mir , hilf mir , daß ich nicht sündigen " muß , nur nicht muß .
Ich muß saufen , ich " muß verführen , ich muß heucheln -- ich " heuchle jetzt -- "
Zesara sah das starre Auge , das bleiche zerrissene Gesicht und schüttelte liebend-entrüstet ihn mit beiden Armen und stammelte gerührt : " das ist beim Allmächtigen nicht " wahr ; Du bist ja so sanft und blas und un " glücklich unschuldig . "
-- " Rosenangesicht ( sagte Karl ) , ich scheine " Dir rein und hell wie der dort droben * ) , " aber er wirft wie ich den langen Schatten gegen " den Himmel hinauf . "
-- Zesara ließ ihn los , sah lange nach dem erhabenen dunklen wie ein Lei * )
Der Mond .
Leichenzug um das Elysium haltenden Tartarus und drückte bittere Tränen weg , die über die Erinnerung flossen , daß er darin seinen ersten Freund gefunden , der sich jetzt neben ihm auflöse .
Da brach der Nachtwind eine von der Waldraupe getötete Tanne daraus ab und Albano zeigte stumm auf die Niederbrechende ; Karl rief erschrocken : " ja , das bin ich ! "
-- " Ach Karl , habe ich Dich denn heute verloren ? " sagte der schuldlose Freund mit unendlichem Schmerz und die schönen Sterne des Frühlings fielen wie zischende Funken in seine Wunde .
Vor diesem Worte löste sich Karls gespanntes Herz in treue gute Tränen , ein heiliger Geist kam über ihn und gebot ihm , die reine Seele nicht zu quälen mit seiner , ihr nicht den Glauben zu nehmen , ihr das wilde Ich und jede Eigensucht stumm zu opfern .
Sanft legte er sich an des Freundes Herz und mit zauberisch leisen Worten und voll Demut und ohne Feuerbilder sagte er ihm sein ganzes Herz -- und daß es nicht böse sei , sondern nur unglücklich und schwach -- und daß er nur so herzlichaufrichtig gegen ihn , der zu gut von ihm Titan II. C denke , habe sein müssen wie gegen Gott -- und daß er schwöre bei der Stunde des Todes , zu werden wie er , ihm ewig alles zu bekennen , sich zu heiligen an ihm -- " Ach ich wurde " nur noch so wenig geliebt ! " beschloß er . --
Und Albano , der liebestrunkene , glühende Mensch , der gute Mensch , der an sich die heiligen Übertreibungen der Reue kannte und der diese Bekenntnisse für jene hielt , kehrte begeistert in den alten Bund zurück mit Liebe ohne Maß .
" Du bist ein warmer Mensch !
( sagte Karl ) " Warum liegen denn die Menschen immer wie " die Toten auf den , Bernhardus-Berg * ) ein " ander erfroren an der Brust , mit steifem Auge ' , " mit starren Armen ? --
O warum kamst " Du so spät zu mir ?
Ich wäre anders ge "worden .
Warum kam jene ** ) so früh ?
-- " Dort im Dorfe drunten an der engen niedre " gen Kirchtüre , da sah ich Sie zuerst , durch * )
Die unbekannten Erfrorenen werden von den Mönchen unbegraben an einander jeder an die Brust des anderen angelehnt . ** )
Linda de Romeiro . " die mein Leben zur Mumie wurde .
Wahrlich " ich spreche jetzt gefasst .
Man trug vor mir " her , als ich heraus spazieren ging , einen lei " chen-weissen Jüngling auf einer Bahre in den " Tartarus ; es war nur eine Statue , aber sie " war das Ebenbild meiner Zukunft .
Ein böser " Genius sagte zu mir : liebe die Schöne , die " ich Dir zeige .
Sie stand an der Kirchtüre " von Kirchleuten umzingelt , die sich über die " Kühnheit wunderten , womit sie mit beiden " Händen eine silbergraue züngelnde Schlange " annahm und wog .
Wie eine kühne Göttin " senkte sie die feste ebene Stirn , das schwarze " Auge , die Rosenblüten ihres Angesichts auf " den von der Natur platt getretenen Otterkopf " und spielte damit dicht an ihrem Herzen .
" " Kleopatra ! " sagte ich , obwohl ein Knabe .
" Auch sie verstand es schon , blickte ruhig und " kalt von der Schlange auf und gab sie zu " rück und wandte sich um. O an meine junge " Brust warf sie die erkältende Leben-fressende "Viper . --
Aber wahrlich jetzt ist_es vorbei und " ich spreche ruhig .
Nur in den Stunden , Alba " no , wo mir aus jener Nacht meine blutigen C 2 " Kleider , die meine gute Schwester aufgeho "ben , zu Gesichte kommen , da leide ich mehr " und frage : armer gutmeinender Knabe , war " um wurdest Du denn älter ?
Aber wie ge " sagt , es ist ganz vorbei .
Zu Dir , nur zu " Dir spreche ein besserer Genius : liebe die " Schöne , die ich Dir zeige ! " --
Aber welche Welt von Gedanken flog jetzt auf einmal Albano zu !
" Er martert ( dachte ' " er , ) mit dem alten Argwohne über Romeiro " fort -- ich will Herz gegen Herz öffnen und " es dem guten Bruder sagen , daß ich ja seine " Schwester ewig liebe . "
-- Seine Wangen glühten , sein Herz flammte , er stand priesterlich vor dem Altare der Freundschaft mit der schönsten Gabe , mit der Aufrichtigkeit .
" O " jetzt , Karl , " sagte er , " wäre sie wohl anders " gegen Dich -- mein Vater reiset mit ihr und " Du wirst sie sehen . "
-- Er ging Hand in Hand schneller mit ihm einer dunklen Baumgruppe zu , um im Schatten die zart-errötende Seele zu öffnen .
" Nimm mein teuerstes " Geheimnis hin , ( fing er an ) -- aber sprich " nicht davon -- und nicht mit mir-- errätst " Du es nicht , mein erster Bruder ? die Seele " nicht , die ich so lange liebte wie Dich ? " -- Leise , leise setzte er dazu :
" Deine Schwester ? " und sank ihm auf den Mund , um die ersten Laute wegzuküssen .
Aber Karl , im Aufruhr des Entzückens und der Liebe wie eine Erde bei dem Aufgange des Frühlings , bändigte sich nicht ; er preßte ihn an sich ; er ließ ihn los ; er umfaßte ihn wieder , er weinte selig , er drückte Albanos Augen zu und sagte neu-verschwistert : Bruder !
Vergeblich wollte Albano mit der Hand jede andere Silbe auf seinen Lippen erdrücken .
Er fing vor dem betroffenen Jüngling -- der unter der einsamen und poetischen Bücherwelt eine höhere Zartheit gewonnen als die Wirklichkeit des Umgangs lehrt -- Lianen abzumalen an , wie sie dulde und handle , wie sie für ihn Sorge und rede und sogar verarme , um seine Schulden zu tilgen ; wie sie ihn nie hart tadle , sondern nur mild bitte , und alles das nicht aus künstlicher Duldung , sondern aus heißer echter Liebe und wie doch das noch kaum das Beiwerk ihres Bildes sei .
Er war in seiner reineren Begeisterung als ihn dieser Abend zugelassen , darum so selig , weil er seine Schwester unter allen Menschen am meisten und uneigennützigsten und am freisten von poetischer Schwelgerei und Willkür lieben konnte -- ordentlich dadurch gestärkt , daß er einmal aus reiner heiliger Liebe jauchzen dürfe , zog die Hände wieder frei gemacht heraus , die bisher wie Milos seine im Baum des Glücks und Lebens , den er zerreißen wollte , eingeklemmt gefangen waren ; er atmete frische Lebenslust und Mut und der Plan seiner inneren Vollendung war jetzt durch neues Glück und schönes Bewußtsein hold geründet .
-- Der Mond stand hoch , die Wolken waren vertrieben , und nie ging der Morgenstern zwei Menschen heller auf .
Elfte Jubelperiode .
Stickrahmen -- Anglaise -- cereus serpens -- musikalische Phantasien .
56. Zykel .
Freudig trug Roquairol am ersten Abende , da er seinen Vater verreiset wußte , zum Freunde die Bitte , zur Mutter mitzugehen .
Albano errötete zauberisch über jene feurige Nacht zum erstenmal , die ihm das älteste Geheimnis abgedrungen ; denn bisher hatten beide in den gemeinen Stunden des Lebens das Heiligtum nicht wieder berührt .
Nur der Hauptmann konnte leicht und gern von Linda so wie von jedem Verluste sprechen .
Liane erblickte ihren Bruder -- den regierenden Schöpfer ihrer weichsten Stunden -- allezeit mit herzlichster Freude , ob er gleich mei stens etwas haben wollte , wenn er kam ; vor Freude trug sie ihm das Buch , woraus sie der stickenden Mutter vorgelesen , in der Hand entgegen .
Sie und die Mutter hatten den ganzen Tag heiter und einsam mit gegenseitigem Ablösen in Sticken und Lesen verlebt ; so oft der Minister verreiste , waren sie zugleich von Unfriede und Visiten-Chariwari frei .
Wie gerührt erkannte Albano das Morgenzimmer wieder , aus dem er das erstemal das teure Mädchen nur als Blinde in der Ferne zwischen Wasserbogen stehen sehen !
Die gute Liane nahm ihn unbefangener auf , als er es durch Karls Einweihung in seine Wünsche bleiben konnte .
Welche paradiesische Mischung von unberechneter Scheu und überfließender Freundlichkeit , Stille und Feuer , von Blödigkeit und Anmut der Bewegung , von scherzender Güte , von schweigendem Wissen !
Dafür gebührt ihr der herrliche Beiname Virgils , die jungfräuliche .
In unseren Tagen der weiblichen Krachmandeln , der akademischen Kraftfrauen , der Hopstänze und Doublermarschschritte im platten Schuh kommt der virgilianische Titel nicht oft vor .
Nur zehn Jahre lang ( vom 14ten an gezählt ) kann ich ihn einem Mädchen geben ; später wird es manierierter .
Dreizehn und siebzehn Jahre zugleich ist gewöhnlich ein solches holdes Wesen alt .
Warum warst Du so reizend-unbefangen , zarte Liane , als weil Du wie die Bourignon nicht einmal wußtest , was zu fliehen war und weil Deine heilige Schuldlosigkeit noch das verdächtige Ausspähen der entlegensten Absichten , das an die Erde gebückte Behorchen des kommenden Feindes und alle kokette Manifeste und Ausrüstungen ausschloß ? --
Die Männer waren Dir noch gebietende Väter und Brüder ; und darum erhobst Du zu ihnen noch nicht stolz , sondern so freundlich das treue Augenpaar !
-- Und mit diesem gütigen Blick und mit ihrem Lächeln -- dessen Fortdauer oft auf männlichen Gesichtern , aber nicht auf jungfräulichen die Titelvignette der Falschheit ist -- nahm sie unseren edlen Jüngling an , aber ihn nicht allein .
Sie setzte sich an den Stickrahmen ; und die Mutter schiffte den Grafen bald in das kühle Weltmeer allgemeiner Gespräche ein , in das nur zuweilen der Sohn eine grüne warme Insel herauf trieb .
Alban sah zu , wie Liane ihre musivischen Blumenstücke wachsen ließ ; wie die kleine weiße Hand auf dem schwarzen Atlasgrunde ( Froulays Thorax soll an seinem Geburtstage die Blumen anziehen ) lag , und wie ihre reine Stirn , von gekräuselten Haaren durchsichtig überwebt , sich vorbückte und wie sich ihr Angesicht , wenn sie sprach oder wenn sie neue seidene Farben suchte , mit dem höheren Feuer der Arbeit im Auge und auf der Wange beseelt aufrichtete .
Karl streckte ihr zuweilen hastig die Hand entgegen .
Sie reichte ihre willig hinüber , er legte sie zwischen seine beiden und wandte sie um , sah in die inwendige , drückte sie mit beiden und die Geschwister lächelten einander liebreich an .
Und da lächelte Albano allemal treuherzig aus den Gesprächen mit der Mutter mit herein .
Aber armer Held ! --
Schon an sich ist_es herkulische Arbeit , neben einer feinen müßig zu sitzen , neben Sticken , Miniaturmalen u. s. w. ; aber vollends mit deinem Geiste , der so viele Segel nebst einem Paar Stürmen hinter drein hat , untätig neben dem Stickrahmen zu ankern und nicht etwan ein Herkules zu sein , ( das wäre leicht , ) welcher spinnt , sondern einer , der nur spinnen sieht -- und das vor dem großen Frühling und Sonnenuntergange draußen -- und noch dazu neben der wortkargen Mutter ( überhaupt ist_es schon neben jeder eine Unmöglichkeit , ein erhebliches Gespräch mit der Tochter einzuleiten ) -- -- das sind schwere Sachen .
Er sah scharf gegen die gestickte Flora nieder :
" Mich schmerzt nichts so sehr " -- sagte er , weil er überall philosophierte und weil ihn alles Vergebliche auf der Erde peinlich beklemmte -- " als das so viele tausend künstliche " Zieraten auf der Welt umsonst geschaffen " werden , ohne daß sie je ein Auge trifft und " genießet .
Mir kann es ordentlich nahe ge " hen , wenn das grüne Blättchen hier nicht " besonders angesehen wird . "
Mit derselben Trauer über fruchtlose ungenossene Pflanzungen der Mühe hielt er oft sein Auge nahe an den Tapeten-Baumschlag , an geblümte Zeuge , an architektonische Verzierungen .
Liane konnte es für einen malerischen Tadel des überladenen Näh-Gartens nehmen , den sie bloß ihrem Vater zu Liebe so voll säte -- denn Froulay , aus den Zeiten gebürtig , wo man noch mit dem Kleide die Tressen besetzte , knöpfte gern ein kleines Seiden-Herbarium an den Leib -- ; aber sie sagte nichts als lächelnd das :
" Nun das Blättchen ist dem bösen Schick " soll ja entgangen , es ist angeschaut . "
" Was tut Vergehen und Vergeblichkeit ? " ( nahm Roquairol voll Gleichgültigkeit gegen den Lektor , der eben hereintrat , das Wort und voll Gleichgültigkeit gegen die Meinung der Mutter , der wie dem Vater ihn nur die Bitten der Schwester zuweilen unterwarfen ) " Genug , " wenn etwas ist .
Über der Wüste singen die " Vögel und ziehen die Sterne und kein Mensch " sieht die Pracht .
Wahrlich überall geht in und " außer dem Menschen mehr ungesehen vorüber " als gesehen .
Die Natur schöpft aus ewigen " Meeren und erschöpft sich nicht ; wir sind auch " eine Natur und sollen schöpfen und ausgie " ßen und nicht immer bekümmert dem wässern " den Nutzen jedes Strichregens und Regenbo " gens nachrechnen .
-- Sticke nur fort , Schwa " ster ! " beschloß er ironisch .
" Die Prinzessin kommt heute ! " sagte der Lektor und entzückt über die Hoffnung küßte Liane der Mutter die Hand .
Sie sah oft und vertraulich von der Stickerei zu dem Hofmann auf , der sehr einheimisch zu sein schien , aber als ein feiner Mann , eben so geehrt und ehrend war , als stehe er zum erstenmal da .
Die Anmeldung der Prinzessin setzte den Hauptmann in eine reizende gelenke Freude ; eine weibliche Rolle war ihm zur Gesellschaft so nötig wie den Franzosen zur Oper , und eine Frau , die da war , unterstützte ihn so sehr im Dozieren , wie Kant ein Knopf , der fehlte * ) .
Er nahm , um seine Schwester von den Blumen abzuführen , einer Statue auf dem Spiegeltische den roten Flor ab und warf ihm , wie ein kleines Morgenrot , den Lilien auf dem Gesicht der Stickerin über ; -- da gingen die * )
Er soll lehrend immer auf die leere Knopf- Stätte eines Studenten gesehen haben ; und wurde irre , als dieser sie besetzt hatte .
Türen auf und Julienne herein -- Liane verwickelte sich in die kleine Morgenröte unter dem Abheben derselben im Entgegeneilen .
-- Albano reichte ihr mechanisch die Hand zum Empfange des Schleiers -- und sie gab ihm diesen und einen weiten lieben Blick dazu -- -- o wie glänzte seiner trunken !
Julienne brachte ein Gefolge von Scherzen mit .
Der Hauptmann , der wie ein Feuerwerker , seinem Feuer alle Formen und Farben geben konnte , verstärkte sie mit seinen ; und seine Schwester säte gleichsam die Blumen , mit welchen die Zephyrretten der Scherze spielen konnten .
Julienne sagte fast zum Ja Nein und zum Nein Ja .
Nur gegen die Ministerin war sie ernst und nachgiebig , ein Zeichen , daß auf ihrer Disputier-Arena unter den Sandkörnern noch die Goldkörner lagen , indes für Philosophen die Arena der Preis und der Boden ist , zugleich das Schlacht- , März- und elysische Feld .
Den Grafen fixierte sie leidenschaftlich so kühn als nur Fürstinnen dürfen und pflegen ; und als er ihr wieder ins braune Auge blitzte , schlug sie es nicht nieder , sondern sie erinnerte ihn an ihren alten Besuch in Blumenbühl und fragte nach den Seinigen .
Er machte jetzt gern etwas , das so feurig war wie sein Inneres -- Lobeserhebungen .
Es ist gegen den feinsten Ton , Personen -- Sachen darf man -- mit Heftigkeit zu loben oder zu tadeln .
Indem er mit dankbarer Erinnerung seine Schwester Rabette malte : versank Julienne so ernst und tief in sein Auge , daß sie auffuhr und den Lektor nach den Touren der Anglaise fragte , die er in der Redoute vorgetanzt .
Als er sein Bestes getan im Nachschildern : sagte sie , sie habe kein Wort verstanden , man müsse es lieber exekutieren .
Und hiermit werden plötzlich sämtliche Leserinnen von mir auf einen Hausball von zwei Paaren geführt .
Sehet die Seelenschwestern neben einander wie zwei Flügel an Einer Taube harmonisch auf und nieder fliegen .
Albano hatte erwartet , Julienne werde sich durch feuriges vielgelenkes Geflatter von dem stillen Schweben ihrer Freundin unterscheiden ; aber beide wallten gleich Wellen leicht neben und in einander und keine Regung war zu viel und keine zu schnell .
Daher wünscht ich so oft , die Mädchen tanzten völlig und immer wie die Grazien und die Hören -- nämlich bloß mit einander , nicht mit uns Herren .
Der jetzige Bund der weiblichen Wellenlinie mit dem männlichen Schwalbenzickzack sowohl in der Bekleidung als in der Bewegung verschönert den Tanz nicht beträchtlich .
Liane nahm eine neue ätherische Gestalt an , wie etwan ein Engel unter dem Zurückfliegen in den Himmel seine holde irdische weglegt .
Für die weibliche Schönheit ist der Tanzboden , was für unsere das Pferd ist , auf beiden entfaltet sich der gegenseitige Zauber und nur ein Reiter holet eine Tänzerin ein .
Glücklicher Albano ! der du kaum von der dargebotenen Hand Lianen die Fingerspitzen anzufassen wagst mit deinen !
du bekommst genug .
Und siehe nur dieses freundliche Mädchen an , dessen Augen und Lippen die Charis so lachend für den Tanz erheitert , und das doch wieder so rührend erscheinet , weil es ein wenig erblasset !
Wie verschieden von jenen launischen oder ungelenken Stiefschwestern , die , mit dem hal ben ben Kato von Uttika auf dem faltigen oder gespannten Gesichte , hopsen , abfallen und schleifen .
Julienne flieht freudig hin und her und es ist schwer zu sagen , vor wessen Augen sie am liebsten flattere , vor Lianen oder Albano's .
-- Als es vorbei war : wollte es Julienne wieder von vorne anfangen -- Liane sah ihre Mutter an -- und bat sogleich ihre Freundin lieber um Abkühlung .
Es ist Vorwand !
Eine Freundin ist gern einsam mit der Freundin ; beide hatten sich vor anderen nur mit Herzen unter dem Schleier lieb und trachteten nach der dunklen Laube , wo er fallen durfte .
Liane hatte ordentlich eine liebende Ungeduld , bis sie mit ihrer Nebenseele , ihrem Zwillingsherzen zeugenfreie Minuten im Mai- und Abendgarten hatte pflücken können .
Sie kamen verändert zurück , voll weichen Ernstes .
Die schönen Wesen waren sich vielleicht im Innersten und im Stillen so ähnlich wie im Tanze und mehr als es schien .
Und so ging vor dem Jüngling ein schöngestirnter Abend vorbei !
Haltet ihm aber zu Titan II. D gute , daß er diesen Blütenstrauß so fest drückte und fasste , bis er einige Stacheln darin herausfühlte .
Sein Herz , dessen Liebe neben dem fremden schmerzlich wuchs , mußte dieses , ohne ein Zeichen der Antwort , zugleich höher und ferner finden .
Ihre Liebe war Menschenliebe -- ihr Lächeln galt jedem guten Auge -- sie war so heiter -- in Lila kam sie leicht in Rührung und in allgemeine Betrachtungen ; hier aber nicht -- freilich sah sie recht teilnehmend auf den wild-liebenden Bruder hin , der seit jener Beicht-Nacht gleichsam mit Eichenwurzeln sich um den Liebling strickte ; aber ihre halbblinde Liebe für den Bruder konnte ja im Trug des Wiederscheins auf dessen Freund nachglänzen . -- --
Das Alles sagte sich der Bescheidene .
Aber was er im vollen Maße der Entzückung genossen hatte , war die so steigende , helle , zarte , stete Liebe seines Seelenbruders . -- --
57. Zykel .
Über Lianen stille Gesinnung und Zesarens Zukunft werde ich nie Mutmaßungen anstellen , ob ich sie gleich vor ihrem Abdruck wie der wegstreichen könnte .
Ich erinnere mich , was wir herausbrachten , wenn ich und andere auf Hafenreffers offizielle Berichte über Sachen von Belang vorher die Hände deckten und nun mit bloßer Phantasie entwickeln wollten , wie es möchte gegangen sein -- -- es war nicht brauchbar .
Und natürlich !
Schon an und für sich haben die Weiber und spanischen Häuser , viele Türen und wenige Fenster und es ist in ihr Herz leichter zu kommen als zu schauen .
Vollends Mädchen !
Ich meine , da die Frauen sowohl physiognomisch als moralisch bestimmter , kecker entwickelt und gezeichnet sind :
so will ich lieber zehn Mütter als zwei Töchter erraten , und mithin abkopieren .
Die körperlichen Porträtmaler klagen eben so .
Wer die Nacht beobachtet , findet , daß sie die Zweifel und Sorgen , die er den Abend vorher über die Heldin seines Lebens aufgefangen , meistens bis gegen den Morgen hin totgemacht .
-- Albano schlug am Frühlingsmorgen die Augen im Leben wie in einem Siegeswagen auf und die frischen Rosse stampften davor und er durfte ihnen nur den Zügel lassen . D 2 Er stieg mit seinem Freund bei Lianen aus nach wenigen Jahren d. h. Tagen ; der Minister war noch nicht zurück .
Himmel ! wie neu und blüten-jung war ihre Gestalt und doch wechsellos ihr Betragen !
Warum kann ich , dachte er , nur ihre Bewegungen , nicht alle ihre Züge auswendig , warum kann ich dieses Antlitz nicht bis auf das kleinste Lächeln wie eine heilige Antike rein und tief in mein Gehirn abdrücken , damit sie in ewiger Gegenwart vor mir schwebe ? --
Darum , Lieber , schöne und junge Gestalten sind eben dem Gedächtnis wie dem Pinsel schwer und alte , schroffe , männliche beiden leichter .
-- Wieder mit Freuden und Seufzern füllte er sich durch ihr Schauen -- und sie wurden größer durch den nahen Garten , worein sich der Junis mit seiner Abendpracht lagerte -- o wenn ihm nur Eine Minute käme , wo seine ganze Seele begeistert reden dürfte !
Draußen lag der junge feurige Frühling wie ein Antinous im Garten und sonnte sich und der Mond stand , ungeduldig auf die schöne Juniusnacht , schon unter dem Morgenthor und traf noch den lebendigen Tag und die zögernde Sonne an . -- --
Aber die Mutter schlug dem fragenden Blicke Lianen den Sonnenuntergang ab , -- -- " des ungesunden Serien wegen * ) " .
Albano mit dem Herzen voll Männerblut fand diesen mütterlichen Verhack um die kindliche Gesundheit sehr klein .
Der Thorschluß seines heutigen Edens hätte sich nun in der nächsten Minute eingeläutet , wäre -- der Hauptmann und der cereus serpens nicht gewesen .
Jener kam vom welschen Dache herab gelaufen und verkündigte , der cereus blühe diesen Abend um zehn Uhr auf , sage der Gärtner , und er bleibe da , " und du mit " sagte er zu Albano .
Alles , was nur die doppelten Grenzen der schonenden Zartheit gegen Schwester und Freund zuließen , setzte er liebend ins Spiel um diesen zu erfreuen .
Liane bat ihn selber , das Blühen abzuwarten ; sie war so entzückt über das nahe ! --
Ihre Seele hing , wie Bienen und Tau , an Blumen .
Schon ihr * )
Die Zeit des Sonnenuntergangs , welche die südlichen Länder so sehr fliehen .
Freund , der fromme Spener , der ein trunkenes Auge auf diese lebendigen Arabesken an Gottes Throne heftete , hatte sie mit diesen stummen immer schlafenden Kindern des Unendlichen befreundet ; aber noch mehr ihr jungfräuliches Herz und ihr leidendes .
Sind euch nie zarte weibliche Seelen begegnet , in deren Blütezeit das Schicksal kalte Wolken geworfen und die nun gleich Rousseau andere Blumen als die der Freude suchten , und die in Tälern und auf Felsen sich ermüdeten und bückten , um zu sammeln und zu vergessen und von der gestorbenen Pomona zu flüchten zur jungen Flora ? --
Der Generalbass und das Latein , womit Hermes Mädchen zerstreuen will , weichen hier der weiten bunten Bilderschrift der Natur , der reichen Botanik .
Eine namenlose Zärtlichkeit für Liane kam in Albano's Seele am kleinen viersitzigen Eßtisch -- ihm war als sei er ihr jetzt näher und ihr Verwandter -- und doch faßte er die Verwandte nicht , wenn sie die Mutter aus jedem Ernst , worein diese versank , mit Scherzen zurück lockte .
-- draußen riefen die Nachtigallen die Menschen in die schöne Nacht ; und keiner schmachtete mehr als er hinaus .
Für Seelenaugen ist das Himmelblau , was für körperliche das Erdengrün , nämlich eine innige Stärkung .
Als Zesara endlich aus den Ketten des Zimmers , aus diesem geistigen Hausarrest , los und ledig hinaustrat unter das freie Reich des Himmels und aller Sterne und auf den magischen Statuen-Olymp , nach welchem er so oft sehnsüchtig aufgeblickt :
so schlug die gewaltsam zusammengezogene Brust elastisch auseinander , wie rückten die Sternbilder des Lebens in hellere Formen zusammen , wie waltete der Frühling und die Nacht ! --
Der alte Gärtner , der bloß aus dankbarer Anhänglichkeit ans " seelengute leutselige Fräulein " mit seltener Mühe dem cereus serpens solche Früh-Blüten abgenötigt hatte , stand schon als scheinbarer Beobachter der Blumen , in der Tat aber aufs größte Lob aufsehend , mit einem braunen , gezackten , punktierten und ernsten Gesichte droben , das mit keinem Lächeln zum Lobe ausforderte .
Liane dankte dem Gärtner , ehe sie an den Blüten war ; dann lobte sie diese und seine Mühe .
Der alte Mann wartete bloß , bis jeder andere von der Gesellschaft auch erstaunet war , darauf ging er schläfrig mit dem festen Glauben fort zu Bette , Liane werde ihn morgen schon so bedenken , daß er zufrieden sein müsse .
Der ausländische Nektarduft , der in fünf weißen gleichsam mit braunem Blätterwerk bekränzten Kelchen perlte , ergriff die Phantasie .
Die Wohlgerüche aus dem Frühling eines heißeren Weltteils zogen sie in entlegene Träume hin .
Liane strich mit leisem Finger , wie man über Augenlider gleitet , nur über die kleinen Duft-Vasen , ohne das volle Gärtchen von zarten Staubfäden , das sich im Kelche drängte , raubend anzustreifen :
" Wie lieblich , wie so " gar zart ( sagte sie kindlich-froh ) .
-- Wie " fünf kleine Abendsterne ! --
Warum kommen " sie nur Nachts , die lieben scheuen Blumen ? " --
Karl schien eine brechen zu wollen .
" O lasse ' " sie leben ( bat sie ) -- morgen sind sie ohnehin " tot . --
Karl !
so welkt so viel . " setzte sie leiser dazu .
" Alles ! " sagte er barsch .
-- Aber die Mutter hatte ' es wider Lianen Willen ge hört :
" Solche Sterbe-Gedanken , ( sagte sie ) " lieb ' ich an der Jugend nicht , sie lähmen ihr " die Flügel . "
-- " Und dann ( versetzte Liane , " es mädchenhaft-umkehrend ) bleibt sie eben ; " wie der Kranich in Kleists Fabel , dem man " die Flügel brach , damit er nicht fortzog mit " den übrigen ins warme Land . "
Dieser heitere bunte Schleier des tiefen Ernstes war unserem Freunde nicht durchsichtig genug .
Aber später hatte das gute Mädchen Mühe so auszusehen , wie die sorgsame Mutter es wollte .
Die betäubende Vorstecklilie der Erde , der Mond -- und das ganze blendende Pantheon des Sternenhimmels -- und die mit Nacht-Lichtern durchbrochene Stadt -- und die majestätischen hohen schwarzen Alleen -- und auf Fluren und Bächen das milchblasse Lunens- Silber , womit sich die Erde in einen Abendstern einspann -- und die Nachtigallen aus fernen Gärten -- rührte denn das nicht jedes Herz allmächtig an , daß es weinend seine Sehnsucht bekennen wollte ?
Und das weichste , das jetzt unter den Sternen schlug , hätte vermocht , den Schleier ganz über sich zu ziehen ? --
Beinahe !
Sie hatte es vor der Mutter gewohnt , die Träne ehe sie wuchs , so zu sagen mit dem Auge abzutrocknen .
Sonderbar erschien sie in der nächsten Minute dem Grafen .
Die Mutter sprach mit dem Sohn .
Liane stand , fern von jenem , mit halbverwandtem , vom Monde ein wenig entfärbtem Gesicht neben einer weißen Statue der heil. Jungfrau und blickte in die Nacht .
Auf einmal schaute und lächelte sie an , gleichsam als erschien ihr ein lebendiges Wesen im Äther-Abgrund und die Lippe wollte reden .
Erhabener und rührender war ihm noch keine Erdengestalt begegnet ; das Geländer , in das er griff , ging hin und her ( aber er selber regte es ) und seine ganze Seele rief : heute , jetzt liebe ich die Himmlische am höchsten , am innigsten .
So sagte er neulich auch , und so wird er öfter sagen ; kann der Mensch mit den unzähligen Wogen der Liebe Höhenmessungen anstellen und auf diejenige zeigen , die am meisten stieg ?-- So glaubt der Mensch stets , wo er auch stehe , in der Mitte des Himmels zu stehen .
Ach in dieser Minute wurde er wieder über rasch , aber eben mit einem Ach .
Liane ging zur Mutter und als sie an der Hand der Gefälligen ein kleines Schaudern fühlte , drang sie in sie , aus der Nachtluft zu gehen und gab nicht eher nach , als bis sie mit ihr die Zauberstätte verließ .
Die Freunde blieben zurück .
Nach Albano's Rechnung wäre es freilich nicht zu viel gewesen , hätte man sich in dieser offenherzigen Zeit , worin unsere heiligeren vom gemeinen Tage bedeckten Gedanken sich wie Steine offenbaren , bis gegen Morgen auf dem Dache aufgehalten .
Beide gingen eine Zeitlang schweigend auf und ab .
Endlich hielt sie der Rauchaltar der fünf Blumen fest .
Albano faßte zufällig die nahe Statue mit beiden Händen und sagte : " an hohen Orten will man " gern etwas hinabstürzen -- sogar sich oft .
-- " Und hinein in die Welt , in weite ferne Län " der möchte ' ich mich auch stürzen , so oft ich in " das Nachtrot dort schaue -- und so oft ich " unter Orangerie-Blüten komme , wie unter " diese .
Bruder , wie ist Dir ? --
Der Himmel " und die Erde breiten sich so aus : warum soll " denn der Geist so zusammenkriechen ? "
-- " Mir " ist eben so , ( sagt ' er , ) und im Kopf hat der " Geist überhaupt mehr Gelaß als im Herzen . "
Aber hier ging er zart-erratend auf schönen Umwegen zur zufälligen Eröffnung über , warum seine Schwester so bald hinuntergeeilt .
" Bis zum Eigensinn , ( sagt ' er , ) treibe sie " die Aufmerksamkeit für die Mutter -- das " letztemal merkte sie , daß die Mutter das Er " blassen unter dem Tanze sehe , sofort hörte sie " auf -- nur ihm zeige sie das ganze Herz und " jeden Blutstropfen und alle unschuldigen Thrä "nen dariu -- besonders glaube sie etwas von " der Zukunft , was sie der Mutter sorgsam ver " decke . "
" Sie lächelte vorhin für sich , "( sagte Albano und legte auf seine Augen " Karls Hand , ) als sähe sie ein Wesen aus der " Schleier-Welt droben . "
-- " Hast Du das , "( versetzte Karl ) auch gesehen ?
Und dann " regte sie die Lippe ? --
O Freund , Gott weiß , " was sie betört ; aber das ist gewiß , sie " glaubt fest , sie sterbe künftiges Jahr . "
-- Albano ließ ihn nicht weiter sprechen , zu heftig aufgeregt drückte er sich an des Freundes Brust , sein Herz schlug wild und er sagte : " O " Bruder , bleibe stets mein Freund ! "
Sie gingen hinab .
Im Zimmer , das an Lianen ihres stieß , fanden sie ihr Pianoforte offen .
Wahrlich das war_es , was dem Grafen fehlte .
In der Leidenschaft ( sogar im bloßen Feuer des Kopfes ) greift man weniger nach der Feder als nach der Saite ; und nur in ihr gelingt das musikalische Phantasieren besser , als das poetische , Albano setzte sich -- indem er dem Tonmuse dankte , daß es vier und vierzig Ausweichungen gebe -- mit dem Vorhaben an die Tasten , nun eine musikalische Feuertrommel zu rühren und wie ein Sturm in die stille Asche zu brausen und ein helles Funken- Heer von Tönen aufzujagen .
-- Er tat es auch , und gut genug und immer besser ; aber das Instrument sträubte sich .
Es war für eine weibliche Hand gebaut und wollte nur in weiblichen Tönen , mit Lauten-Klagen reden als eine Freundin mit einer Freundin .
Karl hatte ihn nie so spielen gehört und erstaunte über die Fülle .
Aber die Ursache war , der Lektor war nicht da ; vor gewissen Men schen -- und darunter gehörte dieser -- gefriert die spielende Hand , so daß man nur in einem Paar Blechhandschuhen hin und her arbeitet ; und zweitens , vor einer Menge spielt sich es leichter als vor Einem , weil dieser bestimmt vor der Seele haftet , jene aber zerflossen .
Und noch dazu , beglückter Albano !
Du weißt , wer dich hört . --
Die Morgenluft der Hoffnung umflattert dich in Tönen -- das wilde Jugendleben schreitet mit rüstigen Gliedern und lauten Schritten vor Dir auf und ab -- das Mondlicht , von keinem irdischen groben Lichte verunreinigt , heiligt das tönende Zimmer .
-- Lianen letzte Gesänge liegen vor dir aufgeschlagen und der anrückende Mondschein kann dich sie bald lesen lassen -- und die Nachtigall in der Mutter nahem Zimmer kämpfet , wie von der Tuba ins Feld gerufen , mit deinen Tönen . -- --
Liane trat mit ihrer Mutter erst spät herein , weil das heftige Ton-Getümmel für beide etwas Hartes und Peinigendes hatte .
Er konnte beide seitwärts am unteren Fenster sitzen sehen und wie Liane die Hand der Mutter hielt .
Karl ging in weiten Schritten nach seiner Sitte auf und ab und stand zuweilen an ihm still .
Albano trat in dieser Nähe der stillen Seele bald aus der harmonischen Wildnis in mondhelle einfache Stellen heraus , wo nur wenige Töne sich wie Grazien und eben so leicht verbunden hold bewegen .
Der künstliche Wirwar enharmonischer Irrlichter ist nur der Vorläufer der melodischen Charitinnen ; und nur diese allein schmiegen sich an die weicheren Seelen an .
Ihm war bis zur Täuschung als spreche ' er laut mit Lianen ; und wenn die Töne immer wie Liebende dasselbe wiederholten vor Innigkeit und Lust : meinte er nicht Lianen , und sagte ihr :
wie lieb ich Dich , o wie lieb ich Dich ?
Fragt er sie nicht , was klagest Du , was weinest Du ? --
Und sagte er nicht zu ihr : Blick in dies stumme Herz und fliehe es nicht , o Reine , Fromme , Meine ?
Wie errötet der Gute , als plötzlich der liebkosende Freund ihm die Hände um die Augen legte , die bisher ungesehen im Dunkel , vor Liebe übergeflossen waren ! --
Karl trat heftig zur Schwester und sie nahm selber seine Hand und sagte Worte der Liebe .
Dann fleuch täte sich Albano in die brausende Wildnis so lange , bis die Augen getrocknet waren für den beleuchteten Abschied -- langsam ließ er die Wiege unseres Herzens ausschwanken und schloß so mild und leise und verstummte ein wenig und stand langsam auf . -- --
O in dieser jungen stummen Brust lebte alles , womit die herrlichste Liebe segnen kann !
Sie schieden ernst .
-- Niemand sprach über die Töne -- Liane schien verklärt -- Albano wagt es in dieser Geisterstunde des Herzens nicht , mit einem Auge , das sich so kurz vorher gestillt hatte , lange auf ihren milden blauen zu ruhen .
-- Ihre gerührte Seele drückte sie wie Mädchen pflegen , bloß am Bruder durch eine heißere Umarmung aus . --
Und dem heiligen Jüngling konnte sie scheidend den Ton und den Blick nicht verhehlen , den er nie vergisst . --
Er erwachte oft in dieser Nacht und wußte nicht , was sein Wesen so selig wiege -- ach der Ton war es , der durch den Schlummer nachklang , und das liebe Auge , das ihn noch in Träumen anblickte .
Zwölf Zwölfte Jubelperiode .
Froulays Geburtstag und Projekte -- Extrablatt -- Rabette -- die Harmonika -- die Nacht -- der fromme Vater -- die Wundertreppe -- die Erscheinung .
58. Zykel .
Glücklicher Albano !
du wärest es nicht geblieben , hättest du am Geburtstage des Ministers das gehöret , was er da vorbrachte !
Schon seit geraumer Zeit war Froulay voll bedenklicher gewitterhafter Zeichen und jede Minute konnte -- mußte man fürchten -- der Donnerschlag aus ihm fahren ; er war nämlich munter und mild .
So drohet auch bei phlegmatischen Kindern große Munterkeit Ausbruch der Pocken .
Da er Hausvater war und Despot -- die Griechen hatten für beides nur das Wort Titan II. E Despot -- : so erwartete man von ihm als ehelichem Wettermacher * ) , er werde die gewöhnlichen Stürme und Ungewitter für die Familie besorgen .
-- Eheliche Gewittermaterie zum bloßen Trüben der Ehe kann nie fehlen , wenn man bedenkt , wie wenig sogar zum Scheiden derselben gehöret , z. B. bei den Juden bloß daß die Frau zu laut schreie , das Essen anbrenne , ihre Schuhe am Platze der männlichen lasse u. s. w. . Noch dazu war manches da , worüber gut zu donnern war ; z. B. Liane , an welcher man die Missetat des -- Bruders heimsuchen konnte , weil dieser hartnäckig wegblieb und um keine Gnade bat .
Man ist immer gern auf Frau , Tochter und Sohn zugleich ungehalten und lieber ein Land- als Strichregen ; Ein Kind kann leichter eine ganze Familie versalzen als versüßen .
* ) Tempestiarii oder Wettermacher hießen im Mittelalter die Hexenmeister , welche Ungewitter erregen konnten .
Man brauchte in Kirchen Wettergebete gegen sie ; und andere Hexenmeister , die jenen entgegenarbeiteten .
Aber Froulay verblieb der lächelnde Johannes .
Ja trieb er_es nicht -- die Beweise habe ich -- soweit damit , daß er , da die Tochter der Prinzessin einmal beim Abschiede um den Hals fiel , anstatt ihr mit blitzenden Augen vorzuhalten , wie man Vertraulichkeiten bei Höheren nur annehmen , nicht erwidern , und sich eben da nicht vergessen müsse , wo sie sich vergessen -- und anstatt ernst zu fragen , ob sie ihn je in seiner wärmsten Liebe gegen den Fürsten wider die Dehors habe verstoßen sehen -- daß er , sage ich , anstatt dieses hagelnd und stürmend zu tun , diesmal bloß in die schönen Worte ausbrach :
" Kind , Du meinst es zu gut mit Dei "ner vornehmen Freundin ; frage Deine Mut " ter , sie weiß auch was freundschaftliche " Liaisons sind . "
Bloß Liane -- obwohl so oft von dieser Meerstille hintergangen -- war voll unsäglicher Hoffnung und Freude über den häuslichen Frieden und glaubte Bestand , zumal in der Nähe des väterlichen Geburtstages , dieser Olympiade und Normalzeit , wonach das Haus vieles rechnete .
Das ganze Jahr lauerte der Minister E 2 auf diesen Tag , um am Morgen , wenn die Wünsche kamen , das sichtbare Vergessen desselben nicht zu vergessen , sondern darüber zu erstaunen , -- die Geschäfte machen_es , sagte er -- und um Abends , wenn die Gäste kamen -- der Geschäfte wegen dinier er nie , sagte er -- erstaunen zu lassen .
Er war wechselnd der Anbeter und der Bilderstürmer der Etikette , ihre Ministerial- und Oppositionspartei , wie es gerade sein Schimmer gebot .
Liane drang so lange in den Bruder , bis er den Vater mit etwas zu erfreuen versprach ; er machte dazu ein Familienstückchen , worein er die ganze Beicht-Nacht zwischen sich und Albano einschob , nur daß er Albano in eine Schwester verkehrte .
Gern lernte Liane noch diese Rolle für den Geburtstag ein , ob sie gleich die blühende Weste lieferte .
Der Minister nahm die Weste , den Hauptmann und dessen Komödienzettel des abendlichen Spiels wider Vermuten -- gütig auf ; da er sonst wie einige Väter desto lauter knurrte , je öfter ihn die Kinder streichelten .
Er tanzte wie ein Polacke * ) ganz aufgeräumt mit seiner Familie dahin und versteckte die Peitsche fest unter den Pelz .
Es ging ihm jetzt nichts Schlemmers im Kopfe herum als bloß die Frage , wo das Liebhabertheater am besten , ob im Salon de lecture oder ob im Salon der Beins domestiques aufzuschlagen ; denn beide Säle waren ganz von einander und von anderen Zimmern durch die Namen unterschieden .
Der Tag kam .
Albano , dessen Einladung Karl ertrotzen müssen , weil der Minister seinen Stolz hasste aus Stolz , brachte leider den Ton in seiner Seele mit , den ihm das letztemal Liane nach Hause gegeben .
Seine Hoffnung hatte bisher von diesem Tone gelebt .
O verdenkt ihm nicht !
Das luftige Nichts eines Seufzers trägt oft eine Schäferwelt oder einen Orkus auf dem Ephemeren-Flügel .
Alles Wich * )
Die polnischen Tänzer tragen immer eine Peitsche unter dem Pelze , damit die Tänzerin durch die Schläge entschuldigt ist , wenn sie mit ihm fehlet .
Oberschles .
Monatsschrift , 1stes St. Jul. 1788 . tige ist wie ein Fels auf einen Punkt zu stellen , wo es ein Kinderfinger drehen kann .
Aber der Ton war verklungen .
Liane wusste es gar nicht anders , als daß man unter der Visitengemeinde -- deren moralische Pneumatophobie * ) sie nicht einmal ganz kannte -- vor jede betende Empfindung den Kirchenfächer halten müsse .
Logen , Parterre und Groschengalerie wurden fast um die gewöhnliche Schauspielszeit mit stiftsfähigen Gratulanten verziert und ausgefüllt .
Der deutsche Herr ragte sehr hervor durch den reichen Trotz seiner Verhältnisse .
Von der Visitenkompagniegasse kann im Durchgehen nur angemerkt werden , daß in ihr und im antiphlogistischen System der Sauerstoff die Hauptrolle spielte , welchen aber weniger die Lunge abschied als das Herz . --
Als der Vorhang auseinander ging und Roquairol jene Nacht der Vergebung und Entzückung noch feuriger wieder vorbeiführte als sie gewesen war ; als diese träumerische Nach * ) Geisterscheu . Äffung erst die rechte Wirklichkeit schien : wie glühend und tief brannte er sich dadurch in seines Freundes Seele ein !
( Guter Albano !
Diese Kunst , sein eigener Revenant , sein Vexir- und After- Ich zu werden , und die Prachtausgabe des eigenen Lebens nachzudrucken , hätte Dir kleinere Hoffnungen verstatten sollen ! ) -- Der Graf mußte in der ernsthaftesten Sozietät , die je um ihn saß , ausbrechen in ein unschickliches -- Weinen .
Und warum legte Karl Albano's Worte in jener Nacht der zauberischgerührten Liane in den Mund und machte die Liebe durch so viele Reize groß bis zum Schmerz ?
-- Selber der deutsche Herr gab Lianen , diesem weißen Schwan , der errötend durch das Abendrot des Phöbus schwamm , mehrere laute und dem Grafen verdrußliche Zeichen des Beifalls .
Der Minister war hauptsächlich froh , daß das alles zu seiner Ehre vorfalle und daß die Pointe des letzten Aktes , ihm noch einen ganz besonderen epigrammatischen Lorbeerkranz auf den Scheitel werfen müsse .
Er überkam den Kranz . --
Das Kinder paar wurde von der anwesenden Erlanger Literaturzeitung und von der bellettrischen sehr günstig rezensiert und mit Kronen überdeckt , mit edlen Märtyrerkronen . --
Der deutsche Herr hatte und brauchte das laute Recht , die Krönung und den Kronwagen anzuführen .
Niedriger Mensch ! warum dürfen deine Käfer-Augen über die heiligen Rosen , welche die Rührung und die Geschwister-Liebe auf Lianen Wangen pflanzt , nagend kriechen ? --
Aber wie noch viel munterer wurde der alte Herr -- so daß er mit den ältesten Damen badinirte -- , als er den Ritter sein Interesse an Lianen nicht phantastisch oder sentimentalisch , sondern durch stilles stetes Nähern und verständige Aufmerksamkeit , durch Scherze und Blicke und kluges Anreden und endlich durch etwas Entscheidendes herrlich an den Tag geben sah ? --
Der deutsche Herr zog nämlich den alten in ein Kabinett hinein und beide kehrten heftig-belebt daraus zurück .
Die einsame ins eigene Herz versenkte Liane flüchtete vom Giftbaum des Lorbeers weg zur erquickenden Mutter .
Liane hatte mitten in den stürmischen Mühlengängen täglicher Assembleen eine leise Stimme und ein zartes Ohr behalten und der Tumult hatte sie eingezogen und fast scheu gelassen .
Die schöne Seele erriet selten etwas -- eine schöne Seele ausgenommen -- ; so leicht ihr Ebenbild , so schwer ihr Gegenbild .
Bouverots Annäherungen schienen ihr die gewöhnlichen Vor- und Seitenpas der männlichen Höflichkeit ; und sein Ritter-Zölibat erlaubte ihr nicht , ihn ganz zu verstehen : -- prangen nicht die Lilien der Unschuld früher als die Rosen der Scham , wie die Purpurfarbe anfangs nur bleich färbt und erst später rot anglüht , wenn sie vor der Sonne liegt ? --
Sie hielt sich diesen Abend der Mutter nahe , weil sie an ihr einen ungewöhnlichen Ernst wahrnahm .
-- Als Froulay das Geburtstag-Kränzchen , worin mehr Stacheln und Stiele als Blumen steckten , oder das Dornenkronchen von seinem Kopfe heruntergetan hatte und in der Nachtmütze unter seiner Familie stand :
macht ' er sich an das Geschäft , worauf er den ganzen Abend gesonnen hatte .
" Täubchen ( sagt ' er zur Toch " ter ) und entlehnte einen guten Ausdruck aus " der Bastille * ) -- Täubchen , lasse mich und " Guillemette allein . "
-- Er entblößte jetzt das Ober-Gebiß durch ein eigenes Grinsen und sagte , er habe ihr wie er hoffe etwas Angenehmes zu hinterbringen .
" Sie wissen ( fuhr er " fort ) was ich dem deutschen Herrn schuldig " bin " --
Er meinte nicht Dank , sondern Geld und Rücksicht . -- --
Man will es sehr preisen an der Familie der Quinzier ** ) , daß sie nie Gold besessen ; ich führe -- ohne tausend andere Familien aufzustellen , von denen dasselbe zu beschwören ist -- nur die Froulaysche an .
Gewisse Familien haben wie Spiessglas durchaus keine chemische Verwandtschaft mit diesem Metall , wenn sie auch wollten ; -- wahrlich Froulay wollte ; er sah sehr auf seinen Vorteil ( auf etwas anderes nicht ) , er setzte ( obwohl nur in Kollisionsfällen ) gern Gewissen und Ehre bei Seite ; aber er brachte es zu nichts als zu gro * )
So nannten ihre Schließer die Gefangenen . ** ) Alexand. ab Al. V. 4. ßen Ausgaben und großen Projekten , bloß weil er das Geld nicht als Endzweck des Geizes , sondern nur als Mittel des Ehrgeizes und der Tätigkeit sucht .
Sogar für einige Gemälde , die Bouverot für den Fürsten in Italien gekauft , war er jenem noch den Kaufschilling schuldig , den er von der Kammer erhoben .
Durch seine Schuldbriefe stand er wie durch Zirkelbriefe in ausgebreiteten Verbindungen .
Er hätte gern seinen Ehekontrakt in einen Schuldbrief umgeschrieben und mit der Ministerin wenigstens die innigste Gemeinschaft -- der Güter gehabt ; --
denn unter den jetzigen Umständen grenzten Scheidung und Konkurs nachbarlich an einander -- ; aber wie gesagt , manche Menschen haben bei den besten Krallen -- wie der Adler des römischen Königs * )-- nichts darin . --
Er fuhr fort : " Jetzt höret diese Gene viel " leicht auf .
Haben Sie bisher Beobachtungen " über ihn gemacht ? "
-- Sie schüttelte .
" Ich , * )
Um sich von dem Adler des Kaisers zu unterscheiden , der in beiden Fängen etwas hält .
"( versetzt ' er , ) schon lange und solche , die mich " wahrhaft soulagierten ; -- j' avois le Netz bon " quant à cela -- er hat reelle Neigung für " meine Liane . "
Die Ministerin konnte keinen Verfolg erraten und bat ihn mit verdecktem Erstaunen , zur angenehmen Sache zu kommen .
Komisch rang auf seinem Gesicht der freundliche Schein mit der Erwartung , er werde sich sogleich erbosen müssen ; er versetzte :
" Ist Ihnen das " keine ?
Der Ritter meint es ernsthaft .
Er " will sich jetzt mit ihr heimlich verloben ; nach " drei Jahren tritt er aus dem Orden und ihr " Glück ist gemacht .
Vous etes je l'espere pour " cette fois un peu sur mes interets , ils sont " les votres . "
-- Ihr so schnell und tief getroffenes Mutterherz weinte und konnte kaum verhüllet werden .
"H. v. Froulay !
( sagte sie nach einiger Fas "sung ) ich verberge mein Erstaunen nicht .
Eine " solche Ungleichheit in den Jahren -- in den " Neigungen -- in der Religion * ) " -- -- * ) Bouverot war katholisch .
" Das ist des Ritters Sache , nicht unsere , " versetzt er erquickt von ihrer entrüsteten Verwirrung und warf wie das Wetter in seiner Kälte nur feinen spitzen Schnee , keinen Hagel .
-- " Was Lianen Herz anlangt , dieses bitte ich " Sie eben zu sondieren . "
-- " O dieses fromme " Herz ? --
Sie persiflieren ! "
-- " Posito ! desto " lieber wird das fromme Herz sich fügen , um " das Glück des Vaters zu machen , wenn sie " nicht die größte Egoistin ist .
Ich möchte die " gehorsame Tochter nicht gern zwingen . "
-- " N'epuises pas ce chapitre ; mon coeur est en " presse . --
Es wird ihr das Leben kosten , " das ohnehin an so schwachen Fäden hängt . "
"-- -- Diese Erwähnung schlug allezeit Zorn " Feuer aus seinem Kiesel : " tant mieux , ( sagt ' " er ) so bleibt es bei der Verlobung ! hätte ich " bald gesagt -- sacre -- -- !
Und wer ist " daran Schuld ?
So geht_es mir mit dem Haupt " Mann auch ; anfangs versprechen meine Kein " der alles , dann werden sie nichts . --
Aber , " Madame , ( indem er sich schnell und giftig zu " sammenfaßte und statt seiner Lippen und Zäh " ne bloß die Gehörwerkzeuge eines schlafenden " Schoßhundes mäßig drückte , )
Sie allein wies " sein ja alles durch Ihren Einfluß auf Liane " zu dressieren und zu redressieren .
Sie gehorcht " Ihnen vielleicht noch eher als mir .
Ich werde " dann nicht bei dem Ritter kompromittiert .
-- " Die Vorteile detaillier ich nicht weiter . "
Seine Brust wurde hier schön erwärmt unter dem Geierfell der Entrüstung .
Aber die edle Frau stand jetzt unwillig auf und sagte : " Herr von Froulay !
Bis " jetzt sprach ich nicht von mir --
Nie werde " ich es raten , oder billigen , oder zulassen ; " ich werde das Gegenteil tun . --
H. v. B. " ist meiner Liane nicht würdig . "
-- Der Minister hatte während der Rede mehrmals mit der Lichtschere ohne Not über den Wachslichtern zugeschnappt und nur die Flammenspitze geköpft ; die fixe Luft des Zorns strich jetzt die Rosen seiner Lippen ( wie die chemische die botanischen ) blau an .
-- " Bon ! -- "( versetzt ' er . ) --
Ich verreise ; Sie können " darüber reflechiren -- aber ich gebe mein Ehe " renwort , daß ich nie in irgend eine andere " Partie konsentiere , und wäre sie ( wobei er die " Frau ironisch ansah ) noch ansehnlicher * ) als " die eben projektierte -- entweder das Mädchen " gehorcht , oder sie leidet -- decides ! --
Mais " je me fie à l' amour que vous portes au pere , " et à la fille ; vous nous rendres tous asses " contens . "
Und dann zog er fort nicht als Gewitter sondern als Regenbogen , den er aus der achten Farbe allein verfertigte , aus der schwarzen und zwar mit den Augenbraunen .
Nach einigen mit der Mutter und -- Tochter zürnenden Tagen reiste er als Luigi's Geschäftsträger nach Haarhaar zur fürstlichen Braut .
Die bedrängte Mutter vertraute ihrem ältesten und einzigen Freunde , dem Lektor , das trübe Geheimnis .
Beide hatten jetzt ein reines Verhältnis der Freundschaft gegen einander , das in Frankreich durch die höhere Achtung für die Weiber häufiger ist .
In den ersten Jahren der Ministerialeschen Zwangsehe , die nicht mit Morgentau sondern mit Morgenreif anbrach , flatterte vielleicht der Dämmerungsvogel , Amor , ihnen nach ; aber später * )
Er meinte eine mit dem armen Lektor . vertrieben die Kinder diese Sphinx .
Über die Mutter wird oft die Gattin verschmerzt .
Sie nahm daher mit der ihr eigenen kalten und klaren Stärke alles Schwankende in ihrem Verhältnis gegen Augusti auf immer weg ; und er machte ihr die Festigkeit durch die seinige leichter , weil er bei mehr Ehr- als Weiber-Liebe über kein Flechtwerk röter wurde , als über das eines Korbes und irrig glaubte , ein Empfänger habe sich so zu schämen wie eine Empfängerin .
Der Lektor konnte voraussehen , daß sie auch nach ihrer Ehescheidung -- die sie nur Lianen wegen verschob -- schon darum unverbunden bleiben werde , um ihrer Tochter ein Allodialgut , Klosterdorf , für dessen Vorbehaltung sie nun 21 Jahre lang den Sturmbalken und Sichelwagen und Doppelhaken des alten Ministers bloßgestanden , nicht zu entziehen .
Ob sie einem so festen und zarten Manne , der in nichts von ihr abwich als in der Welt-Kälte gegen positive Religion , nicht ihre teure Liane selber schweigend zudenke , ist eine andere und schönere Frage .
Eine solche Wechsel gab gab wäre einer solchen Mutter und Freundin würdig , die aus ihrem Herzen wußte , daß Zart- und Ehrgefühl zusammen einer geliebten Seele ein festeres Glück bereiten als die Genieliebe , dieser Wechsel von fliegender Hitze und fliegender Kälte , dieses Feuer , das wie das elektrische stets zweimal zertrümmert , bei dem Anfliegen und bei dem Abspringen .
Der Lektor selber warf jene Frage nicht auf ; denn er machte nie unsichere , kecke Plane ; und welcher wäre ' es mehr gewesen als der einer solchen Verbindung bei seiner Armut oder bei einem solchen Schwiegervater in einem Lande , wo wie in Kursachsen ein so wohltätiges Gesetz (-- für die Eltern ) sogar eine vieljährige Ehe , die kein elterlicher Konsens geschlossen , wieder abbestellen kann ? --
Mit nassen Augen zeigte die Ministerin ihm die neuen Sturmwolken , die wieder über sie und ihre Liane heraufstiegen .
Sie konnte auf sein feines Auge für die Welt , auf seine stumme Lippe und auf seine gewandte Hand für Geschäfte bauen .
Er sagte -- wie immer -- das habe er alles vorausgesehen ; bewies ihr Titan II. F aber , daß Bouverot sein Ritterkreuz -- schon aus Habsucht -- nie gegen den Ehering vertauschen werde , welche Absichten er auch auf Lianen nähre .
Er ließ sie , so weit es die Schonung für ihre wunden Verhältnisse vertrug , es erraten , bis zu welchem Grade von Bereitwilligkeit für Bouverots Wünsche gerade Lianen zerbrechliches Leben den Minister locken könne , um es abzuernten , bevor es abblühe .
Denn Froulay brachte Zumutungen gegen die Ehre behender die Kehle hinab als Verletzungen seiner Eitelkeit , wie der Wasserscheue leichter derbe Brocken als Flüssiges .
Doch klang das alles der Ministerin nicht so unmoralisch-hart als Leser aus den mittleren Ständen denken möchten ; ich berufe mich auf die vernünftigeren aus den höheren .
Augusti und die Ministerin sahen , man müßte in der Abwesenheit des Ministers doch etwas für Liane tun ; und beide trafen wunderbar im Projekte zusammen . --
Liane muß aufs Land in dieser schönen Zeit -- sie muß ihre Gesundheit rüsten für die Kriege der Zukunft -- sie muß den Besuchen des Ritters ent zogen sein , die nun der Geburtstag vervielfältigen wild -- der Minister muß sogar gegen den Ort nichts einzuwenden haben . -- --
Und wo kann dieser liegen ? --
Bloß unter dem Dache des Direktors Wehrfritz , der den deutschen Herrn nicht ausstehen kann , weil er sein vergiftendes Verhältnis zum Fürsten weiß .
Aber freilich sind vorher noch andere Berge zu übersteigen als der nach Blumenbühl .
Selber der Leser muß jetzt über einen niedrigen hinüber ; und der ist ein kurzes komi-tragisches Extrablatt über den grünen Markt mit Töchtern .
Folgendes ist gewiß : jeder Inhaber einer sehr schönen oder sehr reichen Tochter verwahrt gleichsam einen Pit unter dem Dach , der ihm selber unbrauchbar ist und den er erst nach langem Ruhen einem Regenten * ) verkaufen * )
Ich meine nicht ( wie es etwa aus dem Verkaufen scheint ) Pit den Minister , sondern Pit den Diamanten , den der Vater des jetzigen dem Herzog Regenten von Frankreich verhandelte und für dessen Splitter er noch 12000 Dukaten bekam . F 2 muß .
Genau und merkantilisch gesprochen sind Töchter eigentlich kein Handelsartikel -- denn die elterlichen Großavanturhändler kann niemand mit jenen Trödlerinnen und Ständeloder Fratschlerweibern vermengen , deren Transitohandel man nicht gern nennt -- sondern eine Aktie , mit der man in einer Südsee gewinnt , oder eine Scholle , womit man das Grundstück symbolisch ( scotatione ) übergibt .
Je ne Fenz que mes paysages et donne les figures par dessus le marche * ) , sagte Claude Lorraine , wie ein Vater -- und konnte es leicht , weil er durch andere die Figuren in seine Landschaften malen ließ -- ; eben so werden nur die Rittersitze in den Kauf- oder Ehekontrakt gesetzt und die Braut , die auf jenen sitzt , darein gegeben .
Eben so höher hinauf ist eine Prinzessin bloß ein blühender Zweig , den ein fürstlicher Sponsus nicht der Früchte wegen , sondern weil sich ein Bienenschwarm * )
Ich verkaufe bloß die Landschaften und gebe die Figuren zum Kauf darein . von Land und Leuten daran angelegt , abnimmt und nach Hause trägt .
Hat ein Vater -- wie unser Minister -- nicht viel , so kann er die Kinder , wie die Ägypter die Eltern ( nämlich die Mumien davon ) als Schuld- und Faustpfänder oder Reichspfandschafte , die man nicht einlöset , einsetzen .
Jetzt hat sich der Kaufmannsstand , der sonst nur fremde Produkte vertrieb , auch dieses Handelszweigs bemächtigt ; mich dünkt aber , er hätte in seinem unteren Kaufgewölbe Spielraum genug , eigennützig und verdammt zu werden , ohne die Treppe hinaufzusteigen zur Tochter .
In Guinea darf nur der Adel handeln ; bei uns ist ihm fast aller Handel , außer dem kleinen mit den Töchtern und den übrigen wenigen Dingen , die auf den eigenen Gütern wachsen , abgeschnitten und verwehrt ; daher hält er so fest auf diese Handelsfreiheit und die Noblesse scheint hier ein für diesen zarten Handelszweig verbundene Hansa zu sein ; so daß man gewissermaßen den erhabenen Stand mit dem erhabeneren im eigentlichen Sinn vergleichen mag , den in Rom verkäufliche Leute besteigen mußten * ) , um besehen zu werden .
Es ist eine gemeine Einwendung sogenannter gefühlvoller junger Herzen , daß dergleichen Verhandlungen die Liebe sehr sperren oder gar sprengen ; indes ihr wohl nichts so sehr vorarbeitet als eben dies .
Denn ist nur der Handel geschlossen und vom Buchhalter ( dem Pfarrer ) ins Hauptbuch eingetragen :
so tritt ja die Zeit ein , wo die Tochter ihr Herz bedenken und versorgen darf , nämlich die schöne Zeit nach der Heirat , die allgemein in Frankreich und Italien und allmählich auch in Deutschland als die schicklichere angenommen wird , wo ein weibliches Herz frei unter der Männer-Schaar erwählen kann ; ihr Staat wird dann wie der venezianische , aus einem merkantilischen ein erobernder .
Auch den Gemahl selber unterbricht das kurze Handlungsgeschäft so wenig nach- als vorher in seiner Liebe ; nur tritt jetzt -- wie in Nürnberg dem Juden eine alte Frau -- unserem immer eine junge nach .
Ja oft fasset der * ) Plaut. Bach. Act. 4. Scene .
7. 4. 16. 17. eheliche Handels-Mann selber Neigung für das heimgeführte Subjekt -- welches ein ungemeines Glück -- und wie Moses Mendelssohn mit dem seidenen Waren-Bündel unter dem Arm seine Briefe über die Empfindungen aussann , so meditieren bessere Männer unter dem Handel Liebesbriefe an den Handelszweig und handeln mit der Jungfrau -- wie Kaufleute in Messina * ) mit der heiligen -- in Compagnie ; aber freilich solche profitable Verbindungen der Liebe mit Geschäften bleiben seltene Vögel und sind wenig zu prätendieren . -- -- -- Das Vorige schrieb ich für Eltern , die gern scherzen mit -- kindlichem Glück ; ich will jetzt aus ihrem und meinem Scherz Ernst machen .
Ich frage euch erstlich über euer Recht , moralischen freien Wesen die Neigungen oder gar den Schein derselben vorzuschreiben , und durch Eine Machthandlung den giftigen Blei- Zepter über ein ganzes freies Leben auszustrecken .
Eure zehn Lehrjahre des Lebens mehr * ) 7ter Teil der neuen Sammlung der Reisebeschreibungen . machen so wenig einen Unterschied in der gegenseitigen Freiheit als Talent oder sein Mangel .
Warum befehlt ihr denn Töchtern nicht eben so gut Freundschaft auf Lebenslang ?
Warum übt ihr bei der zweiten Ehe nicht dasselbe Recht ?
Aber ihr habt eben keines zu verwerfen , ausgenommen in der minorennen Zeit , wo das Kind noch keines hat , zu wählen .
Oder fordert ihr für die Erziehung zur Freiheit beim Abschiede als Ehrensold das Opfer der Freiheit ?
-- Ihr tut als hättet ihr erzogen , ohne selber erzogen zu sein , indes ihr bloß eine schwere geerbte Schuld , die ihr an eure Eltern nie bezahlen könnt , an eure Kinder abtragt ; und ich kenne hierin nur Einen unbezahlten Gläubiger , den ersten Menschen , und nur Einen insolventen Schuldner , den letzten .
Oder schützet ihr euch noch mit dem barbarischen unmoralischen römischen Vorurteil , das Kinder als weiße Neger der Eltern feilbietet , weil die frühere erlaubte Gewalt über das nicht-moralische Wesen sich hinter der Allmählichkeit seiner Entwicklung unbemerkt als eine über das moralische herüberschleicht ?
Dürft ihr aus Liebe Kinder zu ihrem Glück , so dürfen sie später eben so gut aus Dankbarkeit euch zu eurem zwingen .
Aber was ist denn das Glück , wofür sie ihr ganzes Herz mit allen seinen Träumen wegwerfen sollen ?
-- Meistens eures ; eure Beleuchtung und Bereicherung , eure Feind- und Freundschaften sollen sie mit dem Opfer des Innersten büßen und kaufen .
Dürft ihr eure stillen Voraussetzungen zum Glück einer Zwangsehe laut bekennen , z. B. die Entbehrlichkeit der Liebe in der Ehe , die Hoffnung eines Todesfalles , die vielleicht doppelte Untreue sowohl gegen den ehelichen Käufer als gegen den außerehelichen Geliebten ?
Ihr müsset Sünderinnen * ) voraussetzen , um nicht Räuber zu sein .
Tut mir nicht dar , daß Neigungsehen oft schlecht und Zwangsehen oft gut genug ausgefallen , wie an Herrnhutern , Germanen und Orientalern zu ersehen .
Nennt mir sonst lieber * )
Ich spreche mehr von Töchtern , weil diese die gewöhnlichsten und größten Opfer sind ; die Söhne sind unblutige Meßopfer . alle barbarische Völker und Zeiten her , worin , weil beide ja nur den Mann , nie die Frau berechnen , eine glückliche Ehe nichts bedeutet als einen glücklichen Mann .
Niemand steht nahe genug dabei , die weiblichen Seufzer zu hören und zu zählen ; der ungehörte Schmerz wird endlich sprachlos ; neue Wunden schwächen das Bluten der ältesten .
Ferner : am Mißgeschick der Neigungs-Ehen ist eben ihr Verwehren und euer Krieg gegen die Verehelichten Schuld . --
Ferner : jede Zwangs-Ehe ist ja meistens zur Hälfte eine Neigungs-Ehe .
Endlich : die besten Ehen sind im mittleren Stand , wo mehr die Liebe , und die schlechtesten in den höheren , wo die Rücksicht bindet ; und so oft in diesen ein Fürst bloß mit seinem Herzen wählte , so erhielt er eines und er verlor und betrog es nie . -- --
Welches ist denn nun die Hand , in welche ihr so oft die schönste , feinste , reichste , aber widersträubende presset ?
Gewöhnlich eine schwarze , alte , welke , gierige .
Denn veraltete , reiche oder steigende Libertins haben zu viel Kenntnis , Sättigung und Freiheit , um sich andere Wesen zu stehlen als die herrlichsten ; die minder vollkommenen fallen bloß Liebhabern anheim .
Aber wie niedrig ist ein Mann , der verlassen vom eigenen Wert , bloß vom fremden Machtgebot beschützt , sein Glück bezahlend mit einem gestohlenen , nun die unbeschirmte Seele von einer geliebten nachweinenden in ein langes kaltes Leben wegschleppen und sie in seine Arme wie in frostige Schwerter drücken und sie darin so nahe an seinem Auge blutend erbleichen und zucken sehen kann ! --
Der Mann von Ehre gibt schon errötend , aber er nimmt nicht errötend ; und der bessere Löwe , der tierische , schonet das Weib * ) ; aber diese Seeleneinkäufer erpressen vom bezwungenen Wesen noch zuletzt das Zeugnis der Freiwilligkeit .
Mutter des armen Herzens , das du durch Unglück beglücken willst , höre du mich !
Gesetzt deine Tochter härte sich ab gegen das aufgedrungene Elend : hast du ihr nicht den reichen Traum des Lebens zum leeren Schlafe gemacht und ihr daraus die glückseligen Inseln der Liebe genommen und alles was auf ihnen * ) Plin. H. N. VIII. 16. blüht , die schönen Tage , wo man sie betritt und das ewige frohe Umsehen nach ihnen , wenn sie schon tief im Horizonte mit ihren blühenden Gipfeln liegen ?
Mutter , war diese frohe Zeit in deiner Brust , so nimm sie der Tochter nicht ; und war sie dir grausam entzogen , so denke an deinen bittersten Schmerz und erb ihn nicht fort .
Gesetzt ferner , sie macht den Entführer ihrer Seele glücklich , rechne nun , was sie für den Liebling derselben gewesen wäre und ob sie dann nichts verdiene als den zu ihr von Einer Gefängnistüre auf immer eingeschlossenen Kerkermeister zu ergötzen ? --
Aber so gut ist es selten ; -- du wirst ein doppeltes Mißgeschick auf deine Seele häufen , den langen Schmerz der Tochter , das Erkalten des Gatten , der später die Weigerungen fühlt und rügt .
-- Du hast die Zeit verschattet , wo der Mensch am ersten Morgensonne braucht , die Jugend .
O macht lieber alle andere Tageszeiten des Lebens trübe , -- sie sind sich alle ähnlich , das dritte , und das vierte und fünfte Jahrzehnt -- nur bei Sonnenaufgang lasst es nicht ins Le ben regnen ; nur diese einzige , nie umkehrende , unersetzliche Zeit verfinstert nicht .
Aber wie , wenn du nicht bloß Freuden , Verhältnisse , eine glückliche Ehe , Hoffnungen , eine ganze Nachkommenschaft für deine Plane und Befehle opfertest , sondern das Wesen selber * ) , das du zwingst ?
Wer kann dich rechtfertigen oder deine Tränen trockenen , wenn die * )
Und das ist durchaus wahrscheinlich .
D. Eduard Hill berechnete , daß in England jährlich 8000 an der unglücklichen Liebe -- am gebrochenen Herzen , wie die Engländerinnen rührend sagen -- sterben .
Beddoes erweiset , daß die vegetabilische Kost -- und diese lieben gerade diese Wesen -- die Schwindsucht nähre und daß die weiblichen sich zu dieser neigen .
Noch dazu fallen die Zeiten der Sehnsucht , die schon ohne Fehlschlagen , wie das Heimweh zeigt , eine vergiftend-herumziehende Bleikugel ist , in die Jugend ein , wo der Same der Brustkrankheiten am leichtesten aufgeht .
O manche fallen in der Ehe unter falschen Auslegungen vor dem Todesengel , dem sie vor ihr das Schwert geschärft und gegeben . beste Tochter -- denn gerade diese wird gehorchen , schweigen und sterben , wie den Mönchen von La Trappe ihr Kloster niederbrennt , ohne daß einer das Gelübde des Schweigens bricht * ) -- wenn sie , sage ich , wie eine Frucht halb vor der Sonne halb im Schatten , nach außen hin blüht und nach innen kalt erbleicht , wenn sie , ihrem entseelten Herzen nachsterbend , dir endlich nichts mehr verhehlen kann , sondern Jahre lang die Blässe und die Schmerzen des Unterganges mitten im Aufgange des Lebens herumträgt -- und wenn du sie nicht trösten darfst , weil du sie zerstöret hast und dein Gewissen den Namen Kindermörderin nicht verschweigt -- und wenn nun endlich das ermüdete Opfer vor deinen Tränen daliegt und das ringende Wesen so bang und früh , so matt und doch lebensdurstig , vergebend und klagend mit brechenden und sehnsüchtigen Blicken peinlich-verworren und streitend in den bodenlosen Todesfluß mit den blühenden Gliedern untersinkt : o schuldige Mutter am Ufer , die du sie * ) Forsters Ansichten. I B. hineingestoßen , wer will dich trösten ? --
Aber eine schuldlose würde ich rufen und ihr das schwere Sterben zeigen und sie fragen : soll dein Kind auch so untergehen ? --
59. Zykel .
Es war ein romantischer Tag für Zesara , sogar von außen ; Sonnenfunken und Regentropfen spielten blendend durch den Himmel .
Er hatte einen Brief von seinem Vater aus Madrid bekommen , der auf den gedrohten Tod seiner Schwester endlich das schwarze Siegel der Gewißheit drückte und worin nichts Angenehmes war als die Nachricht , daß Don Gaspard mit der Gräfin de Romeiro , deren Vormundschaft er nun schließe , in dem Herbste ( dem italienischen Frühling ) nach Italien gehe .
Zwei Töne waren ihm aus der Tonleiter der Liebe gerissen , er erfuhr nie , wie man einen Bruder liebe und eine Schwester .
Das Zusammentreffen ihrer Sterbenacht mit der Tartarus-Nacht , dieses ganze Einkrallen in die heiligen Bilder und Wünsche seines Herzens empörte seinen Geist und er fühlte zornig , wie ohnmächtig eine ganze antastende Welt Lia nens Bild in ihm wegzurücken suche ; und fühlte wieder schmerzlich , daß eben diese Liane selber an ihr nahes Vergehen glaube .
-- So fand ihn eine unerwartete Einladung von der -- Ministerin selber -- -- Sonnenfunken und Regentropfen spielten auch in seinem Himmel .
-- Er flog ; im Vorzimmer stand der Engel , der die sechs apokalyptischen Siegel erbrach -- Rabette .
Sie war ihm entgegen gelaufen aus Scheu vor der Gesellschaft und hatte ihn früher umarmt als er sie .
Wie gern sah er ins bekannte redliche Angesicht !
Mit Tränen hörte er den Namen Bruder , da er heute eine Schwester verloren ! -- --
Die Ursache ihrer Erscheinung war diese : als der Direktor das letztemal bei der Ministerin war ; hatte diese mit leichter verdeckter Hand seiner Tochter " zur Kenntnis des " leeren Stadtlebens und zur Veränderung " -- ihr Haus geöffnet , um künftig an seines für ihre klopfen zu dürfen .
Er sagte , " er spe " dir ihr den weiblichen Wildfang mit Freuden . "
Und da ihm in Blumenbühl Rabette Nein , dann Ja , dann Nein , dann Ja geantwortet und und sie mit der Mutter noch vor Mitternacht eine Reichskammergerichts-Revision , einen Münzprobazions-Tag über alles gehalten hatte , was ein Mensch vom Land anziehen kann in der Stadt :
so packte sie dort auf und hier -- ab .
" Ach ich fürchte mich drinnen , ( sagte sie zu " Albano , ) sie sind alle zu gescheut und ich bin " nun so dumm ! " --
Er fand außer dem Familienkleebat noch die Prinzessin und die kleine Helena aus Lila , dieses schöne Medaillon eines schönen Tages für sein gerührtes Herz .
Unbeschreiblich ergriff ihn Lianen weibliche Annäherung an Rabette , gleichsam als teil er sie mit ihr .
Mit Leutseligkeit und Zartheit kam die Milde , die ohne Falsch und Stolz war , der verlegenen Gespielin zu Hilfe , auf deren Gesicht die angeborene lachende und beredte Natur jetzt sonderbar gegen den künstlichen Stummen-Ernst abstach .
Karl war mit seiner gewandten Vertraulichkeit mehr im Stand , sie zu umstricken als loszuwickeln ; bloß Liane gab ihrer Seele und Zunge schon durch den Stickrahmen freies Feld ; Rabette schrieb mit der Titan II. G Sticknadel zwar keine Zier- und Anfangsbuchstaben , aber doch eine gute Kurrenthand .
Sie gab -- das Gesicht gegen das brüderliche gewandt , um Mut davon zu holen -- von dem gefährlichen Wege und Umwerfen einen deutlichen Bericht und lachte dabei , nach der Sitte des Volks , wenn es sein Unglück erzählt .
Der Bruder war ihr auf Kosten der Gesellschaft selber die Gesellschaft und die Welt ; nach ihm allein strömte ihre Wärme und Rede hin .
Sie sagte : sie könne ihn aus ihrer Stube " klavieren " sehen .
Liane führte beide sofort darein .
Wie reich und erhaben über Rabettens Ansprüche ans Stadtleben war das jungfräuliche Hospitium ausgestattet , von der Tulpe an -- keiner blühenden , sondern einem Arbeitskörbchen von Liane , wiewohl jede Tulpe eines für den Frühling ist -- bis zum Klavier , von dem sie gegenwärtig freilich nicht mehr verbrauchen kann als sieben Diskanttasten für einen halben Walzer !
Fünf mäßige Kleiderkästen -- denn damit glaubte sie auszukommen und der Stadt zu zeigen , daß auch das Land sich kleiden könne -- stellten ihm in ihren wohlbekannten Blumenstücken und Blechbändern gleichsam die alten Drucke ( Inkunabeln ) der ersten Lebenstage vor ; und heute erquickte ihn jede Spur der alten Liebes-Zeit .
Sie ließ ihn seine Fenster suchen , aus deren einem der Bibliothekar einen soliden Blick auf einen Gassenstein heftete , um ihn immer zu treffen mit Anspucken .
Hier einsam neben dem Bruder sagte Liane der Schwester das Wort der Freundschaft lauter und versicherte , wie sie sie erfreuen wolle und wie gut und wahr sie es mit ihr meine .
O sehet in die Flamme der reinen religiösen schwesterlichen Liebe mit keinem gelben Auge des Argwohns !
Fasset ihr nicht , daß diese schöne Seele eben jetzt ihre reichen Flammen zerteile für alle Schwesterherzen , bis die Liebe sie zusammendrängt in Eine Sonne , wie nach den Alten die zerstreuten Blitze der Nacht am Morgen sich zu Einer dichten Sonne sammeln ?
-- Sie war überall Auge für jedes Herz ; wie eine Mutter vergaß sie nicht einmal die Kleine über Große ; und sie goß -- keiner streiche mir dieses kleine Beispiel weg -- der kleinen Helena G 2 die Tasse Kaffee , die der Doktor verbot , halb voll Sahne , damit er ohne Kraft und Nachteil sei .
Die ungeduldige Prinzessin hatte schon zehnmal nach dem Himmel geschaut , durch welchen bald Lichtstrahlen bald Regensäulen flogen -- bis endlich aus dem verzehrten Wolkenschnee das Blau in weiten Feldern wuchs und Julienne die erfreuten jungen Leute in den Garten zum Anstoß der Ministerin entführen konnte , die ungern Lianen dem Serien , fünf oder sechs Abendwind-Stößen und dem Waten durch das 1/19 Linie hoch stehende Regenwasser aussetzte .
Sie selber blieb zurück .
Wie war alles drunten so neu geboren , wiederscheinend und liebkosend !
Die Lerchen stiegen aus den fernen Feldern wie Töne auf und schmetterten nahe über dem Garten -- in allen Blättern hingen Sterne und die Abendluft warf das nasse Geschmeide , die zitternden Ohrrosen aus den Blüten in die Blumen herab und trieb süße Düfte den Bienen entgegen .
Die Idylle des Jahrs , der Frühling , teilte sein holdes Schäferland unter die jungen Seelen aus .
Al bano nahm die Hand seiner Schwester , aber er hörte mühsam auf ihre Berichte vom Hause .
Liane ging mit der Prinzessin weit voraus und labte sich am offenen Himmel der Vertraulichkeit .
Plötzlich stand Julienne mit ihr scherzend still , um den Grafen heranzulassen und zu fragen nach Briefen von Don Gaspard und nach Nachrichten von der Gräfin Romeiro .
Er teilte mit erglühendem Gesicht den Inhalt des heutigen mit .
In Julienne Physiognomie lächelte fast Neckerei .
Auf die Nachricht von Linda's Reise versetzte sie : " daran erkenne ich " sie : alles will sie lernen -- alles bereisen . --
Ich " pariere , sie steigt auf den Montblanc und in " den Vesuv .
Liane und ich nennen sie darum " die Titanide . "
Wie freundlich hörte diese zu , mit den Augen ganz auf der Freundin !
" Sie " kennen sie nicht ? " fragte sie den Gepeinigten .
Er verneinte heftig .
Roquairol kam nach ; " passés , Monsieur , " sagte sie Platz machend und ihn fortwinkend .
Liane blickte sehr ernst nach .
" La voici ! " sagte Julienne , indem sie an einem Ringe ihrer kleinen Hand durch einen Druck die Decke eines Bildnisses aufspringen ließ . -- --
Guter Jüngling !
es war ganz die Gestalt , welche in jener Zaubernacht aus dem Lago maggiore aufstieg , dir von den Geistern zugeschickt !
-- " Sie ist getroffen " sagte sie zu dem erschütterten Menschen .
" Sehr ! " sagte er verwirrt .
Sie untersuchte dieses widersprechende " Sehr " nicht ; aber Liane sah ihn an : " sehr -- " schön und kühn ! " ( fuhr er fort ) aber ich liebe " Kühnheit an Weibern nicht . "
-- " O , das " glaubt man den Männern gern , versetzte Ju " Line ; keine feindliche Macht liebt sie an der " anderen . "
Sie gingen jetzt in der Kastanienallee vor der heiligen Stätte vorbei , wo Albano die Braut seiner Hoffnungen zum erstenmal hinter den Wasserstrahlen hatte glänzen und leiden sehen .
O er hätte hier mit dieser vom Gegeneinanderarbeiten wunderbarer Verhältnisse bangerhitzten Seele gern vor dem nahen stillen Engel niederknien mögen ! --
Die zarte Julienne merkte , sie habe ein bewegtes Herz zu schonen ; nach einem ziemlich lauten Schweigen sagte sie in ernstem Ton : " ein holder Abend !
Wir " wollen aufs Wasserhäuschen .
-- Liane wurde " da geheilt , Graf !
Die Fontänen müssen auch " springen . "
-- " O die Fontänen ! " sagte Albano und sah unbeschreiblich-gerührt Lianen an .
Sie dachte aber , er meine die im Flötental .
Helena gebot hinter ihnen , zu warten und kam mit zwei Händchen voll gepflückter tauiger Aurikeln nachgetrippelt und gab sie alle Lianen , von ihr als der Kollatorin der Benefizien die Blumen-Spende erwartend : " auch die Kleine denkt noch an den schönen " Sonntag in Lila " sagte Liane .
Sie gab der Prinzessin ein Paar und Helena nickte ; und als Liane sie ansah , nickte sie wieder zum Zeichen , der Graf soll auch etwas haben ; -- " noch mehr ! " rief sie als er bekommen ; und je mehr jene gab , desto mehr rief sie " mehr ! "
-- wie Kinder in den Hyperbeln ihres Hanges zur Unendlichkeit pflegen .
Man ging über eine grüne Brücke und kam in ein niedliches Zimmer .
Stadt des vorigen Pianofortes stand ein gläsernes Heiligenhaus der Tonmuse da , eine Harmonika .
Der Hauptmann schraubte innen hinter einem Ta petenthürchen und sogleich fuhren draußen alle festgebundenen Springwasser mit silbernen Flügeln gen Himmel .
O wie brannte die beregnete Welt , als sie hinaus auf die Höhe traten !
Warum warst du , mein Albano , gerade in dieser Stunde nicht ganz glücklich ? --
Warum stechen denn durch alle unsere Bündnisse Schmerzen und warum blutet das Herz wie seine Adern am reichsten , wenn es erwärmt wird ? --
Über ihnen lag der stille verwundete Himmel im Verband eines langen weißen Gewölks -- die Abendsonne stand noch hinter dem Palast , aber auf beiden Seiten desselben wallte ihr Purpurmantel aus Wolken in weiten Falten über den Himmel hin -- und wenn man sich umkehrte nach Osten , zu den Bergen von Blumenbühl , so liefen grüne Lebens-Flammen hinauf und wie goldene Vögel hüpften die Irrlichter durch die feuchten Zweige und an die Morgenfenster , aber die Fontänen warfen noch ihr weißes Silber in das Gold . -- --
Da schwamm die Sonne mit roter heißer Brust goldene Kreise in den Wolken ziehend hervor und die gebogenen Wasserstrahlen brannten hell....
Julienne sah Albano , neben welchem sie immer gleichsam gutmachend geblieben , herzlich an als ob es ihr Bruder wäre , und Karl sagte zu Liane :
" Schwester , Dein " Abendlied ! "
-- " Von Herzen gern : " sagte sie ; denn sie war recht froh über die Gelegenheit , sich mit dem wehmütigen Ernst ihres Genusses zu entfernen und drunten in der einsamen Stube auf den Harmonikaglocken alles laut zu sagen , was die Entzückung und die Augen verschweigen .
Sie ging hinab , das melodische Requiem des Tages stieg herauf -- der Zephir des Klanges , die Harmonika , flog wehend über die Garten-Blüten -- und die Töne wiegten sich auf den dünnen Lilien des aufwachsenden Wassers und die Silberlilien zersprangen oben vor Lust und Sonne in flammige Blüten -- und drüben ruhte die Mutter Sonne lächelnd in einer Aue und sah groß und zärtlich ihre Menschen an . -- --
Hältst du denn dein Herz , Albano , daß es mit seinen Freuden und Leiden verborgen bleibt , wenn du die stille Jungfrau im Mondschein der Töne wandeln hörst ?
O wenn der Ton , der im Äther vertropft , ihr das frühe Verrinnen ihres Lebens ansagt und wenn ihr die langen weichen Melodien als das Rosenöl vieler zerdrückter Tage entfließen : denkst du daran nicht , Albano ?
-- Wie der Mensch spielet !
Die kleine Helena wirft mit Aurikeln nach den lodernden Wasseradern , damit sie eine mit aufschleudern ; und der Jüngling Zesara bückt sich weit über das Geländer und lässt an der schiefen Hand den Wasserstrahl auf sein heißes Gesicht und Auge abspringen , um sich damit zu kühlen und zu verhüllen . --
Durch seine Schwester wurde ihm der feurige Schleier geraubt , Rabette gehörte unter die Menschen , welche dieses tönende Beben sogar physisch zernagt -- so wie wieder den Hauptmann die Harmonika wenig ergriff , der immer am wenigsten gerührt war , wenn es andere am meisten waren -- ; die Unschuldige war mit keinen Schmerzen weniger vertraut als mit süßen ; die bittersüße Wehmut , worein sie in der müßigen Einsamkeit der Sonntage versank , hatten sie und andere bloß für Verdrießlichkeit gescholten .
Jetzt fühlte sie auf einmal mit Errö then ihr rüstiges Herz wie von heißen Strudeln gefasst , umgedreht und durchgebrannt .
Ohnehin war es heute durch das Wiederfinden des Bruders , durch das Verlassen der Mutter und die verlegene Bangigkeit vor Fremden und selber durch den Sonnenroten Blumenbühle Berg hin und her bewegt .
Umsonst kämpften die frischen braunen Augen , und die überreife volle Lippe gegen den aufwühlenden Schmerz , die heißen Quellen rissen sich durch und das blühende Angesicht mit dem kräftigen Kinn stand errötend voll Tränen .
Schmerzlich verschämt und bange , für ein Kind gehalten zu werden , zumal da alle Rührungen der Anderen unsichtbar geblieben waren , drückte sie das Schnupftuch über das brennende Gesicht und sagte zum Bruder : " ich muß fort , mir ist nicht wohl , es " will will ersticken . " -- und lief hinab zur sanften Liane .
Dahin trage nur die scheuen Schmerzen !
Liane wandte sich und sah sie schnell und heftig die Augen trockenen .
Ach ihre waren ja auch voll .
Da Rabette es sah : sagte sie mutig : " ich kann_es ja nicht hören -- ich muß heulen -- " ich schäme mich wohl recht . "
-- " O Du Li " bes Herz , ( rief Liane freudig ihr um den Hals " fallend ) schäme Dich nicht und blicke in mein " Auge -- Schwester , komme zu mir , so oft " Du bekümmert bist , ich will gern mit Deiner " Seele weinen und will Dein Auge noch eher " abtrocknen als meines . "
-- Ein überwältigender Zauber war in diesen Liebestönen , in diesen Liebesblicken , weil Liane wähnte , sie trauere über irgend einen verfinsterten Stern des Lebens . --
Und nie hat die furchtsame Dankbarkeit ein verehrtes Herz frischer und jugendlicher umarmet als Rabette Lianen .
Da kam Albano .
Vom Austönen des Wiegenliedes erwachend war er ihr nachgeeilt , ohne alle kalte und andere Tropfen von seinen feurigen Wangen zu wischen ; " wie ist Dir , Schwa " ster ? " fragte er eilig .
Liane , noch in der Umarmung und Begeisterung schwebend , antwortete schnell :
" Sie haben eine gute Schwester , ich " will sie lieben wie ihr Bruder . "
Die süßen Worte , die so innig gerührten Seelen , der feurige Sturm seines Wesens rissen ihn dahin und er umschloß die Umarmenden und drückte die verschwisterten Herzen an einander und küßte die Schwester ; als er über Lianen bestürztes Wegbeugen des Kopfes erschrak und Blutrot aufflammte . -- --
Er mußte entfliehen .
Mit diesen wilden Erschütterungen konnte er nicht vor Lianen und vor den kalten Spiegeln der Gesellschaft bleiben .
Aber die Nacht sollte so wunderbar werden wie der Tag ; er eilte mit Lebens-Blicken , die wie zornige aussahen , aus der Stadt zur Titanide , zur Natur , die uns zugleich stillet und erhebet .
Er ging vor aufgedeckten Mühlenrädern vorbei , um welche sich der Strom schäumend wand . --
Die Abendwolken streckten sich wie ausruhende Riesen aus und sonnten sich im Morgenrot Amerikas -- und der Sturm fuhr unter sie und die feurigen Zentimanen standen auf -- die Nacht baute den Triumphbogen der Milchstraße und die Riesen zogen finster hindurch .
-- Und in jedem Elemente schlug die Natur wie ein Sturmvogel den rauschenden Flügel .
Albano lag , ohne es kaum zu wissen , auf der Wald-Brücke Lilars , worunter die Wind ströme durchrauschten .
Er glühte gleich den Wolken , von seiner Sonne nach -- seine inneren Flügel waren wie die des Strausses , voll Stacheln und verwundeten ihn im Erheben -- -- der romantische Geistertag , der Brief des Vaters , Lianen Auge voll Tränen , seine Kühnheit und seine Wonne und Reue darüber und jetzt die erhabene Nacht- Welt auf allen Seiten um ihn her , zogen erschütternd im jungen Herzen hin und her -- er berührte mit der Feuer-Wange die beregneten Gipfel und kühlte sich nicht , und war dem tönenden fliegenden Herzen , der Nachtigall , nahe und hörte sie kaum . -- --
Wie eine Sonne geht das Herz durch die blassen Gedanken und löschet auf der Bahn ein Sternbild nach dem anderen aus . -- --
Auf der Erde und an dem Himmel , in der Vergangenheit und in der Zukunft stand vor Alban nur eine Gestalt ; " Liane " sagte sein Herz , " Liane " sagte die ganze Natur .
Er ging die Brücke hinab und stieg die westlichen Triumphbogen hinauf , das dämmernde Lila ruhte vor ihm . --
Siehe da sah er den alten " frommen Vater " auf dem Gelän der des Bogens eingeschlummert .
Aber wie anders war die verehrte Gestalt als er sie sich nach der des verstorbenen Fürsten vorgemalt !
Die unter dem Quäkerhute Reichvorwallenden weißen Locken , die weiblich und poetisch runde Stirn , die gebogene Nase und die jugendliche Lippe , die noch nicht im späten Leben einwelkte , und das Kindliche des sanften Gesichts verkündigten ein Herz , das in der Dämmerung des Alters ausruht und nach Sternen blickt .
Wie einsam ist der heilige Schlaf !
Der Todesengel hat den Menschen aus der lichten Welt in die finster überbaute Einsiedelei geführt , seine Freunde stehen draußen neben der Klause ; drinnen redet der Einsiedler mit sich und sein Dunkel wird immer heller und Edelsteine und Auen und ganze Frühlingstage entglimmen endlich -- und alles ist hell und weit ! --
Albano stand vor dem Schlaf mit einer ernsten Seele , die das Leben und seine Rätsel anschauet , -- -- nicht nur der Ein- und Ausgang des Lebens ist vielfach überschliert , auch die kurze Bahn selber ; wie um ägyptische Tempel , so liegen Sphinxen um den größten Tempel und anders als bei der Sphinx löset das Rätsel nur der , welcher stirbt .
-- Der alte Mann sprach hinter dem Sprachgitter des Schlafs mit Toten , die mit ihm über die Morgen-Auen der Jugend gezogen waren und redete mit schwerer Lippe den toten Fürsten und seine Gattin an .
Wie erhaben hing der mit einem langen Leben übermalte Vorhang des veralteten Angesichts vor der hinter ihm tanzenden Schäferwelt der Jugend nieder und wie rührend wandelte die graue Gestalt mit dem jugendlichen Kranz im kalten Abendtau des Lebens umher und hielt ihn für Morgentau , und sah nach Morgen und der Sonne ! --
Nur die Locke des Greises rührte der Jüngling liebend-schonend an ; er wollte ihn -- um ihn nicht mit einer fremden Gestalt zu erschrecken -- verlassen ehe der aufgehende Mond seine Augenlider weckend berührte .
Nur wollte er vorher den Lehrer seiner Geliebten mit den Zweigen eines nahen Lorbeerbäumchens bekränzen .
Als er davon zurückkam : drang schon der Mond mit seinem Glanze durch die die großen Augenlider ; und der Greis schlug sie auf vor dem erhabenen Jüngling , der mit dem glühenden Rosenmond seines Angesichts vom Monde verkläret vor ihm wie ein Genius mit dem Kranze stand .
" Justus ! ( rief der Alte ) " bist Du es ? "
Er hielt ihn für den alten Fürsten , der eben mit blühenden Wangen und offenen Augen in der Unterwelt des Traums mit ihm gegangen war .
Aber er kam bald aus dem träumerischen Elysium ins botanische zurück und wußte sogar Albano's Namen .
Der Graf faßte mit offener Miene seine Hände und sagte ihm , wie lange und innig er ihn achte .
Spener erwiderte wenig und ruhig , wie Greise tun , die alles auf der Erde so oft gesehen .
Der Glanz des Mondlichts floß jetzt an der langen Gestalt herab und das ruhig-offene Auge wurde erleuchtet , das nicht sowohl eindringt als alles eindringen lässt .
Die fast kalte Stille der Züge , der junge Gang der langen Gestalt , die ihre Jahre aufrecht trug als einen Kranz auf dem Haupte nicht als Bürde auf dem Rücken , mehr als Blu Titan II. H men denn als Früchte , die sonderbare Mischung von vorigem männlichen Feuereifer und weiblicher Zartheit , alles dieses weckte vor Albano gleichsam einen Propheten des Morgenlandes auf .
Dieser breite Strom , der durch die Alpen der Jugend niederbrauste , zieht jetzt still und eben durch seine Auen ; aber werft ihm Felsen vor , so steht er wieder brausend auf .
Der Greis sah den jugendlichen Jüngling je öfter je wärmer an , in unseren Tagen ist Jugend an Jünglingen eine körperliche und geistige Schönheit zugleich .
Er lud ihn ein , ihn in dieser schönen Nacht in sein stilles Häuschen zu begleiten , welches droben neben der Turmspitze steht , die oben ins Flötental herein schauet .
Auf den sonderbaren Irrsteigen , die sie jetzt wandelten , verwirrte sich Lila vor Albano zu einer neuen Welt , wie nächtliche fliegende Silber-Wolken bauten sich die dämmernden Schönheiten in immer andere Reihen durcheinander und zuweilen drangen beide durch ausländische Gewächse mit grellfarbigen Blüten und wunderlichen Düften .
Der fromme Vater fragt ihn teilnehmend sein voriges und jetziges Leben ab .
Sie kamen vor einen dunklen Gang in der Erde .
Spener faßte freundlich Albano's rechte Hand und sagte , dieser führe zu seiner Bergwohnung hinauf .
Aber bald schien es hinabzugehen .
Der Strom des Tales , die Rosana , klang noch herein , aber nur einzelne Tropfen des Mondlichts sickerten durch zerstreute mit Zweigen übersponnene Bergöffnungen durch .
Die Höhlung sank weiter nieder -- noch ferner rauschte das Wasser im Tale .
-- Und doch sang eine Nachtigall immer nähere Lieder -- Albano schwieg gefasst .
Überall gingen sie vor engen Pforten des Glanzes vorbei , den bloß ein Stern des Himmels herein zu werfen schien .
-- Sie stiegen jetzt zu einer fernen erleuchteten Zauberlaube hinab aus hellroten und giftigen dunklen Blumen , aus kleinen Zackenblättern und großem breiten Laube zugleich gewölbt und ein verwirrendes weißes Licht , halb von hereinschäumend Strahlen lebendig verspritzt und halb aus Lilien nur als weißer H 2 Staub angeflogen , zog das Auge in einem trunkenen Schwindel -- Zesara trat geblendet hinein und indem er rechts nach dem einregnenden Feuer sah , fand er Speers Auge scharf links geheftet -- er blickte hin und sah im Vorübereilen einen alten Mann , ganz dem verstorbenen Fürsten ähnlich , in eine Nebenhöhle schreiten -- seine Hand zuckte erschrocken , Speers seine auch -- dieser drang eilig weiter hinab -- und endlich glänzte eine blaue gestirnte Öffnung -- sie traten hinaus . . . . . Himmel ! ein neues Sternengewölbe -- eine blasse Sonne zieht durch die Sterne und sie schwimmen ihr spielend nach -- unten ruht eine entzückte Erde voll Schimmer und Blumen , ihre Berge laufen leuchtend am Himmelsbogen hinauf und beugen sich herüber nach dem Sirius -- und durch das unbekannte Land wandeln Entzückungen wie Träume , worüber der Mensch vor Freude weint .
" Was ist das ?
Bin ich in oder über der " Erde ?
( sagte Albano erstaunt und flüchtete das " irrende Auge auf das Angesicht eines lebendigen " Menschen ) --
ich sah einen Toten . " -- --
Viel liebreicher als vorher antwortete der Greis : " das ist Lila , hinter uns ist mein Häuschen . "
Er erklärte den mechanischen Schein * ) des Hinabsteigens .
" Hier stand ich nun schon " so viel tausendmal und ergötzte mich herzen " neig an den Werken Gottes .
-- Wie sah die " Gestalt aus , mein Sohn ? "
-- " Wie der " tote Fürst , " sagte Alban .
Betroffen , aber fast gebietend sagte Spener leise : " schweige " wie ich bis zu seiner Zeit -- er war es nicht -- " Dein Heil und vieler Heil hängen daran -- " gehe heute nicht mehr durch den Gang . "
-- Albano durch den ganzen sonderbaren Tag halb entrüstet sagte : " Gut , so gehe ich durch " den Tartarus zurück .
Aber was bedeutet das * ) Waigel in Jena erfand die Verkehrtbrücke ( pons heteroclitus ) , eine Treppe , wo der Mensch hinabzugehen glaubt durch Aufsteigen .
Busch Handbuch der Erfindungen .
7. B. " Geister-Wesen , was mich überall verfolgt ? "
-- " Du hast ( sagte der Alte , ihm liebend und er " quieckend , auf die Stirn die Finger legend ) " lauter unsichtbare Freunde um Dich -- und " verlasse Dich überall auf Gott .
Es sagen so " viele Christen , Gott sei nahe oder ferne , seine " Weisheit und seine Güte erscheine ganz ab " sonderlich in einem Saeculo oder in einem " anderen -- das ist ja eitel Trug -- ist er nicht " die unveränderliche ewige Liebe und er liebt " und segnet uns in der einen Stunde nicht " anders als in der anderen ? "
Wie wir die Sonnenfinsternis eigentlich eine Erdfinsternis nennen sollten , so wird nur der Mensch verfinstert , nie der Unendliche ; aber wir gleichen dem Volke , das der Verfinsterung der Sonne im Wasser zusieht und dann wenn dieses zittert , ausruft : seht wie die liebe Sonne kämpft .
Albano trat in die Einsamkeit der reinlichen geordneten Wohnung des alten Mannes , nur beklommen , weil in der heißen Asche seines Vulkans alles üppiger trieb und grünte .
Spener zeigte von seinem Bergrücken hinüber auf das sogenannte " Donnerhäuschen * ) " und riet ihm , es diesen Sommer zu bewohnen .
Albano schied endlich , aber sein bewegtes Herz war ein Meer , in welchem die Morgensonne glühend noch halb steht und in welches sich in Abend ein bleifarbiges Gewitter taucht und das glänzend schwillt unter dem Sturm .
Er sah aus der Tiefe nach dem nachblickenden Greise hinauf ; aber er hätte sich heute kaum gewundert , wenn dieser versunken oder aufgestiegen wäre .
In zornig-mutigen Entschlüssen , für seine Liebe , wonach kalte Hände griffen , mit seinem Leben zu bürgen und zu opfern , schritt er durch den vom Vergrößerungsspiegel der Nacht zum schwarzen Riesen-Troß aufgezogenen Tartarus ohne alle Furcht ; so ist die Geisterwelt nur ein Weltteil unserer inneren , und das Ich fürchtet nur das Ich .
Da er vor dem Altare des Herzens in der stummen Nacht , wo nichts laut war als der Gedanke , stand , so riet ihm der kühne Geist einigemal , den alten Toten * )
Es hatte den Namen von seiner Höhe und von dem öfteren Einschlagen des Blitzes . zu rufen und laut zu schwören bei seinem Herzen voll Staub -- ; aber als er zum schönen Himmel aufsah , wurde sein Herz geheiligt und es betete nur :
" o guter Gott , gib mir " Liane ! -- "
Es wurde finster , die Wolken , die er für glänzende in den Himmel herübergebogen Gebirge einer neuen Erde genommen , hatten den Mond erreicht und düster überzogen .
Dreizehnte Jubelperiode .
Roquairols Liebe -- Philippika gegen die Liebhaber -- die Gemälde -- Albano Albani -- das harmonische Tete-a-tete .
-- die Blumenbühle Reise .
60. Zykel .
Aus den Tropfen , welche die Harmonika aus Rabettens Herzen gezogen hatte , bereitet der alte Zauberer , das Schicksal , wie andere Zauberer aus Blut , vielleicht finstere Gestalten ; denn Roquairol hatte es gesehen und sich über das Gefühl eines Herzens verwundert , das bisher mehr Arbeiten als Romane in Bewegung gesetzt hatten .
Nun trat er ihr mit Anteil näher .
Er hatte seit der Nacht des Schwurs sein Herz aus allen unwürdigen Ketten gezogen .
In dieser Freiheit des Sieges ging er stolzer einher und streckte die Arme leichter und sehnsüchtiger nach edler Liebe aus .
Er besuchte jetzt seine Schwester unaufhörlich ; aber er hielt noch an sich .
Rabette war ihm nicht schön genug neben der zarten Schwester , eine Bandrose neben einer von van der Ruysch ; sie sagte selber naiv , sie sehe mit ihrer Dorf-Farbe im weißen Linon wie brauner Tee in weißen Tassen aus .
Aber in ihren gesunden noch nicht von tragischen Tropfen mattgebeizten Augen und auf den frischen Lippen glühte Leben , ihr kräftiges Kinn und ihre gebogene Nase drohten und versprachen Mut und Kraft und ihr aufrichtiges Herz ergriff und verstieß entschieden und heftig .
Er beschloß sie zu -- prüfen .
Der Talmud * ) verbietet , nach dem Preis einer Sache zu fragen , wenn man sie nicht kaufen will ; aber die Roquairols feilschen immer und gehen weiter .
Sie reißen eine Seele , wie Kinder eine Biene entzwei , um aus ihr den Honig zu essen , den sie sammeln will .
Sie haben vom Aale nicht nur die Leichtigkeit , zu entschlüpfen , sondern * ) Basa Mezia. c. 4. m. 10. auch die Kraft , den Arm zu umschlingen und zu zerbrechen .
Er lies nun vor ihr alle blendenden Kräfte seines vielgestaltigen Wesens spielen -- das Gefühl seiner Überlegenheit ließ ihn sich frei und schön bewegen und das sorglose Herz schien nach allen Seiten offen -- er kettete den Ernst an den Scherz , die Glut an den Glanz , das Größte ans Kleinste so frei und die Kraft an die Milde . --
Unglückliche ! nun bist du sein ; und er trägt dich von deinem festen Boden mit Raubschwingen in die Lüfte und dann wirft er dich herab .
Wie ein Gewächs am Gewitterableiter wirst du deine Kräfte reich an ihm entfalten und hinaufgrünen ; aber er wird den Blitz auf sich und deine Blüten ziehen und dich entblättern und zerschlagen .
Rabette hatte einen solchen Menschen nie gedacht , geschweige gesehen ; er drang gewaltsam in ihr gesundes Herz und eine neue Welt folgte ihm nach .
Durch Lianen Liebe gegen den Hauptmann ging ihre noch höher auf ; und beide konnten von ihren Brüdern in freundlichem Wechsel sprechen .
Die gute Liane suchte der Freundin mancherlei beizubringen , was sich schwer festsetzen wollte , besonders die Mythologie , welche ihr durch die französische Aussprache der Götter noch unbrauchbarer wurde .
Sogar mit Büchern suchte Liane sie zusammenzubringen ; so daß Lektüre ihr eine Art von Wochen-Gottesdienst dem sie mit wahrer Andacht beiwohnte und dessen Ende sie stets ergötzte .
Durch alle diese Schöpfräder der Erkenntnis strömte Roquairol's Liebe hindurch und half treiben und schöpfen .
-- Wie viele Errötungen flogen jetzt ohne allen Anlaß über ihr ganzes Gesicht !
Das Lachen , womit sie sonst heiter war , kam jetzt zu oft und bedeutete nur ein unbeholfenes Herz , das seufzen will .
So stand ihr Verhältnis , als Karl einst scherzend hinter sie schlich und ihr die Augen mit einer Hand verdeckte um ihr unter der Maske der brüderlichen Stimme sanfte schwesterliche Namen zu geben .
Sie verwechselte die ähnliche Stimme , sie drückte inbrünstig die Hand , aber ihr Auge war heiß und naß .
Da fand sie den Irrtum und floh mit der bedeckten Abend- und Morgenröte ihres Angesichts aus dem Zimmer .
Jetzt schaute er Lianen , die ihn darüber tadelte , näher ins Auge und auch ihres hatte geweint .
Sie wollte ihm anfangs den Gegenstand der verschwisterten Rührung verhehlen ; aber das fremde Nein war für ihn von jeher ein Hilfswort , ein Rückenwind , der ihn in den Hafen brachte .
Liane wurde immer bewegter , endlich erzählte sie , daß Rabettens Berichte von Albano's Jugendgeschichte ihr die von den seinigen abgefordert und daß sie ihr die Sterbe-Nacht auf der Redoute gemalt und sogar sein blutiges Kleid gewiesen habe .
" Und " da weinte sie , ( sagte Lianen ) mit mir so herzlich " als wenn sie deine Schwester wäre . --
O es " ist ein liebes Herz ! "
Karl sah beide wie zwei Auen mit einander verbunden , nämlich durch den Regenbogen , der auf beiden mit Tropfen aufsteht ; er zog sie mit dankender Liebe an die Brust .
" Bist du denn glücklich ? " fragte Liane mit einem Ton , der etwas Trübes weissagt .
Sie mußte ihr volles Herz aufschließen und ihm alles sagen -- -- staunend höret er , daß ihr die ganze Tartarus-Nacht , worin die un bekannte Stimme Linda de Romeiro seinem Freunde zugesprochen , bekannt geworden .
Durch wen ? --
Sie schwieg unerbittlich ; er beruhigte sich , weil es doch nur Augusti sein konnte , der allein es wußte .
" Und nun glaubst " du , du Herz von Himmel , ( sagt ' er , ) ich und " mein Seelenbruder könnten uns je raubend " entzweien ?
O es ist alle anders , alle anders !
"-- Er verflucht die Aster-Geister und den " Zweck der Äfferei -- o er liebt mich ; und " mein Herz wird am Tage glücklich sein , wo " es seines wird . "
Der vielfache rührende Sinn dieser letzten Worte löste ihn in eine heilige Wehmut auf .
Aber sie nahm sich mitten in der herzlichsten Ergießung , wie aus Frömmigkeit der Geister an und sagte : " sprich nicht so von Geister- " Erscheinungen !
Sie sind , das weiß ich .
-- " Nur nicht zu fürchten braucht man sie . -- "
Sie hielt aber hier mit fester Hand den Schleier über ihren Erfahrungen fest ; auch wusste er längst , daß sie , ungeachtet ihres fast zuckendweichen Gefühls , das sogar den Anblick der blauen Adern auf der Lilien-Hand wie eine Wunde scheute , doch vor Toten und in den Geisterstunden der Phantasie unerwartet beherzt erschien .
Hinter den Wellen so verschiedener Art , die jetzt sein Herz auf und abtrieben , war Rabette verdunkelt .
Er brannte nun bloß nach der Stunde , wo er seinem Albano die sonderbare Verräterei des Lektors sagen konnte .
61. Zykel .
Noch ehe der Hauptmann seinem Freunde Augusti's wahrscheinliche Verräterei entdeckte : war Albano fast ganz mit dem Lehrer-Paar in Zwist .
In einem Kreise voll Jünglingsherzen , die für einander schlagen und noch lieber fechten , fassen immer zwei unzerreißlich in einander und werden eins auf fremde Kosten .
Albano schied sich keck von jedem , dem Karl mißfiel .
Schoppe wurde ohnehin von wenigen lange geliebt , weil wenige einen ganz freien Menschen erdulden ; die Blumenketten halten besser , denken sie , wenn Galeerenketten durch sie laufen .
Er litt es daher nicht , wenn einer " mit zu enger Liebe sich so fest um ihn " klammerte , daß er die Arme so wenig freibehielte " als trage ' er sie in Bandagen von 80 Köpfen . "
Die sarkastische Lebhaftigkeit seiner Pantomime erkältete durch den Schein einer strengeren Beobachtung den Hauptmann mehr als das gelassene Gesicht des Lektors , der eben darum alles schärfer ins stille Auge faßte .
Der gute Schoppe hatte einen Fehler , den kein Albano vergibt ; nämlich seine Intoleranz gegen die " weiblichen Heiligenbilder von Hau " senblase , " wie er sagte , gegen die sanften Irrungen des Herzens , gegen die heiligen Übertreibungen , durch welche der Mensch ins kurze Leben eine noch kürzere Freude einwebt .
Einst ging Karl wie auf einer Bühne mit untergesteckten Armen und niedergesenktem Kopfe auf und ab und sagte zufällig , daß es der Titular- Bibliothekar vernahm :
" o ich wurde noch we "nig von den Menschen verstanden in meiner " Jugend . "
Weiter sagte er nichts ; aber man schütte aus Scherz ein Mandel Hornisse , ein Schock Krebse , eine Kanne voll Waldameisen auf einmal über die bibliothekarische Haut ; und beobachte flüchtig die Wirkungen des Ste Stechens , Kneipens , Beißens :
so kann man sich doch einigermaßen vorstellen , was in ihm zuckte , schwoll und auffuhr , sobald er die obige Phrase vernahm .
" Herr Hauptmann , ( fing er tief " einatmend an , ) ich halte viel auf dieser roste " gen Tölpel-Erde aus , Hungersnot -- " Pestilenz -- Höfe -- den Stein -- und die " Narren von Pol zu Pol -- aber Ihre Phra " sis übersteigt meine Schultern .
H. Haupt " Mann , Sie dürfen -- ganz gewiß -- die Re " densart mit Fug gebrauchen , weil Sie wie " Sie sagen , nicht verstanden werden .
Aber o " Himmel , o Teufel !
ich höre ja 30000 Jung " linge und Mädchen von Leihbibliothek zu " Leihbibliothek alle mit aufgeblähter Brust , " rings umher sagen und klagen , es fasse sie " niemand , weder der Großvater noch die Pa "then , noch der Konrektor , da doch das pack " papierne Alltags-Pack selber nicht fasset .
" Aber der Junge meint damit bloß ein Met " chen und das Mädchen einen Jungen ; diese " können einander fassen .
Aus der Liebe will ich " wie aus den Kartoffeln 14 verschiedene Ge " richte zubereiten ; man scher ihr , wie dem Bären Titan II. J " in Göttingen , das tierische Haar ab , kein " Blumenbach kennt sie mehr .
"H. v. Froulay , ich habe diese verdammte " Erhebung der Seelen bloß aus Niedrigkeit " wohl öfters mit den englischen Pferdeschwän "zen verglichen , die auch immer gen Himmel " stehen , bloß weil man ihre Sehnen durch " schnitten .
Soll man nicht toll werden , wenn " man alle Tage höret und alle Tage liest , " wie die gemeinsten Seelen , die Leberreime und " Trompeterstückchen der Natur , sich durch die " Liebe über alle Leute erhoben denken wie " Katzen , die mit angeschnallten Schweinsblasen " fliegen ; -- wie sie sich ins Hasenlager und " in die Stapelstadt der Liebe , in die andere " Welt bestellen wie auf einen Blocksberg , und " wie sie auf diesem Finkenherd in dieser Tea " tralischen Anziehstube -- die dann das Gegen " Teil wird -- ihr Wesen treiben , bis sie kopu " lirt sind .
Dann ist_es vorbei , Phantasien und " Poesien , die ihnen jetzt erst recht dienlich weh " Ren , sind geholt !
Sie laufen von ihnen weg wie " Läuse von Toten , ob diesen gleich die Haare " dazu Fortsprießen .
Vor der zweiten Welt " grauset ihnen ; und werden sie Witwer und " Witwen , so machen sie ihre Liebschaft recht " gut ab ohne Schweinsblasen und ohne das " Federspiel und die spanische Wand der zweiten " Welt . --
So etwas , H. Hauptmann , bringt " nun auf und dann muß in der Hitze der Ge " rechte mit dem Ungerechten leiden , wie Sie " leider hören . "
-- -- Alban , der nie leichtsinnig vergab , sonderte sich schweigend von einem Herzen ab , das wie er Unrecht sagte , die Flammen der Liebe mit satirischer Galle auslöschte .
In der Kette der Freundschaft mit Augusti brach vollends ein Ring nach dem anderen entzwei .
Der Graf fand im Lektor den Kleinigkeitsgeist , der ihm widriger war als jeder böse -- die Eleganz des guten Hofmanns -- sein Anstand , selber in der Einsamkeit -- seine Neigung , die kleinsten Mysterien so gut zu verwahren als die großen -- seine Sucht , hinter jeder Handlung einen langen Plan aufzutreiben -- sein Wahrheitsdurst nach echten historischen Quellen am Hofe und in der Stadt -- und seine Kälte gegen die Philosophie trocknete das J 2 Bild , das sich Albano , von ihm aufgespannt , so aus , daß es einrunzelte und rissig wurde .
Solche Unähnlichkeiten schlagen unter gebildeten Menschen nie zu offenen Fehden aus ; aber sie legen heimlich den inneren Menschen ein Waffenstück nach dem anderen an , bis er hartgepanzert da steht und losschlägt .
Nun war noch dazu der Lektor dem Hauptmann von Herzen Gram , weil dieser der Ministerin viele bange Stunden und Lianen und sogar dem Grafen viel Geld kostete und weil er ihm den Jüngling zu verdrehen schien .
Die sonst gerade aufsteigende Flamme Albano's wurde jetzt durch die Hindernisse der Liebe nach allen Seiten gebogen und glühte wie Lötfeuer schärfer ; aber diese Schärfe schrieb Augusti dem Freunde zu .
Albano erschien denen , die er liebte , wärmer , denen , die er ertrug , kälter als er war und sein Ernst wurde leicht mit Trotz und Stolz vermengt ; aber der Lektor glaubte , ihm sei dessen Liebe gestohlen von Karl .
Er versuchte mit gleichviel Feinheit und Freimütigkeit , dem Grafen eine gute Karte von den Flecken zuzuspielen , die im Himmels Körper dieses Jupiter ausgesät waren .
Aber er zerriß jede Karte -- Karls schmerzliche Bekenntnisse in jener Nacht löschten alle fremde Nachträge aus -- und Albano's herrlicher Glaube , man müsse den Freund ganz decken und ihm ganz vertrauen , wehrte jeden Einfluß ab. O es ist eine heilige Zeit , worin der Mensch für den Altar der Freundschaft und Liebe noch Opfer und Priester ohne Fehl begehrt und -- erblickt ; und es ist eine zu harte , worin die so oft belogene Brust sich an der fremden mitten im Liebestrunk des Augenblicks die kalte Nachbarschaft der Gebrechen weissagt ! --
Da der Lektor überall sah , daß Alban über manche seiner Rügen an Karl , z. B. dessen Wildheit und Unordnung , darum kalt bleibe , weil er selber unter fremdem Tadel gemeint zu sein glauben konnte , wie die Franzosen ( nach Thickneß ) das Lob eines Fremden an Einheimische richten ; so griff er statt der Ähnlichkeit eine vollendete Unähnlichkeit des Hauptmanns an , seinen Leichtsinn gegen das Geschlecht . --
Aber damit verdarb er noch mehr .
Denn in der Liebe war ihm Karl der höhere Feueranbeter und der Lektor nur der den die Kohle dieses Feuers schwärzt .
Augusti nährte über die Liebe ziemlich die Grundsätze der großen Welt , die er bloß aus Ehre nie in Taten ausprägte ; und gab nur den Erde-nahen Wolkenhimmel der Liebe zu ; der Hauptmann aber sprach von einem dritten oder Freudenhimmel derselben , worin nur Heilige die Seligen sind .
Augusti sprach nach der Sitte der großen Welt viel freier als er handelte und zuweilen so offen als speis er in einem -- Brunnensaal ; Karl sprach mädchenhaft .
Das jungfräuliche Ohr Albano's -- das leicht in guten Visitenzimmern abfällt , und das in Studierstuben fest sitzt -- vereinigt mit seinem Mangel an der Erfahrung , -- daß sich eine zynische Zunge oft bei den enthaltsamsten Menschen z. B. bei unseren possenreißenden Vorfahren und eine aßetische in bescheidenen Libertins aufhalte -- beides mußte den reinen Menschen in einen doppelten Irrtum verwickeln .
So jagte in ihm Augusti immer mehr Sturmvögel auf .
Beide standen oft nahe an völliger Trennung und Ausforderung ; denn der Lektor hatte zu viel Ehre , um sich vor irgend etwas zu fürchten , und wagte mit kaltem Blut so viel als andere mit heißem .
Jetzt entdeckte Karl nun vollends seinem Freunde , obwohl mit aller Zartheit der Freundschaft , Lianen Bekanntschaft mit jener Tartarus-Nacht .
-- Der sonst verschwiegene Lektor muß nähere Vorteile durch sein Plaudern suchen , schloß Albano und nun sog sich die Kröte der Eifersucht , die im lebendigen Baume lebt und wächst ohne sichtbaren Eingang und Ausgang , in seinem warmen Herzen fest .
Die unbeantwortete Liebe ist ohnehin die eifersüchtigste .
Gott weiß , ob er nicht der Maschinendirektor der mit so vielen Rädern in einander gehenden Geisterßenen ist .
Alles das sind Albano's verhüllte Schlüsse ; offene Anklagen waren seinem Ehrgefühl versagt .
Aber sein warmes sich immer aussprechendes Herz forderte eine wärmere Nachbarschaft ; und diese fand er , wenn er dem frommen Vater folgte und nach Lila ins Donnerhäuschen zog , -- mitten unter die Blumen und Gipfel , um näher am Herzen der Natur gelagert schöner zu träumen und zu genesen .
Nur eine warme sonnen-helle Stelle war für ihn in Karls historischem Gemälde : es war die Hoffnung nämlich , daß vielleicht bloß die Irrtümer über sein Verhältnis zur Gräfin , aus denen der Bruder Lianen geholfen , ihr das bisherige immer gleich-kalte Benehmen gegen ihn vorgezeichnet haben .
Auf diese sonnige Stelle warf Rabette ein Billet , worin sie ihm schrieb , sie reise Sonnabends zu ihren Eltern zurück , weil der Minister komme .
Jene Hoffnung -- diese Nachricht -- die künftig ungünstigeren Umgebungen -- sein Ziehen nach Lila , das alles entschied in ihm den Vorsatz , eine einsame Minute an sich zu reißen und darin vor Lianen den Schleier von seiner Seele zu werfen und von ihrer .
62. Zykel .
Sonderbar durchschnitten sich die Zufälle an dem Tage , wo Albano ins Ministerialesche Haus zum Abschiednehmen von Rabatten -- und von Lianen , sagte in ihm eine zitternde Stimme -- kam .
Rabette winkt ihn aus dem Fenster in ihr Zimmer .
Sie hatte die Ikarusflügel ihres Anzugs in die Kästen zusammengelegt .
Über ihr Inneres fuhr ein beugender Sturm hin und her ; Karl hatte das Gleichgewicht ihres Herzens durch seine Wärme aufgehoben und es durch kein Wort der Belohnung wieder hergestellt .
Gleich den Tauben flattert sie um das hohe Schadenfeuer ; o möge sie nicht wie jene mit verzehrtem Gefieder entweichen und wieder kommen und endlich darin zerfallen !
-- Sie sagte , sie sehne sich zu den Ihrigen , seit sie gestern eine Herde Schafe durch die Stadt treiben sehen .
Sie begleiten am Sonnabend Liane und die Mutter , um der Einweihung der Kirche und der Beisetzung des Fürstenpaares beizuwohnen .
Er bat sie so schnell und hastig , ihm heute im Garten eine einsame Minute mit der Freundin zuzubereiten , daß er ihre schöne Nachricht von Lianen Zurückbleiben und Aufenthalt bei ihr gar nicht hörte .
Leider fand er bei der Ministerin den Vorzeiger herrlicher Gemälde , der wie die Natur nicht nur den Anfang seines Lenzes sondern auch das Ende seines Herbstes mit Giftblumen * ) machte , H. v. Bouverot .
Dian hatte ihm vier himmlische Kopien aus Rom gesandt ; diese schlug er mit trockenem Kunstgaumen auf . --
Liane empfing den Grafen wieder wie immer .
War etwan Raffaels Madonna della Sedia , in deren vom Himmel gesunkenes Palladium sich ihre zarte Seele eingesenkt , die Siegelbewahrerin ihres heiligsten Geheimnisses ?
Der alles vergessende Künstler-Eifer ließ ihr so hold !
Ihre Sehnerven waren durch ihr langes Malen gleichsam weiche Fühlfäden geworden , die sich eng um schöne Formen schlossen .
Gewisse weibliche Bilder-- wie dieses , regten ihre ganze Seele auf .
Sie hatte nämlich in der Kindheit sich von den Heldinnen der Romane und überall von ungesehenen Weibern glänzende Sternbilder in ihren inneren Himmel hingezeichnet , große Ideen von ihrem Mute , ihrem himmle * ) Bekanntlich sind die Frühlingsblumen wegen der Nässe und des Schattens meist verdächtige ; wie die Herbstblumen . schen Wandel , ihrer Erhabenheit über alles , was sie je gesehen und sie hatte gleichviel Scheu und Sehnsucht empfunden , einer zu begegnen .
Daher ging sie aus diesem kolossalischen Nymphäum ihrer Phantasie so leicht geblendet und mit solcher feurigen Herzens-Achtung reinen Freundinnen , und der Gräfin Romeiro entgegen .
Gewisse Gemälde führten nun diese Altarblätter wie Kopien zurück .
Die Gute dachte nicht daran , aber wohl ihr Freund , daß man dieser liebend niedersehenden Marie die Augen bloß lebendig zu regen und diese Lippen bloß mit Lauten zu erwärmen brauche -- dann hatte man Liane .
Der deutsche Herr fuhr fort und legte nun Raffaels Joseph , der den Brüdern einen Traum erzählt , und den älteren Joseph , der dem König einen erklärt , neben einander und fing an , die drei Raffaele in Worte zu übersetzen und das mit so vielem Glück und nicht nur mit so vieler Einsicht ins Mechanische und Genialische , sondern auch mit einer so bestimmten Hervorhebung jedes menschlichen und moralischen Zugs , daß -- Alban ihn für einen Heuchler hielt und Liane für einen sehr guten Menschen .
Sie ergriff jedes Wort mit einem weit offenen Herzen .
Als Bouverot den weissagenden Joseph malte , zugleich als kindlich , unbefangen , still und felsenfest und glühend und drohend :
so stand das Urbild an ihrer Seite .
Dem deutschen Herrn entfuhr weiter viel Gedachtes über da Vinci's Christus-Knaben im Tempel , über die herrlich vollführte Verbrüderung und Einkindschaft des Knaben und Jünglings in Einem Gesicht . -- --
Liane hatte die Kopie auch kopiert , allein sie und die Mutter verschwiegen es bescheiden . --
Aber endlich störte Franziskus Albani mit seiner " Ruhe auf der Flucht " die bisherige Ruhe .
Indem er den Traumdeuter dieser malerischen Träume machte und Rabette scharf auf dem mit dem offenen Buche neben Marie sitzenden h. Joseph dieses Bildes haftete : sagte Liane unglücklicher Weise : ein schöner Albani !
-- " Ich dächte nicht , ( sagte Rabette " leise , ) der Bruder ist viel schöner als dieser " betende Joseph ! "
-- Sie hatte Albani mit Albano vermengt , ihre ganze Bildergalerie steckte in dem Gesangbuch , dessen Lieder sie mit goldenen roten Heiligen aufeinandersperrte .
Die anderen verstanden nichts -- sie kannten ihn nur als Grafen von Zesara -- aber Liane warf auf Rabette süßerrötend einen zärtlich strafenden Blick und sah mit stummen Erdulden ein anderes Gemälde näher an .
Nie hatte Albano -- in welchem sich die stärksten und die zartesten Gefühle paarten , wie das Echo den Donner lauter und die Musik leiser macht -- die bittersüße Mischung von Liebe und Mitleiden und Schamröte wärmer gearbeitet und er hätte vor dem Mädchen zugleich knien und doch schweigen mögen .
Der deutsche Herr war fertig und sagte zu den Männern mit einer Mine voll Sieg , " er " habe doch noch etwas in der Tasche was es " mit den Raffaels aufnehme ; und er bitte sie , " ins Nebenzimmer zu folgen . "
Unterwegs merkte er an , wenige Werke seien mit so herrlicher Frechheit und keckem Mutwillen ausgeführt .
Im Zimmer packt er einen erzenen kleinen Satyr aus , gegen den sich eine eingeholte Nymphe wehrt .
" Göttlich ( sagte Bouve " rot und hielt die Gruppe an einem Faden , " um den Rost nicht abzugreifen ) göttlich !
Ich " setze den Satyr an den Christus ! "
Wenige haben vom Erstaunen meines Helden nur einen mäßigen Begriff , als dieser auf einmal den Kritikus Tugend und Laster an einen runden Tisch ohne Rangstreitigkeit setzen sah .
Mit einem Feuerblick der Verachtung wandte er sich ab und wunderte sich , daß der Lektor blieb .
Ihm scheint unbekannt zu sein , daß die Malerei wie die Dichtkunst sich nur in ihrer Kindheit auf Götter und Gottesdienst bezogen , daß sie aber später als sie höher heran wuchsen , aus diesem engen Kirchhof herausschreiten mussten wie eine Kapelle ursprünglich eine Kirche mit Kirchenmusik war , bis man beides weg ließ und die reine Musik behielt .
Bouverot hatte die Achtung für reine Form in so hohem Grade , daß ihn nicht nur der schmutzigste unsittlichste Stoff , sondern sogar auch der frommste , andächtigste nicht den Genuß verunreinigte ; gleich dem Schiefer bestand er die beiden Proben , zu glühen und zu gefrieren , ohne sich zu ändern .
Albano hatte die Mädchen durch das Fenster in der Allee gesehen und eilte zum Abschiede von der Schwester hinunter und zu etwas Wichtigerem .
Er kam mit volleren Rosen auf den Wangen , als um ihn glühten , zu einer Grasbank , wo Liane neben der Schwester hinter dem roten Sonnenschirm mit halbgesenkten Augenlidern und seitwärts geneigtem Haupte ruhte -- sanft in die Ernte des Abends versunken -- Sonnenrot übergossen vom Schirme -- im weißen Kleide -- mit einem dünnen schwarzen Kreuzchen auf der zarten Brust -- und mit einer vollen Rose ; sie blickte unseren Geliebten so unbefangen an , ihre Stimme war so schwesterlich und alles so reine sorglose Liebe !
Sie sagte ihm , wie sie sich freue auf seinen Jugend- Ort und auf das Landleben und wie Rabette sie überall hinführen werde -- und besonders auf die Einweihungsrede , die am Sonntage ihr Beicht-Vater Spener halte .
Sie sprach sich ins Feuer durch das Gemälde , wie die große Brust des Greises der Klage- und der Siegs Gesang über dem Aschen-Gehäuse des fürstlichen Freundes groß bewegen werde .
Rabette hatte nichts im Sinne als die einsame Minute , die sie dem Bruder mit ihr geben wollte .
Sie bat sie aufgeweckt , ihr noch einmal auf der Harmonika vorzuspielen .
Albano pflückte sich bei diesem Antrage einen mäßigen Strauß von -- Baumlaub .
Liane sah sie warnend an , gleichsam als wolle sie sagen :
ich verderbe Dir wieder Deine Munterkeit .
Aber sie blieb dabei .
Albano überflog bei dem Eintritte ins Wasserhäuschen ein leichtes Erröten über die letzte Vergangenheit und nächste Zukunft .
Liane machte eilig die Harmonika auf , aber das Wasser , das Kolofonium der Glocken , fehlte .
Rabette wollte unten ein Glas am Springbrunnen füllen , um -- beide allein zu lassen ; aber der Graf kam ihr aus männlicher Unbehilflichkeit , in eine List schnell einzugreifen , höflich zuvor und holte es selber .
Kaum hatte endlich das liebliche gefällige Wesen seufzend die zarten Hände auf die braunen Glocken gelegt : als Rabette ihr sagte , sie wolle in die Allee hin hinunter , um zu hören , wie es sich von Weitem anhöre .
Gleichsam zum schmerzlichen Sonnenstich einer zu schnellen und großen Lust fuhr sein Herz auf , er hörte den Siegeswagen der Liebe von ferne rollen und er wollte in ihn springen und dahin rauschen ins Leben .
Die gläubige Liane hielt das Entfernen für einen Schleier , den Rabette über das in den Tönen süß brechende Auge werfen wolle ; und zog sogleich die Hände von den Glocken ; aber Rabette küßte sie bittend , drückte ihr die Hände selber darauf und lief hinab .
" Das treue " Herz ! " sagte Liane ; aber das arglose helle Vertrauen auf die Freundin rührte ihn und er konnte nicht Ja sagen .
Wenn in den Fluren Persiens ein Glücklicher , der auf der üppigen Aue tief unter Nelken und Lilien und Tulpen schlief , vor dem ersten Abendrufe der Nachtigall selig die Augen aufschlägt in die laue stille Welt und in die bunte Dämmerung , durch welche einige Goldfaden der Abendsonne glühend fließen : so gleicht der Selige dem Jüngling Albano im magischen Ziem Titan II. K mehr -- die Jalousiefenster streuten gebrochene Lichter , grüne zitternde Schatten aus und es dämmerte heilig wie in Hainen um Tempel -- nur tönende Bienchen flogen aus der lauten fernen Welt durch die schweigende Klause wieder ins Getöse -- einige scharfe Sonnenstreife , gleichsam Blitze vor Schlafenden wurden romantisch neben der Rose hin und her geweht -- und in dieser träumerischen Grotte mitten im rauschenden Walde der Welt wurde die Einsamkeit nicht einmal durch das Schattenwesen eines Spiegels gestört .
-- In diesen Zauber ließ sie die Töne wie Nachtigallen aus ihren Händen fliegen -- die Töne wurden Albano wie von einem Sturme bald heller bald matter zugetrieben -- er stand vor ihr mit gefalteten Händen wie betend und ruhte mit tausend Blicken der Liebe auf der niederschauenden Gestalt .
-- Einmal hob sie das heilige Auge voll Anteil langsam zu ihm auf , aber sie schlug es schnell vor dem Sonnenblick des seinigen nieder .
Nun deckten die großen Augenlider unbe weglich die süßen Blicke zu und gaben ihr wie ein Schlaf den Schein der Abwesenheit -- sie schien eine weiße Maiblume auf winterlichem Boden , die das Blütenglöckchen senkt -- sie war eine sterbende Heilige in der Andacht der Harmonie , die sie mehr hörte als machte -- nur die rote Lippe nahm sie als einen feurigen Widerschein des Lebens , als eine letzte Rose mit , die den eilenden Engel schmückt -- o konnte er dieses Beten der Tonkunst stören mit seinem Wort ? --
Mit immer engeren Kreisen faßten ihn die magnetischen Wirbel der Töne und der Liebe an .
-- Und nun da das Ziehen der Harmonika wie das Wasserziehen der stechenden Sonne sein Herz aufleckte -- und da die Blitze der Leidenschaft über sein ganzes Leben fuhren und das Gebirge der Zukunft und die Höhlen der Vergangenheit beleuchteten und da er sein ganzes Dasein in einen Augenblick zusammenfaßte :
so sah er einige Tropfen aus Lianen gesenkten Augen quellen und sie blickte heiter auf , um sie fallen zu lassen -- da riß Albano K 2 die Hand aus den Tönen und rief mit dem herzzerschneidenden Ton seiner Sehnsucht : o Gott , Liane !
-- Sie zitterte , sie errötete , sie sah ihn an und wusste nicht , daß sie fortweinte und ansah und nicht mehr fortspielte .
-- Nein , Albano , nein ! sagte sie sanft und zog die Hand aus seiner und verhüllte sich -- erschrak über den Stillstand der Töne -- und ermannte sich , und ließ sie wieder langsam strömen und sagte mit zitternder Stimme :
" Sie sind ein edler " Mensch -- Sie sind wie mein Karl , aber eben " so heftig .
-- Nur Eine Bitte ! --
Ich verlasse " die Stadt eine Zeitlang " .....
Sein Erschrecken darüber wurde Entzückung als sie den Ort bestimmte , sein Blumenbühl .
Sie fuhr mühsam fort vor dem Erfreuten -- ihre Hand lag oft lange auf der Dissonanz im Vergessen der Auflösung -- ihre Augen schimmerten feuchter ob sie gleich nichts weiter sagte , als das Folgende :
" Sein Sie meinem Bruder , " der Sie unaussprechlich liebt wie noch keinen , " o sein Sie ihm alles .
Meine Mutter erkennt " Ihren Einfluß -- Ziehen Sie ihn -- ich sage es " heraus -- besonders vom hohen Spiele ab . "
Er konnte kaum das Ja verwirrt beteuern , als Rabette mit der fast unschicklich akzentuierten Botschaft hereilte , daß die Mutter komme .
Wahrscheinlich hatte diese Rabettens Alleinsein gesehen .
Albano trennte sich mit abgebrochenen Reise-Wünschen von dem Paare und vergaß im Sturm , Rabettens Bitte um Besuche zu bejahen .
Die begegnende Mutter schrieb sein Feuer dem brüderlichen Scheiden zu .
Indem er durch die Fülle der Jahrs-Zeit eilte , dachte er an die reiche Zukunft , an Lianen Stammeln und Verhüllen : brauchen nicht schöne weibliche Seelen wie jene Engel vor dem Propheten nur zwei Flügel zum Erheben aber vier zum Verhüllen ? --
Das Meer des Lebens ging in hohen Wellen , aber überall leuchtete es auf seiner weiten Fläche und Funken tropften vom Ruder .
63. Zykel .
Ach am Morgen darauf wurde freilich aus dem Abendrote eines ganzen Himmels ein trübes Gewölk .
Denn Liane ging dem Jüngling in so langen dichten Schleiern dahin .
Irgend ein Geheimnis der Not wirft kalte Klostermauern zwischen nahen Herzen auf -- das ist offenbar .
Bis hierher bogen mancherlei Zufälle einige Blumen , die Liane verhüllend über das Herz gezogen , wie die Erdstockwerke in Säten durch Blumen und Reben das Einsehen in die Fenster abwehren , von der dunkelsten Ecke des Hintergrundes weg , in der etwan die Rückseite eines Brustbildes hing , das umgedreht vielleicht dem Grafen glich .
Aber noch hängt das Bild mit dem Gesichte gegen die Wand .
-- Indes gleicht ein weibliches Herz oft dem Marmor ; der geschickte Steinmetz tut tausend Schläge , ohne daß der barische Block nur in die Linie eines Sprunges reiße ; aber auf einmal bricht er auseinander eben in die Form , die der geschickte Steinmetz so lange hämmernd verfolgte .
Am Sonnabend , wo die Ministerin und das Freundinnen-Paar nach Blumenbühl abreisen wollten , um das Begraben und Einweihen anzusehen , kam der Hauptmann nicht nur voll Freude -- denn er hatte gern aus Liebe zu Rabatten für Lianen zwar nicht die Flügel aber doch die Flügeldecken machen und aus dreifachem Interesse gegen den Freund am Flugwerk spannen helfen -- sondern auch voll Angst zum Grafen ....
Aber ihr Musen ! warum sind in der poetischen Welt alle die Begebnisse selten so vielfach motiviert als häufig in der wirklichen ? ....
Seine Angst war bloß die , daß sein Vater früher anfahre als seine Mutter ab -- denn er kannte den Minister .
Letzterer wollte nach seinen Briefen Montags , Dienstags ( spätestens am Sonnabend ) anlangen ; allein dies konnte -- da Froulay gern die Seinigen im breiten Spielraum des Erwartens schwimmen ließ -- noch gewisser drohen , daß er -- weil er wie die Basler Uhren immer eine Stunde zu früh bloß in der Hoffnung ausschlug und kam , seine Leute über irgend etwas recht Häßlichem zu ertappen -- in jeder Minute zum Hoftore herein jage .
Kam er angejagt , an diesem Vormittage oder in der Minute , wo der Bediente die Tochter in den Wagen hob und die Mutter schon darin saß :
so war so viel durch tausend Schlüsse aus der Observanz gewiß , daß beide wieder hinauf mussten in die Zimmer -- daß er alle Kisten und Schachteln wieder abpacken hieß und daß er die Landschafts-Direktors Tochter nach ihren 10000 Bitten -- wiewohl ihr schon die zweite auf der Lippe erfröre -- freundlich mit ganz spaßhafter Gleichmut als einsame Konklavistin im zugemachten Wagen nach Hause würde ziehen lassen .
Gewisse Menschen -- und er ist ihr Generalissimus -- wissen sich kein süßeres Labsal , als den Ihrigen die Gartentür irgend eines Arkadiens , wozu sie ihnen nicht die Reiseroute und die Landkarte aufgesetzt , vor der Nase ins Schloß zu werfen und solche gerichtlich zu versiegeln .
Kurz vor einer Luftfahrt setzen ohnehin die meisten Eltern Galle ab ; konnte Froulay vollends eine verriegeln , so war ihm das so viel als komme er von einer rot und munter nach Hause .
-- Nachmittags um 3 Uhr gingen unsere Freunde unter dem schönsten Himmel spazieren -- alles war schon geordnet , Karl wollte morgen nachgehen , Albano erst , nach der allgemeinen Rückreise , am Montag ( seine zarten Rücksichten und fremde harte entschieden ) -- und es zog durch das ganze gewölbte Blau kein Nebel als Karls Besorgnis , die zweite Lokation der Fürsten-Leichen ziehe seinen Vater noch heute her -- -- als er plötzlich herausfluchte : dort fahr er .
Er kannte ihn an dem Tyger-Postzug , und noch mehr an den lang vorgespannten Vorderpferden .
Eine Fegfeuer- Lebens-Minute ! --
Der Wagen fuhr rasch die Straße herab -- die Vorderpferde zogen noch länger ganz unförmlich voraus -- man wunderte sich -- endlich wurde die Ziehweite einen Acker lang -- das schien ganz unmöglich -- als Albano's Adlerauge keine lederne Verbindung zwischen dem Postzug und zuletzt gar entdeckte , daß bloß ein fremder Kerl mit zwei Pferden zufällig vor dem Wagen herreite .
Und in dieser Minute sahen sie den offenen Triumphwagen mit der weiblichen Dreieinigkeit langsam die Blumenbühle Höhe hinaufziehen und das vermengte Tulpenbeet der drei Sonnenschirme schimmerte ihnen lange zurück .
Vierzehnte Jubelperiode .
Albano und Liane .
64. Zykel .
In unserer inneren Welt fliegen so viele zarte und heilige Empfindungen herum , die wie Engel nie den Leib einer äußeren Tat annehmen können ; so viele reiche gefüllte Blumen stehen darin , die keinen Samen tragen , daß es ein Glück ist , daß man die Dichtkunst erfunden , die alle jene ungeborenen Geister und den Blumenduft leicht in ihrem limbus aufbewahret .
Mit dieser fasse ich , lieber Albano , deinen herrlich verduftenden Sonntag auf und halte den unsichtbaren Weihrauch fest für die Schneiderische Haut die Welt ! --
Am Sonntage bezog er das Donnerhäuschen in Lila .
Der Lektor hielt sich mit der Hoffnung aufrecht , der Graf werde das Blumenparterre des neuen Genusses schon bald so platt und welk zusammentreten wie einen Kreuzweg .
Es war ein schöner Morgen -- vom Tau ganz beregnet -- ein frischer Wind wehte von Lila über das blühende Korn -- und die Sonne brannte allein in einem kühlen Himmel .
Auf der Blumenbühle Straße zog ein Menschen- Gewimmel hinan und niemand ging lange allein ; auf der Morgenhöhe sah er seinen Freund Karl mit dem gebogenen Federbusch der Sonne entgegensprengen .
Lilars Lüfte flogen Orangenduft-ausathmend entgegen und wehten die Asche weg , die auf den glühenden Altarkohlen jenes ersten herrlichen Sonntags stand .
Er ging die Brücke hinab und der früh geputzte Pollux trieb ihm einen aufgeblätterten Truthahn entgegen .
Eine Soeur servante des alten Speers kochte schon eine Stunde lang bei der Chariton , bloß um ihn vorbei gehen zu sehen .
Diese lief festlichgeschmückt aus dem Häuschen , das sich heiter mit allen Fenstern dem ganzen Himmel öffnete , ihm entgegen und brach in der Verlegenheit der Freude mit der Hauptsache zuerst heraus , es sei nämlich droben im Häuschen alles schön parat und ob er das Essen hinaufhaben wollte .
Sie wollte mitten im Gespräch Polluxen aus des Grafen -- Fingern ziehen , aber er lies ihn zum Kusse aufschweben und erntete damit jedes Herz , auch das alte hinter der Küchenflamme .
Indem er nach seinem Häuschen durch den westlichen Triumphbogen hinausgieng , fühlte er unbeschreiblich stark und süß , daß die holde Jugendzeit unser Welsch- und Griechenland ist voll Götter , Tempel und Lust -- ach und welches so oft Goten mit Tatzen durchstreifen und ausleeren .
-- Seine blühende Bahn lief endlich in die Tiefen- und Höhentreppe die er mit Spener bestiegen -- einzelne Tages-Streifen brannten sich dem nassen Boden ein und färbten zerstreute Zweige feurig und golden . --
An der mystischen Laube , wo vor ihm der tote Fürst in der Seitenhöhle geschritten war , fand er diese nicht , sondern nur eine leere Nische .
Er trat oben heraus wie aus der Hüfte der Erde .
Sein Häuschen lag auf dem herumgebogenen Bergrücken .
Drunten ruhten um ihn die Elefanten der Erde , die Hügel , und das sich in Blüten herrlich blähende Lila und er schaute aus seinen Fenstern in das Lager der Riesen der Natur .
Inzwischen konnte er jetzt nicht auf dem Fensterstocke bleiben , oder neben der begeisternden Äolsharfe , oder im Augen-Kerker , den Büchern ; durch Ströme und Wälder und über Berge zu schweifen verlangte die frische Natur .
Das tat er .
Es gibt zwischen den Alltags-Tagen des Lebens -- wo der Regenbogen der Natur uns nur zerbrochen und als ein unförmlicher bunter Klumpe am Horizont erscheint -- zuweilen einige Schöpfungstage , wo sie sich in eine schöne Gestalt ründet und zusammenzieht , ja wo sie lebendig wird und wie eine Seele uns anspricht .
Heute hatte Albano diesen Tag zum erstenmal .
Ach es gehen Jahre dahin und sie bringen keinen .
Indem er so auf dem Bergrücken auf beiden Seiten dahin wandelte , flutete der Nord-Ost ihm immer voller entgegen ; -- ohne Wind war ihm eine Landschaft eine steife festgenagelte Wandtapete -- und wühlte das feste Land zum flüssigen um .
Die nahen Bäume schüttelten sich wie Tauben süß-schauernd in seinem Bade , aber in der Ferne standen die Wälder wie gerüstete Heere fest und ihre Gipfel wie Lanzen .
-- Majestätisch schwammen durch das Blau die silbernen Inseln , die Wolken , und auf der Erde schritten Schatten riesenhaft über Ströme und über Berge -- im Tale blitzte die Rosana und rollte in den Eichenhain .
-- Er trat ins warme Tal hinab , die Weiden schäumten und ihr Same spielte in seiner Wolken-Flocke ehe ihn die Erde befestigte -- der Schwan dehnte wollüstig den langen Flügel , gepaarte Tauben ätzten sich vor Liebe und überall lagen die Beete und Zweige voll heißer Mutterbrüste und Eier .
-- Wie ein herrlicher blauer Blumenstrauß schillerte in hohen Gräsern der Hals des ruhenden Pfaues .
-- Er trat unter die Eichen , die mit knotigen Armen den Himmel anfaßten und mit knotigen Wurzeln die Erde . --
Die Rosana sprach allein mit dem brausenden Wald und fraß schäumend an Felsenstücken und am morschen Ufer -- Nacht und Abend und Tag verfolgten einander im mystischen Hain . --
Er trat in den Fluß und ging mit ihm hinaus vor eine rege warme Ebene voll Dörfer und aus ihnen klang der Sonntag und aus den Ährenfeldern fuhren Lerchen und an den Bergen krochen Menschen-Steige hinauf , die Bäume regten sich als Lebendige und die fernen Menschen schienen festzuwurzeln und wurden nur Schößlinge an der tiefen Rinde des ungeheuren Lebensbaumes . -- --
Die Seele des Jünglings wurde in das heilige Feuer geworfen , wie Asbestpapier zog er sie ausgelöscht und unbeschrieben heraus , ihm war als wiss er nichts , als sei er Ein Gedanke und hier trat ihn auf eine wunderbar neue Weise das Gefühl an , das ist die Welt , du bist auf der Welt -- er war Ein Wesen mit ihr -- alles war Ein Leben , Wolken und Menschen und Bäume . --
Er fühlte sich von unzähligen Polypenarmen ergriffen und zugleich mit ihnen verschlungen und doch fortrinnend im unendlichen Herz .
Trunken kam er vor seine Wohnung , von welcher sich ihm der kleine Pollux den Berg her herab entgegenrollte um ihn zum Essen zu rufen .
Im Häuschen wurde das was er meinte ausgesprochen von der Äolsharfe am offenen Fenster .
Indes das Kind mit den Fäustchen auf dem Klaviere nachdonnerte und die Vögel aus den Bäumen freudig darein schrien :
so fuhr der Weltgeist durch die Äols-Saiten jauchzend und seufzend , regellos und regelmäßig , spielend mit den Stürmen und sie mit ihm ; und Albano hörte wie die Ströme des Lebens laut rauschten zwischen den Ufern der Länder -- und durch die Blumen und Eichenadern -- und durch die Herzen -- um die Erde , Wolken tragend -- und den Strom , der durch die Ewigkeit donnert , goß ein Gott aus unter dem Schleier -- -- Albano kam mit dem unschuldigen vortanzenden Knaben zur fortlächelnden Mutter .
Sogar hier zwischen den vier Wänden zogen ihn noch die Segel fort , die der große Morgen aufgebläht .
Nichts fiel ihm auf , nichts schien ihm gemein , nichts fern , die Woge und der Tropfe im unendlichen Meere des Lebens verflossen unteilbar mit den Strömen und Titan II. L Strudeln , welche darin gingen .
Vor Chariton stand er wie ein glänzender Gott und sie hätte gern entweder ihn verschleiert oder sich .
Nie war die Menschheit in reinere Formen , die kein Wulst irgend eines Geburtslandes verkrüppelte , gesondert als in diesem Freudenkreise , worin die Kindheit , die Weiblichkeit und die Männlichkeit von Blumen durchwanden sich begegneten und sanft anfaßten .
Chariton sprach immer von Liane nicht bloß aus Liebe zur Fernen sondern auch zum Nahen ; denn ob sie gleich mit jenen offenen Augen schaute , die mehr still abzuspiegeln als anzublicken , mehr einzulassen als einzuziehen scheinen , so war sie doch wie Kinder , Jungfrauen , Landleute und Wilde zugleich offenherzig-wahr und schlau .
Sie hatte Albano's Liebe leicht erlauscht , weil überall den Weibern alles leichter zu verdecken ist , sogar der Haß , als sein Gegenteil .
Sie lobte Lianen unendlich , besonders die unvergleichliche Güte , und " ihr Herr habe gesagt , wenige Männer " hätten so viel Herz als sie , denn sie sei oft " ohne alle Furcht Nachts mit ihr im Tartarus " gewesen . "
Allerdings war das auch dem Grafen nicht erklärlich .
Das Wunderbare ist der Heiligenschein eines geliebten Hauptes ; eine Sonne zum Menschenantlitz besänftigt ergreift weniger als ein geliebtes zum Sonnenbild verklärt .
Sie immer heißer erfreuet durch seine Freude bot ihm an , ihn in Lianen Zimmer zu führen .
Ein einfaches Zimmerchen -- vom Weinlaube gründämmernd -- einige Bücher von Fénelon und Herder -- alte Blumen noch in ihren Wassergläsern -- kleine sinesische Tassen -- Julienne Porträt und ein anderes von einer verstorbenen Jugendfreundin , welche Karoline hieß -- ein unbeflecktes Schreibzeug mit englischem gepreßten Papier -- -- das fand er .
Die heiligen Frühlingsstunden der Jungfrau zogen vor ihm wie sonniges Gewölk tauend vorüber .
Zufällig berührte er ein Federmesser , als ihm Chariton Kiele zum Schneiden brachte , " weil man , ( sagte sie , ) so viel Not damit hätte " seit ihr Herr weg sei . "
Denn eine Frau kann leichter jede Feder führen -- sogar die epische L 2 und kantische -- als eine schneiden ; und hier muß wie in mehr Fällen das stärkere Geschlecht dem schwachen unter die Arme greifen .
Albano wünschte noch das Arbeits-Zimmer seines Lehrers zu sehen ; aber dieses schlug sie -- ob sie gleich durch ein stundenlanges Zusammenessen nicht mutiger geworden -- doch entschieden ab , weil es ihr Herr verboten habe .
Er bat noch einmal ; aber sie lächelte immer schmerzlicher und blieb bei dem freundlichen Nein .
Er verträumte nun den Rausch des Morgens im magischen Garten , auf dessen Wasser und Steige der Mond- und Widerschein der Erinnerung spielte .
Wie treten aus den 9 Millionen Quadratmeilen der gemeinen Erde doch einige poetische Länder heraus durch ein poetisches Herz !
Auf dem Berg mit dem Altare , wo er sie unten einmal verschwinden sehen , wehte ihn , umflattert vom Freiern Äther , das Nachmittagsgeläute von Blumenbühl an ; und sein Kindheitsleben und die jetzigen Szenen dort und Liane gaben ihm ein weiches Herz und er überschaute mit dunkleren Augen das verklärte Land .
Abends kamen frohe Kirchgänger aus Blumenbühl und priesen das Einweihen und Beisetzen gewaltig .
Er sah noch den frommen Vater drüben auf dem Bergrücken stehen .
Der Morgen , wo er einen ganzen Tag Lianen sehen und ihr vielleicht alles sagen konnte , überzog sein Leben mit einem ihn in prächtigen Regenbogenkreisen umschimmernden Morgentau .
Noch im Bette sang er vor Lust das Morgenlied der Ruderleute auf dem Lago maggiore -- die Sternbilder über Blumenbühl glänzten in das offene Fenster seines Alpenhäuschens herüber an das zusinkend Auge . --
Als ihn der helle Mond und Flötentöne aus dem Tal wieder weckten : glühte das stille Entzücken unter der Asche des Schlafes noch fort und das größere drückte die Augen wieder zu .
65. Zykel .
Unter einem frischen Morgenblau ging er voll Hoffnungen , heute sein immer in weiße Nebel hineinlaufendes Leben aufzuhellen , jenen alten Weg , den er einmal ( im 23sten Zykel ) Nachts herwärts gemacht , um auf dem Berge Elysium und Liane zu sehen .
Der ganze blühende Steige war ihm eine römische Erde , woraus er schönbemalte Vasen der Vergangenheit ausgrub ; und je näher dem Dorfe , desto breiter wurden die geheiligten Plätze .
Er wunderte sich , daß die Lämmer und Hirtenknaben nicht wie das Gras , länger aufgeschossen während seiner Entfernung , die ihm durch den Wachstum seines Herzens und den bunten Wechsel seiner Erfahrungen selber verlängert vorkam .
Wie ein Morgentrunk von hellem Alpenwasser rann der alte Klang des Hirtenhorns in seine Brust ; aber die enge Erlenbahn , worin er das Reitpferd des Direktors vor dem Absatteln getummelt , und selber der Schloßhof , sogar die vier Wände und das Deckengemälde des häuslichen Glücks krempten seiner treibenden Seele , die in die Erde und in den Himmel hinein wachsen wollte , Wurzel und Gipfel ein ; er war noch in den Jahren , wo man vom Klavikord des Lebens mit einem Fußtritt den Deckel hoch lüftet , damit das harmonische Brausen überall vorwalle .
Wie verschwenderisch wurde im Schlosse sein Herz mit Herzen bedeckt und die jüngste Liebe durch alte übertäubt , von der leicht-weinenden Mutter Albine an bis zu den händegebenden alten Bedienten , die seinetwegen die versteinerten Glieder behender bewegten ! --
Er fand alle seine Lieben -- Liane ausgenommen -- in Wehrfrizens Museum , weil dieser " junges-Volk " und Diskurse lieb hatte und allzeit darauf bestand , daß man das Frühstück auf seinem Aktentisch aussetzte , der wie er sagte , so gut sei als ein Frühstück-Tisch mit lackierten Fratzen , die niemand ansehe .
Albano plagte sich mit der Furcht , die Ministerin sei die Kirchenräuberin einer Göttin selber geworden und habe gestern Liane zurückgeführt -- bis der Hauptmann die Unsichtbarkeit eilig erklärte .
Die gute Seele hatte gestern die Bewegungen ihres teilnehmenden Herzens mit Migräne büßen müssen .
Ihr geliebter Lehrer Spener mit seiner erhabenen Seelen-Stille -- die Augen , die nicht mehr über die Erde weinten , auf das bei freundete Fürstenpaar gesenkt -- mit dem Haupte unter dem kalten Polarstern der Ewigkeit stehend , das wie der Pol keine Sterne mehr auf- und untergehen sah -- , ruhig und mit apostolisch ineinander gelegten Händen allmächtig redend über den Schmerz und das Ziel des bleichen Lebens , begeistert die Herzen nahe an die weinende Rührung drängend , und doch sie mit erhabener Besänftigung zurückziehend vom höchsten Schmerz , damit nur das Herz weine ohne das Auge -- und nun die Einsegnung der gepaarten Särge und der Kirche -- o in der weichen Liane mußten diese Rührungen ja zu Leiden arten und alles was ihr Lehrer verschwieg , wurde in ihr ausgesprochen .
Noch dazu hatte sie nicht die gewöhnliche Kur , sich still zu halten , gebraucht sondern alle Stiche hinter tätige Freude versteckt , um der fortreisenden Mutter keine Schmerzen zu geben , obwohl sich viel zu große .
In diese Erzählung trat sie selber freundlich herein im weißen Morgenkleid mit einem Strauß von sinesischen Röschen -- ein wenig blaß und müde --
träumerisch-weich aufblickend -- die Stimme leiser-- die Wangenrosen zu Knospen geschlossen -- und wie ein Kind jedes Herz anlächelnd du Engel des Himmels , wer darf dich lieben und belohnen ?
Sie erblickte den hohen Jüngling alle Lilien ihres stillen Angesichts wurden wider ihre Gewohnheit in ein himmlisches Morgenrot der Freude getaucht und ein zarter Purpur blieb an ihnen .
Sie fragte ihn offen , warum er gestern nicht zur Festlichkeit gekommen und entdeckte angelegentlich , daß sie alle heute den frommen Vater , für welchen ihre Zwerg-Rosen gebunden waren , besuchen würden .
Er nahm gern die vierte Stimme im Konzert der Luftfahrt .
Welcher herrliche hängende Garten mit seinen liebsten Blumen und Aussichten ist in die Abendstunden hineingebaut !
Wie viel Glückliche bedeckt ein einziges Dach !
Die redliche Rabette , vor stillem Freuen flinker und geschäftiger war unverdrossen Lianen Kranken- und Roquairols Löwen-Wärterin und die Maitresse de plaisirs , welche jeden mütterlichen Grundriß einer Lust noch um die Hälfte breiter machte und das ganze Wesen war so glücklich !
Ach ihr armes reines Herz wurde ja noch von keinem geliebt und darum glüht es mit den frischen Kräften der ersten Liebe so hell und treu vor einem mächtigen , das zu ihm segnend wie ein liebender Gott niederzukommen scheint und einen ganzen Himmel nachzieht ! --
Roquairol sah , wie reizend die arbeitsame Beweglichkeit im Spielraum ihres Eigentums und ihrer Geschäfte das schwer niederhängende Laub verschiebe , das im Visitenzimmer sich finster über ihren Wert herzog ; sie wurde sogar schöner durch das dunklere nette Hauskleid , nachdem er durch Predigten jede weiße Draperie ihrer brünetten Gestalt in den Kleiderschrank zurückgeschickt .
Sie gehorchte der Mutter hierin nicht eher als bis er es verlangt hatte .
Ja er hatte sie gestern dahingebracht , die Uhr womit die stolze Ministerin sie beschenkt , wirklich an sich herumzutragen mit heißem Erröten über den ungewohnten Schmuck .
Indes wollte er mit ihr gleichsam einen recht geschlängelten Blumenweg zum Altare seines lauten Ja es der Liebe nehmen -- das stumme sagte er hinlänglich -- ; er wußte , sie sitze sogleich ein , sobald er mit dem Muschelwagen der Venus vorfahre , wovor er eine Taube und einen Habicht vorgehängt .
Wie herrlich flog der Vormittag dahin auf goldenen Flügeldecken und auf durchsichtigen Flügeln !
Der geliebte Albano wurde in alle Veränderungen des Hauses eingeführt ; die schönste war in seiner Studierstube , welche Rabette in ihre Putz- , Näh- und Studierstube umgekleidet hatte , die seit gestern wieder zum Gast- und Lesestübchen Lianen geworden .
Wie gern trat er ans Fenster nach Abend , wo er so oft im Kristallspiegel seiner Phantasie seinen unsichtbaren Vater und die Geliebte überirdisch erscheinen lassen !
In die Scheiben waren von seiner Knabenhand viele L. und R. gezogen .
Liane fragte , was die R bedeuteten ; -- " Roquai " rol " sagte er , denn sie fragte nicht nach dem L. Unendlich süß floß die Betrachtung um sein Herz , daß doch seine Geliebte in der träumerischen Klause seines ersten grünen Lebens einige blühende Tage verlebe .
Liane zeigte ihm mit kindlicher Freude , wie sie alles , nämlich das Zimmer , redlich mit Rabatten teile in ihrer Doppelwirtschaft und Stuben-Kameradschaft , und wie sie ihre Wirtin selber zu ihrem Gaste gemacht .
Ich habe oft das schöne leichte Nomaden- Leben der Mädchen in ihren arkadischen Lebens-Abschnitten bewundert mit Neid ; leicht flattern diese Flugtauben in eine fremde Familie und nähen und lachen und besuchen da mit der Tochter des Hauses ein oder zwei Monate lang und man hält das Kopulirreis für einen Familienzweig ; -- hingegen wir Stubentauben werden schwer versetzt und einheimisch und reiten meistens nach einigen Tagen wieder zurück .
Da wir als sprödere Materie schwerer mit dem Familien-Guß verschmelzen ; da wir unsere Arbeiten nicht so leicht -- weil uns Wagen voll Arbeitsgeräte nachfahren müssen -- wie Mädchen ihre einweben in fremde und da wir viel brauchen und -- anstiften :
so ist daraus unser Laufzettel sehr gut abgeleitet ohne unseren geringsten Nachteil .
Nach einer halben Ewigkeit der Ankleidung -- da in der Nähe der Geliebten eine Stunde der Abwesenheit länger dauert als ein Monat in ihrer Ferne -- traten die reisefertigen Mädchen im schwarzen Schmucke der Bräute herein .
Wie reizend , stehen Rabatten die Rosen im dunklen Haar und der dunkle Spitzen-Saum auf dem weißen Hals und die furchtsamen Flammen ihres reinen Auges und die anfliegenden Errötungen ! --
Und Liane -- ich rede nicht von dieser Heiligen .
Sogar der gute alte Direktor mußte , als ihn das fromme Angesicht unter dem bloß einfach und nonnenhaft hehrübergelegten weißen Kopfschleier von indischer mit Goldlahn besprengter Musseline kindlich anblickte , seinem Wohlgefallen die Worte geben : wie eine Nonne , wie ein Engel ! --
Sie antwortete : " ich wollte auch " einmal eine werden mit einer Freundin ; aber " nun nehme ich den Schleier später als sie " setzte sie mit wunderbarem Ton dazu .
Sie hing heute mit zärtlicher Schwärmerei an Rabette , vielleicht aus siecher Weichheit , vielleicht aus Liebe zu Albano und zu den Eltern und vielleicht , weil Rabette durch die Liebe so gut und schön war und weil sie selber nichts war als Herz .
Sie hatte den heiligen Fehler zu schwärmerischer Vorstellungen von ihren Freundinnen in welchen die edleren Mädchen leicht fallen und womit bloß Ehefrauen wenig behaftet sind -- sonst noch höher getrieben :
so konnte sie z. B. ihre Freundin Karoline , die ihr wie eine Romanenheldin nur im romantischen Spielraum der Freundschaft und der schönen Natur begegnet war , sich anfangs gar nicht ohne Abbruch des poetischen Heiligenscheins mit Händen denken , welche die Nähnadel und Plätte und anderes Geräte des weiblichen Ackers führten .
Wer die zarteste Mitfreude fühlen will , der sehe nicht frohe Kinder an sondern die Eltern , die sich über frohe erfreuen .
Niemals blickte die blau- und rundäugige Albine -- in deren Gesicht die Zeit manche Lebenstöne dreimal gestrichen hatte worunter aber kein stief- und schwiegermütterlicher Mißton vorkam -- öfter hin und her und segnender als unter diesen -- Paaren ; denn das wurden sie nach der mütterlichen Sterndeuterei der Aberrationen und Perturbationen dieser Doppelsterne .
-- Der Vater , der die " Kopf- und Ohrenhängerei des " jetzigen jungen Volks " gegen die Ehrensprünge seiner Kameraden hielt , wurde an den Hauptmann gekettet , der sich als Regisseur seines inneren Theaters heute die Rolle eines frohen Jünglings zugeteilt hatte .
Er gefiel ihm sogar durch die derben Redeblumen , die das verborgene Wehen von ihm losblätterte ; denn da jedes Genie sein Grobians-Idiotikon , seine Knittelverse haben muß :
so hatte ' er -- andere haben den Teufel , den Henker , -- den genialischen Handwerksgruß :
Lump samt den Derivativis Lumperei u. s. w. Aber wie noch hinreißender nahm Albano alle weibliche Herzen durch die Stille weg , womit er wie ein ruhiger Nachsommer seine Früchte fallen lies .
Die Eltern schrieben diese weiche Haltung dem Stadtleben zu , als wäre nicht Karl länger in diese Malerschule gegangen .
Nein , die Liebe ist die italienische Schule des Mannes ; und der kräftigere und höhere ist eben der höheren Zartheit fähig , wie auf hohen Bäumen sich das Obst milder und süßer ründet als auf niedrigen .
Nicht an unmännlichen Karaktern entzückt die Milde , sondern an männlichen ; wie nicht an unweiblichen die Kraft , sondern an weiblichen .
Der gute Jüngling ! --
So unschuldig lodert dir -- indes Karl es allzeit leider deutlich wußte , wenn sein Blick brannte und blitzte -- aus den Augen ein glühendes Herz , das es nicht weiß !
Möge dein Abend das Samenkorn einer blütenvollen Jugend werden !
Der Wagen rollt vor , dir ungewiß ob er ein Elias- oder Phaeton's Wagen wird , ob du durch ihn den Himmel erfliegst oder aus ihm fällst ! 66. Zykel .
Der Wagen flog durchs Dorf mit den vier jungen Menschen -- wie tut unserem Jüngling die Weite des Himmels und der Erde wohl !
Das Portal des Lebens , die Jugend , war mit Blumen und Lichtern behangen .
Sie rollten unten am Berge vor der Vogelstange vorbei , der Zeigerstange eines Knaben-Arkadiens , vor der Wiege , wo er kindlich-schlaftrunken nach dem hohen Himmel langte mit dem Knaben-Arm -- und durch das ihm jetzt nur zu Gebüsch ge sunkne sunkne Birkenwäldchen , das er an jenem goldenen Morgen so breit und lang gefunden -- und vorbei vor den östlichen offenen Triumphbogen , hinter denen das Meer des vielgestaltigen Lilars seine Reize wogen ließ -- und hinter der Bergmauer des Flötentals schickten sie den Wagen zurück .
Sie gingen auf einer herrlichen Erde unter einem herrlichen Himmel .
Rein und weiß schwamm die Sonne wie ein Schwan durch die blaue Flut -- Fluren und Dörfer drängten sich dichter an die fernen niedrigen Gebirge -- ein sanfter Wind trieb die grünen Ähren-Wogen auf der Ebene umher -- an den Hügeln ruhten Schatten unter den Schwingen weißer Wölkchen fest -- und hinter den Gipfeln der Anhöhe zogen die Mastbäume der Rheinschiffe majestätisch weg .
Wie Albano so nahe neben der Geliebten ging , fiel das unter seinem Eden brennende Fegfeuer immer tiefer in den Erdkern zurück ; voll Unruhe und Hoffnung warf er das feurige Auge bald auf den Sommer , bald auf den milden Hesperus-Stern , der so nahe an ihm aus dem Titan II. M Frühlingsäther schimmerte .
Die Gute schien heute stiller , ernster und unruhiger als sonst .
Als sie durch ein überall offenes Laubwäldchen am Hügelrücken , der das Flötental umzog , hingingen : sagte Liane plötzlich zum Grafen , sie höre Flöten .
Kaum konnte er sagen , er höre nur ferne Turteltauben : als sie auf einmal sich wie zu etwas Wunderbarem sammelte -- ihr Auge in den Himmel heftete -- lächelte -- und plötzlich sich nach Albano umsah und rot wurde .
Sie redete ihn an : " ich will aufrichtig " sein , ich höre jetzt in mir Musik -- * ) sehen " Sie mir heute meine Schwäche und Weichheit " nach ; es kommt von gestern . "
-- " Ich -- " Ihnen ? " sagte er heftig ; denn er , um welchen in Krankheiten nur brennende Bilder stürmten , wurde zur Verehrung eines Wesens begeistert , * )
Dieses Selbst-Ertönen -- wie die Riesenharfe bei verändertem Wetter unberührt anklingt -- ist in Migräne und anderen Krankheiten der Schwäche häufig ; daher im Sterben ; z. B. in Jakob Böhme schlug das Leben wie eine Konzertuhr seine Stunde von Harmonien umrungen aus . zu welchem gleichsam aus seiner höheren Welt in seinen Schmerzen wie goldene Sonnenstrahlen leise Töne reichen , die verhüllt durch die rauhe Tiefe gehen .
Aber Liane , wie um sein Feuer abzuwenden , kam auf ihre Freundin Karoline und sagte :
wie sie ihr an solchen Tagen und zumal auf diesem Spaziergange immer vorschwebe .
" Anfangs sucht ' ich sie auf , ( sagte Liane , ) weil " sie meiner Linda glich .
Sie war meine Leh " rein , ob sie gleich nur einige Wochen älter " war als ich .
Ihr frommer , strenger , uner " schrockner Charakter und ihre Willigkeit , sich " freudig und stumm aufzuopfern , machte sie " sogar , wenn ich es so sagen darf , in den Au " gen ihrer Mutter verehrungswürdig .
Man " sah sie niemals weinen , so weich sie auch war , " bloß um ihre Mutter immer heiter zu machen .
" Wir wollten miteinander den Schleier näh "men , um beisammen zu bleiben ; ich würde " nicht alt werden , sagte sie , und ich müßte mein " kurzes Leben froh und ohne Sorgen , aber auch " in Zubereitung auf das andere verbringen .
" Ach sie ging selber voran !
Die Nachtwachen M 2 " am Krankenbette ihrer Mutter und der " Schmerz über den Tod nahmen sie dahin .
" Sie empfing das heilige Nachtmahl , auf das " wir uns miteinander zubereiteten , im Sterben " allein . --
Da gab mir der Engel diesen " Schleier , worin ich ihr einst folgen soll . --
O , " gute , gute Karoline ! "
-- Sie weinte unverhohlen und drückte bewegt Albano's Hand .
" O " ich hätte nicht davon anfangen sollen !
-- " Dort kommt schon unser Freund ; wir wollen " recht heiter sein . "
-- Sie waren jetzt durch ein hohes Gebüsche , das neckend die umherschweifenden Landschaften auf- und zudeckte , nahe an die über das Flötental hereinschauende Turmspitze gelangt , neben welcher eine einsame Kirche und Speers Wohnung lag und unten in der Ebene das offene Dorf .
Spener ging seiner Schülerin , -- nach Greisen-Sitte um andere unbekümmert -- entgegen und ein junges Reh lief , ihm nach .
Eine schöne Stelle !
Kleine weiße Pfauen -- freie Turteltauben -- eine Bienenstadt mitten in ihrer Bienenflora-- alles sagte den ruhigen Alten an , dem nun die ehrende Erde dient und der gleichgültig gegen sie , nur in Gott lebt .
Er kam gegen die Erwartung eines kirchlichen Ernstes mit einem leichten Scherz über die bunte Reihe an und legte die segnenden Finger auf Lianen Stirn , die seine Enkelin zu sein schien , gleichsam eine zweite Baum-Blüte im Spätherbst des Lebens .
Sie steckte ihm töchterlich den Strauß der Zwerg-Röschen an die Brust und gab sehr Acht , ob es ihn besonders freue .
Sie lächelte ganz heiter und alle ihre Tränen schienen verweht ; aber sie glich dem beregneten Baum unter der wiederlachenden Sonne , die kleinste Erschütterung wirft den alten Regen vom stillen Laub .
Der alte Mann erfreute sich über die Teilnahme der jungen Leute und blieb mit ihnen auf der blühenden und lärmenden Anhöhe , welche zwischen einer weiten Landschaft und zwischen den reichbeladen ins Elysium hineinlaufenden Bergrücken thronte .
Sie ließen ihn , da zu ihm wie zu einem der im Luftschiff aufsteigt , die Töne der Erde nicht so weit nachreichten als die Gestalten , mehr reden als hören , wie man Alte schonet .
Er sprach bald von dem , worin sein Herz atmete und lebte ; aber in einer sonderbaren halb theologischen halb französischen , Wolfianischen und poetischen Sprache .
Man sollte von manches Schwärmers Poesie und Philosophie statt der Verbal- , Realübersetzungen geben , damit man sähe , wie die gold-reine Wahrheit unter allen Hüllen glühe .
Spener sagt in meiner Übersetzung : " er habe sich sonst , ehe er das " Rechte gefunden , in jeder menschlichen Freund " schafft und Liebe gemartert .
Er habe , wenn " er inbrünstig geliebt wurde , zu sich gesagt , " daß er sich selber ja nie so ansehen oder Li " ben könne ; und eben so könne ja das geliebte We "sen , nicht so von sich denken wie das liebende , " und wäre ' es noch so vollkommen oder so ei "genliebig .
Sähe jeder den anderen an wie " er sich :
so gäbe ' es keine feurige Liebe .
Aber " jede forder einen unendlichen Wert und " sterbe an jedem unauflößlichen deutlich er " kannten Fehl ; sie hebe ihren Gegenstand aus " allen heraus und über alle , und verlange eine " Gegenliebe ohne Grenze , ohne allen Eigennutz , " ohne Teilung , ohne Stillstand , ohne Ende .
" Das sei ja das göttliche Wesen , aber nicht " der flüchtige , sündige , wechselnde Mensch .
Da " her müsse sich das liebekranke Herz in die " Geber dieser und jeder Liebe selber , in die " Fülle alles Guten und Schönen , in die uni " gennützige , unbegrenzte All-Liebe senken und " darin zergehen und aufleben , selig im Weg " sel des Zusammenziehens und Ausdehnens .
" Dann sieht es zurück auf die Welt und sin " geht überall Gott und seinen Widerschein -- " die Welten sind seine Taten -- jeder fromm "me Mensch ist ein Wort , ein Blick des All "Liebenden ; denn die Liebe zu Gott ist das " göttliche und ihn meint das Herz in jedem " Herz. " -- -- " Aber --
( sagte Albano , dessen frisches " energisches Leben aller mystischen Vernichtung " wiedersträubte -- ) wie liebt uns denn Gott ? "
" Nie ein Vater sein Kind , nicht weil es das " beste ist , sondern weil es ihn braucht . "
* )
" Und * ) Irgend eine uneigennützige Liebe muß ewig ge " woher , ( fragt ' er weiter , ) kommt denn das " Böse im Menschen und der Schmerz ? "
-- " Vom Teufel " sagte der Greis und malte ununterbrochen mit verklärter Freude den Himmel seines Herzens aus , wie es immer umgeben sei vom all-geliebten All-Liebenden , wie es gar kein Glück und keine Gaben von ihm begehre , ( die man nicht einmal in der irdischen Liebe wünsche , ) sondern nur immer höhere Liebe gegen ihn selber , und wie es , indem der Abendnebel des Alters immer dichter um seine Sinne ziehe , sich im Lebens-Dunkel immer fester von den unsichtbaren Armen umschlungen fühle .
" Ich bin bald bei Gott ! " sagte er mit einem Glanze der Liebe auf dem vom Leben erkälteten und unter den Jahren einbrechenden Gesicht .
Man hätte es ausgehalten , ihn sterben zu sehen .
So steht der Montblanc vor dem aufgehenden Mond ; die Nacht verhüllt seinen Fuß und seine Brust , aber der * ) * ) Wesen sein .
Wie es ewige Wahrheiten gibt , so muß es auch eine ewige Liebe geben . lichte Gipfel hängt hoch im dunklen Himmel , als ein Stern unter den Sternen .
Liane hatte wie eine Tochter das Auge und die Hand nicht von ihm gelassen und jeden Laut schmachtend eingesogen ; ihr Bruder hatte ihn mit mehr Freude als Alban gehört , aber bloß um den mystischen Heros ganz in den mimischen Berg Athos seiner Nachbildung reiner abzuformen , und Rabette hatte ihn wie in einer Kirche unter gläubigen -- Nebengedanken angeschaut .
Er entfernte sich jetzt ohne Umstände , um für seine Tiere zu sorgen , die er wie alles Unwillkürliche , z. B. die Kinder , wie aus der ersten Hand Gottes kommend liebte ; alles sei göttlich , sagte er , und nichts irdisch als das Unmoralische .
Er konnte keine Bienen schwefeln , keine Blumen im Scherben-Käfig verdursten lassen , kein abgetriebenes , wundes Pferd ertragen und ging vor einer Fleischbank nur mit schaudernden Gliedern vorüber .
" Wollen wir , ( sagte der Freund Karl , ) den " herrlichen Abend auf der prächtigen Berg " Straße einnehmen und Dein Donnerhäuschen " besehen und jeden Leidens-Kelch herunterwar "fen in die Täler hinein ? "
-- Welche magische Nachbarschaft durchzogen sie nun auf dem gebogenen Gebirge zum Donnerhäuschen !
Zur Rechten gleichsam den Okzident der Natur , zur Linken ihren Orient -- vor ihnen das prangende Lila in der Abendfeerie -- der glänzenden Rosana in den Armen liegend -- Ährengold hinter Pappelsilber -- und darüber den Himmel , gefüllt mit lebenstrunkenen lärmenden Wesen -- und der Sonnengott schreitet über seinen Abend weg und bückt sich ein wenig unter der Mitternacht , um in Osten das goldene Haupt zu erheben .
Albano ging an Lianen heiliger Hand voraus .
" O wie ist alles so schön !
"(sagt' er . )
Wie rauschet die aufgeblätterte Welt " karte mit langen Flüssen und Wäldern -- wie " sonnen sich die Morgenberge in fester Ruhe -- " wie steigen die Haine mit glühenden Stämmen " die Hügel hinauf -- man möchte sich in die " rauchenden Täler stürzen und in die kalten " glänzenden Wellen -- ach Liane , wie ist alles " so schön ! "
" Und Gott ist auf der Welt " sagte sie -- " und in dir ! " sagte er und dachte an das Wort des Greisen , daß die Liebe Gott meine und er im Herzen wohne , das wir ehren .
Jetzt rollten ihm schon die großen Wogen entgegen , welche die Äolsharfe im Donnerhäuschen schlug ; und sein Genius flog vor ihm vorbei mit den Worten :
sage ' ihr darin dein ganzes Herz .
Vor der kleinen Hütte der gestrigen Träume ging sein stürmendes Herz auseinander ; und Sonne und die Erde schwankten vor den wilden Tränen .
Da er hineintrat mit ihr in den füllenden Rosenglanz der Abendsonne und in das Geistergetümmel der einsam miteinander redenden Töne :
so faßte er Lianen Hände und drückte sie wild an seine Brust und sank vor ihr ohne Laut und geblendet nieder -- Flammen und Tränen flogen über Augen und Wangen -- der Wirbelwind der Töne wehte in seine lodernde Seele -- der milde Engel der Unschuld bückte sich weinend und bebend gegen den brennenden Sonnengott -- und es schlängelte sich ein Schmerz wie eine bleiche Schlange durch die Rosen des milden Angesichts -- -- und Albano stammelte : Liane , ich liebe dich -- . . . . Da kehrte die Schlange um und faßte und bedeckte die süße Rosen-Gestalt " O guter " Mensch , Du bist unglücklich , aber ich bin un " schuldig . "
Sie trat erhaben zurück und zog schnell den weißen Schleier über ihr Gesicht herab und sagte außer sich : " liebst Du die Tod " ten ?
Das ist mein Leichenschleier ; im künfti " gen Jahre liegt er auf diesem Gesicht . "
-- " Das ist nicht wahr " sagte Albano .
" Karoline , " antworte ihm ! " sagte sie und sah starr in die brennende Sonne wie nach einer höheren Erscheinung .
Fürchterliche Minute ! wie bei dem Erdbeben das Meer wogt und die Luft fürchterlich still ruht , so war seine Lippe neben der Verschleierten stumm und das ganze Herz ein Sturm -- auf den Saiten wandelte eine seufzende Geisterwelt vorüber und der letzte endigte mit einem scharfen Schrei -- die Schönheit der Erde verzerrte sich vor ihm und in das Abendgewölk waren breite Feuerfahnen gepflanzt und das Sonnenauge schloß sich blutend zu . -- --
Auf einmal faltete Liane wie betend die Hände und lächelte und errötete ; da hob sie den Schleier von den göttlichen Augen und die Verklärte , vom Rosen-Wiederschein angestrahlt , sah ihn zärtlich an -- und schlug das Auge nieder -- und hob es wieder auf -- und senkte es nieder -- und der Schleier fiel wieder vor und sie sagte leise : " ich will dich lieben , " guter Albano , wenn ich dich nicht elend ma " che . "
-- " Ich sterbe mit dir , sagte er , was " ist_es ? "
-- -- Und nun verhülle die heilige Wolke den Sonnengott , der flammend durch seine Sterne zieht ! --
-- Seine Einsamkeit und Lianen Auflösung so vieler Wunder wurden durch den Eintritt Rabettens und Karls verschoben , welche beide mehr gerührt als beglückt schienen , sie durch die tröstende Nähe des Geliebten , er durch die sonderbare Lage und durch den zwingenden Abend ; denn gewissen Menschen geht ein Sturm nach und sie müssen die Schritte , die sie tun , wider Willen schneller machen .
Als Albano wieder mit dem Friedensengel seines Lebens , mit der Geliebten , die mitten im Rauschen der Gefühle doch die Stimme ihrer Freundin hörte , allein vorausgieng auf den Felsen-Damm zwischen duftenden Tempethälern in der dämmernden Welt :
so war ihm als habe sich sein Leben wie ein Adler durch eine Sturmwolke durchgearbeitet und der schwarze Sturm laufe unter seinen Flügeln weiter und der ganze Sternenhimmel brenne hell über seinem Haupt .
Liane , jungfräulich-edel und fest , gab ihm , ehe er eine Frage getan , die Antwort :
" Ihnen muß ich nun ein Geheimnis " sagen , was ich jedem und sogar meiner Mut "ter verbarg , weil es sie beunruhigt hätte .
" Ich erzählte vorhin von meiner unvergeßlichen " Karoline .
Am Tage meines Abendmahls , das " ich mit ihr empfangen wollen , ging ich Nachts " von meinem Lehrer zur Mutter zurück , und " zwar durch die sonderbare lange Höhle , worin " man niederzusteigen glaubt , wenn man auf " wärt steigt .
Mein Mädchen ging mit der " Laterne voraus .
In der romantischen Laube , " wo ein Hohlspiegel steht , kehre ich mich gegen " den hereinströmenden Vollmond , aus Furcht " vor dem wilden Spiegel , der den Menschen zu " grausam verzieht .
Plötzlich höre ich ein hemm " lisches Konzert wie nachher öfters wieder in " Krankheiten -- ich denke an meine selige " Freundin -- und schaue voll Sehnsucht in den " Mond . -- --
Da sah ich sie mir gegenüber , " mit unzähligen Strahlen , -- in ihren schönen " Augen war ein zärtlicher Blick , aber doch " etwas Auflösendes ; der zarte , fast allein leben " dige Mund glich einer roten aber durchsichte " gen Frucht , und alle ihre Farben schienen nur " Licht zu sein .
Doch nur im blauen Auge und " roten Munde schien der Engel Karolinen " ähnlich .
Ich könnte ihn zeichnen , wenn man " mit Licht malen könnte .
Ich wurde gefährlich " krank ; da erschien sie mir öfter und erquickte " mich mit unsäglich-süßen Lauten -- es wa "ren keine rechte Worte -- worauf ich immer " in einen sanften Schlaf wie in einen süßen " Tod versank .
Einmal fragt ich sie -- mehr " mit inneren Worten -- ob ich denn bald zu " ihr ziehe ins Reich des Lichts .
Sie antwortete , " ich stürbe jetzt nicht , sondern etwas später , " und sie nannte recht deutlich das künftige " Jahr und sogar den Tag , den ich aber ver " gegessen . . . . O lieber Albano ! vergeben Sie " mir nur einige Worte !
Ich genas bald und " trauerte über die lange schleppende Zeit .... .
" " Nein -- ( unterbrach Albano sie , dessen " Gefühle wie Schwerter gegen einander schlu " gen -- ) ich ehre , aber hasse Ihr gefährliches " Schreckbild .
Phantasie und Krankheit sind die " Eltern des luftigen Würgengels , der wie ein " taubes Wetterleuchten sengend über alle Bleu " then der Jugend fliegt . "
Sie antwortete gerührt :
" o du guter , " frommer Geist !
du hast mich nie betrübt , du " hast mich stets getröstet , geleitet , froh und " fromm gemacht .
-- Ein Schreckbild ist er , " Albano ? --
Eben gegen alle Schreckbel " der , gegen alle Geisterfurcht bewahrt er " mich , weil er immer um mich ist .
Warum , wenn " er nur ein Traumbild ist , erscheint er mir nie " in meinen Träumen ?
* ) Warum kommt er nicht .
* ) Darum vielleicht , warum der Dichter seine so bestimmt und oft angeschauten Geschöpfe , nicht in seinen Träumen unter den Bildern des Tages gehen sieht . " nicht , wenn ich will ?
Sondern bloß in Wichte " gen Fällen ; dann frag ich ihn und gehorche " sehr gern .
Er ist mir heute , Albano , ( setzte sie " leiser und blöder hinzu ) schon zweimal erschien "nen , unterwegs als ich die innere Musik hörte , " und vorhin im Donnerhäuschen als die Sonne " unterging , und hat mir liebreich geantwortet . "
" Und was sagte er , Himmlische ? " fragte Albano unschuldig .
-- " Ich sah ihn unter " Wegs nur an und fragte nichts " versetzte die Kindliche errötend ; und hier stand auf einmal ihre heilige Seele unwissend ohne Flor vor ihm ; denn sie hatte im Donnerhäuschen von der unsichtbaren Karoline das Ja zu ihrer Liebe empfangen , weil jene ihr Geschöpf war und dieses ihre -- Eingebung .
Ja wohl Himmlische !
du stehst vor dem Spiegel mit dem jungfräulichen Schleier über deiner Gestalt , und wenn dein Bild seinen leise hebt , glaubst du dich noch verhüllt ! --
Kein Wort spricht Albano's Verehrung eines so geheiligten Herzens aus , das verklärte Wesen so helle träumte -- dessen goldene Blumen auf dem Gedanken des Todes , wie Titan II. N irdische auf Gottesäckern , nur höher wuchsen -- das zugleich mit ihm unsichtbare Hände in zwei ähnliche Träume * ) gezogen -- dem man sich schämte gemeine Wahrheiten zu geben für seine heiligen Irrtümer . -- --
" Du bist vom " Himmel , -- ( sagt ' er begeistert und seine Freue " de wurde die im Auge zerschmolzene Perle " die den Durst des Menschenherzens löscht -- ) " darum willst du wieder dahin ! "
-- " O Ich " weihe Dir , mein Freund , ( sagte sie lächelnd- " weinend und drückte seine Hand an ihr fromm " mes Herz ) das ganze kleine Leben das ich habe , " jede Stunde bis zur letzten und vorher will " ich dich auf alles zubereiten , was Gott schickt . "
Ehe sie in des frommen Vaters Hütte traten : griff Albano nach des Freundes Hand und die Schwestern vereinigten sich .
Die Freunde gingen eine Zeitlang stumm voraus ; Karl blickte Albano an und fand den Frieden der Seligkeit auf seinem Angesicht .
Als dieser sah , wie * )
Denn an seinem und ihrem Abendmahlstage hatte er an ihren Tod durch das Gewitter geglaubt .
Liane das überfüllte Herz an das schwesterliche drückte :
so wurde die Aufrichtigkeit und Freude in ihm zu stark und er fiel ohne ein Wort dem lieben Bruder der ewigen Braut ans Herz und lies ihn stumm alles erraten aus den Tränen der Seligkeit .
O er hätte es doch erraten aus dem bräutlichen Blick der Liebe , den seine Schwester von seinem Freunde seltener wegzog , und aus der Innigkeit , womit sie Rabatten -- gleichsam als würden beide bald einander verwandt , als würde selber der Bruder bald schöner sprechen , da er sie lange nicht mehr die kleine Linda hieß -- an ihrem Herzen einweihte für das brüderliche .
Bei dem frommen Vater versteckte sich der entzückte Blick wenig , den Albano gleichsam unter dem Tore der Ewigkeit stehend in die Himmel warf , die wie Welten hintereinander schimmerten ; er war still , sanft und in seinem Herzen wohnten alle Herzen .
O liebe Eines rein und warm , so liebst du alle nach und das Herz in seinem Himmel sieht wie die wandelnde Sonne vom Tau bis zum Meere nichts als Spiegel , die es wärmt und füllt .
Aber in Roquairol fuhr sogleich , als er das himmlische Glück so nahe sah , der aufrührerische Geist seiner Vergangenheit und schlug epileptisch die Glieder des inneren Menschen blutig -- die unsterblichen Seufzer nach dem ewig fliehenden Frieden quälten ihn wieder , seine Fehltritte und Irrtümer und sogar die Stunden , wo er unschuldig litt , wurden ihm schmerzlich vorgerechnet -- und da sprach er ( und rührte jedes Herz , am meisten aber das der armen Rabette , das er sich zu erwärmen an sich preßte wie nach der Sage der Adler die Taube , der dann sie nicht zerreißet . )
Da sprach er edel von der Wüstenei des Lebens und vom Schicksal , das den Menschen wie den Vesuv zum Krater ausbrenne und dann wieder kühle Auen darein säe und ihn wieder mit Feuer fülle -- und vom einzigen Glück des hohlen Lebens , von der Liebe , und von der Verletzung , wenn das Geschick mit seinen Winden eine Blume * ) reibend hin und her bei * ) z. B. die Winterlevkoje . Wege und dadurch die grüne Rinde an der Erde durchschneide . -- --
Aber indem er so sprach , sah er die glühende Rabette an und wollte durch diese Erwärmungen gleichsam die feste Blumen-Knospe seiner Liebe gewaltsam sprengen und die Blätter unter die Sonne breiten -- o ganz glücklich war doch der Verworrene und Sehnsüchtige auch heute nicht und er wollte weniger andere rühren als sich .
Wie selig-ahnend traten sie wieder heraus vor die Sphinx der Nacht , welche lächelnd mit sanften Sternenblicken vor ihnen lag .
Gingen sie nicht durch eine stille , dämmernde Unterwelt , leicht und frei ohne die schwere , klebende Erde an den Füßen und im weiten Elysium flattert nur der warme Äther , weil ihn unsichtbare Psychen mit ihren Flügeln schlagen ?
Und aus dem Flötentale sendet ihnen der Greis seine Töne als süße Liebespfeile nach , damit das schwellende Herz an ihren Wunden selig blute .
-- Albano und Liane kamen vor eine Aussicht , wo die weite Morgenlandschaft mit den Lichtstreifen von blühenden Mohnfeldern und mit dunklen Dörfern an die sanften Gebirge hinanstieg , wo der Mond aufwachte und der Glanz seines Gewandes schon wie der eines Geistes durch den Himmel streifte -- hier blieben sie auf die Luna wartend stehen .
Albano hielt ihre Hand .
Alle Gebirge seines Lebens standen im glühenden Morgenrot .
" Li " ohne , ( sagt ' er , ) so unzählige Frühlinge sind jetzt " droben auf den Welten , die herunter hän " gen ; aber dieser ist der schönste . "
-- " Ach " das Leben ist lieblich und heute wird es " mir zu lieb " -- Albano ( setzte sie leise da " zu , und ihr ganzes Angesicht wurde eine er " habne tränenlose Liebe und die Sterneweb " ten und stickten ihr Brautkleid ) wenn mich " Gott fordert , so lasse er mich Dir immer erschei " einen wie mir Karoline ; o wenn ich dich nur " so durch dein ganzes liebes Leben begleiten " und trösten und warnen könnte , ich wünschte " gern keinen anderen Himmel . "
Aber als er die Fülle seiner Liebe und den zürnenden Schmerz über den Todeswahn aussprechen wollte , so kam sein wilder Freund , der wie ein Vesuv Lava- und Regenströme zugleich über die gläubige Rabette ausgießend ihr und sich das Herz nur voller , nicht leichter gemacht ; da sah Karl die verherrlichten Menschen an und den blauen Horizont , wo schon der Mond seinen Schimmer zwischen den festen Mastspitzen und Gipfeln vorauswarf und blickte wieder in den Glanz der heiligen Liebe . -- --
Da konnte er sich nicht länger halten , sein quaalvolles Herz stieg wie zu Gott , auf zu einem ewigen Entschluß und er umfaßte Albano und Rabette und sagte :
Geliebter ! --
Geliebte !
-- behaltet mein unglückliches Herz ! --
Rabette umklammerte ihn mitleidig wie eine Mutter das Kind und gab ihm heißweinend ihre ganze Seele hin . --
Albano umschloß staunend den Liebesbund . --
Liane wurde vom Strudel der Wonne an die geliebten Herzen gezogen .
-- Ungehört riefen die Flöten fort , ungesehen wehten die weißen Fahnen der Sterne darüber .
-- Karl sprach wahnsinnige Worte der Liebe und wilde Wünsche des Freuden-Todes .
-- Albano berührte bebend Lianen Blumenlippe wie Johannes Christus küßte und die schwere Milchstraße bog sich wie eine Wünschelrute hernieder zu seinem goldenen Glück .
-- Liane seufzte : o Mutter , wie sind deine Kinder glücklich .-- Der Mond war schon wie ein weißer Engel des Friedens in das Blau geflogen und verklärte die große Umarmung ; aber die Seligen merkten es nicht .
Wie ein Wasserfall überdeckte sie brausend das reiche Leben und sie wußten es nicht , daß die Flöten schwiegen und alle Hügel glänzten .
Ende des zweiten Bandes .
- Holder of rights
- Bildungsroman Projekt
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- TextGrid Repository (2025). Korpus. Titan: Teil 2. Titan: Teil 2. Bildungsromankorpus. Bildungsroman Projekt. https://hdl.handle.net/21.11113/4c0kz.0