der
Landwirthſchaft
auf
wiſſenſchaftlicher und praktiſcher Grundlage.
Thierzuchtlehre.
Verlag von Wiegandt, Hempel \& Parey.
Verlagsbuchhandlung für Landwirthſchaft, Gartenbau und Forſtweſen.
1876.
[[III]]
Thierzuchtlehre
auf
wiſſenſchaftlicher und praktiſcher Grundlage.
Verlag von Wiegandt, Hempel \& Parey.
Verlagsbuchhandlung für Landwirthſchaft, Gartenbau und Forſtweſen.
1876.
[[IV]][[V]]
Inhalt.
- Seite
- III.
Thierzuchtlehre. - Einleitung 3
- A.
Allgemeine Thierzuchtlehre. - I.
Das Thierleben. - 1. Die Vertheilung des Stoffes
im Thierkörper6 - 2. Die Bildung des Stoffes im
Thierkörper15 - 1. Das Bildungsleben des Thieres 15
- 1. Die Verdauung und Aſſimi-
lation 16 - 2. Die Blutbildung und Ernäh-
rung 18 - 2. Das Bewegungsleben des Thieres 26
- 3. Das Empfindungsleben des Thieres 27
- 4. Das Geſchlechtsleben des Thieres 27
- II.
Die Züchtung. - 1. Die Fortpflanzung29
- 1. Der Züchtungszweck 29
- 2. Der Racebegriff 30
- 3. Die Zuchtmethode 31
- 4. Die Zeugung und Vererbung 33
- 5. Das Exterieur 36
- 2. Die Aufzucht42
- III.
Die Ernährung und Pflege. - A. Das Futter 46
- 1. Die Beſtandtheile der Futter-
mittel46 - Seite
- 2. Die Verdaulichkeit der Fut-
ternährſtoffe47 - 3. Die Form und Zubereitung
des Futters51 - 4. Die Futterbereitungs-
maſchinen56 - 1. Die Quetſch- und Schrotmühlen 56
- 2. Die Oelkuchenbrecher 58
- 3. Die Häckſel- und Wurzelſchneide-
maſchinen 58 - 4. Die Waſchmaſchinen 62
- 5. Die Futter-Koch- und Dämpf-
apparate 62 - 5. Die Futterarten und ihr
Nährſtoffgehalt63 - 1. Das Grünfutter 64
- 2. Das Heu 65
- 3. Das Stroh 66
- 4. Die Spreu und Schoten 67
- 5. Die Knollen und Wurzeln 67
- 6. Die Körner- und Hülſenfrüchte 67
- 7. Die gewerblichen Producte und
Abfälle 68 - B. Die Fütterung 74
- 6. Die Futtermenge74
- 7. Das Futternährſtoffverhält-
niß76 - 8. Die Berechnung von Futter-
miſchungen77 - 9. Die Verabreichung des Fut-
ters78 - C. Die Haltung und Pflege 78
- B.
Beſondere Thierzuchtlehre.
Einleitung 81 - Seite
- I.
Die Rindviehzucht. - 1. Die Entwickelung des Rindes84
- 2. Die Racen des Rindes88
- A. Die Primigenius-Racen 89
- 1. Das oſt- und ſüdeuropäiſche
Grauvieh 90 - 1. Die ungariſch-ſiebenbürgiſche
Race 90 - 2. Die ruſſiſchen Steppen-Racen 91
- 3. Die romaniſchen Racen 91
- 2. Die Niederungsracen 91
- 1. Die holländiſchen Racen 93
- 2. Die oſtfrieſiſche und oldenbur-
ger Race 93 - 3. Die jütiſche Race 93
- 4. Die ſchleswig-holſteiniſchen
Racen 93 - B. Die Brachyceros-Racen 94
- 3. Das einfarbige Gebirgsvieh 94
- 1. Das Schweizer Braunvieh 96
- 2. Das Montavoner Vieh 97
- 3. Das Algäuer Vieh 97
- 4. Der Oberinnthaler Schlag 97
- 5. Die Mürzthaler Race 97
- C. Die Frontoſus-Racen 98
- 4. Die bunten Thallandracen 98
- 1. Das Fleckvieh der Schweiz 100
- 2. Das ſcheckige Vieh in Salz-
burg und Kärnten 100 - a. Das Pinzgauer Rind 100
- b. Das Pongauer Vieh 102
- c—e. Das Lungauer, Landler
und Brixenthaler Vieh 102 - f. Das Möllthaler Vieh 102
- 3. Das Tiroler Vieh 102
- a. Der Zillerthaler-Duxer
Schlag 102 - b. Das Puſterthaler Vieh 102
- 4. Das weiße, noriſche Vieh 102
- a. Das Mariahofer Rind 102
- b. Das Lavanthaler Rind 104
- D. Die Landracen 104
- 1. Das böhmiſche Vieh 104
- 1. Das Egerländer u. Voigt-
länder Vieh 104 - 2. Das Opočno’er Rind 105
- 3. Der Brüxer Landſchlag 105
- Seite
- 2. Das mähriſche und öſter-
reichiſche Vieh 105 - 1. Das Kuhländer Rind 105
- 2. Der Gföhler Schlag 105
- 3. Die Welſerſchecken 105
- 3. Das mitteldeutſche Landvieh 105
- 1. Die fränkiſchen und heſ-
ſiſch-thüringiſchen Schläge 105 - 2. Die rheinbaier. Schläge 106
- 3. Das Landvieh in Schwa-
ben und im Odenwalde 106 - E. Die engliſchen Rindvieh-
racen 107 - 1. Die Schorthorn-Race 107
- 2. Die übrigen britiſchen Racen 110
- 1. Die Herefordrace 110
- 2. Die Devonrace 110
- 3. Die Suſſexrace 110
- 4. Die Ayrſhirerace 110
- 5. Die Kerryrace 111
- 6. Das Inſelvieh 111
- 7. Die ungehörnten Racen 111
- F. Die franzöſiſchen Racen 112
- 3. Die Züchtung112
- 1. Der Züchtungszweck 112
- 2. Die Auswahl der Racen 113
- 3. Die Auswahl der Zuchtthiere 113
- 1. Zeichen der Milchergiebigkeit 113
- 2. Zeichen der Maſtfähigkeit 115
- 3. Zeichen der Zugtauglichkeit 115
- 4. Die Ausführung der Zucht 115
- 5. Die Aufzucht 116
- 4. Die Ernährung123
- 1. Die Weidefütterung 123
- 2. Die Stallfütterung 124
- 1. Die Sommerſtallfütterung 125
- 2. Die Winterfütterung 127
- 3. Die Fütterung des Milchviehes 128
- 4. Die Fütterung des Zugviehes 129
- 5. Die Fütterung des Maſtviehes 130
- 5. Die Pflege132
- 1. Die Stallpflege 132
- 2. Der Rindviehſtall 133
- 3. Die Rindviehkrankheiten 134
- 6. Die Benutzung134
- 1. Die Milchwirthſchaft 134
- 1. Die Einrichtung des Molkerei-
betriebes 135 - 2. Die Auswahl der Milchthiere 135
- Seite
- 3. Die Einflüſſe auf Menge und
Beſchaffenheit der Milch 136 - 4. Die Milch 137
- 5. Die Milchgewinnung 140
- 2. Die Milchverwerthung 142
- 1. Der Milchverkauf 142
- 2. Die Verwerthung durch Milch-
extract 143 - 3. Die Butterbereitung 144
- 1. Das Molkereigebäude 144
- 2. Die Milchgeſchirre 145
- 3. Das Aufrahmen 146
- 4. Das Buttern 148
- 4. Die Käſebereitung 154
- 1. Die Schweizerhartkäſeberei-
tung 157 - 2. Die Weichkäſebereitung 159
- 3. Die Sauermilchkäſeberei-
tung 160 - 3. Die Jungviehaufzucht 160
- 4. Die Maſtung 161
- 5. Die Arbeitsverwendung 164
- II.
Die Schafzucht. - 1. Die Entwickelung des Schafes166
- 2. Die Wollthiere und Schaf-
racen169 - 1. Außereuropäiſche Schafe 169
- 1. Das Fettſteißſchaf (Ovis stea-
topyga) 169 - 2. Das Stummelſchwanzſchaf (O.
pachycerca) 170 - 3. Das Fettſchwanzſchaf (O. pla-
tyura) 170 - 4. Das langſchwänzige Schaf (O.
dolichura) 170 - 5. Das hochbeinige Schaf (O. lon-
gipes) 170 - 6. Das Mähnenſchaf (O. afri-
cana) 170 - 2. Europäiſche Schafe 171
- 1. Das kurzſchwänzige Schaf (O.
brachyura) 171 - 1. Die Heidſchnucke 172
- 2. Das Marſchſchaf 172
- 2. Das Zackelſchaf (O. strepsi-
ceros) 172 - Seite
- 3. Das Hängohrſchaf (O. catotis) 173
- 1. Das Bergamasker Schaf 173
- 2. Das Paduaner Schaf 173
- 3. Das Seeländer Schaf 173
- 4. Das Landſchaf (O. aries) 173
- a. Landſchafe mit Miſchwolle 174
- 1. Langwollige Landſchafe 174
- 2. Kurzwollige Landſchafe 174
- b. Landſchafe mit eigentlicher
Wolle 175 - 1. Das deutſche ſchlichtwol-
lige Schaf 175 - 2. Das Merinoſchaf 175
- a. Electoralſchaf 175
- b. Negrettiſchaf 175
- c. Rambonilletſchaf 176
- d. Kammwollmerinoſchaf 177
- 5. Die engliſchen Schafe 177
- 1. Langwollige Schafe 177
- a. Leiceſterſchaf 177
- b. Cotswoldſchaf 177
- c. Lincolnſchaf 177
- 2. Kurzwollige Schafe 177
- a. Oxfordſhire-Downſchaf 177
- b. Southdownſchaf 178
- c. Shropſhireſchaf 180
- d. Cheviotſchaf ꝛc. 180
- 3. Die Wollekunde180
- 1. Der Bau, die Entwickelung und
die Eigenſchaften des Wollhaares 180 - 1. Anatomiſcher Bau des Woll-
haares 180 - 2. Die Eigenſchaften des Woll-
haares 182 - 1. Die Kräuſelung 182
- 2. Die Feinheit 183
- 3. Die Treue 185
- 4. Die Höhe und Länge 186
- 5. Die Tragkraft und Dehn-
barkeit 186 - 6. Die Elaſticität 187
- 7. Die Farbe 187
- 8. Der Glanz 188
- 9. Der Fettſchweiß 188
- 2. Der Stapel, das Vließ und die
Beurtheilung der Wolle 189 - 1. Der Stapel 189
- 1. Die Höhe und Länge 189
- Seite
- 2. Der Durchmeſſer und die
Dichtheit 189 - 3. Die Körperform des Sta-
pels 190 - 4. Innerer Bau des Stapels 190
- 5. Der Stand des Stapels 192
- 6. Die Oberfläche des Stapels 192
- 2. Das Vließ 192
- 1. Die Stapelung 192
- 2. Die äußere Beſchaffenheit
des Vließes 193 - 3. Die innere Beſchaffenheit
des Vließes 193 - 3. Die Beurtheilung der Wolle 193
- 4. Die Züchtung195
- 1. Der Züchtungszweck 195
- 2. Die Auswahl der Race 196
- 3. Die Auswahl der Zuchtthiere 196
- 1. Die Auswahl der Wollſchafe 196
- 2. Die Auswahl der Fleiſchſchafe 198
- 4. Die Ausführung der Zucht 198
- 1. Die Bezeichnung der Schafe 198
- 2. Das Stammregiſter 199
- 3. Das Sprungverfahren 200
- 4. Die Sprung- und Lammzeit 201
- 5. Die Aufzucht 202
- 5. Die Ernährung205
- 1. Die Weidefütterung 205
- 2. Die Stallfütterung 207
- 1. Die Sommerſtallfütterung 207
- 2. Die Winterfütterung 208
- 3. Die Fütterung der Wollſchafe 209
- 4. Die Fütterung der Maſtſchafe 210
- 6. Die Pflege211
- 1. Die Stallpflege 211
- 2. Der Schafſtall 211
- 3. Die Schafkrankheiten 211
- 7. Die Benutzung212
- 1. Die Wollnutzung 213
- 1. Die Wollwäſche 213
- a. Das Einweichen 214
- b. Die Naturwäſche 215
- c. Die Kunſtwäſche 216
- 2. Die Schafſchur 217
- 3. Das Schurgewicht 219
- 2. Der Zuchtviehbetrieb 219
- 3. Die Schafmaſtung 221
- 4. Die Milchnutzung 222
- Seite
- III.
Die Pferdezucht. - 1. Die Entwickelung des Pfer-
des224 - 2. Die Racen des Pferdes230
- 1. Die orientaliſchen Pferderacen 230
- 1. Das edle arabiſche Pferd 230
- 2. Das Berberpferd 232
- 3. Das Perſerpferd 232
- 4. Die Pferde Rußlands 232
- 5. Das ungariſche Pferd 233
- 2. Die occidentaliſchen Pferderacen 235
- 1. Das Pinzgauer Pferd 235
- 2. Die Pferde Oeſterreichs 235
- 3. Die Pferde Deutſchlands 238
- 4. Die Pferde Frankreichs 238
- 5. Die Pferde Belgiens 238
- 6. Die Pferde Englands 238
- 3. Die Züchtung244
- 1. Der Zuchtbetrieb 244
- 1. Die Landpferdezucht 244
- 2. Die Geſtütspferdezucht 245
- 2. Die Auswahl der Zuchtthiere 245
- 1. Das Reitpferd 245
- 2. Das Zugpferd 246
- 3. Die Zuchtpferde 246
- 3. Die Ausführung der Zucht 247
- 4. Die Aufzucht 248
- 4. Die Ernährung251
- 5. Die Pflege 255
- 1. Die Stallpflege 255
- 2. Der Beſchlag 255
- 3. Der Pferdeſtall 258
- 4. Die Pferdekrankheiten und Ge-
währsmängel 259 - 6. Die Benutzung 260
- 1. Die Benutzung zur Arbeit 260
- 2. Die Nutzung durch Pferdeauf-
zucht 262 - IV.
Die Schweinezucht. - 1. Die Entwickelung des Schwei-
nes263 - 2. Die Racen des Schweines267
- 1. Die krausborſtigen Schweineracen 269
- 1. Die ſerbiſchen und ſyrmiſchen
Racen 269 - 2. Die ungariſchen Schweineracen 270
- Seite
- 3. Die Schweineracen der Donau-
fürſtenthümer 271 - 2. Die romaniſchen Schweineracen 271
- 3. Die kurzohrigen Schweineracen 271
- 4. Die großohrigen Schweineracen 272
- 5. Die engliſchen Schweineracen 273
- 1. Die kleinen ſchwarzen Racen 274
- 2. Die kleinen weißen Racen 274
- 3. Die großen weißen Racen 275
- 4. Die mittelgroßen Racen 276
- 3. Die Züchtung277
- 1. Der Züchtungszweck 277
- 2. Die Auswahl der Race 277
- 3. Die Auswahl der Zuchtthiere 278
- 4. Die Ausführung der Zucht 279
- 5. Die Aufzucht 280
- 4. Die Ernährung282
- 1. Die Stallfütterung 282
- 2. Die Weidefütterung 284
- 5. Die Pflege285
- 1. Der Schweineſtall 285
- 2. Die Stallpflege 285
- 3. Die Schweinekrankheiten 287
- 6. Die Benutzung des Schweines287
- 1. Die Zuchtſchweinehaltung 287
- 2. Die Läuferſchweinehaltung 288
- 3. Die Maſtung 288
- Anhang.
- V.
Die Geflügelzucht. - 1. Die Hühnerzucht293
- 1. Die Racen des Huhns 294
- A. Ungehäubte Racen.
1. Die aſiatiſchen Racen 295 - 1. Die Cochinchina-Race 295
- 2. Die Brahmaputra-Race 296
- 3. Die Malayen-Race 296
- 4. Die Kampfhuhn-Race 296
- 5. Die Yokohama-Race 296
- 2. Die engliſchen Racen 296
- 1. Die Dorking-Race 296
- 2. Die Hamburgs-Race 296
- 3. Die Mittelmeer-Racen 296
- 1. Die ſpaniſche Race 296
- 2. Die italieniſche Race 297
- Seite
- 4. Die amerikaniſche Race 297
- 1. Die Dominik-Race 297
- B. Gehäubte Racen.
- 5. Die franzöſiſch-belgiſchen Racen 297
- 1. Die Race von La Flèche 297
- 2. Die Bredas-Race 297
- 3. Die Crèvecoeur-Race 297
- 4. Die Houdan-Race 297
- 6. Die eigentlichen Haubenhühner 297
- 1. Die Holländer Race 298
- 2. Die Paduaner Race 298
- 3. Die Brabanter Race 298
- 7. Verſchiedene Racen 299
- 2. Die Züchtung, Haltung und Be-
nutzung des Huhns 300 - 1. Die Auswahl der Zucht-
hühner 300 - 2. Das Eierlegen und Brüten 300
- 3. Die Aufzucht der Hühner 301
- 4. Der Hühnerſtall 301
- 5. Die Hühnermaſt 302
- 2. Die Gänſezucht303
- 3. Verſchiedenes Geflügel305
- 1. Die Hausente 305
- 2. Das Truthuhn 306
- 3. Die Tauben 306
- 4. Das Perlhuhn 306
- 5. Der Pfau 306
- VI.
Die Fiſchzucht. - 1. Die Fiſcharten307
- 1. Der Karpfen 307
- 2. Der Hecht 307
- 3. Der Sander 308
- 4. Die Bachforelle 308
- 2. Die Teichwirthſchaft309
- 1. Die Einrichtung der Teiche 309
- 2. Die Brutteiche 310
- 3. Die Streckteiche 310
- 4. Die Hauptteiche 310
- 5. Die Kammerteiche 310
- 6. Die Teichbrache 311
- 3. Die künſtliche Fiſchzucht311
- 1. Die künſtliche Befruchtung 311
- 2. Die künſtliche Bebrütung 312
- 3. Die künſtliche Aufzucht 314
- 4. Der Eiertransport 315
[]
Berichtigung
zu Band II. Beſondere Pflanzenbaulehre.
Wegen unrichtiger Reduction des alten auf neues Maß ſind in Band II, Beſondere Pflanz[e]
baulehre, folgende Zahlen richtig zu ſtellen:
Es ſoll heißen:
S. 16, Z. 6 v. u. 75 ſtatt 67 Kilogr.
„ 25, „ 6 „ „ 71—73 ſtatt 63—65 Kilogr.; 73—78 ſtatt 67—70 Kilogr.
„ 25, „ 5 „ „ 78—82 ſtatt 73—75 Kilogr.
„ 25, „ 3 „ „ 1.9—3.0—4.8 ſtatt 1.3—2.6—4.5 Tonnen.
„ 25, „ 1 „ „ 78 ſtatt 70 Kilogr.; 3.0 ſtatt 2.6 Tonnen.
„ 28, „ 9 v. o. ſtatt der dort angegebenen Zahlen:
17 Hektoliter Weizen à 78 Kilogr. oder in
1326 Kilogr. Körner: 22.41 Aſche, 7.03 Kali, 10.38 Phosphorfäure,
3000 „ Stroh: 138.30 „ 18.90 „ 6.60 „
Zuſammen: 160.71 „ 25.93 „ 16.98 „
19 Hektoliter Roggen à 73 Kilogr. oder in
1387 Kilogr. Körner: 24.83 Aſche, 7.77 Kali, 11.65 Phosphorſäure,
4000 „ Stroh: 162.00 „ 31.20 „ 8.40 „
Zuſammen: 186.83 „ 38.97 „ 20.05 „
„ 34, „ 11 v. o. 66—73—78 ſtatt 60—65—70 Kilogr.
„ 34, „ 22 „ „ 59—68 ſtatt 53—61 Kilogr.
„ 42, „ 9 v. u. 59 ſtatt 52 Kilogr; 64—71 ſtatt 56—63 Kilogr.
„ 42, „ 8 „ „ 1.9—2.5—3 ſtatt 0.8—1.7—3 Tonnen.
„ 46, „ 7 v. o. ſtatt der dort angegebenen Zahlen:
28 Hektoliter Hafer à 45 Kilogr. oder
1260 Kilogr. Körner: 34.02 Aſche, 5.54 Kali, 7.81 Phosphorſäure,
2500 „ Stroh: 101.00 „ 22.25 „ 4.75 „
Zuſammen: 135.02 „ 27.79 „ 12.56 „
23 Hektoliter Gerſte à 64 Kilogr. oder
1470 Kilogr. Körner: 32.63 Aſche, 6.61 Kali, 11,32 Phosphorſäure,
2500 „ Stroh: 103.25 „ 23.50 „ 4.75 „
Zuſammen: 135.88 „ 30.11 „ 16.07 „
„ 46, „ 6 v. u. 45 ſtatt 40 Kilogr.
„ 48, „ 14 „ „ 41—45—53 ſtatt 31—40—53 Kilogr.
„ 48, „ 10 „ „ 1.9—2.5—3.9 ſtatt 1.5—2—2.5 Tonnen.
„ 48, „ 9 „ „ 4.0 ſtatt 3.5 Tonnen.
„ 53, „ 9 v. o. ſtatt der dort angegebenen Zahlen:
30 Hektoliter Mais à 75 Kilogr. oder
2250 Kilogr. Körner: 29.25 Aſche, 8.32 Kali, 13.27 Phosphorſäure,
3000 „ Stroh: 125.70 „ 28.80 „ 15.90 „
1000 „ Kolbenſpindeln: 4.60 „ 2.40 „ 0.20 „
Zuſammen: 159.55 „ 39.52 „ 29.37 „
„ 54, „ 4 v. u. 75 Kilogr. 0.13 Hektoliter ſtatt 66 Kilogr. 0.16 Hektoliter.
„ 58, „ 15 „ „ 73—80 ſtatt 65—70 Kilogr.
„ 61, „ 4 „ „ 65—74 ſtatt 60—70 Kilogr.
„ 76, „ 13 v. o. 40—50 ſtatt 12—50 Cm.
„ 96, „ 9 v. u. 680—1500 ſtatt 1200—2400 Kilogr.
„ 103, „ 10—5 v. u. ſtatt der dort angegebenen Zahlen für den Hopfenertrag: 780, 580, 400, [3] [...]
200, 100.
„ 111, „ 10—7 v. u. ſtatt der dort angegebenen Zahlen für den Krappertrag: 1160—4000, 1160—14[6]
1900—2400, 2900—3900.
„ 139, „ 4 v. u. ſtatt der dort augegebenen Zahlen:
180 Hektoliter Kartoffeln à 75 Kilogr. oder
13.500 Kilogr. Knollen: 126.90 Aſche, 76.95 Kali, 21.60 Phosphorſäure,
2.000 „ Kraut: 39.40 „ 8.60 „ 3.20 „
Zuſammen: 166.30 „ 85.55 „ 24.80 „
„ 157, „ 9 v. o. 0.8—1 ſtatt 2.5 Kilogr.
„ 157, „ 16 „ „ 0.8—1 ſtatt 2.5 Kilogr.
III.
Thierzuchtlehre.
Krafft, Lehrb. d. Landw. III. 1
[[2]][[3]]
Die Thierzucht hat die Aufgabe, Stoffe und Kräfte, welche in der Pflanze gebunden
ſind, durch Vermittelung des thieriſchen Lebens für den menſchlichen Verbrauch
geeignet zu machen.
Das Thier kann anorganiſche Stoffe nicht unmittelbar zum Aufbaue ſeines
Körpers verwenden, ſondern mittelbar erſt jene, welche von der Pflanze geſammelt
wurden. Die von dem Thiere abgeſchiedenen, verbrauchten Stoffe, ſowie die ab-
geſtorbenen thieriſchen Körper zerfallen bei ihrer Zerſetzung in anorganiſche Stoffe,
welche wieder zum Aufbaue neuer Pflanzen geeignet ſind.
Außer der Nahrungsaufnahme und den weiteren mit der Ernährung im Zu-
ſammenhange ſtehenden Erſcheinungen äußert ſich das thieriſche Leben noch durch die
Fortpflanzung und durch das Vermögen der ſelbſtſtändigen Ortsveränderung, durch
die Bewegung.
Je nachdem dieſe Lebensäußerungen des Thieres und die damit in Verbindung
ſtehende Benutzung des Thieres für den menſchlichen Bedarf im Allgemeinen, oder für
eine Thierart im Beſonderen geregelt und der Betrachtung unterzogen werden, unter-
ſcheidet man die:
A.Allgemeine Thierzuchtlehre,
B.Beſondere Thierzuchtlehre.
1*
[[4]][[5]]
A.
Allgemeine Thierzuchtlehre.
Die allgemeine Thierzuchtlehre hat von der Kenntniß des Thierlebens auszugehen
und die allgemeinen Bedingungen feſtzuſtellen, welche die Erhaltung der Thierart
durch die Züchtung und die Erhaltung des Thierkörpers durch die Ernährung und
Pflege ermöglichen.
Die allgemeine Thierzuchtlehre hat demnach zu umfaſſen:
1. Das Thierleben.
2. Die Züchtung.
3. Die Ernährung und Pflege.
[[6]]
I.
Das Thierleben.
Das Verſtändniß der thieriſchen Lebensvorgänge wird weſentlich erleichtert, wenn
die Entwickelungsvorgänge in den elementaren Formbeſtandtheilen des Thieres getrennt
von jenen betrachtet werden, welche ſich in der Geſammtheit des thieriſchen Organismus
ergeben 1). Die Betrachtung nach der erſten Richtung gewährt Aufklärung über die
Vertheilung des Stoffes und der mit demſelben verbundenen Kraft, nach der anderen
Richtung Aufklärung über die Bildung des Stoffes und die Verwendung der Kraft
durch die thieriſche Lebensthätigkeit.
1. Die Vertheilung des Stoffes im Thierkörper.
Den elementaren Formbeſtandtheil des thieriſchen Organismus bildet, wie bei
dem Pflanzenorganismus, die Zelle. Jede Zelle, Fig. 1, S. 7, beſteht aus einer äußeren
Hülle, der Zellwand und aus dem Zellinhalte. In dieſer einfachen Form,
als Eizelle, nimmt das Thier ſeinen Anfang. Die Weiterentwickelung der Eizelle
erfolgt durch Spaltung ihres Inhaltes in zwei halbkugelförmige Theile, die Furchungs-
kugeln, Fig. 2, S. 7. Dieſer Furchungsproceß wiederholt ſich mehrfach, ſo
zwar, daß aus der urſprünglich einen Zelle eine Mehrzahl von Zellen entſtehen,
die in ihrer verſchiedenen Anreihung und Umwandlung die verſchiedenen thieriſchen
Gewebe nach Geſtalt und ſtofflicher Beſchaffenheit zuſammenſetzen. Die mannig-
[7]Das Thierleben.
faltigen Zellgewebe vereinigen ſich weiterhin zu den verſchiedenen Organen, welche
ſchließlich den Körper des Thieres aufbauen.
Nicht alle Zellen erreichen ihre vollſtändige Ausbildung und Umwandlung, ſondern
manche beharren in einem gewiſſen Jugendzuſtande. So bewahren z. B. die Blutkörperchen
und die Chyluskörperchen ihre urſprüngliche Zellenform; das ausgebildete Gewebe
der Schleimhäute läßt gleichfalls noch die Zellenform erkennen. Alle übrigen Zellen
Fig. 1. Schema einer Zelle. — a Zellmembran, b Protoplasma, c Zellenkern, d Kernkörperchen,
e körnige Molecüle im Protoplasma.
Fig. 2. Furchungskugeln nach Kölliker. — 1 aus dem zweiten, 2 aus dem dritten und 3 aus
dem fünften Stadium der Furchung mit 2, 4 und 16 Furchungskugeln; a äußere Eihülle, b Furchungs-
kugeln. In 1 enthält der Kern der unteren Kugel zwei Kernkörperchen; in 2 die unterſte Kugel zwei
Kerne mit je einem Kernkörperchen (nucleoli).
verlieren durch die gegenſeitige Anlagerung und durch die ſtofflichen Veränderungen ihre
urſprüngliche, abgerundete Form und werden in faſer- und röhrenförmige Gebilde
umgewandelt. In allen Fällen zeigen die Zellen während des Lebens eine lebhafte
organiſche Thätigkeit, welche ſich im Anſatze neuer und in der Ausſcheidung verbrauchter
Stofftheile äußert.
Die namhafteſten thieriſchen Gewebe
ſind: das Bindegewebe, das Fettgewebe,
das elaſtiſche Gewebe, das Knorpel- und
Knochengewebe, das Muskelgewebe, das
Nervengewebe und das Horngewebe.
Das Bindegewebe, auch leim-
gebendes Gewebe, uneigentlich Zellgewebe
genannt, bildet im thieriſchen Körper kein
ſelbſtſtändiges Organ, trotzdem iſt es das
verbreitetſte Gewebe, welches ſich faſt überall
im thieriſchen Körper findet. Es füllt ent-
weder Zwiſchenräume aus oder verbindet und
umhüllt ſchützend die einzelnen Organe. Es
bildet weiche, elaſtiſche, weißliche Fäden.
In lockerer Beſchaffenheit, als formloſes
Bindegewebe, tritt daſſelbe entweder als Unter-
Bindegewebsfaſern in reichlicher
homogener Zwiſchenſubſtanz.
hautzellgewebe zwiſchen der äußeren Haut und den darunter liegenden Theilen oder
als Umhüllung der Muskeln auf. Daſſelbe beſteht aus den Bindegewebskörperchen
[8]Allgemeine Thierzuchtlehre.
und der Intercellularſubſtanz, welche letztere wellenförmige Faſern — Bindegewebs-
faſern, Fig. 3, S. 7 — enthält.
Das geformte Bindegewebe beſteht aus feineren, mehr gerade verlaufenden
Faſern, welche entweder feſte Stränge, die Bänder und Sehnen, oder Häute, die
Knochenhaut, die fibröſe Haut, bilden.
Bei reichlicher Ernährung des Thieres entſtehen in den Zwiſchenräumen des
Bindegewebes rundliche, mit flüſſigem Fett gefüllte Zellen, welche das Fettgewebe,
Fig. 4, zuſammenſetzen. In mächtiger Entwickelung findet ſich dieſes Gewebe im
Unterhautzellgewebe zwiſchen den Bauchmuskeln und dem Bauchfelle, zwiſchen den
Platten des Gekröſes und Netzes und bei den gemäſteten Thieren im Bindegewebe
der Muskelfaſern.
Fig. 4. Muskelſtück von einem gemäſteten Ochſen. 30/1. — 1 Muskelprimitivbündel, 2 zwiſchen den
Primitivbündeln liegende Häufchen von Fettgewebe.
Fig. 5. Netzförmig angeordnete, elaſtiſche Faſern aus der mittleren Haut der Lungenarterie des
Pferdes. 350/1.
Das elaſtiſche Gewebe, Fig. 5, ſtellt ein dichtes, verworren faſeriges
Gebilde dar, aus welchem die mittlere Haut der Gefäße und zum Theile die Leder-
haut der äußeren Decke beſteht.
Das Knorpel- und Knochengewebe bildet den Hauptbeſtandtheil der
Knochen. Das wahre (hyaline) Knorpelgewebe, Fig. 6, S. 9, beſteht aus einer
Grundſubſtanz, in welcher die durch Theilung ſich vermehrenden Knorpelzellen, in
Höhlen eingebettet, liegen. Durch Einlagerung von phosphorſaurem und kohlen-
ſaurem Kalk wird das Knorpelgewebe in Knochengewebe umgewandelt. Die
Knochenſubſtanz, Fig. 7, S. 9, iſt in regelmäßigen, concentriſchen Schichten — La-
mellen — angeordnet. Dieſelben umgeben kleine Hohlräume, Knochenkörperchen, welche
[9]Das Thierleben.
durch zahlreiche Ausläufer, Knochencanälchen, mit einander oder mit den Markcanälen
der Knochen in Verbindung ſtehen. Die Knochenkörperchen ſind die Hohlräume der
durch Ablagerung von Knochenſalzen ver-
dickten Knochenzellen. Die Knochen bilden
in ihrer Geſammtheit das Gerüſt, Skelet,
des Thieres, welches den Stützpunkt für die
Weichtheile abgibt und die Körperform des
Thieres bedingt.
Die Knochen ſind von der Knochenhaut
überzogen, welche das Dickenwachsthum der
Knochenſubſtanz vermittelt. Der eigentliche
Knochen beſteht aus einer äußeren com-
pacteren Subſtanz, Rindenſubſtanz, welche
die innere ſchwammige Knochenſubſtanz
umgibt. Beide Schichten ſind von zahl-
reichen Hohlräumen, den Markcanälen,
durchzogen. Dieſe Hohlräume bilden die
Schnitt vom Knochenknorpel des
Femur eines neugeborenen Kalbes. Vergrößerung
275/1. — a Knorpelzellen mit Membran, b Tochter-
zellen.
Wege, in welchen die zur Unterhaltung des Stoffwechſels im Knochen erforderlichen
Gefäße und Nerven verlaufen.
Fig. 7. Querſchliff eines Ochſenknochens, 90/1. — a Markcanälchen, b Knochenkörperchen.
Fig. 8. 1 quergeſtreifter Muskelfaden. a Primitivfibrillen, b und c Quer- und Längsſtreifen,
d Kerne; 2 quergeſtreifter Muskelfaden, deſſen zerriſſene Fleiſchmaſſen b b durch die gedrehte Mus-
kelſcheide (Sarcolemma) zuſammengehalten werden.
Das Muskelgewebe bildet den Hauptbeſtandtheil der Muskeln. Dieſelben
beſtehen aus weichen, elaſtiſchen, röthlichen Faſern, welche die Fähigkeit haben, ſich
[10]Allgemeine Thierzuchtlehre.
durch Nervenreiz zuſammenzuziehen und wieder auszudehnen. Mit ihren Ver-
längerungen, den Sehnen, welche als fibröſe Gebilde keine Reizbarkeit beſitzen, ſind
ſie an den Knochen befeſtigt. Die einzelnen Muskelfaſern, Muskelprimitivbündel,
ſind mit Hilfe von Bindegewebe zu Muskelfaſerbündeln und dieſe auf gleiche Weiſe
zu Muskeln vereinigt, welche wieder von einer Bindegewebeſchicht, der Muskelſcheide,
umgeben ſind. Die Muskelfaſern, Fig. 8, S. 9, zeigen eine deutliche Quer- und
eine weniger hervortretende Längsſtreifung. Nach dem Kochen in Alkohol zerfallen
die Muskelfaſern, entſprechend der Längsſtreifung, in Längsfaſern, Primitivfaſern, und
Fig. 9. Muskelfaſerzellen aus der Muskelhaut der Haube einer 14jährigen holländiſchen Kuh.
250/1. — a längliche Kerne, b ſpitze Enden der Muskelfaſerzellen.
Fig. 10. Nervenfaſern des Hundes mit geronnenem Inhalte.
nach dem Kochen in verdünnten Säuren, entſprechend der Querſtreifung, in Quer-
ſcheiben. Die quergeſtreiften Muskelfaſern bilden die Hauptmaſſe der dem Willens-
einfluſſe unterworfenen, willkürlichen oder animaliſchen Muskeln, des Fleiſches,
welches dem Gewichte nach z. B. beim Rinde 44—46 % des geſammten Körper-
gewichtes ausmacht. Von den willkürlichen Muskeln ſind die unwillkürlichen,
organiſchen Muskeln und das contractile Gewebe zu unterſcheiden. Erſtere bilden
die Hauptſubſtanz des Herzmuskels, deſſen Bewegung unabhängig von dem
Willenseinfluſſe erfolgt. Letzteres beſteht aus glatten Muskelfaſern (contractile
Faſerzellen), Fig. 9, welche von langgeſtreckten, beiderſeits ſpitzzulaufenden, mit
einem ſtäbchenförmigen Kerne verſehenen Zellen zuſammengeſetzt werden. Sie
[11]Das Thierleben.
bilden eine Schichte (Muskelhaut) in den Wandungen der ſchlauchartigen Eingeweide,
der Gefäße, der Gebärmutter ꝛc. Auf Nervenreize ziehen ſie ſich langſamer zuſammen
als die quergeſtreiften Muskeln. Die Muskeln ſind die eigentlichen Bewegungs-
organe des thieriſchen Körpers. Jeder Muskel iſt im Bindegewebe von zahlreichen
Nervenfaſern und Blutgefäßen durchzogen. Erſtere geben die Anregung zur Bewegung
der Muskelfaſern, letztere unterhalten den Stoffwechſel und die Ernährung des Muskels.
Das Nervengewebe vermittelt alle Lebenserſcheinungen im thieriſchen Körper,
den Willen, die Empfindung und die Bewegung. Das Nervengewebe beſteht entweder
aus einzelnen kernhaltigen, mit fadigen Fortſetzungen verſehenen Nervenzellen (Gang-
lienzellen) oder aus feinen, weißen Faſern, den Nervenfaſern, Fig. 10, S. 10, welche
ſich, von dem Gehirne oder dem Rückenmarke ausgehend, zu Bündeln, Nerven vereinigt,
in allen Theilen des Körpers mit Ausnahme der hornigen Gebilde verbreiten und
veräſteln. Im Gehirne bildet das Nervengewebe eine innere, weiße oder Markſub-
ſtanz, welche aus zahlloſen Nervenfaſern beſteht und eine äußere, graue oder Rinden-
ſubſtanz, welche reich an Nervenzellen iſt. Im Rückenmarke findet ſich die graue
Subſtanz innen, die weiße außen. Außer dem Gehirne und Rückenmarke bilden die
Ganglien im Thierkörper noch größere Nervenmaſſen. Dieſem Gangliennervenſyſteme
ſchreibt man insbeſondere einen Einfluß auf die Verrichtungen der Organe des vege-
tativen Lebens zu, dem Gehirne und Rückenmarke einen Einfluß auf die Empfindung
und Bewegung.
Das Horngewebe bildet als eng an einander gedrängte Zellen, Epithelien.
Fig. 11, oder Oberhäutchen, die oberſte Schichte der Schleimhäute, welche alle
von außen zugänglichen, inneren Körperoberflächen auskleiden und die äußere Schichte der
allgemeinen Hautdecke des thieriſchen Körpers, die Epidermis, bilden. In Form
von Faſern, Röhrchen, Plättchen ſetzt dieſes
Gewebe die Haare, Hufe und Klauen zu-
ſammen. Die ſeröſen Häute, welche die
Höhlen des Schädels, der Bruſt und des
Bauches und die innere Fläche der Blut-
und Lymphgefäße auskleiden, beſitzen gleich-
falls ein dünnes, ungeſchichtetes Plattenepithel,
Endothel genannt. Die Epithelien haben
die Beſtimmung, die unter denſelben liegenden,
gefäß- und nervenreichen Organe vor äußeren
Einflüſſen zu ſchützen. Sie ſind einer be-
ſtändigen Veränderung unterworfen, indem
Pflaſterepithel der Panſenſchleim-
haut eines 12jährigen Ochſen, 250/1. — a a Kerne
der Zellen.
ſtets ein Theil abgeſtoßen und durch neugebildete Zellen erſetzt wird.
Die verſchiedenen Gewebe vereinigen ſich, wie ſchon vorhin bemerkt, zu den
Organen des thieriſchen Körpers, zu dem Syſteme der äußeren Haut, dem Knochen-
ſyſteme, dem Muskelſyſteme, dem Syſteme der Verdauungswerkzeuge, der Athmungs-
werkzeuge, dem Gefäß- und Nervenſyſteme und dem Syſteme der Harn- und Geſchlechts-
werkzeuge. —
[12]Allgemeine Thierzuchtlehre.
Ueber die procentiſchen Gewichtsverhältniſſe der einzelnen Körpertheile vom Rinde,
Schafe und Schweine macht E. Wolff (Landwirthſchaftliche Fütterungslehre, Berlin 1874,
S. 223) folgende Angaben:
Nach der chemiſchen Zuſammenſetzung ſind die mannigfaltigen feſten und flüſſigen
Stoffe, welche den Thierkörper aufbauen, je nach dem Vorhandenſein von Stickſtoff,
in ſtickſtoffhaltige und ſtickſtofffreie Stoffe zu unterſcheiden.
Die ſtickſtoffhaltigen Stoffe überwiegen, der Menge nach, im Thierkörper,
während umgekehrt im Pflanzenkörper die ſtickſtofffreien Stoffe vorherrſchen. An ſtick-
ſtoffhaltigen Beſtandtheilen kommen im Thierkörper die Proteïn- oder Eiweißſtoffe, die
leimgebende Subſtanz, die Farbſtoffe und der Hornſtoff vor.
Die Eiweißſtoffe bilden den Hauptbeſtandtheil des Blutes, der Nerven, der
Muskelſubſtanz und des thieriſchen Eies. Von den verſchiedenen Modificationen
derſelben treten vorzugsweiſe das thieriſche Eiweiß (Albumin), der Käſeſtoff (Caſeïn)
und der thieriſche Faſerſtoff (Fibrin) auf. Ihre Zuſammenſetzung iſt ſehr ſchwankend,
ungefähr beſtehen dieſelben aus 54 % Kohlenſtoff, 7 % Waſſerſtoff, 22 % Sauer-
ſtoff, 16 % Stickſtoff und 1 % Schwefel.
Am verbreitetſten, beſonders in allen thieriſchen Flüſſigkeiten iſt das Albumin.
Daſſelbe wird aus ſeinen Löſungen durch Erwärmen auf 55 — 75°C. in Flocken
ausgeſchieden, welche im Waſſer unlöslich ſind. Im thieriſchen Körper unterliegt das
Albumin den mannigfaltigſten Umwandlungen, welche im engſten Zuſammenhange
mit dem Stoffwechſel ſtehen.
Das Fibrin kommt, neben dem Albumin, gelöſt im Blute vor. Außerhalb
des lebenden Körpers gerinnt daſſelbe ſchon bei gewöhnlicher Temperatur. In feſter
Form bildet es den Hauptbeſtandtheil der Muskelfaſern.
[13]Das Thierleben.
Am wenigſten verbreitet iſt der Käſeſtoff, welcher in größerer Menge nur in
der Milch vorkommt. Derſelbe gerinnt bei Zuſatz von Eſſig-, Milchſäure ꝛc. Die
unlöslichen Modificationen der drei genannten Proteïnſtoffe werden durch die thieriſchen
Verdauungsſäfte gelöſt. Sie liefern das Material zur Bildung der übrigen ſtickſtoff-
haltigen Beſtandtheile des Thierkörpers.
In gleich reichlicher Menge als wie die Eiweißſtoffe betheiligt ſich die leim-
gebende Subſtanz an dem Aufbaue des Thierkörpers. Sie unterſcheidet ſich von
jenen, daß ſie bei längerem Kochen mit Waſſer als Leim gelöſt wird. Dieſe ſtick-
ſtoffhaltige Subſtanz nimmt hervorragenden Antheil an der Zuſammenſetzung ſowohl
des Bindegewebes, der Sehnen und der Lederhaut, als auch der Knochen und der
Knorpel.
Andere ſtickſtoffhaltige Stoffe, wie das Hämatin (Blutroth), die Gallen-
und Harnfarbſtoffe, treten als Pigmente im Thierkörper auf, oder bilden
als Hornſubſtanz den weſentlichſten Beſtandtheil der Epidermis und ihrer Fort-
ſetzungen: der Haare, Wolle, Federn, Klauen, Hörner, Hufe u. dgl.
Unter den ſtickſtofffreien Beſtandtheilen des Thierkörpers herrſchen die
Fette vor. Das Fett findet ſich in größter Menge im Fettgewebe unter der Haut,
zwiſchen den Muskelfaſern, an den Nieren, am Netze und Gekröſe. Bei gemäſteten
Thieren, namentlich bei gemäſteten Schweinen, kann die Fettmenge 25 — 40 % des
lebenden Gewichtes erreichen. In geringerer Menge als im Fettgewebe tritt das
Fett in allen übrigen, flüſſigen und feſten Körpertheilen auf, wie im Blute, in
der Nervenſubſtanz, im Knochengewebe ꝛc. Die im thieriſchen Organismus in
flüſſigem Zuſtande auftretenden Fette ſind Gemenge von einfachen Fetten, welche als
Verbindungen von Glyceryloxyd mit Fettſäuren anzuſehen ſind. Je nach der Fett-
ſäure nimmt das Fett beim Erſtarren eine mehr oder weniger talg- oder butterartige
Conſiſtenz an. Bei dem Talge der Wiederkäuer herrſcht die Stearin-, bei dem
Schmalze des Schweines die Margarin- und bei dem Butterfette die Butter-, Capron-
und Caprinſäure vor. Die Elementarzuſammenſetzung der verſchiedenen Fette iſt
eine ſehr conſtante; ſie beträgt nach Unterſuchungen von Hammel-, Ochſen- und
Schweinefett auf der Verſuchsſtation Weende 76.2—76.8 % Kohlenſtoff, 11.7 bis
12.1 % Waſſerſtoff und 11.0—11.2 % Sauerſtoff und zeigt daher große Ueber-
einſtimmung mit der Zuſammenſetzung der Pflanzenfette. Im Thierkörper nimmt
das Fett, neben den Proteïnſtoffen, beſonderen Antheil an der Bildung und Ent-
wickelung der Zellen.
Von anderen ſtickſtofffreien Stoffen finden ſich außer den Fetten, jedoch in ge-
ringer Menge, drei Kohlehydrate: der Milchzucker in der Milch, der Trauben-
zucker im Blute und in der Leber und der Inoſit, ein zuckerähnlicher Stoff, im
Muskelfleiſche; außerdem treten noch auf im Magenſafte und im Fleiſchſafte die
Milchſäure, im Muskelfleiſche ein indifferenter Körper, das Kreatin, in den
thieriſchen Säften und Geweben die ſogenannten Extractſtoffe ꝛc.
Vom allgemeinen Geſichtspunkte betrachtet, finden wir jeden Thierkörper aus
Waſſer und Trockenſubſtanz zuſammengeſetzt. Letztere bleibt zurück, wenn
[14]Allgemeine Thierzuchtlehre.
man den Thierkörper einer Temperatur von 100—110°C. ausſetzt, während das
Waſſer verflüchtigt.
Wird die Trockenſubſtanz einer noch höheren Temperatur ausgeſetzt, geglüht, ſo
entweicht der größte Theil des Thierkörpers, die verbrennliche oder organiſche
Subſtanz, meiſt als Kohlenſäure und Waſſerdampf, während ein kleiner Reſt,
die unverbrennliche oder Mineralſubſtanz (Aſche) zurückbleibt.
Das Waſſer durchdringt alle Gewebe und Organe des Thierkörpers und iſt
an deren Bildung in hervorragender Weiſe betheiligt. Den größten Waſſergehalt,
80—85 % vom Gewichte des lebenden Thieres, beſitzt das neugeborene Thier;
weiterhin ſinkt derſelbe beſonders durch Anſatz feſter Theile im Knochenſyſteme auf
60 und im Alter auf 40 — 50 %. Das Waſſer vermittelt die Aufnahme der
Nährſtoffe, den Stoffaustauſch und die Abſcheidung der verbrauchten Stoffe aus dem
Thierleibe. Es iſt daher von größter Bedeutung für das thieriſche Leben.
Der verbrennliche Theil wird von jenen organiſchen Stoffen gebildet,
welche weiter oben in ihrer Vertheilung im Thierkörper angegeben wurden. Trotz der
großen Zahl der angeführten Stoffbeſtandtheile des Thierkörpers ſind zu ihrer Bil-
dung doch nur die Elemente: Kohlenſtoff, Waſſerſtoff, Sauerſtoff, Stickſtoff und
Schwefel erforderlich.
Die Elementarzuſammenſetzung des unverbrennlichen Theiles, der Aſche, iſt
dagegen eine viel mannigfaltigere, ſie ſtimmt jedoch, wie jene des verbrennlichen
Theiles des Thierkörpers, mit der Elementarzuſammenſetzung des Pflanzenkörpers
überein. In der Thieraſche finden ſich: Kalium, Natrium, Calcium, Magne-
ſium, Eiſen, Mangan, Schwefel, Phosphor, Silicium, Chlor und Fluor;
Brom und Jod, die in manchen Pflanzen auftreten, wurden im Thierkörper bisher
nicht nachgewieſen.
Die Mineralſubſtanzen finden ſich in großer Menge im Knochengewebe,
während ſie in allen übrigen Theilen des thieriſchen Körpers gegenüber den organi-
ſchen Beſtandtheilen ſehr zurücktreten. Desungeachtet ſind dieſelben für die Bildung
der Organe und die Erhaltung der Lebensthätigkeit unentbehrlich.
Die Knochen enthalten je nach dem Alter des Thieres 50 — 75 % Aſche, welche in
der Hauptmaſſe (85 %) aus dreibaſiſch phosphorſaurem Kalk beſteht, während der Reſt
von kohlenſaurem Kalk (10 %) und kleinen Mengen phosphorſaurer Magneſia, Fluor-
calcium und Natronſalzen gebildet wird. Im Blute erreicht die Menge der Aſchenbeſtand-
theile etwa 0.8 %. In den Blutkörperchen überwiegt das Kali gegenüber dem Natron,
während das Umgekehrte im Blutſerum ſtattfindet. Letzteres enthält ſtets eine gewiſſe Menge
Chlornatrium. In der Muskel- und Nervenſubſtanz überwiegt das Chlorkalium, im Chylus,
ſowie in den Verdauungsſäften das Chlornatrium. Das Eiſen bildet einen weſentlichen
Beſtandtheil des Blutrothes.
Ueber die Gewichtsverhältniſſe, in welchen die chemiſchen Beſtandtheile im Thierkörper
vorkommen, entnehmen wir E. Wolff’s Fütterungslehre im Auszuge folgende Tabelle:
[15]Das Thierleben.
2. Die Bildung des Stoffes im Thierkörper.
Das Thier vermag, wie die Pflanze, durch ſeine Lebensthätigkeit weder die
Elemente des Waſſers, noch die Elemente der verbrennlichen Subſtanz und der Aſche
neu zu ſchaffen. Dieſelben müſſen als thieriſche Nährſtoffe von Außen, aus der Luft
und, wenigſtens bei unſeren Nutzthieren, aus der Pflanzennahrung aufgenommen
werden. Das Thier bewerkſtelligt weiterhin durch ſeine Lebensthätigkeit die Ueber-
führung der aufgenommenen Nährſtoffe in die ſeinen Körper aufbauenden Form-
beſtandtheile. Die Letzteren ſind jedoch nicht unveränderlich, ſondern einer ſtetigen
Neu- und Rückbildung ausgeſetzt. Die Geſammtheit der bei Nahrungsaufnahme,
Körperanſatze und Ausſcheidung zu beobachtenden Veränderungen bezeichnet man als
thieriſchen Stoffwechſel. Außer dem Stoffwechſel äußert ſich das thieriſche
Leben durch das Vermögen, ſich zu bewegen, äußere Sinneseindrücke aufzunehmen,
zu empfinden, und durch jene Lebensthätigkeiten, welche die Fortpflanzung
des Thieres zum Zwecke haben.
Dieſe Verſchiedenheiten in den Lebensäußerungen des Thieres erfordern, obgleich
ſie im lebenden Thiere in untheilbarer Geſammtheit zum Ausdrucke gelangen, eine
getrennte Betrachtung und zwar: 1. Das Bildungs-, 2. das Bewegungs-, 3. das
Empfindungs- und 4. das Geſchlechtsleben des Thieres.
1. Das Bildungsleben des Thieres.
Die Futtermittel enthalten zwar alle Stoffe, welche das Thier bedarf, jedoch
in einer Form, welche ſie nicht unmittelbar zur Ernährung verwendbar macht. Sie
müſſen daher erſt durch die Verdauung und Aſſimilation in eine für die
[16]Allgemeine Thierzuchtlehre.
Blutbildung und die Ernährung geeignete Form gebracht werden. Der
unverwendbare Theil der Futtermittel wird ausgeſchieden, ebenſo jene Stoffe, welche
durch die Lebensthätigkeit unbrauchbar geworden ſind.
Der Verdauung geht die Aufnahme der Nahrungsmittel durch die Maulhöhle,
Rachenhöhle und den Schlund voraus. Die aufgenommenen Nahrungsmittel ge-
langen dann in die eigentlichen Verdauungsorgane, welche einen von der Lippenſpalte
bis zum After ununterbrochenen, verſchieden weiten, mit Schleimhaut und Drüſen
verſehenen Kanal bilden. In demſelben werden unter Mitwirkung der ausgeſchiedenen
Verdauungsſäfte die in den Futtermitteln enthaltenen Nährſtoffe in eine zur Blut-
bildung taugliche Flüſſigkeit (Chylus) umgewandelt.
Dieſe Umwandlung oder Verdauung beginnt in dem Momente der Aufnahme
der Nahrung in die Mundhöhle. Daſelbſt erfahren die Futterſtoffe durch die im
Ober- und Unterkiefer eingekeilten Zähne eine Zerkleinerung und durch die
Vermengung mit den Ausſcheidungsproducten der Speichel- und Schleimdrüſen, durch
die Einſpeichelung, eine theilweiſe Veränderung ihres Stärkemehles. Daſſelbe wird
durch das Speichelferment, jedoch keineswegs ſeiner ganzen Maſſe nach, in Dextrin
und weiterhin in löslichen Traubenzucker übergeführt.
Von der Maulhöhle gelangt der Futterballen durch das Schlingen in die
Rachenhöhle und die Schlundröhre, in welcher derſelbe durch die wurmförmige (peri-
ſtaltiſche) Bewegung in den Magen weitergeſchafft wird. Im Magen erfahren nament-
lich die Eiweißſtoffe der Futtermittel unter der auflöſenden Wirkung des Magen-
ſaftes eine durchgreifende Veränderung. Durch die Einwirkung des Pepſins und der
Salzſäure, der beiden hervorragenden Beſtandtheile des Magenſaftes, werden die Eiweiß-
ſtoffe in lösliche Peptone oder Albuminoſen umgewandelt, welche in dieſer Form von den
Lymphgefäßen aufgenommen, reſorbirt werden. Der Käſeſtoff der verzehrten Milch
gerinnt zunächſt und wird dann erſt von dem Magenſafte allmählig gelöſt. Die
Wirkſamkeit des Magenſaftes bei der Verdauung der Eiweißſtoffe wird bei Vor-
handenſein von Fett weſentlich erhöht; Kochſalz begünſtigt hinwieder die reichlichere
Abſcheidung des Magenſaftes. Außerdem wirkt der Magenſaft auf die Um-
wandlung der im Futterbrei enthaltenen Kohlehydrate, ſowie des Traubenzuckers
in Milchſäure, welche wieder ihrerſeits zur Löſung der Eiweißſtoffe, ſowie der
phosphorſauren, unorganiſchen Verbindungen beiträgt. Die letztgenannten Stoffe
und das Tränkwaſſer können direct von den in der Magenſchleimhaut reichlich ver-
laufenden Blutgefäßen aufgenommen werden. Die noch unverdaute Maſſe der
Futterſtoffe und der größte Theil der gelöſten Eiweißſtoffe gelangt mit dem genoſſenen
Trinkwaſſer als graulicher, ſauer reagirender Brei, Chymus, durch den Pförtner in
den Zwölffingerdarm, um ſich von dort durch den weiteren Darmcanal ihren Weg
zu ſuchen.
Bei den Wiederkäuern, welche nicht wie die übrigen Hausthiere einen einfachen,
ſondern einen aus vier Abtheilungen beſtehenden Magen, Fig. 12, S. 17, beſitzen,
[17]Das Thierleben.
findet bei der Verdauung ein anderer Vorgang
ſtatt. In Folge der eigenthümlichen Magen-
einrichtung vermögen die Wiederkäuer größere,
wenn auch nährſtoffärmere Futtermaſſen zu ihrer
Ernährung zu verwenden. Die aufgenommenen
Futtermaſſen werden von den Wiederkäuern zu-
nächſt nur unvollkommen gekaut, in großen Biſſen
verſchlungen und im erſten Magen, dem Panſen
oder Wanſt, geſammelt. Iſt der Wanſt, welcher
beim Rinde einen durchſchnittlichen Cubikinhalt
von 0.093 — 0.139 Cubikmeter beſitzt, gefüllt,
ſo begibt ſich das Thier zur Ruhe. Ein ge-
ringer Theil der Nahrung, die ſich löſenden Nähr-
ſtoffe, nehmen ihren Weg durch die weiteren
Magenabtheilungen, während die gröberen, im
Wanſt erweichten Stoffe gegen die Haube und
Magen des Rindes (ſchema-
tiſch). — A Panſen, B Haube, C Pſalter,
D Labmagen; a Speiſeröhre, p Pförtner
(pylorus).
die Schlundrinne gedrängt und von dieſer zu Biſſen geballt werden. Die-
ſelben gelangen hierauf durch antiperiſtaltiſche Bewegung der Schlundröhre in die
Maulhöhle zurück, um daſelbſt nochmals gekaut und eingeſpeichelt zu werden. Die fein-
gekaute Maſſe wird wieder verſchluckt, gelangt jedoch nicht mehr in den Wanſt,
ſondern durch die Schlundrinne, deren Lippen ſich zu einer Röhre ſchließen, in den
dritten Magen, den Pſalter, Blättermagen
oder Löſer, und von hier aus in den letzten,
eigentlichen Magen, den Labmagen. Im
Pſalter, deſſen Cubikinhalt ein Viertel von
jenem des Panſens beträgt, wird das Futter
durch blattförmige Schleimhautfalten in dünne
Schichten getheilt und durch Reſorption waſſer-
ärmer. Im Labmagen, welcher ungefähr
gleich groß wie der Pſalter, jedoch mit zahl-
reichen, ſchlauchförmigen Drüſen, den Magen-
ſaft- oder Labdrüſen, Fig. 13, dicht beſetzt iſt,
wird bei dem Untergange des Inhaltes dieſer
Drüſen, der Labdrüſenzellen, Fig. 14, S. 18,
Pepſin frei, welches den weſentlichen Beſtand-
theil des Magenſaftes bildet. Die Verdauung
im Labmagen erfolgt daher in derſelben
Weiſe wie im einfachen Magen anderer Thiere.
Getränke, flüſſiges und breiartiges Futter, ſo-
bald es nicht in zu großen Partien verſchlungen
wird, kann auch unmittelbar von der Schlund-
rinne, ohne den Wanſt und die Haube zu
Labdrüſe aus dem Labmagen
einer 15jähr. Landkuh, 90/1. — a Ende des Aus-
führungsganges auf der Schleimhaut, b oberes,
mit Cylinderepithel, c unteres mit Labdrüſen-
zellen verſehenes Ende, d Drüſenäſte.
Krafft, Lehrb. d. Landw. III. 2
[18]Allgemeine Thierzuchtlehre.
Labdrüſenzellen aus dem Labmagen
eines fünfjährigen Ochſen 600/1. — a Kerne der Zellen.
paſſiren, durch den Pſalter in den Lab-
magen gelangen.
Der in den Dünndarm über-
getretene Chymus wird durch periſtal-
tiſche Bewegung allmählig durch den
Dickdarm bis zum After fortgeleitet.
Auf letzterem, langem Wege, welcher bei
dem Rinde das 22fache, bei dem Schafe
das 27fache, bei dem Pferde das
11fache, bei dem Schweine das 16fache
und bei dem freiſchfreſſenden Hunde das
5fache der Körperlänge beträgt, erfolgt
eine weitere Abſcheidung und Aufnahme
von Nährſtoffen aus dem Speiſebrei.
Im Dünndarme treten zu dem Speiſebrei die Abſonderungsproducte der Leber,
die Galle, und der Bauchſpeicheldrüſe, der Bauchſpeichel (Pankreasſaft). Durch den
Bauchſpeichel werden die noch vorhandenen ſtärkemehlhaltigen Subſtanzen in Zucker und
die noch nicht verdauten Eiweißſtoffe in Peptone übergeführt. Der Zucker wird theils
unmittelbar, theils umgewandelt in Milchſäure und Butterſäure von den Blut-
gefäßen, die Peptone von den Lymphgefäßen aufgenommen. Außerdem bewirkt
der Bauchſpeichel, ſowie die Galle, eine äußerſt feine Vertheilung des im Speiſebrei
enthaltenen Fettes. Die Fettkügelchen werden alsdann von der mit Galle benetzten
Darmwand gleichzeitig mit der Galle reſorbirt. Die Nachverdauung im Darm-
canale wird noch weſentlich durch die Abſcheidung des Darmſaftes unterſtützt. Derſelbe
hat die Fähigkeit, noch unveränderte Eiweißſtoffe zur Reſorption geeignet zu machen.
Die nach der Verdauung der ſtickſtofffreien, ſtickſtoffhaltigen und anorganiſchen
Futterbeſtandtheile im Darmcanale zurückbleibenden, unverdaulichen Ueberreſte werden
immer waſſerärmer, feſter und nebſt den abgenutzten Schleimhäuten, der nicht re-
ſorbirten Galle und den Ausſcheidungsproducten der Schleimdrüſen im Endſtücke des
Dickdarmes, dem Maſtdarme, angeſammelt, um ſchließlich als Kothballen, feſte
Excremente, entleert zu werden.
Die Verdauungsproducte werden je nach ihrer Natur auf verſchiedenen Wegen
in die Blutbahn übergeführt. Von den in der Schleimhaut des Magens und
Darmes verlaufenden zahlreichen, venöſen Haargefäßen werden neben dem Waſſer
und den Mineralſalzen hauptſächlich die Verdauungsproducte der Kohlehydrate als
Zucker, Milchſäure und pflanzenſaure Salze durch Diffuſion aufgenommen. Die
aufgelöſten Proteïnſtoffe, ſowie das fein vertheilte Fett werden dagegen von den
Darmzotten, Fig. 15 (ſ. S. 19), zahlreichen, kleinen, warzenförmigen Hervorragungen
der Darmſchleimhaut, aufgenommen und den Lymphgefäßen, welche in den Zotten
[19]Das Thierleben.
blind endigen, als Chylus oder Milchſaft zugeführt. In den Lymphgefäßen ſam-
meln ſich auch die von der Magenwand reſorbirten Proteïnſtoffe, ſowie die flüſſigen
Zerſetzungsproducte der unbrauchbar gewordenen thieriſchen Gewebe, die Lymphe.
Durch die Lymphgefäße wird der milchfarbige Chylus dem Blute zugeführt. Bei
dem Durchgange des Chylus durch die Lymphdrüſen des Gekröſes bilden ſich
farbloſe Chyluskörperchen, welche wahrſcheinlich bei ihrem Uebergange in das Blut
in rothe Blutkörperchen umgewandelt werden.
Das Blut bildet die allgemeine Ernährungsflüſſigkeit, welche einer ſtetigen
Veränderung unterliegt. Es beſteht zu ungefähr 90 % aus einer farbloſen Flüſſig-
keit, der Blutflüſſigkeit, Blutplasma, welche im Waſſer gelöſten Faſerſtoff,
Albumin, Caſeïn, Extractivſtoffe, Fette, Traubenzucker und anorganiſche Verbin-
dungen, beſonders Chlornatrium (Kochſalz), enthält, und den rothgefärbten Blut-
körperchen, neben welchen, minder zahlreich, farbloſe oder weiße Blutkörperchen
vorkommen. Die Blutkörperchen, Fig. 16, bilden im Durchſchnitte 0.0055
Schleimhaut des Dünndarmes eines ſechs Tage alten Kalbes 30/1. — a Darmzotten,
b Lieberkühn’ſche Drüſen, c Muskelſchicht der Schleimhaut.
Fig. 16. Blutkörperchen aus dem Blute einer Kuh, 600/1. — a rothe Blutkörperchen von der Fläche,
b von dem Rande aus geſehen, c rothe Blutkörperchen zu geldrollenartigen Säulchen vereinigt, d centrale
Depreſſion, welche die Bisquitform bedingt, e rothe Blutkörperchen mit ſtacheligen Fortſätzen, f kleinere,
g größere farbloſe Blutkörperchen.
bis 0.0057 Mm. große, in der Mitte eingedrückte, ſolide Körperchen. Sie beſtehen aus
einer ſtickſtoffhaltigen, ungefärbten Grundſubſtanz und einer eiweißartigen, eiſenhaltigen
farbigen Subſtanz, dem Blutroth, Hämoglobin. Nächſt den genannten feſten und
flüſſigen Stoffen enthält das Blut abſorbirt oder locker chemiſch gebunden verſchiedene
Gaſe und zwar vorzugsweiſe in den Blutkörperchen Sauerſtoff, im Blutplasma
Kohlenſäure und außerdem noch geringe Mengen Stickſtoff.
2*
[20]Allgemeine Thierzuchtlehre.
Das Blut iſt im lebenden Körper in ſteter Bewegung. Es wird durch die
Zuſammenziehung (Systole) des hohlen Herzmuskels durch die Arterien, Puls- oder
Schlagadern, in alle Theile des Körpers getrieben und durch die Erweiterung
(Diastole) des Herzmuskels in den Venen, Blutadern, wieder zu jenem Centralorgane
zurückgeführt. In Betreff der Häufigkeit der Herzbewegung nimmt man an, daß beim
Pferde unter gewöhnlichen Verhältniſſen in der Minute 40—50, beim Rinde 58—80 und
beim Schafe 60—70 Herzſchläge erfolgen. Den Uebergang der Arterien zu den
Venen bilden die feinſten Gefäßverzweigungen, die Capillaren oder Haargefäße. Das in
den Venen ſich bewegende Blut iſt ſchwarzroth gefärbt und beſitzt einen relativ
größeren Gehalt an Kohlenſäure und einen geringeren Gehalt an Sauerſtoff als
das arterielle Blut. Es gelangt vermiſcht mit dem Chylus in die rechte Vorkammer
und von hier aus auf dem Wege durch die rechte Herzkammer in die Lungen-
arterie, welche ſich in der Lunge in feinſte Capillargefäße verzweigt. Daſelbſt
tritt ein Theil des Sauerſtoffes, welcher bei dem Einathmen der atmoſphäriſchen
Luft in die Lungenbläschen gelangte, in das Blut über, während daſſelbe Kohlen-
ſäure und Waſſer abgibt, die bei dem Ausathmen aus dem Körper entfernt werden.
Durch die Sauerſtoffaufnahme, welche größentheils durch die Blutkörperchen erfolgt,
verwandelt ſich das venöſe Blut in hellrothes, ſauerſtoffreicheres arterielles Blut.
Daſſelbe wird durch die Lungenvenen wieder dem Herzen (kleiner Kreislauf, Fig. 17
r Rhikl) und zwar der linken Vorkammer und der linken Herzkammer zugeführt.
Blutkreislauf. In den dunkel gezeichneten Gefäßen fließt
venöſes, in den hellgezeichneten arterielles Blut. (Schematiſch.) —
r rechte, l linke Vorkammer, R rechte, L linke Herzkammer; a gemein-
ſchaftliche, b hintere, c vordere Aorta, d Capillargefäß des Hinter-
theiles, e hintere Hohlvene, f Capillargefäß des Vordertheiles,
g vordere Hohlvene, h Lungenarterie, i Capillargefäß der Lunge,
k Lungenvene, l Baucheingeweide-Schlagader, m Capillargefäß des
Darmcanales, n Pfortader, o Capillargefäß der Leber, p Lebervene.
Von der linken Herzkammer
wird das arterielle Blut
durch die große Körper-
ſchlagader oder Aorta in
die überall im Körper ver-
breiteten Capillargefäße ge-
trieben, um von hier aus
durch die Venen wieder zum
Herzen zurückzukehren (gro-
ßer Kreislauf, Fig. 17 lLa
b [lmnop u. d] e; cfgr).
Auf dem Wege durch
den Körper ſucht ſich der
Sauerſtoff des arteriellen
Blutes mit dem Kohlen-
ſtoff und Waſſerſtoff ab-
genutzter Gewebstheile
und gewiſſer Blutbeſtand-
theile zu verbinden, wobei Wärme frei wird. Eine weitere Quelle für die
thieriſche Wärme bilden die zahlreichen mechaniſchen und chemiſchen Veränderungen,
namentlich das Freiwerden von Wärme bei dem Ernährungsproceſſe, welcher Flüſſiges
in Feſtes überführt. Die Eigenwärme des thieriſchen Körpers iſt ziemlich conſtant
[21]Das Thierleben.
und von der äußeren Temperatur nahezu ganz unabhängig. Sie beträgt bei dem
Rinde 37.8—40.0°C., im Mittel 38.8°C. Der Verbrauch an Nährſtoffen zur
Wärmeentwickelung ſteht jedoch im Verhältniſſe zur äußeren Stalltemperatur. Je
mehr dieſelbe ſinkt, um ſo größer iſt der Nährſtoff-Verbrauch. Bei allzu großer
Erhöhung der Temperatur tritt dagegen eine erſchlaffende, geſteigerte Hautthätigkeit
ein. Am entſprechendſten iſt für das Pferd und Rind eine Stalltemperatur von
12.5—17.5°C. und für das Schaf von 10—12.5°C. Bei dieſen Temperaturen
wird das Futter am beſten ausgenutzt.
Die verſchiedenen, näheren Beſtandtheile des Futters — Waſſer, Kohlehydrate,
Fett, Proteïnſtoffe und Aſchenſalze — werden nach ihrer Verdauung und ihrem Ueber-
gange in das Blut als Zucker und Milchſäure, als Fett im gelöſten oder an
Alkalien gebundenen Zuſtande, als gerinnbares Eiweiß und Faſerſtoff und als Aſchen-
ſalze in verſchiedenſter Weiſe zur Unterhaltung der thieriſchen Wärme und zum
Aufbaue der thieriſchen Gewebe verwendet. Die abgenutzten thieriſchen Gewebe zer-
fallen und verbinden ſich mit dem eingeathmeten Sauerſtoffe. Je größer die Nahrungs-
zufuhr und je mehr Spaltungsproducte durch erhöhte Lebensthätigkeit in den thieriſchen
Geweben entſtehen, um ſo mehr ſteigert ſich die Sauerſtoffaufnahme. Jede Kraft-
äußerung, jede Muskelbewegung, jede Nervenerregung iſt mit einem gleichzeitigen Stoff-
verbrauche verbunden. Die abgenutzten Stoffe werden, wenn ſie nicht unmittelbar
in das Blut übergehen, von den Lymphgefäßen aufgenommen, vermengen ſich im
Milchbruſtgange mit dem Chylus und werden ſchließlich durch die linke Achſelvene
dem Herzen zugeführt. Unter einem findet aus dem Blute ein ſtetiger Anſatz von
Stoffen ſtatt, welcher ſich in der Bildung neuer Zellen äußert. Dieſe Vorgänge bei
dem Stoffanſatze und der Stoffrückbildung bezeichnet man als den Stoffwechſel.
Von den im Futter enthaltenen Nährſtoffen werden am raſcheſten die Kohle-
hydrate verbraucht. Sie werden als Zucker von dem Darmcanale reſorbirt und
auf kürzeſtem Wege in alle Theile des Körpers geführt, um durch ihre Verbindung
mit dem Sauerſtoffe die thieriſche Wärme zu unterhalten. Nachdem früher an-
genommen wurde, daß die lebhafteſte Verbrennung in der Lunge während des Re-
ſpirationsproceſſes ſtattfinde, ſo bezeichnete man ſie als Reſpirationsmittel.
Nachdem neuere Forſchungen nachgewieſen, daß die Verbrennung und die Wärme-
entwickelung nicht nur in der Lunge, ſondern in jedem Theile des thieriſchen Körpers
ſtattfindet, ſo iſt dieſe Bezeichnung unhaltbar geworden. Richtiger iſt nach dem Vor-
ſchlage Virchow’s die Bezeichnung „Heizſtoffe“.
Die aus der Nahrung aufgenommene Eiweißſubſtanz wird zum Aufbaue
der ſtickſtoffhaltigen Beſtandtheile des Thierkörpers verwendet. Man bezeichnet ſie
daher als die plaſtiſchen Nährmittel, als Blutbildner, Fleiſchbildner,
wenngleich ſich auch dieſe Bezeichnung, ſtrenge genommen, nicht mehr aufrechterhalten
läßt, da Waſſer, Fett, Aſchenbeſtandtheile zur Bildung der Organe ebenſo wenig zu
entbehren ſind, als die Eiweißſtoffe. Bei dem Zerfalle der Eiweißſtoffe bildet ſich
Fett, welches entweder als ſolches abgelagert oder in der Milch ausgeſchieden oder
im Reſpirationsproceſſe zu Kohlenſäure verbrannt wird. Die verbrauchten Stickſtoff-
[22]Allgemeine Thierzuchtlehre.
verbindungen der Eiweißſubſtanzen werden bei dem Durchgange des arteriellen Blutes
durch die Nieren möglichſt raſch aus dem Körper im Harne entfernt. Im Harne
der Pflanzenfreſſer findet ſich der Stickſtoff im Harnſtoff und in wechſelnden
Mengen von Hippurſäure, in jenem der Fleiſchfreſſer im Harnſtoff und in der
Harnſäure.
Das aus der Nahrung aufgenommene Fett ſcheint in Zucker umgewandelt zu
werden, um dann gleichfalls im Reſpirationsproceſſe verwendet zu werden. Unter
günſtigen Umſtänden wird es jedoch unmittelbar zur Ablagerung an den Organen
verwendet. Es kommt jedoch im thieriſchen Körper außer dem Fettanſatze noch eine
Neubildung von Fett zur Beobachtung. Das Material zu dieſer Neubildung liefern,
wie oben bemerkt, die Spaltungsproducte der Eiweißkörper, während die Kohlehydrate
nur indirect den Anſatze des Fettes befördern, indem ſie die Zerſtörung des Fettes im
Reſpirationsproceſſe hintanhalten und ſomit dieſes zum Anſatze verfügbar machen.
Der Effect eines Futtermittels beſteht daher, abgeſehen von der Milch- und
Wolleproduction, in dem Anſatze von Fleiſch und Fett und in der Kraft-
production. Dieſe Bildungsvorgänge verdienen eine eingehendere Beſprechung, da
ihre Erkenntniß die Grundlage für die richtige Fütterung der Thiere abgibt.
Die Geſetze der Fleiſchbildung oder des An- und Umſatzes der Eiweißſtoffe
laſſen ſich am zuverläſſigſten durch die Beſtimmung des Stickſtoffes in den ſichtbaren
Ausſcheidungen, insbeſondere des Harnes, feſtſtellen, nachdem ſich nahezu aller mit
der Nahrung aufgenommene Stickſtoff in den erwähnten Ausſcheidungen wiederfindet,
abzüglich jenes Theiles, welcher zum Anſatze verwendet wurde. Ebenſo ergibt ſich
durch Vergleichung des Aſchengehaltes des Futters mit jenem der Excremente und
der Milch ꝛc. der Anſatz oder Verluſt an mineraliſchen Stoffen im Thier-
körper. Schwieriger iſt es, den Stoffwechſel der ſtickſtofffreien Nährſtoffe, der Kohle-
hydrate, des Fettes und des Waſſers zu verfolgen, indem zu dieſem Zwecke nicht
nur die flüſſigen und feſten Ausſcheidungen, ſondern auch mit Hilfe eines Reſpirations-
apparates die durch Haut und Lunge entweichenden, gasförmigen Stoffe der Unter-
ſuchung und Gewichtsbeſtimmung unterzogen werden müſſen. Das Reſultat der
Beziehungen zwiſchen dem Futter und den geſammten thieriſchen Ausſcheidungen, im
Zuſammenhange mit dem Körperanſatze oder Körperverluſte läßt ſich am überſicht-
lichſten aus der ſogenannten „Stoffwechſelgleichung“ erſehen.
Um den Nähreffect einer Fütterungsweiſe, oder die Art und den Umfang des Um-
ſatzes der zur Ernährung verbrauchten Stoffe an einem Beiſpiele anſchaulich zu machen,
geben wir nach Henneberg 1) die Stoffwechſelgleichung während 24 Stunden für einen voll-
jährigen, durchſchnittlich 712.5 Kilogr. ſchweren Ochſen. Derſelbe verzehrte pro Tag 5 Kilogr.
Kleeheu, 6 Kilogr. Haferſtroh, 3.7 Kilogr. Bohnenſchrot, 0.06 Kilogr. Kochſalz und 56.1
Kilogr. Tränkwaſſer.
[23]Das Thierleben.
Ein weiteres Beiſpiel einer Stoffwechſelgleichung für ein volljähriges Schaf haben wir
Band I. S. 160 und 162 mitgetheilt.
Für die Erforſchung der Geſetze des Stoffwechſels waren insbeſondere die
Unterſuchungen Voit’s 1) in München epochemachend. In Betreff des Eiweißes unter-
ſcheidet Voit 2) zwiſchen dem Organeiweiß, das in allen Organen, auch im
Blute vorhandene, der Zerſetzung in geringerem Maße unterliegende Eiweiß und dem
Borrath- oder Circulations-Eiweiß, welches leicht zerſtört wird und alle
Gewebe als eigentlich ernährender Plasmaſtrom durchdringt. Nach Voit iſt der
Eiweißumſatz direct abhängig von der Eiweißzufuhr. Steigt die Zufuhr, ſo
tritt, je ſtickſtoffreicher die Nahrung, um ſo raſcher „Stickſtoffgleichgewicht“, alſo
Erhaltungszuſtand ein. Das Mehr wird als Circulations-Eiweiß raſcher zerſtört,
weshalb ſich die Stickſtoffausſcheidung mit der Einnahme bald in’s Gleichgewicht ſetzt.
Weiterhin iſt die Zufuhr derſelben Nährſtoffmenge erforderlich, um den Körper
in gleichem Ernährungszuſtande zu erhalten. Der durch die vorausgegangene
Fütterung erzeugte Ernährungszuſtand iſt für die Größe des Eiweißumſatzes
[24]Allgemeine Thierzuchtlehre.
von Einfluß. Geht man von einer ſtickſtoffreicheren zu einer ſtickſtoffärmeren Fütterung
über, ſo wird anfänglich entſprechend dem früheren Ernährungszuſtande mehr Stickſtoff
als Zerſetzungsproduct des Circulationseiweißes und zum geringeren Theile auch
des Organeiweißes ausgeſchieden, bis endlich zwiſchen Ausgabe und Einnahme wieder
Gleichgewicht eintritt. Kehrt man zur ſtickſtoffreicheren Nahrung zurück, ſo
wird das Stickſtoffgleichgewicht raſcher eintreten, da die Mehrzufuhr nicht als Organ-
eiweiß gebunden wird, ſondern das raſcher zerſetzbare Circulationseiweiß vermehrt.
Kochſalzbeigaben und Waſſer vermehren den Eiweißumſatz. Ein Uebermaß an
Waſſeraufnahme, hervorgerufen durch Wäſſerigkeit des Futters, hohe Stalltemperatur,
zu ſtarke Salzgaben, zu viel Bewegung ꝛc., iſt daher, da das Waſſer nicht zum
Körperanſatze verwendet werden kann, durch Zerſtörung werthvoller Futterſubſtanz von
Nachtheil.
Nach den Verhältniſſen des Eiweißumſatzes regelt ſich der Eiweißanſatz,
d. i. die Vermehrung von Fleiſch, oder im Vereine von Fett und Waſſerablagerung
die Vermehrung des lebenden Gewichtes. Der Viehzüchter wird bei der Fleiſchpro-
duction dahin trachten, den Umſatz möglichſt zu vermindern und den Anſatz zu erhöhen.
Es geſchieht dies durch die richtige Zuſammenſetzung des Futters. Durch eine
größere Futtermenge wird bei gleicher Zuſammenſetzung der Fleiſchanſatz nicht
in demſelben, ſondern in einem weſentlich höheren Verhältniſſe geſteigert. Einſeitige
Eiweißzufuhr ohne gleichzeitige Vermehrung der ſtickſtofffreien Nährſtoffe bewirkt nach
Voit zunächſt eine Vermehrung des Circulationseiweißes, welche jedoch bald aufhört,
da durch die leichte Zerſtörung deſſelben das zugeführte Plus ſofort wieder aus-
geſchieden wird. Eine Beigabe von Fett, ebenſo das im Thierkörper abgelagerte Fett
wirken vermindernd auf den Eiweißumſatz, daher erhöhend auf den Fleiſchanſatz.
Eine noch ausgiebigere Vermehrung des Organeiweißes oder Fleiſchanſatzes wird durch
gleichzeitige Zufuhr von Eiweiß und Kohlehydraten erzielt. Bei einſeitiger Eiweiß-
zufuhr wird daher Stickſtoffgleichgewicht ſehr bald, bei gleichzeitiger Zufuhr von
Kohlehydraten neben Fett (wenn überhaupt) erſt nach längerer Zeit eintreten. Die
Kohlehydrate (Stärkemehl, Zucker ꝛc.) haben daher nicht nur Werth als ſogenannte
Reſpirationsmittel, ſondern einen noch viel höheren dadurch, daß ſie die Zerſtörung
des Eiweißes vermindern, daher indirect zur Erhaltung und dem Anſatze des Fleiſches
beitragen.
Der größte Erfolg der Fütterung wird nach dem Vorerwähnten nur dann
erreicht, wenn Eiweißſtoffe, Fett, Kohlehydrate, Waſſer und Nährſalze in einem be-
ſtimmten für die verſchiedenen Ernährungszuſtände der Thiere und für die verſchiedenen
Fütterungszwecke wechſelnden Verhältniſſe verabreicht werden. Ein Zuviel wird entweder
unbenutzt für den Körperanſatz ausgeſchieden oder ſchon im Verdauungscanal nicht
aufgenommen und mit den Excrementen entleert.
Im Vorſtehenden wurde ſchon da und dort der Wege gedacht, auf welchen die
von dem Blute aufgenommenen Rückbildungsſtoffe den Thierkörper verlaſſen. Die
gasförmigen Stoffe entweichen durch Lunge und Haut, die löslichen werden von den
Nieren abgeſchieden und nur ein geringer Theil, die Reſte der Verdauungsſäfte, gehen
[25]Das Thierleben.
mit dem unverdauten und unlöslichen Theile der Nahrung, mit den Excrementen
(Faeces) ab. Neben dieſer Abſonderung von unbrauchbar gewordenen Stoffen
(Excrete) werden jedoch auch noch Stoffe (Secrete) abgeſondert, welche noch weitere
Verwendung im Organismus finden. Es ſind dies die Verdauungsſäfte, die Zeu-
gungsproducte (Samen und Ei) und die Milch, welche zur erſten Ernährung der
Jungen erforderlich iſt. Mit Rückſicht auf den Werth dieſer Ausſcheidungen bei der
landwirthſchaftlichen Thiernutzung bedürfen dieſe Vorgänge einer beſonderen Beſprechung.
Die Organe, welche die Ausſcheidung beſorgen, die Drüſen genannt, ſind vielzellige,
reichlich mit Capillargefäßen durchzogene Gebilde, mit oder ohne Ausführungswege.
Zu letzteren zählen vor allem die in ihrer Bedeutung ſchon weiter oben beſprochenen
Lymph- und Gekrösdrüſen. Die erſteren dienen entweder zur Ausſcheidung der Ver-
dauungsflüſſigkeiten, wie die Speichel-, Schleim-, Magenſaft- und Bauchſpeicheldrüſen,
die Leber und die Darmzotten, oder zur Ausſcheidung von Stoffen nach Außen, wie
die Thränendrüſen, die Schweiß- und Hauttalgdrüſen, die Nieren, die Milchdrüſen
und die Hoden.
Die Schweiß- und Hauttalgdrüſen ſcheiden gewiſſe organiſche Rückbil-
dungsſtoffe, ſowie dunſtförmiges Waſſer und auch etwas Kohlenſäure aus. Der
regelmäßige Verlauf der Hautausdünſtung (Perſpiration zum Unterſchiede der durch
die Luftröhre aus der Lunge erfolgenden Reſpiration) iſt für die Ernährungsvor-
gänge nicht ohne Bedeutung, weshalb die Pflege der Haut die größte Beachtung
verdient.
Die Hautdrüſen, ſowie die Reſpirationsorgane, haben die Beſtimmung, die End-
producte der verbrauchten, ſtickſtofffreien Subſtanzen aus dem Körper zu entfernen.
Die Rückbildungsſtoffe der ſtickſtoffhaltigen Subſtanzen ſowie die meiſten Aſchenſalze
werden dagegen in den Nieren aus dem Blute, als Harn, ausgeſchieden. Der Harn
wird durch die concentriſch gegen die Mitte der Nieren verlaufenden Harnröhrchen
abgeſondert und durch den Harnleiter der Harnblaſe zugeführt. Die Harnblaſe wird
dann zeitweilig auf dem Wege durch die Harnröhre entleert.
Die Milchdrüſen haben die Beſtimmung, das Bildungsmaterial für das
junge Thier nach deſſen Geburt zu liefern. Bei der Kuh enthält das in zwei Hälften,
einer rechten und einer linken geſonderte Euter zwei große Milchdrüſen, welche von einer
derben weißen Bindegewebeſubſtanz, der „Milchdrüſenkapſel“, hautartig umhüllt ſind.
Die Milchdrüſen beſtehen aus einer großen Zahl von „Drüſenbläschen“, Fig. 18
(ſ. S. 26), welche durch Bindegewebe verbunden und mit Fettgewebe umgeben ſind.
Die Ausführungsgänge der Drüſenbläschen münden in einen größeren Raum, den
Milchciſternen, welche durch Ausflußgänge in den Zitzen oder „Strichen“ mit der
Oeffnung der Striche, welche mit einem Schließmuskelapparate verſehen iſt, in Ver-
bindung ſtehen. In den Drüſenbläschen findet nach der Empfängniß eine lebhafte
Zellbildung und Fettablagerung ſtatt, zu welcher das Blut das Material liefert.
Die Zellen zerfallen und gelangen in die Ausführungsgänge. Bei Beginn der Milchab-
ſonderung gelangen noch unzerfallene Epithelialzellen, die Coloſtrumkügelchen,
Fig. 19 (ſ. S. 26), welche Eiweiß und Fetttröpfchen enthalten, in die noch unreife
[26]Allgemeine Thierzuchtlehre.
Milch, Coloſtrum (Erſtlings- oder Bieſtmilch). Späterhin verſchwinden die Colo-
ſtrumkügelchen, indem nur mehr vollſtändig zerfallene Zellen, die aus Käſeſtoff und
Fett beſtehenden Milchkügelchen, neben der abgeſonderten Flüſſigkeit als Milch aus-
Fig. 18. Aus 4 Drüſenbläschen beſtehendes Drüſenkörnchen der Milchdrüſe einer Kuh nach Für-
ſtenberg, 200/1. — d Gemeinſchaftlicher Ausführungsgang.
Fig. 19. Coloſtrumkörperchen, 320/1. — 1 mit nicht zerſtörter Membran, Durchmeſſer 0.036 Mm.;
2 Membran in der Zerſtörung begriffen, Durchmeſſer 0.044; 3 die Membran zerſtört und die Fett-
tröpfchen hervortretend, Durchmeſſer 0.054 Mm.; 4 Milchkügelchen, Durchmeſſer des größten 0.016 Mm.
geſchieden werden. Die Milch iſt ſomit ein durch fettige Degeneration flüſſig
gewordenes Organ. Die Beziehungen zwiſchen dem Futter und der Milchabſonderung
werden weiterhin zu beſprechen ſein, nur ſo viel ſei hier erwähnt, daß je reicher die
Milchproduction um ſo weniger ſtickſtoffhaltige und ſtickſtofffreie Futterbeſtandtheile
zum Körperanſatze übrig bleiben.
2. Das Bewegungsleben des Thieres.
Die Bewegungen, welche im thieriſchen Körper ausgeführt werden, ſind entweder
wie die Molecularbewegungen und die Flimmerbewegungen gewiſſer Epithelialgebilde
unwillkürliche oder wie die meiſten Muskelbewegungen von dem Willen des Thieres
abhängige. Bei den Muskelbewegungen findet in Folge eines Nervenreizes entweder
eine Zuſammenziehung oder Ausdehnung der Muskelfaſern ſtatt, welche in ihrer
Wirkſamkeit durch die Hebelwirkung der Knochen weſentlich unterſtützt wird.
Die urſprüngliche Anſicht über die Beziehung der Muskelthätigkeit zu einem
erhöhteren Eiweißumſatze hat ſich als nicht richtig herausgeſtellt; vielmehr hat die Ver-
mehrung der Bewegung einen erhöhten Einfluß auf die Zerſtörung des Fettes, be-
ziehungsweiſe der Kohlehydrate. Durch dieſelbe wird eine größere Sauerſtoffaufnahme
und Kohlenſäureabgabe, ſomit eine geſteigerte Reſpirationsthätigkeit und daher auch
eine vermehrte Wärmebildung und Waſſerverdunſtung hervorgerufen. Die Ver-
brennung des Fettes iſt jedoch keineswegs die Urſache, ſondern nur die Folge der
Kraftäußerung. Dieſe wird durch den Zerfall der Eiweißkörper als chemiſche Kraft
oder Spannkraft frei und kann dann beliebig zu äußeren Arbeitsleiſtungen verwendet
[27]Das Thierleben.
werden Sobald der Vorrath an Spannkraft aufgezehrt iſt, tritt Ermüdung ein.
Durch eine Ruheperiode kann ſie ſich erſt wieder anſammeln. Thiere, deren
Muskelkraft ſtark in Anſpruch genommen werden ſoll, müſſen daher durch eiweiß-
haltiges Futter in einem guten Ernährungszuſtande erhalten werden; außerdem muß
für die Zufuhr von Fett geſorgt werden, um den größeren Umſatz ohne Herabminderung
des Körperzuſtandes zu ermöglichen.
3. Das Empfindungsleben des Thieres.
Die Thiere beſitzen, verſchieden von den Pflanzen, das Vermögen ſich äußerer
Sinneseindrücke bewußt zu werden. Die Organe, welche zur Vermittelung dieſer
Eindrücke dienen, bilden in ihrer Geſammtheit das Nervenſyſtem. Durch daſſelbe
werden nicht nur die Muskelreizungen, ſondern auch mit Hilfe der Sinnesorgane,
der Seh-, Gehör-, Geruchs-, Geſchmacks- und Taſtwerkzeuge, die Aufnahme äußerer
Eindrücke vermittelt. Manche Bewegungen erfolgen mit einer von dem Willen
unabhängigen Regelmäßigkeit unter dem Einfluſſe eines inneren Antriebes, Inſtinctes.
Welche Einwirkung die Thätigkeit der Nerven auf den Verlauf des Stoffwechſels
ausübt, iſt kaum erforſcht. So viel ſcheint feſtzuſtehen, daß eine erhöhte Nerven-
thätigkeit weniger auf einen vermehrten Eiweißumſatz als auf einen ſtärkeren Fett-
verbrauch Einfluß hat.
4. Das Geſchlechtsleben des Thieres.
Die bisher beſprochenen Aeußerungen des thieriſchen Lebens waren in ihrer
Geſammtheit darauf berechnet, die Erhaltung des Individuums zu ermöglichen. In
einem gewiſſen Alter vermag das Individuum mehr als die Erhaltung ſeiner ſelbſt
zu leiſten, es wird durch ſeine Bildungsthätigkeit befähigt, ähnliche Individuen in’s
Leben zu rufen, d. h. ſich fortzupflanzen. Die Fortpflanzung wird durch die
männlichen und weiblichen Geſchlechtsorgane vermittelt. Unter inniger Berührung
derſelben (Begattung, Paarung) vollzieht ſich die Vermiſchung der von den-
ſelben abgeſonderten Zeugungsſtoffe (Befruchtung).
Der männliche Zeugungsſtoff, der Same, wird von den Hoden des geſchlechts-
reifen Vaterthieres abgeſondert. Die Hoden ſind in zweifacher Zahl in einer ſack-
artigen Erweiterung der allgemeinen Decke, dem Hodenſacke, enthalten. Sie beſtehen
aus einer Mehrzahl vielfach gewundener Samencanälchen, welche den Samen
abſcheiden und ihn durch vielfach verzweigte Ausführungsgänge in die Nebenhoden
und durch den Samenſtrang den Samenbläschen zur Aufbewahrung zuführen. Aus
den Samenbläschen wird der Same zur Zeit der Begattung, vermengt mit den Aus-
ſcheidungen drüſenartiger Organe, durch das männliche Glied (Ruthe) entleert. Die
Samencanälchen ſind mit zahlreichen Zellen erfüllt, in welchen ſich kernhaltige Tochter-
zellen entwickeln. In jeder Tochterzelle, Fig. 20 (ſ. S. 28), bildet ſich ein Samen-
faden, Samenkörperchen, fälſchlich auch Samenthierchen, Spermatozoen, Zooſpermen
genannt. Die Samenfäden, welche den eigentlich wirkſamen Theil der Zeugungs-
flüſſigkeit bilden, beſtehen aus einem dickeren Theile, Kopfe, welcher in einem faden-
[28]Allgemeine Thierzuchtlehre.
förmigen Theile ausläuft. Anfänglich ſpiralförmig aufgerollt, ſtrecken ſich nach Auf-
löſung der Membran der Tochterzelle die Samenfäden, ſpäterhin vereinigen ſich eine
Mehrzahl derſelben, Kopf an Kopf gereiht, zu einem Bündel. Nach dem Zerfalle
a b Sa-
menzellen mit einem
und zwei Kernen, von
welchen c bereits läng-
lich iſt und einen vor-
deren dunkleren, einen
hinteren helleren Theil
beſitzt, d Samenzelle
mit eingerolltem Sa-
menfaden, e Samen-
faden vom Schafe. Nach
Koelliker und Weiß.
der Membran der Mutterzelle trennen ſich die Bündel und die
frei gewordenen Samenfäden gelangen mit der Samenflüſſigkeit
in die Samenbläschen. Die möglichſt reiche Entwickelung der
Samenfäden, welche nach dem Bemerkten als Zellbildung an-
zuſehen iſt, erfordert eine reichliche und qualitätreiche Ernährung,
wenn das zeugungsfähige Thier nicht zu Schaden kommen ſoll.
Den für die Fortpflanzung weſentlichſten Theil der weib-
lichen Geſchlechtsorgane bilden eigenthümliche, mikroſkopiſch kleine,
mit Eiweiß und Fett gefüllte Zellen, Eichen. Das thieriſche
Ei wird von einem Bläschen mit durchſichtiger Hülle, der Ei-
kapſel (Graaf’ſche Follikeln), eingeſchloſſen. Die Eikapſeln finden
ſich zahlreich in einem dichten, gefäßreichen Gewebe, den beiden
Eierſtöcken (Ovarien). Erreicht der Geſchlechtstrieb des reifen
Thieres zur Zeit der Brunſt ſeine größte Höhe, ſo zerplatzt
gewöhnlich nur eine Eikapſel und entläßt die Eizelle. Dieſelbe
gelangt durch die Eileiter (Muttertrompeten) in den Fruchthälter
(Gebärmutter, Tragſack, Uterus), um dort befruchtet zu werden
oder zu Grunde zu gehen. Der Fruchthälter iſt durch den
Muttermund und die Scheide von Außen zugänglich. Durch
letztere gelangt bei der Begattung die Samenflüſſigkeit bis zu dem Muttermunde.
In der Gebärmutterhöhle oder noch früher begegnen ſich das Eichen und die beweg-
lichen Samenfäden, welche letztere durch die Dotterhaut dringen und ſich mit dem
Inhalte des Eies vermiſchen, dieſes befruchten, d. h. zu weiterer Bildungsthätigkeit
anregen. Die nächſte Folge der ſubſtantiellen Vermiſchung der beiden Zeugungsſtoffe
iſt die Furchung des Eidotters (Seite 7 Fig. 2), d. h. die Entſtehung neuer
Zellen, welche ſich weiterhin derartig vervielfältigen, daß daraus ein neuer, den elter-
lichen ähnlicher Organismus, der Embryo, die Frucht, zur Ausbildung gelangt. Das
Material zu dieſer Neubildung liefern die Blutbeſtandtheile des Mutterthieres, welches
daher von dem Augenblicke der Empfängniß bis zur Geburt der reifen Frucht,
während der Trächtigkeit, nicht nur ſich ſelbſt, ſondern auch das werdende Junge
zu ernähren hat. Um dieſe erhöhte Bildungsthätigkeit zu ermöglichen, muß dem
trächtigen Thiere eine reichlichere Futtermenge, in welcher es weder an Proteïnſtoffen
noch an Fett und phosphorſauren Salzen fehlen darf, vorgelegt werden. Iſt das
junge Thier ſoweit entwickelt, daß es auch außerhalb des mütterlichen Organismus
beſtehen kann, ſo wird es durch die Geburt gleichzeitig mit den während der Träch-
tigkeit ſich bildenden Eihäuten und dem Fruchtwaſſer durch die Scheide nach Außen
befördert.
[29]Die Züchtung.
II.
Die Züchtung.
Die verſchiedenen Thierarten werden durch die Paarung fortgepflanzt1). Die
weitere Entwickelung des Thieres hängt jedoch nicht nur von der Beſchaffenheit der
Elternthiere, welche zur Fortpflanzung verwendet werden, ſondern auch von
außerhalb des Thieres liegenden äußeren Einflüſſen ab. Letztere können entweder natür-
liche oder künſtlich geſchaffene ſein; beide nehmen auf die Fortentwickelung des Thieres,
auf ſeine Aufzucht, beſtimmenden Einfluß.
1. Die Fortpflanzung.
Ueber die Verwendung der Thiere zur Fortpflanzung entſcheidet die genaue
Erwägung des Züchtungszweckes. Letzterer führt zur richtigen Wahl unter den ver-
ſchiedenen Thieren einer Art und unter den verſchiedenen Thierindividuen. Mit Be-
ziehung auf jene iſt der Begriff der Race und mit Beziehung auf dieſe die Methode
der Züchtung zu erörtern. Weiterhin ſind die ausgewählten Thiere zu paaren und
ſchließlich das Reſultat der Paarung, welches in der Vererbung zum Ausdrucke
gelangt, zu beobachten. Bei der Entſtehung eines Thieres ſind daher zu beachten:
1. der Züchtungszweck, 2. der Racebegriff, 3. die Zuchtmethode, 4. die Zeugung
und Vererbung, und 5. das Exterieur.
1. Der Züchtungszweck.
Unter Züchtung hat man nach Settegaſt2) „die von Grundſätzen ausgehende
und ſich der Ziele bewußte Paarung der Hausthiere zu verſtehen. Sie hat den
Zweck, von den vorhandenen Zuchtthieren eine möglichſt zahlreiche, kräftige und geſunde
Nachkommenſchaft — Nachzucht — zu gewinnen, in welcher die Vorzüge der Eltern
thunlichſt conſervirt, deren etwaige Fehler und Mängel dagegen verdrängt ſind.“ Sie
bezweckt daher die Heranbildung von Thieren, welche entweder für beſtimmte, zeit-
gemäße Verhältniſſe die größte Verwerthung verſprechen, oder überhaupt die höchſte
Leiſtungsfähigkeit, abgeſehen von dem wirthſchaftlichen Erfolge, erwarten laſſen. Im
erſteren Falle handelt es ſich vornehmlich um die einſeitige Steigerung gewiſſer
Nutzungseigenſchaften, während im letzteren Falle auch die Schönheit und Harmonie
der Form meiſt unabhängig von dem augenblicklichen Vortheile in Berückſichtigung zu
ziehen ſind. Gewöhnlich werden beide Richtungen eingehalten, ſehr häufig jene bei
[30]Allgemeine Thierzuchtlehre.
der Gewinnung von Nutzthieren, dieſe bei der Gewinnung von Zuchtthieren.
Letzteres höheres Ziel erfordert einen viel größeren Aufwand von Intelligenz und
Capital. Mit Bezug auf die Leiſtungsfähigkeit kann der Zweck der Züchtung je nach
der verſchiedenen Thierart entweder auf die Nutzung durch Arbeitsleiſtung, auf die
Gewinnung von Milch, Fleiſch und Fett, von Wolle ꝛc., oder auf die Vereinigung
einiger oder mehrerer Nutzungseigenſchaften gerichtet ſein. Die Züchtung ſchafft jedoch
immer nur eine unerläßliche Vorbedingung, welcher die entſprechende Haltung und
Fütterung nach zu folgen hat, ſoll das angeſtrebte Ziel erreicht werden.
2. Der Racebegriff.
Um die Unterſcheidung der einzelnen organiſchen Weſen zu ermöglichen iſt eine Zu-
ſammenfaſſung derſelben in Gruppen je nach ihren gemeinſchaftlichen Eigenſchaften
erforderlich. Die Individuen werden demnach in Reiche, Claſſen, Ordnungen, Familien,
Gattungen (Sippen oder Geſchlechter) und in Arten eingereiht. Die Arten umfaſſen alle
jene Einzelweſen, welche ſich gleichen und untereinander fruchtbar fortpflanzen; ſie ſind
jedoch nach den Forſchungen Charles Darwin’s1) nicht unabänderlich, ſondern erleiden
durch äußere auf ſie einwirkende Umſtände und die natürliche Auswahl im Kampfe
um’s Daſein in langen Zeiträumen mannigfaltige Abänderungen, die aus der
urſprünglich einen Art zur Bildung einer Spielart, einer Abart und ſelbſt einer
neuen Art führen.
Der Landwirth geht in der Unterſcheidung noch weiter, indem er in der Art
auch noch Abarten oder Racen, Schläge, Spielarten, Stämme, Zuchten, Familien und
endlich die Individuen unterſcheidet. Dieſe Unterabtheilungen ſind jedoch noch viel
weniger als die Art oder ſelbſt noch die Race als etwas Unabänderliches anzuſehen,
ſie weiſen vielmehr die verſchiedenſten Uebergänge auf. Es läßt ſich daher für
dieſelben kaum eine allgemein giltige Definition feſtſtellen.
Mit dem Ausdrucke „Race“ bezeichnet man die Geſammtheit von Thieren
einer Art, welche ſich durch ihre Körperformen und ihre Nutzungseigenſchaften von
Anderen auffallend unterſcheiden und dieſe Eigenſchaften ſelbſt dann auch auf ihre Nach-
kommenſchaft übertragen, wenn ſie unter andere äußere Einflüſſe kommen, als in
ihrer Heimath beſtehen. Thierindividuen, welche einer anerkannten Race angehören,
werden als Racethiere und wenn ſie von dem Orte ihres natürlichen Vorkommens
genommen werden, als Originalracethiere bezeichnet. Sind die Eigenſchaften
der in einer Gegend vorkommenden Thiere nicht ſo erheblich und charakteriſtiſch, um
eine eigene Race aufſtellen zu können, ſo faßt man ſie unter der Bezeichnung
Schlag zuſammen, welcher Ausdruck übrigens auch zur Bezeichnung der durch-
[31]Die Züchtung.
ſchnittlichen Thiergröße („leichter“, „ſchwerer Schlag“) gebraucht wird. Thiere, welche
durch beſonders glückliche Zucht die günſtigen Eigenſchaften der Race, welcher ſie an-
gehören, in hervorragendem Maße entwickeln und auf ihre Nachzucht vererben, werden
als Stamm, hochgezogener Stamm, und deren Züchtung als Stamm-
thierzucht bezeichnet. Innerhalb des Stammes werden wieder einzelne Zuchten
oder Heerden und innerhalb der Heerden Gruppen von Individuen von gleicher
Abſtammung als Familie unterſchieden.
Wie ſpäter näher ausgeführt werden ſoll, iſt jedes Thier das Product aus der
Summe der von ſeinen Eltern und Voreltern ererbten und erworbenen Eigen-
ſchaften und jener Eigenſchaften, die es ſich durch Anpaſſung an äußere Verhältniſſe
(als Bodenerhebung und Beſchaffenheit, Klima, Nahrung, Benutzung, Bewegung ꝛc.)
erworben hat. Dieſelben Einflüſſe wirken auch auf die Abänderung der Thier-
gruppen, der Racen, und führen ſelbſt, wenn ſie ſich durch genügend lange Zeiträume
geltend machen, zur Bildung neuer Racen. Der Zeitraum, welcher zur Abänderung
der Racen erforderlich iſt, wird weſentlich abgekürzt durch das Hinzuthun des
Menſchen, welcher auf die Entwickelung abweichender Eigenſchaften ſowohl durch die
Aufzucht und Fütterung, als auch durch die Auswahl der Zuchtthiere, beſonders durch
die Paarung von Thieren einwirken kann, welche verſchiedenen Racen angehören und
deren Producte dann weiter fortgezüchtet werden. Unter der Einwirkung der natür-
lichen Einflüſſe entſtehen die natürlichen Racen, welche, wenn ſie ſich durch keine
beſonderen Nutzungs- und Körpereigenſchaften auszeichnen, auch als primitive Racen,
Landracen, Landvieh bezeichnet werden. Unter der Einwirkung der durch den
Menſchen künſtlich hervorgerufenen Einflüſſe entſtehen zunächſt die verſchiedenſten
Uebergangsracen und weiterhin die künſtlichen Racen, Kunſtracen, Cultur-
racen. Hört der günſtige Einfluß auf die Entwickelung der Race auf, ſo verliert
ſie raſch ihre Vorzüge, ſie entartet oder verkümmert. Am deutlichſten und
ſchnellſten tritt dieſe Verkümmerung bei den Culturracen ein. Dieſelben werden daher
von manchen Viehzüchtern nicht als Racen, ſondern bloß als Zuchten angeſprochen.
Erhalten die Thiere durch planloſes Vorgehen des Menſchen kein beſtimmtes Gepräge,
ſo gelten ſie als „racelos.“ Von den raceloſen Thieren ſind jene wohl zu
unterſcheiden, deren Form durch ſich ihres Zweckes bewußte Züchtung noch in der Ent-
wickelung begriffen iſt und die beſtimmt ſind, ſpäterhin eine neue Race zu bilden.
3. Die Zuchtmethode.
Der Zweck der Züchtung wird auf verſchiedenem Wege erreicht und zwar durch
die Reinzucht, durch die Inzucht im weiteren Sinne genommen, durch die Verwandt-
ſchaftszucht, welche als Inzucht im engeren Sinne anzuſehen iſt, oder durch die
Kreuzung.
Unter Reinzucht verſteht man die Paarung von Zuchtthieren, welche einer
Race, oder wenn die Race in weitere Unterabtheilungen zerfällt, einem typiſch
gewordenen Schlage oder Stamme angehören. Die Paarung von Thieren zweier
[32]Allgemeine Thierzuchtlehre.
Stämme ein und deſſelben Schlages oder ein und derſelben Race, ſowie zweier ver-
ſchiedener Racen wird dagegen als Kreuzung bezeichnet. Werden Kreuzungs-
producte, ohne Einmiſchung fremden Blutes, daher innerhalb der Zucht oder Heerde,
jedoch nicht unter nahe verwandten Thieren gezüchtet, ſo ergibt ſich die Inzucht im
weiteren Sinne. Dieſelbe wird erſt zur Reinzucht, wenn ſich ein feſt typirter
Charakter, der zur Aufſtellung eines neuen Stammes führt, ausgebildet hat.
Erfolgt die Paarung innerhalb einer Familie, ſomit unter verwandten Indivi-
duen, ſo ergibt ſich die Inzucht im engeren Sinne oder die Verwandtſchafts-
zucht, Familienzucht, welche bei weiterer Beſchränkung in der Auswahl zur In-
ceſtzucht oder zur Paarung naher oder nächſter Blutsverwandter ausartet.
Um dieſe Unterſchiede leichter verſtändlich zu machen, wollen wir dieſelben an beſtimmten
Beiſpielen erörtern. Zur Paarung ſoll der Bock Nr. 135 verwendet werden, deſſen Ab-
ſtammung die folgende iſt:
Individuum: Bock Nr. 135,
Familie: Nach Schaf Nr. 314,
Zucht (Heerde): Oſchatz,
Stamm: Lohmen,
Schlag: Electoral,
Race: Merino.
Je nachdem derſelbe z. B. mit folgenden Schafen gepaart wird, ergeben ſich die nach-
ſtehenden Zuchtmethoden:
Paarung innerhalb
blutsverwandter Individuen: mit ſeiner Mutter Nr. 314 . Inceſtzucht,
Familie: mit einem Schafe aus der Familie Nr. 314 Inzucht im engeren Sinne
(Verwandtſchaftszucht),
Zucht: mit einem nicht verwandten Schafe aus der
Heerde Oſchatz . . . . . . . . . . Inzucht im weiteren Sinne,
Stamm: mit einem Schafe aus einer anderen Electoral-
heerde, welche jedoch von der gleichen Stamm-
ſchäferei in Lohmen abſtammt . . . . . Reinzucht,
Schlag: mit einem Negrettiſchafe . . . . . . . Kreuzung,
Race: mit einem Zackelſchafe . . . . . . . . Kreuzung.
Durch die Reinzucht und Inzucht im weiteren Sinne wird das Züchtungsziel
am ſicherſten und vollkommenſten erreicht. Die Befeſtigung gewiſſer Eigenſchaften
wird allerdings raſcher durch die Verwandtſchaftszucht ermöglichet. In um ſo engerem
Kreiſe ſich die letztere bewegt, um ſo bedenklicher werden jedoch andererſeits die Nach-
theile, welche mit dieſer Zuchtmethode verbunden ſind. Dieſelbe führt entweder zur
Unfruchtbarkeit der Thiere oder zu einer vollſtändigen Decimirung durch das Auftreten
erblicher Krankheiten. Machen ſich bei irgend einer Zucht derartige bedenkliche
Erſcheinungen geltend, ſo hilft dagegen einzig allein die Paarung mit einem männ-
lichen, einer fremden Heerde entnommenen, demſelben Typus angehörigen Racethiere,
ein Vorgang, für welchen der Ausdruck „Auffriſchung des Blutes“ gebraucht
wird. Unter „Blut“ verſteht der Thierzüchter den Antheil an Raceeigenſchaften,
welchen das Thier durch die Zeugung erhalten hat.
[33]Die Züchtung.
Die Zuchtreſultate, zu welchen die Kreuzung führt, ſind nach Settegaſt1) die
Kreuzung zur Erzeugung von Gebrauchsthieren, zur Neubildung von Racen, zur
Umbildung von Racen und die Veredelungs-Kreuzung. Bei der erſteren Kreuzungs-
methode entnimmt der Züchter ſeine Zuchtthiere anderen Zuchtheerden, um die ent-
ſtehenden Produkte als Gebrauchsthiere zu verwenden. Ein höheres Ziel wird da-
gegen durch die Kreuzung zur Neubildung der Racen angeſtrebt. Bei dieſer Art der
Kreuzung werden nicht nur zwei, ſondern auch drei und mehr Racen zu einer neuen
Zucht verwendet; ſobald deren Produkte eine gewiſſe Conformität erlangt haben,
ſucht man dieſelbe durch Inzucht im weiteren Sinne zu befeſtigen. Gehen Racethiere
in ihren Eigenſchaften zurück, ſo läßt ſich dies oft durch einmalige Kreuzung mit einer
anderen Race, durch die Einmiſchung fremden Blutes, verhüten; iſt die Umbildung
der Race erfolgt, ſo wird dann wieder zur Inzucht zurückgegangen. Gegenüber
den eben erwähnten Kreuzungsverfahren erreicht die Züchtung ihren Höhepunkt in
der Veredelungskreuzung. Dieſelbe bezweckt nicht nur die Schaffung neuer,
ſondern auch die Verdrängung alter ungeeigneter Eigenſchaften durch entſprechende
Verwendung von Vollblut. „Der Culminationspunkt der Schönheit beziehentlich des
Adels (Zweckmäßigkeit und Leiſtungsfähigkeit) iſt, als Typus einer anerkannten Race
auftretend, Vollblut.“ Durch Verwendung deſſelben zur Veredelung kann das
unedle oder gemeine Blut, nach der Annahme der Züchter gewöhnlich in der achten
bis zehnten Generation, ſo weit verdrängt ſein, daß das Produkt gleichfalls als Voll-
blut anerkannt werden kann. Bis dahin ergeben ſich zahlreiche Uebergänge, für deren
Bezeichnung immer nur der jeweilige Antheil des Thieres an Vollblut berückſichtigt
wird, während das unedle Blut unberückſichtigt bleibt. Vollblut gepaart mit
- unedlem Blute gibt daher in 1. Generation ½ Blut,
- ½ „ „ „ „ 2. „ ¾ „
- ¾ „ „ „ „ 3. „ ⅞ „
- 7/8 „ „ „ „ 4. „ 15/16 „
- 15/16 „ „ „ „ 5. „ 31/32 „
- 31/32 „ „ „ „ 6. „ 63/64 „
- 63/64 „ „ „ „ 7. „ 127/128 „
- 127/128 „ „ „ „ 8. „ 255/256 „2).
4. Die Zeugung und Vererbung.
In welcher Weiſe bei der Zeugung durch die Vermiſchung der männlichen und
weiblichen Zeugungsſtoffe die Anregung zur Bildung eines neuen Organismus gegeben
wird, wurde bereits unter „Das Geſchlechtsleben des Thieres“, S. 27, ſoweit die
gegenwärtige Erkenntniß reicht, angedeutet.
Krafft, Lehrb. d. Landw. III. 3
[34]Allgemeine Thierzuchtlehre.
Ein Geſetz, welches die Uebertragung der Eigenſchaften der Elternthiere auf die
Nachkommen für alle Fälle im vorhinein vorausſehen läßt, ein Vererbungsgeſetz
gibt es nicht. Zur Zeit iſt es nicht möglich anzugeben, welchen Einfluß der Samen-
faden und welchen das Eichen auf die Geſtaltung des Jungen ausübt, oder
mit anderen Worten, welche Eigenſchaften und Formen von dem Vater-, welche von
dem Mutterthiere in den Nachkommen ſich wiederfinden; nur ſo viel ſteht feſt, daß
Beide Antheil an der Geſtaltung des neuen Weſens haben, bald das Eine, bald das
Andere mehr. Einzelne Formen werden gar nicht vererbt; ſo vererbt nur Eines
der beiden Elternthiere ſein Geſchlecht und jene Eigenthümlichkeiten, welche zum
Geſchlechtscharakter des Thieres gehören. Welche Momente die Geſchlechtsbil-
dung bedingen, läßt ſich jedoch mit Sicherheit nicht angeben. Es iſt zweifelhaft, ob
das Geſchlecht des neuen Weſens im Eichen bereits vor oder erſt nach dem Zu-
ſammenkommen mit dem Samenfaden feſtgeſtellt iſt, ebenſo ungewiß bleibt es, ob
das Eichen oder der Samenfaden für die Geſchlechtsbildung den Ausſchlag gibt.
Von den zahlreichen Meinungen über die Urſachen der Geſchlechtsbildung ſeien
die verbreitetſten hervorgehoben. Nach Profeſſor Thury in Genf hängt das Geſchlecht
von der Reife des Eies im Augenblicke der Befruchtung ab. Eichen, welche bei der
Befruchtung noch nicht einen gewiſſen Reifegrad erreicht haben, geben Weibchen;
Eichen, welche zur Zeit der Befruchtung dieſen Reifegrad bereits überſchritten haben,
geben dagegen Männchen. Nach Thury ſoll daher das Mutterthier, wenn es ſich zu Anfang
der Brunſt begattet, meiſtens weibliche, dagegen, wenn die Begattung am Ende der
Brunſt ſtattfindet, männliche Früchte geben. Nach Andern wird dem Altersverhältniſſe
und dem Kraftzuſtande der Zeugenden ein maßgebender Einfluß zugeſchrieben. Das
jugendliche Alter beider Zeugenden ſoll mehr die Hervorbringung weiblicher, das
höhere Alter männlicher Früchte begünſtigen. Aeltere Mutterthiere ſollen mit jüngeren
Vaterthieren mehr männliche, im umgekehrten Falle mehr weibliche Früchte erzeugen.
Zuchtthiere in übereinſtimmendem Alter ſollen durchſchnittlich gleich viel männliche und
weibliche Nachkommen liefern. In Betreff des Kraftzuſtandes ſoll das kräftiger ge-
nährte, weniger abgearbeitete, durch ſeltenere Begattung geſchonte Individuum ſein
Geſchlecht vorzugsweiſe vererben. Alle dieſe Angaben können jedoch nur als Ver-
muthungen hingeſtellt werden, für deren Stichhaltigkeit erſt der Beweis zu erbringen iſt.
Das Junge wird nach dem früher Angeführten niemals den Elternthieren gleich,
ſondern nur ähnlich. Der praktiſche Züchter drückt dies mit den Worten aus „Aehn-
liches mit Aehnlichem gepaart gibt Aehnliches“ und mit Rückſicht darauf, daß ſich
die Eigenſchaften der Elternthiere im Kinde vereinigt wiederfinden, mit den Worten
„Ungleiches mit Ungleichem gepaart gibt Ausgleichung.“ Die Ausgleichung eines
Fehlers darf jedoch nicht durch den entgegengeſetzten Fehler, ſondern nur durch ein dem
Fehlerhaften entgegengeſetztes Normale angeſtrebt werden. Es hat daher dieſer
Satz richtiger zu heißen: „Fehlerhaftes mit Fehlerfreiem gepaart gibt Ausgleichung.“
Nächſt der Vererbung wirken jedoch noch andere äußere Einflüſſe: Nahrung,
Haltung, Klima ꝛc. auf die Geſtaltung des Thieres ein. Das Thier ſucht ſich mit
ſeinen Charakteren dieſen äußeren Verhältniſſen anzupaſſen, es iſt daher ein Produkt
[35]Die Züchtung.
von ererbten und erworbenen Charakteren. Bei der Fortpflanzung vererbt
das Thier auf ſeine Nachkommen nicht nur jene Eigenſchaften, welche daſſelbe von
ſeinen Eltern ererbt (erhaltende, conſervative Vererbung), ſondern auch einen Theil
jener Eigenſchaften, welchen es ſich ſelbſt durch Anpaſſung erworben hat (fortſchrei-
tende, progreſſive Vererbung)1). In welcher Weiſe ſich die ererbten Eigenſchaften
gegenüber den bei der weiteren Entwickelung des Thieres ſich geltend machenden Ein-
flüſſen verhalten, ob ſie durch dieſe Einflüſſe gefördert oder unterdrückt werden, läßt
ſich gleichfalls nicht vorausſehen. Tritt eine Förderung ein, ſo können Eigenſchaften,
welche in den Großeltern vorhanden waren, die in den Elternthieren aber ruhten,
wieder in Erſcheinung treten. Dieſes Vorkommen, wobei die Individuen mehr den
Großeltern als den Eltern gleichen, bezeichnet man als Rückſchläge, Atavismus,
nach Rueff auch als Generations-Rückſchläge. Die Aenderung der Eigenſchaften kann
jedoch auch durch das Auftreten neuer, bis dahin nicht dageweſener Eigenſchaften, durch
Neubildungen der Natur herbeigeführt werden. Dieſe Neubildungen werden
meiſt durch eine über das gewöhnliche Maß hinausreichende Vererbungskraft des
betreffenden Individuums, durch deſſen Individualpotenz, auf die Nachkommen
übertragen und geben ſo die Veranlaſſung zur Fortentwickelung und Umbildung der
Heerde, des Stammes, Schlages oder ſelbſt der Race. Dieſe größere Vererbungs-
kraft bleibt jedoch immer nur auf das Individuum beſchränkt, ſie wird niemals, wie
man nach der veralteten Conſtanztheorie annahm, Gemeingut einer Race. Unter
Conſtanz verſtand man die erprobte Sicherheit, ſowohl der Race als auch der Stämme
und der einzelnen Thiere, ihre Eigenſchaften und Formen auf ihre Nachkommen zu
übertragen. Bei der Züchtung wurde daher das Hauptgewicht auf die Abſtammung,
das Alter und die Reinheit der Race, welcher das Zuchtthier angehört, gelegt. Durch
Kreuzungen ſollte niemals eine conſtante Nachzucht erzielt werden können. Nach den
Beobachtungen der Neuzeit und der feſtſtehenden Wahrheit der Veränderungsfähigkeit der
Racen hat ſich die Richtigkeit der Raceconſtanztheorie als unhaltbar ergeben2). Das
Ziel der Züchtung bleibt ſtets die Vervollkommnung der Thiere und die Erhöhung
ihrer Leiſtungsfähigkeit. Sie ſucht die einzelnen Individuen in ihren Eigenſchaften
mit dem vorgeſteckten Ziele in Uebereinſtimmung zu bringen, Conformität aller
Thiere einer Race zu erreichen. Läßt der Einfluß des Züchters nach, d. h. wird die
Auswahl der Zuchtthiere vernachläſſigt, ſo iſt der Rückgang unvermeidlich, er wird
durch die vermeintliche Conſtanz der Race nicht aufgehalten. Bei der Auswahl der
3*
[36]Allgemeine Thierzuchtlehre.
Elternthiere wird man desungeachtet nicht nur die Eigenſchaften der Individuen,
ſondern auch ihre Abſtammung in Betracht ziehen, da es nicht gleichgiltig ſein kann,
ob z. B. die ausgewählten Individuen dem Vollblute oder Halbblute angehören.
Die Reinheit der Race bleibt dagegen ohne beſonderen Einfluß auf die Vererbung.
Bei der ſpeciellen Auswahl der Zuchtthiere wird man bei jener des männ-
lichen Thieres mit beſonderer Sorgfalt vorzugehen haben. Wenn auch dem
männlichen Thiere kein überwiegender Einfluß auf die Vererbung zuerkannt werden
kann, ſo überträgt es doch ſeine Charaktere auf eine größere Anzahl von Nachkommen,
während das Mutterthier in den meiſten Fällen nur auf die Entſtehung je eines
Individuums Einfluß nimmt.
Bei der Auswahl der Zuchtthiere handelt es ſich nicht allein um die äußere
Form, ſondern auch um die Kenntniß der Nutzungseigenſchaften, welche mit der Form
in Verbindung ſtehen. Für letztere wird die äußere Erſcheinung des Thieres allein
nicht immer den ſicherſten Anhalt gewähren. Es wird in dieſer Beziehung verläß-
licher ſein, nicht nur die Leiſtungsfähigkeit des Individuums, ſondern auch die ſeiner
Voreltern zu berückſichtigen. In dieſer Beziehung werden dem Züchter zweckentſprechend
angelegte Stamm- und Züchtungs-Regiſter eine ſehr werthvolle Stütze für
ſeine Beſtrebungen abgeben. In dieſelben iſt nicht nur die Abſtammung des Zucht-
thieres, ſondern auch ſeine Beſchreibung, ſeine Leiſtungsfähigkeit mit Rückſicht auf
ſeinen Gebrauchs- und Zuchtwerth aufzunehmen. Derartige Stammbücher ſind
unerläßlich zur individuellen Zutheilung der Zuchtthiere oder zur ſogenannten Paa-
rung aus der Hand. Letztere allein ermöglicht wieder die Erreichung höherer
züchteriſcher Ziele. In Ländern, in welchen die Entwickelung der Viehzucht eine höhere
Stufe erreicht hat, werden insbeſondere über die männlichen Zuchtthiere und über die
Charaktere der einzelnen Heerden öffentliche „Heerdbücher“1) geführt.
Von den männlichen und weiblichen Zuchtthieren verlangt man ſchließlich im
Allgemeinen: 1. vollkommene Geſundheit und rege Lebensthätigkeit, 2. daß ſie die
gewünſchten Nutzungseigenſchaften in möglichſter Vollkommenheit beſitzen, 3. Vererbungs-
fähigkeit und 4. proportionirten Körperbau.
5. Das Exterieur.
Bei der Wahl eines Thieres zur Zucht handelt es ſich, wie oben bemerkt, vor
Allem darum, ob das betreffende Thier jene Nutzungseigenſchaften beſitzt, welche
durch die Zucht vorzugsweiſe angeſtrebt werden. Dieſe Nutzungseigenſchaften werden
erſt durch die Nutzung des Thieres bekannt. Oft iſt es jedoch erforderlich, wie
z. B. bei dem Ankaufe eines Zuchtthieres, bei der Auswahl unter den zur Auf-
zucht beſtimmten jungen Thieren, einen ungefähren Anhaltspunkt für die nicht be-
[37]Die Züchtung.
kannte Leiſtungsfähigkeit zu beſitzen. Wenn auch die Race, welcher das Thier angehört,
einen Anhalt für die zu erwartenden Nutzungseigenſchaften gewährt, ſo gibt es doch
Ueberſicht des Pferdeſkeletes. — Siehe den Text.
unter den Racethieren minder werthvolle und ſelbſt mangelhafte Thiere. Für dieſen
Fall hat man ſich daher nach einem anderen Maßſtabe für die Beurtheilung der
Leiſtungsfähigkeit umzuſehen. Dieſen Maßſtab bietet die äußere Körperform eines
[38]Allgemeine Thierzuchtlehre.
Thieres, das Exterieur1) deſſelben, nachdem die Entwickelung der Formen im
engſten Zuſammenhange mit der Ausbildung jener inneren Organe ſteht, von welchen
meiſtens die Größe der Leiſtung abhängt. Umgekehrt wird bei der innigen Beziehung
zwiſchen Körperform und Leiſtung durch beſondere Bevorzugung einer Körperform
bei der Auswahl der Zuchtthiere eine Steigerung der Nutzungseigenſchaften herbei-
geführt. Es erhellt daraus die große Bedeutung des Exterieur’s für die Züchtung.
Am weiteſten ausgebildet iſt die Lehre vom Exterieur bei der Pferdezucht und
bei der Wollſchafzucht, nachdem beim Pferde hauptſächlich nur eine Leiſtung, die
Kraftentwickelung beim Laufen und Ziehen, gefordert wird, während bei dem Schafe
das Vließ eine unmittelbare Beurtheilung zuläßt. In neuerer Zeit ſchenkt man jedoch
auch dem Exterieur des Rindes, welches eine mannigfaltigere Nutzung gewährt, und
dem Exterieur des Fleiſchſchafes eine erhöhte Aufmerkſamkeit.
Charolaiſer Bullen. Nach einer photographiſchen Abbildung.
Die Grundlage des Thierkörpers, von welcher die Form deſſelben abhängt,
bildet das Knochenſkelet. An demſelben unterſcheidet man, Fig. 21, S. 37,
folgende Theile:
A Schädel und Geſichtsknochen, B Unterkiefer, C erſter Halswirbel, D zweiter
Halswirbel, E untere fünf Halswirbel, F Rückenwirbel, G Lendenwirbel, H Kreuz-
bein, I Schweifwirbel, J Schulterblatt, K Armbein, L Vorarm, M N Vorderfuß-
[39]Die Züchtung.
wurzelknochen, O Vordermittelfußknochen, P Feſſelbein, Q obere Seſambeine, R Kronen-
bein, S Hufbein, T Rippen, U Becken, V Oberſchenkelbein, X Knieſcheibe, Y Unter-
ſchenkelbein, Z Sprunggelenksknochen, a Hintermittelfußknochen, b Feſſelbein, c obere
Seſamknochen, d Kronenbein, e Hufbein, f Nackenband, 1 Jochbogen, 2 Augen-
höhle, 3 Naſenbein, 4 Schneidezähne, 5 Backenzähne, 6 Schulter-Armbeingelenk,
7 Gräte, 8 Grätengrube des Schulterblattes, 9 Schulterblattknorpel, 10 Umdreher
des Armbeines, 11 Ellenbogenbein, 12 Rippenknorpel, 13 äußerer Winkel des
Armbeines, 14 Sitzbeinhöcker, 15 oberer, 16 unterer Umdreher des Oberſchenkelbeines,
17 Kniegelenk, 18 Gräte des Unterſchenkelbeines, 20 Wadenbein.
Aeußerlich unterſcheidet man an dem Thierkörper: den Kopf, den Rumpf und
die Gliedmaßen. Jedem dieſer drei Theile entſpricht eine Grundlage von beſonderen
Knochen, deren Namen vorhin angegeben wurde. Die äußeren Formen des Thier-
körpers, Fig. 22, S. 38, erhalten ungeachtet ihrer engſten Beziehung zu dem Knochen-
gerüſte eine abweichende Bezeichnung und zwar:
I.Theile des Kopfes: Am Schädel: 1 die Stirnbeinkante oder der
Scheitel, 2 die Stirn, 3 die Schläfe, 4 die Ohren, zwiſchen dieſen beim Pferde der
Schopf; am Geſicht: 5 die Augen mit den Augenlidern, 6 die Ganaſchen oder
Backen, 7 die Naſe mit den beiden Naſenlöchern, beim Pferde die Nüſtern, 8 die
Vorderlippe, beim Rindviehe das Flotzmaul, beim Schweine der Rüſſel, 9 die Hinter-
lippe mit dem Kinne, 10 der Kehlgang;
II.Theile des Rumpfes: 11 das Genick, 12 der Kamm, beim Pferde
mit der Mähne, 13 die Seitentheile des Halſes, 14 der Bug oder Widerriſt, 15 der
Rücken, 16 die Lenden, Nierenpartie, 17 das Kreuz oder die Kruppe, 18 die Schwanz-
wurzel, 19 die Hüften, vor derſelben die Hungergrube, 20 die Flanken oder Weichen,
21 der Bauch, 22 der Schlauch, die Nabelgegend, 23 der Bruſtkaſten, 24 die Bruſt,
25 die Bruſthautfalte, Wanne, Wamme, Koder oder Triel, 44 die Bauchhautfalte,
der Schenkelbogen, unterhalb der Hodenſack, beim Pferde das Geſchröte, oder das
Euter, beim Schweine Zitzen, hinten das Mittelfleiſch oder der Damm;
III.Theile der Gliedmaßen: 26 die Schulter, 27 das Schulter- oder
Buggelenk, 28 der Ellenbogen, 29 der Vorderarm, 30 das Vorderknie, 31 die Vor-
derröhre oder das Vorderſchienbein, 32 das Feſſelgelenk, 33 die Feſſel, 34 die Krone,
35 die Klauen, Hufe, 36 die Ballen, 37 die Kniekehle, 38 der Oberſchenkel,
Hinterbacken, 39 der Unterſchenkel, die Hoſe, 40 das Kniegelenk oder Hinterknie,
41 das Sprunggelenk, 42 die Ferſe oder Hacke, 43 die Hinterröhre oder das Hinter-
ſchienbein.
Nach dem Vorgange der engliſchen Viehzüchter bezeichnet Settegaſt einen Thier-
körper als harmoniſch gebaut, wenn die äußere Begrenzung des Rumpfes innerhalb der
Seiten eines Parallelogrammes fällt. Dieſes Parallelogramm, Fig. 23, S. 40, A D H E
wird gebildet, wenn man eine wagrechte Linie A B C D durch die Mitte des Wider-
riſtes a nach der Schwanzwurzel D und parallel zu ihr eine zweite vom Ellenbogen
b nach dem Hintertheile zieht und dieſe Parallele vorne durch die Senkrechte A H, welche
[40]Allgemeine Thierzuchtlehre.
die Bugſpitze berührt, und hinten durch die Senkrechte E D, welche ſich an die Spitze
des Sitzbeines anlehnt, verbindet. Dieſes Parallelogramm kann nun weiter in
drei gleiche Theile getheilt werden, von welchen der erſte durch die Senkrechte B G
hinter der Schulter abgegrenzte Theil A B H G, die Reſpirations-Organe, der zweite
Shorthorn-Kuh nach einer photographiſchen Abbildung. — a Widerriſt, b Ellbogen,
c Sohle, d Kruppe, e Sohle, f Stirnbeinkante, f a Halslänge, a c Rückenlänge, c f Kreuzlänge, c a Höhe
des Thieres, a b Höhe des Rumpfes (Bruſttiefe), b c Höhe des Ellenbogens (Beinlänge).
durch die Senkrechte C F vor der Hüfte abgegrenzte Theil B C G F, die Verdauungs-
Organe und der dritte durch die Senkrechte D E hinter dem Sitzbeine abgegrenzte
Theil C D F E, die Fortpflanzungsorgane umfaßt.
Aehnliche Parallelogramme können nun wie an den beiden Seiten des Thieres
an der Bruſt, an dem Hintertheile, dem Rücken und dem Bauche gedacht werden, ſo
[41]Die Züchtung.
zwar, daß der Rumpf von 4 Parallelogrammen eingeſchloſſen wird oder bei dem
normal gebauten Thiere ein Parallelopipedon bildet.
Settegaſt theilt weiter die Linie A D in 24 Theile. Der 1/24 Theil der Länge
des Thieres dient ihm als Einheit für den Maßſtab zur Beſtimmung der richtigen
Höhe, Bruſttiefe und Breite des Körpers. Bei dem normal gebauten Thiere ſollen
auf die Theile von der Bugſpitze bis dicht hinter der Schulter A B, vom hintern
oberen Schulterrande bis zur Hüfte B C und von der Hüfte bis zum Sitzbeine C D
je 8 Einheiten entfallen.
Die durch das Parallelopipedon gegebene, harmoniſche Geſtalt oder Grund-
geſtalt des Thieres erleidet jedoch je nach den verſchiedenen Nutzungszwecken
mannigfaltige Abänderungen in den Maßenverhältniſſen. Bei der in Fig. 23 ab-
gebildeten Shorthorn-Kuh übertrifft z. B. das hintere Rechteck C D F E um das
Rechteck D f E g die beiden vorderen Rechtecke, nachdem am Hintertheile das werthvollſte
Fleiſch abgelagert iſt, während gleichzeitig die Höhe der Kruppe e d jene des Wider-
riſtes c a übertrifft.
Settegaſt1) trägt dieſen Abweichungen inſofern Rechnung, als er für normal
gebaute Thiere je nach den Nutzungszwecken folgende Proportionen angibt:
Von manchen Züchtern werden dieſe Proportionen des normal gebauten
Thierkörpers als nicht ſtichhaltig anerkannt. Dieſen Züchtern iſt die Form gewiſſer
Körperpartien das ſicherſte Kennzeichen für die Leiſtungsfähigkeit der auszuwählenden
Zuchtthiere. Der engliſche und mit dieſem der deutſche Züchter bezeichnet dieſe Formen,
welche die Ausbildung der nutzbaren Organe gewährleiſten, mit dem Worte: Points.
Bei der Züchtung nach Points darf jedoch die einſeitige Ausbildung der nutzbaren
Körpertheile niemals ſoweit gehen, daß dadurch andere Körperpartien zurückgeſetzt werden,
daß eine Ueberbildung eintritt, die ſtets die Geſundheit des Thieres in Frage ſtellt.
[42]Allgemeine Thierzuchtlehre.
2. Die Aufzucht.
Außer den ererbten Eigenſchaften erwirbt ſich das werdende Thier durch An-
paſſung und Abänderung in Folge von Einwirkungen der umgebenden Außenwelt neue
Eigenſchaften. Als allgemeine Urſache für die vererbten Eigenſchaften ergibt ſich die
Uebertragung der elterlichen Materie auf den kindlichen Körper, die Fortpflanzung, und
für die Thatſache der Anpaſſung oder Abänderung, die Thätigkeit der Ernährung oder
des Stoffwechſels im weiteſten Sinne genommen. Auf die Anpaſſung oder Ab-
änderung hat nicht nur die Beſchaffenheit des Klimas und des Bodens, ſondern auch
der Züchter durch die Verabreichung verſchiedenartiger Nahrung und durch die Pflege und
Haltung beſtimmenden Einfluß. Klima und Boden des Aufenthaltsortes laſſen ſich
nicht ſo leicht abändern, dieſe natürlichen Einflüſſe auf die Geſtaltung der thieriſchen
Organismen entziehen ſich daher der Einwirkung des Menſchen. Um ſo mehr kann der
Züchter durch die künſtlichen Einflüſſe von Futter und Haltung, durch die Aufzucht,
eine Abänderung der Eigenſchaften des Thieres herbeiführen.
Der Einfluß des Züchters durch die Aufzucht hat nicht erſt von der Geburt,
ſondern ſchon von dem Zeitpunkte der Befruchtung an zu beginnen.
Die Weiterbildung der Eizelle zum Embryo, Fötus und zur reifen Frucht iſt
ſtets mit einem Stoffverbrauche verbunden, welchen das Mutterthier zu erſetzen hat.
Auf das Junge kann daher ſchon durch entſprechende Ernährung und Haltung des
Mutterthieres während deſſen Trächtigkeit, d. h. in der Zeit von der Befruchtung
bis zur Geburt, ein mächtiger Einfluß ausgeübt werden. Die trächtigen Mutterthiere
ſind im Allgemeinen reichlicher als gewöhnlich zu füttern, da ſie nicht nur ſich ſelbſt,
ſondern auch noch das Junge zu ernähren haben. Das Futter ſoll überdies die
entſprechende Zuſammenſetzung haben, wie weiterhin unter „Die Fütterung“ ausgeführt
werden wird; es ſoll ein richtiges Verhältniß zwiſchen den Eiweißſtoffen, dem Fett und
den ſtickſtofffreien Nährſtoffen ausweiſen und eine ausreichende Aſchenmenge, beſonders
Phosphorſäure und Kalk, welche für die Knochenbildung des Jungen von Bedeutung
ſind, enthalten.
Bei der Fütterung trächtiger Mutterthiere hat man alle plötzlichen Futter-Ueber-
gänge, welche leicht Durchfälle hervorrufen, zu vermeiden. Aus demſelben Grunde
iſt alles ſchwer verdauliche und verdorbene Futter auszuſchließen. Wenn auch trächtige
Mutterthiere reichlich genährt werden ſollen, ſo dürfen ſie doch nicht gemäſtet werden.
Das Futter ſoll öfters verabreicht werden, damit nicht durch zu große Futtermaſſen
der Verdauungscanal überfüllt werde, nachdem ohnehin ein großer Theil des Raumes
der Bauchhöhle durch das wachſende Junge in Anſpruch genommen wird. Eine Ver-
ringerung des Raumes der Bauchhöhle könnte leicht zu einer vorzeitigen Geburt,
zum Verwerfen, Abortiren führen. Um das Verwerfen hintan zu halten wird man
überdies alles blähende, erfrorene, bereifte, mit Pilzen, insbeſondere mit Brand,
Roſt oder mit Mehlthau befallene Futter von der Fütterung ausſchließen. Das
Mutterkorn, welches auf wildwachſenden Pflanzen häufig vorkommt — Dr. J. Kühn
[43]Die Züchtung.
zählte auf dem Halme eines einzigen Wieſenfuchsſchwanzes 110 Mutterkörner —
beſitzt eine ſpecifiſch Wehen erregende Wirkung und iſt daher oft die Veranlaſſung
des Verwerfens. Trächtige Thiere ſind möglichſt ſchonend zu behandeln, nur mäßig
zur Arbeit zu verwenden und von denſelben alle Schläge und Stöße fernzuhalten.
Iſt der Fötus nach einer gewiſſen Zeit (Trächtigkeitsdauer) ſoweit entwickelt,
daß er ſelbſtſtändig leben kann, reif geworden iſt, ſo wird er durch mehrmaliges
Zuſammenziehen des Tragſackes, durch die Wehen, nach Außen befördert, geboren.
Zuerſt erſcheint bei der Geburt ein Theil der Fruchthaut, die ſogenannte Waſſer-
blaſe, welche weiterhin durch verſtärkte Wehen platzt und das Fruchtwaſſer entleert,
welches die Geburtswege ſchlüpfrig erhält. Hierauf folgt das Junge und zwar zuerſt
der Kopf, welcher zwiſchen den beiden Vorderbeinen liegt, und dann allmählig der
übrige Körper. Bei dem Herabgleiten des Jungen, wenn das Thier ſtehend gebärt,
reißt der Nabelſtrang, welcher die Verbindung des Jungen mit dem Mutterkuchen
vermittelte und durch welchen die Ernährung deſſelben erfolgte. Im Nothfalle iſt
derſelbe oberhalb des Nabels mit der Hand abzureißen. Nach einiger Zeit gehen
auch die Eihäute, die Leder- und Schafhaut und der Reſt der Nabelſchnur als
Nachgeburt ab.
Eine Geburtshilfe iſt nur bei enger Beſchaffenheit des Beckens der Mutter,
beſonders bei gleichzeitig großem Kopfe und Körper des Jungen, bei fehlerhafter
Lage des Jungen erforderlich und in ſchonendſter, ſachverſtändiger Weiſe auszuführen.
Geht bei Fehl- und abnormen Geburten die Nachgeburt nicht ab, ſo iſt ebenfalls
ein thierärztliches Einſchreiten geboten, um gefährliche Krankheitszuſtände zu vermeiden.
Nach der Geburt iſt das Mutterthier gewöhnlich ſehr erſchöpft, weshalb man
demſelben gutes, ſüßes Heu und eine nahrhafte Tränke, meiſt in laues Waſſer ein-
gerührtes Schrot, Oelkuchenmehl und Salz vorſetzen ſoll. Das Junge, welches ganz
durchnäßt zur Welt kommt, wird von der Mutter abgeleckt. Es ſucht alsbald das
Euter zu erreichen, um zu ſaugen. Die Erſtmilch (Coloſtrum ſ. S. 26) iſt dem
Jungen nicht zu entziehen, nachdem dieſelbe eine abführende Wirkung hat und die
während des Aufenthaltes im Tragſacke angeſammelten Stoffwechſelprodukte, das
Mutterpech (Meconium), zur Entleerung bringt. Die weitere gedeihlichſte Nahrung
für das neugeborene Thier iſt die Muttermilch, welche, ſo lange ſie von normaler
Beſchaffenheit iſt, alle jene Beſtandtheile enthält, die zum Aufbaue des thieriſchen
Körpers erforderlich ſind. Im Naturzuſtande entwöhnen ſich die jungen Thiere ſelbſt,
nachdem die Milch in dem Maße, als das Mutterthier wieder trächtig wird und
die Stoffe zur Ernährung des neuen Fötus Verwendung finden, weniger reichlich
abgeſondert wird, bis dieſelbe gänzlich verſiegt. Bei künſtlicher Haltung müſſen die
Jungen wegen der Verwerthung der Milch oft viel früher als dies im Naturzuſtande
geſchieht, entwöhnt, abgeſpänt, abgeſetzt werden. Es geſchieht dies durch Verab-
reichung von Futterſtoffen, welche in ihrer Zuſammenſetzung jener der Milch naheſtehen.
Weiterhin nimmt das Junge allmählig die Futterſtoffe auf, welche von dem Mutter-
thiere verzehrt werden und zwar in dem Maße, als ſich bei der weiteren Ent-
wickelung des Jungen der Verdauungsapparat der veränderten Nahrung anpaßt.
[44]Allgemeine Thierzuchtlehre.
III.
Die Ernährung und Pflege.
Die Züchtung gewährt nur dann den ſicherſten Erfolg in der Thierzucht, wenn
ihr Werk durch ſachgemäße Fütterung und Haltung vervollſtändigt wird. Durch die
Fütterung während der Aufzucht können ſelbſt Züchtungsfehler bis zu einem gewiſſen
Grade vermindert und weniger hervortretend gemacht werden. Iſt das Thier ſoweit
entwickelt, daß es zur Gewinnung von thieriſchen Produkten, wie Milch, Arbeits-
kraft, Fleiſch, Wolle ꝛc. herangezogen werden kann, ſo iſt es Aufgabe der Fütterung
durch richtige Auswahl der Futterſtoffe mit den wirthſchaftlich zuläſſigen, größten
Nährſtoffmengen die höchſte thieriſche Nutzung herbeizuführen.
Die Fütterungslehre 1) hat von der Kenntniß des Futters auszugehen, um
weiterhin die zweckmäßigſte Verwendung deſſelben zur Fütterung ermitteln zu können.
Bei dem Futter ſind zu beachten 1. die Beſtandtheile der Futtermittel, 2. die
Verdaulichkeit der Futternährſtoffe, 3. die Form und Zubereitung des Futters, 4. die
Futterbereitungsmaſchinen, 5. die Futterarten und ihr Nährſtoffgehalt.
Bei der Fütterung ſind zu berückſichtigen 6. die Futtermenge, 7. das Futter-
nährſtoffverhältniß, 8. die Berechnung von Futtermiſchungen und 9. die Verabreichung
des Futters.
Der Erfolg der Fütterung wird ſchließlich durch eine entſprechende Haltung
und Pflege der Thiere weſentlich unterſtützt.
Die Fütterungslehre hat im Verlaufe der Zeit mannigfaltige Wandlungen durch-
gemacht und befindet ſich gegenwärtig in einem noch nicht abgeſchloſſenen Entwickelungs-
ſtadium. In der Hauptſache ſtehen dieſe Wandlungen mit den jeweilig herrſchenden Wirth-
ſchaftsſyſtemen und mit der jeweiligen Erkenntniß der Ernährungsvorgänge im Zuſammen-
hange. Zur Zeit der vorherrſchenden Dreifelderwirthſchaft wurde das Vieh den Sommer
über auf dem Brachſchlage oder auf ſtändigen Weiden, im Winter mit Heu von den Wieſen
genährt, während das Stroh als Streu Verwendung fand. In dem Maße als durch die
Verbreitung der Fruchtwechſelwirthſchaft der Anbau von Wurzelfrüchten, Klee, Feldfutter in
Aufnahme kam, vermehrte ſich die Zahl der Futtermittel. Man ſuchte nunmehr nach einem
Maßſtabe zur Vergleichung des Nähreffectes der einzelnen Futtermittel und glaubte den-
[[45]]Die Ernährung und Pflege.
ſelben in dem Vergleiche mit dem Nähreffecte, welcher durch Wieſenheu zu erzielen iſt,
gefunden zu haben. Die Nahrungswerthe oder „Heuwerthe“ wurden den einzelnen
Futterſtoffen nach der Erfahrung und nach praktiſchen Fütterungsverſuchen zugeſprochen.
Albrecht Thaer (1837) war der erſte, welcher Heuwerthstabellen aufſtellte, ihm folgten Block,
Koppe, Schweitzer, Pabſt u. A. Nach Letzterem 1) ſind 100 Pfund Heuwerth = 400—450
Pfund Kleegrünfutter, 450—500 Pfund Grünmais, 230—300 Pfund Wintergetreideſtroh,
175—200 Pfund Sommergetreideſtroh, 40—50 Pfund Körner, 40—45 Pfund Oelkuchen,
200 Pfund Kartoffeln, 300 Pfund Runkelrüben, 200—250 Pfund Rübenpreßlinge, Schlempe
von 300 Pfund Kartoffeln mit 15 Pfund Malzzuſatz ꝛc. Von dem verabreichten Futter
ſollte ein Theil, das Erhaltungsfutter, zur Erhaltung des Thieres, der andere Theil,
welcher über den Bedarf zur Erhaltung gegeben wird, zur Fleiſch-, Fett- und Milcherzeugung
als Produktionsfutter dienen. Man überſah dabei, daß eine derartige Scheidung den
thatſächlichen Verhältniſſen des Ernährungsproceſſes nicht entſpricht, nachdem ſelbſt im
Hungerzuſtande eine, wenn auch unbedeutende thieriſche Produktion (Milchabſonderung,
Wollezuwachs) ſtattfindet. Nach der Annahme der damaligen Zeit ſollte 1/60—1/50 des
thieriſchen Lebendgewichtes oder auf je 100 Pfund deſſelben 1⅔—2 Pfund Heuwerth als
Erhaltungsfutter und als Geſammtfutter für Milchvieh 1/30 des Lebendgewichtes oder auf
je 100 Pfund Körpergewicht 3—3½ Pfund, für Maſtvieh 4½—5 Pfund Heuwerth erforder-
lich ſein.
Die praktiſchen Landwirthe wußten ſehr wohl, daß dem Heuwerthe nur ein ſehr be-
dingter Werth zuzuerkennen iſt, nachdem es Thiere (Schwein) gibt, welche kein Heu verzehren
und nachdem das Heu ſich durch andere, allein verabreichte Futtermittel, z. B. Kartoffel u. dgl.,
niemals vollſtändig erſetzen läßt. Die Bequemlichkeit mit einer Zahl zu rechnen, iſt jedoch
die Veranlaſſung, daß noch heute viele Landwirthe dieſen unrichtigen Maßſtab bei ihren
Futterdispoſitionen anwenden. Juſtus von Liebig (1848) zeigte den richtigen Weg, indem
er den Werth der einzelnen Futterſtoffe nach der chemiſchen Zuſammenſetzung oder dem
Nährſtoffgehalte ermittelte. Damit ging jedoch die einzige Zahl für den Nährwerth verloren.
E. Wolff (1854) verſuchte daher nach dem Nährſtoffgehalte einen Heuwerth, den „chemiſchen
Heuwerth“, Futteräquivalent, herauszurechnen. Ein Verfahren, das ſeither von Wolff ſelbſt
aufgegeben wurde. Grouven war wieder der Erſte, welcher „der Fütterung nach chemiſchen
Grundſätzen“ durch Auſſtellung von „Nährſtoffnormen“ für alle Arten und Altersſtufen der
landwirthſchaftlichen Nutzthiere in der Praxis Eingang verſchaffte. In neuerer Zeit verließ
man auch dieſen einſeitigen chemiſchen Standpunkt und zog neben der chemiſchen Analyſe
auch noch die Reſultate von Fütterungsverſuchen mit und ohne Reſpirationsapparat in
Betracht, bei welchen auch die phyſiologiſche Wirkung und die Verdaulichkeit der Futterſtoffe
berückſichtigt wurden. In dieſer Richtung verdienen namentlich die Arbeiten an den ver-
ſchiedenen landwirthſchaftlich-chemiſchen Verſuchsſtationen (1860 u. w.) hervorgehoben zu
werden. Epochemachend in der Fütterungslehre waren die Unterſuchungen von Th. Biſchoff
und Carl Voit (1860 u. ff.) mit dem Pettenkofer’ſchen Reſpirationsapparate in München
und von Henneberg und Stohmann (1860 und 1863), welche eine ſichere Grundlage zur
Erforſchung der Geſetze der Fleiſch- und Fettbildung und der Lehre von der Verdaulichkeit
des Futters lieferten. So Vortreffliches auf dem Gebiete der Fütterungslehre bisher geleiſtet
wurde, ſo bildet dieſelbe, wie aus Nachſtehendem hervorgehen wird, doch noch immer
nicht ein abgeſchloſſenes Ganzes, wenn auch bereits eine ſichere Grundlage für weitere Fort-
ſchritte gewonnen iſt.
[46]Allgemeine Thierzuchtlehre.
A.Das Futter.
1. Die Beſtandtheile der Futtermittel.
Die Futtermittel beſtehen aus einem Gemenge von Nährſtoffen, welche
häufig nicht in jenem Verhältniſſe vorhanden ſind, als zur vollkommenen Ernährung
der Thiere erforderlich iſt. Als Nährſtoff hat man jene Beſtandtheile des Futters
anzuſehen, welche in irgend einer Weiſe zur Entwickelung und Erhaltung des Thier-
körpers beitragen können.
Jedes pflanzliche Nahrungsmittel beſteht, wie wir ſchon ausführlicher Band I.
„Die Vertheilung des Stoffes im Pflanzenkörper“ S. 6—15 erörtert haben, aus Waſſer
und Trockenſubſtanz. Die Trockenſubſtanz wird wieder von organiſchen
Stoffen und von Mineralſtoffen (Reinaſche) gebildet. Die organiſchen Nahrungs-
beſtandtheile laſſen ſich wieder in ſtickſtoffhaltige und ſtickſtofffreie unter-
ſcheiden. Zu Erſteren gehören 1. die Proteïn- oder Eiweißſtoffe, in der Fütterungs-
lehre Rohproteïn genannt. Von den durch die chemiſche Analyſe gefundenen Eiweiß-
mengen wird ſtets nur ein Theil verdaut. Bei Beurtheilung des Nährwerthes
kommt daher nur dieſer verdauliche Theil in Betracht. Die Futter-Analyſe vermag
jedoch nur die Geſammtheit des verdaulichen und unverdaulichen Proteïns, das Roh-
proteïn, anzugeben 1). Zu Letzteren zählen: 2. die Rohfaſer (Holzfaſer), 3. das
Rohfett (Aetherextrakt) und die ſtickſtofffreien Extraktſtoffe (Kohlehydrate). Die
Rohfaſer bildet ein Gemenge von Celluloſe und Holzſtoff (Lignin), welche in ver-
ſchiedenem Grade verdaulich ſind. Gegenwärtig gibt es jedoch noch keine Methode,
um die Mengen dieſer beiden Subſtanzen, von welchen die Letztere kohlenſtoffreicher
als die Erſtere iſt, in einem Futtermittel genau zu beſtimmen. Das Rohfett iſt,
namentlich bei den Rauhfutterarten, aus noch mehr Stoffen, wie wachs- und harz-
artige Subſtanzen, Chlorophyll ꝛc., zuſammengeſetzt, welche in Betreff der Verdau-
lichkeit ſehr verſchiedenen Werth beſitzen. Als ſtickſtofffreie Extraktſtoffe werden alle
jene Stoffe zuſammengefaßt, welche ſich nach Abzug des Rohproteïns, der Rohfaſer,
des Rohfettes und der Reinaſche von der Trockenſubſtanzmenge ergeben. Sie beſtehen
hauptſächlich aus den Kohlehydraten, Stärkemehl und Zucker, dann aus Pektinſtoffen,
Pflanzenſchleim, gummiartigen Subſtanzen, organiſchen Säuren und Lignin.
[47]Die Ernährung und Pflege.
Nach C. Voit 1) beſteht zwiſchen Nahrung, Nahrungsmittel, Nahrungsſtoff und Genuß-
mittel ein weſentlicher Unterſchied. Nahrungsſtoff heißt nach C. Voit jede chemiſche
Verbindung, welche irgend einen der weſentlichen ſtofflichen Beſtandtheile unſeres Körpers
(Eiweiß, Fett, Salze ꝛc.) zu erſetzen vermag. Reines Eiweiß, reines Fibrin, Fett, reine
Stärke, Zucker, Kochſalz, phosphorſaures Kali, phosphorſaurer Kalk, Waſſer ꝛc. ſind Nah-
rungsſtoffe.
Ein Nahrungsmittel iſt ein natürliches Gemenge aus verſchiedenen Nahrungs-
ſtoffen; ſo iſt Brot ein aus Eiweißkörpern, Stärke, Salzen und Waſſer beſtehendes Nahrungs-
mittel, aber noch keine menſchliche Nahrung, weil wir von Brot allein nicht leben können.
Genußmittel ſind Stoffe, welche nicht nothwendig Material zum Aufbaue unſeres
Körpers abgeben, aber doch ſowohl für die Proceſſe der Ernährung als auch für andere
organiſche Functionen weſentliche Dienſte leiſten, indem ſie, wie z. B. der Kaffee, Thee,
alkoholiſche Getränke, Fleiſchextrakt ꝛc., auf das Nervenſyſtem wirken.
Nahrung endlich iſt immer erſt die Summe aller Nahrungsſtoffe in den Nahrungs-
mitteln, ſammt Genußmitteln, welche alle zuſammen nothwendig ſind, um einen Körper auf
einem gewiſſen normalen Stande zu erhalten.
2. Die Verdaulichkeit der Futter-Nährſtoffe.
Von den aufgenommenen Nahrungsmitteln wird nur ein gewiſſer Theil der in
denſelben enthaltenen Nährſtoffe verdaut und zur Blutbildung verwendet, der Reſt
verläßt unverdaut als Auswurfsſtoffe (Excremente) den Körper. Um die Menge der
verdauten Nährſtoffe, welche den Nährwerth eines Futtermittels bedingen, zu
ermitteln, wird der Koth nach denſelben Methoden, wie das Futter, der chemiſchen
Analyſe unterzogen. Die Differenz zwiſchen den durch die Analyſe beſtimmten Futter-
und Kothbeſtandtheilen gibt die Menge und die Art der verdauten Nährſtoffe an.
Das Reſultat wird einigermaßen beeinträchtigt durch allerdings nur geringe Mengen
von Stoffwechſelprodukten, welche mit dem Kothe ausgeſchieden werden. Die Verdau-
lichkeit der Nährſtoffe hängt nicht allein von der Quantität ab, in welcher ſie in
einem Futtermittel verabreicht werden, ſondern auch von dem Verhältniſſe, in welchem
die einzelnen Nährſtoffgruppen in einem Futtermittel vorkommen. Bei einem Ueber-
maße an Futter werden abſolut und ſchwer verdauliche Nährſtoffe unausgenützt den
Thierkörper wieder verlaſſen.
Das Rohproteïn wird je nach den Futtermitteln in ſehr verſchiedenen
Mengen verdaut. Von dem Maße der Verdauung der Proteïnſtoffe, welche eine
ſo hervorragende Bedeutung für die Bildung und Erneuerung der Organtheile beſitzen,
hängt im beſonderen Grade der Nähreffect eines Futtermittels ab. Nach den Unter-
ſuchungen von Henneberg und Stohmann 2) wird die ſtickſtoffhaltige Subſtanz des
Bohnenſchrotes, das Legumin, vollſtändig verdaut, dagegen beträgt der verdauliche
[48]Allgemeine Thierzuchtlehre.
Theil der ſtickſtoffhaltigen Subſtanz nach den Angaben von Dietrich und König 1)
im Mittel bei
- Palmkernkuchen ... 100 %
- Leinkuchen ..... 86 %
- Rapskuchen .... 86 %
- Erbſen ..... 85 %
- Maiskörner .... 84 %
- Bohnen ..... 83 %
- Grüne Luzerne ... 79 %
- Runkelrüben .... 77 %
- Luzerneheu .... 76 %
- Rothklee vor der Blüthe 75 %
- Hafer ... 75 %
- Grünmais .. 72 %
- Kartoffel .. 66 %
- Grummet .. 60 %
- Wieſenheu .. 59 %
- Rothkleeheu . 59 %
- Bohnenſtroh . 45 %
- Haferſtroh .. 42 %
- Weizenſtroh . 26 %
- Roggenſtroh . 24 %
Durch verſchiedene Beifutter zu dem Rauhfutter erleidet die Verdaulichkeit des
Rohproteïns eine weſentliche Aenderung. Nach Stohmann 2) iſt die Ausnutzung der
Eiweißſtoffe der Nahrung um ſo höher, mit je weniger ſtickſtofffreien Stoffen dieſelben
im Futter begleitet ſind, und ſie ſinkt mit der Vermehrung der ſtickſtofffreien Stoffe
in einem ganz beſtimmten, durch Zahlen ausdrückbaren Verhältniß. Entgegen dem
Vorgehen in der Praxis iſt daher eine ſtickſtoffreichere Fütterung viel vortheilhafter
als eine ſtickſtoffärmere, da ſelbſt bei nicht vollſtändiger Ausnutzung dieſer Verluſt durch
höheren Düngerwerth wieder ausgeglichen wird.
Durch die Beigabe von Rüben und noch mehr von Kartoffeln, ſomit von
kohlehydratreichem Futter wird die Verdaulichkeit der Rauhfutterſtoffe weſentlich
vermindert.
Nach E. Wolff 3) erreichte bei Fütterungsverſuchen mit Hammeln die Verminderung
der Verdaulichkeit des Rauhfutters bei ſteigenden Gaben von Beifutter in Procenten:
Menge des Beifutters im Verhältniſſe zum Rauhfutter 1/6 ¼—⅓ ½ ⅔—1
a) hinſichtlich der Geſammtmenge der organiſchen Subſtanz:
bei Rüben ............... 3 6 9 12
bei Kartoffel .............. 4 8 17 18
b) hinſichtlich der Proteïnſtoffe:
bei Rüben ............... 4 7 12 22
bei Kartoffel .............. 7 14 25 40
c) hinſichtlich der ſtickſtofffreien Extractſtoffe:
bei Rüben ............... 2 5 7 10
bei Kartoffel .............. 5 7 15 14
Durch die Vermehrung des Fettgehaltes im täglichen Futter wird die Verdau-
lichkeit des Rohproteïns nur wenig beeinflußt.
[49]Die Ernährung und Pflege.
Bei Verſuchen mit Hammeln fand E. Wolff 1) die Verdaulichkeit des Rohproteïns
nach Beigabe von Bohnenſchrot und gequetſchten Leinſamen in fünf Fütterungsperioden,
wie folgt:
Die Verdaulichkeit des Rohfettes iſt bei ſeiner mannigfaltigen Zuſammen-
ſetzung gleichfalls ſehr verſchieden. Von der Geſammtmenge des Rohfettes im Wieſen-
heu und im Stroh der Getreidearten gelangten ungefähr 30—50 % im Kleeheu
und im Stroh der Hülſenfrüchte 50—60 % zur Verdauung, und zwar iſt die Ver-
daulichkeit um ſo größer, je jünger und zarter die Pflanzen ſind. Das Fett der
Körner iſt nahezu vollſtändig verdaulich. Nach Verſuchen, welche in Hohenheim aus-
geführt wurden, iſt der Fettgehalt von Bohnenſchrot zu 99—100 %, von Leinkuchen
zu 87—93 %, von Rapskuchen zu 66—77 %, von Baumwollſamenkuchen zu
93—100 % verdaulich.
Die Verabreichung von verdaulicher Fettſubſtanz iſt für die Production von
Fleiſch, Fett, Milch und Kraft, namentlich in Form von Oelkuchen und Oelſämereien
von großer Bedeutung, wenn auch durch dieſe Beifütterung, wie oben erwähnt, die
Verdaulichkeit des Rauhfutters nicht erhöht wird.
Die Rohfaſer wurde urſprünglich als abſolut unverdaulich angeſehen. Die
Fütterungsverſuche von Haubner, Stöckhardt und in neuerer Zeit von Henneberg
und Stohmann bewieſen jedoch, daß namentlich die Wiederkäuer den Antheil der
Rohfaſer an Celluloſe, welcher 25—70 % beträgt, zu verdauen vermögen. Im
Organismus wird die verdaute Celluloſe in derſelben Weiſe wie das Stärkemehl und
der Zucker verwendet. Nach Dietrich und König wurden von der Rohfaſer verdaut bei
- Lupinenheu . 73 %
- Grünmais . 72 %
- Grummet .. 64 %
- Wieſenheu .. 62 %
- Roggenſtroh . 62 %
- Haferſtroh .. 59 %
- Rothklee vor der Blüthe 57 %
- Weizenſtroh .... 52 %
- Rothkleeheu .... 47 %
- Grüne Luzerne ... 39 %
- Luzerneheu .... 39 %
- Bohnenſtroh .... 36 %
- Hafer ...... 20 %
Die ſtickſtofffreien Extractſtoffe gelangen gleichfalls nur theilweiſe zur
Verdauung und zwar werden verdaut bei
Krafft, Lehrb. d. Landw. III. 4
[50]Allgemeine Thierzuchtlehre.
- Runkelrüben .... 98 %
- Kartoffel ..... 95 %
- Erbſen ...... 95 %
- Maiskörner .... 93 %
- Bohnen ..... 91 %
- Gerſte ...... 90 %
- Leinkuchen ..... 80 %
- Rothklee vor der Blüthe 79 %
- Rapskuchen .... 76 %
- Hafer ...... 74 %
- Grüne Luzerne .. 72 %
- Rothkleeheu ... 70 %
- Grünmais ... 67 %
- Bohnenſtroh ... 67 %
- Luzerneheu ... 66 %
- Grummet ... 66 %
- Wieſenheu ... 66 %
- Haferſtroh ... 47 %
- Weizenſtroh ... 40 %
- Roggenſtroh ... 38 %
Bei Berückſichtigung der verdaulichen Theile der Extractſtoffe und der Rohfaſer
ergibt ſich eine beachtenswerthe Beziehung, welche Henneberg durch den Satz zum
Ausdrucke bringt, daß der verdauliche Theil der ſtickſtofffreien Subſtanzen — Rohfaſer
und Extractſtoffe (incl. Fett) zuſammengenommen — ausnahmslos faſt genau der
Menge der ſtickſtofffreien Extractſtoffe entſpricht, oder anders ausgedrückt, daß die
analytiſch beſtimmten ſtickſtofffreien Extractſtoffe ein Maß abgeben für die vorhandenen,
verdaulichen, ſtickſtofffreien Futterbeſtandtheile. Ein weiteres relatives Maß für den
verdaulichen Theil der ſtickſtofffreien Extractſtoffe glaubt man in dem wäſſerigen Aus-
zuge des Rauhfutters (Stroh und Heu) gefunden zu haben.
Die anorganiſchen Subſtanzen ſind zur Unterhaltung des Stoffwechſels und
zur Bildung der thieriſchen Formelemente ebenſo nothwendig wie die organiſchen Sub-
ſtanzen, wenn auch ihre Quantität im Futter eine geringere iſt. Von beſonderer Bedeu-
tung iſt die Verabreichung von Kochſalz (Chlornatrium). Daſſelbe regt in mäßigen Gaben
die Verdauung an, reizt zur Aufnahme von Waſſer, wodurch der Stoffwechſel be-
fördert wird und trägt zu dem Wohlbefinden der Thiere nicht wenig bei. Auf die
Steigerung der thieriſchen Production, wie auf die Fleiſch- und Fettbildung, auf die
Milch- und Wollproduction hat es keinen unmittelbaren Einfluß. Auf den normalen
Verlauf des Geſchlechtstriebes wirken Kochſalzgaben günſtig ein. Bei verdorbenem
Futter und bei kalireichem Futter (Kartoffel) iſt ein Kochſalzzuſatz um ſo mehr
geboten, als die Kaliſalze eine Kochſalz entziehende Wirkung auf thieriſche Gewebe
und Flüſſigkeiten ausüben. Für junge, in der Entwickelung begriffene Thiere iſt die
Verabreichung von Phosphorſäure-, kalkhaltigen und anderen Mineralſalzen, welche
erſtere das Hauptmaterial für das Knochengewebe liefern, von großer Bedeutung. In
Betreff des Kalkes iſt beſonders das Heu, in Betreff der Phosphorſäure ſind die
Körner, vor allem der Hafer, und deren Fabricationsrückſtände, ſowie die Oelkuchen
zu beachten. Ebenſo kann es von Vortheil ſein, dem Jungvieh direct fein präparirtes
Knochenmehl oder bei Fütterung von kalkarmen Kartoffeln, Rüben ꝛc. kohlenſauren
Kalk in Form von geſchlämmter Kreide zu verabreichen.
Ueber den Antheil der einzelnen Partien des Verdauungscanales an der Reſorption
der Nahrungsbeſtandtheile des Futters gibt Eugen Wildt 1) auf Grund von Fütterungs-
[51]Die Ernährung und Pflege.
verſuchen mit Hammeln, welche per Tag und Kopf mit 1 Kilogr. Heu ohne Zuſatz von Koch-
ſalz gefüttert wurden, folgende Anhaltspunkte:
Von den organiſchen Beſtandtheilen des Futters erfährt die Rohfaſer von dem
Panſen und der Haube an eine ſucceſſive Verminderung; in dem 1., 2. und 3. Magen beträgt
die Reſorption 10.81 %, im Labmagen findet eine weitere Reſorption von 24.18 %, im
Dünndarme von 14.36 % und im Blinddarme von 6.48 % ſtatt, wo die Verdauung (im
Ganzen 56.19 %) beendet zu ſein ſcheint.
Die ſtickſtofffreien Extractſtoffe werden in den drei erſten Abtheilungen bis
zu 50 % reſorbirt, dann aber ſteigt der Gehalt wieder in Folge der an ſtickſtofffreien Extract-
ſtoffen reichen, ſecernirten Verdauungsflüſſigkeiten, bis vom Blinddarme an eine neue Re-
ſorption ſtattfindet, die bis zum Schluſſe bis zu 70 % anſteigt.
Die Eiweißſtoffe werden ſchon in den erſten drei Magen theilweiſe reſorbirt und
zwar 14.58 %; dann aber werden ſo ſtickſtoffreiche Säfte ſecernirt, daß der Dünndarm
48.36 % Proteïnſtoffe mehr enthält als die aufgenommene Nahrung. Aber ſchon im Blinddarme
findet eine faſt vollſtändige Reſorption aller dieſer Proteïnſubſtanzen ſtatt; es ſind in dem-
ſelben nur mehr 40 % der urſprünglichen Proteïnſtoffe vorhanden; im Grimm- und Maſt-
darme iſt die Reſorption der letzteren nur mehr eine geringe, ſie beträgt 6 %, ſo daß im
Ganzen 66 % des im Futter vorhandenen Proteïns verdaut ſind.
Die anorganiſchen Beſtandtheile erleiden auf ihrem Verdauungswege nachſtehende
Veränderungen:
Die Kieſelſäure ſcheint im Grimm- und Maſtdarme eine geringe Reſorption,
8—9 %, zu erleiden.
Das Kali wird zunächſt bis zu 55 % reſorbirt; im Dünndarme findet dann eine
geringe Secretion ſtatt, ſo daß hier nur noch 37 % fehlen; von da beginnt wieder Auf-
ſaugung, dieſelbe beträgt zum Schluſſe 88.3 %.
Ganz anders verhält ſich das Natron; daſſelbe wird gleich anfangs in ſehr bedeutendem
Maße ſecernirt, ſo daß der Mageninhalt 21—22 mal mehr Natron enthält, als das ver-
zehrte Futter; im Labmagen findet eine Reſorption um nahezu die Hälfte ſtatt; im Dünn-
darme wird wieder von neuem Natron ausgeſchieden, welches faſt die 27 fache Menge des
Futters ausmacht; darauf wird das Natron faſt vollauf reſorbirt.
Der Kalk gelangt im Labmagen bis zu 59.47 % zur Reſorption; von da an wird
derſelbe ſecernirt und fehlen im Blinddarme nur mehr 12 %; im Maſtdarminhalte ſind
28 % reſorbirt.
Die Magneſia ſcheint ſich ähnlich wie der Kalk zu verhalten.
Der Gang der Reſorption der Phosphorſäure iſt entgegengeſetzt dem des Kalkes
und der Magneſia, wo ſie am reichlichſten auftritt, verſchwinden dieſe. Dieſelbe wird zu-
nächſt ſecernirt und erreicht in der Verdauungsmaſſe des Dünndarmes den größten Gehalt;
von da an findet Reſorption ſtatt.
3. Die Form und Zubereitung des Futters.
Die Verdaulichkeit der Nährſtoffe in den Futtermitteln wird durch die Form und
die Zubereitung des Futters in verſchiedener Weiſe abgeändert. Die verabreichte Menge
der Futterſtoffe hat dagegen auf die procentiſche Verdaulichkeit der Nährſtoffe keinen
Einfluß. Nach Dr. E. Wolff 1) iſt die procentiſche Verdauung ganz dieſelbe, einerlei
4*
[52]Allgemeine Thierzuchtlehre.
ob z. B. ein Hammel pro Tag 0.5, 1 oder 1.5 Kilogr. Kleeheu ohne jegliches Bei-
futter verzehrt.
Für die Verdaulichkeit der Nährſtoffe iſt es gleichgiltig, ob das Futter im
grünen oder heutrockenen Zuſtande verzehrt wird, vorausgeſetzt, daß das Grünfutter
und Heu von ganz derſelben Zuſammenſetzung ſind. In der Wirklichkeit iſt jedoch
das Grünfutter dem Heu im Nähreffecte aus dem Grunde überlegen, weil bei dem
gewöhnlichen Verfahren der Dürrheubereitung zarte, beſonders nahrhafte Pflanzen-
theile, wie Blätter und feinere Stengel, verloren gehen. Dieſer Verluſt 1) kann bis
zu 10 % betragen und noch höher ſteigen, wenn die Dürrheubereitung bei naſſer
Witterung vorgenommen werden muß, wodurch das Heu nicht nur ausgelaugt 2),
ſondern durch die eintretende Gährung auch an Schmackhaftigkeit verliert. Die Ver-
daulichkeit verringert ſich gewöhnlich um 4—5 %.
Nach neueren Unterſuchungen von G. Kühn u. A. 3) werden bei der Grünfütterung
gegenüber der Trockenfütterung von Schnittochſen mehr verdaut von
Eine weitere Verminderung der Verdaulichkeit und des Nährſtoffgehaltes er-
leidet das Heu durch die Aufbewahrung. Anderſon fand im friſchen Heu 16.54 %
Waſſer und 6.1 % Proteïnſtoffe, in ein Jahr altem Heu 13.13 % Waſſer und
nur 4 % Proteïnſtoffe.
Den größten Einfluß auf die Verdaulichkeit und den Nährwerth der Futterſtoffe
nimmt der Vegetationszeitpunkt, zu welchem die betreffende Futterpflanze geerntet
wird. Im Allgemeinen erhöht ſich mit zunehmendem Alter der Gehalt der Futter-
mittel an Holzfaſer, während der Gehalt an Proteïnſubſtanzen 4) abnimmt. Die
Verdaulichkeit des Rohproteïns und der Rohfaſer iſt um ſo größer, je jünger und
zarter die Pflanze und um ſo geringer, je älter und verholzter die Pflanze iſt.
Die Verdaulichkeit der Extractſtoffe ſcheint dagegen unabhängig von der Vegetations-
periode zu ſein. Einen weiteren Einfluß auf den Nährwerth des Futters nimmt
die Jahreswitterung, die Bodenbeſchaffenheit, der Düngungszuſtand, die Lage des
Futterfeldes und das Auftreten von Pflanzenkrankheiten, ohne daß es jedoch bisher
in den meiſten Fällen gelungen wäre, dieſen Einfluß zifferiſch feſtzuſtellen.
Im Allgemeinen beſitzen auf ſchwerem, feuchtem Boden gebaute Kartoffeln einen ge-
ringeren Stärkegehalt als ſolche, welche auf einem ſandigen, trockenen Boden gebaut wurden.
Eine friſche, ſtickſtoffreiche Düngung liefert proteïnreiche aber ſtärke- und zuckerarme Kartoffeln
[53]Die Ernährung und Pflege.
und Rüben. Ebenſo ſteigt der Proteïngehalt durch die Düngung bei den verſchiedenen
Kleearten, dem Futtermaiſe ꝛc. Dünn geſäete Futterpflanzen verholzen weit leichter, als
im dichten Stande, welcher den Lichtzutritt hindert. Feuchte und warme Jahreswitterung
erhöht die Verdaulichkeit und den Proteïngehalt der Futtermittel, während umgekehrt trockene
und kalte Witterung die Ausbildung der organiſchen Subſtanz beeinträchtigt. Von Pflanzen-
krankheiten heimgeſuchte Futterpflanzen haben einen geringeren Nährwerth als geſunde Pflanzen.
Die Verdaulichkeit der Futterſtoffe wird außerdem durch verſchiedene Zu-
bereitung zu erhöhen geſucht. Die Futterzubereitung bezweckt die Umwand-
lung der phyſikaliſchen oder chemiſchen Beſchaffenheit des Futters, um dadurch
die Ausnutzung der Nährſtoffe oder die Aufnahmsfähigkeit und Schmackhaftigkeit
deſſelben zu ſteigern. Die Art der Zubereitung richtet ſich nach der Art des Futter-
mittels und beſteht entweder in einem Quetſchen, Verkleinern und Schneiden, oder
in einem Anbrühen, Dämpfen, Selbſterhitzen ꝛc.
Dem Quetſchen werden vornehmlich die Haferkörner, welche als Pferdefutter
dienen, unterzogen. Daſſelbe ſoll die Körner nicht vollſtändig zerdrücken, ſondern
nur die Spelzen zerreißen, um den Inhalt leichter verdaulich zu machen. Dieſe
Zubereitung wird ſich daher beſonders für junge Pferde und für alte Pferde mit
bereits mangelhaftem Gebiſſe bewähren. Nachdem auch bei Rindern und Schafen
ein Theil der Körner (bei Gerſte und Hafer bis zu 48 und 19 %) unverdaut ab-
geht, wird auch bei dieſen Thieren ein Verſuch mit dem Quetſchen angezeigt ſein.
In England wird ſelbſt das Heu und Stroh, an Stelle des Schneidens, gequetſcht,
um es leichter aufnehmbar zu machen.
Bei der Pariſer Oſtbahngeſellſchaft konnte bei der Fütterung der Percherons mit
gequetſchten Körnern an Futter geſpart werden:
Um die Verdaulichkeit der Körner, welche im unverkleinerten Zuſtande verfüttert
nur unvollkommen iſt, zu erhöhen und die Miſchung derſelben mit anderem Futter zu
erleichtern, pflegt man dieſelben im verſchrotenen oder vermahlenen Zuſtande
an Rinder und Schweine zu verabreichen. Für Pferde und Schafe genügt das Zer-
quetſchen oder noch beſſer, wie vorhin erwähnt, das Zerreißen. Das Schrot ſoll
zur Verhütung des Verkleiſterns im Maule und zur Vermeidung von Verdauungs-
ſtörungen ſtets im angefeuchteten Zuſtande und vereinigt mit Häckſel verfüttert werden.
Mehl darf nur eingerührt in Waſſer als Trank an milchproducirende Thiere und keineswegs
im Uebermaße vorgeſetzt werden, um nachhaltige Verdauungsſtörungen zu vermeiden.
Durch Zerſchneiden wird das Grünfutter, Rauhfutter und Stroh zubereitet.
Durch daſſelbe ſoll das Futter, wenn es hartſtenglig geworden, beſſer ausgenutzt,
die Abmiſchung mit anderem Futter erleichtert und das Verſchleudern verhindert
werden. Junger Grünklee, naſſes Grünfutter werden geſchnitten und mit Stroh
abgemiſcht. Heu wird nur dann lang gehäckſelt, wenn es ſehr grobſtenglig und dem
[54]Allgemeine Thierzuchtlehre.
Brühfutter beigegeben, oder wenn in Nothjahren mit den vorhandenen Mengen
möglichſt geſpart werden ſoll. Am gewöhnlichſten wird das Stroh gehäckſelt.
Für Rinder und Schafe darf der Häckſel nicht zu kurz, höchſtens 2.5 Cm. lang
ſein, weil daſſelbe ſonſt ungekaut und uneingeſpeichelt verſchluckt wird. Bei Pferden
hindert ein kürzerer, 1.5—2 Cm. langer Häckſel das gierige Verſchlingen der Körner.
Noch feiner geſchnittener Häckſel verurſacht dagegen ſehr hartnäckige Kolik. Das
Zerkleinern des Wurzelwerkes, der Rüben, Kartoffeln, erleichtert gleichfalls das Ab-
mengen mit anderem Futter und die Ausnutzung. Scheibenförmige Schnitte bleiben
ſeltener im Schlunde der Thiere ſtecken, kleben jedoch leichter als cylindriſche oder
würfelförmige Stücke in Klumpen zuſammen. Die Umwandlung des Wurzelwerkes
in Brei oder Muß iſt dagegen nicht zu empfehlen.
Dem Einweichen und Quellen werden ſowohl das Rauhfutter als die
Körnerfrüchte unterzogen. Das Heu wird in warmem Waſſer eingeweicht, jedoch in
dieſem Zuſtande nur an kranke Thiere verfüttert. Häufig läßt man die Hülſen-
früchte, beſonders Bohnen, Erbſen, Roggen und Mais, durch 12—24 Stunden im
Waſſer einquellen, um das Kauen derſelben zu erleichtern.
Das Kochen, Dämpfen, Anbrühen ſoll hartſtengliges, ſchwerverdauliches,
verdorbenes Futter genießbarer machen und deſſen Verdaulichkeit befördern. Dieſen
Zubereitungen werden namentlich ſaures, hartes Heu, Spreu, Wintergetreideſtroh,
Rapsſchoten, Kartoffeln ꝛc. unterworfen. Nach neueren Fütterungsverſuchen wird
durch dieſe Zubereitungen der Nähreffect der Futtermittel nicht erhöht, ſondern nur
das Futter ſchmackhafter und ſomit leichter aufnehmbar gemacht. Das Kochen oder
das billigere Dämpfen empfiehlt ſich namentlich bei der Verfütterung von Kartoffeln
an Rinder oder zur trankartigen Zubereitung des Futters für Schweine. Das
Anbrühen von hartſtengligem Heu, Stroh mit heißem Waſſer oder Schlempe eignet
ſich für Milch- und Maſtvieh.
Nach Unterſuchungen von E. Heiden, O. v. Gruber und L. Brunner 1) hat die
Fütterung mit rohen oder gedämpften Kartoffeln weder auf die Quantität noch auf die
Qualität der Milch einen Einfluß. 4 Kühe Oldenburger Race von durchſchnittlich 560.5
Kilogr. Lebendgewicht erhielten neben 1 Kilogr. Rapskuchen, 1.5 Kilogr. Roggenkleie, 2.5 Kilogr.
Wieſenheu, 20 Kilogr. Haferſtroh und 4 Kilogr. Weizenſtreu 12.5 Kilogr. gedämpfte oder rohe
Kartoffeln per Stück und Tag.
Eine durchgreifendere Veränderung der chemiſchen Beſtandtheile der Futterſtoffe,
als durch die genannten Zubereitungsarten, erfährt das Futter durch das Maiſchen,
Selbſterhitzen und Einſäuern. Das Maiſchfutter wird nur dort angewendet,
wo viele Kartoffeln zu verfüttern ſind und kein Branntweinbrennereibetrieb beſteht.
Daſſelbe iſt ein vortreffliches Futter für Milchvieh, im angeſäuerten Zuſtande ein
Maſtfutter für Schweine. Fehlt es an einem Dämpfapparate, ſo kann man ſich durch
Selbſterhitzung des Futters behelfen. Zu dieſem Zwecke werden Stroh, geringe
Heuſorten, Spreu, Scheunenabfälle mit Oelkuchen, Getreideſchrot, verkleinerte Rüben
und Kartoffeln zuſammengemengt, in einem Kaſten feſtgetreten und mit Waſſer an-
gefeuchtet. Wenn das Futter nach zwei bis drei Tagen durch Selbſterwärmung eine
Temperatur von 44°C. erlangt hat, iſt es zum Verfüttern geeignet. Durch die
eintretende Gährung ſollen die Proteïnſtoffe und die Rohfaſer leichter verdaulich
werden. Neuere Unterſuchungen von Hellriegel und Lucanus haben jedoch dargethan,
daß ſelbſt ein Subſtanzverluſt von 4 % ſtattfindet. Außerdem tritt leicht bei nach-
läſſiger Herſtellung eine Wucherung von Fadenpilzen ein, welche das Futter ſchimmelig
und dumpfig macht.
Verſuche von W. Funke 1) in Proskau laſſen gleichfalls keinen Unterſchied zu Gunſten
der Verdaulichkeit des ſelbſterhitzten Futters erkennen. Zum Verſuche, welcher 14 Tage
dauerte, dienten 2 Milchkühe, welche per Kopf und Tag 17.5 Kilogr. Runkelrüben, 4 Kilogr. Roth-
kleeheu, 4.5 Kilogr. Strohhäckſel, 1 Kilogr. Spreu und 0.5 Kilogr. Leinkuchen erhielten und ohne
alle Rückſtände auch aufzehrten. Der Proceß der Selbſterhitzung verlief innerhalb 48 Stun-
den in eigens hierfür eingerichteten Brühkäſten, in welchen man das angefeuchtete Gemenge
von Strohhäckſel, Spreu und Runkelrüben feſttrat; das Brühfutter wurde ſtets im noch
warmen Zuſtande verfüttert und von den Thieren mit großer Begierde verzehrt. Per Kopf
und Tag war enthalten:
Um ſo mehr Beachtung verdient das Einſäuern, welcher Zubereitung vornehm-
lich Rüben, Kartoffeln, Preßlinge und Schnittlinge aus den Zuckerfabriken, Stärke-
fabriksrückſtände ꝛc. und ſolche Futterarten unterzogen werden, die wie Rübenblätter,
Grünmais, Grummet, Grünklee ꝛc., wegen regneriſcher Witterung nicht trocken ein-
gebracht werden können. Der Vorgang beim Einſäuern wurde bereits Bd. I. im
Capitel „Die Sauerfutterbereitung“ S. 260 und im Capitel „Die Knollen- und
Wurzelernte“ S. 294 näher angegeben.
Durch das Einſäuern 2) wird ein Theil des Proteïns und durch dieſes ein
größerer Theil der ſtickſtofffreien Extractſtoffe zerſetzt, in weiterer Folge ein Theil
[56]Allgemeine Thierzuchtlehre.
der Rohfaſer löslicher gemacht und daher das Futter einer günſtigen Veränderung
unterworfen.
4. Die Futterbereitungs-Maſchinen.
Entſprechend der Art des Futters und ſeiner Zubereitung, welche im Quetſchen,
Schroten, Brechen, Schneiden, Waſchen, Kochen beſtehen kann, unterſcheidet man
1. Quetſch- und Schrotmühlen, 2. Oelkuchenbrecher, 3. Häckſel- und Wurzelſchneide-
maſchinen, 4. Waſchmaſchinen und 5. Futter-Koch- und Dämpfapparate.
Die Quetſchmühlen, Haferquetſchen haben die Aufgabe, Körner, beſonders Hafer,
Gerſte zu zerreißen, zu zerquetſchen. Dieſe Arbeit wird durch zwei gleich oder ver-
ſchieden große, hohle Walzen verrichtet, welche am Umfange gewöhnlich glatt ſind.
Quetſchmaſchine für Handbetrieb DK
von der Aetien-Geſellſchaft „H. F. Eckert“ — Ber-
in. — Quetſchwalzen 46 reſp. 25 Cm. Durchmeſſer
und 7 Cm. Breite; Gewicht 152 Kilogr.; Leiſtung per
Stunde: Hafer grob 2 Hektoliter, ſein 1 Hekto-
liter; Roggen grob 1.5 Hektoliter, ſein 0.75 Hekto-
liter. Preis 130 Mark (65 fl.).
Bei kleinen Walzen verſieht man die
Mantelflächen mit Riefen, um das Aus-
ſpringen der Körner zu verhüten. Als
vorzüglichſte Quetſchmühle iſt die Turner’ſche
Quetſche von E. R. \& F. Turner in
Ipswich zu bezeichnen. Dieſelbe beſteht
aus zwei verſchieden großen, horizontal
gelagerten Walzen, von welchen die größere
durch eine Kurbel oder Riemenſcheibe in
Bewegung geſetzt wird. Die Körner ge-
langen durch einen Rumpf zwiſchen die
beiden Walzen, um dort zerdrückt und zer-
riſſen zu werden. Fig. 24 zeigt eine der-
artige Quetſchmaſchine, ausgeführt für den
Handbetrieb durch zwei Mann von der
Actien-Geſellſchaft „H. F. Eckert“.
Zum weiteren Verkleinern der Körner,
zum Schroten und Mahlen derſelben kommen
Schrot- und Mahlgänge in Verwendung.
In den meiſten Fällen wird es am billig-
ſten kommen, ſich das Schrot, ſtatt auf
eigenen Schrotmühlen, von der nächſten
Kunſtmühle herſtellen zu laſſen. Die Con-
ſtruction der eigentlichen Schrotmühlen iſt eine ſehr mannigfaltige. Entweder zeigen
ſie die Einrichtung der gewöhnlichen Mahlmühlen (über einem feſtſtehenden Steine einen
horizontal rotirenden Stein) oder ſie beſtehen aus einem gerieften Mantel, innerhalb
welchem ein aus Hartguß oder Stahl gefertigter geriefter oder cannelirter Kegel ſich
bewegt (Conſtruction der Kaffeemühlen), oder aus einer gerieften, harten Walze,
[57]Die Ernährung und Pflege.
welche zu ¼ ihres Um-
fanges von einem con-
caven Stein- oder Eiſen-
ſtücke mit geringem Zwi-
ſchenraume bedeckt wird,
oder aus zwei glatten,
gerieften Walzen, welche
ſich gegen einander bewe-
gen. Zu den bewährte-
ſten Schrotmaſchinen ge-
hören die Mahlgänge von
Clayton \& Shuttleworth
in Lincoln und Wien,
Fig. 25, mit horizontal
rotirendem Läufer und
unbeweglichem Bodenſtein,
die nach dem Kaffeemüh-
lenſyſteme gebaute Schrot-
mühle von Barford \&
Perkins in Peterborough
Fig. 26, die rheiniſche
Schrotmühle mit zwei
fein gerieften, gleich gro-
ßen Walzen, von welchen
die eine in der Minute
bei Handbetrieb 35—40,
die andere 22—26 Um-
drehungen macht, die Bi-
dell’ſche Stahlhafermühle,
Fig. 27, S. 58, mit
2 gerieften Walzen ꝛc.
Fig. 25. Schrotmühle auf
Holzgeſtell von Clayton \&
Shuttleworth — Wien. — Der
Durchmeſſer der Trachytſteine
63.2 Cm., Umdrehungszahl der
liegenden Mühlwelle 130 per
Minute; Betriebskraft 3pfer-
diger Göpel; Leiſtung per
Stunde ca. 2.4—3.0 Hektoliter;
Preis loco Wien 280 fl. (560
Mark).
Fig. 26. Schrotmühle von
Barford \& Perkins in Peter-
borough. — Preis 440—660
Mark (220—330 fl.).
[58]Allgemeine Thierzuchtlehre.
Die Oelkuchenbrecher werden in zwei Formen, einfach und doppelt wirkend, con-
ſtruirt. Erſtere brechen die Oelkuchen in bohnengroße Stücke, letztere vermahlen die
bohnenförmigen Stücke zu feinem Mehle. In jenem Zuſtande dienen die Oelkuchen
zur Fütterung, in dieſem als Streudünger. Das Brechen wird von einem Paare
Walzen bewerkſtelligt, welche aus gußeiſernen, mit vierſeitigen, pyramidalen Zacken ver-
ſehenen Ringen zuſammengeſetzt ſind. Die etwa 2.6 Cm. langen Zacken greifen
alternirend in einander. Bei den doppeltwirkenden Oelkuchenbrechern werden die
Fig. 27. Hand-Schrotmühle E. P. mit gerieften Hartwalzen der Actiengeſellſchaft „H. F. Eckert“ —
Berlin. — Walzendurchmeſſer 7.8 Cm.; Leiſtung ca. 38 Liter feines Roggenſchrot per Stunde; Gewicht
83 Kilogr. Preis 100 Mark (50 fl.), einzeln 1 Paar Stahlwalzen mit Wellen 40 Mark (20 fl.).
Fig. 28. Oelkuchenbrecher nach Southwell \& Co. von W. Siedersleben \& Co. — Bernburg. — Preis
mittlerer Größe zum Brechen der Oelkuchen in 6 verſchiedenen Sorten 180 Mark (90 fl.).
Bruchſtücke einem zweiten, tieferliegenden, fein cannelirten, mit ungleicher Geſchwindig-
keit ſich bewegenden Walzenpaare zugeführt, um in Mehl verwandelt zu werden.
Die bekannteſten Oelkuchenbrecher ſind jene von Nicholſon in Newark und von
W. Siedersleben \& Co. in Bernburg nach Southwell \& Co., Fig. 28.
Die Häckſelmaſchinen dienen zum Zerkleinern von Heu, Stroh und Grünfutter.
Die Ausführung des Schnittes erfolgt durch zwei Klingen nach dem Scheerenprincipe.
Die eine Klinge, das Häckſelmeſſer, iſt beweglich, die andere bildet die ſcharfe Kante
[59]Die Ernährung und Pflege.
des Schnittrahmens, welcher auf dem gußeiſernen oder hölzernen Geſtelle fixirt iſt.
Das zu ſchneidende Futter wird in die Häckſellade gefüllt und durch die Zuführungs-
vorrichtung dem Schneideapparate übergeben. Je nach der Anordnung der Meſſer
unterſcheidet man: 1. Das Leſter’ſche Syſtem mit ſpiralförmig gebogenen Meſſern,
welche an den Speichen eines Schwungrades verſtellbar befeſtigt ſind, 2. das Sal-
mon’ſche oder Paſſemore’ſche Trommelſyſtem mit 2—3 ſchraubenförmig gewundenen
Meſſern, welche auf einer vor dem Schnittrahmen (Mundſtück) rotirenden Trommel
angebracht ſind, 3. das amerikaniſche Syſtem mit Meſſern auf einer Walze, welche
gegen eine zweite Walze oder eine feſte Widerlage aus Büffelhaut bewegt wird,
4. das Guillotine-Syſtem, bei welchem eine horizontal ſtehende Meſſerſchneide durch
eine gekröpfte Kurbelwelle gegen eine darunter befindliche, feſte Unterlage gedrückt
wird. Die unter 2 und 3 angeführten Syſteme haben die geringſte Leiſtungsfähigkeit.
Dagegen verdienen das Leſter’ſche und das Guillotine-Syſtem, welches letztere das
Häckſel außerdem noch quetſcht, die meiſte Beachtung.
Die Zuführung des Futters wird durch horizontal hinter dem Schnittrahmen
gelagerte, zackenförmige Speiſewalzen vermittelt, welche durch Zahnradüberſetzungen
von der Schwungradwelle aus in entgegengeſetzter Richtung gedreht werden und da-
durch das Futter continuirlich vorſchieben. Weniger gebräuchlich iſt die intermittirende
Zuführung, bei welcher ein ruckweiſer Vorſchub des Futters um die Häckſellänge
in der Pauſe zwiſchen zwei Schnitten erfolgt. Dieſelbe wird durch Kurbeln, Sperr-
klinken und Sperrräder, die auf den Zuführungswalzen angebracht ſind, vermittelt.
Durch Auswechſeln verſchieden großer Räder wird die Geſchwindigkeit der Walzen
geändert und dadurch die Länge des Häckſels beſtimmt.
Zu den vorzüglichſten Häckſelmaſchinen
nach Leſter’ſchem Syſteme gehört jene von
Richmond \& Chandler in Salford, bei
welcher ſich die untere Zuführwalze bei
Verſtopfungen ſelbſtthätig durch ein Gegen-
gewicht ſenkt. Dieſelbe wird in verſchie-
denen Größen angefertigt. Nr. 57 für
Handbetrieb mit 19.6 Cm. breitem Mund-
ſtücke ſchneidet bei 35 Umdrehungen in der
Minute 50 Kilogr. 7 Mm. langes Häckſel.
Gewicht 135 Kilogr. Preis 75 Mark
(35.5 fl.), ein Paar Reſervemeſſer 9 Mark
(4.50 fl.). Nr. 6 für Kraftbetrieb,
(Dampf oder 4pferdigem Göpel) mit 34
Cm. breitem Mundſtücke ſchneidet bei 130
Umdrehungen 375 Kilogr. 7 Mm., 750
Kilogr. 14 Mm. und 1500 Kilogr. 26 Mm.
langes Häckſel. Preis 348 Mark (174 fl.),
ein Paar Reſervemeſſer 15 Mark (7.5 fl.).
Kleine, eiſerne Häckſelmaſchine für Hand-
betrieb R. von der Actien-Geſellſchaft „H. F. Eckert“
— Berlin. — Gewicht 125 Kilogr. Häckſellänge 1
und 2 Cm.; Leiſtung per Stunde 65 Kilogr.; Preis
105 Mark (52.5 fl.), 2 Reſervemeſſer 10 Mark (5 fl.).
[60]Allgemeine Thierzuchtlehre.
Nach dem Chandler’ſchen Syſteme ſind auch die in Fig. 29, S. 59, abgebildeten
Eckert’ſchen Strohhäckſler gebaut. Zum Verkleinern von Wurzelwerk, beſonders von
Futterrüben, dienen die Wurzelſchneidemaſchinen, deren weſentliche Beſtandtheile, die
Meſſer, entweder auf einer vertical rotirenden Scheibe oder auf einer Trommel oder
O. H. Bentall’s Patent-Rübenſchneider von Clayton \& Shuttle-
worth, Wien. — TPA mit 8 Meſſern für Handbetrieb durch 2 Mann oder für
Kraftbetrieb. Preis in Wien 105 fl. (210 Mark).
einem Conus befeſtigt
werden. Bei dem er-
ſteren Syſteme ſind die
ſchneidenden Meſſer ge-
wöhnlich in radialer
Richtung an einer guß-
eiſernen Scheibe ange-
bracht. Außerdem be-
finden ſich an jedem
Hauptmeſſer 5 Quer-
meſſer, welche die Wur-
zelwerkſcheiben in kleinere
Stücke zerſchneiden. Bei
dem Patentrübenſchnei-
der von O. H. Bentall,
Fig. 30, ſind an der
Schwungſcheibe 4, 6
oder 8 wellenförmige
Meſſer angenietet. Die
Geſtalt und die geneigte
Stellung eines mit 16
wellenförmigen Biegungen verſehenen Meſſers ſind aus Fig. 31 und Fig. 32 zu ent-
nehmen. Die zu verarbeitenden Rüben werden durch einen Rumpf, deſſen eine Seite
aus Roſtſtäben gebildet iſt, um das Herausfallen von Steinen, Sand ꝛc. zu er-
möglichen, an die rotirenden Meſſer gedrückt und in fingerlange, nudelförmige Stücke
zerſchnitten.
Das Trommelſyſtem iſt am beſten durch die Rübenſchneidemaſchine von
Gardner vertreten. Bei derſelben ſind im Mantel einer gußeiſernen Trommel
rechteckig gebogene, prismatiſche Stahlmeſſer in treppenförmiger Anordnung befeſtigt.
Meſſer zu Bentall \& Co. Rübenſchneider.
Meſſerſtellung bei Bentall \& Co. Rübenſchneider.
Die Leiſtungsfähigkeit
derſelben bei dem Be-
triebe durch einen Mann
beträgt per Stunde
2200 bis 2800 Kilogr.
(Gewicht 140 Kilogr.,
Preis 140 Mark,
70 fl.).
[61]Die Ernährung und Pflege.
Bei dem Moody’ſchen Rübenſchneider, Fig. 33, ſind wellenförmige Stahlmeſſer,
welche auch, wie oben erwähnt, bei der Bentall’ſchen Maſchine verwendet werden, auf
einem gußeiſernen Conus, Fig. 34, S. 61, befeſtigt, deſſen horizontale Welle mit
Fig. 33. Moody’s Rübenſchneider AF mit coniſcher Trommel von der Actien-Geſellſchaft „H. F. Eckert“
— Berlin. — 6 Meſſer, Gewicht 185 Kilogr., Leiſtung per Stunde 720 Kilogr. oder 12 Hektoliter Rüben;
Preis 120 Mark (60 fl.); 6 Reſervemeſſer 12 Mark (6 fl.).
Fig. 34. Trommel zu Moody’s Rübenſchneider von „H. F. Eckert“ — Berlin.
O. H. Bentall’s Rüben-Musmaſchine RPB von Clayton \& Shuttleworth — Wien. —
Trommelbreite 26.3 Cm., Preis loco Wien 82 fl. (164 Mark.)
[62]Allgemeine Thierzuchtlehre.
Kurbel und Schwungrad in Bewegung geſetzt wird. Leiſtung 7½ — 12 Hektoliter
Rüben oder Kartoffeln per Stunde.
Unter den Musmaſchinen iſt jene von Bentall in Heybridge, Fig 35, S. 61,
hervorzuheben. Dieſelbe beſteht aus einem, auf einem hölzernen Geſtelle ruhenden
eiſernen Kaſten, in welchem eine Trommel rotirt, an deren Außenwand hakenförmige
Meſſer eingeſetzt ſind, welche die Rüben in haſelnußgroße Stücke zerreißen.
Die zweckmäßigſte Form der Waſchmaſchinen iſt jene, welche in den Zuckerfabriken
Kartoffelwaſchtrommel mit Steinausſcheider DE von
„H. F. Eckert“ — Berlin. — Gewicht 580 Kilogr., Preis 400 Mark
(200 fl.)
angewendet wird. Dieſelbe,
Fig. 36, beſteht aus einem höl-
zernen, zur Aufnahme des
Waſſers beſtimmten Kaſten,
in welchem eine hölzerne Latten-
trommel durch eine Kurbel
umgedreht wird. Die Welle
der Trommel iſt mit ſpiral-
förmig geſtellten Speichen ver-
ſehen. An dem einen, zuweilen
höher ſtehenden Trommelende
werden die Kartoffeln, Rü-
ben ꝛc. durch einen Rumpf
eingefüllt und an dem anderen
Ende verlaſſen die gewaſchenen
Knollen oder Wurzeln die
Maſchine.
Zum Kochen und Dämpfen des Futters eignet ſich jeder dampfdichte Bottich,
welcher durch eine Rohrleitung mit einem Dampfkeſſel in Verbindung gebracht wird.
Steht kein Dampfkeſſel zur Verfügung, ſo empfiehlt ſich die Aufſtellung von
H. F. Eckert’s Dampf-Koch-Apparat mit einem kippbaren, doppelbodigen Dampffaſſe
an jeder Seite oder von Barford \& Perkins Futterbrühapparaten. Die letzteren
beſtehen aus einem kleinen, verticalen Dampfkeſſel, welcher durch Dampfrohre, je nach
der Größe, mit einem oder zwei eiſernen, zur Seite ſtehenden Brühbottichen in
Verbindung ſteht. Die Brühbottiche ſind in horizontal ſtehenden Achſen gelagert, ſo
daß ſie durch Umkippen entleert werden können. Die Fig. 37, S. 63, zeigt einen
completen Futterbrühapparat der größten Sorte. Links von dem Dampfkeſſel befindet
ſich ein Brühbottich für Häckſel, Spreu, Rüben und Kartoffeln, rechts für Schrot.
Die Pumpe zur Seite des Keſſels dient zur Speiſung deſſelben mit Waſſer. Das
Dämpfen dauert ungefähr eine Stunde. Da die Bottiche verhältnißmäßig klein,
[63]Die Ernährung und Pflege.
muß daſſelbe bei größerem Viehſtande mehrere Mal nacheinander wiederholt
werden.
5. Die Futterarten und ihr Nährſtoffgehalt.
Je nach der chemiſchen Zuſammenſetzung und dem Verhältniſſe der ſtickſtoff-
haltigen zu den ſtickſtofffreien Nährſtoffen laſſen ſich die zahlreichen Futterſtoffe in
Barford \& Perkins Futterbrühapparat von Stone, Lythall \& Thomas — Prag. — Preiſe:
Keſſel 340 fl. (680 Mark); zwei Häckſelbrühbottiche auf 2 Hektoliter Füllung 170 fl. (340 Mark); auf
3 Hektoliter 210 fl. (420 Mark); Schrotbottich auf je 1.5 Hektoliter Füllung 80 fl. (160 Mark); auf
2 Hektoliter 125 fl. (250 Mark).
folgende Gruppen zuſammenfaſſen: 1. Grünfutter, 2. Heu, 3. Stroh, 4. Spreu
und Schoten, 5. Knollen und Wurzeln, 6. Körner- und Hülſenfrüchte, 7. Ge-
werbliche Producte und Abfälle.
[64]Allgemeine Thierzuchtlehre.
Die Grünfutterarten charakteriſiren ſich durch einen großen Waſſergehalt
(70—90 %). Ihr Gehalt an Proteïn ſchwankt im Mittel zwiſchen 1.2—4.4 %,
an Rohfett zwiſchen 0.4—1.1 %, N freien Extractivſtoffen 6.5—13.6 %, Rohfaſer
2.8—13.9 %. Ihr Werth hängt von dem Standorte, auf welchem ſie gewachſen,
und von ihrem Alter ab. Sie ſind am nährſtoffreichſten und am leichteſten verdaulich,
je jünger ſie ſind. Sie enthalten dann mehr Waſſer, weniger Rohfaſer und in der
Trockenſubſtanz verhältnißmäßig mehr Proteïn und Mineralſtoffe. Nach der Blüthe
und noch mehr nach der Samenreife ſinkt der Waſſer-, Proteïn- und Salzgehalt
und die verholzte Rohfaſer wird für die Wiederkäuer unverdaulicher. Für das
Milch-, Maſt- und Jungvieh iſt das Grünfutter, vor allem das Wieſengras,
das naturgemäßeſte Futter. Es kann in beliebigen Mengen, gewöhnlich 50—70
Kilogr. täglich, verfüttert werden. Zu den wichtigſten Grünfuttermitteln, über deren
Zuſammenſetzung und Nährſtoffverhältniß die auf Seite 71 folgende Tabelle nähere
Aufſchlüſſe gibt, zählen:
1. Das Wieſen- und Weidegras. Erſteres wird ſelten grün verfüttert,
ſondern zu Heu gemacht. In der Nähe des Hofes angelegte Grasgärten geben
junges, proteïnreiches Futter, welches namentlich dann von großem Vortheile iſt, wenn
außerdem hartſtengliges Grünfutter verwendet werden ſoll.
2. Der Rothklee. Wo derſelbe nicht gedeiht, iſt die Sommerſtallfütterung
ſchwieriger durchzuführen. Er kommt ziemlich ſpät zum Schnitte. Die Ausnutzung
ſeines hohen Proteïngehaltes wird durch Beifutter von Stroh und Heu erhöht. Eine
noch größere Stütze für die Grünfütterung bildet das Kleegras, welches überdies
als Milchfutter weniger bläht, als der reine Rothklee.
3. Die Luzerne gewährt im Frühjahre einen früheren Schnitt als der Rothklee
und hält ſelbſt in trockenen Jahren aus. Wegen des nahen Nährſtoffverhältniſſes
iſt ein Miſchen mit proteïnarmem Futter am Platze.
4. Die Eſparſette wächſt ſpät heran und gibt nur einen Schnitt, weshalb
ſie als Grünfutterpflanze nur für ſolche Böden, auf welchen Rothklee und Luzerne
nicht mehr gedeihen, Bedeutung hat.
5. Der Miſchling wird ein um ſo beſſeres Milchfutter gewähren, je mehr
Hülſenfrüchte, Wicken, Erbſen in demſelben vorherrſchen. Er kommt ſpät, Anfang
Juni, zum Schnitte, hält aber, alle 14 Tage bis 3 Wochen geſäet, bis in den
Herbſt hinein aus. Von beſonderem Werthe iſt derſelbe in der Zeit zwiſchen dem
erſten und zweiten Rothkleeſchnitte.
6. Am ergiebigſten unter allen Grünfutterpflanzen, ſelbſt in trockenen Jahr-
gängen, iſt der Grünmais, welcher im jungen Zuſtande und abgemengt mit ſtick-
ſtoffreichem Beifutter, wie Miſchling, Luzerne, Oelkuchen, als vorzügliches Milchfutter
anzuſehen iſt. Für ſich allein gefüttert, wird er nicht vollſtändig ausgenutzt. In
Ungarn wird der Grünmais von Anfang Mai alle 3 Wochen geſäet, um von An-
[65]Die Ernährung und Pflege.
fang Juli bis Anfang October die Grünfütterung durchführen zu können. Er
empfiehlt ſich ſelbſt für Gegenden, in welchen der Körnermais nicht reif wird.
7. Der Grünroggen bildet Ende April bis Anfang Mai auf 10—14
Tage das früheſte Grünfutter, welches jedoch geringwerthig wird, ſobald der Roggen
in die Aehren ſchießt. Auf kurze Zeit folgt ihm dann Winterweizen, Gerſte ꝛc.
Als erſtes Grünfutter iſt der Futterroggen ſtets im geſchnittenen Zuſtande und ab-
gemengt mit Stroh zu verwenden. Der Grünbuchweizen wird beſonders dann
als Stoppelfutter gebaut, wenn bei trockenen Sommern die Grünfütterung im
Herbſte ſchwierig durchzuführen iſt.
8. In mäßiger Menge können Runkelrüben und Möhrenblätter im
grünen Zuſtande an Wiederkäuer, letztere auch an Schweine verfüttert werden. Die
Runkelrübenblätter verurſachen wegen ihres bedeutenden Gehaltes an organiſchen
Säuren, im Uebermaße gereicht, ſtarke Diarrhöe. Am gewöhnlichſten wird der
Blattabfall nach der Rüben- und Krauternte mit Schafen abgeweidet.
9. In futterarmen Jahren gewährt das friſche und getrocknete Baumlaub
vom Kleebaume, von Akazien, Pappeln, Eſchen, Ulmen ꝛc., dann die Weinranken
und Hopfenreben eine willkommene Hilfe. Meiſtentheils werden dieſe Futtermittel
durch Schafe verwerthet.
Das Heu oder Dürrfutter iſt in ſeinem Nährwerthe, wenn gut eingebracht,
dem Grünfutter, aus welchem es durch Entnahme von Waſſer entſtanden iſt, gleich
zu halten. 1 Kilogr. Heu entſteht aus 4—4½ Kilogr. Grünfutter. Friſch eingebrachtes
Heu beſitzt einen Waſſergehalt von 15—20 %; es iſt noch ſchwer verdaulich und
von erregender und erhitzender Wirkung. Nach 4—6 Wochen verliert es weitere
4—10 % Waſſer und bildet dann, ſelbſt bis zur vollen Sättigung gereicht, das
zuträglichſte Futter für Pferde und Wiederkäuer; von dem Schweine wird es ver-
ſchmäht. Aus wirthſchaftlichen Gründen gibt man ſich jedoch ſchon zufrieden, wenn
die Hälfte der Futterration in Heu verabreicht werden kann. Für Wiederkäuer iſt es
das beſte aller Rauhfutterſorten, da es leicht verdaulich, nährſtoffreich iſt und die
Verdauungsthätigkeit und das Wiederkauen anregt. Kälber, verdauungsſchwache
Thiere, ſowie hochträchtige Kühe ſollen ſtets gut eingebrachtes Heu erhalten. Letztere
ſchon deshalb, weil nach Fürſtenberg ein 0.139 Cubikmeter haltender Panſen mit
Heu gefüllt um 10 Kilogr. weniger wiegt als mit Stroh gefüllt. Als vorzügliche
Heuſorten ſind anzuſehen:
1. Das Wieſenheu. Daſſelbe iſt je nach der Beſchaffenheit, Lage und dem
Düngungszuſtande der Wieſe, der Zuſammenſetzung aus Gramineen, Wieſen-
kräutern und kleeartigen Pflanzen, dem Erntezeitpunkte von ſehr verſchiedenem Nähr-
werthe. Sein Gehalt an verdaulichem Eiweiß ſchwankt je nach dieſen Umſtänden
zwiſchen 2.8—14.0 %. Mit dem Gehalte an Rohproteïn nimmt die Verdau-
lichkeit des Proteïns, ſowie der Extractſtoffe zu; Heu von jüngeren Pflanzen iſt
daher werthvoller als von älteren. Das Wieſengrummet hat nur dann einen höheren
Krafft, Lehrb. d. Landw. III. 5
[66]Allgemeine Thierzuchtlehre.
Werth als das Heu, wenn es gut eingebracht wird, bei naſſer Witterung eingebracht,
erleidet es eine weſentliche Verſchlechterung. Schafe und Jungvieh erhalten das
kürzeſte, auf trockenen Standorten gewachſene Heu oder gut eingebrachtes Grummet.
Langes, grobes Heu von ſaueren Wieſen wird noch am beſten vom Rindmaſtviehe
und von den Zugochſen, weniger gut von den Pferden vertragen.
2. Klee- und Hülſenfruchtheu. Daſſelbe beſitzt im Allgemeinen,
namentlich vor der Blüthe gemäht, ein engeres Nährſtoffverhältniß, weshalb es
einen größeren Nährwerth als das Wieſenheu hat. In Betreff des Proteïngehaltes
ſteht das Heu von gelben Lupinen (16.0 %) oben an; demſelben folgen das Heu
des Weißklee’s (14.9 %), der Seradella (14.9 %), der Luzerne (14.4 %), des
Rothklee’s (13.4 %), der Eſparſette (13.3 %), des Wickhafers (12.6 %) und des
Spörgels (10.4 %). Dieſe Heuſorten ſind bei gleichzeitiger Verfütterung proteïnarmer
Knollen- und Wurzelfrüchte von beſonderem Werthe. Für die Aufzucht und für
tragende und ſäugende Mutterthiere ſind ſie wegen ihrer Eigenſchaft, „erhitzend zu
wirken“, als alleiniges Futtermittel nicht geeignet.
Das Stroh enthält unter allen Futtermitteln die größten Mengen an Rohfaſer.
Das Stroh der Sommerhalmfrüchte iſt im Mittel ärmer an Rohfaſer,
reicher an Proteïn und leichter verdaulich als das Stroh der Winterhalm-
früchte. Das Stroh der Hülſenfrüchte iſt proteïnreicher als das Cerealien-
ſtroh, die Rohfaſer des erſteren ſchwerer, die ſtickſtofffreien Extractſtoffe dagegen
leichter verdaulich als bei letzterem. Als ausſchließliches Futter iſt das Stroh nicht
genügend, am eheſten iſt noch die Erhaltung der Wiederkäuer mit demſelben möglich.
Dagegen ſichert das Stroh auf wirthſchaftlichere Weiſe als das Heu durch Herſtellung
des nöthigen Volumens die Ausnutzung der Körner, der waſſerreichen Wurzelfrüchte
und vermindert die blähende Wirkung von ſaftigem, proteïnreichem Grünfutter. Das
Streuſtroh wird zur Ausnutzung der in demſelben noch enthaltenen Körner den
Schafen zum Durchfreſſen vorgelegt. Das von Pflanzenkrankheiten (Roſt, Mehlthau),
von Blattläuſen befallene Stroh iſt von der Fütterung auszuſchließen. In der Geſtalt
von Häckſel bildet das Stroh ein Nebenfutter für Pferde, welche reichlich mit Kör-
nern gefüttert werden. Für Zuchtſtuten, Zugochſen, Milchkühe, Wollſchafe, Jungvieh
bildet daſſelbe einen beachtenswerthen Futterbeſtandtheil. Von den verſchiedenen
Strohſorten eignet ſich als Futterſtroh am beſten, namentlich für Milchvieh, das
Gerſtenſtroh. Wenn es jedoch ſchlecht eingebracht wurde, ſo iſt demſelben das
Haferſtroh vorzuziehen. Das Weizenſtroh iſt geringer als das Haferſtroh,
jedoch dem Roggenſtroh voranzuſtellen. Letzteres iſt die härteſte und am ſchwerſten
verdauliche Strohſorte. Maisſtroh iſt dem Sommergetreideſtroh gleichzuſtellen,
je weniger reif die Kolben ſind. Am gewöhnlichſten wird daſſelbe jedoch als Streu-
ſtroh in den Viehſtänden verwendet. Unter dem Hülſenfruchtſtroh ſteht das Linſen-
ſtroh im Futterwerthe oben an, demſelben folgt das Erbſen- und das am ſchwerſten
verdauliche, an Schafe zu verfütternde Wickenſtroh.
[67]Die Ernährung und Pflege.
Spreu und Kaff, ſowie Raps- und Rübſenſchoten ſind weicher und
nahrhafter als das Stroh der bezüglichen Pflanzen. In Verbindung mit Schlempe
und Wurzelwerk leiſten ſie vorzügliche Dienſte. Lupinenſpreu und Bohnen-
hülſen ſagen den Schafen, Buchweizen- und Leinſamenſpreu den Schwei-
nen zu. Roggen- und Gerſtenſpreu ſollen nur gedämpft, als „Siede“, ver-
wendet werden, da ſie im rohen Zuſtande leicht Entzündungen der Maulſchleim-
haut verurſachen.
Die Knollen- und Wurzelfrüchte charakteriſiren ſich durch ihren großen Waſſer-
gehalt (75—90 %), weshalb ſie, im Uebermaße verabreicht, leicht erſchlaffend auf
die Verdauungswerkzeuge einwirken. Ihre Trockenſubſtanz zeichnet ſich durch einen
großen Gehalt an ſtickſtofffreien Extractſtoffen (Stärke, Zucker) aus, welche gegen-
über dem Rauhfutter bei richtiger Futtermiſchung faſt abſolut verdaulich ſind. Sie
ſind arm an Proteïn und Holzfaſer. In paſſender Miſchung mit proteïnreichem
Futter, wie mit Rauhfutter (Heu) und concentrirtem Futter (Körner, Hülſenfrüchte,
Oelkuchen ꝛc.), geben ſie ein vortreffliches Maſt- und Milchfutter für Wiederkäuer
und Futter für Jungvieh und Schweine. Die Hälfte der täglichen Futterration kann
bei Rindvieh in Wurzeln und Knollen gegeben werden, bei Maſtvieh ſelbſt etwas
mehr, bei Schafen weniger. Von den Knollen und Wurzeln kommen hauptſächlich
als Futtermittel in Betracht:
1. Die Kartoffel. Als Viehkartoffel eignen ſich am beſten proteïnreichere
und ſtärkemehlärmere Sorten. Erfrorene, angefaulte und auskeimende Kartoffeln
ſind von der Fütterung auszuſchließen. Die rohen Kartoffeln ſollen vor der Ver-
fütterung gewaſchen und verkleinert werden; noch beſſer iſt es, dieſelben 6—10
Stunden in Waſſer auszulaugen, zu kochen oder zu dämpfen. Sie bilden ein Haupt-
futter für Wiederkäuer und Schweine. An Pferde ſollen ſie nur im Nothfalle ver-
abreicht werden.
2. Die Topinambur. Von dieſer Knollenfrucht gilt, was von der Ver-
wendung der Kartoffeln bemerkt wurde.
3. Die Rübenarten. Dieſelben bilden die wichtigſte Stütze der Winter-
ſtallfütterung. Den günſtigſten Einfluß auf den Milchertrag äußern die Kohl-
rüben, dann die Mohrrüben und die Futterrüben. Letztere laſſen ſich am
leichteſten aufbewahren. Als Maſtfutter werden die Kartoffeln höher geſchätzt.
Die Körner- und Hülſenfrüchte zeichnen ſich durch großen Gehalt an Trocken-
ſubſtanz (85.0 — 92.6 %), Proteïnſtoffen (7.8 — 28.0 %) und leicht löslichen
Extractſtoffen (29.2—74.5 %), zumeiſt in Form von Kohlehydraten, aus. Sie
werden daher als Kraftfutter, concentrirte Futterſtoffe bezeichnet. Ihr Werth ſchwankt
jedoch ſehr nach Boden, Düngung, Klima, Jahres- und Erntewitterung, Reifegrad,
Varietät ꝛc. Im Allgemeinen zeichnen ſich die proteïnreicheren Hülſenfrüchte durch
5*
[68]Allgemeine Thierzuchtlehre.
eine leichtere Verdaulichkeit gegenüber den ſchwerer verdaulichen Körnern aus. Den
meiſten Effect mit der Körnerfütterung erzielt man bei Jungvieh, Maſt- und Arbeits-
vieh. Zu den am leichteſten verdaulichen Körnerfrüchten zählt der Hafer. Die
Güte deſſelben hängt von der Schwere des Kernes ab. Er bildet mit Häckſel das
Hauptfutter für Pferde. Als Kraftfutter eignet er ſich vornehmlich für Jungvieh,
Zuchtthiere, tragende und ſäugende Kühe. Jungen Ferkeln wird er am zweck-
mäßigſten in Form von gekochter Mehlſuppe verabreicht. Als Erſatz für den Hafer
wird die Gerſte verwendet, welche jedoch in der Gedeihlichkeit gegen erſteren zurück-
ſteht. Als Futter für Maſtochſen und Maſtſchafe ſteht das Gerſtenſchrot obenan.
Der Roggen iſt als ſchwer verdaulich nur für Arbeitsthiere zu verwenden. Der
Weizen wird, ſeines hohen Preiſes wegen, ſelten zur Viehfütterung verwendet.
Der Mais iſt im geſchrotenen Zuſtande ein vortreffliches Maſtfutter für Wieder-
käuer und Schweine, er liefert ein kerniges, wohlſchmeckendes Fett. Bei Arbeits-
pferden kann der Mais einen Theil des Körnerfutters erſetzen. Die Hülſenfrüchte,
beſonders Wicken, Pferdebohnen, fördern insbeſondere die Ausmäſtung der
Thiere. In Gaben von 1—1.5 Kilogr. pro Tag und Haupt wirken ſie, insbeſondere
die Bohnen, ſtimulirend auf die Geſchlechtsorgane. Für junge, wachſende Thiere
eignen ſich namentlich Bohnen und Erbſen wegen ihres Gehaltes an phosphor-
ſauren Salzen (11.1 reſp. 8.1 % Phosphorſäure und 1.33 reſp. 1.35 % Kalk).
Die Oelfruchtſamen enthalten neben Proteïn auch Fett. Im rohen Zuſtande oder
als Schleim wird der Leinſame mit Vortheil an ſäugende Mütter und in ſeiner
Entwickelung zurückgebliebenes Jungvieh aller Gattungen von Nutzthieren verabreicht.
Baumfrüchte, wie Eicheln, Roßkaſtanien, Akazienſamen können als Mehl oder
im gedörrten Zuſtande, neben Rüben, an Milch- und Maſtvieh in täglichen Gaben
von 2.5—5 Kilogr. reſp. 10 Kilogr. verwerthet werden.
Der Werth der gewerblichen Producte und Abfälle richtet ſich nach der Natur
der Fabrication, von welcher ſie herſtammen. Häufig werden an Stelle des theueren
Körnerſchrotes die Abfälle der Mehlfabrication als Kleie, Fußmehl verfüttert.
In der Kleie iſt das Nährſtoffverhältniß ein engeres als in den Körnern. Wegen
ihres Proteïnreichthumes iſt es wirthſchaftlich, Kleie ſtatt Körner zu verfüttern,
nachdem ſtickſtofffreie Nährſtoffe billiger durch Rüben, Stroh ꝛc. zu beſchaffen ſind.
Außerdem ſind die Kleien holzfaſerreich und reich an phosphorſauren Salzen, weshalb
ſie ſich, namentlich die Weizenkleie, zur Aufzucht des Jungviehes eignen. Als
Beifutter erhalten Pferde 2 Kilogr., Milchkühe 3—4 Kilogr., Maſtſchafe 0.5 Kilogr.
und Schweine 0.5 bis 1 Kilogr. Kleie pro Tag und Haupt. Andere Mehlabfälle
werden am zweckmäßigſten als Tränke verabreicht.
Die Abfälle der Oelfabriken, als Raps-, Rübſen-, Lein-, Mohn-
kuchen ꝛc., zeichnen ſich durch hohen Gehalt an Proteïn neben Fett aus. Sie
übertreffen in dieſer Beziehung ſelbſt die Hülſenfrüchte. Wegen ihrer leichten Ver-
daulichkeit verurſachen ſie, im Uebermaße gereicht, leicht Verdauungsſchwäche. Außer-
[69]Die Ernährung und Pflege.
dem erhält die Milch und die Butter bei zu reichlicher Oelkuchenfütterung einen un-
angenehmen Beigeſchmack. Am beſten werden ſie verkleinert oder in Waſſer ein-
geweicht als Getränk verabreicht. Die tägliche Menge ſoll bei Milchvieh 1—2 Kilogr.,
bei Maſtvieh 2.5—5 Kilogr., bei Schafen 0.12—0.75 Kilogr. nicht überſchreiten. Die
Leinkuchen ſind wegen ihres milderen Geſchmackes und ihrer ſchleimigen Beſchaffenheit
den Rapskuchen vorzuziehen. Beide ermöglichen eine vollſtändigere Ausnutzung
proteïnarmer Futtermittel, wie des Cerealienſtrohs, der Spreu, der Wurzelfrüchte,
der Rübenpreßlinge, der Rückſtände der Stärkeſabrication ꝛc. Verdorbene Oelkuchen
ſind als der Geſundheit der Thiere nachträglich von der Fütterung auszuſchließen.
Die Abfälle der Branntweinbrennerei, die Schlempe, liefert für viele Wirth-
ſchaften ein Hauptwinterfutter. Durch die Umwandlung der Stärke in Spiritus
bleibt ein Futter zurück, welches ſich in ſeiner Trockenſubſtanz durch hohen Proteïn-
gehalt auszeichnet und daher zur Ausnutzung von Stroh, Spreu, Heu ꝛc. weſentliche
Dienſte leiſtet. Wegen ihres großen Waſſergehaltes wirkt ſie jedoch, insbeſondere
die Kartoffelſchlempe (95 %), im Uebermaße gereicht, erſchlaffend auf die Verdauungs-
organe. An Milchvieh ſollten in dem täglichen Futter nicht über 25 Kilogr., an Maſt-
vieh höchſtens ⅔ des ganzen Nährſtoffbedarfes verabreicht werden. Pferde, hoch-
tragende und ſäugende Kühe, Lämmer ſind von der Schlempefütterung auszuſchließen.
Sauergewordene Schlempe iſt ungeeignet zur Verfütterung. Bei unachtſamer Füt-
terung von Kartoffel- oder Getreideſchlempe treten bei Wiederkäuern leicht Schlempe-
huſten, Schlempedurchfall und Schlempemauke ein, welche durch Unterbrechung der
Schlempefütterung und Reinhaltung zu beſeitigen ſind. Melaſſenſchlempe eignet ſich
wegen des hohen Salzgehaltes am allerwenigſten zur Verfütterung.
Um durch Entwäſſerung der Schlempe ein concentrirteres Futtermittel zu erhalten,
werden in neuerer Zeit Condenſationsapparate von M. Hatſchek — Wien in Anwendung
gebracht; es tritt dabei allerdings ein nicht unbedeutender Verluſt an Nährſtoffen ein, welche
in dem Ablaufwaſſer verloren gehen, welcher jedoch durch eine höhere Verwerthbarkeit der con-
denſirten Schlempe ausgeglichen wird. Nach Analyſen von R. Kämpf 1) ergibt ſich folgende
Zuſammenſetzung der urſprünglich verwendeten Schlempe, des Abflußwaſſers und des Rück-
ſtandes der condenſirten Schlempe:
Die Bierbrauerei liefert in den Malzkeimen und Bierträbern ſehr
werthvolle Futtermaterialien. Erſtere ſind wegen ihres engen Nährſtoffverhältniſſes,
ihrer leichten Verdaulichkeit und ihres Phosphorſäuregehaltes als ſehr gedeihliches
Futter für Fohlen, Kälber und Lämmer anzuſehen. Sonſt gelten ſie als gutes
Milch- und Maſtfutter für Rinder (1—2 Kilogr. per Tag und Stück) und für
Schweine (⅓ der Körnerration). Die Bierträbern eignen ſich als proteïnreiche, leicht
verdauliche Nahrung im friſchen Zuſtande neben Rauh- und Wurzelfutter beſonders
für Milch- und Maſtvieh. Sie werden bei Rindern zu ⅓ — ½, bei Schafen bis
zu ⅓ des täglichen Nährſtoffbedarfes verabreicht. Für Pferde ſind ſie weniger
geeignet.
Die Rückſtände der Rübenzuckerfabrication geben je nach der Methode der
Saftgewinnung ein ſehr verſchieden werthvolles Futter. Die Rückſtände des Preß-
verfahrens, die Rübenpreßlinge, beſitzen 29.7 % Trockenſubſtanz und ein ſehr
weites Nährſtoffverhältniß, welches zwiſchen 1 : 10—14 ſchwankt. In Verbindung
mit ſtickſtoffreichen Futtermitteln, wie Oelkuchen, können ſie bis zur Hälfte und darüber
der täglichen Futterration an Maſtrinder und Maſtſchafe und bis zu einem Drittel
an Milchvieh und Wollſchafe im friſchen oder im eingeſäuerten Zuſtande verabreicht
werden. Die Centrifugen-Rückſtände ſind von wäſſeriger Beſchaffenheit
(84.0 % Waſſer), im Uebrigen den Preßlingen im Nährwerthe gleichzuſtellen. Noch
viel waſſerreicher ſind die Difuſſionsrückſtände. Dieſelben enthalten im
friſchen Zuſtande 7.9 %, gepreßt mit Kluſemann’ſchen Preſſen 12—14 % Trocken-
ſubſtanz, welche ein engeres Nährſtoffverhältniß (1 : 5.5—7.0) aufweiſt und daher
für die Viehfütterung im gepreßten Zuſtande oder in Gruben eingelegt von größerem
Werthe als die Preßlinge ſind. Die Abfälle der Stärkefabriken, die Kartoffel-
faſer beſitzt nur einen ſehr geringen Nährwerth. Sie iſt nur im friſchen
Zuſtande ohne Nachtheil an Wiederkäuer und Schafe zu verfüttern.
Die getrockneten Rückſtände der Fleiſchextractfabrication, das amerikaniſche
Fleiſchfuttermehl, zählt zu den ſtickſtoffreichſten (im waſſerfreien Zuſtande
82 — 83 % Proteïnſtoffe und 13—14 % Fett) und leichtverdaulichſten Futtermitteln.
Daſſelbe verdient als Zuſatz zu Kartoffeln (3—6 Kilogr.) in der Menge von 0.25
bis 0.5 Kilogr. per Tag und Stück, bei der Schweinefütterung und Schnellmaſtung,
ſowie bei der Fütterung des Geflügels 1) die vollſte Beachtung.
Von den Molkerei-Abfällen bilden die Molke und noch mehr die abgerahmte
oder ſauere Milch, neben Körnern, ein gedeihliches Schweinefutter.
Ueber die procentiſche Zuſammenſetzung der einzelnen Futtermittel, ſowie über
das Verhältniß der ſtickſtoffhaltigen zu den ſtickſtofffreien Nährſtoffen gibt die nach-
ſtehende Tabelle 2) Aufſchluß.
[71]Die Ernährung und Pflege.
Tabelle über die procentiſche Zuſammenſetzung der Futtermittel.
(Nach Julius Kühn.)
Ueber die Zuſammenſetzung der Futtermittel und deren Gehalt an verdaulichen
Beſtandtheilen entnehmen wir den Angaben von Dr. E. Wolff 1) auszugsweiſe folgende
Tabelle:
[74]Allgemeine Thierzuchtlehre.
B.Die Fütterung.
6. Die Futtermenge.
Die Aufgabe der Fütterung beſteht nicht nur darin, durch ein beſtimmtes
Futterquantum die möglichſt größte, thieriſche Maſſe, ſondern auch den höchſten, wirth-
ſchaftlichen Nutzen zu erzielen. Um dieſes Ziel zu erreichen, iſt es erforderlich die
entſprechendſte Futtermenge und das entſprechendſte Nährſtoffverhältniß im Futter zu
ermitteln. Um ſich die Wirkung eines Futters klar zu machen, unterſchied man zwi-
ſchen Erhaltungs- und Productionsfutter. Erſteres ſollte ausſchließlich
zur Erhaltung des Lebens, letzteres zur Production von Körperzuwachs, Muskel-
kraft, Milch, Fleiſch, Fett, Wolle ꝛc. dienen.
Die erforderliche Menge an Erhaltungsfutter wurde bei Wiederkäuern mit 1/60—1/50
des Lebendgewichtes oder mit 1⅔—2 Kilogr. Heuwerth für je 100 Kilogr. lebendes Körper-
gewicht angegeben. An Geſammtfutter ſollte für Milchvieh 1/30 des Lebendgewichtes oder
3—3½ Kilogr., bei Maſtvieh 4½—5 Kilogr. für je 100 Kilogr. Lebendgewicht erforderlich
ſein. Von dem über das Erhaltungsfutter gereichten Productionsfutter ſoll jedes Kilogr.
Heuwerth 1 Kilogr. Milch oder 0.1 Kilogr. Kalb im Mutterleibe oder bei Maſt- und
[75]Die Ernährung und Pflege.
Jungvieh 0.1 Kilogr. Zunahme des Körpergewichtes liefern. Bei Schafen ſollen 10 Kilogr.
Heuwerth Productionsfutter 0.5 Kilogr. Körpergewichtszunahme oder 0.125 Kilogr. Wolle
produciren.
Die Unterſcheidung zwiſchen Erhaltungs- und Productionsfutter läßt ſich jedoch
nicht ſtrenge aufrecht erhalten, da bei Erhaltungsfutter immer eine, wenn auch geringe,
thieriſche Production ſtattfindet. Bei der Ernährung der Nutzthiere handelt es ſich
vielmehr entweder um die Verabreichung von Beharrungsfutter, bei welchem ſich der
thieriſche Organismus in ſeinem normalen Lebensproceſſe erhält und in ſeinem
Körpergewichte und Kraftzuſtande gleich bleibt oder um die Verabreichung von einer
weiteren Futtermenge, welche ſo lange wirthſchaftlich gerechtfertigt iſt, als die Koſten
des Futterzuſchuſſes durch den Werth der vermehrten thieriſchen Production gedeckt
werden.
Ueber die Menge des Futters zu dieſem oder jenem Zwecke entſcheidet: 1. Die
Zuſammenſetzung und Beſchaffenheit der Futterſtoffe. 2. Die Größe und Schwere der
Thiere. Im Allgemeinen ſind mittelgroße Thiere ſehr ſchweren und leichten vorzu-
ziehen. 3. Der Futterzuſtand der Thiere. Magere Thiere bedürfen weniger Be-
harrungsfutter als fette. Anderſeits ſollen die Thiere ſtets in einem guten Futter-
zuſtande erhalten werden, da herabgekommene Thiere unverhältnißmäßig mehr Futter
verbrauchen, um zu einer nur einigermaßen entſprechenden Production zu gelangen,
abgeſehen davon, daß bei dieſen durch Ueberfreſſen leicht Verdauungskrankheiten ent-
ſtehen können. 4. Die Race. 5. Die Individualität des Thieres. 6. Das Lebensalter.
Heranwachſende Thiere bedürfen größere Futtermengen als ausgewachſene Thiere.
7. Die Nutzung. 8. Die Stalltemperatur. Zu kalte und zu warme Stallung iſt
ſtets mit einer argen Futterverſchwendung verbunden. 9. Die Pflege und Wartung ꝛc.
Nach dem Bemerkten laſſen ſich daher für den Futterbedarf nur ſchwer allgemein
giltige Grundſätze aufſtellen. Dieſelben müſſen für jeden ſpeciellen Fall beſonders
feſtgeſtellt werden und dürfen auch dann nicht ſchablonenmäßig nachgeahmt werden.
Zur Bemeſſung der Futtermenge reicht die Stückzahl der Thiere als allgemeiner
Anhalt nicht aus. Viel ſicherer iſt zu dieſem Zwecke das Lebendgewicht der
Thiere, obgleich auch dieſes nicht vollſtändig verläßlich iſt, nachdem daſſelbe durch das
verſchiedene Gewicht des Darminhaltes beeinflußt wird. Bei der Bemeſſung des
Futters iſt das Gewicht dem Maße vorzuziehen. Bei dem Wägen wird jedoch auch
Waſſer, welches außerdem als Tränkwaſſer in beliebiger Menge aufgenommen werden
kann, mit in Rechnung gezogen. Den ſicherſten Maßſtab für die Futterbemeſſung
bildet daher der Gehalt des Futters an Trockenſubſtanz. Dabei muß jedoch
beachtet werden, daß der Verdauungsapparat auch ein beſtimmtes Volumen er-
fordert, bei welchem allein der größte Nähreffect erzielt wird. Zur Herſtellung des
nöthigen Volumens eignet ſich wegen ſeines Gehaltes an ſchwerverdaulicher Holzfaſer
vornehmlich das Rauhfutter (Heu oder Stroh). Das Tränkwaſſer dient nicht zur
Ausfüllung, da es von den Wänden des Verdauungsapparates bald aufgenommen
wird. Je wäſſeriger das Futter, um ſo mehr Beigabe von trockenem Rauhfutter
[76]Allgemeine Thierzuchtlehre.
iſt jedoch erforderlich. Nach Haubner 1) iſt an Rauhfutter in der Tagesration zu ver-
abreichen bei dem erwachſenen, mittelſchweren
Von Bedeutung für die Ernährung iſt das Verhältniß der Menge an Futter-
trockenſubſtanz zu dem Waſſerbedarfe der Thiere. Das erforderliche Waſſer er-
halten die Thiere im Futter und durch das Getränk. Der tägliche Bedarf an
Waſſer richtet ſich ſowohl nach der Beſchaffenheit des Futters (grün, wäſſerig oder
trocken), als auch nach dem Nutzungszwecke, nach der Temperatur und dem Feuchtig-
keitsgrade der Luft. Maſt- und Milchvieh beanſprucht im Allgemeinen mehr Tränk-
waſſer als Wollethiere und Arbeitsvieh. Bei warmer, trockener Luft ſtellt ſich ein
größeres Verlangen nach Waſſer ein, als unter entgegengeſetzten Verhältniſſen. Auf
einen Theil Trockenſubſtanz des Futters ſollen kommen bei dem
- Pferde 2.5—3.5 Theile Waſſer,
- Rinde 3.5—4.5 „ „
- Schafe 2.5—3 Theile Waſſer,
- Schweine 7—8 „ „
Am zweckmäßigſten bleibt es, den Thieren Gelegenheit zu geben, reines, nicht
zu kaltes (etwa 10—13°C. warmes) Waſſer nach Belieben aufnehmen zu können.
7. Das Futternährſtoffverhältniß.
Die entſprechende Futtermenge reicht allein nicht aus, um den höchſten Fütterungs-
effect zu erzielen. Es müſſen auch die einzelnen Nährſtoffe des Futters, insbeſondere
die ſtickhoffhaltigen und die ſtickſtofffreien Nährſtoffe in einem angemeſſenen Verhältniſſe
zu einander ſtehen. Bei dem heutigen Stande der Fütterungslehre erübrigt nur,
ſich an den durchſchnittlichen Geſammtgehalt des Futters an verdaulichen und un-
verdaulichen Nährſtoffen zu halten. Dieſem Anhalte iſt jedoch kein abſoluter Werth
beizumeſſen, ſondern es kann durch denſelben nur eine ungefähre Richtſchnur geboten
werden. Allein richtig iſt es, nur den verdaulichen Theil des Futters, die eigent-
lichen Nährſtoffe in Rechnung zu ziehen.
Die Bemühungen Wolff’s 2) und Anderer, bei der Feſtſtellung der Menge
und des Verhältniſſes der Nährſtoffe im täglichen Futter nur auf die wirklich ver-
daulichen Futterbeſtandtheile Rückſicht zu nehmen, können jedoch für die Praxis erſt
dann eine größere Bedeutung gewinnen, wenn eine größere Zahl von Fütterungs-
verſuchen über die Verdaulichkeit der einzeln und gemengt verabreichten Futtermittel
vorliegen wird.
[77]Die Ernährung und Pflege.
Bei Beharrungsfutter kann das Nährſtoffverhältniß im Futter am weiteſten ge-
halten werden, indem ein Minimum an Eiweiß zur Erhaltung genügt, ganz ab-
geſehen davon, daß Futtermittel mit weiterem Nährſtoffverhältniſſe billiger zu be-
ſchaffen ſind als proteïnreiche. Ein zu weites Nährſtoffverhältniß würde jedoch
gerade ſo wie ein zu enges zu einer Futterverſchwendung führen, indem das Zuviel
ungenützt den Thierkörper verläßt. Für eine lohnende Production ſind Nährſtoff-
verhältniſſe von 1 : 4 bis 1 : 7 als die Geeignetſten anzuſehen. Nähere Angaben
ſind bei der Fütterung der einzelnen Hausthierarten nachzuſehen.
8. Die Berechnung von Futtermiſchungen.
Die Grundlage für die Berechnung von Futtermiſchungen bildet der in der
Tabelle S. 71 angegebene Rohnährſtoffgehalt der einzelnen Futterſtoffe und die nach
Fütterungsverſuchen aufgeſtellte Futternorm, welche angibt, wie viel für je 1000
Kilogr. Lebendgewicht eines Thieres an Trockenſubſtanz, Rohproteïn, Rohfett und
ſtickſtofffreien Nährſtoffen (nach welchem ſich das Nährſtoffverhältniß in der Norm
ergibt) in der täglichen Ration zu verabreichen iſt. Auf die Rohfaſer und die minera-
liſchen Subſtanzen wird der Einfachheit wegen keine Rückſicht genommen, da anzu-
nehmen iſt, daß bei ſonſt richtiger Futterzuſammenſetzung deren Bedarf gedeckt iſt,
und da der verdauliche Theil der bisher als unverdaulich angeſehenen Rohfaſer un-
gefähr den unverdaulichen, bisher als völlig verdaulich angenommenen ſtickſtofffreien
Extractſtoffen entſpricht. Sehr häufig wird auch das Rohfett unberückſichtigt gelaſſen
und in 2.5facher Menge den ſtickſtofffreien Nährſtoffen zugezählt. In derſelben
Weiſe wird vorgegangen, wenn der aus der Tabelle S. 73 zu erſehende Gehalt an
verdaulichen Nährſtoffen der Berechnung zu Grunde gelegt wird.
Bei der Berechnung der Futtermiſchungen wird entweder durch Zuhilfenahme
von Gleichungen mit mehreren Unbekannten oder durch allmähliges Verſuchen auf
Grundlage der Futtertabellen die für einen beſtimmten Fall angenommene Futternorm
zu erreichen geſucht. Bei der Unſicherheit der Grundlagen iſt es jedoch in gewiſſen
Fällen räthlich, die für beſtimmte Nutzungszwecke bereits in der Praxis erprobten
Futtermiſchungen feſtzuhalten und unmittelbar die Futtermenge in den bewährten
Miſchungen anzugeben, ohne ſie vorher auf Nährſtoffe umzurechnen. Es gilt dies
insbeſondere für die Fütterung des Pferdes und des Jungviehes.
Nach dem erſteren, algebraiſch genannten Verfahren können immer nur Futter-
miſchungen aus ſoviel Futterſtoffen berechnet werden, als die Nährſtoffnorm einzelne
Beſtandtheile hat. Außerdem müſſen die zu miſchenden Futterſtoffe theils ein engeres,
theils ein weiteres Nährſtoffverhältniß als die Futternorm vorſchreibt, beſitzen, wenn
ein brauchbares Reſultat erzielt werden ſoll. Bezeichnen wir die nach der Norm für
1000 Kilogr. Lebendgewicht per Stück und Tag zu gebende Trockenſubſtanzmenge durch
T, das Proteïn durch P, die ſtickſtofffreien Extractſtoffe (Fett 2.5 fach gerechnet) durch E,
ſo ergibt ſich für die Berechnung der Futtermiſchung folgende Gleichung, in welcher die
[78]Allgemeine Thierzuchtlehre.
Buchſtaben t, p und r den Nährſtoffgehalt für je 1 Kilogr. und x, y und z die
Menge der geſuchten Futterſtoffe anzeigen:
t x + t1 y + t2 z = T,
p x + p1 y + p2 z = P,
r x + r1 y + r2 z = R.
Um die Miſchung von 4 Futterſtoffen nach dieſem Verfahren berechnen zu
können, iſt noch eine vierte Gleichung, welche ſich auf das Fett bezieht, aufzuſtellen
und eine vierte Stelle in den früheren Gleichungen aufzunehmen.
Das zweite Verfahren, Probirverfahren genannt, iſt einfacher, wenn auch we-
niger genau, dafür gewährt es den Vortheil, daß die Miſchung für eine beliebige Zahl
von Futtermitteln feſtgeſtellt werden kann. Bei demſelben wird zuerſt der Gehalt eines
der Menge nach ungefähr feſtgeſetzten Futtermittels von der Norm in Abzug gebracht.
Der Reſt wird durch ein weiteres Futtermittel zu erſetzen geſucht und ſo fort, bis
die Miſchung mit der Norm ſtimmt.
9. Die Verabreichung des Futters.
Bei der Verabreichung des Futters iſt nach Möglichkeit auf eine große Gleich-
mäßigkeit zu achten. Schroffe Uebergänge von einer Fütterung zur andern ſind mög-
lichſt zu vermeiden, nachdem ſie Störungen der Verdauung (Durchfall, Hartleibigkeit)
und der Ernährung (Zurückgehen des Körpergewichtes und der Nutzung) nach ſich ziehen.
Der Uebergang von einer Futtermiſchung zur anderen, insbeſondere der Uebergang
von der Winterfütterung zur Sommerfütterung, von Trockenfutter zu Grünfutter, und
umgekehrt ſoll nur langſam erfolgen, am beſten durch 8—14 Tage vorbereitet werden.
Um eine Gleichmäßigkeit der Fütterung zu erzielen, muß die aufgeſtellte Futter-
ordnung ſtrenge eingehalten werden. Dieſelbe beſtimmt die Zahl und Größe der
Ration und die Reihenfolge, in welcher die Futtermittel vorzulegen ſind. Die Zahl
der Mahlzeiten richtet ſich nach der Schnelligkeit der Verdauung und dem Nutzungs-
zwecke. Zur Magenverdauung benöthigen Pferde mindeſtens 3 Stunden, Rinder
und Schweine 4 Stunden und Schafe 2.5—3 Stunden. Die feſtgeſetzten Futter-
zeiten ſind ſtrenge einzuhalten. Das Futter ſoll in kleinen Partien vorgelegt werden,
da größere Partien durch das Anhauchen leicht unſchmackhaft werden. Die Reihen-
folge bei der Vorlage der Futtermittel ſoll durch Mannigfaltigkeit den Appetit an-
regen. Zuerſt wird Kurz-, dann Langfutter verabreicht. Den Wiederkäuern iſt nach
der Mahlzeit Ruhe zum Wiederkauen zu gönnen. Für die Nacht ſollen keine ſchwer
verdaulichen Futterſtoffe vorgelegt werden.
C.Die Haltung und Pflege.
Der größte Nutzen aus der Ernährung wird jedoch erſt dann erreicht,
wenn dieſelbe mit einer ſorgſamen Haltung und Pflege der Thiere verbunden iſt.
Die Abwartung der Thiere, insbeſondere des Jungviehes, ſoll mit Sorgfalt und
[79]Die Ernährung und Pflege.
Freundlichkeit vorgenommen werden. Rohe, gewaltthätige Behandlung führt zur Ent-
wickelung bösartiger Charaktereigenſchaften. Die Hautthätigkeit der Thiere, welche
für den normalen Verlauf des Stoffwechſels von großer Bedeutung, ſoll durch Rein-
halten gefördert werden. Die Thiere ſind daher mit reiner und ausreichender Streu
zu verſehen. Außerdem ſind ſie durch Putzen und Waſchen, bei zugfreien Stallungen
auch durch Scheeren der Haare ſtets rein zu erhalten.
Die Entwickelung und Leiſtungsfähigkeit der Thiere wird ſchließlich durch paſſende
Stalleinrichtungen weſentlich erhöht. Der Stall ſoll durch ſeine Anlage dem Thiere
reine, geſunde Luft, Licht, genügenden Raum, reinen Ruheplatz, Schutz gegen Wit-
terung, Inſecten ꝛc. und ausreichende Wärme (10—17.5 °C.) gewähren. In der
Nähe der Stallungen ſollen geräumige Tummelplätze (Viehausläufe, Viehhöfe) vor-
handen ſein, um den Thieren Gelegenheit zu geben reine Luft genießen und die zu
ihrem Gedeihen erforderliche Bewegung machen zu können.
[[80]][[81]]
B.
Beſondere Thierzuchtlehre.
Die beſondere Thierzuchtlehre hat die Aufgabe, die Bedingungen, welche für
die Vermehrung und Ernährung der Thiere in der allgemeinen Thierzuchtlehre feſt-
geſtellt wurden, im Beſonderen für die einzelnen Nutzthiere auszuführen und das
Verfahren anzugeben, durch welches — abgeſehen von dem wirthſchaftlichen Vortheile
— der größte Ertrag von den einzelnen Thieren erreicht werden kann.
Die folgende Ueberſicht gibt ein Verzeichniß jener Nutzthiere, deren Zucht in
größerem Umfange unter unſeren Verhältniſſen betrieben wird; ſie läßt gleichzeitig
die Stelle, welche die einzelnen Nutzthiere im Syſteme einnehmen, erkennen:
Kreis I1): Wirbelthiere (Animalia vertebrata).
Claſſe I: Säugethiere (Mammalia).
A. Zehenſäugethiere (Digitata).
Ordnung VI: Nagethiere (Glires).
Familie 6: Haſen (Leporina).
Gattung 28: Haſe (Lepus), Art: Kaninchen (L. cuniculus L.).
B. Hufſäugethiere (Ungulata).
Ordnung VIII: Vielhufer (Multungula).
Familie 3: Borſtenthiere (Setigera).
Gattung 8: Schwein (Sus), Art: Hausſchwein (S. scrofa L.).
Ordnung IX: Einhufer (Solidungula).
Familie 1: Einhufer (Solidungula).
Gattung 1: Pferd (Equus), Art: Pferd (E. caballus L.),
Eſel (E. asinus L.).
Ordnung X: Zweihufer, Wiederkäuer (Ruminantia).
Familie 4: Hohlhörner (Cavicornia).
Gattung 9: Rind (Bos), Art: Hausrind (B. taurus L.),
Büffel (B. bubalus L.).
Krafft, Lehrb. d. Landw. III. 6
[82]Beſondere Thierzuchtlehre.
Gattung 10: Ziege (Capra), Art: Hausziege (C. hircus L.).
Gattung 11: Schaf (Ovis), Art: Hausſchaf (O. aries L.).
Claſſe II: Vögel (Aves).
A. Neſthocker (Insessores).
Ordnung IV: Tauben (Columbae).
Familie 1: Tauben (Columbinae).
Gattung 1: Taube (Columba), Art: Haustaube (C. livea L.).
B. Neſtflüchter (Antophagae).
Ordnung V: Hühner (Gallinae).
Familie 2: Faſanen (Phasianidae).
Gattung 6: Pfau (Pavo), Art: Gemeiner Pfau (P. cristatus L.).
Gattung 11: Truthahn (Meleagris), Art: Puter (M. gallopavo L.).
Gattung 12: Perlhuhn (Numida), Art: Perlhuhn (N. meleagris L.).
Gattung 13: Huhn (Gallus), Art: Haushuhn (G. domesticus Briss.).
Ordnung VIII: Schwimmvögel (Palmipedes).
Familie 1: Entenvögel (Anatidae).
Gattung 1: Schwan (Cygnus), Art: Höckerſchwan (C. olor L.).
Gattung 2: Gans (Anser), Art: Hausgans (A. domesticus L.).
Gattung 3: Ente (Anas), Art: Hausente (A. boschas L.).
Claſſe IV: Fiſche (Pisces).
Kreis II: Gliederthiere (Arthrozoa).
Claſſe V: Inſekten (Insecta).
Ordnung II: Schmetterlinge (Lepidoptera).
Familie 6: Spinner (Bombycidae).
Gattung 4: Seidenſpinner (Bombyx), Art: Seidenraupe (B. mori L.).
Ordnung III: Aderflügler (Hymenoptera).
Familie 7: Blumenwespen (Anthophila).
Gattung 8: Honigbiene (Apis), Art: Honigbiene (A. mellifica L.).
Claſſe VII: Kruſtenthiere (Crustacea).
Ordnung I: Schalenkrebſe (Thoracostraca).
Familie 1: Zehenfüßer (Decapoda).
Gattung 4: Flußkrebs (Astacus), Art: Flußkrebs (A. fluviatilis F.).
Von den angeführten Nutzthieren werden nur ſolche als landwirthſchaftliche
Nutzthiere anzuſehen ſein, welche durch die Art ihres Futters in engſter Beziehung
zum Ackerbaue ſtehen. Es bleibt daher unberückſichtigt die Zucht des Kaninchens,
des Eſels, der Seidenraupe, der Honigbiene und des Flußkrebſes 1), während die
Geflügelzucht und die Fiſchzucht in einem Anhange beſprochen werden.
[83]Einleitung.
Die beſondere Thierzuchtlehre hat zunächſt auf die wirthſchaftliche Bedeutung
der einzelnen Thierarten aufmerkſam zu machen, die Entwickelungsgeſchichte derſelben
anzudeuten und weiterhin auf deren Zucht und Haltung hinzuweiſen.
Die Lehre von der Zucht der einzelnen Thiere hat von der Ermittelung der
verſchiedenen Abänderungen der Art, den Racen und Spielarten, auszugehen, die
Grundſätze der Züchtung und Aufzucht, der Ernährung und Pflege anzugeben und
ſchließlich Anhaltspunkte für die Benutzung zu gewähren.
Mit Rückſicht auf die wirthſchaftliche Bedeutung der einzelnen Thierarten wird,
abgeſehen von der Stellung im Syſteme, das Rind und Schaf dem Pferde und
Schweine voranzuſtellen ſein.
Die beſondere Thierzuchtlehre hat ſomit zu umfaſſen:
- 1. Die Rindviehzucht.
- 2. Die Schafzucht.
- 3. Die Pferdezucht.
- 4. Die Schweinezucht.
- Anhang: 5. Die Federviehzucht.
- 6. Die Fiſchzucht.
6*
[84]Beſondere Thierzuchtlehre.
I.
Die Rindviehzucht.
In dem Maße, als die Preiſe der Viehproducte gegenüber jenen der Bodenproducte
eine ſteigende Richtung einnehmen, gewinnt die Viehzucht, insbeſondere die Rindvieh-
zucht 1), für die landwirthſchaftliche Unternehmung eine immer größere Bedeutung. Bei
der Vielſeitigkeit der Nutzung des Rindes, als Fleiſch-, Milch- und Zugthier, eignet
ſich die Züchtung deſſelben für die verſchiedenartigſten Verhältniſſe, insbeſondere für
Gegenden mit geringerer Ausdehnung des Grundbeſitzes, welche jedoch nicht bis zur
Zwergwirthſchaft herabgehen darf, und für Gegenden mit dichter Bevölkerung, an welche
Fleiſch, Milch und Milchproducte lohnenden und ſicheren Abſatz finden. Je intenſiver
ſich unter den vorliegenden Verhältniſſen der Betrieb der Wirthſchaft geſtaltet, um ſo
mehr verdient die Rindviehzucht gegenüber anderen Thierzuchten den Vorrang. Bei
Stallhaltung liefert das Rind die reichlichſten Mengen eines vorzüglichen Düngers,
welcher für die Mehrzahl der Bodenarten und der Culturpflanzen gleich gut ver-
wendet werden kann. Durch die Rindviehzucht laſſen ſich die Abfälle techniſcher
Gewerbe, wie die Schlempe, Träbern, Rübenzucker-Fabrications-Rückſtände ꝛc. am
vortheilhafteſten verwerthen. Seiner Natur nach eignet ſich das Rind ſowohl für
mäßig feuchte Niederungen, als auch für grasreiche Gebirgslagen, bei mildem, ge-
mäßigtem Klima. Ungeeignet für die Rindviehzucht ſind magere, trockene Höhenboden
mit ſpärlichem Graswuchſe. Desgleichen ſteht ſie gegen andere Thierzuchten in
Gegenden mit extenſivem Wirthſchaftsbetriebe und mit großer Ausdehnung des Grund-
beſitzes zurück, während das Schaf und das Pferd in den Vordergrund treten.
1. Die Entwickelung des Rindes.
Je nach Alter, Geſchlecht und Nutzung und je nach Landesgebrauch erhält das
Rind verſchiedene Bezeichnungen. Nach der Geburt heißt das Rind Kalb und zwar,
je nach dem Geſchlechte, Stier- oder Kuhkalb, während der Säugezeit Saug-
kalb. Nach zurückgelegtem erſtem Jahre wird das weibliche Jungvieh bis zur
Geburt des erſten Kalbes 1jährige, 2jährige Kalbin, in Norddeutſchland Rind,
Ferſe, in Holſtein Starke, in der Marſch Queen, das männliche Rind bis
[85]Die Rindviehzucht.
zum erſten Zulaſſen
Jungſtier genannt.
Nach der erſten Geburt
heißt das weibliche Rind
Kuh und zwar zunächſt
Erſtlingskuh. Das
geſchlechtsreife, männliche
Rind erhält die Bezeich-
nungen: 1-, 2-, 3jähriger,
alter Stier, Zucht-
ſtier, Zuchtrind,
Faſelſtier, Faſel-
ochs, in Norddeutſchland
Bullen, Farren,
Zuchtbullen, in der
Schweiz Moni, Hum-
mel ꝛc. Das caſtrirte,
männliche Rind heißt
Ochs, das caſtrirte,
weibliche Rind Nonne.
Noch nicht zur Zucht
verwendetes Jungvieh u.
nicht trächtig gewordene
Rinder heißen güldes,
güſtes oder galtes
Vieh.
Zur Erkennung des
Alters der Thiere gibt
die Beſchaffenheit des
Gebiſſes einen ungefäh-
ren Anhaltspunkt. Das
Rind hat wie alle Wie-
derkäuer im Unterkiefer
8 Schneidezähne und je-
derſeits 6 Backenzähne,
im Oberkiefer entſpre-
Körper des Unterkiefers eines ¾ Jahr alten Kalbes.
Naturgröße. — Die Kronen ſind bedeutend abgenutzt und zwiſchen den
Wurzeln iſt bereits ein größerer Zwiſchenraum vorhanden.
Körper des Unterkiefers eines 1¾ Jahr alten Rindes.
Naturgröße. — 1, 1 Erſatzzangen.
chend den Schneidezähnen im Unterkiefer eine zahnloſe Platte und jederſeits 6 Backen-
zähne, ſomit 8 Schneide- und 24 Backen-, zuſammen 32 Zähne. Die erſten Zähne,
Milchzähne, ſind kleiner, ſcharfkantig und werden bald von den nachſchiebenden,
ſtärkeren, bleibenden Erſatzzähnen verdrängt. Der Zahnausbruch und -Wechſel iſt aus
nachſtehender Tabelle zu erſehen. In derſelben bedeuten die einfachen Ziffern die
Milchzähne, die fetten Ziffern die Erſatzzähne. Die Zähne ſind von der Mitte des
[86]Beſondere Thierzuchtlehre.
Gebiſſes mit 1, 2 u. ſ. f. bezeichnet. Die Tabelle gibt ihre Zahl in den verſchie-
denſten Lebensaltern an:
Der Ausbruch und Wechſel der Zähne geht jedoch nicht ſo regelmäßig, wie in
der Tabelle angegeben, vor ſich, ſondern erleidet manche Verzögerung oder Be-
ſchleunigung. Namentlich bei Stallhaltung tritt der Ausbruch oder Wechſel oft um
einige Wochen früher oder ſpäter ein. Nach 4½—5 Jahren iſt der Zahnwechſel
vollendet, das Thier hat abgezahnt, abgeſchoben, iſt vollzahnig geworden. Weiterhin
Körper des Unterkiefers eines 2¼ Jahre alten Rindes.
Naturgröße. — 2, 2 innere Erſatzmittelzähne. Kronen der äußeren
Milchmittelzähne und der Milcheckzähne vollſtändig abgenutzt.
nutzen ſich die Zähne, je
nach der Beſchaffenheit des
Futters, verſchieden raſch ab,
werden locker und fallen aus.
Außerdem treten noch andere
Zeichen für das zunehmende
Alter in der ganzen Erſchei-
nung des Thieres auf. Die
Haut wird ſchlaff, bei weib-
lichen Thieren wird das Eu-
ter welk, es verlängern ſich
die Striche, an den Hörnern
vermehren ſich die Ringe.
Während der Trächtigkeit
tritt ein Stillſtand im
Wachsthume des übrigen
Körpers ein, das Horn bleibt
dünner, es erhält daher nach
[87]Die Rindviehzucht.
jedem Kalbe eine ge-
ringere Entwickelung,
einen Ring. Bleibt
die Kuh galt, ſo ent-
ſteht ein längerer Ab-
ſtand zwiſchen zwei
benachbarten Ringen.
Die Hornringe ſind
daher zur Altersbe-
ſtimmung nicht ver-
läßlich. Bei guter
Haltung und Ernäh-
rung kann das Rind
20, 30 Jahre alt
werden, Stiere wer-
den jedoch wegen
des Nachlaſſens der
Zuchtfähigkeit ſelten
über 5, 6 Jahre,
Ochſen über 6—12
Jahre und Kühe
über 9—14 Jahre
gehalten.
Das ſtärkſte Wachs-
thum des Rindes fällt
in das erſte und zweite
Jahr nach der Geburt
und erreicht ſeinen
Höhepunkt je nach
der Entwickelungs-
Fähigkeit der Race
mit 4 — 5 Jahren.
Die Körpergewichts-
zunahme einer Lavan-
thaler Kuh hatte
z. B. in verſchiedenen
Lebensaltern in Kilo-
gramm betragen:
Körper des Unterkiefers eines 3¼ Jahre alten Rindes. Natur-
größe. — 3, 3 bleibende, äußere Mittelzähne.
Körper des Unterkiefers eines 4¼ Jahre alten Rindes. Natur-
größe. — 4, 4 bleibende Eckzähne.
bis zur Geburt (Körpergewicht 30 Klg.) 30 Klg. oder per Tag 0.105 Klg.,
von der Geburt bis zum
vollendeten 1. Jahre („ 140 „) 110 „ „ „ „ 0.301 „
vom 1. bis zum 2. Jahre („ 290 „) 150 „ „ „ „ 0.410 „
[88]Beſondere Thierzuchtlehre.
vom 2. bis zum 3. Jahre (Körpergewicht 408 Klg.) 118 Klg. oder per Tag 0.323 Klg.,
„ 3. „ „ 4. „ („ 437 „) 29 „ „ „ „ 0.079 „
„ 4. „ „ 5. „ („ 468 „) 31 „ „ „ „ 0.085 „ꝛc.
Der Geſchlechtstrieb erwacht ſowohl bei dem männlichen als weiblichen Rinde
mit 1½—2 Jahren, bei ſehr frühreifen Racen, kräftiger Ernährung und Ab-
ſtammung auch ſelbſt mit 1 Jahr. Die Brünſtigkeit der Kuh, das Rindern, tritt
bei Weidebetrieb im Frühjahre, bei Stallhaltung zu jeder Jahreszeit ein. Nach der
Geburt des Kalbes wird die Kuh in 24—28 Tagen wieder rinderig.
Die Trächtigkeitsdauer der Kuh beträgt im Mittel 285 Tage oder 9 Monate.
Das Stierkalb wird meiſt um 8—12 Tage länger getragen. Das Maximum der
Tragzeit iſt 320 Tage. Eine Frühgeburt, welche 260 Tage nach der Begattung erfolgt,
iſt zur Zucht untauglich. Nach einer Tragzeit von 230 Tagen iſt die Frucht noch
nicht lebensfähig. In der Regel bringt die Kuh nur ein Kalb, ſelten Zwillinge
und noch ſeltener Drillinge zur Welt. Das Gewicht des Kalbes beträgt 1/12 — 1/14
des Kuhgewichtes. Es wiegen
- leichte Kälber .... 22—30 Kilogramm,
- mittelſchwere Kälber .. 30—42 „
- ſchwere Kälber .... 44—50 „
- ſehr ſchwere Kälber ... 52—58 „
Nach der Geburt ſaugt das Kalb 4—8 Wochen.
Das Gewicht des ausgewachſenen Rindes iſt nach Race, Abſtammung, Ge-
ſchlecht ſehr verſchieden. Der Stier wiegt gewöhnlich um 50, der Ochſe um 25 bis
30 % mehr als die Kuh. Es wiegen
- kleine Kühe ..... 200—300 Kilogr., Stiere 300—450 Kilogr.
- mittelſchwere Kühe .. 350—450 „ „ 650—700 „
- ſchwere Kühe .... 500—600 „ „ 750—900 „
- ſehr ſchwere Kühe ... 650—700 „ „ 950—1000 „
Als naturgemäßes Futter für das Rind ſind alle beſſeren Gras- und Kleearten
im friſchen Zuſtande anzuſehen. Auf 1000 Kilogr. Lebendgewicht verlangt das Rind
ein Futtervolumen von 0.08—0.16 Cubikmeter und 15—35, im Mittel 25 Kilogr.
Trockenſubſtanz oder 1/40 des Lebendgewichtes. Auf 1 Theil Futtertrockenſubſtanz
ſollen 4 Theile Waſſer kommen.
2. Die Racen des Rindes.
Nach der früher gebräuchlichſten Eintheilung der zahlreichen Rinderracen unter-
ſchied man, je nach der geographiſchen Verbreitung der Rinder in Europa, die
Niederungs-, die Gebirgs- und die Landracen, zu welchen noch hinzu-
kamen die Racen des ſüdöſtlichen Europa’s, die engliſchen und franzöſiſchen Racen.
[89]Die Rindviehzucht.
In neuerer Zeit werden nach dem Vorgange L. Rütimeyer’s 1) die Rinderracen
Mitteleuropa’s je nach ihrer Schädelbildung, welche gegenüber dem Rumpfe und den
übrigen Körpertheilen noch am meiſten Unveränderlichkeit beſitzt, und nach ihrer muth-
maßlichen Abſtammung unterſchieden in: A. die Primigenius- (Ur-) Racen, B. die
Brachyceros- (kurzhornigen) Racen und C. die Frontoſus- (großſtirnigen) Racen.
An dieſe mitteleuropäiſchen Rinderſtammracen ſchließen ſich D. die Landracen, E. die
engliſchen und F. die franzöſiſchen Rindviehracen an, welche ihrer Abſtammung nach
der einen oder anderen der drei vorgenannten, mitteleuropäiſchen Racen zuzuzählen ſind.
A.Die Primigenius-Racen.
Als Stammvater der Primigenius-Racen wird der ausgeſtorbene, urſprünglich
in Europa wild vorkommende Ur, Auerochs (Bos taurus primigenius) angeſehen.
Im Schädelbaue, Fig. 43,
zeichnen ſich die Primigenius-
Racen durch geſtreckte Geſtalt im
Gehirn- und Geſichtstheile, auf-
fallend geradlinige Umriſſe des
Schädels aus. Die Stirnlänge
beträgt 47 % der Schädellänge.
Die Hornzapfen ſind dicht ange-
ſetzt ohne ſtielartige Erweiterung,
erheben ſich anfangs über die
ſanft ausgebuchtete Stirn, krüm-
men ſich etwas nach hinten und
weiterhin nach vorne mit nach
aufwärts gerichteter Spitze. Die
Backenzahnreihe iſt auffallend kurz,
daher der zahnloſe Theil des
Oberkiefers ſehr lang.
Zu denſelben zählen das
Grauvieh Oſt- und Süd-Euro-
pa’s, die Niederungsracen an der
Nord- und Oſtſeeküſte, und das
engliſche Rothvieh (mittelhornige
Racen).
Schädel der Niederungsrace (Primigeniusrace)
nach Rütimeyer.
[90]Beſondere Thierzuchtlehre.
Das oſt- und ſüdeuropäiſche Grauvieh (Steppenrace, podoliſche Race), welches
wahrſcheinlich aus Aſien eingewandert iſt, charakteriſirt ſich durch die weiße oder rich-
tiger ſilbergraue bis graubraune, niemals gefleckte Haar-
farbe und die ſehr langen, ſeitwärts gerichteten Hörner,
welche mit ihren Spitzen bis zu 2.3 Meter von einander
abſtehen. Mit Ausnahme der Hörner ſtimmt
die übrige Schädelform, Fig. 44, mit
jener der Niederungsracen überein. In
der Jugend ſich ſehr langſam entwickelnd,
zeigen die Thiere ausgewachſen einen
kräftigen Körperbau bei großer Ausdauer.
Sie liefern ausgezeichnete Zug- und
Maſtthiere, ſchlechte Milchthiere. Die
Maſtthiere ſind vornehmlich durch Anſatz
von reichlichem Talge
ausgezeichnet. Je
nach der geographi-
ſchen Verbreitung
dieſer Racengruppe
unterſcheidet man
1. die ungariſch-
ſiebenbürgiſche Race,
2. die ruſſiſchen
Schädel der podoliſchen Race nach Rohde. — Stirnlänge 0.26 Meter, Breite zwiſchen den
Augenhöhlen 0.17 Meter, Schädellänge 0.53 Meter, Länge der Backzahnreihe 0.16 Meter, des zahn-
loſen Oberkiefertheiles 0.18 Meter, des Hornzapfens 0.53 und des Hornes 0.78 Meter.
Steppenracen, 3. die romaniſche Race, 4. die Camargue-Race in Südfrankreich und
als Uebergangsrace zu dem Gebirgsviehe 5. die ſteieriſchen Racen.
1. Die ungariſch-ſiebenbürgiſche Race. Der Verbreitungsbezirk dieſer
Race erſtreckt ſich über Ungarn, ſeine Nebenländer und die Donaufürſtenthümer.
Der Körperbau des ungariſchen Rindes, Fig. 45, S. 91, iſt kräftig, trocken. Der
Körper erreicht bei den Kühen ein Gewicht von 350 — 550 Kilogr., bei gemäſteten
Ochſen von 700—800 Kilogr. Der Kopf verläuft ſpitz gegen das dunkel gefärbte
Flotzmaul. Das ſchief geſtellte Auge blickt feurig. Die Haut der Umgebung des-
ſelben iſt mit ſchwarzem Pigmente reichlich verſehen. An den mittelſtarken Hals
ſchließt ſich die volle, mit wenig entwickelter Wamme verſehene Bruſt. Der ſchmale,
etwas aufgezogene, auf hohen Beinen ruhende Leib beſitzt breite, hervorſtehende Hüften
und etwas abfallendes Kreuz. Die Hautfarbe iſt ſchiefergrau, die Haarfarbe weiß,
hellgrau, aſchgrau bis ſchwarzgrau, am Rücken und Bauche, ſowie um das Flotzmaul
gewöhnlich dunkler als der übrige Körper gefärbt. Die Körperlänge vom Kopfe bis
zum Kreuze beträgt 2.7 M., die Rumpflänge 1.5 M., die vordere Höhe 1.6 M.,
Rumpftiefe 0.9 M. und Rumpfumfang 2.5 M. Die Milchergiebigkeit iſt gering,
im Mittel 580—1940 Liter per Jahr bei guter Qualität (15—16 % Rahm). Die
ungariſchen Rinder mäſten ſich leicht, aber langſam; 10—14 % des Lebendgewichtes
ſind Talg, das Schlachtgewicht beträgt 65—70 % des Lebendgewichtes. Als Zug-
thiere ſind ſie durch guten Schritt, gute Lunge und Genügſamkeit unübertrefflich.
[91]Die Rindviehzucht.
Kuh der ungariſchen Race.
2. Die ruſſiſchen Steppenracen, auch podoliſch-beſſarabiſche Racen ge-
nannt, verbreiten ſich über das europäiſche und aſiatiſche Rußland bis nach China.
Neben dem Zebu oder Buckelrinde (Bos taurus indicus) iſt daher das Steppenvieh
die verbreitetſte Rindviehrace der Welt. Die Thiere, Fig. 46, S. 92, ſind tiefer
geſtellt und beſitzen weniger lange Hörner als die ungariſchen Rinder, mit welchen
ſie in den übrigen Eigenſchaften übereinſtimmen. Ihre Haarfarbe iſt grau, auch
gelblich und graubraun. Ihr Hauptnutzen beſteht in Maſtvieh, Talg und Häuten.
3. Die romaniſchen Racen finden ſich in Italien von der Lombardei bis
nach Sicilien verbreitet. In ihren Eigenſchaften zeigen ſie die größte Aehnlichkeit
mit dem ungariſchen Rindviehe.
Die Niederungsracen, Marſchracen, finden ſich in den grasreichen Küſtenländern
der Nord- und Oſtſee, von wo aus ſie ſich bis nach Nord-Frankreich und England
verbreiten. Der Schädel dieſer Racen (ſ. Fig 43, S. 89) iſt lang und ſchmal gebaut,
die Hörner kurz, nach vor- und einwärts geneigt. Die Augen ſind groß mit ſanftem
Blicke. Der mittellange, ſchlanke Hals iſt faſt ohne Wamme. Der Leib lang und
gut gewölbt, auf den trockenen Beinen hochgeſtellt. Das Kreuz breit, meiſt nach
hinten abfallend. Die feinen, kurzen Haare ſind ſcheckig (bunt), ſchwarz, aber auch
[92]Beſondere Thierzuchtlehre.
Ruſſiſches Steppenrind.
Weſtfrieſiſcher Zuchtſtier.
[93]Die Rindviehzucht.
braun, weiß und mausfarbig. Die Milchergiebigkeit iſt ausgezeichnet, bei gut maſt-
fähigem Körper; ſchlechte Zugthiere. Zu den Niederungsracen zählen: 1. Die
holländiſchen Racen, 2. die oſtfrieſiſche und oldenburger Race, 3. die jütiſche Race,
4. die ſchleswig-holſteiniſche Race.
1. Die holländiſchen Racen, Fig. 47, S. 92. Verbreitung: Nord- und
Südholland, Weſtfriesland; Groningen; Seeland. Vorherrſchend Schwarzſchecken.
Füße oberhalb der Klauen meiſt weiß. Kuhgewicht 600—700 Kilogr. Die Kälber
fallen ſchwer mit 40—45 Kilogr. Körpergewicht, entwickeln ſich jedoch raſch. Milch-
ergiebigkeit durchſchnittlich 3000—4000 Liter, jedoch nur mit 11—13 % Rahm-
gehalt. Sie mäſten ſich leicht. Zum Zuge ſind ſie ſchlecht verwendbar. Wegen
Größe und Milchergiebigkeit am berühmteſten ſind die in Nordholland als „Amſter-
damer Race“ bekannten Schläge.
2. Die oſtfrieſiſche und oldenburger Race. Verbreitung: Preußiſche
Provinz Oſtfriesland und Großherzogthum Oldenburg. Dieſelben ſind ſchwerer im
Körperbaue als die Holländer. Ihre Färbung zeigt größere Abwechſelung, meiſt ſind
ſie braun-, auch ſchwarz- oder grauſcheckig oder einfarbig. Sie ſind ebenſo milchreich
wie die Holländer, beſitzen jedoch geringere Maſtfähigkeit und eignen ſich daher eher
für den Zug.
3. Die jütiſche Race. Verbreitung: Däniſche Provinz Jütland, Nord-
ſchleswig. Die Thiere dieſer Race beſitzen die Eigenſchaften des Marſchviehes. Sie
ſind jedoch kleiner, feiner gebaut, beſitzen breiteren, tieferen Rumpf und ſind genügſamer
als das Holländervieh; gut maſtfähig und milchergiebig.
4. Die ſchleswig-holſteiniſchen Racen. Dieſelben werden je nach
ihrem Vorkommen in Marſchracen an der Seeküſte und in Racen der Geeſt (Höhen-
land) unterſchieden. Unter den Marſchracen zeichnet ſich vorzugsweiſe das Eiderſtädter-
und Dithmarſchen-Vieh durch große Maſtfähigkeit aus. Von den Holländern unter-
ſcheiden ſie ſich durch die runderen Körperformen und die meiſt rothbunte, auch ſchwarz-
bunte Färbung. Als milchergiebige Marſchſchläge ſind zu nennen: das bis zu
600 Kilogr. und darüber ſchwere Wilſtermarſchvieh und das kleinere, milchreichere
Breitenburger Vieh. Letzteres iſt rothgeſcheckt mit vorwiegendem Weiß.
Unter den Racen der Geeſt ſteht durch ſeine Milchergibigkeit oben an das
hellbraun-rothe, zuweilen ſpärlich weißgefleckte Anglervieh, welches zwiſchen der
Schlei und der Eckernförderbucht heimiſch iſt. Maſtfähiger und ſchwerer (bis 500
Kilogr.) iſt das dunkelbraune Vieh in der Umgegend von Tondern.
Verwandt mit dem Niederungsviehe iſt das Vieh in den Küſtengegenden der
Oſtſee bis zu den Weichſelniederungen. Weſtwärts ſchließen ſich an das Niederungs-
vieh: die Viehſchläge in Belgien, das Limpurgervieh, die Racen von Flandern und
der Normandie. Außerdem iſt das Niederungsvieh in zahlreichen Kreuzungen mit
den rothen, mitteldeutſchen Landſchlägen verbreitet.
[94]Beſondere Thierzuchtlehre.
B.Die Brachyceros-Racen.
Als Stammvater dieſer Racengruppe iſt ein Rind anzuſehen, welches in allen
Theilen der ſchweizer Pfahlbauten aufgefunden wurde und von Rütimeyer als kurz-
horniges Rind (Bos taurus brachyceros) bezeichnet wurde. Die Knochenreſte dieſes
Schädel der kurzhornigen Race nach Rüti-
meyer.
Rindes unterſcheiden ſich von jenen
des Bos primigenius durch ihre weit
geringere Größe. Der Schädel, Fig.
48, iſt in einzelnen Fällen flach, in
anderen überragt ein in der Mitte
ausgebuchteter Stirnwulſt die Hinter-
hauptsfläche. Das Geſicht iſt kür-
zer (hirſchköpfig), die Stirn länger
(50—52 % der Schädellänge), aber
quadratiſcher als bei den Niederungs-
racen. Die gewölbten Augenhöhlen
ragen merklich über den Schädel-
umriß vor. Die Hornzapfen ſind
ungeſtielt, kurz und verhältnißmäßig
dick, kegelförmig. Die Hörner ſind
anfänglich nach außen, dann nach
vorne und oben gerichtet und erheben
ſich nur wenig über die Stirnbein-
kante. Das Backenzahngebiß iſt aus-
gedehnt, das Schneidezahngebiß ſchmal.
Zu dieſer Stammrace zählen die
einfarbigen Gebirgsracen.
Das Gebirgsvieh charakteriſirt ſich durch kurzen Kopf mit breitem Maule und
breiter Stirne. Die Hörner ſtehen mehr nach der Seite und ſind meiſt kurz nach
aufwärts gebogen. Der Hals iſt kürzer als bei dem Niederungsviehe und mit ſtarker
Wamme verſehen. Die Bruſt breit, der Leib tonnenförmig, gedrungen, abgerundet.
Der Schweif meiſt hochangeſetzt, überbaut. Die ſtämmigen, kurzen, mitunter ſelbſt
plumpen Füße ſind mit breiten, ſtarken Gelenken verſehen. Die Hautfarbe roth, die
Haarfarbe eintönig dunkel. Die Haut dick und ſtark. Der Körper mittelgroß bis
ſehr ſchwer. Als Milchthiere werden ſie in der Quantität von den Niederungs-
racen übertroffen, die Qualität der Milch iſt jedoch eine bedeutend beſſere. Maſt-
fähigkeit mittelmäßig bis gut, Fleiſch meiſt grobfaſerig. Zugtauglichkeit gut bis
mittelmäßig. Zu dem einfarbigen Gebirgsvieh ſind zu rechnen: 1. Das Braunvieh
in der Schweiz, 2. die Racen des Montavoner Thales in Vorarlberg, 3. die Racen
[95]Die Rindviehzucht.
Schwyzer Stier.
[96]Beſondere Thierzuchtlehre.
des baieriſchen Oberlandes, im Algäu, 4. der Oberinnthaler Schlag in Tirol,
5. die Mürzthaler Race, 6. die thierfarbigen Viehracen in Frankreich.
1. Das Schweizer Braunvieh, (Schwyzer oder Rigi-Race, ſchwarzbraune
oder graubraune Schweizerrace), Fig. 49, S. 95, findet ſich in den ſüdlichen und öſtlichen
Cantonen der Schweiz. Am ſchwerſten in den Cantonen Schwyz, Zug, am leich-
Montavoner Kuh.
[97]Die Rindviehzucht.
teſten in Uri, Unterwalden, mittelſchwer in Appenzell, Graubündten. Die Haarfarbe
iſt meiſt ſchwarz- oder graubraun bis hellgrau. Das ſchwarze, breite Maul iſt mit
einem hellen Rande (Rehmaul) eingefaßt. Ueber den Rücken zieht ſich ein gelblich-
weißer, lichter Streifen. In den Ohrmuſcheln, um die Augen, an dem Euter, dem
Bauche ſtehen heller gefärbte Haare. Die Hörner ſind weiß, mit ſchwarzer Spitze,
die Klauen ſind faſt immer dunkel gefärbt. Der Körper zeigt den vorhin angegebenen
Bau des Gebirgsviehes mit weniger hoch angeſetztem Schweife, welcher dünn und
fein, mit einer ſchwarzen, reichlichen Haarquaſte beſetzt iſt. Die Widerriſthöhe be-
trägt 1.3—1.5 Meter, die Länge vom Hinterhaupte bis zur Schwanzwurzel 1.6
bis 2.3 Meter, der Bruſtumfang 1.2—1.9 Meter. Kuhgewicht 400—800 Kilogr.
Die Kälber fallen ſchwer, mit 40 Kilogr. Gewicht, und wachſen ſchnell. Die ſchweren
Schläge verlangen viel Futter, wenn ſie in ihrer Nutzung befriedigen ſollen. Die
Milchergiebigkeit ſtellt ſich auf 2000—2500 Liter. Gemäſtet erreichen die Ochſen
der ſchweren Schläge ein Gewicht von 1000—1250 und mehr Kilogramm. Außer-
dem gewähren die Ochſen gute Zugthiere, insbeſondere für den ſchweren Zug.
2. Das Montavoner Vieh, Fig. 50, S. 96. Verbreitung im Monta-
voner Thale ſüdlich von Bregenz und im Bregenzer Walde. Häufig werden auch
die Kühe des benachbarten Walſer- und Kloſterthales als Montavoner verkauft. Die
Kühe erreichen ein Lebendgewicht von 450—500 Kilogr., ſind daher leichter, zierlicher
als die Schwyzer und ſchwerer als die Algäuer. Die Färbung und Zeichnung iſt
ähnlich den Schwyzern, jedoch meiſt braun, ſchwarzbraun und braungrau, ohne weiße
Abzeichen. Körperlänge 1.7 Meter, Umfang 1.2 Meter, Höhe 1.2 Meter. Durch-
ſchnittliche Milchergiebigkeit 2000—2500 Liter. Zug- und Maſtfähigkeit befriedigend.
3. Das Algäuer Vieh. Verbreitung: Baieriſcher Kreis Schwaben, Al-
gäuer Alpen. Heller, meiſt hell-, gelbgrau und dachsgrau gefärbt und kleiner als die
Montavoner. Die Ohren, das Maul, der Rücken und Bauch ſind gleichfalls heller
gefärbt. Der Knochenbau iſt feiner. Körperlänge 2 Meter, Widerriſthöhe 1.25 Meter,
Körperumfang 1.7—1.8 Meter. Kuhgewicht 400—450 Kilogr. Der Ertrag an
Milch von guter Qualität beträgt per Jahr durchſchnittlich 2100 Liter und erreicht
bei einzelnen Kühen 2800 Liter. Maſtfähigkeit und Zugtauglichkeit ſind meiſt
gering.
4. Der Oberinnthaler Schlag (Tirol) iſt gleich den Algäuern und
Montavonern grau oder graubraun, oft auch lichtgelb gefärbt und mit hellem Rücken-
ſtreifen gezeichnet. Anderſeits gleicht er den grauen und ſemmelfarbigen Rindern
Steiermarks. Er iſt ſchnellwüchſiger und milchergiebiger als das Zillerthalervieh,
dagegen weniger maſtfähig. Er kann als der milchreichſte Rindviehſchlag Tirols
angeſehen werden.
5. Die Mürzthaler Race (Oſtalpines Grauvieh, Brachyceros oder
Primigenius?). Der dachsgraue Schlag der Mürzthaler Race kommt vorzugsweiſe
im Mürzthale, der helle, weißgelbe oder ſemmelfarbige Murbodenerſchlag im Mur-
thale Steiermarks vor. Die Hautfarbe iſt dunkel, die Haare dachsgrau bis weiß-
gelb. Die Spitzen der feinen Hörner ſind ſchwarz gefärbt. Der Kopf iſt kürzer
Krafft, Lehrb. d. Landw. III. 7
[98]Beſondere Thierzuchtlehre.
(„Mops“) als bei dem ungariſchen Rinde und zeigt das für das Braunvieh charak-
teriſtiſche, weiß eingefaßte Flotzmaul. Letzteres iſt ſchwarz mit einer fleiſchfarbenen
„Schnippe“. Die Widerriſthöhe beträgt 1.46—1.5 Meter, die Länge vom Schulter-
blatte bis zum Becken 1.6—1.7 Meter, Bruſtumfang 1.98, Kreuzbreite 0.50 Meter.
Gewicht der Kühe im Mittel 480 Kilogr., der ſechs Wochen alten Kälber 73—92 Kilogr.
Milchergiebigkeit 1600—2400 Liter. Gutes Zug- und Maſtvieh.
C.Die Frontoſus-Racen.
Der Schädelbau der breitſtirnigen Frontoſus-Stammrace zeigt große Ueber-
einſtimmung mit Schädeln, welche in Torfmooren Skandinaviens gefunden wurden.
Die foſſilen Schädel von
Bos taurus frontosus ge-
hören einer jüngeren Rind-
viehrace an. Als deren
muthmaßliche Nachkommen
ſind die Thallandracen der
Schweiz und das durch
Mitteleuropa verbreitete
Landvieh anzuſehen. Der
Schädel der Frontoſus-
Race, Fig. 51, iſt durch
die dachförmig abfallende
Stirne, die convex ge-
wölbte Zwiſchenhornlinie
und durch die langgeſtiel-
ten Hornzapfen charakte-
riſirt. Die Hörner ſind
lang, nach abwärts ge-
richtet. Die Stirnlänge
beträgt 50—52 % der
Schädellänge und iſt merk-
lich größer als ihre Breite.
Die Augenhöhlen erheben
ſich nicht über die Ober-
fläche des Schädels. Die
Naſenbeine, welche an ihrem
Stirntheile breiter als an
ihrer vorderen Spitze ſind,
zeigen ſich verhältnißmäßig
kurz und breit.
Schädel der Frontoſus-Race nach Rütimeyer.
Die bunten Thallandracen zeigen ähnliche Körperformen wie das einfarbige
Gebirgsvieh, nur mit dem Unterſchiede, daß der kurze Kopf eine ſehr breite Stirne
beſitzt. Sie ſind ſchwerer als die einfarbigen Racen, von welchen ſie ſich überdies
durch die bunte, ſcheckige Haarfärbung unterſcheiden. Zu denſelben gehören: 1. Das
Fleckvieh in der Schweiz, 2. die ſcheckigen Viehſchläge in Salzburg, 3. die braun-
rothen Viehſchläge Tirols, 4. das Voigt- oder Egerländer Vieh in Sachſen und
Böhmen. Außerdem gehören hierher die ungehörnten Rinder Großbritanniens.
[99]Die Rindviehzucht.
Freiburger Stier.
7*
[100]Beſondere Thierzuchtlehre.
1. Das Fleckvieh der Schweiz. Das Fleckvieh (rothe, rothſcheckige oder
ſchwarzſcheckige Schweizer Race, Berner Race) kommt vorzugsweiſe im weſtlichen
Theile der Schweiz in den Kantonen Bern, Freiburg, Solothurn und Baſelland vor.
Die Haarfarbe iſt entweder roth- oder ſchwarzbunt mit ſcharf begrenzten Flecken.
Häufig kommen auch ganz ſchwarze oder rothe Thiere meiſt mit weißen Stirn-
abzeichen vor. Der Körper iſt ſchwer, oft etwas plump. Die Kühe erreichen 500
bis 600 Kilogr., die Stiere 800—1000 Kilogr. Kopf und Hals ſind mächtig entwickelt.
Letzterer mit großem Triele beſetzt. Der bei gutem Futterzuſtande abgerundete Leib
iſt nicht zu hoch geſtellt. Der wenig geſenkte Rücken verläuft in eine hoch angeſetzte
Schwanzwurzel. Die Kälber fallen ſchwer und entwickeln ſich ſchnell. Die aus-
gewachſenen Thiere verlangen reiches Futter und gute Pflege, wenn ſie den gerühmten
Nutzen gewähren ſollen. Sie eignen ſich wegen ihrer ſtattlichen Erſcheinung, welche
von keiner anderen Rinderrace übertroffen wird, insbeſondere für Großgüter, welche
einen Werth auf einen ſchönen Viehſtappel legen. Der Maſt- und Zugnutzen iſt
nicht hoch anzuſchlagen; das Fleiſch iſt zu grobfaſerig. Der Ertrag an ſehr
qualitätreicher Milch (12—14 % Rahmgehalt) erreicht im Durchſchnitte 2200 bis
2900 Liter.
Zu den beſten Schlägen des Fleckviehes gehören das ſchwarzſcheckige Freiburger-
vieh, Fig. 52, S. 99, welches eine durchſchnittliche Widerriſthöhe von 1.5 Meter,
eine Länge von 2.3 Meter und einen Bruſtumfang von 2 Meter erreicht. Das
Gewicht der Thiere ſteigt bis 1200 Kilogr. und darüber. Weiter ſind zu nennen
das rothſcheckige Bernervieh, das braunrothe, weiß gezeichnete oder gelbſcheckige
Simmenthaler Vieh und das braunrothe Vieh im Saaner Lande. Das Simmen-
thaler Rind iſt leichter und feiner gebaut als das ſchwere Bernervieh.
2 Das ſcheckige Vieh in Salzburg und Kärnten. In den Salz-
burger und Kärntner Alpen finden ſich folgende Schläge: a. Pinzgauer, b. Pongauer,
c. Lungauer, d. Landler, e. Brixenthaler und f. Möllthaler.
a. Das Pinzgauer Rind. Vorkommen: Salzburg, dem Pinzgau angrenzende
Theile Tirols, Oberöſterreich bis gegen Wels und in einem großen Theile von
Oberbaiern. Daſſelbe iſt wahrſcheinlich ein Kreuzungsproduct der rothen Simmen-
thaler mit dem ſcheckigen Bergviehe, welches meiſt im Salzburgiſchen Gebirge
heimiſch geweſen und noch heute in den Seitenthälern der Tauern bis in das obere
Mur- und Ennsthal unter der Bezeichnung Bergſchecken anzutreffen iſt. Je nach dem
Gewichte, 400 bis 670 Kilogr. unterſcheidet man einen kleinen und großen Schlag.
Das Pinzgauer Rind, Fig. 53, S. 101, iſt ausgezeichnet durch ebenmäßigen Bau,
durch ſeine licht- bis braunrothe, am häufigſten dunkel- oder gelbrothe Farbe mit vielen
weißen Abzeichen am Rücken, Schweife, Schenkel und Bauche. Lichtroſenrothes oder
ſemmelfarbiges Flotzmaul, kurzer, breiter, ſtets einfarbig rother Kopf mit ſchön ge-
bogenen, weißen, an der Spitze ſchwarzen Hörnern. Der tonnenförmige Leib iſt
etwas in die Länge gezogen mit überbautem Kreuze; feine, leicht verſchiebbare Haut.
Kopflänge 0.5 Meter, Körperlänge 2.2 Meter, Rumpflänge 1.6 Meter, Bruſtumfang
2.12 Meter, Höhe 1.35 Meter, Kreuzbreite 0.58 Meter. Milchergiebigkeit beträchtlich,
[101]Die Rindviehzucht.
Pinzgauer Kuh.
Zillerthaler-Duxer Kuh.
[102]Beſondere Thierzuchtlehre.
2000—3000 Liter bei ausgezeichneter Qualität. Das Pinzgauer Rind iſt leicht
zu mäſten und liefert feinfaſeriges, ſchmackhaftes Fleiſch. Außerdem liefert es dauer-
hafte Ochſen für den Zug.
b. Das Pongauer Vieh aus der Umgegend von Gaſtein iſt etwas kleiner,
beſitzt jedoch größere Milchergiebigkeit.
c. bis e. Das Lungauer, Landler und Brixenthaler Vieh beſitzt
geringeren Werth als die beiden vorgenannten Schläge.
f. Das Möllthaler Vieh. Vorkommen: Möll-, Drau-, Gail- und Lieſer-
thal in Kärnten. Es unterſcheidet ſich von dem nahe verwandten Pinzgauer Viehe
durch feineren Körperbau, durch dunkleres Roth in der Färbung. Höhe 1.45,
Körperlänge 2.27, Rumpflänge 1.77, Bruſtumfang 2.18, Kreuzbreite 0.59 Meter.
Milchergiebigkeit bedeutend, 800—3800 Liter, bei geringen Anſprüchen an Fütterung
und Pflege. Kuhgewicht 250—650 Kilogr.
3. Das Tiroler Vieh. Daſſelbe zeichnet ſich durch ſehr niedrige Körper-
ſtellung, kurzen, breiten Kopf und ſtarke Hörner aus. Seine äußere Erſcheinung iſt
ſtämmig, etwas ſchwerfällig. Bruſt breit, Schultern fleiſchig, Leib tonnenförmig, ge-
drungen. Kreuz breit. Schwanz hochangeſetzt. Es werden unterſchieden das Unter-
innthaler und Oberinnthaler Vieh. Letzteres gehört zur Brachyceros-Gruppe, S. 97.
Von dem Unterinnthaler Viehe werden wieder je nach dem Vorkommen unterſchie-
den: a. Der Zillerthaler-Duxer Schlag, Fig. 54, S. 101 1). Starker, ge-
drungener Körperbau. Dunkelbraune und ſchwarze Haarfarbe mit weißen Flecken am
Schweife und am Rücken. Vorkommen: Duxer- und Zillerthal. Genügſam, gibt
fettreiche Milch, 1500 Liter, und zeichnet ſich durch gute Maſtfähigkeit aus. Ge-
wicht 400 bis 500 Kilogr. b. Das Puſterthaler Vieh. Roth und weiß, auch
gelb und weiß gefleckt von großem Körperbaue. Liefert vorzügliche Maſtochſen.
4. Das weiße, noriſche Vieh(Frontosus oder Primigenius?). Ein-
farbiges, graues, auch weißes Vieh, welches den Uebergang von den ungariſchen
Steppenracen zu den Gebirgsracen bilden ſoll; von Erſteren unterſcheidet es ſich
jedoch durch die fleiſchfarbige anſtatt ſchiefergraue Haut, die kürzeren Hörner und
den gedrungenen Bau. Seine Verbreitung erſtreckt ſich über Steiermark, Kärnten und
Niederöſterreich. Als Schläge werden unterſchieden: a. der ſemmelfarbige Mariahofer
Schlag in Steiermark und b. der Lavanthaler Schlag in Kärnten.
a. Das Mariahofer Rind, Fig. 55, S. 103. Das natürliche Zucht-
gebiet dieſes Rindes bildet die Gegend von Neumarkt, St. Lambrecht und Wurms.
Helle, fleiſchrothe Haut, gelbe Hörner und Klauen, fahlblaues Flotzmaul, ſemmel-
farbige, glänzende Haare charakteriſiren dieſe Rinder. Kuhgewicht 500—600 Kilogr.,
[103]Die Rindviehzucht.
Mariahofer Kuh.
[104]Beſondere Thierzuchtlehre.
Milchertrag 2200—3800 Liter, Höhe 1.38, Körperlänge 2.12, Rumpflänge 1.69,
Bruſtumfang 1.95, Kreuzbreite 0.49 Meter.
b. Das Lavanthaler Rind. Verbreitungsbezirk: Unter- und Mittel-
kärnten. Die Thiere dieſes Schlages ſind durch ihren feinen, wohl proportionirten
Körperbau ausgezeichnet. Fleiſchfarbige Haut, milch- oder graulich-weiße, glänzende
Haare, Hörner und Klauen wachsgelb, Flotzmaul roſenroth. Triel ſchwach. Walzen-
förmiger Rumpf auf ſtämmigen Beinen. Körperlänge 2.30 Meter, Rumpflänge
1.6—1.7 Meter, Höhe 1.34 Meter, Bruſtumfang 1.99 Meter, Kreuzbreite 0.49
Meter. Die Kälber fallen ſchwer (30—45 Kilogr.). Die Lavanthaler zeichnen ſich
durch Frühreife, Zug- und Maſttauglichkeit, bei entſprechender Milchergiebigkeit,
(durchſchnittlich 1590 Liter) aus.
Aehnlich gebautes Vieh findet ſich zum Theile auch in Niederöſterreich, in den
Alpengegenden Steiermarks, Baiern und Böhmen. Bekanntere Schläge ſind der
Stockerauer Schlag in Niederöſterreich, der Waldlerſchlag im Baieriſchen Walde ꝛc.
D.Die Landracen.
In einem Theile von Oeſterreich und Mitteldeutſchland findet man ein rothes,
rothbraunes und rothgelbes Landvieh, deſſen Verbreitung ſich ſelbſt nach Frankreich
und England erſtreckt. Daſſelbe iſt größtentheils durch mehr oder weniger planloſe
Kreuzung von Frontoſus- und Brachyceros-Racen entſtanden. Es beſitzt daher mannig-
faltige Verſchiedenheiten im Körperbaue und in den Nutzungseigenſchaften. Gegen die
Niederung zeigt das Landvieh im Allgemeinen, mit zahlreichen Uebergängen, mehr
Aehnlichkeit mit dem Niederungsviehe, gegen die Höhe zu mehr Verwandtſchaft mit
dem Gebirgsviehe. Das Landvieh iſt meiſt von mittlerer Größe und Schwere, im
Knochenbaue mehr fein als plump, im Hintertheile oft ſchmal. Haut und Haare
zuweilen fein. Das Landvieh eignet ſich meiſt ſehr gut zum Zuge, einzelne Schläge
auch zur Maſtung. Die Milchergiebigkeit iſt ſehr verſchieden. Das Landvieh gruppirt
ſich in folgende Schläge: 1. das böhmiſche Vieh, 2. das mähriſche und öſter-
reichiſche Vieh und 3. das mitteldeutſche Landvieh.
1. Das Egerländer und Voigtländer Vieh. (Frontosus oder Brachy-
ceros?) Vorkommen: Fichtelgebirge und die angrenzenden Gebiete. Gleichmäßig
dunkelroth, rothbraun, kaſtanienbraun gefärbt. Es gleicht dem rothbraunen Tiroler
Viehe und ſoll aus einer Kreuzung von Zillerthaler Stieren mit böhmiſchem Land-
viehe hervorgegangen ſein. Kleiner aber ſehr gedrungener Körperbau, Kuhgewicht
350—450 Kilogr. Höhe 1.22, Körperlänge 1.90, Rumpflänge 1.56, Bruſtumfang
1.85, Kreuzbreite 0.46 Meter. Kopf kurz und breit mit zierlichen an der Spitze
ſchwarzen Hörnern. Stark behängter Hals, breite Bruſt, etwas hoch angeſetzter
Schweif, Haut dick. Sehr genügſam und ausdauernd, leicht zu mäſten. Die
Milchergiebigkeit ſtellt ſich auf 1000—1500 Liter. Gut zugtauglich.
[105]Die Rindviehzucht.
2. Das Opocno’er Rind(Brachyceros?). Daſſelbe wurde in Opocno
und Umgegend durch Kreuzung des Landviehes mit Schwyzer Stieren herangezüchtet.
Die Farbe geht von dunkelſchwarzbraun bis zum hellen Dachsgrau. Maul und
Ohrmuſchel licht eingeſäumt. Heller Rückenſtreifen fehlt oft. Kuhgewicht 450—
670 Kilogr. Maſt und Milchergiebigkeit (2700 Liter) ſehr befriedigend.
3. Von geringerer Bedeutung ſind der Brüxer Landſchlag, im böhmiſchen
Mittelgebirge, und der rothe, auch grauweiße Böhmerwaldſchlag im ſüdlichen Böhmen
verbreitet.
1. Das Kuhländer Rind(Frontosus?). Vorkommen: Kuhländchen im
nordweſtlichen Mähren, insbeſondere um Neutitſchein und Fulnek. Daſſelbe wurde
durch Kreuzung von Zillerthaler-Duxer Kühen mit Berner Stieren und weiterhin durch
Inzucht herangezogen. Vorherrſchende Farbe iſt rothſcheckig oder kirſchroth mit
ſtarken weißen Abzeichen. Die Haut iſt dünn und mit feinen, weichen Seidenhaaren
beſetzt. Kuhgewicht 340—560 Kilogr. Das Milcherträgniß einer Kuh erreicht per Tag
im Durchſchnitte 7—14 und mehr Liter. Die Kälber fallen in Mittelgröße und
zeichnen ſich durch ſchnelle Entwickelung aus. Zug- und Maſtfähigkeit wird gleichfalls
ſehr gerühmt.
2. Der Gföhler oder Zwettler Schlag1)(Frontosus?) kommt in
Niederöſterreich, in den gebirgigen Theilen als Waldvieh bezeichnet, vor. Mittelgroße
Rinder 400—450 Kilogr., deren Haut ſemmelfarbig oder weiß, oft auch roſtfarbig
erſcheint. Flotzmaul fleiſchfarbig. Durch Maſtfähigkeit und Milchergiebigkeit, welche
1500—2500 Liter erreicht, ausgezeichnet.
3. Lichten- oder Welſerſchecken in Oberöſterreich (Frontosus?).
Beachtenswerthe mitteldeutſche Landſchläge 2) ſind: 1. die fränkiſchen und
heſſiſch-thüringiſchen Schläge. In Franken, Thüringen und Heſſen kommt ein
rothes oder braunrothes Rind mit kräftigem Körperbaue, oft ſchmalem Hintertheile, vor.
Gehörne ſchön und groß. Liefert ſehr gute Zugthiere und Maſtthiere mit zartem
Fleiſche. Die werthvollſten Schläge ſind: a. der fränkiſche Schlag vom Fichtel-
gebirge bis zum Rhöngebirge und dem Speſſart verbreitet, b. der Rhönſchlag
mit kräftigem Baue, c. der Vogelsberger Schlag, klein und unanſehnlich, aber
[106]Beſondere Thierzuchtlehre.
dauerhaft und genügſam, Zug- und Maſtvieh, gute Milchkühe, d. der thüringiſche
Schlag, e. der Weſterwälder Schlag. Kleinſtes mitteldeutſches Rindvieh.
Feinknochig. Braunroth mit weißem Kopfe. Ausdauernd ſelbſt bei geringem Futter.
Durch Kreuzungen mit frieſiſchem und ſchweizer Viehe entſtand der Triesdorfer oder
Ansbacher Schlag, welcher nach allen drei Zuchtrichtungen hin Vorzügliches leiſtet.
2. Die rheinbaieriſchen Schläge. In dem gebirgigen Theile der Rhein-
pfalz, namentlich an der Glan, findet ſich ein kräftiger, mittelſchwerer Viehſchlag von
brauner, auch fahler Farbe. Milch- und Maſtvieh gerühmt. Obenan in der Nutz-
fähigkeit ſteht das iſabellgelbe, auch hellbraune Glaner Vieh, Fig. 56. Mit
Schweizervieh gekreuzt erſcheint daſſelbe als Donnersberger Schlag.
Stier des Glanſchlages.
3. Das Landvieh in Schwaben und im Odenwalde. Zu erwähnen
ſind: a. der kleine, feinknochige, rothe Landſchlag der ſchwäbiſchen Alb und des
Schwarzwaldes, der an magere Nahrung und rauhe Gegend gewöhnt, ſehr aus-
dauernd iſt. Gutes Milchvieh. Mit Schweizerfleckvieh gekreuzt bildete er den
Neckarſchlag. b. Das ſchwäbiſch-hälliſche Vieh. Dunkelroth mit weißem
Kopfe und ſtarkem Gehörne. Mittlere Schwere und kräftiger Körperbau. Hals mit
ſtarker Wamme. Für Zug und Maſtung ſehr geeignet. Milchergiebigkeit mittel-
mäßig. c. Das ſchwäbiſch-limpurgiſche Vieh. Am oberen Kocher, in der Graf-
ſchaft Limpurg verbreitet. Gelb und rothgelb, von feinem, jedoch kräftigem Knochenbaue
[107]Die Rindviehzucht.
Feine Hörner. Kuhhäſſige Beinſtellung. Gleich tauglich für Zug, Maſt und Milch-
nutzung. Durch Kreuzung mit Holländer- und Schwyzer Stieren entſtand der Roſen-
ſteiner Stamm. Weiße Farbe mit feinem, weichem, glänzendem Haare und dünner
Haut. Kuhgewicht 700 Kilogr. Milchertrag 2800—3400 Liter. d. Das Oden-
wälder Vieh.
Bei allen vorerwähnten Schlägen ſind im Laufe der Zeit mehrfache Kreuzungen
mit Schweizer- und auch Niederungsvieh vorgenommen worden, welche eine weitgehende
Variation des urſprünglichen Typus herbeiführten und zur Bildung neuer verſchieden
bezeichneter Stämme Veranlaſſung gaben.
E.Die engliſchen Rindviehracen.
Von der früheren Eintheilung der engliſchen Rindviehracen nach dem zweifel-
haften Kennzeichen der Hörner in 1. langhornige (Mittel-England und Irland ver-
breitet, Niederungsracen), 2. mittelhornige (Gebirgsracen), 3. kurzhornige (urſprüng-
lich in der Grafſchaft York und Durham heimiſch, jetzt über ganz Großbritannien
verbreitet), 4. ungehornte Racen (Nord-England und Schottland) und 5. Alderney-
Race (Canalinſeln), iſt man ſeither zurückgekommen, nur den Kurzhornigen (Short-
horns) iſt ihre Bezeichnung geblieben. Gegenwärtig kennt und züchtet man in Eng-
land nach Dr. W. v. Hamm 1) folgende nach der Größe ihrer Verbreitung geordnete
Rindviehracen: Shorthorn, Hereford, Devon, Inſelvieh, Suſſex, Norfolk und Suffolk;
außerdem noch ſchottiſche Racen und verſchiedene Kreuzungen (Cross-breed). Wir
gruppiren die engliſchen Rindviehracen in folgender Weiſe: 1. die Shorthornrace,
2. die übrigen britiſchen Racen.
Die älteren kurzhornigen Racen zeigten viele Uebereinſtimmung mit den Nie-
derungsracen, zählen daher zur Primigenius-Gruppe. Sie lieferten das Material zu
der berühmten New-Durham- oder hochgezogenen Kurzhorn- (Shorthorn)- Race, welche
als höchſter Triumph der Rindviehzüchtung angeſehen wird. Dieſe Culturrace ver-
dankt ihre Entſtehung den Schülern Bakewell’s, den Brüdern Colling in Darlington,
welche im Jahre 1775 mit ihrer Gründung begannen. Der erreichte Züchtungs-
zweck beſteht bei dieſer Culturrace in Frühreife (1jährige Thiere erreichen ein Gewicht
von 700—800 Kilogr.), Maſtfähigkeit und Milchergiebigkeit, die Zugfähigkeit blieb
unberückſichtigt. Die Racenkennzeichen variiren ſehr. Als charakteriſtiſch gilt die
Form des Rumpfes, Fig. 57, ſ. S. 108, welcher bei der großen Tafelbreite der
Hüften und Schultern die Geſtalt eines Langwürfels annimmt, gegen deſſen mächtige
Entwickelung die Größe des Kopfes und der Beine als wenig nutzbare Körpertheile
[108]Beſondere Thierzuchtlehre.
Shorthornkuh.
[109]Die Rindviehzucht.
auf das geringſte Maß zurücktritt. Der Kopf iſt ſehr klein, gleich jenem des Nie-
derungsviehes. Stirne kurz, Augen groß und ſanft blickend. Hörner fein und
kurz, meiſt horizontal geſtellt, wachsgelb ohne dunkle Spitzen. Die obere Halslinie
verläuft in einer Höhe mit der geraden Rückenlinie, Fig. 60. Das Genick iſt breit
Vorderanſicht eines Shorthornrindes.
Rückanſicht eines Shorthornrindes.
und voll. Der Hals ohne Falte. Von allen übrigen Rindern unterſcheiden ſich
die Shorthorns durch die außerordentliche Breite des Bruſtkaſtens und die dadurch
bedingte Weitſtellung der kurzen, feinen Vorderbeine, Fig. 58 und Fig. 59. Die
Hüften ſtehen gleich hoch mit dem breiten Kreuze, der feine, dünne Schweif hängt im
rechten Winkel von dem Rumpfe herab. Die Haut iſt beſonders zart und leicht
verſchiebbar; ſie liegt nur an wenigen
Körperſtellen geſpannt auf und iſt
mit weichen, elaſtiſchen Haaren beſetzt.
Die Haarfarbe zeigt zahlreiche
Nüancen, nur ſchwarz und braun
kommen nicht vor, ſie gelten als
Merkmale unreinen Blutes. Ebenſo
iſt gelb und iſabell höchſt ſelten.
Die urſprüngliche Haarfarbe der
Shorthorns iſt weiß geweſen und
auch jetzt noch ſehr häufig, daneben
Seitenanſicht eines Shorthornrindes.
treten roth und grau auf, am meiſten aber ein Gemiſch dieſer drei Farben in ver-
ſchiedenſter Zeichnung: geſtreift, ſtriemig, geſprenkelt, getigert, mückenfleckig u. ſ. w.
Den bunten Thieren gibt man den Vorzug, verlangt aber ſtets jene ſternblumen-
artige Zeichnung, welche ein charakteriſtiſches Merkmal edler Abſtammung iſt. Die
vielgerühmten Nutzungseigenſchaften äußert dieſe Culturrace jedoch nur dann, wenn
die Thiere in ungewöhnlich intenſiv gewählter Weiſe ernährt und mit beſonderer
Sorgfalt gepflegt werden.
[110]Beſondere Thierzuchtlehre.
Zu den übrigen britiſchen Racen, welche noch gegenwärtig in einiger Ausdehnung
gezüchtet werden, zählen: 1. die Hereford, 2. die Devon, 3. die Suſſex in Eng-
land; 4. die Ayrſhire in Schottland; 5. die Kerry in Irland; 6. das Inſelvieh
und 7. die ungehörnten Racen.
1. Die Herefordrace. Die an Wales angrenzende Grafſchaft Herefordſhire
verſieht das übrige England vorzugsweiſe mit Zug- und Maſtochſen. Trotzdem wird
die Herefordrace, wie alle übrigen Racen, immer mehr von den Shorthorns ver-
drängt. Die Farbe der Hereford iſt dunkel- oder blutroth mit weiß; charakteriſtiſch
iſt das weiße Geſicht, ſowie die gleiche Färbung auf dem Rücken, am Widerriſte,
Bauche und der Schweifquaſte. Die Hörner ſtehen wagrecht, nach vorne gerichtet,
weit auseinander, einzelne auch nach hinten gerichtet, was als gutes Abkunftszeichen
gilt. Der Körperbau iſt breit und ſchwer, kurz in den Beinen, in den Abmeſſungen
den beſten Shorthorns nahekommend, aber mit einer weit dickeren Haut und viel
ſtärkerem Körperbaue. Milchergiebigkeit mittelmäßig. Maſt- und Zugfähigkeit aus-
gezeichnet. Sie liefern ein feſteres Fleiſch, welches weniger mit Fett durchwachſen iſt
als dasjenige der Shorthorns.
2. Die Devonrace. Dieſe Race iſt in den ſüdweſtlichſten Grafſchaften
Englands in Devon und Cornwallis heimiſch und hat ſich in früheren Zeiten in
den verbeſſerten Zuchten als ausgezeichnetſte engliſche Maſtviehrace über ganz Groß-
britannien verbreitet. Nach Hamm iſt ſie jedoch gegenwärtig gleichfalls vor den
Shorthorns zurückgewichen. Sie iſt aus der mittelhornigen Landrace Inner-Englands,
ohne Einmiſchung von fremdem Blute, hervorgegangen. Die Farbe der Devonrinder
iſt durchweg dunkelrothbraun, ſeltener rehfarbig, geblümt und ſtriemig. Die Hörner
ſind wagrecht geſtellt. Die ganze Geſtalt iſt klein. Die Ochſen erreichen jedoch ein
Gewicht von 800 Kilogr. Der Rumpf tonnenförmig, die Beine ſind fein, niedrig,
das Knochengerüſt ebenſo ſchwach, ja zierlicher als bei den Shorthorns.
3. Die Suſſexrace, Fig. 61, S. 111. Die Suſſexrace iſt die einzige, welche
von den früher am meiſten in England verbreiteten langhornigen Racen übrig geblieben,
nachdem ſelbſt die von Bakewell verbeſſerte langhornige Diſhleyrace durch die Short-
horns vollſtändig verdrängt wurde. Sie wird als vorzüglich zur Maſt und zum
Zuge geſchätzt. Die Kühe ſind keine beſonderen Milcherinnen. Die Farbe iſt dunkel-
roth oder braun mit Blumenzeichnung und weißem Pinſel, die Geſtalt gedrungen,
die Haut feſt anliegend. Bemerkenswerth ſind die bis 0.5 Meter langen auseinander-
ſtrebenden Hörner.
4. Die Ayrſhirerace(Primigenius?). Die berühmte ſchottiſche Ayrſhire-
Race iſt als eine Culturrace, gleich wie die Shorthornrace, anzuſehen. Sie wurde
angeblich gebildet aus der Hochlandrace, gekreuzt mit Holländern und ſpäter mit
Inſelvieh. Die Ayrſhirekuh iſt eine der milchreichſten, welche es gibt, verlangt aber
ſehr aufmerkſame Fütterung. Die Haarfärbung iſt meiſt braunrothſcheckig.
[111]Die Rindviehzucht.
5. Die Kerryrace. Das Kerryvieh iſt im ſüdweſtlichen Theile von Irland
heimiſch. Es iſt ein ſehr tüchtiges, genügſames und nutzbares Vieh, abgehärtet und
zu jeder Verwendungsart brauchbar. In ſeiner äußeren Erſcheinung gleicht es dem
dunkelrothen Vogelsberger Rinde.
6. Das Inſelvieh. Unter dem Namen „Inſelvieh“ werden die Rinder der
britiſchen Canalinſeln Jerſey und Guernſey begriffen, welche früher insgeſammt nach
der dritten, kleineren Inſel „Alderneyvieh“ hießen, eine Bezeichnung, welche gegen-
wärtig ganz abgekommen iſt. Die Inſelracen ſind von kleiner, ungemein zierlicher
Geſtalt und gehören zu den milchergiebigſten Schlägen. Sie mäſten ſich nicht günſtig
Ochſen von Suſſex.
und verlangen eine beſonders reiche Fütterung. Die Race der Inſel Jerſey iſt dachs-
farben bis iſabell, mit weißem Flotzmaule und ſchwarzem Schweifpinſel. Sie erinnern
an die jedoch größer und ſtärker gebauten Montavoner. Die Guernſey-Rinder ſind
noch kleiner geſtaltet, ihre Farbe iſt ein lichtes Roth, charakteriſtiſch iſt der ſtets rothe
Pinſel.
7. Die ungehörnten Racen. Dieſelben zählen muthmaßlich zur Primigenius-
Gruppe und ſind zumeiſt in Schottland verbreitet. Wir nennen das ſchwarze kleine
Gallowayvieh und das gleichfalls ſchwarze, große Angusvieh. Erſteres iſt mehr für
die Maſtung, letzteres für die Milchnutzung geeignet 1).
[112]Beſondere Thierzuchtlehre.
F.Die franzöſiſchen Rindviehracen.
In Nordfrankreich findet ſich wie in Belgien, als deſſen hervorragendſte Rind-
viehſchläge die Limburger und Ardenner zu bezeichnen ſind, größtentheils Niederungs-
vieh (Bos primigenius), wie die rothbraune flandriſche Race, welche ſich durch
Milchergiebigkeit (2500—3000 Liter) auszeichnet, und die ſchwerere normänniſche
Race. Von letzterer werden 2 Unterracen unterſchieden: die braunſcheckige, ſchwarz-
ſtriemige, ſehr maſtfähige Race von Cotentin, deren gemäſtete Ochſen ein Gewicht
bis zu 1500—1900 Kilogr. erreichen und die feiner gebaute, rothbraune, milchreiche
Race von Auge. Außerdem findet ſich in Nordfrankreich die kleine, weiß- und
ſchwarzſcheckige, milchreiche Bretagner Race, welche durch beſondere Niedlichkeit
der Körperformen auffällt.
Im mittleren und ſüdlichen Theile von Frankreich iſt meiſtentheils Gebirgsvieh
der Brachyceros-Gruppe verbreitet. Von denſelben ſind zu erwähnen: 1. die Race
von Limouſin, eine zugtaugliche und maſtfähige, gelb bis fahlbraun gefärbte
Rinderrace; 2. die Race von Garonne. Vorzüglichſtes Arbeitsvieh. Gelblich-
grau bis braungrau. 3. Die Gascogner Race. Fahlgrau, dachsgrau, ähnlich
den Algäuern. Zug- und maſttauglich. 4. Die Racen von Landes und
der Pyrenäen. Kleines Gebirgsvieh. 5. Die Race von Aubrac und
Salers.
Außer den Genannten kommen im öſtlichen Theile von Frankreich gemiſchte Racen
vor, von welchen beſondere Erwähnung verdienen die kleine Race von Camargue,
welche mit der podoliſchen verwandt ſein ſoll und die weiße Race von Charolais,
die als die vorzüglichſte Maſtrace Frankreichs anzuſehen und ſelbſt den beſſeren
Shorthorns gleichzuſtellen iſt. Gegenüber den letzteren hat dieſe Race den Vorzug,
daß ſie, wenn auch weniger vollkommen in der Form, keine ſo großen Anſprüche an
Fütterung, Haltung und Pflege ſtellt.
3. Die Züchtung.
Bei der Rindviehzucht kommen zu beachten: 1. der Züchtungszweck, 2. die Aus-
wahl der Racen, 3. die Auswahl der Zuchtthiere, 4. die Ausführung der Zucht
und 5. die Aufzucht.
1. Der Züchtungszweck.
Die Rindviehzucht kann je nach den Abſatz- und wirthſchaftlichen Verhältniſſen
einer Gegend folgende Ziele anſtreben, welche ſich nach der Höhe des erreichbaren
Nutzens, wie folgt, ordnen:
- 1. die Nutzung durch Zuchtviehverkauf,
- 2. die Milchnutzung in erſter Linie, die Zug- und Maſtnutzung in zweiter Linie,
[113]Die Rindviehzucht.
- 3. die Maſtnutzung in erſter Linie, die Milchnutzung in zweiter Linie,
- 4. die Zugnutzung in erſter Linie, die Maſt- und Milchnutzung in zweiter Linie,
- 5. die Vereinigung einiger oder mehrerer Nutzungseigenſchaften.
Die letzte Zuchtrichtung eignet ſich mehr für Kleinwirthe, während für Groß-
wirthe die Specialiſirung der Nutzung meiſt vortheilhafter iſt. Bei Hochcultur tritt
eine weitere Theilung der Aufzucht von der Nutzviehhaltung ein. Die Aufzucht
kann wieder für den eigenen Bedarf der Nutzviehhaltung oder für den Bedarf Anderer
betrieben werden.
2. Die Auswahl der Racen.
Die Erreichung des Züchtungszieles hängt, entſprechende Fütterung und Pflege
vorausgeſetzt, vornehmlich von der richtigen Wahl der Race und des Schlages ab.
Vorzügliche Milchviehracen und Schläge ſind: Holländer, Weſt- und Oſtfrieſen, Sim-
menthaler, Berner, Pinzgauer, Schwyzer, Montavoner, Algäuer, Mürzthaler, Ayr-
ſhire, Bretagner ꝛc.; vorzügliche Maſtviehracen und Schläge: Schleswig-Holſteiniſche
Marſchracen, weißes noriſches Vieh, Oberinnthaler, Shorthorn, Charolais; vorzüg-
liche Zugviehracen und Schläge: Ungariſche, ruſſiſche Racen, Egerländer; für alle
drei Nutzungszwecke eignen ſich: Pinzgauer, Kuhländer, Schweizer, Lavanthaler ꝛc.
Iſt die Race gewählt, ſo iſt mit Rückſicht auf die in der allgemeinen Thierzuchtlehre
S. 31 gegebenen Grundſätze die Zuchtmethode feſtzuſtellen. Dabei wird es ſich fragen,
ob das Züchtungsziel durch Einführung von Originalthieren, durch Reinzucht oder
durch Kreuzung erreicht werden ſoll.
3. Die Auswahl der Zuchtthiere.
In jeder Race gibt es gute und ſchlechte Stämme und Individuen, weshalb
ſich die Auswahl zur Zucht auch auf dieſe erſtrecken muß. Außer den allgemeinen
Anforderungen, welche an die einzelnen Zuchtthiere geſtellt werden, verlangt man von
dem Rinde je nach dem Nutzungszwecke folgende beſondere Eigenſchaften.
Als Zeichen guter Milchergiebigkeit gelten: Mehr feiner als grober
Körperbau, ſanfter Ausdruck des Geſichtes, leichter Kopf, mit feinen, glänzenden
Hörnern und dünnen Ohren, ſchlanker Hals mit geringer Hautfalte, tiefer Bauch,
breites Kreuz, dünner, feiner Schweif, weite, breite Hinterhand, feine, nicht feſt an-
liegende Haut, feine Haare, großes, nach vor- und rückwärts ſich erſtreckendes Euter,
welches nach dem Melken ſchlaff ſein ſoll, ſtarke hervortretende Milchadern (Venen)
mit breiten „Milchgruben“. „Ueberzählige Striche“ ſind erwünſcht, da ſie auf eine
üppige Entwickelung der Milchdrüſe ſchließen laſſen. Die gegentheiligen Eigenſchaften,
wie ſtierartiges Ausſehen der Kühe, Fettleibigkeit, ein nach dem Melken noch voll
anzufühlendes Euter, „Fleiſcheuter“, ſprechen für geringe Milchergiebigkeit. Als
Zeichen für die Milchergiebigkeit iſt ſchließlich die Ausdehnung des Milchſpiegels,
jenes entgegengeſetzten Haarſtriches, der ſich rückwärts vom Euter nach aufwärts erſtreckt,
zu beachten. Auf denſelben hat zuerſt Guènon, ein franzöſiſcher Kuhhirt, aufmerkſam
Krafft, Lehrb. d. Landw. III. 8
[114]Beſondere Thierzuchtlehre.
gemacht. Kühe mit ausgeſprochenem, für ihre Race großem, leier-, Fig. 62, verkehrtherz-,
Fig. 63, oder gabelförmigen, Fig. 64, Milchſpiegel ſind mit ſeltenen Ausnahmen gute
Fig. 62. Leierförmiger Milchſpiegel. Guènon’s Claſſe I.
Fig. 63. Verkehrt herzförmiger Milchſpiegel. Guènon’s Claſſe III.
Fig. 64. Gabelförmiger Milchſpiegel. Guènon’s Claſſe IV.
Milcherinnen. Als ſchlechte Milchzeichen ſind der keil-, Fig. 65, und der ſchildförmige,
Fig. 66, Milchſpiegel anzuſehen. Kühe mit für ihre Race kleinem Milchſpiegel ſind in der
Mehrzahl ſchlechte, zuweilen auch mittelmäßige Milcherinnen. Bei mittelgroßem Milch-
ſpiegel iſt die Vorherſage der Milchergiebigkeit zweifelhaft. Bei Stieren iſt dieſes
Fig. 65. Keilförmiger Milchſpiegel. Guènon’s Claſſe VII.
Fig. 66. Schildförmiger Milchſpiegel. Guènon’s letzte Claſſe VIII.
Milchzeichen gleichfalls zu beachten, da es von dieſen auf die Nachkommenſchaft
übertragen wird. Nach Fürſtenbergs 1) Anſicht iſt die Form des Milchſpiegels neben-
ſächlich, dagegen ſteht ſeine Ausdehnung im engſten Zuſammenhange mit jener der
[115]Die Rindviehzucht.
Drüſenſubſtanz des Euters, welche nur von einer feinen weichen, mit kurzen, feinen
Haaren beſetzten Haut (dem Milchſpiegel) überzogen iſt.
Als Zeichen der Maſtfähigkeit gilt Frühreife und leichte Ernährung. Die
nicht nutzbaren Theile, wie der Kopf, die Beine, ſollen am geringſten, der Rumpf
dagegen am ſtärkſten entwickelt ſein. Weitere Zeichen für Maſtfähigkeit ſind: Tiefe
Bruſt, geſchmeidige, loſe, leicht verſchiebbare Haut; Neigung zum Fettanſatze unter
derſelben, an den Weichen, Kreuz, Rippen, neben der Schwanzwurzel (Fleiſchergriffe);
ruhiges, ſanftes Temperament und gute Freßluſt.
In Betreff der Zugtauglichkeit verlangt man von den Thieren Beweg-
lichkeit, Ausdauer, kräftige Lunge, normal gebaute, mittellange Beine mit ſtarken,
breiten Knie- und Sprunggelenken und mit ſtarken Knochen, entwickelte Sehnen mit
dicht anliegender Haut.
4. Die Ausführung der Zucht.
Die Thiere ſollen ſo früh als dies mit Rückſicht auf ihre körperliche Ent-
wickelung möglich iſt, zur Paarung zugelaſſen werden, um die Aufzuchtskoſten mög-
lichſt zu verringern.
Bei früh ſich entwickelnden Racen, bei kräftiger Ernährung können die Stiere
mit 1½—1¾ Jahre mäßig, nach 2 Jahren in vollem Gebrauche genommen
werden, bei langſamer ſich entwickelnden Racen verwendet man die Stiere das erſte
Mal erſt nach 2 Jahren. Die Stiere werden nur ausnahmsweiſe, bei ſehr werth-
vollen Zuchtthieren, über 5 Jahre zur Zucht beibehalten. Aeltere Stiere werden
zu ſchwerfällig, unfruchtbar, bösartig und laſſen ſich zur Maſt nicht mehr ohne
Gefahr caſtriren.
Die Kühe werden etwas ſpäter, mit 1¾—2 Jahren, Shorthornkühe ſelbſt mit
18, 19 Monaten, ſchwach genährte, zurückgebliebene, ſpätreife Thiere erſt nach 2—2½
Jahren zugelaſſen. Länger als 3 Jahre mit dem Zulaſſen zu warten, iſt aus dem
Grunde nicht rathſam, weil die Kühe nicht mehr ſicher trächtig werden und ihr
Milchertrag meiſt gering bleibt. Die Kühe ſind ſo lange zuchttauglich, als ſie genügend
Milch geben, gewöhnlich werden ſie mit 6—10—12 Jahren, ſehr gute Milcherinnen
mit 15—18 Jahren abgeſchafft.
Der Zeitpunkt des Zulaſſens hängt von dem Brünſtigwerden (rindern) der Kuh
ab. Die Kuh äußert ihr Verlangen nach dem Stiere durch Aufſpringen auf andere
Thiere, durch unruhiges Verhalten, Anhalten der Milch, Verſchmähen des Futters,
geröthete, angeſchwollene Geſchlechtstheile, Klaffen der Wurflefzen und durch Ausfließen
eines zähen, durchſichtigen Schleimes ans der Scheide. Nach der Geburt ſtellt ſich
der Begattungstrieb wieder in einigen Wochen ein. Mit Rückſicht auf den Milch-
ertrag und die Schwächung der Kühe ſoll man dieſelben, namentlich Erſtlingskühe,
nicht vor 2—3 Monaten zulaſſen. Uebergangene oder nicht trächtig gewordene Kühe
rindern in 3 Wochen wieder. Die Brünſtigkeit dauert 24—36 Stunden, in der
Mitte dieſer Zeit wird der Sprung am ſicherſten erfolgen. Von der Anwendung den
Geſchlechtstrieb erregender Mitteln, als der ſtarken Fütterung mit Roggen, geſchrotenem
8*
[116]Beſondere Thierzuchtlehre.
Hafer, Hanfſamen, rohen Kartoffeln, iſt im Allgemeinen abzurathen, indem dieſelben
zwar die Ausführung der Begattung, aber nicht auch ſchon die Befruchtung gewährleiſten.
Die Ausführung des Sprunges erfolgt an einem ruhigen Platze, am beſten in
einem Laufſtande. Nach dem Sprunge läßt man die Kuh, bevor ſie in den Stall
zurückgebracht wird, einige Zeit im Hofraume herumführen.
Damit die Zeugungskraft des Zuchtſtieres erhalten bleibt, theilt man demſelben
je nach ſeinem Körperzuſtande und der Häufigkeit ſeiner Verwendung nur eine beſtimmte
Zahl von Kühen zu. Auf einen ausgewachſenen Stier kommen bei Stallhaltung,
bei welcher die Kälber am zweckmäßigſten wegen der Arbeitsvertheilung und der
Gleichmäßigkeit der Milchnutzung das ganze Jahr fallen ſollen, 60—70 Kühe, bei
Weidefütterung, bei welcher alle Kälber gegen Ende des Winters oder zu Anfang des
Frühjahres vor dem Weideauftriebe gewünſcht werden, 30—40 Kühe. Junge,
1½jährige Stiere erhalten zur Schonung nur 20—25 Stück, 2jährige 40—50
Stück, 3jährige die volle Zahl zugetheilt. Jedenfalls ſoll der Stier höchſtens nur
einmal per Tag verwendet werden. Nach jedem Sprunge iſt dieſer Act in ein
Stammregiſter einzutragen. Zur Erleichterung der Evidenzhaltung deſſelben iſt jedes
Thier mit einer Nummer und einem Namen zu verſehen. Die Nummer wird
entweder in das Horn eingebrannt oder wie bei den Schafen durch Tättowiren oder
Einkerben der Ohren kenntlich gemacht. Noch zweckmäßiger iſt es, dem Thiere eine
römiſche Ziffer zur Bezeichnung der Familie und eine fortlaufende, arabiſche Ziffer
zur Bezeichnung des Individuums in das Horn zu brennen und außerdem das
Geburtsjahr in das Ohr zu tättowiren.
Eine zweckmäßige Eintheilung des Stammzuchtbuches iſt auf den fürſtlich Schwar-
zenberg’ſchen Domainen in Böhmen 1) in Gebrauch. In demſelben ſind folgende Rubriken
aufgenommen: Des Thieres 1. Nummer, 2. Name, 3. Geſchlecht, 4. Geburtsjahr und
5. Monat, 6. Race und Stamm, 7. Urſprüngliche Herkunft, 8. Vater, 9. Mutter und
deren urſprüngliche Herkunft, 10. Farbe und Abzeichen, 11. Arithmetiſche Verhältniſſe:
a. Länge, b. Höhe, c. Umfang in Centimeter, d. Gewicht in Kilogr., 12. Körperbau,
Knochen- und Hornbeſchaffenheit ꝛc., 13. Melkergebniß eines ganzen Jahres, 14. Sprung:
a. Monat, b. Jahr, c. Stier oder zugelaſſene Kuh Nr., 15. Abkalbung: a. Monat, b. Jahr,
16. Stierkälber: a. Stück, b. Gewicht in Kilogr., 17. Kuhkälber: a. Stück, b. Gewicht in
Kilogr., 18. Anmerkung. (Beſondere Notizen bezüglich der Nutzungseigenſchaften, der Füt-
terung, der Verwendung der Kälber ꝛc.).
5. Die Aufzucht.
Die Aufzucht des Rindes beginnt mit deſſen Befruchtung. Für die richtige Aus-
führung derſelben gelten die im Capitel „Die Aufzucht“ S. 42 angegebenen, allgemeinen
Grundſätze. Nach der erfolgreichen Paarung erhält die Kuh eine Futterzulage von
Heu, Oelkuchen, Schrot, präparirtem Knochenmehl, um eine möglichſt kräftige Ent-
wickelung des Kalbes zu erreichen. Daß die Kuh aufgenommen, trächtig geworden,
erkennt man an dem Ausbleiben des Rinderns, an der Zunahme der Freßluſt, gegen
[117]Die Rindviehzucht.
die Mitte der Tragzeit an der Zunahme des Bauches. Nach 4½ Monaten können
die Bewegungen des Kalbes durch Auflegen der Hand an die rechte Bauchſeite bereits
gefühlt werden. Die Milch nimmt ſtetig ab. Bei ſchlechten Milcherinnen hört die
Milchabſonderung ſchon 3—5 Monate vor dem Kalben vollſtändig auf. Gute
Milchkühe milchen bis zum Kalben, man muß ſie jedoch 6—8 Wochen vor der
Geburt trocken ſtellen, um die Ausbildung des Kalbes zu befördern.
Während des fünften bis ſiebenten Monates der Trächtigkeit ſind die Kühe be-
ſonders ſchonend zu behandeln, um ein Verkalben zu verhüten. Diätfehler, blähendes, ver-
ſchimmeltes Futter, ſehr ſtarke Salzgaben, Tränken mit durch Seifenſchaum verunreinig-
tem Waſſer, Erkältungen, rohe Behandlung ſind möglichſt zu vermeiden. Nach rück-
wärts geneigte Viehſtände begünſtigen den Scheidenvorfall und ſelbſt das Hervortreten
der Gebärmutter. Da in Folge dieſer krankhaften Zuſtände häufig Verkalben eintritt,
ſo ſind derartige Viehſtände durch reichliche Streu zu erhöhen. Durch das Verkalben
geht nicht nur das Kalb verloren, ſondern auch das Leben der Kuh iſt gefährdet
und der Milchertrag geſchmälert. Kühe, die ſchon einmal verkalbten, ſind immer wieder
dazu geneigt und deshalb abzuſchaffen. Zuweilen haben auch die Stiere inſofern
einen Einfluß auf das Verkalben der Kühe, als ſie nur ſolche Kinder erzeugen, welche
vor der Reife im Mutterleibe abſterben und dann zu früh geboren werden müſſen.
Zuweilen tritt das Verkalben in Folge von Anſteckung auch epidemiſch auf. Die
Unterſuchungen von Franck, Zundel, Johne und Brauer haben nachgewieſen, daß ſich in dem
Vaginalſchleime, dem Fruchtwaſſer und den Nachgeburtsreſten der Thiere, welche verworfen
hatten, Bacterien und Bacterienreihen finden, und daß durch Uebertragung des Vaginal-
ſchleimes der Kühe, welche abortirt haben, in die Geſchlechtsorgane geſunder, hochträchtiger
Kühe ſtets das Verkalben binnen 9—15 Tagen hervorgerufen werden kann.
Um der weiteren Ausbreitung des Verkalbens in einer Wirthſchaft Einhalt zu thun,
müſſen Kühe, die verkalben wollen oder verkalbt haben, augenblicklich aus der Geſellſchaft
tragender Kühe entfernt werden. Die ausgeſchiedene Frucht, die Fruchtwäſſer und Nach-
geburtsreſte müſſen raſch gründlich beſeitigt und eine ſorgfältige Carbolſäure-Desinfection
jener Theile vom Stallboden, wo dieſe Waſſer gelegen hatten, vorgenommen werden.
Außerdem empfiehlt Dr. Julius Kühn dort, wo das Verkalben epidemiſch auftritt,
ein Gramm Salicylſäure in zwei Liter reinem, weichen Waſſer aufzulöſen und mit dieſer
Löſung mittelſt eines weichen Schwammes die Scheide-Oeffnung und Umgebung der Scheide
aller tragenden Kühe wöchentlich zweimal vorſichtig zu benetzen.
Zu demſelben Zwecke empfiehlt Dr. Zürn eine ½—1procentige Carbolſäurelöſung.
Tritt das Verkalben vor 230 Tagen nach dem Zulaſſen ein, ſo kommt die
Frucht todt zur Welt (Fehlgeburt, Todtgeburt), tritt es nach 260 Tagen der Träch-
tigkeit ein (Frühgeburt), ſo kann das Kalb bei großer Aufmerkſamkeit aufgezogen
werden, es iſt aber zur Zucht nicht zu verwenden. Die durchſchnittliche Trächtigkeits-
dauer beträgt 285 Tage und erreicht im Maximum 320 Tage.
Der Eintritt der Geburt wird durch tieferes Senken des Bauches, allmähliges
Anſchwellen des Euters, Auslaufen von Milch, Erweiterung der Geſchlechtstheile an-
gekündigt. Kurz vor der Geburt (ſiehe auch S. 43) zeigt die nun zu beaufſichtigende
Kuh große Unruhe und verſchmäht das Futter. Es tritt ein Drängen nach rückwärts
[118]Beſondere Thierzuchtlehre.
ein (vorbereitende Wehen), bis endlich die Waſſerblaſe und unter fortdauernden
Wehen das Kalb erſcheint. Die Nabelſchnur reißt von ſelbſt oder ſie muß eine
Hand vom Nabel des Kalbes entfernt abgeriſſen werden. In einer oder einigen
Stunden gehen dann die Eihäute und die Nabelſchnur als Nachgeburt ab. Das
durchnäßte Kalb wird von der Kuh abgeleckt. Erforderlichen Falls wird die Kuh
dazu durch Beſtreuen des Kalbes mit Getreideſchrot und Salz angeregt.
Der Kuh, welche nach der Geburt ſehr angegriffen iſt, reicht man einen lau-
warmen Trank von Schrot, Oelkuchenmehl und Salz und gutes, ſüßes Heu.
Das Kalb ſucht bald nach der Geburt das Euter, um zu ſaugen. Die Erſt-
milch (Coloſtrum, Beeſtmilch) ſoll dem Kalbe nicht vorenthalten werden, damit die
Entleerung der während des Aufenthaltes im Mutterleibe angeſammelten Excremente,
des Kälberpehes (Meconium), erfolge.
Die Coloſtrummilch (S. 26) beſitzt 38—14, im Mittel 20 % Trockenſubſtanz und in
den erſten Stunden oft um ein geringes mehr, aber ſchon ſehr bald faſt eben ſo viel Butter-
fett als die normale Milch. Der Milchzuckergehalt iſt ſtets Anfangs ſehr klein. Der Käſeſtoff
iſt Anfangs in größerer Menge als in der Milch vorhanden. Der Eiweißgehalt iſt außer-
ordentlich hoch und beträgt in den erſten Tagen 15—4 %. Der Gehalt an Aſchenſalzen
iſt gleichfalls höher als in normaler Milch. Der Unterſchied zwiſchen der Erſtmilch und der
ſpäter abgeſonderten Milch ergibt ſich am augenſcheinlichſten aus der chemiſchen Analyſe:
Die weitere gedeihlichſte Nahrung für das Kalb iſt die Muttermilch, nachdem
dieſe am leichteſten vom Blätter- und Labmagen, welche beim Kalbe am größten
entwickelt ſind, aufgenommen werden kann. Durchſchnittlich erzielt man in den erſten
4—6 Lebenswochen des Kalbes mit 10 Kilogr. ſüßer Milch oder 1.23 Kilogr.
Milchtrockenſubſtanz 1 Kilogr. Zunahme des Lebendgewichtes. Die Milch wird von
dem Kalbe während der Säugezeit entweder unmittelbar von der Kuh aufgenommen
oder das Kalb wird gleich nach der Geburt von der Kuh entfernt und aufgetränkt.
Das Aufſäugen iſt natürlicher und verlangt keine ſo große Aufmerkſamkeit. Bei
guten Milchkühen kann das Kalb nicht ſämmtliche Milch verzehren. Dieſelbe geht
meiſt verloren, da ſie von der Kuh zurückgehalten wird und dann ſich nicht mehr aus-
melken läßt. Durch das Zurückbleiben der Milch vermindert ſich deren Abſonderung.
Dieſer Uebelſtand wird durch das Auftränken vermieden. Daſſelbe geſtattet eine
gleichmäßigere Ernährung, verlangt jedoch größere Aufmerkſamkeit. Das Entwöhnen
kann bei dem Tränken leichter als bei dem Aufſäugen ohne Störung der Entwickelung
des Kalbes vorgenommen werden.
Läßt man bei dem Aufſäugen das Kalb frei im Stalle herumlaufen, ſo können
leicht Unregelmäßigkeiten durch Saugen an anderen Kühen eintreten, es iſt daher
zweckmäßiger die Kälber neben der Kuh an einem ſo langen Stricke anzubinden, daß
ſie jederzeit das Euter erreichen können. Dieſes Verfahren befördert namentlich bei
Erſtlingskühen die Milchabſonderung. Die Kuh wird jedoch zu ſehr beunruhigt,
[119]Die Rindviehzucht.
weshalb es am beſten iſt das Kalb gleich in den Kälberſtall zu bringen und 3—4mal
des Tages zur Kuh zu führen.
Das Tränken erfordert vor Allem
Pünktlichkeit, Sorgfalt und Reinlich-
keit. Das Kalb wird bei dieſem Auf-
zuchtverfahren gleich nach dem Ab-
lecken oder beſſer gleich nach der
Geburt von der Kuh entfernt. Im
letzteren Falle iſt der Schleim beſonders
am Maule durch Abreiben mit weichem
Stroh oder Heu zu entfernen. Die
Milch und zwar in der erſten Woche
die Milch von der eigenen Mutter,
beſonders die Coloſtrummilch, wird
dem Kalbe aus einem Kübel gereicht.
Um das Kalb zum Saufen zu ver-
anlaſſen, drückt man den Kopf deſſelben
ſanft gegen die Milch oder hält ihm
einen mit Milch benetzten Finger ent-
gegen. Zu demſelben Zwecke dienen in
die Barrenwand eingeſchobene Tränkvor-
richtungen, Fig. 67, bei welchen durch
Kautſchuk ꝛc. die Zitzen der Kuh nachge-
ahmt werden. Derartige Kautſchukſaug-
düten liefert C. Schwanitz \& Co., Berlin.
Nach der erſten Woche kann auch
von anderen Kühen, jedoch ſtets kuh-
warme Milch gereicht werden und zwar
mit großer Genauigkeit immer zur
Saug-Apparat für Kälber.
gleichen Zeit 3mal, noch beſſer, um gieriges Saufen zu vermeiden 4—5mal des Tages.
In der erſten Zeit läßt man das Kalb beliebige Quantitäten aufnehmen, ſpäterhin wird
demſelben ⅕—1/7, im Mittel ⅙ ſeines Lebendgewichtes an Milch zugemeſſen.
Kälber, welche mit Milch gemäſtet werden ſollen, erhalten mehr. Je nach dem Ge-
wichte erhalten demnach die Kälber während der Säugezeit 4—10 Kilogr. Milch oder
3.87—9.7 Liter per Tag, da 1 Liter Milch bei 15°C. 1.032 Kilogr. wägt.
Die Dauer der Säugezeit richtet ſich nach den Zwecken der Aufzucht. Kälber,
welche weder gemäſtet, noch zur weiteren Aufzucht, ſondern zum Verkaufe für die
Schlachtbank beſtimmt werden, ſetzt man ſchon mit 3—4 Wochen ab. Aufzuchtkälber
müſſen wenigſtens 4—5, in guten Wirthſchaften niemals unter 6—8 Wochen geſäugt
werden. Bei Zuchtviehaufzucht reicht man ſelbſt 5—6 Monate und länger Milch-
nahrung, dabei iſt jedoch zu berückſichtigen, daß bei ſo langer Milchfütterung das
Abſetzen ſchwieriger wird, da der Panſen in der Entwickelung zurückbleibt.
[120]Beſondere Thierzuchtlehre.
Das Abſetzen des Kalbes nach der ſechſten, achten Woche muß allmählig vor-
genommen werden, um jeden Körperverluſt hintanzuhalten. An Stelle der kuhwarmen
Milch wird nach und nach abgerahmte ſüße, weiterhin abgerahmte ſaure Milch,
Buttermilch oder Molke gegeben. Gleichzeitig reicht man als Erſatz für die Mutter-
milch Kleie, eine Abkochung von Hafermehl, Erbſenſchrot, Leinſamen und Oelkuchenmehl.
Für je 1 Kilogr. ſüßer Milch werden 1 Kilogr. abgenommene Milch und 60 Grm.
Leinſamen gereicht. Ein ausgezeichnetes Kälberfutter gewähren die Malzkeime, welche
nach und nach bis zu 2 Kilogr. per Tag verabreicht werden. Dabei wird das Kalb
nur mehr zweimal, nach 10 Wochen nur einmal zur Kuh geführt, bis es von
derſelben getrennt und in einen entlegenen Stall gebracht wird. Schon mit 2 Monat
legt man feines, ſüßes Heu vor, welches das Kalb ſpielend zu ſich nimmt oder man
treibt es mit der Kuh auf die Weide. Entſprechend dem Abbruche an Milch vermehrt
man die Heuzulage. Mit 3½ Monaten reicht man dann ſchon feingeſtampfte Rüben,
feine Spreu, neben 1—1½ Kilogr. Heu. Am leichteſten gelingt das Abſetzen beim
Auftränken, indem man die Milch verdünnt und an deren Stelle immer mehr Sur-
rogate verabreicht. Um die Ausbildung der Knochen zu befördern, empfiehlt es ſich,
fein gedämpftes Knochenmehl bis zu 20 Grm. per Kopf und Tag oder Kreidepuloer
in die Tränke oder auf das Futter zu ſtreuen. Das Abſetzen wird weſentlich durch
einen hellen, zugfreien, reinlichen, 15—17°C. warmen Kälber-Stall erleichtert. In
kalten Ställen tritt leicht Durchfall ein.
Bei Weidebetrieb iſt das Zulaſſen der Kühe derart zu regeln, daß der Abſatz
der Kälber während des Winters bis Anfang April ſtattfindet, damit die Kälber mit
den friſchmelkenden Kühen gleich auf die Weide getrieben werden können. Bei Stall-
haltung werden die im Sommer fallenden Kälber zu ſehr von den Fliegen beunruhigt.
Wie viel Kälber aufzuziehen ſind, hängt von der Dauer der Benutzung der
Kühe ab. 100 Kühe erfordern z. B. bei 6jähriger Benutzung den 6. Theil und
ein Plus für die Sterblichkeitsprocente als Nachſchub, ſomit
- + Sterblichkeitsprocent 16 Stück 3jährige Zuchtkalben,
- + „ 20 „ 2 „ „
- + „ 24 „ 1 „ „
- in Summa 60 Stück Jungvieh.
Zur Aufzucht wird man nur ſolche Kälber wählen, welche nach dem Stamm-
regiſter von guten Kühen abſtammen. Mißgeſtaltete Kälber mit enger Bruſt,
ſchwachem Körperbaue, Hängebauch, ſchlechter Beinſtellung ſind von der Aufzucht aus-
zuſchließen, ebenſo Zwillingskälber; beſonders muß man bei geſchlechtlich paarigen
Zwillingen das als Weibchen erſcheinende Thier in der Mehrzahl der Fälle und
zwar etwa bei 70 %, als unvollkommen in ſeinen inneren Geſchlechtsorganen, in
einzelnen Fällen ſogar als Zwitter und eben deshalb als total unbrauchbar zur
Zucht betrachten. Wird der weibliche Zwilling zuerſt geboren, ſo iſt mit mehr
[121]Die Rindviehzucht.
Wahrſcheinlichkeit noch auf eine vollkommenere Geſchlechtsorganiſation zu hoffen, als
wenn das Stierkalb zuerſt geboren wird 1). Die nicht abzuſetzenden Kälber werden
je nach dem Milchpreiſe nach 3—4 Wochen an die Schlachtbank verkauft. Stier-
kälber, welche keine Verwendung als Zuchtthiere finden, werden bald nach dem Ab-
ſetzen mit 6—8 Wochen caſtrirt. Zu dieſer Zeit iſt mit dem Caſtriren weniger
Riſiko verbunden und das Fleiſch bleibt fein und zart. Sollen nicht Maſtochſen, ſondern
Zugochſen herangezogen werden, ſo verſchiebt man das Caſtriren, bis das Kalb
6—9 Monate alt geworden und eine größere Körperkraft erreicht hat. Der, wie
das übrige Jungvieh aufzuziehende Ochſe kann dann im dritten Jahre ſchon ſchonend
zum Zuge gebraucht werden. Weibliche Thiere werden, wenn auch ſelten, mit 10—12
Wochen oder im Alter von 1—1½ Jahr caſtrirt. Das nicht immer gefahrloſe
Caſtriren der Kühe bietet jedoch keinen Vortheil, da die vermeintliche Steigerung des
Milchertrages faſt immer ausbleibt.
Um ſich ſpäterhin die Führung der Stiere zu erleichtern, empfiehlt es ſich den
½jährigen Jungſtieren Naſenringe durch die Naſenſcheidewand zu ziehen, mit welchen
ſie leicht gelenkt werden können. Am vorzüglichſten eignen ſich dazu die Naſenringe
von Dr. Rueff, Fig. 68,
welche nach dem Einziehen
mit einer Schraube geſchloſſen
werden, deren Anſatz dann
abgebrochen wird. Zu dem-
ſelben Zwecke dienen die
Bullenbändiger, Fig. 69,
welche erſt im Falle des Be-
darfes an die Naſenſcheide-
wand angelegt werden.
Nach der völligen Ent-
wöhnung der Kälber von der
Milchnahrung in der neunten
oder zehnten Lebenswoche iſt
das Jungvieh in der erſten
Zeit unter regelmäßiger Ein-
haltung der Futterzeiten kräf-
tig zu ernähren, jedoch nicht
zu mäſten. Das Nährſtoff-
verhältniß iſt entſprechend der
Fig. 68. Bullenring nach Rueff von H. Hauptner — Berlin.
— Preis 1.75 Mark (88 Kr.).
Fig. 69. Bullenbändiger (Naſenzange) von H. Hauptner —
Berlin. — Preis 4 Mark (2 fl.).
Ernährung auf der Weide mit 1 : 5—6 einzuhalten. Es wird dies am beſten
erreicht, wenn man Heu nach Belieben oder in einer Menge von 2—3 Kilogr.,
1—1.5 Kilogr. Gerſte, Hafer oder Maisſchrot, nebſt 0.1—0.2 Kilogr. Oel-
kuchen verabreicht. Zum weiteren Aufziehen eignet ſich auch gutes Wieſengras,
[122]Beſondere Thierzuchtlehre.
beſonders wenn es anfänglich mit Heu abgemiſcht wird. Mit ½ Jahr iſt die
Schrotzulage allmählig zu ſiſtiren und zu einer mehr voluminöſen, ſtickſtoffärmeren,
überhaupt minder gehaltreichen Fütterung überzugehen. Rüben, Wurzelwerk, Heu-
häckſel werden die Futterpaſſirung des Jungviehes zuſammenſetzen. Den Sommer
über iſt das Jungvieh auf die Weide zu treiben und nebenher im Stalle Klee,
Gras ꝛc. zu füttern. Stehen keine Weiden zur Verfügung, ſo muß dem Jungviehe,
um die normale Ausbildung der Gliedmaßen zu ermöglichen, auf Tummelplätzen oder
Grasplätzen Gelegenheit zur freien Bewegung gegeben werden.
Das Gedeihen des Jungviehes wird ſchließlich durch gute Pflege und ſanfte
Abwartung weſentlich gefördert. Nach einem Jahre ſind die Geſchlechter zu trennen,
um den Geſchlechtstrieb nicht zu frühzeitig auf Koſten der Körperentwickelung zu
erregen. Aus demſelben Grunde iſt das 2jährige Jungvieh knapper zu halten, mit
Stroh, Rüben zu füttern und zur Abhärtung ſelbſt bei ungünſtigerer Witterung auf
die Weide zu treiben. Tritt der Geſchlechtstrieb ein, ſo muß derſelbe befriedigt
werden. Nach der Belegung ſind dann die Thiere reichlicher mit Heu oder Grün-
futter, mit Oelkuchen, Schrot, Träbern ꝛc. zu füttern.
Als Futternorm für Jungvieh gelten folgende Anſätze in Kilogramm:
Nach Dr. E. Wolff 1) ſtellen ſich die Fütterungsnormen für wachſende Rinder
pro Tag und 1000 Kilogr. Lebendgewicht in Kilogr. wie folgt:
4. Die Ernährung.
Die Ernährung des Rindviehes findet entweder auf der Weide oder im Stalle
ſtatt. Sie richtet ſich vornehmlich nach dem Nutzungszwecke. Bei derſelben iſt zu
beachten: 1. die Weidefütterung, 2. die Stallfütterung, 3. die Fütterung des
Milchviehes, 4. die Fütterung des Zugviehes und 5. die Fütterung des Maſtviehes.
1. Die Weidefütterung.
Obgleich die Weidefütterung als naturgemäße Ernährungsweiſe anzuſehen iſt,
kommt dieſelbe wegen der erſchwerten Düngergewinnung nur dort regelmäßig vor,
wo Ueberſchwemmungsterrain, Marſchen, Gebirgsländereien, extenſiver Wirthſchafts-
betrieb, geringer Bodenwerth, dünne Bevölkerung, große Wirthſchaftskörper ꝛc. eine
Benutzung des Bodens durch Ackercultur nicht vortheilhaft oder nicht möglich machen.
Die Weideernährung bietet den Vortheil, daß das Futter ſtets friſch und in guter
Miſchung aufgenommen wird, daß die Koſten der Einerntung des Futters und das
Streumaterial erſpart werden. Dagegen hat ſie den Nachtheil, daß die Ernährung
bei ſchlechter Beſchaffenheit der Weide ſehr ungleich ausfällt, daß die Thiere den
klimatiſchen Wechſelfällen und daher Krankheiten zu ſehr ausgeſetzt ſind. Bei inten-
ſiverem Wirthſchaftsbetriebe iſt es noch am vortheilhafteſten, die Winterſtallfütterung
mit der Weideernährung im Sommer zu vereinigen und die verſchiedenen Kleegras-
ſchläge bei der Koppelwirthſchaft, die Stoppelfelder, Futterfelder, Wieſen nach der
Heuernte durch Abweiden auszunutzen.
In Betreff der Verdaulichkeit des Weidefutters gegenüber dem Mähefutter liegen Ver-
ſuche von Weiske 1) vor, welcher das Futter (Gemenge von Rothklee, Wundklee und Gras)
zweimal abmähen und mit der Hand rupfen ließ, um das Abgraſen der jungen Triebe ꝛc.
durch das Weidevieh nachzuahmen. In Procenten der Futterbeſtandtheile wurden von zwei
Hammeln im Mittel verdaut:
Die pro 0.25 Hectare geernteten, verdaulichen Nährſtoffe berechnen ſich wie folgt:
Wie ſich dieſe Verhältniſſe für künſtliches oder natürliches Weideland herausſtellen, iſt
durch den Verſuch noch nicht nachgewieſen worden.
[124]Beſondere Thierzuchtlehre.
Bei der Weideernährung iſt darauf zu achten, daß der Uebergang von der
Winterſtallfütterung allmählig erfolge. Das Weiden iſt ſtets in kleinen Abtheilungen,
Koppeln, auszuführen, da ſonſt zuviel Futter durch Zuſammentreten verloren geht.
Außerdem iſt für geſundes Tränkwaſſer zu ſorgen. Für die Nacht im Frühjahre,
ſowie für ungünſtige Witterung ſoll durch einen Nothſtall für eine Unterkunft geſorgt
werden.
Die Weidedauer hängt von dem Klima und der Weidebeſchaffenheit ab. In
der ungariſchen Ebene dauert die Weidezeit von Mitte April bis Mitte November,
7—8 Monate, in den Koppelwirthſchaften Schleswig-Holſteins von Mitte Mai bis
Mitte October, 5—6 Monate, und in den Alpen von Ende Mai bis Ende September
3—4 Monate.
Die beſten Weiden wird man für die Kälber und das Maſtvieh, die geringſten
für die Zugochſen und das Jungvieh und die übrigen Weiden für das Melkvieh
beſtimmen. Der Bedarf an Weidefläche richtet ſich nach der Viehart, der Weide-
dauer und der Ertragsfähigkeit der Weide. Eine mittelſchwere Kuh mit 500 Kilogr.
Lebendgewicht benöthigt während einer Weidedauer von 160 Tagen per Tag 15 Kilogr.
Heu oder für die ganze Zeit 24 metr. Ctr. à 100 Kilogr. Heu. Eine gute Kuhweide
gibt 45 Centner Ertrag in Heu gerechnet. Es reichen daher zur Ernährung jener
Kuh 0.53 Hectar aus oder 1 Hectar dieſer Weide kann 1.88 Kühe ernähren.
Weitere Angaben ſiehe Bd. II. S. 252.
Die Ausnutzung der Weide wird weſentlich erhöht, wenn ſtatt dem freien
Herumlaufen die Thiere mit einem Stricke an einem Pflocke, der mit einem Wirbel
verſehen iſt, angebunden werden, die Weide getüdert wird. Das Tüdern iſt in
Schweden bei dem Abweiden von Kleeſtoppeln durch ganze Heerden, in der Schweiz
und den öſterreichiſchen Alpenländern bei einzelnen Thieren in Gebrauch. Es erleichtert
die Aufſicht, das Melken, befördert die Weideausnutzung und die Gleichmäßigkeit der
Düngervertheilung.
2. Die Stallfütterung.
Die Stallfütterung bietet gegenüber der Weidefütterung den Vortheil der größeren
Gleichmäßigkeit in der Ernährung und der ſicheren Düngergewinnung. Außerdem iſt
zur Erhaltung deſſelben Viehſtandes eine geringere Bodenfläche erforderlich, da ein-
jährige und ausdauernde Futterpflanzen, allerdings mit erhöhten Productionskoſten,
mehr Futterertrag geben als natürliche Weiden. Gewiſſe Futterſtoffe, wie manche
Knollen und Wurzelfrüchte, Abfälle techniſcher Gewerbe ꝛc., laſſen ſich nur bei Stall-
fütterung verwerthen. Die Stallfütterung erhöht jedoch den Aufwand für Streu-
material und für Winterfutter, da die Grünfütterung um 3—5 Wochen kürzer als
die Weide dauert. Die Stalleinrichtung, die Errichtung luftiger Schuppen für das
Grünfutter, der Düngerſtätte, die Anbau- und Erntekoſten des Feldfutters erhöhen
gleichfalls den Aufwand.
[125]Die Rindviehzucht.
Die Sommerſtallfütterung läßt ſich auf zweifache Weiſe durchführen,
entweder mit Grün- oder mit Trockenfütterung. Die Grünfütterung hat den Vortheil,
daß ſie einen günſtigeren Einfluß auf die Beſchaffenheit der Milch und der Butter
nimmt. Das Grünfutter iſt gegenüber dem Heu in gleicher Weiſe verdaulich,
wenn das letztere zu gleicher Zeit mit dem Grünfutter geſchnitten und ohne alle
Verluſte an zarten Pflanzentheilen geerntet worden iſt 1). Bei der Grünfütterung
entfallen das Riſiko und die Werbungskoſten der Heuernte. Dagegen hat die Grün-
fütterung den Nachtheil, daß die Ernährung nicht ſo gleichmäßig wie bei dem Heu
durchgeführt werden kann, indem bei dem Uebergange zu einem anderen Grünfutter-
mittel und bei dem Aelterwerden deſſelben Grünfutters Ungleichheiten unvermeidlich
ſind. Die Trockenfütterung bietet dagegen anſcheinend den Vortheil der größeren Gleich-
mäßigkeit, der jedoch dadurch, daß ſich das Heu beim Aelterwerden in ſeiner Qualität
ändert und der Gehalt an Rohproteïn mindert, weſentlich beeinträchtigt wird, abgeſehen
davon, daß in unſeren klimatiſchen Verhältniſſen die Heuwerbung 2) ſtets mit Ver-
luſten gegenüber der Grünfuttergewinnung verbunden iſt.
Weiske 3) hat den Beweis geliefert, daß in der That das Grünfutter durch alleiniges
Trocknen deſſelben keinerlei Veränderungen bezüglich ſeiner Verdaulichkeit erleidet, voraus-
geſetzt, daß bei dem Trocknen mit der nöthigen Vorſicht vorgegangen wurde. In Procenten
der Futterbeſtandtheile wurde von zwei 1¾jährigen Hammeln im Mittel verdaut:
Die Hauptſache bei der Grünfütterung bleibt die Beſchaffung der ausreichenden
Quantität, damit zu keiner Zeit ein Mangel eintritt, und die möglichſte Ausdehnung
der Grünfütterungsperiode. In kleewüchſigen Gegenden ſind dieſe Bedingungen leicht
zu erfüllen. In unſicheren Gegenden müſſen die Grünfütterung die verſchieden-
artigſten Futterpflanzen ſichern helfen. In trockenen Gegenden, wie z. B. in Ungarn
mit wenig kleefähigem Boden, wird die Grünfütterung in folgender Weiſe durchgeführt:
1. Ende April, Anfang Mai: Futterroggen; 2. 10—14 Tage ſpäter: Grünweizen;
3. erſter Luzerne- oder Kleegrasſchnitt; 4. Grüngerſte, Miſchling; 5. Anfang Juni:
zweiter Luzerneſchnitt; 6. Ende Juni bis Mitte October: Grünmais und Luzerne.
Bei der Grünfütterung iſt der Stall möglichſt reinzuhalten, daher die Streu-
menge gegenüber der Stallfütterung zu vermehren. Zur Aufbewahrung von Grün-
futter-Vorräthen für 2—3 Tage ſind luftige Lattengerüſte aufzuſtellen, um das Grün-
futter friſch erhalten zu können. Beſondere Aufmerkſamkeit verdient der Uebergang von
der Winter-Trockenfütterung zur Grünfütterung. Dieſer Uebergang ſoll ſehr allmählig
[126]Beſondere Thierzuchtlehre.
geſchehen, ſo daß erſt nach 14 Tagen die alleinige Verabreichung von Grünfutter
ſtattfindet. Vorher wird daſſelbe mit allmählig abnehmenden Mengen von Stroh
und Heu gemiſcht und zuſammengeſchnitten. Dieſelbe Vorſicht iſt im Herbſte bei
dem Uebergange zur Winterfütterung zu beobachten. Das Grünfutter ſoll täglich
Fig. 70. Unrichtige und richtige Anwendung der Schlundröhre bei der Trommelſucht.
Fig. 71. Troicar für Rindvieh. H. Haupiner — Berlin. — Preis 3.75 Mark (1.87 fl.).
friſch verabreicht werden, weder welk, noch vom Thaue oder Regen durchnäßt ſein.
Namentlich bei blähendem Grünfutter, wie jungem Rothklee, Luzerne ꝛc., und bei
bereiftem Grünfutter gebietet die Vorſicht, daſſelbe im friſchen Zuſtande zu verfüttern,
wenn feucht, abtrocknen zu laſſen, mit Langſtroh abzumiſchen und das Tränken erſt
einige Zeitnach dem Füttern vorzunehmen. Iſt ein Aufblähen des Panſens eingetreten,
[127]Die Rindviehzucht.
ſo hilft ein Einguß eines Eßlöffels voll ungelöſchten Kalk in einer ½ Maß Waſſer oder
Salmiakgeiſt und bei drohender Gefahr für das Leben des Thieres die Anwendung
des 1.6 Meter langen und 2 Centm. dicken Schlundrohres, Fig. 70, S. 126, oder
des Troicars, Fig. 71, S. 126. Die Schlundröhre wird durch den Schlund, bei
geneigter Stellung des Rindes in den Panſen eingeführt, der Troicar in der linken
Hungergrube bei A Fig. 69 in den Wanſt geſtochen, um die angeſammelten Gaſe
durch die Röhre reſp. die Scheide zum Entweichen zu bringen. Das Aufblähen
wird vermieden und überdies die Ausnutzung des Futters erhöht, wenn man
daſſelbe nur in kleinen Partien und dafür öfter in 3—4 Futterzeiten verabreicht.
Bei Futtermangel und älterem, hartſtenglig gewordenem Grünfutter empfiehlt
es ſich daſſelbe grob in 5 Centm. lange Stücke zu häckſeln. Die Thiere können
dann nicht ſo viel verſchleudern. Das geſchnittene Futter muß jedoch allſogleich ver-
wendet werden, da es ſonſt leicht verdirbt.
Die Dauer der Grünfütterung hängt von dem Boden, Klima, Witterung, den
vorhandenen Futterpflanzen ab; gewöhnlich wird dieſelbe 5—6 Wochen kürzer als
die Weide ſein. Sie beträgt unter
- ſehr günſtigen Verhältniſſen 5—6 Monate Anfang Mai bis Ende October,
- mittleren „ 4½—5 „ Mitte Mai bis Mitte October,
- ungünſtigen „ 3½—4 „ Ende Mai bis Ende September.
Für die erforderliche Grünfuttermenge, den Grünfutterüberſchlag, ſind
maßgebend: 1. die Stückzahl der Thiere, 2. die Art der Ernährung, 3. die Dauer
der Grünfütterung und 4. die Erträge der Grünfutterpflanze. Um ſicher zu gehen,
wird man ¼—⅓ Fläche Mehrbedarf rechnen, der Ueberſchuß wird dann gedörrt.
Eine Kuh von 500 Kilogr. Lebendgewicht bedarf z. B. per Tag 15 Kilogr. Heu,
ſomit für eine Dauer der Grünfütterung von 150 Tagen zuſammen 15 × 150 = 2250
Kilogr. Heu. Ein Hectar Rothklee gibt im Mittel 4000 Kilogr. Heu. Zur Grünfütterung
einer Kuh ſind daher 56 Ar oder per Tag 37 □Meter erforderlich.
Die Winterfütterung des Rindviehes fällt ſehr verſchiedenartig aus, je
nachdem man die Abfälle techniſcher Gewerbe verwenden kann, oder die Fütterung
ohne dieſelben durchzuführen hat. Im letzteren Falle bilden die Wurzel- und Knollen-
früchte, das Dürr- oder Rauhfutter und die Körner und Hülſenfrüchte, im erſteren
Falle die Branntweinſchlempe, die Rübenpreßlinge oder Rübenſchnittlinge, die Stärke-
fabrikationsabfälle, die Oelkuchen ꝛc., die hauptſächlichſten Beſtandtheile des Winter-
futters. Welcher Werth den einzelnen Futterſtoffen zukommt, wurde ſchon S. 63
u. ff. beſprochen.
Bei der Winterfütterung ſind, wie bei der Sommerfütterung, die einmal feſt-
geſtellten Futterzeiten mit großer Pünktlichkeit einzuhalten. Zwiſchen zwei Mahl-
zeiten ſollen 3—4 Stunden verſtreichen, um die Verdauung und das Wiederkäuen
nicht zu ſtören. Gewöhnlich füttert man dreimal des Tages, bei ſehr voluminöſen
[128]Beſondere Thierzuchtlehre.
Futtermitteln zuweilen auch nur zweimal. Bei 4, 5 und mehr Futterzeiten wird
zwar die Ausnutzung des Futters erhöht, aber auch die Arbeit des Fütterns ver-
mehrt. Für die Nacht darf keinesfalls ſchwer verdauliches Futter vorgelegt werden.
Veränderungen der zu verabreichenden Futterſtoffe, beſonders bei der Aufnahme der
Trockenfütterung im Herbſte oder der Grünfütterung im Frühjahre, ſollen nur all-
mählig vorgenommen werden, ſo zwar, daß der Uebergang von einer Nahrung zur
andern ſich mindeſtens erſt nach 8—14 Tagen vollzogen hat. Wird dieſe Vorſicht
nicht befolgt, ſo treten entweder Störungen in der Verdauung (Durchfall, Hartleibig-
keit) oder in der Nutzung (Zurückgehen des Körpergewichtes, der Milchſecretion) ein.
Bei den einzelnen Futterrationen iſt auf möglichſte Mannigfaltigkeit zu achten. Zuerſt
reiche man Kurz-, dann Langfutter. Das Tränken geſchehe entweder am Brunnen
oder noch beſſer im Stalle Früh und Abends. Die Menge des Tränkwaſſers richtet
ſich nach dem Waſſergehalte des Futters, der Menge der Ausſcheidung und ſelbſt nach
der Gewohnheit der Thiere.
Eine kurze Winterfütterung währt 4—6, eine mittellange 6—7 und eine lange
7—9 Monate. Dieſelbe iſt abhängig von dem Beginne und dem Ende der Grün-
fütterung oder der Weide. Der Bedarf an Winterfutter iſt durch einen Futter-
überſchlag zu regeln, um rechtzeitig etwaige Abgänge durch Futterzukauf decken zu
können.
3. Die Fütterung des Milchviehes.
Auf die Milchergiebigkeit des Rindviehes hat in erſter Linie die Entwickelung
der Milchdrüſe und erſt in zweiter Linie die Nahrungszufuhr entſcheidenden Einfluß.
Nachdem die Höhe der Milchproduction von der Neubildung und dem Zerfalle der
aus Eiweißſubſtanz beſtehenden Drüſenzellen abhängig iſt, ſo muß bei der Fütterung
des Milchviehes 1) das größte Gewicht auf die Zufuhr eines ſtickſtoffreichen Futters
gelegt werden. Das eiweißhaltige Futter ſoll namentlich das Circulationseiweiß,
welches in der Milchdrüſe verwerthet wird, vermehren und nicht etwa dem Organ-
eiweiß oder dem Anſatze von Eiweiß und Fett im übrigen Körper zu Gute kommen.
Mit der Vermehrung des Circulationseiweißes durch ein enges Nährſtoffverhältniß
von 1 : 4.7—5.4, durch erhöhte Waſſeraufnahme, durch mäßige Beigabe von Kochſalz,
von fettreichem Futter, Oelkuchen ꝛc., wird auch die Milchausſcheidung vermehrt, ohne
daß eine erhebliche Aenderung der Qualität eintritt. Bei Abnahme der Menge an
verdaulichem Eiweiß im Futter ſinkt der Milchertrag nicht in dem gleichen, ſondern
in viel beträchtlicherem Verhältniſſe, wenn er ſich auch in erſterer Zeit oft auf Koſten
der Körperſubſtanz auf gleicher Höhe erhält.
In dem täglichen Futter für Milchkühe ſollen per 1000 Kilogr. Lebendgewicht
nach zahlreichen Fütterungsverſuchen enthalten ſein:
[129]Die Rindviehzucht.
- Trockenſubſtanz . . . 22 —30 Kilogr.,
- Stickſtoffhaltige Nährſtoffe 2.3— 3.0 „
- Fett . . . . . . . 0.8— 1.0 „
- Stickſtofffreie Nährſtoffe . 12.5— 15.0 „
- Nährſtoffverhältniß . . 1 : 5.5—6
Die Menge der verdaulichen Nährſtoffe ſoll nach E. Wolff 1) betragen:
- Geſammtmenge der Futtertrockenſubſtanz 22—28 Kilogr.,
- Verdauliches Eiweiß . . . . . . 2.5 „
- Verdauliches Fett . . . . . . . 0.4 „
- Verdauliche ſtickſtofffreie Nährſtoffe . . 12.5 „
- Nährſtoffverhältniß . . . . . . 1 : 5 „
Das Futter auf einer guten Weide wird den obigen Anforderungen entſprechen,
bei ausſchließlicher Heufütterung tritt jedoch die Erfüllung dieſer Anſprüche erſt ein,
wenn noch ſtickſtoffreiches und dabei hinreichend leicht verdauliches Futter, wie z. B.
Oelkuchen, beigegeben wird. Wird die erforderliche Futtermenge noch weiters erhöht,
ſo tritt nach den vorliegenden Fütterungsverſuchen nur eine höchſt unmerkliche Stei-
gerung des Milchertrages ein, während die Qualität der Milch noch weniger beein-
flußt wird. Quantität und Qualität der Milch hängt eben in erſter Linie von der
Race, der Individualität des Thieres und von der Beſchaffenheit der Milchdrüſe ab.
Von Bedeutung bei der Fütterung des Milchviehes iſt das Vorhandenſein einer
ausreichenden Menge an mineraliſchen Nährſtoffen im Futter. E. Wolff 2) nimmt
an, daß als Minimum im täglichen Futter pro 1000 Kilogr. Lebendgewicht enthalten
ſein müſſen: 0,09 Kilogr. Phosphorſäure, 0.13 Kilogr. Kalk und 0.235 Kilogr.
Kali. Mangel an Phosphorſäure und Kalk im Futter führt zu einer beträchtlichen
Verminderung des Milchertrages. Bei Heufütterung wird der Bedarf an Aſchen-
beſtandtheilen mehr als hinreichend gedeckt. Bei alleiniger Fütterung von Stroh,
Spreu, Schlempe, Preßlingen, Wurzelwerk empfiehlt es ſich dagegen den Thieren ge-
ſchlämmte Kreide oder weiche Kalk-Leckſteine vorzulegen. Außerdem iſt die Verabreichung
von Kochſalz in einer Menge von 15—30 Grm. per Kopf und Tag ſehr anzu-
rathen. Es wird dadurch nicht nur die Schmackhaftigkeit des Futters erhöht, ſon-
dern auch durch die vermehrte Waſſeraufnahme und durch den günſtigen Einfluß
des Kochſalzes auf das Circulationseiweiß die Milchproduction gehoben.
4. Die Fütterung des Zugviehes.
Ueber die Fütterung des Zugviehes mit Rückſicht auf deſſen Leiſtungsfähigkeit
liegen verhältnißmäßig noch ſehr wenige Verſuche vor. Nach dem im Capitel „Das
Bewegungsleben“ S. 26 Angeführten handelt es ſich bei der Ernährung der Zug-
thiere hauptſächlich um die Erhaltung des Eiweißumſatzes auf einer gewiſſen Höhe
Krafft, Lehrb. d. Landw. III. 9
[130]Beſondere Thierzuchtlehre.
und um die Hintanhaltung der Zerſtörung von Körperfett, d. i. der Abmagerung der
Thiere, durch Zugabe von Fett. Ruhende Arbeitsthiere erfordern nur Beharrungs-
futter. Es ſind daher dieſen, gegenüber arbeitenden Thieren, weniger Nährſtoffe und
ein weiteres Nährſtoffverhältniß im Futter zu verabreichen, um den Körperzuſtand
derſelben auf gleicher Höhe zu erhalten. Während der vollen Stallruhe im Winter
oder während längerer Arbeitspauſen überhaupt verlangen die Ochſen per 1000 Kilogr.
Lebendgewicht in der täglichen Futterration:
In dem Maße, als die Zugochſen zur Arbeit angehalten werden, iſt die Futter-
ration zu erhöhen auf:
Dieſe Nährſtoffanſprüche können entweder durch faſt ausſchließliche Fütterung von
mittelgutem Wieſenheu oder durch Grünfütterung mit Zuſatz von etwas Körnerfutter
oder durch Kleeheu und Futterſtroh, oder durch Wurzelfutter, Stroh und Schrot
befriedigt werden. Bei ſteigender Inanſpruchnahme iſt eine Zulage von Oelkuchen
bis zu 2 Kilogr. oder von Getreideſchrot bis zu 1—2 Kilogr. per Tag und Stück am
Platze. Die Inanſpruchnahme darf jedoch nicht bis zu einem „Abgetriebenſein“ der
Zugochſen führen, nachdem es eines unverhältnißmäßigen hohen Futteraufwandes
bedürfen würde, um den Thieren nur halbwegs ihre urſprüngliche Spannkraft
wiederzugeben.
5. Die Fütterung des Maſtviehes.
Bei der Fütterung der Maſtthiere handelt es ſich darum, in möglichſt kurzer
Zeit die Bildung und den Anſatz von Fett herbeizuführen. Der Fettanſatz im Körper
wird erhöht durch Vermehrung der Fettzufuhr, namentlich bei gleichzeitiger Erhöhung
des Eiweißgehaltes der Nahrung. In einem fettarmen Körper wird der Anſatz
raſcher erfolgen als in einem Körper, in welchem bereits Fett abgelagert iſt. Eine
geſteigerte Zufuhr von Kohlehydraten, welche ſelbſt kein Material zur Fettbildung
abgeben, erhöht gleichfalls den Fettanſatz, indem ſie die Zerſtörung des Körperfettes
[131]Die Rindviehzucht.
verringert und indem durch Fetterſparniß mehr Fett aus der Nahrung und durch
Abſpaltung von dem Eiweiß angeſetzt werden kann. Wäſſeriges Futter, über-
mäßiges Saufen, unter oder über 12—18°C. gehende Stalltemperaturen ſtehen
dem Fettanſatze entgegen.
Das Maſtungsziel wird am vollkommenſten durch Verabreichung von nährſtoff-
reichen und leicht verdaulichen Futterſtoffen erreicht. Dabei iſt jedoch vorausgeſetzt,
daß der thieriſche Körper ſich ſchon in einem guten Ernährungszuſtande befindet. Iſt
dies nicht der Fall, ſo muß der eigentlichen Mäſtung eine Vorfütterung vorangehen,
welche bei jungen Thieren den Zweck hat, den Fleiſchanſatz und die Menge des Cir-
culationseiweißes noch zu vermehren und gleichzeitig, ſowie bei älteren Thieren, welche
kein Fleiſch mehr anſetzen, das Binde- oder Zellgewebe vollkommen auszubilden. Bei
dieſer Vorfütterung verabreicht man den Maſtochſen 2—3 Wochen vor der eigent-
lichen Mäſtung eine Zulage von concentrirten Futtermitteln, wie z. B. von Schrot,
Oelkuchen, Bierträbern, Malzkeimen, auch Branntweinſchlempe ꝛc.
In der nun folgenden erſten Periode der Maſtung gibt man proteïnärmeres
Futter, daher ein weiteres Nährſtoffverhältniß, um den Umſatz des Circulations-
eiweißes zu vermindern und einen Theil deſſelben, ſowie das aus dem Futter auf-
genommene Eiweiß zum Anſatze zu bringen. Die Vermehrung des Organeiweißes,
ſowie die reichlichere Menge an ſtickſtofffreien Nährſtoffen befördern gleichzeitig den
Anſatz von Fett. Der Nährſtoffbedarf ſtellt ſich in dieſer erſten Maſtungsperiode
für je 1000 Kilogr. Lebendgewicht auf:
In der zweiten Periode der Maſtung handelt es ſich um die vermehrte Ab-
lagerung des Fettes ſowohl im Bindegewebe als auch in dem Zellgewebe, welches
die Muskelfaſern umgibt (durchwachſenes Fleiſch). Haben ſich bereits größere Mengen
von Fett abgelagert, ſo iſt der weitere Anſatz immer ſchwieriger, weshalb in dieſer
Periode reichliches Material zur Neubildung des Fettes, d. h. mehr Eiweiß in mög-
lichſt concentrirter Form zugeführt werden muß. In dieſer Periode ſtellt ſich der
Nährſtoffbedarf für je 1000 Kilogr. Lebendgewicht auf:
[132]Beſondere Thierzuchtlehre.
In der letzten, dritten Periode der Maſtung nimmt die Freßluſt der Thiere
ab, das Fett nimmt eine kernige Beſchaffenheit an und es tritt eine Verfettung der
Gewebe ein. Der Gehalt an Trockenſubſtanz iſt in dieſer Periode durch Strohentzug
zu vermindern, der Gehalt an Fett, indem man z. B. die Oelkuchen durch Getreide-
ſchrot erſetzt, zu verringern. Bei der verminderten Freßluſt handelt es ſich vor-
zugsweiſe um die Verabreichung ſchmackhaften Futters, um die vollſtändige Aus-
mäſtung zu erzielen. Der Nährſtoffbedarf ſtellt ſich in dieſer letzten Maſtungsperiode
für je 1000 Kilogr. Lebendgewicht auf:
Die Ausmäſtung wird oft durch Verabreichung von fettreichem Futter, wie Oel-
kuchen und Oelſämereien, ſelbſt von Rüböl bis zu 0.25—0.5 Kilogr. per Kopf in
der zweiten oder Hauptperiode der Maſtung raſcher erreicht. Die Verabreichung von
Oel hat ſich jedoch in der Praxis nicht als wirthſchaftlich herausgeſtellt, abgeſehen
davon, daß ſie leicht zu einem Nachlaſſen des Appetites führen kann. Die Schmack-
haftigkeit des Futters iſt durch paſſende Miſchung und Zubereitung, ſowie durch
Salzgaben zu erhöhen.
5. Die Pflege.
„Was Züchtung ſchafft, Ernährung aufbaut, muß Haltung und Pflege zur
rechten Wirkung, zur vollen Nutzbarkeit bringen“ (Settegaſt). Das Wohlbefinden
der Thiere und damit deren Nutzbarkeit gewinnt durch eine freundliche, ſanfte Be-
handlung. Die Abwartung der Thiere ſoll daher nur aufmerkſamen, ruhigen Leuten
anvertraut werden. Die Zahl der Thiere, welche einer Perſon zur Abwartung an-
vertraut werden ſollen, richtet ſich nach der Viehart, der Stalleinrichtung, der Art der
Futterzubereitung, der Landesſitte und der Leiſtungsfähigkeit der Wärter. Einem
Knechte können 15—18, einer Magd 10—12 Stück Milchkühe oder Maſtochſen,
24—30, reſp. 16—24 Stück Jungvieh zur Pflege anvertraut werden. Dieſe Pflege
erſtreckt ſich, abgeſehen von dem Melken, vorzugsweiſe auf die Fütterung und die
Erhaltung der unerläßlichen Reinlichkeit.
Die Erhaltung der Reinlichkeit wird weſentlich unterſtützt durch tägliches Aus-
miſten und durch die Verabfolgung reichlicher Streu. Wird der Dünger im Stalle
gewonnen, ſo iſt die Streumenge zu vermehren, ebenſo, wenn wäſſeriges, ſaftiges
Futter verabreicht wird. Eine ſchwache Stroheinſtreu erfordert täglich 2—2.8 Kilogr.,
eine mittlere 3—4 Kilogr., eine reichliche 4.4—5.6 Kilogr. Streuſtroh. Bei Grün-
fütterung iſt die mittlere Streumenge auf 6.5—8 Kilogr. zu erhöhen. Bei mangelndem
[133]Die Rindviehzucht.
Streuſtrohe ſind über Tag entſprechende Surrogate 1) und als Lager für die Nacht nach
Möglichkeit Stroh zu verwenden.
Die Hautthätigkeit, welche von wichtiger phyſiologiſcher Bedeutung für den
Ernährungsvorgang iſt, wird durch Reinhaltung der Haut weſentlich befördert. Um
die Haut von Unreinlichkeit möglichſt freizuhalten, ſind die
Thiere, neben Verabfolgung reinlicher Streu, zu putzen,
zu waſchen und zu baden (ſchwemmen). Das Putzen kann
entweder durch Abreiben mit Stroh oder durch Striegeln
bewerkſtelligt werden. Bei Maſtthieren und Kälbern wird
die Hautthätigkeit auch durch Abſengen oder durch Scheeren
der Haare erhöht. Zu dieſem Zwecke dienen eigene in
Fig. 72 abgebildete Scheeren. Die geſchorenen Thiere
ſind zur Verhütung von Verkühlungskrankheiten vor Zug-
luft zu ſchützen. Die Klauen der Thiere, welche ſich bei
Stallhaltung nicht abwetzen und daher fortwachſen, ſind
zeitweilig zu reinigen und zu beſchneiden.
Die ausgiebigſte Pflege erhalten die Thiere durch
zweckmäßig angelegte Stallräumlichkeiten 2). Dieſelben ſollen
dem Viehe Schutz gegen ſchädliche Witterungseinflüſſe und
gegen die Beunruhigung durch Inſecten, reinliche Ruhe-
und Lagerplätze gewähren und die Fütterung, Abwartung
und Nutzung mit dem geringſten Arbeitsaufwande ermöglichen.
Kälberſcheere
von H. Hauptner — Berlin. —
Preis 9 Mark (4.50 fl.).
Der Stall ſoll eine zweckmäßige Lage und Richtung haben. Er ſoll nicht zu
entfernt von den übrigen Wirthſchaftsgebäuden ſtehen. Seine Lage ſoll trocken, mit
der Fronte gegen Norden gerichtet, und vor dem Winde geſchützt ſein. Unſere klima-
tiſchen Verhältniſſe verlangen eine maſſive Bauart, dabei iſt jedoch ſtets die Höhe der
Baukoſten im Auge zu behalten. Durch ausreichende Fenſter und Ventilationsvor-
richtungen ſoll für ſtets reine, geſunde Luft und für den Zutritt von Licht geſorgt
ſein. Maſtviehſtälle und Ställe für Arbeitsthiere können noch am eheſten dunkler
gehalten werden. Die Temperatur des Stalles muß ſich für Milch- und Maſtvieh
conſtant zwiſchen 12.5—15°C., für Kälber zwiſchen 15—17.5°C. erhalten laſſen.
Die Größe und Einrichtung der Stallgebäude muß derart ſein, daß ohne Raumver-
ſchwendung die Thiere bequem aufgeſtellt, leicht überſehen und gepflegt werden können.
Die Stellung der Thiere findet entweder nach der Länge oder wenn auch ſeltener nach
der Tiefe des Stalles ſtatt. Dabei ſtehen die Thiere entweder mit den Köpfen gegen
die Wand oder gegen einander. Die erſte Stellung iſt raumerſparender, die Letztere,
[134]Beſondere Thierzuchtlehre.
bei welcher ein gemeinſchaftlicher Futtergang in der Mitte bleibt, iſt gebräuchlicher und
bequemer für die Fütterung und Pflege. Man braucht in dieſem Falle für
- den Futtergang . . . . . . . 1.6 Meter,
- 2 Krippen à 0.6 . . . . . . 1.2 „
- 2 Standlängen à 2.4—2.5 . . . 4.8—5.0 „
- 2 Melk- und Miſtgänge à 0.9—1.0 1.8—2.0 „
- Geſammt-Stallbreite 9.4—9.8 Meter.
Die Standbreite iſt für eine Kuh je nach dem Schlage mit 1.2—1.6 Meter,
die Höhe des Stalles mit 3.0—4.7 Meter zu bemeſſen.
Der geſammte Stallraum beträgt für 1 Stück Jungvieh 1.2—1.8 □Meter
und für 1 Stück Großvieh 3.8—6.5 □Meter, wozu noch für je 1 Stück
Großvieh 1.4—1.6 □Meter Raum in der Futterkammer kommen.
Die Pflege des Thieres verlangt eine noch größere Aufmerkſamkeit, wenn das
Thier erkrankt. Ein Eingehen auf das Verhalten des Landwirthes gegenüber den
Krankheitsfällen, von welchen bei dem Rindviehe die häufigſten: die Lungenſeuche, die
Lungenſucht, die Perl- oder Traubenkrankheit, auch Stierſucht, Franzoſenkrankheit
genannt (Gewährszeit in Oeſterreich 30 Tage), der Milzbrand, die Rinderpeſt oder Löſer-
dürre, die Knochenbrüchigkeit, die Maul- und Klauenſeuche ſind, würde jedoch hier zu
weit führen 1).
6. Die Benutzung.
Die hervorragendſten Benutzungsarten des Rindviehes ſind die Milch-, Maſt-
und Zugnutzung, dazu kommt noch die Nutzung durch Aufzucht junger Thiere. Sehr
häufig werden zwei oder mehrere Nutzungen gleichzeitig beabſichtigt. Der Ueberſicht-
lichkeit wegen unterſcheiden wir: 1. die Milchwirthſchaft, 2. die Milchverwerthung,
3. die Jungviehaufzucht, 4. die Maſtung und 5. die Arbeitsverwendung.
1. Die Milchwirthſchaft.
Bei der Milchwirthſchaft 2) ſind zu berückſichtigen: 1. die Einrichtung des Molkerei-
betriebes, 2. die Auswahl der Milchthiere, 3. die Einflüſſe auf die Menge und Be-
ſchaffenheit der Milch, 4. die Milch, 5. die Art und Weiſe der Milchgewinnung
und 6. die Verwerthung.
[135]Die Rindviehzucht.
Der Molkereibetrieb kann entweder ohne oder mit gleichzeitiger Aufzucht des
Jungviehes durchgeführt werden. Im erſteren Falle wird die nöthige Nachzucht durch
Zukauf neumelker Thiere beſchafft. Dieſe Einrichtung eignet ſich vorzugsweiſe in
der Nähe großer Städte, woſelbſt das Futter zur Aufzucht ungeeignet, der Milchpreis
ein hoher iſt. Sie ſetzt jedoch die ſichere Gelegenheit zum billigen Ankaufe neu-
melker Thiere voraus. Sobald die Milchkühe in ihrem Ertrage nachlaſſen,
werden ſie gemäſtet und durch neue Kühe erſetzt. Dieſer Molkereibetrieb kann auch
derart eingerichtet werden, daß man die Kühe zwar zuläßt, aber die Kälber nur kurze
Zeit ſaugen läßt und dann bald abſchafft. Bei der zweiten Art des Molkereibetriebes
findet neben der Milchbenutzung gleichzeitig die Aufzucht des eigenen Bedarfes an
Kalbinnen ſtatt. Die Milchbenutzung beſteht hier, nicht wie in jenem Falle, aus-
ſchließlich in directem Verkaufe, ſondern auch in der Verarbeitung auf die verſchiedenſten
Molkereiproducte.
Der Milchertrag hängt in erſter Linie von der Beſchaffenheit der Milchdrüſe
ab. Die Milchergiebigkeit einer Kuh und die Qualität der Milch iſt demnach durch
die Individualität und durch die Race bedingt, weshalb die Auswahl der Melkkühe
für die Milchwirthſchaft von größter Bedeutung iſt. Auf die dabei zu berückſich-
tigenden Momente wurde bereits S. 113 aufmerkſam gemacht.
Ueber die Milch-Durchſchnittserträge der verſchiedenen Racen und Schläge laſſen ſich
nur ſchwer zuverläſſige Anhaltspunkte geben. Nach W. Fleiſchmann 1) mögen bei guter
Haltung und Pflege gute Individuen der nachgenannten Racen und Schläge etwa durch-
ſchnittlich jährlich an Milch, einſchließlich der dem Kalbe gereichten, liefern:
- Holländer . . . . . . . . 3000 Liter,
- Oldenburger . . . . . . . 2800 „
- Schweizer Braunvieh (Schwyzer) 2600 „
- Walſerthaler . . . . . . . 2550 „
- Montavoner . . . . . . . 2550 „
- Algäuer . . . . . . . . 2500 „
- Breitenburger . . . . . . . 2500 „
- Ayrſhire . . . . . . . . 2500 „
- Angler . . . . . 2400 Liter,
- Simmenthaler . . 2300 „
- Shorthorn . . . . 2200 „
- Miesbacher . . . . 2200 „
- Schwäbiſch Limpurger 2100 „
- Pongauer . . . . 2000 „
- Mürzthaler . . . . 1900 „
- Ansbach-Triesdorfer 1900 „
Graue Ungarn . 800 Liter.
Der höchſte bis jetzt bekannte Jahresertrag einer Kuh (Domaine Heinrichsberg, preuß.
Provinz Sachſen) an Milch beträgt 8476.43 Liter, d. i. per Tag 23.22 Liter. Im großen
Durchſchnitte nimmt Fleiſchmann den Milchertrag im Jahre mit 2350, im Tage mit 6—7
Liter an, ſo zwar, daß eine gute Milchkuh während eines Jahres etwa das 4—5fache ihres
Lebendgewichtes an Milch zu liefern vermag. Für den praktiſchen Landwirth handelt es ſich
jedoch nicht darum, welche Kuh die meiſte Milch gibt, ſondern welche Kuh das Futter am
beſten ausnutzt und den größten Reinertrag abwirft.
[136]Beſondere Thierzuchtlehre.
Die Fütterung und Pflege des Milchviehes übt erſt in zweiter Linie einen Ein-
fluß auf die Menge und Beſchaffenheit der Milch aus. Am eheſten wird noch das
Verhältniß der Trockenſubſtanz zum Waſſergehalte in der Milch durch die Fütterung
geändert. Dürftig gefütterte Kühe liefern gegen reichlich gefütterte eine waſſerreichere
Milch. Die Sommermilch iſt gehaltvoller als die Wintermilch. Nach den Füt-
terungsverſuchen von Guſtav Kühn (1870—1873 1) tritt durch eine erhöhte Eiweiß-
zufuhr eine Vermehrung des procentiſchen Fettgehaltes der Milch ein und zwar übte
Palmkernmehl eine größere Wirkung aus, als ſelbſt größere Mengen von Bohnen-
ſchrot. Ganz entſchieden iſt der Einfluß der Fütterung auf die Beſchaffenheit des
Butterfettes. Im Sommer iſt das Butterfett bei Grünfütterung reicher an Oleïn,
daher von weicherer Beſchaffenheit als im Winter bei Trockenfütterung. Bei reich-
licher Strohfütterung wird die Butter feſter und verliert an Wohlgeſchmack. Raps-
kuchen, Weizenkleie und Hafer verleihen der feſten Winterbutter eine weichere Be-
ſchaffenheit. Uebermäßige Oelkuchenfütterung, Kohlrüben, Schlempefütterung üben
einen nachtheiligen Einfluß auf den Wohlgeſchmack. Färbung, Haltbarkeit, Ausſehen
der Butter ſteht gleichfalls im Zuſammenhange mit der Fütterung.
Der Gehalt und die Menge der Milch hängt jedoch auch von dem Alter und
der Trächtigkeit der Kühe ab. Im Allgemeinen erhöht ſich mit der Abnahme der
Menge, mit der Entfernung von der Zeit des Kalbens, der procentiſche Gehalt an
Trockenſubſtanz.
Während der Lactationsdauer, der Zeit von dem Kalben bis zum Verſiegen der
Milch, bis das Thier trocken ſteht, iſt die Menge und Beſchaffenheit der Milch gleich-
falls Schwankungen ausgeſetzt. Im Durchſchnitte beträgt die Lactationsdauer 300
Tage, die Zeit des Trockenſtehens 6 Wochen. In der erſten Zeit nach dem Kalben
iſt die Milchergiebigkeit am größten, dann nimmt ſie nicht allmählig, ſondern perio-
denweiſe ab. Nach Fleiſchmann 2) läßt ſich die Bewegung des Milchertrages durch
folgendes Schema veranſchaulichen:
- I. Periode 28 Tage à 19 Liter, zuſammen 530 Liter,
- II. „ . 75 „ à 11—12 „ „ 888 „
- III. „ . 197 „ à 4— 5 „ „ 932 „
- Lactationsperiode . 300 „ à 7— 8 „ „ 2350 „
- Dauer des Trockenſtehens 65 „ 6— 7 „ jährl. Durchſchnittsertrag.
Mit dem Voranſchreiten der Lactationsperiode ſcheint ſich die Geſammtmenge
der ſtickſtoffhaltigen Milchbeſtandtheile gegen die ſtickſtofffreien zu ſteigern. Nach
E. Wolff’s 3) Fütterungsverſuchen nimmt der procentiſche Gehalt der Milch an
Trockenſubſtanz — eine normale und ausreichende Fütterung vorausgeſetzt — ziem-
lich regelmäßig mit der Entfernung von der Zeit des Kalbens zu.
[137]Die Rindviehzucht
Das Alter der Milchkühe hat auf ihre Leiſtungsfähigkeit gleichfalls bedeutenden
Einfluß. Der größte Milchertrag findet im großen Durchſchnitte nicht nach dem erſten,
ſondern erſt nach dem fünften bis ſiebenten Kalben ſtatt und nimmt von da meiſt
ſtetig ab. Das Caſtriren der Kühe (ſ. a. S. 121) durch den Flankenſchnitt oder den
Scheidenſchnitt nach der Methode des Thierarztes Charlier in Rheims, um eine
andauernde ausgiebige Milchabſonderung herbeizuführen, iſt nicht zu empfehlen, da
der beabſichtigte Zweck oft nicht erreicht wird und die Operation des Vernonnens
keineswegs ungefährlich iſt.
Die Milch beſteht aus dem Milchſerum (Milchwaſſer) und einer Unzahl mikro-
ſkopiſch kleiner, jedoch ſehr verſchieden großer (0.01—0.0016 mm. Durchmeſſer)
Milch- oder Butterkügelchen. Im Milchſerum ſind in Waſſer (84.5—91.0, Mittel
87.5) aufgelöſt: Käſeſtoff (Caſeïn 3—5 %), Eiweiß (Albumin 0.2—0.6 %),
Milchzucker (Lactine 3.7—5.69 %, Mittel 4.8 %), mineraliſche Salze (Aſche
0.4—0.9 %, Mittel 0.7 %, davon im Mittel 28.3 % Phosphorſäure, 17.3 % Kali)
und einige Gaſe (Kohlenſäure, Stickſtoff und Sauerſtoff). Nächſtdem kommen in unbedeu-
tenden Mengen vor: Harnſtoff, Milchſäure, Kreatin, Leucin, Tyroſin, Extractſtoffe ꝛc.
Die Milch- oder Butterkügelchen beſtehen nach einer Anſchauung aus einer
eiweißartigen Hülle, welche das Butterfett (2.8—4.5 %) einſchließt, nach einer anderen
Anſchauung (Baumhauer) aus einfachen Fetttröpfchen ohne Hülle. Nach den Unter-
ſuchungen Soxhlet’s 1), welcher ſich der letzteren Anſchauung anſchließt, ſind die Fett-
kügelchen in der Milch, ſo wie ſie aus dem Euter kommt, in geſchmolzenem, flüſſigem
Zuſtande vorhanden, da die Temperatur der thierwarmen Milch (37.5°C.) höher
liegt als der Schmelzpunkt der Butter (34—37°C.). Bei dem Abkühlen der
Milch auf Lufttemperatur und darunter bis 0° bleiben dieſelben flüſſig und zeigen
unter dem Mikroſkope genaue Kugelform, Fig. 89, S. 147. Sie ſind daher als unter
ihrem Erſtarrungspunkte abgekühlte — unterkühlte — Fetttröpfchen zu denken. Wird die
Milch unter 0° abgekühlt oder mechaniſchen Erſchütterungen ausgeſetzt, ſo werden die
Milchkügelchen feſt und zeigen unter dem Mikroſkope nicht mehr die Tropfengeſtalt,
ſondern mannigfaltig gezackte, krümmelige Formen, Fig. 94, S. 149.
Zur Beſtätigung ſeiner Annahme ſtellte Soxhlet folgenden Butterungsverſuch an:
Je 1 Liter kuhwarmer Milch wurde bis auf + 20°C. und in einer Kältemiſchung bis auf
— 4° abgekühlt und letztere wieder bis auf + 20°C. langſam erwärmt. Beide Milch-
partien wurden nun in einem kleinen Stoßbutterfaſſe gebuttert. Die nicht gefrorene Milch
war erſt in 11 Minuten, die gefrorene und wieder aufgethaute Milch, deren Milchkügelchen
ſchon vor dem Buttern durch die Abkühlung feſt geworden ſind, war bis zu demſelben
Grade, wie die ungefrorene Milch, ſchon nach 2 Minuten ausgebuttert.
In ſtofflicher Beziehung beſteht das Butterfett (2.2—6.0, Mittel 3.6) aus
einem Gemenge von Glyceriden, Verbindungen von Fettſäuren mit Glyceryl und
[138]Beſondere Thierzuchtlehre.
zwar im Weſentlichen aus den feſten Glyceriden: Palmitin und Stearin und dem
flüſſigen Glycerid: Oleïn neben ſehr geringen Mengen anderer Glyceride.
Nach den Angaben Bouſſingault’s ſind enthalten in friſcher
Zuweilen erhält die Milch eine andere als die normale Beſchaffenheit; man be-
zeichnet dieſes Vorkommen, welches meiſt auf leichte Verdauungsſtörungen, Unwohlſein
zurückzuführen iſt, auch aus unbekannten Urſachen eintritt, als „Milchfehler“.
Die häufigſten Milchfehler ſind: 1. Wäſſerige Milch mit abnorm geringer Trocken-
ſubſtanz und ſpecifiſchem Gewichte von 1.026—1.029, während die normale Milch 1.030—1.034
beſitzt. Urſache: Verdauungsſtörung, Brünſtigkeit. 2. Saure Milch, welche wenige Stunden
nach dem Melken gerinnt. Urſache: Unreinlichkeit, dumpfe Stallungen. 3. Blaue Milch.
Die Blaufärbung tritt jedoch erſt nach Ausſcheidung des Rahmes ein. Als Urſache dürfte
eine chemiſche Umſetzung des Käſeſtoffes bei gleichzeitigem Auftreten von Pilzen anzuſehen
ſein. 4. Gelbe Milch. Meiſt iſt die Milch nur von ein oder zwei Strichen, niemals die
ganze Milch gelb gefärbt. Dieſelbe enthält Coloſtrumkörperchen und mitunter Eiterzellen.
Urſache: Entzündung des Bindegewebes im Euter. 5. Schleimige oder fadenziehende Milch.
6. Sandige Milch (Milchſteine). 7. Schwer zu verbutternde Milch. 8. Bittere Milch.
9. Raſch faulende Milch. 10. Rothe Milch ꝛc.
Zur Beſtimmung des Milchertrages der einzelnen Kuh wird entweder das Ge-
ſammtmilchergebniß + der Kälbermilch auf die Zahl der melken Kühe vertheilt
oder das Ergebniß nach dem Ertrage bald nach dem Kalben geſchätzt oder am zweck-
mäßigſten durch Probemelkungen alle Woche oder am 1. und 16. Tage jeden
Monates feſtgeſtellt. Für die Beurtheilung des Molkereibetriebes wäre es ſehr zu
empfehlen die Erhebungen, nicht wie dies gewöhnlich geſchieht, nach dem Maße (Liter),
ſondern nach dem Gewichte mit einer beliebigen Schnellwage zu pflegen. Ueber die
Höhe des Milchertrages vergleiche S. 135.
Neben der Beſtimmung der Quantität iſt auch die Qualität der Milch der
Beurtheilung zu unterziehen. Zur Prüfung der Milch, ſowie zur Aufdeckung etwaiger
Verfälſchungen derſelben wurden die verſchiedenartigſten Vorſchläge gemacht. Am
unzuverläſſigſten iſt die Beurtheilung der Milch nach ihrem äußeren Anſehen. Fette
Milch erſcheint weiß, abgerahmte an den Rändern des Gefäßes bläulich. Den zu-
verläſſigſten Anhaltspunkt für den Werth der Milch gibt die chemiſche Analyſe.
Dieſelbe iſt jedoch zu zeitraubend, weshalb in der Praxis der indirecte Weg ein-
gehalten wird und zwar wird die Prüfung der Milch vorgenommen:
- 1. auf die Dichte (Dörfel’s Milchwage, Quevenne’s Lactodenſimeter, Fig. 73);
- 2. auf den Fettgehalt, a. crêmometriſch (Crêmometer, Galactometer, Rahmmeſſer
von Quevenne, Chevalier, Fig. 74, Weigelt, Milchglocken von Krocker, Fig. 75), - b. volumetriſch (Lactobutyrometer von Marchand, Fig. 77),
- c. optiſch (Lacto- oder Galactoskop von Donné, Vogel, Feſer, Trommer,
Reiſchauer ꝛc.), - d. mikroscopiſch (Mikroscop);
[139]Die Rindviehzucht.
- 3. auf den Milchzuckergehalt, a. analytiſch (Fehling’ſche Kupferlöſung),
- b. polarimetriſch (Polariſations-Apparat);
- 4. auf den Waſſergehalt (Halimeter von Fuchs);
- 5. durch combinirte Milchproben (Schweizeriſche Milchprobe, Quevenne-
Müller’ſche Lactodenſimeter).
Unzureichend iſt die Beur-
theilung nach der Dichte, welche
mit dem Aräometer (Milchwage)
Fig. 73, beſtimmt wird. Dieſelbe
ſchwankt zwiſchen 1.026 und
1.037. Sie wird ebenſo durch
Waſſerzuſatz, wie durch hohen
Fettgehalt herabgedrückt, weshalb
ſie keinen ausreichenden Anhalt
gewährt. Müller 1) beſtimmt daher
bei ſeiner combinirten Milchprobe
die Dichte der unabgerahmten,
der abgerahmten Milch (in Graden,
welche den letzten Decimalzahlen
der Dichte entſprechen) und zugleich
im Crêmometer den Rahmgehalt.
Für die große Praxis am geeig-
netſten iſt die Prüfung des Fett-
gehaltes der Milch mit dem
Rahmmeſſer (Crêmometer ꝛc.),
Fig. 74. Die einfachſte Form
deſſelben iſt ein graduirter Glas-
cylinder, in welchen die Milch
gegoſſen wird. Die ſich nach länge-
rem (36 Stunden bei 18°C., 48
Stunden bei 12—14°C.) Stehen
abſcheidende Rahmſchicht wird
dann abgeleſen. Krocker verwendet
zu demſelben Zwecke flache, trich-
terförmig zulaufende, mit einer
Fig. 73. Lactodenſimeter von Quevenne, 0.50 der nat. Gr.
Fig. 74. Crêmometer von Arthur Chevalier. — Paris, 0.5
der nat. Gr.
Glasplatte verſchließbare Glasſchüſſeln, Fig. 75, S. 140, und einen Meßcylinder, Fig. 76,
S. 140. Mit dem Meßcylinder werden je 100 Cubik-Centm. Milch gemeſſen und in die
Glocken ausgeleert. Nach dem Abrahmen wird der Stöpſel, der die Oeffnung am Boden
der Glocken verſchließt, gezogen und die ablaufende Milch neuerdings gemeſſen. Das Feh-
lende iſt der in den Glocken zurückbleibende Rahm. Bei allen Rahmmeſſern, von welchen
[140]Beſondere Thierzuchtlehre.
der Krocker’ſche der verläßlichſte iſt, kommt jedoch zu beachten, daß der Rahm nicht
immer den gleichen Fettgehalt beſitzt. Butterarme Milch gibt 8—10 Rahmprocente,
mittelgute 11—13, ſehr gute 14—17.
Verläßlicher zur Beſtimmung des Buttergehaltes iſt die Vornahme eines Probe-
butterns mit einer kleinen Milchquantität. Zu dieſem Zwecke dient das Butyrometer,
Fig. 77, S. 141, ein kleines 30 Cubik-Centm. faſſendes Röhrchen, in welchem durch
Rahmmeſſer von Krocker.
Meßcylinder zum Vorigen.
Zuſatz einiger Tropfen Natronlauge, Aether und Alkohol und durch Erwärmen das Fett
abgeſchieden und durch Ableſen an den Theilſtrichen des Röhrchens das Volumen und
durch Multiplication mit 0.233 das Gewicht (Gramm) des Fettes beſtimmt wird.
Geringe Milch gibt 2.3, mittelgute 3.6 und ſehr gute Milch 5 % Butter.
Sehr unſicher, gewöhnlich zu hoch ausfallend, iſt die Beſtimmung des Fettgehaltes
mit dem Lactoscope von Donné, bei welchem die Milch zwiſchen zwei Glasplatten
mit Waſſer ſo lange vermiſcht wird, bis eine dahintergeſtellte Kerzenflamme nicht
mehr ſichtbar wird. Je mehr Milch erforderlich oder je dicker die Milchſchichte, um
ſo weniger Fett beſitzt die Milch. Bei der mikroſkopiſchen Unterſuchung der Milch
kann man durch das Fehlen der größten Butterkügelchen in der abgerahmten Milch
dieſe leicht von der nicht abgerahmten unterſcheiden.
Die Häufigkeit und die Art des Melkens hat auf den Gehalt und die Menge
der Milch einen weſentlichen Einfluß. Bei öfterem Melken im Tage wird die
Milch trockenſubſtanz-reicher; die Mittags- und Abendmilch iſt daher von beſſerer
Qualität als die wäſſerige Morgenmilch. Bei gebrochenem, ſog. fractionirtem Melken
iſt die zuerſt gemolkene Milch wäſſeriger und fettarmer, als die zuletzt aus dem
Euter gewonnene.
Die beiden Milchdrüſen des Euters beſitzen im großen Durchſchnitte einen Raum-
inhalt von 6700 Cubik-Centm. Die vier Striche und die Milchciſternen können höchſtens
[141]Die Rindviehzucht.
1 Liter, die Milchdrüſen 2 Liter, daher das ganze Euter 3 Liter Milch aufnehmen.
Bei dem Melken wird aber vielmehr Milch gewonnen, es muß daher das Plus erſt
im Momente des Melkens ausgeſchieden werden. Dabei werden die mechaniſch an
den Wänden der Milchcanälchen haftenden Fettkügelchen mit-
geriſſen und daher iſt die zuletzt ausgemolkene Milch fettreicher.
Die Kühe ſollen deshalb ſtets vollkommen ausgemolken wer-
den und zwar geht die Entleerung der Milchdrüſe am beſten
und vollſtändigſten vor ſich, wenn über’s Kreuz, d. h. zugleich
an einem vorderen Striche der einen und dem hinteren Striche
der anderen Seite gemolken wird.
Fig. 77. Lactobutyrometer von Marchand.
Fig. 78. Milchſieb von dem land- und forſtwirthſchaftlichen Verkehrs-Bureau — Wien. — Preis
per Stück 0.60—3.20 fl. (1.20—6.40 Mark).
Fig. 79. Milchſtänder aus verzinntem Beſſemer Blech, mit gepreßtem Boden, von dem land- und
forſtwirthſchaftlichen Verkehrs-Bureau — Wien. — Preis für 28 Liter 5 fl. 40 (10.80 Mark) bis zu
100 Liter 19 fl. (38 Mark).
Fig. 80. Melkmaſchine von Colvins, a Milcheimer, b Gummikappe, c Röhren zur Aufnahme der
Zitzen, d Drehzapfen für die Hebel ee mit den Handgriffen f, g Bügel zur Auflage der Hebel.
Fig. 81. Melkröhre von Livebardon, a Ausflußöffnung, b in die Zitze einzuführendes Ende,
c Oeffnung zum Eintreten der Milch, d Schüſſelchen, bis zu welchem die Röhre eingeführt wird.
[142]Beſondere Thierzuchtlehre.
Bei dem Melken iſt mit der größten Reinlichkeit vorzugehen. Vor demſelben
hat der Melkende ſeine Hände gründlich zu waſchen. Ebenſo iſt das Euter abzuwaſchen.
Die erſten Tropfen ſind ſeitwärts zu melken, um etwa noch anhaftende Unreinigkeiten
nicht in den Melkbüttel zu bekommen. Die Striche ſind erſt ſanft zu ziehen und
dann mit dem eingebogenen Daumen und der ganzen Hand möglichſt vollſtändig aus-
zumelken. Die gewonnene Milch wird durch ein Haarſieb, Fig. 78, S. 141,
um etwaige Unreinigkeiten, Kuhhaare, Stroh u. dgl. abzuſcheiden, in ein, am beſten
metallenes, Sammelgefäß, Fig. 79, S. 141, geſeiht. Daſſelbe ſtelle man vor der
Stallthüre auf, um die Milch, welche ſehr leicht die Stalldünſte anzieht, möglichſt
raſch aus dem Stalle zu bringen.
Zur Verminderung der Arbeit und zur Beſchleunigung des Melkens haben die Ameri-
kaner Kershaw und Colvin (1862) eine Kuhmelkmaſchine, Fig. 80, S. 141, conſtruirt, welche
aus einem Melkeimer beſteht, an deſſen Rande eine Saugpumpe mit 4 zur Aufnahme der
Striche beſtimmten, trichterförmigen Gummiröhren angebracht ſind. Dieſelbe hat ſich jedoch
nach keiner Richtung hin bewährt. Dagegen können unter Umſtänden bei Euterkrankheiten
und bei hartmelken Erſtlingskühen, kleine verſilberte Melkröhrchen, Fig. 81, S. 141, (Milch-
katheder), welche, in die Zitzen geſteckt, durch ihre Höhlung die Milch auslaufen laſſen, mit
Erfolg angewendet werden. Zum gewöhnlichen Gebrauche ſind derartige Melkröhrchen
geradezu verwerflich, da deren Anwendung zu gefährlichen Euterkrankheiten und zum unwill-
kürlichen Ausfließenlaſſen der Milch führen kann.
2. Die Milchverwerthung.
Die Verwerthung der Milch erfolgt entweder durch directen Verkauf oder durch
Verarbeitung auf Milchproducte. Letztere Verwerthung bezieht ſich auf die Gewinnung
von Milchextract, auf die Butterbereitung, die Käſebereitung und die Gewinnung
anderweitiger Molkereiproducte.
Der directe Milchverkauf wird ſich ſtets bei geſichertem Abſatze (Nähe großer
Städte) und bei einem Preiſe von 12—14 Pf. (6—7 Kr.) per Liter am vortheilhaf-
teſten herausſtellen, nachdem damit das geringſte Riſiko und der geringſte Aufwand an
Geräthe-Inventar verbunden iſt. Verwerflich und dem Aufſchwunge der Viehzucht
entgegenſtehend iſt der ſogenannte Milchpacht, bei welchem der Milchertrag gegen einen
per Kuh (128—168 Mark, 64—84 fl.) fixirten Betrag an den Schweizer oder Schaffer
überlaſſen wird. Die Stückpacht führt ſtets zu mannigfaltigen Streitigkeiten wegen
der Bemeſſung des Futters, namentlich in Zeiten von Futternoth, wegen der den
Kälbern zu verabreichenden Milch, wegen des Ausbrackens alter Kühe ꝛc.
Am vortheilhafteſten iſt der directe Verkauf der Milch vom Stalle weg an einen
fremden Unternehmer. Bei größerer Entfernung vom Abſatzorte kann es ſelbſt zweck-
mäßig ſein nur den Rahm zu verkaufen und die abgenommene Milch weiter zu ver-
arbeiten. Bei dem directen Milchverkaufe muß die größte Reinlichkeit beobachtet
werden. Die Milch iſt ſobald als möglich aus dem Stalle zu ſchaffen und in eine
kühle Milchkammer zu bringen. Die Abend- und Morgenmilch iſt nicht zu miſchen.
Ebenſo iſt die Milch rinderiger Kühe, welche leicht gerinnt, bei Seite zu geben. Am
beſten wird eine längere Haltbarkeit der Milch durch Abkühlen bis auf 11—12°C. erzielt.
[143]Die Rindviehzucht.
Die Abkühlung erfolgt am einfachſten, jedoch unzulänglichſten durch Einſtellen
der Milchgefäße in fließendes, kaltes Waſſer. Für ausgiebigeres Abkühlen kommen die
verſchiedenartigſten Milchkühlapparate in Verwendung. In früherer Zeit benutzte man
große Milchkühlapparate, welche aus einer, in einen hölzernen, mit Waſſer gefüllten
Bottich eingelegten, metallenen Kühlſchlange beſtanden, in welche die Milch gegoſſen
wurde. An Stelle dieſer ſchwerfälligen, viel Platz in Anſpruch nehmenden
Kühlvorrichtungen verwendet man gegenwärtig den viel bequemeren und billigeren
Lawrence’ſchen Milchkühler, Fig. 82.
Bei dieſem nach dem Principe des
Liebig’ſchen Gegenſtrom-Kühlers einge-
richteten, compendiöſen Milchkühler fließt
die Milch aus dem Bottich A in eine
durchlöcherte Rinne E und von hier
aus vertheilt, in dünner Schichte außen
über die wellenförmig gebogenen Kühl-
flächen, um ſich ſchließlich in einer unteren
Rinne und in ein bei O unterge-
ſtelltes Gefäß zu ſammeln. Das Kühl-
waſſer wird bei D in den Zwiſchen-
raum der Kühlflächen eingelaſſen und
ſteigt allmählig dem Milchſtrome ent-
gegen aufwärts, um ſchließlich erwärmt
bei E abzulaufen. Mit dieſem kleinen
Apparate werden 210 Liter Milch in
einer Stunde bei Verbrauch von etwa
490 Liter Waſſer auf deſſen Tempera-
tur abgekühlt. Auf ähnlichem Principe
beruht der W. Lehfeldt’ſche Milchkühl-
Milchkühler von Lawrence \& Co. —
London. — Preis Nr. 1 für 273 Liter Milch per Stunde
110 Mark (55 fl.), Nr. 5 für 1363 Liter 390 Mark
(195 fl.).
apparat, Fig. 83, S. 144, bei welchem die Milch an der Außenſeite von mit
Waſſer gefüllten Metallkugeln herabfließt.
Zum Transporte der abgekühlten Milch wurden in früherer Zeit Blechgefäße
aus verzinntem Eiſenblech oder aus Beſſemerblech (Fabricat von F. W. Haardt —
Wien) verwendet. Dieſelben beſitzen jedoch den Nachtheil, daß ſich in denſelben die
Milch über Sommer minder gut hält und die Maßhaltigkeit der Gefäße (7—30 und
mehr Liter) durch Verbiegen leicht ändert. Gegenwärtig werden ſie durch mit Eiſen-
reifen verſehene Fäßchen aus Eichenholz, deren Reinhaltung jedoch wieder ſchwieriger
iſt, verdrängt. Ein am Boden eingefügter plombirter Keil ſichert ſie vor unfrei-
willigem Oeffnen.
Die Transportfähigkeit der Milch wird durch die Bereitung von Milchextract
weſentlich erhöht. Dieſelbe iſt jedoch nur dann von Vortheil, wenn ſie im Großen
[144]Beſondere Thierzuchtlehre.
betrieben werden kann. Die erſte europäiſche Fabrik dieſer Art iſt die Milchextract-
fabrik „Anglo-Swiss-condensed-Milk-Company“ in Cham (Canton Zug). Bei der
Bereitung wird der Hauptſache nach die friſchgemolkene Milch unter Zuſatz von Zucker
(5½ Kilogr. Zucker auf 100 Kilogr. Milch) bis zur Honigdicke in einem Vacuum-
apparat eingedampft, in Blechbüchſen gefüllt und verlöthet.
Bei der Butterbereitung ſind zu beachten: 1. die Einrichtung des Molkerei-
gebäudes, 2. die Beſchaffenheit der Milchgeſchirre, 3. das Aufrahmen, 4. das Buttern.
Von der Milchkammer oder dem Milchkeller verlangt man vor Allem, daß ſich
in demſelben zu jeder Zeit die geeignete Temperatur von 12.5°C., höchſtens 15°C.
Milchkühlapparat von W. Lehfeldt \&
Lentſch — Schöningen. — Nr. 0 Leiſtung 150 Liter per
Stunde, Preis 130 Mark (65 fl.). Nr. 1 Leiſtung 250
Liter per Stunde, Preis 156 Mark (78 fl.).
in der wärmſten Sommerzeit erhalten
läßt. Am zweckmäßigſten werden dieſelben
halb unter, halb [über] der Erde ange-
legt. Die Fenſter ſind gegenüber und
ſo hoch zu ſtellen, daß der Luftzug die
Oberfläche der in den Milchgeſchirren
befindlichen Milch nicht treffen kann.
Außerdem iſt durch die Anlage paſſen-
der Ventilationsvorrichtungen, von Luft-
zügen für die Reinhaltung und Erneue-
rung der Luft Sorge zu tragen. Zur
Erleichterung der Reinhaltung iſt der
Boden aus Cement oder Asphalt herzu-
ſtellen und mit den erforderlichen Waſſer-
abläufen zu verſehen. Die Milchkammer
ſoll ſo viel Bodenfläche bieten, daß die
Milchgefäße, für die innerhalb 36 Stun-
den gewonnene Milch am Boden geſtellt,
genügend Platz finden. Die Aufſtellung
der Milchgefäße auf Stellagen im Som-
mer iſt aus dem Grunde unthunlich, weil
die Säuerung der Milch leichter eintritt
und die Abkühlung langſamer vor ſich geht. Die Vorkammer zum Milchkeller wird
zweckmäßig zur Aufſtellung des Butterfaſſes und der Buttertröge und zum Auskneten
der Butter verwendet. Neben dem Milchkeller wird der Butterkeller zur Einfüllung
und Aufbewahrung der Butter in Fäſſer und die heizbare Milchſtube, in welchen auch
die Milch jedoch nur im Winter auf Gerüſten aufgeſtellt wird, angelegt. Eiskeller
oder oberirdiſche Eismieten, in der Nähe des Molkereigebäudes angelegt, ſind gleich-
falls unentbehrlich.
[145]Die Rindviehzucht.
Auf das Ausrahmen hat ſowohl das Material als auch die Dimenſionen der
Milchgeſchirre (Milchſatten) weſentlichen Einfluß. Als Material verwendet man Holz
(holſteiniſche Milchbütten
mit Oelanſtrich,) innen ver-
zinntes Schwarzblech
(Swartz’ſche Aufrahmge-
fäße, Fig. 88), gepreßtes,
verzinntes Eiſenblech (Guſ-
ſander’ſche Milchſatten, Fig.
84; von Hohenblum ver-
beſſerte Milchabrahmgefäße
nach Fox, Fig. 85), email-
lirtes Gußeiſen (Deſtinon’ſche
Satten, Fig. 86), glaſirten
Thon, Glas ꝛc. Für kühle
Milchkeller eignen ſich höl-
zerne mit Oelanſtrich ver-
ſehene Bütten, Fig. 87,
irdene Schüſſeln und guß-
eiſerne Satten als ſchlechte
Wärmeleiter am beſten. In
wärmeren Kellern, in welchen
eine Kühlung durch Einſtel-
lung der Satten in fließendes
Waſſer (Swartz’ſches Ver-
fahren) oder durch Eis be-
abſichtigt wird, ſind wegen
ihrer Dauerhaftigkeit und
als gute Wärmeleiter ble-
cherne Satten vorzuziehen.
Nach Unterſuchungen
von Dr. Fuchs1) wurde eine
29.3°C. warme Milch bis
auf 15°C. abgekühlt: in den
Swartz’ſchen Gefäßen (mit
11.0—13.4°C. kaltem Kühl-
waſſer) nach 4 Stunden, in
der Deſtinon’ſchen und der
Eiſenblechſatte in etwa 12
Guſſander’ſche Milchſatte. — Tiefe 5 Centm., Faſſungs-
raum 6.8—9 Liter, a mit einem kleinen meſſingenen Zapfen ver-
ſchloſſener und mit Schlitzen zum Ablaſſen der Milch verſehener
Cylinder.
v. Hohenblum-Fox, Milchabrahmgefäße aus gepreß-
tem Beſſemerblech vom land- und forſtwirthſchaftlichen Verkehrs-
bureau — Wien — Preis per Stück zu 3 Liter 1 fl. 40 (2.80 Mark), zu
10 Liter 2 fl. 60 (5.20 Mark).
Deſtinon’ſche Milchſatte von der Eiſengießerei Rendsburg.
Hölzerne Bütte.
Krafft, Lehrb. d. Landw. III. 10
[146]Beſondere Thierzuchtlehre.
Stunden, in der Holzbütte in länger als 12 Stunden. In Holzbütten kühlte ſich die Milch
am langſamſten ab, erwärmte ſich aber auch bei ſteigender Kellertemperatur wieder
am langſamſten. Den fettreichſten Rahm warfen die Holzbütten, den fettärmſten die
Swartz’ſchen Gefäße auf. Dagegen trat bei jenen die Säuerung früher, bei dieſen
ſpäter ein.
Die Höhe der Satten hat inſofern auf die Ausrahmung einen Einfluß, als
Viereckiges Swartz’ſches Aufrahm-
gefäß mit hochſtehenden Griffen. — Höhe 50 bis
55 Cm., Preis bei Carl Thiel \& Co. — Lübeck:
Nr. 18, 60 Liter Faſſungsraum, 7—8 Kilogr.
ſchwer, 14.80 Mark (7.40 fl.), Nr. 19, 50 Liter,
6.7—7.2 Kilogr. ſchwer, 12.60 Mark (6.30 fl.),
Nr. 21, 25 Liter, 4.5—5 Kilogr. ſchwer, 9 Mark
(4.50 fl.).
davon die Höhe der Milchſchüttung abhängt.
Nach Unterſuchungen von Dr. U. Kreusler,
Dr. E. Kern und H. Dahlen1) verläuft
die Fettausrahmung bei flacher Milchſchüttung
weſentlich raſcher und in einer gegebenen Zeit
vollſtändiger als bei hoher Aufſchüttung, und
zwar wird die Ueberlegenheit der flachen Auf-
rahmgefäße um ſo ſtärker, je höher die Tem-
peraturgrade. Je höher die Temperatur des
Milchkellers, um ſo flacher iſt die Milch auf-
zuſchütten; bei 18.75°C. im Sommer 3.5
bis 4 Cm. hoch, bei 10—12.5°C. 5—8 Cm.
hoch. Bei dem Aufrahmverfahren des Guts-
beſitzers Swartz in Hofgarden (Schweden)
wird dagegen die Milch in 50 Cm. tiefe,
runde oder viereckige Blechgefäße, Fig. 88,
bei niederer Temperatur, 4—10°C., aus-
gerahmt.
Das Aufrahmen oder die Gewinnung des größten Theiles des Fettes aus
der friſchen, ſüßen Milch erfolgt durch ruhiges Stehenlaſſen der Milch. Es ſteigen
dann die Butterkügelchen, welche nur ein ſpec. Gewicht von 0.940 beſitzen, an die
Oberfläche der Milchflüſſigkeit, deren ſpec. Gewicht 1.030 beträgt, und bilden auf der
ſog. blauen oder Magermilch die Rahmſchichte. Mit dem Gerinnen der Milch, der Aus-
ſcheidung des Käſeſtoffes, hört die Rahmbildung auf. Nach Dr. Fleiſchmann 2) ſcheidet
ſich der Rahm bei niederen Temperaturen, 4—6°C., nach einigen Stunden raſch
und vollſtändig aus, indem er ſich ſpäter etwas verdichtet. Im äußerſten Falle hat
die Rahmausſcheidung nach 9 Stunden ihr Maximum erreicht. Bei warmer Tem-
peratur geſchieht die Hauptausrahmung in den erſten Stunden, ſie geht dann lang-
ſam weiter, ſo daß die Abſcheidung ſelbſt nach 24 Stunden nicht abgeſchloſſen
iſt und durch die Säuerung und Gerinnung der Milch unterbrochen wird. Je
[147]Die Rindviehzucht.
niedriger die Temperatur während der Aufrahmung, um ſo größer iſt die Quan-
tität des Rahmes. Derſelbe enthält jedoch procentiſch weniger Fett als das bei
höheren Temperaturen gewonnene kleinere Rahmvolumen. Je niedriger die Milch-
ſchicht, um ſo raſcher können die Fettkügelchen an die Oberfläche ſteigen und zwar
Fig. 89. Vergrößerte fette, friſche Milch, 320/1. — 1, 2, 3, 4 Fettkügelchen von 0.004, 0.008, 0.012
und 0.016 Mm. Durchmeſſer.
Fig. 90. Abgerahmte Milch 320/1.
werden die größeren, Fig. 89,4, am früheſten ſich ausſcheiden, während die klein-
ſten, Fig. 89,1, ſelbſt nach Beendigung des Aufrahmens nach 48 Stunden bei
10°C. noch in der Milch zurückbleiben. Die ausgerahmte Milch, Fig. 90, beſitzt
daher noch einen Fettgehalt von 0.5 %.
Das gewöhnliche Verfahren bei der Aufrahmung beſteht darin, daß man die
Milch vom Stalle weg, ohne ſie viel zu ſchütteln, in den Milchkeller bringt, in ent-
ſprechender Höhe (3.5—8 Cm.) in die Milchſatten füllt und ſtehen läßt. Die Ab-
nahme des Rahmes erfolgt bei 12—15°C. in 36—48, bei 15—18°C. in 24 bis
30 Stunden nach dem Aufſtellen der Milch. Das Abnehmen des Rahmes ſoll vor
dem Eintreten der Säuerung und des Gerinnens erfolgen, nachdem ſonſt die Haltbar-
keit und der Geſchmack der Butter leidet. Um die vorzeitige Säuerung oder die Um-
ſetzung des Milchzuckers unter dem Einfluſſe des Milchſäurefermentes in Milchſäure
zu verhüten, gibt man der Milch verſchiedene Zuſätze als 1 Gr. Soda auf 1 Kilogr.
Milch, auch Pottaſche ꝛc. Zur Hemmung der Milchſäuregährung und ſomit zur
Conſervirung der Milch dienen auch Salycilſäure (0.04 Gewichtstheile Säure auf
1 Gewichtstheil Milch), Borſäure und zwar 1—1.5 Gr. Borſäure oder 1.5—2 Gr.
Borax für 1 Kilogr. Milch. Am einfachſten iſt jedoch, ohne Ausfall an der Rahm-
ausbeute, die bei jedem Zuſatze mehr oder weniger eintritt, die Conſervirung durch
Reinlichkeit, reine gute Luft und niedrige Temperatur zu erzielen.
Der Rahm iſt zum Abnehmen reif, wenn er eine gewiſſe Conſiſtenz erreich that,
welche daran erkannt werden kann, daß er an dem eingetauchten Finger nicht mehr
anklebt. Das Abrahmen erfolgt entweder durch Abſchöpfen mit der Rahmkelle,
Fig. 91, S. 148, oder wie bei den Milchgefäßen von Fox, Guſſander durch Abgießen
10*
[148]Beſondere Thierzuchtlehre.
oder Ablaufenlaſſen der Milch aus der am Boden der Satten angebrachten Oeffnung.
Swartz’ſche Rahmkelle —
Preis bei Carl Thiel \& Co. — Lübeck:
bei 14 Cm. Durchmeſſer 0.75 Mark (38
kr.), bei 20 Cm. Durchmeſſer 1 Mark
(50 kr.).
Der Rahm bleibt oben rein im Gefäße zurück. Der
gewonnene Rahm wird in einem hohen, hölzernen Ge-
fäße, der Rahmtonne oder Stange, bei einer Tempera-
tur von 15—19°C. bis zum Verbuttern aufbewahrt.
100 Liter friſche Milch geben 12—17 Liter Rahm.
Bei dem Swartz’ſchen Aufrahmverfahren (Kalt-
waſſermaierei) wird die Milch durch einen Heber
in die in Fig. 88, S. 146, abgebildeten, hohen
Gefäße gefüllt. Dieſelben werden nun in ein Baſſin
geſtellt, durch welches, eventuell durch Eis gekühlt, ein 4—6°C. kaltes Waſſer
fließt. Durch die raſche Abkühlung wird jede das Aufſteigen der Milchkügelchen
hindernde Bewegung und die Bildung von Säuren gehindert, der Rahm und die
blaue Milch kommen daher in friſcherem Zuſtande zur Weiterverarbeitung, weshalb
bei dieſer Methode gleichmäßigere Producte erzielt werden. Das Abrahmen der
50 Cm. hohen, am zweckmäßigſten 50 Liter faſſenden Gefäße iſt in 2—3 Minuten
geſchehen, erfolgt daher raſcher als bei flachen Schüſſeln.
Die Aufgabe des Butterns beſteht darin, durch andauernde mechaniſche Be-
arbeitung, durch Schlagen oder Stoßen des Rahmes, die Eiweißhüllen der Butter-
kügelchen zu zerſtören, damit ſich die Fettkügelchen aneinander hängen, kleine Klümpchen
Fig. 92. Vergrößerter Rahmtropfen, nachdem 15 Minuten gebuttert war, nach Rohde. — c An-
einanderhängende Fettkügelchen.
Fig. 93. Vergrößerter Rahmtropfen, nach 25 Minuten. — g Aneinanderhängende Fettkügelchen,
f durch Verſchmelzung zu feſten Butterklümpchen vereinigte Fettkügelchen.
bilden und ſich ſchließlich als Butter ausſcheiden, wie dies durch die mikroſkopiſchen
Zeichnungen, Fig. 92—94 angedeutet iſt.
Nach Soxhlet 1) hat die andauernde mechaniſche Bearbeitung in erſter Linie den
[149]Die Rindviehzucht.
Zweck, die flüſſigen Fetttröpfchen durch Erſchütterung in den ſtarren Zuſtand zu
überführen. Nach weiterer, wenn auch ſchwächerer Bearbeitung tritt, ohne daß vorher
an der Milch eine Veränderung zu bemerken iſt, faſt plötzlich die Bildung von
Butterklümpchen auf und zwar am leichteſten bei einer Butterungstemperatur von
18°C., welche den erſtarrten Fettkügel-
chen einen beſtimmten Grad feſtweicher
Conſiſtenz verleiht. Durch jeden Schlag
oder Stoß werden nicht alle Kügelchen
gleichzeitig erſchüttert, weil ein Ausweichen
derſelben in der bewegten Flüſſigkeit ſtatt-
findet. Das Buttern der Milch, bei welcher
die Milchkügelchen weiter von einander ent-
fernt ſind als beim Rahme, benöthigt daher
mehr Zeit als das Buttern des Rahmes.
Letzteres erfolgt auch deshalb ſchneller, weil
ſich in dem Rahme vorwiegend die größten,
am leichteſten ſich vereinigenden Fetttröpf-
Vergrößerter Rahmtropfen nach
vollendeter Butterung (35 Minuten) nach Rhode.
— k Butterklümpchen, l kleinſte Fettkügelchen in
der Buttermilch.
chen finden. Das eben Erwähnte gibt auch eine befriedigende Erklärung für die That-
ſache, daß in der Buttermilch nur die kleinſten Milchkügelchen zurückbleiben und für
die Butterabſcheidung nicht mit herangezogen werden können.
Die Ausbeute an Butter wird vermehrt, wenn der Rahm nicht im ſüßen,
ſondern im geſäuerten Zuſtande verbuttert wird. Durch die ſich unter dem Einfluſſe
des Sauerſtoffes der Luft ſich bildende Milchſäure wird nach der älteren Anſchauung
Fig. 95. Clifton’ſches atmoſphäriſches Butterfaß vom land- und forſtwirthſchaftlichen Verkehrs-
bureau — Wien. — Preis: zu 3 Liter 5 fl. (10 Mark), zu 14 Liter 14 fl. (28 Mark).
Fig. 96. Clifton’ſches atmoſphäriſches Butterfaß im Durchſchnitte.
Fig. 97. Anthony’ſche Buttermaſchine von Chr. Schubart \& Heſſe — Dresden. — Preis: für 4 Kilogr.
Butter 24 Mark (12 fl.), für 15 Kilogr. Butter 54 Mark (27 fl.).
[150]Beſondere Thierzuchtlehre.
Growell’s Butterfaß mit Thermometer und
doppelten Wänden zum Einfüllen von kaltem oder warmem
Waſſer von A. Pollak — Wien, Bräunerſtr 5. — Preis
12.5—25 fl. (25—50 Mark).
Verticalkippbuttermaſchine von W. Lefeldt \&
Lentſch — Schöningen. — 90—130 Umdrehungen der verticalen
Flügelwelle; Preis für Maſchinenbetrieb bei 100 Liter Rahm
175 Mark (87.50 fl.), bei 300 Liter Rahm 225 Mark (112.50 fl.).
ſchon ein Theil der Eiweißhüllen
der Milchkügelchen gelöſt. Das
Buttern wird daher ſchneller und
vollſtändiger bewerkſtelligt; außer-
dem gelangen weniger Eiweiß-
hüllen in die Butter, wodurch
ſich deren Haltbarkeit erhöht. Der
ſüße Rahm gibt dagegen, wenn
auch weniger, doch eine ſchmack-
haftere Butter. Geht die Säuer-
ung zu weit, ſo bilden ſich Zer-
ſetzungsproducte der Fette, Fett-
ſäuren, welche Geſchmack und
Haltbarkeit der Butter beeinträch-
tigen. Je nach der Temperatur
wird der Rahm in 12—16 Stun-
den die Reife zum Verbuttern be-
ſitzen. Die Temperatur hat in-
ſofern auf das Buttern Ein-
fluß, als bei hoher Temperatur
die ausgeſchiedene Butter von
weicher Beſchaffenheit, dagegen
bei niederer Temperatur die
Ausſcheidung des Fettes zu
langſam erfolgt. Im Sommer
iſt eine Temperatur des Rahmes
von 12.5—15°C., im Winter
von 16—18°C. am zweckmäßig-
ſten für das Verbuttern. Die
nöthige Temperatur wird durch
Einlegen von Eisſtücken in den
Rahm oder durch Zugießen von
warmem Waſſer unter fortwähren-
dem Umrühren geregelt. Bei dem
Growell’ſchen Butterfaſſe Fig. 98
und dem Turbinenbutterfaſſe Fig.
100, S. 151, wird die Tempe-
ratur durch Einfüllen von kaltem
oder warmem Waſſer zwiſchen
die doppelten Wände geregelt.
Die Bewegung des Rahmes in
der Buttermaſchine ſoll nicht zu
[151]Die Rindviehzucht.
ſtark ſein, da die Schaumbildung bei lebhafterer Bewegung die Fettausſcheidung
hindert. Gewöhnlich reichen 30 Minuten, in dem Guſſander’ſchen Butterfaſſe
10—15 Minuten, zur Bildung der Butter aus.
Die verſchiedenen Formen der Buttermaſchinen laſſen ſich in folgende Gruppen
zuſammenfaſſen:
1. Stoßbuttermaſchinen: Guſſander, Clifton’ſches atmoſphäriſches, Fig. 95 u. 96,
S. 149, amerikaniſches Butterfaß ꝛc.
2. Schlagbuttermaſchinen, a. mit horizontal gelagerter Flügelwelle: Anthony’ſche
Buttermaſchine, Fig. 97, S. 149, Buttermaſchine von
Lavoiſy, von Girard in Paris, von Growell, Fig. 98.
b. mit vertical gelagerter Flügelwelle: Vertical-Kipp-
buttermaſchine von W. Lefeldt \& Lentſch, Fig. 99,
S. 150, holſteiniſches Butterfaß, Quirl-, Turbinen-
butterfaß, Fig. 100 ꝛc.
3. Rollbuttermaſchinen mit feſtſtehenden Flügeln: Rollbutterfaß von W. Lefeldt
\& Lentſch, Fig. 101, S. 152, Rollbuttermaſchine von Ed. Ahlborn — Hildes-
heim, ſchweizer Rollbutterfaß ꝛc.
4. Wiegenbuttermaſchinen: Sinklair’ſches Wiegenbutterfaß.
Turbinen- oder Centrifugalbutterfaß von Stiernsvärd im Durchſchnitte
[152]Beſondere Thierzuchtlehre.
Der Stößel oder die Flügelwelle bei den erſten beiden Gruppen, die Tonne
oder Wiege bei den beiden letzten Gruppen von Butterfäſſern wird entweder durch
die Hand, einen Göpel oder eine kleine Dampfmaſchine in Bewegung geſetzt. Als
Material zu den Buttermaſchinen wird entweder Holz, Metall oder Glas verwendet.
Welche Conſtruction den Vorzug verdient, läßt ſich ſchwer entſcheiden. Am ungeeig-
netſten ſind die Wiegenbutterfäſſer und die Clifton’ſche atmoſphäriſche Buttermaſchine.
Letztere, ſowie alle „Luftbutterfäſſer“ haben den Nachtheil, daß durch das Schäumen
beim Einpreſſen der Luft durch den hohlen Stößel die Butterausbeute verringert wird.
Die Schlagbutterfäſſer beſitzen eine vertical oder eine horizontal ſtehende Welle, an der
vielfach durchlöcherte oder aus Stäben beſtehende, hölzerne oder eiſerne Flügel ange-
Rollbuttermaſchine von W.
Lefeldt \& Lentſch, Molkereimaſchinenfabrik —
Schöningen. — Preis für Handbetrieb 00,
20 Liter 55 Mark (27.50 fl.), IV, 150 Liter
125 Mark (62.50 fl.), für Maſchinenbetrieb
V, 150 Liter 150 Mark (75 fl.), VII, 300 Liter
250 Mark (125 fl.).
bracht ſind. Bei der Umdrehung der Welle
wird der Rahm durch die Löcher oder Stäbe
hin- und herbewegt und dadurch die Aus-
ſcheidung der Butter erzielt. Bei dem Roll-
butterfaſſe wird die ganze Tonne, welche,
wie z. B. bei dem Lefeldt’ſchen Butterfaſſe,
Fig. 101, auf Antifrictionsrollen gelagert iſt,
in Umdrehung verſetzt. An der Innenſeite
des Faſſes ſind eine Anzahl abnehmbarer,
durchlöcherter oder mit Stäben verſehener
Flügel befeſtigt, an welche ſich bei der
Drehung des Faſſes der Rahm ſchlägt, wo-
durch die Ausſcheidung der Fettkügelchen be-
wirkt wird.
Die ausgeſchiedene Butter wird durch Ab-
ſeihen von der Buttermilch (30—40 %) ge-
trennt, und durch trockenes Kneten in einem
Troge von der noch in derſelben befind-
lichen Buttermilch, welche die Haltbarkeit
beeinträchtigen würde, befreit. Für den
größeren Betrieb eignen ſich beſondere Butterknetmaſchinen. Dieſelben beſtehen ent-
weder aus einem Walzenpaare, wie die ältere Butterknetmaſchine von W. Lefeldt
\& Lentſch, oder aus einer wagerechten Drehſcheibe und einer liegenden, mit Rillen
verſehenen, von der Scheibe etwa 1.5—3 Cm. abſtehenden Walze, wie die Butter-
knetmaſchine von Caroc \& Leth in Aarhus, Fig. 102, zwiſchen welchen bei Drehung
der Scheibe durch eine einfache Zahnradüberſetzung die Butter durchgedrückt wird.
Handelt es ſich darum, Dauerbutter zu bereiten, ſo wird die Buttermilch und der
Käſeſtoff durch Auswaſchen mit kaltem Waſſer und durch Salzen zu entfernen geſucht.
Nach dem Salzen, zu welchem etwa 25 Gr. Salz auf je 0.5 Kilogr. Butter erfor-
derlich ſind, bleibt die Butter 6 Stunden liegen, dann wird ſie neuerdings trocken ge-
knetet, geſalzen, wohl auch gefärbt (mit Möhrenſaft, Orlean [Bixa orellana], Cur-
cuma [Amomum curcuma], flüſſige Butterfarbe von Blumenſaadt — Odenſe,
[153]Die Rindviehzucht.
Chr. Hanſen — Kopenhagen ꝛc.) und in die Verſandttonnen eingefüllt. Vor dem
Verſchließen der Verſandttonnen wird zur beſſeren Conſervirung eine Schichte Salz
auf die Butter gegeben.
Eine größere Haltbarkeit der Butter kann auch durch die Bereitung von Schmelz-
butter, Schmalzbutter, Rindſchmalz erzielt werden. Durch das Schmelzen der Butter
über gelindem Feuer oder im Waſſerbade wird der Waſſergehalt und durch Abſchöpfen
des Schaumes der Caſeïngehalt verringert. Dabei ergibt ſich allerdings eine Ge-
wichtsverringerung von 14—20 %.
Im Mittel ergeben 28—30 Liter Milch 4—5 Liter Rahm oder 1 Kilogr.
Butter. 100 Liter Milch geben daher 12—16 Liter Rahm oder 2.4—4 Kilogr.
Butterknetmaſchine von Caroc \& Leth — Aarhus. — Leiſtung per Stunde: Knetung von
250—300 Kilogr. Butter; Preis Nr. 1 für 50 Kühe, mit 0.65 Meter Durchmeſſer, 90 Mark (45 fl.); Nr. 3
für 150 Kühe, mit 1.20 Meter Durchmeſſer, 225 Mark (112.50 fl.).
Butter; 100 Liter Rahm 20—25 Kilogr. Butter. Zu 1 Kilogr. Butter
ſind bei ſehr günſtiger Ausbeute 20 Kilogr. Milch, bei mittelmäßiger 30—35,
bei mittlerer 25—28 Kilogr. Milch, welche 4 Kilogr. ſüßen Rahm geben, er-
forderlich.
Die Qualität der Butter richtet ſich nach Fütterung, Haltung und Individuali-
tät der Thiere und nach dem Gewinnungsverfahren. Gute Butter ſoll nur 6 bis
12 % Waſſer und ein Minimum an Caſeïn (0.5 %) enthalten.
Nach Analyſen von Dr. J. Moſer enthalten 100 Theile, dem Wiener Handel
entſtammende Butter- und Schmalzſorten:
[154]Beſondere Thierzuchtlehre.
Bei der Käſebereitung handelt es ſich um die Ausſcheidung des Caſeïns und
Fettes aus der Milch. Dieſelbe wird bewirkt, indem man das gelöſte Caſeïn durch
Zuſatz von Lab oder Säuren zur Milch zum Gerinnen bringt. Je nach der Fett-
menge, welche gleichzeitig in den Käſe übergeht, unterſcheidet man: 1. Ueberfette
Käſe, bei welchen der Milch noch Rahm zugeſetzt wird, 2. Fettkäſe aus unabgerahmter
Milch hergeſtellt, 3. halbfette Käſe, bei welchen ein Theil des Rahmes von der zu
verarbeitenden Milch abgenommen wird und 4. Magerkäſe, zu deren Bereitung
vollſtändig abgerahmte Milch verwendet wird.
Je nach dem Verfahren der Käſebereitung unterſcheidet man I. Süßmilchkäſe und
II. Sauermilchkäſe. Bei Erſteren wird die Milch vor der Säuerung durch künſtliche
Mittel zum Gerinnen gebracht; bei Letzteren, den ſog. Wirthſchaftskäſen, die natürliche
Säuerung abgewartet. Außerdem unterſcheidet man zwiſchen Weich- und Hartkäſen;
Erſtere werden bei ihrer Bereitung nicht oder nur ſchwach gepreßt, während Letztere
einer ſtärkeren Preſſung ausgeſetzt werden. Die Herſtellung der Süßmilchkäſe erfolgt
entweder:
A. Ohne oder mit Erwärmung der Milch bis auf 30—35°C.:
1. Weichkäſe (ohne Preſſung): Limburger, Réaumatour, Kärntner, Schwarzenberger,
Strachino di Lodi, Stilton, Roquefort, Fromage de
Brie, Neufchâtel ꝛc.
2. Hartkäſe (mit Preſſung): Kümmelkäſe, Cheſter, Cheddar, Edamer, Gouda ꝛc.
B. Mit Erwärmung der Milch über 35°C.:
1. Weichkäſe: Hohenheimer.
2. Hartkäſe: Schweizer, Emmenthaler, Greyerzer, Parmeſan, Gorgonzola ꝛc.
Ueber die Zuſammenſetzung der verſchiedenen Käſeſorten liegen intereſſante
Analyſen von Prof. Dr. Moſer vor. Derſelbe fand in 100 Theilen in folgenden,
nach dem Fettgehalte geordneten Käſen:
Zur Bereitung der Süßmilchkäſe benöthigt man eine Käſeküche und einen Käſe-
keller, der mit glattgehobelten Holzſtellen zur Aufbewahrung der Käſe verſehen ſein
ſoll und im Uebrigen in Betreff der Temperatur und Lüftung dieſelbe Einrichtung,
wie die Milchkeller, zu erhalten hat. An Geräthen ſind erforderlich: Keſſel, Quirl,
Schwerter, Kellen, Formen, Käſereifen, Preſſen, Käſetücher, Kübel ꝛc.
Die Käſekeſſel erhalten die verſchiedenartigſte Einrichtung. Am meiſten
Feuerungsmaterial benöthigen frei an einem Galgen über einem Feuer hängende Keſſel.
Zweckmäßiger ſind Keſſel, deren eine Hälfte ummauert oder noch beſſer, die ringsum
mit Mauerwerk verſehen ſind und durch einen kleinen drehbaren Krahn abgehoben
werden können. Am vortheilhafteſten ſind Keſſelfeuerungen, welche nur rückwärts
gemauert, an der Vorderſeite durch eine bewegliche Eiſenthüre gebildet werden, nach
deren Oeffnung der an einem Krahne hängende Keſſel einfach herausgedreht werden
kann. In Schweden verwendet man ſtatt kupferner Keſſel Holzbottiche, zwiſchen deren
doppeltem Boden heißer Dampf oder kaltes Waſſer nach Bedarf eingeleitet wird.
Aehnliche Einrichtungen beſitzen die amerikaniſchen Käſewannen 1).
In neuerer Zeit werden zwei Keſſel, einer für Waſſer, der andere für Milch,
in einer Entfernung von 1—2 Meter feſt eingemauert und die Feuerung, ein mit
einem Roſt verſehener Wagen, derart beweglich eingerichtet, daß derſelbe auf Schienen
in einem unter den beiden Keſſeln ſich hinziehenden Canal nach Bedarf unter den
Käſe- oder unter den Waſſerkeſſel geſchoben werden kann, um die möglichſte Ausnutzung
des Brennmateriales zu erzielen.
Die Käſepreſſen ſind entweder Hebel-, Spindel-, oder combinirte Preſſen.
Dieſelben ſollen für Hartkäſe mindeſtens einen Druck ausüben, welcher dem Acht-
zehnfachen des Käſegewichtes gleichkommt. Je nach der zu preſſenden Käſemaſſe
muß daher der Druck veränderlich ſein. Am ſicherſten wird dies durch die com-
binirten Spindel- und Hebelpreſſen, Fig. 103, S. 156, erzielt, wie ſie in England
gebräuchlich ſind. Dieſe engliſchen Preſſen werden, jedoch mannigfach abgeändert, von
W. Lefeldt \& Lentſch — Schöningen, N. Ipſen \& Sohn — Flensburg, J. Paſtoor
— Solburg ꝛc. gebaut. Mit der Spindel wird zunächſt ein grobes Auspreſſen
bewerkſtelligt, während ſpäterhin die Käſemaſſe dem continuirlichen Drucke des be-
ſchwerten Hebels ausgeſetzt bleibt. Dieſe Preſſen können jedoch wegen ihres kleinen
Preßtiſches nur für hohe und wenig breite Käſelaibe verwendet werden.
[156]Beſondere Thierzuchtlehre.
Für breite Käſelaibe, wie für die Schweizerkäſe, werden am zweckmäßigſten
Hebelpreſſen mit verſchiebbaren Gewichten angewendet. Dieſelben haben gegenüber
den Spindelpreſſen, deren Spindel immer wieder angezogen werden muß, den Vor-
theil, daß ſie einen continuirlichen Druck ausüben.
Als Gerinnungsmittel verwendet man entweder 1. Lab, 2. künſtliches Lab oder
3. Mineralſäuren (Salzſäure). Das Lab wird aus friſchem Kälbermagen je nach
der Käſeart auf verſchiedene Weiſe bereitet. Für die Schweizerkäſefabrication wird
der Labmagen eines bis höchſtens 7 Wochen alten Saugkalbes entleert, gewa-
Combinirte Käſepreſſe. — aa Geſtellfüße, bb Geſtell-
fäulen, c Preßtiſch mit Ablaufrinnen, d Preßplatte mit 47 Cm.
Durchmeſſer, f Zahnſtange, e Geſtellrahmen, g Sperrrad mit
18zähnigem Stirnrade, welches in das 24zähnige Rad i ein-
greift. An der Welle des letzteren befindet ſich ein 8zähniges
Rad, welches in die verzahnte Stange eingreift, k Druckhebel
mit Laufgewicht, welcher das Sperrrad dreht, wenn der Vor-
ſteckſtift h herausgenommen wird.
ſchen, an der Luft getrocknet, in
einem Topfe ſchichtenweiſe mit
Salz eingelegt und mit Molke
oder noch beſſer mit Waſſer (1
Kilogr. auf 12 Gramm Magen)
24 — 36 Stunden vor dem je-
weiligen Gebrauche angeſetzt. Vor
der Verwendung deſſelben em-
pfiehlt es ſich, mit einer kleinen
Milchmenge eine Probe anzu-
ſtellen, um ſich von der Wirk-
ſamkeit der Labflüſſigkeit zu über-
zeugen. Zu dieſem Zwecke die-
nen auch die Schatzmann’ſchen
Labprober (bei J. G. Kramer —
Zürich, 6.5 Francs), 2 Glas-
cylinder, von welchen der eine
zum Abmeſſen der Milch mit
250, der andere für die Lab-
flüſſigkeit mit 10 Theilſtrichen
verſehen iſt. Nach dem Zuſam-
menmiſchen von Lab und Milch
erſieht man aus der Zeit, welche
bis zum Dicken der Milch er-
forderlich iſt, welchen Werth die
Labflüſſigkeit beſitzt.
Das künſtliche Lab wird ent-
weder in Pulverform (Dr. Antonio
Turini—Verona, 5 Mark [2.50
fl.], per Kilogr.) oder noch häufiger
als Labeſſenz (Chr. Hanſen —
Kopenhagen, 1 Liter 2.25 Mark [1.13 fl.]; Meyer \& Henkel — Kopenhagen,
1 Liter, ausreichend für 1000 Liter Milch, 3 Mark [1.50 fl.] ꝛc.) in den Handel
[157]Die Rindviehzucht.
gebracht. Daſſelbe eignet ſich beſonders für kleinere Käſereien, die bei der Selbſt-
bereitung des Labes ein zu ungleichförmiges Product erhalten.
Für die Bereitung einer ſehr wirkſamen
Labeſſenz gibt Dr. M. Wilckens 1) folgende
Anleitung: „120 Gramm friſche Kälber-Lab-
magen werden mit 20 Gramm Kochſalz ein-
gerieben und in 340 Gramm Waſſer (oder
170 Gramm Waſſer und 170 Gramm Weiß-
wein) zwei Tage lang ausgezogen, bei einer
Temperatur bis 40°C. (wenn die Temperatur
des Auszuges über 40°C. ſteigt, ſo wird die
Eſſenz unwirkſam). Die Flüſſigkeit wird nach
zwei Tagen abgeſeiht und mit 40 Gramm
90 procentigem Alkohol und ½ Gramm Salz-
ſäure verſetzt. Die Eſſenz bleibt dann noch
8 Tage ſtehen, bis ſie ſich klar abgeſetzt hat
und wird endlich filtrirt und in verſchloſſener
Flaſche aufbewahrt. Von dieſer Eſſenz ge-
nügt 1 Gramm, um 2 Liter Milch (alſo im
Verhältniß von 1 : 2000) in 20—30 Minuten
dick zu legen“.
Außer der Labflüſſigkeit werden zum
Färben gewiſſer Käſeſorten Farbſtoffe, wie
Saffran, zur Erzeugung von Edamer An-
natto (A. Kerbert — Parmerende-Amſter-
dam) und zur Verleihung eines aroma-
tiſchen Geruches und Geſchmackes Kräuter,
wie Käſepulver aus dem Ziegerklee (Meli-
lothus coerulea Lam.), Fig. 104 und
105, der Käſemaſſe zugeſetzt.
Frucht des blauen Honigklee’s (Me-
lilothus coerulea Lam) ☉ nach Nobbe. — a nat.
Größe; b vergr., α Kelch, β Fruchthülle, γ Staub-
weg.
Same des blauen Honigklee’s.
a nat. Gr.; b vergr.; c Profil.
In der Schweiz werden vorzugsweiſe zwei Arten von Hartkäſe erzeugt: der
fettreichere Emmenthaler Käſe in 60—80 und mehr Kilogr. ſchweren Laiben mit ge-
raden Wänden und der fettärmere Greyerzer Käſe, auch Saanenkäſe, fromage de
Gryjères genannt, in 30—50 Kilogr. ſchweren Laiben mit gewöhnlich abgerundeten
Wänden. Erſtere werden von der unabgerahmten Milch, Letztere von der abge-
rahmten Abendmilch und der unabgerahmten Morgenmilch hergeſtellt.
Verwendet man Abend- und Morgenmilch, ſo muß die Vermengung beider durch
das „Schmelzen des Rahmes“ vorgenommen werden. Dabei wird der abgenommene
Rahm im Keſſel mit einigen Litern Waſſer auf 60 — 62°C. erwärmt und dann
unter ſtetigem Umrühren die Morgen- und die abgerahmte Abendmilch zugegoſſen.
[158]Beſondere Thierzuchtlehre.
Weiterhin wird die Milch bei dem Emmenthaler auf 35—37.5°C. und bei
dem Greyerzer auf 30—32°C. erwärmt. Bei höherer Erwärmung bleibt zu viel
Fett in der Molke, abgeſehen davon, daß der Käſe zu fett wird. Hierauf wird der
Keſſel vom Feuer gedreht und die Labflüſſigkeit der Milch zugeſetzt. Von der Lab-
flüſſigkeit darf nicht zu viel genommen werden, da ſich ſonſt ſpäterhin der Käſe
bläht; bei zu geringem Zuſatze erfolgt die Ausſcheidung des Käſeſtoffes nicht voll-
ſtändig genug. Für 500 Kilogr. oder 484 Liter Milch reichen 1.4—2 Liter Lab-
flüſſigkeit aus.
Nach dem Labzuſatze bleibt der Keſſel ½ Stunde zugedeckt ſtehen, dann wird
die geronnene Milch mit dem Käſeſchwerte zerſchnitten und mit dem Schwerte und
Quirl verkleinert, damit ſich die Molke möglichſt vollſtändig ausſcheide. Der Keſſel
wird wieder über das Feuer gebracht und die Milch unter ſtetigem Bearbeiten mit
dem Käſebrecher in 20—30 Minuten bei dem Greyerzer auf 68°C. und bei dem
Emmenthaler auf 56°C. erwärmt, „gebrüht“. Die Milch wird dann abermals
vom Feuer genommen und die Käſemaſſe durch 20—25 Minuten verkleinert, „aus-
gerührt“,
bis eine geballte Probe der Käſemaſſe, in die Höhe geworfen, bei dem
Auffallen auf die flache Hand ſich ſpaltet.
Die Käſemaſſe wird entweder mit einem Käſetuche geſammelt oder durch Ab-
ſchöpfen der Molke aus dem Keſſel gewonnen. Die geſammte Käſemaſſe wird dann
mit dem Tuche in einen Käſereif gelegt und unter die Preſſe gegeben. Nach
¼ ſtündigem Preſſen wird der Käſe umgelegt und das Tuch gewechſelt. Dieſe Mani-
pulation wird noch 6—8 Mal wiederholt, bis der Käſe nach 24 Stunden aus der
Preſſe genommen und durch 2 Tage im Reife, jedoch ohne Tuch, an einem luftigen
Orte abtrocknen gelaſſen wird. Die Preſſung der Käſe iſt ein unerläßliches Erfor-
derniß für die regelmäßige Gährung und die Haltbarkeit derſelben. Wird zu ſchwach
gepreßt, ſo bleibt zu viel Molke in der Käſemaſſe und die Gährung nimmt einen zu
ſtürmiſchen Verlauf; der Käſe bläht ſich, bekommt Riſſe und wird ſauer. Iſt die
Preſſung zu ſtark, was jedoch ſeltener vorkommt, ſo wird die Gährung verlangſamt
und ſelbſt ganz unterdrückt.
Nach der Preſſung gelangt der unreife Käſe in den Keller zum Salzen. Zuerſt
wird der Rand mit concentrirtem Salzwaſſer abgerieben und obenauf Salzpulver
geſtreut. Nach 24 Stunden wird das zerfloſſene Salz eingerieben, der Käſe gewendet
und auch die andere Seite geſalzen und zwar anfänglich täglich, ſpäter jeden 2.—3.
Tag je nach der Größe durch 2 — 4 Monate. Die ſich bildende Kruſte wird von
Zeit zu Zeit mit einem Schabeiſen entfernt. Der Bedarf an Salz ſtellt ſich für
1 Kilogr. Käſe auf 30—70 Gr. Kleine Käſe ſind nach 3 — 6 Monaten, größere
Käſe nach einem Jahre reif.
Die nach der Käſeausſcheidung zurückbleibende Molke enthält noch Fett, Käſeſtoff
und den geſammten Milchzucker. Dieſelben werden als Nebenproducte der Käſebereitung
gewonnen. Durch Aufſtellen in Satten erhält man Rahm, welcher noch eine geringe
Molkenbutter liefert und zwar geben 100 Liter Molke 0.4 Kilogr. Butter.
Zieht man nach dem Herausnehmen der Käſemaſſe den Keſſel mit der Molke wieder
[159]Die Rindviehzucht.
über das Feuer, ſo ſcheidet ſich bei Zuſatz von ſaurer Molke (auf 100 Liter 5 Liter
ſaure Molke) und beim Erwärmen auf 72°C. das Fett als Schaum ab, welches
verbuttert die „Vorbruchbutter“ gibt. Nach abermaligem Zuſatze von Molkeneſſig
ſcheidet ſich beim Sieden der Molke der Käſeſtoff in großen Flocken, dem „Zieger“,
aus. Derſelbe wird mit abgerahmter und Butter-Milch unter Zuſatz von Ziegerklee
(S. 157, Fig. 104) zu Schabzieger oder Kräuterkäſe verarbeitet. Aus der zurück-
bleibenden Molke, jetzt „Schotten“ genannt, kann durch Eindampfen der Milchzucker
oder durch Zuſatz von Hefe Milchalkohol gewonnen werden.
Die Ausbeute an Käſe und Nebenproducten von 100 Kilogr. Milch be-
trägt an
- Schweizerkäſe ... 8.81 Kilogr.
- Vorbruchbutter ... 0.70 „
- Zieger ..... 2.50 „
Zu 1 Kilogr. Käſe ſind an fetter Milch erforderlich 10 — 12 Kilogr., an
halbfetter 13—15 Kilogr. und an magerer Milch 15—17 Kilogr.
Für kleinere Milchquantitäten iſt die Verarbeitung auf Weichkäſe, wie Lim-
burger Käſe, Ziegelkäſe, Schwarzenberger Käſe, vortheilhafter. Die Anlage einer
derartigen Käſerei verurſacht geringere Koſten, da kein Keſſel, keine Preſſe und kein
Brennmaterial erforderlich ſind. Der Arbeitsaufwand iſt viel geringer, außerdem
wird dieſer Käſe, welcher eine lange Aufbewahrung nicht verträgt, viel früher ver-
käuflich.
Bei der Bereitung des Limburger Ziegelkäſes werden auf je 11 Liter kuhwarme
5 Liter abgeſchöpfte Milch genommen und in einem Holzkübel ohne Erwärmung,
wenn die Milch gleich nach dem Melken verwendet wird, mit Lab geſchieden.
Auf den Fürſtl. Schwarzenberg’ſchen Domänen 1) wird das Lab auf folgende Weiſe
bereitet: Vorerſt werden je 9 Gramm Ingwer, Muscatblüthe und Gewürznelken grob ge-
ſtoßen und mit 1.5 Liter kochendem Waſſer abgebrüht. Nach Verlauf einer Stunde wird
das Waſſer vom Gewürze abgeſeiht und 0.14 Kilogr. Salz zugeſetzt. In dieſem Aufguſſe
wird eine Citrone und friſcher, ausgewaſchener, zerſchnittener Labmagen eingelegt und 2 Tage
ſtehen gelaſſen. Nach dieſer Zeit wird das Waſſer abgeſeiht und für den Gebrauch in
Flaſchen aufbewahrt. Um die Milch zum Gerinnen zu bringen, genügt von dieſem Lab-
waſſer ein Löffel voll für 30 Liter.
Die mit Lab verſetzte Milch bleibt ½ Stunde im Bottiche ſtehen, worauf die
ausgeſchiedene Käſemaſſe gebrochen und durchgerührt wird. Die Käſemaſſe wird dann
mit der reinen Hand in vierſeitige, hölzerne, an den Seitenwänden zum Ablaufen
der Molke mit Löchern verſehene Formkäſtchen ohne Boden ſanft eingedrückt. Ein
Formkäſtchen mit 16 Cm. im Quadrat und 35 Cm. Höhe reicht für die Käſemaſſe
von 6 Liter aus. Nach Ablauf eines halben Tages wird die Käſemaſſe aus den Formen
genommen und, wenn ſchwach gepreßt, in die einfache Preſſe gelegt. Dieſelbe beſteht
[160]Beſondere Thierzuchtlehre.
aus einer 1.3 Meter langen, hölzernen Wanne, deren eine doppelte Seitenwand gegen
die in die Wanne eingelegten Käſeziegel durch zwei Flügelſchrauben gepreßt werden
kann. In dieſer Preſſe bleiben die Käſe, auf Strohhalmen liegend, 4 Tage. Den
1. Tag werden dieſelben jede Stunde, den 2. und die folgenden Tage 3— 6 mal
umgelegt. Durch weitere 3 Tage werden nun die Käſe mit Salz Abends und früh
eingerieben, dabei ſchwach gepreßt, im Keller auf Gerüſte gelegt und bis zu ihrer
Reife, welche gewöhnlich nach 5 — 6 Wochen, von der erſten Verarbeitung an, ein-
tritt, täglich mit geſalzenem Waſſer gewaſchen. Der Salzverbrauch beträgt für
100 Kilogr. Käſe ungefähr 7 Kilogr. Zu einem Ziegel im Gewichte von 0.5 Kilogr.
ſind gegen 5.5—6 Liter Milch erforderlich.
Am einfachſten iſt die Bereitung von Sauermilchkäſe (Wirthſchaftskäſe, Handkäſe,
Quark). Das Verfahren dabei iſt folgendes: Die abgerahmte, bereits ſauer ge-
wordene Milch wird in die Nähe eines Ofens geſtellt, damit ſich die Molke von
den Käſetheilen (Topfen, Matte, Quark) ſcheide. Die Molke wird abgegoſſen und
der Quark in einen ſpitzen Leinwandſack gegeben, damit auch die in demſelben zurück-
gebliebene Molke ablaufen kann. Der Quark wird dann unter einem mit Steinen
beſchwerten Brette ſchwach gepreßt und weiterhin mit Salz, Kümmel, auch etwas
Butter geknetet. Nach 24ſtündigem Stehen werden alsdann mit der Hand kleine
Käſe geformt, welche an der Luft oder bei gelinder Ofenwärme getrocknet, ſchließlich
in Töpfe oder Fäſſer eingelegt werden. 12 — 14 Kilogr. Milch geben 1 Kilogr.
Sauermilchkäſe.
Bei der Aufzucht von Jungvieh werden die verſchiedenſten Zwecke verfolgt,
entweder ſucht man ſich durch dieſelben ſeinen eigenen Bedarf an Milch- und Zugvieh
zu decken oder durch Verkauf von jungen Zuchtthieren einen Gewinn zu erzielen.
Bei zerſtücktem Grundbeſitze kommt es ſelbſt vor, daß die Thiere jung angekauft,
aufgezogen und, nachdem ſie zuchtfähig, wieder verkauft werden. Unter extenſiven
Culturverhältniſſen beſteht häufig die einzige Rente des Landwirthes in der Aufzucht
und dem Verkaufe gewöhnlich maſtfähigen oder auch zugtauglichen Jungviehes.
Die eigene Nachzucht findet überall dort ſtatt, wo ein beſtimmter Viehſchlag
wegen ſeiner körperlichen oder Nutzungseigenſchaften erhalten werden ſoll, und ein
Ankauf deſſelben nicht möglich iſt. In den meiſten Milchviehwirthſchaften wird der
Bedarf an Nachzucht ſelbſt aufgezogen, namentlich wenn der Werth der Milch und
ihrer Producte ein niedrigerer iſt und das vorhandene Futter geringe Qualität be-
ſitzt. Steigt der Milchpreis über eine gewiſſe Grenze, ſo wird es vortheilhafter, die
eigene Nachzucht fallen zu laſſen und durch Zukauf den Milchviehſtand zu ergänzen.
Wie bei der Jungviehaufzucht vorzugehen iſt, wurde bereits im Capitel „Die Aufzucht“
S. 116 u. ff. erörtert.
[161]Die Rindviehzucht.
Die Nutzung des Rindviehes durch die Aufmäſtung iſt namentlich für Wirth-
ſchaften, bei welchen techniſche Gewerbe geeignetes, billiges Maſtfutter liefern, gewinn-
bringend, vorausgeſetzt, daß der Abſatz für gemäſtetes Vieh ein ſicherer und die
billige Anſchaffung von Magervieh möglich iſt. Nebenher wird die Maſtung be-
trieben, um Futterüberſchüſſe oder auszubrackendes Vieh und zwar ſowohl Zug- als
Milchvieh zu verwerthen.
Vei der Auswahl der Thiere zur Maſt hat man vor Allem auf vollkommene
Geſundheit zu achten. Kranke, beſonders lungenleidende Thiere mäſten ſich ſchlecht.
Junge, nicht vollſtändig ausgewachſene Thiere geben die größte Körperzunahme, wenn
auch der Fettanſatz nicht bedeutend iſt. Alte, abgebrauchte Thiere liefern, je älter
ſie ſind, ſchlechtes, zähes Fleiſch, und eine geringe Gewichtszunahme. Je nach der
Entwickelungsfähigkeit der Racen mäſten ſich die Thiere im Alter zwiſchen 4 und
8 Jahren, engliſche Racen ſelbſt mit 2½—3 Jahren am beſten. Die Größe der
auszuwählenden Thiere richtet ſich nach dem Bedarfe und der Entfernung vom
Abſatzorte. Magere Thiere, ſofern ſie nicht billig zu erhalten ſind, brauchen zu
viel Futter, als daß ſie mit Erfolg aufgemäſtet werden können. Gute beleibte
Thiere ſind am beſten zur Maſt aufzuſtellen. Bereits angemäſtete Thiere ſind ge-
wöhnlich zu theuer, abgeſehen davon, daß die Zeit der ſchnellſten Zunahme bei
denſelben bereits vorüber. Welche Körperformen Maſtrinder beſitzen ſollen, wurde
ſchon S. 115 angegeben. Um den Maſtungserfolg durch die Aeußerungen des Ge-
ſchlechtstriebes nicht zu beeinträchtigen, ſind die Stiere zu caſtriren, die Kühe und
Kalbinnen jedoch, im Falle ſie rinderig werden, zuzulaſſen, da die erſte Zeit der
Trächtigkeit der Maſtung weniger Schaden bringt als das fortgeſetzte Rindern.
Die Ausführung der Maſt wurde bereits S. 130 beſprochen. Je nachdem
man die Maſt verſchieden weit treibt, unterſcheidet man Halbmaſt und Voll-
maſt. Erſtere wird bei älteren Thieren, letztere bei jüngeren, gut maſtfähigen
Thieren und bei gutem Abſatze beſſerer Fleiſchqualitäten durchgeführt. Je nach dem
Maſtproducte unterſcheidet man: Fleiſchmaſt, Fettmaſt, Kern- und auf-
geſchwemmte Maſt. Die Fleiſchmaſt iſt nur bei jungen Thieren möglich, ſie
liefert feines, durchwachſenes Fleiſch. Bei älteren Thieren findet keine Fleiſchzunahme
ſtatt, dagegen wird mehr Fleiſchſaft gebildet. Bei der Fettmaſt wird vornehmlich
Fettanſatz beabſichtigt. Wird die Vollmaſt mit trockenſubſtanzreichem Futter durchge-
führt, ſo erreicht man Kernmaſt, bei welcher der Waſſergehalt des Thierkörpers ge-
ringer ausfällt als bei aufgeſchwemmter Maſt. Letztere wird durch die Fütterung
mit waſſerreichen Futterſtoffen herbeigeführt.
Die Maſtungsmethoden werden je nach dem im Maſtfutter vorwiegenden Futter-
ſtoffe unterſchieden in: Milchmaſt, Weidemaſt, Grünfuttermaſt, Heumaſt, Wurzel-
werkmaſt, Schlempemaſt, Träbernmaſt, Körnermaſt, Oelkuchenmaſt ꝛc.
Die Milchmaſt wird nur bei jenen Kälbern angewendet, welche ſich nicht zur
Aufzucht eignen. Bei billiger Milch erhalten die Kälber 3mal des Tages bis zu
Krafft, Lehrb. d. Landw. III. 11
[162]Beſondere Thierzuchtlehre.
13 Liter Milch durch 5 — 12 Tage. Dabei werden die Kälber in einen engen,
dunklen Raum geſperrt und mit einem Maulkorbe verſehen, damit die Feinheit des
Fleiſches durch Freſſen des Streuſtrohes nicht beeinträchtigt werde. Gegen Ende der
Milchmaſt reicht man 1—2 Eier und geriebenes Brot. Während der Maſt können
auch abgerahmte Milch und Molke verwendet werden. Die Maſt wird unterbrochen,
ſobald der Werth der Körperzunahme in keinem Verhältniſſe mehr zum Werthe der
Milch ſteht. Anfänglich bewirken 8 Kilogr. ſpäter 12 und mehr Kilogr., im Durch-
ſchnitte 10 Kilogr. Milch, 1 Kilogr. Gewichtszunahme. Das gemäſtete Kalb
gibt ungefähr 70 % Schlächtergewicht, wovon 8—12 % auf die Haut entfallen.
Die Weidemaſt wird vorzugsweiſe in reichen Niederungen betrieben (ſchleswig-
holſteinſche Marſchen). Sie liefert vorzügliche Fleiſchqualitäten.
Die Grünfuttermaſt wird mit Klee und Wickgemenge ausgeführt, welche zur
Verhütung des Aufblähens der Thiere zweckmäßig zu einem Drittheile mit Heu und
Futterſtroh vermengt werden. Gegen Ende wird zur vollſtändigeren Ausmäſtung
eine Schrotzulage gegeben.
Die Heumaſt kommt wegen ihrer Koſtſpieligkeit ſelten zur Durchführung. Am
beſten eignet ſich dazu geſchnittenes oder gebrühtes vorzügliches Wieſen- und Kleeheu.
Um die Maſtdauer, welche bei ausſchließlicher Heumaſt 6 Monate und länger währen
würde, zu verkürzen, wird in der zweiten Maſtperiode ein Zuſatz von Oelkuchen und
Schrot gegeben.
Die gewöhnlich lohnendſte Maſt, welche ſehr gute Fleiſchqualität liefert, iſt
die Wurzelwerkmaſt. Obenan ſtehen Möhren, Futterrüben, welche bis zu 25—40
Kilogr. per Tag verabreicht werden, koſtſpieliger ſind gekochte oder gedämpfte Kar-
toffeln (25—30 Kilogr. per Tag und Kopf). Gleich werthvoll ſind Rübenpreßlinge
und Rübenſchnitte. Als Erſatz für das fehlende Proteïn werden bei der Wurzel-
werkmaſt noch nebenher Heu und Stroh und zur Ausmäſtung Oelkuchen, Getreide-
körner oder noch beſſer Kleien verabreicht.
Die Schlempemaſt gibt minder wohlſchmeckendes Fleiſch, weiches, wenig aus-
gibiges Fett und führt leicht zu krankhaften Zuſtänden. Die Ausmäſtung erfolgt
gleichfalls mit Heu und Schrot.
Die Träbernmaſt liefert vorzügliche Qualitäten. Die verfügbaren Träbernquan-
titäten ſind jedoch meiſt zu gering, um eine Maſt vollſtändig durchführen zu können,
weshalb ſie vortheilhafter an die Milchkühe verabreicht werden.
Die Körnermaſt iſt nur bei niedrigen Fruchtpreiſen zweckmäßig. Je mehr
Körner vorgelegt werden können, um ſo mehr verkürzt ſich die Maſtdauer; über
7 — 10 Kilogr. Körner, neben Heu, wird man jedoch nicht hinausgehen.
Die Oelkuchen werden nur als Beifutter gegeben, da eine Menge über 4 Kilogr.
per Tag und Stück ungern aufgenommen wird und weiches Fett liefert. Schrot
und Kleie ſind, beſonders in der letzten Maſtperiode, vorzügliche Futtermittel, ſie liefern
ein feſtes, kerniges Fett.
Auf das Reſultat der Maſt ſoll das Scheeren des Rindviehes einen günſtigen
[163]Die Rindviehzucht.
Einfluß nehmen. Nach W. Chriſtiani 1) nahmen 9 Stück Ochſen in 4 Wochen nach
dem Scheeren per Tag und Stück um 2.0 Kilogr., 8 Stück ungeſchorene bei ſonſt
gleicher Fütterung und Pflege nur um 1.5 Kilogr. per Kopf und Stück zu. Nach
Verſuchen von Anderen wurden jedoch durch das Scheeren, namentlich bei Kälbern,
ungünſtige Reſultate erzielt.
Die Dauer der Maſt hängt von dem Futterzuſtande der Thiere und der Art
der Maſtung ab. Die kürzeſte Maſtdauer iſt meiſt die vortheilhafteſte. Dieſelbe
beträgt 3, höchſtens 4 Monate. Im Anfange der Maſt findet gewöhnlich die ſtärkſte
Zunahme des Körpergewichtes ſtatt, ſpäterhin mit dem Anſatze des Fettes verringert
ſich dieſelbe. Durchſchnittlich ſind von 12—13 Kilogr. Trockenſubſtanz im Futter
1 Kilogr. Körpergewichtszunahme zu erwarten.
Der Maſterfolg kann entweder ocular oder durch die Fleiſchergriffe geſchätzt werden.
Der Fettanſatz unter der Haut wird durch Befühlen der Rippen, der Hüftknochen,
der Schwanzwurzel, zwiſchen den Hinterſchenkeln und vorne an der Bruſt geſchätzt.
Die Griffe an der Hautfalte unter den Hinterſchenkeln, an den Flanken und an dem
Hodenſacke laſſen auf den inneren Talganſatz ſchließen. Am erwünſchteſten iſt ein
volles, fleiſchiges Anfühlen, kernige, derbe, nicht ſchwammige Beſchaffenheit bei weicher,
loſer Haut. Einen ſicheren Anhaltspunkt für die Zunahme des Lebendgewichtes gibt
das Abwägen der Thiere zu verſchiedenen Perioden der Maſtung. Ueber das Schlächter-
gewicht können jedoch nur Probeſchlachtungen annähernd Auskunft gewähren.
Bei mangelnder Viehwage, welche jedoch in jeder geordneten Wirthſchaft vorhanden
ſein ſoll, kann man ſich in Betreff der Ermittelung des Lebendgewichtes auch mit einem
Viehmeßbande behelfen. Die Erfahrung hat gelehrt, daß die Körperinhalte der Thiere
gleicher Race und weiter auch ihre Lebendgewichte ſich genau wie die dritten Potenzen der
halben Bruſtumfänge verhalten oder allgemein ausgedrückt, wenn g und G das Lebend-
gewicht zweier Thiere und u und U deren Bruſtumfänge bedeuten, ſo ergibt ſich:
Iſt das Lebendgewicht G des einen Thieres unbekannt, ſo iſt
wenn f (Formzahl) = geſetzt wird.
Eine 2jährige Kalbin Lavanthaler Race wog 480 Kilogr., ihr Bruſtumfang hinter den
Schultern und zwiſchen den Beinen durch maß 196 Cm. Es war daher f = = 0.00051.
Eine andere Kalbin derſelben Race hatte einen Bruſtumfang von 210 Cm. Ihr Lebend-
11*
[164]Beſondere Thierzuchtlehre.
gewicht war daher nach obiger Formel G = . 0.00051 = 590.38 Kilogr., während
ſie auf der Wage thatſächlich 600 Kilogr. wog; alſo kaum 2 % Differenz.
Auf 100 Kilogr. Lebendgewicht ſind zu rechnen in Kilogr. bei
Das Gewicht der Haut beträgt im friſchen Zuſtande 4—7 Kilogr.
Zur Zugarbeit werden am gewöhnlichſten Ochſen, zuweilen auch Kühe und am
ſeltenſten Stiere verwendet. Die für Zugthiere beſtimmten Kälber, über deren
Auswahl wir S. 115 Anhaltspunkte gegeben haben, werden mit 4 — 6 Wochen
caſtrirt. Manche Züchter warten mit dem Caſtriren bis die Thiere ½ — 1 Jahr
alt geworden ſind, um kräftigere Zugochſen zu erhalten. Mit Ablauf des 3. Jahres
werden die jungen Schnittochſen allmälig zum Zuge verwendet und im 4. Jahre
in vollen Arbeitsdienſt genommen. Ochſen der ſchweizer Racen bleiben bis 10 Jahre,
ungariſche, welche jedoch erſt mit 5 Jahren voll benutzt werden können, 14—16 Jahre
zugtauglich. Häufig werden die Ochſen nur 2, 3 Jahre benutzt und dann gemäſtet.
Bei der Angewöhnung zum Zuge ſoll mit Geduld und Sanftmuth vorgegangen wer-
den. Am beſten läßt man die jungen Ochſen mit einem alten zuſammengehen. Bei
der Verwendung hat man darauf zu achten, daß es nicht bis zum „Abgetriebenſein“
kommt, da es viel Futter koſtet, die Thiere wieder in den Stand zu ſetzen. Die
Ernährung der Zugochſen wurde bereits S. 129 erörtert.
Ochſenbeſchlag.
Die Kühe können, mäßig angeſtrengt,
mit Vortheil zum Zuge verwendet werden.
Am häufigſten läßt man bei dem Klein-
betriebe die Kühe Spanndienſte verrichten,
aber auch bei dem Großbetriebe können
ſie zum Grünfuttereinholen und als Re-
ſerve in der dringendſten Arbeitszeit Ver-
wendung finden. Erhalten ſie dann eine
Futterzulage, ſo leidet ihr Milchertrag
nicht im geringſten. Trächtige Thiere
dürfen ſelbſtverſtändlich nicht verwendet
werden. Stiere werden ſelten, am
[165]Die Rindviehzucht.
häufigſten noch in ſüdlicheren Ländern eingeſpannt, um ihnen Bewegung zu ver-
ſchaffen oder um ſie zu zähmen.
Die Anſpannung der Ochſen erfolgt entweder durch ein Kummet, Kopfjoch oder
Widerriſtjoch. Letztere beiden Geſchirrarten werden entweder als Doppeljoch gleich-
zeitig für zwei Thiere oder als Halbjoch für je ein Thier gebraucht. Das Kopfjoch
wird entweder als Nackenjoch hinter die Hörner gelegt und an der Hornwurzel be-
feſtigt oder als Stirnjoch verwendet. Die Anſpannung mit gepolſtertem Stirnjoche
entſpricht, abgeſehen von dem koſtſpieligen Kummet, am beſten dem Knochen- und
Muskelbaue des Ochſens. Ihm zunächſt ſteht die Anſpannung mit dem einzelnen
Widerriſtjoche.
Die Ochſen ſind zu ſchwe-
rem, langſamem Zuge ge-
eigneter als die Pferde. We-
gen des feineren Baues des
Klauenhornes haben die Zug-
ochſen, wenn ſie auf hartem
Boden gehen ſollen, ein Be-
ſchlagen viel nothwendiger
als ſelbſt die Pferde. Wer-
den ſie daher zu Marktfuh-
ren auf geſchotterten Chauſ-
ſeen verwendet, ſo trägt ein
Beſchlagen wenigſtens der
äußeren Klaue mit einem
halben Eiſen zu deren Er-
Hohenheimer Ochſen-
beſchlag für die linke Klaue; Bo-
denſeite.
Hohenheimer Och-
ſenbeſchlag für die rechte Klaue;
Klauenſeite.
haltung weſentlich bei. Die Klauen des Rindviehes ſind im Weſentlichen ähnlich wie der
Huf der Pferde gebaut. Es fehlt ihnen jedoch der Strahl; die Elaſticität wird durch die
Spaltung in zwei Zehen erreicht. Das Beſchläge der Ochſen beſteht gewöhnlich aus
einer der Form des Tragrandes der Klaue
genau angepaßten Eiſenplatte, Fig. 106, S. 164,
welche mit 5—6 feinen Nägeln auf jeder äuße-
ren Zehenſeite befeſtigt wird. Mehr Dauer-
haftigkeit und ſicherere Befeſtigung bieten jene
Beſchläge, welche, wie das Hohenheimer Be-
ſchläg, Fig. 107 und 108, mit einer ſchnabel-
artigen Verlängerung d verſehen ſind, welche
als Aufzug über die Zehe dient. Die Boden-
platte iſt bei dieſem Eiſen am hinteren Rande
rechtwinkelig umgebogen. Der dadurch ent-
ſtehende Stollen dient als Schärfung für
Glatteis im Winter. In Gebirgsgegenden
verwendet man zuweilen mit Vortheil ein
Ochſenbeſchlag für beide
Klauen.
[166]Beſondere Thierzuchtlehre.
für beide Klauen gemeinſchaftliches Eiſen, Fig. 109, S. 165. Das Auflegen eines
ſolchen Eiſens erfordert jedoch beſonderes Verſtändniß, wenn es nicht zu Uebelſtänden
Veranlaſſung geben ſoll.
Die Eiſen werden bei dem Beſchlagen der Ochſen ſtets kalt aufgepaßt, und
die Löcher bei der Dünnheit des Hornes vorſichtshalber vorgebohrt.
II.
Die Schafzucht.
Für extenſive Verhältniſſe, in welchen das Betriebscapital und die menſchliche
Arbeitskraft in ungenügendem Verhältniſſe zu dem Flächeninhalte der Wirthſchaften
ſtehen, weshalb ein großer Theil der Bodenfläche als Weide liegen bleiben muß, iſt das
Schaf 1) unentbehrlich. Aber auch unter intenſiven Verhältniſſen ermöglicht daſſelbe die
Ausnutzung ſpärlich bewachſener, trockener Höhenweiden, welche nicht in Ackerland um-
gewandelt werden können. Unter ſolchen Verhältniſſen wird das Schaf, wenn auch
nicht als Hauptnutzthier, ſo doch neben dem Rindviehe von nicht zu unterſchätzendem
Werthe ſein. Durch daſſelbe können manche Futterſtoffe, ſowie zufällig ſich ergebende
Weiden auf Brachſchlägen, Stoppelfeldern ꝛc. verwerthet werden. Ungeeignet iſt
das Schaf für den kleinen Landwirth mit zerſtreut liegendem Grundbeſitze. Das Schaf
und zwar das Wolleſchaf paßt demnach vorzugsweiſe für großen Grundbeſitz mit
ausgedehnten Weideflächen, für ſchwach bevölkerte Gegenden. Bei mangelnder Weide
und daher bei Stallfütterung tritt dagegen das Wolleſchaf zu Gunſten des Fleiſchſchafes
zurück. Ungünſtige Oertlichkeiten für die Schafzucht und Schafhaltung ſind Torf-
und Moorböden, Sumpfländereien, da die Schafe unter ſolchen Verhältniſſen zu ſehr
verſchiedenen Krankheiten unterworfen ſind. Das Schaf verträgt ungünſtige klimatiſche
Verhältniſſe und nicht zuſagende Nahrungsmittel ſchlechter als das Rind. Es liebt
vielmehr trockene, ſonnige Weiden, Höhen und Bergweiden, auf welchen ſich das
Rind nicht mehr ernähren kann. Trockener Aufenthalt und trockenes Futter ſind ihm
am meiſten zuſagend.
1. Die Entwickelung des Schafes.
Die Bezeichnungen für das Schaf wechſeln je nach deſſen Alter, Geſchlecht und
Nutzung. Nach der Geburt bis zum Alter von einem Jahre heißt das Schaf
[167]Die Schafzucht.
Lamm und zwar, je nach dem Geſchlechte, das männliche Vocklamm, das weib-
liche Mutter- oder Zibbenlamm. Die über ein Jahr alten Thiere heißen
bis nach Ablauf des zweiten Jahres Jährlinge, zweizahnig oder zweiſchauflig,
Zweiſchaufler. Im dritten Jahre erhalten die männlichen Thiere die Bezeichnung
Zeitböcke, in Norddeutſchland Zutreter, die weiblichen Zeitſchafe und die
caſtrirten Zeithammel. Nach der Beſchaffenheit der Schneidezähne bezeichnet
Fig. 110. Unterkiefer eines Schafes im Alter von 1—1½ Jahren.
Fig. 111. Unterkiefer eines 2—2½ Jahre alten Schafes.
Fig. 112. Unterkiefer eines 3—3½ Jahre alten Schafes.
Fig. 113. Unterkiefer eines 4—4½ Jahre alten Schafes.
man die Schafe in dieſem Lebensalter als vierſchauflig oder vierzahnig. Von da
an heißt das männliche Thier: Bock, Widder, Stöhr; das caſtrirte, männ-
liche Thier: Hammel, Schöps, Kappe; das weibliche Thier: Mutter-
ſchaf, Zuchtſchaf. Nach vollendetem dritten bis zum vierten Jahre führen die
Schafe die Bezeichnung ſechsſchauflig, ſechszahnig oder Sechsſchaufler. Im vierten
[168]Beſondere Thierzuchtlehre.
Jahre bezeichnet man die Schafe als vollzahnig, abgeſchoben, nach dieſer Zeit als
alte Böcke, alte Schafe, alte Mütter. Die abzuſchaffenden, alten Schafe
heißen Merz- oder Brackſchafe.
Der Ausbruch und der Wechſel der Zähne gibt ebenſo wie beim Rinde den
verläßlichſten Anhaltspunkt zur Erkennung des Alters. Dabei iſt jedoch zu beachten,
daß der Wechſel bei guter Ernährung früher, bei ſchlechter ſpäter erfolgt. Das
Schaf hat wie das Rind im Unterkiefer 8 Schneidezähne und jederſeits 6 Backen-
zähne, im Oberkiefer vorne eine Zahnplatte und jederſeits 6 Backenzähne, ſomit in
Summa 32 Zähne. Die nachfolgende Tabelle gibt den Zuſtand des Gebiſſes
(vgl. S. 85) in den verſchiedenſten Altersperioden an:
Die Entwickelung der Schafe, insbeſondere der frühreifen Racen, erfolgt ſehr
raſch. Frühreife Schafe ſind oft ſchon vor dem erſten Jahre geſchlechtsreif. Vor
dem vollendeten zweiten Jahre, höchſtens mit 1½ Jahren, ſoll jedoch das Schaf
nicht zur Zucht verwendet werden. Das männliche Schaf iſt ſehr zeugungsfähig, es
kann in einem Zeitraume von 6 — 8 Wochen 50 — 80 Schafe fruchtbar belegen.
Das Mutterſchaf wird im Naturzuſtande meiſt im Spätherbſte brünſtig, bockig oder
rütig. Die Brünſtigkeit währt 24 — 36 Stunden, und wiederholt ſich, wenn das
Schaf übergangen wurde, nach 2 — 3 Wochen. Bei guter Pflege und Ernährung
bleibt das Mutterſchaf bis zum 10. Lebensjahre fruchtbar. Gewöhnlich wird es
jedoch wegen des zurückgehenden Wollertrages ſchon früher abgeſchafft. Die Trächtig-
keitsdauer währt 145—158, im Mittel 147 Tage oder 21 Wochen. Das Merino-
ſchaf gebärt nur ein Junges, ſelten Zwillinge, das Bergamaskerſchaf in der Regel
Zwillinge und das Ongtiſchaf Drillinge, Vierlinge oder Fünflinge. Das Lamm
wiegt bei der Geburt je nach Race und Stamm 2.5 — 4 Kilogr. Das Ge-
wicht der Lämmer beträgt 5 — 9 % oder 1/20 — 1/10 des lebenden Gewichtes
[169]Die Schafzucht.
der Mutterſchafe. Die Körperzunahme iſt weiterhin bis zum 2. Jahre eine be-
trächtliche. Bei der Geburt 3.3 Kilogr. ſchwere Southdown-Halbblut-Mutterſchafe
zeigten nach 5.5 Monaten 18.4 Kilogr. oder per Tag 0.17 Kilogr., nach 1 Jahr
6.8 reſp. 0.045, nach 1¼ Jahr 6.9 reſp. 0.056 Kilogr. Zunahme des Körper-
gewichtes. Ausgewachſen iſt das Schaf nach vollendetem Zahnwechſel im 4. Jahre,
engliſche, frühreife Schafracen ſchon mit 2—2½ Jahren. Die Lebensdauer beträgt
bei Merino unter ungünſtigen Verhältniſſen 8 — 10, unter günſtigen 10 — 15 Jahre.
Es tritt jedoch ſchon viel früher ein Rückgang in der Nutzung ein.
Das Körpergewicht der ausgewachſenen Schafe ändert ſich je nach Race,
Ernährung und Geſchlecht. Böcke ſind im Allgemeinen ⅓ — ½ mal, Hammel
1/5 — ¼ mal ſchwerer als Mutterſchafe. Bei kleinen Racen, z. B. bei den Haid-
ſchnucken, erreichen die Mutterſchafe ein Gewicht von 14—28 Kilogr., bei mittel-
ſchweren Racen (Merino) 25—56 Kilogr., bei ſchweren Racen (Fleiſch- und Land-
ſchafen) 60—70 Kilogr.
Trockenes Futter iſt dem Schafe am zuſagendſten. Kurze, feinhalmige, ſchmal-
blätterige Gräſer wie Poa, Festuca, Aira ꝛc. kann das Schaf bei dem eigenthüm-
lichen Baue ſeines Mundes und Gebiſſes bis auf die Wurzel abſtoßen. Körner
werden von dem Schafe beſſer ausgenutzt als vom Rinde. Bei normalem Futter
erhält ſich das Schaf bei guter Geſundheit. Als Kennzeichen derſelben gelten: nor-
male Stellung mit hoher Haltung des Kopfes, lebhafter Blick, geröthete weiße
Hornhaut des Auges, bewegliche Ohren, feſtſitzende Wolle, geröthete Schleimhäute
der Naſe und des Maules und mäßig feuchte, gleichmäßig roth gefärbte, äußere Haut.
Kranke Schafe beſitzen nachläſſigen Gang, bleiben von der Heerde zurück; ihr Blick
iſt matt, die Wolle fällt aus; die äußere Haut iſt blaß; die Schleimhäute des
Auges und der Naſe ſind gleichfalls blaß und entweder trocken oder übermäßig
feucht; die Hornhaut des Auges iſt gelb gefärbt.
2. Die Wollthiere und Schafracen.
Außer den wilden Schafracen unterſcheidet Fitzinger 1) von dem zahmen oder
Hausſchafe folgende ſechs außereuropäiſche und vier europäiſche Stammarten, von
welchen für uns die vier Letzteren von Wichtigkeit ſind.
1. Außereuropäiſche Schafe.
1. Das Fettſteißſchaf(Ovis steatopyga), Fig. 114, S. 170. Daſſelbe iſt
im ganzen mittleren Aſien bis China verbreitet und zeichnet ſich durch eine eigen-
thümliche, oft 15—20 Kilogr. ſchwere Fettablagerung um den ſehr kurzen Schwanz
(3 — 4 Wirbel) aus. Die Wolle iſt grob, filzig, meiſt weiß, auch ſchwarz und
braun. Zu dem Fettſteißſchafe gehört auch das durch ſeine Fruchtbarkeit ausgezeichnete
[170]Beſondere Thierzuchtlehre.
ungehörnte chineſiſche Schaf oder Ongtiſchaf, Fig. 115, S. 171. Das Mutterſchaf
bringt faſt regelmäßig 2 — 5 Junge. Das Fell der Lämmer wird zu einem ſehr
werthvollen Pelzwerke verarbeitet.
Tartariſches Fettſteißſchaf.
2. Das Stummel-
ſchwanzſchaf(Ovis
pachycerca). Verbrei-
tung: im ſüdlichen Aſien
und nördlichen Afrika.
Der Körper iſt nicht mit
eigentlichen Wollhaaren,
ſondern mit markhalti-
gen Haaren bedeckt. Der
Kopf und der obere Theil
des Halſes ſind ſchwarz,
der übrige Körper weiß
gefärbt. Der behaarte
Schwanz, um welchen
gleichfalls eine große
Fettmaſſe abgelagert iſt,
beſitzt 13 Wirbel. Die
Nutzung dieſes Haar-
ſchafes beſteht in Fleiſch,
Fett und Milch.
3. Das Fett-
ſchwanzſchaf oder
breitſchwänzige Schaf
(Ovis platyura). Ver-
breitung: Nord- und
Südafrika, Kleinaſien,
Perſien, Türkei, Süditalien, Südfrankreich. Daſſelbe iſt durch die Ablagerung
großer Fettmaſſen in faſt allen Fleiſchtheilen des langen, mit Wolle bewachſenen
Schwanzes charakteriſirt. Die lange, ziemlich grobe Wolle beſitzt ein kürzeres, feines
Unterhaar, ſog. Flaumhaar. Namentlich werden die bewollten Felle der Lämmer des
zu dieſer Stammart zählenden buchariſchen Schafes als „Aſtrachan“ hochgeſchätzt.
Die Felle ausgewachſener Thiere kommen als „Krimmer“ in den Handel.
4. Das langſchwänzige Schaf(O. dolichura). Daſſelbe zeichnet ſich
durch ſeinen mit Wolle beſetzten, über 13 Wirbel langen Schwanz aus. Sein
Verbreitungsbezirk erſtreckt ſich über Arabien, Syrien, die Kaukaſusländer ꝛc.
5. Das hochbeinige Schaf(O. longipes) und 6. das Mähnenſchaf
(O. africana). Beide ſind vorzugsweiſe in Afrika verbreitet.
[171]Die Schafzucht.
2. Europäiſche Schafe.
Zu den europäiſchen Schafen zählen: 1. das kurzſchwänzige Schaf (O. brachyura),
2. das Zackelſchaf (O. strepsiceros), 3. das Hängohrſchaf (O. catotis) und 4. das
Landſchaf (O. aries).
(Ovis brachyura.)
Das kurzſchwänzige Schaf beſitzt einen kurzen Schwanz, eine geringe Körper-
größe, ausgewachſen wiegt es kaum 15. Kilogr. Die Wolle iſt lang und grob,
zottig, am Rücken des Thieres geſcheitelt. Unter dem oft 0.2 Meter langen Ober-
haare befindet ſich ein ſehr feines Flaumhaar. Von dieſem Schafe werden unter-
ſchieden: die gehörnten Höhen- und Haideſchafe und die ungehörnten Marſchſchafe.
Chineſiſches Schaf.
[172]Beſondere Thierzuchtlehre.
Abgeſehen von dem nordiſchen Schafe, welches in Skandinavien, Island, Fa-
röer ꝛc. verbreitet iſt, verdient von Erſterem die Haidſchnucke beſonders hervor-
gehoben zu werden. Dieſelbe iſt in der Lüneburger und Bremer Haide und im
Süden Oldenburgs und Oſtfrieslands zu finden. Die Haidſchnucken zählen zu den
kleinſten und genügſamſten aller Schafracen. Ausgewachſene Mutterſchafe erreichen
ein Gewicht von 14—28 Kilogr. Die zottige, ſchwarze, braune oder graue Wolle
erreicht einen Jahreswuchs von 0.25 Meter Länge. Das kürzere Unterhaar iſt
ſtets lichter als das Oberhaar gefärbt. Das Schurgewicht erreicht 1.2 Kilogr.
Zur Ausnutzung jener nur mit Haidekraut bewachſenen Moor- und Sandflächen ſind
die Haidſchnucken trotz ihres ſonſtigen geringen Werthes unerſetzbar.
Von dem gehörnten, kurzſchwänzigen Höhen- oder Haideſchaf unterſcheidet ſich
das ungehörnte, kurzſchwänzige Marſchſchaf, welches in den Küſtenländern der
Nord- und Oſtſee verbreitet iſt. Je nach dem Vorkommen unterſcheidet man das
norddeutſche und holländiſche Marſchſchaf, welche wieder zahlreiche Schläge (frieſiſches
eiderſtedter, dittmarſer Schaf; texel-flandriſches, Vaggas-Schaf ꝛc.) bilden. Es
ſind meiſt ſehr große Schafe, welche 2.5—3 Kilogr. einer groben, bis 20 Cm.
langen Miſchwolle liefern. Ihre Maſtfähigkeit iſt groß, außerdem werden ſie oft
gemolken und die Milch auf Käſe und Butter verarbeitet.
(Ovis strepsiceros.)
Die im Südoſten Europa’s verbreiteten Zackelſchafe tragen Miſchwolle, d. h. das
Vließ derſelben beſteht theils aus markhaltigen, im Jahreswuchſe 0.24 Meter langen
Grannenhaaren, theils aus markfreien, 0.12 Meter langen, eigentlichen Wollhaaren,
welche in der Haut büſchelweiſe angeordnet auftreten. Das männliche Thier über-
wiegt das weibliche bedeutend in der Größe. Letzteres erreicht 40 — 60 Kilogr.
Lebendgewicht. Beide Geſchlechter ſind gehörnt. Die gewöhnlich mächtigen Hörner
ſtehen entweder in geraden Linien von dem Kopfe ab oder ſind ſchraubenartig ge-
wunden. Die Zackelſchafe vertragen wie die Haidſchnucken rauhe Haltung. Neben der
Wollnutzung, welche per Stück 1.8—3 Kilogr. beträgt, liefern ſie Milch und gutes Fleiſch.
Je nach der Stellung der Hörner unterſcheidet man das ungariſche Zackelſchaf
mit nach aufwärts gerichteten, in engen ſpiralförmigen Windungen verlaufenden
Hörnern und das wallachiſche Zackelſchaf mit ſeitwärts ſtehenden, in weiten Spiralen
gewundenen Hörnern. Von den ſiebenbürgiſchen Zackelſchafen werden wieder verſchiedene
Stämme, das Zigaja-, Stogoſa- und Burſana-Schaf unterſchieden. Erſteres hat den
reichlichſten Flaum, nach Dr. G. Wilhelm 1) 57.72 %, derſelbe iſt bei dem Stogoſa-
Schafe in geringerer Menge (50.94 %) vorhanden, aber von größerer Feinheit, 13.1
gegen 14.07 Dollond. Das Burſana-Schaf hat die gröbſte Wolle und die kleinſte
[173]Die Schafzucht.
Flaummenge. Die ſüdruſſiſchen Zackelſchafe beſitzen gleichfalls grobe, lange Wolle
(Donskoi-Wolle), die denſelben Charakter wie die ungariſchen Zackelwolle beſitzt.
(Ovis catotis.)
Das Hängohrſchaf zeichnet ſich vor anderen Schafracen durch die langen,
herabhängenden Ohren aus. Es iſt vorzugsweiſe in Oberitalien, Kärnten und
Steiermark verbreitet. Zu erwähnen iſt das in der Lombardei heimiſche Berga-
Bergamasker Mutterſchaf. — Rumpflänge 78.5 Cm., Schulterhöhe 70.6 Cm.
masker Schaf, Fig. 116. Die großen, 60—70 Kilogr. ſchweren Thiere (0.70—
0.82 Meter Schulterhöhe) ſtehen auf ſehr hohen Beinen, der Ramskopf iſt ungehörnt,
der Hals lang. Geſicht und Beine bis über das Knie ſind mit kurzen Haaren be-
ſetzt. Die lange grobe Wolle beſteht aus 22 Cm. langen, weißen Grannenhaaren,
dem grobe, 12 Cm. lange, eigentliche Wollhaare beigemiſcht ſind. Das Schurgewicht
beträgt 2.5—4 Kilogr. Die Mutterſchafe gebären oft Zwillinge. Ihre Milch wird
auf Käſe verarbeitet. Aehnlich dem Bergamasker Schafe iſt das etwas kleinere,
Paduaner Schaf, welches im öſtlichen Theile Oberitaliens vorkommt, und das in
Kärnten verbreitete Seeländer oder Bleiburger Schaf.
(Ovis aries.)
Die im mittleren und weſtlichen Europa vorkommenden Landſchafe laſſen ſich
je nach der Beſchaffenheit des Vließes eintheilen a. in Landſchafe mit Miſchwolle,
welche aus markhaltigen Grannenhaaren und markfreien, eigentlichen Wollhaaren ge-
[174]Beſondere Thierzuchtlehre.
bildet wird, und b. in Landſchafe mit markfreien, in der Haut büſchelförmig ver-
theilten Wollhaaren.
Die Landſchafe mit Miſchwolle unterſcheiden ſich je nach der Länge der Wolle
in lang- (16—32 Cm.) und kurzwollige (8—16 Cm.).
Zu erſteren gehören die ſchweizer Bergſchafe, namentlich das Wallis-,
Frutigen-, ſchwarze Schweizerſchaf. Das hornloſe Frutigenſchaf zeichnet ſich durch
Maſtfähigkeit aus. Gemäſtete Hammel erreichen 25—35 Kilogr. Fleiſchergewicht.
Zweimalige Schur gibt zuſammen 2.5—3 Kilogr. Schurgewicht. Verwandt mit dem
ſchweizer Bergſchafe iſt das italieniſche und franzöſiſche Bergſchaf.
Von den kurzwolligen Landſchafen ſind hervorzuheben: das deutſche
Landſchaf, auch Zaupelſchaf genannt, Fig. 117. Daſſelbe findet ſich vor-
Bairiſches Zaupelſchaf.
nehmlich in den Moorgegenden Baierns und Oberſchwabens, ſowie in den weſtlichen
Theilen von Böhmen und Mähren. Es wird jedoch bereits vielfach von dem Me-
rino verdrängt, am häufigſten kommt es noch in den verſchiedenartigſten Kreuzungen
vor. Im geſchorenen Zuſtande erreicht das meiſt ungehörnte Mutterſchaf eine
Schulterhöhe von 0.56 Meter, der gehörnte Bock 0.6 Meter. Kopf und Füße ſind
meiſt unbewollt. Der übrige Körper trägt bis zu 2 Kilogr. ſchmutzigweiße, auch
braune oder ſchwarze Wolle. Verwandt mit dieſem genügſamen Schafe iſt das
pommerſche, hannöverſche und franzöſiſche Landſchaf.
[175]Die Schafzucht.
Zu den Landſchafen mit eigentlicher Wolle zählen ſolche mit ſchlichter und mit
gekräuſelter Wolle. Zu erſteren gehört das deutſche ſchlichtwollige Schaf,
deſſen Schläge unter den Namen Rhönſchaf, rheiniſches, heſſiſches Schaf im weſt-
lichen Mitteldeutſchland verbreitet ſind. Die ungehörnten Thiere ſind von mittlerer
Größe (69 Cm. Schulterhöhe) und erreichen 40—50 Kilogr. Lebendgewicht. Ihre
Wolle iſt markfrei, ſchlicht oder gewellt, niemals gekräuſelt, ungefähr 16 Cm. lang
und kann ſowohl als grobe Tuch- oder Kammgarnwolle verwendet werden. Das
Schurgewicht beträgt im gewaſchenen Zuſtande 1—2.75 Kilogr.
Das hervorragendſte Schaf mit gekräuſelter Wolle iſt das edle, kurzwollige,
ſpaniſche Landſchaf, das Merino, welches ſich ſeither von Spanien aus über die
ganze Welt verbreitete.
Der erſte Transport von Merinoſchafen gelangte 1723 nach Schweden; demſelben
folgten Transporte edler Zuchtſchafe nach Sachſen im Jahre 1765, nach Oeſterreich im
Jahre 1769 (Merkopail) und 1775 (Holics) und nach Frankreich 1752 und 1776 (Rambouillet).
Das Merino iſt von mittlerer Größe, gedrungenem Körperbaue. Die Böcke
haben meiſt große, ſpiralig gewundene, an den Kopf anliegende Hörner, während
die Mutterſchafe gehörnt und ungehörnt vorkommen.
Die Wolle beſitzt, je nach der Zuchtrichtung, verſchiedenen Charakter. In dieſer
Hinſicht werden von der Merino-Schafrace folgende Schläge unterſchieden: 1. Elec-
toral-, 2. Negretti-, 3. Rambouillet- und 4. Kammwoll-Merino.
Bei dem Electoralſchafe oder der ſächſiſchen Zuchtrichtung wurde vorzugs-
weiſe auf große Feinheit des Wollhaares hingearbeitet. Die Electoralſchafe zählen zu
den kleinſten Merino. Die Mutterſchafe wiegen 25—30 Kilogr. Sie zeichnen ſich
durch zierlichen, feinknochigen Körperbau aus. Der Hals derſelben iſt lang, die
Bruſt ſchmal, die Seiten flach. Das Schurgewicht erreicht bei der verhältnißmäßig
geringen, aber hochfeinen Bewollung 0.7—1.2 Kilogr. Der nicht allzu reichliche
Fettſchweiß iſt von leichtflüſſiger Beſchaffenheit.
Bei dem Negretti- oder Infantadoſchafe, Fig. 118, S. 176, oder
der öſterreichiſchen Zuchtrichtung war das Beſtreben auf die Heranbildung möglichſt
vieler, wenn auch nicht ſo hochfeiner Wolle und kräftiger Körper gerichtet. Das
Negrettimutterſchaf erreicht 30—40 Kilogr. Körpergewicht. Der Kopf iſt bei dieſem
Schafe breit und kurz, bei den Böcken mit mächtigem Gehörne ausgeſtattet. Der
gedrungene Hals, ſowie das Hintertheil beſitzen zahlreiche Hautfalten. Kopf und
Beine zeigen ſtets gute Bewachſenheit. Das Schurgewicht beträgt bei den Mutter-
ſchafen 1—2.5 Kilogr. per Stück. Die feine Wolle beſitzt reichlichen, zuweilen ſchwer-
flüſſigen Fettſchweiß. Beide Zuchtrichtungen, die Electoral- und Negrettirichtung findet
man gegenwärtig nur ſelten in der urſprünglichen Ausſchließlichkeit, da die einſeitige
Verfolgung derſelben entweder zur Ueberbildung der Wolle und Entſtehen ſchwächlicher
Thiere oder zur Vergröberung der Wolle und zur Schwerlöslichkeit des Fettſchweißes
führte. Die meiſten gegenwärtigen Merino-Heerden beſtehen aus verſchiedenartigen
[176]Beſondere Thierzuchtlehre.
Kreuzungen des Electoral- mit dem Negrettiſchafe oder mit Schafen anderer Zucht-
richtungen.
Die Rambouilletſchafzucht oder die franzöſiſche Zuchtrichtung verfolgt
das Streben, möglichſt viele und ziemlich lange, minder feine Wolle zu gewinnen.
Negrettibock.
Rambouilletſchaf. — Rumpflänge 74.5 Cm., Schulterhöhe 65.4 Cm.
Die Thiere dieſer Zuchtrichtung zeichnen ſich durch beſondere Körpergröße aus. Die
Mutterſchafe, Fig. 119, erreichen ein Lebendgewicht von 40—56 Kilogr. Der
Charakter der Wolle iſt jener einer Kammwolle, mit mehr als 6 Cm. hohem Jahres-
wuchſe. Die Mutterſchafe ſcheeren über 2 Kilogr.
[177]Die Schafzucht.
Die Kammwollmerino werden am vorzüglichſten repräſentirt durch das in
Gevrolles und von Graux in La Pommeraye herangezüchtete Mauchamp-Schaf,
welches einem glücklichen Zufalle ſeine Entſtehung verdankt. Dieſelben zeichnen ſich
durch eine lange (10 Cm.), ſeidenglänzende Kammwolle aus. Die großen Thiere
ſind gut gebaut, hornlos und maſtfähig.
Die engliſchen Schafe werden in zwei Hauptgruppen: Langwollige und Kurz-
wollige geſchieden. In England erſetzt man nach Hamm 1) gemeinlich dieſe Bezeich-
nungen durch den Namen ihrer Repräſentanten: Leiceſters (Niederungs- auch
Marſchſchafe) und Downs (Höhenſchafe).
An der Spitze der Langwolligen ſteht die Leiceſter- oder Diſhley-
Schafrace. Dieſelbe iſt eine Culturrace, welche durch Veredelung eines dem frie-
ſiſchen ähnlichen, nicht mehr vorhandenen Marſchſchafes durch Robert Bakewell (1760)
herangezüchtet wurde. Dieſe Schafrace zeichnet ſich durch ihre unübertroffene Früh-
reife und außerordentliche Fleiſch- und Fettentwickelung aus. Die Thiere ſind hoch-
beinig (Schulterhöhe 76 Cm., Rumpflänge von der Spitze des Bruſtbeines bis zur
Spitze des Sitzbeines 94 Cm.), der Kopf bei beiden Geſchlechtern ungehörnt, nackt
mit geradem Geſichte und wagerecht abſtehenden Ohren. Die Beine ſind unbewollt,
weiß behaart. Die Mutterſchafe wiegen 60—70 Kilogr. Lebend-, bis 50 Kilogr.
Fleiſchergewicht. Das Schurgewicht beträgt 6 und mehr Kilogr. Die ſchlichte, über
20 Cm. lange Wolle bildet eine kräftige, weiße, wenig fettſchweißige Kammwolle.
Ihr Nachtheil iſt die große Empfindlichkeit und die geringe Fruchtbarkeit. Außerdem
zählen ſie zu den im Futter wähleriſchſten Schafracen.
Noch größer und maſtfähiger ſind die Cotswolds, welche gegenüber den
Leiceſters einen ausgeſprochenen Ramskopf beſitzen. Ihre etwas kürzere Wolle iſt
weniger geſchätzt. Sie ſind, gleichwie die Lincoln-Race, verwandt mit den Leiceſters.
Die Lincolnrace, Fig. 120, S. 178, iſt leicht kennbar an dem charakteriſtiſch
hervortretenden Stirnbeine und dem völlig bis hinter den Ohren nackten Ramskopfe.
Dieſe Race trägt 3.5—6 Kilogr. einer weichen, ſeidenglänzenden, ſchön weißen,
über 20 Cm. langen Kammwolle. In der Frühreife und Maſtungsfähigkeit ſtehen
ſie den Leiceſters und Cotswolds nach. Zu den langwolligen Schafen zählen weiters
noch das Romney-Marſh, auch Kentſchaf genannt, das Teeswaterſchaf, das Schaf
von Devonſhire ꝛc.
Zu den kurzwolligen, engliſchen Schafracen, den Down-Schafen, welche
aus dem kurzwolligen Landſchafe der ſüdlichen und weſtlichen Meeresdünen — Downs
— hervorgegangen ſind, zählen die Oxfordſhire-Downs, Southdowns ꝛc.
Die Oxfordſhire-Downs, Fig. 121, S. 178, beſitzen nackte, ſchwarze
Köpfe, Ohren und Beine. Die lichtbraune, grobe Wolle iſt dicht, wenig gekräuſelt.
Die Schafe ſcheeren gewaſchen 3—4 Kilogr. Der Rumpf iſt im ſeltenen Grade
Krafft, Lehrb. d. Landw. III. 12
[178]Beſondere Thierzuchtlehre.
parallelopediſch, namentlich der Rücken breit und flach. Die Maſtfähigkeit iſt aus-
gezeichnet. Nach der zweiten Schur gemäſtete Hammel geben durchſchnittlich 40 Kilogr.
Schlachtgewicht. Gegen die Witterung ſind ſie beſonders widerſtandsfähig.
Die Southdowns zählen zu den berühmteſten Fleiſchſchafracen Englands.
Lincolnſchaf. — Rumpflänge 81 Cm., Schulterhöhe 74.5 Cm.
Oxfor[d]ſhireſchaf. — Rumpflänge 83.6 Cm., Schulterhöhe 72 Cm.
[179]Die Schafzucht.
Die Heimat deſſelben iſt die Grafſchaft Suſſex im ſüdlichen England. Um
die Heranbildung dieſer Culturrace hat John Ellman in Suſſex (1780) ein her-
vorragendes Verdienſt. Das Southdownſchaf, Fig. 122 und Fig. 123, iſt lang, breit
gebaut, ſein Rumpf zeigt die für ein Fleiſch ſchaferwünſchteſte parallelopipediſche Form.
Die Bruſt und der Rücken ſind ausnehmend breit mit Fett und Fleiſchmaſſen beladen,
Southdownſchaf. — Rumpflänge 87.2 Cm., Schulterhöhe 70.6 Cm.
Southdownſchaf, von vorne geſehen.
12*
[180]Beſondere Thierzuchtlehre.
welche auf den verhältnißmäßig kleinen Bruſtkaſten gelagert ſind. Der dunkle,
ſchwarzbraune, ungehörnte Kopf iſt bis zu den Augen bewachſen. Als charakteriſtiſches
Kennzeichen gilt eine Vertiefung im Stirnbeine über den Augen. Die Beine ſind
fein, niedrig, ſchwärzlich. Hinſichtlich der Frühreife ſtehen die Southdown unter den
engliſchen Schafen oben an. Die kurze, 8—10 Cm. lange Wolle iſt mittelfein
(Secunda, Tertia), ziemlich gekräuſelt und als Kammwolle ſehr verwendbar. Das
Schurgewicht des Mutterſchafes beträgt 1.6—2 Kilogr. gewaſchener Wolle.
Aehnlich den Southdown und von denſelben abſtammend ſind die Shrop-
ſhires. Sie unterſcheiden ſich von Erſteren durch den ſchweren, tiefſchwarz ge-
färbten Kopf mit auffallend ſpitz zulaufender und mit Querfalten verſehener Naſe.
Die Wolle iſt ſchlichter, minder geſtapelt als bei den Southdowns. Nach der
Angabe Hamm’s mäſten ſie ſich von allen engliſchen Schafen am leichteſten, ver-
werthen am beſten das Futter, ſind faſt ebenſo frühreif als die Southdowns und
bei weitem abgehärteter. Dagegen iſt das Schlachtgewicht geringer. Hamm hält
dieſelben zu Kreuzungen behufs Ueberganges von der Wollzucht zur Fleiſchzucht für
geeigneter als die Southdowns.
Zu den kurzwolligen Schafen zählen ſchließlich die genügſamen ſchottiſchen
Cheviotſchafe, die Hampſhire und die ſchwarzgeſichtigen Suffolks (Black faced
Suffolk).
3. Die Wollekunde.
Bei der Wollekunde ſind zu beachten: 1. der Bau, die Entwickelung und die
Eigenſchaften des Wollhaares und 2. der Stapel, das Vließ und die Beurtheilung
der Wolle.
1. Der Bau, die Entwickelung und die Eigenſchaften des Wollhaares.
Die Wolle oder deren einzelner Beſtandtheil, das Wollhaar, iſt wie das Haar
ein Gebilde der äußeren Hautdecke. An dem Haare unterſcheidet man den über die
Haut hervorſtehenden Haarſchaft und die in einer Einſtülpung der äußeren Decke
befindliche Haarwurzel, Fig. 124, S. 181. Die Haarwurzel, welche ihren Aus-
gang von der gefäßreichen Haarpapille f nimmt, ſteckt in dem Haarbalge. Der
Haarbalg wird von der Einſtülpung der Oberhaut (Epidermis) und zwar ſowohl
der Hornſchichte als der Malpighi’ſchen Schleimſchichte (Wurzelſcheide c d) und
der dieſelben von unten herauf überziehenden Lederhaut (Faſerhaut des Haar-
balges) gebildet. Die einzelnen Zellſchichten der unmittelbar an die Haarzwiebel
ſich anſchließenden Wurzelſcheide werden wieder unterſchieden in das Oberhäutchen und
die innere (c) und äußere (d) Wurzelſcheide, jene der Faſerhaut in die Glashaut e,
die innere Faſerhaut, auch Ringfaſerhaut genannt, mit der Haarpapille f und die
äußere Faſerhaut. In die innere Wurzelſcheide münden in der Regel zu jeder Seite
[181]Die Schafzucht.
des Haares die beiden Ausführungsgänge der Talg-
drüſen, deren Excret bei den Schafen mit dem
Excrete der Schweißdrüſen den Fettſchweiß bildet.
Das Haar beſteht aus Hornſubſtanz und
wird von zwei oder drei Zellſchichten gebildet. Die
äußerſte Schichte platter Zellen, das Oberhäutchen,
bedeckt das Haar dachförmig, Fig. 125, oder bei
dem Merinohaare, Fig. 126, bei welchem nur ein
Schüppchen um die Peripherie des Haares reicht,
trichterförmig; die Ränder des Haares erſcheinen
daher unter dem Mikroſkope ſägeförmig ausge-
zackt. Das Oberhäutchen umſchließt die eigent-
liche Rindenſubſtanz, welche an der Haarpapille
aus rundlichen, im Schafte aus ſchmalen, ſpindel-
förmigen, mit länglichen Kernen verſehenen Epi-
Schematiſche Darſtellung
einer Haarwurzel mit einem noch nicht
aus der Oberfläche der Haut hervor-
getretenen Haare. — Oberhaut: a Horn-
ſchicht, b Schleimſchicht, c innere, d äußere
Wurzelſcheide; Lederhaut: e Glashaut,
f Papille; Haar: g erſte Differencirung
des Haares von ſeiner inneren Scheide h;
i Fettbläschen.
thelzellen beſteht, die beim Kochen mit Schwefelſäure zerfallen. Bei gefärbten
Haaren ſind in der Rindenſubſtanz Pigmentkörnchen abgelagert. Bei manchen
Haaren finden ſich in der Längenachſe rhombiſche
oder cubiſche Zellen, welche entweder einen zu-
ſammenhängenden oder vielfach unterbrochenen
Markſtrang bilden. Dem feinen Merinowollhaare
fehlt dieſer Markſtrang.
Markhaltige Haare kommen als ſtraffe,
kurze Stichelhaare oder als mehr oder weniger
gewellte, ſog. Grannenhaare (Oberhaare) vor,
welche im einjährigen Wuchſe bei den langwolligen,
engliſchen Racen eine Länge von 30 Cm. erreichen.
Markfrei ſind die feineren Wollhaare, das unter
dem Grannenhaare befindliche Unter- oder Flaum-
haar, welches bei dem Southdownſchafe im Jah-
reswuchſe 12 Cm. Länge erreicht, und die mark-
freien Grannenhaare, welche das Vließ des Lei-
ceſter Schafes bilden. Der Querſchnitt des Woll-
haares, Fig. 127—130, S. 182, iſt rundlich,
ſelten kommen abgerundet viereckige oder ovale
Formen vor. Das Grannenhaar ſteht gleich-
mäßig vertheilt, das Woll- und Flaumhaar in
Gruppen oder Bündeln angeordnet auf der Haut.
Fig. 125 a. Längenanſicht eines Lincolnhaares mit durch-
brochenem Markkanale; b. Querſchnitt deſſelben mit Mark-
kanal.
Fig. 126 a. Längenanſicht eines Super Electa feinen Me-
rinohaares; b. Querſchnitt deſſelben ohne Markkanal.
a.
a.
b.
b.
[182]Beſondere Thierzuchtlehre.
Im letzteren Falle werden die einzelnen Bündel, Stränchen wieder durch keiner
Gruppe angehörende Haare, den Bindern, zuſammengehalten. Stränchen und Bin-
der bilden den Stapel, welche in ihrer Geſammtheit das Vließ des Schafes zu-
ſammenſetzen.
Querſchnitt durch das markhal-
tige Haar eines Leiceſter Jährlingbockes 469/1.
Haarquerſchnitte der South-
downswolle 469/1.
Bei dem einzelnen Wollhaare hat man zu unterſcheiden: 1. die Kräuſelung,
2. die Feinheit, 3. die Treue, 4. die Höhe und Länge, 5. die Tragkraft und
Dehnbarkeit, 6. die Elaſticität (Geſchmeidigkeit und Sanftheit), 7. die Farbe, 8. den
Glanz und 9. den Fettſchweiß.
Fig. 129. Haarquerſchnitte der edlen Merino-Kammwolle 469/1.
Fig. 130. Querſchnitte der markfreien Wollhaare eines edlen ſächſiſchen Merinoſchafes 469/1.
1. Die Kräuſelung. Das markfreie Wollhaar iſt dadurch ausgezeichnet,
daß es ſich wellenförmig hin und her biegt, gekräuſelt iſt. Dieſe Kräuſelung,
Fig. 131, S. 183, tritt am auffälligſten im Stränchen hervor; wird daſſelbe ent-
fettet, ſo zeigen die einzelnen Haare eine ſehr verſchiedenartige und ungleiche Wellung.
Je nach der Form der Kräuſelung unterſcheidet man die Wolle als normalbogig,
Fig. 132, S. 183, wenn die Höhe gleich der Spannung des Bogens, hochbogig,
Fig. 133, S. 183, wenn die Höhe die Spannung bedeutend überwiegt, überbogig
oder gemaſcht, Fig. 134, S. 183, wenn ſich die Bogen der Kreisform nähern;
flachbogig, Fig. 135, S. 183, wenn die Spannung größer als die Höhe iſt, ge-
dehntbogig, Fig. 136, S. 183, und ſchlicht, Fig. 137, S. 183, wenn die Kräu-
ſelung kaum mehr wahrgenommen werden kann.
[183]Die Schafzucht.
2. Die Feinheit. Unter Feinheit des
Wollhaares verſteht man den Inhalt ſeiner mitt-
leren Querſchnittsfläche. Dieſelbe wird entweder
durch oculare Schätzung oder durch Wollmeſſer
(Eirometer) beſtimmt. Letztere gehen meiſt
von der unrichtigen Anſicht aus, daß der
Querſchnitt des Wollhaares kreisrund ſei.
Fig. 131. A. Unentfettetes Haarſtränchen, nat. Gr.
B. Entfettetes Haarſtränchen 25/1.
Fig. 132. Normalbogiges Wollhaar.
Fig. 133. Hochbogiges Wollhaar.
Fig. 134. Ueberbogiges oder gemaſchtes Wollhaar.
Fig. 135. Flachbogiges Wollhaar.
Fig. 136. Gedehntbogiges Wollhaar.
Fig. 137. Schlichtes Wollhaar.
Die bekanuteſten Wollmeſſer ſind folgende:
1. Solche, welche ein vergrößertes Wollhaar meſſen.
a. Wollmeſſer von Dollond, bei welchem die Dicke des Haares durch die Ver-
ſchiebung einer im Brennpunkte halbirten Linſe nach Graden = 1/10000 engl.
Zoll = 2.53968 Millimillimeter (= Mikra = μ).
b. Wollmeſſer von Pilgramm, welcher das Haar mit einem in der Linſe des
Mikroſkopes eingeſchnittenen Ocular-Mikrometer in 1/1000 pariſer Linien =
2.25583 μ mißt.
2. Solche, welche ein Wollhaar ohne Vergrößerung meſſen.
a. Wollmeſſer von Grawert. Das Wollhaar wird zwiſchen zwei ſich nähernde
Schneiden gebracht, deren Abſtand durch einen Zeiger in Graden = 1/5900
Pariſer Linien = 0.45116 μ angegeben wird.
3. Solche, welche mehrere vergrößerte Haare gleichzeitig meſſen.
a. Wollmeſſer von Voigtländer. Derſelbe mißt einen Streifen von 10 neben
einander liegenden Wollhaaren. 1 Grad Voigtländer = 1/8100 Wiener Zoll =
0.32530 μ.
4. Solche, welche mehrere Haare ohne Vergrößerung gleichzeitig meſſen.
a. Wollmeſſer von Köhler. Derſelbe legt 100 Haare in den Einſchnitt eines
Würfels und mißt die Dicke der zuſammengedrückten Haare. 1 Grad Köhler
= 4.23300 μ.
[184]Beſondere Thierzuchtlehre.
Nach Dr. G. Wilhelm 1) ergaben ſich bei Unterſuchungen von Wollproben verſchiedener
Schafracen, mit dem Wollmeſſer von Dollond, folgende Haardurchmeſſer:
- Haideſchnucke a. Oberhaar 32.8° Doll. 83.30 μ
- b. Flaum 13.0° „ 33.02 μ
- Zigajaſchaf a. Oberhaar 25.1 „ 63.74 μ
- b. Flaum 14.7 „ 37.34 μ
- Frutigſchaf a. Oberhaar 23.0 „ 58.41 μ
- b. Flaum 11.25 „ 28.58 μ
- Southdownbock ... 15.4 „ 39.12 μ
- Leiceſterſchaf .... 14.25 „ 36.20 μ
- Lincolnbock ..... 14.0 „ 35.56 μ
- Mauchamp-Merino .. 12.75 „ 32.38 μ
- Kammwoll-Merino .. 10.3 „ 26.25 μ
- Mittelfeines Merinoſchaf 9.25 „ 23.50 μ
- Feines Merinoſchaf .. 7.0 „ 17.78 μ
- Faden des Seidenwurmes 5.75 „ 14.60 μ
Zur Beurtheilung der Feinheit des Wollhaares kann auch die Zahl der
Kräuſelungen im Stränchen dienen. Je feiner das Wollhaar, um ſo größer iſt die
Zahl der Bogen auf eine Längeneinheit. Zur Beſtimmung der Bogenzahl hat zuerſt
Block, dann Pabſt, Fig. 138, S. 185, und in neuerer Zeit S. Hartmann, Fig. 139,
S. 185, Kräuſelungsbogenmeſſer conſtruirt. Zur Beſtimmung des Feinheitsſortimentes
legt man die Seiten des Wollmeſſers der Reihe nach an die Wollſtränchen, bis die
Bogen in die Zähne des Inſtrumentes paſſen. Nachdem mit Ausnahme des Hart-
mann’ſchen die Kräuſelungsmeſſer nur für normalbogige Wollen beſtimmt ſind, ſo
muß man bei hochbogigen Wollen die Feinheit niedriger, bei flachbogigen höher, als
durch das Inſtrument angegeben, annehmen. Als Feinheitsgrade, welchen wir gleich
die Zahl der Bogen bei dem Pabſt’ſchen und dem Hartmann’ſchen Wollmeſſer auf
die Länge von 2.5, reſp. 1 Cm. und den Durchmeſſer in Graden Dollond und in
Mikra (μ) beiſetzen, unterſcheidet man folgende:
3. Die Treue. Unter der Haartreue verſteht man die gleiche Querſchnitts-
fläche oder die gleiche Feinheit an allen Theilen des Wollhaares. Fehlt dieſelbe,
ſo wird das Haar als untreu
bezeichnet. Am auffälligſten tritt
dieſer Fehler bei der ſogenannten
abgeſetzten Wolle, Fig. 140, ein.
Wird durch Krankheit die Haut-
thätigkeit geſtört, ſo treten Auf-
treibungen des Wollhaares und
ſelbſt ein Abſtoßen der Woll-
haare von den Haarbälgen ein.
Die abgeſtoßenen Haare werden
von den noch ſtehen gebliebenen
an dem Ausfallen verhindert,
Pabſt’s Wollmeſſer von H. Hauptner — Berlin. —
Preis 7.50 Mark (3.75 fl.).
überdieß wird der Abſatz durch die nachwachſenden jungen Wollhaare noch ſichtbarer.
Abſätzige, d. h. zum Theile abgeſtorbene Wolle, hat wenig Werth.
Fig. 139. Hartmann’s Wollmeſſer von H. Hauptner — Berlin. — Preis 7 Mark (3.50 fl.).
Fig. 140. Schematiſche Darſtellung abgeſetzter Wolle. — Oberhalb die abgeſtoßenen Haare mit
ihren Wurzeln; einzelne durchgehende Haare; unten die neu nachwachſenden Haare mit Naturſpitzen.
Sind die einzelnen Kräuſelungen durch die ganze Länge des Wollhaares oder
richtiger geſagt des Stränchens gleich, ſo bezeichnet man die Wolle als wellentreu,
ſonſt als wellenuntreu, Fig. 141, S. 186. Letzterer Fehler tritt am auffälligſten
bei der zu Zwirn geſteigerten, überbogigen Wolle, Fig. 141 d, S. 186, ein. Zum
Zwirn geneigte oder zwirnige Wolle verliert für die Fabrication ſehr an Werth.
[186]Beſondere Thierzuchtlehre.
Wellenuntreue Wollhaare. —
a. unterbrochen wellentreu, b. oben wel-
lenuntreu, c. unten wellenuntreu, d. ge-
zwirnt.
4. Die Höhe und Länge. Unter der
Höhe des Wollhaares verſteht man die Entfer-
nung, welche das Haar von der Haut bis zur
Spitze im gekräuſelten, unter Länge in ausgeſtrecktem,
jedoch nicht gedehntem Zuſtande, von einer Schur
zur anderen erreicht. Die Höhe der Wolle iſt
nicht an allen Körperſtellen gleich, ſelbſt neben ein-
ander ſtehende Wollhaare zeigen große Ungleich-
heiten. Am kürzeſten iſt die Bauchwolle. Bei der
Merinowolle meſſen ſehr hohe Wollen 5—6 Cm.,
hohe 4—5 Cm., mittelhohe 3—4 Cm., unter-
mittel 2.5—3 Cm. und niedrige 1.5—2.5 Cm.
Nach der Höhe und Länge des Wollhaares richtet
ſich die Eignung der Wolle für verſchiedene Fabricationszweige. Wollen, welche eine
Höhe über 6—8 Cm. erreichen, eignen ſich für die Kammgarnfabrication, die mit
4.5—5.9 Cm. darunter bleiben für mehrſeitigen Gebrauch, und die eine Höhe von
4—4.5 Cm. beſitzen, für die Tuchfabrication.
Nach Unterſuchungen von Dr. G. Wilhelm ergaben verſchiedene Wollen in Betreff
der Höhe und Länge folgende Reſultate:
Nach Unterſuchungen von v. Nathuſius 1) wechſelt die Länge verſchiedener Wollen in
nachſtehender Weiſe:
5. Die Tragkraft und Dehnbarkeit. Dieſe Eigenſchaften des Wollhaares
werden auch gemeinhin als „Kraft der Wolle“ bezeichnet. Von denſelben hängen die
Widerſtandsfähigkeit der Wolle bei der Verarbeitung und die Haltbarkeit der aus
dieſer Wolle gefertigten Stoffe ab. Die Tragkraft, d. i. die Größe der Belaſtung,
bei welcher das Haar reißt, iſt im Allgemeinen bei feineren Haaren geringer als bei
gröberen Haaren, jedoch bei den Wollhaaren ein und deſſelben Stränchens ſehr ver-
ſchieden. Die Flaumhaare zeigen in der Regel größere Feſtigkeit als die Oberhaare.
[187]Die Schafzucht.
Am meiſten leidet durch die Witterung die Tragkraft der Wollhaare an den Spitzen,
welche dann als wergig, mürbe, kraftlos bezeichnet werden. Die Dehnbarkeit wird
ermittelt nach der Länge, bis zu welcher ſich ein Haar, ohne zu zerreißen, ſtrecken
läßt; ſie wird in Procenten von der urſprünglichen Länge des Wollhaares ausgedrückt.
Dieſelbe wechſelt bei verſchiedenen Wollthieren zwiſchen 15—35 % der Länge. Die
markhaltigen Oberhaare ſind meiſt dehnbarer als die markfreien Flaumhaare.
Für die Tragkraft und Dehnbarkeit ermittelte Dr. Wilhelm 1) folgende Durch-
ſchnittsergebniſſe:
6. Die Elaſticität. Dieſe Eigenſchaft des Wollhaares äußert ſich in dem
Vermögen, von dem geſtreckten oder gedehnten Zuſtande wieder in ſeine natürliche
Lage zurückzukehren. In dieſem Sinne iſt ſie identiſch mit der Dehnbarkeit. Sie
wird jedoch auch als das Vermögen des Wollhaares aufgefaßt, jedem ſeitlichen Drucke
nachzugeben und heißt dann Elaſticität der Aufrichtung, Geſchmeidigkeit, Sanftheit,
Milde. Von derſelben hängt die Schmiegſamkeit der angefertigten Stoffe ab. Fehler
in dieſer Beziehung ſind ſchlaffe, baumwollartige und entgegengeſetzt ſtarre, rauhe,
barſche, holzige, todte, harte Wollhaare. Eine dritte Form der Elaſticität iſt jene
der Zuſammenſchnirrung oder Krimpkraft, Walkbarkeit der Wolle. Sie äußert ſich
in dem Zuſammendrehen der Enden eines geriſſenen Wollhaares. Sie iſt um ſo
größer je feiner das Wollhaar und kommt nur bei markfreien Haaren vor. Dieſe
Eigenſchaft bedingt die Verfilzbarkeit der Tuchwolle.
7. Die Farbe. Für die Fabrication von Geweben aller Art eignet ſich am
beſten die entfettet, rein weiße Wolle, nachdem dieſer jede andere Färbung gegeben
werden kann, während graue, braune, ſchwarze Wollhaare nur zu ebenſo gefärbten
Geweben verarbeitet werden können. Die Wolle vom Wolfsbiſſe und dem Bauche
iſt zuweilen durch Urin gelb gefärbt und dadurch geringwerthiger, nachdem ſich
dieſe Färbung ſelbſt durch die Fabrikswäſche nicht entfernen läßt.
[188]Beſondere Thierzuchtlehre.
8. Der Glanz. Der Glanz des entfetteten Haares iſt von großer Bedeutung
für das Anſehen des daraus verfertigten Gewebes. Seidenartiger Glanz des Woll-
haares, wie er bei dem Mauchampſchafe, dem Lincoln- und Leiceſterſchafe vorkommt,
macht die Wolle für die ſogenannten Luſtreſtoffe verwendbar. Die Merinowolle hat ver-
hältnißmäßig weniger Glanz. Bei hochfeinen, normalbogigen Merinowollen bezeichnet
man denſelben als Edelglanz. Glaſiger Glanz iſt fehlerhaft, nachdem derſelbe ſtets mit
harten und ſpröden Haaren verbunden iſt. Zuweilen kommen an den Hautfalten, an
dem unteren Theile der Schenkel und an vernarbten Hautſtellen einzelne, glänzende,
gewöhnlich leicht ausfallende Haare vor, welche meiſt über das Vließ hervorragen;
dieſelben werden als Glanzhaare, Hundehaare, uneigentliche Stichelhaare bezeichnet.
9. Der Fettſchweiß. Der Fettſchweiß, — das Abſonderungsproduct der
Talg- und Schweißdrüſen — hat durch ſeine Menge und Beſchaffenheit Einfluß auf
die Haltbarkeit und die Wäſche der Wolle. Der Fettſchweiß iſt normal oder gut-
artiger Natur, wenn er hellgelb gefärbt, in mäßiger Menge und in milder, öliger und
in Waſſer leicht löslicher Beſchaffenheit vorkommt. Fehlerhaft iſt zu wenig (trockene
Wolle) und zu viel Fettſchweiß (maſtige Wolle). Ebenſo unerwünſcht iſt ein dunkler,
pechartiger, klebriger, weißer oder wachs- und talgartiger Fettſchweiß, nachdem dieſe
Fettſchweißarten gewöhnlich ſchwer löslich ſind und die Wolle ſtarr und hart machen.
Werden fettſchweißreiche Schafe in dunklen, feuchten Stallungen gehalten, ſo nimmt
der Fettſchweiß zuweilen eine grünliche Färbung an. Auf die Natur und Menge
des Fettſchweißes hat nicht nur die Race, ſondern auch die Haltung in kalten oder
warmen Stallungen und die Fütterung Einfluß. Bei warmem Aufenthalte und
reichlichem Futter erhöht ſich im Allgemeinen die Menge und die Leichtflüſſigkeit des
Fettſchweißes. Weidethiere haben meiſt weniger Fettſchweiß als im Stalle ge-
haltene Schafe.
Das Wollfett beſteht aus Stearin, Palmitin, Oleïn, Phosphaten und Chlor-
alkalien. Die Fettſäuren kommen mit Kali verſeift und in größerer Menge in un-
verſeifbarem Fette vor. Die Aſche enthält überwiegend Kali (2.8—4.7 %) und
Phosphorſäure (0.06—0.15 %), außerdem Natron, Kalk, Magneſia, Schwefelſäure,
Kieſelſäure. Die ſorgfältigſten Analyſen des Fettſchweißes wurden von Reich in Regen-
walde1) ausgeführt; nach demſelben enthielten 100 Theile im Schweiße geſchorener Wolle:
Von der Menge und Löslichkeit des Fettſchweißes hängt die Größe des Waſch-
verluſtes ab. Derſelbe iſt bei kurzen, meiſt fettſchweißreicheren Wollen größer als bei
langen Wollen. Nach S. Hartmann war der Waſchverluſt bei einer 2.6 Cm. langen
[189]Die Schafzucht.
Electoralwolle 71.33 % und bei einer 4.57 Cm. langen Electoralwolle 58.86 %. Da-
gegen hindert der reichliche Fettſchweiß die Aufnahme des hygroſkopiſchen Waſſers. Bei
den beiden Proben erreichte die hygroſkopiſche Feuchtigkeit 11.77, reſp. 12.17 %.
Je nach Race und Zuchtrichtung wechſelt der Waſchverluſt zwiſchen 20—80 %.
Ueber Waſchproben mit verſchieden ſchweißartigen Wollen ſtellt S. Hartmann 1) fol-
gende vergleichende Tabelle in Procenten auf:
2. Der Stapel, das Vließ und die Beurtheilung der Wolle.
Die einzelnen Wollhaare vereinigen ſich zu Stränchen (Fig. 131, S. 183),
Stäpelchen und Stapel; die Stapel bilden in ihrer Geſammtheit das Vließ oder
das Haarkleid des Schafes. An dem Stapel ſind zu beachten: 1. Die Höhe und
Länge, 2. der Durchmeſſer und die Dichtheit, 3. die Körperform, 4. der innere Woll-
bau, 5. der Stand und 6. die Oberfläche oder die äußere Form des Stapels.
1. Die Höhe und Länge. Die Höhe, auch Tiefe genannt, und die Länge des
Stapels ſtimmen mit jenen des einzelnen Wollhaares und Stränchens überein. Kurz-
oder niedriggeſtapelt nennt man eine Wolle, welche die für eine Fabricationsrichtung
als normal anerkannte Tiefe nicht erreicht; tief- oder lang- auch hochgeſtapelt eine
Wolle, welche die normale Tiefe überſchreitet. Den Unterſchied zwiſchen der Stapel-
tiefe und Stapellänge bezeichnet man als Zug der Wolle. Elaſtiſche, hochbogige Wolle
beſitzt einen ſtarken Zug, ſehr elaſtiſche, normalbogige Wolle einen guten Zug,
ſchlichte und harte, ſpröde Wolle einen ſchwachen Zug. Von den Tuchwollen ver-
langt man einen guten, von den Kammwollen einen ſchwachen Zug. Werden die
ſtraff ausgeſpannten Stränchen wie an einer Violinſeite geſchnellt, ſo zerreißen ſie
oder geben einen dumpfen Klang oder bei edlen Wollen einen hellen, klaren Ton.
Dieſen Ton bezeichnet man als „Metall“ der Wolle, derſelbe kommt nur jenen
Wollen von höchſtem Adel zu, welche allen Anforderungen der Fabricanten genügen.
2. Der Durchmeſſer und die Dichtheit. Bei edlen Wollen iſt der
Durchmeſſer der Stapel klein, bei groben Wollen groß. In erſterem Falle bezeichnet
man ihn als klein maſſentheilig oder klein gebaut, in letzterem als
groß maſſentheilig, groß gebaut. Theilt ſich in letzterem Falle das Vließ
[190]Beſondere Thierzuchtlehre.
in große Felder, ſo ſpricht man von Quarderſtapel. Von Bedeutung iſt die
Zahl der Haare, welche in einem Stapel oder auf einer beſtimmten Hautfläche
ſtehen. Die Dichtheit des Wollſtandes bedingt vorzugsweiſe die Größe des Schur-
gewichtes. Dieſelbe wird entweder durch das Gefühl beim Zuſammendrücken der
Stapel, oder nach der Größe des Hautſtreifens beim Scheiteln des Vließes (Haut-
dichtigkeit), oder am ſicherſten durch den Wolldichtigkeitsmeſſer, Fig. 142, S. 191, be-
ſtimmt. Bei dichtem Haarſtande wird die Wolle als dicht, voll, gedrängt, kernig
oder geſchloſſen, bei dem Gegentheile als dünn, locker, ſchütter, flattrig, hohl, leer,
offen bezeichnet.
Nach v. Nathuſius 1) beträgt die Zahl der Haare bei verſchiedenen Thieren auf den
Quadratmillimeter berechnet:
- Ochſe. Haut von der Schweifquaſte. 4.1
- Gemeines Landſchaf (nach Petri) . 7.3
- Merinoſchaf (nach Petri) . . . . 29—58
- Leiceſter Kreuzung . . . . . . . 35
- Southdown Merino-Mutterſchaf . . 40
- Merinoſchaf (nach Jeppe) . . . . 64—88
- Haſe . . . . . . . . . . . 175
- Maulwurf . . . . . . . . . 400
- Schnabelthier . . . . . . . . 600
3. Die Körperform des Stapels. Die Körperform des Stapels iſt,
entweder bei großer Treue und gleicher Feinheit der Haare eine cylinderiſche oder
eine kugelförmige, kegel- oder keulenförmige.
4. Der innere Bau des Stapels. Vereinigen ſich die einzelnen Strän-
chen, Stäpelchen und Stapel ohne viele Ueberläufer, iſt die Haarfeinheit durchwegs gleich,
und ſind die Wellungen regelmäßig und leicht erkennbar, ſo bezeichnet man einen
derartigen Wollbau als klar auch als normal. Treten viele Ueberläufer —
Haare die von einem Stäpelchen zum anderen verlaufen — auf, welche die Regel-
mäßigkeit des Wollbaues ſtören, ſo bezeichnet man den Bau als unklar, verwor-
ren. Verwiſchen ſich die einzelnen Stränchen, ſo wird der Wollbau baumwoll-
artig und zuletzt erſcheint der Filz. Tritt der Filz nur am Grunde der Stapel
auf, ſo bezeichnet man die Wolle als bodig.
Je nach der Kräuſelung im Stapel unterſcheidet man normal-, flach-,
ſchicht- und hochbogigen Stapelbau.
Bei dem normalbogigen Bau unterſcheidet man wieder: a.Gewäſſerten
Stapel. Derſelbe wird bei Wollhaaren von höchſtem Adel und Feinheit und bei
großer Wolldichtigkeit aus cylindriſchen Stäpelchen von gleicher Querſchnittsfläche und
gleicher Höhe gebildet. Die Wellungen erſcheinen gleichmäßig ſchön und geben dem
Stapel ein gewäſſertes Anſehen. Der leichtflüſſige Fettſchweiß iſt in mäßiger Menge
vorhanden. b.Kreppartigen Bau. Sind die normalbogigen Wellungen kaum
mehr ſichtbar, ſo gleicht der innere Bau einem krauſen Florgewebe (crêpe). Dieſer
[191]Die Schafzucht.
Wollbau iſt nur ſo lange normal als das Haar treu iſt, bei untreuem Haare artet
derſelbe in verwaſchenen und ſelbſt baumwollartigen Bau aus.
Bei den hochbogigen Wollen ſchmiegen ſich die Stränchen feſter an einander,
markiren ſich, weshalb ein derartiger Bau als markirt bezeichnet wird. Tritt die
Hochbogigkeit der Wellungen ſehr deutlich hervor, ſo erhält die Wolle die Bezeichnung
ſtark markirt, geſträngt; ſondern ſich die einzelnen Stäpelchen in auffallender
Weiſe in Streifen, ſo heißt die Wolle gebändert. Sind die Wellungen ſehr
Fig. 142. Menzel’s Wolldichtigkeitsmeſſer. — A Gabel zum Abgrenzen einer 156.25 □Cm. (¼ □Zoll
rhein.) großen Wollpartie. Die Gabelſpitzen ſtehen 12.5 Cm. (1 Zoll) von einander entfernt. Die abgegrenzte,
abgeſchnittene und entfettete Wolle wird in den 1.25 Cm. (1/10 Zoll) breiten Spalt geſchoben und durch
die Preſſe B zuſammengedrückt. Die Preſſe wird mit dem Kloben c und der Schraube f an den Gabelſpitzen, wie
in C angegeben, befeſtigt. Durch Rückdrehen des Knopfes b wird die Spiralfeder a gelöſt und die Wollprobe
ſo lange in den Spalt weiter geſchoben, bis ſich die Kraft der Feder mit dem Widerſtande der zuſam-
mengedrückten Probe ausgleicht und der Knopf b abfällt. An der Scala und dem Nonius d wird dann
der annähernde Querſchnitt ſämmtlicher Wollhaare abgeleſen.
ſtark hochbogig, ſo wird der Wollbau überbogig, gemaſcht, überbildet, hört
dabei der Zuſammenhang der Wolle, die Stränchenbildung auf, ſo bezeichnet man
den Wollbau als Neigung zum Zwirn, zwirnig, Zwirn, knötrig.
Verflachen ſich die Kräuſelungsbogen, ſo heißt der Wollbau gedehntbogig
flachbogig, ſchlicht. Iſt die flachbogige Wolle ſehr ungleich in der Feinheit, ſehr un-
treu und fettſchweißarm, ſo wird ſie wergig, hedig genannt.
[192]Beſondere Thierzuchtlehre.
5. Der Stand des Stapels. Bei normaler, kräftiger Wolle ſteht der Stapel
aufrecht. Bei dünnem Haarſtande, bei gedrückter Wolle z. B. am Bauche der Thiere,
bei kraftloſer Wolle und bei Mangel an Geſchmeidigkeit nimmt der Stapel eine
ſchräge, hängende oder geknickte Stellung an. Kommt noch Magerkeit des Thieres
hinzu, ſo ſcheitelt ſich das Vließ, wird offen, flattrig.
6. Die Oberfläche des Stapels. Die Oberfläche des Stapels hängt
von ſeiner Körperform und der Beſchaffenheit der Wollhaare ab. Bei cylindriſcher
und keulenförmiger Form des Stapels bildet das Vließ eine geſchloſſene, dichte Decke.
Der Stapel heißt dann geſchloſſener Stapel. Derſelbe bietet den größten Schutz
gegen das Eindringen von Staub und Regen. Bei dem koniſchen Stapel bleibt
dagegen der Stapel offen, kommt dazu ſchütterer Haarſtand, ſo wird der Stapelſchluß
flattrig. Der cylindriſche Stapel wird entweder an ſeinem freien Ende rund, ſtumpf,
flachgewölbt oder platt abgeſchloſſen. Zu den runden und zugleich kleinmaſſentheiligen
Gipfelformen des Stapels zählen bei höchſtem Adel der Wolle: der Nadel-
oder Perlſtapel, der Rapskorn- und der Blumenkohlſtapel. Zu den
ſtumpfen und flachgewölbten Gipfelformen gehören die gleichnamigen Stapel. Bei
großmaſſentheiligem Stapel unterſcheidet man den abgerundeten Stapel und als
Formen des platten Stapels den Würfel- oder Quarderſtapel, den Panzer-
ſtapel, den Brettſtapel, ſämmtlich Stapelformen, welche auf wenig Adel und
Geſchmeidigkeit der Wolle und auf bösartigen Fettſchweiß ſchließen laſſen.
Bei kugelförmiger Stapelform, welche durch große Krimpkraft der Wolle hervor-
gebracht wird, unterſcheidet man nußförmigen und buſchigen Stapel.
Bei kegelförmiger Stapelform iſt die Gipfelform bei kleinmaſſigem Stapel
kurzgeſpitzt, ſpitz, langgeſpitzt, ſpießig, ſchilfig. Kommt zu lang-
geſpitzter Gipfelform ſchwerlöslicher, zäher Fettſchweiß und wird der Stapel groß-
maſſentheilig, ſo bezeichnet man die Gipfelform als Pechſpitzen, kommt dazu Hoch-
bogigkeit, ſo wird der Stapel als gedreht, knötrig und pfropfzieherartig
angeſprochen.
Die keulenförmige Stapelform, welche nur bei ſchlichten, untreuen Wollhaaren
vorkommt, bildet je nach ihrer Gipfelform hohlen, leeren, rauhen, flachſigen,
wergigen, mooſigen Stapel. Letztere Formen werden bei ſchlechter Haltung der
Schafe durch die Einwirkung von Wind, Regen und Staub hervorgerufen.
Die einzelnen Stapel werden durch parallel mit der Haut verlaufende Haare,
Binder, zu einem Ganzen, dem Vließe, vereinigt. Bei dem Vließe iſt auf 1. die
Stapelung, 2. die äußere und 3. die innere Beſchaffenheit aufmerkſam zu machen.
1. Die Stapelung. Unter der Stapelung verſteht man das Verhalten der
einzelnen Stapel des Vließes zu einander. Je nach der Zahl der Binder und daher
nach dem Zuſammenhange der Stapel unterſcheidet man frei- und leichttheilige
Stapelung oder klare, gutflüſſige Wolle, bei welcher die Binder nur in dem Haut-
ende der Stapel verlaufen und daher eine leichte Trennung des Vließes bis auf die
[193]Die Schafzucht.
Haut vorgenommen werden kann; als Gegentheil ſchwertheilige Stapelung oder ver-
worrene, ſchwerflüſſige Wolle. In letzterem Falle treten die Binder reichlicher und
ſelbſt in den Spitzen als Ueberläufer auf. Erſcheinen zahlreiche, abgeſtorbene Binder,
ſog. falſche Binder, oder treten die Binder als „Ueberwuchs“ über dem Stapel
hervor, ſo leidet darunter weſentlich die Klarheit der Stapelung. Bodenſätzig
oder bodig wird die Stapelung, wenn die Binder in ſolchem Uebermaße vorkommen,
daß die Stapeln ſich am Grunde nicht mehr trennen laſſen. Der höchſte Grad von
Bodenſätzigeit führt ſchließlich zum Filze.
Die Stapelung wird gleichtheilig oder gleichförmig genannt, wenn die
ſämmtlichen Stapel gleiche Form aufweiſen; iſt dies nicht der Fall, ſo bezeichnet man
dieſelbe als ungleichtheilig. Beſitzen alle Stapel gleiche Höhe, ſo wird die Sta-
pelung gleichſtändig genannt. Ungleichſtändig ſind alle buſchigen, ſtrauchigen
und ſchilfigen Stapel.
2. Die äußere Beſchaffenheit des Vließes. In dieſer Beziehung unter-
ſcheidet man je nach der Gipfelform des Stapels, welche den größeren oder geringeren
Schluß des Vließes bedingt, das geſchloſſene, anſcheinend geſchloſſene,
offene, flattrige oder ſchüttere Vließ. Das Vließ ſoll möglichſt viele
Körpertheile des Schafes bedecken. Sind die Stirne, die Backen, der Bauch, die
Vorder- und Hinterbeine bis auf die Klauen reich mit Wolle beſetzt, ſo ſpricht man
von guter Bewachſenheit, ſind dieſe Körpertheile nackt, von ſchlechter Be-
wachſenheit.
3. Die innere Beſchaffenheit des Vließes. Das Vließ ſoll an
ſämmtlichen Stellen des Körpers von gleicher innerer Beſchaffenheit, ausgeglichen
ſein. Je weniger weit die Veredlung vorgeſchritten, um ſo größere Unterſchiede werden
ſich in der Wollebeſchaffenheit an verſchiedenen Stellen des Vließes ergeben, um ſo
ſtärker abfallend wird ſich das Vließ herausſtellen. Bei allen Schafen findet ſich
die feinſte, treueſte und beſte Wolle am Blatte, an den übrigen Körperſtellen und
zwar zunächſt an den Seiten, den Halsſeiten, dem Rücken, der Keule und dem Ober-
ſchenkel, dann dem Vorarme, Nacken und Unterſchenkel, dem Kopfe und Bauche und
ſchließlich am Unterfuße und Wolfsbiſſe fällt die Wolle in ihrer Feinheit und ihren
ſonſtigen Eigenſchaften in der angedeuteten Reihenfolge um ſo mehr ab, je weniger
Ausgeglichenheit das Vließ beſitzt. Zur Beurtheilung des Vließes in Betreff ſeiner
Ausgeglichenheit unterſucht man daſſelbe am Blatte, den Seiten, dem Rücken, der
Schwanzwurzel und am Bauche.
Bei der Beurtheilung oder Claſſification der Wolle muß ſowohl auf die
im Vorſtehenden angegebenen Eigenſchaften des Wollhaares als auch auf die Eigen-
ſchaften des Vließes Rückſicht genommen werden. Die Bonitur hat ſich überdies
nicht nur auf die ungewaſchene Wolle, ſondern auch auf deren Verhalten nach der
Krafft, Lehrb. d. Landw. III. 13
[194]Beſondere Thierzuchtlehre.
Wäſche zu erſtrecken. Um die Claſſification der Wolle am Schafe bequem vor-
nehmen zu können, wird in feinen Zuchtſchäfereien ein freier, mit Brettern belegter
Platz in der Nähe eines großen Fenſters im Stalle hergerichtet. Damit das Vließ
bequem unterſucht werden kann, ſtellt man die Schafe auf einen mit hölzernen
Querleiſten verſehenen Claſſificirtiſch, Fig. 143.
Bei der Beurtheilung kann man ſich entweder damit begnügen, die Eigenſchaften
der Wolle anzuſprechen oder man bemißt dieſelbe nach einer jedoch immer nur für
die jeweilige Zuchtrichtung geltenden Werthſcala, in welcher jede Eigenſchaft durch
eine Zahl ausgedrückt wird. Die Summe dieſer Zahlen gibt, verglichen mit der
für das Normalthier angenommenen Summe, gewöhnlich 100, den Werth an, welcher
dem betreffenden Schafe als Zucht- und Wollthier zukommt.
Claſſificirtiſch.
Mit Beziehung auf H. Settegaſt (Thierzucht S. 356) gibt z. B. Dr. G. Wilhelm
folgendes Claſſificationsſchema für Wollſchafe:
I. Körperbau. 1. Kopf (kräftig kurz, breit, behaarte Ohren) . . . . . . 3
2. Hals (muskulös, kurz) . . . . . . . . . . . . . 1
3. Widerriſt (breit, gerundet) . . . . . . . . . . . . 2
4. Bruſt (breit, tief) . . . . . . . . . . . . . . . 2
5. Rippenwölbung . . . . . . . . . . . . . . . 1
6. Rücken . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2
7. Kreuz (lang, breit) . . . . . . . . . . . . . 2
8. Vorderbeine . . . . . . . . . . . . . . . . 1
9. Hinterbeine . . . . . . . . . . . . . . . . 1
10. Größe und Gewicht, ſehr groß, mehr als 40 Kilogr.=5,
groß, 37—40 Kilogr. = 4, mittel, 35—37 Kilogr. = 3,
gering, 32—35 Kilogr. = 2, klein, 30—32 Kilogr. = 1 5
Werth des Körperbaues des Normalthieres = 20
II. Wolle. 1. Aeußerer Stapel (geſchloſſen, gute Spitzen = 5, geſchloſſen, rauhe
oder mooſige Spitzen = 4, ziemlich geſchloſſen, etwas un-
gleich = 3, offen, wergig = 2, flattrig, ſpießig = 1) . . 5
[195]Die Schafzucht.
Transport 20 u. 5
2. Innerer Bau (normal, klar = 10, normal, minderklar = 9,
kreppartig = 8, ſchlicht = 7, geſträngt = 6, verwaſchen,
unklar = 5, ſtark geſträngt = 4, Neigung zu Filz und
Zwirn = 3, Zwirn = 2, Filz = 1) . . . . . . . 10
3. Kräuſelung (regelm. normalbogig = 5, gedehntbogig = 4,
flachbogig = 3, unregelmäßig = 2, ungleich = 1) . . 5
4. Höhe (ſehr hoch 50—60 Mm. = 5, hoch 40—50 Mm. = 4,
mittel 30—40 Mm. = 3, unter mittel 25=30 Mm.= 2,
niedrig 15 — 25 Mm. = 1) . . . . . . . . . 5
5. Feinheit (Superſuperelecta = 10, bis herab zur Quartal = 1) 10
6. Fettſchweiß. a. Menge (normal = 5, zu wenig oder zu viel
= 4, ſehr wenig = 3, trockene Wolle = 2, 1) 5
b. Natur (ölig, leichtlöslich = 5, bis herab zu
ſchwerlöslich, pechartig = 1) . . . . . 5
7. Sanftheit und Kraft (ſanft, kräftig = 5, ſanft, matt = 4,
baumwollenartig = 3, rauh, barſch = 2, todt, holzig, hart = 1) 5
8. Treue (ſehr treu = 5, treu = 4, ziemlich treu = 3, gering
= 2, untreu = 1) . . . . . . . . . . . . . 5
9. Dichtheit. (Blatt, Rücken, Widerriſt, Bauch und Keule, und
Vorarm dicht je 2, undicht je 1—0) . . . . . . . 10
10. Ausgeglichenheit (ſehr gut = 5, gut = 4, etwas abfallend
= 3, ſtark abfallend = 2, ſehr ſtark abfallend = 1) . 5
11. Bewachſenheit. (Kopf, Stirn = 2, Backen = 1, Bauch = 4,
Vorder- und Hinterbeine = 3) . . . . . . . . . 10
Werth der Wolleigenſchaften des Normalthieres = 80
Geſammtwerth des Normalthieres = 100
4. Die Züchtung.
Bei der Züchtung des Schafes ſind: 1. der Züchtungszweck, 2. die Auswahl
der Racen, 3. die Auswahl der Zuchtthiere, 4. die Ausführung der Zucht und
5. die Aufzucht zu erörtern.
1. Der Züchtungszweck.
Die Schafzucht kann je nach den Abſatz- und wirthſchaftlichen Verhältniſſen
einer Oertlichkeit betrieben werden, als:
- 1. Stammſchäferei, welche ihren Nutzen in dem Verkaufe von Zuchtthieren ſucht,
- 2. Wollſchäferei,
- 3. Fleiſchſchafzucht.
Bei der Wollſchäferei handelt es ſich entweder um die Gewinnung hochfeiner,
zur Streichgarnfabrication geeigneter Wolle, bei möglichſter Reichwolligkeit der Thiere
(Tuchwollſchäferei) oder um die Gewinnung mittelfeiner, für die Kammgarnfabrication
geeigneter Wolle, bei gleichzeitiger Maſtfähigkeit der Thiere (Kammwollſchäferei), oder
um die Gewinnung von Wolle für mehrſeitigen Gebrauch (à deux mains), welche
ſich ebenſo gut zu, wenn auch mittelmäßigen Tuchen, als auch zu glatten Stoffen
eignen ſoll.
13*
[196]Beſondere Thierzuchtlehre.
2. Die Auswahl der Race.
Die Erreichung des Züchtungszweckes wird am Beſten durch die entſprechende
Auswahl der Race gefördert. Für die feine Tuchwollſchäferei eignen ſich die Merino-
ſchafe, für grobe Tuchwolle die verſchiedenen Arten von Landſchafen, für die Kamm-
wollſchäferei das Kammwoll-Merino, das franzöſiſche Rambouilletſchaf, die kurz-
wolligen engliſchen Schafe, vor allem das Southdownſchaf, und für die Fleiſchſchaf-
zucht die engliſchen Schafracen überhaupt, beſonders das Leiceſter-, Southdown- und
Shropſphireſchaf, welche gewöhnlich den meiſten Vortheil nicht als Reinzuchten, ſondern
als Kreuzungen mit Landſchafen gewähren. Zu den maſtfähigen Racen zählen über-
dies die Zackelſchafe und das Hängohrſchaf, welches Letztere auch durch ſeine Milch
einen Nebenertrag gewährt.
3. Die Auswahl der Zuchtthiere.
Nächſt Geſundheit, erhöhter Lebensthätigkeit und Vererbungsfähigkeit ſollen die
Zuchtſchafe die gewünſchten Eigenſchaften in möglichſt hohem Grade beſitzen. Bei
den Wollſchafen handelt es ſich vor Allem um die entſprechende Beſchaffenheit
des Vließes. Soll die Wolle ſich zur Herſtellung von Streichgarn oder Tuch,
d. i. gewalkten Stoffen, bei welchen die Fäden des Gewebes durch die hervorſtehenden
Haarenden verdeckt werden, eignen, ſo muß ſie vor Allem große Krimpkraft beſitzen,
denn nur dann iſt es möglich aus den Haaren ein verfilztes Gewebe herzuſtellen;
nächſtdem ſoll die Wolle normal- oder gedrängtbogig ſein. Bei flacher Kräuſelung
läßt ſich die filzähnliche Oberfläche des Tuches ſchwer herſtellen, bei hochbogiger
Wolle entſteht dagegen bei dem Scheeren der aus dem Tuchgewebe hervorſtehenden
Haarenden zu viel Verluſt. Außerdem hat man bei der Auswahl von Zuchtthieren
für Tuchwolle auf möglichſte Treue zu ſehen, da nur von einem treuen Vließe ein
gleichförmiges Streichgarn erzielt werden kann. Von beſonderer Bedeutung iſt die
Tiefe des Stapels, dieſelbe ſoll nicht über 4—4.5 Centm. hinausgehen, da es bei
den Tuchwollen hauptſächlich darauf ankommt ein Garn zu gewinnen, bei welchem
möglichſt viele Haarenden hervorſtehen. Die Feinheit des Tuches hängt von der Fein-
heit des ſichtbar bleibenden, mit der Weberkarde an die Oberfläche des Tuches ge-
zogenen, einzelnen Haares ab. Am meiſten Abſatz finden jedoch gegenwärtig mittel-
feine Tuchwollen, zu welchen man Zuchtthiere mit ſonſt tadelloſer Tuchwolle von
I. Prima oder II. Electa zu wählen hat.
Die Wolle für mehrſeitigen Gebrauch (à deux mains) wird in einer Länge
zwiſchen 4.5 und 5.9 Centm. gezüchtet.
Von der Wolle, welche ſich zur Herſtellung von Kammwolle oder glat-
ten Zeugen eignen ſoll, verlangt man keine Krimpkraft und flache, ſchlichte
Kräuſelung, da der Faden des Gewebes erkennbar bleibt und nicht durch hervor-
ſtehende, verfilzte Haarenden verdeckt wird. Der Stapel darf nicht kurz, ſondern
muß über 6—8 Centm. tief ſein, da ſonſt zu viele Haare zur Bildung des Fadens
erforderlich ſind, deren Haarenden ſich dann vordrängen. Ueber dieſes Maß hinaus-
[197]Die Schafzucht.
zugehen iſt nicht räthlich, da ſich ſonſt mannigfache, ſtörende Wollfehler einſtellen,
beſonders Schütterwolligkeit, Untreue des Haares, bei markirter Kräuſelung Zwirn,
Mangel an Geſchmeidigkeit ꝛc. Bei der Kammgarnſpinnerei kommt es weniger auf
die Feinheit des Haares als auf die Feinheit des Fadens an, mag derſelbe nun aus
mehr oder weniger Haaren beſtehen. Für die Zeugweberei oder die Herſtellung von
glatten Zeugen eignen ſich daher am beſten Secunda- und geringe Prima-Wollen.
Tättowirzange von H. Hauptner — Berlin. — Preis mit 3 Satz Nummern in Etui
36 Mark (18 fl.).
Bei der Wollſchafzucht, was immer für einer Richtung, iſt übrigens beſonders
hervorzuheben, daß die einſeitige Verfolgung von nur einer Wolleigenſchaft ſtets fehler-
haft iſt. Züchtet man blos
auf hohe Feinheit, ſo liegt die
Gefahr der Ueberbildung nahe;
ſie wird oft nur auf Koſten der
Reichwolligkeit und des Körper-
baues erzielt. Am ſicherſten
ſchützt man ſich dagegen, wenn
man die Paarung mit hoch-
feinen Böcken vermeidet und
ſtets darauf ſieht, daß die Böcke
in der Feinheit den Mutter-
Einſatztheil der Tättowirzange mit vier 10 mm
großen Nummern. Nat. Gr.
ſchafen etwas nachſtehen. Zur Ausgleichung fehlerhafter Wolleigenſchaften darf man
nicht Zuchtthiere mit den entgegengeſetzten Wollfehlern verwenden, ſondern nur ſolche
Thiere, die dem Fehler möglichſte Voll-
kommenheit entgegenſtellen. Paarung
grober Mütter mit hochfeinen Böcken
führt z. B. zur Bildung von Zwirn
und Filz. Zwirnige Mutterſchafe können
nicht etwa durch ſchlichtwollige, ſondern
nur durch Böcke mit normalbogiger,
ſanfter, dichter Wolle verbeſſert werden.
Schütterwollige Schafe dürfen nur all-
Einſatztheil der Tättowirzange zur gleich-
zeitigen Bezeichnung der Nummer und des Jahrgangs
des Schafes.
mählig mit reichwolligen Böcken verbeſſert werden, wenn nicht Vergröberung der
Wolle eintreten ſoll.
[198]Beſondere Thierzuchtlehre.
Bei der Auswahl der Zuchtthiere zur Gewinnung von Fleiſchſchafen hat
der Züchter ſein Augenmerk vorzugsweiſe auf große Körper mit mächtig entwickelten
nutzbaren Theilen, Frühreife und gute Futterverwerthung zu richten.
4. Die Ausführung der Zucht.
Den ſicherſten Anhaltspunkt für die Ausführung der Zucht gewährt das Stamm-
regiſter. Die geſchehene Zutheilung der Böcke und die erfolgte Ablammung wird da-
gegen in einem Sprung- und Ablammungsregiſter im Laufenden gehalten. Zur Feſt-
ſtellung der Individualität der Thiere erhalten dieſelben eine Nummer. Dieſelbe wird
bei gehörnten Schafen den Thieren in das Horn eingebrannt. Das Einbrennen muß
jedoch wiederholt werden, weil ſich die Nummer im Verlaufe der Zeit durch Abſchilferung
verwiſcht. Bei ungehörnten Schafen wird die Bezeichnung derſelben durch Umhängen
von Täfelchen mit eingebrannten Nummern oder durch Tättowiren oder Einkerben der
Ohren bewerkſtelligt. Das Umhängen von Täfelchen wird am häufigſten zur Be-
zeichnung der Lämmer angewendet, bei älteren Thieren leidet die Halswolle durch
das Einſchneiden der Schnur, abgeſehen davon, daß die Täfelchen ſehr leicht verloren
Kerb- und Lochzange von Rueff — Stuttgart. Preis 10 Mark (5 fl.).
gehen. Zweckmäßiger iſt das Tättowiren. Bei demſelben wird mit einer Tättowir-
zange, Fig. 144—146, oder mit einer Tättowir-Revolverzange oder mit Tättowir-
Bedeutung der Kerben in den Schafohren.
ſtempeln die Nummer des Thie-
res in die innere Fläche der
Ohrmuſchel und die Jahreszahl
der Geburt an die Spitze der
Ohrmuſchel eingedrückt und
durch Einreiben mit feinem
Schießpulver, welches mit Spi-
ritus in einen Brei verwandelt
wurde, oder mit Ocker oder
Kobaltlöſung ꝛc. für die Dauer
ſichtbar gemacht. Mit der Zeit
verwiſcht ſich die tättowirte
Stelle, da es keinen Farbſtoff gibt, welcher für immer haften bleiben würde. Am
ſicherſten iſt daher immer noch das Einkerben des Ohres. Durch daſſelbe leidet aller-
dings das Anſehen des Ohres, — ein Umſtand, der bei Stammſchäfereien Beachtung
[199]Die Schafzucht.
verdient — abgeſehen davon, daß bei etwaigen Verletzungen des Ohres die Zeichnung
gleichfalls verloren geht. Zum Einkerben bedient man ſich der Kerb- und Lochzange,
Fig. 135. Jeder Kerbe und jedem Loche entſpricht, wie aus der Fig. 148, S. 198,
zu erſehen iſt, eine beſtimmte Ziffer.
Sind die Thiere gezeichnet, ſo wird denſelben eine Blattſeite im Stammregiſter
oder Stammzuchtbuche eingeräumt. Als Zeitſchafe werden ſie dann, am beſten 8—9
Monate nach der Schur, claſſificirt. Weiterhin wird die Claſſification alljährig be-
richtigt.
Eine zweckmäßige Form des Stammregiſters iſt die nachſtehende:
Die Schafe können als Zuchtthiere verwendet werden, ſobald ſie ¾ ihres
Körpergewichtes erreicht haben. Bei ſchnellwüchſigen Racen können die Widder, aller-
dings anfänglich nur ſchonend, mit 1½—1¾ Jahren, bei Merino mit 2—2½
Jahren in Gebrauch genommen werden. Die Böcke bleiben 5—6 Jahre zucht-
tauglich, die Mutterſchafe ſo lange ſie Lämmer bringen und ihr Wollertrag nicht zu
ſehr zurückgeht; gewöhnlich werden ſie nach dem fünften oder ſechsten Lamme aus-
gebrackt.
[200]Beſondere Thierzuchtlehre.
Die Paarung kann entweder durch 1. den wilden Sprung, 2. den Claſſen-
ſprung, oder 3. den Sprung aus der Hand ausgeführt werden.
Bei dem wilden oder ungeregelten Sprunge läßt man die Böcke das ganze Jahr
oder zur Schonung derſelben nur zu beſtimmten Sprungzeiten frei in der Mutter-
ſchafheerde herumlaufen. Bei dieſem Sprungverfahren kann ſelbſtverſtändlich von
einer zielbewußten Zucht keine Rede ſein. Durch Paarung ungleicher Thiere werden
bei ſolchem Vorgehen zahlreiche Wollfehler in der Heerde auftreten. Die Böcke wer-
den überdies unnöthigerweiſe ſchnell abgebraucht. Um ſie etwas zu ſchonen, empfiehlt
es ſich, dieſelben in Abtheilungen zu verwenden.
Bei dem Claſſenſprunge werden ſämmtliche Mutterſchafe, je nach ihren Woll-
eigenſchaften in Claſſen oder Abtheilungen gebracht, die im Stalle durch Hürden
getrennt werden oder auf der Weide beſondere Plätze zugewieſen erhalten. Für jede
Claſſe wird eine Anzahl entſprechender Böcke beſtimmt, die in die betreffende Abthei-
lung gebracht und nach 2, 3 Sprüngen herausgenommen werden. Die Claſſen
werden je nach dem anzuſtrebenden Züchtungsziele gebildet. Iſt dieſes hohe Woll-
feinheit, ſo kommen in die erſte Claſſe, der Pepinière- oder Eliteheerde, bei welcher
der Sprung meiſt aus der Hand geſchieht, alle dem anzuſtrebenden Züchtungsziele
möglichſt naheſtehenden edlen, feinwolligen Thiere, mit beſonderer Treue und Aus-
geglichenheit der Wolle; in die zweite Claſſe alle jene Thiere, deren Wollfeinheit
Electa II. oder Prima I. erreicht, die noch dicht, gut ausgeglichen und bewachſen
ſind, in die dritte Claſſe die zwar feinwolligen, aber in der Wolldichte zurückſtehenden
Schafe und in die vierte Claſſe alle übrigen Thiere mit gröberen, wenn auch reich-
wolligem Vließe.
Der Sprung oder die Paarung aus der Hand kann auf zweifache Weiſe aus-
geführt werden, entweder als Harems-, Serailſprung oder als Logenſprung. Bei
erſterem Verfahren kommen alle einem Bocke zugetheilten Schafe in eine Abtheilung.
Hat der Bock in derſelben 2—4 Sprünge gemacht, ſo wird er herausgenommen, die
belegten Schafe am Rücken mit Farbe bezeichnet und der Sprung im Regiſter ver-
zeichnet. Bei einer größeren Anzahl Schafe iſt es erforderlich einen Reſervebock zu
beſtimmen. Bei dem Logenſprunge läßt man die rütigen Schafe durch einen ver-
ſchürzten Probirbock (Aufſuchbock) Morgens und Abends aufſuchen. Die brünſtigen
Schafe bringt man dann je nach ihrer Nummer zu dem ſchon in Vorhinein beſtimmten
Bocke auf einen beſonderen Belegplatz oder in die Loge, in welcher gewöhnlich die
Böcke im Stalle gehalten werden.
Der Bedarf an Böcken richtet ſich nach der Dauer der Sprungzeit und dem
Sprungverfahren. Bei langer Dauer der Sprungzeit werden bei ein und derſelben
Bockzahl mehr Schafe fruchtbar, dagegen wird der Unterſchied zwiſchen dem zuerſt
und zuletzt fallenden Lamme zu groß. Die Sprungzeit ſoll daher nicht über 5—6
Wochen ausgedehnt werden. Je nach dem Sprungverfahren rechnet man für einen
Bock bei einer mittleren Sprungzeit von 4—5 Wochen und bei 2—3, höchſtens
4 Sprüngen eines Bockes in einem Tage bei
[201]Die Schafzucht.
- wildem Sprunge . . 25—30 Schafe,
- Claſſenſprunge . . 40—60 „
- Sprunge aus der Hand 70—80 „
Von Bedeutung für die Zucht der Schafe iſt die Feſtſetzung der Sprung- und
Lammzeit. Auf dieſelbe haben die Einwirkung der Jahreszeit auf die Lämmer
und den Wollwuchs, ſowie die wirthſchaftlichen Verhältniſſe und der Koſtenaufwand
Einfluß. Man unterſcheidet:
- 1. Winterlammung im December—Januar, Sprung im Juli—Auguſt,
- 2. Frühjahrslammung im März—April, Sprung im October—November,
- 3. Sommerlammung im Juni—Juli, Sprung im Januar—Februar,
- 4. Herbſtlammung im September—October, Sprung im April—Mai.
Die Winterlammung und der Sommerſprung bieten bei großem
Weidebetriebe den Vortheil, daß die Ablammung, welche im Winter fällt, keine
Störung in der Weide verurſacht. Bei Mangel an geeigneten Weiden für die
Lämmer entfällt eine ſonſt erforderliche, theuere Stallfütterung im Sommer. Die
trächtigen Mütter können im Stalle beſſer gepflegt werden als auf der Weide. Das
Perſonal kann ſich im Winter dem Ablammungsgeſchäfte eingehender widmen als im
Sommer, in welchem die Thiere auf die Weide zu treiben ſind. Schließlich kann
ein Verlammen während der Wäſche nicht eintreten. Dieſen Vortheilen ſtehen als
Nachtheile gegenüber, daß die Zutheilung im Sommer geſchehen muß und zwar da
die Thiere abgeſchoren nach der Bonität des Vorjahres, daß ein größerer Aufwand
an Winterfutter eintritt, daß das Wachsthum der Wolle durch das Säugen der
Lämmer leidet. Selbſt durch Wollefreſſen der Lämmer kann der Wollegewinn ver-
ringert werden. Die Lämmer müſſen überdies für ſich geſchoren werden. Unerläßlich
für die Winterlammung ſind jedenfalls gute Stallungen, in welchen die Temperatur
auf 12.5—15°C. erhalten werden kann und das Vorhandenſein von reichlichem,
zuſagendem Winterfutter für die ſäugenden Mütter und Lämmer.
Die Frühjahrslammung und der Herbſtſprung bieten den Vortheil,
daß ſich der Geſchlechtstrieb im Herbſte am ſtärkſten äußert, daher mehr Schafe
aufnehmen. Die Lämmer gelangen gleich auf die Weide, es kann daher an Winter-
futter geſpart werden. Die Nachtheile ſind dieſelben wie bei der Winterlammung,
hierzu kommt noch der Umſtand, daß die Lämmer bei der wechſelnden Frühjahrs-
witterung den Krankheiten mehr unterworfen ſind.
Die Sommerlammung und der Winterſprung haben den Vortheil, daß
kein Wolleverluſt eintritt, da die Lammung entweder vor oder nach der Schur ſtatt-
findet. Der Paarung im Januar kann mehr Aufmerkſamkeit gewidmet werden.
Die Aufzucht der Lämmer auf der Weide, bei welcher die Mutterſchafe am reichlichſten
milchen, iſt weſentlich erleichtert. Da die Wolle bereits abgeſchoren iſt oder bald
nach der Lammung abgeſchoren wird, ſo kann der Wollwuchs nicht beeinträchtigt
werden. Die Lämmer, welche auf der Weide ſchnell heranwachſen und im Sommer
weniger Krankheiten ausgeſetzt ſind, können ſchon im nächſten Jahre zugleich mit den
Müttern geſchoren werden. Mit dem Winterſprunge iſt jedoch der Nachtheil ver-
[202]Beſondere Thierzuchtlehre.
bunden, daß die Schafe weniger leicht bockig werden, wenn nicht für gutes Futter
und warmen Stall geſorgt wird. Das Ablammen iſt umſtändlicher, da die hoch-
trächtigen Thiere und die abgelammten Mutterſchafe in der erſten Zeit im Stalle
gehalten werden müſſen. Das Waſchen der hochträchtigen Thiere verlangt gleichfalls
beſondere Sorgfalt. Unerläßlich für die Einhaltung der Sommerlammung ſind
daher dem Stalle nahegelegene Weiden für die hochträchtigen Mutterſchafe, und ein
angemeſſener Futtervorrath, um die Thiere in der erſten Zeit und während der Regen-
tage im Stalle füttern zu können.
Die Herbſtlammung kommt ſelten zur Durchführung.
Um die Vortheile der Sommer- und Winterlammung zu vereinigen, hat man
die Einhaltung beider Lammzeiten empfohlen. Es erhöht ſich dann allerdings der
Arbeitsaufwand beträchtlich; dagegen hat man den beachtenswerthen Vortheil, daß
übergangene Schafe zum zweiten Sprunge kommen können und koſtſpielige Zuchtböcke
beſſer ausgenutzt werden.
In der Mehrzahl der Fälle wird die Sommerlammung zu empfehlen ſein.
Bei einem Uebergange von einer Lammzeit zur andern, z. B. von der Winter- zur
Sommerlammung hat man allmählig die Sprungzeit früher zu nehmen, bis unter-
ſtützt durch reichliche Ernährung der Uebergang nach zwei Jahren vollzogen iſt.
5. Die Aufzucht.
Für die kräftige Entwickelung der Lämmer hat man ſchon durch eine entſprechende
Behandlung der trächtigen Mutterſchafe zu ſorgen. Bald nach dem Belegen iſt die
Pflege der Mutterſchafe zu erhöhen und denſelben gutes Futter in ausreichender
Menge vorzulegen. Weiden auf naſſen Plätzen, auf bereiften Winterſaaten, Verab-
reichen von verſchimmeltem Heu, rohem und gefrornem Wurzelwerke, plötzlicher Ueber-
gang von einem Futter zu einem andern ſind zu vermeiden. Nachdem das Nerven-
ſyſtem trächtiger Mutterſchafe ohnehin mehr erregt iſt, ſoll jedes Hetzen, Drängen
und Stoßen hintangehalten, überhaupt eine ſanfte Behandlung gewährt werden. Zur
Berhütung des Drängens theile man die Heerden in Abtheilungen von je 50—60
Stücke, außerdem empfiehlt es ſich, Rundraufen aufzuſtellen, um ein Drängen
während des Fütterns nach Möglichkeit hintanzuhalten.
Rückt die Lammzeit heran, ſo bildet man an der Wand des Schafſtalles Kauen
von 0.8—1 □Meter Flächenraum, in welche die Mütter mit ihrem Lamme 1—3
Tage eingeſtellt werden, um ſie leichter beaufſichtigen zu können. Für 100 Schafe
reichen 6—7 ſolcher Abtheilungen aus. Gleichzeitig trennt man die Heerde mit
Hürden in Abtheilungen. In eine Abtheilung kommen die Schafe, welche bereits
abgelammt haben, in eine andere jene, welche hochträchtig und in eine dritte jene,
welche erſt nach einiger Zeit lammen werden.
Die Lammung geht meiſt leicht ohne Hilfe vor ſich, höchſtens, daß man die
Nabelſchnur nicht zu knapp am Lamme abzureißen hat. Will das Mutterſchaf,
namentlich die Erſtlingsmutter, das Lamm nicht ablecken, ſo beſtreut man letzteres
[203]Die Schafzucht.
mit Salz, oder man wiſcht das Lamm ab oder badet es in lauem Waſſer. Lamm
und Mutter kommen hierauf in die Kaue. Das Euter der Mutter iſt vom Schmutze
zu reinigen, noch zweckmäßiger iſt es, die Wolle abzunehmen, indem dieſelbe das
Säugen hindert und die Lämmer gerne zum Wollezupfen veranlaßt. Die Coloſtrum-
milch muß dem Lamme ungeſchmälert zukommen. Will das Lamm nicht ſaugen, ſo
hat der Schäfer demſelben die Zitzen in’s Maul zu ſtecken. Stirbt die Mutter oder
fallen Zwillinge, ſo müſſen grobwollige Schafe oder Ziegen als Ammen verwen-
det werden, nachdem bei Zwillingen das Mutterſchaf nur ein Lamm ausreichend
ernähren kann.
Man kann bei Merinoſchafen zufrieden ſein, wenn von 100 Mutterſchafen durchſchnitt-
lich 90 trächtig werden und 10 galt bleiben. Von den 90 trächtigen Mutterſchafen werden
durchſchnittlich 78—82 Lämmer fallen und 12—8 Mutterſchafe verwerfen. Bei engliſchen
Fleiſchſchafen, welche ungern aufnehmen, bleiben oft 30 % der Mutterſchafe galt, beſonders
wenn dieſelben zu reichlich gefüttert werden.
Die ſäugenden Mutterſchafe ſind möglichſt ſchonend zu behandeln, beſonders iſt
darauf zu ſehen, daß ihre Ernährung eine möglichſt gleichmäßige ſei, damit ſich die
Beſchaffenheit der Milch nicht ändert. Bei ungleicher Milch treten leicht Lämmer-
krankheiten auf. Nach 1—3 Tagen werden die Lämmer, welchen man zur Erkennung
ein Täfelchen mit der Nummer der Mutter um den Hals bindet, mit ihren Müttern
aus den Kauen genommen und gemeinſchaftlich mit denſelben je nach dem Alter
von 14 zu 14 Tagen oder je nach ihrer Körperentwickelung in Abtheilungen gebracht.
Bei Frühjahrs- und Sommerlammung werden ſie nach 4—5 Tagen mit den Müttern
auf nahe Weiden getrieben. Nachdem ſich die Lämmer im Alter von 14 Tagen bis
3 Wochen im Freſſen von Futter verſucht haben, werden ſie bei der Winterlammung
nach 4 Wochen in Abtheilungen zuſammengebracht, aus welchen ſie vorerſt nach Be-
lieben, ſpäter nur drei-, zwei- und einmal zum Säugen zu den Müttern gelangen
können. Gleichzeitig legt man ihnen feinſtes Heu und Körner, etwa 0.05 Kilogr.
Hafer, vor. Nach 3 ½—4 Monaten können die Lämmer, bei Melkheerden ſchon
nach 3 Monaten vollſtändig abgewöhnt werden.
Vor dem Abſetzen ſind noch die Operationen des Verhammelns, Coupirens und
Impfens vorzunehmen. Das Verhammeln oder Caſtriren der männlichen Thiere
geſchieht am beſten im Alter von 4—8 Wochen, je früher es ausgeführt wird, um
ſo wohlſchmeckenderes Fleiſch und feinere Wolle wird erzielt. Zur Vornahme der
Operation wählt man heiteres, ſtilles Wetter. Bei ruhiger Haltung im Stalle ſind
die Lämmer nach 2—3 Tagen wieder hergeſtellt. Zur gleichen Zeit werden den
Müttern und Böcken zur Reinhaltung und Unterſcheidung von den Hammeln, welche
ungeſtutzt bleiben, der Schwanz abgenommen, coupirt. Um die Schafe gegen die
Pockenkrankheit (Blattern) zu ſchützen, werden ſie in dieſem Alter bei ruhigem
Wetter gewöhnlich unter dem Schwanze geimpft.
Nicht alle Lämmer eignen ſich zur Zucht, es muß daher unter ihnen, am beſten
im Alter von 1—3 Wochen, eine Auswahl getroffen werden. Als Anhaltspunkte
[204]Beſondere Thierzuchtlehre.
für die künftige Wollebeſchaffenheit gelten die folgenden: Kleinheit und Gedrängtheit
der Stäpelchen, feines Anfühlen derſelben laſſen auf Feinheit und Sanftheit ſchließen.
Nach der Verbreitung der Stäpelchen am Körper, namentlich wenn der Kopf und
die Beine nicht mit Haaren, ſondern mit Wollflöckchen beſetzt ſind, läßt ſich ein
annähernder Schluß auf die künftige Bewachſenheit ziehen. Faltige Haut, welche ſich
übrigens bald glättet, gilt als Zeichen für Wolldichtigkeit und Reichwolligkeit. Glatte
ſpitze Ueberhaare (Lammhaare) fallen ſpäter aus, das Vließ kann daher trotzdem edel
werden. Feine, ſpitze Köpfe laſſen auf Ueberbildung ſchließen. Kahle, durchſcheinende
Ohren gelten als Zeichen für große Feinheit, aber Armwolligkeit. Zahlreiche Knöpfchen
in den Stäpelchen, beſonders wenn ſie ſelbſt an den Seiten vorkommen, laſſen auf
Zwirn ſchließen. Unbehilfliche, lange Beine werden als Anzeichen für künftige ſtarke
Körperentwickelung angeſehen.
Die weitere Aufzucht der Lämmer nach dem Entwöhnen bis zum Alter von
1 ½ Jahren muß mit großer Vorſicht vorgenommen werden, da die Lämmer, welche
verhältnißmäßig raſch an Körpergewicht zunehmen, ſonſt leicht verkommen. Bei
Stallfütterung erhalten ſie allmählig ſteigende Mengen an dem zarteſten und ſchmack-
hafteſten Heu und Hafer, welchen ſpäterhin Kartoffeln, Rüben, Sommerſtroh bei-
gegeben werden. Die Lämmer ſollen ſatt, jedoch nicht fett gefüttert werden. Im
erſten Monate nach dem Abſetzen erhalten ſie per Stück und Tag, je nach ihrer
Entwickelung, 0.25—0.4 Kilogr. feines Heu und Hafer oder ein Gemenge von
Hafer und Erbſen ad libitum. Nach 2 Monaten reicht man die doppelte Heumenge
und 0.1—0.2 Kilogr. Hafer nebſt Wurzelwerk und Stroh. Gleichzeitig ſorgt man
für ausreichende Salzlecke. Bei der Weideernährung, bei welcher ſich die Lämmer
am beſten entwickeln, hat man dieſelben vor großer Hitze und Näſſe zu ſchützen. Im
Alter von 6 Monaten werden die Geſchlechter getrennt, um nicht vorzeitig den
Geſchlechtstrieb auf Koſten der Körperentwickelung zu erregen.
Als Futternormen für Jungſchafe gelten je nach ihrer Körperentwickelung folgende
Anſätze in Kilogramm:
Nach Dr. E. Wolff 1) ſtellen ſich die Fütterungsnormen für wachſende Schafe
per Tag und 1000 Kilogr. Lebendgewicht in Kilogr. wie folgt:
[205]Die Schafzucht.
5. Die Ernährung.
Bei der Ernährung des Schafes iſt zwiſchen der Weidefütterung und der Stall-
fütterung, außerdem zwiſchen der Fütterung der Wollſchafe und der Fleiſchſchafe zu
unterſcheiden.
1. Die Weidefütterung.
Die Weidefütterung iſt die naturgemäße und wirthſchaftlich entſprechendſte Er-
nährungsweiſe des Schafes. Das Vorhandenſein von Weideland, namentlich auf
entlegenen Grundſtücken, bedingt meiſt die Schafhaltung, da derartige Grundſtücke nur
durch Schafe mit Vortheil ausgenutzt werden können.
Am zuſagendſten ſind dem Schafe kurzgraſige, dichtbewachſene natürliche
Weiden, welche nicht zu trocken und nicht zu naß gelegen ſind. Auf trockenen, ſandigen
Steppenweiden verſtaubt die Wolle zu ſtark. Moorige, ſumpfige Weiden ſind durch
die Schafe, wegen der auftretenden Krankheiten, wie der Lungenfäule, der Egelkrank-
heit, dem Milzbrande ꝛc. nicht zu verwerthen. Verunkrautete Weiden werden dadurch
nachtheilig, daß ſich die Samen der Unkräuter, namentlich der dornigen Spitzklette
(Xanthium spinosum L.) Fig. 149, des Igelſamens (Echinospermum Lappula Lehm.)
⚇, Fig. 150 und E. deflexum Lehm., Fig. 151, des rundblättrigen Labkrautes (Ga-
lium rotundifolium L.) ♃, Fig. 152, des fedrigen und haarförmigen Pfrimengraſes
(Stipa pennata und Stipa capillata L.), mehrerer Medicagoarten in dem Vließe als
ſogenannte Woll- oder Haarläuſe feſtſetzen und ſchwer wieder zu entfernen ſind, daher den
Werth der Wolle bedeutend verringern. Als zuſagendſte Weidenpflanzen für Schafe gel-
ten die Poa-, Festuca-, Medicagoarten, Phleum pratense, Aira, Trifolium repens,
Achillea millefolium etc. Bei der Anlage künſtlicher Weiden 1) für die Schafe
rerdienen insbeſondere die Eſparſette, der Weißklee, die Hopfenluzerne, die Ray-
gräſer, die Schafgarbe und die Bibernelle Beachtung.
Außer den natürlichen und künſtlichen Weiden ergeben ſich mancherlei Neben-
weiden. Saatfelder, Wieſen werden bei zu üppigem Wuchſe mit Schafen überhütet.
Dieſelben ſind jedoch, um ein zu tiefes Abbeißen zu vermeiden, raſch über die
[206]Beſondere Thierzuchtlehre.
Felder oder die Wieſen zu treiben. Nach der Getreideernte wird die Stoppel mit Schafen
abgeweidet, ebenſo die Klee- und Rübenſtoppel. Die Stoppelweide ſoll jedoch nur
mit Vorſicht bezogen werden, da leicht ein Aufblähen der Thiere eintreten kann. Die
Brachfelder werden beſſer durch das Schaf als durch das Rindvieh ausgenutzt.
Fig. 149. Dornige Spitzklette (Xanthium spinosum L.) nach Nobbe; — a Samen; b Borſte mit
Widerhaken.
Fig. 150. Gemeiner Igelſame (Echinospermum Lappula Lehm.) ⚇ nach Nobbe. — a Frucht nat.
Größe; b vergr. Rückſeite; c Profil; d ſtärker vergr. Borſten mit Widerhaken.
Fig. 151. Igelſame (Echinospermum deflexum Lehm.) nach Nobbe. — a und b Schließfrucht mit
krautſtachlig widerhakigen Fortſätzen; c vergr. Stachel.
Bei dem Weidebetriebe hat man darauf zu achten, daß die Weide nicht zu früh
betrieben wird, da ſonſt durch das zu tiefe Abbeißen der Nachwuchs geſchädigt wird.
Rundblättriges Labkraut (Galium
rotundifolium L.) ♃ nach Nobbe. — a Frucht in nat.
Größe; b. vergr. Rückſeite; c. desgl. Bauchſeite;
d Querſchnitt; α Lage des Embryo, β Endoſperm;
e, f ſtärker vergr. Widerhaken.
Bethaute, bereifte, befallene Weiden dür-
fen überhaupt nicht behütet werden, um
das Auftreten von Krankheiten hintanzu-
halten. Auf üppigen Weiden dürfen die
Schafe nicht hungrig aufgetrieben werden,
da ſie ſonſt dem Aufblähen ausgeſetzt
ſind. Staubige Weiden ſollen nach Mög-
lichkeit vermieden werden. Die Ausnutzung
der Weiden wird weſentlich erhöht, wenn
nicht die ganze Weidefläche, ſondern nach
und nach nur einzelne Abtheilungen be-
zogen werden. Die unbeweideten Abtheilun-
gen können ſich durch Nachwuchs wieder
in den Stand ſetzen. Gegen Unwetter ſind die Schafe durch Errichtung von Noth-
ſtallungen zu ſchützen, in welchen ſie auch während der Mittagshitze und während
der Nacht Schutz ſuchen können. In der Nähe dieſer Stallungen ſoll gleich für
ausreichende Tränkplätze geſorgt werden. Von Weſenheit iſt die richtige Beſetzung der
[207]Die Schafzucht.
Weide, damit zu jeder Zeit ausreichendes Weidefutter vorhanden iſt. Bei einer
mittleren Weidedauer von 7 Monaten können auf 1 Hektar ſehr guter Weide 20—28,
auf mittelguter Weide 10—14, auf geringer Weide 1.5—5 Schafe ausreichend ernährt
werden.
Die Dauer der Weide richtet ſich vornehmlich nach den klimatiſchen Verhältniſſen.
In milden Lagen wird die Weide ſchon im März, April, in rauhen erſt im Mai
beginnen und Anfang bis Ende November ihr Ende erreichen. Grobwollige, ab-
gehärtete Schafe, Hammel können länger als feinwollige Schafe, Böcke und Mütter
geweidet werden. In milden Lagen wird die Weidedauer 8—9, in rauhen Gegenden
6—7 Monate betragen.
Wie groß die Heerden gemacht werden ſollen, richtet ſich nach der Beſchaffenheit
der Weide. Zu kleine Heerden lohnen nicht die Beiſtellung eines eigenen Schäfers.
Bei zu großen Heerden iſt die Ueberſicht erſchwert. Meiſt vereinigt man in eine
Heerde nicht unter 150 und nicht über 500 Stück Schafe. Mutterſchafheerden
ſollen im Mittel 250—300 Stück zählen. Die einzelnen Geſchlechter gibt man
in beſonderen Heerden zuſammen; entweder bildet man je nach der Größe des
Schafftandes 3 Heerdenabtheilungen: 1. Mutterſchafe, 2. Böcke und Hammeln,
3. Lämmer, oder 5 Abtheilungen: 1. Zuchtmütter, 2. Böcke, 3. Hammeln, 4. Gölt-
ſchafe und 5. Lämmer. Die Lämmer erhalten die nächſten mit dem kürzeſten und dichteſten
Graſe bewachſenen Weiden zugewieſen, die Böcke und Mütter nahrhafte Weiden, das
Göltvieh trockene, weniger nahrhafte Weiden, die Hammeln die entfernteſten, geringſten
Weiden, und die Schlachthammeln und Brackſchafe die feuchteſten und üppigſten Weiden.
2. Die Stallfütterung.
Die reine Stallfütterung im Sommer wird ſelten wirthſchaftlich vortheilhaft
ſein. Nicht nur daß die Beſtellung und Einerntung des Stallfutters koſtſpieliger als
die Benutzung von natürlicher oder künſtlicher Weide iſt, trägt die Stallfütterung vom
Rindviehe mehr als vom Schafviehe ein. Die Ausnutzung verſchiedener zufälliger
Weiden läßt es ſchon räthlich erſcheinen, die Stallfütterung im Sommer auf das
Nothwendigſte einzuſchränken. Am eheſten eignet ſie ſich noch für ſehr kleinen und
dabei zerſtückten Beſitz, welcher die Ausführung eines Weidebetriebes unthunlich
erſcheinen läßt. Sprechen günſtige Abſatzverhältniſſe für die Haltung der Schafe,
trotzdem keine natürlichen oder nur feuchte, unverwendbare Weiden vorhanden ſind,
und die Futterwüchſigkeit des Bodens die Anlage künſtlicher Weiden nicht paſſend
erſcheinen läßt, ſo wird die Stallfütterung, insbeſondere von Maſtſchafen, am
Platze ſein.
Für die Durchführung der Sommerſtallfütterung iſt es unerläßlich,
daß 6—8 Wochen länger für Winterfutter geſorgt werde, da das Grünfutter ſpäter
zur Benutzung gelangt als die Weide und früher aufhört. Die Dauer der Sommer-
ſtallfütterung kann mit 4—4½ höchſtens 5 Monate angenommen werden. Außerdem
muß für ausreichende Streuſtrohmengen, für Localitäten zur Aufbewahrung von
Grünfutter-Vorräthen und für luftige, geräumige Stallungen geſorgt werden.
[208]Beſondere Thierzuchtlehre.
Zur Fütterung des Schafes eignen ſich alle Arten von Grünfutter, welche für
ein mittelgroßes Schaf in einer durchſchnittlichen Menge von 4—5 Kilogramm per
Tag in drei Futterzeiten vorzulegen ſind. Bei der Durchführung der Grünfütte-
rung ſind alle jene Vorſichten zu gebrauchen, welche bereits S. 78 und 125 ange-
führt wurden, beſonders hat man dafür zu ſorgen, daß bei dem Uebergange von oder
zur Trockenfütterung das Grünfutter nur mit Stroh gemiſcht zur Verfütterung gelange.
Viel öfter wird eine Vereinigung der Sommerſtallfütterung mit der Weideer-
nährung ſtattfinden. Reichen die vorhandenen Weideflächen zeitweilig zur Ernäh-
rung der ganzen Schafheerde nicht aus, ſo wird ein Theil derſelben, die Böcke, die
trächtigen Mütter oder die Winterlämmer im Stalle zu füttern ſein. Ein Aushilfs-
mittel für ſolche Fälle bildet auch die Hordenfütterung. Iſt es z. B. nicht räthlich,
das Pferchen (ſ. Bd. I, S. 175) zu unterbrechen, reicht aber die Weide zur Er-
nährung nicht aus, ſo führt man Grünfutter zu und verfüttert daſſelbe am Felde
ſelbſt. Zu dieſem Zwecke werden mit Vortheil bewegliche Raufen verwendet.
Die Winterfütterung wird bei Schafen hauptſächlich mit Heu, Stroh,
Wurzelwerk, Körner, Preßlinge, Brantweinſchlempe und Oelkuchen durchgeführt. Aus-
ſchließliche Heufütterung wird ſich in den ſeltenſten Fällen auszahlen. Bei geringen
Heumengen ſind vorerſt die Lämmer, Jährlinge und die trächtigen und ſäugenden
Mutterſchafe zu befriedigen. An Stelle des Heues können an die Schafe getrocknetes
Laub von Ulmen, Pappeln, Eichen ꝛc. und Hopfenranken mit Erfolg verabreicht werden.
Das Stroh bildet einen Hauptbeſtandtheil des Winter-Schaffutters, nachdem daſſelbe durch
die Schafe beſſer als durch das Rindvieh ausgenutzt wird. Sehr zu empfehlen iſt es, das
Stroh den Schafen zum Durchfreſſen vorzulegen und dann erſt als Streu zu verwenden.
Nächſt dem Stroh werden bis zur Hälfte der Futterration im gedämpften oder
rohen, verkleinerten Zuſtande Kartoffeln, Rüben, Topinamburknollen ꝛc. verabreicht.
Bei geringem Preiſe der Körner, können auch dieſe verfüttert werden und zwar werden
damit zunächſt die Abſatzlämmer, ſchwache Mutterſchafe, Maſthammeln und während
der Sprungzeit die Zuchtböcke bedacht. Ueber 0.2 Kilogramm per Stück und per
Tag ſoll man jedoch nicht hinausgehen. An Stelle der Körner treten Oelkuchen bis
zu 0.25 Kilogramm per Stück und Tag oder verſchiedene Baumfrüchte, wie Roß-
kaſtanien, Eicheln, Akazienſchoten ꝛc., welche vorher vortheilhaft mit den Rübenpreß-
lingen in Gruben eingelegt werden. Die Brantweinſchlempe eignet ſich vornehmlich
für Mutterſchafe, Galtvieh und Hammeln.
In der Mehrzahl der Fälle reichen drei Futterzeiten aus. Vor jeder Fütterung
treibt man die Schafe in eine abgeſonderte Stallabtheilung, um bequem, ohne durch
die Futterabfälle die Wolle zu verunreinigen, das Einlegen des Futters in die
Raufen vornehmen zu können. Zwiſchen den einzelnen Mahlzeiten ſorgt man im
Stalle oder an Brunnentrögen für ausreichende Tränke. Dieſelbe wird je nach der
Wäſſerigkeit des Futters ein oder zweimal gegeben. Um die Durchnäſſung und das
Gefrieren der Wolle im Winter zu verhüten, empfiehlt es ſich, den Tränktrog
mit runden Löchern zu verſehen, welche eine Durchnäßung des Vließes weniger
leicht möglich machen. Der Geſundheitszuſtand in der Schafheerde wird weſentlich
[209]Die Schafzucht.
erhöht durch die Aufſtellung geeigneter Salzlecken. Für ein Schaf rechnet man jähr-
lich 0.5—1.5 Kilogramm Salz oder 2—4 Gr., bei Maſtſchafen 6—8 Gr. täglich.
Die Dauer der Winterfütterung richtet ſich nach der Dauer der Weide oder
der Sommerſtallfütterung. In ſehr milden Lagen beträgt dieſelbe 4—4½ Monate,
in mittleren Verhältniſſen 6, in rauhen, ungünſtigen Lagen und bei Sommerſtall-
fütterung 7 und auch 8 Monate.
3. Die Fütterung der Wollſchafe.
Zur Production der Wolle iſt jedenfalls ein gewiſſer Antheil von dem Futtereiweiße
erforderlich. Dazu kommt, daß ſich bei dem lebhafteren Temperamente der Schafe,
der vermehrten Bewegung und bei dem Umſtande, als bei dem kleineren Körperbaue der
Wärmeverluſt durch Ausſtrahlung ein größerer iſt, der Bedarf an Reſpirationsmitteln
ſteigert. Wenn trotzdem, bemerkt Wolf1), die Nährſtoffmenge im Beharrungsfutter
der Schafe, gegenüber denjenigen der Ochſen, nicht ein noch größerer iſt, als er ſich
in der Wirklichkeit herausſtellt, ſo ſteht dies vermuthlich im Zuſammenhange mit
dem dicken Wollpelze des Schafes, welcher die Wärmeausſtrahlung, vielleicht auch die
Waſſerverdunſtung und damit den Reſpirationsmittel-Verbrauch vermindert.
Die Art und Menge der Fütterung hat inſofern einen Einfluß auf die Wolle-
production, als dieſelbe weſentlich ſinkt, wenn das verabreichte Futter zur Er-
haltung eines mittleren Ernährungszuſtandes nicht ausreicht. Das Sinken der Wolle-
production iſt jedoch im Allgemeinen bei ſtickſtoffreicherer Futterzuſammenſetzung ge-
ringer als im entgegengeſetzten Falle. Bei ausſchließlicher Heufütterung oder bei Heu-
fütterung und Beigabe von Körnern wird die größte Wolleproduction erzielt, dagegen
ſcheint eine ſtickſtoffarme Fütterung, ſelbſt wenn ſie zur Erhaltung des Körpergewichts
ausreicht, z. B. von Stroh und Rüben, ungünſtig auf den Wollezuwachs einzuwirken.
Bei Maſtfutter wird nicht nennenswerth mehr Wolle producirt als bei normaler
Fütterung.
Henneberg2) hat gefunden, daß bei Negrettihammel die tägliche Wolleproduction für 1000
Kilogr. Lebendgewicht ſowohl bei Beharrungs- als bei Maſtfutter 0.141 Kilogr. oder 0.273
r. 286 % des am Schluſſe der Verſuche feſtgeſtellten Schurgewichtes beträgt. Zu erwähnen ſind
auch die von Rohde3) 1850 angeſtellten Verſuche über den Einfluß der Fütterung auf das
Wachsthum der Wolle. Derſelbe conſtatirt eine Zunahme des Schurgewichtes im Verhält-
niß zur reichlicheren Ernährung. Die verſchiedenen Schafracen zeigen, wie nicht anders bei der
Verſchiedenartigkeit der Wollen zu erwarten, einen großen Unterſchied in der Beziehung zwiſchen
Futter und Wolleproduction. Bei bezüglichen Verſuchen in Proskau4) lieferten 1000 Kilogr.
Lebendgewicht im Durchſchnitte von fünf verſchieden reichlichen Fütterungsarten per Tag bei
- Landſchafen ..... 0.1260 Kilogr. Wollhaare,
- Rambouillet-Negretti . 0.1116 „ „
- Negretti ...... 0.1090 „ „
Krafft, Lehrb. d. Landw. III. 14
[210]Beſondere Thierzuchtlehre.
- Electoral-Negretti .. 0.1041 Kilogr. Wollhaare,
- Southdown .... 0.0919 „ „
- Southdown-Merino .. 0.0797 „ „
- Electoral ..... 0.0623 „ „
Das volljährige Schaf, welches ausſchließlich zum Zwecke der Wollegewinnung
gehalten wird, bedarf nach Settegaſt 1), um in einem mittleren Ernährungszuſtande
erhalten zu werden, per Haupt und Tag in der Futterration folgende Nährſtoffmengen:
Leichte Merino, Electoral-Typus. Mutterſchafe 30—40 Kilogr. Lebendgewicht.
Schwere Merino. Negretti- und Rambouillet-Typus. Mutterſchafe von 45
bis 60 Kilogr. Lebendgewicht.
Fleiſchſchafe. Mutterſchafe 50—60 Kilogr. Lebendgewicht.
Dr. E. Wolff2) gibt als Futternorm pro Tag und 1000 Kilogr. Lebend
gewicht in Kilogr. an.
4. Die Fütterung der Maſtſchafe.
Die meiſten neueren Fütterungsverſuche zeigen in Betreff der Maſtſchafe, daß
ſich die Zunahme per Kopf und Tag (0.06—0.103 Kilogr.), ſowie das Schlachtgewicht
(48—54.9 % des Lebendgewichtes) und der Anſatz von Talg in den Nieren und
dem Netze (7.2—11.2 % des Lebendgewichtes) um ſo mehr vermehrt, als die
Futterſtoffe einen größeren Gehalt an verdaulichem Eiweiße aufzuweiſen haben. Bei
ſtickſtoffärmerem und zugleich wäſſerigem Futter iſt die Zunahme nach allen genannten
Richtungen eine viel langſamere. Die wirkſamſten Maſtfuttermittel für Schafe ſind
daher verſchiedene Heuarten, Körnerſchrot und Körnerabfälle. Wäſſerige Futter-
mittel, wie Branntweinſchlempe, Rüben und ſelbſt Kartoffeln werden viel beſſer bei
der Maſtung von Ochſen ausgenutzt. Auf den Erfolg und die Dauer der Maſtung
[211]Die Schafzucht.
haben ebenſo wohl die Race als auch das Alter der zu mäſtenden Schafe großen
Einfluß. Engliſche Fleiſchſchafe, wie Southdowns, mäſten ſich viel beſſer und ſchneller
als Merinoſchafe. Die Hammel liefern das ſchmackhafteſte Fleiſch und den größten
Fettanſatz in kürzeſter Zeit (3 Monat), wenn ſie im Alter von 1½—3 Jahren zur Maſt
aufgeſtellt werden. Bei älteren Hammeln leidet die Qualität des Fleiſches, wenn auch
der Anſatz von Talg an den Nieren und Eingeweiden ein größerer iſt. Sehr zu em-
pfehlen iſt es, die Maſtſchafe vor oder während der Mäſtung zu ſcheeren, da durch
die geſteigerte Freßluſt nach der Schur, wie genaue Verſuche nachgewieſen, die Zu-
nahme eine größere als vor der Schur iſt.
Die Tagesration beträgt bei der Maſtung für das Haupt in Kilogr. bei
Nach Dr. E. Wolff erhalten Maſtſchafe per Tag und 1000 Kilogr. Lebendgewicht:
6. Die Pflege.
Die Stallpflege bei den Schafen iſt nicht ſo beſchwerlich als wie beim Rinde,
nachdem bei jenen das Putzen wegfällt. Ein Schafknecht kann daher 200—300 Stück
überſehen. Bei größeren Heerden lohnt es ſich, einen Oberſchäfer oder Schafmeiſter zu
halten. Zuchtthiere, welche zum Verkaufe beſtimmt ſind, erhalten zuweilen zum
beſſeren Schutze des Vließes eine Decke umgebunden. Zum leichteren Reinhalten
der Thiere und zur beſſeren Bereitung des Düngers, welche in der Regel im Stalle
vorgenommen wird, ſtreut man den Schafen je nach der Beſchaffenheit des Futters
0.13—0.2 Kilogr. Stroh per Kopf und Tag ein 1).
Ein Haupterforderniß eines guten Schafftalles iſt eine trockene Lage. Durch
ausreichende Höhe (3—3.8 Meter) und Anlage von Fenſtern und Ventilationsvorrich-
tungen ſoll für den Eintritt friſcher, geſunder Luft geſorgt werden, dabei ſoll die
Stalltemperatur im Winter nicht unter 12.5—15°C. ſinken.
Der erforderliche Stallraum mit Inbegriff der Gänge, Hürdenabtheilungen,
Raufen ꝛc. beträgt für ein Mutterſchaf oder einen Hammel nach der Größe des
Schlages 0.6—1.0 □Meter, für ein Mutterſchaf ſammt Lamm oder einen Bock
1.2—2.0 □Meter Stallraum. Für Sommerlämmer und Jährlinge rechnet man
14*
[212]Beſondere Thierzuchtlehre.
0.5—0.8 □Meter Stallraum. In einem Stalle ſollte man jedoch nicht mehr als
1500 Stück Schafe unterbringen.
Für das Ausführen des Düngers mit Wagen werden an den Giebeln Thore an-
gebracht. Für den Austrieb der Schafe dienen 2.8 Meter breite und ebenſo hohe, an
der Mittagſeite gelegene Thüren, deren Flügel ſich nach außen öffnen und die an den
Thürſtöcken mit vertical ſtehenden, drehbaren Walzen verſehen ſind, um Beſchädigungen
der Wolle bei etwaigem Drängen der Schafe während des Austriebes zu verhindern.
Bei großen Schafſtällen wird ein weiteres Thor an der Abendſeite angebracht,
um bei Feuer die Schafe raſcher aus dem Stalle zu bringen. Die Stallabthei-
lungen werden durch feſte, an den Kanten abgerundete Holzgeländer und nach Bedarf
durch bewegliche Hürden hergeſtellt.
Die Futterraufen ſollen das Einlegen des Futters leicht geſtatten, ohne daß
die Wolle durch Futterabfälle verunreinigt wird, wenig Platz einnehmen und trans-
portabel ſein. Am verbreitetſten ſind die Block’ſchen Doppelraufen, Fig. 153. Die
Kante des Futtertroges ſoll etwa 0.5 Meter über der Düngerſchichte ſtehen, damit
die Schafe das Futter bequem aufnehmen können. Feſtſtehende Wandraufen kommen
Block’ſche Doppelraufe für Schafe.
bei zunehmender Düngerhöhe leicht zu tief zu ſtehen. An Schnüren über Rollen
hängende Raufen ſind zu complicirt. Für trächtige Schafe eignen ſich die viel
Raum beanſpruchenden Rundraufen. Für die Futterzubereitung iſt ein bequemer Platz
im Stalle herzurichten.
Als Gewährskrankheiten gelten in Oeſterreich die Räude mit 8, die Egelkrankheit
mit 60 und die Pocken, wie in Preußen, mit 8 Gewährstagen. Weitere Schafkrank-
heiten ſind: die Klauenſeuche, der Milzbrand, die Fäule, der Durchfall, die Trom-
melſucht, die Traberkrankheit, die Drehkrankheit ꝛc.
7. Die Benutzung.
Die hervorragendſten Benutzungsarten des Schafes ſind, abgeſehen von der
Düngergewinnung: 1. die Wollnutzung, 2. der Zuchtviehbetrieb, 3. die Schafmaſtung
und 4. die Milchnutzung.
[213]Die Schafzucht.
Bei der Wollnutzung iſt die Gewinnung der Wolle durch die Wollwäſche und
die Schafſchur, und der Wollertrag zu beachten.
Am gewöhnlichſten wird die Wolle durch das Scheeren gewonnen, nachdem ſie vor-
her durch die ſogenannte Pelz- oder Rückenwäſche am Körper des Schafes gereinigt wurde.
Mehrfach hat man es auch verſucht, die Thiere im Schweiße oder Schmutze zu ſcheeren.
Es wird dann, wie in Frankreich, die ungewaſchene Wolle an den Fabrikanten verkauſt, oder
die Wolle, wie in Spanien, Rußland, nachträglich durch die Bließwäſche gereinigt und
in gewaſchenem Zuſtande verkauft. In Oeſterreich und Deutſchland ſind zum Zwecke des
Waſchens im Schweiße geſchorener Wollen eigene Waſchanſtalten gegründet worden, ohne daß
jedoch dieſe Art der Wollgewinnung bisher allgemeinere Verbreitung gefunden hätte. Ein
Hauptübelſtand iſt dabei die Schwierigkeit des Sortirens der im Schmutze geſchorenen
Wollen; um dieſem Uebelſtande abzuhelfen wurde von Hétſey in Peſt und Poſſart in Berlin
empfohlen, jedes einzelne Vließ für ſich zu waſchen. Dieſes Verfahren hat ſich jedoch in
der Praxis nicht erprobt.
Bei einigen Haideſchafen wird die Wolle durch Ausraufen und Auskämmen gewonnen.
Die Wäſche und Schur wird im Verlaufe eines Jahres entweder einmal oder
zweimal je nach der Höhe des Wollwuchſes und der Verwendung der Wolle aus-
geführt (Ein- und Zweiſchur-Wolle). Bei zweimaligem Scheeren erhält man nach
zahlreichen Beobachtungen etwas mehr Wolle als bei einmaliger Schur, da das
Wachsthum der Wolle unmittelbar nach der Schur am ſtärkſten iſt.
Nach bezüglichen Meſſungen von Dr. F. Stohmann 1) war das tägliche Längenwachs-
thum der Wolle während der erſten 151 Tage nach der Schur doppelt ſo groß als wäh-
rend der darauf folgenden 112 Tage. Weiteres wies Stohmann nach, daß die kurz nach
der Schur gewachſene Wolle mehr reine Wollſubſtanz beſitzt, während in den ſpäteren Sta-
dien mehr Schmutz und Schweiß angeſetzt wird. Dreizehn Monate alte Schafe gaben im
Schmutze geſchoren 41.5, 3.23 und 35.9 % reine Wollſubſtanz. Nach 33 Tagen wieder im
Schmutze geſchoren gaben dieſelben Thiere 68.1, 52.3 und 59.6 % reiner Wollſubſtanz.
Bei kurzwolligen Merinoſchafen findet nur eine einmalige Schur ſtatt, gewöhn-
lich Ende Mai bis Mitte April. Bei langwolligen Merinoſchafen würde der Jahres-
wuchs der Wolle wegen ſeiner Höhe für die Tuchfabrication ungeeignet ſein. Dieſe
werden daher wie andere langwollige Schafe zweimal geſchoren. Die erſte Schur
der Winterwolle, welche etwa ⅗ vom jährlichen Wollertrage liefert, findet Ende
April bis Anfang Mai ſtatt. Die zweite Schur der Sommerwolle wird im Sep-
tember vorgenommen.
Die Wolle iſt vor der Schur durch die Wäſche zu reinigen. An eine gute
Wäſche ſtellt man die Anforderung, daß nach derſelben die Wolle blank und weiß er-
ſcheine, nicht zu viel oder zu wenig Fettſchweiß enthalte und nach wie vor gleich elaſtiſch,
geſchmeidig und klar ſei. Die Menge des Fettes und der Verunreinigungen, welche
aus Staub, Dünger, Futterreſten, Hautſchuppen ꝛc. beſtehen, iſt je nach dem Charak-
[214]Beſondere Thierzuchtlehre.
ter und Fettgehalte der Wolle, und der Haltung der Thiere ſehr verſchieden. Das
reine Wollhaar beträgt nur 13—45 % des ſchmutzigen Vließes, während 9—43 %
auf den Fettſchweiß und 29—45 % auf den Schmutz, das Uebrige auf hygro-
ſkopiſches Waſſer entfallen. Durch die Wäſche auf den Thieren verliert feine oder
mittelfeine Wolle 40—60 %. Dieſelbe wird vor der Verarbeitung noch einer
Fabrikswäſche unterzogen, dabei beträgt der Waſchverluſt bei ſchlechter Rückenwäſche
weitere 30—40 %, bei guter Rückenwäſche 20—25 %.
Durch die Rückenwäſche werden die Verunreinigungen der Wolle, ebenſo ein
Theil des im Waſſer löslichen, verſeiften Fettes, theils durch Löſung im Waſſer, theils
auf mechaniſche Weiſe entfernt, während der unlösliche Theil des Fettſchweißes
zurückbleibt. Der Erfolg der Wäſche hängt nicht nur von der Ausführung derſelben,
ſondern in erſter Linie von der Beſchaffenheit des verfügbaren Waſſers ab. Die
Eignung des Waſſers zur Wollwäſche hängt von ſeiner Temperatur und ſeinem Ge-
halte an mineraliſchen Beſtandtheilen, namentlich an Kalk ab. Bei zu
niedriger Temperatur leidet die Geſundheit der Thiere, außerdem löſt ſich der Fett-
ſchweiß und Schmutz in viel geringerem Grade als in wärmerem Waſſer. Die
Temperatur des Waſſers ſoll auf keinen Fall unter 17°C. betragen. Je mehr
Salze und Kalk das Waſſer enthält und je härter es iſt, um ſo ungeeigneter wird
daſſelbe zur Wollwäſche. Stark kalk-, gips-, eiſen- oder kochſalzhaltiges, ſowie moo-
riges und ſumpfiges Waſſer iſt daher unverwendbar. Am beſten eignet ſich weiches
Regen-, Bach- und Flußwaſſer. Die Wirkſamkeit des Waſſers kann durch verſchie-
dene Zuſätze oder durch Erwärmung erhöht werden. Man bezeichnet eine derartige
Wäſche als Kunſtwäſche im Gegenſatze zur Naturwäſche, welche mit kaltem Waſſer
ohne irgend welchen Zuſatz vorgenommen wird.
Sowohl bei der Natur- als bei der Kunſtwäſche geht dem eigentlichen Waſchen
das Einweichen voraus. Daſſelbe hat den Zweck, den größten Schmutz, welcher
die Spitzen der Wollhaare zu einer zuſammenhängenden Maſſe vereinigt, zu erweichen,
damit derſelbe um ſo ſicherer durch die Reinwäſche entfernt werden kann. Man hat
dafür zu ſorgen, daß bei dem Einweichen namentlich die Wolle des Halſes und
Kopfes naß werde und bis zur eigentlichen Wäſche das Vließ nicht wieder abtrockne,
da ſonſt die Wolle hart wird. Man begieße daher die eingeweichten, zuſammen-
gepferchten Schafe zeitweilig mit einer Gießkanne oder mit einer an einer Spritze an-
gebrachten Brauſe. 3—4 Stunden vor dem Reinwaſchen reichen meiſt hin, um
den Schmutz und den ſchwer flüſſigen Fettſchweiß zu löſen. Das Einweichen wird
daher gewöhnlich für die am Vormittag zu waſchenden Schafe am Abend vorher,
für die Nachmittags zu waſchenden am Morgen vorgenommen. Die eingeweichten
Schafe treibt man möglichſt enge in Stallabtheilungen, damit auch durch die Er-
höhung der Stallwärme eine Verflüſſigung des Fettſchweißes eintrete. Von der rich-
tigen Ausführung des Einweichens hängt das geſammte Waſchreſultat ab. Wird
zu kurze Zeit eingeweicht, ſo kann die Wolle nicht vollſtändig rein gewaſchen werden,
weicht man zu lange ein, ſo zieht ſich der Schmutz der Stapelenden in die Wolle und
dieſe bleibt dann trotz der ſorgfältigſten Reinwäſche grau.
[215]Die Schafzucht.
Die Naturwäſche kann entweder als Schwemmwäſche, als Sturzwäſche oder
als Spritzwäſche ausgeführt werden. Bei mangelndem Waſſer kann die Naturwäſche
auch in Bottichen vorgenommen werden, außerdem gibt es mannigfaltige Combinationen
zwiſchen Natur- und Kunſtwäſche.
Die Schwemmwäſche wird entweder in einem Fluſſe, Teiche oder in einem
2 Meter breit, 25 Meter lang und an der einen Breitſeite 1—1½ Meter tief
ausgegrabenen Baſſin vorgenommen. In den Flüſſen und Teichen werden in den-
ſelben Dimenſionen durch Pflöcke und Hürden Strecken abgeſteckt. An der einen
Breitſeite wird ein Steg 1—1.25 Meter über den Waſſerſpiegel hinausgebaut, von
welchem die Schafe einzeln in das Waſſer ſpringen müſſen, um dann die abgeſteckte,
nicht über 25 Meter lange Strecke zu durchſchwimmen. Am Rande des Waſſers
werden Arbeiter mit Krücken aufgeſtellt, um die Köpfe der ſchwimmenden Schafe über
dem Waſſer zu halten. Am Ende der Strecke läßt man den Boden mäßig ſteil
aufſteigen, damit die Schafe bequem das Waſſer verlaſſen können. Am Ausgange
der Schwemme werden Arbeiter angeſtellt, welche durch ſanftes Waſchen und Reiben
mit der Hand ſtark ſchmutzige Stellen am Halſe und Kopfe zu reinigen ſuchen. Das
Einweichen wird bei der Schwemmwäſche am Tage vorher vorgenommen, indem
man die Schafe die Strecke ein- bis zweimal je nach der Beſchaffenheit des Vließes durch-
ſchwimmen läßt. Die Reinwäſche erfolgt dann den nächſten Tag, indem man das
Durchſchwimmen 3—6mal in Zwiſchenräumen wiederholt, um die Schafe nicht zu
ſehr zu ermüden. Dieſes Verfahren der Schwemmwäſche reicht nur für fettſchweiß-
arme, grobwollige Schafe aus.
Für fettſchweißreichere, feinere Schafe wird die Schwemmwäſche in Verbindung
mit der Handwäſche ausgeführt. Bei dieſem Verfahren werden längs der zu durch-
ſchwimmenden Strecke mehrere Tonnen, je zwei gegenüber, in das Waſſer geſenkt, in
welche ſich die Arbeiter ſtellen, um das vorbeiſchwimmende Schaf durch ſanftes
Drücken und Streichen der Wolle, damit der Stapelbau nicht verwirrt werde, zu
reinigen. Nach dem Waſchen läßt man die Schafe noch einmal durchſchwimmen, um die
letzten Partien Schmutz und gelöſten Fettſchweiß wegzuſchwemmen, die Schafe reinzuwaſchen.
Die Sturzwäſche erfordert die Anlage eines Waſſerſturzes von 1.6—1.8 Me-
ter Höhe, je nach der Maſſe des Waſſers. Durch die mechaniſche Gewalt des herab-
ſtürzenden Waſſers wird ſeine Wirkſamkeit zur Reinigung des Vließes erhöht. Ge-
wöhnlich werden 3—4, etwa 10—16 Centm. breite und 8—10 Centm. tiefe
Sturzrinnen angelegt, welche das Waſſer in ein Baſſin ergießen. Das Baſſin wird
entweder ſo hoch mit Waſſer gefüllt, daß die Schafe bequem ſchwimmen oder es bleibt
trocken. In erſterem Falle iſt unter jeder Rinne nur ein Wäſcher nothwendig, in
letzterem müſſen noch zum Halten und Drehen der Schafe unter dem Sturze zwei
weitere Arbeiter angeſtellt werden. Die Sturzrinnen werden ſo eingerichtet, daß ſie
0.6—1 Meter, bei geringeren Waſſermengen auch höher, vom Waſſerſpiegel abſtehen.
Das am zweckmäßigſten gepflaſterte Baſſin erhält, wenn es mit Waſſer gefüllt wird,
an paſſender Stelle ein Brett zum Hineinſpringen der Schafe; der Auslauf wird in
einen Canal ausmünden gelaſſen, welcher zum Schwemmen der Schafe dient. Das
[216]Beſondere Thierzuchtlehre.
Verfahren bei der Sturzwäſche iſt folgendes: Zunächſt läßt man die Schafe den
Canal oder das Sturzbaſſin durchſchwimmen, indem man ſie gleichzeitig einigemal
untertaucht, damit das Waſſer möglichſt alle Theile des Vließes trifft. Nach dieſem
Einweichen folgt, nach der S. 214 angegebenen Zeit, das eigentliche Waſchen unter
dem Sturze, indem man die Schafe einzeln in das Sturzbaſſin ſpringen läßt. Unter
der erſten Sturzrinne angelangt, wird vornehmlich die linke, unter der zweiten die
rechte Seite, unter der dritten der Bauch und die Füße des Schafes durch vorſichtiges
Drücken der Wolle gewaſchen. Bei der letzten Rinne ſteht ein beſonders verläßlicher Ar-
beiter, welcher noch dort nachhilft, wo es nothwendig iſt. Hat man einen halben
Tag gewaſchen, ſo wird das Waſſer des Baſſins abgelaſſen und die Thiere je Mit-
tags und Abends durchgeſchwemmt, um ſie reinzuwaſchen. Nach dem Reinwaſchen
kann gleich eine entſprechende Partie Schafe wieder eingeweicht werden.
Die Spritzwäſche eignet ſich überall dort, wo nur geringe Waſſermengen zur
Verfügung ſtehen. Das Einweichen, eigentliche Waſchen und Reinwaſchen wird in
derſelben Reihenfolge wie bei der Schwemm- und Sturzwäſche durchgeführt. Die
Leute ſtellt man gewöhnlich zum größeren Schutze hinter eine Bretterwand, vor
welcher die Schafe gehalten und dem vollen oder durch eine Brauſe vertheilten Waſſer-
ſtrahle aus einer Feuerſpritze ausgeſetzt werden.
Die Kunſtwäſche wird gegenüber der Naturwäſche überall dort anzuwenden
ſein, wo das Waſſer nicht geeignet und nicht in hinreichender Quantität zur Ver-
fügung ſteht, oder die Wolle ſtark mit Fettſchweiß und Schmutz beladen iſt. Die
Wirkung des Waſſers wird weſentlich durch Erwärmen deſſelben auf 37°C.
erhöht, indem der Schmelzpunkt des unlöslichen Theiles des Fettſchweißes bei 35°C.
liegt. Die verſchiedenen Operationen des Einweichens, eigentlichen Waſchens und
Reinſchwemmens werden in Bottichen vorgenommen, in welchen das Waſſer durch
Zugießen heißen Waſſers ſtets auf gleicher Temperatur erhalten wird. Den
Keſſel zum Wärmen des Waſſers ſtellt man zweckmäßig ſo hoch, daß das heiße
Waſſer durch eine Rinne unmittelbar in die Waſchbottiche abfließen kann.
In je zwei Bottichen wird bei dem eigentlichen Waſchen zuſammengearbeitet.
In dem einen Bottich, dem Weichbottich, wird das Waſſer wärmer gehalten, als in
dem zweiten, dem Waſchbottich. An jedem Bottich ſtehen 4 Arbeiterinnen, welche
das Schaf mit dem Rücken nach abwärts durch 5—6 Minuten bearbeiten, ſo zwar,
daß in einer Stunde 10—12 Schafe in jeder Bottichgarnitur gewaſchen werden.
Nach dem eigentlichen Waſchen werden die Bottiche neu gefüllt und das Reinſchwemmen
vorgenommen, ſehr häufig wird letztere Operation auch in fließendem Waſſer oder
unter dem Waſſerſtrahle einer Feuerſpritze vorgenommen.
In derſelben Weiſe wird vorgegangen, wenn die Wirkſamkeit des Waſſers bei
ſehr fettſchweißreichen Wollen durch Zuſätze von Waſchmitteln erhöht wird. Als
ſolche Zuſätze dienen bei hartem Waſſer Soda, Guano, von letzterem werden auf
je 100 Liter Waſchwaſſer 0.5 Kilogr. genommen. Außerdem verwendet man
grüne Seife, Saponin enthaltende Pflanzenſtoffe wie die Seifenwurzel (Saponaria
officinalis), die Quillajarinde (Quillaja saponaria), das Hètſey’ſche, vorzugsweiſe
[217]Die Schafzucht.
Seifenwurzel und das Hirſch’ſche, Soda und Seifenwurzel enthaltende Waſchmittel.
Die Waſchmittel werden ſtets warmem Waſſer zugeſetzt. Um dieſelben beſtmöglichſt
auszunutzen, verwende man ſtatt der Bottiche ſchräg ſtehende Tröge, welche mit einer
unten offenen Scheidewand in zwei Abtheilungen getheilt ſind. In der unteren Ab-
theilung werden die Schafe gewaſchen und dann in die obere Abtheilung gebracht,
damit das durch Ausdrücken ablaufende Waſſer durch die Oeffnung in der Scheide-
wand wieder in die untere Abtheilung fließt. Von der Seifenwurzel, welche in
Waſſer gekocht als Lauge den Bottichen zugeſetzt wird, ſind für 1000 Schafe
60 Kilogr. erforderlich, von dem Hètſey’ſchen Waſchmittel 30—40 Kilogr.,
von der Quillajarinde 30 Kilogr. Bei der Anwendung von Waſchmitteln muß ſehr
vorſichtig vorgegangen werden, damit die Wolle nicht zu ſehr entfettet wird und da-
durch ihre Haltbarkeit verringert und der Waſchverluſt vermehrt wird.
Nach der Wäſche iſt dem Trocknen der Wolle beſondere Aufmerkſamkeit zu
ſchenken. Daſſelbe ſoll nicht zu raſch erfolgen, weil ſonſt die Wolle, beſonders an
den Spitzen, barſch und brüchig wird. Die gewaſchenen Schafe ſollen daher, wenn-
möglich, nach der Wäſche auf eine ſchattige, windgeſchützte Weide getrieben werden,
damit ſie nicht den heißen Sonnenſtrahlen und trockenen Winden ausgeſetzt ſind.
Iſt Regenwetter zu gewärtigen, ſo ſind die Schafe in den Stall zu bringen. Wo-
möglich iſt das Treiben auf ſtaubigen Wegen unmittelbar nach der Wäſche zu ver-
meiden, oder wenn ſich dies nicht vermeiden läßt, der Weg mit Waſſer zu beſprengen.
Kothige Wege ſind gleichfalls zu vermeiden, ebenſo iſt es beſſer, erforderlichenfalls
die Schafe nicht in den Stall, ſondern in eine unbenutzte, mit Stroh ausgelegte
Scheune zu treiben, damit die Wolle nicht beſchmutzt werde. Nach der Schur ſind die
Schafe gewöhnlich angegriffen, es iſt daher für eine reichlichere Ernährung auf der
Weide oder im Stalle zu ſorgen. Bei langſamem Trocknen zieht ſich wieder all-
mählich Fettſchweiß in die Wolle. Es iſt dies um ſo erwünſchter, je mehr die Wolle
durch künſtliche Waſchmittel entfettet wurde. Durch dieſen Fettſchweiß ohne Schmutz
kann die Wolle ein längeres Lagern ohne Nachtheil für ihre Milde und Sanftheit aushalten.
Die Schur iſt vorzunehmen, ſobald die Wolle abgetrocknet iſt. Bei kurzem Stapel
und günſtiger Witterung wird die Wolle ſchon nach 2 Tagen, bei tiefgeſtapelten und un-
günſtiger Witterung oft erſt nach 4, 5 Tagen ausreichend getrocknet ſein. Am ſchwerſten
trocknet die Wolle am Halſe, beſonders bei faltenreichen Thieren, zwiſchen den Vorder-
beinen und am Bauche. Fühlt ſich die Wolle an dieſen Stellen, ſtatt feucht und kühl,
trocken und warm an, ſo kann zur Schur geſchritten werden. Zur Schur wird am
beſten in einer Scheune ein geräumiger, mit Brettern belegter Schurplatz hergerichtet,
welcher während des Schurgeſchäfts möglichſt rein zu halten iſt.
Zum Scheeren bedient man ſich entweder der älteren Schafſcheeren, Fig. 154,
welche am Grunde der etwa 0.12 Meter langen Klingen etwas aufgebogen
ſind, damit die Scheerſpitzen nicht übereinander greifen und die Haut der Thiere
einzwicken können, oder der neueren Schafſcheeren, Fig. 155, welche aus 7—10 auf
[218]Beſondere Thierzuchtlehre.
einer Platte zu einem 55 Centm. breiten Kamme vereinigten, ſtählernen Meſſer-
klingen beſtehen, über welchen eine federnde Meſſerklinge hin- und hergeführt
werden kann.
Schafſcheere von
J. A. Henkels-Solingen.
(H. Hauptner — Berlin.)
Amerikaniſche
Schafſcheere. — Preis bei
H. Hauptner — Berlin per
Dutzend 8.10 Mark (4.05 fl.).
Bei dem Scheeren hat der Scheerer oder die Scheererin
darauf zu achten, daß das Vließ in ſeinem Zuſammenhange
möglichſt erhalten bleibe und der Schnitt ohne Stufen aus-
geführt werde. Weiters iſt darauf zu ſehen, daß die Thiere
nicht geſchnitten werden, indem an den vernarbenden Schnitt-
wunden keine oder nur grobe Haare gebildet werden. Etwaige
Schnittſtellen ſind mit Aſche oder Terpentinöl einzureiben.
Trächtige Schafe ſind bei der Schur nach Möglichkeit vor
jedem Drucke zu bewahren. Je nach der Geſchicklichkeit der
Scheerer, der Dichtheit des Vließes und der Größe der Schafe
vermag eine Perſon 15—36 Stück abzuſcheeren. Die Ent-
lohnung beträgt durchſchnittlich per Stück Mutterſchaf 0.05—
0.16 Mark (2.5—8 Kr.), per Bock 0.20—0.24 (10—12
Kr.). Die Waſchkoſten ſtellen ſich ungefähr gleich hoch. Das
Scheeren ſelbſt wird je nach Gewohnheit auf verſchiedene
Weiſe ausgeführt, entweder ſitzt oder ſteht der Arbeiter, oder
das Schaf wird auf einem Schurtiſche geſchoren. Meiſt wird
das Vließ zwiſchen den Hinterbeinen, längs des Bauches,
durch die Vorderbeine und an der Unterſeite des Halſes gleich-
ſam geſpalten und von hier aus zuerſt auf der einen, dann
auf der anderen Seite bis zum Rücken abgenommen.
Die abgeſchorenen Vließe werden auf dem Binde- oder
Sortirtiſch, Fig. 156, welcher aus einem Lattenroſte oder aus
einem über einen Rahmen geſpannten Spagatgitter beſteht,
gelegt, die Futterreſte entfernt und die unreinen Theile vom
Kopfe, den Beinen, dem Schwanze abgeſondert. Die letzteren
Abfälle, die Locken, werden wieder nach beſſerer und ſchlechterer
Qualität, als „gute“ und „gelbe“ Locken getrennt und in
Körben geſammelt. Das gereinigte Vließ wird durch Zu-
ſammenſchlagen der Seitentheile oder durch Einrollen zum
Binden vorbereitet; vorher jedoch bei Stammſchäfereien auf
die Wage gelegt. Das ermittelte Gewicht des mit einem
Täfelchen, welches die Nummer des Thieres anzeigt, bezeichneten
Vließes wird in die Schurliſte eingetragen. Die Vließe wer-
den hierauf einzeln oder zu 3—5 mit Bindfaden über Kreuz
gebunden und in die Wollziechen eingeſackt. Die ſignirten
Wollziechen ſind bis zum Verkaufe in trockenen Räumen auf-
zubewahren, da die lufttrockene Wolle ohnehin durch Hy-
groſkopicität 12—28 % Waſſer aufnimmt. Die Wolle der
[219]Die Schafzucht.
Lämmer — Winterlämmer werden gewöhnlich 5—6 Wochen ſpäter geſchoren —
wird in ähnlicher Weiſe behandelt und geſondert in Säcken verpackt.
Das Schurgewicht der einzelnen Thiere hängt von der Race, der Zuchtrichtung,
dem Alter und dem Geſchlechte der Thiere ab. Grobwollige Racen geben im Allgemeinen
höhere Schurgewichte als fein-
wollige. Tuchwollen gehen per
Kopf weniger ins Gewicht als
Kammwollen. Am meiſten
Wolle geben die Zuchtböcke,
und zwar die 2—3 jährigen
mehr als die alten Böcke.
Erſtere ſollen durchſchnittlich
50—60 % mehr an Wolle
liefern als die Mutterſchafe
der gleichen Heerde. Nächſt
den Böcken ſtehen im Woll-
ertrage die Hammel, die göl-
Binde- oder Sortirtiſch.
den Zeitſchafe und älteren Mütter, dann folgen die ſäugenden Mütter, die Jährlinge.
Die wenigſte Wolle geben die Sommerlämmer, welche um 10—15, und die Winter-
lämmer, welche um 20—25 % gegen die Mütter im Schurgewichte zurückbleiben.
Je nach der Feinheit der Wolle kann das in Kilogramm ausgedrückte Schur-
ergebniß per Stück bezeichnet werden als:
Der Zuchtviehbetrieb kann entweder den Zweck haben, die eigenen Abgänge zu
decken, oder dazu dienen, durch den Verkauf von Zuchtthieren einen Gewinn zu
erzielen.
Die jährlichen Abgänge in einer ſich ſtets auf gleicher Stückzahl erhaltenden
Schafheerde richten ſich nach der Zahl der Sterblinge, welchen gegenüberſtehen die
Anzahl der abgeſetzten Lämmer. Der Reſt kann durch Verkauf der Lämmer oder
der auszubrackenden, alten Thiere verwerthet werden.
[220]Beſondere Thierzuchtlehre.
Der Abgang durch Sterblinge in der geſammten Heerde beträgt je nach der
Localität in % unter
- ſehr günſtigen Verhältniſſen ... 3—4 %,
- günſtigen „ ... 4—6 %,
- ungünſtigen „ ... 10—12 %,
- ſehr ungünſtigen „ ... 15—20 %.
Die einzelnen Altersclaſſen nehmen an dieſen Abgängen in ſehr ungleicher Weiſe
Antheil. Für ein Sterblichkeitsprocent der Heerde von 7 per 100 ergeben ſich
z. B. in dieſer Beziehung folgende Zahlen:
Die Zuzucht hängt von der Anzahl Lämmer ab, welche man aufbringt. Von
100 zugelaſſenen Mutterſchafen werden im Durchſchnitte 90—95 % trächtig. In
ungünſtigen Verhältniſſen werden von dieſen 80 und mehr Lämmer, in mittleren Ver-
hältniſſen 75, in ungünſtigen 70 und weniger Lämmer abgeſetzt.
Die Zahl der gehaltenen Zuchtſchafe beträgt, im Falle die Hammel bis zum
6. Jahre als Wollthiere gehalten werden, 20—24 %, bei Verkauf der Hammel
mit 3—3½ Jahren 27—33 %, bei noch früherem Verkaufe und ſtarkem Abgange
durch Sterblinge 35—40 %, bei Milchnutzung mit Lammverkauf oder bei Zucht-
viehverkauf ohne Hammelhaltung 40—50 %.
Beträgt z. B. die Zuzucht 40 %, ſo werden in einer Heerde von 1000 Stück Schafen
400 Zuchtmütter gehalten, welche bei 75 % abgeſetzte Lämmer 300 Lämmer liefern. Beträgt
das Sterblichkeitsprocent in der Heerde
- 5 %, ſo ſind zu erſetzen 50 Stück, gelangen daher zum Verkaufe 250 Schafe,
- 10 „ „ „ „ „ 100 „ „ „ „ „ 200 „
- 15 „ „ „ „ „ 150 „ „ „ „ „ 150 „
- 20 „ „ „ „ „ 200 „ „ „ „ „ 100 „
wenn der Stand in der Heerde auf der ſtets gleichen Höhe von 1000 Stück erhalten werden ſoll.
Durch den Verkauf von edlen Zuchtböcken und Zuchtſchafen, d. h. durch den
Betrieb einer Stammſchäferei kann unter Umſtänden die höchſte Rente aus der
Schafzucht erzielt werden. Der Betrieb einer Stammſchäferei erfordert jedoch In-
telligenz, Capital und ein genügend großes Abſatzgebiet, welches durch die Erwerbung
eines gewiſſen Renommée’s der Zuchtheerde weſentlich erweitert wird. Der Zuchtvieh-
[221]Die Schafzucht.
verkauf kann ſich entweder auf den Verkauf edler Wollthiere oder von Zuchtthieren, welche
beſonders maſtfähige Fleiſchſchafe liefern, einrichten, je nachdem der Abſatz für die eine oder
andere Richtung vorhanden iſt. Bei den Wollthieren wird ſich die Stammſchäferei
je nach den vorhandenen Verhältniſſen auf den Verkauf feinwolliger, dabei möglichſt
reichwolliger Zuchtthiere oder auf den Verkauf von reichwolligen Zuchtthieren mit
minder feiner Kammwolle einrichten. Bei dem Zuchtviehverkaufe für Fleiſchſchaf-
heerden wird es ſich darum handeln, ob Bedarf nach engliſchen, franzöſiſchen oder
ſonſtigen Fleiſchſchafen vorhanden iſt; ob nach Vollblut- oder Halbblutthieren gefragt
wird. Das anzuſtrebende Züchtungsziel bei einer Stammſchäferei muß daher in allen
Fällen nach Maßgabe der örtlichen Nachfrage gewählt werden.
Die Schafmaſtung wird entweder durch Maſtung von Hammeln oder von aus-
gebrackten Schafen oder von Lämmern betrieben.
Bei der Maſtung von Hammeln werden die Thiere durch eigene Zuzucht oder
durch Ankauf von Außen (Hammelſchäferei) beſchafft. Die ausſchließliche Hammel-
ſchäferei ohne Zuchtbetrieb eignet ſich vornehmlich für kleinere Schafhaltungen, bei
gleichzeitiger Gelegenheit zu vortheilhaftem Ankaufe und Wiederverkaufe von Hammeln.
Sind die vorhandenen Weiden oder das vorhandene Futter für die Erhaltung von
Mutterſchafen und Lämmern nicht verwendbar, ſo kann immerhin noch die Hammel-
ſchäferei mit Vortheil betrieben werden. Reicht das vorhandene Futter, wie z. B.
bei zufälligen Weiden, nicht aus, um das ganze Jahr hindurch Schafe zu halten,
ſo kann dieſes Futter immer noch vortheilhaft durch Maſtung zugekaufter Hammel
verwerthet werden. Die Hammel werden entweder im geſchorenen Zuſtande gekauft,
gemäſtet und nach etwa 10 Wochen wieder verkauft, oder ſie werden mit der Wolle
angeſchafft und neben der Maſtung auch durch den Wollertrag genutzt.
Die Brackſchafe, alte untaugliche Zuchtſchafe und alte Hammel der Wollheerden
ſucht man in der Regel durch halbe oder volle Maſtung höher zu verwerthen.
Die Mäſtung auf der Weide reicht oft allein nicht aus, es muß noch außer-
dem Horden- oder Stallfutter, am geeignetſten Grünfutter verabreicht werden. Im
Winter wird die Maſt im Stalle mit Oelkuchen, Körnern, Heu, Kartoffeln,
Schlempe durchgeführt. Die Menge und Qualität des erforderlichen Futters bei
der Maſtung wurde bereits Seite 210 angegeben. Je raſcher die Maſtung zu Ende
geführt werden kann, um ſo vortheilhafter wird ſie ſich geſtalten. Meiſt reichen
10—12 Wochen zur Ausmäſtung hin. Jüngere, einer Fleiſchſchafrace angehörende
Thiere werden unter gleichen Umſtänden ſchneller ausgemäſtet als ältere Thiere und
Thiere, welche einer Wollſchafrace angehören. Beſondere Aufmerkſamkeit verdient der
Uebergang von der gewöhnlichen zur Maſtfütterung. Zunächſt ſind voluminöſere,
ſpäterhin concentrirtere Futtermittel zu verabreichen.
Der Erfolg der Maſtung ergibt ſich aus dem erreichten Schlachtgewichte (Ge-
wicht des Körpers ohne Kopf, Füße von den Haken abwärts, Eingeweide, Herz und
[222]Beſondere Thierzuchtlehre.
Lunge), welches gewöhnlich in Procenten vom Lebendgewichte ermittelt wird. Die
Ausſchlachtung gibt für je 100 Kilogr. Lebendgewicht bei
- ungenügend fetten Schafen 45—48 % Fleiſch, 3.5—4 % Talg und 7 % Haut mit Wolle,
- halbfetten „ 49—51 % „ 5—6 % „ „ 6.5 „ „ „
- fetten „ 52—53 % „ 6.5—7.5 % „ „ 6 „ „ „
- ſehr fetten „ 54—56 % „ 8—9 % „ „ 6 „ „ „
- engliſchen Fleiſch „ 57—62 % „ 9.5—10 % „ „ 5.5 „ „ „
Die tägliche Zunahme bei der Maſtung beträgt per Stück 0.08—0.13 Kilogr.,
per 100 Kilogr. Futtertrockenſubſtanz unter mittleren Verhältniſſen 7—7.5 Kilogr.,
unter günſtigen Verhältniſſen 8—9 Kilogr.
Die Benutzung der Schafe durch Gewinnung der Milch findet meiſt nur in Gebirgen
bei grobwolligen Racen zur Verwerthung von ſonſt unbenutzbaren Alpenweiden ſtatt.
Die Schafmilch beſitzt eine gelblich weiße Farbe, ihr ſpecifiſches Gewicht ſchwankt
zwiſchen 1.035 und 1.041. Ihre chemiſche Zuſammenſetzung beträgt annähernd 1)
- Waſſer ... 83.0 %
- Fett .... 5.3 %
- Käſeſtoff ... 4.6 %
- Milchzucker .. 4.6 %
- Eiweiß ... 1.7 %
- Aſchenſalze .. 0.8 %
Die Lactationsdauer beträgt kaum 4 Monate. Die Lämmer ſetzt man ſo bald als
thunlich ab, um mehr Milch zu gewinnen. Die Mutterſchafe werden zu Anfang
täglich dreimal, gegen Ende der Lactation nur zweimal, Früh und Abends, gemolken.
Der Milchertrag ſtellt ſich im Jahre auf 25—60—140 Liter oder im Tage auf
0.16 Liter oder 0.17 Kilogr. per Schaf.
Die gewonnene Milch wird entweder durch directen Verkauf oder durch Er-
zeugung von Schafkäſe (Brindſe, Bryndſa) verwerthet. In den Karparthen wird
bei der Käſebereitung nach J. Hanſel 2) in folgender Weiſe vorgegangen: Die in
einem etwa 1.5 Hectoliter haltenden Kübel befindliche Milch wird durch wiederholtes
Erwärmen kleiner Quantitäten im Keſſel beſtändig auf einer Temperatur von un-
gefähr 25°C. zu erhalten geſucht. Durch Beimiſchung von Lab, von welchem man
auf 7 Liter Milch 17.5 Gramm rechnet, wird die Gerinnung der Milch herbei-
geführt. Mit dem Erwärmen wird dann unter beſtändigem Rühren ſo lange fortgefahren,
bis ſich aller Käſe vollſtändig ausgeſchieden hat. Nun bindet der Käſer ein reines
leinenes Tuch vor, knüpft die beiden freien Enden an den Kübel und rafft knieend die
[223]Die Pferdezucht.
Käſemaſſe unter ganz gelindem Drücken aus der Molke in daſſelbe hinein, löſt ſo-
dann das Tuch los, verſchlingt die Enden zu einem Knoten und hängt daſſelbe an
einem in die Blockwand der Sennhütte eingeſchlagenen Nagel auf, damit die Molke
aus dem Käſe abtropfen kann. Ein Preſſen des Käſes findet nicht ſtatt. Das ganze
Verfahren iſt in 1—1½ Stunden beendet. Den nächſten Tag wird der bis dahin
abgetropfte Käſelaib aus dem Tuche genommen und auf ein Brettergeſtell gebracht,
wobei gleichzeitig die ſchon dort lagernden Laibe gewendet werden. Die reifen Käſe-
laibe werden in großen, geneigt ſtehenden Backtrögen mit den Händen zerbröckelt.
Nach dem Ablaufen des Käſewaſſers wird per 100 Kilogr. Käſe 3 Kilogr. Salz
zugeſetzt und der Käſe zwiſchen zwei hölzernen Walzen einer Brindſen-Kentmaſchine
ſo oft (2—3mal) hindurch gepreßt, bis er die der Brindſe eigenthümliche, butter-
ähnliche Beſchaffenheit erlangt hat. Für den Handel wird die Brindſe in hölzernen
Doſen, welche ein Quantum von 14—168 Kilogr. faſſen, feſt eingedrückt. Die
Production an Käſe beträgt 10—12.2 Kilogramm im Werthe von 100—150 Mark
(50—75 fl.) per 100 Kilogramm. Der durchſchnittliche Bruttoertrag beläuft ſich
in den Karpathen per Mutterſchaf, abgeſehen von Lamm und Dünger, an
- Käſe 11.0 Kilogr. à 0.9 Mark. .. 9.90 Mark
- Wolle 2.2 „ à 1.6 „ ... 3.52 „
- Zuſammen auf 13.42 Mark.
III.
Die Pferdezucht.
Das Pferd iſt wegen ſeiner Leiſtungsfähigkeit, welche ſich verbunden mit Gelehrigkeit,
als Schnelligkeit, Kraft und Ausdauer äußert, als das edelſte unſerer Hausthiere an-
zuſehen. Die Zucht deſſelben wird je nach dem vorhandenen Bedürfniſſe für die
Zwecke des Kriegsweſens, im Intereſſe der Remonte, oder als Gegenſtand des Sportes
für die Rennbahn und den Luxus oder ſchließlich als Zug- und Gebrauchsthier für
den Bedarf der Landwirthſchaft und Induſtrie betrieben. Ein Hauptfactor bei der
Aufzucht der Pferde iſt ausreichende Gelegenheit zur Bewegung. Die Pferdezucht 1)
bildet daher einen vortheilhaften Betriebszweig für Großgüter mit ausgedehnten Weide-
flächen. Ebenſo gut eignet ſich dieſelbe auch für den Kleinwirth, welcher, Vorliebe
zur Pferdezucht vorausgeſetzt, dem Pferde bei der Aufzucht viel mehr Sorgfalt zu-
wenden kann. Reicht die einheimiſche Production für den Bedarf an Pferden, be-
[224]Beſondere Thierzuchtlehre.
ſonders für den Kriegsdienſt nicht aus, ſo wird die Pferdezucht von Staatsanſtalten
betrieben.
Für gemäßigtes, feuchtes Klima, wie z. B. in England, Nordfrankreich, Hol-
ſtein, Hannover, Mecklenburg, in den öſterreichiſchen Alpenländern empfiehlt ſich die
Production ſowohl ſtarker, edler als auch maſſiger, ſchwerer Pferde. Mehr con-
tinentale und Steppen-Länder eignen ſich dagegen hauptſächlich für die Zucht
leichter und mittelſtarker, ſowohl edler als gemeiner Pferde. Ueberdies iſt die
Richtung der Pferdezucht von dem vorhandenen Futter abhängig. Alle ſtickſtoff-
reichen Nahrungsmittel, wie Körner, Kleie, Wieſen-, Rothkleeheu entwickeln den Pferde-
körper in Verbindung mit reichlicher Bewegung in die Höhe. Stickſtoffarme Futter-
mittel, wie Wurzelwerk, Stroh, Spreu, Grünfütterung begünſtigen die Entwickelung
des Rumpfes in die Breite und dabei Kurzbeinigkeit und Fettanſatz. Wenig Be-
wegung, mäßiges Licht, ſehr ausgiebige Fütterung mit ſtickſtoffarmen Nahrungsmit-
teln begünſtigen die Heranzucht von Zugpferden für den Gebrauch der Landwirth-
ſchaft und Induſtrie, welche, bei gutmüthigem Temperamente, hauptſächlich durch das
Gewicht ihrer Körpermaſſe, Laſten fortbewegen. Unter entgegengeſetzten Verhältniſſen,
viel Bewegung, reichliches Licht, ausgiebige Fütterung mit ſtickſtoffreichen Nahrungs-
mitteln entwickeln ſich vornehmlich die Qualitäten des engliſchen Vollblutpferdes, des
Reit-, Renn- und Wagenpferdes, welche ſich bei lebhaftem Temperamente durch
Schnelligkeit, Ausdauer, verbunden mit edlen Körperformen, auszeichnen ſollen.
1. Die Entwickelung des Pferdes.
Die Bezeichnung des Pferdes nach Alter und Geſchlecht iſt gegenüber den an-
deren landwirthſchaftlichen Nutzthieren eine viel einheitlichere. Das männliche Pferd
wird als Hengſt, Beſchäler, im caſtrirten Zuſtande als Wallach, das weib-
liche Pferd als Stute, Mutterpferd bezeichnet. Bis zu Ende des dritten Jahres
heißt das junge Pferd Fohlen, Füllen, und zwar nach dem Geſchlechte Hengſt-
oder Stutenfohlen.
Zur Erkennung des Pferdealters dient die Beſchaffenheit des Gebiſſes. Das
Pferdegebiß beſteht im Ober- wie im Unterkiefer aus 6 Schneide- und auf jeder
Seite in jedem Kiefer aus 6 Backenzähnen, zu welchen bei dem Hengſte, ſeltener bei
den Stuten in dem Zwiſchenraume zwiſchen den Schneide- und den Backenzähnen,
den Laden, jederſeits und in jedem Kiefer je ein oder zuſammen 4 Hakenzähne
kommen. Im Ganzen zählt daher das Gebiß des Hengſtes 40, jenes der Stute
36 Zähne. Der ungefähre Zahnausbruch und der Zahnwechſel iſt aus nachſtehender
Tabelle zu entnehmen:
[225]Die Pferdezucht.
Die Milchzähne, Fig. 157, und die bleibenden Pferdezähne, Fig. 158, beſitzen an
ihrer oberen Fläche eine trichterförmige Vertiefung, Kunde, Bohne oder Marke genannt,
welche bei den Pferdezähnen im Vorderkiefer 1.3—1.7, im Hinterkiefer 0.66 Centim.
Milchſchneidezahn. — 1 Krone, 2 Hals, 3 Wurzel, 4 Reibefläche, 5 Kunde, 6 Schmelz-
einfaſſung der letzteren.
Fig. 158. Erſter Schneidezahn (Zange) des Oberkiefers. — 1 von vorn, 2 von der Seite geſehen,
K Kunde auf der Reibefläche, a b c d Durchſchnitte, um die Veränderungen der Reibeflächen je nach
der Abnutzung des Zahnes zu veranſchaulichen; die Linien deuten die Stellen an, wo die Durchſchnitte
gemacht worden ſind.
tief iſt. Sobald ſich bei dem Vorſchieben der Zähne die gegenſeitigen Reibeflächen be-
rühren, werden die Kunden abgewetzt; ſie erhalten geringere Tiefe bis ſie ſchließlich
ganz verſchwinden, während die Reibeflächen eine andere Form annehmen. Auf die
Krafft, Lehrb. d. Landw. III. 15
[226]Beſondere Thierzuchtlehre.
Periode des Zahnwechſels (2½—5 Jahre) folgt daher zunächſt bei den Schneide-
zähnen des Unterkiefers die Periode der verſchwindenden Kunden, und zwar verſchwin-
Unterkiefer im Alter von 4 Jahren.
Unterkiefer im Alter von
5 Jahren.
Beginnende Periode der
querovalen Reibeflächen. (6 Jahre.)
Beginnende Periode der run-
den Reibeflächen. (12 Jahre.)
Beginnende Periode der
dreieckigen Reibeflächen. (18 Jahre.)
Periode der verkehrt
ovalen Reibeflächen. (20—25 Jahre.)
den die Kunden der unteren Zangen im Alter von 6 Jahren, Fig. 161, der unteren
Mittelzähne im Alter von 7 Jahren und der unteren Eckzähne im Alter von 8 Jahren.
[227]Die Pferdezucht.
Im Oberkiefer verſchwinden die Kunden um je 3 Jahre ſpäter. Im 8. Jahre er-
ſcheint an dem oberen Eckzahne eine Kerbe, der erſte Einbiß.
Durch weitere Abreibung der Zähne nehmen die Reibeflächen eine verſchiedene
Geſtalt an und zwar werden mit dem 6. Jahre die Reibeflächen der Zangen,
Fig. 161, mit dem 7. der Mittelzähne und mit dem 8. Jahre der Eckzähne, quer-
oval und verbleiben in dieſer Form durch je 6 Jahre. Die ovale Periode an
allen Schneidezähnen des Hinter- oder Unterkiefers dauert demnach vom 6.—14.,
im Oberkiefer vom 9.—17. Jahre.
Nach dieſer Zeit nehmen die Reibeflächen die Form eines gleichſeitigen Dreieckes
an. Dieſe Periode wird dann als jene der runden Reibeflächen, Fig. 162, be-
zeichnet; ſie dauert vom 12.—20., reſp. vom 15.—23. Jahre. In dieſer
Zeit verlieren ſich auch die letzten Reſte der Kunden, die ſog. Kundenſpuren. Die
runde Periode tritt bei den unteren Zangen im Alter von 12 Jahren, bei den
Mittelzähnen im Alter von 13, bei den Eckzähnen im Alter von 14 Jahren ein
und währt abermals je 6 Jahre. Im Oberkiefer tritt dieſe Periode bei den einzelnen
Zähnen um je 3 Jahre ſpäter ein. Im 16. Jahre zeigt ſich überdies an den Mittel-
zähnen der zweite Einbiß.
Bei fortgeſetzter Abnutzung erhalten die Reibeflächen die Geſtalt gleichſchenkliger
Dreiecke. Dieſe Periode der dreieckigen Reibeflächen tritt bei den unteren Zan-
gen, Fig. 163, mit 18 Jahren ein und dauert 6 Jahre bis zum Alter von
24 Jahren, bei den unteren Mittelzähnen vom 19.—25. Jahre und bei den unteren Eck-
zähnen vom 20.—26. Jahre; bei den oberen Zangen vom 21.—27., den oberen
Mittelzähnen vom 22.—28. und den oberen Eckzähnen vom 23.—29. Jahre.
Schließlich erhalten die Reibeflächen eine verkehrt ovale Form und zwar jene
der unteren Zangen mit 24 Jahren, Fig. 164, zu welcher Zeit auch der dritte Einbiß
erſcheint. Bei den Mittelzähnen tritt dieſe letzte Periode mit 25 Jahren, bei den Eck-
zähnen mit 26 Jahren ein. Ueber dieſe Zeit hinaus, oft auch ſchon viel früher,
brechen Schneide- und Backenzähne aus oder erſcheinen bis auf die Wurzel abgenutzt.
Die Erkennung des Alters nach den Reibeflächen bietet viel weniger Verläßlich-
keit als jene nach dem Ausbrechen und Wechſeln der Zähne, indem auf den Eintritt
der einzelnen Perioden die Ernährungsweiſe und die Individualität Einfluß nehmen.
Durch gewiſſe Untugenden, wie das Koppen, Krippenſetzen, werden die Zähne früher,
als in normalem Verlaufe, abgewetzt.
Als Kennzeichen für ein hohes Alter ſind, neben der Beſchaffenheit des Ge-
biſſes, eingefallene Schläfengruben, graue Haare an dem Schopfe, der Stirne und
den Augenbogen anzuſehen.
Das Wachsthum des jungen Pferdes iſt nach dem Zahnwechſel mit dem fünften
Jahre noch nicht vollendet, ſondern es tritt nach dieſer Zeit noch ein Zuwachs in
der Höhe und in der Breite des Rumpfes ein. Vollſtändig ausgewachſen iſt das
Pferd mit dem 7., bei edlen Racen oft erſt mit dem 8. Jahre. Der Geſchlechts-
trieb tritt im Alter von 3 Jahren, gewöhnlich im Frühjahre, ein; am zweckmäßig-
ſten wird jedoch das Pferd erſt zwiſchen dem 4. und 5. Jahre zur Zucht verwendet.
15*
[228]Beſondere Thierzuchtlehre.
Die mittlere Dauer der Trächtigkeit der Stuten beträgt 335—340 Tage oder
11 Monate. Die Extreme der beobachteten Tragzeit ſchwanken zwiſchen 322 und
419 Tagen. Bei Stutenfohlen iſt die durchſchnittliche Trächtigkeitsdauer meiſt etwas
kürzer als bei Hengſtfohlen. Zum erſtenmal gebärende (4—5jährige) Stuten er-
geben eine um 1—2 Tage kürzere, als die mittlere Tragzeit. Gewöhnlich bringt
die Stute nur ein Fohlen, ſelten Zwillinge zur Welt. Das Fohlen wird meiſt
4—6 Monate geſäugt. Durchſchnittlich wiegt das Fohlen bei der Geburt 50 Kilogr.
und nimmt in den erſten 3 Monaten um 87 Kilogr. zu. Mit nahezu 2 Jahren
wiegt es 310—385 Kilogr., mit 3 Jahren 400—500 Kilogr. Das ungefähre
Höhenwachsthum eines edlen Füllen, welches bei der Geburt 1.02 Meter hoch iſt,
ſtellt ſich wie folgt heraus:
- nach Schluß der Säugezeit .......... 0.26 Meter,
- von der Geburt bis zum vollendeten 1. Jahr .... 0.39 „
- im 2. Jahre .............. 0.13 „
- im 3. Jahre .............. 0.08 „
- im 4. Jahre ............... 0.04 „
- im 5. Jahre .............. 0.01—0.02 „
Die Lebensdauer des Pferdes iſt von ſeiner Abſtammung, von der Pflege, der
Ernährung und der Verwendung abhängig. Die orientaliſchen Pferde erreichen im
Allgemeinen ein höheres Alter als die ſchweren, occidentaliſchen Pferde. Nach dem
15. Jahre nehmen die Kräfte des Pferdes ſchon derart ab, daß es nur mehr zu
geringen Dienſtleiſtungen verwendbar iſt. Das natürliche Alter, welches ein Pferd
erreichen kann, beträgt 30—40 Jahre.
Die Verbreitung des Pferdes erſtreckt ſich faſt über die ganze, von Menſchen
bewohnte Erde. Am zuſagendſten ſind demſelben ein gemäßigtes Klima, ein ebener,
trockener, jedoch nicht dürrer, armer Boden, ein kräftiger, nicht zu üppiger Gras-
wuchs. Feuchtes und beſonders feuchtwarmes Klima ſcheint ſeiner Conſtitution nicht
zuzuſagen. Es verträgt übrigens ungünſtige klimatliche Verhältniſſe viel beſſer als
das Rind. Gegenüber Letzterem zeichnet ſich das Pferd durch größere Ausdauer,
raſchere Bewegung, durch Klugheit und Gelehrigkeit aus.
Der einfache Magen des Pferdes iſt im Vergleiche zu ſeiner Körpergröße klein;
der Darmcanal iſt 8—10mal ſo lang wie die Länge des Verdauungscanales vom
Maule bis zum After. Der Inhalt des Magens kann nicht wie bei anderen Thieren
durch Erbrechen entleert werden. Die paſſendſte Nahrung für das Pferd ſind daher
concentrirte Futterſtoffe, wie Samen und Körner der Getreide- und Hülſenfrüchte,
trockene Gräſer und Kräuter. Ungeeignet ſind alle blähenden Futterſtoffe.
Bei der Beurtheilung des Pferdes auf ſeine Leiſtungsfähigkeit gibt die äußere
Geſtalt, das Exterieur 1), wie bei keinem anderen Hausthiere, einen zuverläſſigen
Anhaltspunkt. Die Grundlage für das Exterieur bildet wieder die genaue Kenntniß
[229]Die Pferdezucht.
der einzelnen Knochen und ihrer Stellung zu einander. Die Färbung der Haut
und Haare, ſowie die Abzeichen, verdienen beſondere Beachtung. Die Haarfarbe
wechſelt ſehr häufig nach der Jahreszeit und dem Alter der Pferde.
W. Dilg 1) gibt folgende Ueberſicht der häufiger vorkommenden Haarfarben und des
Farbenwechſels:
Von den Abzeichen unterſcheidet man Kopf- und Fußabzeichen. Die häufigſten
Kopfabzeichen ſind das Blümchen, ein kleiner, der Stern, ein größerer, weißer Fleck
auf der Stirne, die Bläſſe, ein weißer Streifen von der Stirne zur Naſe, die Schnippe,
ein weißer Fleck auf der Oberlippe, das Krötenmaul, das ſchwarzgefleckte Maul ꝛc.
Als Fußabzeichen kommen am häufigſten vor: der Stiefel, eine weiße Färbung vom
Hufe bis zum Knie oder Sprunggelenke, die weiße Köthe, die weiße Feſſel, die
weiße Krone ꝛc.
Die natürlichen Gangarten des Pferdes ſind: der Schritt, der Trab und der
Galop, wozu als erworbene Gangarten: der Antritt, der Paß, der Halbpaß
und der fliegende Paß kommen. Als häufigſte Fehler der Bewegung kommen vor:
das Fuchteln oder Auswerfen, das Kreuzen, der erhabene, der ſchleichende Gang, der
Hahnentritt oder Zuckfuß, das Durchtreten, das Fangen ꝛc.
Mit Bezug auf die Proportionen des Pferdekörpers ſoll deſſen Höhe vom Wider-
riſte bis auf den Boden gemeſſen, 2½ Kopflängen meſſen und gleich ſein der Länge
vom Schultergelenke bis zum Sitzbeine. Sehr kleine Pferde, Pony’s meſſen unter
1.4 Meter, kleine Pferde unter 1.5 Meter, mittelgroße unter 1.6, und große Pferde
1.7—1.8 Meter Höhe. Das Körpergewicht der Pferde beträgt bei leichten Schlägen
200—350 Kilogr., bei mittelſchweren 400—500 Kilogr. und bei ſchweren Schlägen
500—600 Kilogr. und darüber.
2. Die Racen des Pferdes.
Die Eintheilung der verſchiedenen Pferderacen unterliegt mannigfaltigen Schwie-
rigkeiten, indem verläßliche Meſſungen des Skeletes und Schädels fehlen, und ſich
überdies durch die Züchtung eine Anzahl von Uebergängen von einer zur anderen Race
gebildet haben, welche ſich nur ſchwer von einander unterſcheiden laſſen. Es er-
übrigt daher nur die Pferderacen innerhalb der beiden großen Gruppen, der orien-
taliſchen und occidentaliſchen Pferde, nach ihren Heimatsländern aufzuzählen 1).
1. Die orientaliſchen Pferderacen.
Die Pferderacen des Orients haben einen mehr oder minder weitgehenden Ein-
uß auf die Heranbildung unſerer Pferderacen ausgeübt. Zu den orientaliſchen
Racen zählen alle jene edlen, auch gemeinen Pferde, welche in Arabien, Perſien,
Syrien, der Türkei, Nordafrika heimiſch ſind. Zu den hervorragendſten Repräſen-
tanten gehören:
1. Das edle arabiſche Pferd. „Der Kopf dieſer Pferde iſt,“ nach G. Schwarz-
necker 1) „gleich ſchön durch Form und Ausdruck. Die Profillinie iſt gerade oder etwas
[231]Die Pferdezucht.
concav im Naſerücken, die Stirn breit und eckig, das Auge, groß und frei unter
dem vorliegenden Augenbogen hervortretend, zeigt Intelligenz und Treue; die Nüſtern
werden zitternd und weit geöffnet, die Lippen ſind fein und glatt, die Ohren, zwiſchen
denen der Schopf herunterhängt, der das Auge leicht verſchleiert und dem Kopfe etwas
zierlich Coquettes gibt, ſind klein und beweglich; der Hals mit ſeichtem Ausſchnitte
aus dem Widerriſte emporſteigend, lang, ſcharf contourirt, hübſch gerundet und in
leichter Verbindung am Kopfe angeſetzt, wird bei raſcher Bewegung zum Hirſchhalſe;
die Mähne dünn, ſeidenartig; der Widerriſt hoch, trocken, zurückliegend; die Schultern
genügend lang und ſchräg und keineswegs, was man ja gewöhnlich den Orientalen
Perſerpferd.
vorzuwerfen hat, in jeder Richtung unbefriedigend; die Bruſtdimenſionen geräumig,
der Leib gerundet; die Flanken- und Nierenpartie kurz; der Rücken feſt; die Kruppe
lang, gerade, mit hochangeſetztem, bogenähnlich getragenem, feinhaarigem Schweife;
die Beine trocken, wie aus gehämmertem Eiſen, mit harten Knochen, breiten Gelenken
und klaren Sehnen, ohne Behang, endigen in kleinen, feſten Hufen; fügt man hierzu
ein äußerſt feines Deckhaar, das das Adernetz hindurchſchimmern läßt, und eine leichte
[232]Beſondere Thierzuchtlehre.
Beweglichkeit, ſo wird man zugeben müſſen, daß zu idealer Vollkommenheit Nichts fehlt,
nur Eines iſt hierbei zu bedauern, daß man dieſe Thiere ſo ſelten findet und noch ſelte-
ner kaufen kann; ſie ſollen im Nedjed (Mittelarabien, Aufenthalt der edelſten Araber-
pferde) nur in einigen tauſend Exemplaren vielleicht vorhanden ſein und nie verkauft
oder verſchenkt werden.“ Die gewöhnliche Höhe der arabiſchen Pferde vom Boden
bis zum Widerriſte gemeſſen beträgt 1.48—1.60 Meter. Am häufigſten kommen
unter ihnen Schimmel und Braune vor. Die Entwickelung der arabiſchen Pferde-
race geht langſamer vor ſich, dagegen erreichen ſie ſelbſt bei anhaltenden Anſtrengungen
ein hohes Alter. Mit den arabiſchen verwandte Pferderacen finden ſich in Arabien
naheliegenden Ländern, in der aſiatiſchen Türkei, in Aegypten, den Nilländern. Die-
ſelben erreichen jedoch nicht die Vollkommenheit des arabiſchen Pferdes. Beſondere
Erwähnung verdient wegen ſeiner abweichenden Geſtalt das nubiſche Pferd, die
Dongola-Race. Nicht nur daß die Pferde dieſer Race etwas größer (1.60—1.80
Meter) als die Orientalen ſind, zeigen ſie einen ſchweren Kopf mit Ramsnaſe, ſteile
Schultern, breite Bruſt, abfallende Kruppe und hohe Beine.
2. Das Berberpferd. Dieſes in Nordafrika, in Marokko, Tunis, Algier
verbreitete Pferd iſt etwas größer als das arabiſche Pferd, niemals unter 1.60 Me-
ter. Im Uebrigen iſt es edel, trocken, wenn auch nicht von jener Formvollendung
wie das edle, arabiſche Pferd. Die vorherrſchenden Farben ſind Braun und Schimmel.
3. Das Perſerpferd. Die perſiſche Pferderace zeigt viele Uebereinſtimmung
mit der Arabiſchen. Am meiſten unterſcheidet ſich das Perſerpferd, Fig. 165, von
dem Araber, durch den ſowohl in den Ganaſchen als in der Stirne ſchmäleren Kopf,
durch den hochgetragenen Hals, die weniger breite Bruſt, die höheren Beine und das
längere Kreuz. Im Temperament und Ausdauer erreichen ſie die arabiſchen
Pferde.
4. Die Pferde Rußlands. In dem ausgedehnten ruſſiſchen Reiche
finden ſich die verſchiedenſten Pferderacen, welche meiſt mit orientaliſchem, arabiſchem,
türkiſchem oder perſiſchem Blute vermiſcht ſind. In Oſtſibirien kommt ausſchließlich
das kleine, tartariſche Pferd vor, welches ſich durch ſeine Schnelligkeit und große
Ausdauer vortheilhaft auszeichnet. In Weſtſibirien kommen größere Schläge des
tartariſchen Pferdes vor. In den Kaukaſusländern iſt das Tſcherkeſſenpferd
heimiſch, ein kaum mittelgroßes Pferd, mit trockenem Kopfe, breiter Bruſt, gerader
Kruppe, regelmäßig geſtellten feſten Beinen. In den ruſſiſchen Oſtſeeprovinzen wird
ein Pony-Pferdeſchlag gezüchtet. Die als polniſche und ruſſiſche Pferde be-
kannten Thiere ſind meiſt Kreuzungen einheimiſcher Landſchläge mit Rußlands be-
rühmteſter Pferderace, den Orlow-Trabern. Dieſelben ſind durch Kreuzungen
von arabiſchen Hengſten mit holländiſchen Stuten entſtanden, welchen im Verlaufe
der Zeit, das Alter dieſer Race beträgt an 100 Jahre, perſiſches, buchariſches,
ſelbſt engliſches Blut beigemengt wurde. Ihre vorzüglichſte Eigenſchaft beſteht in
der charakteriſtiſchen Trabbewegung. Die Orlow-Traber, Fig. 166, meiſt Schimmel
oder Rappen, ſind durchſchnittlich 1.68—1.75 Meter hoch. Sie beſitzen nach
Schwarznecken ſchmale, trockene, in der Naſe häufig etwas gebogene Köpfe und hoch
[233]Die Pferdezucht.
aufgerichtete, ſchön angeſetzte Hälſe; die Bruſt erſcheint flach und mäßig tief; der
Rücken iſt ſelten ſehr ſtraff; die Kruppe etwas geſenkt und eigenthümlich gewölbt,
ohne, wie bei den Holländern, geſpalten zu ſein. Die Beine zeigen gute Muscu-
latur, ſind etwas lang, in den Feſſeln kurz. Mähnen- und Schweifhaare ſind lang
und mittelmäßig fein. So lange die Pferde ſtehen, ſehen ſie nicht ſehr edel
aus, um ſo intereſſanter erſcheinen ſie durch ihre lebhafie und doch außerordentlich
gleichmäßige Bewegung.
Orlow-Traber.
Baraban, Rappe, 11 Jahre alt, gezogen in Tſchesmenka.
5. Das ungariſche Pferd. Das ungariſche Pferd, Fig. 167, iſt meiſt
klein (1.25—1.50 Meter), eckig, da die Knochen aus Mangel an Fleiſch ſcharf her-
vortreten, aber durchaus nicht unedel. Kopf und Hals erſcheinen des Fleiſchmangels
wegen größer, als ſie eigentlich ſind. Das Mittelſtück des Rumpfes iſt im Verhältniſſe
zur Vorhand zu lang; der Widerriſt ſcharf, die Schulter gerade, die Bruſt ſchmal,
der Rücken gerade oder Karpfenrücken, die Kruppe kurz mit hochangeſetztem Schweife;
die Beine ſind trocken, die Feſſeln häufig nachgiebig und fein, die Hufe feſt und
klein. — Ganz ähnlich dem ungariſchen Pferde, nur etwas größer, ſind die Sieben-
[234]Beſondere Thierzuchtlehre.
Ungariſche Pferde.
[235]Die Pferdezucht.
bürgiſchen Pferde. Die galiziſchen Pferde zeigen gleichfalls viele Uebereinſtimmung
mit dem ungariſchen Pferde, zu den kleinſten Schlägen derſelben zählt das Huzulen-
pferd, welches in den nördlichen und öſtlichen Ausläufern der Karpathen heimiſch
und wegen ſeiner Tragfähigkeit und ſeines ſicheren Ganges beſonders geſchätzt iſt.
2. Die occidentaliſchen Pferderacen.
Die Pferderacen des Orients liefern im Allgemeinen ausgezeichnete Reit- und
leichte Wagenpferde; die Pferderacen des Occidents zeigen dagegen eine viel größere
Mannigfaltigkeit ſowohl in der Größe als auch in der Art ihrer Leiſtungsfähigkeit.
Neben dem Renn- und Reitpferde werden verſchiedene Schläge für den leichten und
ſchweren Zug gezüchtet. Die alten einheimiſchen Racen ſind jedoch mehrfach mit
orientaliſchem Blute und die Kreuzungsproducte wieder unter ſich vermiſcht. Sie
unterſcheiden ſich in der Hauptſache durch einen plumperen, ſchwammigeren Körper-
bau von den orientaliſchen Pferden. Ihr Kopf mit ſtark entwickeltem Geſichtstheile
iſt ſchwerer, der Hals kurz und ſtark, ihr Rumpf tonnenförmig, die Kruppe ab-
ſchüſſig; ſie beſitzen 6 Lendenwirbel — die orientaliſchen Pferde meiſt nur 5 —,
die Beine ſind dick und kurz; Mähne und Schweif dicht und lang.
1. Das Pinzgauer Pferd. Das Pinzgauer oder noriſche Pferd, Fig. 168,
findet ſich in Salzburg, Steiermark, Tirol und gilt als unvermiſchte Nachkommen-
ſchaft des wilden Alpenpferdes. Als charakteriſtiſches Racezeichen dieſes ſchweren
Zugpferdes iſt die geſpaltene Kruppe anzuſehen. In Betreff der Trockenheit der
Textur, der Leiſtungsfähigkeit und der verhältnißmäßigen Genügſamkeit ſteht das
Pinzgauerpferd unter den ſchweren Pferderacen nahezu unübertroffen da, wenn auch
manchen Individuen der Mangel abgerundeter und regelmäßiger Formen zum Vor-
wurfe gemacht werden kann. Gewöhnlich haben dieſe Thiere bei 1.65—1.73 Meter
Höhe ziemlich gerade, aber grobe, fleiſchige Köpfe mit kleinen Augen, der kurze Hals
verliert ſich unmerklich in den niederen Widerriſt; der Rumpf iſt breit, zuweilen etwas
lang, die Beine ſtämmig mit normalen Feſſeln und breiten Hufen. Die häufigſten
Farben ſind Tiger, Schecken, beſonders Braune und Rappen mit großen, weißen
Flecken. Aehnlich gebaut ſind die in Kärnten vorkommenden Gebirgspferde.
In Oeſterreich unter der Enns genießt das Marchpferd aus dem Marchfelde
einigen Ruf, wenn es auch ohne beſtimmten Charakter iſt. In Böhmen gelten als
die vorzüglichſten, ſchweren Pferde jene aus dem Chrudimer Kreiſe.
In den öſterreichiſchen Staatsgeſtüten zu Piber (Steiermark) werden Anglonormänner
und Norfolker, zu Radautz (Bukowina) Araber, engliſch-arabiſche Halbblutpferde, in den
ungariſchen Staatsgeſtüten zu Babolna arabiſche Voll- und Halbblutpferde, zu Kisbér eng-
liſche Voll- und Halbblutpferde, in Mezöhegyer Kreuzungen von irländiſchen, normänniſchen
und Norfolkpferden gezüchtet; außerdem beſteht in Fogaras (Siebenbürgen) ein Staatsgeſtüt.
In den kaiſerlichen Hofgeſtüten zu Kladrub (Böhmen) werden ſpaniſch-neapolitaniſche Pferde
(Schimmel und Rappen 1.7—1.86 Meter hoch) und engliſches Vollblut, zu Lipizza (Küſten-
land), Lipizzaner Pferde und Vollblut-Araber gezüchtet. In Kladrub beſteht überdies eine
Maulthierzucht (Kreuzungen von Pferdeſtuten mit Eſelhengſten.
[236]Beſondere Thierzuchtlehre.
Pinzgauer Hengſt.
[237]Die Pferdezucht.
Oldenburger Hengſt.
[238]Beſondere Thierzuchtlehre.
In Deutſchland ſind durch mannigfache Kreuzungen und Veredlungen die ehemals vor-
handenen, conſtanten Pferdeſchläge immer mehr im Verſchwinden begriffen. Bei dem
allgemeinen, oft jedoch übertriebenen Streben, dem Pferde mehr Maſſe zu geben, ſcheint
das Oldenburger Pferd, Fig. 169, für die Heranzucht eines zwar kräftigen, aber doch
lebhaften Gebrauchspferdes für die Landwirthſchaft eine große Zukunft zu haben. Die
gewöhnlich rein braunen Oldenburger Pferde ſind 1.75—1.85 Meter hoch, beſitzen
gerade, zuweilen auch halbe Rams-Köpfe, der mäßig lange Hals iſt etwas breit, die
Bruſt tief, die Schulterlage entſprechend, der Rücken weich, die Nachhand musculös,
die Kruppe melonenförmig mit hochangeſetztem Schweife, die Beine kräftig, die Hufe
breit, jedoch bröcklich.
Ausgezeichnete Pferde liefert auch Weſtpreußen, weniger Oſtpreußen. Neben
Weſtpreußen iſt Schleswig-Holſtein die pferdereichſte Provinz Deutſchlands. Das alte,
ſchwere Holſteinerpferd iſt größtentheils verſchwunden und durch Kreuzungen mit
engliſchem Blute vielfach verändert. Auf den benachbarten däniſchen Inſeln, in Jüt-
land werden ſehr dauerhafte Pferde, die ſog. Waſſerdänen gezüchtet, welche ſich
durch gute Schrittbewegung auszeichnen, aber im Rücken und in den Hufen meiſt
weich ſind.
Zu den hervorragendſten Geſtüten Deutſchlands zählen die preußiſchen Staatsgeſtüte
zu Trakehenen (Oſtpreußen), welches engliſches und orientaliſches Voll- und Halbblut züchtet,
das Friedrich-Wilhelms-Geſtüt bei Neuſtadt an der Doſſe (Brandenburg) für kräftige Halb-
blutthiere, das Geſtüt Graditz in Sachſen für engliſches Vollblut, das königlich württem-
bergiſche Hofgeſtüt Weil bei Stuttgart für arabiſches und anglo-arabiſches Vollblut ꝛc.
In Frankreich finden ſich ſowohl ſchwere als leichte Pferdeſchläge. Zu erſteren
zählt vor allem das in der Normandie einheimiſche, edle normanniſche Pferd, Fig. 170,
hervorgegangen aus einer Kreuzung normanniſcher Landſtuten mit engliſchen Heng-
ſten, daher es auch gewöhnlich als Anglo-Normannen bezeichnet wird. Es
ſind meiſt braune, 1.70—1.80 Meter hohe Pferde, welche ſich durch große Tiefe,
Breite, Kurzbeinigkeit, gute Musculatur und Freiheit von Knochenfehlern auszeichnen.
Manchmal kommen etwas ſchwere Köpfe, kurze Hälſe und fehlerhafte Vorderbeine
vor. Im übrigen Nordfrankreich finden ſich ſchwere Racen für den Zug und zwar
für den Schritt die flamländiſche und für den Trab die Boulonnaiſer Race.
Zu letzterer zählt das bekannte, weiße Percheronpferd, deſſen Formen aus der
Fig. 171, S. 240, zu entnehmen ſind. Die leichten Pferde, wie das Limouſinpferd,
das Pyrenäenpferd, das Pferd in den Landes bleiben gewöhnlich unter 1.6 Meter;
ſie ſtammen zumeiſt von arabiſchen und Berberpferden und geben ein mittelmäßiges
Reitpferd. In der Bretagne und in Corſica züchtet man ſelten über 1.4 Meter
hohe Pony.
In Belgien findet ſich als leichtes Zugpferd das Ardenner Pferd, als ſchwe-
res das flamländiſche Pferd, welches eine Höhe bis zu 1.82 Meter erreicht,
und ſich beſonders durch in Europa ſonſt unübertroffenes Körpergewicht auszeichnet.
In England ſteht obenan das engliſche Vollblutpferd, Fig. 172, S. 241,
oft kurzweg „Vollblut“ genannt. Schwarznecker gibt über daſſelbe folgende Definition:
[239]Die Pferdezucht.
„Das engliſche Vollblutpferd iſt kein reinblütiges, ſondern ein durch Erziehung verän-
dertes und umgeſtaltetes orientaliſches mit einer, wenn auch verhältnißmäßig unbedeu-
tenden Beimiſchung nordiſchen Blutes, das in dem General-Stood-Book eingetragen
iſt und das nur innerhalb der in dieſem Buche verzeichneten Adelsgeſchlechter gepaart
Anglo-Normanne.
werden darf, wenn es ſeine Nachkommenſchaft erhalten ſoll.“ Das engliſche Vollblut-
pferd iſt bedeutend größer, 1.6—1.68—1.8 Meter als das original arabiſche Pferd.
Die Haarfarbe iſt vorherrſchend braun und ſchwarzbraun, auch fuchſig. Rappen
und Schimmel ſind ſelten. Die Kopfform ähnelt meiſt jener des arabiſchen Pferdes,
[240]Beſondere Thierzuchtlehre.
ſie iſt edel, trocken, mit gerader, auch etwas eingebogener Profillinie. Die Stirn
iſt breit, die hellen, großen Augen beſitzen eine haarloſe Einfaſſung, die Lippen
ſind fein, die Naſenlöcher weit, die Ganaſchen mäßig breit, die Ohren aufrecht und
Percheron.
nicht zu lang; der Hals entſprechend lang, fein, häufig etwas unbeugſam, der
Widerriſt liegt ein wenig höher als die Kruppe. Die Rückenlinie verläuft gerade.
[241]Die Pferdezucht.
Engliſche Vollblutſtute.
Krafft, Lehrb. d. Landw. III. 16
[242]Beſondere Thierzuchtlehre.
Die Kruppe iſt ſehr verſchieden geſtaltet, am wenigſten beliebt iſt eine gerade Kruppe
mit hohem Schweifanſatze. Die tiefe und lange Bruſt läßt häufig in der Breite zu
wünſchen übrig. Die Sprunggelenke ſind meiſt etwas zu ſteil und zu ſchmal, die
Schienbeine ebenmäßig, die Feſſeln fein und lang. Die Hufe klein und eng.
Die Vollblutzucht nahm ihren Anfang im Jahre 1680 unter Carl II., welcher mor-
genländiſche Pferde, wahrſcheinlich aus der Berberei oder der Türkei nach England ein-
führte und die Hebung der Pferdezucht durch Veranſtaltung von Wettrennen zu befördern ſuchte.
1808 erſchien der erſte Band des General-Stoodbook, welches unter den Hengſten 80 Araber,
41 Berber, 28 Türken und 4 Perſer namhaft machte. Von denſelben gelten drei als
Stammväter der engliſchen Vollblutrace und zwar Byerleys Turk (türkiſches), Darleys
Arabian (arabiſches) und Godolphin oder Sham (berberiſches Pferd). Gegenwärtig wird
der Stammbaum eines Pferdes nicht mehr bis auf dieſen letzten Urſprung verfolgt, ſondern
bis auf einen jüngeren, berühmten Nachkommen. Gegenwärtig gilt der 1758 geborene Herod
als Repräſentant des Byerley-Turc-Stammes, der 1748 geborene Matchem als jener des
Godolphin- und der 1764 geborene Eclipse als jener des Darley-Arabian-Stammes.
Shetland-Pony.
Neben dem Rennpferde werden für andere Gebrauchszwecke verſchiedene Pferde,
meiſt durch Kreuzung von einheimiſchen Stuten mit Vollblut- oder auch Halbblut-
hengſten gezüchtet.
Obenan unter den Gebrauchspferden ſteht das engliſche Jagdpferd, der Hunter. Es
iſt entweder Vollblut oder Kreuzung von Vollbluthengſten mit Yorkſhire- oder irlän-
diſchen Stuten. Seine Größe beträgt 1.67—1.70 Meter. Es wird erſt im
6. Jahre vollſtändig in Gebrauch genommen. Man verlangt von demſelben ins-
beſondere große Ausdauer, gute Augen, guten Athem und kräftigere Füße als wie
beim Rennpferde.
[243]Die Pferdezucht.
Clydesdaler.
16*
[244]Beſondere Thierzuchtlehre.
Außer dem Jagdpferde wird noch das gewöhnliche Reitpferd (Hack, Cob) ge-
halten, welches jedoch keiner beſonderen Zucht angehört. Zum leichten Zugdienſte
werden mit Vorliebe kleine, unter 1.5 Meter herabgehende Pferde, Pony’s verwendet,
welche im Verhältniſſe zur Leiſtung einen geringen Futteraufwand fordern. Zum
Reitdienſte ſind die Pony’s minder geeignet. Schwarznecker zählt folgende Pony-
Schläge als jetzt exiſtirend auf: Shetland-Pony, Fig. 173, welſche Pony, Exmoor-
Pony und New-Foreſt-Pony. Der Shetland-Pony iſt meiſt braun mit Aalſtrich,
ſchwarzer Mähne und ſchwarzem Schweife.
Als Kutſchpferde werden die verſchiedenartigſten Pferde gebraucht, unter welchen
die Norfolk-Traber erwähnt zu werden verdienen.
Für die Fortſchaffung ſchwerer Laſten, als eigentliches Arbeitspferd werden
ſchwere, maſſige Pferde gezüchtet. Schwarznecker erwähnt folgende ſchwere Racen:
das eigentliche Karren- oder Brauerpferd, den Suffolk, den Clydesdaler und das
eigentliche Landpferd. Als Beiſpiel eines ſchweren Ackerpferdes, welches unübertroffen
daſteht, führen wir den Clydesdaler, Fig. 174, an. Derſelbe iſt aus einer Kreuzung
flamländiſcher Hengſte mit ſchottiſchen (Lanark-) Stuten entſtanden, welcher überdies
holländiſches Blut beigemiſcht wurde. Die Größe der Thiere erreicht durchſchnittlich
1.75 Meter, ſie wird nur von den bis zu 1.94 Meter hohen Brauerpferden
übertroffen. Dagegen ſind ſie trotz ihres bedeutenden Körpergewichts von 800 bis
1000 Kilogr. nicht plump wie die Brauerpferde, ſondern leicht und regelmäßig in
ihrer Bewegung. Die Haarfarbe iſt braun mit Abzeichen am Kopfe und den Beinen.
Als landwirthſchaftliches Arbeitspferd werden in England eben ſo häufig Clydesdaler
als Suffolk verwendet. Erſtere meiſt für den ſchweren, letztere für den minder
ſchweren Zug. Die Suffolk ſind gewöhnlich fuchsfarbig, auch kaſtanienbraun gefärbt
und bis zu 1.78 Meter hoch.
3. Die Züchtung.
Bei der Pferdezucht ſind zu beachten: 1. der Zuchtbetrieb, 2. die Auswahl der
Zuchtthiere, 3. die Ausführung der Zucht und 4. die Aufzucht.
1. Der Zuchtbetrieb.
Die Pferdezucht wird entweder im Großen in Geſtüten oder Stutereien oder in
kleinerer Ausdehnung betrieben. Im erſteren Falle wird die Bewirthſchaftung des
mit dem Geſtüte in Verbindung ſtehenden Landgutes lediglich nach dem Futter-
bedürfniſſe und ſonſtigen Erforderniſſen der Pferde eingerichtet. Die Hengſte werden
in den Geſtüten in der für den vorhandenen Stutenſtand erforderlichen Zahl gehalten,
die Stuten lediglich zur Zucht verwendet und die Aufzucht der Fohlen in ſachgemäßer
Weiſe vorgenommen. Im letzteren Falle der Land- oder Hauspferdezucht
werden die Gebrauchsthiere zur Pferdezucht herangezogen, ohne daß auf dieſelben
im Wirthſchaftsplane beſondere Rückſicht genommen wird. Die zum Zugdienſte ver-
wendeten Stuten werden von eigenen oder von fremden Hengſten gedeckt und die
fallenden Fohlen ſo gut als möglich aufgezogen.
[245]Die Pferdezucht.
Die Geſtüte können entweder als wilde, halbwilde oder als zahme Geſtüte ein-
gerichtet werden. In den wilden Geſtüten werden die Pferde ſich ſelbſt überlaſſen,
ohne daß für die Wahl der Zuchtthiere, ihre Ernährung und Unterkunft beſondere
Vorſorge getroffen wird. Die drei- bis vierjährigen Pferde werden eingefangen,
gezähmt und ihrem Gebrauche zugeführt. Dieſe Art der Geſtütswirthſchaft findet
ſich nur auf ausgedehnten Steppenländereien, die nur auf dieſe Weiſe nutzbar gemacht
werden können. In den halbwilden Geſtüten ſorgt man wenigſtens für die Zeit der un-
günſtigen Witterung für Unterkunft und Futter. Die Geſchlechter werden getrennt geweidet,
die Hengſte zur Beſchälzeit in die Heerden oder Rudeln der Stuten eingelaſſen. In
den zahmen Geſtüten werden die Zuchtpferde ſowohl im Winter als über Nacht im
Sommer in beſonders hergerichteten Stallungen untergebracht, die Zutheilung und der
Sprung erfolgt aus der Hand. Die Fohlen werden mit möglichſter Sorgfalt auf-
gezogen und dadurch die Pferde zutraulicher und verwendbarer, wenn auch etwas empfind-
licher als wenn die Aufzucht der Natur überlaſſen bleibt. In Oeſterreich, Deutſchland,
Frankreich und England finden ſich nur zahme Geſtüte, nachdem das früher beſtandene
halbwilde Sennergeſtüt in ein zahmes umgewandelt wurde. Halbwilde Geſtüte
ſind anzutreffen in Ungarn, Rußland, wilde Geſtüte im aſiatiſchen Rußland, Nord-
amerika ꝛc.
Hofgeſtüte nennt man jene Geſtüte, welche für die Zwecke der Marſtälle fürſt-
licher Höfe gehalten werden, Staatsgeſtüte jene, in welchen vorzugsweiſe Hengſte
gezüchtet und aufgezogen werden, die dann auf die Landgeſtüte (Beſchäldepôts,
Beſchälſtationen, Hengſtendepôts) vertheilt werden, um die Stuten von Privaten gegen
mäßiges Sprunggeld zu decken. In den Militärgeſtüten werden die Pferde auf
Rechnung und für die Zwecke des Militärs gehalten und herangezüchtet. Die Land-
geſtüte haben überall dort große Bedeutung, wo viel Sinn für Pferdezucht unter den
kleinen Grundbeſitzern herrſcht, welchen jedoch die Haltung eines eigenen Hengſtes zu
koſtſpielig iſt. Die Beſchäldepôts ergänzen ihren Bedarf oft wieder durch unmittel-
baren Ankauf von Hengſten im Lande.
2. Die Auswahl der Zuchtthiere.
Die Auswahl der Zuchtthiere richtet ſich nach der Art der Producte, welche heran-
gezogen werden ſollen. Für die Geſtüte wird edles oder wenigſtens halbedles Blut zu
wählen ſein. Bei der Zucht mit Arbeitsſtuten hat man nicht über Halbblut hinaus
zu gehen. Das Pferd iſt nicht zu allen Dienſten gleich gut verwendbar, ſondern
immer nur für einen Dienſt; es wird ſich entweder als Reitpferd, Zugpferd oder
Tragpferd eignen. Für den Reitdienſt wird man nur ſolche Pferde auswählen,
welche leicht und ſchlank gebaut ſind, ſich gewandt bewegen, biegſame Rücken- und Hals-
muskeln beſitzen und einen normalen Rücken- und Fußbau aufweiſen. Die Vorder-
füße ſollen möglichſt weit vor den Leib, die Hinterfüße weit unter den Leib geſetzt
werden, die Höhe nicht über 1.5—1.6 Meter hinausgehen. Die weiteren An-
forderungen richten ſich nach den Zwecken, für welche das Reitpferd dienen ſoll. Bei
Rennpferden, bei welchen es mehr auf Schnelligkeit als auf Kraft und Ausdauer
[246]Beſondere Thierzuchtlehre.
ankommt, iſt das Hauptgewicht auf ſehnige, kräftige Musculatur, richtige Winkel-
ſtellung der Fußknochen und guten Athem zu legen. Die größte Leiſtungsfähigkeit
wird jedoch bei dem Rennpferde erſt durch eine eigene Erziehung, Behandlung und
Ernährung, das Trainiren (Training) ausgebildet. Das Pferd für die Reitbahn
ſoll gelehrig und folgſam ſein, nicht zu viel Temperament haben und ein kräftiges Hin-
tertheil beſitzen. Bei dem Luxusreitpferde kommt es hauptſächlich auf vollendete Körper-
form, Höhe und entſprechende Bewegung an. Das Militärpferd muß gelehrig, un-
erſchrocken, willig ſein, einen kräftigen, gedrungenen Leib, ſtarke, ſtämmige Füße, feſte
Hufe und gute Verdauung beſitzen. Das Officierpferd ſoll ſich überdies durch ſchöne
Haltung und Bewegung auszeichnen.
Bei dem Zugpferde für leichten Wagendienſt handelt es ſich um Schnellig-
keit und Ausdauer, für ſchweren Zugdienſt um Kraft und Ausdauer. Zug-
pferde wirken vorzugsweiſe durch das Körpergewicht, welches ſie in das Geſchirr legen.
Entgegen dem Reitpferde ſollen Zugpferde ihre Vorderfüße möglichſt weit unter den
Leib, die Hinterfüße hinter den Leib ſetzen. Das ſchwere Zugpferd muß vor
Allem große Körpermaſſe, 1.6—1.8 Meter Höhe, breite Bruſt, kräftigen Rücken,
ſtämmige Füße und breites, kraftvolles Hintertheil beſitzen. Das landwirthſchaftliche
Zugpferd, welches zu den verſchiedenartigſten Dienſtleiſtungen verwendet wird, muß
dagegen von mittlerer Größe (1.6.—1.7 Meter), ſtark, gewandt und gelehrig, gegen
Witterungseinflüſſe wenig empfindlich ſein. Als Ackerpferde können ſelbſt Pferde mit
mangelhaften Hufen Verwendung finden.
Je nach den eben beſprochenen Gebrauchszwecken wird die Auswahl der Zucht-
pferde zu treffen ſein. Ein beſonderer Werth iſt auf die Körperform der Zuchtpferde
zu legen, da mit dieſer die Leiſtungsfähigkeit in engſter Beziehung ſteht. Im All-
gemeinen verlangt man von einem Zuchtpferde, welches eine zum Reitdienſte geeignete
Nachzucht liefern ſoll: leichten, gut geformten Kopf, langen, ſchlanken, gut angeſetzten
Hals, hohen Widerriſt, breite Bruſt, vollen Rumpf, kurzen Rücken, gerades Kreuz,
hochangeſetzten Schweif, breite, musculöſe Schultern und Vorderſchenkel, trockene
Unterfüße, gut geſtellte Feſſel, fehlerloſe Hufe, ſtarke Oberſchenkel, trockene Hinterfüße.
Bei Zugpferden verlangt man: leichten Kopf, ſtarken, breiten, nicht zu langen, gut
angeſetzten Hals, nicht zu hohen Widerriſt, ſtarken Rücken, breite, kräftige Bruſt,
maſſigen Rumpf, gut gewölbte Rippen, volle Kruppe, ſtarke Schultern und Ober-
ſchenkel, ſtämmige, kräftige Füße mit breiten, kernigen Hufen.
Als Fehler für jeden Dienſt ſind anzuſehen: ein plumper, grober Kopf, ver-
kehrt oder ſonſt ſchlecht angeſetzter zu kurzer Hals, niedriger Widerriſt, langer Rücken,
kurze abſchüſſige Kruppe, ſchmale Bruſt, flache Rippenwölbung, aufgezogener oder
geſenkter Bauch, ſteile Schultern, muskelarme Schenkel, plumpe Unterfüße, gerade ge-
ſtellte oder durchtretende Feſſel, ſchlechte Hufe ꝛc.
Bei der Auswahl der Zuchtthiere iſt auch auf die Haarfarbe zu ſehen und
möglichſt darauf zu achten, daß nur gleich gefärbte Thiere gepaart werden. Die
Höhe der Pferde hängt in gleicher Weiſe von der Höhe des Hengſtes und der
Stute ab.
[247]Die Pferdezucht.
Zur Zucht ſoll man nur vollſtändig ausgewachſene und von Erbfehlern freie
Pferde verwenden. Beide Zuchtpferde ſind nur in Ausnahmsfällen bei ſehr früh-
reifen Individuen und kräftiger Ernährung vor dem 5. Lebensjahre zu verwenden.
Dem Hengſte kann man im Alter von 4 Jahren zur Probe einige Stuten zutheilen, als
Beſchäler ſoll er jedoch erſt im 5. Jahre dienen. Nach dem 15.—18. Lebensjahre
ſind die Pferde nicht mehr zur Zucht zu verwenden, da ſie nach dieſer Zeit in den
wenigſten Fällen ausreichende Lebenskraft beſitzen. Als erbliche Fehler und Mängel,
welche die Pferde zur Zucht untauglich machen, ſind anzuſehen: Augenkrankheiten,
wie Mondblindheit, ſchwarzer Staar, Koller, Dämpfigſein, ſchwammige Beſchaffenheit
der Knochen, ſchlaffe Sehnen, Zwangs- oder Platthuf, Spat, Stätigkeit, Bös-
artigkeit ꝛc.
3. Die Ausführung der Zucht.
In Geſtüten ſowohl, als in Landpferdezuchten dauert die Beſchälzeit vom März
bis zum Juni. Die Frühjahrsbeſchälzeit hat den Vortheil der Natürlichkeit und
den Umſtand für ſich, daß die Fohlzeit dann in den Februar bis März fällt. Arbeits-
ſtuten können daher bei Beginn der Frühjahrsarbeiten gleich verwendet werden. Die
Fohlen bleiben ohne Beeinträchtigung des Wirthſchaftsbetriebes in der erſten Zeit bei
den ſäugenden Müttern und können ſpäterhin im Freien geweidet werden.
In der Regel ſoll man einem Hengſte täglich nicht mehr als eine Stute zu-
führen. Für die Dauer der Beſchälzeit (60—90 Tage) rechnet man auf einen
Hengſt 30—40 Stuten, oder, da manche Stuten wiederholt gedeckt werden müſſen,
50—70 Stuten. In Geſtüten und bei edlen Hengſten ſinkt die Zahl der zugetheilten
Stuten auf 14—16 und noch weniger herab.
Soll die Paarung, das Beſchälen, Bedecken, zur Befruchtung führen, ſo muß
der Hengſt die roſſige Stute belegen. Die Roſſigkeit erkennt man an einer gewiſſen Unruhe
der Stute, dem häufigen Wiehern bei Annäherung anderer Pferde, dem Klaffen der Wurf-
lefzen, dem Ausfließen eines zähen, gelblichen Schleimes aus dem Wurfe, dem häufigen
Anſtellen zum Harnen ꝛc. Bei den meiſten Stuten währt die Roſſigkeit 24—36 Stunden,
kehrt aber dann in 8—10 Tagen ſo lange wieder, bis die Begattung und Befruch-
tung erfolgt. In Geſtüten überzeugt man ſich von der Roſſigkeit der Stute, in-
dem man derſelben in einem Probirſtande einen Probirhengſt, meiſt einen älteren, gut-
müthigen Hengſt zuführt. Zeigt ſich die Stute roſſig, ſo wird dann der eigentliche
Beſchälhengſt zum Sprunge aus der Hand zu ihr gebracht. Vorher ſoll die Stute
ſo gefeſſelt oder geſtellt ſein, daß ſie den Hengſt nicht durch Ausſchlagen beſchädigen kann.
Als Beſchälplatz wählt man einen ruhigen Ort, einen Grasgarten, eine Reitbahn,
eine Scheune, einen Hofplatz ꝛc. Je nachdem die Stute kleiner oder größer iſt als
der Hengſt, ſtellt man ſie auf einen entſprechend vertieften oder erhöhten Platz. Nach
dem Sprunge wird die Stute entfeſſelt, einige Zeit herumgeführt, dann in den Stall
gebracht und ihr etwas Futter vorgelegt. Nach etwa 8—9 Tagen wird die Stute
abermals zu dem Probirhengſte gebracht; iſt ſie trächtig geworden, ſo ſchlägt ſie den-
ſelben ab, im entgegengeſetzten Falle zeigt ſie ſich neuerdings roſſig und wird dann
[248]Beſondere Thierzuchtlehre.
wieder dem eigentlichen Beſchälhengſte zugeführt. Manche Stuten werden erſt nach
2—3 Sprüngen trächtig. Will die Stute nicht trächtig werden, ſo führt zuweilen
auch das Wechſeln mit dem Hengſte zum Ziele. Der Hengſt iſt ſelbſtverſtändlich
während der Beſchälzeit beſonders gut zu pflegen und zu ernähren.
4. Die Aufzucht.
Ob die Stute aufgenommen, läßt ſich erſt gegen die Mitte der Trächtigkeit an
der ſtärkeren Zunahme des Bauches mit Sicherheit erkennen. Während der Trächtig-
keit ſind die Stuten mit beſonderer Sorgfalt zu pflegen, um keine Störungen ihres
normalen Verlaufes herbeizuführen. In Geſtütswirthſchaften vereinigt man die
trächtigen Stuten in einen Rudel, welchen man auf ſolche Weiden treibt, welche wenig
Gelegenheit zum Ueberſetzen von Gräben oder ſonſtiger Hinderniſſe bieten. Bei der
Hauspferdezucht werden die Stuten bis zwei Wochen vor dem Abfohlen, in der
letzten Zeit mit größerer Schonung und bei Zulage an Körnerfutter, zum Zuge ver-
wendet. Gegen das Ende der Trächtigkeit hat man jedoch jede anſtrengende Zug-
verwendung, feſte Gurtung, raſche Wendungen beim Fahren zu vermeiden, da ſonſt
leicht ein Verfohlen (Verwerfen) eintreten könnte. Aus derſelben Urſache hat man
alle blähenden, verſtopfenden, Durchfall erregenden Futterſtoffe von der Ernährung
trächtiger Stuten auszuſchließen. Bei nothwendigen Aenderungen in der Fütterung
iſt der Uebergang auf einen möglichſt langen Zeitraum auszudehnen. Ebenſo nach-
theilig für die Entwickelung des Fohlens iſt ſtarke Erhitzung oder Erkältung der
Mutterſtute. Läßt man es in der einen oder anderen Richtung an der nöthigen
Sorgfalt fehlen, ſo tritt ſehr leicht ein Verwerfen ein und zwar am häufigſten im
2., 3., 9. und 10. Monate der Trächtigkeit. Soll das Junge lebensfähig ſein, ſo
muß eine Tragzeit von mindeſtens 322 Tagen vorhergegangen ſein. Durch das Ver-
fohlen geht nicht nur das Junge verloren, ſondern auch die Stute iſt gefährdet und
zur weiteren Zucht minder tauglich geworden, indem ſie zu wiederholtem Verfohlen
geneigt bleibt.
Im ſiebenten Monate der Trächtigkeit können ſchon die Bewegungen des Foh-
lens im Mutterleibe bei dem Auflegen der Hand gefühlt werden. Weiterhin ſenkt
ſich der Bauch immer mehr abwärts. Die Stuten nehmen ein bedächtiges, vorſich-
tiges Benehmen an. Gegen Ende der Tragzeit treten aus den Zitzen, unter gleich-
zeitiger Anſchwellung des Euters, harzähnlicher Milchtropfen hervor.
Bei dem Herannahen der Fohlzeit, 1—2 Wochen vor der vorausſichtlichen
Geburt, wird der Stute ein abgeſonderter, geräumiger, reichlich mit Streu verſorgter
Stand angewieſen, in welchem ſie nicht angebunden wird, ſondern ſich frei bewegen
kann, gleichzeitig werden derſelben die Eiſen abgenommen. Zeigen ſich Anſchwellungen
des Euters, ſo wird ſie täglich 1—2mal durch ½—1 Stunde im Freien herum-
geführt. Als Futter reicht man ſtark befeuchtete Kleie, Hafer, gequellte Gerſte und
Strohhäckſel.
Die Geburt ſelbſt erfolgt gewöhnlich nach einer Trächtigkeit von 11 Monaten
und einigen Tagen. Zuweilen verkürzt oder verlängert ſich dieſelbe; die Tragzeit
[249]Die Pferdezucht.
kann daher zwiſchen 322—419 Tagen ſchwanken. Kurz vor dem Eintritte der Ge-
burt, nachdem 1—2 Tage vorher vorbereitende Wehen erſchienen ſind, legt ſich ge-
wöhnlich die Stute nieder und gebärt dann verhältnißmäßig leicht das Fohlen. Nach
der Geburt ſpringt die Stute auf, wobei die Nabelſchnur abreißt, und leckt das
feuchte Fohlen ab, welches, wenn auch etwas unbeholfen, aufſteht und das Euter der
Mutter aufſucht. Durch die Wirkung der Erſtlingsmilch entleert das Fohlen bald
nach dem Saugen die während ſeines Aufenthaltes im Mutterleibe angeſammelten
Kothmengen, das ſogenannte Füllenpech. Dieſer normale Verlauf der Geburt wird
zuweilen geſtört, weshalb man die Stuten zu dieſer Zeit von einem kundigen Wärter
beaufſichtigen zu laſſen hat, damit erforderlichenfalls eine künſtliche Nachhilfe ſchnell
gegeben werden kann. Eine Geburtshilfe ſoll jedoch nur in den zwingendſten Fällen
angewendet werden.
In den erſten Tagen nach der Geburt reicht man ſtark angefeuchtetes Kleien-
oder Mehlfutter. Späterhin ſorgt man durch Verabreichung von ſüßem Heu, Gerſten-
ſchrot, aufgeweichten Leinölkuchen für eine reichliche und normale Abſonderung der
Milch. Daſſelbe erreicht man durch eine nahe, gute Weide oder durch Vorlegen von
Grünfutter. Nach etwa 10—14 Tagen hat ſich die Stute ſo weit erholt, daß ſie
bei günſtiger Witterung wieder, zunächſt mäßigen, Zugdienſt verrichten kann, voraus-
geſetzt, daß ſie pro Tag eine Zulage von 1.5—2 Kilogr. Hafer erhält. Dabei iſt
jedoch eine Erhitzung der Stute zu vermeiden. Wäre dieſelbe eingetreten, ſo muß
man die Stute erſt durch Umherführen beruhigen und hat dann die erſten Tropfen
Milch auszumelken, bevor man das Fohlen ſaugen läßt. Nach etwa 9—20 Tagen
wird die Stute neuerdings roſſig und kann nun wieder zum Hengſte gebracht werden.
Iſt die Stute eingegangen oder gibt ſie keine oder nicht ausreichende Milch, ſo
läßt ſich die Aufzucht des Fohlens durch eine Amme, eine milchende Stute, die ihr
Fohlen verloren hat, wenn auch mit einiger Mühe bewerkſtelligen. Bei großer Sorg-
falt gelingt es auch, das Fohlen mit Kuhmilch aufzuziehen. Dieſelbe muß in ver-
dünntem Zuſtande und in kleinen Mengen mehrmals des Tages verabreicht werden.
Verabſäumt man dieſe Vorſichtsmaßregel, ſo treten leicht Koliken und Durchfälle ein,
welche ſchließlich zum Eingehen des Fohlens führen. Fohlen, welche auffällige Form-
fehler oder Gebrechen zeigen, ſind ſelbſtverſtändlich von jeder Aufzucht auszuſchließen,
wenn das Product die mit der Aufzucht verbundene Mühe lohnen ſoll.
Nach dem erſten Monate gibt man dem Fohlen in einem eingezäunten Platze
Gelegenheit zur Bewegung im Freien, weiterhin läßt man daſſelbe mit der Mutter
auf die Weide gehen oder neben der eingeſpannten Mutter herlaufen. nach vier
Wochen beginnt das Fohlen an dem Futter der Mutter zu naſchen; man richtet da-
her demſelben einen niedrigen Futtertrog ein, in welchem man zartes Heu und
Hafer vorlegt, um das Fohlen auf dieſe naturgemäße Weiſe allmählig an feſtere
Nahrung zu gewöhnen.
In der erſten Zeit nach der Geburt oder gegen Ende der Säugezeit treten
mancherlei krankhafte Zuſtände ein, welche wie der Durchfall und die Fohlenlähme
zum Eingehen des Fohlens führen können, wenn man nicht dagegen durch rechtzeitig
[250]Beſondere Thierzuchtlehre.
angewendete, thierärztliche Hilfe und zweckentſprechende Ernährung der Mutterſtute
Vorkehrungen trifft.
Mit 6—10 Wochen verlieren die Fohlen die auf die Welt mitgebrachten
Haare, welche meiſt dunkler als das ſpätere Haarkleid gefärbt ſind. Dieſer Haar-
wechſel wird durch ſorgfältiges Putzen mit der Kartätſche weſentlich erleichtert und
das Fohlen gleichzeitig zuthunlicher an den Menſchen gemacht. Sorgfältiges Putzen
und Waſchen iſt ſchon deshalb ſehr zu empfehlen, um das Auftreten von Läuſen zu
verhüten.
Bei normaler Entwickelung des Fohlens läßt man daſſelbe in Geſtüten durch
4—5 Monate, bei der Hauspferdezucht jedoch nur 3 Monate ſaugen. Unter dieſe
Zeit herabzugehen, iſt nicht räthlich, da ſonſt die körperliche Entwickelung des Foh-
lens leidet. Bei ſchwächlichen Fohlen muß die Säugezeit verlängert werden. Am
Schluſſe der Säugezeit iſt das Fohlen allmählig abzuſetzen. Man bringt daſſelbe
in einen entfernten Stall und läßt es nur 3mal des Tages, Morgens, Mittags
und Abends, während des Säugens zur Mutter. Später führt man das Fohlen
nur 2mal, früh und Abends, zur Mutter und läßt es auch über Nacht von der-
ſelben getrennt. In dem Maße, als ſich die Milch der Mutter verringert und dem
Fohlen entzogen wird, reicht man feines Heu, und wenn möglich, gequetſchten Hafer,
welcher von dem Magen des Fohlens leichter verdaut werden kann.
Die Abſatzfohlen werden unter Sonderung der Geſchlechter bis zum erſten Jahre
entweder im Stalle oder noch zweckmäßiger auf der Weide gehalten. Im Stalle
werden ſie am beſten nicht angebunden und wird ihnen reichliche Streu gegeben, da-
mit ſie ſich überall bequem niederlegen können. Außerdem ſorge man für einen nahen
Tummelplatz, nachdem mäßige Bewegung im Freien, durch täglich 1—2 Stunden, eine
unerläßliche Bedingung für die normale Ausbildung ihrer Gliedmaßen iſt. Bei
vieler und ſchneller Bewegung 1) in der Jugend werden die Athmungsorgane geſtärkt,
die Bruſt entwickelt ſich mehr dem Tiefe- als dem Querdurchmeſſer nach, die Glied-
maßen nähern ſich einander und wachſen in die Höhe, jedoch nur in Verbindung mit
ſtickſtoffreicher Nahrung. Bewegung faſt nur im Schritt, bei günſtiger Jahreszeit
auf der Weide, beim Mangel faſt aller Bewegung im Winter durch einige Monate,
mit reicher aber ſtickſtoffarmer Nahrung treibt das Fohlen in die Breite; die Glied-
maßen bleiben kurz; es erfolgt Fettanſatz. Das Futter der Abſatzfohlen bis zum
erſten Jahre beſteht im Sommer aus Weidefutter, im Stalle aus Grünfutter,
welches jedoch mit Heu abzumiſchen iſt, und geſchrotenem oder gequetſchtem Hafer,
nebſt Strohhäckſel. Im Winter wird Heu ad libitum, 3 Kilogr. Hafer oder Gerſte
und Stroh gereicht. Für die Entwickelung eines maſſigen Pferdes empfiehlt ſich im
Alter von ½—1½ Jahren die tägliche Fütterung von 2 Kilogr. Erbſen, 2 Kilogr.
Hafer, 10 Kilogr. Heu (Eſparſette oder Luzerne) und 30 Gramm Knochenmehl.
Wäſſeriges, blähendes Futter, wie gedämpfte Kartoffel und ſonſtiges Wurzelwerk,
[251]Die Pferdezucht.
Hülſenfrüchte, Roggen, Rothkleeheu ꝛc. ſind nach Möglichkeit von der Fütterung
auszuſchließen.
Vom erſten bis zum zweiten und dritten Jahre iſt die Ernährung auf der Weide
für die Entwickelung der Fohlen am zuträglichſten. Bei Stallhaltung kann zu reich-
licher Grünfütterung übergegangen werden. Die Bewegung auf den Tummelplätzen
iſt dem Fohlen tagsüber durch mehrere Stunden zu gewähren. Im Winter
erhalten die Fohlen bis zum 2. Jahre 6—9 Kilogr. Heu, 2—3 Kilogr. Stroh
und Spreu, außerdem werthvollere Thiere eine Zulage von 0.7—2.2 Kilogr. Hafer;
bis zum Alter von 3 Jahren wird die tägliche Futterration per Haupt auf 6—9
Kilogr. Heu, 5—8 Kilogr. Stroh und Spreu feſtgeſtellt. Nach dieſer Zeit erhalten
ſie das gewöhnliche Futter der Gebrauchspferde.
Die Behandlung des aufzuziehenden Pferdes ſoll jederzeit ſanft und verſtändig
ſein, damit ſich daſſelbe an den Umgang mit dem Menſchen gewöhne. Rohe
Pferdeknechte, welche das Thier durch Necken, Schlagen, Hetzen ꝛc. beunruhigen, ſind
abzuſchaffen, da das Pferd unter einer ſolchen Behandlungsweiſe leicht einen bös-
artigen Charakter annimmt, welcher ſeinen Gebrauchswerth bedeutend herabſetzt.
Beſondere Sorgfalt verdient das allmählige Angewöhnen des Pferdes an das An-
binden, Auflegen von Geſchirr und Sattel, Anlegen einer leichten Trenſe, Aufheben
der Beine, Auflegen der Hufeiſen, Beſchlagen, Putzen mit dem Striegel ꝛc.
Bei der Hauspferdezucht werden die jungen Pferde im 4., in den Geſtüten im
5. Jahre zum Gebrauche aufgeſtellt und allmählig zum Reit- und Zugdienſte ab-
gerichtet. Zunächſt werden die jungen Pferde von den übrigen Fohlen abgeſondert
und in einem eigenen Stande angebunden; weiterhin werden ſie allmählig in der
Reitbahn zum Reitdienſte eingeübt. Zeigt ſich das junge Pferd unter dem Reiter
willig und gehorſam, ſo wird es neben einem älteren, ruhigen, gutmüthigen Pferde
an einen leeren, ſpäter an einen belaſteten Wagen eingeſpannt und in den Zugdienſt
eingeführt. Die Einführung des Pferdes iſt gewöhnlich nach 4—6 Wochen ſo weit
vollendet, daß es zum eigentlichen Dienſte verwendet werden kann.
Hengſtfohlen, welche nicht zur Zucht aufgezogen werden, ſind ſo früh als möglich
zu caſtriren, nachdem die caſtrirten Pferde, Wallachen, wegen ihres ruhigeren Be-
nehmens zu jedem Dienſte verwendbarer ſind als die Hengſte. Bei kräftig ſich ent-
wickelnden Fohlen kann das Caſtriren bereits im Alter von einem Jahre vorgenommen
werden, häufig wartet man jedoch bis zum Alter von 2 Jahren. Die beſte Jahres-
zeit zur Vornahme des Caſtrirens iſt die kühlere Zeit im Februar und März oder
im October und November. Nach der Operation ſind die Pferde durch 4—6 Tage
möglichſt ſchonend zu behandeln und vor jeder Anſtrengung zu bewahren.
4. Die Ernährung.
Die Ernährung des Pferdes geſtaltet ſich, was die Zahl der verabreichten
Futterſtoffe betrifft, viel einfacher als jene der anderen Hausthiere. Die Weide-
ernährung kommt nur bei ausſchließlichen Zuchtpferden in Geſtüten vor. Die
[252]Beſondere Thierzuchtlehre.
Arbeitspferde werden faſt durchwegs im Stalle gefüttert; nur in arbeitsloſer Zeit
wird ihre Ernährung auf einer nahen Weide möglich ſein.
Im Naturzuſtande nährt ſich das Pferd von friſchem Graſe. Sobald daſſelbe
zu einer Arbeitsleiſtung herangezogen wird, iſt es jedoch nicht mehr im Stande, dieſes
voluminöſe Futter raſch genug zu verdauen. Arbeitspferde werden deshalb in der
Regel mit Hafer, Heu und Strohhäckſel gefüttert. Die Menge der einzelnen Futter-
ſtoffe richtet ſich nach dem Körpergewichte der Pferde und nach ihrer Arbeitsleiſtung.
Je angeſtrengter die Pferde zu arbeiten haben, um ſo mehr muß die tägliche Ration
Körnerfutter enthalten, während Heu und Stroh zurücktreten. Bei ruhenden Pferden
tritt dagegen das umgekehrte Verhältniß ein.
Für Pferde gelten nach H. Settegaſt 1) folgende Futternormen:
Nach Dr. E. Wolff 2) beträgt die Futternorm für Pferde pro Tag und
1000 Kilogr. Lebendgewicht in Kilogramm:
Bei der Fütterung von Hafer, Heu und Stroh findet gewöhnlich keine beſondere
Zubereitung ſtatt. Unerläßlich iſt es jedoch, den Hafer mit einem Staubſiebe zu
reinigen, das Heu auszuſchütteln und mit dem gehäckſelten Stroh gemengt vorzulegen
und etwas mit Waſſer anzufeuchten, damit der Häckſel nicht weggeblaſen wird. Bei
ſorgfältiger Fütterung empfiehlt es ſich, einen Theil des Heues mit dem Stroh zu
mengen und zu Häckſel zu ſchneiden. Ueber die Nützlichkeit des Quetſchens und
Schrotens des Hafers 1) ſind die Anſichten getheilt, die Mehrheit behauptet,
daß durch dieſe Zubereitung das Einſpeicheln des Futters nicht genügend bewerkſtelligt
werde. Für junge und alte Pferde wird die Ausnutzung des Hafers durch grobes
Quetſchen jedenfalls erhöht, bei mittelalten Pferden iſt es jedoch zweckmäßiger zu
unterlaſſen.
Bei hohen Hafer- und Heupreiſen ſucht man dieſe Futterſtoffe zum Theile durch
andere zu erſetzen. Ein Theil des Hafers läßt ſich leicht durch andere Körner,
wie durch Gerſte, Mais, Buchweizen, Roggen, Hülſenfrüchte erſetzen. Die
Gerſte reicht man am vortheilhafteſten im gequetſchten oder geſchrotenen Zuſtande.
Durch grob geſchrotenen Mais kann bis ⅓ des Gewichtes der Haferration mit gutem
Erfolge ſurrogirt werden. Der Mais ſowohl als die übrigen Körnerfrüchte ſind in
allmählig anſteigender Menge bis zu dem erreichbaren Maximum, mit dem Hafer
und Strohhäckſel gemengt, beſonders den zum langſamen Zuge beſtimmten Pferden
zu reichen, die ſich dabei leiſtungsfähig und wohlbeleibt erhalten. Der Roggen ruft
in zu großer Menge verfüttert leicht Kolik hervor, man hat ihn mäßig gequellt und
ſtark mit Häckſel gemengt nur an Arbeitspferde zu verfüttern. Bei ſtarken Arbeits-
leiſtungen, wie ſie vom ſchweren Laſt- und Karrenpferde verlangt werden, verfüttere
man neben reichlichen Hafermengen ſtickſtoffreiches Bohnenſchrot. Aelteren Pferden
ſind Hülſenfrüchte im geſchrotenen oder gequellten Zuſtande zu verabreichen. Ein
geſundes Surrogat für Hafer bildet auch die Kleie von Weizen, weniger die Kleie
von Roggen. Uebermäßige Kleinfütterung (mehr als 1 Kilogr. pro Tag) verurſacht
Verdauungsbeſchwerden, Darmſteinbildung und begünſtigt die Entwickelung von
Knochenleiden. Um dieſe Nachtheile zu vermeiden, gebe man die Kleie als Beifutter
neben Heu und Hafer. Im Winter, während der Arbeitsruhe, kann ein Theil der
Haferration durch Wurzelwerk erſetzt werden. Am zuſagendſten ſind den Pferden
Möhren, dann Kohlrüben, Runkelrüben, Kartoffeln. Das Wurzelfutter iſt vorher
zu waſchen und zu verkleinern und dann neben Heu zu verabreichen. Die Kartoffeln
ſind gleichfalls zu waſchen und entweder roh oder gedämpft unter Beimiſchung von
Strohhäckſel zu verfüttern. Die gedämpften und heiß vermahlenen Kartoffeln müſſen
vor dem Verfüttern gut auskühlen, ſtets aber friſch verfüttert werden. Bei über-
mäßiger Fütterung roher Kartoffeln tritt gerne Kolik ein. An Stelle der Kartoffeln
können auch rohe, verkleinerte Topinambur-Knollen verabreicht werden.
Außer dem Wurzelwerke werden den Pferden ſtatt dem Körnerfutter auch Bier-
träbern in mäßigen Mengen vorgelegt. Bei ſehr anſtrengender Verwendung der
[254]Beſondere Thierzuchtlehre.
Pferde wurde ſchon öfters die Fütterung mit Roggenbrod mit Erfolg verſucht.
Branntweinſchlempe iſt als Pferdefutter wenig zu empfehlen, am eheſten eignet ſich
dieſelbe noch zum Anfeuchten des Häckſels.
Von den verſchiedenen Heuſorten nimmt unſtreitig gut eingebrachtes Wieſenheu die
erſte Stelle als Pferdeheu ein. Dieſem zunächſt ſteht das Eſparſette- und Luzerneheu.
Weniger geeignet iſt ſtickſtoffreiches Kleeheu, welches jederzeit geſchnitten mit Stroh vorgelegt
werden ſoll. Das Heu von ſogenannten ſauren Wieſen, das Grummet ſtehen gegen
andere Heuſorten, wie beſonders Wicken-, Hirſe-, Moharheu, in der Nährwirkung ſehr
zurück. Im Sommer kann den Arbeitspferden mit Erfolg Grünfutter, wie Grün-
miſchling, Kleegras, verabreicht werden, wenn man die Vorſicht gebraucht, daſſelbe
in nicht zu jugendlichem Zuſtande zu ſchneiden und zur Vermeidung von Aufblähen
bei jedesmaliger Fütterung nur in kleinen Quantitäten vorzulegen. Sehr zu empfeh-
len iſt es, die Pferde während arbeitsloſen Zeiten in einen nahen Grasgarten oder
auf eine nahe Weide zu treiben.
Als Futterſtroh für Pferde eignet ſich das Hafer- und Gerſtenſtroh vortrefflich,
ebenſo gut eingebrachtes Hülſenfruchtſtroh, welches ſelbſt den beſſeren Heuſorten im
Nähreffecte gleichkommt. Zum Häckſel verwendet man Roggen- und Weizenſtroh.
Die Fütterung der Pferde mit Brotkuchen (beſtehend aus Strohhäckſel, Kartoffeln,
Mehl und Salz, welche zu einem Teige umgewandelt und in Broten gebacken werden),
gewöhnlich 3 Kilogr. per Pferd und Tag, ſowie mit Heuzwieback (beſtehend aus
Heu und Strohhäckſel, gequetſchtem Hafer und Roggen, welche mit Leinſamenabſud
übergoſſen, durchgeknetet und in flache Tafeln gepreßt werden) haben bisher keine
allgemeinere Einführung gefunden.
Wie bei den übrigen Hausthieren, ſo iſt auch bei den Pferden bei der Fütte-
rung die größtmöglichſte Regelmäßigkeit einzuhalten. Die feſtgeſtellten Futterzeiten,
gewöhnlich Morgens, Mittags und Abends, ſollen mit der größten Pünktlichkeit ein-
gehalten werden. Beſonders zu beachten iſt, daß das Futter in mehreren, gleich
abgetheilten Rationen vorgelegt werde. Nach dem Füttern, das früh und Abends
etwa 2 Stunden, Mittags etwas kürzer dauert, ſoll den Pferden, bevor ſie eingeſpannt
werden, ein halbe Stunde Ruhe gegönnt werden. Das Futter iſt derart zu ver-
theilen, daß man zunächſt mit Häckſel vermiſchte Körner vorlegt und dann das Heu
in die Raufen ſteckt. Iſt das Futter etwa zur Hälfte verzehrt, ſo reiche man den
Pferden friſches, nicht zu kaltes Waſſer zum Trinken. In daſſelbe rührt man gerne
Gerſtenſchrot, Weizenkleie, Mehl oder aufgeweichte Leinkuchen. Bei der Fütterung
von Grünfutter und Wurzelwerk reicht man das Tränkwaſſer am beſten nach dem
Abfüttern oder kurz vor dem Einſpannen. Das Grünfutter gibt man am zweck-
mäßigſten Früh und Abends, während zu Mittag nur geringere Mengen neben
Körnern und Heu vorgelegt werden.
Bei ſtarker Fütterung von rohem Wurzelwerke reicht man in der Woche 1—2mal
jedesmal 50—70 Gramm, bei ſalzarmem Futter per Tag und Stück 15—30
Gramm Salz.
[255]Die Pferdezucht.
5. Die Pflege.
Die Behandlung des Pferdes erfordert viel mehr Aufmerkſamkeit als die anderer
Nutzthiere. Zur Abwartung von je 2 Pferden iſt daher ein Knecht erforderlich.
Iſt für die Fütterung ſämmlicher Pferde ein ſogenannter Fütterer aufgeſtellt, ſo können
ſelbſt 4 Pferde einem Knechte zur Abwartung übergeben werden. In dieſem Falle
iſt jedoch für das zweite Pferdepaar während der Arbeit ein verläßlicher Tagelöhner
erforderlich. Bei größerer Pferdehaltung empfiehlt ſich die Aufſtellung eines Ober-
knechtes, welcher die Aufſicht führt, das Futter ausfolgt und das Geſchirr unter Auf-
ſicht und Verſchluß hält. Dem Knechte iſt die Führung, Fütterung und Pflege des
Pferdes anvertraut. Derſelbe ſoll ſeinen Pferden eine ſanfte, liebevolle Behandlung
zu Theil werden laſſen.
Die Stallpflege des Pferdes beſteht in möglichſter Reinhaltung des Standes,
dem Putzen und Schwemmen, und der Hufpflege. Der Stand iſt jeden Abend reich-
lich mit Streuſtroh zu verſehen, welches dann den nächſten Morgen ausgemiſtet wird.
Stehen die Pferde den ganzen Tag im Stalle, ſo wird ihnen auch während des
Tages etwas Stroh untergelegt; der Miſt möglichſt bald entfernt. An Streuſtroh
rechnet man per Tag und Kopf 2—2.5 Kilogr.
Das Putzen des Pferdes mit Striegel, Kartätſche und Wiſchtuch ſoll täglich mit
Sorgfalt vorgenommen werden. Die Mähnen- und Schweifhaare ſind auszukämmen.
Der Kopf, beſonders um die Augen und die Füße mit einem Schwamme zu waſchen.
Während des Sommers empfiehlt ſich ein öfteres Schwemmen der Pferde in nicht
zu kaltem Waſſer oder das Abſpülen der Beine. Bei rauhem Wetter empfiehlt
ſich das Auflegen warmer Decken.
Für die Wartung, Pflege und Geſundheit der Thiere zeigt ſich das Scheeren jener
Pferde, welche, wie die Reit- und Kutſchpferde, leicht dem Schwitzen ausgeſetzt ſind, als ſehr
vortheilhaft, während es bei Ackerpferden unwirthſchaftlich iſt 1). Daſſelbe wird im Spät-
jahre, wenn ſchon die Winterhaare angeſetzt haben, ebenſo im Frühjahre, wenn das
Abhaaren mit dem Eintritte der warmen Witterung nicht gleichen Schritt hält, vorgenom-
men. Zuweilen genügt das Ausſcheeren des Bauches, welcher durch den herablaufenden
Schweiß am leichteſten durchnäßt wird. Die Abnahme der Haare wird entweder durch Ab-
brennen mit einer Gasflamme oder durch Pferdeſcheeren, Fig. 175, S. 256, vorgenommen.
Die Dienſttauglichkeit des Pferdes wird durch einen ſorgfältigen Hufbeſchlag und
ſonſtige Hufpflege weſentlich erhöht. Durch den Beſchlag ſoll der Huf vor über-
mäßiger Abnutzung bei dem Gebrauche der Pferde bewahrt werden. Das Be-
ſchlagen 2) wird nur dann richtig ausgeführt werden können, wenn eine genaue, ana-
tomiſche Kenntniß des Pferdefußes vorhanden iſt. Der Huf des Pferdes beſteht
aus einer knöchernen Grundlage, welche von der Huflederhaut, den ſogenannten
Fleiſchtheilen, umgeben wird. Als Schutz der Fleiſchtheile dient der Hornſchuh.
An dem Letzteren unterſcheidet man die Hornwand, die Hornſohle, Fig. 176 k,
und den Hornſtrahl, Fig. 1761 n. Die Hornwand wird wieder abgetheilt in die
[256]Beſondere Thierzuchtlehre.
Zehen- b—b, in die Seiten- b—c und in die Trachtenwand c—d, welche ſich in die
ſogenannten Eckſtreben ff umbiegt. Die Hornſohle ſtellt eine vertiefte, ſtarke Platte
Fig. 175. Pferdeſcheere nach Mores — Preis bei H. Hauptner — Berlin. 12 Mark (6 fl.).
Fig. 176. Untere Fläche des linken Vorderfußhufes. — g—b Tragrand der Zehenwand, b—c Trag-
rand der Seitenwand, c—d Tragrand der Trachtenwand, ff Eckſtreben- und Sohlenwinkel, kk Sohle
nach hinten mit dem Sohlenwinkel, aa Hornballen, 1 Strahlgrube zwiſchen den Strahlſchenkeln,
n Strahlſchenkel.
vor, deren Rand niemals in gleicher Ebene mit dem Tragrande der Hornwand liegt
und ſich von dieſem durch die ſogenannte „weiße Linie“ ſcheidet. Beim Stehen
Hufdurchſchnitt. — a Strahlgrube,
bb Strahlſchenkel, ff Strahlfurchen, cc Eckſtreben.
berührt ſowohl der untere Rand der Wand
als auch der äußerſte Umkreis der Sohle
den Boden. Rueff bezeichnet daher dieſen
Theil des Hufes als den Tretrand.
Der Hornſtrahl, Fig. 177, beſteht aus
Weichhorn und hat die Beſtimmung, die
ſtets zur Verengung neigenden Trachten-
theile der Hornwand aus einander zu hal-
ten und durch Abflachung der Falten beim
Niederſetzen des Fußes die Wirkung der
Körperlaſt abzuſchwächen.
Für den Beſchlag im Allgemeinen ſtellt Rueff folgende Grundſätze feſt:
1. Das Hufeiſen darf nur auf dem Tretrande der Wand und Sohle auf-
liegen, von letzterer jedoch nicht mehr als 2—5 Millimeter ihres äußeren Umkreiſes
berühren; es muß ſich daher das Eiſen nach der Form des Fußes richten.
[257]Die Pferdezucht.
2. Das Hufeiſen muß für die Verwendungsart und die Geſtaltung des Thie-
res paſſend nach Form und Stärke hergeſtellt ſein.
3. Die Befeſtigung geſchehe in der Weiſe, daß nie die belebten Weichtheile
dabei beläſtigt werden und daß der Hornſchuh in ſeiner natürlichen Elaſticität keiner-
lei Störung erleide.
4. Das Hufbeſchläg richte ſich ſtets nach der Beſchaffenheit der Hufe, nach
Stellung und Bewegung der Gliedmaßen.
Die Hufeiſen werden am beſten aus Schmiedeeiſen oder Stahl, in neuerer Zeit
auch aus gewalztem Maſchineneiſen, Fig. 178, angefertigt. Für die Dimenſionen
Fig. 178. Gräflich Einſiedel’ſches tiefgefalztes Hufeiſen aus Façoneiſen.
Fig. 179. Hufeiſen. — e Zehentheil (Schuß), f Arm, g Trachtentheil, aa erſtes, bb zweites Zehen-
nagelloch, cc zweites, dd erſtes Hauptnagelloch.
des Hufeiſens wird der 12. Theil des äußeren Umfanges oder Randes als Einheit
angenommen. Die Breite des Eiſens ſoll vorne 1 und vom 1. Nagelloch gegen
den Stollen abnehmend ½ betragen. Die Dicke des äußeren Randes ſei gleich ⅓,
jene des inneren Randes ¼. An dem Eiſen unterſcheidet man das Zehenſtück oder
Schuß des Eiſens, Fig. 179 e, den äußeren und inneren Arm f, und die Trachten-
theile g. Das Eiſen wird durch 5—9, mit ihren Köpfen verſenkte, breite Nägel
befeſtigt. Die viereckig trichterförmig oder rinnenartig (Falz) vertieften Nagellöcher
im Eiſen müſſen ſo angeordnet ſein, daß ſie genau auf die weiße Linie des Hufes
paſſen. Zur Sicherheit des Auftrittes werden am Ende der Trachtentheile durch
Umbiegen der Arme oder durch Anſchweißen von Abſätzen die Stollen gebildet. Für
ſchweren Zugdienſt erhält der Zehentheil noch eine weitere Hervorragung, den Griff.
Das Eiſen muß, wie in Fig. 180 dargeſtellt, ganz eben und horizontal an dem Hufe
gerichtet ſein. Zunächſt iſt das alte Eiſen abzunehmen und dann von dem Hufe alle ab-
geſtoßene Subſtanz mit dem Wirkmeſſer wegzuſchneiden. Das Zuſchneiden darf nicht
zu tief erfolgen und muß mit Sachkenntniß ausgeführt werden; am wenigſten iſt an
dem Strahl zu ſchneiden. Um eine möglichſt ebene Fläche des Tragrandes zu er-
Krafft, Lehrb. d. Landw. III. 17
[258]Beſondere Thierzuchtlehre.
halten, wird das Eiſen noch warm (braunrothglühend) aufgelegt und dann die von
demſelben gebräunten Stellen mit der Raſpel beſeitigt. Bei dem Aufnageln des
Eiſens ſollen die Nägel außerhalb der weißen Linie eingeſchlagen werden. Die Enden,
welche 2—4 Centm. über den Tragrand zum Vorſchein kommen ſollen, ſind ſchließlich
abzuzwicken und umzunieten.
Für den Winter müſſen die Stollen und Griffe ſcharf gemacht werden. Dieſes
Schärfen oder Spitzen wird am einfachſten, wenn auch etwas koſtſpielig, durch das
Einſchrauben von ſogenannten Schraubſtollen, Fig. 181, bewerkſtelligt.
Richtig beſchlagener Huf.
Schraubſtol-
len mit halbkugelförmigem
Abſatze.
Das Beſchläg iſt alle 5—6 Wochen abzunehmen und zu erneuern, wenn der
Huf in guter Beſchaffenheit erhalten werden ſoll. Zur Erhaltung des Hufes trägt
auch eine gute Pflege deſſelben weſentlich bei. Der Huf ſoll vor dem Einſtallen
nach vollbrachter Arbeit täglich mit Waſſer gewaſchen und gereinigt werden. Steine,
Erde ꝛc., welche ſich zwiſchen Eiſen und Sohle eingeklemmt haben, ſind mit dem
Hufräumer zu beſeitigen. Erhitzung und Sprödigkeit der Hufe können durch das
Einſchlagen derſelben mit Kuhmiſt oder feuchtem Lehme vermindert werden. Zur Er-
haltung der Weichheit und Geſchmeidigkeit iſt der Huf mit einer Hufſchmiere einzu-
reiben, die in der Hauptſache aus Schweinefett, Leinöl, Glycerin, Wachs, Terpentin,
Kienruß, Grünſpan ꝛc. zuſammengeſetzt wird. Durch die Beimiſchung von Wachs und
Fett wird der Huf vor Näſſe geſchützt, der Kienruß dient zum Schwärzen, der Grün-
ſpan zur Verleihung des Glanzes. Abnorme Hufbildungen erfordern beſondere For-
men des Beſchläges, krankhafte und verletzte Hufe eine ſachgemäße Behandlung von
Seite des Thierarztes und Curſchmiedes.
Die Einrichtung der Pferdeſtälle zeigt die größte Mannigfaltigkeit, je nach den
Zwecken, für welche die Pferde gehalten werden. In Geſtüten ſind erforderlich: der
Stall für die Hengſte, für die Mutterſtuten, der Laufſtall für die 1- und 2jährigen
und für die 3- und 4jährigen Fohlen, der Stall für die Aufſtellpferde behufs ihrer
Abrichtung und der Stall für kranke Pferde. Bei den gewöhnlichen Ställen in den
Wirthſchaftshöfen beſteht ein, wenn auch oft nur auf Aeußerlichkeiten ſich beziehender Unter-
ſchied zwiſchen dem Stalle für die Dienſtpferde und dem Stalle für die Arbeitspferde.
[259]Die Pferdezucht.
Die Stellung der Pferde im Stalle iſt am beſten mit den Köpfen an die Wand,
da ſich dann die Heuraufen am leichteſten anbringen laſſen. Hinter den Pferden muß
ein Gang von 1.25—1.57 Meter Breite, bei Aufſtellung in zwei Reihen mit den
Köpfen gegen die Hauptmauern des Stalles von 1.88—2.51 Meter Breite verbleiben.
Die Höhe des Stalles iſt für 10—30 Pferde auf 3.4—4.0, für 30—50 Pferde
auf 4.0—4.7 Meter zu bemeſſen. Die glatt gehobelte Eingangsthür ſoll eine Höhe
von 2.35—2.51 und eine Breite von 1.25—2.51 Meter erhalten.
Die einzelnen Stände werden entweder durch gehobelte, 1.15—1.42 Meter hohe
Bretterwände (Latirwände), oder bei den Kaſten- und loſen Ständen durch beweg-
liche, rund gehobelte, 1 Meter hoch in Kettchen an Standſäulen und den Krippen
aufgehängte Stangen, den Streit- oder Latirbäumen, abgetheilt. Erſtere Anordnung
findet man bei Luxuspferden, letztere bei Ackerpferden. Die einzelnen Stände
werden nach F. C. Schubert 1) für ein mittleres Ackerpferd incluſive Krippe 2.8—3.2
Meter lang und 1.25 Meter breit, für ein großes oder Luxuspferd incluſive Krippe
3.14—3.75 Meter lang und 1.42—1.6 Meter breit gemacht.
Der Standboden wird entweder mit Bruchſteinen, oder mit Klinkern ge-
pflaſtert, mit einer Pfoſtenbebrückung verſehen, oder mit Lehm ausgeſtampft. Das
Gefälle des Standes gegen die rückwärts verlaufende, offene oder bedeckte Jauchen-
rinne beträgt 0—0.15 Meter.
Die Futterkrippen werden entweder aus mit Blech überzogenen Pfoſten conſtruirt,
oder bei beſſerer Einrichtung mit ſteinernen oder eiſernen Futterſchalen verſehen.
Der Krippenrand hat für mittlere Arbeitspferde eine Höhe über die Bebrückung von
1.1—1.25, für große und Luxuspferde von 1.25—1.4 Meter zu erhalten. Die Heu-
raufen, hölzerne oder eiſerne Leitern oder Körbe, ſind über die Krippen in 0.32—0.48
Meter Höhe anzubringen.
Die Fenſter ſind in den Pferdeſtallungen ſo hoch als möglich anzuordnen, da-
mit das Licht den Pferden nicht grell in die Augen falle. Die Knechte- oder
Kutſcherkammern, die Geſchirrkammern, die Futterkammer und ein Raum für
das noch verwendbare Streuſtroh vervollſtändigen die Einrichtung des Pferdeſtalles.
In Betreff der vielen, zum Theile erblichen, zum Theile anſteckenden Krankheits-
erſcheinungen begnügen wir uns mit der Anführung der am häufigſten vorkommen-
den, indem wir zu eingehenderen Studien auf die bereits bei der Rindviehzucht
S. 134 angegebene Literatur verweiſen. An den Naſenſchleimhäuten und Drüſen
treten auf: der Strengel (Strauchen), der Croup, die Druſe oder Drüſe und der
Rotz; als Gehirnkrankheiten erſcheinen der Dummkoller, der raſende Koller, die Stätig-
keit; als Augenkrankheiten der graue Staar, der ſchwarze Staar, die Mondblind-
heit; an den Organen der Bruſthöhle: die Influenza, die Dämpfigkeit, die Lungen-
und Bruſtfellentzündung, an den Organen der Bauchhöhle: die Kolik und Darment-
zündung, der Milzbrand; an der äußeren Hautdecke: der Wurm, die Räude und an den
Bewegungsorganen die Mauke, die Buglähme, der Sehnenklapp, Knochenauswüchſe
17*
[260]Beſondere Thierzuchtlehre.
(Spat, Schale oder Ringbein, Haſenhake) und Hufentzündungen (Rehe oder Ver-
fangen, Steingalle ꝛc.).
Bei Krankheiten, welche ſchwer auf den erſten Blick zu erkennen ſind, iſt für
den Kauf eine geſetzliche Gewährszeit normirt, nach welcher erſt der Verkauf Giltigkeit
erlangt. Gewährsmängel und die entſprechenden Gewährszeiten nach Tagen ſind bei
Pferden in
6. Die Benutzung.
Der hauptſächlichſte Nutzen der Pferdehaltung für den Landwirth beſteht in der
Verrichtung der verſchiedenſten Geſpannarbeiten, als leichter und ſchwerer Wagen-
dienſt, Pflügen, Eggen, Ziehen der Säe- und Mähemaſchinen, der Hackgeräthe,
Bewegung des Göpels ꝛc. Nebenher wird das Pferd in der Landwirthſchaft
zum Reiten, Laſttragen, Austreten der Frucht ꝛc. verwendet. Außer durch die Ge-
ſpannhaltung kann jedoch auch eine Nutzung durch Aufzucht junger Pferde erzielt
werden. Nach dem Tode des Pferdes läßt ſich noch die Haut, die Knochen, das
Fleiſch als Düngungsmaterial ꝛc. verwerthen.
1. Die Benutzung zur Arbeit.
Die Arbeitsleiſtung des Pferdes unter verſchiedenen Verhältniſſen, ſowie die
Vor- und Nachtheile der Pferde- gegenüber der Ochſenhaltung für den Zugdienſt
werden ihre eingehende Beſprechung in der Betriebslehre finden.
Von weſentlicher Bedeutung für die Höhe der Arbeitsleiſtung iſt die richtige
Auswahl der Zugpferde, welche entweder durch eigene Nachzucht von Arbeitsſtuten
oder häufiger durch Ankauf auf dem Markte beſchafft werden. Letztere Beſchaffungs-
weiſe hat den Nachtheil, daß ſich ſelbſt ein geübter Pferdekenner bei dem Einkaufe
leicht täuſchen kann, wenn auch in gewiſſer Richtung die geſetzlichen Beſtimmungen
[261]Die Pferdezucht.
über die Währſchaft (S. 260) einigen Schutz gegen Uebervortheilungen bieten.
Für die Auswahl der Arbeitspferde gelten dieſelben Anhaltspunkte wie ſie für die
Auswahl von Zuchtthieren, die in ihrer Nachzucht Arbeitspferde liefern ſollen, S. 246
angegeben wurden. Kräftiger Körperbau, Ausdauer und Leiſtungsfähigkeit, ſomit gute
Lungen, feſte Beine, gute Augen, leichte Verdauung ſind die hervorragendſten An-
ſprüche, die man an ein Arbeitspferd ſtellt. Nächſtdem ſoll es frei ſein von allen jenen
Fehlern, die den Umgang mit dem Perde gefährlich machen und ſeine Leiſtungsfähig-
keit, wie das Stätigſein, Strangſchlagen ꝛc., herabſetzen. Bei größeren Pferdehaltun-
gen wird man zweckmäßig neben einem mittleren Pferdeſchlage für leichtere Arbeiten,
wie das Pflügen auf Sand- und Lehmboden, das Eggen, nahe Marktfuhren ꝛc.
einige ſchwere Pferde für das ſchwere Laſtfuhrwerk, für den Betrieb der Mähemaſchinen,
die Bearbeitung eines Thonbodens, den Wieſenaufriß, das Tiefpflügen ꝛc.. halten.
Im letzteren Falle kann ſelbſt den leiſtungsfähigeren, wenn auch ſchwieriger zu be-
handelnden Hengſten gegenüber den Wallachen und Stuten der Vorzug gegeben
werden. Stuten hält man für ausdauernder als die Wallachen. Außerdem gewähren
erſtere den Vortheil, daß ſie neben der Arbeitsleiſtung auch noch zur Zucht verwendet
werden können.
Bei der eigenen Nachzucht von Pferden iſt ein beſonderes Gewicht auf die richtige
Zeit des Einführens der jungen Pferde zur Arbeit zu legen. Es hängt davon ihre Brauch-
barkeit und Ausdauer ab. Tritt die Verwendung zu früh und gleich in anſtrengender
Weiſe ein, ſo leidet darunter oft die künftige Leiſtungsfähigkeit in beträchtlicher Weiſe.
Das junge Pferd ſollte ſelbſt bei frühreifen Pferden, wie ſchon S. 251 erwähnt,
nicht vor dem vollendeten vierten Jahre in Verwendung genommen werden. In
welcher Weiſe bei der Anlernung der jungen Pferde zum Zugdienſte vorzugehen iſt,
wurde bereits im Allgemeinen, S. 251, angegeben. Bei ſchonender, aufmerkſamer Behand-
lung kann dann ein Ackerpferd 20 und mehr Jahre brauchbar werden, während es
bei Ueberanſtrengung, ungenügender Ernährung und mangelhafter Pflege oft ſchon
mit 10 Jahren und früher abgetrieben und unbrauchbar wird.
Die Leiſtung des Pferdes vor dem Wagen wird weſentlich durch eine zweck-
mäßige Anſchirrung unterſtützt. Zur Verbindung des Pferdes mit der Laſt verwen-
det man entweder das Kummet oder das Sielengeſchirr (Bruſtriemen) und die Zug-
ſtränge. Das Kummet bietet den Vortheil, daß ſich der Druck der Laſt auf eine
größere Körperpartie vertheilt. Es iſt daher dort anzuwenden, wo es ſich
um die Fortſchaffung ſchwerer Laſten und um das Fahren auf abhängigem Terrain
handelt. Das Sielengeſchirr eignet ſich vorzugsweiſe für leichteren Zug, für die
Arbeit mit der Egge ꝛc. Soll das Kummet allen Anforderungen entſprechen, ſo
muß es möglichſt dem Baue des Pferdes angepaßt werden, damit es keine Veran-
laſſung zum Wundziehen gibt. Das Gewicht deſſelben ſoll auf das Möglichſte
verringert werden. Die Stränge beſtehen aus Hanfſtricken.
In neuerer Zeit verwendet man mit Vorliebe ſtatt Hanfſtränge Ketten und Drahtſeil-
ſtränge. Letztere werden aus verzinktem Eiſendraht von der St. Egydy und Kindberger Eiſen-
Induſtrie-Geſellſchaft hergeſtellt. Für ſchweres Fuhrwerk werden 7.5 Mm. dicke, für leichtes
[262]Beſondere Thierzuchtlehre.
Fuhrwerk 5.5 Mm. dicke Stränge verwendet, deren Preis ſich nach der Länge richtet. Zwei
1.1—1.25 Meter lange, 7.5 Meter dicke Drahtſeil-Stränge koſten z. B. 3.2 Mark (1 fl. 60);
2.4—2.5 Meter lange 4.50 Mark (2 fl. 25); dieſelben Längen bei 5.5 Mm. Dicke 2.60
Mark (1 fl. 30), beziehungsweiſe 3.40 Mark (1 fl. 70).
2. Die Nutzung durch Pferdeaufzucht.
Die Pferdeaufzucht kann, wie ſchon S. 244 erwähnt, entweder ausſchließlich in
Geſtüten oder nebenher mit den gewöhnlichen Arbeitsſtuten betrieben werden.
Der Betrieb der Pferdeaufzucht in Geſtüten erfordert viele Sachkenntniß und
viel Capital, da der Gewinn aus einer ſolchen Einrichtung oft erſt nach
Jahren flüſſig wird. Ob die Haltung eines Geſtütes wirthſchaftlich vortheilhaft iſt,
muß durch eine genaue Ertragsberechnung auf Grund der vorhandenen wirthſchaft-
lichen Verhältniſſe ermittelt werden, bevor man an die Einrichtung deſſelben ſchreitet.
Viel öfter als die Aufzucht der Pferde in Geſtüten ergibt ſich Gelegenheit, die
Aufzucht von Fohlen aus Arbeitsſtuten zu bewerkſtelligen. Die Arbeitsverhältniſſe
der Wirthſchaft müſſen dann derartige ſein, daß der Wirthſchaftsbetrieb durch die
Schonung, welche unbedingt den abfohlenden und ſäugenden Stuten gegeben werden
muß, nicht behindert wird. Bei größeren Wirthſchaften empfiehlt es ſich, bei einem
ſolchen Betriebe von vornherein für je 4 Arbeitsſtuten 1 Stute über den Bedarf
zu halten. Die fallenden Fohlen können je nach den vorhandenen Futter- und
Weideverhältniſſen, entweder gleich nach dem Abſetzen oder erſt im ausgewachſenen
Zuſtande mit 3—4 Jahren verkauft werden, ſoweit ſie nicht etwa zur Deckung des
eigenen Bedarfes an Zugpferden erforderlich ſind. Der Betrieb kann ſchließlich auch
derart eingerichtet werden, daß man außer den eigenen Fohlen noch Abſatzfohlen zukauft
und bis zum Alter von 3—4 Jahren aufzieht. In jedem Falle hat man dafür
zu ſorgen, daß man nur ſolche Pferdeſchläge zur Zucht und Aufzucht verwende, für
welche ſich eine ausreichende Abſatzgelegenheit ergibt. Im Allgemeinen wird man
um ſo beſſer fahren, je werthvollere Fohlen man aufzieht, da deren Aufzucht die-
ſelben Koſten wie von minder werthvollen verurſacht. Die Zahl der Fohlen, welche
man von gedeckten Stuten aufbringt, erreicht in Geſtüten unter beſonders günſtigen
Verhältniſſen 66, unter mittleren Verhältniſſen 60 %. Bei der Pferdezucht mit
Arbeitspferden, welche daher nicht ausſchließlich den Zuchtzwecken gewidmet ſind,
können 50 % als ein günſtiges Ergebniß bezeichnet werden.
Für intenſivere Wirthſchaftsverhältniſſe wird die Aufzucht der Pferde jedoch
nur dann wirthſchaftlich gerechtfertigt ſein, wenn ſie ſich auf werthvollere, ſtärkere
Pferde erſtreckt, die zum Mindeſten ihre Productionskoſten erſetzen und womöglich noch
einen, wenn auch kleinen Gewinn abwerfen. Die Höhe der Productionskoſten richtet
ſich vornehmlich nach den Futterpreiſen und nach den Zwecken der Zucht.
Für norddeutſche Verhältniſſe belaufen ſich die Productionskoſten für die erſten vier
Jahre auf ungefähr 800 Mark, davon entfallen für den Jährling 320 Mark (Futterzulage
für die Mutterſtute 50 M., Deckgeld 6 M., Fohlenfutter 268 M., Wartung, Stallung und
Riſiko 26 M., abzüglich von 30 M. für 5 Fuhren Miſt) und für das 2., 3. und 4. Jahr
je 160 M. (Futter und Streuſtroh 168 M., Wartung ꝛc. 22 M., abzüglich von 30 M.
für 5 Fuhren Miſt).
[263]Die Schweinezucht.
IV.
Die Schweinezucht.
Der Nutzen, welchen das Schwein durch ſeine leichte und ſchnelle Maſtfähigkeit
gewährt, beſteht hauptſächlich in Fleiſch und Fett (Speck und Schmer). Außer dem
Fleiſch- und Fettnutzen, welcher ſich zu einer Höhe wie bei keinem anderen Nutzthiere
ſteigern läßt, und dem Düngergewinne, liefert die Haut des Schweines (Schwarte)
Materiale zu den verſchiedenſten Sattlergegenſtänden und zu dauerhaften Einbänden für
Bücher, und die Borſten, abgeſehen von ihrer Verwendung bei der Mörtelbereitung,
Materiale für die Herſtellung von Pinſeln, Bürſtenwaaren ꝛc. In wirthſchaftlicher
Beziehung bietet das Schwein, welches ſowohl pflanzliche als thieriſche Nahrung zu
ſich nimmt, den Vortheil, daß ſonſt unverwendbare Abfälle aus der Wirthſchaft,
Rückſtände von techniſchen Gewerben, Sumpf-, Buchen- und Eichenwald-Weiden
durch daſſelbe verwerthet werden können. Seine ſchnelle Entwickelung bedingt einen
raſcheren Capitalumſatz als bei irgend einer anderen Viehhaltung. Die gegenüber
einem Stücke Rindvieh geringere Maſſe des Fleiſches, ſowie die leichte Conſervirung
deſſelben macht die Züchtung und Haltung des Schweines für die verſchiedenſten
Verhältniſſe geeignet. Durch dieſelbe kann der vermehrte Bedarf der zunehmenden
Städtebevölkerung an billigem und nahrhaftem Fleiſche am eheſten befriedigt werden.
Die Schweinezucht gewinnt daher immer mehr Bedeutung, wenn auch das Schwein
in der Landwirthſchaft ſelten als Hauptnutzvieh gehalten werden kann. Als Letzteres
eignet ſich daſſelbe um ſo weniger, als durch daſſelbe die in der Wirthſchaft in größter
Menge producirten Futterſtoffe, Heu und Stroh, nicht verwerthet werden können.
Das Schwein iſt wegen ſeiner Bekleidung mit Borſten ziemlich unempfindlich gegen
ungünſtige Witterungseinflüſſe. Es liebt mehr ſchattigen, kühlen als heißen Aufent-
haltsort und mehr feuchten als trockenen Boden.
Bei der Schweinezucht 1) ſind zu beachten: 1. die Entwickelung des Schweines,
2. die Schweineracen, 3. die Züchtung und Aufzucht, 4. die Ernährung und
Pflege und 5. die Benutzung des Schweines.
1. Die Entwickelung des Schweines.
Das männliche ausgewachſene Schwein wird: Eber, Keuler, Bär,
Faſelſchwein ꝛc., das weibliche: Mutterſchwein, Zuchtſau, Züchtin,
[264]Beſondere Thierzuchtlehre.
Bache, Docke ꝛc., das caſtrirte männliche Schwein: Bark, Bork, das weibliche:
Nonne genannt. Das Junge heißt nach der Geburt Ferkel oder Friſchling,
Unterkiefer eines 18 Monate alten Schweines.
ſpäterhin Faſel- oder Läufer-
ſchwein, und zwar das einjährige
Kleinfaſel, das zweijährige Groß-
faſel.
Das Gebiß des Schweines iſt
entſprechend der Verſchiedenartigkeit
ſeiner Nahrung durch einen Reichthum
an Zähnen ausgezeichnet. Es beſitzt
6/6 Schneidezähne, Hakenzähne
(Hauer, Gewehre der Keiler), welche
aus der Mundſpalte hervorragen,
und Backenzähne, ſomit im
Ganzen 44 Zähne. Die Form und
Größe der Hakenzähne iſt je nach Alter
und Race der Schweine ſehr ver-
ſchieden. Bei dem Eber ſind dieſe
Zähne, beſonders im Unterkiefer, ſtär-
ker entwickelt als bei dem Mutter-
ſchweine. Bei dem caſtrirten männ-
lichen Schweine und bei edlen Racen
bleiben ſie in ihrer Entwickelung zu-
rück. Zwiſchen dem erſten ſtumpfen
Backenzahn und den Hauern ſteht in
jedem Kiefernaſte, Fig. 182, noch ein
7., ſpitz geformter Backenzahn, wel-
cher als Spitzzahn, Lücken- oder
Wolfszahn bezeichnet wird. Ausbruch
und Wechſel der Zähne geben wie bei
den übrigen Hausthieren, wenn die-
ſelben auch nicht ſo regelmäßig wie
bei dieſen ſtattfinden, einen ungefähren
Anhaltspunkt zur Altersbeſtimmung
des Schweines. Wenn auch die Alters-
beſtimmung nach den Zähnen bei der
Störrigkeit des Schweines ſchwer nach-
zuſehen iſt und auch bei dem Umſtande, als das Schwein ſtets im jugendlichen
Alter verwerthet wird, weniger Bedeutung hat, ſo wollen wir doch der Vollſtändig-
keit wegen den Ausbruch und Wechſel der Zähne nachſtehend zuſammenſtellen:
[265]Die Schweinezucht.
Mit zunehmendem Alter nutzen ſich nach und nach, jedoch ſehr unregelmäßig,
die Erſatzzähne ab. Als untrügliche Kennzeichen höheren Alters zeigen ſich übrigens
beim Eber Runzeln am Rüſſel, bei dem Mutterſchweine ein tief herabhängender Bauch.
Das Körpergewicht des Schweines ändert ſich je nach Alter, Race, Abſtammung,
Züchtung und Ernährung. Das neugeborene Ferkel wiegt 0.84—2 Kilogr. Die
weitere Entwickelung des Schweines findet ſehr raſch ſtatt, je ſchnellwüchſiger
die Race.
Nach in Liebwerd 1) angeſtellten Unterſuchungen ergeben ſich für das Gewicht der Fer-
kel im Verhältniſſe zu den Mutterſchweinen bei verſchiedenen Racen folgende Zahlen in Kilogr.
Die monatliche Gewichtszunahme dieſer verſchiedenen Racen zeigte ſich in Kilogramm
bei gleicher Ernährung wie folgt:
Ausgewachſene Schweine erreichen ein Lebendgewicht von 100, 200, 400 Kilogr.
und darüber.
Bei der raſchen Körperentwickelung des Schweines iſt daſſelbe ſchon vor Ablauf
des erſten Jahres, oft im Alter von ¾ Jahr zuchtfähig. Bei dem Wildſchweine
äußert ſich dagegen der Geſchlechtstrieb erſt ſpäter. Das Brünſtigwerden des Schweines
wird als Rauſchen, Ranken, Brauſen oder rauſchig werden bezeichnet.
Hat das Mutterſchwein aufgenommen, ſo geht es gewöhnlich 16—17 Wochen
oder im Mittel 120 Tage trächtig. Die Extreme der Trächtigkeitsdauer bewegen
ſich zwiſchen 109 und 133 Tagen. Im Naturzuſtande wirft das Schwein nur ein-
mal im Jahre gegen das Frühjahr zu Junge. Bei der Haltung als Hausthier
läßt ſich ſeine Fruchtbarkeit auf 3 Würfe in 2 Jahren und ſelbſt auf 2 Würfe in
einem Jahre ſteigern. Die Zahl der bei einem Wurfe zur Welt gebrachten Ferkel
beläuft ſich auf 4, 12, 20 und mehr Stücke. Der erſte Wurf fällt ſtets
ſchwächer aus als die folgenden, bis das Mutterſchwein mit dem 7. oder 8. Jahre
zuchtunfähig wird.
Nach der Geburt tritt die Brünſtigkeit in 42—56 Tagen ein, bei Nichtbe-
fruchtung kehrt ſie in 20—40 Tagen wieder.
Das Wachsthum des Schweines findet im 4. Jahre ſeinen Abſchluß. Veredelte
Racen können übrigens ſchon im Alter von ¼ Jahr und ſelbſt als Ferkel verwer-
thet werden.
Der Magen des Schweines iſt einfach, ungetheilt, der Darmcanal mittelmäßig
lang und zwar 15—16mal länger als der Körper. Die eigenthümliche Kiefer-
geſtaltung zu einem Rüſſel befähigt das Schwein in der Erde zu wühlen, wobei es
das Genießbare, Wurzeln, Inſectenlarven, Würmer ꝛc. herausſucht. Das Schwein
verzehrt ſowohl pflanzliche als thieriſche Stoffe und zeichnet ſich durch große Ge-
fräßigkeit und raſche Verdauung aus, weshalb es ſchwerer verdauliche Futterſtoffe, wie
Stroh, Heu, nicht verzehren kann. Am zuſagendſten iſt demſelben wäſſeriges Futter.
Bei trockenem Futter iſt für reichliches Tränkwaſſer zu ſorgen. Das gewöhnliche
Futter der Schweine beſteht aus grünem Rothklee, Luzerne, Eſparſette, Rübenblätter,
Wurzeln und Knollenfrüchten, Getreide, Mehl, Kleie, Baumfrüchten, Obſt, Gemüſe-
abfällen, Molkereiabfällen, Fleiſch, auch Aas ꝛc.
Das Empfindungsleben iſt bei dem als ſtumpfſinnig bekannten Schweine
am geringſten, am meiſten noch der Gehör- und Geruchsſinn ausgebildet.
Der Umgang mit demſelben, namentlich mit dem gereizten Eber, kann unter Um-
[267]Die Schweinezucht.
ſtänden ſehr gefährlich werden. Von großer Bedeutung für ſeine Entwickelung iſt, ent-
gegen der landläufigen Anſicht, die Reinhaltung der Stallungen und die Gewährung
eines trockenen Lagers, ſowie der Gelegenheit, ſich im Waſſer abkühlen zu können.
2. Die Racen des Schweines.
Das gemeine Schwein (Sus scrofa L.) 1) zerfällt nach Rohde in zwei natür-
liche oder Stammracen und zwar in das europäiſche Schwein (Sus europaeus)
und das indiſche Schwein (Sus indicus Gray). Von beiden laſſen ſich wieder zwei
Formen unterſcheiden und zwar von Erſterem das Wildſchwein (Sus scrofa ferus)
und das europäiſche Hausſchwein (Sus europaeus domesticus), von Letzterem das
kurzohrige, chineſiſche Schwein (Sus sinensis Fitzgr.) und das großohrige, japaneſiſche
Maskenſchwein (Sus pliciceps Gray).
Das Wildſchwein, Sau- oder Schwarzwild, findet ſich in Europa und
Nordafrika wild in Rudeln lebend. Es unterſcheidet ſich von dem indiſchen Schweine
durch die Bildung des Kopfes, Fig. 183, deſſen Naſe in einem zum Wühlen geeig-
neten Rüſſel endigt, durch den nach auswärts gekrümmten Rücken und die mit dunkel-
braunen bis ſchwarzgefärbten Borſten, im Winter mit einem dichten Flaume bedeckte
Haut. Die Füße ſind mit 4, zwei kürzeren und zwei längeren, behuften Zehen
Schädel eines 3 Jahre alten,
wilden Keilers nach Rohde.
Schädel des japaniſchen Mas-
kenſchweines nach Rohde.
verſehen. Der Rumpf iſt flachrippig, nach hinten ſtark abfallend. Das weibliche
Thier wirft nur einmal im Jahre im Frühlinge 6—10 geſtreifte Junge, Friſch-
linge. Das Wildſchwein ſoll ein Alter von 20—25 Jahren erreichen. Sein Gewicht
beträgt ausgewachſen 200—300 Kilogramm.
[268]Beſondere Thierzuchtlehre.
Das indiſche Schwein unterſcheidet ſich nach den Unterſuchungen von
H. v. Nathuſius 1) von dem europäiſchen Wildſchweine durch den kürzeren und breiteren
Kopf, Fig. 184, durch mehr höhere als lange Thränenbeine, und durch die nicht,
wie bei dem Wildſchweine parallel, ſondern nach vorne, divergirend ſtehende Backen-
zahnreihe. Die eine Form deſſelben, das chineſiſche Schwein, wird in China als
Hausthier gehalten. Daſſelbe beſitzt kurze Beine, weshalb ſein Leib niedrig geſtellt
iſt und tief bis zur Erde herabhängt. Der Rücken iſt breit. Der breite, mit kleinen,
zugeſpitzten Ohren verſehene Kopf läuft in einen kurzen Rüſſel aus. Die Haut iſt
oft faltig und mit weichen Borſten dünn beſetzt. Es zeichnet ſich durch frühe Reife
und durch ungemein leichten Fettanſatz aus. Es erreicht ein Schlächtergewicht von
ſelten mehr als 100 Kilogramm. Das Fleiſch iſt feinfaſerig und ſehr fett, der
Speck von weicher Beſchaffenheit. Die andere Form, das japaneſiſche Schwein,
unterſcheidet ſich von dem chineſiſchen Schweine hauptſächlich durch dicke Geſichtsfalten
und lange, hängende Ohren.
Das in Europa gehaltene Hausſchwein ſtammt nicht ausſchließlich vom Sus
europaeus ab, ſondern iſt vielfach durch Vermiſchung mit dem chineſiſchen Schweine
und durch den Einfluß der verſchiedenſten Klimate und der Züchtung in ſeinen inneren
und äußeren Eigenſchaften abgeändert worden. Die auffälligſten Unterſchiede zeigen
ſich in dem Exterieur und daher auch in dem mit demſelben in engſter Beziehung
ſtehenden Knochengerüſte.
Nach Meſſungen am Skelette ergeben ſich nach Dr. O. Rohde (Die Schweinezucht,
2. Aufl., Berlin 1874, S. 113) folgende auffällige Unterſchiede:
Je nachdem entweder die Einflüſſe der Natur oder jene der Züchtung in den Formen
des Hausſchweines zum Ausdrucke gelangen, unterſcheidet man zwiſchen den natürlichen
Racen (unveredelte Racen, Landracen) und den künſtlichen Racen (Culturracen) des
Schweines. Erſtere ſind vorzugsweiſe repräſentirt durch die Racen des europäiſchen
Continentes, letztere durch die engliſchen Racen, bei deren Bildung das indiſche Schwein
betheiligt iſt. Weiteres können die Schweineracen je nach ihren Eigenſchaften und ihrem
Vorkommen unterſchieden werden in: 1. die krausborſtigen Racen, 2. die romaniſchen
Racen, 3. die kurzohrigen Racen, 4. die großohrigen Racen und 5. die engliſchen Racen.
[269]Die Schweinezucht.
1. Die krausborſtigen Schweineracen.
Die Verbreitung der krausborſtigen Schweineracen, welche augenſcheinlich von
dem Wildſchweine abſtammen, erſtreckt ſich über das ſüdöſtliche Europa, vornehmlich
über Ungarn, Slavonien, die Donaufürſtenthümer, die Türkei, Südrußland und
die weſtlichen Theile von Mittel-Aſien. Die ausgedehnten Buchen- und Eichen-
beſtände, die weiten, ſumpfigen Weiden, das Klima jener Gegenden begünſtigten die
Entſtehung dieſer ausgezeichnet maſtfähigen Schweineracen. Fettreiche Stücke des
krausborſtigen Schweines erreichen ein Körpergewicht von 300 Kilogr. und mehr.
Zu ihrer Entwickelung, ſowie zu ihrer voll-
ſtändigen Ausmäſtung bedürfen dieſelben je-
doch, mit Ausnahme einiger beſſerer Zuchten,
unverhältnißmäßig viel Zeit und einen be-
deutenden Futteraufwand. Die Thiere werden
gewöhnlich im Alter von 1½—2 Jahren
zur Maſt aufgeſtellt. Die Racenmerkmale des
krauſen Schweines ſind: ſchmaler, langer
Kopf, Fig. 185, welcher in ſeinen Formen dem
Wildſchweine ſehr nahe kommt; kurze, ſpitze,
Schädel eines Bakonyer
Schweines nach Rohde.
aufrecht oder ſchwach nach vorne geneigt ſtehende Ohren, mittellanger, flachrippiger
Rumpf, ſcharfgratiger Rücken, ſtark geringelter Schwanz, ziemlich lange Beine, ſtar-
kes Knochengerüſte, mit langen, gekrauſten, hellgrauen, ſeltener ſchwarzen Borſten dicht
beſetzte Haut. Zu den bemerkenswertheſten Racen des krausborſtigen Schweines zählen:
1. Die ſerbiſchen und ſyrmiſchen Racen. Verbreitung: Donau-
fürſtenthümer, Ungarn. Dieſelben haben einen kleinen Kopf, tonnenförmigen, mittel-
langen Leib. Die krauſen Borſten ſind meiſt weiß, aber auch rothbraun und ſelbſt
ſchwarz gefärbt. Sie entwickeln ſich ſehr raſch, ſtehen jedoch in der Fruchtbarkeit
den ungariſchen Racen nach.
Zu den vorzüglichſten und zugleich größten ſerbiſchen Schweinen gehört die
Mangalicza-, auch Mongolica-Race, Fig. 186. In Ungarn, wo dieſelbe als hoch-
edles Fettſchwein gehalten wird, bezeichnet man dieſelbe als Milos-, Sumadia- oder
Obrenovics-Race, und unterſcheidet das große weiße, das kleine weiße und das
ſchwarze ſchwalbenbäuchige (ſogenannte ungariſche) Mongolica. Der kleinere Schlag
hat ſpitze, mehr aufrecht ſtehende, der größere zur Seite hängende Ohren, breit-
ſtirnigen, kürzeren Kopf, feinen Rüſſel, gedrungenen, walzenförmigen Leib, breites,
wenig abgeſchlagenes Kreuz, kurze, kräftige Füße und gering entwickelten Borſtenkamm.
Namentlich der kleinere Schlag der Mangalicza-Race läßt ſich außerordentlich gut
mäſten. Das Mangalicza-Schwein beſitzt große Härte und Widerſtandsfähigkeit
gegen klimatiſche Einflüſſe, weshalb es in Ungarn von engliſchem Blute nicht verdrängt
werden kann. Berühmt iſt die Qualität ſeines Speckes, welche übrigens auch auf
Rechnung der Eichel- und Maiskörnermaſt zu ſtellen iſt. Im Alter von 1½—2
Jahren gemäſtet, erreichen die Thiere ein Gewicht von 150 — 200 Kilogramm.
[270]Beſondere Thierzuchtlehre.
Die Fruchtbarkeit läßt bei dem größeren Schlage etwas zu wünſchen übrig. Die
Ferkel kommen geſtreift zur Welt.
2. Die ungariſchen Schweineracen. Verbreitung: Ungarn, Sieben-
bürgen, Slavonien und die angrenzenden Länder.
Die in Ungarn einheimiſchen Schweineracen, das gemeine Landſchwein, das
Karpathenſchwein, der „Bergſchlag“, die walachiſchen Stachel und das Bakonyerſchwein
treten in ihren Nutzungseigenſchaften, da ſie dem Wildſchweine noch näher als die ſer-
biſchen Schweine ſtehen 1), gegenüber dieſem, namentlich dem Mangaliczaſchweine, zurück.
Sie beſitzen meiſt einen großen Kopf, langen geraden Rüſſel und groben Knochenbau,
zumeiſt röthliche, mehr ſchlichte Haare. Ihre Entwickelung geht ſehr langſam vor
ſich, weshalb dieſelben ſchon vielfach mit Mangalicza- und ſyrmiſchem Blute vermiſcht
wurden.
Als ungariſches Fleiſchſchwein iſt das mehr ſchlichthaarige, meiſt rothgefärbte,
wegen ſeiner guten Schinken bekannte Szalontháer Schwein zu nennen. Sein
ſehr ſchmackhaftes Fleiſch iſt etwas grobfaſerig, nur wenig mit Fett durchzogen.
Mangalicza-Zuchtſau. — Abſtammung Kis-Jenö (Erzherzog Joſeſ.) 2).
Durch die Maſtung kann ihr Gewicht noch höher als jenes der Mangalicza-
Schweine gebracht werden. Dreijährige Schweine erreichen ein Lebendgewicht bis zu
385 Kilogr.
[271]Die Schweinezucht.
3. Die Schweineracen der Donaufürſtenthümer. Dieſelben ſind
zumeiſt kleine, dunkelborſtige Schweineracen, die wegen ihrer langſamen Entwickelung
gegen die ſerbiſchen Schweine zurückſtehen und gewöhnlich unter der Bezeichnung
„Moldauer Schweine“ zuſammengefaßt werden. Noch geringeren Zuchtwerth beſitzen
die in der Türkei verbreiteten natoliſchen und albaneſiſchen Schweine. Daſſelbe gilt
von dem ruſſiſchen und kleinen polniſchen Landſchweine. Letzteres iſt ſchon vielfach
mit dem großohrigen Schweine gekreuzt.
2. Die romaniſchen Schweineracen.
Das romaniſche Schwein findet ſich im ſüdlichen Italien, im ſüdlichen Frank-
reich, auf der pyrenäiſchen Halbinſel und in einigen Theilen der Schweiz. Dieſe
meiſt kleinen, 100 Kilogr. ſchweren Schweine beſitzen gerundete Formen. Flachrippige
und karpfenrückige Thiere gehören zu den Seltenheiten. Der breite Rücken iſt gerad-
linig, das Kreuz abſchüſſig, die Beine ſind kurz. Der Kopf iſt kurz, die Stirn ge-
runzelt, über den Augen ſtehen Falten. Die ſchwach mit Borſten beſetzte Haut iſt
gewöhnlich ſchwarz, dunkelaſchgrau gefärbt, zuweilen kommen auch feuerrothe Thiere
vor. Sie entwickeln ſich ziemlich raſch und verwerthen ihr Futter ſehr gut. Zum
Theile lieferten ſie Zuchtmateriale für neuere engliſche Schweineracen. Zu den be-
kannteren Schlägen des romaniſchen Schweines zählen das portugieſiſche Schwein,
das franzöſiſche Perigord-Schwein, das Schwein in der Umgegend von Bologna und
Neapel.
3. Die kurzohrigen Schweineracen.
Die kurzohrigen Schweineracen beſitzen gegenüber der nächſten Racengruppe nach
vorne geneigte oder aufwärts gerichtete, kleine Ohren, kurzen, vollen Leib und nach
aufwärts gebogenen Rücken, ſogenannten Karpfenrücken. Ihr Kopf iſt kurz und
breit, die Beine mäßig hoch. Die Unterſchiede zwiſchen dem kurz- und großohrigen
Schweine ſind keinesfalls bedeutend, weshalb ſie von Rohde nicht beſonders unter-
ſchieden werden. Die Verbreitung dieſer mittelſchweren, raſchwüchſigen Schweine er
ſtreckt ſich vorzugsweiſe über das ſüdliche und mittlere Deutſchland. Als bemerkenswerthe
Schläge ſind anzuführen: Das baieriſche Schwein, welches im Vordertheile
ſtrohgelb, im Hintertheile rothbraun bis ſchwarz gefärbt iſt, ſich durch Größe,
Fruchtbarkeit und Maſtfähigkeit auszeichnet. Aehnliche weiß und roth gefärbte
Schweine finden ſich in den ſüdlichen Theilen Böhmens, in Oberöſterreich und in
Württemberg. Das württembergiſche Schwein iſt vielfach veredelt worden durch
das Düſſelthaler Schwein, welches aus einer Kreuzung des chineſiſchen oder
portugieſiſchen Schweines mit einem Landſchweine entſtanden iſt und ausgemäſtet ein
Gewicht bis zu 300 Kilogr. erreicht. Das mähriſche, auch Karpfenſchwein ge-
nannt, ſcheint aus einer Kreuzung des kurzohrigen Landſchweines mit dem kraus-
haarigen, polniſchen Schweine hervorgegangen zu ſein.
[272]Beſondere Thierzuchtlehre.
4. Die großohrigen Schweineracen.
Die Verbreitung des ſchweren, großohrigen Schweines erſtreckt ſich über den mitt-
leren, weſtlichen und nördlichen Theil von Europa, es iſt als das eigentliche
von dem Wildſchweine abſtammende, europäiſche Hausſchwein anzuſehen. Die
Thiere dieſer Racengruppe ſind vorzugsweiſe charakteriſirt durch ihre langen, breiten,
nach vorne, bis über die Augen herabhängenden Ohren, den großen, ſchmalen Kopf
mit flacher Stirne. An dem Unterkiefer hängen zwei Fleiſchwarzen, „Glocken“,
herab. Der im Verhältniſſe zu den hohen Füßen kurze Leib beſitzt hohe, ſchmale
Seiten, iſt flachrippig. Der Rücken iſt nach aufwärts gebogen, Karpfenrücken. Die
Haut trägt ſchlichte oder ſchwach gelockte Borſten, die auf dem Rücken einen mähnen-
artigen Kamm bilden. Die Färbung der Borſten iſt vorherrſchend gelblich-weiß,
Veredeltes Marſchſchwein. (Race Augeronne) — 20 Monate alt. Prämirt auf der Aus-
ſtellung zu Paris 1854.
doch kommen auch ſchwarzſcheckige, am ſeltenſten ganz ſchwarze Schweine vor. Die
Entwickelung der großohrigen Schweine geht langſam vor ſich; erſt im 3. Jahre
werden die Thiere zur Maſt tauglich. Die Ausmäſtung braucht lange Zeit, ſie
geben aber dann bei reichlicher Nahrung ſchmackhaftes, zartes und feinfaſeriges
Fleiſch. Sie zählen zu den größten Schweinen. Ausgewachſen werden ſie 0.9—1
Meter hoch, 1.5—2 Meter lang und erreichen gemäſtet 300—450 Kilogr. und
mehr Lebendgewicht. Die Fruchtbarkeit iſt eine große; die Sau wirft gewöhnlich
10—12, mitunter auch bis zu 20 Ferkel. Um ihre langſame Entwickelung und
Ausmäſtung, und ihr reichliches Futtererforderniß zu beſeitigen, werden ſie vielfach
mit ſchnellwüchſigen, engliſchen Schweinen gekreuzt, wodurch ſich auch ihre Bösartig-
[273]Die Schweinezucht.
keit mildert. In ihrem urſprünglichen, ungekreuzten Zuſtande findet man deshalb
das großohrige Schwein nur mehr ſelten. Am wenigſten vermiſcht trifft man es
in Polen als großes polniſches Schwein. Zu den bekannteſten Schweinen der
großohrigen Race gehören weiter: 1. das deutſche Marſchſchwein mit ſeinen ver-
ſchiedenen Schlägen als dem jütländiſchen, holſteiniſchen und dem wegen ſeiner vor-
züglichen Schinken berühmten, weſtphäliſchen Schweine; 2. die franzöſiſchen
Schweine, unter welchen verdienen hervorgehoben zu werden: das Schwein der
Grafſchaft Craonnais, das Champagner, Poitou-, Augeronne-, Fig. 187, und
normänniſche Schwein, zu letzterem werden auch noch das Boulogner und Ardenner
Schwein gezählt; 3. die älteren, großen engliſchen Racen.
5. Die engliſchen Schweineracen.
Das urſprünglich in England verbreitete Schwein gehörte der großohrigen
Racengruppe an. Bereits in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts wurde
die Verbeſſerung des-
ſelben durch den be-
rühmten Viehzüchter
Bakewell in Diſhley
(Grafſchaft Leiceſter)
und deſſen Schüler R.
Colling verſucht. Zur
Veredlung wurden im
Verlaufe der Zeit die
kleine, dunkelfarbige,
portugieſiſche, die ver-
wandte grauſchwarze,
neapolitaniſche Race
und das indiſche
Schwein verwendet,
um deren ſchnelle Ent-
wickelung und leichte
Maſtfähigkeit auf das
einheimiſche, alte eng-
Schädel einer 6 Jahre alten Sau der kleinen weißen Zucht
(Yorkſhire) nach Rohde.
liſche Schwein zu übertragen. Bei der Heranbildung der neueren engliſchen Culturracen
wurde das Hauptaugenmerk auf die möglichſte Entwickelung aller nutzbaren Theile gerichtet,
während die unnutzbaren Theile, der Kopf und die Beine, auf das geringſte Maß be-
ſchränkt wurden. Im Allgemeinen charakteriſiren ſich die engliſchen Culturracen durch
folgende Körperformen: Der Kopf, Fig. 188, iſt klein, gedrungen, mit dicken Backen,
von den ſtarken Kaumuskeln herrührend, und mit kurzen, aufrecht ſtehenden Ohren ver-
ſehen. Die Kopflänge, zwiſchen den Augen bis zur Rüſſelſpitze gemeſſen, erreicht
gegenüber der Körperlänge bei den großen Zuchten nur das 11 fache, während bei dem
Landſchweine der Kopf den 6. Theil der Körperlänge beſitzt. Der Kopf geht in den
Krafft, Lehrb. d. Landw. III. 18
[274]Beſondere Thierzuchtlehre.
kurzen Hals und dieſer in den gedrungenen, breiten, tonnenförmigen Leib faſt un-
merklich über. Der Rücken verläuft gewöhnlich in gerader Linie bis zum nur wenig
abſchüſſigen Kreuze, zuweilen ſenkt er ſich auch ein. Der Schwanz iſt leicht geringelt.
Das Knochengerüſt fein und leicht; die Muskeln an den kurzen Beinen voll und ge-
rundet. Die feine Haut iſt nahezu nackt, bei den neueren Zuchten jedoch ſpärlich
mit feinen Haaren beſetzt. Sie zeichnen ſich durch Schnellwüchſigkeit und große Maſt-
fähigkeit aus. Letztere wird durch das ruhige Temperament weſentlich unterſtützt. In
Betreff der Ausnutzung des Futters und des Anſatzes von Fleiſch und Fett werden ſie
von keiner anderen Race übertroffen. Dagegen ſind ſie gegen ungünſtige Witterungs-
einflüſſe ſehr empfindlich. Außerdem läßt ihre Fruchtbarkeit Manches zu wünſchen
übrig.
Die verſchiedenen Zuchten des engliſchen Schweines werden, abgeſehen von den
verſchiedenartigſten Kreuzungen, je nach der Hautfarbe, welche entweder rein weiß, oder
ſchwarz, oder, mit ganz beſtimmter Zeichnung, bunt iſt, und nach der Körpergröße,
unterſchieden in A. Racen der kleinen Zucht, (Small breed) und zwar 1. kleine
ſchwarze Racen, 2. kleine weiße Racen; B. Racen der großen Zucht (Large breed)
und zwar 3. große weiße Racen und C. Racen der mittelgroßen Zucht (Middle
breed), zu welchen 4. bunte Racen und 5. weiße Racen gehören.
Von den kleinen, hochgezogenen, engliſchen Schweineracen iſt am bekannteſten
die neue Eſſex-Race, auch Lord Weſtern-Race genannt. Dieſelbe verdankt ihre
Entſtehung der Paarung eines neapolitaniſchen Ebers mit dem Kreuzungsproducte
eines Landſchweines mit dem chineſiſchen Schweine. Das Eſſex-Schwein zeichnet ſich durch
beſondere Frühreife, feinen Knochenbau und große Fettanlage aus. Seine Farbe iſt
ſchwarz und ſchwarzgrau. Ausgewachſen erreicht es ein Lebendgewicht von 160—200
Kilogr. Sein Schlachtgewicht beträgt 85 %. Die Fruchtbarkeit iſt mittelmäßig, in der
Regel wirft die Sau 6—8 Ferkeln, welche in der erſten Zeit ſehr empfindlich ſind.
Zu den kleinen ſchwarzen Racen gehören noch das Schwein in der Grafſchaft
Suſſex und in der Grafſchaft Suffolk. Beide beſitzen feine Formen und große
Maſtfähigkeit, eignen ſich jedoch wegen ihrer Empfindlichkeit nur zu Kreuzungen.
Die kleinen weißen Racen werden gegenwärtig nicht mehr beſonders unter-
ſchieden, während man früher namhaft machte: 1. Das Windſor-Schwein.
Ein frühreifes Fleiſchſchwein, das nicht beſonders fruchtbar und ſehr empfindlich iſt,
weshalb es immer weniger Beachtung findet. Die Thiere ſind langgeſtreckt, walzen-
förmig gebaut und niedrig geſtellt, haben einen ſchmalen Kopf mit ziemlich ſpitzer
Schnauze und aufrecht ſtehenden Ohren. 2. Das kleine weiße Yorkſhire-Schwein
mit ſtark verkürztem Kopfe, ſogenanntem Mopskopfe, Fig. 188, S. 273. 3. Das
Coleſhill-Schwein.
[275]Die Schweinezucht.
Das hervorragendſte Schwein der großen weißen Zuchten iſt das Yorkſhire-
Schwein, Fig. 189. Daſſelbe ſtammt urſprünglich von dem großohrigen Schweine ab,
welches jedoch durch Kreuzungen mit chineſiſchem, neapolitaniſchem und anderem Blute
Eber der großen Yorkſhire-Race, 18 Monate alt. Prämiirt auf der großen Ausſtellung
zu Paris 1854.
vielfach abgeändert wurde. Der Kopf iſt bei nicht gemäſteten Thieren noch etwas
lang und beſitzt eine flache, lange Stirn, einen ziemlich langen Rüſſel und kleine
aufrecht ſtehende Ohren. Der gut abgerundete, zwiſchen den Schultern und im Kreuze
ſehr breite Leib zeichnet ſich durch beſondere Länge aus. Mit 4—5 Jahren erreichen
18*
[276]Beſondere Thierzuchtlehre.
die Schweine eine Körperlänge von 2—2.5 Metern. Die Farbe der Yorkſhire-
Schweine iſt weiß, zuweilen ſind ſie auch blau gefleckt. Die Haut iſt entweder nackt
oder mit feinen Haaren dicht bedeckt. Ihre Fruchtbarkeit iſt eine vorzügliche, ſie
werfen 10 und mehr Ferkeln mit einem Gewichte von 0.9—1.1 Kilogr. Ihre
Entwickelung iſt eine ſehr raſche. Nach dem Abſetzen, im Alter von 6—8 Wochen,
erreichen ſie ein Gewicht von 13—17 Kilogr., ausgewachſen von 340 und mehr
Kilogramm. Auf Ausſtellungen trifft man Thiere mit 500—600 Kilogr. Nächſt
dem Yorkſhire- gelten als Repräſentanten der fruchtbaren, großen engliſchen Fettſchweine
auch das neue Leiceſter-Schwein und das große Suffolk-Schwein. Letzteres
trägt ein ſchönes, weißes Haarkleid mit roſig durchſchimmernder Haut. Es iſt lang
geſtreckt, beſitzt einen kurzen Kopf mit concavem Geſichtsprofile und überhängende
Ohren. Jährige erreichen ein Gewicht von 150 Kilogr. Zu den großen weißen
Racen zählen ſchließlich das Lincoln- und Lankaſhire-Schwein.
Die mittelgroßen, bunten Zuchten vereinigen die Vortheile der kleinen und
großen Zuchten, weshalb ſie unter den engliſchen Schweinen immer mehr die Ober-
Zuchtſau der Berkſhire-Race, 30 Monate alt. Prämiirt auf der Ausſtellung
zu Stettin 1865.
hand gewinnen. Dieſelben ſind aus einer Kreuzung der einheimiſchen, mittelgroßen
Schweine mit dem neapolitaniſchen und chineſiſchen Schweine hervorgegangen, welche
jedoch nur ſoweit getrieben wurde, daß ſich dieſe Zuchte nimmer noch durch ſchnelle, kör-
perliche Entwickelung und große Maſtfähigkeit auszeichnen, während ſie in Abhärtung,
Fruchtbarkeit und im Aufbringen der Ferkeln alle anderen engliſchen Racen übertreffen,
beſſere Formen und feinere Knochen beſitzen. Zu denſelben gehören die Hampſhire-
und die Berkſhire-Race.
[277]Die Schweinezucht.
Die größeren Schläge der Berkſhire-Race, Fig. 190, ſind dicht mit ſchwarzen,
ſchlichten, am Halſe häufig gekrauſten, feinen Haaren beſetzt, an manchen Körpertheilen,
beſonders über Stirne und Rüſſel, hinter den Schultern und an den Füßen,
zeigen ſich gelbe oder röthlich gelbe Längsſtreifen oder Flecken. Die kleinen Berkſhire
ſind dagegen einfärbig ſchwarz. Der breite, kurze Kopf beſitzt einen ſpitzen Rüſſel,
kleine, aufwärts gerichtete, bewegliche Ohren. Der gedrungene Körper zeichnet
ſich durch Ebenmaß aus. Die Bruſt iſt breit entwickelt, der Rumpf langgeſtreckt,
die Kreuz- und Schenkelpartie voll, das Geſäuge bei den Mutterſchweinen genügend
entwickelt. Die Ferkeln zeigen ſich abgehärteter als jene der großen Zuchten und
beſitzen eine große Entwickelungsfähigkeit. Im gemäſteten Zuſtande wägen 1—1½
Jahr alte Berkſhire 200—300 Kilogr. Im Alter von 1—1¼ Jahren liefern ſie
bereits feine Fleiſchſchweine, ſpäterhin mit 2 Jahren kräftige Speckſchweine.
Von den mittelgroßen weißen Zuchten ſind zu erwähnen das mittelgroße York-
ſhire- und das mittelgroße Suffolk-Schwein.
3. Die Züchtung.
Bei der Züchtung des Schweines ſind zu berückſichtigen: 1. der Züchtungs-
zweck, 2. die Auswahl der Racen, 3. die Auswahl der Zuchtthiere und 4. die
Ausführung der Zucht.
1. Der Züchtungszweck.
Die Züchtung des Schweines verfolgt nur einen wirthſchaftlichen Zweck,
die Gewinnung von Fleiſch und Fett. Nebenher läuft die Gewinnung von Dünger
und Borſten.
2. Die Auswahl der Race.
Die Auswahl der Race richtet ſich nach den wirthſchaftlichen Verhältniſſen und
den Abſatzgelegenheiten. In der einen Gegend kann der Verkauf von Ferkeln oder
noch jungen Schweinen eine beſſere Rente abwerfen als die Verwerthung älterer
Thiere, in einer anderen kann ſich ein Abſatz von Zuchtthieren einer ſpeciellen Race
ergeben. Im erſteren Falle iſt das Hauptaugenmerk auf ſolche Racen zu richten,
welche recht viele Ferkeln aufbringen, im anderen Falle ſind Racen zu wählen,
welche ſich durch beſondere Schnellwüchſigkeit auszeichnen. Je nach dem vorhandenen
Abſatze von Fleiſch- oder von Speckſchweinen ſind entweder die kleinen, ſich früh ent-
wickelnden Racen zu wählen, welche ein ſehr zartes, feines, mit Fett durchwachſenes,
aber nicht zu ſpeckiges Fleiſch liefern, oder im letzteren Falle die großen Zuchten,
welche im ausgemäſteten Zuſtande große Mengen von Schmalz, kernige Speckſeiten
und feine Schinken liefern. Die herrſchenden, wirthſchaftlichen Verhältniſſe bedingen
oft die Wahl einer beſtimmten Race. Für Weideländereien wird man bewegliche,
abgehärtete Schweine nehmen, etwa Schweine der krausborſtigen Racen, welche bei dem
Aufenthalte über Tag und Nacht auf der Weide, oder in Wäldern und auf Wald-
weiden ohne Schutz gegen die Unbilden der Witterung weniger empfindlich als
[278]Beſondere Thierzuchtlehre.
Culturracen ſind. Die phlegmatiſchen, kurzbeinigen, borſtenloſen, engliſchen Zuchten
eignen ſich dagegen nur für die Stallhaltung. Den ſicherſten Anhaltspunkt für
die Racewahl bietet auch hier die Racenlehre.
Nach der Wahl der Race iſt das Züchtungsverfahren feſtzuſtellen. Daſſelbe
kann entweder im Ankaufe von Original-Racethieren beſtehen, welche durch Reinzucht
und Inzucht vermehrt werden, oder in der Kreuzung einheimiſcher Landſchweine mit
entſprechenden Ebern edlerer Race. Für letzteren Weg erweiſt ſich das Schwein um
ſo gefügiger als ſich bei der Schnellwüchſigkeit deſſelben der Erfolg oder die
Mißgriffe bald erkennen laſſen. Die Reinzucht engliſcher, namentlich nackter Schweine,
wird ſich unter unſeren klimatiſchen Verhältniſſen nur unter ſolchen Verhältniſſen
eignen, in welchen durch gute Stallungen ausreichender Schutz geboten werden kann,
in welchen genügende Futterquantitäten und -Qualitäten vorhanden ſind, und ein
Zuchtviehverkauf durchführbar iſt. Um ſo geeigneter ſind dieſelben zu Kreuzungen
mit dem langohrigen Landſchweine, welches dadurch bei ſorgfältiger Ernährung
an Schellwüchſigkeit und Maſtfähigkeit gewinnt. Bei der Einführung engliſchen
Blutes ſind übrigens auch die Marktverhältniſſe zu beachten. Die engliſchen
Schweine geben ein mehr leicht flüſſiges Fett und ſetzen nur wenig Speck an; wäre
daher für dieſe Qualitäten der Markt nicht aufnahmsfähig, ſo müßte man bei dem
Landſchweine verbleiben, welches feſteres Fett und kernigen Speck liefert.
3. Die Auswahl der Zuchtthiere.
Nächſt den allgemeinen Anforderungen an ein gutes Zuchtthier, wie Geſund-
heit, Lebensenergie, Vererbungsfähigkeit und vorzügliche Nutzungseigenſchaften, ver-
langt man von dem Zuchteber, je nach der Race, etwa folgende Körper-
formen: leichten Kopf mit munteren, lebhaften Augen, einen kräftigen Rüſſel mit
gutem Gebiſſe, kurzen dicken Hals, langgeſtreckten, dabei tiefen und gerundeten Leib,
breite Schulterpartie, breites Kreuz, kurze ſtämmige, an den Oberſchenkeln mit Fleiſch
beladene Füße, weiche, mit feinen Borſten beſetzte Haut. Außerdem ſoll der Zucht-
eber begattungsluſtig ſein und ſich leicht ernähren. Fehlerhafte Eigenſchaften ſind
ein ſchwerer, plumper Kopf mit kleinen, matten und tiefliegenden Augen, Karpfen-
oder eingeſenkter Rücken. Bösartige Eber ſind von der Zucht um ſo mehr aus-
zuſchließen, als ſie ihre Wildheit auf die Nachzucht vererben.
Bei der Auswahl der Mutterſchweine hat man darauf zu ſehen, daß ſie
ihre nutzbaren Eigenſchaften auch ſicher auf die Nachzucht übertragen. Zuchtſchweine
ſollen demnach von ſolchen Müttern abſtammen, welche ſich durch das Aufbringen
zahlreicher Ferkeln ausgezeichnet haben. Am liebſten nimmt man die Zuchtſchweine
von einem Frühjahrswurfe, indem ſich dieſe über Sommer kräftiger entwickeln können,
ebenſo wählt man ſie von einem zweiten oder ſpäteren, jedoch nicht von einem erſten
Wurfe. Ihre ganze Erſcheinung ſoll das Gepräge der Weiblichkeit an ſich tragen.
Der Kopf des Mutterſchweines ſoll leicht gebaut, der Rüſſel weniger entwickelt als
bei dem Eber ſein. Der Hals ſei mäßig lang, der Leib möglichſt lang, damit ein
ausgedehntes Geſäuge mit wenigſtens 12 Zitzen Platz findet. Je mehr Zitzen, bis
[279]Die Schweinezucht.
zu 16, ſich finden, um ſo mehr Ferkeln, welche ſtets nur immer dieſelbe Zitze auf-
ſuchen, können aufgezogen werden. Das Geſäuge muß überdies von geſunder Be-
ſchaffenheit, während der Säugezeit ſehr ausgedehnt und feſt, ſonſt ſchlaff und weich
ſein. Die Hinterhand des Mutterſchweines ſoll normal und kräftig entwickelt ſein,
damit die Entwickelung der Jungen im Mutterleibe und der Verlauf der Geburt
nicht behindert werden. Säue, welche die üble Gewohnheit beſitzen, ihre Jungen
nach der Geburt aufzufreſſen, ſind von der Zucht auszuſchließen.
4. Die Ausführung der Zucht.
Der Zeitpunkt, zu welchem die Schweine das erſte Mal zuzulaſſen ſind, hängt
ſowohl von der langſameren oder ſchnelleren Entwickelung der Race, als auch von
ihrer Haltung und Ernährung ab. Die früher heranreifenden, engliſchen Zuchten
ſind ſchon in einem Alter von 10 Monaten ſo weit entwickelt, daß ſie zur Zucht
verwendbar ſind. Thiere von großen ſpätreifen Racen ſollen erſt nach Ablauf von
12 — 14 Monaten zugelaſſen werden. Der Eber iſt ſelbſtverſtändlich im Anfange
nur ſchonend zu benutzen; im 2. — 3. Lebensjahre wird er ſich am leiſtungsfähigſten
und fruchtbarſten erweiſen. Späterhin erhält er gerne eine die Zuchtverwendung beein-
trächtigende Neigung zum Fettwerden, weshalb man ihn gewöhnlich nicht länger als
bis zum 3., 4. Jahre beibehält, da er überdieß mit zunehmendem Alter bösartig
wird. Alte Eber werden häufig zu ſchwer, beſpringen nicht mehr fruchtbar und
laſſen nur mehr eine geringe Verwerthung durch Mäſtung zu, da ihr Fleiſch, ſelbſt
wenn ſie caſtrirt werden, zäh und grobfaſerig wird. Bei Mutterſchweinen von Racen,
welche ſehr zur Fettbildung neigen, hat ein zu ſpätes, über ein Jahr hinaus-
gehendes, erſtes Zulaſſen den Uebelſtand im Gefolge, daß ſie ſchwer trächtig werden.
Galt gebliebene, ſowie alte Schweine, die in ihrer Fruchtbarkeit, gewöhnlich im 6. Jahre,
nachlaſſen, ſind zur Maſt aufzuſtellen.
Der richtige Moment zum Zulaſſen der Mutterſchweine hängt von dem Ein-
tritte der Brunſt ab. Das Verlangen des Mutterſchweines nach dem Eber äußert
ſich durch eine gewiſſe Unruhe, plötzliches Verſagen des Futters, beſtändiges, heiſeres
Grunzen, Aufſpringen auf andere Schweine und auffallend geröthete Geſchlechtstheile.
Die Dauer der Brünſtigkeit beträgt 30 — 40 Stunden; wird das Schwein aus Un-
achtſamkeit oder Abſicht übergangen oder blieb es unfruchtbar, ſo wiederholt ſich das
Rauſchen nach 3 — 4 Wochen. Am erfolgreichſten iſt die Begattung, wenn das
Schwein in der Mitte der Brunſt, etwa nach Verlauf von 12 — 14 Stunden, be-
ſprungen wird. Der Eintritt der Brunſt iſt bei dem Schweine an keine beſtimmte
Jahreszeit gebunden, weshalb man es ſo einrichten kann, daß man die Ferkeln zu
jeder gewünſchten Zeit erhält. Bei Stallfütterung läßt man gewöhnlich 2mal fer-
keln; es fällt dann der erſte Wurf in den März, der zweite gegen Ende des Herb-
ſtes in den September. Bei Weidebetrieb läßt man nur einmal gegen das Frühjahr
zu abferkeln.
[280]Beſondere Thierzuchtlehre.
Ein kräftiger, gut genährter Eber genügt im Alter von 1 Jahr für 20 — 30
Stück, im 2. und den darauffolgenden Jahren für 25 — 40 Stück Mutter-
ſchweine.
5. Die Aufzucht.
Während der Trächtigkeit muß die kräftige Entwickelung des Embryos durch eine
ſorgſame und ausreichende Fütterung des Mutterſchweines und durch Fernhalten aller
beunruhigenden, ſtörenden Einflüſſe, wie Stoßen, Hetzen, Erkältung durch Zugluft,
kalte Tränke ꝛc., unterſtützt werden. Schwer verdauliche, blähende, erhitzende Futter-
ſtoffe, die ein Verwerfen begünſtigen, müſſen von der Fütterung tragender Zuchtſäue
ausgeſchloſſen werden. Nach Ablauf der Tragzeit, 16 — 18 Wochen nach der Paa-
rung, ſoll dem Mutterſchweine erhöhte Aufmerkſamkeit zugewendet und ihr reichlich
grob geſchnittenes Stroh eingeſtreut werden, damit ſpäterhin die unter das Stroh
ſich verkriechenden Ferkeln nicht ſo leicht erdrückt werden können. Kurze Zeit vor
dem Eintritte der Geburt macht ſich das Schwein in der Streu einen Keſſel (Lager-
ſtätte) und legt ſich nieder. Nach den Vorwehen erſcheint das dem Wurfe zunächſt-
liegende Junge, welchem in Zwiſchenräumen von 5 — 10 Minuten unter entſprechenden
Wehen die weiteren, meiſt 8, 10 bis 18 Stücke nachfolgen. Durch die
öftere Wiederholung des Geburtsactes wird das Schwein ſtark angeſtrengt, bei ſorg-
fältiger Pflege erholt es ſich jedoch raſch. ¼ — ½ Stunde nach der Geburt des
letzten Ferkels geht die Nachgeburt ab, welche, wenn ſie nicht rechtzeitig entfernt, vom
Schweine aufgefreſſen wird. Abweichungen von dem gewöhnlichen Verlaufe der Ge-
burt machen bei dem Schweine ſelten eine beſondere Hilfe erforderlich, da die Ge-
burt ſelbſt bei abnormer Lage der Ferkeln, bei ihrer Kleinheit, ſie wägen je nach
Race und Individualität 0.2 — 0.8 Kilogr., ohne Nachhilfe vor ſich geht. Reißt die
Nabelſchnur nicht, ſo hat man durch Zerreißen derſelben das Junge vom Mutter-
ſchweine zu trennen.
Nach ſtattgehabter Geburt reicht man der Zuchtſau eine nahrhafte, aus ſauerer
Milch oder Waſſer, Mehl, Schrot und Leinölkuchen bereitete Tränke. Nach der Ge-
burt muntert das Schwein die Jungen zum Saugen auf. Dieſelben wählen ſich
ein jedes ſeinen Strich, welchen ſie auch ſpäterhin beizubehalten trachten. Wirft die
Zuchtſau mehr Ferkeln als ſie Zitzen hat und gut aufbringen kann, ſo gibt man
die überzähligen Ferkeln, wenn man nicht vorzieht, die ſchwächſten zu verkaufen, einer
anderen Mutter, die um einen Theil ihrer Ferkeln gekommen iſt. Um dieſelbe zur
Annahme der fremden Ferkeln zu bewegen, hat man ihre und die hinzugebrachten
fremden Ferkeln mit Branntwein zu befeuchten.
In den erſten Tagen empfiehlt es ſich, die Jungen in einen mit Stroh aus-
gefütterten, an einen warmen Ort geſtellten Korb zu legen und nur dann, wenn ſie
ſaugen wollen, zur Mutter zu bringen, um das Todtdrücken der Ferkeln zu verhüten
und der Mutter mehr Ruhe zu gewähren.
Das Saugen muß überwacht werden, damit nicht die ſchwächeren Ferkeln
von den milchreichſten Zitzen verdrängt werden und dann um ſo mehr zurück-
[281]Die Schweinezucht.
bleiben. Die Dauer der Säugezeit beträgt gewöhnlich 6 — 8 Wochen. Werden die
Ferkeln zum Schlachten verkauft, ſo läßt man ſie zur Schonung der Mutterſchweine
nur 3 — 4 Wochen ſaugen. Den ſäugenden Mutterſchweinen hat man kräftige, un-
verdorbene, ſtets gleiche Nahrung zu verabreichen, damit die Milch von guter und
gleichmäßiger Beſchaffenheit bleibe. Am geeignetſten ſind gequellte Hülſenfrüchte,
Gerſte- oder Haferſchrot, Kleie, unverdorbene Träbern, gekochte Kartoffeln, Milch ꝛc.
Sehr zu empfehlen iſt das Austreiben auf eine nahegelegene, ſaftige Weide.
Im Alter von 14 Tagen bis 3 Wochen ſucht man die Ferkeln durch Vorſetzen
von ſüßer, lauwarmer Milch viermal des Tages allmählig an Futter zu gewöhnen.
Gleichzeitig bringt man ſie in eine improviſirte Stallabtheilung, welche durch eine
Oeffnung, die nur ſo groß iſt, daß die Ferkeln durchſchlüpfen können, mit dem Stande
der Zuchtſau in Verbindung ſteht. Nach Ablauf von 4 Wochen gibt man abge-
rahmte Milch, weiterhin mit Waſſer verdünnte Molke, welcher man Getreideſchrot
oder geriebenes Brot zuſetzt. Mit Schluß der Säugezeit ſetzt man mit der Milch
ganz aus und geht zu dem gewöhnlichen Futter der Läuferſchweine über. Die Jungen
werden dann vollſtändig von der Mutter abgeſondert und in einen entfernten Stall
gebracht. In den erſten Tagen nach der Abſonderung hat man für gutes, kräftiges
Futter und reichliche Streu zu ſorgen. Späterhin bringt man die Jungſchweine
auf eine nahe Weide.
Schlechte Ställe, Unreinlichkeit und verdorbenes Futter erhöhen die Sterblichkeit
unter den Ferkeln beträchtlich, im günſtigſten Falle haben ſie das Auftreten
von Ausſchlägen, Läuſen und das ſchlechte Gedeihen der Ferkeln im Gefolge.
Bei achtſamem Vorgehen kann man zufrieden ſein, wenn man von einem Wurfe 7 — 8
Ferkeln aufbringt.
Bei der weiteren Aufzucht ſind die Ferkeln, je nach ihrer gleichartigen Entwicke-
lung, in Abtheilungen zu bringen. Die zur Zucht beſtimmten Schweine ſind mit
3 — 4 Monaten nach ihrem Geſchlechte zu trennen, um ihre Entwickelung nicht durch
vorzeitiges Erwachen des Geſchlechtstriebes zu beeinträchtigen. Die nicht zur Zucht
verwendbaren Ferkeln werden noch während der Säugezeit im Alter von 4 — 5 Wochen
caſtrirt.
In Betreff der chemiſchen Zuſammenſetzung des Futters für wachſende Schweine
gelten folgende Normen pro Tag und 100 Kilogr. Lebendgewicht.
E. Wolff 1) ſtellt für wachſende Maſtſchweine pro Tag und 1000 Kilogr.
Lebendgewicht folgende Futternormen auf:
[282]Beſondere Thierzuchtlehre.
4. Die Ernährung.
Durch das Schwein werden am vortheilhafteſten die häuslichen und gewerb-
lichen Abfälle verwerthet. Heu und Stroh bleiben von dem Schweine unberührt,
eher läßt ſich noch Strohhäckſel verfüttern.
Von den techniſchen Abfällen ſtehen als Schweinefutter oben an die Bier-
träbern und Brantweinſchlempe. Die leicht verdaulichen Träbern eignen ſich beſonders
als Zuſatz zu ſtickſtoffarmen Futtermitteln von Rüben, Kartoffeln ꝛc. Die Brant-
weinſchlempe darf wegen ihres hohen Waſſergehaltes nicht an junge Schweine verab-
reicht werden. Sie iſt möglichſt friſch, im abgekühlten Zuſtande und vermengt mit
concentrirten Futterſtoffen, wie Körnern ꝛc., zu verfüttern. Bei Maſtſchweinen gibt
ſie ohne Beifutter einen wenig feſten Speck.
Ein vorzügliches Schweinefutter gewähren die Malzkeime, welche wegen ihres bitter-
lichen Geſchmackes von anderem Viehe weniger gerne gefreſſen werden. Rübenpreßlinge
und Rübenſchnitten bedürfen eines Zuſatzes ſtickſtoffreicher Futterſtoffe.
Abfälle von Weizenſtärkefabriken ſind ſchwer verdaulich, ſie werden daher am
beſten im gedämpften Zuſtande verabreicht. Als Beifutter eignen ſich die verſchie-
denen Arten von Oelkuchen; dieſelben ſind wegen ihrer ſchleimigen Beſchaffenheit für
kranke Thiere ſehr zu empfehlen.
Von größtem Werthe für die Schweinefütterung ſind die verſchiedenen Molkerei-
abfälle, ſowohl als Uebergangsfutter für Läuferſchweine als auch für Maſtſchweine.
Man füttert ſowohl abgerahmte und ſaure Milch, als auch Molke. Nach den Unter-
ſuchungen von Heiden 1) erhöht die ſaure Milch die Verdaulichkeit von Rohproteïn und
Fett in gleichzeitig verfütterten Erbſen und Gerſte, eine Ausnahme bildet die Roggen-
kleie. Dagegen wird im Vergleiche zu einem Futtergemiſche von Körnern (Erbſen,
Mais, Gerſte) oder Roggenkleie und Waſſer, gegen jenes mit ſaurer Milch, letzteres
in höherem Grade verdaut.
Von den Wurzel- und Knollenfrüchten verfüttert man die Kartoffeln, Rüben im
gequetſchten, zerſtampften und gekochten Zuſtande. Möhren liefern ein beſonders ſchmack-
haftes Fleiſch, Kartoffeln dagegen ein geſchmackloſes, leichtes, beim Kochen verlieren-
des Fleiſch.
[283]Die Schweinezucht.
Im Sommer liefern verſchiedene Grünfutterarten, als Rothklee, Luzerne,
Miſchling ꝛc., ſo lange ſie noch jung und nicht hartſtenglig ſind, ein gedeihliches
Schweinefutter. Grüne Unkrautpflanzen, Rüben und Krautblätter, verkleinerte Kürbiſſe
ſind ebenfalls an Schweine zu verfüttern. Der Nähreffect der grünen Pflanzen wird
weſentlich erhöht, wenn ſie im fein geſchnittenen, eingeſalzenen Zuſtande und mit
Kleie, Mehl und Wurzelwerk gemiſcht verfüttert werden.
Die Verwendung der Körnerfrüchte als Schweinefutter richtet ſich nach den
jeweiligen Preiſen. Am vortheilhafteſten eignet ſich zur Schweinemaſtung der Mais,
welcher das beſte und wohlſchmeckendſte Fleiſch liefert. Außer dem Maiſe werden Gerſte,
Erbſen, Pferdebohnen, Buchweizen ꝛc. verfüttert. Weizen- und Roggenkleie werden
wegen ihres Phosphorſäuregehaltes namentlich den jungen Schweinen vorgelegt. Als
Beifutter für letztere dienen auch Leinſamen.
In obſtreichen Gegenden wird unreifes Obſt, in reichen Jahrgängen ſelbſt
mindere Sorten friſchen Obſtes an das Borſtenvieh verfüttert; ebenſo die Rückſtände
der Obſt- und Beerenwein-Bereitung.
Ein ſehr werthvolles Schweinefutter liefern die Eicheln und Bucheln, welche
man durch Eintreiben der Schweine in Eichen- und Buchenwaldungen von dieſen
ſelbſt aufſuchen läßt. Die Eicheln geben, ähnlich wie die Getreidekörner, einen feſten,
die Bucheln einen mehr öligen Speck.
Als Schweinefutter können ſchließlich alle wie immer gearteten, thieriſchen und
pflanzlichen Abfälle im Haushalte und der Wirthſchaft verwerthet werden. Bei der
Verfütterung des Fleiſches umgeſtandener Thiere hat man das Fleiſch von jenen
Thieren, welche an anſteckenden Krankheiten gefallen, wie z. B. am Milzbrande, aus-
zuſchließen.
Von den Scheunenabfällen verdienen Spreu und Kaff beſondere Beachtung. Die-
ſelben werden mit heißem Waſſer oder mit heißer Schlempe angebrüht, als Siede
verabreicht. Aus dem Getreide ausgeputzte Unkrautſamen gewähren ein gutes Schweine-
futter, nur muß man zur Verhütung der Verunkrautung den Dünger nicht auf das
Feld führen, da manche Unkrautſamen ſelbſt nach dem Durchgange durch den Thier-
leib ihre Keimfähigkeit behalten.
Der Erfolg der Fütterung hängt beim Schweine wie bei keinem andern Haus-
thiere von der Art der Zurechtlegung und Zubereitung des Futters ab. Das Schwein
vermag große Futterquantitäten aufzunehmen und raſch zu verdauen, wenn die Nähr-
ſtoffe in denſelben in leicht verdaulicher Form geboten werden; anderen Falls verläßt
ein großer Theil der Nährſtoffe unverdaut den Thierleib. Leicht verdauliche, ver-
gohrene Futterſtoffe ſind daher am geeignetſten zur Ernährung des Schweines. Dem-
ſelben ſollen alle Futterſtoffe im geſchnittenen oder verkleinerten Zuſtande vorgelegt
werden. Bei den Wurzel- und Knollenfrüchten wird die Verkleinerung und bei letz-
teren das Aufquellen der Stärkemehlkörner durch vorangegangenes Kochen oder Dämpfen
erleichtert. Das gekochte und gedämpfte Futter iſt jedoch ſtets nur ausgekühlt zu
verabreichen, da ſonſt gierig freſſende Schweine leicht zu Schaden kommen. Die
[284]Beſondere Thierzuchtlehre.
Oelkuchen ſind zu brechen und in Waſſer aufgelöſt, die Körner gequetſcht oder ge-
ſchroten in den Schweinetrog zu geben. Gedämpfte Kartoffeln, Grünfutter, geſchrotenes
Getreide werden mit Molke oder Küchenſpülicht der milchſaueren Gährung überlaſſen,
nur darf dieſelbe nicht in Eſſigſäurebildung übergehen. Saueres Futter iſt jedoch
von der Fütterung junger Schweine auszuſchließen.
Das ſämmtliche Futter iſt nach Thunlichkeit, als Tränke, Geſöff dem Schweine
zu verabreichen, nachdem daſſelbe, ſeiner Natur nach, einen großen Antheil von Waſſer
in ſeiner Nahrung und zwar auf 1 Theil Trockenſubſtanz 7 — 8 Theile Waſſer ver-
langt. Bei trockenem Futter hat man demnach für ausreichendes Tränkwaſſer
zu ſorgen.
Für die Menge und Zuſammenſetzung der Tagesration gilt für je 100 Kilogr.
Lebendgewicht folgende Futternorm in Kilogramm:
Wegen der Koſtſpieligkeit wird die Stallfütterung in den wenigſten Fällen in
größerem Maßſtabe ausſchließlich durchgeführt, viel häufiger findet man die billigere
Ernährung des Schweines auf der Weide. Die entſprechendſten Weiden für das
Borſtenvieh ſind ſumpfige, ſchattige Oertlichkeiten, mit lockerem Boden, vor allem die
Weiden in Eichen- und Buchenwaldungen.
Der Benutzung der Waldweiden ſteht ſo lange nichts entgegen, als der Wald
durch die Beweidung in ſeinem Holzzuwachſe nicht beeinträchtigt wird. Es kann daher
der größte Theil des Waldes zur Weide herangezogen werden, mit Ausnahme jener
Parzellen, welche wegen ihres jungen Holzes oder der natürlichen Beſamung geſchont
werden müſſen. Außerdem, daß ſich die Schweine von den Baumfrüchten nähren,
werden ſie dadurch nützlich, daß ſie den Boden durch ihr Wühlen auflockern und ihn
zur Aufnahme der Samen geeignet machen, und daß ſie den Raupen und Larven ſchäd-
licher Inſecten, wie den Raupen des Kiefernſpinners, der Eule, des Spanners, den
Larven des Maikäfers, der kleinen und großen Kieferblattwespe ꝛc. nachſtellen.
Ackerfelder werden nur ſelten mit Schweinen beweidet, am eheſten noch Felder,
in welchen Engerlinge ſo zahlreich auftreten, daß das Sammeln nach der aufgewor-
fenen Pflugfurche zu mühſam wäre. Häufiger werden Stoppelfelder mit Schweinen
betrieben, wenn ſo viele Körner ausgefallen und ausgewachſen ſind, daß ein Beweiden
mit Wiederkäuern wegen des Aufblähens nicht rathſam erſcheint. Aus letzterem
Grunde weidet man in England Klee- und Erbſenſchläge mit Borſtenvieh ab. Um
ein übermäßiges Wühlen zu verhindern wird dem Schweine ein sförmiger Draht
durch die Naſenſcheidewand gezogen.
Während der heißen Jahreszeit ſoll man die weidenden Schweine über Mittag
an einen ſchattigen Ort, in der Nähe von Waſſer treiben, damit ſie ſich abkühlen
können.
[285]Die Schweinezucht.
Mit Ausnahme von reichen Samenjahren in Eichen- und Buchenwaldungen wird
ſich eine Ausmäſtung der Schweine auf der Weide nicht erzielen laſſen; um dieſelbe
zu erreichen, müſſen die Schweine noch einige Zeit im Stalle mit Körnern gefüttert werden.
5. Die Pflege.
Der Erfolg der Fütterung wird durch einen entſprechenden Aufenthaltsort und eine
ſorgfältige Stallpflege geſichert. Die Schweineſtallungen ſollen trocken gelegen, gegen
rauhe Winde geſchützt und ihre Bauart den Wirthſchaftsverhältniſſen entſprechend ſein.
Aus jeder Stallabtheilung ſoll eine Thür auf einen freien, mit friſchem Waſſer
verſehenen Platz führen. Derartige Ausläufe ſind beſonders für die normale Ent-
wickelung der jungen, wachſenden Schweine ſehr zuträglich.
Die einzelnen Altersclaſſen und Geſchlechter ſind in beſonderen, ausreichend
großen Abtheilungen unterzubringen. Gewöhnlich rechnet man für ein Zuchtſchwein
mit ſeinen Ferkeln 3 — 3.6 □Meter Stallraum, für beſonders große Racen 4 — 4.8
□Meter. Bei Maſtſchweinen verringert man den Raum auf 2 □Meter. Zucht-
eber erhalten 2.4 □Meter und Läuferſchweine 0.6 — 1 — 1.2 □Meter Stallraum.
Für die Ferkeln trennt man eine kleine Fläche vom Stalle des Mutterſchweines
durch einen Balken, oder durch Gitterwerk ab, um ſie vor dem Erdrücken zu ſichern.
Bei Haltung einzelner Stücke reichen Schweinekoben oder Koven aus, bei größe-
ren Schweinehaltungen empfiehlt ſich jedoch die Anlage beſonderer Schweineſtallungen.
Dieſelben ſind in der Mitte mit einem 1.8 — 2.2 Meter breiten, durchlaufenden
Futtergang zu verſehen, an welchen beiderſeits die einzelnen Stallabtheilungen anzu-
ſchließen ſind. Die gemauerten oder hölzernen Abtheilungswände ſind nur auf Mannes-
höhe auszuführen, um den leichten Einblick in jede Abtheilung zu geſtatten. Gegen
den Futtergang werden die Abtheilungen durch ſtarke, mit Thüren zum Einlaſſe ver-
ſehene Eiſengitter verſchloſſen. Zur Seite der Thüre, gewöhnlich über zwei Abthei-
lungen reichend, werden die Futtergeſchirre aus Stein, Holz oder emaillirtem Guß-
eiſen angebracht. In Stallungen für Jungſchweine, welche rudelweiſe gehalten werden,
ebenſo in Stallungen, in welchen die Abfütterung auf beſtimmten Futterplätzen, wie
in England gebräuchlich, vorgenommen wird, empfehlen ſich runde, Fig. 191, 192, oder
lange, Fig. 193, Futtertröge aus Gußeiſen, welche wenig Raum beanſpruchen. Die-
ſelben ſind durch Stäbe oder Gitter in becherförmige Fächer eingetheilt, ſo daß
jedes Schwein ſeine ungeſchmälerte Abtheilung am Futtertroge erhält. Die Stäbe
verhindern überdieß das Hineinſteigen der Schweine in den Trog. Die runden Futter-
tröge eignen ſich auch zur Aufſtellung in der Mitte eines Hofes oder einer Einfriedung ꝛc.
Eine unerläßliche Bedingung für das gute Gedeihen beſonders von veredelten
Schweineracen iſt eine Stalleinrichtung, welche die Erhaltung einer gleichmäßigen
Temperatur und der größten Reinlichkeit ermöglicht. Um die Erhöhung der Tem-
peratur hintanzuhalten und um die ſtete Erneuerung der verdorbenen Luft zu be-
werkſtelligen, muß für hinreichende Ventilation des Stalles durch Dunſtſchläuche ge-
ſorgt werden.
[286]Beſondere Thierzuchtlehre.
Bei den großen Quantitäten wäſſerigen Futters, welche das Schwein verzehrt,
ſind auch ſeine Ausſcheidungen mehr flüſſiger Natur, weshalb nicht nur fleißig aus-
gemiſtet, ſondern auch für den Abzug der flüſſigen Ausſcheidungen durch zweck-
mäßig angelegte Jauchenrinnen Sorge getragen werden muß. Am leichteſten läßt
Fig. 191. Runder Eber- und Schweinetrog von Ranſomes, Sims \& Head — Ipswich. — 8 oder
11 Abtheilungen, 78.6 Cm. Durchmeſſer, 16.5 Cm. tief. Preis 1 ₤. 7 s. 6 d.
Fig. 192. Runder Suffolk-Trog von Ranſomes, Sims \& Head — Ipswich. — 8 Abtheilungen für
Schweine bis 10 Monate alt, mit Trichter zum Eingießen des Futters. Preis Nr. 33 1 ₤. 3 s.
ſich die Reinhaltung bewerkſtelligen, wenn man in jeder Stallabtheilung einen erhöh-
ten, trockenen Lagerplatz und einen vertieften Platz anbringt. Letzterer wird dann von
dem Schweine als Schmutzſtätte benutzt.
Langer Suffolk-Doppeltrog von Ranſomes, Sims \& Head — Ipswich. — Nr. 20 für
10 Monate alte Schweine, 1.2 Meter lang, 22.8 Cm. breite Becher. Preis 1 ₤. 5 s.; Nr. 21 für 3 bis
16 Wochen alte Schweine, 14 Abtheilungen, 2.14 Meter lang, 15 Cm. breite Becher. Preis 1 ₤.
Zur Erhaltung der nöthigen Reinlichkeit iſt der Stall täglich auszumiſten und
gehörig auszulüften, um die Temperatur ſtets auf 12.5 — 15°C. erhalten zu können.
Die Reinhaltung des Schweines wird ſchließlich, beſonders bei ſaftigen Futterſtoffen,
durch das Einſtreuen von Stroh, 1 — 2 Kilogr. per Tag, oder in Ermangelung des-
ſelben von Baumlaub, getrockneter Waldſtren, Sägemehl und dergleichen weſentlich
erleichtert. Im Sommer läßt es ſich im Nothfalle am eheſten noch durchführen,
das Schwein ohne Streu zu halten, gedeihlicher bleibt es jedoch auch in dieſer
Jahreszeit, dem Schweine, wenigſtens auf ſeine Lagerſtätte Stroh zu legen oder die-
ſelbe wenigſtens mit trockenem Sande zu beſtreuen.
[287]Die Schweinezucht.
Im Hochſommer ſoll dem Schweine Gelegenheit gegeben werden, ſich im Waſſer
zu baden und abzukühlen. Die Engländer nehmen ſich ſelbſt die Mühe, ihre Schweine
täglich zu waſchen.
Die feſtgeſtellten, täglichen Futterrationen ſind auf mehrere Mahlzeiten zu ver-
theilen, welche dann genau einzuhalten ſind. Den Läufer- und Mutterſchweinen legt
man gewöhnlich dreimal, den Ferkeln und Maſtſchweinen viermal vor. Beſonders
bei letztern iſt ein öfteres Füttern in kleineren Portionen ſehr am Platze. Nach
jedem Abfüttern und Tränken ſind die Futtertröge ſtets rein auszuputzen.
Für das Wohlbefinden und die Erhöhung der Freßluſt des Schweines trägt, je
ſalzärmer die gereichten Futterſtoffe ſind, die Verabreichung von ungefähr 18 Gr. Salz
per Stück und Tag bei. Manche Schweinezüchter halten dagegen die Verabreichung
von Salz für überflüſſig. Zur Beförderung der Verdauung ſtreut man zuweilen
Kohlenpulver, bei Maſtſchweinen auch drei- bis viermal in der Woche je 18 Gramm
Spießglanz oder Arſenik auf das Futter, ohne daß man ſich jedoch über die Art
der Wirkſamkeit dieſer Mittel Rechenſchaft geben kann.
In Folge unreiner, ſchlechter Haltung treten die mannigfaltigſten Schmarotzer-
thiere auf, am häufigſten Schweineläuſe (Pediculus suis L.) hinter den Ohren, am
Halſe und am Borſtenkamme. Bei Ueberhandnehmen derſelben veranlaſſen ſie das
Ausfallen der Borſten, die Borſtenfäule.
Bei unzureichender Pflege wird das Auftreten der mannigfaltigſten Krankheiten
begünſtigt. Das Schwein erliegt am häufigſten der Bräune und dem Milzbrande.
Außerdem treten zumeiſt bei unreiner und unachtſamer Haltung die Finnenkrankheit,
die Trichinenkrankheit, die Räude (Krätze), als Folge von Hetzen und Uebertreiben
bei anhaltenden Märſchen oder von gierigem Freſſen in erhitztem Zuſtande das Ver-
ſagen des Freſſens, das „Verfangen“, auf. Bei jungen Schweinen kommt häufig bei
vernachläſſigter Stallpflege, verdorbenem Futter oder naßkalter Witterung ein ruhr-
artiger Durchfall vor. Minder gefährlich iſt das Auftreten der gutartigen Klauenſeuche.
Als Gewährsmängel gelten in Oeſterreich, Preußen, Baiern ꝛc. die Finnen mit
einer Gewährszeit von 8 Tagen, und in Sachſen die Lungentuberkel und Lungen-
wurmkrankheit mit einer Gewährszeit von 30 Tagen.
6. Die Benutzung des Schweines.
Die Wahl der Betriebsweiſe hängt ſowohl von den vorhandenen Futtermitteln
und ihrem Preiſe, als auch von der Abſatzgelegenheit ab. Je nachdem wird man
ſich entweder mit der bloßen Schweinehaltung begnügen oder eine Schweinezucht ein-
richten. Abgeſehen von verſchiedenen Combinationen läßt ſich der Betrieb entweder als
1. Haltung von Zuchtſchweinen, 2. Aufzucht von jungen Schweinen oder als 3. Maſtung
durchführen.
1. Die Zuchtſchweinehaltung.
Bei der Haltung von Zuchtſchweinen handelt es ſich hauptſächlich um die Ge-
winnung zahlreicher Ferkeln, welche entweder als Schlacht- oder Zuchtthiere ihre
[288]Beſondere Thierzuchtlehre.
Vewerthung finden. Letztere werden entweder für den eigenen Bedarf aufgezogen
oder an Andere verkauft. Bei eigener Aufzucht erreicht man, gegenüber dem An-
kaufe ſeines Bedarfes an Läuferſchweinen, daß man die Beſchaffenheit ſeines Materiales
genau kennt. Der Verkauf von Zuchtferkeln gewährt oft einen beträchtlichen Gewinn,
vorausgeſetzt, daß dazu eine vortheilhafte, nachhaltige Abſatzgelegenheit vor-
handen iſt, und nicht allzu große Preisſchwankungen vorkommen. Letztere ſind oft
bedeutend, da das Schwein, entſprechend einer erhöhten Nachfrage, eine ſchnelle Vermeh-
rung zuläßt. Fehlen dann plötzlich die Abnehmer, ſo bleibt nur übrig die Nachzucht
mit 2 — 3 Wochen als Spanferkeln zu verkaufen.
Bei der Einhaltung dieſer Betriebsweiſe hat man beſonders auf die Wahl jener
Race zu ſehen, welche in der betreffenden Gegend am meiſten begehrt wird. Die
Ernährung und Haltung der Zuchtſchweine muß mit großer Sorgfalt durchgeführt
werden, da ein ſachgemäßes Vorgehen in dieſer Richtung die Erwerbung eines gewiſſen
Renommées, weſentlich erleichtert. In Betreff des guten Rufes wird es geboten ſein,
in der Geſundheitspflege nichts zu verabſäumen, um die Mortalität der Ferkeln auf
ein möglichſt geringes Procent herabzubringen.
Der Zeitpunkt des Zulaſſens bei Zuchtferkelverkauf richtet ſich nach der Zeit, in
welcher der größte Begehr, der lohnendſte Abſatz ſtattfindet. Meiſtens läßt man
zweimal im Jahre im Frühjahre und Herbſte bei Weideernährung wohl auch nur
einmal im Herbſte ferkeln. Bei zweimaligem Wurfe ſollen durchſchnittlich 12 — 15
Ferkeln, bei einmaligem Wurfe 6 — 8 Ferkeln aufgebracht werden.
2. Die Läuferſchweinehaltung.
Bei der Läufer- oder Faſelſchweinehaltung verſchafft man ſich, entweder aus der
eigenen Nachzucht oder von Anderen, 2 — 3 Monate alte Schweine, welche dann mit
dem vorhandenen Futtermaterialien bis zu einem Alter von ½ — 1 Jahr genährt
werden, um ſie ſchließlich zur Maſtung zu verkaufen. Dieſe Art der Schweinehal-
tung kommt am häufigſten in ſolchen Wirthſchaften vor, welche vorübergehend, wie
z. B. bei nur im Winter in Betrieb ſtehenden Brantweinbrennereien, Schweinefutter zur
Verfügung haben und welche bei einer zahlreichen Bevölkerung ausreichenden Abſatz
der aufgezogenen Schweine zur Mäſtung in Haushaltungen beſitzen.
3. Die Maſtung.
Die Maſtung des Schweines wird entweder im Kleinen in Haushaltungen oder
bei genügenden Futterquantitäten im Großen in Maſtſtallungen durchgeführt. Die
Verwerthung des Fleiſches und Fettes bildet die Hauptnutzung des Schweines. Die
Auswahl der Maſtthiere unter großen oder kleinen Racen und die Durchführung der
Maſt richtet ſich nach der Gelegenheit des Ankaufes ungemäſteter Schweine, dem
vorhandenen Futter und den Abſatzverhältniſſen. Die Größe der Thiere hat auf
den Erfolg der Maſtung nur geringen Einfluß, man muß ſich in dieſer Beziehung
nach dem Begehre richten. Bei der Auswahl der Race iſt beſonders die Art der
[289]Die Schweinezucht.
Maſtung zu berückſichtigen, ob man ſich als Maſtungsziel das Auffüttern jüngerer
Schweine als Fleiſchſchweine oder ob man vollkommen ausgemäſtete, 1½ — 2jährige
Speckſchweine für den Markt liefern will.
Der Maſterfolg wird beſchleunigt, wenn man in der Jugend caſtrirte Schweine
zur Maſt aufſtellt. Zur Ausbrackung beſtimmte Zuchtſäue und Zuchteber werden
gleichfalls ein günſtigeres Maſtreſultat liefern, wenn ſie vorher caſtrirt werden. Bei
älteren Ebern wird, ihres lebhaften Weſens wegen, eine zu weit gehende Maſtung
kaum mit Vortheil verbunden ſein.
Weiter wird die Maſt durch das Aufſtellen der Schweine in dunkel gehaltenen,
gleichmäßig 12 — 15°C. warmen Stallungen unterſtützt, indem dann jede unnöthige
Nervenaufregung vermieden wird. In keinem Falle ſoll man zu magere Thiere zur
Maſt aufſtellen, weil dieſe zu viel Zeit erfordern, bis ſie für den Verkauf genügend
fleiſchig und fett werden. Sehr zu empfehlen iſt es, in eine Stallabtheilung wenigſtens zwei
an einander gewöhnte, daher verträgliche Schweine zuſammenzugeben. Die Schweine,
als geſellig in Heerden lebende Thiere, werden dann durch die Sehnſucht nach Ihres-
gleichen nicht in Unruhe erhalten und überdies durch den Neid angeregt, mehr Futter
zu ſich zu nehmen. Um jede überflüſſige, den Maſterfolg beeinträchtigende Aufregung
zu verhüten ſind die feſtgeſetzten Mahlzeiten genau einzuhalten. Sehr förderlich für
das Gedeihen der Maſtſchweine iſt die Einhaltung der größten Reinlichkeit, dieſelbe
wird durch Verabreichen reichlicher, friſcher Streu und durch den beſonders in Eng-
land üblichen Gebrauch des Bürſtens und Waſchens der Maſtſchweine, weſentlich
erleichtert.
Bei der Aufſtellung von Fleiſchſchweinen hat man beſonders auf das entſprechende
Alter der Schweine zu ſehen. Je nach der ſchnelleren oder langſameren Entwickelung
der Race, welcher die Schweine angehören, ſind ſie mit 8 oder 10 Monaten aufzu-
ſtellen, ſomit in einem Alter, in welchem die Bildungsthätigkeit noch auf das Fleiſch
gerichtet iſt.
Für Speckſchweine hat man ältere Thiere auszuwählen, welche in ihrer Ent-
wickelung ſchon ſo weit vorgeſchritten ſind, daß ſie die Futternährſtoffe zur Fettbil-
dung verwenden können. Zu alte Thiere zeigen zwar einen beträchtlichen Fettanſatz,
liefern jedoch eine grobe, zähe Fleiſchfaſer; am geeignetſten ſind daher Thiere im
Alter von 1½ — 2 Jahren, welche noch eine feine, zarte Muskelfaſer beſitzen.
Die günſtigſte Zeit zur Aufſtellung der Maſtſchweine, vorausgeſetzt, daß die
erforderlichen Futtermengen vorhanden ſind, iſt der Herbſt oder der Winter. Die
Waldmaſt findet ſelbſtverſtändlich im Sommer und Herbſte ſtatt.
Zu den gewöhnlichſten Maſtfuttermitteln gehören: Molkereiabfälle, wie
abgerahmte Milch, Molke ꝛc. Die alleinige Verwendung dieſer Abfälle reicht zur
Ausmäſtung nicht aus, letztere erfordert noch eine Zulage von concentrirten Futter-
mitteln, wie Körner, Schrot ꝛc. Außerdem mäſtet man mit der Brantwein-
ſchlempe und den Bierträbern, jene verlangt jedoch zur Ausmäſtung gleich-
falls eine Körnerzulage. Als vorzüglichſtes Maſtfutter haben alle Körnerarten
Krafft, Lehrb. d. Landw. III. 19
[290]Beſondere Thierzuchtlehre.
im geſchrotenen Zuſtande, beſonders der Mais, die Erbſen, die Bohnen, die Baum-
früchte ꝛc. zu gelten. Von weit geringerem Erfolge ſind Haferſchrot und Kleie. Der
ausſchließlichen Verwendung der Körner ſteht meiſt ihr hoher Preis entgegen. Gewöhnlich
werden ſie deshalb nur als Beifutter gegen Ende der Maſt zu gedämpften Kartoffeln,
Wurzelwerk, Brantweinſchlempe ꝛc. verabreicht. Oelkuchen finden bei der Schweine-
maſtung nur eine untergeordnete Verwendung. Beſondere Beachtung verdient das
eiweißreiche (73 %) Fleiſchmehl (Preis 24 Mark per 50 Kilogr.), welches bei der
Bereitung des Liebig’ſchen Fleiſchextractes als Rückſtand verbleibt.
Bei in Deutſchland ausgeführten Fütterungsverſuchen 1) bewirkten 1 Kilogr. Fleiſch-
mehl 1 — 1¼ Kilogr. Körpergewichtszunahme. Dieſe Verſuche ließen weiteres erſehen, daß
die Kartoffel als Beifutter zum Fleiſchmehl vollkommen genügen, alſo keinerlei Körnerfrucht
beanſprucht wird, und daß es ferner möglich iſt, eine beträchtliche Fleiſchmehlmenge, z. B.
einem 25 — 50 Kilogr. ſchweren Schweine 0.5 Kilogr. Fleiſchmehl, nebſt 0.5 Kilogr. Kartoffel,
als Tagesration beizubringen. Für die Schnellmäſtung iſt es jedoch gewinnbringender 0.3
bis 0.5 Kilogr. Fleiſchmehl neben 7 — 11 Kilogr. Kartoffel für 100 Kilogr. Körpergewicht zu
verfüttern. Dieſem Futter iſt Kochſalz und gepulverte Kreide beizumengen.
Im Verlaufe der Maſtung laſſen ſich drei Perioden unterſcheiden. In der
erſten Periode tritt eine auffallend ſchnelle Gewichtszunahme ein, welche durch die
vermehrte Entwickelung von Zellgewebe bei gleichzeitiger vollkommener Ausbildung der
übrigen thieriſchen Organe begründet iſt. Im zweiten Stadium füllen ſich die Zellen
des Fettgewebes mit Fett, welches, da es leichter im Gewichte als das Fleiſch, keine ſo
auffällige Gewichtsvermehrung veranlaßt. In dem letzten Stadium wird der Speck
feſt und kernig und tritt unter gleichzeitiger Abſchwächung des Nervenlebens eine förm-
liche Verfettung der Organe ein. In dieſem Stadium unterliegen die Schweine am
leichteſten den verſchiedenartigſten krankhaften Zufällen. Haben die Schweine einen
gewiſſen Grad des Fettanſatzes erreicht, ſo läßt ihre Freßluſt nach. Dieſelbe kann
dann nur mehr durch concentrirtere Futtermittel, wie Körner, Mais, Erbſen, Sau-
bohnen ꝛc., wieder angeregt werden. Das Schwein hört auf an Körpergewicht zuzu-
nehmen, es wird ſelbſt leichter; es iſt nun ausgemäſtet und reif zum Schlachten.
Die Maſt wird ſich am vortheilhafteſten herausſtellen, je ſchneller ſie vollendet
iſt, weshalb man ſchon halbfette Schweine aufſtellen ſoll. Je nach Alter, Race,
Ernährungszuſtand und Individualität wird die Dauer der Maſt ſehr verſchieden
ſein. Gewöhnlich rechnet man für die erſte Maſtperiode 6 — 8 Wochen, für die
zweite 3 — 5 Wochen und für die dritte 3 Wochen. Bei gutem Maſtfutter werden
ſomit die Schweine in 8 Wochen ziemlich fett. Im Uebrigen rechnet man 8 — 12
Wochen als eine angemeſſene Maſtdauer und 16 — 18 Wochen für eine volle
Speckmaſt.
Das Nährſtoffverhältniß in der Futternorm ſoll ſich mit dem Fortſchreiten des
Maſtungszuſtandes des Thieres nach und nach etwas erweitern, indem ſich weitere
[291]Die Schweinezucht.
Nährſtoffverhältniſſe gegen Ende der Maſt beſſer bewährt haben. Nach Dr. E. Wolff 1)
beträgt die Futternorm für Maſtſchweine per Tag und 1000 Kilogr. Lebendgewicht
in Kilogramm:
Zur Erhaltung der Geſundheit ſoll man beſonders bei jungen Schweinen täg-
lich geſchlämmte Kreide (8 — 10 Gr. per Kopf) oder ausgelaugte Holzaſche auf das
Futter ſtreuen, indem das Letztere gewöhnlich reich an Phosphorſäure aber arm
an Kalk iſt.
Junge Thiere hinreichend maſtfähiger Racen produciren mit durchſchnittlich
400 Kilogr. Trockenſubſtanz im Futter 100 Kilogr. Körpergewichtszunahme und
zwar in den erſten Monaten mit 300 — 400, in den ſpäteren dagegen mit 400 — 500
Kilogr. Aeltere Thiere verlangen zu einer gleichen Production bei Speckmaſtung 500
bis 600 Kilogr. Trockenſubſtanz. Der Ochſe bedarf dagegen zur Production von
1 Kilogr. Fleiſch 12 — 13 Kilogr. und der Hammel 9 Kilogr. Trockenſubſtanz.
Der Werth dieſer Production von Körpergewicht wird dadurch geſteigert, daß
das Schlachtgewicht bei dem Schweine größer als bei dem Rinde ausfällt, nachdem
das Schwein mehr nutzbare Theile beſitzt. Die Haut oder Schwarte wird bei dem
Schweine von dem Schlachtgewichte nicht abgezogen, außerdem werden die Füße in
daſſelbe einbezogen. Dazu kommt, daß der Magen- und Darminhalt bei dem
Schweine verhältnißmäßig geringeres Gewicht als beim Rinde beſitzen. Das Ver-
hältniß des Fleiſchgewichtes zu dem Lebendgewichte ſtellt ſich beim Schweine wie 7 : 10,
während daſſelbe beim Schafe 5 : 10 und beim Rinde 6 : 10 beträgt.
Nach Pabſt 2) ſtellt ſich das Schlächtergewicht, das Eingeweidefett (Schmer
4 — 8 %) mitgewogen, vom Lebendgewichte: bei ſchlecht beſchaffenen oder ſchlecht ge-
mäſteten Schweinen auf 70 — 75 %, bei guten Maſtſchweinen auf 76 — 83 % und
bei vorzüglich gemäſteten Schweinen auf 85 — 90 %.
Nach Rohde 3) vertheilt ſich das Gewicht auf die nutzbaren und unnutzbaren Theile des
Schweines je nach der Race in Procent wie folgt:
19*
[292]Anhang.
Siehe übrigens auch die Angaben Wolff’s S. 12 und die Angaben S. 265.
Das behaarte Schwein liefert in den Borſten noch einen Nebenertrag. Man unter-
ſcheidet von denſelben reife und unreife. Die reifen Borſten fallen von ſelbſt aus;
ſie beſitzen die größte Länge und Elaſticität, durch welche ihr Werth bedingt wird.
Sie werden im Juni durch Ausraufen gewonnen und nach Kamm- und Seiten-
borſten ſortirt. Die unreifen Borſten erhält man nach dem Abbrühen der Schweine
beim Schlachten; ſie beſitzen weniger Werth, da ſie eine geringere Elaſticität auf-
weiſen. Die beſten und längſten Borſten erhält man von den Landracen, während
die Culturracen gar keine oder nur ſehr geringe Borſten liefern.
Anhang.
V.
Die Geflügelzucht.
Einen beachtenswerthen Nebenzweig der landwirthſchaftlichen Thierzucht bilde
die Geflügelzucht 1), welche dazu dient, die Bedürfniſſe des Haushaltes an Geflügel-
fleiſch, Eiern, Federn ꝛc. zu decken. Das Fleiſch und die Eier des Geflügels gewähren
ein ſehr ſchätzenswerthes Nahrungsmittel. Außerdem liefert das Geflügel, beſonders
[293]Die Geflügelzucht.
die Gans, vorzügliche Fettqualitäten. Der Werth dieſer Producte als menſchliche
Nahrungsmittel läßt ſich am augenſcheinlichſten aus der folgenden, mittleren
procentiſchen Zuſammenſetzung im Vergleiche zu jener anderer thieriſcher Producte
erſehen:
Das Eiweiß der Eier findet überdies in techniſchen Gewerben mannigfaltige
Verwendung, während der Eidotter in neuerer Zeit in condenſirter Form als Nah-
rungsmittel auf den Markt kommt. Einen weiteren Nutzen gewährt die Geflügel-
zucht durch die Gewinnung von Federn und Federkielen, welche als Bett-, Schreib-
und Schmuckfedern verwendet werden. Außerdem geben die Excremente des Geflügels,
ſowie die Federn ein werthvolles Düngermaterial. Die jährlichen Ausſcheidungen
betragen im Durchſchnitte bei dem Huhne 6 Kilogr., (27.1 % Trockenſubſtanz,
wovon 10.9 % Aſche) und bei der Taube 3 Kilogr. (76 % Trockenſubſtanz, wo-
von 31.7 % Aſche mit 14.07 % Phosphorſäure).
In wirthſchaftlicher Beziehung iſt hervorzuheben, daß das Geflügel zur Ver-
tilgung ſchädlicher Thiere, welche daſſelbe aus dem Boden ſcharrt und auffrißt, bei-
trägt. Durch das Geflügel laſſen ſich geringe Körnerſorten und ſelbſt Unkrautſamen
verwerthen, ſofern ſie nach dem Durchgang durch den Thierleib ihre Keimfähigkeit ver-
lieren. Anderſeits kann das Geflügel bei übermäßiger und ſorgloſer Haltung,
wie die Tauben und Gänſe beſonders in den Saatfeldern, ſchlecht gefütterte Hühner
in jungen Rübenſaaten empfindlichen Schaden machen. Das Waſſergeflügel kann
dagegen in Brutteichen unter der Fiſchbrut arge Verwüſtungen anrichten.
Von den zahlreichen als Geflügel gehaltenen Vogelarten verdient die Zucht der
folgenden näher beſprochen zu werden: 1. die Hühnerzucht, 2. die Gänſezucht, 3. die
Entenzucht und 4. die Zucht verſchiedenen Geflügels.
1. Die Hühnerzucht.
Bei der Hühnerzucht iſt auf 1. die Racen des Huhnes und auf 2. die Züch-
tung, Haltung und Benutzung des Huhnes aufmerkſam zu machen.
[294]Anhang.
1. Die Racen des Huhnes.
Als Stammeltern unſeres Haushuhnes (Gallus domesticus Briss.) gilt das in
Oſtindien vorkommende Bankivahuhn (Gallus ferrugineus Gmelin). Bei ſeiner
Verbreitung über nahezu die ganze bewohnte Erde hat das Haushuhn durch die
natürlichen Verhältniſſe und die Einflüſſe der Züchter mannigfaltige Abänderungen
erfahren, welche gegenwärtig eben ſo viele Racen repräſentiren.
Cochinchina-Hühner; gelber Hahn, rebhuhnfarbene Henne.
Dieſelben werden in ungehäubte und gehäubte Racen und je nach ihrer geogra-
phiſchen Verbreitung unterſchieden als: A. Ungehäubte Racen: 1. Aſiatiſche Racen,
2. Engliſche Racen, 3. Mittelmeer-Racen, 4. Amerikaniſche Racen; B. Gehäubte
Racen: 5. Franzöſiſch-belgiſche Racen, 6. Eigentliche Haubenhühner; C. Verſchiedene
Racen: 7. Strupphühner, Seidenhühner, Zwerghühner, Landhühner etc.
[295]Die Geflügelzucht.
Zu den aſiatiſchen Hühnerracen zählen: 1. Die Cochinchina-Race, Fig. 194.
Die erſten Exemplare dieſer Race kamen 1843 in den Beſitz der Königin von Eng-
land. Sie zeichnen ſich durch Größe und Schwere, und abgerundete Körperform aus,
welche durch die aufgebauſchten, eiderdaunenartigen Federn noch ſcheinbar erhöht wird.
Ihr Kopf iſt verhältnißmäßig klein, mit ſchmalem, ausgezacktem Kamme verſehen.
Brahmaputra-Hühner; dunkle Spielart.
Der Schweif und die Flügel kurz. Das Federkleid, welches bis auf die Beine
herabreicht, iſt entweder einfarbig gelb, weiß, ſchwarz mit verſchiedener Nüancirung,
jedoch ohne Zeichnung, oder rebhuhnfarbig. Der junge Hahn wägt 4—5.5 Kilogr.,
ausgewachſen 5—6.5 Kilogr., die Henne 3.5—4.5 reſp. 4.5—5.5 Kilogr. Die
Cochins ſind Brüter erſten Ranges und gute Mütter, führen jedoch ihre Jungen
[296]Anhang.
nicht länger als 4—6 Wochen, um wieder von neuem Eier zu legen. Die Henne
legt wöchentlich 5, auch 6 röthlich-gelbgefärbte Eier im Gewichte von 65 Gramm.
2. Die Brahmaputra-Race, Fig. 195, S. 295. Charakteriſtiſch für dieſe
im Jahre 1846 aus Oſtindien eingeführte Race iſt der dreifache Kamm. Der Kopf
wird hoch getragen, der Schwanz iſt kurz, doch länger als bei voriger Race. Die
Befiederung geht bis auf die Zehen herab. Es werden helle und dunkle Farben-
ſchläge gezüchtet. Der Kopf iſt ſilberweiß, der weiße Hals ſchwarz geſtreift, die
Bruſt dunkel, der Schwanz glänzend grünſchwarz. Ihr Gewicht iſt bedeutend, junge
Hähne ſind 4—5.5 Kilogr., ausgewachſen 5.5—8 Kilogr., Hennen 3—4.5, reſp.
4—7 Kilogr. ſchwer. Sie zeichnen ſich durch große Fruchtbarkeit — die Henne legt
bis zu 150 Eier jährlich — und durch große Ausdauer aus.
3. Die Malayen-Race. Dieſelbe ſtammt von der oſtindiſchen Halbinſel
Malakka. Der Kopf dieſer Race trägt einen nelkenartigen Kamm. Eigenthümlich iſt
ihre Schultern-Stellung. Dieſelben werden ſo hoch getragen, daß der Rücken bis zum
Schwanze abfällt. Das Gefieder dieſer hochbeinigen Thiere iſt ſehr verſchieden, meiſt
braun mit roth und gold, auf der Bruſt ſchwarz gefärbt. Gewicht des Hahnes
5 Kilogr., des dickſchaligen Eies 70 Gramm. Gute Leger, unzuverläſſige Mütter.
4. Die Kampfhuhn-Race. Sehr verſchiedenartiges Gefieder. Hahn
2 Kilogr. ſchwer. Ei-Gewicht 60 Gramm. Wirthſchaftlich von geringem Werthe.
5. Die Yokohama-Race. Dieſe in Japan als Kämpfer benutzte Race
gibt weniger gute Legerinnen, aber recht gute Brüterinnen.
1. Die Dorking-Race. Der Rumpf des Dorking iſt von der Seite
geſehen in ſeinem Umriſſe einem kurzen Rechteck ähnlich. Die Zehen ſind groß, die
Hinterzehe doppelt, ſo zwar, daß dieſe Race 5 Zehen beſitzt. Das Gefieder grau,
entweder farbig geſtreift oder geſprengelt. Hahngewicht 5—8 Kilogr.; Ei-Gewicht
60 Gramm. Zartes, ſaftiges, ſchmackhaftes Fleiſch. Geringe Legerinnen. Sehr
gute Brüterinnen und Mütter.
2. Die Hamburgs-Race. Die mit einem ſilber- oder goldgetupften,
ſilber- oder goldgeſprengelten Gefieder verſehenen Hühner dieſer Race zählen zu den
prächtigſten Hühnern. Synonyme: Hamburger Silbergoldlack-, Silbergoldtupfen-,
Silberfaſan-, Silberſprenkel-Huhn. Sie legen reichlich, unter günſtigen Umſtänden
im Jahre 200—220 Eier.
1. Die ſpaniſche Race. Die ſtolze Haltung und ſchöne ſchlanke Figur
macht dieſe Hühner zu Zierden eines Geflügelhofes. Kamm ungemein groß, beim
Hahne aufrecht ſtehend, bei der Henne herabhängend. Die Füße unbefiedert. Der
Kopf manchmal weiß, das übrige Gefieder glänzend, durchweg rein ſchwarz gefärbt.
Gewicht des Hahnes 3—3.5 Kilogr. Sie legen ſehr fleißig, im Jahre bis zu 220
(wöchentlich 5) ſehr große, blendend weiße Eier; brüten aber ſelten.
[297]Die Geflügelzucht.
2. Die italieniſche Race (Leghorns). Ausgezeichnete Legerinnen, ohne
Brutluſt. Verſchiedene Färbung, rein weiß, braun oder geſprengelt.
Die Dominik-Race. Kamm doppelt oder roſenförmig. Rumpf plump.
Schwanz mit ſchönen, wallenden Sicheln. Gefieder auf bläulich grauem Grunde
mit dunkelblaugrauen Querbinden auf jeder Feder. Mittelgroß, 3.5—4 Kilogr.
ſchwer. Sie liefern vortreffliches Fleiſch und geben ausgezeichnete Legerinnen.
1. Die Race von La Flèche. 2. Die Bredas-Race (Krähen-
ſchnabelrace). Ziemlich gute Leger, unzuverläſſige Brüter, gute Fleiſchproducenten.
3. Die Crèvecoeur-Race,
Fig. 196, iſt ausgezeichnet durch halb-
volle Kopfhaube und zweihörnigen
Kamm. Gefiederfärbung am Halſe,
Rücken, Flügel und Schwanze dunkel-
ſchwarz mit grünlichem oder bläu-
lichem Gold- oder Silberſchimmer.
Hahngewicht 3.5 — 4.2 Kilogr. Sie
legen das ganze Jahr hindurch große,
bis zu 90 Gramm ſchwere, weiße
Eier. Die Küchlein ſind ſchon mit
8 Monaten nahezu ausgewachſen. Die
Crèvecoeurs zählen zu den vorzüglichſten
franzöſiſchen Hühnerracen, welche das
feinſte, ſaftigſte und wohlſchmeckendſte
Fleiſch liefern.
4. Die Houdan-Race unter-
ſcheidet ſich von der Crèvecoeur-Race
durch den zweilappigen, buchförmig ge-
öffneten Kamm, größere Haube und
durch die gleichmäßig ſchwarz und weiß
gemiſchten Federn. Hahngewicht 4 bis
Kopf vom Crèvecoeur-Hahn.
4.5 Kilogr., Ei-Gewicht 85 Gramm. Die Houdans ſind noch beſſere und frühere
Legerinnen, wachſen und mäſten ſich noch ſchneller als die Crèvecoeurs.
Die Racen und Schläge der eigentlichen Haubenhühner oder Polands ſind durch
große Haube (Holle) und durch eine eigenthümliche, kugelförmige Erhöhung des
Vorderſchädels charakteriſirt. Zu denſelben gehören:
[298]Anhang.
1. Die Holländer, auch polniſche Haubenhühner genannt. Dieſe zier-
lichen Hühner, welche zahlreiche Schläge bilden, ſind an der großen, rein
weißen Federhaube und dem ſchwarzen Gefieder leicht zu erkennen. Hahnengewicht
3 Kilogr. Fleißige Eierlegerinnen, ſchlechte Brüterinnen; empfindlich gegen un-
günſtige Witterung.
2. Die Paduaner Race, Fig. 198, S. 299. Die Paduaner Hühner
ſind von den Holländern durch noch größere Haube, den Bart, die Abweſenheit
Silber-Brabanter.
der Kinnlappen und die Verkümmerung des Kammes unterſchieden. Hahngewicht
2.5 Kilogr., Ei-Gewicht 65 Gramm. Gute Legerinnen, ſchlechte Brüterinnen, gute
Fleiſchlieferanten. Als Varietäten werden unterſchieden: Silbertupfen- oder Silberlack-
und Goldtupfen- oder Goldlack-Paduaner, je nachdem die Federn weiß oder ockergelb
gefärbt ſind. Die Federn ſind bei beiden Varietäten ſchwarz eingeſäumt. Außerdem
werden noch Chamoislacks gezüchtet.
3. Die Brabanter Race, Fig. 197. Dieſelbe zeigt viele Aehnlichkeit mit
der vorigen Race. Die Brabanterhühner beſitzen eine nach allen Seiten herabhän-
gende Haube; wegen ihres fleißigen Eierlegens und leichter Maſtfähigkeit ſind ſie
unter den Haubenhühnern am meiſten geſchätzt.
[299]Die Geflügelzucht.
C. E. Baldamus führt unter dem Titel nichtclaſſificirte Racen folgende an:
Dumpies, ſchottiſche graue, ruſſiſche Hühner, Klut- oder Klumphühner mit fehlen-
dem oder kurzem Schwanze, Strupphühner mit rückwärts gekrümmten Federn, Seiden-
hühner, ſiameſiſche Haarhühner, chineſiſche Wollhühner, Zwergſeidenhühner, Neger-
hühner, ſchwarze Bantams- oder Zwerghühner, weiße Bantams, geſäumte Bantams,
Kampf-Bantams ꝛc. Dieſelben haben insgeſammt geringe wirthſchaftliche Bedeutung
und dienen meiſt nur als Ziergeflügel.
Goldtupfen-Paduaner.
Die größte Beachtung verdienen dagegen die Land- oder Bauernhühner.
Dieſelben zeigen die verſchiedenſten Geſtalten und Färbungen des Gefieders. Sie
ſind in wirthſchaftlicher Beziehung bei guter Haltung nicht zu verachten, nachdem ſie
gewöhnlich abgehärtet ſind und gute Eierlegerinnen liefern. Sie geben durchſchnittlich
im Jahre 120—170 Eier. Zur Zucht im Großen ſind ſie wegen der geringeren
Fruchtbarkeit weniger zu empfehlen.
[300]Anhang.
2. Die Züchtung, Haltung und Benutzung des Huhnes.
Je nach den wirthſchaftlichen Verhältniſſen und den Zwecken, welche man mit
der Hühnerzucht verbinden will (Eierproduction, Fleiſchproduction oder Zuchthühner-
verkauf) wird man unter den verſchiedenen Hühnerracen die entſprechende Aus-
wahl zu treffen haben. Von beſonderem Einfluſſe bleibt die Auswahl der Hähne.
Sie ſollen geſund und kräftig ſein, keinen weſentlichen Schönheitsfehler beſitzen und
die Raceeigenſchaften an ſich tragen. Der Hahn iſt vom 1.—5. Lebensjahre zucht-
fähig. Die größte Leiſtungsfähigkeit beſitzt er im Alter von 2—3 Jahren. Je
einen Hahn rechnet man für 12—20 Hennen. Bei der Auswahl der Hennen iſt
namentlich ihre Fruchtbarkeit in Betracht zu ziehen. Außerdem ſollen ſie geſund
und kräftig ſein. Eine gute Leghenne gibt jährlich 90—100 Eier, ausgezeichnete
Leghennen 120—180 Eier und darüber. Das Legen findet mit Ausnahme der
Mauſerzeit (in den Monaten November und December) und der Brüteperiode das
ganze Jahr hindurch ſtatt. Das junge Huhn legt oft ſchon im Alter von 10 Mo-
naten kleine Eier, welche jedoch zum Ausbrüten nicht geeignet ſind. Am meiſten Eier
legen die Hennen im 2. und 3. Jahre. Sie bleiben dann bis zum Alter von 5—6
Jahren in voller Nutzung, darüber hinaus nimmt ihre Leiſtungsfähigkeit immer mehr
ab. Manche Hennen legen mehrere Tage, andere nur 3, 4 Tage hintereinander je
1 Ei. Zuweilen werden ſelbſt in einem Tage 2 Eier gelegt, das letztgelegte Ei
hat aber dann ſtets eine unvollkommene Kalkſchale (Wind-, Fließeier), zu deren
Bildung mindeſtens 1 Tag erforderlich iſt. Iſt eine Anzahl Eier gelegt, ſo ſchickt
ſich die Henne zum Brüten an; nach dem Brüten beginnt ſie wieder von Neuem mit
der Eierablage. Aeltere Hühner fangen jedoch erſt einige Zeit nach dem Brüten
wieder mit dem Eierlegen an, weshalb ſie ſich länger der Führung der Küchlein
widmen. Die Henne legt ſelbſt Eier, wenn ſie von dem Hahne nicht getreten,
nicht befruchtet wurde. Solche Eier ſind natürlich nicht entwickelungsfähig.
Zum Ausbrüten ſoll man nur ſolche Eier wählen, welche von wenigſtens
2jährigen, getretenen Hennen gelegt wurden, von normaler Größe und Geſtalt,
nicht älter als 21 Tage, da der Embryo nur ſo lange ſeine Lebensfähigkeit behält,
und nicht angebrütet ſind. In der hohlen Hand oder in einem Eierprüfer gegen
das Licht gehalten ſollen Bruteier durchſichtig erſcheinen. Unbegründet iſt die An-
ſicht, daß aus ſpitz zulaufenden Eiern Hähnchen, aus ſtumpfen Eiern Hennen her-
vorgehen ſollen. Daſſelbe gilt von der angeblichen Erfahrung, daß Frühbruten und
Erſtlingseier durchſchnittlich mehr Hähnchen als Hühnchen liefern ſollen.
Die ausgewählten Eier werden zu 12—18 einer Bruthenne untergelegt,
mehr kann ſie nicht bedecken. Für die Bruthennen werden eigne mit Stroh oder Heu
ausgefütterte Neſter aus viereckigen Holzkäſten oder noch beſſer aus Drahtgeflecht,
Fig. 199, hergeſtellt. Letztere bieten den Vortheil der größeren Reinlichkeit.
Als Brüterinnen eignen ſich ältere Hühner, die ihre Brut nicht ſchon nach
3—4 Wochen, wie die jungen Hühner, verlaſſen, um ſich aufs neue der Eierablage
zu widmen. Sehr geeignet ſind auch Truthennen, welche 2 — 3 Bruten nach-
[301]Die Geflügelzucht.
einander ausbringen. Die brütenden Hennen ſind mit Futter und Waſſer reichlich
zu verſorgen.
Die Brutzeit dauert gewöhnlich 21 Tage, ſie ſchwankt zwiſchen 19½—22
Tagen. Das ausgewachſene Küchlein befreit ſich ſtets ſelbſt von ſeiner Schale. Die
Henne bleibt dabei unthätig.
Da es oft ſchwer hält, die er-
forderliche Zahl von Bruthennen oder
Glucken aufzubringen, hat man ſeine
Zuflucht zum künſtlichen Ausbrüten
genommen. Die Hauptſchwierigkeit bei
den Brutmaſchinen bleibt die Ein-
haltung einer ſtets gleichmäßigen Brut-
wärme von 40°C. Die bekannte-
ſten Eierbrutmaſchinen oder Incuba-
toren ſind jene von Carbonnier,
Krantz, Freiherr von Oefele, der Hydro-
Incubator nach Cantelo’s Syſtem ꝛc.
Am erſten Tage nach dem Aus-
ſchlüpfen bedürfen die Küchlein keiner
Nahrung, da ſie ſich noch von dem
aufgeſaugten Dotter nähren. Nach
24 Stunden picken die Küchlein be-
Hühnerneſt.
reits an einem warmen Orte aufgeſtreute, fein gehackte, hartgekochte Eier, gemiſcht mit
Brotkrumen oder geſtampfter Hirſe, auf. Dieſes Futter reicht man ihnen in den
erſten 5—6 Tagen am zweckmäßigſten in einem Käfig (Zuchtkaſten von Gerard),
welcher aus einem Behälter für die Mutter und einem von erſterem durch Stangen
abgetrennten Käfig für die Küchlein beſteht. Bei ſchöner Witterung läßt man ſie
dann mit der Henne ins Freie, wo ſie nach und nach unter Führung der Henne
das Futter, wie Würmer, Ameiſen, Gras, gehacktes Fleiſch, Körner ꝛc. von ſelbſt
aufſuchen. Nach 3—4 Wochen laufen ſie mit den übrigen älteren Hennen herum, um
ſich am Hofe und der Düngerſtätte und von vorgelegtem Futter, wie Hafer, Gerſte, Buch-
weizen, Mais, Hirſe, gekochten Kartoffeln, Gras, Salat, Schlacht- und Küchenabfällen
zu ernähren. Ueberdies ſtreut man den Hühnern gerne zerſtoßene Eierſchalen, grob
zerdrückten Mauerkalk auf, nachdem ſie des Kalkes zur Bildung der Eiſchale bedürfen.
Nächſt dem Futter ſoll noch für ſtets friſches Waſſer geſorgt werden, welches
in eigenen Trinkgeſchirren vorzuſetzen iſt, um ein Durchnäſſen der Federn hintanzu-
halten. Außerdem iſt für einen trockenen, mehr warmen als kalten, rein gehaltenen
Aufenthalt, Hühnerſtall, zu ſorgen.
Sehr häufig vereinigt man die Stallungen für verſchiedenes Geflügel in einem
gemeinſchaftlichen Federviehhauſe. Zu ebener Erde werden die Gänſe, Enten und
Puter, darüber die Hühner und in der oberſten Etage die Tauben untergebracht.
Letztere werden jedoch meiſt von einem beſonderen Taubenhauſe (Taubenſchlag) auf-
[302]Anhang.
genommen. Für ein Huhn rechnet man an Stallraum 0.12 □Meter, für eine
Gans 0.25 □Meter, für eine Ente 0.15 □Meter und für 1 Puter 0.3
□Meter.
Bei gleichzeitiger Aufzucht verſchiedener Hühnerracen ſind zur Verhütung von Ver-
miſchungen das Hühnerhaus und der Hühnerhof, letzterer durch Drahtgitter, in ſo
viele Abtheilungen zu bringen, als Racen gezüchtet werden. Am Hofe iſt ſchatten-
ſpendendes, niedrig gehaltenes Gebüſch anzulegen und ein trockener mit Sand be-
ſtreuter Platz herzuſtellen, damit ſich die Hühner von ihrem Ungeziefer reinigen können.
Außer der Eierproduction und der Gewinnung von Nachzucht wird das Huhn
auch noch durch die Maſtung verwerthet. Vor dem Aufſtellen zur Maſt werden die
Hähne am beſten im Alter von 4 Monaten caſtrirt, kapauniſirt. Bei dieſer Gelegen-
heit werden den jungen Hähnen auch der Kamm und die Glocken weggeſchnitten. Das
Fleiſch der Kapaune iſt fetter, zarter und wohlſchmeckender als jenes der uncaſtrirten
Hähne. Von den Hühnern wählt man zur Maſt jene, welche noch keine Eier gelegt
haben. Dieſelben werden als Poularden bezeichnet. Eine Beſeitigung des Eierſtockes
wird nicht vorgenommen, ſie wäre lebensgefährlich. Die Ausführung der Mäſtung
richtet ſich nach der Hühnerrace und dem vorhandenen Futter. Cochinchina-Hühner
laſſen ſich wegen ihres ruhigen Temperaments bei freier Bewegung mäſten, andere
Hühnerracen müſſen jedoch in einem dunkeln Raume derart eingeſperrt werden, daß
ſie möglichſt wenig Bewegung machen können. Außerdem kann die Maſt durch un-
freiwilliges Ernähren, durch das Stopfen vorgenommen werden.
Bei der Mäſtung iſt möglichſt verſchiedenartiges Futter vorzulegen. Ein be-
ſonders empfehlenswerthes Maſtfutter für Hühner iſt der Mais. Vor der eigentlichen
Maſtung, vor dem Einſperren der Hühner iſt es angezeigt eine Vormaſt mit Buch-
weizen, zerquetſchten Kartoffeln und Kleinen bei freier Bewegung auszuführen. Zur
vollkommenen Ausmäſtung reichen dann 14 Tage Einzelhaft vollſtändig hin, während
die Ausmäſtung bei allſogleichem Einſperren viel längere Zeit dauern würde. Während
der ganzen Maſtzeit, welche ſelbſt 6 Wochen währen kann, ſind die Hühner mit
friſchem Trinkwaſſer reichlich zu verſehen.
Das Stopfen der Hühner iſt beſonders in Frankreich im Gebrauche. Daſſelbe
wird entweder mit der Hand oder mit eigenen Maſchinen vorgenommen. Als gute
Futtermiſchung gilt ⅓ Buchweizenmehl, ⅓ Gerſten- und ⅓ Hafermehl. Die-
ſelben werden mit guter Milch zu einem Teige geknetet und in Form von Nudeln
den Hühnern in den Kropf geſteckt. Unter den Stopfmaſchinen verdient jene von
Odile Martin in Paris erwähnt zu werden. Das Maſtgeflügel wird dabei in
einen drehbaren, etagenförmig abgetheilten Käfig (Epinette) Fig. 200, geſperrt,
und der aus Mais, Gerſtenmehl und Milch hergeſtellte Futterbrei den in Ab-
theilungen der Epinette einzeln mit Ketten oder Riemen angebundenen Thieren mit
einer bis auf einen Centiliter genau regulirbaren Compreſſionspumpe in den Kropf
gefüllt.
Bei unpaſſender Nahrung, ſchlechtem Trinkwaſſer, Näſſe und Kälte erkranken die
Hühner ſehr leicht. Das kranke Huhn iſt meiſt an der Verfärbung ſeines Kammes
[303]Die Geflügelzucht.
und dem matten, traurigen Ausſehen zu erkennen. Die Federn verlieren ihren Glanz
und ſträuben ſich. Die Freßluſt iſt vermindert. Das kranke Huhn ſondert ſich
überdies von ſeinen Genoſſen ab. Die häufigſten Krankheiten, gegen welche meiſt
nichts auszurichten iſt, ſind: Luftröhrenwürmer (Sclerostoma syngamus), Naſen-
ſchleimhaut-Katarrh, Luftröhrenentzündung, Darre, Pips (Verhärtung der Zunge),
Gicht, Augenkrankheit, Ruhr, Schlagfluß, Beinbruch, Heraustreten der Kloake, Auf-
treten von Milben (Dermanysus avium Dugés), Fußräude, hervorgerufen durch die
Fußräudemilbe (Knemidocoptes viviparus Fürstenberg) ꝛc.
Drehbarer Maſtkäfig in 2 Etagen für 60 Stück Geflügel von Odile Martin — Paris. —
Preis Nr. 3 mit Fußſchemel und Stopfmaſchine 800 Francs.
2. Die Gänſezucht.
Der Nutzen der Gans (Anser domesticus L.) beſteht in dem fetten, ſchmackhaften
Fleiſche, den als Leckerbiſſen geſchätzten Lebern und den Federn, welche zum Schreiben
und als Füllmaterial verwendet werden. Dieſem Nutzen ſteht der oft bedeutende Schaden
entgegen, welchen die Gänſe in den Saaten durch den Fraß und das Zuſammentreten
mit ihren breiten Füßen anſtiften. Zu ihrem guten Gedeihen trägt die Nähe von
fließendem oder ſtehendem Waſſer viel bei.
Zu den bekannteſten Racen der Gans zählen: die dunkelgraue Toulouſer oder
Pyrenäen-Gans, Fig. 201, welche die größten, bis zu 15 Kilogr. ſchweren Thiere
liefert, die rein weiße Embdener Gans, die pommeriſche Gans, welche die berühmten
Gänſebrüſte oder Spickgänſe liefert, die mecklenburgiſche Gans, die Gänſe der nieder-
[304]Anhang.
ungariſchen Städte, die Lockengans 1), deren Flügeldecken gekräuſelte Federn auf-
weiſen ꝛc. Die Gans, als Allesfreſſer, verlangt eine große Abwechſelung in der
Nahrung, wie Körner, Wurzeln, Waſſerpflanzen, Rüben, Gemüſe, Küchenabfälle,
Bierträbern, Inſekten, Fiſchbrut, Fiſche, Fröſche ꝛc.
Toulouſer Gänſe.
Das Männchen (Gänſerich, Ganſer) reicht für 8—10 Gänſe vollkommen hin;
oft gibt man einem Gänſerich nur 4—5 Gänſe. Die Begattung erfolgt im December,
Januar. Bald darauf beginnt die Gans ſich ein Neſt zu bereiten und in 3—4 Wochen
10—20 Eier zu legen. Die Eier ſind gewöhnlich im Durchmeſſer 80—100 mm.
lang, 52—70 mm. breit und wiegen 22—28 Gramm. Man läßt nur immer
[305]Die Fiſchzucht.
ein Ei im Neſte, bis die Gans ſich zum Brüten anſchickt, dann werden ihr 12—15
Eier untergelegt, die ſie in 27—32 Tagen ausbrütet.
Die ausſchlüpfenden Jungen läßt man die erſten 24 Stunden im Neſte, ohne
ihnen Nahrung zu reichen. Dann werden ſie mit einem Gemiſche von hart gekochten,
gehackten Eiern, Brotkrumen, fein geſchnittenen, grünen Brenneſſelblättern, Kleie und
Mehl gefüttert. Nach dem Schieben der Flügelfedern, einer gefährlichen Epoche, können
die 5—6 Tage alten jungen Gänschen mit der Mutter auf eine grüne Weide gehen.
Nach 7—8 Wochen ſind ſie ſoweit befiedert und erſtarkt, daß ſie, wie die übrigen
Gänſe, mit Körnern, Gras oder auf Stoppelfeldern ernährt werden können.
Bei guter Fütterung und Haltung geben die ½-, 1- und 2jährigen Gänſe ſchon eine
gut bezahlte Waare. Der Werth derſelben wird noch durch die Mäſtung erhöht.
Die Letztere wird gewöhnlich durch das Stopfen oder Nudeln mit Mais, Hafer,
Erbſen, Buchweizen ꝛc. ausgeführt. Die Maſtgänſe erreichen in etwa 4—5 Wochen ein
Gewicht von 7—11 Kilogr., wovon ½—1 Kilogr. auf die Leber und 2—3 Kilogr.
auf das Fett kommen.
Die Federn werden nicht nur nach dem Abſchlachten, ſondern auch den lebenden
Gänſen an Bruſt und Bauch 3mal im Jahre, zu Anfang Mai, im Juli und Septem-
ber ausgerupft. Die Federn werden in 3 Sorten unterſchieden: 1. Schleißfedern,
welche von den Kielen abgezogen werden, 2. Daunen- oder Flaumfedern, welche als
die feinſten zum Füllen der Kopfkiſſen und zum Federſchmücken Verwendung finden,
und 3. die Kiel- oder Schreibfedern von den Flügeln. Eine gut genährte Rupfgans
liefert jährlich an Flaum und Federn 0.4 Kilogr., eine geſchlachtete Gans 140 Gramm
Federn und 35 Gramm Flaum oder Daunen.
3. Verſchiedenes Geflügel.
1. Die Haus-Ente (Anas boschas L.). Racen: die Rouen-Ente, die
blendend weiße Aylesbury-Ente, die ſchwediſche Ente, die deutſche Hausente, die Löffel-
ente, die langſchwänzige, die ſpitzſchwänzige Ente, die Kriechente ꝛc.
Für 8—10 Enten genügt ein Enterich. Im März beginnt die Ente nach der
Begattung Eier zu legen und zwar 15—20 Stück, bis ſie ſich zum Brüten anſchickt.
Wird das Brüten unterdrückt, ſo legt die Ente bis zu 60 Eier. Die Mittelgröße
der Enteneier iſt durchſchnittlich 63 und 43.5 mm., das Gewicht 58—64 Gramm,
jenes der Schale 5.5—6.5 Gramm. Die Enten ſind zum Brüten gewöhnlich zu
unſtät; kann man ſie dazu vermögen, ſo legt man ihnen 18 Eier unter, häufiger
läßt man ſie durch Hühner ausbrüten, welchen 12—15 Stück, oder durch Truthühner,
welchen 22 Stück Enteneier untergelegt werden können. Die Brütezeit dauert 28—32
Tage. Am erſten Tage läßt man die jungen Entchen im Neſte, ſpäter erhalten ſie
daſſelbe Futter wie die Küchlein. Nach 10—14 Tagen können ſie ſich bereits auf
dem Waſſer ernähren, wo ſie die mannigfaltigſte Nahrung, Waſſerpflanzen, kleine
Fiſche, Fröſche, Laich ꝛc. finden. Die Maſt der Enten wird, wie bei den Gänſen an-
gegeben, durchgeführt, ſie iſt in 14 Tagen bis 3 Wochen beendet.
Krafft, Lehrb. d. Landw. III. 20
[306]Anhang.
2. Das Truthuhn, der Puter (Meleagris gallopavo L.). Das Truthuhn
beginnt Ende Februar oder im März zu legen; hat es 15, 20, auch 25 bis 30 Eier
beiſammen, ſo ſchickt es ſich zum Brüten an. Der Truthenne werden 17—18 Eier
untergelegt, welche in 27—32 Tagen ausgebracht werden. Auf einen Hahn rechnet
man 8—12 Puthennen.
3. Die Tauben (Columba domestica Gm.). Von den Tauben werden
unzählige Varietäten unterſchieden, wir erwähnen nur die: Holztaube, Wandertaube,
Turteltaube, Lachtaube, Hohltaube, Fel[d]taube, Haustaube, Burzel- oder Tümmler-
taube, Möventaube, Perückentaube, Trommeltaube, Kropftaube, Pagadottentauben ꝛc.
Dieſelben werden in großen Geſellſchaften in einem Taubenſchlage oder Taubenhauſe
gehalten, welches mit zahlreichen Abtheilungen (Höhlen, Kiſten) für je ein Taubenpaar
verſehen wird. Das Weibchen legt zeitig im Frühjahre 2 Eier, welche gemeinſchaft-
lich mit dem Männchen (Tauber) in 17—23 Tagen ausgebrütet werden. Das
Paaren und Hecken wiederholt ſich dann den ganzen Sommer hindurch.
4. Das Perlhuhn (Numida meleagris L.). Die Legezeit beginnt Mitte
April. Ein Männchen reicht für 10 Weibchen aus. Die zahmen Perlhühner legen
60—90 Eier, welche in 26—27 Tagen ausgebrütet werden.
5. Der Pfau (Pavo cristatus L). Die Pfauhenne legt 5 oder 6 Eier, welche
in 30 Tagen ausgebrütet werden. Im dritten Jahre bekommt der Hahn das ſchöne,
bunte Gefieder, welches die werthvollen Pfauenfedern liefert.
VI.
Die Fiſchzucht.
Die zahme Fiſchzucht 1) kann, abgeſehen von der in Flüſſen und Bächen betriebe-
nen wilden Fiſchzucht, entweder in eigenen Teichen als Teichwirthſchaft oder als
künſtliche Fiſchzucht betrieben werden. In letzterem Falle werden die Fiſche durch
künſtliche Befruchtung und Ernährung aufgezogen.
Die Teichwirthſchaft eignet ſich beſonders für ſumpfige, quellige Niederungen
und für Ueberſchwemmungsgebiete, welche weder zum Feldfruchtbaue noch zum Gras-
baue geeignet ſind. Außerdem können Waſſerreſervoire für Mühlen, techniſche Etabliſſe-
ments ꝛc. durch die Verwendung zur Fiſchzucht vortheilhaft ausgenutzt werden. Die Teich-
wirthſchaft gibt für die Landwirthſchaft Futter und Streumaterialien, welche von den
Teichrändern und während der Teichbrache gewonnen werden. Je nach der Fiſchart
wird die Fiſchzucht in verſchiedener Weiſe betrieben; es ſind dabei zu beachten 1. die
Fiſcharten, 2. die Teichwirthſchaft und 3. die künſtliche Fiſchzucht.
[307]Die Fiſchzucht.
1. Die Fiſcharten.
Vom Standpunkte des praktiſchen Fiſchzüchters werden die Fiſche unterſchieden
in Raub- und Friedfiſche. Die Raubfiſche ernähren ſich von anderen Fiſchen und
ihrer Brut, die Friedfiſche dagegen von vegetabiliſchen Stoffen, Schlamm, Dünger,
kleinen Inſecten, Fiſchlaich ꝛc. Ein weiterer Unterſchied wird zwiſchen den Fiſchen
gemacht je nachdem ſie freie oder anklebende Eier beſitzen. Erſtere, wie die Salmo-
niden und Maifiſche, eignen ſich vorzugsweiſe für die künſtliche Fiſchzucht und für die
Zucht in Seen, Letztere, wie der Karpfen, der Barſch ꝛc., für die Teichwirthſchaft.
Zu den für die Fiſchzucht im Großen am meiſten zu beachtenden Fiſcharten gehören:
1. Der Karpfen (Cyprinus carpio L.), Fig. 202. Derſelbe liebt ruhiges
Waſſer mit ſchlammigem Grunde. Als Fried- oder Grundfiſch nährt er ſich von
Karpfen (Cyprinus carpio L.).
Gras, jungem Rohr, Thierexcrementen, Moder, Schlamm, gekochten Hülſenfrüchten,
Bierträbern ꝛc. Von dem gemeinen Karpfen unterſcheidet man den Spiegelkarpfen
oder Karpfenkönig mit 3 Reihen ſehr großer Schuppen an beiden Seiten und den
ſchuppenloſen, nackten oder Lederkarpfen. Der Karpfenrogner (Weibchen) legt Anfang
Mai bis Ende Juni an Waſſerpflanzen zuſammenklebende Eier, über welche der
Milchner (Männchen) ſtreicht, um durch die in der Milch enthaltenen Samenfäden
die Eier zu befruchten. Auf einen Rogner rechnet man durchſchnittlich 200,000
bis 250,000 Stück Eier, aus welchen bei einer Temperatur von 18—20° in
7—8 Tagen die junge Karpfenbrut ausſchlüpft. Dieſelbe wird bereits in 3 Jahren
wieder fortpflanzungsfähig. Der wagbare oder verkaufsfähige, 3jährige Hauptkarpfen
wägt über 1.5 Kilogr. Der Karpfen kann jedoch ein Gewicht von 20, 45 und
mehr Kilogramm erreichen.
2. Der Hecht (Esox lucius L.), Fig. 203. Derſelbe iſt charakteriſirt durch
die einfache Rückenfloſſe und durch das breite Maul mit vorragendem Unterkiefer
und ſtarker Bezahnung, welche ſeine große Gefräßigkeit erkennen läßt. Die hellgelben
Varietäten heißen Bunt- oder Scheckhechte, die grün gefärbten Grashechte. Als Raub-
20*
[308]Anhang.
fiſch nährt er ſich von lebenden und todten Fiſchen. In Karpfenbrutteichen kann er
die ganze Brut vernichten; er ſchont übrigens auch nicht ſeine eigene Brut. In
Karpfenteichen darf er nur als einjähriges Schußhechtchen eingeſetzt werden. 2-, 3jäh-
rige Hechte ſind 3—4 Kilogr., ältere 20—40 Kilogr. ſchwer. Die Laichzeit beginnt
im Februar und dauert bis Ende April. Das Weibchen legt an Waſſerpflanzen
bis zu 100,000 gelbliche Eier.
Hecht (Esox lucius L.).
3. Der Sander oder Schill (Lucioperca Sandra Cuv.), Fig. 204. Dieſer
wegen ſeines feinen, weißen Fleiſches ſehr geſchätzte Raubfiſch mit Stachelfloſſen laicht
im April und Juni. Bei üppiger Nahrung wächſt er ſchnell und erreicht ſelbſt ein
Gewicht von 10 Kilogr.
Sander (Lucioperca Sandra Cuv.).
4. Die Bachforelle (Salmo Fario L.), Fig. 205. Sie liebt Gebirgs-
wäſſer mit kieſigem Grunde und verlangt friſches, klares, raſchfließendes und kaltes
Waſſer. Als Raubfiſch nährt ſie ſich von kleinen Fiſchen, Laich, Würmern,
Inſecten ꝛc. Ausgewachſen wird ſie mit 2—3 Jahren 0.3 Meter lang und wägt
1 Kilogr., ausnahmsweiſe auch bis zu 10 Kilogr. Sie laicht im September bis
zum Januar an kieſigen Plätzen in kaltem, fließendem Waſſer. Aus den freien
[309]Die Fiſchzucht.
Eiern ſchlüpfen nach 6 Wochen die jungen Fiſche, Fig. 209, aus, welche noch mit
einer Dotterblaſe verſehen ſind, die allmählig aufgezehrt wird.
Bachforelle (Salmo fario L.).
2. Die Teichwirthſchaft.
Zum geregelten Betriebe einer Teichwirthſchaft gehören mehrere Teiche und ein
ausreichender Zufluß von gutem Waſſer und von Nahrung. Am geeignetſten für
Karpfen, welche am häufigſten in Teichen gezogen werden, ſind ſolche Teiche, welche
durch Bach- oder Flußwaſſer geſpeiſt werden und einen ſchlammigen Grund beſitzen.
Teiche, welche aus kalten Quellen Zuflüſſe erhalten und kieſigen Grund beſitzen,
können nur für Salmoniden verwendet werden. Teiche, welche ausſchließlich auf die
atmoſphäriſchen Niederſchläge angewieſen ſind, ſogenannte Himmelteiche, eignen ſich
nur für beſtimmte Zwecke (ſ. S. 310).
Der Grund des Teiches ſoll ſich möglichſt nach einer Richtung hin neigen,
um das Ablaſſen, Ziehen des Teiches, zu erleichtern. An der tiefſten Stelle des
Teiches befindet ſich der Damm, in welchen die Abflußvorrichtungen, die Teichröhren
(Siele) eingelegt werden. Die Tiefe des Teiches hat an der tiefſten Stelle, der
ſogenannten Fiſchgrube oder dem Fiſchkeſſel, in welchem ſich die Fiſche über Winter
und beim Abfiſchen ſammeln ſollen, 2.2—2.8 Meter zu betragen. Dem Teiche
muß ſtets friſches Waſſer durch den mit einem Rechen gegen das Entkommen
der Fiſche geſicherten Zulaufgraben zufließen. Dieſe Wäſſerung, welche einen
entſprechenden Abfluß aus den Abflußapparaten bedingt, dient zur Zuführung
von Sauerſtoff und Nahrung. Außerdem wird ein Abflußgraben rings um
den Teich gezogen, um nach der Trockenlegung deſſelben den Waſſerzufluß un-
gefährdet von dem Teiche ableiten zu können. Um den Teich vor Ueberſchwemmungen
und in Folge deſſen vor Dammbrüchen zu ſichern, iſt an geeigneter Stelle ein mit
Rechen verſehenes Teichfluder anzulegen.
Der Abfluß durch die Teichröhren wird durch Zapfen (Zapfenhäuſer, Zapfen-
ſtriegel) oder bei kleineren Teichen durch Ueberfallbretter (Mönch) regulirt. Die
[310]Anhang.
Teichröhren, welche gewöhnlich in Gruppen von 3—6 quer unter der Dammſohle
durchgezogen ſind, ergießen das Waſſer in eine Vertiefung (Schlögelgrube), von
welcher erſt der durch einen Rechen verwahrte Abflußcanal ausmündet. Die Schlögel-
grube hat den Zweck, den mitgeführten Schlamm durch Abſetzen zu gewinnen und die
Fiſche zu fangen, welche beim Ziehen der Zapfen vor dem Abfiſchen der Teiche
durch die Siele entkommen.
Zu einem geregelten Teichbetriebe gehören der Brutteich, der Streckteich, der
Hauptteich und der Kammerteich. Von 100 Hektar Geſammtteichfläche entfallen auf
den Brutteich ungefähr 4 Hektar, auf den Streckteich I. Claſſe 12, II. Claſſe 18,
auf den Hauptteich 60 und auf den Kammerteich 6 Hektar.
Die Brut oder die Jungfiſche werden in den Brutteichen (Laich-, Streich-
teich), meiſt kleineren, raubfiſchfreien Himmelteichen mit ſeichten Rändern und geringem
Nahrungszufluſſe, herangezogen. In dieſelben werden bei der Karpfenteichwirthſchaft
5—6jährige Streichkarpfen, welche bei dem Ausfiſchen der Hauptteiche im Herbſte aus-
gewählt und in Kammerteichen überwintert wurden, im Frühjahre eingeſetzt, und zwar
rechnet man auf 1 Hektar Brutteichfläche 2—4 Striche, den Strich zu drei Rogner
und zwei Milchner gerechnet; außerdem werden auf je 3 Milchner ein 3jähriger
Milchner (Anhetzer), welcher jedoch nicht ſelbſt ſtreicht, zur Anreizung beigegeben. Zu
Anfang Mai des nächſten Frühjahres werden von dieſen Generationsfiſchen per
1 Hektar 50—120 Schock, à 60 Stück, oder per Mutter 8—10—15 Schock
Brut im Gewichte von 0.25—0.5 Kilogr. per Schock ausgefiſcht. Der normale
Fiſchabgang beträgt in den Brutteichen 12—14 %.
Die Brut kommt nicht gleich in die großen Hauptteiche, ſondern vorher in die
kleineren Streckteiche (Schulteiche), wo ſie gegen die ſie bedrohenden Gefahren beſſer
geſchützt werden kann. In den Streckteichen I. Claſſe bleibt die Brut ein Jahr, um
dann im Herbſte als 1jährige Strecker (einjähriger Einſatz, Fäuſtlinge) ausgefiſcht zu
werden. Sind die Streckfiſche nicht groß genug, nur 0.25—0.4 Kilogr. per Stück
oder 15—24 Kilogr. per Schock ſchwer, ſo kommen ſie im 2. Jahre in die Streckteiche
II. Claſſe, um dann im Herbſte als 2jährige Strecker (2jähriger Einſatz, Beſatz-
fiſche, Aufzug) mit einem Gewichte von 0.5—0.8 Kilogr. oder 30—40 Kilogr. per
Schock in den Hauptteich eingeſetzt zu werden. Die Beſatzung der Streckteiche
I. Claſſe beträgt je nach der Güte der Brut und des Teiches per Hektar 5—10
Schock und 10 % Aufmaß für die normalen Abgänge, jene der Streckteiche II. Claſſe
3—7 Schock und 7 % Aufmaß. Außerdem werden in den Streckteichen einige
Stücke dreijähriger Karpfen als Leitfiſche gegeben, welche die Streckfiſche in das
Winterlager führen und auf alle Gefahren aufmerkſam machen.
Im Herbſte ſetzt man die Streckfiſche, vor dem Einlaſſen in den Hauptteich,
in die Winterhaltungen ein, um ſie bei ſeichten Streckteichen leichter durchwintern zu
können.
Iſt der Fiſch in den Streckteichen durch 1 oder 2 Jahre gewachſen, ſo wird er
als ſogenannter Aufzug im Gewichte von 30—40 Kilogr. per Schock zu 2—3
Schock per Hektar und 2—8 % Aufmaß in den Hauptteich (Karpfen- oder
[311]Die Fiſchzucht.
Abwachsteich) eingeſetzt. Außer der Karpfenbeſatzung gibt man in die Hauptteiche
als Nebenbeſatzung ungefähr auf je 10 Schock Karpfen 1 Schock Hechte und auf je
20 Schock Karpfen 1 Schock Schill, um den Teich von Fiſchbrut der verſchiedenſten
Arten rein zu halten, welche, ſelbſt ohne Werth, nur den Hauptkarpfen die Nahrung
wegnehmen würden. In den Hauptteichen werden die Fiſche durch einen, zwei oder
drei Sommer (Hitzen) belaſſen, bis ſie mit mindeſtens 1 Kilogr., gewöhnlich mit
1.3—2 Kilogr. und darüber als „wagbare Fiſche“ zum Verkaufe gebracht werden
können. 1 Hektar Hauptteich gibt in 3 Jahren durchſchnittlich 120—180 Stück
à 1.5 Kilogr., d. i. 180—270 Kilogr. Fiſche oder per Jahr 60—90 Kilogr., per
Joch und Jahr der Geſammtteichfläche (Haupt- und Zuchtteiche) 36—54 Kilogr.
Nach dem Abfiſchen, welches meiſt im Herbſte in der zweiten Hälfte des Octo-
bers vorgenommen wird, bleiben die Hauptteiche, bevor ſie neuerdings beſpannt werden,
durch ein oder zwei Jahre trocken und werden zur Heugewinnung oder zum Hafer-
anbau, zur Sämmerung, verwendet. Die Sämmerung oder Teichbrache liefert,
abgeſehen von den Hafer- und Heuerträgen, durch die zurückbleibenden Pflanzentheile
für die nachfolgende Fiſchbeſatzung einen werthvollen Nahrungszufluß. Zur Sicherung
der Erträge der eingebauten Früchte, vorzugsweiſe Hafer, aber auch Buchweizen,
Futterpflanzen, Hanf ꝛc., vor plötzlich hereinbrechenden Ueberſchwemmungen werden
rings um den Teichrand, wie ſchon S. 309 erwähnt, Gräben mit entſprechenden
Querprofilen gezogen, welche den unzeitgemäßen Waſſerzufluß möglichſt gefahrlos abzu-
führen haben. Nicht zu überſehen iſt jedoch, daß bei den Teichſämmerungen durch das
Trockenſtehen der Rechen und der hölzernen Ablaßvorrichtungen die Abnutzung dieſer
Waſſerwerke eine bedeutendere wird und die Anlage der Schutz- und Entwäſſerungs-
gräben erhebliche Koſten verurſacht.
3. Die künſtliche Fiſchzucht.
Der natürliche Vorgang bei der Fortpflanzung der Fiſche iſt mancherlei Stö-
rungen unterworfen. Es iſt ſchon fraglich, ob jedes Ei von Samenfäden befruchtet
wird. Der ausgeſchlüpften Brut droht die Freßgier der eigenen Eltern und zahlreicher
anderer Fiſchfeinde als der Raubfiſche, Waſſerkäfer, Flohkrebſe, Waſſerſpitzmäuſe, Gänſe,
Enten ꝛc. Weitere Verwüſtungen richtet die Schifffahrt, beſonders die Dampfſchiff-
fahrt an. In Folge dieſer zahlreichen Gefahren tritt eine ſtetig weiter gehende
Entvölkerung der Gewäſſer ein. Um derſelben nach Thunlichkeit Einhalt zu thun,
wird in neuerer Zeit der künſtlichen Fiſchzucht erhöhte Beachtung geſchenkt. Bei
derſelben handelt es ſich nicht nur um die künſtliche Befruchtung, ſondern auch um
die künſtliche Bebrütung und Aufzucht der Fiſche.
Die künſtliche Befruchtung und ſomit auch die künſtliche Fiſchzucht be-
ſchränkt ſich jedoch nur auf jene Fiſche, welche, wie die Salmoniden, freie Eier legen,
die zu ihrer Bebrütung fließendes Waſſer erfordern. Es gelingt zwar auch zu-
ſammenhängende Eier von Fiſchen, welche wie die Karpfen in ſtehenden Wäſſern
laichen, künſtlich zu befruchten, der Erfolg iſt jedoch derart unſicher, daß die natür-
liche Fortpflanzung in Brutteichen immer noch vortheilhafter bleibt.
[312]Anhang.
Die erforderlichen Mutterfiſche werden vor der Laichzeit in den Seen, Teichen,
Bächen eingefangen und in Behälter eingeſetzt, bis ſie vollkommen laichreif werden.
Zur künſtlichen Befruchtung bereitet man ein flaches Gefäß mit glatten Wänden
vor, in welches man 5—8 Centim. hoch reines Waſſer von jener Temperatur gießt,
welche der Fiſch bei ſeiner Laichzeit in der Natur findet, bei Forellen etwa 5—9°C.
Bei Fiſchen mit anklebenden Eiern legt man noch Büſcheln von Waſſerpflanzen in
das Gefäß und nimmt für Karpfen und Schille das Waſſer mit einer Temperatur
von 20—25°C., für den Barſch von 17.5—20°C. Hierauf erfaßt man den
Rogner unmittelbar hinter den Kiemen und taucht ihn mit dem Rücken nach auf-
wärts unter das Waſſer; dann drückt und ſtreicht man mit der Hand an der
Bauchſeite des Fiſches ſo lange, bis keine Eier mehr austreten. Größere Fiſche gibt
man in ein Netz, welches man von einem Gehilfen unter dem Waſſer halten läßt,
während man mit beiden Händen die Eier ausſtreift. Unmittelbar darauf nimmt
man einen Milchner und ſtreicht demſelben auf dieſelbe Weiſe einige Tropfen Milch
aus, bis das Waſſer ein milchiges Ausſehen erhält. Damit nun die auf den Boden
des Gefäßes geſunkenen Eier durch die Samenfäden befruchtet werden, rührt man
dieſelben mit der Hand oder dem Schweife des Fiſches einigemal um. Die Milch
eines Männchens reicht zur Befruchtung des Rogens von 4—5 Weibchen aus.
Bruttiegel von Kuffner, — Preis in der chemiſchen Fabrik in Auſſig a. E. 1 fl. 50 kr.
(3 Mark) per Stück.
Der Laich quillt beim Herabſinken im Gefäße durch Aufnahme von Waſſer auf.
Die kleine Strömung, welche bei dem Aufquellen entſteht, bewirkt, daß die Samen-
fäden herbeigezogen werden und um ſo ſicherer durch die Mikrophile — einer kleinen
Oeffnung in der äußeren Eiſchale — in das Innere des Fiſcheies eindringen, um
die Befruchtung zu vollziehen. Die Eier werden dabei anfangs trübe, erſcheinen wie
bethaut, erlangen jedoch bald wieder ihre urſprüngliche Durchſichtigkeit.
Die befruchteten Eier werden nun künſtlich bebrütet. Zur Entwickelung des
Fiſchembryo’s ſind Waſſer, Luft und ein gewiſſer Grad von Licht und Wärme noth-
[313]Die Fiſchzucht.
wendig. Für die Salmoniden iſt reines, klares und lebhaft fließendes Waſſer mit
einer conſtanten Temperatur von 7.5—10°C. erforderlich. Iſt man im Beſitze
einer natürlichen, genügend kalten Quelle, ſo bildet man aus Bohlen einen 0.3 Meter
hohen und 0.5 Meter breiten Canal, deſſen Boden mit Kies beſtreut wird.
In dieſen Canal werden durchlöcherte Bruttiegel aus glaſirtem Thon (Bruttiegel von
Kuffner, Fig. 206), oder aus Zinkblech eingeſetzt, auf deren Boden die befruchteten
Eier in einer Schichte ſo ausgebreitet werden, daß ſie ſich nicht berühren. Dieſelben
Dienſte leiſtet eine in einen genügend kalten Bach eingeſenkte, hölzerne Jacobi’ſche Brut-
kiſte, Fig. 207. Von dem durchſtrömenden Waſſer erhalten die Eier ausreichende
Luft. Alle 2 Tage hat man nachzuſehen und die verdorbenen Eier zu entfernen.
Jacobi’ſche Brutkiſte.
Fehlt eine entſprechende natürliche Quelle, ſo iſt eine künſtliche Quelle anzulegen.
Dieſelbe wird aus einem am Boden mit einem Ablaßhahne verſehenen Behälter
hergeſtellt, auf deſſen Boden reiner Flußſand, gemiſcht mit einigen Geröllſteinen und
Stückchen Holzkohle, 8—10 Centim. hoch, eingefüllt wird. Den Behälter verſieht
man mit dem Waſſer aus einer Waſſerleitung, einem Bache oder einem Brunnen.
Durch die Filtration über den Sand
werden alle nachtheiligen Beſtandtheile,
wie Schlamm, organiſche Reſte, Inſec-
tenlarven ꝛc. zurückgehalten. Unter dem
Auslaufe des Behälters werden die
Bruttröge treppenförmig übereinander
aufgeſtellt. Von denſelben hat ſich der
thönerne Bruttrog von Prof. Coſte,
Fig. 208, am meiſten bewährt. In
denſelben wird auf Stegen a ein Holz-
rahmen eingeſenkt, der der Länge nach
Coſte’s Bruttrog.
mit Glasſtäben belegt iſt. Die Glasſtäbe ſtehen ſo weit von einander ab, daß die
darauf gelegten Eier nicht durchfallen können. Das Waſſer fließt von einem zum
andern Troge in einem continuirlichen Strome über die Eier hinweg.
Die befruchteten Eier werden durch Ausgießen oder mit einer kleinen, durch-
löcherten Schaufel oder mit einer Saugpipette aus dem Befruchtungsgefäße in die
Bruttröge übertragen und daſelbſt flach ausgebreitet. Während der Bebrütung iſt
20**
[314]Anhang.
für ſteten Zufluß friſchen Waſſers und für die Einhaltung der erforderlichen Tempe-
ratur zu ſorgen. Todte Eier, welche an ihrem trüben Ausſehen und der milchweißen
Färbung zu erkennen ſind, hat man fleißig mit einer Pipette zu entfernen.
Die Dauer der Bebrütung iſt je nach der Fiſchart und der Temperatur des
Waſſers eine ſehr ungleiche. Dieſelbe beträgt bei Karpfen 3 Wochen, bei Hechten
und Barſchen 4 Wochen, bei Forellen und Lachſen bei 7.5°C. 73, bei 10°C.
47 und bei 12.5°C. 32 Tage.
Bei den Forellen werden die Augen, Fig. 209 c., und das rothe Blut bei
10°C. in 23 Tagen nach der Bebrütung ſichtbar. Gegen Ende der Brutzeit
Forelleneier in verſchiedenen Stadien der
Bebrütung und Jungfiſche. — a, b befruchtete Eier, c Ei
23 Tage nach der Bebrütung, d, e Jungfiſche mit der Dot-
terblaſe, f 40 Tage alter Jungfiſch.
bildet ſich in der Schalenhaut des
Eies eine Oeffnung, durch welche
der Schwanz, der Kopf oder die
Dotterblaſe und ſchließlich der
ganze Fiſch heraustritt. Die
Dotterblaſe (Nabelblaſe, Dotter-
ſack) wird allmählig aufgeſaugt
und deren Inhalt zur Ernährung
des Fiſches verwendet, der, ſo
lange die Dotterblaſe nicht ganz
verſchwunden iſt, keine Nahrung von Außen aufnimmt. Karpfen, Hechte, Barſche
behalten die Dotterblaſe nur kurze Zeit, die Salmoniden jedoch ſo lange Zeit, als
die Eier zur Bebrütung erforderten.
Nach dem Verſchwinden der Dotterblaſe beginnt die künſtliche Ernährung
und Aufzucht. Die nun beweglicher werdenden Fiſche werden aus den Brut-
trögen genommen und in größere Behälter, Baſſins, Streckteiche eingeſetzt. Die
pflanzenfreſſenden Fiſche finden in den Streckteichen gewöhnlich von ſelbſt ausreichende
Nahrung. Im Nothfalle füttert man ſie mit gekochten breiartigen Kartoffeln, welche
in das Waſſer geſpritzt werden. Aeltere Fiſche erhalten gequellte Gerſte, Salat,
Kohlblätter, Küchenabfälle ꝛc.
Die künſtliche Ernährung der fleiſchfreſſenden Fiſche bietet dagegen viel größere
Schwierigkeiten, namentlich in künſtlichen, mit Kies beſtreuten Baſſins, nachdem durch
das Futter, welches zu Boden fällt und verfault, leicht das Waſſer verdorben wird 1).
Als Futter verwendet man geronnenes Blut, welchem man durch Einſpritzen
in das Waſſer eine wurmähnliche Geſtalt gibt, hartgekochten Eidotter, getrocknetes,
feingehaſpeltes Fleiſch, Leber ꝛc.; 8—10 Tage nach dem Verſchwinden der Dotterblaſe
reicht man rohes Fleiſch oder Fleiſch von Weißfiſchen. Noch vortheilhafter, wenn auch
ſchwierig zu beſchaffen, iſt die lebende Nahrung, wie Würmer, Inſecten und Inſecten-
larven, welche man in eigenen Plantagen züchtet, Weißfiſchlaich und Brut ꝛc. Sehr
zu empfehlen iſt es in die Forellenſtreckteiche künſtliche Höhlen aus bodenloſen, mit
[315]Die Fiſchzucht.
einem Deckel verſehenen Töpfen hergeſtellt, oder ſonſtige Beſchattungsapparate einzu-
ſetzen, nachdem die Forellen derartige Verſtecke, die gleichzeitig als Fangapparate
dienen können, gerne aufſuchen.
Ein beſonderer Vortheil der künſtlichen Fiſchzucht beſteht in der Möglichkeit, die
befruchteten Fiſcheier bei gehöriger Verpackung überall hin verſenden zu können. Bei
der Verſendung auf weite Entfernungen erleidet man am wenigſten Verluſte, wenn man
ſie in einer Zeit vornimmt, zu welcher die Eier ſchon ſo weit entwickelt ſind, daß die
Augen des Embryo’s als zwei ſchwarze Punkte unter der Eiſchale ſichtbar werden.
Auf kurze Entfernungen laſſen ſich die Eier auch gleich nach der Befruchtung ohne
Gefahr verſenden.
Die Zählung der zu verſendenden Eier geſchieht durch Meſſen in einem Hohl-
maße; dabei gelten folgende Anhaltspunkte:
Um die Eier während des Transportes unverſehrt zu erhalten, verpackt man
ſie in Holzkiſtchen ſchichtenweiſe in feuchtem Sande oder Mooſe, noch beſſer iſt es,
dieſelben in ein Leinwandſäckchen zu füllen, welches zwiſchen gepreßtes Moos gelegt
wird. Beim Herausnehmen der Eier aus der Verpackung benetzt man zuerſt das
Moos mit Waſſer, nimmt dann nach einigen Stunden das Säckchen heraus und
entleert es in die Bruttröge. Bei ſchichtenweiſer Verpackung in Moos gibt man
daſſelbe mitſammt den Eiern in die Bruttröge, die Eier ſinken zu Boden oder auf
die Glasroſte, während das obenauf ſchwimmende Moos entfernt wird.
Anklebende Eier werden in ähnlicher Weiſe jedoch mitſammt den Waſſerpflanzen
verpackt. Ihre Verſendung iſt jedoch viel unſicherer und ſtets mit großen Verluſten
verbunden.
Außer den Eiern laſſer ſich auch die Jungfiſche, am beſten, wenn ſie noch die
Dotterblaſe beſitzen, in zinnernen, mit einem Blaſebalge zum Einlaſſen von Luft
verſehenen Kannen verſenden. Für 1000 Embryonen genügen 4 Liter Waſſer, für
1000 Jungfiſche müſſen jedoch die Kannen bis zu 80 Liter Waſſer enthalten.
Appendix A
Pierer’ſche Hofbuchdruckerei. Stephan Geibel \& Co. in Altenburg.
[][]
Appendix B
praktiſchen Viehzüchter die ſicherſte Grundlage für ſein Thun und Laſſen geben, empfehlen
wir: E. F. Gurlt’s Handbuch der vergleichenden Anatomie der Haus-Säugethiere. Neu
bearbeitet von A. G. T. Leiſering und C. Müller. 5. Auflage, Berlin 1873; L. Frank,
Handbuch der Anatomie der Hausthiere. 3. Auflage der Leyh’ſchen Anatomie, Stuttgart
1871; E. F. Gurlt, Lehrbuch der vergleichenden Phyſiologie der Haus-Säugethiere, 3. Aufl.
Berlin 1865; weiters G. C. Haubner, Die Geſundheitspflege der landwirthſchaftlichen Haus-
Säugethiere, 3. Auflage, Dresden 1872; A. Maſch, Landwirthſchaftliche Thierheilkunde,
3. Auflage, Wien 1868.
Wiederkäuer. Göttingen, 1870. 1 Heft S. 19.
C. Voit’s weitere zahlreiche Abhandlungen ſind erſchienen in der Zeitſchrift für Biologie,
München 1865 u. ff. Eine leicht faßliche Darſtellung der neueren Anſchauungen über die
Fleiſch- und Fettbildung findet ſich in: „Dr. E. Wolff, Die rationelle Fütterung“, Berlin
1874, S. 37 ꝛc.
für Biologie 1866, S. 318 u. ff.
Die Thierzucht, 3. Aufl., Breslau 1872; H. v. Nathuſius (Hundisburg), Vorträge über
Viehzucht und Racenkenntniß, 1. Theil, Allgemeines, Berlin 1872.
Erhaltung der begünſtigten Racen im Kampfe um’s Daſein. Aus dem Engliſchen überſetzt
von H. G. Bronn, 5. Aufl., Stuttgart 1872, und Charles Darwin, Das Variiren der
Thiere und Pflanzen im Zuſtande der Domeſtication. Aus dem Engliſchen überſetzt von
J. Vict. Carus, 2 Bde., Stuttgart 1868.
Blut aus ¾ edlem und ¼ unedlem Blute, nachdem 1 × ½: 2 = ¾ gibt u. ſ. f. Im
255/256 Blute iſt nur mehr 1/256 unedles Blut enthalten, welches nicht mehr zum Ausdrucke ge-
langt, weshalb das Thier als Vollblut anerkannt wird.
Haeckel, Generelle Morphologie der Organismen. Allgemeine Grundzüge der organiſchen
Formen-Wiſſenſchaft, mechaniſch begründet durch die von Charles Darwin reformirte Des-
cendenz-Theorie, Berlin 1866.
Widerſpruch, weil ſie nur auf die ererbten Eigenſchaften Rückſicht nimmt und die erworbenen
unberückſichtigt läßt. Ebenſo unrichtig iſt die ſtrenge Individualpotenz-Theorie, nachdem
dieſe den ererbten Eigenſchaften zu wenig Gewicht beilegt.
von Individuen und Zuchten edler Thiere Deutſchlands, 4 Bde., 1865—1875; Engliſches,
franzöſiſches, niederöſterreichiſches, ſteieriſches, böhmiſches Heerdbuch ꝛc.
burg), Vorträge über Viehzucht und Racenkenntniß, 1. Theil Allgemeines, Berlin 1872;
Dr. F. Roloff, Die Beurtheilungslehre des Pferdes und der Zugochſen, Halle 1870; W. Bau-
meiſter, Anleitung zur Kenntniß des Aeußeren des Pferdes, 6. Aufl., Stuttgart 1870.
Die Ernährung der landwirthſchaftlichen Nutzthiere. Gekrönte Preisſchrift, Berlin 1876;
Dr. Emil Wolff, Die rationelle Fütterung der landwirthſchaftlichen Nutzthiere, Berlin 1874;
Dr. Th. v. Gohren, Die Naturgeſetze der Fütterung der landwirthſchaftlichen Nutzthiere,
Leipzig 1872; Dr. H. Settegaſt, Die landwirthſchaftliche Fütterungslehre, Breslau 1872;
Dr. W. Henneberg und Dr. F. Stohmann, Beiträge zur Begründung einer rationellen
Fütterung der Wiederkäuer, Braunſchweig 1860; W. Henneberg, Neue Beiträge zur Be-
gründung einer rationellen Fütterung der Wiederkäuer, Göttingen 1872; Dr. G. C. Haubner,
Die Geſundheitspflege der landwirthſchaftlichen Hausſäugethiere mit beſonderer Berückſich-
tigung ihrer Nutzleiſtungen, 3. Aufl., Dresden 1872.
S. 35 u. ff.
daulicher Proteïnſubſtanz berechnen zu können, haben Henneberg und in neuerer Zeit
Stohmann (Landw. Verſ.ſtat. XI. 401, 1869) für praktiſche Zwecke ausreichende Formeln
angegeben. Letzterer gibt für alle Fütterungsarten folgende Formel an:
in welcher p1 für die zur Verdauung gelangende Menge an Proteïn, p für das Rohproteïn,
C für die ſtickſtofffreien Extractſtoffe incl. Fett und h für die Rohfaſer geſetzt iſt.
M. v. Pettenkofer, Ann. d. Chem. u. Pharm., 1873, 167, 271.
1874, S. 82, Tabelle I.
Landw. Verſ. Stat. 1869, XI., S. 401.
Bd. I, S. 255.
S. 253 u. 254 und Bd. II, S. 187.
Wochenbl. 1875, S. 557.
Monarchie, Wien, 1876, Heft 1 und Oeſterr. landw. Wochenbl., Wien, 1876, Nr. 10.
Futtermittel.
nutzten Tabellen in dem Werke Dr. Julius Kühn’s: Die zweckmäßigſte Ernährung des
Rindviehes. 6. Auflg. Dresden, 1873. S. 276.
1874. S. 217.
aller Umſtände und zwar gleichmäßig bei allen Futtermitteln für 1.0 Kilogr. der Eiweiß-
ſubſtanz 0.48 Mark, für 1.0 Kilogr. der verdaulichen Kohlehydrate 0.08 Mark und für
1.0 Kilogr. der verdaulichen Fettſubſtanz 0.2 Mark in Anſatz gebracht.
mit beſonderer Berückſichtigung ihrer Nutzleiſtungen. 3. Aufl. Dresden 1872, S. 258.
S. 399.
Hannover 1860.
auf den landwirthſchaftlichen Betrieb im Großen ohne Einfluß bleibt, empfehlen wir:
für die Kaninchenzucht: W. Hochſtetter, Das Kaninchen, deſſen Beſchreibung, ratio-
nelle Behandlung und Züchtung. 5. Aufl. Stuttgart 1875;
ſeine Aufzucht und ſeine Krankheiten. Wien 1871; C. H. Pathe, Maulbeerbaum-
zucht und Seidenbau. 2. Aufl. Berlin 1865;
für die Bienenzucht: A. Schmid und G. Kleine, Leitfaden für den Unterricht in der
Theorie und Praxis einer rationellen Bienenzucht. Nördlingen 1865;
für die Krebszucht: C. Vogt, Die künſtliche Fiſchzucht. Nebſt einem Anhange über
Krebszucht. 2. Aufl. Leipzig 1876.
und C. F. Müller. Die Rindviehzucht nach ihrem jetzigen rationellen Standpunkte. 2. Aufl.
Berlin 1875. Aus der älteren Literatur: H. W. v. Pabſt, Anleitung zur Rindviehzucht. 3. Aufl.
Stuttgart 1859.
und Verſuch einer natürlichen Geſchichte des Rindes in ſeinen Beziehungen zu den
Wiederkäuern im Allgemeinen. Neue Denkſchriften der allg. ſchweizeriſchen Geſellſchaft für
die geſ. Naturwiſſenſchaft. Bd. XXII., 1867 u. XXIII., 1868.
Zillerthaler-Duxer Vieh mit dem Puſterthalerviehe, mit dem Walliſer-Eringer Viehe in der
Schweiz, mit dem Voigtländer und Egerländer Viehe und mit dem engliſchen Devonviehe
zu einer kurzköpfigen Race (Bos taurus brachycephalus) vereinigt, welche durch eine
Kreuzung der Frontoſus- mit der Brachyceros-Race entſtanden ſein mag.
platze, Wien 1873.
Rindviehzucht, 3. Ausg., Stuttgart 1859. Ausführlichere Angaben enthält der erläuternde
Text zu den von der kgl. württemberg’ſchen Central-Stelle für Landwirthſchaft zu Stuttgart
herausgegebenen vorzüglichen Abbildungen der Rindviehſchläge Württembergs, ſowie Dr. A.
v. Rueff, Die Racen des Rindes, Stuttgart 1876, und Rohde’s Rindviehzucht, Berlin 1875.
Wochenbl. 1875, S. 388. Im Nachſtehenden benutzen wir theilweiſe dieſe Abhandlung.
ungehörntes Vieh, deſſen Milchergiebigkeit meiſt gerühmt wird.
unter beſonderer Berückſichtigung der Haltung, Pflege, Fütterung und Zucht der Milchkühe,
Leipzig 1868, S. 114.
kälber. Oeſterr. landw. Wochenbl. 1875, S. 450.
und Genoſſen. Journal für Landwirthſchaft 1874, S. 168 u. 295.
bäude für landwirthſchaftliche Gewerbe, 5. Aufl., Leipzig 1870; Friedrich Jummerspach,
Die landwirthſchaftliche Baukunde, Wien 1860; Dr. F. C. Schubert, Handbuch der land-
wirthſchaftlichen Baukunde, 3. Aufl., Berlin 1872.
Haubner, Landwirthſchaftliche Thierheilkunde, 6. Aufl., Berlin 1872; Dr. A. Maſch, Land-
wirthſchaftliche Thierheilkunde, 3. Aufl., Wien 1868.
Dr. Wilhelm Fleiſchmann, Das Molkereiweſen, 4. Theil des Lehrbuches der rationellen
Praxis der landwirthſchaftlichen Gewerbe, Braunſchweig 1875; Benno Martiny, Die Milch,
ihr Weſen und ihre Verwerthung, Danzig 1871.
Wochenbl., 1876, Nr. 12.
für die Magerſennerei, Danzig, 1874. Vgl. auch die in verſchiedenen Bänden der landw.
Verſ-Stat. mitgetheilten Unterſuchungen von Alex. Müller.
wirthſchaftskalender, Wien 1875, S. 54.
J. Bohm, Die Schafzucht nach ihrem jetzigen rationellen Standpunkte, 1. Theil: Die Wolle-
kunde, 2. Theil: Die Schafzucht, Berlin 1873 — 1876; v. Schmidt, Die Schafzucht und
Wollekunde, 4. Aufl., Stuttgart 1872; Mentzel, Handbuch der rationellen Schafzucht, ge-
krönte Preisſchrift, Berlin 1861; A. Körte, Das deutſche Merinoſchaf, ſeine Wolle, Züchtung,
Ernährung und Pflege, Breslau 1862.
Wiſſ. in Wien, 38—41. Bd., Jahrg. 1859 u. 1860.
1868, Nr. 20.
techniſcher Beziehung. Berlin 1866.
Heft 10, 11.
Standpunkte, 2. Bd., Berlin 1874; W. Baumeiſter, Anleitung zum Betriebe der Pferde-
zucht, 4. Aufl. von A. Rueff, Stuttg. 1872; W. Dilg, Die landwirthſchaftliche Fohlenzucht,
Wien 1871; Der Turf, Wörterbuch für Pferderennen, Wien 1876 ꝛc.
erſcheinen oder nach dem Ausbrechen der Milchzähne gegen die bleibenden Zähne gewechſelt
werden. Sind die bleibenden Zähne auf gleiche Höhe mit den übrigen Zähnen heran-
gewachſen, ſo ſind ſie durch eine fette Ziffer ohne Klammer bezeichnet.
F. Müller, Lehre vom Exterieur des Pferdes, 2. Aufl., Wien 1868; W. Baumeiſter, An-
leitung zur Kenntniß des Aeußeren des Pferdes, 6. Aufl., von Dr. A. Rueff, Stuttgart 1870.
Standpunkte, 2. Bd., Berlin 1874, S. 33. Im Nachſtehenden folgen wir im Allgemeinen
dieſem ſehr empfehlenswerthen Werke. Außerdem ſeien erwähnt: Dr. C. Freytag, Die Haus-
thier-Racen, I. Die Pferde-Racen; H. v. Nathuſius u. A. Krocker, Deutſches Geſtüt-Album,
Berlin 1870; L. J. Fitzinger, Verſuch über die Abſtammung des zahmen Pferdes und ſeiner
Racen, Wien 1858—59.
Standpunkte, 2. Bd., Berlin 1874, S. 33. Im Nachſtehenden folgen wir im Allgemeinen
dieſem ſehr empfehlenswerthen Werke. Außerdem ſeien erwähnt: Dr. C. Freytag, Die Haus-
thier-Racen, I. Die Pferde-Racen; H. v. Nathuſius u. A. Krocker, Deutſches Geſtüt-Album,
Berlin 1870; L. J. Fitzinger, Verſuch über die Abſtammung des zahmen Pferdes und ſeiner
Racen, Wien 1858—59.
ſonderer Hinſicht auf Pferdezucht; Oeſterr. landw. Wochenbl. 1875, S. 196.
2. Aufl., Berlin 1874; W. Baumeiſter, Anleitung zur Schweinezucht und Schweinehaltung.
4. Aufl. von A. Rueff, Stuttgart 1872; Armin Graf zu Lippe-Weißenfeld, Die vollſtän-
dige Schweinezucht, Leipzig 1853 ꝛc.
der Borſtenthiere oder Schweine (Setigera) (L. Bd. der Sitzgsbr. d. k. Ak. d. W. in Wien
1864) unterſcheidet in der Familie der Schweine 6 Gattungen und 18 Arten. Zur Gat-
tung Schwein (Sus L.) zählt er als Arten: 1. Gemeines oder Wildſchwein (S. scrofa L.),
2. japaniſches oder weißbärtiges Schwein (S. leucomystax Temminck), 3. Sennaar
Schwein (S. sennaariensis Fitzgr.), 4. Indiſches Schwein (S. cristatus Wagner), 5. Schwarz-
bärtiges Schwein (S. barbatus S. Müller), 6. Weißbindiges Schwein (S. vitatus Boie),
7. Timoriſches Schwein (S. timoriensis S. Müller), 8. Warziges Schwein (S. verrucosus
Boie), 9. Celebriſches Schwein (S. celebensis S. Müller).
Schweineſchädel, Berlin 1864.
Anſicht, daß das ungariſche Fleiſchſchwein, wie das kurz- und großohrige Schwein, muth
maßlich von dem europäiſchen abſtamme, während das in Ungarn gehaltene Fettſchwein,
das Mangalicza-Schwein, ſowie die romaniſchen Racen von dem indiſchen Schweine ab-
ſtammen.
E. v. Rodiczky in Ungariſch-Altenburg.
Verſuchsſtation Pommritz; 1. Heft, Hannover 1876.
Eduard Baldamus, Illuſtrirtes Handbuch der Federviehzucht, Dresden 1876; Heinrich
Gauß, Der Hühner- und Geflügelhof, 4. Aufl., Weimar 1872 ꝛc.; Freiherr v. Oefele,
Das Hühnervolk und die Pflichten ſeiner Gebieter, Frankfurt a. M. 1865; Robert Oettl,
Die praktiſche Hühnerzucht, nebſt einem Anhange über die Zucht des Perlhuhns, Trut-
huhns, Faſans, der Ente und Gans, Görlitz 1863 ꝛc.
wirthſchaft mit beſonderer Rückſicht auf das ſüdliche Böhmen, Prag 1869; Dr. H. Beta,
Die Bewirthſchaftung des Waſſers, Leipzig 1868; Dr. R. Molin, Rationelle Zucht der
Süßwaſſerfiſche, 1864; Carl Vogt, Die künſtliche Fiſchzucht, 2. Aufl., Leipzig 1875;
Dr. Fraas, Künſtliche Fiſchzucht, München 1854; M. v. d. Borne, Illuſtrirtes Handbuch
der Angelfiſcherei, Berlin 1875.
aus Vorarlberg in Nr. 12 des Oeſterr. landw. Wochenbl. II. Jahrg. 1876, S. 134.
- Rechtsinhaber*in
- Kolimo+
- Zitationsvorschlag für dieses Objekt
- TextGrid Repository (2025). Collection 4. Lehrbuch der Landwirthschaft auf wissenschaftlicher und praktischer Grundlage. Lehrbuch der Landwirthschaft auf wissenschaftlicher und praktischer Grundlage. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). Kolimo+. https://hdl.handle.net/21.11113/4bqjk.0