[][][][][[I]]
Reisebegleiter
für
Jünglinge.

Von
Franz Xaver Wetzel.


1.–20. Tausend.


Ravensburg.:
Verlag der Dorn'schen Buchhandlung.
(Fr. Alber.)
[[II]]

Mit Approbation des hochwürdigsten Ordinariates
zu Rottenburg.

Abschiedsgruß eines Vaters an seinen
Sohn.

[figure]

Den Wanderstab in deinen Händen,
Seh' ich dich scheidend vor mir steh'n;
Willst dich, mein Sohn, zur Ferne wenden,
Und in die weite Welt nun geh'n.
So zieh' denn hin, und Gottes Segen
Begleite dich auf deinen Wegen.
Doch wo dein Herz auch immer sei,
Bleib' deinem Vaterhaus getreu!
Kehr' ein, wo Edle glauben, lieben,
Die frechen Spötter sollst du flieh'n,
Die Gott aus ihrer Brust getrieben,
Und die vor Erdengöttern knie'n.
Laß nimmer dir, mein Sohn, den Glauben
Durch Trug, und Hohn und Falschheit rauben!
Und wo dein Herz auch immer sei,
Es bleibe stets dem Höchsten treu!
Du mögst dein junges Herz behüten,
Das zart und sorgsam ich gehegt.
Du weißt, in schimmervolle Blüten
Wird oft des Todes Gift gelegt.
[2]
Die Welt ist voller Arg und Tücke,
Daß nie dich Sinnenlust berücke;
Bewahr' dich vor dem Schmerz der Reu'
Und bleib' der Tugend immer treu!
Und solltest du hinüber dringen
Ins fremde Land voll Wanderlust,
Wo deutsche Worte nicht mehr klingen:
Erhalt' dir deutsch die junge Brust.
Es werd' die Heimat dir zum Sterne,
Nach dem du blickst aus weiter Ferne,
Und wo dein Herz auch immer sei:
Stets bleib' dem Vaterland getreu!
Hast du dann kühn die Welt durchstreifet,
Und kehrst ins Vaterhaus zurück, –
Wenn heißes Sehnen dich ergreifet,
Zu gründen dir ein stilles Glück:
So bring' den alten Glauben wieder
Das Sohnesherz, so treu und bieder,
Den Sinn, an Weisheit reich und neu
Die echte Tugend, Gottestreu!
(J. Hilger.)

I. Die Zeit der Abreise.

[3]
[figure]

Blutjung und ganz unerfahren ziehen manche
hinaus in die Welt. Es ist ihnen zu eng daheim
im niedrigen Stübchen, im kleinen Dörfchen. Sie
haben gehört von großen Städten mit ihren breiten
Straßen und siebenstöckigen Häusern, von feinen
Herren und Damen, die in noblen Kutschen fahren
oder auf englischen Ponys pfeilschnell dahinreiten,
von riesigen Fabriken mit 1000 und noch mehr
Arbeitern, die alle Geld wie Heu verdienen. So
eine Großstadt wie Berlin, Paris oder London
möchte ich doch einmal sehen, sagen sie. In Berlin
und Paris gebe es ja jetzt 2½, in London gar 5½
Millionen Menschen. Das muß ein Rennen und
Jagen, Laufen und Fahren, Lärmen und Wogen sein!

Es ist wahr, die Städte nehmen riesig zu. Es
gibt jetzt auf der ganzen Erde 270 Großstädte mit
über 100000 Einwohnern. Im deutschen Reiche
allein sind 33. Als Friedrich I. vor 200 Jahren
sich die preußische Königskrone aufs Haupt setzte,
zählte Berlin 18000 Einwohner. Jetzt sind dort,
[4] die Vorstädte mitgerechnet, 2600000. Die Schorn-
steine von mehr als 5000 Fabriken ragen in die
Luft. Das gesamte Arbeiterheer Berlins reicht
über 600000 hinaus. Da muß doch für jeden,
der gesunde Augen und starke Arme hat, Arbeit
und Brot zu finden sein! –

Und doch ist es nicht so. Je mehr Leute den
Städten zuströmen, je mehr Arbeitskräfte zur Ver-
fügung stehen, desto tiefer wird der Lohn herab-
gedrückt, desto größer ist die Zahl der Arbeits-
und Stellenlosen. Und erst bei flauem oder schlechtem
Geschäftsgange, wenn 100 und 100 Arbeiter auf
einmal entlassen werden, was dann? Allein,
ohne Verdienst, ohne Bekannte und Freunde, ohne
Rat und Hilfe stehen die Armen da in der großen
Stadt. Die letzten ersparten Pfennige gehen zu
Ende. Kein Hoffnungsstern blinkt. An mehr als
hundert Thüren hat man sie kalt und trocken abge-
wiesen. Was thun? Entweder heimkehren
oder der Verzweiflung sich in die Arme
werfen
. Das ist das Schicksal von Tausenden.
Jene aber sind selten, die es über sich bringen,
wieder die Heimat aufzusuchen. Jene sind selten,
die in ihrer Notlage vertrauensvoll an den Seel-
sorger des Pfarrdorfes sich wenden und ihn um
Rat und Hilfe bitten. Einmal habe ich einen
solchen Brief erhalten, von einem Jünglinge, der
mit 16 Jahren, gegen meinen und der Eltern
Willen, nach Chemnitz gegangen war. Ein Mit-
schüler hatte ihm von dort geschrieben, wie viel
[5] Geld er verdiene. Da packte auch unser Wilhelm
seine sieben Sachen zusammen und zog in die große
Stadt am Fuße des Erzgebirges. In einer Maschinen-
fabrik fand er Arbeit und verdiente ganz ordentlich.
Er konnte wenigstens damit leben. Aber das ging
nur 3 Wochen lang. Da wurde ihm und seinem
Freunde an einem Montag Morgen eröffnet, es
gebe für sie keine Arbeit mehr; 200 andere
Arbeiter seien schon am Samstag entlassen worden.

Die zwei bartlosen, unerfahrenen Jünglinge
wandten sich nun an verschiedene andere Fabriken.
Ueberall hieß es: Schon mehr als genug Leute!
Nirgends fanden sie Anstellung. Erspart hatten
sie auch nichts, der Lohn war zu gering gewesen,
und zu betteln schämten sie sich. In dieser Not-
lage setzte sich der jüngere, Wilhelm Grünauer,
hin und schrieb an mich folgenden Brief:

Geehrter Herr Pfarrer!

Es sind zwar erst drei Wochen, seitdem ich
meine Heimat verlassen. Aber ich bin doch schon
jetzt gezwungen, Ihnen zu schreiben. Dem Vater
darf ich nicht schreiben. Er war zu böse, daß ich
fortging; er sagte, ich sei noch viel zu jung zum
Reisen und solle ihm noch etwas helfen. Ich
habe zwar hier etwas mehr verdient, als in der
dortigen Buntweberei. Aber es kostet auch mehr.
Alles ist teurer. Und jetzt verdiene ich gar nichts
mehr. Ich und mein Freund, Karl Bittner, der
ja gelernter Schlosser ist, sind am letzten Montag
[6] aus der Fabrik entlassen worden. Wir suchten
überall Arbeit, fanden aber keine. Karl will auf
die Wanderschaft gehen und an einem andern Orte
sich umsehen. Weil ich kein Handwerk verstehe,
also nur Handlangerdienste thun kann, so wird's
wohl für mich nirgends etwas geben. Ich darf
auch nicht betteln, ich schäme mich zu sehr. –
Darum möchte ich Sie recht herzlich bitten: Helfen
Sie mir doch, daß ich wieder heim kann. Sagen
Sie dem Vater, er solle mir Reisegeld schicken; ich
wolle wieder dort in die Fabrik gehen und fleißig und
brav sein und ihn nicht mehr verlassen, bis er damit zu-
frieden sei. Auch der Stiefmutter werde ich folgen.
– Es hat hier keine katholische Kirche; wenigstens
habe ich noch keine gefunden. Es ist alles prote-
stantisch. So kann ich nicht einmal in die Kirche
gehen. Ich bitte Sie also recht sehr, verlassen
Sie mich nicht. Sie waren immer so gut mit
mir im Religionsunterrichte. Ich muß jetzt schon
Hunger leiden.

Mit vorzüglicher Hochachtung
Wilhelm Grünauer.

Mit vieler Mühe brachte ich Wilhelms Vater
dazu, daß er seinem Sohne verzieh und ihm Geld
schickte. So kehrte er heim und ging wieder in
die Fabrik. Daß seine Kameraden über den ‘„kühnen
Weltumsegler“’
sich lustig machten, war nicht zu
verwundern.

[7]

Ein anderer Jüngling hatte das Schreiner-
handwerk erlernt. Mit 18 Jahren ging er nach
München. Nach etwa 2 Monaten meldete er seinen
Eltern, er habe in einer großen Schreinerei Arbeit
gefunden, aber alle seine Mitarbeiter seien Sozial-
demokraten. Sie hätten auch ihm keine Ruhe ge-
lassen, bis er dem Vereine beigetreten. Der Vater
schrieb dem Sohne, er solle diese Werkstätte ver-
lassen und sich von der Sozialdemokratie fernhalten
und in den katholischen Gesellenverein gehen. Von
da an kam keine Antwort mehr. Erst etwa zehn
Jahre später traf ein Brief aus Köln ein, worin
der Sohn um Geld bat. Er liege krank im
Spitale, schrieb er; von Gott und den Menschen
habe er keine Hilfe mehr zu erwarten. Wenn der
Vater ihm nicht helfe, so jage er sich eine Kugel
durch den Kopf. Vier Wochen später berichtete
die Spitalverwaltung den plötzlichen Hinscheid des
Sohnes.

Zahllose Jünglinge rennen ins Unglück, weil
sie viel zu früh das Elternhaus verlassen.
Darum rufen wir allen jungen Leuten zu: Wenn
ihr nicht durch die Not gezwungen seid, fortzu-
gehen, so bleibet doch daheim, bis ihr das gehörige
Alter erlangt habet. Laut Jahresbericht der ‘„Ge-
sellschaft zur Fürsorge für die zuziehende männ-
liche Jugend in Berlin“’
waren im Jahre 1900
über 23000 Jünglinge im Alter von 14 bis
21 Jahren nur nach Berlin gekommen
. Die
wenigsten davon fanden Arbeit. Die Uebrigen
[8] gerieten ins Elend oder mußten wieder heimkehren.
In den Großstädten verderben zahllose
junge Leute an Leib und Seele
.

‘„Laß das Wünschen, Ringen Laufen’
‘Nach entfernten, dunklen Zielen.’
‘Brot ist auch daheim zu kaufen,’
‘Zahl' es nur mit Schweiß und Schwielen.“’
(Weber.)

Nie gehet gegen den Willen der Eltern
in die Fremde. Das bringt weder Glück
noch Segen. Ein gesetztes Alter, Reife des
Geistes, Festigkeit des Charakters und
Tüchtigkeit im Berufe sind notwendig, um
ohne Gefährde durch die gefahrvolle Welt
zu kommen und ehrlich und recht sein Brot
zu verdienen
. Wer noch gar jung ist, der weiß
sich bei vorkommenden Schwierigkeiten nicht zu helfen
und zu raten, er verliert den Mut und endet oft
recht unglücklich. Wenn Verführer sich ihm nahen,
so geht er ahnungslos in die Schlinge und fällt
in Sünde und Verbrechen. Er ist noch nicht ge-
wachsen den Gefahren des Lebens, und darum sind
sie für ihn doppelt groß. Und weil er auch
in der Arbeit noch wenig tüchtig ist, so findet er
nur sehr schwer passende Anstellung; er irrt brot-
los umher, – bis ihn die Polizei wieder nach Hause
bringt. Daher verlasse ja nicht zu früh die Heimat
und ihr schützendes Dach. Berate Eltern und Seel-
sorger vor einem so wichtigen Schritte, der schon
[9] tausend und tausend unerfahrene und arglose
Jünglinge ins zeitliche und ewige Verderben gestürzt.
Der junge Mensch hat keine Ahnung von den Ge-
fahren der Welt, von der Hinterlist und Bosheit
verkommener Menschen, deren Zahl Legion ist.
Darum kam kein Geringerer als Jesus Christus
selbst, um auch hierin der Jugend ein leuchtendes
Beispiel zu geben. Die hl. Schrift hat es in jene
kurzen aber inhaltreichen Worte gefaßt: ‘„Und
Jesus war ihnen unterthan
“’
(Luk. 2, 51).

Warum so schweigsam das hl. Buch
Von unseres Heilands Jünglingszeit?
Es ist nicht schweigsam, es sagt genug,
Ein Wort so tief, so hoch, so weit,
Die beste der Lehren, die je geschah'n:
‘„Und Jesus war ihnen unterthan.“’
War dreißig Jahre lang unterthan
Den armen Eltern zu Nazareth,
Ein Beispiel allen, die es sah'n,
Sein Leben in Arbeit und Gebet.
In Jesu Hand das Zimmermannsbeil,
Wie wurde der Welt es zum hohen Heil!
Ein Beispiel dir! O hoch hinaus,
Weit über die Kraft und Fähigkeit,
Will jedes heute; zu eng das Haus;
Wie lockt die Welt, so schön, so weit!
O Gräuel: des Hauses enge Pflicht,
O Wahn: Gehorsam und Selbstverzicht!
[10]
O Thorheit, die der Fromme träumt,
Sich binden an der Eltern Gebot!
Wer ihnen zu lieb die Jugend versäumt,
Der ist lebendig und dennoch tot.
Ei was, gehorsam sein und unterthan?
Mit lust'gen Gesellen ein lust'ger Kumpan!
Ist niemand, der dich hindert und hält?
Du hassest der Eltern treue Hut,
Und stürmest hinaus in die weite Welt,
Und prahlest gar sehr mit Kraft und Mut,
Du willst nicht Zügel, nicht Zaum und Zucht:
So säe denn und – ernte die Frucht!
Verflucht, wer Vater und Mutter nicht ehrt,
Dem Priester versaget die Pflicht;
Das hohe Beispiel, das Jesus uns lehrt,
Es wird dir zum Schreckensgericht.
Der Christ kennt keine andere Bahn,
Als Jesus ihn lehrte: Unterthan!

Vor zwei Tagen war ein Jüngling bei mir.
Er hatte in einer Buchdruckerei das Schriftsetzen
erlernt und war dann schon mit 17½ Jahren in
die Fremde gezogen. Es ging ihm über alle Maßen
schlecht. Er fand oft wochenlang keine Arbeit und
mußte Hunger leiden. Weil er gar so jugendlich
aussah, traute man ihm wenig Kenntnisse zu und
weigerte sich, ihn einzustellen. Von den Mitarbeitern
mußte er sich ‘„Milchgesicht“’ schelten lassen, Zurück-
setzung und rohe Behandlung ertragen. Oft war
er daran, sein Bündel zu schnüren und als reuiger
[11] Sohn heimzukehren. Aber die Furcht vor dem
schwer erzürnten Vater hielt ihn immer wieder
zurück. So kämpfte er sich mehrere Jahre durch.
Weil er das Beten nicht ganz aufgab, so half ihm
der liebe Gott. Nach und nach kam es besser.
Je älter er wurde, desto mehr genoß er Vertrauen.
Er ward auch in seinem Berufe immer tüchtiger.
Nach zehn Jahren kehrte er auf kurze Zeit
nach Hause zurück. Der Vater verzieh ihm
seine jugendliche Unbesonnenheit. Als er mir seine
Lebensschicksale erzählt hatte, fügte er bei: ‘„Sagen
Sie es nur jedem Jünglinge, er solle nicht
zu früh in die Fremde gehen, sonst warten
arge Enttäuschungen auf ihn. Fast alle
,
die ganz jung das Elternhaus verlassen,
fallen dem Unglauben und der Unsitt-
lichkeit anheim und müssen entsetzlich viel
durchmachen
.“’

‘„Mensch, laß dir auf erd nichts so lieb seyn,’
‘Daß du vergessest Gottes des Herrn deyn.“’

So steht auf einer uralten Stuttgarter Holz-
tafel geschrieben. Der Herr will, daß der Sohn
den Eltern Gehorsam erweise; Wohlergehen und
langes Leben sind der Lohn dafür. Wer aber
zu früh und gegen den Willen der Eltern
das Haus verläßt, ist selber schuld an seinem
Unglücke
.

[12]
‘„Das Erdenglück, von Gott getrennt,’
‘Ist lauter Schaum und eitler Dunst.’
‘Nur wer sein Glück in Gott erkennt,’
‘Genießt des Glückes höchste Gunst!“’
(W. Edelmann.)

Nur in einem Falle ist es oft notwendig,
schon früh fortzugehen: wenn ein Junge die fran-
zösische Sprache erlernen will. Aber da schreibe
man vorher an ein katholisches Pfarramt der
französischen Schweiz und lasse sich ein
katholisches Pensionat oder eine katholische
Familie nennen, in der man Aufnahme
findet
.

Leider geschieht das recht selten. Und so kommt
es, daß sehr viele junge Leute in protest.
Pensionate oder Familien geraten und in
kurzer Zeit der religiösen Gleichgiltigkeit
anheimfallen
. Der Sohn eines wohlhaben-
den Landwirtes aus dem badischen Schwarzwald
kam im Jahre 1884 in eine protest. Anstalt der
Westschweiz. Nach dem Prospekt konnten die Zög-
linge ihre religiösen Pflichten erfüllen. In Wirk-
lichkeit war am Sonntag von Kirchengehen keine
Rede; salbungsvolle Unterweisungen und Stündler-
Gebete ersetzten den kathol. Gottesdienst. Die Folge
war: der Jüngling verlor seinen Glauben, heiratete
später eine Protestantin und ließ seine Kinder
protestantisch erziehen. So geht es in zahllosen
Fällen. Es gibt in Genf und Umgebung, in Challet
[13] (bei La Plaine), in Collonger-Fort-l'Ecluse, in
Veyrier, in Ferney, in St. Julien-en-Genévois,
in Freiburg ꝛc. ausgezeichnete kathol. Pensionate.
Jeder katholische Pfarrer der französischen Schweiz
wird gerne Auskunft erteilen.

2. Das Gepäck.

[14]
[figure]

‘„Wenn jemand eine Reise thut,’
‘So kann er was erzählen.’
‘Drum nehm' ich meinen Schirm und Hut’
‘Und thu' das Reisen wählen.“’

Gewiß das Reisen ist gar schön und nützlich.
Da sieht man andere Gegenden, Städte und
Dörfer; da sieht man Berge und Thäler, Flüsse
und Seen. Tausend Schönheiten und Reize
der Natur erfreuen das Auge. Ueberall leuchtet
uns Gottes Allmacht und Weisheit entgegen. Auch
lernt man allerlei Leute kennen und sammelt reiche
Kenntnisse und Erfahrungen. Der Gesichtskreis
wird weiter, der Geist gebildeter, und der Charakter
erhält größere Festigkeit. Drum ists gewiß gut, bei
gehörigem Alter nach dem Wanderstab zu greifen
und hinauszuziehen in die große Welt. Nur darf
der Jüngling nicht vergessen, vor der Abreise auf
die Ratschläge erfahrener Leute zu hören, und da
heißt ein Rat. Nehme nur wenig Gepäck mit
dir
. Je geringer die Zahl der Handkoffern und
[15] Schachteln und Packete, die man mit sich führt,
desto bequemer und leichter geht die Reise. Man
bekommt ja überall ums Geld, was man braucht.
Auch kostet ein Koffer, als Frachtgut geschickt, nicht
viel.

Aber vier Gegenstände dürfen beim Reisegepäck
niemals fehlen: Das Geld, ein Paß, einige
gute Bücher und ein Festkleid
.

I.


Ehedem gab es überall Klöster und christliche
Herbergen. Da konnte der Wanderer auch ohne
Geld übernachten und bekam zu essen und zu
trinken, so viel er wollte. Und dann steckte man
ihm erst noch eine Zehrung auf den Weg in die
Reisetasche. So war es im Mittelalter. Selbst
Martin Luther stellt ihm das ehrende Zeugnis
aus: ‘„Im Papsttum war jedermann barm-
herzig und mild, da gab man mit beiden
Händen fröhlich und mit großer Andacht
.“’

Später wurden dann die meisten Klöster aufge-
hoben und den Armen die Zufluchtsstätten ge-
nommen. Nur wenige bestehen noch. Diese helfen,
so viel sie können. Ich kenne ein Kapuziner-
kloster – es ist in Luzern –, da wurden in einem
einzigen Jahre 50000 Portionen Suppe ausgeteilt.
Und so machen es auch die übrigen Männer- und
Frauenklöster. Nur ist ihre Zahl leider zu gering.
An vielen Orten giebt es gar keine mehr. Darum
ist der arme Wanderer oft recht übel daran.

[16]

Es ist also notwendig, daß man Geld mit
sich auf die Reise nehme. Nach Bedürfnis kann
man dann einen Teil des Geldes gegen die Münze
des betreffenden Landes umwechseln und zwar am
besten bei einem Banquier. Im Geldbeutel sei
jedoch nur eine geringere Summe, ebensoviel, als
man für die kleineren Reiseausgaben nötig hat.
Alles andere Geld verwahre man in einer inneren
Kleidertasche. Nie zeige das Geld den Reisege-
fährten. Vermeide es auch, unterwegs Fremden
Geld zu wechseln. Lege das Kleidungsstück, in dem
dein Geld sich befindet, während der Nacht unter
das Kopfkissen.

II.


Der Paß ist auszustellen von der zuständigen
Behörde. Derselbe wird überall abverlangt. Darum
muß er gut aufbewahrt werden.

Auch Zeugnisse und Empfehlungsbriefe
können einem gar oft in der Fremde kostbare
Dienste leisten. Man gebe sie nie aus der Hand,
sondern fertige Abschriften, die man auf Verlangen
vorausschicken kann.

III.


An Büchern muß der Jüngling vor allem
mitnehmen: Ein rechtes Gebetbuch und den
Katechismus. ‘„Wer recht zu beten weiß, der
weiß auch recht zu leben“’
, sagt der hl. Augustinus.
Was soll der junge Christ in der Kirche anfangen,
[17] wenn er kein Gebetbuch hat? Im Katechismus
sollte jeder Jüngling alle Sonntage ein Viertel-
stündchen lesen. Vor allem muß er nachsehen
darin, wenn er allerlei Einwendungen gegen die
Religion, Entstellungen und Verdrehungen der
christlichen Lehre hört. Manchmal kann man auch
den frechen Spöttern den Katechismus einfach vor-
lesen und so ihre Weisheit und Wahrheitsliebe an
den Pranger stellen.

Natürlich sind auch noch andere religiöse
Bücher sehr zu empfehlen. Einem Jünglinge, der
im Jahre 1894 nach Paris ging, hatte die Mutter
‘„die Nachfolge Christi“’ in den Koffer gesteckt. Der
Sohn kam in der Weltstadt mit sehr schlimmen
Kameraden zusammen. Es fiel ihm nicht mehr
ein, das goldene Büchlein zu lesen, wohl aber
brauchte er die herausgerissenen Blätter beim Rasieren
zum Abtrocknen des Messers. Einmal fiel sein
Auge auf den Satz: ‘„Es ist besser, jetzt seine Seele
von Sünden reinigen und seine Laster ablegen, als
die Reinigung für die andere Welt aufsparen.
Wir betrügen uns sicher selber durch die unordent-
liche Liebe, die wir zu unserm Fleische tragen.“’

Und siehe, diese Wahrheit berührte wie ein Pfeil
sein Herz. Bald darnach kniete der Jüngling zu
den Füßen eines Priesters, legte eine gute Beicht
ab, sagte sich los von seinen schlechten Kameraden
und war von da an ein Muster der Frömmigkeit
und Sittenreinheit.

IV.

[18]

Doch das Wichtigste für jeden Wanderer ist,
daß er Gott zum Begleiter und Schützer habe.
Das sagt der Dichter mit den schönen Worten:

‘„Wenn jemand in die Ferne zieht,’
‘Aus trauter Heimat fort,’
‘Dünkt mich der beste Abschiedsgruß:’
‘Gott sei dein Hort!’
‘Denn alles Zagen schweiget dann,’
‘Der Herr ist hier wie dort,’
‘Sein Schutz umfängt dich überall:’
‘Gott sei dein Hort!’
‘Er bietet seine Liebe dir,’
‘Ja stets den sichern Port,’
‘Wo dich kein Sturm vernichten kann:’
‘Gott sei dein Hort!’
‘Und seines Segens heller Strahl’
‘Sucht dich in Süd wie Nord,’
‘Und bringt dir allzeit lichten Tag:’
‘Gott sei dein Hort!’
‘Halt' nur des Glaubens Banner hoch,’
‘Folg' liebend seinem Wort,’
‘Laß hoffend stets dein Wahlspruch sein:’
‘Gott sei mein Hort!’
‘Dann folgt, was auch die Ferne bringt,’
‘Dem bittern Abschiedswort’
‘Das beste Wort des Wiederseh'ns:’
‘Gott war dein Hort!“’
(Ferdinande von Brackel.)
[19]

Doch nur der wird Gott zum besondern Hort
und Schützer haben, der in seiner Liebe wandelt,
d. h. das Kleid der heiligmachenden Gnade
besitzt
. Das ist das Festkleid, ohne welches
niemand zum himmlischen, ewigen Gastmahle Zu-
tritt hat. Darum darf kein Reisender dieses Ge-
wandes entbehren. Wer zum Wanderstabe greifen
will, der gehe vorher mit heiligem Ernste und
sorgfältiger Vorbereitung zur hl. Beicht und Kom-
munion. So steigt Gott in sein Herz, schmückt es
mit dem goldstrahlenden Gewande der heilig-
machenden Gnade und nimmt den Wanderer in
seine besondere Hut. Läßt es der Allweise in seinen
unergründlichen Ratschlüssen gleichwohl zu, daß
ein Unglück plötzlich ihn hinwegrafft, so ist er doch
des Himmels sicher; denn er trägt ja das hochzeit-
liche Kleid.

Wir haben die Eisenbahn-Unfälle eines einzigen
Monats, des November 1900, zusammengestellt:
es sind deren 16. Meist blieben mehrere Passa-
giere tot auf dem Platze, einmal sogar 90 mit
einander; viele andere wurden schwer verwundet.
Und in einem einzigen Jahre, im Jahre 1896,
gab es auch 984 Schiffbrüche. Wer ist sicher, daß
nicht ein ähnliches Unglück ihn trifft und ganz
plötzlich und unerwartet vor den Richterstuhl
Gottes stellt? Trägt er aber das Kleid der heilig-
machenden Gnade, ist seine Seele rein von schwerer
Sünde, dann führt ihn seine Wanderung ins
himmlische Vaterland, wo kein Rad mehr bricht
[20] und keine Brücke, wo alle menschliche Unvorsichtig-
keit und Schwäche ausgeschlossen ist.

‘„Denn wo Gott wirkt, ohn' Zwischenmittel waltend,’
‘Hat das natürliche Gesetz nicht Geltung.“’
(Dante.)

Ein ordentlicher Wanderer reist nur in an-
ständiger und sauberer Kleidung. Doch weit mehr
noch möge jeder dafür sorgen, daß keine schwere
Schuld sein Herz verunstalte, daß sein Kleid der
Seele nicht schmutzig und zerrissen, sondern licht-
strahlend und goldglänzend sei, leuchtend im
Strahlenglanze der Gotteskindschaft, die allein ein
Anrecht giebt auf den besonderen Schutz des Herrn
und auf des Himmels Erbe.

‘„Dann folgt, was auch die Ferne bringt,’
‘Dem bittern Abschiedswort’
‘Das beste Wort des Wiederseh'ns:’
‘Gott war dein Hort.“’

3. Auf der Eisenbahn.

[21]
[figure]

I.


Zwei junge Handelsreisende fuhren per Eisenbahn
von Wien nach Prag. Sie befanden sich ganz
allein in einem Rauchcoupee. Unterwegs stieg eine
vornehm gekleidete, hübsche Dame ein und gesellte
sich zu den beiden jungen Herrn, sich damit ent-
schuldigend, daß sie eine leidenschaftliche Raucherin
sei. Bald zog die Reisegefährtin ein elegantes
Cigarren-Etui aus ihrer Tasche und bot es mit
ausgesuchter Höflichkeit den angenehm überraschten
Mitpassagieren an, die nur zu gerne zugriffen.
Kurz darauf sanken sie in tiefen Schlaf. Sie er-
wachten erst wieder, als der Zug in Prag einfuhr.
Zugleich aber entdeckten sie zu ihrem größten
Schrecken, daß ihre Geldbörse mit zusammen 8000
Mark, sowie ihre Uhren und sonstige Wertgegen-
stände verschwunden waren. Auch das Frauen-
zimmer war natürlich nicht mehr da. Es hatte
ihnen Opium-Cigaretten zu rauchen gegeben und
sie dann in ihrem betäubten Zustand ausgeplündert.

[22]

Wer sollte es glauben, daß die Bosheit und
Schlechtigkeit so weit gehen könnten? Welche Vor-
sicht ist also auf der Reise von nöten! Nie nehme
man von unbekannten Leuten Cigaretten
an oder Süßigkeiten, sie könnten mit Schlaf-
mitteln getränkt sein
. Manchmal werden zu
diesem Behufe auch Riechmittel angewendet; ein
chloroformgetränktes Taschentuch wird wie zufällig
vor das Gesicht gehalten. Also aufgepaßt!

II.


Ferner ist's gewagt, sich auf der
Eisenbahn mit Unbekannten einzulassen
und ihre Dienste anzunehmen
. Je freund-
licher und gefälliger sie sich zeigen, desto größer
muß das Mißtrauen sein. Es gibt gewissenlose
Agenten, die junge, unerfahrene Leute nach Amerika
anwerben und dann ins Elend hineinführen. Oder
sie versprechen, ihnen in einer Stadt für gute Plätze
zu sorgen, lassen sich dafür natürlich zum voraus
bezahlen, um dann plötzlich zu verschwinden. Diese
Betrüger und Schwindler machen sehr gute Ge-
schäfte, weil sich leider so viele betrügen lassen und
auf die wohlmeinende Stimme wahrhaft guter
Freunde nicht hören. Ein sehr talentvoller, junger
Mann war auf dem Wege nach London, um dort
Stellung zu suchen. Es gesellte sich in der Eisen-
bahn ein älterer Herr zu ihm, war überaus freund-
lich, erkundigte sich nach Beruf und Reiseziel und
erbot sich sofort, gegen eine bescheidene Entschädigung
[23] ihm eine ganz ausgezeichnet bezahlte Stelle in einem
Londoner Handelshause zu verschaffen. Der Be-
trag mußte selbstverständlich sofort entrichtet
werden. In London angekommen, gingen die bei-
den Herrn in ein Hotel, um zu speisen und über
Nacht zu bleiben; am anderen Morgen früh wollte
man das Geschäft aufsuchen. Unser ‘„vertrauens-
selige“’
Sohn der Schweizerberge war ganz glück-
lich, so rasch in der Weltstadt einen Platz gefunden
zu haben, stand am folgenden Tage ziemlich früh
auf, gieng in das Gastzimmer und wartete auf
seinen Begleiter. Er wartete bis 9 Uhr, bis 10
Uhr, – aber umsonst, er kam nicht. Als er sich
nach dem Engländer beim Kellner erkundigte, er-
klärte ihm dieser, jener Herr habe ja gestern abend
schon das Hotel wieder verlassen und sei wahrschein-
lich weiter gereist; es sei übrigens kein Engländer,
sondern ein Deutscher. Solche Fälle wiederholen
sich alle Tage.

Es ist also auf der Reise äußerste Vorsicht
notwendig. Höchst selten darf man sich mit unbe-
kannten Leuten näher einlassen. Man gebe weder
Beruf noch Reiseziel an und lehne alle Dienste
dankend ab. Auch lasse man sich in kein Hotel
führen; schon mancher arglose Reisende ist dadurch
ins Unglück geraten. Wer dem Handwerker-
stande angehört, der gehe überhaupt nicht
in die Fremde, ohne vorher in den ‘„Katho-
lischen Gesellenverein“’
einzutreten
. Dann
bekommt er ein ‘„Wanderbüchlein“’, worin sich eine
[24] Liste der bestehenden katholischen Gesellenvereine
mit Angabe der betreffenden katholischen Vereins-
präsides und der Vereinshäuser befindet. Dieser
Liste ist vorgedruckt ein ‘„Allgemeines Statut des
katholischen Gesellen-Vereins,“’
eine ‘„Wanderord-
nung“’
, ferner ‘„Pflichten eines braven Mitgliedes“’
und endlich ‘„einige Wanderregeln für die Vereins-
mitglieder.“’
Mit Hilfe dieses Büchleins findet der
wandernde Handwerksbursche beinahe überall –
denn fast allerorten gibt es jetzt Gesellenvereine –
einen besorgten Vater, den Gesellenpräses, brave
Freunde, ein trautes Heim und eine freundliche
Herberge und meist auch passende Anstellung bei
einem wackeren Meister, der vielleicht Ehrenmitglied
des Gesellenvereines ist.

Nicht-Handwerker wenden sich an andere katho-
lische Vereine: Jünglings–, Kaufmanns- und Ar-
beitervereine. Natürlich muß man Mitglied dieser
Vereine sein und die Mitglied-Karte vorzeigen
können. Die Vorstände dieser Vereine, die ja leicht
zu erfragen sind, werden dem Vereinsbruder gerne
Rat und Aufschluß geben. Wir wollen hoffen, daß
nach und nach alle katholischen Vereine ein ähn-
liches Wanderbüchlein erstellen, wie der katholische
Gesellenverein.

Wer noch keinem Vereine angehört und in die
Fremde zieht und sich da nicht mehr zu helfen weiß,
der wende sich doch vertrauensvoll an einen
römisch-katholischen Priester; er wird ihm gewiß
gerne nach Kräften an die Hand gehen.

III.

[25]

Des Weitern ist zu beachten, daß man auf
der Eisenbahn und in den Städten sich
immer an die Beamten, also die Condukteure
und Polizisten halte, so oft man eines Auf-
schlusses oder Schutzes bedarf
. Dies trifft
besonders auch ein, wenn im Eisenbahn- oder Post-
wagen glaubenswidrige oder unsittliche Gespräche
geführt werden. Oft kann ein kurzes, aber ernstes
Wort solch' lose Zungen zum Schweigen bringen.
Auf einer Station war ein junger Handelsreisender
in den Wagen gestiegen. Kaum hatte er sich nieder-
gelassen, so begann ein Trupp Soldaten die ab-
scheulichsten Zoten zu reißen. Sofort erhob sich
der junge Herr und rief laut, daß man es im
ganzen Wagen hören konnte: ‘„Ich habe nicht ge-
meint, daß ich in einen Schweinestall hineingeraten
sei.“’
Mehrere Mitreisende riefen ‘„Bravo.“’ Die
unsauberen Mäuler verstummten. Wird aber die
Zurechtweisung nicht beachtet, so rufe man den
Condukteur zu Hilfe. Er hat dafür zu sorgen, daß
kein Fahrgast von seinen Mitpassagieren belästiget
werde. Solche glaubens- und schamlose Schwätzer
verdienen gar keine Schonung.

IV.


Es giebt noch andere Vorsichtsmaßregeln für
die Eisenbahnfahrt, wir wollen sie kurz nennen.

1. Nie besteige oder verlasse man einen in
[26] Bewegung befindlichen Zug. Eine solche Unvor-
sichtigkeit hat meist die entsetzlichsten Folgen.

2. Wer den Kopf zu weit zum Wagenfenster
hinausstreckt, läuft Gefahr, mit einer Telegraphen-
stange in unliebsame Berührung zu kommen.

3. Es empfiehlt sich, bei längeren Reisen etwas
Mundvorrat mitzunehmen. Dadurch vermeidet man
beträchtliche Ausgaben in den Bahnhofrestaurationen.

4. Handgepäck gebe man nur im Notfall aus
der Hand, und dann vertraue man es nur Bahn-
hofbediensteten an, welche dagegen eine Nummer
oder Marke verabfolgen.

5. Niemals steige man in einen Zug, ohne
sich durch wiederholtes Fragen vergewissert zu
haben, daß es wirklich der richtige sei.

6. Man teile niemanden sein Reiseziel mit
und ändere niemals seinen Reiseplan, ungeachtet
aller angeblichen Vorteile, welche unbekannte Personen
für diesen Fall in Aussicht stellen. Solche Aner-
bieten sind recht oft nichts anderes als ein Ver-
such, unerfahrene Jünglinge ins Unglück zu stürzen.

Wenn nur ein oder zwei Mitreisende im
gleichen Wagen oder Coupé sich befinden, so wäre
es sehr gewagt, ein Schläfchen zu halten.

7. Wenn man an einem Orte Aufenthalt hat,
so entferne man sich nicht von der Station, sondern
bleibe im Wartesaal bis zum Abgang des nächsten
Zuges.

8. Die Zeit ist nicht dieselbe in Frankreich
und in Mitteleuropa (Deutschland, Oesterreich,
[27] Schweiz, Italien.) Die französische Eisenbahnzeit
geht 55 Minuten nach.

9. Der Zollbehandlung des Reisegepäckes muß
man an der Grenze persönlich beiwohnen; sonst
setzt man sich der Gefahr aus, daß es an der
Grenzstation liegen bleibt.

10. In Deutschland, Oesterreich, England und
anderen Ländern werden von den Eisenbahnange-
stellten die Namen der Stationen nicht, immer
ausgerufen. Um nicht über sein Reiseziel hinaus-
zufahren, ist es geraten, sich die Zeit zu merken,
zu welcher man an seinem Bestimmungsort an-
kommen soll.

11. In Italien und Frankreich muß man
sich früh am Bahnhofe einfinden; denn es besteht
in diesen Ländern die Vorschrift, daß 5 Minuten
vor Abgang des Zuges der Billetverkauf aufhört,
und eine Viertelstunde vorher kein Reisegepäck
mehr angenommen wird.

12. Wer in einem Gasthof übernachtet und
am anderen Morgen früh abreisen will, thut gut
daran, seine Rechnung am Abend vorher zu be-
gleichen. Denn im letzten Augenblicke ist es nicht
mehr möglich, sie zu prüfen, und gewisse Wirte
benützen diese Gelegenheit, um den Fremden zu
überfordern.

Nie, gar nie schlafe man mit einem unbe-
kannten Menschen im gleichen Zimmer. An der
Kammerthüre werde der Nachtriegel vorgeschoben.
Ist das Schlafgemach nicht schließbar, so bleibe
[28] man nicht darin über Nacht. Eher wähle man
ein anderes Gasthaus.

Auch darf sich niemand schlafen legen, ohne
zuvor Umschau gehalten zu haben in den Kästen,
Kommoden, unter der Bettlade ꝛc.

13. Wertgegenstände soll man nicht in einen
Koffer legen, welchen man der Eisenbahn über-
geben will.

14. In Italien schließe man abends die Fenster,
um sich nicht der Fiebergefahr auszusetzen. Man
hüte sich vor den römischen Kohlenbecken, durch
welche häufig Erstickungen herbeigeführt werden.

V.


Das Reisen auf Eisenbahn und Dampfschiff
ist voller Gefahren für Leib und Seele. Daher
hat die Kirche ein eigenes Reisegebet, das Itinerarium,
gemacht. ‘„Jn viam pacis“’, so beginnt es. ‘„Auf
den Pfad des Friedens und der Wohlfahrt leite
uns der allmächtige und barmherzige Gott, und
der Engel Raphael begleite uns auf dem Wege,
daß wir mit Frieden, Heil und Freude zur Heimat
zurückkehren.“’

Es war im Jahre 1891, am 15. Juni. Der
Eisenbahnzug, eine lange Reihe von Wagen, ver-
ließ Basel. Es fuhren auch zwei Frauen mit
aus dem Jura, die von Einsiedeln kamen. Sie
beteten still für sich den Rosenkranz. Dadurch
wurden sie der Gegenstand des Spottes und Hohnes
ihrer Reisegesellschaft, die zum Sängerfeste nach
[29] Mönchenstein fuhr. Einige Augenblicke vor An-
kunft auf der Brücke über die Birs kam der
Schaffner und forderte die Billete. Als er die
betenden Frauen erblickte, stimmte er in das Ge-
lächter der Fahrgäste ein. In demselben Augen-
blicke ertönt ein Krachen, die Brücke bricht zu-
sammen, der Zug stürzt in die Tiefe. Unter den
Leichnamen und Verwundeten, die man aus den
Trümmern zog, befanden sich auch jene 2 Frauen:
Die Kleider waren zersetzt und mit Blut über-
ronnen, aber sie selber hatten nicht den
geringsten Schaden genommen
. Das Blut
rührte von den übrigen Passagieren her, die ent-
weder tot oder schrecklich verstümmelt waren.
Einem Manne und einer Frau, die unmittelbar
daneben gesessen, wurden die Beine ganz zerquetscht
und zermalmt.

Der Nachmittagszug fuhr durch die unfrucht-
bare Eifelgegend dahin. Es war vor zwei Jahren,
im Sommer. Auf einer Station stieg ein alter,
schlecht gekleideter Mann ein. Kaum saß er im
Wagen, so zog er seinen Rosenkranz hervor. Die
Mitreisenden spotteten. Bald merkten sie, daß er
nicht gut höre. Da erlaubten sich ein paar junge
Burschen einen bösen Streich. ‘„Ihr wollet nach
G.“’
? schrie ihm einer ins Ohr. Der Alte be-
jahte es lebhaft. – ‘„So steiget schnell aus!“’
Und der alte Mann verließ, so schnell er konnte,
den Wagen, obwohl es nicht die gewünschte
Station war. Der Zug fuhr weiter. Schallendes
[30] Gelächter der Insaßen! Plötzlich entgleiste der Zug,
den der Greis verlassen hatte, mehrere Wagen
wurden zertrümmert, von den boshaften Spöttern
blieb kein einziger unverletzt.

Bete auf der Reise und empfehle dich dem
Schutze Mariä und des hl. Engels. Kümmere
dich nicht um den Spott der Mitreisenden. Als
ich einst auf dem Vierwaldstättersee fuhr, da war
auch ein alter Herr mit seinem erwachsenen Sohne
auf dem Schiffe. Sie aßen zu Mittag, unterließen
aber nicht, vor und nach dem Essen still für sich
zu beten. Und als von Weggis her die Mittags-
glocke erscholl, verrichteten beide den Engel des Herrn.
Es kümmerte sie nicht, daß einige Mitreisende
darob die Nase rümpften und spöttelten. Mehr
lag ihnen daran, des göttlichen Wohlgefallens
sich zu erfreuen und jenes Lob des Heilandes zu
verdienen: ‘„Wer mich vor den Menschen bekennt,
den werde ich auch vor meinen Vater bekennen, der
im Himmel ist.“’
Darum vergiß auf der Reise
nicht den lieben Gott und bete hin und wieder
still für dich.

Verreise nie an einem Sonn- oder
Feiertag. Kann es gar nicht anders sein
,
so höre vorher wenigstens eine hl. Messe
andächtig an. Graf Johann von Salis
(ge-
storben am 23. Aug. 1855) übernachtete auf einer
Reise zu Verona. Um anderen Tages – es war
ein Mutter-Gottes-Fest – die hl. Messe nicht zu
versäumen, ging er erst mit dem 2. Zuge weiter.
[31] In der Nähe von Vicenza ertönt plötzlich ein Not-
pfiff. Alle Passagiere stürzen zu den Wagen hinaus.
Was sehen sie? Was hat es gegeben? Der erste
Zug von Verona her war entgleist; die meisten
Wagen waren zertrümmert; Tote und Sterbende
und schwer Verwundete lagen zu Dutzenden auf
der Erde. Es war ein entsetzlicher Anblick. Hätte
Graf von Salis die hl. Messe versäumt und mit
dem 1. Zuge seine Reise fortgesetzt, so wäre er
jetzt wohl auch unter den Toten oder Schwerver-
wundeten gelegen. Darum soll jeder Christ nur
in Notfällen an Sonn- und Feiertagen reisen, vor-
her aber, wenn immer möglich, zum allermindesten
die hl. Messe anhören. Denn die Vernachlässigung
der Messe ist eine schwere Sünde. Wer will es
wagen, mit einer Todsünde auf dem Herzen sich
den Gefahren der Reise auszusetzen?

‘„Geh' ohne Stab nicht durch den Schnee,’
‘Geh' ohne Steuer nicht zur See;’
‘Geh' ohne Gottes Geist und Wort’
‘Niemals aus deinem Hause fort!“’
(Rückert.)

4. Die Fußtour.

[32]
[figure]

Wie ist's so schön, was der Dichter von seiner
Wanderung durch den Schwarzwald singt:

‘„Seid gegrüßt, ihr dunklen Gauen,’
‘Seid gegrüßt mir immerdar!’
‘Eure Tannennacht zu schauen,’
‘Schon als Kind mein Sehnen war.’
‘Doch das Bild, das ich mir malte,’
‘Zauberprächtig, farbenreich,’
‘Die Natur es überstrahlte,’
‘Schwarzwald, dir kommt keiner gleich.’
‘Tiefe Schluchten, stolze Höhen,’
‘Tannendunkel, Vogelfang,’
‘Und der Wälder Andachtswehen,’
‘Das sich eint mit Herdenklang.’
‘Bächlein flink in Wasserfällen’
‘Schäumen überall zu Thal,’
‘Spenden Labung den Forellen,’
‘Kühlen Luft und Sonnenstrahl.’
[33]
‘Wonnig ist es, froh zu wallen’
‘Durch des Höllenthales Pfort';’
‘Hier lass' alle Hoffnung fallen,’
‘Dantes Inschrift steht nicht dort.’
‘Waldumrauschte Felsenwände’
‘Zieh'n der Dreisam Lauf entlang,’
‘Reichen sich ganz nah die Hände,’
‘Wo dem Hirsch der Sprung gelang.’
‘Als des Thals romant'sche Stelle’
‘Preis' ich die Ravennaschlucht,’
‘Ueber Felsen, Wasserfälle’
‘Hier der Fuß den Pfad sich sucht.’
‘Wie aus Silber hingegossen,’
‘Glänzt der Titisee so schön,’
‘Rings von Tannengrün umflossen,’
‘Ruht der Schluchsee auf den Höh'n.’
‘Mächtig ragt des Feldbergs Rücken’
‘In das blaue Luftgezelt,’
‘Weit wir in die Lande blicken’
‘Bis zur Alpen Wunderwelt.’
‘Und das biedere Schwarzwaldvölklein,’
‘Wie ist's fröhlich, freundlich, fromm,’
‘In dem ärmsten Hirtenhüttlein’
‘Ist der Wand'rer froh willkomm.“’

Aber wer kümmert sich heute noch um die
Schönheiten der Natur? Die stillen Wandrer,
mit dem Ränzlein auf dem Rücken und dem Reise-
stock in der Rechten, werden immer seltener. Alles
[34] fährt per Eisenbahn. In raschem Fluge gehts
durch Ebenen und Thäler, an Bergen und Seen
vorbei. Das Auge findet kaum Zeit, auch nur
flüchtig die Wunder der Natur zu betrachten. Was
nützt ein solches Reisen? Man schaut nicht die
Blumen am Wege, hört nicht das Konzert der
Vögel, erfreut sich nicht an den schönen Landschafts-
bildern, hat kein Auge für Volkssitten, für das
Thun und Treiben fremder Menschen. Höchstens,
daß man in den Städten Halt macht und hastig
die Straßen und öffentlichen Plätze, die Bilder-
gallerien und Kunstsammlungen durcheilt, vor
Palästen und stolzen Turmbauten einige Augenblicke
verweilt, den Pferderennen und Stierkämpfen bei-
wohnt und am Abend das Theater besucht. Aber
der große Gottestempel der Natur mit seinen be-
zaubernden Reizen und unbeschreiblichen Schön-
heiten, mit seinen Wundern ohne Zahl ist so
vielen zeitlebens verschlossen – zum größten Schaden
für Herz, Geist und Gesundheit.

Die aufmerksame Betrachtung der Natur erfüllt
das Herz mit Bewunderung für Gottes Allmacht,
Weisheit und Güte, mit Demut und dankbarer Liebe.
Der Wille wird gestählt durch das Wundern, und der
Geist mächtig angeregt zum Forschen und Denken,
eine Fülle von neuen Ideen und Kenntnissen wer-
den sein eigen. Daß die Fußreisen dem Körper
sehr zuträglich sind, braucht wohl keines Beweises.
Das fühlt jeder selbst am besten, wie wohl ihm
die Bewegung thut, wie angenehm und erfrischend
[35] ein Gang durch Felder und Wiesen, über Berg
und Thal, wie stärkend eine Tour per pedes
Apostolorum. ‘„Wer geht,“’ sagt Seume, der Dichter
und Tourist, ‘„sieht von der Welt und dem Men-
schenleben mehr, als wer fährt. Fahren zeigt Ohn-
macht, Gehen Kraft. Der Gang ist das Ehren-
vollste für den selbständigen Mann, und alles
würde besser gehen, wenn man mehr gienge
.“’

In Triengen (Schweiz) lebt ein Mann, Joseph
Schmidli
, der schon über 90 Sommer gesehen
und sich noch des besten körperlichen Wohlseins und
großer, geistiger Frische erfreut. Er ist noch nie
Eisenbahn gefahren, hat hingegen den weiten Weg
nach Einsiedeln schon 24 Mal zu Fuß gemacht.
Der älteste Mann der Neuzeit war wohl Michele
Solis
aus Bogosa in der Republik San Salvador,
der im Jahre 1884 starb. Michele wurde 160 Jahre
alt. Er lebte sehr mäßig und ging immer zu Fuß.

Drum, mein lieber Freund, lasse Schienen-
strang und Eisenbahn auf der Seite und wandere
auf des Schusters Rappen. Der Gewinn ist
groß, besonders wenn du offene Augen
hast und alles recht betrachtest und das
eine und andere dir aufschreibst, vor der
Reise aber Land und Leute in guten Reise-
büchern studierst
.

‘„Nimm den Stab in deine Hände,’
‘Wandre in die Welt hinaus!’
‘Gott dir seinen Segen spende’
‘Und Willkomm in fremdem Haus.’
[36]
‘Wand're durch der Wälder Schatten,’
‘Fröhlich über Berg und Thal,’
‘Freue dich am Grün der Matten’
‘Und am Morgensonnenstrahl!’
‘Winkt ein Kirchlein dir entgegen,’
‘Halte Rast an seiner Pfort';’
‘Hole dir den Reisesegen,’
‘Und dann wand're rüstig fort!“’

5. Der Bauernknecht und der Geselle.

[37]
[figure]

I.


Nur nicht dienen! Lieber in die Fabrik oder
in ein Geschäft oder Bureau. Die Städte
wachsen, die Landbevölkerung nimmt ab. Im
Jahre 1882 betrug die landwirtschaftliche Be-
völkerung in Schlesien 1742841, im Jahre 1895
jedoch nur 1564085. Es haben also über 178000
Menschen in Schlesien innerhalb 13 Jahren die
landwirtschaftliche Arbeit aufgegeben. In der
bayerischen Pfalz haben sich im Jahre 1899 33737
Personen vom landwirtschaftlichen Betriebe losge-
sagt, während die Industrie einen Zugang von
84223, der Handel einen solchen von 19874 auf-
wies. Aehnlich oder noch schlimmer steht es in
anderen Ländern. Allüberall klagt man über die
Landflucht, die Uebervölkerung und Arbeitsnot in
den Städten, und niemand weiß, wie man dieser
Menschenverschiebung Einhalt thun kann. Da
müssen eben unsere Jünglinge selbst zur Einsicht
kommen, daß sie es auf dem Land viel schöner
[38] haben als in der Stadt. Da ist's doch tausend-
mal gesunder
. Wohl muß der Bauernknecht,
besonders im Sommer und Herbst, viel und streng
arbeiten. Aber seine Werkstätte ist die schönste
und gesundeste: der fruchtbare Acker, die blumen-
reiche Wiese, die sonnige Weinberghalde, der grüne
Wald. Da lebt er bei den singenden Vögeln und
weidenden Herden weit glücklicher und fröhlicher
als der Städter in seinen dumpfen Winkeln, wo
kein Sonnenstrahl hindringt, oder der Fabrikarbeiter,
der im Staub und Oeldampf gar oft zum siechen,
auszehrenden Krüppel wird. Darum sollte man
nicht so verächtlich auf die Landarbeit niederblicken.
Bleibe nur oder werde Bauernknecht, so bleibst du
gesund an Leib und Seele. Wie mancher starke
und lebensfrohe Jüngling gieng in die
Stadt und kam elend und krank zurück oder
starb im Spitale an den Folgen der Sünde
oder des Elendes
.

Freilich sind viele Bauern selber schuld, daß
sie keine Arbeiter mehr finden. Sie schreien in
einem fort über die ‘„Leutenot“’ in der Landwirt-
schaft. Aber ihre eigenen Söhne und Töch-
ter halten sie für zu gut auf den Bauern-
hof: die müssen studieren oder sonst einem
höheren Berufe sich widmen
. Sie klagen über
die ‘„Landflucht,“’ über den Zug in die Stadt und
vergessen dabei ganz, daß ja ihre eigenen
Kinder mit dem schlechten Beispiel vor-
angehen
. Diese schämen sich, ein Bauer, eine
[39] Bäuerin zu sein und zu heißen, und wenn's aus
Heiraten geht, da ziehen sie erst recht das Stadt-
fräulein oder den Stadtherrn der Bäuerin und dem
Bauer vor. Gewöhnlich zu ihrem Unglück!

‘„Gar manches Knopfloch ist geschmückt,’
‘Weil manchem dies und das geglückt’
‘Mit Klingen und mit Kielen.’
‘Jedweder Leistung Ehr und Preis.’
Der beste Orden, den ich weiß,’
Ist eine Hand voll Schwielen.“’
(Weber.)

Auch wär' es noch auszurechnen, wer mehr
erspart
: der Bauernknecht oder der städtische Ar-
beiter. Der Lohn des letzteren ist vielleicht etwas
größer; aber dafür braucht er mehr für Kleidung,
Lebensführung und Unterhaltung. Es ist ganz
interessant, welch' schöne Summen brave und genüg-
same Dienstboten oft ersparen. Ich habe gelesen
von einem Knechte in Württemberg, der bei seinem
Tode 24000 Mark für gute Zwecke hinterließ. Ein
anderer Knecht aus dem Kanton Aargau (Schweiz)
besaß am Ende seines langen Lebens 19540 Fr.
in Sparkassenscheinen. Beide Landarbeiter hatten
sich diese großen Summen selbst erspart. Ganz
jung waren sie bei guten Bauern in Dienst getreten;
von kranksein wußten sie nichts; jedes Vierteljahr
konnten sie den größten Teil des Lohnes in die
Sparkasse legen. So kamen sie zu einem ganz
[40] schönen Vermögen, aus dessen Zinsen sie ihre alten
Tage sorgenfrei hätten verleben können.

Vierzig Jahre lang hatte in Ebnat (Kanton
St. Gallen) ein Knecht gedient und gespart. Als
er anno 1894 starb, fand man zuunterst in seinem
alten Koffer, wohl verwahrt und versteckt, ein Spar-
kassenbüchlein im Werte von 20000 Fr.

In Servion, Kanton Waadt, wurde in den
ersten Tagen des Monats Juni 1901 ein 87jähriger
Knecht begraben. Seit dem 12. Lebensjahre, also
während 75 Jahren
, hatte er auf demselben
Platze gedient. Seine Ersparnisse betrugen 27000 Fr.

Im Jänner 1874 stürzte in Freiburg (Baden)
ein Knecht in einen Keller hinunter, schlug sich
dabei die Hirnschale ein und starb nach einer
Stunde. Dieser Mann hatte mit seinem Lohne
die alte Mutter in einem Dorfe bei Offenburg voll-
ständig erhalten und ihr kurz vor seinem Tode
noch 30 Mark geschickt. Sie kam auch zur Be-
erdigung. Als der Priester die üblichen Gebete
verrichtet hatte, trat die arme Frau an das Grab
ihres Sohnes und sprach unter lautem Schluchzen:
‘„Gott vergelte dir alles, mein Sohn, was du mir
gethan hast!“’
Das war die schönste Leichenrede,
die dem verstorbenen Knechte konnte gehalten
werden.

Darum lasset euch nicht täuschen, ihr jungen
Leute, und höret auf das Wort: ‘„Bleib' im Lande
und nähre dich redlich
!“’
Man spiegelt euch
größern Verdienst vor, mehr Freiheit, leichtere
[41] Arbeit. Das Durchschnittsresultat aber besteht
darin, daß von zehn – neun Auswanderer es zu
gar nichts bringen, unter Not und Sorgen leben,
ja sogar später der Heimatgemeinde zur Last fallen.
Zudem sind die Gefahren für Gesundheit, für
Glauben und Tugend in der Stadt weit größer
als auf dem Lande. Der junge Mensch leidet oft
entsetzlichen Schaden und geht an Leib und Seele
zu Grunde. Tüchtige Leute können auch auf dem
Lande vorwärts kommen, sie bringen es zu Amt
und Ehren, sind überall gesucht und begehrt.
Es giebt prächtige Dörfer und große Gemeinden,
die einer gedeihlichen Entwicklung sich erfreuen; sie
ersetzen sogar für solche, die es verlangen, wenig-
stens einen Teil des Stadtlebens.

II.


Auch zum Handwerke wollen viele junge
Leute nicht gehen. Entweder halten sie sich zu
vornehm dafür, oder sie glauben, was jener sozial-
demokratische Abgeordnete im deutschen Reichstage
gesagt: ‘„Mit der Erfindung der ersten Maschine
wurde das Grab für das Handwerk gegraben.“’

Das ist aber eine ganz falsche Ansicht, die man
nicht genug bekämpfen kann. Das Handwerk kann
heute und wird auch in Zukunft in den meisten
Zweigen seinen Mann ehrlich ernähren, voraus-
gesetzt, daß die Handwerker die veränderte Lage
des Handwerksstandes klar erkennen und mit be-
sonnener Klugheit und großer Ausdauer den
[42] Forderungen der Jetztzeit gerecht zu werden suchen.
Es ist ja wahr: die Großbetriebe mit ihren
Maschinen und ihren größeren Geldmitteln kaufen
besser und billiger ein, stellen die Erzeugnisse
leichter und schneller her und setzen sie rascher und
sicherer ab. Aber auch die Handwerker können
sich diese Vorteile zu Nutzen machen – durch
gemeinsames Vorgehen
: sie können Kredit-
und Einkaufsgenossenschaften
bilden, wie das
die Bauern schon längst gethan; sie können Werk-
genossenschaften
bilden, welche für ihre Mit-
glieder Maschinen kaufen und gegen angemessenen
Preis zur Verfügung stellen; sie können zum
leichteren Verkaufe der erzeugten Waaren mit
einander Magazine errichten. Wenn solche ge-
meinsame Verkaufstellen oder Magazine gebildet
werden, in welchen der Käufer sicher ist, nur aus
guten Stoffen solid gearbeitete Waaren zu er-
halten, deren Hersteller er kennt, darf man dann
nicht mit Gewißheit erwarten, daß gerade solche
Handwerker-Magazine mit Vorliebe aufgesucht
werden? Wiederum sind auch da die Bauern mit
ihren verschiedenartigsten Verkaufsgenossenschaften
vorausgegangen. Also Vereinigung, fester
Zusammenschluß der Handwerker ist von
Nöten, dann wird das Handwerk nie unter-
gehen
. Vor allem müssen der Lehrling und
der Geselle in ihrem Handwerke sich recht
tüchtig machen, und auch der Meister muß
immer weiter sich ausbilden, die für sein Ge
-
[43]werbe wichtigen technischen Fortschritte und Er-
findungen kennen lernen
. Stillstand ist heute mehr
denn je Rückschritt.

Gerade darum ist es notwendig, daß begabte
junge Leute dem Handwerkerstande sich zuwenden.
Solide und tüchtige Handwerker sind immer noch
weit besser gestellt, als die zahllosen Schreiber und
die an die Maschine gefesselten Fabrikarbeiter, die oft
selbst zur Maschine werden.

Ihr jungen Leute, schämet euch nicht, Hobel
und Hammer, Spaten und Mistgabel in die Hand
zu nehmen. Große Heilige sind eure Genossen.
Sogar St. Joseph, der Nährvater Jesu Christi,
war ein einfacher Zimmermann, und Christus
selbst unterstützte ihn bis zum dreißigsten Jahre
in seinem Berufe.

‘„Willigis, Willigis, deiner Herkunft nit vergiß,“’

hatte der berühmte Erzbischof Willigis von Mainz,
der Sohn eines Wagners, in allen Gemächern
seiner bischöflichen Behausung unter ein Rad an
die Wand malen lassen. Das Rad steht heute
noch im Wappen der Mainzer Bischöfe.

‘„Arbeit ist des Bürgers Zierde,’
‘Segen ist der Mühe Preis.’
‘Ehrt den König seine Würde,’
‘Ehret uns der Hände Fleiß.“’
(Schiller.)
[44]

Möge nur jeder in seinem Berufe, sei es
Handwerk oder Landwirtschaft, sich recht tüchtig
machen. Auch darf ein jünger Mensch nicht gleich
den Mut verlieren, wenn anfänglich nicht alles
nach Wunsch geht. Mit Fleiß und Ausdauer er-
reicht man viel. Peter Paul Rubens rieb
Farben bei dem Maler van Noort. Er war zu
arm, um ein Handwerk zu lernen. Aber er darbte
sich jeden Pfennig vom Munde ab und kaufte
daraus Leinwand und Farben. Ganz heimlich
übte er sich dann im Malen. Und sein Fleiß und
seine Ausdauer brachten ihn dahin, daß er einer
der größten Maler wurde. Johann Stigl-
mayer
trat bei einem Goldschmied in die Lehre.
Aber er war sehr schwach im Zeichnen. Darum
benützte er jede Freistunde, um sich darin zu üben.
Durch seinen eisernen Fleiß errang er in der
Feiertagsschule den ersten Preis von 100 Gulden.
Das spornte ihn noch mehr an. Er bildete immer
weiter sich aus, wurde später Direktor der welt-
berühmten Münchener Erzgießerei und schuf selbst
großartige Werke. Georg Stephenson, der
Erbauer der ersten Lokomotive, mußte als Jüng-
ling in einem Kohlenbergwerke die niedersten
Dienste verrichten. Thomas Edison verkaufte
untertags Zeitungen, die Nächte aber verwandte
er dazu, um das Telegraphieren zu erlernen.
Später wurde er der Erfinder des Phonographen
und der elektrischen Glühlampe.

So führen Beharrlichkeit und Ausdauer empor.
[45] Gott hilft dem redlichen Streben und belohnt
eifrige Selbsthilfe mit seinem Segen. ‘„Jeder
Arbeiter trägt das reichste Kapital in sich selbst.
Das soll er eifrig vermehren und weise anwenden.
Das Kapital besteht in der Jugendzeit, der Jugend-
kraft und dem Jugendverdienst“’
, sagt Adolf Kolping.

‘„Bedenke, was du heute thust,’
‘Bedenk' auch, was du morgen mußt.’
Zumeist bedenke, deinem Leben
Durch Arbeit Kern und Halt zu geben.’
‘Ein Leben ohne Arbeit gilt’
‘Nur was ein Nahmen ohne Bild.“’
(Weber.)

6. In der Kaserne.

[46]
[figure]

I.


General Spork, der von einem Bauernburschen
zum kaiserlichen Befehlshaber avancirte, rief
voll Begeisterung aus: ‘„O wie freut mich das
Soldatenleben!“’
Weniger Freude daran hatte ein
Soldat in Bayern. Es wurde ihm beim Exerzieren
jämmerlich schlecht. Daher bat er, austreten zu
dürfen. ‘„Ach“’, seufzte er dann, ‘„wenn ich nur
sterben könnte!“’
Der Unteroffizier aber meinte:
‘„Ja, das glaub' ich, so den ganzen Tag im Sarg
herumfaulenzen, das thät' ihm gefallen.“’

Nicht jeder geht gern in die Kaserne. Es
fällt ihm schwer, zu verlassen Vater und Mutter,
zu verlassen die Stätte, wo seine Wiege stand, zu
verlassen die Gespielen der Jugend und die Berge
und Thäler seiner Heimat. Aber es muß eben
doch sein. Das Vaterland ruft. Die Obrigkeit
befiehlt. Da ist es am christlichen, jungen
Mann, ‘„dem Kaiser zu geben, was des Kaisers
ist“’
und zwar um Gottes Willen. Bereitwillig
[47] folgt er dem Rufe. Und in der Kaserne ist er
bemüht, folgsam, fleißig und treu zu sein.

Nirgends in der Welt ist der Gehorsam so
streng und pünktlich wie beim Soldaten. Der Ge-
horsam im Kloster ist dagegen Kinderspiel. Aber
der christliche Soldat gehorcht aus Liebe zu Gott;
er sieht in seinem Vorgesetzten den von Gott ihm
gegebenen Obern. Ganz anders freilich der Un-
gläubige: Er unterwirft sich nur mit heimlicher
Wut, mit stillen Flüchen und Verwünschungen.
Kann sich das Vaterland in der Stunde der Ge-
fahr auf solche Leute verlassen?

Auch fleißig und treu ist der christliche
Soldat. In der Arbeit sieht er seine Pflicht-
erfüllung, seine Bestimmung, eingedenk des Wortes:
‘„Der Mensch ist zur Arbeit geboren, wie der Vogel
zum Fluge.“’
Seiner Fahne bleibt er treu, treu
bis in den Tod. So hat er es geschworen, und
den Fahneneid bricht er nicht. ‘„Dulce et de-
corum est, pro patria mori
.“’
‘„Süß und ruhm-
voll ist's, für's Vaterland zu sterben,“’
sagten schon
die alten Römer.

II.


Aber nicht minder treu ist der christ-
liche Soldat auch seinem obersten Herrn
,
dem König aller Könige, von dem alle Ge-
walt der Herrschenden kommt
. Darum ver-
gißt er auch im Soldatenrock nicht die Gebote
Gottes und der hl. Kirche. Das Leben in der
[48] Kaserne und in einer vielleicht großen Stadt bringt
dem jungen Manne viele Gefahren, von denen er
früher keine Ahnung hatte. So mancher Jüngling,
so mancher Bursche vom Lande, der gläubig und
unverdorben das Elternhaus verließ, kehrt heim
aus der Kaserne, krank an der Seele und am Leibe,
glaubenslos, ein Sklave niedriger Leidenschaften.
Er hat Sünden kennen gelernt, welche die kräftigsten
Männer zu Grunde richten. Darum sei wachsam,
willst du nicht das gleiche Schicksal teilen. Du
hältst darauf, daß deine Waffen und die Knöpfe an
deinem Rocke blank und sauber seien. O halte
auch Leib und Seele rein! Fast in jeder größern
Stadt giebt es ‘„schlechte Häuser.“’ Geh in kein
Haus, aus dem dich nicht Jedermann darf heraus-
gehen sehen. Ein schlechtes Haus ist das Grab
alles Lebensglückes des hoffnungsvollsten Jünglings.
In jeder Kaserne giebt es verdorbene Kameraden,
baar des Glaubens und der Sitte. Habe keine
Freundschaft mit ihnen und fliehe ihren Umgang.
Mache bei deinen Vorgesetzten Anzeige, wenn die
glaubensfeindlichen und schmutzigen Reden kein
Ende nehmen wollen. Ueberall giebt es leichtfertige
Burschen, die der Unmäßigkeit fröhnen. Gehe
nicht mit ihnen. Zwei drittel der Unglücklichen,
die jedes Jahr vor dem Kriegsgerichte abgeurteilt
werden, verdanken ihre oft jahrelangen Strafen
der Trunkenheit. Bete jeden Morgen und Abend;
gehe alle Sonn- und Feiertag in den Gottesdienst,
wenn immer du kannst; empfange so oft möglich
[49] die hl. Sakramente der Buße und des Altares.
Denke bei Versuchungen an den allgegenwärtigen
Gott, der jeden Augenblick den Menschen strafen
kann. Fluche nicht. Die türkischen Soldaten sind
Anhänger des Halbmondes; aber nie hört man
sie fluchen. Hüte dich vor schlechten Schriften.
Trau' keinem Soldaten, der über seine Vorgesetzten
schmäht. Fange keine Bekanntschaft an im Soldaten-
stande. Sei ein Soldat wie Moses, Josua,
Gideon, David, die makkabäischen Brüder:
sie waren Helden der Tugend und der Tapferkeit
zugleich. Sei ein Soldat wie Sobiesky, der
Polenkönig, welcher nach der Schlacht am Kahlen-
berg vor dem Altare sich niederwarf und Gott dem
Herrn dankte für den Sieg; wie Turenne, der
am Morgen seines Sieges- und Todestages beichtete
und kommunicierte; wie Ludwig Gaston de
Sonis
, der täglich die hl. Messe anhörte und den
Heiland im Tabernakel besuchte, der wöchentlich die
hl. Kommunion empfing und in voller Uniform
der Fronleichnamsprozession beiwohnte, der wie
selten ein Soldat die Inschrift verdiente, die auf
seinem Grabsteine zu Paris steht: ‘„Miles Christi“’,
‘„Soldat Christi.“’

Vor einigen Jahren wurde ein Priester zu
einem schwerkranken Hauptmann gerufen, der jedoch
von der nahen Todesgefahr keine Ahnung hatte
und darum die hl. Sterbsakramente nicht empfangen
wollte. Da kam dem Geistlichen ein glücklicher
Gedanke. Er trat vor das Bett des Kranken und
[50] sprach in entschiedenem Tone: ‘„Herr Hauptmann,
die Kirche befiehlt es.“’
‘„Ja, wenn es Befehl
ist,“’
sagte der Hauptmann, ‘„dann thue ich es
auch.“’
Bereitwillig empfing er jetzt die hl. Sakra-
mente. So mögest auch du, mein lieber Freund,
die Gebote und Vorschriften des himmlischen und
des irdischen Befehlshabers stets getreulich aus-
führen! Dann bist du in Wahrheit ein ‘„Soldat
Christi
.“’

‘„Wie könnt' ich dein vergessen,’
‘Ich weiß, was du mir bist,’
‘Wenn auch die Welt ihr Liebstes’
‘Und Bestes bald vergißt.’
‘Ich sing' es hell und ruf' es laut:’
‘Mein Vaterland ist meine Braut.’
‘Wie könnt' ich dein vergessen,’
‘Ich weiß, was du mir bist.’
‘Wie könnt' ich Gott vergessen,’
‘Dem denk' ich alle Zeit;’
‘Ich bin mit dir verbunden,’
‘Mit dir in Freud und Leid.’
‘Ich will für dich im Kampfe steh'n,’
‘Ich will den Weg der Tugend geh'n.’
‘Wie könnt' ich Gott vergessen,’
‘Dein denk' ich alle Zeit.“’

7. Der Wandervogel.

[51]
[figure]

‘„O Wandern, Wandern, meine Lust,’
‘O Wandern!’
‘Herr Meister und Frau Meisterin,’
‘Laßt mich im Frieden weiter zieh'n’
‘Und wandern.“’

So singt gar manches junge Blut aus voller
Brust und wandert von einer Stadt zur andern,
von einem Ort zum andern. Nirgends bleibt er
längere Zeit und kommt so weit in der Welt
herum und – leidet oft recht großen Schaden
an Leib und Seele
. Warum?

I.


Schon der Gesundheit ist es wenig zuträglich,
bald da bald dort zu leben, heute diese, morgen
jene Arbeit zu verrichten. Der stete Wechsel und
die beständige Aufregung und Unruhe wirken
schädlich auf die Nerven und beeinträchtigen das
körperliche Wohlsein.

Wer den Platz häufig wechselt, der wird auch
[52] in seinem Berufe kaum recht tüchtig werden. Ein
solcher Jüngling hat keinen Lehrmeister, der sich
liebevoll und dauernd seiner annimmt und ihn
einführt in all' die Geheimnisse und Kunstgriffe
seines Berufes. Er spielt gleichsam mit dem Leben,
und wer das thut, sagt der Dichter,

‘„Wer mit dem Leben spielt,’
‘Kommt nie zurecht;’
‘Wer sich nicht selbst befiehlt,’
‘Bleibt immer Knecht.“’

Der Wandervogel wird überhaupt fast überall,
wo er hinkommt, mit Mißtrauen aufgenommen.
‘„Wie lange waren Sie am letzten Platze?“’ fragte
der behäbige Metzgermeister in U. einen Metzger-
burschen, der um Stellung bat. ‘„Drei Monate
und zwei Wochen.“’
‘„Und am vorletzten Platze?“’
‘„Ein Vierteljahr.“’ – Dann wurden die Zeug-
nisse geprüft. Es stellte sich heraus, daß der Junge
nirgends länger als 4-5 Monate geblieben. ‘„Ich
bin gewohnt,“’
sagte der Meister, ‘„meine Gesellen
wenigstens ein paar Jahre zu behalten. Bei
Ihrem Wandertriebe müßte ich fürchten, daß Sie
schon nach einigen Wochen wieder davon laufen.“’

Endlich können auch die Ersparnisse eines
solchen ‘„Lustibus“’ kaum groß sein. Das Reisen
kostet Geld; umsonst kann man nicht Eisenbahn
fahren und logieren. Tage und Wochen lang wird
nichts verdient, weil man auf der Wanderschaft
[53] sich befindet. So ist's kein Wunder, wenn der Geld-
beutel die Schwindsucht bekommt, und Sparscheine
und Sparkassenbüchlein spanische Dörfer sind.

II.


All' das soll doch genügen, den Platz
ohne triftigen Grund nicht zu wechseln. Man
bleibe im allgemeinen möglichst lange an einer
Stelle und tröste sich mit dem alten, aber wahren
Sprüchlein: ‘„Es ist nirgends vollkommen
unter der Sonne
.“’
Die glückliche Insel ist
noch nicht gefunden, wo keine Wünsche mehr übrig
bleiben. Aber

‘„Dein wahres Glück, o Menschenkind,’
‘O glaube doch mit nichten,’
‘Daß es erfüllte Wünsche sind,’
‘Es sind erfüllte Pflichten.“’
(Weber.)

Thue redlich nur das Deine. Suche nach
bestem Wissen den Willen der Vorgesetzten zu be-
friedigen, und daneben lasse dir den guten Humor
nicht verderben. Jedes Ding hat zwei Seiten.
Betrachte alles von der besseren Seite. ‘„Ein
frohes Herz ist des Menschen Leben, und die
Freude macht ihn alt“’
(Sir. 30, 22), sagt der
hl. Geist.

‘„Ich bin dein Gott! Was willst du mehr?’
‘Faß guten Mut, nichts sei dir schwer.’
[54] Denn wer mein göttlich Herz besitzt,’
‘Hat alles, was ihm ewig nützt.’
‘Die Welt vergeht, es flieht die Zeit,’
‘Die Menschenkinder sind auf heut',’
‘Und alles nimmt dir einst der Tod,’
‘Nur eins dir bleibt, nur ich, dein Gott.“’
(C. Wöhler.)

Damit meinen wir freilich nicht, ein junger
Mann müsse immer auf demselben Fleck sitzen
bleiben, unbeweglich und starr wie eine Statue.
O nein, er soll auch die Welt sich ansehen und
seine Kenntnisse erweitern. Nur darf der Jüng-
ling nicht planlos umherirren, ohne Ziel und
Zweck, ohne bestimmte Aussicht auf Arbeit und
Anstellung. Namentlich möchten wir junge Leute
warnen, aufs geratewohl in ferne Länder und
große Städte zu gehen. Noch jüngst veröffentlichte
die vortreffliche Monatschrift für Jünglinge, ‘„Die
Zukunft
“’
(Einsiedeln 2. Jahrg. 4. Heft) folgen-
den Brief:

Lieber Vater!

Damit Ihr nicht glaubt, daß ich Euch etwa
vergessen habe, will ich Euch etwas schreiben. Es
ist zwar nicht viel, das ich zu schreiben habe, was
Euer gutes Vaterherz erfreuen könnte, als daß ich
gesund und guter Dinge bin, und daß ich im
Sinne habe, wieder zu den schönen Schweizerbergen
heimzukehren.

[55]

Seitdem ich in Amerika bin, hat sich viel ge-
ändert in mir. Ich habe das Leben kennen gelernt
von allen Seiten, wie man es bei Euch in Euren
heimatlichen Bergen nicht findet. Dort wohnt die
Ehrlichkeit, die Liebe und das Vertrauen, und
hier? Hier hauset gemeine Selbstsucht, mit Schlechtig-
keit gepaart; hier hat die Sucht nach Geld und
daneben das Laster ihr Zelt aufgeschlagen. Darum
wehe der Jugend, deren Wille nicht stark genug
ist, sich durchzukämpfen durch den Sturm der Ver-
suchungen.

Die Ehrlichkeit und das Wohlwollen ist hier
wohl auch zu finden, aber sie sind sehr dünn
gesäet unter den Millionen von Mißgeburten. Lieber
Vater! Ich habe Glück in dieser Beziehung gehabt.
Ich fand Leute, deren Herz noch nicht verdorben
und vergiftet ist, die mich gehalten fast wie ihr
eigen Kind, und denen habe ich es zu verdanken,
daß ich noch gläubig und gut bin; denn ohne
Anhalt bei solchen Leuten ist einer meistens
ein verlorener Mensch, wenn er noch
ledig ist
.

Ich kenne an die hunderte von solchen, welche
jung ins Land kamen. Sie fielen in schlechte
Kameradschaft, und wenn sie ein schönes Geld
verdient hatten, gingen sie in die Städte und
verjubelten ihr Geld bis zum letzten Heller. Nach-
her auf die Straße gesetzt, mußten sie wieder der
Arbeit nach. Aber sie arbeiten nur so lange, bis
sie wieder einige Thaler ihr eigen nennen. Dann
[56] geht das liederliche Leben wieder von vornen an,
und so treiben sie es einige Jahre, bis sie, an Leib
und Seele ruiniert, als Trunkenbolde durch die
Straßen laufen und betteln. Zur Arbeit taugen
sie nichts mehr, und kein Mensch bekümmert sich
um sie, wenn sie kein Geld mehr haben. Und so
geht's, bis sie eines Tages auf der Straße tot
aufgelesen und wie die Hunde vergraben werden.
Und das sind vielfach Söhne aus guten Familien
Europas. Die Angehörigen lassen durch die
Zeitungen nach ihnen suchen; aber ausfindig ge-
macht werden sie meistens nicht, und so werden sie
endlich in den Zeitungen als verschollen erklärt.
Das ist das Ende von vielen Auswanderern,
welche mit der Hoffnung auf besseres Glück die
Stätte ihrer Väter verlassen und dann untergehen
im Sturme des Lebens.

Lieber Vater! Es ist dies nur ein Auszug
von den vielen Gefahren, die einen jungen Aus-
wanderer treffen. Nun lebt wohl. Auf Wiedersehen
in unseren schönen Schweizerbergen! Es grüßt
Euch tausendfach

Euer dankbarer Sohn
G. H.

Es giebt eine ganze Zunft von Industrie-
rittern und Gaunern, welche es sich zum Geschäft
machen, den Auswanderer schon unterwegs rein
auszuplündern. Sie nähern sich ihm mit erheuchelter
[57] Freundlichkeit, verleiten ihn zum Spiele und suchen
seine ganze Habe zu erhaschen. Diese Betrügereien
beginnen meist in Ludwigshafen, besonders aber
in Köln, Aachen und Düsseldorf. Hat der Aus-
wanderer in der Hafenstadt noch Barschaft, so
wissen ihn die Gauner in verrufene Häuser zu
schleppen, wo er in der Regel den letzten Pfennig
opfern muß.

Darum lasse man sich doch niemals
mit fremden, unbekannten Personen ein
,
ganz besonders nicht mit solchen, welche
sich als ‘„Amerikaner“’ ausgeben und in
der Regel gerade dort ansäßig sein wollen
,
wohin der Auswanderer begehrt. Wer nun
einmal nach Amerika gehen will, der wende sich
an den St. Raphael-Verein, gegründet im
Jahre 1868, zum Schutze deutscher Auswanderer.
Er hat in den europäischen Einschiffungshäfen und
in den überseeischen Landungsplätzen von ihm be-
zahlte, selbständige, zuverlässige Vertrauens-
männer
aufgestellt. Diese empfangen die Aus-
wanderer bei ihrer Ankunft auf dem Bahnhofe,
geleiten sie in solide, unter seiner Aussicht stehende
Logierhäuser, überwachen ihre Einkäufe, vermitteln
ihnen die Umwechslung des Geldes, führen sie
zum Gottesdienst und geleiten sie an Bord des
Schiffes. Das alles thun die Vertrauensmänner
des St. Raphael-Vereins unentgeltlich. In
New York hat der Verein sogar ein eigenes Haus,
das Leo-Haus, in welchem die Auswanderer
[58] alle nur wünschbaren Dienste und Auskünfte er-
halten. Sogar die Billets (Tikets) werden dort
den Reisenden von allen Teilen Amerikas nach
jedem Teile Europas und umgekehrt zu den
billigsten Preisen vermittelt, und die Gelder ver-
wahrt. Im Jahre 1893, so berichtete der Ver-
trauensmann in New York, Rev. Nieuwenhuis, wurden
im Leo-Haus über 50000 Mk. in Empfang genommen
und ausbezahlt. Trotzdem lesen wir immer noch die un-
glaublichsten Geschichten, wie Auswanderer durch
Schwindler all' ihr Geld verlieren. Also verschaffe
man sich vor der Abreise eine Empfehlungs-
karte des St. Raphael-Vereins, sende sein
Geld ans Leo-Haus
(bei größeren Betragen
durch Wechsel), wo man es bei der Ankunft
erheben kann, lasse auch das Billet dort
besorgen und wende sich an den Hafen-
plätzen immer nur an die Vertrauens-
männer des Vereines
. Jeder Priester oder
auch die Redaktion der ‘„Nothburga“’ in Donau-
wörth besorgt gerne Empfehlungskarten. Das
Patronat für Auswanderer, das der Schweizerische
Katholikenverein errichtet hat, steht mit dem Raphael-
Vereine in Verbindung.

Doch ist es trotz dieser Vorsicht immer noch sehr
gewagt, besonders ohne bestimmte Aussicht auf
Anstellung
, nach Amerika oder in andere Länder
zu gehen. Es hat ja in Amerika noch Platz für
Millionen, die auf dem Lande arbeiten wollen;
auch Metzger und Bäcker finden oft guten Ver-
[59] dienst. Gleichwohl soll nur jener aus-
wandern, der im fremden Lande Verwandte
oder Bekannte, gute, zuverlässige Freunde
hat, die seiner sich annehmen und ihm
Arbeit und Verdienst in sichere Aussicht
stellen. Nie, gar nie vertraue ein Jüng-
ling unbekannten Personen sich an
. So
kamen gerade jüngst wieder viele junge Männer
um ihr Geld, die von einer Schwindelfirma ‘„H.
Goldstein u. Co.“’
nach London sich anwerben
ließen, wo ihnen sehr gut bezahlte Anstellungen in
Kaufmannshäusern versprochen wurden. Wer nicht
will betrogen werden, der kann gar nicht vor-
sichtig genug sein; und wer eine gute Stelle hat,
der soll sie nicht so schnell verlassen. Lieber einen
Vogel in der Hand, als zehn auf dem Dache, sagt
das Sprüchwort.

III.


Aber meine Arbeit ist auch gar so
hart; vom frühen Morgen bis zum späten
Abend muß ich mich plagen
, sagst du. Da
ruft dir die Dichterin Cordula Peregrina zu, dich
hinweisend auf Jesus, dein schönstes Vorbild:

‘„Ist hart dein Loos, gering dein Stand,’
‘Die Stirn voll Schweiß, und schwer die Hand,’
‘Mußt du dich müh'n in mancher Not’
‘Tag aus Tag ein ums liebe Brot:’
[60]
‘Dann, liebes Herz, blick' hin auf mich,’
‘Wie arm ich ward und nur für dich;’
‘Wie hab' als zartes Kind ich schon’
‘Mich abgemüht um kargen Lohn!’
‘War Arbeit doch mein täglich Loos,’
‘Ich ward in Josephs Werkstatt groß,’
‘Doch wenn der Schweiß vom Antlitz rann,’
‘So schwang das Herz sich himmelan.’
‘Dort ruhte es beim Vater mein,’
‘Ihm dürft' ja jedes Werk ich weih'n.’
‘O mach's, wie ich! – Das schwerste Loos,’
‘Wie leicht dann wird's, der Lohn wie groß!“’

Man muß oft staunen, wie der Arbeiter so
viel aushält und bei allen Schädlichkeiten, welchen
er ausgesetzt ist, dennoch gesund bleibt. Das ist
der Segen der Arbeit. Der zurückgeschlagene
Schweiß, eine etwas schwer verdauliche Speise,
eine kleine Erkältung, wodurch der gnädige Herr
wochenlang an das Krankenlager gefesselt wird,
bringt dem Arbeiter nicht das geringste Unbehagen.
Die kräftigen Muskeln bewirken bei der Arbeit
eine Umwandlung und Ausscheidung der im Körper
angehäuften schädlichen Stoffe, so daß Krankheiten
verhindert werden.

Aber die Gesellschaft ist so unange-
nehm als möglich. Da soll auskommen
mit diesen Leuten, wer will. Ob's nicht an

[61] einem anderen Orte noch ärger ist? Es kostet ja
oft große Selbstüberwindung, mit seiner Umgebung
im Frieden zu leben.

‘„Sich selbst bekämpfen, ist der schwerste Krieg,’
‘Sich selbst besiegen, ist der schönste Sieg.“’

Wer längere Zeit in recht widrigen Verhält-
nissen gelebt hat, kann nicht bloß größere Ver-
dienste für den Himmel erwerben, sondern auch in
der Tugend ganz bedeutende Fortschritte machen.
Als Ignatius von Loyola, der Stifter des Jesuiten-
ordens, am Sterben lag, sprach er zu seinen
Söhnen: ‘„Ich will beten im Himmel, auf daß ihr
stets verfolgt werdet.“’
Ein schönes Vermächtnis,
möchte mancher denken. Es erfüllte sich. Niemand
ist mehr gehaßt und verfolgt als die Jesuiten. Der
Orden gleicht einem Nußbaum: je mehr Früchte
er trägt, desto wilder schlagen böse Buben mit
Prügeln auf ihn los. Um so herrlicher und größer
find daher die Verdienste der ‘„Gesellschaft Jesu.“’
So möge auch jeder Jüngling in Widerwärtig-
keiten drin singen das schöne Lied:

‘„Giebst, Herr, du mir Leiden,’
‘Gern nehm' ich sie all,’
‘Die himmlischen Freuden’
‘Erwarten mich dann.’
‘Nur her mit dem Kreuze’
‘Mit Nagel und Kron';’
‘Ein ewiger Himmel’
‘Wird droben mein Lohn’
[62]
‘Wenn ich nur sicher’
‘Den Himmel gewinn',’
‘Nehm' gern alles Widrige’
‘Als Kaufpreis ich hin.“’

Ich muß zwar an diesem Platze nicht
g'rad Hunger leiden, aber doch mit recht
einfacher Kost mich begnügen
. Der reichste
Mann der Welt ist John Rockefeller in Amerika.
Er hat mehr Vermögen als die Kaiser von Ruß-
land und Oesterreich und noch ein halbes Dutzend
Fürsten zusammen. Nun dieser Mann wird ge-
wiß auch gut essen und trinken? Auf seinem Tische
dürfen wohl nur die köstlichsten und ausgesuchtesten
Gerichte erscheinen? Weit gefehlt! Die Nahrung
des reichsten Mannes der Welt ist einfacher als
die des ärmsten Gesellen: er kann nichts ge-
nießen als Milch und Brot
. Andere Speisen
verträgt sein kranker Magen nicht. Das Einkommen
dieses Milliardärs beträgt täglich über 400000 M.,
und seine tägliche Mahlzeit bilden ein wenig Milch
und ein Stücklein Brot! Willst du nicht zufrieden
sein mit deinem einfachen Tische? –

‘„Hättest du Roß und Wagen,’
‘Dazu einen gold'nen Kragen,’
‘Viele Diener um dich her,’
‘Geld soviel als Sand im Meer:’
‘Müßtest du aber Schmerzen leiden,’
‘Würde niemand dich beneiden.“’

König Ludwig XI. von Frankreich ging ein-
mal auf einem seiner Lustschlösser abends in die
[63] Küche und fand daselbst einen Knaben von 14 bis
15 Jahren, welcher den Bratspieß drehte. Der
König fragte ihn: ‘„Wo bist Du her? Wie heißest
Du? Wie viel verdienst Du hier?“’
‘„Ich bin
von Berry, heiße Stephan, bin Küchenjunge und
verdiene so viel als der König.“’
‘„Wie viel
verdient denn der König?“’
fragte Ludwig. ‘„So viel,
als erbraucht; und ich verdiene auch so viel,
als ich brauche“’
, antwortete Stephan. Das gefiel
dem König, und der Küchenjunge wurde zum
Kammerdiener ernannt.

Ich bin jetzt schon über vier Jahre da,
und es ist wirklich nicht mehr zum Aus-
halten. Der Meister wird immer wunder-
licher mit dem Alter, und Lohn zahlt er
auch nicht viel. Ich habe schon lange ge-
betet um einen anderen Platz, aber bisher
nichts gefunden. Gott wird mich nicht
etwa auch noch vergessen
? Nein, aber deine
Geduld will er ein wenig auf die Probe stellen.

‘„Sei fleißig, fromm und hoffnungsfroh’
‘Und warte still:’
‘Der liebe Gott giebt, wann und wo’
‘Und was er will.“’
(Weber.)

‘„Der gute Gott“’, sagt der launige Wiener
Hofprediger Abraham a Sancta Clara, ‘„ist mit
seiner Hilfe nicht allezeit von Eilenburg, sondern
oft wohl von Wartenberg. Darum müssen
[64] wir in unseren Gebeten Fürsten von Anhalt
sein. Wenn uns die Vorsehung über Kreuznach,
Bitterfeld und Dornburg führt, müssen wir
uns nicht aus dem Felde schlagen lassen, sondern
den Blick glaubensvoll nach Freudenberg wenden,
wohin wir aber nicht gelangen werden, wenn wir
uns aufhalten in Lustenau und Lauheim.“’

Ich habe einmal ein Wirtshaus getroffen, da
stund auf dem Schilde: ‘„Hotel duck' dich!“’
Ducke dich und harre aus! Bleibe möglichst lange
auf einer Stelle. Wechsle nicht, bis du sicher bist,
wirklich etwas Besseres zu erhalten. Sonst könntest
du vom Regen unter die Traufe kommen.

IV.


Nur in drei Fällen muß man wechseln.
Wenn ein junger Mann auf dem betreffen-
den Posten auch gar nichts lernen kann
,
dann suche er sich einen anderen. Der Jüng-
ling muß vorwärts streben, er muß in seinem Be-
rufe sich mehr und mehr vervollkommnen, er muß
sich ganz tüchtig zu machen suchen. Nur dann
wird er es zu etwas bringen. Die Konkurrenz
ist ja riesig groß auf allen Gebieten; nur Tüchtig-
keit und unermüdlicher Fleiß behaupten den Platz.

Du darfst auch nicht bleiben, wenn du
an Sonn- und Feiertagen deine religiösen
Pflichten nicht erfüllen kannst
. Jeder Arbeiter
soll darauf bestehen, daß er an Sonn- und Feier-
[65] tagen der hl. Messe beiwohnen und die Predigt
oder Christenlehre anhören darf. Was soll den
armen und geplagten Gesellen aufrecht erhalten,
wenn er nicht in der hl. Messe Opfersinn und
Opferkraft schöpfen, wenn er nicht durch den Genuß
des himmlischen Brotes sich stärken, wenn er nicht
im Worte Gottes stets neue Aufmunterung und
neuen Ansporn zur treuen Pflichterfüllung finden
kann? Je gewissenhafter der Jüngling in Erfüll-
ung seiner Pflichten gegen Gott, desto treuer und
eifriger wird er auch im Dienste der Menschen sein.
Darum liegt es im hohen Interesse der Vorgesetzten,
daß die Untergebenen beten und in die Kirche
gehen und die hl. Sakramente empfangen.

Kein junger Mensch bleibe also auf einem
Platze, wo er nicht als Katholik leben und den
Sonntag heilig halten kann. Wie dein Sonn-
tag, so dein Sterbetag
. Ist der Sonntag ein
Tag der Ruhe, so wird dein Sterbetag der Ein-
gang zur ewigen Ruhe sein; ist der Sonntag der
Tag des Herrn, geweiht dem Dienste Gottes, so
wird dein Sterbetag der Beginn der ewigen Herr-
lichkeit sein.

Endlich muß jeder den Ort verlassen,
wo Glaube und Unschuld bedroht sind.
‘„Wenn dich dein Auge ärgert,“’ sagt der hl. Geist,
‘„so reiß es aus,“’ d. h. wenn dir etwas so lieb
wie dein Auge, es ist dir aber eine nächste Ge-
legenheit zur Sünde, dann mußt du fliehen.
[66] Sonst ist der Verlust des Glaubens und der Un-
schuld gewiß. Nun giebt es aber Bureaus, Werk-
stätten und Fabriklokale, wo glaubenslose oder
sozialdemokratische Arbeiter ihren Mitarbeitern ein-
fach keine Ruhe lassen, bis sie ihren Vereinen bei-
treten, ihre Schriften lesen und so den Glauben
verlieren. Oder es giebt Häuser und Arbeitsstätten,
wo Verführerinnen ihre arglistigen Netze spinnen,
oder Verführer ihr Unwesen treiben, wo den ganzen
Tag nichts als Zoten und unsittliche Spässe gehört
werden, und keine Mahnung und Warnung und
keine Anzeige beim Prinzipal etwas fruchtet. Da
bleibt nichts anderes übrig als die Flucht
.
Denn ‘„wer die Gefahr liebt, kommt darin um.“’
Das haben leider schon tausend und tausend Jüng-
linge erfahren: sie haben Glaube und Unschuld
verloren, weil sie den Ort der Gefahr nicht ver-
ließen. Darum fort von einem solchen Platze, und
wär' der Lohn auch noch so groß, die Stellung
noch so schön und angenehm. ‘„Was hast du davon,
wenn du die ganze Welt gewinnst, an deiner Seele
aber Schaden leidest?“’
‘„Ein Jüngling von 19
Jahren, dessen Herz noch rein, ist der
liebenswürdigste Mensch von der Welt
,“’

sagt Rousseau, der Gottesleugner.

‘„Wahr' deiner Unschuld Blütenschmuck,’
‘Du liebes, frommes, junges Blut!’
‘Einmal verloren, nimmermehr’
‘Wir dir beschert dies Himmelsgut.’
[67]
‘Drum trachte, daß dein Herze heiß’
‘Der schönsten Tugend schlägt und glüht, –’
‘Ein Eiland, ewigen Lenzes froh,’
‘Wo Gottes Frieden still erblüht.’
‘An deiner Seite weilt getreu
Ein guter Engel Tag und Nacht;’
‘Drum, was du thust, o denk daran,’
‘Daß er, der Reine, bei dir wacht!’
‘O hüte Ohr und Auge wohl,’
‘Rasch bringt zum Fall der böse Feind.’
‘O Gott, wie mocht' es nur gescheh'n? –’
‘Der Engel aber geht und weint.’
‘Wahr' deiner Unschuld Blütenschmuck,’
‘Du liebes, frommes, junges Blut!’
Einmal verloren, nimmermehr
Wird dir beschert dies Himmelsgut.“’

Sei kein Wandervogel! Ziehe nicht unstät
und ruhelos umher! Mußt du wechseln, so laß
dich erst nieder, wenn du wahrhaft gut versorgt bist
Ueberall aber, wo immer du weilst, halte dir den
‘„Raphael,“’ eine ganz vortreffliche Zeitschrift für
junge Leute. (Preis halbjährlich 1 M. 25 Pfg.)
Jede Buchhandlung kann sie dir besorgen. Dazu
abonniere eine katholische Arbeiterzeitung, welche dir
Aufschluß giebt über das Leben und Treiben in
der Arbeiterwelt, über neue Erfindungen und Ent-
deckungen, über Unfall- und Krankenversicherung,
Alters- und Sterbelassen ꝛc.

[68]

Ferner trete einem katholischen Vereine bei,
dem Gesellen–, Arbeiter- oder Kaufmanns-
Vereine
. Da wird man dir sagen, welche Fach-
schulen und Genossenschaften dir nützen können.
Da triffst du brave Kameraden; die Versammlungen
sind eine Quelle der Erbauung, Belehrung und
Unterhaltung; am geistlichen Vorstande des Ver-
eins hast du einen wohlmeinenden und meist er-
fahrenen Führer und Ratgeber. Wehe dem, der
allein steht! Er wird entweder ein Sauertopf und
Griesgram, oder er geht unter im Strudel der
Welt. Nur im Anschluß an gleichgesinnt Freunde,
im Verkehr mit braven Genossen, unter der
Leitung eines tüchtigen Führers gelingt es dem
Jüngling, die Unschuld und damit Frohsinn und
Heiterkeit zu bewahren.

‘„Die Unschuld bringt Freude und fröhlichen Sinn,’
‘Sie führt dich am schönsten durchs Leben dahin,’
‘Sie ziert dich viel besser als Silber und Gold,’
‘Und macht dich gleich Engeln gar lieblich und hold.’
‘Froh ist wohl das Täubchen auf ländlichem Dach,’
‘Froh hüpfet das Lämmlein im Grünen am Bach,’
‘Doch froher noch schlägt ein schuldloses Herz,’
‘Es weiß nichts von Reue, von Unruh' und Schmerz.’
‘Ihm glänzet die Sonne noch einmal so klar,’
‘Und gold'ner der Sterne hellfunkelnde Schar;’
‘Die herrliche Rose ihm freundlicher lacht,’
‘Und schöner der blauen Vergißmeinnicht Pracht.’
[69]
‘Einst führet ein Engel an gütiger Hand’
‘Dich freundlich hinüber ins bessere Land,’
‘Wo dann dich umstrahlet ein goldener Glanz,’
‘Und schmücket die Stirne ein Lilienkranz.“’

8. Der sicherste Geleitschein.

[70]
[figure]

So manchem Jüngling geht es recht schlecht in
der Welt draußen. Er jammert und klagt
und sucht den Grund allüberall, nur nicht bei sich
selbst. Er vergißt darauf, den einzig sichern Ge-
leitschein mit auf die Reise zu nehmen: Tüchtigkeit,
Bescheidenheit, Ehrlichkeit und Frömmig-
keit
.

I.


Als ein Geldmensch den berühmten Vernet
bat, ihm eine Kleinigkeit ins Album zu zeichnen,
erfüllte der Maler diesen Wunsch und verlangte
dafür 1000 Fr. ‘„Aber Sie brauchten ja nur 5
Minuten zum Zeichnen“’
, sagte der erschrockene
Geizhals. ‘„Gewiß,“’ erwiderte Vernet, ‘„aber
ich brauchte 30 Jahre, um die Zeichnung
in 5 Minuten fertig bringen zu können
.“’

Michel Angelo arbeitete an einer Statue. Da
trat ein Freund ins Atelier und sah dem Meister
eine gute Weile zu. Nach einiger Zeit kam der
gleiche Freund wieder. Er war ganz erstaunt, den
[71] Künstler immer noch an derselben Arbeit zu finden.
‘„Sie haben wohl seit meinem letzten Besuche nichts
an der Statue gemacht?“’
fragte er. ‘„Da irren
Sie,“’
entgegnete der Meister. ‘„Ich habe diesen
Teil geglättet, hier etwas weggenommen, jenem Zuge
mehr Weichheit gegeben, diese Lippe ausdrucksvoller
gemacht und jene Muskel besser hervortreten lassen.“’

‘„Ganz gut,“’ bemerkte der Besucher, ‘„aber das sind
doch nur Kleinigkeiten.“’
‘„Mag sein,“’ erwiderte
Michel Angelo; ‘„aber vergessen Sie nicht, daß die
Kleinigkeiten die Vollkommenheit aus-
machen, und daß die Vollkommenheit keine
Kleinigkeit ist
.“’

So ist es in allen Dingen. Nur wer das
Kleine nicht gering schätzt, wer exakt und pünktlich
arbeitet, wer unermüdlich sich fortbildet in seinem
Berufe, der bringt es zur Tüchtigkeit, zur Voll-
kommenheit, und nur wer tüchtig ist, macht seinen
Weg durch die Welt.

‘„Rastlos vorwärts mußt du streben,’
‘Nie ermüdet stille steh'n,’
‘Willst du die Vollendung seh'n.“’
(Schiller.)

Die meisten müssen es sich selbst zuschreiben,
wenn sie wochen- und monatelang keine Arbeit und
Stellung finden, wenn sie nach kurzer Zeit wieder
entlassen werden: es fehlt ihnen an Tüchtig-
keit. Und sie sind nicht tüchtig, weil sie
keinen rechten Fleiß, keinen Eifer, keine
Ausdauer besitzen
.

[72]
‘„Beschäftigung ist manchem lieb und wert,’
‘Gemächlich will er dies und das verrichten.’
‘Das Tasten und das Tappen frommt mit nichten,’
Nur saure Arbeit ist's, die ehrt und nährt.“’
(Weber.)

II.


Aber auch Bescheidenheit muß dazu kommen.
Sie ist eine Frucht der Demut. Wer da weiß,
daß er nichts von sich selber hat als die Sünde,
daß alles Gute ein Geschenk Gottes ist, daß er jeden
Augenblick ganz und gar von Gott abhängt, sollte
der nicht demütig sein? Und wer wahrhaft de-
mütig ist, der wird auch gegen seine Mitmenschen
Bescheidenheit und Höflichkeit üben: er wird nicht
gleich auffahren bei jedem unüberlegten Wort; er
wird eine Mahnung oder Belehrung willig an-
nehmen; er wird jedermann, insbesondere den Vor-
gesetzten, artig und zuvorkommend begegnen, be-
scheiden mit dem letzten Platze sich begnügen.

‘„Der Stolz begehrt und trotzt und bäumt sich auf;’
‘Ergebung schweigt und neigt sich und verzichtet.’
‘Der Mensch ist ruhelos, so lang er heischt,’
‘Doch die Entsagung macht ihn still und stark.“’
(Weber.)

Man erkennt den bescheidenen Jüngling gleich
schon an seinem Auftreten und seiner Kleidung.
Sauber und rein, einfach und geschmackvoll ist sein
[73] Gewand, sittig und eingezogen sein Gang und
seine Haltung. Er übt, ohne es zu wollen, einen
eigentümlichen Zauber auf jedermann aus und
weckt sofort Vertrauen. Stolze Menschen hingegen
hat niemand gern. Ihr hochfahrendes und eitles
Wesen stößt überall ab; sie bilden sich ein, alles
besser zu wissen und zu verstehen, als die übrige
Welt, und machen infolgedessen gar oft arge Miß-
griffe oder ganz verfehlte Spekulationen. So trägt
der Stolze meist die Strafe in sich selbst. Er ver-
liert aber auch das Wohlgefallen Gottes. ‘„Dem
Demütigen giebt der Herr seine Gnade, den Stolzen
verwirft er.“’

III.


Mit der Bescheidenheit sei strenge Redlich-
keit
gepaart.

‘„Ueb' immer Treu und Redlichkeit’
‘Bis an dein kühles Grab,’
‘Und welche keinen Finger breit’
‘Von Gottes Wegen ab.’
‘Dann wirst du, wie auf grünen Au'n,’
‘Durchs Pilgerleben geh'n,’
‘Dann kannst du sonder Furcht und Grau'n’
‘Dem Tod ins Antlitz seh'n.’
‘Dann wird die Sichel und der Pflug’
‘Dir in der Hand so leicht;’
‘Dann singest du beim Wasserkrug,’
‘Als wär' dir Wein gereicht.’
[74]
‘Drum übe Treu und Redlichkeit’
‘Bis an dein kühles Grab,’
‘Und weiche keinen Finger breit’
‘Von Gottes Wegen ab.“’

Wie schön und wahr sind die Worte des
Dichters! Wie mancher Jüngling mußte eine kleine
Unehrlichkeit oder Unredlichkeit schwer büßen: er
hat das Vertrauen seiner Vorgesetzten verloren;
er hat ein schlechtes oder gar kein Zeugnis erhalten;
er hat Ehre und guten Namen für immer verwirkt
und sein Glück verscherzt. Drum sei offen und
grad, ehrlich und rechtschaffen! Sage gleich auf-
richtig, was du nicht kannst; prahle nicht und über-
treibe nichts, sonst treffen dich nachher bittere Vor-
würfe. Lasse jeden Heller liegen, der nicht dir ge-
hört; eigne gar nichts dir an von fremdem Gute.
Es ist auch nicht recht, die kostbare Zeit zu ver-
tändeln, aus Mangel an Fleiß und Pünktlichkeit
den Meister in Schaden zu bringen.

‘„Besser ein wenig mit Gerechtigkeit als viel
mit Unrecht“’
, sagt der hl. Geist. Unschuld und
Frömmigkeit, Ehrlichkeit und Rechtschaffenheit, –
das ist der wahre und größte Reichtum des Jüng-
lings. Dieser macht ihn angesehen bei Gott und
den Menschen.

Zu dem Kaufmann eines oberbayerischen
Dorfes kam im Dezember 1899 ein junger Mensch,
der Stellung in einem Geschäfte suchte. Er hatte
gute Zeugnisse. Aber der Kaufmann war schon
[75] versehen mit Leuten. Weil der Ueberzieher des
Jungen schon sehr abgetragen aussah, so erhielt
er als Geschenk einen besseren. Anderen Tages
erschien der Handelsbeflissene wieder im Geschäfte
und überreichte dem erstaunten Kaufmann 50 Mk.
in Papier: das sei noch in der Rocktasche gewesen.
Der ehrliche Bursche bekam 10 Mk. Belohnung
und wurde sofort angestellt im Hause.

Jean Laserre, gebürtig aus den Unter-Pyrenäen,
hatte in Paris als Küchengehülfe gedient. Da
verlor er seine Stelle. Eine andere fand sich
nicht. Die letzten ersparten Centimes waren ver-
braucht. Er war so arm, daß er von den in den
Schutthaufen aufgefundenen Brotkrusten leben
mußte. Eines Abends, im Mai 1896, ging der
Junge über den Pont-Neuf. Da sah er ein Brief-
Couvert am Boden liegen, hob es auf und fand
darin 1250 Frk. in Banknoten. Am folgenden
Morgen trug er das Geld zum Polizeikommissär.
Dieser fuhr ihn an, warum er das Geld nicht
schon gestern gebracht? Der Jüngling antwortete:
‘„Ich mußte eilen ins Nachtasyl, damit ich
nicht zu spät kam; denn ich besaß keinen
Sou fürs Schlafgeld
.“’

Der Eigentümer des Geldes hatte sich bereits
gemeldet. Er schenkte dem redlichen Finder 250 Fr.
und sorgte dafür, daß der brave Jüngling in einer
der besten Familien in Paris als Koch in Dienst kam.

Ein junger Kaufmann aus Berlin hatte eine
dreijährige Gefängnisstrafe abgebüßt. Bei der Ent-
[76] lassung sprach der Anstaltsgeistliche zu ihm:
‘„Bleiben Sie in Zukunft streng bei der Wahrheit!“’
‘„Wenn ich aber wahrheitsgemäß erzähle, daß ich
wegen Betruges drei Jahre im Gefängnisse saß,
dann werde ich nirgends eine Stelle erhalten,“’

meinte der Kaufmann. Der alte, erfahrene Priester
sprach: ‘„Befolgen Sie nur meinen Rat; es wird
Sie nicht gereuen.“’
Der Sträfling versprach, fortan
stets die Wahrheit zu sagen.

Er begab sich in ein großes Geschäftshaus in
Berlin und bat um Anstellung. ‘„Wo waren Sie
in der letzten Zeit?“’
fragte der Kaufherr. ‘„In
der Strafanstalt“’
, lautete die Antwort. ‘„Wie können
Sie mir das sagen? Es ist doch klar, daß ich
Sie unter solchen Umständen nicht beschäftigen
kann!“’
Der Bittsteller erwiderte: ‘„Der Gefäng-
nisgeistliche hat mir beim Abschied geraten, immer
die Wahrheit zu sagen, und ich habe es ihm ver-
sprochen.“’
Da sprach der Großkaufmann: ‘„Weil
Sie so offen und ehrlich alles bekennen, so darf
ich wohl hoffen, daß Sie auch im Geschäfte redlich
und treu arbeiten werden. Sie können bei mir
bleiben.“’

Sei ehrlich und rechtschaffen. Dann wird
Gott dich segnen, daß du etwas ersparen und deine
armen Eltern zu Hause unterstützen kannst. Ist
dies nicht notwendig, so lege dein Geld in die
Sparkasse. ‘„Spare in der Zeit, so hast du in
der Not.“’
Ungerecht Gut hingegen thut niemals
gut; und wer einmal durch eine kleine Ver-
[77] untreuung das Vertrauen eingebüßt, wird es kaum
wieder gewinnen.

‘„Geh' treu und redlich durch die Welt,’
‘Das ist das beste Reisegeld.“’

IV.


Alle diese Tugenden, Ehrlichkeit und
Rechtschaffenheit, Bescheidenheit und Fleiß
,
sie können nur gedeihen auf dem Boden
eines lebendigen Glaubens und ächter
,
tiefer Religiosität. ‘„Im Glauben,“’ sagt darum
der Dichter,

‘„Im Glauben liegt das ew'ge Heil,’
‘Er sei und bleibe stets dein Teil!’
‘Wenn dich die ganze Welt verläßt,’
‘Halt' nur an deinem Glauben fest.’
‘Der Glaube sei dein Helm, dein Schild,’
‘Der Speer, der deine Rechte füllt,’
‘Dein Panzer, dem zweischneidig Schwert,’
‘In jedem Kampfe siegbewährt.“’
(J. B. Berger.)

Lebendiger Glaube und wahre Frömmigkeit
sind der mächtigste Schutzwall vor Verführung,
der sicherste Halt in den Versuchungen und Leiden
des Lebens, der einzig fruchtbare Boden der
Tugend. ‘„Mit Gott“’, sagt Adolf Kolping, der
Gesellenvater, ‘„mit Gott kommt man am aller-
[78] weitesten und geht auch den sichersten Weg: das
ist eine alte Erfahrung, die sich in unserer Zeit
immer wieder aufs neue bestätiget. Wer ohne
Gott fortschreitet, läuft in die Irre und stürzt
schließlich in Abgründe. Wer ohne Gott weise
sein will, ist ein Narr, und wer meint, man
könne sich auf irgend etwas verlassen in der Welt,
auch wenn es sich nicht auf Gott und Gottesfurcht
stützt, der ist betrogen und wird betrogen.“’

Darum bewahre als dein kostbarstes Gut den
hl. Glauben und meide alles, was ihn zerstören
oder schwächen kann: Schlechte Schriften und
schlechte Gesellschaften, Mischehen und
religiöse Grübeleien, den Stolz und die
Unkeuschheit
. Soeben erschien ein Schriftchen:
‘„Was liest der deutsche Arbeiter?“’ Es ist ganz
entsetzlich, was für Bücher und Büchlein in den
Händen unserer Arbeiter sich befinden und von
ihnen gelesen werden. Da muß man sich nicht
Wundern, wenn zahllose Jünglinge um Glauben
und Unschuld kommen. Fort mit allen schlechten
Schriften! Nehme nur anerkannt gute Bücher zur
Hand! Lese auch Bücher, die über den hl. Glauben
handeln und die Einwürfe gegen denselben wider-
legen. Höre fleißig die hl. Messe und das Wort
Gottes an; empfange oft und würdig die hl. Sakra-
mente und bete alle Tage, – so wird Gott mit dir
sein und dich hüten und schützen auf allen deinen
Wegen.

[79]
‘„Frei ist der Jüngling, der mit Mut’
‘Schon früh nach Weisheit strebt,’
‘Der freudig steht in Gottes Hut,’
‘Dem in dem Herzen hl. Glut’
‘Für Recht und Wahrheit lebt,’
‘Der sich vor keinen: Weibe beugt,’
‘Der nimmer schmeichelnd lügt,’
‘Sein Haupt allein vor Gott verneigt,’
‘Dem frechen Spott die Klinge zeigt,’
‘Vom Schicksal unbesiegt.“’
(Edm. Behringer.)

Tüchtigkeit und Bescheidenheit, Ehrlichkeit und
Frömmigkeit, – das ist der sicherste Geleitschein
durch die Welt. Alles mit Gott und für Gott, sagten
die Alten. Wo dieser Grundsatz befolgt wird, da
führt der Weg zum guten Ziele.

‘„So fahr' mit Gott! Das ist ein schützend Wort,’
‘Und wandre ruhig deine Pfade fort,’
‘Und zittre nicht vor unheildrohenden Wegen.’
‘Mit Gott! Das ist ein Wort voll reichem Segen.’
‘Da wankt in deiner Hand kein Wanderstab,’
‘Du schreitest sicher dann bergauf bergab,’
‘Und findest leicht, voll Kraft und voller Gnade,’
‘Durch Sturm und Kampf allzeit die rechten Pfade.’
‘Mit Gott! Da wird vor keiner Nacht dir bang,’
‘Das ist dein Licht auf jeden Abgrunds Hang,’
[80]
‘Es ist in Eis und Schnee wie sonn'ge Matten,’
‘Im Sonnenbrand wie kühler Waldesschatten,’
‘Es hält des Heils und auch des Segens viel.’
‘So fahr' mit Gott! Du kommst ans rechte Ziel.“’
(Seidl.)

9. Kurze Wanderregeln.

[81]
[figure]

1. Bewahre die von den Eltern und Erziehern
Erhaltenen guten Lehren und Ermahnungen immer
im Herzen und befolge sie im Leben.

2. Alles, was der Erreichung des Lebenszieles
hindernd in den Weg tritt, soll man meiden, auch
auf der Wanderschaft und in der Fremde; aber
alles, was zum ehrlichen Fortkommen dient, soll
man zu erreichen streben. Das Wandern und Ar-
beiten in der Fremde soll die nächste und letzte
Schule zu einem ordentlichen Meisterstande sein.
Deshalb sammle vor allen Dingen in der Fremde
tüchtige Geschäfts- und Menschenkenntnisse, damit
diese als unveräußerliches Kapital dir einst gute
Zinsen tragen.

3. Auf der Wanderschaft und in der Fremde
hast du die beste Gelegenheit, dich in deiner per-
sönlichen Selbständigkeit auszubilden. Da mußt
du zeigen, was du bist, was du weißt, und was
du kannst.

4. Wer auf die Wanderschaft gehen will, muß
bereits gute Grundsätze und einen festen Charakter
haben, – sonst möchte er bald in sittlicher Be-
[82] ziehung Schiffbruch leiden. Aus Feigheit gehen
die meisten jungen Leute zu Grunde.

5. Wer wandert, soll bereits ordentliche Kennt-
nisse und Fertigkeiten in seinem Gewerbe besitzen,
sonst wird er von vornherein an den letzten Platz
und unter die Bank gedrückt. Der Jüngling darf
aber nicht mehr von sich ausgeben, als er wirklich
ist. Jede Prahlerei schadet dem Prahler zumeist.

6. Sei gegen jedermann höflich und zuvor-
kommend in Worten und Dienstleistungen. Den
wohlerzogenen Menschen erkennt man an seinen
Manieren und schätzt ihn.

Sei jedoch zurückhaltend und vorsichtig im
Umgange mit Menschen, die du nicht kennst. Wer
dir allzufreundlich naht, vor dem sei doppelt auf
der Hut. Die Schmeichelei hat in der Regel den
Schurken im eigenen Herzen. Nur wenn du einen
Burschen als durchaus brav kennst, darfst du ihn
zum Freunde machen.

7. Knüpfe in der Fremde keine Bekanntschaft
an, ehe du das gehörige Alter erreicht und im
Stande bist, eine Familie zu erhalten. Und dann
heirate nur ein braves, arbeitsames, katholisches
Mädchen aus guter, christlicher Familie.

8. Den wirklich wohlgesitteten Menschen erkennt
man an der züchtigen Ehrbarkeit, die er gegen das
weibliche Geschlecht beobachtet. Hüte dich vor der
Unkeuschheit und benimm dich allezeit so, als wäre
dein Gott sichtbar gegenwärtig. Der Anfang der
Unkeuschheit scheint unbedeutend, der Fortgang
[83] ist reißend, das Ende schrecklich und fast immer
unverbesserlich. Die Gesundheit des Körpers, die
Ruhe des Gewissens, Seele und Seligkeit gehen
verloren.

9. Gehe lieber allein und im Frieden, als mit
anderen in Zank und Verdruß.

10. Sei stets mäßig in Speise und Trank,
damit du gesund bleibest und fröhlich weiter kommen
kannst. Gehe nicht in versteckte und gemeine
Kneipen und Wirtshäuser, sondern viel lieber in
ein ansehnliches und sauberes Haus. Siehe zu,
daß du ein reinliches Bett bekommst und schlafe
allein: lieber lege dich auf die Bank oder gar auf
den Boden. Das härteste Lager für eine Nacht
ist nicht so schlimm, als mitgenommene Unreinigkeit
oder gar Krankheit.

Mitglieder des kath. Gesellenvereins finden
fast überall Vereinshäuser oder wenigstens eine
anständige Herberge.

11. Bloß auf die Tasche anderer Leute in
der Welt umherreisen, ist unehrenhaft.

12. Bist du wirklich in Not geraten auf der
Reise, sei es durch Krankheit oder durch lange
Arbeitslosigkeit, dann wende dich an anständige
Bürgersleute oder an den Pfarrer des Ortes und
lege ganz offen deine bedrängte Lage dar.

13. Sei im Glücke nicht übermütig, im Unglück
nie verzagt. Gott verläßt die Seinen nicht.

14. Was du nicht ändern kannst, das trage
mit Geduld, bis Gott eine Aenderung vornimmt.

[84]

15. Da Gott dein Begleiter auf der Reise sein
muß, so unterlasse niemals dein kurzes Morgen-
und Abendgebet. Kommst du an einer Kirche
vorüber, denke an Gott, und steht sie offen, so
tritt hinein und grüße ehrerbietig Gott und seine
Heiligen. Unterlasse nicht, wenn's möglich ist,
des Morgens vor deiner Weiterreise eine hl. Messe
zu hören und dich dem Schutze Gottes zu empfehlen.
Du weißt nicht, was dir über Tag begegnen kann,
aber Gott weiß es und kann allein dir alles zum
Besten lenken. Lebe immer in der heilig-
machenden Gnade
: so ist alles, was du
thust, verdienstlich für den Himmel, und
du bist allezeit bereit auf den Tod
.

16. Du sollst überall den Mut haben, deinen
Glauben zu bekennen und zu üben. Aber gieb
Rede und Antwort nur dem, der ein Recht
hat, dich darüber zu fragen.

17. Verspotte und verachte keinen Menschen,
der einen anderen Glauben hat als du. Hüte dich
vor Zänkereien über Glaubenssachen. Sorge vor
allen Dingen, daß du in deinem eigenen Glauben
immer fester begründet wirst und immer treuer
ihn übest. Gehe den Religionsspöttern und Glaubens-
zweiflern, wo du nur kannst, aus dem Wege. Du
wirst in ihrer Gesellschaft nur verlieren, nie ge-
winnen.

17. Es ziemt dem Manne nicht, ein Kopf-
hänger zu sein, aber herzhafte Frömmigkeit ist
[85] sein schönster Schmuck und sein bester Empfehl-
ungsbrief.

18. Im Verkehr mit Menschen, daheim wie
in der Fremde, mache nach Kräften die göttliche
Regel wahr: ‘„Was du nicht willst, daß dir ge-
schehe, das thue auch keinem andern. Aber alles,
was ihr wollt, daß euch die Leute thun, das thut
auch ihnen.“’

(Nach Kolping.)

10. Reisewaffen.

[86]
[figure]

Man kann bald keinen Schritt mehr thun,
ohne in Religionsgespräche verwickelt zu
werden; man kann kaum eine Zeitung in die Hand
nehmen, ohne Angriffe auf die katholische Kirche
darin zu finden. So wirst auch du, mein lieber
Freund, allerlei Spöttereien gegen den Glauben
zu hören bekommen. Das ist fast unvermeidlich.
Eben darum muß ich dir noch einige Waffen mit-
geben auf die Reise, damit du dich verteidigen
kannst. Ich rate dir ja nicht, dich in Glaubens-
streitigkeiten einzulassen. Aber wenn du gerade
eine passende Antwort weißt, so ist es ganz gut,
einen leichtfertigen Spötter heimzuschicken. Du
kannst dir das Büchlein anschaffen: ‘„Segürs Ant-
worten auf die Einwürfe gegen die Religion“’
von
P. H. Müller (Steyl, Missionsdruckerei.) Dann
aber merke dir ein für allemal folgende zwei
Punkte:

1. Es ist ungeheuer leicht, den Feinden der Kirche
allerlei Lügen und Verläumdungen nachzuschwätzen
und sich damit den Schein von ‘„Bildung“’ und
[87]‘„Ausklärung“’ zu geben. Aber viel Studium und große
Gelehrsamkeit sind oft nötig, um all' die Einwürfe
gegen den Glauben und die Kirche zu beantworten.
Darum lasse dich niemals bethören! Weißt du
nichts zu sagen, so gehe zu einem Priester; er
wird dir gerne über alles Aufschluß geben und
deine Schwierigkeiten und Zweifel lösen.

2. Der Glaube ist eine Gnade. Diese geht
verloren durch die Lauheit, den Stolz und die
Unkeuschheit. Darum darfst du nie das tägliche
Gebet unterlassen, nie unterlassen die Anhörung
der hl. Messe und des Wortes Gottes, den Empfang
der hl. Sakramente. Du mußt meiden den Stolz.
‘„Der Anfang der Hoffart ist Abfall von Gott“’
(Sir. 10, 14). Es ist nicht möglich, alle Wahrheiten
zu begreifen; ja die meisten sind für uns ein Ge-
heimnis. Wir können ja mit unserm endlichen, be-
schränkten Verstande unmöglich das Wesen Gottes
erfassen, ein Wesen, das ewig, allwissend, allgegen-
wärtig, allmächtig ist. Und doch sieht jedes Kind
ein, daß es einen Gott geben muß. Denn so wahr
die Uhr an der Wand nicht von selber entstanden,
und das Haus sich nicht selber gemacht hat, so
gewiß ist auch das große und wundervoll einge-
richtete Weltgebäude nicht eines schönen Morgens
von selbst dagewesen. Der es aber gemacht hat,
muß allmächtig und allweise sein. Ein solches
Wesen nennen wir Gott. Darum sind die wahrhaft
gelehrten Männer auch demütig und beugen sich
vor der Majestät Gottes. Als man den jüngst
[88] verstorbenen, berühmten Naturforscher Pasteur
fragte, wie er als Mann der Wissenschaft ein so
eifriger Katholik sein könne, antwortete er:
‘„Gerade weil ich gründlich studiert habe, erfreue
ich mich des Glaubens eines bretonischen Bauern;
und hätte ich noch mehr studieren können, so würde
ich auch den einer bretonischen Bäuerin besitzen.“’

(In der Bretagne sind die Leute sehr fromm und eifrig).

Vielleicht noch häufiger als der Geistesstolz
führt die Unkeuschheit zum Verluste des Glaubens.
Der berühmte, französische Dichter, Gelehrte und
Staatsmann Chateaubriand hatte einst eine große
Gesellschaft von Männern aus den höchsten Ständen
um sich versammelt. Bei einem Punkte der leb-
haften Unterhaltung rief Chateaubriand aus:
‘„Meine Herren! Die Hand auf's Herz und sagen
Sie mir auf Ihre Ehre: Hätten Sie nicht
den Mut, gläubig zu sein, wenn Sie den
Mut hätten, keusch zu sein
?“’
‘„Brich mit
deiner Leidenschaft“’
, rief ein anderer französischer
Denker, Pascal, einem Ungläubigen zu, ‘„und morgen
wirst du gläubig sein.“’

Höre nun noch einige der gebräuchlichsten
Einreden und eine kurze Antwort darauf:

1. Die Religion ist eine Erfindung
der Geistlichen
.

Das ist gerade so gescheidt, wie wenn einer
sagt: Die Eisenbahnen sind eine Erfindung der
Eisenbahnbeamten. Eben erst durch die Religion
sind die Priester aufgekommen, Und dann, welcher
[89] Priester hat die Religion erfunden, die Religion
mit ihren strengen Sittenvorschriften und schweren
Pflichten? Hätte die heidnische Welt die christliche
Religion je angenommen, wenn ein bloßer Mensch
ihr Urheber und Stifter wäre? Das glaubt doch
kein vernünftiger Mensch.

2. Aber wie weiß man denn heute noch,
was Christus gepredigt hat? Er lebte ja
vor 2000 Jahren
.

Das wissen wir aus den hl. Evangelien, was
Christus gepredigt hat.

3. Sind die Evangelien auch glaub-
würdig
?

Ja, denn die Apostel und Jünger
konnten die Wahrheit wissen
. Sie waren ja
drei Jahre lang beständige Zeugen von Christi
Leben, und sie erzählen Thatsachen, die nicht im
Verborgenen, sondern öffentlich vor allem Volke
geschehen sind, Thatsachen, die in aller Munde
waren, Wunder, die von Tausenden wahrgenommen
wurden. Eine Täuschung ist also undenkbar, um-
somehr, da die Evangelisten in ihren Erzählungen
übereinstimmen.

Sie wollten die Wahrheit sagen. Sie
erzählen ganz schlicht und einfach, was sie gehört
und gesehen; sie erzählen gar vieles, was zu ihrer
eigenen Unehre gereicht: daß sie erst selber manches
nicht hätten glauben wollen, daß Thomas sogar
allen Aposteln und Jüngern nicht geglaubt habe,
daß Jesus sie oft getadelt, daß Petrus den Heiland
[90] dreimal verleugnet ꝛc.; sie wußten, daß sie für ihr
offenkundiges Zeugnis nur Verfolgung und Tod
zu erwarten hatten. Nur Unvernunft oder böser
Wille kann solche Männer für Lügner halten.

Sie konnten nicht einmal lügen. Was
sie erzählen, hatten unzählige Juden miterlebt.
Die hätten sich zweifelsohne gewehrt, wenn die
Evangelisten von der Wahrheit abgewichen wären,
um so mehr, da in deren Schriften das jüdische
Volk als undankbar, ungläubig, gottesmörderisch
bezeichnet wird.

Auch wird das Zeugnis der Evangelisten
durch Heiden und Juden beglaubigt
. Die
ärgsten Feinde des Christentums geben die That-
sachen zu, welche die Evangelien erzählen, suchen
sie aber anders zu erklären, so der gelehrte Heide
Celsus, der jüdische Philosoph Trypho, Gegner des
Märtyrers Justin.

4. Aber sind die Evangelien nicht später
verändert worden
?

Das ist gar nicht möglich. Denn

a) ein Fälscher hätte, um unentdeckt zu bleiben,
gleichzeitig alle Handschriften und Uebersetzungen
aller Länder fälschen müssen.

b) Die hohe Ehrfurcht der Christen vor den
hl. Schriften macht eine Fälschung undenkbar.

c) Eine solche wäre auch sofort entdeckt worden,
weil, wie schon Justin der Martyrer (gstb. 166)
berichtet, allenthalben bei den Versammlungen der
Christen die hl. Schriften vorgelesen wurden.

[91]

d) Der gegenwärtige Text der hl. Schrift
stimmt mit den Schriften der Kirchenväter überein,
welche viele Stellen aus den hl. Büchern anführen.

e) Endlich ist von größter Bedeutung, daß
die Thatsachen des neuen Testamentes uns über-
einstimmend auch in anderen Schriften des ersten
Jahrhunderts überliefert werden, so durch den
Juden Josephus Flavius, durch die heidnischen
Schriftsteller Sueton, Tacitus und Plinius. Also
ist eine Fälschung ganz ausgeschlossen.

5. Aber auf den Glauben kommt's doch
nicht so an. Rechtschaffen leben ist die beste
Religion
.

Der Heiland war etwas anderer Ansicht. Er
hat gesagt: ‘„Wer nicht glaubt, der wird verdammt
werden“’
(Mark. 16, 16). ‘„Ohne den Glauben ist
es unmöglich, Gott zu gefallen“’
(Hebr. 11, 6).
Also ist der Glaube die erste Bedingung zur
Seligkeit.

Auch keine Rechtschaffenheit ist möglich ohne
den Glauben. Denn rechtschaffen kann doch nur
der sein, der die Gebote Gottes hält. Also muß
er auch beobachten das Gebot: ‘„Glaube an den
Herrn Jesus, so wirst du selig werden, du und
dein Haus“’
(Apg. 16, 30, 31).

6. Man hört so viel über Päpste, Bischöfe
und Priester, daß man nicht mehr weiß
,
wem man glauben soll.

[92]

Auch die Geistlichen sind Menschen und können
sündigen. Aber recht oft werden ihnen von den Feinden
der Kirche Sünden und Verbrechen einfach ange-
dichtet oder gewaltig vergrößert. Man erfindet
allerlei Skandalgeschichten, giebt weder Zeit noch Ort
an oder verlegt sie in ferne Länder. Bis eine Be-
richtigung eintrifft, hat die Lüge die Runde gemacht,
und 's bleibt immer etwas hängen. So wird das
Ansehen der Geistlichen untergraben, und das letzte
Ziel ist – die Vernichtung der Religion. ‘„Wenn
man die Kirche in einem Lande zerstören will, so
greift man zuerst die Priester an“’
, sagt der gott-
selige Pfarrer von Ars, Vianney. Was wird
nicht alles von schlechten Päpsten gefaselt! Und
doch waren von den 259 Päpsten nur ganz wenige,
deren Lebenswandel Tadel verdient. Selbst Herder,
ein aufgeklärter Protestant, muß bekennen: ‘„Es
giebt keinen Stand auf Erden, der so ausgezeichnet
wäre an Talent und Tugend, als die großartige
Reihe der Päpste. Ihre Fehler würden nicht be-
achtet worden sein, wären es nicht Unvollkommen-
heiten der Päpste gewesen.“’

7. Aber einen unfehlbaren Papst kann
es doch kaum geben
.

Es giebt keinen Papst, der nicht sündigen,
keinen, der persönlich nicht irren kann. Aber in
Sachen des Glaubens muß der Papst, wenn er als
oberster Lehrer der Kirche entscheidet, durch den
besonderen Beistand des hl. Geistes vor Irrtum
[93] bewahrt werden. Denn Christus sagte ja zum
ersten Papste Petrus: ‘„Du bist Petrus (d. i. Fels),
und auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen,
und die Pforten der Hölle werden sie nicht über-
wältigen.“’
Könnte der Papst irren im Glauben,
dann hätte die Hölle ihren Zweck erreicht. Wenn
Christus wollte, daß seine Lehre nicht durch die
Kurzsichtigkeit und Willkür der Menschen verun-
staltet werde und am Ende ganz verloren gehe, so
mußte er einen solchen unfehlbaren Lehrer auf-
stellen.

8. Aber von den Gebildeteren kümmert
sich heute niemand mehr um Religion
. Das
ist nicht wahr. Es gab zu allen Zeiten und giebt
heute noch hochgelehrte Männer in Menge, die
zugleich gläubige und fromme Christen sind. Frei-
lich ist die Zahl jener Gelehrten noch größer, die,
vom Stolze verblendet, den Glauben abgeworfen.
Gott zwingt eben niemanden zum Glauben.

9. Aber das ist doch zu viel verlangt,
wenn man alle Sonntage in die Kirche
gehen, fasten und sogar seine geheimen
Sünden beichten soll
.

Der Mensch ist hienieden nur Wanderer, sein
Ziel ist der Himmel. Ists nun zu viel, wenn er
ein Stündchen der ganzen Woche dem Heile seiner
unsterblichen Seele widmet? Der brävste Mensch
sündiget. Ist's nun zu viel, wenn er einmal in
der Woche für seine Sünden ein wenig büßen soll?

[94]

Der Mensch wünscht Verzeihung, wenn er gesündigt
hat. Ist's nun zu viel, wenn er seine Sünden,
auch die inneren, bekennen muß? Sonst könnte ja
der Priester das Richteramt gar nicht ausüben.

10. Aber ewig verdammen kann uns
Gott doch nicht wegen der Sünde
.

Die Todsünde ist eine unendliche Beleidigung
Gottes; also muß sie auch eine unendliche, d. h.
immer dauernde Strafe nach sich ziehen. Denn wie
Gott barmherzig ist, so muß er auch gerecht sein.
Gäbe es keine Hölle, so würde die Welt zur Hölle;
denn Sünde und Verbrechen würden dann so über-
hand nehmen, daß es gar nicht mehr zum Aus-
halten wäre.

Zahllos sind die Einwürfe, die man gegen die
Religion erhebt. Aber es giebt auch immer
eine Antwort darauf
. Kennst du sie nicht, so
lies aufklärende Bücher oder frage den Priester,
damit du gewappnet bist gegen alle Angriffe. Du
bist ängstlich bemüht, auf der Reise dein Geld nicht
zu verlieren, in der Fremde deine Ersparnisse nicht
einzubüßen. Aber weit größer muß deine Sorge
sein, den Glauben zu bewahren. Denn er allein
ist der sichere Führer auf den vielver-
schlungenen Wegen der irdischen Wander-
schaft; er ist Stab und Stütze in den Wechsel-
fällen des Lebens; er ist der Leuchtturm
,
der uns den richtigen Pfad zum Himmel
weist; er ist die Waffenrüstung, die uns
[95] befähiget, den guten Kampf zu kämpfen
und die Krone zu erlangen
.

‘„Willst du frei und fröhlich geh'n’
‘Durch dies Weltgetümmel,’
‘Mußt du auf die Vöglein seh'n,’
‘Wohnend unterm Himmel.’
‘Wie die Vöglein haben wir’
‘Unsern Vater droben,’
‘Und mit ihnen wollen wir’
‘Lieben ihn und loben.“’
Jacobi.

Appendix A Inhalt.

[96]
[figure]

Seite

  • Abschiedsgruß eines Vaters an seinen Sohn 1
  • 1. Die Zeit der Abreise 3
  • 2. Das Gepäck 14
  • 3. Auf der Eisenbahn 21
  • 4. Die Fußtour 32
  • 5. Der Bauernknecht und der Geselle 37
  • 6. In der Kaserne 46
  • 7. Der Wandervogel 51
  • 8. Der sicherste Geleitschein 70
  • 9. Kurze Wanderregeln 81
  • 10. Reisewaffen 86
[interleaf][interleaf][interleaf][binding_verso]

Dieses Werk ist gemeinfrei.


Rechtsinhaber*in
Kolimo+

Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2025). Collection 4. Reisebegleiter für Jünglinge. Reisebegleiter für Jünglinge. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). Kolimo+. https://hdl.handle.net/21.11113/4bqhw.0