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Kommet, ihr Kinder, höret auf Mich! die Furcht des Herrn will Jch euch lehren. (Ps. 33, 12.)
[]
Der
Christliche Vater
in der modernen Welt.
Erbauungs- und Gebetbuch
von
Augustin Egger,
Bischof von St. Gallen.
24. bis 33. Tausend.
Verlagsanstalt Benziger \& Co. A. G.
Typographen des hl. Apostol. Stuhles,
Einsiedeln, Waldshut, Köln a/Rh., New-York, Cincinnati, Chicago,: bei Benziger Brothers.
[]

I. Teil.
Belehrungen und Erwägungen.

[[Titelseite]]
[interleaf]

Bischöfliche Empfehlungen
zu
Der christliche Vater
in der modernen Welt.

Erbauungs- und Gebetbuch
von Aug. Egger, Bischof von St. Gallen.

[I]
[figure]

Das Erbauungs- und Gebetbuch ‘„Der
christliche Vater in der modernen Welt“’
,
ein wertvolles Geschenk
der Muse des Hoch-
würdigsten Herrn Bischofes Augustinus von
St. Gallen, wird sich leicht Bahn brechen
und rasche Verbreitung in den weitesten
Kreisen finden.

Der hohe Verfasser setzt sich die so not-
wendige Erneuerung und Hebung der christ-
lichen Familie zum Ziele.

Der erste Teil entwickelt demgemäß in
wohlgeordneter Reihenfolge, mit meister-
hafter Gründlichkeit und Salbung, in klarer
und volkstümlicher Darstellung
die verschie-
[II] denen Pflichten und Obliegenheiten des christ-
lichen Vaters und schließt in der achtund-
dreißigsten Belehrung mit dem erhabenen
Vorbilde der hl. Familie zu Nazareth. Eine
wirksame Beigabe sind die überall mit der
Lehre verwobenen trefflichen Beispiele. Der
zweite Teil enthält eine reiche Auswahl der
vorzüglichsten Gebete eines katholischen Chri-
sten zur Erflehung der zur treuen Erfüllung
der Vaterpflichten nötigen Gnaden.

Ohne Zweifel wird die eifrige Benützung
dieses den Zeitbedürfnissen in so hohem
Grade entgegenkommenden Gebetbuches
reichen
Segen stiften. Daher empfehle ich das hand-
liche Büchlein, das man trotz seiner 511 Druck-
seiten bequem in der Tasche tragen kann,
als treuen Freund und Ratgeber allen christ-
lichen Vätern, insbesondere meinen Diöce-
sanen aufs wärmste.

† Joannes Fidelis,
Bischof von Chur.

Das vom Hochwürdigsten Herrn Bischof
von St. Gallen, Augustin Egger, verfaßte
Erbauungs- und Gebetbuch ‘„Der christliche
Vater in der modernen Welt“’
wird hie-
[III] mit empfohlen, besonders für katholische
Väter.

F.-B. Gurker Ordinariat.
† Josef,
Fürstbischof von Gurk.

.... Ich habe das Büchlein: ‘„Der christ-
liche Vater in der modernen Welt“’
vom
Hochwürdigsten Herrn Bischof von St. Gallen,
Augustin Egger, mit großem Interesse ge-
lesen, so zwar, daß es mich jedesmal fast
eine Ueberwindung kostete, die Lesung zu
unterbrechen.
Ich bin vollkommen über-
zeugt, daß die in diesem Büchlein enthal-
tenen Grundsätze und Lehren, wenn sie
von allen christlichen Familienvätern Beach-
tung fänden, die Welt vollständig regenerieren
würden....

† Franz Maria,
Bischof von Linz.

.... Ich werde nicht unterlassen, das
Werkchen, das ebenso sehr seines hohen Ver-
fassers würdig
, als seinem Zwecke entspre-
chend ist
, bei demnächstiger Gelegenheit den
[IV] Angehörigen der Diöcese, sowie der Nor-
dischen deutschen Missionen angelegentlichst
zu empfehlen.

† Bernard,
Bischof von Osnabrück und
Provikar der Norddeutschen Missionen.

.... Die Einsicht in das Büchlein hat
mich überzeugt, daß es eine ganz vortreffliche
des Hochwürdigsten Herrn würdige Arbeit ist.

Ich will gerne zu seiner Verbreitung bei-
tragen, wo es mir möglich ist.

Dr. Michael v. Kampf,
Bischof von Passau.

Das Büchlein ‘„Der christliche Vater“’
kommt den Bedürfnissen und Wünschen vieler
entgegen.

In einfacher Klarheit und mit anmutiger
Salbung
bringt es unter steter Berücksich-
tigung der modernen Verhältnisse alle jene
Grundsätze und Winke für die väterliche
Erziehungsaufgabe vor, welche nur zum
Schaden der Familien ignoriert werden können.

[V]

Während die Belehrungen den Vater
aufklären und trösten, erziehen die Erwä-
gungen ihn selbst zum Erzieher.

Die im zweiten Teile angeführten, mit
dem Inhalte des ersten Teiles organisch ver-
bundenen Gebete wird jeder christliche Vater
immer wieder gerne verrichten, wie er auch
das ganze Büchlein, nachdem er es nur ein-
mal kennen gelernt, als steten Begleiter
wählen
und als eine empfangene Wohlthat
ehren wird.

† Ignatius,
Bischof von Regensburg.

.... Ich möchte die ganz vortreffliche
Schrift in den Händen aller christlichen Väter
sehen und werde mit Freuden jede Gelegenheit
benutzen, dieselbe zu empfehlen.

† Hermann,
Bischof von Münster.

.... Ich werde nicht ermangeln, das
Büchlein ‘„Der christliche Vater in der mo-
dernen Welt“’
zu empfehlen, denn der Hoch-
[VI] würdigste Herr Oberhirt der Diöcese St. Gallen
hat durch die Herausgabe desselben unsere
Erbauungslitteratur wirklich bereichert, und
mit dem gediegenen Inhalt der christlichen
Familie einen großen, sehr zeitgemäßen Dienst
erwiesen.
Die verantwortungsvollen Er-
ziehungspflichten der Eltern, besonders der
Väter in unserer neuen, dem Weltgeiste
huldigenden Zeit werden in eingehender
Weise und in edler Sprache erklärt und deren
gewissenhafte Erfüllung warm aus Herz ge-
legt. Ein Vater, der nach den hier em-
pfohlenen Grundsätzen und Ratschlägen seine
Familie leitet, wird die von allen Seiten dem
Glauben und der Sittlichkeit der heranwach-
senden Jugend drohenden Gefahren entfernen
oder wenigstens verringern, und so einem der
innigsten Wünsche des heiligen Vaters, durch
die Familie die menschliche Gesellschaft zu
heiligen, entsprechen. Auch zum Gebete um
die Erreichung dieses wichtigen Zweckes wird
der christliche Vater durch das Büchlein an-
geleitet, da er mit den an die Belehrung
sich anschließenden üblichen Andachten gerade
die für ihn notwendigen Gnaden Gottes sich
zu erbitten unterrichtet wird. Die äußere
Ausstattung des Büchleins in sehr gefällig,
[VII] und das Format gestattet es, daß der christ-
liche Vater es stets bei sich tragen kann.

† Ludwig Wahl,
Bischof und Apostol. Vikar
im königr. Sachsen.

Das Büchlein ‘„Der christliche Vater in
der modernen Welt“’
vom Hochwürdigsten
Herrn Bischof Augustinus Egger von St. Gal-
len, muß, wie alles, was aus der Feder des
berühmten Kirchenfürsten geflossen, als ein
wahres Meisterwerk
bezeichnet werden. Aus-
gehend von der Ueberzeugung, daß nament-
lich in unseren Tagen der Mann voll und
ganz von den christlichen Grundsätzen durch-
drungen sein muß, enthält der I. Teil: ‘„Be-
lehrungen und Erwägungen“’
, welche in der
dem hochwürdigsten Verfasser eigenen klaren,
gründlichen
und volkstümlichen Weise die so
hohe und verantwortungsvolle Aufgabe des
Vaters
in salbungsvollen, tief zu Herzen
gehenden Worten
nach allen Seiten darlegen.

Da die Gesellschaft auf der Familie sich
aufbaut und folglich von der christlichen oder
unchristlichen Leitung der letztern durch das
Haupt – den Vater – Wohl und Wehe der
[VIII] erstern wesentlich bedingt ist, so muß dieser
I. Teil als ein wertvoller Beitrag zur Hei-
lung der so allgemein beklagten gesellschaft-
lichen Zustände auf das wärmste begrüßt
werden.

Der II. Teil: ‘„Andachtsübungen“’ bietet
neben den gewöhnlichen Gebeten eines ka-
tholischen Christen wahre Perlen, wie z. B.
das durch wohlthuende Kürze ausgezeichnete,
herrliche ‘„Vater unser des christlichen Vaters“’
und die Andachten für die Bruderschaft der
hl. Familie.

Das Büchlein, von der löbl. Verlags-
handlung prächtig ausgestattet, kann nicht
genug empfohlen werden
, und möchten wir
jedem Hausvater zurufen: ‘„Nimm und lies“’
und zwar alle Tage.

Anselm,
Abt von Engelberg.
[figure]

Vorbemerkung.

[7]
Figure 1. Gelobt sei Jesus Christus

Alles ist darüber einig, daß die Menschheit in der
Gegenwart an schweren Uebeln leidet. Insbesondere
macht der Zerfall des religiösen und sittlichen Lebens
ganz bedenkliche Fortschritte. Forscht man nach den Ur-
sachen und Heilmitteln dieser Uebel, so stellt sich heraus,
daß keines für sich genügt, daß der Zerfall des Familien-
lebens eine Hauptursache ist, und daß eine Besserung
nicht möglich ist ohne die Erneuerung der christlichen
Familie. Das Haupt der Familie aber ist der Vater,
und die Familie kann nicht ohne ihn, sondern nur
durch ihn erneuert werden. Darum muß vor allem
er selber erneuert werden. Sind die Väter, wie sie
sein sollen, so wird es auch ihre Familie und bald
die ganze Gesellschaft sein. Nun sind aber die meisten
Väter so in das gesellschaftliche Leben hineingestellt,
daß es für sie keine leichte Sache ist, ihre so hohe und
wichtige Aufgabe im rechten Geiste aufzufassen und
zu erfüllen. Nachfolgende Blätter sind bestimmt, den
katholischen Vätern, die guten Willens sind, mit einigen
Winken behilflich zu sein. Es sind nur schwache
Worte, aber die Gnade Gottes möge sie zu frucht-
[8] baren Samenkörnern machen, ihnen die Herzen der
Väter öffnen und sie für die Erneuerung der Familie
und das Heil der unsterblichen Seelen reichliche Früchte
bringen lassen!

Sollten auch Mütter dieses Buch zur Hand nehmen,
so mögen sie folgendes bedenken:

Ich habe überall nur auf die am meisten vor-
kommenden Fehler und Mängel der Väter Rücksicht
genommen und bei den Müttern das Bessere voraus-
gesetzt. Es ist aber kaum zu bezweifeln, daß auch
viele Mütter ihre Schwächen und Unvollkommenheiten
haben, die ebenfalls einer guten Erziehung hinderlich
sind. Es wäre darum gefehlt, wenn sie dieses Buch
bloß benutzten, um dem Gatten und Vater lieblose
Vorhalte zu machen. Sie sollen zuerst ihr eigenes
Gewissen erforschen, und dann darauf hinarbeiten
daß die beiderseits vorkommenden Fehler gemeinsam
in Liebe und mit gutem Willen gebessert werden.

Möge sich unter den Sorgen und Kümmernissen
der Erziehung an beiden das Wort des Psalmisten er-
füllen: ‘„Da sie hingingen, zu streuen ihren Samen,
da weinten sie, aber sie kommen zurück mit Jubel
tragend ihre Garben.“’
(Ps. 125, 6.)

† Augustinus Egger,Bischof.

1. Zweck dieses Buches.

[9]
[figure]

Man wird kaum einen Vater finden, der
nicht die Wohlfahrt seiner Kinder
von Herzen wünscht. Dagegen giebt
es um so mehr Väter, welche nicht alles
thun, was zur Erfüllung dieses Wunsches
notwendig ist. Es ist nicht immer böser
Wille, wenn manche ihre Vaterpflichten nicht
genügend erfüllen. Gar oft fehlt die nötige
Erkenntnis der erhabenen Pflichten und der
schweren Verantwortung eines christlichen
Vaters. Da können einige Belehrungen oft
gute Aufnahme finden und viel Gutes stiften.
Für solche Väter ist dieses Büchlein bestimmt.
Ich zähle die Leser desselben weder zu den
vollkommenen noch zu den mindesten unter
den christlichen Vätern. Ich wende mich an
solche, die einer Nachhilfe bedürftig sind,
dieselbe aber auch annehmen.

[10]

Zunächst will dieses Büchlein belehren.
Alles will gelernt sein. Der Gelehrte, der
Künstler, der Kaufmann, der Handwerker,
fast alle Handarbeiter bedürfen einer beson-
deren Vorbereitung und Anleitung, um in
ihrem Berufe tüchtig zu werden. Aus diesem
Grunde hält man heutzutage Kurse ab für
ganz specielle Zweige der Landwirtschaft,
der häuslichen und gewerblichen Arbeiten
u. s. w. Einem ganz Unkundigen würde man
nicht einmal einen Garten, einen Wald oder
Weinberg zur Besorgung anvertrauen. Nun
giebt es aber eine Kunst, welche viel höher
steht, als alle diese weltlichen Künste und
Gewerbe. Man hat sie von alters her die
Kunst der Künste genannt, weil sie von allen
die schwierigste und wichtigste ist. Es ist
das die christliche Erziehung der Kinder.

Wie keine Gelehrten vom Himmel fallen,
so auch keine fertigen Erzieher. Nun weiß
jedermann, auf welchem Wege man allein
zur Gelehrsamkeit gelangt, während man
vielfach meint, daß die Fähigkeit, seine Kin-
der gut zu erziehen, von selbst kommen sollte.
Hunderte kommen in den Fall, Vaterpflichten
erfüllen zu sollen, ohne je ein Wort über
Erziehung vernommen zu haben, ohne auch
[11] nur einen Augenblick darüber nachgedacht
zu haben, was dieser hohe Beruf von ihnen
erfordere. Ist es da zu verwundern, wenn
manche in der Ausübung dieses Berufes
nicht glücklich sind?

Auch Väter mit gutem Willen können
ganz ahnungslos Mißgriffe begehen, die viel-
leicht als unbedeutend erscheinen, aber hun-
dert- und tausendmal begangen werden, und
allmählich doch nachteilige Folgen nach sich
ziehen. Ein einziges belehrendes Wort könnte
oft mit solchen Mißgriffen auch deren Folgen
verhüten. Wenn ein Vater in diesem Büch-
lein einem einzigen Winke begegnet, der ihn
angeht, so ist ihm damit die Lesung des-
selben reichlich vergolten.

Das Büchlein wendet sich an den christ-
lichen Vater ‘„in der modernen Welt“’. Es
giebt heutzutage Hindernisse der christlichen
Erziehung, es giebt Gefahren für den Glau-
ben und die Tugend der jungen Christen,
die vor nicht langer Zeit noch nahezu un-
bekannt waren. Sie werden auch jetzt noch
von vielen Vätern gering angeschlagen oder
gar nicht beachtet, aber zum großen Schaden
für ihre Kinder. Was hilft es, wenn ein
Vater für seine Person das Nötige zur
[12] Wohlfahrt seiner Kinder zu thun glaubt,
aber gewisse schlimme Einflüsse der Welt
übersieht, die wieder untergraben, was er
mühsam aufgebaut hat? Mancher Vater
schaut den heutigen Weltlauf viel gleich-
gültiger oder wenigstens harmloser an, als
für ihn und seine Kinder gut ist. Auch in
dieser Hinsicht kann die eine oder andere
Belehrung in diesem Büchlein für manchen
Vater von großer Wichtigkeit sein.

Den Belehrungen sind Gebete beigefügt.
Wenn es genügte, gute Bücher bloß zu lesen,
so würde es viel besser aussehen unter den
katholischen Christen, als es wirklich der
Fall ist, und dieses Büchlein wäre wohl gar
nicht geschrieben worden. Mit der Erkenntnis
der elterlichen Pflichten und der heutigen
Gefahren für die christliche Jugend ist es noch
nicht gethan. Von da bis zur wirklichen
Ausführung ist ein Weg, der ziemlich lang
und beschwerlich ist. Aus der gewonnenen
Einsicht müssen gute Vorsätze hervorgehen,
diese müssen den besonderen Verhältnissen
angepaßt, öfters erneuert und durch Gebet
geheiliget werden. Der Gebetsteil dieses Büch-
leins enthält nicht alles, was ein Vater in
den verschiedenen Lagen des Lebens Gott zu
[13] sagen hat, und von ihm verlangen soll. Er
will auch nicht mehr sein, als eine An-
leitung für den Vater, mit deren Hilfe er
für seine Anliegen beten lernen soll. Gebets-
formulare sind nur für das gemeinsame
Gebet eine Notwendigkeit, für den Privat-
gebrauch sind sie nur ein Notbehelf, welcher
jenen das Beten ermöglichen und erleichtern
soll, welche es nicht verstehen, ohne äußere
Nachhilfe aus ihrem Herzen mit Gott zu
reden. Vor Gott haben die schönen Worte
in den Gebetbüchern noch keinen Wert, son-
dern erst das, was mit ihrer Nachhilfe aus
dem Herzen des Betenden kommt. Das
Gebetbuch ist ein Führer beim Gebete, den
man brauchen soll, so lange man seiner be-
darf. Freilich können ihn viele zeitlebens
nicht ganz entbehren, aber doch sollten alle
sich bemühen, wenigstens hie und da ohne
äußeres Hilfsmittel nur mit den Eingebun-
gen ihres eigenen Herzens ihre Sorgen und
Anliegen Gott vorzutragen.

Ein Teil der Gebete dieses Büchleins ist
für die gewöhnlichen Gebetsanlässe des
Christen bestimmt, von den übrigen mag
man das eine oder andere benutzen, nachdem
man einiges im belehrenden Teile gelesen
[14] hat, sodann gebrauche man sie an Sonn- und
Feiertagen in der Kirche oder zu Hause, be-
sonders bei Nachmittagsandachten, bei dem
Empfang der hl. Sakramente, auch bei häus-
lichen Anliegen und Sorgen, mitunter ge-
meinsam mit der ganzen Familie. Zur Er-
leichterung wird am Schlusse jedes Abschnittes
auf eine Stelle im Gebetsteile verwiesen,
welche als Anleitung dienen kann, das Ge-
lesene im Gebete vor dem Herrn weiter zu
erwägen und Ihm anzuempfehlen.

2. Die Vaterwürde.


Der hl. Paulus läßt alle Vaterschaft im
Himmel und auf Erden von dem himm-
lischen Vater herstammen. (Eph. 3,15.) Gott
ist der Vater aller Wesen, Grund aller Frucht-
barkeit. Er allein besitzt die nie versiegende
Quelle der Fülle des Lebens sowohl im
Himmel, wo Er das ewige Leben zeugt, als
auf Erden, wo Er den Menschenkindern den
Geist des Lebens einhaucht. Der irdische
Vater ist sein Werkzeug, durch welches Er
dem Kinde das Dasein geben und erhalten
will, er ist sein Stellvertreter, der dem Kinde
in seinem Namen gebietet, er ist ein irdisches
[15] Abbild seiner göttlichen Hoheit durch die
Würde und das Ansehen im Familienkreise.

Um die Erhabenheit, die Gott der irdischen
Vaterschaft zugedacht hatte, zu würdigen,
müssen wir erwägen, wie Er sie anfänglich
erhöhte, und wie Er sie nach dem Falle er-
neuerte. Welches wäre die Stellung des
Vaters gewesen ohne den Sündenfall? Das
Glück des Paradieses, welches Gott den
Menschen bestimmte, die Sünde aber raubte,
ist unserem Verständnis so ferne, daß wir es
nur durch die spärlichen Strahlen erkennen,
mit welchen die göttliche Offenbarung es
beleuchtet. Ohne die Sünde würden jeden-
falls auch die traurigen Folgen der Sünde
nicht da sein, die böse Begierlichkeit, die
vielen Leiden und Gebrechen des Leibes
und der Seele, der Tod und die Verwesung.
Die Nachkommen Adams wären in dem näm-
lichen glückseligen Zustande geboren worden,
in welchem er selber in das Dasein getreten
ist. Wie schön und süß und edel sich da
das Familienleben mit allen Beziehungen
zwischen Vater und Kindern hätte gestal-
ten müssen, übersteigt unsere Begriffe, die
der rauhen jetzigen Wirklichkeit entnommen
sind. Von dem Ideal der edeln Männlichkeit,
[16] der Kraft, der Würde, der Heiligkeit und
Liebe, welches in einem sündelosen Va-
ter zur Wirklichkeit geworden wäre, vermö-
gen wir uns keine Vorstellung zu machen,
und ebenso wenig von dem Glücke einer
Familie, in welcher es keine ungezogenen
Kinder, sondern nur Engel in Menschen-
gestalt, keine Verdrießlichkeiten, keine Sorgen,
keine Krankheiten, keine Trennung durch den
Tod, sondern lauter Unschuld und Tugend,
Freude und Friede und gegenseitige Liebe
giebt. Wie überaus erhaben und selig wäre
da der Vater in der Mitte der Seinigen ge-
wesen, und wie hätte jede neue Generation
die Würde und das Glück des Stammvaters
steigern müssen!

Diese selige Zukunft hing von der Be-
dingung ab, daß die Freiheitsprobe gut be-
standen würde. Mit dem Sündenfalle er-
losch der Lichtglanz dieses höheren Daseins,
mit der Unschuld schwand auch die Glück-
seligkeit dahin, die Auen des Paradieses
versanken in unnahbare Fernen, und über
der untergegangenen Seligkeit schloß sich die
rauhe Decke dieser mit dem Fluche belegten
Erde. Adam wurde der unglückliche Stamm-
vater eines unglücklichen Geschlechtes, welchem
[17] er die Sünde und ihre Folgen als traurige
Erbschaft hinterließ. Das Urteil über Adam
ging auch über auf seine Söhne, die wieder
Väter wurden. Die Vaterschaft war zum
verwilderten Baume geworden, der ausge-
artete und verdorbene Früchte trug. Und
je mehr das Heidentum den wahren Gott
vergaß, desto mehr wurde auch das irdische
Abbild des himmlischen Vaters verunstaltet.
Besonders bemerkenswert ist es, daß das
Heidentum einen Hauptzug der Vaterschaft,
die väterliche Liebe, immer mehr zurücktreten
ließ, so daß der Vater bei den meisten Völkern
zum grausamen Despoten, oder besser gesagt
zum reißenden Tiere herabgewürdiget wurde.
Haben doch die gebildetsten Völker des Alter-
tums dem Vater das Recht eingeräumt, nach
Belieben über Leben und Tod seines Kindes
zu entscheiden.

Als das Christentum auftrat, war es,
wie wenn nach einer langen, bangen Nacht
die Sonne aufgeht, und neues Licht und
neues Leben verbreitet. Dieses neue Licht
ergoß sich auch verklärend über das Familien-
leben. Vater, Mutter und Kind mußten
sofort eine neue und höhere Würde erlangen,
als man im Menschen das Ebenbild Gottes
[18] und den Erben des Himmels kennen lernte.
Die natürliche Vaterschaft, welche, von dem
verdorbenen Samen Adams her, wild fort-
wucherte, wurde durch das heilige Sakrament
der Ehe in das Reich der Gnade emporge-
hoben. Sie kann und soll aus der über-
natürlichen Lebensquelle des neuen Adam,
welcher Christus ist, neues, höheres Leben
schöpfen, und ein Geschlecht hervorbringen,
welches ‘„nicht aus dem Geblüte, noch aus
dem Willen des Fleisches, noch aus dem
Willen des Mannes, sondern aus Gott ge-
boren ist.“’
(Joh. 1, 13.) Den ersten Keim des
neuen Gottesreiches bildete die heilige Fa-
milie zu Nazareth, das Vorbild aller christ-
lichen Familien.

Die Heiligung der Familie war eine
Hauptaufgabe des Christentums. Gleich von
Anfang an hat die Kirche den Geist und
das Leben der Familie erneuert, und solchen
Glaubensmut und solche Tugendkraft in die
Herzen der Eltern gelegt, daß den heiligen
Vätern Generationen heiliger Kinder nicht
bloß im tugendhaften Leben, sondern in den
blutigen Martertod nachfolgten.

So ist die Vaterschaft in Christus gehei-
liget und ihre Würde wiederhergestellt wor-
[19] den. So viel Unvollkommenes auch den
christlichen Vätern anhaften mag, der Vater-
name ist und bleibt geadelt. Von allen Namen,
die Menschen tragen können, hat der Name
Vater den besten Klang, mag nun sein Träger
Arbeiter oder König sein. Wo immer es
gilt, etwas Großes und Ehrwürdiges zu be-
zeichnen, muß man diesen Namen entlehnen.
Wollen die Völker ihres gekrönten Ober-
hauptes mit Ehrfurcht gedenken, so nennen
sie es Landesvater, und den Retter aus
schwerer Not begrüßen sie als Vater des
Vaterlandes. Die Kirche nennt jene großen
Männer, welche in den gewaltigen geistigen
Kämpfen für sie eingestanden sind, Kirchenvä-
ter, und ihr sichtbares Oberhaupt heißt ‘„Hei-
liger Vater“’
. Wenden wir uns im Gebete an
den höchsten Herrn des Himmels und der Erde
selber, so reden wir Ihn nach der Anleitung
seines eingebornen Sohnes als Vater an.

Selbstverständlich dürfen die Inhaber
dieses erhabenen und ehrwürdigen Vater-
namens nicht die letzten sein, welche ihn
hochschätzen. Sie müssen ihm Ehre zu ma-
chen suchen durch ihre Pflichttreue und ih-
ren Wandel. Es ist ein neues Heidentum
im Anzuge, welches schon angefangen hat,
[20] die christliche Vaterwürde zu verdunkeln, das
väterliche Ansehen zu erschüttern. Die Väter
dürfen nur dann hoffen, in unserer Zeit bei
ihren Kindern Achtung und Ehrfurcht für
ihre Würde zu finden, wenn sie diese Würde
selber als Christen hochschätzen und in
Ehren halten.

(Gebet zum hl. Joseph. Seite 482.)

3. Die Vaterpflichten.


Von den Pflichten des Vaters handelt
eigentlich das ganze Büchlein. An dieser
Stelle sollen nur die Uebersicht und die richtige
Auffassung derselben angeführt werden.

Die Sorge für Leben und Ge-
sundheit
des Kindes beginnt erheblich
früher, als manche zu vermuten scheinen. In
dem Sponsalienunterricht der deutsch-schwei-
zerischen Diöcesen heißt es: ‘„Ein gottes-
fürchtiger und sittenreiner Wandel der Ehe-
gatten trägt auch dazu bei, daß sie an Körper
und Geist gesunde Kinder erhalten. Insbe-
sondere stellen die Beobachtungen in allen
Ländern heraus, daß die Zahl der siechen
und blödsinnigen Kinder zum großen Teil
von dem Genusse geistiger Getränke seitens
[21] der Eltern abhängig ist. Die alten Karthager
hatten ein Gesetz, nach welchem Eheleute zur
Zeit ihres ehelichen Umganges nur Wasser
trinken durften. Wo dieser Wink beobachtet
wird, werden die Kinder viel weniger An-
lagen zum körperlichen und geistigen Siechtum
auf die Welt bringen.“’

Der Vater soll auch, so viel an ihm ist,
Sorge tragen, daß nicht schwere Arbeit, Ge-
nuß geistiger Getränke, oder heftige Ge-
mütsbewegungen seitens der Mutter dem
noch ungebornen Kinde Schaden bringen.
Dasselbe gilt für die Zeit, in der das Kind
von der Mutter genährt wird.

Die Sorge für den täglichen Un-
terhalt
der Kinder wird von der Großzahl
der Väter als die schwerste Last empfunden.
Aber trotz der Ausnahmen, die leider vor-
kommen, wird diese Vaterpflicht im allgemei-
nen vielleicht noch am besten erfüllt. Wo es
in diesem Punkte fehlt, da ist der fatale
Wirtshausbesuch daran schuld. Die Lieder-
lichkeit und Verschwendung sind auch für den
ledigen Mann Sünde, aber sie werden zur
himmelschreienden Sünde für den Familien-
vater, der sein Geld in das Wirtshaus trägt,
und die Sorge für Nahrung und Kleidung
[22] der Seinigen vernachlässiget. Wehe solchen
Vätern! Der Rabe und der Geier, der
Tiger und der Löwe sind vor Gott ihre
Ankläger, denn diese, so gefräßig sie sind,
tragen wenigstens den Raub in ihre Ne-
ster, in ihre Höhlen, um die Jungen zu
nähren.

Die Sorge für das künftige Aus-
kommen
der Kinder erfordert zwei Dinge.
Einmal sollen die Kinder durch Unterricht
und besondere Ausbildung befähiget werden,
daß sie in irgend einem Berufe später ihr
Auskommen selber finden können. Das zweite
Hilfsmittel für ihr Fortkommen ist eine an-
gemessene Erbschaft. Der mittellose Vater
suche durch Sparsamkeit wenigstens etwas
anzusammeln und für seine Kinder zurück-
zulegen. Wenn ihm dieses ohne sein Ver-
schulden nicht gelingt, so sorge er dafür, daß
er jedenfalls seinen Kindern die kostbaren Gü-
ter eines guten Namens und des Segens Got-
tes als Erbe hinterlassen kann. Der Reiche
braucht für seine Kinder nicht zum Geizhalse
zu werden. Will er, daß der Reichtum den
Kindern zur Wohlfahrt diene, so mache er,
daß sie keinen Heller ungerechten Gutes von
ihm erben, und daß auf ihrem Erbe jener
[23] Segen ruht, den christliches Wohlthun auf
den irdischen Besitz herabzieht.

Die sittliche Erziehung soll nach
den Begriffen der heutigen Welt das Kind
zu einem guten Menschen, zu einem brauch-
baren Mitgliede der menschlichen Gesellschaft
erziehen. Ein gewisses Maß sittlicher Tugen-
den ist unentbehrlich auch für die irdische
Wohlfahrt. Laster und Verbrechen machen
den Thäter und seine Umgebung unglücklich,
während die Tugend Freude und Friede er-
langt und austeilt. Schon die irdischen Rück-
sichten verlangen somit, daß man die Kinder
zu guten Menschen erziehe. Aber das Christen-
tum hat von der sittlichen Erziehung eine
wesentlich höhere Auffassung, indem es das
sittliche Leben des Menschen mit dem gött-
lichen Gesetze und der ewigen Bestimmung
des Menschen in Zusammenhang bringt. Die
sittliche Erziehung im christlichen Sinne des
Wortes muß darum sich stützen auf die religiöse Erziehung, welche
das Kind zum Glauben und zur Gottesver-
ehrung, zur Gottesfurcht und zum Streben
nach dem Himmel anleitet. Ohne religiöse
Grundlage kann die Sittlichkeit nicht bestehen.
Wenn man Gott und den Himmel außer
[24] acht läßt, so bleiben nur mehr irdische
Beweggründe für das Handeln, zeitliche
Vor- und Nachteile. Und diese können dem
Menschen nie sittliche Festigkeit verleihen.
Denn wenn es zeitliche Opfer kostet, gut zu
sein, oder wenn die Sünde Genuß und
Gewinn verspricht, wenn sie als einzige
Retterin aus schwerer Verlegenheit er-
scheint, wie wird dann derjenige der Ver-
suchung widerstehen, dem der Glaube und
die Furcht Gottes fehlen? Die tägliche Er-
fahrung macht jede Antwort auf diese Frage
überflüssig, sie zeigt genügend den Zusammen-
hang zwischen Unglauben und Gewissenlosig-
keit. Ganz anders gestaltet sich die sittliche
Probe für denjenigen, der die Ueberzeugung
hat: Ich habe über mir einen ewigen Ge-
setzgeber, der mit allwissendem Auge mich
beobachtet, und einst als unbestechlicher Rich-
ter alle meine Gedanken, Worte und Hand-
lungen richten wird. Auf mich wartet ein
ewiges Leben in der Freude oder in der
Qual. Die Entscheidung liegt in meiner Hand,
und ich wäre ein großer Thor, wenn ich
für die Befriedigung eines Augenblickes die
ewige Glückseligkeit verscherzen und der Hölle
schuldig werden wollte.

[25]

Ohne Religiosität keine wahre Sittlich-
keit, ohne Sittlichkeit keine irdische Wohl-
fahrt, das ist ein Lebensgesetz, über welches
man in der Erziehung niemals hinauskom-
men kann, und dessen Verletzung sich immer
selber straft.

Das bisher Gesagte hat seine Geltung,
wenn man nur auf die irdische Bestimmung
des Menschen und auf die Bedingungen
schaut, unter denen allein die Erziehung ihr
irdisches Ziel erreichen kann. Schon hie-
für erweisen sich Religion und Sittlichkeit
als unentbehrlich. Ordnung, Friede, Glück
und Zufriedenheit, die höchsten Güter dieses
irdischen Lebens, können nicht bestehen ohne
die Sittlichkeit, die auf Religiosität gegrün-
det ist. Aber es liegt auf der Hand, daß
die religiöse und sittliche Erziehung ihr eigent-
liches Ziel über dieser sichtbaren Welt hat.
Der Mensch ist für die Ewigkeit geschaffen,
dort ist seine wahre Bestimmung, dort darum
auch das eigentliche Ziel der Erziehung,
dorther stammen auch die Beweggründe,
welche christliche Eltern zur eifrigen Erfül-
lung ihrer Pflichten nötigen.

(‘„Zum Eingang und Kyrie“’ in der dritten Meßan-
dacht. Seite 347.)

4. Vaterpflichten. (Fortsetzung.)

[26]

(Beweggründe derselben.)

Alles, was den gewöhnlichen Christen
antreiben soll, für seine Seele zu sorgen,
gilt doppelt für die Eltern. Denn diese haben
nicht bloß für ihr eigenes Heil zu sorgen.
Wenn sie selber in den Himmel wollen, so
müssen sie auch die Kinder für den Himmel
erziehen. Die Liebe zu den Kindern und
das Bewußtsein der eigenen Verantwortung
bilden gleich starke Beweggründe für treue
Erfüllung der Elternpflichten.

Der Vater hat den natürlichen Wunsch,
daß seine Kinder auf Erden Reichtum, Glück
und Ansehen erlangen. Er darf und soll
sich bemühen, ihnen zu dieser irdischen Glück-
seligkeit zu verhelfen. Aber ist das alles?
Ist das die Hauptsache? Wie lange dauert
das, und was folgt nachher? Alles Irdische,
Reichtum und Ehre auf der einen, Armut
und Niedrigkeit auf der andern Seite ver-
lieren ihre Bedeutung, sie verschwinden wie
ein Nichts, wenn man sie mit der Ewig-
keit zusammenhält. Alles Süße und Bittere
auf Erden ist flüchtig und vergänglich, es
gleicht den Erquickungen und Beschwerden
[27] einer kurzen Reise. Himmel und Hölle aber
sind ewig, sie sind es auch für das Kind,
welches dem Vater anvertraut ist, und wohin
es kommt, da wird es ewig bleiben. Welche
Blindheit eines Vaters, welches Verbrechen
an dem Kinde, wenn der Vater alles auf-
bietet, seinem Kinde eine angenehme Reise
in die Ewigkeit zu verschaffen, aber sich nicht
darum kümmert, ob die Reise zu einem guten
oder schlimmen Ziele führt! Ein Vater, der an
die Ewigkeit glaubt, und sein Kind lieb hat,
muß den festen Entschluß im Herzen haben:
Was es auch kosten mag, mein Kind soll
nicht ewig unglücklich werden, ich will alles
thun, damit es seine ewige Bestimmung nicht
verfehlt, ich will sorgen, daß es nach diesem
kurzen Leben in den Himmel kommt.

So müßte ein christlicher Vater reden,
wenn das ewige Heil und das zeitliche Glück
des Kindes einander entgegenstehen würden.
Er müßte unbedenklich das vergängliche Gut
für das ewige zum Opfer bringen. Es er-
giebt sich aber schon aus dem bisher Gesagten,
daß ein solcher Widerspruch nicht vorhan-
den ist, daß im Gegenteil die Sorge für die
Seele das erste Erfordernis für die irdische
Wohlfahrt ist. Für die Erziehung gilt ganz
[28] besonders das Wort des göttlichen Heilandes:
‘„Suchet zuerst das Reich Gottes und seine
Gerechtigkeit, und dieses alles wird euch hinzu
gegeben werden.“’
(Matth. 6,33.) Werden die Kin-
der für den Himmel erzogen, so bewahrt man
sie dadurch vor jenen Fehlern, durch welche heut-
zutage so viele Kinder leichtsinnig sich selber
unglücklich machen. Werden die Kinder für den
Himmel erzogen, so werden sie fähig, die un-
vermeidlichen Uebel dieses Lebens mit Mut und
Trost zu ertragen, sie besitzen in ihrem Gott-
vertrauen und in ihrer Hoffnung einen in-
nern Frieden, den die Wechselfälle des Lebens
nicht zerstören können. Werden die Kinder
für den Himmel erzogen, so wird der Herr
nach seiner Verheißung auch das übrige hin-
zugeben, Er wird seinen Segen auf sie herab-
senden, und ihnen so viel Glück und Frieden
geben, als ihnen heilsam ist. Werden die
Kinder für den Himmel erzogen, so werden
sie also auch für die zeitliche Glückseligkeit
erzogen, so weit eine solche überhaupt auf
Erden zu finden ist. Ein Vater, der Glauben
hat und sein Kind liebt, kann somit unmöglich
darüber im Zweifel sein, was er vor allem
andern und mit allen Kräften anzustreben
hat. Seine erste und größte Sorge muß sein:
[29] Das ewige Glück seines Kindes im Himmel.
Die Liebe zu der unsterblichen Seele des Kin-
des muß jeden christlichen Vater nötigen,
diese um jeden Preis zu retten.

Zu der Vaterliebe tritt als weiterer Be-
weggrund die Verantwortung. ‘„Der Name
Gott,“’
sagt Schiller, ‘„weckt einen ernsten
Nachbar auf, sein Name ist – Richter.“’

Damit hat er den Punkt getroffen, von dem
der Unglaube der einen und die Gewissen-
haftigkeit der andern ihren Ausgang nehmen.
Die einen leugnen Gott, weil ihnen der
Richter unbequem ist, die andern werden
durch ihren Glauben an Gott genötiget, es
mit ihren Pflichten ernst zu nehmen. Gott
steht über uns als unser Gesetzgeber und
Richter, wir sind seine Unterthanen, sein
Wille ist unser Gesetz, und sein Richterspruch
entscheidet über unser Heil in der Ewigkeit.

Gott hat dem Vater eine hohe Würde
verliehen, ihn auf einen Vertrauensposten
berufen, aber der hohen Berufung entspricht
auch eine strenge Verantwortung. Der himm-
lische Vater legt dem irdischen Vater ein
schwaches, unbehilfliches Geschöpf, welches
aber ein Ebenbild Gottes ist und eine un-
sterbliche Seele hat, in seine Hände und giebt
[30] ihm den Auftrag, ihm Ernährer und Erzieher,
Wächter und Beschützer zu sein. ‘„Nimm
dieses Knäblein und nähre es mir, ich will
dir deinen Lohn geben.“’
(II. Mos. 2, 9.) So
sprach die Tochter Pharaos zu der Mutter
des Moses. So spricht die göttliche Vor-
sehung zu Vater und Mutter, wenn ihnen
ein Kind geschenkt wird. ‘„Nimm dieses Kind,
und sorge ihm für Nahrung und Kleidung,
erziehe es zu einem guten Christen, mache,
daß du einen guten Lohn verdienst, wenn
Ich es zurückverlange!“’
Einst kommt der
Tag, an dem das Kind von dem himmlischen
Vater heimberufen wird. Erscheint es rein
und heilig vor seinem Gott und Schöpfer,
so macht Er es zu seinem Erben, zum Teil-
nehmer an seiner Herrlichkeit. Aber auch
die, welchen Er das Kind anvertraute, wer-
den nicht vergessen, Er wird ihnen ihren
Lohn geben. Wer Seelen für den Himmel
erzieht, der ist würdig, selber in den Him-
mel einzugehen. Je größer die Sorgen und
Mühen, die Treue und Hingebung des Vaters,
der Mutter gewesen sind, desto größer ist
auch ihre Seligkeit. Das Glück des durch
sie geretteten Kindes wird für sie in alle
Ewigkeit ein Himmel in dem Himmel sein.

[31]

Aber wenn die Kinder nicht in den Him-
mel kommen, wie steht es dann mit den
Eltern? Wie die ewige Wahrheit uns ver-
sichert, wird der Richter über Leben und Tod
einst beim allgemeinen Gerichte an viele die
Worte richten: ‘„Weichet von Mir, ihr Ver-
fluchten, in das ewige Feuer!“’
(Matth. 25, 41.)
Schreckliche Worte für jene, welchen sie gelten,
nicht minder schrecklich für deren Väter und
Mütter. Man sollte meinen, der Himmel
müsse für solche Eltern aufhören, Himmel zu
sein, wenn sie allein in denselben eingehen
müssen ohne die Begleitschaft ihrer auf ewig
verlorenen Kinder. Aber, ob sie allein ohne
ihre Kinder Einlaß in den Himmel finden,
das ist erst noch eine große und ernste Frage.
Der Richter straft nicht bloß die Sünder,
sondern auch die, welche an ihrem Verder-
ben mitschuldig sind, und da stehen mei-
stens die Eltern in der vordersten Reihe.
Schon hienieden läßt sich bei Tausenden von
Sündern leicht ersehen, daß ein Teil der
Schuld auf ihre Eltern fällt. Beim letzten
Gerichte wird das noch gründlicher unter-
sucht und aller Welt offenbar werden. Es
ist ein entsetzlicher Gedanke, daß Kinder vor
dem ewigen Richter und vor den geöffneten
[32] Pforten der Hölle ihre Eltern als Ursache
ihres Verderbens anklagen. Und doch ist
nicht zu bezweifeln, daß dieses unzähligen
Eltern wirklich begegnen wird. Dürfen Eltern
auf den Himmel hoffen, wenn sie daran schuld
sind, daß ihre Kinder ihn verfehlen? Der
Apostel Paulus sagt: ‘„Wer für die Seinigen
nicht Sorge trägt, der hat den Glauben ver-
leugnet, er ist schlechter als ein Ungläubiger.“’

(I. Tim. 5, 8.) Pflichtvergessene Eltern werden
also vor dem ewigen Richter noch weniger
bestehen, als Ungläubige.

Sind das nicht furchtbar ernste Wahr-
heiten? Jeder Vater soll bedenken: Mein
Kind wird nach einer kurzen Zahl von Jahren
in die Ewigkeit hinübertreten. Es wird
entweder in den Himmel oder in die Hölle
kommen. Sein ewiges Los liegt zum größten
Teil in meiner Hand, und ich bin für seine
Seele vor Gott verantwortlich. Versäume
ich meine Pflicht, so gefährde ich sein Heil,
und seine Seele wird von mir gefordert wer-
den! – Wer kann das beherzigen, ohne daß
ihn sein Glaube und seine Liebe zu dem
Entschlusse drängen: Ich will nicht bloß meine
Pflicht thun, ich will alles aufbieten, was
mir mit der Gnade Gottes überhaupt mög-
[33] lich ist, ich will um jeden Preis das ewige
Heil meines Kindes sicher stellen.

Der heilige Hieronymus war in bestän-
diger heilsamer Furcht vor den Posaunen, die
ihn zum Weltgerichte aufwecken werden. Wie
viel mehr sollen jene dieses großen Tages ge-
denken, welche nicht bloß für die eigene Seele,
sondern auch für ihnen anvertraute Seelen
Rechenschaft geben müssen! In der heiligen
Schrift heißt es: ‘„In allen deinen Werken
denke an die letzten Dinge, so wirst du in
Ewigkeit nicht sündigen.“’
(Pred. 7, 40.) Wenn
ein christlicher Vater an die letzten Dinge
denkt, so wird auch er seine Vaterpflichten
nicht vernachlässigen.

(‘„Zum Staffelgebet“’ in der dritten Meßandacht.
Seite 345.)

5. Vatersorgen.


Die Natur der Sache hat dem Worte
Sorge einen Doppelsinn gegeben. Wer für
etwas zu sorgen hat, d. h. etwas ausführen
oder überwachen muß, der wird auch Sorgen
(Kummer und Unruhe) haben, wenn er anders
seiner Pflichten bewußt ist. Ein Seelsorger
ohne Sorgen kann nie ein guter Seelsorger
sein. Ebenso werden dem gewissenhaften
[34] Familienvater seine Pflichten zu Sorgen wer-
den. Er soll seinen Kindern zum zeitlichen
und ewigen Glücke verhelfen, aber der Er-
reichung dieses Zieles stehen eine Menge von
Hindernissen und Schwierigkeiten entgegen,
welche die eifrigsten Bemühungen vereiteln
können. Wie der Bauer erst dann die Sorgen
los wird, wenn er das Korn in der Scheune
hat, so hört für den Vater die Unsicherheit
und Gefahr erst dann auf, wenn das Ziel
erreicht ist. Leider giebt es auch Väter genug,
welche sich ihre Sorgen sehr leicht machen, aber
sie sind um dieses ihr scheinbares Glück nicht
zu beneiden. Denn die Erfahrung zeigt,
daß eine derartige Sorglosigkeit zur Quelle
von Sorgen wird, für die es später keinen
Trost mehr giebt.

Schon die Erwerbung des tägli-
chen Unterhaltes
für die Familie ist fast
allgemein mit großen Sorgen verbunden. Es
müssen ja weitaus die meisten Väter im
Schweiße ihres Angesichtes mit der Arbeit
ihrer Hände das tägliche Brot für sich und
ihre Familie erringen. Die eigentlichen Nah-
rungssorgen werden immer allgemeiner und
drückender und klopfen immer lauter auch an
die Thüre des Bauern und des Handwerkers.
[35] Das Auskommen zahlloser Familien beruht
auf den zwei gesunden Armen des Vaters,
und wenn diese durch Krankheit oder Ar-
beitslosigkeit zur Unthätigkeit verurteilt wer-
den, so kehren Armut und Not im Hause
ein. Krankheiten und Todesfälle in der Fa-
milie, Mißwachs und Hagelschlag, Stockungen
von Gewerbe und Handel, Krieg und andere
allgemeine Heimsuchungen gehören immer
zu den möglichen Dingen. Die einen oder
andern kehren nicht selten bei uns ein, sie
werden von allen empfunden, aber auf nie-
mand drücken sie schwerer, als auf die Väter
und Mütter. Wenn es dem Vater gelingt,
mit Gottes Hilfe seine Familie ehrlich durch-
zubringen, so geschieht es jedenfalls nur unter
mannigfachen täglichen Sorgen. Diese Sorgen
werden nicht vermindert, wenn er auf die
Zukunft schaut. Werden seine Kräfte aus-
halten, bis die Kinder fähig sind, sich selber
zu helfen? Wird es ihm gelingen, ihnen
ein ehrliches Auskommen zu verschaffen?

Es giebt nur eine kleine Minderzahl von
Vätern, welche sich nicht mit diesen Sorgen
plagen müssen. Die übrigen sind sehr übel
daran, wenn sie sich nicht zu einer christlichen
Auffassung ihrer Lage zu erheben vermögen.
[36] Wenn sie die Sache bloß irdisch auffassen,
so wird es sie erbittern, daß sie zu lebens-
länglicher Not verurteilt sind, während andere
neben ihnen schwelgen können, es wird sie
schmerzen, daß sie ihren Kindern nur das
nackte Leben und eine abhängige Lebens-
stellung hinterlassen können, während bei
andern mühelos Reichtum und Ueberfluß auf
die Kinder übergehen. Wie nahe liegen da
Neid und Mißgunst gegen fremdes Glück,
und Unzufriedenheit und Groll über sein
eigenes Schicksal! Durch eine unchristliche
Auffassung des Lebens werden die täglichen
Sorgen des gemeinen Mannes eigentlich ver-
giftet und zur Unerträglichkeit gesteigert.
Wehe ihm und seiner Familie, wenn er in
dem gleichen unchristlichen Geiste sich dieser
Sorgen zu entledigen sucht, indem er in halber
Verzweiflung sich in den sinnlichen Genuß
stürzt, oder die Faust ballt zum Umsturz der
bestehenden Gesellschaft. Diese Verirrung ist
heutzutage so begreiflich, daß man sie mehr
beklagen als anklagen muß. Sie ist doppelt
bemitleidenswert, weil der wahre Trost so
nahe liegt.

Es sind viel weniger die äußern Ver-
hältnisse, welche den Menschen glücklich oder
[37] unglücklich machen, als die innern Gesin-
nungen. Schon wenn ich an die Ver-
gänglichkeit alles Irdischen denke, so werde
ich die Verschiedenheit der irdischen Le-
bensstellung nicht zu hoch anschlagen. Sie
dauert ja nur einen Augenblick und hat
im Grunde nicht viel mehr Bedeutung
als die Verschiedenheit der Theaterrollen.
Wenn ich an die Vorsehung glaube, so weiß
ich, daß nicht der Zufall den Nachbar an
seine und mich an meine Stelle gesetzt hat,
sondern der himmlische Vater, der mit mir
die besten Absichten hat, und mit väterlicher
Liebe für mich besorgt ist. Wenn ich auf
den Himmel hoffe, so erhebt mich diese Hoff-
nung über Freuden und Leiden dieses ver-
gänglichen Lebens. Neid und Mißgunst er-
scheinen mir als Thorheit, und ich bin
mit meinem Lebenslauf zufrieden, wenn ich
ihn nur als Weg zum ewigen Ziel betrach-
ten kann.

Jeder gläubige Christ muß das Leben
so anschauen, und wer diese Gesinnungen
hat, wird mitten unter den schweren Sor-
gen dieses Lebens zufriedener und getrösteter
sein, als der Millionär mit den Anschauungen
des modernen Heidentums.

[38]

Damit ist deutlich genug gesagt, worin
der geplagte Familienvater mit seinen zeit-
lichen Sorgen Trost suchen soll. Er muß an
die Vorsehung glauben und auf den Himmel
hoffen. Seine Arbeiten und Sorgen sind ein
Tagwerk, das ihm der himmlische Hausvater
aufgelegt hat, und für welches ihm schon
der Lohn im Himmel bereit liegt. Der Herr
des Himmels betrachtet die Kinder als seine
eigenen, den Vater als seinen Stellvertreter,
Er will beide segnen und beschützen, und
alles muß gut gehen, wenn sie sich seines
Segens und Schutzes nicht unwürdig machen.
Darum soll der Vater mit den Seinigen beten
und arbeiten. Er soll arbeiten, d. h. das
Seinige thun in Thätigkeit, Mäßigkeit und
Sparsamkeit und tugendhaftem Wandel, und
er soll beten, d. h. mit Furcht und Ver-
trauen zu Gott aufschauen, Ihn verehren,
um seine Hilfe bitten und auf seinen Segen
hoffen. Dann darf er getrost allen Sorgen
und ungewissen Wechselfällen des Lebens
entgegenschauen, der Herr wird ihn nicht
verlassen, und in jeder Lage ihm und den
Seinigen Schützer und Helfer sein. Und wenn
mit der Zahl der Kinder auch die Sorgen
zu wachsen scheinen, in ein Haus, wo man
[39] betet und arbeitet, wird jedes neue Kind auch
einen Zuwachs an Segen Gottes bringen.
Auch der gottesfürchtigsten Familie bleiben
Kreuz und Leiden, die einmal von diesem
Leben untrennbar sind, nicht erspart. Aber
immer wird Gott mit seinem Troste und seiner
Hilfe ihr nahe sein. Immer wird der fromme
und gläubige Vater auch in bedrängter Lage
mit Tobias zu den Seinigen sagen können:
‘„Wir führen zwar ein armes Leben, aber
wir werden viele Güter haben, wenn wir
Gott fürchten und seine Gebote halten.“’

(Tob. 4, 23.)

Mit dieser tröstlichen Lehre von der Vor-
sehung vergleiche man die Verzweiflung des
Unglaubens. David Strauß, selber ein be-
kannter Ungläubiger, schildert dieselbe mit
folgenden erschütternden Worten: ‘„Der Weg-
fall des Vorsehungsglaubens gehört in der
That zu den empfindlichsten Einbußen, die mit
der Lossagung von dem christlichen Kirchen-
glauben verbunden sind. Man sieht sich in die
ungeheure Weltmaschine mit ihren eisernen
gezahnten Rädern, die sich sausend umschwin-
gen, ihren schweren Hämmern und Stampfern,
die zermalmend niederfallen, in dieses ganze
furchtbare Getriebe wehr- und hilflos hinein-
[40] gestellt, keinen Augenblick sicher, bei einer
unvorsichtigen Bewegung von einem Rade
erfaßt und zerrissen, von einem Hammer
zerschmettert zu werden. Dieses Gefühl des
Preisgegebenseins ist wirklich entsetzlich.“’

Man kann die Trostlosigkeit des Unglaubens
nicht ergreifender darthun, als es hier ein
Ungläubiger selber thut. Wenn du, der du
dieses liesest, auch arm bist, bewahre den
Glauben an die Vorsehung, die Hoffnung
auf den Himmel, und du bist reich genug
und kannst auch deine Kinder reich machen.

(‘„Der Glaube an die Vorsehung.“’ Seite 491.)

6. Vatersorgen. (Fortsetzung.)


(Die Gefahren des Heiles.)

Noch mehr muß die religiöse und
sittliche Erziehung
dem christlichen
Vater ein Gegenstand der Sorgen sein. Es
gilt, das Kind für den Himmel zu erziehen.
Aber es ist noch nicht sicher, daß es dort-
hin gelangen wird. Schon die Möglichkeit,
daß es sein ewiges Ziel verfehlen kann, ist
für den Vater ein genügender Grund zur
Besorgnis. Diese Besorgnis muß noch größer
werden, wenn er auf die Schwierigkeiten und
[41] Hindernisse einer guten Erziehung schaut,
auf die Gefahren und Versuchungen, denen
das Kind entgegengeht, auf die mannigfachen
Klippen, an welchen das Heil seiner Seele
scheitern kann. Wir alle müssen für unsere
eigene Seele das Wort des heiligen Paulus
beherzigen: ‘„Wirket euer Heil mit Furcht und
Zittern.“’
(Phil. 2, 12.) Der Vater, dem es ernst
ist mit dem ewigen Heil seiner Kinder, muß
diese Mahnung des Apostels auch auf die
Erziehung anwenden.

Es wird noch mehrfach Gelegenheit geben,
diesen Gegenstand näher zu erwägen. An
dieser Stelle mag es genügen, darauf hinzu-
weisen, wie die religiöse und sittliche Erziehung
heutzutage viel schwieriger ist als ehemals.

Es hat eine Zeit gegeben, wo die häus-
liche Erziehung sozusagen von allen Seiten
unterstützt, und von keiner Seite erschwert
wurde. Die Kinder wuchsen auf unter den
Augen der Eltern, sie standen bis zur Voll-
jährigkeit unter ihrer unmittelbaren Ueber-
wachung und Leitung. Kirche, Schule und
Familie waren von dem gleichen christlichen
Geiste beseelt und wirkten in Erziehung und
Unterricht einträchtig zusammen. Gefahren
für den Glauben des jungen Christen gab
[42] es sozusagen keine, und den sittlichen Ge-
fahren, die ebenfalls viel seltener waren,
standen die kräftigsten Schutzwehren entgegen.
Gefährliche Schriften, Gelegenheiten zu Ver-
gnügen und Genuß, insbesondere das Wirts-
haus und die vielen weltlichen Feste und Aus-
flüge waren seltene, in manchen Gegenden
unbekannte Dinge. Dagegen war die öffent-
liche Meinung in der Gemeinde durchdrungen
vom Geiste des Glaubens und eine strenge
Sittenrichterin. Sitte und Herkommen bil-
deten eine Schutzwehr gegen sittengefährliche
Ausschreitungen, verhüteten Aergernisse oder
bestraften sie empfindlich, und wurden so
maßgebend für den Wandel des jungen Ge-
schlechtes. So wurden die Kinder erzogen
durch die Kirche, die Schule, den guten Geist
und die Sitten ihrer Umgebung, sie wuchsen
heran zu gläubigen Christen, lernten ihre
religiösen Pflichten erfüllen, beflissen sich eines
eingezogenen, tugendhaften Wandels, ge-
horchten und dienten noch erwachsen ihren
Eltern, ohne daß von diesen zur Erziehung
derselben viel mehr erfordert wurde, als das
gute Beispiel. Wo alles für den gleichen
Zweck zusammenwirkt, da wird das Ziel
viel leichter und sicherer erreicht. So war
[43] es mehr oder weniger in den Tagen unserer
Väter, in der sogenannten guten alten Zeit.

Wie ganz anders sieht es jetzt aus! Es
ist, als ob eine dämonische Gewalt den har-
monischen Bau der Jugenderziehung in hun-
dert Stücke auseinander gesprengt hätte. Die
meisten Väter sind nicht mehr bei ihren Kin-
dern, sie müssen ihrer Arbeit, ihren Geschäften
nachgehen, und wenn sie frei sind, suchen
sie lieber das Wirtshaus auf, als ihren häus-
lichen Herd. Die Schule, wo die Kinder viele
Jahre lang die meiste Zeit zubringen, kümmert
sich von Gesetzeswegen nicht mehr um Reli-
gionsunterricht und religiöse Erziehung und
an manchen Orten muß man sogar zufrieden
sein, wenn sie nur dabei bleibt und nicht noch
nachteilig wirkt. Die Kinder verlassen das El-
ternhaus lange bevor die Erziehung abgeschlos-
sen ist, um ihr Brot zu verdienen oder in die
Lehre zu treten. Die Welt ist überschwemmt
mit glaubens- und sittenfeindlichen Schriften,
die allzuoft auch der Jugend in die Hände
geraten. Noch näher liegen die Aergernisse
religiöser Gleichgültigkeit, das Beispiel, die
Gelegenheit, die Versuchung leichtsinnigen
Lebensgenusses. Damit hält gleichen Schritt
das Sinken des elterlichen Ansehens, die all-
[44] zufrühe Selbständigkeit des Kindes, welches
vielfach sein eigener Herr wird, bevor es
erzogen ist, und mitten in die Gefahren der
Welt hineingestellt ist, bevor es denselben
gewachsen ist. Man möchte wieder über die
junge Generation ausrufen, wie einst der
heilige Augustin zur Zeit des Unterganges
der römischen Civilisation über eine Schar
junger Christen ausrief: ‘„Mache sie, o Herr,
aus Kindern zu Greisen!“’
Um ohne Schaden
durch die Welt zu kommen, sollten sie im
zarten Alter schon die Erfahrung, die Vor-
sicht und die Festigkeit des gereiften Alters
besitzen.

Dieses Bild trifft glücklicherweise nicht
überall vollständig zu, aber es ist die Signatur
der neuen Zeit, ist an vielen Orten bereits
verwirklicht und fast an allen Orten im Wer-
den begriffen. Kann man da die Kinder
auch noch für den Himmel erziehen? Können
die Eltern so auf sie einwirken, daß sie unter
solchen Verhältnissen den Glauben und die
Tugend bewahren und zu guten Christen
heranwachsen? Es ist schwer, diese Frage
mit einem einzigen Worte zu beantworten.
Sicher ist, daß es in der heutigen Welt wim-
melt von verwahrlosten Kindern und von
[45] jungen Christen, welche den Gefahren der
Welt erliegen, sobald sie in dieselben hinein-
geraten. Sicher ist, daß zu diesen Unglück-
lichen die Kinder aller gleichgültigen und nach-
lässigen Eltern gehören, und daß, wie die Er-
fahrung sattsam zeigt, jede Versäumnis in der
häuslichen Erziehung später ihre schlimmen
Früchte trägt. Sicher ist, daß es für die
Eltern viel schwieriger und mühevoller ist,
ihre Kinder für Gott und den Himmel zu
erziehen, als dieses in früheren Zeiten der
Fall war, und daß darum alle Kinder, deren
Eltern ihre hohe Aufgabe nicht ernst genug
nehmen, in der größten Gefahr sind. Sicher
ist aber auch, daß unsere heilige Religion ei-
nen unerschöpflichen Reichtum an Hilfsmitteln
für alle heilsbegierigen Seelen und für alle
eifrigen Eltern besitzt, und daß es in der
Welt keine Gefahren giebt, welche mit Hilfe
derselben nicht überwunden werden können.
Sicher ist, daß die Christen der ersten Jahr-
hunderte in einer noch schlimmeren Welt
ihre Kinder so erziehen konnten, daß sie mitten
unter den Greueln des Heidentums in be-
wundernswerter Unschuld aufwuchsen und
als Helden für den Glauben in den Tod
gingen. Sicher ist, daß unsere Religion auch
[46] heute noch dieselbe übernatürliche Kraft und
Hilfe besitzt und für alle bereit hält, welche
sie im Ernste gebrauchen wollen. Sicher ist,
daß ein gläubiger und eifriger Vater im-
mer noch mehr Macht über seine Kinder
hat, als die ganze Welt, und daß er sie
jetzt noch zu guten und standhaften Christen
erziehen kann, wenn er sich in Wort und
That, in Ueberzeugung und Leben an den
Wahlspruch des israelitischen Heerführers
Josue hält: ‘„Ich und mein Haus, wir wol-
len dem Herrn dienen.“’
(Jos. 24, 15.)

Ein Vater mag neben den Kindern auch
an die Kindeskinder und die spätere
Nachkommenschaft
denken. Er kann
der Stammvater einer weitverzweigten Fa-
milie werden, welche in einer Reihe von
Generationen Jahrhunderte lang fortbesteht.
Sein Blut und sein Name lebt in seinen
Nachkommen fort, und er muß den Wunsch
haben, daß sie auf Erden Wohlfahrt und
Achtung finden, und einst zum ewigen Glücke
gelangen. Es wäre für ihn sehr schmerzlich,
wenn er ahnen könnte, daß sein Same als
Unkraut auf Erden fortwuchern werde, in
Elend und Not und sittlicher Verkommen-
heit, beladen mit der Verachtung der Mit-
[47] menschen, und unwürdig des ewigen Glückes
im Jenseits.

Aber hier handelt es sich nicht bloß um
Furcht und Hoffnung und leere Wünsche, son-
dern um die eigene Verantwortung des Vaters
für das Los seiner Nachkommenschaft. Mit
einer sorgfältigen Erziehung seiner Kinder
kann er den Glauben und die Gottesfurcht
in seiner Familie auf Generationen hin be-
festigen, und so der Urheber ihres zeitlichen
und ewigen Glückes werden. Aber auch die
Sünden, die er als Vater begeht, seien es
auch nur Unterlassungssünden, können über
seinem Grabe noch in den Enkeln und Ur-
enkeln fortwirken und Verderben stiften. Die
Nachwirkungen einer guten oder schlechten
Erziehung lassen sich gar nicht überschauen
und berechnen; sie können sich erstrecken bis
an das Ende der Welt.

Alles Gute oder Böse im Leben des Vaters
kann zum Segen oder Fluche werden für
seine Nachkommen, und sie wie ein Stern
des Glückes oder wie ein dunkles Verhäng-
nis begleiten. Denn es steht geschrieben, daß
der Herr Barmherzigkeit übe bis ins tau-
sendste Glied, aber auch, daß Er vergelte der
Väter Missethat an den Kindern und Kindes-
[48] kindern bis ins dritte und vierte Glied.
(II. Mos. 34, 7.) Und der Psalmist ruft den Vä-
tern das aufmunternde Wort Zu: ‘„Der From-
men Geschlecht wird gesegnet.“’
(Ps. 111,2.)

(‘„Zum Evangelium“’ in der dritten Meßandacht. S. 352.)

7. Vaterfreuden.


Für den Vater giebt es Freuden des
Frühlings und Freuden des Herbstes, Freu-
den der Gegenwart und der Zukunft. Die
gegenwärtigen sind die Freuden des
Familienlebens
. Die heilige Schrift
schildert das Glück des tugendhaften Vaters
im Kreise der Seinigen mit den begeisterten
Worten: ‘„Glückselig alle, die den Herrn
fürchten, die da wandeln auf seinen Wegen.
Denn von der Arbeit deiner Hände wirst
du essen: Heil dir, es wird dir gut gehen.
Dein Weib ist wie ein fruchtbarer Weinstock
an den Wänden deines Hauses; deine Kin-
der sitzen im Umkreise deines Tisches wie
junge Sprößlinge des Oelbaums. Siehe, also
wird der Mann gesegnet, der den Herrn
fürchtet! Der Herr segne dich aus Sion, und
lasse dir sehen das Glück Jerusalems alle
Tage deines Lebens.“’
(Ps. 127, 1–5.)

Der heilige Sänger scheint bei diesem Lob-
lied auf das Familienglück besonders den
[49] Bauer und Arbeiter im Auge zu haben, welche
‘„essen von der Arbeit ihrer Hände.“’ Er
preist ein Glück, welches sie mit den Königen
gemeinsam haben, und in der Regel besser ge-
nießen können als diese. Die eigentliche Stätte
der Freude und des Glückes für den Familien-
vater soll der Kreis der Seinigen sein. Er
soll nicht bloß mit seinen zwei Armen, son-
dern auch mit seinem Herzen der Familie
angehören. Wie er die Lasten und Sorgen
des Lebens für sie tragen muß, so soll er
auch seine Freuden mit ihr teilen, und die
Familie, der Gegenstand seiner Sorgen, soll
auch die Quelle seiner Freuden sein. Wenn
schon der Gärtner an den Blumen seine
Freude hat, die unter seiner Pflege aufblühen,
wie viel mehr der Vater an seinen Kindern!
‘„Wo dein Schatz ist, da wird auch dein Herz
sein.“’
(Matth. 6, 21.) Der Schatz des Vaters
können nur seine Kinder sein. Darum sollte
sein Herz immer bei ihnen weilen, und wenn
das Joch der Arbeit fällt, soll ihn die Vater-
liebe in ihre Mitte führen, und der Umgang
mit ihnen soll ihm zur Herzensfreude werden.
Die alten Römer kannten zwei heilige Stätten,
den häuslichen Herd und den Altar, und an die-
sen beiden schöpften sie Begeisterung für die
[50] Werke des Friedens und des Krieges. Für
den christlichen Vater sind beide Stätten noch
heiliger und ehrwürdiger geworden, er soll
noch lieber an denselben weilen.

Leider gleichen heutzutage viele Väter
kurzsichtigen Wanderern, welche schmachtend
durch die Wüste ziehen. Die grünende Oase
mit der frischen Quelle beachten sie nicht,
so nahe sie ihnen auch ist. Dafür kaufen sie
sich um hohen Preis trübes, schlammiges
und ungesundes Wasser. Es ist himmeltraurig,
daß die Familienfreuden für so viele Väter
eine verschüttete Quelle sind, von deren süßen
Wassern sie keine Ahnung haben. Auf dieser
armseligen Erde erblühen den geplagten Sterb-
lichen ohnehin nicht so viele Freuden. Warum
müssen gerade die nächsten, die wohlfeilsten,
die edelsten und reinsten so vielfach unbenutzt,
oft gänzlich unbekannt bleiben!

Die Sage erzählt von Vampiren, welche
den Menschen im Schlafe das Blut aussaugen,
und sie so langsam entkräften und töten.
Ein solcher Vampir bedroht heutzutage das
Glück und die Existenz der Familie, und sein
Name ist – Wirtshaus. Dieses entzieht
der Familie das Geld, und bringt über Tau-
sende Dürftigkeit und Not, zuletzt völlige
[51] Verarmung. Das Wirtshaus entzieht der
Familie das Herz des Vaters, welches lieber
anderswo als bei den Seinen weilt. Es ist
da, wo sein Schatz ist, im Wirtshaus. Das
Wirtshaus macht die Wohnstube der Seinigen
gerade zur Zeit der Erholung zum öden
Gemach, weil der Vater fehlt, ohne den die
Mutter in gewissem Sinne Witwe und die
Kinder Waisen sind. Es erübrigt nur noch,
um das Elend voll zu machen, daß der Vater
halb oder ganz betrunken zu der vernach-
lässigten, vielleicht hungernden, Familie heim-
kehrt und sie ärgert und mißhandelt.

Da braucht man sich nicht zu wundern,
wenn viele Väter für ihre Kinder halbfremde
Menschen sind, denen diese keine innige An-
hänglichkeit, kein volles Zutrauen entgegen-
bringen, die sie vielleicht sogar als pol-
ternde Störer des häuslichen Friedens fürchten
und fliehen. Das erklärt manche betrübende
Erscheinung im Familienleben, das Sinken
des väterlichen Ansehens, die Bitterkeit und
Unzufriedenheit der Mutter, die Roheit und
Ungezogenheit der Kinder, die Unordnung,
die Zerfahrenheit und freudelose Oede im
Hause, welche alle Familienglieder lang-
weilt und forttreibt, die Kälte, den Trotz,
[52] den Undank bei einem Teile der reiferen
Jugend.

Der Vater muß in der heutigen Zeit
allzuviel notgedrungen seiner Familie ferne
bleiben. Das läßt sich nicht ändern, aber
um so mehr sollte er bei ihr sein, wenn er
nicht gehindert ist. Junge Väter sind mei-
stens nicht allein schuld, wenn sie sich an den
Wirtshausbesuch gewöhnt haben. Man hat
sie dazu erzogen. Es kostet ein Opfer, lieb-
gewonnene Angewöhnungen zu ändern. Die
Unterhaltung zu Hause mag ihnen gegenüber
den Wirtshausfreuden anfänglich vorkom-
men wie ein Gericht, das nicht gesalzen ist.
Der Geschmack an den einfachen und edlen
Freuden der Familie kann bei solchen nur
nach und nach kommen, wird aber nicht aus-
bleiben. So ist es mit allem Heilsamen und
Guten. Immer gilt das Wort: ‘„Wer Mir
nachfolgen will, der verleugne sich selbst.“’

(Luk. 9, 23.) Christus läßt uns zuerst die
Bitterkeit des Opfers kosten, die Süßigkeit
folgt erst nach, ist dann aber beseligend und
bleibend. Der Teufel macht es umgekehrt.
Er reicht zuerst die süße Lockspeise, und wenn
die armen Opfer angebissen haben, so über-
läßt er sie ihrem Schicksale.

[53]

Die Freuden des Herbstes genießt der
Vater, wenn die Früchte der Erzie-
hung
heranreifen. Wie glücklich ist ein
Vater, wenn er sein Tagwerk vollbracht hat,
und der Erfolg ihm zeigt, daß er seine Sache
gut gemacht hat! Die Kinder sind wohl-
erzogen und unterrichtet, sie finden ihr gutes
Auskommen, sie sind die Freude und die
Ehre ihres Vaters, voll dankbarer Gesinnung
gegen ihn, stets bereit, ihm nach Bedürfnis
die erwiesenen Wohlthaten dankbar wieder-
zuvergelten. Vielleicht erfüllt der Herr an
ihm den Segenswunsch des heiligen Sängers:
‘„Der Herr lasse dir sehen die Kinder deiner
Kinder und Frieden über Israel!“’
(Ps. 127, 6.)
Beneidenswertes Alter eines solchen Vaters!
Bei der Hinfälligkeit, die über ihn kommt,
tröstet ihn das Aufblühen des ausgestreuten
guten Samens, die Liebe und Dankbarkeit und
das Glück der Seinigen. Und kommt es zur
Trennung, so nimmt er die Hoffnung mit
in das Grab, die dem frommen Tobias er-
füllt wurde: ‘„Seine ganze Verwandtschaft
und sein ganzes Geschlecht verharrte in gutem
Leben und heiligem Wandel, also daß sie sowohl
Gott als den Menschen und allen Bewohnern
des Landes angenehm waren.“’
(Tob. 14, 17.)

[54]

Die Trennung ist nur eine zeitweilige.
Er geht voran durch die dunkle Pforte in die
lichte Heimat. Die andern werden der Reihe
nach ihm folgen. Jeder neue Ankömmling
aus seinem Stamme wird von ihm freudig
begrüßt, und wird seiner Seligkeit neuen
Zuwachs bringen. Wenn sein Geschlecht
Jahrhunderte fortdauert, er wird am Throne
Gottes sein Fürbitter sein, auf daß alle Glie-
der desselben zu demselben ewigen Glücke
gelangen. Erst wenn der letzte seiner Nach-
kommen glücklich das Ziel erreicht hat, wer-
den seine Vaterfreuden vollkommen sein und
ewig dauern. ‘„Siehe, also wird der Mann
gesegnet, der den Herrn fürchtet!“’
(Ps. 127, 4.)

Es läge nahe, hier auch den Schmerz des
Vaters zu schildern, wenn seine Arbeit für
das diesseitige und jenseitige Leben miß-
lungen ist. Nicht alle Väter sind schuld an
dem Verderben ihrer Kinder. Aber Gott
weiß, wie viele keine Entschuldigung haben.
Wenn jede Selbstanklage bitter ist, so kann
doch keine bitterer sein, als die Selbstan-
klage des Vaters. Ich bin selber schuld, daß
meine Kinder böse Wege wandeln, daß sie
in Elend und Verachtung leben, ich bin selber
schuld, daß sie mir mit Undank begegnen,
[55] mich verachten und verstoßen, ich bin selber
schuld an ihrem ewigen Verderben. Wahr-
lich, wenn es sonst keine Hölle gäbe, eine
solche Selbstanklage wäre Hölle genug. Ich
will dieses Bild nicht weiter ausmalen. Es
giebt keine Farben, die dazu schwarz genug
sind. Das Kapitel von dem Lachen und
Weinen des Vaters ist ja ohnehin uner-
schöpflich. Darum breche ich es ab mit einer
Erinnerung, die mir einst in einem alten
Buche begegnete: ‘„Als du geboren wur-
dest, weintest du, und die Deinigen lächel-
ten. Lebe so, daß, wenn es zum Sterben
kömmt, du lächeln kannst und die Deini-
gen weinen.“’

(Bete den besonderen Segen für Hausväter nach
der heiligen Kommunion. Seite 392.)

8. Der christliche Vater.


Vaterwürde, Vaterpflichten, Vatersorgen,
Vaterfreuden – jeder Mensch, der nicht ganz
roh ist, wird diesen Worten einen tiefen
Sinn unterlegen. Aber die Bedeutung dieser
Worte wird doch bei den einzelnen verschie-
den sein, sie wird in ihrem Werte steigen
und fallen, je nachdem ihre religiösen An-
schauungen beschaffen sind.

[56]

Manche reden in schönen Worten von
Religion, von den Vorzügen und der Not-
wendigkeit der Religion, aber sie denken sich
dabei etwas ganz anderes, als die christliche
Religion. Bei näherer Prüfung stellt sich
heraus, daß sie wohl die Religion als ein
Bedürfnis des menschlichen Herzens aner-
kennen, daß sie aber in Bezug auf die Be-
friedigung dieses Bedürfnisses sehr genüg-
sam sind. Für sie handelt es sich nicht um
religiöse Wahrheiten und allgemein verbind-
liche Gesetze, sondern um Gefühle und religiöse
Vorstellungen, die jeder sich selbst bilden kann,
wie es ihm zusagt, und die darum bei dem
einen so, bei dem andern anders beschaffen
sind, und nach Gutfinden gewechselt werden
können. Es handelt sich in ihren Augen
nur darum, daß diese religiösen Vorstellun-
gen dem menschlichen Herzen Befriedigung,
einige Erhebung und Erbauung zu bie-
ten vermögen. Manche halten sich schon
für religiös, wenn sie, ohne irgendwie
bestimmte religiöse Anschauungen zu ha-
ben, sich durch einen Gesang, eine Grab-
rede u. s. w. zu edleren Gefühlen und
einigen verschwommenen Ahnungen anregen
lassen.

[57]

Es ist klar, daß eine solche Religiosität
nur jenen genügen kann, welche ihren Blick
auf das irdische Dasein beschränken. Wer
aber höher hinaufschaut, und an ein künf-
tiges Leben in der andern Welt denkt, der
kann sich mit einer solchen Religion bloßer
Gefühle und selbstgemachter Vorstellungen
nicht zufrieden geben. Es drängt ihn zu
erfahren, wie es im Jenseits aussieht, und
was er thun muß, um dort an einen guten
Ort zu gelangen. Mit selbstgemachten Ein-
bildungen, mit unverbürgten Vermutungen
über das Schicksal der Seele nach dem Tode
ist ihm nicht geholfen. Diese können die
Seele höchstens bis an die Pforten des Jen-
seits beruhigen, aber welches Unglück und
Entsetzen, wenn sie sich dort als Täusch-
ung herausstellen! Wenn der Satz, jeder
könne glauben, was er wolle, bedeuten soll,
es sei gleichgültig, was ein jeder glaube,
so erweist er sich da als große Thorheit.
Angesichts der Ewigkeit heißt er so viel als:
Jeder kann sich selber zum besten halten,
sich selber betrügen, wenn er will. Es handelt
sich offenbar nicht darum, was wir glauben
wollen, sondern was wir glauben müssen,
d. h. es handelt sich um die Wahrheit. Wir
[58] können nur ruhig sein, wenn wir diese ganz
und sicher besitzen.

Wie aber kommen wir zu dieser Wahr-
heit? Nicht durch Menschen, welche dieselbe
wohl ahnen, aber nicht mit Sicherheit ermit-
teln können. Das beweisen die Unsicherheit,
die Widersprüche, die Verworrenheit der
menschlichen Ansichten. Als Plato, der große
Weltweise der Griechen, diese Frage erörterte,
sagte er: ‘„Mir dünkt es das beste, ruhig
abzuwarten, bis einer kommt und uns belehrt,
wie wir uns gegen Gott und die Menschen
zu verhalten haben.“’
Damit hat Plato, einer
der weisesten Sterblichen, die Unfähigkeit des
menschlichen Erkennens und die Notwendig-
keit einer göttlichen Offenbarung ausgespro-
chen. Diese Offenbarung ist uns gebracht
worden durch Jesus Christus. Durch Ihn,
der sich als den Sohn des Allerhöchsten aus-
gewiesen hat, erfuhr die Menschheit klar und
bestimmt und zweifellos sicher, was sie von
Gott und der jenseitigen Welt und dem Wege
dorthin zu wissen braucht.

Es ist klar, daß die Bekenner der Lehre
Christi sich durch ihre Ueberzeugung zu einem
ganz anderen Leben und Streben verpflichtet
sehen, als jene, die sich ohne Religion oder
[59] mit einer selbstgemachten Religion zu behelfen
suchen. Ebenso muß jedermann einleuchten,
daß die Erziehung der Kinder und die Pflich-
ten des Vaters in wesentlich anderem Lichte
erscheinen, je nachdem sie im christlichen oder
in einem diesem entgegengesetzten Sinne
aufgefaßt werden. Es ist für jeden Vater
wichtig, diese Gegensätze zwischen Christen-
tum und Welt in der Erziehung wohl zu
beachten.

Der erste Gegensatz besteht in Bezug auf
das Ziel der Erziehung. Einem gläu-
bigen Christen braucht man nicht lange zu
beweisen, daß die Hauptaufgabe der Erzieh-
ung darin besteht, den Kindern zu dem ewigen
Glücke zu verhelfen, und daß die Sorge für
ihr irdisches Fortkommen zwar auch Pflicht ist,
aber bei weitem nicht die gleiche Bedeutung
hat. Christus hat das Programm der christ-
lichen Erziehung ausgesprochen, indem Er
sagte: ‘„Was nützt es dem Menschen, wenn
er die ganze Welt gewinnt, an seiner Seele
aber Schaden leidet?“’
(Luk. 9, 25.) Die mo-
derne Welt, soweit sie den Boden der gött-
lichen Offenbarung verlassen hat, schaut die
Sache umgekehrt an. Ihr Sinnen und Streben
ist so auf die irdischen und vergänglichen Dinge
[60] gerichtet, als ob es etwas Höheres und Ewi-
ges gar nicht gäbe. Dieser Weltsinn wirkt
auch auf die Erziehung ein und hat zur Folge,
daß man die Hauptsorge darauf verwendet,
die Kinder für das irdische Leben gut zu
erziehen, und daß die Sorge für das ewige
Heil der Kinder davor zurücktritt, wohl auch
ganz beiseite gesetzt wird. Auch Eltern,
die nicht ungläubig sind, bringen oft sorg-
los ihre Kinder in Häuser oder Anstalten,
die wohl für ihr irdisches Fortkommen dien-
lich sein mögen, wo aber ihr Seelenheil ernst-
lich gefährdet ist.

Der zweite Gegensatz zwischen christlicher
und moderner Erziehung ist der zwischen
christlicher Zucht und weltlicher
Verweichlichung
. Nach der Lehre der
Offenbarung sind die Folgen des Sünden-
falles auch in dem Kinde vorhanden in der
bösen Begierlichkeit. Es ist eine der Haupt-
aufgaben der christlichen Erziehung, die an-
ererbten verkehrten Anlagen und Neigungen
des Kindes zu verbessern. Darum wendet
das Christentum das Gesetz der Selbstbe-
herrschung auch auf die Erziehung an. Die
elterliche Zucht übt dieselbe aus, weil der
Wille des Kindes hiefür noch zu schwach ist,
[61] sie unterdrückt die schlimmen Regungen, pflegt
die guten, und hält so gute Ordnung mit
den äußern und den Gemütsbewegungen
des Kindes, damit dieses, wenn es den Ge-
brauch seines freien Willens erlangt, seinen
sittlichen Zustand wie ein wohlgeordnetes
Reich zur Selbstregierung übernehmen kann.

Die moderne Welt glaubt nicht an den
Sündenfall, darum auch nicht an eine anererbte
Verdorbenheit in der Natur des Kindes. Da-
rum hat die Erziehung auch keine verkehrten
Anlagen in demselben zu bekämpfen. Dieser
Irrtum leistet jener falschen Erziehung we-
sentlichen Vorschub, welche von einer ernsten
Zucht nichts mehr weiß, welche die Kinder
verzärtelt und verweichlichet, welche gerade
die Sinnlichkeit und den Eigensinn großzieht,
welche gezügelt werden sollten. Wer so er-
zogen wird, gelangt gar nie in den vollen
Besitz seiner sittlichen Freiheit, indem er von
seinen nie bekämpften, und darum über-
mächtig gewordenen Neigungen beherrscht
wird, statt daß er, wie es sein sollte, über
sie herrscht.

Der dritte Gegensatz zwischen Christen-
tum und moderner Welt in der Erziehung
bezieht sich auf das Verhältnis zwischen
[62] Religion und Sittlichkeit
. Sittlich
erziehen, d. h. die Kinder mit einem gewissen
Maße bürgerlicher Tugenden ausstatten, will
auch die Welt, aber sie irrt sich in Bezug auf
die Erfordernisse. Das Christentum bietet
dem sittlichen Leben und der sittlichen Er-
ziehung das feste und zuverlässige Fundament
erstens in seinen Glaubenslehren, welche den
Christen mit den stärksten Beweggründen
(Allwissenheit und Gerechtigkeit Gottes, ewi-
ger Lohn, ewige Strafe) vom Bösen ab-
schrecken und zum Guten antreiben, und
zweitens in der göttlichen Gnade, welche den
Christen mit Licht und Kraft von Oben zum
Guten befähiget.

Die Welt glaubt dieses christliche Funda-
ment der Sittlichkeit entbehren zu können,
sie will gut erziehen nur mit natürlichen
Beweggründen und nur mit natürlichen
Mitteln. Bis zu einem gewissen Punkte mag
das auch scheinbar gelingen, bis nämlich der
junge Mensch unabhängig wird, und die
Versuchungen und Kämpfe des Lebens ihn
auf die Probe stellen. Da zeigt es sich dann
bald, daß man in der Erziehung falsch ge-
rechnet hat, und der ganze sittliche Bau nur
auf Sand gebaut war. Die Baumeister hatten
[63] vergessen, daß der Anfang der Weisheit die
Furcht Gottes ist. (Ps. 110, 10.)

Man sehe sich um in der heutigen Welt,
man beobachte, wie erzogen wird, und welche
Früchte die Erziehung trägt, und man wird
nicht lange darüber im Zweifel sein, wer
die Erziehung richtiger auffaßt, das Christen-
tum oder die moderne Welt. Die Kinder
nach den richtigen Grundsätzen erziehen, und
ihnen zu dem wahren Glücke verhelfen,
kann nur der christliche Vater. Aber auch
für ihn gilt das Wort des heiligen Pacian:
‘„Christ ist mein Name, katholisch mein
Zuname.“’

(‘„Zum Credo“’ in der dritten Meßandacht. Seite 353.)

9. Der katholische Vater.


Der heilige Paulus bemerkt den Ephe-
siern, der Herr habe Apostel, Hirten und
Lehrer verordnet, ‘„damit wir nicht mehr Kin-
der seien, die (wie Meereswellen) hin- und
herfluten und von jedem Winde der Lehre
hin- und hergetrieben werden durch die
Schalkheit der Menschen, durch die arglistigen
Kunstgriffe der Verführung zum Irrtume.“’

(Eph. 4, 14.) Es genügt nicht, daß Gott den
Menschen die Wahrheit offenbarte, es bedarf
[64] auch einer von Gott eingesetzten Autorität,
welche die Offenbarungslehre unter gött-
lichem Beistande unverändert forterhält,
und ohne Irrtum auslegt und verkündet.
Diese Autorität haben wir in der von
Christus gestifteten und vom heiligen Geiste
geleiteten Kirche. Sie heißt die römische
Kirche, weil ihr Oberhaupt als Nach-
folger des heiligen Petrus Bischof von Rom
ist; sie heißt die katholische oder allgemeine,
weil sie für alle Zeiten und Völker bestimmt,
und über alle Erdteile ausgebreitet ist; sie
heißt die apostolische, weil ihre Vorsteher
Nachfolger der Apostel sind, und sie ihre
Lehren und Gnadenmittel von den Aposteln
erhalten hat; sie ist heilig, weil ihr Stifter,
ihre Lehre, ihre Sakramente heilig sind, und
sie zu allen Zeiten heilige Mitglieder hatte;
sie ist einig, weil sie immer und überall
dieselbe Lehre, dasselbe Opfer und dieselben
Sakramente und ein gemeinsames Oberhaupt
hat. Ohne diese Merkmale könnte sie nicht
die wahre von Jesus Christus gestiftete Kirche
sein. Da sie dieselben aber besitzt und all-
ein besitzt, so erweist sie sich dadurch mit
Ausschluß aller andern als die alleinige
wahre Kirche.

[65]

Wie notwendig diese Kirche ist, wird unleug-
bar dargethan durch die Art, wie Dutzende von
Sekten, die sich von der Kirche trennten, mit
den geoffenbarten Wahrheiten und den gött-
lichen Gnadenmitteln umgegangen sind, und
durch die Verirrungen, in welche sie dabei
hineingeraten sind. Jede dieser vielen Irr-
lehren machte ihre Anhänger nach dem Worte
des heiligen Paulus wieder zu Kindern, zu
Meereswellen, die unsicher hin- und herflu-
ten und von jedem Winde der Lehre hin-
und hergetrieben werden. Nicht besser, wenn
möglich noch schlimmer, ist es in der moder-
nen Welt, die von einer göttlichen Offen-
barung nichts mehr wissen will. Wo noch ein
Steinchen religiöser Ueberzeugung vorhanden
ist, wird es von diesen unruhigen Wellen der
einander widersprechenden und immer wech-
selnden Meinungen allmählich zu Sand zerrie-
ben, und die ganze Bewegung treibt sichtlich
dem allgemeinen Zweifel und Unglauben zu.

Mitten unter diesem Wechsel und Wider-
spruch menschlicher Meinungen steht die Kirche
da wie der Fels, der von Wogen umbraust
wird. Die menschlichen Ansichten kommen und
gehen, erheben sich und sinken wieder, wie die
Wogen des Meeres, die Kirche aber verkün-
[66] det unentwegt die unveränderte und volle
Wahrheit, die ihr von Christus übergeben
wurde. Sie beweist damit, daß sie wirklich
jene Kirche ist, welche Christus auf einen
Felsen gegründet hat. (Matth. 16, 18.)

Als einst viele Jünger den göttlichen Hei-
land verließen, sprach Er zu den Zwölfen:
‘„Wollt auch ihr weggehen?“’ Und Simon
Petrus antwortete Ihm: ‘„Herr, zu wem sollen
wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens.
Und wir haben geglaubt und erkannt, daß
Du bist Christus, der Sohn Gottes.“’
(Joh. 6,
67–70) In der Welt, wie sie einmal ist, tritt
auch an manche Katholiken die Frage heran:
Wollt auch ihr hinweggehen? Viele sind
leichtsinnig genug, der Kirche den Rücken zu
kehren und die Wege der Welt zu wandeln.
Wer aber erwägt, um was es sich handelt,
wo die Wahrheit nicht sein kann, und wo
sie sein muß, der wird mit Petrus antwor-
ten: Wohin sollen wir gehen? Das Heil
meiner Seele darf ich nicht solchen anver-
trauen, die selber nicht wissen, woran sie
sind, und die lästern, was sie nicht verstehen.
Nur Christus und seine Kirche können mir
genügende Sicherheit für mein Heil in der
Ewigkeit bieten. Die Entscheidung zwischen
[67] Himmel und Hölle ist mir zu ernst, die
Ewigkeit zu lang, als daß ich da blindlings
und aufs Geratewohl wählen dürfte. Darum
will ich in Ueberzeugung und Leben ein Glied
der katholischen Kirche sein.

Wenn jeder Christ um des Heiles seiner
Seele willen so reden muß, so noch mehr der
Vater, weil er nicht bloß für seine Seele,
sondern auch für die Seelen seiner Kinder
verantwortlich ist. Die ganze Aufgabe des
Vaters ist eigentlich darin gelegen, daß er
seine Kinder zu guten Christen macht. Bringt
er das zu stande, so werden sie auch tugend-
hafte Menschen und gute Bürger sein, und
mit dem ewigen wird auch das zeitliche Ziel
der Erziehung erreicht werden.

Die Kirche will aber dem Vater nicht
bloß Pflichten auflegen, sondern ihm auch
kräftige Hilfe leisten. Die Kirche ist selber die
erste Erzieherin in der Welt und hat seit bald
zweitausend Jahren diese Arbeit im großen
besorgt. Wenn die Eltern sich treu an sie
anschließen, so stellt sie ihnen gewissermaßen
ihr Lehr-, Priester- und Hirtenamt zur Ver-
fügung, um das große Werk der elterlichen
Erziehung zu fördern und zu einem guten
Ziele zu führen.

[68]

Das kirchliche Lehramt wirkt bei der
Erziehung mit durch die Erteilung des Re-
ligionsunterrichtes. Unterricht und Erziehung
gehören zusammen und müssen ein Ganzes
bilden. Wenn Religionslehrer und Eltern
einander in die Hände arbeiten, so werden
trotz der zu kurzen Zeit, und trotz mancherlei
Hindernissen Religion und Glaube im Her-
zen des Kindes gepflegt und befestiget wer-
den können. Bei dem von der Kirche ge-
sendeten Religionslehrer wissen die Eltern,
was er ihren Kindern beibringt, außerhalb
der Kirche haben sie keine Sicherheit mehr,
ob Christus oder Antichristus gelehrt wird.

Auch das Priesteramt steht in innigen
Beziehungen zu der elterlichen Erziehung.
Durch das heilige Sakrament der Ehe erhal-
ten die Eltern eine überaus wichtige und
kostbare Standesgnade. Durch die heilige
Taufe wird das Kind ein Glied der Kirche,
Miterbe Christi, Bürger des Himmels. Die
Teilnahme am Gottesdienst, der Empfang
der heiligen Sakramente sind wichtig für die
Eltern, um Gnade und Aneiferung für ihre
wichtige Aufgabe zu bekommen, sie sind wich-
tig für die Kinder, damit sie nicht bloß in
die Kenntnis, sondern auch in die Uebung
[69] der Religion eingeführt werden, damit sie
nicht bloß äußerlich gut erzogen, sondern auch
innerlich geheiliget werden.

Das Hirtenamt der Kirche ist eigentlich
das Amt der Erziehung in Bezug auf die
ganze Gemeinschaft der Gläubigen. In der
Seelsorge soll es die Eltern selber zu treuer
Pflichterfüllung anregen, dieselbe überwachen
und unterstützen. In der heutigen Welt,
wo so viele Dinge einer guten Erziehung
entgegenwirken, und so wenige sie befördern,
ist es von der größten Bedeutung, daß Seel-
sorger und Eltern treu zusammenwirken.
Bei der reiferen Jugend wird dieses Zu-
sammenhalten das unerläßliche Erfordernis
sein, um sie auf dem rechten Wege zu be-
halten. Erwägt man, was die Kirche den
Eltern zur Erfüllung ihrer Aufgabe für Hilfe
bietet, so möchte man meinen, daß sie nur
für sie da sei. Insbesondere den Eltern
gilt das Wort des heiligen Paulus: ‘„Alles
ist euer, sei es Paulus oder Apollo oder Ke-
phas, alles ist euer, ihr aber seid Christi.“’

(I. Kor. 3, 22.)

Je bessere Katholiken die Eltern sind,
je mehr sie sich an die Kirche anschließen,
desto stärker und glücklicher werden sie in
[70] der Erziehung sein. Denn alsdann bemühen
sie sich nicht bloß mit ihrer eigenen mensch-
lichen Kraft und Einsicht, sondern die Stell-
vertreterin Desjenigen, der die Welt über-
wunden hat, wird ihnen dann mit ihrer
erprobten Weisheit und mit ihrer weltüber-
windenden Kraft ratend und helfend zur Seite
stehen. Als das Volk Israel durch die Wüste in
das gelobte Land zog, leitete eine bald dunkle,
bald feurige Säule seine Schritte. Dieser Zug
Israels durch die Wüste ist ein Sinnbild un-
serer eigenen Wanderschaft durch dieses Leben.
Das wandernde Volk sind wir; die Feuer-
säule ist die Kirche. Diese ist es, die den
der Ewigkeit zuwandernden Geschlechtern
bald ernst mahnend, bald tröstend und auf-
munternd den rechten Weg zeigt. Der selige
Pfarrer Vianney von Ars hat gesagt: ‘„Ich
habe schon viele kennen gelernt, die es ge-
reut hat, sich von Christus und seiner Kirche
losgesagt zu haben, aber noch keinen einzigen,
den es gereut hat, Ihm und der Kirche treu
geblieben zu sein.“’

Wir nennen die katholische Kirche eine
Mutter, weil sie alle durch Christus erlösten
Seelen als ihre Kinder umfaßt und liebt,
weil sie mit mütterlicher Sorgfalt und un-
[71] ermüdlichem Eifer alle zu retten sucht, weil
sie mit unbegrenzter Hingebung die verlornen
Kinder aufsucht, die getreuen überwacht und
pflegt, bis sie in die ewige Heimat einge-
gangen sind. Der Liebe der Mutter soll die
Liebe der Kinder entsprechen. Der Katholik
soll seine Kirche wie eine Mutter lieben und
hochschätzen, er soll als treuer Sohn ihr ge-
horsam sein, für ihre Rechte einstehen, an
ihren Bedrängnissen und Sorgen lebhaften
Anteil nehmen und ihr helfen und beistehen,
so gut er es vermag. Alle können das durch
frommes Gebet für die Anliegen der Kirche,
und den meisten ist es auch möglich, für die
vielen Bedürfnisse der Kirche in der einzelnen
Gemeinde, im Bistum, in den in- und aus-
ländischen Missionen und in Bezug auf ihr
Oberhaupt ihr Scherflein beizutragen. Es
handelt sich nicht um die Größe der Gaben,
sondern um die Liebe zur Kirche, die sich in
denselben ausspricht. Christus wäre mächtig
genug, um seiner Kirche auch auf andere
Weise zu helfen, aber Er will in ihren Nöten
und Anliegen den Katholiken Gelegenheit
geben, sich als liebende Kinder einer liebe-
vollen Mutter zu zeigen.

(Bete die Ablaßgebete nach der hl. Kommunion. S. 394.)

10. Das heilige Sakrament der Ehe.

[72]

Der heilige Paulus hat es als den Grund-
gedanken des Christentums bezeichnet, daß
alles in Christus erneuert werde. (Eph. 1, 10.)
Die Tiefe und Erhabenheit dieses Gedankens
wird uns ein wenig näher gerückt, wenn
wir betrachten, wie Christus die Ehe erneuert
hat. Dieselbe verdankt Ihm eine dreifache
Erhöhung, eine sociale, sittliche und religiöse.

Die sociale Bedeutung der christ-
lichen Ehe
. Von den sieben Sakramenten,
welche Christus eingesetzt hat, sind fünf be-
stimmt, allen Gläubigen ohne Unterschied
von der Geburt bis zum Tode die beson-
deren Gnaden zu vermitteln, deren sie in
den verschiedenen Lagen des Lebens für ihr
Heil bedürfen. Die beiden übrigen Sakra-
mente, die Priesterweihe und Ehe, haben
eine Bestimmung, die über das persönliche
Heilsbedürfnis hinausgeht, sie sollen den
Mitgliedern der beiden wichtigsten Stände
im neuen Gottesreiche besondere Standes-
gnaden verleihen. Der eine dieser beiden
Stände soll am Altar, der andere am häus-
lichen Herde für die Forterhaltung des Rei-
ches Gottes wirksam sein. Wenn schon den
[73] Völkern der Heiden Herd und Altar die hei-
ligsten Stätten waren, wenn die Losung ‘„für
Herd und Altar“’
sie zu begeisterter Opfer-
willigkeit entflammte, so haben diese beiden
Stätten im Reiche Christi eine noch viel höhere
Bedeutung erlangt.

Priestertum und Ehe sind die beiden
Quellen, aus welchen das natürliche und
übernatürliche Leben in der Kirche her-
vorgeht und fortwährend erneuert wird.
Auf dem Altare wird das Opfer gefeiert,
vom Altare aus ergießen sich die Ströme
der sakramentalen Gnaden, ertönt der Ruf
des Wortes Gottes. Von ihm aus gehen
Erbauung, Heiligung und Gnade auf alle
Glieder der kirchlichen Gemeinschaft, um alle
im Glauben zu einigen, alle Gläubigen zu
heiligen, um alle Geheiligten durch die
Pforten des Himmels zum ewigen Leben
einzuführen. Die unentbehrliche Voraus-
setzung dieser kirchlichen Heilsthätigkeit ist
das Priestertum und der ununterbrochene
Fortbestand desselben. Christus hat dafür
vorgesorgt durch das Sakrament der Weihe,
welches alle Vollmachten, die Er den Apo-
steln gegeben hat, auf ihre Nachfolger über-
trägt, und ihnen neben der Gewalt eine
[74] besondere Standesgnade verleiht. Die Träger
des Priesteramtes gehen vorüber, aber ihr
Amt mit seiner höhern Macht und Gnade
lebt fort in den neuen Trägern, auf welche
es durch die Weihe übergeht.

Diesem so erhabenen und überaus wich-
tigen Priesterstande hat Christus den Ehestand
insofern an die Seite gestellt, daß Er auch
für ihn ein Sakrament zur Vermittlung einer
besonderen Standesgnade eingesetzt hat. Hier
ist die Quelle des natürlichen, dort des über-
natürlichen Lebens. Herd und Altar, Priester-
stand und Ehestand, beide verhalten sich wie
Geburt und Wiedergeburt. Am häuslichen
Herde wird der Mensch für das irdische Leben
geboren, am Fuße des Altares wird der
Christ als solcher für das ewige Leben wie-
dergeboren. In der Erziehung sollen die
Priester und die Eltern in demselben Geiste
für denselben Zweck zusammenwirken. Das
Ziel des Reiches Gottes könnte nicht erreicht
werden, wenn nicht auch die Ehe, der häus-
liche Herd, die Erziehung demselben zustreben
würden. Was vermöchte die Kirche ohne
die Familie? Darum haben Ehe und Fa-
milie schon von Anfang an in dem Plane
des Reiches Gottes die ihnen gebührende
[75] Stellung erhalten. Sie sind nicht bloß ein
‘„weltlich Ding“’, wie Luther meinte. Der
heilige Paulus betrachtet die Ehe als ein
Abbild der Verbindung zwischen Christus
und seiner Kirche, sie soll eine Kirche im
Fleische sein (Hettinger), weil die Eltern
eine Art priesterlicher Aufgabe haben, dem
Reiche Gottes Söhne und Töchter zu schenken,
und so mitzuwirken zu dem Ausbau der
großen Stadt Gottes auf Erden. Darum
hat Christus nicht den jungfräulichen Stand,
den Er doch so hoch gepriesen hat, sondern
den Ehestand durch die sakramentale Würde
ausgezeichnet.

Die sittliche Höhe der christlichen
Ehe
. Der Stand der Ehe war nach dem
Sündenfalle einer tiefen Entwürdigung an-
heimgefallen, und selbst das mosaische Gesetz
vermochte nicht, alle Entstellungen zu be-
seitigen. Es war Christus allein möglich,
sie in ihrer Reinheit wieder herzustellen. Er
verlieh ihr wieder die Einheit, so daß sie
nur zwischen zwei Personen, Mann und Weib,
bestehen kann, Er erklärte ihre Unauflöslich-
keit, so daß sie bis zum Tode des einen Gatten
unauflöslich fortbesteht, Er verlangte ihre
Heiligkeit in gegenseitiger Treue und Liebe,
[76] in Reinheit und Gottesfurcht. Diese drei
Eigenschaften haben die christliche Ehe hoch
erhoben über den Sumpf sittlicher Ver-
kommenheit, in welchen sie in der Zeit vor
Christus versunken war. Er hat damit der
Begierlichkeit des Fleisches ein Joch aufge-
legt, welches diese schwer findet, aber doch
trägt und tragen muß, so weit Christus
regiert. Es ist das nicht der letzte Beweis für
die göttliche Macht, die im Christentum lebt,
daß es mit dieser Reform der Ehe durchzu-
dringen vermochte.

Auf dem Boden des Christentums war
diese Erneuerung der Ehe unerläßlich. Ohne
dieselbe hätte sie ihrer Stellung im Reiche
Gottes unmöglich entsprechen können. Ohne
Einheit der Ehe ist kein Familienleben mög-
lich, ohne die Unauflöslichkeit hat die Treue
der Gatten und die Erziehung der Kinder kei-
nen festen Halt, ohne Heiligkeit wird sie auch
weder für die Gatten noch für die Kinder
Früchte des Heiles bringen können. Sobald
an dem Gesetze gerüttelt wird, welches Chri-
stus für die Ehe aufgestellt hat, sinkt sie wieder
von der Höhe herab, auf die sie Christus
erhoben hat, und verliert den Charakter eines
heiligen Standes und einer Heilsanstalt.

[77]

Die religiöse Erhebung der Ehe.
Diese liegt in dem sakramentalen Charakter
und der sakramentalen Gnade, die sie in
Christus erlangt hat. Der Abschluß der Ehe
ist ein Sakrament, und die Wirkung dessel-
ben ist nicht bloß eine vorübergehende, son-
dern es heiliget den Stand, in den man
durch dasselbe eintritt, für die ganze Dauer
der Ehe, es verleiht eine besondere Standes-
gnade, die fortwirken soll, so lange die Pflich-
ten des Standes bestehen. Diese Auffassung
der Ehe ist ebenso ernst als tröstlich und
erhebend. Es ist für gebrechliche Menschen
nichts Leichtes, sich im Kampfe gegen das
Böse und in der Erfüllung der Pflichten auf
der Höhe zu erhalten, auf welcher Christus
und die Kirche die Eheleute haben wollen.
Aber es ist erhebend, seinen Stand im Reiche
Gottes so hochgestellt zu sehen, es ist er-
mutigend, in den Versuchungen des Lebens,
bei der Erfüllung der Standespflichten an
die besondere Standesgnade denken zu kön-
nen. Freilich wird diese so wichtige und so
wirksame Standesgnade von vielen christlichen
Eheleuten allzuwenig gewürdiget. Aber wem
es ernst ist mit seinem Glauben und seinen
Pflichten, der wird sich dieser Gnade freuen,
[78] auf sie vertrauen und sie fleißig im Gebete
erneuern. Sollte sie durch eine schwere Sünde
unwirksam werden, so darf er nicht säumen,
sich mit Gott zu versöhnen, damit sie in
seinem Herzen wieder auflebt und aufs neue
wirksam wird.

Die Anwendungen, die sich aus dem Ge-
sagten für den christlichen Vater, für seine
hohe Stellung, seine schweren Pflichten, die
ihm zur Verfügung stehenden Gnaden er-
geben, sind nicht schwer zu machen. Die
Würde und die Anforderungen seines Stan-
des sind hoch, zu hoch für fleischlich gesinnte
Menschen, aber sie bestehen einmal, und
sie sind auch erreichbar für ihn, wenn er
guten Willens ist. Er entschließe sich, ein
christlicher Gatte und Vater zu sein, er glaube
an die Gnade seines Standes, bete um ihre
Vermehrung und wirke derselben getreu mit.
Dann wird auch er, wie der heilige Paulus
und alle, welche ernstlich das Ihrige thun,
sagen können: ‘„Ich vermag alles in Dem,
der mich stärkt.“’
(Phil. 4, 13.)

Es ist sehr wichtig, nicht bloß an diese
hohe Bedeutung des Ehesakramentes und
des Ehestandes zu glauben, sondern sich auch
öfters daran zu erinnern. Eine passende
[79] Gelegenheit hiefür ist der Empfang der hei-
ligen Sakramente. Insbesondere sollten Gatte
und Gattin am Jahrestage ihrer Trauung
oder am folgenden Sonntage dieselben ge-
meinsam empfangen, um mit gereinigtem
Herzen, vereiniget mit Christus, auch unter
sich den heiligen Bund neu zu bekräftigen
und die Standesgnade und gute Vorsätze ge-
meinsam zu erneuern.

Sollten solche dieses Buch zur Hand neh-
men, die noch nicht Gatten und Väter sind,
aber sich berufen glauben, es zu werden,
so mögen sie beherzigen, welche ernste Vor-
bereitung dem Antritt eines so wichtigen und
heiligen Standes vorausgehen muß, und sollen
vorsorgen, daß sie mit reinem Gewissen,
heilsamen Entschließungen, Gottesfurcht und
Gottvertrauen an den Altar treten, um
die Segnungen und Gnaden, die der Herr
für sie bereit hat, in reichstem Maße zu
empfangen.

(Bete den besonderen Segen für Väter nach der
heiligen Kommunion. Seite 392.)

11. Gatte und Gattin.


Um ein christlicher Vater zu werden, muß
man zuerst ein christlicher Gatte sein. Nur
[80] der Christ kann als Gatte glücklich sein und
ein glücklicher Vater werden. Am Hochzeits-
tage führt der Bräutigam seine Braut mit
den freudigsten Hoffnungen an den Altar.
Sie ist die Erkorene seines Herzens, deren
Besitz ihn glücklich macht. Wenn er auch
an die Sorgen und Mühen des Lebens denkt,
so beruhigt ihn ein Blick auf seine Lebens-
gefährtin, welche ihm dieselben versüßen
wird. Ist ihm auch das Wort bekannt, wel-
ches den Ehestand einen Wehestand nennt,
so läßt er sich doch von dem schlimmsten
Weh nichts träumen, er glaubt nicht, daß
je Abneigung und Zwietracht ihre Herzen
auseinander reißen und den Bund, den sie
schließen, zu einer Kette machen könnten, die
beide an hoffnungsloses Elend fesselt. Und
doch, wie oft trifft das leider zu, was man
am Traualtare nicht für möglich hält!

Das Gesetz, nach welchem Ehen und Fa-
milien glücklich oder unglücklich werden, ist
ausgesprochen in dem Worte des Herrn:
‘„Suchet zuerst das Reich Gottes und seine
Gerechtigkeit, und dieses alles wird euch hin-
zugegeben werden.“’
(Matth. 6, 33.) Suchen die
Ehegatten zuerst das Reich Gottes, d. h.
fürchten sie Gott, wandeln sie nach seinem
[81] Gesetze, sorgen sie vor allem für das Heil ihrer
Seele, so wird zwar die Erde nicht aufhören,
auch für sie ein Jammerthal zu sein, aber
es wird ihnen weder am natürlichen noch
am übernatürlichen Troste gebrechen, sie wer-
den auch in bescheidenen Verhältnissen ein
zufriedenes Leben führen können, und jeden-
falls werden sie vor selbstverschuldetem Elend
bewahrt bleiben. Kreuz und Leiden, die von
Gott kommen, sind für Christen immer noch
erträglich, aber schwer, erdrückend schwer
sind die Leiden, die man selbst verschuldet
hat. Besonders im Ehestand pflegt die Strafe
der Schuld auf dem Fuße nachzufolgen.
Jede Abweichung vom Gesetze Gottes, welche
Ehegatten sich erlauben, rächt sich selbst durch
die schlimmen Folgen, die leider auch den
unschuldigen Teil und die Kinder treffen.
Es würde keine zwiespältigen Ehen, keine
selbstverschuldete Armut geben, mehr als die
Hälfte der häuslichen Mißverhältnisse würde
von der Erde verschwinden, wenn alle Ehe-
gatten zuerst das Reich Gottes und seine
Gerechtigkeit suchen würden.

Vergißt der Mann das Reich Gottes und
seine Gerechtigkeit, so ist es seine Schuld,
wenn er an dem Weibe nicht hat, was es
[82] ihm nach den Absichten Gottes sein soll.
Bei der Erschaffung der Eva sprach Gott:
‘„Lasset Uns ihm eine Gehilfin machen, die
ihm gleich sei.“’
(I. Mos. 2, 18.) Dem Mann ist
es bestimmt, mit vieler Arbeit, im Schweiße
seines Angesichtes das Brot zu erwerben.
Das Weib, obgleich der schwächere Teil, ist
von Natur aus befähiget und berufen für
die Besorgung des Hauswesens und der
Kinder. Sie kann und soll aber auch dem
Manne noch in höherem Sinne Gehilfin sein.
Nicht bloß hat sie in ihrem Gemütsleben
einen großen Reichtum von Mitteln, um dem
Manne auch unter niederem Dache eine an-
genehme Stätte zu bereiten, ihm die rauhe
Wirklichkeit mit Teilnahme, Aufmunterung
und Trost zu versüßen, sondern sie soll nach
den Absichten Gottes ihm auch eine Gehilfin
sein, das höchste Ziel im Jenseits zu erreichen.

Wenn das geschehen soll, so darf sie ihm
aber weder bloßes Spielzeug noch Sklavin
sein, sondern die würdige Hausfrau, die er
als Christ liebt und in Ehren hält, gegen
die er als christlicher Ehemann getreulich alle
seine Pflichten erfüllt. Nur ein christlicher
Gatte kann seine Gattin glücklich machen
und durch sie glücklich werden. Das Glück
[83] beider steht und fällt mit den Tugenden der
Arbeitsamkeit, Sparsamkeit, Mäßigkeit, Ge-
duld, Sanftmut, Treue, Gewissenhaftigkeit
und Gottesfurcht. In der heiligen Schrift wird
als Pflicht des Gatten gegen die Gattin
insbesondere die Liebe betont, und mit
Grund, weil die Erfüllung dieser einen Pflicht
die aller andern in sich schließt. Adam sagte:
‘„Der Mann wird seinen Vater und seine
Mutter verlassen und seinem Weibe anhan-
gen, und sie werden zwei sein in einem
Fleische.“’
(I. Mos. 2, 24.) In höherem Sinne
schreibt der heilige Paulus: ‘„Männer, liebet
euere Weiber, wie auch Christus die Kirche
geliebt und sich selbst für sie hingegeben hat.
So sollen auch die Männer ihre Weiber lie-
ben, wie ihren eigenen Leib. Wer sein Weib
liebt, der liebt sich selbst. Denn niemand
hat je sein eigenes Fleisch gehaßt, sondern
er nährt und pflegt es, wie auch Christus
die Kirche.“’
(Eph. 5, 25. 28.) Während man
die Worte Adams auf die sinnliche Liebe
beziehen kann, faßt der heilige Paulus die
Gattenliebe als eine sittliche Pflicht auf.
Meistens ist es die sinnliche Zuneigung, welche
die Gatten zusammenführt, sie darf und soll
auch bei der Wahl mitsprechen, aber sie ist
[84] nicht geeignet, für alle Zukunft die treue
Erfüllung der Gattenpflichten zu verbürgen.
Mag die Leidenschaft im Anfang noch so
feurig sein, im Laufe der Zeit erkaltet sie,
wie auch die Reize, welche sie weckten, ver-
gänglich sind. Das sinnliche Wohlgefallen
muß zur gegenseitigen Achtung erhoben, die
natürliche Zuneigung zur sittlichen Pflicht,
zur christlichen Tugend verklärt werden. Denn
die Pflichten müssen erfüllt werden, wenn
auch die natürlichen Neigungen schweigen
oder gar widerstreben sollten.

Die Liebe des Gatten muß sich auf einem
doppelten Gebiete bewähren. In irdischer
Beziehung soll der Ehemann für die nötigen
Lebensbedürfnisse sorgen, seiner Gattin mit
Achtung und Liebe begegnen, und in gesun-
den und kranken Tagen sich um sie kümmern,
wie um sich selbst. Sind sie ja zwei in ei-
nem
Fleische, und niemand hasset sein eigenes
Fleisch. Das Gebot des Herrn: ‘„Du sollst
deinen Nächsten lieben, wie dich selbst“’
, ist
hier im strengsten Sinne zu nehmen.

Dieses Gebot wird verletzt von jenen
Männern, welche den Ertrag ihrer Arbeit
in das Wirtshaus tragen, statt für die Be-
dürfnisse der Haushaltung zu sorgen. Die
[85] Liebe eines solchen Gatten ist eine parteiische,
denn seinem Leibe läßt er zu viel zukom-
men, zum Nachteile der Gesundheit, und der
andern Hälfte entzieht er das Notwendige.
Was seine Gurgel unnötig und im Ueber-
maß bekommt, müssen sein Weib, seine Fa-
milie mit Entbehrung entgelten. Heißt das
die Gattin lieben, wie seinen eigenen Leib?
Was wird der Herr, in dessen Namen der
heilige Paulus redete, einst zu einem solchen
Manne sagen, wenn die Stunde der Rechen-
schaft kommen wird!

Viele Gatten sind auch karg mit jenen
Liebeserweisen gegen die Gattin, welche
nichts kosten, überhaupt nichts erfordern, als
ein wenig Liebe und guten Willen gegen sie.
Was sollte natürlicher und selbstverständlicher
sein, als daß der Mann die freien Stunden,
deren vielleicht nur wenige sind, dem Um-
gange mit seiner Lebensgefährtin widme!
Wenn er das versäumt, so kann er kaum
eine echte Liebe zu ihr haben. Denn es steht
geschrieben: ‘„Wo euer Schatz ist, da wird
auch euer Herz sein.“’
Manche Männer ge-
wöhnen sich auch an, nur in polterndem Tone
etwas von ihr zu verlangen, sie beim Kom-
men und Gehen kaum zu grüßen, ihr selten
[86] nur ein freundliches Gesicht zu zeigen. Wohl
erfährt der Mann vielfach das Leben von
seiner rauhen Seite, und sein Gemüt wird
leicht davon beeinflußt, aber das ist nicht der
rechte Weg, es die Gattin wissen zu lassen.
Ein solcher Mann hat keine Ahnung, wie
viel Freude, Ermutigung und Trost er sei-
nem Weibe und durch sie sich selber mit ein
paar freundlichen Worten bereiten könnte.
Die Frau fühlt sich als den schwächeren Teil,
als abhängig, hat ein weiches, empfindliches
Gemüt, sie wird gekränkt und niedergedrückt,
wenn ihr die ihr gebührende Achtung und
Liebe im Umgang entzogen wird. Ein sol-
cher Mann ist selber schuld, wenn ihr Herz
sich vor ihm verschließt, und ihr Umgang kalt
und ungemütlich wird. Er hat den Schlüssel
zu ihrem Herzen in seinen Händen. Er zeige
ihr, daß er lieber bei ihr ist, als anderswo, er
bezeige ihr ein wenig Achtung und Liebe,
indem er ihr einige freundliche Worte gönnt,
indem er in seinen Kümmernissen bei ihr
Ermunterung sucht, statt sie im Unmute an-
zupoltern. Oft schlummert im Herzen der
frommen Gattin eine Fülle von Trost und
Lebensmut, welche der starke Mann bei sich
selber nicht findet. Es steht geschrieben:
[87]‘„Einer trage des andern Last.“’ (Gal. 6, 2.)
Was dem einen Gatten fehlt, hat Gott dem
andern gegeben. Sie können und sollen sich
die Last erleichtern, auch mit Trost und Auf-
munterung. Es ist traurig, daß viele diese
Quelle der Ermutigung sich selber verschließen.

Diese Pflichten des Mannes gegen die
Frau werden von dem heiligen Paulus in
ein noch helleres Licht gestellt, indem er dem
Gatten Christus selber als Vorbild vor Augen
hält. Er soll sein Weib lieben, wie Christus
seine Kirche liebt, er soll sie nähren und pflegen,
wie Christus seine Kirche. (Eph. 5, 25. 28.) Wie
hat Christus seine Kirche geliebt, was hat
Er für sie gethan? Er hat sich für sie da-
hingegeben, Er hat alles für sie geopfert.
Er hat ihr das Wort gegeben und hält es
auch, bei ihr zu bleiben, bis an das Ende
der Welt. Wo immer die Kirche ihr Zelt
aufschlägt, und sei es noch so armselig, da
kommt Er und weilt bei ihr im Tabernakel.
Er nährt sie und ihre Kinder mit seinem
eigenen Fleische und Blute, Er hat ihr den
ganzen Reichtum des Erlösungswerkes für
die große Haushaltung des Reiches Gottes
übergeben. Er steht ihr bei in guten und
schlimmen Tagen mit seiner ganzen gött-
[88] lichen Macht. Auch im Himmel, auf dem
Throne seiner Herrlichkeit, umjubelt von den
himmlischen Heerscharen:, scheint Er nur an
seine Braut auf Erden zu denken, nur sie zu lie-
ben, nur für sie zu leben. So ist Christus nach
dem heiligen Paulus das Vorbild des christ-
lichen Ehemannes und zugleich der künftige
Richter desselben. Wie gleichen Ihm die
Wirtshausmänner der heutigen Zeit? Was
wird Er einst zu diesen sagen? Wir wissen
es bereits, Er hat es zum voraus durch sei-
nen Diener Paulus verkünden lassen: ‘„Wenn
jemand für die Seinigen und besonders für
die Hausgenossen nicht Sorge trägt, der hat
den Glauben verleugnet, er ist schlechter als
ein Ungläubiger.“’
(I. Tim. 5, 8)

(Epistel in der ersten Meßandacht. Seite 293.)

12. Gatte und Gattin. (Fortsetzung.)


(Gegenseitige Heiligung.)

Ein anderes, höheres Gebiet, auf dem
sich die Gattenliebe bewähren soll, ist das der
gegenseitigen Heiligung. Wenn christliche
Eheleute einander wirklich lieben, so muß
ihr erster und höchster Wunsch dahin gehen,
daß sie miteinander in den Himmel kom-
men. Ist es ihnen ernst mit diesem Wunsche,
[89] so werden sie auch Eifer haben, einander
des Himmels immer würdiger zu machen,
sich gegenseitig die Erlangung desselben im-
mer mehr zu sichern, mit andern Worten:
Es muß ihre erste Sorge sein, einander
gegenseitig zu heiligen.

So selbstverständlich diese gegenseitige
Heiligung unter Christen sein sollte, so selten
ist die Uebung derselben. Und doch würde
durch sie eine Menge von Uebeln und Elend
von der Ehe ferngehalten. Sie allein ist im
stande, die christliche Ehe zur eigentlichen
Höhe der Würde und des Glückes zu erhe-
ben, welche ihr Christus zugedacht hat. Wo
gegen diese gegenseitige Heiligung gefrevelt
wird, da muß es meistens schon in diesem
Leben bitter gebüßt werden. Ich will ein
wenig näher auf die Sache eingehen.

Alle Ehegatten sind schwache Menschen,
und wenn auch die erste Liebe die beider-
seitigen Gebrechen übersehen mag, nach und
nach giebt der eine und der andere Teil
gewisse Rücksichten auf und zeigt sich, wie
er ist; gleichzeitig gelangt man beiderseits
zu einer nüchternern Anschauung und so
kommt es, daß man manches aneinander
sieht, was man vorher nicht gesehen hat,
[90] und auch jetzt lieber nicht sehen möchte. Gar
oft sind diese unliebsamen Entdeckungen der
Ausgangspunkt von neuen Fehlern und von
Störungen des ehelichen Friedens, die sich
bis zur Unheilbarkeit weiter entwickeln kön-
nen. Kommt es auch nicht so weit, so ist
es doch unvermeidlich, daß jeder Fehler des
Mannes oder der Frau das gute Einver-
nehmen und das Glück der Ehe mehr oder
weniger beeinträchtiget.

Bei der innigen Lebensgemeinschaft
zwischen den beiden Gatten ist es ganz
natürlich, daß die Gatten einander ge-
genseitig besser oder schlimmer machen. Ge-
wisse Fehler des einen Teiles werden auf
den andern Teil wirken mit der Macht des
bösen Beispieles, des Aergernisses, z. B.
ihn zur Lauheit, zur religiösen Gleichgül-
tigkeit oder zu sittlichen Fehlern verleiten,
andere Fehler werden den Zorn, die Eifer-
sucht, die Erbitterung und Abneigung auf
der anderen Seite herausfordern. Umgekehrt
können die Gatten einander auch in Wort und
Beispiel zum Guten aufmuntern und aneifern
und so einander Führer zum Himmel werden.

Wenn einst der Tod die beiden Gatten
voneinander scheidet, so werden sie nicht
[91] mehr die gleichen sein, wie im Anfange ihrer
Ehe. Entweder haben sie einander auf dem
Wege zum Himmel vorwärts oder rückwärts
gebracht, und bei dem Gerichte des zuerst ster-
benden Teiles findet auch schon eine halbe Ab-
rechnung statt für den überlebenden Teil. Wel-
cher Trost für diesen, wenn er am Grabe un-
ter den Schmerzen der Trennung zu sich selber
sagen kann: Ich habe gewissenhaft und
nach meinen Kräften beigetragen, daß diese
Seele an einen guten Ort gelangte, und sie
hat das Ihrige auch an mir gethan, daß ich
hoffen darf, ihr einst dorthin zu folgen. Solche
Gedanken benehmen den Thränen ihre Bitter-
keit und lösen den Schmerz auf in trostvolles
Hoffen. Ganz anders steht es bei dem, der
mit Grund besorgen muß, daß er dem Ver-
storbenen ein Anlaß zu vielen Sünden, ein
Hindernis des Heiles gewesen, und so ihm
und sich selbst das Gericht erschwert habe.

Wie sollen sich die Gatten heiligen? Zu-
nächst durch die Geduld. Jeder natürliche
Mangel, jeder sittliche Fehler des einen Tei-
les ist eine widerwärtige Last für den andern.
Aber diese liegt jetzt einmal auf ihm, sie
läßt sich nicht abschütteln, und mit Ungeduld
und Toben wird sie nicht erleichtert. Wenn
[92] er Geduld übt, so wird er für sich selber
nicht sündigen, der Fehler des Gatten wird
ihm sogar Anlaß zur Tugendübung, dient
ihm also zum wahren Besten, und wenn
etwas zur Besserung des Fehlers führen kann,
so ist es Geduld und Nachsicht. Der Ge-
duldige reizt und verletzt den Fehlenden nicht
durch Zornausbrüche, er hat die Kraft zu
schweigen, mit seinen Mahnungen den rech-
ten Augenblick abzuwarten, wo er sie mit
Liebe und Wohlwollen anbringen kann, und
sie mit gutem Willen aufgenommen werden.
Sobald der gute Wille zur Besserung vor-
handen ist, ist der Fehler nicht mehr ein
schuldbarer Fehler, sondern eine Schwäche,
an deren Heilung beide gemeinsam arbeiten
sollen. Wohin es führt, wenn man solche
Fehler nicht mit Geduld behandelt, können
alle aus Erfahrung wissen.

Das andere Mittel gegenseitiger Heiligung
ist das gute Beispiel. Das andächtige
Gebet, die zarte Gewissenhaftigkeit, leben-
diger Glaube und ungeheuchelte Gottesfurcht,
Feindesliebe und Versöhnlichkeit wirken mit
der Kraft einer lebendigen Predigt. Es ist
fast nicht denkbar, daß das fortgesetzte auf-
erbauliche Beispiel des einen Teiles ohne
[93] Eindruck auf den anderen bleibe. Anfäng-
lich wird es vielleicht als Vorwurf empfun-
den, aber es wird zum Nachdenken veran-
lassen und mit der Gnade Gottes wird die
Zeit nicht ausbleiben, wo es zur Nachfolge
antreibt und ermutiget.

Diese Mittel der Heiligung sind von Be-
deutung, wenn sie nur von einem Teile
angewendet werden. Immer noch gilt das
Wort des Apostels Paulus: ‘„Wie weißt du,
Weib, ob du den Mann nicht zum Heile
führen werdest? Oder wie weißt du, Mann,
ob du das Weib nicht zum Heile führen
werdest?“’
(I. Kor. 7, 16.) Kein Teil darf darum
ermüden in der Erbauung des andern, wenn
auch der Erfolg auf sich warten läßt. Um so
wirksamer aber wird die Erbauung selbstver-
ständlich sein, wenn sie eine gegenseitige ist,
wenn beide Teile von Glauben und Gottes-
furcht erfüllt sind. Wenn die Flammen
lebendigen Glaubens und heiligen Eifers
aus zwei Herzen auflodern und in eine
zusammenschlagen, so facht die eine die
andere an, und es ist nicht auffallend, wenn
sie einander Tag für Tag mehr heiligen,
und miteinander zu jener Höhe der Tugend
und Heiligkeit emporsteigen, die wir an
[94] heiligen Eheleuten aus allen Ständen be-
wundern.

Falls auch Eheleute nicht so hoch steigen,
sondern auf der Stufe des gewöhnlichen
christlichen Lebens stehen bleiben, wenn sie
Glauben haben, Gott fürchten und seine
Gebote halten, beten und arbeiten, Geduld
miteinander haben, Mahnungen gegenseitig
in Liebe geben und annehmen, so werden
sie einander zur Aufmunterung und Stärkung
im Guten dienen, einander dem Himmel
näher bringen und auch auf Erden glück-
lich machen. Bei einem solchen Leben werden
nicht bloß beide Gatten gute Christen sein,
sondern sie kennen einander auch als solche,
und das ist das Fundament der ehelichen
Treue und des gegenseitigen Vertrauens.
Wer Gott fürchtet, wird auch dem Gatten
treu sein, und wer die Gottesfurcht seines
Gatten kennt, wird von ihm keine Untreue
besorgen. Die Gottesfurcht hält sowohl die
Untreue als die Eifersucht, diese unheimlichen
Feinde des ehelichen Friedens, von ihrem
Hause fern.

Auch unter christlichen Eheleuten kann es
zeitweilige Mißverständnisse geben, aber die
Furcht Gottes führt sie bald wieder mit einer
[95] Art Nötigung zusammen. Schon das an-
dächtige Beten des Vater unsers (fünfte
Bitte), das Abendgebet wird den Zwist wie-
der ausgleichen und der nächste Empfang
der heiligen Sakramente den Frieden neu
besiegeln. Eheleute, die in der Furcht Gottes
geeint sind, können durch irdische Kleinig-
keiten und ihre eigenen Schwachheiten nie
weit auseinander gerissen werden. In den
wechselnden Schicksalen dieses Lebens werden
sie einander in ihren christlichen Gesinnungen
den Balsam des Trostes für die Leiden
und die echte Würze für die Freuden gegen-
seitig darreichen. Wenn von irgend jemand,
so gilt von solchen Eheleuten: Geteilter
Schmerz ist halber Schmerz, geteilte Freude
doppelte Freude.

Aus der Gottesfurcht beider Gatten kann
und soll das innere Glück der Ehe in der
Treue und Liebe, in der Uebereinstimmung
ihrer Wünsche und Bestrebungen, in der
gleichen Hoffnung, in gegenseitigem Troste
herauswachsen. Und wenn ein Ehepaar in
dieser Weise den Herrn fürchtet und Ihm
dient, so kann ihm auch der Segen des
Allerhöchsten nicht fehlen, den Er schon durch
den Psalmisten verheißen: ‘„Siehe, so wird
[96] der Mann gesegnet, der den Herrn fürchtet.“’

(Ps. 127, 4.)

Aus dem Gesagten ist auch zu ersehen, wie
wichtig es für den Mann ist, eine christlich
gesinnte und tugendhafte Frau zu bekommen,
und wie viel für die höchsten Zwecke des
ehelichen Lebens verloren ist, wenn die Gat-
ten nicht gleichen Glaubens sind. Der hei-
lige Ambrosius hat ein wahres Wort ge-
sprochen, nach welchem unendlich vieles für
Zeit und Ewigkeit entschieden wird, als er
sagte: ‘„Bei der Ehe handelt es sich vor
allem um die Religion.“’
Tertullian führt
diesen Gedanken etwas weiter aus: ‘„Mit-
sammen beten sie, gehen sie zur Kirche,
knien sie am Tische des Herrn, mitsammen
sind sie in der Trübsal, mitsammen in der
Freude. Will eines in das tägliche Opfer
gehen, wird es vom andern nicht verspottet,
will eines seine frommen Gewohnheiten im
Hause betreiben, wird es vom andern nicht
gestört. Es schämt sich keines vor dem an-
dern, offen das Kreuz zu machen, offen das
Gebet zu verrichten, ungeniert Gott zu die-
nen. Dies das Glück einer Ehe, welche die
Kirche heiliget, das Meßopfer bekräftiget,
der Segen des Sakramentes besiegelt. So
[97] tragen zwei Christen das eheliche Joch, die
eines Glaubens, einer Hoffnung, des-
selben Taufgelöbnisses, derselben Kirchenge-
meinschaft, eines und desselben Gottesdienstes
sind. Dessen aber freut sich Christus, der Herr,
deshalb sendet Er ihnen auch vom Himmel
seinen Frieden ins Haus, ja Er selbst kehrt
bei ihnen ein, um da, wo zwei in seinem
Namen beisammen sind, in ihrer Mitte zu
sein. Wo aber Er ist, da ist der Böse
nicht.“’
So Tertullian (in der Uebersetzung von
Stolberg.)

(Gebet um Erneuerung der Standesgnade. Seite 446.)

13. Die Mutter.


Das Weib steht als Gattin schon hoch,
aber erst als Mutter erlangt es seine volle
Bedeutung. Die Würde, die Pflichten, die
Sorgen und Freuden der Mutter stehen hin-
ter denen des Vaters nicht zurück. Die Würde
des Weibes hat durch den Sündenfall noch
mehr gelitten als die des Mannes und ist
bei den Völkern der Heiden in Schmach und
Erniedrigung völlig begraben worden. Um
so mehr ist seine tiefgesunkene Würde durch
das Christentum wieder erhöhet und befestiget
worden. Als Jungfrau und Gattin hat es
[98] wieder einen Ehrenplatz in der christlichen
Gesellschaft erhalten, aber als Mutter ist es
am höchsten gestiegen. Jenes Glied des
Menschengeschlechtes, welches die erhabensten
Vorzüge und die größte Würde vor allen
Sterblichen auszeichnen, ist eine Mutter, die
Mutter Gottes, das liebenswürdige Vorbild
aller christlichen Mütter.

Die Pflichten der Mutter sind um so
umfassender, je inniger die Natur Mutter
und Kind verbunden hat. Ich berühre die-
selben hier nur insoweit, als auch der Vater
sie im Auge behalten muß. Die Pflichten der
Mutter beginnen schon vor der Geburt des
Kindes. Wenn sie während der Schwanger-
schaft durch heftige Gemütsbewegungen, z. B.
Zorn oder Schrecken aufgeregt wird, oder
geistige Getränke genießt, wirkt das gar leicht
nachteilig auf das Kind, belastet es mit ge-
wissen Schwächen und Gebrechen, die ihm
lebenslänglich bleiben. Das Gleiche gilt von
der Zeit, in der das Kind von der Mutter
genährt wird. Es ist Thatsache, daß heftige
Aufregungen, so wie auch geistige Getränke
nicht selten die Muttermilch vergiften, und
darum soll sie auch nach solchen Vorkomm-
nissen dem Kinde nicht gereicht werden. Auch
[99] die Gemütsanlagen des Kindes werden in
dieser Zeit von der Mutter beeinflußt. Hei-
lige Mütter können edle Anlagen, andere die
Keime schlimmer Neigungen in das Herz
des Kindes pflanzen, welche sich erst später
offenbaren. Darum soll eine Mutter wäh-
rend dieser Zeit um ihres Kindes willen sich
selber zu heiligen suchen und sich und ihr
Kind den heiligen Müttern, namentlich der
heiligsten unter ihnen, recht oft anempfehlen.
Es ist Pflicht des Vaters, die Mutter wäh-
rend dieser Zeit von schädlichen Anstrengun-
gen abzuhalten, ihr heftige Aufregungen zu
ersparen und allem vorzubeugen, was ihr
und dem Kinde schaden könnte.

Zur vernünftigen körperlichen Pflege ge-
hört auch, daß die Kinder schon in den ersten
Jahren an Einfachheit in Kleidung und
Nahrung gewöhnt werden, daß sie in nichts
verweichlicht, so weit thunlich in allem ab-
gehärtet werden, und daß namentlich Nasche-
reien dem Kinde fern bleiben. Damit ist
nicht bloß für die körperliche Kraft und Ge-
sundheit sehr vieles gewonnen, sondern auch
für die Erziehung. Auch in diesem Punkte
wird der vernünftige Rat und die Mitwirkung
des Vaters vielfach unentbehrlich sein.

[100]

Mit der mütterlichen Pflege des Körpers
eng verflochten sind die ersten Anfänge der
mütterlichen Erziehung. Diese kann kaum
zu früh begonnen werden. Gewisse ange-
borne, verkehrte Anlagen, z. B. eigensinniges
Wesen, werden um so leichter und glücklicher
beseitigt, je früher Hand angelegt wird.
Auch mit der religiösen Erziehung muß man
sich nach dem Gange der natürlichen Ent-
wicklung richten und darum recht frühe an-
fangen. Die Blume mit ihrer bunten Farben-
pracht mußte einen Teil ihrer Entwicklung
in der unscheinbaren verschlossenen Knospe
durchmachen. So muß das Geistesleben des
Kindes nicht erst bei seiner vollen Entfal-
tung gepflegt werden, sondern schon dazumal,
wenn es noch Knospe ist. Die Entfaltung
des Gemütslebens geht der kindlichen Denk-
thätigkeit lange voraus. Lange bevor das
Kind fähig ist, religiöse Wahrheiten mit dem
Verstande zu erfassen, vermag es solche mit
kindlichem Gemüte zu ahnen und religiöse
Eindrücke auf die Seele wirken zu lassen.
Diese erste religiöse Erziehung ist das Geheim-
nis der frommen Mutter. Wie das Kind
an ihrer Brust seine Nahrung findet, so
strömen die frommen Gesinnungen ihres
[101] Herzens als heilige Ahnungen und Gefühle
in das Herz des Kindes über als die ersten,
zarten Keime künftiger Frömmigkeit und
Gottesfurcht. Man weiß kaum, mit welchen
Worten und Zeichen diese seelische Einwir-
kung vermittelt wird. Wir können die Vor-
gänge in der geschlossenen Blumenknospe
auch nicht belauschen, wir sehen hier wie dort
erst die entfaltete Blume. Diese ersten und
frühesten Eindrücke sind von der größten
Bedeutung. Wo sie vernachlässigt oder nach-
träglich zerstört werden, wird später kein
Unterricht sie ganz zu ersetzen vermögen. Denn
die Gemütsbildung hat, wie alles in der
Entwicklung des Menschen, ihre Zeit, die
nur einmal kommt und bald vorübergeht, wie
die Blütezeit des Frühlings.

In dieser ersten Zeit ist die Mutter die
Hauptperson für die religiöse und sittliche
Erziehung. Der Einfluß des Vaters ist schon
von Anfang an nicht gleichgültig, muß sich
aber erst nach und nach mehr geltend machen,
um schließlich bei der heranreifenden Jugend
in den Vordergrund zu treten. Was ich
darüber zu sagen gedenke, ist auf Väter be-
rechnet, die durch ihren Beruf gehindert sind,
sich viel mit ihren Kindern abzugeben. Es
[102] dürfte das bei weitaus den meisten der Fall
sein. Der Mangel an Zeit berechtigt keinen
Vater, die Erziehung der Kinder allein der
Mutter zu überlassen. Denn der Mangel an
Zeit hindert keinen Vater, noch recht vieles
für die Erziehung seiner Kinder zu thun.
Mit der Mitwirkung des Vaters läßt sich
auch unter schwierigen Umständen von der
Erziehung alles hoffen, ohne die väterliche
Unterstützung ist die Wirksamkeit der besten
Mutter zur Hälfte gelähmt, und es ist alles
zu befürchten.

Vorausbedingung eines guten Erfolges
aber ist, daß Vater und Mutter selber gute
Christen seien, daß sie beide Eifer haben,
ihre Kinder auch zu solchen zu machen, und
daß sie mit vereinten Kräften zusammen-
wirken.

(Bete von der Andacht zur heiligen Familie Nr. 2.
Seite 443.)

14. Das Kind.


Was ist hilfloser als das kleine neuge-
borne Wesen in der Wiege? Es ist so schwach
und hilflos, daß es ohne fortgesetzte, sorg-
same Pflege gar nicht bestehen kann. Darum
hat der Schöpfer seinen Eltern jene natür-
liche Liebe eingepflanzt, mit welcher sie in
[103] dem Kinde ihr eigenes Fleisch und Blut lie-
ben, und für seine Wohlfahrt zu jedem Opfer
bereit sind. Ist die sorgen- und mühevolle
Pflege des Kindes fast ausschließlich die
Sache der Mutter, so ist es auch der Lieb-
ling des Vaters, der erste Gegenstand seiner
Hoffnungen und Wünsche. Die natürliche
Elternliebe, obschon vom Schöpfer herstam-
mend und sehr wichtig für die menschliche
Gesellschaftsordnung, ist arger Verirrungen
fähig und für sich allein ein schlechter Rat-
geber. Sie kann in blinde Zuneigung aus-
arten, welche in dem Kinde nur das Fleisch
liebt, alles Höhere übersieht und das Kind
verzärtelt und verweichlicht. Diese sogenannte
Affenliebe der Eltern macht die Erziehung zu
einem Kultus der Sinnlichkeit und des Eigen-
willens in dem Kinde und kann alsdann
nur schlimme Früchte tragen.

Die natürliche Vater- und Mutterliebe
muß zur christlichen, auf dem Glauben ge-
gründeten Liebe verklärt werden, wenn sie
dem richtigen Ziele mit den richtigen Mitteln
zustreben soll. Das Kind ist ein Geschenk
Gottes, für welches Ihm die Eltern einst
Rechenschaft geben müssen, es ist ein Eben-
bild Gottes, das durch die Folgen der Sünde
[104] gelitten hat, und unter Mithilfe der Er-
ziehung in seiner Reinheit wieder hergestellt
werden soll, es ist ein Erbe des Himmels,
dem die Eltern den Weg zum Himmel zei-
gen sollen. Als der berühmte Origenes noch
ein kleines Kind war, küßte sein Vater, der
heilige Martyrer Leonidas, dem schlafenden
Knaben oft ehrerbietig die Brust. Er dachte
dabei an die heiligmachende Gnade, welche
in dem Kinde wohnte, und verehrte in ihm
einen Tempel des heiligen Geistes. Das ist
das allein Große und Wichtige, was die
Eltern in ihrem Kinde betrachten sollen.

Ob dem Kinde ein kurzes oder langes
Leben beschieden sei, was ihm für eine Zu-
kunft bevorstehe, ob es auf seinem Gange
durch das Leben hoch oder nieder stehen, in
Ueberfluß oder Mangel leben werde, das ist
nicht die Hauptfrage. Alle Eltern wünschen
ihren Kindern eine glückliche Zukunft, sie
sollen auch für eine solche das Ihrige thun,
aber sie werden es hierin am weitesten brin-
gen, wenn sie diese Dinge in christlichem
Sinne auffassen. Viele Kinder scheiden schon
im zarten Alter aus diesem Leben, der Schmerz
der Eltern ist natürlich und erlaubt, aber
einige christliche Gedanken sind bei solchen
[105] Anlässen ebenso geziemend als heilsam. Es
ist nur Einer, der weiß, was bei längerem
Leben aus dem Kinde geworden wäre, was
ihm alles begegnet wäre, welches Ende es
genommen hätte; dieser Eine liebt das Kind
mehr als Vater und Mutter es lieben kön-
nen, Er ist ja selber sein Vater, und dieser
Eine hat für gut gefunden, das Kind in
seiner Unschuld hinwegzunehmen und ihm
das ewige Leben zu schenken. Abraham war
bereit, dem Herrn seinen einzigen Sohn zum
Opfer zu bringen. Christliche Eltern sollen
dieses Opfer, wenn es der Herr von ihnen
verlangt, dadurch heiligen, daß sie sich vor
dem Ratschlusse der Vorsehung beugen und
mit demselben beruhigen.

Christliche Eltern sollen alles thun, um
dem Kinde das hohe Gut körperlicher Ge-
sundheit und Kraft zu sichern. Aber gerade
darin werden sie sicherer gehen mit der
christlichen Erziehungsweise, weil diese zu-
gleich die vernünftige ist. Die Behand-
lung des Kindes soll nicht nach den Lau-
nen desselben eingerichtet werden, sondern
den Erfordernissen einer naturgemäßen Le-
bensweise und einer mäßigen Abhärtung
entsprechen.

[106]

Die Zukunft des Kindes sollen die Eltern
der göttlichen Vorsehung anempfehlen, und
dann ruhig das Ihrige für dessen irdische
Wohlfahrt thun. Auch bei einem andern,
noch näher liegenden Punkt sollen sie nach
oben schauen. Oft genügt alle Wachsam-
keit der Eltern nicht, um Unglücksfälle zu
verhüten, welche Kindern begegnen oder
durch diese veranlaßt werden. Christliche
Eltern wissen, daß ihr Kind einen beson-
deren Schutzengel hat, und diesen sollen sie
für das Kind und statt des Kindes anrufen.
Je mehr man ihm Vertrauen zeigt, desto
mehr verdient man seine Hilfeleistung.

Wichtiger als die Gedanken über die zeit-
liche Wohlfahrt sind andere Erwägungen, die
dem christlichen Vater nahe liegen, wenn er
auf seinen kleinen Liebling niederschaut. Was
wird aus diesem Kinde werden? Der gute
und der ungeratene Sohn späterer Jahre,
der künftige Verbrecher und der kommende
Heilige, der einstige Erbe des Himmels und
der Genosse der Verdammten in der Hölle
liegen gleich harmlos in der Wiege und kön-
nen in dieser Zeit noch nicht voneinander
unterschieden werden. Alle die entsetzlichen
Scheusale der Vergangenheit und Gegenwart
[107] sind einst solche unschuldige Kinder gewesen.
Was wird aus diesem Kinde werden?
Noch ist alles zu hoffen, aber auch alles zu
fürchten. An dem Tage, wo Kaiser Karl V.
in Gent getauft wurde, machte der Hofnarr
dem kaiserlichen Prinzen einen Obstkern zum
Geschenke mit dem Spruche:

‘„Ein Samenkorn in der Erden’
‘Dir, Wiegenkind, ist es gleich,’
‘Aus beiden kann noch was werden,’
‘Die Keime ruhen in euch.“’

Aus dem Kinde wurde ein großer Herrscher
und aus dem Kern ein großer Baum, den
Karl besonders lieb hatte.

Noch ist die Saat in dem kleinen Kinde
nicht aufgegangen, und erst in der Folge
wird man sehen, was als Weizen und was
als Unkraut aufwächst. Ist diese Unge-
wißheit, diese Möglichkeit eines schlimmen
Ausganges nicht qualvoll für das Herz eines
christlichen Vaters, einer christlichen Mutter?
Wo kann es Hoffnung und Trost finden?
Nächst Gott am meisten bei sich selber. Gott
hat das zeitliche und ewige Los der Kinder zum
großen, zum größten Teil in die Hände der
Eltern gelegt. Durch eine gute christliche
Erziehung wird das Heil des Kindes in der
[108] Regel ziemlich sicher gestellt, während jeder
Mangel und Fehler in der Erziehung den
guten Ausgang gefährdet. Solche Gedanken
dürfen bei christlichen Eltern nicht bloß frucht-
lose Erwägungen bleiben. Sie müssen zu
einem festen und wirksamen Entschlüsse für
das Leben heranreifen. Man erzählt von
der frommen Anthusa, der Mutter des hei-
ligen Johannes Chrysostomus, sie habe, als
man ihr den neugebornen Johannes in die
Arme legte, ausgerufen: ‘„Dieses Kind soll
ein Heiliger werden!“’

Und der fromme Graf Friedrich Leopold
Stolberg schreibt: ‘„Es ist mein tägliches
inbrünstiges Gebet, und ich setze mich nicht
eher zur Arbeit hin, als bis ich dieses Gebet
verrichtet habe, daß meine Kinder mir die
ernste Verantwortung der Sterbestunde er-
leichtern, daß sie in allem ihrem Sinnen und
Thun nur die Ehre Gottes und das Heil
ihrer Seelen vor Augen haben, daß sie Jesum
Christum und seine heilige Kirche über alles
lieb haben, und dem Nächsten in Demut vor
Gott so viel Gutes erweisen, als in ihren
Kräften steht. Und diese Pflicht des Gebetes
für die Kinder tritt mir besonders lebhaft
vor die Seele an den jährlich wiederkehrenden
[109] Gedenktagen, an den lieblichen, einfachen
Familienfesten, die wir gemeinsam feiern,
und auf die ich mich stets schon im voraus
freue.“’

(Bete ein Vater unser mit der gleichen Absicht
wie Stolberg.)

15. Die christliche Familie.


Der Vater kann seine Aufgabe nicht als
Einzelperson erfüllen, wie etwa ein Lehrer
oder Handwerksmeister, sondern als Haupt
einer Gesellschaft, der Familie. Diese wird
begründet durch die Ehe, erweitert durch die
daraus hervorgehenden Kinder, auch wohl
durch Anverwandte und Dienstboten. Alle
Glieder der Familie, von ihrem Haupte an bis
zum Dienstboten herab, dürfen dem Zwecke
der Erziehung nicht hinderlich, sie müssen
ihm förderlich sein. Wenn ein mitwirken-
des Element hinter seiner Aufgabe zurück-
bleibt, oder ein schlimmer Einfluß die guten
durchkreuzt, so ist das Werk der Erziehung
schon gefährdet.

Die Familie ist die von Gott und der
Natur aufgestellte Erziehungsanstalt. In
ihrem Schoße soll die seelische Entwicklung
des Kindes in ähnlicher Weise vor sich gehen,
[110] wie die vorausgehende leibliche. Der zarte
Körper des Kindes tritt erst an das Tages-
licht, wenn er fähig ist, Luft und Licht und
die Einflüsse der Außenwelt zu ertragen. So
soll auch die verschlossene Knospe des Ge-
müts- und Geisteslebens im engen Kreise
der Familie ihre erste Entwicklung durch-
machen. Unter der sorgsamen Obhut und
Pflege der Familie, im stillen Frieden des
häuslichen Herdes soll der junge Weltbürger
zum wohlerzogenen Menschen, zum guten
Christen heranreifen. Den Stürmen und
Versuchungen des Lebens soll er nicht aus-
gesetzt werden, bis er denselben gewachsen ist.

Was die Familie zur christlichen Familie,
zur Erziehungsanstalt für das Reich Gottes
macht, das ist der Geist des Glaubens, der
christliche Geist, der sie durchdringen und
beherrschen soll, und sodann die christliche
Lebensordnung, welche Gebet und Arbeit
und Erholung, das gesamte häusliche Leben
nach den Grundsätzen des Christentums ge-
staltet. Dieser Geist soll alle beherrschen,
dieser Ordnung sollen alle sich fügen. In
der christlichen Familie muß Gott der Haus-
vater sein, der irdische Vater ist nur sein erster
Diener, der mit der ganzen Familie sich vor
[111] Ihm in Ehrfurcht beugt, zu Ihm mit Ver-
trauen betet ‘„Vater unser“’, seine Gebote
gehorsam und gewissenhaft beobachtet.

In einer solchen Familie ist für eine gute
Erziehung wohl gesorgt; da atmet die Seele
des Kindes gesunde Luft ein, den Geist des
Glaubens, der Frömmigkeit, der Gottes-
furcht; da wird es nicht bloß mit Worten,
sondern vielmehr durch den alles beherrschen-
den christlichen Geist, durch das gottesfürch-
tige Leben herangebildet. Das Kind wird
weniger erzogen durch das, was man zu ihm
sagt, als durch das, was es fortwährend an
andern wahrnimmt, durch die guten Ein-
drücke des täglichen Lebens. Es ist in der
rechten Atmosphäre, um zum Christen her-
anzuwachsen, der bei dem Hinaustritt in
die Welt nicht wie ein schwankendes Rohr
von jedem Winde hin- und hergetrieben wird,
sondern selbständig in der Welt dasteht, stark
und unabhängig durch den Glauben, das
Gewissen und die Gottesfurcht in seinem
Innern.

Von einer christlichen Familienordnung
und Erziehung ist nicht bloß das Wohl des
Einzelnen, sondern der Gesamtheit abhängig.
Von der Familie erhält der Staat seine Bür-
[112] ger, die Kirche ihre Gläubigen. Nur wenn
die Familie das leistet, was sie soll, kann es
mit den beiden über ihr stehenden Gesellschaf-
ten gut bestellt sein. In Bezug auf die bür-
gerliche Gesellschaft bemerkt P. A. M. Weiß:
‘„Wenn es nicht gelingt, die Ueberzeugung
allgemein zu machen, daß das Heil der Ge-
sellschaft vor allem von der Heilung und
Heiligung der Familie abhängt, dann ist es
kaum der Mühe wert, über die Lösung der
socialen Frage ein Wort zu verlieren.“’
In
Bezug auf die Kirche bemerkt ein anderer
Kenner des Volkslebens, A. Kolping: ‘„Pre-
diget und unterrichtet an Einzelnen so viel
ihr wollt, wenn das Familienleben die gute
Aussaat nicht in Schutz und Pflege nimmt,
wird euere aufgewandte Mühe meist wie
Wasser im Sande verrinnen. Ja, ich weiß
nicht, ob für das Gedeihen der Religion noch
Hoffnung ist, wenn diese kostbare Gottesgabe
nicht in dem keuschen Schoße tüchtiger Fa-
milien gehegt und bewahrt wird.“’
Und bei-
des zusammenfassend sagt der Heilige Vater
Leo XIII.: ‘„Je fester die Tugend in den Fa-
milien gegründet ist, je eifriger die Eltern
die Seelen der Kinder durch Wort und Bei-
spiel nach den Grundsätzen der Religion bilden
[113] und erziehen, desto größere Vorteile wer-
den daraus für die gesamte Gesellschaft er-
wachsen.“’

Leider sind Familienleben und Erziehung
heutzutage weit entfernt, ihrer hohen Auf-
gabe zu entsprechen. Darüber wird allgemein
geklagt, und es kann sich nur darum handeln,
die Ursachen zu erkennen und die richtigen
Heilmittel anzuwenden. Zunächst wird das
Familienleben geschädigt durch das heutige
Erwerbsleben. Mit Ausnahme von bäuer-
lichen Kreisen, die immer enger werden,
werden die meisten Väter durch ihre Berufs-
arbeiten fast den ganzen Tag von ihren Fa-
milien ferngehalten. Oft ist das selbst bei
der Mutter der Fall, und noch öfter bei den
heranwachsenden Kindern. Vielfach sind es
nur noch das Essen und die Nachtruhe, welche
die Familien unter einem Dache vereinigen.

Eine weitere Gefahr liegt in der Un-
beständigkeit des Wohnsitzes. Die Seßhaftig-
keit, die den Mann an die Scholle seiner
Heimat bindet, ein eigenes Haus, mag es
noch so niedrig sein, sind wichtig für das
Gedeihen und die Solidität einer Familie.
Die Sitten der Heimat, die Beziehungen zu
Verwandten und Bekannten, die Familien-
[114] traditionen machen schon einen wichtigen
Teil der Erziehung aus. Wer aber durch
die Wogen des modernen Verkehrslebens von
der ererbten Scholle weggeschwemmt wird,
verliert alle diese Vorteile für Familienleben
und Erziehung. Wo er weilt, da ist er ein
Fremdling, selbst am häuslichen Herde, der
nicht ihm gehört, und den er oft genug
wechselt.

Tritt dazu noch Dürftigkeit, so ist die
Gefahr noch größer. Der Christ darf die
Armut, wenigstens die unverschuldete, nicht
tadeln, sie ist ja in Christus geadelt worden.
Aber für die Familie und die Erziehung hat
sie ihre Gefahren, so gut wie der Reichtum.
Ein solcher Mann und Familienvater ist ohne
Heimat, der er fremd ist, ohne Vergangen-
heit, von der er nichts ererbt hat, ohne Zu-
kunft, für die er nichts zurücklegt, er lebt Tag
für Tag von der Hand in den Mund. Es
braucht nur noch die Religion zu fehlen,
dann weiß man, was aus einem solchen Vater
und seiner Familie werden wird. Heutzutage
arbeitet alles darauf hin, diese Volksklasse
täglich zu vergrößern.

Das Einzige, was eine solche Familie
noch zusammenhalten und retten kann, ist
[115] die Religion. Es giebt immer noch Familien,
bei welchen der Glaube über alles Ungemach
des Lebens und über alle Hindernisse trium-
phiert, die Familienglieder einigt, aufmun-
tert, stärkt, nach oben erhebt und auch die Er-
ziehung zu einem guten Ziele führt. Das sind
Familien wie die des Tobias in der Verban-
nung zu Ninive, dreifacher Ehre wert im Ver-
gleich zu denen, welche das Glück mehr begün-
stigt hat. Aber es giebt auch Schiffbrüchige in
Bezug auf die zeitliche und ewige Wohlfahrt,
und wer will sie zählen?

Ein sehr weitgehender Zerfall des Fa-
milienlebens ist durch die Gesetzgebung vor-
bereitet worden, indem sie die Ehe, so viel
an ihr ist, ihres religiösen Charakters ent-
kleidet, die Ehescheidung eingeführt und über-
aus leicht gemacht hat. Für einstweilen hat
der christliche Sinn im Volke die schlimmen
Folgen da und dort noch aufgehalten. Mehr
verbreitet sind die gemischten Ehen, eine
Frucht der religiösen Gleichgültigkeit und
eine allzufruchtbare Wurzel derselben.

Auch wo die genannten Uebelstände nicht
vorhanden sind, werden die Familien von
den Verkehrtheiten des modernen Lebens
beeinflußt. Wir leben in einer Zeit des
[116] Leichtsinns, der Zerstreuung, der Genußsucht
und Verweichlichung, der religiösen Gleich-
gültigkeit und des Unglaubens. Wo sind
die Familien, die von diesen Einflüssen ganz
unberührt bleiben? Am einen Orte geht
es abwärts mit den häuslichen Andachten
und dem religiösen Leben überhaupt, am
andern mit dem sittlichen Ernst und der
häuslichen Zucht, mit der Genügsamkeit und
Einfachheit, hier wird dem Luxus, dort der
Genußsucht gehuldigt, und Lauheit und
religiöse Gleichgültigkeit regiert an beiden
Orten. Wer kann das ersetzen oder gut
machen, was in den Familien fehlt? Viele
Eltern glauben alles für die religiöse Er-
ziehung gethan zu haben, wenn sie ihre Kin-
der in den Religionsunterricht schicken. Wie
kurz ist dieser im Vergleich zum übrigen
Schulunterricht, der ihn nicht unterstützt, und
zu der übrigen Zeit, in der die Kinder nicht
an ihn denken! Würde man eine Pflanze
nur einige Stunden in der Woche an die
Sonne stellen, so müßte sie verkümmern, und
nicht besser geht es mit der Religiosität der
Kinder, wenn der Religionsunterricht von
den Eltern nicht unterstützt und im elterlichen
Hause in das Leben übergeführt wird.

[117]

Glücklich der Vater, der diese Zeilen lesen
kann, ohne denken zu müssen, daß sie ihn
und seine Familie etwas angehen! Aber
leider werden nur wenige in diesem benei-
denswerten Falle sein. Viele Familien leiden
bereits schwer unter diesen verderblichen Ein-
flüssen der modernen Welt, und mehr oder
weniger sind von denselben alle bedroht. Es
wurde bereits bemerkt, daß die gute Erzieh-
ung davon abhängig ist, wie die Familie
und das Familienleben beschaffen sind. Der
christliche Geist und die christliche Lebens-
ordnung in der Familie sind unerläßlich für
eine gute Erziehung. Ein einziger Mangel,
ein einziger schlimmer Einfluß kann alle
übrigen Bemühungen und Anstrengungen
vereiteln. Wenn der christliche Vater sein
Kind gut erziehen will, so darf er nicht bloß
auf das Kind schauen, sondern zuerst muß
er sehen, wie es mit ihm selber und seinem
ganzen Hause steht und da die christliche
Ordnung herstellen. Es giebt Hindernisse
der christlichen Erziehung, die sich beseitigen
lassen, und diese müssen ohne Rücksicht ent-
fernt werden. Andere sind mit einer ge-
wissen Notwendigkeit gegeben, wie z. B. die
vielfache Abwesenheit des Vaters, und diese
[118] muß man suchen unschädlich zu machen. Die
Ordnung des Familienlebens ist hauptsäch-
lich von der kräftigen Mitwirkung des Vaters
abhängig, und in dieser Hinsicht darf ihm kein
Opfer zu schwer sein. Möge jeder Vater,
der dieses Buch liest, die vielen Winke, die
es ihm giebt, nicht bloß lesen, sondern auch
beherzigen und ausführen.

(Das ‘„Vater unser des christlichen Vaters.“’ Seite 448.)

16. Die erste religiöse Erziehung.


Die erste Erziehung, wie sie hier ver-
standen wird, umfaßt jene Zeit, in welcher
Verstand und Wille des Kindes noch un-
selbständig sind, so daß es aufs Wort glaubt,
was die Mutter oder der Vater sagt, und
sich in vollständiger Abhängigkeit von der
Autorität der Eltern fühlt. Die zweite Periode
der Erziehung beginnt mit dem Zeitpunkte,
in dem es als zweckmäßig erscheint, dem Kinde
auf die Frage ‘„Warum?“’ eine Antwort zu
geben. Dieser Zeitpunkt tritt in belebten
Ortschaften früher ein als in abgelegenen
Thälern, wird aber nirgends lange auf sich
warten lassen, wenn die Kinder ein paar
Jahre die Schule besucht haben. Die erste
[119] Erziehung fällt in der Hauptsache der Mutter
zu, aber die Mitwirkung des Vaters ist für
einen guten Erfolg unentbehrlich.

Zunächst handelt es sich um die erste re-
ligiöse Erziehung. Von dieser gilt insbeson-
dere das Wort Quintilians: ‘„Was wir in
unseren ersten Kinderjahren empfangen, das
halten wir sehr fest, gleichwie die Wolle ihre
erste Farbe nicht fahren läßt.“’
Die ersten und
nachhaltigsten religiösen Eindrücke soll das
Kind, wie bereits bemerkt wurde (Nr. 13),
auf dem Schoße der Mutter empfangen.
Einer frommen Mutter braucht man darüber
keine Belehrungen zu geben. Es gilt hier
das Wort des heiligen Augustin: ‘„Liebe,
und dann thue, was du willst.“’
Liebt sie
Gott und liebt sie ihr Kind, so wird es ihr
Herzensangelegenheit sein, ihr Kind mit
Gott bekannt zu machen. Sie wird nicht mit
Katechismus-Ausdrücken anfangen, sondern
viel einfacher, in der Sprache des Mutter-
herzens, welche auch dem kleinen Kinde schon
verständlich ist.

Von nicht geringer Bedeutung sind die
religiösen Bilder in der Wohnstube.
An würdigen religiösen Bildern für die
Wohnungen auch wenig Bemittelter ist kein
[120] Mangel mehr. Ein Hausaltar wirkt noch
erbaulicher. Ebenso eine Krippe in der
Weihnachtszeit. Diese soll nicht verdrängt
werden durch den Weihnachtsbaum, der we-
nigstens nicht christlich ist, wenn ich ihn im
übrigen nicht gerade tadeln will. Diese Bil-
der ziehen alsbald die Aufmerksamkeit des
Kindes auf sich, wenn sein Geistesleben auf-
zudämmern anfängt. Mit neugierigem In-
teresse hört es die Aufklärungen, die man
ihm darüber giebt. Begierig nimmt seine
Einbildungskraft diese religiösen Vorstellun-
gen in sich auf, nicht ohne daß sie auch auf
Herz und Gemüt hinüberwirken. Das ist
der erste Religionsunterricht, den die Mutter
erweitern soll, so weit die Empfänglichkeit
des Kindes zunimmt.

Ein weiteres Mittel bilden die tägli-
chen Andachten in der Familie
. Das
Kind ist Zeuge, wie Vater und Mutter und
alle Anwesenden ehrerbietig und andächtig
mit jemand reden, den es nicht sieht. Es
ahnt ein liebenswürdiges Geheimnis, und
die nachherigen Belehrungen der Mutter
werden sicher tiefen Eindruck machen, die
entsprechenden religiösen Gefühle wachrufen
und zur Folge haben, daß das Kind eben-
[121] falls gerne und ehrerbietig mitbetet, so weit
es dazu fähig ist.

Besucht das Kind die Schule und den
Religionsunterricht, so hören die Pflich-
ten der Eltern in diesem Punkte nicht auf,
sie müssen nur den Umständen angepaßt wer-
den. Die Eltern müssen zeigen, daß sie den
Religionsunterricht für etwas Wichtiges an-
sehen, dann wird das Kind ebenfalls dieser
Ansicht sein. Sie sollen nachsehen, ob es bei
demselben aufmerksam und fleißig ist, und keine
Nachlässigkeit dulden. Sie sollen, so weit dieses
möglich ist, die Kinder selber abfragen, ihnen
nach Bedürfnis nachhelfen, namentlich wenn
sie schwach begabt sind. Für talentlose Kin-
der ist die Mutter ohne weiteres der beste
Religionslehrer.

Kommt die Zeit für die erste Beicht
und die erste Kommunion
, so soll
diese Nachhilfe in erhöhtem Maße stattfinden.
Es handelt sich da nicht bloß um den Unter-
richt, sondern um die Vorbereitung des Her-
zens, und da ist die Mitwirkung der Eltern
von noch größerer Bedeutung. Eltern können
das meiste beitragen, um bei diesen Anlässen
eine recht nachhaltige Einwirkung auf das
religiöse Leben der Kinder auszuüben. Der
[122] erstmalige Empfang dieser beiden Sakramente
ist von Bedeutung für die ganze Zukunft.

Es ist eine Pflichtvergessenheit, wenn sich
die Eltern um den Religionsunterricht gar
nicht kümmern. Plutarch, ein heidnischer
Schriftsteller, hat gesagt: ‘„Ich kann nicht
umhin, jene Eltern zu tadeln, welche glauben,
alles gethan zu haben, wenn sie ihre Kinder
den Lehrern überlassen, und sich nicht weiter
um die Sache kümmern.“’
So spricht ein
Heide. Christus aber richtet an die Eltern
das Wort: ‘„Lasset die Kleinen zu Mir kom-
men!“’
Was wird Er einst zu jenen Eltern
sagen, die gar nicht auf diesen Ruf achten,
wenigstens dann nicht, wenn Er ihn als
Lehrer erhebt?

Der wichtigste Punkt in der religiösen
Erziehung auf dieser Stufe ist die genaue
Einhaltung einer religiösen Tagesord-
nung
und das gute Beispiel der El-
tern und Hausgenossen
. Am Morgen
und Abend und bei Tische soll regelmäßig
gebetet werden, und die Eltern sollen den
Kindern als Muster voranleuchten. Das ist
der beste Unterricht über das Gebet, die beste
Anleitung zur Uebung des Gebetes. Ohne
diese wird der Unterricht über das Gebet
[123] kaum etwas nützen, er kann sogar schaden,
indem das Kind durch den Widerspruch zwi-
schen Lehre und Leben schon in jungen Jah-
ren zu einem bloß toten Glauben gelangt,
der wohl kaum je wieder lebendig wird.

Sehr heilsam wirkt es auch, wenn die
Jahrestage der Taufe, Firmung und ersten
heiligen Kommunion der Familienangehöri-
gen in religiösem Sinne begangen werden,
wie es Stolberg zu thun pflegte. (Siehe
Nr. 14.) Auch beim Todestage von lieben
Angehörigen ist das Gleiche zu empfehlen.
Bei Leiden und Krankheiten in der Familie
soll man mit den Kindern ebenfalls zum
Gebete seine Zuflucht nehmen.

Unter den Mitteln der religiösen Erzieh-
ung sollten Strafen und Züchtigungen, so
notwendig sie in anderer Hinsicht auch sein
mögen, nicht vorkommen müssen. Das Kind
soll durch innere Beweggründe bestimmt
werden, in diesem Punkte seine Pflicht zu
thun. Strafen wirken hier meistens schädlich,
indem sie Abneigung gegen das Heiligste
schaffen, sie sind in Bezug auf das Lernen
oft ungerecht, wenn sie schwächere Kinder
treffen, und bei einer geordneten Erziehung
werden sie auch meistens entbehrlich sein.

[124]

Sie sollen jedenfalls nur zur Anwendung
kommen, wenn gewisse Umstände, z. B. die
Rücksicht auf andere Kinder, dieses unver-
meidlich machen. Diese Bemerkung gilt nicht
von Strafen für Ungezogenheiten, die auf
dem Kirchwege, in der Kirche, beim Gebete
vorkommen. Diese können und sollen ge-
ahndet werden. Was aber, wie alles Re-
ligiöse, die Liebe zur Voraussetzung hat, was
im Herzen und Gemüte seine Wurzeln haben
muß, kann mit Schlägen nicht eingepflanzt
werden. Diese werden auch gar nicht nötig
sein, wenn von Anfang an richtig erzogen
wird.

(Bete von der zweiten Besuchung Nr. 4. Seite 435.)

17. Die erste Erziehung zur
Sittlichkeit.


Die Aufgabe der sittlichen Erziehung ist,
die angebornen Verkehrtheiten des Kindes zu
bekämpfen, und dasselbe in einer seinem
Alter angemessenen Weise zur Uebung des
Guten anzuhalten. Auch bei dem unmündi-
gen, unzurechnungsfähigen Kinde muß allem
gewehrt werden, was bei dem reiferen Kinde
und dem erwachsenen Menschen Sünde ist.
[125] Gewisse Unarten wie Eigensinn, Ungehor-
sam, sodann Naschen, Lügen, Zornaus-
brüche, die Wiederholung roher Redensarten
u. dgl. dürfen auch in ihren ersten Anfängen
nicht geduldet werden. Sie sind bei dem
kleinen Kinde freilich noch keine Sünden,
aber es sind die ersten Offenbarungen ge-
fährlicher Leidenschaften, die jetzt noch leicht
unterdrückt werden können. Wenn man sie
schon in dieser Zeit bekämpft, so erweist
man dem Kinde eine sehr große Wohlthat.
Es wird später viel leichter und sicherer den
Weg der Tugend wandeln. Diese inneren
Feinde werden ihm dann viel weniger Ver-
suchungen und Kämpfe bereiten. Schon Seneka,
ein heidnischer Weiser, hat gesagt: ‘„Leicht
ist es, die noch zarten Gemüter zu leiten
und zu lenken; dagegen ist es sehr schwer,
Laster auszurotten, die mit uns aufgewachsen
sind.“’
Und der weise Mann in der heiligen
Schrift giebt die Mahnung: ‘„Leite im An-
fang den Knaben zum Wege der Tugend,
er wird dann, auch wenn er älter wird, nicht
davon abweichen.“’
(Sprichw. 22, 6.)

Die Hauptsache ist die Gewöhnung an
pünktlichen Gehorsam. In ihm ist alles
andere schon enthalten, was die sittliche Er-
[126] ziehung erfordert. Denn immer und bei
allem handelt es sich um Befehle und Ver-
bote, welche das Kind zu beachten hat. Aber
das richtige Befehlen ist eine große Kunst. Man
verlange nicht zu viel, man mache nicht zu
viele Worte, wiederhole nicht immer den
gleichen Befehl. Jedoch darf man nicht
nachgeben, das Kind soll wissen, daß, was
befohlen ist, ohne weiters auch gethan wer-
den muß. Hat man dem Kinde dieses Be-
wußtsein beigebracht, so wird es gehorsam
sein, und es handelt sich dann nur noch darum,
es vernünftig zu leiten.

Wenn das Kind sich gut hält, so sei
man mit dem Lobe nicht verschwenderisch,
und mit Belohnungen sparsam. Dieselben
sind nicht ausgeschlossen, aber man sehe sich
vor, daß man damit das Kind nicht verziehe.
Es ist bald geschehen, daß das Kind nur um
einer Art Eigennutzes willen gehorcht, und
das darf nicht sein. Ist es auch für höhere
Beweggründe noch wenig zugänglich, so muß
doch für diese der Raum in seinem Herzen
offen bleiben. Der Wille der Eltern und in
moralischen Dingen der Wille Gottes müssen
ihm jetzt schon als Beweggrund des Gehor-
sams vorschweben.

[127]

Ist das Kind ungehorsam, so mag es
für einmal mit einer Zurechtweisung abgehen.
Im Wiederholungsfalle muß Züchtigung
erfolgen. Nicht immer kann man diese schon
Strafe nennen, weil das Kind vielleicht noch
nicht schuldbar ist. Aber dem Zwecke der
sittlichen Erziehung dient die Züchtigung
doch. Diese hat ja selbst bei der Dressur der
Tiere ihre Wirkung, um so mehr bei dem
Kinde mit seinem aufdämmernden Geistes-
leben. Die Züchtigung sei eine stufenweise,
Alleinlassen, Entziehung eines kleinen Ver-
gnügens, dann eines größeren. Mit be-
schämenden Strafen sei man sparsam und
vorsichtig, sonst schwächen sie leicht das Ehr-
gefühl. Das letzte Auskunftmittel ist die Rute,
niemals wende man Ohrfeigen und ähn-
liche die Gesundheit gefährdende Mittel an.
Gewisse angeborne Verkehrtheiten, z. B. der
Starrsinn, können oft auf anderem Wege
als mit der Rute gar nicht geheilt werden.
Auch das Ableugnen eines Fehlers, alle Lügen
überhaupt sollen unnachsichtlich mit der Rute
gestraft werden.

Beim Strafen sind auch die natürlichen
Eigenschaften der Kinder zu berücksichtigen.
Schwächliche Kinder, furchtsame Mädchen sind
[128] anders zu behandeln als mutwillige Wild-
fänge. Die Strafe soll nie im Zorne vollzogen
werden. Sie wird in diesem Falle selten richtig
abgemessen werden, und wird dafür um so siche-
rer vom Kinde als Werk des unbeherrschten
Zornes verstanden und empfunden und so ihren
eigentlichen Zweck verfehlen. Am besten wir-
ken die Strafen, wenn Vater und Mutter sie
gemeinsam festsetzen und der Vater sie voll-
zieht. Das verhütet manche Mißgriffe, er-
höht den Respekt vor beiden gewaltig und
befestigt das Bewußtsein, daß nichts übrig
bleibt, als gehorchen und brav sein.

Wenn die Rute rechtzeitig und vernünf-
tig, aber kräftig gehandhabt wird, so wird sie
bald entbehrlich werden. Wenn bei Kindern
von zehn bis zwölf Jahren noch derartige
Strafen angewendet werden müssen, so ist
das ein Zeichen, daß in der vorausgehenden
Erziehung gefehlt worden ist.

Es ist Pflicht der Eltern, auch in diesen
Jahren schon sorgfältig zu wachen, daß die
Kinder durch nichts geärgert werden,
weder durch Bilder und Bücher, die sie nichts
angehen, noch durch Tischgespräche, bei denen
man sich nicht in acht nimmt, noch durch
Dienstboten, Gespielen u. s. w., denen zu
[129] gut getraut wird. Gottlose und rohe Reden,
Fluchworte, eigentlich jede Sünde ist ein
Aergernis für die Kinder, am schlimmsten
aber wirkt, was die Schamhaftigkeit ver-
letzt. Manche Eltern sind viel zu sorglos
in der Meinung, die Kinder verstehen noch
nichts. Gesetzt es sei so, so sind sie we-
nigstens neugierig und haben ein gutes
Gedächtnis. Was sie sehen und hören, be-
halten sie in ihrem Innern als eine Art
Brennstoff, in welchen später einmal der Funke
einer aufwachenden Leidenschaft fällt und
daran eine verhängnisvolle Nahrung findet.
Schon der heidnische Dichter Juvenal hat
erklärt, daß man dem Kinde heilige Ehr-
furcht schulde. Der göttliche Heiland hat
noch ungleich schärfer geurteilt, da Er
sagte: ‘„Wer ein einziges aus diesen Klei-
nen, die an Mich glauben, ärgert, dem wäre
es besser, daß ihm ein Mühlstein an den
Hals gehängt und er in die Tiefe des Mee-
res versenkt würde.“’
(Matth. 18, 6.) Die El-
tern mögen bedenken, daß sie ihre Pflicht
noch nicht erfüllt haben, wenn sie selber kein
Aergernis geben, sie müssen auch die Aerger-
nisse anderer von ihren Kindern fernhalten.

(‘„Zum Gloria“’ in der dritten Meßandacht. Seite 348.)

18. Die Mitwirkung des Vaters bei
der ersten Erziehung.

[130]

Auch wenn der Vater meistens abwesend
sein muß, so kann er doch zur religiösen und
sittlichen Erziehung vieles beitragen, und
seine Mitwirkung ist von der größten Wich-
tigkeit. Zunächst hat der Vater die Pflicht,
sich selber mit der Erziehung abzu-
geben, so weit es ihm möglich ist
.
Es ist der Vater, welchem Moses die Wei-
sung giebt: ‘„Die Vorschriften, die ich dir
heute gegeben, sollen bleiben in deinem Her-
zen und du sollst sie mitteilen deinen Kindern
beim Sitzen in deinem Hause, beim Gehen,
auf dem Wege, beim Schlafengehen und beim
Aufstehen.“’
(V. Mos. 6, 6.) Und der heilige
Paulus ruft ebenfalls den Vätern zu: ‘„Ihr
Väter, erziehet euere Kinder in der Lehre
und Zucht des Herrn.“’
(Eph. 6, 4.) Die Pflicht
der Erziehung ist dem Vater auferlegt, was
er kann, muß er selber thun, und im wei-
teren wenigstens mittelbar mithelfen.

Aufmunterung und Stärkung
der Mutter
. Der heilige Sänger ruft dem
Manne zu: ‘„Dein Weib ist wie ein frucht-
[131] barer Weinstock an den Wänden deines Hau-
ses.“’
(Ps. 127, 3.) Ein solcher fruchtbarer Wein-
stock ist jede fromme Mutter auch in der
Erziehung der Kinder. Sie vermag vieles
zu erreichen, auch wenn vieles ihr hinderlich
ist. Aber der Weinstock bedarf einer Stütze,
an der er emporranken kann. Nur dann
können seine Früchte das Sonnenlicht ge-
nießen und gehörig ausreifen. Auch der
‘„Weinstock an den Wänden deines Hau-
ses“’
bedarf einer solchen Stütze, und die
mußt du, Gatte und Vater, für die Mutter
selber sein.

Du mußt ihre Stütze sein zunächst in dem
zeitlichen Haushalte. Wenn der Vater nach
Kräften für seine Familie sorgt, so ist das
eine große Stärkung für die Mutter. Sie
wird mit viel mehr Mut und Leichtigkeit
ihren Arbeiten und Pflichten obliegen, als
wenn sie von dem Verdruß und den Sorgen
niedergedrückt wird, welche die Sorglosigkeit
des Vaters ihr verursacht. Ohne diese Stütze
erlahmt gar bald die Kraft des Weinstockes
und seine Zweige sinken in den Staub. Un-
mut und Kleinmut überwältigen die ver-
lassene Mutter, so daß sie auch ihre Pflichten
nur nachlässig und gezwungen erfüllt.

[132]

Du mußt die Stütze der Mutter sein auch
auf dem religiösen und sittlichen Gebiete.
Es ist oben (Nr. 16) die Rede gewesen von
der gegenseitigen Heiligung der Eheleute.
Das dort Gesagte hat seine Geltung auch in
Bezug auf die Elternpflichten und die Erzieh-
ung. Wenn der Vater ein eifriger Christ ist,
wenn ihm an einer guten Erziehung seiner Kin-
der viel gelegen ist, wenn er in diesem Geiste
die Mutter aufmuntert und aneifert, so hat
er für die Erziehung schon viel gethan, ohne
daß er sich selber mit seinen Kindern abge-
geben hat. Er hat den fruchtbaren Wein-
stock an den Wänden seines Hauses durch
seine moralische Kraft emporgehoben und
bewirkt, daß die Mutter jeden Morgen mit
neuem Mut, neuem Eifer und neuer Freude
an das mühsame Werk der Erziehung geht.

Das Beispiel des Vaters. Je
seltener die Kinder den Vater sehen, desto
schärfer wird er von ihnen beobachtet. Das
gute Beispiel der Mutter ist selbstverständ-
lich nicht weniger notwendig als das des Va-
ters, aber letzteres macht aus mehr als einem
Grunde größeren Eindruck. Er kann mit
seinem Benehmen die Kinder mächtig er-
bauen, aber auch unverantwortlich ärgern.
[133] Nehmen wir als Beispiel die häuslichen An-
dachten. Ein Vater, der ehrerbietig und
andächtig betet, macht einen überwältigen-
den Eindruck auf die Kinderherzen. Sein
Beispiel wirkt tiefer und nachhaltiger, als
alle Mahnungen und Belehrungen es ver-
mögen. Wenn aber ein Vater beim Gebete
sich nicht als Christ zu benehmen weiß, so
ist er es, der seinem Kinde das erste Aerger-
nis giebt, er ist es, der dem frommen Sinne
des Kindes die erste Wunde versetzt, er ist
es, der damit gleichzeitig das Kind in seiner
unbegrenzten Verehrung vor seinem Vater
irre macht.

Die Unterstützung der Mutter.
Die Kinder müssen in dem Bewußtsein er-
halten bleiben, daß Vater und Mutter nur
eine Meinung und einen Willen haben.
Verschiedene Ansichten zwischen beiden dür-
fen nie in Gegenwart der Kinder erörtert
werden. Am wenigsten darf das der Fall
sein in Bezug auf die Behandlung der Kin-
der selber. Alles das muß notwendig unter
vier Augen bereiniget werden.

Dagegen soll sich der Vater von Zeit zu
Zeit in Gegenwart der Kinder bei der Mutter
erkundigen über das Betragen der Kinder,
[134] ihr Beten, Gehorchen, Lernen u. s. w., und
nach Verdienst Lob und Tadel austeilen.
Damit befestigt er gleichzeitig das Ansehen
der Mutter und sein eigenes, und wenn er
auch abwesend ist, so wird schon die Erin-
nerung an ihn die Kinder zu einem guten
Verhalten anspornen.

Es ist nicht notwendig, daß der Vater
bei solchen Anlässen den Kindern gegenüber
viele Worte mache. Eine kurze Bemerkung
beim rechten Anlaß mit gehörigem Nachdruck
angebracht, ist wirksamer als ein Strom von
Worten. Beda Weber erzählt, sein Vater
habe bei der ersten heiligen Kommunion nur
ein Wort, aber voller Rührung an ihn ge-
richtet: ‘„Vergiß es nicht“’. Dieses einzige
Wort habe einen unauslöschlichen Eindruck
auf ihn gemacht.

Das Gesagte gilt auch von den Zurecht-
weisungen und Strafen. Die Mutter soll auch
nicht überflüssige Worte machen, aber sie
muß notwendig jeden Tag in manchen Din-
gen mahnen und tadeln. Die Rügen und
Strafen des Vaters aber dürfen nie alltäg-
lich werden, sonst verfehlen sie ihren Zweck.
Es seien ihrer so wenige, aber sie seien so
nachdrücklich, daß das Kind sie nach Jahren
[135] noch an den Fingern herzählen kann. Un-
umgängliches Erfordernis aber ist, daß sie
nicht in der Aufregung stattfinden. Sie müs-
sen reiflich überlegt, wohlberechnet sein, dann
läßt sich mit wenigen und seltenen Schlägen
viel jugendliche Verkehrtheit hinausklopfen.

Im übrigen muß sich der Vater befleißen,
seinen Kindern stets ein freundliches Gesicht
zu zeigen. Die Liebe des Vaters soll so oft
als möglich den Kindern offenbar werden
und Gegenliebe erwecken. Der Gesandte
einer auswärtigen Macht traf einst Hein-
rich IV. an, wie er auf dem Boden
kroch, und seinen Kindern als Reitpferd
diente. Heinrich sagte zu dem Gesandten:
‘„Hier bin ich nicht König, sondern Vater.“’
Für gewöhnlich wird es genügen, wenn der
Vater nur halb so weit geht. Der heitere
Umgang mit den Seinigen ist nicht bloß eine
wohlthuende und doch wohlfeile Erquickung
in den Sorgen des alltäglichen Lebens, er
hat auch seine Bedeutung für die Zukunft.
Denn bald kommt die Zeit, in welcher der
Vater die Liebe und Anhänglichkeit seiner Kin-
der besitzen muß, wenn er seine Vaterpflichten
mit Nutzen erfüllen soll. (Bete das tägliche Ver-
einsgebet der christlichen Familie. Seite 282.)

19. Die Zweite Periode der Erziehung.

[136]

Das Kind ist in den ersten Jahren nicht
bloß dem Körper nach unfähig, sich selber
zu helfen, es steht auch mit seiner Seele un-
ter Vormundschaft. Es kann sich wohl der
Sinne bedienen, und das Leben der Seele
dämmert allmählich auf, aber so lange es
den vollen Gebrauch der Vernunft und des
freien Willens nicht besitzt, steht es in geisti-
ger Abhängigkeit von seinen Erziehern. Ihr
Wort ist ihm Wahrheit, es glaubt, was sie sa-
gen, ihr Wille ist ihm Gesetz, es muß gern oder
ungern demselben sich fügen. Schon in dieser
Zeit läßt sich vieles für die Erziehung thun,
wie im vorausgehenden angedeutet wurde.
Aber während das Kind noch abhängig ist,
muß man schon jene Zeit im Auge haben,
in der es frei und sein eigener Herr sein
wird.

Zunächst geht im Kinde selber eine Ver-
änderung vor. Es fängt an zu denken, und
beschäftigt sich auch mit den Gründen von
dem, was ihm befohlen wird. Es erlangt
den Gebrauch des freien Willens und von
dort an ist sein Gehorsam etwas ganz an-
[137] deres, als es z. B. die Folgsamkeit ist, zu
welcher man ein Tier dressiert hat. Der
Gehorsam des größer werdenden Kindes ist
wie sein Ungehorsam ein Akt des freien
Willens, welcher auf innerer Ueberlegung
beruht. Die Erziehung muß vorsorgen, daß
das Kind, wenn es diese Reife erlangt hat,
nicht mehr bloß aus äußerem Zwang ge-
horcht, sondern aus inneren Beweggründen,
daß es mit dem freien Willen dabei ist.

Denn rasch kommen die Jahre, in denen
der elterliche Zwang aufhört. Das Kind
verläßt oft frühe das Vaterhaus, um zu
arbeiten, oder es lebt ganz getrennt von den
Eltern, ist mitten in einer Welt voll Gefahren
und Versuchungen sich selbst überlassen. Da
wird es nur dann gute Wege wandeln, wenn
es sich selbst aus freiem Willen dazu ent-
schließt. Es ist die Aufgabe der elterlichen
Erziehung, die Kinder so auf diese Zukunft
vorzubereiten, daß sie, wenn diese Umstände
eintreten, die Probe gut bestehen.

Wenn in der ersten Zeit der Erziehung
die Mutter die Hauptperson ist, so muß in
der folgenden Zeit der Vater in den Vor-
dergrund treten. Bei den Mädchen vermag
die Mutter allenfalls noch auszureichen, aber
[138] anders verhält es sich beim Knaben und
Jünglinge. Da ist das Eingreifen des Vaters
unentbehrlich, und ich berücksichtige darum
im nachfolgenden vorzugsweise das Ver-
hältnis von Vater und Sohn.

Nicht jeder Vater ist in dieser Periode
der Erziehung seiner Aufgabe gewachsen.
Manchen fehlt das nötige Ansehen bei den
Kindern, und dann können sie auch auf die-
selben nicht den gehörigen Einfluß ausüben.
Die Hindernisse des väterlichen Ansehens
können von innen oder von außen kommen.
Wohl niemals wie in unserer Zeit wird alle
geistliche und weltliche Autorität bekämpft und
herabgesetzt. Man betrachtet die Obern nicht
mehr, wie es unsere Religion verlangt, als
Stellvertreter Gottes, und darum fehlt auch
die gebührende Ehrfurcht. Die Ursache die-
ses autoritätslosen Geistes liegt in der Ab-
nahme der christlichen Gesinnungen, und die
Wirkung liegt darin, daß jeder glaubt, selber
alles am besten zu verstehen, und nur seinem
eigenen Urteile, seinem eigenen Kopfe fol-
gen will.

Dieser Geist macht sich bereits fühlbar
bis in die Kinderstube herab. Viel früher
als ehedem sind die Kinder den elterlichen
[139] Befehlen gegenüber bereit mit ihrem: ‘„Wa-
rum?“’
Immer größer wird die Zahl halb-
erwachsener Kinder, welche den Eltern schon
über den Kopf gewachsen sind. Die Beleh-
rungen und Mahnungen der Eltern machen
bei solchen Kindern keinen Eindruck, und
kindlichen Gehorsam finden sie keinen mehr,
höchstens noch einen erzwungenen. Das liegt
in dem Zuge unserer Zeit.

Doch wäre es unrichtig, wenn man diese
traurigen Erscheinungen nur auf Rechnung
der neuen Zeitverhältnisse setzen wollte. Diese
äußeren Umstände sind in der Regel nur
da gefährlich und verderblich, wo es auch
im Innern fehlt. Es giebt leider allzuviele
Väter, welche durch ihre eigene Schuld das
Ansehen bei ihren Kindern eingebüßt haben.
Es fehlen ihnen die Eigenschaften, die ein
Vater haben muß, sie versäumen das, was ein
Vater thun muß, und sie üben das, was ein
Vater nicht thun darf, wenn er Einfluß auf
seine Kinder haben und von ihnen als Stellver-
treter Gottes geehrt werden soll. Darum muß
die Erörterung über diesen Abschnitt der
Erziehung bei dem Vater selber beginnen.

(‘„Zum Kirchengebet“’ in der dritten Meßandacht.
Seite 349.)

20. Das väterliche Ansehen.

[140]

Es ist ein Unterschied zwischen Autorität
und Autorität, je nachdem sie auf der Macht
des Zwanges oder auf der freiwilligen Unter-
werfung der Gehorchenden beruht. Die welt-
liche Obrigkeit regiert durch ihre Gewalt,
indem sie die Zahlung der Abgaben und die
Beobachtung der Gesetze erzwingt. Die Au-
torität der Kirche dagegen ist eine geistige,
auch sie befiehlt, auch sie bestraft, aber mit
geistlichen Strafen, es fehlt der äußere Zwang,
man ist nicht genötigt, ihr anzugehören und
ihr unterthan zu sein. Wenn sie Glauben
und Gehorsam findet, so geschieht es durch
die Ueberzeugung und freien Willen ihrer
Angehörigen.

Der christliche Vater muß beide Arten
von Autorität in sich vereinigen. Anfäng-
lich ist er die allgebietende Macht in der
Familie, gegen welche es keinen Widerstand
giebt, und in gewissen Dingen muß er diese
unumschränkte Gewalt bis an das Ende
festhalten. Aber diese Art von väterlichem
Ansehen reicht nicht aus. Es kommt die
Zeit, in welcher der Vater mit dem bloßen
[141] Zwang wenig oder nichts mehr ausrichtet.
Da bedarf er seinen Kindern gegenüber eines
moralischen Ansehens, das in gewissem Sinne
demjenigen ähnlich ist, welches die Kirche
bei ihren Gläubigen besitzt. Die Kinder
sollen dem Vater glauben und ihm gehorchen,
auch ohne Zwang, aus innerer Ueberzeugung
und freiem Willen. Nur so kann das Werk
der Erziehung zu einem guten Ende geführt
werden.

Dieses moralische Ansehen des Vaters
läßt sich, wie das in seiner Natur liegt, nicht
erzwingen. Es setzt voraus, daß die Kinder
den Vater nicht bloß fürchten, sondern auch
lieben, und daß sie hohe Achtung vor ihm
haben. Nur dann werden sie seine Beleh-
rungen, Mahnungen und Warnungen mit
Glauben und Vertrauen aufnehmen, nur dann
werden sie sich seinem Willen fügen, auch
wenn sie nicht mehr dazu genötigt werden
können.

Diese so notwendige Liebe und Acht-
ung
kann der Vater nur dadurch erlangen,
daß er sich ihrer würdig macht. Ein Vater,
der so wenig als möglich bei seiner Familie
verweilt, der ihr selten freundlich begegnet,
viel eher poltert und schimpft, so daß die
[142] Kinder oft zittern bei seiner Heimkehr, der
darf nicht erstaunt sein, wenn er nicht zärt-
lich geliebt wird, wenn er in den Herzen
seiner Kinder ein halber Fremdling bleibt.

Merken die Kinder erst, daß der Vater
nicht für das Hauswesen sorgt, daß die
Mutter über ihn klagt, oder wenigstens seinet-
wegen in Kummer und Sorgen seufzt, daß
der Vater zu viel trinkt, mit der Mutter
zankt, in Zorn- und Fluchworte ausbricht,
im religiösen Leben sich Blößen giebt, so
sagt den Kindern das natürliche Gefühl und
der Katechismus, was davon zu halten sei.
Wenn solche Dinge öfter wiederkehren, so
wird das die Ehrfurcht der Kinder vor dem
Vater ertöten, und es wird höchstens noch
die Furcht übrig bleiben. Einem solchen
Vater fehlt die Liebe und Achtung der Kin-
der, und damit das nötige Ansehen, der mo-
ralische Einfluß, er ist unfähig, gegen die
reifere Jugend seine Vaterpflichten zu er-
füllen.

Soll der Vater sich des nötigen morali-
schen Ansehens erfreuen, so muß er sich schon
von Anfang an der Liebe und Zuneigung
der Seinigen versichern. Mutter und Kinder
sollen ihn so lieben, daß sie ihn vermissen,
[143] wenn er fort ist, daß sie sich sehnen nach
seiner Heimkehr, sich freuen, wenn er da ist,
und sie sollen diese Freude auch so oft ge-
nießen können, als es die Umstände erlau-
ben. Die Stimmung der Mutter gegen den
Vater wird, ohne daß sie es weiß und will,
von den Kindern schon aus ihren Mienen
und ihrem Benehmen herausgelesen, und
wird auch auf sie übergehen. Darum ist ein
inniges Verhältnis zwischen Gatte und Gat-
tin das beste Mittel, dem Vater auch die Liebe
der Kinder zu sichern. Auch ist es wichtig,
daß der Liebe zum Vater eine religiöse Weihe
gegeben werde. Die Kinder sollen angehal-
ten werden, täglich für den Vater zu beten,
und sie sollen auch merken können, daß der
Vater dieses Gebet für ihn zu schätzen weiß.

Immer aber bleibe der Vater sich bewußt,
wie feinfühlig die Kinder sind in Bezug auf
die Fehler des Vaters. Jeder Christ hat
Gründe, seine Fehler zu verbessern. Der Vater
hat deren noch mehr, indem jeder seiner
Fehler ein Hindernis ist für das ihm so not-
wendige Ansehen bei seinen Kindern. Jeder
Vater, namentlich der angehende Vater soll
darum seine Mängel und Schwächen zu kennen
suchen, und wenn er sie bisher nicht seines
[144] eigenen Heiles wegen zu bessern sich entschloß,
so soll er in Zukunft um seiner Kinder willen
Hand an das Werk legen. Er muß zuerst
sich selber erziehen. Will er mit seiner Er-
ziehung der Kinder guten Fortgang haben,
so muß er ihr mit der Selbsterziehung
immer um einige Schritte voraus sein. Dieser
Punkt muß noch wiederholt berührt werden.

Die Würde und das Ansehen des christli-
chen Vaters beruht aber vor allem darauf, daß
er in seiner Familie der Stellvertreter Gottes
ist. Die Kinder lernen das im Katechismus,
aber das genügt nicht, auch der Vater muß
von diesem Bewußtsein durchdrungen sein.
Alle Glieder der Familie müssen ihr gegen-
seitiges Verhältnis im Sinne und Geiste des
Christentums auffassen. Der Vater findet darin
die stärksten Beweggründe für die Erfül-
lung seiner Pflichten. Und wenn die Kinder
im Vater den Stellvertreter Gottes erkennen,
so werden sie ihn lieben und ehren und ihm
gehorchen, nicht bloß aus natürlicher Neigung,
sondern weil Gott es will, von Gewissens
wegen. Dem Vater soll darum die Pflege
echter Religiosität in seiner Familie vor allem
am Herzen liegen. Sein väterliches Ansehen
ist nur der Schatten von der Ehre des Aller-
[145] höchsten. Je mehr die Kinder angehalten wer-
den, Gott zu ehren, desto weniger werden sie
die Ehre ihres leiblichen Vaters vergessen. In
der guten alten Zeit, als noch der Hausvater
als Hauspriester seiner Familie vorbetete und
vorlas, war es mit seinem Ansehen als Haus-
herr gut bestellt. In diesem Amte, meint der
protestantische Professor Riehl, ‘„dem ganzen
Hause vorzubeten“’
, steckt mehr Ehre, Rang
und Herrscherrecht, als in einer ganzen Samm-
lung von Titeln und Orden. Selbst allfäl-
lige Fehler des Vaters vermögen dann nicht
die schuldige Achtung auszulöschen, weil diese
auf ein höheres Fundament, auf die Gottes-
furcht gegründet ist. Auch hier gilt das
Wort: ‘„Suchet zuerst das Reich Gottes und
seine Gerechtigkeit, und dieses alles wird
euch hinzugegeben werden“’
. (Matth. 6, 33.)
Wollt ihr, daß die Kinder euch ehren, so
müßt ihr sie zuerst durch euer Beispiel an-
leiten, Gott zu ehren.

(‘„Zur Opferung“’ in der dritten Meßandacht. Seite 354.)

21. Liebe und Ernst, Belehrung und
Zwang.


Das Geheimnis eines guten Obern liegt
darin, daß es ihm gelingt, zu gleicher Zeit
[146] geliebt und gefürchtet zu werden, sich pünkt-
lichen Gehorsam und aufrichtiges Zutrauen
miteinander zu erwerben. Das ist besonders
für den Vater notwendig, wenn er seiner
Aufgabe bis an das Ende gewachsen sein
will. Ist er bloß gütig und mild, so fehlt
der Respekt, der Sohn wächst bald, wie man
sagt, dem Vater über den Kopf und fragt
nichts mehr nach ihm. Der Hohepriester Heli
war ein frommer und gerechter Mann, aber
ein allzugutmütiger Vater, und mit seiner
Güte hat er seinem ganzen Hause den
Untergang bereitet. Aber auch mit der ein-
seitigen und übertriebenen Strenge geht es
nicht. Man kann mit ihr wohl Ordnung
im Hause handhaben, aber es regiert bloß
die Furcht, das Herz wird dem Vater ent-
fremdet, es fehlt das Zutrauen. Während
der Sohn sich äußerlich beugt, emancipiert er
sich innerlich, und mit dem äußeren Zwang
hört meistens auch der Einfluß des Vaters auf.

Zunächst handelt es sich um die richtige
Verbindung von Liebe und Ernst. Diese muß
schon von Anfang vorhanden sein. Voraus-
gehen muß die Liebe, und soweit sie genügt,
braucht es keine Strenge. Auch wenn Fehler
vorkommen, kann man es anfänglich mit
[147] wohlwollenden Mahnungen und Zurechtwei-
sungen probieren. Aber wenn das nicht
hilft, so muß der Ernst angewendet werden.
Man verfahre auch da stufenweise, und
wende schärfere Züchtigungen erst an, wenn
die leichteren ohne Erfolg geblieben sind.
Aber nie gebe man nach, bis das Kind sich
fügt. Nach Austrag der Sache kann man
ihm wieder das alte Wohlwollen zeigen, bis
der Ernst neuerdings notwendig wird. Auf
diese Weise merkt das Kind, daß man es
liebt, daß man ihm nur ungern, nur notge-
drungen wehthut. Es wird mit der notwen-
digen Furcht erfüllt, ohne daß die Liebe und
das Zutrauen darunter leiden.

Aehnlich steht es mit dem richtigen Ver-
hältnis zwischen Belehrung und Befehl, Frei-
heit und Zwang. Der Vater soll Herr im
Hause sein, und in gewissen Punkten darf
er das absolute Regiment gar nie aufgeben.
In Bezug auf die kleineren Kinder versteht
sich das von selbst, aber auch die heranwach-
senden und erwachsenen Kinder müssen ihm
unbedingt unterthan sein, soweit es sich um
die Beobachtung einer christlichen Hausord-
nung, das rechtzeitige Heimkommen und um
die Schließung des Hauses am Abend, die
[148] Meidung sittengefährlichen Umganges u. dgl.
handelt. Auch in ökonomischen Dingen soll
sich der Vater von den Kindern nicht abhängig
machen, bis in sein hundertstes Jahr. Es
ist heutzutage oft schwer, die väterlichen Rechte
so zu handhaben. Nur jene Väter werden
das vermögen, welche dieselben schon vom
Kinde in der Wiege an in vernünftiger aber
beharrlicher Weise ausüben.

Aber mit dem einseitigen Zwange geht
es nicht. Man erzieht die Kinder nicht für
den Zwang, sondern für die Freiheit. Der
Dichter von ‘„Dreizehnlinden“’ sagt treffend:

‘„Freiheit sei der Zweck des Zwanges,’
‘Wie man eine Rebe bindet,’
‘Daß sie, statt in Staub zu kriechen,’
‘Froh sich in die Lüfte windet.“’

Der Zwang hört mit der Zeit auf, das Kind
steht unabhängig, oder wenn man will, ver-
lassen in der Welt da, und hat seinen freien
Willen. Daß es ihn gut gebrauche, ist das
Ziel, das man in der Erziehung anstreben
soll. Daß es, auch frei geworden, noch Be-
lehrung und Rat von den Eltern annehme,
ist für sein Heil von großer Wichtigkeit. Man
darf nicht versäumen, es in der häuslichen
Erziehung auf diese Zeit vorzubereiten.

[149]

Dazu können besonders zwei Dinge bei-
tragen. Das erste ist die Belehrung über
die Gründe des Gehorsams. Das kleine Kind
braucht keine solche Belehrung, und auch die
größeren müssen wissen, daß der elterliche
Wille und Befehl Grund genug ist zum Ge-
horchen. Aber allmählich denkt das Kind doch
über die Befehle nach, und man muß ver-
hüten, daß es dieselben als willkürliche ansieht,
man muß vorsorgen, daß es selber das als
gut erkennt, was es aus Gehorsam thun
muß, und daß so auch sein freier Wille da-
bei ist, und daß er dabei bleibt, wenn
das Befehlen und Gehorchen aufhört. Ist
das Kind selbständig geworden, so handelt
es nach seinen eigenen inneren Beweggrün-
den, und nur, wenn man ihm während der
Erziehung die Beweggründe für das Gute
eingepflanzt und zu seiner Ueberzeugung ge-
macht hat, ist es fähig, gute Entschlüsse zu
fassen und auszuführen.

Das zweite, was notwendig ist, ist die
allmähliche Gewöhnung an den Gebrauch
der Freiheit. Der plötzliche unvermittelte
Uebergang von einer strengen Zucht im
Vaterhause zur völligen Unabhängigkeit in
der Welt draußen ist für die meisten ge-
[150] fährlich und bedenklich. Ein kleines Kind lernt
das Gehen nur durch wiederholte Versuche,
bei denen man es zuerst hält, allmählich mehr
sich selbst überläßt, nur noch seine faux pas
überwacht und unschädlich macht, bis es dazu
kommt, seinen Körper selber im Gleichgewichte
zu erhalten. Aehnlich muß der junge Christ,
bevor er in die Welt hinaustritt, angeleitet
werden, auf eigenen Füßen zu stehen und
ohne sittliche Schwankungen seinen Weg zu
gehen. Es ist selbstverständlich zu berück-
sichtigen, wie früh und wie weit der Sohn
sich selbst überlassen wird. Einen künftigen
Institutszögling braucht man noch nicht in
den Genuß der Freiheit einzuführen, wohl
aber den jungen Akademiker und den aus-
wärts untergebrachten Lehrling. Der Vater
giebt dabei die Zügel der häuslichen Zucht
nicht aus der Hand, aber er gestattet dem
Sohne etwas mehr Freiheit, um zu probieren,
wie er mit ihr umzugehen weiß, und wenn
es gut geht, kann er den freien Spielraum er-
weitern. Auch wenn er die Probe nicht ganz
besteht, ist es besser, es geschehe das unter
den Augen und der Zucht des Vaters, der
nachhelfen kann, als erst dann, wenn niemand
mehr den Schwankenden unterstützt. Der
[151] Jüngling soll so einigermaßen an den guten
Gebrauch der Freiheit gewöhnt werden, be-
vor er sie ganz bekommt. Bei unreifen und
unselbständigen jungen Leuten soll man den
Hinaustritt in die Welt so lange als mög-
lich hinausschieben.

Wird die häusliche Erziehung nach den an-
gegebenen Grundsätzen eingerichtet, so ist zu
hoffen, daß der Vater die Erziehung noch
fortsetzen könne, auch wenn der Sohn in der
Ferne ist. Denn wenn der Sohn die Liebe,
das Zutrauen, die Verehrung gegen seinen
Vater mit sich fortnimmt, so wird er auch
in der Fremde für väterliche Belehrungen und
Mahnungen ein empfängliches Herz bewahren.

(‘„Zur Kommunion“’ in der dritten Meßandacht.
Seite 363.)

22. Die Erziehung zur Gewissen-
haftigkeit.


Das Gewissen ist das Bewußtsein des
Menschen, daß er für sein Thun und Lassen
vor Gott verantwortlich ist. Es verlangt vom
Menschen, daß er thue, was Gott gebietet,
und unterlasse, was Er verbietet. Es sagt
auch dem Menschen, was als Gottes Wille,
als göttliches Gesetz befolgt werden soll, und
[152] wird darum auch die Stimme Gottes im
Menschen genannt. Das Gewissen ist zu-
frieden, wenn der Mensch ihm folgt, es be-
unruhigt und peinigt den, der ihm entgegen-
handelt.

Das Gewissen bildet den Mittelpunkt des
religiösen und sittlichen Lebens. Es schöpft
seine Kraft aus der religiösen Ueberzeugung,
und es regiert das sittliche Leben mit allen
seinen Handlungen. Je lebendiger der re-
ligiöse Glaube ist, desto größer ist auch die
Macht des Gewissens, und je lauter das
Gewissen redet, desto eher wird der Wille
ihm folgen. Man kann sagen: Das Ge-
wissen ist der Mensch, oder noch besser: Das
Gewissen ist der Christ, d. h. der Christ ist
gut oder schlecht, je nachdem es mit seinem
Gewissen bestellt ist. Man kann sagen,
daß von der Herrschaft des Gewissens der
Zustand der menschlichen Gesellschaft ab-
hängig ist. So weit es Gehör findet, werden
Tugend und Gerechtigkeit geübt, und Fa-
milien und Völker befinden sich wohl dabei.
Fängt man an, es allgemeiner zu mißachten
und zu verwirren, so beginnt der Zerfall
der Sitten, und hat unleidliche Zustände in
seinem Gefolge. Die Geschichte des Gewissens
[153] ist die Geschichte des Menschen und der
Menschheit.

Alle Menschen haben ein Gewissen, so
gut sie Verstand und freien Willen haben.
Es ist ihnen angeboren, und sie können es
nie los werden. Aber es kann durch Irr-
tümer mißleitet, und durch fortgesetztes Sün-
digen abgestumpft, oft auch absichtlich vom
menschlichen Leichtsinn überhört werden. Da-
rum redet es anders in dem unwissenden
Heiden, und anders in dem wohlunterrich-
teten Christen, anders in der Seele des
Frommen und anders in dem verstockten
Sünder. Ja im gleichen Herzen wird es
oft kaum gehört in der Stunde sinnlichen
Uebermutes, wenn aber eine Todesgefahr
naht, bricht es sofort wieder mit überwäl-
tigender Macht hervor. Der gleiche Mensch
kann sich ein Gewissen daraus machen, einen
Groschen zu stehlen, aber keines, der Ehre
des Nächsten unheilbaren Schaden zuzufügen.
Das Gewissen kann den Gerechten peinigen
wegen geringer Fehler, während oft der
Gottlose bei all seiner Bosheit ruhig zu
sein scheint. Das meiste hängt davon ab,
wie das Gewissen in der Erziehung behan-
delt wird.

[154]

Das Gewissen muß in einem bestimmten
Zeitpunkt den Erzieher ablösen, d. h. der
junge Christ, der in den Kinderjahren ganz
von seinem Erzieher geleitet wird, reift all-
mählich zur Selbständigkeit heran, der be-
stimmende Einfluß des Erziehers tritt immer
mehr zurück, und was an seine Stelle treten
soll, kann nur das Gewissen sein. Wenn
der Jüngling der Erziehung entwachsen ist,
muß er von innen heraus, durch sein Ge-
wissen regiert werden. Das Gewissen so zu
bilden, daß es den erwachsenen Christen
kräftig und sicher den guten Weg leitet,
muß das Hauptziel der religiösen und sitt-
lichen Erziehung sein.

Bis zu einem gewissen Punkte bietet
diese Pflege des kindlichen Gewissens keine
Schwierigkeiten. Tertullian hat gesagt, daß
die Seele von Natur aus eine Christin sei.
Jeder Erzieher kann die Erfahrung machen,
wie wahr dieses Wort ist. Das Kind ist
für jene religiösen Wahrheiten, welche be-
sonders auf das Gewissen einwirken (Eigen-
schaften Gottes, Lohn und Strafe), so em-
pfänglich, als ob sie ihm angeboren wären.
Auch die Unterscheidung von gut und bös,
so weit sie für das sittliche Leben des Kindes
[155] in Betracht fällt, bietet keine Schwierigkeiten.
Es faßt alles das sehr leicht auf. Auch ist
sein Gewissen zart. Unverdorbene Kinder
sind mehr geneigt, etwas für Sünde zu hal-
ten, was keine Sünde ist, als umgekehrt.

So weit es sich also um bloße Belehrung
handelt, ist es gar nicht schwer, dem Kinde zu
einem richtigen und zarten Gewissen zu ver-
helfen. Aber nun kommt die andere Seite,
die leider fast überall zu wünschen übrig
läßt. Das Kind beobachtet das Benehmen
seiner Umgebung, und da kommt der alte
Spruch zur Geltung: ‘„Worte belehren, Bei-
spiele reißen hin“’
. Wenn die Belehrung,
die es durch den Unterricht für sein Gewissen
erhalten hat, in dem Betragen der Haus-
genossen ihre Bestätigung findet, wenn alle
Angehörigen nach den Forderungen des Ge-
wissens handeln, so wird alles gut gehen.
Das Rind wird durch das Beispiel noch mehr
als durch die Belehrung gewissenhaft und
fest im Guten werden, es wird aus Flüchtig-
keit, aber kaum mit Wissen und Willen feh-
len. Die Macht des guten Beispieles ist nir-
gends größer, als bei Kindern.

Wenn aber das Kind die Forderungen
des Gewissens kennt, und dann Zeuge ist,
[156] wie Eltern und Hausgenossen gegen dieselben
fehlen, so muß das seiner zarten Gewissen-
haftigkeit eine tötliche Wunde versetzen. Die-
ser Widerspruch zwischen Lehre und Leben
verwirrt sein Gewissen, aber die Verwirrung
wird sich bald dahin abklären, daß es un-
bewußt zum Schlusse gelangt: Diese Dinge
sind nicht so ernst zu nehmen, was die El-
tern für erlaubt halten, ist auch mir erlaubt.
So bildet sich im Herzen des Kindes schon
eine gefälschte Sittenlehre, ein gefälschtes
Gewissen, gefälscht durch das böse Beispiel
der Eltern. Dieser traurige Fall tritt ein,
wenn diese es mit der Wahrheitsliebe, der
Redlichkeit, dem Beten, der Heilighaltung des
Namens Gottes, der Beobachtung der
Kirchengebote u. s. w. nicht genau nehmen.
Diesem Umstande ist es unter anderem zu-
zuschreiben, daß Verleumdung und Ehrab-
schneidung wie ein unheilbares Erbübel unter
dem gläubigen Volke sich fortpflanzen. Die
Kinder hören in einem fort von solchen
Dingen reden, sie lernen dieselben mit der
Muttersprache, sie wachsen mit ihnen auf;
es steht zwar im Katechismus, daß das
Sünde sei, aber das böse Beispiel hat das
Gewissen stumpf gemacht, die Jungen machen
[157] sich noch weniger daraus, als die Alten.
Aehnlich wirken alle Fehler, welche die Kin-
der an den Eltern beobachten.

Es ist unendlich traurig, daß so mancher
Vater durch sein Benehmen oder seine Reden,
oft mit lachendem Mund, geschehe es nun
herzlos oder gedankenlos, den zarten Duft
von dem Gewissen seines Kindes abstreift,
und ihm, der Vater seinem eigenen unschul-
digen Kinde, ein in den meisten Fällen un-
heilbares Aergernis giebt. Denn in diesen
Jahren und von dieser Seite dringt das
Aergernis tief in die Seele des Kindes hin-
ein. Wenn das Gewissen schon bei seiner
ersten Entfaltung durch die Erzieher selber
abgestumpft wird, so wird es kaum jemals
kräftig und entschieden genug werden, um
dem jungen Christen, wenn er selbständig
geworden ist, als Kompaß durch das Leben
zu dienen. Den Beweis liefern die Legionen
von Jünglingen, welche nach einer solchen
Erziehung in die Gefahren der Welt hin-
austreten und bald in denselben Schiffbruch
leiden.

Wer diese Dinge überlegt, wird begreifen,
warum der göttliche Heiland über das Aerger-
nis der Kleinen ein so erschütterndes ‘„Wehe“’
[158] ausgerufen hat. Und wer nur ein wenig
Glauben hat, wird zittern bei dem Gedan-
ken, daß dieses Wehe auch ihm gelten könnte.
Es ist vorhin bemerkt worden, daß die Fehler
des Vaters sein väterliches Ansehen bei den
Kindern schwächen, und er darum die Kinder
nur gut erziehen könne, wenn er in erster
Linie sich selbst erziehe. Hier ist ein weiterer
Grund für diese Selbsterziehung. Das Beispiel
des Vaters übt eine solche Macht auf die
Kinder aus, daß es ihnen mit einer gewissen
Notwendigkeit entweder zum Falle oder zur
Auferstehung gereichen wird. Ein christlicher
Vater, der es mit den Geboten Gottes und
der Kirche genau nimmt, der sich im reli-
giösen und sittlichen Leben, im Reden und
Handeln gewissenhaft nach denselben richtet,
der ist Tag für Tag eine lebendige Predigt,
eine beständige Erbauung für seine Kinder.
Dieses Beispiel wird wirken, ohne daß es
noch vieler Mahnungen und Strafen bedarf.
Aber ohne dasselbe ist das ganze Werk der
Erziehung gefährdet. Nun wird aber kein
Vater ganz ohne Fehler sein, und da bleibt
nichts übrig, als sie eifrig zu bekämpfen. Bei
der Gewissenserforschung, bei der Beicht
prüfe er gewissenhaft das Beispiel, welches
[159] er den Kindern gegeben hat, und gehe nicht
oberflächlich darüber weg. Wenn es mit
dem Vorsatz der Besserung nicht leicht gehen
will, so sage er zu sich selbst im Hinblick
auf die Folgen und die Verantwortung: Du
bist Vater, es muß sein, – um deiner Kin-
der willen.

Das gute Beispiel ist nicht das einzige
Mittel, um die Kinder zur Gewissenhaftig-
keit zu erziehen. Oft giebt es Gelegenheit,
die Kinder zu mahnen, zu belehren, zu-
rechtzuweisen. Bei solchen Anlässen soll
man nicht bloß auf zeitliche Beweggründe,
wie Schande und Ehre, Lohn und Strafe,
Glück und Unglück u. dgl. hinweisen, um
die Kinder vom Bösen abzuschrecken. Man
betone vielmehr jene Beweggründe, welche
wie die Erinnerung an die Allwissenheit
Gottes geeignet sind, auf das Gewissen ein-
zuwirken, und zur Uebung des Guten auch
in der Verborgenheit und im Innern an-
zutreiben.

Auch bei Zurechtweisungen und Strafen
muß man die Bildung des Gewissens im
Auge behalten. Es wirkt übel auf das Ge-
wissen des Kindes, wenn man über sittliche
Verfehlungen, z. B. Lügen, Fluchworte u. dgl.
[160] leicht hinweggeht, dagegen ganz unabsicht-
liche Fehler, z. B. das Zerbrechen eines
Geschirres ungleich ernster nimmt, während
es vom sittlichen Standpunkte aus gerade
umgekehrt sein sollte.

Endlich haben wir in unserer Religion
zwei vortreffliche Mittel, um die kindliche
Gewissenhaftigkeit zu pflegen. Das eine ist
die tägliche Gewissenserforschung beim Abend-
gebet. Dieser tägliche Einblick in sein In-
neres, verbunden mit Reue und Vorsatz, ist
für das sittliche Leben von hohem Wert.
‘„Die geistliche Polizei,“’ sagt Alban Stolz,
‘„im Innern des Menschen wird dadurch
wachsam und bekommt scharfe Augen.“’
Das
Gewissen ist da Richter über den vergan-
genen Tag und Gesetzgeber für den folgen-
den. Die Selbsterkenntnis, der Wille der
Besserung, ein wachsames und ein gutes
Gewissen sind nicht leicht möglich ohne
dieses Tugendmittel. Die Bedeutung des-
selben wird nur noch übertroffen durch die der
Beicht. Diese greift noch tiefer in das Ge-
wissen ein und bringt noch segensreichere
Wirkungen hervor. Da lernt das Kind vor
den Augen des Allwissenden noch ernster
sein Gewissen prüfen und ordnen. Es ist
[161] sehr zu empfehlen, daß der Vater durch Wort
und Beispiel die Kinder zur fleißigen und
ernstlichen Benutzung dieser beiden Tugend-
mittel aufmuntere. Oben wurde gesagt: Das
Gewissen ist der Christ. Man kann mit dem
gleichen Rechte sagen: Das Gewissen ist der
christliche Vater, d. h. er kann nur dann gut
erziehen, wenn er selber durch und durch
gewissenhaft ist. Und ebenso wahr ist: Das
Gewissen ist der christliche Sohn, er wird
nur dann gut ausfallen, wenn er zur Ge-
wissenhaftigkeit erzogen wird.

(Bete von der ‘„Andacht zur heiligen Familie“’ Nr. 1
Seite 442.)

23. Die spätere Erziehung zur
Religiosität.


Das gute Beispiel der Eltern ist von ent-
scheidender Bedeutung für die richtige Bild-
ung des Gewissens in dem Kinde. Aber so
mächtig auch die Wirkung dieses Beispieles
ist, so ist es für das Kind doch nur eine
Erbauung und Stärkung, die von außen
kommt, ungefähr wie der Sonnenschein die
äußere Bedingung für die Entfaltung der
Frühlingsblüten ist. Das eigentliche Leben
der Blüte kommt aus der Wurzel, und die
[162] Kraft des Gewissens beruht auf der Reli-
giosität, dem Glauben und der Gottesfurcht.
Es ist stark oder schwach, wachsam oder ein-
geschlummert, wie diese es sind. Eine zu-
verlässige Gewissenhaftigkeit ist nicht mög-
lich ohne wahre Religiosität. Sollen die
Kinder erstere besitzen, so muß man sie
auch für letztere erziehen. (Vergleiche Artikel 3
und 8.)

Das Hauptsächliche über die erste reli-
giöse Erziehung ist bereits (Artikel 16 und 18)
kurz angegeben worden. Was neu hinzu-
kommt, ist der Umstand, daß mit den Jahren
die Mitwirkung des Vaters immer notwen-
diger wird. Die heilige Monika hatte mit
der ersten Erziehung guten Erfolg bei ihrem
Sohne Augustin, obschon der Vater nicht mit-
wirkte, eher ein Hindernis war. ‘„Als Knabe
schon,“’
so erzählt der heilige Augustin selber,
‘„hatte ich gehört von dem ewigen Leben,
das uns verheißen ist durch die Erniedri-
gung seines Sohnes, und ich ward mit dem
Zeichen seines Kreuzes bezeichnet. Wir wa-
ren gläubig. Ich, die Mutter und das ganze
Haus, nur der Vater nicht. Aber er konnte
die einwirkende Kraft der mütterlichen Fröm-
migkeit nicht dahin abschwächen, daß ich so
[163] wenig glaubte, als er. Denn die Mutter
überzeugte mich, daß Du, o Gott, mein Va-
ter bist, mehr als mein leiblicher Vater.“’

(Bekenntnisse I, 11.)

Aber bald kam die Zeit, von der Augustin
bekennt: ‘„Keines ihrer (der Mutter) Worte
stieg in mein Herz hinab, so daß ich es be-
folgt hätte.“’
Der Anfang war gut, aber
wo der Vater hätte eingreifen sollen, war
eine Lücke und die Mutter allein vermochte
nicht, ihren Sohn von seinen Verirrungen
zurückzuhalten.

Das gute Beispiel des Vaters in Erfül-
lung der religiösen Pflichten, im häuslichen
Gebete, im Kirchenbesuch, im Empfang der
heiligen Sakramente wird um so unentbehr-
licher, je größer die Kinder werden. Er soll
aber neben dem guten Beispiel auch so viel
als möglich selber bei der religiösen Erzieh-
ung mitwirken. Auch wenn er viel beschäf-
tigt ist, kann er sich dann und wann er-
kundigen, wie die Kinder den Katechismus
lernen, wie sie in seiner Abwesenheit beten
u. s. w., und geeignete Mahnungen und Auf-
munterungen geben. An Sonn- und Feier-
tagen sollen die größeren Kinder über Predigt
und Christenlehre abgefragt werden. Das
[164] nötigt sie, aufmerksam zu sein, und damit
lernen sie, religiöse Vorträge verstehen und
auffassen. Es wird sehr erbauen, wenn er
hie und da, namentlich vor höheren Festen,
den Seinigen etwas Erbauliches vorliest, oder
vorlesen läßt, und daran einige heilsame Er-
innerungen knüpft. Was Gott durch Mo-
ses im alten Bunde vorgeschrieben hat, gilt
auch für christliche Väter: ‘„Erzähle deinen
horchenden Kindern und Enkeln, wie oft Ich
die Aegypter schlug und was Ich für Wun-
der an ihnen that. Gebiete deinen Söhnen,
daß sie mein Wort halten, und alles erfüllen,
was in diesem Gesetze geschrieben steht.
Wenn du am Osterfeste das ungesäuerte Brot
issest, so erkläre den Deinigen: dies geschieht
dafür, was der Herr uns gethan, als wir
auszogen aus dem Aegypterlande. Fragen
dich dereinstens deine Kinder, was diese Vor-
schriften, Ceremonien und Satzungen bedeu-
ten, so antworte ihnen.“’
(II. Mos. 10: 2, 13, 8.)
Gott wollte, und Er will es noch, daß durch
solche Belehrungen des Vaters die Religion
zur Familientradition werde, die sich von
den Vätern auf die Söhne vererbt.

An ihm ist es auch, bei vorkommenden
Verfehlungen den Schuldigen den nötigen
[165] Ernst zu zeigen. Es soll das möglichst eindring-
lich, aber auch möglichst würdig geschehen.
Als Student brachte ich einmal meine Fe-
rien in einem gutkatholischen Hause der West-
schweiz zu. Wir saßen an einem Sonntage
beim Mittagstische, als sich die Thüre öffnete,
und der älteste Sohn des Hauses eintrat,
der in Deutschland studiert hatte und nun
in die Ferien heimkehrte. Ich sah, wie die
Mienen des Vaters sich plötzlich verfinsterten,
und noch ehe der Sohn die Thüre geschlossen
hatte, rief er ihm entgegen: ‘„Wo bist du in
der Messe gewesen?“’
Der Sohn stammelte
einige Entschuldigungen: Die Post (es war
vor der Zeit der Eisenbahnen) sei um sechs
Uhr von B. abgefahren, und sie hätten sich
umsonst bemüht, vorher einer Messe beizu-
wohnen. Der Vater verweigerte dem Sohne
die Hand zum Willkomm, redete per ‘„Sie“’ mit
ihm, und ließ ihn bei Tische bedienen, wie man
einen Fremden im Hotel bedient. Es brauchte
die Vermittlung der Mutter, bis der Jüng-
ling am anderen Tage vom Vater wieder
als Sohn des Hauses behandelt und mit ‘„Du“’
angeredet wurde. Ich habe noch wenige
Scenen erlebt, die mich so tief ergriffen haben,
wie diese Lektion eines Vaters an seinen Sohn.

[166]

Wenn die Kinder größer werden, fangen
sie an, über manches, was sie beobachten,
sich ihre Gedanken zu machen. Sie sehen,
wie verschiedene Religionen nebeneinander
bestehen, wie manche katholische Christen
ihre religiösen Pflichten vernachlässigen, selbst
irreligiöse, kirchenfeindliche, ungläubige Ge-
sinnungen an den Tag legen. Namentlich
die Söhne können in der Schule, in der Werk-
statt und in der Kaserne religiös und sitt-
lich verkommene Kameraden an ihrer Seite
haben, sie können gottlose Schriften in die
Hand bekommen, und dadurch mit ihrem
Glauben und religiösen Leben in ernste Ge-
fahren hineingeraten. Jedermann weiß, daß
eine große Zahl junger Christen diesen An-
fechtungen erliegt.

Was kann und soll der Vater da thun?
Eigentlich muß die ganze religiöse Erziehung
dahin zielen, den Jüngling für diese meistens
unvermeidliche Probe zu stärken. Er soll
im Glauben gut unterrichtet und zu einem
religiösen Leben angehalten werden. Im
väterlichen Hause halte man schlechte Schrif-
ten und schlimme Kameraden ferne, und
überlasse den jungen Christen nicht zu früh
den Gefahren der Welt. Man belehre ihn
[167] beizeiten über die kommenden Gefahren,
damit er nicht arglos und unvorsichtig jeder-
mann Vertrauen schenkt. Nicht jeder Vater
ist unterrichtet genug, um allen künftigen An-
griffen auf den Glauben zum voraus zu begeg-
nen, aber jeder christliche Vater kann und
soll Ansehen genug haben, um seinen Sohn mit
Liebe und Treue und Anhänglichkeit gegen
Christus und seine Kirche und mit Mißtrauen
gegen ihre Feinde und Lästerer zu erfüllen.
Auch soll der Sohn angewiesen werden, bei all-
fällig entstehenden Zweifeln beim Seelsorger
Belehrung zu suchen, und in der Fremde,
wenn immer möglich, einem katholischen
Vereine beizutreten. Durch letzteres bekommt
jeder Jüngling mehr Halt und Festigkeit
für Ueberzeugung und Leben. ‘„Wehe dem,
der allein ist!“’
(Pred. 4, 10.) Der Umgang mit
gutgesinnten Altersgenossen dient dem Jüng-
ling zur Stärkung. Aber er ist in großer Ge-
fahr, wenn er in der Welt allein dasteht.

Aber bei aller Anwendung dieser äußeren
Mittel kann immer noch etwas fehlen, was
gerade die Hauptsache ist. Gott gebe, daß
ich es klar und eindringlich darlegen kann,
und von dem Leser verstanden werde.

(‘„Zur Epistel“’ in der dritten Meßandacht. Seite 350.)

24. Der Geist des Glaubens.

[168]

Die heranwachsende katholische Jugend
hat Glauben und zeigt denselben auch nach
außen, so lange sie in einer katholischen Um-
gebung ist. Wenn aber die äußeren Ver-
hältnisse sich ändern, so sieht man bei vielen,
daß ihr Glaube nur ein schwindsüchtiger
Glaube ist. Sie werden nachlässig im Ge-
bete und in der Erfüllung ihrer übrigen
religiösen Pflichten, sobald sie nicht mehr
mit der Herde laufen können. Die Menschen-
furcht ist stärker als die Gottesfurcht, es
fehlt der Mut, den Glauben in Wort und
That zu bekennen, auch wo es sich nur um
einige schiefe Blicke handelt. Der Glaube
muß zurücktreten hinter zeitlichen Interessen,
handelt es sich z. B. um eine vorteilhafte
Heirat, so läßt man sich leicht zu Schritten
herbei, die einer Verleugnung des Glaubens
gleichkommen. Und doch wollen die meisten
nicht ungläubig sein. Aber was ist das für
ein Glaube? So war es nicht, als die macha-
bäischen Jünglinge sich eher in Stücke hauen
ließen, als daß sie Schweinefleisch aßen. So
war es nicht bei den Kindern der Martyrer,
welche wie Pankratius und Vitus, Agnes
[169] und Lucia vor den Richtern und Henkern
ihren Katechismus beherzter aufsagten, als
unsere Jugend in der Christenlehre.

Warum ist das jetzt anders? Die mensch-
liche Natur ist nicht schwächer und die Kraft
der Gnade nicht geringer als in den ersten
Zeiten. Aber der Glaube ist bei der heutigen
Jugend vielmehr etwas Angelerntes, als
etwas Eingelegtes. Und die Ursache liegt
darin, daß bald in den meisten katholischen
Familien zwar nicht gerade der Glaube, wohl
aber der Geist des Glaubens fehlt. Insbe-
sondere ist das beim Vater häufig der Fall.

Der Geist des Glaubens ist die tiefe und
lebendige Ueberzeugung von den Wahrhei-
ten der Religion, so daß man sie nicht bloß
als wahr gelten läßt, sondern von ihnen
ganz durchdrungen und im Denken und Le-
ben beherrscht wird. Wer den Geist des
Glaubens hat, bemißt seine Gedanken, Worte
und Werke so nach den Regeln des Glau-
bens, wie wir unsere Rechnungen nach dem
Einmaleins richten. Wenn das wahr ist,
was wir glauben, so müssen wir doch sicher
die Dinge darnach beurteilen und uns dar-
nach verhalten. Nichts kann selbstverständ-
licher und natürlicher sein, als das.

[170]

Und doch sind viele Männer von diesem
Geiste des Glaubens sehr weit entfernt.
Sie wissen oder sollen und können wissen,
was Christus sagt über die Sorge für seine
Seele, über die Vergänglichkeit des Irdischen,
über das Gebet, über die Wahrheitsliebe,
über den Stolz und Ehrgeiz, die Verletzun-
gen der Nächstenliebe u. s. w. Sie leugnen
diese Dinge auch nicht, aber im einen und
anderen Punkte fehlen sie nicht bloß, sondern
lassen sich von Anschauungen und Bestre-
bungen leiten, die denen des Evangeliums
geradezu widersprechen. Die Zerstreuungen
des Lebens, die herrschenden Anschauungen
der Welt, irgendwelche verkehrte Neigungen
haben ihr christliches Bewußtsein gefälscht,
so daß sie allfällig den Glauben haben, aber
nicht den Geist des Glaubens, sondern that-
sächlich vom Geiste des Eigennutzes, des Ehr-
geizes, vom Geiste der Welt regiert werden.

Niemand kann den Geist verleugnen,
der ihn erfüllt, auch der Vater vor seinen
Kindern nicht. Wenn nichts wäre, als die
Tischgespräche, so würde in denselben der
Geist des Vaters hinreichend zum Ausdruck
kommen und auf die Kinder einwirken. Was
er von der Vorsehung denkt bei Unglücks-
[171] fällen, wie er die religiösen Pflichten auf-
faßt und erfüllt, wie er die Kirche liebt, wie
hoch er das Ewige und das Zeitliche an-
schlägt, wie er lieblose Urteile, Feindesliebe
beurteilt und übt, u. a.m., das merken die
Kinder, das macht Eindruck auf die Kinder,
und ohne daß es der Vater nur merkt, ist
sein Geist der ihrige geworden.

Nur wenn der Vater den Geist des Glau-
bens hat, kann er ihn den Kindern mitteilen,
und nur dann wird das geistige Fundament
der Erziehung festbegründet sein. In der heu-
tigen Zeit ist es freilich für Männer nichts
Leichtes, den Geist des Glaubens zu bewah-
ren und von Zeit zu Zeit wieder zu erneuern.
Hie und da die Zerstreuungen mit der Ein-
samkeit vertauschen, in den religiösen Uebun-
gen eifrig sein, religiöse Schriften lesen,
geistliche Uebungen machen, das wären nicht
unwirksame Mittel, wenn man sich nur zum
Gebrauche derselben aufraffen würde. Die
Sache ist es wert, denn in keinem Punkte
muß die Selbsterziehung der Erziehung so
notwendig vorausgehen, wie hier. Wer sel-
ber kein Feuer hat, kann niemals andere
entflammen. Wie können Kinder eifrig wer-
den, wenn sie laue Eltern haben?

[172]

Zur Aufmunterung folgt hier ein Bei-
spiel. Am 28. Dezember 1863 starb in
Angoulême der Oberst Paqueron, das Mu-
ster eines katholischen Vaters. Er konnte
dieses nur sein, weil er auch durch und durch
ein gläubiger Christ war. Seine eigenen
Aeußerungen mögen seine Gesinnungen dar-
legen. Nach einer glücklichen, aber kurzen
Ehe verlor er seine Gattin, und der Schmerz
darüber haftete lebenslänglich in seiner Seele.
Als er viele Jahre später eine militärische
Sendung nach Afrika erhielt, schrieb er:
‘„Wohin ich auch gehen werde, ich werde
Gott überall – und meine Gattin nirgends
mehr finden.“’
Aber schon an ihrem Sterbe-
bette hatte er gebetet: ‘„Du, o Gott, hast
unseren Wunsch in deiner ewigen Weisheit
nicht erfüllt, Du weißt besser als wir, was
uns nötig ist, und so muß ich trotz meines
Schmerzes Dir Dank sagen auch für die so
entsetzlich schwere Heimsuchung.“’
Er suchte
Linderung des Schmerzes in angestrengter
Arbeit: ‘„Nichts kann mich gegen den Schmerz
verteidigen, als die Macht der Regelmäßig-
keit. Ich muß meine Natur mit Eisenban-
den an die Pflicht schmieden und sie in un-
durchbrechliche Schranken der Thätigkeit ein-
[173] zwängen. Wenn klare Grundsätze gut auf
das Verhalten des Menschen einwirken, so ist
es umgekehrt auch wahr, daß die Thätigkeit
des Menschen ganz gewaltig auf seine Ge-
danken und Gefühle zurückwirkt. Wer gut
lebt, wird unfehlbar auch seine Ideen und
Gefühle immer mehr veredeln und läutern.
Seien wir also standhaft im Handeln.“’

Doch war ihm die Thätigkeit nicht bloß
ein Mittel zur Betäubung des Schmerzes,
sondern eine Pflicht gegen Gott. ‘„In mei-
ner Todesstunde wird mir all die Zeit, die
ich auf Erden zugebracht, wie ein Blitz er-
scheinen. Ich muß mich beeilen, sie gut zu
gebrauchen. Was muß ich dazu thun? Ueber
meine Pflichten klar werden, und mir Mühe
geben, sie immer besser zu erfüllen. Meine
Pflichten sind zahlreich. Als Christ muß
ich Christus und seine Lehre betrachten, sein
Beispiel befolgen und mir Mühe geben, Ihn
über alles und aus allen Kräften meiner
Seele zu lieben. Als Vater muß ich für
meine Kinder sorgen, ich bin verpflichtet, sie
mit Ernst und Milde zu erziehen und ihnen
von frühester Jugend an die größte Ehr-
furcht und Liebe gegen unsere heilige Re-
ligion einzuflößen. Als Hausherr muß ich
[174] sowohl über Dienstboten als Kinder in gei-
stiger und körperlicher Hinsicht wachen, sie
mit Güte behandeln, ihre Fehler mit Geduld
ertragen. Als Beamter des Staates habe
ich alle Pflichten meines Amtes zu erfüllen,
mich davor zu hüten, daß ich von meinen
Vorgesetzten übel rede, dagegen mich ihrem
Willen von Herzen zu unterwerfen und sie
aufrichtig hochzuschätzen. Das ist so unge-
fähr die Summe meiner Pflichten – aber
ist eine davon, die ich ganz und stets erfüllt
hätte? – Wer es nicht versteht, der Sklave
seiner Pflicht zu sein, wird niemals Herr
seiner Leidenschaften; man herrscht hier nur,
sofern man sich dort unterwirft!“’
‘„Nun
bin ich wieder bei meinen Arbeiten und mei-
nem Pulver,“’
so schrieb er nach der Rück-
kehr aus Afrika, ‘„und ziehe Gott in meine
Arbeiten hinein. Meine Fabriken bringen
noch etwas Besseres, als Pulver hervor –
nämlich meine ewige Glorie. Die kleinsten
Dinge mit den erhabensten Absichten verrich-
ten, das heißt sein Leben zugleich angenehm
machen und es heiligen. O wie gut ist der
liebe Gott!“’

Trotz seines Eifers für die Thätigkeit
fanden die religiösen Uebungen in seiner
[175] Tagesordnung ihre gebührende Stelle. Er
begann den Tag, indem er eine Stunde lang
betete und in der heiligen Schrift las. Und
er beschloß ihn mit der Gewissenserforschung
und dem Lesen zweier Kapitel aus dem Evan-
gelium. Paqueron bemerkt: ‘„Wissenschaft,
ja; Kunst, ja; Handel, auch wohl; ich will
ja das alles auch, aber mit all dem und vor
allem dem will ich Brot, ich habe Hunger
nach dem Brote des Lebens.“’
‘„Wo unser
Heiland nicht ist, da ersticke ich; und mit
einer Sache, für die man Gott nicht interes-
sieren kann, mag ich meine Zeit nicht ver-
lieren.“’
Den Trost seines Lebens fand er
in der heiligen Kommunion. Wie streng
er sich selber beurteilte, ergiebt sich daraus,
daß er sich Vorwürfe machte, weil er zu
hastig die Gelegenheit ergriff, einen zeitlichen
Gewinn zu machen. Ein anderes Mal ta-
delt er sich, daß er bei Erfüllung seiner
Amtspflichten zu sehr auf den materiellen
Vorteil sieht, den er für seine Kinder daraus
zu ziehen gedenkt. Man wird es nicht auf-
fallend finden, daß ein solcher Mann mit
Hintansetzung aller Menschenfurcht und mit
kühner Verachtung aller Spötter überall als
Christ und Katholik auftrat, und als solcher
[176] auch Achtung und selbst Bewunderung ern-
tete. Eine Zeit lang war er in La Rochelle.
Manche von den einflußreichsten Protestan-
ten sagten: ‘„Ach wären alle Katholiken,
wie dieser Colonel, so wären wir morgen
katholisch.“’
Wenn er an einem Freitag eine
Einladung erhielt, so ließen auch Protestan-
ten nur Fastenspeisen auftragen, und wo er
hinkam, verstummte jedes Wort, welches
sein religiöses Gefühl hätte verletzen können.
Der dortige Bischof sagte: ‘„Der Colonel ist
mein bestes Argument gegen die Protestan-
ten. Er hat noch etwas anderers als seine
Artillerie von Bronze zu seiner Verfügung,
er ‘„richtet“’ nach allen Seiten seine Tugen-
den, die fähig sind, unsere schlimmsten Feinde
zu schlagen.“’
Und doch disputierte Paqueron
nie. Sein Grundsatz war: ‘„Streiten wir
nicht mit Worten, leben wir gut. Das
Licht der guten Werke erleuchtet jeden und
beleidigt keinen.“’

Dieser seltene Mann besaß den Geist des
Glaubens, und wenn er damit als Mann
in der Welt viele erbaute, so hat er als
Vater und Erzieher ihn unschwer auch sei-
nen Kindern eingeflößt. Am Sterbebette
seiner Gattin hatte er das Gelöbnis gemacht,
[177] Witwer zu bleiben und sich ganz dem Wohle
seiner Kinder zu weihen, und er ist dem-
selben mit aller Treue nachgekommen. ‘„Wer
Kinder erziehen will,“’
sagt er, ‘„muß vorab
selbst ein Heiliger werden. Gott hat zwei
Perlen in des Kindes Seele gelegt, den
Gehorsam und die Reinheit. Wehe jenem,
der ihm eine derselben raubt, er tötet da-
durch unfehlbar den künftigen Mann im
Kinde.“’
Er leitete seine Kinder selber zum
Gebete an, und er, der Artillerieoffizier, gab
ihnen selber Unterricht im Katechismus und
der biblischen Geschichte. Als sein Sohn
Karl in Paris am Collège de France und
an der polytechnischen Schule studierte, führte
er mit ihm einen ausgedehnten Briefwechsel,
in welchem er das Werk der Erziehung fort-
setzte. Einige Stellen mögen zeigen, wie er
seine Aufgabe erfüllte. ‘„Ich glaube, daß
alle meine Pflichten als Vater sich auf diese
eine zurückführen lassen: die Interessen Got-
tes in dem Herzen meines Sohnes zu ver-
teidigen, denn so werde ich zugleich die Rechte
Gottes, die Rechte meines Sohnes und meine
eigenen väterlichen Rechte schützen.“’

Dann warnt er ihn vor Menschenfurcht
in der schlechten Atmosphäre des Poly-
[178] technikums: ‘„Pflanze sofort deine Fahne hoch
auf, damit man wisse, wer du bist. Nach
48 Stunden darf kein einziger deiner Mit-
schüler darüber im Zweifel sein oder dich
um deine Gesinnung fragen müssen. Das
ist das einzige Mittel, eine falsche Stellung
zu vermeiden. Sei Christ, einfach, aber frei.
Vor allem keine Schwachheit. Wer die Ehre
hat, Christ zu sein, braucht nicht um Nach-
sicht oder Duldung für seine Ueberzeugung zu
betteln, er hat das Recht, Respekt zu for-
dern. Fürchte dich nicht, als Sonderling zu
gelten. Seit mehr als vierzig Jahren bin
ich ein solcher Sonderling, und doch haben
weder Gott noch die Menschen mich dieses
entgelten lassen.“’

Gegen die Mutlosigkeit muntert er ihn
durch sein Beispiel auf. ‘„Auch ich habe die
Erschlaffung der Seele erfahren, liebes Kind;
mit natürlicher Kraft siegt man dabei nicht
ob. Wenn mich dieser innerliche Kleinmut
erfaßte, hatte ich ein unfehlbares Mittel, aber
nur dieses eine, ich erschloß mein Herz dem
Beichtvater und empfing darauf die heilige
Kommunion. Glaubst du, daß ich ohne die
heilige Kommunion mein ödes Leben mit
seinen Verlusten in der Vergangenheit und
[179] den Bitterkeiten in der Gegenwart ertragen
würde?“’

Ueber den Geist des Glaubens schreibt
er ihm folgendes: ‘„Hüten wir uns vor den
wechselnden Eindrücken der wechselnden Stun-
den. Unsere Väter waren stark und wider-
standsfähig in der Seele, weil sie weniger
unsichere Ideen und einen festeren Glauben
hatten, weniger lebhaft, dafür aber tiefer
empfanden. Ihr Leben beruhte auf unwandel-
baren Grundsätzen und die Windstöße der
Trübsale gingen über sie dahin, ohne sie zu
erschüttern. Ihre Devise war das aposto-
lische: ‘„Ich kann alles in Dem, der mich stärkt“’.
Heute haben wir uns von Gott abgetrennt,
wir sind auf unsere eigene Erbärmlichkeit
angewiesen und daher zugleich eitel
und furchtsam
. Wir beginnen übermü-
tig und enden kläglich. Der geringste Hauch
wirft uns zu Boden und fegt uns weg...
Wir sind große Kinder ohne die Unschuld
der Jugend und die Weisheit der grauen
Haare. O seien wir stärker und fester als
diese Zeit, trennen wir unser Herz nie los
von unserem Glauben, von unserer Hoff-
nung und unserer Pflicht. Glaube, Hoffnung
und treue Pflichterfüllung, d. h. die thätige
[180] Liebe, das sind die drei Anker, die dem Le-
ben Stetigkeit, Sicherheit und Größe ver-
leihen.“’

Auf Paquerons Grab stehen die Worte:
‘„Ein wackerer christlicher Soldat.“’ Man
hätte hinzufügen können: Ein wackerer christ-
licher Vater. Man betrachtet den Soldaten-
stand als denjenigen, der dem christlichen Le-
ben am meisten Schwierigkeiten bereitet. Um
so mehr soll das Beispiel dieses Mannes
den Vätern in anderen Ständen, die weniger
Hindernisse bieten, zur Aufmunterung dienen.

(Bete die ‘„Andacht zu Ehren des heiligen Geistes“’.
Seite 463.)

25. Temperament und Charakter.


In der sittlichen Erziehung müssen die
natürlichen Anlagen des Gemütes berück-
sichtigt werden, welche man in dem Namen
Temperament zusammenzufassen pflegt. Unter
dem Temperament versteht man die Beschaf-
fenheit des Gemütes, insofern dieselbe von der
Beschaffenheit des Körpers abhängig ist.
Mitunter wird das Wort Naturell im glei-
chen Sinne gebraucht. Der eine ist feurig
und aufbrausend, der andere kalt und lang-
sam, dieser vorzugsweise heiter gestimmt,
[181] jener ist ernst und gedankenvoll. Man kann
sich leicht überzeuget!, daß diese Gemüts-
stimmungen nicht rein seelischer Natur sind,
sondern mit gewissen Zuständen des Kör-
pers zusammenhangen, und in den Augen,
den Mienen, in den Bewegungen und selbst
in dem Bau des Körpers sich zu erkennen
geben.

Der Ausdruck Temperament, Mischung,
wird hier gebraucht, weil man früher die
nicht ganz zutreffende Ansicht hatte, daß die
Gemütsäußerungen durch die Mischung der
Säfte des Körpers bestimmt werden. Wer
sich rasch entschließt, lebhaft angreift, aber
nicht beharrlich ist, wurde Sanguiniker ge-
nannt, weil man ihm leichtes und rasches
Blut zuschrieb. Als Choleriker galt der,
welcher viel Galle hat und mit Feuer und
Energie eine Sache angreift und durchführt.
Der Mann mit schwarzer Galle und schwerem
Blute, der infolgedessen tiefsinnig, ernst und
menschenscheu ist, wurde als Melancholiker
bezeichnet. Dem Phlegmatiker mit seinem
Zuge zur Bedächtlichkeit und Ruhe schrieb
man ein langsames, träges Blut zu. Diese
Temperamente kommen in der Wirklichkeit
nicht rein vor, sondern in ungleicher Mischung,
[182] in welcher bald das eine, bald das andere
vorherrschen kann.

Was man sich von den Temperamenten
bei der Erziehung zu merken hat, ist folgen-
des: In der Gemütsbeschaffenheit, welche
Temperament genannt wird, ist schon ziem-
lich gegeben, welches die Hauptleidenschaft
ist, die später aufwachen und den Menschen
beherrschen wird, wenn sie nicht zuerst von
der Erziehung und später vom freien Willen
darniedergehalten wird. Bald ist die Anlage
zum Zorn vorherrschend, bald zur Trägheit,
zum Trübsinn, zum Leichtsinn, zum Eigen-
sinn und Hochmut. Es handelt sich nicht
darum, das angeborne Temperament zu unter-
drücken, sondern dasselbe, so weit notwendig,
zu verbessern und richtig zu bilden. Ob man
von Natur aus mehr zum Frohsinn oder
zum Ernst geneigt sei, ob man feuriger oder
bedächtiger angelegt sei, jeder soll die Natur
behalten, die ihm der Schöpfer gegeben hat.
Man kann mit jeder ein guter Christ und selbst
ein Heiliger werden. Selbst die Heiligen
haben ihre angebornen Gemütsanlagen nicht
verleugnet, sondern veredelt und verklärt.
Es giebt ja manche Heilige, welche Scherz
und Heiterkeit geliebt und geübt haben.

[183]

Aber das darf nie vergessen werden, daß
infolge der Sünde meistens in dem Tempera-
mente die Keime gefährlicher Leidenschaften
vorhanden sind. Diese müssen die Eltern
aufmerksam beobachten, und sobald sie die
vorherrschende Neigung eines Kindes kennen,
sollen sie die ganze Erziehung darauf be-
rechnen, in diesem Punkte künftigen sittlichen
Unordnungen vorzubeugen. Wem es ernst
ist mit der Besserung seiner selbst, der muß
immer auf seinen Hauptfehler schauen, und
wer gut erziehen will, muß immer die vor-
herrschende Neigung des Kindes im Auge
behalten.

Mit dem Temperament wird häufig der
Charakter zusammengestellt. Das Tem-
perament ist Naturanlage, der Charakter ist
die durch Erziehung und eigene Angewöhnung
gebildete Willensrichtung, nach welcher der
Mensch in der Regel sein Handeln einrichtet.
Wer den Charakter eines Menschen kennt,
kann mit einiger Sicherheit voraussehen,
wie er sich bei gewissen sittlichen Proben
verhalten wird, ob er in Zorn ausbricht oder
seine Aufregung beherrscht, ob er unbestechlich
ist oder nicht, ob er gerade und redlich handelt,
sei es auch zum eigenen Schaden, oder für
[184] sein Interesse unerlaubte Mittel gebraucht,
ob seine Zunge aufrichtig redet oder lügt
und heuchelt, ob er feig ist, oder Mut hat,
ob er gegebenen Falls die Versuchungen des
Fleisches und der Sinnlichkeit überwindet
oder von ihnen überwunden wird, ob er mit
starrem Eigensinn oder gewissenhafter Ueber-
legung zu Werke geht, ob er unbarmherzig
oder mit Mitleid gegen andere verfährt, ob
er im Unglück fest und mutig dasteht oder
zusammenbricht.

Je nachdem die herrschende Willensrich-
tung des Mannes beschaffen ist, nennt man
seinen Charakter einen guten oder schlechten.
Der gute Charakter ist schön und edel, der
schlechte ist immer häßlich. Gewissermaßen
noch verächtlicher ist der Mann, wenn er cha-
rakterlos ist, d. h. wenn er gar keine feste
Willensrichtung hat, sondern in seinem Wol-
len und Thun von der Laune, von augen-
blicklichen Umständen, von den Eingebungen
der Triebe und Neigungen abhängt. Zum
guten Charakter gehört nicht bloß, daß die
Richtung des Willens eine gute sei, – das
letztere ist auch im braven Kinde der Fall,
und doch redet man bei ihm noch nicht von
Charakter, – sondern die gute Willensrichtung
[185] muß eine feste sein, so daß keine Anfechtung
ihn erschüttern kann. ‘„Den Gerechten, der
unentwegt im Sinne beharrt,“’
so singt der
heidnische Dichter Horatius, ‘„bringt nichts
von seinem festen Entschlusse ab, weder der
Ungestüm des Volkes, welches etwas Un-
rechtes verlangt, noch die drohende Miene
des Tyrannen, noch der gewaltige Sturm,
der Herrscher des empörten Meeres, noch
der Blitz, der vom Himmel niederzuckt.
Wenn der Weltenbau zusammenstürzt, kön-
nen ihn die Ruinen bedecken, aber nicht
einschüchtern.“’

In ähnlicher Weise hat der alte Görres
in sich selbst den festen Charakter geschildert:
‘„Kein König ist reich genug, mir meine gute
Ueberzeugung abzukaufen; die Höfe haben
nichts, um mir dafür die Ruhe meines Ge-
wissens abzutauschen; die Unabhängigkeit
meines Geistes und die Unbescholtenheit mei-
nes Charakters, wenn sich auch Käufer dazu
gefunden, wäre mir um keinen Preis feil
gewesen. Ich beuge mich vor Gott und
seinem Willen, vor der Majestät der Wahr-
heit und Sittlichkeit, vor dem Rechte und
der Gerechtigkeit, aber nimmer vor der Will-
kür und rohen Gewalt, in welchen Formen
[186] sie mir auch entgegentreten möge. Ob sie
drohend oder lockend, von oben oder von unten
an mich komme, ich werde ihr keinen Ein-
fluß auf meine Ueberzeugung gestatten. Da-
rum bin ich auch ganz unbesorgt, was die
Zukunft bringen möge.“’

Es ist eine bekannte und allgemeine Klage,
daß es heutzutage an Männern, d. h. an
Männern von Charakter fehle. Wenn diese
Behauptung auch nicht wörtlich zutrifft, so
ist doch die Zahl charaktervoller Männer viel
zu klein, um dem Verderben Einhalt zu thun,
welches immer drohender über den Staat
und alle Klassen der heutigen Gesellschaft
hereinbricht infolge der zunehmenden Cha-
rakterlosigkeit. Es ist auch leicht einzusehen,
warum das so kommt und so kommen muß.
Das Temperament ist angeboren, der Cha-
rakter muß gebildet werden, und nichts fehlt
so sehr in unserer Zeit, als die Charakter-
bildung, d. h. die sittliche Erziehung im Geiste
des Christentums, und zwar vorab bei der
männlichen Jugend.

Der Charakter des Mannes beruht auf
zwei Dingen, auf der Herrschaft des Geistes
über die Leidenschaften und Begierden und
auf dem Handeln nach Grundsätzen, d. h. in
[187] der freiwilligen Befolgung eines höheren
Gesetzes. Die Herrschaft über sich selbst soll
der junge Christ erlangen zuerst durch eine
christlich ernste Zucht in der Erziehung, und
nachher durch freiwillige Selbstverleugnung.
Der Gärtner schneidet die wilden Schmarotzer-
zweige vom jungen Baume weg, weil sie
nutzlos an dessen guten Säften zehren, und
gerade dadurch erhöht er die Lebenskraft
des Baumes. So muß der Vater die übeln
Anlagen im Knaben und Jüngling bekäm-
pfen und gleichzeitig die Keime des Guten in
ihm wecken und pflegen. Diese Abgewöhnung
des Bösen und Angewöhnung an das Gute
ist eine kostbare Frucht der guten Erziehung
und erleichtert es dem Jüngling ungemein,
wenn er selbständig wird, sich selber zu be-
herrschen. Um Charakter zu besitzen, muß
der junge Mann die Kraft haben, seinem
Eigenwillen und seinen unordentlichen Be-
gierden ‘„Nein“’ zu sagen, er muß fähig sein,
nach der Weisung Christi Selbstverleug-
nung zu üben, wann und wo die Pflicht es
erfordert. Eine gute Erziehung und eigene
Anstrengung können den Charakter so bil-
den, daß die Fehler des Temperamentes nicht
mehr bemerkt werden. Der heilige Franz
[188] von Sales hatte ein sehr aufbrausendes Tem-
perament, und doch ist er ein Muster der
Sanftmut geworden. Der heilige Ignatius
wurde ein seltener Meister in dem überleg-
ten und besonnen Handeln, während sein
Temperament eher zum Gegenteil geneigt
war. Das ist die sittliche Seite der Charakter-
bildung. Dieselbe ist unentbehrlich, aber für
sich noch nicht genügend.

Der echte Charakter handelt nicht bloß
nach den Angewöhnungen der Erziehung,
sondern nach Grundsätzen. Er handelt nach
den Forderungen des Gewissens, welches aus
einer festen religiösen Ueberzeugung seine
Kraft schöpft. Religion und Gewissen, diese
sind es, welche den Charakter über alles
menschliche Schwanken erheben und ihn zuver-
lässig und unerschütterlich machen, und ihn
von menschlicher Einseitigkeit befreien. Ein
solcher Charakter bildet die harmonische Ver-
bindung scheinbar entgegengesetzter Tugen-
den. Man findet auch bei den Heiden
Charaktere, die etwas Großes an sich ha-
ben, aber nie fehlt auch ein Zug der Ein-
seitigkeit und Härte. Anders ist es bei den
christlichen Heiligen. die Martyrer ha-
ben ihren Charakter nach allen Seiten be-
[189] währt, sie haben mit Heldenmut die grau-
samsten Qualen erduldet, und ebenso ent-
schieden die verführerischen Lockungen und
die glänzenden Anerbietungen abgewiesen,
mit denen man ihnen nahte, sie haben
auch den Haß und Groll überwunden, so
daß sie mit Gebetsseufzern für ihre Ver-
folger auf den Lippen ihr Leben aus-
hauchten.

Die unüberwindliche Standhaftigkeit gegen-
über von schreckenden wie lockenden Versuch-
ungen beruht auf dem Glauben. ‘„Das ist
der Sieg,“’
sagt der hl. Johannes, ‘„der die
Welt überwindet, unser Glaube.“’
(I. Joh. 5, 4.)
Vor dreihundert Jahren während der reli-
giösen Wirren in den Niederlanden wurde
der Spanier Karl von Spinola um seines
Glaubens willen durch langsames Verbren-
nen gemartert. Der protestantische Statt-
halter Prinz Heinrich von Nassau konnte
diesem Heldenmute seine Anerkennung nicht
versagen und bemerkte bei einem Gastmahle:
‘„Ich kenne andere Leute, und es sitzen solche
hier am Tische, die wollte ich mit einem
brennenden Strohwisch aus einer Religion in
die andere jagen.“’
Leider giebt es heutzutage
Katholiken genug, von welchen man dasselbe
[190] sagen kann, nicht bloß in Bezug auf den
Glauben, sondern in Bezug auf alle Tugenden
und Pflichten. Die Ursache ergiebt sich leicht
aus dem Gesagten. Es fehlt vielfach an der
richtigen Charakterbildung. Wer als Mann
von Charakter in der heutigen Welt dastehen
soll, muß so erzogen werden, daß ihm beim
Abschluß der Erziehung die Macht der Selbst-
beherrschung und eine feste religiöse Ueber-
zeugung zu Gebote stehen. ‘„Das ist der Sieg,
der die Welt überwindet, unser Glaube.“’

(I. Joh. 5, 4.) ‘„Wer Mir nachfolgen will, der
verleugne sich selbst.“’
(Matth. 16, 24.) ‘„Das
Himmelreich leidet Gewalt und nur die Ge-
walt brauchen, reißen es an sich.“’
(Matth. 11, 12.)
Das sind Sätze der göttlichen Offenbarung,
Gesetze für das christliche Leben und die
christliche Erziehung, von deren Beobachtung
aller gute Erfolg abhängig ist.

Aber Erziehung und Leben lassen sich
nicht trennen, und der Sohn wird weit mehr
vom Beispiel als von den Worten des Va-
ters erzogen. Darum darf kein Vater unter-
lassen, nachzuforschen, wie es mit seinem
eigenen Charakter aussieht.

(Verrichte die ‘„Andacht für die heilige Fastenzeit“’.
Seite 459.)

26. Jüngling und Mann.

[191]

‘„Die Jugend muß austoben,“’ pflegt man
oft zu sagen. ‘„Mache sie, o Herr, aus Kin-
dern zu Greisen“’
, so sagte einst der heilige
Augustin. Diese zwei Sätze scheinen nicht
zusammenzupassen, und doch sind beide rich-
tig, und eine gute Erziehung muß es ver-
stehen, beide am rechten Orte zur Geltung
zu bringen.

Alles, was jung ist, was im Wachstum
begriffen ist, wird durch ein inneres Be-
dürfnis zur Bewegung angespornt. Die klei-
nen Kinder machen ganz unbewußt so man-
nigfache Sprünge und Bewegungen, als
ob jeder Muskel, jede Faser an ihnen ihr
besonderes Exercitium brauche, um sich ge-
hörig zu entwickeln. Diese Unruhe tritt nach
und nach auch im Gemüts- und Geistesleben
zu Tage und sucht ihre Befriedigung in
allerlei Spiel und Mutwillen. Die Gegen-
stände wechseln mit den Jahren, aber das
Bedürfnis der Bewegung, des Spiels, der
unterhaltenden Beschäftigung dauert fort.
Die größte Anstrengung, wenn sie freiwillig
ist, ist Erholung, unthätige Ruhe, Lang-
[192] weile ist unerträgliche Qual. Man betrachtet
mit Vergnügen die possierlichen Sprünge
junger Tiere, und es wäre ein Erziehungs-
fehler, wenn man ein ganz ähnliches Be-
dürfnis dem Kindes- und Jugendalter ver-
argen wollte. Wem die unschuldigen Freu-
den der Jugend verkümmert werden, der
muß es später büßen in seinem Gemüts-
leben, nicht selten leidet er sogar Schaden
in seiner sittlichen Ausbildung.

Es handelt sich nur darum, den Tummel-
platz für diesen jugendlichen Uebermut in
der richtigen Weise abzugrenzen. Bei dem
Kinde und Knaben bietet das keine beson-
deren Schwierigkeiten. Die Hauptsache ist, dar-
auf zu achten, daß sie dabei nicht mit schlim-
men Kindern beisammen sind. Viel schwie-
riger ist es, namentlich heutzutage, dem Jüng-
ling die passende Gelegenheit zu geben, sich
in Lust und Freude zu ergehen. Früher durfte
man das den Jünglingen selber überlassen.
Falls auch der Mutwille hie und da etwas
zu weit ging, so führte er doch nicht zu sitt-
licher Verdorbenheit, und wenn die soge-
nannten Flegeljahre vorüber waren, hat sich
oft der übermütigste Jüngling zum wackersten
Manne entwickelt.

[193]

Anders steht es leider in unserer Zeit.
In jeder größeren Ortschaft giebt es junge
Leute, die schon sehr frühe in religiöser
und sittlicher Hinsicht grundverdorben sind.
Diese wirken mit ihrem Umgang auf die
guten Kameraden, wie faule Aepfel auf
frische, wenn sie in einem Korbe beisammen
sind. Da ist es Gewissenssache der Eltern,
vorsichtig zu sein. Der zweite Uebelstand
unserer Zeit ist der fast allgemein gewordene
Aberglaube, daß man nicht heiter und fröh-
lich sein könne ohne Trinken und Wirts-
hausbesuch. Sobald Jünglinge sich diesem
Vergnügen zuwenden, ist für sie, wie die
Erfahrung zeigt, alles zu fürchten.

Und doch soll der Jüngling seine Erho-
lung haben, er darf sich nicht langweilen,
z. B. am Sonntag Nachmittag soll sein Ge-
müt nicht unbefriedigt bleiben. Am besten
ist es, wenn man ihm in der Familie selber
in Bezug auf Unterhaltung, Spiel und Lek-
türe das Passende bieten kann, und er da-
mit zufrieden ist. Besteht am Orte ein
Jünglings-Verein oder ein verwandter katho-
lischer Verein, so kann er da unter Alters-
genossen und der nötigen Aufsicht sich am
besten unterhalten und erholen. Auch in den
[194] Schulferien der Studenten darf sich keiner
langweilen. Etwas Handarbeit, leichtere Lek-
türe, Fußtouren, Leibesübungen, wo es an-
geht, Jagen und Fischen, Liebhabereien wie
besondere Sammlungen von Pflanzen u. s. w.,
Zeichnen, Musik, alles kann zweckdienlich
sein, nur kein Müßiggang, kein Wirtshaus
und keine schlechten Kameraden.

Was die Studienanstalten anbelangt,
so können nur solche mit Pensionaten in
diesem Punkte genügend entsprechen. Da
fehlt weder der Tummelplatz noch die an-
gemessene Beaufsichtigung. Außerhalb hat
der Student zu wenig und zu viel: es fehlt
ihm meistens die geeignete Gelegenheit zur
Erholung, dafür nahen ihm schnell die Ge-
fahren des Studentenlebens.

‘„Die Jugend muß austoben.“’ Es ist
wichtig für die Charakterbildung, daß man
der jugendlichen Beweglichkeit und Heiter-
keit den angemessenen Spielraum gestatte.
Manche müssen freilich notgedrungen schon
in der Jugend den Ernst des Lebens erfahren
und auf viele Jugendfreuden verzichten, und
auch das kann sein Gutes haben. Mancher
ist durch harte Geschicke in der Jugend zum
hervorragenden Manne erzogen worden. Aber
[195] dann soll der junge Mensch wissen, daß nicht
menschliche Willkür, sondern ein höherer Wille
es so gefügt hat, und er soll lernen, sich als
Christ in seine Tage zu finden. Dann wird
er früher und besser als die übrigen zum
Manne werden.

Es wäre freilich wünschenswert, die jun-
gen Leute könnten recht lange Kinder blei-
ben. Kindlich sollten alle bleiben ihr Leben
lang, und kindisch in manchen Dingen sind
auch die meisten Erwachsenen noch. Aber
trotzdem erlangt der Wunsch des heiligen
Augustin in unserer Zeit immer mehr Be-
rechtigung: ‘„Mache sie, o Herr, aus Kindern
zu Greisen.“’
Der junge Christ sollte gar
oft an sittlicher Reife seinem Alter voraus-
eilen können, er sollte schon in jungen Jah-
ren die Besonnenheit und Festigkeit des
reiferen Alters besitzen. Die Welt bietet
dem Jüngling in Bezug auf Umgang, Unter-
haltung, Vergnügen und Genüsse manches dar,
was einen bezaubernden Reiz für ihn hat.
Aber die Schlange lauert unter dem Grase und
darum verlangt sein Heil, daß er mit männ-
licher Selbstbeherrschung – daran vorbeigehe.
Manche kommen in früher Jugend unter
Leute, die alles Heilige verspotten, die
[196] schmutzig denken, schmutzig reden und selber
schmutzig sind. Und bei diesen andauernden
Aergernissen sollen sie, die selber jung sind,
die selber ihre Anfechtungen haben, kalt
bleiben wie Greise, und wie erprobte Män-
ner für ihre Gottesfurcht Spott und Hohn
zu ertragen wissen! Ja, wahrlich bei vielen
thut die Bitte not: ‘„Mache sie, o Herr, aus
Kindern zu Greisen.“’

Ich möchte aber dieses Wort nicht bloß
an Gott den Herrn, sondern auch an den
christlichen Vater richten. Ihm ist von Gott
der Auftrag geworden, den Sohn zum Manne
zu erziehen. Alles, was bisher in diesem
Buche gesagt wurde, soll hiefür als Auf-
munterung und Anleitung dienen, und alles,
was noch folgen wird, ist auf das gleiche
Ziel gerichtet. Die erste Anforderung aber an
den Vater ist immer die, er soll sich vorsehen,
daß man ihm nicht das Wort entgegenhalten
kann: ‘„Arzt, heile dich selbst“’. (Luk. 4, 23.)

(Verrichte die ‘„Andacht an Weihnachten“’. Seite 454.)

27. Die Ideale.


‘„Das Thun und Lassen eines jeden,“’ sagt
P. A. M. Weiß, ‘„ist der genaue Ausdruck des
Ideals, das er von sich selbst geschaffen hat.
[197] Frage einen Menschen, was er von sich hält,
und du weißt, wie er sich verhält.“’
Unter
Ideal versteht man die Vorstellung einer
Sache, wie sie sein sollte, eine Art Muster-
bild in der Seele, von welchem aber die
Wirklichkeit oft weit absteht. Man denke an
die Ideale von Glück, Tugend, Heiligkeit, die
man sich wohl im Geiste vorstellt, aber selten
genug thatsächlich erreicht. Man kann sich auch
falsche Ideale bilden, und in diesen liegt
eine große Gefahr. Denn alle Menschen
jagen einem Ideale, d. h. der wahren oder
erträumten Vorstellung von irgend einem
Gute nach. Das Verlangen und die Hoff-
nung, ein wirkliches oder eingebildetes Gut
zu bekommen, bilden die Triebfeder des
ganzen Strebens und Lebens in der mensch-
lichen Gesellschaft. Insbesondere ist die Ju-
gend geneigt, sich von Idealen begeistern
und hinreißen zu lassen, und alles hängt da-
von ab, daß ihre Ideale die richtigen seien.

Gelingt es, den Jüngling für Hohes und
Edles, Wissenschaft, Tugend, Wohl der Kirche
und des Vaterlandes zu begeistern, so be-
darf er keines weiteren Anspornes mehr,
kein Opfer ist ihm zu schwer, kein Hinder-
nis zu groß, er bedarf nur eines Zügels für
[198] seinen jugendlichen Ungestüm. Aber wenn
er sich für ein falsches, von den Leidenschaften
eingegebenes Ideal ereifert, und sei dieses
noch so trügerisch und verderblich, so ist er
blind für alle Gegenvorstellungen, unzu-
gänglich für alle Mahnungen, er läßt sich
von dem gleichen Ungestüm auf die Bahn
des Verderbens fortreißen. Es ist darum
von der größten Wichtigkeit, daß die ganze
Erziehung den Knaben und Jüngling auf
die richtigen Ideale hinwende, und die ver-
kehrten von ihm fernhalte.

Ein belehrendes Beispiel bietet in dieser
Hinsicht der heilige Augustin. Sein Vater
Patricius, damals noch ein Heide, war ent-
zückt über die genialen Anlagen seines Soh-
nes, er wollte alles daran setzen, ihn zum
großen Redner, zum berühmten Manne her-
anzubilden. Das Herz des Sohnes war bald
von Ehrgeiz entflammt, und dieser hat ihm
seine trügerischen Ideale vorgespiegelt. Sein
ganzes Streben ging dahin, sich vor allen
auszuzeichnen, überall der erste zu sein. Aber
bald suchte er diese Auszeichnung nicht bloß
im Guten, sondern auch im Bösen. Das
falsche Ideal des Ehrgeizes hat wie ein
Irrlicht ihn in den Sumpf der Unsittlichkeit
[199] hineingeführt. Augustin selber sagt darüber
in seinen Bekenntnissen: ‘„Ich war schon so
weit in der Verblendung, daß ich im Kreise
meiner Genossen errötete, wenn diese prah-
lend ihre Schandthaten erzählten, und auf
die schändlichsten am meisten stolz waren,
während ich noch nicht so lasterhaft war.
Ich wurde sittenloser, um nicht versöhnt zu
werden, und wenn ich den schlimmsten in
den Ausschweifungen nicht gleichkam, so gab
ich vor, manches gethan zu haben, was nicht
so war. Ich fürchtete, als einfältig zu gelten,
wenn ich unschuldiger war, als meine Ge-
nossen.“’
(Bekenntnisse II. 3.) An einer anderen
Stelle sagt Augustin: ‘„Einer ruft: Lasset
uns das thun! Und alle folgen, jeder schämt
sich, nicht ausgeschämt zu sein.“’
(Bek. II.)

Die unseligen verkehrten Ideale, welche der
Hochmut den Jünglingen vorzaubert, werden
auch heutzutage in der Erziehung viel zu we-
nig beachtet, namentlich bei den Studierenden.
Hunderte fangen an zu rauchen, obschon es
ihrer Natur widerstrebt, aus purem Hoch-
mut; sie trinken und trinken zu viel, nicht
weil das für sie ein Vergnügen ist, sondern
um sich vor den andern auszuzeichnen; sie
wollen aus demselben Grunde bei sittenlosen
[200] und gottlosen Reden nicht die letzten sein,
wenn sie auch anfänglich mit pochendem Her-
zen mitmachen. Das falsche Ideal des Stolzes
führt seine jugendlichen Opfer mit einer Art
tyrannischer Gewalt in die Verirrung hin-
ein, die dann freilich bald genug zur süßen
Gewohnheit wird.

Aber der Ehrgeiz ist es nicht allein, wel-
cher den Jüngling mit falschen Idealen
bethört, auch die Wollust, die Genußsucht,
alle Leidenschaften im menschlichen Herzen
sind ebenso erfinderisch an Truggebilden, die
sie ihm als Ideale vorhalten. Und wenn der
Jüngling an dieselben glaubt, so wird ihn
niemand davon abhalten können, denselben
nachzujagen. Immer bleibt es bei dem oben
angeführten Worte: ‘„Das Thun und Lassen
ist der genaue Ausdruck des Ideals, das er
von sich selbst geschaffen hat.“’

Der hl. Augustin ist ein seltenes Muster
dafür, wie falsche Ideale aufgegeben und das
wahre gesucht und verwirklicht werden soll.
Noch ganz berauscht von Ehrgeiz las er eine
Schrift des heidnischen Redners Cicero. Diese
öffnete ihm die Augen über die Eitelkeit und
Thorheit des Ehrgeizes, und erfüllte ihn mit
glühender Sehnsucht nach der Wahrheit.

[201]

Sein bisheriges Ideal war damit wie ein
Irrlicht erloschen, und dreizehn Jahre ging
er dem neuen nach, er forschte unablässig
nach Wahrheit und Seelenfrieden, er klopfte
oft am unrechten Orte an, aber mit Gottes
Gnade fand er endlich doch, was er so schmerz-
lich vermißte. Zur Belehrung für andere
beschrieb er seine langen Irrfahrten in seinen
Bekenntnissen. Auf der ersten Seite deutete
er sein neues Ideal, das ihn ewig beglücken
sollte, mit den Worten an: ‘„Unser Herz
ist unruhig, bis es ruhen wird in Dir, o
Gott!“’

Viele gehen in die Irre, wie Augustin,
aber wenige kehren zurück wie er. Darum
muß der christliche Vater beizeiten seinem
Sohne das wahre Ideal des Christen tief
einpflanzen, und sorgen, daß die falschen
keine Gewalt über ihn bekommen. Unser
Herz ist unruhig, bis es ruhen wird in Gott.
Gelingt es, den Jüngling für Religion und
Tugend, für Gott und den Himmel zu be-
geistern, so werden die Ideale, welche ihm
die Leidenschaften vorgaukeln, erbleichen
und ihren Reiz verlieren. Er hat einen sicheren
Kompaß für das Leben. Fehlt ihm aber
die Liebe und Begeisterung für das Höchste,
[202] so werden Sinn und Herz von etwas nied-
rigerem eingenommen und in die Irre ge-
führt werden. Zwei Jünglinge können auf
derselben Schulbank sitzen und zu den näm-
lichen schönen Hoffnungen berechtigen. Wenn
sie sich nach Jahren wieder begegnen, ist
aus dem einen ein edler, charaktervoller
Mann, aus dem anderen ein verkommenes
Subjekt geworden. Jeder hatte dem Ideale
seiner Jugend nachgejagt.

(Verrichte die ‘„Andacht zur österlichen Zeit“’. S. 469.)

28. Die Klugheit.


Die christliche Sittenlehre redet von vier
Kardinal- oder Haupttugenden. Es sind das
die Klugheit, die Gerechtigkeit, die Mäßig-
keit und der Starkmut. Sie werden Kar-
dinaltugenden genannt, weil die übrigen
Tugenden auf ihnen als ihrem Angelpunkte
ruhen, wie die Thüre sich in den Angeln
bewegt. Sie regeln und befestigen die übrigen
Tugenden, die in gewisser Weise von ihnen
abhängig sind. So bedarf der Eifer für die
Ehre Gottes der Klugheit, die Freigebig-
keit muß den Forderungen der Gerechtig-
keit den Vorzug lassen, die Abtötung muß
[203] der Mäßigung gehorchen, alle Tugenden be-
dürfen des Starkmutes.

Die Klugheit zeigt sich darin, daß man
die für die Erreichung eines Zweckes taug-
lichen Mittel anwendet. Es giebt auch eine
irdische Klugheit, z. B. die des Kaufmannes,
des Feldherrn, wenn sie mit Einsicht und
Verständnis ihr Ziel anstreben. Es ist aber
nicht mehr Klugheit, sondern verwerfliche
Arglist und Gewissenlosigkeit, wenn entweder
der Zweck, den man anstrebt, oder die Mittel,
die man anwendet, verwerflich sind. Es
wäre ein Mißbrauch des Wortes Klugheit,
wenn man es auch von dem Betrüger oder
Verräter gebrauchen wollte.

Eine höhere Bedeutung erlangt die Klug-
heit als sittliche Tugend, welche das Seelen-
heil als Zweck im Auge hat, und die für
die Erreichung desselben tauglichen Mit-
tel anwendet. Zu dieser Tugend muntert
uns der göttliche Heiland auf mit den
Worten: ‘„Seid klug, wie die Schlangen.“’
(Matth. 10, 16.) Er zeigt uns diese Tugend im
Gleichnisse von den Jungfrauen, die alle zehn
zum Hochzeitmahl gelangen wollten, von denen
aber nur fünf sich als klug erwiesen, indem
sie zur rechten Zeit für das Oel in den Lampen
[204] sorgten. Die andern fünf wollten den Zweck
auch erreichen, versäumten aber unkluger-
weise die Anwendung des Mittels, und wur-
den darum ausgeschlossen. (Matth. 25.) Die
Klugheit verlangt von jedem Christen, daß
er wie die fünf klugen Jungfrauen zuerst
für das sorge, was sein ewiges Heil erfor-
dert, also die Sünde und die Gelegenheit
zur Sünde meide, über den Zustand seines
Gewissens wache, treu Gott diene und seine
Pflichten erfülle, für die ungewisse Stunde
der Rechenschaft sich bereit halte.

Der göttliche Heiland hat einmal geklagt:
‘„Die Kinder dieser Welt sind klüger, als die
Kinder des Lichtes.“’
(Luk. 16, 8.) Die Kinder
dieser Welt streben nur nach vergänglichen
Dingen, Reichtümern, Ehren und Genüssen.
Aber sie wenden dabei viel mehr Wachsam-
keit, Vorsicht und Klugheit an, als die mei-
sten Christen für die Erlangung der ewigen
Güter des Himmels aufbieten. Wie viele
Christen gleichen den fünf thörichten Jung-
frauen, indem sie, wie diese, den Ruf des
Herrn unvorbereitet, in den Schlaf der Gleich-
gültigkeit versunken, abwarten!

Es ist Sache der christlichen Erziehung,
den jungen Christen zu dieser Tugend der
[205] Klugheit zu verhelfen. Das eigene Beispiel
der Eltern wird dabei ziemlich entscheidend
sein. Wenn sie selber wachen und bereit
sind, wie der Herr es verlangt, so werden
die Kinder dadurch mehr zur wahren Klug-
heit angeleitet, als alle Belehrung es vermag.

Die Erziehung muß die Kinder auch
zur Klugheit in den einzelnen Vorkomm-
nissen des Lebens führen. Die Klugheit
verlangt, daß man mit Besonnenheit
und Ueberlegung urteile, rede und handle.
Die Jugend ist geneigt zu raschen, unüber-
legten Entschließungen und die heutige Zeit
befördert das anmaßende Vertrauen auf die
eigene Einsicht. Mancher Jüngling fangt
an, dem Spiel und Trunke sich zu ergeben,
bedenkliche Freundschaften und Bekanntschaf-
ten anzuknüpfen. Er thut es in jugend-
licher Unbesonnenheit, und würde niemals
dazu kommen, wenn er am Anfange das
Ende voraussehen würde. Das Sprüchwort
lautet: ‘„Vorgethan und nachbedacht, hat
schon manches Leid gebracht.“’
Und schon der
heidnische Weise Solon hat gesagt: ‘„Bei
allem, was du thust, bedenke das Ende“’
.
Es ist schon viel gewonnen, wenn man den
Jüngling nur dahin belehren kann, daß jede
[206] Sache zwei Seiten hat, und man darum
überlegen muß, bevor man handelt. Ihn
zur Besonnenheit und Vorsicht anzuleiten,
ist Sache der Erziehung.

Damit hängt die weitere Forderung der
Klugheit zusammen, daß man in jeder wich-
tigen Sache Rat suche und Rat an-
nehme
. Die Bischöfe und Fürsten haben
ihre Ratgeber, ohne deren Anhörung sie
nichts von Bedeutung ausführen. Aber nicht
bloß sie haben guten Rat notwendig. Der
Jüngling ist des Rates um so bedürftiger,
weil ihm die Erfahrung fehlt, weil die
Wünsche seines Herzens ihn leicht befangen
machen, und weil jeder in eigener Sache
häufig sich selber ein unzuverlässiger Rat-
geber ist. Die Empfänglichkeit für guten
Rat ist aber eine Eigenschaft, die dem Jüng-
ling durch eine verständige Erziehung bei-
gebracht werden soll.

Die Klugheit verlangt ferner, daß man
die Mittel anwende, welche der Zweck
verlangt. Eine mangelhafte Erziehung ist
schuld daran, wenn manche in zeitlichen und
ewigen Angelegenheiten gleich lau und lang-
sam und nachlässig sind. Das Hinausschie-
ben von Dingen, die doch geschehen müssen,
[207] das Zögern, der halbe Wille, das halbe
Thun bei Dingen, die man nicht gerne an-
greift, sind für das Seelenheil und für das ir-
dische Fortkommen von dem größten Nachteil.
Solche Leute gleichen Schiffern, welche bereits
im Schifflein sitzen, aber die Ruder nicht zur
Hand nehmen, während die Wellen den Kahn
bereits weiter treiben. Man macht Vorsätze
bei der Beicht, aber es wird nichts aus
denselben. Man macht Pläne in zeitlichen
Dingen, aber sie werden nur halb oder zu
spät ausgeführt. ‘„Was du thust, das thue,
und thue es ganz.“’
Wenn man einmal weiß,
was man will, so soll man ohne Zögern mit
Klugheit und Energie auch alle geeigneten
Mittel in Anwendung bringen. Das ist der
Grundsatz, der allein den Menschen und
Christen vorwärts bringt, und zu dem da-
rum der Jüngling von Jugend auf erzogen
werden muß.

Es ist eine der schönsten Zierden für den
Jüngling, wenn er diese Klugheit und Be-
sonnenheit auch im Reden zeigt. Ober-
flächliches Räsonnieren und Absprechen liegt
im Zuge der Zeit, die Jugend hat ohnehin
das Herz bald auf der Zunge. Da kann
ein Jüngling, den man unbewacht gehen
[208] läßt, leicht zum seichten Schwätzer werden,
der mehr sagt, als er weiß und versteht,
der es mit der Wahrheit nicht genau nimmt,
der sich mit seiner vorschnellen Zunge viele
Verlegenheiten bereitet, in denen sein Feh-
ler sich selbst bestraft. Ueberlegung und Be-
sonnenheit im Reden ist von Bedeutung für
den sittlichen Charakter, aber auch für die
Achtung und das Zutrauen der Mitmenschen,
die über einen Schwätzer mindestens die
Achseln zucken.

Die Klugheit, die Stütze der übrigen Tu-
genden, muß selber wieder von ihnen unter-
stützt werden. Insbesondere hat sie zu ihrer
Voraussetzung ein gewisses Maß von Be-
scheidenheit
, Demut und Selbsterkennt-
nis
. Es muß schon in der Erziehung vor-
gesorgt werden, daß der Jüngling nicht durch
thörichtes Selbstvertrauen verblendet wird. Die
Welt ist voll von warnenden Beispielen, an
denen der Vater dem Jüngling zeigen kann,
wohin Unbesonnenheit, Unbelehrbarkeit und
zu großes Selbstvertrauen führen. Ebenso giebt
es Gelegenheiten genug, dem Sohn seine eigene
Unerfahrenheit zum Bewußtsein zu bringen.

Als Salomon zur Regierung gelangte,
betete er in einem Gesichte zu Gott: ‘„Gott
[209] und Herr, Du hast deinen Knecht zum König
gemacht, und ich bin doch nur ein schwacher
Jüngling und weiß weder meinen Ausgang,
noch meinen Eingang. Du wollest darum
deinem Knechte ein gelehriges Herz geben.“’

Und der Herr sprach zu Salomon: ‘„Weil du
solches begehrt und nicht gebeten hast um
langes Leben, noch um Reichtum, sondern
um Weisheit gebeten hast, so habe Ich dir
gethan nach deinem Worte, und dir ein wei-
ses und verständiges Herz gegeben, so daß
deinesgleichen nicht vor dir gewesen, noch
nach dir aufstehen wird. Aber auch das, um
was du nicht gebeten, habe Ich dir gege-
ben: Reichtum und Ehre, so daß niemand dei-
nesgleichen gewesen unter allen Königen in
den vorigen Tagen.“’
(III. Kön. 3, 7. ff.)

Wenn man den Jüngling so erzieht, daß
er in wichtigen Anliegen so betet, wie Salomon,
dann Heil ihm! Dann wird ihm die wahre
Klugheit nicht fehlen, er wird nicht bloß in
den höchsten und ewigen Angelegenheiten zu
jenen klugen Dienern gehören, die der Herr se-
lig preist (Matth. 24, 26.), sondern er darf hoffen,
der Herr werde ihm, wie einst Salomon, auch
das geben, um was er nicht gebeten hat.

(Verrichte die ‘„Andacht zum heiligen Geiste“’. S. 461.)

29. Die Gerechtigkeit.

[210]

Die Gerechtigkeit, ebenfalls eine Kar-
dinaltugend, giebt und läßt jedem das Seine.
Der Christ ist Glied eines öffentlichen Ge-
meinwesens, und als solches giebt er dem
Kaiser, was des Kaisers ist, Steuer wem
Steuer, Zoll wem Zoll, Ehrfurcht wem Ehr-
furcht gebührt, und das nicht nur um der
Strafe willen, sondern auch um des Ge-
wissens willen. (Röm. 13, 5. 7.) Das ist nach
der Lehre Christi und seines Apostels die
Gerechtigkeit gegenüber dem öffentlichen Ge-
meinwesen, zu dem man gehört, und diese
Gerechtigkeit wird die legale, die gesetz-
liche
genannt. Der Christ muß aber die
Gerechtigkeit auch üben gegen seine Mit-
menschen, indem er ihnen in Bezug auf Hab
und Gut, Leib und Leben, Ehre und guten
Namen giebt und läßt, was ihnen gebührt.
Es ist das die ausgleichende Gerechtig-
keit. Wer diese verletzt, ist zur Rückerstattung
oder zur Genugthuung verpflichtet. Man redet
auch von einer austeilenden Gerechtig-
keit. Diese muß von den Obrigkeiten, den
Beamten und Richtern geübt werden, indem
[211] sie die Untergebenen gerecht regieren und
richten. Diese Gerechtigkeit liegt aber auch
jedem Bürger ob, so weit er bei den öffent-
lichen Angelegenheiten mitzusprechen hat.
Wer seine Bürgerpflichten bei Wahlen und
Abstimmungen entweder nicht erfüllt, oder
nicht nach bestem Wissen und Gewissen
erfüllt, der wird im Gewissen mitverant-
wortlich für das Unrecht und Unheil, das er
mitverschuldet hat.

Das ist die dreifache Gerechtigkeit, die
unter den Menschen gegenseitig geübt wer-
den muß. Wer aber wahrhaft gerecht sein
will, der muß nicht bloß den Menschen, son-
dern auch, und zwar zuerst Gott geben, was
Gottes ist. Die Gerechtigkeit gegen Gott
verlangt den Glauben an sein Wort, die
Beobachtung seines Gesetzes. Wer das Ge-
setz Gottes in allem erfüllt, der wird gerecht
in dem Sinne der heiligen Schrift, welche
häufig Gerechtigkeit und Heiligkeit einander
gleichstellt. Die Gerechtigkeit gegen Gott,
vor Gott und wegen Gott ist das Funda-
ment der Gerechtigkeit unter den Menschen.
Das Bewußtsein, daß Gott unser oberster
Gesetzgeber und Richter ist, die Furcht vor
seinem Gerichte, der Wille, vor Ihm gut zu
[212] bestehen, das nötigt Beamte, Richter und
Bürger zu unbestechlicher Gerechtigkeit ohne
Ansehen der Person, das schützt Leben, Ehre
und Eigentum des Einzelnen, das bewirkt,
daß Verbrechen nicht bloß gestraft, sondern
verhütet werden. Wenn aber die Menschen
die Schuldigkeit gegen Gott außer acht setzen,
so wankt und stürzt auch die Rechtsordnung
in Staat und Gesellschaft, es schwinden Treue
und Redlichkeit, die öffentliche Sicherheit,
das Vertrauen und der Friede, man zittert
vor Gewaltthaten von oben, vor Verbrechen
von unten, es regiert nur noch das Recht
des Arglistigeren, des Frecheren und des
Stärkeren.

Das Christentum kennt noch etwas Höhe-
res als die Gerechtigkeit, welche einfach jedem
das Seine giebt, es ist das die Liebe, welche
weiter geht, indem sie Unrecht geduldig leidet,
dem Nächsten auch von dem Ihrigen giebt.
Aber die Gerechtigkeit ist die erste Bedin-
gung für die Aufrechthaltung der Ord-
nung in der Welt, und darum müssen die
Rechtspflichten vor den Liebespflichten er-
füllt werden. Die Gerechtigkeit ist die
eigentliche Zierde des christlichen Mannes.
Der schönste Ehrentitel eines Mannes liegt
[213] darin, daß er als Biedermann dasteht und
geachtet wird, den weder das eigene In-
teresse, noch Zu- oder Abneigung, noch Furcht
oder Schaden von dem Wege der Gerechtig-
keit abzubringen vermögen. Von zwei Eid-
genossen der alten Zeit wird erzählt, sie
hätten einen Markenstreit gehabt. Als der
Gerichtstag kam, hatte der eine fast seine
ganze Heuernte liegen. Er ging zu seinem
Widerpart und ersuchte ihn, auch seine Rechts-
gründe den Richtern vorzulegen. Dieser ent-
ledigte sich des Auftrages so gut, daß er
am Abend seinem Nachbar anzeigen konnte,
er habe abwesend den Prozeß gewonnen.
Dagegen hatte der selige Bruder Klaus be-
obachtet, daß den ungerechten Richtern ihre
Sprüche wie Schwefelflammen aus dem Munde
kamen, und er wollte sich darum nie zum Rich-
ter wählen lassen. Die ersten Christen haben
sich durch die grausamsten Verfolgungen nicht
abhalten lassen, mit Steuern und Abgaben,
im Kriegsdienste und als Beamte ihre Pflich-
ten gegen die Staatsgewalt auf das treueste
zu erfüllen. Nur gehorchten sie Gott mehr
als den Menschen. Aber das war gerade
das Fundament ihrer Treue. Das erkannte
auch Kaiser Constantius Chlorus, der Vater
[214] Konstantin des Großen, obschon er ein Heide
war. Als Diocletian seine Verfolgungsedikte
gegen die Christen erließ, versammelte Con-
stantius seinen Hofstaat, in dem sich viele
Christen befanden, und ließ die Edikte vor-
lesen, aber nur um diese auf die Probe zu
stellen. Die Christen, welche fest blieben,
behielt er in seinem Dienste, und die feigen
entließ er, weil er der ganz richtigen An-
sicht war, daß wer Gott treu sei, es auch
gegen seinen irdischen Herrn sein werde,
wer aber seinen Gott verlasse, auch für ir-
dische Treue keine Gewähr biete.

Was unserer Zeit fehlt, das ist der echte,
christliche Biedermann. Wo aber soll der-
selbe herkommen? Nur aus der christlichen
Familie, dort muß er erzogen werden. Dort
muß die Furcht Gottes als das Fundament der
Gerechtigkeit schon in das Herz des Knaben
gepflanzt werden. Sodann muß der christliche
Vater den Sinn für Gerechtigkeit und noch
früher das Gefühl der Gerechtigkeit wecken und
pflegen. Das Gesetz der Gerechtigkeit schlum-
mert schon in der Brust des Kindes, und
bei einer guten Erziehung erwacht es schon
sehr frühe zum Rechtsgefühl und nach und
nach zum Rechtsbewußtsein. Der Vater ist
[215] in seiner Familie der Sachwalter der Ge-
rechtigkeit. Er handhabt die austeilende
Gerechtigkeit, wenn er als Haupt der Fa-
milie unparteiisch nach Verdienen belohnt
und bestraft. Er erzieht zur legalen Gerech-
tigkeit, wenn er das elterliche Ansehen und
das Ansehen der Seelsorger und Lehrer wahrt,
und strenge auf das paulinische Wort hält:
‘„Ehrfurcht, wem Ehrfurcht gebührt“’. Er
muß den Kindern auch die ausgleichende
Gerechtigkeit einpflanzen, indem er bei ihren
Spielen und ihrem kleinen Tauschhandel
unter sich oder nach außen auch nicht die
kleinste Unredlichkeit ungestraft durchgehen
läßt, an den Kindern überhaupt nichts duldet,
was auch nur den Schein eines Unrechtes
oder einer Gewaltthat an sich hat. So wird
in der Kinderstube schon die Gerechtigkeit
gepflegt, welche der Jüngling und Mann
später in den Versuchungen des Lebens er-
proben muß.

Was aber gar nie fehlen darf, das ist das
gute Beispiel des Vaters. Dieser muß durch
und durch ein gerechter Mann, ein Bieder-
mann sein, im privaten wie im öffentlichen
Leben, im Reden wie im Handeln. Dann
wird der Sohn als Knabe und Jüngling
[216] mit Ehrfurcht zum Vater aufschauen und
unschwer von ihm Biederkeit lernen. Fehlt
aber dem Charakter des Vaters diese Zu-
verlässigkeit und Biederkeit, so wird ihm der
Sohn seine krummen Wege bald abgelauscht
haben und davon die Anwendung auf sich
selber machen. Es wird kaum eine andere
Sache geben, in der sich wie hier das Sprich-
wort bewährt: Der Apfel fällt nicht weit
vom Stamme.

(Verrichte die ‘„Andacht zum hl. Joseph“’. Seite 482.)

30. Die Mäßigkeit.


Mäßig ist im allgemeinen derjenige, der
in allem das richtige Maß einhält. Es giebt
selbst manche lobenswerte und heilsame Ueb-
ungen, bei denen das Maßhalten notwendig
ist, und die Uebertreibung tadelnswert wird.
Das ist der Fall beim Almosengeben, Fasten,
bei äußern Gebetsübungen und Bußwerken,
bei denen es ein Zuwenig und ein Zuviel
geben kann, und deren lichtiges Maß den
persönlichen Verhältnissen angemessen wer-
den muß.

Doch denkt man bei dem Worte Mäßig-
keit vorzugsweise an die sinnliche Lust, ins-
[217] besondere die Gaumenlust, welche durch diese
Tugend in eine vernünftige Ordnung ge-
bracht werden soll. Speise und Trank sind
Bedürfnis, und darum muß man dem sinn-
lichen Verlangen darnach Rechnung tragen,
aber dieses Verlangen ist durch die Sünde
in Unordnung geraten, und darum darf man
ihm nicht ohne Vorbehalt willfahren, son-
dern muß wissen Maß zu halten. Nur wo
die Mäßigkeit regiert, kann ein höheres sitt-
liches Leben gedeihen, nur da offenbart sich
die geistige Würde, welche den Menschen
über das Tier erhebt. Darum flößt auch
nicht leicht eine andere Tugend den Menschen
so leicht Achtung ein wie die Mäßigkeit.
Wegen ihrer hohen Bedeutung für das sitt-
liche Leben wird die Mäßigkeit ebenfalls den
Kardinaltugenden beigezählt.

Die Erziehung zur Mäßigkeit im Genusse
von Speise fällt schon in die Kinderjahre,
und ist ebenso wichtig für die körperliche
Gesundheit, wie für das sittliche Gedeihen.
Die Kinder müssen schon frühe angehalten
werden, nur zur bestimmten Zeit, d. h. bei
Tische zu essen. Sie sollen essen, was auf
den Tisch gebracht wird, und, sofern sie ge-
sund sind, nie etwas anderes als Ersatz
[218] bekommen. Die Nahrung sei genügend, aber
zur Gefräßigkeit soll man nicht erziehen.
Ebensowenig zur Feinschmeckerei und zum
Hang nach Naschereien. Auch halte man
schon frühe auf Wohlanständigkeit bei Tische.
In allem, was das Essen und die Eßlust
anbelangt, wird der in der Familie herr-
schende Ton und das Beispiel der Erwachse-
nen so ziemlich ausschlaggebend sein. Je ein-
facher und anständiger es in der Familie
hergeht, desto besser ist es für die Gesundheit
und die sittliche Erziehung der Kinder.

Schwieriger ist die Erziehung zur Mäßig-
keit im Trinken, zur Nüchternheit. Der Ge-
nuß geistiger Getränke hat in unserem Jahr-
hundert stetig an Ausbreitung gewonnen,
und Hunderttausenden Hab und Gut, Ge-
sundheit und Leben geraubt. Er ist eine der
Hauptursachen der heute herrschenden Cha-
rakterlosigkeit, des Zerfalles der Familien,
der Verwahrlosung in der Erziehung.

Zunächst ist es durchaus unstatthaft, schon
den Kindern geistige Getränke zu gestatten.
Für diese sind sie Gift im vollen und buch-
stäblichen Sinne des Wortes. Auch darüber
besteht kein Zweifel, daß ein junger Mensch
gesünder bleibt, körperlich und geistig tüchtiger
[219] wird, ein längeres und glücklicheres Leben
zu erwarten hat, wenn er auf den Genuß
geistiger Getränke gänzlich verzichtet. Aber
wie die Dinge einmal liegen, darf ich nicht
mit der allgemeinen Zumutung kommen,
die Söhne für die gänzliche Enthaltung
zu erziehen. Die Erziehung zur Mäßigkeit
dagegen darf nirgends fehlen, obschon sie in
ihrer Art schwieriger ist. Da handelt es sich
um eine ernste Gewissenspflicht, von deren
Erfüllung das zeitliche und ewige Wohl
der Kinder und Kindeskinder abhängen kann.

Der Vater suche den Sohn vor allem mit
Abscheu vor Unmäßigkeit und Trunkenheit
zu erfüllen. Der Sohn kann als Student
u. s. w. in Kreise kommen, in denen die
christliche Sittenlehre geradezu auf den Kopf
gestellt wird. Man trinkt und betrinkt sich
nicht bloß aus sinnlicher Lust, sondern aus
purem Hochmut, einer sucht den andern zu
überbieten, und wer es am weitesten treibt,
der wird als Sieger gefeiert. Was da an
Gesundheit, Talent und Charakter und Le-
bensglück auf die sinnloseste Weise zerstört
wird, läßt sich gar nicht berechnen.

Ein christlicher Vater darf nicht unter-
lassen, seinem Sohne über solchen Unsinn bei-
[220] zeiten die Augen zu öffnen. Die heidnischen
Spartaner pflegten alle Jahre einmal ihre
Sklaven, Heloten genannt, betrunken zu ma-
chen und sie dann ihren Söhnen zu zeigen,
damit diese mit einem lebhaften Abscheu vor
der Trunkenheit erfüllt würden. Heutzutage
wird es leider jedem Vater ein leichtes sein,
seinen Sohn auf Sklaven der Trunksucht auf-
merksam zu machen, an denen sich ersehen
läßt, wie dieses Laster den Menschen ent-
würdiget und der Verachtung der Menschen
preisgiebt, wie es Wohlstand und Gesund-
heit untergräbt, Schuldige und Unschuldige
miteinander in das tiefste Elend stürzt.

Viele Jünglinge lassen sich zum Bösen
hinreißen nicht sowohl durch den Hang nach
dem sinnlichen Genuß, als vielmehr durch ein
mißleitetes Ehrgefühl. Das ist, wie oben
bemerkt wurde, besonders häufig beim Trin-
ken der Fall. Das Gefühl für Ehre steht
dem Jüngling wohl an, aber er muß ange-
leitet werden, die Ehre nicht in der Schande
zu suchen, sie nicht mit seinem Lebensglücke
zu bezahlen, sondern jene Ehre anzustre-
ben, welche vor den vernünftigen Menschen
und vor Gott als Ehre gilt, jene Ehre,
welche andauert und das Herz beglückt.
[221]‘„Brüder,“’ ruft der heilige Paulus, ‘„wer
sich rühmen will, der rühme sich im Herrn.“’

(I. Kor. 10, 17.)

Unzählige sind heutzutage von dem un-
glücklichen Aberglauben befangen, daß es
keine Erholung und Unterhaltung geben
könne, ohne daß getrunken werde. Die edel-
sten und wohlfeilsten Vergnügen, Natur-
betrachtung, Spaziergänge, Unterhaltung mit
Musik, Gesang und Lektüre müssen bei vielen
vor dem rohsinnlichen Genuß zurücktreten.
Man hat keinen Sinn für Vergnügen, wenn
nicht der Alkohol die Würze liefert. Auch
da fehlt es vielfach an der Erziehung. An
dieser ist es, den jungen Menschen für edlere
Vergnügen fähig und empfänglich zu machen.
Daß das Beispiel des Vaters in diesem
Punkte von entscheidender Bedeutung ist,
braucht nicht erst gesagt zu werden. Die
Krebse beschlossen einmal, wie die Fabel er-
zählt, die leidige Gewohnheit des Rückwärts-
gehens abzulegen. Schon wollten sie die
jungen Krebse anhalten, vorwärts zu gehen.
Diese aber verlangten, daß die alten es ihnen
vormachten.

Die Hauptbeweggründe für die Mäßig-
keit müssen aber in der christlichen Glaubens-
[222] und Sittenlehre gesucht werden. Christus,
unser Gesetzgeber und Richter, verlangt, daß
wir die Begierden unserem freien Willen,
und diesen den Geboten Gottes unterwer-
fen. Nur auf diesem Wege können wir den
Frieden der Seele, die Ruhe des Gewissens,
das ewige Heil unserer unsterblichen Seele
erlangen. In diesem Punkte steht also mit
der zeitlichen Wohlfahrt auch das ewige
Heil auf dem Spiele. Und darum darf kein
christlicher Vater und kein christlicher Jüng-
ling Bedenken tragen, seine sinnlichen Ge-
nüsse nach dem Gesetze Christi zu ordnen,
der zu uns allen gesagt hat: ‘„Wer Mir
nachfolgen will, der verleugne sich selbst.“’

(Matth. 16, 24.)

(‘„Zur Opferung“’ in der zweiten Meßandacht.
Seite. 330.)

31. Der Starkmut.


Die Klugheit lehrt, wie der gute Zweck mit
den richtigen Mitteln angestrebt werden soll.
Die Mäßigkeit soll die Herrschaft des freien
Willens über die sinnlichen Begierden her-
stellen, die Gerechtigkeit uns dazu bringen,
gegen andere unsere Schuldigkeit zu thun.
Diese drei Kardinaltugenden bedürfen aber
noch einer vierten als ihrer schützenden
[223] Bundesgenossin. Schon Job hat das irdische
Leben des Menschen einen Kampf genannt,
und das sittliche Leben verdient diesen Na-
men insbesondere. ‘„Das Himmelreich leidet
Gewalt,“’
sagt Christus, ‘„und nur die Gewalt
brauchen, reißen es an sich.“’
(Matth. 11, 12.) Es
giebt Gefahren aller Art zu bestehen, zahllose
Uebel zu erdulden, der Christ muß mit sei-
nem eigenen Fleisch und Herzen kämpfen,
und die Tugend, welche dazu befähigt, ist der
Starkmut.

Der christliche Starkmut läßt sich leiten
von der Klugheit und Gerechtigkeit. Er
sucht die Gefahr nicht absichtlich auf, ver-
gißt nicht die Vorsicht und Wachsamkeit,
aber, wenn es sein muß, so steht er mit
Kraft und Entschiedenheit ein für Wahrheit,
Gerechtigkeit und Seelenheil. Der Starkmut
ist hochherzig. Wenn es die Pflicht verlangt,
so opfert er unbedenklich auch das Teuerste.
Der Perserkönig Sapor verlangte von Hor-
misdas, einem vornehmen Jüngling, daß er
Christus verleugne. Da dieser sich weigerte,
wurde er aller seiner Güter beraubt und
mußte, nur mit einem Stück Leinwand be-
kleidet, Kamele treiben und Kot führen.
Eines Tages machte ihm der König neue
[224] Anerbietungen, und sagte: ‘„Faß doch endlich
von deinem Trotze ab und entsage dem Zim-
mermannssohn.“’
Hormisdas antwortete:
‘„Behalte deine Geschenke, wenn ich sie mit
dem Abfall von meinem Glauben bezahlen
soll.“’

Der Starkmut ist ausdauernd und be-
harrlich. Von Robert Bruce, einem schot-
tischen König, wird erzählt, er habe nach
zehn verlornen Schlachten sich auf der Flucht
mutlos zur Erde niedergeworfen. Da beobach-
tete er eine Ameise, die in eine kleine Sand-
grube gefallen war, und vergeblich sich be-
mühte, wieder herauszukommen. War sie
halb oben, so fiel sie immer wieder zurück,
aber immer fing sie ihre Anstrengungen wie-
der von neuem an. Bruce betrachtete sie auf-
merksam, bereits zählte er zehn vereitelte Ver-
suche, aber mit dem elften kam sie glücklich
heraus. Bruce ließ sich dadurch ermutigen,
nach zehnfacher Niederlage sein Glück noch
einmal zu versuchen, er fing den Krieg von
neuem an, und auch ihm wendete das Glück
sich fortan zu. Was dieses Tierchen für sein
kurzes Leben, dieser König für eine vergäng-
liche Krone gethan, das muß der Christ um
so mehr beachten, wo es sich um die höchsten
[225] Güter, um sein Heil handelt. Er darf nicht
ermatten im Kampfe mit Welt, Fleisch und
Satan, bis der Sieg errungen ist.

Der Starkmut ist energisch und geduldig
zugleich. Die Geduld ist nicht Schwäche,
sondern gerade in ihr offenbart sich das höchste
Maß von Mut und Kraft. Die Geschichte kennt
keine größeren Helden als die christlichen
Martyrer. Ihr Kampf war nichts anderes,
als ein schweres Dulden, aber ein staunens-
wertes, ein heldenmütiges Dulden. Mit ei-
nem einzigen Worte hätten sie Marter und
Qual und den nahenden Tod mit Lust und
Freude vertauschen können. Aber das Wort
wurde nicht gesprochen. Sie bluteten und
starben, aber sie blieben unbesiegt. Ist das
nicht bewunderungswürdiger Starkmut?

Doch ist nach dem Worte des Dichters
jener der tapferste, der sich selbst besiegt.
Die Herrschaft über sich selbst erfordert wohl
das höchste Maß von Starkmut. Als ein
junger Edelmann den heiligen Franz von
Sales geraume Zeit in empörender Weise
beschimpfte, blieb der Heilige ganz gelassen
und erwiderte keine Silbe. Als man sich dar-
über verwunderte, sagte er: ‘„Meine Zunge und
ich, wir haben einen unverletzlichen Vertrag
[226] gemacht. Wir sind übereingekommen, daß,
während mein Herz aufgeregt ist, meine
Zunge kein Wort rede.“’
In einem andern
Falle sagte er zu dem Beleidiger: ‘„Wenn
Sie mir auch ein Auge ausstechen würden,
würde ich Sie mit dem andern liebend an-
sehen.“’

Wo ist aber der Starkmut des heutigen
Geschlechtes? Wo ist die Ausdauer und
Beharrlichkeit in den Versuchungen und Käm-
pfen, die uns von Welt, Fleisch und Satan
bereitet werden? Wo ist die Hochherzigkeit,
welche vergängliche Güter für höhere opfert,
wenn z. B., um aus vielen Fällen nur einen
zu nennen, eine unkirchliche Ehe zeitliche
Vorteile verspricht? Wo sind der Mut und
die Geduld im Bekenntnisse des Glaubens?
Einige Spottreden vermögen heutzutage oft
mehr, als in den ersten Zeiten Scheiterhau-
fen und Schwert. Gott der Allwissende
kennt jene, die heute noch bereit und fähig
sind, starkmütig zu kämpfen, aber wenn man
über die Christen in der heutigen Welt hin-
schaut, so vermißt man fast nichts so sehr,
wie den Starkmut. Die Erziehung ist daran
nicht unschuldig, und darum muß auch die
Besserung von ihr ausgehen.

[227]

Der Starkmut kann nur das Ergebnis
der gesamten Erziehung sein, wenn diese
durch und durch christlich ist. Ganz beson-
ders aber sind zwei Punkte von Wichtigkeit.
Goethe fragte einmal, welche Erziehungsart
die beste sei, und fand, es sei das die der
Hydrioten (Bewohner einer griechischen In-
sel). Diese kühnen Seefahrer nehmen schon
ihre kleinen Knaben mit auf die Schiffe und
lassen sie mithelfen, was sie können. Für
das, was sie leisten, haben sie Anteil am
Gewinn. So kümmern sie sich emsig um
den Schiffsdienst, um Handel, Tausch und
Beute, und so wachsen sie heran zu den tüch-
tigsten Küsten- und Seefahrern, zu den klüg-
sten Handelsleuten, zu den verwegensten
Kriegern und Seeräubern.

Diese Vorzüge der jungen Hydrioten sind
auch poetisch verherrlicht worden, und ein
christlicher Dichter macht davon die Anwen-
dung auf die christliche Erziehung in folgen-
den Versen:

‘„Ich war ein kleiner Knabe, stand fest kaum auf dem
Bein,’
‘Da nahm mich schon mein Vater zur Kirche mit hinein,’
‘Er lehrte fromm mich beten, den Blick zu Gott ge-
wandt.’
‘Und gab den Katechismus mir mahnend in die Hand.’
[228]
‘Er lehrte Gott mich fürchten, Ihn lieben treu und fest,’
‘Weil Gott verlasse keinen, der Ihn nicht erst verläßt.’
‘Er selbst blieb mir zur Seite oft unverdrossen stehn,’
‘Und wollt' mich beten hören, die Hände falten sehn.’
‘Er hieß mich stets den Glauben bekennen ohne Scheu,’
‘Bekennen frei und offen, vor wem es immer sei;’
‘Er hieß mich treu und tapfer zur Fahne Christi stehn,’
‘Dann dürft' ich unserm Herrgott getrost ins Auge sehn.’
‘Das mußt' ich ihm geloben, ich schwur ihm's in das
Grab.’
‘Mein Wort, es ist mir heilig, davon geh ich nicht ab.“’
(Hammer, „Der christliche Vater“, Seite 26.)

Wird der Sohn von Kindheit an durch
Wort und Beispiel der Eltern angeleitet,
stets und in allem nach Glauben und Ge-
wissen zu denken, zu reden und zu handeln,
lehrt man ihn von Jugend auf, nicht den Lau-
nen und den Neigungen zu folgen, sondern
den Forderungen der Klugheit, Gerechtigkeit
und Mäßigkeit, so wird mit ihm auch der
christliche Starkmut heranwachsen und groß
werden. In den Versuchungen des Lebens
weiß er, was er zu thun hat, und er ist
gewohnt, es ohne Zaudern zu thun. Der
christliche Starkmut, zu dem er erzogen wor-
den, bewahrt ihn vor schwacher Nachgie-
bigkeit gegen seine Begierden, vor feiger
Menschenfurcht, vor unmännlicher Zaghaftig-
keit in Prüfungen und Heimsuchungen.

[229]

Sodann ist zu beachten, daß wir ein beson-
deres Sakrament des Starkmutes haben in
der heiligen Firmung. Dieser verdankten die
Martyrer ihre unbesiegbare Standhaftigkeit,
unsere Vorväter ihre Glaubenstreue, und durch
diese wird heute noch der junge Christ zum
Streiter Christi gesalbt und mit der Waffen-
rüstung des Glaubens ausgerüstet. Die El-
tern sollen nur sorgen, daß er sie würdig
empfängt, blank und rein bewahrt, sich von
Jugend auf in diesen Waffen übt, damit er,
wenn die ernste Zeit des Kampfes kommt,
nicht vor dem Feinde steht, wie ein Unkun-
diger, der seine Waffen nicht zu gebrauchen
weiß.

(Bete zum heiligen Geiste um die Erneuerung der
Firmungsgnade. Seite 461.)

32. Die Keuschheit.


‘„O wie schön ist ein keusches Geschlecht
im Tugendglanze, unsterblich ist sein Anden-
ken, und ewig triumphiert es mit der Sie-
geskrone.“’
(Weish. 4, 1. 2.) Was der zarte Duft
und die Farbenpracht für die Blume, das
ist die Keuschheit und Unversehrtheit für die
Jugend. Das entgegengesetzte Laster ver-
sengt wie ein Gifthauch die jugendliche Frische
[230] und Schönheit, nagt wie ein Wurm an der
Gesundheit des Körpers und den Fähigkeiten
des Geistes, zerstört die jugendliche Heiterkeit
und gar oft das ganze Lebensglück.

Es ist ein großes Glück für die Kinder,
wenn sie in diesem Punkte möglichst lange
unwissend bleiben. Cäsar und Tacitus be-
richten mit Anerkennung, daß diese Unwissen-
heit bei den alten Deutschen bis in das
zwanzigste Jahr gedauert habe. Heutzutage
dürfen sich die Eltern leider bei weitem nicht
mehr so lange mit der Unwissenheit der Kin-
der trösten. Dafür hat der Schöpfer selber
der Keuschheit einen anderen Wächter an
die Seite gestellt in der Schamhaftig-
keit
. Hirscher sagt: ‘„Die Schamhaftigkeit
regt sich, wo immer etwas gethan oder ge-
duldet werden soll, was unserer höheren Na-
tur, was unserem heiligen Selbstgefühl, was
der Bewahrung unserer heiligen Würde ent-
weder wirklich oder vermeintlich entgegen-
tritt.“’
Diese Schamhaftigkeit muß in dem
Kinde gepflegt werden, lange bevor es für
dasselbe Gefahren der Keuschheit giebt. Man
halte es von der ersten Kindheit dazu an,
in Kleidung und Gebärden züchtig und sitt-
sam zu sein, es soll aber auch alles anständig
[231] und ehrbar sein, was es im Hause bei Tag
und bei Nacht zu sehen und zu hören be-
kommt. Beginnt der Verkehr mit anderen
Kindern, so sorge man vor, daß es nicht mit
verdorbenen Kindern spiele, nicht mit ihnen
einsame Orte aufsuche, nicht ohne Aufsicht
bade u. s. w. Es giebt heutzutage so viele
Kinder, bei denen die Bosheit dem Alter
vorauseilt, daß man in der Vorsicht und
Wachsamkeit nicht zu weit gehen kann. Man
frage sich, was man thun würde, um seine
Kinder vor der Ansteckung mit einer ekel-
haften Krankheit durch andere Kinder zu be-
wahren, und bedenke, daß es sich hier noch
um Wichtigeres handelt.

Im Knaben- und Jünglingsalter ist große
Gefahr, daß unsittliche Reden von Kamera-
den und mehr oder weniger schlüpferige Un-
terhaltungsschriften die jugendliche Phantasie
verunreinigen. Es ist das ein großes Un-
glück für jeden Jüngling, weil dadurch sein
Sinn für das Hohe und Edle und Heilige
abgestumpft, seine Einbildungskraft und sein
Gedächtnis in den Kot der Gemeinheit
hinabgezogen wird, und ihm zahllose Ver-
suchungen bereitet werden, welche ohne diese
Reden und Bücher ihm erspart blieben. Der
[232] heilige Augustin hat sich später bitter darüber
beklagt, daß er in der Jugend in diesen Be-
ziehungen nicht genügend überwacht wurde.
Es sind das grausame Eltern, welche über
diese Gefahren sorglos hinweggehen.

Aber einmal kommen die Versuchungen
doch; auch diese Tugend muß in Anfechtun-
gen bewährt werden. Es ist Sache der Er-
ziehung, den jungen Christen daraufhin zu
stärken. Die Tugend der Keuschheit kann
nur dadurch sichergestellt werden, daß alle
anderen Tugenden sie in ihre Mitte nehmen,
und gleichsam einen Zaun oder Wall um sie
bilden. Besitzt der junge Christ Glauben
und Gottesfurcht, Gewissenhaftigkeit und
Frömmigkeit, ein gewisses Maß von Selbst-
verleugnung, ist sein äußerer Wandel sitt-
sam und ehrbar, so werden diese Tugenden
den Feinden der Herzensreinheit den Zugang
verwehren. Neben dem guten religiösen
Fundamente ist die Angewöhnung an die
Selbstbeherrschung und Selbstüberwindung
auch in anderen Dingen besonders wichtig.
Die Verweichlichung in Bezug auf Nahrung,
Kleidung und Schlaf hat schon oft auch für
diesen Punkt die schlimmsten Wirkungen ge-
habt. Wohl das erste Bewahrungs- und
[233] Heilmittel ist aber der Empfang des Buß-
sakramentes, wenn er von heiligem Ernste
begleitet ist.

Verläßt der Jüngling das Vaterhaus,
oder kommt er wenigstens in Verkehr mit
der Welt, so ist es Pflicht des Vaters, ihn
schon vorher darauf vorzubereiten. Vielleicht,
d. h. unter sehr günstigen Verhältnissen, war es
bis zu diesem Zeitpunkte gar nicht notwen-
dig, daß der Vater über diesen Punkt sich
äußere, jetzt aber muß er die Gefahren er-
messen, die dem Sohne entgegentreten, und
ihnen vorbauen. Der Sohn soll unsaubere
Reden, Späße und Handlungen verabscheuen,
er soll die Kraft haben, nach dieser Ueber-
zeugung zu handeln, und den Mut, sich da-
für verspotten zu lassen. Es wird vielleicht
nicht lange gehen, so wird der Spott der
Achtung Platz machen. Der junge Christ in
der Welt muß vorsichtig sein im Umgang
mit dem weiblichen Geschlechte. In diesen
Jahren soll er mit Job sagen: ‘„Ich habe
mit meinen Augen einen Bund gemacht, daß
ich nicht einmal einen Gedanken hätte an
eine Jungfrau.“’
(Job 31, 1.) Zwecklose Liebe-
leien und Bekanntschaften ziehen den Geist
ab von den Studien oder der Berufsbildung,
[234] sie bilden eine große sittliche Gefahr, und ha-
ben schon oft genug dem Jüngling die ganze
Zukunft verdorben. Eine Bekanntschaft
kommt noch früh genug, wenn es sich um die
Eingehung einer Ehe handelt. Er wird in
der Wahl einer Lebensgefährtin und im Le-
ben mit ihr um so glücklicher sein, wenn er
vorher seine Begierden beherrschte und wie
der junge Tobias unbefleckt an Leib und
Seele in die Ehe tritt. Glücklich der Sohn,
wenn er vom Vater in diesen Gesinnungen
genügend befestigt wird.

Der junge Tobias wurde von einem Engel
in die Fremde begleitet, und dieser hat ihm
auch seine Braut ausgesucht. Auch der junge
Christ hat einen solchen Engel als Beglei-
ter. Tobias entließ beide mit dem Segens-
wunsche: ‘„Reiset glücklich, Gott sei auf euerem
Wege, und sein Engel begleite euch!“’
Und
die Mutter tröstete er mit den Worten: ‘„Ich
glaube, daß ein guter Engel Gottes ihn
begleitet und alles wohl richtet, was um
ihn geschieht, also daß er mit Freuden zu
uns zurückkehren wird“’
. (Tob. 5, 21. 27.) Ein
Vater, der Glauben hat, wird wie der alte
Tobias den Sohn seinem Engel anempfehlen,
und den Sohn anleiten, daß er den Engel
[235] verehrt, ihm vertraut und gehorcht, wie es
der junge Tobias zu seinem überaus großen
Glücke so musterhaft gethan hat.

(Verrichte für dich und deine Kinder die ‘„Andacht
zum heiligen Schutzengel“’
. Seite 484.)

33. Gemütsruhe und Zufriedenheit.


Die Zufriedenheit ist nicht bloß ein Glück,
wie viele meinen, sondern sie kann ebenso
sehr eine Kunst, oder noch besser eine Tu-
gend genannt werden. Nicht die äußern
Glücksgüter schaffen die Zufriedenheit, sie
können wohl als Bausteine dazu dienen, aber
der eigentliche Baumeister wohnt im Innern
des Menschen. Es ist sogar anzunehmen,
daß die Zufriedenheit in bescheidenen Ver-
hältnissen viel häufiger vorkommt, als da,
wo Glanz und Ueberfluß herrscht. Die Zu-
friedenheit ist zu einem großen Teile von
der Erziehung abhängig. Nicht jeder Vater
kann seinen Kindern große Schätze und Titel
hinterlassen, aber jeder soll sich bemühen,
dieselben zur Zufriedenheit anzuleiten und
zu erziehen.

Die Zufriedenheit ist eine ruhige Stim-
mung der Seele, welche durch keinerlei hef-
tige Wünsche gestört wird. Diese Seelenruhe
[236] ist abhängig einerseits von der Beschaffen-
heit des Gemütes, anderseits von den rich-
tigen Grundsätzen und Anschauungen. Das
Gemüt ist der Sitz der Leidenschaften und
Begierden, des Zornes, des Neides, des Ver-
langens nach Ruhm und Ehre, nach den
Reichtümern und den sinnlichen Genüssen
des Lebens. Wenn eine dieser Leidenschaf-
ten zur Herrschaft gelangt, so ist es vorbei
mit Gemütsruhe und Zufriedenheit. Denn
jede Leidenschaft ist unersättlich, sie treibt
den Menschen mit ihren unbefriedigten Wün-
schen ruhelos umher, sie jagt der Befriedi-
gung nach, selbst wenn diese vor ihr flieht,
selbst wenn der Genuß sie unglücklich macht.
Ein Geiziger, ein Ehrgeiziger, ein Genuß-
mensch kann niemals zur Gemütsruhe und
Zufriedenheit gelangen, jeden Morgen wacht
er auf mit seiner Leidenschaft, die ihm aufs
neue Leiden schafft.

Das erste Erfordernis der Zufriedenheit
ist darum die sittliche Erziehung nach den
Grundsätzen des Christentums. Die verkehr-
ten Neigungen müssen im Kinde schon durch
eine christlich-ernste Zucht bekämpft werden.
Es darf keine zur Leidenschaft werden und
über den Willen die Oberhand gewinnen.
[237] Wenn der junge Christ selbständig wird, soll
er nicht der Sklave einer Neigung sein, son-
dern er soll sie alle unter der Gewalt seines
freien Willens haben. Insbesondere ist auf
zwei Punkte wohl zu achten. Man bekämpfe
jedes Gefühl des Neides gegenüber von
Bessergestellten, und man lehre das Kind
von Jugend auf, genügsam zu sein. Wer sich
mit dem bescheidet, was er hat, auch wenn
es wenig ist, und andern, die mehr haben,
das Ihrige gönnen mag, der ist neidlos und
genügsam, und damit mehr befähigt für Zu-
friedenheit und wahres Glück, als der Reiche
mit ungezügelten Begierden. Christliche El-
tern sollen das beachten in Bezug auf
Vergnügen, Kleidung und Lebensart. Sie
sollen in nichts über Stand und Vermögen
hinausgehen, und die Kinder anleiten, da-
mit zufrieden zu sein, ohne andere zu be-
neiden.

Die heidnischen Weisen lehrten Zufrie-
denheit und Genügsamkeit, indem sie das
Verlangen nach Reichtum, Genuß und Ruhm
als Thorheit verspotteten. Es war das wohl
richtig, was sie über diese thörichten Lei-
denschaften sagten, aber eigentliche Seelen-
ruhe und Zufriedenheit vermochten sie da-
[238] mit niemand zu geben, dazu bedarf es der
Lehren und Grundsätze des Christentums.

Hieher gehört vor allem die Lehre von
Gott, als dem Vater aller Menschen, der
einem jeden giebt, was ihm gebührt und
ihm zum Heile dient. Schon die Kinder sollen
angeleitet werden, auf seine Güte zu ver-
trauen, seine Ratschlüsse anzubeten, Freude
und Leid mit kindlicher Ergebung aus sei-
ner Hand anzunehmen. Der Glaube an die
Vorsehung des himmlischen Vaters, das Ver-
trauen auf seine Weisheit und Liebe ver-
süßen auch das Unglück und lassen Mut-
losigkeit und Unzufriedenheit auch in schweren
Stunden nicht aufkommen.

Sodann lehre man die Kinder, daß es
noch viel höhere Güter giebt, als irdisches
Gut und sinnliche Genüsse, und daß dieselben
allen zugänglich sind. Die Reinheit des
Herzens, die Ruhe des Gewissens, der Friede
mit Gott, der Besitz der heiligmachenden
Gnade, der göttlichen Lehren und Geheim-
nisse des Christentums sind Güter, vor wel-
chen alles Geld und alle Genüsse der Welt
wie nichts sind. Diese höheren Güter sollen
sie hochschätzen und lieben und sorgfältig
bewahren, und Gott dafür danken, dann
[239] sind sie reich genug. Denn dann werden
nach der Verheißung des Herrn ihnen alle
Dinge zum Besten gereichen.

Niemand kann auf Erden alles haben,
was er wünscht, und insofern giebt es auf
Erden keinen einzigen, der wirklich zufrie-
den ist. Es kann nicht anders sein. Denn
wie der heilige Augustin sagt, ist das mensch-
liche Herz unruhig, bis es ruhen wird in Gott.
Aber wir Christen haben für das, was uns
fehlt, einen Ersatz in der christlichen Hoff-
nung. Diese zeigt uns ein ewiges und un-
endliches Glück im Himmel. Was uns auf
Erden fehlt, ist eitel und vergänglich, was
uns im Himmel winkt, wird uns auf ewig
vollkommen zufrieden machen. Ohne die
Hoffnung auf den Himmel giebt es keine
Zufriedenheit, wem es aber mit dieser Hoff-
nung ernst ist, was hat der noch weiter nö-
tig, um schon in diesem Jammerthale frohen
Mutes zu sein?

Wenn Eltern diese christlichen Gesin-
nungen wirklich im Herzen haben, so wird
es sich fast von selber geben, daß sie bei hun-
dert und hundert freudigen und widrigen
Vorkommnissen im Leben auch in diesem
Geiste reden und handeln. So werden die
[240] Kinder ebenfalls lernen, die irdischen Vor-
kommnisse auf Gott und den Himmel zu
beziehen und das eine Notwendige allein
anderen voranzustellen. Diese Gesinnungen
werden sie über die irdischen Anschauungen
erheben, und ihnen Trost und Zufriedenheit
verleihen, wenn auch manche ihrer irdischen
Wünsche unerfüllt bleiben.

Diese auf religiöse Ueberzeugung gegrün-
dete Zufriedenheit ist wohl nie so gefährdet
gewesen, wie heutzutage. Es geht ein Zug
der Unzufriedenheit, des Neides und des
Klassenhasses durch die Welt, der auch solche
mit sich fortreißt, die gar keinen Mangel lei-
den, und der jenen, die wirklich bedrängt sind,
das Leben erst recht schwer und bitter macht.
Dieser Zug der Unzufriedenheit hat seine
Wurzel in dem Unglauben, in dem Abfall
vom Christentum. Es ist darum um so drin-
gender und notwendiger, daß der junge
Christ beim Eintritt in die Welt nicht bloß
gläubig sei, sondern daß er auch gelernt
habe, die irdischen Dinge, Reichtum und Ar-
mut als Christ anzuschauen, und daß er im
Vertrauen auf Gott, in der Hoffnung auf
den Himmel, in der christlichen Zufriedenheit
mit seinem Lose fest gegründet sei. Auch
[241] der Vater, der keine irdischen Schätze hat,
ahme den Tobias nach, der zu seinem Sohne
sagte: ‘„Fürchte dich nicht, mein Sohn, wir
führen zwar ein armes Leben, aber wir
werden viele Güter erhalten, wenn wir
Gott fürchten und alle Sünde meiden und
Gutes thun. – Wir sind Kinder der Hei-
ligen und erwarten jenes Leben, welches
Gott denen geben wird, welche ihren Glau-
ben niemals von Ihm abwenden.“’
(Tob. 2,
18; 4, 23.)

(Siehe ‘„Der Glaube an die Vorsehung“’. Seite 486.)

34. Wahl des Standes und Berufes.


Der Mensch ist zur Arbeit geboren und
zwar zur Arbeit, die der menschlichen Ge-
sellschaft nützlich ist. Er empfängt von die-
ser geistige und leibliche Nahrung und soll
durch nützliche Gegenleistungen seine Schuld
an dieselbe abtragen. Diese Leistungen setzen
durchschnittlich einen bestimmten Stand und
Beruf voraus. Deshalb hat jeder die Pflicht,
irgend einen passenden Berufsstand zu er-
greifen.

Für die große Masse der Menschen wird
wohl immer die Notwendigkeit bestehen, sich
[242] mit ihrer Hände Arbeit den nötigen Lebens-
unterhalt zu verschaffen. Daraus erwächst
für sie die Pflicht, irgend ein Handwerk,
ein Gewerbe, eine Kunst zu erlernen, durch
die es ihnen möglich wird, sich und ihre
Familien gehörig zu ernähren. Aber auch
diejenigen, welche durch Reichtum aller
Sorgen für den Unterhalt enthoben sind,
sollen sich einer angemessenen Beschäftigung
hingeben, durch welche sie nützliche Glieder
der Gesellschaft werden.

Die menschliche Gesellschaft hat auch
höhere geistige und sittliche Bedürfnisse in
Bezug auf Kunst und Wissenschaft und Re-
ligion. Diese können nur durch besondere
Stände und Berufsarten befriedigt werden,
für welche die entsprechende geistige Anlage
und eine längere Vorbereitung erfordert wer-
den. In der Kirche haben wir nach göttlicher
Anordnung den Priester- und Laienstand,
bei letzterem besteht der Unterschied zwischen
dem ledigen und Ehestand, während an den
ersteren der Ordensstand sich anlehnt.

In welchen Stand und Beruf soll der
junge Christ eintreten? Und wer soll wäh-
len? In Bezug auf die eben genannten
kirchlichen Stände gilt das Wort des heiligen
[243] Paulus: ‘„Wie Gott einen jeden berufen
hat, also wandle er.“’
(I. Kor. 7, 17.) Nicht
jeder ist zum Priester- und Ordensstand be-
stimmt. Es wird da ein besonderer Beruf
vorausgesetzt, der von Gott kommt. Eltern
sollen die Kinder so erziehen, daß der höhere
Beruf, wenn er vorhanden ist, nicht durch
Lauheit und Weltsinn in der Erziehung er-
stickt wird, im übrigen aber die Wahl den
Kindern überlassen. Sie mögen ihren Be-
ruf prüfen, aber sie dürfen ihn nicht hin-
dern. Die gleiche Freiheit will die Kirche
auch in Bezug auf die Wahl des Ehestan-
des gewahrt wissen. Die Eltern können
raten und warnen, besonders wenn es sich
um die Wahl einer unpassenden Person
handelt, aber besser thun sie, wenn sie schon
in der vorausgehenden Erziehung einer ge-
fehlten Wahl vorzubeugen suchen. Lehrt
man die Kinder beizeiten, in solchen Dingen
an die Vorsehung und den Willen Gottes
zu denken, erzieht man sie zur Gottesfurcht
und zu den übrigen Tugenden, von denen
schon die Rede war, belehrt man sie, bevor
es zu Bekanntschaften kommt, über die Nach-
teile gemischter oder gar ungültiger Ehen,
so werden sie sich viel weniger zu unglück-
[244] lichen Schritten fortreißen lassen. Die Wahl
des Standes ist häufig der Anlaß, bei dem
die vorausgegangene Erziehung ihre Probe
besteht, oder auch nicht besteht.

Die Standeswahl der Kinder ist so folgen-
reich für Zeit und Ewigkeit, daß die Eltern
dieselbe schon lange vorher zum Gegenstande
ihrer Sorgen und Gebete machen sollen. Die-
selbe muß einen der Zielpunkte bilden, der
bei der ganzen späteren Erziehung beständig
im Auge behalten wird.

Etwas anders verhält es sich, wenn nur
die Auswahl eines Berufes als Broterwerb in
Frage kommt. Da ist eine stärkere Beteiligung
bei der Wahl seitens der Eltern zulässig und
meistens auch notwendig. Zwar soll auch da das
Kind zu keinem Beruf genötigt werden, gegen
den es mit Widerwillen erfüllt ist. Seine freie
Zustimmung soll in keinem Falle fehlen. Im
übrigen aber fällt die Wahl meistens schon
in jenes Alter des Kindes, in dem seine
eigene Einsicht zu einer richtigen Wahl noch
nicht genügt.

Die Eltern müssen auf der einen Seite
die körperlichen und geistigen Anlagen des
Kindes berücksichtigen, auf der andern die
äußern Umstände des Vermögens, der Aus-
[245] sichten für das gute Fortkommen, und nicht
zuletzt auch die Vor- und Nachteile für das
religiöse und sittliche Leben in Betracht ziehen,
und darnach sich gewissenhaft ein Urteil bil-
den. Meistens wird das Kind sich ohne
Schwierigkeiten demselben fügen.

Heutzutage wird vielfach dadurch gefehlt,
daß man zu hoch hinaus will. Man klagt mit
Grund darüber, daß für die niedrigeren und
mühsameren Verrichtungen, so nützlich und
notwendig sie der Gesellschaft auch sein mögen,
sich kaum mehr die nötigen Kräfte finden.
Das bißchen Schulbildung und der große
Dünkel macht viele zu vornehm und gelehrt,
um sich mit solchen niedrigen Arbeiten abzu-
geben. Alles drängt sich zu höheren und beque-
meren Stellungen. Man will lieber in einer
Beamtenstube oder einem ‘„Geschäfte“’ leichte
Arbeit finden und nebenbei das Herrchen
spielen, als sich einem Berufe zuwenden, der
den Mann noch nährt, bei dem man aber
schwielige Hände bekommt.

Heutzutage sind gewisse Berufsarten so
übersetzt, daß der Ertrag der Arbeit allzusehr
herabgedrückt wird, und der einzelne sein
Auskommen kaum mehr findet, bei andern
bleiben zahlreiche Bewerber ohne Anstellung
[246] und Arbeit. Es wäre höchst unklug, seinen
Sohn für einen solchen Beruf zu bestimmen.
Lieber in die Ferne mit ihm, und sei es noch
so weit, wenn man ihn an einem Orte zu-
verlässig unterbringen kann, wo die Arbeit
den Mann noch sucht und ernährt.

Auch soll der Sohn sorgfältig für seinen
künftigen Beruf erzogen werden. Er braucht
hiefür manche Kenntnisse, die ihm die Schule
nicht bietet, die aber vielleicht auf anderem
Wege ergänzt werden können. Jedenfalls
lehre man ihn früh, die Dinge praktisch an-
zuschauen und anzufassen und den gesunden
Menschenverstand zu gebrauchen. Das ist not-
wendiger als manche Schulkenntnisse, so we-
nig diese zu verachten sind. Man bewahre
den Jüngling in Bezug auf Kleidung, Ge-
nüsse und Bedürfnisse vor Angewöhnungen,
die ihm später zu viel kosten. Wer sich nicht
an das Rauchen, den Wirtshausbesuch u. dgl.
gewöhnt, der hat vor andern ein beträcht-
liches Kapital voraus, weil seine Ausga-
ben geringer sind. Der junge Mann muß
früh rechnen lernen, die Ausgaben nach den
Einnahmen richten, sparsam und genügsam
sein, das ist eines der ersten Erfordernisse,
um mit Ehren durch die Welt zu kommen.

[247]

Auch in der Berufsbildung der Töchter
wird vielfach gefehlt. Wer die Mittel dazu
aufbringt, giebt ihnen eine Institutsbildung,
die an sich nicht verwerflich wäre, wenn man
nicht nachher diese jungen Mädchen zu Hause
dem Kleiderluxus und einem beschäftigten
Müßiggang überließe. Wenn solche nicht
angehalten werden, in Küche und Arbeits-
zimmer und im ganzen Hause die Hände
wie Mägde und den Kopf wie Hausfrauen
zu gebrauchen, so werden sie für die künf-
tigen Männer bloße Zierpflanzen sein, die
viel kosten und nichts nützen.

In den unbemittelten Volksklassen begeht
man einen ähnlichen Fehler. Man kann die
jungen Mädchen nicht früh genug zum Ver-
dienen in Fabriken u. s. w. anhalten, ohne
daß sie das Kochen und die übrigen Haus-
geschäfte lernen. Es wäre ungleich besser,
wenn sie als Mägde dienen würden, sei es
auch um geringeren Lohn, und so die Fähig-
keit erlangten, eine Haushaltung zu führen.
Jedenfalls versündigt man sich an ihrer Zu-
kunft, wenn man ihnen die Vorbildung zur
Hausfrau ganz vorenthält. Schon manche
Ehe ist unglücklich ausgefallen, schon mancher
Ehemann hat sich an das Wirtshausleben
[248] gewöhnt, viele Familien sind verarmt und
zu Grunde gegangen, bei denen der erste
Anfang des Uebels in der Unfähigkeit der
jungen Hausfrau zu suchen ist.

Bei einer großen Zahl verursacht die
Berufswahl wenig Kopfzerbrechen. Sie müs-
sen das Brot suchen, wo und sobald sie es
finden, und die Vermutung spricht dafür,
daß sie zeitlebens als Arbeiter, Dienstboten,
Angestellte in abhängiger Stellung bleiben
werden.

Auch diese müssen für ihren Stand er-
zogen werden. Man soll sorgen, daß sie die
Selbstachtung und die Achtung ihres Stan-
des nicht verlieren. Vor Gott, vor vernünf-
tigen Menschen und angesichts der Ewigkeit
ist es ganz einerlei, welchem Stande der
Mensch angehört, wenn er nur das, was er
sein will und sein soll, recht ist. Eine brave
Nähterin in ihrer Dachkammer ist achtens-
werter als eine eitle Fürstin, und nicht selten
auch noch glücklicher. Hier gilt das Wort
von Oskar von Redwitz:

‘„Und ob ich wie die Sonne glüh',’
‘Ob ich ein kalter Nebelschein,’
‘Ob ich wie Schiras Rosen blüh',’
‘Ob ich ein arm Waldblümelein,’
[249]
‘S'ist alles gleich vor Gottes Sinn,’
‘Und nichts ist groß und nichts ist klein,’
‘Wenn ich nur das, was ich soll sein,’
‘Auch recht im Geiste Gottes bin.“’

Für Leute, denen alle Mittel für einen
Hausstand fehlen, ist es ein Glück, wenn
sie sich schon frühzeitig aller Heiratsgedanken
entschlagen. Es wäre ihnen kaum möglich,
den Kindern eine gute Erziehung und ein
freudiges Dasein zu schenken, und sich selber
ersparen sie viele Trübsale und eine große
Verantwortung.

Kinder, welche eine solche Zukunft vor
sich haben, bedürfen einer doppelt sorgfälti-
gen religiösen und sittlichen Erziehung. Sie
gehen vielen Gefahren und Hindernissen ihres
Heiles entgegen. Sie sind vielfach gehindert
in Erfüllung ihrer religiösen Pflichten, werden
oft durch diejenigen, von denen sie abhängig
sind, geärgert und angefochten. Obschon im
Irdischen unselbständig, müssen sie in Bezug
auf Religion und Sittlichkeit große Festig-
keit besitzen. Es ist das nicht unmöglich,
es kommt sogar mehr vor, als der Anschein
vermuten läßt. Es ist bei allen möglich,
wenn sie gut erzogen wurden. Solche ver-
borgene Seelen, deren Kämpfe, und deren
[250] Treue die Welt nicht kennt, werden einst
am großen Gerichtstage vor Fürsten und
Königinnen den Vorrang haben, und den
Martyrern und Bekennern der ersten Jahr-
hunderte würdig an die Seite gestellt werden.
Alle armen Eltern sollen sorgen, daß ihre
Kinder auch unter diesen seien.

(Erwecke in Bezug auf die göttliche Vorsehung
Glaube, Vertrauen, Ergebung.)

35. Schule und Fremde.


Beruf und Berufsbildung führen viele
Kinder schon frühzeitig aus dem elterlichen
Hause weg an eine Schulanstalt, in eine
Werkstatt oder Fabrik. Dieser Punkt ist schon
wiederholt berührt worden, weil man ihn
bei der ganzen Erziehung im Auge behalten
muß. Die Sache ist aber so wichtig, daß sie
noch einer besonderen Erinnerung wert ist.
Manche katholische Väter schauen viel zu ein-
seitig auf das, was das irdische Fortkommen
zu fördern scheint, und gehen zu sorglos über
die religiöse und sittliche Seite der Ange-
legenheit hinweg. Wenn irgendwo, ist hier
das Wort des Herrn wohl zu beachten:
‘„Suchet zuerst das Reich Gottes und seine
[251] Gerechtigkeit, und dieses alles wird euch hin-
zugegeben werden.“’
(Matth. 6, 33.)

In Bezug auf Schulanstalten giebt es
Dinge, von denen im Programm und Regle-
ment der Anstalten wenig wahrzunehmen ist,
und die doch vielen Zöglingen verhängnis-
voll werden. Ich will ein warnendes Bei-
spiel aus alter Zeit anführen, von welchem
alle Väter Vorsicht lernen mögen. Der hei-
lige Augustin wurde als zwölfjähriger Knabe
an eine Schule in Madaura geschickt, und
schildert in seinen Bekenntnissen, was er
dort erlebte, und was ihm daraus für Folgen
erwuchsen.

Zunächst beklagt sich Augustin, daß er
wohl Unterricht in den Schulfächern erhielt,
daß aber für seine Erziehung nichts gethan
wurde. Man nahm es sehr genau mit Feh-
lern gegen die Rechtschreibung, aber um die
Fehler im Leben kümmerte sich niemand.
Man hielt große Dinge auf eine korrekte
Aussprache, auf eine fließende Redeweise,
aber man achtete nicht darauf, ob die Schü-
ler ärgerliche Reden führten, und ahndete
es noch weniger. Die natürliche Folge hie-
von war, daß die Schüler die Regeln der
Grammatik ernster nahmen, als die Vor-
[252] schriften des Sittengesetzes, und während sie
in der Schule Fortschritte machten, im sitt-
lichen Leben rückwärts kamen.

Ferner tadelt es Augustin, daß die Schü-
ler in der Schule schlüpferige Dichter in die
Hände bekamen, und auch außer der Schule
mit Vorliebe solche lasen. Augustin vergleicht
die schönen Verse der Dichter mit einem
kunstreichen Becher, in welchem ihnen ein
berauschender Trank gereicht wurde. ‘„Ich
habe mit Lust getrunken,“’
sagt Augustin,
‘„und deswegen wurde ich ein hoffnungsvoller
Schüler genannt. Aber so entzündete sich
das Feuer der Leidenschaft in mir, so daß
meine Jugend, wie zwischen Felsen und Ab-
gründen fortgerissen, in die Tiefe schändlicher
Laster versank.“’
Augustin schildert in sei-
nem Schicksale auch das manches hoffnungs-
vollen Jünglings unserer Tage. Es ist über-
aus gefährlich, wenn Schüler dieses Alters
in Bezug auf die Lektüre mißleitet werden,
oder auch nur ohne Aufsicht sich selbst über-
lassen sind.

Es kann Anstalten geben, deren Leitern
und Lehrern man durchaus nichts Ungehö-
riges vorzuwerfen im Falle ist, und wo die
Schüler doch verdorben werden. Wo die
[253] religiöse und sittliche Erziehung zurücktritt,
und alles Gewicht auf die Ausführung des
Unterrichtsprogramms gelegt wird, da wer-
den die Zügel der Erziehung, welche der
Hand der Lehrer entgleiten, von den Schü-
lern selber aufgegriffen. Es bildet sich eine
von Schule und Lehrern unabhängige öffent-
liche Meinung der Schülerwelt, ein gewisser
Studentengeist, der in diesen Kreisen eine
unbedingte Herrschaft ausübt. Wendet er
sich gegen einen Lehrer, so ist sein Ansehen
und sein Einfluß gebrochen. Billiget und
verherrlichet er gewisse vom Schulreglement
verbotene Dinge, so gilt jeder Ungehor-
sam gegen die Schulgesetze als Helden-
that. Greift er Religion und Sittlichkeit
an, so schämt sich der einzelne Schüler
seiner religiösen Gesinnungen und Hand-
lungen, und wetteifert mit den andern in
den Sünden, die hier Ruhm ernten. Der
neue Ankömmling beugt sich vor diesem
Studentengeist anfänglich aus Schüchternheit
und mit innerem Widerstreben, bald aber ist
er mit Lust dabei, und allmählich macht er
sich selber zum Träger und Beförderer dieses
Studentengeistes. Was dieser für eine tyran-
nische Herrschaft ausübt, ergiebt sich aus
[254] dem Umstand, daß viele Studentenverbin-
dungen auf den Universitäten zum Hohne
auf alle Vernunft und Moral den selbst-
mörderischen Trinkzwang und die Duellge-
setze viel strenger beobachten, als die meisten
Christen die Gebote Gottes und der Kirche
befolgen.

Auch Augustin hat sich in Madaura
vor der Macht dieses Studentengeistes ge-
beugt. Es ist bereits (Nr. 27) bemerkt wor-
den, wie er und seine Genossen einander in
Schlechtigkeiten zu überbieten suchten, und
aus Prahlerei Schandthaten erdichteten, die
sie nicht einmal begangen hatten. Augustin
plünderte mit ihnen einen Obstbaum, dessen
Früchte sie nicht wollten und nicht brauchten,
bloß weil keiner zurückbleiben wollte. Er
bemerkt zu diesem Fall: ‘„Einer sagt: Lasset
uns das und das thun! Und alle folgen, je-
der schämt sich, nicht ausgeschämt zu sein!“’

Und von sich selber sagte er: ‘„Ich wurde
sittenloser, um nicht verhöhnt zu werden.
Ich fürchtete, als einfältig zu gelten, wenn
ich unschuldiger war, als meine Genossen.“’

‘„Ein jeder schämte sich, nicht ausgeschämt
zu sein.“’
Dieser unglückselige Wahn lebt
immer wieder auf und behauptet sich in ge-
[255] wissen Studentenkreisen auch heutzutage als
Gesetz. Wenn ein christlicher Vater seinen
unmündigen Sohn solchen Einflüssen bloß-
stellt, so heißt das ihn in die Höhle des
Löwen schicken, von der gesagt wird, daß
wohl Tritte hinein, aber keine heraus führen.
Der Vater weiß, wie es mit dem Sohne
steht, da er ihn an die Anstalt schickt, aber
er weiß nicht, wie er von derselben wieder-
kehren wird.

In der Werkstatt, Fabrik und Kaserne
wird gar oft der Geist der Kameraden ein
ganz ähnlicher sein. So weit der Vater
die freie Wahl hat, sehe er sich wohl vor,
wo er seinen Sohn unterbringt. Sonst ist
er vor Gott für dessen Seele verantwort-
lich. Leider kann da nicht jeder frei wählen.
Darum muß man alles aufbieten, um die
Kinder so zu erziehen, daß sie den kom-
menden Versuchungen gewachsen sind. Auch
suche man ihnen in der Fremde allen mög-
lichen Schutz zukommen zu lassen, durch die
dortigen Seelsorger, durch wohlwollende Ver-
wandte oder Freunde, durch einen katho-
lischen Verein. Und der Vater nehme sich
seiner in der Fremde an, wie der Oberst
Paqueron. (Nr. 24.) Bei unvermeidlichen
[256] Gefahren dürfen Vater und Sohn auf Gott
vertrauen. Wenn beide das Ihrige thun,
so wird sich auch unter den schwierigsten
Verhältnissen das Wort des hl. Apostels
Johannes an die jungen Christen der ersten
Zeit immer wieder aufs neue bewähren:
‘„Meine Kindlein, Der in euch ist, ist stärker
als der, der in der Welt ist.“’
(I. Joh. 4, 4.)

(‘„Andacht zur heiligen Familie“’ Nr. 1. Seite 442.)

36. Die Bürgerpflichten.


Der Mann ist nicht bloß Vater, sondern
auch Christ und Bürger. Er hat darum neben
seinen Pflichten gegen die Familie auch solche
gegen die Kirche, die Gemeinde und den Staat.
Von den Pflichten gegen die Kirche ist be-
reits Erwähnung geschehen (Nr. 9), sie fallen
auch mittelbar bei der ganzen religiösen Er-
ziehung in Betracht; hier handelt es sich
noch darum, die bürgerlichen kurz zu be-
sprechen.

Die erste Pflicht des Mannes gegen Ge-
meinde und Vaterland ist die treue Erfüll-
ung seiner Vaterpflichten. Das ganze Volk
gliedert sich in Gemeinden, diese bestehen
aus Familien, und wenn alle Väter gut für
[257] ihre Haushaltung sorgen, ihre Familie recht
regieren und die Kinder christlich erziehen
würden, so würde es auch mit Gemeinde und
Volk gut bestellt sein. Die Großzahl der
Uebel, welche diese belasten, hat ihre Wurzel
in den Schäden des Familienlebens. Wenn
ein Vater sich durch Politik und Beamtungen
zur Vernachlässigung seiner Familie verlei-
ten läßt, so ist das nicht bloß ein Unrecht
gegen Gott und die Seinigen, sondern auch
gegen das öffentliche Gemeinwesen, welches
seine Dienste wahrscheinlich teuer bezahlen
muß.

In Bezug auf die eigentlichen Bürger-
pflichten erinnere ich an das Beispiel und
die Worte des seligen Nikolaus von Flüe.
Man kann die Liebe zum Vaterlande und
die Pflichten gegen dasselbe nicht schöner
darstellen, als er sie gelehrt und geübt hat.

1. Den Verteidigern des Vater-
landes
ruft er zu: ‘„Wenn es fürs Vater-
land gilt, und man euere Freiheit mit Ge-
walt angreift, so wehret euch auch mit Ge-
walt, und verfechtet männlich das Vaterland
und euere Freiheit. Des Soldaten Ehre ist,
im Kampfe tapfer und unerschrocken sein,
im Siege aber mild, nüchtern, großmütig
[258] und uneigennützig. Welch eine Schande ist
es für den Kriegsmann, den Feind besiegen,
und hernach den Lastern feig unterliegen!“’

Diese Mahnungen gab der selige Niko-
laus noch als Weltmann und Soldat. Seine
Reden machten um so mehr Eindruck, als
er selbst ein ebenso mutiger Krieger wie
frommer Christ war, der keine Gefahr, wenn
es not that, fürchtete, und mehrere hitzige
Treffen mitmachte. Auch als Krieger im
Felde scheute er sich nicht, den Rosenkranz
in der Hand zu haben. Es gelang ihm,
manche Grausamkeiten zu verhindern. So
rettete er das Kloster St. Katharinenthal,
in welchem sich die Oesterreicher verschanzt
hatten, und das von den Eidgenossen bereits
angezündet war.

2. Weiter sagt der selige Nikolaus: ‘„Der
Obrigkeit sollt ihr den Gehorsam
treu und christlich leisten
.“’
Der hei-
lige Paulus nennt die Obrigkeit Gottes
Dienerin und erklärt, wer sich ihr widersetze,
der widersetze sich der Anordnung Gottes!
denn es gebe keine Gewalt, außer von Gott,
und die, welche bestehe, sei von Gott ange-
ordnet. ‘„Darum,“’ fährt der heilige Paulus
weiter, ‘„ist es euere Pflicht, unterthan zu
[259] sein, nicht nur um der Strafe willen, son-
dern auch um des Gewissens willen. Gebet
also jedem, was ihr schuldig seid: Steuer
wem Steuer, Zoll wem Zoll, Ehrfurcht wem
Ehrfurcht gebührt.“’
(Röm. 13, 1–7.) Das sind
Grundsätze der göttlichen Offenbarung und
sie bilden das Fundament der öffentlichen
Ordnung, ohne welches diese nicht bestehen
kann. Diese christliche Anschauung von der
Obrigkeit als Gottes Stellvertreterin wird
heutzutage zum Nachteile der öffentlichen
Wohlfahrt von den Bürgern vielfach miß-
achtet, sonst müßten sie bei der Wahl von
Beamten gewissenhafter zu Werke gehen.

Aber auch die Träger der obrigkeitlichen
Gewalt dürfen nicht vergessen, daß sie Stell-
vertreter Gottes sind und Ihm für ihre
Amtsverwaltung einst Rechenschaft geben
müssen. Wenn diese Wahrheit übersehen
wird, so hat das drei Uebelstände im Gefolge,
die dem Staate und den Gemeinden großen
Schaden bringen. Die erste schlimme Folge
ist Aemtersucht und ehrgeiziges Strebertum.
Das Amt soll den Mann suchen, und nicht
der Mann das Amt. Wer an die Verant-
wortung vor Gott glaubt und denkt, der
wird die Aemter mehr fürchten als suchen.
[260] Der selige Nikolaus hat darum nur ungern
öffentliche Aemter bekleidet und sich von
denselben zurückgezogen, sobald er konnte.
Der zweite Nachteil besteht darin, daß Be-
amte und Obrigkeiten, die sich nicht als
Stellvertreter Gottes betrachten, und nicht
an die Verantwortung vor Ihm denken, auch
nicht nach dem Gesetze Gottes regieren, son-
dern nach ihrem eigenen Gutdünken, und so oft
Willkür und Unrecht an die Stelle des Rech-
tes setzen. Drittens sind solche Beamte oft
Feiglinge ihren Wählern gegenüber. Der
Mann mit christlichen Gesinnungen fürch-
tet Gott und sonst niemand, er verwaltet
sein Amt so, wie er es vor Gott verant-
worten kann, ihm ist nicht an Menschengunst,
sondern an einem guten Gewissen gelegen.
Wenn es sein muß, so zieht er vor, eher
als Mann von Ehre und Gewissen wieder
abzutreten, als durch feige Gewissenlosigkeit
in Gunst zu bleiben. Wer aber diesen christ-
lichen Geist nicht hat, der ist besorgt um die
Gunst der Wähler, diese bestimmt ihn mehr
als der Gedanke an Gott und Gewissen, er
ist im stande, zum großen Schaden des Ge-
meinwesens vor den verderblichsten Miß-
bräuchen die Augen zuzudrücken.

[261]

3. Der selige Nikolaus sagt ferner: ‘„Den
gemeinen Nutzen sollt ihr bieder
befördern helfen
.“’
Dem ‘„gemeinen
Nutzen“’
steht der Eigennutz, das eigene In-
teresse feindselig gegenüber. In öffentlichen
Angelegenheiten führen gar viele das große
Wort, welche zu allerletzt an den ‘„gemeinen
Nutzen“’
denken. Was sie treibt, ist persön-
licher Ehrgeiz, persönliches Interesse, per-
sönliche Leidenschaft und Parteibefangenheit.
Der Christ muß sich als Bürger von allen die-
sen untergeordneten und unberechtigten Rück-
sichten und Absichten loszumachen wissen,
er muß mit Gott und seinem Gewissen aus-
machen, was dem ‘„gemeinen Nutzen“’ ent-
spricht und ohne Eigennutz wie ohne Men-
schenfurcht dafür einstehen. Ein paar verstän-
dige Männer, welche ernstlich und aufrichtig
nur den ‘„gemeinen Nutzen“’ wollen und
anstreben, und nicht ihr eigenes Interesse
suchen, können ihren Gemeinden sehr viel
nützen, und selbst, wenn diese verwahrlost sind,
ihnen wieder aufhelfen. Wer auf den eigenen
Nutzen verzichtet, der hat ein viel besseres
Auge für den ‘„gemeinen Nutzen“’. Mögen
sie vielleicht momentan verkannt werden, so
werden sie doch nach und nach Gehör und
[262] Verständnis finden, und mit der Zeit wer-
den auch die heilsamen Wirkungen eintreten.

Die Beförderung des ‘„gemeinen Nutzens“’
geht aber noch über die strikten Bürgerpflich-
ten hinaus. Der christliche Mann muß nach
Vermögen das öffentliche Wohl befördern
durch freiwillige Beiträge für gute Zwecke,
durch seine Beteiligung beim Vereinswesen,
er soll auch unter seinen Nachbarn ein be-
reitwilliger Helfer, ein treuer Ratgeber, nö-
tigenfalls ein kluger Friedensstifter sein. Der
Wert des Mannes und Bürgers bemißt sich
nicht nach dem Lärm, den er macht, sondern
nach seinen guten Absichten, seinem stillen
guten Wirken. Der Engländer Carlyle ruft
aus: ‘„O die edlen und stillen Männer, die
hie und da vorkommen, jeder in seinem Ge-
biete still denkend, still wirkend, still helfend,
von denen keine Zeitung meldet, – sie sind
das Salz der Erde.“’

Ein Mann, der das Gute will, wird die
Gelegenheit dazu immer finden, wie der se-
lige Nikolaus. Wenn er Gott fürchtet und
nicht Menschengunst sucht, so wird ihm auch
die Achtung zukommen, die ihm gebührt.
Die Ehre verfolgte den seligen Nikolaus, der
vor ihr floh, sogar in die Einsamkeit. Und
[263] wenn der Vater sich bemüht, selber ein wacke-
rer christlicher Patriot und gemeinnütziger
Bürger zu sein, so ist dies das beste Mittel,
auch seinen Sohn zu einem solchen zu er-
ziehen.

(Dritte Meßandacht: ‘„Vor der Wandlung“’. S. 357.)

37. Es will Abend werden.


Der Lebenslauf des Menschen wird von
den Dichtern oft mit den rasch dahineilenden
Tageszeiten verglichen.

‘„Das zarte Kind ist ein heiterer Morgen,’
‘Ihm liegen noch ferne die brennenden Sorgen,’
‘Es hüpfet so froh und atmet so leicht,’
‘Wenn durch die Zweige der Morgenwind streicht.’
‘Der Jüngling glüht in der Mittagsschwüle,’
‘Es woget und dränget des Lebens Fülle’
‘Und will aus den Banden und Schranken los,’
‘Und sucht der Unendlichkeit weiten Schoß.’
‘Zum Abend neigt sich des Mannes Leben.’
‘Denn bald ermattet, erkaltet das Streben,’
‘Es sehnet das müde Herz sich nach Ruh',’
‘Es eilen die Kräfte der Neige zu.’
‘Sieh' da ereilet die Nacht nun den Alten!’
‘Des Busens Gefühle, sie stocken, erkalten.’
‘Die Kräfte schwinden, die müden Glieder,’
‘Sie legen zum Schlafe des Grabes sich nieder.“’

Für den Vater rückt der Stundenzeiger
mit schnellen Schritten vorwärts. Wenn die
[264] Kinder anfangen wie junge Oelbaumpflan-
zen um den Tisch zu stehen (Ps. 127.), und
immer größer werden, so hat der Vater die
Mittagshöhe seines Lebens überschritten, und
es geht schneller oder langsamer dem Abend
zu. Wenn ihn die Hand des Todes nicht
vor der Zeit hinwegrafft, so macht sich die
Unbeständigkeit alles Irdischen in seiner Um-
gebung und an ihm selber schrittweise im-
mer deutlicher bemerkbar. Das eigentliche
Familienleben mit den Freuden und Sor-
gen der Erziehung geht rasch vorüber, die
Kinder werden versorgt, suchen anderswo
ihr Auskommen, der Tod lichtet die Zahl
der Angehörigen, und ehe man sichs versieht,
ist die Familie nicht mehr da, der häusliche
Herd ist verschwunden wie ein Hirtenzelt, wel-
ches man nach kurzem Aufenthalt zusammen-
rollt. Die Aufgabe des Vaters ist gut oder
übel erfüllt, er ist ein alternder Baum, der
dasteht, bis ein Sturm oder Entkräftung ihn
zum Falle bringen. Das ist der Gang des
Lebens, von dem keiner ausgenommen ist.

Aber wie die Tage verschieden sind, so
sind es auch die Abende. Bald strahlt die
Sonne den ganzen Tag am wolkenlosen
Himmel und scheidet am Abend wie eine
[265] Königin, die ins Brautgemach geht, bald
hüllt sie sich am Abend erst in finsteres Ge-
wölk, oder auf trübe Nebeltage, auf Gewitter-
stürme folgt ein lichter Abend. So geht es
in der Natur, so im Leben der Menschen.
Ein Vater verlebt den Abend seines Lebens
in gemächlicher Ruhe und Zufriedenheit, ein
anderer in Kummer und Entbehrung. Der
eine sonnt sich in dem Wohlergehen und der
Tugend seiner Kinder, ist glücklich durch ihre
Verehrung und Dankbarkeit, der andere muß
sehen, wie seine Nachkommen eigentlich nur
die Not des Lebens von ihm ererbt haben,
oder er muß seufzen über den Undank und
die Schande, die er für seine einstigen Mühen
und Sorgen erntet.

Was soll man zu einem so trüben Le-
bensabende eines Vaters sagen? Es läßt
sich kaum etwas anderes sagen, als was
der göttliche Heiland von sich selbst gesagt
hat: ‘„Ich muß wirken, so lange es Tag
ist; es kommt die Nacht, da niemand wir-
ken kann.“’
(Joh. 9, 4.) Jeder Mensch, so auch
der Vater kann sein irdisches Tagwerk nur
einmal vollbringen, und was er am Mittag
versäumt hat, kann er am Abend und in der
Nacht nicht mehr nachholen. Darum soll
[266] jeder Vater, so lange es noch Zeit ist, wohl
beherzigen, was das für eine Qual sein muß,
wenn man am Abend des Lebens erfährt,
daß das Tagwerk mißlungen ist, daß man
einen bösen Samen auf der Erde zurückläßt,
der vielleicht manche Menschenalter hindurch
schlimme Früchte tragen wird. Freilich be-
halten auch guterzogene Kinder ihren freien
Willen und können später üble Wege wan-
deln. Daraus folgt allerdings, daß nicht
jeder Vater an der Ausartung seiner Kin-
der schuld ist, aber auch das folgt daraus,
daß der christliche Vater mit doppeltem
Eifer seine Pflichten erfüllen soll, um die
Möglichkeit eines Mißerfolges möglichst in
die Ferne zu rücken. Wie viel da von
dem Vater abhängt, ergiebt sich aus dem
Worte des weisen Sirach: ‘„Lobe gar kei-
nen Menschen vor seinem Tode, weil der
Mann aus seinen Söhnen erkannt wird.“’

(Sir. 11, 30.)

Sollte das Tagwerk des Vaters auch seine
Mängel haben, und sein Gewissen und die
Früchte der Erziehung ihn nicht beruhigen, so
suche er wenigstens für sich noch die eilfte
Stunde zu benutzen, um im Frieden mit Gott
von hinnen zu scheiden. Sünder und schwache
[267] Menschen sind alle, aber Gott hat auch Barm-
herzigkeit für alle. Es ist ein Zeichen seiner
Barmherzigkeit, wenn Er der hereinbrechen-
den Nacht dunkle Schatten des Abends vor-
aussendet. Er will damit Sünder und Ge-
rechte mahnen, sich in Bereitschaft zu setzen,
mit großer Demut und eben so großem Ver-
trauen die Bitte an den Herrn zu richten:
‘„Herr, bleibe bei uns, denn es will Abend
werden, und der Tag hat sich schon geneigt.“’

(Luk. 24, 29.)

Der gerechte Tobias lebte, nachdem er
wieder sehend geworden, noch zweiundvier-
zig Jahre in Freude und Furcht des Herrn,
und sah noch die Kinder seiner Enkel. Hun-
dert und zwei Jahre alt, schied er hin im
Frieden und in der Voraussicht, daß seine
Nachkommen in gutem Leben und heiligem
Wandel verharren werden. Nach einem trü-
ben Tage war das ein langer und heiterer
Lebensabend.

Kürzer, aber wenn möglich noch beseli-
gender, war er für die heilige Monika. Nach-
dem der heilige Augustin in Mailand an
Ostern die heilige Taufe empfangen hatte,
trat er mit seiner Mutter die Rückreise nach
Afrika an. An einem lieblichen Maiabend
[268] betrachteten sie in Ostia, an einem Fenster
stehend, den duftigen Blütenflor, das vor
ihnen ausgebreitete Meer und den klaren
Himmel mit seinen zahllosen Gestirnen. Die
Erinnerungen an die stürmische und trübe
Vergangenheit und das Glück der Gegenwart
drängten sich zusammen und erhoben ihre
Seelen über diese sichtbare Welt hinauf zu
dem Orte, wo sie in der Anschauung des
lebendigen Gottes ein noch höheres Glück
zu finden hofften. Ihre Unterhaltung dar-
über gehört zu dem Erhabensten, was je
sterbliche Menschen über Gott gedacht haben.
Am Schlusse sagte die heilige Monika zu
Augustin: ‘„Für mich hat das Leben keinen
Reiz mehr, mein Sohn. Ich weiß nicht,
was ich noch hienieden zu thun habe, nach-
dem meine süßeste Hoffnung, mein höchster
Wunsch, dich als katholischen Christen zu
sehen, wider alle Erwartung in Erfüllung
ging. Gott gewährt mir die Gnade, dich
als seinen Diener zu sehen, der für Ihn
alles irdische Glück verachtet. Was soll ich
hier noch?“’
Fünf Tage nachher wurde Mo-
nika von einem Fieber befallen, und am
neunten Tage ihrer Krankheit schied sie aus
diesem Leben. Welch überaus wonnevoller
[269] Abend nach einem Tage voller Stürme, Kum-
mer, Schmerz und Thränen!

Möge jedem Vater, der dieses Buch zur
Hand nimmt, ein ähnlicher Lebensabend be-
schieden sein! Ohne Sorgen und Mühen,
ohne Kummer und Angst kann keiner sein
Tagwerk vollbringen, aber Gott gebe, daß
er am Ende desselben mit dem greisen Si-
meon getröstet ausrufen kann: ‘„Nun, o Herr,
entlassest Du deinen Diener im Frieden!“’

(Luk. 2, 29.)

(‘„Vorbereitung auf den Tod“’. Seite 494.)

38. Christus und die hl. Familie.


Jesus Christus, der Sohn Gottes und
unser Erlöser ist der Erzieher der Mensch-
heit. Die junge Pflanze, welche Menschen-
seele heißt, kann sich nur entfalten, nur
hoffnungsvoll erblühen im Lichte seiner
Wahrheit und Gnade. Ohne diese kann
keine Tugend gedeihen, kein Herz den Frie-
den finden, das Wohl der Menschheit weder
hier noch jenseits erreicht werden. Immer
wird als Programm der christlichen Erzie-
hung das Wort des Herrn gelten müssen:
‘„Lasset die Kleinen zu Mir kommen und
[270] wehret es ihnen nicht, denn ihrer ist das
Himmelreich.“’
(Mark. 16, 14.)

Der christliche Vater ist der Stellvertreter,
der Diener, das Werkzeug für diesen großen
Erzieher. Er soll seine Aufgabe für Chri-
stus und mit seiner Hilfe erfüllen. Alles, was
man über die Erziehung sagen kann, muß
seinen Ausgangs- und Endpunkt in Christus
haben. Christus ist es, der dem Vater seine
Würde verleiht, Er legt ihm seine Pflichten
auf und zieht ihn einst darüber zur Rechen-
schaft. In den Vatersorgen kann er den
wahren Trost nur in Christus finden, nur
in Ihm die echten Vaterfreuden genießen.
Von Christus bekommt er die Standesgnade
des Ehesakramentes, von Ihm empfängt er
die richtigen Grundsätze der Erziehung, Chri-
stus stellt ihm die Kirche mit ihrer ganzen
erziehenden Macht und allen ihren Gnaden-
mitteln zur Verfügung.

Christus vertraut dem Vater das Kind
an als Erben seines Reiches, damit er es
für den Himmel erziehe. Das Kind ist ein
Rebzweig an dem Weinstocke, welcher Chri-
stus ist, und der Vater ist von Ihm bestellt
als Weingärtner, diesen Zweig zu beschnei-
den und zu pflegen, damit er blühe und
[271] gedeihe und Früchte bringe für das ewige
Leben. Christus soll der Hausvater sein in
der Familie, und der Vater als sein Ver-
walter sein Gesetz handhaben, in seinem
Geiste schalten und walten. Christus ist das
Vorbild für jegliche Tugend, zu welcher der
Vater sein Kind erziehen soll, und seine
ganze Aufgabe besteht darin, es zu einem
würdigen Ebenbilde Christi zu erziehen. Chri-
stus ist aber auch das Vorbild des Vaters,
und dieser kann seiner Aufgabe nur genü-
gen, wenn er sich bemüht, Ihm ähnlich zu
werden, indem er zuerst sich selber erzieht.
In Christus muß der Vater den rechten
Geist, den Eifer der Liebe, den Geist des
Glaubens, die Einsicht und Klugheit, das
richtige Maß von Milde und Ernst suchen.

Christus ist für den christlichen Vater der
Gesetzgeber und Richter, er muß darum in
allem darauf denken, seinen Willen zu er-
füllen. Christus ist sein eigentlicher Lehrer
in der Erziehung, und bei Ihm muß er
diese Kunst der Künste lernen. Dieses Buch
soll nur ein schwaches Hilfsmittel hiefür sein.
Beim Lesen soll sich der Vater in die Ge-
genwart seines Herrn und Richters versetzen,
und vor seinen Augen zu erforschen suchen,
[272] was von ihm verlangt wird, und wie er
seine Aufgabe erfüllen soll.

Christus ist für den christlichen Vater
der Weg, die Wahrheit und das Leben.
Es handelt sich nicht bloß um das Lesen,
um das Kennen und Wissen, sondern um
die Gnade, die übernatürliche Einsicht und
Kraft, ohne welche die Menschen nichts ver-
mögen. Was der christliche Vater in die-
sem Buche liest, soll jedesmal nur ein Weck-
ruf, eine Einleitung zur Hauptsache sein,
zur aufrichtigen Unterredung mit Christus
vom Herzen zum Herzen. Er soll sich stets vom
Lesen zum Beten wenden, sei es in innerer
Unterhaltung mit Christus und den Heiligen,
sei es mit einem andächtigen Vater unser, sei es
mittels Benutzung des nachfolgenden Gebets-
teiles. Auch für die Erziehung gilt der Satz:
Wer recht betet, der kann auch recht leben.
Wer in Glauben und Demut bei Christus
die Gnaden sucht, die er als Vater nötig
hat, der wird fähig werden, seine Vater-
pflichten zu erfüllen, und wird auch auf die
Vaterfreuden hier und jenseits hoffen dürfen.

Christus soll dem Vater aber nicht bloß
als Kinderfreund, sondern auch als göttliches
Kind vor Augen schweben. Wir können an
[273] dieses Kind nicht denken, ohne daß wir auch
Maria und Joseph an seiner Seite sehen.
Da haben wir die heilige Familie vor uns,
das erhabene Vorbild für jede christliche
Familie, die Vereinigung der heiligsten Per-
sonen, welche die Macht und den Willen
haben, der christlichen Familie und dem Fa-
milienvater die größte Hilfe zu bieten. Papst
Leo XIII. sagt: ‘„Es haben die Familien-
väter in dem heiligen Joseph das sprechendste
Vorbild väterlicher Wachsamkeit und Klug-
heit; es haben die Mütter an Maria, der
seligsten Jungfrau und Gottesgebärerin, ein
herrliches Spiegelbild der Liebe, der Sittsam-
keit, demütigen Sinnes, vollkommenster Treue;
die Söhne haben an Jesus, der zu Nazareth
jenen unterthänig war, ein himmlisches Mu-
ster des Gehorsams, welches sie bewundern, be-
trachten, nachahmen sollen.“’
(Breve v. 14. Juni 1892.)

Der heilige Vater wünscht, daß alle
katholischen Familien ‘„dem frommen
Verein von der heiligen Familie
in Nazareth
“’
beitreten. Das Bild der
heiligen Familie soll in jeder Haushaltung
aufgestellt sein, um alle zur Verehrung, An-
rufung und Nachahmung derselben einzu-
laden. Die christlichen Familien sollen sich der
[274] heiligen Familie in einem besonderen Akte
weihen, täglich gemeinsam vor ihrem Bilde
ein Gebet verrichten und eifrig bestrebt sein,
die Tugenden nachzuahmen, in welchen die
heilige Familie allen voranleuchtet. Den
Mitgliedern des Vereins sind vom Heiligen
Vater zahlreiche Ablässe verliehen worden.

Es wird hauptsächlich von den christlichen
Vätern abhängen, ob diese Anregung des
Heiligen Vaters gute Aufnahme findet und
entsprechende gute Früchte trägt. Er ver-
langt nicht viel, aber das Wenige kann zu
einem fruchtbaren Samenkorn werden, wo
immer es in gutes Erdreich fällt. Mögen
recht viele katholische Familienväter täglich
mit den Ihrigen zu der heiligen Familie
aufblicken, um ihren Schutz zu erflehen, um
sich an ihrem Beispiele aufzumuntern und sie
nachzuahmen! Mögen alle katholischen Fami-
lien nach dem Vorbilde der hl. Familie die Be-
drängnisse dieses Lebens glücklich bestehen, und
nach der vorübergehenden irdischen Prüfung
sich im Himmel zu einem ewigen und unaus-
sprechlichen Glücke wieder zusammen finden!

(‘„Weihegebet des Vereins christl. Familien“’. Seite 440.)

II. Teil.
Andachtsübungen.

[275]
Figure 2. Um was immer ihr den Vater in meinem Namen bitten werdet, das will Jch thun. (Joh. 14, 13.)
[interleaf][[Titelseite]]
[interleaf][277]
Figure 3. Die täglichen Gebete.

Morgengebet.


Beim Aufstehen und Ankleiden mache das Kreuz-
zeichen und bete:

Im Namen meines gekreuzigten Herrn
Jesu Christi stehe ich auf, der mich erlöst
hat mit seinem kostbaren Blute.

Füge während des Ankleidens noch andere Gebete
bei, die du auswendig kannst. Auch sage zu dir selber:
Wozu hat mir Gott diesen Tag geschenkt? Er kann
der letzte meines Lebens sein. Dann bete kniend:

Im Namen des Vaters und des
Sohnes und des heiligen Geistes.
Amen.

1. Anbetung.

Allerheiligste Dreifaltigkeit! ich bete Dich
an mit allen Engeln und Heiligen des Him-
mels. Heilig, heilig, heilig! Ehre sei dem
[278] Vater, Ehre sei dem Sohne, Ehre sei dem
heiligen Geiste.

2. Glaube, Hoffnung, Liebe.

O mein Gott, ich glaube an Dich, weil
Du die ewige Wahrheit bist. – O mein Gott,
ich hoffe auf Dich, weil Du allmächtig, un-
endlich gütig und getreu bist. – O mein
Gott, ich liebe Dich über alles, weil Du das
höchste Gut und aller Liebe würdig bist.

1) Jedesmal 7 Jahre und 7 Quadragenen Ab-
laß
. 2) Vollkommener Ablaß einmal im Monat
an einem beliebigen Tage, nach Beicht, Kommunion,
Gebet nach Meinung des Papstes, wenn einen Monat
lang täglich gebetet. 3) Vollkommener Ablaß in
der Sterbestunde. – Benedikt XIV., 28. Jan. 1756.

Zur Gewinnung vorstehender Ablässe ist keine be-
stimmte Gebetsformel vorgeschrieben; nur müssen die
besondern Beweggründe jeder der drei göttlichen Tu-
genden darin ausgedrückt sein.

3. Dank und gute Meinung.

Ich danke Dir, mein himmlischer Vater,
für alle Wohlthaten, insbesondere, daß Du
mir diesen neuen Tag verliehen hast. – Zu
deiner Ehre will ich heute beten, arbeiten
und leiden, und ich vereinige alles mit den
Gebeten, Arbeiten und Leiden unseres Herrn
Jesu Christi. Ich empfehle mich in alle
[279] heiligen Meßopfer und will alle Ablässe ge-
winnen, welche ich heute gewinnen kann.

4. Bitte an den göttlichen Heiland.

Göttlicher Heiland! segne mich und alle
Menschen, besonders jene, für welche ich zu
beten schuldig bin. Verschließe uns in dein
liebevolles Herz, und beschütze uns gegen alle
Feinde und Gefahren. Verleihe Gnade den
Lebenden, Hilfe den Sterbenden, die ewige
Ruhe allen Abgestorbenen.

5. Gebet zu Maria und den Heiligen.

O Maria, ohne Sünde empfangen, bitte
für uns, die wir zu dir unsere Zuflucht
nehmen.

(Einmal täglich 100 Tage Ablaß. – Leo XIII,
15. März 1884.)

Heilige Schutzengel, heilige Namens-
patrone, alle Heiligen Gottes, bittet für uns!

6. Segenswunsch.

Es segne uns der allmächtige Gott, der
† Vater, der † Sohn und der † heilige Geist,
Er behüte uns vor allen Uebeln des Leibes
und der Seele und führe uns zum ewigen
[280] Leben. Und die Seelen aller Abgestorbenen
mögen durch die Barmherzigkeit Gottes im
Frieden ruhen. Amen.

Abendgebet.


1. Anbetung.

Allerheiligste Dreifaltigkeit! ich bete Dich
an mit allen Engeln und Heiligen des Him-
mels. Heilig, heilig, heilig! Ehre sei dem
Vater, Ehre sei dem Sohne, Ehre sei dem
heiligen Geiste.

2. Glaube, Hoffnung, Liebe.

O mein Gott, ich glaube an Dich, weil
Du die ewige Wahrheit bist. – O mein
Gott, ich hoffe auf Dich, weil Du allmächtig,
unendlich gütig und getreu bist. – O mein
Gott, ich liebe Dich über alles, weil Du das
höchste Gut und aller Liebe würdig bist.

3. Danksagung.

Ich danke Dir, mein himmlischer Vater,
für alle Gnaden und Wohlthaten, welche
Du mir heute erwiesen hast. – Leider bin
ich wieder undankbar und ungehorsam ge-
gen Dich gewesen. Hilf mir, daß ich alle
[281] Sünden, die ich heute begangen habe, recht
erkennen und bereuen kann.

Mache eine kurze Gewissenserforschung und erwecke
Reue und Leid.

4. Reue und Leid.

Diese und alle Sünden meines ganzen
Lebens sind mir herzlich leid, weil ich Dich,
das höchste Gut, meinen besten Vater und
größten Wohlthäter, damit beleidigt habe.
Um des Blutes Jesu Christi willen, sei mir
armen Sünder gnädig und barmherzig, und
gieb mir die Gnade, mein Leben zu bessern
und Dich nicht mehr zu beleidigen.

5. Bitte an den göttlichen Heiland.

Göttlicher Heiland, segne mich und alle
Menschen, besonders jene, für welche ich zu
beten schuldig bin. Verschließe uns in dein
liebevolles Herz, und beschütze uns gegen alle
Feinde und Gefahren. Verleihe Gnade den
Lebenden, Hilfe den Sterbenden, die ewige
Ruhe allen Abgestorbenen.

6. Gebet zu Maria und den Heiligen.

O Maria, ohne Sünde empfangen, bitte
für uns, die wir zu dir unsere Zuflucht nehmen.

[282]

Heilige Schutzengel, heilige Namens-
patrone, alle Heiligen Gottes, bittet für uns!

7. Segenswunsch.

Es segne uns der allmächtige Gott, der
† Vater, der † Sohn und der † heilige Geist,
Er behüte uns vor allen Uebeln des Leibes
und der Seele und führe uns zum ewigen
Leben. Und die Seelen aller Abgestorbenen
ruhen durch die Barmherzigkeit Gottes im
Frieden. Amen.

Bete ein Vater unser und den Glauben, besprenge
dich mit Weihwasser und gehe mit aller Sittsamkeit
zur Ruhe. Beim Auskleiden und bis zum Einschlafen
denke an die Kranken, Sterbenden und Abgestorbenen
und bete für sie.

Tägliches Gebet
des Vereins der christlichen Familien.


(Vor dem Bilde der heiligen Familie zu verrichten.)

O liebreichster Jesu, der Du durch deine
erhabenen Tugenden und das Beispiel dei-
nes verborgenen Lebens die von Dir hier auf
Erden auserwählte Familie geheiliget hast,
schaue gnädig herab auf unsere Familie, die
hier zu deinen Füßen niedergeworfen, Dich
um deine Gnade fleht. Gedenke, daß sie
[283] Dir gehört, weil sie sich in besonderer Weise
Dir geweiht und geopfert hat. Schütze sie
gnädig, rette sie aus Gefahren, komm ihr
zu Hilfe in allen Nöten, verleihe ihr die
Gnade, in der Nachfolge deiner heiligen
Familie immerdar zu verharren, damit sie
während ihres irdischen Lebens in deinem
Dienste und in deiner Liebe treu bleibe,
und einst im Himmel Dich loben könne in
Ewigkeit.

O Maria, süßeste Mutter, wir flehen dich
um deinen Schutz an in der sicheren Ueber-
zeugung, daß dein eingeborner göttlicher
Sohn deine Bitten erhören wird.

Und auch du, glorreicher Patriarch, hei-
liger Joseph, komme durch deine mächtige
Vermittelung zu Hilfe, und übergieb unsere
Bitten Jesu Christo durch die Hände Mariens.

(Jedesmal 300 Tage Ablaß. – Leo XIII.,
20. Juni 1892.)

Schutzgebetlein
zu Ehren der heiligen Familie.

Jesus, Maria, Joseph, erleuchtet uns,
helfet uns, rettet uns!

(Einmal im Tage 200 Tage Ablaß. – Leo XIII.,
20. Juni 1892.)

[284]

Jesus, Maria und Joseph! Euch schenke
ich mein Herz und meine Seele.

Jesus, Maria und Joseph! stehet mir bei
im letzten Todeskampfe.

Jesus, Maria und Joseph! möge meine
Seele mit Euch im Frieden scheiden.

(Jedesmal 300 Tage Ablaß. – Pius VII.,
28. April 1807.)

Beim Stundenschlag.

O Gott, verleihe uns eine selige Stunde
zum Leben und zum Sterben. Durch Christum,
unsern Herrn. Amen.

Um eine glückselige Sterbstunde.

Durch deine heilige letzte Angst und schwere
Verlassenheit, o gütigster Jesu! wir bitten
Dich, verlasse uns niemals, besonders nicht
in der Stunde unseres Absterbens. Amen.

Vaterlegen über die Kinder.

Ich befehle dich (euch) in den Schutz des
allmächtigen Gottes, in die Obhut der selig-
sten Jungfrau, in die Wache der heiligen
Schutzengel und in den Schirm aller lieben
Heiligen.

Meßandachten.

[285]
[figure]

Erste Meßandacht,


welche als Anleitung dient, an den einzelnen Gebeten
und Verrichtungen des Priesters am Altare andäch-
tigen Anteil zu nehmen.

Die nachfolgenden Gebete werden außer jenem
bei der Wandlung alle vom Priester am Al-
tare gebetet. Die veränderlichen Teile sind
entnommen aus der Messe zu Ehren der heiligen Fa-
milie. Jene Teile, welche beim feierlichen Amte ge-
sungen werden, sind deutsch und lateinisch nebeneinander
gestellt, und sollen nebst den beigefügten Erklärungen
es möglich machen, dem Priester bei den einzelnen Tei-
len der heiligen Messe mit Verständnis und Andacht
zu folgen.

Vormesse.
Das Staffelgebet.

Der Priester betet an den Stufen des Altares den
Psalm 42, in welchem die Sehnsucht nach dem wür-
digen Umgang mit Gott in seinem Heiligtum ausge-
sprochen wird, worauf der Priester und der Altardiener,
[286] letzterer als Stellvertreter des Volkes, das Sündenbe-
kenntnis ablegen. Der Psalm 42 wird bei Totenmessen
ausgelassen.

Priester. Im Namen des † Vaters und
des Sohnes und des heiligen Geistes. Amen.
– Ich werde kommen zu Gottes Altar.

Diener. Zu Gott, der meine Jugend
erfreut.

Psalm 42.

Pr. Schaffe mir Recht, o Gott, und ent-
scheide meine Sache wider das unheilige
Volk: von dem ungerechten und arglistigen
Manne rette mich.

D. Denn Du, o Gott, bist meine Stärke!
Warum hast Du mich verworfen, und warum
gehe ich trauernd einher, da der Feind mich
plaget?

Pr. Sende dein Licht und deine Wahr-
heit: sie werden mich leiten und führen auf
deinen heiligen Berg und in deine Hütten.

D. Und ich werde kommen zu Gottes
Altar: zu Gott, der meine Jugend erfreut.

Pr. Ich werde Dich loben auf der
Harfe, o Gott, mein Gott! Warum bist du
traurig, meine Seele, und warum betrübest
du mich?

[287]

D. Hoffe auf Gott; denn ich werde Ihm
noch danken, Er ist das Heil meines Ange-
sichtes und mein Gott.

Pr. Ehre sei dem Vater u. s. w.

D. Wie es war im Anfang u. s. w.

Pr. Ich werde kommen zu Gottes Altar.

D. Zu Gott, der meine Jugend erfreut.

Pr. Unsere Hilfe ist in dem Namen des
Herrn.

D. Welcher Himmel und Erde erschaf-
fen hat.

Pr. Ich bekenne u. s. w.

D. Es erbarme sich deiner der allmäch-
tige Gott, Er verzeihe deine Sünden und
führe dich zum ewigen Leben.

Pr. Amen.

D. Ich bekenne dem allmächtigen Gott,
der hl., allzeit reinen Jungfrau Maria, dem hl.
Erzengel Michael, dem hl. Johannes dem Täu-
fer, den hl. Aposteln Petrus und Paulus, allen
Heiligen und dir, o Vater, daß ich gar sehr ge-
sündigt habe in Gedanken, Worten und Wer-
ken: durch meine Schuld, durch meine Schuld,
durch meine sehr große Schuld. Deshalb
bitte ich die heilige, allzeit reine Jungfrau
Maria, den heiligen Erzengel Michael, den
heiligen Johannes den Täufer, die heiligen
[288] Apostel Petrus und Paulus, alle Heiligen,
und dich, o Vater, zu bitten für mich bei
dem Herrn, unserm Gott.

Pr. Es erbarme sich euer der allmächtige
Gott, Er verzeihe euere Sünden und führe
euch zum ewigen Leben.

D. Amen.

Pr. Nachlassung †, Verzeihung und Ver-
gebung unserer Sünden gewähre uns der
allmächtige und barmherzige Herr.

D. Amen.

Pr. O Gott, wende Dich wieder zu uns
und belebe uns.

D. Und dein Volk wird sich in Dir er-
freuen.

Pr. Erzeige uns, o Herr, deine Barm-
herzigkeit.

D. Und dein Heil verleihe uns.

Pr. Herr, erhöre mein Gebet.

D. Und laß mein Rufen zu Dir kommen.

Pr. Der Herr sei mit euch.

D. Und mit deinem Geiste.

Pr. Laßt uns beten!

Während er die Altarstufen hinaufsteigt:

Nimm hinweg von uns, wir bitten Dich,
o Herr, unsere Missethaten, auf daß wir
[289] mit reinem Herzen in das Allerheiligste ein-
zugehen verdienen, durch Christus, unsern
Herrn. Amen.

Zum Altare geneigt und denselben küssend:

Wir bitten Dich, o Herr, durch die Ver-
dienste deiner Heiligen, deren Reliquien hier
sind, so wie aller Heiligen, daß Du mir ver-
zeihen mögest alle meine Sünden. Amen.

Bei dem feierlichen Gottesdienste beräuchert
nun der Priester den Altar
. Dieser Gebrauch
stammt schon aus den apostolischen Zeiten und ist ein schö-
nes Bild des Gebetes. Der Weihrauch verzehrt sich auf
der Glut und steigt zum Himmel auf, süßen Wohlge-
ruch verbreitend. Ebenso soll das Gebet aus einem
von Liebe entflammten Herzen kommen, das sich völlig
an Gott hingiebt. Der Altar soll umhüllt sein von den
Wolken des Gebetes der Gläubigen, die zum Himmel
aufsteigen und die Wolken durchdringen. Auch der
Priester wird beräuchert, weil sein Herz und das Herz
eines jeden, der an seinem Opfer teilnimmt, ein geistiger
Opferaltar sein soll.

Der Eingang. (Introitus.)

Der Eingang wechselt nach den Festen und Zeiten;
er ist meistens der heiligen Schrift entnommen und
drückt in kurzen Worten den Grundgedanken der kirch-
lichen Tagesfeier aus. Von dem ersten Worte des Ein-
ganges hat man für manche Sonntage, z. B. Oculi,
Lætare, und manche besondere Messen, z. B. Rorate
im Advent, und Requiem für die Abgestorbenen, ihren
[290] Namen hergenommen. Der Eingang der oben bezeich-
neten Messe lautet:

Es frohlockt vor Freude der Vater des
Gerechten; freuen mögen sich dein Vater und
deine Mutter, und es frohlocke, die dich ge-
boren hat. (Sprichw. 23, 24.)

Wie lieblich sind deine Wohnungen, Du
Herr der Heerscharen! Es sehnet und schmach-
tet meine Seele nach den Vorhöfen des
Herrn. (Ps. 83, 1.)

Ehre sei dem Vater u. s. w. Es froh-
locket u. s. w. wird wiederholt.

Kyrie eleison.

Diese griechischen Worte kommen schon in der hei-
ligen Schrift vor. Sie sind ein Gebetsruf an die hei-
ligste Dreifaltigkeit, der sich ganz passend an den Ein-
gang anreiht.

Pr. Herr, erbarme Dich unser.

D. Herr, erbarme Dich unser.

Pr. Herr, erbarme Dich unser.

D. Christe, erbarme Dich unser.

Pr. Christe, erbarme Dich unser.

D. Christe, erbarme Dich unser.

Pr. Herr, erbarme Dich unser.

D. Herr, erbarme Dich unser.

Pr. Herr, erbarme Dich unser.

Gloria.
[291]

Die ersten Worte dieses Lobgesanges wurden von
den Engeln gesungen bei der Geburt Christi, und haben
schon in den ersten Jahrhunderten die jetzige Erwei-
terung gefunden. Wie einst in Bethlehem erscheint
Christus auch auf dem Altare, um den Frieden zu brin-
gen. Das Gloria wird als Freudengesang in den Messen,
bei denen Trauer oder Buße den Grundgedanken bilden,
ausgelassen.

Gloria in excelsisEhre sei Gott in der
Deo, et in terra paxHöhe und auf Erden
hominibus bonæ vo-Friede den Menschen,
luntatis. Laudamusdie guten Willens sind.
te. Benedicimus te.Wir loben Dich. Wir
Adoramus te. Glo-preisen Dich. Wir be-
rificamus te. Gratiasten Dich an. Wir
agimus tibi prop-verherrlichen Dich.
ter magnam glo-Wir danken Dir we-
riam tuam. Dominegen deiner großen
Deus, Rex cœlestis,Herrlichkeit. Herr
Deus Pater omni-Gott, himmlischer Kö-
potens! – Dominenig, Gott, allmächti-
Fili unigenite, Jesuger Vater! – Herr
Christe! DomineJesu Christe, Du ein-
Deus, agnus Dei,geborner Sohn, Herr
filius Patris! QuiGott, Lamm Gottes,
tollis peccata mun-Sohn des Vaters! Der
[292]
di, miserere nobis.Du hinwegnimmst die
Qui tollis peccataSünden der Welt, er-
mundi, suscipe de-barme Dich unser! Der
precationem no-Du hinwegnimmst die
stram. Qui sedes adSünden der Welt,
dexteram Patris, mi-nimm unser Gebet an.
serere nobis. Quo-Der Du sitzest zur
niam tu solus san-Rechten des Vaters,
ctus, tu solus Do-erbarme Dich unser.
minus, tu solusDenn Du allein bist
altissimus, Jesuheilig, Du allein der
Christe, cum sanctoHerr, Du allein der
Spiritu in gloriaHöchste, o Jesu Chri-
Dei Patris. Amen.ste, mit dem heiligen
Geist in der Herrlich-
keit Gottes des Va-
ters. Amen.
Kollekte oder Kirchengebet.

Nach dem Gloria küßt der Priester den Altar, und
wendet sich zu dem Volke mit dem Gruße: ‘„Der Herr
sei mit euch!“’
Durch das Küssen des Altars drückt der
Priester seine Verbindung mit Christus aus, und von
Ihm bringt er dem Volke diesen Segensgruß.

Dieses Gebet heißt Kollekte oder Sammelgebet, weil
der Priester im Namen des Volkes vor Gott hintritt, um
Ihm die Anliegen aller Gläubigen in einem Gebete vorzu-
tragen. Deswegen betet sie der Priester immer in der Mehr-
[293] zahl. Diese Gebete sind nach Zahl und Inhalt verschieden.
In jeder Messe kommen an drei Stellen solche Gebete
vor: Nach dem Gloria, vor der Präfation und nach
der Kommunion. Die Kollekten schließen meistens mit
den Worten: ‘„Durch unsern Herrn Jesum Christum,
deinen Sohn, welcher mit Dir lebt und regiert in Einig-
keit des heiligen Geistes, Gott von Ewigkeit zu Ewig-
keit. Amen.“’
Die Kirche betet so im Hinblick auf die
Verheißungen, die dem Gebete im Namen Jesu gegeben
sind. Das Volk spricht ‘„Amen“’, um damit seine Zu-
stimmung zu den Gebeten des Priesters zu geben.

Lasset uns beten.

Herr Jesu Christe, der Du Maria und
Joseph unterthan gewesen und das häus-
liche Leben mit den erhabensten Tugenden
geheiliget hast: gieb, daß wir mit dem Bei-
stande beider, durch das Beispiel deiner hei-
ligen Familie erbaut, ihrer ewigen Gemein-
schaft teilhaftig werden, der Du mit Gott
dem Vater in der Gemeinschaft des heiligen
Geistes lebst und regierst von Ewigkeit zu
Ewigkeit. Amen.

Die Epistel.

An dieser Stelle folgt eine Lesung aus der heiligen
Schrift des Alten oder Neuen Testamentes, mit Aus-
schluß der Evangelien. Da die Lesungen aus den Brie-
fen der Apostel am häufigsten vorkommen, so nennt
[294] man diese Lesung Epistel, das heißt Brief. In den
ersten Zeiten wurde sie vom Lektor auf einem erhöhten
Punkte gelesen; gegenwärtig liest sie bei dem feierlichen
Gottesdienste der Subdiakon. Das Volk antwortet am
Ende derselben: ‘„Deo gratias, Gott sei Dank!“’ um
seine Dankbarkeit für die göttliche Offenbarung aus-
zudrücken.

Lesung aus dem Briefe des heiligen
Apostels Paulus an die Kolosser. (3, 12–17.)

So ziehet nun an als Gottes Auserwählte,
Heilige und Geliebte, herzliches Erbarmen,
Güte, Demut, Sanftmut, Geduld. Ertraget
einander und verzeihet einander, wenn je-
mand Klage hat wider den andern: wie der
Herr euch verziehen hat, so auch ihr! Vor
allem diesem aber habet die Liebe, welche
ist das Band der Vollkommenheit. Und der
Friede Christi herrsche freudig in euerem
Herzen, zu welchem ihr auch berufen seid in
einem Leibe, und seid dankbar. Das Wort
Christi wohne reichlich in euch mit aller
Weisheit. Lehret und ermahnet einander
mit Psalmen und Lobliedern und geistlichen
Gesängen, und singet Gott mit Dankbarkeit
in euerem Herzen. Alles, was ihr thuet in
Wort oder Werk, das thuet alles im Namen
des Herrn Jesu Christi und danket Gott,
und dem Vater durch Ihn.

Graduale und Sequenz.
[295]

Das Graduale hat seinen Namen daher, daß es
ursprünglich gesungen wurde, während die Geistlichkeit
die Stufen (gradus) zu jenem Orte hinaufstieg, an dem
das Evangelium gesungen wurde. Es drückt die Ge-
sinnungen und Gefühle aus, welche die Epistel in uns
hervorbringen soll und ist nach der Tagesfeier ver-
schieden.

An Ostern, Pfingsten, am Fronleichnamsfeste, am
Feste der schmerzhaften Mutter und in den Messen
für Verstorbene schließt sich hier ein Kirchengesang an,
der Sequenz genannt wird, z. B. bei den zwei letzt-
genannten Anlässen das Stabat mater und Dies iræ.

Graduale. Um eines habe ich den
Herrn gebeten, und wiederum verlange ich
es, daß ich weile im Hause des Herrn alle
Tage meines Lebens. (Ps. 26, 4.)

. Selig sind, die in deinem Hause woh-
nen, Herr, in alle Ewigkeit loben sie Dich,
(Ps. 83, 5.) Alleluja, Alleluja.

. Du bist wahrhaftig ein verborgener
König, Gott, Israels Erlöser. Alleluja.

Das Evangelium.

In den übrigen Büchern der heiligen Schrift reden
die Gesandten Gottes, in den Evangelien dagegen sein
eingeborner Sohn. Darum wird auch die Lesung des
[296] Abschnittes aus den Evangelien in der heiligen Messe
mit vielen Feierlichkeiten umgeben. Beim Beginne der
Lesung erhebt sich das Volk, Priester und Gläubige be-
zeichnen sich mit dem Kreuzzeichen auf Stirne, Mund
und Brust, bei der feierlichen Messe wird das Evan-
gelium vom Diakon gelesen, es werden brennende
Kerzen getragen und das Evangelienbuch, sowie am
Schlusse auch der Priester incensiert.

An das Evangelium schloß sich in früheren Zeiten an
Sonn- und Festtagen die Predigt an: jetzt wird sie man-
cherorts zu einer andern Zeit gehalten. Bis nach der Pre-
digt durften in der ersten Zeit auch die Katechumenen, die
erst im Glauben unterrichtet wurden, selbst Juden und Hei-
den dem Gottesdienste beiwohnen, daher dieser vorbe-
reitende Teil auch Katechumenenmesse hieß, während
die Teilnahme an der eigentlichen Opferhandlung nur
den Gläubigen gestattet wurde.

Pr. Der Herr sei mit euch.

D. Und mit deinem Geiste.

Pr. Das folgende ist aus dem heiligen
Evangelium nach Lukas. (2, 42–52.)

D. Ehre sei Dir, o Herr.

Als Jesus zwölf Jahre alt war, reisten
sie wie gewöhnlich zum Feste nach Jerusa-
lem. Und da sie am Ende der Festtage
wieder zurückkehrten, blieb der Knabe Jesus
in Jerusalem, ohne daß seine Eltern es
wußten. Da sie aber meinten, Er sei bei der
Reisegesellschaft, so machten sie eine Tag-
reise, und suchten Ihn unter den Verwandten
[297] und Bekannten. Und da sie Ihn nicht fan-
den, kehrten sie nach Jerusalem zurück, und
suchten Ihn. Und es geschah nach drei Ta-
gen fanden sie Ihn im Tempel, sitzend unter
den Lehrern, wie Er ihnen zuhörte, und sie
fragte. Und es erstaunten alle, die Ihn hör-
ten, über seinen Verstand und seine Antwor-
ten. Und als sie Ihn sahen, wunderten sie sich,
und seine Mutter sprach zu Ihm: Kind, wa-
rum hast Du uns das gethan? Siehe, dein
Vater und ich haben Dich mit Schmerzen
gesucht! Und Er sprach zu ihnen: Warum
habet ihr Mich gesucht? Wußtet ihr nicht,
daß Ich in dem sein muß, was meines
Vaters ist? Sie aber verstanden die Rede
nicht, die Er zu ihnen sagte. Und Er zog
mit ihnen hinab, und kam nach Nazareth,
und war ihnen unterthan. Und seine Mutter
bewahrte alle diese Worte in ihrem Herzen.
Und Jesus nahm zu an Weisheit und Alter
und Gnade bei Gott und den Menschen.

D. Lob sei Dir, o Christus!

Pr. Durch die Worte des Evangeliums
mögen unsere Sünden getilgt werden.

Credo.

Das Credo ist das Glaubensbekenntnis, wie es
auf der ersten allgemeinen Kirchenversammlung zu
[298] Nicäa (325) und auf der zu Konstantinopel (381) er-
weitert worden ist. Es faßt in wenig Worten die
Geheimnisse der christlichen Glaubenslehre zusammen.
In der heiligen Messe bildet es den Uebergang von
der Vormesse, deren Frucht es in ein gemeinsames Be-
kenntnis zusammenfaßt, zu der eigentlichen Opferhand-
lung, welcher dieses gemeinsame Bekenntnis des Glau-
bens von Priester und Volk zur Grundlage dienen soll.
Das Credo wird nicht an allen Tagen, sondern nur an
Sonntagen, an den Festen des Herrn und an bestimm-
ten Heiligenfesten gebetet.

Credo in unumIch glaube an einen
Deum Patrem omni-Gott, den allmächti-
potentem, factoremgen Vater, den Schö-
cœli et terræ, visi-pfer Himmels und der
bilium omnium etErde, aller sichtbaren
invisibilium. Et inund unsichtbaren Din-
unum Dominum Je-ge. Und an einen
sum Christum, Fi-Herrn Jesum Chri-
lium Dei unigenitumstum, den eingebor-
et ex Patre natumnen Sohn Gottes, der
ante omnia sæcula:aus dem Vater vor
Deum de Deo, lu-allen Zeiten (von
men de lumine, De-ewig her) geboren ist,
um verum de DeoGott von Gott, Licht
vero: genitum, nonvom Lichte, wahrer
factum, consubstan-Gott vom wahren
tialem Patri, perGott, geboren, nicht
quem omnia factaerschaffen, gleichen
[299]
sunt. Qui propterWesens mit dem Va-
nos homines etter, durch welchen
propter nostram sa-alles erschaffen ist:
lutem descendit de– welcher wegen uns
cœlis. Et incarna-Menschen und wegen
tus est de Spirituunseres Heiles vom
sancto ex Maria Vir-Himmel herabgestie-
gine et homo factusgen ist und Fleisch
est (sacerdos genuaangenommen hat
flectit.) Crucifixus eti-durch den heiligen
am pro nobis subGeist aus Maria,
Pontio Pilato, pas-der Jungfrau, und
sus et sepultus est.Mensch geworden ist
Et resurrexit tertia(der Priester beugt die
die secundum scrip-Knie.) Er ist auch
turas. Et ascenditfür uns gekreuzigt
in cœlum, sedet adworden unter Pon-
dexteram Patris. Ettius Pilatus, hat ge-
iterum venturus estlitten und ist begra-
cum gloria judi-ben worden. Und Er
care vivos et mor-ist am dritten Tage
tuos, cujus regniwieder auferstanden
non erit finis. Etnach der Schrift und
in Spiritum sanctum,ist aufgefahren in den
Dominum et vivifi-Himmel, sitzet zur
cantem, qui ex Pa-Rechten des Vaters
tre Filioque proce-und wird wieder-
[300]
dit, qui cum Patrekommen mit Herrlich-
et Filio simul ado-keit zu richten die
ratur et conglorifi-Lebendigen und die
catur, qui locutusToten, und seines Rei-
est per Prophetas.ches wird kein Ende
Et unam sanctam,sein. Ich glaube auch
catholicam et apo-an den heiligen Geist,
stolicam Ecclesiam.den Herrn und Leben-
Confiteor unum bap-digmacher, der vom
tisma in remissio-Vater und Sohn
nem peccatorum. Etausgeht, der mit
expecto resurrectio-Vater und Sohn zu-
nem mortuorum etgleich angebetet und
vitam venturi sæ-mitverherrlicht wird,
culi. Amen.der gesprochen hat
durch die Propheten.
Ich glaube auch an
Eine, heilige, katho-
lische und aposto-
lische Kirche. Ich be-
kenne Eine Taufe
zur Nachlassung der
Sünden und erwarte
die Auferstehung der
Toten und ein ewi-
ges zukünftiges Leben.
Amen.
Erster Hauptteil der heiligen Messe.
[301]
Die Opferung.

Dieser Teil dient der eigentlichen sakramentalen
Opferhandlung äußerlich und innerlich als Vorberei-
tung. Während das Offertorium gesungen wurde,
trugen früher die Gläubigen ihre Opfergaben zum Al-
tare, welche nicht bloß für dieses Opfer, sondern für
kirchliche Bedürfnisse überhaupt bestimmt waren. Von
diesem Gebrauche her stammen die sogenannten Toten-
opfer, die Opfer an Festtagen, das Opfern von Kerzen
bei besondern Anlässen und die Meßstipendien.

Dann folgt die Darbringung von Brot und Wein,
welch letzterer mit etwas Wasser vermischt ist. Die
Gebete und Gebräuche, welche diese Darbringung be-
gleiten und derselben folgen, sollen die Vereinigung der
Herzen mit dem Opfer auf dem Altare, die geistige
Hingabe mit den Gott wohlfälligen Gesinnungen er-
wecken und ausdrücken. Die Räucherung, die beim feier-
lichen Gottesdienste hier vorkommt, hat dieselbe Be-
deutung, die bereits angegeben worden.

Offertorium.

Die Eltern brachten Jesus nach Jeru-
salem, um Ihn dem Herrn darzustellen.
(Luk. 2, 22.)

Opferung des Brotes.

Nimm auf, heiliger Vater, allmächtiger,
ewiger Gott, dieses unbefleckte Opfer, welches
[302] ich, dein unwürdiger Diener, Dir, meinem
lebendigen und wahren Gott, darbringe für
meine unzähligen Sünden, Beleidigungen
und Nachlässigkeiten, und für alle Anwesen-
den, sowie auch für alle gläubigen Christen,
Lebende und Hingeschiedene, auf daß es mir
und ihnen förderlich sei zum ewigen Leben.

Bei der Mischung des Weines mit
Wasser.

O Gott, der Du die Würde des mensch-
lichen Wesens wunderbar gebildet, und
wunderbarer erneuert hast: verleihe uns durch
das Geheimnis dieses Wassers und Weines,
der Göttlichkeit dessen teilhaftig zu werden,
der sich gewürdiget hat, an unserer Mensch-
heit teilzunehmen, Jesus Christus, dein
Sohn, unser Herr, der mit Dir lebt und re-
giert in der Einigkeit des heiligen Geistes,
Gott von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.

Bei der Darbringung des Kelches.

Wir bringen Dir dar, o Herr, den Kelch
des Heiles und flehen zu deiner Milde, daß
er im Angesichte deiner göttlichen Majestät
zu unserem und zum Heile der ganzen Welt
[303] mit lieblichem Gernche emporsteigen möge.
Amen.

Im Geiste der Demut und mit zerknirsch-
tem Herzen mögen wir aufgenommen wer-
den, von Dir, o Herr, und so möge heute
vor deinem Angesichte unser Opfer werden,
daß es Dir gefalle, Herr, unser Gott!

Komm, Heiligmacher, allmächtiger, ewiger
Gott, und segne dieses Opfer, das deinem
heiligen Namen bereitet ist.

Bei der Händewaschung.

Mit den Unschuldigen will ich meine
Hände waschen, und um deinen Altar sein,
o Herr!

Damit ich höre die Stimme des Lobes,
und erzähle alle deine Wunder.

Herr, ich liebe die Zierde deines Hauses
und den Ort der Wohnung deiner Herrlichkeit.

Laß nicht zu Grunde gehen mit den
Gottlosen, o Gott, meine Seele, und mit
den Männern des Blutes mein Leben, in deren
Händen Ungerechtigkeit ist, deren Rechte ge-
füllt ist mit Geschenken.

Ich aber bin gewandelt in meiner Un-
schuld, darum erlöse mich, und erbarme Dich
meiner.

[304]

Mein Fuß ist gestanden auf rechtem Wege,
in den Versammlungen will ich Dich loben,
o Herr!

Ehre sei dem Vater u. s. w.

In der Mitte des Altares.

Nimm auf, heilige Dreifaltigkeit, dieses
Opfer, das wir Dir darbringen ob des Ge-
dächtnisses des Leidens, der Auferstehung
und Himmelfahrt Jesu Christi, unseres Herrn,
und zur Ehre der heiligen Jungfrau Maria
und des heiligen Johannes des Täufers
und der heiligen Apostel Petrus und Pau-
lus, und dieser und aller Heiligen, auf daß
es jenen gedeihe zur Ehre, uns aber zum
Heile und jene für uns bitten mögen im
Himmel, deren Andenken wir feiern auf
Erden, durch denselben Christus, unsern Herrn.
Amen.

Wenn sich der Priester zum Volke wendet.

Pr. Betet Brüder, damit mein und euer
Opfer wohlgefällig werde bei Gott, dem
allmächtigen Vater.

D. Der Herr nehme dies Opfer von
deinen Händen an zum Lob und Preis
seines heiligen Namens, sowie auch zum
[305] Nutzen für uns und seine ganze heilige
Kirche. – Pr. Amen.

Stille Gebete.

Wir bringen Dir, o Herr, das Opfer der
Versöhnung dar, indem wir Dich flehentlich
bitten, Du mögest um der Fürsprache der
jungfräulichen Gottesgebärerin und des hei-
ligen Joseph willen unsere Familien in dei-
nem Frieden und in deiner Gnade befestigen,
durch unsern Herrn Jesum Christum, deinen
Sohn, welcher mit Dir in der Gemeinschaft
des heiligen Geistes lebt und regiert.

Die Präfation mit dem Sanktus.

S. Per omnia sæ-Pr. Von Ewigkeit
cula sæculorum.zu Ewigkeit.
M. Amen.D. Amen.
S. Dominus vo-Pr. Der Herr sei
biscum.mit euch.
M. Et cum spirituD. Und mit deinem
tuo.Geiste.
S. Sursum corda.Pr. Erhebet die
Herzen.
M. Habemus adD. Wir haben sie
Dominum.zum Herrn erhoben.
[306]
S. Gratias aga-Pr. Lasset uns Dank
mus Domino Deosagen dem Herrn, un-
nostro.serm Gott.
M. Dignum et ju-D. Es ist würdig
stum est.und recht.
S. Vere dignum etPr. Wahrlich ist es
justum est, æquumwürdig und recht, bil-
et salutare, noslig und heilsam, daß
tibi semper et ubi-wir Dir immer und
que gratias agere,überall Dank sagen,
Domine sancte, Pa-o heiliger Herr, all-
ter omnipotens, æ-mächtiger Vater, ewi-
terne Deus: perger Gott! durch Chri-
Christum, Dominumstum, unsern Herrn.
nostrum. Per quemDurch Ihn loben die
majestatem tuamEngel deine Majestät,
laudant Angeli, ado-beten an die Herr-
rant Dominationes,schaften, zittern die
tremunt Potestates.Mächte. Die Himmel
Cœli cœelorumqueund die Kräfte der
virtutes ac beataHimmel und die se-
Seraphim socia ex-ligen Seraphim prei-
ultatione concele-sen Dich in gemein-
brant. Cum quibussamem Frohlocken.
et nostras voces utDaß Du mit ihnen
admitti jubeas de-auch unsere Bitten
precamur: suppliciwollest zu Dir kom-
[307]
confessione dicen-men lassen, flehen wir,
tes:indem wir in demü-
tigem Bekenntnisse
sprechen:
Sanctus, sanctus,Heilig, heilig, hei-
sanctus Dominuslig, ist der Herr Gott
Deus Sabaoth.der Heerscharen.
Pleni sunt cœliVoll sind Himmel
et terra gloria tua.und Erde von deiner
Herrlichkeit.
Hosanna in ex-Hosanna in der
celsis! BenedictusHöhe! Gepriesen sei,
qui venit in nomineDer da kommt im
Domini! HosannaNamen des Herrn!
in excelsis!Hosanna in der Höhe!
Zweiter Hauptteil der hl. Messe.

Der Kanon.

Nachdem die Opfergaben und die Herzen vorbe-
reitet sind, folgt nun die eigentliche Opferhandlung.
Dieser Teil der heiligen Messe, Kanon oder Regel ge-
nannt, weil er sich immer gleich bleibt, wird stille
gebetet, zum Zeichen, daß hier ein Geheimnis verwal-
tet wird. Bei der heiligen Wandlung werden Brot
und Wein in den Leib und in das Blut Jesu Christi
verwandelt, der sein blutiges Opfer auf unblutige Weise
erneuert, und sich selber aufopfert als Anbetungs-,
Dank-, Sühn- und Bittopfer.

[308]

Vor der Wandlung vereinige deine Anliegen und
die Fürbitten für die Lebenden mit dem heiligen Opfer;
bei der Wandlung bete Jesus Christus an und opfere
sein Fleisch und Blut dem himmlischen Vater auf; nach
der Wandlung gedenke der Abgestorbenen.

Dich also, huldreichster Vater, bitten wir
durch Jesus Christus, deinen Sohn, unsern
Herrn, und flehen in Demut, daß Du wohl-
gefällig aufnehmest und segnest diese Gaben,
diese Geschenke, diese heiligen Opfer, die
wir Dir besonders darbringen für deine hei-
lige katholische Kirche, auf daß Du diese im
Frieden erhalten, beschützen, einigen und re-
gieren wollest, zugleich mit deinem Diener,
unserm Papste N. und unserm Bischof N.,
und allen Rechtgläubigen und Pflegern des
katholischen Glaubens.

Gedenke, o Herr, deiner Diener und
Dienerinnen N. und N. (hier erinnere dich
an jene, welche du besonders in das heilige
Opfer empfehlen willst),
und aller Umstehen-
den, deren Glaube und Andacht Dir be-
kannt ist, für welche wir Dir darbrin-
gen, oder welche Dir darbringen dieses
Opfer des Lobes, für sich und all die Ih-
rigen, für die Erlösung ihrer Seelen, für
die Hoffnung ihres Heils und ihrer Rettung,
und die ihre Bitten Dir vortragen, Dir, dem
[309] ewigen, lebendigen und wahren Gott, in
Gemeinschaft und in Verehrung des Anden-
kens besonders der glorreichen, allzeit jung-
fräulichen Maria, der Mutter unseres Gottes
und Herrn Jesus Christus, aber auch deiner
heiligen Apostel und Martyrer und aller dei-
ner Heiligen, durch deren Verdienste und
Bitten Du uns verleihen mögest, daß wir
in allem durch die Hilfe deines Schutzes be-
schirmt werden, durch denselben Christus,
unsern Herrn. Amen.

Dieses Opfer also unseres Dienstes, aber
auch deiner ganzen Familie, nimm, wir bit-
ten Dich, o Herr, wohlgefällig auf, und ordne
unsere Tage im Frieden, und laß uns von
der ewigen Verdammnis befreit und der
Herde deiner Auserwählten beigezählt werden,
durch Jesus Christus, unsern Herrn. Amen.

Bei der heiligen Wandlung.

Es schweige alles sterbliche Fleisch und
harre mit Furcht und Zittern, und kein ir-
discher Gedanke soll in demselben sein! Denn
der König der Könige, der Herr der Herr-
schenden, Christus, unser Gott erscheint, um
geopfert zu werden und sich den Gläubigen
als Speise hinzugeben! Es nahen die Chöre
[310] der Engel mit den Mächten und Herrschaf-
ten, den Cherubim und Seraphim, verhüllend
ihr Antlitz und lobsingend: Alleluja! Alle-
luja! Alleluja! (Aus der Liturgie des hl. Jakobus.)

Bei der Aufhebung der hl. Hostie.

Jesus, ich glaube an Dich; Jesus, ich
hoffe auf Dich; Jesus, ich liebe Dich; Jesus,
ich bete Dich an und danke Dir!

Bei der Aufhebung des Kelches.

Jesus, sei mir gnädig; Jesus, sei mir
barmherzig; Jesus, verzeihe mir meine
Sünden!

Nach der Wandlung.

So sind wir denn auch eingedenk, Herr,
wir, deine Diener, und auch dein heiliges
Volk, des so heiligen Leidens desselben Chri-
stus, deines Sohnes, unseres Herrn, so wie
auch seiner Auferstehung von den Toten,
wie auch der glorreichen Auffahrt in den
Himmel, und bringen deiner erhabenen Ma-
jestät von deinen Gaben und Geschenken ein
reines Opfer, ein heiliges Opfer, ein unbe-
flecktes Opfer, das heilige Brot des ewigen Le-
bens, und den Kelch des beständigen Heiles.

Auf dieses würdige Dich herabzuschauen
mit versöhntem und freundlichem Blicke, und
[311] es wohlgefällig aufzunehmen, wie Du Dich
gewürdiget hast, wohlgefällig aufzunehmen
die Gaben deines gerechten Dieners Abel
und das Opfer deines Patriarchen Abraham,
und das Dir dein Hoherpriester Melchisedech
dargebracht, ein heiliges Opfer, eine unbe-
fleckte Gabe.

Flehentlich bitten wir Dich, allmächtiger
Gott, laß dieses Opfer durch die Hände
deines heiligen Engels hinauftragen auf
deinen erhabenen Altar, vor das Angesicht
deiner göttlichen Majestät, auf daß wir alle,
die aus dieser Gemeinschaft des Altares den
hochheiligen Leib und das hochheilige Blut
deines Sohnes empfangen werden, mit allem
himmlischen Segen, und mit Gnade erfüllt
werden mögen, durch denselben Christus,
unsern Herrn. Amen.

Gedenke auch, o Herr, deiner Diener
und Dienerinnen N. und N., die uns
vorausgegangen sind mit dem Zeichen des
Glaubens und schlafen den Schlummer
des Friedens. (Hier gedenke der Abgestorbenen,
für welche du zu beten schuldig bist.)
Ihnen,
o Herr, und allen in Christus Ruhenden
verleihe, wir bitten Dich, den Ort der Er-
quickung, des Lichtes und des Friedens,
[312] durch denselben Christus, unsern Herrn.
Amen.

Auch uns Sündern, deinen Dienern,
würdige Dich, da wir auf die Menge dei-
ner Erbarmungen hoffen, Anteil und Ge-
meinschaft zu verleihen mit deinen heiligen
Aposteln und Martyrern und allen deinen
Heiligen; nimm uns auf in deren Gesell-
schaft, indem Du nicht auf unser Verdienst
schauest, sondern Barmherzigkeit uns erzei-
gest, durch Christus, unsern Herrn. Amen.

Dritter Hauptteil der hl. Messe.

Die heilige Kommunion.

Das Vater unser steht am Beginne dieses Tei-
les der heiligen Messe, und soll da mit der größten
Zuversicht gebetet werden, wo Christus als Hoherprie-
ster und hochheiliges Opfer zugegen ist. Den Mittel-
punkt für die weiteren Gebete bildet die Kommunion
des Priesters
, welcher sie teils als Vorbereitung,
teils als Danksagung dienen. In den ersten Zeiten
kommunizierten die Anwesenden mit dem Priester. Vor-
her empfingen sie den Friedenskuß, der jetzt nur noch
bei dem feierlichen Gottesdienst dem assistierenden Kle-
rus erteilt wird, und während der Kommunion der
Gläubigen wurden Stellen aus den Psalmen gesungen,
die davon den Namen Kommunion jetzt noch haben.
Die Kirche ermahnt die Gläubigen, welche nicht wirk-
lich kommunizieren, dies wenigstens geistiger Weise
zu thun. In den Messen für die Abgestorbenen wird
[313] der Segen am Schlusse nicht erteilt, was andeuten
soll, daß die Frucht dieses Opfers hauptsächlich den
Abgestorbenen zugewendet werde. Ebenso wird das
Evangelium des heiligen Johannes durch ein
anderes ersetzt, wenn auf denselben Tag zwei Evan-
gelien, z. B. ein sonntägliches und ein festtägliches zu-
sammentreffen.

Das Pater noster.

S. Per omnia sæ-Pr. Von Ewigkeit
cula sæculorum.zu Ewigkeit.
M. Amen.D. Amen.
Oremus.Lasset uns beten.
Præceptis saluta-Durch heilsame Vor-
ribus moniti et divi-schriften ermuntert
na institutione for-und durch göttlichen
mati audemus di-Unterricht belehrt,
cere:wagen wir zu sagen:
Pater noster, quiVater unser, der
es in cœlis, sancti-Du bist in dem Him-
ficetur nomen tuum,mel, geheiliget werde
adveniat regnumdein Name, zukom-
tuum, fiat voluntasme uns dein Reich,
tua sicut in cœlo etdein Wille geschehe
in terra. Panem no-wie im Himmel also
strum quotidianumauch auf Erden. Un-
da nobis hodie, etser tägliches Brot gieb
dimitte nobis debitauns heute, und ver-
nostra, sicut et nosgieb uns unsere Schul-
[314]
dimittimus debito-den, wie auch wir ver-
ribus nostris. Etgeben unsern Schuldi-
ne nos inducas ingern. Und führe uns
tentationem.nicht in Versuchung.
M. Sed libera nosD. Sondern erlöse
a malo.uns von dem Uebel.
S. Amen.Pr. Amen.

Befreie uns, wir bitten Dich, o Herr,
von allen Uebeln, vergangenen, gegenwär-
tigen, zukünftigen, und durch die Fürbitte
der seligen und glorreichen, allzeit jungfräu-
lichen Gottesmutter Maria, mit deinen hei-
ligen Aposteln Petrus und Paulus und An-
dreas und allen Heiligen, gieb gnädig in
unsern Tagen Frieden, auf daß wir durch
die Hilfe deiner Barmherzigkeit unterstützt,
sowohl von Sünden immer frei, als auch
vor aller Verwirrung sicher seien, durch den-
selben Jesus Christus, unsern Herrn, dei-
nen Sohn, welcher mit Dir lebt und regiert
in der Einigkeit des heiligen Geistes

S. Per omnia sæ-Pr. Von Ewigkeit
cula sæculorum.zu Ewigkeit.
M. Amen.D. Amen.
S. Pax Domini sitPr. Der Friede des
semper vobiscum.Herrn sei immer mit
euch.
[315]
M. Et cum spirituD. Und mit deinem
tuo.Geiste.

Der Priester läßt einen Teil der Hostie in den Kelch
fallen.

Diese Vermischung und Weihung des
Leibes und Blutes unseres Herrn Jesus
Christus werde uns, die wir davon empfan-
gen, zum ewigen Leben. Amen.

Agnus Bei.

O Du Lamm Gottes, das Du hinweg-
nimmst die Sünden der Welt, – erbarme
Dich unser!

O Du Lamm Gottes ꝛc., – erbarme Dich
unser!

O Du Lamm Gottes ꝛc., – gieb uns den
Frieden!

Kommuniongebete.

Herr Jesus Christus, der Du deinen
Aposteln gesagt hast: den Frieden hinter-
lasse Ich euch, meinen Frieden gebe Ich euch:
schaue nicht auf meine Sünden, sondern auf
den Glauben deiner Kirche, und verleihe ihr
nach deinem Willen Frieden und Einigkeit,
der Du lebst und regierst Gott von Ewigkeit
zu Ewigkeit. Amen.

Herr Jesus Christus, Sohn des lebendigen
Gottes, der Du nach dem Willen des Vaters,
[316] unter Mitwirkung des heiligen Geistes, durch
deinen Tod die Welt wieder belebt hast:
befreie mich durch diesen deinen hochheiligen
Leib und dein hochheiliges Blut von allen
meinen Ungerechtigkeiten und von allen Ue-
beln und mache, daß ich allzeit deinen Ge-
boten anhange, und lasse nicht zu, daß ich
je von Dir geschieden werde, der Du mit
demselben Gott dem Vater und dem heiligen
Geiste lebst und regierst ꝛc. Amen.

Der Empfang deines Leibes, Herr Jesus
Christus, den ich Unwürdiger zu genießen
wage, gereiche mir nicht zum Gerichte und
zur Verdammung, sondern gedeihe mir nach
deiner Milde zum Schutz- und Heilmittel für
Seele und Leib, der Du lebst und regierst mit
Gott dem Vater in Einigkeit des hl. Geistes
Gott von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.

Das Brot vom Himmel will ich empfan-
gen und den Namen des Herrn anrufen.

O Herr, ich bin nicht würdig, daß Du
eingehst unter mein Dach: sondern sprich nur
ein Wort, so wird gesund meine Seele.

(Dreimal.)

Der Leib unseres Herrn Jesu Christi
bewahre meine Seele zum ewigen Leben.
Amen.

[317]

Was soll ich dem Herrn geben für al-
les, was Er mir gegeben? Den Kelch des
Heiles will ich empfangen, und den Namen
des Herrn anrufen, und vor meinen Fein-
den werde ich gerettet sein.

Das Blut unseres Herrn Jesu Christi be-
wahre meine Seele zum ewigen Leben. Amen.

Was wir mit dem Munde empfangen,
Herr, das mögen wir erfassen mit reinem
Geiste, und die Gabe in der Zeit werde uns
ein Heilmittel für die Ewigkeit!

Dein Leib, o Herr, den ich empfangen,
und das Blut, das ich getrunken, bleibe in
meinem Innersten, und Du gewähre, daß
in mir keine Makel der Sünden zurückbleibe,
nachdem mich neu belebt haben die reinen
und heiligen Geheimnisse, der Du lebst und
regierst von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.

Zur Kommunion.

Und Er zog mit ihnen hinab, und kam nach
Nazareth, und Er war ihnen unterthan.
(Luk. 2, 51.)

Kirchengebet nach der hl. Kommunion.

Lasset uns beten.

Bewirke, o Herr Jesus, daß wir, die Du
mit den himmlischen Geheimnissen stärkest,
[318] das Beispiel deiner heiligen Familie eifrig
nachahmen, und daß in der Stunde unseres
Todes die glorreiche Jungfrau, deine Mut-
ter, mit dem heiligen Joseph uns entgegen-
komme und wir von Dir in die ewigen
Wohnungen aufgenommen zu werden wür-
dig erfunden werden, der Du lebst und re-
gierst mit Gott dem Vater in der Gemein-
schaft des heiligen Geistes von Ewigkeit zu
Ewigkeit. Amen.

Pr. Der Herr sei mit euch.

D. Und mit deinem Geiste.

Pr. Gehet, die Messe ist vollendet.

Oder: Pr. Lasset uns den Herrn preisen.

D. Gott sei Dank.

In den Totenmessen.

Pr. Sie mögen ruhen im Frieden.

D. Amen.

O heilige Dreifaltigkeit, es möge Dir
der Dienst meiner Unterwürfigkeit gefallen,
und verleihe, daß das Opfer, das ich Un-
würdiger vor den Augen deiner göttlichen
Majestät dargebracht habe, Dir wohlgefällig,
mir aber und allen, für welche ich es dar-
brachte, durch deine Erbarmung heilsam sei:
durch Christum, unsern Herrn. Amen.

[319]

Pr. (segnet das Volk).

Es segne euch (mich) der allmächtige
Gott † Vater und Sohn und heiliger Geist.

D. Amen.

Pr. Der Herr sei mit euch.

D. Und mit deinem Geiste.

Pr. † Anfang des Evangeliums nach dem
heiligen Johannes.

D. Ehre sei Dir, o Herr!

Im Anfange war das Wort, und das
Wort war bei Gott, und Gott war das
Wort. Dieses war im Anfange bei Gott.
Alles ist durch dasselbe gemacht worden, und
ohne dasselbe wurde nichts gemacht, was
gemacht worden ist. In Ihm war das
Leben und das Leben war das Licht der
Menschen. Und das Licht leuchtete in der
Finsternis, aber die Finsternis hat es nicht
begriffen. Es war ein Mensch von Gott ge-
sandt, der hieß Johannes. Dieser kam zum
Zeugnisse, damit er Zeugnis von dem Lichte
gäbe, auf daß alle durch ihn glauben möch-
ten. Er war nicht das Licht, sondern er
sollte Zeugnis von dem Lichte geben. Die-
ses war das wahre Licht, welches alle Men-
schen, die in diese Welt kommen, erleuchtet.
Es war in der Welt, und die Welt ist durch
[320] dasselbe gemacht worden, aber die Welt hat
Ihn nicht erkannt. Er kam in sein Eigen-
tum, und die Seinigen nahmen Ihn nicht
auf. Allen aber, die Ihn aufnahmen, gab
Er Macht, Kinder Gottes zu werden, denen
nämlich, die an seinen Namen glauben,
welche nicht aus dem Geblüte, nicht aus
dem Willen des Fleisches, noch aus dem
Willen des Mannes, sondern aus Gott
geboren sind. Und das Wort ist Fleisch
geworden und hat unter uns gewohnt: und
wir haben seine Herrlichkeit gesehen, die
Herrlichkeit als des Eingebornen vom Va-
ter, voll der Gnade und Wahrheit. (Jo-
hannes 1, 1–14.)

D. Gott sei Dank.

[figure]

Zweite Meßandacht.

[321]

Diese Meßandacht soll als Anleitung dienen, durch
die Teilnahme am heiligen Meßopfer die notwendigen
Gnaden für das eigene Seelenheil zu erlangen.

Es ist sehr zu empfehlen, daß du diese Gebete lang-
sam verrichtest und bei jedem Satze ein wenig betrach-
tend verweilest. Es schadet nichts, wenn schon nicht
alle Gebete ganz gelesen werden. Gott schaut nicht
auf die Zahl deiner Gebetsworte in deinem Gebetbuche,
sondern auf die Gesinnungen in deinem Herzen.

Vorbereitung.

Ich will hintreten zu dem Al-
tare Gottes, zu Gott, der meine
Jugend erfreut
. (Ps. 42, 4.)

O göttlicher Heiland! ich glaube, daß
Du in der heiligen Messe das Opfer des
Kreuzes auf unblutige Weise erneuerst; ich
begrüße Dich als meinen Hohenpriester, mei-
nen Mittler beim Vater; ich weiß, daß ich
nirgends und bei keinem Anlasse den himm-
lischen Vater so vollkommen ehren, und für
mich so reichliche Gnaden erlangen kann,
wie in der würdigen Teilnahme an deinem
heiligen Opfer.

Darum wage ich armseliges Geschöpf
voll Sünden und Gebrechen, vor Dir zu
[322] erscheinen, ich komme mit den Gesinnungen
der Demut und Reue, voll Verlangen nach
deiner Gnade, voll Vertrauen auf deine Liebe,
und will an deinem heiligen Opfer teilneh-
men, um:

1. Durch Dich und mit Dir deinen Vater
anzubeten und zu verherrlichen,

2. das Andenken deines Leidens und
Sterbens zu feiern,

3. für alle allgemeinen und besonderen
Wohlthaten zu danken,

4. durch Dich für meine vielen Sünden
und Sündenstrafen Genugthuung zu leisten,

5. durch dein Opfer und deine Verdienste
Gnade und Hilfe zu erlangen (für mich, für
andere, in dieser Versuchung...., diesen
Leiden...., dieser Entscheidung....).

Zum Staffelgebet.

Mit deinem Diener David rufe ich zu Dir, o
Herr: Der Sünden meiner Jugend
und meiner Unachtsamkeit gedenke
nicht. Nach deiner Barmherzig-
keit gedenke meiner, um deiner
Güte willen, o Herr
! (Ps. 24, 7.)

Viele Fehler an mir erkenne ich selber,
aber dein allwissendes Auge sieht noch viele,
[323] die ich nicht beachte. Wie manche habe ich
begangen mit lachendem Munde, wo ich über
mich hätte weinen sollen! Wohin komme
ich, wenn die Sünden meiner Jugend und
meiner Unachtsamkeit noch weiter mein Herz
beflecken?

Uederdenke einen Augenblick die Sünden seit der
letzten Beicht und dann sprich:

O mein göttlicher Erlöser! Einst auf
Erden wandelnd, hast Du die reuigen Sün-
der liebevoll aufgenommen, ihnen ihre Sün-
den nachgelassen und die Gnade der Besse-
rung verliehen, Dich sogar mit ihnen zu Tische
gesetzt. Ich komme zu Dir als reumütiger
Sünder, nimm auch mich gnädig auf, reinige
meine Seele, laß mich würdig teilnehmen an
deinem himmlischen Gastmahle, und erhalte
mich in deiner Gnade. Amen.

Zum Eingang und Kyrie.

Kommet, lasset uns anbeten
und niederfallen, und meinen vor
dem Herrn, der uns gemacht hat
.
Denn Er ist der Herr, unser Gott,
und wir sind das Volk desselben
und die Schafe seiner Herde
. (Ps. 94,
6, 7.)

[324]

Herr, erbarme Dich unser! Du hast meine
Seele nach deinem Ebenbild erschaffen, mache
sie Dir immer ähnlicher in Gnade und Hei-
ligkeit, und gestatte nicht, daß dein Bild in
mir durch Sünden verunstaltet werde.

Christus, erbarme Dich unser! Du hast
meine Seele mit deinem kostbaren Blute er-
löst, beschütze sie gegen alle ihre Feinde, und
erhalte sie immerdar in deiner Wahrheit
und Liebe.

Herr, erbarme Dich unser! O heiliger
Geist, Du hast meine Seele in der heiligen
Taufe geheiliget und zu deinem Tempel ge-
macht, erfülle sie ganz mit deiner Gnade
und laß nicht zu, daß mit der Sünde der
Greuel der Verwüstung über diesen deinen
Tempel komme.

Zum Gloria.

Ehre sei Gott in der Höhe, und
Friede den Menschen auf Erden
,
die eines guten Willens sind.
(Luk. 2, 14.) Was die Engel in Bethlehem ge-
sungen, das setzen sie in ewigen Jubelliedern
im Himmel fort, und alle geretteten Seelen,
welche in den Himmel eingehen, stimmen
ein in diese Lobpreisungen des lebendigen
[325] Gottes. Auch ich hoffe einst dort mitzujubeln,
aber ich muß schon auf Erden Gott verherr-
lichen, wenn ich dieses Glück erlangen soll.
Ich will es thun, nicht bloß mit wenigen
schwachen Worten, sondern mit allen meinen
Gedanken, Worten und Werken, mit meinen
Arbeiten, Leiden und Ueberwindungen. Alles
diene zur größern Ehre Gottes in Verei-
nigung mit dem Lobe aller Geschöpfe im
Himmel und auf Erden und mit dem Opfer,
in welchem Christus auf dem Altare seinem
Vater die höchste Ehre erweist. Alles, was
ich zur Verherrlichung Gottes thun kann,
ist nur ein einziger schwacher Ton in dem
großen Jubelgesang aller Geschöpfe, aber
ich hoffe doch, Gott werde mir dafür um der
Verdienste Christi willen hienieden den Frie-
den des Herzens schenken, und mir gestat-
ten, Ihn einst im Himmel mit allen Aus-
erwählten in vollkommenerer Weise zu loben
und zu preisen. Amen.

Zu den Kirchengebeten.

Wahrlich, wahrlich, sage Ich euch,
wenn ihr den Vater in meinem Na-
men um etwas bitten werdet, wird
es euch gegeben. Bisher habt ihr
[326] um nichts in meinem Namen ge-
beten. Bittet, so werdet ihr em-
pfangen, auf daß euere Freude
vollkommen werde
. (Joh. 16, 23. 24.) Un-
ser Vater im Himmel hat überflüssige Hilfe
für uns armselige Menschen bereit, und seine
Liebe will uns gerne erhören und uns hel-
fen, wenn wir, wie es Kindern geziemt,
Ihn darum bitten mögen. Sein göttlicher
Sohn hat uns beten gelehrt und dem Gebete
in seinem Namen die trostreichsten Verheißun-
gen gegeben. In der heiligen Messe erscheint
Er in unserer Mitte, um als unser Für-
sprecher selber unsere Bitten und Anliegen
seinem Vater vorzutragen.

Hier überdenke, welche besondere Gnade oder Hilfe
du für dich oder andere in dieser heiligen Messe er-
langen willst und sprich:

Ich vereinige meine Bitten mit denen
des Priesters und der ganzen Kirche und
mit dem Opfer Jesu Christi auf dem Al-
tare. Ich hoffe, o himmlischer Vater, was
meine Unwürdigkeit nicht verdient, von Dir
zu erlangen durch Jesum Christum, deinen
Sohn, unsern Herrn, welcher mit Dir in der
Einigkeit des heiligen Geistes lebt und regiert
von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.

[327]

Insbesondere bitte ich um die Gnade,
so würdig und andächtig diesem heiligen
Opfer beizuwohnen, daß ich reich an Trost
und Segen von dannen gehen kann. Amen.

Zur Epistel.

Wer aus Gott ist, der höret
Gottes Wort
. (Joh. 8, 47.) Christus hat
die Apostel ausgesendet, um den Menschen
seine himmlische Lehre zu verkünden. Mir
macht Er sie bekannt durch die Diener seiner
Kirche im christlichen Unterrichte und durch
die Verkündigung des Wortes Gottes.

Wenn ich ein Kind Gottes sein will, so
muß ich das Wort Gottes mit Freude und
Eifer vernehmen. Wenn ich in den Him-
mel kommen will, so muß ich in den Lehren
und Geboten, die mich dorthin führen sollen,
wohl unterrichtet sein. Darum will ich das
Wort Gottes recht hochschätzen und Gott da-
für dankbar sein, ich will es fleißig und
aufmerksam anhören, und alles thun, damit
es bei mir gute Früchte bringt.

Göttlicher Heiland! verleihe mir die Gnade,
daß ich deine himmlische Lehre recht verstehe,
unverlierbar meiner Seele einpräge und im
Leben treu befolge. Amen.

Zum Evangelium.
[328]

Ich bin der Weg, die Wahrheit
und das Leben
. (Joh. 14, 6.) Wer Mir
nachfolgt, der wandelt nicht in der
Finsternis
. (Joh. 8, 12.)

O Herr Jesus Christus! Ich bin fest
überzeugt, daß Du der Sohn Gottes bist
und jedes Wort, das Du gesprochen hast,
ewige Wahrheit ist. In diesem Glauben
will ich leben und sterben.

Aber die Welt ist voll von Gefahren für
den Glauben, und viele, die einst an Dich
glaubten und Dich liebten, sind verführt wor-
den und von Dir abgefallen. Ich habe allen
Grund, mich vor diesen Gefahren und mei-
ner eigenen Schwachheit zu fürchten. Ich
will alles sorgfältig fliehen, was dem Glau-
ben schaden kann, ich will mich im Glau-
ben gut unterrichten lassen, ihn recht hoch-
schätzen, ihn fleißig erwecken und üben. Aber
das kann ich nur, wenn deine Gnade mich
erleuchtet und stärkt. Deine Apostel sind
durch die Herabkunft des heiligen Geistes
aus schwachen, furchtsamen Menschen große
Leuchten des Glaubens geworden. Ich bitte
recht demütig, daß der heilige Geist den
[329] wahren, festen und lebendigen Glauben in
meiner Seele erhalten und befestigen möge.
Amen.

Zum Credo.

Wer mich vor den Menschen be-
kennen wird, den will Ich auch be-
kennen vor meinem Vater, der im
Himmel ist
. (Matth. 10, 32.)

Als schwacher Mensch fürchte ich Spott
und Verfolgung, und ich würde fallen wie
Petrus, wenn es nur auf meine Kraft an-
kommen würde. Aber Du hast mir in der
heiligen Firmung die Gnade eines starken
Glaubens und eines mutigen Bekenntnisses
gegeben. Wenn ich die unnötigen Gefah-
ren meide, auf die Gnade vertraue und ihr
treu mitwirke, so bin ich stärker als die
ganze Welt. Wenn ich bedenke, daß Du
mit allen Heiligen und Martyrern vom Him-
mel auf mich herabschaust, daß Du am jüng-
sten Tage die mutigen Bekenner des Glau-
bens vor aller Welt ehren und die Feiglinge
und Abtrünnigen beschämen und bestrafen
wirst, so muß ich allen Spott einfältiger
Menschen verachten und entschlossen deine
göttliche Lehre zeitlebens ohne Scheu vor
[330] allen Menschen in Wort und Werk beken-
nen. Wenn ich auch alles, selbst das Leben
opfern müßte, will ich doch mit Herz und
Mund den heiligen Glauben festhalten und
laut bekennen: Ich glaube an Gott Vater
u. s. w.

Zur Opferung.

Ein Opfer vor Gott ist ein zer-
knirschter Geist; ein zermalmtes
und gedemütigtes Herz wirst Du
,
o Gott, nicht verachten. Dann wirst
Du annehmen das Opfer der Ge-
rechtigkeit
. (Ps. 50, 19. 21.)

O himmlischer Vater! Der Priester opfert
Dir Brot und Wein auf, welche in den
heiligen Leib und das heilige Blut Jesu
Christi verwandelt werden sollen. Kostbar
und heilig ist wohl die Opfergabe, aber auch
die Herzen sollen rein sein, welche an dem
Opfer Teil haben wollen, und rein die Hände,
welche es darbringen. Leider muß ich nun
bekennen, daß meine begangenen Sünden
groß und zahlreich sind, und daß ich jetzt
noch in meinem Herzen viele Wünsche und
Begierden habe, welche auf nichtige und
eitle, selbst auf sündhafte Dinge gerichtet
[331] sind und die mich zeitlich und ewig unglück-
lich machen würden, wenn ich ihnen folgen
wollte. Bei all dieser Unordnung in meinem
Herzen kann ich Dir doch bei diesem Opfer
wohlgefällig werden, wenn ich meine un-
geordneten Wünsche und Begierden selber
zu einem Opfer mache, welches ich aus Liebe
Dir darbringe.

Hier überdenke ein wenig, welche von deinen
Wünschen oder Vergnügen Christus mißfallen und
für deine Seele gefährlich sind. Wovor dich dein
Seelenführer oder deine Eltern schon gewarnt haben,
was dich am meisten beunruhigen würde, wenn du
nächstens sterben müßtest, das wähle als Opfer aus
und bete:

Weil ich Dir, o himmlischer Vater, nichts
Gutes anbieten kann, so will ich aus Liebe
zu Dir wenigstens meine Anhänglichkeit an
das Böse und Verkehrte opfern, ich will das
Unkraut dieser bösen Begierde..., dieses
leichtsinnigen Vergnügens... aus meinem
Herzen reißen und zu meinem Opfer machen,
welches ich mit dem Opfer deines göttlichen
Sohnes vereinige. Ich weiß, daß solche
Ueberwindungen Dir angenehm und mir
höchst heilsam sind. Gieb mir die Gnade,
dieses Opfer nicht bloß jetzt anzubieten,
sondern im Leben wirklich zu vollbringen
[332] und dem gemachten Vorsatze treu zu bleiben.
Möchte ich doch bei jeder heiligen Messe ein
solches Opfer auf den Altar legen und möchte
so mein Herz immer reiner und schöner,
dem Herzen deines Sohnes immer ähnlicher
werden, bis dein allheiliges Auge nichts
Mißfälliges mehr an mir findet! Unter-
dessen ist es mein Trost, daß ein zerknirsch-
ter Geist vor Dir als wohlgefälliges Opfer
gilt, daß Du ein zermalmtes und gedemü-
tigtes Herz nicht verachtest und von ihm das
Opfer der Gerechtigkeit annimmst, daß Du
den guten Willen der Schwachen barmherzig
ansiehst und gerne mit deiner Gnade stärken
willst. Amen.

Zur Präfation und Sanktus.

Danket allzeit für alles Gott,
dem Vater im Namen unseres Herrn
Jesu Christi
. (Eph. 5, 20.)

Ueberdenke ein wenig die unendliche Liebe und
Freigebigkeit Gottes gegen dich, denke an die Wohl-
thaten der Erschaffung, Erlösung und Heiligung, an
die unzähligen Gaben für Leib und Seele, die dir täg-
lich zukommen, an die große Langmut und Geduld
mit der Gott deine Sünden, deinen Undank und deine
Untreue erträgt, an das Wunder der göttlichen Liebe
in der heiligen Messe; unter diesen zahllosen Wohl-
[333] thaten denke besonders an jene, für welche du noch
nie Dank gesagt hast, oder welche dir erst neuestens zu-
gekommen sind, und bete mit der Kirche:

Wahrlich, es ist würdig und recht, billig
und heilsam, daß wir Dir immer und über-
all Dank sagen, o heiliger Herr, allmächtiger
Vater, ewiger Gott! durch Christum, unsern
Herrn. Durch Ihn loben die Engel deine
Majestät, beten an die Herrschaften, zittern
die Mächte. Die Himmel und die Kräfte
der Himmel und die seligen Seraphim prei-
sen Dich in gemeinsamem Frohlocken. Daß
Du mit ihren auch unsere Gebete des Lobes
wollest zu Dir kommen lassen, flehen wir, in-
dem wir in demütigem Bekenntnisse sprechen:

Heilig, heilig, heilig, ist der Herr Gott
der Heerscharen. Voll sind Himmel und
Erde von deiner Herrlichkeit. Hosanna in
der Höhe! Gepriesen sei, der da kommt im
Namen des Herrn! Hosanna in der Höhe!

Vor der heiligen Wandlung.

Und ich hörte die Zahl der Be-
zeichneten: Hundertvierundvier-
zigtausend Bezeichnete aus allen
Stämmen der Kinder Israels. Nach
diesem sah ich eine große Schar, die
[334] niemand zählen konnte, aus allen
Nationen und Stämmen und Völ-
kern und Sprachen; sie standen vor
dem Throne und vor dem Lamme
,
angethan mit weißen Kleidern und
sie hatten Palmen in den Händen
.
Und sie riefen mit starker Stimme:
Heil unserm Gott, der auf dem
Throne sitzt und dem Lamme. Und
alle Engel standen rings um den
Thron und um die Aeltesten und
um die vier lebenden Wesen und
fielen vor dem Throne auf ihr
Angesicht nieder und beteten Gott
an und sprachen: Amen! Lob und
Herrlichkeit und Weisheit und
Dank, Ehre und Macht und Kraft
sei unserm Gott in alle Ewigkeit
.
Amen. (Geh. Offenb. Joh. 7, 4., 9.-12.)

Bei der heiligen Wandlung fällt für die Augen
des Glaubens der Schleier, welcher uns den Himmel
verhüllt. Es naht der König der Könige, der Herr
der Herrschenden, Christus, unser Gott; es naht das
Lamm, ‘„welches für uns getötet worden, welches uns
für Gott erkauft hat mit seinem Blute“’
(Off. 5, 9);
‘„Es naht, um sich für uns zu opfern und den Gläu-
bigen als Speise zu geben. Dasselbe begleiten die
Chöre der Engel, mit den Mächten und Herrschaften,
Cherubim und Seraphim, ihr Antlitz verhüllend und dem
[335] Herrn lobsingend: Alleluja! Alleluja! Alleluja!“’
(Litur-
gie des hl. Jakobus)

Bereits hat uns die Kirche angeleitet, in den Lob-
gesang der Engel einzustimmen (beim Sanktus), jetzt
bringt sie uns auch die Heiligen in Erinnerung, damit
wir ihre Ehrfurcht und Andacht nachahmen, und durch
deren Verdienste und Fürbitten vor dem Herrn eher
Wohlgefallen und Erhörung finden.

Der Anleitung der Kirche folgend:

1. Erinnere Dich nochmals der Anliegen und Per-
sonen, für welche du durch das heilige Opfer Gnade
und Hilfe erlangen willst: gedenke insbesondere des
Papstes, der Bischöfe und Priester, deiner Eltern und
Angehörigen, derer, für welche du zu beten schuldig
bist oder versprochen hast; gedenke auch deiner eigenen
Anliegen der Seele und des Leibes.

2. Empfiehl diese Anliegen und Bitten der seligsten
Jungfrau Maria, den Aposteln und Martyrern, Be-
kennern und Jungfrauen, insbesondere den Heiligen,
deren Fest eben gefeiert wird, den Landes-, Kirchen-
und Namenspatronen, den Fürsprechern in besondern
Anliegen, und dann bete:

Glorwürdige Jungfrau Maria, ihr alle
Heiligen und Freunde Gottes, die ihr all-
zeit im Himmel den himmlischen Vater und
das unbefleckte Lamm Gottes anschauet,
liebet und lobet und von Ihm wiederge-
liebt werdet, kommet nur unwürdigem Sün-
der zu Hilfe, indem ihr meine Bitten und
Huldigungen, vereinigt mit eueren Verdiensten
und Bitten, auf eueren reinen Händen dem
[336] Herrn darbringt, und nur so Gnade und
Erhörung verschafft. Amen.

Bei der heiligen Wandlung.

So oft ihr dieses Brot esset und
diesen Kelch trinket, sollt ihr den
Tod des Herrn verkünden, bis Er
kommt
. (I. Kor. 11, 26.)

Die heilige Wandlung ist der Augenblick, in dem
das Erlösungsopfer auf dem Kalvarienberg unblutiger
Weise erneuert wird. Gesang und Gebet verstummen,
nur das Herz soll beten, es sollen in ihm die Gesin-
nungen des Glaubens, der Hoffnung und Liebe, der
Dankbarkeit und Reue lebendig werden, und bloß in-
nerlich, ohne Worte, oder auch mit folgenden kurzen
Gebeten gegen den göttlichen Heiland ausgesprochen
werden:

O Jesus, ich glaube an Dich, ich hoffe
auf Dich, ich liebe Dich, ich bete Dich an,
ich danke Dir, ich bitte Dich um Verzeihung,
ich bitte Dich um Erbarmen. –

O Jesus, ich bringe dein heiliges Fleisch
und Blut dem himmlischen Vater dar als
Opfer des Lobes und der Anbetung, der
Danksagung, als Versöhnungs- und Bitt-
opfer. –

Oder auch: O Jesus, Dir lebe ich! O Je-
sus, Dir sterbe ich! O Jesus, dein bin ich
tot und lebendig! –

[337]

O Jesus, sei mir gnädig! O Jesus, sei
mir barmherzig! O Jesus, verzeihe mir meine
Sünden! –

Dich liebt, o Gott, mein ganzes Herz,
Und ist mir das der größte Schmerz.
Daß ich erzürnt, Dich, höchstes Gut,
Ach, wasche mich in deinem Blut!
Nach der heiligen Wandlung.

Wir haben einen Fürsprecher
beim Vater, Jesum Christum, den
Gerechten
. (I. Joh. 2, 1.)

Nach der heiligen Wandlung setze die bei derselben
begonnenen inneren Gebetsübungen noch eine Weile
fort. Beherzige, wie der himmlische Vater mit Wohl-
gefallen auf dieses reine und heilige Opfer hernieder-
schaut, wie Er seinem geliebten Sohne nichts versagen
kann, wie die Engel und Heiligen das Geheimnis auf
dem Altare anbetend bewundern und ihre Bitten mit
den unsrigen und dem Opfer Christi vereinigen.
Bedenke ferner, wie für die Kirche und die Gläubigen
eine Fülle von Gnade und Trost in diesem Opfer an-
geboten wird, wie die leidenden Seelen im Reinigungs-
ort sehnsüchtig emporschauen und darauf warten, daß
auch ihnen eine Erquickung zugewendet werde. Er-
wecke den Glauben an das Mittleramt Jesu Christi in
diesem heiligen Opfer, fasse ein großes Vertrauen auf
seine Macht und Liebe und lasse Ihn als Fürsprecher
für dich und andere zum Vater reden.

[338]

Zunächst gedenke der Abgestorbenen, für welche
du zu beten eine besondere Schuldigkeit hast, und bete
dann:

Diesen, o Herr, und allen in Christus
Ruhenden mögest Du, so flehen wir, gnädig
verleihen den Ort der Erquickung, des Lich-
tes und des Friedens. Durch denselben
Christus, unsern Herrn. Amen.

Sodann fasse noch einmal alle Bitten für dich,
deine Mitchristen und die ganze Kirche zusammen, und
lege sie in die Hände unseres Hohenpriesters auf dem
Altare, damit Er sie dem Vater vortrage. In diesen
Gesinnungen stimme ein in das Gebet, welches Chri-
stus uns selber gelehrt hat, bete dasselbe vereint mit
der Kirche, vereint mit dem gegenwärtigen Erlöser,
indem du voll Vertrauen zu dem himmlischen Vater
rufst:

Durch heilsame Vorschriften ermuntert und
durch göttlichen Unterricht belehrt, wagen wir
zu sagen: Vater unser u. s. w.

Nachher: Befreie uns, wir bitten Dich, o
Herr, von allen Uebeln, den vergangenen,
gegenwärtigen, zukünftigen, und durch die
Fürbitte der seligen und glorreichen, allzeit
jungfräulichen Gottesmutter Maria, mit dei-
nen heiligen Aposteln Petrus und Paulus
und Andreas und allen Heiligen, gieb gnä-
dig in unseren Tagen Frieden, auf daß wir
durch die Hilfe deiner Barmherzigkeit unter-
[339] stützt, sowohl von Sünden immer frei, als
auch vor aller Verwirrung sicher seien, durch
denselben Jesus Christus, unsern Herrn,
deinen Sohn, welcher mit Dir lebt und re-
giert in der Einigkeit des heiligen Geistes
von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.

Zur Kommunion.

Herr, bleibe bei uns; denn es
wird Abend, und der Tag hat sich
schon geneigt
. (Luk. 24, 29.)

Die seligen Augenblicke der Gemein-
schaft mit dem Himmel und dem Herrn des
Himmels nahen schon ihrem Ende. Jesus
Christus vollendet sein Opfer, die Engel
und Heiligen ziehen sich zurück und setzen
die Anbetung des Herrn im Himmel fort;
der geöffnete Himmel schließt sich wieder
über mir, ich bleibe zurück auf dieser arm-
seligen Erde, umgeben von Gefahren und
Versuchungen, selber schwach, unerfahren und
zum Bösen geneigt. Es ist, als ob die Sonne
meines geistigen Lebens untergehe und mich
allein in der Nacht dieses Erdenlebens
zurücklasse, wo der rechte Weg schwer zu
finden ist, und viele Feinde meiner Seele
nachstellen.

[340]

Darum flehe ich mit den Jüngern im
Evangelium zu meinem göttlichen Erlöser:
Herr, bleibe bei mir; denn es wird Abend,
und der Tag hat sich schon geneigt. Ich
weiß, daß dein heiligstes Fleisch und Blut
eine Nahrung der Seele ist zum ewigen
Leben. Es ist mein ernstlicher Wille, sie
so oft zu empfangen, als es mein Seelen-
heil erfordert, und meine Seelenführer es mir
anempfehlen. Ich will mich jedesmal so
würdig als möglich dazu vorbereiten, um Dich
mit reinem Herzen zu empfangen und des
ganzen Reichtums deiner Gnaden teilhaftig
zu werden.

Jetzt bitte ich Dich, Du mögest wenig-
stens geistiger Weise in meine Seele kommen.
Kaum werde ich die Kirche verlassen haben,
so nahen mir wieder Zerstreuungen, Versuch-
ungen und Gefahren, in meinem eigenen
Herzen wachen Leichtsinn und verkehrte Be-
gierden wieder auf, und wie bald ist es
geschehen, daß ich alle frommen Gesinnun-
gen, die jetzt meine Seele erfüllen, vergesse,
und Dich neuerdings beleidige! Wie leicht
kann dem ersten Fehler der zweite folgen,
und dann bin ich in Gefahr, von Dir und
meinem Heile weit, sehr weit weggeführt zu
[341] werden. Wie viele irren so ab vom rechten
Weg, ohne daß sie wieder umkehren!

Darum bitte ich Dich recht inständig:
Herr, bleibe bei mir; denn es wird Abend.
Gieb mir himmlisches Licht, übernatürliche
Kraft mit auf meinen Weg, komme selber
in mein Herz und begleite mich auf den
dunkeln Pfaden dieses Lebens in den Ver-
suchungen und Gefahren, die auf mich war-
ten, bewahre Du mich heute und die kom-
mende Woche vor Verirrungen und Fehl-
tritten, und erhalte mich in deiner Wahrheit
und Gnade.

Es ist mein sehnlichster Wunsch, daß ich
bei dem nächsten heiligen Opfer, an dem ich
Teil nehmen werde, nicht mit neuen Sünden
befleckt vor Dir erscheine, sondern an Glau-
ben und Tugend, Gottesfurcht und Fröm-
migkeit reicher sein möge. Und wenn einst
die Stunde des letzten Abendmahles auch für
mich kommt, so sei meiner Seele in Wahr-
heit eine Wegzehrung auf dem Wege in das
ewige Leben.

O welches Glück, wenn ich, Dich im
Herzen tragend, einst dieser Erde den Rücken
kehre, in die Gemeinschaft der Engel und
Heiligen, die Dich auf die Erde herabbe-
[342] gleiten, eintreten und mit ihnen in den
Himmel eingehen kann! Darum, o Herr,
bleibe bei mir und mache mich würdig, einen
seligen Lebensabend zu erlangen. Amen.

Zum Segen.

Und während Er sie segnete,
schied Er von ihnen und fuhr in
den Himmel. Und sie beteten
Ihn an und kehrten nach Jeru-
salem mit großer Freude zurück
.
(Luk. 24, 51.)

Das Erscheinen des göttlichen Heilandes unter sei-
nen Jüngern nach der Auferstehung hat mit seinem
Verweilen auf dem Altare viele Aehnlichkeit. Wie
die Apostel beglückt Er auch uns zu bestimmten Zeiten
mit seiner Gegenwart. Wie bei der Himmelfahrt den
Jüngern, so will Er am Schlusse der heiligen Opfer-
handlung auch dir seinen Segen zurücklassen. Der
Segen durch die geweihte Hand des Priesters hat eine
große Kraft, aber die Wirkung bei dir ist abhängig
von deinen andächtigen Gesinnungen, deinem Glauben
und Vertrauen. Suche dieser Wirkung teilhaftig zu
werden, indem du mit Andacht betest:

O mein göttlicher Heiland! Ich danke
Dir von ganzem Herzen für die Ehre und
das Glück der Teilnahme an deinem heiligen
Opfer und für die empfangenen Gnaden.
Ich möchte mit dem Patriarchen Jakob sa-
[343] gen: Ich entlasse Dich nicht, bevor Du mich
gesegnet hast. (I. Mos. 32, 26.)

Blicke herab auf die Vorsätze, die ich
halten soll, die Schwachheiten und Verkehrt-
heiten, die nur anhaften, die Versuchungen,
die mich bedrohen; blicke herab auf meine
Eltern und Angehörigen, alle Mitchristen
und die ganze Kirche, die deiner Gnade und
Hilfe in so vielen Dingen bedürfen, gieße
über uns alle aus die Fülle deines Segens,
deiner Kraft und Stärke, damit wir Dir treu
dienen, die Versuchungen überwinden, die
Leiden geduldig ertragen, deine Gnade und
deinen Frieden im Herzen bewahren, und
damit uns so alle Dinge zum besten dienen
mögen.

Es segne uns der allmächtige
Gott, der Vater, der Sohn und der
heilige Geist. Amen
.

[figure]

Dritte Meßandacht.

[344]

In derselben wird besonders auf die Anliegen der
christlichen Familie Bezug genommen.

Vorbereitung.

Vater, die Stunde ist gekom-
men, verherrliche deinen Sohn
,
damit dein Sohn Dich verherrliche,
so wie Du Ihm die Macht gegeben
hast über alles Fleisch, damit Er
allen, die Du Ihm gegeben hast
,
das ewige Leben gebe. (Joh. 17, 1. 2.)

Göttlicher Heiland Jesus Christus! Du
hast am Kreuze dein Blut vergossen und
den bittersten Tod erduldet, um die unsterb-
lichen Seelen von dem ewigen Verderben
zu erretten. Die gleiche unendliche Liebe
hat Dich bewogen, das heilige Opfer der
Messe einzusetzen und in demselben zum
Heile der Menschen das blutige Opfer am
Kreuze in unblutiger Weise zu erneuern.
Ich gedenke nun diesem heiligen Opfer mit
möglichster Andacht beizuwohnen, und möchte
an demselben Teil nehmen mit den näm-
lichen Gesinnungen, in welchen Du selber
es dem himmlischen Vater darbringst. Ich
will mit demselben:

[345]

1. Das Andenken deines Leidens und
Sterbens feiern;

2. Gott, dem Vater, die höchste Verehrung
und Anbetung erweisen;

3. Dank sagen für das Glück des wahren
Glaubens und alle Wohlthaten des Christen-
tums;

4. Genugthuung leisten für den Undank,
die Nachlässigkeit und den Mißbrauch, wo-
durch die Menschen sich dieser größten Gna-
dengaben unwürdig machen;

5. bitten und flehen, daß alle Menschen
zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen und
selig werden, daß insbesondere meine An-
gehörigen zum ewigen Leben geführt werden.

Zum Staffelgebet.

Von meinen verborgenen Sün-
den reinige mich und der fremden
wegen schone deines Dieners
. (Ps.
18, 14.)

Mit jedem Worte und mit jeder Hand-
lung kann ich einzelne oder viele erbauen
oder ärgern; eine Pflichtversäumnis oder
ein Aergernis von meiner Seite kann für eine
jugendliche Seele den Ausschlag zu ihrem
Verderben geben. Solche Sünden werden
[346] oft gering geachtet oder schnell vergessen, und
doch werden sie von Gott so hoch angerech-
net und strenge bestraft.

Ueberlege, ob du die Vaterpflichten oder ähnliche
Verpflichtungen in Bezug auf das Seelenheil anderer
vernachlässiget habest, ob andere schon durch dich ge-
ärgert worden, ob irgendwie schon eine Seele durch
dich Schaden gelitten habe. Prüfe deine Worte und
Handlungen in diesem Punkte genau, und dann bete:

Von meinen verborgenen Sünden reinige
mich, und der fremden wegen schone deines
Dieners. Ich zittere bei dem Gedanken, ich
könnte einer Seele, für die Du, o mein Hei-
land, dein kostbares Blut vergossen hast,
durch Saumseligkeit oder Aergernis Schaden
zugefügt haben. Wie würde ich beim Ge-
richte dastehen, wenn eine einzige Seele un-
ter den Verworfenen mich anklagen würde,
daß ich ihr Unglück mitverschuldet habe! Ja,
eine einzige fremde Sünde, die verborgen
und ungesühnt geblieben, könnte mir ver-
hängnisvoll werden. Darum bereue ich von
Herzen alles, was ich bewußt oder unbewußt
gegen das Seelenheil anderer gefehlt habe,
ich will mich vor allen Sünden dieser Art
gewissenhaft hüten. Ich bitte Dich, Du
wollest mir alle begangenen Sünden ver-
zeihen, mich vor künftigen bewahren und
[347] den Schaden, welchen ich unsterblichen See-
len zugefügt habe, durch die wunderbare
Wirksamkeit deiner Gnade wieder gut machen
und heilen. Amen.

Zum Eingang und Kyrie.

Zukomme uns dein Reich. (Matth.
6, 10.) Laß deine Kirche über die ganze Erde
sich ausbreiten, laß deine Gnade und Wahr-
heit alle Herzen in Besitz nehmen und regieren,
auf daß alle Dich erkennen, Dir dienen und
ewig selig werden.

Herr, erbarme Dich unser! Himmlischer
Vater, von dem alle Vaterschaft herkömmt,
erbarme Dich der Eltern, gieb ihnen Einsicht
und Kraft, ihre schweren Pflichten so zu er-
füllen, daß sie einst ihre Verantwortung gut
bestehen und mit ihren Kindern ewig selig
werden.

Christus, erbarme Dich unser! Göttlicher
Heiland, Hoherpriester des neuen Bundes,
von dem alle Priestergewalt herstammt,
sende Arbeiter in deine Ernte, die eifrig
deine Lehre verkünden, würdig deine Gna-
den spenden, und in deiner Kraft dein
Reich auf Erden forterhalten und aus-
breiten.

[348]

Herr, erbarme Dich unser! Heiliger Geist,
Geist der Wahrheit und der Liebe, erwecke
in allen, die etwas für das Reich Gottes
thun können, den Eifer der Heiligen, welcher
aus freiwilliger Liebe arbeitet und opfert,
um Seelen für den Himmel zu gewinnen.

Zum Gloria.

Ehre sei Gott in der Höhe, und
Friede den Menschen auf Erden, die
eines guten Willens sind
. (Luk. 2, 14.)

Dieser Lobgesang der Engel macht in dem
Opfer der heiligen Messe Tag für Tag seinen
Gang um den Erdkreis.

Möge er auch überall seinen Wiederhall
finden in allen katholischen Herzen und in
allen katholischen Familien in dem andäch-
tigen Morgengebete, welches sie zum Himmel
senden, und in der Teilnahme am heiligen
Opfer, soweit diese möglich ist.

Mägen am Sonntage alle Gläubigen
miteinstimmen in dieses Loblied, indem sie
den Tag des Herrn gewissenhaft heiligen
und dem Herrn in seinem heiligen Tempel
die schuldige Ehre erweisen!

Möge dafür in alle andächtigen Herzen
und in alle frommen Familien der Friede
[349] Gottes herniedersteigen, und der Segen des
Allmächtigen für Leib und Seele ihnen zu teil
werden!

Zum Kirchengebet.

Ich ermahne vor allen Din-
gen, daß Bitten, Gebete, Fürbit-
ten und Danksagungen geschehen
für alle Menschen, für Könige und
alle Obrigkeiten, damit wir ein
ruhiges und stilles Leben führen
mögen in aller Gottseligkeit und
Ehrbarkeit. Denn dieses ist gut
und wohlgefällig vor Gott, un-
serm Heiland, welcher will, daß
alle Menschen selig werden und
zur Erkenntnis der Wahrheit ge-
langen
. (I. Tim. 2, 1.-4.)

Diese Mahnung befolgend, welche Du
uns durch deinen Apostel gegeben hast, ru-
fen wir zu Dir: Blicke herab auf die un-
sterblichen Seelen, welche Du mit deinem
kostbaren Blute erlöst hast: siehe an die Ge-
fahren, welche ihr Heil bedrohen, und komme
ihnen zu Hilfe mit deiner Gnade.

Du willst, daß die Gläubigen bei diesem
Werke der Rettung der Seelen mitwirken.
Darum erneuere in ihnen den Geist des
[350] Glaubens und der Liebe, damit die dafür
Berufenen mit ihren Arbeiten das Seelen-
heil ihrer Mitmenschen fördern, und alle
andern in eifrigem und beharrlichem Gebete
die Gnaden vom Himmel herabziehen, welche
Du für die Rettung aller in Bereitschaft
hast, und den Seelen durch das Mittel des
Gebetes zukommen lassen willst. Du willst
ja, daß alle Menschen selig werden, darum
gieb uns selber Anregung und Eifer, das
zu thun, was dafür durch uns geschehen soll.

Zur Epistel.

Ein Säemann ging aus, seinen
Samen zu säen. – Der Same ist das
Wort Gottes
. (Luk. 8, 5. 11.)

Wie auf dem Ackerfelde Ernte auf Ernte
folgt, so folgen sich die Geschlechter der
Menschen im Laufe der Jahrhunderte. Und
Du, o göttlicher Heiland, bist der himm-
lische Säemann, indem Du in die Herzen
jedes neuen Geschlechtes den Samen deiner
göttlichen Lehre streuest und so dein Reich auf
Erden forterhältst. Als Mittel hiefür gebrauchst
Du den christlichen Unterricht der Jugend.

Du weißt, wie schwer es in unsern Ta-
gen geworden ist, diesen Unterricht mit gutem
[351] Erfolge zu erteilen, die Kinder in deine
Wahrheit einzuführen, im Glauben zu be-
festigen, sie zum Leben nach dem Glauben
anzuleiten. Bei gar vielen stirbt der aus-
gestreute Samen nach kurzer Blüte wieder
ab und bringt keine Frucht.

Aber doch sind diese unschuldigen Kinder-
seelen noch kein ausgetretener Weg, kein dor-
niger oder felsiger Boden, sondern edles Erd-
reich, welches der heilige Geist selber mit
seiner Gnade durchdrungen und fruchtbar ge-
macht hat. Darum kann und soll der Same
deines Wortes in ihnen Wurzel fassen und
erstarken, daß er in den nachher kommenden
Anfechtungen nicht zu Grunde gehe.

Wir bitten Dich, erbarme Dich dieser
Seelen, die Dir selber so teuer sind, und
erfülle die Seelsorger und Eltern und alle,
welche ihnen helfen können und sollen, mit
Einsicht und Eifer, die christliche Jugend
nach deinen Absichten zu unterrichten und
zu erziehen, unterstütze ihre Bemühungen
mit deiner Gnade, so daß mitten in einer
bösen Welt ein Geschlecht heranwachse, wel-
ches den heiligen Glauben treu bewahrt und
Dir dient in aller Gottesfurcht und Fröm-
migkeit. Amen.

Zum Evangelium.
[352]

Als aber die Leute schliefen,
kam der Feind und säete Unkraut
mitten unter den Weizen
. (Matth.
1, 3. 25.)

O göttlicher Heiland! Wohl wird der
Same deiner göttlichen Lehre durch deine
Kirche ausgestreut, aber auch der Same des
Unkrautes wird in Wort und Schrift so
thätig verbreitet, wie noch nie, so lange dein
Reich auf Erden besteht. Unzählige lassen
sich dadurch bethören, werden schwach im
Glauben, oder fallen gänzlich ab, und die-
ses Elend droht sich auf ihre Kinder und
Kindeskinder fortzupflanzen.

Du lassest nach deinen geheimnisvollen
Ratschlüssen Weizen und Unkraut neben-
einander wachsen bis zur Zeit der Ernte,
aber Du hast doch Wehe ausgerufen über
alle, welche Aergernisse verschulden, und willst,
daß wir sie zu verhindern suchen. Darum
halte Du jene vom Schlafe ab, welche über
die Familien und Gemeinden wachen sollen,
damit der Feind nicht Unkraut säen kann.
Lehre alle Gläubigen für sich, und alle Vä-
ter und Mütter für die ihnen Anvertrauten
[353] besorgt sein, daß keine Aergernisse deren
Glauben oder Tugend Schaden bringen.
Erfülle uns alle mit jenem lebendigen
Glauben und jenem heiligen Tugendeifer,
welcher die ersten Christen befähigt hat,
mitten unter der Verderbtheit des Heiden-
tums ein reines und heiliges Leben zu
führen und Dir bis in den Tod treu zu
bleiben.

Zum Credo.

Das ist der Sieg, der die Welt
überwindet, unser Glaube
. (I. Joh.
5, 4.)

Die Apostel, so wenige ihrer waren, ha-
ben im Glauben die Welt erobert; die
Martyrer haben alle feindlichen Mächte be-
siegt durch den Glauben; die Kirche hat
seit bald zweitausend Jahren alle ihre Feinde
überwunden durch den Glauben ihrer Die-
ner und Bekenner. Darum sollen auch wir
uns dieser weltüberwindenden Macht des
Glaubens bedienen. Mögen unser viele
oder wenige sein, wenn wir glauben und
den Glauben in Wort und That bekennen,
so wird er auch in uns die Welt überwin-
den. Wir wollen mit Dank gegen Gott,
der uns zum Glauben berufen hat, vor
[354] Jesus Christus, unserm Heerführer, vor den
Aposteln und Martyrern, unseren glorreichen
Vorbildern, vor den Glaubensboten, die uns
den wahren Glauben gebracht haben, vor
unseren frommen Vorvätern, die ihn treu
bewahrt und uns überliefert haben, und vor
der Welt, die uns dafür verspotten mag,
unser Bekenntnis des Glaubens ablegen,
indem wir sagen: Ich glaube u. s. w.

Zur Opferung.

Ich ersetze an meinem Fleische,
was an den Leiden Christi für sei-
nen Leib, welcher die Kirche ist
,
mangelt. (Kol. 1, 24.)

Göttlicher Heiland, Jesus Christus! Als
Du am Kreuze ausriefest: Es ist vollbracht!
war die ungeheure Schuld der Menschheit
durch dein unendlich kostbares Opfer ge-
sühnt, und wir Menschen können dem Werte
dieses deines Opfers nichts hinzufügen.
Aber wie Du es auf dem Altare erneuerst,
um uns desselben teilhaftig zu machen, so
sollen wir Menschen es nachahmen, um für
diese Teilnahme würdig und fähig zu wer-
den. Wir sollen aus Liebe zu Dir die bösen
[355] Begierden überwinden, die Leiden dieses
Lebens geduldig ertragen, und so geistiger
Weise mit Dir gekreuziget werden.

Verleihe uns allen die Gnade, Dir auf
dem Wege der Selbstverleugnung und des
Kreuzes getreu nachzufolgen. Erbarme Dich
insbesondere unserer jungen Christen, welchen
Ueberwindung und Selbstbeherrschung zu
ihrem Heile so notwendig sind. Siehe an,
wie Unzählige von der Welt zum Leichtsinn,
zur Weichlichkeit und zur Genußsucht ver-
führt werden und darin zu Grunde gehen.
Um deines für sie vergossenen Blutes willen
bitten wir Dich, erneuere in ihnen den Geist,
mir dem Du die Kinder der Martyrer ge-
lehrt hast, Welt, Fleisch und Satan zu über-
winden. Lehre sie, ihre eitlen Begierden zu
opfern, um bei Dir die wahren und beseli-
genden Güter und Freuden zu finden.

Dein Diener Paulus hat seine Arbeiten
und Leiden nicht nur für sich, sondern für
die Wohlfahrt der Kirche aufgeopfert, und
es ist nur billig und recht, daß ich sein Bei-
spiel wenigstens im kleinen nachahme.

Hier überlege, ob Du durch persönliche Bemühun-
gen, oder durch Beiträge, oder wenigstens durch Gebet
etwas für das Seelenheil anderer thun kannst und willst
[356] Nimm dir etwas Bestimmtes vor, was du hiefür thun
oder opfern willst, und bete:

Dieses kleine Opfer bringe ich Dir dar
in dem Geiste, in welchem der heilige Pau-
lus seine Kräfte und sein Leben in deinem
Dienste geopfert hat. Ich lege es als Scherflein
meiner Armut auf den Altar und bitte Dich,
daß Du es gnädig aufnehmen, mit deinem
Opfer vereinigen und zur Förderung deines
Reiches segnen mögest. Amen.

Zur Präfation und Sanktus.

Dank sei Gott für seine unaus-
sprechliche Gabe
. (II. Kor. 9, 15.)

Diese unaussprechliche Gabe bist Du sel-
ber, o mein Heiland mit deinem heiligen
Opfer, deiner himmlischen Lehre, dem Reich-
tum deiner Gnaden und Verdienste. Ewiger
Dank sei Dir, daß Du uns Unwürdige zu
Kindern der katholischen Kirche berufen hast,
daß Du uns zur Teilnahme an deinem
Opfer und allen Gnadenmitteln so liebevoll
einladest und es uns so leicht gemacht hast,
mit denselben das Heil unserer Seele zu er-
langen und zu sichern.

Seit in diesem Lande das erste Kreuz
aufgerichtet, das erste Opfer dargebracht
[357] wurde, ist jedes geweihte Gotteshaus eine
reichlich fließende Quelle lebendigen Wassers
für alle heilsbedürftigen Seelen. Wie viel
Gnade und Heil haben unsere frommen
Vorväter in einer langen Reihe von Ge-
schlechtern darin gefunden, und wie viel wird
auch uns angeboten! O daß doch alle diese
unaussprechliche Gabe recht hochschätzen und
benützen möchten! Wir haben allen Grund,
mit den Gesinnungen herzlicher Dankbarkeit
zu wiederholen, was man schon vor tausend
Jahren am Grabe des hl. Gallus gesungen hat:

Wahrhaftig billig und recht, würdig und
heilsam ist es, Dir immer und überall Dank
zu sagen, allmächtiger, ewiger Gott, und ins-
besondere Dich zu bitten, daß Du uns die Gnade
verleihest, der Lehre getreu zu folgen, die der
hl. Gallus durch sein Wort verkündet und
durch sein Leben erfüllt hat, damit wir durch
sein Beispiel und seine Verdienste bei deiner
Barmherzigkeit Hilfe erlangen mögen, durch
Christus, unsern Herrn. Amen.

Vor der Wandlung.

Es wird kommen der Herr, mein
Gott, und alle Heiligen mit Ihm
.
(Zach. 14, 5.)

[358]

Einst wirst Du, o Herr, mit deinen Hei-
ligen herniedersteigen, ‘„den Lohn zu geben
deinen Knechten, den Propheten und den
Heiligen, und denen, die deinen Namen
fürchten, den Kleinen und Großen und aus-
zurotten die, welche die Erde verderbt haben.“’

(Offenb. 11, 18.) Jetzt kommst Du auf unsere
Altäre herab als das Lamm Gottes, welches
hinwegnimmt die Sünden der Welt, und deine
Heiligen begleiten Dich, um zu ersetzen, was
an unserer Anbetung und an unserem Flehen
mangelhaft ist.

O liebevoller Erlöser, der Du Dich neuer-
dings für uns opfern willst, o ihr glücklichen
Himmelsbewohner, die ihr in ungetrübter
Sicherheit euch freuet und dem Herrn Lob
singet, werfet einen Blick des Mitleids auf
uns armselige Menschenkinder in diesem
Jammerthale. Viele von uns seufzen in
Armut, Krankheiten und anderem Elend,
oder ringen mit dem Tode; auf Unzähligen
lastet noch viel schlimmeres geistiges Elend,
sie liegen gefangen in den Fesseln des Irr-
tumes, des Lasters, ihrer eigenen Verblen-
dung; viele, die jetzt noch fromm und un-
schuldig sind, werden durch die Arglist der
Welt und ihren eigenen Leichtsinn bald in
[359] das gleiche Elend hineingeraten. Wie viele,
die deinen Namen tragen, sind lau, gleich-
gültig und pflichtvergessen gegen Dich und
ihr eigene Seele! Und jene, welche Dich
nicht verlassen, wie schwach und unvollkom-
men sind sie, wie selten sind die Liebe und
der Opfergeist für deine heilige Sache, wie
vieles wird versäumt, was für die Rettung
der Seelen geschehen könnte und sollte!

In dem heiligen Opfer auf dem Altare
wird die Heilquelle zur Heilung all unserer
Uebel geöffnet, aber gerade diese Uebel
machen uns des dargebotenen Heiles un-
würdig. Darum wenden wir uns an euch,
ihr Seligen des Himmels, die ihr Freunde
Christi und auch unsere Freunde seid. Heilige
Maria, Mutter Gottes, bitte für uns arme
Sünder, jetzt und in der Stunde unseres
Absterbens. Heilige Engel, heiliger Joseph,
ihr heiligen Landes- und Kirchenpatrone,
ihr seligen Vorfahren, helfet uns den Herrn
des Himmels verherrlichen, traget Ihm für
uns unsere Bitten und Anliegen vor, damit
wir durch euere Vermittlung an diesem Opfer
würdig Teil nehmen, und damit durch das-
selbe Gnade und Segen über uns kommen
mögen. Amen.

Bei der Wandlung.
[360]

Erwecke den Glauben, daß der Heiland das gleiche
Opfer auf dem Altare erneuert, welches Er am Kreuze
vollbracht hat. Opfere es mit Christus dem himm-
lischen Vater auf zur Anbetung, zur Danksagung, zur
Genugthuung und als Bittopfer. Erwecke ein leben-
diges Verlangen, daß die unendlichen Gnaden dieses
heiligen Opfers dir und allen Menschen zu gute kom-
men mögen.

Nach der Wandlung.

Versetze dich im Geiste auf den Kalvarienberg und
betrachte die Personen, welche mit heiligen und heil-
samen Gesinnungen Zeugen vom Leiden und Tode des
Heilandes waren. Sie sind Vorbilder für unser Ver-
halten bei der unblutigen Erneuerung des Kreuzopfers
und zugleich Stellvertreter der Menschenklassen, deren
wir in der heiligen Messe gedenken sollen. Sie werden
hier angeführt, nicht damit du dich mit allen in einer
Messe, sondern unter Berücksichtigung der besonderen
Anliegen und Bedürfnisse abwechselnd beschäftigest.
Darum lies und beherzige bei jeder heiligen Messe nur
einen oder zwei der nachfolgenden Punkte.

1. Der heidnische Hauptmann ist bei dem
Tode des Heilandes gläubig geworden und rief aus:
Wahrlich, dieser Mensch war Gottes Sohn. (Matth. 27,
54.) Er gelangte zum Glauben, wo die Pharisäer, die
doch ungleich besser unterrichtet waren, nur verstockter
wurden. Er ist beim Kreuze der Stellvertreter jener,
die zwar irren, aber ohne ihr Verschulden und mit
einem Herzen, das empfänglich ist für die Wahrheit.
[361] Solcher giebt es unter den Christen und Nichtchristen
eine große Zahl, und diese empfehle nun im allgemei-
nen oder einzelne unter ihnen besonders dem Herrn
an und bitte, daß sie von der Barmherzigkeit Gottes
kraft der Verdienste und des Opfers Jesu Christi durch
äußere Belehrung und innere Erleuchtung, wie der
Hauptmann, zur Erkenntnis der Wahrheit geführt wer-
den. Bete dafür ein oder mehrere Vater unser, wie
es die Zeit erlaubt.

2. Von den zwei Schächern stirbt der eine un-
bußfertig, der andere bekehrt sich und wird gerettet.
Bewundere die Barmherzigkeit Gottes und die wunder-
baren Wege seiner Gnade, aber zittere auch bei dem
Gedanken, wie der Mensch seinem Heile ganz nahe,
doch durch seine eigene Schuld verloren gehen kann,
und umgekehrt oft am Rande des Verderbens noch Ret-
tung findet. Auch du kannst mithelfen, daß Sünder
durch Gottes Barmherzigkeit auf den Weg des Heiles
geführt werden und daß den Sterbenden die Gnade
eines glückseligen Todes zu teil wird. Opfere das Lei-
den und das Blut des Erlösers auf zum Heile der jetzt
Sterbenden und der geistig Toten, der Sünder, damit
beide das ewige Leben erlangen. Bete dafür ein oder
mehrere Vater unser.

3. Den Fuß des Kreuzes umfaßt die Büßerin
Magdalena
. Obschon ihre Sünden schon vergeben
sind, ist sie durchdrungen vom Schmerze der Liebesreue
und von Dankbarkeit und Mitleiden gegen ihren Erlöser
am Kreuze. Alle Christen sollten von diesen Gesin-
nungen gegen den Heiland erfüllt sein. Aber auch unter
den Gläubigen fehlt vielfach der Abscheu vor der Sünde,
der wahre Bußgeist, die Liebe und Dankbarkeit gegen
den Heiland. Sie wollen nur der Hölle entrinnen und
sorgen auch dafür noch nachlässig genug. Darum ist
auch ihr Gebet so lau, ihr Leben so fehlerhaft, ihre
[362] Reue so kalt, ihre Besserung so selten, ihr Heil so ge-
fährdet. Bringe dem Herrn das Opfer auf dem Altare
dar, um bußfertige Gesinnungen und dankbare Liebe
gegen Christus für dich und alle Mitchristen zu erlangen.
Bete dafür wie oben.

4. Die Gerechten in der Vorhölle warteten
mit Sehnsucht auf die Vollendung des Opfers auf dem
Kalvarienberge, und sobald es vollbracht war, stieg
der Erlöser zu ihnen herab, um ihnen die Erlösung
anzukünden. Auch jetzt warten die armen Seelen mit
großem Verlangen darauf, ob ihnen jemand von dem
Opfer auf dem Altare Trost und Erquickung zuwenden
wolle. Mit ein wenig Liebe kannst du ihnen viel
Hilfe bringen, die sie dir im Himmel reichlich wieder
vergelten werden. Opfere die heilige Messe für sie
als Opfer der Genugthuung auf, besonders für jene,
welchen du zu helfen schuldig bist, und bete wie oben.

5. Der heilige Johannes ist der einzige unter
den Aposteln, der es wagte, seinen göttlichen Meister
auf den Kalvarienberg zu begleiten und Zeuge seines
Todes zu sein. Es war seine Liebe, die ihm diesen
Mut verlieh: diese Liebe wurde in ihm so stark und
mutig, als er beim letzten Abendmahle an der Brust
des Herrn ruhte, unter dem Kreuze hat sie neue Stär-
kung gefunden, und so ist er der Apostel der Liebe ge-
worden.

Altar und Kreuz sind die Stätten, wo die Flamme
der heiligen Liebe, der Liebe zu Christus und zu den
unsterblichen Seelen entflammt werden muß. Würden
alle, die noch Glauben haben, dort von Liebe und
Seeleneifer sich entflammen lassen, die Welt würde bald
anders und besser werden. Bitte den Herrn durch den
heiligen Johannes, durch alle seine Nachahmer im Eifer
der Liebe, durch das Opfer auf dem Altare, er möge
[363] in dir und allen Mitchristen die Liebe Christi und den
Eifer der Seelen entflammen, damit alle mit Freuden
die Opfer bringen, welche die Ehre Gottes und das
Heil der Seelen erfordern. Bete dafür wie oben.

6. Die göttliche Mutter Maria hat bei dem
Leiden ihres Sohnes am schmerzlichsten mitgelitten und
ist so die schmerzhafte Mutter, aber zugleich auch unsere
Mutter geworden.

Bitten wir sie zunächst für uns selber um einen
Funken ihrer liebe zu ihrem göttlichen Sohne und zu
ihren armseligen Kindern auf Erden.

Suchen wir durch ihre milde Fürsprache bei ihrem
Sohne für unsere Bitten und Anliegen Erhörung zu
erlangen.

Empfehlen wir ihr insbesondere vertrauensvoll
jene Anliegen und Personen, bei welchen die Hoffnung
auf Rettung, menschlicher Weise angesehen sehr gering
ist. Denn sie ist die Mutter der Barmherzigkeit, des
Lebens Süßigkeit und unsere Hoffnung. Bete wie oben.

Zur Kommunion.

Du sendest deinen Geist, und
sie werden geschaffen, und Du er-
neuerst das Angesicht der Erde
.
(Ps. 103, 30.)

Göttlicher Heiland, Jesus Christus! Als
Du bei der Himmelfahrt deine Apostel allein
zurückließest, hast Du ihnen deinen heiligen
Geist versprochen und gesendet. Die trost-
reichen Augenblicke, in denen Du als unser
Hoherpriester und als unser Opfer auf dem
[364] Altare weilest, nahen nun auch ihrem Ende,
und wir bitten Dich recht inständig, daß
Du den heiligen Geist, der Eins ist mit
Dir und dem Vater, auch in unsere Herzen
senden wollest.

Sende deinen Geist den Hirten und
Dienern deiner Kirche, auf daß sie mit der
Erleuchtung und dem Eifer der Apostel
dein Wort verkünden, deine Gnade spen-
den, deine Schafe führen und leiten, und
daß so durch sie dein Reich auf Erden
sich überall ausbreite und über alle Feinde
triumphiere.

Sende deinen Geist den Eltern, damit
sie ihre Kinder erziehen für die Erkenntnis
und Liebe Gottes, für das ewige Leben im
Himmel, damit so die jungen Christen die
Gefahren ihres Heiles in dieser bösen Welt
glücklich überwinden.

Sende deinen Geist aus und erleuchte und
entflamme durch denselben recht viele Her-
zen, daß sie nach ihren Kräften in den Ge-
sinnungen freiwilliger Liebe dein Reich aus-
breiten und das Heil der unsterblichen Seelen
befördern.

Sende deinen Geist in die Herzen der
christlichen Jugend, damit Er sie erhalte in
[365] deiner Wahrheit, sie erfülle mit Gottesfurcht
und Frömmigkeit und ihr helfe, Welt, Fleisch
und Satan zu besiegen.

Sende deinen Geist uns armen Sündern
insgesamt, besonders allen Irrenden und Un-
gläubigen. So viel Unordnung und Armse-
ligkeit und Elend an uns armen Geschöpfen
ist, sende deinen Geist aus, und die Herzen
werden neu geschaffen, und das Angesicht der
Erde wird erneuert werden.

Sende deinen Geist aus über alles
Fleisch, damit am großen Auferstehungs-
tage, wenn unsere Gebeine vom Geiste neu
belebt werden, wir uns erheben als Tempel
des heiligen Geistes, um Dich mit allen
Heiligen anzuschauen und zu loben in Ewig-
keit. Amen.

Zum Segen.

Der Herr segnet alle, die Ihn
fürchten, Kleine und Große. Der
Herr wird euch noch mehr segnen
,
euch und euere Kinder. Gesegnet
seid ihr von dem Herrn, der Him-
mel und Erde gemacht hat
. (Ps. 113,
21.-23.)

Gieße, o Herr, durch die Hand des
Priesters deinen Segen aus über uns und
[366] unsere Angehörigen, über die ganze Ge-
meinde. Segne unsere guten Vorsätze und
Absichten, segne die Anstrengungen und
Mühen aller derer, welche an dem Heile der
Seelen arbeiten. Dein Segen begleite uns
alle diesen ganzen Tag, damit wir die Sünde
meiden, mit gutem Erfolg arbeiten, an
Tugenden und Verdiensten reicher werden,
bis wir wieder vor Dir erscheinen, neuen
und noch größeren Segens würdig wer-
den. Mögen wir alle einst auch am Ge-
richtstage zu den Gesegneten deines Vaters
gezählt und in den Himmel aufgenommen
werden. Darum bitten wir Dich, darnach
streben wir, darauf hoffen wir durch deine
großen Verdienste und deine unendliche
Barmherzigkeit.

Es segne uns der allmächtige
Gott, der Vater und der Sohn und
der heilige Geist. Amen
.

[figure]
[367]
[figure]

Bußandacht.


1. Vorbereitungsgebet.


Versetze dich in die Gegenwart Gottes, erwecke
den Glauben an Gericht und Ewigkeit, erin-
nere dich im allgemeinen an deine Sünden-
schuld, an die Barmherzigkeit Gottes, die sich im heiligen
Bußsakrament offenbart, an dein Bedürfnis nach der
Gnade des heiligen Geistes und bete dann demütig
und vertrauensvoll:

O barmherziger Gott, ich sage Dir Dank
aus dem Grunde meines Herzens, daß Du
mich nicht wegen meiner großen Nachlässig-
keit in noch größere Sünden hast fallen
lassen, und mich in diesem elenden Zu-
stande meiner Seele nicht aus diesem Le-
ben abgerufen hast; wenn ich auch bisher
sehr undankbar gegen Dich war, nehme ich
mir nunmehr fest vor, eingedenk deiner vie-
len und großen Wohlthaten Dich zu loben
und zu preisen und Dir treu zu dienen.

[368]

Erleuchte mich, o Herr, der Du alle meine
Wege kennst, und meine Fußtritte beobachtest.
Komme, o wahres Licht, vertreibe die Finster-
nis aus meinem Herzen, damit ich erkenne,
was Dir an mir mißfällig ist, und alle meine
Sünden mit zerknirschtem Herzen beweine,
recht beichte, und mich ernstlich bessern möge.

Nimm mein Bekenntnis gnädig auf, und
sei mir gnädig, gütigster Herr Jesu Christe,
den ich Sünder nicht einmal zu nennen wür-
dig bin, da ich Dich so schwer und oft be-
leidiget habe durch meine Schuld, meine
Schuld, meine größte Schuld. Ich werfe
mich flehentlich vor Dir nieder, o unendliche
Güte, ganz verwirrt und beschämt und wage
nicht mein Angesicht zu Dir zu erheben, denn
meiner Sünden sind viele geworden und
liegen auf meiner Seele als eine drückende
Last. Aber Du, barmherzigster Jesu, sei mir
armen Sünder gnädig. Züchtige mich nicht
in deinem Grimm, o Herr, und verwirf mich
nicht vor deinem Angesicht, o guter Jesu,
der Du gesagt hast: Ich will nicht den Tod
des Sünders, sondern daß er sich bekehre
und lebe. Nimm mich wieder auf, da ich
Buße thue und reumütig zu Dir zurückkehre.
Du bist mein Erlöser, Du mein Gott, und
[369] ich dein Diener, wenn auch bisher ein böser,
ein unwürdiger und sündhafter. Aber ver-
schone mich, o guter Jesu, der Du am Kreuze
gestorben bist, um die Sünder selig zu ma-
chen. Wohin soll ich fliehen, außer zu Dir,
meine Hoffnung und mein Heil? Wenn Du
mich verstoßest, wer wird mich aufnehmen,
welchen Helfer kann ich noch aufsuchen?
Erbarme Dich meiner, gütigster Herr, und ver-
schmähe nicht das zerknirschte und gedemü-
tigte Herz deines Dieners. Verleihe mir
eine wahre und vollkommene Reue über
meine Sünden, daß ich sie mit tiefem See-
lenschmerz verabscheue. Sende, barmherzig-
ster Gott, um der Verdienste der unbefleckten
Jungfrau Maria und aller Heiligen willen,
dein Licht in meine Seele, daß es mir alle
Fehler offenbare, welche ich bereuen und
beichten soll. Stehe mir bei mit deiner Gnade,
daß ich sie vollständig, demütig und mit
wahrem Reueschmerz dem Priester, deinem
Stellvertreter, anzeige, und eine vollkommene
Vergebung aller Sünden von deiner unend-
lichen Güte erlangen möge.

O mildeste Jungfrau, liebenswürdigste
Mutter Jesu Christi, meines Erlösers, habe
Mitleid mit mir, und bitte für mich bei Jesus,
[370] deinem Sohne, meinem Herrn. Erbitte mir
Verzeihung der Sünden, Besserung des Le-
bens, die Rettung meiner Seele.

Auch euch flehe ich darum an, heiliger
Schutzengel, ihr heiligen Patrone, ihr Vorbil-
der in der wahren Buße, heiliger Petrus, hei-
lige Magdalena, alle Heiligen Gottes ins-
gesamt. Bittet für mich armen Sünder, der
ich jetzt Buße thun, meine Sünden bekennen
und mich bessern will.

Erlaubt es die Zeit, so bete noch einige Vater unser
mit Rücksicht auf jene Fehler, die besonders schwer auf
deinem Gewissen lasten, oder welche du zunächst bereuen
und bessern sollst.

2. Gewissenserforschung.


Personen, welche täglich das Gewissen erforschen
und öfters beichten, brauchen für die Vorbereitung zur
Beicht keinen sogenannten Beichtspiegel. Die Erforschung
wird ihnen viel weniger Mühe machen, als Reue und
Vorsatz. Ueberhaupt sollte jeder wohlunterrichtete
Christ sich auf die schweren Sünden leicht besinnen
können. Aber viele lassen sich auch bei der heiligsten
Handlung und in Sachen ihres eigenen Seelenheiles von
der Lauheit und dem Leichtsinn so sehr beherrschen,
daß leider eine Unzahl von schweren Sünden nicht recht
oder gar nicht erforscht und infolgedessen auch nicht
gebeichtet wird. Für solche, die seltener beichten, ist es
darum ratsam, dann und wann nachfolgenden Beicht-
spiegel zu durchgehen. Bei der Unterscheidung zwischen
läßlichen und Todsünden kommt vieles auf die jedes-
[371] maligen Umstände an. Die Sünden, welche in der
Regel als schwere anzusehen sind, oder die oft vor-
kommen, und welche doch nicht selten übersehen werden,
sind durch größeren Druck unterschieden.

Gegen das erste Gebot Gottes.

Hast du dein Morgen-, Abend- und Tisch-
gebet unandächtig verrichtet? oder unter-
lassen? warum? wie oft ungefähr?

Hast du bei dem Empfange der
heiligen Sakramente nie mit Wis-
sen und Willen Fehler begangen
?

Hast du Glaubenszweifel frei-
willig unterhalten
? über welche Leh-
ren? oder versäumt dir Belehrung zu ver-
schaffen? Hast du glaubenswidrige
Schriften und Blätter gelesen
?
andern zum Lesen gegeben? auch jungen
Leuten? Hast du solche Gesellschaf-
ten besucht
? solche Unterhaltungen frei-
willig angehört, selbst dabei mitgeholfen?

Hast du abergläubischen Dingen, Wahr-
sagen u. dgl. Glauben geschenkt? andere dazu
veranlaßt?

Gegen das zweite Gebot Gottes.

Hast du heilige Namen unehrerbietig
oder unnütz ausgesprochen? dieselben
[372] aus Zorn und Ungeduld zum Flu-
chen mißbraucht
? ist das eine Gewohn-
heitssünde?

Hast du unnütz oder falsch ge-
schworen
? in welcher Absicht?

Hast du bei widrigen Ereignis-
sen wider Gott gemurrt? Hast du
über heilige Dinge gespottet? die
Uebungen der Frömmigkeit lächer-
lich gemacht
?

Hast du Gott etwas versprochen
und es nicht gehalten
?

Gegen das dritte Gebot Gottes
und das erste und zweite Kirchen-
gebot
.

Hast du an Sonn- und Feierta-
gen ohne Not und rechtmäßige
Erlaubnis gearbeitet? auch an-
dere arbeiten lassen
? Wie oft?

Hast du an diesen Tagen aus ei-
gener Schuld die heilige Messe nicht
angehört? andere ohne Not daran
gehindert? sie mutwillig zum Weg-
bleiben verleitet
? Wie oft? hast du die
Predigt und Christenlehre fleißig angehört?
Auch die Untergebenen dazu angehalten?

[373]

Wie hast du dich in der Kirche betragen?

Wie hast du die übrige Zeit an Sonn-
und Feiertagen zugebracht?

Gegen das vierte Gebot Gottes.

Bist du als Kind gegen die El-
tern
ungehorsam und trotzig gewesen?

Hast du sie verspottet, Böses über sie
ausgesagt, sie schwer beleidiget, ihnen den
Tod gewünscht?

Hast du sie im Alter unehrerbietig behan-
delt, ihre Ermahnungen verachtet, sie in der
Not nicht unterstützt?

Hast du als Dienstbote oder Arbei-
ter deine Pflichten gegen die Herrschaften
gewissenhaft erfüllt?

Wie hast du dich gegen ältere Leute be-
nommen?

Hast du dich gegen geistliche oder welt-
liche Obern durch Ungehorsam oder Unehr-
erbietigkeit verfehlt?

Wie hast du als Vater oder Mut-
ter
deine Pflichten erfüllt?

Hast du nie notwendige Mahnungen und
Strafen versäumt? nie die Kinder durch
[374] Worte oder Handlungen geärgert? führst du
die notwendige Aufsicht über Kinder und
Dienstboten in Bezug auf den Kirchenbesuch,
ihren Wandel im Hause und außer dem Hause,
bei Tag und bei Nacht?

Hast du Zurechtweisungen und Mahnun-
gen gegeben, wie es deine Pflicht war?

Gegen das fünfte Gebot Gottes.

Hast du Haß gegen andere ge-
tragen
? die Aussöhnung verweigert? in
dieser Stimmung die heiligen Sakramente
empfangen?

Hast du andern den Tod, oder
sonst etwas Uebles gewünscht
? dich
über ihr Unglück gefreut, sie um ihr Glück
beneidet?

Hast du Streit und Zank gestiftet? im
Hader mit andern gelebt?

Hast du Dienstboten u. s. w. hart
und roh behandelt
? Jemand am Leibe
geschädiget?

Bist du gegen Arme und Notleidende
hartherzig gewesen?

Hast du jemand Aergernis ge-
geben
? durch was? in welcher Sünde?
auch Kindern?

[375]

Hast du jemand zur Sünde verleitet? zu
welcher? oder dich sonst fremder Sünden
schuldig gemacht?

Gegen das sechste und neunte
Gebot Gottes
.

Hast du dich versündiget durch frei-
willige
sündhafte Gedanken, Begierden,
Blicke und wie oft? wie oft durch Re-
den, Lieder
, unschickliche Kleidung und
Possen? Wie viele wurden dadurch geärgert?

Hast du gefährliche Bücher gelesen? Hast
du Vergnügen aufgesucht (Tanz, Theater
u. dgl.), die deiner Seele schadeten?

Hast du in Werken gegen dieses Ge-
bot gefehlt? wie oft ist dieses geschehen?
Kennst du die Umstände, die angezeigt wer-
den müssen? Sind Aergernisse, häuslicher Un-
friede, zeitlicher Schaden und andere Nach-
teile aus der Sünde erwachsen, welche du
zu verantworten hast?

Gegen das siebente und zehnte
Gebot Gottes
.

Hast du dem Nächsten etwas genommen,
oder zu Grunde gerichtet, Gefundenes nicht
[376] zurückgegeben? Hast du dir Betrügereien,
Fälschungen, Unredlichkeiten, Verun-
treuungen erlaubt? Bis zu welchem Be-
trage? Hast du leichtsinnig Schulden ge-
macht oder solche nicht nach Verabredung
bezahlt?

Hast du durch Trunk und Spiel,
Luxus und Kleiderpracht dich und
die Deinigen in Not gebracht, oder Dritt-
leute geschädiget? Hast du bei unredlichen
Handlungen andere unterstützt, oder
sie gar dazu aufgemuntert und angeleitet?
Hast du Arbeitern und Dienstboten den
Lohn vorenthalten, Witwen und Wai-
sen ungerecht ausgebeutet, von Armen Wu-
cherzinsen
gefordert? Hast du dein Ver-
mögen unredlich versteuert? Hast du noch
alte Ungerechtigkeiten gut zu machen? Hast
du den Willen und freiwillige Begierden
unterhalten, eine dieser Ungerechtigkeiten zu
begehen? Hast du anderen ihre zeitlichen
Güter mißgönnt?

Gegen das achte Gebot Gottes.

Hast du gelogen aus Scherz, aus Not,
zum Schaden des Nächsten? Hast du fremde
Fehler bekannt gemacht
? Hast du
[377]Verleumdungen über andere ausge-
streut? Hast du damit den Nächsten an der
Ehre oder zugleich am Verdienste oder Ge-
werbe geschädiget? Hast du nie geschwie-
gen
, wo du etwas den Eltern oder Vor-
gesetzten anzuzeigen schuldig warst? Hast du
durch Ohrenblasen Haß und Unfrieden
gestiftet? Hast du falsches Zeugnis
gegeben und was hatte es für Folgen? Hast
du andere beschimpft? Was bist du in Be-
zug auf alle diese Sünden dem Nächsten
für Genugthuung schuldig? Hast du dich
verfehlt durch falschen Argwohn und
freventliches Urteil?

Gegen die Kirchengebote.

Hast du an verbotenen Tagen Fleisch
gegessen? Thatest du dieses aus Gleich-
gültigkeit oder Menschenfurcht? Hast du
eine kirchlich verbotene Ehe eingegangen?
Hast du kirchliche Hindernisse verheimlicht
oder unter unrichtigen Vorgaben Dispense
nachgesucht?

Obschon in vorstehendem die meisten
Sünden enthalten sind, so erforsche dich doch
noch über die sieben Hauptsünden,
die Hoffart, den Geiz, die Unkeuschheit, den
[378] Neid, die Unmäßigkeit, den Zorn und die
Trägheit, besonders über jene unter ihnen,
zu der du am meisten versucht wirst.

Ebenso erforsche dich über deine beson-
dern Standespflichten
im ledigen
oder Ehestande, als Hausvater oder Haus-
mutter, Beamter, Geschäftsmann, Handwer-
ker, Dienstbote, Arbeiter.

3. Reue und Leid.


Suche zuerst die Gesinnungen der Reue in dir zu
erwecken, bevor du die Reue in Worten aussprichst.
Beherzige auf der einen Seite die Liebe und Liebens-
würdigkeit deines Gottes, die Wohlthaten der Erschaf-
fung, Erlösung und Heiligung, das Glück der Gerech-
ten hier und im Jenseits; auf der anderen Seite be-
trachte die Abscheulichkeit, die Bosheit und den Undank,
die in der Sünde liegen, das Elend und die schreckliche
Gefahr des Verweilens in der Sünde, den Ernst der
letzten Dinge.

Wenn dann Schmerz und Beschämung und heilsame
Furcht deine Seele ergreifen, so erwecke in dir das
Vertrauen auf Gottes Erbarmen und die Verdienste
Jesu Christi und fasse einen kräftigen Vorsatz, dein
Leben zu bessern. Nimm dir je nach der Beschaffen-
heit deiner Sünden den büßenden Petrus, den verlor-
nen Sohn, Magdalena oder den reumütigen Schächer
zum Vorbilde, und erst wenn du wirklichen Reueschmerz
und den ernstlichen Willen der Besserung im Herzen
gefaßt hast, sprich dies mit folgenden Worten aus:

[379]

Allmächtiger, barmherziger Gott, zu Dir
komme ich, wie der verlorne Sohn und sage:
Vater, ich habe gesündigt und bin nicht mehr
wert, dein Kind zu heißen. Alle meine Sün-
den sind mir von Herzen leid:

weil sie so abscheulich sind und Dir so
sehr mißfallen, –

weil ich dafür viele Strafen verdient habe,
– besonders aber,

weil ich Dich, den höchsten Herrn Him-
mels und der Erde, meinen besten Vater
und größten Wohlthäter dadurch beleidiget
habe, –

weil ich durch meine Sünden auch schuld
gewesen bin an dem bitteren Leiden und
Sterben deines eingebornen Sohnes, unseres
Herrn Jesu Christi.

Gütigster Vater, Du willst nicht den Tod
des Sünders, sondern daß er sich bekehre
und lebe. So erbarme Dich meiner nach
deiner großen Barmherzigkeit, und nach der
Menge deiner Erbarmungen tilge aus meine
Missethaten. Um des Blutes Jesu Christi
willen sei mir armen Sünder gnädig und
barmherzig – und gieb mir die Gnade,
mein Leben zu bessern und Dich nicht mehr
zu beleidigen.

[380]

Die Zeit bis zur Beicht benutze zum Gebete um
wahren Bußgeist und Lebensbesserung, zur Betrachtung
der letzten Dinge, zur Auffindung der Mittel für die
Ausführung deiner Vorsätze.

4. Nach der Beicht.


O süßester Jesu! Ich danke Dir von
ganzem Herzen für die große Barmherzig-
keit, die Du mir jetzt erwiesen hast. Von
nun an will ich Dir getreu und beharrlich
dienen, stets nach deinen Geboten wandeln
und lieber sterben, als Dich wieder verlassen.
Gieb mir deine Gnade zur Erfüllung dieses
meines Vorsatzes. Amen.

Mußt du bald kommunizieren, so bereite dich auf
die heilige Kommunion vor. Sonst verrichte die auf-
erlegte Buße, soweit dieses geschehen kann, und dann
bete:

O gütigster Jesu! Segne meinen Ver-
stand, damit alle bösen und unnützen Ge-
danken aus demselben verbannt werden, und
nur gute Gedanken, heilige Anmutungen und
fromme Begierden in meinem Geiste Zu-
gang finden.

Segne mein Herz, damit die göttliche
Liebe und alle die heiligen Empfindungen,
von welchen dein Herz durchdrungen war,
[381] auch mein Herz erfüllen und ganz durchdrin-
gen mögen.

Segne meinen Willen, damit derselbe in
allem mit dem deinigen übereinstimme und
Welt, Fleisch und Satan siegreich widerstehen
möge.

Segne meinen Leib und alle meine Sinne,
damit sie gereiniget und geheiliget werden
und in Zukunft Werkzeuge der Buße und
guter Werke sein mögen. Amen.

Wenn es dir ernst ist, die bei der Beicht gemach-
ten Vorsätze und Versprechungen zu halten, so mußt
du 1) öfters diese Vorsätze erneuern (am Morgen) und
dich über die Haltung derselben erforschen (am Abend),
2) fleißig und eifrig beten, daß Gott dir Licht und
Kraft zur Besserung verleihe, 3) die Gelegenheiten mei-
den, in denen du bisher gefallen bist, 4) dich in der
Selbstverleugnung üben. ‘„Das Himmelreich leidet Ge-
walt, und nur die Gewalt brauchen, reißen es an sich.“’

(Matth. 11, 12.) ‘„Wachet und betet, damit ihr nicht in
Versuchung fallet. Der Geist ist willig, aber das Fleisch
ist schwach.“’
(Matth. 26, 41.) ‘„Niemand wird gekrönt,
er habe denn gesetzmäßig gekämpft.“’
(II. Tim. 2, 5.)

[figure]

Kommunionandacht.

[382]
[figure]

Vorerinnerung.


Die heilige Kommunion ist die erhabenste und
segensreichste Handlung des Christen, weil er
da nicht bloß irgend eine besondere Gnade,
sondern den Ursprung aller Gnaden, den göttlichen Er-
löser selber in sein Herz aufnimmt.

Die Wirkungen der würdigen Kommunion sind
vorzüglich folgende: 1. Vermehrung der heiligmachen-
den Gnade, 2. Schwächung der bösen Neigungen und
Kraft zum Wachstum im Guten, 3. Tilgung der läß-
lichen Sünden und Bewahrung vor Todsünden, 4. das
Unterpfand der künftigen Auferstehung und des ewigen
Lebens. Jesus Christus selbst hat uns die Versicherung
gegeben: ‘„Wahrlich, wahrlich sage Ich euch, wenn ihr
das Fleisch des Menschensohnes nicht essen und sein
Blut nicht trinken werdet, so werdet ihr das Leben
nicht in euch haben. Wer mein Fleisch ißt und mein
Blut trinkt, der hat das ewige Leben, und Ich werde
ihn am jüngsten Tage auferwecken.“’
(Joh. 6, 54.)

Diese Gnaden werden dem zu teil, der die heilige
Kommunion würdig empfängt. Die würdige Kom-
munion erfordert eine rechte Vorbereitung sowohl
dem Leibe als der Seele nach. In Bezug auf den
[383] Leib gehört dazu, daß man von Mitternacht an nüch-
tern
sei (außer in einer gefährlichen Krankheit), und
daß man reinlich und anständig gekleidet in der Kirche
erscheine.

Für die Seele besteht die erste Bedingung einer
würdigen Kommunion in der Reinigkeit des Gewissens,
d. h. darin, daß man von allen schweren Sün-
den frei
und somit im Stande der Gnade sei. Läß-
liche Sünden machen die Kommunion nicht unwürdig,
doch soll man sich auch so viel möglich von diesen
reinigen, damit die Gnade im Herzen ungehinderter
wirken kann. Wer aber wissentlich in einer Todsünde
kommuniziert, begeht eine sehr schwere Sünde, einen
erschrecklichen Gottesraub, wie Judas, und ißt sich das
Gericht und die Verdammnis hinein. Der heilige
Apostel Paulus hat darum die ernste Mahnung ge-
geben: ‘„Der Mensch prüfe sich selbst, und so esse er
von diesem Brote und trinke aus diesem Kelche. Denn
wer unwürdig ißt und trinkt, der ißt und trinkt sich
das Gericht, indem er den Leib des Herrn nicht unter-
scheidet.“’
(I. Kor. 11, 28.) Die unwürdige Kommunion
ist das Unheilvollste und zugleich Thörichteste, was
von einem Christen verschuldet werden kann. Da-
rum sei gewissenhaft bei der vorausgehenden Beicht.
Wenn du würdig beichtest, so kannst du auch würdig
kommunizieren.

Zur Vorbereitung der Seele gehört weiter die An-
dacht des Herzens, d. i. die Uebung des Glaubens,
der Hoffnung, der Liebe und der Begierde nach der
Vereinigung mit Jesus Christus. Man bedient sich
hiefür der sog. Kommuniongebete. Wer dazu
fähig ist, soll suchen, diese Vorbereitung ohne Gebet-
buch aus seinem Herzen zu machen. Wer sich eines
Gebetbuches bedient, lese wenig, langsam, mit Ueber-
legung. Besonders bei dieser heiligen Handlung gilt
[384] das Wort: ‘„Wenn ihr betet, so sollet ihr nicht viel
reden.“’
(Matth. 6, 7.) Für diesen Zweck können auch
die vorausgehenden Andachten vor und bei der heiligen
Messe und die unten folgende Besuchung des heiligsten
Altarssakramentes benutzt werden.

Die Zeit nach der heiligen Kommunion ist
die kostbarste im Leben des Christen, und soll darum
wohl benutzt werden. Nach kurzer Erweckung des
Glaubens, der Hoffnung und der Liebe verwende man
die Zeit für die Uebungen der Anbetung, Verdemüti-
gung und Reue, der Danksagung und des Vertrauens,
der Erneuerung der Vorsätze und der vertraulichen
Bitte für sich und andere. Um diese so wertvollen
Augenblicke recht gut benutzen zu können, sollte man
sich schon vorher auf dieselben vorbereiten, namentlich
in Bezug auf die Anliegen, welche man dem im Herzen
gegenwärtigen Heilande vortragen will.

Den Tag der heiligen Kommunion suche man so
viel möglich gesammelt und mit frommen Uebungen zu-
zubringen.

Vor der heiligen Kommunion.


Glaube.

O Jesu, mein Erlöser! ich glaube festig-
lich, daß Du in dem hochheiligen Sakramente
des Altars wahrhaft und wesentlich gegen-
wärtig bist mit Fleisch und Blut, mit Leib
und Seele, mit Menschheit und Gottheit.
Und wenn ich Dich schon darin mit meinen
leiblichen Augen nicht sehen kann, so glaube
[385] ich es dennoch so kräftig, daß ich mit deiner
Gnade darauf sterben wollte, denn, o ewige
Wahrheit! Du hast es gesagt: das ist Mein
Leib, das ist Mein Blut, und was Du ge-
sagt hast, das bleibt ewig wahr.

Erlaubt es die Zeit, so kannst du den Glauben
noch durch andere Uebungen erwecken: a. Betrachte ein
Wort der heiligen Schrift über dieses heiligste
Sakrament, wie du solche in diesem Buche bei den Vor-
bereitungen auf die heilige Messe findest; b. danke
Gott
, daß Er dich zum wahren Glauben, insbeson-
dere zum Glauben an dieses hl. Geheimnis berufen hat;
c. erinnere dich an die Gefahren und Versuchun-
gen
, die diesen deinen Glauben bedrohen können;
mache darauf hin deine Vorsätze, und bitte Gott um
seinen Beistand; d. lege das Versprechen ab, immer
nach diesem Glauben zu leben, besonders in der Hei-
ligung des Sonntages, in der Teilnahme am Gottes-
dienste, so oft du in der Kirche erscheinest. Füge noch
ein und das andere Vater unser bei um einen wahren,
festen und lebendigen Glauben.

Hoffnung.

Getreuester Heiland, freigebigster Gott,
da Du Dich selbst ganz und gar mir geben
willst, was soll ich von Dir nicht hoffen?
Du kennst meine Schwachheiten und meine
Bedürfnisse, Du kannst und willst mir hel-
fen, Du hast es versprochen und ladest mich
dazu ein. Gütigster Jesu! gestützt auf dein
[386] untrügliches Wort, komme ich mit der tröst-
lichen Zuversicht, Du werdest mich Armen
ohne Hilfe und Trost von Dir nicht ent-
lassen, sondern meine Seele mit Gnaden
stärken, sie so reich und schön machen, daß
sie Dir gänzlich gefalle.

Uebe die Hoffnung noch besonders in folgenden
Punkten:

a. Stelle dir die Liebe des göttlichen Hei-
landes
zu dir vor, die Verheißungen, die Er gegeben,
die Einladung, die Er an dich richtet, und den Reich-
tum von Gnaden in diesem heiligen Sakramente und
gründe darauf deine Hoffnung; b. blicke auf deine
verkehrten Neigungen und Schwachheiten
und nahe dich Christus wie ein Kranker dem Arzte, ein
Unglücklicher seinem Retter; c. erinnere dich, wie die
Heiligen aller Jahrhunderte nach diesem Ge-
heimnisse verlangt haben und was sie in demselben
für Gnaden erlangt haben, und freue dich, daß die-
selben auch dir angeboten werden; d. denke an deinen
Hauptfehler, gegen welchen dir die Hilfe der
Gnade am notwendigsten ist, und erwecke in Bezug auf
diesen Hoffnung und Vertrauen; e. mache insbesondere
den Vorsatz, auch sonst diese Hoffnung fleißig zu üben
und in jeder Gefahr und Versuchung des täg-
lichen Lebens dich sogleich voll Vertrauen an Christus
zu wenden. Bete ein oder mehrere Vater unser um eine
demütige, vertrauensvolle, sehnsüchtige Hoffnung.

Liebe und Begierde.

O Gott meines Herzens! Dich liebe ich
über alles aus meiner ganzen Seele, aus
[387] meinem ganzen Gemüte und aus allen meinen
Kräften, weil Du würdig bist über alles
geliebt zu werden. Aus Antrieb dieser Liebe
verlangt mein Herz sich mit Dir zu verei-
nigen, und ganz dein eigen zu sein. Komme,
liebreichster Jesu! nimm dasselbe vollkom-
men ein. Mache damit, was Du willst, es
ist nicht mehr mein, sondern dein. Ja, in
Dir allein soll es leben, Dich allein soll es
lieben und loben in Ewigkeit. Komm, o
mein Jesu, komm!

Weitere Uebungen der Liebe: a. erinnere dich, wie
Christus zur Rechten des Vaters von dem gan-
zen Himmel verherrlicht wird, und doch dein armseliges
Herz als Wohnung nicht verschmäht; b. überblicke die
Wohlthaten, welche Er dir aus reiner, uneigennützi-
ger Liebe zukommen ließ, und übe Akte der Dankbar-
keit und Gegenliebe; c. erinnere dich an deine Unehr-
erbietigkeiten und deinen Undank gegen Christus,
deine vielen Sünden und Ungerechtigkeiten, und erfülle
dein Herz mit jener Beschämung und Reue, die von
der wahren Liebe eingegeben werden; d. bringe Chri-
stus als Opfer der Liebe deine guten Vorsätze, die
kommenden Arbeiten und Leiden und auch einige frei-
willige Werke der Selbstverleugnung dar. Bete einige
Vater unser um eine innige, reumütige, opferwillige
Liebe zu Christus.

Bei der heiligen Kommunion.


Vermeide auf der einen Seite sorgfältigst jede
freiwillige Zerstreuung, und auf der andern ebenso
[388] jede Ueberanstrengung oder Erzwungenheit in der An-
dacht. Suche vielmehr mit aller Ruhe gläubig daran
zu denken, was Heiliges du vornimmst, und demütig,
vertrauensvoll, mit kindlichem Sinn den Heiland zu
erwarten und zu empfangen. Du mußt Ihm nichts
entgegenbringen als ein reines und empfängliches Herz,
das weitere ist dann Sache seiner Freigebigkeit. Bitte
den heiligen Schutzengel, in diesen heiligen Augenblicken
jede Zerstreuung und Versuchung von dir ferne zu
halten. Beim Gange zur Kommunionbank, an dersel-
ben und bei der Rückkehr betrachte die Worte, mit
denen die heilige Kommunion gespendet wird: O Herr,
– (übe den Glauben und die Anbetung) – ich bin nicht
würdig, daß Du eingehest unter mein Dach
(hier erwecke Reue und Demut), – sondern sprich
nur ein Wort, so wird gesund meine Seele
,
– (erwecke Vertrauen und Sehnsucht).

Nach der heiligen Kommunion.


Betrachte, was oben vor der heiligen Kommunion
empfohlen worden. Begrüße Jesum Christum nicht
bloß mit dem Munde, sondern mit gerührtem Herzen
ungefähr also:

O liebreichster Jesu! nun habe ich ge-
funden, was ich gesucht habe, nämlich Dich,
meinen einzigen Trost, meine einzige Hoff-
nung, den einzigen Schatz meiner Seele. Du
bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes.

O mein Jesu! woher kommt mir dieses,
daß Du, mein großer Gott, Dich würdigest,
zu mir zu kommen!

[389]

O mein Jesu! ich bete Dich an, als mei-
nen Herrn und Gott, als meinen Erlöser und
Seligmacher.

O mein Jesu! ich sage Dir unendlichen
Dank, daß Du Dich gewürdiget hast, bei mir
einzukehren, und mich mit deinem Fleische
und Blute zu speisen.

O mein Jesu! ich opfere Dir auf mei-
nen Leib und meine Seele und alles, was
ich habe und bin, zu deinem heiligen Dienste.

O mein Jesu! bleibe bei mir mit deiner
Gnade, und stärke mich durch die Kraft dieses
heiligen Sakramentes jetzt und in der Stunde
des Todes.

O heiliges Gastmahl, in welchem wir
Christus empfangen und das Andenken sei-
nes Leidens feiern. Das Herz wird darin
mit Gnade erfüllt, und uns gegeben das
Unterpfand der künftigen Herrlichkeit.

Bete Jesum Christum in dir an, danke Ihm, er-
wecke den Glauben, die Hoffnung und die Liebe, opfere
Ihm dich und all das deinige auf, erneuere deine Vor-
sätze, trage Ihm deine Anliegen und Bitten für dich
und andere vertraulich vor. Thue das bloß innerlich
oder im folgenden und ähnlichen Gebeten.

Sieben Worte zum göttlichen Heilande.

1. Ich weiß, o Herr Jesu Christe, daß
ich ein großer Sünder bin. Ich würde ver-
[390] zagen, wenn ich nicht schon lange wüßte,
wie barmherzig Du alle Sünder aufnimmst,
und auch mich nicht zurückweisest. Ich danke
Dir für deine übergroße Huld.

2. Ich bin jetzt im Frieden mit meinem
Nächsten. Ich will alle Beleidigungen ver-
gessen, da Du mir meine viel größere Schuld
so gnädig verziehen hast. Ich preise von
Herzensgrund deine Liebe und Güte.

3. Ich betrachte dein Leiden am Kreuze
für mich armen Sünder, deine Herrlichkeit
im Himmel und daneben deine armselige
Wohnung in meinem Herzen. Ich werde
ganz beschämt wegen deiner Herablassung
und meiner Armseligkeit, aber auch ganz selig,
wegen meines unverdienten Glückes, das
mir in der Vereinigung mit Dir zu teil ge-
worden ist.

4. Ich werfe mich ehrfurchtsvoll nieder
vor deiner Majestät und bete Dich an mit
aller Demut und Ehrerbietigkeit, deren ich
fähig bin. Ich vereinige meine armselige
Huldigung mit den Lobpreisungen der himm-
lischen Heerscharen.

5. Ich will, o Herr Jesu Christe, mit
deiner Gnade mein Leben bessern und nach
deinem Wort und Beispiel einrichten. Gieb
[391] mir die Liebe zu Dir, erhalte und vermehre
sie in mir, und ich bin reich und glücklich
genug.

Hier erneuere deine Vorsätze und bitte den Heiland
um seine Gnade.

6. O Herr Jesu Christe! Du Stärke der
Schwachen, Du Helfer der Armen und Elenden,
Du kennst meine Anliegen und Bedürfnisse
besser als ich selber. Sei Du in denselben
meine Hilfe und mein Trost.

Hier trage dem Heilande deine Bitten und An-
liegen vor.

7. Du hast Dich, o Herr Jesu Christe,
mir ganz und gar geschenkt. Ich schenke
Dir dafür mein Herz, meine Seele mit allen
ihren Kräften, mein Leben mit allen Arbeiten,
Leiden und Ueberwindungen. Es ist das nur
eine armselige Gegengabe, aber es ist alles,
was ich habe. Heilige es und weihe es durch
die Vereinigung mit deinen unendlichen Ver-
diensten.

Hier bringe Christus alle deine guten Werke, Leiden
und Ueberwindungen als Opfer dar.

Gebet des heiligen Ignatius.

Seele Christi, heilige mich.
Leib Christi, mache selig mich.
Blut Christi, tränke mich.
[392] Wasser der Seite Christi, wasche mich.
Leiden Christi, stärke mich.
O gütiger Jesu, erhöre mich.
In deine Wunden verberge mich.
Von Dir laß nimmer scheiden mich.
Vor dem bösen Feind beschirme mich.
In meiner Todesstunde rufe mich,
Zu Dir zu kommen heiße mich,
Mit deinen Heiligen zu loben Dich
In deinem Reiche ewiglich. Amen.

1) Jedesmal 300 Tage Ablaß. 2) 7 Jahre
Ablaß
einmal täglich für alle Gläubigen, welche es
nach Empfang der heiligen Kommunion beten. 3) Voll-
kommener Ablaß
einmal im Monat an einem be-
liebigen Tage, wenn einen Monat lang täglich wenig-
stens einmal gebetet. Bedingungen: Beicht, Kommu-
nion, Kirchenbesuch, Gebet nach Meinung des Papstes.
– Pius IX., 9. Januar 1854.

Besonderer Segen nach der Kommunion
für Hausväter.

Du hast, o Jesu, alle Wohnungen, in
welche Du während deines irdischen Lebens
einkehrtest, mit einer besonderen Gnade be-
glückt; heute bist Du auch bei mir einge-
kehrt; ich besitze Dich nun, und werde Dich
nicht entlassen, bis Du mich gesegnet hast.
Oeffne deshalb deine segensreiche Hand,
[393] und erfülle meine arme Seele, und die mir
anvertraute Wohnung mit deinen himm-
lischen Gaben. Vertreibe aus meinem Hause
allen Zorn und Hader, alles Mißtrauen und
allen Unfrieden; wende gnädig alles Uebel
ab, das uns an Leib oder Seele schaden
könnte.

O freigebigster Jesu! Laß meinem Hause
durch deine Gegenwart Heil widerfahren,
und teile deine Gnaden ebenso reichlich mit,
wie Du sie in dem Hause des Zachäus, des
Matthäus, der Martha und bei der Hochzeit
zu Kana mitgeteilt hast. Dir übergebe ich
gänzlich mich und die Meinigen; schalte und
walte, herrsche und regiere über alles nach
deinem Wohlgefallen. Gieb uns die täg-
liche Nahrung, gieb Frieden und Eintracht,
gieb Geduld in Widerwärtigkeiten, Bestän-
digkeit in deinem Dienste und in deiner
Gnade; gieb mir Eifer und Wachsamkeit in
der Sorge für die Meinigen, bewahre sie
vor Aergernis und Verführung, laß alle
wachsen in der Gottesfurcht und Tugend,
gieb uns endlich, daß wir nach einem wohl-
vorbereiteten Tode in die Wohnungen
der Auserwählten und zu deiner glückseligen
Anschauung gelangen mögen. Amen.

[394]

Ablaßgebete.


Durch die Freigebigkeit der Kirche ist es möglich
gemacht, fast bei jeder heiligen Kommunion unter irgend
einen, Titel einen vollkommenen Ablaß zu gewinnen.
Die christliche Liebe zu sich selber und zu den armen
Seelen erlaubt dem Christen nicht, diese Gelegenheit
unbenutzt zu lassen. Darum folgen hier noch Ablaßge-
bete, welche nebst Erfüllung der übrigen Bedingungen
in der Regel für Erlangung eines vollkommenen Ab-
lasses gefordert werden.

1. O Gott! Du höchster Hirt und Vater
der Gläubigen! der Du durch deinen Geist
den ganzen Leib deiner Kirche leitest und
heiligest, und durch Jesum Christum die Herr-
lichkeit deines Namens allen Völkern kund
gemacht hast, erhalte und befördere das Werk
deiner Erbarmung, damit deine Kirche wachse
in allem Guten, und sich ausbreite über die
ganze Erde, und in dem Bekenntnisse deines
Namens standhaft verharre.

Vater unser. Ave Maria.

2. Höchster und ewiger Hirt Jesus Chri-
stus, wir empfehlen Dir unsern Heiligen
Vater, den Papst N. N., deinen Stellver-
treter auf Erden. Erhöre seine Gebete und
erfülle seine Wünsche, die deine Ehre und
das Beste der Kirche bezwecken. Leite, er-
[395] leuchte, stärke, verteidige und unterstütze ihn,
damit er der Kirche jederzeit würdig vor-
stehe.

Vater unser. Ave Maria.

3. O Gott, der Du den Frieden giebst
und die Einigkeit liebst, verleihe allen christ-
lichen Regenten und Obrigkeiten, deinen
Dienern, vollkommene Eintracht im Guten,
entferne alle Kriege, Unruhen und Zwistig-
keiten, damit deine Gläubigen in voller
Freiheit des Glaubens und im Frieden Dir
dienen mögen.

Vater unser. Ave Maria.

4. Allmächtiger, ewiger Gott! der Du
alle Seelen zur Seligkeit berufest, und nicht
willst, daß eine verloren gehe, siehe gnädig
herab auf die Seelen, welche noch in den
Banden der Unwissenheit und des Irrtums
gefangen sind. Verleihe den Christen, daß
sie alle Spaltungen aufheben, alle Irrtümer
ablegen, zur Einheit in deiner Wahrheit
zurückkehren, und durch treue Befolgung dei-
ner Gebote das ewige Leben erlangen.

Vater unser. Ave Maria.

5. Allmächtiger, ewiger Gott! erzeige
Dich gnädig und barmherzig gegen dein
ganzes christliches Volk; bekehre die Sünder,
[396] stärke die Angefochtenen, tröste die Betrüb-
ten, erhalte die Gerechten und Frommen,
erbarme Dich der Elenden und Notleiden-
den, damit sie alle durch deine Gnade erleuch-
tet, geheiliget, gestärkt und getröstet werden
und zur ewigen Seligkeit gelangen mögen.

Vater unser. Ave Maria. Glaube.

Aufopferung.


O Gott der Erbarmungen! nimm auf
unser Gebet, das wir nach unseren schwachen
Kräften zur Erlangung des Ablasses ver-
richtet haben. Laß uns durch deine unend-
liche Güte desselben teilhaftig werden. Er-
setze Du, was uns von den strengen Buß-
übungen der ersten Christen abgeht, durch
die unendlichen Verdienste deines Sohnes
Jesu Christi und die Fürbitte der allerselig-
sten Jungfrau Maria und aller Heiligen.
Laß uns künftig von der Last der Sünde
befreit, Dir treu dienen und in deiner Gnade
bis ans Ende standhaft verharren, durch Je-
sum Christum, unsern Herrn. Amen.

Vor dem Bilde des Gekreuzigten.


Siehe, o mein geliebter und gütiger Je-
sus, in deiner heiligsten Gegenwart werfe
[397] ich mich nieder und bitte Dich mit lebendig-
stem Eifer: präge tief ein in mein Herz die
Gefühle des Glaubens, der Hoffnung, der
Liebe, des Schmerzes über meine Sünden
und des Vorsatzes, Dich nicht mehr zu be-
leidigen; indem ich mit aller Liebe und allem
Mitleid deine heiligen fünf Wunden betrachte,
zunächst mir vor die Seele führend, was von
Dir, o mein Jesus, der heilige Prophet David
gesagt hat: Sie haben durchbohrt
meine Hände und meine Füße; alle
meine Gebeine haben sie gezählt
.
(Ps. 21, 17. 18.)

Vollkommener Ablaß, wenn man dieses Ge-
bet vor irgend einem Bilde des Gekreuzig-
ten
andächtig verrichtet. Bedingungen: Beichte, Kom-
munion, und eine Zeit lang frommes Gebet nach Mei-
nung des Papstes. – Pius IX., 31. Juli 1858.

[figure]

Verschiedene Andachten.

[398]
[figure]

Zur heiligen Fastenzeit.


Stationenandacht.

V. und A. Ich arme elende Kreatur werfe
mich nieder zur Erde, – und in tiefster Demut
bete ich Dich an als meinen Gott und Herrn.
– Ich glaube an Dich, o unfehlbare, ewige
Wahrheit! – ich hoffe auf Dich, o unermeßliche,
hilfreiche Barmherzigkeit! – ich liebe Dich aus
dem Grunde meiner Seele über alles, – o un-
endliche, aller Liebe würdigste Gütigkeit! –
Und eben aus diesem Beweggründe reut es
mich von ganzem Herzen, – daß ich Dich, o
höchstes Gut, jemals beleidiget habe. – Von
nun an will ich hassen und verabscheuen alle
Sünden und jede böse Gelegenheit, – da ich
jetzt zu deiner größeren Ehre, – zur Nachfolge
Mariä, der schmerzhaften Mutter, – wie auch
jener Heiligen, – welche Dich auf den Kalvarien-
[399] berg begleitet haben, – den heiligen Kreuz-
weg antrete – und die dabei verliehenen Ablässe
zu gewinnen gedenke, – den ersten für mich
selbst, die übrigen für jene Seelen im Fegfeuer,
gegen welche ich die meiste Schuldigkeit habe.

Erste Station.

V. Jesus wird von Pilatus zum Tode des
Kreuzes verurteilt.

Wir beten Dich an, Herr Jesus Christus,
und benedeien Dich;

A. Denn durch dein heiliges Kreuz hast
Du die ganze Welt erlöst.

V. O Jesu, ganz unschuldig zum grausa-
men Tode des Kreuzes verurteilt! aus Liebe
zu Dir bereue und beweine ich meine Sünden.
Sei mir ein gnädiger Richter und verurteile
mich nicht zum ewigen Tode. – Vater unser.

V. Erbarme Dich unser, o Jesu, erbarme
Dich unser,

A. Und sei uns gnädig wegen deines
allerheiligsten Leidens!

Zweite Station.

V. Jesus nimmt das schwere Kreuz auf
seine Schultern.

Wir beten Dich an, Herr Jesus Christus,
und benedeien Dich;

[400]

A. Denn durch dein heiliges Kreuz hast
Du die ganze Welt erlöst.

V. O Jesu, Du nimmst ganz geduldig das
Kreuz auf Dich; aus Liebe zu Dir unterwerfe
ich mich dem Kreuze und will es tragen nach
deinem Willen. Stärke und tröste mich in allem
Kreuz und aller Widerwärtigkeit. – Vater unser.

V. Erbarme Dich unser, o Jesu, erbarme
Dich unser,

A. Und sei uns gnädig wegen deines aller-
heiligsten Leidens!

Dritte Station.

V. Jesus fällt das erste Mal unter dem Kreuze.

Wir beten Dich an, Herr Jesus Christus,
und benedeien Dich;

A. Denn durch dein heiliges Kreuz hast
Du die ganze Welt erlöst.

V. O Jesu, Du fällst mit dem schweren
Kreuze; meine Sünden haben Dich niederge-
drückt; ach! ich verabscheue nun alle. Erhalte
mich, daß ich in keine schwere Sünde falle, son-
dern in aller Demut Dir diene. – Vater unser.

V. Erbarme Dich unser, o Jesu, erbarme
Dich unser,

A. Und sei uns gnädig wegen deines
allerheiligsten Leidens!

Vierte Station.
[401]

V. Jesus begegnet seiner betrübten Mutter.

Wir beten Dich an, Herr Jesus Christus,
und benedeien Dich:

A. Denn durch dein heiliges Kreuz hast
Du die ganze Welt erlöst.

V. O Jesu, mit dem Kreuze beladen, begeg-
nest Du deiner schmerzvollen Mutter; herzli-
ches Mitleid trage ich gegen Dich mit Maria.
Durch die Fürbitte dieser schmerzhaften Mutter
gieb mir eine standhafte Liebe. – Vater unser.

V. Erbarme Dich unser, o Jesu, erbarme
Dich unser,

A. Und sei uns gnädig wegen deines
allerheiligsten Leidens!

Fünfte Station.

V. Simon von Cyrene hilft Jesu das
Kreuz tragen.

Wir beten Dich an, Herr Jesus Christus,
und benedeien Dich;

A. Denn durch dein heiliges Kreuz hast
Du die ganze Welt erlöst.

V. O Jesu, Simon hilft aus Zwang Dir
das Kreuz tragen; mit Dir will ich ge-
duldig leiden und nehme das Kreuz auf mich.

[402]

Ich hoffe auf deine Gnade, laß mich nicht
unterliegen. – Vater unser.

V. Erbarme Dich unser, o Jesu, erbarme
Dich unser,

A. Und sei uns gnädig wegen deines
allerheiligsten Leidens!

Sechste Station.

V. Veronika reicht Jesu das Schweißtuch dar.

Wir beten Dich an, Herr Jesus Christus,
und benedeien Dich;

A. Denn durch dein heiliges Kreuz hast
Du die ganze Welt erlöst.

V. O Jesu, dem Veronika den Schleier ihres
Hauptes als ein Schweißtuch überreicht, dein
blutiges Angesicht bewegt mein Herz zur Liebe
und zum Mitleid. Drücke dein Leiden und deine
Wunden tief in mein Herz. – Vater unser.

V. Erbarme Dich unser, o Jesu, erbarme
Dich unser,

A. Und sei uns gnädig wegen deines
allerheiligsten Leidens!

Siebente Station.

V. Jesus fällt das zweite Mal unter dem
Kreuze.

Wir beten Dich an, Herr Jesus Christus,
und benedeien Dich;

[403]

A. Denn durch dein heiliges Kreuz hast
Du die ganze Welt erlöst.

V. O Jesu, Du fällst wieder mit dem Kreuze,
und ich beweine wieder meine Sünden und ver-
werfe die Last derselben. Gieb, daß ich dein
süßes Joch beharrlich trage. – Vater unser.

V. Erbarme Dich unser, o Jesu, erbarme
Dich unser,

A. Und sei uns gnädig wegen deines
allerheiligsten Leidens!

Achte Station.

V. Jesus redet an die weinenden Töch-
ter von Jerusalem.

Wir beten Dich an, Herr Jesus Christus,
und benedeien Dich;

A. Denn durch dein heiliges Kreuz hast
Du die ganze Welt erlöst.

V. O Jesu, mit den Töchtern von Sion be-
weine ich deine Schmerzen und meine Sünden;
denn ich liebe Dich, o mein Heiland! Gieb mir
wahre Reue und Leid und Verzeihung. –
Vater unser.

V. Erbarme Dich unser, o Jesu, erbarme
Dich unser,

A. Und sei uns gnädig wegen deines
allerheiligsten Leidens!

Neunte Station.
[404]

V. Jesus fällt das dritte Mal unter dem
schweren Kreuze.

Wir beten Dich an, Herr Jesus Christus,
und benedeien Dich;

A. Denn durch dein heiliges Kreuz hast
Du die ganze Welt erlöst.

V. O Jesu, nach dem dritten Fall liegst
Du auf der Erde; ich armer Sünder verde-
mütige mich aufs tiefste vor deinem heiligen
Angesichte; denn wegen meiner Sünden bin
ich nicht würdig, Dich anzusehen. O Jesu,
erbarme Dich meiner. – Vater unser.

V. Erbarme Dich unser, o Jesu, erbarme
Dich unser,

A. Und sei uns gnädig wegen deines
allerheiligsten Leidens!

Zehnte Station.

V. Jesus wird seiner Kleider beraubt.

Wir beten Dich an, Herr Jesus Christus,
und benedeien Dich;

A. Denn durch dein heiliges Kreuz hast
Du die ganze Welt erlöst.

V. O Jesu, deiner Kleider beraubt und
mit bitterem Tranke getränket! Deine Un-
[405] schuld und Reinigkeit verleiden mir alle Sün-
den und Eitelkeit. Gieb mir das Kleid der
Gnade und Ehrbarkeit, die Tugenden der
Reinigkeit und Mäßigkeit. – Vater unser.

V. Erbarme Dich unser, o Jesu, erbarme
Dich unser,

A. Und sei uns gnädig wegen deines
allerheiligsten Leidens!

Elfte Station.

V. Jesus wird aufs schmerzlichste an das
Kreuz genagelt.

Wir beten Dich an, Herr Jesus Christus,
und benedeien Dich;

A. Denn durch dein heiliges Kreuz hast
Du die ganze Welt erlöst.

V. O Jesu, wie hart bist Du aus Kreuz
genagelt! O Liebe, ich liebe Dich; o Schmerz
meines Jesu, durchdringe mich! O Jesu,
gieb, daß ich mein Fleisch kreuzige mit allen
bösen Gelüsten. – Vater unser.

V. Erbarme Dich unser, o Jesu, erbarme
Dich unser,

A. Und sei uns gnädig wegen deines
allerheiligsten Leidens!

Zwölfte Station.
[406]

V. Jesus wird erhöht und stirbt am Kreuze.

Wir beten Dich an, Herr Jesus Christus,
und benedeien Dich;

A. Denn durch dein heiliges Kreuz hast
Du die ganze Welt erlöst.

V. O Jesu, Du stirbst an dem Kreuze für
mich. Ich glaube an Dich, ich hoffe auf Dich, ich
liebe Dich, ich bete Dich an und danke Dir. O
Jesu, gedenke meiner in deinem Reiche, und
gieb mir ein glückseliges Ende. – Vater unser.

V. Erbarme Dich unser, o Jesu, erbarme
Dich unser,

V. Und sei uns gnädig wegen deines
allerheiligsten Leidens!

Dreizehnte Station.

V. Der Leichnam Jesu wird vom Kreuze
abgenommen und in den Schoß Mariä gelegt.

Wir beten Dich an, Herr Jesus Christus,
und benedeien Dich;

A. Denn durch dein heiliges Kreuz hast
Du die ganze Welt erlöst.

V. O Jesu, Du liegst im Schoße deiner be-
trübten Mutter. Ich küsse mit ihr deine
heiligen Wunden aus wahrer Liebe. Gieb,
[407] daß ich mit Dir bis in den Tod gehorsam
werde. – Vater unser.

V. Erbarme Dich unser, o Jesu, erbarme
Dich unser,

A. Und sei uns gnädig wegen deines
allerheiligsten Leidens!

Vierzehnte Station.

V. Der Leichnam Jesu wird in das Grab
gelegt.

Wir beten Dich an, Herr Jesus Christus,
und benedeien Dich;

A. Denn durch dein heiliges Kreuz hast
Du die ganze Welt erlöst

V. O Jesu, nach deinem Leiden und
Sterben ins Grab gelegt! ich schenke Dir
mein Herz. Reinige es und verbleibe in
demselben durch deine Gnade und Liebe in
Ewigkeit. – Vater unser.

V. Erbarme Dich unser, o Jesu, erbarme
Dich unser,

A. Und sei uns gnädig wegen deines
allerheiligsten Leidens!

Aufopferung.

V. u. A. O gütigster Jesu, – nun sage
ich Dir Dank für die große Barmherzigkeit, –
[408] welche Du mir in Verrichtung dieses Kreuz-
weges verliehen hast. – Ich opfere Dir den-
selben auf, – zur Verehrung deines bitteren
Leidens und Sterbens, – zur Verzeihung mei-
ner begangenen Sünden – und zur Nachlas-
sung der wohlverdienten Strafen; – zur Hilfe
und zum Troste der armen Seelen in den
Leiden des Fegfeuers. – Endlich bitte ich Dich
demütig, o Jesu, – Du wollest alle meine
Schritte und Tritte leiten auf dem Wege des
ewigen Heiles, – und so dein heiligstes Blut –
dein kostbares Leiden und Sterben – an mei-
ner armen Seele nicht lassen verloren gehen,
– sondern dieselbe in die ewige Freude und
Seligkeit aufnehmen, – wo Du mit dem Vater
und dem heiligen Geiste lebst und regierst
von Ewigkeit zu Ewigkeit. – Amen.

Auslegung des Vater unser und des
englischen Grußes.


Das Vater unser vereinigt alle Vorzüge eines Ge-
betes in sich. Es ist heilig und ehrwürdig durch seinen
Ursprung, einfach in seinen Worten und doch überaus
erhaben nach seinem Inhalte, geweiht durch den from-
men Gebrauch vieler Jahrhunderte, ein vorzügliches
Mittel, sowohl gemeinsam mit andern zu beten, als
jedes besondere Anliegen Gott vorzutragen. Darum
wird es so allgemein gebraucht im Hause Gottes, im
Familienkreise und im stillen Kämmerlein.

[409]

Wenn viele Christen dasselbe ohne Andacht her-
sagen und so den Herrn bloß mit den Lippen preisen,
so liegt der Grund nicht im Gebete und nicht in der
öfteren Wiederholung desselben. Im Himmel ertönt
ewig das ‘„Heilig, heilig, heilig,“’ ohne daß diese Worte
leer oder veraltet werden, weil sie einer ewig frischen
Liebe und Begeisterung zum Ausdrucke dienen. Wer
den Geist des Gebetes hat, wird niemals bloß Worte
hersagen oder repetieren, sondern beten, auch wenn er
dieselben Gebete öfters wiederholt.

Das andächtige Beten des Vater unser wird um
vieles erleichtert, wenn man sich bemüht, betrachtend
seinen Inhalt zu erfassen. Nachstehende Andacht soll
als Hilfsmittel dienen, mit den Worten die entspre-
chenden Gesinnungen zu verbinden, in allbekannte
Gebetsformeln seine eigenen Anliegen und Bedürfnisse
hineinzulegen, um so im Gebete aufrichtig und von
Herzen mit Gott zu reden. Wer jeden Sonntag eine
einzige Bitte betrachtend durchgeht, wird davon nicht
geringen Gewinn haben.

Es ist sehr zu empfehlen, dann und wann das Ge-
bet des Herrn langsam zu beten, und bei jeder Bitte
etwas inne zu halten, um auch ohne Buch deren In-
halt zu beherzigen.

Das Gesagte gilt auch von allen andern mündlichen
Gebeten, besonders von dem englischen Gruße, der na-
mentlich im heiligen Rosenkranz als geeignetes Mittel
dient, die Geheimnisse der Erlösung zu betrachten.

Vater unser, der Du bist im Himmel.

Erwägungen: ‘„Sehet, spricht der hei-
lige Johannes, welche Liebe uns der Vater
erwiesen hat, daß wir Kinder Gottes heißen
[410] und sind.“’
(I. Joh. 3, 1.) Der hl. Chrysostomus
ruft aus: ‘„O welches Uebermaß der gött-
lichen Menschenfreundlichkeit, und welche Fülle
der Ehre für uns; erwäge und staune, Ge-
liebter, über den unaussprechlichen Reichtum
der Güte Gottes, indem Er uns gestattet,
Ihn Vater zu nennen. Der Irdische darf den
Himmlischen, der Sterbliche den Unsterblichen,
der, welcher gestern noch Staub war, darf
den Vater nennen, der von Ewigkeit her
Gott ist.“’

Obschon Gott an allen Orten gegenwärtig
ist, so will doch Jesus Christus, daß wir uns
bei dem Gebete daran erinnern, daß Er im
Himmel seine Herrlichkeit offenbart, dort von
den Engeln und Heiligen ehrfurchtsvoll an-
gebetet wird, und daß dort Jesus Christus als
unser Mittler und Fürsprecher zu seiner Rech-
ten sitzt.

Anmutung. O Herr des Himmels! mit
heiliger Freude rede ich Dich als Vater an. In
der Einfalt meines Herzens will ich Dir meine
Ehrfurcht, Liebe und Dankbarkeit darbringen
und Dir meine Sorgen und Leiden klagen.
Ich habe ein großes Vertrauen auf den süßen
Vaternamen, mit dem ich Dich anreden darf,
auf deine unermeßliche Liebe und Güte, auf
[411] die Verdienste deines Sohnes, auf die Für-
bitte der Engel und Heiligen. Würdige mich,
mit meinen schwachen Seufzern miteinzustim-
men in die reinen und unbefleckten Lobprei-
sungen der seligen Himmelsbewohner.

Geheiliget werde dein Name.

Erwägungen: Der Name Gottes soll
im Munde der Menschen dazu dienen, Gott zu
loben und zu verherrlichen und Segen und
Gnade von oben herabzuziehen. Wenn du
wirklich Gott als deinen Vater liebst, so muß
dir sein Name heilig sein, du mußt ihn ehr-
furchtsvoll gebrauchen, mutvoll vor den Men-
schen bekennen, in allem deinem Thun und
Lassen seine Ehre zu fördern suchen. Du mußt
wünschen, daß dieser Name von allen Men-
schen erkannt und geheiliget werde, dich freuen
über alles, was zu seiner Ehre geschieht, trauern
über alle Gotteslästerungen und Beleidigungen
Gottes. Wie vieles hast du in dieser Hinsicht
dir selber vorzuwerfen? Wie vieles geschieht
in der Welt gegen die Ehre des Allerhöch-
sten? Bringe diese erste Bitte Gott jedesmal
dar zur Sühnung dieser Sünden und zur Er-
langung einer großen Ehrfurcht vor dem heili-
gen Namen Gottes für dich und andere.

[412]

Anmutung. Mache, o Herr, daß wir Dich
im Geiste und in der Wahrheit anbeten, daß
wir deinen Namen, der furchtbar und heilig
ist, bekennen vor den Menschen, daß alle Völ-
ker Dich erkennen und kommen, vor Dir an-
zubeten, daß alle Dich loben und verherrlichen
in deinen Werken und deinen hl. Namen prei-
sen, der lobwürdig und erhaben ist in Ewigkeit.

Zukomme uns dein Reich.

Erwägungen. Das Reich Gottes ist in
uns, wenn wir an Christus und seine Lehre
glauben, wenn wir frei von schweren Sünden
im Stande der Gnade leben, wenn wir Gottes
Gebote beobachten und Ihn lieben und ehren.
Das Reich Gottes ist um uns in der Kirche
Jesu Christi. Wir müssen uns freuen, Kinder
dieses Reiches zu sein, und den Herrn bitten,
daß Er alle unsterblichen Seelen dieses Glückes
teilhaftig machen möge. Das Reich Gottes
ist über uns in der ewigen Seligkeit, dem höch-
sten Ziele unserer Hoffnung, wofür alles an-
dere nur Vorbereitung ist. Bete diese Worte nie,
ohne wenigstens in einer dieser drei Beziehun-
gen an das Reich Gottes zu denken, und für
dich oder andere um seine Förderung zu bitten.

Anmutung. Zukomme uns dein Reich,
[413] welches nicht von dieser Welt ist, welches ist
Gerechtigkeit und Friede und Freude im hei-
ligen Geiste. Führe alle Menschen zur Wahr-
heit und Gerechtigkeit, welche ist in Jesus
Christus, und erhalte und befestige sie darin.
Hilf uns jetzt und allzeit, daß wir in diesem
Lande der Verbannung nicht zu Grunde gehen,
sondern jetzt in deiner Gnade leben und nach
glücklich vollbrachter Pilgerschaft zu Dir in
dein ewiges Reich gelangen mögen. Gieb
uns Eifer und Kraft, damit wir keine Mühe
und Anstrengung scheuen, um der Seligkeit
des Himmels teilhaftig zu werden.

Dein Wille geschehe, wie im Himmel, also
auch auf Erden.

Erwägungen. Der Wille des Herrn soll
geschehen: an uns. Wir sollen in Leiden den
Glauben an das Walten der göttlichen Vor-
sehung erwecken, durch welche alles zu unserm
Besten angeordnet wird und mit Christus sa-
gen: ‘„Vater, nicht mein, sondern dein Wille
geschehe.“’
In diesem Vertrauen und dieser
Ergebung liegt die tröstlichste Erquickung für
das bekümmerte Herz. Der Wille Gottes soll
geschehen durch uns, indem wir seine Ge-
bote beobachten. Wer den Willen des Herrn
[414] erfüllt, der ist heilig und gerecht, schon glück-
lich hienieden durch die Ruhe des Gewissens,
und ewig selig in der anderen Welt. Nichts
geht auf Erden über den Seelenfrieden des
Gerechten. Wie viele Uebel würden aus der
Welt verschwinden, wenn alle dem Herrn ge-
horchten, wie die Bewohner des Himmels?
Die Erde würde gewissermaßen zum Himmel
werden, die Menschen würden Gott als ihren
Vater ehren, und Er sie als seine geliebten
Kinder segnen. Denke bei diesen Bitten an
deine Leiden, deine Vorsätze, Versuchungen,
erwecke die Gesinnungen der Ergebung, der
Reue, des Gehorsams, der Treue und des
Eifers für Gottes Ehre, und bitte um die
hiezu notwendige Gnade für dich und andere.

Anmutung. Alle Wesen im Himmel und
auf Erden gehorchen jedem Winke deines
heiligen Willens. Nur wir armselige Men-
schen nehmen uns heraus, zum eigenen Scha-
den Dir zu widerstreben. Rotte in uns aus
diesen bösen Willen und lehre uns deinen Wil-
len thun, wie ihn die Engel im Himmel thun.
Thue an mir und durch mich, o Herr, was
wohlgefällig ist vor Dir, durch Jesum Christum,
deinen lieben Sohn, welcher vom Himmel her-
abgestiegen ist, um deinen Willen zu thun.

Gieb uns heute unser tägliches Brot.
[415]

Erwägungen. Leben und Gesundheit,
Ehre und Glück, alles, was wir an Leib und
Seele notwendig haben, kommt von der Hand
des Herrn. Unsere Bemühungen haben nur
dann Erfolg, wenn der Herr dazu Segen
und Gedeihen giebt. Niemand auf Erden
kann uns des morgigen Tages versichern, Gott
aber will heute und morgen unser gütiger
Vater sein. Erwecke oft den Glauben, daß
du ohne Gott nichts vermagst, in jeder Lage
aber auf seine Hilfe rechnen kannst, wenn
du den altchristlichen Spruch befolgst, der
da lautet: Bete und arbeite. Denke bei dieser
Bitte an deine zeitlichen Sorgen und Bedürf-
nisse; bedenke aber zugleich, daß nicht bloß dein
Leib, sondern auch deine Seele der Speise be-
dürftig ist.

Anmutung. Aller Augen hoffen auf Dich,
o Herr, und Du giebst ihnen Speise zur rech-
ten Zeit. Du öffnest deine Hand, und er-
füllest alle Wesen mit Segen. Der Du die
hungrigen Raben speisest, gieb mir und allen
Menschen, was sie zum Leben nötig haben,
Gesundheit, Speise und Trank, ein frohes
Gemüt und ein großes Vertrauen auf Dich.

[416]

Speise mich auch mit dem Brote des Le-
bens, und tränke mich mit den Wassern deiner
Gnade. Gieb mir das wahre Himmelsbrot,
dein Fleisch, welches wahrhaftig eine Speise,
dein Blut, welches wahrhaft ein Trank ist,
damit ich in der Kraft dieser Speise wandle
bis zu deinem heiligen Berge, und einst ge-
würdiget werde zu essen und zu trinken an
deinem Tische in deinem Reiche.

Vergieb uns unsere Schulden, wie auch
wir vergeben unsern Schuldigern.

Erwägungen. Bei dieser Bitte soll der
Christ an seine begangenen Sünden denken.
Auch wer im Stande der Gnade sich befindet,
hat manche kleinere Sünden auf sich. Diese
Bitte kann zu deren Nachlassung führen unter
zwei Bedingungen: 1. daß sie von einer voll-
kommenen Reue begleitet ist, 2. daß man
ebenfalls allen Beleidigern verzeiht. Viele
Christen beherzigen viel zu wenig das Wort
des Herrn: ‘„Wenn ihr nicht vergebet, so wird
euch euer Vater im Himmel auch euere Sünden
nicht vergeben.“’
Der wahre Diener Christi
wird diese Bitte nie beten, ohne Reue über
seine Sünden, namentlich über jene, die erst
begangen worden, oder die ihn am meisten
[417] beunruhigen, und ohne alle freiwillige
Abneigung und allen Haß aus seinem Herzen
zu entfernen.

Anmutung. Gedenke deiner Erbarmun-
gen, o Herr, und deiner Barmherzigkeit, die
von Ewigkeit ist. Der Vergehungen meiner
Jugend und meiner unbewußten Sünden
gedenke nicht, sondern um deines Namens
willen sei gnädig meinen Sünden, denn ihrer
sind viele. Da Du deine Huld uns erzeigtest,
da wir noch Sünder waren, vergeben auch
wir unsern Brüdern: denn wir wissen, daß
Du, himmlischer Vater, auch gegen uns barm-
herzig bist, wenn wir ihnen verzeihen. Gott
sei mir armen Sünder gnädig!

Und führe uns nicht in Versuchung.

Erwägungen. Die Versuchungen zur
Sünde kommen nicht von Gott, sondern von
Welt, Fleisch und Satan. Gott läßt aber die-
selben zu: 1. um uns in der Demut zu erhal-
ten, 2. um unsere Treue zu prüfen und unsere
Untreue zu strafen, 3. um unseren Tugendeifer
und unsere Verdienste zu vermehren. Die Ver-
suchungen gereichen uns nicht zum Schaden,
sondern zum Heile, wenn wir 1. uns nicht frei-
willig in die Gefahr begeben, 2. eifrig beten
[418] und fleißig die heiligen Sakramente empfan-
gen, 3. treu und beharrlich kämpfen. Erinnere
dich bei dieser Bitte an jene Versuchungen,
die dir schon oft gefährlich wurden.

Anmutung. Bete mit Kaiser Karl dem
Großen: Ich bitte Dich, o Herr, Du wollest
allen Nachstellungen meiner sichtbaren und un-
sichtbaren Feinde kräftig widerstehen und mich
armen Sünder, der ich sonst niemand, als Dich,
zu meinem Beschützer habe, um meiner Sünden
willen nicht verstoßen und verlassen, sondern
von aller Bosheit, welcher ich gedient, und
leider noch diene, auch von allen Nachstellun-
gen meiner sichtbaren und unsichtbaren Feinde
um der Ehre deines heiligsten Namens willen
erretten. Erfülle auch an mir deine Verheiß-
ung: Selig der Mann, der die Prüfung aus-
haltet, denn wenn er bewährt erfunden wor-
den, wird er die Krone des Lebens erlangen.

Sondern erlöse uns von dem Uebel.

Erwägungen. Einzig wahre Uebel sind
nur die ewige Verdammnis und das, was zu
derselben führt, Unglaube, Sünde, ein unglück-
seliger Tod. Bitte um Abwendung dieser Uebel,
um die zur Erlangung der Seligkeit notwendi-
gen Gnaden, besonders um eine glückselige
[419] Sterbestunde und thue das deinige, um dieses
Glückes teilhaftig zu werden. Man kann bei
dieser Bitte auch um Abwendung zeitlicher
Uebel bitten, doch nicht ohne Ergebung in
Gottes Willen und mit vollem Vertrauen
auf seine Anordnungen.

Anmutung. Bewahre, o Herr, meine
Seele vor der Nacht des Unglaubens, dem
Verderben der Sünde, dem Tode der ewigen
Verdammnis. Erhalte mich durch deine Gnade
unter der Zahl der Kinder Gottes, und führe
mich am letzten Ende ein in die Mitte dei-
ner Auserwählten. Wende auch gnädig
von uns ab die vielen zeitlichen Uebel, die
wir um unserer Sünden willen verdient ha-
ben und erlöse die armen Seelen von ihren
Peinen.

Amen. Ja, Vater, so geschehe es. Ich
vereinige meine Bitten mit denen aller Ge-
rechten auf Erden und aller Heiligen im Him-
mel, und lege sie vor deinem Throne nieder,
voll Vertrauen auf deine Verheißungen, auf
deine Liebe und Barmherzigkeit und die Ver-
dienste Jesu Christi. Es geschehe um deines
Sohnes und deiner Auserwählten willen.
Sie alle mögen zu meinem Flehen sagen:
Amen!

Der englische Gruß.
[420]

‘„Gegrüßet seist du.“’ – Wer spricht
diese Worte? – Der Erzengel Gabriel. – Zu
wem? – zur allerseligsten Jungfrau Maria.
Diese Worte bezeugen tiefe Ehrfurcht; – der
Erzengel war Maria diese Ehrfurcht schuldig;
denn sie sollte die Mutter seines Königs, seine
Königin werden. Welche Ehre für Maria! –
O heilige Jungfrau, ich wünsche dir Glück
zu dieser Ehre, deren du dich durch deine
Tugend so würdig erzeigt hast. – Gegrüßet
seist du auch von mir als meine Königin, als
meine Mutter, als die Mutter meines Herrn!
– Es ist billig, daß ich dich in tiefster Ehr-
furcht grüße, da selbst ein Engel vor dir sich
gedemütiget hat! – Wenn ich sage: Gegrüßet
seist du! so vereinige ich mich mit dem Him-
mel und mit der Erde; denn allüberall tönt
dir dieser schöne Gruß entgegen! –

‘„Maria!“’ O der schöne Name Maria!
der liebenswürdige, trostreiche Name! Ueberall
wird er mit Freude wiederholt. – Maria! die-
ser süße Name ist die Stütze der Schwachen, der
Trost der Betrübten, die Hoffnung der Sünder,
die letzte Hilfe der Sterbenden! – Maria! – Der
Name Maria bedeutet Meeresstern. Sie hilft
[421] uns an den Klippen dieses Lebens glücklich vor-
beizukommen. – Maria bedeutet Herrin, Köni-
gin, und ist sie es nicht in der That? – Maria
bedeutet Erleuchterin, und ist uns nicht durch sie
das Licht der Welt gekommen? – O Maria, sei
mein Stern, meine Königin, meine Leuchte!

‘„Du bist voll der Gnade!“’ – Ihr Geist
war voll der Gnade, voll Licht und Erkenntnis;
– ihr Herz war voll Gnaden, voll Liebe und hei-
ligen Verlangens; ihr jungfräulicher Leib war
voll Gnaden, voll Reinheit und Heiligkeit!
– Du bist voll der Gnade! Die Sünde konnte
keinen Platz in ihr finden. O unbefleckte
Jungfrau! Alles in dir ist Gnade, nichts ist
Sünde! Du bist voll der Gnaden von dem
Augenblicke deiner unbefleckten Empfängnis
an, und durch deine treue Mitwirkung erhiel-
test du später jenes reichliche, überfließende
Maß von Gnaden, von dem in der hl. Schrift
die Rede ist. In dem Geheimnisse der heiligen
Menschwerdung besaßest du den Urquell aller
Gnaden selbst. Du bist voll der Gnaden!
Maria wurde mit Gnaden überhäuft auch für
uns, als unsere mächtige Fürbitterin. Ich
will recht oft zu dieser heiligen Quelle eilen,
damit die belebenden Ströme der Gnade auch
auf mich übergehen.

[422]

‘„Der Herr ist mit dir!“’ – Er ist in
allen gerechten Seelen, aber auf noch viel vor-
züglichere Weise in Maria, dem gerechtesten
und vollkommensten aller Geschöpfe. Er ist mit
ihr als der Tochter des Vaters, der Mutter des
Sohnes, der Braut des heiligen Geistes. –
Der Herr ist mit dir; – Er ist immer mit dir;
Er war immer mit dir, weil nie eine Sünde Ihn
nötigte, sich von dir zu entfernen. – O mein
Gott! sei immer mit mir, und laß nicht zu,
daß ich jemals durch eine Sünde mich von
Dir trenne!

‘„Du bist gebenedeit unter den Wei-
bern
.“’
– Maria verkündet selbst in ihrem
Lobgesange, daß von nun an alle Geschlechter
sie selig preisen werden; – und wirklich seit
jenen Tagen und überall äußert sich auf alle
mögliche Weise die innige Verehrung und
Liebe ihrer Kinder. – Welches Weib wurde
je geehrt, wie Maria! – Aber welches ist
auch dieser Ehre je so würdig gewesen! –

‘„Und gebenedeit ist die Frucht dei-
nes Leibes Jesus
.“’
– Jesus! göttlicher
Name, den der Engel vom Himmel brachte!
– Jesus, der Retter der Welt, Jesus, der
Sohn des Allerhöchsten, ist auch der Sohn
Mariä, die Frucht ihres Leibes. Jesus sei
[423] gebenedeit, gebenedeit im Himmel, gebenedeit
auf Erden! O Jesus, ich preise Dich, ich
liebe Dich, ich bete Dich an!

‘„Heilige Maria, Mutter Gottes!“’
– Ich wünsche dir Glück, und freue mich,
daß du die Mutter Jesu, die Mutter Gottes
bist. Du bist die Mutter der Barmherzigkeit
und auch unsere Mutter.

‘„Bitte für uns arme Sünder!“’ Uns
armseligen Menschen, schwach und sündhaft,
täglich bedroht von Leiden, Gefahren und
Versuchungen, unwürdig um unsertwillen Er-
hörung zu finden, wende deine barmherzigen
Augen zu, und sei unsere Fürsprecherin bei
deinem Sohne

‘„Jetzt“’ in den Bedrängnissen und Ge-
fahren des heutigen Tages, besonders in die-
sen... und diesen... Anliegen,

‘„Und in der Stunde unseres Ab-
sterbens
.“’
Komme uns alsdann entgegen
mit den Scharen der Engel, entreiße unsere
Seelen der bittern Angst und großen Gefahr
und trage sie in die Seligkeit des Paradieses.
Amen.

Das allgemeine Gebet.

Allmächtiger, ewiger Gott, – Herr himm-
lischer Vater! – siehe an mit den Augen deiner
[424] unergründlichen Barmherzigkeit – unsern Jam-
mer, Elend und Not. – Erbarme Dich über alle
Christgläubigen, – für welche dein eingeborner
Sohn, – unser Herr und Heiland, Jesus Chri-
stus, – in die Hände der Sünder freiwillig ge-
kommen ist, – und sein kostbares Blut am
Stamme des heiligen Kreuzes vergossen hat. –
Durch diesen Herrn Jesum wende ab, – gnä-
digster Vater, – die wohlverdienten Strafen, –
gegenwärtige und zukünftige Gefahren, –
schädliche Empörung, Krieg, – Teuerung,
Krankheiten – und betrübte, armselige Zeiten.
– Erleuchte auch und stärke in allem Guten –
die geistlichen und weltlichen Vorsteher und
Regenten, – damit sie alles befördern, – was zu
deiner göttlichen Ehre, – zu unserem Heile –
zum allgemeinen Frieden – und zur Wohlfahrt
der ganzen Christenheit gedeihen mag. – Ver-
leihe uns, o Gott des Friedens, – rechte Verei-
nigung im Glauben, – ohne alle Spaltung und
Trennung. – Bekehre unsere Herzen – zur wah-
ren Buße und Besserung unsers Lebens. –
Zünde an in uns das Feuer deiner Liebe; –
gieb uns einen Hunger und Eifer zu aller Ge-
rechtigkeit, – damit wir als gehorsame Kinder –
im Leben und Sterben Dir angenehm und wohl-
gefällig seien. – Wir bitten auch, wie Du willst,
[425] o Gott, daß wir bitten sollen, – für unsere
Freunde und Feinde, – für Gesunde und Kranke
– für alle betrübten und elenden Christen, –
für Lebendige und Abgestorbene. – Dir, o Herr,
sei für immer empfohlen – unser Thun und
Lassen, – unser Handel und Wandel, – unser Le-
ben und Sterben. – Laß uns deine Gnade hier
genießen – und dort mit allen Auserwählten
erlangen, – daß wir in ewiger Freude und Se-
ligkeit – Dich loben, ehren und preisen mögen. –
Das verleihe uns, – o Herr, himmlischer Vater, –
durch Jesum Christum, deinen lieben Sohn, –
unsern Herrn und Heiland, – welcher mit Dir
und dem hl. Geiste – als gleicher Gott lebt
und regiert von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.

Die offene Schuld.

Ich, armer sündiger Mensch, – widersage
dem bösen Feinde, – allen seinen Eingebungen,
Rat und That. – Ich glaube an Gott den Va-
ter, – an Gott den Sohn – und an Gott den
heiligen Geist. – Ich glaube auch gänzlich alles,
– was die katholische Kirche zu glauben vor-
stellt. – Mit diesem heiligen katholischen Glau-
ben bekenne ich Gott, dem Allmächtigen, –
Maria, der hochwürdigen Mutter, – allen lieben
Heiligen, – und gebe mich schuldig, – daß ich von
[426] meinen kindlichen Tagen an bis auf diese
Stunde – oft und viel gesündiget habe, – mit
Gedanken, Worten und Werken – und Unter-
lassung vieles Guten: – wie denn solches alles
geschehen ist, – heimlich oder öffentlich, – wis-
sentlich oder unwissentlich, – wider die zehn
Gebote, – in den sieben Hauptsünden, – an den
fünf Sinnen meines Leibes, – wider Gott, –
wider meinen Nächsten – und wider das Heil
meiner armen Seele. – Alle meine Sünden sind
mir leid – und reuen mich von Herzen. – Da-
rum bitte ich Dich demütig, – ewiger, barm-
herziger Gott! – Du wollest mir deine gött-
liche Gnade verleihen – und mein Leben fristen
so lange, – bis ich hier alle meine Sünden möge
beichten und büßen, – deine göttliche Huld er-
werben – und nach diesem elenden Leben die
ewige Freude und Seligkeit erlangen. – Des-
halb klopfe ich an mein sündiges Herz, – und
spreche mit dem öffentlichen Sünder: ‘„O Gott,
sei mir armen Sünder gnädig!“’
Amen.

Zwei Besuchungen des allerheiligsten
Altarssakramentes.


Christus verweilt unter Brotsgestalten im Ta-
bernakel, damit wir fleißig Ihm unsere Liebe und
Verehrung darbringen und in allen Anliegen und
[427] Nöten vertrauensvoll bei Ihm Hilfe suchen. Ein
katholischer Christ soll aus Liebe zu Christus und zu
seiner Seele oft seinen göttlichen Freund und Hel-
fer im Tabernakel besuchen. Wer es an Wochen-
tagen nicht kann, wird doch an Sonntagen einige Au-
genblicke erübrigen können. Die Punkte der nachfol-
genden Besuchung sollen nur als Beispiel dienen, wie
man auf einfache und leichte, und doch gnadenreiche
Weise mit Christus im Tabernakel umgehen kann. Wer
an einer offenen Kirche vorbeigeht, sollte nicht unterlassen,
wenigstens eine solche oder ähnliche Begrüßung an
den göttlichen Heiland zu richten. Auch können sie als
Nachmittagsandachten gebraucht werden.

Die erste Besuchung mag als Beispiel dienen, wie
man bei dieser Andacht die Geheimnisse der Erlösung
verehren kann, die zweite, wie man sich in verschie-
denen Anliegen vertraulich an den göttlichen Heiland
wenden soll.

Erste Besuchung.

1.

O Jesus, ich bete Dich an, als den mensch-
gewordenen Gott unter Brotsgestalten. –
Ich danke Dir, daß Du unsere Natur ange-
nommen hast und unter uns wohnen willst.
Ich bitte Dich um Verzeihung für alle Un-
ehrerbietigkeiten und allen Unglauben, wo-
mit die Menschen Dich in dem heiligsten
Geheimnisse der Menschwerdung be-
leidigen. Ich opfere Dir auf meine Gebete
und guten Werke und die der ganzen Ge-
meinschaft der Heiligen zur Verherrlichung
[428] deiner Menschwerdung und zur Förderung
des Glaubens an deine Macht und Gottheit.
Amen.

2.

O Jesus, mein hier gegenwärtiger Hei-
land! Ich bete Dich an in den Geheim-
nissen deiner Kindheit und Jugend-
zeit
. Ich danke Dir, daß Du als Kind
und Jüngling unser Vorbild werden und
für unser Heil viele Opfer bringen wolltest.
– Ich bitte Dich um Verzeihung für die
Sünden meiner Kinder- und Jugendjahre,
sowie für alle Beleidigungen, welche Dir
von der Jugend je sind zugefügt worden
und noch zugefügt werden. – Ich opfere
Dir auf meine geringen Werke, vereinigt
mit denen aller frommen und heiligen Kinder,
um deine heilige Kindheit zu ehren und allen
Kindern und jungen Christen von Dir Segen
und Gnade zu erflehen. Amen.

3.

O Jesus, ich bete Dich an als meinen
göttlichen Lehrer, wie Du es einst ge-
wesen während deines Wandels auf Erden
und noch bist in der katholischen Kirche. –
Ich danke Dir, daß Du uns die ewigen
[429] Wahrheiten vom Himmel gebracht hast und
durch deine Kirche verkünden lassest. – Ich
bitte Dich um Verzeihung für meine eigene
Gleichgültigkeit in Beherzigung deiner gött-
lichen Lehre, sowie für die Geringschätzung
und Vernachlässigung deines Wortes durch
so viele Gläubige. – Ich opfere Dir auf
meine geringen guten Werke in Vereinigung
mit den Mühen und Arbeiten der Apostel,
der Glaubensboten und eifrigen Seelsorger,
um Dich als unsern göttlichen Lehrer an-
zubeten und Dich zu bitten, daß Du die
Verkünder deines Wortes erleuchtest und
stärkest, die Gläubigen erfüllest mit Verlangen
nach deiner beseligenden Lehre und alle Men-
schen zur Erkenntnis der Wahrheit führen
mögest. Amen.

4.

O Jesus, im heiligsten Altarssakramente
gegenwärtig, ich bete Dich an als unsern
Hohenpriester, der Du beim letzten Abend-
mahl
dieses heiligste Geheimnis für uns
eingesetzt hast. – Ich danke Dir für die
unendliche Liebe, mit der Du es einsetztest,
und für die große Geduld und Langmut,
Barmherzigkeit und Güte, welche Du fort-
während in demselben übest gegen mich und
[430] alle sündigen Menschen. – Ich bitte Dich
um Verzeihung für alle Unbilden, allen Un-
dank und alle Gleichgültigkeit, die Du in
diesem Sakramente der Liebe von mir und
andern erfahren mußt. – Ich opfere Dir
auf meine geringen Gebete, Arbeiten, Lei-
den und Ueberwindungen, in Vereinigung
mit den Gebeten und guten Werken aller
Heiligen, um Dich in diesem Geheimnisse
zu verherrlichen und für uns unwürdige
Christen um Gnade zu bitten. Erfülle doch,
ich bitte Dich darum, alle Herzen mit heiligem
Eifer an deinem heiligen Opfer fleißig Teil
zu nehmen, dein Fleisch und Blut würdig
zu genießen, Dich oft hier andächtig zu be-
grüßen. Amen.

5.

O Jesus, hier unter Brotsgestalten ge-
genwärtig, ich bete Dich an als meinen
göttlichen Erlöser in dem Geheimnis deines
Leidens und Sterbens. – Ich danke
Dir für die unendliche Liebe, mit der Du
Dich zu unserem Heile am Kreuze geopfert
hast. – Ich bitte Dich um Verzeihung für
alle Sünden, mit denen wir dein Leiden
mitverschuldet haben, und für allen Undank
und alle Gleichgültigkeit, durch die wir ge-
[431] gen Dich, unsern gekreuzigten Heiland, ge-
fehlt haben. – Ich opfere Dir auf meine
Leiden und Ueberwindungen, Sorgen und
Kümmernisse, in Vereinigung mit den Pei-
nen der Martyrer und den Opfern aller
Heiligen, um Dich als unsern gekreuzigten
Erlöser zu verherrlichen und zu bitten, daß
Du unsere Seelen in deinem heiligsten Blute
rein waschen und selig machen mögest. Amen.

6.

O Jesus, im heiligsten Sakramente, ich
bete Dich an als König und Herrn zur
Rechten des Vaters
. Ich danke Dir,
daß Du auf dem Throne deiner Herrlichkeit
unser gedenkest, uns liebest, für uns sorgst,
uns in diesem Geheimnisse sogar mit deiner
Gegenwart beglückest. – Ich bitte Dich um
Verzeihung für alle Sünden und Beleidigun-
gen, die dein allwissendes Auge täglich auf
dieser Erde beobachtet, auf die Du täglich
so freigebig deine Gaben und Gnaden her-
niedersendest. – Ich opfere Dir auf meine
geringen guten Werke in Vereinigung mit
allen guten Werken und Verdiensten der
ganzen Gemeinschaft der Heiligen, um Dir
in diesem Geheimnisse als unserem König
[432] und Gott zu huldigen und Dich um die
Ausbreitung deines Reiches auf Erden zu
bitten. Amen.

7.

O Jesus, ich bete Dich an im heiligsten
Sakramente als meinen künftigen Richter.
– Ich danke Dir, daß Du deine Barm-
herzigkeit vor deiner Gerechtigkeit offen-
barest, und bevor Du als strenger Richter
kommst, als barmherziger Erlöser unter uns
weilen willst. – Ich bitte Dich um Ver-
zeihung für meine und der ganzen Welt
Sünden, welche deine Gerechtigkeit zur Strafe
herausfordern. – Ich opfere Dir auf meine
geringen guten Werke in Vereinigung mit
den Verdiensten deiner Auserwählten zur An-
betung deiner Barmherzigkeit, zur Besänf-
tigung deiner Gerechtigkeit, zur Erlangung
eines gnädigen Richterspruches für mich und
alle von Dir erlösten Seelen und der Zu-
lassung zu deiner beseligenden Gemeinschaft
im ewigen Leben. Amen.

Zum Schlusse erwecke jedesmal die

geistliche Kommunion.

O Jesus! Ich glaube, daß Du im hei-
ligsten Sakramente gegenwärtig bist. – Ich
hoffe auf deine Liebe und Barmherzigkeit.

[433]

– Ich liebe Dich von ganzem Herzen. –
Ich bereue alle meine Sünden. – Ich ver-
lange, Dich in meiner Seele zu empfangen.
– O Herr, ich bin nicht würdig, daß Du
eingehst unter mein Dach, sondern sprich nur
ein Wort, so wird gesund meine Seele.

Zweite Besuchung.

1.

O Jesus im heiligsten Sakramente! Ich
begrüße Dich mit großem Vertrauen als
Helfer in meinen Nöten. Du rufest uns
liebevoll zu: Kommet alle zu Mir, die ihr
mühselig und beladen seid, und ich will
euch erquicken. Du kennst die Leiden und
Sorgen, die auf mir lasten, und weißt
auch, wie gering meine Kräfte sind. Du
weißt viel besser als ich, was mir zum Heile
dient. Darum überlasse ich alles vertrauens-
voll deiner Weisheit und Liebe. Wenn es
möglich ist, so gehe dieser Kelch an mir
vorüber, doch nicht mein, sondern dein Wille
geschehe. Willst Du, daß ich Dir mein klei-
nes Kreuz nachtrage, nachdem Du mir dein
großes Kreuz vorangetragen hast, so geschehe
dein Wille. Gieb mir nur Kraft und Trost,
Dir auf dem Wege des Kreuzes nachzufolgen,
[434] und mache, daß mein Leiden Dir zur Ehre
und meiner Seele zum Heile gereiche. Amen.

2.

O Jesus im heiligsten Sakramente! Ich
fliehe zu Dir wie ein Kind zu seinem Vater
in den Versuchungen, von denen meine
Seele angefochten wird. Aus Liebe zu mir
hast Du Dich so weit erniedrigt, daß der
Versucher auch Dir nahen konnte, Du hast
ihn für mich besiegt und seine Macht ge-
brochen, Du bist hier gegenwärtig, um mir
zu helfen, ebenfalls Welt, Fleisch und Satan zu
überwinden. Blicke mitleidig herab auf die
Größe der Gefahr und meiner Schwäche, er-
fülle meine Seele mit Abscheu vor der Sünde,
mit himmlischen Gesinnungen, mit Mut und
Kraft, um dem Versucher auf das Haupt zu
treten, um alle seine Fallstricke zu zerreißen
und Dir treu zu bleiben. Komm Du selber in
mein Herz, stehe mir bei in der Versuchung,
dann brauche ich keinen Feind zu fürchten, denn
Du wirst für mich kämpfen und siegen. Amen.

3.

O Jesus im heiligsten Sakramente! Du
hast uns dieses Geheimnis hinterlassen als
ein Andenken deines Todes. Wenn ich deines
[435] schmerzlichen Leidens und Sterbens gedenke,
werde ich auch erinnert an meine eigene To-
desstunde
. Wie hilflos und geängstiget wird
meine arme Seele in dieser Stunde voll Schre-
cken und Gefahren sein! Ich bitte Dich um dei-
nes für mich vergossenen Blutes willen, stärke
alsdann meine Seele durch den würdigen Ge-
nuß deines Fleisches und Blutes, hilf mir im
letzten Kampfe und nimm mich auf in die selige
Gesellschaft deiner Auserwählten, damit ich
Dich, den ich jetzt im Glauben unter Brotsge-
stalten anbete, im Himmel von Angesicht zu
Angesicht ewig schauen und lobpreisen kann.
Amen.

4.

Für Eltern.

O Jesus im heiligsten Sakramente! Die
Liebe, welche Du im Evangelium gegen die
Kinder getragen, erfüllt jetzt noch dein Herz,
und auch uns rufest Du zu: Lasset die Klei-
nen zu Mir kommen! Gerne folge ich dieser
Einladung; denn mein Herz wird schwer
geängstiget, wenn ich hinblicke auf den
Wert einer unschuldigen Kinderseele, auf
die Gefahren, welche sie bedrohen, auf meine
Unfähigkeit für Erfüllung meiner Pflichten,
auf die einstige Verantwortung vor deinem
[436] Richterstuhle. Darum lege ich meine Kinder
in deine Hände, übergebe sie Dir als Eigen-
tum, stelle sie ganz unter deinen Schutz und
Schirm. Ich will nur dein Diener und Stell-
vertreter sein, der in deinem Namen und
Auftrage und mit deinem Beistande für die
Kinder sorgt. Ich will so oft als möglich hier er-
scheinen, um von Dir Segen und Gnade für Er-
füllung meiner Elternpflichten zu empfangen,
um bei Dir Trost und Aufmunterung in mei-
nen Sorgen und Kümmernissen zu suchen.
Entlasse mich niemals ohne neue Gnade und
neuen Trost, segne jedesmal mich und meine
Kinder, daß wir miteinander den Weg des Hei-
les wandeln und einst miteinander zu deiner
seiligen Anschauung gelangen mögen. Amen.

Geistliche Kommunion wie oben.

In ähnlicher Weise kann und soll der gläubige Christ
über alle eigenen und fremden Anliegen und Bedürf-
nisse mit dem göttlichen Heilande im Tabernakel sich
unterhalten.

Litanei vom heiligsten Namen Jesu.


(Einmal täglich 300 Tage Ablaß. – Leo XIII.,
16. Januar 1886.)

Herr, erbarme Dich unser! – Christus, erbarme
Dich unser! – Herr, erbarme Dich unser!

Jesus, höre uns! – Jesus, erhöre uns!

[437]

Gott Vater vom Himmel, erbarme Dich unser!

Gott Sohn, Erlöser der Welt,*) Gott heiliger Geist,

Heilige Dreifaltigkeit, ein einiger Gott,

Jesu, Du Sohn des lebendigen Gottes,

Jesu, Du Abglanz des Vaters,

Jesu, Du Klarheit des ewigen Lichtes,

Jesu, Du König der Herrlichkeit,

Jesu, Du Sonne der Gerechtigkeit,

Jesu, Du Sohn der Jungfrau Maria,

Du liebenswürdigster Jesu,

Du wunderbarer Jesu,

Jesu, Du starker Gott,

Jesu, Du Vater des zukünftigen Lebens,

Jesu, Du göttlicher Ratgeber,

Du mächtigster Jesu,

Du geduldigster Jesu,

Du gehorsamster Jesu,

Jesu, sanftmütig und demütig von Herzen,

Jesu, Du Liebhaber der Keuschheit,

Jesu, unser Liebhaber,

Jesu, Du Gott des Friedens,

Jesu, Du Urheber des Lebens,

Jesu, Du Vorbild der Tugenden.

Jesu, Du Eiferer der Seelen,

Jesu, unser Gott,

[438]

Jesu, unsere Zuflucht, erbarme Dich unser!

Jesu, Du Vater der Armen,*) Jesu, Du Schatz der Gläubigen,

Jesu, Du guter Hirte,

Jesu, Du wahres Licht,

Jesu, Du ewige Weisheit,

Jesu, Du unendliche Güte,

Jesu, unser Weg und unser Leben,

Jesu, Du Freude der Engel,

Jesu, Du König der Patriarchen,

Jesu, Du Meister der Apostel,

Jesu, Du Lehrer der Evangelisten,

Jesu, Du Stärke der Martyrer,

Jesu, Du Licht der Bekenner,

Jesu, Du Reinheit der Jungfrauen,

Jesu, Du Krone aller Heiligen,

Sei uns gnädig, verschone uns, o Jesu!

Sei uns gnädig, erhöre uns, o Jesu!

Von allem Uebel, erlöse uns, o Jesu!

Von aller Sünde,*) Von deinem Zorne,

Von den Nachstellungen des Teufels,

Von dem Geiste der Unlauterkeit,

Von dem ewigen Tode,

Von der Vernachlässigung deiner heiligen
Einsprechungen,

[439]

Durch das Geheimnis deiner heiligen Mensch-
werdung, erlöse uns, o Jesu!

Durch deine Geburt,*) Durch deine Kindheit,

Durch dein heiligstes Leben,

Durch deine Arbeiten und Mühen,

Durch deine Todesangst und dein Leiden,

Durch dein Kreuz und deine Verlassenheit,

Durch deine Schmerzen und Wunden,

Durch deinen Tod und dein Begräbnis,

Durch deine Auferstehung,

Durch deine Himmelfahrt,

Durch deine Freuden,

Durch deine Herrlichkeit,

O Du Lamm Gottes, das Du hinwegnimmst
die Sünden der Welt, verschone uns,
o Jesu!

O Du Lamm Gottes ꝛc., erhöre uns, o
Jesu!

O Du Lamm Gottes ꝛc., erbarme Dich unser
o Jesu!

Jesu, höre uns! – Jesu, erhöre uns!

Herr, erbarme Dich unser!

Christus, erbarme Dich unser!

Herr, erbarme Dich unser!

Vater unser.

Lasset uns beten.
[440]

Herr Jesus Christus, der Du gesagt hast:
‘„Bittet, und ihr werdet empfangen; suchet,
und ihr werdet finden; klopfet an, und es
wird euch aufgethan werden;“’
verleihe, wir
bitten Dich, uns Flehenden die Glut deiner
göttlichen Liebe, damit wir Dich von ganzem
Herzen, mit Wort und Werk lieben und nie-
mals aufhören Dich zu loben.

Gieb, o Herr, daß wir die Ehrfurcht und
Liebe gegen deinen heiligen Namen allezeit
bewahren, da deine Vorsehung niemals die-
jenigen verläßt, welche Du in deiner Liebe
befestiget hast; der Du lebst und regierst von
Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.

Weihegebet,
durch welches die christlichen Familien sich der heiligen
Familie weihen.


(Am Tage der Aufnahme und bei der Erneuerung,
insbesonders am Jahrestage der Aufnahme.)

O Jesu, unser liebenswürdigster Heiland,
der Du vom Himmel gesandt worden, um
die Welt durch deine Lehre und dein Bei-
spiel zu erleuchten, Du hast den größten
Teil deines irdischen Lebens in dem beschei-
[441] denen Hause zu Nazareth zubringen und
Maria und Joseph unterthan sein wollen.
Dadurch hast Du diese Familie geheiliget,
und zum Vorbild für alle christlichen Fami-
lien gemacht. O nimm gnädig auf die
Weihe dieser unserer Familie, welche sich
jetzt gänzlich Dir übergiebt. Sei Du ihr
Schutz und Schirm, befestige sie in der
heiligen Furcht vor Dir, im Frieden und
in der Eintracht christlicher Liebe, damit
sie dem göttlichen Vorbilde deiner heiligen
Familie ähnlich werde, und alle Glieder der-
selben ohne Ausnahme die ewige Seligkeit
erlangen.

O Maria, du allerliebste Mutter Jesu
Christi und unsere Mutter, bewirke du in
deiner Güte und Milde, daß Jesus diese
unsere Weihe gnädig aufnehme und uns
seine Gnaden und seine Segnungen spende.

O Joseph, heiligster Beschützer Jesu
und Mariä, komme uns zu Hilfe mit
deiner Fürsprache in allen Anliegen des
Leibes und der Seele, auf daß wir mit
Dir und der seligsten Jungfrau Maria
dem göttlichen Erlöser Jesus Christus Lob
und Dank erstatten können in alle Ewig-
keit.

[442]

Andacht zu der heiligen Familie.


1. Zu Jesus.

Göttlicher Heiland, Jesus Christus, Leh-
rer
der ewigen Wahrheit, Du hast uns zum
wahren Glauben berufen, Du hast uns den-
selben durch die heilige Taufe in das Herz
gepflanzt, du läßt uns auch deine beseli-
gende Lehre durch die katholische Kirche
verkünden, wir bitten Dich, bewirke durch
deine Gnade, daß die Kinder im
Glauben gut unterrichtet werden
,
daß die Gläubigen fleißig dein
Wort anhören
, daß so alle deine Wahr-
heit erkennen, treu festhalten, bekennen und
befolgen und zum ewigen Leben gelangen.

Göttlicher Heiland, Du bist unser Hoher-
priester
und unser Mittler beim Vater,
wir nehmen uns vor, täglich unsere Seele
im andächtigen Gebete zu stärken, wir wol-
len fleißig an deinem heiligen Opfer Teil
nehmen, namentlich am Sonntag in dei-
nem heiligen Tempel vereint mit Dir dem
Vater die höchste Ehre erweisen. Wir bit-
ten Dich, hilf uns allen, diesen Vorsätzen
treu zu bleiben, verleihe uns, unseren Fa-
[443] milien und allen Mitchristen die Fülle der
Gnade und des Segens.

Göttlicher Heiland, Jesus Christus, als
guter Hirte leitest und führest Du uns durch
dein Evangelium, durch die Kirche und ihre
Gebote auf dem Wege des Heiles, und wir
wollen Dir und deiner Kirche wil-
ligen Gehorsam leisten
. Verhüte
gnädig, daß jemand unter uns als verlorenes
Schaf von Dir abirre; führe die irrenden
Schafe zurück, und mache, daß wir alle, wenn
Du einst als Richter kommen wirst, zu deiner
Rechten stehen können. – Vater unser.

2. Zu Maria.

O Maria, du wunderbare Mutter, wir
grüßen dich in deinen Mutterfreuden
mit dem göttlichen Kinde. Nimm auch uns,
insbesondere die jungen Christen, als deine
Kinder an; wende ihnen mit mütterlicher
Liebe deinen Schutz und deine Fürsprache
zu, erhalte sie in der Unschuld und Gottes-
furcht, wehre Aergernisse und Gefahren von
ihnen ab, daß sie nach dem Vorbilde deines
göttlichen Sohnes zunehmen wie an Alter,
so an Weisheit und Gnade bei Gott und
den Menschen.

[444]

O Maria, schmerzhafte Mutter, wir
grüßen dich in deinen Muttersorgen
während der Kindheit deines göttlichen Soh-
nes, wir bemitleiden dich in deinem unaus-
sprechlichen Leid bei seinem Tode am Kreuze.
Wir bitten dich, erflehe allen Eltern einigen
Anteil an dieser aufopfernden Liebe, damit
sie ihre heiligen Pflichten opferwillig und
treu erfüllen, in Kummer und Sorgen ver-
trauensvoll nach oben schauen und wie du
durch Leiden und Opfer zur Freude und
Seligkeit gelangen.

O Maria, erhabene Himmelskönigin, wir
grüßen dich in deiner Herrlichkeit als
Mutter der Barmherzigkeit, des Lebens
Süßigkeit und unsere Hoffnung. Erflehe auch
uns jenen himmlischen Sinn, der das Ver-
gängliche verachtet und das Ewige aufsucht,
damit die Eltern ihre Kinder erziehen nicht
für die Eitelkeit der Welt, sondern für das
ewige Glück im Himmel; komme zu Hilfe
den jungen Christen am Scheidewege des
Lebens, insbesondere in der Standeswahl,
damit sie nicht irdischer Dinge wegen den Weg
zum Himmel verfehlen; nimm uns alle unter
deinen mütterlichen Schutz, damit du allen
nach diesem elenden Leben zeigen kannst
[445] Jesum, die gebenedeite Frucht deines Leibes.
– Vater unser.

3. Zum heiligen Joseph.

Heiliger Joseph, du herrliches Vorbild eines
christlichen Hausvaters, erflehe allen Vä-
tern die Gnade, daß sie nach deinem Vorbilde
die Ihrigen lieben, in treuer Hingebung für
ihr geistiges und leibliches Wohl sorgen, gerne
in ihrer Mitte verweilen, ihnen in allem ein
erbauliches Beispiel geben, auch eine gute Haus-
ordnung halten, Freude und Dank an ihren
Kindern erleben und dereinst mit ihnen zum
Genusse der ewigen Seligkeit gelangen.

Heiliger Joseph, obschon zu einer hohen
Würde berufen, mußtest du in Niedrigkeit
und Armut, unter vielen Sorgen und Küm-
mernissen deine Tage verleben. Du hast
dich in allen Prüfungen treu bewährt, in
der Entsagung, im Gottvertrauen,
in der Zufriedenheit und Genüg-
samkeit
, und bist dadurch ein großer Hei-
liger geworden. Erflehe uns allen die Gnade,
dein Beispiel nachzuahmen, mit unserem
Stande zufrieden zu sein, in Mangel und
Not auf Gott zu vertrauen, im Ueberflusse
Mäßigkeit und Wohlthätigkeit zu üben, da-
[446] mit wir die Rechenschaft gut bestehen und
mit unseren Sorgen auf Erden ein ewiges
Glück verdienen.

Heiliger Joseph, als Pflegevater Jesu
Christi hast du Ihm die ganze Liebe deines
Herzens zugewendet, du hast mit unent-
wegter Hingebung und Treue für Ihn und
seine Mutter gesorgt. Bitte den Herrn, daß
Er auch unter uns einen solchen Eifer der
Liebe für die Ebenbilder Jesu Christi, für
die unsterblichen Seelen wachrufe, alle Gleich-
gültigkeit gegen fremdes Seelenheil aus den
Herzen verbanne, insbesondere in unserer
Bruderschaft alles anrege, unterstütze und
segne, was nach den Absichten des Erlösers
geschehen soll, um den christlichen Unterricht
zu befördern, die Jugend im Glauben und
in der Tugend zu befestigen und unsere Fami-
lien der heiligen Familie in Nazareth ähnlich
zu machen. – Vater unser.

Gebet um Erneuerung der Standesgnade.


O mein Gott, ich befinde mich durch die Fü-
gung deiner Vorsehung in einem Stande voller
Sorgen und Verantwortung. In deiner großen
Güte hast Du mir beim Eintritt in den Ehestand
eine besondere sakramentale Standesgnade
[447] verliehen, und ich sage Dir dafür von Herzen
Dank. Wenn ich gerade jetzt vor Dir Rechen-
schaft ablegen müßte über die empfangenen
Gnaden und die übernommenen Pflichten,
so hätte ich allen Grund vor deiner Ge-
rechtigkeit zu zittern. Ich bitte Dich de-
mütig um Verzeihung für alle Untreue und
Nachlässigkeit in Erfüllung meiner Standes-
pflichten. Es ist mein ernstlicher Wille, in
den Jahren, die Du mir noch schenkest, Dir
getreuer zu dienen. Erneuere nur in mir
die Gnade, die ich zur Erfüllung meiner
Gatten- und Vaterpflichten von Dir empfan-
gen habe.

Gieb, daß ich mit meiner Gattin in
Frieden, Liebe und Treue zusammenlebe, ge-
treulich für sie sorge und von ihr unterstützt
werde, sie durch meinen christlichen Wandel
erbaue, und von ihr mich zum Guten an-
leiten lasse, daß wir einander aufmuntern
und trösten in den Sorgen dieses Lebens,
und uns gegenseitig Führer zum Himmel
werden.

Auf die Kinder, die Du mir anvertraut
hast, kann ich nur mit beklommenem Herzen
schauen, und zwar um so mehr, je lieber
sie mir sind. Wie kostbar sind ihre unsterb-
[448] lichen Seelen! Wie groß sind die Gefah-
ren, denen sie entgegen gehen! Wie viel
braucht es, bis sie allen Gefahren in die-
ser Welt und dem ewigen Verderben ent-
ronnen und in ewiger Sicherheit bei Dir
im Himmel sind. Wie groß sind meine
Pflichten als Vater dieser Kinder, wie
schwer meine Verantwortung, wie gering
meine Einsicht und Kraft! Um der Ver-
dienste Jesu Christi willen, der diese Kin-
der mit seinem Blute erlöst, und mir
die Gnade des Ehesakramentes verliehen
hat, bitte ich Dich, o himmlischer Vater,
mein Vater und Vater dieser Kinder, gieb
mir alle Einsicht und Kraft und allen Eifer,
die ich als christlicher Vater nötig habe, um
mit all den Meinigen zum ewigen Leben zu
gelangen. Amen.

Das Vater unser des christlichen Vaters.


Vater unser, der Du bist im
Himmel
. O Herr des Himmels! mit hei-
liger Freude rede ich Dich als Vater an. Ich
bitte Dich, auch in meinem Hause als Herr
und Vater zu regieren, ich übergebe Dir
alles, was ich besitze, empfehle mich und
meine Familie in den Schutz deiner Allmacht
[449] und Liebe, und will Dir mit den Meinigen
in aller Treue dienen.

Geheiliget werde dein Name.
Gieb, o Herr, daß dein anbetungswür-
diger Name in meinem Hause von allen
immer mit Ehrfurcht gebraucht, und niemals
entheiliget werde, daß wir ihn vor den Men-
schen bekennen, und daß wir im täglichen
Gebete durch den andächtigen Gebrauch des-
selben Dich verherrlichen und deine Gnade
und deinen Segen auf uns herabziehen.

Zukomme uns dein Reich. Erhalte
mich und die Meinigen in dem wahren Glau-
ben und in der Treue gegen Christus und die
Kirche, wohne und regiere in unsern Herzen und
in unserer Familie mit deiner Gnade, und nimm
uns alle nach diesem vergänglichen Leben auf
in das Reich deiner himmlischen Herrlichkeit.

Dein Wille geschehe, wie im
Himmel, also auch auf Erden
. Thue
an mir und meiner Familie, was Dir wohl-
gefällig ist, ich nehme Freude und Leid mit
Vertrauen aus deiner Hand an. Verleihe
nur, daß wir nie durch die Sünde deinem
heiligen Willen zuwiderhandeln, sondern stets-
fort so eifrig Dir dienen, wie es die Engel
des Himmels thun.

[450]

Gieb uns heute unser tägliches
Brot
. Ich empfehle Leben und Gesundheit,
irdisches Fortkommen und Wohlfahrt von mir
und den Meinigen dem Schütze deiner Weis-
heit und Liebe. Verleihe gnädig, daß wir
alle in diesem Leben hungern und dürsten
nach dem Worte deiner Wahrheit, nach den
Wassern der Gnade, nach dem wahren Him-
melsbrot, und daß einst im andern Leben wir
alle, Eltern und Kinder würdig werden, mit
allen Heiligen zu Tische zu sitzen in deinem
himmlischen Reiche.

Vergieb uns unsere Schulden,
wie auch wir vergeben unseren
Schuldigern
. Gedenke deiner Erbar-
mungen, o Herr, und deiner Barmherzig-
keit, die von Ewigkeit ist. Der Vergehungen
meiner Jugend und meiner unbewußten Sün-
den gedenke nicht und strafe sie nicht an mei-
nen Kindern und Nachkommen. Sei barm-
herzig gegen mich armen Sünder und erzeige
auch meinen Kindern immer deine Barm-
herzigkeit. Aus Dankbarkeit gegen dein Er-
barmen verzeihe ich allen meinen Beleidi-
gern von ganzem Herzen.

Und führe uns nicht in Versuch-
ung
. Immer sind wir durch Versuchungen
[451] von innen und außen bedroht und Du, o
Herr, bist unsere einzige Hilfe. Ich empfehle
Dir insbesondere die unerfahrenen Kinder in
den Gefahren des Lebens. Erhalte sie in
heiliger Furcht, in Demut und Wachsamkeit,
damit sie sich selber mißtrauen, so viel mög-
lich die Gefahren fliehen, tapfer streiten gegen
die Feinde ihres Heiles und einst die Sie-
geskrone erlangen.

Sondern erlöse uns von dem
Uebel
. Bewahre, o Herr, meine Seele und
alle mir anvertrauten Seelen vor der Nacht
des Unglaubens, vor dem Verderben der
Sünde, dem Tode der ewigen Verdammnis.
Um deiner unendlichen Barmherzigkeit und
der Verdienste Jesu Christi willen bitte ich
Dich, gestatte nicht, daß am großen Gerichts-
tage eines von meinen Kindern oder Ange-
hörigen auf der linken Seite stehen muß, oder
daß ich als Vater von Dir, meinem Richter,
als schuldig erfunden werde.

Amen. Ja, Vater, es geschehe. Ihr seligen
Himmelsbewohner, saget Amen zu meinen
Bitten mit euerer Fürbitte; göttlicher Heiland,
sage Amen mit deinen unendlichen Verdiensten,
damit auch der Vater auf dem Himmelsthrone
mit seinem Amen sie gnädig erhöre. Amen

Die Festzeiten des Kirchenjahres.

[452]

Das katholische Kirchenjahr mit seinen Festen und
Festkreisen führt uns die ganze Geschichte der Erlösung
vor Augen. Es beginnt mit der Erinnerung an die
Zeit vor Christus im Advent, hieran reiht sich die Weih-
nachtszeit zur Feier des Andenkens an die Menschwer-
dung, Geburt und Jugend des Erlösers, die vierzigtägige
Fasten zur Betrachtung des Leidens Jesu, die Ostern-
und Pfingstzeit zur Erinnerung an die Verherrlichung
des Erlösers und die Gründung der Kirche, das
Fronleichnamsfest samt Oktav zur Verehrung des hei-
ligsten Altarsgeheimnisses, die Sonntage nach Pfingsten
als Hinweis auf die Wirksamkeit des Reiches Gottes
auf Erden und der Schluß des Kirchenjahres mit den
Festen Allerheiligen und Allerseelen zur Erinnerung an
das Jenseits, die Gemeinschaft der Heiligen und das
Weltgericht. Die Festzeiten des Kirchenjahres stehen auch
mit dem Leben der Natur in sinnvoller Uebereinstim-
mung. Mit Weihnachten beginnt das Tageslicht zu
wachsen, Ostern fällt in die Frühlingszeit, mit dem Herbst
in der Natur fällt das Ende des Kirchenjahres, die
Erinnerung an das Weltende zusammen. Suche auch
du dein Inneres mit diesem geheimnisvollen Leben der
Kirche in Einklang zu setzen, indem du die Wohlthaten
der Erlösung betrachtest, Gott dafür dankst, sie zu be-
nutzen suchst, wie es jede Festzeit dir nahe legt. Wer
regelmäßig den heiligen Rosenkranz betet, mag nach
den kirchlichen Festkreisen mit dem freudenreichen, schmer-
zenreichen und glorreichen Rosenkranz abwechseln. Suche
mindestens mit einer kurzen Andacht, wenn es nicht täg-
lich geschehen kann, doch an Sonn- und Festtagen an
dieser geistigen Wiederholung der Erlösungsgeschichte
teil zu nehmen.

[453]
Kurze Adventandacht.

1. Barmherziger Gott, Du hast gleich nach
dem Falle unserer Stammeltern einen Erlöser
verheißen, und diese Verheißung hat in die
Finsternis und die Schatten des Todes,
welche die Menschen infolge der Sünde um-
nachteten, wie ein tröstlicher Hoffnungsstern
hineingeleuchtet. Erleuchte auch unsere Herzen,
verscheuche die Nacht des Irrtums und der
Sünde aus denselben, gieb uns den Eifer
wahrer Buße und Lebensbesserung, damit wir
gewürdigt werden, gnadenreiche Weihnach-
ten zu feiern. Vater unser. Ave Maria.

2. ‘„Tauet ihr Himmel von oben, die Wol-
ken mögen regnen den Gerechten, die Erde thue
sich auf und sprosse den Heiland.“’
So haben
die Gerechten des alten Bundes ihre Sehnsucht
nach dem Erlöser ausgesprochen. Wir danken
Dir, o Herr, daß Du in der Fülle der Zeiten
den Erlöser gesendet hast und seine Wohlthaten
uns genießen lassest. Gieb, daß wir diese großen
Segnungen immer treu benutzen, und uns nie
derselben unwürdig erweisen. Vater unser.
Ave Maria.

3. Die allzeit reine und unbefleckte Jungfrau
war der Morgenstern, welcher den beginnenden
[454] Tag der Erlösung ankündete. Wie hast Du,
o heiligster Gott, Maria mit unermeßlichen
Gnaden ausgestattet, bis sie würdig erfunden
wurde, deinen Sohn in ihren Schoß aufzu-
nehmen! Schaffe auch unsere Herzen um mit
deiner Gnade, damit sie eine würdige Woh-
nung seien für den Herrn, wenn Er in der
heiligen Kommunion bei uns Einkehr nimmt.
Vater unser. Ave Maria. Glaube.

. Tauet, ihr Himmel von oben, die Wol-
ken mögen regnen den Gerechten.

. Die Erde thue sich auf und sprosse den
Heiland.

Kirchengebet.

O Gott, der Du uns durch die jährliche Er-
wartung unserer Erlösung erfreuest, verleihe
uns, daß wir deinen eingebornen Sohn, den
wir als Erlöser mit Freuden aufnehmen, zuver-
sichtlich anschauen mögen, wenn Er als Richter
kommen wird, durch denselben Christum ꝛc. A.

Andacht an Weihnachten.

1. Mit derselben Liebe, mit welcher Dir,
o göttliches Kind, Joseph und Maria in der
Krippe eine Lagerstätte bereiteten, möchte ich
Dir mein Herz als Wohnung anbieten. Komme,
o liebreichster Jesu, reinige es, heilige es, und
[455] hilf mir, es in Zukunft vor jeder Befleckung
zu bewahren. Vater unser. Ave Maria.

2. ‘„Ehre sei Gott in der Höhe, und Friede
den Menschen auf Erden, die eines guten
Willens sind.“’
So haben die Engel bei deiner
Geburt gesungen, o göttliches Kind. Ich möchte
mein ganzes Leben in einen solchen Lobgesang
umwandeln. Ich werfe alle Selbstsucht und
Eitelkeit von mir, und will beten und arbeiten,
leiden und überwinden in der einzigen Absicht,
etwas beizutragen zur Ehre Gottes in der
Höhe und zum Frieden unter den Menschen
auf Erden. Vater unser. Ave Maria.

3. Wegen ihrer Unschuld und Frömmigkeit
hast Du, mein Heiland, die armen Hirten durch
einen Engel zu der Krippe eingeladen, und sie
haben Dir bei all ihrer Armut durch ihren from-
men Eifer große Freude gemacht. Verleihe mir
die Gnade, mit derselben Einfalt des Glau-
bens, derselben Andacht und Ehrfurcht vor
deinen Altären zu erscheinen, um Dich da unter
den Brotsgestalten so würdig zu verehren, wie
sie Dich als schwaches Kind in der Krippe ver-
ehrt und angebetet haben. Vater unser. Ave.

4. Göttliches Kind Jesu, die Weisen aus
dem Morgenlande ließen sich mit staunens-
wertem Vertrauen und Gehorsam vom Sterne
[456] zu Dir führen und haben mit aller Freude ihres
Herzens Dir ihre Gaben dargebracht. Gieb, daß
auch wir gerne und fleißig vor deinem Ange-
sichte erscheinen und Dir bereitwillig opfern,
was durch die Gaben der Weisen angedeutet
wird, die Liebe unserer Herzen, eine wahre gott-
innige Andacht und großmütige Abtötung un-
serer verkehrten Neigungen; nimm von uns
diese Opfergaben gnädig an. Vater unser. Ave.

5. Auf göttliche Eingebung kamen Simeon
und Anna in den Tempel und wurden des
größten Glückes teilhaftig, nach dem sie auf
Erden vorlangten, vor ihrem Ende noch den
Erlöser zu schauen. Gieb, daß auch wir den
göttlichen Einsprechungen gerne Gehör schen-
ken, und verleihe uns die Gnade, vor unserem
Tode den göttlichen Heiland würdig empfan-
gen zu können. Vater unser. Ave Maria.

. Und das Wort ist Fleisch geworden.
Alleluja.

. Und hat unter uns gewohnt. Alleluja.

Kirchengebet.

Verleihe, allmächtiger Gott, daß uns, welche
die Knechtschaft unter dem Joche der Sünde
hält, deines Eingebornen neue Geburt im
Fleische befreien möge. Durch Christum ꝛc. A.

Andacht für die heilige Fastenzeit.
[457]

1. Göttlicher Heiland, deine schreckliche
Todesangst am Oelberg war die große Reue
und Leid für die Sünden der ganzen Mensch-
heit. Auch meine Sünden haben dein Leiden
und deine Trauer vermehrt. Ich bitte Dich,
mir einen rechten Schmerz über meine Sünden
in die Seele zu legen, damit ich mich losmache
von allen bösen Gewohnheiten, meine Fehl-
tritte beweine und büße, würdig beichte und Dir
in Zukunft treu diene. Vater unser. Ave Maria.

2. Herr Jesus Christus, Du hast die ent-
ehrende und schmerzliche Pein der Geißlung
ausgehalten, um für die Sünden der Weichlich-
keit und Unkeuschheit an unserer Statt zu
büßen. Ich habe die Streiche verdient, die
auf Dich fallen. Ich bitte Dich mit wahrem
Reueschmerz um Verzeihung. Ich will anfan-
gen, gemäß deinem Gebote mein Fleisch zu
kreuzigen und die Reinheit des Leibes und
der Seele über alles hoch zu schätzen und mit
größter Sorgfalt zu bewachen. Hilf mir in die-
ser Fastenzeit zu deiner Ehre und zu meinem
Heile diese kleinen Abtötungen (nenne sie) treu
zu üben. Vater unser. Ave Maria.

3. Die Soldaten haben Dich, o mein Hei-
[458] land, in der grausamsten Weise mißhandelt
und verspottet und Dir eine Dornenkrone auf
das Haupt gedrückt. Meine Sünden des Stol-
zes und der Eitelkeit sind die spitzigen Dornen
dieser schrecklichen Krone. Ich stehe beschämt
vor Dir, der Schuldige vor dem Unschuldigen.
Ach verleihe mir doch den Geist wahrer De-
mut und hilf mir, meine Gedanken und Be-
gierden, meine Worte und mein Benehmen
von dem traurigen Uebel der Hoffart zu rei-
nigen. Vater unser. Ave Maria.

4. Auf deinem schmerzlichen Gange zum
Kalvarienberg büßest Du für allen Kleinmut,
für die Ungeduld und das Murren wider Gott,
dessen sich die Menschen im Leiden so oft schul-
dig machen. Ich will mein Kreuz geduldig tra-
gen als Buße für meine Sünden, ich will es
tragen, um damit den Himmel zu verdienen,
ich will es tragen aus Liebe zu Dir. Gieb mir
nur Kraft und Stärke, Dir mutig nachzufol-
gen. Vater unser. Ave Maria.

5. Am Kreuze erduldest Du, o mein Hei-
land, den schrecklichsten Tod, um mich von
dem ewigen Tode zu erlösen und mir den
leiblichen Tod tröstlich und leicht zu machen.
Ich flüchte für meine Todesstunde mit meiner
Seele in dein heiligstes Herz. Dort bin ich sicher
[459] vor meinen Feinden, dort finde ich Trost und
Gnade, dort kann ich nicht verlorengehen. Um
deines bitteren Leidens und Sterbens willen
verleihe mir die Gnade einer glückseligen Sterb-
stunde. Vater unser. Ave Maria. Glaube.

. Erbarme Dich meiner, o Jesu, erbarme
Dich meiner.

. Und sei mir gnädig wegen deines
allerheiligsten Leidens.

Gebet.

Allmächtiger, ewiger Gott, nach dessen Wil-
len unser Erlöser Fleisch angenommen und dem
Kreuze sich unterworfen hat, verleihe gnädig,
daß wir sein Dulden auch an uns erweisen, und
an seiner Auferstehung teil zu nehmen gewür-
digt werden. Durch Christum ꝛc. Amen.

Andacht für die österliche Zeit.

1. Mit heiliger Freude, o Jesu, gedenke ich
deiner glorreichen Rückkehr aus dem Grabe. Du
hast den Tod und die Hölle überwunden, Dustehst
vor uns als der gewaltige Gott, der Macht hat
über Leben und Tod, der sein Leben ablegen
und wieder nehmen kann. Wir werfen uns nie-
der vor deiner Majestät und beten Dich an als
unsern Herrn und Gott. Vater unser. Ave.

2. Glorreicher Erlöser! Mit deiner Auf-
[460] erstehung hast Du deine Weissagungen erfüllt,
und Dich als göttlichen Lehrer vor aller Welt
ausgewiesen. Wir erneuern vor Dir das Ge-
lübde unseres Herzens, deine Lehre fest zu
glauben und standhaft zu bekennen. Vermehre
in uns die Gnade des Glaubens. Vater
unser. Ave Maria.

3. Göttlicher Heiland! Dein großer Apostel
ruft uns zu: ‘„Lasset uns Ostern halten, nicht
im alten Sauerteige, nicht im Sauerteige der
Bosheit, sondern im ungesäuerten Brote der
Reinheit und Wahrheit.“’
(I Kor. 5.) Ja, wir wol-
len mit unseren Seelen auferstehen aus dem
Grabe der Sünde zu einem neuen und heiligen
Leben. Verleihe uns allen die Gnade, mit dem
würdigen Empfang der heiligen Sakramente
in dieser österlichen Zeit dafür einen guten
Grund zu legen. Vater unser. Ave Maria.

4. Abermals ruft der Apostel: ‘„Wenn ihr
mit Christus auferstanden seid, so suchet, was
droben ist, wo Christus ist, der zur Rechten des
Vaters sitzt. Was droben ist, habet im Sinn,
nicht was auf Erden.“’
(Kol. 3, 2.) Nein, wir dür-
fen unser Herz nicht an diese vergänglichen
Dinge hängen, die eine Beute des Todes sind.
Verklärter Erlöser, gieße uns Sehnsucht und
Verlangen in die Seele nach der ewigen Glück-
[461] seligkeit, in welche Du uns vorausgegangen
bist. Vater unser. Ave Maria.

5. Du hast, o Jesu, den Tod auch für uns
überwunden. Auch wir werden einst alle auf-
erstehen, aber nicht alle werden verklärt wer-
den. Die glückselige Auferstehung sei der erste
Gegenstand unserer Sorgen und Wünsche. Du,
o mein Heiland, gestatte nicht, daß wir, die
wir Glieder sind an deinem geheimnisvollen
Leibe, von Dir getrennt werden und des ewigen
Lebens verlustig gehen. Belebe uns mit deiner
Gnade, wie der Weinstock die Rebzweige be-
lebt. Vater unser. Ave Maria. Glaube.

. In deiner Auferstehung, Herr Jesus
Christus, Alleluja.

. Werden Himmel und Erde erfreut. Allel.

Kirchengebet.

O Gott, der Du durch deinen Eingebornen
den Tod besiegt und uns den Eingang zum ewi-
gen Leben wieder aufgeschlossen hast, hilf uns
unsere Wünsche, die Du in zuvorkommender
Gnade uns einflößest, mit deinem Beistande
zu erreichen. Durch Christum ꝛc. Amen.

Andacht zu Ehren des hl. Geistes.

1. Allmächtiger, ewiger Gott, Du hast der
Kirche deinen heiligen Geist versprochen und
[462] gesendet, damit Er sie belebe, wie die Seele
den Leib belebt. Siehe herab auf die Hirten
und Schafe in deiner Kirche, auf die Verfolgun-
gen und Bedrängnisse der einen, die Gefahren
und Versuchungen der andern, und erneuere
in der Gemeinschaft der Gläubigen jenen Geist,
der die ersten Christen so heilig und stark ge-
macht hat. Wir bitten Dich darum um der
Verdienste Jesu Christi, deines Sohnes willen.
Vater unser. Ave Maria.

2. Blicke hin, o himmlischer Vater, auf die
unzähligen unsterblichen Seelen, die Du nach
deinem Ebenbilde erschaffen und für den Him-
mel bestimmt hast, die aber in der Finsternis des
Irrtums und der Sünde schmachten. Sende dei-
nen Geist aus, um das Angesicht der Erde zu
erneuern. Oeffne die Herzen der Sünder und
Irrenden für deine Gnade und Wahrheit, er-
wecke Männer mit apostolischem Geiste, welche
sie hinführen zum Glauben und Gehorsam in
deiner Kirche, damit auf Erden ein Hirt und
eine Herde werde, und alle das ewige Leben
erlangen. Vater unser. Ave Maria.

3. Ich muß Dir, o himmlischer Vater, die
Schwäche und Verkehrtheit meines Herzens
klagen, welches so geneigt zum Bösen, so lang-
sam und nachlässig zum Guten ist. Sende mir
[463] deinen heiligen Geist, daß Er meinen Verstand
erleuchte, den Willen antreibe und stärke, mein
Herz reinige, heilige und entflamme mit hei-
liger Liebe zu Dir. Verleihe gnädig, daß dein
heiliger Geist den siebenfachen Strom seiner
Gnade über mich ausgieße, mich im Gebete mit
Andacht, im Leiden mit Ergebung, in der Ver-
suchung mit Stärke, bei der Arbeit mit Eifer
und guten Absichten erfülle und im Leben und
Sterben mein Helfer und Tröster sei. Gieb
mir, daß ich niemals durch die Sünde Ihn
aus meinem Herzen vertreibe, noch durch Nach-
lässigkeit oder bösen Willen dem Wirken sei-
ner Gnade hinderlich sei. Vater unser. Ave
Maria. Glaube.

. Sende deinen Geist aus und sie wer-
den neugeschaffen;

. Und Du wirst das Angesicht der Erde
erneuern.

Kirchengebet.

O Gott, der Du die Herzen deiner Gläu-
bigen durch die Erleuchtung des heiligen
Geistes belehret hast, verleihe uns die Gnade,
daß wir durch eben denselben Geist verstehen,
was recht ist, und uns allzeit seines Trostes
erfreuen mögen. Durch Jesum Christum,
unsern Herrn. Amen.

Andacht zu Ehren der seligsten Jung-
frau Maria.

[464]

(Nach dem heiligen Augustin.)

1.

O du allerseligste Jungfrau, das schwache
menschliche Geschlecht, welches durch dich wie-
der Zutritt erlangt hat zu dem, was es durch
die Sünde verloren hatte, ist niemals im stande,
dich gebührend zu verherrlichen. Nimm an diese
geringe und deinen Verdiensten nicht ange-
messene Danksagung; trage unsere Gebete in
das Heiligtum, in welchem Gott seine Barm-
herzigkeit ausübt, und bringe uns aus dem-
selben die Gnade der Versöhnung. Uebergieb
Ihm, was wir darbringen, erlange, um
was wir bitten, verschaffe uns Sühnung un-
serer Fehler, und was wir mangelhaft vor-
bringen, mache du rein und gut. Wir haben
niemand, der mehr Verdienste hätte, den Zorn
des Richters zu versöhnen, als dich, die du
würdig gewesen, die Mutter unseres Erlösers
und Richters zu sein. Vater unser. Ave Maria.

2. So komme nun zu Hilfe den Armen,
stärke die Kleinmütigen, erquicke die Betrüb-
ten und Elenden, bitte für das Volk, verwende
[465] dich für die Priester und Ordensleute, gedenke
besonders auch des frommen Frauengeschlech-
tes, lasse alle die, welche dich anrufen, auch
die Macht deiner Fürbitte erfahren, habe Mit-
leid mit den Betrübten, sei uns allen gnädig,
die wir noch fern von der himmlischen Heimat
auf der Pilgerschaft begriffen sind. Weil du
immer vor dem Angesichte des Allmächtigen
stehst, der dich so reichlich begnadigt hat, so lasse
unsere Seufzer vor deinen Sohn gelangen und
bitte Ihn für uns arme Sünder. Vater unser.
Ave Maria.

3. Wir sind hier auf Erden noch in vielerlei
Trübsal. Man verfolgt uns, man übt gegen uns
Unrecht, man schmäht uns, wir leiden Unge-
mach, wir sind im Elende, du aber bist im Him-
mel, erhaben über alle Chöre der Engel und
Heiligen; du folgst dem Lamme, wo Es hingeht,
du bist die Königin der Jungfrauen und aller
keuschen Seelen, welche sich abgewendet von
den Lüsten des Fleisches und die Welt und
ihre Eitelkeit verschmäht haben. Du führest sie
zu dem Brunnen, aus dem die Wasser des
ewigen Lebens strömen und wandelst mit ihnen
unter den Herrlichkeiten des Paradieses. Du,
die du in solcher Wonne und Seligkeit ewig
dich freuest, wende deine barmherzigen Augen
[466] auf uns, die wir in Jammer und Elend leben,
und hilf uns, die wir zu dir um Hilfe rufen.
Vater unser. Ave Maria. Glaube.

Unter deinen Schutz und Schirm fliehen wir,
o heilige Gottesgebärerin, verschmähe nicht
unser Gebet in unseren Nöten, sondern erlöse
uns allzeit von allen Gefahren, o glorreiche
und gebenedeite Jungfrau, unsere Frau, un-
sere Mittlerin, unsere Fürsprecherin, versöhne
uns mit deinem Sohne, empfehle uns deinem
Sohne, stelle uns vor deinem Sohne.

. Bitt für uns, heilige Gottesgebärerin.

. Auf daß wir würdig werden der Ver-
heißungen Christi.

Kirchengebet.

Wir bitten Dich, o Herr, gieße deine Gnade
in unsere Herzen, auf daß wir, die wir die
Menschwerdung Christi, deines Sohnes er-
kannt haben, durch sein Leiden und Kreuz
zur Herrlichkeit der Auferstehung gebracht
werden. Durch Christum, unsern Herrn. Amen.

Zu Ehren der unbefleckten Empfängnis
Mariä.

1. ‘„Ganz schon bist du, meine Freundin,
und eine Makel ist nicht an dir.“’
Als Tochter
des Vaters, als Mutter des Sohnes, als Braut
[467] des hl. Geistes bist du, o Jungfrau, von jeder
Befleckung durch die Erbsünde bewahrt geblie-
ben. Wir freuen uns und preisen Gott wegen
der Reinheit und Schönheit, mit welcher der
Herr dich schon im Anfange ausgezeichnet hat.

In der heiligen Taufe hat der Herr auch
unsere Seele gereinigt und ausgestattet mit dem
hochzeitlichen Kleide der Gnade und Unschuld.
Aber ach, wie oft und schwer haben wir das-
selbe befleckt, wie sind wir in beständiger Ge-
fahr, dasselbe ganz zu verlieren! Habe Mitleid
mit uns, erflehe den Reinen die Bewahrung
der Unschuld, den Sündern die Wiederver-
söhnung mit Gott, allen den Besitz der heilig-
machenden Gnade im Leben und Sterben.

Vater unser. Gegrüßt seist.

2. Es sprach der Herr zur Schlange: ‘„Ich
will Feindschaft setzen zwischen dir und dem
Weibe, deinem Samen und ihrem Samen; sie
wird dir den Kopf zertreten.“’
Nie ist dir, o
reine Jungfrau, die Versuchung des Satans
gefährlich geworden, niemals regte sich in dei-
nem Herzen die böse Begierlichkeit, nie hat der
Schatten einer wirklichen Sünde deine reine
Seele befleckt. Du bist die starke Frau, strahlend
im ungetrübten Glanze der Heiligkeit, siegreich
den Fuß auf das Haupt der Schlange setzend.

[468]

Wir blicken auf zu dir voll Bewunderung dei-
ner Schönheit, voll Vertrauen auf deine Macht
und Liebe. Du weißt, wie Welt, Fleisch und
Satan uns versuchen, wie viele Kämpfe und
Gefahren wir bestehen müssen, bevor unser Heil
gesichert ist. O erhabene Schlangentreterin!
bitt'für uns, streit'für uns, beschütze uns gegen
unsere Feinde und erwirb uns die Gnade der
Treue im Kampfe und der Standhaftigkeit
bis an das Ende.

Vater unser. Gegrüßt seist.

3. ‘„Du bist voll der Gnade, der Herr ist mit
dir, du bist gebenedeit unter den Weibern.“’

Rein bist du, o Jungfrau, aus der Hand des
Schöpfers hervorgegangen, rein bist du durch
das Leben gewandelt und rein zu Gott zurück-
gekehrt. Die Fülle der Gnaden, mit welcher dich
der Herr im Anfange ausgestattet hat, wurde
immer noch vermehrt und hat herrliche Früchte
getragen. Alles, was du auf Erden gethan und
gelitten hast, ist dir zum Gewinn geworden,
zur Erhöhung deiner Tugenden und Verdienste,
welche dich zur Königin aller Heiligen machen.
Hilf uns, daß wir die dargebotenen Gnaden
nach deinem Vorbilde treu benutzen und so
Tag für Tag in den Mühen und Sorgen dieses
Lebens wachsen in der Gnade und Heiligkeit
[469] und Verdienste sammeln für das ewige Leben.
– Vater unser. Gegrüßt seist.

Andacht zu der schmerzhaften Mutter.

1. Die Weissagung Simeons.

Mitten unter deinen Mutterfreuden wurden
dir durch den Mund Simeons die künftigen Lei-
den vorhergesagt. Von diesem Augenblicke an
hast du das Schwert der Schmerzen in deiner
Seele gefühlt, hast du im Geiste das schmerz-
liche Opfer gebracht und dich gehorsam und er-
geben den Ratschlüssen der göttlichen Vorseh-
ung unterworfen. So ist für dich diese Weis-
sagung die Quelle vieler Leiden, aber auch
großer Verdienste geworden. Um dieser deiner
Verdienste willen erwirb uns die Gnade, in
allen Prüfungen der Gegenwart und Zukunft
unseren Willen vollkommen mit dem göttlichen
zu vereinigen. – Vater unser. Gegrüßt seist.

2. Die Flucht nach Aegypten.

Zu den Leiden der Dürftigkeit im Stalle zu
Bethlehem, welche deiner mütterlichen Liebe
so schwer fielen, kamen noch die Gefahren und
Beschwerden der eiligen Flucht in ein fremdes
Land. Du aber, o Maria, bist gläubig und ge-
horsam den Weg gewandelt, den dich der Herr
[470] führen wollte, du hast dich mit kindlichem Ver-
trauen seiner Führung überlassen und bist so die
Mutter der heiligen Hoffnung geworden. Mö-
gen auch wir durch deine Fürsprache die Gnade
erlangen, im Leiden gläubig zu Gott aufzu-
schauen, auszuharren im Gehorsam und im
Gottvertrauen, bis wir durch die Rettung
aus der Not getröstet werden. – Vater unser.
Gegrüßt seist.

3. Der Verlust des zwölfjährigen Jesus.

Von allen Sorgen eines Mutterherzens ist
dir, o Maria, nur eine erspart worden, jene,
welche von den Fehlern der Kinder herrührt.
Auch als Mutter eines göttlichen Sohnes muß-
test du drei Tage lang um Ihn in banger Sorge
schweben. Wir haben herzliches Mitleid mit
diesem Kummer deines liebevollen Herzens und
bitten um der Verdienste willen, die du damit
erworben hast, daß wir alle nach deinem Vor-
bilde, die Eltern gegen ihre Kinder, Vorgesetzte
gegen ihre Untergebenen, unsere Pflichten mit
aller Treue, Sorgfalt und Wachsamkeit erfül-
len mögen. – Vater unser. Gegrüßt seist.

4. Die Begegnung auf dem Kreuzwege.

Welcher Schmerz für dich, die Mutter des
leidenden Heilandes, den Sohn auf seinem Lei-
[471] denswege zu sehen in der Mitte roher Kriegs-
knechte, entstellt durch entsetzliche Mißhandlun-
gen, mit der Dornenkrone auf dem Haupte, fast
erliegend unter der Last des Kreuzes, gleich ei-
nem Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird!
O Schmerz, um so bitterer, je größer die Liebe
war! Um dieser Bitterkeit deines Herzens wil-
len erflehe mir die Gnade, Kreuz und Leiden
mit jenen heiligen Gesinnungen Gott aufzu-
opfern, mit denen dein Sohn das schwere Kreuz
getragen hat und mit denen du an seinem
Leiden teil genommen hast. – Vater un-
ser. Gegrüßt seist.

5. Jesus stirbt am Kreuze.

Die Schrecken und Qualen des Kreuzto-
des Jesu, sind der teure Preis, um den wir
erlöst worden sind und der mit unnennba-
rem Schmerze eingegraben wurde in das
Herz seiner Mutter. Da bist du, o Maria,
die schmerzhafte Mutter geworden, die Köni-
gin der Martyrer, eine Martyrin der Liebe zu
deinem Sohne am Kreuze und zu deinen arm-
seligen Kindern auf Erden. Um dieses Marter-
tumes der Liebe willen erflehe uns eine recht
innige Liebe zu deinem Sohne, daß wir dank-
bar das Andenken seines Leidens feiern, ehr-
[472] erbietig mit seinen heiligen Geheimnissen um-
gehen, mit großem Schmerze die Sünden be-
reuen und büßen und in der Gemeinschaft sei-
ner Gnade leben und sterben mögen. – Vater
unser. Gegrüßt seist.

6. Die Kreuzabnahme.

O schmerzhafte Mutter Maria! Dein Sohn,
den du einst als holdseliges Kind an dein Herz
drücktest, der auf deinem Schoße schlummerte,
derselbe liegt wieder auf deinem Schoße, Er
schlummert wieder an deinem Herzen, aber
es ist der Schlummer des Todes. Du kannst
nur noch den kalten Leichnam, ein Opfer der
grausamsten Qualen, in deine Arme schließen.
Du bist in Wahrheit eine Mutter der Schmer-
zen, denn groß wie das Meer ist deine Bitter-
keit und wir tragen herzliches Mitleiden mit dir.
Sei auch uns eine liebende Mutter in der To-
desstunde, wenn alle Lebensfreude mit Angst
und Bitterkeit enden wird. Sei alsdann unsere
Mutter und Trösterin und laß uns in deinen
Armen und an deinem Herzen ruhen. – Vater
unser. Gegrüßt seist.

7. Das Begräbnis Jesu.

Jeder Schritt auf dem Leidenswege dient zur
Vermehrung des Leidens. Jetzt wirst du von dei-
[473] nem Sohne gänzlich getrennt. Sein Leichnam
wird deinem Anblicke und deiner Umarmung
entzogen und in das Grab gelegt. Du harrest aus
in der Prüfung, du trinkst mutvoll den Kelch der
Bitterkeit bis auf die Neige, aber die Nacht der
Leiden geht vorüber, und es naht der Jubel des
Ostermorgens, welcher dich für immer selig
und glücklich macht. O blicke huldvoll hernieder
auf uns, deine armseligen Kinder, die wir noch
unter Sorgen und Kümmernissen der Nacht des
Grabes zuwandern. Erflehe uns jene Hoffnung,
welche dich aufrecht erhalten hat in den schwer-
sten Prüfungen und lasse sie auch für uns erfüllt
werden in dem Genuß der ewigen Freuden.
– Vater unser. Gegrüßt seist.

Zu Ehren der Aufnahme Mariens in
den Himmel.

1. ‘„Siehe, von nun an werden mich selig
preisen alle Geschlechter.“’
Längst hast du, o lie-
benswürdige Mutter und Jungfrau, uns ver-
lassen, aber immerfort ertönt die Stimme dei-
nes Lobes von Meer zu Meer und von Jahrhun-
dert zu Jahrhundert. Immerfort rufen deine
Kinder zu dir, um dich zu preisen als erhabene
Himmels-Königin und anzurufen als die liebe-
volle Mutter der Gnaden. Nimm auch mich auf
[474] in den Kreis deiner kindlichen Verehrer, ich will
nicht müde werden, mit der ganzen Christen-
heit zu rufen:

Gegrüßt seist.

2. ‘„Großes hat an mir gethan, der da mäch-
tig ist, und heilig ist sein Name.“’
Schon auf Er-
den warst du, o Maria, die allzeit reine, gnaden-
volle Jungfrau und Mutter Gottes, aber noch
im Gewande der Niedrigkeit einer Magd des
Herrn; jetzt sind die Leiden vorüber, Tod und
Vergänglichkeit besiegt, du thronst als erha-
bene Himmelskönigin an der Seite deines Soh-
nes, erhöht über alle Engel und Heiligen, ge-
krönt mit Ehre und Herrlichkeit. Wir huldigen
dir mit Jubel und Freude als unserer Königin.
Nimm an den Tribut unserer Liebe und Dank-
barkeit, wenn wir zu dir rufen:

Gegrüßt seist.

3. ‘„Er ist barmherzig von Geschlecht zu
Geschlecht denen, die Ihn fürchten.“’
Auf Er-
den warst du, o Maria, ein Kind der Gnade,
ausgestattet mit allen Gaben und Gnaden des
Himmels; erhöht zur Königin des Himmels
bist du für uns die Mutter der Gnade. Wie der
Herr durch dich uns den Erlöser schenken wollte,
so will Er durch deine mütterliche Hand denen
seine Gnaden schenken, welche auf deine Für-
[475] bitte vertrauen. Wir freuen uns, dich als
Mutter zu haben, o mächtige und huldvolle
Himmelskönigin! Höre auf unser Flehen und
sei unsere Mittlerin bei deinem göttlichen
Sohne. – Gegrüßt seist.

Die lauretanische Litanei.

(Jedesmal 300 Tage Ablaß. – Pius VII,
30. Sept. 1817.)

Herr, erbarme Dich unser! – Christus, erbarme
Dich unser! – Herr, erbarme Dich unser!

Christus, höre uns! – Christus, erhöre uns!

Gott Vater vom Himmel, erbarme Dich unser!

Gott Sohn, Erlöser der Welt, erbarme Dich
unser!

Gott heiliger Geist, erbarme Dich unser!

Heilige Dreifaltigkeit, ein einiger Gott, er-
barme Dich unser!

Heilige Maria, bitte für uns!

Heilige Gottesgebärerin, bitte für uns!

Heilige Jungfrau aller Jungfrauen, bitte
für uns!

Mutter Christi, bitte für uns!

Mutter der göttlichen Gnade, bitte für uns!

Du allerreinste Mutter, bitte für uns!

Du allerkeuscheste Mutter, bitte für uns!

Du ungeschwächte Mutter, bitte für uns!

Du unbefleckte Mutter, bitte für uns!

[476]

Du liebliche Mutter, bitte für uns!

Du wunderbare Mutter,*) Du Mutter des Schöpfers,

Du Mutter des Erlösers,

Du allerweiseste Jungfrau,

Du ehrwürdige Jungfrau,

Du lobwürdige Jungfrau,

Du mächtige Jungfrau,

Du gütige Jungfrau,

Du getreue Jungfrau,

Du Spiegel der Gerechtigkeit,

Du Sitz der Weisheit,

Du Ursache unserer Freude,

Du geistliches Gefäß,

Du ehrwürdiges Gefäß,

Du vortreffliches Gefäß der Andacht,

Du geistliche Rose,

Du Turm Davids,

Du elfenbeinerner Turm,

Du goldenes Haus,

Du Arche des Bundes,

Du Pforte des Himmels,

Du Morgenstern,

Du Heil der Kranken,

Du Zuflucht der Sünder,

Du Trösterin der Betrübten,

[477]

Du Helferin der Christen, bitte für uns!

Du Königin der Engel,*) Du Königin der Patriarchen,

Du Königin der Propheten,

Du Königin der Apostel,

Du Königin der Martyrer,

Du Königin der Bekenner,

Du Königin der Jungfrauen,

Du Königin aller Heiligen,

Du Königin, ohne Makel der Erbsünde em-
pfangen,

Du Königin des heiligen Rosenkranzes,

O Du Lamm Gottes, das Du hinwegnimmst
die Sünden der Welt, verschone uns, o
Herr!

O Du Lamm Gottes, das Du hinwegnimmst
die Sünden der Welt, erhöre uns, o Herr!

O Du Lamm Gottes, das Du hinwegnimmst
die Sünden der Welt, erbarme Dich unser,
o Herr!

Christus, höre uns!

Christus, erhöre uns!

Herr, erbarme Dich unser!

Christus, erbarme Dich unser!

Herr, erbarme Dich unser!
Vater unser.

[478]

. Unter deinen Schutz und Schirm fliehen
wir, o heilige Gottesgebärerin; verschmähe
nicht unser Gebet in unseren Nöten, sondern
erlöse uns jederzeit von allen Gefahren, o du
glorwürdige und gebenedeite Jungfrau, unsere
Frau, unsere Mittlerin, unsere Fürsprecherin!
versöhne uns mit deinem Sohne, empfiehl uns
deinem Sohne, stelle uns vor deinem Sohne.

. Bitt für uns, o heilige Gottesgebärerin!

. Auf daß wir würdig werden der Ver-
heißungen Christi.

. Wir bitten Dich, o Herr, gieße deine
Gnade in unsere Herzen, auf daß wir, die wir
durch des Engels Verkündigung die Mensch-
werdung Christi, deines Sohnes erkannt haben,
durch sein Leiden und Kreuz zur Herrlichkeit
der Auferstehung geführt werden; durch den-
selben Christum, unsern Herrn. Amen.

. Bitt für uns, o allerseligster Joseph!

. Auf daß wir würdig werden der Ver-
heißungen Christi.

. Wir bitten Dich, o Herr, laß uns durch
die Verdienste des Bräutigams deiner heiligsten
Gebärerin geholfen werden, damit, was unser
Vermögen nicht erhalten kann, uns durch seine
Fürbitte geschenkt werde; der Du lebst und re-
gierst von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.

Das andächtige Beten des hl. Rosenkranzes.
[479]

1.

Die Teilnahme der Laien an den kirchlichen Tag-
zeiten, die in den ersten Jahrhunderten vielfach vorkam,
hatte ihre großen Schwierigkeiten und hat sich darum
nach und nach verloren. Als Ersatz hiefür wurden schon
seit den ersten Zeiten einige mündliche Gebete, die allen
geläufig waren, z. B. das ‘„Vater unser,“’‘„Ehre sei“’
u. s. w. von den Gläubigen in einer bestimmten Anzahl
wiederholt. Zum Abzählen bediente man sich kleiner
Steine oder Körner, die man später häufig, an eine
Schnur gefaßt, am Halse trug. Unter den verschiedenen
Gebetsweisen, die so verrichtet wurden, hat jene an Aus-
breitung und Dauer alle anderen übertroffen, welche der
hl. Dominikus einführte und welche gewöhnlich Rosen-
kranz
genannt wird. Für drei Rosenkränze zusammen
ist die Bezeichnung Psalter gebräuchlich, weil, wie
schon bemerkt, solche Gebetsweisen einen Ersatz für das
Psalmengebet bilden sollen. Im Rosenkranze sind die
schönsten Gebete und die wichtigsten Geheimnisse der Er-
lösung gleich Rosen zu einem lieblichen Kranze verbun-
den; diese Gebetsweise ist geheiligt durch den frommen
Gebrauch vieler Jahrhunderte; manche Ereignisse in der
Kirchengeschichte und mehrere Feste des Kirchenjahres zeu-
gen von den durch sie erlangten Erhörungen und daraus
erklärt es sich, daß der Rosenkranz eine der gewöhnlich-
sten Andachten beim öffentlichen und häuslichen Gottes-
dienste geworden ist.

2. Der heilige Rosenkranz ist bestimmt, gleichzeitig
für das betrachtende und das Bittgebet als das einfachste
Hilfsmittel zu dienen. Die fünfzehn Geheimnisse des
Rosenkranzes enthalten einen kurzen Abriß der Er-
lösungsgeschichte
, wir betrachten sie in der from-
[480] men Unterhaltung mit der göttlichen Mutter, die einst
an diesen Ereignissen den innigsten Anteil genommen
hat. Wir sollen dabei je nach dem Gegenstande und nach
den Bedürfnissen unseres Herzens die Gefühle der Freude,
des Dankes, der Liebe, des Mitleidens, der Reue u. s. w.
und entsprechende gute Vorsätze erwecken. bei
dem Geheimnis der Dornenkrönung kannst du dieses
Leiden des Erlösers betrachten, mit welchem Er büßt
für die Eitelkeit und den Stolz der Menschen; du er-
forschest dich dabei über deine eigenen Sünden des Hoch-
mutes, die auch Dornen zu dieser Krone geliefert haben,
du bereuest sie, bittest den Heiland um Verzeihung und
um die Gnade einer herzlichen Demut. Aehnlich bei den
andern Geheimnissen. Es kann sicher keine leichtere und
einfachere Art geben, die Geschichte der Erlösung zu be-
trachten und unserem Gemüte und Willen nahe zu bringen.

3. Der hl. Rosenkranz enthält ferner Bitten, die
unmittelbar an Gott und Anrufungen, die an Maria
gerichtet sind. In diese Bitten und Anrufungen können
wir alle eigenen und fremden Anliegen des Leibes und der
Seele hineinlegen, welche immer uns am Herzen liegen
mögen, sei es, daß wir die ganze Andacht in der nämlichen
Absicht aufopfern oder bei jedem Absatz an ein beson-
deres Anliegen denken wollen. Auf diese Weise kannst du
die verschiedenen Tugenden, deine Standespflichten, deine
häuslichen Anliegen, Versuchungen, Sorgen und Leiden,
Kranke, Sterbende und Abgestorbene zum Gegenstand
deiner Bitten machen. Wenn du überhaupt fähig bist, zu
beten, so wird es dir nie an Anliegen fehlen, die du bei
diesem Gebete Gott und Maria vortragen kannst.

4. Leider wird der Rosenkranz mitunter in einer
Weise gebetet, welche mit seinem herrlichen Inhalte,
mit den an ihn geknüpften erhebenden Erinnerungen
und mit dem Zweck und der Würde des Gebetes über-
haupt nicht im Einklange steht. Aber die Nachlässigkeit
[481] mancher Beter darf nicht dem Gebete selber zur Last
gelegt werden. Der Rosenkranz wird eine der heilsamsten
Gebetsweisen sein, wenn die Betenden sich bemühen:

a. am Anfange sich zu sammeln, freiwil-
lige Zerstreuungen zu vermeiden, die Worte
langsam und so viel als möglich mit Ueber-
legung auszusprechen, wie das bei dem Ge-
bete überhaupt zu geschehen hat
;

b. in der oben angegebenen Weise die Ge-
heimnisse des Rosenkranzes zu betrachten
und stets die Andacht für bestimmte Gebets-
anliegen aufzuopfern
.

5. Früher war der hl. Rosenkranz eine regelmäßige
Abendandacht in den Familien. Wenn dies ge-
genwärtig auch nicht überall möglich ist, sollte er wenig-
stens an den Vorabenden von Sonn- und Festtagen nicht
versäumt werden. Der eifrige Christ wird auch sonst
manche Gelegenheit finden, ihn zu beten, z. B. wenn er
allein auf dem Wege ist, bei Kranken wachen muß u. s. w.

In neuerer Zeit wurde der sog. lebendige Ro-
senkranz
von den Päpsten genehmigt, empfohlen und
mit Ablässen ausgestattet und hat namentlich durch den
Verein des Gebetsapostolates eine große Verbreitung
erlangt. Bei dieser Uebung werden die verschiedenen
Absätze von verschiedenen Personen gebetet. Damit die
bewilligten Ablässe gewonnen werden, wird erfordert:

a. daß entsprechend den fünfzehn Geheimnissen des
Rosenkranzes je fünfzehn Personen sich zu dieser Uebung
verbinden;

b. daß jede Person den ihr zugeteilten Absatz oder
Zehner pünktlich betet und das betreffende Geheimnis
dabei betrachtet.

c. daß die fünfzehn Geheimnisse unter den Teil-
nehmern jeden Monat durch das Los neu verteilt
werden.

Aufopferung.
[482]

O du glorwürdige und wunderbare Mutter
Gottes, Maria! diesen heiligen Rosenkranz
(diese zwei heiligen Rosenkränze, diesen Psalter) opfern
wir dir auf, zuvörderst deinem geliebten Sohne
Jesu Christo zu Lob und Ehre, (für alle Brüder
und Schwestern der heiligen Bruderschaft)
für Leben-
dige und Abgestorbene und für alle Anliegen
der ganzen Christenheit.

Gebete zu den Heiligen Gottes.


Zum hl. Joseph.

1. Heiliger Joseph, einst Beschützer der hei-
ligen Familie, siehe, die kleine Haushaltung in
Nazareth, die dir anvertraut war, hat sich jetzt
erweitert zur großen Gemeinschaft der katho-
lischen Kirche, welche dich als ihren besonderen
Patron und Fürsprecher verehrt und anruft.
Erflehe ihr Hilfe und Trost in ihren schweren
Anliegen und Bedrängnissen. – Vater unser.
Ave Maria.

2. Heiliger Joseph, dem einst das göttliche
Kind Jesu anvertraut war, blicke huldvoll her-
ab auf die christliche Jugend, welche nach dem
Ebenbilde deines göttlichen Pflegesohnes ge-
schaffen, durch die Taufe geheiligt und für den
Himmel berufen ist; bitte für sie zu Jesus Chri-
[483] stus, daß alle Eltern nach deinem Vorbilde ihre
Pflichten gegen die Kinder treu erfüllen, und
alle Kinder vor den Aergernissen der Welt be-
wahrt bleiben und wie dein Pflegesohn zuneh-
men wie an Alter so an Weisheit und Liebens-
würdigkeit vor Gott und den Menschen. –
Vater unser. Ave Maria.

3. Heiliger Joseph, für die dir anvertraute
Familie hast du auf Erden schwere Sorgen und
Kümmernisse ertragen und dafür nun große
Macht im Himmel erlangt. Wir empfehlen dir
mit vollem Vertrauen unser Hab und Gut, un-
sere Ehre und Gesundheit, unsere häuslichen
Sorgen und Anliegen. Erwirb uns durch deine
Fürbitte, daß wir in Frieden und Eintracht le-
ben, im Glücke mäßig, im Unglücke standhaft
seien und Glück und Unglück uns zum Heile
dienen, wie einst deiner heiligen Familie in
Nazareth. – Vater unser. Ave Maria.

4. Heiliger Joseph, dir war es verliehen,
den göttlichen Erlöser nicht bloß zu sehen, son-
dern auf den Armen zu tragen und an das Herz
zu drücken. Erwirb mir die Gnade, so ehrerbie-
tig und liebevoll mit Ihm umzugehen wie du,
insbesondere in der heiligen Kommunion Ihn
recht würdig und wohlvorbereitet zu empfan-
gen. – Vater unser. Ave Maria.

[484]

5. Heiliger Joseph, dir wurde das hohe
Glück zu teil, in den Armen Jesu und Mariä
zu sterben. Ich erwähle dich zu meinem Patron
und Fürsprecher für die Todesstunde. Komme
mir zu Hilfe mit deiner Fürbitte, damit ich
wohlvorbereitet unter dem Schutze meines Er-
lösers und seiner Mutter den Tod des Gerech-
ten sterbe. – Vater unser. Ave Maria. Glaube.

Siehe, den treuen und klugen Diener, wel-
chen der Herr über sein Haus gesetzt hat.

. Ehre und Reichtümer sind in sei-
nem Hause.

. Und seine Gerechtigkeit bleibet auf ewig.

Lasset uns beten.

O Gott, der Du in deiner unergründlichen
Vorsehung den hl. Joseph als den Verlobten
deiner allerseligsten Mutter auszuwählen Dich
gewürdigt hast, verleihe gnädig, daß wir den,
welchen wir als Schutzpatron auf Erden ver-
ehren, als Fürsprecher im Himmel haben
mögen, der Du lebst und regierst in Ewigkeit.
Amen.

Zum hl. Schutzengel.

1. Heiliger Schutzengel, ich danke dir für die
Liebe und Treue, mit der du mich von meiner
Kindheit an bewacht und beschützt hast. Be-
[485] wahre mich heute und jederzeit vor Unglück
und Schaden, besonders vor unvorhergesehener
Lebensgefahr. – Vater unser. Ave Maria.

2. Heiliger Schutzengel, leider habe ich bis-
her deine guten Einsprechungen vielfach nicht
beachtet und dich durch meine Sünden und
Nachlässigkeiten betrübt. Ich nehme mir vor,
in Zukunft williger auf dich zu hören. Lasse
nicht ab, mich im Gebete aufzumuntern, in der
Gefahr zu warnen, im Kampfe zu stärken,
im Leiden zu trösten. – Vater unser. Ave
Maria.

3. Heiliger Schutzengel, mir an die Seite ge-
geben, um mich in den Himmel zu führen, ich
empfehle mich dir an für die verhängnisvolle
Stunde meine Todes. Mahne mich, daß ich mich
rechtzeitig vorbereite, halte den Versucher von
mir ferne, erwirb mir den Beistand Gottes und
seiner Heiligen, stehe mir bei im Gerichte und
trage meine Seele in die Seligkeit des Paradie-
ses. – Vater unser. Ave Maria.

Engel Gottes, der du mein Beschützer bist,
erleuchte mich, bewahre mich, leite und regiere
mich, der ich dir von der göttlichen Vorsehung
anvertraut bin.

. Er hat seinen Engeln deinetwegen
befohlen.

[486]

. Daß sie dich bewachen auf allen deinen
Wegen.

Lasset uns beten.

O Gott, der Du in unaussprechlicher Vor-
sehung deine heiligen Engel zu unserm Schutze
zu senden Dich gewürdigt hast, verleihe uns
Bittenden, daß wir durch ihren Schutz immer-
dar behütet werden und uns ihrer Gemein-
schaft ewig freuen mögen. Durch Jesum
Christum, unsern Herrn. Amen.

Der Glaube an die Vorsehung.


Der göttliche Heiland versichert uns mit trostreichen
Worten, daß der himmlische Vater alles zu unserem
Besten anordne und mit väterlicher Liebe um uns be-
sorgt sei. Der Christ soll diese Lehre nicht bloß glauben,
sondern auch in den Freuden und Leiden seines täglichen
Lebens beherzigen und auf sich selber anwenden. Er soll
das ganze irdische Leben im Geiste des Glaubens auf-
fassen, in allen Ereignissen die Hand des Herrn erkennen,
ihre Winke befolgen, für ihre Gaben dankbar sein, ihre
Züchtigungen ergeben und vertrauensvoll annehmen.
Dann wird er in jeder Lage, selbst im größten Unglücke,
die ruhige Fassung, selbst freudigen Mut jederzeit be-
wahren. Die Christen würden unzählige Leiden leichter
ertragen, wenn sie den Glauben an die Vorsehung nicht
als vergrabenes Talent in sich herumtragen würden.
Viele wären nicht untergegangen in Kleinmut und Ver-
zweiflung, wenn sie nicht vorher diesen so trostreichen
Glauben verloren hätten. Eltern sollen jede Gelegenheit
benutzen, um die Lehre von der Vorsehung, durch welche
das wechselvolle Erdenleben mit dem Schimmer himm-
[487] lischen Trostes verklärt wird, ihren Kindern recht tief
und unauslöschlich einzuprägen.

Bei einem glücklichen Ereignisse:

Danket dem Herrn, denn Er ist gut; denn
in Ewigkeit währet seine Barmherzigkeit.
(Ps. 117, 1.); oder: Was soll ich dem Herrn vergel-
ten für alles, was Er mir gegeben hat? (Ps. 115, 3.)
oder wenigstens das altchristliche Gott sei Dank!

Bei einem Verluste:

Der Herr hat es gegeben, der Herr hat
es genommen. Wie es dem Herrn gefallen
hat, also ist es geschehen. Der Name des
Herrn sei gebenedeit. (Job 2, 21.)

Bei selbstverschuldetem Unglücke:

Wir leiden mit Recht; denn wir empfan-
gen, was wir verdient haben. Dieser aber
(Christus) hat nichts Böses gethan. (Luk. 23, 41.)

Ich will mich aufmachen und zu meinem
Vater gehen und zu Ihm sagen; Vater, ich
habe gesündigt wider den Himmel und vor
Dir. (Luk. 15, 18.)

In Armut und zeitlichen Sorgen:

Alle Haare eueres Hauptes sind gezählt,
es fällt keines von euerem Haupte ohne den
Willen meines Vaters, der im Himmel ist.

Fürchte dich nicht mein Sohn: wir führen
[488] zwar ein armes Leben, aber wir werden viele
Güter haben, wenn wir Gott fürchten und alle
Sünden meiden und Gutes thun. (Tob. 1, 23.)

Gieb uns heute unser tägliches Brot.

Selig sind die Armen im Geiste, denn
ihrer ist das Himmelreich.

Bei Heimsuchungen jeder Art:

Was Gott thut, ist wohlgethan. –

Denen, die Gott lieben, gereichen alle
Dinge zum Besten. –

Auf Dich, o Herr, habe ich gehofft, ich
werde ewig nicht zu Schanden werden. –

Wer Mir nachfolgen will, nehme täglich
sein Kreuz auf sich und folge Mir nach. –

Selig sind die Trauernden und Weinen-
den, denn sie werden getröstet werden.

Selig der Mensch, den Gott gezüchtiget;
darum verschmähe die Züchtigung des Herrn
nicht; denn Er verwundet und heilt, Er schlägt
und seine Hände machen gesund. (Job 5, 17.)

Gebet um Gottes Schutz und Gnade in
gesunden und kranken Tagen.

Herr, unser Gott, Du hast uns zur Freude
und Glückseligkeit erschaffen, aber durch die
Sünde ist der Keim des Todes in uns gelegt und
[489] nach dem Gesetze unserer Sterblichkeit wird
bald das eine Glied unserer Familie, bald ein
anderes von einer Krankheit heimgesucht wer-
den, und früher oder später alle durch den Tod
in die andere Welt hinübertreten. Wir unter-
werfen uns zum voraus deinen Ratschlüssen. Du
bist unser Vater und was Du uns senden wirst,
das nehmen wir an mit Ergebung und Ver-
trauen. Doch flehen wir zu Dir um deines einge-
bornen Sohnes willen, verfahre nicht mit uns
nach unsern Missethaten, sondern nach deiner
großen Barmherzigkeit. Bewahre unser Haus
vor ansteckenden Seuchen und schweren Krank-
heiten. Erhalte in unserer Familie und Ver-
wandtschaft den Kindern ihre Eltern, bis für
ihr zeitliches und ewiges Wohl hinreichend ge-
sorgt ist. Gieb, daß die Krankheiten, die Du uns
senden wirst, so von uns ertragen werden, daß
sie Dir zur Ehre und uns zum Heile dienen; daß
die Kranken durch Geduld, die Gesunden durch
Liebe Verdienste sammeln. Bewahre uns alle
vor einem jähen und unvorhergesehenen Tode.
Gieb, daß wir beständig wachen und bereit seien
auf deine Ankunft. Laß alle vor ihrem Abschei-
den bei guter Besinnung und würdig die heili-
gen Sakramente empfangen, die zeitlichen An-
gelegenheiten ordnen, jedes Unrecht gut ma-
[490] chen, mit den Feinden sich aussöhnen, so daß sie
in der letzten Stunde freudig und getrost dei-
nem Rufe folgen können und das ewige Leben
erlangen.

Vor und bei den Versuchungen.


Wie manche Vorsätze bleiben unausgeführt, auch
wenn sie ernst gemeint sind? Wie mancher einst gute
Christ fällt langsam und unmerklich der religiösen Gleich-
gültigkeit anheim oder wird der Sklave einer lasterhaften
Gewohnheit für sein ganzes weiteres Leben? Wie viel-
fach kommt diese Ausartung namentlich bei jungen Leuten
vor? Dieselbe beginnt meistens mit der Untreue in kleinen
Dingen, mit dem Fall in Versuchungen des täglichen
Lebens, die viel zu wenig beachtet werden. Zwei Dinge
sind auch jenem, der guten Willen hat, notwendig, um
in jeder Versuchung standhaft zu bleiben. Das erste ist
das Gebet, von welchem schon geredet worden; immer
soll der Christ das demütige Bewußtsein seiner Schwä-
chen und Versuchungen zum Gebete mitbringen; das
zweite sind gute Gedanken. ‘„Wachet und betet, damit
ihr nicht in Versuchung fallet.“’
Es kommt alles darauf
an, wie der Feind dich antrifft, gesammelt oder zerstreut,
mit irdischen oder himmlischen Gedanken im Herzen.
Die Erinnerung an eine ewige Wahrheit kann den Christen
unüberwindlich machen in der schwersten Versuchung,
ohne eine solche kann er dem leichtesten Angriffe er-
liegen. Würde ein Christ recht beherzigen, was er glaubt,
so könnte er fast nicht sündigen. Wer sich bemüht, im
täglichen Leben so oft als möglich an höhere Wahrheiten
sich zu erinnern, bewahrt sich selber vor schweren Fehltrit-
ten und erleichtert sich den Sieg in hundert Anfechtungen.

Auch da müssen die Eltern sich bemühen, den Glauben
und das Gewissen ihrer Kinder zu wecken und zu stärken.
[491] Sie allein können ihren Kindern diesen Dienst erweisen,
der für sie so unendlich notwendig und wichtig ist. Die
geeigneten Mittel sind folgende:

a. Die fleißige Erweckung der drei göttlichen
Tugenden
, des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe.
Diese bilden das Fundament des ganzen sittlich-religiö-
sen Lebens. Jede Uebung einer dieser Tugenden erhebt
die Seele über das Irdische und verleiht ihr eine innere
sittliche Stärkung. Es giebt ganz kurze Formeln, diese
Tugenden zu erwecken, aber man sollte sich nicht auf
sie beschränken, sondern bei einer Pflichterfüllung, Ver-
suchung, Heimsuchung die Uebung gerade dem Anlasse
anpassen. Erwecke sie oft wie bei dem Morgengebete
oder wie unten folgt.

b. Die öftere Erinnerung an die Eigenschaften
Gottes
, Allgegenwart, Allwissenheit, Gerechtigkeit,
Barmherzigkeit, Weisheit u. s. w. und an die letzten
Dinge
, Tod, Gericht, Himmel und Hölle. Es geht
leichter, wenn namentlich Kinder regelmäßig nur an
eine bestimmte Wahrheit erinnert werden, z. B. die
Gegenwart Gottes. Diese wird auf diese Weise ihrer
Seele tiefer eingeprägt und ist für sich allein im stande,
das Gewissen wach zu halten.

Uebung des Glaubens.

O Gott, ich glaube an deine heilige Ge-
genwart, – deine ewige Gerechtigkeit, –
die Strafen der Hölle, – des Fegfeuers, –
die Freuden des Himmels u. s. w.

Uebung der Hoffnung.

Ich baue und vertraue auf deine Barm-
herzigkeit und Liebe, deine Verheißungen, den
[492] Namen und die Verdienste Jesu Christi in die-
ser Versuchung..., in diesen Leiden... in
diesem Geschäfte... O Herr, laß mich nicht
zu Schanden werden.

Uebung der Liebe.

Dir, o Gott, zuliebe will ich diese Arbeit voll-
bringen, dieses Leiden ertragen, diese Ueber-
windung mir auferlegen, diese Sünden meiden,
diese Pflicht erfüllen. Mein Herr und Gott!
Nimm alles von mir, was mich trennt von Dir!
Gieb alles mir, was mich führt zu Dir! Nimm
mich mir, und gieb mich Dir!

In Versuchungen.

Wie sollte ich es wagen, ein solches Uebel
zu thun vor den Augen meines Gottes! –

Was nützt es dem Menschen, wenn er die
ganze Welt gewinnt, an seiner Seele aber
Schaden leidet.

Lieber sterben, als sündigen!

Herr, eile mir zu helfen!

In allen deinen Werken denke an die
letzten Dinge und du wirst in Ewigkeit nicht
sündigen.

Das Himmelreich leidet Gewalt und nur
die Gewalt brauchen, reißen es an sich.

Gegen die Anwandlungen der
Menschenfurcht
.
[493]

Suchet zuerst das Reich Gottes und seine
Gerechtigkeit und dieses alles wird euch hinzu-
gegeben werden. – Fürchtet euch nicht vor de-
nen, welche den Leib töten, die Seele aber nicht
töten können, sondern fürchtet vielmehr denje-
nigen, welcher sowohl den Leib als die Seele in
die Hölle stürzen kann.

Wer mich vor den Menschen bekennt, den
werde ich auch bekennen vor meinem Vater,
der im Himmel ist.

Selig seid ihr, wenn euch die Menschen has-
sen und euch ausstoßen und schmähen und euch
ächten als Böse um des Menschensohnes willen.
Freuet euch an jenem Tage und frohlocket;
denn siehe, euer Lohn ist groß im Himmel.

Lieber will ich verachtet sein im Hause mei-
nes Gottes, als wohnen in den Wohnungen
der Sünder.

Nach einem begangenen Fehltritt.

Vergieb uns unsere Schulden, wie auch
wir vergeben unsern Schuldnern. –

O Herr, sei mir armen Sünder gnädig!

Gott will nicht den Tod den Sünders, son-
dern daß er sich bekehre und lebe. –

[494]

Ich will mich aufmachen und zu meinem
Vater gehen. –

O Jesus, sei mir gnädig! O Jesus, sei mir
barmherzig! O Jesus, verzeih mir meine
Sünden! –

Dich liebt, o Gott, mein ganzes Herz.
Und ist mir das der größte Schmerz,
Daß ich erzürnt, Dich höchstes Gut,
Ach wasche mich in deinem Blut!

Die Vorbereitung auf den Tod.


Dieses Leben ist nur die Vorhalle zur Ewigkeit, in
welcher wir einige Augenblicke uns vorbereiten können
zum Uebertritt in die andere Welt, der mit dem Tode
stattfindet. Darum soll das ganze Leben eine Vorbe-
reitung auf den Tod sein. Nimm dir wenigstens die
Mühe, von Zeit zu Zeit, z. B. alle Monate, oder beim
Empfange der heiligen Sakramente an diese ernste und
alles entscheidende Stunde zu denken und einige Augen-
blicke zur Vorbereitung zu verwenden. Vielleicht ist von
dem Opfer einer Stunde und einer kleinen Ueberwin-
dung das Heil deiner Seele in der Ewigkeit abhängig.
Dann und wann eine Stunde ernster Todesbetrachtung,
um gut zu sterben und ewig selig zu werden, wer wollte
sich das gereuen lassen?

1. Betrachtung über den Tod.


Stelle dir den Heiland vor, wie Er sagt:
Der Menschensohn wird zu einer Stunde
kommen, da ihr es nicht meinet. (Luk. 12, 40.)

[495]
Was heißt sterben?

Sterben heißt alles verlassen, was man
auf Erden geliebt hat, Eltern, Geschwister, Kin-
der, Freunde, Hab und Gut, Aemter und Ehren.
– Alles das muß ich beim Tode zurücklassen. Ich
kann nicht das Geringste mit mir nehmen. –
Will ich mein Herz an solche vergängliche Dinge
hängen? – Darf ich um ihretwillen die Ewig-
keit vergessen oder gar das Heil der Seele we-
gen ihnen aufs Spiel setzen? – Das darf nie
und nimmer geschehen. – Aber ist es nicht doch
geschehen? – Ich sterbe heißt meine Seele
wird vom Leibe getrennt
. Dieser letztere
ohne Gefühl, ohne Bewegung, fällt rasch der
Verwesung anheim, wird eine Speise der Wür-
mer. Ist es nicht Thorheit, diese Speise des To-
des allzusehr zu lieben und zu pflegen, den
niedrigen Begierden nachzugeben und ihnen
selbst das Heil der Seele zu opfern? – Was
habe ich bisher gethan? – Was will ich in
Zukunft thun?

Sterben heißt die Entscheidung für die
ganze Ewigkeit
bestehen. Man stirbt nur
einmal und die Entscheidung ist unwiderruflich.
Wie der Tod, so das Los in der Ewigkeit. Ich
habe nun die Wahl entweder alles zu gewinnen,
[496] oder alles zu verlieren; so lange ich atme, kann ich
die Entscheidung so oder so wenden, aber mit
dem Augenblicke des Todes hört jedes Schwan-
ken auf. Wie der Baum fällt, so bleibt er lie-
gen. – Was habe ich Wichtigeres zu thun, als
besorgt zu sein, daß diese unwiderrufliche Ent-
scheidung eine gute sei?

Wann und wie werde ich sterben?

Ich weiß, daß dieser Augenblick, der über
mein Los in der Ewigkeit entscheidet, kommen
wird. Aber wann, vielleicht schneller, als ich es
denke. Das Urteil des Todes ist über mich gefällt,
der Vollzug kann jeden Augenblick stattfinden.
Wird sich der Tod vorher ankünden? – Werde
ich einige Tage oder wenigstens einige Stunden
haben, um mich auf diesen verhängnisvollen
Uebergang vorzubereiten? – Wird mein Tod
sanft oder gewaltsam sein? – Wird er allmäh-
lich herankommen oder mich gewaltsam überra-
schen? – Werde ich die Gnadenmittel der Re-
ligion empfangen können? – Werde ich die
Besinnung haben und noch meine Angelegen-
heiten ordnen können? – Auf alle diese Fra-
gen weiß ich keine Antwort und der Herr will
mir darüber keine Aufschlüsse geben. Er sagt
bloß: Wachet und seid bereit, denn ihr wisset
nicht, zu welcher Stunde der Herr kommen wird.

Bin ich bereit, jetzt zu sterben.
[497]

Wie steht es mit dem Zustande meines Ge-
wissens? Bin ich wohl im Stande der Gnade?
– Oder muß ich annehmen, daß Todsünden
auf mir lasten? – Habe ich noch ungültige
Beichten in Ordnung zu bringen? – Aerger-
nisse gut zu machen? – Feindschaften auszu-
gleichen? – Ungerechtes Gut zurückzustel-
len? – Habe ich irgend eine sündhafte An-
hänglichkeit im Herzen, die mir das Sterben
schwer machen würde? – Wie werde ich wün-
schen gelebt zu haben, wenn ich vor dem An-
gesichte Gottes stehe? – Wie steht es mit mei-
nen zeitlichen Angelegenheiten? – Würde
Schaden oder Unordnung entstehen, wenn ich
plötzlich sterben würde?

Ziehe alle diese Fragen in ernste Ueberleg-
ung, beantworte sie dir gewissenhaft, knüpfe
daran die entsprechenden Entschließungen und
säume nicht mit der Ausführung. Denn viel-
leicht beschäftigest du dich zum letztenmal mit
dem Gedanken an den Tod, bevor der Tod wirk-
lich kommt. Dann erwecke in nachfolgender
Weise die Gesinnungen, welche im Sterben
dein Herz erfüllen sollen.

2. Geistliches Testament.

[498]

Im Namen der allerheiligsten Dreifaltig-
keit, des Vaters, des Sohnes und des hei-
ligen Geistes. Amen.

Ich N. N. übergebe meine Seele Gott,
meinem Schöpfer und meinen Leib der Erde,
von dem er genommen ist.

Ich verlasse freiwillig alle Güter und Freu-
den dieser Welt und dieses Lebens, wann
der Herr mich ruft.

Ich bereue aufrichtig und von ganzem
Herzen alle Sünden meines ganzen Lebens
und verabscheue sie vor allem deswegen, weil
sie Dir, o Gott, mißfallen.

Ich verzeihe von Herzen allen Beleidi-
gern, damit Du, o Gott, auch nur alle meine
Beleidigungen verzeihest.

Ich glaube an den dreieinigen Gott, den
Vater, den Sohn und den heiligen Geist, mei-
nen Erschaffer, Erlöser und Heiligmacher. Ich
glaube auch festiglich alles, was die heilige,
apostolische, römisch-katholische Kirche zu glau-
ben vorstellt und verlange, in diesem wahren
Glauben zu leben und zu sterben.

Ich hoffe zuversichtlich von der unendlichen
Güte Gottes und um der Verdienste meines
[499] Erlösers willen Verzeihung meiner Sünden,
Gnade zum Guten und das ewige Leben.

Ich liebe meinen Gott aus ganzem Herzen,
aus ganzem Gemüte und aus allen meinen
Kräften. Ich unterwerfe mich ganz und voll-
kommen dem heiligsten, weisesten und anbe-
tungswürdigsten Willen Gottes zum Leben
und zum Sterben und bin bereit, alles von Dir,
o Gott, anzunehmen, was deine Weisheit und
Liebe über mich verfügen mag.

Ich empfehle meinen Leib und meine Seele
in die heilsamen Wunden und das liebevolle
Herz meines Erlösers, in den Schutz der glor-
würdigsten Jungfrau und Mutter Gottes
Maria, des hl. Joseph, meines hl. Schutzengels,
meiner Namenspatrone und aller Heiligen,
welche ich bitte, daß sie mir beistehen wollen
in der Stunde des Todes.

Meine letzten Worte sollen sein: Jesus,
Maria, Joseph! stehet mir bei! Vater, in
deine Hände empfehle ich meinen Geist!

Weil ich aber vielleicht im Sterben diese
Worte nicht mehr auszusprechen vermag, so
spreche ich sie heute aus mit der Meinung, daß
sie für den Augenblick des Todes gelten sollen
und rufe deshalb mit aller Andacht, Ergebung
und Liebe: Jesus, Maria und Joseph! stehet
[500] mir bei! Vater in deine Hände empfehle ich
meinen Geist!

3. Gebet um eine glückselige Sterbstunde.


O mein Gott, ich werfe mich vor dem Throne
deiner anbetungswürdigen Majestät nieder,
und flehe Dich um die letzte und höchste aller
Gnaden an, um eine glückselige Sterbstunde.
Allerdings habe ich von dem Leben, das Du mir
verliehen hast, oft einen schlechten Gebrauch
gemacht; aber dessenungeachtet bitte ich Dich:
schenke mir die Gnade, mein Leben gut zu be-
schließen und in deiner Liebe zu sterben.

Laß mich sterben wie die hl. Patriarchen und
ohne Klagen dieses Thränenthal verlassen, um
in meinem Vaterland ewige Ruhe zu genießen.

Laß mich sterben, wie der hl. Joseph gestor-
ben ist, in den Armen Jesu und Mariä, unter
Anrufung dieser süßen Namen, die ich in alle
Ewigkeit zu loben und zu preisen hoffe!

Laß mich sterben, wie die allerseligste Jung-
frau Maria, vor Liebe glühend, entflammt von
heiliger Sehnsucht, mich mit dem einzigen Ge-
genstande all meiner Liebe zu vereinigen!

Laß mich sterben, wie Jesus am Kreuze
in den lebhaftesten Gefühlen des Abscheues
gegen die Sünde, der Liebe zu meinem himm-
[501] lischen Vater und der Ergebung in seinen
Willen.

Ewiger Vater, in deine Hände empfehle
ich meinen Geist; erzeige an mir deine Barm-
herzigkeit!

Jesu, der Du aus Liebe für mich ge-
storben bist, verleihe mir die Gnade, in dei-
ner Liebe zu sterben!

O Maria, Mutter meines Erlösers, bitte
für mich, jetzt und in der Stunde meines Todes.

Heiliger Engel des Herrn, treuer Hüter
meiner Seele, große Heilige, die Gott mir zu
Beschützern gegeben, verlasset mich nicht in
der Stunde meines Todes!

Heiliger Joseph, erlange mir durch deine
mächtige Fürsprache die Gnade, daß ich den
Tod des Gerechten sterbe! Amen.

Die armen Seelen im Fegfeuer.


Es ist ein heiliger und heilsamer Gedanke, so steht
schon in den Schriften des allen Bundes zu lesen, für
die Verstorbenen zu beten, damit sie von ihren Sünden
erlöst werden. (II. Mach. 12, 46.) Im neuen Bunde
finden wir überall diese Lehre ausgesprochen. Das all-
gemeine Konzil von Lyon im Jahre 1274 z. B. erklärt,
‘„daß den nicht völlig geläuterten Seelen zur Linderung
der Strafen im Reinigungsorte die Fürbitten der auf
Erden lebenden Gläubigen nützen, nämlich die Meßopfer,
Gebete, Almosen und andere Werke der Frömmigkeit,
[502] welche von Gläubigen für andere Gläubigen nach dem
Gebrauche der Kirche verrichtet zu werden pflegen.“’

Alle, welche im Stande der Gnade sterben, sind
Erben des Himmels, aber Gottes Gerechtigkeit, die auch
über jedes unnütze Wort Rechenschaft fordert, kann ihnen
denselben erst öffnen, wenn sie von jeder Makel rein
geworden sind. Wir gehören mit diesen büßenden Seelen
derselben Gemeinschaft der Heiligen an und die Liebe
und Barmherzigkeit Gottes hat es uns möglich gemacht,
ihnen zu Hilfe zu kommen und ihnen Linderung und
Abkürzung ihrer Peinen zu verschaffen. Erinnere dich
besonders an deine verstorbenen Angehörigen, an die jüngst
Dahingeschiedenen, an alle jene, für welche du aus irgend
einem Grunde zu beten schuldig bist. Verbinde ein kurzes
Gebet für sie mit deinen täglichen Andachten, mit jedem
Kirchenbesuch! gedenke ihrer beim Anblicke des Kirchho-
fes, in besonderer Weise am Samstag und während dem
ihnen geweihten Monat November. ‘„Erbarmet euch mei-
ner, erbarmet euch meiner, wenigstens ihr meine Freunde.“’

Kirchengebete für die Verstorbenen.

Zu beten am Allerseelentage, beim Gräberbesuch,
bei Gedächtnissen und Jahrzeiten, sowie einige Zeit
hindurch täglich nach dem Tode eines Angehörigen.

Befreie mich, o Herr, von dem ewigen
Tode an jenem schrecklichen Tage:

Wenn Himmel und Erde erschüttert werden.

Da Du kommen wirst, die Welt zu richten
mit Feuer.

Zitternd stehe ich da und fürchte mich, da die
Rechenschaft kommt und der künftige Zorn:

Wenn Himmel und Erde erschüttert werden.

[503]

O jener Tag, ein Tag des Zornes, des
Elendes und Jammers, ein Tag, der über-
aus bitter ist:

Da Du kommen wirst, die Welt zu richten
mit Feuer.

Herr, gieb ihnen die ewige Ruhe, und das
ewige Licht leuchte ihnen.

Befreie mich, o Herr, von dem ewigen Tode
an jenem schrecklichen Tage:

Wenn Himmel und Erde erschüttert werden.

. Lasset uns beten für die abgestorbenen
Christgläubigen.

. Herr, gieb ihnen die ewige Ruhe, und
das ewige Licht leuchte ihnen.

. Laß sie ruhen im Frieden.

. Amen.

Antiphon. Wenn Du, o Herr, gedenken
wolltest der Missethaten, wer könnte dann be-
stehen, o Herr?

Psalm 129.

Aus der Tiefe rufe ich zu Dir, o Gott,
Herr, erhöre mein Gebet!

Laß dein Ohr doch achten auf meines
Flehens Stimme.

Wenn Du, o Herr, gedenken wolltest der
Missethaten, wer könnte dann bestehen, o Herr?

[504]

Aber bei Dir ist die Vergebung, o Herr, und
um deines Gesetzes willen vertraue ich auf Dich.

Meine Seele harret auf sein Wort, meine
Seele hoffet auf den Herrn.

Von der Morgenwache bis in die Nacht
hoffe Israel auf den Herrn.

Denn bei dem Herrn ist Erbarmung und
bei Ihm überreiche Erlösung.

Und Er wird Israel erlösen von allen sei-
nen Missethaten.

Herr, gieb ihnen die ewige Ruhe, und das
ewige Licht leuchte ihnen.

Antiphon. Wenn Du, o Herr, gedenken
wolltest der Missethaten, wer könnte dann
bestehen, o Herr?

. Herr, erbarme Dich unser!

. Christus, erbarme Dich unser!

. Herr, erbarme Dich unser!

Vater unser.

. Und führe uns nicht in Versuchung.

. Sondern erlöse uns von dem Uebel.

. Aus dem Orte der Reinigung.

. Erlöse, o Herr, ihre Seelen.

. Laß sie ruhen im Frieden.

. Amen.

. Herr, erhöre unser Gebet,

. Und laß unser Rufen zu Dir kommen.

Gebet.
[505]

Für verstorbene Seelsorger. O Gott,
der Du unter den apostolischen Priestern dei-
nen Diener N. mit der priesterlichen Würde
bekleidet hast, wir bitten Dich, verleihe, daß er
auch in der Ewigkeit ihrer Gemeinschaft beige-
zählt werde, durch Christum, unsern Herrn. A.

Für verstorbene Eltern. O Gott, der
Du uns befohlen hast, Vater und Mutter zu eh-
ren, erbarme Dich nach deiner Milde der Seelen
meines Vaters und meiner Mutter, vergieb
ihnen ihre Sünden und laß mich sie wieder
sehen in der Freude ewiger Herrlichkeit, durch
Jesum Christum, unsern Herrn. Amen.

Für verstorbene Verwandte und
Freunde
. O Gott, Du Ausspender der Gna-
den und Liebhaber des menschlichen Geschlech-
tes, wir flehen zu deiner Milde, daß Du die See-
len unserer verstorbenen Brüder und Schwe-
stern, Verwandten und Wohlthäter, die aus
dieser Zeitlichkeit abgeschieden sind, durch die
Fürbitte der seligen, allzeit jungfräulichen
Mutter Maria und aller Heiligen zur Gemein-
schaft der ewigen Seligkeit wollest gelangen,
lassen, durch Jesum Christum ꝛc. Amen.

Für Stifter und Wohlthäter. O Gott,
[506] wir empfehlen deiner Liebe die Seelen derjeni-
gen, die durch milde Stiftungen deine Ehre und
das Wohl ihrer Brüder so werkthätig beför-
dert haben. Vergilt ihnen mit ewigen Gütern,
was sie an ihren notleidenden Brüdern selbst ge-
than, und laß sie in ewiger Seligkeit die Schätze
genießen, die sie in den Werken der Liebe im
Himmel sich hinterlegt haben. Darum bitten
wir Dich durch Christum, unsern Herrn. Amen.

Für jeden Verstorbenen. Erlöse, o
Herr, die Seele deines Dieners (Dienerin), da-
mit sie, die der Welt abgestorben, nur Dir lebe.
Tilge Du nach deiner unendlichen Barmherzig-
keit die Sünden, welche sie in ihrem Wandel
auf Erden durch menschliche Schwachheit be-
gangen, durch Christum, unsern Herrn. Amen.

Für alle abgestorbenen Christ gläu-
bigen
. O Gott, Schöpfer und Erlöser aller
Gläubigen, verleihe den Seelen deiner Diener
und Dienerinnen Verzeihung ihrer Sünden, da-
mit sie die gnädige Nachlassung, welche sie all-
zeit verlangt haben, durch unsere frommen Für-
bitten erlangen mögen. Durch Christum ꝛc. A.

. Herr, gieb ihnen die ewige Ruhe.

. Und das ewige Licht leuchte ihnen.

. Laß sie ruhen im Frieden.

. Amen.

Auf dem Gottesacker.
[507]

Seid gegrüßt, ihr gläubigen Seelen alle, de-
ren Leichname hier und überall im Erdreiche
begraben ruhen. Unser lieber Herr Jesus Chri-
stus, welcher uns mit seinem kostbaren Blute
erlöst hat, der wolle euch alle, die ihr noch an
dem Orte der Läuterung aufgehalten und ge-
reiniget werdet, gnädig daraus befreien und
unter die Scharen der Engel und Auserwähl-
ten aufnehmen.

Wollet alsdann auch unser eingedenk sein,
die wir noch in diesem Jammerthale leben, und
den Herrn für uns bitten, daß auch wir nach ei-
nem seligen Absterben zu euch gelangen und mit
euch in der ewigen Glorie gekrönt werden.

. Herr, gehe nicht ins Gericht mit den
Seelen deiner Diener.

. Denn kein Mensch wird vor deinen
Augen gerecht erfunden.

O Herr Jesus Christus, das Heil und die Er-
lösung der christgläubigen Seelen, der Du nicht
gekommen bist, die Seelen verloren gehen zu las-
sen, sondern zu erretten und dein Leben zur Ret-
tung für viele dahinzugehen, wir rufen flehent-
lich zu deiner unendlichen Milde und Barmher-
zigkeit, daß Du die Seelen aller abgestorbenen
Christgläubigen, die noch im Reinigungsorte
[508] leiden, gnädig und erbarmungsvoll ansehen
mögest, daß, wenn sie auch nicht unverdient ihre
Qualen leiden, durch deine mildeste Barmher-
zigkeit erlöst werden. Dein Erbarmen möge
den Seelen zu Hilfe kommen, die Du mit deinem
kostbaren Blute erlöst hast, und um der Ver-
dienste der seligsten Jungfrau Maria und aller
Heiligen willen ihnen gnädig sein, sie von ihren
Peinen befreien, mit dem Kleide der herrlichen
Unsterblichkeit bekleiden und in die Freuden des
Paradieses aufnehmen, der Du mit dem Vater
und dem heiligen Geiste lebst und regierst von
Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.

Ihr christgläubigen Seelen, deren Gebeine
hier und allenthalben im süßen Namen Jesu
Christi begraben sind, es segne euch Gott der
Vater, es erlöse euch Gott der Sohn, es tröste
euch Gott der heilige Geist. Gott der Herr gebe
euch die ewige Ruhe durch das bittere Leiden
und Sterben seines geliebten Sohnes, unseres
Herrn Jesu Christi, Maria und die himmlischen
Heerscharen mögen bitten für euch. Ihr lieben
christlichen Seelen bittet Gott auch für mich
armen Sünder. Amen.

Appendix A Inhalts-Verzeichnis.

[509]

Seite

  • Vorbemerkungen 5

I. Teil. Belehrungen und Erwägungen.

  • Zweck dieses Buches 9
  • Die Vaterwürde 14
  • Die Vaterpflichten 20
  • Vatersorgen 33
  • Vaterfreuden 48
  • Der christliche Hausvater 55
  • Der katholische Vater 63
  • Das heilige Sakrament der Ehe 72
  • Gatte und Gattin 79
  • Die Mutter 97
  • Das Kind 102
  • Die christliche Familie 109
  • Die erste religiöse Erziehung 118
  • Die erste Erziehung zur Sittlichkeit 124
  • Die Mitwirkung des Vaters bei der ersten Er-
    ziehung 130
  • Die zweite Periode der Erziehung 136
  • Das väterliche Ansehen 140
  • Liebe und Ernst, Belehrung und Zwang 145
  • Die Erziehung zur Gewissenhaftigkeit 151
  • Die spätere Erziehung zur Religiosität 161
  • Der Geist des Glaubens 168
  • Temperament und Charakter 180
  • Jüngling und Mann 191
  • Die Ideale 196
  • Die Klugheit 202
  • Die Gerechtigkeit 210
  • [510] Die Mäßigkeit 216
  • Der Starkmut 222
  • Die Keuschheit 229
  • Gemütsruhe und Zufriedenheit 235
  • Wahl des Standes und Berufes 241
  • Schule und Fremde 250
  • Die Bürgerpflichten 256
  • Es will Abend werden 263
  • Christus und die heilige Familie 269

II. Teil. Andachtsübungen.

  • Die täglichen Gebete 277
  • Morgengebet 277
  • Abendgebet 280
  • Tägliches Gebet des Vereins der christl. Familien 282
  • Meßandachten 285
  • Erste Meßandacht 285
  • Zweite Meßandacht 321
  • Dritte Meßandacht 344
  • Bußandacht 367
  • Vorbereitungsgebet 367
  • Gewissenserforschung 370
  • Reue und Leid 378
  • Nach der Beicht 380
  • Kommunionandacht 382
  • Vor der heiligen Kommunion 384
  • Bei der heiligen Kommunion 386
  • Nach der heiligen Kommunion 388
  • Verschiedene Andachten 398
  • Zur heiligen Fastenzeit (Stationenandacht) 398
  • Auslegung des Vater unser und des englischen
    Grußes 407
  • Zwei Besuchungen des allerheiligsten Altar-
    Sakramentes 426
  • [511] Litanei vom heiligsten Namen Jesu 436
  • Weihegebet, durch welches die christlichen Fa-
    milien sich der heiligen Familie weihen 440
  • Andacht zu der heiligen Familie 442
  • Gebet um Erneuerung der Standesgnade 446
  • Das Vater unser des christlichen Vaters 448
  • Die Festzeiten des Kirchenjahres 452
  • Adventandacht 453
  • Andacht an Weihnachten 454
  • Andacht für die heilige Fastenzeit 457
  • Andacht für die österliche Zeit 459
  • Andacht zu Ehren des heiligen Geistes 461
  • Andacht zu Ehren der seligsten Jungfrau Maria 464
  • Andacht zu Ehren der unbefleckten Empfängnis
    Maria 466
  • Andacht zu der schmerzhaften Mutter 469
  • Andacht zu Ehren der Aufnahme Mariens in
    den Himmel 473
  • Die lauretanische Litanei 475
  • Das andächtige Beten des heiligen Rosenkranzes 479
  • Gebete zu den Heiligen Gottes 482
  • Zum heiligen Joseph 482
  • Zum heiligen Schutzengel 484
  • Der Glaube an die Vorsehung 486
  • Gebet um Gottes Schutz und Gnade in gesunden
    und kranken Tagen 488
  • Vor und bei den Versuchungen 490
  • Die Vorbereitung auf den Tod 494
  • Betrachtung über den Tod 494
  • Geistliches Testament [498]
  • Gebet um eine glückselige Sterbstunde 500
  • Die armen Seelen im Fegfeuer 501
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Notes
*)

Erbarme Dich unser!

*)

Erbarme Dich unser!

*)

erlöse uns, o Jesu!

*)

Erlöse uns, o Jesu!

*)

Bitte für uns!

*)

Bitte für uns!

Dieses Werk ist gemeinfrei.


Rechtsinhaber*in
Kolimo+

Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2025). Collection 4. Der christliche Vater in der modernen Welt. Der christliche Vater in der modernen Welt. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). Kolimo+. https://hdl.handle.net/21.11113/4bqk2.0