Zweiter Teil .
Leipzig , bei Weidmanns Erben und Reich . 1771 .
Geschichte des Fräuleins von Sternheim .
Seymour an Doktor T. Zweien Monate sind_es , seit ich Ihnen schrieb ; seit ich , von Zweifel und Argwohn gemartert , mich von aller Gesellschaft enthielte , und mich endlich durch einen übelverstandenen Eifer für die Tugend zu dem elendesten Geschöpfe auf der Erde machte .
O , wäre ich es allein , ich würde mich glücklich dabei achten ; aber ich habe die beste , die edelste Seele zu einem Entschluß der Verzweiflung gebracht ; ich bin die Ursache des Verderbens meines angebeteten Fräuleins von Sternheim .
Kein Mensch kann mir was von ihrem Schicksal sagen ; aber mein Herz sagt mir , daß sie unglücklich ist .
Dieser Gedanke frißt das Herz , in welchem er sich ernährt .
Aber ich sage Ihnen unbegreifliche Dinge !
ich muß mich verständlich machen ; Sie wissen , wie missvergnügt ich von dem Feste des Grafen F. zurück kam , und daß ich von diesem Augenblick mich aller Gesellschaft entäußerte .
Meine Liebe war verwundet , aber nicht getötet ; ich dachte , sie würde durch Verachtung und Fliehen geheilt werden ; ich wollte sogar nichts von dem Fräulein reden hören ; als endlich mein Oheim meine Leidenschaften auf einmal zu löschen glaubte , da er mir die Nachricht gab : " daß auf das Geburtsfest des Fürsten ein Maskenball angestellt wäre ; daß der Fürst die Maske des Fräuleins tragen würde , und sie Kleidung und Schmuck von ihm bekomme .
Ich könnte also schließen , daß sie sich aufgeopfert habe ; sie hätte schon vorher Gnaden von ihm erbeten , und alles erhalten , was sie verlangt habe ; der Fürst käme Abends in den Garten des Grafen Löbau , allein von seinem Liebling begleitet u. s. w. -- "
Mein Oheim erreichte seinen Zweck ; die Sorge meiner Liebe verlor sich mit meiner Hochachtung , und mit der Hoffnung , die ich immer blindlings behalten hatte .
Aber gleichgültig war ich noch nicht ; meine Seele war durch das Andenken ihres Geistes und ihrer Tugend gekränkt .
Wie glücklich , o Gott , wie glücklich hätte sie mich machen können , ( rief ich ) wenn sie ihrer Erziehung und ihrer ersten Anlage getreu geblieben wäre !
Ohne Erinnerung und Bestrafung wollte ich sie nicht lassen , und der Maskenball dünkte mich ganz bequem zu meinem Vorhaben .
Ich machte eine doppelte Maske .
In der ersten wollte ich mich noch von allem überzeugen , was mir von der Vergessenheit ihres Werts und ihrer Pflichten gesagt worden war .
Sie kam von allen Grazien begleitet in den Saal ; sie trug den Schmuck , welchen der Hofjuwelier dem Lord gewiesen hatte .
Sie war so niederträchtig gefällig , ihre schöne Stimme hören zu lassen und ihn nebst der Gesellschaft zur Freude aufzumuntern .
Hätte ich Kräfte gehabt , sie ihrer reizenden Gestalt und aller ihrer Talenten zu berauben , ich würde es in diesem Augenblick getan haben .
Leichter wäre es mir gewesen , sie elend , häßlich , ja gar tot zu sehen , als ein Zeuge ihrer moralischen Zernichtung zu sein .
Der tiefste Schmerz war in meiner Seele , als ich sie singen hörte , und mit dem Fürsten und mit anderen Menuette tanzen sah .
Aber als er sie um den Leib faßte , an seine Brust drückte , und den sittenlosen , frechen Wirbeltanz der Deutschen , mit einer , aller Wohlstandsbande zerreissenden Vertraulichkeit an ihrer Seite daher hüpfte -- da wurde meine stille Betrübnis in brennenden Zorn verwandelt ; ich eilte in meine zweite Maske , näherte mich ihrer darin , und machte ihr bittere und heftige Vorwürfe über ihre Frechheit , sich mit so vieler Lustigkeit in ihrem schändlichen Putz zu zeigen .
Ich setzte hinzu : daß alle Welt sie verachtete , sie , die man angebetet habe --
Meine erste Anrede brachte das vollkommenste Erstaunen in ihr hervor ; sie konnte nichts sagen , als ihre Hand gegen die Brust heben , -- ich -- ich -- stotterte sie -- mit der anderen wollte sie mich haschen .
Aber ich Elender , entfloh , ohne auf die Wirkung achten zu wollen , die meine Rede machen würde .
Nach Hause eilte ich , ließ mir sechs Postpferde vor meine Chaise geben , nahm meinen alten Dik mit , und fuhr sechs Tage ohne zu wissen , wohin ; bis ich endlich in einem Dorfe liegen bleiben mußte , wo ich dicken auf das äußerste verbot , jemanden Nachricht von mir zu geben .
Mein Gemütszustand ist nicht zu beschreiben ; gefühllos , geistlos war ich , missvergnügt , unruhig , und dennoch versagt ich mir die einzige Hilfe , die meine Leiden erforderten -- Nachrichten von D. zu haben .
Dieser unselige Eigensinn legte den Grund zu der tiefen Traurigkeit , die mich bis an mein Ende begleiten wird .
Denn während ich das stumme Wüten meiner unüberwindlichen Liebe in dem äußersten Winkel eines einsamen Dorfes verbarg , um die ersten Triumphtage des Fürsten vorbeirauschen zu lassen , hatte das Fräulein den edelsten Widerstand gemacht , hatte aus Kummer beinahe das Leben verloren , und war endlich aus dem Hause ihres Oheims entwichen , weil man sie nicht auf ihre Güter gehen lassen wollte .
Einen Monat nach diesem Vorgang kam ich abgezehrt und finster zurück ; Mylord empfing mich mit väterlicher Zuneigung ; er sagte mir alle Sorgen , die ich ihm verursacht hätte , auch daß er auf den Gedanken geraten sei , ich möchte das Fräulein entführt haben .
Wollte Gott , Sie hätten mir es erlaubt , rief ich ; ich wäre nicht so elend .
Aber reden Sie mir nicht mehr von ihr .
Er umarmte mich und sagte :
Lieber Carl , du mußt doch hören was geschehen ist .
Sie war doch edel , tugendhaft , alles was uns zu ihrem Nachteil gesagt wurde , war Betrug , und sie ist entflohen .
Meine Begierde , alles zu wissen , war nun so groß , als vorher meine Sorge darüber gewesen war .
Das Fräulein soll geglaubt haben , ihre Tante hätte ihren Schmuck neu fassen lassen , und lehnte ihn ihr zum Ball ; die Kleider habe sie ihrem Kaufmann schuldig zu sein geglaubt ; ihr Singen wäre eine gezwungene Gefälligkeit gewesen , und sie hätte in einem Brief an den Fürsten eine weiße Maske gesegnet , die ihr alle Bosheiten entdeckt habe , welche ihren Ruhm zernichtet hätten .
O Mylord , rief ich ; diese weiße Maske war ich ; ich habe mit ihr gesprochen , und ihr Vorwürfe gemacht ; aber gleich nach dieser Unterhaltung eilt ' ich fort .
Er fuhr fort mir zu erzählen : das Fräulein hätte noch auf dem Ball dem Fürsten seinen Schmuck vor die Füße geworfen , und wäre in der äußersten Beängstigung nach Haus gefahren ; sie wäre aber acht Tage sehr krank gelegen , und hätte keinen Menschen vor sich gelassen .
Bei ihrer Wiederherstellung hätte sie auf ihre Güter zu gehen verlangt , ihr Onkel aber hätte sie nicht gehen lassen , und acht Tage darauf , als man dem Prinzen von P. zu Ehren bei Hofe Lustbarkeiten angestellt , sei sie mit ihrer Kammerjungfer verschwunden .
Der Graf und die Gräfin Löbau , die bis Morgens bei dem Ball gewesen , und ihre Leute , welche auch nicht früh munter geworden , hätten nicht an das Fräulein gedacht , bis Nachmittags , da man die Tafel für den Grafen gedeckt hatte , man erst angefangen , das Fräulein und ihr Mädchen zu vermissen ; aber als man ihre Zimmer aufgesprengt , an ihrer Stadt bloß Briefe gefunden habe , einen an den Fürsten , einen an Mylord C , und einen an ihren Oheim , dem sie noch ein Verzeichnis angeschlossen von den Kleidern , die sie an den Pfarrer geschickt habe , um sie zu verkaufen , und das Geld den Armen des Kirchspiels zu geben .
Ihrem Oheim hätte sie kurz , aber mit vieler Würde und Rührung von den Klagen gesprochen , die sie über ihn und seine Frau zu führen habe , und von den Ursachen , warum sie sich von ihnen entfernte , und sich in den Schutz eines Gemahls begebe , den sie sich gewählt hätte , und mit welchem sie als seine vermählte Frau aus ihrem Hause gehe , um sich nach Florenz zum Grafen R. zu begeben , woher sie wieder Nachricht von ihr erhalten sollten ; indessen überlasse sie ihm auf drei Jahre den Genuß aller Einkünfte ihrer Güter , um damit die Beendigung seines Rechtshandels zu betreiben , die er auf eine niederträchtige Art durch die Aufopferung ihrer Ehre zu erhalten gesucht hätte ; es wäre ein Geschenk , welches sie seinen zweien Söhnen machte , und wodurch sie mehr Segen erhalten würden , als durch den Entwurf ihres Untergangs .
Dem Fürsten hätte sie geschrieben : sie fliehe an der Hand eines edelmütigen und würdigen Gemahls vor den Verfolgungen seiner verhaßten und entehrenden Leidenschaft ; sie habe inzwischen ihrem Onkel die Einkünfte von ihren Gütern auf drei Jahre überlassen , hoffe aber nach Verfließen dieser Zeit sie von der Gerechtigkeit des Landesfürsten wieder zurück zu erlangen ; gegen Mylord aber hätte sie sich erklärt : daß sie seinen Geist und seinen Gemütscharakter jederzeit verehrt , und gewünscht habe , einigen Anteil an seiner Achtung zu haben ; es wäre sehr wahrscheinlich , daß die Umstände , in welche man sie gestellt , ihre Gemütsart mit einem so starken Nebel umhüllet hätten , daß Er sich keinen richtigen Begriff davon habe machen können ; sie versichere ihn aber , daß sie seiner Hochachtung niemals unwürdig gewesen , und seine harte nachteilige Beurteilung nicht verdient habe ; und dieses möchte er auch seinem Neffen Seymour lesen lassen ; Löbau sei nach dieser Entdeckung zum Fürsten geeilt , der darüber ins größte Erstaunen geraten , und aller Orten habe nachschicken wollen ; aber Graf F. hätte es mißraten , und es wäre allein ein Kurier an den Grafen R. nach Florenz abgeschickt worden , von wannen man aber bis jetzt keine Nachricht von dem Fräulein erhalten habe .
Solange die Erzählung von Mylord dauerte , schienen alle Triebfedern meiner Seele zurückgehalten zu sein ; aber als er aufhörte , kamen sie in volle Bewegung .
Er mußte meine bittersten Klagen über seine Politik hören , durch die er mich verhindert hatte , mich mit dem edelsten Herzen zu verbinden .
Ihre großmütige Wohltätigkeit an ihrem Onkel , diese edle Rache für seine abscheuliche Beleidigung , ihr Andenken an die Arme ; und an mich , bei dem sie gerechtfertigt zu sein suchte ; wie viele Risse in mein Herz ?
Wie verhaßt wurde mir D. , wie viele Mühe hatte ich , die Ausdrücke meines Zorns zu verbergen , wenn ich ihre Feinde sah , oder wenn mir jemand von ihr reden wollte !
Denn der herzhafte Schritt , welchen sie zu ihrer Rettung gemacht , wurde von jedermann getadelt , alle ihre vortrefflichen Eigenschaften verkleinert , und ihr Fehler und Lächerlichkeiten angedichtet , deren sie gänzlich unfähig war .
Wie elend , aber auch wie allgemein ist das Vergnügen , Fehler am Verdienst auszuspähen !
Tausend Herzen sind eher bereit , sich zu der Bosheit zu erniedrigen , an einer vortrefflichen Person die Gebrechen der Menschheit zu entdecken , als eines zu finden ist , das die edle Billigkeit hat , einem anderen den größten Anteil an Kenntnissen und Tugend einzugestehen , und ihn aufrichtig zu verehren .
Ich schickte einen Kurier nach Florenz , und schrieb dem Grafen R. die Geschichte seiner würdigen Nichte .
Aus der Antwort , so ich von ihm erhielt , erfuhr ich , daß er nicht das geringste von ihrem Aufenthalte wisse .
Alle Bemühungen , welche er bis jetzt angewandt , sie auszuspähen , sind vergeblich gewesen ; -- und alles dies vergrößert die Vorwürfe , die ich mir wegen meiner übereilten Abreise von D. mache .
Warum wartete ich nicht auf die Folge meiner Unterredung ? -- wenn man besseren will , ist es genug , bittere Verweise zu geben ? --
Mein ganzes Herz würde sich empören , wenn ich einen Kranken schlagen oder misshandeln sähe : und ich gab einer Person , die ich liebte , die ich für verblendet hielt , Streiche , die ihre Seele verwunden mußten !
Aber ich sah sie als eine freiwillige weggeworfene meiner Achtung unwürdige Kreatur an , und dünkte mich berechtiget , ihr auch so zu begegnen .
Wie grausam war meine Eigenliehe gegen das liebenswerte Mädchen ! erst wollte ich nicht von meiner Liebe reden , bis sie sich ganz nach meinen Begriffen in dem vollen Glanz einer triumphierenden Tugend gezeigt haben würde .
Sie ging ihren eigenen schönen Weg , und weil sie meinen idealischen Plan nicht befolgte , eignete ich mir die Gewalt zu , sie darüber auf das empfindlichste zu bestrafen .
Wir beurteilten und verdammten sie alle ! aber sie -- wie edel , wie groß wird sie , in dem Augenblick , da ich sie für erniedrigt hielt ! sie segnete in der weißen Maske mich wütenden Menschen , da sie an den Rand eines frühen Grabes gestoßen hatte -- O , was kann sie jetzt von dem Geschöpfe sagen , durch dessen Unbesonnenheit sie in eine übereilte und gewiß unglückliche Ehe gestürzt wurde , die sie schon bereut , und nicht wieder brechen kann .
Sie schrieb meinen Namen noch , sie wollte , daß ich Gutes von ihr glauben soll !
O Sternheim , selbst in deinem von mir verursachten Elende würde deiue großmütige , unschuldige Seele die Marter meines Herzens beweinen , wenn du darin das Bild meiner ersten Hoffnungen mit allen Schmerzen der Selbstberaubung vereinigt sehen würdest !
Derby ist nach einer Abwesenheit von acht Wochen wieder von einer Reise nach H. zurückgekommen , und bewies mir eine ganz besondere Achtsamkeit ; ich goß allen meinen zärtlichen Kummer bei ihm aus ; er belachte mich , und behauptete , daß er mit dem Ruf seiner Bosheit viel weniger schädlich sei , als ich es durch diesen Tugendeifer gewesen ; seine Bosheit führe eine Art von Verwarnung bei sich , die alle Menschen vorsichtig machen könne .
Die Strenge meiner Grundsätze hätte mir eine Grausamkeit gegen die anscheinenden , und unvermeidlichen Fehler der Menschen gegeben , welche die Widerspenstigkeit der Bösen vermehre , und die guten Leute zur Verzweiflung bringe .
Wie kommt Derby zu diesem Anspruch der Wahrheit ?
ich fühlte , ja ich fühlte , daß er Recht hatte , daß ich grausam war , daß ich es war , ich -- Elender ! der die Beste ihres Geschlechts unglücklich gemacht .
O mein Freund , mein Lehrer , das Maß meines Verdrusses ist voll ; alle Stunden meines Lebens sind vergiftet .
John , unser Sekretäre , ist zwei Tage vor der Flucht des Fräuleins abgereist , und seitdem nicht mehr gekommen .
Die Kammerjungfer des Fräuleins war einmal bei ihm , und unter seinen Papieren hat man ein zerrissenes Blatt gefunden , wo mit der Hand meiner Sternheim geschrieben stand , -- " ich gehe in alle Ursachen ein , die Sie wegen der Verborgenheit unserer Verbindung angeben ; sorgen Sie nur für unsere Trauung ; denn unvermählt werde ich nicht fortgehen , ob ich gleich die Verbindung mit einem Engländer allen anderen vorziehe -- "
So ist sie also das Eigentum eines der verwerflichsten Menschen aller Nationen geworden !
O , -- ich verfluche den Tag , wo ich sie sah , wo ich die sympathetische Seele in ihr fand ! -- und , ewig verdamme Gott den Bösewicht , dem sie sich in die Arme warf !
Was für Ränke muß der Kerl gebraucht haben !
es ist nicht anders möglich , der Kummer hat ihren Verstand zerrüttet .
Aber die Briefe , die sie zurück ließ , sind in einem so wohltätigen , so edlem Ton , und mit so vielem Geiste geschrieben ! --
doch dünkt mich einst gelesen zu haben , daß just in einer Zerrüttung der künstlichen und gelernten Bewegung des Verstandes die Triebfedern an den Tag kämen , durch welche er von unseren natürlichen und vorzüglichen Neigungen gebraucht wird .
Urteilen Sie also von dem edlen Grund des Charakters unseres Fräuleins .
-- Fräulein von Sternheim an Emilia .
Hier in einem einsamen Dorfe , allen die mich sehen , unbekannt , denen , die mich kannten , verborgen , hier fand ich mich wieder , nachdem ich durch meine Eigenliebe und Empfindlichkeit so weit von mir selbst geführt worden , daß ich mit hastigen Schelten einen Weg betrat , vor welchem ich in gelassenen denkenden Tagen mit Schauer und Eifer geflohen wäre ; O wenn ich mir nicht sagen könnte , wenn meine Rosine , wenn Mylord Derby selbst nicht zeugen müßten , daß alle Kräfte meiner Seele durch Unmut und Krankheit geschwächt und unterdrückt waren ; wo , meine Emilia , wo nähme ich einen Augenblick Ruhe und Zufriedenheit bei dem Gedanken , daß ich heimliche Veranstaltungen getroffen -- ein heimliches Bündnis gemacht , und aus dem Hause entflohen bin , in welches ich selbst durch meinen Vater gegeben wurde .
Es ist wahr , ich wurde in diesem Hause grausam misshandelt ; es war unmöglich , daß ich mit Vertrauen und Vergnügen darin bleiben konnte ; gewiß war meine Verbitterung nicht ungerecht ; denn wie konnte ich ohne den äußersten Unmut denken , daß mein Onkel , und meine Tante mich auf eine so niederträchtige Weise ihrem Eigennutz aufopferten , und Fallstricke für meine Ehre flechten , und legen halfen ?
Ich hatte sonst keinen Freund in D. , mein Herz empörte sich bei der geringsten Vorstellung , die ich nach wiedererlangter Gesundheit , Verwandte , die mich meines Ruhms beraubt , und diejenigen wieder sehen müßte , die über meinen Widerstand und Kummer gespottet hatten , und alle schon lange zuvor die Absichten wußten , welche man durch meine Vorstellung bei Hofe erreichen wollte .
Ja , alle wußten es , sogar mein Fräulein C. , und keines von allen war edel und menschlich genug , mir , nachdem man doch meinen Charakter kannte , nur den geringsten Fingerzeig zu geben ; mir , die ich keine Seele beleidigte , mich bemühte , meine Gesinnungen zu verbergen , so bald sie die ihrige zu tadeln , oder zu verdrießen schienen !
Wie bereit war ich , alles , was mir Fehler dünkte , zu entschuldigen !
Aber sie dachten , es wäre nicht viel an einem Mädchen , aus einer ungleichen Ehe , verloren .
Konnte ich bei diesem vollen Übermaße von Beleidigungen , die über meinen Charakter , meine Geburt und meinen Ruhm ausgegossen wurden , den Trost von mir werfen , den mir die Achtung und Liebe des Mylord Derby anbot ?
Die Entfernung des Grafen , und der Gräfin R. , ihr Stillschweigen auf meine letzten Briefe , die Unart , mit welcher mir die Zuflucht auf meine Güter versagt wurde ; und , meine Emilia , ich berge es Ihnen nicht , meine Liebe zu England , der angesehene Stand , zu welchem mich Mylord Derby durch seine Hand und seine Edelmütigkeit erhob ; auch diese zwei Vorstellungen hatten große Reize für meine verlassene und betäubte Seele .
Ich war vorsichtig genug , nicht unvermählt aus meinem Hause zu gehen , ich schrieb es dem Fürsten , dem Mylord Craston und meinem Oheim .
Ich nannte meinen Gemahl nicht ; wiewohl er so großmütig war , mir die volle Freiheit dazu zu lassen , ungeachtet er damit die Gnade des Gesandten und seines Hofes verwirkt hätte ; weil man den Gedanken fassen konnte , Mylord Craston hätte dazu geholfen , und dieser Argwohn widrige Folgen hätte haben können ; sollte ich da nicht auch großmütig sein , und denjenigen , der mich liebte und rettete , durch mein Stillschweigen vor Verdruß und Verantwortung bewahren ?
Es war genug , daß er den Gesandtschaftsprediger gewann , dem ich die ganze Geschichte meiner geheimen Trauung schrieb , und welchem Mylord eine Pension gibt , wovon er wird leben können , wenn er auch die Stelle bei dem Gesandten verliert .
Durch alles dieses unterstützt , reiste ich mit frohem Herzen von D. ab , von einem der getreuesten Leute des Lords begleitet ; mein Gemahl mußte , um allen Verdacht auszuweichen , zurückbleiben , und den Festen beiwohnen , welche zweien fremden Prinzen zu Ehren angestellt wurden .
Dieser Umstand war mir angenehm , denn ich würde an seiner Seite gezittert und gelitten haben , da ich hingegen mit unserer Rosine glücklich und ruhig meinen Weg fortsetzte , bis ich in diesem kleinen Dorfe meinen Aufenthalt nahm , wo ich vier Wochen war , ehe Mylord den schicklichen Augenblick finden konnte , ohne Besorgnis zu mir zu eilen .
Mein erster Gedanke war immer , meine Reise nach Florenz zu verfolgen , und Mylord da zu erwarten ; aber ich konnte seine Einwilligung dazu nicht erlangen , und auch jetzt will er sich vorher völlig von Mylord Craston losmachen , und erst alsdann mit mir zum Grafen R. , nach diesem aber gerade in sein Vaterland gehen .
In diesen vier Wochen , da ich allein war , hielt ich mich eingesperrt , und hatte keine andere Bücher , als etliche englische Schriften von Mylord , die ich nicht lesen mochte , weil sie übergebliebene Zeugnisse seiner durch Beispiel und Verführung verderbten Sitten waren .
Ich warf sie auch alle an dem ersten kalten Herbsttage , der mich nötigte Feuer zu machen , in den Ofen , weil ich nicht vertragen konnte , daß diese Bücher und ich einen gemeinsamen Herrn , und Wohnplatz haben sollten .
Die Tage wurden mir lang , meine Rosina nahm sich Näharbeit von unserer Wirtin , und ich fing an mit dem zunehmenden Gefühl , der sich wieder erholten Kräfte meines Geistes , Betrachtungen über mich und mein Schicksal anzustellen .
Sie sind traurig , diese Betrachtungen , durch den Widerspruch , der seit dem Tod meines geliebten ehrwürdigen Vaters , noch mehr aber seit dem Augenblick meines Eintritts in die große Welt , zwischen meinen Neigungen und meinen Umständen herrschet .
O hätte ich meinen Vater nur behalten , bis meine Hand unter seinem Segen an einen würdigen Mann gegeben gewesen wäre !
Meine Glücksumstände sind vorteilhaft genug , und da ich nebst meinem Gemahl den Spuren der edlen Wohltätigkeit meiner Eltern gefolgt wäre , so würde die selige Empfindung eines woylangewandten Lebens , und die Freude über das Wohl meiner Untergebenen alle meine Tage gekrönt haben .
Warum hörte ich die Stimme nicht , die mich in P. zurückhalten wollte , als meine Seele ganz mit Bangigkeit erfüllt , sich der Zuredungen meines Oheims , und Ihres Vaters widersetzte ?
Aber ich selbst dachte endlich , daß Vorurteil und Eigensinn in meiner Abneigung sein könnte , und willigte ein , daß der arme Faden meines Lebens , der bis dahin so rein und gleichförmig fortgeloffen war , nun mit dem verworrenen , ungleichen Schicksal meiner Tante verwebt wurde , woraus ich durch nichts als ein gewaltsames Abreißen aller Nebenverbindungen loskommen konnte .
Mit diesem vereinigte sich die Verschwörung wider meine Ehre , und meine von Jugend auf genährte Empfindsamkeit , die nur ganz allein für meine beleidigte Eigenliebe arbeitete .
O , wie sehr habe ich den Unterschied der Wirkungen der Empfindsamkeit für andere , und der für uns allein kennen gelernt !
Die zweite ist billig , und allen Menschen natürlich ! aber die erste allein ist edel ; sie allein unterhält die Wahrscheinlichkeit des Ausdrucks , daß wir nach dem Ebenbild unseres Urhebers geschaffen sein , weil diese Empfindsamkeit für das Wohl und Elend unseres Nebenmenschen die Triebfeder der Wohltätigkeit ist , der einzigen Eigenschaft , welche ein zwar unvollkommenes , aber gewiß echtes Gepräge dieses göttlichen Ebenbildes mit sich führt ; ein Gepräge , so der Schöpfer allen Kreaturen der Körperwelt eindrückte , als in welcher das geringste Grashälmchen durch seinen Beitrag zur Nahrung der Tiere eben so wohltätig ist , als der starke Baum es auf so mancherlei Weise für uns wird .
Das kleinste Sandkörnchen erfüllt seine Bestimmung wohltätig zu sein , und die Erde durch Lockernheit fruchtbar zu erhalten , so wie die großen Felsen , die uns staunen machen , unseren allgemeinen Wohnplatz befestigen helfen .
Ist nicht das ganze Pflanzen- und Tierreich mit lauter Gaben der Wohltätigkeit für unser Leben erfüllt ?
Die ganze physikalische Welt bleibt diesen Pflichten getreu ; durch jedes Frühjahr werden sie erneuert ; nur die Menschen arten aus , und löschen dieses Gepräge aus , welches in uns viel stärker , und in größerer Schönheit glänzen würde , da wir es auf so vielerlei Weise zeigen könnten .
Sie erkennen hier , meine Emilia , die Grundsätze meines Vaters : meine Melancholie rief sie mir sehr lebhaft zurück , da ich in der Ruhe der Einsamkeit mich umwandte , und den Weg abmaß , durch welchen mich meine Empfindung gejagt , und so weit von dem Orte meiner Bestimmung verschlagen hatte .
O , ich bin den Pflichten der Wohltätigkeit des Beispiels entgangen !
* ) Niemand * )
Aber werden nicht eben durch dieses warnende Beispiel ihre Fehler selbst wohltätig ?
Warum wird sagen , daß Kummer und Verzweiflung Anteil an meinem Entschluß hatten ; aber jede Mutter wird ihre Tochter durch die Vorstellung meiner Fehler warnen ; und jedes bildet sich ein , es würde ein edleres und tugendhaftes Hilfsmittel gefunden haben .
Ich selbst weiß , daß es solche gibt ; aber mein Geist sah sie damals nicht , und es war niemand gütig genug , mir eines dieser Mittel zu sagen .
Wie unglücklich ist man , meine Emilia , wenn man Entschuldigungen suchen muß , und wie traurig ist es , sie zu leicht , und unzulänglich zu finden !
So lang ich für andere unempfindlich war , fehlte ich nur gegen die Vorurteile der fühllosen Seelen , und wenn es auch schien , daß meine Begriffe von Wohltätigkeit übertrieben wären , so blieben sie doch durch das Gepräge des göttlichen Ebenbildes verehrungs- und Nachahmung * ) Warum findet sie nichts tröstendes in dieser Betrachtung ? --
Weil anch die edelmütigsten Seelen nicht auf Unkosten ihrer Eigenliebe wohltätig sind .
H. würdig .
Aber jetzt , da ich nur für mich empfand , fehlte ich gegen den Wohlstand und gegen alle gesellschaftliche Tugenden eines guten Mädchens .
-- Wie dunkel , o wie dunkel ist dieser Teil meines vergangenen Lebens ! was bleibt mir übrig , als meine Augen auf den Weg zu heften , den ich nun vor mir habe , und darin einen geraden Schritt , bei klarem Lichte fortzugehen ?
Meine ersten Erquickungsstunden habe ich in der Beschäftigung gefunden , zwei arme Nichten meiner Wirtin arbeiten und denken zu lehren .
Sie wissen , Emilia , daß ich gerne beschäftigt bin .
Mein Nachdenken , und meine Feder machten mich traurig ; ich konnte am geschehenen nichts mehr ändern , mußte den Tadel , der über mich erging , als eine gerechte Folge meiner irregegangenen Eigenliebe ansehen , und meine Ermunterung außer mir suchen , teils in dem Vorsatze , Mylord Derby zu einem glücklichen Gemahl zu machen , teils in der Bestrebung meinen übrigen Nebenmenschen alles mögliche Gute zu tun .
Ich erkundigte mich nach den Armen des Orts , und suchte ihnen Erleichterung zu schaffen .
Bei dieser Gelegenheit , sagte mir die gute Rosina , von zwoen Nichten der Wirtin , armen verwaisten Mädchen , die der Wirt haßte , und auch seiner Frau , deren Schwester-Töchter sie sind , wegen dem wenigen , so sie genießen , sehr übel begegnete .
Ich ließ sie zu mir kommen , forschte ihre Neigungen aus , und was jede schon gelernt hätte , oder noch lernen möchte ; beide wollten die Künste der Jungfer Rosine wissen ; ich teilte mich also mit ihr in dem Unterricht der guten Kinder ; ich ließ auch beide kleiden , und sie kamen gleich den anderen Tag , um meinem Anziehen zuzusehen .
Vierzehn Tage darauf bedienten sie mich wechselsweise .
Ich redete ihnen von den Pflichten des Standes , in welchen Gott sie , und von denen , in welchen er mich gesetzt habe , und brachte es so weit , daß sie sich viel glücklicher achteten , Kammerjungfern , als Damen zu sein , weil ich ihnen sehr von der großen Verantwortung sagte , die uns wegen dem Gebrauch unserer Vorzüge und unserer Gewalt über andere aufgelegt sei .
Ihre Begriffe von Glück , und ihre Wünsche waren ohnehin begrenzt , und die kleinen Prophezeihonigen , die ich , jeder nach ihrer Gemütsart machen kann , vergnügen sie ungemein ; sie glauben , ich wisse ihre Gedanken zu lesen .
Ich zahle dem Wirt ein Kostgeld für sie , und kaufe alles , was sie zu ihren Lehrarbeiten nötig haben .
Ich halte ihnen Schreibe- und Rechnungsstunden , und suche auch , ihnen einen Geschmack im Putz einer Dame zu geben , besonders Lehre ich sie alle Gattung von Charakter zu kennen , und mit guter Art zu ertragen .
Die Wirtin und ihre Nichten sehen mich als ihren Engel an , und würden alle Augenblicke vor mir knien , und mir danken , wenn ich es dulden wollte .
Süße glückliche Stunden , die ich mit diesen Kindern hinbringe !
Wie oft erinnere ich mich an den Ausspruch eines neueren Weisen , welcher sagte : " bist du melancholisch , siehst du nicht zu deinem Trost um dich her -- " Ließ in der Bibel ; Befreie dich von einem anklebenden Fehler ; oder suche deinem Nebenmenschen Gutes zu tun :
so wird gewiß die Traurigkeit von dir weichen -- "
Edles unfehlbares Hilfsmittel ! wie höchst vergnügt gehe ich mit meinen Lehrmädchen spazieren , und rede mit ihnen von der Güte unseres gemeinsamen Schöpfers !
Mit welchem innigen Vergnügen erfüllt sich mein Herz , wenn ich beide , über meine Reden bewegt , ihre Augen mit Ehrfurcht und Dankbarkeit gen Himmel wenden sehe , und , sie mir dann meine Hände küssen und drücken :
in diesen Augenblicken , Emilia , bin ich sogar mit meiner Flucht zufrieden , weil ich ohne sie diese Kinder nicht gefunden hätte .
Fräulein von Sternheim an Emilie .
O -- noch einmal so lieb sind mir meine Mädchen geworden , seitdem Mylord da war ; denn durch die Freude an den unschuldigen Kreaturen , hat sich mein Geist und mein Herz gestärkt .
Mylord liebt das Ernsthafte meiner Gemütsart nicht ; er will nur meinen Witz genährt haben ; meine schüchterne und sanfte Zärtlichkeit , ist auch die rechte Antwort nicht , die ich seiner raschen und heftigen Liebe entgegen setze , und über das Verbrennen seiner Bücher hat er einen männlichen Hauszorn geäußert .
Er war drei Wochen da .
Ich durfte meine Mädchen nicht sehen ; seine Gemütsverfassung schien mir ungleich ; bald äußerst munter , und voller Leidenschaft ! bald wieder düster und trocken ; seine Blicke oft mit Lächeln , oft mit denkendem Missvergnügen auf mich geheftet .
Ich mußte ihm die Ursachen meines anfänglichen Widerwillens gegen ihn , und meine Änderung erzählen ; sodann fragte er mich über meine Gesinnungen für Lord Seymour .
Mein Erröten bei diesem Namen gab seinem Gesicht einen mir entsetzlichen Ausdruck , den ich ihnen nicht beschreiben kann , und in einer noch viel empfindlicheren Gelegenheit merkte ich , daß er eifersüchtig über Mylord Seymour ist ; ich werde also beständig wegen anderer zu leiden haben .
Mylord liebt die Pracht , und hat mir viel kostbare Putzsachen gegeben , ich werde in seine Gesinnung eingehen , ungeachtet ich mich lieber in Bescheidenheit als in Pracht hervortun möchte .
Gott gebe , daß dieses der einzige Punkt sein möge , in welchem wir verschieden sein ; aber ich fürchte mehrere . --
O Emilie , beten Sie für mich ! --
Mein Herz hat Ahnungen ; ich will keine Gefälligkeit , keine Bemühung versäumen , meinem Gemahl angenehm zu sein ; aber ich werde oft ausweichen müssen ; wenn ich nur meinen Charakter , und meine Grundsätze nicht aufopfern muß ! -- -- Ich wählte ihn , ich übergab ihm mein Wohl , meinen Ruhm , mein Leben ; ich bin ihm mehr Ergebenheit , und mehr Dank schuldig , als ich meinem Gemahl unter anderen Umständen schuldig wäre .
O wenn ich einst in England in meinem eigenen Hause bin , und Mylord in Geschäften sein wird , die dem Stolz seines Geistes angemessen sind :
dann wird , hoffe ich , sein wallendes Blut im ruhigen Schoße seiner Familie sanfter fließen lernen , sein Stolz in edle Würde sich verwandeln , und seine Hastigkeit tugendhafter Eifer für rühmliche Taten werden .
Diesen Mut werde ich unterhalten , und , da ich nicht so glücklich war , eine Griechin der alten Zeiten zu sein , mich bemühen , wenigstens eine der besten Engländerinnen zu werden .
Mylord Derby an seinen Freund .
Verwünscht seist du mit deinen Vorhersagungen ; was hattest du sie in meine Liebesgeschichte zu mengen ?
Meine Bezauberung würde nicht lange dauern , sagtest du ! wie zum Henker konnte dein Dummkopf dieses in Paris sehen , und ich hier so ganz verblendet sein ? --
Aber Kerl , du hast doch nicht ganz recht !
Du sprachst von Sättigung ; diese habe ich nicht , und kann sie nicht haben , weil mir noch viel von der Idee des Genusses fehlt ; und dennoch kann ich sie nicht mehr sehen ! --
Meine Sternheim , meine eigene Lady nicht mehr sehen !
Sie , die ich fünf Monate lang bis zum Unsinn liebte !
Aber ihr Verhängnis hat mein Vergnügen , und ihre Gesinnungen gegen einander gestellt ; mein Herz wankte zwischen beiden ; sie hat die Macht der Gewohnheit mißkannte ; sie hat die feurigen Umarmungen ihres Liebhabers bloß mit der matten Zärtlichkeit einer frostigen Ehefrau erwidert ; kalte -- mit Seufzen unterbrochene Küsse gab sie mir , sie , die so lebhaft mitleidend , sie , die so geschäftig , so brennend eifrig für Ideen , für Hirngespenster sein kann !
Wie süß , wie anfesselnd , habe ich mir ihre Liebe , und ihren Besitz vorgestellt ! wie begierig war ich auf die Stunde , die mich zu ihr führte !
Pferde , Postknechte , und Bedienten hätte ich der Geschwindigkeit meiner Reise aufopfern wollen .
Stolz auf ihre Eroberung , sah ich den Fürsten und seine Helfer mit Verachtung an .
Mein Herz , mein Puls klopften vor Freude , als ich das Dorf erblickte , wo sie war , und beinahe hätte ich aus Ungeduld meine Pistole auf den Kerl losgefeuert , der meine Chaise nicht gleich aufmachen konnte .
In fünf Schritten war ich die Treppe hinauf .
Sie stand oben in englischer Kleidung , weiß , schön , majestätisch sah sie aus ; mit Entzückung schloß ich sie in meine Arme .
Sie bewillkommte mich stammelnd ; wurde bald rot , bald blaß .
Ihre Niedergeschlagenheit hätte mich glücklich gemacht , wenn sie nur einmal die Miene des Schmachtens der Liebe gehabt hätte ; aber alle ihre Züge waren allein mit Angst und Zwang bezeichnet .
Ich ging mich umzukleiden , kam bald wieder , und sah durch eine Türe sie auf der Bank sitzen , ihre beiden Arme um den Vorhang des Fensters geschlungen , alle Muskeln angestrengt , ihre Augen in die Höhe gehoben , ihre schöne Brust von starkem tiefen Atemholen , langsam bewegt ; kurz , das Bild der stummen Verzweiflung !
Sage , was für Eindrücke mußte das auf mich machen ?
Was sollte ich davon denken ?
Meine Ankunft konnte ihr neue , unbekannte Erwartungen geben ; etwas bange mochte ihr werden ; aber wenn sie Liebe für mich gehaht hätte , war wohl dieser starke Kampf natürlich ?
Schmerz und Zorn bemächtigten sich meiner ; ich trat hinein ; sie fuhr zusammen , und ließ ihre Arme , und ihren Kopf sinken ; ich warf mich zu ihren Füßen , und faßte ihre Knie mit starren bebenden Händen .
" Lächeln Sie , Lady Sophie , lächeln Sie , wenn Sie mich nicht unsinnig machen wollen -- schrie ich ihr zu .
Ein Strom von Tränen floß aus ihren Augen .
Meine Wut vergrößerte sich , aber sie legte ihre Arme um meinen Hals , und lehnte ihren schönen Kopf auf meine Stirn .
" Teurer Lord , o , sein Sie nicht böse , wenn Sie mich noch empfindlich für meine unglückliche Umstände sehen ; ich hoffe , durch Ihre Güte alles zu vergessen .
Ihr Hauch , die Bewegung ihrer Lippen , die ich , indem ich redete , auf meiner Wange fühlte , einige Zähren , die auf mein Gesicht fielen , löschten meinen Zorn , und gaben mir die zärtlichste , die glücklichste Empfindung , die ich in drei Wochen mit ihr genoß .
Ich umarmte , ich beruhigte sie , und sie gab sich Mühe den übrigen Abend , und beim Speisen zu lächeln .
Manchmal deckte sie mir mit allem Zauber der jungfräulichen Schamhaftigkeit die Augen zu , wenn ihr meine Blicke zu glühend schienen .
Reizende Kreatur , warum bliebst du nicht so gesinnt ? warum zeigtest du mir deine sympathetische Neigung zu Seymour ?
Die übrigen Tage suchte ich munter zu sein .
Ich hatte ihr eine Laute mitgebracht , und sie war gefällig genug , mir ein artiges welsches Liedchen zu singen , welches sie selbst gemacht hatte , und worin sie die Venus um ihren Gürtel bat , um das Herz , so sie liebte , auf ewig damit an sich zu ziehen .
Die Gedanken waren schön und fein ausgedrückt , die Melodie rührend , und ihre Stimme so voll Affekt , daß ich ihr mit der süßesten und stärksten Leidenschaft zuhörte .
Aber mein schöner Traum verflog durch die Beobachtung , daß sie bei den zärtlichsten Stellen , die sie am besten sang , nicht mich , sondern mit hängendem Kopfe die Erde ansah , und Seufzer ausstieß , welche gewiß nicht mich zum Gegenstande hatten .
Ich fragte sie am Ende , ob sie dieses Lied heute zum erstenmal gesungen ?
Nein , sagte sie errötend ; dieses veranlaßte noch einige Fragen , über die Zeit , da sie angefangen hätte , gut für mich zu denken , und über ihre Gesinnungen für Seymour .
Aber verdammt sei die Freimütigkeit , mit welcher sie mir antwortete ; denn damit hat sie alle Knoten losgemacht , die mich an sie banden .
Hundert Kleinigkeiten , und selbst die Mühe , die es sie kostete , zärtlich und fröhlich zu sein , überzeugten mich , daß sie mich nicht liebte .
Ein wenig Achtung für meinen Witz und für meine Freigebigkeit , die Freude nach England zu kommen , und kalter Dauk , daß ich sie von ihren Verwandten , und dem Fürsten befreiet hatte : dies war alles , was sie für mich empfand , alles , was sie in meine Arme brachte !
Ja , sie war unvorsichtig genug , mir auf meine verliebte Bitte , die Eigenschaften zu nennen , die sie am meisten an mir lieben würde , -- nichts anders als ein Gemälde von Seymour vorzuzeichnen ; und immer betrieb sie unsere Reise nach Florenz ; deutliches Anzeigen , daß sie nicht für das Glück meiner Liebe , sondern für die Befriedigung ihres Ehrgeizes bedacht war !
denn sie vergiftete alle Tage ihres Besitzes durch diese Erinnerung , welcher sie alle mögliche Wendungen gab , so gar , daß sie mich versicherte , sie würde mich erst in Florenz lieben können .
Sie vergiftete , sagte ich , dir mein Glück , aber auch zugleich mein Herz , welches närrisch genug war , sich zuweilen meine falsche Heirat gereuen zu lassen , und sehr oft ihre Partie wider mich ergriff .
In der dritten Woche fraß das Übel um sich .
Ich hatte ihr englische Schriften gegeben , die mit dem feurigsten und lebendigsten Gemälden der Wollust angefüllt waren .
Ich hoffte , daß einige Funken davon , die entzündbare Seite ihrer Einbildungskraft treffen sollten :
aber ihre widersinnige Tugend verbrannte meine Bücher , ohne ihr mehr zu erlauben , als sie durchzublättern , und zu verdammen .
Der Verlust der Bücher , und meiner Hoffnung brachte einen kleinen Ausfall von Unmut hervor , den sie mit gelassener Tapferkeit aushielt .
Zweien Tage hernach , kam ich an ihren Nachttisch , just wie ihre schönen Haare gekämmt wurden ; ihre Kleidung war von weißem Musselin , mit rotem Taft , nett an den Leib angepaßt , dessen ganze Bildung das vollkommenste Ebenmaß der griechischen Schönheit ist ; wie reizend sie aussah !
ich nahm ihre Locken , und wand sie unter ihrem rechten Arme um ihre Hüften .
Milton's Bild der Eva kam mir in den Sinn .
Ich schickte ihr Kammermensch weg , und bat sie , sich auf einen Augenblick zu entkleiden , um mich so glücklich zu machen , in ihr den Abdruck des ersten Meisterstücks der Natur zu bewundern .
* ) Schamröte überzog ihr ganzes Gesicht ; aber sie versagte mir meine Bitte gerade zu ; ich drang in sie , und sie sträubte sich so lange , bis Ungeduld und Begierde mir eingaben ihre Kleidung vom Hals an durchzureissen , um auch wider ihren Willen zu meinem Endzweck zu gelangen .
Solltest du glauben , wie sie sich bei einer in unseren Umständen so wenig bedeutenden Freiheit Geber * )
Welche Zumutung , Mylord Derby ?
Konnten Sie ihre Zeit nicht besser nehmen .
H. dete ? -- " Mylord , rief sie aus , Sie " zerreißen mein Herz , und meine Liebe für " Sie ; niemals werde ich Ihnen diesen " Mangel feiner Empfindungen vergeben !
" O Gott , wie verblendet war ich ! "
-- Bittere Tränen , und heftiges Zurückstossen meiner Arme , begleiteten diese Ausrufungen .
Ich sagte ihr trocken :
ich wäre sicher , daß sie dem Lord Seymour diese Unempfindlichkeit für sein Vergnügen nicht gezeigt haben würde .
" Und ich bin sicher , " sagte sie im hohen tragischen Ton , daß " Mylord Seymour mich einer edleren , und " feineren Liebe wert gehalten hätte .
Hast du jemals die Narrenkappe einer sonderbaren Tugend mit wunderlicheren Schellen behangen gesehen , als daß ein Weib ihre vollkommenste Reize nicht gesehen , nicht bewundert haben will ?
Und wie albern eigensinnig war der Unterschied , den sie zwischen meinen Augen , und meinem Gefühl machte ?
Ich wollte es Nachmittags von ihr selbst erklärt wissen , aber sie konnte mit allem Nachsinnen nichts anders sagen , als daß sie bei Entdeckung der besten moralischen Eigenschaften ihrer Seele , die nämliche Widerstrebung äußeren würde , ungeachtet sie mir gestand , daß sie mit Vergnügen bemerkte , wenn man von ihrem Geist , und von ihrer Figur vorteilhaft urteile ; dennoch wolle sie lieber dieses Vergnügen entbehren , als es durch ihre eigene Bemühung erlangen .
* ) Denkst du wohl , daß ich mit diesem verkehrten Kopfe vergnügt sollte leben können ?
Dieses Gemische von Verstand und Narrheit hat ihr * )
In der Tat löset diese Antwort das Rätsel gar nicht auf .
Mylord Derby ersparte ihr ja diese eigene Bemühung -- Warum wurde sie dennoch so ungehalten ?
Warum sagte sie , er zerreiße ihr Herz , da er doch nur ihr Deshabille zerriß ? -- Vermutlich , weil sie ihn nicht liebte , nicht zu einer solchen Szene durch die gehörige Gradation vorbereitet , und überhaupt in einer Gemütsverfassung war , welche einen zu starken Absatz von der seinigen machte , um sich zur Gefälligkeit für einen Einfall , in welchem mehr Mutwillen als Zärtlichkeit zu sein schien , herabzulassen .
H. ganzes Wesen durchdrungen , und gießt Trägheit und Unlust über alle Bewegungen meiner munteren Fibern aus .
Sie ist nicht mehr die Kreatur , die ich liebte ; ich bin also auch nicht mehr verbunden , das zu bleiben , was ich ihr damals zu sein schien .
-- Sie selbst hat mir den Weg gebahnt , auf welchem ich ihren Fesseln entfliehen werde .
Der Tod meines Bruders stimmt ohnehin die Saiten meiner Leier auf einen anderen Ton ; Ich muß vielleicht bald nach England zurück , und dann kann Seymour sein Glücke bei meiner Witwe versuchen ; denn ich denke , sie wird es bald sein ; und bloß ihrem eigenen Betragen wird sie dies zu danken haben .
Da sie sich für meine Ehefrau hält , war es nicht ihre Pflicht , sich in allem nach meinem Sinne zu schicken ?
Hat sie diese Pflicht nicht gänzlich aus den Augen gesetzt ?
Liebt sie nicht so gar einen anderen ?
Und ist es also nicht billig und recht , daß der Betrug , den ihr Ehrgeiz an mir begangen , auch durch mich an ihrem Ehrgeiz gerächt werde ?
Freudig sehe ich um mich her , wenn ich bedenke , das ich das auserwählte Werkzeug war , durch welches die Niederträchtigkeit ihres Oheims , die Lüsternheit des Fürsten , und die Dummheit der übrigen Helfer gestraft wurde !
Es ist ja ein angenommener Lehrsatz ; daß die Vorsicht sich der Bösewichter bediene , um die Vergehungen der Frommen zu ahnden .
Ich war also nichts als die Maschine , durch welche das Weglaufen der Sternheim gebüßt werden sollte ; dazu wurde mir auch das nötige Pfund von Gaben und Geschicklichkeit gegeben .
Meine Belohnung habe ich genossen .
Sie mögen sich nun samt und besonders ihre erhaltene Züchtigung zu Nutz machen !
Wisse übrigens , daß ich wirklich der Vertraute von Seymourn geworden bin .
Auf einem Dorfe saß er , und behielte den Verlust der Tugend des Mädchens , während , daß ich es in aller Stille auf der anderen Seite unter Dach brachte , und ihn belachte .
Er wollte von mir wissen , wer wohl der Gemahl , mit dem sie , nach ihrem Briefe , entflohen wäre , sein könnte ?
Er hat Kuriere nach Florenz abgeschickt ; aber ich habe ein Mittel gefunden , seinen Nachspürungen Einhalt zu tun , da ich in dem letzten Billet , das mir die Sternheim nach D. geschrieben hatte , alle Worte abriß , die mich hätten verraten können , und das übrige Stück unter die Papiere des Sekretärs John warf , über dessen Ausbleiben man stutzig wurde , und sein Zimmer auf mein Anraten aussuchte .
Bei diesem Stück Papier wurden dann die Vermutungen auf ihn festgesetzt , und er für den Erlöser erklärt , den sich das feine Mädchen erwählt habe .
Eine Sache , die man als den Beweis ansah , daß lauter bürgerliche Begriffe und Neigungen in ihrer Seele herrschen ; und ein Text , worüber nun die adeligen Mütter ihren Töchtern gegen die Heiraten außer Stand Jahre lang predigen werden .
Seymours Liebe versinkt in Unmut und Verachtung ; er nennt ihren Namen nicht mehr , und schickt keine Kuriere mehr fort , -- ich aber erwarte einen aus England , und dann wirst du erfahren , ob ich zu dir komme oder nicht .
Rosina an ihre Schwester Emilia .
O meine Schwester , wie soll ich dir den entsetzlichen Jammer beschreiben , der über unser geliebtes Fräulein gekommen ist ! --
Lord Derby !
Gott wird ihn strafen , und muß ihn strafen ! der abscheuliche Mann ! er hat sie verlassen , und ist allein nach England gereist .
Seine Heirat war falsch ; ein gottloser Bedienter , wie sein Herr , in einen Geistlichen verkleidet , verrichtete die Trauung .
Ach , meine Hände zittern es zu schreiben ; der schändliche Bösewicht kam selbst mit dem Abschiedsbriefe , damit uns sein Gesicht keinen Zweifel an unserem Unglück übrig lassen sollte .
Der Lord sagte : die Dame hätte ihn nicht geliebt , sondern nur immer Mylord Seymourn im Herzen gehabt ; dieses hätte seine Liebe ausgelöscht , sonst wäre er unverändert geblieben .
Der ruchlose Mensch !
Ewiger Gott !
Ich , ich habe auch zu der Heirat geholfen !
Wäre ich nur zum Lord Seymour gegangen ! ach wir waren beide verblendet -- ich darf unsere Dame nicht ansehen ; das Herz bricht mir ; sie ißt nichts ; sie ist den ganzen Tag auf den Knien vor einem Stuhl , da hat sie ihren Kopf liegen ; unbeweglich , außer , daß sie manchmal ihre Arme gen Himmel streckt , und mit einer sterbenden Stimme ruft : ach Gott , ach mein Gott !
Sie weint wenig , und nur seit heute ; die ersten zweien Tage fürchtete ich , wir würden beide den Verstand verlieren , und es ist ein Wunder von Gott , daß es nicht geschehen ist .
Zwei Wochen hörten wir nichts vom Lord ; sein Kerl reiste weg , und fünf Tage danach kam der Brief , der uns so unglücklich machte .
Der verfluchte Böse wicht gab ihn ihr selbst .
Blaß und starr wurde sie ; endlich , ohne ein Wort zu sagen , zerriß sie mit der größten Heftigkeit seinen Brief , und noch ein Papier , warf die Stücke zu Boden , deutete mit einer Hand darauf , und mit einem erbärmlichen Ausdruck von Schmerzen sagte sie dem Kerl : gehe , gehe ; zugleich aber fiel sie auf ihre Knie , faltete ihre Hände , und blieb über zwei Stunden stumm , und wie halb tot liegen .
Was ich ausstand , kann ich dir nicht sagen ; Gott weiß es allein !
Ich kniete neben sie hin , faßte sie in meine Arme , und bat sie so lange mit tausend Tränen , bis sie mir mit gebrochener matter Stimme und stotternd sagte :
Derby verlasse sie -- ihre Heirat wäre falsch , und sie hätte nichts mehr zu wünschen als den Tod . --
Sie will sich nicht rächen ; bei dir , liebste Schwester , will sie sich verbergen .
Übermorgen reisen wir ab ; ach Gott sei uns gnädig auf unserer Reise !
Du mußt sie aufnehmen ; Dein Mann wird es auch tun , und ihr raten .
Wir nehmen nichts mit , was vom Lord da ist ; Seinen Wechselbrief von sechshundert Karolinen hat sie zerrissen .
All ihr Geld beläuft sich auf dreihundert ; davon gibt sie den zwoen Mädchen noch fünfzig , und den anderen Armen noch fünfzig .
Ihr Schmuck und ein covre mit Kleidern ist alles , was wir mitbringen .
Du wirst uns nicht mehr kennen , so elend sehen wir aus .
Sie spricht mit niemand mehr , der Bruder von den zwoen Mädchen führt uns den halben Weg zu dir .
Wir suchen Trost bei dir , liebe Schwester !
Sie möchte dir selbst schreiben , und kann kaum die lieben wohltätigen Hände bewegen .
Ich darf nicht nachdenken , wie gut sie gegen alle Menschen war , und nun muß sie so unglücklich sein !
Aber Gott muß und wird sich ihrer annehmen .
Fräulein Sternheim an Emilie .
O meine Emilia , wenn aus diesem Abgrunde von Elend die Stimme Ihrer Jugendfreundin noch zu Ihrem Herzen dringt , so reichen Sie mir Ihre liebreiche Hand ; lassen Sie mich an Ihrer Brust meinen Kummer und mein Leben ausweinen .
O wie hart , wie grausam werde ich für den Schritt meiner Entweichung bestraft !
O Vorsicht -- Ach !
ich will nicht mit meinem Schicksal rechten .
Das erstemal in meinem Leben erlaube ich mir einen Gedanken von Rache , von heimlicher List ; muß ich es nicht als eine billige Bestrafung annehmen , daß ich in die Hände der Bosheit und des Betrugs gefallen bin ?
Warum glaubte ich dem Schein ?
-- aber , o Gott ! wo , wo soll ein Herz wie dies , das du mir gabst , wo soll es den Gedanken hernehmen , bei einer edlen , bei einer guten Handlung böse Grundsätze zu argwohnen !
Eigenliebe , du machtest mich elend ; du hießest mich glauben , Derby würde durch mich die Tugend lieben lernen ! --
Er sagt : er hätte nur meine Hand , ich aber sein Herz betrogen .
Grausamer , grausamer Mann ! was fü einen Gebrauch machst du von der Aufrichtigkeit meines Herzens , das so redlich bemüht war , dir die zärtlichste Liebe und Achtung zu zeigen !
du glaubst nicht an die Tugend , sonst würdest du sie in meiner Seele gesucht und gefunden haben .
Wahr ist es , meine Emilia , ich hatte Augenblicke , wo ich meine Befreiung von den Händen des Mylord Seymour zu erhalten gewünscht hätte ; aber ich riß den Wunsch aus meinem Herzen ; Dankbarkeit und Hochachtung erfüllten es für den Mann , den ich zu meinem Gemahl nahm -- tötender Name , wie konnte ich dich schreiben -- aber mein Kopf , meine Empfindungen sind verwüstet , wie es mein Glück , mein Ruhm , und meine Freude sind .
Ich bin in den Staub erniedrigt ; auf der Erde liege ich , und bitte Gott , mich nur so lange zu erhalten , bis ich bei Ihnen bin , und den Trost genieße , daß Sie die Unschuld meines Herzens sehen , und eine mitleidige Träne über mich weinen .
Alsdann , o Schicksal , dann nimm es , dieses Leben , welches mit keinem Laster beschmutzt , aber seit vier Tagen durch deine Zulassung so elend ist , daß es ohne die Hoffnung eines baldigen Endes unerträglich wäre .
Derby an seinen Freund .
Ich reise nach England , und komme vorher zu dir .
Sage mir nichts von meiner letzten Liebe ; ich will nicht mehr daran denken ; es ist genug an der unruhigen Erinnerung , die sich mir wider meinen Willen aufdringt .
Meine halbe Lady ist fort , aus dem Dorfe , wo ihrem abenteuerlichen Charakter ein abenteuerliches Schicksal zugemessen wurde ; mit stolzem Zorn ist sie fort ; meinen Wechselbrief zerriß sie in tausend Stücke , und alle meine Geschenke hat sie zurückgelassen Ich hätte sie bald deswegen wieder eingeholt , aber wenn sie mir meine Streiche vergeben könnte , so würde ich sie verachten .
Lieben kann sie mich nach allem diesem unmöglich , und ich hätte nicht mehr glücklich mit ihr sein können ; wozu würde also die Verlängerung meiner Rolle gedient haben ?
Sie muß doch immer meine Wahrheitsliebe verehren , und meine Kenntnisse der geheimsten Triebfedern unserer Seele bewundern .
Ich verließ sie , unschlüssig , was ich mit ihr und meinem Bündnis machen sollte ; aber ihre unaufhörliche Anforderung , sie nach Florenz zu führen , und die Drohung auch ohne mich abzureisen , brachte mich dahin , ihr ganz trocken zu schreiben :
" Ich sehe wohl , daß sie sich meiner Liebe nur bedient habe , um ihren Oheim Löbau zu entgehen , und ihren Ehrgeiz in Sicherheit zu setzen , daß sie das Glück meiner Liebe , und meines Herzens niemals in Betrachtung gezogen , indem sie mir nicht den geringsten Zug meines eigenen Charakters zu gut gehalten , und mich nur dann geachtet habe , wenn ich mich nach ihren Phantasien gebogen , und meine Begriffe mit ihren Grillen geputzt ; es sei mir unmöglich dem Gemälde gleich zu werden , welches sie mir von den beliebten Eigenschaften ihres Mannes vorgezeichnet , indem ich nicht Seymour wäre , für welchen allein sie die zärtliche Leidenschaft nährte , die ich von ihr zu verdienen gewünscht hätte ; ihre Bestürzung , wenn ich ihn genannt , ihre Sorgsamkeit nicht von ihm zu reden , ja selbst die Liebkosungen , die sie mir zu Vertilgung meines Argwohns gemacht -- wären lauter Bekräftigungen der Fortdauer ihrer Neigung zu Seymour .
Sie wäre die Erste , welche mich zu dem Entschluss mich zu vermählen gebracht hätte ; dennoch aber hätte ich noch so viel Vorsichtigkeit übrig behalten , mich zuvor ihrer ganzen Gesinnungen versichern zu wollen ; hierzu hätte mir die Maske des Priesterrocks , den einer meiner Leute angezogen , die Gelegenheit verschafft .
Meine Liebe und Ehre würde dadurch eben so fest gebunden gewesen sein , als durch die Trauung , und wenn sie der Primas von England , oder der Papst selbst verrichtet hätte ; aber da die Vereinigung unserer Gemüter als das erste Hauptstück fehlte , so wäre es gut , daß wir uns ohne Zeugen und Gepränge trennten , wie wir uns verbunden hätten , weil ich nicht niederträchtig genug sei , mich mit dem bloßen Besitz ihrer reizenden Person zu vergnügen , ohne Anteil an ihrem Herzen zu haben , und nicht einfältig genug , um sie für den Lord Seymour nach England zu führen ; sie hätte nicht Ursache über mich zu klagen , denn ich wäre es , der sie den Verfolgungen des Fürsten , und der Gewalt ihres Onkels entrissen ; ich hätte nur ihre Hand , sie aber , weil sie die Liebe nicht für mich gefühlt habe , welcher sie mich versichert , hätte mein Herz betrogen ; und nun schenke ich ihr ihre volle Freiheit wieder .
Ich schickte den Kerl ab , und ging nach B. bei meiner Tänzerin ein unfehlbares Mittel gegen alle Gattungen von unruhigen Gedanken zu suchen ; auch gab sie mir einen guten Teil meiner Munterkeit wieder .
Mein Bruder könnte zu keiner gelegeneren Zeit gestorben sein , als jetzt .
Meine Gelder wurden seltener geschickt , und dieser närrische Roman war ein wenig kostbar ; doch , sie verdiente alles .
Hätte sie mich nur geliebt , und ihre Schwärmerei abgeschworen ! --
Ich war närrisch genug , mich meinen Brief gereuen zu lassen , und ließ vor zweien Tagen nach ihr fragen ; aber weg war sie ; und alles wohl erwogen , hat sie recht daran getan ; wir können und sollen uns nicht mehr sehen .
Ihre Briefe , ihr Bildnis habe ich zerrissen , wie sie meinen Wechsel ; aber D. , wo alles von ihr spricht , wo mich alles an sie erinnert , ist mir unerträglich .
Halte mir eine lustige Bekanntschaft zurechte , wie sie für einen englischen Erben gehört , um meine wieder erhaltene Portion Freiheit mit ihr zu verzehren .
Denn mein Vater wird mir das Joch über den Hals werfen , so bald ich ihm nahe genug dazu sein werde .
Er kann mir geben , welche er will ; keine Liebe bringe ich ihr nicht zu .
Das wenige was von meinem Herzen noch übrig war , hat mein deutsches Landmädchen aufgezehrt ; -- der Platz ist nun völlig leer , ich fühle es ; hier und da schwärmen noch einige verirrte Lebensgeister herum , und wenn ich ihnen glaubte , so flüsterten sie mir was von dem Bilde meiner vierzigtägigen Gemahlin zu , deren Schatten noch darin herumwandern soll ; aber ich achte nicht auf dieses Gesumme .
Meine Vernunft und die Umstände reden meinem ausgeführten Plan das Wort ; und am Ende ist es doch nichts anders , als die Gewohnheit , die mir ihr Bild in D. zurückruft , wo ich sie in allen Gesellschaften zu sehen pflegte , und immer von ihr reden höre . --
Aber bei dem allen schwöre ich dir , nimmermehr soll eine Metaphysikerin , noch eine Moralistin meine Geliebte werden .
Ehrgeiz und Wollust allein haben Leute in ihren Diensten , die Unternehmungen wagen , und ausführen helfen ! auch sind dieses die einzigen Gottheiten , die ich künftig verehren will ; Jener , weil ich von ihm so viel Ansehen und Gewalt zu erlangen hoffe , um alle Gattungen des Vergnügens in meinen Schutz zu nehmen und zu verteidigen , bis ich einst die liebenswürdigste davon bei einer Parlamentswahl ersäufe , oder bei einem Pferderennen den Kopf zerquetsche .
Ha , siehst du , wie schön die gewöhnlichen Lordseigenschaften in mir erwacht sind ; erst durch alle seine Ränke ein artiges Mädchen an mich gezogen , und sie denen entrissen , durch welche sie glücklich geworden wäre ; unsinnige Verschwendungen gemacht , und wenn man alles dessen satt ist , den Ton eines Patrioten bei Wetterennen und Wahlen angenommen und der Zeit überlassen , was nach diesen verschiedenen Aufgärungen in dem Fass nützliches übrig bleiben mag . --
Hier , meine Freundin , muß ich selbst wieder das Wort nehmen , und ihnen von dem , was auf die unglückliche Veränderung in dem Schicksal meiner geliebten Dame gefolgt ist , eine zusammenhängende Geschichte zu liefern .
Das Haus meiner Schwester war jetzt der einzige Ort , wohin wir in diesen Umständen Zuflucht nehmen konnten .
Man durfte ihr weder von Rache , noch von Behauptung ihrer Rechte sprechen ; und der Gedanke auf ihre Güter zu gehen , war in diesen Umständen auch nicht zu fassen .
Ihr Kummer war so groß , daß sie hoffte , er würde sie töten ; ich glaube auch , daß es geschehen wäre , wenn wir uns länger in dem Hause aufgehalten hätten , wo die unglückliche Heirat vollzogen worden war .
Da ich bei den Zurüstungen auf unsere Abreise ein paar Mal die Türe des Wohnzimmers von Lord Derby öffnete , und sie einen Blick hinwarf , glaubte ich , ihr Schmerz würde sie auf der Stelle ersticken .
Sie blieb mit dem äußersten Jammer beladen in meinem Zimmer , während , daß ich einpacken mußte .
Aber alle Geschenke von Lord Derby , welche sehr schön und in großer Menge da waren , mußte ich der Wirtin übergeben .
Wir nahmen nichts als das wenige zusammen , so wir von unserer Flucht aus D. mitgebracht hatten .
Die Wirtin , welche auf einen Monat voraus bezahlt war , wollte uns noch behalten ; aber wir reisten den zweiten Tag , von ihrem Segen für uns , und Flüchen über den gottlosen Lord begleitet , Morgens um vier Uhr ab .
Still und blaß wie der Tod , die Augen zur Erde geschlagen , saß meine liebe Dame bei mir ; kein Wort , keine Träne erleichterte ihr beklemmtes Herz ; zweien Tage reisten wir durch herrliche Landschaften , ohne daß sie auf etwas achtete ; nur manchmal umfaßte sie mich mit einer heftigen gichtischen Bewegung , und legte ihren Kopf einige Augenblicke auf meine Brust ; Ich wurde immer Ängstiger , und weinte mit lauter Stimme ; darüber sah sie mich rührend an , und sagte mit ihrem himmlischen Ton , indem sie mich an sich drückte .
O meine Rosina , dein Kummer zeigt mir erst den ganzen Umfang meines Elends .
Sonst lächeltest du , wenn du mich sahst , und nun betrübt mein Anblick dein Herz !
O , laß mich nicht denken , daß ich auch dich unglücklich gemacht habe ! sei ruhig , du siehst ja mich ganz gelassen .
Ich war froh , sie wieder so viel reden zu hören , und einige Zähren aus ihren erstorbenen Augen fallen zu sehen ; Ich antwortete :
ich wollte gerne ruhig sein , wenn ich Sie nicht so niedergeschlagen sähe , und wenn ich nur noch einige Funken der Zufriedenheit bei Ihnen bemerkte , die sie sonst bei dem Anblick einer schönen Gegend fühlten .
Sie schwieg einige Minuten , und betrachtete den Himmel um uns her ; dann sagte sie unter zärtlichen Weinen :
Es ist wahr , liebe Rosina , ich lebe , als ob mein Unglück alles Gute und Angenehme auf Erden verschlungen hätte ; und dennoch liegt die Ursache meines Jammers weder in den Geschöpfen , noch in ihrem wohltätigen Urheber .
Warum bin ich von der vorgeschriebenen Bahn abgewichen ?
-- Sie fing darauf eine Wiederholung ihres Lebens , und der merkwürdigsten Umstände ihres Schicksals an .
Ich suchte sie mit sich selbst , und den Beweggründen ihrer Handlungen , besonders mit den Ursachen ihrer heimlichen Heirat , und Flucht aus D. , zufrieden zu stellen , und gewann doch so viel , daß sie bei dem Anblick der vollen Scheuern , und dem Gewühle der Herbstgeschäfte in den Dörfern die wir durchfuhren , vergnügt aussah , und sich über das Wohl der Landleute freute .
Aber der Anblick junger Mädchen , besonders , die in einerlei Alter mit ihr zu sein schienen , brachte sie in ihre vorige Traurigkeit , und sie bat Gott mit gefalteten Händen , daß er ja jede reine wohldenkende Seele ihres Geschlechts , vor dem Kummer bewahren möge , der ihr zärtliches Herz durchnage .
Unter diesen Abwechslungen kamen wir glücklich in Fels an .
Mein Schwager und meine Schwester empfingen uns mit allem Trost der tugendhaften Freundschaft , und suchten meine liebe Dame zu beruhigen ; aber am fünften Tage wurde sie krank , und zwölf Tage lang dachten wir nichts anders , als daß sie sterben würde .
Sie schrieb auch einen kleinen Auszug ihres Verhängnisses , und ein Testament .
Aber sie erholte sich wider ihr Wünschen ; und als sie wieder auf sein konnte , setzte sie sich in die Kinderstube meiner Emilia , und lehrte ihr kleines Paten lesen ; diese Beschäftigung , und der Umgang mit meinem Schwager und meiner Schwester , beruhigten sie augenscheinlich ; so , daß mein Schwager es einmal wagte , sie über ihre Entschließungen und Entwürfe für die Zukunft zu befragen .
Sie sagte : " Sie hätte noch nichts bedacht , als " daß sie auf ihren Gütern ihr Leben " beschließen wollte ; aber bis zu Ende " der drei Jahre , für welche sie dem " Graf Löbau ihre Einkünfte ver " sichert hätte , wollte sie nichts von " sich wissen lassen ; -- und wir mußten ihrem eifrigen Anhalten hierin nachgeben .
Sie nahm eine fremde Benennung an ; sie wollte in Beziehung auf ihr Schicksal Madam Leidens heißen , und als eine junge Offizierswitwe bei uns wohnen .
Sie verkaufte die schönen Brillanten , welche die Bildnisse ihres Herrn Vaters und ihrer Frau Mutter umfassten , und entschloß sich auch den übrigen Teil ihres Schmucks zu Geld zu machen , und von den Zinsen zu leben ; daneben aber wollte sie Gutes tun , und einige arme Mädchen im Arbeiten unterrichten .
Dieser Gedanke wurde nachher die Grundlage zu dem übrigen Teil ihres Schicksals .
Denn eines dieser Mädchen , welches von einer der reichsten Frauen in der Gegend aus der Taufe gehoben worden , ging zu ihrer Pate , um ihr etwas von der erlernten Arbeit zu weisen .
Diese Frau fragte nach der Lehrmeisterin , und drang hernach in meinen Schwager , daß er die Madam Leidens zu ihr bringen möchte , um eine wohltätige Schule in ihrem Hause zu errichten , und als Gesellschafterin bei ihr zu leben .
Meine Dame wollte es Anfangs nicht eingehen , indem sie fürchtete , zuviel bekannt zu werden ; aber mein Schwager stellte ihr so eifrig vor , daß sie eine Gelegenheit versäume , viel Gutes zu tun , daß er sie endlich überredete , zumal da sie dadurch das Haus ihrer Emilia zu erleichtern glaubte , wo sie befürchtete , Beschwerden zu machen , ungeachtet sie Kostgeld bezahlte .
Sie kleidete sich bloß in streifige Leinwand , zu Leibkleidern gemacht mit großen weißen Schürzen , und Halstüchern , weil ihr noch immer etwas engländisches im Sinne lag ; ihre schöne Haare und Gesichtsbildung versteckte sie in außerordentliche große Hauben ; sie wollte sich damit verstellen , aber ihre schöne Augen , das Lächeln der edlen Güte , so unter den Zügen des innerlichen Grams hervorleuchtete , ihre feine Gestalt und Stellung , und der artigste Gang zogen alle Augen nach sich , und Madam Hills war stolz auf ihre Gesellschaft .
Ihre Abreise schmerzte uns , denn der Wohnort von Madam Hills war drei Stunden entfernt ; aber ihre Briefe trösteten uns wieder .
Auch Sie werden sie gewiß lieber lesen , als mein Geschmier .
Fräulein von Sternheim als Madam Leidens an Emilia .
Erst den zehnten Tag meines Hierseins schreibe ich Ihnen , meine schwesterliche Freundin ! bisher konnte ich nicht ; meine Empfindungen waren zu stark und zu wallend , um den langsamen Gang meiner Feder zu ertragen .
Nun haben mir Gewohnheit und zweien heitere Morgen , und die Aussicht in die schönste und freiste Gegend , das Maß von Ruhe wiedergegeben , das nötig war , um mich ohne Schwindel und Beängstigung die Stufen betrachten zu lassen , durch welche mein Schicksal mich von der Höhe des Ansehens und Vorzugs herunter geführt hat .
Meine zärtlichsten Tränen flossen bei der Erinnerung meiner Jugend und Erziehung ; Schauer überfiel mich bei dem Gedanken an den Tag , der mich nach D. brachte , und ich eilte mit geschlossenen Augen bei der folgenden Szene vorüber .
Nur bei dem Zeitpunkt meiner Ankunft in Ihrem Hause verweilte ich mit Rührung ; denn nachdem mir das Verhängnis alles geraubt hatte , so war ich um so viel aufmerksamer auf den Zufluchtsort , den ich mir gewählt hatte , und auf die Aufnahme , die ich da fand .
Zärtliches Mitleiden war in dem Gesichte meiner treuen Emilia , Ehrfurcht und Freundschaft in dem von ihrem Manne gezeichnet ; ich sah , daß sie mich unschuldig glaubten , und mein Herz bedauerten ; Ich konnte sie als Zeugen meiner Unschuld und Tugend ansehen .
O , wie erquickend war dieser Gedanke für meine gekränkte Seele !
Meine Tränen des ersten Abends waren der Ausdruck des Danks für den Trost , den mich Gott in der treuen Freundschaft meiner Emilia hatte finden lassen .
Der zweite Morgen war hart durch die wiederholte Erzählung aller Umstände meiner jammervollen Geschichte .
Die Betrachtungen und Vorstellungen ihres Mannes trösteten mich , noch mehr aber meine Spaziergänge in ihrem Hause , der armen übelgebauten Hütte , worin mit Ihnen alle Tugenden unseres Geschlechts , und mit ihrem Manne alle Weisheit und Verdienste des seinigen wohnen .
Ich aß mit ihnen , ich sah Sie bei Ihren Kindern ; sah die edle Genügsamkeit mit Ihrem kleinen Einkommen , Ihre zärtliche mütterliche Sorgen , die vortreffliche Art , mit der Ihr Mann seine arme Pfarrkinder behandelt .
Dieses , meine Emilia , goß den ersten Tropfen des Balsams der Beruhigung in meine Seele .
Ich sah Sie , die in ihrem ganzen Leben alle Pflichten der Klugheit und Tugend erfüllet hatten , mit Ihrem Hochachtungswürdigen Manne und fünf Kindern unter der Last eines eisernen Schicksals , ohne daß Ihnen das Glück jemals zugelächelt hätte ; Sie ertrugen es mit der rühmlichsten Unterwerfung ; und ich !
ich sollte fortfahren über mein selbstgewebtes Elend gegen das Verhängnis zu murren ?
Eigensinn und Unvorsichtigkeit , hatten mich , ungeachtet meiner redlichen Tugendliebe , dem Kummer , und der Verächtlichkeit entgegen geführt ; ich hatte vieles verloren , vieles gelitten ; aber sollte ich deswegen das genossene Glück meiner ersten Jahre vergessen , und die vor mir liegende Gelegenheit , Gutes zu tun , mit gleichgültigem Auge betrachten , um mich allein der Empfindlichkeit meiner Eigenliebe zu überlassen ?
Ich kannte den ganzen Wert alles dessen , was ich verloren hatte ; aber meine Krankheit und Betrachtungen , zeigten mir , daß ich noch in dem wahren Besitz der wahren Güter unseres Lebens geblieben sei .
" Mein Herz ist unschuldig und rein ; " Die Kenntnisse meines Geistes sind unvermindert ; Die Kräfte meiner Seele und meine guten Neigungen haben ihr Maß behalten ; und ich habe noch das Vermögen , Gutes zu tun .
Meine Erziehung hat mich gelehrt , daß Tugend und Geschicklichkeiten das einzige wahre Glück , und Gutes tun , die einzige wahre Freude eines edlen Herzens sei ; das Schicksal aber hat mir den Beweis davon in der Erfahrung gegeben .
Ich war in dem Kreise , der von großen und glänzenden Menschen durchlaufen wird ; nun bin ich in den versetzt , den mittelmäßiges Ansehen und Vermögen durchwandelt , und Grenze ganz nahe an den , wo Niedrigkeit und Armut die Hände sich reichen .
Aber so sehr ich nach den gemeinen Begriffen vom Glück gesunken bin , so viel Gutes kann ich in diesen zweien Kreisen ausstreuen .
Meine reiche Frau Hills , lasse ich durch meinen Umgang und meine Unterredungen , das Glück der Freundschaft und der Kenntnisse genießen .
Meinen armen Mädchen gebe ich das Vergnügen , geschickt und wohl unterrichtet zu werden , und zeige ihnen , eine angenehme Aussicht in ihre künftigen Tage .
Madam Hills hat mir ein artiges Zimmer , wovon zwei Fenster ins Feld gehen , eingeräumt ; von da gehe ich in ihren Saal , der für die Unterrichtsstunden meiner dreizehn Mädchen bestimmt ist , Sie ernährt und kleidet sie , schafft Bücher und Arbeitsvorrat an ; nicht eine Stunde versäumt sie , und hört meinen Unterricht mit vieler Zufriedenheit ; manchmal vergießt sie Tränen , oder drückt mir die Hände , und wohl zwanzigmal nickt sie mir den freundlichsten Beifall zu .
So oft es geschieht , fällt ein Strahl von Freude in mein Herz .
Es ist angenehm um sein selbst Willen geliebt zu werden !
Und nun habe ich einen Gedanken , Emilia ; aber ihr Mann muß mir ihn ausarbeiten helfen .
Madam Hills hat eine Art von Stolz , aber er ist edel und wohltätig .
Sie möchte ihr großes Vermögen zu einer ewig dauernden Stiftung verwenden ; aber sie sagt , es müßte eine Stiftung sein , die ganz neu wäre , und die ihr Ehre und Segen brächte ; und sie will , daß ich auf etwas sinne . -- --
Könnte jetzt nicht meine kleine Mädchenschule der Anlaß dazu werden , ein Gesindehaus zu stiften , worin arme Mädchen zu guten und geschickten Dienstmädchen gezogen würden ?
Ich wollte an meinen dreizehn Schülerinnen die Probe machen , und teilte sie nach der Anlage von Geist und Herzen in Klassen .
1 ) Sanfte , gutherzige Geschöpfe , bildete ich zu Kinderwärterinnen ; 2 )
Die Anlage zu Witz , und geschickte Finger zur Kammerjungfer ; 3 ) Nachdenkende und fleißige Mädchen zu Köchinnen und Haushälterinnen ; und 4 ) die letzte Klasse von dienstfähigen zu Haus-Küchen- und Gartenmägden -- Dazu muß ich nun ein schickliches Haus mit einem Garten haben ; einen vernünftigen Geistlichen , der sie die Pflichten ihres Standes kennen und lieben lehrte ; und dann wackere und wohldenkende arme Witwen , oder betagte ledige Personen , die den verschiedenen Unterricht in Arbeiten besorgten .
Diese Idee beschäftigt mich genug , um dem vergangenen schmerzhaften Teil meines Lebens , das meiste meines Nachdenkens zu entziehen , und über meinen bitteren Kummer den süßen Trost zu streuen , daß ich die Ursache , so vieler künftigen Wohltaten werden könnte .
Aber hierbei fällt mir ein Gleichnis ein , so ich mit der Eigenliebe machen möchte ; -- daß sie von Polypen-Art sei ; man kann ihr alle Zweige und Arme nehmen , ja so gar den Hauptstamm verwunden ; sie wird doch Mittel finden , sich in neue Auswüchse zu verbreiten .
Wie verwundet , wie gedemütigt war meine Seele ! und nun -- lesen sie nur die Blätter meiner Betrachtungen durch , und beobachten sie es , was für schöne Stützen meine schwankende Selbstzufriedenheit gefunden hat , und wie ich allmählich zu der Höhe eines großen Entwurfs empor gestiegen bin -- o , wenn die wohltätige Nächstenliebe , nicht so tiefe Wurzeln in meinem Herzen gefasst hätte , daß sie mit meiner Eigenliebe ganz verwachsen wäre , was würde aus mir geworden sein ?
Zweiter Brief von Madam Leidens .
Sie sind , liebste Freundin , mit dem Ton meines letzten Briefs besser zufrieden , als sie es seit meiner Abreise aus D. niemals waren .
Darf ich wohl meine Emilia einer Ungerechtigkeit anklagen , weil sie mir von der Veränderung meiner Ideen und Ausdrücke spricht .
Ich fühle diese Verschiedenheit selbst ; aber ich finde auch , daß sie eine ganz natürliche Wirkung der großen Abänderung meines Schicksals ist .
Zu D. war ich angesehen , mit Glücksaussichten umgeben , und mit mir selbst zufrieden , daher auch geschickter , muntere Beobachtungen über fremde Gegenstände zu machen .
Mein Witz spielte frei mit kleinen Beschreibungen , und mit Lob und Tadel alles dessen , was mit meinen Ideen stimmte , oder nicht .
Nach dem wurde ich von Glück und Selbstzufriedenheit entfernt ; Tränen und Jammer sind mein Anteil worden .
War es da möglich , daß sich die Schwingen meiner Einbildungskraft unbeschränkt und freudig hätten bewegen können , da das Beste , was alle Kräfte meiner Seele tun konnten , gelassene Ertragung meines Schicksals war , -- eine Tugend , wobei der Geist wenig Geschäftigkeit äußeren kann .
Ihr Mann kannte mich ; er sah : daß er mich gleichsam aus mir selbst herausführen , und mir beweisen mußte , daß es noch in meiner Gewalt stehe , Gutes zu tun .
Dieser Gedanke allein , konnte mich ins tätige Leben zurückführen .
Haben Sie Dank , beste Freunde , daß Sie meinen Entwurf zu einem Gesindehaus so sehr billigen und erheben ; es dünkt mich , als ob Jemand meiner gebeugten Seele die Hand reiche und sie liebreich ermuntere , sich wieder zu erheben , und mit einem edlen Schritte vorwärts zu gehen , da sie von dem kleinen dornigen Pfad , auf welchen sie durch einen blendenden Schein geraten war , nun auf einen ebnen Weg geleitet worden ist , dessen Seiten freilich mit kleinen glänzenden Palästen und prächtigen Auftritten der großen Welt umfaßt sind , aber dagegen jedem ihrer Blicke , die reinen Reize der unverdorbenen Natur , in ihren physischen und moralischen Wirkungen zeiget .
Diese Ermunterung hatte ich nötig , meine Freunde , weil ich schon so lange dachte , daß ich an dem edlen Stolz eines Fehlerfreien Lebens keinen Anspruch mehr zu machen habe , indem ich die Hälfte meines widrigen Schicksals , meiner eigenen Unbedachtsamkeit zuzuschreiben hätte ; und die Frucht dieser Betrachtung war Unterwerfung und Geduld .
Hätte ich nach den Regeln der Klugheit gehandelt , und durch mein heimliches Verbindniß und Fliehen , keine Gesetze beleidiget , so hätte ich in der Idee einer übenden Standhaftigkeit und Großmut schon eine Stütze des edlen Stolzes gefunden , welche der Schuldlose ergreift , wenn er durch Bosheit anderer , und unvorgesehenes Unglück , in dem Genuß seines Vergnügens gestört wird .
Er kann seine Beleidiger mit Herzhaftigkeit ansehen , oder seinen Blick mit ruhiger Verachtung von ihnen wenden ; Er sieht sich nicht nach Freunden , die ihn bedauern , sondern nach Zeugen seines bewundernswürdigen Betragens um ; unter diesen Beschäftigungen seines Geistes , stärkt sich seine Seele , und sammelt ihre Kräfte , um den Berg der Ehre , und des Wohlergehens auf einer anderen Seite zu ersteigen .
Ich aber mußte mich durch die Erinnerung meiner Unvorsichtigkeit in den Schleier der Verborgenheit hüllen , ehe ich mich der neueren Führung meines Geschickes überließ .
Dennoch Fehe ich blühende Blumen , welche die Hoffnung eines guten Erfolgs , zum Besten vieler Nachkommenden , auf meine nun betretenen Wege ausstreuet ; Ruhe und Zufriedenheit lächeln mir zu ; die Tugend , hoffe ich , wird mein Flehen erhören , und meine beständige Begleiterin sein .
Das Glück meines Herzens wird größer und edler , da es Anteil an dem Wohlergehen so vieler anderer nimmt , seine angenehmsten Gewohnheiten und Wünsche vergißt , und sein Leben und seine Talente zum Besten seines Nächsten verwendet .
Aber bei jedem Schritte meines jetzigen Lebens vergrößert sich das Glück meiner genossenen Erziehung , worin mir alles in den richtigen moralischen Gesichtspunkt gestellt wurde .
Nach diesem bildete man meine Empfindungen , während dem mein Verstand zu Beobachtungen über verkehrte Begriffe , und dadurch eingewurzelte Gewohnheiten geleitet wurde .
Wie glücklich ist es für mein Herz , daß mir die Wahrheit : daß vor Gott kein anderer , als der moralische Unterschied unserer Seelen Stadt finde ; so tief eingeprägt wurde !
was hätte ich in meinen jetzigen Umständen zu leiden , wenn ich mit den gewöhnlichen Vorurteilen meiner Geburt behaftet wäre !
Wie verehrungswürdig , wie verdienstsvoll ist der kluge Gebrauch , den meine geliebte Eltern von der uns allen angeborenen Eigenliebe , bei meiner Erziehung machten !
Wären kostbare Kleider und Putz jemals ein Teil meiner Glückseligkeit gewesen ; wie schmerzhaft wäre mir der Anzug meiner gestreiften Leinwand ?
Reinlichkeit , und wohlausgesuchte Form meiner Kleider , lassen meine ganze Welblichkeit zufrieden vom Spiegel gehen ; und was bleibt meiner höchsten Einbildung noch zu wünschen übrig , da ich mich in dieser geringen Kleidung mit Liebe und Ehrfurcht betrachtet sehe , und dies Gesinnungen allein dem Ausdruck meines moralischen Charakters zu danken habe ?
Ich stehe früh auf , ich lege mich an mein Fenster , und sehe , wie getreu die Natur die Pflichten des ihr aufgelegten ewigen Gesetzes der Nutzbarkeit in allen Zeiten und Witterungen des Jahres erfüllt .
Der Winter nähert sich ; die Blumen sind verschwunden , und auch bei den Strahlen der Sonne hat die Erde kein glänzendes Ansehen mehr ; aber einem empfindsamen Herzen gibt auch das leere Feld ein Bild des Vergnügens .
Hier wuchs Korn , denkt es , und hebt ein dankbares Auge gen Himmel ; der Gemüßgarten , die Obstbäume stehen beraubt da , und der Gedanke des Vorrats von Nahrung , den sie gegeben , mischet unter den Schauer des anfangenden Nordwindes ein warmes Gefühl von Freude .
Die Blätter der Obstbäume sind abgefallen , die Wiesen verwelkt , trübe Wolken gießen Regen aus ; die Erde wird locker , und zu Spaziergängen unbrauchbar ; das gedankenlose Geschöpf murrt darüber ; aber die nachdenkende Seele sieht die erweichende Oberfläche unseres Wohnplatzes mit Rührung an .
Dürre Blätter und gelbes Gras werden durch Herbstregen zu einer Nahrung der Fruchtbarkeit unserer Erde bereitet ; diese Betrachtung läßt uns gewiß nicht ohne eine frohe Empfindung über die Vorsorge unseres Schöpfers , und gibt uns eine Aussicht auf den nachkommenden Frühling .
Mitten unter dem Verlust aller äußerlichen Annehmlichkeiten , ja selbst dem Widerwillen ihrer genährten und ergötzten Kinder ausgesetzt , fängt unsere mütterliche Erde an , in ihrem Inneren für das künftige Wohl derselben zu arbeiten .
Warum , sage ich dann , warum ist die moralische Welt ihrer Bestimmung nicht eben so getreu , als die physikalische ?
Die Frucht der Eiche brachte niemals was anders , als einen Eichbaum hervor ; der Weinstock allezeit Trauben ; warum ein großer Mann klein denkende Söhne ? -- warum der nützliche Gelehrte und Künstler unwissende elende Nachkömmlinge ? -- tugendhafte Eltern Bösewichter ? --
Ich denke über diese Ungleichheit , und der Zufall zeigt mir eine unzählige Menge Hindernisse , die in der moralischen Welt ( so wie es auch öfters in der physikalischen begegnet ) Ursache sind , daß der beste Weinstock aus Mangel guter Witterung saure , unbrauchbare Trauben trägt -- und vortreffliche Eltern schlechte Kinder erwachsen sehen .
Etliche Schritte weiter in meiner Vorstellung stehe ich still , kehre in mich selbst zurück und sage :
ist nicht die helle Aussicht meiner glücklichen Tage auch trübe geworden , und der äußerliche Schimmer wie vertrocknetes Laub von mir abgefallen ? vielleicht hat unser Schicksal auch Jahrszeiten ?
Ist es , so will ich die Früchte meiner Erziehung und Erfahrung während dem traurigen Winter meines Verhängnisses zu meiner moralischen Nahrung anwenden ; und da die Ernte davon so reich war , dem Armen , dessen kleiner , ungebesserter Boden wenig trug , davon mitteilen was ich kann .
Wirklich habe ich einen Teil guter Samenkörner in eine dritte Hand gelegt , um einen mageren , dürren Boden anzubauen .
Der sanften Freundschaft ist die Pflege anvertraut , und ich werde acht Tage lang die Oberaufsicht haben .
Leben Sie wohl !
Madam Hills an Herrn Prediger Br ** .
Erschrecken Sie nicht , lieber Herr Prediger , daß Sie anstatt eines Briefes von Madam Leidens einen von mir bekommen .
Sie ist nicht krank , gewiß nicht ; aber die liebe Frau hat mich auf vierzehn Tage verlassen , und wohnt in einem ganz fremden Hause , wo sie viel arbeitet , und -- was mir Leid tut -- auch gar schlecht ißt ; hören Sie nur wie dies zugig !
O , ein solcher Engel ist noch nie in eines Reichen , noch in eines Armen Hause gewesen ! ich kann das nicht so sagen was ich denke , und schreiben kann ich gar nicht .
Doch sehen Sie : Ihre Frau weiß , wie arm der Herr G. nach Verlust seines Amts mit Frau und Kindern geworden ist .
Nun , ich gab immer was ; aber ich konnte die Leute nicht dulden ; Jedermann sagte auch , daß Er hochmütig und Sie nachlässig wäre , und daß alles Gute an ihnen verloren sei .
Dies machte mich böse , und ich redete davon mit der Jungfer Lehne , der ich auch Hilfe gebe ; Sie arbeitet aber auch ; Madam Leidens war dabei , und fragte die Jungfer nach den Leuten ; und sie erzählte ihr den ganzen Lebenslauf , weil sie von Kind auf beisammen gewesen waren .
Den anderen Tag besuchte Madam Leidens die Frau G. , und kam sehr gerührt nach Hause .
Beim Nachtessen sagte sie mir von den Leuten so viel bewegliches , daß ich über sie weinte , und ihnen so gut wurde , daß ich gleich sagte :
ich wollte Eltern und Kinder versorgen .
Aber dies wollte sie nicht haben .
Den folgenden Morgen aber brachte sie mir dies Papier .
Sie müssen mir_es wieder geben , es soll bei meinem Testamente liegen mit meiner Unterschrift , und ein Lob auf Madam Leidens von meiner eigenen Hand , und noch etwas über Madam Leidens , das ich jetzt nicht sage .
Sie ging zu ihren Mädchen , und ließ mir das Papier .
Ich habe mein Tage nichts klüger ausgedacht gesehen .
Zweien Fische mit Einer Angel zu fangen , und die Leute klug und geschickt zu machen , nun dies versteht sich recht schön .
Ich verwunderte mich , und weinte zweimal , weil ich es zweimal durchlesen mußte , um es recht zu fassen .
Ich schrieb darunter : alles , alles bewilligt , und gleich auf Morgen , -- aber dies sagte ich ihr mündlich , und ich schrieb es auch auf das Papier , wenn ich_es zum Testament lege , daß sie mich nicht ihre Wohltäterin nennen soll .
Was gab ich ihr dann ? --
ein Bißchen Essen und ein Zimmerchen .
-- Aber warten Sie nur , ich will schon was aussinnen ; sie soll nicht aus meinem Hause kommen , wie sie meint .
Wenn ich nur noch den Bau meines Gesindehauses erlebe ; da laß ich ihren Namen zu dem meinigen in Stein hauen , und da heiße ich sie meine angenommene Tochter , und da wird sich jeder wundern , daß sie mein Geld nicht für sich behalten , und einen anderen hübschen Mann genommen habe , und da lobt man mich und sie zusammen , und dies gönne ich ihr recht wohl .
Sie muß mir auch arme Kinder aus der Taufe heben , damit es Kinder mit ihrem Namen hier gibt , und diese sollen , wie meine Annchens , vorzüglich in mein Gesindehaus kommen .
Meine Brille machte mich müde ; ich konnte heute früh nicht weiter schreiben , und da mir die Zeit nach Madam Leidens lang war :
so ging ich Schnur gerade hin ins Haus der Frau G .
Es reute mich , weil mir die Leute so viel dankten , und vielleicht geglaubt haben , ich wäre deswegen gekommen ; und es geschah doch bloß , um meine Tochter zu sehen ; denn ich sage Ihnen , wenn sie zurück kommt , muß sie mich ihre Mutter nennen .
Ich ließ mein Aufwartmädchen die Türe ein wenig aufmachen , und es war gewiß schön in dem Zimmer durch die Leute darin , nicht durch die Möbeln , denn es sind keine schöne da ; -- Strohstühlchen und ein Paar Tische .
In einer Ecke war der Vater mit dem ältesten Sohne , der bei ihm schrieb und rechnete ; im halben Zimmer der andere Tisch ; Frau G. strickte ; Jungfer Lehne saß zwischen den zwei kleinen Mädchen , und lehrte ihr nähen ; Madam Leidens hatte ein Bouquet italienische Blumen vor sich , die sie für Stühle zum Verkaufe abzeichnet .
Der jüngere Sohn und die älteste Tochter sahen ihr auf die Finger , und sie redete recht süß und freundlich mit ihnen .
Ich mußte über sie weinen , und auch über die Kinder , die sie so lieb haben , und mir so dankten .
Der wilde Mann wurde rot , wie er mir dankte , und die Frau lachte ganz leichtsinnig dabei ; das tut aber nichts , ich will Ihnen , wie es Madam Leidens veranstaltete , aufhelfen , bis sie ganz auf den Beinen sind ; und Jungfer Lehne soll den ersten Platz der Lehrmeisterinnen für Kammerjungfern haben .
Ich ließ zartes Abendbrot und gutes Obst holen ; Sie können nicht glauben , wie die Kinder Freude daran hatten ; aber Madam Leidens war nicht damit zufrieden .
Sie fürchtet , die geringen Speisen , welche das wenige Vermögen zuläßt , möchten jetzt den Kindern nicht mehr so lieb sein ; sie sagt : sie wolle sie nicht durch den Magen belohnen , und jetzt gebe ich nichts wieder ; Sie aß auch nur einen Apfel und ein Stück Hausbrot .
Ich fragte sie darum , und sie sagte zu der Tochter : solche Äpfel können wir in unserem Garten ziehen , aber dies Brot kann nur eine Madam Hills backen lassen .
Da hatte ich_es !
Aber ich wurde nicht böse ; sie hatte Recht ; Sie will nicht , daß man gewöhnliches Brot essen für Unglück halte . --
Nun sind acht Tage vorbei , daß sie bei den Leuten ist ; künftige Woche kommt sie wieder zu mir , und da wird sie Ihnen schreiben .
Beten Sie für das liebe Kind , und für mein Leben . --
O , niemals werde ich vergessen , daß Sie mir diese Person anvertrauten ; ich war mein Tage nicht so fröhlich mit allem meinem Gelde , als ich es bin , seit ich sie bei mir habe ! --
Plan der Hilfe für die Familie G. und die Jungfer Lehne .
Meine liebe Wohltäterin hat mir aufgetragen , meine Gedanken der Hilfe für die Familie G. aufzuschreiben .
Ich möchte mit diesen aus eigener Schuld elend gewordenen Leuten gerne umgehen , wie der Arzt mit einem Kranken , der seine Gesundheit mutwillig verdorben hat ; er tut alles , was zur Hilfe nötig ist , aber er verbindet seine Verordnungen zugleich mit Ausübung einer Diät , die er ihm durch Vorstellung der künftigen Gefahr und der vergangenen Leiden augenscheinlich notwendig macht ; durch eine langsame , aber anhaltende Kur hilft er ihm zu neuen Kräften , so , daß er endlich wieder ohne Arzt leben kann .
Zu sehr stärkende Mittel gleich Anfangs gebraucht , würden das Übel in dem Körper befestigen , und also für die Zukunft schädlich sein .
Der Familie G. würde es mit großen Geschenken auch so ergehen ; wir wollen ihr also mit Vorsicht zu Hilfe kommen , und die Wurzel des Übels zu heilen suchen .
Die wohltätige Güte der Madam Hills gibt Anfangs die nötigen Kleider , Leinen und Hausgeräte .
Von den ersten wurden nur die unentbehrlichsten Stücken schon verfertigt gegeben ; das übrige aber im Ganzen , damit die Frau und ihre Töchter es mit eigener Handarbeit zurechte machen ; und wenn sie damit fertig sind , so bekommen sie einen Vorrat an Flachs und Baumwolle , um selbige zu verarbeiten , und in Zukunft das abgehende an Leinen- und baumwollenen Zeuge ersetzen zu können , und dieses ist die Sache der Mütter und Töchter .
Die Talente und den Stolz des Herrn G. will ich dahin zu bringen suchen , seinen zerfallenen Ruhm durch die Bemühung einer guten Kinderzucht wieder aufzubauen .
Erziehung ist er seinen Kindern schuldig ; das Vermögen hat er nicht , Lehrmeister zu bezahlen , wie edel wäre es , wenn er mit Fleiß und Vatertreue den Schaden des verschwendeten Vermögens ersetzte , und seinen Kindern Schreib- und Rechnungsunterricht gäbe !
Für das Latein der Söhne erhalten Madam Hills zweien Plätze , welche armen Schülern bestimmt sind ; Herr G. hält aber die Lehr- und Wiederholungsstunden selbst mit ihnen ; und gewiß würde man einem Mann , der seine väterliche Pflichten so getreu erfüllte , mit der Zeit ein Amt des Vaterlandes anvertrauen .
Nun kommt die Betrachtung , daß die beschuldigte Nachlässigkeit der Frau G. alles wieder zu Grunde richten würde ; diesem Übel hoffe ich durch die Jungfer Lehne zuvor zu kommen .
Sie war die Jugendfreundin der Frau G. , und hat von ihren Eltern Gutes genossen .
Ich denke , sie würde es der Tochter gerne vergelten , wenn sie nicht selbst arm wäre ; da sie aber einen vorzüglichen Reichtum an Geschicklichkeit besitzt , so könnte sie dadurch eine Wohltäterin ihrer Freundin werden , wenn sie das Amt einer Aufseherin über den Gebrauch der Wohltaten und der Lehrmeisterin bei den Töchtern der Frau G. verwalten wollte .
Madam Hills tun der Jungfer Lehne Gutes , ich weiß , daß sie dankbar sein möchte , und wie kann sie es auf eine rühmlichere Art werden , als wenn sie ihrer eigenen Beschützerin die Hände reicht , um ihre unglückliche Freundin aus dem Verderben zu ziehen ?
Und mit wie vieler Achtung wird sie von den besten Einwohnern angesehen werden , wenn sie durch die Güte ihres Herzens die Grundlage der Wohlfahrt von drei unschuldigen Kindern befestigen und bauen hilft ?
Wenn meine teure Frau Hills mit diesen Gedanken zufrieden sind , so will ich sie dem Herrn und der Frau G. , wie auch der Jungfer Lehne vortragen ; und , dann bitte ich , mir zu erlauben , auf zwei Wochen in dem Hause des Herrn G. zu wohnen , um ihnen zu zeigen , daß diese Vorschriften zu der Verwendung ihres Lebens nicht hart und nicht unangenehm sind .
Denn ich will durch gute Worte und Achtung den Mann an sein Haus und an seine Familie gewöhnen , und dann einige Tage die Stelle der Mutter , und wieder einige die Stelle der Jungfer Lehne bekleiden , und daneben die Herzen der Kinder zu guten Neigungen zu lenken , und ihre Fähigkeiten ausfindig zu machen suchen , um sie mit der Zeit nach ihrem besten Geschicke anzubauen .
Aber in Kleidung , Essen , Hausgeräte , sollen sie noch den Mangel fühlen , und durch dieses Gefühl zu Erkenntnis und Aufmerksamkeit kommen ; bis sie durch Genügsamkeit , Fleiß und gute Gesinnungen wieder in die Klasse eintreten können , aus der sie durch Verschwendung und Sorglosigkeit gefallen sind .
Vorwürfe werde ich ihnen nicht machen ; aber ich werde ihnen durch Erzählung einiger Umstände meines Lebens die Zufälligkeit des Glücks beweisen , und den Kindern sagen , daß mir nichts als meine Erziehung übrig geblieben sei , welche mir die Freundschaft von Madam Hills , und die Gelegenheit gegeben hätte , ihnen Dienste zu leisten .
Dann werde ich auch von dem Stolze reden können , der uns bloß führen soll , einen edlen Gebrauch von Glück und Unglück zu machen .
Denn ich möchte nicht bloß ihren Körper ernährt und gekleidet sehen , sondern auch die schlechten Gesinnungen ihrer Seele gebessert , und ihren Verstand mit schicklichen Begriffen erfüllet wissen .
Madam Leidens an Emilie .
Nun bin ich wieder zu Haus , und wollte Ihnen von der Aussaat reden , wovon mein letzter Brief sagte , daß ich sie einer dritten Hand anvertrauen würde ; aber Madam Hills erzählt mir : daß sie Ihnen alles geschrieben habe .
O meine Freundin ! wie schön wäre der moralische Teil unseres Erdkreises , wenn alle Reichen so dächten wie Madam Hills , die sich freut , wenn man ihr Gelegenheit gibt , ihre Glücksgüter wohl anzuwenden !
Sie , meine Emilia , sollen die Beweggründe sehen , die mich dazu brachten , der Jungfer Lehne das Verwaltungsamt zu geben .
Sie wissen , wie ich die arme Familie kennen lernte : eben diese Person redete bei Frau Hills von ihren Umständen .
Ich bemerkte in ihrem halb mitleidigen , halb anklagenden Ton eine Art von Neid über die Wohltaten , welche jene genossen , und die Begierde , sie allein an sich zu ziehen .
Sie sprach zugleich viel davon , wie sie es an der Stelle von Frau G. machen würde .
Ich ärgerte mich , so kalte , und übeltätige Überbleibsel einer so stark gewesenen Jugendfreundschaft anzutreffen , und hatte Mut genug den Plan zu fassen , dieses halb vermoderte Herz zu dem Nutzen seiner ersten Freundin brauchbar zu machen .
Ich ließ sie nichts von meinen Betrachtungen über sie merken , und sagte ihr nur , daß sie mich in das Haus führen sollte .
Der Anblick des Elends , und die Zärtlichkeit , welche ihr die Frau bewies , rührte sie , und in dieser Bewegung nahm ich sie in mein Zimmer , las ihr meinen Plan vor , und malte mit den lebhaftesten Farben die Schönheit der Rolle , die ich ihr auftrüge , worin sie sich das Wohlgefallen Gottes , und die Achtung und die Segnungen aller Rechtschaffenen zu versprechen hätte .
Ich überzeugte sie , daß sie mehr Gutes tue als Frau Hills , welche bei ihren Geldgaben nur das Vergnügen genösse , von ihrem Überflusse von Zeit zu Zeit etwas abzugeben ; da hingegen ihre tägliche Bemühungen und ihre Geduld die Tugenden des edelsten Herzens sein würden .
Ich gewann sie um desto leichter , weil ich ihr das Lob der Madam Hills dadurch zuzog , daß ich sagte : der Einfall wäre ihr selbst gekommen .
Mein Plan wurde bewilligt , und ich führte ihn die ersten zwei Wochen selbst aus .
Die Annahme einer Verwalterin schien beschwerlich , aber ich erhielt doch die Einwilligung , besonders da ich sagte , daß ich selbst vierzehn Tage bei ihnen wohnen würde .
Den ersten Tag legte ich ihnen die Geschenke von Madam Hills vor , teilte jedem das Seinige , mit Ermahnung zur Sorgfalt , zu , und sagte ihnen : daß sie durch Schonen , und sparsamen Gebrauch der Wohltaten , teils ihre Dankbarkeit , teils ein edles Herz zeigen würden , welches die Güte , die man ihm beweist , nicht mißbrauchen möchte .
Hierauf sagte ich , wie ich ihre Umstände ansähe , und was ich für einen Plan ihres Lebens , und ihrer Beschäftigung daraus gezogen hätte ; bat aber jedes : mir seine Wünsche , und Einwendungen zu sagen .
Ehe ich diese beantwortete , machte ich ihnen einen kurzen und nützlichen Auszug meiner eigenen Geschichte .
Ich blieb besonders bei dem Artikel des Ansehens und Reichtums stehen , worin ich geboren und erzogen worden ; sagte ihnen meine ehemaligen Wünsche und Neigungen , auch wie ich sie mir jetzt versagen müsse , und schloß diese Erzählung mit freundlichen Anwendungen , und Zusprüchen für sie .
Durch dieses öffnete sich ihr Herz zum Vertrauen , und zur Bereitwilligkeit meinem Rate zu folgen .
Die besten Sachen , so eine reiche und glückliche Person gesagt hätte , würden wenig Eindruck gemacht haben ; aber der Gedanke , daß auch ich arm sei , und anderen unterworfen leben müsse , brachte Biegsamkeit in ihre Gemüter .
Ich fragte : was sie an meiner Stelle würden getan haben ?
Sie fanden aber meine Moral gut , und wünschten auch so zu denken .
Darauf ging ich in den Vorschlag ein , was ich an ihrem Platze tun würde ; und sie waren es herzlich zufrieden .
O , dachte ich , wenn man bei Beweggründen zum Guten allezeit in die Umstände und Neigungen der Leute eingienge , und der uns allen gegebenen Eigenliebe nicht schnurstracks Gewalt antun wollte , sondern sie mit eben der Klugheit zum Hilfsmittel verwände , wodurch der schmeichelnde Verführer sie zu seinem Endzweck zu lenken weiß :
so würde die Moral schon längst die Grenzen ihres Reichs und die Zahl ihrer Ergebenen vergrößert haben .
Eigenliebe ! angenehmes Band , welches die liebreiche Hand unseres gütigen Schöpfers dem freien Willen anlegte , um uns damit zu unserer wahren Glückseligkeit zu ziehen ; wie sehr hat dich Unwissenheit und Härte verunstaltet , und die Menschen zu einem unseligen Missbrauch der besten Wohltat gebracht !
Lassen Sie mich zurückkommen .
Am zweiten Tage stellte ich die Frau G. vor , und in ihrer Person sprach ich mit Jungfer Lehne von unserer alten Liebe , und wie gern ich ihr die Stelle gönnte , die sie in meinem Hause zu vertreten hätte , da ich glaubte : sie würde den Gebrauch eines guten Herzens davon machen .
Ich sagte , was ich ( nach dem Willen der Frau G , mit der ich allein vorher gesprochen hatte ) von ihr wünschte , wies die Töchter an sie an , und setzte hinzu : daß wir allezeit alles gemeinschaftlich überlegen und vornehmen wollten .
Sodann war ich zweien Tage Jungfer Lehne , -- und die folgenden drei in der Stelle der drei Töchter .
Unter dem Arbeiten machte ich sie durch Hilfe der Religion mit dem beruhigenden Vergnügen bekannt , welches die Betrachtung der Natur in verschiedenem Maße in unser Herz gießt .
Frau Hills schaffte Bücher an , die ich ausgesucht hatte , und die beiden Söhne mußten wechselsweise etwas daraus vorlesen , wobei ich die Kinder immer Betrachtungen und Anwendungen machen lehrte .
Die zwei ältesten Mädchen haben viel Geschicke und Verstand .
Ich lehrte sie meine Tapetenarbeit , und die älteste Zeichnungen dazu zu machen .
Ich ermunterte ihren Fleiß durch den Stolz , indem ich ihnen sagte : daß sie diese Arbeit entweder ganz an Kaufleute verhandeln , oder sich um die Hälfte wieder neue Wolle schaffen , und für die andere etwas eintauschen könnten , so ihnen nötig wäre ; ich versprach ihnen auch , diese Arbeit sonst niemanden zu lehren .
Nun sitzen des Tages die zwei Mädchen und die Mutter daran , weil die Vorstellung vom Verhandeln ihrer Eitelkeit schmeichelt .
Jungfer Lehne sagte : daß alles gut fortgehe , und ist daselbst ungemein vergnügt , da sie wegen ihrer Aufsicht und Probe einer wahren Freundschaft so sehr gelobt wird .
Ich habe das Haus mit Tränen verlassen , und werde alle Woche zweien halbe Tage hingehen .
Die vierzehn Tage , die ich da zubrachte , flossen voll Unschuld und Friede dahin ; eine jede Minute davon , war mit einer übenden Tugend erfüllt , da ich Gutes tat und Gutes lehrte .
Nun bitten Sie Gott , liebste Emilia , daß er diese kleine Saat meiner verarmten Hand zur reichen Ernte für das Wohl dieser Familie werden lasse .
Niemals , nein , niemals haben mir die Einkünfte meiner Güter , welche mich in Stand setzten , dem Armen durch Geldgaben zu Hilfe zu kommen , so viel wahre Freude gegeben , als der Gedanke : daß mein Herz ohne Gold , allein durch Mitteilung meiner Talente , meiner Gesinnungen , und etlicher Tage meines Lebens , das Beste für diese Familie getan hat .
Meine kleinen Zeichnungen sind Ursache , daß der zweite Sohn zu einem Mignatürmahler kommt , weil der junge Knabe sie mit der größten Pünktlichkeit und außerordentlich fein nachahmte .
Die ganze Familie liebt und segnet mich .
Madam Hills läßt bereits die Steine zum Gesindehaus führen und behauen .
Denken sie nicht , beste Freundin , daß sich zu gleicher Zeit , dauerhafte Grundteile eines neuen moralischen Glücksbaues in meiner Seele sammeln , worin meine Empfindungen Schutz und Nahrung finden werden , bis der Sturm von sinnlichem Unglück vorüber sein wird , der den Wohnplatz meines äußerlichen Wohlergehens zerstörte ?
Madam Leidens an Emilie .
Emilia ! fragen Sie den metaphysischen Kopf ihres Mannes , woher der Widerspruch käme , der sich , zwischen meinen stärksten immerwährenden Empfindungen und meinen Ideen zeigte , als ich von Frau Hills gebeten wurde : ihre liebste Freundin , die schöne anmutsvolle Witwe von C. -- zu einem gütigen Entschluß , für einen ihrer Verehrer , bereden zu helfen ?
Woher kam es , daß ich der Liebe und dem aus ihr kommenden Glück irgend eines Mannes das Wort reden konnte , da die Fortdauer meiner durch die Liebe erfahrenen Leiden mich eher zur Unterstützung der Kaltsinnigkeit der schönen Witwe hätte bringen sollen ?
Ich kann nicht denken ; daß allein der Geist des Widerspruchs , durch welchen es uns natürlich ist anders zu denken als andere Leute , daran Ursache sei .
Oder wäre es möglich , daß in einem Stücke meines , durch die Hände der Liebe zerrissenen Herzens noch ein Abdruck der wohltätigen Gestalt geblieben wäre , worunter ich mir einst in den heiteren Tagen meiner lächelnden Jugend , ihr Bild vormalte ?
Oder konnte wohl der lange Gram meine junge Vernunft zu dem Grade der Reife gebracht haben , welcher nötig ist :
mich über die Umstände einer anderen Person , ohne alle Einmischung meiner eigenen Empfindungen nachdenken und urteilen zu lassen ?
Sie sehen , daß ich über mich zweifelhaft bin ; helfen Sie mir zu Rechte .
Hier ist mein Gespräch mit der Witwe .
" Vier rechtschaffene Männer bewerben sich um ihre Gunst , woher kommt es , teuerste Frau von C. -- daß Sie so lange wählen ? "
" Ich wähle nicht ; ich will meine Freiheit genießen , die ich durch so viele Bitterkeit erkaufen mußte . "
" Sie haben nicht Unrecht Ihre Freiheit zu lieben , und auf alle Weise zu genießen , der edelste Gebrauch davon wäre aber doch derjenige : aus freiem Willen jemanden glücklich zu machen . "
" O , das Glück , wovon Sie reden , ist " meistens nur in der feurigen Phantasie eines jetzt brennenden Liebhabers , und verschwindet , sobald die erloschene Flamme ihr Zeit gibt , sich wieder abzukühlen . "
" Dieses , meine geliebte Frau von C -- kann wahr sein , wenn die Liebe eines jungen Mannes allein durch die Augen entstanden ist , und an der Seite des blühenden Mädchens lodert , deren unausgebildeter Charakter diesem Feuer keine dauerhafte Nahrung geben kann .
Aber Sie , die wegen Ihrem Geist , wegen Ihrem edlen Herzen geliebt werden , Sie sind sicher es unauslöschlich zu machen . "
" Meine Verdienste hätten also die Eigenschaft des persischen Naphtha ; aber in welchem meiner Liebhaber liegt das Herz , welches ein gleichdauerndes Feuer aushalten könnte ? "
" In jedem ; denn Liebe und Glückseligkeit sind der unverzehrbare Stoff , woraus unsere Herzen gebaut sind .
* )
" Jeder hat aber auch eine eigene Idee von der Glückseligkeit ; ich könnte also bei meiner zweiten Wahl , wieder just das Herz treffen , dessen Begriffe von Glückseligkeit nicht mit meinem Charakter übereinstimmten , und da verlören wir beide .
" Ihre Ausflucht ist fein , aber nicht richtig .
Zehn Jahre , welche zwischen der ersten und letzten Wahl stehen , haben durch viele Erfahrungen Ihren Einsichten die Kraft gegeben , die Verschiedenheit der Personen und Umstände zu beurteilen , und besonders die Gewalt zu bemerken , mit welcher die letztere * )
Der ziemlich ins Preziöse fallende und von der gewöhnlichen schönen Simplizität unserer Sternheim so stark abstechende Stil dieses Dialogen scheint zu beweisen , daß sie bei dieser Unterredung mit Frau von C. nicht recht à son eise war .
" Sie in Ihre erste Verbindung hineingezogen .
" Wie genau Sie alles hervorsuchen ; Aber sagen Sie , liebe Madam Leidens , wen würden Sie wählen , wenn Sie an meiner Stelle wären ?
" Den , von dem ich hoffte , ihn am meisten glücklich machen zu können .
" Und dies wäre in ihren Augen -- " Der liebenswürdige Gelehrte , dessen schöner und aufgeklärter Geist Ihnen das Vergnügen gewährte , daß nicht die geringste Schattierung Ihrer Verdienste ungefühlt , und ungeliebt blieben , in dessen Umgang der edelste Teil Ihres Wesens unendliche Vorteile genießen könnte , indem Er Sie an der Hand der Zärtlichkeit durch das weite Gebiet seiner Wissenschaft führen würde , wo sich Ihr Geist so angenehm unterhalten und stärken könnte .
Wie glücklich würde sein gefühlvolles Herz durch das Vergnügen , durch die Verdienste und die Liebe seiner schätzbaren Gattin werden ; und wie glücklich würde Ihre empfindsame Seele durch das von Ihnen geschaffene Glück dieses würdigen Mannes sein ; Wie süß wäre Ihr Anteil an seinem Ruhm , und an seinen Freunden !
O Madam Leidens ! wie stark malen Sie die schöne Seite !
Soll ich nicht sehen , daß alle Stärke dieser schätzbaren Empfindlichkeit sich auch bei meinen wahren , und zufälligen Fehlern zeigen würde , und wohin neigt sich da die Waagschale der Glückseligkeit ?
Dahin , wo ihre angeborene Sanftmut , und Gefälligkeit sie fest halten wird .
Gefährliche Frau , wie viele Blumen Sie auf die versteckte Kette streuen !
Sie tun mir Unrecht , ich zeige nur den Vorrat von Blumen , deren Wert ich kenne , und die Ihnen die Liebe anbietet , um eine Kette von Zufriedenheit daraus zu binden -- " Und übersehen die Menge von Dornen , welche unter diesen Rosen verborgen sind -- "
" Darauf antworte ich nicht , ich würde Ihre Klugheit und Billigkeit beleidigen .
" Werden Sie nicht böse , und weisen Sie mir noch die schönen Farben der übrigen Bänder , wovon Sie mir Schleifen knüpfen wollen .
" Kommen Sie , vielleicht wird der artige Übermut , den Ihnen Ihre vorzügliche Liebenswürdigkeit gibt , durch die Eigenschaft der Geburt und Person eines der edelsten Söhne des preußischen Kriegsgottes leichter gezähmt , als durch die sanfte Hand der Musen : dies Band ist schön , ein glänzender Nahme , Edelmütigkeit der Seele , wahre Liebe und Verehrung ihres Charakters ist darin verwebt ; goldene Streifen des angesehenen Rangs , des neuen schönen Kreises , in den sie dadurch versetzt werden , liegen im Grunde , Blicke in angenehme " Gegenden , wo Ihnen die Briefe der Hochachtungswürdigen Frau von *** zeigen , daß seine Liebe Ihnen schon Freundinnen und Verehrer bereitet hat ; und verdiente nicht schon die großmütige Aufopferung aller Vorrechte des alten Adels , das Gegenopfer Ihrer Unschlüssigkeit und Ihres Mistrauens ?
" Zauberin ! wie künstlich mischen Sie Ihre Farben !
" Warum Zauberin , liebste Frau von C -- ? fühlen Sie den starken Reiz der strahlenden Fäden , womit der Zufall dies Band umwunden hat ?
" Ja , aber dem Himmel sei Dank , Sie schrecken mich deswegen , weil Sie mich blenden .
" Liebenswürdige Schüchternheit , o , könnte ich dich in die Seele jedes gefühlvollen Geschöpfs legen , welches von den schönen Farben eines Kunstfeuers angelockt , verblendet , und auf einmal in der grausamen Finsternis eines traurigen Schicksals verlassen wird !
" Liebe Frau ! wie rührend loben Sie " mich ; wie sehr erwecken Sie die müht " terliche Sorgen für meine anwachsen " de Tochter !
Zärtlich umarmte ich Sie für diese edle Bewegung ihres , von wahrer Güte belebten Herzens ; " gönnen Sie mir , sagte ( ich ) in diesem , der Empfindung geweihten Augenblicke , Ihre Aufmerksamkeit , für die , in Wahrheit wenig schimmernde , aber fest gegründete Zufriedenheit , die Sie in dem artigen Landhause des Herrn T. erwartet , worin Sie durch einen edelmütigen Entschluß zugleich drei der heiligsten Pflichten erfüllen könnten ; --
Die sehnlichen Wünsche eines verdienstvollen angenehmen Mannes zu krönen , der Sie nicht um der Reize ihrer Person Willen , ( denn diese kennt er nicht ) sondern wegen dem reizenden Bilde liebt , so ihm von Ihrer Seele gemacht wurde ; der , nachdem Er allen Ausdruck seiner Empfindungen für Sie erschöpft hatte ; mit der edelsten Bewegung , die jemals das Herz eines Reichen erschütterte , hinzusetzte :
Ihre Tochter sollte das Kind ihres Herzens werden , und alles sein Vermögen ihr zugewandt sein .
Würden sie nicht dadurch zugleich der mütterlichen Pflicht auch für die äußerliche Glückseligkeit ihres Kindes zu sorgen , genug tun ?
Und konnte die gehorsame Ergebung des Willens Ihrer Jugendlichen Jahre dem Herzen Ihres ehrwürdigen Vaters jemals so viel Freude machen , als Sie ihm in den jetzigen Jahren Ihrer Freiheit machen würden , wenn Sie seinen Rat , seine zärtlichen Wünsche für eine Verbindung befolgten , wodurch Sie ihm genähert , und in den Stand gesetzt würden , sein väterliches Herz in dem letzten Teile seines Lebens für alle Mühe der Erziehung seiner Kinder zu belohnen ?
Bedenken Sie sich , liebreiche und gegen alle Menschen leutselige und wohltätige Frau !
Ich will Ihnen nichts von der hochachtungswürdigen Hand sagen , die in einer unserer schönsten Residenzstädte auf den gütigen Wink der Ihrigen wartet , wo eine Anzahl verdienstvoller Personen , Ihnen Bürge für die Tugend des Herzens , für die Kenntnisse des Geistes , und für die zärtliche Neigung sind , die einer der schönsten und besten Männer für Sie ernährt , und der darum der Glücklichste wurde , weil er in Ihnen die beste würdigste Mutter für seine zwei Kinder zu erhalten hoffte .
Sie wissen , daß Er ein edler Besitzer eines schönen Vermögens ist , und kennen alle gesellschaftlichen Annehmlichkeiten , die in dieser Stadt auf sie warten . -- --
Aber tun Sie , liebenswürdige Frau von C. was Sie wollen , ich habe Ihnen die Beweggründe meines Herzens gesagt ; ich weiß wohl , daß wir alle einen verschiedenen Gesichtspunkt über den nämlichen Gegenstand haben , und unser Gefühl danach richten ; doch ist eine Seite , die wir alle betrachten müssen -- die Glückseligkeit unseres Nächsten eben so sehr , als die unsrige zu lieben , und sie nicht aus kleinen Beweggründen verzögern .
" Sie haben mein Herz in die äußerste Verlegenheit gebracht , ( sagte sie mir mit Tränen ) aber meine traurige Erfahrung empört sich wider jede Idee von Verbindung ; ich wünsche diesen Männern würdigere Gattinnen , als sie sich mich abschildern ; aber mein Nacken ist von dem ersten Joche so verwundet worden , daß mich das leichteste Seidenband drücken würde .
" Ich habe die Bitte ihrer Freundin erfüllt , und nichts anders bei Ihrem Entschluss zu sagen , als daß Sie immer glücklich sein mögen .
Sie umarmte mich , und bat Madam Hills : bei meiner Zurückkunft die liebe Frau ruhig zu lassen ; wunderte mich aber in meinem Zimmer über den Eifer , womit ich mich in diese Sache gemischt hatte .
Klären Sie mir das Dunkle in meiner Seele darüber auf ; es dünkt mich : daß ich lauter unrechte Ursachen hasche .
Lord Seymour an Doktor T. Bester Freund , geben Sie mir Ihren Rat , um mich in dem Kummer zu erhalten , in welchen ich aufs neue , und , gewiß auf ewig gefallen bin !
Sie wissen , daß ich meine Leidenschaft für das Fräulein von Sternheim ganz unterdrückt hatte , weil die Versicherung ihres niederträchtigen Bündnisses mit John ihren Geist und Charakter aller meiner Hochachtung beraubte .
Ich fing auch an , eine ruhige und reizende Liebe zu kosten , indem ich meine ganze Zärtlichkeit dem Fräulein von C -- widmete , und der ihrigen völlig versichert war : als mein Oheim unversehens den Befehl vom Hofe erhielt , eine Reise nach W. zu machen .
Die Empfindlichkeit des liebenswürdigen Fräuleins von C -- hatte vieles bei unserer Tennung zu leiden , und ich war eben so traurig als sie .
Missvergnügt und murrend über die Fesseln , welche mir der Ehrgeiz meiner Familie , und die Zuneigung von Mylord Crafton anlegten , saß ich stumm und finster neben dem liebreichsten Manne , dessen feste Ruhe des Geistes meinen empörten Empfindungen ärgerlich war , so , daß ich der Geduld nicht achtete , mit welcher er meine Unart ertrug .
Aber , mein Freund , stellen Sie sich , wenn es möglich ist , die Bewegung vor , in die ich geriet , als wir den zweiten Tag Abends bei sehr schlimmen Wetter , durch Versehen des Postillons , auf ein Dorf kamen , wo wir übernachten mußten , am Wirtshause anfuhren , und eben aussteigen wollten , als die Wirtin auf einmal anfing : " was , Sie sind Engländer ? " fahren Sie fort , ich lasse Sie nicht in " mein Haus ; Sie können meinetwegen " im Walde bleiben , aber meine Schwelle " soll kein Engländer mehr betreten -- Während dem letzteren Worte , zog sie ihren Sohn , der wie ein wackerer Mensch aussah , und ihr immer zuredete , beim Arme gegen die Türe des Hauses , so sie zuschließen wollte .
Der schreiende Unwille dieser Frau war seltsam genug , um mich aufmerksam zu machen ; unsere Kerls schrien und zankten wieder , die Postillons auch .
Mylord befahl unseren Leuten zu schweigen , und sagte zu mir : hier muß etwas ernsthaftes vorgegangen sein , da es wichtig genug ist , die gewöhnliche Gewinnbegierde dieser Leute zu unterdrücken .
Er rief der Frau freundlich zu : sie möchte ihm die Ursache sagen , warum sie uns nicht aufnehmen wollte ?
" Weil die Engländer gewissenlose Leute sind , die sich nichts aus dem Unglücke der besten Menschen machen , und ich meine Tage keinen mehr beherbergen will ; fahren Sie mit ihren schönen Worten nur fort , sie können alle so schöne Worte geben .
Sie wandte sich von uns weg , und sagte zu ihrem Sohne , der ihr vermutlich wegen dem Gewinn zuredete .
" Nein , " und wenn sie meine Stube voll Gold steckten , so breche ich meine Gelübde nicht , das ich der lieben Dame wegen tat -- Ich kochte vor Ungeduld ; aber Mylord , der von seiner Parlamentsstelle her gewohnt war , den wütenden Aufwallungen des Pöbels nachzugeben , winkte ganz ruhig dem Sohne , und fragte ihn um die Ursache der Abneigung und der Vorwürfe meiner Mutter .
" Vor einem halben Jahre , antwortete dieser , führte ein Engländer seine Frau , eine schöne gütige Dame , zu uns ; er ging weg und kam wieder , nachdem er viele Wochen weggewesen , indessen hatte die junge Frau , die immer sehr traurig war , meine Baasen gekleidet , sie viele hübsche Sachen gelehrt , und den Armen viel Gutes getan ; o , sie war so sanft als ein Lamm ! sogar mein Vater wurde sanft seit sie in unserem Hause war ; wir mußten sie alle lieben .
Aber einen Tag , da der böse Lord lange weg gewesen , kam einer seiner Leute geritten , und sagte , er hätte Briefe an die Dame ; wir fragten ; ob sein Herr bald käme ? nein -- sagte er , Er kommt nicht wieder ; hier ist noch Geld für den übrigen Monat ; und dies sagte er wild und trotzig , wie ein böser Hund .
Meiner " Mutter ahndete nichts gutes , und sie schlich sich in eine Nebenkammer , um auf den Brief zu horchen ; da sah sie unsere liebe schöne Dame auf der Erde knien und weinen , und ihrem Kammermädchen erzählen : in dem Briefe stünde : ihre Heirat wäre falsch gewesen : der Bote , der ihn gebracht , wäre in einen Geistlichen verkleidet gewesen , und hätte sie eingesegnet ; sie könne hin wo sie wolle ; da ist sie auch zwei Tage darauf fort ; aber sie muß unterwegs gestorben sein , so krank und betrübt war sie ; da will nun meine Mutter keinen Engländer mehr ins Haus aufnehmen .
Mylord sah mich gerührt an ; Carl , was sagt dein Herz zu dieser Erzählung ?
O Mylord , es ist mein Fräulein Sternheim , -- schrie ich -- aber der Bösewicht soll es bezahlen !
Aufsuchen will ich ihn ; es ist Derby ; kein anderer ist dieser Grausamkeit fähig .
Junger Freund , sagte Mylord dem Sohne der Wirtin ; sage ' er seiner Mutter : sie hätte recht , den bösen Engländer zu hassen ; auch soll er vom König nach der Schärfe abgestraft werden .
Aber mache Er , daß ich ins Haus komme .
" Steigen Sie aus , ich will meine Mutter befriedigen .
Er lief hinein , und bald darauf kam uns die Frau selbst entgegen ; " Wenn Sie den abscheulichen Mann recht strafen wollen , wie Sie sagen , so kommen Sie , ich will Ihnen alles erzählen wie es war ; Sie sind ein alter Herr , gnädiger Lord , Sie können das Unrecht junger Leute gut einsehen , machen Sie ein Exempel aus dem bösen Mann , er könnte noch viele Streiche anfangen .
Still , und langsam folgte ich ihr und Mylord die Treppe hinauf .
Hier , sagte sie oben , hier ist der liebe Engel gestanden , wie ihr Herr das erstemal kam , sie zu besuchen , nun , er herzte sie recht schön , und sie hatte ihre lieben Hände so hübsch nach ihm ausgestreckt , daß mich ihre Einigkeit freute ; aber sie redete so sanft und wenig , und er so laut , seine Augen waren so groß , und beschauten sie so geschwind , er rief auch gleich so viel nach seinen Kerls , daß man wohl daraus hätte etwas vermuten können .
Mein Mann war wild , doch hat er im Anfange allezeit leise und freundlich geredet , und geblinzelt ; aber man denkt , jeder Mensch hat seine Weise , und wie sollte einem einfallen : daß man ein schönes frommes Tugendbild betrügen könne ?
Nun waren wir im Zimmer , wo ihre Kammerfrau gewohnt hatte ; hernach wies sie uns das von der Dame ; sie rief Gretchen , die sich hinsetzen und zeigen mußte , wo die Dame gesessen , wie sie die Mädchen gelehrt hätte ; hernach nahm sie ein Bild von der Wand , und sagte ; " da , mein Gärtchen , meine Bienengestelle , und das Stück Matte , wo meine Kühe auf der Weide gingen , zeichnete sie . --
Indem sie es Mylord hingab , küßte sie das Stück , und sagte mit Weinen : Du liebe , liebe Dame , Gott habe dich selig , denn du lebst gewiß nicht mehr .
Ein einziger Blick überzeugte mich völlig : daß es die Sternheim gemacht hatte ; die richtigen Umrisse , die feinen Schattierungen erkannte ich ; mein Herz wurde beklemmt ; ich mußte mich setzen ; Tränen füllten meine Augen ; das Schicksal des edlen Mädchens , die rauhe , aber herzliche Liebe dieser Frau rührten mich ; es gefiel ihr , Sie klopfte mich auf die Achsel : " das ist recht , daß Sie betrübt sind , bitten Sie Gott um ein gutes Herz , daß Sie niemanden verführen ; denn Sie sind auch ein Engländer , und ein hübscher Meusch ; Sie können einem in die Augen gehen .
Nun mußte das Mädchen und der Sohn , und die übrigen Leute erzählen , wie gut die Dame gewesen , und was sie gemacht hatte ; dann wies sie uns das Schlafzimmer .
" Seit dem Brief , fuhr sie fort , ist sie nicht mehr hinein gegangen , sondern schlief im Bette ihrer Jungfer ; ich denke es wohl , wer möchte noch unter der Decke eines Spitzbuben schlafen ? --
Hier ist der Schrank , worein sie alle Kostbarkeiten von Gold , von Geschmeide , o , gar viele Sachen legte , die er ihr mitgebracht hatte , und die ich ihm zurückgeben sollte ; denn sie nahm nichts davon mit ; zweien Tage nachdem sie weg war , kam wieder ein Brief ; er wolle kommen , sagte der Mensch ; aber ich gab ihm seinen Pack Sachen , und schaffte ihn aus dem Hause .
Mylord fragte sie noch genauer um alles was geschehen war ; halb hörte ich_es , halb nicht ; ich war außer mir ; und da die Frau nicht sagen konnte : wo die Dame hingereist wäre ; so war mir am übrigen nichts gelegen .
Ich hatte genug gehöret , um in Mitleiden zu zerschmelzen , und das geliebte Bild der leidenden Tugend mit erneuerter Zärtlichkeit in meine Seele zu fassen .
Ich nahm das Zimmer ihrer Jungfer , weil ich darin den Platz bemerket hatte , wo sie gekniet , wo sie den unaussprechlichen Schmerzen gefühlt hatte , betrogen und verlassen zu sein .
Derbys Schlafzimmer gab mir den nämlichen Abscheu wie ihr selbst , und ich warf mich unausgekleidet mit halb zerrütteten Sinnen auf das Bette , worin Sternheim so Kummervolle Nächte zugebracht hatte .
Trostlose Zärtlichkeit , und ein Gemische von bitterem Vergnügen bemächtigten sich meiner mit der Empfindung , welche mir sagte : hier lag das liebenswürdige Geschöpfe , in dessen Armen ich alle meine Glückseligkeit gefunden hätte ; hier beweinte ihr blutendes Herz die Treulosigkeit des verruchtesten Bösewichts !
Und ich -- O Sternheim , ich beweine dein Schicksal , deinen Verlust , und meine verdammte Saumseligkeit , deine Liebe für mich zu gewinnen ! -- Vergnügen , ja ein schmerzhaftes Vergnügen genoß ich bei dem Gedanken : daß meine verzweiflungsvolle Tränen noch die Spuren der ihrigen antreffen , und sich mit ihnen vereinigen würden .
Ich stand auf , ich kniete auf den nämlichen Platz , wo der stumme zerreißende Jammer über ihre Erniedrigung sie hingeworfen hatte ; wo sie sich Vorwürfe über das blinde Vertrauen machte , womit sie sich dem grausamsten Manne ergab , und wo -- ich ihrem Andenken schwor : sie zu rächen .
O mein Freund , warum , warum konnte Ihre Weisheit meinen Mut nicht stählen ? --
Wie elend , wie Beklagungswert war ich , da ich mit ihr jeden Augenblick verfluchte , worin sie das Eigentum von Derby war ! alle ihre Schönheit , alle ihre Reize sein Eigentum waren !
Sie liebte ihn ; sie empfing ihn mit offenen Armen an der Treppe .
-- Wie war es möglich : daß die edle reine Güte ihres Herzens den gefühllosen boshaften Menschen lieben konnte ? --
Ich habe das kleine Hauptküssen vom Sohn der Wirtin gekauft ; ihr Kopf hatte sich mit der nämlichen Bedrängnis darauf gewälzt , wie meiner ; ihre und meine Tränen haben es benetzt ; ihr Unglück hat meine Seele auf ewig an sie gefesselt ; von ihr getrennt , vielleicht auf immer getrennt , mußten sie in dieser armen Hütte die sympathetischen Bande ganz in meiner Seele verwinden , welche mich stärker zu ihr , als zu allem , was ich jemals geliebt habe , zogen .
Mylord fand mich am Morgen in einem Fieber ; sein Wundarzt mußte mir eine Ader öffnen , und eine Stunde hernach folgte ich ihm in dem Wagen , nachdem ich die kleine Zeichnung des Gärtchens geraubt , und dem Mädchen , welches die Schülerin meiner Sternheim gewesen , einige Guineen zugeworfen hatte .
Die Kälte , welche die Politik unvermerkt bald in größerem , bald in kleinerem Maße auch in das wärmste Herz zu gießen pflegt , und es über einzelne Übel hinaus gehen heißt , gab Mylord eine Menge Vernunftgründe ein , womit er mich zu zerstreuen , und gegen meinen Kummer und Zorn zu bewaffnen suchte .
Ich mußte ihn anhören und schweigen ; aber Nachts hielt mich mein Küssen schadlos ; ich zehrte mich ab , und erschöpfte mich .
Mein Schmerz ist ruhiger , und meine Kräfte erholen sich in dem Vorsatze , das Unglück des Fräuleins an Derby zu rächen , wenn er auch den ersten Nang des Königreichs besitzen sollte .
Beobachten Sie ihn wenn Sie nach London kommen , ob Sie nicht Spuren von Unruhe und quälender Reue an ihm sehen .
Ewigkeiten durch möchte ich ihm die Marter der Reue empfinden lassen , dem ewig hassenswürdigen Mann !
Ich gebe mir alle mögliche Mühe , die Folgen des Schicksals des Fräuleins zu erfahren , aber bis jetzt war alles vergeblich ; so wie Ihre Bemühungen vergeblich sein werden , wenn Sie ihr Andenken in mir auslöschen wollten ; -- mein Kummer um sie ist meine Freude , und mein einziges Vergnügen geworden .
Graf R -- an Lord Seymour .
Sie geben mir Nachricht von meiner teuren unglücklichen Nichte .
Aber , o Gott , was für Nachrichten , Mylord ! das edelste , beste Mädchen der Raub eines teuflischen Bösewichts !
Ich dachte wohl , als Sie mir den Sekretär Ihres Oheims nannten , daß ein gemeiner schlecht denkender Mensch ihre Hand niemals hätte erhalten können .
Ein Heuchler , ein die Klugheit und Tugend lebhaft spielender Heuchler mußte es sein , der ihren Geist blendete , und sie aus den Schranken zu führen wußte .
Ich flehe den Lord Crafton um seine Beihilfe an , den nichtswürdigen Mann auch unter dem Schutze der ganzen Nation zur Verantwortung zu ziehen .
Nichts , als die schlechten Gesundheitsumstände meiner Gemahlin , und meines einzigen Sohns , hindern meine Abreise von hier ; aber ich habe für das Andenken dieser liebenswürdigen Person doch dieses getan : von dem Fürsten zu begehren , daß er ihre Güter durch einen fürstlichen Rat besorgen lasse .
Die Einkünfte sollen ihrer Gesinnung gemäß für die Kinder des Grafen Löbau gesammelt werden ; aber der Vater und die Mutter sollen nichts davon genießen , sie , die zuerst das Herz des guten Kindes zerrissen haben , und allein die Ursache sind , daß sie von Angst betäubt ihrem Verderben zulief .
-- Käme ich nur bald nach D. und hätten wir nur einiges Licht von ihrem Aufenthalt !
Aber es geschehe das eine und das andere wenn es will :
so soll der Elende , der ihren Wert nicht zu schätzen wußte , Rechenschaft von ihrer Entführung und Verlassung geben .
Ich bedaure Sie , Mylord , wegen der Leiden ihres Gemüts , die nun durch die wiederkehrende Liebe vergrößert sind . --
Aber wie konnte ein Mann , dem die weibliche Welt bekannt sein muß , dieses auserlesene Mädchen mißkennen , und den allgemeinen Maßstab vornehmen , um ihre Verdienste zu prüfen ?
Unterschied sie sich nicht in allem ?
Verzeihen Sie Mylord , es ist unbillig ihren Kummer zu vermehren ! die Zärtlichkeit meiner nahen Verwandtschaft übertrieb meinen Unmut , und machte mich das geschehene und ungeschehene mit gleichem Haß verfolgen .
Fliehen Sie keinen Aufwand , um den Aufenthalt des geliebten Kindes zu ersah Ren ; ich fürchte , o , ich fürchte , daß wir sie nur tot wieder finden werden ! --
Wehe dem Lord Derby ; -- Wehe Ihnen , wenn Sie nicht Ihre Hand mit der meinigen vereinigen , um sie zu rächen !
Aber alles was Sie tun werden , um Ihre edelmütige Liebe , obwohl zu spät zu beweisen , soll sie in dem Oheim des edelsten Mädchens den besten Freund und Diener finden lassen .
Allen Aufwand teile ich mit Ihnen , wie ich alle Ihre Sorgen und Schmerzen teile .
-- Hier halte ich alles geheim , weil ich meiner Gemahlin zärtliches Herz nicht mit unmäßigem Jammer beladen will .
Madam Leidens an Emilie .
Meine liebenswürdige Witwe , Frau von C. , hat eine schöne Seele voll zärtlicher Empfindungen .
Sie bemerkte letzt hin das kurz abgebrochene Ende meiner Vorstellungen sehr genau , und kam etliche Tage nachher zu mir , um mit freundlicher Sorgsamkeit nach der Ursache davon zu fragen .
Ich hatte die stutzige Art meines schnellen Stillschweigens selbst empfunden , aber da meine Beweggründe so stark in mir arbeiteten , und ich ihren Empfindungen nicht zu nahe treten wollte , so sah ich keinen anderen Weg , als abzubrechen , und nach Hause zu gehen , wo ich den Unmut recht deutlich fühlte , den ich bloß deswegen über sie hatte , weil sie den Aussichten von Wohltätigkeit nicht so eifrig zueilte , als ich an ihrer Stelle würde getan haben .
Es freut mich auch , daß der Mann meiner Emilie den warmen Ton meiner Fürsprache zum Besten der Liebe allein in meiner Neigung zum Wohltun suchte , ob er mich schon einer Schwärmerei in dieser Tugend beschuldigt .
( O ! möchte doch dieses Übermaß einer guten Leidenschaft der einzige Fehler meiner künftigen Jahre sein ! ) -- Ich antwortete der lieben Frau von C. ganz aufrichtig :
" Daß es mich sehr befremdet hätte : " eine Seele voller Empfindlichkeit so froh " stiege Blicke in das Gebiete der Wohl " Tätigkeit werfen zu sehen -- Sie ahnt " wortete : " Ich erkenne ganz wohl : daß ihr Tee " tiger Geist missvergnügt über meine Un " Entschlossenheit werden mußte ; Sie wuß " ten nicht , daß die Idee des Wohltuns " meine erste Wahl bestimmte ; aber ich " habe so sehr erfahren , daß man andere " glücklich machen kann , ohne es selbst zu " werden ; daß ich nicht Herz genug habe , " mich noch einmal auf diesen ungewissen " Boden zu wagen , wo die Blumen des " Vergnügens sobald unter dem Nebel " der Sorgen verblühen . --
Der äußerste Grad der Rührung war in allen Zügen der reizenden Bildung dieser sanften Blondine ausgedrückt ; ihr Ton stimmte mit ein , und rief in mir die Erinnerung des jähen Verderbens zurück , welches meine kaum ausgesäte Hoffnung betroffen hatte .
Meine eigenen Leiden haben die Empfindung der Menschlichkeit in mir erhöhet , und ich fühlte nun ihre Sorgen so stark , als ich die Vorstellung der Glückseligkeit der anderen empfunden hatte .
Vergeben Sie mir , liebe Madam C -- !
( sagte ich ) ich erkenne : daß ich gegen Sie die beinahe allgemeine Unbilligkeit ausübte , zu fordern : daß Sie in alle Gründe meiner Denkungsart eingehen sollten ; und ich forderte es um so viel eifriger , als ich von der innerlichen Güte meiner Bewegursachen überzeugt war .
Warum habe ich mich nicht früher an ihren Platz gestellt ; die Seite , welche Sie von meinen Vorschlägen sehen , hat in Wahrheit viel abschreckendes , und ich werde , ohne Ihnen Unrecht zu geben , nichts mehr von allen diesem reden .
" Es freut mich : daß Sie mit mir zufrieden scheinen ; aber Sie haben mir viele Unruhe und Missvergnügen über mich selbst gegeben .
Ich fragte sie eilig wie , und worin ?
" Durch die Vorstellung aller dieser Gelegenheiten glückliche Personen zu machen .
Mein Widerwille und Ausweichen schmerzt mich ; ich möchte es in irgend etwas anders ersetzen .
Können Sie mir nichts bei Ihrem Gesindehause zu tun geben ?
Sie bekam ein freimütiges Nein zur Antwort .
Aber , sagte ich lächelnd , da ich sie bei der Hand nahm :
ich möchte mir bald das Gefühl ihrer Reue , und die Begierde des Ersatzes zu Nutze machen , und Sie verbinden : daß , da Sie durch ihr eigen Herz keinen Mann mehr glücklich machen wollen , Sie die liebreiche Mühe nähmen , durch Ihren Umgang und gefällten Unterricht den Töchtern Ihrer Verwandten und Freunde , Ihre edle Denkungsart mitzuteilen , und dadurch Ihren Wohnort liebenswürdige Frauenzimmer zu bilden , und für der Madam Hills gute Mädchen , auf ihrer Seite gute Frauen zu ziehen .
Dieser Vorschlag gefiel ihr ; aber gleich wollte sie von mir einen Plan dazu haben .
Das werde ich nicht tun , Madam C -- , ich kann mich nicht von meinem Selbst so los machen , daß der Plan zu Ihrer Absicht und Ihrem Vergnügen zugleich paßte .
Sie haben Klugheit , Erfahrung , Kenntnis der Gewohnheiten des Orts , und ein Herz voll Freundlichkeit .
Diese vereinigte Stücke werden Ihnen alles anweisen , was zu diesem Plan das Beste sein kann .
" Daran zweifle ich sehr ; sagen Sie mir nur ein Buch , darin ich eine Ordnung für meinen Unterricht finden würde .
Nach der Ordnung eines Buchs zu verfahren , würde Sie und Ihre junge Freundinnen bald müde machen .
Diese sind nach verschiedener Art erzogen ; die Umstände der meisten Eltern leiden keine methodische Erziehung , auf fünfzehnjährige Mädchen , wie die Gespielinnen Ihrer Tochter , gewöhnen sich nicht gerne mehr daran .
Sie sollen auch keine Schule halten ; nur einen zufälligen abwechselnden Unterricht in dem Umgange mit dem jungen Frauenzimmer ausstreuen .
Zum Beispiel : es klagte eine über den Schnee , der während der Zeit fiel , da sie bei Ihnen zum Besuch wäre , und sie wegen ihres Zurückgehens ungeduldig über die Beschwerde machte ; -- so würden Sie fragen :
ob sie nicht wissen möchte , woher der Schnee kommt ? --
es kurz und deutlich erzählen , die Nutzbarkeit davon nach der weisen Absicht des Schöpfers anführen , sanft von der Unbilligkeit ihrer Klagen reden , und ihr mit einem munteren liebreichen Ton in dem heute unangenehmen Schnee nach etlichen Tagen das Vergnügen einer Schlittenfahrt zeigen .
Dieses wird Ihre jungen Zuhörerinnen auf die Unterredungen von schöner Winterkleidung , schöner Gattung Schlitten , und s. w. führen .
Unterbrechen Sie selbige ja nicht durch irgend eine ernste oder missvergnügte Mine ; sondern zeigen Sie , daß Sie gerne ihre verschiedenen Gedanken anhörten .
Sagen Sie etwas vom guten Geschmack in Putz , in Verzierungen , und wie Sie ein Fest anstellen und halten würden ; lassen Sie Ihren Witz alles dieses mit der Farbe der heitersten Freude malen ; Gestehen Sie Ihren jungen Leuten das Recht ein , diese Freude zu genießen , und setzen Sie mit einem zärtlichen rührenden Ton dazu : daß Sie aber Sorge haben würden den Schauplatz dieser Ergötzlichkeit durch die Fackeln der Tugend , und des feinen Wohlstandes zu beleuchten .
Bei dieser ersten Probe können Sie die Herzen und Köpfe Ihrer Mädchen ausspähen : aber ich müßte mich sehr betrügen , wenn sie nicht gerne wieder kämen , Sie von etwas reden zu hören .
" Das denke ich sicher ; aber erlauben Sie mir einen Zweifel !
-- Sie führen das Mädchen zur physikalischen Kenntnis des Schnees , und zum moralischen Gedanken der Wohltätigkeit Gottes darüber ; aber wird nicht die Schlittenfahrt das Andenken des ersteren auslöschen , und also den Nutzen des ernsten Unterrichts verlieren machen ?
Dies glaube ich nicht ; denn wir vergessen nur die Sachen gerne , die mit keinem Vergnügen verbunden sind ; und die lächelnde , zu der Schwachheit der Menschen sich herablassende Weisheit will daher , daß man die Pfade der Wahrheit mit Blumen bestreue .
Die Tugend braucht nicht mit ernsten Farben geschildert zu werden , um Verehrung zu erhalten ; ihr inneres Wesen , jede Handlung von ihr ist lauter Würde .
Würde ist ein unzertrennbarer Teil von ihr , auch wenn sie in der Kleidung der Freude und des Glücks erscheint .
In dieser Kleidung allein erhält sie Vertrauen und Ehrfurcht zugleich .
Lassen Sie sie die Hand ja niemals zu strengem Drohen , sondern allein zu freundlichen Winken erheben !
Denn , so lange wir in dieser Körperwelt sind , wird unsere Seele allein durch unsere Sinnen handeln ; wenn diese auf eine widerwärtige Weise und zu unrechter Zeit zurückgestoßen werden , so kommen aus dem Kontrast des Zwanges der Lehre , und deStärke , der durch die Natur in uns geleg. ten Liebe zum Verguügen , lauter schlimme Folgen für den Wachstum unseres moralischen Lebens hervor .
Umsonst hat der Schöpfer die süßen Empfindungen der Freude nicht in uns gelegt ; umsonst uns nicht die Fähigkeit gegeben , tausenderlei Arten des Vergnügens zu genießen .
Mischen Sie nur eine fröhliche Tugend unter den Reihen der Ergötzlichkeiten , und sehen Sie , ob die junge Munterkeit noch vor ihr fliehen , und in entlegenen Orten , mit Unmäßigkeit und wilder Lust vereinigt , sich über versagten Freuden schadlos halten wird .
Gibt nicht die göttliche Sittenlehre selbst reizende Aussichten in ewige , himmlische Glückseligkeiten , wenn sie uns auf die Wege der Tugend und Weisheit leitet ?
Das schöne Auge der Madam C -- war mit einem staunenden Vergnügen auf mich geheftet .
Ich bat sie um Verzeihung so viel geredet zu haben ; sie versicherte mich aber ihrer Zufriedenheit , und wollte wissen : warum ich nicht lieber gesucht hätte , als Hofmeisterin junger Frauenzimmer zu erscheinen , als eine Lehrerin von angehenden Dienstmädchen abzugeben ?
Ich sagte ihr : weil ich in Vergleichung des Anteils von Glückseligkeit , so jedem Stande zugemessen wurde , den von der niedrigen Gattung so klein , und unvollständig gefunden , daß ich mich freute etwas dazuzusetzen .
Die Großen und Mittleren haben mündlichen und schriftlichen Unterricht neben allen Vorteilen des Reichtums und Ansehens ; und die geringe , so nützliche Klasse bekommt kaum den Abfall des Überflusses von Kenntnissen und Wohlergehen .
" Sie reden von Kenntnissen ; soll ich " suchen meine junge Frauenzimmer ge " lehrt zu machen ?
Gott bewahre Sie vor diesem Gedanken , der unter tausend Frauenzimmern des Privatstandes kaum bei Einer mit ihren Umständen paßt !
Nein , liebe Madam C -- halten Sie sie zur Übung jeder häuslichen Tugend an : aber lassen Sie sie daneben eine einfache Kenntnis von der Luft , die sie atmen , von der Erde , die sie betreten , der Pflanzen und Tiere , von welchen sie ernähret und gekleidet werden , erlangen ; einen Auszug der Historie , damit sie nicht ganz fremde da sitzen und lange Weile haben , wenn Männer sich in ihrer Gegenwart davon unterhalten , und damit sie sehen , daß Tugend und Laster beständig einen Kreislauf durch das ganze menschliche Geschlecht gemacht haben ; lassen Sie sie jedes Wort , so eine Wissenschaft bezeichnet , verstehen .
Zum Ex. was Philosophie , was Mathematik sei -- aber von der Bedeutung des Ausdrucks Edle Seele , von jeder wohltätigen Tugend , geben Sie ihnen den vollkommensten Begriff , teils durch Beschreibung , teils und am meisten durch Beispiele von Personen , welche diese oder jene Tugend auf eine vorzügliche Art ausgeübt haben .
" Soll ich sie auch Romane lesen lassen ? "
Ja , zumal da Sie es ohnehin nicht werden verhindern können .
Aber suchen Sie , so viel Sie können , nur solche , worin die Personen nach edlen Grundsätzen handeln , und wo wahre Szenen des Lebens beschrieben sind .
Wenn man das Romananlesen verbieten wollte , so müßte man auch in Gesellschaft vermeiden , vor jungen Personen , bald einen kurzen , bald weitläufigen Auszug von einer Liebesgeschichte zu erzählen , die in der nämlichen Stadt oder Straße wo man wohnt , vorging ; unserer Väter , Männer und Brüder müßten nicht so viel von ihren artigen Begebenheiten und Beobachtungen auf Reisen und s. w. sprechen ; sonst machte auch dieses Verbot und die Gegenübung wieder einen schädlichen Kontrast .
Ein vortrefflicher Mann und Kenner des Menschen wünscht : das man jungen Personen beiderlei Geschlechts zur Stillung der Neugierde die meisten großen Reisebeschreibungen gäbe , wo von der Naturhistorie und den Sitten des Landes viel vorkommt , weil dadurch viele nützliche Wissenschaft in ihnen ausgebreitet würde .
-- Moralische Gemälde von Tugenden aller Stände , besonders von unserem Geschlecht , möchte ich gesammelt haben ; und darin sind die Französinnen glücklicher als wir .
Das weibliche Verdienst erhält unter ihnen öffentliche und dauernde Ehrenbezeigungen .
" Vielleicht aber verdienen wir mehr als sie , weil wir uns auch ohne Belohnung um Verdienste bemühen .
Dies ist wahr , aber nur für die kleine Anzahl von Seelen , die sich über alle Schwierigkeiten erheben , die sie antreffen , und worüber andere durch nichts als Ermunterungen siegen .
Ich möchte daher in jeder Standesclasse Beispiele aufstellen , die aus ihrem Mittel gezogen wären , damit man sagen könnte : ihre Geburt , ihre Umstände waren wie die eurige ; der Eifer der Tugend , und die gute Verwendung ihres Verstandes haben sie verehrungswert gemacht .
Ein vorzüglicher Platz in einer öffentlichen Versammlung , ein besonderes Stück Kleidung , könnte den Wert der Belohnung erhalten , wie es die alten großen Kenner der menschlichen Herzen gemacht haben .
Aber wir sind nicht mit dem Auftrage beladen , diese Einrichtung anzuordnen , sondern allein mit der Pflicht so viel Gutes zu tun als wir können .
Ich stehe wirklich in dem Kreise armer und dienender Personen ; also achte ich mich verbunden : diese durch Unterricht und Beispiel zu ihrem Maß von Tugend und Glück zu führen ; wobei ich aber sehr vermeiden werde , ihnen Begriffe oder Gesinnungen einzuflößen , die meinen glänzenden und angesehenen Umständen gemäß waren , weil ich fürchten würde : daß aus der vermischten Denkensart vermischte Begierden und Wünsche mit allen ihren Fehlern entstehen möchten .
Sie sind eine Witwe von erstem Range Ihres Orts .
Ihre Leutseligkeit Ihr vernünftiger angenehmer Umgang macht , daß Sie von allen Personen Ihres Standes gesucht werden .
Sie haben eine Tochter zu erziehen .
Sie würden also an allen Mädchen ihres Alters und Standes Edelmütigkeit ausüben , wenn diejenigen unter denselben mit bei den Lehrstunden Ihrer Tochter wären , deren Mütter durch Haussorgen oder kleinere Kinder verhindert sind : mit ihren Töchtern viel zu lesen , oder zu reden .
Machen Sie sie denken , und handeln wie Frauenzimmer vom Privatstande es sollen , um in ihrer Klasse vortrefflich zu werden .
Dieses wird das einzige Mittel sein , womit Sie den Schaden ersetzen können , welchen Sie durch den Vorsatz verursachen , unverheiratet zu bleiben .
-- Sie lächelte über dieses , und über meine Abbitte ihr eine Vorschrift gemacht zu haben , und gab mir alle Merkmale von Freundschaft und Zufriedenheit .
Madam Leidens an Emilie .
Ungern , sehr ungern , meine Emilia , begleite ich die Madam Hills ins Bad .
Es ist wahr , meine Gesundheit zerfällt , und ich erkenne , daß ich die Hilfe brauche , die mir die Wasserur verspricht :
denn mein stillschweigender Gram denagt die Kräfte meines Körpers , und der jastige Eifer , den ich diese Zeit über in mein moralisches Leben legte , hat auch vieles zu der Schwächlichkeit beigetragen , über welche Sie , liebe Freundin , so jammerten , als ich die letzten zehn glücklichen Tage bei Ihnen zubrachte .
Ihr Mann hat gestern meinen Widerwillen überwältigt , aber allein damit , daß Er die erste Woche bei uns bleiben wird ; bis dahin , hofft Er , werde mein Haß gegen große und fremde Gesellschaft gemindert sein .
Er behauptet auch : daß mein Herz diesen Winter über alle Kräfte meines Geistes in Dienstbarkeit gehalten und ermüdet hätte , und daß dieser sich allein in freier Luft und durch Umgang erholen würde .
Ich bin so hager und blaß , meine Augen , denen man Anzüglichkeit zuschrieb , erheben sich so selten , und meine Kleidung ist so einfach , daß ich keine Verfolgungen von Mannsleuten zu befürchten habe .
Also auf zwei Monate an die Liste Freundin ; morgen früh reisen wir mit Ihrem Manne , einem Aufwartmädchen und einem Bedienten ab .
Madam Leidens an Emilie aus Spaa .
Sagen Sie mir , meine Freundin , woher kommt die Gewalt , mit welcher Ihr Mann über meine Seele herrschet ?
Erst führte er mich in den geschäftigen Kreis , den ich bei Madam Hills durchlief ; dann brachte Er mich , ungeachtet meines Widerstandes nach Spaa , macht mich den vierten Tag mit Lady Summers bekannt , und nun , meine Liebe , bin ich durch seine Hände an die Lady gebunden , und ich werde mit ihr nach England gehen .
Sie wissen von ihm , daß unsere Reise glücklich war ; daß der Reichtum der Madam Hills uns vier sehr bequeme Zimmer verschaffte , und uns ein Ansehen gibt , so wir nicht einmal suchten .
-- Er ging gleich den ersten Abend zur Lady ; den zweiten Tag wies er mir sie auf dem Spaziergang .
Ihre Gestalt ist edel , obgleich sehr schwächlich ; ihre Gesichtsbildung lauter Leutseligkeit ; ihr schönes großes Auge voller Empfindung , und alle ihre Bewegungen , Würde voller Anmut .
Sie grüßte und betrachtete uns zwei Frauenzimmer mit Aufmerksamkeit , ohne uns etwas zu sagen , ob sie schon den Herrn B. von uns wegrief .
Den folgenden Tag nahm sie ihn auch von unserer Seite weg zum Mittagsessen , und sagte nur auf Englisch zu mir :
Diesen Abend sollen Sie meine Gesellschaft sein . --
Als ich mich verbeugt hatte , und antworten wollte , war sie schon weit weg .
Aber ich würde auch gestottert haben , denn Sie können nicht glauben , was für einen Schmerzen der Seele ich bei dem wahren Akzent der englischen Sprache fühlte ; schnell wie die Wirkung des Blitzes fühlte ich ihn , und eben so schnell drangen sich traurige Erinnerungen und Bilder in meine Seele .
Gut war es , Emilia , daß die Lady mich nicht gleich mit sich begehrte , meine Verlegenheit war zu sichtbar .
Abends speiste Madam Hills und Herr B. mit mir bei der Lady ; sie war sehr gütig , aber mit untersuchenden Blicken war ihr Auge bei allem was ich vornahm und redete .
Sie lobte Madam Hills wegen der Stiftung des Gesindehauses , und setzte hinzu , daß sie ihrem Beispiel folgen , und auch eins in England errichten wollte .
Herr B. , welcher der Madam Hills dieses übersetzte , machte der guten Frau viele Freude damit , und ihr redliches Herz lächelte durch tränende Augen , da sie schnell meine Hand nahm und zu Herrn B. sagte :
er möchte die Lady unterrichten : daß sie nur ein überflüssiges Geld , ich aber die Erfindung dazu gegeben hätte .
Ich errötete außerordentlich dabei , und die Lady streichelte meine Wangen , indem sie sagte :
Das ist gut , meine Tochter , wahre Tugend muß bescheiden sein ; Die Achtsamkeit , welche ich hatte , Madam Hills zu unterhalten , und ihr alles zu übersetzen , wovon die Lady mit mir oder Herrn B. in gleichgültigen Dingen redete , erhielt auch den ganzen Beifall der Lady .
Sie muß noch gute Tage erleben , sagte sie , weil ihre Tugend das Alter glücklich zu machen sucht .
Diese Anweisung auf meine künftige Tage bewegte mein Innerstes , und unmöglich war_es meine Augen trocken zu erhalten .
Die Lady sah es , und neigte sich gegen mich mit festem zärtlichem .
Blick .
Arme , gute Jugend , sagte sie , ich weiß eine Hand , die alle deine künftige Zähren abwischen wird .
Ich verbeugte mich und sah Herrn B. an ; er antwortete mir mit munteren Nicken ; die Lady winkte ihm .
Heute nichts , sagte sie ; aber morgen sollen Sie alles versichern .
Und dieser Morgen war vor sechs Tagen , wo mein Herz zwischen Vorschlägen und Entschließungen wankte , und endlich auf dem Gedanken befestigt wurde , dieses Jahr bei der Lady auf ihrem Landhause zuzubringen , und künftige Wasserszeit wieder mit ihr zurückzukommen .
Nach London würde ich nicht gegangen sein ; Gott bewahre mich vor der Gelegenheit Engländer , die ich schon kenne , zu sehen !
Aber keiner von diesen wird eine alte Frau in ihrem einsamen Wohnorte suchen , und ich kann ruhig meine lange Begierde stillen , dieses Land zu sehen , und nach der Familie Watson mich zu erkundigen .
Herr B. hat der Madam Hills eine Pflicht daraus gemacht :
mich nicht aufzuhalten , weil ich ein Gesindehaus einrichten solle , und hat sie am meisten durch den Gedanken beruhiget ; daß es in Eng Land heißen werde , es sei nach dem Plan des ihrigen und durch ihr edles Beispiel erbauet worden .
Meine Lady , Emilia , -- O ! diese ist ein Engel , der lange Jahre unter den Menschen wandelte , um den süßen Balsam der edelsten Freundschaft in fühlbare Seelen zu gießen .
Meine Seele lebt wieder ganz auf .
Madam Leidens an Emilia aus Summerhall .
Mein erster Brief hat Ihnen schon gesagt , daß ich glücklich , sehr glücklich mit der gütigen Lady angelangt bin .
Ich hoffe auch , meine Rosine und Herr B. sind eben sowohl zurückgekommen .
Es war mir leid , daß Rosina nicht über die See wollte ; Übelkeit macht sie , aber es ist leicht zu überstehen .
Gewiß haben Sie schon Beschreibungen von englischen Landhäusern gelesen .
Denken Sie sich das schönste im alten Geschmacke davon , und nennen es Summerhall ; legen Sie aber an die Seite des Parks ein großes hübsches Dorf , und stellen Sie sich meine Lady und mich vor , wie wir , einander im Arme die Gassen durchgehen , mit Kindern oder Arbeitern reden , einen Kranken besuchen , und den Bedürftigen Hilfe reichen .
Dies ist Nachmittags und Abends das Geschäfte meiner Lady ; Morgens lese ich ihr vor , und besorge ihr Haus ; Besuche , die sie von der wenigen Nachbarschaft erhält , und der Umgang mit dem vortrefflichen Pfarrherrn des Orts füllen das übrige der Zeit so aus , daß mir wenig zu meinem besonderen Lesen übrig bleibt .
Die Bücher , welche sich meine Lady ausgesucht hat , bezeichnen den Nationalgeist , und die Empfindung der sich immer nähernden Grenzen Ihres Lebens .
Jenes Fach füllen die Geschichtsschreiber von England und die Hofzeitungen , dieses die besten englischen Prediger aus .
Ich habe mir die Naturhistorie von England dazu genommen , und hiervon reden wir in den Spaziergängen mit des Pfarrers Familie , weil seine Frau und zwei Töchter sehr vernünftig sind , und ich meine Lieblingskenntnisse gern vermehre und ausbreite .
Ich bin wohl , und genieße einer sanften Zufriedenheit , die aber eher einer Beruhigung , als einem Vergnügen gleichet , indem ich die eifrige Geschäftigkeit nicht in mir fühle , welche sonst meine Empfindungen und Gedanken beherrschte .
Vielleicht hat mich der Hauch der sanften Schwermut getroffen , welche die besten Seelen der britischen Welt beherrschet , und die lebhaften Farben des Charakters wie mit einem feinen Duft überzieht .
Ich habe meine Laute und meine Stimme wieder hervorgesucht ; beide sind mir unschätzbar , wenn ich bei meinem Singen , meine Lady mir einen Kuß zuwerfen , oder bei einem wohlgespielten Adagio ihre Hände falten sehe .
Aber urteilen Sie überhaupt , wie stark meine Liebe zu England sein mußte , da ich , ungeachtet der grausamen Erinnerungen , die ich von einem Eingeborenen habe , dennoch mit einiger Freude die Luft eines Parks atme , und dieses Land für mein väterliches Land ansehe .
Ich habe die Kleidung und den Ton der Sprache ganz , und wünschte auch das Tun , und das Bezeigen der Engländerinnen zu haben ; aber meine Lady sagt , daß alle meine Bemühungen den liebenswürdigen fremden Genius nicht verjagen würden , der jede meiner Bewegungen regierte .
Das Vertrauen ihrer Leute , welches ich erworben ; die außerordentliche Aufmerksamkeit auf ihre Lady , und die Ergebenheit die sie ihr beweisen , welches sie als Folgen von jenem ansieht , und meinem Einfluß auf ihre Gemüter zuschreibt , dies ist von allem was ich für sie tue , dasjenige , wovon Sie am meisten gerührt scheint , und wofür sie mir die zärtliche Dankbarkeit bezeugt .
Wenige Abende bin ich hier ohne Empfindung einer reinen Glückseligkeit schlafen gegangen , wenn mich die gute alte Lady aus ihrem Bette segnete , und ihre Hausbediente mit zufriedener Mine und einem liebenden Ton mir gute Ruhe wünschten ; und mit einer süßen Bewegung gehe ich Morgens bei Aufgang der Sonne in den Park , wo der Hirte mich wundernd ansieht , und mir mit seinem Knaben guten Morgen , gute Miß , zuruft .
Dieser Zuruf dünkt mich in dem Augenblick , wo ich auf der Flur die Wohltaten Gottes verbreitet sehe , ein Zeugnis zu sein , daß ich auch gerne die Pflicht des Wohltuns übe ; mit tränenden Augen danke ich dann unserem Urheber , daß er mir diese Macht meines Herzens gelassen hat .
Sie wissen , daß mir ein Mooswäldchen und die geringsten Arten von Blümchen vergnügte Stunden geben können ; und sie denken also wohl , daß ich in unserem Park diese alten Freunde meiner besten Lebenszeit aufsuche , und mit Rührung betrachte .
Denn immer binden sich in mir die Ideen des Vergangenen , mit der Empfindung des Gegenwärtigen bei allen Anlässen zusammen .
Ein freundliches Moos , und Zweige , die aus der Wurzel eines gestürzten Baums aufgewachsen waren , machten mich sagen : bin ich nicht wie ein junger Baum , der in seiner vollen Blüte durch Schläge eines unglücklichen Schicksals seiner Krone und seines Stammes beraubt wurde ?
lange Zeit steht der Überrest traurig und trocken da , endlich aber sprosseu aus der Wurzel neue Zweige hervor , die unter dem Schutz der Natur wieder stark und hoch genug werden können , in einem gewissen Zeitlauf wieder wohltätige Schatten um sich zu verbreiten .
Mein Ruhm , mein glückliches Aussehen , meine Stelle in der großen Welt habe ich verloren ; lange betäubte der Schmerz meine Seele , bis die Zeit meine Empfindlichkeit verringerte , die Wurzeln meines Lebens , welche mein Schicksal unberührt ließ , neue Kräfte sammelten , und die guten Grundsätze meiner Erziehung , frische , obwohl kleine Zweige von Wohltätigkeit und Nutzen für meine Nebenmenschen emportrieben .
Sie sind , wie die Wurzelzweige meines Ebenbildes bei niedrigem Moos , und kleinen Grasarten aufkeimten , auch unter der geringen Klasse meiner Nebenmenschen entsprossen ; aber es erfreut mich diese Klasse in der Nähe gesehen zu haben ; denn ich habe manche schöne Blume darunter entdeckt , die dem erhabenen Haupte eines großen hochgewachsenen Baums unbekannt verblühet ; und kann ich nicht zu meinem süßesten Troste sagen , daß unter dem Schatten meines Umgangs und meiner Sorgen die freigebige Aussaat der liebreichen Stifterin des Gesindehauses so viele nützliche Kreaturen erwachsen macht ?
Und nun ruht das edle Herz meiner geliebten Lady Summers von großen und kleinen Lebenssorgen ungestört unter der vereinigten Bemühung aller meiner Fähigkeiten und meiner Dankbegierde , von den mühsamen Schritten aus , welche das sechzigste Jahr unseres Alters zwischen fliehenden Freuden , und ankommenden Schwächlichkeiten zu machen hat .
Madam Leidens an Emilie .
Nicht wahr , meine Emilia , es gibt Reiche , die eine Art von Mangel fühlen , welchen sie durch Häufung aller Arten von Ergötzlichkeiten zu heben suchen , und dennoch dem Übel nicht abhelfen können , weil sie von Niemand unterrichtet wurden , daß unser Geist und Herz auch ihre Bedürfnisse haben , zu deren Befriedigung alles Gold von Indien , und alle schönen wollüstigen Kostbarkeiten Frankreichs nichts vermögen , weil die wahren Hilfsmittel dagegen allein in der Hand eines empfindungsvollen Freundes , und in einem lehrreichen und unterhaltenden Umgang zu finden sind .
Wie klein ist die Anzahl glücklicher Reichen , welche diese Vorteile kennen ?
Wirklich bin ich im Besitze mancher angenehmen Güter des Lebens , ich fühle den vergnügenden Reiz , welcher darin liegt , ich genieße die Geschenke des Glücks mit aller Empfindung , welche das Schicksal für diese Gaben fordern kann ; aber es mangelt meinem Herzen der Busen einer vertrauten Freundin , in den es das Übermaß seiner Empfindungen ausgießen könnte .
Ich bin beliebt ; meine hie und da mit Bescheidenheit erscheinende Grundsätze ziehen mir Verehrung zu ; das Gefühl der Schönheiten Shakespears , Thomsons , Addisons und Pope's haben meinem Geiste eine neue lebendige Nahrung in den Unterhaltungen unseres Pfarrers und eines sehr philosophisch denkenden Edelmanns in der Nachbarschaft erworben .
Die älteste Tochter des Pfarrers ist sanft , gesühlvoll , und dabei mit wahrem Verstande begabt ; ich liebe sie ; aber mitten in einer zärtlichen Umarmung empfinde ich , wie viel mein Herz noch zu wünschen hat , um den Ersatz für meine Emilia zu erhalten .
Schelten Sie mich deswegen nicht undankbar ; ich weiß , daß ich Ihre Freundschaft noch besitze , und die von der liebenswürdigen Emma zugleich habe ; Ihnen schreibe ich von dem Teile meiner Seele , den ich hier nicht geigen kann , und mit Emma rede ich von dem , der in dem Zirkel meines englischen Aufenthalts sichtbar wird ; aber ich kann mich nicht verhindern die Länge des Weges abzumessen , den meine armen Briefe durchlaufen müssen , bis sie zu Ihnen kommen , und zu fühlen , daß diese Entfernung der liebsten Gewohnheit meines Herzens schmerzlich fällt .
Vielleicht , meine Emilia , bin ich bestimmt die ganze Reihe moralischer Empfindnisse durchzugehen , und werde dadurch geschickt , mit schneller Genauigkeit ihre mannigfaltige Grade und Nuancen im bitteren und süßen zu bemerken .
Ich will mich auch diesem Teile meines Geschickes gerne unterwerfen , wenn ich nur zugleich den nämlichen Grad von Fühlbarkeit für alles Weh und Wohl meines Nächsten behalte , und , so viel ich kann , seine Leiden zu vermindern suche .
Lady Summers hat zu gleicher Zeit für ihre Ehre und für meinen vermuteten Stolz zu sorgen geglaubt , da sie mich als eine Person von sehr edlem Herkommen dargestellt hat , welche älterenlos sich mit wenigem Vermögen verheiratet , und ihren Mann gleich wieder verloren hätte .
Meine Hände , meine feine Wäsche und Spitzen , die in Feuer so schön gemalten Bildnisse meiner Eltern , und der Ton meines gesellschaftlichen Bezeugens , haben mehr zu Bekräftigung dieser Idee beigetragen als meine eigentliche Denkungsart hätte tun können .
Aber ein schönes , und für die Tugend der Lady Summers fest errichtetes Denkmal , ist der Glaube an die Reinheit meiner Sitten , in welche , weil sie mich liebt , keine Seele den geringsten Zweifel setzt ; denn , sagt der Pfarrer , die Luftsäule , in welcher die Lady atme , wäre so moralisch geworden , daß der Lasterhafte sich ihr niemals nähern würde .
Denken Sie nicht mit mir , daß dieses die erhabenste Seele des wahren Ruhms ist ?
O was für ein Kummer der Menschen , des Guten und Edlen ist Ihr Mann , der mir in den ehrwürdigen Falten der Stirn meiner Lady alles dies zeigte , als er mir in ihrem Hause die Bestärkung meiner Tugend , und Übung meiner Geisteskräfte versprach !
Lord Rich , der philosophische Edelmann , von dem ich im Anfange dieses Briefes schrieb , hat sein Haus nur eine Meile von hier ; es ist ganz einfach , aber in dem edelsten Geschmacke gebaut .
Die besten Auszierungen des Inneren bestehen aus verschiedenen schönen Sammlungen von Naturalien , aus einem vollständigen Vorrat mathematischer Instrumenten , und einer großen Büchersammlung , worunter zwanzig Folianten sind , in denen er beinahe alle merkwürdige Pflanzen des Erdbodens mit eigener Hand getrocknet hat .
Sein wohlangelegter Garten , in welchem er selbst arbeitet , und sein Park , der an den unseren stößt , haben uns das erstemal angelockt hinzugehen .
Aber die simple deutliche Art , womit er uns alle seine Schätze vorlegte und benennte , die großen asiatischen Reisen , welche er gemacht , und seine weitläufige Kenntnis schöner Wissenschaften , machen seinen Umgang so reizend , daß die Lady selbst entschlossen ist , ihn öfters zu besuchen , weil es ihr , wie sie sagt , sehr erfreulich ist , nah an dem Abend ihres Lebens so ergötzende Blicke in die Schöpfung zu tun .
Lord Rich , der bisher ganz einsam gelebt , und Niemand als den Pfarrer zu sehen pflegte , ist sehr vergnügt über unsere Bekanntschaft , und kommt oft zu uns .
Sein Tun und Lassen scheint mit lauter Ruhe bezeichnet zu sein , gleich als ob seine Handlungen die Natur der Pflanzenwelt angenommen hätten , die unmerksam , aber unnbläßig arbeitet ; doch dünkt mich auch , daß sein Geist den moralischen Teil der Schöpfung nun eben so untersuchend betrachtet , wie ehemals den Physikatischen .
Meine Emma , und meine Lady Summers gewinnen viel dabei ; aber mich hat er schüchtern gemacht .
Da ich letzthin seine Meinung über meine Gedanken wissen wollte , sagte er : " gerne möchte ich von den Wurzeln der schönen Früchte Ihrer Empfindungen reden , aber wir erhalten sie nur von der Hand Ihrer Gefälligkeit , welche sie uns mitten aus dem dichten Nebel darbietet , der ihr ursprüngliches Land beständig umgibt . "
-- Ich fand mich in Verlegenheit , und wollte mir durch den Witz helfen lassen , der ihn fragte : ob er denn meinen Geist für benebelt hielte ? --
Er sah mich durchdringend und zärtlich an ; gewiß nicht auf die Art , wie Sie meinen , sagte er ; beweist nicht diese Träne in Ihren Augen , daß ich Recht hätte , da ich Ihren Geist für umwölkt hielte ?
Denn warum kann die kleinste Bewegung Ihrer Seele diesen Nebel , wovon ich rede , in Wassertropfen verwandeln ?
Aber liebe Madam Leidens , ich will niemals mehr davon sprechen ; aber fragen Sie auch mein Herz nicht mehr um sein Urteil von dem Ihrigen .
Sehen Sie , Emilia , wie viel mir mit Ihnen fehlt ; alle Empfindungen , die sich in mir zusammen dringen , würde ich Ihnen sagen ; da wäre mein Herz erleichtert , und schien nicht durch diesen bemerkten Nebel hindurch .
Ich war froh , mich genug zu fassen , um ihm in seinem physikalischen Ton zu antworten , daß Er glauben möchte , diese Wolken würden durch meine Umstände , und nicht durch die Natur meines Herzens hervorgebracht .
Ich bin es überzeugt , sagte er , auch sein Sie ruhig !
es gehört alle meine Beobachtung dazu , dieses feine Gewölk zu sehen .
Andere sind nicht so aufmerksam und erfahren , als ich es bin .
Unsere Unterredung wurde durch Miß Emma unterbrochen , und Mylord Rich trägt seitdem Sorge , daß er mich nicht zu genau betrachtet .
Madam Leidens an Emilia .
Sagen Sie , meine Emilia , woher kommt es , daß man auch bei der besten Gattung Menschen eine Art von eigensinniger Befolgung eines Vorurteils antrifft .
Warum darf ein edeldenkendes , tugendhaftes Mädchen nicht zuerst sagen , diesen würdigen Mann liebe ich ? warum vergibt man ihr nicht , wenn sie ihm zu gefallen sucht , und sich auf alle Weise um seine Hochachtung bemühet ?
* )
Den Anlaß dieser Fragen gab mir Lord Rich , dessen Geist alle Fesseln des Wahns abgeworfen zu haben scheint , und der allein der wahren Weisheit und Tugend zu folgen denkt .
Er bezeugt eine Art Widerwillen gegen die zärtliche Neigung der Miß Emma , von welcher er doch allezeit mit der größten Achtung sprach , ihren Verstand , ihr Herz rühmte , alle ihre Handlungen seines Beifalls würdigte , und den ihrigen liebte .
Nun setzt er der sanften Glut , die seine Verdienste in ihrem Herzen angefacht haben , nichts als die kälteste Heftigkeit entgegen ; und gewiß aus dem nämlichen Eigensinne * )
Diese Frage ist eben nicht schwer zu beantworten ; das edeldenkende , tugendhafte Mädchen darf dies nicht , weil man keine eigene Moral für sie machen kann . fängt er an , mir , die ich außer meiner Hochachtung für seine Kenntnisse ganz gleichgültig gesinnt bin , eine anhaltende zärtliche Aufmerksamkeit , die mir Zwang antut , zu bezeugen .
Ich unterdrücke zehnmal die Aussprüche einer Empfindung , oder eines Gedankens , nur um seinen Beifall zu vermeiden , und nicht einen Tropfen Öl wissentlich in das anglimmende Feuer zu gießen .
Denn , da ich nicht geneigt bin , seine Liebe anzunehmen , warum sollte ich sie meiner weiblichen Eitelkeit zu gefallen vergrößern ?
Wir werden heute nach Mittag zu ihm gehen , um einem neuen Versuch von Besäung der Äcker mit einer Maschine zuzuschauen .
Meine liebe Lady ist gar zu gerne dabei , wenn etwas umgegraben oder gepflanzt wird ; Jeder Tag , sagt sie , führt mich näher zu der Vereinigung mit unserer mütterlichen Erde , und ich glaube , daß dieses meine innerliche Neigung gegen sie bestärkt .
Ich würde , liebste Emilia , einen glücklichen Tag gehabt haben , wenn nicht der Zufall wider mich und den guten Lord Rich gearbeitet hätte .
Der Pfarrer war da , ich kam neben ihm zu sitzen , als uns Lord Rich von dem Feldbau und der Verschiedenheit der Erde , und der nachher erforderlichen Verschiedenheit des Anbaues redete .
Sein Ton war edel , einfach , und deutlich ; er erzählte uns von den vielfachen Empfindungen , wozu der schlechte Ertrag der Güter , die Landleute dieser und jener Nation getrieben hätte ; und wie weit ihre Mühe belohnt worden sei .
Da er zu reden aufhörte , konnte ich mich nicht hindern den Pfarrer zuzulispeln , daß ich wünschte , die Moralisten möchten durch ihre Kenntnis der verschiedenen Stärke und Gattung angeborener Neigungen und Leidenschaften , auch auf Vorschriften der mannigfaltigen Mittel geraten , wie alle auf ihre Art nützlich und gut gemacht werden könnten .
Es ist schon lange geschehen , sagte er , aber es gibt zu viel unverbesserlichen moralischen Boden , wo der beste Bau und Samen verloren ist .
Es ist mir leid , erwiderte ich ; daß ich denken muß , es gebe in der moralischen Welt auch sandige Striche in denen nichts wächst -- Heiden , die kaum kleines trockenes Gesträuche hervorbringen , und morastige Gegenden , welche die allgemeine moralische Verbesserung eben so weit hinaussetzen , wie in der Physikalischen viele Menschenalter vorbeigehen , ehe Not und Umstände sich vereinigen ; den Sand mit Bäumen und Hecken durchzuziehen , um dadurch wenigstens zu verhindern , daß ihn der Wind nicht auf gutes Land treibe , und auch dieses verderbe .
Lange brauchts bis man Heiden anbaut , Morasten ihr Wasser abzapft , und sie nützlich macht ; dennoch beweisen alle Ihre Versuche , daß die Tugend der Nutzbarkeit in der ganzen Erde liege , wenn man nur die Hindernisse ihrer Wirkung wegnimmt .
Der Grundstoff der moralischen Welt hält gewiß auch durchgehends die Fähigkeiten der Tugend in sich ; aber sein Anbau wird oft vernachlässigt , oft verkehrt angefangen , und dadurch Blüte und Früchte verhindert .
Die Geschichte beweist es , wie mich dünkt .
Barbarische Völker werden edel , tugendhaft ; andere , die es waren , durch Nachlässigkeit wieder verwildert : wie ein Acker , der einst Waitzen trug , und eine ganze Familie ernährte , durch Unterlassung des Anbaues Dornbüsche und schädliches Gehecke zu tragen anfängt . --
Mit ruhiger Geduld hörte der Pfarrer mir zu ; aber Lord Rich , der sich hinter uns gesetzt hatte , stand auf einmal lebhaft auf , und indem er mich über meinen Stuhl bei den Armen faßte , sagte er gerührt : o , Madam Leidens , was haben Sie mit dem Ton Ihres Herzens in der großen Welt gemacht ?
Sie können nicht glücklich darin gewesen sein !
Dennoch Mylord , antwortete ich :
man lernt da die wahre Verschiedenheit zwischen Geist und Herz kennen , und sieht , daß der erste als ein schöner Garten angelegt werden kann .
Mit Enthustasmus sagte er : edelangebaute Seele , in einer gesegneten Gegend bist du erwachsen , und die schöne Menschlichkeit pflegte dich !
Aus Bewegung meines Herzens küßte ich die Bildnisse meiner Eltern , die ich immer an meinen Händen trage ; Tränen fielen auf sie ; ich ging ans Fenster ; Lord Rich folgte mir ; eine anteilnehmende Traurigkeit war in seinen Zügen , als ich nach einigen Minuten ihn ansah , und er seine Blicke auf die Bilder heftete .
Dies sind die Bildnisse Ihrer Eltern , Madam Leidens , leben Sie noch ? -- -- sagte er sanft . --
O , nein , Mylord , sonst wäre ich nicht hier , und meine Augen würden nur Freudentränen zu vergießen haben .
-- Also hat Sie ein Sturm nach England geführt ? --
Nein , Mylord , denn Freundschaft und freie Wahl ist kein Sturm , versetzte ich , indem ich mich zu lächeln bemühte .
Lebhaft sagte Lord Rich , Dank sei Ihrer halben Aufrichtigkeit , daß Sie mich Ihrer Freiheit zu wählen versichert .
Die edelste Neigung , welche jemals ein Mann ernährte , wird auf diesen Grund ihre Hoffnung bauen .
" Das kann nicht sein , Mylord , denn ich sage Ihnen , daß die Eigentümerin dieses Grunds auf ewig mit der Hoffnung entzweiet ist .
Lady Summers war bei uns , als ich dieses sagte , und streckte bei den letzten Worten ihre Hand aus , mir den Mund zuzuhalten ; " das sollen Sie nicht sagen , sprach sie ; " wollen Sie eigenmächtig die künftigen " Tage zu den vergangenen werfen ?
Die " Vorsicht wird Ihrer nicht vergessen , " meine liebe , machen Sie nur keine ei " gensinnigen Forderungen an Sie . "
-- Dieser Vorwurf machte mich aus Empfindlichkeit erröten , ich küßte die Hand der Lady , mit welcher sie meinen Mund hatte zuhalten wollen , und fragte sie zärtlich : " teure Lady , wenn Sie mich eigensinnig in meinen Forderungen gefunden ? --
In Ihrer beständigen Traurigkeit über das Vergangene , wo Sie Zurückfoderungen aus dem Reiche der Toten machen , war ihre Antwort . " -- O meine geliebte würdige Lady Summers , warum , ach -- warum -- Diese Ausrufung entfloh mir , weil ich ; gerührt über ihre Güte , innig bedauerte , daß wir sie durch eine falsche Erzählung betrügen mußten ; aber sie nahm es anders ; und fiel mir ein :
" Meine Tochter , sagen Sie mir , kein Ach warum mehr ; leiten Sie das Gefühl Ihres Herzens auf die Gegenstände der Zufriedenheit , die sich Ihnen anbieten , und zählen Sie auf meine mütterliche Zärtlichkeit , so lange Sie sie genießen mögen . "
Ich drückte ihre Hand an meine Brust , und sah sie voll Rührung an mit dem vollkommensten Gefühle kindlicher Liebe ; ihr Herz empfand es , und belohnte mich durch eine mütterliche Umarmung .
Lord Rich hatte uns mit Bewegung betrachtet , und ich sah den nämlichen Augenblick die schönen Augen der Emma voll schmelzender Liebe euf ihn geheftet ; Ich sagte ihm auf italienisch , dort wären unvermischte Empfindungen , die allein fähig sein , die Tage eines edeldenkenden Mannes mit der feinsten Glückseligkeit zu erfüllen .
Er antwortete in nämlicher Sprache :
Nicht so Madam Leidens , denn diese Art Empfindlichkeit ist nicht diejenige , welche einsamwohnende Person beglücken kann .
Was wollte er damit sagen ?
Ich schüttelte den Kopf halb missvergnügt und sagte nur :
O Mylord von was für einer Farbe sind Ihre Empfindungen ? -- -- " Von der dauerhaftesten , denn sie sind aus übender Tugend entstanden . "
-- Ich gab keine Antwort , sondern wandte mich , nach einer Verbeugung gegen Ihn , zur Emma , die an meinem Arm , aber ganz in ein trauriges Stillschweigen gehüllt , nach Summerhall zurück ging ; und nun höre ich , daß sie wegreisen wird .
Madam Leidens an Emilia .
Überfluß ist , wenn Sie ihm die Gewalt der Wohltätigkeit nehmen , kein Glück , meine liebe Emilia ; er zerstört den echten Gebrauch der Güter , er zerbricht in der Seele des Leichtsinnigen die Schranken unserer Begierden , schwächt das Vergnügen des Genusses , und setzt , wie ich erfahre , ein grausames Herz und seine mäßigen Wünsche in eine Art unangenehmer Verlegenheit .
-- Sie wissen vermutlich nicht , meine Freundin , wo Sie die Ursache dieses Ausfalls auf einen Zustand , der von meinem damaligen so weit entfernt ist , suchen sollen .
Aber Sie wissen doch , daß mich alle Gegenstände auf eine besondere Art rühren , und werden sich nicht wundern , wenn ich Ihnen sage , daß die Gesinnungen des Lord Rich der eigentliche Anlaß zu meiner anmutigen Betrachtung des Überflusses waren .
Er verfolgte mich mit Liebe , mit Bewunderung , mit Vorschlägen , und ( was mir Kummer macht ) mit der Überzeugung , daß ich ihn glücklich machen würde .
O , hätte ich denken können , daß die Sympathie unseres Geschmacks an den Vergnügungen und Beschäftigungen des Geistes in ihm die Idee hervorbringen würde , daß ich auch eine sympathetische Liebe empfinden müßte , so sollte er nicht die Hälfte der Gewalt gesehen haben , womit die Reize der Schöpfung auf meine Seele wirken , und niemals hätte ich mich in Gespräche mit ihm eingelassen .
Aber ich war um so ruhiger , da ich wußte , daß er ein niedliches Bild griechischer Schönheiten von der Insel Scio mit sich gebracht , und in seinem Hause hatte .
Ich hielt lange Zeit sein Ansuchen meiner Gesellschaft und das Ausfragen meiner Gedanken für nichts anders , als für die Lust der Befriedigung meiner Lieblingsideen , weil ich , ohne die geringste Zerstreuung , mit ununterbrochener Aufmerksamkeit bald die Historie eines Landes , bald einer Pflanze , bald eines griechischen Ruins , bald eines Metalls , bald eines Steins anhörte , nicht müde wurde , und ihm also die Freude gab , seine Kenntnisse zu zeigen , und zu sehen , daß ich die edle Verwendung seines Reichtums und Lebens zu schätzen , und zu loben wußte .
Sein Umgang war mir durch seine Wissenschaft und Erzählungen unendlich wert ; sein Entschluß , nach zehnjährigen Reisen durch die entferntesten Gegenden des Weltkreises , seine übrigen Tage in Anbauung eines Teils seiner mütterlichen Erde zuzubringen , machte mir ihn vorzüglich angenehm ; dieses erfreute mich ; aber seine Liebe ist der Überfluß davon , der mich belästigt und in Verlegenheit setzt .
Er hat sich bei der Lady um mich erkundiget ; ihre Antwort hat seinen Eifer nicht vermehrt , aber anhaltender gemacht ; und ein einziges Wort von mir gegen die Lady , brachte ihn zu dem Entschluß seine Griechin zu verheiraten , und mit ihrem Manne nach London zu schicken .
Sie können nicht glauben , wie schwer meinem Herzen dieses vermeinte Opfer wiegt , da er , wegen leerer Hoffnungen des künftigen Vergnügens meiner Gesellschaft , die Ermunterung von ihm entfernt ; welche der Besitz des reizenden Mädchens ihm gegeben hätte .
Sein Sekretär liebte sie , sagte er , schon lang , und das Mädchen ihn auch ; beide hätten ihn auf den Knien für ihre Vereinigung gedankt .
Er fühlt aber das Leere , so ihre Abreise in seinem Herzen gelassen hat , denn er ist seitdem mit aufgehender Sonne in unserem Park , und beraubt mich der Morgenluft , weil ich ihn vermeiden will , da er eine Anforderung von Ersatz an mich zu machen scheint .
Niemals , nein , niemals mehr werde ich den Witz um Hilfe bitten , mich aus einer Verwirrung zu reißen .
Die Lady Summers hatte mit mir über die angehende Liebe des Lords gescherzt ; ich widersprach ihr lange in gleichem Ton , und behauptete , es wäre nichts als Selbstliebe , weil ich ihm so gerne zuhörte .
Sie bestrafte mich ganz ernsthaft über diese Anklage : " Lord Rich verehret Ihre edle Wißbegierde , er sucht sie durch Mitteilung seiner Kenntnisse zu befriedigen , und seine Belohnung soll in dieser beissenden Beschuldigung bestehen ? "
-- Ich war gerührt , weil ich nicht einmal das Ansehen einer Ungerechtigkeit dulden kann , und nun selbst eine ausübte ; aber meine Lady fuhr ganz gütig fort , mir viele Beweise seiner zärtlichen Hochachtung zu wiederholen , die ich als wahre Kennzeichen der edelsten Neigung ansehen mußte ; Ich gestand auch , daß sie eine Rückgabe verdienten ; aber da sie bei allem , was ich von meinen freundschaftlichen Gegengesinnungen sagte , immer den Kopf schüttelte , und mehr für den Lord forderte :
so versicherte ich sie , daß es unmöglich sei , daß Lord Rich mehr von mir wünschen könnte , da er bei seiner schönen Griechin alles fände , was die Liebe beitragen könne , ihn glücklich zu machen .
Sie schwieg freundlich , und ließ mich nicht merken , sie dächte das einzige Hindernis meiner Verbindung mit Lord Rich entdeckt zu haben .
Dieser war auch einige Tage still von seiner Liebe und sehr munter , besonders an dem , wo er mit dem ruhigsten und ungezwungensten Ton von der Heirat und Abreise seiner Assy redete .
Ich war betroffen , und fürchtete mich vor dem Erbteil seines ganzen Herzens , welches ihm ihre Heirat rückfällig machte ; Er sage mir nichts , die Lady aber desto mehr .
" Warum , liebste Lady , " wollen Sie Ihre angenommene Tochter von sich entfernen ? bin ich Ihnen unangenehm geworden ? sagte ich . "
Sie reichte mir die Hand , nein , mein Kind , Sie sind mir unendlich wert , und ich werde die zärtliche Besorgerin meines Alters gewiß vermissen ; aber ich habe für den Herbst meines Lebens Früchte genug gesammelt , ohne nötig zu haben , Ihren Frühling seiner schönsten Blüte zu berauben .
Sie sind jung , reizend , und fremde , was wollen Sie nach meinem Tode machen ?
-- " Wenn ich dieses Unglück erlebe , so gehe ich zu meiner Emilia zurück . --
Liebe Leidens , bedenken Sie sich ! ein Frauenzimmer von ihrer Geburt und Liebenswürdigkeit muß entweder bei nahen Verwandten , oder unter dem Schutz eines würdigen Mannes sein .
Lord Rich hat Ihre ganze Hochachtung ; der edle Mann verdient sie auch ; Sie wissen , daß Sie ihn glücklich machen können ; seine Freundschaft , sein Umgang ist Ihnen angenehm ; Ihr Wille , Ihre Person ist frei ; die edelste Beweggründe leiten Sie zu dieser Verbindung ; machen Sie Ihrer gefundenen Mutter die Freude , in Ihnen und dem Lord Rich die echten Bildnisse männlicher und weiblicher Tugend vereint zu sehen .
So nahe drang die teure Lady in mich .
Ich legte meinen Kopf auf ihre Hand , die ich küßte , und mit den zärtlichsten Tränen benetzte ; es war in meiner Seele , als ob ich den Widerhall der Stimme meiner geliebten zärtlichen Mutter gehört hätte .
Ach , diese Tugenden waren das Band ihrer Ehe !
Wie ungleich hatte ich gewählt !
Die Verdienste des Lord Rich konnten Sie an die Seite der vortrefflichen Eigenschaften meines Vaters setzen ; mein Glück wäre wie das ihrige gewesen ; aber meine Verwicklung , meine unselige Verwicklung ! --
O , Emilia , schreiben Sie mir bald , recht bald Ihre Gedanken .
-- Aber ich kann nicht mehr lieben ; ich kann mich nicht mehr verschenken ; ja die zärtliche Achtung selbst , welche ich für den Lord Rich habe , empört sich wider diesen Gedanken ; Mein Schicksal hat mich durch die Hand der Bosheit in den Staub geworfen ; die Menschenfreundlichkeit nahm mich auf ; an diese allein habe ich Ansprüche ; meine Leichtgläubigkeit hat mich aller übrigen beraubet , und ich will kein fremdes , kein unverdientes Gut an mich ziehen .
Madam Leidens an Emilia .
O meine Freundin !
ein neues unerwartetes Übel drängt sich mir zu ; Ich zweifle , ob alle meine Standhaftigkeit hinreichen wird , es zu ertragen , da ich ohnehin gezwungen bin , zu meiner gehässigsten Feindin , der Verstellung , meine Zuflucht zu nehmen .
Aber weil in meinen jetzigen Umständen mehr Aufrichtigkeit mir nichts nützen , und anderen schaden würde , so will ich den fressenden Kummer in meine Brust verschließen , und selbst für das Vergnügen des Urhebers meiner Leiden , die Überreste einer ehemals lächelnden Einbildungskraft verwenden .
Hören Sie , meine Emilia , hören Sie was für eine Rückkehr das Unglück macht , das Ihre Jugendfreundin verfolgt .
Vor einigen Tagen mußte ich die ganze Geschichte von Lord Richs Herzen anhören ; ihr letzter Teil enthielt die Abschilderung seiner Liebe für mich .
" Es ist , spricht er , die Leidenschaft eines fünf und vierzig jährigen Mannes , die durch die Vernunft in sein Herz gebracht wurde , alle Kräfte meiner Erfahrung , meiner Kenntnis der Menschen bestärken sie . " -- Teurer Lord Rich , Sie betrügen sich ; niemals hat die Vernunft für die Liebe gegen die Freundschaft gesprochen ; Sie besitzen den höchsten Grad dieser edlen Neigung in meinem Herzen ; lassen Sie -- " Nichts mehr Madam Leidens , ehe Sie mich angehört haben .
Meine Vernunft machte mich zu Ihrem Freund , und wies Ihnen in meiner Hochachtung einen Platz an , den ich auch dem Verdienste eines Mannes würde gegeben haben . "
-- Hier rechnete er mir Tugenden und Kenntnisse zu , wovon ich sagen mußte , daß ich sie für nichts anders als schöne Gemälde liebenswürdiger Fremdlinge betrachten könnte .
" Und ich , ( fuhr er fort ) muß Ihnen in erhöhtem Maße das feine Lob zurückgeben , welches die Bescheidenheit meiner schönen Landsmänninnen von einem Fremden erhielt , da Ihnen die Vorzüge Ihres Geistes eben so unbekannt sind , als jenen die Reize ihrer Gestalt .
Hierauf beschrieb er meine mir eigenen Weiblichkeiten , wie er sie nannte , als Früchte eines feurigen Genie , und einer sanften empfindsamen Grazie , und machte aus diesem allen den Schluß ; daß der Ton meines Kopfs und Herzens just derjenige wäre , welcher mit dem seinigen so genau zusammenstimmte , als nötig sei , die vollkommenste Harmonie einer moralischen Vereinigung zu machen . -- --
Das Bild seiner Glückseligkeit folgte mit so rührenden Zügen , daß ich überzeugt wurde , er kenne alle Triebfedern meiner Seele , und wisse wohin mich der Gedanke vom Wohltun führen könne .
Mit aller Feinheit der Empfindung zeichnete er einen flüchtigen Entwurf davon .
O meine Emilia , es war der Abdruck meiner ehemaligen Wünsche und Hoffnungen im ehelichen Leben .
Äußerst gerührt und bestürzt konnte ich meine Tränen nicht zurückhalten .
Er stand von der Rasenbank auf , und ergriff meine beiden Hände ; eine vieldenkende männliche Zärtlichkeit war in seinem Gesichte , als er mich betrachtete , und meine Hände an seine Brust drückte . -- -- " O Madam Leidens , sagte er , was für ein Ausdruck von tiefem Kummer ist in Ihren Gesichtszügen !
Entweder hat der Tod Ihrem Herzen alle Freuden des Lebens und der Jugend entrissen , oder es liegt in ihren Umständen irgend eine Quelle von bitterem Jammer verborgen .
Sagen Sie , teure geliebte Freundin , wollen Sie nicht , können Sie nicht dieser Quelle einen Ausfluß in den Busen Ihres treuen , Ihres Sie anbetenden Freundes verschaffen ? "
Mein Kopf sank auf seine Hände , die noch immer die meinigen hielten .
Mein Herz war beklemmter als jemals in meinem Leben .
Das Bild meines Unglücks , die Verdienste dieses edelmütigliebenden Mannes , die schwere Kette meiner wiewohl falschen Verbindung , mein auf ewig verlorenes Vergnügen bedrängten auf einmal meine Seele .
Reden konnte ich nicht ; schluchzen und saufen mußte ich .
Er schwieg tiefinnig , und mit einer zitternden Bewegung seiner Hände , sagte er , in dem traurigsten aber sanftesten Ton , indem er seinen Kopf sachte gegen den meinigen neigte :
O dieser Sie quälende Kummer gibt mir ein trauriges Licht -- Ihr Gemahl ist nicht tot -- Eine Seele wie die Ihrige würde durch einen Zufall , den die Gesetze der Natur herbeibringen , nicht zerrissen , sondern nur niedergeschlagen .
Aber der Mann ist Ihrer unwürdig , und das Andenken dieser Fesseln verwundet Ihre Seele .
-- Habe ich Recht , o , sagen Sie , ob ich nicht Recht habe ? "
-- Seine Rede machte mich schauern ; ich konnte noch weniger die Sprache wieder finden als vorher .
Er war so gütig mir zu sagen : " heute nichts mehr ! beruhigen Sie sich ; lassen Sie mich nur ihr Vertrauen erwerben . "
-- Ich erhob meine Augen , und drückte aus einer unwillkürlichen Bewegung seine Hände .
O Lord Rich -- war alles was ich aussprechen konnte .
" Bestes weibliches Herz ! was für ein Unmensch konnte dich mißkennen , und elend machen ? "
-- Lieber Lord , Sie sollen alles , alles wissen , Sie verdienen mein Vertrauen .
-- Dies sagte ich , als ein Bedienter der Lady Summers kam , mich zu rufen , weil wichtige Briefe von London angekommen wären . --
Ich suchte mich so viel als möglich zu fassen , und eilte zur Lady , die mir gleich die angesehene Heirat ihrer einzigen Nichte mit Mylord N** anzeigte , und sich auf den Besuch freute , den ihr Bruder und die Neuvermählten in vierzehn Tagen bei ihr ablegen würden .
Wir müssen auf ein artiges Landfest sinnen , sagte sie , um den jungen Leuten Freude bei ihrer alten Tante zu machen .
Hierauf gab Sie mir im Aufstehen einen Brief zu lesen , den das junge Paar ihr zusammen geschrieben hatte , und entfernte sich , um den Bedienten wieder abzufertigen .
Was für ein Grauen überfiel mich , meine Emilia , als ich die Hand des Lord Derby erblickte , der nun wirklicher Gemahl der jungen Lady Alton war !
Mit bebenden Füßen eilte ich in mein Zimmer , um meine Betäubung vor der Lady Summers zu verbergen .
Weinen konnte ich nicht , aber ich war dem Ersticken nahe .
Wie fühlte ich meine Unvorsichtigkeit nach England gegangen zu sein !
Meinen Schutzort mußte ich verlieren ; unmöglich war es in Summerhall zu bleiben .
Ach ich gönnte dem Bösewicht sein Glücke ; aber warum mußte ich abermals das Opfer davon werden ?
Ich ging ans Fenster , um Atem zu schöpfen , und erhob meine Augen gen Himmel ; O Gott , mein Gott der du alles zuläßt , erhalte mich in diesem Bedrängnis !
Was soll ich tun ? o meine Emilia , beten Sie für mich !
Ein Wunder , ja ein Wunder ist_es , daß ich mich sammeln konnte . --
Ich beschloß , mich zu verstellen , der Lady alle Anstalten des Empfangs machen zu helfen , und dann eine Krankheit und Ermattung vorzuschützen , so lange die Gäste da sein würden , und in meinem Zimmer bei zugezogenen Vorhängen zu liegen , als ob der Tag meinem Kopf , und meinen Augen schmerzte . --
Ich fand in dieser äußersten Rot kein anders Mittel ; ich unterdrückte also meinen Jammer , und ging zur Lady , die ich noch aus dem Fenster dem zurückkehrenden Abgeschickten freundlich zurufen hörte .
Die Lady erzählte mir die Größe des Reichtums und Ansehen des Hauses von Lord N** der durch den Tod seines Bruders einziger Erbe war .
Nun , sagte sie , würde ihr Bruder vergnügt sein , der sonst seinen Fehler als den Ehrgeiz hätte ; seine Freude machte die ihrige .
Dankbarkeit und Freundschaft , ihr unterstützet mich --
Denn wo hätte sonst meine Vernunft , meine völlig zerstörte Seele , die Kraft gehabt , mich aufrecht zu erhalten , mich lächeln zu lassen ?
Der Anteil , den ich an der Freude meiner Wohltäterin nahm , stärkte mich .
Alles Übel war geschehen ; wenn ich geredet hätte , würde nur das Gute , nicht das Böse , unterbrochen worden sein .
Die erste Stunde war voll der größten Qual , die mein Herz jemals betroffen hätte ; aber grausam würde ich gewesen sein , wenn ich das Herz der lieben Lady durch meine Entdeckungen geängstigt hatte .
Sie liebt mich , sie ist gerecht und tugendhaft ; der heftigste Abscheu würde sie gegen den bösen Menschen erfüllen , der nun ihr Neffe , der geliebte Gemahl ihrer Nichte ist .
Vielleicht ist er auf dem Wege der Besserung -- und gewiß wäre er selbst in der äußersten Sorge , wenn er wüßte , daß ich hier bin . --
Er kannte mich niemals ; niemals dachte Er , daß das Schicksal mir einst die Gewalt geben würde , ihm so sehr zu schaden .
Aber ich will sie nicht gebrauchen , diese Gewalt ; ungestört soll er das Glück genießen , welches ihm das Verhängnis gibt , und meinem Herzen soll es nicht umsonst die Probe angeboten haben , in welcher die Tugend ihre wahren Ergebenen erkennt , den Feinden wohlzutun .
Laß mich , o Vorsicht , laß mich dieses Gepräge der wahren Größe der Seele erhalten ! viele , aber milde Tränen Überströmton nach diesem Gebet meine Lagerstätte .
Die Wohltätigkeit , die ich meinem größten Feind gelobte , wurde durch die seligste Empfindung belohnt ; mein Herz fühlte den Wert der Tugend , es fühlte , daß es durch sie edel und erhaben war .
Nun falteten sich meine Hände mit der reinen Bewegung des Danks , da sie wenige Stunden vorher der Schmerz der Verzweiflung in einander gewunden hatte . --
Sanft schlief ich ein , ruhig wachte ich auf , ruhig habe ich schon einen Plan des Landfestes aufgesetzt , das die Lady geben will .
-- Aber bemerken Sie , meine Emilia , wie leicht sich Böses mit Gutem mischt .
-- Einige Minuten lang war der Gedanke in mir , das Fest in kleinem so zu veranstalten , wie das vom Grafen F. auf seinem Landgut war , um den Lord in ein kleines Staunen zu setzen .
Aber auch dieses verwarf ich als eine masquirte Rache , die sich in meine Einbildung schleichen wollte , da sie aus meinem Herzen verbannet war . --
Ich glaube , Emilia , Rich sieht beinahe was ich denke .
Er kam erst den vierten Tag nach meiner Unterredung mit ihm zu uns .
Die Lady erzählte ihm bei dem Mittagessen die Ursache , warum wir alle so beschäftigt sein , und führte ihn Nachmittags in die schon bereiteten Zimmer .
Ich mußte sie begleiten , und auch die Veranstaltungen für das Pachterfest vorlesen .
Lord Rich schien sehr aufmerksam , lobte alles , aber sehr kurz , und begleitete alle meine Bewegungen mit Blicken , welche Neugierde und Unruhe in sich zeigten . --
Lady Summers verließ uns einige Minuten , und er kam an den Tisch , wo ich italienische Blumen aussuchte und zusammen band .
Mit einer sorgsamen zärtlichen Miene nahm er eine meiner Hände ; " Sie sind nicht wohl , meine Freundin , Ihre Hände arbeiten zitternd ; eine gewisse Hastigkeit ist in ihren Bewegungen , welche durch die angenommene Munterkeit wider ihren Willen hervorbricht ; Ihr Lächeln kommt nicht aus dem Herzen ; was bedeutet dieses ? "
Lord Rich , Sie machen mir bange mit Ihrer Scharfsicht , antwortete ich .
-- " Ich sehe also doch gut ? "
Fragen Sie mich nicht weiter , Mylord ; meine Seele hat den äußersten Kampf erlitten , aber ich will jetzt dem Vergnügen der Lady Summers alles , was mich angeht , aufopfern .
-- " Ich besorge nur , Sie opfern sich selbst dabei auf , sagte der Lord .
Fürchten Sie nichts , antwortete ich , das Schicksal hat mich zum Leiden bestimmt ; es wird mich dazu erhalten .
Ich sagte dies , wie mich dünkte , ruhig und lächelnd ; aber Lord Rich sah mich mit Bestürzung an .
Wissen Sie , Madam Leidens , daß dies , was Sie sagen , den größten Grad von Verzweiflung anzeigt , und mich in die tödlichste Unruhe wirft ? --
Reden Sie -- reden Sie -- mit der Lady Summers ; Sie werden ein mütterliches Herz in ihr finden . --
Ich weiß es , bester Lord ! aber es kann jetzt nicht sein , bleiben Sie unbesorgt über mich ; mein Zittern ist nichts anders als die letzte Bewegung eines Sturms , dem bald eine ruhige Stille folgen wird .
O Gott , rief er aus , wie lange werden Sie die Marter dauern lassen , die mir der Gedanke von Ihrem Kummer macht ?
Die Lady kam zurück , und zog mich aus der Sorge weichherzig zu werden .
Lord Rich ging mit einem Ansehen von trotzigem Missvergnügen hinweg .
Wir bemerkten es beide .
Lady Summers sagte mir lächelnd : " können Sie gutherzig sein und gute Leute plagen ? o wenn ich denken könnte , daß eine dieser Blumen Sie als die Braut von Lord Rich zum Altare schmücken würde ! "
-- Mein Bruder soll die Vaterstelle vertreten , so wie ich die Mutter sein werde . "
Liebste Lady , antwortete ich in der äußersten Bewegung , meine Widersetzung wird mir immer schmerzhafter ; aber noch immer ist es mir unmöglich eine Entschließung zu fassen .
Dulden Sie mich , so wie ich bin , noch einige Zeit .
Ein Strom von Tränen , den ich nicht zurückhalten konnte , machte die Lady gleichfalls weinen ; aber sie versprach mir , nicht weiter in mich zu setzen .
Auszug aus einem Briefe von Lord N. an Lord B. Du weist , daß ich mit der reichen zierlichen Alton vermählt bin , und daß sie stolz darauf ist , mich in Hymens Fesseln gebracht zu haben .
Einfältig brüstet sie sich , wenn ich , um das Maß ihrer albernen Denkensart zu ergründen , mir einer Mine voller Gefälligkeit nach ihren neuen Wünschen frage .
Ich wollte damit eine Zeitlang meinen Scherz haben , um mein Register über weibliche Narrheiten vollzumachen , und ich habe mir einen sehr wesentlichen Dienst dadurch getan .
Denn nachdem das elende Gepränge vorbei war , womit neuvermählte einander im Triumphe herumzuführen scheinen , fragte ich meine Lady , ob sie nicht irgend eine Landreise machen wollte , und sie schlug mir einen Besuch bei ihrer Tante Summers vor , die eine langweilige Frau , aber reich und angenehm zu erben sei . --
Wir schrieben ihr , und ich schickte den John mit unserem Briefe unseren Besuch zu melden .
Die Matrone nahm ihn sehr freundlich auf ; während sie mit der Antwort beschäftigt war , ging John mit ihrem Hausmeister in einem Zimmer auf und ab ; die Lady hatte gleich um eine Madam Leidens geschickt .
Eine Viertelstunde darauf , tritt mit eilfertigem Schritte eine feine englisch gekleidete Weibsperson in den Vorsaal , und geht mit beinahe geschlossenen Ahnen ins Zimmer der Lady .
John , wie vom Blitz gerührt , erkennt die Sternheim in ihr , erholt sich aber gleich , und fragt , wer diese Lady sei ?
Der Hausmeister erzählt , daß sie mit der Lady aus Deutschland gekommen wäre , und daß die Lady sie außerordentlich liebte ; sie sei ein Engel von Güte und Klugheit , und Lord Rich , dessen Güter an der Lady ihre grenzten , würde sie heiraten .
-- Mein armer Teufel , John , zitterte vor Ängsten , zu der Lady gerufen zu werden , und betrieb seine Abfertigung .
Die Alte kam , aber allein ; John ließ sich so schnell als möglich abfertigen , und jagte zurück .
-- Urteile selbst wie ich von dieser Nachricht überrascht wurde !
Über keinen meiner kleinen Streiche bin ich jemals so verlegen gewesen , als diesen Augenblick über den , welchen ich dieser Schwärmerin gespielt hatte .
Wo mag sie die Verwegenheit genommen haben , sich in England zu zeigen ?
Aber geht es nicht allezeit so ?
Die furchtsamste Kreatur wird in den Armen eines Mannes herzhaft gemacht .
Ich hatte ihr also etwas von meiner Unverschämtheit mitgeteilt , welches sie mir in dem Hause der Lady Summers wieder zurückgeben konnte .
Diesem wollte ich mich nicht aussetzen , indem meine Absichten unumgänglich die Beobachtung des Wohlstandes erforderten .
Ich wußte mir Dank , den John bei mir behalten zu haben ; denn der listige Hund fand eher einen Ausweg als ich .
Er schlug mir vor , sie entführen zu lassen ; dies mußte aber bald geschehen , und der Ort ihres Aufenthalts mußte sehr entfernt sein .
Ich bestimmte ihr den nämlichen Platz in den schottischen Gebirgen auf Hoptons Gütern , wo ich vor einigen Jahren die Nancy aufgehoben habe ; und da diese von ihrem Vater , der ein Advokat war , nicht gefunden werden konnte , wer sollte eine Ausländerin da suchen ?
Ich gesiehe dir , es ist ein verfluchtes Schicksal für eines der artigsten Mädchen , daß sie so viele hundert Meilen von ihrem Geburtsort bei einem armen Bleiminenknecht in Schottland Haberbrod fressen muß .
Aber was zum T -- hatte sie mir auf meinem Weg nach England zu begegnen ?
Es ist billig , daß sie diese Frechheit bezahle .
Sie ist bereits sicher an Ort und Stelle angekommen , und ich habe Befehl gegeben , daß man gut mit ihr umgehen soll .
John machte die Anstalten , und weil er vom Hausmeister der Lady Summers wußte , daß Lord Rich , und die Töchter und Frau des Pfarrers öfters mit meiner Heldin im Park Unterredungen hatten , so ließ er sie im Namen der Miß Emma auf einen Augenblick in den Park rufen .
Sie kam , er packte sie auf , und brachte sie , wie er sagt , mit Mühe lebendig nach Schottland .
Den ganzen Weg über hat sie nichts als ein paar Gläser Wasser zu sich genommen , und , eine Ausrufung über mich unter dem Namen Derby ausgenommen , wie ein totes Bild in der Schese gesessen .
Wenn du toller Narr hier gewesen wärst , so hätte ich sie Dir in Verwahrung gegeben ; und gewiß , wenn der heulende Genius , der dich ehemals regierte , um sie geschwebt wäre , hättest du sie zahm machen können , und noch eine bessere Beute an ihr gemacht , als alles dein Gold in den Galanteriebuden zu Paris nicht erkaufen kann .
Denn sie ist eine der schönsten Blumen von allen , die an dem feurigen Busen deines Freundes verwelkt sind .
Sobald ich Nachricht von ihrer zweitägigen Abreise hatte , ging ich mit meiner Lady und ihrem Vater nach Summerhall , wo die Matrone im Bette lag , und um ihre Pflegtochter wehklagte .
Alle Leute im Hause und im Orte , die Familie des Pfarrers , besonders Lord Rich , ein alter Knabe , der den Philosophen spielt , bejammerten den Verlust von Madam Leidens .
Lady Summers flehte mich um Hilfe an ; ich gab mir auch das Ansehen aller Bewegungen , sie suchen zu helfen , und erfuhr bei tiefer Gelegenheit , wie sie nach England gekommen war .
Jedermann rühmte ihre Reize , ihre Talente und ihr gutes Herz ; die Narren machten mich toll und müde damit ; besonders Rich , der Weise , der mich zum Vertrauen seiner Leidenschaft machte , und so weise ist sich einzubilden , daß sie sich vor ihm geflüchtet habe , weil er sie so weit gebracht hätte , ihm die Erzählung ihrer Geschichte zu versprechen , die gewiß besonders sein müsse , indem das junge Frauenzimmer alle Merkmale der edelsten Erziehung , der vollkommensten Tugend , und der feinsten weiblichen Zärtlichkeit in ihrem Betragen hätte .
Er vermutete , ein Bösewicht habe ihre Gutherzigkeit betrogen , und dadurch den Grund des Kummers gelegt , mit welchem er sie immer kämpfen sehen .
War es nicht eine verdammte Sache , alles dieses anzuhören und fremde zu scheinen ?
Er wies mir ihr Bildnis wohl getroffen , vor einem Tische , wo ein Gestelle mit Schmetterlingen war , von denen sie , ich weiß nicht welchen , Gebrauch zu einem Fest machen wollte , so mir zu Ehren angestellt werden sollte , und wovon sie die Erfinderin war .
Der Einfall war nicht gut gewählt ; sie verstand sich wenig auf die Schmetterlingsjagd , sonst hätte sie meine Fittiche nicht freigelassen .
Aber ihr Bild machte mehr Eindruck auf mich als alle Züge von ihrem Charakter .
Es ist , bei meinem Leben !
Schade um sie ; und ich möchte wissen , was sie bei der Vorsicht , die sie doch so stark verehrt , verschuldet haben mag , daß sie in der schönsten Blüte ihres Lebens aus ihrem Vaterlande gerissen , zu Grunde gerichtet , und in den elendesten Winkel der Erde geworfen werden mußte .
Und was wollte das Verhängnis mit mir , daß ich der Henkerbube sein mußte , der diese Verurteilung vollzog ?
O ich schwöre es , wenn ich jemals eine Tochter erziehe , so soll sie alle Stricke kennen lernen , womit die Bosheit unseres Geschlechts die Unschuld des ihrigen umringt ! --
Aber was hilft dies die arme Sternheim ? -- -- Komme zurück , wir wollen im Frühjahre sie einmal besuchen ; diesen Winter muß sie ausharren , ob sie mich schon jammert .
Einschaltung der Abschreiberin .
Hier , meine Freundin , müssen Sie noch etwas von meiner Feder lesen , um eine Lücke auszufüllen , welche sich in den Papieren , wovon ich Ihnen die Auszüge mitteile , findet .
Meine liebe Dame wurde nach dem Anschlage des gottlosen Lords in den Garten zu den Töchtern des Pfarrers gerufen , just , da sie eben ihren letzten Brief an meine Emilia endigte ; sie steckte die ganze Rolle des Papiers zu sich , um zu verhindern , daß man nichts zum Nachteil des Lords finden möchte , ging gegen den Park zu , und da sie sich zwanzig Schritte weit an der Seite des Gartens gegen das Dorf umgesehen hatte , und niemand erblickte , ging sie zurück .
Aber plötzlich zeigte sich im Park eine Weibsperson die ihr winkte ; sie eilte gegen ihr ; diese Person eilte gleichfalls auf sie zu , und faßte sie an der Hand ; Im nämlichen Augenblicke kamen noch zwei vermummte Personen , warfen ihr eine dichte runde Kappe über den Kopf , und schleppten sie mit Gewalt fort .
Ihr heftiges Sträuben , ihre Bemühung zu rufen , war vergebens ; man warf sie in eine Halbschäse , und jagte die ganze Nacht mit ihr fort .
Essen und Trinken bot man ihr in einem Walde an ; sie konnte aber und mochte nichts als ein Glas Wasser nehmen ! gleich jagte man wieder weiter ; äußerst traurig und abgemattet saß sie neben einer Person in Weibskleidern , von welcher sie fest umfaßt gehalten wurde ; Sie bat einmal auf den Knien um Erbarmen , erhielt aber keine Antwort , und wurde endlich in der Hütte eines schottischen Bleiminenknechts auf ein elendes Bette gesetzt .
Dies war alles was sie von ihrer Entführung zu sagen wußte , denn sie war beinahe sinnlos .
Ihr Tagbuch kann zum Beweis dienen , wie sehr ein heftiger Schmerz des Gemüts das edelste Herz zerrütten kann .
Aber eben dieses Tagbuch beweist , daß , sobald ihre Kräfte sich erholten , auch die vortrefflichen Grundsätze ihrer Erziehung wieder ihre volle Wirksamkeit erhielten .
Den Kummer , in welchen durch diesen Zufall die Lady Summers gesetzt wurde , und den Jammer meiner Emilia und den meinigen über die Nachricht von ihrem Unsichtbarwerden können Sie sich leichter selbst vorstellen , als ich ihn beschreiben könnte ; zumal da alles mögliche , um auf ihre Spur zu kommen , vergebens angewandt wurde .
Unvermeidliche Zufälle hielten meinen Schwager den Winter durch zurück selbst nach England zu gehen , um der Lady Summers seine Vermutungen gegen Lord Derby zu entdecken ; und dieser Winter war der längste und traurigste , den jemals eine kleine Familie erlebt hat , welche durch das Unglück einer innigst geliebten Freundin elend gemacht wurde .
Madam Leidens in den schottischen Bleigebirgen .
Emilia ! teurer geliebter Name !
Ehemals warst du mein Trost und die Stütze meines Lebens , jetzt bist du eine Vermehrung meiner Leiden geworden .
Die klagende Stimme , die Briefe deiner unglücklichen Freundin dringen nicht mehr zu dir , alles , alles ist mir entrissen , und noch mußte mein Herz mit der Last des bitteren Kummers beschweret werden , die Angst meiner Freunde zu fühlen .
Beste Lady ! -- liebste Emilia ! warum mußte euer liebreiches Herz mit in das Los von Qual der Seele fallen , welches das Verhängnis mir Unglücklichen zuwarf ? --
O Gott , wie hart strafest du den einzigen Schritt meiner Abweichung von dem Pfade der bürgerlichen Gesetze ! --
Kann meine heimliche Heirat dich beleidiget haben ? -- arme Gedanken , wo irret ihr umher ?
Niemand höret euch , niemand wird euch lesen ; diese Blätter werden mit mir sterben und verwesen ; Niemand als mein Verfolger wird meinen Tod erfahren , und er wird froh sein die Zeugnisse seiner Unmenschlichkeit mit mir begraben zu wissen .
O Schicksal , du siehst meine Unterwerfung , du siehst , daß ich nichts von dir bitte ; du willst mich langsam zermalmen ; tue es -- rette nur die Herzen meiner tugendhaften Freunde von dem Kummer , der sie meinetwegen beängstiget !
Dritter Monat meines Elendes .
Noch einen Monat habe ich durchgelebt , und finde mein Gefühl wieder , um den ganzen Inbegriff meines Jammers zu kennen .
Selige Tage , wo seid ihr , an denen ich bei dem ersten Anblick des Morgenlichts meine Hände dankbar zu Gott erhob und mich meiner Erhaltung freute ?
Jetzt benetzen immer neue Tränen mein Auge und mit neuem Händeringen bezeichne ich die erste Stunde meines erneuerten Daseins .
O mein Schöpfer , solltest du wohl die bittere Zähre meines Jammers lieber sehen , als die überfließende Träne der kindlichen Dankbarkeit ?
Hoffnungslos , aller Ausichten auf Hilfe beraubt , Kämpfe ich wider mich selbst ; ich werfe mir meine Traurigkeit als ein Vergehen vor , und folge dem Zug zum Schreiben .
Eine Empfindung von besserer Zukunft regt sich in mir . --
Ach ! redete sie nicht noch lauter in meinen vergangenen Tagen ? --
Täuschte sie mich nicht ? --
Schicksal ! habe ich mein Glück mißbraucht ?
hing mein Herz an dem Schimmer , der mich umgab ?
Oder ist der Stolz auf die Seele , die ich von dir empfing , mein Verbrechen gewesen ? --
Arme , arme Kreatur , mit wem rechte ich !
Ich beseelte Handvoll Staubes , empöre mich wider die Gewalt die mich prüft -- und erhält .
Willst du , o meine Seele , willst du durch Murren und Ungeduld das ärgste Übel in den Kelch meines Leidens gießen ? -- Vergib , o Gott , vergib mir , und laß mich die Wohltaten aufsuchen , mit denen du auch hier mein empfindliches Herz umgeben hast .
Komme , du treue Erinnerung meiner Emilia , komme und sei Zeuge , daß das Herz deiner Freundin seine Gelübde der Tugend erneuert , daß es zu dem Wege seiner Pflichten zurückkehrt , seiner eigensinnigen Empfindlichkeit absagt , und vor den Merkmalen einer liebreichen immerdauernden Vorsicht nicht mehr die Augen verschließt . -- --
Beinahe drei Monate sind_es , daß ich durch einen betrügerischen Ruf in dem Park von Summershall anstatt meiner gefühlvollen freundlichen Emma einem der grausamsten Menschen in die Gewalt kam , der mich Tag und Nacht reisen machte , um mich hierher zu bringen ; Derby !
Niemand als du , war dieser Barbarei fähig !
In der Zeit , wo ich für dein Vergnügen arbeitete , zetteltest du ein neues Gewebe von Kummer für mich an . -- --
Ehre und Großmut müssen dir sehr unbekannt sein , weil du nicht denken konntest , daß sie mich deinen Augen entziehen , und mich schweigen heißen würden !
Was für ein Spiel machst du dir aus der Trübsal eines Herzens , dessen ganze Empfindsamkeit du kennst ? --
Warum , o Vorsicht , warum mußten alle boshafte Anschläge dieses verdorbenen Menschen in Erfüllung kommen , und warum alle guten Entwürfe der Seele , die du mir gabst , in diese traurige Gebirge verstoßen werden ?
Wie unstet macht die Eigenliebe den Gang unserer Tugend !
Vor zweien Tagen wollte mein Herz voll edler Entschlüsse geduldig auf dem dornigen Pfade meines unglücklichen Schicksals fortgehen , und meine Eigenliebe führt die Wiedererinnerung dazu , welche meine Blicke von dem gegenwärtigen und künftigen entfernt , und allein auf das unveränderliche vergangene heftet .
-- Tugendlehre , Kenntnisse und Erfahrung sollen also an mir verloren sein , und ein niederträchtiger Feind soll die verdoppelte Gewalt haben , nicht nur mein äußerliches Ansehen von Glück , wie ein Räuber ein Kleid von mir zureissen , sondern meine Gesinnungen , die Übung meiner Pflichten , und die Liebe der Tugend selbst in meiner Seele zu zerstören ?
Glückliche , ja allerglücklichste Stunde meines Lebens , in der ich mein ganzes Herz wieder gefunden habe ; in welcher die selige Empfindung wieder in mir erwachte , daß auch hier die väterliche Hand meines Schöpfers für die besten Güter meiner Seele gesorgt hat !
Er ist es , der meinen Verstand von dem Wahnsinne errettete , welcher in den ersten Wochen sich meiner bemeistern wollte ; Er gab meinen rauhen Wirten Leutseligkeit und Mitleiden für mich ; das reine moralische Gefühl meiner Seele erhebt sich allmählich über die Düsternheit meines Grams ; Die Heiterkeit des Himmels , der diese Einöde umgibt , gießt , ob ich ihn schon seufzend anblicke , eben so viel Hoffnung und Friede in mein Herz , als der zu Sternheim , Fels und Summerhall .
Diese aufgetürmten Berge reden mir von der allmächtigen Hand , welche sie schuf ; überall ist die Erde mit den Zeugnissen seiner Weisheit und Güte erfüllt , und überall bin ich sein Geschöpf .
Er wollte hier meine Eitelkeit begraben , und die letzten Probestunden meines Lebens sollen allein vor seinen Augen und vor dem Zeugnis meines Herzens verfließen !
Vielleicht werden sie nicht lange dauern .
Soll ich denn nicht suchen , sie mit dem Überrest von Tugend auszufülleu , deren Ausübung noch in meiner Gewalt geblieben ist ! --
Gedanke des Todes , wie wohltätig bist du , wenn du , von der Versicherung der Unsterblichkeit unserer Seele begleitet , zu uns kommst ! wie lebhaft erweckst du das Gefühl unserer Pflichten , und wie eifrig machst du unseren Willen Gutes zu tun ? Dir danke ich die Überwindung meines Grams , und die erneuerten Kräfte der Tugend meiner Seele !
Du machtest mich mit Lebhaftigkeit den Entschluß fassen , meine letzten Tage mit edlen Gesinnungen auszufüllen , und zu sehen , ob ich nicht auch hier Gutes tun kann .
Ja , ich kann , ich will noch Gutes tun ; o !
Geduld , du Tugend des Leidenden , nicht des Glücklichen , dem alle Wünsche gewähret sind , wohne bei mir , und leite mich zu ruhiger Befolgung der Ratschlüsse des Schicksals !
-- Mühsam und einzeln sammelt man die Wurzeln und Kränter , welche unsere leiblichen Übel heilen .
Eben so besorgt sollte man die Hilfsmittel unserer moralischen Krankheiten suchen ; sie finden sich oft , wie jene , am nächsten Fußsteige von unserem Aufenthalt .
Aber wir sind gewohnt das Gute immer in der Ferne zu suchen , und das an der Hand liegende mit Verachtung zu übersehen .
Ich machte es so ; meine Wünsche und meine Klagen führten meine Empfindung weit von dem was mich umgab ; wie spät erkenne ich die Wohltat , eine ganze Rolle Papier mit mir gebracht zu haben , die mir bisher in den Sammlungsstunden meines Geistes so große Dienste getan hat .
War es nicht Güte der Vorsicht , die mich auf meiner beschwerlichen Reise hierher vor aller Beleidigung schützte , und mir alles erhielt , was mir in den Zeiten meiner Ruhe nützen konnte ?
Emilia , heilige Freundschaft , geliebtes Andenken ! dein Bild steigt aus dem Schutte meiner Glückseligkeit lächelnd empor .
Tränen , viele Tränen kostest du mich . --
Aber komme , diese Blätter sollen dir geweiht sein !
Von Jugend auf ergossen sich meine geheimsten Empfindungen in dein treues zärtliches Herz ; der Zufall kann diese Papiere erhalten , sie können dir noch zukommen , und du sollst darin sehen , daß mein Herz die Tugend des Deinigen , und seine Güte für mich niemals vergessen hat .
Vielleicht benetzt einst die Zähre deiner freundschaftlichen Liebe diese Überbleibsel deiner unglücklichen Sophie .
Auf meinem Grabe wirst du sie nicht weinen können ; denn ich werde das Schlachtopfer sein , welches die Bosheit des Derby hier verscharret ; und da der Gedanke an Tod und Ewigkeit , meine Klagen und Wünsche endigt , so will ich dir noch den jähen Umsturz beschreiben , der mich in meine frühe Grube bringt .
Ich konnte es nicht eher tun ; ich wurde zu sehr erschüttert , so oft ich daran dachte .
Halb leblos bin ich hier angelangt , und drei Wochen in einer Gemütsverfassung gewesen , die ich nicht beschreiben kann ; was ich in dem zweiten und dritten Monat meines Aufenthalts war , zeigen die Stücke , die ich in meinen Erquickungsstunden schrieb .
Urteilen Sie aber , Emilia , von der Zerrüttung meiner Empfindnisse , weil ich nicht beten konnte ; ich rief auch den Tod nicht , aber in dem vollen Gefühl des Übermaß es von Unglück , so mich betroffen , würde ich dem auf mich fallenden Blitz nicht ausgewichen sein .
Ganze Tage war ich auf meinen Knien , nicht aus Unterwerfung , nicht um Gnade vom Himmel zu erflehen ; Stolz , empörter Stolz war mit dem Gedanken des unverdienten Elends in meine Seele gekommen .
Aber , o meine Emilia , dieser Gedanke vermehrte mein Übel , und verschloß jeder übenden Tugend meiner Umstände mein Herz ; und übende Tugend allein kann den Balsam des Trosts in die Wunden der Seele träufle .
Ich empfand dieses das erstemal , als ich das arme fünfjährige Mädchen , die auf mich Acht haben mußte , mit Rührung ansah , weil sie sich bemühte , meinen niedergesunkenen Kopf mit ihren kleinen Händen aufzurichten ; ich verstand ihre Sprache nicht , aber ihr Ton und der Ausdruck ihres Gesichts war Natur und Zärtlichkeit und Unschuld ; ich schloß sie in meine Arme , und vergoß einen Strom von Tränen ; es waren die ersten Trosttränen , die ich weinte , und in die Dankbarkeit meines Herzens gegen die Liebe dieses Geschöpfs mischte sich die Empfindung , daß Gott diesem armen Kinde die Gewalt gegeben hätte , mich die Süßigkeit des Mitleidens schmecken zu lassen .
Von diesem Tage an rechne ich die Wiederherstellung meiner Seele Ich fing nun an dankbar die kleinen Brosamen von Glückseligkeit aufzusammeln , die hier neben mir im Staube lagen .
Meine erschöpften Kräfte , die Schmerzen , welche mir das Habebrot verursachte , ließen mich meinen Tod nahe glauben ; ich hatte keinen Zeugen meines Lebens mehr um mich ; ich wollte meinem Schöpfer ein gelassenes , ihn liebendes Herz zurückgeben , und dieser Gedanke gab den tugendhaften Triebfedern meiner Seele ihre ganze Stärke wieder .
Ich nahm meine kleine Wohltäterin zu mir in den armen abgesonderten Winkel , den ich in der Hütte besitze , ich teilte mein Lager mit ihr , und von ihr nahm ich die erste Unterweisung der armen Sprache , die hier geredet wird .
Ich ging mit ihr in die Stube meiner Hauswirte ; der Mann hatte lang in den Bleiminen gearbeitet , und ist nun aus Kränklichkeit unvermögend dazu geworden , bauet aber mit seiner Frau und Kindern ein kleines Stück Feld , das ihm der Graf Hopton nah an einem alten zerfallenen Schlosse gegeben , mit Hafer und Hanf an ; den Hafer stoßen sie mit Steinen zum Gebrauch klein , und der Hanf muß sie kleiden .
Es sind arme gutartige Leute , deren ganzer Reichtum wirklich in den wenigen Guineen besteht , welche sie für meine Verwahrung erhalten haben .
Es freute sie , daß ich ruhiger wurde , und zu ihnen kam ; Jedes befliß sich , mir Unterricht in ihrer Sprache zu geben , und ich lernte in vierzehn Tagen so viel davon , um kurze Fragen zu machen , und zu beantworten .
Die Leute wissen , wie weit sie mich außer dem Hause lassen dürfen , und der Mann führte mich an einem der letzten Herbsttage etwas weiter hinaus .
O ! wie arm ist hier die Natur ! man sieht , daß ihre Eingeweide bleiern sind .
Mit tränenden Augen sah ich das rauhe magere Stück Feld , auf dem mein Habebrot wächst , und den über mich fließenden Himmel an ; die Erinnerung machte mich seufzen , aber ein Blick auf meinen abgezehrten Führer hieß mich zu mir selbst sagen ; ich habe mein Gutes in meiner Jugend reichlich genossen , und dieser gute Mann und seine Familie sind , so lange sie leben in Elend und Mangel gewesen ; sie sind Geschöpfe des nämlichen göttlichen Urhebers , ihrem Körper fehlt keine Sehne , keine Muskel , die sie zum Genuß physikalischer Bedürfnisse nötig haben ; da ist kein Unterschied unter uns ; aber wie viele Teile der Fähigkeiten ihrer Seele schlafen , und sind untätig geblieben !
Wie verborgen , wie unbegreiflich sind die Ursachen , die in unserer körperlichen Einrichtung keinen Unterschied entstehen ließen , und im motalischen Wachstum und Handeln ganze Millionen Geschöpfe zurücklassen ! wie glücklich bin ich heute noch durch den erhaltenen Anbau meines Geistes und meiner Empfindung gegen Gott und Menschen !
Wahres Glück , einzige Güter , die wir auf Erden sammeln und mit uns nehmen können , ich will aus Ungeduld euch nicht von mir stoßen ; ich will die Gutherzigkeit meiner armen Wirte durch meine Freundlichkeit belohnen .
-- Eifrig lernte ich an ihrer Sprache fort , und erfuhr beim Nachforschen über ihre manchmalige Härte gegen das junge Mädchen , daß es nicht ihr Kind , sondern des Lords Derby wäre , daß die Mutter des Kindes , bei ihnen gestorben sei , und der Lord nichts mehr zu dessen Unterhalt hergäbe .
Ich mußte bei dieser Nachricht in meinen Winkel ; ich empfand mit Schmerzen mein ganzes Unglück wieder .
Die arme Mutter ! sie war schön wie ihr Kind , und jung , und gut ; -- bei ihrem Grabe wird das meinige sein .
O Emilia , Emilia , wie kann , o wie kann ich diese Prüfung aushalten !
Das gute Mädchen kam und nahm meine Hand , die über mein armes Bette hing , während mein Gesicht gegen die Wand gekehrt war .
Ich hörte sie kommen ; ihr Anrühren , ihre Stimme machte mich schauern , und widerwillig entriß ich ihr meine Hand .
Derbys Tochter war mir verhaßt .
Das arme Mädchen ging mit Weinen an den Fuß meines Lagers und wehklagte .
Ich fühlte mein Unrecht , die unglückliche Unschuld leiden zu machen ; ich gelobte mir , meinen Widerwillen zu unterdrücken , und dem Kinde meines Mörders Liebe zu erweisen .
Wie froh war ich , da ich mich aufrichtete und sie rief .
Auf ihre kleine Brust gelehnt legte ich das Gelübde ab , ihr Güte zu erweisen .
Ich werde es nicht brechen , ich habe es zu teuer erkauft !
O Derby ! wie voll , wie voll machst du das Maß deiner Härte gegen mich ! heute kommt ein Boote , und bringt einen großen Pack Vorrat zur Tapezerey ; niederträchtig spottet er : " da mir bei Hofe " die Zeit ohne Tapetenarbeit zu lang ge " Wesen , so möchte es hier auch so sein ; er " schickte mir also Winterarbeit ; im Früh " Jahre würde er es holen lassen . "
Es ist zu einem Cabinet ; die Risse liegen dabei . --
Ich will sie anfangen , ja ich will ; er wird nach meinem Tode die Stücke kriegen ; er soll die Überreste seiner an mir verübten Barbarei sehen , und sich erinnern , wie glücklich ich war , als er das erstemal meine Finger arbeiten sah ; er wird auch denken müssen , in was für einen Abgrund von Elend er mich stürzte und darin zu Grunde gehen machte .
Niemals mehr , o Schicksal !
Niemals mehr will ich mich dem Murren meiner Eigenliebe überlassen ! wie verkehrt heißt sie uns urteilen !
Ich klagte über das , was mein Vergnügen geworden ist .
Meine Arbeit erheitert meine trüben Wintertage ; meine Wirte sehen mir mit roher Entzückung zu , und ich gebe ihrer Tochter Unterweisung darin .
Mit frohem Stolz sah das Mädchen um sich , als sie das erste Blättchen genäht hatte .
Unglück und Mangel hat schon viele erfindsam gemacht ; ich bin es auch worden .
Ich weiß , daß der Graf von Hopton , den die Bleiminen zugehören , einige Meilen von hier ein Haus hat , und daß er manchmal auf einige Tage hinkommt .
Auf der letzten Reise hatte er eine Schwester bei sich , die er sehr liebt , und die als Witwe oft bei ihm ist .
Auf diese Dame baue ich Hoffnungen , die mit der Dauer meines Lebens wieder rege in mir sind .
Ich habe meinen Wirten den Gedanken gegeben , ihre Tochter Maria in die Dienste dieser Dame zu bringen ; ich versprach sie alles zu lehren was dazu nötig sei .
Schon Lehre ich sie englisch reden und schreiben ; die Tapetenarbeit kann sie , und da mich der Mangel dazu trieb , aus den Spitzen meines Halstuchs noch zwei Hauben zu machen , so hat sie auch diese Kunst gelernt ; Vom übrigen gebe ich ihr Unterricht bei der Arbeit .
Das Mädchen ist so geschickt zum fassen und urteilen , daß ich oft darüber erstaune .
Diese soll mir den Weg zur Freiheit bahnen ; denn durch sie hoffe ich der Lady Douglas bekannt zu werden .
O Schicksal , laß mir diese Hoffnung !
Ich will meiner Emilia noch ein Nebenstück meines quälenden Schicksals erzählen .
Sie wissen , wie reinlich ich immer in Wäsche war , und hier zog ich mich , ich weiß nicht wie lang , gar nicht aus ; endlich kam mit meiner Überlegung das Missvergnüger über den Kleidermangel , und beim Nachdenken war ich sehr froh , daß ich bei meiner Entführung ein ganz weißes leinen Kleid an hatte , welches ich gleich auszog , und der modischen Üppigkeit für die vielen Falten dankte , die sie darin gemacht hatte ; denn ich konnte füglich drei Hemden daraus schneiden , und ein kurz Kleid daneben behalten ; meine Schürze machte ich zu Halstüchern , und aus dem ersten Rock Schürzen , so daß ich mit ein wenig leichter Lauge meine Kleidung recht reinlich halten kann , und abzuwechseln weiß .
Ich plätte sie mit einem warmen Stein .
Die kleine Lidy habe ich auch nähen gelernt , und sie macht recht artige Stiche in meinem Tapetengrund .
Meine Wirte säubern ihre Wohnung mir zu Liebe alle Tage sehr ordentlich , und mein gekochtes Habebrot fängt an mir wohl zu bekommen .
Die Bedürfnisse der Natur sind klein , meine Emilia ; ich stehe satt von dem mageren Tische auf , und meine Wirte hören mich mit Erstaunen von den übrigen Teilen der Welt erzählen .
Ich habe die Bildnisse meiner Eltern noch ; ich wies sie den Leuten , und erzählte ihnen von meiner Erziehung und ehemaligen Lebensart , was sie fassen konnten , und ihnen gut war .
Ungekünstelte mitleidige Zähren träufelten aus ihren Augen , da ich von meinem genossenen Glücke sprach , und ihnen die Geduld erklärte , die wirklich in meinem Herzen ist .
Ich rede wenig von Ihnen , meine Liebe !
Ich bin nicht stark genug , oft an Ihren Verlust zu denken , an Ihren Kummer um mich zu denken .
Könnte ich durch mein Leiden nur Ihres , um mich , und meiner gütigen Lady ihres , loskaufen , ich wollte mich bemühen nicht mehr zu sagen , daß ich leide ; aber das Schicksal wußte , was mich am meisten quälen würde ; es wußte , daß mich meine Unschuld und meine Grundsätze trösten und beruhigen würden , es wußte , daß ich Armut und Mangel ertragen lernen würde ; daher gab es mir das Gefühl von dem Weh meiner Freunde , ein Gefühl , dessen Wunde unheilbar ist , weil es ein Vergehen wäre , wenn ich mich davon loszumachen suchte .
-- Wie glücklich machte mich dieses Gefühl ehemals , da ich im Besitz meiner Güter jeden belauschten Wunsch meiner Freunde befriedigen , und jeden bemerkten Schmerzen lindern konnte .
Zwei Jahre sind es , daß ich glänzend unter den schimmernden Haufen trat , und Aussichten von Glück vor mir hatte , mich geliebt sah , und wählen oder verwerfen konnte . --
O mein Herz , warum hütetest du dich so lange vor dieser Erinnerung !
Niemals mehr getrautest du dir den Namen Seymour zu denken , nun fragst du , was würde er sagen ? und weinst über seine Vergessenheit !
O ! nimm diesen Teil weg , laß ihn immer in mein Gedächtnis kommen ; -- sein Herz kannte das meine für ihn niemals , und nun ist es zu spät ! --
Mein Papier , ach Emilia , mein Papier geht zu Ende ; ich darf nun nicht mehr viel schreiben ; der Winter ist lange ; ich will den Überrest auf Erzählung meiner noch dunklen Hoffnungen erhalten . O mein Kind ! einige Bogen Papier waren mein Glück , und ich darf es nicht mehr genießen !
Ich will Kanevas sparen und Buchstaben hinein nähen .
Im April .
O Zeit , wohltätigstes unter allen Wesen , wie viel Gutes habe ich dir zu danken !
du führtest allmählich die tiefen Eindrücke meiner Leiden und verlorenen Glückseligkeit von mir weg , und stelltest sie in den Nebel der Entfernung , während du eine liebreiche Heiterkeit auf die Gegenstände verbreitetest , die mich umgeben .
Die Erfahrung , welche du an der Hand führest , lehrte mich die übende Weisheit und Geduld kennen .
Jede Stunde , da ich mit ihnen vertrauter wurde , verminderte die Bitterkeit meines Grams .
Du , alle Wunden des Gemüts heilende Zeit , wirst auch den Balsam der Beruhigung in die Seele meiner wenigen Freunde gießen , und sie in Umstände setzen , worin sie die frohen Aussichten ihres Geschickes ohne den vergällenden Kummer um mich genießen können .
Du hast die Trostgründe der Güte meines Schöpfers , die das geringste Erdwürmchen unter den Schutz kleiner Sandkörner begleitet , wieder in meine Seele gerufen ; du hast mich sie in diesen rauhen Gebirgen finden lassen , den Gebrauch meiner Kenntnisse in mir erneuert , und die im Schoße des Glückes schlafenden Tugenden erweckt und geschäftig gemacht .
Hier , wo die physikalische Welt wenige Gaben sparsam unter ihre traurigen Bewohner austeilt , hier habe ich den moralischen Reichtum von Tugenden und Kenntnissen in der Hütte meiner Wirte verbreitet , und mit ihnen genieße und koste ich ihre Süßigkeit .
Von allem , was den Namen von Glück , Ansehen und Gewalt führt , völlig entblößt , mein Leben den Händen dieser Fremdlinge anvertraut , wurde ich ihre moralische Wohltäterin , indem ich ihre Liebe zu Gott erweiterte , ihren Verstand erleuchtete , und ihre Herzen beruhigte , da ich durch Erzählungen von anderen Weltteilen und von den Schicksalen ihrer Einwohner in den Erholungsstunden meiner armen Wirte Vergnügen um sie hergoß .
Ich habe die traurigen unschuldsvollen Tage einer doppelt unglücklichen Waise durch Liebe , Sorge und Unterricht mit Blumen besternt ; von dem Genusse alles dessen , was die Menschen als Wohlsein betrachten , entfernt , genieße ich die wahren Geschenke des Himmels , die Freude wohlzutun und die Ruhe des Gemüts , als Früchte der wahren Menschenliebe und erfahrener Tugend . --
Reine Freude , wahre Güter !
ihr werdet mich in die Ewigkeit begleiten , und für euren Besitz wird meine Seele das erste Danklied anstimmen .
Zu Ende des Brachmonats .
Emilia , haben Sie sich jemals in den Platz eines Menschen stellen können , der in einem elenden Kahn auf der stürmenden See ängstlich sein Leben fühlt , und mit zitternder Hoffnung hin und her um Anschein der Hoffnung sieht ?
Lange flossen ihn die Wellen herum , und lassen ihn Verzweiflung fühlen ; endlich erblickt er eine Insel , die er zu erreichen hofft , mit gefalteten Händen ruft er : O Gott , ich sehe Land ! --
Ich , mein Kind , ich fühle alles dieses ; ich sehe Land .
Der Graf von Hopton ist in seinem Haus auf dem Gebirge , und Lady Douglas , seine Schwester , hat die Tochter meiner Wirtin zu sich genommen .
Sie ging mit ihrem Bruder und einer Tapete zur Lady , ihre Dienste anzubieten .
Voller Verwunderung über ihre Arbeit und ihre Antworten , hat die Lady gefragt , wer sie unterrichtet hätte , und das dankbare Herz des guten Mädchens erzählte ihr von mir was sie wußte und empfand .
Die edle Dame wurde bis zu Tränen gerührt ; sie versprach dem Mädchen sogleich sie zu nehmen , ließ den jungen Leuten zu Essen geben , und schickte den Sohn allein nach Hause mit zwei Guineen für seine Eltern und dem Versprechen : sie wollte vor ihrer Abreise noch selbst zu ihnen kommen .
Mich ließ sie besonders grüßen und für meine Mühe mit ihrem Mädchen segnen .
Ich habe sie um Papier , Feder und Tinte bitten lassen ; ich will mich dieser Gelegenheit bedienen , um an meine Lady Summers zu schreiben ; aber ich will der Lady Douglas den Brief offen geben , um ihr meine Aufrichtigkeit zu zeigen .
Ich würde strafbar sein , wenn ich nicht alle Gelegenheit anwendete , um meine Freiheit zu erlangen , da sich edle Mittel dazu anbieten .
Ich will auch den Lord Hopton um seine Gnade für meine armen Wirte bitten ; die guten Leute wissen sich vor Freude über die Versorgung ihrer Tochter und über das Geld , so sie bekommen haben , nicht zu fassen ; sie liebkosen und segnen mich wechselsweise .
Meine Waise lasse ich nicht zurück ; das Kind würde nun , da ich sie an gutes Bezeigen gewöhnt habe , durch den Verlust doppelt unglücklich sein , und alle meine Tage würden durch ihr Andenken beunruhiget , wenn ich zum Glücke zurückkehrte , und sie dem offenbaren Elend zum Raube ließe .
O !
Meine Freundin , es war Vorbedeutung , die mich in meinem letzten Blatte das Gleichnis eines auf der tobenden See irrenden Kahns finden ließ ; ich war bestimmt die höchsten Schmerzen der Seele zu fühlen , und dann in dem Augenblick der Hoffnung zu sterben .
Die unaussprechliche Bosheit meines Verfolgers reißt mich dahin , wie eine schäumende Welle Kahn und Menschen in den Abgrund reißt .
Diese Gewalt wurde ihm gelassen , und mir alle Hilfsmittel entzogen ; bald wird ein einsames Grab meine Klagen endigen , und meiner Seele die Endzwecke zeigen , warum ich dieses grausame Verhäniß erdulden mußte .
Ich bin ruhig , ich bin zufrieden ; mein letzter Tag wird der freudigste sein , den ich selt zwei Jahren hatte .
Ihnen , meine bis in den letzten Augenblick zärtlich geliebte Freundin , wird die Lady Summers mein Paket Papiere schicken , und Ihr Herz bei dem Gedanken , daß alles mein Leiden sich in einer seligen Ewigkeit verloren hat , beruhiget werden .
Meine letzten Kräfte sind Ihnen gewidmet .
Sie waren die Zeugin meines glücklichen Lebens ; Sie sollen auch , so viel ich es tun kann , von dem Ende meiner trübseligen Tage wissen .
Ich war voller Hoffnungen und mit fröhlichen Aussichten umgeben , als der vertrauteste Bösewicht des Derby anlangte , um mir den verhaßten Vorschlag zu tun ; " ich sollte mich zu dem Lord " nach London begeben ; er liebe seine Ge " mahlen nicht , wäre auch selbst kränk " lich geworden , und halte sich meistens " auf einem Landhause zu Windfor auf , " wo ihm mein Umgang sehr angenehm " sein würde . "
Er selbst schrieb in einem Billet : wenn ich freiwillig kommen wollte und ihn lieben würde , so denke er , sich von Lady Alton scheiden zu lassen , und unsere Henrath zu bestätigen , wie es die Gesetze und in eine Verdienste erforderten ; aber wenn ich aus einer meiner ehemaligen Wunderlichkeiten diesen Vorschlag verwerfe , so möchte ich mir mein Schicksal gefallen lassen , wie er es für gut finden würde .
-- Dies mußte ich anhören , denn lesen wollte ich das Billet nicht ; das Ärgste von dieser unerträglichen Beleidigung war , daß ich den unseligen Kerl sehen mußte , durch dessen Hand meine falsche Verbindung geschehen war .
Auf das äußerste betrübt und erbittert verwarf ich alle diese unwürdigen Vorschläge , und der Barbar rächte seinen Herrn , indem er mich nach der zweiten förmlichen Absage mit der heftigsten Bosheit beim Arm und um den Leib packte , zum Hause hinaus gegen den alten Turm hinschleppte , und mit Wüten und Fluchen zu einer Türe hinein stieß , mit dem Ausdruck , daß ich da krepieren möchte , damit sein Herr und Er einmal meiner los würden .
Mein Sträuben und die entsetzliche Angst so ich hatte , ich möchte mit Gewalt nach London geführt werden , hatte mich abgemattet , und halb von Sinnen gebracht ; ich fiel nach meiner ganzen Länge in das mit Schutt und Morast angefüllte Gewölbe , wo ich auf den Steinen meine linke Hand und das halbe Gesicht beschädigte , und heftig aus der Nase und Mund blutete .
Ich weiß nicht , wie lang ich ohne Bewußtsein da lag ; als ich mich wieder fühlte , war ich ganz entkräftet und voll Schmerzen ; die faule dunstige Luft , die ich atmete , beklemmte in kurzer Zeit meine Brust so sehr , daß ich an dem letzten Augenblicke meines Lebens zu sein glaubte .
Ich sah nichts , aber ich fühlte mit der einen Hand , daß der Boden stark abhängig war , und besorgte daher bei der geringsten Bewegung gar in einen Keller zu fallen , wo ich nicht ohne Verzweiflung meinen Geist aufgegeben hätte .
Mein Jammer und die Empfindungen , die ich davon hatte , ist nicht zu beschreiben ; die ganze Nacht lag ich da ; es regnete stark ; das Wasser floß unter der Türe herein auf mich zu , so daß ich ganz naß und starr wurde , und von meinem Unglück gänzlich danieder geschlagen , mir den Tod wünschte .
Ich bekam , wie mich deucht , innerliche Zückungen .
So viel weiß ich noch ; als ich mich wieder besinnen konnte , war ich auf meinem Bette , um welches meine armen furchtsamen Wirte Stunden , und wehklagten .
Meine Waise hatte meine Hand und ächzte ängstlich ; ich fühlte mich sehr übel , und bat die Leute , mir den Geistlichen des Grafen von Hopton zu holen , weil ich sterben würde .
Mit aufgehobenen Händen bat ich sie ; der Sohn ging fort , und die Eltern erzählten mir , daß sie mir nicht hätten helfen dürfen , bis Sir John ( wie sie ihn nannten ) abgereist gewesen wäre .
Schreckliches Los der Armut , daß sie selten Herz genug hat , sich der Gewalt des reichen Lasters entgegen zu setzen !
Der Regen hatte den Bösewicht aufgehalten , doch , sagen sie , sei er noch an die Türe des Turms gegangen , hätte sie aufgemacht und gehorcht , den Kopf verdrießlich in die Höhe geworfen , und ohne die Türe zuzuschließen , oder ihnen noch etwas zu sagen , wäre er davon gegangen .
Sie hätten aus Furcht vor ihm noch eine Stunde gewartet , und wären dann mit einem Licht zu mir gekommen , da sie mich denn für tot angesehen und heraus getragen hätten .
Der Geistliche kam , und die Lady Douglas mir ihm ; beide betrachteten mich aufmerksam und mitleidend .
Ich reichte der Lady meine Hand , der sie die ihrige mit Güte entgegen gab .
Edle Lady , sagte ich mit tränenden Augen , Gott wird diese menschenfreundliche Bemühung um mich , an Ihrer Seele belohnen ; glauben Sie nur auch , daß ich es würdig bin .
Ich bemerkte , daß ihre Augen auf meine Hand und das Bildnis meiner Mutter geheftet waren ; -- da sagte ich ihr , es ist meine Mutter , eine Enkelin von Lord David Watson -- und hier , indem ich die andere Hand erhob , ist mein Vater , ein würdiger Edelmann in Deutschland ; schon lange sind beide in der Ewigkeit , und bald , bald hoffe ich , bei ihnen zu sein , setzte ich mit gefalteten Händen hinzu .
Die Dame weinte , und sagte dem Geistlichen , er sollte meinen Puls fühlen ; er tat es , und versicherte , daß ich sehr übel wäre .
Mit liebreichem Eifer sah sie um sich , und fragte , ob ich nicht weggebracht werden könnte .
-- Nicht ohne Lebensgefahr , sagte der Geistliche -- ach das ist mir leid , sprach die liebe Dame , indem sie mir die Hand drückte .
Sie ging hinaus , und der Geistliche fing an mit mir zu reden ; ich sagte ihm kurz , daß ich aus einer edlen Familie stammte , und durch den schändlichen Betrug einer falschen Heirat aus meinem Vaterlande gerissen worden sei ; Myladi Summers , unter deren Schutz ich gestanden , könnte Ihnen Zeugnisse von mir geben .
Ich hieß ihn zugleich die Papiere nehmen , welche ich an sie geschrieben hatte , und die hinter einem Bette lagen .
Ich setzte selbst ohne sein Fragen ein Bekenntnis meiner Grundsätze hinzu , und bat ihn , sich mit ihrem Mann in Briefwechsel einzulassen .
Die Dame klopfte an , und kam , mit Maria , der Tochter meiner Wirte , die eine Schachtel trug , zu meinem Bette .
Sie hatte allerlei Labsale und Arzneien darin , wovon sie mir gab .
Die kleine Lidy kam auch herein , und warf sich bei meinem Bette auf die Knie .
Die Dame betrachtete das Mädchen und mich mit zunehmender Traurigkeit .
Endlich nahm sie Abschied , ließ die Maria bei mir , und der Geistliche versprach , den Morgen wieder da zu sein .
Aber er kam den ganzen Tag nicht ; doch wurde zweimal nach mir gefragt .
Ich war diesen Morgen besser als ich gestern gewesen war ; daher schrieb ich Ihnen .
Nun ist_es bald sechs Uhr Abends , und ich werde zusehends schlechter ; meine zitternde ungleiche Schrift wird es Ihnen zeigen .
Wer weiß , was heute Nacht aus mir wird ; ich danke Gott , daß ich sterblich bin , und daß mein Herz mit dem Ihrigen noch reden konnte .
Ich bin ganz gefaßt , und dem Augenblicke nah , wo Glück und Elend gleichgültig ist .
-- Nachts um neun Uhr .
Das letztemal , meine Emilia , habe ich meine schwachen entkräfteten Arme nach der Gegend ausgestreckt , wo sie wohnen .
Gott segne Sie , und belohne Ihre Tugend und Ihre Freundschaft gegen mich !
Sie werden ein Papier bekommen , das Ihr Mann meinem Onkel dem Grafen G. selbst übergeben soll .
Es betrifft meine Güter .
Alles , was von der Familie von P. da ist , soll des Grafen Löbaus Söhnen gegeben werden .
Ihr Schwager , der Amtmann , hat das Verzeichnis davon .
Was ich von meinem geliebten Vater habe , davon soll die Hälfte zu Erziehung armer Kinder gewidmet sein .
Einen Teil der anderen Hälfte gebe ich Ihren Kindern und meiner Freundin Rosina .
Von dem anderen Teil soll meinen armen hiesigen Hauswirten tausend Taler , und der unglücklichen Lidy auch so viel gegeben , von dem Überrest aber , mir zu den Füßen der Grabmäler meiner Eltern , ein Grabstein errichtet werden , mit der simplen Aufschrift :
Zum Andenken ihrer nicht unwürdigen Tochter , Sophia von Sternheim -- Ich will hier unter dem Baume begraben werden , an dessen Fuß ich dieses Frühjahr oft gekniet , und Gott um Geduld angefleht habe .
Hier , wo mein Geist gemartert wurde , soll mein Leib verwesen .
Es ist auch mütterliche Erde , die mich decken wird ; bis ich einst in verklärter Gestalt unter den Reihen der Tugendhaften treten , und auch Sie , meine Emilia , wiedersehen werde .
Rette indessen , o meine Freundin , rette mein Andenken von der Schmach des Lasters !
Sage : daß ich der Tugend getreu , aber unglücklich , in den Armen des bittersten Kummers , meine Seele voll kindlichen Vertrauens auf Gott , und voll Liebe gegen meine Mitgeschöpfe ihrem Schöpfer zurückgegeben , daß ich zärtlich meine Freunde gesegnet , und aufrichtig meinen Feinden vergeben habe .
Pflanzen Sie , meine Liebe , in Ihrem Garten eine Zypresse , um die ein einsamer Rosenstock sich winde , an einem nahen Felsstein .
Weihen Sie diesen Platz meinem Andenken ; gehen Sie manchmal hin ; vielleicht wird es mir erlaubt sein , um Sie zu schweben , und die zärtliche Träne zu sehen , mit der Sie die abfallende Blüte der Rose betrachten werden .
Sie haben auch mich blühen und welken gesehen ; nur das letzte Neigen meines Hauptes und den letzten Seufzer meiner Brust entzog das Schicksal Ihrem Blick . --
Es ist gut , meine Emilia ; du würdest zu viel leiden , wenn du mich sehen könntest . --
Der Grund meiner Seele ist lauter Ruhe ; ich werde sanft einschlafen , denn das Verhängnis hat mich müde , sehr müde gemacht .
Lebe wohl , beste freundschaftliche Seele ; laß deine Tränen um mich ruhig sein , wie die , die um dich in meinen trüben Augen schwimmen . -- --
Lord Seymour an Doktor T. O Gott , warum hindert Ihre Krankheit Sie , mich auf zweien Tage zu sehen !
Ich bin dem Unsinn und der Wut ganz nahe .
Mein Bruder Rich , den Sie noch aus dem Hause des ersten Gemahls meiner Mutter kennen , ist mit aller seiner stoischen Philosophie , durch eben den Streiche zur Erde gedrückt .
In zweien Tagen reisen wir in die schottischen Bleigebirge , um -- o tötender Gedanke ! um das Grab des ermordeten Fräuleins von Sternheim aufzusuchen , und ihren Körper in Dumfries prächtig beerdigen zu lassen .
-- Wie konntest du , ewige Vorsicht , wie konntest du dem verruchtesten Bösewicht das Beste , so du jemals der Erde gabst , Preis geben ?
Meine Leute machen Anstalten zu unserer Reise ; ich kann nichts tun ; ich ringe meine Hände wie ein tobender Mensch , und schlage sie tausendmal wider meine Brust und meinen Kopf .
Derby , der Elende ! hat die Frechheit zu sagen , um meinet Willen , aus Eifersucht über mich habe er das edelste , liebenswürdige Geschöpfe betrogen , unglücklich gemacht , und getötet .
Er beheult es nun , der wütende Hund , er beheult es .
Seine Ruchlosigkeit hat ihn an den Rand des frühen Grabes geführt , vor welchem er zittert , und das ihn vor der Rache schützt , die ich an ihm ausüben würde .
Hören Sie , mein Freund , hören Sie das Fürchterlichste , so jemals der Tugend begegnete , und das Ärgste , so jemals die Bosheit ausüben konnte .
-- Sie wissen , daß ich vor vier Monaten krank mit Mylord Crafton nach England zurück kam , und gleich zu meiner Frau Mutter nach Seymour-House ging , dem Übel meines Körpers und meiner Seele nachzuhängen .
Ich fragte endlich nach Derby , jetzt Lord N. , man sagte mir , daß er auf seinem Landhause zu Windsor krank liege .
Ich wollte seine und meine Genesung abwarten ; aber etliche Tage nach meiner Frage um ihn , ließ er mich zu sich bitten .
Ich war nicht wohl , und schlug es ab .
Einige Tage hernach reiste ich zu meinem Bruder Rich , den ich freundschaftlich eben so finster fand als ich es selbst war .
Die brüderliche Vertraulichkeit wurde ohnehin schon durch die fünfzehn Jahre gehindert , die er älter ist als ich , und seine trockene Stille munterte mich nicht auf , eine Erleichterung bei ihm zu suchen .
Wir brachten vierzehn Tage hin , ohne von was anders als unseren Reisen , und auch dieses nur abgebrochen , zu reden ; bis wir endlich in einer Minute zur offenherzigen Sprache kamen , da ein Kammerdiener von Lord N. einen Brief an mich brachte , worin er mich bat , mit Lord Rich zu ihm zu kommen , in einer Sache , welche des Fräulein Sternheim beträfe ; ich sollte dem Lord Rich nur sagen , daß es die Dame wäre , welche Er bei Lady Summers gesehen , und welche von da entführt worden sei .
Ich fuhr wie aus einem schreckenden Traume auf , und schrie nur dem Kerl zu , ich würde kommen .
Meinen Bruder packte ich beim Arme , und fragte ihn auf eine hastige Art nach der jungen Dame , die er in Summerhall gesehen .
Mit Bewegung fragte er : ob ich sie kenne , und was ich von ihr wisse ? --
Ich zeigte ihm das Billet , und erzählte ihm kurz von allem , was das ewig teure geliebte Fräulein anging ; Eben so kurz , so unterbrochen , erzählte er , wie er sie gesehen und geliebt hätte ; ging , mir ein Bildnis von ihr zu holen , und konnte mir nicht genug von ihrem Geiste , von ihren edlen Gesinnungen , von der Traurigkeit , womit sie beladen gewesen , sagen , besonders zur Zeit da Derbys Heirat mit Lady Alton bekannt worden .
Wir waren bald entschlossen , abzureisen , und kamen in Windsor an ; Lord Rich tiefsinnig aber gesetzt ; ich voll Unruhe , voller Vorsätze und Entschlüsse .
Schauer und Hitze eines wütenden Fiebers befielen mich beim Eintritt in Derbys Haus .
Mein Haß gegen ihn war so aufgebracht , daß ich seines elenden Ansehens und der sichtbaren Schwachheit , die ihn im Bette hielt , nicht achtete .
Mit stummer Feindseligkeit sah ich ihn an ; er heftete seine erstorbenen Augen mit einem fiehenden Blick auf mich , und streckte seine abgezehrte rotbrennende Hand gegen mich .
" Seymour , sagte er , -- ich kenne dich ; aller Haß deines Herzens liegt auf mir ; -- aber du weist nicht , wie viel wütende Szenen in dieser Brust wegen dir entstanden sind . "
Ich hatte ihm meine Hand nicht gegeben , und sagte mit Widerwillen und trotzigem Kopfschütteln :
Ich weiß keinen Anlaß dazu als die Ungleichheit unserer Grundsätze .
Derby antwortete : Seymour ! diesen Ton hättest du nicht wenn ich gesund wäre , und der Stolz , mit dem du von deinen Grundsätzen sprichst , ist ein eben so großes Vergehen , als der Missbrauch , den ich von meinen Talenten machte .
Lord Rich fiel ein : daß von allem diesen die Frage nicht sein könnte , und daß Lord Derby nur Nachricht von der entführten Dame geben möchte .
" Ja , Lord Rich , Sie sollen sie haben , sagte er ; es liegt mehr Menschlichkeit in Ihrer Kälte , als in Seymours kochender Empfindlichkeit .
Er mag Ihnen sagen , was in der ersten Zeit unserer Bekanntschaft mit dem Fräulein von Sternheim vorging .
Wir liebten sie beide zum Unsinn ; aber ich bemerkte zuerst ihren vorzüglichen Hang für ihn , und wandte alles an , ihn zu zerstören .
Durch Verstellung und Ränke gelung es mir , sie unter der Verfolgung des Fürsten und der dummen Bedenklichkeit des Seymours , durch eine falsche Vermählung in meine Gewalt zu bekommen .
Aber mein Vergnügen dauerte nicht lange ; ihr zu ernsthafter Charakter ermüdete mich , und ihre geheime Neigung gegen Seymour regte sich , so bald nur meine Gedanken im geringsten von den ihrigen entfernet waren .
Die Eifersucht machte mich rachgierig , und die Veränderung meiner Umstände , durch den Tod meines Bruders , gab mir Anlaß sie auszuüben .
Ich verließ sie ; doch reute es mich wenige Tage hernach , und ich schickte nach dem Dorfe , wo sie sich aufgehalten hatte , aber sie war fort .
Lange wußte ich nichts von ihr , bis ich sie in England bei der Tante meiner Lady fand , wo ich sie nicht lassen konnte , und entführen ließ .
Es jammerte mich ihrer schon damals , aber es war kein anders Mittel .
-- Mein Missvergnügen mit der Lady Alton brachte die Sternheim in meine Erinnerung zurück .
Ich dachte : sie ist mein , und um von dem elenden Leben im Gebirge loszukommen , wird sie gern in meine Arme eilen .
Ich dachte es um so mehr , als ich wußte , daß sie mein , von der Nancy Hatton zurückgelassenes Mädchen liebreich besorgte und erzog ; ich schrieb es einer Art Neigung zu , und schickte ihr darauf mit angenehmen Vorschlägen meinen vertrauten Kerl ab ; aber sie verwarf alles mit äußerstem Stolz und Bitterkeit .
-- Hier hielt er mit Stocken und Bewegung inne , sah bald mich , bald den Lord Rich an , bis ich mit stampfenden Füßen und mit Schreien den Verfolg seiner Erzählung forderte . --
Seymour ! --
Rich ! --
sagte er mit tiefem traurigen Ton , mit ringenden Händen und stotternd , o wäre ich elender selbst hin , und hätte ihre Vergebung und Liebe erflehet ; Mein Kerl , der Hund wollte sie zwingen zurück zu gehen . --
Er wußte , wie glücklich mich ihre Gesellschaft gemacht hätte -- er sperrte sie in ein altes verfallenes Gewölbe , worin sie zwölf Stunden lag , und -- aus Kummer starb .
-- Sie starb -- schrie ich , Teufel !
Unmensch ! und du lebst noch nach diesem Mord ?
-- Du lebst noch ? --
Lord Rich sagt , ich hätte die Stimme und das Ansehen der Rasern gehabt .
Er fiel mir in die Arme , und riß mich weg in ein anderes Zimmer , lange brauchte er , mich zu besänftigen und zu dem Versprechen zu bringen , daß ich nicht reden wollte . --
Er sagte :
Derby liegt auf der Folter der Reue und der Erinnerung unwiederbringlicher übel verwendeter Lebenstage , willst du deine Hand an den Gegenstand des göttlichen Gerichts legen ?
Glaube , mein Bruder , aber unser Schmerz ist süß gegen die Pein seiner Seele .
-- Mein Herz blutet über das unglückliche Schicksal der Sternheim ; aber die Tugend und die Natur rächet sie an ihrem Verfolger ; laß mich ihn , ich bitte dich , noch fragen , was er von uns gewollt hat ; überwinde dich , sei großmütig , sei auch gegen das unglückliche Laster mitleidig ! --
Ich versprach_es ihm , wollte aber bei der Unterredung zugegen sein . --
Der elende Mensch heulte , da wir wieder zu ihm kamen , und forderte , daß wir nach Schottland reisen , den Körper des Engels ausgraben lassen , und ihn in einem zinnernen Sarg zu Dumfries beisetzen lassen sollten .
Zwei tausend Guineen will er auf ihr Grabmal verwenden , worauf die Beschreibung ihrer Tugenden und ihres Unglücks neben den Merkmalen seiner ewigen Reue aufgezeichnet werden soll .
Er bat uns , nach D. Bericht davon zu geben ; übergab uns alle Briefe , die er über sie an seinen Freund B. geschrieben hatte , und flehte uns , ihm zu schwören , daß wir unverzüglich abreisen wollten , damit er noch den Trost erleben möchte , daß dem Andenken der edelsten Seele eine öffentliche Ehrenbezeugung widerfahren sei . --
Lord Rich redete ihm hierauf wenige pathetische Worte zu , und ich bezwang meinen mit der Wut kämpfenden Kummer ; wir reisten sogleich ab ; -- Morgen gehen mir nach Dumfries . --
Was für eine Reise ! -- o Gott , was für eine Reise ! --
Lord Rich aus den Bleigebirgen an Doktor T. Ich glaube , Sie kennen mich nicht mehr , aber die starke Seite meiner Seele ist mit der Ihrigen verwandt , und Seymour ist mein Bruder .
Von diesem und von dem Gegenstand seiner Schmerzen soll ich ihnen reden .
Wir kamen heute Abend hier an ; unsere Reise war traurig , und jeder nähernde Schritt zu dieser Gegend beklemmte unser Herz .
Die ganze Erde hat keinen Winkel mehr , der so elend , so rauh sein kann , wie der Zirkel um diese Hütte .
Mit Grausamkeit hat das Schicksal in dieser Landschaft dem Boshaftesten unter allen Menschen die Hand geboten , die empfindsamste Seele zu martern .
Wenn ich an die edle kindliche Bewegung ihres Herzens denke , die sie bei den Schönheiten der Natur gegen ihren Schöpfer zeigte , so fühle ich das Maß des Leidens , so diese unfruchtbare Steine für sie enthielten ; -- und die Hütte , worin sie eine so lange Zeit wohnte , ihre arme Lagerstätte , wo sie den edelsten Geist aushauchte , der jemals eine weibliche Brust belebte . --
O Doktor ! selbst Ihr theologischer Geist würde , wie mein philosophischer Mut , in Tränen ausgebrochen sein , wenn Sie dieses , wenn Sie den Sandhügel gesehen hätten , der an dem Fuße eines einsamen mageren Baums die Überbleibsel des liebenswürdigsten Frauenzimmers bedeckt .
Der arme Lord Seymour sank darauf hin , und wünschte seine Seele da auszuweinen und neben ihr begraben zu werden ; ich mußte ihn mit unseren zweien Leuten davon wegziehen .
Im Hause wollte er sich auf ihr Sterbebette werfen ; ich ließ es aber wegnehmen , und führte ihn auf den Platz , wo die Leute sagen , daß sie meistens gesessen wäre ; da liegt er seit zwei Stunden , unbeweglich auf seine Arme gestützt , sieht und hört nichts .
Die Leute scheinen mir keine guten Leute zu sein ; ich fürchte , sie haben ihre Hände auch zu dem Einkerkern geboten .
Sie sehen scheu aus ; sie beredeten sich schon etlichemal vor der Hütte allein , haben auf meine Fragen nach der Dame , kurz und verwirrt geantwortet , und waren sehr betroffen , wie ich sagte , das Grab müßte Morgen geöffnet werden .
Ich zittre selbst davor ; ich befürchte Merkmale eines gewaltsamen Todes zu finden .
Was würde da aus meinem Bruder werden ?
Ich sage nichts von mir selbst ; ich verberge meinen Jammer um Seymours seinen nicht zu vergrößern , aber gewiß hat die Angst des Untergangs in einem Sturm , und die Qual eines lechzenden Durstes in den sandigen Gegenden von Asien , meine Seele nicht so heftig angegriffen , als der Gedanke an den Leiden dieses weiblichen Engels .
Mein Bruder ist aus Mattigkeit eingeschlafen , er liegt auf den Kleidern unserer Leute , die sie auf den Boden gebreitet haben ; immer fährt er auf , und stößt ächzende Seufzer aus ; doch beruhiget mich unser Wundarzt wegen seiner Gesundheit .
Ich kann nicht schlafen , der morgende Tag quält mich voraus ; ich sammle Mut , um Seymourn zu stützen , aber ich bin selbst wie ein Rohr , und ich fürchte , bei dem Anblick dieser Leiche , mit ihm zu sinken .
Denn ich liebte sie nicht mit der jugendlich aufwallenden Leidenschaft meines Bruders ; meine Liebe war von der Art Anhänglichkeit , welche , ein edeldenkender Mann für Rechtschaffenheit , Weisheit , und Menschenliebe fühlt .
Niemals habe ich Verstand und Empfindungen so moralisch gesehen als beide in mir waren ; niemals das Große mit einem so richtigen Maß wahrer Würde , und das Kleine mit einer so reizenden Leichtigkeit behandeln gesehen .
Ihr Umgang hätte das Glück eines ganzen Kreises geistvoller und tugendliebender Personen gemacht ; -- und hier mußte sie unter aufgetürmten Steinen , bei eben so gefühllosen Menschen , unter der höchsten Marter des Gemüts , ihren schönen Geist aufgeben !
O Vorsicht !
du siehst die Frage , welche in meiner Seele schwebt ; aber du siehst auch die Ehrerbietung für das unergründliche deiner Verhängnisse , welche ihren Ausdruck zurück hält !
-- Fortsetzung den zweiten Tag .
Doktor -- Menschenfreund ! nehmen Sie Teil an unserer Freude .
Der Engel , Sternheim , lebt noch .
Eine göttliche Schickung hat sie erhalten .
Seymour weint Tränen der Freude , und umfaßt die armen Wirte dieser Hütte unaufhörlich .
Vor einer Stunde schleppten wir uns bleich , traurig , mit einer toten Stille gegen den kleinen Garten , wo man uns gestern das Grab gewiesen hatte .
Der Mann und sein Sohn gingen unentschlossen und mit einem merklichen Widerwillen mit uns .
Als wir nahe an der Stelle des Sandhügels waren , und ich den Leuten kurz sagte -- grabt auf -- sank mein Bruder an meinen Hals , und umfaßte mich , indem er mit Schmerz , o Rich ! ansrief , und seinen Kopf auf meiner Achsel verbarg .
Diese Bewegung von ihm , just da die erste Schaufel voll Sand durch einen meiner Leute vom Grab gehoben wurde , durchbohrte meine Seele ; ich schloß meine Arme um ihn , und erhob meine Augen zum Himmel , um Stärke für ihn und mich zu erflehen .
Den nämlichen Augenblick aber , fielen Mann , Frau , und Sohn vor uns auf die Knie , und baten um unseren Schutz .
Ich geriet in die äußerste Bestürzung , weil ich mich vor der Entdeckung eines an der Dame verübten Mords fürchtete . --
Leute ! was wollt ihr , was soll euer Rufen um Schutz ?
" Wir haben unseren Lord betrogen , riefen sie ; die Frau ist nicht gestorben , sie ist fort . " -- wohin , Leute , wohin , rief ich ; betrügt ihr uns nicht ? -- " Nein , guter Lord , sie ist bei des Grafen Hoptons Schwester ; diese hat sie zu sich genommen , und gesagt , wir sollten dem Lord melden , sie wäre tot ; wir hatten die Frau lieb , und ließen sie gehen ; aber wenn es nun der Lord erfährt , so wird er Rache an uns nehmen .
Seymour umarmte den Mann mit lautem Freudengeschrei , und sagte , o mein Freund , du sollst mit mir kommen , ich will dich beschützen und belohnen .
Wo ist der Graf Hopton ? wie ist dies zugegangen ? -- Rich -- lieber Bruder , Rich , wir wollen gleich abreisen . --
Ich versicherte ihn , daß ich eben so begierig sei , wie er , die Dame selbst zu sehen ; er solle Anstalten zur Reise machen , ich wollte indessen mit den Leuten reden .
Ich beruhigte sie mit dem Versprach , daß der Lord sie für ihre Liebe zu der Frau selbst belohnen würde ; denn er habe gar nicht gerne gehört , daß John so übel mit ihr umgegangen sei ; dabei gab ich ihnen eine Handvoll Guineen , und fragte sie nach dem Leben und Bezeugen der Dame .
O Doktor ! wie viel Glanz breitete die einfache abgekürzte Erzählung dieser Leute über die Tugend meiner Freundin aus !
Gestern murrte ich über ihr hartes Schicksal ; und jetzt möchte ich der Vorsicht für das edle Beispiel danken , welches sie den übrigen Menschen durch die Prüfung dieser großen Seele gegeben hat .
Tief , unauslöschlich sind die Züge ihres Charakters in mein Herz gegraben ! --
Wir reisen ab .
Am Fuße des Berges schickte ich einen meiner Leute an Lord Derby , mit der für ihn gewiß trostvollen Nachricht .
Denn da er sich dem Zeitpunkt nähert , wo man alles versäumte Gute möchte einholen , und alles verübte Böse auslöschen können :
so muß es eine Erquickung für ihn sein , die Summe seiner Vergehungen , um ein so großes vermindert zu sehen .
Madam Leidens an Emilia .
Tweedale , Sitz des Grafen von DouglaßMarch .
Ich schreibe auf meinen Knien , um meine Dankbarkeit gegen Gott für das entzückende Gefühl von Freiheit , Leben und Freundschaft in kindlicher Demut auszudrücken .
O meine geliebte , meine teure Freundin ! durch wie viel Schmerzen bin ich gegangen , und wie sehr erfreut es mich , Ihren Kummer und die Sorgen meiner Lady Summers endigen zu können .
Morgen schickt die Gräfin Douglas einen Kurier an meine Lady ; dieser wird auch gleich mit einem Paket an Ihren Mann nach Harwich abgehen , um ja Ihre Unruhe nicht einen Augenblick zu verlängern .
Die Auszüge von meinen mit Reisblei geschriebenen Papieren werden Ihnen zeigen , wie hart und dornig der Weg war , welchen ich in dem letzteren Jahre zu gehen hatte .
Aber wie angenehm ist mir der Ausgang davon geworden , da ich von der Hand der leutseligsten Tugend daraus geführt wurde !
Ist dieses nicht die Probe , daß ich mich in den Tagen meiner Prüfung der Vorsorge Gottes nicht unwürdig machte , weil sie eine der edelsten Seelen zu meiner Hilfe schickte ? --
Auf meinem letzten Blatte glaubte ich die letzte Nacht meines Lebens angebrochen zu sehen , und dachte auch , von der Gräfin Douglas verlassen , zu sterben ; aber um elf Uhr kam der Geistliche mit einem Wundarzt , und Morgens darauf ein von zwei Pferden getragenes Bette mit der Lady Douglas selbst , die mir auf die liebreichste Art ihr Haus , ihre Vorsorge und Freundschaft anbot .
Bald wäre mir das Übermaß meiner Freude schädlich geworden ; denn indem ich der Lady Hand an meine Brust drückte , und von meinem Dank und von meiner Freude sprechen wollte , sank ich zurück ; als ich erwachte , baten sie mich ruhig zu bleiben , und sagten , daß sie mit meinen Wirten verabredet hätten , sie sollten ein Grab im Garten aufwerfen , und dem Lord Derby wissen lassen , ich wäre tot ; die Leute wären es zufrieden , und sie wollte mich nun in des Grafen von Hoptons Haus bringen .
Nachmittags um vier Uhr fühlte ich mich stark genug , um aufzustehen , Molly kleidete mich in Gegenwart der Lady Douglas an ; ich nahm die fünf Guineen , so ich bei mir hatte , und machte sie zusammen , um sie meinen Wirten zu geben .
Den Augenblick als ich aufstand , der Lady eine Bitte wegen der guten Waise zu machen , kroch die arme kleine Lidy auf ihren Knien herein , und bat mit Schluchzen und aufgehobenen Händchen , ich sollte sie doch mitnehmen ; innig gerührt sah ich sie und die Lady an , welche nach einem Augenblick Nachdenken , dem Mädchen die Hand bot , und mit mitleidiger Stimme sagte : " Ja , meine kleine , du sollst auch mit kommen . "
Gott segne Sie , teure Lady , sagte ich , für ihre großmütige Menschenliebe ; ich wollte Sie um Erlaubnis bitten , dieses unschuldige Opfer auch zu retten .
" Gerne , antwortete sie , sehr gerne , es erfreut mich , daß Sie so zärtlich für sie sorgen . "
Ich umarmte meine weinende Wirte mit Tränen , sah noch seufzend mich in der traurigen Gegend um , und reiste mit der Lady ab .
Graf Hopton empfing mich mit vieler Höflichkeit ; aber seine Blicke durchspürten zugleich meine ganze Person mit einem Ausdruck , als ob er abwägen wollte , ob ich mehr die Nachstellungen meines Liebhabers oder des Mitleidens einer tugendliebenden Dame verdiente .
Eine Bewegung seiner Augen von Betrachtung der Lady auf mich , machte mich erröten , und dieses ihn lächeln ; ich erriet , daß er mich für ihre Mutter hielt , und empfand die Verringerung seiner für mich vorteilhaft gefaßten Begriffe .
Lady Douglas führte mich in ein artiges Zimmer , und hieß mich zu Bette gehen ; Molly war dabei und fragte die Dame , wo die kleine Lidy hin sollte ? -- Hierher , sagte Lady Douglas , denn Sie werden die kleine am liebsten bei sich haben , und es gefällt mir sehr , daß Sie auch im Unglück den Pflichten der Natur getreu geblieben sind . "
Beste Lady , fiel ich ein , Sie - - - - Keine Unruhe meine liebe , sprach sie mit lebhaftem aber liebreichem Tone , legen Sie sich , ich komme dann zurück , aber von allem unangenehmen Vergangenen sollen Sie nicht reden " -- und damit ging sie weg . --
Ich warf mich aufs Bette mit der traurigen Betrachtung , daß ich den ersten freien Atemzug durch Erduldung eines widrigen Urteils bezahlen müsse .
Ich wollte diese Begriffe keine Wurzeln in der Lady Douglas fassen lassen , und verlangte Schreibzeug und Papier .
Ich schrieb den anderen Tag der Lady die Erklärung ihrer Zweifel wegen der kleinen Lidy , und zeigte die Beweggründe an , warum ich mich des Kindes angenommen hätte .
Ich bat sie daneben mir bald Gelegenheit zu geben , Nachrichten an Lady Summers gelangen zu lassen ; denn durch diese Dame würde sie auch überzeugt werden , daß alles was ich ihr sagte , die Wahrheit sei , und daß sie ihre bisherige Güte für mich nicht zu bereuen haben würde .
Sie konnte die drei Blätter kaum gelesen haben , so kam sie zu mir , und bat mich gleich beim Eintritt in das Zimmer , ihr die Unruhe zu vergeben , die sie mir gemacht hätte ; aber es wäre nicht leicht möglich gewesen bei einer fremden Person einen solchen Grad von Liebe und Sorge für das Kind eines Feindes zu denken , und ich könne glauben , daß , da sie mich wegen meiner vermahnten Muttertreue geliebt habe , sie mich wegen meiner großmütigen Liebe gegen das Blut meines unwürdigen Verfolgers desto mehr liebe und bewundere .
Zwei Stunden redete sie mit mir von vielen Sachen in einem feinen zärtlichen Tone fort .
Die teure Lady besitzt eine bei den Großen seltene Eigenschaft ; sie nimmt Anteil an den Leiden der Seele , und sucht mit der edelsten feinsten Empfindung Trostworte und Hilfsmittel aus .
In den Zeiten meines ehemaligen Umganges mit der großen glücklichen Welt beobachtete ich , daß ihr Mitleiden meistens für äußerliche Übel , Krankheiten , Armut u. s. w. in Bewegung kam ; Kummer des Gemüts , Schmerzen der Seele , von denen man ihnen redete oder die sie verursachten , machten wenig Eindruck , und brachten selten eine anteilnehmende Bewegung hervor . --
Aber sie werden auch selten gewöhnt , an den innerlichen Wert oder die wahre Beschaffenheit der Sachen zu denken ; durch äußerlichen Glanz verblenden sie und werden verblendet .
Witz hat die Stelle der Vernunft , eine kalte gezwungene Umarmung heißt Freundschaft , Pracht und Aufwand , Glück - - - - O mein Kind , sollte ich jemals wieder diesem Kreise mich nähern , so will ich mit einiger Sorge alles vermeiden , was mich in den Stufen meiner Erinnerung und meines Unglücks an den Großen und Glücklichen schmerzte .
Die Gräfin Douglas nimmt die kleine Lidy zu sich ; sie sagt , ich hätte genug für das Kind getan , und es solle Niemand mehr Anlaß haben , die Übung der größten Tugend als die Folge eines Fehltritts zu beurteilen ; am allerwenigsten aber Derby auch nicht vermuten können , daß eine Anhänglichkeit für ihn auf irgend eine Weise Ursache an meinem Mitleiden gewesen sei .
Ich sah alles Edle ihrer Beweggründe und dankte ihr zärtlich , daß sie mich nicht nur für künftigen falschen Beurteilungen schützte , sondern auch der Belästigung des Lobs enthöbe , das man meiner sogenannten Großmut noch einmal geben könnte .
Meine Briefe an Lady Summers hat die Gräfin gelesen ; sie wollte es nicht tun , um mich von ihrem Vertrauen in mich zu überzeugen .
Die Briefe an Sie habe ich ihr durchgeblättert , weil sie aber ganz deutsch sind , so hätte die Übersetzung viele Zeit gekostet ; ich redete ihr also kurz von dem Inhalt eines jeden Blattes ; denn ich eilte zu sehr Ihnen Nachrichten zu geben , und gerne schlüpfte ich über das Gute darin hinweg , weil mich dünkte , daß das Vergnügen mich loben zu hören die Summe meiner innerlichen Zufriedenheit vermindert .
Möchte ich doch bald Nachrichten von Lady Summers haben , und zu ihr reisen können , um mich bald , bald in die Arme meiner Emilia zu werfen .
Mein Enthusiasmus für England ist erloschen ; es ist nicht , wie ich geglaubt habe , das Vaterland meiner Seele . - - Ich will auf meine Güter , einsam will ich da leben und Gutes tun .
Mein Geist , meine Empfindungen für die gesellschaftliche Welt sind erschöpft ; ich kann ihr auch zu nichts mehr gut sein , als einigen Unglücklichen eine kleine Lehrschule von Ertragung widriger Schicksale zu halten .
In Wahrheit , es ist bei der neu erheiterten Aussicht in meine künftigen Tage einer der ersten Wünsche meiner Seele gewesen , daß bei jedem Anbau eines jungen Herzens diejenigen Samenkörner meiner Erziehung eingestreut würden , deren erquickende Früchte in der Zeit meiner härtesten Leiden reif wurden , die mein anfängliches Murren besänftigten , und mir die Stärke gaben , alle Tugenden des Unglücklichen auszuüben .
Mein erneuertes Gefühl der Schönheiten unserer physikalischen Welt kann ich ihnen unmöglich in seiner Stärke beschreiben ; es war groß , mannigfaltig , wie die schöne Aussicht dieses Edelsitzes , wo man über einen jähen Absturz an dem Flusse Tweda die fruchtbarsten Hügel von ganz Schottland übersieht , die von Schafen wimmeln .
Die Sehkraft meiner Augen dünkt mich vervielfältigt , wird verfeinert , so wie sie mich in den Bleigebirgen vermindert und stumpf gemacht dünkte . Können nicht , meine Emilia , alle Kräfte meiner Seele wieder so aufleben wie das Gefühl für die wohltätigen Wunder der Schöpfung , und das von der frohen Hoffnung , die Freundin meines Herzens bald wieder zu umarmen ? --
Lord Rich , von Tweedale , an Doktor T .
Wenn es billig ist , daß der Stärkere nicht nur seine eigene volle Last , sondern auch die Bürde des Schwächeren trage , so erfülle ich meine Pflicht , indem ich nicht nur unter dem gehäuften Maß meiner Empfindungen seufze , sondern auch das überströmende Gefühl von meinem Bruder zusammen fassen muß .
Meine Briefe an Sie sind die Stütze , die meine Seele erleichtert .
Seymour sitzt wirklich zu den Füßen des Gegenstandes meiner Wünsche ; ich entfernte mich ; ihre Augen sagten mir zwar , daß sie mich gerne bleiben sähe ; aber mein Bruder hielt ihre Hand , sein Herz fühlte den sanften Druck , den die ihrige ihm vielleicht ohne ihr Wissen gab ; das einige fühlte ich auch , und dieses Gefühl hieß mich gehen .
Zwei Tage sind_es , daß wir hier angekommen .
Sechs Pferde machten Aufsehen im Schloßhofe , und die Bedienten liefen zusammen ; mein Bruder warf sich vom Pferde und rief :
ist die Gräfin Douglas mit der Lady aus den Bleigebirgen hier ? --
Auf die Antwort Ja zog er mich am Arm mit einem eifrigen kommen Sie , Bruder , kommen Sie .
Wen muß ich melden ? --
rief ein Diener ; Lord Rich , Lord Seymour rief mein Bruder hastig , und eilte dem Kerl nach , der kaum klopfen konnte , als wir schon in der Türe waren .
Die Gräfin Douglas saß der Türe gegen über ; Lady Sternheim aber mit dem Rücken gegen uns , und las der Dame etwas vor .
Seymours Eindringen , und das eilende Rufen des Bedienten , wer wir wären , machte die Gräfin stutzen und meine englische Freundin den Kopf wenden .
Sie fuhr mit Schrecken zusammen -- O Gott , rief sie , und ließ das Buch auf die Erde fallen , als Seymour sich zu ihren Füßen warf ; O die ehrlichen Leute -- sie lebt -- O mein göttliches , mein angebetetes Fräulein Sternheim ! rief er mit ausgestreckten Armen .
Sie sah halb außer sich ihn und mich an , wendete aber den Augenblick den Kopf weg , und ließ ihn auf ihren zitternden Arm sinken -- Die Gräfin Douglas sah mit Staunen hin und her , ich mußte reden -- aber mein erstes war auf die Sternheim zu zeigen .
Teure Gräfin unterstützen Sie den Engel den Sie bei sich haben !
Ich bin Lord Rich , hier ist Lord Seymour -- Die Gräfin hatte sich eilends meiner Freundin genähert , die ihre beiden Armen um sie schlug und ihr Gesicht einige Minuten an der Gräfin Busen verbarg .
Seymour konnte dieses Abwenden ihres Gesichts nicht ertragen , und rief in vollem Schmerzen aus -- O mein Onkel , warum mußte ich meine Liebe verbergen !
Alle Qual , alle Zärtlichkeit meines Herzens kann mich nun nicht vor dem Widerwillen schützen , den mir meine Nachlässigkeit zuzog ! -- o Sternheim , Sternheim ! was soll aus mir werden , wenn ich in dem Augenblicke der Freude , sie wieder gefunden zu haben , Ihren Unmut auf mir liegen sehe ?
Gönnen Sie mir , o , gönnen Sie mir nur Einen gütigen Blick .
-- Mit dem Anblick eines Engels und der ganzen Würde der sich fühlenden Tugend , richtete Lady Sternheim sich auf , reichte errötend meinem Bruder die Hand , und mit gedämpfter Stimme sagte Sie : stehen Sie auf , Lord Seymour , ich versichere Sie , daß ich nicht den geringsten Unmut über Sie habe ; und , seufzend setzte sie hinzu , wo wäre mein Recht dazu gewesen ?
-- Feurig zärtlich küßte er ihre Hand ; meine Augen sanken zur Erde ; aber sie näherte sich mir mit freundschaftlichen Blicken , nahm meine Hand : -- Teurer Lord ! was für Freundschaft ! wie haben Sie mich finden können ?
Hat Lady Summers es Ihnen gesagt ? --
was macht sie , meine liebreiche Mutter ? --
Ich küßte die Hand auch , die sie mir gegeben hatte ; Lady Summers ist wohl , antwortete ich , und wird glücklich sein , Sie wieder zu sehen ; aber die Lady Summers hat mich hergeleitet ; Reue und Gerechtigkeit riefen meinen Bruder und mich auf . --
Mit einer erhöhten Gesichtsfarbe fragte sie mich ; ist Lord Seymour Ihr Bruder ? --
Ja , und dies von der edelsten Mutter die jemals lebte .
Sie antwortete mir nur mit einem bedeutenden Lächeln , und wandte sich zur Gräfin Douglas .
Meine großmütige Erretterin , sprach sie , sehen hier zweien unverwerfliche Zeugen der Wahrheit dessen , was ich Ihnen von meiner Geburt und meinem Leben sagte ; ich danke Gott , daß er mich den Augenblick erleben lassen , wo Ihr Herz die Zufriedenheit fühlen kann , daß Ihre Güte für mich nicht verloren ist .
Nein , fiel Seymour ein , niemals lebte eine Seele , welche der Verehrung der ganzen Erde würdiger wäre , als die Dame , welche die Gräfin errettet haben ; so lang ich atmen werde , sollen Sie , edelmütige Gräfin Douglas , den ewigen Dank dieses Herzens haben . --
Mit tränenden Augen drückte er zugleich die Hand der Gräfin an seine Brust .
Ich hatte mich indessen gefaßt , um etwas von unserem Überfall zu erklären .
Einige Minuten waren wir alle stille .
Ich nahm die Hand der Lady Sternheim ; Können Sie , fragte ich , ohne Schaden Ihrer Ruhe und Gesundheit von Ihrem Verfolger reden hören ?
Er ist am Ende seines Lebens , und die größte Sorge seiner Seele windet sich unauf hörlich , um das Andenken Ihrer Tugend und seiner Ungerechtigkeit gegen Sie ; Sein Kummer über Ihren vermeinten Tod ist unaussprechlich ; er hat mich und Lord Seymour zu sich gebeten , und uns schwören lassen , in die Bleigebirge zu reisen , um Ihre Leiche da aufzuheben , und mit allen Zeugnissen Ihrer Tugend und seiner Reue in Dumfries beizusetzen . --
Ich will nicht sagen , wie traurig dieses Amt uns war .
Nachdem wir so lange Zeit vergebens nach Ihnen gesucht hatten , sollten wir Sie tot wieder sehen ! --
Mein armer Bruder und -- ( ich konnte mich nicht verhindern dazu zu setzen )
Ihr armer Freund Rich ! --
Eine Träne zitterte in ihren Augen , indem sie sagte : " Lord Derby ist grausam , sehr grausam mit mir nmgegangen .
Gott vergebe es ihm ; ich will es von Herzen gerne tun -- aber -- sehen kann ich ihn niemals wieder , sein Anblick würde mir tödlich sein . --
Ihr Kopf sank mit ihrer sinkenden Stimme bei den letzten Worten auf ihre Brust .
Mein Seymour fühlte die rührende Verlegenheit dieser reinen Seele , und ging mit sich kämpfend ins Fenster -- Lady Sternheim stand auf und verließ uns ; Seymour und ich sahen ihr bewundernd nach .
Nur in schottische Leinwand gekleidet , war sie reizend schön durch ihren nach dem vollkommensten Ebenmaß gebildeten Wuchs , und den schönsten Anstand in Gang und Bewegung ; und ob sie schon hager und blaß geworden , so war dennoch ihre ganze Seele mit aller ihrer Schönheit und Würde in ihren Zügen ausgedrückt .
Seymour und ich sagten der Gräfin Douglas alles , was die Lady Sternheim anging , und sie erzählte uns hingegen was sie von ihr wußte , seitdem sie die Tochter des Bleiminenknechts zu sich genommen , und wie sie gleich gedacht hätte , diese Person müsse eine edle Erziehung haben , und in einer unglücklichen Stunde von ihrer Bestimmung entfernt worden sein ; zärtliches Mitleiden habe sie eingenommen , besonders da sie ihre Sorge für das Kind gesehen habe , und sie wäre gleich entschlossen gewesen , sie zu sich zu nehmen , wenn sie mit ihrem Bruder zurück ginge ; die Krankheit der Dame hätte es aber früher erfordert .
Sie freute sich ihrem Herzen gefolgt zu haben .
Sie ging hierauf nach ihrem Gast zu sehen , und wir blieben allein .
Gedankenvoll blieb ich sitzen .
Seymour kam , und fiel mir mit Weinen um den Hals ; Rich ! -- lieber Bruder , ich bin mitten im Glück elend , und werde es bleiben . --
Ich sehe deine Liebe und deine Verdienste um sie . --
Ich fühle , daß sie missvergnügt mit mir ist ; -- sie hat Recht , tausend Recht es zu sein -- Sie hat Recht dir mehr Vertrauen , mehr Freundschaft zu zeigen ; aber ich fühle es mit einem tötenden Kummer .
Meine Gesundheit leidet schon lang auf allerlei Weise unter dieser Liebe -- Ich habe sie nun gesehen ; ich werde um ihretwillen sterben , und dies ist mir genug .
Ich drückte ihn mit einer sonderbaren Bewegung an meine Brust , und ich glaube ihm etwas kalt und rauh gesagt zu haben ; Ja , Seymour , du bist im Glück unglücklich , aber andere sind_es ganz ; --
Warum müssen deine Nebenbuhler allezeit mehr Licht sehen als du ? --
Derby hat Recht ; sie zieht dich vor .
Ihr Zurückhalten beweist mir alles was er sagte .
Sei ihrer würdig , und beneide mir ihre Achtung , ihr Vertrauen nicht ! -- " O Rich -- o mein Bruder , ist dieses , kann dieses wahr sein ? betrügt dich deine Leidenschaft nicht , wie mich die meinige ? --
O Gott ! --
ich muß sie erhalten oder sterben -- wer wird für mich reden : wer ?
Ich kann nichts sagen , -- und du ?
Ich will es tun , erwiderte ich , aber heute noch nicht ; wir müssen ihre Empfindlichkeit und geschwächte Gesundheit schonen .
Zu meinen Füßen war er , er umfaßte sie ; Bester , edelster Bruder , rief er , fordre mein Leben , alles , ich kann nicht genug für dich tun !
du willst -- du ! willst für mich reden ?
Gott segne dich ewig , mein treuster , mein gütigster Freund ! " --
Ich will nichts , liebster Seymour , als sei glücklich , sei deines Glücks würdig !
du kennst den ganzen Umfang davon nicht so wie ich ; aber ich gönne , ich wünsche dir es , so groß es ist .
Die Damen kamen zurück ; wir redeten von Tweedale , und unsere Freundin erzählte , wie gerührt sie gewesen , Gottes schöne Erde wieder zu sehen .
Dann sprach sie von ihrer Entführung und ihren ersten Tagen im Gebirge -- Abends gab sie mir ihre Papiere ; ich las sie mit Seymourn durch .
O Freund , was für eine Seele malt sich darin !
Wie unermeßlich wäre meine Glückseligkeit gewesen ! --
Aber ich ersticke meine Wünsche auf ewig .
Mein Bruder soll leben ! --
Seine Seele kann den Verlust ihrer Hoffnungen nicht noch einmal ertragen ; meine Jahre und Erfahrung werden mir durchhelfen .
Seymour muß das Maß der Zufriedenheit voll haben , sonst genießt er nichts , mir reicht ein Teil davon zu , dessen Wert ich kenne .
Schicken Sie uns Seymours Briefe an Sie gleich ; sie müssen gelesen werden , und für ihn reden . von Sternheim an Emilia .
Was wird die Vorsicht noch aus mir machen ?
In widrigen Begegnungen , in den empfindlichsten Erschütterungen aller Kräfte der Seele und des Lebens erhält sie mich .
Gewiß nicht zum Unglück , aber zu jeder möglichen Prüfung .
Allein , o meine Liebe , ganz allein , von Niemand als zuredenden Freunden umgeben , stand ich an meinem Scheideweg .
Lord Derby ist tot -- diese beiliegenden Blätter meines Tagebuchs von Tweedale sagen Ihnen Seymours und Richs Ankunft , und den Ersatz , welchen Derby mir machen wollte .
Gott lasse seine ewigen Tage glücklicher sein , als er die meinigen machte , die ihm hier in seine Gewalt gegeben waren !
Lord Seymour verfolgt mein Herz ; er liebte mich , o meine Emilia , er liebte mich zärtlich , rein , von dem ersten Tage da er mich sah .
Der Stolz seines Oheims , seine Abhänglichkeit von ihm , und eine übertriebene feine Empfindung von Tugend und Ehre wollte , daß er schwieg , bis ich die Versuchungen des Fürsten überwunden hätte .
Sie wissen , was dieses Schweigen mir zuzog ; aber Sie wissen nicht , was Lord Seymour darunter gelitten hatte .
Hier , lesen Sie seine Briefe , mit denen vom Lord Derby , und senden Sie sie mir mit allen den meinen an Sie zurück .
Sie werden bei Derbys Briefen über den Missbrauch von Witz , Tugend und Liebe schaudern .
Hätte ich nicht selbst böse sein müssen , wenn ich seine Ränke hätte argwöhnen sollen ?
Was ist Seymours Herz dagegen ?
Ihren Rat hätte ich gewünscht , durch einen gemeinsamen Geist erhalten zu können .
Die Gräfin Douglas ist eingenommen ; Lord Rich , der edle , unschätzbare Lord Rich , bittet mich seine Schwester zu werden ; Der liebenswürdige Seymour ist täglich zu meinen Füßen !
alle Einwendungen meiner Delicatesse werden bestritten ; und o Freundin meines Herzens , du , die du alle seine Bewegungen von Jugend auf kanntest , dir kann ich , dir will ich es nicht verbergen , daß eine innerliche Stimme mich meine Vermählung mit Lord Seymour als ein von dem Schicksal gegebenes Mittel ergreifen heißt , um meiner unstäten Wanderschaft ein Ende zu machen .
Und war er nicht der Mann , den mein Herz sich wünschte ?
Er weiß es , soll ich nun zurück ?
Lord Rich , fürchte ich , würde an seinen Platz eintreten wollen .
Seymour zeigte mir viele Tage die heftigste zärtlichste Liebe .
Lord Rich hatte lange Unterredungen mit ihm , war aber kalt , ruhig , sah oft tiefdenkend lange mich an , und brachte mich dadurch zu dem Entschluß unverheiratet zu bleiben .
Aber zwei Tage nach Seymours Briefe brachte er mir ein Tagebuch und die noch dabei gelegenen letzten Briefe aus Summerhall in mein Zimmer ; und mit einer rührenden vielbedeutenden Mine trat er zu mir , küßte die Blätter meines Tagebuchs , drückte sie an seine Brust , und bat mich um Vergebung , eine Abschrift davon genommen zu haben , welche er aber mit der Urschrift in meine Gewalt gebe .
Aber erlauben Sie mir , fuhr er fort , Sie um dieses Urbild Ihrer Empfindungen zu bitten ; lassen Sie , meine englische Freundin , mich diese Züge Ihrer Seele besitzen , und erhören Sie meinen Bruder Seymour .
Das Paket seiner Briefe wird Ihnen die unerfahrene Redlichkeit seines Herzens bewiesen haben .
Sie werden ihn durch Annehmung seiner Hand zu dem glücklichsten und rechtschaffensten Mann machen .
Nach einigem Stillschweigen legte er seine Hand auf die Brust , sah mich zärtlich und ehrerbietig an , und fuhr mit gerührtem Ton fort : Sie kennen die unbegrenzte Verehrung , die ewig in diesem Herzen für Sie leben wird ; Sie kennen die Wünsche die ich machte , die nicht aufgehört haben , aber unterdrückt sind .
Ich würde gewiß meine seligsten Tage , sofern es nur Hoffnungstage wären , nicht aufopfern , wenn ich nicht mitten unter der Anbetung , unter dem Verlangen meiner Seele , sagen müßte , und sagen könnte :
Seymour sei Ihrer würdig , er verdiene Ihre Achtung und Ihr Mitleiden . --
Er sah mich hier sehr aufmerksam an , und hielt inne .
Mit einem halb erstickten Seufzer sagte ich :
O Lord Rich ! --
und er fuhr mit einem männlich freundlichen Tone fort : Sie haben die Gewalt , einen edlen jungen Mann in der Marter einer verworfenen Liebe vergehen zu machen ; wenden Sie , beste weibliche Seele , diese Gewalt zu dem Glück einer ganzen Familie an !
Sie können meiner Mutter , einer würdigen Frau , den Kummer abnehmen , Ihre Söhne unverheiratet zu sehen .
Ihre schwesterliche Liebe wird mich glücklich machen , und sie werden alle Ihre Tugenden in einem großen wirksamen Kreis gesetzt sehen ! --
Teurer Lord Rich , antwortete ich gerührt , wie nahe dringen Sie in mich !
Sehen Sie meine Bedenklichkeiten nicht ? --
Ich verbarg mein Gesicht mit meinen Händen ; er schloß mich in seine Arme und küßte meine Stirn .
" Beste , geliebteste Seele , " ja ich kenne ihre feinen Bedenklichkeiten ; " Sie verdienen die vermehrte Anbetung " meines Bruders ; aber Sie sollen den " Bau seiner Hoffnung nicht zerstören .
" Lassen Sie mich , ich bitte Sie , ihm die " Erlaubnis bringen zu hoffen . "
Mit tränenden Augen sah der würdige Mann mich an ; eine Zähre der meinigen fiel ihm auf seine Hand ; er betrachtete sie mit inniger Rührnng ; als aber das anfangende Zittern seiner Hände sich bewegte , so küßte er sie hinweg , und seine Blicke blieben einige Minnten auf die Erde geheftet .
Ich nahm das Original meiner Briefe und des Tagebuchs , und reichte es ihm mit der Anrede : Nehmen sie dieses , würdigster Mann , was Sie das Urbild meiner Seele nennen zum Unterpfand der zärtlichen und reinen Freundschaft ! --
Meine Schwester , fiel er mir ins Wort .
-- Keine List , Lord Rich !
Ich will ohne Kunst werden , was Sie so sehnlich wünschen , daß ich sein möge .
-- Er ließ sich auf ein Knie nieder , segnete mich , küßte meine Hände mit eifriger Zärtlichkeit und eilte weg .
Sagen Sie noch nichts , rief ich ihm nach , ich bitte Sie .
Da war ich und weinte , und entschloß mich Lady Seymour zu werden ; ich bekräftigte diesen Entschluß am Ende eines Gebets an die göttliche Vorsicht .
Nachschrift .
Nun weiß es Lord Seymour .
Seine Entzückungen gehen über die Kräfte meiner Feder .
Meine Gräfin Douglas umarmte mich mütterlich , Lord Rich als ein zärtlicher Bruder .
Der gute Lord Seymour bewacht mich , als ob er besorgte es möchte Jemand meine Entschließung ändern .
Sein Kammerdiener ist an seine Frau Mutter geschickt , welche an Tugend und Geist eine zweite Lady Summers sein muß .
O segnen Sie mich , meine Freunde !
Mein Herz schlägt ruhig .
Wie selig macht eine Entschließung , die von Tugend , Weisheit und Rechtschaffenheit gebilligt wird !
Nun freue ich mich auf die Reise zu dem Grabe meiner Eltern .
Zu den Füßen ihres Leichensteins will ich mit meinem Gemahl knien , und ihren himmlischen Segen auf diese Verbindung erflehen .
Tränen des Danks will ich auf ihre Asche vergießen , für die Liebe der Tugend und der Wohltätigkeit , die sie in meine Seele gossen , und für die Sorge , die sie nahmen , mir richtige Bogriffe von wahrem Glück und Unglück zu geben ! --
Meine Emilia werde ich umarmen , meine Untertanen sehen !
O glückliche , selige Aussichten !
Mein lieber Lord Seymour sucht seinem Bruder nachzufolgen ; in allem fragt er Ihn -- und mit wie vieler zärtlicher Erkenntlichkeit sehe ich Lord Richs Bemühung um meine Glückseligkeit , indem er alles versucht , den ungleichen und oft reißenden Lauf von Seymours Charakter ins gleiche und sanfte zu ändern .
Er ist , sagt er , ein schöner aber stark rauschender Bach , der im Grund eine Menge reiner Goldkörner führt .
Lord Rich an Doktor T. Ich komme vom Altar , wo mein Bruder eine ewige Verbindung , und ich eine ewige Freiheit meiner Hand geschworen .
Ich gab ihm jene Hand , die mein Herz sich lange wünschte , und von deren Mitwerbung ich abstand , weil ich mehr Stärke in mir fühlte einen Verlust zu ertragen ais er hat .
Es war die Seele , die Gesinnungen der Lady Seymour , die ich liebte .
Ihre Papiere , die sie in der vollen Aufrichtigkeit ihres Herzens schrieb , beweisen mir , daß sie das Beste mir schenkte , so in ihrer Gewalt war ; wahre Hochachtung für meinen Charakter , wahres Vertrauen , zärtliche Wünsche für mein Glück .
Der unauflöslich räzelhafte Eigensinn eines einmal gefaßten Vorzugs hatte schon lange und unwillkürlich die Neigung ihres Herzens gefesselt . --
Ich kenne den hohen Wert ihrer Seele ; ihre Freundschaft ist zärtlicher als die Umarmungen der Liebe einer anderen Person .
Die Herbstjahre des Lebens , in denen ich mich befinde , lassen mich alle reine Süßigkeit der Freundschaft mit Ruhe genießen .
Ich werde bei diesen Glücklichen leben ; der zweite Sohn soll Lord Rich , soll der Sohn meines Herzens , sein !
Alle Tage werde ich mit Lady Seymour sprechen , und die Schönheit ihres Geistes ist mein Eigentum ; ich trage zu ihrer Glückseligkeit bei .
Meine Mutter segnet mich über den Entschluß von ihrem geliebten Seymour , und mein Glück haftet an dem von den wütigsten und liebsten Personen die ich kenne . --
Bald , mein Freund , sehe ich sie und spreche sie .
Lady Seymour aus Seymourhouse an Emilia .
Die erste freie Stunde meiner Bewohnung eines Familienhauses gebührte dem Dank an die Vorsicht , die allen meinen Kummer und die fürchterlichen Irrwege meines Geschicks in dem Umfang vollkommener Glückseligkeit endigte ; Aber die zweite Stunde gehöret der treuen Freundin , die alles Leiden mit mir teilte , die mir es durch ihren Trost und ihre Liebe erleichterte , und deren Beispiel und Rat ich die Stärke meiner Anhänglichkeit an Tugend und Klugheit zu danken habe .
Emilia , ich bin glücklich ; ich bin es vollkommen , denn ich kann die seligsten , die heiligsten Pflichten alle Tage meines Lebens erfüllen .
Meine tugendhafte Zärtlichkeit macht das Glück meines Gemahls ; meine kindliche Verehrung und Liebe wird von seiner würdigen Mutter als die Belohnung ihrer geübten Tugenden angesehen .
Meine schwesterliche Freundschaft gießt Zufriedenheit in das große aber sehr empfindliche Herz meines geliebten Lords Rich .
Lord Seymour hat weitläufige Güter ; er ist reich , und hat mir eine unumschränkte Gewalt zum Wohltun gegeben . O mein Kind , es war gut , daß alle meine Empfindungen durch widrige Begebenheiten aufgeweckt und geprüft wurden ; ich bin um so viel fähiger geworden , jeden Tropfen meines Maßes von Glückseligkeit zu schmecken .
Sie wissen , daß ich Gott dankte , daß er in meinem Elende mir den Gebrauch meiner Talente zu Verminderung desselben gelassen hatte , und meinem Herzen die Freude nicht entzog , wohltätig zu sein .
Ich fühle nun mit aller Stärke die verdoppelten Pflichten des Glücklichen ; Nun muß meine Gelassenheit , Demut , und meine Unterwerfung zur Dankbegierde werden .
Meine Kenntnisse , die die Stütze meiner leidenden Eigenliebe und die Hilfsmittel waren , durch welche ich hier und da einzelne Teile von Vergnügen erreichte , sollen dem Dienst der Menschenliebe geweiht sein , sie zum Glück derer , die um mich leben und zu Ausspähung jedes kleinen , jedes verborgenen Jammers meiner Nebenmenschen zu verwenden , um bald große , bald kleine liebreiche Hilfe ausfindig zu machen .
Kenntnisse des Geistes , Güte des Herzens -- die Erfahrung hat mir bis an dem Rande meines Grabes bewiesen , daß ihr allein unsere wahre irdische Glückseligkeit ausmachet !
An euch stützte meine Seele sich , als der Kummer sie der Verzweiflung zuführen wollte ; Ihr sollt die Pfeiler meines Glücks werden ; auf euch will ich in der Ruhe des Wohlseins mich lehnen , und die ewige Güte bitten , mich fähig zu machen , an der Seite meines edelmütigen menschenfreundlichen Gemahls ein Beispiel wohlverwendeter Gewalt und Reichtümer zu werden !
-- Sie sehen , meine Freundin , daß alle meine Bedenklichkeiten meinen Empfindungen weichen mußten .
Ich sah das Vergnügen so vieler rechtschaffenen Herzen an das Glück des meinigen gebunden , daß ich meine Hand gerne zum Unterpfand meiner Liebe für ihre Zufriedenheit gab .
Mylord will ein Schulhaus und ein Hospital nach der Einrichtung der sternheimischen erbauen lassen ; er betreibt den Plan , weil er den Bau während unserer deutschen Reise führen lassen will .
Künftige Woche gehen wir nach Summerhall ; dort wollen wir die Briefe meines Onkels von R -- erwarten , und dann ( sagen Seymour und Rich ) wollen sie jede heilige Stätte besuchen , wo mich mein Kummer herum geführt habe .
Sie werden also , meine Emilia , sehen , und überzeugt werden , daß die erste und stärkste Neigung meines Herzens der würdigsten Person meines Geschlechts gewidmet war .
Morgen kommen Mylord Crafton und Sir Thomas Watson , meiner Großmutter Bruders Sohn , zu uns ; ich werde aber meine übrigen Verwandten , London und den großen Kreis meiner Nachbarn erst nach unserer Zurückkunft aus Deutschland sehen .
Mylord Rich an Doktor T. Ich bin wieder in Seymourhouse , weil mir ohne die Familie meines Bruders die ganze Erde leer ist .
Mit tausendfachen geistigen Banden hat mich die Lady Seymour gefesselt , und die Herbsttage meines Lebens wurden so glühend , daß unsere Reise mich beinahe mein Leben kostete .
Ich sah sie in Summerhall ; zu Fels bei ihrer Emilia ; in ihrem Gesindehause ; in D * bei Hofe ; in Sternheim bei ihren Untertanen ; bei dem Grabe ihrer Eltern ! -- die anbetungswürdige Frau !
In allen Gelegenheiten , in allen Stellen , wohin der Lauf des Lebens sie führt , zeigt sie sich als das echte Urbild des wahren weiblichen Genies , und der übenden Tugenden ihres Geschlechts . --
Auf unserer Rückreise wurde sie Mutter ; -- und was für eine Mutter !
O Doktor !
ich hätte mehr , viel mehr als Mensch sein müssen ; wenn der Wunsch , sie zu meiner Gattin , zu der Mutter meiner Kinder zu haben , nicht tausendmal in meinem Herzen entstanden wäre !
Mit wie vielem Recht besitzt die Tugend der großmütigen Aufopferung unseres Glücks die erste Stelle des Ruhms !
Wie teuer kostet sie auch ein edelgewöhntes Herz ! --
Wundern Sie sich ja nicht , wenn sie selten ist . --
Doch eine Probe wie diejenige die ich machte , hat nicht leicht Stadt .
Mit Vergnügen habe ich das Glück meines Bruders dem meinigen vorgezogen .
Die Handlung reuet mich nicht , ich litt nicht nur niederträchtigen Neid , sondern allein durch das gezwungene Stillschweigen meiner Empfindungen , die ich keinem Unheiligen anvertrauen will , um die falschen Beurteilungen meiner ehrerbietigen Leidenschaft zu vermeiden , und die reine Freundschaft meiner edlen Schwester in kein zweideutiges Licht zu bringen .
Ich fiel in eine düstre Melancholie , und entzog mich Seymours Hause auf einige Monate .
Die Stille meines Landguts , wo ich ehemals von meiner großen Reise ausruhte , gab mir diesmal kein ganzes Maß von Frieden ; ich wollte mich überwinden ; aber ich bin an den süßen Umgang der fühlbarsten Seele gewöhnt ; ihre schönen Briefe sind nicht sie selbst .
Mein Lord Rich wurde geboren , und ich flog nach Seymourhouse ; eine selige Stunde war es , in welcher Lady Seymour mir dieses Kind auf die Arme gab , und mir allem Reiz ihren seelenvollen Phisionomie und Stimme sagte :
Hier haben Sie ihren jungen Rich ; Gott gebe ihm mit Ihrem Namen Ihren Geist , und ihr Herz ! --
Ein entzückender Schmerz durchdrang meine Seele .
Er ruht in mir ; Niemand soll jemals eine Beschreibung von ihm haben .
Der kleine Rich hat die Züge seiner Mutter ; diese Ähnlichkeit schließt ein großes Glück für mich in sich ; -- Wenn ich das Leben behalte , soll dieser Knabe keinen anderen Hofmeister , keinen anderen Begleiter auf seinen Reisen haben , als mich .
-- Alle Ausgaben für ihn , sind meine ; seine Leute sind doppelt belohnt ; ich schlafe neben seinem Zimmer ; ja ich baue ein Haus am Ende des Gartens , in das ich mit ihm ziehen werde , wenn er volle zwei Jahre alt sein wird .
Indessen bilde ich mir die Leute , die um ihn sein werden .
Dieses Kind ist die Stütze meiner Vernunft und meiner Ruhe geworden .
Wie wert macht ihn mir jede Umarmung , jede zärtliche Sorge , die er von seiner Mutter erhält -- und wie glücklich wächst er und sein Bruder auf !
Jede Handlung ihrer Eltern sind Beispiele von Güte und Edelmütigkeit .
Segen und Freude blühen in jedem Gefilde der Gebiete meines Bruders ; Danksagungen und Wünsche begleiten jeden Schritt , den er mit seiner Gattin macht .
Mit einer Hand stützen sie das leidende Verdienst und helfen anderer Elende ab ; mit der anderen streuen sie Verzierungen in der ganzen Herrschaft aus , aber dies mit der feinsten Unterscheidung .
Denn die Lady Seymour sagt : niemals müsse auf dem Lande die Kunst die Natur beherrschen ; man solle nur die Fußstapfen ihrer flüchtigen Durchreise und hier und da einen kleinen Platz sehen , wo sie ein wenig ausgeruht hätte .
Unsere Abende , und unsere Mahlzeiten sind reizend ; ein munterer Geist und die Mäßigkeit beleben und regieren sie .
Fröhlich treten wir in die Reihen der Landtänze unserer Pächter , deren Freude wir durch unseren Anteil verdoppeln .
Die Gesellschaft der Lady Seymour wird von dem Verdienst gesucht , so wie Laster und Dummheit vor ihr fliehen ; Sie können hoffen , in unserem Hause Wechsels weise jede Schattierung , von Talenten und Tugenden zu finden , die in dem Kreise von etlichen Meilen um uns wohnen .
Und hier hat der Charakter meiner geliebten Lady Seymour einen neuen Glanz dadurch erhalten , daß sie die Verdienste anderer Personen Ihres Geschlechts so lebhaft fühlt und schätzt .
Mein Bruder ist der beste Ehemann und würdigste Gebieter von etlichen Hundert Untertanen geworden ; Seligkeit ist in seinem Gesichte , wenn er seinen Sohn , an der Brust der besten Frau , Tugend einsaugen sieht ; und jeder Tag nimmt etwas von dem lodernden Feuer hinweg , welches in alle seine Empfindungen gedrungen wäre .
Er hat die schwere Kunst gelernt , sein Glück zu genießen , ohne irgend Jemand durch ein außerordentliches Geräusche mit seinem Glücke Schmerzen zu machen .
Das einfache obgleich edle Aussehen unserer Kleidung und unseres Hauses läßt auch die ärmste Familie unserer Nachbarschaft mit Zuversicht und Freude zu uns kommen .
Von diesen Familien nimmt Lady Seymour von Zeit zu Zeit ein Paar Töchter zu sich , und flößt durch Beispiel und liebreiches Bezeugen die Liebe der Tugend und schönen Kenntnisse in sie .
Der reizende Enthusiasmus von Wohltätigkeit , die lebendige Empfindung des Edlen und Guten beseelt jeden Atemzug meiner geliebten Schwester .
Sie begnügt sich nicht gut zu denken ; alle ihre Gesinnungen müssen Handlungen werden .
Gewiß ist niemals kein inniger Gebet zum Himmel gegangen , als die Danksagung war , welche ich die Lady Seymour für die Empfindsamkeit ihres Herzens , und für die Macht Gutes zu tun mit tränenden Augen aussprechen hörte .
Wie viel Segen , wie viele Belohnung verdienen die , welche uns den Beweis geben , daß alles , was die Moral fordert , möglich sei , und daß diese Übungen den Genuß der Freuden des Lebens nicht stören , sondern sie veredeln und bestätigen , und unser wahres Glück zu allen Zufällen des Lebens sind !
CC-BY

Rechtsinhaber*in
Bildungsroman Projekt

Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2025). Korpus. Geschichte des Fräuleins von Sternheim: Teil 2. Geschichte des Fräuleins von Sternheim: Teil 2. Bildungsromankorpus. Bildungsroman Projekt. https://hdl.handle.net/21.11113/4c0gs.0