Alle Tage deines Lebens habe Gott in deinem Herzen ! (Tob. 4. 6.)
Christliche Mutter.
von
Dr. Augustin Egger,
Bischof von St. Gallen.
Typographen des hl. Apostol. Stuhles.
Einsiedeln, Waldshut, Köln a. Rh. Straßburg i. E.
New-York, Cincinnati, Chicago, bei Benziger Brothers:
IMPRIMATUR
Curiæ, die 9. Junii 1914
✠ GEORGIUS
EPP. CUR.
J. M. Balzer,
Libr. Cens.
Vorbemerkung.
[5]Dieses Erbauungs- und Gebetbuch
soll ein Seitenstück bilden zu dem
vor einigen Jahren erschienenen ‘„Christ-
lichen Vater“’. Wenn ich letzteres Buch
damals auch den Müttern als Lektüre
empfohlen habe, so sehe ich mich ver-
anlaßt, hier diesen Wunsch zu wieder-
holen. Dort ist manches gesagt, was
auch die Mutter zu beherzigen hat,
hier aber nur kurz angedeutet oder
ganz übergangen wird, um für andere
nicht weniger wichtige Belehrungen
Raum zu gewinnen. Umgekehrt werden
auch die Gatten und Väter in dem
gegenwärtigen Buche mancher Bemer-
kung begegnen, welche ihre Beachtung
[6] verdient. Soll die häusliche Erziehung
in der heutigen Zeit ihr Ziel erreichen,
so müssen Vater und Mutter dasselbe
wissen und dasselbe wollen, im gleichen
Geiste einträchtig zusammenwirken, und,
was nicht das Letzte sein darf, eines
Herzens und Sinnes sein im Gebete.
Darum ist der Gebetsteil in beiden
Büchern nahezu der gleiche.
Die Gnade Gottes möge die schwa-
chen Worte zu fruchtbaren Samen-
körnern machen und ihnen in den Herzen
der Leser ein empfängliches Erdreich
bereiten!
St. Gallen, den 21. Nov. 1897.
† Augustinus Egger, Bischof.
Selbsterkenntnis
und
Selbsterziehung.
Betrüglich ist die
Anmut und eitel die
Schönheit, ein Weib,
das den Herrn fürch-
tet, das wird gelobt
werden.
1. Die christliche Mutter.
[9]1.
Von der christlichen Mutter gelten
die herrlichen Worte des weisen
Sirach: Wie die aufgehende Sonne an
Gottes hohem Himmel, so ist die Schön-
heit des guten Weibes zur Zierde ihres
Hauses. (Sir. 26, 21.)
Die Sonne ist für uns und die ganze
Natur die Spenderin des Lichtes und
der Wärme. Mit Freuden begrüßen
wir ihre Ankunft am Morgen, wir
nennen es schönes Wetter, wenn ihr Ange-
sicht auf uns herniederleuchtet, und wenn
sie es verhüllt, scheint die Natur zu
trauern, es verstummt der Gesang der
Vögel, keine Blüte öffnet ihren Kelch und
[10] auch über unser Gemüt scheint sich ein
Schatten zu werfen. Wenn sie sich im
Winter von uns wendet, erstarrt alles
Leben unter Schnee und Eis, und mit
Sehnsucht erwarten wir ihre Wieder-
kehr im Frühling.
Aehnlich ist die Stellung der Mut-
ter in der Familie. Wenn der Vater
das Haupt der Familie ist, so ist
die Mutter das Herz derselben. Sie
ist der Mittelpunkt dieser Welt im Klei-
nen, indem der Vater und die Kinder
und alle Hausgenossen durch sie zur
Einheit verbunden werden. Was ist eine
Familie ohne die Mutter? Man möchte
sagen ein Haus ohne Wohnstube, ein
stockendes Uhrwerk, ein Körper ohne
Pulsschlag. Ihr mütterliches Walten
bringt Ordnung und Regelmäßigkeit
in den Haushalt. Ihre Liebe und Sorg-
falt, welche alle umfaßt, wirkt versöhnend
und ausgleichend auf die Unebenheiten
im Familienkreise, gießt Freude und
Friede, Verträglichkeit und gegenseitige
[11] Anhänglichkeit in die Herzen der Ihri-
gen, verklärt das ganze Familienleben
wie wohltuender Sonnenschein.
Wenn die Mutter der Familie ent-
rissen wird, oder auch nur zeitweilig
abwesend oder krank ist, wie öde und
langweilig ist es dann beim Tische und
in der Wohnstube, wie oft stockt der
Gang des Hauswesens, wie fühlen alle
eine schmerzliche Lücke und sind trübe
gestimmt, trüber als die äußere Natur,
wenn die Sonne von Nebel und Ge-
wölk verschleiert wird!
2. Die Sonne geht stille und ge-
räuschlos ihren Weg, man merkt es kaum,
was sie von einem Tag auf den andern
in der Natur zu stande bringt, und doch
ist sie es, welche die Blüten des Früh-
lings hervorzaubert, welche die goldenen
Saaten des Sommers und die köstlichen
Früchte des Herbstes zur Reife bringt.
Ebenso still ist das Wirken der Mut-
ter, die Oeffentlichkeit nimmt keine No-
tiz davon, es wird auch in ihrer Um-
[12] gebung kaum beachtet. Aber die Früchte
ihres Wirkens gehen weit über diesen
engen Kreis hinaus, sie sind für Kirche
und Vaterland, für die zeitliche und
ewige Wohlfahrt von der größten Wich-
tigkeit. Was Großes und Edles, Christ-
liches und Heiliges in der Welt vor-
handen ist, fand seine erste Pflege durch
die christliche Mutter. Wohl ist es die
Mutter nicht allein, welche das Werk
der Erziehung zu besorgen hat, aber sie
muß die Fundamente legen. Jahrelang
ist sie fast einzig dabei thätig, das Herz
des Kindes ist in ihrer Hand, sie kann
es formen wie weiches Wachs, sie kann
es lenken und leiten, wie eine Königin
ihr Reich regiert. Und kommt die Zeit,
in welcher auch andere eingreifen sollen,
so muß die Hauptsache schon gethan
sein, es handelt sich nur um den Wei-
terbau auf dem Fundamente, welches
die Mutter gelegt hat.
3. Nicht selten fallen die schönsten
Werke, welche die Sonne geschaffen hat,
[13] gewaltsame Zerstörung anheim. Wenn
die Saatfelder, die Weinberge und die
Obstbäume in ihrem schönsten Schmucke
dastehen, kommt unversehens ein Hoch-
gewitter, um erbarmungslos alle diese
Herrlichkeit zusammenzuschmettern. Lei-
der muß auch die Mutter allzuoft ähn-
liches erleben. Wenn sie unter Mühen
und Sorgen ihre Kinder zu gläubigen
und gottesfürchtigen Christen erzogen
hat, so kommt die Welt, und sucht mit
ihren Verführungskünsten wieder zu zer-
stören, was die Mutter aufgebaut hat,
und ihre Erfolge sind leider allzugroß.
Aber trotz aller Ungewitter hört die
Sonne nicht auf, immer wieder neue
Saaten und Früchte zur Blüte und
Reife zu bringen, und die Wärme und
die Fruchtbarkeit, die von ihr ausgehen,
sind schließlich stärker als die zerstören-
den Elemente. Aehnlich ist es mit der
Mutter. Man könnte versucht sein, das
Leben als einen Kampf zwischen der
christlichen Mutter und der gottentfrem-
[14] deten Welt zu bezeichnen. So wenig
sie scheinbar mit einander zu thun ha-
ben, so sehr wirken sie thatsächlich ein-
ander entgegen, liegen in einem förm-
lichen Kriege gegeneinander. Oft muß
die Mutter den Kürzeren ziehen. Wir
sehen ja Scharen junger Christen, welche
einst fromm und unschuldig gewesen,
in der Welt untergehen. Aber im gro-
ßen und ganzen wird die christliche Mut-
ter doch der Welt überlegen sein. So
lange in dem stillen Kreise der Fami-
lien christliche Mütter walten, so lange
werden christliche Generationen nach-
wachsen, und was auch die Welt zu
Grunde richten mag, die Völker mit
christlichen Müttern werden christlich
bleiben.
Das Wort des heiligen Augustin
über seine Mutter gilt nicht bloß von
dieser, sondern von hundert andern:
‘„Alles, was ich bin, verdanke ich mei-
ner Mutter, sie hat mich nicht bloß für
diese Welt geboren, sondern mir auch
[15] das Leben der Seele erlangt.“’ Wie
stünde es um das Reich Gottes, wenn
die christliche Mutter nicht wäre! Es
ist eine auffallende Erscheinung in der
Geschichte der Kirche, daß die größten
Heiligen, wie ein hl. Basilius, Gregor
von Nazianz, Johannes Chrysostomus,
Ambrosius, Gregor der Große u. s. w.
heilige Mütter gehabt haben. Erheben
wir uns im Geiste in den Himmel,
fragen wir die Scharen der Auser-
wählten, wem sie ihre Glückseligkeit ver-
danken, so werden uns viele Werkzeuge
der Gnade, viele wunderbare Wege des
Heiles genannt werden, aber nichts wer-
den wir so oft vernehmen, als die Na-
men frommer Mütter.
4. In einem Punkte ist das Bild
der Sonne für die Mutter nicht zutref-
fend. Die Mutter ist mehr Planet als
Sonne, da ihr Licht nicht ihr eigenes
ist. Sie ist nicht selber die Quelle des
Segens, der von ihr auf ihre Familie,
auf ihre Kinder ausgehen soll. Christus
[16] muß die Sonne sein, in deren Lichte
die Mutter wandelt, Er muß mit sei-
ner Gnade und Wahrheit auf sie ein-
wirken, sie muß für sich selbst eine wahre
Christin sein, nur dann ist es ihr möglich,
eine gute Mutter zu sein. Sie muß
vor allem selber das sein, wozu sie ihre
Kinder erziehen soll. Wenn die Er-
ziehung, welche sie genossen hat, dieses
nicht ganz zu stande gebracht hat, so
muß sie diesen Mangel durch eigene
Anstrengung zu ersetzen suchen. Darum
wird hier zuerst in einem besonderen
Abschnitt von der Selbsterkenntnis und
Selbsterziehung gehandelt, und erst dann
sollen die Pflichten der Gattin und
Mutter erörtert werden.
2. Das Frauenherz.
1. Der heilige Gregor bezeichnet das
Herz als die Triebfeder des Lebens,
weil immer das Verlangen des Herzens
es ist, was die Thätigkeit des Menschen
[17] anregt. Der Wunsch des Herzens, ir-
gend ein wahres oder vermeintlichen
Gut zu erlangen, oder ein Uebel fern
zu halten, ist die bewegende Ursache
aller Handlungen der Guten und der
Bösen, die Quelle aller Begeisterung
und Opferwilligkeit, aller Ausdauer in
schwierigen Unternehmungen. Sobald
das Herz aufhörte, zu wünschen und zu
verlangen, würde auch die Thätigkeit
erlahmen und das Leben stille stehen.
Der heilige Augustin hat das ei-
gentliche Ziel für die Bestrebungen un-
seres Herzens mit den Worten bezeich-
net: ‘„Unser Herz ist unruhig, bis es
ruhen wird in Dir, o Gott!“’ Nur der
Besitz eines vollkommenen und ewigen
Gutes kann unser Herz sättigen und
glücklich machen, und dieses Gut finden
wir nur im Himmel und in Gott.
Das Verlangen unseres Herzens muß
dem höchsten Gute zugewendet sein, und
wir dürfen keine Wünsche im Herzen
unterhalten, die mit diesem Verlangen
[18] nicht im Einklang stehen, sonst täuschen
wir uns selbst und gefährden unser
ewiges Glück, indem wir ein trügerisches
und vergängliches Glück suchen, ohne
es zu finden.
Unruhig bleibt unser Herz, bis es
ruhen wird in Gott. Auf Erden kann
es also nimmer ruhen. Die heilige
Hildegard sagt uns in einem Gleich-
nisse, was wir während dieser Zeit der
Unruhe mit dem Herzen anfangen sol-
len. Sie vergleicht es mit einer Harfe,
deren süße Akkorde zum Lobe Gottes
ertönen und die Menschen erfreuen sol-
len. Die Liebe soll das Herz erfüllen,
sie soll sich in Wohlthun und Erbar-
men gegen den Nächsten offenbaren,
und das innere und äußere Leben zu
einem Loblied auf den Allerhöchsten
machen. Das Herz jedes Heiligen ist
eine solche Harfe mit reinem und vol-
lem Ton. Unsere Harfe ist leider arg
mißstimmt durch die ungeordneten Be-
gierden und Neigungen des Herzens.
[19] Es ist die erste Aufgabe für uns in
diesem Leben, diese Harfe unseres Her-
zens möglichst harmonisch zu stimmen,
und je weiter wir es darin bringen,
desto mehr Frieden werden wir hienie-
den erlangen und desto mehr dürfen
wir hoffen auf die einstige Ruhe in
Gott.
Die Bildung des Herzens ist für
alle wichtig, aber ganz besonders für
die Frau. Von ihr kann man vorzugs-
weise sagen, daß sie aus dem Herzen
lebt. Die Gedanken ihrer Seele steigen
in das Herz herunter und werden zu
Gefühlen. Diese Gefühle wirken über
auf ihre Reden und Handlungen, auf
ihr ganzes Benehmen, selbst auf ihr
Auge und ihre Gesichtszüge, sie geben
ihrem ganzen Aeußern das Gepräge
ihres Herzens, mag dieses nun gewinnend
oder abschreckend sein. Die Frau lebt
ans dem Herzen. Hier soll kurz der
Grundzug berührt werden, welchen ihr der
Schöpfer in das Herz gelegt hat.
2. Bei der Erschaffung des Weibes
sagte der Schöpfer: Lasset uns ihm (dem
Adam) eine Gehilfin machen, die ihm
gleich sei. (I. Mos. 2, 18.) Der heilige
Paulus bestimmt dieses Verhältnis näher
mit den Worten: Der Mann ist das
Haupt des Weibes, wie Christus das
Haupt der Kirche ist. So wie die
Kirche Christo unterworfen ist, so auch
seien es die Weiber ihren Männern in
allem. (Eph. 5, 23. f.)
Ein Erklärer der heiligen Schrift
bemerkt: Gott hat das Weib nicht aus
den Füßen des Mannes genommen, als
müßte es seine Sklavin sein, und nicht
aus dem Kopfe, als sollte es über ihn
herrschen, sondern aus der Brust, da-
mit es ihm Gefährtin und Gehilfin
sei, aus der Nähe des Herzens, weil
die Liebe beide verbinden soll. – Die
Gattin tritt zum Mann in das Ver-
hältnis der Abhängigkeit, sie nimmt
seinen Familiennamen an, er übernimmt
die Verwaltung ihrer Güter, sie darf
[21] nach außen nur einen Willen mit ihm
haben und soll nach innen ihm unter-
thänig sein. Sie verliert ihre Selb-
ständigkeit zu Gunsten des Mannes.
Dieses Verhältnis ist aber für die
Frau kein erzwungenes, der Schöpfer
selber hat ihr die Hinneigung zu dem-
selben in das Herz gelegt. Als einem
katholischen Denker die Frage vorgelegt
wurde, was das Weib sei, antwortete
er: Das Weib ist ein Herz, um sich
hinzugeben. Das ist der Grundzug sei-
nes Wesens und bildet die natürliche
Unterlage sowohl für den Heroismus
weiblicher Tugenden, wie anderseits für
die größte Verworfenheit. Der Psalmist
vergleicht in einem anmutigen Bilde
das Weib mit einem fruchtbaren Wein-
stock an den Wänden des Hauses. (Ps.
127, 3.) Dem Weinstock, so schön er
in dem Schmucke seiner Blätter, Blü-
ten und Früchte prangt, haftet eine ge-
wisse Unselbständigkeit an, er muß an
einer Stütze hinaufranken können. Aehn-
[22] lich ist es mit der Stellung des Wei-
bes. Es braucht einen festen Halt, an
den es sich liebend anschließen kann.
Hat es diesen gefunden, dann ist es
fähig, eine bewunderungswürdige Ener-
gie zu entfalten, Heldenthaten der Liebe,
Geduld und Ausdauer zu vollbringen,
wie sie uns die Geschichte und selbst
die tägliche Erfahrung in Menge vor-
führen.
3. Nicht alle Weiber sind berufen,
Gattinnen und Mütter zu werden. Auch,
diese haben ein Herz, sich hinzugeben.
Es ist ein Vorrecht der katholischen Kirche,
von Anfang an diesen Zug verstanden
und richtig geleitet zu haben. Es ge-
schah das in dem freigewählten jung-
fräulichen Leben, welches in dem Or-
densstande eine feste Gestaltung gefun-
den hat. Die Seele, welche diesen Stand
wählt, verleugnet nicht den angebornen
Zug des weiblichen Herzens zur Hin-
gebung, sondern sie folgt ihm in höherer
und vollkommenerer Weise. Sie ver-
[23] zichtet nicht auf den irdischen Braut-
kranz, um der Liebe zu entsagen, son-
dern um diese einem höheren Bräuti-
gam, Jesus Christus, zu schenken. Die
Hingebung der Gattin wird von der
Hingebung der christlichen Jungfrau
weit überboten. Was jene opfert, das
opfert diese auch und noch viel mehr
dazu, die sinnliche Liebe, die Eingeb-
ungen von Fleisch und Blut und alles,
was irdisch ist. Sie verzichtet nicht bloß
auf die Verwaltung des Vermögens,
sondern auf das Eigentum selbst. Das
einzige, was ihr bleibt, ist ihr Herz,
aber nur, um es Christus in Entsag-
ung, Armut und Gehorsam täglich aufs
neue zu schenken. Wenn das Weib ein
Herz ist, um sich hinzugeben, so hat es
hier den Höhepunkt seiner Bestimmung
erreicht. Freilich handelt es sich da
nicht um einen allgemeinen Beruf. Chri-
stus bemerkt ausdrücklich: Nicht alle
fassen dieses Wort, sondern welchen es
gegeben ist. Wer es fassen kann, der
[24] fasse es. (Matth. 19, 11.) Es handelt sich
da um den besonderen Beruf einzelner.
Wenn aber Weltkinder und Ungläubige
in der freiwilligen Jungfräulichkeit etwas
Unweibliches und Naturwidriges erblik-
ken, so kommt das her von ihrem be-
schränkten Gesichtskreis, der nicht über
die Anschauungen von Fleisch und Blut
hinausreicht.
3. Das Mutterherz.
1. Das Weib ist ein Herz, sich hin-
zugeben, nicht bloß als Gattin, sondern
auch als Mutter. Die Erwägungen
hierüber im Anschluß an die vorher-
gehenden lassen uns ersehen, daß das
Herz des Weibes unter den Wunder-
werken des Schöpfers nicht am wenig-
sten seine Weisheit und Liebe offenbart.
An die Mutterliebe muß in diesem
Büchlein sozusagen auf jeder Seite ap-
pelliert werden, und darum mögen hier
einige allgemeine Bemerkungen am Platze
[25] sein über die natürliche, die christliche
und die verkehrte Mutterliebe.
Ein Kind auf dem Schoße seiner
Mutter fragte diese: ‘„Warum sehe ich
mich in deinem Augenstern?“’ Diese
antwortete: ‘„Weil ich dich in meinem
Herzen trage“’. In diesen einfachen
Worten ist alles enthalten, was sich von
der natürlichen Mutterliebe sagen
läßt. Einen Anfang und gewissermaßen
einen Schattenriß der Mutterliebe hat
der Schöpfer selbst in die Tiere gelegt.
Es ist allen bekannt, mit welcher Sorg-
falt und Zärtlichkeit die Jungen von den
Alten gepflegt und geschützt werden, bis
sie sich selber helfen können. Der gött-
liche Heiland hat es nicht verschmäht,
seine eigene Liebe zu Jerusalem mit
der mütterlichen Sorgfalt einer Henne
zu vergleichen. Jerusalem, Jerusalem,
wie oft wollte ich deine Kinder ver-
sammeln, wie eine Henne ihre Küchlein
unter ihre Flügel sammelt! (Matth.
23, 37.)
Der Mensch ist bei seiner Geburt
hilfloser als die meisten anderen leben-
den Wesen. Keines bedarf in so hohem
Grade und so lange einer sorgsamen
Pflege. Sehr lange Zeit kann das Kind
nicht einmal andeuten, was ihm fehlt,
es muß von einem wachsamen Auge
und von einem liebenden Herzen erra-
ten werden. Darum hat der Schöpfer
das Mutterauge so scharfblickend ge-
macht und das Mutterherz mit solcher
Hingebung erfüllt. Wenn wir nur an
die körperliche Pflege denken, welche das
Kind jahrelang erfordert, an die öfteren
Krankheiten desselben, so müssen wir
die Bedeutung der Mutterliebe in dem
menschlichen Haushalte bewundern. Das
Leben der Mutter ist aber noch nach man-
chen andern Seiten ein Opferleben, und
sie wäre nicht fähig, alle die zahllosen
Mühen und Sorgen bis zum Abschluß
der Erziehung unverdrossen und hin-
gebend auf sich zu nehmen, wenn nicht
Gott sie ihr leicht gemacht hätte durch
[27] Einpflanzung der nie erschlaffenden
Spannkraft hingebender Mutterliebe.
2. Die christliche Mutterliebe
ist die Läuterung und Verklärung der
natürlichen und in doppelter Weise über
diese erhaben. Die natürliche Mutter-
liebe ist auf in der Nähe liegende Ziel-
punkte gerichtet. Sie ist besorgt für das
augenblickliche Wohlbefinden des Kin-
des und denkt wohl auch an seine ir-
dische Zukunft, sein glückliches Fort-
kommen in der Welt. Die Liebe der
christlichen Mutter ist nicht gleichgül-
tig gegen Wohlbefinden und zeitliche
Wohlfahrt des Kindes, aber sie bleibt
dabei nicht stehen. Ihr Auge ist auf ein
höheres, auf das höchste Ziel gerichtet,
für welches das Kind geschaffen ist,
auf die ewige Seligkeit im Himmel.
Ihr Kind zu diesem glückseligen Ziele
zu führen, ist nicht die einzige, aber
die wichtigste ihrer mütterlichen Sorgen.
Sie will dieses Ziel um jeden Preis
erreichen, indem das Wort des Herrn
[28] ihr als Leitstern dient: Was nützt es
den Menschen, wenn er die ganze Welt
gewinnt, an seiner Seele aber Schaden
leidet? (Luk. 9, 25.) Sie ist überzeugt,
daß die Erziehung für den Himmel
auch eine Bedingung der Erziehung für
das irdische Glück ist, weil der Herr
selber die Versicherung gegeben hat:
Suchet zuerst das Reich Gottes und seine
Gerechtigkeit, und dieses alles wird euch
hinzugegeben werden. (Matth. 6, 33.)
Der zweite Unterschied der christ-
lichen Mutterliebe von der natürlichen
liegt in der Gnade von oben, die ihr
zur Verfügung steht. Die christliche
Mutter hat in dem Sakramente der
Ehe eine besondere Standesgnade er-
halten, sie kann in den Gnadenmitteln
ihrer Religion fortwährend neue über-
natürliche Erleuchtung und Stärkung
finden. So erfüllt sie ihre hohe und
schwere Aufgabe nicht bloß durch die
Liebe, welche der Schöpfer in ihr Herz
gelegt hat, sondern kraft jener Welt-
[29] überwindenden Liebe, welche aus dem
Herzen ihres Erlösers stammt.
Verkehrt ist die Mutterliebe,
wenn sie ihr Auge von dem wahren
Ziele der Erziehung abwendet und auf
ein unrichtiges oder wenigstens unterge-
ordnetes Ziel hinsteuert. Wenn sie den
Himmel vergißt, unbekümmert um das
Heil der Seele des Kindes ist, dann
liebt sie im Kinde auch nur das ir-
dische Geschöpf, ihre Liebe wird damit
notwendig zu einer verkehrten Liebe,
welche dem Kinde zum Verderben ge-
reicht. Man nennt diese Liebe mit Recht
eine blinde, weil sie nicht einsieht, wie
sie selber durch Verzärtelung und Welt-
sinn das Werk der Erziehung vereitelt
und das Kind unglücklich macht.
3. Ein Sprichwort sagt: Etwas
lieben muß der Mensch, sonst stirbt er.
Das wird besonders gelten von dem
Herzen, welches geschaffen ist, sich hin-
zugeben. Wenn auch nicht alle berufen
sind. Mütter zu werden, so darf auch
[30] in den Herzen dieser der Raum für die
Mutterliebe nicht leer bleiben. Wie in
der Jungfräulichkeit die Hingebung an
einen Gatten durch eine edlere, höhere
und umfassendere Hingebung ersetzt wird,
so soll hier die Mutterliebe über die
Bande von Fleisch und Blut empor-
gehoben und zur opferwilligen Nächsten-
liebe, zur christlichen Charitas erweitert
werden. Die Braut Christi schöpft aus
dem Herzen ihres Bräutigams einige
Tropfen seines Opfergeistes und mit
diesem geht sie hin, um die Elenden
und Verlassenen als Kinder zu lieben,
und für sie ihre Kräfte und ihr Leben
schnell oder langsam hinzuopfern. Auch
das ist Mutterliebe, aber nicht mehr
die von Fleisch und Blut eingegebene,
ihr Ursprung und ihr Ziel wie ihre
Opfer sind höherer Art.
Das Weib ist ein Herz, sich hinzu-
geben, auch dann, wenn es weder Gat-
tin und Mutter, noch Ordensschwester
ist. Sich hinzugeben, ist der Beruf des
[31] Weibes, der Zug seines Herzens, und
wenn die Gelegenheit dazu fehlt, so ist
sein Herz leer und unbefriedigt. Das
begegnet sehr vielen in den niederen
Schichten der Gesellschaft, aber auch nicht
wenigen, die besser gestellt sind. Es
gibt Frauenspersonen, die zu glücklich
sind, um zufrieden zu sein. Sie sind
nicht genötigt, ihre Kräfte im Kampfe
des Lebens anzuspannen, Putz und Un-
terhaltung sind fast ihre einzigen Sor-
gen, ihre Arbeit wenig mehr als ein
beschäftigter Müßiggang. Dieses zweck-
lose Dasein, so beneidenswert es schei-
nen mag, läßt den tiefsten Zug ihres
Herzens, die Hingabe für eine edle
Sache, unbefriedigt. Sie langweilen sich,
weil bei allen Genüssen, die ihnen zu
Gebote stehen, ihr Herz leer ausgeht.
Und doch liegt die Befriedigung so nahe.
Im Reiche Gottes soll es keine müßi-
gen Existenzen geben. Die Liebeswerke
stehen auf allen Gebieten in überreicher
Auswahl zu Gebote, man greife zu und
[32] lerne für eine gute Sache Opfer brin-
gen und man wird darin bald eine Be-
friedigung finden, die dem Herzen bis-
her gefehlt hat, und glücklicher macht,
als alle eitlen Genüsse der Welt.
Uebler bestellt und zugleich viel zahl-
reicher ist eine andere Klasse. Viele
müssen bei irgend einer Arbeit jahrein
jahraus sich wie Maschinenteile gebrau-
chen lassen. Ihr Herz hat nichts davon
und ist auch sonst verwaist und ver-
lassen. Der Dienst der Hände wird kalt
und karg besoldet, der Dienst des Her-
zens wird von niemanden verlangt, das
Herz, welches geschaffen ist, sich hinzu-
geben, hat niemanden, der die Hingeb-
ung annimmt, die Weinrebe findet keine
Stütze, an der sie hinaufranken könnte.
Mütter, die von Arbeiten und Sorgen
fast erdrückt werden, Ordensschwestern,
die unter der Last ihres Berufes früh-
zeitig erliegen, die können sich hinge-
ben und finden darin Befriedigung für
den Zug ihres Herzens. Diese verlas-
[33] senen Seelen aber leiden unter dem
Bewußtsein: Niemand bedarf meiner,
niemand verlangt meine Hingebung,
ich bin der ganzen Welt gleichgültig.
Nichts kann schmerzlicher und nieder-
drückender sein, als eine solche Verein-
samung des Herzens. In dieser uner-
träglichen Herzensqual wird gar leicht
von zwei Dingen eines geschehen. Ent-
weder biegen die Ranken des liebebe-
dürftigen Herzens zurück auf das eigene
Ich, das Weib wird zur unweiblichen
Egoistin mit dem harten Herzen und
der scharfen Zunge, eine Qual für ihre
Umgebung und noch mehr für sich sel-
ber. Oder diese Ranken, die nicht auf-
wärts klimmen können, kriechen auf den
Boden, umklammern selbst den Kot, –
das Weib geht unter in der Verwor-
fenheit des Lasters. Da liegt der psy-
chologische Grund – es gibt natürlich
auch noch andere – für die Erniedrigung
des weiblichen Geschlechtes in den Groß-
städten.
In der katholischen Kirche braucht
weder das eine noch das andere zu ge-
schehen. Jedes katholische Herz kann
und soll den Frieden haben. Auch die
Verlassensten können im religiösen Le-
ben überflüssigen Ersatz finden für das,
was die äußern Umstände ihnen ver-
sagt haben. Auch der angeborne Zug
der Hingebung, das Verlangen sich nütz-
lich zu machen, braucht nicht müßig zu
gehen. Die Kirche gleicht einem Haus,
in welchem es für jedes Familienglied
eine angemessene Arbeit, für jedes Herz
ein heimisches Plätzchen gibt, an dem
es sich wohl befindet und etwas leisten
kann. Ein gesundes religiöses Leben,
gut geleitete Vereine, die Gelegenheit,
etwas, und sei es noch so wenig, für
eine gute Sache zu thun, können auch die
verlassensten Herzen aufmuntern und
erwärmen, glücklich und stark machen.
Jede Arbeiterin, jede Magd kann auf
diese Weise auch unter schwierigen
Verhältnissen einen festen sittlichen
[35] Halt und den Frieden des Herzens
finden.
Erwägt man, wie das Christentum
das Herz des Weibes in den verschie-
densten Lagen des Lebens veredelt, er-
hebt und beglückt, so möchte man sa-
gen, das Wort Tertullians, die Seele
sei von Natur aus eine Christin, habe
beim Weibe doppelte Geltung. Sein
Herz kann in unserer Religion vollen-
dete Reinheit und Tugend, die volle
Befriedigung seiner Bedürfnisse erlan-
gen. Unsere Religion erweist sich dadurch
als echt menschlich, d. h. den Bedürf-
nissen des Herzens entsprechend, und
zugleich als echt göttlich, d. h. mit ei-
ner über Fleisch und Blut erhabenen
Kraft ausgerüstet.
4. Die Tochter Evas.
1. Der Sündenfall hat über das
menschliche Geschlecht zwei große Uebel
gebracht, welche auch nach vollbrachter
[36] Erlösung auf uns lasten, das irdische
Elend und die böse Begierlichkeit. Das
Weib sollte an dieser traurigen Erb-
schaft noch seinen besonderen Anteil be-
kommen.
In Bezug auf die Leiden hat der
Herr dem Weibe gleich nach dem Falle
eine doppelte Strafe angekündigt, deren
erster Teil also lautet: Du sollst un-
ter der Gewalt des Mannes sein und
er wird über dich herrschen. (I. Mos. 3,
16.) Es ist vielleicht nie ein anderes
Strafurteil rücksichtsloser ausgeführt
worden als dieses Wort des Herrn. Die
Gehilfin des Mannes, als welche das
Weib erschaffen wurde, ist auf lange
Jahrtausende hin seine Sklavin gewor-
den, die rechtlos und schutzlos seiner
Willkür überlassen war. Die völlige
Mißkennung der Würde des Weibes,
die Verachtung, die Erniedrigung, die
Mißhandlung des Weibes bilden einen
hervorstechenden Zug des Heidentums.
Das Christentum hat außerordent-
[37] lich viel für die Erhöhung des Weibes
aus seiner Erniedrigung gethan, aber
es konnte nicht verhindern, daß das
schwere Verhängnis, welches auf dem
Weibe lastet, immer noch nachwirkt.
Wie viele Thränen werden heute noch
von Frauen geweint über gefühllose
Härte, Untreue, Liederlichkeit, Pflicht-
vergessenheit, rohe Mißhandlung von
Seite ihrer Männer! Jeder Fehler des
Mannes ist ein Stachel, der seine Spitze
gegen seine Gefährtin wendet. So lange
nicht alle Männer heilig sind, so lange
wird es auch Gattinnen geben, die zu
leiden haben.
Der andere Teil des Strafurteils über
Eva lautet: In Schmerzen sollst du deine
Kinder gebären. (I. Mos. 3, 16.) In
diesem Hinweis auf die Schmerzen, durch
welche das Weib zur Mutter wird, sind
alle Leiden und Sorgen zusammenge-
faßt, welche überhaupt auf der Mutter
lasten. Die Androhung hat sich gleich
an der ersten Mutter in erschütternder
[38] Weise erfüllt. Eines Tages stieß sie auf
eine Leiche, die in ihrem Blute lag,
die erste Beute de Todes auf dem Men-
schengeschlechts. Es war ihr geliebter
Sohn Abel und der Mörder war ihr
Erstgeborner. Damit beginnt die lange
Geschichte von den Leiden der Mütter,
die so vieles und so Schauerliches zu
erzählen weiß.
Früher wurde gesagt: Das Weib ist
ein Herz, sich hinzugeben. Das ist die
Bestimmung des Weibes nach den liebe-
vollen Absichten des Schöpfers. Im
Hinblick auf die Folgen des Sünden-
falles muß man jetzt sagen: Das Weib
ist ein Herz, um zu leiden. Opfern
und leiden, das ist nunmehr die Auf-
gabe des Weibes, das ist sein Beruf.
Sollte es noch nötig sein, dieses zu be-
weisen? Das Herz der Gattin und Mut-
ter ist der Sammelpunkt aller Leiden
und Sorgen des Familienlebens, kein
Glied der Familie leidet, ohne daß sie
mit ihm leidet, jede Störung und Un-
[39] ordnung im häuslichen Kreise, jeder
Fehler des Gatten oder der Kinder wird
zur Sorge und Unruhe, zum Schmerz,
zur Bekümmernis für ihr Herz. Je
besser ihr Herz, desto schwerer lasten die
Sorgen auf ihm, ja wir können sagen,
je glücklicher die Familie, desto bitterer
der Schmerz. Fenelon hat das auffal-
lende Wort gesprochen: Es gibt keine
grausameren Schmerzen, als jene, welche
die glücklichste Ehe bereitet. Dieses Wort
findet seine Erklärung in dem Gesetze
des Schmerzes. Nach diesem Gesetze
müssen uns alle Dinge hinieden Schmerz
bereiten, die einen, so lange wir sie
haben, die andern, wenn wir sie ver-
lieren.
Wenn die junge Braut den Kranz
auf dem Haupte in festlichem Zuge an
den Altar tritt, so mag sie voller Hoff-
nung einer rosigen Zukunft entgegen-
schallen. Sie kann auch glücklich werden,
aber anders als sie vielleicht träumt.
Denn in Wahrheit ist sie ein bekränz-
[40] tes Schlachtopfer, welches ein Opfer-
leben beginnt. Das Weib ist ein Herz,
um zu leiden. Wenn es das einsieht,
und sich darein zu fügen und darnach
sich zu benehmen lernt, dann kann
es immer noch glücklich werden, aber
nur als Christin im Herzen und im
Leben.
2. Die zweite verhängnisvolle Folge
des Sündenfalles ist die böse Begier-
lichkeit. Vom Weibe hat die Sünde
ihren Anfang genommen, sagt der weise
Sirach (25, 33). Eva ist zuerst der Ver-
führung erlegen und hat dann ihren
Mann verführt. Damit ist auch das
Herz des Weibes, welches der Schöpfer
so edel gebildet hatte, der Unordnung
und Verkehrtheit anheimgefallen. Die
Harfe, welche nach der heiligen Hilde-
gard das Herz sein soll, wurde arg zu-
gerichtet, so daß sie mit ihren teils
zerrissenen, teils falsch gestimmten Sai-
ten oft die schrillsten Mißtöne verneh-
men läßt. Das Frauenherz ist der
[41] Sammelpunkt unberechenbarer Wider-
sprüche geworden.
Stellt man zusammen, was in der hei-
ligen Schrift vom Weibe gesagt wird,
so bekommt man zwei Bilder, die im
schärfsten Gegensatze zu einander stehen.
Auf der einen Seite wird das Weib
mit den folgenden und ähnlichen Lobeser-
hebungen gefeiert: Die Anmut eines
fleißigen Weibes ergötzet ihren Mann
und salbet seine Gebeine. Ihre Zucht
ist eine Gabe Gottes. Ein verständiges
und stilles Weib, eine wohlerzogene
Seele ist mit nichts zu vertauschen.
Gnade über Gnade ist ein fleißiges und
schamhaftes Weib, und alles, was man
schätzet, ist mit einer enthaltsamen Seele
nicht zu vergleichen. Wie die aufgehende
Sonne an Gottes hohem Himmel, so
ist die Schönheit des guten Weibes zur
Zierde ihres Hauses. Wie die glän-
zende Lampe auf dem heiligen Leuchter,
so ist die Schönheit ihres Gesichtes in
den besten Jahren. Wie goldene Säu-
[42] len auf silbernen Gestellen, so stehen
die Füße eines standhaften Weibes auf
ihren Sohlen. Wie der Grund auf
festen Stein gelegt ewig ist, so die Ge-
bote Gottes in dem Herzen eines heili-
gen Weibes. (Sir. 36, 16 ff.)
Diesen von Lob überfließenden Sätzen
stehen andere Aussprüche gegenüber,
welche die unergründliche Bosheit des
Weibes in den grellsten Farben schil-
dern. Ich wage nicht, sie hier anzu-
führen, aus Furcht, sie könnten miß-
braucht werden. Aber beide Schilderun-
gen sind wahr, weil es Weiber von bei-
den Arten gegeben hat und noch gibt,
Frauen von bewunderungswürdiger Tu-
gend und Heiligkeit, und wahre Unge-
heuer von Verworfenheit und Bosheit.
Die einen und die andern haben un-
gefähr die gleichen guten und schlimmen
Anlagen ihres Herzens von Eva er-
erbt. Aber bei den einen hat das Un-
kraut auf dem Acker ihres Herzens un-
gehindert sich entwickelt, die guten Keime
[43] erstickt und schließlich so traurige Früchte
gebracht. Bei den andern ist umgekehrt
das Unkraut ausgerottet und der gute
Same gepflegt worden. Wenn es vor-
hin geheißen hat, das Weib ist ein
Herz, um zu leiden, so kommt hier noch
etwas Neues hinzu: Das Weib ist ein
Herz, um zu entsagen, um sich zu über-
winden. Beides gehört notwendig zu-
sammen, wie es auch Christus verbun-
den hat, als er sagte: Wenn mir je-
mand nachfolgen will, so verleugne er
sich selbst, und nehme sein Kreuz auf
sich, und folge Mir nach. (Matth. 16, 24.)
In den nächsten Kapiteln müssen
noch einige dunkle Falten des weiblichen
Herzens naher beleuchtet werden. Hier
folgt zum Schlusse noch eine tröstliche
Erinnerung. Wie die Sünde vom Weibe
ihren Anfang genommen hat, so sollte
auch das Weib der Welt den Retter
schenken. Eva ist die Mutter des sün-
digen Geschlechtes, Maria die Mutter
seines Erlösers. Von Eva ererbte das
[44] Weib das Los, zu leiden und zu ent-
sagen. In beidem ist Maria sein er-
hebendes Vorbild, im sittlichen Kampfe
als die Schlangentöterin, wie sie schon
im Anbeginn genannt wurde, und im
Leidenskampfe als die Mutter der
Schmerzen, die durch Leiden und Schmerz
in die Herrlichkeit eingegangen ist.
5. Das schöne Geschlecht.
1. O wie schön ist ein keusches Ge-
schlecht im Tugendglanze, unsterblich
ist sein Andenken, und ewig trium-
phiert es mit der Siegeskrone. (Weish.
4, 1. 2.) Die wahre Schönheit kann
nicht bloß sinnlich sein, sie ist erst vor-
handen, wenn die irdische Anmut von
einem Strahle der ewigen Schönheit
durchleuchtet wird. Wenn der Schöpfer
dem Weibe äußere Vorzüge verliehen
hat, deren Entfaltung übrigens gleich
den Blüten des Frühlings bald vor-
übergeht, so sind seine Absichten un-
[45] schwer zu erkennen. Schon Adam hat
sie mit den Worten ausgesprochen:
Der Mensch wird Vater und Mutter
verlassen und seinem Weibe anhangen.
(I. Mos. 2, 24.) Den äußern Mitteln
zu gefallen entspricht im Herzen die
Sucht zu gefallen. Diese ist eine der
schlimmsten Folgen des Sündenfalls,
und ihre verhängnisvollen Irrwege
müssen hier kurz angedeutet werden.
Dem Bräutigam zu gefallen suchen,
ist etwas Selbstverständliches, dem Gat-
ten gegenüber ist es sogar Pflicht, der
übrigen Welt darf das Weib als lie-
benswürdig gelten, aber die Zunei-
gung, welche es sucht und findet, muß
immer durchdrungen und beherrscht sein
von dem Gefühle, welches Achtung heißt.
Wenn das Verlangen zu gefallen, diese
Schranken überschreitet, so führt es die
Seele auf ein klippenreiches Meer, auf
dem viele Schiffbruch leiden und keine
ohne Schaden wegkommt.
Bekanntlich sucht die Gefallsucht
[46] die natürlichen Vorzüge durch allerlei
Mittel zu erhöhen, nötigenfalls zu er-
setzen. Hauptsächlich geschieht das durch
den Kleiderluxus, welcher mit der Ge-
nußsucht bei dem männlichen Geschlechte
einige Aehnlichkeit hat. Dort beugt
man sich unter das Joch der Trink-
sitten, hier unter die nicht weniger
tyrannische Herrschaft der Mode. Die
weibliche Eitelkeit gleicht einem un-
heimlichen Dämon, dem die Seelen,
die er in Besitz nimmt, alles opfern,
Geld und Gut, die Annehmlichkeiten
des Lebens und die Gesundheit, selbst
Anstand und gute Sitte. Wenn die
Mode gewisse Unschicklichkeiten in der
Kleidung verlangt, so lassen sich na-
mentlich in höheren Kreisen oft auch
sonst anständige Frauen bei Bällen
u. s. w. zu diesem Opfer herbei. Wie
oft hört man von Martyrinnen der
Eitelkeit, die selbst vor dem Opfer der
Gesundheit nicht zurückschrecken! Nächst
der Genußsucht ist die Mode die erste
[47] Feindin des Wohlstandes unter dem
Volke. Die Magd will es der Herrin,
die Arbeiterin der reichen Dame gleich-
thun, sie hängen, was sie sauer ver-
dienen und besser verwenden sollten,
an eitle Flitter. Im Mittelstande
ahmt man den Luxus der Reichen nach,
selbst wenn man sich dafür Entbeh-
rungen auflegen muß. Auch den Haus-
halt läßt man durch diese Modesucht
verwirren. Wenn immer möglich,
muß ein vornehmes Besuchzimmer her,
obschon man sonst kaum sich in der
engen Behausung zu helfen weiß. Die
Vornehmen opfern der Mode erstaun-
liche Summen, die viel Elend lindern
und die soziale Stimmung bei vielen
Unzufriedenen verbessern könnten, wäh-
rend sie jetzt nur Böses stiften, die
Trägerinnen dieses Luxus zu eiteln
Puppen machen und nach unten teils
zur Nachäfferei aneifern, teils den Neid
und die soziale Unzufriedenheit schüren.
Die Ansprüche der Mode sind bereits
[48] so maßlos geworden, daß sich viele
Männer dadurch von dem Eintritt in
den Ehestand abschrecken lassen.
2. Die äußern Nachteile dieser unsin-
nigen Modesucht sind groß, aber die
innern sind noch beklagenswerter. Ab-
gesehen davon, daß sie namentlich in
den Städten manche dem moralischen
Schiffbruche entgegenführt, hat sie eine
nachteilige sittliche Wirkung, die ganz
allgemein vorkommt. Wer zu sehr
um das Aeußere besorgt ist, vergißt
darüber das Innere, und so bekommt
das ganze Seelenleben der eiteln Per-
sonen eine grundverkehrte Richtung.
Man sucht nicht bloß mit den Klei-
dern zu gefallen, sondern auch mit
seinen Reden und seinem Benehmen,
seinem ganzen Auftreten. Das Be-
wußtsein der Pflicht und die Stimme
des Gewissens werden weniger beachtet,
oft ganz beiseite gesetzt, dafür läßt
man sich leiten von der Rücksicht auf
die Außenwelt. Die eitle Seele wird
[49] zur Schauspielerin, die bei allem, was
sie sagt und thut, die Wirkung nach
außen im Auge hat. Sie wird un-
aufrichtig und falsch, schmeichelt da
und heuchelt dort, vielleicht ohne daß
sie dessen nur bewußt wird, weil ihre
nach außen verlorene Seele über ihren
innern Zustand ganz im Unklaren ist.
Während die christliche Seele bei allem
nach dem Wohlgefallen Gottes strebt,
berechnet die Eitelkeit ihr ganzes Beneh-
men nach dem Wohlgefallen der Men-
schen. Es kann diese weibliche Eitel-
keit auch die Seele beherrschen, wo die
äußern Mittel, sie zu befriedigen, nur
sehr bescheiden sind.
Der Schaden und die Gefahr eines
solchen Seelenzustandes müssen jedem
Christen von selber einleuchten. Ich
will hier nur die Nachteile für die
Erziehung berühren. Eine eitle Mut-
ter ist gar nicht fähig, ihr Kind christ-
lich zu erziehen, sie kann nur das
Ebenbild Gottes im Kinde in fast un-
[50] heilbarer Weise verunstalten. Der Geist
der Eitelkeit läßt sich weder verbergen
noch einschränken. Wer eitel ist, wird
das auch im täglichen Leben und in
der Erziehung nicht verleugnen kön-
nen. Er macht die Eitelkeit zum Er-
ziehungsgrundsatz. Das Kind wird
zur Reinlichkeit und zu einem anstän-
digen Benehmen angehalten der Leute
wegen, es ist immer nett, oft wohl auch
zu kostspielig gekleidet der Leute wegen,
es muß in der Kirche sich tadellos
verhalten, in der Schule fleißig lernen,
auf dem Wege alle Ungezogenheiten
meiden, damit Geistliche und Lehrer
und jedermann in dem Kinde die
Mutter loben, jugendliche Fehler wie
Lügen, rohe Worte u. dgl. werden
strenge gerügt und gestraft, weil man
solche Dinge an seinen Kindern nicht
in der Rede haben will. An sich
wäre alles recht und gut, wenn nur
der Beweggrund ein anderer, sagen
wir ein christlicher wäre. So aber geht der
[51] Geist der Mutter ganz unvermeidlich auf
das Kind über. Die eitle Rücksicht
auf das Urteil und Gefallen der Men-
schen wird zur verborgenen Triebfeder
in der Seele des Kindes, und so edle
Anlagen in derselben schlummern mö-
gen, das Kind wird zu einem eiteln
Wesen, zur Kokette erzogen. Vor ei-
nigen Jahren berichteten die Blätter
von der Tochter eines vornehmen Hau-
ses, die auf dem Sterbebette lag und
das Nahen des Todes fühlte. In
diesem ernsten Augenblicke wandelte sie
die Lust an, sich mit ihrem ganzen
Leichenschmucke bekleidet noch selber zu
sehen. Sie wurde mit demselben ange-
than auf das Paradebett gelegt und dort
vom Tode ereilt. Statt an Gott und
ihre Seele zu denken, starb sie mit
einem eitlen Blick auf ihr Totenkleid.
Da sehen wir eine ausgereifte Frucht
der Erziehungskunst einer eiteln Mutter.
Eine solche Erziehung wirkt na-
mentlich in der heutigen Zeit viel ver-
[52] hängnisvoller, als man glauben möchte.
Die christliche Erziehung begnügt sich
nicht mit der äußern Zucht, die für
sich allein bloße Dressur ist. Sie leitet
das Kind an, den Beweggrund seines
Verhaltens nicht außerhalb in den
Menschen, sondern im Innern in Glau-
ben und Gewissen, und über sich in
Gott zu suchen. So wird der junge
Christ unabhängig von der Welt und
den Menschen, er trägt die Richtschnur
seines Wandels in sich selbst, in seinem
Gewissen und seiner Gottesfurcht. So
erziehen aber kann die eitle Mutter
nicht, und kein Unterricht und keine
Seelsorge kann den Mangel ersetzen.
Die Kinder erben den Geist der Mut-
ter, sie wachsen auf als kleine Welt-
diener, bei denen der christliche Geist,
der Geist des Glaubens nie recht zum
Durchbruch kommt. Daher die trauri-
gen Erfahrungen, die mit so vielen,
wie man meint, guterzogenen Kindern
guter Familien gemacht werden. Jahre-
[53] lang ist man mit ihnen zufrieden und
setzt auf sie die schönsten Hoffnungen,
bis die Zeit der Probe kommt. Beim
Eintritt in die Welt oder bei der Stan-
deswahl lassen sie die Uebungen und
Vorschriften ihrer Religion, das ganze
Christentum, so leichten Herzens fahren
wie ihr Kinderspielzeug, sobald ihre
Herrin, die Welt, für die man sie er-
zogen hat, auf diese Dinge keinen Wert
mehr zu legen scheint. Der Bau der
Erziehung war auf Sand gebaut. Eine
eitle Erziehung muß notwendig eitle,
d. h. unhaltbare Früchte bringen.
6. Das schöne Geschlecht.
(Fortsetzung.)
1. Betrüglich ist die Anmut und
eitel die Schönheit, ein Weib, das den
Herrn fürchtet, das wird gelobt werden.
(Sprichw. 31, 30.) In dem Wort
Eitelkeit liegen außer dem Begriff ei-
ner sittlichen Schwäche noch der Neben-
[54] gedanke an Thorheit und Vergänglich-
keit. Thöricht ist die Eitelkeit, weil
sie für ihre Zwecke viel zu viel opfert
und sie doch nicht erreicht. Das ist
schon der Fall gegenüber der Welt.
Diese ist viel mehr geneigt, zu benei-
den als zu bewundern, und wer um
ihre Gunst buhlt, wird sich auch ihre
Bosheit gefallen lassen müssen. Präch-
tige Kleider imponieren allfällig der
Welt, wenn hinter ihnen ein großer
Reichtum steckt, sonst sind sie in ihren
Augen nur ein Theaterputz, über den
sie spottet. Lächelnde Mienen und
süße Worte und feine Manieren kom-
men nicht besser an, die Welt ist ge-
wohnt, sie als Falschheit hinzunehmen
und mit gleicher Münze zu bezahlen.
Wohl der größere Teil dieser Diene-
rinnen der Mode bemüht sich, gesehen
zu werden, ohne daß jemand sehen
will, d. h. sie werden samt ihren Flit-
tern nicht einmal beachtet.
Wer in der Welt die ihm gebüh-
[55] rende Geltung finden will, darf
sich nicht mit dem Scheine behelfen,
welchen die Welt gut genug kennt,
weil sie selber lauter Schein ist, son-
dern muß sich auf die Wahrheit stützen,
welche die Welt achten muß, weil sie
ihr fehlt. Wahr sei die Frau in ihrer
Kleidung, sie ziere sich nicht über
ihren Stand und ihr Vermögen hin-
aus, eine standesgemäße, züchtige, eher
bescheidene als kostbare Kleidung ist
eine Empfehlung in den Augen aller
Vernünftigen, und andern wird man
doch kaum gefallen wollen. Wahr
seien die Rede und das Benehmen, sie
sollen auf dem Herzen kommen, wo-
bei freilich nicht fehlen darf, daß das
Herz ein gutes sei. So wird die Frau
mit der Welt am erträglichsten aus-
kommen, und wenn sie auch nicht glänzt,
so wird sie doch geachtet werden. Ein
wenig Weltverachtung ist das beste
Mittel, bei der Welt das nötige An-
sehen zu finden, während die Skla-
[56] vinnen der Welt von ihr innerlich verach-
tet werden. Die Achtung ist dem Schat-
ten vergleichbar, der vor dem flieht,
der nach ihm hascht, aber dem folgt,
der nicht auf ihn achtet.
Thöricht ist die Eitelkeit, weil sie
nicht bekommt, was sie sucht, doppelt
thöricht, weil sie wirkliche Güter für
eine Einbildung opfert, nämlich das
Glück ihres Herzens und ihrer Familie
für einen trügerischen Schein von Glanz
in der Welt. Ein französischer Schrift-
steller schildert folgende Szene: ‘„Sehet
da ein junges schönes Weib, auf sei-
nen Fauteuil hingesunken, den Kopf
in der Hand, wie eine Statue mit
dem Ausdruck des höchsten Schmerzes.
Warum weint sie? Hat der Tod ihr
Kind weggerafft, oder ist von der
Börse eine Unglücksbotschaft gekommen?
Nichts von alledem. Ihr Gatte hat
ihr einen Schmuck verweigert, und ver-
kürzt um ihren Triumph beim näch-
sten Balle, denkt sie eben an eine an-
[57] dere Dame, die glücklicher ist als sie...
Uebrigens wird auch sie diesen Schmck
bekommen. Sie sagt es und schwört da-
rauf... Und in der That, sie bekommt
ihn, aber wer bezahlt ihn?“’*) Dieses
kleine Bild erlebt millionenfache Wie-
derholungen. Wenn die Eitelkeit Ein-
laß gefunden hat, so quält sie die
Magd und Arbeiterin wie die hohe
Dame mit ungeduldigen Begierden,
mit Neid und Eifersucht, mit Aerger
und Schmerz, und die Umgebung muß
es mit entgelten, sobald Hindernisse
entgegenstehen oder die Hoffnungen fehl-
schlagen. Die Eitelkeit ist eine grau-
same Friedenstörerin im Herzen, sie
ist es auch in der Familie.
Die eitle Frau wird dem zur Last,
dem sie zuerst und einzig gefallen sollte.
Die aufgehende Sonne, als welche die
Schönheit des guten Weibes in der
heiligen Schrift gepriesen wird, sollte
[58] doch zuerst Licht und Wärme in der
Nähe, d. h. im Schoße der eigenen
Familie verbreiten. Freilich sind zu
dieser Schönheit geschminkte Wangen
und Haare und rauschende Kleider
nicht genügend, da braucht es ein Herz,
welches versteht, zu leiden und zu lie-
ben, eine Hand, welche im Hause alles
thut, und nimmer ruht, und den häus-
lichen Herd allen Hausgenossen zum
liebsten Aufenthalte macht, eine Zunge,
welche von der Klugheit und Milde
regiert wird und zur rechten Zeit zu
schweigen weiß. Das ist die echte Schön-
heit der Frau. Ihr wahrer Ruhm ist, daß
ihre Kinder sie glücklich preisen und
ihr Mann sie lobt. (Sprichw. 31, 28.)
Findet sie diesen Ruhm in ihrer Nähe,
so wird er ihr, so weit er überhaupt
Wert für sie hat, auch außer diesem
engen Kreise zu teil werden, ohne daß
sie ihn mit Weltdienerei erkaufen muß.
Thöricht ist endlich die Eitelkeit,
weil ihr Gegenstand vergänglich und
[59] hinfällig ist. Kurz ist das Leben, und
die Blütezeit körperlicher Schönheit ist
noch viel kürzer. Sei es auch, daß
jemand ein paar Augenblicke finde,
wonach die Eitelkeit verlangt, so folgt
auf das Blühen rasch das Verwel-
ken, bald wird die Welt ihre Augen
wieder von ihr weg und andern zu-
wenden und ihr zu verstehen geben,
daß ihre Zeit vorüber sei. Aber wenn
die äußern Vorzüge dahinwelken, die
Leidenschaft im Herzen verwelkt nicht,
sie lebt fort als nachteilige sittliche
Verirrung und als Störerin des in-
nern Friedens. Betrüglich ist die An-
mut und eitel die Schönheit, ein Weib,
das den Herrn fürchtet, das wird ge-
lobt werden. (Sprichw. 31, 30.) Wa-
rum sich lange abmühen um einen
Schein, der von heute auf morgen zer-
fließen wird? Es gibt eine Schönheit,
die viel wohlfeiler zu haben ist, und
die man noch behalten kann, wenn
man alt geworden, weil sie ewig ist.
2. Der hl. Apostel Petrus schreibt
von den Weibern: Ihr Schmuck sei nicht
der äußere in Haargeflechten, in Gold-
gehängen oder in gesuchtem Anzuge,
sondern der verborgene Herzensmensch
in der Unvergänglichkeit eines stillen
und sanften Geistes, der vor Gott ho-
hen Wert hat. (I Petr. 3, 3. 4.) Die
wahre Schönheit stammt von innen,
von dem verborgenen Herzensmenschen.
Auch dem Glase kann man den Schliff
und die Farbe von Edelsteinen geben,
nicht aber den innern Glanz. Und
auch der echte Edelstein leuchtet erst in
dem Feuer seiner Farben, wenn ein
Sonnenstrahl auf ihn fällt. So ist
es mit dem verborgenen Herzensmen-
schen, welcher nach dem heiligen Pe-
trus der Schmuck des Weibes sein
muß.
Wenn ungeheuchelte Gottesfurcht
und heilige Andacht das Herz der Jung-
frau zu einem Altare weihen, wenn
Bescheidenheit und Unschuld, Herzens-
[61] friede und Frohsinn aus ihren Blicken
und Mienen leuchten, wenn sie als
unbefangenes Kind vor den Menschen
erscheint, und doch wieder unnahbar
wie ein Engel, so daß in ihrer Nähe
freche Zungen verstummen und freche
Begierden sich scheu verbergen: so ist
das die Schönheit des verborgenen
Herzensmenschen, welche die Körper-
hülle wie einen Schleier durchbricht.
Diese Schönheit muß allen gefallen,
ob sie nun aus gewöhnlichen oder fein-
gebildeten Gesichtszügen herausschaue,
ob ihr das Kleid einer Fürstin, der
Ordensschleier oder der einfache Rock
einer Arbeiterin als Umrahmung diene.
Solche Schönheiten sind in den ersten
Jahrhunderten vor die heidnischen Rich-
terstühle getreten, der verborgene Her-
zensmensch in ihnen hat die Angriffe
des Henkers und Wüstlings zu Schan-
den gemacht und die Doppelpalme des
Martertums und der Jungfräulich-
keit errungen. Die Kirche hat immer
[62] noch das Geheimnis dieser Schönheit
des verborgenen Herzensmenschen und
hoffentlich sind auch jetzt noch viele,
welche dieselbe besitzen, in allen Ge-
fahren dieses Lebens siegreich behaup-
ten und unversehrt mit sich in das
Grab nehmen. Wenn auch ihre Namen
in der Welt nie genannt oder schnell
vergessen werden, so gelten ihnen auf
ewig die jubelnden Worte der heiligen
Schrift und der Kirche: O wie schön
ist ein keusches Geschlecht im Tugend-
glanze, unsterblich ist sein Andenken,
und ewig triumphiert es mit der Sie-
geskrone. (Weish. 4, 42.)
Wie armselig erscheinen neben der
Schönheit dieses verborgenen Herzens-
menschen die eiteln Geschöpfe, welche
mit körperlichen Reizen, die bereits zur
Verwesung verurteilt sind und mit
armseligen Flittern kokettieren, um an-
gebetet zu werden, was meistens doch
nicht geschieht, wenn sie es nicht selber
vor dem Spiegel thun! Das sind
[63] Paradiesäpfel, die unter der lachen-
den Oberfläche Moder verbergen, oder
Lichtschwärmer, die um die Flamme
kreisen, bis ihre Flügel verbrannt sind.
Der verborgene Herzensmensch ver-
liert nichts an seiner Schönheit, wenn auch
mit den Jahren die äußern Reize dahin-
welken. Die Gattin und Mutter, welche
Gott fürchtet und dem Manne zugethan
und ergeben ist, welche Gebet und Arbeit
gleich eifrig pflegt, deren Auge und
Hand überall im Hause Ordnung hal-
ten, die mit dem Schutzengel wetteifert
in der Sorge für die Kinder, die un-
erschütterlich auf Gott vertraut, im
Verdrusse schweigt und ihre Thränen
in der Ecke abwischt, für jedermann
ein freundliches Gesicht und ein freund-
liches Wort hat, bei allen häuslichen
Sorgen auch des Armen nicht vergißt,
ein solches Weib offenbart an sich auch
die Schönheit des verborgenen Herzens-
menschen, wenn auch der Ernst des
Lebens vielleicht ihr die Züge einer
[64]Mater dolorosa aufzudrücken anfängt.
Eine solche Gattin und Mutter ver-
liert den Sinn für eitle Flitter, sie
kleidet und benimmt sich, wie es ihr
von dem verborgenen Herzensmenschen
eingegeben wird, standesgemäß, einfach,
wahr, ohne Sonderbarkeiten, aber auch
ohne Weltdienerei, und wird es da-
mit auch der Welt gegenüber am wei-
testen bringen.
Es gibt selbst eine Schönheit der
Greisin, aber nur durch den verborge-
nen Herzensmenschen. Es kommt da-
rauf an, wer die Furchen in ihr
Gesicht eingegraben hat. Es fragt sich,
ob Unzufriedenheit, Lieblosigkeit, Neid,
Aerger und das ganze übrige Heer
menschlicher Leidenschaften mit ihr alt
und zähe geworden sind, oder ob sie
als Christin in Gottesfurcht und Hin-
gebung und Geduld die Arbeiten und
Sorgen, die Leiden und Kämpfe ihres
Lebenslaufes ausgehalten hat; und ob
wohlwollende Liebe und Sorgfalt, ge-
[65] läuterte Hoffnung und Ergebung auch
jetzt noch aus ihren Zügen herausleuch-
ten. Eine solche Greisin ist schöner
als ihre aufblühende Enkelin mit ih-
rem noch unbeschriebenen Gesichte. Denn
was diese erst in Gefahr und Kampf
erringen muß, die Schönheit des ver-
borgenen Herzensmenschen, das hat die
Greisin erlangt, um es nicht mehr zu
verlieren. Sie ist eine ausgereifte
Frucht für das ewige Leben, welche
auch in den Augen Gottes und der
Himmelsbewohner als Schönheit gilt.
Was der verborgene Herzensmensch
für die Erziehung zu bedeuten hat,
muß jedermann einleuchten. Die Mut-
ter kann dem Kinde nichts geben, was
sie selber nicht hat. Wie der äußere
Mensch, der Körper des Kindes aus
dem Herzblute der Mutter aufgebaut
wird, so muß am frommen Mutter-
herzen die Seele des Kindes aufwachen
zum Bewußtsein des Göttlichen, er-
wärmt werden mit den Gefühlen hei-
[66] liger Andacht und Liebe. Nur der
verborgene Herzensmensch vermag die-
ses höhere Leben im Kinde anzufachen.
Eine Mutter, deren Sinn in den Ei-
telkeiten der Welt verloren ist, eine
Mutter ohne religiöse Innerlichkeit
und Wärme, ist zu dieser geistigen Le-
bensmitteilung gar nicht fähig. Was
sie dem Kinde Religiöses beibringt
oder beibringen läßt, ist nur etwas
Angelerntes, das nicht in die Tiefen
der Seele dringt, um dort Wurzel zu
fassen. Nur was lebendig ist, kann
sich entwickeln und forterhalten. Eine
Religion, die bloß angelernt ist, wird
später mindestens so leicht vergessen,
wie viele andere Schulkenntnisse. O
hätten wir Mütter, die den Schmuck
des verborgenen Herzensmenschen hoch-
halten und anstreben, sie würden im
stande sein, auch in einer verdorbenen
Welt ein neues Geschlecht von Heili-
gen zu erziehen.
7. Das schwache Geschlecht.
[67]1. Der heilige Apostel Petrus er-
innert an die Schwäche der Weiber,
um die Männer zu mahnen, daß sie
vernünftig mit ihnen umgehen und sie
trotz derselben in Ehren halten. Hier
müssen diese Schwächen besprochen wer-
den, um die Frauen selber vor denselben
zu warnen. Es geschieht aber nicht ohne
den tröstlichen Hinweis auf jenes Wort
des heiligen Paulus: Das Schwache
von der Welt hat Gott auserwählt,
um das Starke zu beschämen. (I. Kor.
1, 27.) Schwach ist das Weib von
Natur und durch die Sünde, stark kann
und soll es werden durch die Gnade
und die getreue Mitwirkung. Die Zahl
der weiblichen Schwächen ist nicht ge-
ring, und darum muß hier eine kleine
Auswahl derselben genügen.
Unruhe und Unbeständig-
keit. Bei dem weiblichen Geschlechte
überwiegt das Gemütsleben gegenüber
[68] der Thätigkeit des Verstandes und
Willens. Es lebt mit dem Herzen.
Dieses wird leicht aufgeregt und da-
rum durch Freud und Leid, Sorgen
und Wünsche in fortgesetzter Unruhe
erhalten. Selbst eine heilige Franziska
von Chantal bekannte dem heiligen
Franz von Sales: ‘„Es ist etwas in
mir, das beständig zittert und nie zur
Ruhe kommt.“’ Bei einer wohlgeord-
neten sittlichen Haltung ist diese Un-
ruhe des Herzens nichts Schlimmes,
sondern ist der Bestimmung und Auf-
gabe des Weibes ganz angemessen und
zuträglich. Wie der Leib dadurch lebt,
daß das Herz ruhelos arbeitet und
das Blut in Umlauf setzt, so dient
diese Unruhe in einem christlichen Her-
ren als Triebfeder, welche die Sorge
um das Anvertraute wach erhaltet und
zur Thätigkeit und treuen Pflichter-
füllung anspornt.
Aber dabei bleibt es in vielen
Herzen nicht. Während der Mann
[69] auch bei einer fehlerhaften Beschaffen-
heit des Herzens und Gemütes eine
gewisse Beständigkeit aufweist, wird
vielfach dem Weibe unberechenbare
Launenhaftigkeit nachgeredet. Der Bi-
schof und spätere Kardinal Mermillod
bemerkte einst in einem Vortrage:
‘„Die göttliche Offenbarung und die
Erfahrungen der Welt stimmen in dem
Urteil überein, daß das Herz des Wei-
bes ein Ocean ist, unergründlich und
uferlos zugleich, schon so oft erforscht,
und immer noch unbekannt. Unver-
sehens wechseln auf demselben glühende
Hitze und eisige Kälte, völlige Wind-
stille und die heftigsten Stürme, sanft
gekräuselte Wellen und bergehohe Wo-
gen, ein lachender Himmel und drohende
Gewitternacht.“’ Diese Unberechenbar-
keit hat ihren Grund meistens in der Ei-
genliebe, von welcher das Herz besessen ist.
Der Egoismus spottet aller Berechnung
der Vernunft und allen sittlichen Anforde-
rungen, er bethört die Einbildungskraft
[70] die im Weibe besonders lebhaft ist, mit
rasch wechselnden falschen Vorspiegelun-
gen, er regt in der Tiefe des Herzens bald
diese, bald jene verkehrte Neigung auf,
und wird so zum Wettermacher für
gewisse Weiberherzen, der bei wolken-
losem Himmel urplötzlich ein Unge-
gewitter heraufbeschwören kann. Eine
Wetterregel für diese Stürme hat noch
niemand ausfindig gemacht, weil es
keine gibt. Selbst ein Sokrates hat
nichts Besseres gefunden, als jedesmal
dem Gewitter aus dem Wege zu gehen,
wenn es losbrach.
2. Sentimentalität und Ner-
vosität. Beides sind krankhafte Zu-
stände, die heutzutage eine ganz be-
denkliche Ausdehnung erlangt haben.
Die Ursache liegt hauptsächlich in der
heutigen Lebensweise und Erziehung.
Es ist hinreichend bekannt, woher die
vielen bleichsüchtigen, nervösen und früh-
reifen Wesen kommen, welche der Auf-
gabe des Weibes in keiner Lebensstellung
[71] gewachsen sind. In den untern Ständen
können die Mängel der Erziehung und
Lebensweise wenigstens zum Teil eine
Entschuldigung finden, in den bessern
Ständen wird manches, man möchte oft
meinen, absichtlich, jedenfalls aber aus
eigener Schuld verdorben. Man erzieht
die Tochter zur Zierpuppe, die in allem
verwöhnt und verzärtelt wird, die vie-
les weiß und kann, nur das nicht,
was sie sollte, die tändelt statt zu ar-
beiten, die mit Klimpern und Lesen
die Zeit vertreibt, nur an Putz und
Vergnügen zu denken hat, und bei all
dem die Langweile nicht los wird.
Wenn sie statt zu arbeiten über den
Romanen sitzt und sich in eine erträumte
Welt hineinliest, wenn sie als verzär-
teltes Kind die wirkliche Welt nicht
kennen lernt, keine Ermüdung kennt,
als die nach genossenen Lustbarkeiten;
so ist sie auf dem bestem Wege, ner-
vös, sentimental, träumerisch, unbrauch-
bar für das Leben zu werden.
Solche Leute sind zum Teil wirk-
lich krank, aber noch viel mehr sind
sie es in ihrer Einbildung, sie fühlen
sich unglücklich, ohne zu wissen warum,
die Umgebung sollte ihre Wünsche
schon erfüllt haben, bevor sie ihnen
einfallen, ein Verdruß, eine Kränkung
bringt sie auf der Fassung, einer An-
strengung sind sie nicht fähig, nicht
einmal eines ernsten Entschlusses, das
Leben ist eine Qual für sie, weil man
sie nicht gewöhnt hat, seine Lasten zu
tragen. Sie möchten durch dasselbe
eilen wie ein Schmetterling, der von
Blume zu Blume flattert. Unter den
Härten, die das Leben nun einmal für
alle hat, brechen sie mutlos zusammen.
Ein solch krankhafter Zustand ist
bekanntlich nicht frei von sittlichen Ge-
fahren, aber jedenfalls sind solche Leute
ein Kreuz für sich selber mit ihren
Einbildungen, ihrer innern Aufregung
und Unruhe, und für ihre Umgebung
durch ihr unerträgliches Benehmen.
[73] Es ist klar, daß die Folgen hievon für
das eheliche und Familienleben, für
die Erziehung und die körperliche
und geistige Kraft des nachwachsenden
Geschlechtes nur beklagenswerte sein
können.
Ein solcher Zustand, und das mag
noch als Trost dienen, ist selten von
den Betreffenden selber verschuldet.
Um so mehr sollen sie sich zusammen-
nehmen, um so weit möglich ihre
Schwächen zu heilen, um deren schlimme
Wirkungen zu vermindern, um na-
mentlich ihren Kindern durch eine
vernünftige und christliche Erziehung
ähnliche Leiden zu ersparen.
3. Maßlosigkeit. Die Aus-
schreitungen der Leidenschaften kommen
bei dem weiblichen Geschlechte seltener
vor, wenn aber einmal das sittliche
Gleichgewicht verloren ist, so sind sie
um so maßloser. Weil das Gemüts-
leben gegenüber dem Verstand und
Willen überwiegt, so können Störun-
[74] gen desselben sehr weit führen. Eine
Leidenschaft, heiße sie, wie sie wolle,
sobald man sie ausbrechen läßt und
den sittlichen Zügel aus der Hand ver-
liert, kann wie ein böser Geist die
Seele mit allen ihren Kräften in Be-
sitz nehmen und bis zum Wahnsinn
und zur Unheilbarkeit sich ausbilden.
Niemand ist stolzer und ehrgeiziger,
niemand unersöhnlicher, neidischer, ge-
hässiger, selbst grausamer als das Weib,
wenn eine dieser Leidenschaften in ihm
zur Herrschaft gelangt ist. Niemand
ist unbelehrbarer, unverbesserlicher als
ein lasterhaftes Weib. So ist es z. B.
allgemeine Ansicht, daß es nie von
der Trunksucht geheilt werden könne,
außer man mache ihm den Rückfall
äußerlich unmöglich. Diese Maßlosig-
keit der weiblichen Leidenschaften hat
der weise Sirach im Auge, wenn er
sagt: Die größte Bosheit ist Weiber-
bosheit... Alle Bosheit ist erträglich,
nur nicht Weiberbosheit... Kein
[75] schlimmerer Kopf als der Schlangen-
kopf, kein größerer Zorn als Weiber-
zorn. Besser wohnt man bei Löwen
und Drachen als bei einem boshaften
Weibe... Alle Bosheit ist gering
gegen die Bosheit des Weibes, das
Los der Sünder werde ihr zu teil!
(Sir. 25, 17 ff.) Widerstehe den An-
fängen! Alle haben Grund, dieses
Wort zu beherzigen, am meisten aber
das schwache Geschlecht. Es ist befä-
higet, mit seinem zartbesaiteten Ge-
müte die liebenswürdigen Tugenden
der Engel anzustreben, wenn es aber
den Fall der Engel nachahmt, kann
es in diabolische Bosheit und Verstockt-
heit versinken.
Genug von den Schwachheiten, so
viele ihrer auch sind! Nur noch die
Bemerkung, daß sie heutzutage doppelt
ernst zu nehmen sind, weil das Weib
vielfach aus dem Kreise, den ihm Gott
und die Natur angewiesen haben, her-
ausgerissen und samt seinen Schwächen
[76] oft genug schutzlos mitten in eine ge-
fahrvolle Welt hineingestellt wird. Lei-
der ist nicht bloß die erste Mutter in in
der Versuchung schwach gewesen,
ihre Schwäche läuft vielen ihrer Töch-
ter immer noch nach.
8. Das schwache Geschlecht.
(Fortsetzung.)
1. Wer wird ein starkes Weib fin-
den? So fragt Salomon (Sprichw.
31, 10.) mit einem Blick aus die
Schwachheiten des schwachen Geschlech-
tes und mit halbem Zweifel. Aber
diese Frage dient ihm doch nur als Ein-
leitung zu einer erhebenden Schilde-
rung der starken Frau, in welcher Kraft
und Anmut und alle Tugenden ihres
Geschlechtes in schönster Harmonie ver-
einiget sind. Das Schwache von der
Welt hat Gott auserwählt, um das
Starke zu beschämen, (1 Kor. 1, 27.)
Es erregt gerechtes Staunen, wenn
[77] man erwägt, wie Frauenspersonen zum
höchsten Heroismus befähiget wurden,
nachdem die Gnade von oben das
schwache Gefäß erfüllt hatte. Schon
im alten Bunde rühmte man die See-
lengröße einer Judith und Susanna;
im neuen Bunde zählte man bald hun-
derte, in denen der Starkmut beider
vereiniget war und glänzende Triumphe
feierte über das, was stark ist in der
Welt. Wie Lämmer in der Mitte der
Wölfe waren jene Jungfrauen, die
man vor die Richterstühle und in die
Höhlen des Lasters schleppte. Aber
das Schwache hat das Starke beschämt,
die wehrlosen Opfer haben gesiegt und
die Bewunderung aller Zeiten und die
ewige Herrlichkeit errungen.
Bald staunte die Welt über eine
andere Art von Heroismus. Sie sah,
wie die Töchter der berühmtesten Ge-
schlechter Roms den glänzenden Luxus
und das weichliche Leben verachteten,
die Paläste ihrer Väter verließen, um
[78] in ärmlicher Zelle ein Leben der Ent-
sagung zu führen. Sie haben in allen
folgenden Jahrhunderten und bis heute
unzählige Nachahmerinnen ihres Hel-
denmutes gefunden und unter diesen
eine lange Reihe von solchen, die Kro-
nen zu opfern hatten.
In seiner Art noch bewunderungs-
würdiger ist der Heroismus der Müt-
ter. Man denke an die machabäische
Mutter, von welcher die heilige Schrift
erzählt: ‘„Ueberaus der Bewunderung
und des Andenkens der Guten würdig
ist die Mutter, die ihre sieben Söhne
umkommen sah an einem Tage, und
es starkmütig ertrug um der Hoffnung
willen, die sie auf Gott hatte. Einen
jeden derselben ermunterte sie in der
vaterländischen Sprache kraftvoll und
voll der Weisheit und fügte zu der
weiblichen Gesinnung männlichen Mut.
So rief sie dem Jüngsten, der zuletzt
gemartert wurde, zu: Ich bitte, Kind,
aufzuschauen, und Himmel und Erde
[79] und alles, was in ihnen ist, zu be-
trachten, und zu erkennen, daß Gott
dieses und das menschliche Geschlecht
aus nichts gemacht hat. Darum fürchte
dich nicht vor diesem Henker, sondern
sei würdig deiner Brüder, und nimm,
ihrer Leiden teilhaftig, den Tod an,
damit ich dich in der Erbarmung
(die wir erwarten) mit deinen Brü-
dern wiederfinde.“’ (II. Mach. 7, 20 ff.)
Diese Mutter steht mit ihrem Helden-
mut nicht vereinzelt da. In den Zei-
ten der Märtyrer hat sie viele Nach-
ahmerinnen gefunden, u. a. die hei-
lige Felizitas und die heilige Sym-
phorosa, welche beide eine ebenso große
Schar von Söhnen mit dem gleichen
Starkmute während ihrer Marter auf-
munterten.
Es gibt auch einen Heroismus in
Leiden. Als die heilige Elisabeth von
Thüringen in rauher Winterszeit mit
ihren vier kleinen Kindern aus ihrem
fürstlichen Schlosse vertrieben wurde,
[80] mußte sie in einem Schweinstall über-
nachten. Um Mitternacht hörte sie
das Mettenglöcklein der Franziskaner,
sie machte sich auf und wohnte der
Mette bei und nach derselben ersuchte
sie die Brüder, zum Danke gegen Gott
ein feierliches Te Deum zu singen.
Solche Seelengröße in einer solchen
Lage übersteigt fast die menschliche Fas-
sungskraft. Wo ist der Feldherr, der am
Abend nach einer verlorenen Schlacht
nicht beklommenen Herzens dasitzt? Die-
ses junge Weib hat auf einmal alles
verloren, aber ihr Glaube und ihr
Gottvertrauen verleihen ihr den Hel-
denmut, das Te Deum singen zu lassen.
Ist das nicht bewunderungswürdiger
Heldenmut!
2. Es gibt auch einen weiblichen
Heroismus, der verborgen bleibt, weil
er nicht in auffallenden Thaten, son-
dern in einer langen Kette von un-
scheinbaren Proben sich bewähren muß.
Eine Arbeiterin oder Magd, welche in
[81] den schwierigen und selbst gefahrvollen
Verhältnissen leben muß, in welche die
heutige Zeit tausende von Frauens-
personen hineinstößt, und die den from-
men Sinn und das reine Herz durch
alle Anfechtungen hindurch glücklich be-
wahrt, ist eine starke Frau, wenn die-
ses auch nirgends aufgeschrieben ist,
als im Buche der Vergeltung. Nicht
minder bewunderungswürdig ist die
Starkmut, die man auch heute noch
an mancher Gattin und Mutter beob-
achten kann. Ihr Gatte ist mit Feh-
lern behaftet, welche störend in das
eheliche und hausliche Leben eingreifen.
Um solche Leiden, welche oft ein le-
benslängliches Martyrium bilden, mit
christlichen Gesinnungen zu ertragen,
braucht es auch den Mut und die
Kraft einer Martyrin. Andere haben
zeitlebens mit irdischer Not, selbst mit
Nahrungssorgen zu kämpfen. Es ist
zum Verwundern, wie schwache Geschöpfe
unter der Last jahrelanger Sorgen und
[82] Anstrengungen niemals ermatten, nie-
mals den Mut verlieren. Jeder Tag
bringt neue Verlegenheiten und Schwie-
rigkeiten, aber jeden Tag wehren sie
sie sich aufs neue, bis sie daraus be-
freit sind, ähnlich der Ameise, die in
eine Sandgrube gefallen ist; in den
Tagen der schwersten Heimsuchungen,
in denen der Gatte mutlos wird, be-
wahrt oft die Gattin den Mut und
die Festigkeit und richtet den wieder
auf, der ihre Stütze sein sollte. Und
eine Mutter, die den Geist Christi hat,
mit welchem Eifer, mit welcher Sorg-
falt und Ausdauer ist sie besorgt um
das Heil ihrer Kinder! Jahrelang
Tag für Tag sind ihr Herz, ihr Auge,
ihre Zunge unausgesetzt dieser Sorge
geweiht, und keine Schwierigkeit, kein
Mißerfolg vermag sie zu entmutigen,
selbst wenn ihr nichts mehr übrig bleibt,
als zu beten und zu weinen, wie der
heiligen Monika. Solche Heldinnen
der Tugend und Pflichttreue gibt es,
[83] Gott sei es gedankt, auch heute noch,
und diese müssen helfen, in der Welt
das Christentum fortzuerhalten.
Wie man von einem schwachen Ge-
schlechte redet, so kann man auch von
starken Frauen reden. Von Natur
aus sind alle schwach, die Ungleich-
heit beginnt damit, daß die einen
sich willenlos an ihre natürlichen
Schwachheiten hingeben, die andern die
Mittel finden und benutzen, um das,
was schwach ist in ihnen, stark zu
machen.
3. In den Sprüchen Salomons wird
die starke Frau mit einem Kaufmanns-
schiff verglichen. (Sprichw. 31, 14.)
Dieses Bild veranschaulicht uns in
vortrefflicher Weise, wie die Schwäche
des Weibes geheilt werden muß. Wenn
der stolze Kauffahrer, beladen mit den
Schätzen ferner Länder, glücklich in
den heimischen Hafen einfährt, so ver-
dankt er die günstige Fahrt vor allem
zwei Ursachen, seiner Belastung und
[84] der guten Leitung. Ein leeres Schiff
ohne Ladung darf sich nicht auf die
hohe See wagen, es würde ein Spiel-
ball der Winde und Wellen sein, könnte
nicht die rechte Richtung einhalten und
würde ebensowenig einen Sturm be-
stehen können. Wenn ihm aber die
Belastung einen gehörigen Tiefgang
gibt, so vermag es die Wellen zu durch-
schneiden und auch bei widrigen Win-
den seinen Weg zu verfolgen.
Ganz ähnlich verhält es sich mit
dem Weibe. Dasselbe ist ein Herz,
um zu leiden und zu opfern. Arbeit,
Leiden und Opfer sind für dieses Herz
so notwendig, wie für das Schiff die
Ladung. Die Damen und Fräulein,
die bloß Zierpflanzen zu sein scheinen,
ohne Arbeit und ohne Sorgen, haben ihre
Bestimmung verfehlt. Weil ihnen
nichts fehlt, so fehlt ihnen alles, es
fehlt die Hingebung und das Opfer
für eine edle Sache, und darum ist
das Herz nicht in seinem Elemente,
[85] es ist unbefriedigt und sittlich gefähr-
det. Nichts ist gefährlicher für ein
Frauenherz, als wenn es vom Glück
verwöhnt wird. Der heilige Paulus
sagt von der Witwe, was wohl vom
Weibe überhaupt gilt: Die, welche in
Wollüsten lebt, ist lebendig tot. (I. Tim.
5, 6.) Ohne Sorgen und Opfer gleicht
das Weib einem Schiffe ohne Ladung.
Dieses haltet die Seestürme nicht aus,
und jenes wird von seinen eigenen müßi-
gen Einbildungen und Grillen in Versu-
chung geführt, und wird in den ihm
nahenden Gefahren so schwach sein,
daß der Apostel es zum voraus für
verloren gibt, noch lebend als tot ansieht.
Auch dem Herzen des Weibes
müssen Arbeit und Sorgen und Opfer
einen gewissen Tiefgang geben. Es
soll in der Hingebung, in Dulden und
Entsagen seine Stärke offenbaren. Wenn
das in der rechten Richtung und im
rechten Geiste geschieht, dann haben
wir eine starke Frau vor uns. Die
[86] sittlichen Gefahren gehen für sie auf
ein Minimum zurück, die oben be-
rührten Schwachheiten ihres Geschlech-
tes überwindet sie, indem sie dieselben
vergißt oder großmütig zu ihren übri-
gen Opfern legt, und bei allen Opfern
und Sorgen ist sie zufriedener als
andere im weichlichen Wohlleben, weil
sie der Bestimmung entspricht, für
welche sie geschaffen ist.
Das Schiff bedarf nicht bloß der
Belastung, sondern auch einer guten
Leitung. Dasselbe ist auch mit dem
Herzen des Weibes der Fall. Sein
Steuerruder muß der Glaube, sein
Steuermann Christus sein. Das führt
uns zur Besprechung eines Ehrentitels,
den das weibliche Geschlecht seit dem
Beginn des Christentums beansprucht
hat.
9. Das fromme Geschlecht.
1. Die Gottseligkeit, sagt der hei-
lige Paulus, ist zu allem nützlich, und
[87] hat die Verheißung dieses und des
künftigen Lebens. (I. Tim. 4, 8.) Die
Verheißung des künftigen Lebens, die
Bedingungen und Mittel, derselben teil-
haftig zu werden, sind für alle die
gleichen, und darum kann in Bezug
auf das Ziel und das Wesen der Fröm-
migkeit zwischen beiden Geschlechtern
kein Unterschied gemacht werden. Denn
ihr alle, sagt der gleiche Apostel, seid
Kinder Gottes durch den Glauben, der
in Christo Jesu ist. Da ist weder Mann
noch Weib; denn ihr alle seid eins in
Christo Jesu. (Gal. 3, 28.) Die Pflich-
ten gegen Gott, die Erfordernde des
Seelenheiles, die Notwendigkeit eines
frommen Lebens und die segensreichen
Früchte desselben sind für Mann und
Weib nicht verschieden.
Wenn trotzdem von einem frommen
Geschlechte geredet wird, so muß der
Grund in dem diesseitigen Leben ge-
sucht werden. Er liegt in der Verschie-
denheit einerseits der Anlagen, welche
[88] der Schöpfer in beide Geschlechter ge-
legt hat, und anderseits der Aufgabe,
welche beide im Reiche Gottes auf Er-
den zu erfüllen haben. Das Wesen der
Frömmigkeit ist die Hingebung an Gott,
das Weib ist ein Herz, sich hinzugeben.
Es besteht somit schon eine natürliche
Wahlverwandtschaft zwischen dem Her-
zen des Weibes und der Frömmigkeit.
Es ist fast selbstverständlich, daß es für
religiöse Eindrücke sehr empfänglich ist,
leicht zu religiösen Gefühlen angeregt
wird, und geneigt ist, dieselben öfter
und lebhafter zu betätigen und nach
außen kund zu geben. Eine Frau ohne
religiöse Gesinnungen macht den Ein-
druck des Unweiblichen, man kann sa-
gen des Unnatürlichen.
Dieser natürliche Zug des Frauen-
herzens zu religiösen Gefühlen und
Uebungen ist nicht zufällig da, er hat
eine große Bedeutung für den irdischen
Haushalt des Reiches Gottes. Die einen
sind berufen für das beschauliche Le-
[89] ben als gottgeweihte Jungfrauen, die an-
dern für das thätige Leben, hauptsäch-
lich als Gattinnen und Mütter. Die
erstern arbeiten in Entsagung und Buße
an ihrer Selbstheiligung und ziehen mit
ihren Gebeten und Opfern die Gnade
des Himmels auf die Kirche herab. Die
zweiten sollen in einer werdenden Ge-
neration das heilige Feuer des Glaubens,
der Andacht und Liebe entzünden. Beide
Thätigkeiten sind für das Reich Got-
tes von der höchsten Wichtigkeit, und
es ist darum providentiell, daß das
weibliche Geschlecht für diese religiöse
Thätigkeit schon eine natürliche Bereit-
willigkeit besitzt.
Mit dem Gesagten wird selbstver-
ständlich den Männern die Bestimmung
und die Verpflichtung zur Frömmig-
keit nicht abgesprochen, und ebensowenig
der Mangel derselben entschuldiget. Auch
der Mann muß fromm sein, nur muß
er das nicht gerade in der Art des
Weibes kund geben, sondern so, wie es
[90] seiner Natur und seiner Bestimmung
entspricht. Er kann und soll fromm sein,
wenn auch mit weniger lebhaften Ge-
fühlen, um so mehr mit Ueberzeugung
und heiligem Ernste. Er kann und soll
seine religiösen Gesinnungen zur Gel-
tung bringen auf Gebieten, welche dem
Weibe kaum oder gar nicht zugänglich
sind, man denke nur an die Verteidig-
ung der Wahrheit und des Rechtes in
der Wissenschaft und Politik, an die
Förderung des Reiches Gottes in der
Presse und in den Vereinen.
Mann und Weib werden fromm
sein, wenn sie einen lebendigen Glau-
ben haben. Nun muß leider zugegeben
werden, daß die Männerwelt sich viel-
fach im religiösen Leben lau und gleich-
gültig zeigt. Wenn aber auch die Frauen
durchschnittlich frömmer sind, so ist das
für sie durchaus kein Grund zur Selbst-
überhebung. Die Männer sind den Ge-
fahren in der Welt vielmehr bloßge-
stellt als die Weiber. Die Erfahrung
[91] zeigt, daß diese letzteren in ähnlichen
Gefahren ebenfalls schwach sind, und
wenn es so weit kommt, daß sie wanken, so
sinken sie gar bald noch tiefer als die
Männer. Die frommen Frauen sollen
für ihr Glück demütig Gott danken,
und sich bemühen, nach dem Wunsche
des hl. Paulus, sofern dieses nötig ist,
auch ihren Mann zum Heile zu führen.
(I. Kor. 7, 16.)
2. Blicken wir zurück auf die bi-
blische Vergleichung der starken Frau mit
einem Kaufmannsschiffe. Für das Schiff
ist die Belastung notwendig, aber nicht
genügend, es bedarf einer treibenden
Kraft und einer sicheren Leitung. Das
Herz des Weibes ist geschaffen für Opfer
und Sorgen und findet nur in diesen
Schutz gegen seine eigenen Schwachheiten.
Aber diese Last würde es erdrücken,
wenn es nicht Religion und Glaube
zur starken Frau machen würden. Die
Erinnerung an Gottes Gegenwart er-
füllt das Weib mit heiliger Furcht
[92] Gottes, schärft sein Gewissen und er-
haltet es in seiner Reinheit. Der Glaube
an die Vorsehung tröstet und stärkt es
in den Leiden und Widerwärtigkeiten
des Lebens, der Ausblick auf die Ewig-
keit erhebt es über die vergänglichen
Dinge und bewegt es mit heilsamer
Furcht und beseligender Hoffnung zur
Treue und Allsdauer im Dienste Got-
tes. Die Erkenntnis der eigenen Schwach-
heit und der Glaube drängen es zur
Uebung des Gebetes und zur Benutz-
ung der Gnadenmittel, und wenn das
geschieht, wird Christus auch in diesem
Schiffe mit seiner Macht und Gnade
zugegen sein. Wer ein reines Gewissen
hat, auf die Vorsehung vertraut, auf
den Himmel hofft, und durch die Gnade
und Liebe mit Christus vereinigt ist,
der ist stark im Leiden, stark in der
Versuchung, stark bei allen natürlichen
Schwachheiten.
Wenn das schwer beladene Kauf-
mannsschiff gut geleitet wird, so mögen
[93] die Winde es angreifen, der kundige
Schiffmann wird sie so in die Segel
fangen, daß sie das Schiff nur schneller
vorwärts treiben müssen, die Wellen
mögen sich erheben, sie werden von dem
Schiffe entzweigeschnitten und müssen
es wider ihren Willen zum Ziele tra-
gen, dem es unter seinem erfahrenen
Führer unentwegt zusteuert. Wo ist ein
Steuermann, der mehr Einsicht und
Stärke hätte, als Christus! Wer diesen
im Schiffe hat, der ist gut versorgt
und braucht nichts zu fürchten, was
ihn auch bedrohen mag. Die Gott-
seligkeit hat auch die Verheißung dieses
gegenwärtigen Lebens. Eine Frau mit
Glauben und Gottesfurcht und einer er-
leuchteten Frömmigkeit wird eine starke
und zugleich eine glückliche Frau sein.
Es wird dies schon im Worte angedeu-
tet: Die Gottseligkeit macht sie selig in
Gott. Sie wird den innern Frieden ha-
ben, wie unruhig es auch um sie her-
gehen mag. Je schwerer ihre Aufgabe
[94] ist, desto mehr werden ihre Kraft und
ihr innerer Friede sich bewähren, desto
freudiger wird sie auf die stürmische
Fahrt zurückblicken, wenn ihr Schiff
einst landen wird an den Gestaden des
ewigen Lebens. Die Gottseligkeit ist zu
allem nützlich, und hat die Verheißung
dieses und des künftigen Lebens.
10. Das fromme Geschlecht.
(Fortsetzung.)
1. Durch Gottesfurcht und Fröm-
migkeit sollen die Schwächen des Weibes
überwunden werden. Aber nicht selten
gewinnt die eine oder andere Schwach-
heit die Oberhand zum Nachteil der
Frömmigkeit, die dadurch zu einer man-
gelhaften und selbst falschen werden kann.
Ein Fehler, den schon der heilige Pau-
lus zu rügen für nötig erachtete, hat
bis heute nicht aufgehört, großes Un-
heil zu stiften. Es ist das die Klei-
derhoffart, welche gerade die Kirche,
[95] den Ort des Gebetes, den Schauplatz
der heiligsten Geheimnisse ausersehen
hat, um da zum großen Schaden für die
Seele ihre Befriedigung zu suchen.
Der heilige Paulus fügt seinen Er-
mahnungen über öffentliche Gebete die
Bemerkung bei: Ich will demnach, daß
die Männer an allen Orten beten, und
reine Hände aufheben, ohne Zorn und
Streitsucht. Desgleichen sollen sich auch
die Weiber in anständiger Kleidung
mit Schamhaftigkeit und Sittsamkeit
schmücken, nicht mit geflochtenen Haaren,
oder Gold, oder Perlen, oder kostbarem
Gewande, sondern was sich ziemt für
Weiber, die Gottesfurcht an den Tag
legen, durch gute Werke. (I. Tim. 2, 8. f.)
Der hl. Johannes Chrysostomus redet
die eitle Kirchenbesucherin mit folgen-
den strengen Worten an: ‘„Kommst du
als Putzdocke in die Kirche, um zu
tanzen? Suchst du hier Hochzeits- oder
andere sinnliche Freuden? Bist du ge-
kommen, dich zur Schau auszustellen?
[96] Das ist nicht das Gewand einer Bit-
tenden. Du bist gekommen, Gott um
Verzeihung für deine Sünden anzu-
flehen, wie kannst du dich auf so über-
triebene Weise schmücken?“’
Dieser Punkt ist viel wichtiger, als
manche glauben mögen. Abgesehen von
dem Aergernis, das auf diese Weise
leicht an heiliger Stätte andern gege-
ben wird, hat die Eitelkeit im Gottes-
hause eine ganze Verkehrung des innern
Menschen zur Folge. Statt vor Gottes
Angesicht zu beten, sucht die eitle Seele
die Augen der Menschen auf sich zu
ziehen. Nach außen verloren, bringt sie
es nicht zur innern Sammlung und
Andacht. Vor Gott ist sie mit ihrem
eitlen Sinn ein Gegenstand des Ab-
scheus, ähnlich jenem Pharisäer im Tem-
pel. Wo andere Gnade und Erbauung
und Trost schöpfen, wird sie leer ent-
lassen, und wer an heiliger Stätte nicht
recht beten kann, wird auch anderwärts
dazu nicht fähig sein. Die Gnaden-
[97] schätze des Himmels sind für sie ver-
schlossen, und was sie auch äußerlich
mitmachen mag, ihr Herz bleibt gna-
denleer und sie gehört nicht mehr zum
frommen Geschlechte, sondern zu jenen,
bei denen der Hochmut dem Falle vor-
ausgeht.
2. Andere Steine des Anstoßes für
die weibliche Frömmigkeit gibt es noch
eine ganze Menge. Einer liegt für
manche darin, daß sie das Mittel ver-
wechseln mit dem Zwecke. Sie verrich-
ten eine Menge mündlicher Gebete,
sind sehr fleißig im Kirchenbesuch und
im Empfang der heiligen Sakramente,
treten in alle Bruderschaften, halten
viel auf besondere Andachten, Wall-
fahrten u. s. w. und meinen, das sei
Frömmigkeit. Es kann auch vorkom-
men, daß man sich mit solchen religiö-
sen Uebungen abgibt, wenn man besser
thäte, zu Hause seine Obliegenheiten als
Gattin und Mutter zu erfüllen.
Die genannten Uebungen sind alle
[98] sehr lobenswert und ganz angemessene
Betätigungen der Frömmigkeit. Aber
fürs erste müssen dieselben den Ver-
hältnissen, in welchen man lebt,
angepaßt werden. Schon der hei-
lige Paulus macht einen Unterschied
zwischen Frauen und Jungfrauen. Eine
Jungfrau, schreibt er, ist auf das be-
dacht, was des Herrn ist, damit sie an
Leib und Geist heilig sei. Die Ver-
heiratete aber ist auf das bedacht, was
der Welt ist, wie sie dem Mann ge-
fallen möge. (I. Kor. 7, 34.) Der wahre
Gottesdienst ist die Erfüllung des Wil-
lens Gottes, und in diesem Sinne soll
das ganze Leben mit allen Arbeiten
und Leiden ein Gottesdienst, ein im-
merwährendes Gebet sein. Das eigent-
liche Gebet bildet nur einen Teil, frei-
lich einen bedeutungsvollen, dieses un-
unterbrochenen Dienstes Gottes. Wann
Gott will, daß man arbeite, soll man
arbeiten, und wo Er das Gebet ver-
langt, soll man beten. Wem es um
[99] die Erfüllung dieses göttlichen Willens
zu thun ist, wird denselben leicht er-
kennen. Dieser Wille verlangt nicht
das Gleiche von der Ordensperson, die
sich dem Herrn geweiht hat, und von
der Hausmutter, deren Streben zwar
das gleiche Ziel hat, aber in der Be-
thätigung zwischen Himmel und Erde
geteilt sein muß. Manche wird sich
in den äußern religiösen Verrichtungen
auf das unbedingt Notwendige beschrän-
ken müssen. In Bezug auf freiwillige
Uebungen müssen alle dieselben ihren
übrigen Verpflichtungen anpassen, oder
was dasselbe sagen will, nach dem Wil-
len Gottes einrichten. Thun sie mit
gutem Willen, was ihren Verhältnissen
angemessen ist, dann wird Gott mit
ihnen zufrieden sein und ihnen seine
Gnade nicht vorenthalten, sollten sie
auch mehr der Martha als der Maria
folgen müssen.
Fürs zweite ist zu bemerken, daß
es nicht bloß darauf ankommt, ob man
[100] viel oder wenig betet, sondern ob man
mit den rechten Gesinnungen betet.
Der Herr hat im alten und neuen
Bunde das bloße Lippengebet auf das
schärfste verurteilt, dagegen dem Gebete,
das mit Glauben und Demut, Ver-
trauen und Andacht verrichtet wird,
die tröstlichsten Verheißungen gegeben.
Manche verfallen in den scheinbar
entgegengesetzten Fehler, indem sie fühl-
baren Trost suchen und in religiösen
Gefühlen gewissermaßen schwelgen wol-
len. Auch das heißt den Zweck verges-
sen und das Mittel mißbrauchen. Der
Zweck der religiösen Uebungen ist die
Verehrung Gottes und die Erlangung
von Gnaden. Ob man fühlbar erquickt
werde oder nicht, ist reine Nebensache.
Des Genusses wegen soll man sich nicht
zum Gebete wenden, wie man es we-
gen Unlust und Trockenheit nicht un-
terlassen darf. Die Wirkungen des Ge-
betes im letzteren Falle werden meistens
sogar heilsamer sein.
3. Der Zweck der religiösen Ueb-
ungen ist nach der einen Seite die Ver-
herrlichung Gottes, nach der andern
die Erlangung von Gnaden. Und
welches ist der Zweck der Gnaden?
Kein anderer, als uns besser und hei-
liger zu machen. Die Frömmigkeit
muß notwendig verbunden sein mit dem
ernstlichen Bestreben, sich selber zu hei-
ligen. Darum verlangt der hl. Pau-
lus, daß die Weiber sich schmücken mit
Schamhaftigkeit und Sittsamkeit und
durch gute Werke. (I. Tim. 2, 9.) In
gleichem Sinne sagt der hl. Petrus:
Ihr Schmuck sei der verborgene Her-
zensmensch in der Unvergänglichkeit ei-
nes stillen und sanften Geistes, der vor
Gott hohen Wert hat. (I. Petr. 3. 4.)
Religiosität und Tugendhaftigkeit ge-
hören zusammen, und wenn die letztere
fehlt, so wird die angebliche Frömmig-
keit zum Aergernis. Es gibt Frauens-
personen, welche auf fromme Uebungen
viel halten, aber trotzdem ohne Demut
[102] sind, überall ihrer Zunge freien Lauf
lassen, der Verleumdungssucht und Lieb-
losigkeit ergeben sind, und durch ihr
unerträgliches Wesen das Kreuz ihres
Mannes und ihrer Hausgenossen wer-
den. Solche Personen bringen die
Frömmigkeit in Verruf und fügen dem
Reiche Gottes großen Schaden zu. Män-
gel und Schwächen haben freilich alle,
und die Gnadenmittel sind gerade für
die Schwachen notwendig, auch beachtet
man an den Frommen die Fehler viel
mehr als an andern, aber alles das
beweist nur, was sich auch sonst von
selber versteht, daß die Frommen bestrebt
sein müssen, die Demütigsten, die Ge-
duldigsten und die Liebevollsten zu sein.
Das ist einer der wenigen Punkte, in
welchen Gott und die Welt miteinan-
der übereinstimmen.
4. Die oben genannten Fehler sind
sehr nachteilig, wo immer sie vorkom-
men mögen. Aber es gibt zwei andere
Uebel, die in der heutigen Zeit noch
[103] viel mehr schaden, weil sie verbreiteter
sind, die Nachlässigkeit und die Lauheit.
Es gibt Frauen, denen religiöse Ge-
sinnungen nicht fehlen, die aber mit
Arbeit überhäuft sind. Da kommt es
leicht dazu, daß sie bei dem häuslichen
Gebete zwei Herren dienen, d. h. unter
dem Beten noch arbeiten wollen. Ihr
Gebet wird so zerstreut, oberfläch-
lich, gedankenlos, innerlich wertlos und
äußerlich ein Aergernis für Kinder
und Hausgenossen. Sie sind oft ver-
hindert, die Kirche zu besuchen, das
Wort Gottes anzuhören, verschieben allzu
lange den Empfang der heiligen Sa-
kramente, und bald zeigen sich die nach-
teiligen Folgen. Sie verlieren den Geist
des Glaubens, die Stärkung durch die
Gnade bleibt aus, sie werden bald auch
ohne Not ihre religiösen Pflichten ver-
säumen, in den Sorgen, Leiden und
Versuchungen des Lebens fehlen Licht
und Kraft und Trost von oben, die
Gott für alle bereit hat, die Ihn im
[104] Glauben darum bitten. Das Schiff ist
ohne Steuermann und ohne Kompaß
dem Winde und den Wellen überlassen.
Statt daß der Glaube und das Leben
aus dem Glauben über die Hindernisse
des Seelenfriedens und des Seelenheiles
triumphieren, werden sie von denselben
erstickt oder wenigstens unfruchtbar ge-
macht.
Noch schlimmer steht es, wenn das
Uebel von Innen heraus kommt. Es
gibt Frauen, welche durch die Erzieh-
ung oder durch die Einflüsse der Welt,
wohl auch durch ihre Lektüre lau ge-
worden sind. Niemand ist übler daran,
als eine laue Frau. Es gibt mit-
unter Menschen, die krank sind, ohne
daß sie wissen, was ihnen eigentlich
fehlt. Sie klagen über Schwäche Un-
lust zum Essen und Arbeiten, sonst fehlt
ihnen, wie sie meinen, nichts. Aehnlich
ist es mit diesen lauen Christinnen. Sie
sind nicht ungläubig, keine großen Sün-
derinnen, aber der Glaube ist ermattet,
[105] das Herz kalt, das Gewissen halb ein-
geschlummert, der Wille ohne Kraft.
Sie sind ohne Andacht beim Gebete,
ohne Ernst bei der Reue, ohne Selbst-
verleugnung im Leben; die religiösen
Uebungen sind ihnen eine Last, die sie
mit Unlust tragen und oft genug so-
gar abschütteln. Sie wollen es weder
mit Christus noch mit der Welt ganz
verderben, bis eine ernste Probe ihre
Schwache und Untreue gegen Christus
offenbart. Wie bedenklich ein solcher
Zustand ist, ergibt sich aus dem Worte
des Herrn: Ich kenne deine Werke, daß
du weder kalt noch warm bist; o, daß
du kalt wärest oder warm! Weil du
aber lau bist, und weder kalt noch warm,
so werde Ich anfangen, dich auszuspeien
aus meinem Munde. (Offenb. 3, 15.)
Solche laue Christinnen gibt es in
der heutigen Welt in allzugroßer Zahl.
Die Folgen für ihre eigene Seele, für
das christliche Familienleben und die
Erziehung sind überaus beklagenswerte.
[106] Solche Weiber vermögen weder das
Glück noch das Unglück zu ertragen.
Im Glücke werden sie eitle Weltkinder
und sind in den Versuchungen des Le-
bens nicht stärker, als ihre Mutter Eva
es im Paradiese war, im Unglück bre-
chen sie zusammen unter der Last der
Leiden, in beiden sind sie der Spiel-
ball ihrer eigenen Schwachheiten. Die
Gottseligkeit ist zu allem nützlich, sie
hat die Verheißung dieses und des
künftigen Lebens. (1. Tim. 4, 8.) Es
kann keine starke Frau und noch weniger
eine glückliche Frau geben, die nicht
eine fromme Frau ist.
11. Das Weib und die Welt.
1. Was die Welt ist. Der hl.
Augustin sagt, man müsse die von den
Menschen verdorbene Welt nicht ver-
wechseln mit der von Gott geschaffenen.
Die Welt im letzteren Sinne ist ein
Werk der göttlichen Allmacht und ver-
[107] kündet die Größe und Herrlichkeit ihres
Schöpfers. Hier ist von der Welt im
schlimmen Sinne die Rede, sie besteht
aus Menschen, und zwar aus solchen,
in welchen die Folgen des Sündenfalles
ungehindert fortwirken, die den An-
schauungen und Bestrebungen des Flei-
sches folgen und in ihrer Gesamtheit
als Gegenreich zum Reiche Christi er-
scheinen. Von dieser Welt sagt der hl.
Johannes, daß sie im Argen liege, daß
alles in ihr Fleischeslust, Augenlust und
Hoffart des Lebens sei. Christus selber
sagt von ihr, daß sie Ihn und die
Seinigen hasse, und daß der Satan
ihr Beherrscher sei.
In der heiligen Schrift wird auf
der einen Seite gesagt, Gott habe die
Welt so geliebt, daß Er seinen einge-
bornen Sohn für sie dahingegeben habe,
Christus wird das Lamm Gottes genannt,
welches die Sünden der Welt hinweg-
nimmt, Er heißt der Heiland der Welt,
welcher nicht gekommen ist, die Welt
[108] zu richten, sondern sie selig zu machen.
Auf der andern Seite warnen uns die
Apostel eindringlich vor der Welt, wir
sollen ihre verderblichen Lüste fliehen,
wir dürfen sie nicht lieben, uns ihr
nicht gleichförmig machen, sollen im
Gegenteil dieselbe überwinden.
Wie passen diese zwei Arten von
Ausdrücken zusammen? Christus liebt
die Welt, d. h. die unsterblichen See-
len in der Welt, für die Er sein Blut
vergossen hat, und die Er retten will.
In diesem Sinne dürfen und sollen
auch wir die Welt lieben, für sie beten,
und zu ihrer Rettung thun, was wir
können. Wenn uns aber die Apostel vor
der gleichen Welt warnen, so hat das
seine guten Gründe. Die Welt ist eine
gefährliche Verführerin und wir sind
schwach und kurzsichtig, darum müssen
wir uns vor ihren Fallstricken sorgfäl-
tig in acht nehmen.
Es ist nicht leicht, die Welt gehörig
zu kennen und richtig zu beurteilen.
[109] Sagt man, sie sei ungläubig, so ist das
zu einem großen Teil wahr, aber gleich-
wohl dienen sehr viele der Welt, die
Glauben haben, vielleicht den Unglau-
ben sogar bekämpfen. Nennt man die
Welt einen Pfuhl von Lasterhaftigkeit
und Ungerechtigkeit, so ist das vielfach
zutreffend, aber wir könnten von Glück
reden, wenn die Welt nicht weiter reichte,
als die offenkundige Sittenlosigkeit. Wer
gehört zur Welt? Auch viele von de-
nen, welche über die Welt klagen, viele,
welche meinen, gute Christen zu sein.
Die Weltkinder und die Diener Christi
sind nicht so ausgeschieden, wie zwei
Heere in der Schlacht es sind. Beide
können in allen Ständen und Lebens-
verhältnissen untereinander gemischt sein.
Um die nötige Klarheit zu bekommen,
muß man das Leben der Welt, den
Geist der Welt, die Macht der Welt
etwas näher betrachten.
Der Geist der Welt macht sich da-
durch bemerkbar, daß ihm der Geist des
[110] Evangeliums, der Geist der Demut,
der Selbstverleugnung, der opferwilligen
Ergebung zuwider ist. Das Evange-
lium der Welt heißt: erwerben, genießen,
glänzen, wie ihr schon der Apostel Jo-
hannes nachgeredet hat. Jedes Wort
des Herrn ist für sie ein Vorwurf und
ein Hindernis. Darum wurde der Geist
der Welt wie von selbst zu einem Geg-
ner Christi und seiner Lehre. Die Fin-
sternis hasset das Licht. Daher die feind-
liche Stellung des Weltgeistes zu allem,
was Kirche und Christentum, Religion
und Offenbarung heißt. Dieser Welt-
geist kommt nun nicht bei allen Welt-
kindern zur vollen Entwicklung. Na-
mentlich bei vielen Weibern kommt es
nicht weiter, als daß sie von dem Geiste
der Lauheit, der Gefallsucht, der Ver-
gnügungssucht, der Menschenrücksichten
besessen werden. Dagegen Leute, welche
dem Windzuge des Zeitgeistes mehr
ausgesetzt sind, kommen schnell weiter.
Ihr Glaube erkaltet und stirbt ab. Sie
[111] werden schrittweise nachlässige Christen,
Zweifler, Ungläubige, oft grimmige
Hasser des Christentums. Ihr Wandel
ist abhängig von den Versuchungen und
der Umgebung. So zeigt sich der gleiche
Geist der Welt sehr verschieden in seinen
unscheinbaren Anfängen und in seiner
letzten Durchbildung.
Das Leben der Welt ist die An-
wendung des Weltgeistes auf den Wan-
del, wie der Wandel des Christen die
Anwendung des Evangeliums auf das
Leben sein soll. Hier sind besonders zu
beachten die Versuchungen und Ge-
fahren, welche die Welt dem Christen
bereitet. Man denke an die bösen Bei-
spiele in der Welt, an die bösen Ge-
legenheiten, an die Macht der Ver-
führung. Die Welt gleicht einem Netze
von Fallstricken, in welchem fortwährend
unzählige unvorsichtige Seelen gefan-
gen werden. Die christliche Mutter
wird, soweit es sich um ihre Kinder
handelt, später neuerdings an diesen
[112] Gegenstand erinnert werden, und was
ihre Person betrifft, so scheint mir der
Geist der Welt für sie viel gefährlicher
zu sein als das Leben der Welt.
Noch eine kurze Bemerkung über die
Macht der Welt. Nach Christus herrscht
im Reiche des Satans eine gewisse Ord-
nung und Einheit, zugleich bezeichnet
Christus ihn als Fürsten dieser Welt.
Es hat nun den Anschein, als ob er
die Vereinigung der Kräfte auch in dem
sichtbaren Teile seines Reiches zu hand-
haben wisse. Kaum gibt es eine Ein-
richtung in der Welt, Schule, Presse,
Staatsgewalt, Gewerbe und Verkehr,
welche der Weltgeist nicht seinen In-
teressen dienstbar zu machen sucht, und
allzuoft dienstbar macht. Es ist z B.
ein Schauspiel von gewaltiger, aber
schauerlicher Größe, wie fortwährend
Millionen und Millionen Schriften ab-
surdester Art unter das Volk geworfen
werden, um den Glauben und die gu-
ten Sitten zu untergraben, wie fort-
[113] während Tausende und Tausende von
Seelen in die Netze der Verführung
gelockt und gefangen werden, mit welchem
ungeheuren Aufwand von Mitteln dem
Volke die Genußsucht eingeimpft und
die leibliche Wohlfahrt untergraben wird
Ueberschaut man diese Uebermacht, mit
der die Welt den Geist des Evangeliums
und das Leben nach demselben bekämpft,
so möchte man sich fast wundern, daß es
noch Stätten gibt, wo Glauben und
Tugend zu gedeihen vermögen. Glück-
lich alle, denen die Welt mit ihrem
Geiste und ihrer Macht noch nicht nahe
gerückt ist, aber ihre Zahl dürfte im-
mer geringer werden.
2. Die Verführerin und ihre
Opfer. Darüber mögen zwei Worte
genügen, ein Wort des Mitleidens und
eine Warnung. Die Welt naht sich dem
weiblichen Geschlechte bald als Wolf
und bald als Schlange. Letzteres setze
ich voraus bei den Leserinnen, und da-
rum gilt ihnen die Warnung, während
[114] das Mitleid über ihren Kreis hinaus-
geht. Es ist bekannt, wie es heuzutage
Verhältnisse gibt, in denen junge Per-
sonen bald der Macht der Versuchung
erliegen, bald von teuflischer Bosheit
mit List oder Gewalt eigentlich geraubt
werden, wie Schafe von den Wölfen
geraubt werden. Tausende von Seelen,
die vielleicht die edelsten Anlagen be-
sitzen, die unter andern Umständen
ihrem Geschlechte zur Ehre und zum
aufmunternden Vorbilde geworden wä-
ren, werden in den Sumpf des Lasters
hineingezogen und gehen unter in
Schande und Elend. Die Dinge liegen
so, daß auch Fernstehende es nicht bei
einem wohlfeilen Mitleiden bewenden
lassen dürfen. Ueberall gibt es Seelen,
welche aus Leichtsinn und Unerfahren-
heit dem Wolfe selber in den Rachen
laufen, wenn nicht andere sie belehren,
warnen und in Schutz nehmen. Es ist ein
sehr verdienstliches Werk, bei dem Wir-
ken für Mädchenschutz sich zu beteiligen.
Wäre der Versucher als Wolf in
das Paradies gekommen, so hätte er
wahrscheinlich nicht viel angerichtet.
Als Schlange ist er leider allzu glück-
lich gewesen. Aus demselben Grunde
naht die Welt den Leserinnen als
Schlange. Sie legt es nicht darauf an,
sie in den Abgrund des Lasters hinab-
zuziehen. Sie ist zufrieden, wenn es
ihr gelingt, im Herzen des Weibes ei-
nen kleinen Winkel zu erobern, welcher
Welt heißt. Damit hat sie schon sehr
viel gewonnen. Denn in diesem Winkel
setzt sich der Geist der Welt fest und
wird bald das ganze Weib regieren.
Es wird der Welt zu gefallen suchen,
es wird den Umgang der Welt lieben
und suchen, es wird sich der Welt gleich-
förmig machen, es wird also in allem
das Gegenteil von dem thun, was die
Apostel uns einschärfen. Wenn das
Herz einmal von Gefallsucht und Men-
schenrücksichten regiert wird, so wird
auch jenes Wort des Heilandes sich er-
[116] wahren, daß niemand zwei Herren dienen
kann. In welchem Maße das Weib
eine Dienerin der Welt wird, in dem-
selben Maße wird es aufhören, eine
Dienerin Gottes zu sein, wenn auch
äußerlich nicht viel geändert wird. Wenn
eine Mutter den Geist der Welt in sich
aufgenommen hat, so wird sie, mag sie
es nun wollen oder nicht, denselben un-
fehlbar auch ihren Kindern einpflanzen,
und in diesen wird er ohne Zweifel sich
um einige Grade weiter entwickeln. So-
mit hat die Welt eine wichtige Er-
oberung gemacht, wenn es ihr gelingt,
von dem Herzen einer Mutter Besitz
zu nehmen.
Bei Frauen beschränkt sich das, was
für sie die Welt ausmacht, auf einen
ziemlich engen Kreis, die Verwandten,
Freundinnen, Nachbarinnen, die nächste
Umgebung. Der Verkehr besteht in dem
täglichen Umgang, in der Teilnahme
an Vergnügen und Unterhaltungen, in
der Rücksichtnahme auf die sog. öffent-
[117] liche Meinung. Vielleicht kann die
Lektüre sich auch als Beeinflussung durch
die Welt herausstellen. Wenn in dem
Kreise, in dem die Frau sich bewegt,
durchweg ein guter Geist herrscht, so
fällt er nicht unter die Bezeichnung Welt
und man braucht da vor nichts zu war-
nen. Aber solche Kreise sind selten,
vielleicht gar nicht zu finden. Mögen
auch Glauben und Tugend unange-
tastet bleiben, dem Nächsten, und meistens
auch der Wahrhaftigkeit wird dieses
Glück nicht leicht vergönnt sein. Eitel-
keit und Lieblosigkeit spielen ihre Rolle,
man urteilt anders über eine Person
in ihrer Gegenwart, und anders, wenn
sie abwesend ist. So werden Herz und
Charakter verdorben, man wird unver-
merkt eingebildet, lieblos und unauf-
richtig wie die Welt, in der man sich
bewegt. In der Regel wird aber der
Schaden weiter greifen.
Das Weib steht in diesem Kreise,
welcher für sie die Welt ausmacht, mit
[118] den gleichen Schwächen, die der Eva
bei dem Baume der Erkenntnis Unheil
brachten. Die Neugierde, das Verlan-
gen. Neues zu vernehmen und mitzu-
teilen, macht ihm den Verkehr mit
der Welt zu einem süßen Bedürfnis.
Die Eitelkeit, der Wunsch zu gefallen
und Gunst zu finden, die Furcht vor
dem Gegenteil, üben Einfluß auf das
Benehmen und Reden. Das Herz,
welches geschaffen ist, sich hinzugeben,
ist bald geneigt, es auch in diesem Kreise
zu thun, zu schweigen, nachzugeben, aus-
zugleichen, selbst da, wo es sich um
Grundsätze handelt, die Religion und
Gewissen berühren. Der hl. Augustin
macht darauf aufmerksam, daß es viel
leichter sei, unter ausgesprochenen Geg-
nern seiner Ueberzeugung treu zu blei-
ben, als unter Andersgesinnten, die uns
im übrigen gewogen sind. Er findet,
daß letztere den Frommen Schaden brin-
gen, auch wenn sie es gar nicht beab-
sichtigen, und fügt bei: ‘„Es ist eine
[119] große Gnade, täglich mit solchen Leu-
ten umzugehen und nicht von dem Wege
der Gebote Gottes abzuweichen. Denn
oft wird die Seele, die zu Gott gelan-
gen will, gehemmt und auf dem Wege
straucheln, gar bald wird ein guter
Vorsatz nicht gehalten, um bei der Um-
gebung nicht anzustoßen“’. (Aug. über
Ps. 6.) Dieses Wort ist schon 1500
Jahre alt, aber heute noch so zutref-
fend, als ob der Heilige die jetzige Welt
vor Augen gehabt hätte. Das mensch-
liche Herz und die Welt bleiben sich
eben immer gleich.
3. Das ist die Welt, in der wir
uns bewegen, deren Geist uns wie die
Luft umgibt, die ihre Fangarme bis
in unser Herz hineinstreckt, welches sel-
ber ein Stück Welt ist. Wie vermögen
wir den Einflüssen dieser Welt zu wi-
derstehen? Zuerst muß die Welt aus
dem eigenen Herzen vertrieben werden.
Ist ein Herz von Gottesfurcht und De-
mut erfüllt, so wird die Welt umsonst
[120] ihre Angel darnach auswerfen. So-
dann muß man den Verkehr mit der
Welt auf das Notwendige beschränken.
Man behandle sie wie eine falsche Nach-
barin. Man sucht mit dieser keinen
Streit, erweist ihr die schuldige Auf-
merksamkeit, nimmt ihre Komplimente
als das, was sie sind, und befleißt sich
im übrigen einer klugen Zurückhaltung.
Wer die Welt näher beobachtet, wird
sie weder lieben, noch fürchten, sondern
verachten. Niemand ist falscher und
undankbarer als die Welt. Wer auf
dem Piedestal des Glückes steht, wird
von ihr in das Gesicht angebetet, im
Herzen beneidet und hinter dem Rücken
gelästert, und bei einem Wechsel des
Glückes sofort verlassen. Um eine ge-
fallene Größe, um eine verblühte Schön-
heit kümmert sich die Welt so wenig
als um den Pfahl, an dem ein glän-
zendes Feuerwerk losgebrannt worden
war. Niemand ist thörichter als die Welt.
Was sie hochschätzt, ist eitel und ver-
[121] gänglich, die meisten bekommen es gar
nicht, niemand wird dadurch glücklich
und zufrieden, und jedenfalls dauert
das Glück nur einen Augenblick. Wer
soll einer solchen Welt zulieb höhere
und ewige Güter auf das Spiel setzen?
Drittens muß man der Welt gegenüber
entschieden auftreten. Man scheue sich
nicht, wo es nötig ist, im Reden und
Handeln seinem Glauben Zeugnis zu
geben. Nichts ist niederträchtiger und
verächtlicher vor Gott und der Welt
als ein Christ, der sich seines Glaubens
schämt. Wer aber aus seinen religiösen
und sittlichen Grundsätzen kein Hehl
macht und den Mut hat, sie im Leben
zu zeigen der hat bald eine klare Stel-
lung, ist allen weiteren Gefahren und
Anfechtungen überhoben und erwirbt
auch jene Hochachtung, welche selbst die
Welt dem Mute der Ueberzeugung nicht
versagen kann. Warum kommen die
Welt und die Ordensschwester so glimpf-
lich an einander vorbei, und warum
[122] ist der letztern die Welt weniger ge-
fährlich, als andern Frauenspersonen?
Schon ihr Kleid ist eine Art Glaubens-
bekenntnis, und man weiß beiderseits,
wie man zu einander steht.
Aber all das würde noch nicht ge-
nügen, wenn nicht Einer uns zurufen
würde: Vertrauet, ich habe die Welt
überwunden. (Joh. 16, 33) Christus
hat die Welt überwunden und mit sei-
ner Kraft können auch wir sie besiegen.
Wie aber bekommen wir seine Kraft?
Dadurch, daß wir mit Ihm vereinigt
sind. Christus selber sagt: Ich bin der
Weinstock, ihr seid die Reben: wer in
Mir bleibt, der bringt viele Frucht;
denn ohne Mich könnt ihr nichts thun.
(Joh. 16, 5.) Von Natur aus sind wir
Sprößlinge aus einer durch die Sünde
verdorbenen Wurzel; jener Wurzel, aus
welcher auch die böse Welt hervorge-
gangen ist. Wenn wir der reinen, hei-
ligen, göttlichen Wurzel, welche Christus
ist, aufgepfropft werden, so wird seine
[123] göttliche Kraft und Gnade in uns wirk-
sam sein. Von unserer Seite beruht diese
Vereinigung mit Christus auf den drei
göttlichen Tugenden, Glauben, Hoff-
nung und Liebe. Durch diese werden
wir aus Weltkindern zu Kindern Got-
tes, welche ein übernatürliches Leben
führen. Die folgenden Belehrungen
über diese drei Tugenden sind das wich-
tigste in diesem ganzen Büchlein. Denn
sie sollen als Anleitung dienen, nicht
bloß eine Mutter, sondern eine christ-
liche Mutter zu sein.
12. Der Glaube.
1. Die Notwendigkeit des Glau-
bens ist eine doppelte, er ist ein Bedürf-
nis und ein Gebot. Für das irdische
Dasein haben wir ein natürliches Licht
in den Wahrnehmungen der fünf Sinne
und in der Erkenntnis des Verstandes.
Aber diese natürliche Erkenntnis ist
schon in irdischen Dingen mangelhaft
[124] und unsicher. Sobald sich etwas nicht
mit Händen preisen läßt, beginnt die
Verschiedenheit der Ansichten. Die glei-
chen Gesetze, Einrichtungen u. s. w.
werden von den einen leidenschaftlich
gepriesen, von den andern auf das
schärfste verurteilt. Beide zusammen
beweisen, daß die menschliche Erkenntnis
nicht einmal in Bezug auf die sichtbare
Welt zuverlässig ist. Um so weniger
kann sie auf dem Wege in die unsicht-
bare Welt unser Führer sein. Die
Heiden, welche sich mit ihr behelfen
mußten, glichen Wanderern, die in
dunkler Nacht den rechten Weg nicht
finden und in schreckliche Verirrun-
gen hineingeraten. Wenn wir bes-
ser daran sind als die Heiden, so ver-
danken wir es Jesus Christus, der das
Licht der ewigen Wahrheit vom Him-
mel gebracht hat, wir verdanken es
der katholischen Kirche, welche uns die
Lehre Christi verkündet, wir verdanken
es dem Glauben, der eine Gabe Got-
[125] tes ist und uns befähiget, die heil-
bringende Lehre Christi und seiner
Kirche festzuhalten.
Nachdem Gott sich gewürdiget hat,
uns die ewigen Wahrheiten zu offen-
baren, macht er es uns auch zur Pflicht,
sie anzunehmen und zu glauben. Ohne
Glauben ist es unmöglich, Gott zu
gefallen. (Hebr. 11, 6.) Wer nicht
glaubt, der wird verdammt werden.
(Mark. 16, 16.) Man sollte freilich
meinen, ein solches Gebot des Glau-
bens sollte gar nicht nötig sein. Denn
im Hinblick auf unser Ziel in der un-
sichtbaren Welt sind wir des Glau-
bens so bedürftig, und er ist eine so
große Wohlthat für uns, daß man
erwarten sollte, alle Menschen würden
mit Freude und Dankbarkeit diese
Himmelsgabe hochschätzen und zu ih-
rem Heile benutzen.
2. Die Macht des Glaubens wird
in der heiligen Schrift mit erheben-
den Worten geschildert. Der heilige
[126] Johannes ruft: Das ist der Sieg,
der die Welt überwindet, unser Glaube,
(I. Joh. 5, 4.) Der Glaube besiegt
die Täuschungen der Welt, indem er
sie mit dem Lichte der Ewigkeit be-
leuchtet, er besiegt die Menschenfurcht,
indem er sie durch die Gottesfurcht
verdrängt, er besiegt die Lockungen
und Drohungen der Welt, indem er
sie mit den Verheißungen und Dro-
hungen der Ewigkeit weit überbietet.
Der Glaube verleiht uns den Sieg
über uns selbst. Wir dürfen nicht
unseren eigenen Neigungen und Be-
gierden folgen, sonst wandeln wir den
Weg der Sünde und des Verderbens,
sondern wir müssen Gott gehorchen
und dienen. Die Befähigung dazu
finden wir im Glauben. Der Ge-
rechte lebt aus dem Glauben. (Röm.
1, 17.) Der Glaube offenbart uns
den Willen Gottes, er haltet uns die
Beweggründe vor, denselben zu erfül-
len, er zeigt uns die Mittel, um hie-
[127] für Licht und Kraft zu erlangen.
Der Gerechte lebt aus dem Glauben.
Wir alle wären Heilige, wenn wir
vollkommen aus dem Glauben lebten.
Der Glaube verschafft uns eine
gewisse Macht über Gott selber.
Der himmlische Vater hat sich durch
den Mund seines eingeborenen Sohnes
verpflichtet, uns alles zu geben, um
was wir immer mit Glauben bitten.
(Match. 21, 22.) Christus hat im
Evangelium die wunderbaren Heilun-
gen abhängig gemacht von dem Glau-
ben der Hilfesuchenden. Die Gesetze
der göttlichen Erbarmung sind heute
noch die gleichen und darum auch die
Wirksamkeit des glaubensvollen Ge-
betes.
Diese Macht über Gott, die Welt
und uns selber hat freilich nur der
lebendige Glaube. Der Buchstabe tötet,
aber der Geist macht lebendig. (II. Kor.
3, 6.) Wir müssen den Geist des
Glaubens haben. Wir sollen über
[128] alle Dinge so urteilen, wie Christus
im Evangelium geurteilt hat, wir sol-
len nicht bloß glauben, sondern der
Glaube muß für unser Denken, Reden
und Handeln als Richtschnur dienen.
Dann können wir aus dem Glauben
leben, dann wird das Reich Gottes
in uns sein. (Luk. 17, 21.) Wie die
Welt nur dem gefährlich ist, der den
Geist der Welt im Herzen hat, so kann
das Reich Gottes um uns, die von
Christus gestiftete Kirche, nur jenen
Heil bringen, welche ihren Geist, d. h.
den Geist des Glaubens im Herzen
haben.
3. Wie soll der Glaube praktisch
geübt werden? Zunächst müssen
die religiösen Uebungen aus dem le-
bendigen Glauben hervorgehen. Der
Glaube muß den Antrieb geben, daß
man betet, die Kirche besucht, die hei-
ligen Sakramente empfängt, alle Mit-
tel des Heiles benutzt. Bei jeder re-
ligiösen Verrichtung soll im Anfange
[129] der Glaube erweckt werden, damit die
Gesinnungen der Ehrfurcht, der An-
dacht, der Demut, des Vertrauens
im Herzen aufwachen, weil von diesen
Gesinnungen der Wert unserer Got-
tesverehrung abhängig ist. Der Ge-
rechte lebt aus dem Glauben, immer
und überall, ganz besonders aber im
Umgange mit Gott.
Die christliche Mutter muß sich
aber auch bemühen, ihren Stand und
Beruf und ihr alltägliches Leben im
Geiste des Glaubens aufzufassen. In
ihrem Bewußtsein soll sie beständig den
Himmel offen über sich haben, und ihre
Aufgabe auf Erden im Lichte des
Himmels betrachten. Nehmen wir zwei
Beispiele, die für die christliche Mut-
ter besonders wichtig sind.
Der Glaube an die Vorse-
hung. Eine Gattin und Mutter,
wenn auch ihre Verhältnisse nicht als
unglückliche gelten, hat schwere Pflich-
ten, viele Mühen, Sorgen und Küm-
[130] mernisse, manche drückenden Leiden.
Ob sie diese Lasten mit Mut und
Kraft übernehmen und tragen könne,
hängt zum großen Teil davon ab, wie
sie dieselben anschaut. Wer sie bloß
irdisch auffaßt, bloß als Verschuldung
der Menschen, als Zufall, als Fügung
eines blinden Schicksals betrachtet, wird
in dieser Anschauung wenig Trost und
Aufmunterung finden. Ganz anders
die christliche Mutter, welche mit der
Ueberzeugung des lebendigen Glaubens
bekennen und beten kann:
O himmlischer Vater, ich weiß,
daß es keinen Zufall gibt, sondern,
daß Du den Gang der irdischen Dinge
mit unendlicher Macht, Weisheit und
Güte leitest. Du nährest die Sper-
linge und kleidest die Lilien, und auch
mir und den Meinigen wird kein
Haar ohne deinen Willen vom Haupte
fallen. Darum betrachte ich es als
deine weise und gütige Fügung, daß
ich Gattin und Mutter bin, daß ich
[131] diese Pflichten und Sorgen auf mir
habe, daß diese und diese Leiden mich
treffen. Ich bin deine Dienerin, Du
hast mir das irdische Tagwerk abge-
messen und die Beschwerden meines
Standes auf die Schultern gelegt. Ich
beuge mich vor deinem heiligen Wil-
len und nehme Freude und Leid mit
kindlicher Ergebung an von deiner
Hand. Auch das Ungemach, das von
den Geschöpfen kommt, auch die Lei-
den, die ich selbst verschuldet habe, be-
trachte ich als Zulassung deiner Vater-
güte. Du kannst und willst alles,
auch wohlverdiente Züchtigungen, zu
meinem Besten wenden, wenn ich nur
nicht selber deine liebevollen Absichten
vereitle.
Darum will ich getrost kom-
men lassen, was kommt, weil es ja
von Dir kommt. Jeden Tag will ich
die Bürde aufs neue ergeben und ge-
horsam tragen, gewissenhaft meine
Pflichten erfüllen, weil Du sie mir
[132] auflegst, weil ich Dir Rechenschaft
schuldig bin, weil Du mir beistehst
und mir den Lebensweg vorgezeichnet
hast. In jeder Not und Angst
will ich mit dem königlichen Sänger
rufen: Wer unter der Hilfe des
Allerhöchsten wohnet, wird bleiben un-
ter dem Schirme des Gottes des Him-
mels. Er wird sagen zu dem Herrn:
Du bist es, der mich aufnimmt, meine
Zuflucht, mein Gott, auf Dich hoffe
ich! (Pf. 90, 1.)
Das Ziel des Menschen. Je-
der Christ weiß und bekennt, wozu der
Mensch erschaffen ist, aber es genügt
für keinen Christen, am wenigsten für
die christliche Mutter, diese Wahrheit
bloß im allgemeinen anzuerkennen.
Sie soll stets im Bewußtsein lebendig
bleiben und bestimmend auf das Le-
ben, auf die Erziehung einwirken. So
oft die christliche Mutter auf ihr Kind
schaut, sollen Erwägungen, wie die fol-
genden in ihrer Seele aufwachen:
Dieses Kind ist geschaffen für das
ewige Leben im Himmel. Mag es
auf Erden ein wenig mehr Freuden
oder Leiden erleben, es liegt wenig
daran, weil beide schnell vorübergehen.
Alles aber liegt daran, daß es das
ewige Ziel nicht verfehlt. Von Ewig-
keit her hat der gütige Gott ihm ei-
nen Platz im Himmel vorgesehen, und
an mir ist es, ihm zu demselben zu
verhelfen. Was nützte es, wenn ich alles
aufbieten würde, um es auf Erden an-
gesehen, reich und glücklich zu machen?
Wenn ich es auch zu stande brächte,
so wäre es nur für einen Augenblick
und ich würde wenig, jedenfalls nur
kurzen Dank dafür ernten. Wenn ich
ihm in den Himmel verhelfe, so wird
es mir ewig dankbar sein. Ich darf nicht
an die entsetzliche Möglichkeit denken, daß
es einst vor Gericht mein Ankläger
werde und in der Ewigkeit mir Vor-
würfe mache. Nein, das darf nicht
geschehen, koste es was es wolle. Die-
[134] ses Kind ist geschaffen, damit es Gott
diene und dadurch in den Himmel
komme. Gott will es und mit seiner
Hilfe kann und will und werde ich es
dorthin führen!
4. Hindernisse und Mittel
des lebendigen Glaubens. Wo-
her kommt es, daß auch unter denen,
die glauben, der Glaube so verschieden
ist? Er kann lau und schwach wer-
den durch den verkehrten Geist der
Welt, durch Lesen glaubensfeindlicher
Bücher oder Umgang mit schlechten
Menschen, durch die Zerstreuungen des
Lebens, besonders aber dadurch, daß
man nicht nach dem Glauben lebt.
Jeder, der Böses thut, hasset das Licht.
(Joh. 3, 19.) Wer den Glauben le-
bendig erhalten will, muß zunächst
diese Hindernisse vermeiden, dann aber
noch einige andere Mittel benutzen,
um den Glauben zu stärken: Er muß
im Glauben wohl unterrichtet sein. Je
unwissender ein Christ ist, desto schnel-
[135] ler erliegt sein Glaube den Anfech-
tungen der Welt. Einer Mutter ist
die Kenntnis der Glaubenswahrheiten
doppelt notwendig, für sich und für
ihre Kinder.
Ferner muß er fleißig das Wort
Gottes anhören. Wer daran gehin-
dert ist, muß diesen Mangel durch
Lesung erbaulicher Schriften ersetzen.
Ein noch wirksameres Mittel sind die
sogen. Exerzitien oder geistlichen Uebun-
gen. Mag ein Christ auch im Glau-
ben wohl unterrichtet sein, wenn er
nicht öfters auf die eine oder andere
Weise an die ewigen Wahrheiten er-
innert wird, so schlummert der Glaube
ein, und man denkt und lebt wie die
Kinder der Welt.
Der Glaube ist eine Gabe Gottes,
und darum muß man diese Gabe dank-
bar hochschätzen und demütig um die
Gnade des Glaubens beten. Der
Glaube ist aber auch eine Tugend,
und darum muß man ihn üben, d. h.
[136] fleißig erwecken beim Gebete, in den
Versuchungen und Leiden, ihn beken-
nen in Wort und That, nach ihm
leben. Je eifriger wir den Glauben
üben, desto stärker wird er und desto
mehr werden wir durch ihn gestärkt.
13. Die christliche Hoffnung.
1. Der hl. Bischof Zeno von Ve-
rona sagt: ‘„Nimm die Hoffnung weg,
und aller Fleiß erlahmt, alle Anstren-
gung hört auf, alles ist tot. Der
Landmann streut kein Saatkorn in den
dürren Sand, wo er keine Ernte hof-
fen kann; der Fischer wirft seine Netze
nicht aus an Stellen, wo er seine
Mühe erfolglos weiß; der Wanderer
nimmt den letzten Rest seiner Kräfte
zusammen, so lange er hofft, das er-
sehnte Ziel zu erreichen, sieht er sich
in seiner Hoffnung getäuscht, so bricht
er kraftlos zusammen.“’ Was unser
Herz leistet für das Leben des Körpers,
[137] das bewirkt die Hoffnung im Leben der
einzelnen Seele und der ganzen mensch-
lichen Gesellschaft. Alles Sinnen und
Trachten des Geistes, alle Arbeiten
und Anstrengungen, man kann sagen
jeder Schritt und Tritt, wie die schwer-
sten Opfer und Ueberwindungen gehen
aus der Hoffnung hervor, d. h. aus
der Erwartung, damit ein Gut zu er-
langen oder ein Uebel abzuwenden.
Wie die Hoffnung die Triebfeder
aller Bewegung ist, so ist sie auch un-
sere Stärke im Leiden. Das größte
Unglück ist auszuhalten, so lange man
hofft, aus demselben wieder herauszu-
kommen. Unerträglich ist das Leiden
nur für jene, welche keine Hoffnung
mehr haben, also streng genommen,
nur für die Verdammten in der Hölle.
In diesem Leben muß unsere Seele
hoffen und streben, wie unser Leib
atmen muß. Es fragt sich nur, wel-
cher Art von Hoffnung wir folgen
wollen. Es gibt trügerische Hoffnun-
[138] gen, Irrlichter, die Leichtgläubige in
den Sumpf hineinführen, zeitliche Hoff-
nungen, die mit der Zeit erlöschen, wie
ein Kerzenlicht, ewige Hoffnungen, die
niemanden betrügen und zu Schanden
werden lassen. Falsch und trügerisch
sind die Hoffnungen, welche den
Menschen auf den Weg der Sünde
verlocken. Die göttliche Weltordnung
läßt nicht zu, daß durch die Sünde
irgend jemals ein wahres Gut gewon-
nen werden könne. Das erfuhren die
gefallenen Engel und unsere Stamm-
eltern, und wer sich durch eine falsche
Hoffnung zur Sünde verleiten läßt,
muß es unfehlbar bereuen, er hat höch-
stens die Wahl zwischen freiwilliger
Buße und gerechter Strafe.
Irdische Hoffnungen und Be-
strebungen, die auf Reichtum, Ehre,
Freuden, Familienglück gerichtet sind
und nicht auf sündhafte Weise verfolgt
werden, sind an und für sich nicht uner-
laubt. Aber auch sie endigen als Täu-
[139] schung, wenn man sie zu hoch anschlägt.
Die wenigsten bekommen, was sie hoffen
und anstreben, und die, welche es be-
kommen, werden nicht satt, weil ihr
Herz für Höheres geschaffen ist, und
würden sie glücklich, so dauerte das
nur einen Augenblick; denn wenn die-
ses scheinbare Glück nicht vorher wie-
der dahinschwindet, so wird ihm nach
kurzer Zeit der Tod unfehlbar ein
Ende machen. So steht es mit den ir-
dischen Hoffnungen der Glücklichen. Die
anderen, d. h. die große Mehrzahl der
Menschen, haben nichts von ihren ir-
dischen Erwartungen und Wünschen,
als daß sie ihre bedrängte Lage nur
um so mehr fühlen. Die irdischen
Güter und Freuden gleichen so einem
Gastmahle, bei welchem die einen zu-
schauen und hungern, die andern essen
und nicht satt werden. Es ist darum
eine eitle Selbstplage, wenn man sich
allzusehr in irdische Hoffnungen und
Bestrebungen verliert. Oder was hat
[140] man anderes von Dingen, die mit Mühe
erworben, ohne Befriedigung besessen
und mit Schmerzen wieder Verlassen
werden? Wenn wir nichts Besseres hät-
ten, so wäre dieses Leben düster und
selbst seine Freuden verlören ihren
Reiz. Darum neigt der heutige Un-
glaube wieder jener Seelenstimmung
zu, mit welcher das alte Heidentum
untergangen ist, dem sog. Pessimismus,
dem hoffnungslosen Weltschmerz.
2. Wie ganz anders erscheint das
irdische Leben im Lichte der christlichen
Hoffnung, wie getröstet fühlt sich die
Seele mitten im Leiden, wenn diese
Hoffnung in dasselbe eingezogen ist!
Mag auch die Erde für uns ein Jam-
merthal sein, mögen viele Leiden und
wenig Freuden uns beschieden sein,
die Hoffnung vermag uns darüber
zu beruhigen. Sie lehrt uns, daß
die Leiden von Gott kommen und
auch zu Gott führen, sofern wir guten
Willens sind. Sie sind Beschwerden
[141] auf einer Reise, die bald vorüber ist.
auf der wir von der Hand Gottes ge-
führt worden, und für deren kurzes
Ungemach wir reichlich entschädiget
werden, sobald wir das Ziel erreicht
haben.
Für den Christen sind diese ver-
gänglichen Dinge nicht die Hauptsache,
für ihn gibt es noch andere Sorgen
wichtigerer Art, um welche das Welt-
kind sich wenig zu kümmern scheint,
die es wenigstens zu vergessen sucht.
Wohl verlangen wir nach dem Him-
mel, aber wir haben das Bewußtsein,
Sünder und des Himmels unwürdig
zu sein. Wir erfahren alle Tage un-
sere Schwäche und Unfähigkeit für das
Gute, wir sind nicht vorbereitet auf
die Ewigkeit und doch sind wir keinen
Augenblick davor sicher, daß uns der
Richter rufen wird, und können nur
mit Furcht an die Rechenschaft den-
ken. Darum können wir, so weit es
auf uns ankommt, nur mit Beklom-
[142] menheit der Ewigkeit entgegenschauen.
Von einem der größten Weisen der
alten Heiden wird berichtet, er sei mit
den Worten gestorben: ‘„In Zweifel
habe ich gelebt, und in Aengsten sterbe
ich, o Wesen aller Wesen, erbarme
dich meiner!“’
Die heutigen Christen sind vielfach
wie verwöhnte Kinder eines reichen
Hauses, die ihr Glück nicht zu wür-
digen wissen. Sie vergessen, wie elend
und trostlos die Lage der Heiden war,
und welche unschätzbare Güter uns in
der christlichen Hoffnung geboten wer-
den. Die Hoffnung wurde geboren auf
dem Kalvarienberg. Dort wurde für
die Sündeschuld aller Menschen ge-
nug gethan, dort wurden uns alle
Gnaden für unser Heil verdient. Wir
brauchen nur zu wollen, so können
wir von der Sündenschuld befreit und
des Himmels würdig werden, wir kön-
nen unsere Schwäche stärken durch den
Gnadenbeistand dessen, der alles vermag,
[143] wir können trotz aller Gefahr und Un-
sicherheit unser Heil so sichern, daß wir
der Ewigkeit mit Beruhigung entge-
gengehen und getrost auf den Himmel
hoffen können. Leider kümmern sich
viele Christen in gesunden Tagen all-
zuwenig um die Erwerbung und Be-
festigung dieser beglückenden Hoffnung.
Sie warten, bis die Furcht vor einer
unglückseligen Ewigkeit sie nötiget, sich
der christlichen Hoffnung zuzuwenden,
und manche warten noch langer, d. h.
bis es zu spät ist. Wenn sie eine
Ahnung hätten, welcher Trost und
Friede die Seele beglückt, wenn ihr
Gewissen ruhig ist, wenn sie mit Gott
im Frieden lebt, wenn sie den Tod
nicht zu fürchten braucht, wenn sie mit
einem Worte wüßten, wie sehr die christ-
liche Hoffnung als ein Vorgeschmack des
Himmels die Seele erhebt und tröstet
und beseliget, sie würden schon um dieses
Vorgeschmackes willen sich der Hoffnung
auf die ewigen Güter zuwenden.
3. Wir begrüßen die seligste Jung-
frau als die Mutter der heiligen Hoff-
nung. Sie ist das als die Mutter
desjenigen, auf dem alle unsere Hoff-
nung beruht. Sie ist es als unsere
Mutter, auf deren Fürsprache wir ver-
trauen, weil sie uns als ihre Kinder
liebt, und bei ihrem göttlichen Sohne
alles vermag. Sie ist es endlich als
unser Vorbild in der Hoffnung. Ihr
Leben war reich an schmerzlichen Prü-
fungen, in welchen ihre Hoffnung be-
währt werden mußte. Auch in der
dunkeln Nacht der schwersten Betrüb-
nis und Verlassenheit ist die Leuchte
der Hoffnung in ihrem Herzen nicht
erloschen. So Schweres sie erduldete,
sie hoffte und wankte nicht, bis der
lichte Ostermorgen die Nacht der Lei-
den verscheuchte und ihr die Erfüllung
ihrer Hoffnung brachte.
Damit ist Maria das Vorbild für
alle, besonders aber für die christliche
Mutter geworden. Die Hoffnung
[145] scheint mit dem Mutterherzen wahl-
verwandt zu sein. Das ganze Wir-
ken der Mutter ist auf die Hoffnung
gegründet, es wird angeregt, beseelt
und geleitet von der Hoffnung. Das
Kind, das sie erzieht, ist ein Mensch
der Zukunft, das Ziel der Erziehung
liegt in der Zukunft, es ist Gegen-
stand der Hoffnung, aber auch der
Furcht. Welches das höchste Ziel der
Erziehung ist, wurde schon wiederholt
bemerkt. Die Erziehung für den Him-
mel ist gegenüber der Erziehung für
die irdische Wohlfahrt gerade um so
viel wichtiger, als das ewige Leben
im Vergleich zum zeitlichen Leben län-
ger ist. Zeitliche Wünsche und Hoff-
nungen sind nicht ausgeschlossen, aber
das eigentliche Ziel der mütterlichen
Hoffnung muß der Himmel sein. Die
christliche Mutter muß diese zwei Ar-
ten von Hoffnung in Einklang bringen
nach dem schon oft angeführten Wort
des Herrn: Suchet zuerst das Reich
[146] Gottes und seine Gerechtigkeit, und
dieses alles wird euch hinzugegeben
werden. (Matth. 6, 33.) Man kann
diese Worte als das eigentliche Evan-
gelium der christlichen Hoffnung be-
zeichnen. Suchet zuerst – das Höchste
und das Wichtigste, indem ihr Gott
dienet und das ewige Glück im Him-
mel erobert. Das müßten wir thun,
was es auch kosten möchte, auch dann,
wenn wir alles Irdische zum Opfer
bringen müßten. Aber der Herr setzt
hinzu: – wenn ihr dieses thut –
wird dieses alles euch hinzugegeben
werden. Wenn ihr Mir dienet und
für eure Seele sorget, so dürft ihr für
alles weitere ohne Kummer sein. Ich
bin der Herr aller Dinge, und Ich
werde für euch sorgen und euch zu-
kommen lassen, wessen ihr auf Erden
bedürftig seid. Wer zuerst das Reich
Gottes sucht, bewahrt sich selbst vor
selbstverschuldeten Uebeln, er wird Mut
und Trost haben in den unverschul-
[147] deten Heimsuchungen, es ist ihm der
Segen Gottes verheißen, an dem alles
gelegen ist. Wer aber nicht zuerst
das Reich Gottes sucht, darf auch auf
das übrige nicht rechnen. Dieses ‘„su-
chet zuerst“’ ist das Gesetz, nach wel-
chem den Menschen Segen oder Un-
segen zu teil wird. Das ist besonders
augenscheinlich in der Erziehung wahr-
zunehmen. Wenn in dieser das Reich
Gottes vernachlässigt wird, so wird den
Eltern ihre Kurzsichtigkeit in der Re-
gel mit dem bittersten Herzeleid heim-
bezahlt. Wer dagegen die Kinder für
Gott erzieht, der erzieht sie auch sich
selbst zur Freude und zum Troste, wer
sie für den Himmel erzieht, hat da-
mit auch die Hauptsache gethan für
ihre Wohlfahrt auf Erden.
Sehen wir, wie eine christliche
Mutter, der es mit der Erziehung für
den Himmel wirklich heiliger Ernst ist,
die christliche Hoffnung üben soll. Sie
wird nicht bloß für sich, sondern auch
[148] für das Kind zuerst das Reich Gottes
suchen. Wie man bei dem Anblicke
eines Königskindes schon an den künf-
tigen König denkt, so betrachtet sie
ihr Kind vor allem als Erbe des Him-
melreiches und darnach richten sich ihre
Wünsche und Bestrebungen. Wenn der
Herr es in den Jahren der Unschuld
zu sich ruft, so wird ihre natürliche
Liebe den Verlust einer früh geknickten
Hoffnung schmerzlich empfinden. Als
Christin aber wird sie höher hinauf
blicken. Sie hört im Geiste den Ruf
des göttlichen Kinderfreundes an sich
ergehen: Laß dieses Kleine zu mir
kommen, und wehre es ihm nicht,
denn seiner ist das Himmelreich. Und
mit Großmut und Ergebung, wenn
auch unter Thränen, bietet sie dem
Herrn ihr Liebstes auf Erden an und
unterwirft sich seinen Ratschlüssen. Ist
das Kind nicht aller Gefahr enthoben
und glücklich für die ganze Ewigkeit?
Was wäre mit ihm geschehen, wenn
[149] es die ganze gefahrvolle Reise dieses
Lebens hätte machen müssen? Wer weiß
das? Nur derjenige, welcher für gut
gefunden hat, das Kind in seiner Un-
schuld von dieser Welt hinwegzuneh-
men. Wenn einst seine Ratschlüsse
offenbar werden, so wird Ihm die jetzt
trauernde Mutter dafür danken, darum
soll sie jetzt schon dieselben im Glauben
und in der Hoffnung anbeten.
Die Hoffnung hat eine sehr unru-
hige Schwester, welche sich von ihr nicht
trennen läßt, nämlich die Furcht. Be-
sonders das Mutterherz erhaltet sie in
beständiger Unruhe, gleich den steigen-
den und fallenden Wogen des Meeres.
Je mehr sie hofft, desto mehr wird sie
fürchten. Je mehr sie den Himmel
zum Ziele ihrer Hoffnung macht und
dem Kinde sichern will, desto mehr
wird sie zittern vor den Gefahren und
Hindernissen. Wird sie das Ziel er-
reichen? Ist sie selber fähig, gut zu
erziehen? Und sei es auch, werden
[150] nicht schlimme Einflüsse von außen
ihre Bemühungen vereiteln? Wenn
viele hundert junge Christen, die man
gut erzogen glaubte, in den Gefahren
der Welt Schiffbruch leiden am Glau-
ben und an der Tugend, kann das
nicht auch ihrem Kinde passieren? Wer
kann diese Fragen auswerfen, ohne be-
unruhiget zu werden? Menschlichen Trost
wird man für derartige Aengsten kaum
finden, die christliche Mutter muß sich
mit ihrer Hoffnung nach oben erschwin-
gen und im Himmel den wahren Trost
suchen. Dort ist zur Rechten des Va-
ters der göttliche Kinderfreund, der ihr
Kind mit seinem Blute erlöst hat, der
voll Liebe auf dasselbe niederschaut.
In seiner Hand liegen alle Gnaden
bereit, welche die Mutter braucht, um
gut zu erziehen, und welche das Kind
befähigen, mitten durch eine böse Welt
hindurch zu seinem Ziele im Himmel
zu gelangen. Die Mutter kann diese
Gnaden auf sich und ihr Kind herab-
[151] ziehen, wenn Hoffnung und Vertrauen
in ihrem Herzen leben, wenn sie die
Gesinnungen ihrer Seele im heißen
und anhaltenden Gebete ausspricht.
An der Seite des Erlösers ist die
Mutter der schönen Liebe, der Furcht
und der heiligen Hoffnung, im Um-
kreise sind alle Engel und Heiligen als
Freunde Gottes und unsere Freunde,
alle auf den ersten Hilferuf bereit, ihr
Gebet und Flehen zu unterstützen. So
hat die christliche Mutter das Ziel
ihrer Hoffnung im Himmel, und dort
sucht sie auch die Mittel, um für sich
und das Kind das Ziel zu erreichen.
Es handelt sich nicht darum, daß sie
ungewöhnlich viele mündliche Gebete
verrichte, wohl aber darum, daß sie
die Gebetsstimmung beständig im Her-
zen bewahre. Wenn sie demütig ihrer
hohen Aufgabe, ihrer Armseligkeit und
der Gefahren für ihr Kind bewußt ist,
wenn sie lebhaft nach der Hilfe von
oben verlangt, auf dieselbe ihre ganze
[152] Hoffnung setzt, so bilden diese Gedan-
ken eine fortgesetzte Uebung der Hoff-
nung, ein beständiges Gebet. In die-
ser Weise betet ihr Herz überall, bei
der Arbeit, wenn sie auf die Kinder
schaut, sie belehrt und mahnt und
straft, wenn sie nur an dieselben denkt.
Wer so vertraut und hofft, der kann
dann auch mit dem Psalmisten sagen:
Auf Dich, o Herr, habe ich gehofft,
und ich werde ewig nicht zu Schanden
werden. (Ps. 30, 2.)
14. Die Liebe Gottes.
1. ‘Alle Kreaturen, sagt Tauler,
wollen wieder zurückkehren zu ihrem
Ursprung, um in ihm ihre Ruhe zu
finden. Nimm den Stein und wirf
ihn in die Luft, er ruhet nimmer, er
komme denn wieder zur Erde, von
der er herkommt. Die Erde ist sein
Vaterland, die Luft seine Fremde.
Und würde er tausend Jahre in der
[153] Luft mit Zwang gehalten, ihm bliebe
doch sein Zug zur Erde, und sobald
er losgelassen würde, kehrte er zur
ihr zurück.“’ Ein ähnliches Streben
liegt in unserer Seele. Der heilige
Augustin bemerkt: ‘„Die Schwere, von
der meine Seele gezogen wird, ist meine
Liebe, und wohin diese mich zieht, da-
hin strebe ich.“’ Die Seele hat ihren
Ursprung und ihre Heimat in Gott,
und darum sagt der gleiche Heilige:
‘„Unser Herz ist unruhig, bis es ru-
hen wird in Dir, o Gott!“’
Im Himmel wird dieses Streben
erfüllt sein. Die Anschauung des le-
bendigen Gottes entflammt die Seele
mit feuriger Liebe, von deren unwider-
stehlicher Gewalt wird die Seele zu
Gott hingezogen und in der Vereini-
gung mit Ihm findet sie ihre Ruhe
und Seligkeit. Hienieden gleicht die
Seele dem Steine, der mit Zwang
von seinem Ursprunge zurückgehalten
wird. Noch kann sie Gott nicht an-
[154] schauen und genießen, sondern Ihn
nur im Glauben erkennen und in der
Hoffnung, sich seines künftigen Be-
sitzes freuen. Die Welt, die Sinne
und die böse Begierlichkeit wissen nichts
von Gott und suchen die Seele von
Gott weg zu irdischen Dingen hinzu-
ziehen. So ist hienieden die Liebe
Gottes, die in ihrem Wesen ein Ge-
nuß ist, eine Tugend, die nicht ohne
Anstrengung geübt wird. Auch der
Gerechte muß manche Ueberwindung
üben, wenn er dem Zuge der Liebe
zu Gott folgen will. Für die Welt-
kinder und Sünder ist durch ihre ei-
gene Schuld das höchste Gut wie mit
einem dichten Nebel umhüllt, so daß
sie es vergessen und in ihrem Herzen die
Liebe zu Ihm durch eitle und sünd-
hafte Bestrebungen erstickt wird.
Aber im Tode wird alle Täuschung
und Verblendung aufhören. Die von
den Banden der Sinnlichkeit befreite
Seele strebt mit unwiderstehlichem Ver-
[155] langen Gott, ihrem Ursprung und ih-
rem Ziele zu. Wird ihre Sehnsucht
gestillt, so ist sie auf ewig unaussprech-
lich selig in Gott und durch Gott.
Wird sie aber von der göttlichen Ge-
rechtigkeit als unwürdig in die Ferne
geschleudert, so ist das ungestillte Ver-
langen nach dem höchsten Gute die
bitterste Quelle ihrer endlosen und trost-
losen Qualen.
Die Liebe Gottes ist die Bedin-
gung unseres Heiles. Alles andere
rettet uns nicht, wenn sie uns fehlt.
Und wenn wir nichts besitzen würden
als diese Liebe, so könnten wir nicht
verloren gehen. Alle guten Werke sind
nicht verdienstlich für den Himmel,
wenn sie nicht aus der Liebe hervor-
gehen. Zur Anschauung Gottes ge-
langen können wir nur, wenn wir im
Besitze dieser Liebe in die andere Welt
hinübertreten. Ohne sie gibt es kein
Heil für uns. Ans der andern Seite
ist die Macht der Liebe Gottes so groß,
[156] daß der größte Sünder noch im letzten
Augenblicke, wenn ihm keine Gnaden-
mittel zu Gebote stehen, doch noch se-
lig wird, wenn er es zu einem Akte
der vollkommenen Liebe Gottes bringt.
Gott kann und will keine Seele ver-
dammen, die mit einem Funken dieser
Liebe vor ihm erscheint.
Daraus folgt, welchen Wert die
Liebe Gottes für uns hat. Es ist
durchaus notwendig, daß wir über
dieselbe wohl unterrichtet seien, daß
wir wissen, wie es in diesem Punkte
mit uns steht, und daß wir keine
Anstrengung scheuen, um sie zu besitzen
und zu üben, zu bewahren und zu
vermehren.
2. Warum und wie sollen
wir Gott lieben? Gott hat uns
befohlen. Ihn zu lieben, Er hat uns
zuvor geliebt und mit Wohlthaten über-
häuft, Er ist das schönste und vollkom-
menste Wesen. Hätten wir auch das
Gebot der Liebe nicht erhalten und Gott
[157] keine Wohlthaten zu verdanken, wir
müßten Ihn lieben wegen seiner
unendlichen Schönheit und Voll-
kommenheit. Im Himmel wird
die Anschauung seiner Herrlichkeit und
Liebenswürdigkeit die erste Quelle un-
serer Wonne sein. Aber wir schulden
Ihm als dem höchsten Gute unsere
Liebe schon, da wir noch im Glauben
wandeln. Darum ist die Liebe Gottes
das erste und größte Gebot.
Es kann keine Pflicht geben, die höher
und dringender wäre als die Liebe
des höchsten und vollkommensten We-
sens. Weil aber unsere Armseligkeit
sich nicht leicht zu der Betrachtung
seiner Vollkommenheiten zu erheben
vermag, haben wir noch Gründe der
Liebe, die leichter faßbar- sind, sie lie-
gen in der Offenbarung seiner
Liebe gegen uns, in seinen
Wohlthaten. Wer die Worte Schö-
pfer, Erlöser, Heiligmacher, Seligma-
cher ein wenig überdenkt, wird Gründe
[158] genug erblicken, die ihn zur Liebe der
Dankbarkeit verpflichten.
Auf die Frage, wie wir Gott lie-
ben sollen, antwortet der heilige Au-
gustin: Ohne Maß, d. h. über alles
und so viel unser Herz, unsere Seele,
unser Gemüt und unsere Kräfte ver-
mögen. Doch darf man nicht meinen,
daß der Wert der Liebe in Gefühlen
und Empfindungen bestehe. Wir kön-
nen über diese nicht gebieten, sie kön-
nen eine Gabe Gottes, oft aber auch
etwas rein Natürliches sein, und jeden-
falls beurteilt Gott unsere Liebe nicht
nach ihnen, sondern nach unseren Ge-
sinnungen und unserem Willen.
Beachtenswert ist die Unterschei-
dung zwischen der vollkommenen
und unvollkommenen Liebe.
In Bezug auf die Liebe gibt es
unter den Christen Anfänger, und
viele bleiben ihr Leben lang auf dieser
Stufe. Das sind jene, welche ihre
Liebe mehr auf die empfangenen und
[159] noch zu hoffenden Wohlthaten stützen,
so daß ihre Liebe zu Gott zu einem
guten Teile Selbstliebe ist. Das ist
nur eine unvollkommene Liebe. Voll-
kommen ist die Liebe, wenn sie Gottes
unendliche Schönheit und Vollkommen-
heit selber zum Beweggrunde hat, wenn
man Gott liebt, sich über seine Herr-
lichkeit freut, die Ausbreitung seiner
Ehre und seines Reiches von Herzen
wünscht und nach Kräften fördert, gleich-
viel ob man für sich selber davon ei-
nen Gewinn habe oder nicht. Diese
vollkommene Liebe hat eine solche
Macht über das Herz Gottes, daß er
ihr hier seine Gnade und jenseits den
Himmel nicht verweigern kann. Da-
rum sollen wir sie so oft als möglich
zu erwecken suchen. Die vollkommene
und die unvollkommene Liebe schließen
einander nicht aus, d. h. man kann
beide miteinander besitzen und üben.
Darum sollen wir mit der unvollkom-
menen, die leichter zu erwecken ist, an-
[160] fangen, und dann in der vollkomme-
nen so weit fortschreiten, als es mit
der Gnade Gottes uns möglich ist.
Der unterste Grad derselben ist vor-
handen, wenn man um alles in der
Welt Gott nicht mit einer schweren
Sünde beleidigen will, der zweite dann,
wenn man auch mit keiner läßlichen
Sünde gegen ihn freiwillig sich ver-
fehlt, der dritte endlich, wenn die Liebe
uns antreibt, immer zu thun, was
Gott wohlgefälliger ist, mag es auch
die schwersten Opfer erfordern. Auf
dieser Stufe stehen die Heiligen, auf
der untersten müssen alle stehen, welche
selig werden wollen, alle Christen sol-
len sich befleißen, sich wenigstens auf
die mittlere Stufe zu erheben.
3. Wie können wir die Liebe
Gottes erhalten und vermeh-
ren? Die Liebe ist uns in der hei-
ligen Taufe eingegossen worden und
bleibt immer in uns, wenn sie nicht
durch eine Todsünde ausgelöscht wird.
[161] Das erste muß also sein, den Fall in
eine schwere Sünde um jeden Preis
zu vermeiden, und wenn dieses Un-
glück doch vorkommt, so bald als mög-
lich, die verlorene Gnade und Liebe
wieder zu erlangen.
Da die Liebe eine Gabe Gottes
ist, müssen wir oft um die Erhaltung
und Vermehrung dieser Gnade beten
und sie durch die religiösen Gnaden-
mittel erneuern und stärken. Weitere
Mittel sind die Erkenntnis Got-
tes und der Umgang mit Gott.
Die Liebe unter Freunden entsteht und
besteht dadurch, daß sie mit einander
umgehen, einander schätzen und lieben
lernen. So steht es auch mit der
Liebe Gottes. Die Heiligen, welche
Gott am besten kennen und mit Ihm
am fleißigsten umgehen, sind voll der
feurigsten Liebe, während die Sünder
und Weltmenschen, die nie an Gott
denken, auch keine Liebe zu Ihm be-
sitzen. Leider beherzigen die wenigsten
[162] Christen, was Großes und Unermeß-
liches, was Gutes, Schönes und Lie-
benswürdiges in dem Worte ‘„Gott“’ ent-
halten ist. Man liebt Gott zu wenig,
weil man Ihn zu wenig kennt. Möch-
ten doch wenigstens alle das gehörig
überlegen, was im Katechismus von
den Eigenschaften Gottes gesagt wird.
Ebenso wichtig wie die Erkenntnis
Gottes ist der Umgang mit Gott. Die
Gelegenheit dazu haben wir beim Ge-
bete und Gottesdienst und der Be-
nutzung der Gnadenmittel. Die Haupt-
akte bei diesem Umgang sind Anbe-
tung, Danksagung, Reue und Bitte.
Durch diese Akte zeigen wir, daß wir
Gott lieben, und erfahren zugleich,
wie sehr Gott uns liebt.
Aber nicht bloß in diesen heiligen
Augenblicken sollen wir Gott lieben,
das ganze Leben soll eine Ueb-
ung dieser Liebe sein. Aeußer-
lich braucht hiefür an dem täglichen
Leben gewöhnlicher Christen nur wenig
[163] geändert zu werden. Die Liebe zu
Gott verlangt, daß wir freiwillige
Fehler vermeiden, und das sollte doch
jeder Christ ohnehin wollen. Im übri-
gen handelt es sich nur darum, das,
was jedenfalls zu geschehen hat, durch
die rechten Gesinnungen zuheiligen. Ar-
beiten müssen wir einmal und manche
Leiden können wir auch nicht abschüt-
teln. Was hindert uns, jede Arbeit,
jeden Schritt und Tritt durch die gute
Meinung in ein Werk der Liebe zu
Gott zu verwandeln? Zu solchen
Uebungen der Liebe werden auch alle
Leiden jeder Art, wenn wir sie mit
Ergebung, Geduld und Vertrauen er-
tragen. Dadurch werden sie wertvoll
für den Himmel, während sie sonst
unnütz, gar oft schädlich sind.
Auch die Nächstenliebe soll eine
Uebung der Liebe Gottes sein. Wir
sollen den Nächsten wegen Gott lieben,
d. h. weil Gott es gebietet, weil auch
der Nächste ein Ebenbild Gottes, er-
[164] löst und zum Himmel berufen ist.
Christus sagt: Was ihr einem dieser
meiner geringsten Brüder gethan habt,
das habt ihr Mir gethan. (Matth. 25,
40.) Auch die Nächstenliebe erlangt
ihren Wert einzig durch die Liebe zu
Gott. Der heilige Paulus sagt: Wenn
ich alle meine Güter zur Speisung
der Armen austeilte, hatte aber die
Liebe nicht, so nützte es mir nichts.
(I. Kor. 13, 3.)
Der Schöpfer hat auch eine na-
türliche Nächstenliebe in das Herz des
Menschen gepflanzt. Sie hat aber
durch die Sünde Schaden gelitten,
und muß durch den Glauben und die
Gnade zur übernatürlichen Liebe um-
geschaffen werden. Die natürliche Liebe
weiß nichts von Feindesliebe und Ver-
söhnlichkeit, ist auch nur in geringem
Grade opferfähig und kann durch die
Selbstsucht ganz erstickt werden. Mei-
stens kümmert sie sich auch nur um
die irdische Wohlfahrt des Nächsten,
[165] nicht aber um das, was viel wichtiger
ist, um sein ewiges Heil. Um von
diesen Mängeln befreit zu werden,
muß die Nächstenliebe christlich, über-
natürlich, ein Ausfluß der Liebe Got-
tes sein.
Die natürliche Liebe zeigt ihre
größte Stärke als Gatten- und Mut-
terliebe. Es hat das seine große Bedeu-
tung für die Wohlfahrt des menschli-
chen Geschlechtes und ist darum vom
Schöpfer gewollt und angeordnet. Hätte
er das Herz der Gattin und Mutter
anders geschaffen, so würde das als
ein großer Mangel empfunden werden.
Aber trotzdem sind diese natürlichen
Neigungen an sich weder genügend,
noch tadelfrei. Die sinnliche Zunei-
gung unter Gatten kann mit der Zeit
erkalten und ist vielfach nicht fähig,
eheliche Zwistigkeiten, Abneigung und
Untreue zu verhindern. Die Mutter-
liebe als Naturgabe ist in beständiger
Gefahr, blind zu werden und den Lieb-
[166] ling unglücklich zu machen, während
sie ihn beglücken will. Je edler und
bedeutungsvoller diese Anlagen sind,
desto weniger darf man sie ausarten
lassen. Das Weib muß als Christin
lieben, die natürliche Liebe muß zur
übernatürlichen erhoben werden, sie
muß ihre Richtschnur haben an der
Lehre Christi und ihre Kraft schöpfen
ans der Gnade Christi. Von der Be-
thätigung dieser Liebe im einzelnen
ist an andern Stellen dieses Büchleins
die Rede.
Der Apostel Paulus schließt sei-
nen Unterricht über die Liebe mit den
Worten: Die Liebe hört nie auf, wenn
auch die Weissagungen aufhören, wenn
die Sprachen ein Ende nehmen, und
die Wissenschaft vergeht. Jetzt aber
bleiben Glaube, Hoffnung und Liebe,
diese drei, aber das größte unter diesen
ist die Liebe. (I. Kor. 13, 8. 13.) Die
Liebe verlangt von uns hienieden ein
Opferleben, die Hingabe an Gott, die
[167] Verleugnung unserer selbst. Jenseits
wird sie die Quelle unserer Seligkeit
sein, und wer auf Erden am meisten
Opfer der Liebe gebracht hat, wird im
Himmel durch seine Liebe am meisten
verherrlichet und beseliget werden.
15. Das heiligste Herz Jesu.
1. Der kurze Inhalt alles bisher
Gesagten ist der: Das Weib ist ein
Herz, sich hinzugeben, zu leiden, zu
opfern und zu entsagen. Das Weib ist
geschaffen und berufen zu Hohem und
Edlem, es soll einer höchst wichtigen
Aufgabe für das Reich Gottes genügen.
Um es hiefür zu befähigen, hat der
Schöpfer die edelsten Anlagen in sein
Herz gelegt. Aber infolge der Sünde
ist sein Herz auch der Sitz großer
Schwachheiten und Verkehrtheiten, es
ist leicht zu täuschen, unbeständig und
unberechenbar in seinen Wünschen und
Begierden, ebenso zugänglich für die
[168] Lockungen der Welt, wie für die feige
Furcht vor ihrem Urteile.
Das Herz des Weibes bedarf einer
Stütze und Stärkung außer ihm, und
alles weitere hängt davon ab, wo es
dieselbe sucht. Es wurde soeben darauf
hingewiesen, daß es in der Uebung der
drei göttlichen Tugenden, des Glaubens,
der Hoffnung und der Liebe sich über
die fleischlichen und sinnlichen Bestreb-
ungen erheben und in der übernatürlichen
Welt die Quelle seiner Kraft und das
Ziel seines Strebens suchen müsse.
Es muß nun diesem Streben der
Weg noch etwas näher bezeichnet wer-
den. Als Christen, als Kinder der
Kirche, können wir uns in Wahrheit
rühmen, daß kein anderes Volk ist, dem
Gott so nahe ist bei allen seinen Bit-
ten. (V. Mos. 4, 7.) Wir müssen Gott
nicht mit Zittern suchen auf dem Throne
seiner unnahbaren Majestät, seine ganze
unendliche Macht und Liebe hat Wohn-
ung genommen in einem Herzen von
[169] Fleisch und Blut, in einem Herzen, welches
fühlt wie wir, welches unsere Schwach-
heiten kennt, welches uns liebt und be-
mitleidet, welches sich für uns geopfert
hat und voll Verlangen ist, uns zu
retten und selig zu machen. Dieses Herz
ist das heiligste Herz Jesu und dieses
muß der Mittelpunkt unseres religiösen
Lebens und die Quelle der Kraft für
unser sittliches und Berufsleben bilden.
Das Herz Jesu ist für alle da.
aber doch möchte man meinen, daß das
Herz des Weibes besonders für den
Umgang mit demselben geeignet sei.
Christus hat im Evangelium nur wenige
Worte mit Weibern gewechselt. Er konnte
kurz sein, weil die Sprache des Her-
zens genügte. Mit zärtlichem Wohl-
wollen nahm er sich der Mütter an,
die sich hinzudrängten, um ihre Kinder
von ihm segnen zu lassen. Die reuige
Sünderin zu den Füßen des Heilands
brauchte nicht zu reden, der Herr schaute
in ihr Herz und mit einem Wort ver-
[170] lieh er ihr Verzeihung und den Frie-
den des Herzens. Ohne daß die Witwe
zu Naim sich an den Herrn wandte,
bemitleidete er die Trauer ihres Her-
zens und beglückte es mit der seligsten
Mutterfreude. Veronika, Magdalena
und andere fromme Frauen haben auf
dem Kreuzwege und unter dem Kreuze
mit ihrer mutigen Liebe die Männer
beschämt. Darum waren ihre Herzen
auch die ersten, welche am Ostermorgen
mit dem Jubel der Auferstehung er-
freut wurden. Das Herz Jesu ist noch
das gleiche wie damals, und wer Ihm
naht mit den Gesinnungen der Frauen
des Evangeliums, darf auch die gleichen
Segnungen und Freuden von ihm er-
warten.
2. Das heiligste Herz Jesu ist das
erhabene Vorbild für alle, aber die
Nachahmung desselben scheint dem Weibe
besonders nahe zu liegen. Christus war
erfüllt von der größten Liebe zum Va-
ter und zu den sündigen Menschen. In
[171] dieser Liebe machte Er sein Leben und
Sterben zu einem Opfer des Gehor-
sams, der Hingebung und der Leiden.
Nie folgte er dem Zuge eigener Neig-
ungen, sondern dem Willen des Vaters.
Ich thue allezeit so, sagte Er selbst, was
Ihm wohlgefällig ist. (Joh. 8, 29.) Gleich-
zeitig macht er sich zum Opfer für das
Heil der Menschen. Eine größere Liebe
als diese hat niemand, daß er sein Le-
ben für seine Freunde hingibt. (Joh.
15, 13.) Christus ist also das erha-
benste Vorbild gerade in dem, was
schon wiederholt als der Beruf des Weibes
bezeichnet wurde, in der Hingebung.
Man lese das unter Nr. 2 und 3 die-
ses Buches Gesagte nach, und man wird
finden, daß sowohl die Jungfrau als
die Gattin und Mutter nur das Bei-
spiel Christi eifrig nachzuahmen brauchen,
um sich auf die Höhe ihres Berufes zu
erheben.
Der hl. Paulus spricht den Grund-
gedanken der Verehrung des heiligsten
[172] Herzens Jesu mit den Worten aus:
So sollt ihr gesinnt sein, wie auch
Christus Jesus gesinnt war. (Phil. 2,
5.) Wie man eine Uhr nach der an-
dern richtet, soll unser Herz mit dem
Herzen Jesu gleichsam einen Schlag
haben, soll im Lieben und Verabscheuen,
im Wollen und Nichtwollen ganz mit
Ihm übereinstimmen. Es kann für un-
ser Herz kein Leiden, keine Aufregung
und keinen Kampf geben, wo nicht das
heiligste Herz uns durch sein Beispiel
belehrt, aufmuntert und tröstet. So
erhebend und schön dieser Gedanke ist,
man wird mit der Ausführung bei
allem Eifer nur langsam vorwärts kom-
men. Die Verkehrtheiten des mensch-
lichen Herzens sind zu zahlreich und
zu tiefgewurzelt. Darum müssen wir
es machen, wie ein Maler des Alter-
tums, der den Grundsatz befolgte: ‘„Kein
Tag ohne Linie“’, und durch die täg-
liche Uebung der berühmteste Maler ge-
worden ist. Kein Tag soll vergehen,
[173] an dem wir nicht an dem Bilde un-
seres Herzens durch Ueberwindung und
Opfer einen fehlerhaften Zug auslöschen,
und eine Linie ziehen, welche das Ab-
bild dem göttlichen Vorbilde wenigstens
um etwas ähnlicher macht.
Der göttliche Heiland hat selber
unserem Unvermögen, sein Beispiel nach-
zuahmen, schonende Rücksicht getragen.
Sein Herz ist das herrlichste Vorbild
in allen Tugenden und wir sollen sie
alle nachahmen. Aber doch hat Er nur
zwei Vorzüge seines Herzens ausdrück-
lich zur Nachahmung empfohlen. Ler-
net von Mir, denn Ich bin sanftmütig
und demütig von Herzen, so werdet
ihr Ruhe finden für euere Seelen. (Matth.
11, 29.) Alle Tugenden sind Schwestern
untereinander, und wo man eine oder
zwei von einem Herzen Besitz nehmen
läßt, werden auch alle übrigen ihren
Einzug halten. Ein Weib, welches die
Demut und Sanftmut des heiligsten
Herzens Jesu eifrig nachahmt, wird
[174] von Tag zu Tag mehr jenen Schmuck
erlangen, den der hl. Petrus von ihm
fordert, die Schönheit des verborgenen
Herzensmenschen in der Unvergänglich-
keit eines stillen und sanften Geistes,
der vor Gott hohen Wert hat. (I. Petr.
3, 4.) Ein sanftes und demütiges Weib
ist liebenswürdig vor Gott und den
Menschen, ist das Glück und der Se-
gen ihrer Angehörigen, und welches
auch seine irdischen Verhältnisse sein
mögen, es wird Ruhe finden für seine
Seele, weil es so ist, wie es nach Got-
tes Willen und seinem Berufe sein soll.
3. Das heiligste Herz Jesu ist nicht
bloß unser Vorbild, es ist auch die
Quelle der Gnade. Christus sagt:
Ich bin der Weinstock, ihr seid die Re-
ben. Wer in Mir bleibt, und Ich in
ihm, der bringt viele Frucht; denn ohne
Mich könnt ihr nichts thun. Wenn je-
mand nicht in Mir bleibt, der wird
wie eine Rebe hinausgeworfen und ver-
dorret; man sammelt sie ein, wirft sie
[175] ins Feuer und sie brennt. Wenn ihr
in Mir bleibet, und meine Worte in
euch bleiben, so möget ihr bitten, was
ihr immer wollt, es wird euch gegeben
werden (Joh. 15, 5, ff.)
Ohne Christus fehlt uns alles. Nur
durch Ihn erlangen wir die Vergebung
der Sünden und die heiligmachende
Gnade, welche uns zu Kindern Gottes
und Erben des Himmels macht. Wir
sind nur fähig zum Guten, wenn die
göttliche Gnade uns erleuchtet und stärkt.
Die Quelle für diese Gnade ist das
Herz des Erlösers. Wie die Rebe aus
dem Weinstocke lebt, der sie mit seinen
Säften ernährt und befähigt, Blüten
und Früchte hervorzubringen, so lebt
unsere Seele aus Christus. Es wird
uns keine Sünde vergeben, keine Gnade
mitgeteilt, kein Gebet erhört, es wird
keiner Seele der Himmel geöffnet, es
sei denn durch die Verdienste und Gna-
den unseres Erlösers. Die Heiligen
sind nur heilig als Rebzweige an die-
[176] sem Weinstocke, d. h. durch die Gnade,
die sie reichlich von Christus empfangen
und eifrig benutzt haben. Wollen wir
einen Fehler ablegen, eine Tugend er-
langen, Versuchungen überwinden und
Leiden geduldig ertragen, so müssen auch
wir die Kraft bei Christus suchen.
Christus stellt hiefür die Beding-
ung, daß Er in uns, und wir in Ihm
seien. Die Rebe verdorrt, wenn sie vom
Weinstocke getrennt wird, und ohne
Christus ist auch die Seele eine solche
hinausgeworfene Rebe, sie schöpft als-
dann ihr Leben nicht aus den über-
natürlichen Quellen unserer Religion,
sondern führt bloß ein natürliches Le-
ben, wie es bei den Heiden der Fall
war. Ein dreifaches Band muß uns
mit Christus in lebendige Verbindung
bringen, der Glaube, die Gnade und
die Liebe. Christus selber erleichtert
uns diese dreifache Verbindung durch
sein barmherziges Entgegenkommen. Um
selig zu werden, müssen wir an seine
[177] Lehre glauben, und darum verkündet
Er sie uns durch die von Ihm gestif-
tete und geleitete Kirche. Die heilig-
machende Gnade, die ebenfalls zur Se-
ligkeit notwendig ist, und die wirkliche
Gnade, ohne die wir nichts Gutes ver-
mögen, bietet er uns an in den Gna-
denmitteln, die Er seiner Kirche anver-
traut hat. Was unser Herz zu Ihm
als dem Gnadenspender hinzieht, das
ist die Hoffnung. Die Liebe hat Er
selber in unsere Herzen ausgegossen, hat
ihr als Regel und Richtschnur seine
Gebote gegeben, und wird nicht müde,
sie immerfort aufzumuntern und zu
stärken. Bewunderungswürdig ist, was
Er aus Liebe zu uns bereits gethan
hat, als Er auf Erden wandelte, was
Er immer noch thut auf dem Altare,
im Tabernakel, in den heiligen Sakra-
menten, in unseren Herzen und als
Fürsprecher beim Vater, und was Er
in der Ewigkeit noch thun will als die
Seligkeit der Seligen. Wer kann diese
[178] Liebe betrachten, ohne zur Gegenliebe
entflammt zu werden!
Wer durch dieses dreifache Band
mit Christus verbunden ist, der lebt in
Christus, wie Christus in ihm lebt. Er
muß nur sorgen, daß das Band nicht
gelöst wird, daß er namentlich nie eine
schwere Sünde begeht und noch weniger
in ihr fortzuleben wagt. Dann ist er
stark und glücklich, so gut man es auf
Erden sein kann. Er ist stark im Ge-
bete, denn Christus sagt ja: Ihr möget
bitten, was ihr immer wollt, es wird
euch gegeben werden. (Joh. 15, 7.) Er
ist stark in den Versuchungen und Ge-
fahren nach jenem Worte: Der in euch
ist, ist mächtiger, als der in der Welt
ist. (I. Joh. 4, 4.) Er ist stark und ge-
tröstet im Leiden, denn er ist bei dem,
der gesagt hat: Kommt zu Mir alle,
die ihr mühselig und beladen seid, und
Ich will euch erquicken. (Matth. 11, 28.)
4. Es wurde oben beklagt, daß so
wenige beherzigen, was Großes und
[179] Liebenswürdiges in dem Worte ‘„Gott“’
enthalten ist. Dieselbe Klage muß hier
in Bezug auf Jesus Christus wieder-
holt werden. O daß doch alle Ihn
kennen möchten! Die Erkenntnis des gött-
lichen Heilandes würde die Herzen mit ge-
heimer Gewalt zu seinem Herzen hin-
ziehen, und dort würden sie alles finden,
was ihnen zum Frieden und zum Heile
dient. Aber unsere Schwäche und Nach-
lässigkeit und vielfach auch äußere Um-
stände stehen dem hindernd entgegen.
Da müssen denn Dinge zu unserem
Heile mitwirken, welche wir nicht un-
gern als Uebel ansehen, die Leiden und
Versuchungen. Nie vergißt man Gott
leichter als in Zeiten ungetrübten Wohl-
ergehens. Die Not lehrt beten. Die
Jünger ließen den Heiland im Schiffe
schlafen, bis der gefährliche Sturm ihnen
den Hilferuf abnötigte: Herr, hilf uns,
wir gehen zu Grunde! (Matth. 8, 25.)
Für diejenigen, welche Christus in
ihrem Schifflein haben, d. h. welche
[180] durch den Glauben, die Gnade und die
Liebe mit Christus vereinigt sind, ist
es ein wahres Glück, wenn sie durch
die Sorgen, Leiden und Versuchungen
des Lebens recht oft genötiget werden,
bei Christus Hilfe zu suchen. Die Be-
drängnis treibt sie zu Christus und er-
haltet sie bei Christus, und bei Ihm
finden sie alles, was erforderlich ist, da-
mit alles, auch das schwerste Leiden zum
Besten gereicht. Darum schreibt der
Apostel: Haltet es für lauter Freude,
wenn ihr in mancherlei Anfechtungen
fallet. (Jak. 1, 2.) Auf dem unruhigen
Meere dieses Lebens ist vorgesorgt, daß
diese Anfechtungen kaum jemanden feh-
len. Sie werden allen denen zur Freude
werden, welche Christum im Schifflein
haben und nicht versäumen, in jedem
Sturme ihn zu wecken, dann wird Er
im Leben ihr Schutz und Schirm und
im letzten Augenblicke ihre Rettung sein.
Eine christliche Mutter soll mit
dem heiligen Paulus sagen können:
[181] Ich lebe, doch nicht ich, sondern Chri-
stus lebt in mir. (Gal. 2, 20.) Wie
der Weinstock in seinen Zweigen lebt,
so soll Christus mit seiner Wahrheit
und Gnade in ihr leben, sie heiligen,
erleuchten, stärken und trösten zu ih-
rem eigenen Heile und zum Heile der
ihr anvertrauten Seelen.
Hienieden ist dieses Leben in Chri-
stus nach demselben heiligen Apostel
ein verborgenes. (Kol. 3, 3.) Es gleicht
dem Leben des gesunden Baumes im
Winter, der mit seinen kahlen Zwei-
gen dem verdorrten Baume äußerlich
ähnlich scheint. Wenn aber der Früh-
ling und der Sommer kommen, so
bleibt der verdorrte Baum in seiner
Erstorbenheit, der gesunde offenbart das
verborgene Leben in dem Schmucke
seiner Blätter, Blüten und Früchte.
Auch für die christliche Mutter
gleicht das irdische Leben der rauhen
Winterszeit. Sie muß die Stürme
mannigfacher Leiden und Prüfungen
[182] über sich ergehen lassen, sie selber ist
nicht frei von vielen Gebrechen und
Armseligkeiten, ihre Sorgen und Mü-
hen und Opfer wollen kein Ende neh-
men, sie scheint kaum etwas vor der
Mutter voraus zu haben, welche ein
Weltkind ist. Aber auch dieser Win-
ter geht vorüber und einmal kommt
der Frühling des ewigen Lebens. Dem
verdorrten Baum, der fleischlich den-
kenden und lebenden Mutter, wird dieser
Frühling kein neues Leben bringen, an
der christlichen Mutter aber und ihren
Kindern wird sich das Wort des Apo-
stels erfüllen: Wenn Christus, euer
Leben, erscheinen wird, dann werdet
auch ihr erscheinen mit Ihm in Herr-
lichkeit. (Kol. 3, 4.)
II.
Die Pflichten
der christlichen
Mutter.
[183]Wandel ihres Hauses.
Es kommen empor ihre
Kinder.“’’(Sprichw. 31, 27.)
16. Ein neuer Stand, ein neues
Leben.
[185]1.
Höre, Tochter, und schaue, und neige
dein Ohr! und vergiß dein Volk
und das Haus deines Vaters. Anstatt
deiner Väter werden dir Söhne ge-
boren. (Ps. 44, 11. 17.) Man kann
diese von dem Psalmisten in höherem
Sinne gebrauchten Worte auch auf die
irdische Braut anwenden. Sorgenfrei
lebte sie bisher im Schoße ihrer Fa-
milie oder hatte mindestens nur für
sich selbst zu sorgen. Jetzt heißt es:
‘„Vergiß das Haus deines Vaters.“’
Sie verläßt Vater und Mutter und
Angehörige, vertauscht sogar ihren bis-
[186] herigen Familiennamen, sie schließt ab
mit einer Vergangenheit, auf die sie
später wahrscheinlich als auf die glück-
lichste Zeit ihres Leben zurückschauen
wird. Bisher stunden ihr mehrere
Wege durch das Lebens offen, jetzt hat
sie unwiderruflich gewählt, hat ihr
Schicksal mit unlösbaren Banden an
einen Mann geknüpft, der sie entwe-
der glücklich oder unglücklich machen
wird. ‘„Anstatt deiner Väter werden
dir Söhne geboren.“’ Getrennt von
der Familie, aus welcher sie hervor-
gegangen, soll sie mit ihrem Gatten
selber eine neue gründen und deren
innere Führung übernehmen. Sie
tritt in eine neue Wohnung und in
neue Verhältnisse, sie übernimmt neue
Pflichten, beginnt gewissermaßen ein
neues Leben.
2. Wenn irgend einmal verdient
bei diesem entscheidenden Wendepunkt
im Leben jener Spruch volle Beher-
zigung: Bedenke das Ende! Kurz ist
[187] das Leben, rasch enteilen die Jahre
und ehe man sich's versieht, wird der
geschlossene Bund von der rauhen
Hand des Todes wieder gelöst. Das
Leben hätte keine Bedeutung, wenn
nicht dem Tode das Gericht folgte,
wenn nicht das, was man für sich
und seine Kinder gethan hat, in die
Ewigkeit hinüberwirkte. Bedenke da-
rum das Ende! Lebe von Anfang an
so, wie du wünschen wirst gelebt
zu haben, wenn das Ende kommt.
Wenn möglich, soll jede Braut vor
der Verehlichung einige Tage in der
Einsamkeit den geistlichen Uebungen
obliegen, durch eine Generalbeicht mit
ihrer Vergangenheit abschließen, und
im Lichte der ewigen Wahrheiten, die
sie betrachtet, wohlüberlegte Vorsätze
fassen für das Leben in dem neuen
Stande.
3. Es ist eine Hauptsache, daß von
Anfang an das Leben in den neuen
Verhältnissen möglichst gut geordnet
[188] wird. Wie man anfängt, so wird
man in der Regel fortfahren, je-
denfalls später höchst selten etwas
verbessern von dem, was anfänglich
geübt wurde.
Das Gesagte gilt eigentlich von
allem, was der Gattin und Mutter
obliegt, aber ganz besonders wichtig
ist es in Bezug auf die Tages- und
Lebensordnung. Ein geistreicher Mann
bemerkte einst: ‘„Unter den kleinen Feh-
lern ist die Unpünktlichkeit einer der
größten.“’ Das Leben, namentlich das
der Mutter oder Hausfrau, wird aus-
gefüllt von einer Menge kleiner Ver-
richtungen, die kaum der Beachtung
wert scheinen. Aber diese scheinbaren
Kleinigkeiten pflegen sich jeden Tag zu
wiederholen, und wenn die Hausfrau
nichts übersehen will, wenn sie alles
zur rechten Zeit thun und für alles
Zeit haben will, so muß sie die Zeit
gehörig einteilen und nicht bloß ar-
beiten, sondern auch geordnet arbeiten.
[189] Sie braucht eine bestimmte Tagesord-
nung.
Diese Tagesordnung ist aber noch
viel wichtiger und notwendiger für das
Familienleben und die Erziehung. Die
Familie ist ein Staat im Kleinen.
Kein Staat und keine Genossenschaft
kann bestehen ohne bestimmte Gesetze
oder Regeln, denen alle sich unterord-
nen müssen. Solche Gesetze braucht
auch die Familie und das erste der-
selben ist die Tagesordnung. Insbe-
sondere muß das, was gemeinsam ge-
schieht, z. B. das Essen, seine festge-
setzte Zeit haben und diese von allen
pünktlich eingehalten werden, sonst ist
keine Ordnung im Hause, sondern nur
Verwirrung, Zeitverlust und Unzufrie-
denheit. Sodann ist es selbstverständ-
lich, daß man die Kinder auch nicht
zur Ordnung erziehen kann, wenn keine
im Hause besteht.
Ebenso wichtig, wie für die täglichen
Arbeiten und Verrichtungen ist eine
[190] pünktliche Tagesordnung für das re-
ligiöse Leben, insbesondere die täglichen
Gebete. Die gegenseitige Erbauung
und die christliche Erziehung verlangen,
daß dieselben gemeinsam verrichtet wer-
den, was natürlich ohne pünktliche Be-
obachtung der Tagesordnung nicht mög-
lich ist. Auch in Bezug auf den
Kirchenbesuch, den Empfang der hl.
Sakramente, die gemeinsame erbauliche
Lesung, das ganze religiöse Leben sol-
len junge Eheleute von Anfang eine
bestimmte Regel aufstellen und möglichst
genau beobachten.
Kostet die Beobachtung der Tages-
ordnung vielleicht anfänglich einige
Mühe, so wird das bald besser wer-
den. Was wir täglich thun, mag
es gut oder böse sein, wird schnell
zur Gewohnheit, und wie schlimme
Gewohnheiten uns an die Sünde fes-
seln, so beseitigen gute Gewohnheiten
die Schwierigkeiten für die Uebung des
Guten. Das erste Jahr ist darum
[191] für junge Eheleute ein wichtiges Jahr.
Während desselben soll die häusliche
Ordnung so eingerichtet werden, wie
es die zeitliche Wohlfahrt und das
Seelenheil aller Glieder der Familie
verlangen, und sie soll so befestigt wer-
den, daß sie für alle Zukunft stand
haltet und nicht ohne Grund außer
acht gelassen wird.
Es sind noch zwei besondere Gründe,
warum die junge Gattin das erste
Jahr benutzen soll, um die häusliche
und namentlich die religiöse Tages-
ordnung recht fest zu begründen. In
der ersten Zeit sind die häuslichen Ar-
beiten geringer als später, wenn die
Familie sich vergrößert, und darum
geht es im Anfang viel leichter, sich
an eine bestimmte Regel und Ordnung
zu gewöhnen. Sobald Kinder vor-
handen sind, gibt es manche Störun-
gen, welche zu Ausnahmen von der
Regel nötigen und die Regel selber ge-
fährden, wenn man sich nicht vorher
[192] recht in sie hineingelebt hat. Sodann
bedarf die junge Frau zur Aufrecht-
haltung der Haus- und Tagesordnung
des Einverständnisses und der Mit-
wirkung des Mannes, welche in der
ersten Zeit leicht, später aber nur sel-
ten mehr zu bekommen sind. Darum
fange mit Ueberlegung und Entschlos-
senheit im neuen Stande ein neues
Leben an, schon am Anfange bedenke
das Ende, und lebe vom ersten Tage
an so, wie du am letzten wünschen
wirst, gelebt zu haben.
17. Gatte und Gattin; Vater
und Mutter.
1. Die gute Gattin wird auch eine
gute Mutter sein, und die glückliche
Gattin kann hoffen, auch eine glück-
liche Mutter zu werden. In Bezug
auf die Gattenpflichten und die Er-
ziehung gibt es vieles, was Mann
und Frau in gleicher Weise angeht,
[193] und was ich in dem Büchlein ‘„der
christliche Vater“’ bereits gesagt habe.
Ich möchte die Leserinnen aus einem
doppelten Grunde auf dieses Büchlein
verweisen, einmal um hier Raum zu
gewinnen für das, was die Frau be-
sonders angeht, und sodann, weil es
im Interesse der Sache selber gelegen
ist, daß sie besagtes Büchlein kennen
und benutzen. Vater und Mutter müs-
sen ja das gleiche Ziel mit vereintem
Zusammenwirken und größtenteils auch
mit den gleichen Mitteln anstreben.
Wenn die Mutter die Pflichten des
Vaters kennt, so wird es ihr leichter sein,
denselben zur Mitwirkung anzuregen
und in Harmonie mit ihm die höchste
Aufgabe ihres Lebens zu erfüllen.
2. Nichts auf Erden kann wich-
tiger sein für die Gattin und Mutter,
als die Beschaffenheit ihres Lebensge-
fährten. Ueberglücklich ist sie, wenn
ihr Mann zu denen gehört, welche die
heilige Schrift als Gerechte preist. Sein
[194] Wandel ist eine Erbauung, sein Wort
eine Erquickung, sein Umgang eine
Stärkung und Unterstützung für sie.
Ist er gläubig und fromm und ge-
wissenhaft, besitzt er ein edles Herz
und einen männlichen Charakter, dann
hat sie eine feste Stütze an ihm, der
sie getrost vertrauen kann. Dann er-
füllt sich an ihrer Familie jener be-
geisterte Segenswunsch der heiligen
Schrift: Glückselig alle, die den Herrn
fürchten, die da wandeln auf seinen
Wegen. Denn von der Arbeit deiner
Hände wirst du essen: Heil dir, es
wird dir gut gehen! Dein Weib ist wie
ein fruchtbarer Weinstock an den Wän-
den deines Hauses, deine Kinder wie
junge Oelbaumpflanzen um deinen
Tisch her. Siehe, also wird der Mann
gesegnet, der den Herrn fürchtet! Der
Herr segne dich aus Sion, und lasse
dir sehen das Glück Jerusalems alle Tage
deines Lebens, und lasse dich die Kinder
deiner Kinder sehen! (Ps. 127, 1 ff.)
Die menschliche Schwachheit hat
vorgesorgt, daß dieser glückselige Zu-
stand nirgends ein vollkommener ist.
Immer sind beide Teile schwache Men-
schen, und jeder Fehler an Eheleuten
ist auch eine Wolke an dem Himmel
des ehelichen Glückes, ein Hindernis
für die gute Erziehung. Aber wenn
Glaube und Gewissen und guter Wille
nicht wanken, wenn man, wie es Pflicht
ist, Geduld mit einander hat und die
gegenseitige Erbauung und Heiligung
nicht aus dem Auge verliert, so wer-
den diese menschlichen Gebrechen weder
dem ehelichen Glück noch der christlichen
Erziehung erheblichen Eintrag thun.
3. Leider gibt es Ehemänner in
allzugroßer Zahl mit Fehlern, die viel
ernster zu nehmen sind. Namentlich
sind es deren zwei, welche heutzutage
häufig vorkommen und viel Unheil
anrichten, die Irreligiosität und die
Trunksucht. Der Mann ist den schlim-
men Einflüssen der Welt viel mehr
[196] ausgesetzt als die Frau und wenn er
nicht sehr wachsam ist, so erliegt er
denselben, wird nachlässig im Gebete
und Kirchenbesuche, kann schließlich selbst
zum Zweifler und Ungläubigen wer-
den. Ebenso große Gefahren bedrohen
seine Mäßigkeit und es ist allbekannt,
wie viele in denselben als Verschwen-
der und Trunkenbolde untergehen. Es
ist schwer zu sagen, welches von diesen
beiden Uebeln für ein Familie mehr
zu beklagen sei. Die Trunksucht schafft
namentlich in den niederen Standen
mehr sichtbares Elend, über sie werden
mehr Thränen geweint. Der Unglaube
des Vaters bringt in der Regel we-
niger Störungen in das Familienleben,
aber wenn er Einfluß gewinnt, so
greift er tiefer, indem er namentlich
den Söhnen den religiösen und damit
auch den sittlichen Halt entzieht und
sie so zu einem Spielball der Lockun-
gen und Gefahren der Welt macht.
Eine christliche Frau, die an einen
[197] irreligiösen oder trunksüchtigen Mann
gebunden ist, befindet sich in einer
beklagenswerten Lage. Der Mann
sollte für sie eine Stütze sein, und er
ist das Gegenteil, für ihr Herz eine
Quelle schmerzlicher Kümmernisse und
ein großes Hindernis für die Kinder-
erziehung. Er sollte mit ihr aufbauen,
und nicht bloß thut er das nicht, son-
dern es ist die größte Gefahr, daß er
wieder niederreiße, was sie aufbaut.
Wird eine solche arme Mutter unter
diesen Umständen noch etwas auszu-
richten vermögen? Menschlich betrach-
tet ist freilich alles zu befürchten, aber
als Christin darf sie den Mut nicht
aufgeben. Gottes Gnade ist allen
menschlichen Hindernissen überlegen,
und darum kann das Ziel auch unter
den schwierigsten Umständen doch er-
reicht werden. Und es handelt sich um
das Heil unsterblicher Seelen, und
darum muß es um jeden Preis erreicht
werden.
18. Gatte und Gattin; Vater
und Mutter.
[198](Fortsetzung.)
1. Zunächst muß der Gattin und
Mutter die fehlende Stütze ersetzt wer-
den. Manche fühlen das Bedürfnis,
ihr bekümmertes Herz vor Bekannten
und Freunden auszuschütten und bei
diesen Trost zu suchen. Der Trost
besteht gewöhnlich darin, daß man der
Klagenden Recht gibt und den Be-
klagten heruntermacht. Aber was
ist damit erreicht? Gar nichts, als
daß man es der Gattin erschwert, die
christlichen Gesinnungen gegen ihren
Gatten zu bewahren, man senkt den
Stachel der Abneigung in ihr Herz,
macht sie unzufrieden mit ihrer Lage, und
wenn sie mit diesem Troste heimkehrt,
so fühlt sie sich erst recht unglücklich.
Mit solchem Troste hat man schon oft den
ersten Keil zwischen Eheleute hinein-
getrieben, der dann zu unversöhn-
[199] lichem Zwiespalt, selbst zur Trennung
führte. In solchen Fällen soll das
Wort des Propheten beherzigt werden:
Im Schweigen und in der Hoffnung
wird euere Stärke sein. (Js. 30, 15.)
Im Schweigen wird euere Stärke sein
den Menschen gegenüber. Die Leiden
der Gattin sollen so lange als mög-
lich ein Geheimnis ihres Herzens blei-
ben, hier ist geteilter Schmerz nicht
halber Schmerz, und die Mitteilung an
andere führt zudem zur Schwächung
der Ehre ihres Hauses. Ist ihr Herz
zu voll und zu gedrückt, um schweigend
zu dulden, so gehe sie nicht zur ersten
besten Frau Base, sondern klage ihre
Not einem Ratgeber, von dem sie nicht
einen giftigen Trost und verkehrte
Räte zu gewärtigen hat.
Und in der Hoffnung, sagt der
Prophet, wird euere Stärke sein. Wenn
die Gattin an demjenigen eine drückende
Last gefunden hat, der ihre Stütze
sein sollte, so muß sie ihre Stütze
[200] höher oben suchen. Sie muß allen ihren
Glauben und ihr Gottvertrauen zu-
sammennehmen und damit vor Gott hin-
treten, vor Ihm ihr Herz ausschütten,
bei Ihm Hilfe suchen und von Ihm
sich trösten lassen. Hat eine unglück-
liche Gattin nicht religiösen Sinn ge-
nug, um sich zu Gott zu erheben, so
wird sie unter der Last erliegen und
zusammenbrechen. Als echte Christin
aber wird sie im Gebete, im Hause
Gottes, an der Kommunionbank jenen
Geist und jene Kraft erlangen, welche
schon so manche schwergeprüfte Frau zu ei-
ner heiligen Heldin gemacht haben.
Freilich bringen es nicht alle so
weit, wie die heilige Elisabeth von
Thüringen, welcher bereits früher ge-
dacht wurde. Solcher Heldenmut ist
nicht jedermanns Sache. Aber wer
wirklich beten, d. h. aus dem Herzen
mit Gott reden kann, wird bei Ihm
eine Ermutigung und Stärkung fin-
den, die er bei den Menschen verge-
[201] bens sucht. Jeder kleine Kummer soll
die Gattin antreiben, nach oben zu
schauen und zu beten, mit einem gro-
ßen und schweren Kummer aber gehe
sie in die Kirche und verlasse dieselbe
nicht mehr, bis ihr Herz beruhigt und
gefaßt ist. Im Schweigen und in der
Hoffnung wird euere Stärke sein.
2. Sodann muß auch für die Be-
kehrung des Mannes das Mögliche
gethan werden. Soweit es sich um den
Unglauben und die Irreligiosität der
Männer handelt, fanden die Apostel
schon in den ersten Zeiten Gelegenheit
genug, den Frauen gute Räte zu ge-
ben. So schreibt der hl. Petrus: Die
Weiber sollen ihren Männern unter-
than sein, damit auch die, welche dem
Worte nicht glauben, ohne das Wort
gewonnen werden, wenn sie eueren keu-
schen, gottesfürchtigen Wandel sehen,
(I. Petr. 3, 1.) Und der hl. Paulus ruft
den Kleinmütigen, welche einen Erfolg
nicht zu hoffen wagen, aufmunternd
[202] zu: Wie weißt du, Weib, ob du den
Mann nicht zum Heile führen werdest?
(I. Kor. 7, 16.) Diese apostolischen Worte
bilden eine Wiederholung und Bestä-
tigung der Mahnung des Propheten:
Im Schweigen und in der Hoffnung
wird euere Stärke sein. Mit Worten
werden die Weiber ihre Männer nicht
leicht bekehren können. Schon der hl.
Petrus deutet dieses an, indem er von
Männern redet, die dem Worte nicht
glauben. Schon mancher Mann ist
sogar durch das ungestüme Zureden der
Frau nur halsstarriger geworden. Es
braucht ein Mittel, welches in die Seele
dringt und dort den guten Willen weckt.
Ein solches Mittel ist von Seite Got-
tes die Gnade, und von Seite der
Menschen besteht es nach dem hl. Pe-
trus darin, daß die Weiber den Män-
nern unterthan sind und sie durch ihren
keuschen, gottesfürchtigen Wandel er-
bauen.
Der hl. Gregor von Nazianz gab
[203] der heiligen Olympias folgenden Rat:
‘„Schätze deinen Gemahl, wie das Auge
deines Leibes. Liebe nur ihn, er sei
deine Freude und dein Trost. Gib ihm
nie Anlaß, auf dich zu zürnen; stehe
ihm bei, tröste ihn in seinen Leiden
und Betrübnissen. Rede mit ihm in
aller Sanftmut und Zärtlichkeit; sei
bescheiden in den Gegengründen, die
du gegen seine Meinung vorbringst,
und benütze dazu einen günstigen Au-
genblick. Ahme jenen nach, welche Lö-
wen bezähmen wollen; statt Gewalt zu
brauchen, schmeicheln und liebkosen sie
ihnen. Habe Mitleid mit deines Man-
nes Schwäche, und halte sie ihm nie-
mals mit Bitterkeit vor. Es ist dir
nicht erlaubt, dieses gegen den zu thun,
welchen du allem in der Welt vorziehen
mußt.“’
Es dürfte nicht leicht eine Gattin
gegeben haben, welche diesen Rat eines
Heiligen getreuer und mit mehr Glück
befolgt hätte, als die heilige Monika.
[204] Monika wurde noch jung mit Patri-
tius vermählt, der in Gesinnung und
Leben ein Heide war. Ihr heiliger Sohn
schildert nun ihr Verhalten als Gat-
tin in folgender Weise: ‘„Sie be-
mühte sich von nun an, ihn für Dich
zu gewinnen, o Herr, indem sie zu ihm
von Dir durch die Heiligkeit ihrer Sit-
ten sprach, welche dazu dienten, ihre
Schönheit in seinen Augen zu erhöhen
und ihr seine Liebe und Hochachtung
zu gewinnen. Ihre Geduld und Er-
gebung hinsichtlich seiner Untreue war
aber auch so groß, daß nie deshalb
der geringste Zwiespalt zwischen ihnen
entstand. Sie wartete, bis ihm deine
Erbarmung den Glauben und die Keusch-
heit zugleich gäbe. Da er aber unge-
achtet seines aufmerksamen Wohlwol-
lens für sie heftig und aufbrausend
war, so hatte sie sich zum Gesetze ge-
macht, ihm während der Aufwallungen
seines Zornes nie weder durch Hand-
lungen, noch selbst durch Worte zu wi-
[205] derstreben. Wenn aber die Ruhe auf
den Sturm gefolgt, und er wieder zu
sich gekommen war, dann wählte sie
die Gelegenheit, ihn auf seinen Fehler
aufmerksam zu machen, wenn er wirk-
lich ohne Grund aufgebraust war. Mehrere
vornehme Frauen, deren Gatten weit
weniger heftig waren als der ihrige,
sahen sich gleichwohl von ihnen miß-
handelt, und zwar so, daß sie die Spu-
ren der erhaltenen Schläge auf ihren
Gesichtern trugen. In ihren vertrau-
lichen Unterhaltungen beklagten sie sich
über das rohe Benehmen ihrer Gatten.
Meine Mutter entgegnete ihnen, daß
sie vielmehr ihrer Zunge die Schuld
beimessen sollten. Dann fügte sie, in-
dem sie einen ernsten Rat in einen
Scherz kleidete, hinzu, sie hätten schon
damals, als man ihnen ihren Ehever-
trag vorlas, diesen als die Urkunde
ihrer Knechtschaft betrachten sollen. Sie
sollten demnach ihren Stand nicht ver-
gessen, und sich nicht gegen ihre Herren
[206] erheben. Eben diese Frauen, welche
wußten, wie jähzornig ihr Mann sei,
wunderten sich sehr, daß man nie wahr-
genommen, ja, nicht einmal sagen hörte,
Patritius habe seine Frau geschlagen,
oder es sei auch nur einmal ein häus-
licher Zwiespalt zwischen ihnen gewesen.
Als meine Mutter vertraulich um den
Grund gefragt wurde, legte sie ihr Ver-
halten dar, wie es oben angegeben
wurde. Diejenigen, welche sich bestreb-
ten, ihr Beispiel nachzuahmen, befan-
den sich besser dabei und dankten ihr
dafür, während die anderen weitere
Mißhandlungen zu erdulden hatten.’
ter gegen ihre Schwiegermutter. Diese
hatte sich durch die lügenhaften Ein-
flüsterungen einiger Mägde gegen ihre
Schwiegertochter einnehmen lassen. Aber
bald wurde sie durch deren unermüd-
liches Zuvorkommen und ihre unver-
änderliche Sanftmut so sehr für sie ein-
genommen, daß sie selber dem Patri-
[207] tius die Abscheulichkeit dieser bösen Zun-
gen anzeigte, und ihn bat, gegen die-
selben einzuschreiten, damit sie aufhören,
Unruhe und Zwietracht in die Familie
zu bringen. Der Vater verfuhr nach
ihrem Willen und alsdann erklärte sie
den Schuldigen, daß sie dies immer zu
gewärtigen hätten, sobald sie, um ihr
zu gefallen, falsche Anzeigen gegen ihre
Schwiegertochter machten. Von dieser
Zeit an wagte es keine mehr, und so
lebten beide in der innigsten und voll-
kommensten Freundschaft....
‘Endlich hatte sie die Freude, ihren
Gatten kurz zuvor, ehe er aus dieser
Welt ging, deinem Gesetze, o Herr, zu
gewinnen. Sobald er sich der Wahr-
heit ergeben hatte, flossen die Thränen
seiner Gattin nicht mehr über die Un-
ordnungen, die sie in schweigender Er-
gebung beweint hatte, da er noch kein
Christ war“’. (Aug. Bekenntnisse, IX, 9.)
So befolgte die heilige Monika die
Mahnung des heiligen Petrus, sie war
[208] ihrem Manne unterthan, der dem Worte
nicht glauben wollte, und er wurde ohne
das Wort gewonnen, da er ihren keu-
schen, gottesfürchtigen Wandel sah. Sie
hat im Schweigen und in der Hoffnung
ihre Stärke gesucht, und ihre Hoffnung
ist nicht zu Schanden geworden.
3. Wenn es sich um die Bekehr-
ung des Gatten handelt, so ist es we-
nigstens nicht schwer zu sagen, was die
Gattin thun soll, so schwer auch die
Ausführung ist. Wenn aber eine Mut-
ter die Kinder christlich erziehen soll,
während der Vater sie nicht unterstützt,
vielmehr für sie ein Hindernis ist, so
ist es sogar schwierig, auch nur einen
Rat zu geben. Schwierig ist schon das
erste Erfordernis, welches darin besteht,
das Ansehen des Vaters zu wahren.
Die Mutter darf seine Fehler nicht recht-
fertigen, aber auch sein Ansehen nicht
herabsetzen. Wenn sie in ihrem Her-
zen christliche Gesinnungen gegen den
fehlenden Gatten hat, so werden die-
[209] selben sicher auch auf die Herzen der
Kinder übergehen und diese so stimmen,
daß sie das vierte Gebot nicht vergessen,
wenn ihnen auch die Fehler des Vaters
nicht verborgen sind.
Eine zweite Regel enthält eine schein-
bare Abweichung von dem bisher Ge-
sagten. Eine Gattin soll im übrigen
Leben so weit als möglich schweigen,
nachgeben und dulden, um den Gatten
zu gewinnen. In der Erziehung würde
diese Nachgiebigkeit Schwäche sein. Was
zur christlichen Erziehung gehört, was
das Seelenheil der Kinder erfordert,
darauf muß sie mit aller Entschie-
denheit bestehen. Eine Gattin kann
für ihre Person vieles dulden, ohne
daß das ihrer Seele schadet, aber eine
Mutter darf in Bezug auf Erziehung,
Schulunterricht und Unterbringung der
Kinder nie etwas zugeben, was für
Religion und Tugend und Seelenheil
der Kinder eine Gefährde bringen kann.
Der h. Augustin konnte bei aller Ver-
[210] ehrung gegen seine edle Mutter nicht
verschweigen, daß sie in diesem Punkte
zu schwach und zu nachgiebig gewesen
sei, und so seine späteren Verirrungen
mitverschuldet habe.
Eine dritte Regel möchte ich mit
einem Worte des heiligen Paulus aus-
drücken. Derselbe sagt lobend von dem
Patriarchen Abraham: Er hat wider die
Hoffnung an die Hoffnung geglaubt.
(Rom. 4, 18.) Nach menschlichem Urteile
hatte Abraham keine Nachkommenschaft
mehr zu erwarten, aber er vertraute
auf die Verheißung des Herrn, glaubte
wider die Hoffnung an die Hoffnung
und ist nicht zu Schanden geworden.
So muß auch die christliche Mutter
auf den Herrn hoffen, wo nach mensch-
licher Anschauung wenig zu hoffen ist.
Je trostloser ihre Lage ist, desto mehr
hoffe sie wider die Hoffnung. Die
christliche Hoffnung hat zwei überaus
heilsame Wirkungen. Die erste übt
sie aus auf das menschliche Herz. So
[211] lange eine unglückliche Mutter an der
Hoffnung festhaltet, trotz allen Schwierig-
keiten ihr Ziel zu erreichen, so lange
hat sie auch Mut und Kraft zur Er-
füllung ihrer Pflichten. Erst wenn sie
die Hoffnung aufgibt, bricht sie mut-
und kraftlos zusammen. Die Hoffnung
hat aber auch Macht über das Herz
des himmlischen Vaters. Gott kann
gemäß seinen Verheißungen denjenigen
nicht verlassen, der auf Ihn hofft, und
je stärker seine Hoffnung ist, desto mehr
wird Er ihm nahe sein. Drum, o
christliche Mutter, lasse dich nicht be-
irren durch die schwierige Lage, bete
und arbeite, erfülle deine Pflichten so,
als ob das Heil deiner Kinder nur
von dir abhänge, und bete und ver-
traue, als ob Gott alles thun müsse.
Dann darfst auch du getrost mit dem
Apostel Paulus sagen: Ich vermag
alles in dem, der mich stärkt. (Phil. 4,
13.) Wer auf den Herrn hofft, wird
ewig nicht zu Schanden werden.
19. Die Hausfrau und Hausmutter.
[212]1. In den Sprüchen Salomons wird
die starke Frau mit folgenden Worten
geschildert: Wer wird ein starkmütiges
Weib finden? Wie von ferne, ja von
den äußersten Grenzen kommend, ist
ihr Wert. Es vertraut auf sie ihres
Mannes Herz, und an Gewinn wird
es nicht fehlen. Sie erweist ihm Gu-
tes und nie Böses alle Tage ihres Le-
bens. Sie erwirbt Wolle und Flachs,
und arbeitet nach der Kunstfertigkeit
ihrer Hände. Sie ist gleich einem Kauf-
mannsschiff, welches weit her bringt
sein Brot. Am frühen Morgen steht
sie auf und gibt Zehrung ihren Haus-
genossen und Speise ihren Mägden.
Sie beschaut einen Acker und kauft ihn,
von ihrer Hände Frucht pflanzt sie ei-
nen Weinberg. Sie gürtet mit Kraft
ihre Lenden und stärkt ihre Arme. Sie
sieht und gewahrt, wie gut ihre Ge-
schäftigkeit ist, und nicht erlöscht ihr
[213] Licht in der Nacht. An wichtige Dinge
legt sie ihre Hand, und ihre Finger
erfassen die Spindel. Sie öffnet ihre
Hand dem Armen, und breitet ihre
Arme nach dem Dürftigen aus. Sie
fürchtet nicht für ihr Haus des Schnees
Kälte, denn alle ihre Hausgenossen sind
doppelt gekleidet. Decke und Kleid fer-
tigt sie für sich, Linnen und Purpur
sind ihr Gewand. Angesehen am Thore
ist ihr Mann, wenn er sitzt bei den
Räten des Landes. Linnen fertigt und
verkauft sie, und Gürtel liefert sie dem
Chananäer, Kraft und Anmut sind
ihr Gewand, und lachen wird sie am
letzten Tage. Ihren Mund öffnet sie
zur Weisheit, und das Gesetz der Milde
ist auf ihrer Zunge. Sie hat acht auf
den Wandel ihres Hauses, und ißt ihr
Brot nicht müßig. Ihre Kinder kom-
men empor und preisen sie als die
Glückseligste, und auch ihr Mann lo-
bet sie: Viele Töchter haben sich Reich-
tümer gesammelt, du hast sie alle über-
[214] troffen. Trügerisch ist die Anmut und
eitel die Schönheit, eine Frau, die den
Herrn fürchtet, die wird gepriesen wer-
den. Gebet ihr von den Früchten ihrer
Hände, und lobpreisen mögen sie am
Thore ihre Werke. (Sprichw. 31, 10
bis 31.)
2. Versetzen wir uns in eine un-
serer Familien und fragen wir, wie die
Hausfrau obige Lobsprüche verdienen
könne. Zunächst muß sie ‘„Kunstfer-
tigkeit der Hände“’ besitzen, d. h. alle
Arbeiten verstehen, die im Hause vor-
kommen, insbesondere das Kochen,
Nähen und Waschen. Fehlt ihr eine
dieser Fertigkeiten, so soll sie noch vor
der Verheiratung dieselbe erwerben, sonst
wird sie keine Hausfrau sein. Hat sie
Dienstboten, so kann sie dieselben nicht
regieren, wenn sie nichts versteht, ist
sie allein, so wird der Haushalt nur
dann gut stehen und den Mann be-
friedigen, wenn sie in diesen Dingen
kundig ist. Das zweite Erfordernis ist
[215] eine unermüdliche Thätigkeit. Sie soll
die erste und die letzte bei der Arbeit
sein, und keine Arbeit verschmähen.
Noch in der Nacht soll ihre Lampe bren-
nen, und in aller Frühe ist sie wieder
da, den Hausgenossen Speise zu berei-
ten. Immer ist ihre Hand beschäftigt,
sei es mit wichtigen Dingen, sei es auch
nur mit der Spindel. Sie ißt ihr Brot
nicht müßig. Das dritte Erfordernis ist
die Achtsamkeit auf alles. ‘„Sie hat acht
auf den Wandel ihres Hauses“’. Jeder
Gegenstand im Hause habe seinen be-
stimmten Ort, und immer muß die
Hausfrau wissen, wo jede Sache ist.
Jeder Dienstbote und Hausgenosse habe
seine bestimmte Arbeit, welche die Haus-
frau abmißt, damit sie weder zu viel
noch zu wenig sei. Das Leben im Hause
bewege sich nach einer bestimmten Ta-
gesordnung und die Hausfrau sei die
erste, die sich darnach richtet, sie soll in
ihrer Genauigkeit einer lebendigen Uhr
gleichen. Ordnung verlängert den Tag,
[216] Unordnung verkürzt ihn. Niemand im
Hause soll die Zeit unnütz verlieren,
und sie soll am meisten mit derselben
geizen. Für ihre geschwätzigen Nach-
barinnen hat sie recht freundliche, da-
für um so kürzere Worte. Wer den un-
nützen Gebrauch der Zunge einstellt,
gewinnt viel Zeit für die nützliche Be-
wegung der Hände und Füße.
Wenn sie selber alles gut versteht,
zuerst und zuletzt selber arbeitet und
sorgfältig alles überwacht, dann wird
sie von selbst zur Seele und zur Herrin
des Hauses, die den ganzen Haushalt
regiert. Alle Untergebenen sind gleich-
sam nur ihre Hände, durch welche sie
arbeitet, und diese fühlen nicht einmal
einen Druck unter ihr, weil ihr Ver-
ständnis von allem und ihr Beispiel
und die Billigkeit ihrer Forderungen
die Untergebenen mit dem pünktlichen
Regiment aussöhnen. Wo der Haus-
halt so geordnet ist, wird auch ‘„auf sie
vertrauen ihres Mannes Herz“’. Denn
[217]‘„an Gewinn wird es nicht fehlen“’.
Seine Hausfrau gehört nicht zu jenen
Damen, die keiner zu heiraten wagt,
aus Furcht, daß seine Mittel ihren An-
sprüchen nicht gewachsen seien. Wohl
entfaltet auch sie einen gewissen Luxus
mit ‘„Decken“’, ‘„Kleidern“’ und ‘„Linnen“’,
aber nicht zum Schaden des Hauses.
Sie sündigt nicht auf die Kasse des
Mannes hin, sondern sucht, so weit
möglich, mit Gewinn von den Arbeiten
ihrer Hände ihn zu erfreuen. Der schönste
Schmuck ihres Hauses sind Ordnung
und Reinlichkeit, wenn man nicht sagen
will, daß eine solche Hausfrau selber ihn
bilde.
3. In der Ueberschrift ist neben der
Hausfrau auch die Hausmutter genannt
worden. Die Frau muß als Herrin
das Haus regieren, damit Ordnung
herrscht und das Hauswesen seinen un-
gestörten Gang geht. Aber sie soll nicht
regieren wie ein General, sondern wie
eine Mutter. Der Mann, die Dienst-
[218] boten und Hausgenossen, die Armen
sind für ihr Herz Kinder, um deren
Wohlfahrt sie mit mütterlicher Sorg-
falt bekümmert ist. So viel an ihr
ist, läßt sie es an nichts fehlen, wessen
sie bedürfen. Sie müssen tüchtig ar-
beiten, werden aber dafür gut verpflegt.
‘„Sie steht früh auf und gibt Nahrung
den Hausgenossen, Speise den Mägden.
Alle ihre Hausgenossen sind doppelt ge-
kleidet“’. Sie ist haushälterisch und spar-
sam, aber nur, um von dem Erspar-
ten einen guten Gebrauch zu machen.
‘„Sie öffnet ihre Hand dem Armen, und
breitet ihre Arme nach den Dürftigen
aus“’. Sie überwacht nicht bloß die Ar-
beit, sorgt nicht bloß für den Leib,
sondern kümmert sich auch um Tugend
und Seelenheil ihrer Untergebenen, hält
sie an zu einem christlichen Leben und
duldet nichts Ungeordnetes an ihnen.
‘„Sie hat acht auf den Wandel ihres
Hauses“’.
Die strenge Hausfrau wird gefürch-
[219] tet, aber die Untergebenen werden sich
dessen kaum bewußt, weil überall die
besorgte Hausmutter im Vordergrund
steht und mit dem Wohlwollen, welches
sie schenkt und empfängt, die Furcht
überflüssig macht. ‘„Wer wird ein stark-
mütiges Weib finden? Wie von ferne,
ja von den äußersten Grenzen gekom-
men, ist ihr Wert“’.
20. Die Adventzeit.
1. Die machabäische Mutter sagte
zu ihren Söhnen: ‘„Ich weiß nicht,
wie ihr in meinem Leibe geworden
seid; denn nicht ich habe euch Geist.
Seele und Leben gegeben, und nicht
ich selbst habe Glied an Glied ge-
fügt, sondern der Schöpfer der Welt,
der den Menschen bei seiner Erzeugung
bildet, und der Urheber des Entstehens,
aller Dinge ist.“’ (II. Mach. 7, 22.)
Die Menschen haben mit aller ihrer
Wissenschaft noch nicht die Entstehung
[220] einer Milbe oder eines Gräsleins zu
ergründen, und noch weniger die Na-
tur bei diesem Vorgange nachzuahmen
vermocht. In ein um so größeres
Geheimnis ist die Entstehung des Men-
schen, des Ebenbildes Gottes, gehüllt,
ein Geheimnis, das trotz des Sünden-
falles so ehrwürdig und erhaben ge-
blieben ist, daß Christus dasselbe mit
einer sakramentalen Würde und Gnade
ausstatten wollte. Niemand hat mehr
Grund, die Bedeutung dieses Geheim-
nisses mit ernsten Gedanken zu er-
wägen, als die christliche Mutter, weil
sie die Arche sein soll, in welcher das-
selbe verschlossen ist. Ihr Verhalten
hat für das in ihrem Schoße keimende
Leben die allergrößte Bedeutung. Es
ist bekannt, wie groß die Macht der
Vererbung ist, wie gewisse Krankheits-
anlagen, gute und schlimme Eigen-
schaften, selbst die Gesichtszüge von den
Eltern auf die Kinder übergehen kön-
nen. Hier soll nur einiges berührt
[221] werden, was von dem freien Willen der
Eltern abhängt und durch diesen ver-
bessert oder verschlimmert werden kann.
2. Wie im Frühlinge die zarten
Pflanzenkeime und Blüten gegen die
Einflüsse der Witterung sehr empfind-
lich sind, so ist es mit der Knospe des
Menschenlebens in der Zeit seiner ersten
Entwicklung. Man schuldet dem Kinde
schon vor seiner Geburt gewisse Rück-
sichten, um es vor Schaden zu be-
wahren. Ueberanstrengungen der Mut-
ter, heftige Aufregungen, namentlich
Zorn oder Schrecken können das Kind
mit gewissen Schwächen und Gebre-
chen belasten, die ihm lebenslänglich
bleiben. Auch darf eine Bemerkung
über den Genuß geistiger Getränke
hier nicht unterbleiben. Die überein-
stimmenden Beobachtungen, die man
in den weitesten Kreisen und seit lan-
ger Zeit gemacht hat, lassen ersehen,
daß geistige Getränke nicht bloß denen
schaden, welche sie genießen, sondern auch
[222] ihrer Nachkommenschaft. Das gilt von
Vater und Mutter, und nicht bloß
von eigentlichen Volltrinkern, sondern
auch bei mäßigem Genuß. Der Al-
koholgenuß der Eltern hat schon un-
zählige mal die körperlichen und gei-
stigen Kräfte der Kinder geschwächt,
diese eigentlich vergiftet, schon bevor sie
das Licht der Welt erblickten. Das
Gesagte soll von der Mutter auch nach
der Geburt beachtet werden. Es ist
Thatsache, daß heftige Aufregungen,
sowie geistige Getränke nicht selten die
Muttermilch vergiften, und darum soll
sie nach solchen Vorkommnissen dem
Kinde nicht gereicht werden.
3. Zwei Herzen und ein Schlag.
Das Kind ist in der wichtigsten Pe-
riode seiner Entwicklung nicht bloß in
leiblicher Hinsicht ganz abhängig von den
mütterlichen Einflüssen, sondern auch
in Bezug auf Herz und Gemüt. Wie
die Pulsschläge des Mutterherzens
auf das Kind hinüberwirken, so ist es
[223] mit den Gemütsbewegungen der Fall.
Jeder Pulsschlag trägt etwas bei zur
Entwicklung des zarten Körpers, und
ähnlich wirken die Gemütsbewegungen
auf das, was Herz, Gemüt, Tempe-
rament genannt wird. Bekanntlich
bringen die Kinder oft bedeutend ver-
schiedene Gemütsanlagen mit auf die
Welt. Die einen zeigen ein zorniges,
eigensinniges, selbstsüchtiges Wesen, wäh-
rend andere eine sanftere Gemütsbe-
schaffenheit verraten. Man nennt diese
Anlagen ‘„angeboren“’, also übertragen.
Wenn man sich auch hüten muß, im
einzelnen Fall vorschnell zu urteilen,
so ist doch sicher, daß die Gemüts-
stimmung und die sittliche Haltung
der Mutter in dieser Sache von gro-
ßer Bedeutung sind. Je weniger im
Mutterherzen Stürme der Aufregung
und Leidenschaft losbrechen, je mehr
die Sonne des Friedens und der See-
lenruhe in ihr Gemüt leuchtet, je mehr
die edlern Stimmungen der Sanftmut,
[224] der Liebe und Geduld in ihrem In-
nern vorherrschen, desto besser ist das
für den jungen Weltbürger, weil es
beiträgt, seinen Gemütsanlagen eine
harmonische Einheit zu geben, ihnen
ein edles Gepräge aufzudrücken.
4. Bekanntlich haben sehr viele
Heilige heilige Mütter gehabt. Bei
manchen Heiligen wundert man sich
darüber, daß sie einen besonderen Zug
zum Edeln und Heiligen schon im
zartesten Alter kund gaben, in welchem
er ihnen unmöglich durch irgendwel-
chen Unterricht konnte beigebracht wor-
den sein. Das eben Gesagte läßt er-
messen, durch wen und wie diese frühe
Hinwendung zum Heiligen in die zar-
ten Geschöpfe gelegt wurde. Nur darf
man nicht meinen, daß da natürliche
Kräfte, menschliche Bemühungen für
sich allein ausreichend seien. So weit
die Geschichte uns Aufschluß gibt, ha-
ben alle heiligen Mütter sich beflissen,
diese wichtige Zeit durch Andacht und
[225] Frömmigkeit zu weihen und zu hei-
ligen. Sie haben sich die heilige Elisa-
beth, die Mutter des heiligen Johan-
nes des Täufers, zum Vorbilde ge-
nommen. Die heilige Elisabeth hat
es an ihrer eigenen Mitwirkung nicht
fehlen lassen, indem sie die Zeit in
stiller Einsamkeit und heiligen Uebun-
gen verlebte, aber geheiliget wurde ihr
Kind erst, als sie mit ihm in die
Nähe des menschgewordenen Wortes
und seiner Mutter trat. Jede christ-
liche Mutter soll diese heilige Mutter
nachahmen, so gut es ihr möglich ist,
indem sie sich der Zurückgezogenheit
befleißt, fleißig betet, durch erbauliche
Lesung ihre Seele mit heiligen Gedan-
ken erfüllt, die heiligen Sakramente
empfängt, damit Christus auch bei ihr
einkehrt und ihr selber und durch sie
dem Kinde Gnade und Heil zuwendet.
Auch versäume sie nicht, sich und ihr
Kind, ihre Sorgen und Aengsten recht
oft Maria, der heiligsten aller Mütter,
[226] sowie der heiligen Anna und den übri-
gen heiligen Müttern anzuempfehlen.
Sie sind ja die besondern Patrone für
die mütterlichen Sorgen und Anliegen.
Die Erweckung religiöser Gesin-
nungen und die Benutzung der Gna-
denmittel werden in mehrfacher Hin-
sicht heilsam wirken. Frommer Sinn
und frommes Gebet erheben die Seele
nach oben, sie sonnt sich gleichsam im
Lichte des Himmels, auf sie fällt der
Tau der Gnade. Dies hilft ihr,
schädliche Aufregungen zu unterdrücken,
ihr Inneres in Ruhe und Frieden zu
bewahren, ohne Sünde und gottselig
zu leben, und so der Güte Gottes als
Werkzeug zu dienen, um ihrem Kinde
für Leib und Seele Segen zuzuwenden.
21. Geburt und Wiedergeburt.
1. Als Eva ihren Erstgeborenen
erblickte, sagte sie mit Erstaunen und
Freude: Ich habe einen Menschen er-
[227] halten, mit Gott. (I. Mos. 4, 1.) Es
erwachte die Mutterliebe in ihrem
Herzen und sie begrüßte den Neuge-
borenen als Fleisch von ihrem Fleische.
Die Mutterliebe ist das kostbarste na-
türliche Gut, welches den neuen Welt-
bürger beim Eintritte in diese Welt
erwartet, und welches ihm nirgends
fehlt, mag er in einer Hütte oder in
einem Palast geboren werden. Diese
Liebe ist um so größer und opferwil-
liger, je mehr die Not des irdischen
Daseins den hilflosen Sprößling be-
droht. Es ist bewunderungswürdig,
wie diese Liebe auch Mütter, die vor-
her wenig von Entsagung und Ueber-
windung wissen wollten, mit Eifer und
Kraft und Ausdauer erfüllt, wo es
sich darum handelt, ihr Kind zu ver-
pflegen und seine Bedürfnisse zu be-
friedigen. Diese Liebe kümmert sich
nicht bloß um das augenblickliche Be-
dürfnis, sie erlischt nicht, wenn das
Kind sich selber helfen kann, wie ihr
[228] niederes Schattenbild im Naturtriebe
der Tiere, sie ist ein seelisches Band,
welches weder die Zeit, noch selbst der
größte Schmerz und Undank zu zer-
reißen vermögen, sie umspannt die
ganze Zukunft und erglüht in dem
beständigen Verlangen, das Kind glück-
lich zu machen und zu sehen.
2. Die natürliche Mutterliebe, so
sehr sie zu bewundern ist, trägt gleich-
wohl keine guten Früchte, wenn sie
nicht zur christlichen Liebe verklärt
wird. Wenn die Mutter nur mit
Eva sagt: Ich habe einen Menschen
erhalten, und nicht an den Christen
denkt, so läuft sie Gefahr, nur fleisch-
lich zu lieben, nur für das Irdische
zu erziehen, nicht zuerst das Reich Got-
tes zu suchen und darum auch das
übrige zu verlieren. Die Freude bei
der Geburt des Kindes ist eine natür-
liche, aber für die christliche Mutter
wird die Freude erst vollkommen durch
die Wiedergeburt in der heiligen Taufe.
[229] In der richtigen Auffassung dieser
Wiedergeburt liegt ihr ganzes Erzie-
hungsprogramm, aus ihr fließen alle
ihre Hoffnungen und Wünsche, ihre
Befürchtungen und Sorgen, auf ihr
beruht das ganze Leben und Streben
der christlichen Mutter. Von dem hl.
Martyrer Leonidas, dem Vater des
berühmten Origenes, wird erzählt, er
habe diesen als kleines Kind in der
Wiege oft ehrerbietig auf die Brust
geküßt, um seine Hochschätzung für
diesen Tempel des heiligen Geistes kund
zu geben. Das muß auch die An-
schauung der christlichen Mutter sein.
Sie soll in dem Kinde nicht bloß das
Fleisch von ihrem Fleische lieben, son-
dern das Ebenbild Gottes, das Kind
Gottes, den Tempel des heiligen Gei-
stes, und ihre erste Sorge für das
Kind muß auf die Bewahrung und
Befestigung dieses Glückes gerichtet
sein. Als Ludwig der Heilige, König
von Frankreich, noch ein kleiner Knabe
[230] war, pflegte seine Mutter, die heilige
Blanka, zu ihm zu sagen: Gott weiß,
wie sehr ich dich liebe, aber lieber sähe
ich dich sterben, als daß eine einzige
schwere Sünde deine Seele befleckte.
Die christliche Mutter erzieht ihre Kin-
der nicht bloß zur äußern Tugend
und Rechtschaffenheit ihr Streben geht
höher, sie sollen innerlich gut, reinen
Gewissens, durch den Besitz der Gnade
Kinder Gottes und Erben des Him-
mels sein und bleiben. Als man
der edlen Anthusa ihren Neugebore-
nen, den später so berühmten heiligen
Johannes Chrysostomus in die Arme
legte, sagte sie: ‘„Dieses Kind soll ein
Heiliger werden!“’ Anthusa lebte in
den glänzendsten Verhältnissen, sie
hätte ihren Sohn zu weltlicher Größe
erziehen können, sie hat ihn zum Hei-
ligen erzogen. Hat sie daran nicht
gut gethan?
3. Geburt und Wiedergeburt. Bei
der Geburt umfaßt die Mutter das
[231] Kind als ihr eigenes. Wenn es von
der heiligen Taufe zu ihr zurückkehrt,
so empfängt sie es als Kind Gottes,
für welchen sie es zu erziehen hat.
Sie gleicht der Mutter des Moses, zu
welcher die Königstochter sagte: Nimm
dieses Knäblein, und erziehe es mir,
ich will dir deinen Lohn geben. (II. Mos.
2, 9.) Ursprung. Wesen und Ziel
der christlichen Erziehung sind ganz
anders und höher, als die Erziehung
nach der bloß natürlichen Auffassung.
Die christliche Mutter muß ihre Auf-
gabe, ihr ganzes Leben und Wirken
im Lichte des Glaubens auffassen, sie
muß aus dem Glauben leben. Dazu
genügt nicht, daß die Mutter nicht
ungläubig sei. Sie muß einen leben-
digen Glauben haben, in dessen Lichte
sie wandelt, wie wir in der sichtba-
ren Welt im Lichte der Sonne wan-
deln. Alle ihre Wünsche für das Kind,
ihre Worte und Handlungen, alles,
was sie für das Kind thut, muß aus
[232] dem Glauben hervorgehen. Die Mut-
ter kann aber nur dann die Erzie-
hung christlich auffassen und betreiben,
wenn sie sonst schon in ihrem ganzen
Denken und Leben eine gute Christin
ist. Darum ist in diesem Büchlein
der Abschnitt über die Selbsterzie-
hung an die Spitze gestellt worden.
Diese ist für die Kindererziehung die
unentbehrliche Voraussetzung. Wer
mit derselben noch im Rückstande ist,
soll sich durch die Mutterliebe und die
Mutterpflichten zu neuem Eifer in der
Selbstheiligung anspornen lassen, um
sich selbst für den Beruf einer christ-
lichen Mutter zu befähigen. Für
manche ist es sehr zu empfehlen, na-
mentlich die voranstehenden Belehrun-
gen über die drei göttlichen Tugenden
öfters zur Selbstprüfung, aber auch
zur Selbstbesserung zu benutzen. Denn
diese drei Tugenden bilden die Seele
des christlichen Lebens, sie müssen auch
der Erziehung den rechten Geist, das
[233] christliche Gepräge verleihen, wenn sie
in Wahrheit eine christliche sein soll.
22. Der Anfang.
1. Nichts im menschlichen Leben
bestätigt die Lehre von dem Sünden-
fall und seinen Folgen so sehr, wie
die Erfahrungen auf dem Felde der
Erziehung. Wer sein Kind als einen
Engel betrachtet, in dem es nur gute
und keine verkehrten Anlagen und
Neigungen gibt, und die Erziehung
nach diesen Anschauungen einrichtet,
der wird später ganz sicher sein eigenes
Werk beklagen. Von jedem Kinde
Adams gilt das Wort Davids: Siehe,
in Ungerechtigkeit bin ich empfangen,
und in Sünden hat mich empfangen
meine Mutter. (Ps. 50, 7.) Und ebenso
jenes Wort des Herrn: Der Sinn und
die Gedanken des menschlichen Herzens
sind zum Bösen geneigt von Jugend
auf. (I. Mos. 8, 21.) Diese Worte der
[234] Offenbarung enthalten einen Funda-
mentalsatz der christlichen Erziehung.
Das Kind ist das Ebenbild Gottes,
aber verunstaltet durch die Folgen der
ersten Sünde, durch eine Unordnung
und Verkehrtheit seiner Neigungen,
welche zuerst durch die elterliche Erzieh-
ung und nach und nach durch die Mit-
wirkung des Kindes verbessert werden
müssen. Die christliche Mutter liebt
darum ihr Kind von ganzem Herzen,
aber sie zeigt ihm ihre Liebe nicht da-
durch, daß sie seinen Sinnen und seinen
verkehrten Neigungen schmeichelt. Ihre
Liebe schaut höher und werter, sie will
das Ebenbild Gottes in ihm in seiner
Reinheit wieder herstellen, sie will das
Kind zeitlich und ewig glücklich machen.
Das ist nur möglich, wenn die sitt-
liche Unordnung in seinem Herzen und
Fleische aufgehoben, wenn die guten
Anlagen gepflegt, die schlimmen unter-
drückt werden. So weit möglich wird
sie dieses Ziel mit Liebe und Sanft-
[235] mut zu erreichen suchen, aber wenn es
nicht anders geht, auch vor der An-
wendung strenger Mittel nicht zurück-
schrecken, damit nicht jene Drohung
in der heiligen Schrift an ihr sich er-
fülle: Verzärtle deinen Sohn, so mußt
du dich vor ihm fürchten, spiele mit
ihm, so wird er dich betrüben. Lache
nicht mit ihm, damit du nicht trauern
müssest. (Sirach 30, 8.)
Aus den schon angegebenen Grün-
den verweise ich auch an dieser Stelle
auf das in dem Buche ‘„der christliche
Vater“’ über die Erziehung Gesagte,
und füge hier nur bei, was für die
Mutter besonders zu beachten ist.
2. Wann soll die Erziehung be-
ginnen? Gleich mit der Geburt. Manche
meinen freilich, so lange das Kind
noch nichts verstehe, so brauche es nur
Pflege, und von Erziehung könne noch
keine Rede sein. Aber das ist eine ganz
unrichtige Anschauung. Wie in der
Blumenknospe die ganze Blume mit
[236] allen Blättern. Staubfäden und übri-
gen Bestandteilen enthalten ist, so ist
im kleinen Kinde der ganze Mensch
mit allen seinen natürlichen Anlagen
und Neigungen zum Guten und Bösen
schon vorhanden. Knospe und Kind
enthalten nur in weniger entwickeltem
Zustande, was später zur vollen Ent-
wicklung gelangen wird. Gewisse Ver-
kehrtheiten machen sich schon sehr früh
bemerkbar. Der heilige Augustin er-
zählt von einem Knaben, der schon an
der Mutterbrust von Neid gegen seinen
Milchbruder völlig entbrannte. Ge-
wöhnlich sind eigensinniges und un-
artiges Benehmen, ungestümes Ver-
langen nach diesem oder jenem, z. B.
geschaukelt oder getragen zu werden,
die frühesten Kundgebungen dieser Art.
Das Mittel, mit welchem das Kind
seine Wünsche kund gibt, ist das Schreien,
und ein instinktives Gefühl sagt ihm
bald, was es mit diesem Mittel aus-
zurichten vermag. Bekommt es gleich,
[237] wornach es schreit, so wird es von
dieser Waffe den ausgiebigsten Gebrauch
machen und bald der Tyrann seiner
Mutter und seiner ganzen Hingebung
werden. Unart und Eigensinn haben
dann im ersten Stadium der Erziehung
gesiegt, und es wird doppelte und drei-
fache Mühe kosten, später zu verbessern,
was man im Anfang gefehlt hat,
wenn das überhaupt noch möglich ist.
Die Erziehung besteht überhaupt
darin, das die Vernunft des Erziehers
die ungeordneten Triebe des Kindes in
Schranken hält und beherrscht, und
damit muß schon am ersten Tage der
Anfang gemacht werden. Dem Kind
soll alle Pflege zukommen, deren es in
seinem hilflosen Zustande bedürftig ist,
und die Mutter wird leicht erkennen,
wann das Schreien des Kindes ein
wirkliches Bedürfnis anzeigt. Die erste
Pflege des Kindes muß auch die erste
Erziehung desselben sein, indem man
dabei auf gute Ordnung haltet um
[238] das Kind schon früh an sie zu ge-
wöhnen und sie ihm zur anderen Natur
zu machen.
Die Mutter hüte sich, die Dienerin
der Unarten und ungeordneten Begier-
den des Kindes zu werden. Ihre Auf-
gabe ist es, von Anfang an, die Nei-
gungen des Kindes in vernünftiger
Weise zu leiten. Auch das kleine Kind
merkt bald aus dem Tone der Stimme,
aus den Blicken, Mienen und Ge-
bärden, ob die Mutter mit ihm zu-
frieden ist oder nicht, und ob es mit
seinem Ungestüm etwas ausrichtet oder
nicht. Wie Unart und Eigensinn wach-
sen, wenn man ihnen nachgibt, so treten
sie zurück, wenn sie nichts erreichen
und das eigensinnige Schreien kein
Gehör findet. Ich kannte eine Bauern-
familie, in welcher am Sonntage Vater
und Mutter in der Pflege der kleinen
Kinder abwechselten. Einmal war die
Mutter unwohl und lag im Bette.
Da konnte sie nun nicht begreifen, wie
[239] die Kinder unter der Aufsicht des Vaters
so ruhig und stille waren, während sie
in ihrer Gegenwart an einem fort
schrieen, bald dieses, bald jenes ver-
langten, so daß sie zu den nötigen
Hausgeschäften kaum einige Augenblicke
erübrigen konnte. Diese Kinder merkten
instinktmäßig, bei wem ihr Schreien
etwas ausrichte, und bei wem es umsonst
sei, und richteten ihr Verhalten dar-
nach ein. Wenn eine Mutter diesen
Wink beachtet, so wird sie sich die Ob-
sorge für die Kinder und deren Er-
ziehung außerordentlich erleichtern. Noch
viel wichtiger aber ist, daß damit für die
sittliche Erziehung der folgenden Jahre
ein gutes Fundament gelegt, eigentlich
die Hauptsache schon gethan wird. Die
Schwäche der Mutter in dieser ersten
Zeit kann später oft durch viele Schläge
nicht mehr gut gemacht werden, und
der Mann leidet zeitlebens unter Tem-
peramentsfehlern, die man an ihm als
Säugling leicht hätte bezähmen können.
3. Liebe und Ernst. Die treibende
Kraft im Mutterherzen ist die Liebe.
Diese befähiget die Mutter zu der Hin-
gebung und den Opfern, welche die
Pflege und Erziehung des Kindes er-
fordern. Da scheint es nun auf den
ersten Blick eine fast unnatürliche Zu-
mutung, gegen das kleine hilflose Ge-
schöpf mitunter Ernst und Strenge zu
zeigen. Diese dürfen auch in der That
nicht aus Aufregung und Zorn her-
vorgehen, einen Mutterzorn soll es gar
nicht geben, sondern auch der Ernst
muß in der Liebe seine Wurzel haben.
Freilich stammt er nicht aus der sog.
Affenliebe, sondern aus der vernünf-
tigen, christlichen Mutterliebe, welche
sich über die bloße sinnliche Zuneigung
erhebt, und es allen Ernstes auf die
wahre Wohlfahrt und das ewige Heil
des Kindes abgesehen hat. Wie man
das Kind wascht und badet, auch wenn
es sich dagegensträubt, weil es für den
Körper zuträglich ist, so darf man sich
[241] nicht scheuen, dem Kinde wehe zu thun,
wo es für die Seele notwendig ist.
Die Mutter soll doch vernünftiger-
und christlicherweise an dem Kinde nicht
hätscheln und verzärteln, was ihm später
verderblich sein wird. Wenn sie das
Kind wahrhaft liebt, wird sie die an-
gebornen Verkehrtheiten desselben als
Uebel betrachten und bedauern, und
aus Liebe zu ihm zu bessern suchen,
mag das auch ohne einige Entschieden-
heit und selbst ohne Züchtigungen nicht
abgehen. Die Mutter darf nicht immer
lächeln, sondern die gleiche Liebe, welche
aus ihrem Gesichte lächelt, muß bisweilen
ihren Mienen, ihrer Stimme und ihrem
ganzen Verhalten, je nach Bedürfnis das
Gepräge der Betrübnis, des Ernstes, der
Entschiedenheit geben. Je früher sie das
thut, desto besser für sie und das Kind.
23. Einige Mißgriffe.
1. Würde eine Frau für ihre Person
vollkommen sein, so würde sie auch
[242] vollkommen sein als Mutter und Er-
zieherin. Aber jeder Fehler, den sie an
sich hat, wirkt auch nachteilig auf die
Erziehung ein. Daher ist die Selbst-
erziehung so unerläßlich, und so weit
sie der Erziehung nicht vorausgegangen
ist, muß sie dieselbe begleiten. Es folgen
hier beispielsweise einige erzieherische
Mißgriffe, welche ihre Wurzel in per-
sönlichen Fehlern der Mutter haben.
Geschwätzigkeit. Was man einem
Kinde befiehlt, muß ganz klar und
deutlich gesagt werden, so daß es weiß,
was man von ihm verlangt. Auch soll
man diese Vorschriften auf das Not-
wendige beschränken und nicht zu vie-
lerlei befehlen. Eine geschwätzige Mutter
wird dieser Regel nicht nachkommen,
sie wird auch in der Kinderstube zu
viel reden, und je mehr sie mahnt und
befiehlt, desto weniger ausrichten. Denn
zunächst werden die Kinder durch die
vielen Worte verwirrt, wissen nicht,
was sie eigentlich thun sollen, und
[243] bald gewöhnen sie sich an das bestän-
dige Gerede, so daß es keinen Eindruck
mehr macht.
Unbeständigkeit. Etwas befehlen
und den Befehl wieder vergessen, drohen
und die Drohung nicht ausführen,
heute dieses und morgen etwas ganz
anderes vorschreiben, heißt das Werk
der Erziehung selber vereiteln. Ein
Hauptzweck der Erziehung ist die An-
gewöhnung an das Gute. Die Ange-
wöhnung erfordert häufige Uebung und
diese hat eine bestimmte Regel und
deren genaue Handhabung zur Vor-
aussetzung. Man sei sparsam mit seinen
Forderungen, aber man halte sie beharr-
lich fest, damit sie die gute Gewohnheit
im Kinde zu stande bringen.
Jähzorn und Mißmut. Bei
Fehlern der Kinder darf die Mutter
nicht den Regungen des Zornes nach-
geben, und noch weniger ihren Un-
mut, der andere Ursachen hat, an den
Kindern auslassen. Sie würde damit
[244] ihr Ansehen und die Liebe und das
Zutrauen der Kinder schwächen und so
sich selber die Aufgabe erschweren. Es
kann freilich manches im Leben vor-
kommen, was es der Mutter schwer
macht, zu lächeln und heiter zu sein.
Aber dann suche sie, statt die Kinder
abzustoßen, dieselben an sich zu ziehen,
indem sie etwa sagt: Ich bin betrübt,
ich habe ein großes Kreuz, helfet mir
beten, daß der liebe Gott es zum Besten
wendet. So gewinnt sie die teilnehmende
Liebe der Kinder, welche sicher die be-
sten Früchte tragen wird.
2. Sehr viele Fehler werden be-
gangen in Bezug auf Versprechungen,
Lob und Belohnungen. Oft verspricht
man dem Kinde dieses oder jenes,
wenn es gehorsam, fleißig u. s. w. sei,
und ahnt gar nicht, wie sehr man
damit der sittlichen Erziehung entge-
genwirkt. Man muß von Anfang an
darauf halten, daß das Kind nicht
bloß gehorcht, gleichviel aus welchem
[245] Grunde, sondern schon sehr frühe muß
darauf gehalten werden, daß es dieses
aus einem guten Beweggrund thut.
Der nächste Grund ist der Wille der
Eltern, daran muß sich die Gottes-
furcht und die Rücksicht auf das eigene
Heil anschließen. Das Gewissen muß
so früh als möglich geweckt werden
und den elterlichen Willen unterstützen,
den es später ganz ersetzen muß. Auf
dieses Fundament muß die christliche
Erziehung die Sittlichkeit in dem Kinde
bauen, wenn sie haltbar werden soll.
Mit Versprechungen zieht man die Seele
des Kindes von diesen höheren Beweg-
gründen ab, es wird verleitet, das Gute
zu thun wegen einem sinnlichen Genuß,
wegen einem Apfel u. s. w., und wird
so eigentlich dazu erzogen, die wahren
sittlichen Beweggründe mit niedrigen
sinnlichen Berechnungen zu vertauschen.
Diese scheinbar unbedeutenden Anfänge
können später bedenkliche Folgen haben.
Ebenso schädlich wirkt es, wenn man
[246] dem Kinde zumutet, ordentlich und
reinlich zu sein der Leute wegen. Hier
verdrängt man durch die Eitelkeit, dort
durch die Sinnlichkeit die sittlichen Be-
weggründe im Kinde.
Belohnungen sollen dem Ge-
sagten zufolge nicht zum voraus ver-
sprochen werden. Als nachträgliche An-
erkennung sind sie nicht gerade aus-
geschlossen, sollen aber nicht zu häufig
vorkommen. Auch suche man, sobald das
Alter der Kinder es gestattet, mit den
Geschenken nicht bloß ihrer Gaumen-
lust und Eitelkeit zu schmeicheln, sonst
bringt man ihnen die Meinung bei, daß
es keine höheren und edleren Genüsse gebe.
Mit dem Lobe sei man sparsam,
man spende es nicht vor andern Leuten,
sonst befördert man die Eitelkeit. Auch
sei man im Loben gerecht. Nicht selten
lobt man das Kind wegen seinen natür-
lichen Gaben und Talenten, weil es z. B.
mit Leichtigkeit lernt, und das ist durch-
aus gefehlt. Mitunter wird ein minder-
[247] begabtes Kind, das vielleicht mehr guten
Willen hat, zurückgesetzt, während gerade
da die Aufmunterung am besten an-
gebracht wäre. Beschämungen sollen
noch seltener sein als Belobungen, sonst
wird das Ehrgefühl abgestumpft und
damit in der Regel das ganze Werk
der Erziehung vereitelt.
3. Unüberlegte Strafen. Das
Strafen bildet einen Probierstein für
die Erziehungskunst. Man sollte es
verstehen, so zu strafen, daß die Strafen
nach und nach seltener und schließlich
ganz überflüssig werden. Ich will nur
zwei Regeln anführen. Zunächst darf
die Strafe von dem Kinde nie als
Ungerechtigkeit empfunden werden. Man
strafe nicht in jäher Aufregung, man
strafe nicht, ohne untersucht zu haben,
ob das Kind wirklich schuldig ist, man
unterscheide wohl zwischen einem un-
verschuldeten Versehen und einer schuld-
baren Verfehlung. Oft wird ein Kind
schwer gezüchtiget, wenn es aus Un-
[248] achtsamkeit etwas zerbricht, während
man über eine eigentliche Ungezogen-
heit vielleicht noch lacht. Vernünftige
Eltern werden gerade umgekehrt ver-
fahren.
Zweitens beobachte man unter den
Strafen eine gewisse Stufenfolge, man
fange an mit den leichtern und schreite
nötigenfalls fort zu den schwerern, man
strafe nicht mehr als notwendig ist, aber
man stelle die Züchtigung nicht ein,
bis der Zweck erreicht ist. Wenn eine
traurige Miene der Mutter, ernstes
Schweigen, oder ein paar zurechtwei-
sende Worte von dem Kinde als Strafe
empfunden werden, so danke man Gott
und lasse es dabei bewenden. Hilft das
nicht, so setze man das kleine Kind
auf den Boden, das größere stelle man
in den Winkel. Stufenweise schreite
man zur Untersagung von Spiel und
Unterhaltung, in seltenen Fällen auch
zu einer Fastenoperation und endlich
zur Rute. Die Anwendung derselben
[249] kann auch bei starrköpfigen Kleinen
schon nötig und für die ganze Zukunft
heilsam sein. Man züchtige nicht mehr
als nötig ist, aber auch nicht weniger.
Eine Mutter erhielt ihr dreijähriges
Kind aus fremder Pflege zurück und
entdeckte an ihm bald eine ausgespro-
chene Starrköpfigkeit. Siebenmal züch-
tigte sie es mit der Rute ohne Erfolg,
und erst auf die achte Portion beugte
das Kind seinen Nacken. Hätte die
Mutter mit der siebenten Züchtigung
aufgehört, so wäre sie die Besiegte ge-
wesen.
Das um Verzeihung bitten lege
man den Kindern nur selten und nur
in ernsten Fällen auf, sonst wird es
bloße Formsache. Dagegen ist es gut,
die Strafe so weit thunlich dem Fehler
anzupassen, z. B. Verschlungen beim
Spiel strafe man durch Entzug des
Spieles, Naschen durch Vorenthalten
von Genußsachen, Tierquälerei durch
körperliche Züchtigung u. s. w.
4. Das Kind versteht es noch
nicht. Dieses Wort enthält eine der
schlimmsten Erziehungssünden, wenn
man damit sagen will, daß man in
der Gegenwart des Kindes sich mit
seinen Reden und Handlungen nicht
in acht zu nehmen brauche. Auch an-
genommen, das Kind verstehe nicht
alles, so hat es doch das Gefühls- und
Ahnungsvermögen und das Gedächtnis,
und was auf diese Eindruck macht,
bleibt haften und geht mit der Zeit
auch in das Verständnis über, und es
ist schwer zu bestimmen, wie bald das
geschehen wird. Die Eltern müssen von
Anfang an reden und handeln, als ob
die Kinder alles verstünden, sonst wer-
den sie ihr angewöhntes Benehmen
auch dann noch unüberlegt fortsetzen,
wenn dasselbe für das Kind sicher nicht
mehr paßt.
Die Erziehungsfehler der Mutter
sind so zahlreich wie ihre eigenen Fehler
und können hier nicht alle angeführt
[251] werden. Jede muß sich selber fleißig
darüber erforschen. Wenn sie eine Zeit-
schrift wie die ‘„Monika“’ als Spiegel
benutzt, wird sie manchen Fehler er-
kennen und ablegen können, der sonst
unbekannt geblieben wäre und großen
Schaden angerichtet hätte.
24. Das betende Kind.
1. Die sittliche Erziehung muß
von Anfang an geübt werden und fällt
eine zeitlang mit der körperlichen Pflege
zusammen. Die religiöse Erziehung
dagegen kann erst etwas später begon-
nen werden. Die Seele des Kindes
erlangt die Empfänglichkeit für religi-
öse Einwirkungen ungefähr in der
Zeit, in welcher es sprechen lernt. Spre-
chen heißt nicht bloß Laute von sich geben
wie der Papagei. Das Wort ist auch bei
dem Kinde schon das Mittel des gei-
stigen Verkehrs, indem das gehörte
Wort auf die Seele einwirkt, und das
[252] gesprochene Wort Vorstellungen der
Seele zum Ausdruck bringt. Das
erste Sprechen und die Anfänge der
Seelenthätigkeiten hangen miteinander
zusammen und für beide geht die An-
regung von der Mutter aus. Darum
reden wir von einer Muttersprache.
Aber nicht bloß die Sprache der
Menschen soll das Kind von der Mut-
ter lernen, sondern auch die Sprache
des Himmels, das Gebet und die in-
nern Gesinnungen, die in dem Gebete
ausgedrückt werden. Für eine christ-
lich gesinnte Mutter muß das die
schönste und liebste ihrer Aufgaben
sein. Ihr Kind ist ein Ebenbild Got-
tes, ein Kind Gottes und ein Tempel
des heiligen Geistes, der große und
mächtige Herr des Himmels und der
Erde ist der gütige und liebevolle Va-
ter dieses Kindes, und sie muß das
Kind lehren, mit seinem Vater auf
dem Himmelsthron ehrerbietig und
vertrauensvoll zu reden. Ist das nicht
[253] eine Arbeit, welche der Engel würdig
wäre!
So lange das Kind die Sprache
des Himmels noch nicht versteht, muß die
Mutter um so eifriger für dasselbe im
Gebete eintreten. Es ist ein Werk voller
Geheimnisse, in einer Kindesseele das
Licht des Glaubens, der Andacht
und der Gottesfurcht anzufachen. Es
übersteigt die menschlichen Fähigkeiten
und ist ganz und gar von der Gnade
abhängig. Die Gnade muß die Mut-
ter für ihre Aufgabe befähigen und
die Gnade muß auch in der Seele
des Kindes wirksam sein. Die Men-
schen sollen pflanzen und begießen, der
Herr aber muß das Gedeihen geben.
Dann denke man an die Zukunft,
welcher das Kind entgegengeht, an die
Versuchungen und Gefahren des Lebens,
welche allzuoft wieder zerstören, was
die Mutter ausgebaut hat. Ein neuer
Grund für die Mutter, nicht mit
müßigen Gedanken an der Wiege ih-
[254] res Kindes zu stehen, sondern von An-
fang an fleißig seine Seele in eifri-
gem Gebete dem Allerhöchsten zu wei-
hen und auch vertrauensvoll der Mut-
ter der schönen Liebe und dem Schutz-
engel anzuempfehlen.
Wenn auch die Gnade die Haupt-
sache ist, so ist doch die menschliche
Mitwirkung keineswegs entbehrlich.
Der Gärtner ist es auch nicht, der
seinen Gewächsen Wachstum und Ge-
deihen verleiht, aber doch sieht man
es denselben an, ob sie von ihm sorg-
fältig gepflegt werden oder nicht. So
ist es mit der religiösen Erziehung.
Die Mutter muß Eifer und guten
Willen haben, und wenn sie dann die
Sache noch mit einigem erzieherischen
Verständnis angreift, so werden die
Erfolge um so besser sein. Darum
werden hier einige Winke darüber bei-
gefügt. In der Offenbarungsgeschichte
wird die Lehre vom Vater, vom Sohne
und vom heiligen Geiste in stufen-
[255] weiser Aufeinanderfolge geoffenbart,
und in ähnlicher Stufenfolge sollen
sie auch dem Kinde bekannt gemacht
werden, weil das seiner Fassungskraft
am angemessensten ist. Auf jeder
Stufe muß die Belehrung auf die
praktische Einführung in das Gebet
hinzielen.
2. Die Lehre von Gott als dem
Schöpfer, der Himmel und Erde ge-
schaffen hat, und von dem himmlischn
Vater, der für alle sorgt und bestän-
dig auf alle herabschaut, ist jene re-
ligiöse Wahrheit, welche dem kindli-
chen Verständnisse am nächsten liegt.
Darum muß sie auch allen andern
Glaubenslehren vorausgehen und auch
mit ihr darf man sich nicht übereilen.
Die Ahnung von Gott als einem un-
sichtbaren Wesen wird in dem Kinde
auftauchen, wenn es die Mutter und
die Familie sich im Gebete mit Ehr-
furcht an jemanden wenden sieht, der
unsichtbar ist. Die Mutter muß diese
[256] Ahnung weiter entwickeln zu der kind-
lichen Vorstellung von der Größe und
Güte des lieben Gottes. Seine All-
wissenheit muß sie besonders betonen,
und wenn sie dann noch etwas vom
Himmel und vom Schutzengel bei-
gefügt hat, so genügt das für die erste
Stufe der Belehrung. Von der Hölle
und andern ernsten Dingen braucht
man da noch nicht zu reden.
Aber Hand in Hand mit der Be-
lehrung muß etwas anderes gehen,
was noch wichtiger ist. Im Herzen
des Kindes müssen die Gefühle der
Ehrfurcht, der Dankbarkeit und Liebe
gegen Gott erweckt werden, es muß
beständig daran erinnert werden, daß
Gott alles sieht, und man Ihn nicht
betrüben dürfe. Erst wenn fromme
Ahnungen und Gefühle in der Seele
des Kindes aufdämmern, hat es einen
Zweck, das Kind zum Beten anzulei-
ten. Denn das Kind betet noch nicht,
wenn es mit seinem Munde einige
[257] Gebetsworte aussprechen kann, sondern
nur dann, wenn damit etwas Inner-
liches zum Ausdruck kommt, mag es
auch noch so kindlich einfältig sein.
Die erste Uebung des Gebetes dürfte
darin bestehen, daß man das Kind
anhaltet, wenn andere beten, ruhig zu
sein und ehrerbietig die Hände zu fal-
ten. Ist das Kind zu mehr fähig,
so soll die Mutter zu bestimmten Zei-
ten ihm einige einfache, herzliche Ge-
betsworte vorsprechen und sie vom
Kinde ehrerbietig nachsprechen zu lassen.
Vom Auswendiglernen kann da noch
keine Rede sein. Dagegen soll die
Mutter das Wenige, wofür das Kind
empfänglich ist, bei jedem Anlasse und
in den verschiedensten Wendungen wie-
derholen. Es ist außerordentlich wich-
tig, daß das Wort ‘„Gott“’ für das
Kind den Vollklang seiner Bedeutung
bekomme, so daß es stets heilige Ge-
sinnungen in ihm erweckt. Für eine
fromme Mutter wird es eine erfreu-
[258] liche Arbeit, ein süßes Bedrüfnis sein,
ihrem Kinde die Gesinnungen der Ehr-
furcht, Dankbarkeit und Liebe gegen
Gott und das Bewußtsein seiner Ge-
genwart und Allwissenheit recht tief
und unauslöschlich einzuprägen.
3. Die Lehre von dem menschge-
wordenen Sohne Gottes Jesus Chri-
stus setzt schon mehr Verständnis vor-
aus und soll darum etwas später fol-
gen. Sie wird das Kind tiefer er-
greifen, wenn es auch die Wohlthaten,
die wir Christus verdanken, einiger-
maßen zu würdigen weiß. Dazu ist
eine allgemeine Kenntnis der ernstern
Wahrheiten, wie der Lehre von Sünde
und Strafe notwendig. Auf das Kru-
zifix soll man das Kind nicht verwei-
sen, bevor es zwischen Christus und
seinem Bilde zu unterscheiden weiß.
Auch kommt es vor, daß das Kind
gewisse Ausdrücke nicht versteht oder
mißversteht, und so zu irrigen Vor-
stellungen verleitet wird. Darum be-
[259] schränke man sich auf das Notwendige und
behandle dieses möglichst oft und ein-
dringlich. Am besten erteilt man diese Be-
lehrung mit den Hauptzügen der Jugend-
und Leidensgeschichte Jesu. Das Kind
soll den Erlöser kennen und lieben lernen,
es soll das Bewußtsein bekommen, daß
es dem Erlösungstode Christi sein Heil
verdanke, daß es durch Ihn Erhörung
beim Vater finde, daß es seine Lehre
glauben, seine Gebote befolgen müsse,
um selig zu werden. Eine fromme
Mutter wird das nicht bloß mit tro-
ckenen Worten lehren, sondern wie eine
Kohle von der andern Feuer fängt,
so wird das Herz des Kindes am
Mutterherzen voll Glauben und Liebe
und Vertrauen zu Christus erwärmt
und durchdrungen werden. Mit der
Lehre von Christus soll auch die
Verehrung der Mutter Gottes verbun-
den werden. Am wirksamsten wird
es auch auf dieser Stufe sein, wenn
die Mutter herzliche Gebete zu Chri-
[260] stus und Maria in kurzen Absätzen
vorbetet und vom Kinde nachbeten
läßt. Auch kann man es jetzt anlei-
ten, das Kreuzzeichen zu machen, ganz
kurze Gebetssprüche, die vorher erklärt
wurden, dem Gedächtnisse einzuprägen,
an den Gebeten der Erwachsenen stille
und, so weit sie verstanden werden,
allmählich auch laut teilzunehmen. Nur
halte man strenge daraus, daß andere in
der Gegenwart des Kindes niemals un-
ehrerbietig beten, und daß das Kind selber
die Worte gehörig ausspricht, und immer
möglichst gesammelt und andächtig dem
Gebete obliegt. Das Gebet, wie es
in vielen Familien geübt wird, und
Mütter, die nicht aus dem Herzen zu
beten verstehen, sind die beiden Haupt-
ursachen, daß so viele ihr Leben lang
nicht beten können, am Beten keine
Freude haben, und darum das Gebet
vernachlässigen.
4. Die erzieherische Verwendung
der Lehre vom heiligen Geiste bleibt
[261] der nächsten Stufe vorbehalten. Hier
muß dafür eine schon bisher mehrmals
angedeutete Erziehungsregel noch stärker
hervorgehoben werden. Manche Müt-
ter, welche den besten Willen haben,
ihre Kinder zur Religiosität und Fröm-
migkeit zu erziehen, glauben dieses Ziel
dadurch zu erreichen, daß sie die Kin-
der recht früh und recht viel zu münd-
lichen Gebeten anhalten. Sie versäu-
men es aber, im Herzen des Kindes
jene Gesinnungen und Gefühle zu er-
wecken, welche es in den Gebetsworten
kund geben soll. So wird dann das
Gebet zu einer äußerlichen Uebung,
die das Herz des Kindes kalt läßt,
und deren innerer Wert gering ist,
oder auch ganz fehlen kann.
Hier liegt die Lösung des Rätsels,
wie heilige Mütter ihre Kinder zu
Heiligen erzogen haben. Ihre eigenen
Herzen erglühten von Gottesliebe und
Gottesfreude, und mit jener süßen Be-
redsamkeit, welche das Geheimnis der
[262] Mutter ist, haben sie die zarte Kinder-
seele mit dem gleichen frommen und
heiligen Sinn erfüllt. Dieser hat
schon die stammelnden Worte des Kin-
des zu jenem Gebete gemacht, von dem
der Psalmist staunend singt: Aus dem
Munde der Kinder und Säuglinge
hast Du Dir vollkommenes Lob be-
reitet. (Ps. 8, 3.) Dieser fromme Sinn
ist mit dem Kinde gewachsen und groß
geworden und hat später jene Früchte
gebracht, die wir an den Heiligen be-
wundern. Der erste Grund zu dieser
Heiligkeit ist schon in der Wiege ge-
legt worden.
Aus dem Gesagten ergibt sich deut-
lich genug, wie wichtig die Zeit des
zartesten Kindesalters für die religiöse
Erziehung ist. Es ist die Frühlings-
zeit, in der die religiösen Anlagen
des Kindes aufwachen und sich ent-
wickeln müssen, wenn sie nicht zurück-
bleiben und verkümmern sollen. Die
christliche Mutter wird darum diese
[263] kostbare Zeit unter Gebet und mit
Aufbietung aller Sorgfalt wohl zu
benutzen suchen. Sollte sie ihr Kind
nicht selber besorgen können, so wird
sie sich wohl vorsehen, welchem Kinds-
mädchen sie ihr Kind anvertraut. Muß
sie eine Kleinkinderschule in Anspruch
nehmen, so wird sie leicht ermessen
können, wie dieselbe beschaffen sein
muß, um den religiösen Bedürfnissen
ihres Kindes zu entsprechen.
25. Das Schulkind.
1. Mit dem Schulbesuch treten
für die häusliche Erziehung mehrfache
Aenderungen ein, die nicht übersehen wer-
den dürfen. Für die Mutter beginn jetzt
die sorgenvolle Zeit, die nicht so leicht
mehr enden wird, in der sie ihr Kind
nicht wie bisher beständig unter ihren
eigenen Augen hat. Das Kind kommt
in eine neue Umgebung und zeigt
vielleicht in der Schule, beim Spiel
[264] mit andern Kindern, auf der Gasse
Fehler und Schwächen, die man bis-
her zu Hause weniger beobachtet hatte.
auch kann es Mitschüler treffen, welche
schon fluchen, lügen und allerlei Roh-
heiten verüben. Die Mutter muß
auf alles das ein aufmerksames Auge
haben, den Umgang mit verdorbenen
Kindern abschneiden, die Fehler des
eigenen Kindes zu verbessern suchen.
Es muß hier auf eine Klippe auf-
merksam gemacht werden, an welcher
die Erziehungskunst schon mancher Mut-
ter schweren Schaden gelitten hat. Es
darf und soll der Mutter daran ge-
legen sein, daß die Kinder anständig
und reinlich gekleidet unter die Leute
gehen, daß Geistliche und Lehrer mit
ihnen zufrieden seien, daß sie sich über-
all ordentlich betragen und von jeder-
mann als wohlgesittet und gut erzo-
gen angesehen werden. Es wäre sehr
zu beklagen, wenn eine Mutter sich
um diese Dinge nicht kümmern würde.
[265] Aber die Gefahr liegt sehr nahe, daß
die Mutter allzusehr diese Menschen-
rücksichten in die Wagschale legt, und
nur darauf bedacht ist, daß ihr die
Kinder keine Unehre machen, daß die
Kinder und sie in den Kindern Lob
und Anerkennung ernten. Das sind
die kleinen, meistens kaum beachteten
Anfänge jener Erziehung, durch welche
die Kinder zu eiteln, gefallsüchtigen,
ehrgeizigen Menschen gemacht werden,
die bei allem sich nur um das Urteil
und das Gefallen der Menschen küm-
mern, aber für ihre Sittlichkeit keinen
höhern Beweggrund und darum kei-
nen innern Halt haben und im Leben
mit ihrer Tugend die Probe nicht be-
stehen. Aeußerlich kann bei dieser Er-
ziehung alles in Ordnung sein, aber
es fehlt der rechte Geist, und darum
erzieht man nur Weltkinder und Welt-
diener, keine Christen mit einer soliden
Tugend. Diese muß auf der Gottes-
furcht und dem Gewissen beruhen.
Die christliche Mutter muß sich
wohl hüten vor diesem Geiste der
Weltdienerei. Er darf weder in ih-
ren Gedanken noch in den Mahnun-
gen an den Kindern irgendwie sich
geltend machen. Sie muß sich selbst
von dem echt christlichen Geiste leiten
lassen und ihn bei den kleinsten Vor-
kommnissen auch den Kindern einzu-
prägen suchen. Die Mutter muß fol-
gende Erwägungen selber hegen und
auch den Kindern einpflanzen. Es ist
notwendig, daß das Kind anständig,
brav und fleißig sei, aber so soll es
sein nicht der Menschen wegen, son-
dern vor den Augen Gottes und da-
rum auch zu Hause, wenn es ganz
allein ist, auch in seinem Herzen, wo
kein Mensch es beobachtet. Die kost-
barste Zierde für ein Kind ist das
Kleid der Unschuld, das Kleid der
heiligmachenden Gnade. Besser wäre
für ein Kind der Tod, als daß dieses
Kleid, welches der Schmuck der Engel
[267] ist, durch eine Sünde verloren ginge.
Auch die kleinste Sünde ist ein Flecken
auf diesem Kleide und muß darum
als großes Uebel verabscheut werden.
Was würde es helfen, äußerlich an-
ständig und ordentlich zu sein und bei
den Menschen Gefallen zu finden, wenn
die Seele befleckt und Gott mißfällig
wäre? Jesus Christus hat eine solche
Seele mit einem Grabe verglichen, wel-
ches äußerlich schön geschmückt, inner-
lich aber voll Moder ist. Er ist selber
ein Kind geworden, um das Vorbild
der Kinder zu werden. Das Kind
Jesus suchte nur seinem himmlischen
Vater zu gefallen, aber damit hat
es auch das Wohlgefallen der Men-
schen gefunden.
2. Mit dem Schulbesuch beginnt
für das Kind auch der öffentliche Re-
ligionsunterricht. In der vorherge-
henden Zeit ist die Mutter fast durch-
weg die einzige Religionslehrerin. Wenn
jetzt die Arbeit geteilt wird, so darf
[268] sie doch nicht getrennt werden als ob reli-
giöser Unterricht und Erziehung einander
nichts angingen. Unterrichtet wird das
Kind in der Religion nicht bloß, da-
mit es etwas mehr wisse, sondern da-
mit es darnach lebe, und das kann
natürlich nicht in den spärlichen Un-
terrichtsstunden erreicht werden, das ist
die Aufgabe der häuslichen Erziehung.
Sie muß mit dem Unterrichte Hand
in Hand gehen, sonst ist ein guter Er-
folg schwer zu hoffen.
Die christliche Mutter muß vor
allem andern den Unterricht, welchen
das Kind empfängt, selber kennen und
gut inne haben. Man hat heutzutage
eine Menge von großen und kleinen
Erbauungsbüchern, religiösen Zeit-
schriften ꝛc., welche, wie ich hoffe, mit
Nutzen gelesen werden. Aber was
die christliche Mutter zuerst lesen, und
nicht bloß lesen, sondern erwägen und
beherzigen soll, das wird immer noch
allzu sehr vernachlässiget, nämlich der
[269] Katechismus und die biblische Ge-
schichte. Zwei Mütter sollen das gleiche
Kind zu einem guten Christen erzie-
hen, die katholische Kirche im Unter-
richte, die christliche Mutter zu Hause.
Wie kann aber das geschehen, wenn
die eine Erzieherin sich nicht um die
andere kümmert, von ihr keine Notiz
nimmt?
Die Mutter muß den Unterricht
kennen zu ihrer eigenen Belehrung,
weil sie vielleicht das eine oder andere
wieder vergessen hat, sie muß sich mit
ihm befassen zur Aufmunterung der
Kinder und um ihren Fleiß zu kon-
trolieren, das wichtigste aber ist, daß
sie den Unterricht gut inne habe, um
denselben in der Erziehung zu ver-
werten.
Eine Mutter muß die Kinder fort-
während mahnen, aber vielfach sind
ihre Mahnungen einförmige Redens-
arten, die zu dutzendmalen wiederholt
werden und darum wenig Eindruck
[270] machen, sie sind vielfach Redensarten
ohne Gehalt, wenigstens ohne christ-
lichen Gehalt, wie sie auch unter Un-
gläubigen gebräuchlich sind. Kann
man so die Kinder im Geiste des
Christentums erziehen? Würde die
Mutter die biblische Geschichte kennen,
so würde ihr eine Fülle von aufmun-
ternden und abschreckenden Beispielen
zu Gebote stehen, die sie mit dem be-
sten Erfolge gebrauchen könnte. Würde
die Mutter den Katechismus durch-
gehen, so würde sie in der Lehre von
den Eigenschaften Gottes, von den Ge-
boten, von Gebet, Gnade, Sünde ꝛc.
einen wahren Ueberfluß von Stoff
finden, die Kinder je nach Bedürfnis
zu belehren, aufzumuntern, zu war-
nen. Dann erst wird der Religions-
unterricht tief in die Seele des Kin-
des dringen, dann erst auf das Leben
überwirken, wenn es zu Hause wieder
an das erinnert wird, was es im Un-
terricht gehört hat, wenn Kirche und
[271] Haus zusammenwirken, wenn dem Un-
terricht im Leben die Anwendung auf
das Leben gegeben wird. Sonst mag
der Religionslehrer erklären und die
Mutter mahnen und schelten, wenn
der Zusammenhang fehlt, können sie
einander nicht unterstützen, und die
Bemühungen beider werden zu einem
großen Teile erfolglos sein.
3. Ueber die Erziehung zum Ge-
bete müssen noch einige besondere Be-
merkungen gemacht werden. Das Kind
lernt im Religionsunterrichte die täg-
lichen Gebete katholischer Christen, zu-
erst kleinere, dann größere, welche von
ihm lebenslänglich verrichtet werden
sollen. Es ist nun Sache der Mutter,
dafür zu sorgen, daß diese Gebete täg-
lich mit möglichster Ehrerbietung und
Andacht verrichtet werden. Soll der
junge Christ später in der Welt drau-
ßen beten und mit Nutzen beten, so
muß er in diesen Jahren lernen, aus
dem Herzen zu beten, er muß in die-
[272] sen Jahren an das Gebet gewöhnt
werden; denn bis ins Alter wird er
nur beten, wenn ihm das Gebet in
der Jugend zur süßen Gewohnheit ge-
worden ist. Das ist für unzählige
von entscheidender Bedeutung. So
lange der junge Christ betet, so lange
ist er nicht verloren, dagegen ist die
Vernachlässigung des Gebetes meistens
der erste Schritt, mit dem er den Weg
des Verderbens betritt.
Die Mutter soll die täglichen Ge-
bete der größeren Kinder zu ihren ei-
genen machen, dieselben so viel mög-
lich mit ihnen gemeinsam verrichten.
Das Tischgebet soll für die ganze Fa-
milie gemeinsam sein und dabei sollen
alle Erwachsenen den Kindern ein
erbauliches Beispiel geben. In diesem
Punkte wirkt das böse Beispiel beson-
ders nachteilig. Im übrigen überlade
man die Kinder nicht mit allzuviel
Gebeten, aber man bestehe darauf, daß
das, was gebetet wird, regelmäßig, er-
[273] baulich und andächtig geschieht. Auch
darf man den Kindern Gebete nicht
etwa als Strafe auferlegen. Es hieße
das dem Kinde Abneigung gegen das Ge-
bet einpflanzen, weil Strafen immer un-
beliebt sind, während das Kind viel-
mehr dazu gelangen soll, das Gebet
zu lieben. Dagegen wird es sehr gut
wirken, wenn man bei Heimsuchungen
der Familie, Krankheiten von Ange-
hörigen ꝛc. die Kinder zum Beten
aufmuntert, mit ihnen betet, sie wohl
auch zu einem Kirchenbesuche veran-
laßt. Es wird nicht fehlen, daß die
Kinder bei solchen Anlässen mit allem
Ernste beten und für ihr religiöses
Leben dabei nicht wenig gewinnen.
Hier muß noch besonders aufmerk-
sam gemacht werden auf die Lehre
von der Gnade des heiligen Geistes.
Die heutige Welt glaubt nicht an die
Gnade und kümmert sich nicht um die
Gnade, und auch eine Unzahl von
Gläubigen läßt sich von diesen An-
[274] schauungen der Welt beeinflussen. Da-
her die Vernachlässigung des Gebetes
und der übrigen Gnadenmittel. Wer
die Gnade nicht hochschätzt und ver-
langt, der läßt natürlich die Gnaden-
mittel unbenutzt. Die Lehre von der
Gnade ist an sich schon geheimnisvoll,
und in der heutigen Zeit ist es be-
sonders schwer, schwerer als bei jeder
andern Glaubenslehre, sie dem Kinde
so einzuprägen, daß sie als lebendige
Ueberzeugung auf das Leben einwirkt.
Und doch hängt davon das christliche
Leben und das Heil der Seele ab. Da
ist es überaus wichtig und durchaus
notwendig, daß die Mutter dem Un-
terricht nachhelfe und mitwirke, diese
Grundlehre des Christentums in den
Herzen ihrer Kinder zu befestigen. Sie
lese nach und präge sich selber ein,
was der Katechismus von der heilig-
machenden Gnade und von der Gnade
des Beistandes sagt, und benutze jeden
Anlaß, um die Kinder daran zu erinnern.
Es sind schon einige Gelegenheiten
genannt worden, dem Kinde das Kleid
der Unschuld, die Taufgnade in Er-
innerung zu bringen, und eine from-
me, gläubige Mutter wird deren im-
mer neue finden. Die Lehre von der
Gnade des Beistandes, welche uns
erleuchtet, bewegt und stärkt, muß mit
dem Gebete in Verbindung gebracht
werden. Wenn ein Kind nach einem
Fehler Besserung verspricht, sage die
Mutter, daß es dazu die Gnade not-
wendig habe und um dieselbe beten
müsse. Beim Morgengebet: Betet,
Kinder, damit euch Gottes Gnade
hilft, den Tag ohne Sünde zuzubrin-
gen. In Bezug auf den Katechismus:
Betet um den heiligen Geist, der die
Apostel erleuchtet hat, damit Er auch
euch in alle Wahrheit einführe. Aehn-
liche Erinnerungen an die Gnade und
deren Erlangung durch das Gebet, zu
denen einer eifrigen Mutter die An-
lässe nie fehlen werden, erwecken, üben
[276] und befestigen den Glauben an die
Gnade, machen diesen Glauben frucht-
bar für das Leben, geben ihm eigent-
lich erst den wahren Wert für das
Heil der Seele. Ohne diesen prak-
tischen Glauben an die Gnade können
die Kinder keine wahren Christen ab-
geben, und diesen praktischen Glauben
den Kindern einpflanzen kann man
nicht ohne die Mutter.
26. Das spielende Kind.
1. Das Spiel hat viel mehr Be-
deutung für die Erziehung, als ge-
wöhnlich angenommen wird. Schon
sehr früh regt sich in dem Kinde der
Thätigkeitstrieb und nicht bloß der
Leib, sondern auch die Seele wird von
demselben ergriffen. Insbesondere ist
die Einbildungskraft sehr lebhaft und
die Eindrücke, welche sie von außen
empfängt, geben dem Thätigkeitstriebe
seine Richtung. Was das Kind an-
[277] dere thun sieht, will es nachahmen,
das Mädchen die Arbeiten der Mut-
ter, der Knabe die Verrichtungen der
Fuhrleute, Reiter, Soldaten, Hand-
werker, mitunter auch der Pfarrer. Wir
nennen das ein Spiel, aber für das Kind
ist es eine Art Arbeit, an der seine Seele
lebhafteren Anteil nimmt, als der Geist
des Erwachsenen an seiner Handarbeit.
Als ich Kind war, sagt der hl.
Paulus, dachte ich wie ein Kind. Wer
erziehen will, muß dieses Denken des
Kindes zu verstehen und zu behandeln
wissen, auch beim Spiele. Das Spie-
len ist für das Kind ein Bedürfnis
und darum lasse man es spielen. Ein
gesundes Kind kann nur ruhig sein,
wenn es schläft. Auch schreibe man
ihm keine Spiele vor, man kann ihm
solche zur Auswahl bereit halten, aber
gestatte ihm, seinem innern Zuge zu
folgen. Hier solle das Kind frei sein,
zum Gehorchen gibt es sonst noch Zeit
und Anlässe genug.
Alle verständigen Erzieher erklä-
ren übereinstimmend, daß die Kleinen sich
um so besser unterhalten, je einfacher,
ja selbst je ungenügender das Spiel-
zeug ist. Das mag manche Eltern
überraschen, ist aber vollkommen rich-
tig und auch leicht erklärlich. Was
dem Spiele seinen Reiz gibt, das ist
die Thätigkeit der kindlichen Einbildungs-
kraft. Diese hat viel mehr Spielraum
zur Bethätigung, wenn z. B. der
Knabe auf einem Stocke als seinem
Pferde reitet, und das Mädchen ohne
Küche kocht, als wenn vornehme Kin-
der schön geschnitzte Pferde und per-
fekte Puppenküchen zur Verfügung ha-
ben. Die letzteren verleiden ihnen viel
schneller, weil die Einbildungskraft
nichts mehr dabei zu thun hat. Vor-
nehmes Spielzeug übersättigt, lang-
weilt und legt den frühen Grund zu
späterer Blasiertheit. Gewiegte Pä-
dagogen verlangen, man solle so weit
möglich die Kleinen ihr Spielzeug
[279] selber herstellen lassen. Sie wissen
mit Papier, Holzstücken, Tuchlappen,
ungefährlichen Werkzeugen, besonders
mit Sand oft sehr erfinderisch um-
zugehen.
Im Spiele machen sich oft schon
die Anlagen und Neigungen des Kin-
des bemerkbar, darum mag man das
Spiel beobachten, sich aber nicht ohne
Grund in dasselbe einmischen, außer
es sei eine Nachhilfe am Platze. Die
erzieherische Thätigkeit dürfte sich beim
Spiele der Kleinen auf folgende Punkte
beschränken: Man gibt die Erlaubnis
zum Spielen, man beugt Ungehörig-
keiten und Schädigungen vor, das
Spiel muß sich der Hausordnug fü-
gen, z. B. zur Essenszeit aufhören,
das Spielzeug muß seinen bestimmten
Ort haben, an welchen es nach dem
Gebrauch wieder gelegt werden soll.
2. Die Spiele der Schulkinder sind
anderer Art als die der Kleinen. Für
letztere ich das Spiel ihre Beschäfti-
[280] gung, eine körperliche und seelische Ar-
beit. Die Schüler sind sonst schon
beschäftiget, das Spiel nimmt für sie
den Charakter der Erholung und Un-
terhaltung an und ist meistens ein ge-
meinsames. Das Spiel ist auch für sie ein
Bedürfnis, und darum sollen ihnen
Zeit und Gelegenheit hiezu unverkürzt
zukommen. Am zuträglichsten für Leib
und Seele sind Bewegungsspiele im
Freien. Fehlt hiezu die Gelegenheit,
so muß für einen Ersatz gesorgt wer-
den. Denn die Zeit, in der die Kin-
der nicht sonst beschäftiget sind, muß
dem Spiel gehören, sie dürfen nie
ganz müßig sein. Auch darf man es
nicht verübeln, wenn die Kinder beim
Spiel großen Lärm machen.
Beim Lernen und bei der Arbeit
ist das Kind gleichsam in ein Joch
gespannt. Dieses Joch wird ihm ab-
genommen, wenn die Zeit zum Spiele
kommt. Das Kind zeigt sich darum
bei dem Spiele, wie es ist, und man
[281] kann aus seinem Verhalten ermes-
sen, in wie weil die bisherige Erzie-
hung ihr Ziel erreicht hat. Ist es
beim Spiele roh und grob, oder zän-
kisch und rechthaberisch, zornig und
neidisch, kommt es nicht zur Zeit in
das Haus, überhört es den Ruf der
Mutter, so ist es ein Zeichen, daß
bisher etwas versäumt oder wenigstens
nicht beobachtet wurde, und daß es
die höchste Zeit ist, das Versäumte
nachzuholen. Man halte zuerst dem
Kinde seinen Fehler in Güte vor, im
Wiederholungsfalle aber gehe man mit
aller Strenge vor, bis der Fehler über-
wunden ist.
Auch sonst muß die Mutter da
einigen erzieherischen Takt anzuwenden
wissen. So begründet es ist, dem
Spiele genügend Raum und Zeit zu
geben, so ist doch das Spiel auf die-
ser Stufe im Unterschied von den
Kleinen ein Genuß, ein Vergnügen,
und muß darum aus sittlichen Grün-
[282] den einer bestimmten Regel und Ord-
nung unterworfen sein. Das Kind
muß lernen, zur rechten Zeit aufzu-
hören. Das ist ein bescheidener An-
fang der sittlichen Entsagung. Es
muß genau zu der festgesetzten Zeit zu
Hause erscheinen. Es darf ihm in
dieser Beziehung nichts geschenkt werden,
wenn nicht Hausordnung und Gehorsam
und damit die ganze weitere Erziehung
in das Wanken kommen sollen.
3. Als ich ein Kind war, dachte
ich wie ein Kind; als ich aber Mann
ward, legte ich ab, was kindisch war.
(I. Kor. 13, 11.) Dieses Wort geht
in Bezug auf das Spiel stufenweise in
Erfüllung. Anders spielen die Kleinen,
anders die Schulkinder, und wieder an-
ders die reifere Jugend. Bei dieser
muß man das Wort Spiel allmählich
mit den Ausdrücken Erholung, Ver-
gnügen, Genuß ersetzen. Es ist klar,
daß die richtige Leitung der reiferen
Jugend in diesem Punkte keine leichte
[283] Sache ist. Den Vergnügen nachgehen
und sich von gefährlichen Vergnügen ent-
halten, genießen und sich erholen und
dabei das rechte Maß einhalten, unter
die Leute gehen und nicht alles mit-
machen, sind Dinge, welche leider selbst
viele Erwachsene nicht verstehen. Wie
will man sie der unerfahrenen und
lebenslustigen Jugend beibringen!
Wenn die Kinder in dieses Alter kom-
men, ist die Sache meistens schon ent-
schieden durch die vorausgegangene Er-
ziehung. Nur wer die Kinder vorher
zur Einfachheit und Genügsamkeit er-
zogen, sie zum Maßhalten und zur
Selbstbeherrschung angeleitet, und die
Zügel des elterlichen Ansehens fest in
der Hand behalten hat, wird die Kin-
der in diesem Alter gut leiten können.
Einiges über diesen Gegenstand folgt
in den nächsten Kapiteln. Ich verweise
auch auf die Bemerkungen in dem
Büchlein ‘„der christliche Vater,“’ be-
sonders auf Kapitel 26 und 30.
27. Ein gesunder Geist in einem
gesunden Körper.
[284]1. Der Leib des Menschen ist durch
die Verbindung mit der unsterblichen
Seele weit erhoben worden über die
andern lebenden Wesen, die uns um-
geben. Er ist sterblich, aber er wird
wieder zum Leben auferweckt werden;
er ist infolge der Sünde zu einem Sitze
der bösen Begierlichkeit geworden, soll
aber durch die Gnade ein Tempel des
heiligen Geistes werden; er ist gebildet
aus dem Staub der Erde, aber doch
soll er der Seele für die höchsten und
heiligsten Verrichtungen als Werkzeug
dienen. Darum ist es für die zeitliche
Wohlfahrt und das Seelenheil von Wich-
tigkeit, wie der Leib namentlich in den
Kinderjahren behandelt wird. Die
Pflanzen und Blüten in der Natur sind
nie empfindlicher als in der ersten
Frühlingszeit, und das gleiche ist der
Fall mit dem Gewächse des menschlichen
[285] Leibes. Es ist nicht anzunehmen, daß
eine christliche Mutter mit Wissen und
Willen Gesundheit und Leben des Kin-
des irgendwie gefährde. So etwas wäre
eine Verirrung der Natur und eine
Sünde gegen das fünfte Gebot. Aber
eine andere Frage ist, ob nicht vielfach
aus Unkenntnis dem Leibe des Kindes
geschadet werde.
Man klagt allgemein darüber, daß
die körperliche Kraft und Gesundheit
bei dem heutigen Geschlechte sichtlich im
Rückgang begriffen seien. Man bezeichnet
verschiedene Ursachen dieses Uebels, am
öftesten aber nennt man die mangel-
hafte oder verkehrte Ernährung und
Pflege im Kindesalter. Die folgenden
Bemerkungen werden glücklicherweise
nicht alle Leserinnen angehen, aber sie
dürfen hier nicht fehlen, weil den ge-
rügten Mißbräuchen immerhin eine ge-
wisse Allgemeinheit zukommt.
2. Essen und Trinken. Das
Kind bekomme die Nahrung, welche ihm
[286] angemessen ist. Ein Arzt bemerkte mir,
wenn man die Jugend wieder mit Milch
und Habermus aufziehen würde, so
würde man wieder ein gesundes und
starkes Geschlecht erhalten. Auf die
vielen Sünden, die in diesem Punkte
unten und oben vorkommen, kann hier
nicht näher eingetreten werden. – Das
Kind erhalte genügende Nahrung, aber
nicht mehr als sein Magen verdauen
kann. Alban Stolz redet von Müt-
tern, welche ihre Kinder zum Schaden
der Gesundheit förmlich überfüttern, und
meint, im Zweifelfalle solle man dem
Kinde eher zu wenig als zu viel Nahr-
ung geben. – Das Kind soll die Nahr-
ung regelmäßig zur bestimmten Zeit
bekommen. So verlangt es seine Ge-
sundheit und die Gewöhnung an Ord-
nung. Freilich muß diese Ordnung
den Bedürfnissen des Kindes angemes-
sen sein. – Das Kind soll bei Zeiten
lernen, nicht zu gierig und hastig,
sondern mit Anstand zu essen. Es be-
[287] rührt das schon die sittliche Erziehung
und gibt selbst dem Kinde etwas geistig
Vornehmes. Als Diogenes einen Kna-
ben gierig und ohne Anstand essen sah,
gab er seinem Erzieher eine Ohrfeige
mit der Bemerkung, er und nicht der
Knabe habe Strafe verdient. – Man
gestatte gesunden Kindern nicht, in Be-
zug auf die Speisen wählerisch zu sein.
Wollen sie nicht essen, so können sie
warten bis zur nächsten Essenszeit. –
Man sei äußerst sparsam mit der Ver-
abreichung von Näschereien. Diese ver-
derben den Magen, nehmen die Lust
zu gesunder Nahrung, wecken den un-
geordneten Hang nach sinnlichen Ge-
nüssen. Man lehre das Kind, genüg-
sam und zufrieden zu sein, erinnere es
an die vielen Kinder, die nicht einmal
den Hunger stillen können, führe es zur
Einsicht, daß wir nicht leben, um zu
essen, sondern essen, um zu leben. –
Kindern dürfen keine geistigen Getränke
verabreicht werden außer auf ärztliche
[288] Anweisung. Die berufensten Vertreter
der medizinischen Wissenschaft erklären
geistige Getränke jeder Art, auch Bier
und Most, als ein Gift für die Kin-
der, welches namentlich auf das Gehirn
und die Nerven nachteilig einwirkt. Gar
viele Kinder müssen den Unverstand
ihrer Eltern lebenslänglich mit lang-
wierigen Nervenleiden, Fallsucht u. s. w.
büßen. – Unter Christen gehört zum
Essen auch das Tischgebet. Auch das
Kind soll bei Tische daran erinnert wer-
den, von wem jede gute Gabe kommt,
ihm danken lernen und hiezu nament-
lich durch das Beispiel der Erwachsenen
aufgemuntert werden.
3. Arbeit und Schlaf. Anfäng-
lich schläft das Kind fast die ganze
Zeit. Das Bedürfnis des Schlafes
nimmt mit dem Wachstum allmählich ab,
ist aber in der ganzen Kindes- und Ju-
gendzeit größer als bei Erwachsenen.
Was bei Kindern die Natur in Bezug
auf den Schlaf verlangt, kann ihr ohne
[289] Nachteil nicht vorenthalten werden. Aber
der Schlaf darf auch nie durch betäu-
bende Mittel herbeigeführt werden. Es
ist ganz gefehlt, wenn größere Kinder
wegen Vergnügen, Unterhaltungen, The-
aterbesuch um einen Teil ihrer Nacht-
ruhe gebracht werden. Aber viel häu-
figer und darum viel beklagenswerter
ist der Uebelstand, daß ärmere Kinder
im schulpflichtigen Alter für die Haus-
industrie bis tief in die Nacht hinein
angestrengt werden. Es ist das eine
Versündigung gegen Gesundheit und
Leben des Kindes, die durch gar nichts
entschuldiget werden kann, nicht einmal
durch Mangel und Not. Zuerst schaue
man, ob nicht unnötige Ausgaben für
Kleiderluxus und Wirtshausbesuch ge-
macht werden, und dann beschneide
man diese. Hilft das nicht, so bean-
spruche man lieber die öffentliche Ar-
menunterstützung, als daß man sich nährt
vom Blute seiner Kinder. Wenn die
Kinder neben der Schulzeit noch eine
[290] angemessene Erholung bekommen, so
mag es angehen, sie kürzere Zeit für leichte
häusliche Arbeiten oder auch für die
Hausindustrie zu verwenden, aber un-
ter keinen Umständen in die Nacht hin-
ein und mit Verkürzung des Schlafes.
Mir scheint, daß Eltern, welche von
diesem sündhaften Mißbrauch nicht ab-
gehen wollen, nicht mit Beruhigung zu
den heiligen Sakramenten gehen können.
4. Kranke Kinder. Zunächst suche
man die Krankheiten zu verhüten durch
eine naturgemäße Pflege, zuträgliche
Nahrung, frische Luft, angemessene Be-
wegung, Reinlichkeit, Vermeidung jeder
Verweichlichung, namentlich in der Klei-
dung. Fehlt dem Kinde etwas, so muß
selbstverständlich das Nötige zur Heilung
gethan werden. Im übrigen aber ist die
erzieherische Behandlung kranker Kinder
keineswegs leicht. Oft macht man zu viel
aus der Sache, schwatzt dem Kinde die
Ohren voll, bis es glaubt, daß es krank
sei, und legt so den Grund zu späterem
[291] wehleidigem Wesen und Gesundheits-
skrupeln. Auch werden kränkliche Kin-
der leicht verhätschelt und verwöhnt,
indem man ihnen thut und sie selber
thun läßt, was sie wollen. In Bezug
auf Arbeiten, Hausordnung u. s. w.
sind Rücksichten am Platze, nicht aber
in Bezug auf Fehler. Solche dürfen
auch bei kränklichen Kindern nicht ge-
duldet werden, namentlich kein Unge-
horsam; natürlich soll auch nichts Un-
vernünftiges befohlen werden. Man
lehre kranke Kinder schon früh, Leid
und Schmerz in vernünftiger und christ-
licher Weise zu ertragen. Das muß
namentlich geschehen, wenn Kinder auf
Lebenszeit mit irgend einem Uebel be-
haftet sind. Solche Kinder muß man
schon frühe durch religiöse Auffassung
der irdischen Dinge mit ihrem Schick-
sale versöhnen, eine für sie geeignete Stel-
lung im Leben in Aussicht nehmen
und sie darauf vorbereiten. Dann kön-
nen sie doch zufrieden leben und wan-
[292] dern wahrscheinlich ruhiger und sicherer
dem letzten Ziele entgegen, als die in
irdischer Hinsicht Bevorzugten.
Andere Kinder besitzen bloße An-
lagen zu gewissen Krankheiten, z. B.
zu Nerven- oder Lungenleiden, die mei-
stens ererbt sind. Solche Kinder können
aufwachsen, in einem Berufe arbeiten
und alt werden, ohne daß die Krank-
heit zum Ausbruch kommt, wenn man
sie von Jugend auf zu einer mäßigen
und wohlgeordneten Lebensweise erzieht
und die Wahl eines unpassenden Be-
rufes verhütet. Das ist übrigens die
allgemeine Aufgabe der körperlichen Er-
ziehung auch bei den gesunden Kindern.
Jedes Kind bringt ein gewisses Maß
von Lebenskraft auf die Welt, an die-
ser zehrt es das ganze Leben, und wenn
sie erschöpft ist, so muß das Leben auf-
hören. Diese Summe von Lebenskraft
hält um so länger an, je haushälter-
ischer man mit ihr umgeht. Je mehr
der Mensch in der Jugend gelernt hat,
[293] seine Leidenschaften zu beherrschen, ge-
nügsam, mäßig, arbeitsam und regel-
mäßig zu leben, in allem Maß zu hal-
ten, desto bessere Aussichten hat er, ge-
sund zu bleiben und lange zu leben.
Auch in Bezug aus Leben und Gesund-
heit gilt das Wort: Suchet zuerst das
Reich Gottes und seine Gerechtigkeit,
und dieses alles wird euch hinzugege-
ben werden. (Matth. 6, 33.)
28. Die Mutter und die Welt.
1. Schon im ersten Kapitel wurde
bemerkt, daß die christliche Mutter und
die Welt geborne Gegner seien, in ei-
nem spätern Kapitel wurde das Ver-
hältnis zwischen Weib und Welt be-
sprochen, hier muß noch die Stellung
der christlichen Mutter zur Welt be-
rührt werden. Mehrere Jahre ist es
der Mutter vergönnt, ihrer hohen und
heiligen Aufgabe zu leben, ohne durch
die Einflüsse der Welt im geringsten
[294] gestört zu werden. Mit den Jahren des
Schulbesuches beginnt eine allmähliche,
aber unaufhaltsame Aenderung. Das
Schulkind kommt in Berührung mit
Schul- und Spielkameraden, die gut
oder verdorben sein können, es sieht
und hört manches, was ihm besser un-
bekannt bliebe. Vielleicht hat die Welt
selbst in das elterliche Haus Eingang
gefunden in gewissen Blättern und Schrif-
ten, in den Reden von Dienstboten und
Hausgenossen, vielleicht auch am Fa-
milientische und selbst durch das Bei-
spiel der Eltern. Die jungen Christen
werden gelockt und gereizt durch die
Vergnügen und die Moden der Welt
und es muß zu denselben Stellung ge-
nommen werden. Endlich kommt die
Zeit, in der die Kinder den Augen der
Mutter ganz entrückt werden, sie treten
in die Welt hinaus und die Mutter
kann ihnen nur ihre Segenswünsche und
Gebete nachsenden.
Es ist von entscheidender Bedeutung,
[295] daß die Mutter nicht bloß in dieser
Zeit, sondern schon von Anfang an bei
der Erziehung von den richtigen An-
schauungen über die Welt geleitet werde.
Ein sehr gefährlicher und leider auch
sehr allgemeiner Fehler ist eine gewisse
Vertrauensseligkeit, die sich selber täuscht
über die Unschuld der Kinder und über
die Verdorbenheit der Welt. Daraus
erwächst dann eine große Sorglosigkeit,
wo ängstliche Wachsamkeit am Platze
wäre, und eine traurige Wiederholung
jener alten Geschichte, daß der Feind
Unkraut sät, während die Leute schlafen.
Nach dem hl. Johannes liegt die Welt
im Argen, und das ist heute noch wahr.
Ich weiß aus meiner eigenen seelsorg-
lichen Erfahrung, daß religiöse und
sittliche Verdorbenheit so weit in das
Kindesalter hinabreichen können, wie
man es nicht für möglich halten sollte.
Wenn nun in einer Herde ein einziges
räudiges Schaf ist, wer weiß, ob es
nicht auch dein Lämmlein ansteckt! Fer-
[296] ner sagt der Herr selber, daß der Sinn
des menschlichen Herzens zum Bösen
geneigt sei von Jugend auf. (I. Mos.
8, 21.) Dieses Wort gilt auch von dei-
nem Kinde. Sei es auch noch unver-
dorben, wer verbürgt dir, daß nicht
heute, vielleicht gestern schon der Keim
zu Unordnungen in seinem Herzen ge-
legt worden, der erst nach längerer Zeit
sich äußerlich bemerkbar macht? Die
Meinung, daß das Kind noch nichts
verstehe, ist so unheilvoll wie die an-
dere, daß es in der Welt keine Ge-
fahren gebe.
Wer einen kostbaren Schatz zu hü-
ten hat, thut gut, wenn er sich der
größten Wachsamkeit, oder, wenn man
lieber will, des größten Mißtrauens
befleißt. Darum überwache die Mut-
ter alles, was das Kind im eigenen
Hause hört und sieht und liest, sie thue
dasselbe in Bezug auf seine Kamera-
den und die Einflüsse, die sich außer
dem Hause geltend machen. Nament-
[297] lich dringe sie mit allem Nachdrucke
darauf, daß Söhne und Töchter, welche
auswärts etwas verdienen oder sich aus-
bilden sollen, nur in eine ganz zuver-
lässige Umgebung gelangen. Aber weil
der Weltgeist auch durch verschlossene
Thüren sich nicht immer abhalten läßt,
und man die Kinder in der Regel doch
einmal der Welt überlassen und man-
ches in der Welt bis zu einem gewissen
Punkte sogar mitmachen muß, so ist
mit dem Ueberwachen und Abschließen
nur zeitweilig geholfen. Man muß
vorsorgen, daß die Kinder auch fähig
werden, die Gefahren der Welt, so weit
sie unvermeidlich sind, glücklich zu be-
stehen, wenn sie in der Welt draußen
stehen.
2. In den ersten Jahren gleicht das
Kind einem zarten Bäumlein, welches
an einen Stab gebunden, sorgfältig um-
zäunt und gegen die Unbild der Witterung
geschützt wird. Wie das Bäumchen all-
mählich seiner engen Umzäunung ent-
[298] wächst und Sturm und Unwetter aus-
halten muß, so nahen dem Kinde nach
und nach die Versuchungen der Welt,
die elterliche Aufsicht tritt in demselben
Maße zurück, in welchem seine Frei-
heit zunimmt, bis es eines Tages mit-
ten in den Gefahren der Welt allein
dasteht und mit seiner genossenen Er-
ziehung die Probe bestehen muß. Kleinere
Proben kommen schon beim Schulkinde
vor gegenüber dem bösen Beispiel an-
derer Kinder. Wenn es in der Kirche
andächtig ist, während andere neben
ihm sich unehrerbietig benehmen, wenn
es von den Ungezogenheiten anderer,
vom Fluchen, Lügen u. s. w. sich zu-
rückhält, so ist das ein gutes Zeichen.
Aber dieses Verhalten kann immer noch
aus der Erinnerung an die strenge el-
terliche Zucht beruhen. Es ist das ein
Beweggrund, der später in den Versuch-
ungen und Stürmen des reiferen Ju-
gendalters nicht mehr wirken, jedenfalls
nicht genügen wird, und darum muß
[299] ein tieferes und festeres Fundament ge-
legt werden. Was hat dem ägyptischen
Joseph in seiner gefährlichen Versuch-
ung, was hat dem Daniel und seinen
jugendlichen Genossen in einer heid-
nischen Stadt vor einem abgöttischen
König, was hat den machabäischen Brü-
dern auf der Folterbank eine so heroische
Kraft verliehen? Es war der lebendige
Glaube, die heilige Furcht Gottes, was
ihnen zum Siege über die schwersten
Anfeindungen seitens der Welt verhol-
fen hat. Der Schluß, den die christ-
liche Mutter daraus ziehen soll, ist
schon wiederholt angeführt worden. In
den Jahren der Kindheit, in denen die
Mutter allein Meister ist über das
Herz des Kindes, muß sie zwei Dinge
anstreben. Auf der einen Seite muß
sie das Kind gewöhnen an Einfachheit
und Selbstbeherrschung, an den Abscheu
vor unerlaubten und an das Maßhal-
ten in erlaubten Genüssen. Das ist
notwendig, aber nicht genügend. Auf
[300] der andern Seite muß sie Glauben und
Gottesfurcht so sorgfältig in demselben
pflegen, daß sie recht tiefe Wurzeln
fassen, daß sie mit dem Kinde wachsen
und erstarken, daß sie, wenn die Welt
dem Kinde naht, sich stärker erweisen
als die Welt. Die Lockungen der Welt
und die nicht minder gefährliche Men-
schenfurcht müssen durch die voraus-
gehende religiöse Erziehung schon über-
wunden sein, bevor sie das Kind auf
die Probe stellen. Geschieht das nicht,
so wird der junge Christ keine Selb-
ständigkeit haben, ein Spielball sein in
den Händen seiner Umgebung, und
wenn diese eine schlechte ist, bald er-
liegen.
3. Es ist vielleicht am schwersten,
in jenen Dingen den Einfluß der Welt
fernzuhalten, in welchem man der Welt
bis zu einem gewissen Punkt nachge-
ben kann und selbst muß. Die Mode
und die Genußsucht sind zwei der läng-
sten und stärksten Fangarme, welche die
[301] Welt nach ihren Opfern ausstreckt. Eine
standesgemäße Kleidung gehört sich, aber
die Kunst der Erziehung besteht nun
darin, das Geziemende zu gestatten,
und doch im Aeußern den Luxus und im
Innern die Eitelkeit von dem Kinde
fern zu halten. Auch Vergnügen und
Unterhaltungen sind nicht ganz abzu-
weisen, es handelt sich nur um die rich-
tige Auswahl und um das richtige Maß,
die Ausscheidung dessen, was an sich
schädlich, und dessen, was zu viel ist.
Will eine Mutter den Kindern in die-
sen Dingen die richtigen Anschauungen
beibringen, so muß sie dieselben zuerst
selber haben. Wenn eine Mutter ihr
aufgeputztes Töchterchen wie ein Götzen-
bild anschaut, so wird sie ganz sicher
dasselbe zur Kokette erziehen. Und wenn
sie ihr begabtes Söhnchen bewundert
und seinen Wünschen schmeichelt, so weiß
man, daß er ihr bald über den Kopf
wachsen wird. Eine solche Mutter hat
den Geist der Welt, welcher naturnot-
[302] wendig auf die Kinder übergehen und
in ihnen seine Früchte tragen wird.
Ganz anders ist und kommt es, wo
der Geist Christi herrscht. Der junge
Chrysostomus war durch glänzende Ga-
ben vor allen seinen Altersgenossen aus-
gezeichnet, und seine Mutter Anthusa
mochte sich dessen freuen. Aber sie hielt
an dem Satze fest: Dieses Kind soll
ein Heiliger werden. Ihre erste Sorge
galt seiner unsterblichen Seele. So
wenig wie ihre Reichtümer verblendeten
sie die vielversprechenden Anlagen ihres
Sohnes. Diese ihre Gesinnungen gingen
als kostbarster Teil der Erbschaft auf
den Sohn über, haben seinen Blick über
vergängliche Dinge erhoben, sein Herz
mitten unter heidnischen Lehrern und
Mitschülern fromm und rein erhalten
und ihn wirklich zum Heiligen gemacht.
Die heilige Blanka hat ihren Sohn
Ludwig bei manchen Anlässen mit kö-
niglichem Schmucke bekleidet. Aber ihre
Seele verlor sich nicht in diese glänzen-
[303] den Aeußerlichkeiten, sie kümmerte sich
mehr um das Kleid der Gnade für die
Seele und erklärte ihrem Sohne, daß
sie ihn lieber im Tode als in der Tod-
sünde sehen wollte. Der Geist der Mut-
ter ging über auf den Sohn, und Lud-
wig ist trotz allen Gefahren, die das
Hofleben und die eigene Jugend ihm
bereiten mochten, diesem Geiste niemals
untreu geworden.
4. So streiten die christliche Mutter
und die Welt um die Seele des Kin-
des. Dieser Kampf hat aber seine Eigen-
tümlichkeiten. Zeitlich ist die Mutter
im Vorsprunge. Sie kann jahrelang
auf die Seele des Kindes wirken, ohne
von der Welt behelliget zu werden. Ist
sie selber vom rechten Geiste beseelt, so
kann sie mit der Gnade Gottes der Welt
zum voraus den Sieg abgewinnen. Die
Hauptpunkte sind schon wiederholt ge-
nannt worden, können aber nicht oft ge-
nug beherziget werden. Christus verlangt
von den Seinigen Selbstverleugnung.
[304] (Matth. 16, 24.) Darum gewöhne sie
die Kinder an Selbstbeherrschung und
Mäßigkeit. Der heilige Johannes sagt:
Das ist der Sieg, der die Welt über-
windet, unser Glaube. (I. Joh. 5, 4.)
Darum pflanze sie den Kindern jenen
lebendigen Glauben ein, auf dem die
Gottesfurcht beruht. Christus sagt:
Ohne Mich könnt ihr nichts thun.
(Joh. 15, 5.) Was uns stärken muß,
ist die Gnade. Darum lehre sie die
Kinder, ihre Seelen als Tempel des
heiligen Geistes heilig zu halten, auf
die Gnade zu vertrauen, die Gnade
zu suchen und derselben mitzuwirken.
Dann kann sie mit dem heiligen Jo-
hannes zu ihren Kindern sagen: Meine
Kindlein, der in euch ist, ist stärker,
als der in der Welt ist. (I. Joh. 4, 4.)
Und damit die Mutter selber nie
versucht werde, den Geist der Welt auf
die Erziehung einwirken zu lassen, muß
sie an sich selber diese Erfordernisse
des Sieges über die Welt besitzen und
[305] bethätigen. Insbesondere soll sie eine
Warnung und eine Aufmunterung aus
dem Munde Christi beständig in der
Erinnerung behalten. Die Warnung
lautet: Was nützt es dem Menschen,
wenn er die ganze Welt gewinnt, an
seiner Seele aber Schaden leidet? (Matth.
16, 26.) Und die Aufmunterung: Suchet
zuerst das Reich Gottes und seine Ge-
rechtigkeit, und dieses alles wird euch
hinzugegeben werden. (Matth. 6, 33.)
5. In einem Punkte darf und soll
man den Anforderungen der Welt
ziemlich weit entgegenkommen, nämlich
in Bezug auf die Erziehung zu An-
stand und Höflichkeit. Aus Benehmen
und Haltung des jungen Menschen
beim Grüßen, bei Tische, bei Besuchen,
in den Unterhaltungen und nament-
lich auch in Briefen, im Verkehre mit
höher gestellten und ältern Leuten zieht
man schnell einen Schluß auf seine
Erziehung und Bildung, der in der
Regel zutreffend ist. Anstand und Höf-
[306] lichkeit bilden eine Ergänzung der sitt-
lichen Erziehung, die nicht fehlen darf,
und für die Reputation und das Fort-
kommen von nicht geringer Bedeu-
tung ist.
Aber auch in diesem Punkte gehen
Welt und Christentum wieder aus-
einander. Höflich ist das Weltkind, und
der Heilige ist es auch. Aber für das
Weltkind – nicht alle Leute in der
Welt verdienen diesen Namen – ist
die Höflichkeit eine Larve, hinter welcher
sich die Falschheit verbirgt, während
bei dem Heiligen die Höflichkeit die
Schale bildet, in welche als Kern die
Tugend der Nächstenliebe eingeschlossen
ist. Seine Höflichkeit ist Wahrheit, ein
Ausdruck der wohlwollenden innern
Gesinnung. Wenn es mit der übrigen
Erziehung in guter Ordnung ist, so
wird die Erziehung zum richtigen An-
stand und zur rechten Höflichkeit keine
besonderen Schwierigkeiten bieten.
29. Die reifere Jugend.
[307]Je mehr die Kinder heranwachsen,
desto schwieriger wird deren Erziehung,
desto schlimmer wirken allfällige Miß-
griffe. Allmählich kommt die Zeit zur
Wahl des Standes und Berufes. Die
Mutter muß den Stand und die Stan-
deswahl selber christlich auffassen und
den Kindern bei Zeiten diese Auffas-
sung beibringen. Der heilige Paulus
sagt: Wie Gott einen jeden berufen
hat, also wandle er. (I. Kor. 7, 17.)
Der Beruf kommt von Gott und soll
zu Gott führen. Die Vorsehung hat
jedem den Lebensweg vorgezeichnet, ihn
für denselben befähigt, ihm Hilfe und
Gnade für denselben zugedacht, und
wer glücklich wählen will, muß fragen,
wozu ihn Gott berufen habe, welcher
Stand ihn am sichersten in den Him-
mel führe. Nun wer wählt nach Gottes
Willen, wählt gut für das irdische und
ewige Leben. Die christliche Regel für
[308] die Standeswahl liegt darum in dem
Wort des Herrn: Suchet zuerst das
Reich Gottes und seine Gerechtigkeit, und
dieses alles wird euch hinzugegeben wer-
den. Die glänzendsten irdischen Aus-
sichten dürfen nie einen Grund bilden,
eine Ehe einzugehen, welche Gott und
die Kirche nicht billigen. Heutzutage
gehen in diesem Punkte die Anschau-
ungen von Kirche und Welt weit aus-
einander, und es gibt auch viele Ka-
tholiken, welche die Grundsätze ihrer
Kirche geringschätzen oder nicht einmal
mehr kennen. Es ist ein Glaubens-
satz der katholischen Kirche, daß die
Ehe unauflöslich ist, und daß darum
geschiedene Eheleute bei Lebzeiten des
andern Teiles niemals eine neue gül-
tige Ehe eingehen können. Ferner er-
klärt es die Kirche als Abfall vom
Glauben und bestraft es mit Aus-
schluß aus ihrer Gemeinschaft, wenn
katholische Christen zugeben, daß ihre
Kinder in einem nicht katholischen Be-
[309] kenntnisse erzogen werden. Die Kirche
handelt so mit vollem Rechte, denn wer
den Glauben für seine Kinder ver-
leugnet, der hat ihn auch für sich selbst
verleugnet. Diese Dinge könnten und
sollten alle Katholiken wissen. Es ist
aber trotzdem nicht der Fall, und darum
stürzen sich manche leichtsinnig in die
traurigste Lage, in der ihnen nicht
mehr zu raten und zu helfen ist. Wenn
Eltern ihren heranwachsenden Kindern
den Ernst dieser Dinge öfters in Er-
innerung bringen, so werden diese viel
weniger versucht sein, Bekanntschaften
anzuknüpfen, welche derartige Bedenken
gegen sich haben.
Im übrigen überlasse man die
Wahl des Standes der freien Ent-
scheidung der Kinder. Niemand hat
ein Recht, ihnen einen Stand aufzu-
nötigen. Sie müssen die Folgen der
Wahl auch selber tragen. Wohl aber
sollen Eltern suchen vorzubeugen, daß
das Kind sich nicht einem Stande und
[310] Berufe zuwende, für den es mit seiner
Gesundheit und seinen Anlagen nicht
geschaffen ist, oder daß es eine Wahl
treffe, welcher religiöse oder sittliche
Bedenken entgegenstehen. Nur verspäte
man sich nicht mit den eben angeführten
Warnungen. Wenn man mit den Be-
denken gegen eine paritätische Ehe erst
kommt, wenn eine solche Bekannschaft
da ist, so wird es kaum mehr etwas
nützen.
2. Vorbereitung auf den Beruf.
In Bezug auf die Söhne verweise ich
auf das in dem Büchlein ‘„der christ-
liche Vater“’ Gesagte. Die Vorberei-
tung der Tochter muß der Mutter be-
sonders angelegen sein. Die Vorberei-
tung ist eine doppelte, eine innere und
äußere, und in Bezug auf beide wird
oben und unten vielfach gesündiget.
Unten müssen die Mädchen möglichst
früh dem Verdienste nachgehen, in der
Fabrik arbeiten. Was aber die künf-
tige Hausfrau, was jede Magd ver-
[311] stehen soll, davon lernen sie gar oft
nichts. Oben schickt man die Töchter
in Institute, die ganz gut sein mögen,
aber bei der Heimkehr behandelt man
dieselben wie überirdische Wesen, die
nichts Irdisches berühren dürfen als
etwa das Klavier und das Modejournal.
Wenn dann solche Fräulein und solche
Fabrikmädchen heiraten, so weiß man,
wie es geht. Es fehlt die Hausfrau,
der Mann hat statt einer Stütze ein
Kreuz erheiratet und flüchtet vor dem-
selben allzu oft ins Wirtshaus. Der
Philosoph Schopenhauer sagt: ‘„Die
Dame ist ein Wesen, welches gar nicht
existieren sollte, sondern Hausfrauen
sollte es geben und Mädchen, die es
werden wollen.“’ Wenn man in neuerer
Zeit angefangen hat, Koch- und Haus-
haltungsschulen zu eröffnen, so ist das
sehr zu begrüßen, obschon durch deren
Notwendigkeit ein bedenkliches Licht auf
die häuslichen Verhältnisse geworfen
wird.
Die Töchter bedürfen aber auch
einer inneren Vorbereitung. Sie haben
meistens eine lebhafte Einbildungskraft,
welche sich in diesem Alter gerne in
Träumen ergeht, in Träumen von einer
herrlichen Zukunft, so daß sie von der
wirklichen Welt nichts mehr sehen. Voll
von diesen Träumen, wählen sie leicht-
sinnig, entscheiden sorglos über ihre
Zukunft. Nachher folgt das Erwachen
aus diesen Träumen, in der Regel
recht bald, aber doch zu spät. Das
Weib ist, wie früher ausgeführt
wurde, geschaffen, um zu leiden und
zu opfern, und dieser seiner Bestim-
mung kann es sich in keinem Stande
entziehen. Darum suche die Mutter
ihrer Tochter rechtzeitig zu einer nüch-
ternen Lebensanschauung zu verhelfen.
Sie soll nicht von Einbildungen be-
rauscht an den Scheideweg des Lebens
treten, sondern sie soll wählen mit der
Erkenntnis dessen, was ihrer wartet, und
mit dem Mute, es christlich zu ertragen.
3. Religiös-sittliche Erziehung. In
diesen Jahren beginnen vielfach der
Zug zu sinnlichen Genüssen, besonders
zum Trinken, und der Hang nach Be-
kanntschaften sich bemerkbar zu machen.
Wenn die vorausgehende Erziehung
eine gute war, so wird die elterliche
Sorgfalt auch diese gefährliche Periode
zu einem guten Ende führen können.
Schlüpfrige Romane, überhaupt senti-
mentale Lektüre, Tanzbelustigungen,
Theater wecken das Feuer der Sinn-
lichkeit, und wer die Kinder mit dem
Feuer spielen läßt, mag dann sehen,
wie er den Brand unschädlich machen
kann. Klug und gewissenhaft kann ein
solches Verfahren nicht genannt werden.
Von der Keuschheit und ihrem Gegen-
satze braucht nicht gar viel geredet zu
werden. Man sorge vielmehr dafür,
baß diese Tugend von außen nicht be-
droht wird, und daß die Wächter der-
selben im Herzen des jungen Christen,
der Glaube, die Gottesfurcht, das Ge-
[314] wissen recht lebendig und wachsam sind,
und sein Denken, Reden und Handeln
beherrschen. Neben dem Gebet und den
übrigen religiösen Uebungen muß in
diesem Alter besonders dem Empfang
der heiligen Sakramente der Buße und
des Altars die gebührende Stellung
angewiesen werden. Wer sie würdig
und regelmäßig empfängt, hat an ihnen
einen Rettungsanker in den Stürmen
dieses Lebens, und so lange er an
diesem festhaltet, kann und wird er
nicht im Schiffbruche untergehen. Der
Engländer Fitz-William, ein Prote-
stant, hat nur die natürlichen Wir-
kungen dieser beiden Sakramente er-
wogen und gefunden, daß sie in einem
echt katholischen Lande für sich allein
Tugend und Gerechtigkeit aufrecht er-
halten könnten, ohne daß es noch an-
derer Gesetze bedürfte. Die beste und
kaum entbehrliche Aufmunterung der
jungen Christen in diesem Punkte ist
das gute Beispiel der Eltern.
In der Zeit von der ersten heiligen
Kommunion an muß dem Kinde auch
eine große Liebe zur Kirche eingeflößt
werden. In dem Unterrichte erfährt das
Kind, was die katholische Kirche ist
und was sie wirkt. Aber die Treue und
der Gehorsam gegen die Kirche, die
Liebe und die Begeisterung für sie
können mit Worten nicht genügend
eingepflanzt werden. Dazu braucht es
Eltern mit katholischer Ueberzeugung
und einem katholischen Herzen. Dieser
Punkt ist von der größten Wichtigkeit.
Wie die katholische Kirche in der Welt
das Christentum unwandelbar forter-
haltet, so liegt im innigen Anschluß
an die Kirche die Bedingung des prak-
tischen Christentums für den Ein-
zelnen. Der junge Christ muß zum
Katholiken, d. h. zum treuen Anhänger
der katholischen Kirche erzogen werden,
wenn er christlich denken und leben
soll. Die Tugend beruht auf der Reli-
giosität und diese findet ihren festen
[316] Halt allein im innigen Anschluß an
die Kirche, die Säule und Grundfeste
der Wahrheit. (I. Tim. 3, 15.) Darum
hat schon vor fünfzehnhundert Jahren
der heilige Pacian erklärt: Christ ist
mein Name, Katholik mein Zuname.
Unschätzbar ist der Schatz, welchen
der Christ an seiner unsterblichen Seele
mit in die Welt hinaus nimmt und
unersetzlich ist sein Verlust. Die Feinde,
welche auf denselben lauern, sind zahl-
reich, mächtig und schlau. Darum ruft
der heilige Paulus allen Christen zu:
Leget an die Waffenrüstung Gottes,
damit ihr widerstehen könnet an dem
schlimmen Tage, und unverletzt stand
halten an allem. Stellet euch also,
euere Lenden gegürtet in Wahrheit und
angethan mit dem Panzer der Gerech-
tigkeit, und beschuhet an den Füßen
mit Entschlossenheit für das Evange-
lium des Friedens; zu allem ergreifet
den Schild des Glaubens, womit ihr
alle brennenden Pfeile des Bösen aus-
[317] zulöschen vermöget, und nehmet den
Helm des Heiles und das Schwert des
Geistes, welches ist das Wort Gottes.
(Eph. 6, 13 ff.)
Die christliche Mutter hat den Be-
ruf, die Gnade und die Gelegenheit,
viele Jahre lang an dieser Waffen-
rüstung für ihr Kind zu arbeiten. Es
muß ihr eine Herzensangelegenheit sein,
das Kind nicht halb wehrlos den mäch-
tigen Feinden seines Heiles entgegen-
gehen zu lassen, sondern alles zu thun,
damit es nach dem Worte des Apostels
Paulus sich bewährt als ein guter
Kriegsmann Jesu Christi. (II. Tim. 2, 3.)
30. Das mütterliche Ansehen.
1. Die Liebe muß den Grundton
bilden für das Verhältnis zwischen
Mutter und Kind. Was die Mutter
für das Kind thut, entstammt der
Liebe ihres Herzens, und das Verhalten
des Kindes gegen die Mutter soll eine
[318] Offenbarung der kindlichen Gegenliebe
sein. Aber wie die Menschen einmal
geboren werden, zeigen sie schon sehr
früh ungeordnete Triebe, mit welchen
die bloße Güte nicht auskommen kann.
Die Mutter muß aus vernünftiger
und christlicher Liebe von Anfang an
ein gewisses Maß von Ernst und
Strenge anzuwenden wissen. Das
Kind darf nie im Zweifel darüber sein,
daß der Wille der Mutter erfüllt wer-
den muß, und wo die Liebe als Beweg-
grund zum Gehorchen nicht ausreicht,
muß die Furcht nachhelfen. Die Mut-
ter wird den Ernst auf das Notwen-
dige beschränken, aber immer muß das
Kind wissen, daß er, wenn er nötig
wird, unnachgiebig ist. Nur so kann
die Mutter das unentbehrliche Ansehen
gewinnen und erhalten.
In den Jahren des Schulbesuches
kann die Mutter die Probe machen,
ob sie in der vorhergehenden Zeit ihre
Sache gut gemacht hat. Sie bekommt
[319] da bereits eine kleine Ernte von der
frühern Aussaat. Es wird leicht ge-
hen mit dem Gehorsam, oder schwer,
oder gar nicht, je nachdem sie ihr An-
sehen früher befestigt hat oder nicht.
Das Versäumte läßt sich in dieser
Zeit vielleicht mit großer Mühe noch
nachholen, aber jedenfalls dürfen jetzt
das Ansehen der Mutter und der Ge-
horsam nicht wanken, wenn nicht das
ganze Erziehungswerk scheitern soll.
Man meint zwar, der Vater habe in
der Familie neben der mütterlichen
Milde die strengere Seite zu vertre-
ten. Er soll das auch, und damit
eine Stütze der Mutter sein, aber diese
darf nicht alles auf ihn abstellen.
Vielfach ist er abwesend, oft kümmert
er sich wenig um die Erziehung, auch
kann die Mutter Witwe werden und
die Erziehung allein besorgen müssen.
So ist ihr ein Ansehen, vor dem die
Kinder ohne Widerspruch und Zögern
sich beugen, unentbehrlich, und muß
[320] namentlich in den Jahren des Schulbe-
suchs mit aller Festigkeit gehandhabt
werden.
Bei der reifern Jugend muß das
Verfahren allmählich geändert werden.
Einen Menschen erziehen ist etwas
ganz anderes als ein Tier dressieren.
Letzterm wird einfach dieses oder jenes
angewöhnt, bei dem Menschen genügt
das nicht, er hat einen freien Willen,
und die Erziehung muß ihn auf den
Gebrauch seiner Freiheit vorbereiten,
bevor er der elterlichen Zucht völlig
entwächst. Da soll man nicht mehr
kurzweg befehlen, wie bei den Kleinen,
sondern auch in wohlwollendem Tone
die Gründe angeben. Man gebe ver-
suchsweise der Freiheit einigen Spiel-
raum, ohne die Ueberwachung aufzu-
geben und ohne an gewissen Dingen,
z. B. der guten Hausordnung rütteln
zu lassen. Manches kann man auch mit
Sohn und Tochter vor der Festsetzung be-
sprechen und beraten. Das Vertrauen er-
[321] weckt Vertrauen und macht guten Wil-
len, die Kinder lernen erwägen und
überleben, und manches gute Wort,
das sonst kaum angenommen würde,
kann auf diesem Wege in die Tiefe
der Seele dringen. Solche Unterre-
dungen bilden den geeigneten Ueber-
gang zum spätern Leben. Denn ein-
mal kommt doch die Zeit, in der die
Mutter nichts mehr erzwingen kann,
dagegen sollen ihr die Kinder bis an
das Ende als einer weisen Beraterin
ihr Vertrauen schenken.
2. Der Zerfall des mütterlichen
Ansehens. Als ich noch in der Seel-
sorge stund, wurden einmal innert
vierzehn Tagen sechs Schulkinder bei
nur verklagt von ihren eigenen Eltern,
welche dieselben nicht mehr bemeistern
konnten. Da war es freilich leichter
zu prophezeien, als einen guten Rat
zu geben. Eine Mutter, die von An-
fang an gut erzieht, wird ihr Ansehen
bis an das Ende behaupten können,
[322] wenigstens unter gewöhnlichen Ver-
hältnissen. Aber jeder Fehler, den sie
in der Erziehung begeht, wird sich an
ihrem Kinde und an ihr selber rächen.
Man durchgehe alle Bemerkungen, die
bereits über die religiöse und sittliche
Erziehung gemacht wurden, man prüfe
an der Hand derselben die Art, wie
in zahlreichen Familien erzogen wird,
und man wird sich über den heutigen
Zerfall des elterlichen Ansehens nicht
mehr wundern. Kleine Kinder, die
man verhätschelt, denen man den Ei-
gensinn nicht austreibt, wachsen na-
türlich heran zu ungehorsamen Kin-
dern. Es heißt schon in der heiligen
Schrift: Der Knabe, dem sein Wille
gelassen wird, macht seiner Mutter
Schande. (Sprichw. 29, 15.) Ebenso
wichtig ist das Beispiel. Wenn die
Mutter für das, was sie befiehlt, nicht
selber das gute Beispiel gibt, so ver-
liert das Kind die Achtung vor ihr,
und gehorcht nur, so lange es noch zu
[323] schwach ist, ungehorsam zu sein. End-
lich muß das mütterliche Ansehen eine
religiöse Grundlage haben. Es be-
ruht auf der Gottesfurcht, weil die
Mutter Gottes Dienerin und Stell-
vertreterin ist. Lehrt man das Kind
nicht, Gott zu fürchten, so wird es
die Furcht vor der Mutter auch bald
verlieren. Auch hier gilt das schon
oft angerufene Wort: Suchet zuerst
das Reich Gottes und seine Gerechtig-
keit, und dieses alles wir euch hinzu-
gegeben werden. (Matth. 6, 24.) Der
Anfang der Weisheit ist die Furcht
Gottes. (Ps. 110, 10.) – auch in der
Erziehung. Der Psalmist fügt bei:
Guten Verstand haben alle, die dar-
nach thun. Wer nicht darnach thut,
erzieht also ohne guten Verstand, und
darnach werden auch die Früchte aus-
fallen. Hunderte von verachteten Müt-
tern können hiefür Zeugnis ablegen.
Manche Frauen verstehen es, auf
ihre Männer großen Einfluß zu üben,
[324] obschon sie ihnen alle Unterwürfigkeit
bezeigen. Etwas Aehnliches muß hier
geschehen. Eine christliche Mutter,
welche die Vorzüge einer solchen be-
sitzt, welche für die Wohlfahrt und
das Heil ihrer Kinder gelebt und ge-
arbeitet, geopfert und geseufzt hat,
wird der Hochachtung, der Liebe und
des Zutrauens ihrer erwachsenen Kin-
der nicht leicht entbehren, und darum
auch später noch heilsam auf sie ein-
wirken können. Nur darf sie nicht
vergessen, daß dann ihre Kinder –
keine Kinder mehr sind. Ich knüpfe
eine Bemerkung hierüber an das Wort
Schwiegermutter. In meinen Augen
wird dieser in den landläufigen Re-
densarten vielfach Unrecht gethan.
Gute Mütter werden keine schlechten
Schwiegermütter sein. Ich bin der
Meinung, daß sie erfahrener und ein-
sichtiger seien als die jungen Frauen,
und darum ihre Ansichten meistens
die richtigen seien. Aber trotzdem
[325] möchte ich ihnen raten, nicht auf den-
selben zu bestehen. Sage man lieber
zu der jungen Frau: Du mußt wach-
sen, ich aber abnehmen. Ich bin mit
der Aufgabe zu Ende, die du erst an-
fängst. Ich begreife, daß du nicht
Kind, sondern Hausfrau sein willst,
und anerkenne auch, daß du die Rechte
und Pflichten einer solchen hast. Auch
weiß ich, daß die Jungen und die
Alten manches im Leben verschieden
ansehen. Du hast die Verantwortung,
darum habe auch die Freiheit. Ver-
langst du meinen Rat, so steht er dir
zu Diensten. Sonst wollen wir im
Frieden miteinander leben. Ich muß
abnehmen, du aber wachsen. Das ist
der Lauf des Lebens. Was du noch
auszufallen hast, das habe ich über-
standen. Dafür danke ich Gott, und
dir wünsche ich seinen Segen.
3. Der verlorene Sohn. In den
meisten Fällen findet die Ausartung
der Kinder ihre Erklärung in den
[326] Mängeln der häuslichen Erziehung,
welche sie genossen haben. Es kann
aber auch vorkommen, und heutzutage
ist dieser Fall leider nicht selten, daß
gut erzogene Kinder, namentlich Söhne
mit ihrer Tugend oder ihrem Glau-
ben jähen Schiffbruch erleiden. Mei-
stens sind es Studierende, Lehrlinge
verschiedener Berufsarten, welche das
elterliche Haus als wackere junge Chri-
sten verlassen, aber aus der Fremde
heimkehren als völlige Unchristen oder
sittlich verdorbene Menschen. Es ist
begreiflich, daß eine christliche Mutter
das mir mit Trauer und Schmerz
ansehen kann, daß sie sich gedrungen
fühlt, ihr Kind zu retten. Aber es
ist ebenso klar, daß sie mit Zudring-
lichkeit in der Regel nichts ausrichten
wird. Im Gegenteil wird sie mit
fortwährenden Mahnungen und Vor-
würfen den jungen Menschen nur noch
verstockter machen. Wenn ihre ersten
wohlmeinenden und schonlichen Vor-
[327] stellungen keinen Eindruck machen, so
ist anzunehmen, daß das Ansehen und
der Einfluß der Mutter für einstwei-
len ohnmächtig sind. Darum halte
sich die Mutter an jenes Wort des
Propheten: Im Schweigen und in der
Hoffnung wird euere Stärke sein.
(Js. 30, 15.) Die Trauer, der Schmerz
die Thränen, das beredte Schweigen
einer Mutter vermögen viel mehr als
aufgeregte Worte, sie senken sich wie
ein scharfer Stachel in das Herz des
verirrten Kindes, der es verwundet,
aber nicht erbittert, und gegen den es
nicht auf die Dauer ausschlagen kann.
Die Mutter weihe einem solchen Kinde
wie die heilige Monika ihre Gebete
und Thränen, damit auch an ihr
jenes Wort sich bewähre: Der Sohn
so vieler Thränen kann nicht verloren
gehen.
Alban Stolz macht zu diesem Ge-
genstand folgende tröstliche Bemerkung:
‘„Es ist Erfahrungssache, daß nach
[328] vielen Verirrungen der Mensch später
leichter wieder christlich wird, wenn er
in der Jugend christlich erzogen wor-
den ist. Manchmal gleicht die Wir-
kung einer guten Erziehung der Win-
tersaat. Sie wächst im Spätherbst
handbreit in die Höhe, dann aber ver-
schwindet sie unter der winterlichen
Schneedecke und scheint verloren. Allein
im Frühjahr setzt sie wieder das
Wachstum fort, bis sie zur reifen
Frucht gediehen ist, wenn nicht ein
Hagelschlag vor der Ernte alles weg-
rafft.“’
Eine Mutter kann nicht aufhören,
zu fürchten und zu hoffen. So lange
sie Muterpflichten hat, hat sie auch
Muttersorgen. Auch ihr gilt das Wort
des heiligen Jakobus: Siehe der Ackers-
mann wartet auf die köstliche Frucht
der Erde, er harret geduldig, bis sie
den Früh- und Spätregen empfangen.
So seid auch ihr geduldig und stärket
euere Herzen. (Jak. 5, 7.)
31. Am letzten Tage wird sie lachen.
[329](Sprichw. 31, 25.)
1. In der heiligen Schrift wird
die Flüchtigkeit des irdischen Lebens
mit folgenden Worten geschildert: Al-
les geht vorüber wie ein Schatten,
und wie ein dahinlaufender Bote, und
wie ein Schiff, welches das wogende
Meer durchfährt, von dem man, ist
es vorüber, keine Spur mehr findet,
noch die Bahn seines Kieles in den
Fluten: oder wie ein Vogel, der in
der Luft fliegt, von dessen Fluge man
kein Merkmal findet; denn er rauschet
nur mit den Flügeln, und schlägt die
leichte Luft, zerteilet sie mit der Kraft
des Fluges, und flieget, die Schwin-
gen bewegend, dahin, aber ein Zeichen
seines Fluges findet sich nicht darnach;
oder wie ein nach dem Ziele abge-
schossener Pfeil, wo die Luft sich teilt
und wieder zusammenschließt, so daß
man seinen Weg nicht kennt: also sind
[330] auch wir geboren worden, und bald
wieder verschwunden. (Weish. 5, 9.)
Jede bejahrte Mutter wird in diesen
Worten ihr eigenes Leben gezeichnet
finden. Wie rasch wurde das Mädchen
zur Jungfrau, zur Braut, zur Gattin,
zur Mutter, zur Großmutter! Die Jahre
enteilten mit der Schnelligkeit des Vo-
gels und des Pfeiles, und jetzt wankt
sie dem Grabe entgegen, bald wird sie
in dasselbe sinken und nach einiger
Zeit vergessen sein. Ueber ihrem Grabe
werden andere als Kinder den Lebens-
lauf beginnen und ebenso rasch dem
Alter zueilen, wenn ihr Lebensfaden
nicht schon früher zerrissen wird. Die
junge Braut prangt wie ein blühen-
der Baum des Frühlings, aber es
braucht nur einige Jahre, die dahin-
eilen wie ein kurzer Sommer, und sie
wird dem herbstlichen Baum mit da-
hingewelkten Blättern und kahlen Zwei-
gen ähnlich sein. Der weise Mann
in der heiligen Schrift bricht bei der
[331] Betrachtung dieser Hinfälligkeit in die
Klage aus: Eitelkeit der Eitelkeiten,
und alles ist Eitelkeit! Was hat der
Mensch mehr von all seiner Arbeit, wo-
mit er sich abmühet unter der Sonne?
Ein Geschlecht gehet ab, und ein anderes
kommt an... Man gedenkt nicht
mehr des früheren, und auch dessen,
was nachher sein wird, werden die
nicht gedenken, so zuletzt sein werden.
(Pred. 1, 2. f.)
Was hätte das Leben für einen
Wert, wenn das alles wäre? Was
hat man von Genüssen, von Freuden,
die so eitel und flüchtig sind, was von
den vielen Mühen und Sorgen, wenn
alles spurlos in der Vergangenheit
und Vergessenheit untergeht, wie die
Wasser des Stromes im Meere sich
verlieren? Wie eitel, düster und trost-
los erscheint das Leben auf Erden,
wenn es, wie von den Heiden und
Ungläubigen, bloß irdisch angeschaut
wird! Wie glücklich sind wir, daß
[332] das Christentum das kurze Erdenleben
mit dem Lichte der Ewigkeit beleuchtet,
uns den Wert der Zeit und der Ar-
beiten und Opfer zeigt, uns über die
Kürze des Lebens, seine Leiden und
Kümmernisse tröstet, uns im Lande
des Todes schon mit der Hoffnung des
ewigen Lebens aufmuntert und erhebt!
2. Machen wir von dem Gesagten
eine Anwendung auf die christliche
Mutter. In der heiligen Schrift heißt
es von der starken Frau: Am letzten
Tage wird sie lachen. Dem irdisch
gesinnten Menschen ist schon die Er-
innerung an den letzten Tag etwas
Peinliches. Was braucht es, bis eine
Mutter sich über diese natürlichen An-
schauungen erheben und an diesem
ernsten Tage lachen kann? Oder
ist etwa dieses biblische Wort nur
eine Redensart, die nicht ernst zu
nehmen ist? Lauvergne, ein fran-
zösischer Arzt, der keineswegs zu den
eigentlich Gläubigen zählte, hat vor
[333] Jahren ein Buch geschrieben über den
Todeskampf und den Tod in allen
Klassen der Gesellschaft, in welchem
er als bloßer Philosoph seine Beob-
achtungen über den Tod mit ziemlicher
Unbefangenheit zusammenstellt. Ueber
den Tod der christlichen Mutter macht
er u. a. folgende Bemerkungen: ‘„Wir
haben mehr als zweitausend die er heiligen
Frauen sterben gesehen, und bei der
größeren Zahl derselben sind uns der
Todeskampf und der Tod als die
erhabensten Offenbarungen der mütter-
lichen Liebe und Religion vorgekom-
men. Hier ist nichts Düsteres, nichts
Grabähnliches, kein erheuchelter Schmerz
zu sehen. Nein! es ist keine Parade
eigennützig handelnder Personen, welche
das Zimmer erfüllen. Man fühlt sich
in einer wirklich süßduftenden, from-
men Atmosphäre, welche von diesen
von frommen Gefühlen ergriffenen
Personen ausgeht.... Die Sterbende
ordnet die Zurüstungen ihres Schei-
[334] dens mit einer Seelenruhe an, welche
alle Philosophen der neuen Schule
zur Verzweiflung bringt und dieselben
am kräftigsten widerlegt....’
geläute? Das heilige Viatikum wird
sogleich erscheinen, und das Gefolge
der Gläubigen will es begleiten. Man
sage ja nicht, daß die erhabene Idee
Gottes mit der Unwissenheit des Vol-
kes unverträglich sei. Das Volk glaubt,
– das ist genug, und sein Glaube
ist moralischer, vernunftgemäßer, als
der eurige, ihr Großen der Erde!
Denn er hängt zusammen mit der
Uebung des Guten und der Erwar-
tung eines jenseitigen Lohnes, wovon
die Todesstunde einen Vorgeschmack
zu verleihen scheint. Betreten wir
wieder das Sterbezimmer, so erinnert
es uns an eine jener Kirchen aus den
ersten Zeiten des Christentums. Der
Ort. wo man vor kurzem allerlei Haus-
geräte erblickte, ist durch die Ausräu-
[335] mung eine ernste Basilika geworden.
Man sieht nichts als einen einfachen
Altar und ein Paradebett, auf dem eine
Erbin des Himmels die letzten Trö-
stungen erwartet. Nur der Priester
mit der Hostie steht aufrecht unter der
frommen Menge. Mitten aus der
lautlosen Stille hört man fromme
Gebete, welche leise nachgebetet werden,
und wenn man sich dem Bette nähert,
so nimmt man wahr, daß die Ster-
bende mitbetet. Von dem Augenblicke
an, da Gott bei ihr ist, gleicht die
fromme Sterbende einem reinen Geist,
der durch seine dahinfallende Hülle
mit allen denen, die er liebte, die
Sprache der reinen Liebe und der
ewigen Wahrheit spricht. Man horche
sorgfältig auf den Rat, den sie ihren
Kindern erteilt; man merke auf ihre
Erinnerungen an die Pflichten, die ihr
Sohn gegen Gott, gegen seinen Vater
und gegen die Gesellschaft zu erfüllen
hat, und man sage uns, ob diese einfache
[336] Frau, welche nie den Plato gelesen hat,
nicht eben so viel von der unverän-
derlichen Weisheit verstehe, als der
große Philosoph von Athen?...
der Tod ein unerbittlicher Portrait-
maler sei, man muß aber noch bei-
setzen, daß er ein Gesicht entweder sehr
häßlich, oder geheimnisvoll und er-
haben darstellen könne. Man betrachte
das blasse Gesicht der guten Familien-
mutter, wenn sie in ihr Leichengewand
gehüllt und mit einem Kruzifixe in
ihren weißen Händen zum letztenmale
auf dem Lager liegt, auf welchem sie
als Gattin und Mutter lag: man
betrachte diese unter dem Strahle der
letzten Hoffnung erstarrten Züge: sieht
man nicht um ihre Lippen etwas Tief-
ernstes, aber Rührendes, Liebliches
schweben? In diesem ganzen Ge-
sichte liegt ein symbolischer Ausdruck,
ein menschliches Geheimnis, eine flüch-
tige Vision der Ewigkeit!....
[337] Nach der wackeren Mutter, die ihr
Leben ihrer Familie und ihren Kin-
dern widmete, wären wir in Verle-
genheit, einen andern weiblichen Typus
aufzufinden, der würdig wäre, mit
dem soeben geschilderten verglichen zu
werden. Denn dieser hat wirklich, ohne
sogar die barmherzigen Schwestern und
die Jungfrauen auszunehmen, welche
ihr Leben in klösterlicher Strenge und
Gebet zubringen, und von denen schon
die Rede war, seinesgleichen nicht.“
Der Verfasser hat auch andere
Frauen anders sterben gesehen. Wie
stirbt das Weib ohne Glauben und
frommen Sinn? Die eine vernimmt
den Ausspruch, daß die Kunst für sie
kein Mittel mehr habe, wie eine Bot-
schaft aus der Hölle, krümmt und
windet sich vor dem nahenden Ver-
hängnis, geht dem Todeskampf entge-
gen mit dem unheimlichen öfters wie-
derholten Rufe: Ich werde nicht ster-
ben! Eine andere ist aufgeklärt und
[338] doch von Gewissensbissen gefoltert.
Diese will sie los werden, aber ohne
viele Umstände. Sie sucht in Ordnung
der Angelegenheiten ihrer Seele wohl-
feilen Hauses davon zu kommen, ähn-
lich wie eine Bankerottierer mit seinem
Gevatter beratet, um mit seinen Gläu-
bigern einen möglichst annehmbaren
Vergleich zu schließen. Eine dritte
stirbt mit einem frommen Betrug auf
den Lippen und der Verzweiflung im
Herzen, u. s. w. Frauen, die sich vom
Glauben losgesagt haben, werden nach
Lauvergne's Beobachtungen von einem
unaussprechlichen Abscheu vor dem Tode
gefoltert. Lauvergne scheidet von dem
Sterbebete der christlichen Mutter mit
der Bemerkung: ‘„Wenn man solchen
charakteristischen Todeskämpfen bei-
wohnt, so ist man über den Hauptpunkt
einig, daß keiner unter denselben dem er-
baulichen Ende der einfachen Familien-
mutter gleicht, welche ihre letzten liebe-
vollen Blicke gegen den Himmel, auf
[339] ihren Gatten und ihre Kinder richtet.
Bei ihr kann man mit vollem Rechte
sagen: Ihr Ende gleicht einem schönen
Sonnenuntergang!“’
3. Diese Beobachtungen eines Arztes
und Philosophen über den Tod der
christlichen Mutter sagen uns noch nicht
genug. Sie bilden einen bemerkens-
werten Beweis für jenes Wort der
heiligen Schrift: Am letzten Tage
wird sie lachen. Aber das Geheimnis
der Mutterfreude in dieser ernsten
Stunde enthüllen sie uns nicht. Da-
rüber müssen wir die Heiligen fragen.
An Ostern 387 war der hl. Augustin
in Mailand getauft worden. Bald
nachher trat er mit seiner Mutter
Monika die Heimreise an und sie er-
warteten in Ostia das Schiff, welches
sie nach Afrika überführen sollte. An
einem lieblichen Maiabend befanden
sie sich an einem Fenster ihrer Woh-
nung. Zu ihren Füßen lag ein Garten
mit seinem duftigen Blütenflor, da-
[340] rüber hinaus das weite Meer, über
welches sich der klare Himmel mit den
zahllosen Gestirnen ausbreitete. Aber
ihre Gedanken verweilten nicht bei die-
sem Zauber der sichtbaren Natur. Die
Erinnerungen der Vergangenheit und
das Glück der Gegenwart erhoben ihre
Seelen in eine höhere Welt. Von der
Vergangenheit redeten sie nicht, aber
das Herz der Mutter war voll von
derselben. Wie ganz anders betrach-
tete sie jetzt den Abgrund von Sorgen
und Kümmernissen, in den ihr Herz
so lange versenkt war! Alle ihre
Thränen und Seufzer erschienen ihr
jetzt als kostbare Perlen, mit denen
sie die Seele ihres Sohnes erkauft
hatte. Aller Schmerz ihres Mutter-
herzens wurde reichlich aufgewogen
durch die Wonne, welche es jetzt em-
pfand, und durch den Ausblick in die
selige Zukunft. Den vielen Tagen,
die sie unter Thränen verlebte, war
endlich ein Tag gefolgt, an dem sie
[341] lachen konnte. Der Zauber der sie
umgebenden Natur war zu armselig,
um diese zwei entzückten Herzen zu
fesseln. In einem erhabenen Zwie-
gespräche erhoben sie sich über die sicht-
bare Welt zu jenem Orte, wo sie in
der Anschauung des lebendigen Gottes
das höchste und ewige Glück zu finden
hofften. Am Schlusse desselben sagte
Monika: ‘„Für mich hat das Leben
keinen Reiz mehr, mein Sohn. Ich
weiß nicht, was ich noch hienieden zu
thun habe, nachdem meine süßeste Hoff-
nung, mein höchster Wunsch, dich als
katholischen Christen zu sehen, wider
alle Erwartung in Erfüllung gegangen
ist. Gott gewährt mir die Gnade,
dich als seinen Diener zu sehen, der
für Ihn alles irdische Glück verachtet.
Was soll ich noch hier?“’ Ihr Wunsch
sollte erfüllt werden. Fünf Tage nach-
her wurde sie von einem Fieber be-
fallen und am neunten Tage der
Krankheit starb sie.
Am letzten Tage wird sie lachen.
Es war ein schauerlicher Tag für die
machabäische Mutter, an welchem sie
zuschauen mußte, wie ihre Söhne der
Reihe nach für ihre Treue gegen das
Gesetz hingeschlachtet wurden. Aber
als sie selber am Abend den letzten
Seufzer unter der Hand des Henkers
ausgehaucht hatte, war sie doch, mit
den Augen des Glaubens betrachtet,
eine überglückliche Mutter und schied
von dieser Welt mit dem seligen Ge-
fühle, gesiegt zu haben, gerettet zu ha-
ben, was ihrem Mutterherzen das
Teuerste war.
Welcher Abstand zwischen der Fol-
terbank der Machabäerin und dem
lieblichen Frühlingsabend in Ostia,
und doch die gleiche Wonne der ster-
benden Mutter! Das Zeugnis des
französischen Arztes, der zweitausend
Frauen sterben gesehen, sagt uns, daß
auch Mütter, die in stiller Verborgen-
heit, in ganz gewöhnlichen Verhält-
[343] nissen ihre Pflichten treu erfüllten,
ebenfalls am letzten Tage lachen, d. h.
mit Freude und Trost im Frieden
von hinnen scheiden. Wenn eine Mut-
ter ihre Kinder zu guten Christen er-
zogen hat, wenn sie mit der Hoffnung
scheidet, daß der ihnen eingepflanzte
Geist auf deren Kinder und Kindes-
kinder übergehen werde, und daß im
Laufe der Zeit ihre Nachkommenschaft
sich im Himmel um sie sammeln werde,
dann fühlt sie nicht mehr den Schmerz
der Trennung, nicht die Angst des
Todes, dann vergißt sie das, was
vergänglich ist, und im Hinblick auf
den Gewinn für die Ewigkeit stirbt
sie mit dem Lächeln des Friedens auf
den Lippen. Je mehr sie gearbeitet
und geopfert und gelitten hat, desto
getrösteter und hoffnungsvoller geht sie
dem Richter entgegen.
O daß doch alle Mütter am letzten
Tage lachen könnten! Aber wenn
eine Mutter bereits überzeugt sein
[344] muß, daß das Werk ihrer Erziehung
mißlungen ist, daß sie einen schlimmen
Samen auf Erden zurückläßt, daß eine
Ernte aus diesem Samen für den
Himmel sehr zweifelhaft ist, wenn sie
sich selber nicht freisprechen kann von
der Mitschuld an diesem Unglücke,
dann wird ihr letzter Tag kaum ein
heiterer sein können. Die Nachlässig-
keit in der Erziehung und die meistens
unheilbaren Folgen derselben sind et-
was Drückendes für das Gewissen,
aber doch nicht das Drückendste. Es
bleibt immer noch der freilich schwache
Schimmer von Trost, daß es nicht
gerade mit Absicht und bösem Willen
so gekommen sei. Aber wenn jemand
seine Kinder schon bevor sie geboren
sind, durch förmliches Uebereinkommen
von seiner eigenen Kirche und seinem
eigenen Glauben ausschließt, so fällt
auch dieser Schimmer von Trost noch
weg. Man steht da vor einer Ver-
leugnung des Glaubens und der Mut-
[345] terliebe, die kaum zu begreifen ist,
und die sich selber straft, sobald ein-
mal das Gewissen aufwachen wird.
4. Wir wollen nicht näher auf
das eingehen, was alles einer Mutter
den letzten Tag verdüstern kann. Aber
sorge jede mit allem Eifer dafür, daß
ihr an diesen Tage das Lachen nicht
verwehrt ist. An den Festen heiliger
Mütter kommen in den Tagzeiten und
in dem Evangelium der heiligen Messe
die Worte vor: Das Himmelreich ist
gleich einem Kaufmann, welcher gute
Perlen sucht. Wenn er eine kostbare
Perle gefunden hat, geht er hin, ver-
kauft alles, was er hat, und kauft sie.
(Matth. 13, 45.) Die guten Perlen,
welche die christliche Mutter sucht, sind
die unsterblichen Seelen ihrer Kinder.
Sie verkauft alles, was sie hat, d. h.
sie opfert alles, ihre irdischen Wünsche,
ihre Ruhe, ihre Kräfte, ihr Leben, um
diese Perlen sicher in der Schatzkammer
des Himmelreiches unterzubringen.
[346] Die erste ihrer Sorgen ist, den Him-
mel zu erringen, aber nicht bloß für
sich allein, sie will ihre Kinder mit
hinaufnehmen, will sie im Genuß der
ewigen Glückseligkeit an ihrer Seite
haben. Der Kaufpreis für diese Per-
len ist ein hoher, wenn man das Tag-
werk der christlichen Mutter mit ir-
dischen Augen ansieht, aber er erscheint
gering im Vergleich mit dem Werte
der Perlen. Wie diese Erde in dem
ungeheuren Weltenraum sich als ein
kleines Sandkorn ausnimmt und doch
als Stätte hoher göttlicher Geheim-
nisse den größten Himmelskörpern vor-
ansteht, so ist das Leben auf Erden
gegenüber der Ewigkeit ein flüchtiger
Augenblick, aber ein Augenblick, der
über das Los in der ganzen Ewig-
keit entscheidet. Die christliche Mutter,
welche die Opfer dieses kurzen Augen-
blickes nicht gescheut hat, wird lachen,
wenn er vorüber ist. Lächelnd ver-
läßt sie den Acker, auf dem sie die
[347] Perlen gefunden, lächelnd schüttelt sie
den Staub der Erde von sich ab, sie
hat ihren Schatz errungen und gesi-
chert für die Ewigkeit. Fünfzehn Jahre
hat die heilige Monika geweint, aber
schon fünfzehndundert Jahre genießt sie
unaussprechliche Mutterfreuden, die
niemals enden werden. Das Marty-
rium der machabäischen Mutter um-
faßte einen Tag, den Sieg und Tri-
umph aber genießt sie mit ihren Söhnen
schon zweitausend Jahre, welchen eine
endlose Reihe weiterer Jahrtausende vol-
ler Wonne folgen wird. Fast möchte
man fragen wer im Himmel seliger sei,
als eine Mutter in der Mitte ihrer
Kinder? Die Seligkeit des Kindes ist
auch die Seligkeit der Mutter, und das
Glück jedes geretteten Kindes wird für
sie ein Himmel in dem Himmel sein.
Jede christliche Mutter soll sich sel-
ber oft in Erinnerung bringen, was
sie einst in der letzten Stunde wünschen
wird, gethan zu haben, und darnach
[348] sich erforschen und mit neuen Vorsätzen
ausrüsten. In heiligen Augenblicken,
wie bei dem Empfang der heiligen Sa-
kramente oder sonst beim Kirchenbesuch
wird ihr das nicht schwer fallen. Aber
sie soll vorsorgen, daß diese heilsamen Ge-
danken sie auch in das tägliche Leben
begleiten. Das Leben der Mutter ist
meistens ausgefüllt mit zerstreuenden
Arbeiten und drückenden Sorgen. Wenn
sie sich ganz in dieses unruhige Ge-
wirre des Alltagslebens verliert, ohne
die Seele nach oben zu erheben, wenn
sie in den Tag hinein lebt, ohne an
das Ende zu denken, ohne auf das
letzte Ziel hinzublicken, so wird sie
nur Irdisches anstreben, und die Gna-
den und Segnungen, die der Herr für
sie bereit hat, werden unbenutzt vor-
übergehen. Viele Mütter entbehren
mitten im Christentum des Geistes und
der Gnaden des Christentums. Wie der
Wanderer auf beschwerlicher Reise von
Zeit zu Zeit ausruht, frischen Atem
[349] schöpft und sich erquickt, so muß die
christliche Mutter ihrer Seele solche Ruhe-
punkte verschaffen. Wer hiefür folgende
Winke benutzt, wird die wohlthätigen
Wirkungen bald selber erfahren.
1. Täglich verschaffe deiner Seele
einen guten Gedanken, indem du in
diesem oder einem andern Erbauungs-
buche wenigstens einen Satz liesest und
überlegst. Mit einem solchen guten Ge-
danken gießest du einen Tropfen Oel
in die Lampe, so daß dir bei den Ar-
beiten. Leiden und Versuchungen Licht
und Trost nicht fehlen. Ein einziger
guter Gedanke, recht beherzigt und
fleißig in Erinnerung gerufen, ist im
stande, in allen Leiden zu stärken, von
den Sünden abzuhalten, das ganze Le-
ben zu heiligen. Wer oft verhindert
ist, das Wort Gottes anzuhören, muß
sich sonst solche gute Gedanken verschaffen.
2. Wenigstens jede Woche lese et-
was Belehrendes über die Mutterpflich-
ten und die Erziehung, sei es in die-
[350] sem Büchlein oder in der ‘„Monika“’,
u. s. w. Begegnest du alle Jahre nur
dem einen oder andern Winke, der dich
angeht, wirst du auf einen einzigen
Erziehungsfehler aufmerksam gemacht,
so ist das für dich ein unschätzbarer
Gewinn.
3. Monatlich oder spätestens alle
zwei Monate empfange die heiligen Sa-
kramente. Die Gründe ergeben sich aus
deinem eigenen Glauben. Die Gnade
ist unentbehrlich, sie kann nur in einem
reinen Herzen wohnen und wirken, der
Tod ist ungewiß, Christus ist die Quelle
aller Gnaden, er ist der zärtliche Lieb-
haber der Mutter und Kinder, – wer
kann das glauben und ihm fern bleiben?
4. Wenn es dir möglich ist, so mache
jährlich oder spätestens alle zwei Jahre
die geistlichen Uebungen (Exercitien).
Die Erfahrung zeigt am besten, wie
wohlthätig sie wirken. Wenn du dich
entschließest, sie einmal zu machen, so
erwarte ich, daß es für die Wieder-
[351] holung meiner Aufmunterung nicht mehr
bedürfe.
5. Wenn du auch genötigt bist, in
Bezug auf Gebet und Kirchenbesuch
manche Ausnahmen von der Regel zu
machen, so wache doch mit der größten
Sorgfalt darüber, daß niemals aus
bloßer Nachlässigkeit etwas Großes oder
Kleines versäumt wird. Eine kleine Ver-
säumnis aus eigener Schuld wäre ein
großer Schritt zu einem nachlässigen
lauen Leben mit allen seinen unseligen
Folgen.
6. Der leitende Grundsatz für die
Erziehung der Kinder und dein eigenes
Leben sei das schon oft angeführte Wort
des göttlichen Heilandes: Suchet zuerst
das Reich Gottes und seine Gerechtig-
keit, und dieses alles wird euch hinzu-
gegeben werden. (Matth. 6, 33.) Wer
das Reich Gottes und seine Gerechtig-
keit nicht sucht, wird auch das übrige
nicht bekommen, in der Erziehung am
allerwenigsten. Was von den göttlichen
[352] Lehren und Geboten abweicht, kann nie
und nimmer wirklich glücklich machen.
Wenn du aber bei allem zuerst nach
Gottes Willen und Gesetz und nach
dem Heil der Seele fragst und dich
darnach richtest, so darfst du zuversicht-
lich erwarten, daß der Herr auch hal-
ten werde, was er in obigen Worten
versprochen hat.
32. Tochter Evas werde ein Kind
Mariens.
1. Von Eva, der Mutter der Leben-
digen, sind die Folgen des Sündenfalles
auf ihre Nachkommen übergegangen.
Wir heißen darum elende Kinder Evas.
Nach dem natürlichen Gang der Dinge
wiederholt jede Mutter diese traurige
Vererbung für ihre Kinder. Maria
war eine neue, höhere Mutterschaft zu
teil geworden. Selber rein und sünden-
los, hat sie den Erlöser der Welt geboren,
welcher der geistige Stammvater eines
[353] neuen Geschlechtes geworden ist. Jede
Mutter hat als Erzieherin die Wahl
zwischen diesen beiden Vorbildern zu
treffen. Ist sie auch in der Erziehung
eine Tochter Evas, d. h. erzieht sie mit
fleischlichem Sinn, im Geiste der Welt,
so wird der trübe Strom des anererb-
ten Verderbens durch ihre Schuld in
ihren Kindern noch trüber fließen. Die
christliche Mutter darf nicht in diesem
Geiste erziehen. Sie muß sich in ihrem
Denken und Handeln auf christlichen
Boden stellen, sie muß das Kind nicht
bloß zum Menschen, sondern zum Chri-
sten, nicht bloß für dieses Leben, son-
dern für den Himmel erziehen. Sie
soll hiebei die erhabene Mutter, von
welcher diese neue Ordnung der Dinge
ihren Anfang genommen hat, als ihr
Vorbild und ihre Helferin betrachten.
Maria hat ihre hohe Mutterschaft
übernommen mit den Worten: Siehe,
ich bin eine Dienerin des Herrn, mir
geschehe nach deinem Worte, (Luk. 1, 38.)
[354] Niemals hat alles das, was bisher
von der Hingebung des Weibes ge-
sagt wurde, eine vollkommenere Ver-
wirklichung gefunden, als bei diesem
Anlasse. Es war auch niemals ein Herz
hiefür mehr befähigt. Nicht bloß die
Sünde, sondern auch die böse Begierlichkeit
blieben ihrem Herzen fern, sie war von
Anfang an voll der Gnaden. Diese
Gebenedeite unter den Weibern, die nie
unter dem Gesetze der Sünde stund,
hätte eigentlich auch nicht unter dem
Gesetze der Leiden stehen müssen. Aber
wenn, sie die Gerechtigkeit von demsel-
ben freisprach, so hat sie sich aus Liebe
und Gehorsam unter dasselbe gebeugt.
Ich bin eine Dienerin des Herrn, mir
geschehe nach deinem Worte. Damit
hat sie sich ohne Rückhalt an die Rat-
schlüsse des Allerhöchsten hingegeben, voll-
kommen bereit, alles zu thun und zu
leiden, was der Wille Gottes von ihr
verlangte. Diese Hingebung hat ihr
die schwersten Opfer auferlegt, sie ist
[355] durch dieselbe zur schmerzhaften Mutter
geworden. Aber nie hat sie ihr Wort
zurückgenommen, nie durch Ungeduld
oder Unzufriedenheit abgeschwächt. Sie
blieb die treue und gehorsame Magd
des Herrn, bis sie durch ihre Treue die
Krone der Himmelskönigin verdient hatte.
Für eine christliche Mutter kann es
kein passenderes Wort geben, um sich
beim Beginne ihres Berufes und in der
Erfüllung desselben dem Herrn zu weihen,
als dieses: Siehe, ich bin eine Dienerin
des Herrn, mir geschehe nach deinem
Worte. Jede Mutter ist eine Dienerin
des Herrn, das Kind, welche sie zu
erziehen hat, ist Eigentum seines Schöpfers
und Erlösers, für die Mutter ist es
ein anvertrautes Gut, freilich ein solches,
an das sie mit unlösbaren Banden der
Liebe geknüpft ist. Aber es gehört dem
Herrn, und diesem ist sie für die Er-
füllung ihrer Pflichten verantwortlich.
Gott liebt das Kind mit eifersüchtiger
Liebe, die Mutter brennt ebenfalls von
[356] Liebe zu demselben, und diese doppelte
Liebe soll ihr Mut und Eifer für ihre
Aufgabe verleihen, soll sie antreiben,
sich nach dem Vorbilde Mariens eben-
falls dem Herrn rückhaltlos als Dienerin
zur Verfügung zu stellen, entschlossen,
alles zu thun und zu opfern, was das
Heil ihres Kindes erfordert.
Freilich ist die christliche Mutter
als Tochter Evas behaftet mit mancherlei
Gebrechen und Fehlern. Es übersteigt
ihre eigenen Kräfte, diese selbstlose Hin-
gebung treu und beharrlich durchzu-
führen. Zur Vollkommenheit ihres Vor-
bildes vermag sie sich nicht zu erheben.
Aber Maria ist nicht bloß Vorbild,
sondern auch Helferin und Fürsprecherin.
Es ist sicher, daß Mütter, welche ihre
mütterlichen Tugenden nachahmen wol-
len, ihrem Herzen besonders nahe stehen
und auf ihre Hilfe mit aller Zuversicht
rechnen dürfen. Je mehr eine Mutter
ihre Fehler und ihre Unzulänglichkeit
fühlt, desto vertrauensvoller und in-
[357] ständiger wende sie sich an die liebe-
vollste und mächtigste, die reinste und
keuscheste, die unbefleckte und unversehrte,
die liebliche und wunderbare Mutter,
um durch sie die hingebende Liebe, die
Einsicht, den Eifer, die Beharrlichkeit
und den gesegneten Erfolg für ihr Wir-
ken zu erlangen.
2. Was ist lieblicher, als die gött-
liche Mutter mit ihrem Kind? Sie ist
der Gegenstand, an dem die Künstler
aller Jahrhunderte mit Vorliebe ihre
Fähigkeit erproben. Aber niemand kann
die Anmut und Liebenswürdigkeit die-
ses Bildes besser erfassen, als das Herz
der christlichen Mutter. Sie hat ja den
Beruf, selber mit ihrem Kinde ein Ab-
bild hievon zu werden. Der mütterli-
chen Liebe Mariens war in ihrem Kinde
das erhabenste und würdigste Ziel ge-
boten, das sich überhaupt denken läßt.
Sie konnte nicht bloß ein reines und
unschuldiges Kind, sondern den Sohn
des Allerhöchsten als ihr eigenes Kind
[358] an ihre Brust drücken. Aber wie sollte
sie Ihm diese Liebe bezeigen. Hatte es
der Herr des Himmels nötig, von ei-
nem Geschöpfe gepflegt zu werden? Be-
durfte die ewige Weisheit und Heilig-
keit der Erziehung durch eine irdische
Mutter? Die unendliche Güte und
Menschenfreundlichkeit Gottes hat es er-
möglicht, diese Fragen zu bejahen. Der
Sohn Gottes ist ein Kind geworden,
um die ganze natürliche Entwicklung
eines Kindes durchzumachen. Er lag
als hilfloses Kind in den Armen seiner
Mutter, der Nahrung und Pflege be-
dürftig wie andere Kinder. Er fing
im gewöhnlichen Alter an, zu sprechen,
zu beten, zu spielen, zu gehorchen, ohne
daß äußerlich etwas aufgefallen wäre.
Es ist ein liebenswürdiges Geheimnis,
wie ein solches Kind von einer solchen
Mutter sprechen und beten lernte, und
wie sie täglich mit einander verkehrten.
Wer kann dieses Geheimnis ergründen?
Niemand besser als die christliche Mut-
[359] ter. Ihr Kind soll ein Ebenbild des
göttlichen Kindes werden, und sie hat
den hohen Beruf, ihm zu diesem Glücke
zu verhelfen.
Freilich darf sie nicht vergessen, daß
ihr Kind zu den elenden Kindern Evas
gehört, behaftet mit den Gebrechen ei-
ner verdorbenen Natur, und daß darum
neben der Nachahmung der göttlichen
Mutter noch etwas nötig ist, was diese
nicht anzuwenden brauchte, – eine
christlich ernste Zucht. Es braucht viel,
bis ein Kind in seinem Herzen und in
seinem äußeren Wandel dem Knaben
Jesus einigermaßen ähnlich ist. Aber
das ist das Ziel der christlichen Er-
ziehung, und die Mutter darf von An-
fang an keine Mittel scheuen, seien es
auch strenge und mögen sie ihrer na-
türlichen Liebe wehe thun, welche zur
Erreichung dieses Zieles erforderlich sind.
Hat doch selbst Maria gegen ihr gött-
liches Kind keine Rücksichten walten
lassen, als es sich darum handelte, im
[360] Gehorsam gegen das mosaische Gesetz,
sein Blut in der Beschneidung zu ver-
gießen. Jede christliche Mutter erwäge
oft vor der göttlichen Mutter mit dem
Kinde, wie wichtig, wie schwierig und
verantwortungsvoll ihre Aufgabe ist,
wie unzulänglich ihre Kräfte sind, wie
entsetzlich ein Mißlingen ihres Werkes
wäre. Und dann halte sie ihren kleinen
Liebling dem göttlichen Kinde und sei-
ner Mutter entgegen, empfehle densel-
ben ihrer Liebe, und flehe um Licht
und Kraft, Festigkeit und Ausdauer
in der Sorge für seine Seele.
3. Das Mutterherz Mariens ist ein
weiteres Geheimnis, welches jede christ-
liche Mutter zu ergründen suchen soll.
Wenn nach der Auffassung der heiligen
Hildegard das Herz eine Harfe ist, so
ist es außer Zweifel, daß dieses heiligste
Herz in Freude und Schmerz die rein-
sten Akkorde ertönen ließ, und daß je-
des Mutterherz glücklich zu preisen ist,
welches nach demselben gestimmt ist.
[361] Zunächst sei das der Fall in den Mut-
terfreuden. Auch die bloß natürlichen
Freuden der Mutter sind eine Quelle
stillen Glückes, eine der lieblichsten
Blüten, welche dieser armseligen Welt
entsprossen. Aber ihr Duft ist gefähr-
lich, er betäubt die Sinne und führt
zur blinden Liebe mit ihren unheilvol-
len Früchten, wenn nicht die natürliche
zur christlichen Liebe erhoben und ver-
klärt wird. Davon ist schon wiederholt
die Rede gewesen. Ich erinnere hier
nur an das Vorbild, welches jeder christ-
lichen Mutter vor der Seele schweben
soll. Sie freue sich über das, was an
ihrem Kinde dem göttlichen Kinde gleicht,
was ihm fehlt, suche sie ihm zu ver-
schaffen, und lasse sich durch die Liebe
von Fleisch und Blut nicht davon ab-
halten. Sie bitte die Mutter der schönen
Liebe um Bewahrung vor verblendeter
Liebe, um den Geist jener Liebe, die
von Gott stammt, die Gott wohlgefällig
ist und zu Gott führt.
Die Mutter hat den Beruf, zu
opfern und zu leiden. Darum weiß
ihr Herz mehr von Muttersorgen als
von Mutterfreuden zu erzählen. Auch
die heiligste der Mütter war davon nicht
ausgenommen. Sogar jene Geheim-
nisse ihrer Mutterschaft, welche wir
freudenreiche nennen, waren von Dor-
nen umrankt. Schon an ihre Erheb-
ung zur Gottesmutter hat sich ein schwerer
Kummer geknüpft. Besonders merk-
würdig ist, daß ihr göttlicher Sohn
selber sie drei Tage lang in Schmerzen
Ihn suchen ließ. Warum dieses Lei-
den, das Er ihr leicht hätte ersparen
können? Warum mußte sie die schmerz-
hafte Mutter werden, während sie doch
verdiente, von allen Leiden frei zu sein?
Ihre Leiden waren ein Beitrag zu dem
großen Erlösungswerke, der uns allen,
besonders aber den Müttern zu gute
kommen sollte. Sie hat gelitten als
Vorbild und Beispiel der übrigen lei-
denden Mütter, sie hat gelitten, um
[363] deren besondere Helferin und Fürspre-
cherin zu werden. Das Herzeleid der
schmerzhaften Mutter war anderer Art
als die Sorgen und beiden gewöhn-
licher Mütter, aber beide sollen durch
die gleichen Tugenden geheiliget werden.
Darum blicke die christliche Mutter in
ihren Kümmernissen auf zu der schmerz-
haften Mutter, erbaue sich an ihrer
Hingebung, ihrer Geduld und ihrer
mutigen Beharrlichkeit, schütte den Kum-
mer des Herzens in Mariens Herz aus,
welche den Schmerz aus Erfahrung
kennt, und darum voll Mitleid ist ge-
gen alle Bekümmerten, insbesondere ge-
gen sorgenvolle Mütter, und welche
durch ihr beiden ihre Macht als Trö-
sterin der Betrübten erlangt hat.
Von Maria gelten die Worte: Ich
bin die Mutter der schönen Liebe und
Furcht, der Erkenntnis und heiligen
Hoffnung. (Sir. 24, 24.) So lange das
Werk der christlichen Mutter noch nicht
vollbracht ist, so lange es noch miß-
[364] lingen kann, so lange kann ihr Herz
nicht ruhig sein, es muß in heiliger
Furcht und Besorgnis schweben. So
lange sie über das Heil unsterblicher
Seelen in einer bösen Welt wachen muß,
bedarf sie höherer Erleuchtung und Ein-
sicht, und die übernatürliche Liebe muß
ihr Herz erfüllen, so lange sie zu opfern
und zu leiden hat. Wo soll sie diese
Bedürfnisse ihres Berufes mit mehr
Vertrauen suchen, als bei der Mutter
der schönen Liebe und Furcht und der
Erkenntnis? Thut sie das, so wird ihr
als tröstliche Zugabe auch die heilige
Hoffnung zukommen. Für Maria en-
dete die Trauer mit dem seligen Oster-
morgen und seither schwimmt ihr Herz
in unaussprechlicher Wonne. Wenn
eine christliche Mutter hoffen kann, daß
ihre Sorgen auch so gut enden werden,
so wird sie diese Hoffnung in den schwer-
sten Prüfungen aufrecht erhalten, zu
den größten Opfern befähigen. Wie
findet sie aber diese frohe Zuversicht?
[365] Der fromme Verfasser der Nachfolge
Christi erzählt: Ich kenne einen Freund;
dieser ward von Angst ergriffen, und
schwebte lange zwischen Furcht und
Hoffnung. Eines Tages, da ihn der
Kummer halb aufgezehrt hatte, warf er
aus dem Herzen betend, sich in einer Kirche
vor dem Altar nieder, und dachte bei
sich: ‘O, wenn ich gewiß wüßte, daß
ich im Guten bis an das Ende ver-
harren würde! Da hörte er die gött-
lich Antwort in seinem Innersten:
Und wenn du das wüßtest, was woll-
test du alsdann thun? Thue jetzt das-
selbe, was du alsdann thun woll-
test, und du wirst sicher zum Ziele
kommen.“’ Dieses Wort salbte ihn
mit Trost und alles Wogen und Flu-
ten seiner Angst hatte sich gelegt.
(I. 25.) Die christliche Mutter muß in
ihrem doppelten Kummer für sich und
die ihr Anvertrauten den gleichen Trost
suchen, indem sie das Ihrige thut und
auf Gott vertraut. Der himmlische
[366] Vater, Christus und seine Mutter wer-
den ihr sicher nicht von der Hand
gehen, wenn sie sich selber treu bleibt.
Darum, o Mutter, erwäge den ganzen
Ernst deiner Lage, verschließe dein Auge
nicht vor den Schwierigkeiten und Ge-
fahren und deinen eigenen Schwächen,
aber ermutige dich durch das, was dich
aus demselben retten wird. Suche mit
Vertrauen, was du von oben notwen-
dig hast, und thue mit aller Treue,
was dir selber obliegt. Dann kannst
auch du mit dem Psalmisten sagen:
Auf Dich, o Herr, habe ich gehofft, ich
werde ewig nicht zu Schanden werden.
(Ps. 30, 2.)
III.
Andachtsübungen
[367]ihr empfangen, auf daß
euere Freude vollkom-
men werde.“’’(Joh. 16, 24.)
Die täglichen Gebete
[369]Morgengebet.
Beim Aufstehen und Ankleiden mache das
Kreuzzeichen und bete:
Im Namen meines gekreuzigten Herrn
Jesu Christi stehe ich auf, der mich
erlöst hat mit seinem kostbaren Blute.
Füge während des Ankleidens noch andere
Gebete bei, die du auswendig kannst. Auch
sage zu dir selber: Wozu hat mir Gott diesen
Tag geschenkt? Er kann der letzte meines Lebens
sein. Dann bete knieend:
Im Namen des Vaters und des
Sohnes und des heiligen Geistes.
Amen.
1. Anbetung.
Allerheiligste Dreifaltigkeit! ich bete
Dich an mit allen Engeln und Heili-
gen des Himmels. Heilig, heilig, hei-
lig! Ehre sei dem Vater, Ehre sei
dem Sohne, Ehre sei dem heiligen
Geiste.
2. Glaube, Hoffnung, Liebe.
O mein Gott, ich glaube an Dich,
Weil Du die ewige Wahrheit bist. –
O mein Gott, ich hoffe auf Dich,
weil Du allmächtig, unendlich gütig
und getreu bist. – O mein Gott, ich
liebe Dich über alles, weil Du das
höchste Gut und aller Liebe würdig bist.
1) Jedesmal 7 Jahre und 7 Quadra-
genen Ablaß. 2) Vollkommener Ablaß
einmal im Monat an einem beliebigen Tage,
nach Beicht. Kommunion, Gebet nach Mei-
nung des Papstes, wenn einen Monat lang
täglich gebetet. 3) Vollkommener Ablaß
in der Sterbestunde. – (Benedikt XIV., 28. Ja-
nuar 1756.)
Zur Gewinnung vorstehender Ablässe ist
keine bestimmte Gebetsformel vorgeschrieben:
[371] nur müssen die besondern Beweggründe jeder
der drei göttlichen Tugenden ausgedrückt werden.
3. Dank und gute Meinung.
Ich danke Dir, mein himmlischer
Vater, für alle Wohlthaten, insbeson-
dere, daß Du mir diesen neuen Tag
verliehen hast. – Zu deiner Ehre
will ich heute beten, arbeiten und lei-
den, und ich vereinige alles mit den
Gebeten, Arbeiten und Leiden unseres
Herrn Jesu Christi. Ich empfehle
mich in alle heiligen Meßopfer und
will alle Ablässe gewinnen, welche ich
heute gewinnen kann.
4. Bitte an den göttlichen Heiland.
Göttlicher Heiland! segne mich und
alle Menschen, besonders jene, für
welche ich zu beten schuldig bin. Ver-
schließe uns in dein liebevolles Herz,
und beschütze uns gegen alle Feinde
und Gefahren. Verleihe Gnade den
[372] Lebenden, Hilfe den Sterbenden, die
ewige Ruhe allen Abgestorbenen.
5. Gebet zu Maria und den Heiligen.
O Maria, ohne Sünde empfan-
gen, bitte für uns, die wir zu dir
unsere Zuflucht nehmen.
(Einmal täglich 100 Tage Ablaß. –
Leo XIII., 15. März 1884.)
Heilige Schutzengel, heilige Na-
menspatrone, alle Heiligen Gottes,
bittet für uns!
6. Segenswunsch.
Es segne uns der allmächtige Gott,
der † Vater, der † Sohn und der †
heilige Geist. Er behüte uns vor
allen Uebeln des Leibes und der Seele
und führe uns zum ewigen Leben.
Und die Seelen aller Abgestorbenen
mögen durch die Barmherzigkeit Got-
tes im Frieden ruhen. Amen.
Abendgebet.
[373]1. Anbetung.
Allerheiligste Dreifaltigkeit! ich bete
Dich an mit allen Engeln und Heili-
gen des Himmels. Heilig, heilig, hei-
lig! Ehre sei dem Vater, Ehre sei
dem Sohne, Ehre sei dem heiligen
Geiste.
2. Glaube, Hoffnung, Liebe.
O mein Gott, ich glaube an Dich,
weil Du die ewige Wahrheit bist. –
O mein Gott, ich hoffe auf Dich, weil Du
allmächtig, unendlich gütig und getreu
bist. – O mein Gott, ich liebe Dich
über alles, weil Du das höchste Gut
und aller Liebe würdig bist.
3. Danksagung.
Ich danke Dir, mein himmlischer
Vater, für alle Gnaden und Wohl-
thaten, welche Du mir heute erwiesen
hast. – Leider bin ich wieder undank-
[374] bar und ungehorsam gegen Dich ge-
wesen. Hilf mir, daß ich alle Sün-
den, die ich heute begangen habe, recht
erkennen und bereuen kann.
Mache eine kurze Gewissenserforschung und
erwecke Reue und Leid.
4. Reue und Leid.
Diese und alle Sünden meines
ganzen Lebens sind mir herzlich leid,
weil ich Dich, das höchste Gut, mei-
nen besten Vater und größten Wohl-
thäter, damit beleidigt habe. Um des
Blutes Jesu Christi willen, sei mir
armen Sünder gnädig und barmherzig,
und gib mir die Gnade, mein Leben
zu bessern und Dich nicht mehr zu
beleidigen.
5. Bitte an den göttlichen Heiland.
Göttlicher Heiland, segne mich und
alle Menschen, besonders jene, für
welche ich zu beten schuldig bin. Ver-
schließe uns in dein liebevolles Herz,
[375] und beschütze uns gegen alle Feinde
und Gefahren. Verleihe Gnade den
Lebenden, Hilfe den Sterbenden, die
ewige Ruhe allen Abgestorbenen.
6. Gebet zu Maria und den Heiligen.
O Maria, ohne Sünden empfan-
gen, bitte für uns, die wir zu dir
unsere Zuflucht nehmen.
Heilige Schutzengel, heilige Na-
menspatrone, alle Heiligen Gottes bit-
tet für uns!
7. Segenswunsch.
Es segne uns der allmächtige Gott,
der † Vater, der † Sohn und der †
heilige Geist. Er behüte uns vor
allen Uebeln des Leibes und der Seele
und führe uns zum ewigen Leben.
Und die Seelen aller Abgestorbenen
ruhen durch die Barmherzigkeit Got-
tes im Frieden. Amen.
Bete ein Vater unser und den Glauben,
besprenge dich mit Weihwasser und gehe mit
aller Sittsamkeit zur Ruhe. Beim Auskleiden
[376] und bis zum Einschlafen denke an die Kranken,
Sterbenden und Abgestorbenen und bete für sie.
Tägliches Gebet des Vereins der christlichen
Familie.
(Vor dem Bilde der heiligen Familie zu verrichten.)
O liebreichster Jesu, der Du durch
deine erhabenen Tugenden und das
Beispiel deines verborgenen Lebens
die von Dir hier auf Erden auser-
wählte Familie geheiliget hast, schaue
gnädig herab auf unsere Familie, die
hier zu deinen Füßen niedergeworfen,
Dich um deine Gnade fleht. Gedenke,
daß sie Dir gehört, weil sie sich in
besonderer Weise Dir geweiht und ge-
opfert hat. Schütze sie gnädig, rette
sie aus Gefahren, komm ihr zu Hilfe
in allen Nöten, verleihe ihr die Gnade,
in der Nachfolge deiner heiligen Fa-
milie immerdar zu verharren, damit
sie während ihres irdischen Lebens in
deinem Dienste und in deiner Liebe
treu bleibe, und einst im Himmel Dich
loben könne in Ewigkeit.
O Maria, süßeste Mutter, wir
flehen dich um deinen Schutz an in
der sicheren Ueberzeugung, daß dein
eingeborener göttlicher Sohn deine
Bitten erhören wird.
Und auch du, glorreicher Patriarch,
heiliger Joseph, komme uns durch deine
mächtige Vermittelung zu Hilfe, und
übergib unsere Bitten Jesu Christo
durch die Hände Mariens.
(Jedesmal 300 Tage Ablaß. – Leo XIII.,
20. Juni 1892.)
Schutzgebetlein zu Ehren der heiligen
Familie.
Jesus, Maria, Joseph, erleuchtet
uns, helfet uns, rettet uns!
(Einmal im Tage 200 Tage Ablaß. –
Leo XIII., 20. Juni 1892.)
Jesus, Maria und Joseph! Euch
schenke ich mein Herz und meine Seele!
Jesus, Maria und Joseph! stehet
mir bei im letzten Todeskampfe!
Jesus, Maria und Joseph! möge
[378] meine Seele mit Euch im Frieden
scheiden.
(Jedesmal 300 T. Ablaß. – Pius VII.,
28. April 1807.)
Beim Stundenschlag.
O Gott, verleihe uns eine selige
Stunde zum Leben und zum Sterben.
Durch Christum, unseren Herrn. Amen.
Um eine glückselige Sterbestunde.
Durch deine heilige letzte Angst
und schwere Verlassenheit, o gütigster
Jesu! wir bitten Dich, verlasse uns
niemals, besonders nicht in der Stunde
unseres Absterbens. Amen.
Muttersegen über die Kinder.
Ich befehle dich (euch) in den
Schutz des allmächtigen Gottes, in die
Obhut der seligsten Jungfrau, in die
Wache der heiligen Schutzengel und in
den Schirm aller lieben Heiligen.
Meßandachten.
[379]Erste Meßandacht,
welche als Anleitung dient, an den einzelnen Gebeten und
Verrichtungen der Priesters am Altare andächtigen Anteil
zu nehmen
Die nachfolgenden Gebete werden außer
jenem bei der Wandlung alle vom Prie-
ster am Altare gebetet. Die veränder-
lichen Teile sind entnommen aus der Messe
zu Ehren der heiligen Familie. Jene Teile,
welche beim feierlichen Amte gesungen werden,
sind deutsch und lateinisch nebeneinander ge-
stellt, und sollen nebst den beigefügten Er-
klärungen es möglich machen, dem Priester bei
den einzelnen Teilen der heiligen Messe mit
Verständnis und Andacht zu folgen.
Vormesse.
Das Staffelgebet.
Der Priester betet an den Stufen des
Altares den Psalm 42, in welchem die Sehn-
[380] sucht nach dem würdigen Umgang mit Gott
in seinem Heiligtum ausgesprochen wird, wo-
rauf der Priester und der Altardiener, letzterer
als Stellvertreter des Volkes, das Sündenbe-
kenntnis ablegen. Der Psalm 42 wird bei
Totenmessen ausgelassen.
Priester. Im Namen des †
Vaters und des Sohnes und des hei-
legen Geistes. Amen. – Ich werde
kommen zu Gottes Altar.
Diener. Zu Gott, der meine
Jugend erfreut.
Psalm 42.
Pr. Schaffe mir Recht, o Gott,
und entscheide meine Sache wider das
unheilige Volk: von dem ungerechten
und arglistigen Manne rette mich.
D. Denn Du, o Gott, bist meine
Stärke! Warum hast Du mich ver-
worfen, und warum gehe ich trauernd
einher, da der Feind mich plaget?
Pr. Sende dein Licht und deine
Wahrheit: sie werden mich leiten und
[381] führen auf deinen heiligen Berg und
in deine Hütten.
D. Und ich werde kommen zu
Gottes Altar: zu Gott, der meine Ju-
gend erfreut.
Pr. Ich werde Dich loben auf der
Harfe, o Gott, mein Gott! Warum
bist du traurig, meine Seele, und wa-
rum betrübest du mich?
D. Hoffe auf Gott; denn ich
werde Ihm noch danken, Er ist das
Heil meines Angesichtes und mein
Gott.
Pr. Ehre sei dem Vater u. s. w.
D. Wie es war im Anfang u. s. w.
Pr. Ich werde kommen zu Gottes
Altar.
D. Zu Gott, der meine Jugend
erfreut.
Pr. Unsere Hilfe ist im Namen
des Herrn.
D. Welcher Himmel und Erde er-
schaffen hat.
Pr. Ich bekenne u. s. w.
[382]D. Es erbarme sich deiner der all-
mächtige Gott, Er verzeihe deine Sün-
den und führe dich zum ewigen Leben.
Pr. Amen.
D. Ich bekenne dem allmächtigen
Gott, der heiligen, allzeit reinen Jung-
frau Maria, dem heiligen Erzengel
Michael, dem heiligen Johannes dem
Täufer, den heiligen Aposteln Petrus
und Paulus, allen Heiligen und dir,
o Vater, daß ich gar sehr gesündigt
habe in Gedanken, Worten und Wer-
ken: durch meine Schuld, durch meine
Schuld, durch meine sehr große Schuld.
Deshalb bitte ich die heilige, allzeit
reine Jungfrau Maria, den heiligen
Erzengel Michael, den heiligen Jo-
hannes den Täufer, die heiligen Apostel
Petrus und Paulus, alle Heiligen,
und dich, o Vater, zu bitten für mich
bei dem Herrn, unserem Gott.
Pr. Es erbarme sich euer der all-
mächtige Gott, Er verzeihe euere Sün-
den und führe euch zum ewigen Leben.
D. Amen.
Pr. Nachlassung †, Verzeihung und
Vergebung unserer Sünden gewähre uns
der allmächtige und barmherzige Herr.
D. Amen.
Pr. O Gott, wende Dich wieder
zu uns und belebe uns.
D. Und dein Volk wird sich in
Dir erfreuen.
Pr. Erzeige uns! o Herr, deine
Barmherzigkeit
D. Und dein Heil verleihe uns.
Pr. Herr, erhöre mein Gebet.
D. Und laß mein Rufen zu Dir
kommen.
Pr. Der Herr sei mit euch.
D. Und mit deinem Geiste.
Pr. Lasset uns beten!
Während er die Altarstufen hinaufsteigt:
Nimm hinweg von uns, wir bit-
ten Dich, o Herr, unsere Missethaten,
auf daß wir mit reinem Herzen in
das Allerheiligste einzugehen verdienen,
durch Christus, unseren Herrn. Amen.
Zum Altare geneigt und denselben küssend:
Wir bitten Dich, o Herr, durch
die Verdienste deiner Heiligen, deren
Reliquien hier sind, so wie aller Hei-
ligen, daß Du mir verzeihen mögest
alle meine Sünden. Amen.
Bei dem feierlichen Gottesdienste beräu-
chert nun der Priester den Altar. Dieser
Gebrauch stammt schon aus den apostolischen
Zeiten und ist ein schönes Bild des Gebetes.
Der Weihrauch verzehrt sich auf der Glut und
steigt zum Himmel auf, süßen Wohlgeruch ver-
breitend. Ebenso soll das Gebet aus einem von
Liebe entflammten Herzen kommen, das sich
völlig an Gott hingibt. Der Altar soll um-
hüllt sein von den Walken des Gebetes der
Gläubigen, die zum Himmel aufsteigen und
die Wolken durchdringen. Auch der Priester
wird beräuchert, weil sein Herz und das Herz
eines jeden, der an seinem Opfer teilnimmt,
ein geistiger Opferaltar sein soll.
Der Eingang. (Introitus.)
Der Eingang wechselt nach den Festen
und Zeiten; er ist meistens der heiligen Schrift
entnommen und drückt in kurzen Worten den
Grundgedanken der kirchlichen Tagesfeier aus.
Von dem ersten Worte des Einganges hat man
[385] für manche Sonntage, z. B. Oculi, Lætare,
und manche besondere Messen, z. B. Rorate
im Advent, und Requiem, für die Abgestor-
benen, ihren Namen hergenommen. Der Ein-
gang der oben bezeichneten Messe lautet:
Es frohlockt vor Freude der Vater
des Gerechten; freuen mögen sich dein
Vater und deine Mutter, und es froh-
locke, die dich geboren hat. (Sprichw.
23, 24.)
Wie lieblich sind deine Wohnun-
gen, Du Herr der Heerscharen! Es sehnt
und schmachtet meine Seele nach den
Vorhöfen des Herrn. (Ps. 53, 1.)
Ehre sei dem Vater u. s. w. Es
frohlocket u. s. w. wird wiederholt.
Kyrie eleison.
Diese griechischen Worte kommen schon in
der heiligen Schrift vor. Sie sind ein Gebets-
ruf an die heiligste Dreifaltigkeit, der sich ganz
passend an den Eingang anreiht.
Pr. Herr, erbarme Dich unser.
D. Herr, erbarme Dich unser.
Pr. Herr, erbarme Dich unser.
[386]D. Christe, erbarme Dich unser.
Pr. Christe, erbarme Dich unser.
D. Christe, erbarme Dich unser.
Pr. Herr, erbarme Dich unser.
D. Herr, erbarme Dich unser.
Pr. Herr, erbarme Dich unser.
Gloria.
Die ersten Worte dieses Lobgesanges wur-
den von den Engeln gesungen bei der Geburt
Christi, und haben schon in den ersten Jahr-
hunderten die jetzige Erweiterung gefunden.
Wie einst in Bethlehem erscheint Christus auch
auf dem Altare, um den Frieden zu bringen.
Das Gloria wird als Freudengesang in den
Messen, bei denen Trauer oder Buße den
Grundgedanken bilden, ausgelassen.
| Gloria in excelsis | Ehre sei Gott in |
| Deo, et in terra pax | der Höhe und auf |
| hominibus bonaæ vo- | Erden Friede den |
| luntatis. Laudamus | Menschen die guten |
| te. Benedicimus te. | Willens sind. Wir |
| Adoramus te. Glo- | loben Dich. Wir prei- |
| rificanus te Gratias | sen Dich. Wir beten |
| agimus tibi prop- | Dich an. Wir ver- |
| [387]ter magnam glo- | herrlichen Dich. Wir |
| riam tuam. Domine | danken Dir wegen |
| Deus, Rex cœlestis, | deiner großen Herr- |
| Deus Pater omni- | lichkeit. Herr Gott, |
| potens! – Domine | himmlischer König, |
| Fili unigenite, Jesu | Gott, allmächtiger |
| Christe! Domine | Vater! – Herr Jesu |
| Deus, agnus Dei. | Christe, Du einge- |
| filius Patris! Qui | borner Sohn, Herr |
| tollis peccata mun- | Gott, Lamm Gottes, |
| di, miserere nobis. | Sohn des Vaters! |
| Qui tollis peccata | Der Du hinweg- |
| mundi, suscipe de- | nimmst die Sünden |
| precationem no- | der Welt, erbarme |
| stram. Qui sedes ad | Dich unser! Der Du |
| dexteram Patris. mi- | hinwegnimmst die |
| serere nobis. Quo- | Sünden der Welt, |
| niam tu solus san- | nimm unser Gebet |
| ctus, tu solus Do- | an. Der Du sitzest zur |
| minus, tu solus al- | Rechten des Vaters, |
| tissimus. Jesu Chri- | erbarme Dich unser. |
| ste, cum sancto | Denn Du allein bist |
| Spiritu in gloria | heilig, Du allein der |
| Dei Patris. Amen. | Herr, Du allein der |
| [388] | Höchste, o Jesu Chri- |
| ste, mit dem heiligen | |
| Geist in der Herr- | |
| lichkeit Gottes des | |
| Vaters. Amen. |
Kollekte oder Kirchengebet.
Nach dem Gloria küßt der Priester den
Altar, und wendet sich zu dem Volke mit dem
Gruße: ‘„Der Herr sei mit euch!“’ Durch das
Küssen des Altars drückt der Priester seine
Verbindung mit Christus aus, und von Ihm
bringt er dem Volke diesen Segensgruß.
Dieses Gebet heißt Kollekte oder Sammel-
gebet, weil der Priester im Namen des Volkes
vor Gott hintritt, um Ihm die Anliegen aller
Gläubigen in einem Gebete vorzutragen. Des-
wegen betet sie der Priester immer in der
Mehrzahl. Diese Gebete sind nach Zahl und
Inhalt verschieden. In jeder Messe kommen
an drei Stellen solche Gebete vor: Nach dem
Gloria, vor der Präfation und nach der Kom-
munion. Die Kollekten schließen meistens mit
den Worten: ‘„Durch unsern Herrn Jesum
Christum, deinen Sohn, welcher mit Dir lebt
und regiert in Einigkeit des heiligen Geistes,
Gott von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.“’ Die
Kirche betet so im Hinblick auf die Verheißungen,
[389] die dem Gebete im Namen Jesu gegeben sind.
Das Volk spricht ‘„Amen“’, um damit seine
Zustimmung zu den Gebeten des Priesters zu
geben.
Lasset uns beten.
Herr Jesu Christe. der Du Ma-
ria und Joseph unterthan gewesen und
das häusliche Leben mit den erhaben-
sten Tugenden geheiliget hast: gib,
daß wir mit dem Beistande beider,
durch das Beispiel deiner heiligen Fa-
milie erbaut, ihrer ewigen Gemein-
schaft teilhaftig werden, der Du mit
Gott dem Vater in der Gemeinschaft
des heiligen Geisten lebst und regierst
von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.
Die Epistel.
An dieser Stelle folgt eine Lesung aus
der heiligen Schrift des Alten oder Neuen
Testamentes, mit Ausschluß der Evangelien.
Da die Lesungen aus den Briefen der Apostel
am häufigen vorkommen, so nennt man diese
Lesung Epistel, das heißt Brief. In den ersten
Zeiten wurde sie vom Rektor auf einem er-
höhten Punkte gelesen; gegenwärtig liest sie
[390] bei dem feierlichen Gottesdienste der Subdiakon.
Das Volk antwortet am Ende derselben: ‘„Deo
gratias, Gott sei Dank!“’ um seine Dankbarkeit
für die göttliche Offenbarung auszudrücken.
Lesung aus dem Briefe des hei-
ligen Apostels Paulus an die Kolosser.
(3, 12–17.)
So ziehet nun an als Gottes Aus-
erwählte. Heilige und Geliebte, herz-
liches Erbarmen, Güte, Demut, Sanft-
mut, Geduld. Ertraget einander und
verzeihet einander, wenn jemand Klage
hat wider den andern: wie der Herr
euch verziehen hat, so auch ihr! Vor
allem diesem aber habet die Liebe,
welche ist das Band der Vollkommen-
heit. Und der Friede Christi herrsche
freudig in euerem Herzen, zu welchem
ihr auch berufen seid in einem Leibe,
und seid dankbar. Das Wort Christi
wohne reichlich in euch mit aller Weis-
heit. Lehret und ermahnet einander
mit Psalmen und Lobliedern und
geistlichen Gesängen, und singet Gott
[391] mit Dankbarkeit in euerem Herzen.
Alles, was ihr thuet in Wort oder
Werk, das thuet alles im Namen des
Herrn Jesu Christi und danket Gott,
und dem Vater durch Ihn.
Graduale und Sequenz.
Das Graduale hat seinen Namen daher,
daß es ursprünglich gesungen wurde, während
die Geistlichkeit die Stufen (gradus) zu jenem
Orte hinaufstieg, an dem das Evangelium ge-
sungen wurde. Es drückt die Gesinnungen und
Gefühle aus, welche die Epistel in uns her-
vorbringen soll und ist nach der Tagesfeier
verschieden.
An Ostern, Pfingsten, am Fronleichnams-
feste, am Feste der schmerzhaften Mutter und
in den Messen für Verstorbene schließt sich hier
ein Kirchengesang an, der Sequenz genannt
wird, z. B. bei den zwei letztgenannten An-
lässen das Stabat mater und Dies iræ.
Graduale. Um eines habe ich
den Herrn gebeten, und wiederum ver-
lange ich es, daß ich weile im Hause
des Herrn alle Tage meines Lebens.
(Ps. 26, 4.)
. Selig sind, die in deinem Hause
wohnen, Herr, in alle Ewigkeit loben
sie Dich. (Ps. 83, 5.) Alleluja, Alle-
luja.
. Du bist wahrhaftig ein ver-
borgener König, Gott Israels, Er-
löser. Alleluja.
Das Evangelium.
In den übrigen Büchern der heiligen
Schrift reden die Gesandten Gottes, in den
Evangelien dagegen, sein eingeborner Sohn.
Darum wird auch die Lesung des Abschnittes
aus den Evangelien in der heiligen Messe mit
vielen Feierlichkeiten um eben. Beim Beginne
der Lesung, erhebt sich das Volk, Priester und
Gläubige bezeichnen sich mit dem Kreuzzeichen
auf Stirne, Mund und Brust, bei der feier-
lichen Messe wird das Evangelium vom Diakon
gelesen, es werden brennende Kerzen getragen
und das Evangelienbuch, sowie am Schlusse
auch der Priester incensiert.
An das Evangelium schloß sich in früheren
Zeiten an Sonn- und Festtagen die Predigt
an: jetzt wird sie mancherorts zu einer andern
Zeit gehalten. Bis nach der Predigt durften
in der ersten Zeit auch die Katechumenen, die
erst im Glauben unterrichtet wurden, selbst
[393] Juden und Heiden dem Gottesdienste beiwohnen,
daher dieser vorbereitende Teil auch Katechu-
menenmesse hieß, während die Teilnahme an der
eigentlichen Opferhandlung nur den Gläubigen
gestattet wurde.
Pr. Der Herr sei mit euch.
D. Und mit deinem Geiste.
Pr. † Das Folgende ist aus dem
heiligen Evangelium nach Lukas. (2,
42–52.)
D. Ehre sei Dir, o Herr.
Als Jesus zwölf Jahre alt war,
reisten sie wie gewöhnlich zum Feste
nach Jerusalem. Und da sie am Ende
der Festtage wieder zurückkehrten, blieb
der Knabe Jesus in Jerusalem, ohne
daß seine Eltern es wußten. Da sie
aber meinten, Er sei bei der Reisege-
sellschaft, so machten sie eine Tagreise,
und suchten Ihm unter den Verwandten
und Bekannten. Und da sie Ihn
nicht fanden, kehrten sie nach Jeru-
salem zurück, und suchten Ihn. Und
es geschah nach drei Tagen fanden sie
[394] Ihn im Tempel, sitzend unter den
Lehrern, wie Er ihnen zuhörte, und
sie fragte. Und es erstaunten alle,
die Ihn hörten, über seinen Verstand
und seine Antworten. Und als sie
Ihn sahen, wunderten sie sich, und
seine Mutter sprach zu Ihm: Kind,
warum hast Du uns das gethan?
Siehe, dein Vater und ich haben Dich
mit Schmerzen gesucht! Und Er sprach
zu ihnen: Warum habet ihr Mich ge-
sucht? Wußtet ihr nicht, daß Ich in
dem sein muß, was meines Vaters
ist? Sie aber verstanden die Rede
nicht, die Er zu ihnen sagte. Und
Er zog mit ihnen hinab, und kam
nach Nazareth, und war ihnen unter-
than. Und seine Mutter bewahrte
alle diese Worte in ihrem Herzen.
Und Jesus nahm zu an Weisheit und
Alter und Gnade bei Gott und den
Menschen.
D. Lob sei Dir, o Christus!
Pr. Durch die Worte des Evan-
[395] geliums mögen unsere Sünden getilgt
werden.
Credo.
Das Credo ist das Glaubensbekenntnis,
wie es auf der ersten allgemeinen Kirchenver-
sammlung zu Ricäa (325) und auf der zu
Konstantinopel (381) erweitert worden ist. Es
faßt in wenig Worten die Geheimnisse der
christlichen Glaubenslehre zusammen. In der
heiligen Messe bildet es den Uebergang von
der Vormesse, deren Frucht es in ein gemein-
sames Bekenntnis zusammenfaßt, zu der eigent-
lichen Opferhandlung, welcher dieses gemein-
same Bekenntnis des Glaubens von Priester
und Volk zur Grundlage dienen soll. Das
Credo wird nicht an allen Tagen, sondern nur
an Sonntagen, an den Festen des Herrn und
an bestimmten Heiligenfesten gebetet.
| Credo in unum | Ich glaube an |
| Deum Patrem omni- | einen Gott, den all- |
| potentem, factorem | mächtigen Vater, den |
| cœli et terræ, visi- | Schöpfer Himmels |
| bilium omnium et | und der Erde, aller |
| invisibilium. Et in | sichtbaren und un- |
| unum Dominum Je- | sichtbaren Dinge. Und |
| sum Christum, Fi- | an einen Herrn Je- |
| [396]lium Dei unigenitum | sum Christum, den |
| et ex Patre natum | eingeborenen Sohn |
| ante omnia sæcula: | Gottes, der aus dem |
| Deum de Deo, lu- | Vater vor allen Zeiten |
| men de lumine. De- | (von ewig her) ge- |
| um verum de Deo | boren ist, Gott von |
| vero: genitum. non | Gott, Licht von Lichte, |
| factum, consubstan- | wahrer Gott vom |
| tialem Patri, per | wahren Gott, ge- |
| quem omnia facta | boren, nicht erschaffen, |
| sunt. Qui propter | gleichen Wesens mit |
| nos homines et | dem Vater, durch |
| propter nostram sa- | welchen alles erschaf- |
| lutem descendit de | fen ist: – welcher |
| cœlis. Et incarna- | wegen uns Menschen |
| tus est de Spiritu | und wegen unseres |
| sancto ex Maria Vir- | Heiles vom Himmel |
| gine et homo factus | herabgestiegen ist und |
| est (sarerdos genua | Fleisch angenommen |
| flectit) Crucifixus | hat durch den heiligen |
| etiam pro nohis sub | Geist aus Maria, |
| Pontio Pilato, pas- | der Jungfrau, und |
| sus et sepultus est. | Mensch geworden ist. |
| Et resurrexit tertia | (Der Priester beugt dir |
| [397]die secundum scrip- | Knie.) Er ist auch |
| turas. Et ascendit | für uns gekreuzigt |
| in cœlum, sedet ad | worden unter Pon- |
| dexteram Patris. Et | tius Pilatus, hat ge- |
| iterum venturus est | litten und ist begra- |
| cum gloria judicare | ben worden. Und Er |
| vivos et mortuos, | ist am dritten Tage |
| cujus regni non erit | wieder auferstanden |
| finis. Et in Spiri- | nach der Schrift und |
| tum sanctum. Do- | ist aufgefahren in |
| minum et vivifican- | den Himmel, sitzet |
| tem, qui ex Patre | zur Rechten des Va- |
| Filioque procedit, | ters und wird wie- |
| qui cum Patre et | derkommen mit Herr- |
| Filio simul a loratur | lichkeit zu richten die |
| et connglorificatur, | Lebendigen und die |
| qui loculus est per | Toten, und seines |
| Prophetas. Et unam | Reiches wird kein |
| sanctam, catholi- | Ende sein. Ich glaube |
| cam et apostolicam | auch an den heiligen |
| Ecclesiam. Confi- | Geist, den Herrn und |
| teor unum baptisma | Lebendigmacher, der |
| in remiss onem pec- | vom Vater und Sohn |
| catorum. Et expec- | ausgeht, der mit Va- |
| [398]o ressurrectionem | ter und Sohn zu- |
| mortuoeum et vi | gleich angebetet und |
| tam venturi sæculi | mitverherrlicht wird, |
| Amen | der gesprochen hat |
| durch die Propheten. | |
| Ich glaube auch an | |
| Eine, heilige, katho- | |
| lische und apostolische | |
| Kirche. Ich bekenne | |
| Eine Taufe zur Nach- | |
| lassung der Sünden | |
| und erwarte die Auf- | |
| erstehung der Toten | |
| und ein ewiges zu- | |
| künftiges Leben. A. |
Erster Hauptteil der heiligen Messe.
Die Opferung.
Dieser Teil dient der eigentlichen, sakra-
mentalen Opferhandlung äußerlich und inner-
lich als Vorbereitung. Während das Offer-
torium gesungen wurde, trugen früher die
Gläubigen ihre Opfergaben zum Altare, welche
nicht bloß für dieses Opfer, sondern für kirch-
liche Bedürfnisse überhaupt bestimmt waren.
[399] Von diesem Gebrauche her stammen die soge-
nannten Totenopfer, die Opfer an Festtagen,
das Opfern von Kerzen bei besondern Anlässen
und die Meßstipendien.
Dann folgt die Darbringung von Brot
und Wein, welch letzterer mit etwas Wasser
vermischt ist. Die Gebete und Gebräuche, welche
diese Darbringung begleiten und derselben fol-
gen, sollen die Vereinigung der Herzen mit
dem Opfer auf dem Altare, die geistige Hin-
gabe mit den Gott wohlgefälligen Gesinnungen
erwecken und ausdrücken. Die Räucherung, die
beim feierlichen Gottesdienste hier vorkommt,
hat dieselbe Bedeutung, die bereits angegeben
worden.
Offertorium.
Die Eltern brachten Jesus nach
Jerusalem, um Ihn dem Herrn dar-
zustellen, (Luk. 2, 22.)
Opferung des Brotes.
Nimm auf, heiliger Vater, all-
mächtiger, ewiger Gott, dieses unbe-
fleckte Opfer, welches ich, dein unwür-
diger Diener, Dir, meinem lebendigen
und wahren Gott, darbringe für meine
unzähligen Sünden, Beleidigungen und
[400] Nachlässigkeiten, und für alle Anwe-
senden, sowie auch für alle gläubigen
Christen, Lebende und Hingeschiedene,
auf daß es mir und ihnen förderlich
sei zum ewigen Leben.
Bei der Mischung des Weines mit Wasser.
O Gott, der Du die Würde des
menschlichen Wesens wunderbar gebil-
det, und wunderbarer erneuert hast:
verleihe uns durch das Geheimnis
dieses Wassers und Weines, der Gött-
lichkeit dessen teilhaftig zu werden, der
sich gewürdiget hat, an unserer Mensch-
heit teilzunehmen. Jesus Christus, dein
Sohn, unser Herr, der mit Dir lebt
und regiert in der Einigkeit des hei-
ligen Geistes, Gott von Ewigkeit zu
Ewigkeit. Amen.
Bei der Darbringung des Kelches.
Wir bringen Dir dar, o Herr,
den Kelch des Heiles und flehen zu
deiner Milde, daß er im Angesichte
[401] deiner göttlichen Majestät zu unserem
und zum Heile der ganzen Welt mit
lieblichem Geruche emporsteigen möge.
Amen.
Im Geiste der Demut und mit
zerknirschtem Herzen mögen wir auf-
genommen werden, von Dir, o Herr,
und so möge heute vor deinem Ange-
sichte unser Opfer werden, daß es Dir
gefalle, Herr, unser Gott!
Komm, Heiligmacher, allmächtiger,
ewiger Gott, und segne dieses Opfer,
das deinem heiligen Namen bereitet ist.
Bei der Händewaschung,
Mit den Unschuldigen will ich
meine Hände waschen, und um dei-
nen Altar sein, o Herr!
Damit ich höre die Stimme des
Lobes, und erzähle alle deine Wunder.
Herr, ich liebe die Zierde deines
Hauses und den Ort der Wohnung
deiner Herrlichkeit.
Laß nicht zu Grunde gehen mit
[402] den Gottlosen, o Gott, meine Seele,
und mit den Männern des Blutes
mein Leben, in deren Händen Unge-
rechtigkeit ist, deren Rechte gefüllt ist
mit Geschenken.
Ich aber bin gewandelt in meiner
Unschuld, darum erlöse mich, und er-
barme Dich meiner.
Mein Fuß ist gestanden auf rech-
tem Wege, in den Versammlungen
will ich Dich loben, o Herr!
Ehre sei dem Vater u. s. w.
In der Mitte des Altares.
Nimm auf, heilige Dreifaltigkeit,
dieses Opfer, das wir Dir darbringen
ob des Gedächtnisses des Leidens, der
Auferstehung und Himmelfahrt Jesu
Christi, unseres Herrn, und zur Ehre
der heiligen Jungfrau Maria und
des heiligen Johannes des Täufers
und der heiligen Apostel Petrus und
Paulus, und dieser und aller Heiligen,
auf daß es jenen gedeihe zur Ehre,
[403] uns aber zum Heile und jene für
uns bitten mögen im Himmel, deren,
Andenken wir feiern auf Erden, durch
denselben Christus unseren Herrn. A.
Wenn sich der Priester zum Volke wendet.
Pr. Betet Brüder, damit mein
und euer Opfer wohlgefällig werde bei
Gott, dem allmächtigen Vater.
D. Der Herr nehme dies Opfer
von deinen Händen an zum Lob und
Preis seines heiligen Namens, sowie
auch zum Nutzen für uns und seine
ganze heilige Kirche.
Pr. Amen.
Stille Gebete.
Wir bringen Dir, o Herr, das Opfer
der Versöhnung dar, indem wir Dich
flehentlich bitten, Du mögest um der
Fürsprache der jungfräulichen Gottes-
gebärerin und des heiligen Joseph wil-
len unsere Familien in deinem Frie-
den und in deiner Gnade befestigen,
[404] durch unsern Herrn Jesum Christum,
deinen Sohn, welcher mit Dir in der
Gemeinschaft des heiligen Geistes lebt
und regiert.
Die Präfation mit dem Sanktus.
| S. Per omnia sæ- | Pr. Von Ewig- |
| cula sæculorum. | keit zu Ewigkeit |
| M. Amen. | D. Amen. |
| S. Dominus vo- | Pr. Der Herr sei |
| biscum. | mit euch. |
| M. Et cum spiritu | D. Und mit dei- |
| tuo. | nem Geiste. |
| S. Sursum corda. | Pr. Erhebet die |
| Herzen. | |
| M. Habemus ad | D. Wir haben sie |
| Dominum. | zum Herrn erhoben. |
| S. Gratias aga- | Pr. Lasset uns |
| mus Domino Deo | Dank sagen dem |
| nostro. | Herrn, unserm Gott. |
| M. Dignum et ju- | D. Es ist würdig |
| stum est. | und recht. |
| S. Vere dignum et | Pr. Wahrlich ist |
| justum est, æquum | es würdig und recht. |
| [405]et salutare, nos tibi | billig und heilsam |
| semper et ubique | daß wir Dir immer |
| gratias agere. Do- | und überall Dank |
| mine sancte. Pater | sagen, o heiliger Herr, |
| omnipotens. æterne | allmächtiger Vater, |
| Deus: per Christum, | ewiger Gott! durch |
| Dominum nostrum. | Christum, unsern |
| Per quem majesta- | Herrn. Durch Ihn |
| tem tuam laudant | loben die Engel deine |
| Angeli, adorant Do- | Majestät, beten an |
| minationes, tremunt | die Herrschaften, zit- |
| Potestates. Cœlicœ- | tern die Mächte. Die |
| lorumque virtutes | Himmel und die |
| ac beata Seraphim | Kräfte der Himmel |
| socia exultatione | und die seligen Sera- |
| concelebrant. Cum | phim preisen Dich in |
| quibus et nostras | gemeinsamem Froh- |
| voces ut admitti ju- | locken. Daß Du mit |
| beas deprecamur: | ihnen auch unsere |
| supplici confessione | Bitten wollest zu Dir |
| dicentes: | kommen lassen, flehen |
| wir, indem wir in | |
| demütigem Bekennt- | |
| nisse sprechen: | |
| [406] Sanctus, sanctus, | Heilig, heilig, hei- |
| sanctus Dominus | lig, ist der Herr Gott |
| Deus Sabaoth. | der Herrscharen. |
| Pleni sunt cœli | Voll sind Himmel |
| et terra gloria tua. | und Erde von deiner |
| Herrlichkeit. | |
| Hosanna in ex- | Hosanna in der |
| celsis! Benedictus | Höhe! Gepriesen sei, |
| qui venit in nomine | Der da kommt im |
| Domini! Hosanna | Namen des Herrn! |
| in excelsis! | Hosanna in der Höhe! |
Zweiter Hauptteil der hl. Messe.
Der Kanon.
Nachdem die Opfergaben und die Herzen
vorbereitet sind, folgt nun die eigentliche Opfer-
handlung. Dieser Teil der heiligen Messe,
Kanon oder Regel genannt, weil er sich immer
gleich bleibt, wird stille gebetet, zum Zeichen,
daß hier ein Geheimnis verwaltet wird. Bei
der heiligen Wandlung werden Brot und Wein
in den Leib und in das Blut Jesu Christi
verwandelt, der sein blutiges Opfer auf un-
blutige Weise erneuert, und sich selber auf-
opfert als Anbetungs-, Dank-, Sühn- und
Bittopfer.
Vor der Wandlung vereinige deine An-
liegen und die Fürbitten für die Lebenden mit
dem heiligen Opfer, bei der Wandlung bete
Jesus Christus an und opfere sein Fleisch und
Blut dem himmlischen Vater auf; nach der
Wandlung gedenke der Abgestorbenen.
Dich also, huldreichster Vater, bit-
ten wir durch Jesus Christus, deinen
Sohn, unsern Herrn, und flehen in De-
mut, das; Du wohlgefällig aufnehmest
und segnest diese Gaben, diese Geschenke,
diese heiligen Opfer, die wir Dir be-
sonders darbringen für deine heilige ka-
tholische Kirche, auf daß Du diese im
Frieden erhalten, beschützen, einigen und
regieren wollest, zugleich mit deinem Die-
ner, unserm Papste N. und unserm Bischof
N., und allen Rechtgläubigen und Pfle-
gern des katholischen Glaubens.
Gedenke, o Herr, deiner Diener und
Dienerinnen N. und N. (hier erinnere
dich an jene, welche du besonders in das
heilige Opfer empfehlen willst), und aller
Umstehenden, deren Glaube und An-
dacht Dir bekannt ist, für welche wir
[408] Dir darbringen, oder welche Dir dar-
bringen dieses Opfer des Lobes, für
sich und all die Ihrigen, für die Er-
lösung ihrer Seelen, für die Hoffnung
ihres Heils und ihrer Rettung, und
die ihre Bitten Dir vortragen, Dir, dem
ewigen, lebendigen und wahren Gott,
in Gemeinschaft und in Verehrung des
Andenkens besonders der glorreichen,
allzeit jungfräulichen Maria, der Mut-
ter unseres Gottes und Herrn Jesus
Christus, aber auch deiner heiligen Apo-
stel und Märtyrer und aller deiner
Heiligen, durch deren Verdienste und
Bitten Du uns verleihen mögest, daß
wir in allem durch die Hilfe deines
Schutzes beschirmt werden, durch den-
selben Christus, unsern Herrn. Amen.
Dieses Opfer also unseres Dienstes,
aber auch deiner ganzen Familie, nimm,
wir bitten Dich, o Herr, wohlgefällig
auf, und ordne unsere Tage im Frie-
den, und laß uns von der ewigen Ver-
dammnis befreit und der Herde deiner
[409] Auserwählten beigezählt werden, durch
Jesus Christus, unsern Herrn. Amen.
Bei der heiligen Wandlung.
Es schweige alles sterbliche Fleisch
und harre mit Furcht und Zittern, und
kein irdischer Gedanke soll in demselben
sein! Denn der König der Könige, der
Herr der Herrschenden, Christus, unser
Gott erscheint, um geopfert zu werden
und sich den Gläubigen als Speise hin-
zugeben! Es nahen die Chöre der Engel
mit den Mächten und Herrschaften, den
Cherubim und Seraphim, verhüllend
ihr Antlitz und lobsingend: Alleluja!
Alleluja! Alleluja! (Aus der Liturgie des
hl. Jakobus.)
Bei der Aufhebung der heiligen Hostie.
Jesus, ich glaube an Dich; Jesus,
ich hoffe auf Dich; Jesus, ich liebe
Dich; Jesus, ich bete Dich an und
danke Dir!
Bei der Aufhebung des Kelches.
Jesus, sei mir gnädig; Jesus, sei
mir barmherzig; Jesus, verzeihe mir
meine Sünden!
Nach der Wandlung.
So sind wir denn auch eingedenk,
Herr, wir, deine Diener, und auch dein
heiliges Volk, des so heiligen Leidens
desselben Christus, deines Sohnes, un-
seres Herrn, so wie auch seiner Aufer-
stehung von den Toten, wie auch der
glorreichen Auffahrt in den Himmel,
und bringen deiner erhabenen Majestät
von deinen Gaben und Geschenken ein
reines Opfer, ein heiliges Opfer, ein
unbeflecktes Opfer, das heilige Brot des
ewigen Lebens, und den Kelch des be-
ständigen Heiles.
Auf dieses würdige Dich herabzu-
schauen mit versöhntem und freundlichem
Blicke, und es wohlgefällig aufzunehmen,
wie Du Dich gewürdiget hast, wohl-
[411] gefällig aufzunehmen die Gaben deines
gerechten Dieners Abel und das Opfer
deines Patriarchen Abraham, und das
Dir dein Hoherpriester Melchisedech dar-
gebracht, ein heiliges Opfer, eine un-
befleckte Gabe.
Flehentlich bitten wir Dich, allmäch-
tiger Gott, laß dieses Opfer durch die
Hände deines heiligen Engels hinauf-
tragen auf deinen erhabenen Altar, vor
das Angesicht deiner göttlichen Majestät,
auf daß wir alle, die aus dieser Ge-
meinschaft des Altares den hochheiligen
Leib und das hochheilige Blut deines
Sohnes empfangen werden, mit allem
himmlischen Segen, und mit Gnade er-
füllt werden mögen, durch denselben
Christus, unsern Herrn. Amen.
Gedenke auch, o Herr, deiner Die-
ner und Dienerinnen N. und N., die
uns vorausgegangen sind mit dem Zei-
chen des Glaubens und schlafen den
Schlummer des Friedens. (Hier gedenke
der Abgestorbenen, für welche du zu beten
[412] schuldig bist.) Ihnen, o Herr, und allen
in Christus Ruhenden verleihe, wir
bitten Dich, den Ort der Erquickung,
des Lichtes und des Friedens, durch
denselben Christus, unsern Herrn. Amen.
Auch uns Sündern, deinen Dienern,
würdige Dich, da wir auf die Menge
deiner Erbarmungen hoffen, Anteil und
Gemeinschaft zu verleihen mit deinen
heiligen Aposteln und Märtyrern und
allen deinen Heiligen; nimm uns auf
in deren Gesellschaft, indem Du nicht
auf unser Verdienst schauest, sondern
Barmherzigkeit uns erzeigest, durch Chri-
stus, unsern Herrn. Amen.
Dritter Hauptteil der heiligen Messe
Die heilige Kommunion.
Das Vater unser steht am Beginne,
dieses Teiles der heiligen Messe, und soll da
mit der größten Zuversicht gebetet werden, wo
Christus als Hoherpriester und hochheiliges
Opfer zugegen ist. Den Mittelpunkt für die
weiteren Gebete bildet die Kommunion des
Priesters, welcher sie teils als Vorbereitung,
[413] teils als Danksagung dienen. In den ersten
Zeiten kommunizierten die Anwesenden mit
dem Priester. Vorher empfingen sie den Frie-
denskuß der jetzt nur noch bei dem feierlichen
Gottesdienst dem assistierenden Klerus erteilt
wird, und während der Kommunion der Gläu-
bigen wurden Stellen aus den Psalmen ge-
sungen, die davon den Namen Kommunion
jetzt noch haben. Die Kirche ermahnt die
Gläubigen, welche nicht wirklich kommunizieren,
dies wenigstens geistigerweise zu thun.
In den Messen für die Abgestorbenen wird
der Segen am Schlusse nicht erteilt, was an-
deuten soll, daß die Frucht dieses Opfers haupt-
sächlich den Abgestorbenen zugewendet werde.
Ebenso wird das Evangelium des heiligen
Johannes durch ein anderes ersetzt, wenn
auf denselben Tag zwei Evangelien, z. B. ein
sonntägliches und ein festtägliches zusammen-
treffen.
Das Pater noster.
| S. Per omnia sæ- | Pr. Von Ewigkeit |
| cula sæculorum. | zu Ewigkeit. |
| M. Amen. | D. Amen. |
| Præceptis saluta- | Durch heilsame |
| ribus moniti et divi- | Vorschriften ermun- |
| na institutione lor- | tert und durch gött- |
| [414]mati audemus di- | lichen Unterricht be- |
| cere: | lehrt, wagen wir zu |
| sagen: | |
| Pater noster, qui | Vater unser, der |
| es in cœlis. sancti- | Du bist in dem Him- |
| ficetur nomen tuum. | mel, geheiliget werde |
| adveniat regnum tu- | deine Name, zukom- |
| um, fiat voluntas | me uns dein Reich, |
| tua sicut in cœlo et | dein Wille geschehe |
| in terra. Panem no- | wie im Himmel also |
| strum quolidianum | auch auf Erden. Un- |
| da nobis hodie, et | ser tägliches Brot |
| dimitte nobis debita | gieb uns heute, und |
| nostra, sicut et nos | vergieb uns unsere |
| dimittimus debito- | Schulden, wie auch |
| ribus nostris. Et ne | wir vergeben unsern |
| nos inducas in ten- | Schuldigern. Und |
| tationem. | führe uns nicht in |
| Versuchung. | |
| M. Sed libera nos | D. Sondern erlöse |
| a malo | uns von dem Uebel. |
| S. Amen. | Pr. Amen. |
Befreie uns, wir bitten Dich, o Herr,
von allen Uebeln, vergangenen, gegen-
[415] wärtigen zukünftigen, und durch die
Fürbitte der seligen und glorreichen,
allzeit jungfräulichen Gottesmutter
Maria, mit deinen heiligen Aposteln
Petrus und Paulus und Andreas und
allen Heiligen, gib gnädig in unsern
Tagen Frieden, auf daß wir durch die
Hilfe deiner Barmherzigkeit unterstützt,
sowohl von Sünden immer frei, als
auch vor aller Verwirrung sicher seien,
durch denselben Jesus Christus, unsern
Herrn, deinen Sohn, welcher mit Dir
lebt und regiert in der Einigkeit des
heiligen Geistes
| S. Per omnia sæ- | Pr. Von Ewigkeit |
| cula sæculorum. | zu Ewigkeit. |
| M. Amen. | D. Amen. |
| S. Pax Domini sit | Pr. Der Friede |
| semper vobiscum. | des Herrn sei immer |
| mit euch. | |
| M. Et cum spiritu | D. Und mit dei- |
| tuo. | nem Geiste. |
Der Priester läßt einen Teil der Hostie
in den Kelch fallen
Diese Vermischung und Weihung
des Leibes und Blutes unseres Herrn
Jesus Christus werde uns, die wir da-
von empfangen, zum ewigen Leben.
Amen.
Agnus Dei.
O Du Lamm Gottes, das Du hin-
wegnimmst die Sünden der Welt. –
erbarme Dich unser!
O Du Lamm Gottes ꝛc. – er-
barme Dich unser!
O Du Lamm Gottes ꝛc., – gib
uns den Frieden!
Kommuniongebete.
Herr Jesus Christus, der Du dei-
nen Aposteln gesagt hast: den Frieden
hinterlasse Ich euch, meinen Frieden
gebe Ich euch: schaue nicht aus meine
Sünden, sondern auf den Glauben dei-
ner Kirche, und verleihe ihr nach deinem
Willen Frieden und Einigkeit, der Du
lebst und regierst Gott von Ewigkeit
zu Ewigkeit. Amen.
Herr Jesus Christus, Sohn des le-
bendigen Gottes der Du nach dem
Willen des Vaters unter Mitwirkung
des heiligen Geistes, durch deinen Tod
die Welt wieder belebt hast: befreie mich
durch diesen deinen hochheiligen Leib
und dein hochheiliges Blut von allen
meinen Ungerechtigkeiten und voll allen
Uebeln und mache, daß ich allzeit dei-
nen Geboten anhange, und lasse nicht
zu, daß ich je von Dir geschieden werde,
der Du mit demselben Gott dem Vater
und dem heiligen Geiste lebst und re-
gierst ꝛc. Amen.
Der Empfang deines Leibes, Herr
Jesus Christus, den ich Unwürdiger zu
genießen wage, gereiche mir nicht zum
Gerichte und zur Verdammung, son-
dern gedeihe mir nach deiner Milde
zum Schutz- und Heilmittel für Seele
und Leib, der Du lebst und regierst
mit Gott dem Vater in Einigkeit des
hl. Geistes Gott von Ewigkeit zu Ewig-
keit. Amen.
Das Brot vom Himmel will ich
empfangen und den Namen des Herrn
anrufen.
O Herr, ich bin nicht würdig, daß
Du eingehst unter mein Dach: sondern
sprich nur ein Wort, so wird gesund
meine Seele. (Dreimal.)
Der Leib unseres Herrn Jesu Christi
bewahre meine Seele zum ewigen Le-
ben. Amen.
Was soll ich dem Herrn geben für
alles, was Er mir gegeben? Den Kelch
des Heiles will ich empfangen, und den
Namen des Herrn anrufen, und vor
meinen Feinden werde ich gerettet sein.
Das Blut unseres Herrn Jesu Christi
bewahre meine Seele zum ewigen Le-
ben. Amen.
Was wir mit dem Munde empfan-
gen, Herr, das mögen wir erfassen mit
reinem Geiste, und die Gabe in der
Zeit werde uns ein Heilmittel für die
Ewigkeit!
Dein Leib, o Herr, den ich em-
[419] pfangen, und das Blut, das ich ge-
trunken, bleibe in meinem Innersten,
und Du gewähre, daß in mir keine
Makel der Sünden zurückbleibe, nach-
dem mich neu belebt haben die reinen
und heiligen Geheimnisse, der Du lebst
und regierst von Ewigkeit zu Ewigkeit.
Amen.
Zur Kommunion.
Und Er zog mit ihnen hinab, und
kam nach Nazareth, und Er war ihnen
unterthan. (Luk. 2, 51.)
Kirchengebet nach der heiligen Kommunion
Lasset uns beten.
Bewirke, o Herr Jesus, daß wir,
die Du mit den himmlischen Geheim-
nissen stärkest, das Beispiel deiner hei-
ligen Familie eifrig nachahmen, und
daß in der Stunde unseres Todes die
glorreiche Jungfrau, deine Mutter, mit
dem heiligen Joseph uns entgegenkomme
und wir von Dir in die ewigen Wohn-
ungen aufgenommen zu werden würdig
[420] erfunden werden, der Du lebst und re-
gierst mit Gott dem Vater in der Ge-
meinschaft des heiligen Geistes von
Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.
Pr. Der Herr sei mit euch.
D. Und mit deinem Geiste.
Pr. Gehet, die Messe ist vollendet.
Oder: Pr. Lasset uns den Herrn
preisen.
D. Gott sei Dank.
Zu den Totenmessen.
Pr. Sie mögen ruhen im Frieden.
D. Amen.
O heilige Dreifaltigkeit, es möge
Dir der Dienst meiner Unterwürfigkeit
gefallen, und verleihe, daß das Opfer,
das ich Unwürdiger vor den Augen
deiner göttlichen Majestät dargebracht
habe, Dir wohlgefällig, mir aber und
allen, für welche ich es darbrachte, durch
deine Erbarmung heilsam sei: durch
Christum, unsern Herrn. Amen.
Pr. (segnet das Volk.)
[421]Es segne euch (mich) der allmäch-
tige Gott † Vater und Sohn und hei-
liger Geist.
D. Amen.
Pr. Der Herr sei mit euch.
D. Und mit deinem Geiste.
Pr. † Anfang des Evangeliums
nach dem heiligen Johannes.
D. Ehre sei Dir, o Herr!
Im Anfange war das Wort, und
das Wort war bei Gott, und Gott war
das Wort. Dieses war im Anfange
bei Gott. Alles ist durch dasselbe ge-
macht worden, und ohne dasselbe wurde
nichts gemacht, was gemacht worden
ist. In Ihm war das Leben und das
Leben war das Licht der Menschen.
Und das Licht leuchtete in der Finster-
nis, aber die Finsternis hat es nicht
begriffen. Es war ein Mensch von
Gott gesandt, der hieß Johannes. Die-
ser kam zum Zeugnisse, damit er Zeug-
nis von dem Lichte gäbe, auf daß alle
durch ihn glauben möchten. Er war
[422] nicht das Licht, sondern er sollte Zeug-
nis von dem Lichte geben. Dieses war
das wahre Licht, welches alle Menschen,
die in diese Welt kommen, erleuchtet.
Es war in der Welt, und die Welt
ist durch dasselbe gemacht worden, aber
die Welt hat Ihn nicht erkannt. Er
kam in sein Eigentum, und die Seini-
gen nahmen Ihn nicht auf. Allen aber,
die Ihn aufnahmen, gab Er Macht,
Kinder Gottes zu werden, denen näm-
lich, die an seinen Namen glauben,
welche nicht aus dem Geblüte, nicht aus
dem Willen des Fleisches, noch aus
dem Willen des Mannes, sondern aus
Gott geboren sind. Und das Wort ist
Fleisch geworden und hat unter uns
gewohnt: und wir haben seine Herr-
lichkeit gesehen, die Herrlichkeit als des
Eingebornen vom Vater, voll der Gnade
und Wahrheit. (Johannes 1, 1–14.)
D. Gott sei Dank.
Zweite Meßandacht.
[423]Diese Meßandacht soll als Anleitung dienen,
durch die Teilnahme am heiligen Meß-
opfer die notwendigen Gnaden für das
eigene Seelenheil zu erlangen.
Es ist sehr zu empfehlen, daß du diese
Gebete langsam verrichtest und bei jedem Satze
ein wenig betrachtend verweilest. Es schadet
nichts, wenn schon nicht alle Gebete ganz ge-
lesen werden. Gott schaut nicht auf die Zahl
deiner Gebetsworte in deinem Gebetbuche, son-
dern auf die Gesinnungen in deinem Herzen.
Vorbereitung.
Ich will hintreten zu dem Al-
tare Gottes, zu Gott, der meine
Jugend erfreut. (Ps. 42, 4.)
O göttlicher Heiland! ich glaube,
daß Du in der heiligen Messe das Opfer
des Kreuzes auf unblutige Weise er-
neuerst; ich begrüße Dich als meinen
Hohenpriester, meinen Mittler beim Va-
[424] ter; ich weiß, das; ich nirgends und
bei keinem Anlasse den himmlischen Va-
ter so vollkommen ehren, und für mich
so reichliche Gnaden erlangen kann, wie
in der würdigen Teilnahme an deinem
heiligen Opfer.
Darum wage ich armseliges Ge-
schöpf voll Sünden und Gebrechen, vor
Dir zu erscheinen, ich komme mit den
Gesinnungen der Demut und Reue, voll
Verlangen nach deiner Gnade, voll Ver-
trauen auf deine Liebe, und will an
deinem heiligen Opfer teilnehmen, um:
1. Durch Dich und mit Dir deinen
Vater anzubeten und zu verherrlichen,
2. das Andenken deines Leidens und
Sterbens zu feiern,
3. für alle allgemeinen und beson-
deren Wohlthaten zu danken,
4. durch Dich für meine vielen Sün-
den und Sündenstrafen Genugthuung
zu leisten,
5. durch dein Opfer und deine Ver-
dienste Gnade und Hilfe zu erlangen
[425] (für mich, für andere, in dieser Ver-
suchung...., diesen beiden....,
dieser Entscheidung....).
Zum Staffelgebet.
Mit deinem Diener David rufe ich
zu Dir, o Herr: Der Sünden mei-
ner Jugend und meiner Unacht-
samkeit gedenke nicht, Nach dei-
ner Barmherzigkeit gedenke mei-
ner, um deiner Güte willen, o
Herr! (Ps. 24, 7.)
Viele Fehler an mir erkenne ich
selber, aber dein allwissendes Auge sieht
noch viele, die ich nicht beachte. Wie
manche habe ich begangen mit lachendem
Munde, wo ich über mich hätte weinen
sollen! Wohin komme ich, wenn die Sün-
den meiner Jugend und meiner Unacht-
samkeit noch weiter mein Herz beflecken?
Ueberdenke einen Augenblick die Sünden
seit der letzten Beicht und dann sprich:
O mein göttlicher Erlöser! Einst auf
Erden wandelnd, hast Du die reuigen
[426] Sünder liebevoll aufgenommen, ihnen
ihre Sünden nachgelassen und die Gnade
der Besserung verliehen, Dich sogar mit
ihnen zu Tische gesetzt. Ich komme zu
Dir als reumütiger Sünder, nimm auch
mich gnädig auf, reinige meine Seele,
laß mich würdig teilnehmen an deinem
himmlischen Gastmahle, und erhalte mich
in deiner Gnade. Amen.
Zum Eingang und Kyrie.
Kommet, lasset uns anbeten
und niederfallen, und weinen vor
dem Herrn, der uns gemacht hat.
Denn Er ist der Herr, unser Gott,
und wir sind das Volk desselben
und die Schafe seiner Herde. (Ps.
94, 6. 7.)
Herr, erbarme Dich unser! Du hast
meine Seele nach deinem Ebenbild er-
schaffen, mache sie Dir immer ähnlicher
in Gnade und Heiligkeit, und gestatte
nicht, daß dein Bild in mir durch Sünden
verunstaltet werde.
Christus, erbarme Dich unser! Du
hast meine Seele mit deinem kostbaren
Blute erlöst, beschütze sie gegen alle ihre
Feinde, und erhalte sie immerdar in
deiner Wahrheit und Liebe.
Herr, erbarme Dich unser! O hei-
liger Geist, Du hast meine Seele in
der heiligen Taufe geheiliget und zu
deinem Tempel gemacht, erfülle sie ganz
mit deiner Gnade und laß nicht zu,
daß mit der Sünde der Greuel der
Verwüstung über diesen deinen Tempel
komme.
Zum Gloria.
Ehre sei Gott in der Höhe,
und Friede den Menschen auf Er-
den, die eines guten Willens sind.
(Luk. 2, 14.) Was die Engel in Beth-
lehem gesungen, das setzen sie in ewi-
gen Jubelliedern im Himmel fort, und
alle geretteten Seelen, welche in den
Himmel eingehen, stimmen ein in diese
Lobpreisungen des lebendigen Gottes.
[428] Auch ich hoffe einst dort mitzujubeln,
aber ich muß schon auf Erden Gott
verherrlichen, wenn ich dieses Glück er-
langen soll. Ich will es thun, nicht
bloß mit wenigen schwachen Worten,
sondern mit allen meinen Gedanken,
Worten und Werken, mit meinen Ar-
beiten, Leiden und Ueberwindungen.
Alles diene zur größern Ehre Gottes
in Vereinigung mit dem Lobe aller Ge-
schöpfe im Himmel und auf Erden und
mit dem Opfer, in welchem Christus
auf dem Altare seinem Vater die höchste
Ehre erweist. Alles, was ich zur Ver-
herrlichung Gottes thun kann, ist nur
ein einziger schwacher Ton in dem großen
Jubelgesang aller Geschöpfe, aber ich
hoffe doch, Gott werde mir dafür um
der Verdienste Christi willen hienieden
den Frieden des Herzens schenken, und
mir gestatten, Ihn einst im Himmel
mit allen Auserwählten in vollkom-
menerer Weise zu loben und zu prei-
sen. Amen.
Zu den Kirchengebeten.
Wahrlich, wahrlich, sage Ich
euch, wenn ihr den Vater in mei-
nem Namen um etwas bitten wer-
det, wird es euch gegeben. Bisher
habt ihr um nichts in meinem
Namen gebeten. Bittet, so wer-
det ihr empfangen, auf daß euere
Freude vollkommen werde. (Joh.
16. 23, 24.) Unser Vater im Himmel
hat überflüssige Hilfe für uns armse-
lige Menschen bereit, und seine Liebe
will uns gerne erhören und uns helfen,
wenn wir, wie es Kindern geziemt, Ihn
darum bitten mögen. Sein göttlicher
Sohn hat uns beten gelehrt und dem
Gebete in seinem Namen die trostreich-
sten Verheißungen gegeben. In der
heiligen Messe erscheint Er in unserer
Mitte, um als unser Fürsprecher selber
unsere Bitten und Anliegen seinem
Vater vorzutragen.
Hier überdenke welche besondere Gnade
oder Hilfe du für dich oder andere in dieser
[430] heiligen Messe erlangen willst und sprich fol-
gendes Gebet:
Ich vereinige meine Bitten mit denen
des Priesters und der ganzen Kirche
und mit dem Opfer Jesu Christi auf
dem Altare. Ich hoffe, o himmlischer
Vater, was meine Unwürdigkeit nicht
verdient, von Dir zu erlangen durch
Jesum Christum, deinen Sohn, unsern
Herrn, welcher mit Dir in der Einig-
keit des heiligen Geistes lebt und regiert
von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.
Insbesondere bitte ich um die Gnade,
so würdig und andächtig diesem heili-
gen Opfer beizuwohnen, daß ich reich
an Trost und Segen von bannen gehen
kann. Amen.
Zur Epistel.
Wer aus Gott ist, der höret
Gottes Wort. (Joh. 8, 47.) Christus
hat die Apostel ausgesendet, um den
Menschen seine himmlische Lehre zu ver-
künden. Mir macht Er sie bekannt
[431] durch die Diener seiner Kirche im christ-
lichen Unterrichte und durch die Ver-
kündigung des Wortes Gottes.
Wenn ich ein Kind Gottes sein will,
so muß ich das Wort Gottes mit Freude
und Eifer vernehmen. Wenn ich in
den Himmel kommen will, so muß ich
in den Lehren und Geboten, die mich
dorthin führen sollen, wohl unterrichtet
sein. Darum will ich das Wort Gottes
recht hochschätzen und Gott dafür dank-
bar sein, ich will es fleißig und auf-
merksam anhören, und alles thun, da-
mit es bei mir gute Früchte bringt.
Göttlicher Heiland! verleihe mir
die Gnade, daß ich deine himmlische
Lehre recht verstehe, unverlierbar meiner
Seele einpräge und im Leben treu be-
folge. Amen.
Zum Evangelium.
Ich bin der Weg, die Wahr-
heit und das Leben. (Joh. 14, 6.)
Wer Mir nachfolgt, der wandelt
[432] nicht in der Finsternis. (Joh. 8,
12.) O Herr Jesus Christus! Ich bin
fest überzeugt, daß Du der Sohn Got-
tes bist und jedes Wort, das Du ge-
sprochen hast, ewige Wahrheit ist. In
diesem Glauben will ich leben und
sterben.
Aber die Welt ist voll von Gefahren
für den Glauben, und viele, die einst
an Dich glaubten und Dich liebten,
sind verführt worden und von Dir ab-
gefallen. Ich habe allen Grund, mich
vor diesen Gefahren und meiner eigenen
Schwachheit zu fürchten. Ich will alles
sorgfältig fliehen, was dem Glauben
schaden kann, ich will mich im Glauben
gut unterrichten lassen, ihn recht hoch-
schätzen, ihn fleißig erwecken und üben.
Aber das kann ich nur, wenn deine
Gnade mich erleuchtet und stärkt. Deine
Apostel sind durch die Herabkunft des
heiligen Geistes aus schwachen, furcht-
samen Menschen große Leuchten des
Glaubens geworden. Ich bitte recht
[433] demütig, daß der heilige Geist den wahren,
festen und lebendigen Glauben in mei-
ner Seele erhalten und befestigen möge.
Amen.
Zum Credo.
Wer Mich vor den Menschen
bekennen wird, den will Ich auch
bekennen vor meinem Vater, der
im Himmel ist. (Matth. 10, 32.)
Als schwacher Mensch fürchte ich
Spott und Verfolgung, und ich würde
fallen wie Petrus, wenn es nur auf
meine Kraft ankommen würde. Aber
Du hast mir in der heiligen Firmung
die Gnade eines starken Glaubens und
eines mutigen Bekenntnisses gegeben.
Wenn ich die unnötigen Gefahren meide,
auf die Gnade vertraue und ihr treu
mitwirke, so bin ich stärker als die ganze
Welt. Wenn ich bedenke, daß Du mit
allen Heiligen und Martyrern vom
Himmel auf mich herabschaust, daß Du
am jüngsten Tage die mutigen Beken-
[434] ner des Glaubens vor aller Welt ehren
und die Feiglinge und Abtrünnigen
beschämen und bestrafen wirst, so muß
ich allen Spott einfältiger Menschen
verachten und entschlossen deine göttliche
Lehre zeitlebens ohne Scheu vor allen
Menschen in Wort und Werk bekennen.
Wenn ich auch alles, selbst das Leben
opfern müßte, will ich doch mit Herz
und Mund den heiligen Glauben fest-
halten und laut bekennen: Ich glaube
an Gott Vater u. s. w.
Zur Opferung.
Ein Opfer vor Gott ist ein
zerknirschter Geist; ein zermalm-
tes und gedemütigtes Herz wirst
Du, o Gott, nicht verachten. Dann
wirst Du annehmen das Opfer
der Gerechtigkeit. (Ps. 50, 19. 21.)
O himmlischer Vater! der Priester
opfert Dir Brot und Wein auf, welche
in den heiligen Leib und das heilige
Blut Jesu Christi verwandelt werden
[435] sollen. Kostbar und heilig ist wohl
die Opfergabe, aber auch die Herzen
sollen rein sein, welche an dem Opfer
teilhaben wollen, und rein die Hände,
welche es darbringen. Leider muß ich
nun bekennen, daß meine begangenen
Sünden groß und zahlreich sind, und
daß ich jetzt noch in meinem Herzen
viele Wünsche und Begierden habe, welche
auf nichtige und eitle, selbst auf sünd-
hafte Dinge gerichtet sind und die mich
zeitlich und ewig unglücklich machen
würden, wenn ich ihnen folgen wollte.
Bei all dieser Unordnung in meinem
Herzen kann ich Dir doch bei die-
sem Opfer wohlgefällig werden, wenn
ich meine ungeordneten Wünsche und
Begierden selber zu einem Opfer
mache, welches ich aus Liebe Dir dar-
bringe.
Hier überdenke ein wenig, welche von
deinen Wünschen oder Vergnügen Christus
mißfallen und für deine Seele gefährlich sind.
Wovor dich dein Seelenführer schon gewarnt
hat, was dich am meisten beunruhigen würde,
[436] wenn du nächstens sterben müßtest, das wähle
als Opfer aus und bete:
Weil ich Dir, o himmlischer Vater,
nichts Gutes anbieten kann, so will ich
aus Liebe zu Dir wenigstens meine An-
hänglichkeit au das Böse und Verkehrte
opfern, ich will das Unkraut dieser
bösen Begierde..., diesen leichtsinni-
gen Vergnügens... aus meinem Her-
zen reißen und zu meinem Opfer machen,
welches ich mit dem Opfer deines gött-
lichen Sohnes vereinige. Ich weiß, daß
solche Ueberwindungen Dir angenehm
und mir höchst heilsam sind. Gib mir
die Gnade, dieses Opfer nicht bloß jetzt
anzubieten, sondern im Leben wirklich
zu vollbringen und dem gemachten Vor-
satze treu zu bleiben. Möchte ich doch
bei jeder heiligen Messe ein solches
Opfer auf den Altar legen und möchte
so mein Herz immer reiner und schöner,
dem Herzen deines Sohnes immer ähn-
licher werden, bis dein allheiliges Auge
nichts Mißfälliges mehr an mir findet!
[437] Unterdessen ist es mein Trost, daß ein
zerknirschter Geist vor Dir als wohl-
gefälliges Opfer gilt, daß Du ein zer-
malmtes und gedemütiges Herz nicht
verachtest und von ihm das Opfer der
Gerechtigkeit annimmst, daß Du den
guten Willen der Schwachen barmher-
zig ansiehst und gerne mit deiner Gnade
stärken willst. Amen.
Zur Präfation und Sanktus.
Danket allzeit für alles Gott,
dem Vater im Namen unseres
Herrn Jesu Christi. (Joh. 5, 20.)
Ueberdenke ein wenig die unendliche Liebe
und Freigebigkeit Gottes gegen dich, denke an
die Wohlthaten der Erschaffung. Erlösung und
Heiligung, an die unzähligen Gaben für Leib
und Seele, die dir täglich zukommen, an die
große Langmut und Geduld, mit der Gott deine
Sünden, deinen Undank und deine Untreue
erträgt, an das Wunder der göttlichen Liebe in
der heiligen Messe, unter diesen zahllosen Wohl-
thaten denke besonders an jene, für welche du noch
nie Dank gesagt hast, oder welche dir erst neuestens
zugekommen sind, und bete mit der Kirche:
Wahrlich, es ist würdig und recht,
billig und heilsam, daß wir Dir immer
und überall Dank sagen, o heiliger
Herr, allmächtiger Vater, ewiger Gott!
durch Christum, unsern Herrn. Durch
Ihn loben die Engel deine Majestät,
beten an die Herrschaften, zittern die
Mächte. Die Himmel und die Kräfte
der Himmel und die seligen Seraphim
preisen Dich in gemeinsamem Froh-
locken. Daß Du mit ihren auch un-
sere Gebete des Lobes wollest zu Dir
kommen lassen, stehen wir, indem wir
in demütigem Bekenntnisse sprechen:
Heilig, heilig, heilig, ist der Herr
Gott der Heerscharen. Voll sind Him-
mel und Erde von deiner Herrlichkeit,
Hosanna in der Höhe! Gepriesen sei,
der da kommt im Namen des Herrn!
Hosanna in der Höhe!
Vor der heiligen Wandlung.
Und ich hörte die Zahl der
Bezeichneten: Hundertvierund-
[439] vierzigtausend Bezeichnete aus
allen Stämmen der Kinder Is-
raels. Nach diesem sah ich eine
große Schar, die niemand zählen
konnte, aus allen Nationen und
Stämmen und Völkern und Spra-
chen; sie standen vor dem Throne
und vor dem Lamme, angethan
mit weißen Kleidern und sie hat-
ten Palmen in den Händen. Und
sie riefen mit starker Stimme:
Heil unserm Gott, der auf dem
Throne sitzt und dem Lamme. Und
alle Engel standen rings um den
Thron und um die Aeltesten und
um die vier lebenden Wesen und
fielen vor dem Throne auf ihr
Angesicht nieder und beteten Gott
an und sprachen: Amen! Lob und
Herrlichkeit und Weisheit und
Dank, Ehre und Macht und Kraft
sei unserm Gott in alle Ewig-
keit. Amen. (Geh. Offenb. Joh. 7, 4.,
9.–12.)
Bei der heiligen Wandlung fällt für die
Augen des Glaubens der Schleier, welcher uns
den Himmel verhüllt. Es naht der König der
Könige, der Herr der Herrschenden, Christus,
unser Gott: es naht das Lamm, ‘„welches für
uns getötet worden, welches uns für Gott er-
kauft hat mit seinem Blute“’ (Off. 5, 9); ‘„Es
naht, um sich für uns zu opfern und den Gläu-
bigen als Speise zu geben. Dasselbe begleiten
die Chöre der Engel, mit den Mächten und
Herrschaften, Cherrubim und Seraphim, ihr
Antlitz verhüllend und dem Herrn lobsingend:
Alleluja! Alleluja! Alleluja!“’ (Liturgie des
heiligen Jakobus.)
Bereits hat uns die Kirche angeleitet, in
den Lobgesang der Engel einzustimmen (beim
Sanktus), jetzt bringt sie uns auch die Heiligen
in Erinnerung damit nur ihre Ehrfurcht und
Andacht nachahmen, und durch deren Verdienste
und Fürbitten vor dem Herrn eher Wohlge-
fallen und Erhörung finden.
Der Anleitung der Kirche folgend:
1. Erinnere dich nochmals der Anliegen
und Personen, für welche du durch das heilige
Opfer Gnade und Hilfe erlangen willst: ge-
denke insbesondere des Papstes, der Bischöfe
und Priester, deiner Kindern und Angehörigen,
derer, für welche du zu beten schuldig bist oder
versprochen hast; gedenke auch deiner eigenen
Anliegen der Seele und des Leibes.
2. Empfiehl diese Anliegen und Bitten der
seligsten Jungfrau Maria, den Aposteln und
Martyrern, Bekennern und Jungfrauen, ins-
besondere den Heiligen, deren Fest eben ge-
feiert wird, den Landes-, Kirchen- und Namens-
patronen, den Fürsprechern in besondern An-
liegen, und dann bete:
Glorwürdige Jungfrau Maria, ihr
alle Heiligen und Freunde Gottes, die
ihr allzeit im Himmel den himmlischen
Vater und das unbefleckte Lamm Got-
tes anschauet, liebet und lobet und von
Ihm wiedergeliebt werdet, kommet mir
unwürdigem Sünder zu Hilfe, indem
ihr meine Bitten und Huldigungen, ver-
einigt mit eueren Verdiensten und Bit-
ten, auf eueren reinen Händen dem
Herrn darbringt, und mir so Gnade
und Erhörung verschafft. Amen.
Bei der heiligen Wandlung.
So oft ihr dieses Brot esset
und diesen Kelch trinket, sollt ihr
den Tod des Herrn verkünden,
bis Er kommt. (I. Kor. 11, 26.)
Die heilige Wandlung ist der Augenblick,
in dem das Erlösungsopfer auf dem Kalvarien-
berg unblutigerweise erneuert wird. Gesang
und Gebet verstummen, nur das Herz soll
beten, es sollen in ihm die Gesinnungen des
Glaubens, der Hoffnung und Liebe, der Dank-
barkeit und Neue lebendig werden, und bloß
innerlich ohne Worte, oder auch mit folgenden
kurzen Gebeten gegen den göttlichen Heiland
ausgesprochen werden:
O Jesus, ich glaube an Dich, ich
hoffe auf Dich, ich liebe Dich ich bete
Dich an, ich danke Dir, ich bitte Dich
um Verzeihung, ich bitte Dich um Er-
barmen. –
O Jesus, ich bringe dein heiliges
Fleisch und Blut dem himmlischen Va-
ter dar als Opfer des Lobes und der
Anbetung, der Danksagung, als Ver-
söhnungs- und Bittopfer. –
Oder auch: O Jesus, Dir lebe ich!
O Jesus, Dir sterbe ich! O Jesus, dein
bin ich tot und lebendig! –
O Jesus, sei mir gnädig! O Je-
sus, sei mir barmherzig! O Jesus,
verzeihe mir meine Sünden! –
Nach der heiligen Wandlung.
Wir haben einen Fürspre-
cher beim Vater, Jesum Chri-
stum, den Gerechten. (I. Joh. 2, 1.)
Nach der heiligen Wandlung setze die bei
derselben begonnenen inneren Gebetsübungen
noch eine Weile fort. Beherzige, wie der himm-
lische Vater mit Wohlgefallen auf dieses reine
und heilige Opfer herniederschaut, wie Er sei-
nem geliebten Sohne nichts versagen kann, wie
die Engel und Heiligen das Geheimnis auf
dem Altare anbetend bewundern und ihre
Bitten mit den unsrigen und dem Opfer Christi
vereinigen. Bedenke ferner, wie für die Kirche
und die Gläubigen eine Fülle von Gnade und
Trost in diesem Opfer angeboten wird, wie
die leidenden Seelen im Reinigungsort sehn-
süchtig emporschauen und darauf warten, daß
auch ihnen eine Erquickung zugewendet werde.
Erwecke den Glauben an das Mittleramt Jesu
Christi in diesem heiligen Opfer, fasse ein
großes Vertrauen auf seine Macht und Liebe
[444] und lasse Ihn als Fürsprecher für dich und
andere zum Vater reden.
Zunächst gedenke der Abgestorbenen, für
welche du zu beten eine besondere Schuldigkeit
hast, und bete dann:
Diesen, o Herr, und allen in Chri-
stus Ruhenden mögest Du, so flehen
wir, gnädig verleihen den Ort der
Erquickung, den Lichtes und des Frie-
dens. Durch denselben Christus, un-
seren Herrn. Amen.
Sodann fasse noch einmal alle Bitten für
dich, deine Mitchristen und die ganze Kirche
zusammen, und lege sie in die Hände unseres
Hohenpriesters auf dem Altare, damit Er sie
dem Vater vortrage. In diesen Gesinnungen
stimme ein in das Gebet, welches Christus uns
selber gelehrt hat, bete dasselbe vereint mit der
Kirche, vereint mit dem gegenwärtigen Erlöser,
indem du voll Vertrauen zu dem himmlischen
Vater ruft:
Durch heilsame Vorschriften ermun-
tert und durch göttlichen Unterricht
belehrt, wagen wir zu sagen: Vater
unser u. s. w.
Nachher: Befreie uns, wir bitten
[445] Dich, o Herr, von allen Uebeln, den
vergangenen, gegenwärtigen, zukünfti-
gen, und durch die Fürbitte der seli-
gen und glorreichen, allzeit jungfräu-
lichen Gottesmutter Maria, mit dei-
nen heiligen Aposteln Petrus und
Paulus und Andreas und allen Hei-
ligen, gib gnädig in unseren Tagen
Frieden, auf daß wir durch die Hilfe
deiner Barmherzigkeit unterstützt, so-
wohl von Sünden immer frei, als
auch vor aller Verwirrung sicher seien,
durch denselben Jesus Christus, unse-
ren Herrn, deinen Sohn. welcher mit
Dir lebt und regiert in der Einigkeit
des heiligen Geistes von Ewigkeit zu
Ewigkeit. Amen.
Zur Kommunion.
Herr, bleibe bei uns; denn
es wird Abend, und der Tag hat
sich schon geneigt. (Luk. 24, 29.)
Die seligen Augenblicke der Ge-
meinschaft mit dem Himmel und dem
[446] Herrn des Himmels nahen schon ihrem
Ende. Jesus Christus vollendet sein
Opfer, die Engel und Heiligen ziehen sich
zurück und setzen die Anbetung des Herrn
im Himmel fort; der geöffnete Him-
mel schließt sich wieder über mir, ich
bleibe zurück auf dieser armseligen
Erde, umgeben von Gefahren und
Versuchungen, selber schwach, uner-
fahren und zum Bösen geneigt. Es
ist, als ob die Sonne meines geistigen
Lebens untergehe und mich allein in
der Nacht dieses Erdenlebens zurück-
lasse, wo der reckte Weg schwer zu
finden ist, und viele Feinde meiner
Seele nachstellen.
Darum flehe ich mit den Jüngern
im Evangelium zu meinem göttlichen
Erlöser: Herr, bleibe bei mir; denn
es wird Abend, und der Tag hat sich
schon geneigt. Ich weiß, daß dein
heiligstes Fleisch und Blut eine Nah-
rung der Seele ist zum ewigen Leben.
Es ist mein ernstlicher Wille, sie so
[447] oft zu empfangen, als es mein See-
lenheil erfordert, und meine Seelen-
führer es mir anempfehlen. Ich will
mich jedesmal so würdig als möglich
dazu vorbereiten, um Dich mit rei-
nem Herzen zu empfangen und des
ganzen Reichtums deiner Gnaden teil-
haftig zu werden.
Jetzt bitte ich Dich, Du mögest
wenigstens geistigerweise in meine
Seele kommen. Kaum werde ich die
Kirche verlassen haben, so nahen mir
wieder Zerstreuungen, Versuchungen
und Gefahren, in meinem eigenen
Herzen wachen Leichtsinn und verkehrte
Begierden wieder auf, und wie bald
ist es geschehen, daß ich alle frommen
Gesinnungen, die jetzt meine Seele er-
füllen, vergesse, und Dich neuerdings
beleidige! Wie leicht kann dem ersten
Fehler der zweite folgen, und dann
bin ich in Gefahr, von Dir und mei-
nem Heile weit, sehr weit weggeführt
zu werden. Wie viele irren so ab
[448] vom rechten Weg, ohne daß sie wieder
umkehren!
Darum bitte ich Dich recht instän-
dig: Herr, bleibe bei mir; denn es
wird Abend. Gib mir himmlisches
Licht, übernatürliche Kraft mit auf
meinen Weg, komme selber in mein
Herz und begleite mich auf den dun-
keln Pfaden dieses Lebens in den Ver-
suchungen und Gefahren, die auf mich
warten, bewahre Du mich heute und
die kommende Woche vor Verirrun-
gen und Fehltritten, und erhalte mich
in deiner Wahrheit und Gnade.
Es ist mein sehnlichster Wunsch,
daß ich bei dem nächsten heiligen Opfer,
an dem ich teilnehmen werde, nicht
mit neuen Sünden besteckt vor Dir
erscheine, sondern an Glauben und
Tugend, Gottesfurcht und Frömmig-
keit reicher sein möge. Und wenn
einst die Stunde des letzen Abend-
mahles auch für mich kommt, so sei Du
meiner Seele in Wahrheit eine Weg-
[449] zehrung auf dem Wege in das ewige
Leben.
O welches Glück, wenn ich, Dich
im Herzen tragend, einst dieser Erde
den Rücken kehre, in die Gemeinschaft
der Engel und Heiligen, die Dich auf
die Erde herabbegleiten, eintreten und
mit ihnen in den Himmel eingehen
kann! Darum, o Herr, bleibe bei
mir und mache mich würdig, einen
seligen Lebensabend zu erlangen. Amen.
Zum Segen.
Und während Er sie seg-
nete, schied Er von ihnen und
fuhr in den Himmel. Und sie
beteten Ihn an und kehrten
nach Jerusalem mit großer
Freude zurück. (Luk. 24, 51.)
Das Erscheinen des göttlichen Heilandes
unter seinen Jüngern nach der Auferstehung
hat mit seinem Verweilen auf dem Altare viele
Aehnlichkeit. Wie die Apostel beglückt Er auch
uns zu bestimmten Zeiten mit seiner Gegen-
wart. Wie bei der Himmelfahrt den Jüngern,
[450] so will Er am Schlusse der heiligen Opfer-
handlung auch dir seinen Segen zurücklassen.
Der Segen durch die geweihte Hand des Prie-
sters hat eine große Kraft, aber die Wirkung
bei dir ist abhängig von deinen andächtigen
Gesinnungen, deinem Glauben und Vertrauen.
Suche dieser Wirkung teilhaftig zu werden,
indem du mit Andacht betest:
O mein göttlicher Heiland! Ich
danke Dir von ganzem Herzen für
die Ehre und das Glück der Teilnahme
an deinem heiligen Opfer und für die
empfangenen Gnaden. Ich möchte mit
dem Patriarchen Jakob sagen: Ich
entlasse Dich nicht, bevor Du mich ge-
segnet hast. (I. Mos. 32, 26.)
Blicke herab auf die Vorsätze, die
ich halten soll, die Schwachheiten und
Verkehrtheiten, die mir anhaften, die
Versuchungen, die mich bedrohen; blicke
herab auf meine Kinder und Angehö-
rigen, alle Mitchristen und die ganze
Kirche, die deiner Gnade und Hilfe
in so vielen Dingen bedürfen, gieße
über uns alle aus die Fülle deines
[451] Segens, deiner Kraft und Stärke, da-
mit wir Dir treu dienen, die Versu-
chungen überwinden, die Leiden gedul-
dig ertragen, deine Gnade und deinen
Frieden im Herzen bewahren, und
uns so alle Dinge zum besten dienen
mögen.
Es segne uns der allmäch-
tige Gott, der Vater, der Sohn
und der heilige Geist. Amen.
Dritte Meßandacht.
[452]In derselben wird besonders auf die Anliegen der
christlichen Familie Bezug genommen.
Vorbereitung.
Vater, die Stunde ist gekom-
men, verherrliche deinen
Sohn, damit dein Sohn Dich
verherrliche, so wie Du Ihm
die Macht gegeben hast über
alles Fleisch, damit Er allen,
die Du Ihm gegeben hast, das
ewige Leben gebe. (Joh. 17, 1. 2.)
Göttlicher Heiland Jesus Christus!
Du hast am Kreuze dein Blut ver-
gossen und den bittersten Tod erdul-
det, um die unsterblichen Seelen von
dem ewigen Verderben zu erretten.
Die gleiche unendliche Liebe hat Dich
bewogen, das heilige Opfer der Messe
[453] einzusetzen und in demselben zum
Heile der Menschen das blutige Opfer
am Kreuze in unblutiger Weise zu
erneuern. Ich gedenke nun diesem
heiligen Opfer mit möglichster An-
dacht beizuwohnen, und möchte an
demselben teilnehmen mit den nämli-
chen Gesinnungen, in welchen Du
selber es dem himmlischen Vater dar-
bringst. Ich will mit demselben:
1. Das Andenken deines Leidens
und Sterbens feiern;
2. Gott, dem Vater, die höchste
Verehrung und Anbetung erweisen;
3. Dank sagen für das Glück des
wahren Glaubens und alle Wohltha-
ten des Christentums;
4. Genugthuung leisten für den
Undank, die Nachlässigkeit und den
Mißbrauch, wodurch die Menschen sich
dieser größten Gnadengaben unwürdig
machen;
5. bitten und flehen, daß alle
Menschen zur Erkenntnis der Wahr-
[454] heit gelangen und selig werden, daß
insbesondere meine Angehörigen zum
ewigen Leben geführt werden.
Zum Staffelgebet.
Von meinen verborgenen
Sünden reinige mich und der
fremden wegen schone deines
Dieners. (Ps. 18, 14.)
Mit jedem Worte und mit jeder
Handlung kann ich einzelne oder viele
erbauen oder ärgern; eine Pflichtver-
säumnis oder ein Aergernis von mei-
ner Seite kann für eine jugendliche
Seele den Ausschlag zu ihrem Ver-
derben geben. Solche Sünden werden
oft gering geachtet oder schnell vergessen,
und doch werden sie von Gott so hoch
angerechnet und strenge bestraft.
Ueberlege, ob du die Mutterpflichten oder
ähnliche Verpflichtungen in Bezug auf das
Seelenheil anderer vernachlässiget habest, ob
andere schon durch dich geärgert worden, ob
irgendwie schon eine Seele durch dich Schaden
gelitten habe. Prüfe deine Worte und Hand-
[455] lungen in diesem Punkte genau, und dann
bete:
Von meinen verborgenen Sünden
reinige mich, und der fremden wegen
schone deines Dieners. Ich zittere bei
dem Gedanken, ich könnte einer Seele,
für die Du, o mein Heiland, dein kost-
bares Blut vergossen hast, durch Saum-
seligkeit oder Aergernis Schaden zu-
gefügt haben. Wie würde ich beim
Gerichte dastehen, wenn eine einzige
Seele unter den Verworfenen mich
anklagen würde, daß ich ihr Unglück
mitverschuldet habe! Ja, eine einzige
fremde Sünde, die verborgen und un-
gesühnt geblieben, könnte mir verhäng-
nisvoll werden. Darum bereue ich von
Herzen alles, was ich bewußt oder un-
bewußt gegen das Seelenheil anderer
gefehlt habe, ich will mich vor allen
Sünden dieser Art gewissenhaft hüten.
Ich bitte Dich, Du wollest mir alle
begangenen Sünden verzeihen, mich
vor künftigen bewahren und den Scha-
[456] den, welchen ich unsterblichen Seelen
zugefügt habe, durch die wunderbare
Wirksamkeit deiner Gnade wieder gut
machen und heilen. Amen.
Zum Eingang und Kyrie.
Zukomme uns dein Reich.
Matth. 6, 10.) Laß deine Kirche über
die ganze Erde sich ausbreiten, laß
deine Gnade und Wahrheit alle Her-
zen in Besitz nehmen und regieren,
auf daß alle Dich erkennen, Dir die-
nen und ewig selig werden.
Herr, erbarme Dich unser! Himm-
lischer Vater, von dem alle Vaterschaft
herkömmt, erbarme Dich der Eltern,
gib ihnen Einsicht und Kraft, ihre
schweren Pflichten so zu erfüllen, daß sie
einst ihre Verantwortung gut bestehen
und mit ihren Kindern ewig selig werden.
Christus, erbarme Dich unser!
Göttlicher Heiland, Hoherpriester des
neuen Bundes, von dem alle Priester-
gewalt herstammt, sende Arbeiter in
[457] deine Ernte, die eifrig deine Lehre
verkünden, würdig deine Gnaden spen-
den, und in deiner Kraft dein Reich
auf Erden forterhalten und ausbreiten.
Herr, erbarme Dich unser! Hei-
liger Geist, Geist der Wahrheit und
der Liebe, erwecke in allen, die etwas
für das Reich Gottes thun können,
den Eifer der Heiligen, welcher aus
freiwilliger Liebe arbeitet und opfert,
um Seelen für den Himmel zu ge-
winnen.
Zum Gloria.
Ehre sei Gott in der Höhe,
und Friede den Menschen auf
Erden, die eines guten Willens
sind. (Luk. 2, 14.)
Dieser Lobgesang der Engel macht
in dem Opfer der heiligen Messe
Tag für Tag seinen Gang um den
Erdkreis.
Möge er auch überall seinen Wie-
derhall finden in allen katholischen
[458] Herzen und in allen katholischen Fa-
milien in dem andächtigen Morgen-
gebete, welches sie zum Himmel sen-
den, und in der Teilnahme am hei-
ligen Opfer, soweit diese möglich ist.
Mögen am Sonntage alle Gläu-
bigen miteinstimmen in dieses Loblied,
indem sie den Tag des Herrn gewis-
senhaft heiligen und dem Herrn in
seinem heiligen Tempel die schuldige
Ehre erweisen!
Möge dafür in alle andächtigen
Herren und in alle frommen Familien
der Friede Gottes herniedersteigen, und
der Segen des Allmächtigen für Leib
und Seele ihnen zu teil werden!
Zum Kirchengebet.
Ich ermahne vor allen Din-
gen, daß Bitten, Gebete, Für-
bitten und Danksagungen ge-
schehen für alle Menschen, für
Könige und alle Obrigkeiten, da-
mit wir ein ruhiges und stilles
[459] Leben führen mögen in aller
Gottseligkeit und Ehrbarkeit.
Denn dieses ist gut und wohl-
gefällig vor Gott, unserem Hei-
land, welcher will, daß alle
Menschen selig werden und zur
Erkenntnis der Wahrheit gelan-
gen. (I. Tim. 2, 1.–4.)
Diese Mahnung befolgend, welche
Du uns durch deinen Apostel gege-
ben hast, rufen wir zu Dir: Blicke
herab auf die unsterblichen Seelen,
welche Du mit deinem kostbaren Blute
erlöst hast: siehe an die Gefahren,
welche ihr Heil bedrohen, und komme
ihnen zu Hilfe mit deiner Gnade.
Du willst, daß die Gläubigen bei
diesem Werke der Rettung der Seelen
mitwirken. Darum erneuere in ihnen
den Geist des Glaubens und der Liebe,
damit die dafür Berufenen mit ihren
Arbeiten das Seelenheil ihrer Mit-
menschen fördern, und alle andern in
eifrigem und beharrlichem Gebete die
[460] Gnaden vom Himmel herabziehen,
welche Du für die Rettung aller in
Bereitschaft hast, und den Seelen durch
das Mittel des Gebetes zukommen
lassen willst. Du willst ja, daß alle
Menschen selig werden, darum gib
uns selber Anregung und Eifer, das
zu thun, was dafür durch uns ge-
schehen soll.
Zur Epistel.
Ein Säemann ging aus, sei-
nen Samen zu säen. – Der
Same ist das Wort Gottes. (Luk.
8, 5. 11.)
Wie auf dem Ackerfelde Ernte auf
Ernte folgt, so folgen sich die Ge-
schlechter der Menschen im Laufe der
Jahrhunderte. Und Du, o göttlicher
Heiland, bist der himmlische Säemann.
indem Du in die Herzen jedes neuen
Geschlechtes den Samen deiner göttli-
chen Lehre streuest und so dein Reich
auf Erden forterhältst. Als Mittel
[461] hiefür gebrauchst Du den christlichen
Unterricht der Jugend.
Du weißt, wie schwer es in unse-
ren Tagen geworden ist, diesen Unter-
richt mit gutem Erfolge zu erteilen,
die Kinder in deine Wahrheit einzu-
führen, im Glauben zu befestigen, sie
zum Leben nach dem Glauben anzu-
leiten. Bei gar vielen stirbt der aus-
gestreute Samen nach kurzer Blüte
wieder ab und bringt keine Frucht.
Aber doch sind diese unschuldigen
Kinderseelen noch kein ausgetretener
Weg, kein dorniger oder felsiger Bo-
den, sondern edles Erdreich, welches
der heilige Geist selber mit seiner
Gnade durchdrungen und fruchtbar
gemacht hat. Darum kann und soll
der Same deines Wortes in ihnen
Wurzel fassen und erstarken, daß er
in den nachher kommenden Anfechtun-
gen nicht zu Grunde gehe.
Wir bitten Dich, erbarme Dich
dieser Seelen, die Dir selber so teuer
[462] sind, und erfülle die Seelsorger und
Eltern und alle, welche ihnen helfen
können und sollen, mit Einsicht und
Eifer, die christliche Jugend nach dei-
nen Absichten zu unterrichten und zu
erziehen, unterstütze ihre Bemühungen
mit deiner Gnade, so daß mitten in
einer bösen Welt ein Geschlecht heran-
wachse, welches den heiligen Glauben
treu bewahrt und Dir dient in aller
Gottesfurcht und Frömmigkeit. Amen.
Zum Evangelium.
Als aber die Leute schliefen,
kam der Feind und säete Unkraut
mitten unter den Weizen. (Matth.
13, 25.)
O göttlicher Heiland! Wohl wird
der Same deiner göttlichen Lehre durch
deine Kirche ausgestreut, aber auch
der Same des Unkrautes wird in
Wort und Schrift so thätig verbreitet,
wie noch nie, so lange dein Reich auf
Erden besteht. Unzählige lassen sich
[463] dadurch bethören, werden schwach im
Glauben, oder fallen gänzlich, ab, und
dieses Elend droht sich auf ihre Kin-
der und Kindeskinder fortzupflanzen.
Du lassest nach deinen geheimnis-
vollen Ratschlüssen Weizen und Un-
kraut nebeneinander wachsen bis zur
Zeit der Ernte, aber Du hast doch
Wehe ausgerufen über alle, welche
Aergernisse verschulden, und willst, daß
wir sie zu verhindern suchen. Darum
halte Du jene vom Schlafe ab, welche
über die Familien und Gemeinden
wachen sollen, damit der Feind nicht
Unkraut säen kann. Lehre alle Gläu-
bigen für sich, und alle Väter und
Mütter für die ihnen Anvertrauten
besorgt sein, daß keine Aergernisse de-
ren Glauben oder Tugend Schaden
bringen. Erfülle uns alle mit jenem
lebendigen Glauben und jenem heili-
ligen Tugendeifer, welcher die ersten
Christen befähigt hat, mitten unter
der Verderbtheit des Heidentums ein
[464] reines und heiliges Leben zu führen
und Dir bis in den Tod treu zu
bleiben.
Zum Credo.
Das ist der Sieg, der die
Welt überwindet, unser Glaube.
(I. Joh. 5, 4.)
Die Apostel, so wenige ihrer wa-
ren, haben im Glauben die Welt er-
obert; die Martyrer haben alle feind-
lichen Mächte besiegt durch den Glau-
ben; die Kirche hat seit bald zweitau-
send Jahren alle ihre Feinde über-
wunden durch den Glauben ihrer Die-
ner und Bekenner. Darum sollen
auch wir uns dieser weltüberwinden-
den Macht des Glaubens bedienen.
Mögen unser viele oder wenige sein,
wenn wir glauben und den Glauben
in Wort und That bekennen, so wird
er auch in uns die Welt überwin-
den. Wir wollen mit Dank gegen
Gott, der uns zum Glauben berufen
[465] hat, vor Jesus Christus, unserem Heer-
führer, vor den Aposteln und Marty-
rern, unseren glorreichen Vorbildern,
vor den Glaubensboten, die uns den
wahren Glauben gebracht haben, vor
unseren frommen Vorvätern, die ihn
treu bewahrt und uns überliefert haben,
und vor der Welt, die uns dafür ver-
spotten mag, unser Bekenntnis des
Glaubens ablegen, indem wir sagen:
Ich glaube u. s. w.
Zur Opferung.
Ich ersetze an meinem Flei-
sche, was an den Leiden Christi
für seinen Leib, welcher die
Kirche ist, mangelt. (Kol. 1, 24.)
Göttlicher Heiland, Jesus Christus!
Als Du am Kreuze ausriefest: Es ist
vollbracht! war die ungeheure Schuld
der Menschheit durch dein unendlich
kostbares Opfer gesühnt, und wir Men-
schen können dem Werte dieses deines
Opfers nichts hinzufügen. Aber wie
[466] Du es auf dem Altare erneuerst, um
uns desselben teilhaftig zu machen, so
sollen wir Menschen es nachahmen,
um für diese Teilnahme würdig und
fähig zu werden. Wir sollen aus
Liebe zu Dir die bösen Begierden über-
winden, die Leiden dieses Lebens ge-
duldig ertragen, und so geistigerweise
mit Dir gekreuziget werden.
Verleihe uns allen die Gnade, Dir
auf dem Wege der Selbstverleugnung
und des Kreuzes getreu nachzufolgen.
Erbarme Dich insbesondere unserer
jungen Christen, welchen Ueberwindung
und Selbstbeherrschung zu ihrem Heile
so notwendig sind. Siehe an, wie
Unzählige von der Welt zum Leicht-
sinn, zur Weichlichkeit und zur Genuß-
sucht verführt werden und darin zu
Grunde gehen. Um deines für sie
vergossenen Blutes willen bitten wir
Dich, erneuere in ihnen den Geist,
mit dem Du die Kinder der Marty-
rer gelehrt hast, Welt, Fleisch und
[467] Satan zu überwinden. Lehre sie, ihre
eiteln Begierden zu opfern, um bei
Dir die wahren und beseligenden Gü-
ter und Freuden zu finden.
Dein Diener Paulus hat seine
Arbeiten und Leiden nicht nur für
sich, sondern für die Wohlfahrt der
Kirche aufgeopfert, und es ist nur
billig und recht, daß ich sein Beispiel
wenigstens im kleinen nachahme.
Hier überlege, ob du durch persönliche Be-
mühungen, oder durch Beiträge, oder wenig-
stens durch Gebet etwas für das Seelenheil
anderer thun kannst und willst. Nimm dir
etwas Bestimmtes vor, was du hiefür thun oder
opfern willst, und bete:
Dieses kleine Opfer bringe ich Dir
dar in dem Geiste, in welchem der
heilige Paulus seine Kräfte und sein
Leben in deinem Dienste geopfert hat.
Ich lege es als Scherflein meiner Ar-
mut auf den Altar und bitte Dich,
daß Du es gnädig aufnehmen, mit
deinem Opfer vereinigen und zur För-
[468] derung deines Reiches segnen mögest.
Amen.
Zur Präfation und Sanktus.
Dank sei Gott für seine un-
aussprechliche Gabe. (II. Kor. 9, 15.)
Diese unaussprechliche Gabe bist
Du selber, o mein Heiland, mit dei-
nem heiligen Opfer, deinen himmli-
schen Lehre, dem Reichtum deiner Gna-
den und Verdienste. Ewiger Dank
sei Dir, daß Du uns Unwürdige zu
Kindern der katholischen Kirche beru-
fen hast, daß Du uns zur Teilnahme
an deinem Opfer und allen Gnaden-
mitteln so liebevoll einladest und es
uns so leicht gemacht hast, mit den-
selben das Heil unserer Seele zu er-
langen und zu sichern.
Seit in diesem Lande das erste
Kreuz aufgerichtet, das erste Opfer
dargebracht wurde, ist jedes geweihte
Gotteshaus eine reichlich fließende
Quelle lebendigen Wassers für alle
[469] heilsbedürftigen Seelen. Wie viel
Gnade und Heil haben unsere from-
men Vorväter in einer langen Reihe
von Geschlechtern darin gefunden, und
wie viel wird auch uns angeboten!
O daß doch alle diese unaussprechliche
Gabe recht hochschätzen und benützen
möchten! Wir haben allen Grund,
mit den Gesinnungen herzlicher Dank-
barkeit zu wiederholen, was man schon
vor tausend Jahren am Grabe des
heiligen Gallus gesungen hat:
Wahrhaftig billig und recht, wür-
dig und heilsam ist es, Dir immer
und überall Dank zu sagen, allmäch-
tiger, ewiger Gott, und insbesondere
Dich zu bitten, daß Du uns die Gnade
verleihest, der Lehre getreu zu folgen,
die der heilige Gallus, durch sein Wort
verkündet und durch sein Leben erfüllt
hat, damit wir durch sein Beispiel
und seine Verdienste bei deiner Barm-
herzigkeit Hilfe erlangen mögen, durch
Christus, unseren Herrn. Amen.
Vor der Wandlung.
Es wird kommen der Herr,
mein Gott, und alle Heiligen
mit Ihm. (Zach. 14, 5.)
Einst wirst Du, o Herr, mit dei-
nen Heiligen herniedersteigen, ‘„den
Lohn zu geben deinen Knechten, den
Propheten und den Heiligen, und de-
nen, die deinen Namen fürchten, den
Kleinen und Großen und auszurotten
die, welche die Erde verderbt haben.“’
(Offenb. 11, 18.) Jetzt kommst Du
auf unsere Altäre herab als das Lamm
Gottes, welches hinwegnimmt die Sün-
den der Welt, und deine Heiligen be-
gleiten Dich, um zu ersetzen, was an
unserer Anbetung und an unserem
Flehen mangelhaft ist.
O liebevoller Erlöser, der Du
Dich neuerdings für uns opfern willst,
o ihr glücklichen Himmelsbewohner,
die ihr in ungetrübter Sicherheit euch
freuet und dem Herrn Lob singet,
[471] werfet einen Blick des Mitleids auf
uns armselige Menschenkinder in die-
sem Jammerthale. Viele von uns
seufzen in Armut, Krankheiten und an-
derem Elend, oder ringen mit dem
Tode; auf Unzähligen lastet noch viel
schlimmeres geistiges Elend, sie liegen
gefangen in den Fesseln des Irrtums,
des Lasters, ihrer eigenen Verblen-
dung; viele, die jetzt noch fromm und
unschuldig sind, werden durch die Arg-
list der Welt und ihren eigenen Leicht-
sinn bald in das gleiche Elend hin-
eingeraten. Wie viele, die deinen
Namen tragen, sind lau, gleichgültig
und pflichtvergessen gegen Dich und
ihre eigene Seele! Und jene, welche
Dich nicht verlassen, wie schwach und
unvollkommen sind sie, wie selten sind
die Liebe und der Opfergeist für deine
heilige Sache, wie vieles wird ver-
säumt, was für die Rettung der See-
len, geschehen könnte und sollte!
In dem heiligen Opfer auf dem
[472] Altare wird die Heilquelle zur Heil-
ung all unserer Uebel geöffnet, aber
gerade diese Uebel machen uns des
dargebotenen Heiles unwürdig. Da-
rum wenden wir uns an euch, ihr
Seligen des Himmels, die ihr Freunde
Christi und auch unsere Freunde seid.
Heilige Maria, Mutter Gottes, bitte
für uns arme Sünder, jetzt und in
der Stunde unseres Absterbens. Hei-
lige Engel, heiliger Joseph, ihr heili-
gen Landes- und Kirchenpatrone, ihr
seligen Vorfahren, helfet uns den
Herrn des Himmels verherrlichen,
traget Ihm für uns unsere Bitten
und Anliegen vor, damit wir durch
euere Vermittlung an diesem Opfer
würdig teilnehmen, und damit durch
dasselbe Gnade und Segen über uns
kommen mögen. Amen.
Bei der Wandlung.
Erwecke den Glauben, daß der Heiland
das gleiche Opfer auf dem Altare erneuert,
[473] welches Er am Kreuze vollbracht hat. Opfere
es mit Christus dem himmlischen Vater aus
zur Anbetung zur Danksagung, zur Genug-
thuung und als Bittopfer. Erwecke ein leben-
diges Verlangen, daß die unendlichen Gnaden
dieses heiligen Opfers dir und allen Menschen
zu gute kommen mögen.
Nach der Wandlung.
Versetze dich im Geiste auf den Kalvarien-
berg und betrachte die Personen, welche mit
heiligen und heilsamen Gesinnungen Zeugen
vom Leiden und Tode des Heilandes waren.
Sie sind Vorbilder für unser Verhalten bei
der unblutigen Erneuerung des Kreuzopfers
und zugleich Stellvertreter der Menschenklassen,
deren wir in der heiligen Messe gedenken sollen.
Sie werden hier angeführt, nicht damit du
dich mit allen in einer Messe, sondern unter
Berücksichtigung der besonderen Anliegen und
Bedürfnisse abwechselnd beschäftigest. Darum
lies und beherzige bei jeder heiligen Messe
nur einen oder zwei der nachfolgenden Punkte.
1. Der heidnische Hauptmann ist bei
dem Tode des Heilandes gläubig geworden und
rief aus: Wahrlich, dieser Mensch war Gottes
Sohn. (Matth. 27, 54.) Er gelangte zum Glau-
ben, wo die Pharisäer, die doch ungleich besser
unterrichtet waren, nur verstockter wurden. Er
[474] ist beim Kreuze der Stellvertreter jener, die
zwar irren, aber ohne ihr Verschulden und mit
einem Herzen, das empfänglich ist für die
Wahrheit. Solcher giebt es unter den Christen
und Nichtchristen eine große Zahl, und diese
empfehle nun im allgemeinen oder einzelne
unter ihnen besonders dem Herrn an und bitte,
daß sie von der Barmherzigkeit Gottes kraft
der Verdienste und des Opfers Jesu Christi
durch äußere Belehrung und innere Erleuch-
tung, wie der Hauptmann, zur Erkenntnis der
Wahrheit geführt werden. Bete dafür ein oder
mehrere Vater unser, wie es die Zeit erlaubt.
2. Von den zwei Schächern stirbt der
eine unbußfertig, der andere bekehrt sich und
wird gerettet. Bewundere die Barmherzigkeit
Gottes und die wunderbaren Wege seiner Gnade,
aber zittere auch bei dem Gedanken, wie der
Mensch seinem Heile ganz nahe, doch durch
seine eigene Schuld verloren gehen kann, und
umgekehrt oft am Rande des Verderbens noch
Rettung findet. Auch du kannst mithelfen, daß
Sünder durch Gottes Barmherzigkeit auf den
Weg des Heiles geführt werden und daß den
Sterbenden die Gnade eines glückseligen Todes
zu teil wird. Opfere das Leiden und das Blut
des Erlösers auf zum Heile der jetzt Sterben-
den und der geistig Toten, der Sünder, damit
beide das ewige Leben erlangen. Bete dafür
ein oder mehrere Vater unser.
3. Den Fuß des Kreuzes umfaßt die
Büßerin Magdalena. Obschon ihre Sün-
den schon vergeben sind, ist sie durchdrungen
vom Schmerze der Liebesreue und von Dank-
barkeit und Mitleiden gegen ihren Erlöser am
Kreuze. Alle Christen sollten von diesen Ge-
sinnungen gegen den Heiland erfüllt sein Aber
auch unter den Gläubigen fehlt vielfach der
Abscheu vor der Sünde, der wahre Bußgeist,
die Liebe und Dankbarkeit gegen den Heiland.
Sie wollen mir der Hölle entrinnen und sorgen
auch dafür noch nachlässig genug. Darum ist
auch ihr Gebet so lau, ihr Leben so fehlerhaft,
ihre Reue so kalt, ihre Besserung so selten,
ihr Heil so gefährdet. Bringe dem Herrn das
Opfer auf dem Altare dar, um bußfertige Ge-
sinnungen und dankbare Liebe gegen Christus
für dich und alle Mitchristen zu erlangen.
Bete dafür wie oben.
4. Die Gerechten in der Vorhölle
warteten mit Sehnsucht auf die Vollendung
des Opfers auf dem Kalvarienberge, und so-
bald es vollbracht war, stieg der Erlöser zu
ihnen herab, um ihnen die Erlösung anzu-
künden. Auch jetzt warten die armen Seelen
mit großem Verlangen darauf, ob ihnen je-
mand von dem Opfer auf dem Altare Trost
und Erquickung zuwenden wolle. Mit ein
wenig Liebe kannst du ihnen viel Hilfe bringen,
die sie dir im Himmel reichlich wieder ver-
[476] gelten werden. Opfere die heilige Messe für sie
als Opfer der Genugthuung auf, besonders
für jene, welchen du zu helfen schuldig bist,
und bete wie oben.
5. Der heilige Johannes ist der ein-
zige unter den Aposteln, der es wagte, seinen
göttlichen Meister auf den Kalvarienberg zu
begleiten und Zeuge seines Todes zu sein. Es
war seine Liebe, die ihm diesen Mut verlieh:
diese Liebe wurde in ihm so stark und mutig,
als er beim letzten Abendmahle an der Brust
des Herrn ruhte, unter dem Kreuze hat sie
neue Stärkung gefunden, und so ist er der
Apostel der Liebe geworden.
Altar und Kreuz sind die Stätten, wo
die Flamme der heiligen Liebe, der Liebe zu
Christus und zu den unsterblichen Seelen ent-
flammt werden muß. Würden alle, die noch
Glauben haben, dort von Liebe und Seelen-
eifer sich entflammen lassen, die Welt würde
bald anders und besser werden. Bitte den
Herrn durch den heiligen Johannes, durch alle
seine Nachahmer im Eifer der Liebe, durch das
Opfer auf dem Altare, er möge in dir und
allen Mitchristen die Liebe Christi und den
Eifer der Seelen entflammen, damit alle mit
Freuden die Opfer bringen, welche die Ehre
Gottes und das Heil der Seelen erfordern.
Bete dafür wie oben.
6. Die göttliche Mutter Maria hat
bei dem Leiden ihres Sohnes am schmerzlichsten
mitgelitten und ist so die schmerzhafte Mutter,
aber zugleich auch unsere Mutter geworden.
Bitten wir sie zunächst für uns selber um
einen Funken ihrer Liebe zu ihrem göttlichen
Sohne und zu ihren armseligen Kindern auf
Erden.
Suchen wir durch ihre milde Fürsprache
bei ihrem Sohne für unsere Bitten und An-
liegen Erhörung zu erlangen.
Empfehlen wir ihr insbesondere vertrauens-
voll jene Anliegen und Personen, bei welchen
die Hoffnung auf Rettung, menschlicherweise
angesehen sehr gering ist. Denn sie ist die
Mutter der Barmherzigkeit, des Lebens Süßig-
keit und unsere Hoffnung. Bete wie oben.
Zur Kommunion.
Du sendest deinen Geist, und
sie werden geschaffen, und Du
erneuerst das Angesicht der Erde.
(Ps. 103, 30.)
Göttlicher Heiland, Jesus Chri-
stus! Als Du bei der Himmel-
fahrt deine Apostel allein zurückließest,
hast Du ihnen deinen heiligen Geist
[478] versprochen und gesendet. Die trost-
reichen Augenblicke, in denen Du als
unser Hoherpriester und als unser Opfer
auf dem Altare weilest, nahen nun auch
ihrem Ende, und wir bitten Dich recht
inständig, daß Du den heiligen Geist,
der Eins ist mit Dir und dem Vater,
auch in unsere Herzen senden wollest.
Sende deinen Geist den Hirten
und Dienern deiner Kirche, auf daß
sie mit der Erleuchtung und dem Eifer
der Apostel dein Wort verkünden,
deine Gnade spenden, deine Schafe
führen und leiten, und daß so durch
sie dein Reich auf Erden sich überall
ausbreite und über alle Feinde trium-
phiere.
Sende deinen Geist den Eltern,
damit sie ihre Kinder erziehen für die
Erkenntnis und Liebe Gottes, für das
ewige Leben im Himmel, damit so die
jungen Christen die Gefahren ihres
Heiles in dieser bösen Welt glücklich
überwinden.
Sende deinen Geist aus und er-
leuchte und entflamme durch denselben
recht viele Herzen, daß sie nach ihren
Kräften in den Gesinnungen freiwil-
liger Liebe dein Reich ausbreiten und
das Heil vieler unsterblichen Seelen
befördern.
Sende deinen Geist in die Herzen
der christlichen Jugend, damit Er sie
erhalte in deiner Wahrheit, sie erfülle
mit Gottesfurcht und Frömmigkeit
und ihr helfe, Welt, Fleisch und Sa-
tan zu besiegen.
Sende deinen Geist uns armen
Sündern insgesamt, besonders allen
Irrenden und Ungläubigen. So viel
Unordnung und Armseligkeit und Elend
an uns armen Geschöpfen ist, sende
deinen Geist aus, und die Herzen wer-
den neu geschaffen, und das Angesicht
der Erde wird erneuert werden.
Sende deinen Geist aus über alles
Fleisch, damit am großen Auferste-
hungstage, wenn unsere Gebeine vom
[480] Geiste neu belebt werden, wir uns er-
heben als Tempel des heiligen Geistes,
um Dich mit allen Heiligen anzu-
schauen und zu loben in Ewigkeit.
Amen.
Zum Segen.
Der Herr segnet alle, die
Ihn fürchten, Kleine und Große.
Der Herr wird euch noch mehr
segnen, euch und euere Kinder.
Gesegnet seid ihr von dem
Herrn, der Himmel und Erde
gemacht hat. (Ps. 113, 21.–23.)
Gieße, o Herr, durch die Hand
des Priesters deinen Segen aus über
uns und unsere Angehörigen, über
die ganze Gemeinde. Segne unsere
guten Vorsätze und Absichten, segne
die Anstrengungen und Mühen aller
derer, welche an dem Heile der Seelen
arbeiten. Dein Segen begleite uns
alle diesen ganzen Tag, damit wir die
Sünde meiden, mit gutem Erfolg ar-
[481] beiten, an Tugenden und Verdiensten
reicher werden, bis wir wieder vor Dir
erscheinen, neuen und noch größeren
Segens würdig werden. Mögen wir
alle einst auch am Gerichtstage zu
den Gesegneten deines Vaters gezählt
und in den Himmel aufgenommen wer-
den. Darum bitten wir Dich, dar-
nach streben wir, darauf hoffen wir
durch deine großen Verdienste und
deine unendliche Barmherzigkeit.
Es segne uns der allmächtige
Gott, der Vater und der Sohn
und der heilige Geist. Amen.
Bußandacht.
[482]1. Vorbereitungsgebet.
Versetze dich in die Gegenwart Gottes, er-
wecke den Glauben an Gericht und
Ewigkeit, erinnere dich im allgemeinen
an deine Sündenschuld, an die Barmherzigkeit
Gottes, die sich im heiligen Bußsakrament
offenbart, an dein Bedürfnis nach der Gnade
des heiligen Geistes und bete dann demütig
und vertrauensvoll:
O barmherziger Gott, ich sage Dir
Dank aus dem Grunde meines Her-
zens, daß Du mich nicht wegen mei-
ner großen Nachlässigkeit in noch grö-
ßere Sünden hast fallen lassen, und
mich in diesem elenden Zustande mei-
ner Seele nicht aus diesem Leben ab-
gerufen hast; wenn ich auch bisher sehr
undankbar gegen Dich war, nehme ich
[483] mir nunmehr fest vor, eingedenk dei-
ner vielen und großen Wohlthaten Dich
zu loben und zu preisen und Dir treu
zu dienen.
Erleuchte mich, o Herr, der Du
alle meine Wege kennst, und meine
Fußtritte beobachtest. Komme, o
wahres Licht, vertreibe die Finsternis
aus meinem Herzen, damit ich erkenne,
was Dir an mir mißfällig ist, und
alle meine Sünden mit zerknirschtem
Herzen beweine, recht beichte, und mich
ernstlich bessern möge.
Nimm mein Bekenntnis gnädig
auf, und sei mir gnädig, gütigster
Herr Jesu Christe, den ich Sünder
nicht einmal zu nennen würdig bin,
da ich Dich so schwer und oft belei-
diget habe durch meine Schuld, meine
Schuld, meine größte Schuld. Ich
werfe mich flehentlich vor Dir nieder,
o unendliche Güte, ganz verwirrt und
beschämt, und wage nicht mein Ange-
sicht zu Dir zu erheben, denn meiner
[484] Sünden sind viele geworden und lie-
gen auf meiner Seele als eine drük-
kende Last. Aber Du, barmherzigster
Jesu, sei nur armen Sünder gnädig.
Züchtige mich nicht in deinem Grimm,
o Herr, und verwirf mich nicht vor
deinem Angesicht, o guter Jesu, der
Du gesagt hast: Ich will nicht den
Tod des Sünders, sondern daß er sich
bekehre und lebe. Nimm mich wieder
auf, da ich Buße thue und reumütig
zu Dir zurückkehre. Du bist mein
Erlöser, Du mein Gott, und ich dein
Diener, wenn auch bisher ein böser,
ein unwürdiger und sündhafter. Aber
verschone mich, o guter Jesu, der Du
am Kreuze gestorben bist, um die
Sünder selig zu machen. Wohin soll
ich fliehen, außer zu Dir, meine Hoff-
nung und mein Heil? Wenn Du
mich verstoßest, wer wird mich auf-
nehmen, welchen Helfer kann ich noch
aufsuchen? Erbarme Dich meiner,
gütigster Herr, und verschmähe nicht
[485] das zerknirschte und gedemütigte Herz
deiner Dienerin. Verleihe mir eine
wahre und vollkommene Reue über
meine Sünden, daß ich sie mit tiefem
Seelenschmerz verabscheue. Sende, barm-
herzigster Gott, um der Verdienste der
unbefleckten Jungfrau Maria und al-
ler Heiligen willen, dein Licht in meine
Seele, daß es mir alle Fehler offen-
bare, welche ich bereuen und beichten
soll. Stehe mir bei mit deiner Gnade,
daß ich sie vollständig, demütig und
mit wahrem Reueschmerz dem Priester,
deinem Stellvertreter, anzeige, und
eine vollkommene Vergebung aller
Sünden von deiner unendlichen Güte
erlangen möge.
O mildeste Jungfrau, liebenswür-
digste Mutter Jesu Christi, meines
Erlösers, habe Mitleid mit mir, und
bitte für mich bei Jesus, deinem Sohne,
meinem Herrn. Erbitte mir Ver-
zeihung der Sünden, Besserung des
Lebens, die Rettung meiner Seele.
Auch euch flehe ich darum au, heiliger
Schutzengel, ihr heiligen Patrone, ihr
Vorbilder in der wahren Buße, hl.
Petrus, hl. Magdalena, alle Heiligen
Gottes insgesamt. Bittet für mich
armen Sünder, der ich jetzt Buße thun,
meine Sünden bekennen und mich bes-
sern will.
Erlaubt es die Zeit, so bete noch einige
Vater unser mit Rücksicht auf jene Fehler, die
besonders schwer auf deinem Gewissen lasten,
oder welche du zunächst bereuen und bessern sollst.
2. Gewissenserforschung.
Personen, welche täglich das Gewissen er-
forschen und öfters beichten, brauchen für die
Vorbereitung zur Beicht keinen sogenannten
Beichtspiegel. Die Erforschung wird ihnen viel
weniger Mühe machen, als Reue und Vorsatz.
Ueberhaupt sollte jeder wohlunterrichtete Christ
sich auf die schweren Sünden leicht besinnen
können. Aber viele lassen sich auch bei der
heiligsten Handlung und in Sachen ihres eige-
nen Seelenheiles von der Lauheit und dem
Lichtsinn so sehr beherrschen, daß leider eine
Unzahl von schweren Sünden nicht recht oder
gar nicht erforscht und infolgedessen auch nicht
[487] gebeichtet wird. Für solche, die seltener beichten,
ist es darum ratsam, dann und wann nach-
folgenden Beichtspiegel zu durchgehen. Bei der
Unterscheidung zwischen läßlichen und Tod-
sünden kommt vieles auf die jedesmaligen Um-
stände an. Die Sünden, welche in der Regel
als schwere anzusehen sind, oder die oft vor-
kommen, und welche doch nicht selten über-
sehen werden, sind durch größeren Druck unter-
schieden.
Gegen das erste Gebot Gottes.
Hast du dein Morgen-, Abend- und
Tischgebet unandächtig verrichtet? oder unter-
lassen? warum? wie oft ungefähr?
Hast du bei dem Empfange der
heiligen Sakramente nie mit Wissen
und Willen Fehler begangen?
Hast du Glaubenszweifel frei-
willig unterhalten? über welche Lehren?
oder versäumt, dir Belehrung zu verschaffen?
Hast du glaubenswidrige Schriften
und Blätter gelesen? andern zum Lesen
gegeben? auch jungen Leuten? Hast du
solche Gesellschaften besucht? solche
Unterhaltungen freiwillig angehört, selbst
dabei mitgeholfen?
Hast du abergläubischen Dingen, Wahr-
sagen u. dgl., Glauben geschenkt? andere
dazu veranlaßt?
Gegen das zweite Gebot Gottes.
Hast du heilige Namen unehrerbietig oder
unnütz ausgesprochen? dieselben aus Zorn
und Ungeduld zum Fluchen miß-
braucht? ist das eine Gewohnheitssünde?
Hast du unnütz oder falsch ge-
schworen? in welcher Absicht?
Hast du bei widrigen Ereignissen
wider Gott gemurrt? Hast du über
heilige Dinge gespottet? die Uebun-
gen der Frömmigkeit lächerlich ge-
macht?
Hast du Gott etwas versprochen
und es nicht gehalten?
Gegen das dritte Gebot Gottes und das
erste und zweite Kirchengebot.
Hast du an Sonn- und Feiertagen
ohne Not und rechtmäßige Erlaubnis
gearbeitet? auch andere arbeiten
lassen? Wie oft?
Hast du an diesen Tagen aus eige-
ner Schuld die heilige Messe nicht an-
[489] gehört? andere ohne Not daran gehin-
dert? sie mutwillig zum Wegbleiben
verleitet? Wie oft? hast du die Predig:
und Christenlehre fleißig angehört? Auch die
Untergebenen dazu angehalten?
Wie hast du dich in der Kirche be-
tragen?
Wie hast du die übrige Zeit an Sonn-
und Feiertagen zugebracht?
Gegen das vierte Gebot Gottes.
Bist du als Kind gegen die Eltern
ungehorsam und trotzig gewesen?
Hast du sie verspottet, Böses über sie
ausgesagt, sie schwer beleidiget, ihnen den
Tod gewünscht?
Hast du sie im Alter unehrerbietig be-
handelt, ihre Ermahnungen verachtet, sie in
der Not nicht unterstützt?
Hast du als Dienstbote oder Arbeiter
deine Pflichten gegen die Herrschaften ge-
wissenhaft erfüllt?
Wie hast du dich gegen ältere Leute
benommen?
Hast du dich gegen geistliche oder welt-
liche Obere durch Ungehorsam oder Unehr-
erbietigkeit verfehlt?
Wie hast du als Vater oder Mutter
deine Pflichten erfüllt?
Hast du nie notwendige Mahnungen
und Strafen versäumt? nie die Kinder durch
Worte oder Handlungen geärgert? führst du
die notwendige Aussicht über Kinder und
Dienstboten in Bezug auf den Kirchenbesuch,
ihren Wandel im Hause und außer dem
Hause, bei Tag und bei Nacht?
Hast du Zurechtweisungen und Mah-
nungen gegeben, wie es deine Pflicht war?
Gegen das fünfte Gebot Gottes.
Hast du Haft gegen andere ge-
tragen? die Aussöhnung verweigert? in
dieser Stimmung die heiligen Sakramente
empfangen?
Hast du andern den Tod, oder
sonst etwas Uebles gewünscht? dich
über ihr Unglück gefreut, sie um ihr Glück
beneidet?
Hast du Streit und Zank gestiftet? im
Hader mit andern gelebt?
Hast du Dienstboten u. f. w. hart
und roh behandelt? Jemanden am Leibe
geschädiget?
Bist du gegen Arme und Notleidende
hartherzig gewesen?
Hast du jemanden Aergernis ge-
geben? durch was? in welcher Sünde?
auch Kindern?
Hast du jemanden zur Sünde verleitet?
zu welcher? oder dich sonst fremder Sünden
schuldig gemacht?
Gegen das sechste und neunte Gebot
Gottes.
Hast du dich versündiget durch frei-
willige sündhafte Gedanken, Begierden,
Blicke, und wie oft? wie oft durch Reden,
Lieder, unschickliche Kleidung und Possen?
Wie viele wurden dadurch geärgert?
Hast du gefährliche Bücher gelesen? Hast
du Vergnügen aufgesucht (Tanz, Theater
u. dgl.), die deiner Seele schadeten?
Hast du in Werken gegen dieses Gebot
gefehlt? Wie oft ist dieses geschehen? Kennst
du die Umstände, die angezeigt werden
müssen? Sind Aergernisse, häuslicher Un-
friede, zeitlicher Schaden und andere Nach-
teile aus der Sünde erwachsen, welche du
zu verantworten hast?
Gegen das siebente und zehnte Gebot Gottes.
Hast du dem Nächsten etwas genommen,
oder zu Grunde gerichtet. Gefundenes nicht
zurückgegeben? Hast du dir Betrügereien,
Fälschungen, Unredlichkeiten, Veruntreu-
ungen erlaubt? Bis zu welchem Betrage?
Hast du leichtsinnig Schulden gemacht oder
solche nicht nach Verabredung bezahlt?
Hast du durch Trunk und Spiel,
Luxus und Kleiderpracht dich und die
Deinigen in Not gebracht, oder Drittleute
geschädiget? Hast du bei unredlichen Hand-
lungen andere unterstützt, oder sie gar
dazu aufgemuntert und angeleitet? Hast du
Arbeitern und Dienstboten den Lohn vor-
enthalten, Witwen und Waisen ungerecht
ausgebeutet, von Armen Wucherzinsen
gefordert? Hast du dein Vermögen unredlich
versteuert? Hast du noch alte Ungerechtig-
keiten gut zu machen? Hast du den Willen und
freiwillige Begierden unterhalten, eine dieser
Ungerechtigkeiten zu begehen? Hast du an-
deren ihre zeitlichen Güter mißgönnt?
Gegen das achte Gebot Gottes.
Hast du gelogen aus Scherz, aus
Not, zum Schaden des Nächsten? Hast du
[493]fremde Fehler bekannt gemacht? Hast
du Verleumdungen über andere ausge-
streut? Hast du damit den Nächsten an der
Ehre oder zugleich am Verdienste oder Ge-
werbe geschädiget? Hast du nie geschwie-
gen, wo du etwas den Eltern oder Vor-
gesetzten anzuzeigen schuldig warst? Hast du
durch Ohrenblasen Haß und Unfrieden
gestiftet? Hast du falsches Zeugnis ge-
geben, und was hatte es für Folgen? Hast
du andere beschimpft? Was bist du in Be-
zug auf alle diese Sünden dem Nächsten
für Genugthuung schuldig? Hast du dich
verfehlt durch falschen Argwohn und
freventliches Urteil?
Gegen die Kirchengebote.
Hast du an verbotenen Tagen Fleisch
gegessen? Thatest du dieses aus Gleichgül-
tigkeit oder Menschenfurcht? Hast du eine
kirchlich verbotene Ehe eingegangen? Hast
du kirchliche Hindernisse verheimlicht oder
unter unrichtigen Vorgaben Dispense nach-
gesucht?
Obschon in vorstehendem die meisten
Sünden enthalten sind, so erforsche dich doch
[494] noch über die sieben Hauptsünden, die
Hoffart, den Geiz, die Unkeuschheit, den
Neid, die Unmäßigkeit, den Zorn und die
Trägheit, besonders über jene unter ihnen,
zu der du am meisten versucht wirst.
Ebenso erforsche dich über deine be-
sondern Standespflichten im ledigen
oder Ehestande, als Hausvater oder Haus-
mutter, Beamter, Geschäftsmann, Hand-
werker, Dienstbote, Arbeiter.
3. Reue und Leid.
Suche zuerst die Gesinnungen der Reue
in dir zu erwecken, bevor du die Reue in
Worten aussprichst. Beherzige auf der einen
Seite die Liebe und Liebenswürdigkeit deines
Gottes, die Wohlthaten der Erschaffung, Er-
lösung und Heiligung, das Glück der Gerechten
hier und im Jenseits; auf der anderen Seite
betrachte die Abscheulichkeit, die Bosheit und
den Undank, die in der Sünde liegen, das
Elend und die schreckliche Gefahr des Verwei-
lens in der Sünde, den Ernst der letzten Dinge.
Wenn dann Schmerz und Beschämung
und heilsame Furcht deine Seele ergreifen, so
erwecke in dir das Vertrauen auf Gottes Er-
barmen und die Verdienste Jesu Christi und
fasse einen kräftigen Vorsatz, dein Leben zu
[495] bessern. Nimm dir je nach der Beschaffenheit
deiner Sünden den büßenden Petrus, den ver-
lorenen Sohn, Magdalena oder den reumütigen
Schächer zum Vorbilde, und erst wenn du
wirklichen Reueschmerz und den ernstlichen
Willen der Besserung im Herzen gefaßt hast,
sprich dies mit folgenden Worten aus:
Allmächtiger, barmherziger Gott,
zu Dir komme ich wie der verlorne
Sohn und sage: Vater, ich habe ge-
sündigt und bin nicht mehr wert, dein
Kind zu heißen. Alle meine Sünden
sind mir von Herzen leid:
weil sie so abscheulich sind und Dir
so sehr mißfallen, –
weil ich dafür viele Strafen ver-
dient habe, – besonders aber,
weil ich Dich, den höchsten Herrn
Himmels und der Erde, meinen besten
Vater und größten Wohlthäter dadurch
beleidiget habe, –
weil ich durch meine Sünden auch
schuld gewesen bin an dem bitteren
Leiden und Sterben deines eingebornen
Sohnes, unseres Herrn Jesu Christi.
Gütigster Vater, Du willst nicht
den Tod des Sünders, sondern daß er
sich bekehre und lebe. So erbarme
Dich meiner nach deiner großen Barm-
herzigkeit, und nach der Menge deiner
Erbarmungen tilge aus meine Misse-
thaten. Um des Blutes Jesu Christi
willen sei mir armen Sünder gnädig
und barmherzig – und gib mir die
Gnade, mein Leben zu bessern und
Dich nicht mehr zu beleidigen.
Die Zeit bis zur Beicht benutze zum Ge-
bete um wahren Bußgeist und Lebensbesserung,
zur Betrachtung der letzten Dinge, zur Auf-
findung der Mittel für die Ausführung deiner
Vorsätze.
4. Nach der Beicht.
O süßester Jesu! Ich danke Dir
von ganzem Herzen für die große
Barmherzigkeit, die Du mir jetzt erwiesen
hast. Von nun an will ich Dir ge-
treu und beharrlich dienen, stets nach
deinen Geboten wandeln und lieber
sterben, als Dich wieder verlassen.
[497] Gib mir deine Gnade zur Erfüllung
dieses meines Vorsatzes. Amen.
Mußt du bald kommunizieren, so bereite
dich auf die heilige Kommunion vor. Sonst
verrichte die auferlegte Buße, soweit dieses ge-
schehen kann, und dann bete:
O gütiger Jesu! Segne meinen
Verstand, damit alle bösen und un-
nützen Gedanken aus demselben ver-
bannt werden, und nur gute Gedanken,
heilige Anmutungen und fromme Be-
gierden in meinem Geiste Zugang
finden.
Segne mein Herz, damit die gött-
liche Liebe und alle die heiligen Em-
pfindungen, von welchen dein Herz
durchdrungen war, auch mein Herz
erfüllen und ganz durchdringen mögen.
Segne meinen Willen, damit der-
selbe in allem mit dem deinigen über-
einstimme und Welt, Fleisch und Sa-
tan siegreich widerstehen möge.
Segne meinen Leib und alle meine
Sinne, damit sie gereiniget und ge-
[498] heiliget werden und in Zukunft Werk-
zeuge der Buße und guter Werke sein
mögen. Amen.
Wenn es dir ernst ist, die bei der Beicht
gemachten Vorsätze und Versprechungen zu
halten, so mußt du 1) öfters diese Vorsätze
erneuern (am Morgen) und dich über die Hal-
tung derselben erforschen (am Abend), 2) fleißig
und eifrig beten, daß Gott dir Licht und Kraft
zur Besserung verleihe, 3) die Gelegenheiten
meiden, in denen du bisher gefallen bist, 4)
dich in der Selbstverleugnung üben. ‘„Das
Himmelreich leidet Gewalt, und nur die Ge-
walt brauchen, reißen es an sich.“’ (Matth. 11,
12.) ‘„Wachet und betet, damit ihr nicht in
Versuchung fallet. Der Geist ist willig, aber
das Fleisch ist schwach.“’ (Matth. 26, 41.)
‘„Niemand wird gekrönt, er habe denn gesetz-
mäßig gekämpft.“’ (II. Tim. 2, 5.)
Kommunionandacht.
[499]Vorerinnerung.
Die heilige Kommunion ist die erhabenste
und segensreichste Handlung des Christen,
weil er da nicht bloß irgend eine besondere
Gnade, sondern den Ursprung aller Gnaden,
den göttlichen Erlöser selber in sein Herz auf-
nimmt.
Die Wirkungen der würdigen Kommu-
nion sind vorzüglich folgende: 1. Vermehrung
der heiligmachenden Gnade, 2. Schwächung der
bösen Neigungen und Kraft zum Wachstum
im Guten, 3. Tilgung der läßlichen Sünden
und Bewahrung vor Todsünden, 4. das Unter-
pfand der künftigen Auferstehung und des
ewigen Lebens. Jesus Christus selbst hat uns
die Versicherung gegeben: ‘„Wahrlich, wahrlich
sage Ich euch, wenn ihr das Fleisch des Men-
schensohnes nicht essen und sein Blut nicht
trinken werdet, so werdet ihr das Leben nicht
in euch haben. Wer mein Fleisch ißt und mein
Blut trinkt, der hat das ewige Leben, und Ich
[500] werde ihn am jüngsten Tage auferwecken.“’
(Joh. 6, 54.)
Diese Gnaden werden dem zu teil, der die
heilige Kommunion würdig empfängt. Die
würdige Kommunion erfordert eine rechte Vor-
bereitung sowohl dem Leibe als der Seele
nach. In Bezug auf den Leib gehört dazu,
daß man von Mitternacht an nüchtern sei
(außer in einer gefährlichen Krankheit), und
daß man reinlich und anständig gekleidet in
der Kirche erscheine.
Für die Seele besteht die erste Bedingung
einer würdigen Kommunion in der Reinigkeit
des Gewissens, d. h. darin, daß man von
allen schweren Sünden frei und somit
im Stande der Gnade sei. Läßliche Sünden
machen die Kommunion nicht unwürdig, doch
soll man sich auch so viel möglich von diesen
reinigen, damit die Gnade im Herren unge-
hinderter wirken kann. Wer aber wissentlich
in einer Todsünde kommuniziert, begeht eine
sehr schwere Sünde, einen erschrecklichen Gottes-
raub, wie Judas, und ißt sich das Gericht und
die Verdammnis hinein. Der heilige Apostel
Paulus hat darum die ernste Mahnung gegeben:
‘„Der Mensch prüfe sich selbst, und so esse er
von diesem Brote und trinke aus diesem Kelche.
Denn wer unwürdig ißt und trinkt, der ißt
und trinkt sich das Gericht, indem er den Leib
des Herrn nicht unterscheidet.“’(I. Kor. 11. 28.)
[501] Die unwürdige Kommunion ist das Unheil-
vollste und zugleich Thörichteste, was von einem
Christen verschuldet werden kann. Darum sei
gewissenhaft bei der vorausgehenden Beicht.
Wenn du würdig beichtest, so kannst du auch
würdig kommunizieren.
Zur Vorbereitung der Seele gehört weiter
die Andacht des Herzens, d. i. die Uebung des
Glaubens, der Hoffnung, der Liebe und der
Begierde nach der Vereinigung mit Jesus Chri-
stus. Man bedient sich hiefür der sogenannten
Kommuniongebete. Wer dazu fähig ist,
soll suchen, diese Vorbereitung ohne Gebetbuch
ans seinem Herzen zu machen. Wer sich eines
Gebetbuches bedient, lese wenig, langsam, mit
Ueberlegung. Besonders bei dieser heiligen
Handlung gilt das Wort: ‘„Wenn ihr betet,
so sollet ihr nicht viel reden.“’ (Matth. 6, 7.)
Für diesen Zweck können auch die vorausgehen-
den Andachten bei der heiligen Messe und die
unten folgenden Besuchungen des heiligsten
Altarssakramentes benutzt werden.
Die Zeit nach der heiligen Kommu-
nion ist die kostbarste im Leben des Christen,
und soll darum wohl benutzt werden. Nach
kurzer Erweckung des Glaubens, der Hoffnung
und der Liebe verwende man die Zeit für die
Uebungen der Anbetung, Verdemütigung und
Reue, der Danksagung und des Vertrauens,
der Erneuerung der Vorsätze und der vertrau-
[502] lichen Bitte für sich und andere. Um diese so
wertvollen Augenblicke recht gut benutzen zu
können, sollte man sich schon vorher auf die-
selben vorbereiten, namentlich in Bezug auf
die Anliegen, welche man dem im Herzen ge-
genwärtigen Heilande vortragen will.
Den Tag der heiligen Kommunion suche
man so viel möglich gesammelt und mit from-
men Uebungen zuzubringen.
Vor der heiligen Kommunion.
Glaube.
O Jesu, mein Erlöser! ich glaube
festiglich, daß Du in dem hochheiligen
Sakramente des Altars wahrhaft und
wesentlich gegenwärtig bist mit Fleisch
und Blut, mit Leib und Seele, mit
Menschheit und Gottheit. Und wenn
ich Dich schon darin mit meinen leib-
lichen Augen nicht sehen kann, so glaube
ich es dennoch so kräftig, daß ich mit
deiner Gnade darauf sterben wollte,
denn, o ewige Wahrheit! Du hast es
gesagt: das ist mein Leib, das ist
mein Blut, und was Du gesagt hast,
das bleibt ewig wahr.
Erlaubt es die Zeit, so kannst du den
Glauben noch durch andere Uebungen erwecken:
a. Betrachte ein Wort der heiligen Schrift
über dieses heiligste Sakrament, wie du solche
in diesem Buche in den Andachtsübungen bei
der heiligen Messe findest; b. danke Gott,
daß Er dich zum wahren Glauben, insbeson-
dere um Glauben an dieses heilige Geheimnis
berufen hat: c. erinnere dich an die Ge-
fahren und Versuchungen, die diesen dei-
nen Glauben bedrohen können; mache darauf
hin deine Vorsätze, und bitte Gott um seinen
Beistand; d. lege das Versprechen ab, immer
nach diesem Glauben zu leben, besonders in
der Heiligung des Sonntages, in der Teil-
nahme am Gottesdienste, so oft du in der
Kirche erscheinest, Füge noch ein und das an-
dere Vater unser bei um einen wahren, festen
und lebendigen Glauben.
Hoffnung.
Getreuester Heiland, freigebigster
Gott, da Du Dich selbst ganz und
gar mir geben willst, was soll ich von
Dir nicht hoffen? Du kennst meine
Schwachheiten und meine Bedürfnisse,
Du kannst und willst mir helfen, Du
hast es versprochen und ladest mich
[504] dazu ein. Gütigster Jesu! gestützt
auf dem untrügliches Wort, komme
ich mit der tröstlichen Zuversicht, Du
werdest mich Armen ohne Hilfe und
Trost von Dir nicht entlassen, sondern
meine Seele mit Gnaden stärken, sie
so reich und schon machen, daß sie Dir
gänzlich gefalle.
Uebe die Hoffnung noch besonders in fol-
genden Punkten:
a. Stelle dir die Liebe des göttlichen
Heilandes zu dir vor, die Verheißungen, die
Er gegeben, die Einladung, die Er an dich
richtet, und den Reichtum von Gnaden in diesem
heiligen Sakramente und gründe darauf deine
Hoffnung; b. blicke auf deine verkehrten
Neigungen und Schwachheiten und nahe
dich Christus wie ein Kranker dem Arzte, ein
Unglücklicher seinem Retter; c. erinnere dich,
wie die Heiligen aller Jahrhunderte nach
diesem Geheimnisse verlangt haben und was
sie in demselben für Gnaden erlangt haben,
und freue dich, daß dieselben auch dir ange-
boten werden; d. denke an deinen Haupt-
fehler, gegen welchen dir die Hilfe der Gnade
am notwendigsten ist, und erwecke in Bezug
auf diesen Hoffnung und Vertrauen; e. mache
insbesondere den Vorsatz, auch sonst diese Hoff-
[505] nung fleißig zu üben und in jeder Gefahr
und Versuchung des täglichen Lebens dich
sogleich voll Vertrauen an Christus zu wenden.
Bete ein oder mehrere Vater unser um eine
demütige, vertrauensvolle, sehnsüchtige Hoffnung.
Liebe und Begierde.
O Gott meines Herzens! Dich liebe
ich über alles aus meiner ganzen
Seele, aus meinem ganzen Gemüte
und aus allen meinen Kräften, weil
Du würdig bist über alles geliebt zu
werden. Aus Antrieb dieser Liebe
verlangt mein Herz sich mit Dir zu
vereinigen, und ganz dein eigen zu
sein. Komme, liebreichster Jesu! nimm
dasselbe vollkommen ein. Mache da-
mit, was Du willst, es ist nicht mehr
mein, sondern dein. Ja, in Dir al-
lein soll es leben, Dich allein soll es
lieben und loben in Ewigkeit. Komm,
o mein Jesu, komm!
Weitere Uebungen der Liebe: a. erinnere
dich, wie Christus zur Rechten des Vaters
von dem ganzen Himmel verherrlicht wird,
[506] und doch dein armseliges Herz als Wohnung
nicht verschmäht; b. überblicke die Wohl-
thaten, welche Er dir aus reiner, uneigen-
nütziger Liebe zukommen ließ, und übe Akte
der Dankbarkeit und Gegenliebe; c. erinnere
dich an deine Unehrerbietigkeiten und deinen Un-
dank gegen Christus, deine vielen Sünden
und Ungerechtigkeiten, und erfülle dein Herz
mit jener Beschämung und Reue, die von der
wahren Liebe eingegeben werden; d. bringe
Christus als Opfer der Liebe deine guten
Vorsätze, die kommenden Arbeiten und Leiden
und auch einige freiwillige Werke der Selbst-
verleugnung dar. Bete einige Vater unser um
eine innige, reumütige, opferwillige Liebe zu
Christus.
Bei der heiligen Kommunion.
Vermeide auf der einen Seite sorgfältigst
jede freiwillige Zerstreuung, und auf der an-
dern ebenso jede Ueberanstrengung oder Er-
zwungenheit in der Andacht. Suche vielmehr
mit aller Ruhe gläubig daran zu deuten, was
Heiliges du vornimmst, und demütig, vertrau-
ensvoll, mit kindlichem Sinn den Heiland zu
erwarten und zu empfangen. Du mußt Ihm
nichts entgegenbringen als ein reines und em-
pfängliches Herz, das weitere ist dann Sache
seiner Freigebigkeit. Bitte den heiligen Schutz-
[507] engel, in diesen heiligen Augenblicken jede Zer-
streuung und Versuchung von dir ferne zu
halten. Beim Gange zur Kommunionbank, an
derselben und bei der Rückkehr, betrachte die
Worte, mit denen die heilige Kommunion ge-
spendet wird: O Herr, – (übe den Glauben
und die Anbetung) – ich bin nicht würdig,
daß Du eingehest unter mein Dach –
(hier erwecke Reue und Demut), – sondern
sprich nur ein Wort, so wird gesund
meine Seele, – (erwecke Vertrauen und
Sehnsucht).
Nach der heiligen Kommunion.
Betrachte, was oben vor der heiligen
Kommunion empfohlen worden. Begrüße Jesum
nicht bloß mit dem Munde, sondern mit ge-
rührtem Herzen ungefähr also:
O liebreichster Jesu! nun habe ich
gefunden, was ich gesucht habe, nämlich
Dich, meinen einzigen Trost, meine
einzige Hoffnung, den einzigen Schatz
meiner Seele. Du bist Christus, der
Sohn des lebendigen Gottes.
O mein Jesu! woher kommt mir
dieses, daß Du, mein großer Gott, Dich
würdigest, zu mir zu kommen!
O mein Jesu! ich bete Dich an,
als meinen Herrn und Gott, als mei-
nen Erlöser und Seligmacher.
O mein Jesu! ich sage Dir un-
endlichen Dank, daß Du Dich gewür-
diget hast, bei mir einzukehren, und
mich mit deinem Fleische und Blute
zu speisen.
O mein Jesu! ich opfere Dir auf
meinen Leib und meine Seele und
alles, was ich habe und bin, zu dei-
nem heiligen Dienste.
O mein Jesu! bleibe bei mir mit
deiner Gnade, und stärke mich durch
die Kraft dieses heiligen Sakramentes
jetzt und in der Stunde des Todes.
O heiliges Gastmahl, in welchem
wir Christus empfangen und das An-
denken seines Leidens feiern. Das
Herz wird darin mit Gnade erfüllt,
und uns gegeben das Unterpfand der
künftigen Herrlichkeit.
Bete Jesum Christum in dir an, danke
Ihm, erwecke den Glauben, die Hoffnung und
[509] die Liebe, opfere Ihm dich und all das Dei-
nige auf, erneuere deine Vorsätze, trage Ihm
deine Anliegen und Bitten für dich und an-
dere vertraulich vor. Thue das bloß innerlich
oder in folgenden und ähnlichen Gebeten.
Sieben Worte zum göttlichen Heilande.
1. Ich weiß, o Herr Jesu Christe,
daß ich ein großer Sünder bin. Ich
würde verzagen, wenn ich nicht schon
lange wüßte, wie barmherzig Du alle
Sünder aufnimmst, und auch mich
nicht zurückweisest. Ich danke Dir für
deine übergroße Huld.
2. Ich bin jetzt im Frieden mit
meinem Nächsten. Ich will alle Be-
leidigungen vergessen, da Du mir meine
viel größere Schuld so gnädig verzie-
hen hast. Ich preise von Herzensgrund
deine Liebe und Güte.
3. Ich betrachte dein Leiden am
Kreuze für mich armen Sünder, deine
Herrlichkeit im Himmel und daneben
deine armselige Wohnung in meinem
Herzen. Ich werde ganz beschämt we-
[510] gen deiner Herablassung und meiner
Armseligkeit, aber auch ganz selig,
wegen meines unverdienten Glückes,
das mir in der Vereinigung mit Dir
zu teil geworden ist.
4. Ich werfe mich ehrfurchtsvoll
nieder vor deiner Majestät und bete
Dich an mit aller Demut und Ehr-
erbietigkeit, deren ich fähig bin. Ich
vereinige meine armselige Huldigung
mit den Lobpreisungen der himmlischen
Heerscharen.
5. Ich will, o Herr Jesu Christe,
mit deiner Gnade mein Leben bessern
und nach deinem Wort und Beispiel
einrichten. Gib nur die Liebe zu Dir,
erhalte und vermehre sie in mir, und
ich bin reich und glücklich genug.
Hier erneuere deine Vorsätze und bitte
den Heiland um seine Gnade.
6. O Herr Jesu Christe! Du Stärke
der Schwachen, Du Helfer der Armen
und Elenden, Du kennst meine An-
liegen und Bedürfnisse besser als ich
[511] selber. Sei Du in denselben meine
Hilfe und mein Trost.
Hier trage dem Heilande deine Bitten und
Anliegen vor.
7. Du hast Dich, o Herr Jesu
Christe, mir ganz und gar geschenkt.
Ich schenke Dir dafür mein Herz, meine
Seele mit allen ihren Kräften, mein
Leben mit allen Arbeiten, Leiden und
Ueberwindungen. Es ist das nur eine
armselige Gegengabe, aber es ist alles,
was ich habe. Heilige es und weihe
es durch die Vereinigung mit deinen
unendlichen Verdiensten.
Hier bringe Christus alle deine guten Werke,
Leiden und Ueberwindungen als Opfer dar.
Gebet des hl. Ignatius.
1) Jedesmal 300 Tage Ablaß. 2)
7 Jahre Ablaß einmal täglich für alle
Gläubigen, welche es nach Empfang der hei-
ligen Kommunion beten. 3) Vollkommener
Ablaß einmal im Monat an einem beliebigen
Tage, wenn einen Monat lang täglich wenig-
stens einmal gebetet. Bedingungen: Beicht,
Kommunion, Kirchenbesuch, Gebet nach Mei-
nung des Papstes. – Pius IX., 9. Jan. 1854.
Besonderer Segen nach der Kommunion
für Hausmütter.
Du hast, o Jesu, alle Wohnungen,
in welche Du während deines irdischen
Lebens einkehrtest, mit einer besonde-
ren Gnade beglückt; heute bist Du
auch bei mir eingekehrt; ich besitze
Dich nun, und werde Dich nicht ent-
lassen, bis Du mich gesegnet hast.
[513] Oeffne deshalb deine segensreiche Hand,
und erfülle meine arme Seele, und
die mir anvertraute Wohnung mit
deinen himmlischen Gaben. Vertreibe
aus meinem Hause allen Zorn und
Hader, alles Mißtrauen und allen
Unfrieden; wende gnädig alles Uebel
ab, das uns an Leib oder Seele scha-
den könnte.
O freigebigster Jesu! Laß meiner
Wohnung durch deine Gegenwart Heil
widerfahren, und teile deine Gnaden
ebenso reichlich mit, wie Du sie in dem
Hause des Zachäus, des Matthäus,
der Martha und bei der Hochzeit zu
Kana mitgeteilt hast. Dir übergebe
ich gänzlich mich und die Meinigen;
schalte und walte, herrsche und regiere
über alles nach deinem Wohlgefallen.
Gib uns die tägliche Nahrung, gib
Frieden und Eintracht, gib Geduld in
Widerwärtigkeiten, Beständigkeit in
deinem Dienste und in deiner Gnade;
gib mir Eifer und Wachsamkeit in
[514] der Sorge für die Meinigen, bewahre
sie vor Aergernis und Verführung,
laß alle wachsen in der Gottesfurcht
und Tugend, gib uns endlich, daß wir
nach einem wohlvorbereiteten Tode in
die Wohnungen der Auserwählten und
zu deiner glückseligen Anschauung ge-
langen mögen. Amen.
Ablaßgebete.
Durch die Freigebigkeit der Kirche ist es
möglich gemacht, fast bei jeder heiligen Kom-
munion unter irgend einem Titel einen voll-
kommenen Ablaß zu gewinnen. Die christliche
Liebe zu sich selber und zu den armen Seelen er-
laubt dem Christen nicht, diese Gelegenheit un-
benutzt zu lassen. Darum folgen hier noch
Ablaßgebote, welche nebst Erfüllung der übrigen
Bedingungen in der Regel für Erlangung
eines vollkommenen Ablasses gefordert werden.
1. O Gott! Du höchster Hirt und
Vater der Gläubigen! der Du durch dei-
nen Geist den ganzen Leib deiner Kirche
leitest und heiligest, und durch Jesum
Christum die Herrlichkeit deines Na-
[515] mens allen Völkern kund gemacht hast,
erhalte und befördere das Werk deiner
Erbarmung, damit deine Kirche wachse
in allem Guten, und sich ausbreite
über die ganze Erde, und in dem
Bekenntnisse deines Namens standhaft
verharre.
Vater unser. Ave Maria.
2. Höchster und ewiger Hirt Je-
sus Christus, wir empfehlen Dir un-
sern Heiligen Vater, den Papst N. N.,
deinen Stellvertreter auf Erden. Er-
höre seine Gebete und erfülle seine
Wünsche, die deine Ehre und
das Beste der Kirche bezwecken. Leite,
erleuchte, stärke, verteidige und unter-
stütze ihn, damit er der Kirche jeder-
zeit würdig vorstehe.
Vater unser. Ave Maria.
3. O Gott, der Du den Frieden
gibst und die Einigkeit liebst, verleihe
allen christlichen Regenten und Obrig-
keiten, deinen Dienern, vollkommene
Eintracht im Guten, entferne alle Kriege,
[516] Unruhen und Zwistigkeiten, damit deine
Gläubigen in voller Freiheit des Glau-
bens und im Frieden Dir dienen
mögen.
Vater unser. Ave Maria.
4. Allmächtiger, ewiger Gott! der
Du alle Seelen zur Seligkeit berufest,
und nicht willst, daß eine verloren
gehe, siehe gnädig herab auf die See-
len, welche noch in den Banden der
Unwissenheit und des Irrtums gefan-
gen sind. Verleihe den Christen, daß
sie alle Spaltungen aufheben, alle
Irrtümer ablegen, zur Einheit in dei-
ner Wahrheit zurückkehren, und durch
treue Befolgung deiner Gebote das
ewige Leben erlangen.
Vater unser. Ave Maria.
5. Allmächtiger, ewiger Gott! er-
zeige Dich gnädig und barmherzig ge-
gen dein ganzes christliches Volk; be-
kehre die Sünder, stärke die Ange-
fochtenen, tröste die Betrübten, erhalte
die Gerechten und Frommen, erbarme
[517] Dich der Elenden und Notleidenden,
damit sie alle durch deine Gnade er-
leuchtet, geheiliget, gestärkt und getrö-
stet werden und zur ewigen Seligkeit
gelangen mögen.
Vater unser. Ave Maria. Glaube.
Aufopferung.
O Gott der Erbarmungen! nimm
auf unser Gebet, das wir nach unseren
schwachen Kräften zur Erlangung des
Ablasses verrichtet haben. Laß uns
durch deine unendliche Güte desselben
teilhaftig werden. Ersetze Du, was
uns von den strengen Bußübungen der
ersten Christen abgeht, durch die un-
endlichen Verdienste deines Sohnes
Jesu Christi und die Fürbitte der
allerseligsten Jungfrau Maria und
aller Heiligen. Laß uns künftig von
der Last der Sünde befreit, Dir treu
dienen und in deiner Gnade bis ans
Ende standhaft verharren, durch Je-
sum Christum, unsern Herrn. Amen.
Vor dem Bilde des Gekreuzigten.
Siehe, o mein geliebter und gü-
tiger Jesus, in deiner heiligsten Ge-
genwart werfe ich mich nieder und
bitte Dich mit lebendigstem Eifer:
präge tief ein in mein Herz die Ge-
fühle des Glaubens, der Hoffnung,
der Liebe, des Schmerzes über meine
Sünden und des Vorsatzes, Dich nicht
mehr zu beleidigen; indem ich mit
aller Liebe und allem Mitleid deine
heiligen fünf Wunden betrachte, zu-
nächst mir vor die Seele führend, was
von Dir, o mein Jesus, der heilige
Prophet David gesagt hat: Sie ha-
ben durchbohrt meine Hände und
meine Füße; alle meine Gebeine
haben sie gezählt. (Ps. 21. 17, 18.)
Vollkommener Ablaß, wenn man dieses
Gebet vor irgend einem Bilde des Ge-
kreuzigten andächtig verrichtet. Bedingungen:
Beichte, Kommunion, und eine Zeit lang from-
mes Gebet nach Meinung des Papstes. –
Pius IX., 31. Juli 1858.
Verschiedene Andachten.
[519]Zur heiligen Fastenzeit.
Stationenandacht.
V. und A. Ich arme elende Krea-
tur werfe mich nieder zur Erde, – und
in tiefster Demut bete ich Dich an als
meinen Gott und Herrn. – Ich glaube
an Dich, o unfehlbare, ewige Wahr-
heit! – ich hoffe auf Dich, o unermeß-
liche, hilfreiche Barmherzigkeit! – ich
liebe Dich aus dem Grunde meiner Seele
über alles, – o unendliche, aller Liebe
würdigste Gütigkeit! – Und eben aus
diesem Beweggrunde reut es mich von
[520] ganzem Herzen, – daß ich Dich, o höch-
stes Gut, jemals beleidiget habe. – Von
nun an will ich hassen und verab-
scheuen alle Sünden und jede böse Ge-
legenheit, – da ich jetzt zu deiner größeren
Ehre, – zur Nachfolge Mariä, der schmerz-
haften Mutter, – wie auch jener Hei-
ligen, – welche Dich auf den Kalvarien-
berg begleitet haben, – den heiligen
Kreuzweg antrete – und die dabei ver-
liehenen Ablässe zu gewinnen gedenke,
– den ersten für mich selbst, – die übrigen
für jene Seelen im Fegfeuer, – gegen
welche ich die meiste Schuldigkeit habe.
Erste Station.
V. Jesus wird von Pilatus zum
Tode des Kreuzes verurteilt.
Wir beten Dich an, Herr Jesus
Christus, und benedeien Dich;
A. Denn durch dein heiliges Kreuz
hast Du die ganze Welt erlöst.
V. O Jesu, ganz unschuldig zum
grausamen Tode des Kreuzes verurteilt!
[521] aus Liebe zu Dir bereue und beweine
ich meine Sünden. Sei mir ein gnä-
diger Richter und verurteile mich nicht
zum ewigen Tode. – Vater unser.
V. Erbarme Dich unser, o Jesu,
erbarme Dich unser,
A. Und sei uns gnädig wegen dei-
nes allerheiligsten Leidens!
Zweite Station.
V. Jesus nimmt das schwere Kreuz
auf seine Schultern.
Wir beten Dich an, Herr Jesus
Christus, und benedeien Dich;
A. Denn durch dein heiliges Kreuz
hast Du die ganze Welt erlöst.
V. O Jesu, Du nimmst ganz ge-
duldig das Kreuz auf Dich; aus Liebe
zu Dir unterwerfe ich mich dem Kreuze
und will es tragen nach deinem Wil-
len. Stärke und tröste mich in allem
Kreuz und aller Widerwärtigkeit. –
Vater unser.
V. Erbarme Dich unser, o Jesu,
erbarme Dich unser,
A. Und sei uns gnädig wegen dei-
nes allerheiligsten Leidens!
Dritte Station.
V. Jesus fällt das erste Mal un-
ter dem Kreuze.
Wir beten Dich an, Herr Jesus
Christus, und benedeien Dich;
A. Denn durch dein heiliges Kreuz
hast Du die ganze Welt erlöst.
V. O Jesu, Du fällst mit dem
schweren Kreuze; meine Sünden haben
Dich niedergedrückt; ach! ich verab-
scheue nun alle. Erhalte mich, daß
ich in keine schwere Sünde falle, son-
dern in aller Demut Dir diene. –
Vater unser.
V. Erbarme Dich unser, o Jesu,
erbarme Dich unser,
A. Und sei uns gnädig wegen
deines allerheiligsten Leidens!
Vierte Station.
V. Jesus begegnet seiner betrübten
Mutter.
Wir beten Dich an, Herr Jesus
Christus, und benedeien Dich;
A. Denn durch dein heiliges Kreuz
hast Du die ganze Welt erlöst.
V. O Jesu, mit dem Kreuze be-
laden, begegnest Du deiner schmerz-
vollen Mutter; herzliches Mitleid trage
ich gegen Dich mit Maria. Durch
die Fürbitte dieser schmerzhaften Mut-
ter gib mir eine standhafte Liebe. –
Vater unser.
V. Erbarme Dich unser, o Jesu,
erbarme Dich unser,
A. Und sei uns gnädig wegen dei-
nes allerheiligsten Leidens!
Fünfte Station.
V. Simon von Cyrene hilft Jesu
das Krenz tragen.
Wir beten Dich an, Herr Jesus
Christus, und benedeien Dich;
A. Denn durch dein heiliges Kreuz
hast Du die ganze Welt erlöst.
V. O Jesu, Simon hilft aus Zwang
Dir das Kreuz tragen; mit Dir will
ich geduldig leiden und nehme das
Kreuz auf mich. Ich hoffe auf deine
Gnade, laß mich nicht unterliegen. –
Vater unser.
V. Erbarme Dich unser, o Jesu,
erbarme Dich unser,
A. Und sei uns gnädig wegen dei-
nes allerheiligsten Leidens!
Sechste Station.
V. Veronika reicht Jesu das Schweiß-
tuch dar.
Wir beten Dich an, Herr Jesus
Christus, und benedeien Dich;
A. Denn durch dein heiliges Kreuz
hast Du die ganze Welt erlöst.
V. O Jesu, dem Veronika den
Schleier ihres Hauptes als ein Schweiß-
tuch überreicht, dein blutiges Angesicht
bewegt mein Herz zur Liebe und zum
[525] Mitleid. Drücke dein Leiden und deine
Wunden tief in mein Herz. – Va-
ter unser.
V. Erbarme Dich unser, o Jesu,
erbarme Dich unser!
A. Und sei uns gnädig wegen dei-
nes allerheiligsten Leidens!
Siebente Station.
V. Jesus fällt das zweite Mal un-
ter dem Kreuze.
Wir beten Dich an, Herr Jesus
Christus, und benedeien Dich;
A. Denn durch dein heiliges Kreuz
hast Du die ganze Welt erlöst.
V. O Jesu, Du fällst wieder mit
dem Kreuze, und ich beweine wieder
meine Sünden und verwerfe die Last
derselben. Gib, daß ich dein süßes
Joch beharrlich trage. Vater unser.
V. Erbarme Dich unser, o Jesu,
erbarme Dich unser,
A. Und sei uns gnädig wegen dei-
nes allerheiligsten Leidens!
Achte Station.
V. Jesus redet an die weinenden
Töchter von Jerusalem.
Wir beten Dich au, Herr Jesus
Christus, und benedeien Dich;
A. Denn durch dein heiliges Kreuz
hast Du die ganze Welt erlöst.
V. O Jesu, mit den Töchtern von
Sion beweine ich deine Schmerzen und
meine Sünden; denn ich liebe Dich,
o mein Heiland! Gib mir wahre Reue
und Leid und Verzeihung. – Vater
unser.
V. Erbarme Dich unser, o Jesu,
erbarme Dich unser,
A. Und sei uns gnädig wegen dei-
nes allerheiligsten Leidens!
Neunte Station.
V. Jesus fällt das dritte Mal un-
ter dem schweren Kreuze.
Wir beten Dich an, Herr Jesus
Christus, und benedeien Dich;
[527]A. Denn durch dein heiliges Kreuz
hast Du die ganze Welt erlöst.
V. O Jesu, nach dem dritten Fall
liegst Du auf der Erde; ich armer
Sünder verdemütige mich aufs tiefste
vor deinem heiligen Angesichte; denn
wegen meiner Sünden bin ich nicht
würdig, Dich anzusehen. O Jesu, er-
barme Dich meiner. – Vater unser.
V. Erbarme Dich unser, o Jesu,
erbarme Dich unser,
A. Und sei uns gnädig wegen dei-
nes allerheiligsten Leidens!
Zehnte Station.
V. Jesus wird seiner Kleider be-
raubt.
Wir beten Dich an, Herr Jesus
Christus, und benedeien Dich;
A. Denn durch dein heiliges Kreuz
hast Du die ganze Welt erlöst.
V. O Jesu, deiner Kleider beraubt
und mit bitterem Tranke getränket!
Deine Unschuld und Reinigkeit ver-
[528] leiden mir alle Sünden und Eitelkeit.
Gib mir das Kleid der Gnade und
Ehrbarkeit, die Tugenden der Reinig-
keit und Mäßigkeit. – Vater unser.
V. Erbarme Dich unser, o Jesu,
erbarme Dich unser,
A. Und sei uns gnädig wegen dei-
nes allerheiligsten Leidens!
Elfte Station.
V. Jesus wird aufs schmerzlichste
an das Kreuz genagelt.
Wir beten Dich an, Herr Jesus
Christus, und benedeien Dich;
A. Denn durch dein heiliges Kreuz
hast Du die ganze Welt erlöst.
V. O Jesu, wie hart bist Du ans
Kreuz genagelt! O Liebe, ich liebe
Dich; o Schmerz meines Jesu, durch-
dringe mich! O Jesu, gib, daß ich
mein Fleisch kreuzige mit allen bösen
Gelüsten. – Vater unser.
V. Erbarme Dich unser, o Jesu,
erbarme Dich unser,
A. Und sei uns gnädig wegen dei-
nes allerheiligsten Leidens!
Zwölfte Station.
V. Jesus wird erhöht und stirbt
am Kreuze.
Wir beten Dich an, Herr Jesus
Christus, und benedeien Dich;
A. Denn durch dein heiliges Kreuz
hast Du die ganze Welt erlöst.
V. O Jesu, Du stirbst an dem
Kreuze für mich. Ich glaube an Dich,
ich hoffe auf Dich, ich liebe Dich, ich
bete Dich an und danke Dir. O Jesu,
gedenke meiner in deinem Reiche, und
gib mir ein glückseliges Ende. – Va-
ter unser.
V. Erbarme Dich unser, o Jesu,
erbarme Dich unser,
A. Und sei uns gnädig wegen dei-
nes allerheiligsten Leidens!
Dreizehnte Station.
V. Der Leichnam Jesu wird vom
Kreuze abgenommen und in den Schoß
Mariä gelegt.
Wir beten Dich an, Herr Jesus
Christus, und benedeien Dich;
A. Denn durch dein heiliges Kreuz
hast Du die ganze Welt erlöst.
V. O Jesu, Du liegst im Schoße
deiner betrübten Mutter. Ich küsse
mit ihr deine heiligen Wunden aus
wahrer Liebe. Gib, daß ich mit Dir
bis in den Tod gehorsam werde. –
Vater unser.
V. Erbarme Dich unser, o Jesu,
erbarme Dich unser,
A. Und sei uns gnädig wegen
deines allerheiligsten Leidens!
Vierzehnte Station.
V. Der Leichnam Jesu wird in das
Grab gelegt.
Wir beten Dich an, Herr Jesus
Christus, und benedeien Dich;
A. Denn durch dein heiliges Kreuz
hast Du die ganze Welt erlöst.
V. O Jesu, nach deinem Leiden
und Sterben ins Grab gelegt! ich
schenke Dir mein Herz. Reinige es
und verbleibe in demselben durch deine
Gnade und Liebe in Ewigkeit. – Va-
ter unser.
V. Erbarme Dich unser, o Jesu,
erbarme Dich unser,
A. Und sei uns gnädig wegen dei-
nes allerheiligsten Leidens!
Aufopferung.
V. u. A. O gütigster Jesu, – nun
sage ich Dir Dank für die große Barm-
herzigkeit, – welche Du mir in Verrich-
tung dieses Kreuzweges verliehen hast. –
Ich opfere Dir denselben auf, – zur
Verehrung deines bitteren Leidens und
Sterbens, – zur Verzeihung meiner be-
gangenen Sünden – und zur Nachlassung
der wohlverdienten Strafen; – zur Hilfe
und zum Troste der armen Seelen in
[532] den Leiden des Fegfeuers. – Endlich bitte
ich Dich demütig, o Jesu, – Du wol-
lest alle meine Schritte und Tritte leiten
auf dem Wege des ewigen Heiles, – und
so dein heiligstes Blut – dein kostbares
Leiden und Sterben – an meiner armen
Seele nicht lassen verloren gehen, – son-
dern dieselbe in die ewige Freude und
Seligkeit aufnehmen, – wo Du mit dem
Vater und dem heiligen Geiste lebst
und regierst von Ewigkeit zu Ewig-
keit. – Amen.
Auslegung des Vater unser und des
englischen Grußes.
Das Vater unser vereinigt alle Vorzüge
eines Gebetes in sich. Es ist heilig und ehr-
würdig durch seinen Ursprung, einfach in seinen
Worten und doch überaus erhaben nach seinem
Inhalte, geweiht durch den frommen Gebrauch
vieler Jahrhunderte, ein vorzügliches Mittel,
sowohl gemeinsam mit andern zu beten, als
jedes besondere Anliegen Gott vorzutragen.
Darum wird es so allgemein gebraucht im Hause
Gottes, im Familienkreise und im stillen Käm-
merlein.
Wenn viele Christen dasselbe ohne An-
dacht hersagen und so den Herrn bloß mit
den Lippen preisen, so liegt der Grund nicht
im Gebete und nicht in der öfteren Wieder-
holung desselben. Im Himmel ertönt ewig
das ‘„Heilig, heilig, heilig“’, ohne daß diese Worte
leer oder veraltet werden, weil sie einer ewig
frischen Liebe und Begeisterung zum Ausdrucke
dienen. Wer den Geist des Gebetes hat, wird
niemals bloß Worte hersagen oder repetieren,
sondern beten, auch wenn er dieselben Gebete
öfters wiederholt.
Das andächtige Beten des Vater unser
wird um vieles erleichtert, wenn man sich
bemüht, betrachtend seinen Inhalt zu erfassen.
Nachstehende Andacht soll als Hilfsmittel dienen,
mit den Worten die entsprechenden Gesinnungen
zu verbinden, in allbekannte Gebetsformeln
seine eigenen Anliegen und Bedürfnisse hinein-
zulegen, um so im Gebete aufrichtig und von
Herzen mit Gott zu reden. Wer jeden Sonn-
tag eine einzige Bitte betrachtend durchgeht,
wird davon nicht geringen Gewinn haben.
Es ist sehr zu empfehlen, dann und wann
das Gebet des Herrn langsam zu beten, und
bei jeder Bitte etwas inne zu halten, um auch
ohne Buch deren Inhalt zu beherzigen.
Das Gesagte gilt auch von allen andern
mündlichen Gebeten, besonders von dem eng-
lischen Gruße, der namentlich im heiligen Ro-
[534] senkranz als geeignetes Mittel dient, die Ge-
heimnisse der Erlösung zu betrachten.
Vater unser, der Du bist im Himmel.
Erwägungen: ‘„Sehet, spricht der
heilige Johannes, welche Liebe uns der
Vater erwiesen hat, daß wir Kinder
Gottes heißen und sind.“’ (I. Joh. 3,
1.) Der hl. Chrysostomus ruft aus:
‘„O welches Uebermaß der göttlichen
Menschenfreundlichkeit, und welche Fülle
der Ehre für uns; erwäge und staune,
Geliebter, über den unaussprechlichen
Reichtum der Güte Gottes, indem Er
uns gestattet, Ihn Vater zu nennen.
Der Irdische darf den Himmlischen, der
Sterbliche den Unsterblichen, der, welcher
gestern noch Staub war, darf den Vater
nennen, der von Ewigkeit her Gott ist.“’
Obschon Gott an allen Orten ge-
genwärtig ist, so will doch Jesus Chri-
stus, daß wir uns bei dem Gebete da-
ran erinnern, daß Er im Himmel seine
Herrlichkeit offenbart, dort von den
[535] Engeln und Heiligen ehrfurchtsvoll an-
gebetet wird, und daß dort Jesus Chri-
stus als unser Mittler und Fürsprecher
zu seiner Rechten sitzt.
Anmutung, O Herr des Him-
mels! mit heiliger Freude rede ich Dich
als Vater an. In der Einfalt meines
Herzens will ich Dir meine Ehrfurcht,
Liebe und Dankbarkeit darbringen und
Dir meine Sorgen und Leiden klagen.
Ich habe ein großes Vertrauen auf
den süßen Vaternamen, mit dem ich
Dich anreden darf, auf deine unermeß-
liche Liebe und Güte, auf die Verdienste
deines Sohnes, auf die Fürbitte der
Engel und Heiligen. Würdige mich,
mit meinen schwachen Seufzern mitein-
zustimmen in die reinen und unbefleck-
ten Lobpreisungen der seligen Himmels-
bewohner.
Geheiliget werde dein Name.
Erwägungen: Der Name Gottes
soll im Munde der Menschen dazu
[536] dienen, Gott zu loben und zu verherr-
lichen und Segen und Gnade von oben
herabzuziehen. Wenn du wirklich Gott
als deinen Vater liebst, so muß dir
sein Name heilig sein, du mußt ihn
ehrfurchtsvoll gebrauchen, mutvoll vor
den Menschen bekennen, in allem dei-
nem Thun und Lassen seine Ehre zu
fördern suchen. Du mußt wünschen,
daß dieser Name von allen Menschen
erkannt und geheiliget werde, dich freuen
über alles, was zu seiner Ehre geschieht,
trauern über alle Gotteslästerungen und
Beleidigungen Gottes. Wie vieles hast
du in dieser Hinsicht dir selber vorzu-
werfen? Wie vieles geschieht in der
Welt gegen die Ehre des Allerhöch-
sten? Bringe diese erste Bitte Gott
jedesmal dar zur Sühnung dieser Sün-
den und zur Erlangung einer großen
Ehrfurcht vor dem heiligen Namen Gottes
für dich und andere.
Anmutung. Mache, o Herr, daß
wir Dich im Geiste und in der Wahr-
[537] heit anbeten, daß wir deinen Namen,
der furchtbar und heilig ist, bekennen
vor den Menschen, daß alle Völker Dich
erkennen und kommen, vor Dir anzu-
beten, daß alle Dich loben und ver-
herrlichen in deinen Werken und deinen
hl. Namen preisen, der lobwürdig und
erhaben ist in Ewigkeit.
Zukomme uns dein Reich.
Erwägungen. Das Reich Gottes
ist in uns, wenn wir an Christus und
seine Lehre glauben, wenn wir frei von
schweren Sünden im Stande der Gnade
leben, wenn wir Gottes Gebote beob-
achten und Ihn lieben und ehren. Das
Reich Gottes ist um uns in der Kirche
Jesu Christi. Wir müssen uns freuen,
Kinder dieses Reiches zu sein, und den
Herrn bitten, daß Er alle unsterblichen
Seelen dieses Glückes teilhaftig machen
möge. Das Reich Gottes ist über uns
in der ewigen Seligkeit, dem höchsten
[538] Ziele unserer Hoffnung, wofür alles
andere nur Vorbereitung ist. Bete
diese Worte nie, ohne wenigstens in
einer dieser drei Beziehungen an das
Reich Gottes zu denken, und für dich
oder andere um seine Förderung zu
bitten.
Anmutung. Zukomme uns dein
Reich, welches nicht von dieser Welt ist,
welches ist Gerechtigkeit und Friede und
Freude im heiligen Geiste. Führe alle
Menschen zur Wahrheit und Gerechtig-
keit, welche ist in Jesus Christus, und
erhalte und befestige sie darin. Hilf
uns jetzt und allzeit, daß wir in die-
sem Lande der Verbannung nicht zu
Grunde gehen, sondern jetzt in deiner
Gnade leben und nach glücklich voll-
brachter Pilgerschaft zu Dir in dein
ewiges Reich gelangen mögen. Gib
uns Eifer und Kraft, damit wir keine
Mühe und Anstrengung scheuen, um
der Seligkeit des Himmels teilhaftig
zu werden.
Dein Wille geschehe, wie im Himmel, also
auch auf Erden.
Erwägungen. Der Wille des
Herrn soll geschehen an uns. Wir
sollen in Leiden den Glauben an das
Walten der göttlichen Vorsehung erwek-
ken, durch welche alles zu unserm Be-
sten angeordnet wird und mit Christus
sagen: ‘„Vater, nicht mein, sondern dein
Wille geschehe.“’ In diesem Vertrauen
und dieser Ergebung liegt die tröstlichste
Erquickung für das bekümmerte Herz.
Der Wille Gottes soll geschehen durch
uns, indem wir seine Gebote beobach-
ten. Wer den Willen des Herrn er-
füllt, der ist heilig und gerecht, schon
glücklich hienieden durch die Ruhe des
Gewissens, und ewig selig in der an-
deren Welt. Nichts geht auf Erden
über den Seelenfrieden des Gerechten.
Wie viele Uebel würden aus der Welt
verschwinden, wenn alle dem Herrn ge-
horchten, wie die Bewohner des Him-
mels? Die Erde würde gewissermaßen
[540] zum Himmel werden, die Menschen
würden Gott als ihren Vater ehren,
und Er sie als seine geliebten Kinder
segnen. Denke bei diesen Bitten an
deine Leiden, deine Vorsätze, Versuch-
ungen, erwecke die Gesinnungen der Er-
gebung, der Reue, des Gehorsams, der
Treue und des Eifers für Gottes Ehre,
und bitte um die hiezu notwendige Gnade
für dich und andere.
Anmutung. Alle Wesen im Him-
mel und auf Erden gehorchen jedem
Winke deines heiligen Willens. Nur
wir armselige Menschen nehmen uns
heraus, zum eigenen Schaden Dir zu
widerstreben. Rotte in uns aus diesen
bösen Willen und lehre uns deinen
Willen thun, wie ihn die Engel im
Himmel thun. Thue an mir und durch
mich, o Herr, was wohlgefällig ist vor
Dir, durch Jesum Christum, deinen
lieben Sohn, welcher vom Himmel
herabgestiegen ist, um deinen Willen
zu thun.
Gib uns heute unser tägliches Brot.
Erwägungen. Leben und Gesund-
heit, Ehre und Glück, alles, was wir
an Leib und Seele notwendig haben,
kommt von der Hand des Herrn. Un-
sere Bemühungen haben nur dann Er-
folg, wenn der Herr dazu Segen und
Gedeihen gibt. Niemand auf Erden kann
uns des morgigen Tages versichern,
Gott aber will heute und morgen un-
ser gütiger Vater sein. Erwecke oft den
Glauben, daß du ohne Gott nichts ver-
magst, in jeder Lage aber auf seine
Hilfe rechnen kannst, wenn du den alt-
christlichen Spruch befolgst, der da lau-
tet: Bete und arbeite. Denke bei dieser
Bitte an deine zeitlichen Sorgen und
Bedürfnisse; bedenke aber zugleich, daß
nicht bloß dein Leib, sondern auch deine
Seele der Speise bedürftig ist.
Anmutung. Aller Augen hoffen
auf Dich, o Herr, und Du gibst ihnen
Speise zur rechten Zeit. Du öffnest
[542] deine Hand, und erfüllest alle Wesen
mit Segen. Der Du die hungrigen Ra-
ben speisest, gib mir und allen Menschen,
was sie zum Leben nötig haben, Ge-
sundheit, Speise und Trank, ein frohes
Gemüt und ein großes Vertrauen auf
Dich.
Speise mich auch mit dem Brote
des Lebens, und tränke mich mit den
Wassern deiner Gnade. Gib mir das
wahre Himmelsbrot, dein Fleisch, welches
wahrhaftig eine Speise, dein Blut, welches
wahrhaft ein Trank ist, damit ich in
der Kraft dieser Speise wandle bis zu
deinem heiligen Berge, und einst ge-
würdiget werde zu essen und zu trinken
an deinem Tische in deinem Reiche.
Vergib uns unsere Schulden, wie auch
wir vergeben unsern Schuldigern.
Erwägungen. Bei dieser Bitte
soll der Christ an seine begangenen Sün-
den denken. Auch wer im Stande der
Gnade sich befindet, hat manche kleinere
[543] Sünden auf sich. Diese Bitte kann zu
deren Nachlassung führen unter zwei
Bedingungen: 1. daß sie von einer voll-
kommenen Reue begleitet ist, 2. daß
man ebenfalls allen Beleidigern ver-
zeiht. Viele Christen beherzigen viel zu
wenig das Wort des Herrn: ‘„Wenn
ihr nicht vergebet, so wird euch euer
Vater im Himmel auch euere Sünden
nicht vergeben.“’ Der wahre Diener Christi
wird diese Bitte nie beten, ohne Reue
über seine Sünden, namentlich über jene,
die erst begangen worden, oder die ihn
am meisten beunruhigen, und ohne alle
freiwillige Abneigung und allen Haß
aus seinem Herzen zu entfernen.
Anmutung. Gedenke deiner Er-
barmungen, o Herr, und deiner Barm-
herzigkeit, die von Ewigkeit ist. Der
Vergehungen meiner Jugend und mei-
ner unbewußten Sünden gedenke nicht,
sondern um deines Namens willen sei
gnädig meinen Sünden, denn ihrer
sind viele. Da Du deine Huld uns
[544] erzeigtest, da wir noch Sünder waren,
vergeben auch wir unsern Brüdern:
denn wir wissen, daß Du, himmlischer
Vater, auch gegen uns barmherzig bist,
wenn wir ihnen verzeihen. Gott sei
mir armen Sünder gnädig!
Und führe uns nicht in Versuchung.
Erwägungen. Die Versuchungen
zur Sünde kommen nicht von Gott,
sondern von Welt, Fleisch und Satan.
Gott läßt aber dieselben zu: 1. um uns
in der Demut zu erhalten, 2. um un-
sere Treue zu prüfen und unsere Un-
treue zu strafen, 3. um unseren Tugend-
eifer und unsere Verdienste zu ver-
mehren. Die Versuchungen gereichen
uns nicht zum Schaden, sondern zum
Heile, wenn wir 1. uns nicht freiwillig
in die Gefahr begeben, 2. eifrig beten
und fleißig die heiligen Sakramente
empfangen, 3. treu und beharrlich käm-
pfen. Erinnere dich bei dieser Bitte
[545] an jene Versuchungen, die dir schon oft
gefährlich wurden.
Anmutung. Bete mit Kaiser Karl
dem Großen: Ich bitte Dich, o Herr,
Du wollest allen Nachstellungen meiner
sichtbaren und unsichtbaren Feinde kräftig
widerstehen und mich armen Sünder,
der ich sonst niemand, als Dich, zu
meinem Beschützer habe, um meiner
Sünden willen nicht verstoßen und ver-
lassen, sondern von aller Bosheit, wel-
cher ich gedient, und leider noch diene,
auch von allen Nachstellungen meiner
sichtbaren und unsichtbaren Feinde um
der Ehre deines heiligsten Namens willen
erretten. Erfülle auch an mir deine Ver-
heißung: Selig der Mann, der die
Prüfung aushallet, denn wenn er be-
währt erfunden worden, wird er die
Krone des Lebens erlangen.
Sondern erlöse uns von dem Uebel.
Erwägungen. Einzig wahre Uebel
sind nur die ewige Verdammnis und
[546] das, was zu derselben führt, Unglaube,
Sünde, ein unglückseliger Tod. Bitte
um Abwendung dieser Uebel, um die
zur Erlangung der Seligkeit notwen-
digen Gnaden, besonders um eine glück-
selige Sterbestunde und thue das deinige,
um dieses Glückes teilhaftig zu werden.
Man kann bei dieser Bitte auch um
Abwendung zeitlicher Uebel bitten, doch
nicht ohne Ergebung in Gottes Willen
und mit vollem Vertrauen auf seine
Anordnungen.
Anmutung. Bewahre, o Herr,
meine Seele vor der Nacht des Unglau-
bens, dem Verderben der Sünde, dem
Tode der ewigen Verdammnis. Erhalte
mich durch deine Gnade unter der Zahl
der Kinder Gottes, und führe mich am
letzten Ende ein in die Mitte deiner
Auserwählten. Wende auch gnädig von
uns ab die vielen zeitlichen Uebel, die
wir um unserer Sünden willen verdient
haben und erlöse die armen Seelen von
ihren Peinen.
Amen. Ja, Vater, so geschehe es.
Ich vereinige meine Bitten mit denen
aller Gerechten auf Erden und aller
Heiligen im Himmel, und lege sie vor
deinem Throne nieder, voll Vertrauen
auf deine Verheißungen, auf deine Liebe
und Barmherzigkeit und die Verdienste
Jesu Christi. Es geschehe um deines
Sohnes und deiner Auserwählten wil-
len. Sie alle mögen zu meinem Flehen
sagen: Amen!
Der englische Gruß.
‘„Gegrüßet seist du.“’ – Wer
spricht diese Worte? – Der Erzengel
Gabriel. – Zu wem? – zur aller-
seligsten Jungfrau Maria. Diese Worte
bezeugen tiefe Ehrfurcht: – der Erz-
engel war Maria diese Ehrfurcht schul-
dig; denn sie sollte die Mutter seines
Königs, seine Königin werden. Welche
Ehre für Maria! – O heilige Jung-
frau, ich wünsche dir Glück zu dieser
Ehre, deren du dich durch deine Tugend
[548] so würdig erzeigt hast. – Gegrüßet
seist du auch von mir als meine Kö-
nigin, als meine Mutter, als die Mut-
ter meines Herrn! – Es ist billig, daß
ich dich in tiefster Ehrfurcht grüße, da
selbst ein Engel vor dir sich gedemütiget
hat! – Wenn ich sage: Gegrüßet seist
du! so vereinige ich mich mit dem Him-
mel und mit der Erde; denn allüberall
tönt dir dieser schöne Gruß entgegen! –
‘„Maria!“’ O der schöne Name
Maria! der liebenswürdige, trostreiche
Name! Ueberall wird er mit Freude
wiederholt. – Maria! dieser süße Name
ist die Stütze der Schwachen, der Trost
der Betrübten, die Hoffnung der Sün-
der, die letzte Hilfe der Sterbenden!
– Maria! Der Name Maria bedeutet
Meeresstern. Sie hilft uns an den
Klippen dieses Lebens glücklich vorbei-
zukommen. – Maria bedeutet Herrin,
Königin, und ist sie es nicht in der
That? – Maria bedeutet Erleuchterin,
und ist uns nicht durch sie das Licht
[549] der Welt gekommen? – O Maria, sei
mein Stern, meine Königin, meine
Leuchte!
‘„Du bist voll der Gnade!“’ –
Ihr Geist war voll der Gnade, voll
Licht und Erkenntnis; – ihr Herz war
voll Gnaden, voll Liebe und heiligen
Verlangens; ihr jungfräulicher Leib war
voll Gnaden, voll Reinheit und Heilig-
keit! – Du bist voll der Gnade! Die
Sünde konnte keinen Platz in ihr fin-
den. O unbefleckte Jungfrau! Alles in
dir ist Gnade, nichts ist Sünde! Du
bist voll der Gnaden von dem Augen-
blicke deiner unbefleckten Empfängnis
an, und durch deine treue Mitwirkung
erhieltest du später jenes reichliche, über-
fließende Maß von Gnaden, von dem
in der hl. Schrift die Rede ist. In
dem Geheimnisse der heiligen Mensch-
werdung besaßest du den Urquell aller
Gnaden selbst. Du bist voll der Gna-
den! Maria wurde mit Gnaden über-
häuft auch für uns, als unsere mäch-
[550] tige Fürbitterin. Ich will recht oft zu
dieser heiligen Quelle eilen, damit die
belebenden Ströme der Gnade auch auf
mich übergehen.
‘„Der Herr ist mit dir!“’ – Er
ist in allen gerechten Seelen, aber auf
noch viel vorzüglichere Weise in Maria,
dem gerechtesten und vollkommensten
aller Geschöpfe. Er ist mit ihr als der
Tochter des Vaters, der Mutter des
Sohnes, der Braut des heiligen Geistes.
– Der Herr ist mit dir! – Er ist
immer mit dir; Er war immer mit dir,
weil nie eine Sünde Ihn nötigte, sich
von dir zu entfernen. – O mein Gott!
sei immer mit mir, und laß nicht zu,
daß ich jemals durch eine Sünde mich
von Dir trenne!
‘„Du bist gebenedeit unter den
Weibern.“’ – Maria verkündet selbst
in ihrem Lobgesange, daß von nun an
alle Geschlechter sie selig preisen wer-
den; – und wirklich seit jenen Tagen
und überall äußert sich auf alle mög-
[551] liche Weise die innige Verehrung und
Liebe ihrer Kinder. – Welches Weib
wurde je geehrt, wie Maria! – Aber
welches ist auch dieser Ehre je so wür-
dig gewesen! –
‘„Und gebenedeit ist die Frucht
deines Leibes Jesus.“’ – Jesus!
göttlicher Name, den der Engel vom
Himmel brachte! – Jesus, der Retter
der Welt, Jesus, der Sohn des Aller-
höchsten, ist auch der Sohn Maria, die
Frucht ihres Leibes. Jesus sei gebene-
deit, gebenedeit im Himmel, gebenedeit
auf Erden! O Jesus, ich preise Dich,
ich liebe Dich, ich bete Dich an!
‘„Heilige Maria, Mutter Got-
tes!“’ – Ich wünsche dir Glück, und
freue mich, daß du die Mutter Jesu,
die Mutter Gottes bist. Du bist die
Mutter der Barmherzigkeit und auch
unsere Mutter.
‘„Bitte für uns arme Sünder!“’
Uns armseligen Menschen, schwach und
sündhaft, täglich bedroht von Leiden,
[552] Gefahren und Versuchungen, unwürdig
um unsertwillen Erhörung zu finden,
wende deine barmherzigen Augen zu,
und sei unsere Fürsprecherin bei deinem
Sohne.
‘„Jetzt“’ in den Bedrängnissen und
Gefahren des heutigen Tages, besonders
in diesem... und diesem... An-
liegen,
‘„Und in der Stunde unseres
Absterbens.“’ Komme uns alsdann
entgegen mit den Scharen der Engel,
entreiße unsere Seelen der bittern Angst
und großen Gefahr und trage sie in
die Seligkeit des Paradieses. Amen.
Das allgemeine Gebet.
Allmächtiger, ewiger Gott, – Herr
himmlischer Vater! – siehe an mit den
Augen deiner unergründlichen Barm-
herzigkeit – unsern Jammer, Elend und
Not. – Erbarme Dich über alle Christ-
gläubigen, – für welche dein eingeborner
[553] Sohn, – unser Herr und Heiland, Jesus
Christus, – in die Hände der Sünder
freiwillig gekommen ist, – und sein kost-
bares Blut am Stamme des heiligen
Kreuzes vergossen hat. – Durch diesen
Herrn Jesum wende ab, – gnädigster
Vater, – die wohlverdienten Strafen, –
gegenwärtige und zukünftige Gefahren, –
schädliche Empörung, Krieg, – Teuerung,
Krankheiten – und betrübte, armselige
Zeiten. – Erleuchte auch und stärke in
allem Guten – die geistlichen und welt-
lichen Vorsteher und Regenten, – damit
sie alles befördern, – was zu deiner
göttlichen Ehre, – zu unserem Heile, –
zum allgemeinen Frieden – und zur
Wohlfahrt der ganzen Christenheit ge-
deihen mag. – Verleihe uns, o Gott des
Friedens, – rechte Vereinigung im Glau-
ben, – ohne alle Spaltung und Tren-
nung. – Bekehre unsere Herzen – zur wah-
ren Buße und Besserung unseres Le-
bens. – Zünde an in uns das Feuer
deiner Liebe; – gib uns einen Hunger
[554] und Eifer zu aller Gerechtigkeit, – da-
mit wir als gehorsame Kinder – im
Leben und Sterben Dir angenehm und
wohlgefällig seien. – Wir bitten auch,
wie Du willst, o Gott, daß wir bitten
sollen, – für unsere Freunde und Feinde, –
für Gesunde und Kranke, – für alle be-
trübten und elenden Christen, – für Le-
bendige und Abgestorbene. – Dir, o Herr,
sei für immer empfohlen – unser Thun
und Lassen, – unser Handel und Wan-
del, – unser Leben und Sterben. – Laß
uns deine Gnade hier genießen – und
dort mit allen Auserwählten erlangen, –
daß wir in ewiger Freude und Selig-
keit – Dich loben, ehren und preisen
mögen. – Das verleihe uns, – o Herr,
himmlischer Vater, – durch Jesum Chri-
stum, deinen lieben Sohn, – unsern
Herrn und Heiland, – welcher mit Dir
und dem hl. Geiste – als gleicher Gott
lebt und regiert von Ewigkeit zu Ewig-
keit. Amen.
Die offene Schuld.
Ich, armer sündiger Mensch, – wi-
dersage dem bösen Feinde, – allen seinen
Eingebungen, Rat und That. – Ich glaube
an Gott den Vater, – an Gott den Sohn –
und an Gott den heiligen Geist. – Ich
glaube auch gänzlich alles, – was die
katholische Kirche zu glauben vorstellt. –
Mit diesem heiligen katholischen Glau-
ben bekenne ich Gott, dem Allmächti-
gen, – Maria, der hochwürdigen Mut-
ter, – allen lieben Heiligen, – und gebe
mich schuldig, – daß ich von meinen kind-
lichen Tagen an bis auf diese Stunde –
oft und viel gesündiget habe, – mit Ge-
danken, Worten und Werken – und Un-
terlassung vieles Guten; – wie denn
solches alles geschehen ist, – heimlich
oder öffentlich, – wesentlich oder un-
wissentlich, – wider die zehn Gebote, –
in den sieben Hauptsünden, – an den
fünf Sinnen meines Leibes, – wider Gott,
– wider meinen Nächsten, – und wider
[556] das Heil meiner armen Seele. – Alle
meine Sünden sind mir leid – und reuen
mich von Herzen. – Darum bitte ich
Dich demütig, – ewiger, barmherziger
Gott! – Du wollest mir deine göttliche
Gnade verleihen – und mein Leben fri-
sten so lange, – bis ich hier alle meine
Sünden möge beichten und büßen, –
deine göttliche Huld erwerben – und nach
diesem elenden Leben die ewige Freude
und Seligkeit erlangen. – Deshalb klopfe
ich an mein sündiges Herz, – und spreche
mit dem öffentlichen Sünder: ‘„O Gott,
sei mir armen Sünder gnädig!“’ Amen.
Zwei Besuchungen des allerheilig-
sten Altarssakramentes.
Christus verweilt unter Brotsgestalten im
Tabernakel, damit wir fleißig Ihm unsere Liebe
und Verehrung darbringen und in allen An-
liegen und Nöten vertrauensvoll bei Ihm Hilfe
suchen. Ein katholischer Christ soll aus Liebe
zu Christus und zu seiner Seele oft seinen
göttlichen Freund und Helfer im Tabernakel
besuchen. Wer es an Wochentagen nicht kann,
wird doch an Sonntagen einige Augenblicke
[557] erübrigen können. Die Punkte der nachfolgen-
den Besuchung sollen nur als Beispiel dienen,
wie man auf einfache und leichte, und doch
gnadenreiche Weise mit Christus im Taber-
nakel umgehen kann. Wer an einer offenen
Kirche vorbeigeht, sollte nicht unterlassen, wenig-
stens eine solche oder ähnliche Begrüßung an
den göttlichen Heiland zu richten. Auch können
sie als Nachmittagsandachten gebraucht werden.
Die erste Besuchung mag als Beispiel
dienen, wie man bei dieser Andacht die Ge-
heimnisse der Erlösung verehren kann, die
zweite, wie man sich in verschiedenen Anliegen
vertraulich an den göttlichen Heiland wenden
soll.
Erste Besuchung.
1.
O Jesus, ich bete Dich an, als den
menschgewordenen Gott unter Brots-
gestalten. – Ich danke Dir, daß Du
unsere Natur angenommen hast und
unter uns wohnen willst. Ich bitte Dich
um Verzeihung für alle Unehrerbietig-
keiten und allen Unglauben, womit die
Menschen Dich in dem heiligsten Ge-
heimnisse der Menschwerdung be-
leidigen. Ich opfere Dir auf meine Ge-
[558] bete und guten Werke und die der ganzen
Gemeinschaft der Heiligen zur Verherr-
lichung deiner Menschwerdung und zur
Förderung des Glaubens an deine Macht
und Gottheit. Amen.
2.
O Jesus, mein hier gegenwärtiger
Heiland! Ich bete Dich an in den Ge-
heimnissen deiner Kindheit und Ju-
gendzeit. Ich danke Dir, daß Du
als Kind und Jüngling unser Vorbild
werden und für unser Heil viele Opfer
bringen wolltest. – Ich bitte Dich um
Verzeihung für die Sünden meiner
Kinder- und Jugendjahre, sowie für
alle Beleidigungen, welche Dir von der
Jugend je sind zugefügt worden und
noch zugefügt werden. – Ich opfere
Dir auf meine geringen Werke, ver-
einigt mit denen aller frommen und
heiligen Kinder, um deine heilige Kind-
heit zu ehren und allen Kindern und
jungen Christen von Dir Segen und
Gnade zu erflehen. Amen.
3.
O Jesus, ich bete Dich an als mei-
nen göttlichen Lehrer, wie Du es
einst gewesen während deines Wandels
auf Erden und noch bist in der katho-
lischen Kirche. – Ich danke Dir, daß
Du uns die ewigen Wahrheiten vom
Himmel gebracht hast und durch deine
Kirche verkünden lassest. – Ich bitte
Dich um Verzeihung für meine eigene
Gleichgültigkeit in Beherzigung deiner
göttlichen Lehre, sowie für die Gering-
schätzung und Vernachlässigung deines
Wortes durch so viele Gläubige. – Ich
opfere Dir aus meine geringen guten
Werke in Vereinigung mit den Mühen
und Arbeiten der Apostel, der Glaubens-
boten und eifrigen Seelsorger, um Dich
als unsern göttlichen Lehrer anzubeten
und Dich zu bitten, daß Du die Verkünder
deines Wortes erleuchtest und stärkest, die
Gläubigen erfüllest mit Verlangen nach
deiner beseligenden Lehre und alle Men-
[560] schen zur Erkenntnis der Wahrheit führen
mögest. Amen.
4.
O Jesus, im heiligsten Altarssakra-
mente gegenwärtig, ich bete Dich an
als unsern Hohenpriester, der Du beim
letzten Abendmahl dieses heiligste
Geheimnis für uns eingesetzt hast. –
Ich danke Dir für die unendliche Liebe,
mit der Du es einsetztest, und für die
große Geduld und Langmut, Barm-
herzigkeit und Güte, welche Du fort-
während in demselben übest gegen mich
und alle sündigen Menschen. – Ich
bitte Dich um Verzeihung für alle Un-
bilden, allen Undank und alle Gleich-
gültigkeit, die Du in diesem Sakramente
der Liebe von mir und andern erfahren
mußt. – Ich opfere Dir auf meine
geringen Gebete, Arbeiten, Leiden und
Ueberwindungen, in Vereinigung mit
den Gebeten und guten Werken aller
Heiligen, um Dich in diesem Geheim-
[561] nisse zu verherrlichen und für uns un-
würdige Christen um Gnade zu bitten.
Erfülle doch, ich bitte Dich darum,
alle Herzen mit heiligem Eifer an dei-
nem heiligen Opfer fleißig teilzunehmen,
dein Fleisch und Blut würdig zu ge-
nießen. Dich oft hier andächtig zu be-
grüßen. Amen.
5.
O Jesus, hier unter Brotsgestalten
gegenwärtig, ich bete Dich an als mei-
nen göttlichen Erlöser in dem Geheim-
nis deines Leidens und Sterbens.
– Ich danke Dir für die unendliche
Liebe, mit der Du Dich zu unserem
Heile am Kreuze geopfert hast. – Ich
bitte Dich um Verzeihung für alle
Sünden, mit denen wir dein Leiden
mitverschuldet haben, und für allen Un-
dank und alle Gleichgültigkeit, durch
die wir gegen Dich, unsern gekreuzig-
ten Heiland, gefehlt haben. – Ich opfere
Dir auf meine Leiden und Ueberwin-
[562] dungen, Sorgen und Kümmernisse, in
Vereinigung mit den Peinen der Mar-
tyrer und den Opfern aller Heiligen,
um Dich als unsern gekreuzigten Er-
löser zu verherrlichen und zu bitten,
daß Du unsere Seelen in deinem hei-
ligsten Blute rein waschen und selig
machen mögest. Amen.
6.
O Jesus, im heiligsten Sakramente,
ich bete Dich an als König und Herrn
zur Rechten des Vaters. Ich
danke Dir, daß Du auf dem Throne
deiner Herrlichkeit unser gedenkest, uns
liebest, für uns sorgst, uns in diesem
Geheimnisse sogar mit deiner Gegen-
wart beglückest. – Ich bitte Dich um
Verzeihung für alle Sünden und Be-
leidigungen, die dein allwissendes Auge
täglich auf dieser Erde beobachtet, auf
die Du täglich so freigebig deine Ga-
ben und Gnaden herniedersendest. –
Ich opfere Dir auf meine geringen
[563] guten Werke in Vereinigung mit allen
guten Werken und Verdiensten der
ganzen Gemeinschaft der Heiligen, um
Dir in diesem Geheimnisse als unserem
König und Gott zu huldigen und Dich
um die Ausbreitung deines Reiches
auf Erden zu bitten. Amen.
7.
O Jesus, ich bete Dich an im hei-
ligsten Sakramente als meinen künf-
tigen Richter. – Ich danke Dir, daß
Du deine Barmherzigkeit vor deiner
Gerechtigkeit offenbarest, und bevor Du
als strenger Richter kommst, als barm-
herziger Erlöser unter uns weilen willst.
– Ich bitte Dich um Verzeihung für
meine und der ganzen Welt Sünden,
welche deine Gerechtigkeit zur Strafe
herausfordern. – Ich opfere Dir auf
meine geringen guten Werke in Ver-
einigung mit den Verdiensten deiner
Auserwählten zur Anbetung deiner
Barmherzigkeit, zur Besänftigung deiner
[564] Gerechtigkeit, zur Erlangung eines gnä-
digen Richterspruches für mich und alle
von Dir erlösten Seelen und der Zu-
lassung zu deiner beseligenden Gemein-
schaft im ewigen Leben. Amen.
Zum Schlusse erwecke jedesmal die
geistliche Kommunion.
O Jesus! Ich glaube, daß Du im
heiligsten Sakramente gegenwärtig bist.
– Ich hoffe auf deine Liebe und Barm-
herzigkeit. – Ich liebe Dich von gan-
zem Herzen. – Ich bereue alle meine
Sünden. – Ich verlange, Dich in meiner
Seele zu empfangen.- O Herr, ich
bin nicht würdig, daß Du eingehst un-
ter mein Dach, sondern sprich nur ein
Wort, so wird gesund meine Seele.
Zweite Besuchung.
1.
O Jesus im heiligsten Sakramente!
Ich begrüße Dich mit großem Ver-
trauen als Helfer in meinen Nöten.
[565] Du rufest uns liebevoll zu: Kommet
alle zu Mir, die ihr mühselig und
beladen seid, und Ich will euch erquik-
ken. Du kennst die Leiden und
Sorgen, die auf mir lasten, und
weiht auch, wie gering meine Kräfte
sind. Du weißt viel besser als ich,
was mir zum Heile dient. Darum
überlasse ich alles vertrauensvoll deiner
Weisheit und Liebe. Wenn es mög-
lich ist, so gehe dieser Kelch an mir
vorüber, doch nicht mein, sondern dein
Wille geschehe. Willst Du, daß ich
Dir mein kleines Kreuz nachtrage,
nachdem Du mir dein großes Kreuz
vorangetragen hast, so geschehe dein Wille.
Gib mir nur Kraft und Trost, Dir
auf dem Wege des Kreuzes nachzufol-
gen, und mache, daß mein Leiden Dir
zur Ehre und meiner Seele zum Heile
gereiche. Amen.
2.
O Jesus im heiligsten Sakramente!
Ich fliehe zu Dir wie ein Kind zu
[566] seinem Vater in den Versuchungen,
von denen meine Seele angefochten
wird. Aus Liebe zu mir hast Du
Dich soweit erniedrigt, daß der Ver-
sucher auch Dir nahen konnte, Du hast
ihn für mich besiegt und seine Macht
gebrochen, Du bist hier gegenwärtig,
um mir zu helfen, ebenfalls Welt,
Fleisch und Satan zu überwinden.
Blicke mitleidig herab auf die Größe
der Gefahr und meiner Schwäche, er-
fülle meine Seele mit Abscheu vor der
Sünde, mit himmlischen Gesinnungen,
mit Mut und Kraft, um dem Versu-
cher auf das Haupt zu treten, um alle
seine Fallstricke zu zerreißen und Dir
treu zu bleiben. Komm Du selber
in mein Herz, stehe mir bei in der
Versuchung, dann brauche ich keinen
Feind zu fürchten, denn Du wirst für
mich kämpfen und siegen. Amen.
3.
O Jesus im heiligsten Sakramente!
Du hast uns dieses Geheimnis hinter-
[567] lassen als ein Andenken deines Todes.
Wenn ich deines schmerzlichen Leidens
und Sterbens gedenke, werde ich auch
erinnert an meine eigene Todes-
stunde. Wie hilflos und geängstiget
wird meine arme Seele in dieser Stunde
voll Schrecken und Gefahren sein! Ich
bitte Dich um deines für mich ver-
gossenen Blutes willen, stärke alsdann
meine Seele durch den würdigen Ge-
nuß deines Fleisches und Blutes, hilf
mir im letzten Kampfe und nimm
mich auf in die selige Gesellschaft dei-
ner Auserwählten, damit ich Dich, den
ich jetzt im Glauben unter Brotsge-
stalten anbete, im Himmel von An-
gesicht zu Angesicht ewig schauen und
lobpreisen kann. Amen.
4.
Für Eltern.
O Jesus im heiligsten Sakramente!
Die Liebe, welche Du im Evangelium
gegen die Kinder gezeigt hast, erfüllt jetzt
[568] noch dein Herz, und auch uns rufest
Du zu: Lasset die Kleinen zu Mir
kommen! Gerne folge ich dieser Ein-
ladung; denn mein Herz wird schwer
geängstiget, wenn ich hinblicke auf den
Wert einer unschuldigen Kinderseele,
auf die Gefahren, welche sie bedrohen,
auf meine Unfähigkeit für Erfüllung
meiner Pflichten, auf die einstige Ver-
antwortung vor deinem Richterstuhle.
Darum lege ich meine Kinder in deine
Hände, übergebe sie Dir als Eigen-
tum, stelle sie ganz unter deinen Schutz
und Schirm. Ich will nur dein Die-
ner und Stellvertreter sein, der in
deinem Namen und Auftrage und mit
deinem Beistande für die Kinder sorgt.
Ich will so oft als möglich hier er-
scheinen, um von Dir Segen und
Gnade für Erfüllung meiner Eltern-
pflichten zu empfangen, um bei Dir
Trost und Aufmunterung in meinen
Sorgen und Kümmernissen zu suchen.
Entlasse mich niemals ohne neue Gnade
[569] und neuen Trost, segne jedesmal mich
und meine Kinder, daß wir mitein-
ander den Weg des Heiles wandeln
und einst miteinander zu deiner seli-
gen Anschauung gelangen mögen. A.
Geistliche Kommunion wie oben.
In ähnlicher Weise kann und soll der
gläubige Christ über alle eigenen und fremden
Anliegen und Bedürfnisse mit dem göttlichen
Heilande im Tabernakel sich unterhalten.
Litanei vom heiligsten Namen Jesu.
(Einmal täglich 300 Tage Ablaß. –
Leo XIII., 16. Januar 1886.)
Herr, erbarme Dich unser! – Chri-
stus, erbarme Dich unser! – Herr,
erbarme Dich unser!
Jesus, höre uns! – Jesus, erhöre
uns!
Gott Vater vom Himmel, erbarme Dich
unser!
Gott Sohn. Erlöser der Welt, erbarme
Dich unser!
Gott heiliger Geist, erbarme Dich unser!
[570] Heilige Dreifaltigkeit, ein einiger Gott,
erbarme Dich unser!
Jesu, Du Sohn des lebendigen Gottes*)
Jesu, Du Abglanz des Vaters,
Jesu, Du Klarheit des ewigen Lichtes,
Jesu, Du König der Herrlichkeit,
Jesu, Du Sonne der Gerechtigkeit,
Jesu, Du Sohn der Jungfrau Maria,
Du liebenswürdigster Jesu,
Du wunderbarer Jesu,
Jesu, Du starker Gott,
Jesu, Du Vater des zukünftigen Le-
bens,
Jesu, Du göttlicher Ratgeber,
Du mächtigster Jesu,
Du geduldigster Jesu,
Du gehorsamster Jesu,
Jesu, sanftmütig und demütig von
Herzen,
Jesu, Du Liebhaber der Keuschheit,
Jesu, unser Liebhaber,
Jesu, Du Gott des Friedens,
[571] Jesu, Du Urheber des Lebens, erbarme
Dich unser!
Jesu, Du Vorbild der Tugenden,*)
Jesu, Du Eiferer der Seelen,
Jesu, unser Gott,
Jesu, unsere Zuflucht,
Jesu, Du Vater der Armen,
Jesu, Du Schatz der Gläubigen,
Jesu, Du guter Hirte,
Jesu, Du wahres Licht,
Jesu, Du ewige Weisheit,
Jesu, Du unendliche Güte,
Jesu, unser Weg und unser Leben,
Jesu, Du Freude der Engel,
Jesu, Du König der Patriarchen,
Jesu, Du Meister der Apostel,
Jesu, Du Lehrer der Evangelisten,
Jesu, Du Stärke der Martyrer,
Jesu, Du Licht der Bekenner,
Jesu, Du Reinheit der Jungfrauen,
Jesu, Du Krone aller Heiligen,
Sei uns gnädig, verschone uns, o Jesu!
[572] Sei uns gnädig, erhöre uns, o Jesu!
Von allem Uebel, erlöse uns, o Jesu!
Von aller Sünde,*)
Von deinem Zorne,
Von den Nachstellungen des Teufels,
Von dem Geiste der Unlauterkeit,
Von dem ewigen Tode,
Von der Vernachlässigung deiner hei-
ligen Einsprechungen,
Durch das Geheimnis deiner heiligen
Menschwerdung,
Durch, deine Geburt,
Durch deine Kindheit,
Durch dein heiligstes Leben,
Durch deine Arbeiten und Mühen,
Durch deine Todesangst und dein Leiden,
Durch dein Kreuz und deine Verlas-
senheit.
Durch deine Schmerzen und Wunden,
Durch deinen Tod und dein Begräbnis,
Durch deine Auferstehung,
Durch deine Himmelfahrt,
[573]Durch deine Einsetzung der heiligsten
Eucharistie, erlöse...
Durch deine Freuden, erlöse...
Durch deine Herrlichkeit, erlöse...
O Du Lamm Gottes, das Du hin-
wegnimmst die Sünden der Welt,
verschone uns, o Jesu!
O Du Lamm Gottes, das Du hin-
wegnimmst die Sünden der Welt,
erhöre uns, o Jesu!
O Du Lamm Gottes, das Du hin-
wegnimmst die Sünden der Welt,
erbarme Dich unser, o Jesu!
Jesu, höre uns! – Jesu, erhöre uns!
Lasset uns beten.
Herr Jesus Christus, der Du ge-
sagt hast: ‘„Bittet, und ihr werdet
empfangen; suchet, und ihr werdet
finden; klopfet an, und es wird euch
aufgethan werden;“’ verleihe, wir bit-
ten Dich, uns Flehenden die Glut
[574] deiner göttlichen Liebe, damit wir Dich
von ganzem Herzen, mit Wort und
Werk lieben und niemals aufhören,
Dich zu loben.
Gib, o, Herr, daß wir die Ehr-
furcht und Liebe gegen deinen heiligen
Namen allezeit bewahren, da deine
Vorsehung niemals diejenigen verläßt,
welche Du in deiner Liebe befestiget
hast; der Du lebst und regierst von
Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.
Weihegebet,
durch welches die christlichen Familien sich der
heiligen Familie weihen.
(Am Tage der Aufnahme und bei der
Erneuerung, insbesonders am Jahrestage der
Aufnahme.)
O Jesu, unser liebenswürdigster
Heiland, der Du vom Himmel ge-
sandt worden, um die Welt durch
deine Lehre und dein Beispiel zu er-
leuchten, Du hast den größten Teil
deines irdischen Lebens in dem be-
[575] scheidenen Hause zu Nazareth zubrin-
gen und Maria und Joseph unter-
than sein wollen. Dadurch hast Du
diese Familie geheiliget, und zum Vor-
bild für alle christlichen Familien ge-
macht. O nimm gnädig auf die Weihe
dieser unserer Familie, welche sich jetzt
gänzlich Dir übergibt. Sei Du ihr
Schutz und Schirm, befestige sie in
der heiligen Furcht vor Dir, im Frie-
den und in der Eintracht christlicher
Liebe, damit sie dem göttlichen Vor-
bilde deiner heiligen Familie ähnlich
werde, und alle Glieder derselben ohne
Ausnahme die ewige Seligkeit erlangen.
O Maria, du allerliebste Mutter
Jesu Christi und unsere Mutter, be-
wirke du in deiner Güte und Milde,
daß Jesus diese unsere Weihe gnädig
aufnehme und uns seine Gnaden und
seine Segnungen spende.
O Joseph, heiligster Beschützer Jesu
und Maria, komme uns zu Hilfe mit
deiner Fürsprache in allen Anliegen
[576] des Leibes und der Seele, auf daß
wir mit dir und der seligsten Jung-
frau Maria dem göttlichen Erlöser
Jesus Christus Lob und Dank erstat-
ten können in alle Ewigkeit.
Andacht zu der heiligen Familie.
1. Zu Jesus.
Göttlicher Heiland, Jesus Chri-
stus, Lehrer der ewigen Wahrheit,
Du hast uns zum wahren Glauben
berufen, Du hast uns denselben durch
die heilige Taufe in das Herz ge-
pflanzt. Du läßt uns auch deine be-
seligende Lehre durch die katholische
Kirche verkünden, wir bitten Dich,
bewirke durch deine Gnade, daß die
Kinder im Glauben gut unter-
richtet werden, daß die Gläu-
bigen fleißig dein Wort an-
hören, daß sie so alle deine Wahrheit
erkennen, treu festhalten, bekennen und
befolgen und zum ewigen Leben ge-
langen.
Göttlicher Heiland, Du bist unser
Hoherpriester und unser Mittler
beim Vater, wir nehmen uns vor,
täglich unsere Seele in andächtigem
Gebet zu stärken, wir wollen fleißig
an deinem heiligen Opfer teilnehmen,
namentlich am Sonntag in deinem
heiligen Tempel vereint mit Dir dem
Vater die höchste Ehre erweisen. Wir
bitten Dich, hilf uns allen, diesen Vor-
sätzen treu zu bleiben, verleihe uns,
unseren Familien und allen Mit-
christen die Fülle der Gnade und des
Segens.
Göttlicher Heiland, Jesus Chri-
stus, als guter Hirte leitest und füh-
rest Du uns durch dein Evangelium,
durch die Kirche und ihre Gebote auf
dem Wege des Heiles, und wir wol-
len Dir und deiner Kirche wil-
ligen Gehorsam leisten. Ver-
hüte gnädig, daß jemand unter uns
als verlorenes Schaf von Dir abirre;
führe die irrenden Schafe zurück, und
[578] [...] mache, daß wir alle, wenn Du einst
als Richter kommen wirst, zu deiner
Rechten stehen können. – Vater unser.
2. Zu Maria.
O Maria, du wunderbare Mutter,
wir grüßen dich in deinen Mutter-
freuden mit dem göttlichen Kinde.
Nimm auch uns, insbesondere die jun-
gen Christen, als deine Kinder an;
wende ihnen mit mütterlicher Liebe
deinen Schutz und deine Fürsprache
zu, erhalte sie in der Unschuld und
Gottesfurcht, wehre Aergernisse und
Gefahren von ihnen ab, daß sie nach
dem Vorbilde deines göttlichen Soh-
nes zunehmen wie an Alter, so an
Weisheit und Gnade bei Gott und
den Menschen.
O Maria, schmerzhafte Mutter,
wir grüßen dich in deinen Mutter-
sorgen während der Kindheit deines
göttlichen Sohnes, mir bemitleiden dich
in deinem unaussprechlichen Leid bei
[579] [...] seinem Tode am Kreuze. Wir bitten
dich, erflehe allen Eltern einigen An-
teil an dieser aufopfernden Liebe. Da-
mit sie ihre heiligen Pflichten opfer-
willig und treu erfüllen, in Kummer
und Sorgen vertrauensvoll nach oben
schauen und wie du durch Leiden und
Opfer zur Freude und Seligkeit ge-
langen.
O Maria, erhabene Himmelsköni-
gin, wir grüßen dich in deiner Herr-
lichkeit als Mutter der Barmherzig-
keit, des Lebens Süßigkeit und unsere
Hoffnung. Erflehe auch uns jenen
himmlischen Sinn, der das Vergäng-
liche verachtet, und das Ewige auf-
sucht damit die Eltern ihre Kinder
erziehen nicht für die Eitelkeit der
Welt, sondern für das ewige Glück
im Himmel; komme zu Hilfe den jun-
gen Christen am Scheidewege des Le-
bens, insbesondere in der Standes-
wahl, damit sie nicht irdischer Dinge
wegen den Weg zum Himmel verfeh-
[580] len; nimm uns alle unter deinen
mütterlichen Schutz, damit du allen
nach diesem elenden Leben zeigen kannst
Jesum, die gebenedeite Frucht deines
Leibes. – Vater unser.
3. Zum heiligen Joseph.
Heiliger Joseph, du herrliches Vor-
bild eines christlichen Hausvaters,
erstehe allen Vätern die Gnade, daß
sie nach deinem Vorbilde die Ihrigen
lieben, in treuer Hingebung für ihr
geistiges und leibliches Wohl sorgen,
gerne in ihrer Mitte verweilen, ihnen
in allem ein erbauliches Beispiel ge-
ben, auch eine gute Hausordnung
halten, Freude und Dank an ihren
Kindern erleben und dereinst mit ih-
nen zum Genusse der ewigen Selig-
keit gelangen.
Heiliger Joseph, obschon zu einer
hohen Würde berufen, mußtest du in
Niedrigkeit und Armut, unter vielen
Sorgen und Kümmernissen deine Tage
[581] verleben. Du hast dich in allen Prü-
fungen treu bewährt, in der Entsa-
gung, im Gottvertrauen, in
der Zufriedenheit und Genüg-
samkeit, und bist dadurch ein gro-
ßer Heiliger geworden. Erflehe uns
allen die Gnade, dein Beispiel nachzu-
ahmen, mit unserem Stande zufrieden
zu sein, in Mangel und Not auf Gott
zu vertrauen, im Ueberflusse Mäßig-
keit und Wohlthätigkeit zu üben, da-
mit wir die Rechenschaft gut bestehen
und mit unseren Sorgen auf Erden
ein ewiges Glück verdienen.
Heiliger Joseph, als Pflegevater
Jesu Christi hast du Ihm die ganze
Liebe deines Herzens zugewendet, du
hast mit unentwegter Hingebung und
Treue für Ihn und seine Mutter ge-
sorgt. Bitte den Herrn, daß Er auch
unter uns einen solchen Eifer der
Liebe für die Ebenbilder Jesu Christi,
für die unsterblichen Seelen wachrufe,
alle Gleichgültigkeit gegen fremdes
[582] Seelenheil aus den Herzen verbanne
insbesondere in unserer Bruderschaft
alles anrege, unterstütze und segne,
was nach den Absichten des Erlösers
geschehen soll, um den christlichen
Unterricht zu befördern, die Jugend
im Glauben und in der Tugend zu
befestigen und unsere Familien der
heiligen Familie in Nazareth ähnlich
zu machen. – Vater unser.
Gebet um Erneuerung der Standes-
gnade.
O mein Gott, ich befinde mich
durch die Fügung deiner Vorsehung
in einem Stande voller Sorgen und
Verantwortung. In deiner großen
Güte hast Du mir beim Eintritt in
den Ehestand eine besondere sakramen-
tale Standesgnade verliehen, und ich
sage Dir dafür von Herzen Dank.
Wenn ich gerade jetzt vor Dir Rechen-
schaft ablegen müßte über die em-
pfangenen Gnaden und die übernom-
[583] menen Pflichten, so hätte ich allen
Grund, vor deiner Gerechtigkeit zu
zittern. Ich bitte Dich demütig um
Verzeihung für alle Untreue und Nach-
lässigkeit in Erfüllung meiner Stan-
despflichten. Es ist mein ernstlicher
Wille, in den Jahren, die Du mir
noch schenkest, Dir getreuer zu dienen.
Erneuere nur in mir die Gnade, die
ich zur Erfüllung meiner Gattin- und
Mutterpflichten von Dir empfangen
habe.
Gib, daß ich mit meinem Gatten
in Frieden, Liebe und Treue zusam-
menlebe, ihm getreulich beistehe, und
auch von ihm unterstützt werde, ihn
durch meinen christlichen Wandel er-
baue, und von ihm mich erbauen
lasse, daß wir einander aufmuntern
und trösten in den Sorgen dieses
Lebens, und uns gegenseitig Führer
zum Himmel werden.
Auf die Kinder, die Du mir an-
vertraut hast, kann ich nur mit be-
[584] klommenem Herzen schauen, und zwar
um so mehr, je lieber sie mir sind.
Wie kostbar sind ihre unsterblichen
Seelen! Wie groß sind die Gefahren,
denen sie entgegengehen! Wie viel
braucht es, bis sie allen Gefahren in
dieser Welt und dem ewigen Verder-
ben entronnen und in ewiger Sicher-
heit bei Dir im Himmel sind. Wie
groß sind meine Pflichten als Mutter
dieser Kinder, wie schwer meine Ver-
antwortung, wie gering meine Ein-
sicht und Kraft! Um der Verdienste
Jesu Christi willen, der diese Kinder
mit seinem Blute erlöst, und mir die
Gnade des Ehesakramentes verliehen
hat, bitte ich Dich, o himmlischer Va-
ter, mein Vater und Vater dieser Kin-
der, gib mir alle Einsicht und Kraft
und allen Eifer, die ich als christliche
Mutter nötig habe, um mit all den
Meinigen zum ewigen Leben zu ge-
langen. Amen.
Das Vater unser der christlichen
Mutter.
[585]Vater unser, der Du bist
im Himmel. O Herr des Himmels!
mit heiliger Freude rede ich Dich als
Vater an. Ich bitte Dich, auch in
unserem Hause als Herr und Vater
zu regieren, ich übergebe Dir alles,
was ich besitze, empfehle mich und
meine Familie in den Schutz deiner
Allmacht und Liebe, und will Dir mit
den Meinigen in aller Treue dienen.
Geheiliget werde dein Name.
Gib, o Herr, daß dein anbetungs-
würdiger Name in unserem Hause
von allen immer mit Ehrfurcht ge-
braucht, und niemals entheiliget werde,
daß wir ihn vor den Menschen be-
kennen, und daß wir im täglichen
Gebete durch den andächtigen Gebrauch
desselben Dich verherrlichen und deine
Gnade und deinen Segen auf uns
herabziehen.
Zukomme uns dein Reich.
Erhalte mich und die Meinigen in
dem wahren Glauben und in der
Treue gegen Christus und die Kirche,
wohne und regiere in unseren Herzen
und in unserer Familie mit deiner
Gnade, und nimm uns alle nach die-
sem vergänglichen Leben auf in das
Reich deiner himmlischen Herrlichkeit.
Dein Wille geschehe, wie im
Himmel, also auch auf Erden.
Thue an mir und meiner Familie,
was Dir wohlgefällig ist, ich nehme
Freude und Leid mit Vertrauen aus
deiner Hand an. Verleihe nur, daß
wir nie durch die Sünde deinem hei-
ligen Willen zuwiderhandeln, sondern
stetsfort so eifrig Dir dienen, wie es
die Engel des Himmels thun.
Gib uns heute unser tägli-
ches Brot. Ich empfehle Leben und
Gesundheit, irdisches Fortkommen und
Wohlfahrt von mir und den Meini-
gen dem Schutze deiner Weisheit und
[587] Liebe. Verleihe gnädig, daß wir alle
in diesem Leben hungern und dür-
sten nach dem Worte deiner Wahr-
heit, nach den Wassern der Gnade,
nach dem wahren Himmelsbrot, und
daß einst im andern Leben wir alle,
Eltern und Kinder würdig werden,
mit allen Heiligen zu Tische zu sitzen
in deinem himmlischen Reiche.
Vergib uns unsere Schulden,
wie auch wir vergeben unseren
Schuldigern. Gedenke deiner Er-
barmungen, o Herr, und deiner Barm-
herzigkeit, die von Ewigkeit ist. Der
Vergehungen meiner Jugend und meiner
unbewußten Sünden gedenke nicht und
strafe sie nicht an meinen Kindern und
Nachkommen. Sei barmherzig gegen mich
arme Sünderin und erzeige auch mei-
nen Kindern immer deine Barmher-
zigkeit. Aus Dankbarkeit gegen dein
Erbarmen verzeihe ich allen meinen
Beleidigern von ganzem Herzen.
Und führe uns nicht in Ver-
[588] suchung. Immer sind wir durch
Versuchungen von innen und außen
bedroht und Du, o Herr, bist unsere
einzige Hilfe. Ich empfehle Dir ins-
besondere die uuerfahrenen Kinder in
den Gefahren des Lebens. Erhalte
sie in heiliger Furcht, in Demut und
Wachsamkeit, damit sie sich selber miß-
trauen, so viel möglich die Gefahren
fliehen, tapfer streiten gegen die Feinde
ihres Heiles und einst die Siegeskrone
erlangen.
Sondern erlöse uns von
dem Uebel. Bewahre, o Herr, meine
Seele und alle mir anvertrauten See-
len vor der Nacht des Unglaubens,
vor dem Verderben der Sünde, dem
Tode der ewigen Verdammnis. Um
deiner unendlichen Barmherzigkeit und
der Verdienste Jesu Christi willen
bitte ich Dich, gestatte nicht, daß am
großen Gerichtstage eines von meinen
Kindern oder Angehörigen auf der
linken Seite stehen muß, oder daß ich
[589] als Mutter vor Dir, meinem Richter,
als schuldig erfunden werde.
Amen. Ja, Vater, es geschehe
Ihr seligen Himmelsbewohner, saget
Amen zu meinen Bitten mit euerer
Fürbitte; göttlicher Heiland, sage Amen
mit deinen unendlichen Verdiensten,
damit auch der Vater auf dem Him-
melsthrone mit seinem Amen sie gnä-
dig erhöre. Amen.
Die Festzeiten des Kirchenjahres.
Das katholische Kirchenjahr mit seinen
Festen und Festkreisen führt uns die ganze Ge-
schichte der Erlösung vor Augen. Es beginnt
mit der Erinnerung an die Zeit vor Christus
im Advent, hieran reiht sich die Weihnachts-
zeit zur Feier des Andenkens an die Mensch-
werdung, Geburt und Jugend des Erlösers,
die vierzigtägige Fasten zur Betrachtung des
Leidens Jesu, die Ostern- und Pfingstzeit zur
Erinnerung an die Verherrlichung des Erlösers
und die Gründung der Kirche, das Fronleich-
namsfest samt Oktav zur Verehrung des hei-
ligsten Altarsgeheimnisses, die Sonntage nach
Pfingsten als Hinweis auf die Wirksamkeit des
[590] Reiches Gottes auf Erden und der Schluß des
Kirchenjahres mit den Festen Allerheiligen und
Allerseelen zur Erinnerung an das Jenseits,
die Gemeinschaft der Heiligen und das Welt-
gericht. Die Festzeiten des Kirchenjahres stehen
auch mit dem Leben der Natur in sinnvoller
Uebereinstimmung. Mit Weihnachten beginnt
das Tageslicht zu wachsen, Ostern fällt in die
Frühlingszeit, mit dem Herbst in der Natur
fällt das Ende des Kirchenjahres, die Erinner-
ung an das Weltende zusammen. Suche auch
du dein Inneres mit diesem geheimnisvollen
Leben der Kirche in Einklang zu setzen, indem
du die Wohlthaten der Erlösung betrachtest,
Gott dafür dankst, sie zu benutzen suchst, wie
es jede Festzeit dir nahe legt. Wer regelmäßig
den heiligen Rosenkranz betet, mag nach den
kirchlichen Festkreisen mit dem freudenreichen,
schmerzenreichen und glorreichen Rosenkranz ab-
wechseln. Suche mindestens mit einer kurzen
Andacht, wenn es nicht täglich geschehen kann,
doch an Sonn- und Festtagen an dieser geistigen
Wiederholung der Erlösungsgeschichte teil zu
nehmen.
Kurze Adventandacht.
1. Barmherziger Gott, Du hast
gleich nach dem Falle unserer Stamm-
eltern einen Erlöser verheißen, und
[591] diese Verheißung hat in die Finsternis
und die Schatten des Todes, welche
die Menschen infolge der Sünde um-
nachteten, wie ein tröstlicher Hoffnungs-
stern hineingeleuchtet. Erleuchte auch
unsere Herzen, verscheuche die Nacht des
Irrtums und der Sünde aus densel-
ben, gib uns den Eifer wahrer Buße
und Lebensbesserung, damit wir ge-
würdigt werden, gnadenreiche Weihnach-
ten zu feiern. Vater unser. Ave Maria.
2. ‘„Tauet ihr Himmel von oben,
die Wolken mögen regnen den Gerech-
ten, die Erde thue sich auf und sprosse
den Heiland.“’ So haben die Gerech-
ten des alten Bundes ihre Sehnsucht
nach dem Erlöser ausgesprochen. Wir
danken Dir, o Herr, daß Du in der
Fülle der Zeiten den Erlöser gesendet
hast und seine Wohlthaten uns ge-
nießen lassest. Gib, daß wir diese
großen Segnungen immer treu be-
nutzen, und uns nie derselben unwür-
dig erweisen. Vater unser. Ave Maria.
3. Die allzeit reine und unbefleckte
Jungfrau war der Morgenstern, welcher
den beginnenden Tag der Erlösung
ankündete. Wie hast Du, o hei-
ligster Gott. Maria mit unermeß-
lichen Gnaden ausgestattet, bis sie wür-
dig erfunden wurde, deinen Sohn in
ihren Schoß aufzunehmen! Schaffe
auch unsere Herzen um mit deiner
Gnade, damit sie eine würdige Woh-
nung seien für den Herrn, wenn Er
in der heiligen Kommunion bei uns
Einkehr nimmt. Vater unser. Ave
Maria. Glaube.
. Tauet, ihr Himmel von oben,
die Wolken mögen regnen den Ge-
rechten.
. Die Erde thue sich auf und
sprosse den Heiland.
Kirchengebet.
O Gott, der Du uns durch die
jährliche Erwartung unserer Erlösung
erfreuest, verleihe uns, daß wir deinen
[593] eingebornen Sohn, den wir als Erlö-
ser mit Freuden aufnehmen, zuver-
sichtlich anschauen mögen, wenn Er als
Richter kommen wird, durch denselben
Christum ꝛc. Amen.
Andacht an Weihnachten.
1. Mit derselben Liebe, mit wel-
cher Dir, o göttliches Kind, Joseph
und Maria in der Krippe eine Lager-
stätte bereiteten, möchte ich Dir mein
Herz als Wohnung anbieten. Komme,
o liebreichster Jesu, reinige es, heilige
es, und hilf mir, es in Zukunft vor
jeder Befleckung zu bewahren. Vater
unser. Ave Maria.
2. ‘„Ehre sei Gott in der Höhe,
und Friede den Menschen auf Erden,
die eines guten Willens sind.“’ So
haben die Engel bei deiner Geburt ge-
sungen, o göttliches Kind. Ich möchte
mein ganzes Leben in einen solchen
Lobgesang umwandeln. Ich werfe alle
Selbstsucht und Eitelkeit von mir, und
[594] will beten und arbeiten, leiden und
überwinden in der einzigen Absicht,
etwas beizutragen zur Ehre Gottes
in der Höhe und zum Frieden unter
den Menschen auf Erden. Vater un-
ser. Ave Maria.
3. Wegen ihrer Unschuld und
Frömmigkeit hast Du, mein Heiland,
die armen Hirten durch einen Engel
zu der Krippe eingeladen, und sie ha-
ben Dir bei all ihrer Armut durch
ihren frommen Eifer große Freude ge-
macht. Verleihe mir die Gnade, mit
derselben Einfalt des Glaubens, der-
selben Andacht und Ehrfurcht vor dei-
nen Altären zu erscheinen, um Dich
da unter den Brotsgestalten so würdig
zu verehren, wie sie Dich als schwaches
Kind in der Krippe verehrt und an-
gebetet haben. Vater unser. Ave Maria.
4. Göttliches Kind Jesu, die Wei-
sen aus dem Morgenlande ließen sich
mit staunenswertem Vertrauen und
Gehorsam vom Sterne zu Dir führen
[595] und haben mit aller Freude ihres
Herzens Dir ihre Gaben dargebracht.
Gib, daß auch wir gerne und fleißig
vor deinem Angesichte erscheinen und
Dir bereitwillig opfern, was durch die
Gaben der Weisen angedeutet wird,
die Liebe unserer Herzen, eine wahre
gottinnige Andacht und großmütige
Abtötung unserer verkehrten Neigungen;
nimm von uns diese Opfergaben gnä-
dig an. Vater unser. Ave Maria.
5. Auf göttliche Eingebung kamen
Simeon und Anna in den Tempel und
wurden des größten Glückes teilhaftig,
nach dem sie auf Erden verlangten,
vor ihrem Ende noch den Erlöser zu
schauen. Gib, daß auch wir den gött-
lichen Einsprechungen gerne Gehör
schenken, und verleihe uns die Gnade,
vor unserem Tode den göttlichen Hei-
land würdig empfangen zu können.
Vater unser. Ave Maria.
. Und das Wort ist Fleisch ge-
worden. Alleluja.
. Und hat unter uns gewohnt.
Alleluja.
Kirchengebet.
Verleihe, allmächtiger Gott, daß
uns, welche die Knechtschaft unter dem
Joche der Sünde hält, deines Einge-
bornen neue Geburt im Fleische be-
freien möge. Durch Christum ꝛc. A.
Andacht für die heilige Fastenzeit
1. Göttlicher Heiland, deine schreck-
liche Todesangst am Oelberg war die
große Reue und Leid für die Sünden
der ganzen Menschheit. Auch meine
Sünden haben dein Leiden und deine
Trauer vermehrt. Ich bitte Dich, mir
einen rechten Schmerz über meine
Sünden in die Seele zu legen, damit
ich mich losmache von allen bösen Ge-
wohnheiten, meine Fehltritte beweine
und büße, würdig beichte und Dir in
Zukunft treu diene. Vater unser. Ave
Maria.
2. Herr Jesus Christus, Du hast
die entehrende und schmerzliche Pein
der Geißlung ausgehalten, um für die
Sünden der Weichlichkeit und Unkeusch-
heit an unserer Statt zu büßen. Ich
habe die Streiche verdient, die auf
Dich fallen. Ich bitte Dich mit wah-
rem Reueschmerz um Verzeihung. Ich
will anfangen, gemäß deinem Gebote
mein Fleisch zu kreuzigen und die
Reinheit des Leibes und der Seele
über alles hoch zu schätzen und mit
größter Sorgfalt zu bewachen. Hilf
mir in dieser Fastenzeit zu deiner Ehre
und zu meinem Heile diese kleinen
Abtötungen (nenne sie) treu zu üben.
Vater unser. Ave Maria.
3. Die Soldaten haben Dich, o
mein Heiland, in der grausamsten
Weise mißhandelt und verspottet und
Dir eine Dornenkrone auf das Haupt
gedrückt. Meine Sünden des Stolzes
und der Eitelkeit sind die spitzigen
Dornen dieser schrecklichen Krone. Ich
[598] stehe beschämt vor Dir, der Schuldige
vor dem Unschuldigen. Ach verleihe
mir doch den Geist wahrer Demut
und hilf mir, meine Gedanken und
Begierden, meine Worte und mein Be-
nehmen von dem traurigen Uebel der
Hoffart zu reinigen. Vater unser. Ave
Maria.
4. Auf deinem schmerzlichen Gange
zum Kalvarienberg büßest Du für al-
len Kleinmut, für die Ungeduld und
das Murren wider Gott, dessen sich
die Menschen im Leiden so oft schul-
dig machen. Ich will mein Kreuz ge-
duldig tragen als Buße für meine
Sünden, ich will es tragen, um damit
den Himmel zu verdienen, ich will es
tragen aus Liebe zu Dir. Gib mir
nur Kraft und Stärke, Dir mutig
nachzufolgen. Vater unser. Ave Maria.
5. Am Kreuze erduldest Du, o
mein Heiland, den schrecklichsten Tod,
um mich von dem ewigen Tode zu
erlösen und mir den leiblichen Tod
[599] tröstlich und leicht zu machen. Ich
flüchte für meine Todesstunde mit mei-
ner Seele in dein heiligstes Herz. Dort
bin ich sicher vor meinen Feinden,
dort finde ich Trost und Gnade, dort
kann ich nicht verloren gehen. Um
deines bitteren Leidens und Sterbens
willen verleihe mir die Gnade einer
glückseligen Sterbstunde. Vater unser.
Ave Maria. Glaube.
. Erbarme Dich meiner, o Jesu,
erbarme Dich meiner.
. und sei mir gnädig wegen dei-
nes allerheiligsten Leidens.
Gebet.
Allmächtiger, ewiger Gott, nach
dessen Willen unser Erlöser Fleisch
angenommen und dem Kreuze sich un-
terworfen hat, verleihe gnädig, daß
wir sein Dulden auch an uns erweisen,
und an seiner Auferstehung teil zu
nehmen gewürdigt werden. Durch
Christum ꝛc. Amen.
Andacht für die österliche Zeit
[600]1. Mit heiliger Freude, o Jesu
gedenke ich deiner glorreichen Rückkehr
ans dem Grabe. Du hast den Tod und
die Hölle überwunden, Du stehst vor
uns als der gewaltige Gottmensch, der
Macht hat über Leben und Tod, der
sein Leben ablegen und wieder nehmen
kann. Wir werfen uns nieder vor
deiner Majestät und beten Dich au
als unsern Herrn und Gott. Vater
unser. Ave Maria.
2. Glorreicher Erlöser! Mit deiner
Auferstehung hast Du deine Weissagun-
gen erfüllt, und Dich als göttlichen
Lehrer vor aller Welt ausgewiesen
Wir erneuern vor Dir das Gelübde
unseres Herzens, deine Lehre fest zu
glauben und standhaft zu bekennen.
Vermehre in uns die Gnade des Glau-
bens. Vater unser. Ave Maria.
3. Göttlicher Heiland! Dein gro-
ßer Apostel ruft uns zu: ‘„Lasset uns
[601] Ostern halten, nicht im alten Sauer-
teige, nicht im Sauerteige der Bosheit,
sondern im ungesäuerten Brote der
Reinheit und Wahrheit.“’ (I. Kor. 5.)
Ja, wir wollen mit unseren Seelen
auferstehen aus dem Grabe der Sünde
zu einem neuen und heiligen Leben.
Verleihe uns allen die Gnade, mit
dem würdigen Empfang der heiligen
Sakramente in dieser österlichen Zeit
dafür einen guten Grund zu legen.
Vater unser. Ave Maria.
4. Abermals ruft der Apostel:
‘„Wenn ihr mit Christus auferstanden
seid, so suchet, was droben ist, wo Christus
ist, der zur Rechten des Vaters sitzt.
Was droben ist, habet im Sinn, nicht
was auf Erden.“’ (Kol. 3, 2.) Nein,
wir dürfen unser Herz nicht an diese
vergänglichen Dinge hängen, die eine
Beute des Todes sind. Verklärter Er-
löser, gieße uns Sehnsucht und Ver-
langen in die Seele nach der ewigen
Glückseligkeit, in welche Du uns vor-
[602] ausgegangen bist. Vater unser. Ave
Maria.
5. Du hast, o Jesu, den Tod auch
für uns überwunden. Auch wir wer-
den einst alle auferstehen, aber nicht
alle werden verklärt werden. Die
glückselige Auferstehung sei der erste
Gegenstand unserer Sorgen und Wün-
sche. Du, o mein Heiland, gestatte
nicht, daß wir, die wir Glieder sind
an deinem geheimnisvollen Leibe, von
Dir getrennt werden und des ewigen
Lebens verlustig gehen. Belebe uns
mit deiner Gnade, wie der Weinstock
die Rebzweige belebt. Vater unser.
Ave Maria. Glaube.
. In deiner Auferstehung, Herr
Jesus Christus, Alleluja.
. Werden Himmel und Erde er-
freut. Alleluja.
Kirchengebet.
O Gott, der Du durch deinen
Eingebornen den Tod besiegt und uns
[603] den Eingang zum ewigen Leben wie-
der aufgeschlossen hast, hilf uns unsere
Wünsche, die Du in zuvorkommender
Gnade uns einflößest, mit deinem
Beistande zu erreichen. Durch Chri-
stum ꝛc. Amen.
Andacht zu Ehren des hl. Geistes.
1. Allmächtiger, ewiger Gott, Du
hast der Kirche deinen heiligen Geist
versprochen und gesendet, damit Er
sie belebe, wie die Seele den Leib be-
lebt. Siehe herab auf die Hirten
und Schafe in deiner Kirche, auf die
Verfolgungen und Bedrängnisse der
einen, die Gefahren und Versuchungen
der andern, und erneuere in der Ge-
meinschaft der Gläubigen jenen Geist,
der die ersten Christen so heilig und
stark gemacht hat. Wir bitten Dich
darum um der Verdienste Jesu Christi,
deines Sohnes willen. Vater unser.
Ave Maria.
2. Blicke hin, o himmlischer Va-
[604] ter, auf die unzähligen unsterblichen
Seelen, die Du nach deinem Ebenbilde
erschaffen und für den Himmel be-
stimmt hast, die aber in der Finster-
nis des Irrtums und der Sünde
schmachten. Sende deinen Geist aus,
um das Angesicht der Erde zu erneu-
ern. Oeffne die Herzen der Sünder
und Irrenden für deine Gnade und
Wahrheit, erwecke Männer mit apo-
stolischem Geiste, welche sie hinführen
zum Glauben und Gehorsam in dei-
ner Kirche, damit auf Erden ein Hirt
und eine Herde werde, und alle das
ewige Leben erlangen. Vater unser.
Ave Maria.
3. Ich muß Dir, o himmlischer
Vater, die Schwäche und Verkehrtheit
meines Herzens klagen, welches so ge-
neigt zum Bösen, so langsam und
nachlässig zum Guten ist. Sende mir
deinen heiligen Geist, daß Er meinen
Verstand erleuchte, den Willen antreibe
und stärke, mein Herz reinige, heilige
[605] und entflamme mit heiliger Liebe zu
Dir. Verleihe gnädig, daß dein hei-
liger Geist den siebenfachen Strom
seiner Gnade über mich ausgieße, mich
im Gebete mit Andacht, im Leiden
mit Ergebung, in der Versuchung mit
Stärke, bei der Arbeit mit Eifer und
guten Absichten erfülle und im Leben
und Sterben mein Helfer und Tröster
sei. Gib mir, daß ich niemals durch
die Sünde Ihn aus meinem Herzen
vertreibe, noch durch Nachlässigkeit oder
bösen Willen dem Wirken seiner Gnade
hinderlich sei. Vater unser. Ave Ma-
ria. Glaube.
. Sende deinen Geist aus und
sie werden neugeschaffen;
. Und Du wirst das Angesicht
der Erde erneuern.
Kirchengebet.
O Gott, der Du die Herzen deiner
Gläubigen durch die Erleuchtung des
heiligen Geistes belehret hast, verleihe
[606] uns die Gnade, daß wir durch eben
denselben Geist verstehen, was recht ist,
und uns allzeit seines Trostes erfreuen
mögen. Durch Jesum Christum, un-
sern Herrn. Amen.
Andacht zu Ehren der seligsten Jung-
frau Maria.
(Nach dem heiligen Augustin.)
1. O du allerseligste Jungfrau, das
schwache menschliche Geschlecht, welches
durch dich wieder Zutritt erlangt hat
zu dem, was es durch die Sünde ver-
loren hatte, ist niemals im stande,
dich gebührend zu verherrlichen. Nimm
an diese geringe und deinen Verdien-
sten nicht angemessene Danksagung;
trage unsere Gebete in das Heiligtum,
in welchem Gott seine Barmherzigkeit
ausübt, und bringe uns aus demselben
die Gnade der Versöhnung. Uebergib
Ihm, was wir darbringen, erlange,
um was wir bitten, verschaffe uns
[607] Sühnung unserer Fehler, und was wir
mangelhaft vorbringen, mache du rein
und gut. Wir haben niemand, der
mehr Verdienste hätte, den Zorn des
Richters zu versöhnen, als dich, die
du würdig gewesen, die Mutter unse-
res Erlösers und Richters zu sein. Va-
ter unser. Ave Maria.
2. So komme nun zu Hilfe den
Armen, stärke die Kleinmütigen, er-
quicke die Betrübten und Elenden, bitte
für das Volk, verwende dich für die
Priester und Ordensleute, gedenke be-
sonders auch des frommen Frauenge-
schlechtes, lasse alle die, welche dich an-
rufen, auch die Macht deiner Fürbitte
erfahren, habe Mitleid mit den Be-
trübten, sei uns allen gnädig, die wir
noch fern von der himmlischen Heimat
auf der Pilgerschaft begriffen sind.
Weil du immer vor dem Angesichte
des Allmächtigen stehst, der dich so
reichlich begnadigt hat, so lasse unsere
Seufzer vor deinen Sohn gelangen und
[608] bitte Ihn für uns arme Sünder. Vater
unser. Ave Maria.
3. Wir sind hier auf Erden noch
in vielerlei Trübsal. Man verfolgt
uns, man übt gegen uns Unrecht,
man schmäht uns, wir leiden Unge-
mach, wir sind im Elende, du aber
bist im Himmel, erhaben über alle
Chöre der Engel und Heiligen; du
folgst dem Lamme, wo Es hingeht, du
bist die Königin der Jungfrauen und
aller keuschen Seelen, welche sich ab-
gewendet von den Lüsten des Fleisches
und die Welt und ihre Eitelkeit ver-
schmäht haben. Du führest sie zu dem
Brunnen, aus dem die Wasser des
ewigen Lebens strömen und wandelst
mit ihnen unter den Herrlichkeiten des
Paradieses. Du, die du in solcher
Wonne und Seligkeit ewig dich freuest,
wende deine barmherzigen Augen auf
uns, die wir in Jammer und Elend leben,
und hilf uns, die wir zu dir um Hilfe
rufen. Vater unser. Ave Maria. Glaube.
Unter deinen Schutz und Schirm
fliehen wir, o heilige Gottesgebärerin,
verschmähe nicht unser Gebet in un-
sern Nöten, sondern erlöse uns allzeit
von allen Gefahren, o glorreiche und
gebenedeite Jungfrau, unsere Frau,
unsere Mittlerin, unsere Fürsprecherin,
versöhne uns mit deinem Sohne, em-
pfehle uns deinem Sohne, stelle uns
vor deinem Sohne.
. Bitte für uns, heilige Gottes-
gebärerin.
. Auf daß wir würdig werden der
Verheißungen Christi.
Kirchengebet.
Wir bitten Dich, o Herr, gieße
deine Gnade in unsere Herzen, auf
daß wir, die wir die Menschwerdung
Christi, deines Sohnes erkannt haben,
durch sein Leiden und Kreuz zur Herr-
lichkeit der Auferstehung gebracht wer-
den. Durch Christum, unsern Herrn.
Amen.
Zu Ehren der unbefleckten
Empfängnis.
1. ‘„Ganz schön bist du, meine
Freundin, und eine Makel ist nicht
an dir.“’ Als Tochter des Vaters,
als Mutter des Sohnes, als Braut
des heiligen Geistes bist du, o Jung-
frau, von jeder Befleckung durch die
Erbsünde bewahrt geblieben. Wir freuen
uns und preisen Gott wegen der Rein-
heit und Schönheit, mit welcher der
Herr dich schon im Anfange ausge-
zeichnet hat.
In der heiligen Taufe hat der
Herr auch unsere Seele gereinigt und
ausgestattet mit dem hochzeitlichen
Kleide der Gnade und Unschuld. Aber
ach, wie oft und schwer haben wir
dasselbe befleckt, wie sind wir in be-
ständiger Gefahr, dasselbe ganz zu
verlieren! Habe Mitleid mit uns, er-
flehe den Reinen die Bewahrung der
Unschuld, den Sündern die Wiederver-
[611] söhnung mit Gott, allen den Besitz
der heiligmachenden Gnade im Leben
und Sterben.
Vater unser. Gegrüßt seist.
2. Es sprach der Herr zur Schlange.
‘„Ich will Feindschaft setzen zwischen
dir und dem Weibe, deinem Samen
und ihrem Samen; sie wird dir den
Kopf zertreten.“’ Nie ist dir, o reine
Jungfrau, die Versuchung des Satans
gefährlich geworden, niemals regte sich
in deinem Herzen die böse Begierlich-
keit, nie hat der Schatten einer wirk-
lichen Sünde deine reine Seele befleckt.
Du bist die starke Frau, strahlend im
ungetrübten Glanze der Heiligkeit, sieg-
reich den Fuß auf das Haupt der
Schlange setzend. Wir blicken auf zu
dir voll Bewunderung deiner Schön-
heit, voll Vertrauen auf deine Macht
und Liebe. Du weißt, wie Welt, Fleisch
und Satan uns versuchen, wie viele
Kämpfe und Gefahren wir bestehen
müssen, bevor unser Heil gesichert ist.
[612] O erhabene Schlangentreterin! bitt'
für uns, streit' für uns, beschütze uns
gegen unsere Feinde und erwirb uns
die Gnade der Treue im Kampfe und
der Sündhaftigkeit bis an das Ende.
Vater unser. Gegrüßt seist.
3. ‘„Du bist voll der Gnade, der
Herr ist mit dir, du bist gebenedeit
unter den Weibern.“’ Nein bist du, o
Jungfrau, aus der Hand des Schöp-
fers hervorgegangen, rein bist du
durch das Leben gewandelt und rein
zu Gott zurückgekehrt. Die Fülle der
Gnaden, mit welcher dich der Herr im
Anfange ausgestattet hat, wurde im-
mer noch vermehrt und hat herrliche
Früchte getragen. Alles, was du auf
Erden gethan und gelitten hast, ist dir
zum Gewinn geworden, zur Erhöhung
deiner Tugenden und Verdienste, welche
dich zur Königin aller Heiligen ma-
chen. Hilf uns, daß wir die darge-
botenen Gnaden nach deinem Vorbilde
treu benutzen und so Tag für Tag
[613] in den Mühen und Sorgen dieses Le-
bens wachsen in der Gnade und Hei-
ligkeit und Verdienste sammeln für das
ewige Leben.
Vater unser. Gegrüßt seist.
Andacht zu der schmerzhaften
Mutter.
1. Die Weissagung Simeons.
Mitten unter deinen Mutterfreu-
den wurden dir durch den Mund Si-
meons die künftigen Leiden vorherge-
sagt. Von diesem Augenblicke an hast
du das Schwert der Schmerzen in
deiner Seele gefühlt, hast du im Geiste
das schmerzliche Opfer gebracht und
dich gehorsam und ergeben den Rat-
schlüssen der göttlichen Vorsehung un-
terworfen. So ist für dich diese
Weissagung die Quelle vieler Leiden,
aber auch großer Verdienste geworden.
Um dieser deiner Verdienste willen er-
wirb uns die Gnade, in allen Prü-
fungen der Gegenwart und Zukunft
[614] unseren Willen vollkommen mit dem
göttlichen zu vereinigen.
Vater unser. Gegrüßt seist.
2. Die Flucht nach Aegypten.
Zu den Leiden der Dürftigkeit im
Stalle zu Bethlehem, welche deiner
mütterlichen Liebe so schwer fielen, ka-
men noch die Gefahren und Beschwer-
den der eiligen Flucht in ein fremdes
Land. Du aber, o Maria, bist gläu-
big und gehorsam den Weg gewandelt,
den dich der Herr führen wollte, du
hast dich mit kindlichem Vertrauen
seiner Führung überlassen und bist so
die Mutter der heiligen Hoffnung ge-
worden. Mögen auch wir durch deine
Fürsprache die Gnade erlangen, im
Leiden gläubig zu Gott aufzuschauen,
auszuharren im Gehorsam und im
Gottvertrauen, bis wir durch die Ret-
tung aus der Not getröstet werden.
Vater unser. Gegrüßt seist.
[615]3. Der Verlust des zwölfjährigen Jesus.
Von allen Sorgen eines Mutter-
herzens ist dir, o Maria, nur eine
erspart worden, jene, welche von den
Fehlern der Kinder herrührt. Auch
als Mutter eines göttlichen Sohnes
mußtest du drei Tage lang um Ihn
in banger Sorge schweben. Wir ha-
ben herzliches Mitleid mit diesem Kum-
mer deines liebevollen Herzens und
bitten um der Verdienste willen, die
du damit erworben hast, daß wir alle
nach deinem Vorbilde, die Eltern ge-
gen ihre Kinder, Vorgesetzte gegen ihre
Untergebenen, unsere Pflichten mit al-
ler Treue, Sorgfalt und Wachsamkeit
erfüllen mögen.
Vater unser. Gegrüßt seist.
4. Die Begegnung auf dem Kreuzwege.
Welcher Schmerz für dich, die Mut-
ter des leidenden Heilandes, den Sohn
auf seinem Leidenswege zu sehen in
der Mitte roher Kriegsknechte, entstellt
[616] durch entsetzliche Mißhandlungen, mit
der Dornenkrone auf dem Haupte, fast
erliegend unter der Last des Kreuzes,
gleich einem Lamm, das zur Schlacht-
bank geführt wird! O Schmerz, um
so bitterer, je größer die Liebe war!
Um dieser Bitterkeit deines Herzens
willen erflehe mir die Gnade, Kreuz
und Leiden mit jenen heiligen Gesin-
nungen Gott aufzuopfern, mit denen
dein Sohn das schwere Kreuz getragen
hat und mit denen du an seinem Lei-
den teil genommen hast.
Vater unser. Gegrüßt seist.
5. Jesus stirbt am Kreuze.
Die Schrecken und Qualen des
Kreuztodes Jesu, sind der teure Preis,
um den wir erlöst worden sind und
der mit unnennbarem Schmerze einge-
graben wurde in das Herz seiner Mut-
ter. Da bist du, o Maria, die schmerz-
hafte Mutter geworden, die Königin
der Martyrer, eine Martyrin der Liebe
[617] zu deinem Sohne am Kreuze und zu
deinen armseligen Kindern auf Erden.
Um dieses Martertumes der Liebe wil-
len erflehe uns eine recht innige Liebe
zu deinem Sohne, daß wir dankbar
das Andenken seines Leidens feiern,
ehrerbietig mit seinen heiligen Geheim-
nissen umgehen, mit großem Schmerze
die Sünden bereuen und büßen und
in der Gemeinschaft seiner Gnade le-
ben und sterben mögen.
Vater unser. Gegrüßt seist.
6. Die Kreuzabnahme.
O schmerzhafte Mutter Maria!
Dein Sohn, den du einst als holdse-
liges Kind an dein Herz drücktest, der
auf deinem Schoße schlummerte, der-
selbe liegt wieder auf deinem Schoße.
Er schlummert wieder an deinem Her-
zen, aber es ist der Schlummer des
Todes. Du kannst nur noch den kal-
ten Leichnam, ein Opfer der grau-
samsten Qualen, in deine Arme schlie-
[618] ßen. Du bist in Wahrheit eine Mut-
ter der Schmerzen, denn groß wie das
Meer ist deine Bitterkeit und wir tra-
gen herzliches Mitleiden mit dir. Sei
auch uns eine liebende Mutter in der
Todesstunde, wenn alle Lebensfreude
mit Angst und Bitterkeit enden wird.
Sei alsdann unsere Mutter und Trö-
sterin und laß uns in deinen Armen
und an deinem Herzen ruhen.
Vater unser. Gegrüßt seist.
7. Das Begräbnis Jesu.
Jeder Schritt auf dem Leidens-
wege dient zur Vermehrung des Lei-
dens. Jetzt wirst du von deinem
Sohne gänzlich getrennt. Sein Leich-
nam wird deinem Anblicke und dei-
ner Umarmung entzogen und in das
Grab gelegt. Du harrest aus in der
Prüfung, du trinkst mutvoll den Kelch
der Bitterkeit bis auf die Neige, aber
die Nacht der Leiden geht vorüber, und
es naht der Jubel des Ostermorgens,
[619] welcher dich für immer selig und glück-
lich macht. O blicke huldvoll hernie-
der auf uns, deine armseligen Kinder,
die wir noch unter Sorgen und Küm-
mernissen der Nacht des Grabes zu-
wandern. Erflehe uns jene Hoffnung,
welche dich aufrecht erhalten hat in
den schwersten Prüfungen, und lasse
sie auch für uns erfüllt werden in dem
Genuß der ewigen Freuden.
Vater unser. Gegrüßt seist.
Zu Ehren der Aufnahme Mariens
in den Himmel.
1. ‘„Siehe von nun an werden
mich selig preisen alle Geschlechter.“’
Längst hast du, o liebenswürgige Mut-
ter und Jungfrau, uns verlassen, aber
immerfort ertönt die Stimme deines
Lobes von Meer zu Meer und von
Jahrhundert zu Jahrhundert. Immer-
fort rufen deine Kinder zu dir, um
dich zu preisen als erhabene Himmels-
Königin und anzurufen als die liebe-
[620] volle Mutter der Gnaden. Nimm
auch mich auf in den Kreis deiner
kindlichen Verehrer, ich will nicht müde
werden, mit der ganzen Christenheit
zu rufen:
Gegrüßt seist.
2. ‘„Großes hat an mir gethan,
der da mächtig ist, und heilig ist sein
Name.“’ Schon auf Erden warst du.
o Maria, die allzeit reine, gnaden-
volle Jungfrau und Mutter Gottes,
aber noch im Gewande der Niedrigkeit
einer Magd des Herrn; jetzt sind die
Leiden vorüber, Tod und Vergänglich-
keit besiegt, du thronst als erhabene
Himmelskönigin an der Seite deines
Sohnes, erhöht über alle Engel und
Heiligen, gekrönt mit Ehre und Herr-
lichkeit. Wir huldigen dir mit Jubel
und Freude als unserer Königin. Nimm
an den Tribut unserer Liebe und Dank-
barkeit, wenn wir zu dir rufen:
Gegrüßt seist.
[621]3. ‘Er ist barmherzig von Geschlecht
zu Geschlecht denen, die Ihn fürchten.“’
Auf Erden warst du, o Maria, ein
Kind der Gnade, ausgestattet mit al-
len Gaben und Gnaden des Himmels;
erhöht zur Königin des Himmels bist
du für uns die Mutter der Gnade.
Wie der Herr durch dich uns den Er-
löser schenken wollte, so will Er durch
deine mütterliche Hand denen seine
Gnaden schenken, welche auf deine Für-
bitte vertrauen. Wir freuen uns, dich
als Mutter zu haben, o mächtige und
huldvolle Himmelskönigin! Höre auf
unser Flehen und sei unsere Mittlerin
bei deinem göttlichen Sohne.
Gegrüßt seist.
Die lauretanische Litanei.
(Jedesmal 300 Tage Ablaß. – Pius VII.
30. Sept. 1817.)
Herr, erbarme Dich unser! – Chri-
stus, erbarme Dich unser! – Herr,
erbarme Dich unser!
[622] Christus, höre uns! – Christus, er-
höre uns!
Gott Vater vom Himmel, erbarme Dich
unser!
Gott Sohn, Erlöser der Welt, erbarme
Dich unser!
Gott heiliger Geist, erbarme Dich
unser!
Heilige Dreifaltigkeit, ein einiger Gott,
erbarme Dich unser!
Heilige Maria, bitte für uns!
Heilige Gottesgebärerin,*)
Heilige Jungfrau der Jungfrauen,
Mutter Christi,
Mutter der göttlichen Gnade,
Du allerreinste Mutter,
Du allerkeuscheste Mutter,
Du ungeschwächte Mutter,
Du unbefleckte Mutter,
Du liebliche Mutter,
Du wunderbare Mutter,
Du Mutter des guten Rates,
Du Mutter des Schöpfers,
[623]Du Mutter des Erlösers, bitte für uns!
Du allerweiseste Jungfrau,*)
Du ehrwürdige Jungfrau,
Du lobwürdige Jungfrau,
Du mächtige Jungfrau,
Du gütige Jungfrau,
Du getreue Jungfrau,
Du Spiegel der Gerechtigkeit,
Du Sitz der Weisheit,
Du Ursache unserer Freude,
Du geistliches Gefäß,
Du ehrwürdiges Gefäß,
Du vortreffliches Gefäß der Andacht,
Du geistliche Rose,
Du Turm Davids,
Du elfenbeinerner Turm,
Du goldenes Haus,
Du Arche des Bundes,
Du Pforte des Himmels,
Du Morgenstern,
Du Heil der Kranken,
Du Zuflucht der Sünder,
[624]Du Trösterin der Betrübten, bitte für
uns!
Du Helferin der Christen,*)
Du Königin der Engel,
Du Königin der Patriarchen,
Du Königin der Propheten,
Du Königin der Apostel,
Du Königin der Märtyrer,
Du Königin der Bekenner,
Du Königin der Jungfrauen,
Du Königin aller Heiligen,
Du Königin, ohne Makel der Erbünde
empfangen,
Du Königin des heiligen Rosen-
kranzes,
O Du Lamm Gottes, das Du hin-
wegnimmst die Sünden der Welt,
verschone uns, o Herr!
O Du Lamm Gottes, das Du hin-
wegnimmst die Sünden der Welt,
erhöre uns, o Herr!
O Du Lamm Gottes, das Du hin-
[625] wegnimmst die Sünden der Welt,
erbarme Dich unser!
(Die folgenden Gebete sind zur Gewin-
nung des Ablasses nicht notwendig.)
. Unter deinen Schutz und Schirm
fliehen wir, o heilige Gottesgebäre-
rin; verschmähe nicht unser Gebet
in unseren Nöten, sondern erlöse uns
jederzeit von allen Gefahren, o du
glorwürdige und gebenedeite Jungfrau,
unsere Frau, unsere Mittlerin, unsere
Fürsprecherin! versöhne uns mit
deinem Sohne, empfiehl uns dei-
nem Sohne, stelle uns vor deinem
Sohne.
. Bitt für uns, o heilige Got-
tesgebärerin!
. Auf daß wir würdig werden
der Verheißungen Christi.
. Wir bitten Dich, o Herr, gieße
deine Gnaden in unsere Herzen, auf
daß wir, die wir durch des Engels
Verkündigung die Menschwerdung
[626] Christi, deines Sohnes erkannt haben,
durch sein Leiden und Kreuz zur Herr-
lichkeit der Auferstehung geführt wer-
den; durch denselben Christum, unsern
Herrn. Amen.
. Bitt für uns, o allerseligster
Joseph!
. Auf daß wir würdig werden
der Verheißungen Christi.
. Wir bitten Dich, o Herr, laß
uns durch die Verdienste des Bräuti-
gams deiner heiligsten Gebärerin ge-
holfen werden, damit, was unser Ver-
mögen nicht erhalten kann, uns durch
seine Fürbitte geschenkt werde; der Du
lebst und regierst von Ewigkeit zu
Ewigkeit. Amen.
Das andächtige Beten des heiligen
Rosenkranzes.
1. Die Teilnahme der Laien an den kirch-
lichen Tagzeiten, die in den ersten Jahrhun-
derten vielfach vorkam, hatte ihre großen Schwie-
[627] rigkeiten und hat sich darum nach und nach
verloren. Als Ersatz hiefür wurden schon seit
den ersten Zeiten einige mündliche Gebete, die
allen geläufig waren, z. B. das ‘„Vater unser,“’
‘„Ehre sei“’ u. s. w. von den Gläubigen in
einer bestimmten Anzahl wiederholt. Zum Ab-
zählen bediente man sich kleiner Steine oder
Körner, die man später häufig, an eine Schnur
gefaßt, am Halse trug. Unter den verschiedenen
Gebetsweisen, die so verrichtet wurden, hat
jene an Ausbreitung und Dauer alle anderen
übertroffen, welche der hl. Dominikus einführte
und welche gewöhnlich Rosenkranz genannt
wird. Für drei Rosenkränze zusammen ist die
Bezeichnung Psalter gebräuchlich, weil, wie
schon bemerkt, solche Gebetsweisen einen Ersatz
für das Psalmengebet bilden sollen. Im Rosen-
kranze sind die schönsten Gebete und die wich-
tigsten Geheimnisse der Erlösung gleich Rosen
zu einem lieblichen Kranze verbunden; diese
Gebetsweise ist geheiligt durch den frommen
Gebrauch vieler Jahrhunderte; manche Ereig-
nisse in der Kirchengeschichte und mehrere Feste
des Kirchenjahres zeugen von den durch sie er-
langten Erhörungen und daraus erklärt es sich,
daß der Rosenkranz eine der gewöhnlichsten
Andachten beim öffentlichen und häuslichen
Gottesdienste geworden ist.
2. Der heilige Rosenkranz ist bestimmt,
gleichzeitig für das betrachtende und das Bitt-
[628] gebet als das einfachste Hilfsmittel zu dienen.
Die fünfzehn Geheimnisse des Rosenkranzes
enthalten einen kurzen Abriß der Erlösungs-
geschichte, wir betrachten sie in der frommen
Unterhaltung mit der göttlichen Mutter, die
einst an diesen Ereignissen den innigsten An-
teil genommen hat. Wir sollen dabei je nach
dem Gegenstande und nach den Bedürfnissen
unseres Herzens die Gefühle der Freude, des
Dankes, der Liebe, des Mitleidens, der Reue
u. s. w. und entsprechende gute Vorsätze er-
wecken. bei dem Geheimnis der Dornen-
krönung kannst du dieses Leiden des Erlösers
betrachten, mit welchem Er büßt für die Eitel-
keit und den Stolz der Menschen; du erforschest
dich dabei über deine eigenen Sünden des
Hochmutes, die auch Dornen zu dieser Krone
geliefert haben, du bereuest sie, bittest den Hei-
land um Verzeihung und um die Gnade einer
herzlichen Demut. Aehnlich bei den andern
Geheimnissen. Es kann sicher keine leichtere und
einfachere Art geben, die Geschichte der Er-
lösung zu betrachten und unserem Gemüte und
Willen nahe zu bringen.
3. Der heilige Rosenkranz enthält ferner
Bitten, die unmittelbar an Gott, und An-
rufungen, die an Maria gerichtet sind. In
diese Bitten und Anrufungen können wir alle
eigenen und fremden Anliegen des Leibes und
der Seele hineinlegen, welche immer uns am
[629] Herzen liegen mögen, sei es, daß wir die ganze
Andacht in der nämlichen Absicht aufopfern
oder bei jedem Absatz an ein besonderes An-
liegen denken wollen. Auf diese Weise kannst
du die verschiedenen Tugenden, deine Standes-
pflichten, deine häuslichen Anliegen, Versuchun-
gen, Sorgen und Leiden, Kranke, Sterbende
und Abgestorbene zum Gegenstand deiner Bitten
machen. Wenn du überhaupt fähig bist, zu
beten, so wird es dir nie an Anliegen fehlen,
die du bei diesem Gebete Gott und Maria
vortragen kannst.
4. Leider wird der Rosenkranz mitunter
in einer Weise gebetet, welche mit seinem herr-
lichen Inhalte, mit den an ihn geknüpften er-
hebenden Erinnerungen und mit dem Zweck
und der Würde des Gebetes überhaupt nicht
im Einklange steht. Aber die Nachlässigkeit
mancher Beter darf nicht dem Gebete selber
zur Last gelegt werden. Der Rosenkranz wird
eine der heilsamsten Gebetsweisen sein, wenn
die Betenden sich bemühen:
a. am Anfange sich zusammeln, frei-
willige Zerstreuungen zu vermeiden,
die Worte langsam und so viel als
möglich mit Ueberlegung auszusprechen,
wie das bei dem Gebete überhaupt zu
geschehen hat;
b. in der oben angegebenen Weise
die Geheimnisse des Rosenkranzes zu
[630] betrachten und stets die Andacht für
bestimmte Gebetsanliegen aufzuopfern.
5. Früher war der heilige Rosenkranz eine
regelmäßige Abendandacht in den Fami-
lien. Wenn dies gegenwärtig auch nicht überall
möglich ist, sollte er wenigstens an den Vor-
abenden von Sonn- und Festtagen nicht ver-
säumt werden. Der eifrige Christ wird auch
sonst manche Gelegenheit finden, ihn zu beten,
z. B. wenn er allein auf dem Wege ist, bei
Kranken wachen muß u. s. w.
In neuerer Zeit wurde der sogenannte
lebendige Rosenkranz von den Päpsten ge-
nehmigt, empfohlen und mit Ablässen ausgestattet
und hat namentlich durch den Verein des Ge-
betsapostolates eine große Verbreitung erlangt.
Bei dieser Uebung werden die verschiedenen
Absätze von verschiedenen Personen gebetet.
Damit die bewilligten Ablässe gewonnen wer-
den, wird erfordert:
a. daß entsprechend den fünfzehn Geheim-
nissen des Rosenkranzes je fünfzehn Personen
sich zu dieser Uebung verbinden;
b. daß jede Person den ihr zugeteilten
Absatz oder Zehner pünktlich betet und das
betreffende Geheimnis dabei betrachtet;
c. daß die fünfzehn Geheimnisse unter den
Teilnehmern jeden Monat durch das Los neu
verteilt werden.
Aufopferung.
O du glorwürdige und wunderbare
Mutter Gottes, Maria! diesen heiligen
Rosenkranz (diese zwei heiligen Rosenkränze,
diesen Psalter) opfern wir dir auf, zu-
vörderst deinem geliebten Sohne Jesu
Christo zu Lob und Ehre, (für alle Brü-
der und Schwestern der heiligen Bruder-
schaft) für Lebendige und Abgestorbene
und für alle Anliegen der ganzen Chri-
stenheit.
Der Rosenkranz der christlichen
Mutter.
Im Anschluß an die eben gemachten Be-
merkungen wird hier beispielsweise gezeigt, wie
die christliche Mutter ihre Sorgen, Anliegen
und Bitten mit dem Rosenkranz verflechten
kann. Die jedem Geheimnisse beigefügten Bitten
sind zur freien Auswahl überlassen. Es ist
besser mit einem Geheimnisse nur eine Bitte
zu verbinden. Hat man eine besondere Sorge
auf dem Herzen, so opfere man den ganzen
Rosenkranz für dieselbe auf. Man kann auch
andere Bitten beifügen, als die hier angege-
benen. Die Hauptsache ist, daß man das Gebet
[632] in einer bestimmten Meinung und Absicht ver-
richtet, und zwar einer solchen, die Herzens-
sache ist. Dann erhöht die Gebetsmeinung den
Gebetseifer und dieser die Kraft und Wirk-
samkeit des Gebetes.
I. Zum freudenreichen Rosenkranz.
1. Begrüße Maria als Mutter
Gottes und opfere dein Gebet in der
Meinung auf, daß kein Kind sterbe
ohne die heilige Taufe, – daß die Kin-
der in der Taufunschuld erhalten blei-
ben, – daß Maria dich und dein Kind
unter ihren besonderen Schutz nehme.
2. Betrachte den Besuch Mariens
bei Elisabeth und bitte, daß auch du
und dein Kind wie Johannes und seine
Mutter durch Christus und Maria
Segen und Gnade empfangen mögen,
– daß die häuslichen Gespräche, welchen
das Kind zuhört, ihm stets zur Er-
bauung und nie zum Aergernis ge-
reichen, – daß es außer dem Hause
nur unter gute Menschen komme und
vor jedem bösen Umgange bewahrt werde.
3. Betrachte die Liebe Mariens zu
dem neugebornen Weltheilande, bitte
um eine übernatürliche Mutterliebe und
die Bewahrung vor blinder Liebe, –
um die Gnade, das Kind zu einem
Ebenbilde des göttlichen Kindes zu er-
ziehen, – um die Erkenntnis deiner
Mutterpflichten, – für dein Kind um
den Schutz der Engel, die das Kind in
der Krippe umschwebten.
4. Betrachte Maria im Tempel,
wie sie das Gesetz erfüllt und ihr Kind
Gott aufopfert, und bitte, daß du sel-
ber die religiösen Pflichten zu Hause
und in der Kirche ohne äußere Stö-
rung und eigene Nachlässigkeit erfüllen
mögest, – daß auch du dem Kind Gott
darbringen, d. h. für Ihn und den
Himmel erziehen mögest, – daß auch
deine Muttersorgen wie die Mariens
einst ein fröhliches Ende nehmen.
5. Betrachte den Knaben Jesus im
Tempel und seine Mutter in ihrer
Angst und bitte, daß auch deine Kin-
[634] der fromm werden, gerne im Hause
Gottes weilen und würdig mit Gott
umgehen, – daß Gott die Kinder au-
ßer dem Hause, besonders in der Fremde
durch seine heiligen Engel beschützen
möge, – daß wenn Mutter und Kin-
der auf Erden getrennt werden, sie sich
einst im Himmel wieder glücklich zu-
sammenfinden mögen.
II. Zum schmerzhaften Rosenkranz.
1. Betrachte, wie Christus am Oel-
berge aus unendlicher Liebe die Sün-
den der ganzen Welt auf sich nimmt
und für sie in Todesangst Buße thut,
und flehe, daß Gott dir in den Auf-
regungen und Aengsten deines Herzens
Trost und Beruhigung gewähre, – daß
du deinen Kindern einen rechten Ab-
scheu vor jeder Sünde einzuflößen ver-
mögest, – daß alle Bedrängten und
Versuchten nach dem Beispiele des Er-
lösers im Gebete Hilfe und Trost suchen
mögen.
2. Christus ließ sich geißeln, um
für die Weichlichkeit und Sinnlichkeit
der Menschen genugzuthun. Bitte Ihn
durch Maria um die Gnade die Lei-
den und Widerwärtigkeiten des häus-
lichen Lebens in Gott wohlgefälliger
Weise zu ertragen, – die überflüssigen
Vergnügen und weltlichen Freuden für
gering zu halten und aus Liebe zu Gott
und der Familie zu vermeiden, – die
Kinder in christlich-ernster Zucht zur
Einfachheit und Genügsamkeit, zur christ-
lichen Selbstverleugnung anzuleiten.
3. Die Dornenkrönung und die
Verspottung ertrug Christus als Ge-
nugthuung für die Sünden des Hoch-
mutes und der Eitelkeit. Die Sucht zu
gefallen ist das Verderben für Mutter
und Kind, weil sie die Erziehung ver-
äußerlicht und mit dem Weltgeiste ver-
giftet. Darum bete für dich selbst um
wahre Gottesfurcht, christliche Beschei-
denheit, Befreiung von Menschenrück-
sichten, – um die Gnade, diese Tu-
[636] genden auch den Kindern einzupflanzen,
– um Erkenntnis, Verzeihung und
Besserung der bisher in diesem Punkte
begangenen Fehler.
4. Christus unter dem Kreuze sprach
zu den weinenden Frauen: Weinet nicht
über Mich, sondern weinet über euch
selbst und über euere Kinder. Dieses Wort
gilt immer noch für jene Mütter, welche
in der Erziehung unglücklich sind, so
daß ihre Kinder zeitlichem und ewigem
Verderben anheimfallen. Bitte um die
Gnade, deine Kinder so zu erziehen,
daß sie von selbstverschuldetem Unglücke
frei bleiben, – daß sie fähig werden,
mit christlichem Sinn die unverschul-
deten Leiden dieses Lebens zu ertragen,
– daß sie nicht ewig unglücklich werden.
5. Weib, siehe deinen Sohn! Siehe
deine Mutter! Noch sterbend hat Chri-
stus seine Mutter dem Johannes an-
empfohlen, damit er ihr beistehe und
sie pflege, und in Johannes hat Er
uns alle seiner Mutter als Kinder über-
[637] geben, damit sie sich derselben annehme.
Bitte um die Gnade, in jeder Not und
Angst bei dieser liebevollen Mutter
Hilfe zu suchen, – unter den Müh-
salen und Schwierigkeiten die Treue
und Beharrlichkeit der schmerzhaften
Mutter nachzuahmen, – durch eine christ-
liche Erziehung dir die Dankbarkeit und
allfällig nötige Unterstützung der Kin-
der zu sichern, – einst auch deine Le-
bensaufgabe abschließen zu können mit
einem tröstlichen: Es ist vollbracht!
III. Zum glorreichen Rosenkranz.
1. Der auferstandene Heiland er-
innert uns an unsere eigene Aufersteh-
ung. Diese ist aber nur dann eine se-
lige für uns, wenn wir vorher geistig
auferstanden sind in der Besserung des
Lebens und in Heiligung durch die
Gnade. Bitte für dich und deine Kin-
der um die Gnade, alles dem Tode
und der Vergänglichkeit Verfallene nach
Gebühr für gering zu halten, – das
[638] ewige Leben und die heiligmachende Gnade
allein als wahre Güter anzusehen, –
einst mit verklärtem Leibe aus dem Grabe
aufzustehen.
2. Suchet, was droben ist. So ruft
uns der heilige Paulus zu. Droben
sitzet Christus zur Rechten des Vaters,
umgeben von allen Heiligen; droben
ist alle Hilfe und Gnade bereit, deren
du als Mutter bedürftig bist; droben
sind die Wohnungen, die der Herr für
dich und deine Kinder bereit haltet.
Bitte darum um ein lebendiges Ver-
trauen auf den göttlichen Kinderfreund
zur Rechten des Vaters und auf die
Fürsprache seiner Heiligen, – um die
Gabe eines glaubensstarken, beharrlichen
Gebetes, – um das Verlangen nach
den Freuden des Himmels und die
Furcht vor deren Verlust für dich und
deine Kinder.
3. Der heilige Geist ist die Seele
der Kirche, und soll auch mit seiner
Gnade unsere Herzen regieren. Wir
[639] können, wie der heilige Paulus sagt,
nicht einmal den Namen Jesus aus-
sprechen, es sei denn im heiligen Geiste.
Bedenke, wie du auch als Mutter die
nötige Einsicht und Kraft nur durch
die Gnade des heiligen Geistes erlangen
kannst. Darum bete um die Erkennt-
nis deiner Schwäche und Unzulänglich-
keit und um recht demütigen Sinn, –
um ein starkes Verlangen nach der
Gnade und um festes Vertrauen auf
dieselbe, – um Treue und Beharrlich-
keit in der Mitwirkung, – um Er-
haltung und Befestigung deiner selbst,
deiner Kinder und Kindeskinder im
katholischen Glauben und in der treuen
Anhänglichkeit an die Kirche.
4. Maria verläßt diese Erde, wo
sie viel gelitten, aber auch erhabene Tu-
genden geübt und reiche Verdienste ge-
sammelt hat, sie geht ein in den Him-
mel zum Genusse der höchsten Seligkeit.
Bitte um die Gnade, immer für dich
und deine Kinder den Himmel als letztes
[640] Ziel im Auge zu behalten, – auf Er-
den die Tugenden Mariens nachzu-
ahmen, – insbesondere nach ihrem
Beispiele die Leiden und Beschwerden
des Berufes zu heiligen, – am Ende
mit Beruhigung auf das vergangene
Leben zurückblicken und mit Freuden
dem ewigen Leben entgegengehen zu
können.
5. Maria hat als Himmelskönigin
ihr Ziel erreicht, aber auch im Besitze
ihrer Herrlichkeit ist sie für uns eine
liebevolle und mächtige Mutter und
Helferin. Kein andächtiges Ave Maria
wird zu ihr hinaufgesendet, ohne daß
es zu ihrem Herzen dringt und ihr
Mitleid gegen uns erweckt. So oft du
sie grüßest, stelle sie dir vor in ihrer
Hoheit, Macht und Liebe, und empfiehl
ihr mit kindlichem Vertrauen sowohl
alle Sorgen und Aengsten, die jetzt
dein Herz beschweren, als insbesondere
das schwerste Anliegen in der Stunde
deines Absterbens. Amen.
Zu den heiligen Schutzengeln.
[641]1. Heiliger Schutzengel, den mir
Gott zum Beschützer gegeben hat, ich
danke dir für die Liebe und Treue,
mit der du mich von meiner Kindheit
an bewacht und beschützt hast. Bewahre
mich heute und jederzeit vor Schaden
an Leib und Seele, besonders vor un-
vorhergesehener Lebensgefahr. – Leider
habe ich oft deine guten Einsprechungen
nicht beachtet und dich durch meine Sün-
den betrübt. Ich nehme mir vor, in
Zukunft williger auf dich zu hören.
Lasse nicht ab, mich im Gebete aufzu-
muntern, in der Gefahr zu warnen,
im Kampfe zu stärken, im Leiden zu
trösten. – Insbesondere empfehle ich
mich dir an für die verhängnisvolle
Stunde des Todes. Mahne mich, daß
ich mich rechtzeitig vorbereite, halte den
Versucher von mir ferne, erwirb mir
den Beistand Gottes und seiner Heili-
gen, stehe mir bei im Gerichte und
[642] trage meine Seele in die Seligkeit des
Paradieses. Vater unser. Ave Maria.
2. Ihr heiligen Schutzengel meiner
Kinder, die ihr immerdar das Ange-
sicht des himmlischen Vaters schauet,
ich begrüße euch mit Ehrfurcht und
Freude als von Gott bestellte Wächter
und Beschützer dessen, was mir auf Er-
den das Teuerste ist. Bittet euern Herrn,
daß er mir eingebe, wie ich meine Kin-
der, euere Schützlinge, erziehen soll.
Wenn ich etwas versäume oder gefehlt
mache, so verhütet den Schaden und
machet es wieder gut durch euere liebe-
volle Sorgfalt und Wachsamkeit. Euerer
Obhut empfehle ich die Unschuld dieser
unerfahrenen und schwachen Seelen, be-
schützet sie gegen Aergernis und Ver-
führung, stehet ihnen bei im Gebete,
leitet sie zum Guten an durch euere
Einsprechungen, und wenn sie in die
gefahrvolle Welt hinaus müssen, so führet
und schützet sie wie einst der Erzengel
Raphael dem jungen Tobias auf der
[643] Reise in der Gefahr beistund und ihn
wohlbehalten zu seinen Eltern zurück-
begleitete. – Ich will die Kinder an-
leiten, euch zu verehren und anzurufen,
eueren Einsprechungen zu gehorchen.
Und so hoffe ich, daß ihr in der Sorge
für diese Kinder ersetzet, was von mei-
ner Seite mangelt, sie auch da beschützet
und bewahret, wo mein Auge nicht hin-
reicht, und sie nach dieser gefahrvollen
irdischen Wanderschaft heimführet in
das himmlische Vaterland. Vater unser.
Ave Maria.
3. Im Geiste der Liebe empfehle
ich alle unschuldigen Seelen auf Erden
ihren unsichtbaren Beschützern. Zahllos
sind die Aergernisse und überaus groß
die Macht der Verführung, und darum
freue ich mich und danke Gott, daß er
himmlische Geister bestellt hat, um diesem
Verderben entgegen zu wirken. Es wird
am letzten Gerichtstage offenbar wer-
den, was die geretteten Seelen ihren
heiligen Schutzengeln zu verdanken haben.
[644] Dort werden diese aber auch als An-
kläger auftreten gegen alle, welche auch
nur eines von diesen Kleinen ärgerten.
Mögen sie uns ein gutes Zeugnis ge-
ben können! Ich will alles thun, damit
ich und die mir Anvertrauten sie an
jenem Tage mit Jubel begrüßen und
wir ihnen die ganze Ewigkeit hindurch
unseren Dank abstatten können. Vater
unser. Ave Maria.
Engel Gottes, der du mein Beschützer
bist, erleuchte mich, bewahre mich, leite
und regiere mich, der ich dir von der
göttlichen Vorsehung anvertraut bin.
. Er hat seinen Engeln deinet-
wegen befohlen.
. Daß sie dich bewachen auf allen
deinen Wegen.
Lasset uns beten.
O Gott, der Du in unaussprech-
licher Vorsehung deine heiligen Engel
zu unserem Schutze zu senden Dich ge-
würdiget hast, verleihe uns Bittenden,
[645] daß wir durch ihren Schutz immerdar
behütet werden und uns ihrer Gemein-
schaft ewig erfreuen mögen. Durch
Jesum Christum, unsern Herrn. Amen.
Gebete zu den Heiligen Gottes.
Zum heiligen Joseph.
1. Heiliger Joseph, einst Beschützer
der heiligen Familie, siehe, die kleine
Haushaltung in Nazareth, die dir an-
vertraut war, hat sich jetzt erweitert
zur großen Gemeinschaft der katholischen
Kirche, welche dich als ihren besonderen
Patron, und Fürsprecher verehrt und
anruft. Erflehe ihr Hilfe und Trost in
ihren schweren Anliegen und Bedräng-
nissen. – Vater unser. Ave Maria.
2. Heiliger Joseph, dem einst das
göttliche Kind Jesus anvertraut war,
blicke huldvoll herab auf die christliche
Jugend, welche nach dem Ebenbilde
deines göttlichen Pflegesohnes geschaffen,
[646] durch die Taufe geheiligt und für den
Himmel berufen ist; bitte für sie zu
Jesus Christus, daß alle Eltern nach
deinem Vorbilde ihre Pflichten gegen
die Kinder treu erfüllen, und alle Kin-
der vor den Aergernissen der Welt be-
wahrt bleiben und wie dein Pflegesohn
zunehmen wie an Alter so an Weis-
heit und Liebenswürdigkeit vor Gott
und den Menschen. – Vater unser.
Ave Maria.
3. Heiliger Joseph, für die dir an-
vertraute Familie hast du auf Erden
schwere Sorgen und Kümmernisse er-
tragen und dafür nun große Macht
im Himmel erlangt. Wir empfehlen
dir mit vollem Vertrauen unser Hab
und Gut, unsere Ehre und Gesundheit,
unsere häuslichen Sorgen und Anliegen.
Erwirb uns durch deine Fürbitte, daß
wir in Frieden und Eintracht leben,
im Glücke mäßig, im Unglücke stand-
haft seien und Glück und Unglück uns
zum Heile dienen, wie einst deiner hei-
[647] ligen Familie in Nazareth. – Vater
unser. Ave Maria.
4. Heiliger Joseph, dir war es ver-
liehen, den göttlichen Erlöser nicht bloß
zu sehen, sondern auf den Armen
zu tragen und an das Herz zu drücken.
Erwirb mir die Gnade, so ehrerbietig
und liebevoll mit Ihm umzugehen wie
du, insbesondere in der heiligen Kom-
munion Ihn recht würdig und wohl-
vorbereitet zu empfangen. – Vater
unser. Ave Maria.
5. Heiliger Joseph, dir wurde das
hohe Glück zu teil, in den Armen Jesu
und Mariä zu sterben. Ich erwähle
dich zu meinem Patron und Fürspre-
cher für die Todesstunde. Komme mir
zu Hilfe mit deiner Fürbitte, damit
ich wohlvorbereitet unter dem Schutze
meines Erlösers und seiner Mutter den
Tod des Gerechten sterbe. – Vater un-
ser. Ave Maria. Glaube.
Siehe, den treuen und klugen Die-
[648] ner, welchen der Herr über sein Haus
gesetzt hat.
. Ehre und Reichtümer sind in
seinem Hause.
. Und seine Gerechtigkeit bleibet
auf ewig.
Lasset uns beten.
O Gott, der Du in deiner uner-
gründlichen Vorsehung den hl. Joseph
als den Verlobten deiner allerseligsten
Mutter auszuwählen Dich gewürdigt
hast, verleihe gnädig, daß wir den,
welchen wir als Schutzpatron auf Er-
den verehren, als Fürsprecher im Him-
mel haben mögen, der Du lebst und
regierst in Ewigkeit. Amen.
Andachten zu den heiligen Müttern.
1. Drei glückliche Mütter.
Nur drei Geburtstage werden von der
Kirche als Festtage begangen, der des gött-
lichen Heilandes, der seiner Mutter und des
heiligen Johannes des Täufers. Der Grund
ist allen bekannt und zeugt auch für die Würde
[649] und Heiligkeit der drei Mütter. Es wird christ-
lichen Müttern empfohlen, sich besonders an
den Geburts- und Tauftagen ihrer Kinder an
dieselben zu wenden:
Heilige Mutter Anna, ich freue
mich über die Auszeichnung, die dir
als Mutter der seligsten Jungfrau
zu teil geworden ist, und deren du
dich durch deine Heiligkeit würdig ge-
macht hast. Habe Mitleiden mit mir,
da ich von deinem Glücke weit ent-
fernt bin. Das Kind, welches ich er-
ziehen soll, ist mit den Folgen der
Erbsünde behaftet, und ich selber bin
sündhaft, schwach und kurzsichtig. We-
gen deiner Heiligkeit und deiner Würde
als Mutter Mariens vermagst du viel
mit deiner Fürsprache. Darum er-
stehe mir die Gnade, die Mutterpflich-
ten gewissenhaft und zum Heile mei-
nes Kindes zu erfüllen. Vater unser.
Ave Maria.
Heilige Elisabeth, dein Sohn Jo-
hannes ist schon vor der Geburt von
[650] der Erbsünde gereiniget und geheiliget
worden, und hat während seines Le-
bens in der Gerechtigkeit und Heilig-
keit immer zugenommen. Unsere Kin-
der werden als Sünder geboren und
erlangen die Gnade erst durch die hei-
lige Taufe. Erwirb uns die Gnade,
daß auch wir den Zug zum Heiligen
auf die Kinder übertragen, daß diese
der heiligen Taufe teilhaftig werden
und nach dem Vorbilde deines Soh-
nes die erlangte Gnade zeitlebens be-
wahren und vermehren. Vater unser.
Ave Maria.
Göttliche Mutter Maria, alle Jahre
wiederholt sich in der ganzen Christen-
heit der Jubel jener seligen Nacht, in
welcher du den Erlöser zur Welt ge-
boren hast. Ohne diese gnadenreiche
Geburt wären die Geburtstage unse-
rer Kinder Trauertage. Sie würden
geboren für ein armseliges Leben auf
Erden und ohne Hoffnung auf ein
ewiges Leben. In deinem Sohne ist uns
[651] das Licht der Hoffnung und des Tro-
stes aufgegangen. Aber der Weg zum
Ziele führt mitten durch viele Gefah-
ren und Versuchungen. Blicke gnädig
hernieder auf uns und unsere Kinder
und bitte für uns. Mag auch für
uns die Geburt der Eintritt in eine
Welt voller Elend und Gefahren sein,
so soll durch deine Fürsprache der
Austritt aus diesem Leben zu einem
Tage des Jubels und der Freude wer-
den. Vater unser. Ave Maria.
2. Heilige Heldinnen.
Viele heilige Mütter haben ihre Kinder
zu mutigen Bekennern des Glaubens erzogen,
manche sie selbst auf die Richtstätte begleitet
und mit ihnen den Martertod erduldet. Be-
sonders berühmt sind drei derselben, die macha-
bäische Mutter um 170 vor Christus, die hl.
Symphorosa im Jahre 136, und die heilige
Felicitas 150 nach Christus. Jede von diesen
dreien hat sieben Söhne auf den Richtplatz
begleitet, Symphorosa ist zuerst, die beiden
andern sind nach ihren Söhnen gemartert wor-
den. Dieser Heldenmut hat ihnen eine herrliche
[652] Siegeskrone im Himmel verdient und ist ge-
eignet, uns mit großer Zuversicht auf die Macht
ihrer Fürsprache zu erfüllen.
O bewunderungswürdige Mütter,
alle Macht der Welt war nicht im
stande, euch zu besiegen, oder auch nur
zu erschrecken. Hochherzig habet ihr
gesiegt über Fleisch und Blut, und
lieber das Blut euerer Söhne fließen
sehen, als zugeben wollen, daß sie
Schaden leiden an ihrer Seele. O
wie fühle ich mich durch eueren Hel-
denmut beschämt, wie zittere ich vor
meiner Schwäche und Feigheit! Er-
werbet mir durch euere Fürsprache die
Kraft zum Siege über die Furcht vor
der Welt und die eiteln Menschenrück-
sichten, zur Erhebung meines Herzens
über die fleischliche Liebe und zur
Uebung jener übernatürlichen Mutter-
liebe, welche bereit und entschlossen ist,
für das Heil der Kinder alles zu
thun und alles zu opfern. Vater
unser. Ave Maria.
Die Standhaftigkeit euerer Söhne
auf dem Richtplatze war nur die Probe
für die Erziehung, die ihr ihnen vor-
her gegeben hattet. Von ihrer Ge-
burt an habt ihr sie auf diesen schwe-
ren Kampf vorbereitet, ihnen leben-
digen Glauben, heilige Gottesfurcht,
die Treue und den Mut des wahren
Christen eingepflanzt, und so ist die-
ser blutige Tag für euch als Mütter
zu einem Tage des Triumphes gewor-
den. Bittet für mich und meine Kin-
der, daß ich sie nach euerem Beispiele
auf die Gefahren der Welt vorbereiten
kann, und sie wie euere Söhne in
allen Anfechtungen siegen. Vater un-
ser. Ave Maria.
Euch war es vergönnt, euere
Söhne in den Kampf zu begleiten und
in demselben aufzumuntern. Unsere
Kinder müssen wir meistens allein in die
gefahrvolle Welt hinaus entlassen. Helfet
uns beten, daß Gottes heilige Engel
sie in die Gefahren begleiten und
[654] ihnen beistehen, und daß Gott ihnen
die Kraft und den Mut verleihe, mit
denen euere Söhne die Palme des
Sieges errungen haben.
3. Trauernde Mütter.
Solcher giebt es zwei große Scharen. Die
erste wird angeführt von den Müttern in Beth-
lehem, welche über den Mord der unschuldigen
Kinder wehklagten. Ihnen folgen viele andere,
welche einst weinten über den Verlust ihrer
Kinder in der Blüte der Jahre. Im Himmel
sind sie über ihren Schmerz getröstet und voll
Teilnahme bereit, andern trauernden Müttern
Trost zu erwirken.
Der Schmerz bei solchen Verlusten ist
etwas Natürliches, aber man kann ihn mildern
und vor sündhafter Uebertreibung bewahren,
man kann ihn selbst zu einem verdienstlichen
Opfer machen, wenn man sich zu den An-
schauungen der Heiligen erhebt, zur Freude
über das ewige Glück des Kindes, zur An-
betung des Willens Gottes, zur opferwilligen
Unterwerfung unter denselben. Als Job nebst
der ganzen Habe an einem Tage seine sieben
Söhne und drei Töchter verlor, sagte er: Der
Herr hat es gegeben, der Herr hat es genommen.
Wie es dem Herrn gefallen hat, also ist es
[655] geschehen! Der Name des Herrn sei gebenedeit!
(Job 1, 21.) Sollte ein Schmerz dieser Art
dein Herz verwunden, so wende dich um Trost
und Ergebung an die Mütter im Himmel,
welche seiner Zeit Aehnliches erduldeten. Hast
du dich zu christlichen Gesinnungen emporge-
rungen, so opfere deinen Schmerz Gott auf
nach dem Beispiele der heiligen Hedwig, Her-
zogin von Schlesien. Als ihr herrlicher und
einziger Sohn Heinrich in der Schlacht ge-
fallen war, betete sie also:
‘„O Herr, ich danke Dir, daß Du
mir einen solchen Sohn gegeben hast,
der mich, so lange er lebte, immer
geliebt und in großer Verehrung ge-
halten, mich auch niemals in etwas
betrübt hat. Wiewohl ich ihn so gern
bei mir auf Erden hätte, gönne ich
es ihm doch auf das innigste, daß er
bereits mit Dir, seinem Schöpfer, im
Himmel vereint ist. Flehentlich em-
pfehle ich Dir, o Herr, seine Seele.“’
Vater unser. Ave Maria.
Die zweite Schar von Müttern, an deren
Spitze wir die heilige Monika sehen, trauerte
einst über den geistigen Tod ihrer Kinder. Für
[656] diese Trauer ist der Trost viel schwieriger zu
finden. Hier kann man nicht den natürlichen
Schmerz mit übernatürlichen Trostgründen
überbieten; denn der Schmerz gehört selber
dem übernatürlichen Gebiete an. Ebenso wenig
kann man von einer göttlichen Fügung und
christlichen Ergebung reden; denn Gott wollte
das Verderben des Kindes nicht. Es bleibt
nur mehr der Trost der Hoffnung, der Hoff-
nung auf Gott, der den Tod des Sünders
nicht will, der Hoffnung auf die Gnade, welche
schon zahllose Sünder in Gerechte und Heilige
umgewandelt hat, der Hoffnung auf das Gebet,
welches nach den Verheißungen Christi alles
vermag, der Hoffnung auf das Erbarmen
Christi gegen die Trauer einer Mutter, das er
gezeigt hat bei der Erweckung des Jünglings
zu Naim und bei der Bekehrung des heiligen
Augustin. Mit dieser Hoffnung muß die trau-
ernde Mutter sich waffnen und mit Gebet und
Thränen den Herrn bestürmen, bis Er den
verlorenen Sohn durch äußere Fügungen und
innere Gnaden wieder zurückführt. Eine Mutter,
die von diesen Gesinnungen erfüllt ist, bedarf
keiner Anleitung, ihr Herz wird ohne Anlei-
tung zu beten wissen. Darum genüge hier ein
kurzer Gruß an die ehemaligen Leidensgenos-
sinnen und jetzigen teilnehmenden Helferinnen
im Himmel:
O ihr heiligen Mütter, die ihr
aus großer Trübsal zu viel größerer
Glückseligkeit gelangt seid, sehet an
mein Elend, in dem ihr selber nicht
unerfahren seid. Eine doppelte Be-
sorgnis lastet zentnerschwer auf meinem
Herzen und läßt mich nirgends Ruhe
finden. Wird mein Kind noch ge-
rettet werden oder verloren gehen?
Bin ich etwa selber schuld an seiner
Ausartung? Habe ich gefehlt, so will
ich es bereuen und büßen und zur
Genugthuung dieses Leiden tragen. Aber
an das Verderben meines Kindes kann
und will ich nicht glauben, ich will
alles thun, was mir möglich ist, bis
es gerettet ist. Was ich leide, habet
ihr auch gelitten, und darum rechne
ich auf euer Mitleiden; in diesen Lei-
den habt ihr große Verdienste erwor-
ben, darum habe ich ein großes Ver-
trauen auf euere Fürbitte und er-
wähle euch zu meinen Fürsprecherin-
nen bei dem göttlichen Erlöser. Euch
[658] übergebe ich meine Gebete und Seuf-
zer und guten Werke, vereiniget sie
mit eueren Gebeten und Verdiensten
und bringet sie Demjenigen dar, wel-
cher will, daß alle Menschen selig
werden, und uns darum durch seinen
Apostel zum Gebete aufgefordert hat.
(I. Tim. 2, 1.) Möge auch für mich
so wie für euch die Trauer in Freude
verwandelt werden, und möge ich mit
meinem Kinde nach diesem armseligen
Leben in euere glückselige Gemeinschaft
gelangen!
Der Verein der christlichen Mütter.
Im Himmel ist die Gemeinschaft der Hei-
ligen, auf Erden die Gemeinschaft der Gläu-
bigen. Die Mütter auf Erden sollen die im
Himmel als ihre Fürbitterinnen anrufen, und
unter sich sollen sie einander erbauen und unter-
stützen. Als Mittel hiezu dient besonders der
Verein der christlichen Mütter, der vor etwa
50 Jahren in das Leben getreten ist, und von
der Kirche genehmiget und mit Ablässen be-
schenkt wurde. Ist der Verein in einer Ge-
meinde eingeführt, so findet die christliche Mutter
[659] in seinen Versammlungen Belehrung und Er-
bauung. Besteht er nicht, so soll sie sich an-
derswo aufnehmen lassen, um wenigstens der
geistigen Vorteile dieser Vereinigung, des ge-
meinsamen Gebetes und der Ablässe teilhaftig
zu werden. Hier folgt
Das tägliche Vereinsgebet.
O Maria, unbefleckte Jungfrau
und schmerzensreiche Mutter! empfiehl
unsere lieben Kinder dem anbetungs-
würdigen Herzen Jesu, der seiner
Mutter nichts abschlägt. Bitte für sie!
Heilige Schutzengel, bittet für sie.
Heiliger Joseph, du mächtiger Be-
schützer, bitte für sie!
Heiliger Johannes, du vielgelieb-
ter Jünger des Herrn, bitte für sie!
Heiliger Augustinus, bitte für sie!
Heiliger Aloysius, bitte für sie!
Heilige Anna, du Mutter Mariä,
bitte für sie!
Heilige Monika, bitte für sie und
für uns! Amen.
Der Glaube an die Vorsehung.
[660]Der göttliche Heiland versichert uns mit
trostreichen Worten, daß der himmlische Vater
alles zu unserem Besten anordne und mit
väterlicher Liebe um uns besorgt sei. Der Christ
soll diese Lehre nicht bloß glauben, sondern
auch in den Freuden und Leiden seines täg-
lichen Lebens beherzigen und auf sich selber an-
wenden. Er soll das ganze irdische Leben im
Geiste des Glaubens auffassen, in allen Ereig-
nissen die Hand des Herrn erkennen, ihre
Winke befolgen, für ihre Gaben dankbar sein,
ihre Züchtigungen ergeben und vertrauensvoll
annehmen. Dann wird er in jeder Lage, selbst
im größten Unglücke, die ruhige Fassung, selbst
freudigen Mut jederzeit bewahren. Die Christen
würden unzählige Leiden leichter ertragen, wenn
sie den Glauben an die Vorsehung nicht als
vergrabenes Talent in sich herumtragen würden
Viele wären nicht untergegangen in Kleinmut
und Verzweiflung, wenn sie nicht vorher diesen
so trostreichen Glauben verloren hätten. Eltern
sollen jede Gelegenheit benutzen, um die Lehre
von der Vorsehung, durch welche das wechsel-
volle Erdenleben mit dem Schimmer himm-
lischen Trostes verklärt wird, ihren Kindern
recht tief und unauslöschlich einzuprägen.
Bei einem glücklichen Ereignisse:
Danket dem Herrn, denn Er ist gut;
denn in Ewigkeit währet seine Barm-
herzigkeit. (Ps. 117, 1.), oder: Was soll
ich dem Herrn vergelten für alles, was
Er mir gegeben hat? (Ps. 115, 3.) oder
wenigstens das altchristliche Gott sei
Dank!
Bei einem Verluste:
Der Herr hat es gegeben, der Herr
hat es genommen. Wie es dem Herrn
gefallen hat, also ist es geschehen. Der
Name des Herrn sei gebenedeit. (Job
2, 21.)
Bei selbstverschuldetem Unglücke:
Wir leiden mit Recht; denn wir
empfangen, was wir verdient haben.
Dieser aber (Christus) hat nichts Böses
gethan. (Luk. 23, 41.)
Ich will mich aufmachen und zu
meinem Vater gehen und zu Ihm sa-
gen; Vater, ich habe gesündigt wider
den Himmel und vor Dir. (Luk. 15, 18.)
In Armut und zeitlichen Sorgen:
Alle Haare eueres Hauptes sind
gezählt, es fällt keines von euerem Haupte
ohne den Willen meines Vaters, der
im Himmel ist.
Fürchte dich nicht mein Sohn: wir
führen zwar ein armes Leben, aber wir
werden viele Güter haben, wenn wir
Gott fürchten und alle Sünden meiden
und Gutes thun. (Tob. 1, 23.)
Gieb uns heute unser tägliches Brot.
Selig sind die Armen im Geiste,
denn ihrer ist das Himmelreich.
Bei Heimsuchungen jeder Art:
Was Gott thut, ist wohlgethan. –
Denen, die Gott lieben, gereichen
alle Dinge zum Besten. –
Auf Dich, o Herr, habe ich gehofft,
ich werde ewig nicht zu Schanden wer-
den. –
Wer Mir nachfolgen will, nehme
täglich sein Kreuz auf sich und folge
Mir nach. –
Selig sind die Trauernden und
Weinenden, denn sie werden getröstet
werden.
Selig der Mensch, den Gott gezüch-
tiget; darum verschmähe die Züchtigung
des Herrn nicht; denn Er verwundet
und heilt, Er schlägt und seine Hände
machen gesund. (Job 5, 17.)
Gebet um Gottes Schutz und Gnade in
gesunden und tranken Tagen.
Herr, unser Gott, Du hast uns zur
Freude und Glückseligkeit erschaffen, aber
durch die Sünde ist der Keim des To-
des in uns gelegt und nach dem Ge-
setze unserer Sterblichkeit wird bald das
eine Glied unserer Familie, bald ein
anderes von einer Krankheit heimgesucht
werden, und früher oder später werden
alle durch den Tod in die andere Welt
hinübertreten. Wir unterwerfen uns
zum voraus deinen Ratschlüssen. Du
bist unser Vater und was Du uns sen-
den wirst, das nehmen wir an mit Er-
[664] gebung und Vertrauen. Doch flehen wir
zu Dir um deines eingebornen Sohnes
willen, verfahre nicht mit uns nach unsern
Missethaten, sondern nach deiner großen
Barmherzigkeit. Bewahre unser Haus
vor ansteckenden Seuchen und schweren
Krankheiten. Erhalte in unserer Familie
und Verwandtschaft den Kindern ihre
Eltern, bis für ihr zeitliches und ewiges
Wohl hinreichend gesorgt ist. Gib, daß
die Krankheiten, die Du uns senden
wirst, so von uns ertragen werden, daß
sie Dir zur Ehre und uns zum Heile
dienen; daß die Kranken durch Geduld,
die Gesunden durch Liebe Verdienste
sammeln. Bewahre uns alle vor einem
jähen und unvorhergesehenen Tode. Gib,
daß wir beständig wachen und bereit
seien auf deine Ankunft. Laß alle vor
ihrem Abscheiden bei guter Besinnung
und würdig die heiligen Sakramente
empfangen, die zeitlichen Angelegenhei-
ten ordnen, jedes Unrecht gut machen,
mit den Feinden sich aussöhnen, so daß
[665] sie in der letzten Stunde freudig und
getrost deinem Rufe folgen können und
das ewige Leben erlangen.
Vor und bei den Versuchungen.
Wie manche Vorsätze bleiben unausgeführt,
auch wenn sie ernst gemeint sind? Wie man-
cher einst gute Christ fällt langsam und un-
merklich der religiösen Gleichgültigkeit anheim
oder wird der Sklave einer lasterhaften Ge-
wohnheit für sein ganzes weiteres Lebens? Wie
vielfach kommt diese Ausartung namentlich bei
jungen Leuten vor? Dieselbe beginnt meistens
mit der Untreue in kleinen Dingen, mit dem
Fall in Versuchungen des täglichen Lebens, die
viel zu wenig beachtet werden. Zwei Dinge sind
auch jenem, der guten Willen hat, notwendig, um
in jeder Versuchung standhaft zu bleiben. Das
erste ist das Gebet, von welchem schon geredet
worden; immer soll der Christ das demütige
Bewußtsein seiner Schwächen und Versuchungen
zum Gebete mitbringen; das zweite sind gute
Gedanken. ‘„Wachet und betet, damit ihr nicht
in Versuchung fallet.“’ Es kommt alles darauf
an, wie der Feind dich antrifft, gesammelt oder
zerstreut, mit irdischen oder himmlischen Ge-
danken im Herzen. Die Erinnerung an eine
ewige Wahrheit kann den Christen unüber-
[666] windlich machen in der schwersten Versuchung,
ohne eine solche kann er dem leichtesten Angriffe
erliegen. Würde ein Christ recht beherzigen,
was er glaubt, so könnte er fast nicht sündigen.
Wer sich bemüht, im täglichen Leben so oft
als möglich an höhere Wahrheiten sich zu er-
innern, bewahrt sich selber vor schweren Fehl-
tritten und erleichtert sich den Sieg in hun-
dert Anfechtungen.
Auch da müssen die Eltern sich bemühen,
den Glauben und das Gewissen ihrer Kinder
zu wecken und zu stärken. Sie allein können
ihren Kindern diesen Dienst erweisen, der für
sie so unendlich notwendig und wichtig ist.
Die geeigneten Mittel sind folgende:
a. Die fleißige Erweckung der drei gött-
lichen Tugenden, des Glaubens, der Hoff-
nung und der Liebe. Diese bilden das Funda-
ment des ganzen sittlich-religiösen Lebens. Jede
Uebung einer dieser Tugenden erhebt die Seele
über das Irdische und verleiht ihr eine innere
sittliche Stärkung. Es giebt ganz kurze Formeln,
diese Tugenden zu erwecken, aber man sollte
sich nicht auf sie beschränken, sondern bei einer
Pflichterfüllung, Versuchung, Heimsuchung die
Uebung gerade dem Anlasse anpassen. Erwecke
sie oft wie bei dem Morgengebete oder wie
unten folgt.
b. Die öftere Erinnerung an die Eigen-
schaften Gottes, Allgegenwart, Allwissen-
[667] heit, Gerechtigkeit, Barmherzigkeit, Weisheit
u. s. w. und an die letzen Dinge, Tod,
Gericht, Himmel und Hölle. Es geht leichter,
wenn namentlich Kinder regelmäßig nur an
eine bestimmte Wahrheit erinnert werden, z. B.
die Gegenwart Gottes. Diese wird auf diese
Weise ihrer Seele tiefer eingeprägt und ist für
sich allein im stande, das Gewissen wach zu
halten.
Uebung des Glaubens.
O Gott, ich glaube an deine hei-
lige Gegenwart, – deine ewige Ge-
rechtigkeit, – die Strafen der Hölle,
– des Fegfeuers, – die Freuden des
Himmels u. s. w.
Uebung der Hoffnung.
Ich baue und vertraue auf deine
Barmherzigkeit und Liebe, deine Ver-
heißungen, den Namen und die Ver-
dienste Jesu Christi in dieser Versuch-
ung..., in diesem Leiden... in
diesem Geschäfte... O Herr, laß mich
nicht zu Schanden werden.
Uebung der Liebe.
Dir, o Gott, zuliebe will ich diese
Arbeit vollbringen, dieses Leiden er-
tragen, diese Ueberwindung mir aufer-
legen, diese Sünden meiden, diese Pflicht
erfüllen. Mein Herr und Gott! Nimm
alles von mir, was mich trennt von
Dir! Gib alles mir, was mich führt
zu Dir! Nimm mich mir, und gib mich
Dir!
In Versuchungen.
Wie sollte ich es wagen, ein solches
Uebel zu thun vor den Augen meines
Gottes! –
Was nützt es dem Menschen, wenn
er die ganze Welt gewinnt, an seiner
Seele aber Schaden leidet.
Lieber sterben, als sündigen!
Herr, eile mir zu helfen!
In allen deinen Werken denke an
die letzten Dinge und du wirst in Ewig-
keit nicht sündigen.
Das Himmelreich leidet Gewalt und
[669] nur die Gewalt brauchen, reißen es
an sich.
Gegen die Anwandlungen der Menschen-
furcht.
Suchet zuerst das Reich Gottes und
seine Gerechtigkeit und dieses alles wird
euch hinzugegeben werden. – Fürchtet
euch nicht vor denen, welche den Leib
töten, die Seele aber nicht töten können,
sondern fürchtet vielmehr Denjenigen,
welcher sowohl den Leib als die Seele
in die Hölle stürzen kann.
Wer Mich vor den Menschen bekennt,
den werde Ich auch bekennen vor mei-
nem Vater, der im Himmel ist.
Selig seid ihr, wenn euch die Men-
schen hassen und euch ausstoßen und
schmähen und euch ächten als Böse um
des Menschensohnes willen. Freuet euch
an jenem Tage und frohlocket; denn
siehe, euer Lohn ist groß im Himmel.
Lieber will ich verachtet sein im
Hause meines Gottes, als wohnen in
den Wohnungen der Sünder.
Nach einem begangenen Fehltritt.
Vergieb uns unsere Schulden, wie
auch wir vergeben unsern Schuldnern. –
O Herr, sei mir armen Sünder
gnädig!
Gott will nicht den Tod des Sün-
ders, sondern daß er sich bekehre und
lebe. –
Ich will mich aufmachen und zu
meinem Vater gehen. –
O Jesus, sei mir gnädig! O Jesus,
sei mir barmherzig! O Jesus, verzeih
mir meine Sünden! –
Die Vorbereitung auf den Tod.
Dieses Leben ist nur die Vorhalle zur
Ewigkeit, in welcher wir einige Augenblicke
uns vorbereiten können zum Uebertritt in die
andere Welt, der mit dem Tode stattfindet.
Darum soll das ganze Leben eine Vorbereitung
[671] auf den Tod sein. Nimm dir wenigstens die
Mühe, von Zeit zu Zeit, z. B. alle Monate,
oder beim Empfange der heiligen Sakramente
an diese ernste und alles entscheidende Stunde
zu denken und einige Augenblicke zur Vorbe-
reitung zu verwenden. Vielleicht ist von dem
Opfer einer Stunde und einer kleinen Ueber-
windung das Heil deiner Seele in der Ewig-
keit abhängig. Dann und wann eine Stunde
ernster Todesbetrachtung, um gut zu sterben
und ewig selig zu werden, wer wollte sich das
gereuen lassen?
1. Betrachtung über den Tod.
Stelle dir den Heiland vor, wie Er
sagt: Der Menschensohn wird zu einer
Stunde kommen, da ihr es nicht meinet.
(Luk. 12, 40.)
Was heißt sterben?
Sterben heißt alles verlassen,
was man auf Erden geliebt hat, Eltern,
Geschwister, Kinder, Freunde, Hab und
Gut, Aemter und Ehren. – Alles das
muß ich beim Tode zurücklassen. Ich
kann nicht das Geringste mit mir neh-
[672] men. – Will ich mein Herz an solche
vergängliche Dinge hängen? – Darf
ich um ihretwillen die Ewigkeit ver-
gessen oder gar das Heil der Seele we-
gen ihnen aufs Spiel setzen? – Das
darf nie und nimmer geschehen. – Aber
ist es nicht doch geschehen? – Ich sterbe
heißt meine Seele wird vom Leibe
getrennt. Dieser letztere ohne Gefühl,
ohne Bewegung, fällt rasch der Ver-
wesung anheim, wird eine Speise der
Würmer. Ist es nicht Thorheit, diese
Speise des Todes allzusehr zu lieben
und zu pflegen, den niedrigen Begier-
den nachzugeben und ihnen selbst das
Heil der Seele zu opfern? – Was habe
ich bisher gethan? – Was will ich in
Zukunft thun?
Sterben heißt die Entscheidung
für die ganze Ewigkeit bestehen.
Man stirbt nur einmal und die Ent-
scheidung ist unwiderruflich. Wie der
Tod, so das Los in der Ewigkeit. Ich
habe nun die Wahl entweder alles zu
[673] gewinnen, oder alles zu verlieren; so
lange ich atme, kann ich die Entschei-
dung so oder so wenden, aber mit dem
Augenblicke des Todes hört jedes Schwan-
ken auf. – Wie der Baum fällt, so
bleibt er liegen. – Was habe ich Wich-
tigeres zu thun, als besorgt zu sein,
daß diese unwiderrufliche Entscheidung
eine gute sei?
Wann und wie werde ich sterben?
Ich weiß, daß dieser Augenblick, der
über mein Los in der Ewigkeit ent-
scheidet, kommen wird. Aber wann? viel-
leicht schneller, als ich es denke. Das
Urteil des Todes ist über mich gefällt,
der Vollzug kann jeden Augenblick statt-
finden. Wird sich der Tod vorher an-
künden? – Werde ich einige Tage oder
wenigstens einige Stunden haben, um
mich auf diesen verhängnisvollen Ueber-
gang vorzubereiten? – Wird mein Tod
sanft oder gewaltsam sein? – Wird
er allmählich herankommen oder mich
[674] gewaltsam überraschen? – Werde ich
die Gnadenmittel der Religion empfan-
gen können? – Werde ich die Besin-
nung haben und noch meine Angelegen-
heiten ordnen können? – Auf alle diese
Fragen weiß ich keine Antwort und
der Herr will mir darüber keine Auf-
schlüsse geben. Er sagt bloß: Wachet
und seid bereit, denn ihr wisset nicht,
zu welcher Stunde der Herr kommen
wird.
Bin ich bereit jetzt zu sterben?
Wie steht es mit dem Zustande mei-
nes Gewissens? Bin ich wohl im Stande
der Gnade? – Oder muß ich anneh-
men, daß Todsünden auf mir lasten?
– Habe ich noch ungültige Beichten
in Ordnung zu bringen? – Aerger-
nisse gut zu machen? – Feindschaften
auszugleichen? – Ungerechtes Gut zu-
rückzustellen? – Habe ich irgend eine
sündhafte Anhänglichkeit im Herzen,
die mir das Sterben schwer machen würde?
[675] – Wie werde ich wünschen gelebt zu
haben, wenn ich vor dem Angesichte
Gottes stehe? – Wie steht es mit mei-
nen zeitlichen Angelegenheiten? – Würde
Schaden oder Unordnung entstehen, wenn
ich plötzlich sterben würde?
Ziehe alle diese Fragen in ernste
Ueberlegung, beantworte sie dir gewissen-
haft, knüpfe daran die entsprechenden
Entschließungen und säume nicht mit
der Ausführung. Denn vielleicht be-
schäftigest du dich zum letztenmal mit
dem Gedanken an den Tod, bevor der Tod
wirklich kommt. Dann erwecke in nach-
folgender Weise die Gesinnungen, welche
im Sterben dein Herz erfüllen sollen.
2. Geistliches Testament.
Im Namen der allerheiligsten Drei-
faltigkeit, des Vaters, des Sohnes und
des heiligen Geistes. Amen.
Ich N. N. übergebe meine Seele
Gott, meinem Schöpfer, und meinen
Leib der Erde, von der er genommen ist.
Ich verlasse freiwillig alle Güter
und Freuden dieser Welt und dieses
Lebens, wann der Herr mich ruft.
Ich bereue aufrichtig und von gan-
zem Herzen alle Sünden meines ganzen
Lebens und verabscheue sie vor allem
deswegen, weil sie Dir, o Gott, miß-
fallen.
Ich verzeihe von Herzen allen Be-
leidigern, damit Du, o Gott, auch mir
alle meine Beleidigungen verzeihest.
Ich glaube an den dreieinigen Gott,
den Vater, den Sohn und den heiligen
Geist, meinen Erschaffer, Erlöser und
Heiligmacher. Ich glaube auch festig-
lich alles, was die heilige, apostolische,
römisch-katholische Kirche zu glauben
vorstellt und verlange, in diesem wah-
ren Glauben zu leben und zu sterben.
Ich hoffe zuversichtlich von der un-
endlichen Güte Gottes und um der Ver-
dienste meines Erlösers willen Verzeih-
ung meiner Sünden, Gnade zum Gu-
ten und das ewige Leben.
Ich liebe meinen Gott aus ganzem
Herzen, aus ganzem Gemüte und aus
allen meinen Kräften. Ich unterwerfe
mich ganz und vollkommen dem heilig-
sten, weisesten und anbetungswürdig-
sten Willen Gottes zum Leben und
zum Sterben und bin bereit, alles
von Dir, o Gott, anzunehmen, was
deine Weisheit und Liebe über mich
verfügen mag.
Ich empfehle meinen Leib und meine
Seele in die Heilsamen Wunden und
das liebevolle Herz meines Erlösers, in
den Schutz der glorwürdigsten Jung-
frau und Mutter Gottes Maria, des
hl. Joseph, meines hl. Schutzengels,
meiner Namenspatrone und aller Hei-
ligen, welche ich bitte, daß sie mir
beistehen wollen in der Stunde des
Todes.
Meine letzten Worte sollen sein:
Jesus, Maria, Joseph! stehet mir bei!
Vater, in deine Hände empfehle ich mei-
nen Geist!
Weil ich aber vielleicht im Sterben
diese Worte nicht mehr auszusprechen
vermag, so spreche ich sie heute aus
mit der Meinung, daß sie für den Au-
genblick des Todes gelten sollen und
rufe deshalb mit aller Andacht. Er-
gebung und Liebe: Jesus, Maria und
Joseph! stehet mir bei! Vater, in deine
Hände empfehle ich meinen Geist!
3. Gebet um eine glückselige Sterbestunde.
O mein Gott, ich werfe mich vor
dem Throne deiner anbetungswürdigen
Majestät nieder, und flehe Dich um
die letzte und höchste aller Gnaden an,
um eine glückselige Sterbestunde. Aller-
dings habe ich von dem Leben, das
Du mir verliehen hast, oft einen schlech-
ten Gebrauch gemacht; aber dessen un-
geachtet bitte ich Dich: schenke mir die
Gnade, mein Leben gut zu beschließen
und in deiner Liebe zu sterben.
Laß mich sterben wie die hl. Pa-
triarchen und ohne Klagen dieses Thrä-
[679] nenthal verlassen, um in meinem Va-
terlande ewige Ruhe zu genießen.
Laß mich sterben wie der hl. Jo-
seph gestorben ist, in den Armen Jesu
und Maria, unter Anrufung dieser
süßen Namen, die ich in alle Ewigkeit
zu loben und zu preisen hoffe!
Laß mich sterben wie die allerse-
ligste Jungfrau Maria, vor Liebe glühend,
entflammt von heiliger Sehnsucht, mich
mit dem einzigen Gegenstande all mei-
ner Liebe zu vereinigen!
Laß mich sterben wie Jesus am
Kreuze, in den lebhaftesten Gefühlen
des Abscheues gegen die Sünde, der Liebe
zu meinem himmlischen Vater und der
Ergebung in seinen Willen.
Ewiger Vater, in deine Hände em-
pfehle ich meinen Geist; erzeige an mir
deine Barmherzigkeit!
Jesu, der Du aus Liebe für mich
gestorben bist, verleihe mir die Gnade,
in deiner Liebe zu sterben!
O Maria, Mutter meines Erlösers,
bitte für mich, jetzt und in der Stunde
meines Todes.
Heiliger Engel des Herrn, treuer
Hüter meiner Seele, große Heilige, die
Gott mir zu Beschützern gegeben, ver-
lasset mich nicht in der Stunde meines
Todes!
Heiliger Joseph, erlange mir durch
deine mächtige Fürsprache die Gnade,
daß ich den Tod des Gerechten sterbe!
Amen.
Die armen Seelen im Fegefeuer.
Es ist ein heiliger und heilsamer Gedanke,
so steht schon in den Schriften des alten Bun-
des zu lesen, für die Verstorbenen zu beten,
damit sie von ihren Sünden erlöst werden.
(II. Mach. 12, 46.) Im neuen Bunde finden
wir diese Lehre vielfach ausgesprochen. Das
allgemeine Konzil von Lyon im Jahre 1274
z. B. erklärt, ‘„daß den nicht völlig geläuterten
Seelen zur Linderung der Strafen im Reini-
gungsorte die Fürbitten der auf Erden lebenden
Gläubigen nützen, nämlich die Meßopfer, Ge-
bete, Almosen und andere Werke der Fröm-
[681] migkeit, welche von Gläubigen für andere
Gläubigen nach dem Gebrauche der Kirche ver-
richtet zu werden pflegen.“’
Alle, welche im Stande der Gnade sterben,
sind Erben des Himmels, aber Gottes Ge-
rechtigkeit, die auch über jedes unnütze Wort
Rechenschaft fordert, kann ihnen denselben erst
öffnen, wenn sie von jeder Makel rein ge-
worden sind. Wir gehören mit diesen büßenden
Seelen derselben Gemeinschaft der Heiligen an,
und die Liebe und Barmherzigkeit Gottes hat
es uns möglich gemacht, ihnen zu Hilfe zu
kommen und ihnen Linderung und Abkürzung
ihrer Peinen zu verschaffen. Erinnere dich be-
sonders an deine verstorbenen Angehörigen, an
die jüngst Dahingeschiedenen, an alle jene, für
welche du aus irgend einem Grunde zu beten
schuldig bist. Verbinde ein kurzes Gebet für
sie mit deinen täglichen Andachten, mit jedem
Kirchenbesuch! gedenke ihrer beim Anblicke des
Kirchhofes, in besonderer Weise am Samstag
und während dem ihnen geweihten Monat
November. ‘„Erbarmet euch meiner, erbarmet
euch meiner, wenigstens ihr meine Freunde.“’
Kirchengebete für die Verstorbenen.
Zu beten am Allerseelentage, beim Grä-
berbesuch, bei Gedächtnissen und Jahrzeiten,
sowie einige Zeit hindurch täglich nach dem
Tode eines Angehörigen.
Befreie mich, o Herr, von dem
ewigen Tode an jenem schrecklichen
Tage;
Wenn Himmel und Erde erschüt-
tert werden.
Da Du kommen wirst, die Welt
zu richten mit Feuer.
Zitternd stehe ich da und fürchte
mich, da die Rechenschaft kommt und
der künftige Zorn:
Wenn Himmel und Erde erschüt-
tert werden.
O jener Tag, ein Tag des Zornes,
des Elendes und Jammers, ein Tag,
der überaus bitter ist:
Da Du kommen wirst, die Welt
zu richten mit Feuer.
Herr, gib ihnen die ewige Ruhe,
und das ewige Licht leuchte ihnen.
Befreie mich, o Herr, von dem
ewigen Tode an jenem schrecklichen
Tage;
Wenn Himmel und Erde erschüt-
tert werden.
. Lasset uns beten für die ab-
gestorbenen Christgläubigen.
. Herr, gib ihnen die ewige Ruhe,
und das ewige Licht leuchte ihnen.
. Laß sie ruhen im Frieden.
. Amen.
Antiphon. Wenn Du, o Herr,
gedenken wolltest der Missethaten, wer
könnte dann bestehen, o Herr?
Psalm 129.
Aus der Tiefe rufe ich zu Dir, o
Gott, Herr, erhöre mein Gebet!
Laß dein Ohr doch achten auf
meines Flehens Stimme.
Wenn Du, o Herr, gedenken woll-
test der Missethaten, wer könnte dann
bestehen, o Herr?
Aber bei Dir ist die Vergebung, o
Herr, und um deines Gesetzes willen
vertraue ich auf Dich.
Meine Seele harret auf sein Wort
meine Seele hoffet auf den Herrn.
Von der Morgenwache bis in die
Nacht hoffe Israel auf den Herrn.
Denn bei dem Herrn ist Erbar-
mung und bei Ihm überreiche Erlö-
sung.
Und Er wird Israel erlösen von
allen seinen Missethaten.
Herr, gib ihnen die ewige Ruhe,
und das ewige Licht leuchte ihnen.
Antiphon. Wenn Du, o Herr,
gedenken wolltest der Missethaten, wer
könnte dann bestehen, o Herr?
. Herr, erbarme Dich unser!
. Christus, erbarme Dich unser!
. Herr, erbarme Dich unser!
Vater unser.
. Und führe uns nicht in Ver-
suchung.
. Sondern erlöse uns von dem
Uebel.
. Aus dem Orte der Reinigung.
. Erlöse, o Herr, ihre Seelen.
. Laß sie ruhen im Frieden.
. Amen.
[685]. Herr, erhöre unser Gebet.
. Und laß unser Rufen zu Dir
kommen.
Gebet.
Für verstorbene Seelsor-
ger. O Gott, der Du unter den
apostolischen Priestern deinen Diener
N. mit der priesterlichen Würde be-
kleidet hast, wir bitten Dich, verleihe,
daß er auch in der Ewigkeit ihrer
Gemeinschaft beigezählt werde, durch
Christum, unseren Herrn. Amen.
Für verstorbene Eltern. O
Gott, der Du uns befohlen hast, Va-
ter und Mutter zu ehren, erbarme
Dich nach deiner Milde der Seelen
meines Vaters und meiner Mutter,
vergib ihnen ihre Sünden und laß
mich sie wiedersehen in der Freude
ewiger Herrlichkeit, durch Jesum Chri-
stum, unseren Herrn. Amen.
Für verstorbene Verwandte
und Freunde. O Gott, Du Aus-
spender der Gnaden und Liebhaber
[686] des menschlichen Geschlechtes, wir fle-
hen zu deiner Milde, daß Du die
Seelen unser verstorbenen Brüder und
Schwestern, Verwandten und Wohl-
thäter, die aus dieser Zeitlichkeit ab-
geschieden sind, durch die Fürbitte der
seligen, allzeit jungfräulichen Mutter
Maria und aller Heiligen zur Ge-
meinschaft der ewigen Seligkeit wollest
gelangen lassen, durch Jesum Chri-
stum ꝛc. Amen.
Für Stifter und Wohlthä-
ter. O Gott, wir empfehlen deiner
Liebe die Seelen derjenigen, die durch
milde Stiftungen deine Ehre und das
Wohl ihrer Brüder so werkthätig be-
fördert haben. Vergilt ihnen mit ewi-
gen Gütern, was sie an ihren notlei-
denden Brüdern selbst gethan, und
laß sie in ewiger Seligkeit die
Schätze genießen, die sie in den Wer-
ken der Liebe im Himmel sich hinter-
legt haben. Darum bitten wir Dich
durch Christum, unseren Herrn. Amen.
Für jeden Verstorbenen Er-
löse, o Herr, die Seele deines Die-
ners (Dienerin), damit sie, die der
Welt abgestorben, nur Dir lebe. Tilge
Du nach Deiner unendlichen Barm-
herzigkeit die Sünden, welche sie in
ihrem Wandel auf Erden durch mensch-
liche Schwachheit begangen, durch Chri-
stum, unseren Herrn. Amen.
Für alle abgestorbenen Christ-
gläubigen. O Gott, Schöpfer und
Erlöser aller Gläubigen, verleihe den
Seelen deiner Diener und Dienerin-
nen Verzeihung ihrer Sünden, damit
sie die gnädige Nachlassung, welche sie
allzeit verlangt haben, durch unsere
frommen Fürbitten erlangen mögen.
Durch Christum ꝛc. Amen.
. Herr, gib ihnen die ewige
Ruhe.
. Und das ewige Licht leuchte
ihnen.
. Laß sie ruhen im Frieden.
. Amen.
[688]Auf dem Gottesacker.
Seid gegrüßt, ihr gläubigen Seelen
alle, deren Leichname hier und überall
im Erdreiche begraben ruhen. Unser lieber
Herr Jesus Christus, welcher uns mit
seinem kostbaren Blute erlöst hat, der
wolle euch alle, die ihr noch an dem
Orte der Läuterung aufgehalten und
gereiniget werdet, gnädig daraus be-
freien und unter die Scharen der
Engel und Auserwählten aufnehmen.
Wollet alsdann auch unser einge-
denk sein, die wir noch in diesem Jam-
merthale leben, und den Herrn für
uns bitten, daß auch wir nach einem
seligen Absterben zu euch gelangen und
mit euch in der ewigen Glorie gekrönt
werden.
. Herr, gehe nicht ins Gericht mit
den Seelen deiner Diener.
. Denn kein Mensch wird vor
deinen Augen gerecht erfunden.
O Herr Jesus Christus, das Heil
und die Erlösung der christgläubigen
Seelen, der Du nicht gekommen bist,
die Seelen verloren gehen zu lassen,
sondern zu erretten und dein Leben
zur Rettung für viele dahinzugehen,
wir rufen flehentlich zu deiner unend-
lichen Milde und Barmherzigkeit, daß
Du die Seelen aller abgestorbenen
Christgläubigen, die noch im Reini-
gungsorte leiden, gnädig und erbar-
mungsvoll ansehen mögest, daß, wenn
sie auch nicht unverdient ihre Qualen
leiden, durch deine mildeste Barmher-
zigkeit erlöst werden. Dein Erbarmen
möge den Seelen zu Hilfe kommen,
die Du mit deinem kostbaren Blute
erlöst hast, und um der Verdienste der
seligsten Jungfrau Maria und aller
Heiligen willen ihnen gnädig sein, sie
von ihren Peinen befreien, mit dem Kleide
der herrlichen Unsterblichkeit bekleiden
und in die Freuden des Paradieses auf-
nehmen, der Du mit dem Vater und
[690] dem heiligen Geiste lebst und regierst
von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.
Ihr christgläubigen Seelen, deren
Gebeine hier und allenthalben im sü-
ßen Namen Jesu Christi begraben
sind, es segne euch Gott der Vater,
es erlöse euch Gott der Sohn, es tröste
euch Gott der heilige Geist. Gott der
Herr gebe euch die ewige Ruhe durch
das bittere Leiden und Sterben seines
geliebten Sohnes, unseres Herrn Jesu
Christi; Maria und die himmlischen
Heerscharen mögen bitten für euch.
Ihr lieben christlichen Seelen bittet
Gott auch für mich armen Sünder.
Amen.
Anhang.
Fromme Sprüche für die Kleinen.
[691]Manches heilsame Wort, mit welchem die christ-
liche Mutter sich selber aufmuntert, und
welches sie auch für größere Kinder brauchen kann,
ist den Kleinen noch nicht verständlich. Der müt-
terliche Eifer ist zwar in dieser Hinsicht der beste
Sprachlehrer, aber einige Sprüche, die allgemeine
Aufnahme gefunden haben, dürften allen will-
kommen sein. Die Mutter wird mit ihren Be-
lehrungen und Mahnungen auch bei den Kleinen
am meisten ausrichten, wenn sie die Kunst versteht,
hiefür die geeigneten Gelegenheiten zu benutzen.
Manches Wort, welches, zur Unzeit und nicht in
der rechten Stimmung gesprochen, weder verstan-
den noch beachtet wird, kann bei passenden Anlässen
den tiefsten Eindruck machen und unvergeßlich
bleiben. Die Dinge in der sichtbaren Natur,
freudige und traurige Vorgänge, gute und böse
Handlungen der Menschen sollen fleißig hiefür
benutzt werden. Die Mutter mag unter diesen
Sprüchen beliebig auswählen und auch andere
verwerten, nur soll sie bei den einen und den
andern ermessen, ob das Kind schon reif ist für
[692] das Verständnis derselben. Dasselbe gilt auch
von den ersten täglichen Gebeten, für deren Uebung
die Mutter die richtige Zeit zu finden wissen
muß. Immer muß es bei dem Satze bleiben,
zuerst das Herz und dann erst die Zunge des
Kindes in Bewegung zu setzen. Ist aber die
Empfänglichkeit dafür einmal vorhanden, so muß
jeder Anlaß benutzt werden, um sie dem Ver-
ständnis, dem Herzen und dem Gedächtnisse des
Kindes unauslöschlich einzuprägen.
Von dem lieben Gott.
* * *
* * *
* * *
Heilige Naturbetrachtung.
* * *
[693]* * *
* * *
* * *
Von den heiligen Engeln.
[694]* * *
* * *
* * *
Von Jesus und Maria.
* * *
[695]* * *
* * *
* * *
* * *
* * *
[696]Von dem Himmel
* * *
* * *
* * *
Von der Unschuld und dem Gewissen.
* * *
* * *
* * *
* * *
* * *
Von dem Gehorsam.
[698]* * *
* * *
Vom Beten.
* * *
* * *
* * *
* * *
Morgengebet.
Abendgebet.
Appendix A Inhalts-Verzeichnis.
[700]- Vorbemerkung 5
I. Selbsterkenntnis und Selbsterziehung.
- 1. Die christliche Mutter 9
- 2. Das Frauenherz 16
- 3. Das Mutterherz 24
- 4. Die Tochter Evas 35
- 5. u. 6. Das schöne Geschlecht 44
- 7. u. 8. Das schwache Geschlecht 67
- 9. u. 10. Das fromme Geschlecht 86
- 11. Das Weib und die Welt 106
- 12. Der Glaube 123
- 13. Die christliche Hoffnung 136
- 14. Die Liebe Gottes 152
- 15. Das heiligste Herz Jesu 167
II. Die Pflichten der christlichen Mutter.
- 16. Ein neuer Stand, ein neues Leben 185
- 17. u. 18. Gatte und Gattin; Vater und
Mutter 192 - 19. Die Hausfrau und Hausmutter 212
- 20. Die Adventzeit 219
- [701] 21. Geburt und Wiedergeburt 226
- 22. Der Anfang 233
- 23. Einige Mißgriffe 241
- 24. Das betende Kind 251
- 25. Das Schulkind 263
- 26. Das spielende Kind 267
- 27. Ein gesunder Geist in einem gesunden
Körper 284 - 28. Die Mutter und die Welt 293
- 29. Die reifere Jugend 307
- 30. Das mütterliche Ansehen 317
- 31. Am letzten Tage wird sie lachen 329
- 32. Tochter Evas werde ein Kind Mariens 352
III. Andachtsübungen.
- Die täglichen Gebete 369
- Meßandachten 379
- Bußandacht 482
- [702] Kommunionandacht 499
- Verschiedene Andachten 519
- Zur heiligen Fastenzeit (Stationen-
andacht) 519 - Auslegung des Vater unser und des
englischen Grußes 532 - Zwei Besuchungen des allerheiligsten
Altarssakraments 556 - Litanei vom heiligsten Namen Jesu 569
- Weihegebet, durch welches die christ-
lichen Familien sich der heiligen
Familie weihen 574 - Andacht zu der heiligen Familie 576
- Gebet um Erneuerung der Standes-
gnade 582 - Das Vater unser der christlichen Mutter 585
- Zur heiligen Fastenzeit (Stationen-
- Die Festzeiten des Kirchenjahres 589
- Andacht zu Ehren des heiligen Geistes 603
- Der Rosenkranz der christlichen Mutter 631
- Zu den heiligen Schutzengeln 641
- Gebete zu den heiligen Gottes 645
- Zum heiligen Joseph 645
- Andachten zu den heiligen Müttern 648
- Der Verein der christlichen Mütter 658
- Der Glaube an die Vorsehung 660
- Gebet um Gottes Schutz und Gnade
in gesunden und kranken Tagen 663
- Gebet um Gottes Schutz und Gnade
- Vor und bei den Versuchungen 665
- Die Vorbereitung auf den Tod 670
- Die armen Seelen im Fegfeuer 680
- Anhang: Fromme Sprüche für die
Kleinen 691
Pelletan.
Erbarme Dich unser!
Erbarme Dich unser!
Erlöse uns, o Jesu!
Bitte für uns!
Bitte für uns!
Bitte für uns!
- Rechtsinhaber*in
- Kolimo+
- Zitationsvorschlag für dieses Objekt
- TextGrid Repository (2025). Collection 4. Die christliche Mutter. Die christliche Mutter. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). Kolimo+. https://hdl.handle.net/21.11113/4bqjb.0