[][][]

Leben
und Gewohnheiten

Der
OSTIACKEN,

Eines Volcks, das biß unter dem
Polo Arctio wohnet, wie ſelbiges aus
dem Heydenthum in dieſen Zeiten
zur
Chriſtl. Griechiſchen Religion
gebracht,
Mit etlichen curieuſen Anmerckungen
Vom
Koͤnigreich Siberien
Und ſeinem
Freto Naſſovio
oder Weigats,

Jn der Gefangenſchafft daſelbſt beſchrieben
und anjetzo mit einer Vorrede verſehen.


BERLJN,:
Bey Chriſtoph Gottlieb Nicolai,
1726.

[][]

Vorbericht.


OB man zwar da-
fuͤr halten ſolte,
daß der bewohnte
Erd-Creiß nach gerade ſo
genau durchkrochen, daß
wenigſtens in unſerem Eu-
ropa kein Volck mehr uͤbrig,
welches uns nicht bekannt
ſey, und aus dem abgoͤtti-
ſchen Heydenthum errettet
worden; So wird der ge-
neigte Leſer doch in dieſer cu-
)( 2rieu-
[]Vorbericht.
rieuſen Beſchreibung ein ſol-
ches Exempel finden, daran
man nicht ſonder Verwunde-
rung das Gegentheil ſiehet.
Denn hieꝛin weꝛden die bißhe-
ro gar unbekandten Oſtia-
cken
,
ein beſonderes Volck des
wilden Siberiens, welches
einen groſſen Theil der Ein-
wohner dieſes weitlaͤufftigen
Reiches ausmachet, nicht al-
lein nach allen Umſtaͤnden
ſehr ſorgfaͤltig beſchrieben,
ſondern es wird auch ein kur-
tzer Bericht ertheilet, wie ſie
anno 1712. nachdem ſie ſchon
vorhero der Regierung Jhro
Czaa-
[]Vorbericht.
Czaariſchen Maj. einverlei-
bet worden, zum Chriſtlichen
Glauben angewieſen. Der
Autor, ſo ein gelehrter
Schwediſcher Officirer, hat
ſehr gute Gelegenheit gehabt,
dieſes Volcks wegen ſich ge-
nau zu erkundigen, und giebt
deßwegen von allem Merck-
wuͤrdigen deſto ſichere Nach-
richt. Das gantze Werck iſt
in vier Capitel verfaſſet, von
welchen das erſte die Gegend
von Siberien, woſelbſt die
Oſtiacken ihren Auffenthalt
haben, deutlich beſchꝛeibet, und
von ihrem Nahmen, Uhr-
)( 3ſprung,
[]Vorbericht.
ſprung, Sprache und Geſtalt
uns kuͤrtzlich berichtet. Jhre
wunderbahre Lebens - Art
wird hiernechſt im andern
Capitel ausfuͤhrlich gezeiget,
und mit ihrer Erziehung,
Speiſe, Wohnung, Fuhr-
werck, Kleidung, Regierung,
Kranckheit, Eheſtand und
Begraͤbniß gar merckwuͤrdig
erlaͤutert. Von ihrer Religi-
on und ungeheurem Goͤtzen-
dienſt, ihren ſeltſamen Goͤ-
tzen-Bildern, und derſelben
ungewoͤhnlichen Verehrung
und Beſchimpffung, ihren
Pfaffen, Wahrſagen, Opf-
fern, Eydſchwuͤren und der-
glei-
[]Vorbericht.
gleichen Seltenheiten, findet
man das dritte Capitel ange-
fuͤllet. Worauf endlich das
vierdte den Anfang ihrer
Bekehrung zur Chriſtlichen
Griechiſchen Religion kuͤrtz-
lich anzeiget. Dieſes alles
iſt voller merckwuͤrdigen Din-
gen, welche ſowohl in der Hi-
ſtoria natur ali
als curioſa ih-
ren Platz behaupten koͤnnen,
wovon die Beſchreibung des
greßlichen Thieres, ſo die Ein-
wohner Siberiens Mamont
nennen ſollen, ein Beweiß
ſeyn mag. So iſt auch was
ſonderliches, daß dieſes un-
)( 4wiſ-
[]Vorbericht.
wiſſende Volck die alte Mey-
nung von der Metempſy-
choſi
,
oder der Seelen Wan-
derſchafft in unterſchiedliche
Leiber, ſo feſt eingeſogen, daß
ſie deßfalls einem erſchlage-
nen Baͤren gar ſonderbahre
Abbitte thun, und ihn um
Vergebung bitten, daß Sie
den Pfeil abgedruckt, der ihn
getroffen. Dergl. iſt auch zu
verwundern, daß keine Wild-
nis bey dieſen Leuten die See-
le ſo ſehr verwildern koͤnnen,
daß Sie nicht die Hoffnung
eines kuͤnfftigen Lebens uͤbrig
behalten, woraus man ge-
nug-
[]Vorbericht.
nugſam ſiehet, daß ſolches
Licht in der Natur ſelbſt ſehr
tieff muͤſſe gegruͤndet ſeyn.
Wie ſehr intereſſiret aber die
Menſchen von Natur bey ih-
rem Gottesdienſt insgemein
zu ſeyn pflegen, und wie Sie
deßfalls mit ihrem Schoͤpffer
umgehen, kan man aus der
Hiſtorie dieſes Volcks gar
deutlich aufdecken. Denn der
Autor erzehlt von ihnen, daß
Sie ihren Scheitan und
Fiſch-Goͤtzen, wenn er ihnen
auf vorhergegangenes Bit-
ten ſofort keinen reichen Fiſch-
Fang beſcheret, ſehr uͤbel tra-
)( 5ctiret
[]Vorbericht.
ctiret, ihn heßlich ausgeſchol-
ten, hart gepeitſchet, und in
ein garſtig Loch geworffen,
biß Sie wieder einen guten
Fang gethan haͤtten, da Sie
ihn wieder hervor ſuchten.
Eben ſo ſind die meiſten Men-
ſchen auf ſubtile Weiſe gegen
den lebendigen GOtt gear-
tet, daß ſie ihn im Gluͤck und
Wohlſtand ehꝛen, aber im Un-
gluͤcke und Mangel nur wider
ihn murren wollen. Doch
der geneigte Leſer wird bey
Durchleſung dieſes kleinen
Tractats noch mehres finden,
ſo ihn zu mancherley Nachſin-
nen
[]Vorbericht.
nen wird anleiten koͤnnen.
Weil aber zugleich an dieſem
Volck ein lebendiges Exem-
pel des menſchlichen Elendes,
darin er von Natur und auſſer
dem wahren Erkaͤnntnis
GOttes ſtecket, zu ſehen iſt, ſo
wird der Nutzen dieſer Hiſto-
riſchen Beſchreibung ſo viel
groͤſſer ſeyn, wenn man dar-
aus Gelegenheit nehmen
wiꝛd, ſich zu deſto mehꝛer Veꝛ-
gnuͤgſamkeit zu gewehnen, je
tauſendmahl mehr commodi-
te
man fuͤr dieſen armſeeligen
Leuten hat, wenn man auch
nur im Bauren- und Bett-
ler-
[]Vorbericht.
ler-Stande leben ſolte. Da
man denn auch ſiehet, wie
nunmehro dieſem blinden
Volck einiges Licht in der
Chriſtlichen Religion aufge-
gangen, ſo kan man der wun-
derbahren goͤttlichen Fuͤrſe-
hung tieffes Geheimniß zu-
gleich bewundern, daß endlich
auch zu dieſem Ende der Er-
den die Fuͤſſe der Boten kom-
men, die des HErrn Nahmen
predigen, und in dieſem fin-
ſtern Winckel der Welt die
heydniſche Goͤtzen verſtoͤhren,
und des Teuffels Werck zu
nichte machen muͤſſen. Wir
wuͤn-
[]Vorbericht.
wuͤnſchen bald mehrere Nach-
richt von dem guten Fort-
gang dieſer Sachen zu ver-
nehmen; indeſſen der geneigte
Leſer dieſes zu ſeinem Seegen
gebrauchen, und in GOtt
jederzeit vergnuͤgt le-
ben wolle.



Das
[][[1]]

Das erſte Capitel.


Von der Beſchaffenheit des
Koͤnig-Reichs Siberien/ und
dem Herkommen der

Oſtiacken.


§ 1.


ES haben ſich bißhero keine
frembde/ und gar wenig einhei-
miſche Scribenten unterwunden/
ſo wenig von dem gantzen Siberi-
en/ als inſonderheit von dieſem
Volcke/ das unter einem ſo rauhen Climate ſich
eingeneſtet hat/ eine particulaire Nachricht zu
geben; Geſchweige daß bey der Oſtiackiſchen
Nation, die weder vom leſen oder ſchreiben etwas
weiß/ einige Ur kunden ihres Alterthums und De-
rivation
ihres Geſchlechtes ſelten anzutreffen
ſeyn. Die Schuld liegt vermuthlich daran,
Adaß
[2] daß die Einheimiſche von einem ſo kalten und
wuͤſten Orte ihnen nicht haben die Muͤhe neh-
men wollen, eine Beſchreibung aufzuſetzen/ und
denen Fremden hat dieſe Laͤnder zu beſuchen ſo
wohl die Erlaubniß/ als die Luſt zu einer ſo un-
luſtigen peregrination gefehlet. Doch wuͤrde
es der Muͤhe wol wehrt ſeyn/ einige Eigen-
ſchafften von dieſer Gegend und dem darin woh-
nenden Volcke/ der curieuſen Welt zu entde-
cken/ bey dieſen Ereigungen/ da einem ſolchen
armſeligen Volcke das Licht des Evangelii am
Abend der Welt zu ſcheinen beginnet.


§. 2. Das Koͤnigreich Siberien mit der
Nordlichen und Nord-Oſtlichẽ Seite der Welt-
Kugel/ von dem 55. grad. latit. anzurechnen/ von
deꝛ Haupt-Stadt biß an die Zonam frigidam Se-
ptentrionalem,
wo man bißheꝛo nicht weiteꝛ kom-
men koͤnnen, beſchließt gegen Morgen Mangaſea,
wo die Samogiten und Svetohci leben/ Suruchan
\& c.
und endiget ſich an Kamſchatki, einem Lande
das vor 20. Jahren ohngefehr entdecket/ und dem
Rußiſchen Reiche unterwuͤrffig gemacht wor-
den. An der Mittaͤglichen Seite graͤntzet die
letzte Stadt Jerkutski an dem Chineſiſchen Rei-
che. Gegen Abend endiget es ſich an dem Mon-
galen, Ajakai
ſchen/ Kontaiſiſchen (welche beyde
letztere von ihren 2. Puiſſancen Ajuka und Kon-
tai
ſch die Benennung haben) und Buchariſchen
Tartarn, die dem Kontaiſch unterwuͤrffig. Die
letztere werden vor kluge und civiliſirte Leute ge-
halten/
[3] halten/ und ſollen der Lebens-Art der Chineſi-
ſchen in allem ſehr nahe kommen.


§. 3. Ein alter Rußiſcher Anonymus, giebt
von Siberien en general dieſen Bericht/ welches
im Teutſchen uͤberſetzet folgender maſſen lau-
tet: Siberien iſt eine mitternaͤchtliche Seite, und
liegt von Moscau 2000. Wuͤrſt. Die viele
und hohe ſteinerne Gebuͤrge/ ſo ſich biß unter die
Wolcken ſtrecken/ ſcheiden dis Koͤnigreich
und Rußland von einander. Dieſe Berge ſind
durch GOttes Fuͤrſehung wie eine Mauer beve-
ſtiget, und wachſen darauf allerhand Baͤume/
Cedern und dergleichen. Die Einwohner fan-
gen Thiere von unterſchiedener Art, zur Beklei-
dung und Zierath vor die Menſchen. Die/
welche ſie zur Kleidung gebrauchen, ſind Elende/
Rehe, Hirſche, Haaſen. Zum Zierath aber/
Bieber/ Vielfraſſe/ Grauwercke/ Zobeln/
Fuͤchſe und deꝛgleichen. Aus obgedachten Bergen
und Felſen flieſſen auch heraus viele Stroͤme/
deren einige in Rußland, einige aber in Siberien
fallen. Und iſt es kein geringes Wunder/ daß
aus ſo hohen Felſen ſo groſſe Stroͤme und ſo
ſuͤſſes Waſſer quellen koͤnne/ die eine Menge von
allerhand Fiſchen in ſich beſchlieſſen. Der erſte
Strom ſo in Siberien fließt, heiſt Tura, ſeine
Bewohner ſind die Vogulitzen, die ihre eigene
Sprache haben/ und den Teuffel in ihren Goͤtzen
anbeten; der andere Strom heiſt Tagill, der
dritte Nitza, und kommen die drey Stroͤme in
einer Muͤndung zuſammen. Der Ort aber
A 2wo
[4] wo ſie zuſammen ſtoſſen/ heiſt noch immer Tura,
biß er in die Tobol faͤllt/ und da wohnen die Tar-
tarn. Tobol
faͤllt in die Irtis, Irtis aber in den
groſſen Obi. An dieſen Stroͤmen wohnen viele
Heydniſche Tartarn, Calmucken, Mongalen,
die Piejaga, Horda, Oſtiacken, Samogiten und
dergleichen Heyden/ die von GOtt nicht wiſſen.
Die Tartarn ſind Mahometiſch, die Calmucken
aber halten ein Geſetz, welches die Eltern denen
Kindern vorſchreiben/ den rechten Grund weiß
keiner hievon/ maſſen keine Schrifft bey ihnen
gefunden wird. Die Piejaga, Horda, Oſtia-
cken
und Samogiten beten die Abgoͤtter an/ ſie
leben ſonder Geſetze/ opffern und bringen denen
ſelbſt gemachten Goͤtzen Gaben/ und bilden ſich
ein/ daß ſie von denen Goͤtzen den Auffenthalt ih-
rer Nothdurfft und Nahrung haben. Sie
eſſen auch nicht was menſchlich iſt/ ſondern roh
Fleiſch/ und Aaß von allerhand Thieren unge-
kocht/ Graß und Wurtzeln/ ſie wiſſen von keinem
Brodt/ und trincken Blut wie Waſſer. Der
groſſe Strohm Obi laufft in die Guba Manga-
ſea.
Die Guba hat eine Oeffnung/ und laufft
im groſſen Oceano um/ und bey dieſer Muͤndung
ſind groſſe Eyß-Berge von alters her/ und thau-
et die Sonne ſelbige nimmer auf/ ſondern wer-
den denn und wenn vom Winde erſchuͤttert, es
kan auch niemand dahin kommen/ daher alles
unbekannt iſt. (biß hieher der Anonymus.)


§. 4. Ob nun Siberien von Anfange dieſen
Nahmen gefuͤhret/ kan man nicht eigentlich wiſ-
ſen.
[5] ſen. Dis aber melden etliche Scribenten, daß
ein Siberiſcher Fuͤrſt/ Nahmens Mahmet, ihm
an dem Fluß Irtis habe eine Stadt erbaut/ die
er Sibir genannt, welches auf Tartariſch ſo viel
heiſſen ſoll, als die vornehmſte/ und ſey nachge-
hends das gantze Land unter dem Nahmen Sibe-
rien
betitult.


§. 5. Von den Regierungen dieſer Fuͤrſten/
hat man hin und wieder folgende Nachricht. An
dem Fluſſe Iſchim, der in die Irtis faͤllt/ regierte
ein Czaar oder Koͤnig/ Nahmens On, Mahometi-
ſcher Religion. Zingidi ein gemeiner Unter-
than/ war mit ſeiner Regierung nicht zu frieden/
ſondern brachte das gemeine Volck auf ſeine
Seite; Er jagte den Koͤnig On von Land und
Leuten/ und bemeiſterte in kurtzen ſich des Koͤnig-
reichs/ nachdem er On erwuͤrget hatte. Er
fuͤhrte ſeine Regierung gar gluͤcklich, und wie
ihm nach wenig Jahren berichtet wurde/ daß des
ermordeten Ons Sohn Taibuga, vermittels der
Flucht echapiret ſey/ und bey denen Untertha-
nen ſich unbekannt aufhielte/ nahm er ihn mit
Hoͤfflichkeit auf/ und beſchenckte ihn mit einem
Fuͤrſtenthum. Taibuga blieb einige Jahre bey
Hofe/ gewann des Zingidi Gnade durch ſeine
gute Auffuͤhrung/ ſolcher geſtalt/ daß er ihm auch
eine Armée anzufuͤhren vertrauete. Womit
dieſer junge Herr ſich die Irtis hinauf nach dem
Obi Fluß begab/ und nach erhaltenem Siege
mit groſſem Raube bey Zingidi ſich wieder
einfunde. Hierdurch ſetzte er ſich bey dem Koͤ-
A 3nige
[6] nige in ſolchen Credit, daß er ihm auch erlaubte
zu wohnen/ wo es ihm beliebte. Sothanen
Vorſchlag ſchlug Taibuga nicht aus/ ſondern
begab ſich mit ſeinem Hauffen und Angehoͤrigen
an den Fluß Tura, bauete ihm eine Stadt, und
nannte ſie Onzingiddin, auf demſelbigen Platz/
wo Tumeen heutiges Tages ſtehet.


§ 6. Zingiddin ſtarb ohne Erben/ und ließ
das Reich dem Taibuga. Dieſem folgte ſein
Sohn Chod, nach Chod deſſen Sohn Mar, Mar
verheyrathete ſich mit des Caſaniſchen Koͤniges
Upaks Schweſter/ welcher den Mar mit Krieg
uͤberzog/ ſein Reich einnahm/ und ſich in Siberien
niederließ. Er regierte viele Jahr/ biß die beyde
Soͤhne des Mar, Nahmens Obder und Jerbelak
natuͤrlichen Todes ſturben/ und des Obders
Sohn Mahmet ihm eine Macht zu wege brach-
te/ womit er den Caſaniſchen Upak uͤbern Hauf-
fen warff/ ihm das Leben nahm/ und die Stadt
Onzingiddin, die Taibuga an der Tura ge-
bauet/ ſchleiffete. Er begab ſich auch weiter in
Siberien, und bauete ihm eine Stadt an dem
Fluſſe Irtis, die er Sibir nannte/ welche nachge-
hends von den Ruſſen beſſer angelegt und
Tobolski genannt wurde. Jhm folgete Jerbe-
laks
Sohn/ Agyſch. Dieſem Mahmets Sohn/
Kuſim, deſſen Soͤhne waren Götiger und Bek-
bula,
welche von dem Czaaren Kutſium, einem
Fuͤrſten der Koſakiſchen Horden, getoͤdtet wur-
den.


§. 7. Kutſium nahm das gantze Siberien ein/
und
[7] und nannte ſich erſten Koͤnig davon. Seine Re-
ligion
war Mahometiſch. Er hatte nicht lange
dem Reiche vorgeſtanden, als ein Hettmann oder
Befehlshaber, Nahmens Germak Thimophe-
witz,
(welcher eine Zeitlang mit ſeinen Coſſaken
laͤnaſt der Wolga ſtreiffete/ und von ſeiner Czaa-
ri
ſchen Majeſt. Jwan Waſiliovvitz in ſolche Enge
getrieben wurde/ daß nachdem unterſchiedene
ſeiner Leute im Raub ertappt, und zur Juſtice ge-
zogen wurden, er ſelbſt aber mit 540 Coſſaken
nach Solikamski die Flucht genommen hatte, und
von dorten in Siberien ſich begeben) mit ſeinen
Coſſaken den Kutſium in unterſchiedenen Hand-
Gemengen uͤbern Hauffen warff/ und von Land
und Leuten verjagte. Weil aber dieſer Germak
ſelbiges Koͤnigreich zu mainteniren unvermoͤ-
gend zu ſeyn ſich urtheilete/ auch ohnedem eine
Ausſoͤhnung bey ſeiner Czaariſchen Majeſt. ver-
langte/ uͤbertrug er dem Rußiſchen Scepter ver-
mittelſt ſeiner Geſandten dis Reich/ und erhielte
ſein Propos. Das Koͤnigreich aber wurde mit
etlichen Ruſſen beſetzt/ und durch Woivvoden re-
gieret, Tumen und Tobolski in beſſern Stand
geſetzt/ und dieſe Nahmen ihnen beygeleget.


§. 8. Das Land an ſich ſelbſten iſt reich an
Mineralien und Metallen/ inſonderheit von
Kupffer und Eiſen/ das Kupffer wird an vielen
Oertern in ſchoͤnen Handſteinen gefunden/ ſo
die Natur zu Tage austreibt. Weil aber noch
keine Anſtalt gemacht iſt/ zu ordentlicher Be-
reit und Einrichtung der Bergwercke/ als ha-
A 4ben
[8] ben die Einwohner auch noch zur Zeit wenig Nu-
tzen davon; Eiſen aber wie auch Stahl hat
man hier zur Gnuͤge/ und von ziemlicher Guͤte.
Es ſind auch hin und wieder gute Anzeigungen
von Silber-Ertz, wie dann zu Argun Se[.]
Groß-Czaariſche Majeſtaͤt ſchon ein Werck an-
legen laſſen, wie viel aber die jaͤhrliche Aus beu-
te ſich betraͤgt/ kan man noch eigentlich nicht
wiſſen/ weil das Werck zu ſeiner perfection noch
nicht gediehen.


§. 9 Jn den hohen Gebuͤrgen bey Werka[-]
turia
findet man ſehr viel Cryſtall/ welches
viel haͤrter als an andern Oertern Europæ, und
dem unechten Jaſpis ziemlich gleich iſt. Der O[-]
bi
wirfft allerhand ſaubere Steine an ſeinem Uf-
fer aus, worunter man klare und durchſichtige/
rothe und weiſe Steine findet/ denen Agathen
nicht ungleich. Die Ruſſen graben darinnen
Blumen und Figuren/ und faſſen ſelbige in ihre
Ringe.


§. 10. Unter vielen andern curieuſen Merck-
wuͤrdigkeiten/ ſo meines Wiſſens ſonſt an kei-
nem andern Ort in der Welt gefunden wer-
den/ als in Siberien alleine/ iſt inſonderheit das
von denen Einwohnern ſo genandte Mamont,
welches hieſelbſt an vielen Orten in der Erden
gefunden wird. Es ſiehet faſt in allen Stuͤcken
dem Helffenbein gleich an Farbe und Wachs-
thum/ man findet es mehrentheils an ſandich-
ten Oertern. Viele von denen Einwohnern
hal-
[9] halten es vor Elephanten Zaͤhne/ ſo ſeit der
Suͤndfluth in der Erden gelegen. Einige der
Unſrigen meynen/ es ſey das bekandte Ebur fos-
ſile,
und alſo ein Gewaͤchs der Erden, wie ich
denn lange in derſelben Opinion auch geſtanden.
Noch finden ſich viele welche vorgeben/ es waͤ-
ren Hoͤrner eines in den ſumpfichten Hoͤlen und
Loͤchern der Erden lebenden ſehr groſſen Thie-
res/ welches im Schlamm ſeine Nahrung haͤt-
te/ und mit dieſen Hoͤrnern den Koht und die
Erde von ſich wegarbeite/ wenn es aber alſo
unterdeſſen in eine ſandichte Gegend kaͤme/
koͤnte es wegen des ſtets nachſchieſſenden San-
des/ und ſeiner ungeheuren Groͤſſe ſich nicht wie-
der umwenden, ſondern es muͤſte alſo beſtecken
bleiben und verrecken. Jch habe viele geſpro-
chen/ welche hinter Bereſova in den Speluncken
des hohen Gebuͤrges dergleichen Thiere geſehen
zu haben hoch betheuren/ deren Geſtalt ſie ſehr
abſcheulich beſchreiben/ nehmlich ſie ſollen 4. à
5. Arſchin hoch/ und ohngefehr 3. Faden lang
ſeyn. Graulicht von Haaren/ eines laͤnglich-
ten Kopffes/ und einer ſehr breiten Stirn, an
der Seiten derſelben/ ſollen dieſem die Hoͤrner
gleich uͤber die Augen ſiehen/ doch ſo/ daß ſie
dieſelben von einer Seite zur andern bewegen/
und Creutzweiſe uͤber einander ſchieben koͤnnen.
Jm Gehen ſollen ſie ſich ſehr lang ſtrecken/ auch
wiederum kurtz zuſammen ziehen koͤnnen. Jh-
re Beine ſollen nach advenant im Wachsthum
ſeyn/ wie die Baͤren-Fuͤſſe; Bey allen dieſen
A 5Er-
[10] Erzehlungen iſt dennoch ungewiß/ was man
davon eigentlich glauben ſolle/ weil dieſe Nation
ſich keine Muͤhe giebt/ der Wahrheit recht nach-
zuforſchen/ wie ſie leicht thun koͤnte/ auch auf
keine Curioſite groß achtet/ wo ſie keinen ſon-
derbahren groſſen Nutzen dabey findet/ woran
ſie hart gebunden ſeyn. Daß es aber keine E-
lephanten-Zaͤhne ſeyn koͤnnen, erhellet daraus/
weil in dieſem Lande dergleichen Thiere gantz
unbekannt ſind/ auch wegen des kalten Climatis,
darin nicht ſeyn koͤnnen/ dieſe Zaͤhne oder Hoͤr-
ner aber an den kalteſten Oertern in Siberien, als
bey Jakutski, Bereſova, Obder, Mangajea,
am meiſten geſunden werden[.] Noch laͤcherli-
cher iſt es zu glauben/ daß ſie Zeit der Suͤnd-
fluth daſelbſt in der Erden gelegen haben; Daß es
auch das bekandte Ebur fosſile, oder ein in der
Erden von der Natur operirtes Gewaͤchs ſeyn
ſolte, haͤtte wol mehr wahrſcheinliches an ſich.
Denn ſo bezeiget ja auch die taͤgliche Erfahrung/
daß die Erde ein gleiches in ihrem Schooße bil-
de/ was ſie ober ſich tragen und ernaͤhren muͤſ-
ſe/ und findet man in Engeland und Sicilien,
daß die Einwohner aus Mangel des Waldes/
das Holtz aus der Erden graben/ weiches von
Jahr zu Jahr/ in der Erde zuwaͤchſt/ auch fin-
det man Kohlen in der Erde/ imgleichen Saltz
in und auf derſelben. Und warum koͤnte die
ſinnreiche Natur nicht eben ein Helffenbein o-
der Knochen an dieſen Oertern ſo wol als an-
dern hervor bringen. Alleine die wunderlichen
Merck-
[11] Merckmahle von dieſem beſchriebenen Thiere/
werffen auch dieſe raiſon uͤbern Hauffen/ denn
weil man offt ſolche Hoͤrner findet/ die an der
Erden noch gantz blutig ſeyn/ auch durchgehends
an allen die Wurtzel hohl/ und mit ſolcher Ma-
terie
angefuͤllet/ wie ein verſtocktes Blut, eini-
ge mahl auch die Hirnſcheitel und Kinnbacken
mit unglaublichen Backen-Zaͤhnen dabey gefun-
den worden, von denen man ſchwer zu urtheilen/
ob ſie von Knochen oder Stein, oder keinem der
ſelben/ ſondern eine unbekannte Materie ſeyn/
und habe ich vielmahlen/ nebſt unterſchiedenen
meinen mitgefangenen Cameraden dergleichen
Backen-Zaͤhne geſehen, die uͤber 20. à 24.
Pfund und noch mehr koͤnten wiegen. Man
findet von gedachten Hoͤrnern einige/ ſo uͤber
80. biß 90. Pfund ſchwer ſind. Die Einwoh-
ner wiſſen davon allerhand Arbeit zu machen/
und iſt ſolches in allen Stuͤcken unſerm Elfenbein
gleich/ nur daß es viel ſproͤder iſt, auch leicht
ſeine weiſe Farbe veraͤndert und gelb wird/
wann es ins Waſſer oder Hitze kommt.


§ 11. Das unvergleichliche Muſcus - Thier
macht ſich oͤffters uͤber die Graͤntzen Siberiens;
Es ſoll von der Groͤſſe eines Rehes ſeyn, und
erzehlet man von ihm/ daß unterweilen in der
Brunſt fuͤr gar zu hefftiger Geilheit ihm der
Nabel ſpringet, daß das Blut haͤuffig heraus
flieſſe/ alsdeñ die Waͤlder von dem angenehmſten
Geruch angefuͤllet werden. Und iſt der Muſ-
cus-
Sack nicht ein Teſticul dieſes Thieres/ wie
biß-
[12] bißhero der irrige Wahn geweſen/ ſondern ſein
Nabel iſt eigentlich die Behaͤltnis dieſes treffli-
chen parfums.


§. 12. Noch wird hieſelbſt auf den hoͤchſten
Gebuͤrgen und Felſen ein ſeltzames Mineral
gefunden, ſo ſie Kamine Masla Stein-Butter
nennen, dieſes ſchwitzet bey der Sonnen-
Waͤrme aus ſolchen Feiſen/ und ſetzet ſich wie
ein weißgelber Kalch an dieſelbe an; Es diſ-
ſolvir
et ſich im Waſſer wie ein ander Saltz, und
hat einen vitrioliſchen ſehr aſtringirenden Ge-
ſchmack/ man will ihm viele Wuͤrckung zu-
ſchreiben, und bedienen ſich hieſige Einwohner
deſſen in vielen Kranckheiten/ ſonderlich in der
diſſenterie, wiewol es unſerm Magen nicht ſo
gar wohl bekommen duͤrffte, auch meines Wiſ-
ſens von denen Unſrigen nicht gebraucht worden.
Daß aber die Ruſſen gefaͤhrlichere Mittel brau-
chen/ ſiehet man daraus, daß ſie in ihren Fran-
tzoſen-Curen, den Mercurium ſublimatum eſſen/
entweder ohne Vehiculo, oder auch in einem ſau-
ren Brey von Habermehl gekocht/ und auf die
Kranichs-Augen einen ſtarcken Eßig gieſſen/
den ſie eine Zeitlang in der Waͤrme ſtehen laſ-
ſen/ wovon ſie denen mit dieſer Kranckheit infi-
cirt
en einen Trunck alle Tage geben/ welcher
von ſolcher Wuͤrckung iſt, daß er alle Schaͤrf-
fe aus den Knochen und dem Gebluͤthe ziehet/
und in einigen Wochen die Patienten gluͤcklich
curiret; Es greifft dieſer Trunck die Leute ſo
an/ als wenn ſie 2. à 3. Stunden ſtarck be-
ſoffen
[13] ſoffen waͤren; Nehmen ſie aber zu viel/ ſo em-
pfinden ſie gleich Zerruttung/ als waͤren ſie von
der Schweren Noth geplaget, die ihnen Fuͤſſe
und Haͤnde zuſammen ziehet/ welches aber ein
Glaß Brandtwein wieder ſtillet. Dabey
brauchen ſie gar keine Diæt, ſondern gehen
wenn dieſer paroxismus vorbey/ wieder in die
freye Lufft.


§. 13. Wir wenden uns zur Oſtiackiſchen
Nation, die ſich anfaͤngt 3. Tage-Reiſe von der
Haupt-Stadt Tobolski in Siberien, und brei-
tet ſich aus laͤngſt dem Fluß Irtis, wo er in den
Obi faͤllt, von dannen theilet ſie ſich gegen er-
wehnten Obi biß Natim, der andere Theil er-
ſtreckt ſich laͤngſt mit demſelbigen Fluſſe bey Sa-
maroff, Ketskoi, Kaſim, Bereſova,
und ſo
weiter biß an die Guba oder Golfo, von der
Guba aber an das bekandte Fretum Weigats o-
der Naſſovium. Dis Volck breitet ſich aus
bey den haͤuffigen Fluͤſſen/ die in den Obi gegen
Abend fallen, als Conda, Lappinſesva, Sob
und dergleichen; An der Conda haben ſie zu
Nachbahren die Vogulitzen, und bey dem freto
gegen Morgen die Samogiten.


§ 14. Der Obi iſt einer von den groͤſſeſten
und notabelſten Fluͤſſen Europæ, zumahlen die
Geographi insgemein die Graͤntzen Europæ ge-
gen Norden an dieſem Fluß zu ſeyn geſetzet. Er
giebt nicht allein die reichlichſte Nahrung denen
Oſtiacken, ſondern verſorget auch mit ſeinen
mañigfaltigen Sorten von Fiſchen einen groſſen
Theil
[14] Theil der Einwohner Siberiens. Seine Ufer
umgiebt mehrentheils ein dicker Wald/ und fin-
det man ſelten eine Flaͤche/ er macht hin und wie-
der eine ziemliche Anzahl kleiner Inſuln, die we-
der bebauet noch bewohnet ſind. Zuforderſt
flieſſet er in einen Golfo, den die Ruſſen Guba-
taſſavskoja
nennen


§. 15. Dieſe Guba iſt eine Zuſammenſtoſ-
ſung vieler Fluͤſſe/ welches Wort im Sclavoni-
ſchen eigentlich dieſe Bedeutung hat. Und fließt
nicht allein darin die Obi, ſondern auch die
Teuſſe, Nadim, Pu[r] und Taſſ. Sie iſt uͤber-
aus groß, und wie man davor haͤlt/ wol einige
100. Meilen lang, und wol 20. Meilen/ wie
wol an allen Orten nicht gleich/ breit. Die
groſſe Kaͤlte laͤſt nicht zu/ daß im Sommer die
Eyßſchollen ſchmeltzen/ ſondern ſie flieſſen auf
dem Waſſer. Selbige verurſachen auch, daß
man mit Fahrzeugen nicht wohl auf der Guba
fahren koͤnne/ zumahlen das Eyß ſich an die ſo
genannten Struſſen ziehet/ und wenn man be-
muͤhet iſt die Schollen mit langen Stangen ab-
zuſtoſſen/ ſo ziehen ſich andere an der andern
Seite ſo feſt wieder an, daß es faſt unmuͤglich
ſcheinet weiter fortzugehen/ zu dem iſt der
Grund dieſer See uͤberall leimicht und mora-
ſtig/ und wenn die Arbeiter mit langen Stan-
gen/ wo ſie Grund finden/ das Fahrzeug fort-
ſtoſſen/ ſo haͤlt der zaͤhe Leim die Stangen im
Ausziehen ſo feſt/ daß es eben ſo weit zuruͤcke
gehet/ als es durch das von ſich ſtoſſen iſt avan-
cirt
[15]cirt geweſen. Jnsgemein zerſcheitert die Struſ-
ſen der gewoͤhnliche Sturm/ und iſt es ſehr ge-
faͤhrlich ſich auf dieſe Guba zu wagen.


§. 16. An dem Fluſſe Paſſ, 4. Tage-Reiſen/
bevor er in die Guba faͤllt/ liegt die Stadt Stara
Mangaſea,
deren Einwohner Griechiſcher Re-
ligion,
und ſich Suetolobi nennen. Jhre Le-
bens-Art iſt ſehr ſchlecht/ und wiſſen ſie von kei-
nem Brodte/ woferne es ihnen von andern Oer-
tern mit der groͤſten Muͤhe und Gefahr nicht zu-
gefuͤhret wird. Jhre Speiſe ſind Fiſche/ die
ſie entweder roh weg eſſen, oder auch auftruck-
nen/ und trincken Fiſch-Thran/ oder das Waſ-
ſer aus der Guba.


§. 17. Dieſe miſerable und harte Lebens-
Art/ hat den Einwohnern von Stara Manga-
ſea
alle Luſt benommen/ laͤnger den elenden Ort
zu bewohnen/ wannenhero ſie ihn verlaſſen/ und
nach der Oeſtlichen Seite auf dem feſten Lande
ihnen eine andere Stadt erbauet, die ſie Nova
Mangaſea
nennen. Doch ſind die Leute nicht
ſo gaͤntzlich weggegangen/ daß nicht etliche ſol-
ten uͤbrig geblieben ſeyn/ die noch heutiges Ta-
ges mehr erwehnten Ort bewohnen/ und das
Elend bauen. Den Winter uͤber koͤnnen ſie
mit ihren Hunden oder Rennthieren uͤberall
wo ſie wollen, auch auf die Guba fahren, zu-
mahlen an dieſer Seite ihnen keine Berge ver-
hindern/ auſſer daß ſie vor denen wilden Thie-
ren ſich behutſam in acht nehmen muͤſſen. Jm-
gleichen kan es ſich auch begeben, daß ſie auf
dem
[16] dem Eyſe ein Sturm uͤbereilet/ welcher die Gu-
ba
auf bricht und flieſſend macht. Die Ruſſen for-
dern auch des Winters vor ihre hohe Landes-O-
brigkeit die Contribution gemeiniglich ein/ und
waͤre es ihnen ſehr profitabel, wenn ſie mit
Schlitten, oder im Sommer mit Fahrzeugen/
Korn und Mehl dahin bringen koͤnten.


§. 18. Aus der Guba nimmt der Obi ſeinen
Einfluß in die Meeres-Enge/ oder das ſo ge-
nannte Fretum Weigats oder Naſſovium. Diß
Fretum aber hat die Natur auf beyden Sei-
ten mit hohen Felſen, die continuirlich mit
Schnee und Eyß bedecket, eingefaſſet/ welcher
Felß nach der gemeinen Relation, uͤber 100.
Meil Weges lang ſeyn ſoll/ und gleichſam vor
dem Pol zur Balance des Centri der Erden liege.


§. 19. Jenſeit dem Freto ſiehet man das
neue Land/ oder wie es auf Rußiſch heiſt, Nova
Zembla.
Es iſt die von denen Hollaͤndern be-
titulirte Inſul Weigats, und lieget gerade gegen
uͤber/ wo der Obi ins Mare glaciale faͤllt. Die
Oſtiacken und Samogiten wagen ſich etliche
mahl uͤber die hohen Felſen nach dem Lande/ und
ſchlagen daſelbſt Elende und Rennthiere. Sie
muͤſſen aber ſehr behutſam des Winters ſich in
acht nehmen/ zumahlen wo ſie mercken/ daß der
Wind von Nova Zembla, und alſo aus Norden
wehen wolle, welches/ wenn ſie es aus gewiſſen
Merckmahlen abnehmen, ſo iſt es nicht rath-
ſam ſich laͤnger auf dem flachen Felde zu verwei-
len/ ſondern muͤſſen Grufft und Hoͤhlen ſuchen/
wor-
[17] worinnen ſie ſich ſo lange verſtecken und vor
dem Winde bewahren/ biß er nachgelaſſen
und ein andrer Wind zu wehen angefangen.
Sind ſie aber ſo ungluͤcklich daß ſie keine Hoͤhle
ſo fort antreffen koͤnnen/ ſo toͤdtet ſie der rauhe
Wind/ und geſchicht es alſo daß ſie nicht groß
nach Nova Zembla zu gehen ſich hazardiren/ ge-
ſtalt die wenigſten davon wieder zuruͤck kommen.
Ob aber auf dieſen Lande Menſchen wohnen
kan man von ihnen keinen rechten Grund erfah-
ren; Einige wollen Menſchen darauf geſehen
haben, womit ſie doch nicht geredet, ſondern
ſelbige nur von weiten erblicket. Andere aber
halten dieſen das Gegentheil/ und behaupten/
daß Menſchen wegen den toͤdtenden Nord-
Winde daſelbſt nicht leben koͤnnen.


§. 20. Gleichwie nun die Sonne ihre Wuͤr-
ckung zwiſchen dieſen Felſen nimmer haben kan/
zumahl das Clima an ſich ſelbſten kalt/ und unter
der Zona frigida Septentrionali lieget/ ſo iſt
leicht zu ermeſſen/ daß das Eyß darinnen nim-
mer ſchmeltze/ ſondern Winter und Sommer
daure/ es ſey dann, daß im Sommer der ſtar-
cke Wind/ wenn er das [f]retum durchſtreichen
kan/ ſelbiges aufreiſſe. Das aus dem Obi in
das Eyß-Meer fallende Waſſer erſtarret gleich-
ſam in dieſer Enge/ und bleibt die Hoͤhe des
Eyßes einerley/ da doch ſonſten zu vermuthen/
daß Jaͤhrlich durch die Gewaͤſſer des Obi, und
andern darinn fallenden Stroͤhmen/ das Eyß im-
mer hoͤher und hoͤher werden ſolte/ und weil dis
Bvon
[18] von Erſchaffung der Welt gedauert, waͤre zu
ſchlieſſen/ daß das Waſſer im freto laͤngſt hoͤ-
her als das in Obi waͤre geworden/ und alſo
aus dem freto wieder in den Obi nunmehro zu-
ruͤck gehen muͤſſen. Hiervon wiſſen dieſe Leute
raiſon zu geben/ gleichwohl geſtehen ſie, daß der
Wind das auf den Bergen liegende Eyß er-
ſchuͤttere/ und das in dem freto ſich befindende
oͤffters eine Borſte und Grube gewinne. Dieß
iſt meines Erachtens ein Zeichen/ daß das
Waſſer im freto, oder ſo genandten Eyß-Meere
einen nahen Abfluß aber/ und entweder bey oder
ohnweit denſelben ein Schlund ſeyn muͤſſe/ der
das Waſſer zu ſich ſchlinge, wie man dann in
dem groſſen Welt-Meere/ ſowohl als anderen
Seen dergleichen Strudel uͤberall findet.
Wenn nun das Eyß ſich oben haͤufft/ ſo ſchmel-
tzet das untere auf eine unempfindliche Art im-
mer weg. Welches man damit probiret/
wenn man ein Stuͤck Eyß an einem Faden im
Waſſer herunter laͤſt/ ſo zerſchmeltzet es/ und
einen erfrornen Fiſch thauet man mit kaltem
Waſſer wieder auf/ denn ſo wenig der Froſt
wegen dem unterirrdiſchen Feuer in der Erde
tieff hinein dringen kan/ ſo wenig kan auch das
Eyß ſich oben ſo haͤuffen, daß eben dieß Feuer ſel-
biges unten nicht flieſſend machen ſolle. Wenn
nun das Waſſer unten abflieſt/ und das Eyß ſei-
ne Haltung verliehret/ bauet es ſich wieder auf
der ſurface des gefallenen Waſſers, und ver-
urſachet durch dieß Sincken und unterm Weg-
ſchmel-
[19] ſchmeltzen/ daß das fretum weder ſeichter noch
hoͤher werden koͤnne. Und iſt ja nicht eben noͤ-
thig zu ſtatuiren/ daß unter dem Polo Arctico
muͤſſe der Euripus ſeyn/ der alle Gewaͤſſer ein-
ſchlucke, hingegen der Antarcticus ſelbiges wie-
der ausgebe/ weilen die hin und wieder ſich be-
findende Strudell zu der Abflieſſung der Ge-
waͤſſer genug ſeyn koͤnnten. Zudem hat man
ja die Nachricht/ daß man bereits weit naͤher
an dem Polo, als dieß fretum liegt/ geweſen/
nemlich an der andern Seiten von Nova Zem[-]
bla,
da man von einem ſo groſſen Voragine
nichts remarquiret. So iſt ja auch an der Ame-
rikaniſchen Seite das Fretum Daviſii und nicht
weit davon des Hudjonis hoch genug an Polo,
es hindert aber die Reiſende nichts mehr/ als
Eyß und Kaͤlte/ daß ſie den Weg weiter fortſe-
tzen koͤnnen. Von dem groſſen Strudell und
an ſich Ziehen an Polo weiß keiner/ wie es aber
muͤglich daß man auſſer dem freto Weigats naͤ-
her an dem Pol kom̃en koͤñen/ maſſen man daſelbſt
Waſſer u. kein continent finde iſt wohl die raiſon,
daß in ſolchen Engen die Bewegung des Waſ-
ſers nicht ſo ſonderlich ſeyn koͤnne; Wo aber Be-
wegung da iſt Waͤrme/ wo keine Bewegung da
iſt Erſtarrung und alſo Eyß und keine Auffdau-
ung. Zu dem haben die Engen eine Haltung
vom Lande/ und empfinden keine innwendige
Trennung/ ohne zu der Zeit/ wenn der Wind
recht auf die Enge ſtreicht/ und alſo einen Riß
und Erſchuͤtterung macht/ und wenn dieß Waſ-
B 2ſer
[20] ſer unten faͤllt welches man an den Stroͤhmen
bemercken kan.


§. 21. Weil der Wind von Nova Zembla
faſt mehrentheils wehet/ ſo machet er die Lufft der
daſelbſt bewohnten Oerter ſo rauh und ſtrenge
daß auch in Tobolski unter dem 57. gr. und eini-
gen Minuten keine Baum-Fruͤchte wachſen/ noch
in und bey Bereſova unter dem 60. und 6[2]. grad
die geringſte Garten-Frucht zur perfection kom-
men kan/ weder das Land faͤhig iſt mit Korn
gebauet zu werden. Weßfalls die in denen Staͤd-
ten wohnende Ruſſen ſich in der Zeit mit benoͤh-
tigtem Korn auf ein gantzes Jahr von andere
Oerter zu proviantiren ſorgfaͤltig ſeyn muͤſſen/
da man doch bey Stockholm das Land nicht al-
lein wohl bebauet findet, ſondern das ſchoͤnſte
Obſt und allerley Garten-Fruͤchte haben kan.


§. 22. Woher dieſe groſſe Veraͤnderung
bey gleicher und mehrer Diſtance vom Polo ge-
ſchehe/ davon iſt wohl der ſtrenge Wind von No-
va Zembla
und denen Eyß-Bergen ſchuld, wel-
cher des Commers gar offt wehet/ und die in
Linea recta liegende Laͤnder/ wo das Land platt
und von keinen groſſen Bergen umgeben wird/
durchſtreichen und kalt machen kan; Dahinge-
gen die Nordliche Seite Schwedens mit ho-
hen Gebuͤrgen umfaſt und in Linea parallela
die Krafft des Windes aufgehalten und disſipi-
ret wird. Daß aber auch um Abo, welches im
61. grad, und weiter zum Polo an ſelbiger Seite
biß 63. à 64. gradus Berge gebe, darinnen
man
[21] man Silber-Ertz annoch finde, und das Land
ſeine Frucht gar reichlich bringe/ muß wohl am
meiſten daß unterirrdiſche Feuer verurſachen/
welches vielleicht unter den feſten Wurtzeln der
hohen Berge einige Aushoͤhlungen findet und
durchſtreichet/ und naͤher an die Croͤſte der Er-
den ſich hebet, um ſo viel ſtaͤrckere Ausdaͤmpf-
fungen der innerlichen Hitze der Erden zu ver-
urſachen, und durch die Zeit allerley Gewaͤch-
ſe zu befordern/ welches im Gegentheil an die-
ſem Orthe viel tieffer nach dem Centro ſich len-
cken muß entweder denen Meeres Strudelln ei-
ne paſſage zu laſſen/ oder dem Durchbruch deſ-
ſelben durch die loͤcherichte oder undichte Erde zu
wehren. Daß aber das unterirrdiſche Feuer
ſich insgemein zu denen Bergen ziehe/ und auch
nicht nach der Kaͤlte frage, probiren ſo viel Feu-
erſpeyende Berge/ inſonderheit der Hecla in
kalten Groͤnlande/ welche Feuerſpeyende Ber-
ge dem Igni Subterraneo gleichſam Lufft geben,
damit es nicht im Bauche der Erden erſticke.


§. 23. Durch dieſes macht die Natur in dem
Freto dem Einfluße des Obi eine Oeffnung und
hoͤhlet ſich der Fluß auf beyden Seiten, daß der
Strohm einflieſſen koͤnne. Wenn nun das
Fruͤh-Jahr trocken/ und das von den andern
Stroͤhmen einflieſſende Eyß eher zerſchmeltzen
kan biß es an die Hoͤhlung des Freti ſtoͤſt/ ſo
ſind die Stroͤhme deſſelben Jahres gantz ſeichte/
nemlich der Obi, Irdis, Conda, Doſva und
dergleichen; Jſt aber das Fruͤh-Jahr naß und
B 3kalt/
[22] kalt, ſo ſetzet ſich das aufflauffende und haͤuf-
fende Eyß vor dem Einfluſſe, und thauet das
Waſſer ſolcher Geſtalt/ daß an allen Oertern
ſich die Gewaͤſſer ergieſſen und die niedrige Laͤn-
der uͤberſchwemmen.


§. 24. Jndem nun dieſes rauhe und wilde
Land ſehr wenig Luſt und Muth erwecket, ſelbi-
ges zu beſuchen/ als haben die Oſtiacken von de-
nen/ ſo noch dahin gekommen, den Goͤtzen-
dienſt mit dem Chriſtl. zu veraͤndern ſich bereden
laſſen. Zumahlen aus denen Uhrkunden etli-
cher alten Schrifften beweißlich iſt/ daß dieß
Volck in der Landſchafft Veliki Perma bey Soli-
kamski
gewohnet habe/ woſelbſt der alte Bi-
ſchoff Stephanus die Heyden zur Chriſtlichen Re-
ligion
gebracht/ unter welchen einige ſelbige an-
genommen und im Lande geblieben/ andere
aber ihre Wohnung und Sitz verlaſſen und ſich
in dieſen rauhen Oertern verſteckt haben/ wel-
ches dann aus ihre Sprache leicht abzunehmen/
die annoch mit der Permiſchen in vielen uͤberein
kommt; Bey Tobolski und Narim aber we-
gen der daſelbſt wohnenden Tartarn gemiſcht
iſt/ allein von denen die bey dem Freto wohnen
und von Werkaturien, laͤngſt den Felſen gera-
de uͤber gangen, eine naͤhere Ubereinſtimmung
beybehalten worden.


§. 25. Die Ruſſen nennen dieß Volck Oſti-
ackii,
gleichſam Oſtiancki uͤbrig gebliebene/ der
Reſt eines verloffenen Volcks. Sie ſelbſt aber
haben den Nahmen ihrer Vorfahren veraͤndert/
und
[23] und heiſſen ſie Contiſchi oder Contica, und den
Diſtrict welchen ſie bewohnen Gandimich, wel-
che Woͤrter in ihrer Sprache nicht die geringſte
Bedeutung haben/ daß ſie aber ſich nicht Per-
miski
oder Permianer nennen/ ſondern ihren
Nahmen veraͤndert, moͤchte wohl die Furcht
Urſache geweſen ſeyn/ maſſen ſie ſich unbekandt
machen wollen, daß ſie auch weder nachgefragt
noch aufgeſucht werden moͤchten.


§. 26. Jhre Sprache iſt von der Samogiti-
ſchen und Vagolitſchen gaͤntzlich unterſchieden/
und ohngeachtet ſie ſelbige zu Nachbahren ha-
ben, ſo kan doch keiner den andern ohne Ver-
dolmetſchung verſtehen Es finden ſich auch
gar wenige Lateiniſche Woͤrter darinnen/ als:
Juva hilff/ Nemen fuͤr Nomen der Nahme/ und
noch mehrere Oſtlaͤndiſche die ſehr wenig zer-
ſtuͤmmelt, vornehmlich iſt die Benennung der
Zahlen einerley/ als üx eins/ kaks zwey/ kolm
drey/ und ſo ferner. Was nun dieſe ſo weit
von einander gelegene Voͤlcker in denen vergan-
genen Zeiten vor Commerce unter ſich gehabt/
daß von ihren Sprachen ein Ruͤckſtaͤndiges die-
ſer Nation geblieben, iſt wegen Mangel der
aufgezeichneten Nachrichten unmuͤglich nachzu-
forſchen.


§. 27. Die Poſitur des Leibes dieſes Volcks
iſt mittelmaͤßig/ und findet man gar ſelten große
Leute unter ihnen/ ihr Anſehen iſt wohlgeſtalt
gleich andern Europæern, ohne daß etlichen die
miſerable Kleidung verunzieꝛet, die ſie wegẽ gꝛoſ-
B 4ſer
[24] ſer Duͤrfftigkeit und eigener Nachlaͤßigkeit ih-
nen nicht verbeſſern koͤnnen. Jhre Nachbah-
ren ſind von ungeſtalten Geſichtern/ wiewohl
ſie doch denen heßlichen Calmucken nicht glei-
chen.


Das andere Capittel.


Von der Lebens-Art der
Oſtiacken.


§. 1.


WAnn ihnen Kinder zur Welt gebohren
werden/ hat ſich der Vater entweder
bey denen Ruſſen eines Nahmens
womit er ſein Kind benennen will,
erkundiget: Jm entſtehenden Fall aber, legt er
ihm den Nahmen von denjenigen Thieren bey/
welche ihm zur ſelbigen Zeit zu erſt begegnen/
und weil ihre gantze Viehzucht in Hunden und
Rennthieren beſtehet/ ſo tꝛifft es ſich gemeiniglich
daß die Benennung von ihnen genommen werde.
Dahero ſich viele Sabatski, Hunde nennen. An-
dere aber haben die Gewohnheit die Kinder nach
der Ordnung ihrer Gebuhrt, wie ſie jung ge-
worden zu nennen, den aͤlteſten/ mittlern und
juͤngſten/ den vierdten/ fuͤnfften und wie ſie die
Reihe trifft. Haben aber die Kinder einen na-
tuͤrlichen Fehl/ daß ſie entweder lahm/ uͤberſich-
tig/
[25] tig/ pockengruͤbig, mit rothen oder weiſſen Koͤ-
pfen und dergleichen ſind/ ſo werden ſie auch hie-
durch in der Benennung diſtinguiret.


§. 2. Gleich wie nun dieſe Leute von keiner
Wiſſenſchafft/ freyen Kuͤnſten, noch vom Leſen
und Schreiben etwas wiſſen/ ſondern in Statu
Naturali
leben/ ſo iſt leicht zu erachten/ daß we-
der Sitten-Lehren noch Statuten ſelbige unter
ſich verbindlich machen; Auſſer daß eine allge-
meine Gewohnheit durch oͤfftere Wiederhoh-
lung gleichſam ihnen ein Geſetze giebet, und das
allgemeine Recht der Natur ihnen was recht
und billig zur Conſervation ihrer menſchlichen
Societe eindruͤcket/ worauff ſie dann um deſto
feſter halten/ je mehr die natuͤrliche Schande ſie
davon abzutreten/ auf eine verborgene Weiſe
abhaͤlt.


§. 3. Hieraus iſt leicht zu ermeſſen, welcher
geſtalt die Erziehung der Kinder von ihren El-
tern geſchaͤhe. Ein Adler fuͤhrt ſeine Jungen
auff eine genereuſe Arth zur Sonnen an/ die
Kraͤhe aber gewehnt die ihrigen zur niedrigen
Flucht. Zu keinen Kuͤnſten und hohen Wiſſen-
ſchafften/ auch nicht einmahl zu einen Handwer-
cke kan der Vater ſeinen Sohn bequemen/ weil
ihm alles dieſes gaͤntzlich unbekant/ ſondern uͤbt
ihn von Jugend auff zum Fiſchfang/ Bogen
ſchieſſen/ die Wildnuͤſſe durchzuſuchen/ Thiere
zu erſchlagen/ und dergleichen damit er geſchickt
ſey/ ſich ſelbſt hinfuͤhro in dieſen muͤhſeligen
Stande zu ernaͤhren. Den Sommer fangen
B 5ſie
[26] ſie ſo viel Fiſche/ die ſie aufftrucknen/ als ſie des
Winters uͤber benoͤthiget zu ſeyn erachten/ im
Winter aber gehen ſie mit ihren Hunden in den
dicken Wald, woſelbſt ſie Zobel/ Hermeline/
Fuͤchſe/ Baͤhre/ Elende, Rennthiere, Bieber,
Grauwercke und dergleichen fangen und erſchla-
gen. Wovon ſie der hohen Landes-Obrigkeit
ein gewiſſes Contingent jaͤhrlich zahlen/ und den
Reſt an derſelben gegen einen geſetzten Preiß
erlegen/ oder auch ſonſten an privat-Leuten die-
jenige Wahren, deren Vereuſſerung ihnen ver-
goͤnt, verhandeln.


§. 4. Jhre Speiſe beſtehet mehrentheils aus
Fiſchen, welche ihnen der Obi und die darinnen
ſich ergieſſende Stroͤhme reichlich mittheilen.
Die allerwenigſten eſſen Brodt und Saltz, ge-
ſtalt der meiſte Theil unter ihnen ſo unvermoͤ-
gend iſt/ daß er ihm dieſe ſo nothwendige Lebens-
Mittel nicht anſchaffen kan, woferne ſie gleich an
etlichen Oertern zu bekommen waͤren; ſondern
muß ſich mit ungeſaltzenen Fiſchen behelffen/ wel-
che an ſtat Brodts und Zukoſt ſind. Des Win-
ters fangen ſie Voͤgel und erſchlagen Rennthie-
re/ die ihnen zur Speiſe gleichfalls dienen. Des
Sommers nehmen ſie die wilden Gaͤnſe und
Endten aus, welche in den Suͤmpffen und Tei-
chen hieſelbſt in groſſer Anzahl neſten. Sie
bemercken ihre Zeit wenn die Alten ihre Federn
fallen laſſen/ und die jungen noch nicht fliegen
koͤnnen. Mit keinen andern Tranck ſtillen ſie
ihren Durſt, als mit dem Waſſer aus dem
Fluſ-
[27] Fluſſe, welches ſie mit einer Bircken-Burcke
ſchoͤpffen. Faͤllen ſie aber ein Wild es ſey von
welcher Gattung es wolle/ oder ſie ſchlachten
Rennthiere/ Pferde und was ſie ſonſten attrapi-
ren/ ſo ſaͤttigen ſie ſich mit dem warmen Bluthe.
Jedennoch wann ſie ſich reche delectiren wollen/
ſo tauchen ſie ein ſtuͤck Fiſch im Fiſch-Trahn/ und
nehmen auch wohl gar einen guten Trunck da-
von/ uͤber alles aber lieben ſie den Chineſiſchen
Char oder Toback/ und zwar rauchen ſie ihn nicht
wie andere Nationen, die den Rauch wieder von
ſich blaſen; Sondern ſie nehmen zuvor etwas
Waſſer im Munde/ und nachdem ſie ſich zur
Erden geſetzt, ſchlucken ſie den angezogenen
Rauch herunter/ welcher ſie nach etlichen Zuͤgen
gantz benimt/ biß ſie mit verſtelleten Geberden
wieder zu ſich ſelbſten kommen und einen
Schleim von ſich werffen. Solche Ubung
wiederhohlen ſie des tages ſo offt es ihnen be-
liebt, und ſie von erwehnten Char einen Vor-
rath haben; Auch brauchen denſelben nicht al-
lein die Maͤnner, ſondern auch die Weiber/ und
gewehnen ihn ihren Kindern von Jugend auff
an, weil er gleichſam an ſtat der Medicin dienet/
die den tranichten Fiſch-Schleim ziemlicher
maſſen ihnen wieder abzapfft.


§. 5. Jhre Wohnungen ſind kleine viereck-
ichte Huͤtten von Strauch aufgebauet/ und mit
Bircken-Burcke belegt, der den Regen und
Schnee abhaͤlt. An denen Waͤnden nehmen
ſie ihre Schlaff-Stellen/ mitten ein iſt der Feu-
er-
[28] er-Heerd, darauf ſie continuirlich Strauch
brennen/ um der Kaͤlte ſich zu erwehren. Jhr
Hauß-Geraͤth beſtehet aus Kannen/ Netzen/
Pfeil und Bogen/ und denen Geſchirn von Bir-
cken-Burcke woraus ſie eſſen und trincken. Bey
einigen trifft man zur Zeit ein Beil, viele aber
haben das auch nicht/ ſondern behelffen ſich mit
Meſſern/ von keiner Vieh-Zucht wiſſen ſie/ ſon-
dern ihre Hunde ſind ihre Waͤchter, dieſelbe
nehmen ſie mit auff der Jacht, und ſpeiſen ſie mit
Fiſchen. Die Armuth druͤckt ſie auf beyden
Seiten/ und wo ja einige vor reich unter ihnen
pasſiren, ſo beſtehet der eingebildete Reichthum
in der Menge der Rennthiere, deren etliche bey
tauſend halten. Die miſerable Wohnungen
veraͤndern ſie/ wann es ihnen beliebt/ und in ſol-
chen Wildnuͤſſen da es andern Leuten zu leben
unmoͤglich waͤre, woſelbſt ſie im Schnee und
Eyße ihnen unterweilen Gruͤffte hauen, darinnen
ſie ſich vor der hefftigen Kälte præſerviren/ im
Sommer aber leben ſie an den Uffern der Fluͤſſe/
damit ſie den Fiſch-Fang mit groͤſſerer Commo-
dite
abwarten koͤnnen. Dieſes hin- und her-
Ziehen iſt ihnen gar nicht beſchwerlich/ weil ſie
an allen beliebigen Oertern bequeme Materien
zur Auffſetzung neuer Jurthen finden/ und ihre
Meublen mit leichter Muͤhe von einem Orte zum
andern unter der Anfuͤhrung der vergeſellſchaff-
teten Armuth bringen koͤnnen.


§. 6. Die Hunde und Rennthiere dienen ih-
nen an ſtat der Pferde/ ſie ſpannen 6. à 12. Hun-
de/
[29] de/ wann es geſchwinde gehen ſoll/ vor einen
Schlitten, und reiſen damit in der groͤſten Ge-
ſchwindigkeit von einem Orte zum andern. Die
Schlitten ſind 4. à 5. Ellen lang und eine hal-
be breit, man kan ſie mit einer Hand auffheben/
denn die Sohlen darunter nicht ein Zoll breit
duͤck, und die Lehnungen noch duͤnner. Es iſt
nicht leicht zu glauben was dieſe Hunde/ welche
von der Groͤſſe als in Teutſchland die Bauer- und
Fleiſcher-Hunde/ vor Kraͤffte zu ziehen und vor
Geſchickligkeit ſolche Schlitten fortzubringen
haben. Die Paſſagiers koͤnnen aus Mangel der
Pferde (die auch ohne dem bey dem groſſen
Schnee auf dieſem Wege nicht geſchickt ſeyn,)
kein ander Vorſpann als Hunde und Reñthiere
haben/ ihre bey ſich habende Sachen packen ſie
auff dieſen Schlitten/ und legen ſich mit Renn-
thier-Haͤuten oder andern Peltzen wohl verwah-
ret oben darauff; Die Hunde aber wiſſen ihren
Weg biß zur Abloͤſung/ woferne aber der Jam
oder die Abloͤſung allzuweit und die Hunde er-
muͤden/ legen ſie ſich vor den Schlitten nieder/
alsdenn futtert man ſie mit Fiſche/ und wann ſie
ſich geſaͤttiget und ausgeruhet/ ſetzen ſie ihren
Weg unter ſteten Heulen und Bellen biß zum
erwehnten Jam fort woſelbſt der friſche Vor-
ſpann parat ſtehet.


§. 7. Einige Oſtiacken und ſonderlich die
Samogaiten fahren auch des Sommers mit
Rennthieren/ allermaſſen ſie ihr Fahrzeug, das
einen Schlitten nicht ungleich ſiehet/ mit Renn-
thier
[30] thier-Haͤuten unten beziehen, forne aber wo es
an dem Graſſe ſtoͤſt die glatte Haut vom Bei-
ne ſetzen/ daß es deſto leichter ohne ſonderlichen
Aufenthalt fortgehe; Kommen ſie an einen
Fluß, ſo ſchwimmt das Rennthier uͤber und zie-
het hinter ſich her dieß beſchriebene Fahrzeug.


§. 8. Von der Erde/ die aus ihrem Schooſ-
ſe Menſchen und Vieh ſonſt ernaͤhret, wiſſen
ihnen dieſe Leute gar keinen Nutzen zu machen/
auſſer daß etliche die wilden Wurtzelln/ welche
das unfruchtbahre Land bey der groſſen Kaͤlte
noch hervor bringen kan/ ausgraben und ſich
damit ſaͤttigen. Der Ackerbau iſt ihnen gantz
unbekandt/ wegen der Viehzucht leben ſie
gantz unbekuͤmmert/ und halten weder Kuͤhe
noch Pferde, weder Schaafe noch Huͤner/
welche von ihren Hunden bald angepackt und
zerriſſen werden duͤrfften. Wie dann ſolches
die taͤgliche Erfahrung bey denen Ruſſen, die
in denen Staͤdten wohnen, lehret, und derglei-
chen Hunde zu ihrer Nothdurfft halten muͤſſen/
denen ihre Kuͤhe gar oͤffter auf dem Felde ange-
fallen und zerriſſen werden.


§. 9. Das weibliche Geſchlecht hat in Er-
mangelung des Flachſes wenige Ubung. Doch
aber wiſſen ſie die Neſſel auf gleiche Weiſe wie
das Flachs zu handthieren/ und ihnen Leinwand
daraus zu wuͤrcken/ welches ſie zu Umhaͤnge
auf ihre Lagerſtelle ſich bedienen/ damit ſie ſich
des Sommers der Muͤcken erwehren, wofuͤr
ſie ſonſt unmuͤglich in denen Waͤldern Friede
haͤt-
[31] haͤtten, ſie brauchen auch ſelbiges Leinwand/
ohngeachtet es ſehr ſteiff/ zu Hembden und
Tuͤchern auf ihren Koͤpffen. Die Hembden be-
nehen ſie laͤngſt der Bruſt mit allerhand Far-
ben/ imgleichen die Tuͤcher ſo ſie auf dem Kopff
tragen/ und iſt dieſe Ausſtaffierung bey ihnen
ſonderlich beliebt.


§. 10. Jhre Kleider nehen ſie von Fiſchhaͤu-
ten zuſammen/ welche ſie von denen Hechten/
Quappen und andern Fiſchen abziehen, und ſo
lange zuſammen lappen/ biß ſie Rock, Hoſen/
Struͤmpffe, Wams und Socken daraus for-
mir
en, ſie ziehen auch die Haͤute von Schwa-
nen/ wilden Gaͤnſen/ Endten und Raub-Voͤ-
geln/ die ihnen dienlich zu ſeyn beduͤncken/ her-
unter/ und nehen davon Peltze/ ſammt anderen
benoͤthigten Bekleidungen. Wann ein Oſtia-
ker
einer Muͤtze bedarff/ faͤngt er ihm einen Wey-
he oder andern Raub-Vogel/ zieht ihm die
Haut ab/ ſetzet ſelbige an ſtatt der Muͤtze auf den
Kopff. Des Winters aber verhuͤllen ſie ſich
gemeiniglich in Rennthier- oder Elends-Haͤuten/
die ſie gedoppelt anziehen. Der Oberrock iſt
von einem Stuͤcke und bedeckt die Fuͤſſe, den
Leib/ den Kopff und Nacken vor der ſtrengen
Kaͤlte/ die Weiber ſind auf gleiche Art beklei-
det, auſſer daß ſie bunte ausgenehete Tuͤcher,
wie erwehnt/ auf den Haͤuptern/ laͤngſt denen
Geſichtern hangen haben/ die ſie vor einen frem-
den und Unbekannten/ damit ſie nicht in dem
Geſichte geſehen werden, nicht aufheben duͤrf-
fen/
[32] fen/ welches ſo wohl Junge als Alten obſer-
vir
en, und vor ein Zeichen der weiblichen Zucht
und Ehrbarkeit halten. Die vornehmſten
Weiber verhuͤllen ſich mit Damaſch oder Ki-
taick,
nachdem ſie es vermoͤgend ſind anzuſchaf-
fen.


§. 11. Die menſchliche Geſellſchafft kan
nimmer ſo eingeſchrenckt ſeyn/ daß die allgemei-
ne Unvollkommenheiten einen Umgang und
Handel mit einen Frembden nicht erfordern ſol-
ten. Die weiſe Natur hat ihre Gaben gar
duͤrfftig mitgetheilet/ damit ſie denenſelbigen
Menſchen deſto groͤſſeren Anlaß zur Unterhal-
tung der Societe und Verbindung des menſch-
lichen Geſchlechtes gaͤbe/ hingegen alle Læſion
aufs aͤuſſerſte zu fliehen recommandire. Da-
hero was ſie dem einen vergoͤnnt/ dem andern
verſagt hat/ auf daß der eine des andern Huͤlf-
fe jederzeit beduͤrfftig ſey. Auf gleiche Weiſe
verbindet auch eben die groſſe Duͤrfftigkeit dieſe
Leute, daß ſie durch den Umgang mit Frembden
ihren Nothwendigkeiten Rath ſchaffen muͤſſen.
Weilen ſie aber auch kein Pfand aufzuſetzen ha-
ben/ und weder Schreiben noch Leſen, wie be-
reits erwehnt/ verſtehen/ vermittelſt welchen ſie
einen Contract aufrichten/ oder mit einer Hand-
ſchrifft ſich verbindlich machen koͤnnten, ſo bren-
nen ſie ihnen auf den Haͤnden allerhand Merck-
mahle, Figuren der Voͤgel oder auch beſondre
Puncte/ welche ſie denen Creditoren als ein
Zeichen/ wobey er ſie gewiß kennen und wieder
fin-
[33] finden werde/ zeigen. Haben ſie ſich abeꝛ entweder
in die Haͤnde geſchnitten/ gehauen oder ein
Mahl im Geſichte/ ſo zeigen ſie bey Schlieſſung
des Contracts die Wundmahlen auf/ und ſetzen
gleichſam dieſelbe zum Unterpfande; Jmmit-
telſt ruͤhmt man ſie, daß ſie ſolche Verpflichtun-
gen feſt halten/ und auf beſtimmten Termin ent-
weder mit Fiſchen/ Rauchwercken/ oder auch
mit Gelde die gemachte Schuld bezahlen, und
alsdenn ihre Marquen wieder aufzeigen, als neh-
men ſie ihre zu Pfande geſetzte Verſicherung
wieder zuruͤck/ und annullirten ihre Verbindung.
Die Weiber brauchen die Figuren auf den Haͤn-
den ſo ſehr, daß ſie es auch fuͤr eine Schoͤnheit
und Zierlichkeit halten/ wann ſelbige uͤberall
blau angelauffen und marquiret ſeyn.


§. 12. Auſſer der hohen Landes-Obrigkeit/
welche die Volck mit Woiwoden regieret/ und
den aufgelegten tribut einfordern laͤſt/ haben ſie
unter ſich keinen ſonderlichen Unterſcheid der
Staͤnde; Etliche/ die was mehr ſeyn wollen
als die andern/ und wenig mehres einzubrocken
haben/ nennen ſie Kneſen. Sie maſſen ſich ei-
ner Herrſchafft uͤber einen gewiſſen Strohm an/
werden aber von denen andern gar wenig und
bißweilen gar nicht reſpectiret/ weil ſie weder
Urtheil noch Recht bey ihnen ſuchen, noch die-
ſe ſie vermittelſt einigen Statuten verbindlich ma-
chen duͤrffen/ und hat ein jeder Hauß-Vater die
Inſpection uͤber ſeine Haußhaltung. Woferne
aber enorme Exceſſe ſolten begangen werden/
Cſu-
[34] ſuchen ſie die Entſcheidungen bey denen Woi-
woden,
oder auch bey ihren Goͤtzen-Pfaffen,
welche unter dem Schein einer ihnen vom Schei-
tan
oder dem Abgotte gegebenen Ausſchlag die
Streitigkeiten ſchlichten; Was maſſen ſie aber
vermittelſt des Eydes ihre Streitigkeiten ab-
thun/ wird in folgendem Capittel erwehnet wer-
den.


§. 13. Ein ſolches irregulieres Leben kan
nichts andeꝛs als eine Verwirꝛung in allen ihꝛem
Thun verurſachen. Denn gleichwie die Geſe-
tze die Unbaͤndigkeit der zum Boͤſen geneigten
Menſchen im Zaum halten/ maſſen dieſelben zu
allem Verbohtenen die angebohrne Neigung zie-
het/ ſo oͤffnet ein Stand ſonder Geſetze denen
Laſtern Thor und Riegel/ und die ungeſtraffte
Gewohnheit zu ſuͤndigen bahnet den ſchaͤndli-
chen Luͤſten den breiten Weg zu allem Ubertreten/
daß auch das natuͤrliche einwohnende Geſetze
mit ſeinen innerlichen Beſtraffungen kein Gehoͤr
mehr findet. Wie vormahls das Roͤmiſche
Volck auf ihre gar zu groſſe Freyheit pochte/
und ihm einbildete/ daß es ſonder Geſetze und
Obrigkeit leben koͤnte, tꝛat ein Redneꝛ pro roſtris,
und bejammerte einen Krancken, dem der Magen
verdorben/ und keine Speiſe mehr zu ſich zu neh-
men vermoͤgte. Die andere Glieder haͤtten
ſich ſeiner Faulheit halber beſchweret/ der Kopff
habe dem faulen Magen/ der ſich von einem Or-
the zum andern tragen lieſſe, und nichts zu ver-
richten ſchiene, in etlichen Tagen nicht die Spei-
ſe
[35] ſe goͤnnen, die Fuͤſſe ſeiner Nahrung halber ſich
nicht ruͤhren/ noch die Haͤnde durch ihre Arbeit
ihm etwas verdienen wollen; Zuletzt waͤre der
Magen wegen Hunger eingeſchrumpelt, die
ſaͤmtliche Glieder aber waͤren auch krafftloß
geworden/ weilen ſie ihren Safft und Zuſchub
von demſelben nicht weiter haben koͤnnen. Da
rieff das Volck: Es haͤtten die Glieder des Lei-
bes thoͤricht gehandelt/ und muͤſſe man den Ma-
gen fuͤr allen Dingen wieder zurecht helffen,
woferne der Menſch wieder geneſen ſolte. Nach-
dem aber die Application auf die krancke Roͤmi-
ſche Republique gemacht, und der Magen mit
denen Geſetzen und der Obrigkeit/ die Glieder
aber mit dem Volcke in Comparaiſon gezogen
wurden/ aͤnderte dis kluge Volck die unan-
ſtaͤndige Begierden zur F eyheit An einer viel
gefaͤhrlichern Etats[.]Kranckheit liegt dis arm-
ſeelige Volck/ maſſen ſie ihren vorgenommenen
Willen ſonder Scheu vollbringen/ und die un-
umſchraͤnckte Begierden erſaͤttigen nach der
Maſſe des Geluͤſtens; Weßfalls die Zerruͤttun-
gen in allem ihren Thun Meiſter ſpielen/ daß es
ihnen nicht moͤglich auf einen gruͤnen Zweig,
wie man ſagt/ zu kommen/ woferne nicht die
Annehmung der Chriſtlichen Religion und die
dabey eingerichtete Veranſtaltungen derer Me-
tropoliten,
welche ſie zu einem eingeſchrenckten
Leben verbinden/ ein beſſeres fruchten wird.


§. 14. Dis iſt wohl eigentlich die Urſache ih-
res groſſen Mangels und Duͤrfftigkeit/ und da-
C 2her
[36] her geſchicht es auch, weil ſie den Leib nicht or-
dentlich in acht nehmen/ ſondern allerhand un-
geſunde tranichte Getraͤncke und Speiſen genieſ-
ſen, daß ſie mit denen Scorbutiſchen Kranckhei-
ten/ die dem Auſſatze nicht ungleich/ ſo hart in-
ficirt
ſind, daß auch ihrer viele bey lebendigem
Leibe verzehret werden. Die angebohrne Lie-
be zu ſich ſelbſten und ſeiner Erhaltung pflegt bey
andern Menſchen zum allerſenſibleſten in dieſem
Fall zu ſeyn; Geſtalt ſie auch keine Mittel unge-
pruͤfft laſſen, wodurch ſie die Faͤulniſſe abſchaf-
fen/ und den krancken Leib vor andern Zufaͤllen
ihnen præſerviren. Allein man trifft auch dis
bey ihnen nicht/ ſondern wann ſich eine ſolche
Kranckheit aͤuſſert/ daß der Fuß/ Ruͤcken oder
auch ein ander Theil des Leibes/ auch gar das
Geſicht zu faulen beginnet, ſo laſſen ſie es ſo lan-
ge wegfreſſen/ bis das Fleiſch an den Knochen
verzehret worden/ und der Menſch nicht wei-
ter leben mag. Die Hunde lecken ſonſt ihre
Schwaͤren aus/ und die andere unvernuͤnfftige
Thiere ſuchen ihnen auf dem Felde ein Kraut zu
ihrer Heilung; Aber dieſe entſchuldigen ihre
Nachlaͤßigkeit in der Conſervation des Leibes
mit der finſtern Unwiſſenheit/ daß ſie keine Be-
lehrung von ihren Eltern gehabt, die ſich bis an
ihr Ende mit ſolchen Kranckheiten geſchleppt/
vielweniger haͤtten ſie es von andern erfahren
koͤnnen, wie dieſer Kranckheit abzuhelffen/ wei-
len ſie nicht ſonderlich mit ihnen converſirten.


§. 15. Woferne nun die Liebe auf Reinlich-
keit
[37] keit und Schoͤnheit alle ihre Neigung wuͤrffe/
ſo wuͤrde das Volck von dieſer an ſich ziehenden
pasſion gar nichts wiſſen, allein es iſt mehr als
zu gewiß, daß ſie ſich auch in der Unreinigkeit
erſaͤttige/ und ihren Brand in der Garſtigkeit
ſelbſten abkuͤhle. Dieſe Nation kan zwar nicht
ungeſtalt genannt werden, wie im vorhergehen-
den erwehnt; Sondern ihre Geſtalt gleichet de-
nen andern Europæern, doch bey dem weibli-
chen Geſchlechte findet ſich die Schoͤnheit nicht
ſo gar. Doch macht ihre elende Lebens-Arth,
die duͤrfftige Bekleidung/ und die freſſende
Kranckheit den mehrern Theil gantz unange-
nehm zu lieben/ und wuͤrde man hieraus ſchlieſ-
ſen/ daß ein auf beſchriebene Weiſe conditio-
nirt
er Mann oder Weib ſonder ſeinen Ehegat-
ten leben muͤſſe; Allein die blinde Liebe per-
ſuadir
et dieſem Volcke/ daß der Mann nicht
mit einem/ ſondern vielen Weibern ſeine Luſt
buͤſſen koͤnne/ wannenhero ſie ihnen gemeiniglich
eine Alte/ die der Haußhaltung vorſtehet/ und
eine Junge zum Beyſchlaff zugeſellen.


§. 16. Wann der Braͤutigam bey der Braut
Vater ſeine Anwerbung verrichten laͤſt, ſo ca-
pitulir
en die Abgeordneten mit ſelbigem ſo lange/
biß ſie des Preiſes einig werden/ und wird ge-
meiniglich der Vater nicht unter 100. Rubeln
fordern; Der Braͤutigam gehet den Kauff ein/
und rechnet ſeinen Kahn auf 30. Rubel/ ſeinen
Hund, den er dem Schwieger-Vater angiebt,
20 und noch mehr, biß er ſo weit von dieſer Bet-
C 3teley
[38] teley zuſammen wardiret/ als die prætenſion
und der geſetzte Kauff geweſen. Damit iſt der
Schwieger-Vater zufrieden/ und verſpricht die
Braut auf einen gewiſſen Termin zu lieffern.
Waͤhrender Zeit daß dieſe Verliebten noch ge-
trennet, darff der Braͤutigam ſeine Braut en
particulier
nicht beſuchen, will er aber denen
Schwieger-Eltern aufwarten, geht er ruͤck-
lings zur Thuͤr hinein/ und darff auch nicht mit
freyen/ ſondern abgewandten Augen vor ſelbi-
ge treten/ zum Zeichen des reſpects und der tief-
fen Submisſion, gleich als waͤre er/ wie ein an-
genommener Sohn/ nicht wuͤrdig/ mit geradem
Angeſicht dieſe ſeine neue Eltern anzureden/ es
muͤſſe denn von hinten zu geſchehen.


§. 17. Wann nun die Abliefferung vor ſich
geht/ uͤbergiebt der Vater ſeine Tochter mit der
recommendation, daß ſie eine beſtaͤndige
Freundſchafft unter ſich halten, und wie Mann
und Weib ſich lieben moͤgen. Jmmittelſt præ-
ſentir
en die/ ſo etwas zum Beſten haben/ ihren
Gaͤſten einen Trunck ſchlechten Brandtweins.
Die Kneſen als die Vornehmſten/ bekleiden
ihre Toͤchter/ wo ſie es vermoͤgend ſind/ im roh-
ten Tuch, wie die Tartern; Bey denen andern
fuͤhrt die Armuth insgemein die Wirthſchafft/
der Hunger macht ihnen den leckernden Appe-
tit
und die Duͤrfftigkeit beſchmuͤckt die Geliebten
mit dem Gewandt der Bloͤſſe. Es obſerviret
dis Volck auch nicht/ nach aller Voͤlcker Recht/
das weibliche Geſchlecht/ nachdem es Mann-
bahr
[39] bahr geworden/ auszuſteuren/ ſondern ſie ge-
ben ihre Toͤchter von 7. biß 8. Jahren von ſich/
damit ſie von Jugend auf zu den Ubungen der
Liebe gewohnt/ und denen Maͤnnern nach ihren
humeuren auferzogen werden.


§. 18. Solte aber dem Manne ſein Weib
eckelhafftig werden/ ſo verſtoſt er dieſelbe/ und
nimmt eine andre; Doch ſieht man/ daß die na-
tuͤrliche Triebe des eingepflantzeten Geſetzes ih-
re Wuͤrckungen haben/ ohngeachtet die wieder-
ſtrebende Neigungen ſich zu dem Verbohtenen
ohne Unterlaß ziehen. Die eingefuͤhrte Ge-
wohnheit dieſer Nation iſt ſehr loͤblich/ daß ſie
nicht allein ihre Kindbetterinen eine Zeitlang in
eineꝛ a parten Huͤtten bleiben laſſen/ biß ſie wieder
geneſen, ſondern es darff auch der Mann ſein
Weib nicht beſuchen, ſo lange ſie ihre Zeit hat/
geſtalt ſelbige ſich auch in ermeldeter Huͤtte biß
zur Reinigung aufhaͤlt.


§. 19. Die Zeit der Gebuhrt æſtimiren die
Weiber gar nicht, und ſcheinets als gebaͤhren
ſie ohne Schmertzen. Es arrivirt ihnen gar offt,
daß ſie im Winter von einem Orthe zum andern
ziehen/ wann nun keine Jurthe auf der Naͤhe/
und die Commoditæt fuͤr der Gebaͤhrerin keines
weges zu finden, ſo verrichtet ſie das Jhrige im
gehen/ verſcharret die Gebuhrt im Schnee/
damit ſie hart/ und der Kaͤlte jugendlich gewohnt
werde/ biß ſie anfaͤngt zu weinen/ alsdenn ſteckt
ſie ſelbige im Buſem, und vollfuͤhrt mit den an-
dern ihren Weg. Kommt ſie aber zu dem Ort/
C 4wo
[40] wo ſie ihre Huͤtten aufſchlagen, ſo bleibt ſie in
einer beſondern, und darff weder der Mann/
noch irgend ein Fremder/ auſſer ein altes Weib/
das ihr die Handreichung thut/ zu ſie gehen,
biß 4. a 5. Wochen vollbracht, ſo wird ein lan-
ges Feuer in der Mitten der Huͤtten gemacht/
daruͤber die Kindbetterin dreymahl ſpringt/
durch welche Spruͤnge ſie gereiniget zu ſeyn ih-
nen einbilden/ nach ſolchen Ceremonien begiebt
ſie ſich wieder zum Manne, der ſie nebſt dem
Kinde wieder aufnimmt/ oder auch nach ſeinem
Belieben verſtoͤſt. Es koͤnnen dieſe Leute un-
gemein die Kaͤlte vertragen, und iſt es zu ver-
wundern, daß ſie in dem kalten Fruͤhjahr und
Herbſt, wie wohl der Sommer wegen des ſte-
tig wehenden Nord-Windes, herbe und froſtig/
mit der elenden Bekleidung von Fiſch-Haͤuten
ſich behelffen koͤnnen.


§. 20. Daß ſie zum Waffen und Kriege zu
fuͤhren in denen vorigen Zeiten nicht muͤſſen un-
geſchickt geweſen ſeyn/ iſt leicht aus ihrer wilden
Lebens-Art abzumeſſen. Von Jugend auf ge-
woͤhnen ſie ſich zu den muͤhſamſten Travaillen,
und ihre gantze Ubung beſtehet in Bogen ſchieſ-
ſen und wilde Thiere zu faͤllen. Es finden ſich
auch hin und wieder einige marquen ihrer vori-
gen bravoure; Denn die Einwohner von Bereſo-
va
ihre Stadt mit Palliſaden vor ihren Anfaͤllen
vor Zeiten haben umgeben muͤſſen/ und erzehlet
man, daß ſie oͤffters ihre abgenommene Poſſes-
ſion
durch einige muhtiche Unterwindungen ha-
ben
[41] ben wieder behaupten wollen. So meldet
auch vorangezogener Anonymus hin und wieder
von einigen tapfferen Entrepriſen, womit ſie
nicht einen ſchlechten Dienſt in denen alten Zei-
ten denen Heydniſchen Koͤnigen erwieſen, in
derer Alliance ſie damahls geſtanden. Die Vor-
nehmen unter ihnen/ ſonderlich die ſo genannten
Kneſen, halten noch heutiges Tages ihre Pantzer
und einen außerleſenen Bogen und Pfeil in der
Verwahrung, und ob gleich ihre Hauß-meu-
blen
von ſchlechtem Werth, ſo fuͤhren ſie doch
dieſe in allen ihren peregrinationen mit herum.


§. 21. Dieſe unbeſtaͤndige Wallfahrten/
die von keiner Ruhe wiſſen/ ſind ohne Zweiffel
in denen Wildnuͤſſen/ wo die grauſamſten Thie-
re ihre Wohnungen haben/ und von ihnen ſte-
tig aufgeſuchet werden, nicht ſonder Gefahr des
Lebens; Dahero bey ihnen es nichts ſeltſames/
daß ſie von Baͤhren zerriſſen und erwuͤrget wer-
den/ oder ſonſt durch einige fatale Zufaͤlle um
ihr Leben kommen. Sterben ſie ſonſt ihres na-
tuͤrlichen Todes/ ſo verſcharren die Nachgeblie-
bene ſie in der Erde, des Winters aber im
Schnee/ und werffen der Verſtorbenen Pfeile
und Bogen/ Beil und Meſſer mit hinein; Wo
ſie aber ſo reich/ daß ſie in ihrem Haußgerath
Toͤpffe oder Keſſel gehabt/ ſo verſcharren ſie
auch dieſelbe mit ihnen. Dis iſt eine uhralte
Gewohnheit/ die ſie von den vorigen Voͤlckern,
ſo ſich Tſchut nennten/ und nunmehro erloſchen
und ausgeſtorben/ beybehalten. Selbiges
C 5Volck
[42] Volck hat um Samaroff Narim und der Orthen
ſich ausgebreitet gehabt/ und nahmen dieſe
Leuthe/ als ſie aus Perma kahmen/ unter ſie zu
wohnen auf; Man ſiehet auch noch heutiges Ta-
ges die Rudera von ihren Schantzen bey Sama-
roff,
und in denen Gegenden/ wo ſie vorhin ge-
wohnet. Die Oſtiacken haben ihre alte Goͤ-
tzen/ die dieſe Voͤlcker aus China ihnen ver-
ſchafft/ von ihnen geerbet/ nunmehro aber iſt
dis gantze Volck ſo ausgegangen/ daß
kaum die Spuhr mehr davon. Die Urſache/
daß ſie denen Verſtorbenen die Pantzer und
Haußgerath mit in die Grufft werffen/ iſt die
eitle Einbildung/ die ſie glauben macht/ daß ſie
in der andern Welt bey denen Goͤttern allerley
Haußgerath und Kriegs-Zuruͤſtungen noͤthig
haͤtten. Sonderlich gebrauchten ſie die Toͤpf-
fe und Schuͤſſel dazu/ daß ſie ihnen in der an-
dern Welt ihre Speiſe darin kochen koͤnten/
wenn ſie bey ihren Goͤttern zur Mahlzeit nicht
invitiret waͤren/ und ſey ſolcher Haußgerath
daſelbſt nicht gar wol zu bekommen, man muͤſte
ihn denn theuer anſchaffen.


§. 22. Sonſten wiſſen ſie von dem Zuſtan-
de des Menſchen nach dem Tode nichts/ auſſer
daß es aus den vorigen Umſtaͤnden ſchiene/ daß
die Vernunfft die Unſterblichkeit der Seelen ih-
nen gleichwohl kund mache. Gleichwie ſie aber
in allen ihren Wuͤrckungen im Geiſtlichen blind
und verfinſtert, ſo ſtellt ſie den Menſchen die
Beſchaffenheit des andern Lebens in denen bloſ-
ſen
[43] ſen Wolluͤſten und Ergoͤtzlichkeiten des Leibes
vor. Welche difficultæten nur wenige aus de-
nen vorigen Welt- Weiſen uͤberſtiegen/ und
durch muͤhſahmes Speculiren die Unſterblichkeit
der Seelen in dem andern Leben ausgeſonnen
haben.


Das 3te Capittel.


Von der Religion und dem
Goͤtzendienſt der
Oſtiacken.


§ 1.


DEr Goͤtzendienſt war bey denen Grie-
chen/ Roͤmern und andern civiliſirten
Heyden/ eine bloſſe Erfindung der Ge-
waltigen/ vermittelſt welcher ſie das ge-
meine Volck deſto beſſer im Zaum hielten/ und
ihre Ausſchweiffungen unter dem Mantel des
Aberglaubens bedecken konten. Geſtalt ſie ih-
nen denn ſothanen Dienſt nach Beſchaffenheit
und dem Intereſſe ihres Etats formirten. Es iſt
nicht zu glauben/ daß ſo viele kluge Leute denen
albernen Fabeln von denen Goͤttern/ die bald
wie Moͤrder/ bald wie Hurer und Ehebrecher
und andere Ubelthaͤter aufgefuͤhret wurden/
Glauben beygemeſſen/ und ſie als wahrhafftige
Goͤtter erkannt haben. Dem Volcke aber mu-
ſte ein Wahn uͤberredet werden/ der ſie deſto
beſſer im Zaum hielte. Maſſen denn der Con-
cept
[44]cept von der Religion eine maͤchtige Stuͤtze iſt/
worauf die Welt ſich fuſſet, und wie das Leben
ſelbſt defendiret werden muß. So wuſten auch
ihre Philoſophen gar wohl, daß Holtz und
Steine ihnen nichts koͤnten gewehren/ und daß
ein gemachtes Bild weder eine vergeltende/ noch
ſtraffende Krafft in ſich haͤtte. Das thoͤrichte
Volck aber hatte ſo weites Nachdencken nicht/
ſondern bildete ihm ein/ es muͤſſe der Creatur/
ſie moͤchte ein Leben in ſich hegen/ oder auch gar
lebloß ſeyn, von welcher ſie einen Nutzen ver-
muhteten, eine Erkaͤnntlichkeit erwieſen werden.
Dahero man in den erſten Zeiten die vornehmſte
Abgoͤtterey an der Sonnen, oder an dem/ was
einem Vortheil ſchaffe/ bemerckte. Und hier-
zu iſt die blendende Liebe Schuld/ die auch durch
den Glantz des Goldes die Jſraeliten, das
Volck GOttes/ zur Abgoͤtterey verfuͤhrete.


§. 2. Unſere einfaͤltige Oſtiacken ſind biß
hieher eben dieſer Blendung gefolget/ weßfalls
ſie ihnen theils ſelbſt einige Goͤtzen aus Holtz ge-
bildet/ theils aber einige aus Ertz gegoſſen/ die
ſie von ihren Vorfahren/ wie erwehnt/ ſo ſich
Tſchut nannten, geerbet/ welchen ſie die Ehre
der Anbetung erwieſen/ ihnen opfferten/ und
ihre Huͤlffe in allerhand Begebenheiten ver-
langten.


§. 3. Bey denen beruͤhmten Voͤlckern im
Heydenthum wuſte des Kuͤnſtlers Hand die
Goͤtzen nicht ſauber genug zu bilden/ maſſen
die allerberuͤhmteſte Bildhauer/ Steinmetzen/
Ertz-
[45] Ertzgieſſer und Mahler aufgeſucht wurden/ die
alle ihre Geſchicklichkeit in der Bildung eines
Goͤtzens anzubringen ſuchten. Hier aber hau-
et ein jeder ihm nach Belieben ſeinen Goͤtzen
aus/ ſchafft ihn wieder ab/ und zerſtuͤmmelt ihn/
oder wirfft ihn gar ins Feuer/ wie ſeine Phan-
taſie
es ihm uͤberredet. Es war aber ſolches
insgemein ein Klotz/ woran ſie oben eine Runde/
wie eines Menſchen-Kopff/ ausgehauen/ und
ihm eine abgeſchmackte Naaſe/ nebſt einer Ker-
be in die Quaͤre, die den Mund bedeuten ſolte,
formiret hatten.


§. 4. Die von ihren Vorfahren geerbte wa-
ren meiſt von Ertz in der Figur einer Ganß/ ei-
ner Jungfer mit ausgeſtrecktem Arm, einer
Schlangen und dergleichen/ ſelbige waren
kuͤnſtlich genug gegoſſen/ und ſcheinet/ daß ſie
von denen ingenieuſen Chineſern an ſie gekom-
men ſeyn muͤſſen. Andere aber haben gar keine
Geſtalt; Denn es war ein dicker laͤnglichter
Klotz auf der Erde gelegt, mit allerhand Lum-
pen und Zeug bewunden, oben auf lag ein
Stuͤck vom abgebrochenen Spiegel, welches
von der Sonnen/ wann ſie ſchiene/ einen Schim-
mer von ſich gab.


§. 5. Sothane Abgoͤtter ſtellen ſie auf erha-
bene und nach Gelegenheit des Ortes luſtige
Berge/ ſetzen ſie insgemein in ein Haͤußgen
vom Holtz im dicken Walde/ wonebenſt eine klei-
nere Huͤtte ſtehet/ darinnen ſie die Knochen vom
Geſchlachteten zuſammen tragen. Jedennoch
fin-
[46] findet man in der Arth der Verehrung nichtes
regulieres; Denn gleichwie bey denen Civiliſir-
ten Heydniſchen Voͤlckern gewiſſe Stunden des
Tages/ oder auch wohl gantze Tage denen Ab-
goͤttern zum Dienſte gewidmet waren, ſo rich-
ten hingegen dieſe Leute ihre Andacht nach eige-
nem Intereſſe ein/ wann die Noth es erfordert,
oder die Liebe zum Gewinſt ſie anſpornet/ als-
denn flehen ſie erſt die Goͤtzen an/ um Erhaltung
des Verlangten/ oder auch um Errettung aus
der obhandenen Gefahr; Gleichwohl treiben
auch die Pfaffen das Volck an zum Goͤtzendien-
ſte/ und beſtraffen mit hefftigen Worten ihre
Schlaͤffrigkeit und Unterlaſſung, wozu ſie dieſe
perſuaſion gebrauchen/ als haͤtten ſie von denen
Goͤttern den muͤndlichen Befehl erhalten/ daß
ſie ihre Verehr- und Anruffung fleißiger ver-
richteten, und die erzuͤrneten Goͤtzen mit etwas
Leinwand, Dammaſch und anderen Bekleidun-
gen wieder verſoͤhnen/ oder ein Thier zum Opf-
fer ſchlachten ſolten.


§. 6. Zu denen Pfaffen erwehlen ſie eigent-
lich keine gewiſſe Perſohnen/ ſondern ein jeder
Haußvater oder der Aelteſte von der Familie,
welcher ihm einen Klotz verfertiget/ nahm ihm
ſelber die Muͤhe, vor den Goͤtzendienſt zu ſorgen/
und die gewoͤhnliche Ceremonien zu verrichten:
geſtalt mit dem grauen Alter insgemein die Liebe
zur Heiligkeit und dem Geitze zu wachſen pflegt/
wann die wolluͤſtige Liebe auszutrocknen begin-
net/ im Fall aber dieſer ſolcher Unternehmun-
gen
[47] gen ſich ungeſchickt zu ſeyn bedeucht/ finden ſich
auch ſolche Leuthe/ die aus Liebe zum Schmaro-
tzen zu dieſem Handwercke ſich erbiethen/ und
durch oͤfftere Practicirung ſich gleichſam ſignali-
ſir
et haben. Jhre Geſchicklichkeit beſtehet dar-
innen/ daß ſie aus vollem Halſe/ was von den
Goͤtzen begehret wird/ bey der Opfferung aus-
ſchreyen/ bey denen Wahrſagungen mit groſſer
Standhafftigkeit das Tractament des Satans
ausſtehen/ und nachgehends dem thoͤrichten
Volcke allerhand Fabeln und Gauckelſpiehle
von der erhaltenen Antwort ausſchwatzen koͤn-
nen.


§. 7. Selbiges Wahrſagen verrichten ſie
nach der gemeinen Erzehlung folgender maſſen:
Der Goͤtzen-Diener wirfft ſich gebunden auf
der Erde nieder/ erwartend mit verſtellten Ge-
behrden die Beſitzung des Satans/ der ihm zu-
kuͤnfftige Dinge auf die ihm gegebene Fragen
verkuͤndigen/ einen Orth zeigen/ wo ein pre-
ticuſ
es Wild zu fangen/ oder auch denen
Streit-Sachen eine abhelffliche Maſſe geben
ſolle. Waͤhrender Zeit ſtehen die/ welche die
Wahrſagungen verlangen/ mit continuirlichem
Heulen, und klingen auf den Becken und an-
dern Geſchirren/ die ein Getoͤs von ſich geben/
um ihn herum, biß ſich ein blauer Dunſt/ wel-
cher vor den wahrſagenden Geiſt von ihnen ge-
halten wird/ weiſet/ die Umſtehenden ausein-
ander jagt/ den Satans Diener ergreifft und
nieder wirfft/ nachdem er ihn in die Hoͤhe geho-
ben;
[48] ben; Da er mittlerweile ſo uͤbel zugerichtet
wird, daß er in der Lebloſigkeit einer Stunden
lang und noch laͤnger ſich quaͤlen muß/ biß er
zu voͤlligen Kraͤfften kommen/ alsdenn er ſeinen
Clienten die erhaltene Antwort vorſchwatzt und
einen betruͤglichen Beſcheid auf ihre neugierige
Fragen giebt.


§. 8. Wie ſchlecht aber dieſer unflaͤthige
Geiſt die arme Einfaͤltige belohne/ und wie er
ihnen ſo theuer vor der Luͤgen die Wahrheit ver-
kauffe/ iſt leicht zu ermeſſen/ weil jenes ſein E-
lement
iſt/ womit er die gantze Welt benebelt/
vor dieſer aber erſchrickt/ weil ihre Bloͤſſe ihm
ſeinen verdammlichen Zuſtand und den Ab-
grund ſeiner Argheit aufdecket. Eine Zeitlang
hatte der boͤſe Geiſt denen Goͤtzen-Dienern ein-
gegeben/ daß die, welche in der Gegend Sama-
roff
und Bereſova ihren Verbleib haben/ ihm
Pferde zum Opffer ſchaffen ſolten/ welchem nach-
zukommen ſie mit der groͤſten Muͤhe und uner-
traͤglichen Unkoſten ihnen Pferde angeſchafft/
bis ſie aller Mittel entbloͤſt/ ſo tieff ſich in
Schulden geſetzt/ daß viele zuletzt ihre alte Lum-
pen auf dem Leibe nicht behalten/ ſondern mit
ihrem groͤſten Schaden gewahr worden/ was
vor eine betriegliche Abſicht unter einer ſothanen
Opfferung ſtecke.


§. 9. Allein wie betrieglich der Dienſt des
Satans/ ſo gefaͤhrlich iſt er auch; Er fuͤhrt zu-
vor die Menſchen auf das ſchluͤpfferige ſo weit,
daß ſie ſonder Quaal und Plage ſo leicht nicht
von
[49] von ihm loß werden. Doch mercken ſie den
Betrug gleichwol/ und lehret ihnen ihr beyge-
brachter Sch[a]de am Ende/ was ſie vor einen
Gaſt an ihm haben/ dieſe arme Leute/ ſo lange
ſie ſich bey ihm befragten/ wurden zum oͤfftern
betrogen, und wann ſie meynten/ daß nach der
Auſſage des Pfaffen an angewieſenen Oertern
das verlangte Wild/ oder die Menge der Fiſche
anzutreffen; ſo bemuͤheten ſie ſich aufs hoͤchſte
in der Nachſuchung, funden aber gemeiniglich
nichts. Welcher Betrug ſie zur revange auf-
munterte, peitſchten und pruͤgeiten ihre ausge-
hauene Goͤtzen gewaltig bey der Zuruͤckkunfft,
biß ſie den Betrug genug reſſentirt zu haben ver-
meynten; nachdem der Zorn voruͤber/ ſoͤhneten
ſie ſich wieder aus, hiengen ihm einen Umhang
von oben beſchriebenem Zeuge an/ und nahmen
es nach Belieben/ wann er wieder kein Wort
gehalten; Es geſchahe aber hiedurch/ daß ſie
mit boͤſen Kranckheiten geplagt, und entweder
ſie ſelbſt, oder auch ihre Kinder aufs grauſamſte
gefoltert wurden.


§. 10. Die Ehrerbietung gegen die mit eige-
nen Haͤnden gemachte Goͤtzen ſchiene nicht ſon-
derlich zu ſeyn/ die oͤffentliche aber verehrten ſie
en general vielmehr/ und ſchafften ſie nicht nach
Belieben ab, ſondern wurden als bewaͤhrte
Goͤtzen von Tag zu Tage beybehalten. So
war auch das Vertrauen viel groͤſſer zu denen
Alten/ denn ſie bildeten ihnen ein, es haͤtte das
Ertz oder der halb verfaulte Klotz mit denen un-
Ddenck-
[50] dencklichen Jahren auch unerforſchliche Weiß-
heit geſchoͤpffet/ und muͤſſe alſo was unſterbli-
ches bey ihnen ſeyn/ je weniger man von ihrer
Verweſung in ſo verjahrter Zeit vernommen.
Denen Kindern wurden auch dieſe zum aller-
meiſten von ihren Eltern angeprieſen/ geſtalt
ſie von der Furcht und Liebe zu ihrem Schoͤpffer/
als rude Voͤlcker wenig wuſten, und das Licht
der Natur ſolches denen Klugen und Nachfor-
ſchenden im Heydenthum nur entdecket/ wes-
falls die Philoſophi durch tieffes Nachſinnen
erſt ergruͤndeten/ daß der Schoͤpffer von der
Creatur aus Danckbarkeit zu lieben und zu
fuͤrchten ſey/ wie dann ſothane Liebe in der Na-
tur gegruͤndet, und in der Schoͤpffung dem
Menſchen einpflantzt worden; Welcher geſtalt
aber/ daß die Pflicht und der Dienſt muͤſſe ein-
gerichtet ſeyn, koͤnte ihnen die verarmete Ver-
nunfft nicht anweiſen/ denn jemehr man ſelbige
zum Geiſtlichen fuͤhret/ je blinder und tunckler
ſie anzutreffen iſt/ die Affecten aber ſcheinen zu
der Erkaͤnntniß und Nachforſchung im Geiſtli-
chen gar gefeſſelt zu ſeyn, ſolchergeſtalt/ daß ſie
mit aller Macht zu ſolcher Betrachtung anzu-
treiben/ und der Menſch von ihm ſelbſten die
Widerſtrebung abzuhalten nicht faͤhig ſey.


§. 11. Zudem iſt des Menſchen Neigung
ſo abgeſchmackt/ daß er zur Zeit der Gefahr/
oder obhandenen Schadens/ nicht eben zu den
bewehrten Mitteln, ſondern auch zu dem ge-
ringſten Lebloſen, natuͤrlicher Weiſe lauffe, dem
er
[51] er ſein Vertrauen widmet/ wenn er von ſelbi-
gem nur eine Huͤlffe/ ſeiner perſuaſion nach/ ver-
muthend ſeyn kan. Dahero man taͤglich erfaͤh-
ret, daß auch Chriſten aus einer unanſtaͤndlichen
Neugierigkeit kuͤnfftiges zu wiſſen/ oder damit
ſie einer Gefahr zu entrinnen/ oder auch zu ihrem
Nutzen gelangen/ ſo weit verfallen/ daß ſie die
Wahrſager befragen/ auf Geſchrey der Voͤ-
gel und leere Traͤume acht geben/ ja wenn es
muͤglich/ bey ſothanen aͤngſtlichem Zuſtande eine
Veraͤnderung nach ihrem Wunſch zu erlangen,
bey den Lebloſen ſelbſt Huͤlffe ſuchen wuͤrden.
Und ob es gleich nicht allezeit auf eine grobe
Weiſe geſchicht, weil ſie die natuͤrliche Schan-
de im Gewiſſen der Grobheit bezuͤchtiget/ und
ihnen zum Zeichen ihres Unfugs die Roͤhte auf
den Wangen mahlet/ ſo kan ſie es doch nicht
verwehren/ daß er auf eine ſubtilere Arth das
Vertrauen von ſeinem Schoͤpffer zu den Huͤlflo-
ſen Creaturen/ und duͤrfftigen Deutungen o-
der Zeichen wende, imgleichen/ daß er durch
puncten, die eine bebende Hand aufs Papier
wirfft/ eine Conſequence der kuͤnfftigen Bege-
benheit zu erzwingen verſuche/ in welcher Fin-
ſterniß ſo viele kluge Koͤpffe ſtecken.


§. 12. Nun ſcheint zwar/ daß der vernuͤnfftige
Menſch/ dem der weiſe Schoͤpffer eine geſunde
Vernunfft eingepflantzt/ wo ihn ſeine Augen und
Sinnen nicht betriegen/ den Schluß machen wer-
de: daß/ ſo fern die Vernunfft mit der Sache ſelbſt
beſchaͤfftig ſeyn, und kein Gedancke auf der Man-
nigfaltigkeit der puncten ausſchweiffen/ noch die
D 2Hand/
[52] Hand, wo ſie anfangen und endigen ſolle/ anfuͤh-
ren muͤſſe, (wo eꝛ andeꝛs ein richtiges facit haben
will) der impetus animalis oder der Trieb/ den
der Menſch mit dem Vieh ſonder Wuͤrckung
der vernuͤnfftigen Seelen gleich hat/ (zum E-
xempel,
daß er den Arm ausſtreckt/ ehe er ihn
gedenckt auszuſtrecken/ daß er den Fuß/ ehe er
gedenckt, zum gehen ausſetze/ und dergleichen)
die Hand alleine ruͤhre/ und die Conſequence
nicht aus der Wuͤrckung der vernuͤnfftigen See-
len/ die zur Fuͤhrung der Hand nichtes beytra-
gen/ ſondern aus einem Viehiſchen Triebe her-
geleitet werde, alſo ſein Vertrauen auf was
Unvernuͤnfftiges ſetze/ das ihm den Ausſchlag
ſeiner Begierden geben ſolle. Jmgleichen daß
Holtz/ Stein/ oder Ertz/ was er ſelbſten oder
andere zu ſeiner itzigen Geſtalt mit groſſer Muͤ-
he verholffen/ ihm als ein unvermoͤgendes ſich
ſelbſt nicht bilden/ auch keiner Huͤlffe gewehren
koͤnne; Anbey daß die Schlaͤge die er dem Ab-
gotte zufuͤgt, von dem Lebloſen nicht gefuͤhlet,
man muͤſſe ihm denn einbilden, daß der Satan,
oder eine im Goͤtzen wohnende Krafft/ ſelbige
leide. Allein ſo ſagt auch die Vernunfft/ daß
ein geiſtliches Weſen eine ſolche Leidenſchafft zu
empfinden nicht geſchickt ſey. Dahero er eine
vergebliche Arbeit thaͤte/ und ſich nur ſelbſt be-
truͤge.


§. 13. Wer erfähret aber nicht in ſeinem
gantzen Leben/ daß wir armſelige Menſchen al-
len Fleiß anwenden/ wie wir uns zum inventi-
euſe
ſten betruͤgen/ und mit einem leeren Winde
der
[53] der ſchmeichelnden Hoffnung/ unſere truͤbe Ge-
dancken aus einander zu jagen emſig ſeyn?
Weßfalls wir das Wahrſcheinliche vor dem
wahrhafftigen Gute erwehlen. Und dis ruͤhrt
daher, daß die Vernunfft in ſich ſelbſt verfin-
ſtert/ die ſtrebende Begierden in der Jrre tap-
pen/ die ſuͤſſe Einbildung aber/ auch das ſchaͤdli-
che/ als wann es noch ſo tauglich waͤre/ anneh-
me. Dahero conſideriret der irrige Menſch
nicht, von wem er Huͤlffe haben koͤnne, ſondern
folgt ſeiner Einbildung/ greifft zum Schatten/
und laͤſt das Weſen fahren.


§. 14. Bey dem Opffer brauchen ſie folgen-
de Ceremonien: Sie bringen entweder leben-
dige Fiſche vor den Abgott/ legen ſie eine Zeit-
lang vor ihm nieder, kochen ſie nachgehends ab/
und freſſen ſie ſelbſt auf/ nur beſchmieren ſie das
Maul des Goͤtzen mit dem Fiſch-Fett/ oder ſie
præſentiren ihm die mehr erwehnte Kleidungen,
und verhuͤllen den Klotz damit; andere bringen
zum Opffer Rennthiere oder Elende/ und die,
ſo die Tartern zu Nachbahren haben/ Pferde/
welche die arme Leute anſchaffen muͤſſen. Sel-
biges Thier bringen ſie lebendig vor den Goͤtzen/
alsdenn binden ſie ihm die Fuͤſſe/ die Pfaffen
ſchreyen aus vollem Halſe was ihr Begehren/
und zu welchem Zweck ſie das Opffer bringen.
Unter waͤhrenden ſolchem Singen ſtehet einer
mit ausgeſpantem Bogen und aufgelegtem
Schoſſe bey dem Opffer/ und druckt ſelbigen
nicht ehe loß/ biß der Pfaffe nach vollendetem
D 3Ge-
[54] Geſange ihm den erſten Schlag vor den Kopff
gegeben/ der dritte wirfft ihm einen Spieß in den
Bauch/ und wann ſie es ſolcher geſtalt getoͤdtet/
nehmen ſie das Pferd beym Schwantz/ und zie-
hen es 3. mahl um den Goͤtzen/ das Bluth zapf-
fen ſie vom Hertzen ab in ein darzu geweyhetes
Gefaͤſſe/ beſprengen damit ihre Huͤtten, ſauf-
fen auch ſelbſt davon, und mit dem Reſt be-
ſchmieren ſie das Maul des Goͤtzen. Die Haut
des geſchlachteten Viehes hangen ſie zum Zier-
raht auf Baͤume, mit dem Kopff/ Schwantz
und Fuͤſſen/ das Fleiſch kochen ſie, und verzehren
es mit der groͤſten Freude/ ſingen dabey aller-
hand leichtfertige Lieder/ und beſchmieren letzlich
wieder das Maul des Goͤtzen mit dem Fette des
Geſchlachteten. Was ſie nicht verzehren koͤn-
nen/ nehmen ſie mit nach Hauſe/ verehren es
an ihre Nachbarn/ oder geben es ihren Wei-
bern zu freſſen/ die nicht mit bey der Opfferung
geweſen/ der Haußgoͤtze bekommt auch zuwei-
len ein fettes Maul davon. Nachdem die
Mahlzeit vollbracht, ſchlagen ſie mit Stecken
in die Lufft/ und ſchreyen wieder aus vollem Hal-
ſe/ womit ſie den getractirten Geiſt des Goͤtzen
wieder nach der Lufft convoyren/ und ihm
gleichſam dancken/ daß er mit ihrem tractament
verlieb nehmen wollen.


§. 15. Wann der Mann ſeinen Weibern
abgeſtorben/ und ſie ſonderlich beweiſen wol-
len/ wie ſchmertzlich der Tod ihres Geliebten
ihnen geweſen/ machen ſie ihnen einen Abgott/
zie-
[55] ziehen ihm die Bekleidung des Verſtorbenen an,
und nehmen ſelbigen des Nachts in ihre Ar-
men/ des Tages aber ſtellen ſie ihn vor ihre Au-
gen/ und beweinen in der Geſtalt des Goͤtzen ih-
ren verſtorbenen Mann. Dis continuiren ſie
ein gantzes Jahr, und wann ſelbiges verfloſſen/
nehmen ſie die Kleider und umgewundene Lum-
pen wieder zuruͤck/ und werffen den Goͤtzen biß
auf eine kuͤnfftige Benoͤhtigung bey ſei-
te. Woferne aber dieſe Ceremonien von etli-
chen Weibern nicht ſo ſtreng in acht genommen
werden/ halten die andern ſie vor leichtfertig/
und blamiren ſie, daß ſie ihrem Manne bey Leb-
zeiten untreu geweſen/ und nicht nach Gebuͤhr
geliebt haben.


§. 16. Nachdem ſie einen Baͤren erſchla-
gen/ ziehen ſie ihm die Haut ab/ hangen ſie bey
dem Goͤtzen/ auf einen erhahenen Baum, und
thun derſelbigen eine groſſe Verehrung an/ ent-
ſchuldigen ſich mit einem lauten Geplaͤr und ver-
ſtelltem Klagen/ daß ſie nicht Schuld an ſeinem
Tode/ ſie haͤtten das Eiſen/ womit er getoͤdtet/
nicht geſchmiedet, noch den Pfeil gefiedert/ es
waͤren auch nicht ihre/ ſondern fremder Voͤ-
gel Federn/ die die Flucht des Pfeiles ſo ſchnell
gemacht/ ſie bitten um Vergebung, daß ſie nur
den Pfeil abgedruͤckt, der ihn getroffen. Die
Urſache dieſer Excuſe iſt die Furcht/ die ſie ih-
nen einbilden/ es koͤnne die vernuͤnfftige Seele
des Baͤren ihnen in den Waͤldern/ noch ſcha-
den, und muͤſten ſie ſich bey Zeiten mit der See-
D 4len
[56] len ausſoͤhnen/ daß ſie den Coͤrper zu raͤumen
ihr angemuhtet/ woferne ſie nicht von ihr ange-
taſtet und beſchaͤdiget ſeyn wolten.


§. 17. Werden ſie der hohen Landes-Obrig-
keit an den verordinirten Woiwoden den Eyd
der Treue zu ſchweren angehalten/ ſo fuͤhrt man
ſie auf die Gerichts-Stube/ und legt ihnen vor
eine Baͤren-Haut und Beil, imgleichen præ-
ſentir
et man ihnen ein Stuͤck Brodt auf einem
Meſſer zu eſſen/ dabey huldigen ſie mit folgen-
den formalien: Woferne ich meiner hohen Lan-
des-Obrigkeit biß an mein Ende nicht getreu
ſeyn ſolte/ ſondern mit Wiſſen und Willen ob-
truͤnnig wuͤrde/ meine mir auferlegte Pflicht
richtig abzutragen mir entzoͤge/ und ſonſten auf
irgend eine Weiſe mich gegen der hohen Ma-
jeſtaͤt verbreche/ ſo ſoll dieſer Baͤr in denen
Waͤldern mich zerreiſſen/ dis Brodt das ich ge-
nieſſe/ im Halſe beſtecken bleiben, dis Meſſer
mich toͤdten/ und dis Beil meinen Kopff herun-
ter hauen.


§. 18. Unter ihnen ſelbſten/ wann eine
Streitigkeit ſoll geſchlichtet werden, erwehlen
ſie von beyden Parthen einige Schieds-Leute,
welchen ſie ihre ſtrittige Sachen vortragen/ und
wann ſie wegen zweifelhaffter Umſtaͤnde zur end-
lichen Entſcheidung nicht kommen koͤnnen, wird
einem von ihnen, nach Gutduͤncken der Arbitran-
ten/ der Eyd aufgelegt/ den ſie folgender Geſtalt
leſten: Es wird zuvor der Schwerende zum
Goͤtzen gefuͤhret/ und wegen des Meineydes eꝛnſt-
lich
[57] lich vermahnt, anbey ſtellen ſie ihm die Exempel
des geſtrafften Meineyds vor/ hernach wird
ihm ein Meſſer gegeben, womit er dem Goͤtzen
die Naſe beſchneidet/ imgleichen ein Beil/ mit
welchem er in denſelben hauet, mit dieſen Ex-
presſionen:
Woferne ich unrecht in dieſer
Streit-Sache ſchwere, und nicht die reine
Wahrheit bekenne/ ſo will ich auf gleiche Wei-
ſe, daß mir meine Naſe abgeſchnitten werde,
oder verfaule/ daß dis Beil/ womit ich den
Hieb verrichte/ mich gleicher Geſtalt zerſtuͤm-
le/ daß der Baͤr im Walde mich zerreiſſe/ und
das Ungluͤck an allen Orthen mich verfolge.


§. 19. Eben dieſe Ceremonien gebrauchen
ſie auch, wann der Zeuge bewaͤhren ſoll/ was
ihm in der Sache bekannt. Und ob gleich eini-
ge von der Boßheit geweſen/ daß ſie entweder
falſch vor einem andern gezeuget, oder ihnen mit
Unrecht entweder an- oder etwas abgeſchworen/
ſo iſt ihnen die Straffe ſo fort darauf gefolget/
daß ſie GOttes Gericht handgreiflich erkennen/
wie ernſthafft er den Meineyd ſtraffe/ und der Luͤ-
gen feind ſey. Unter andern Exempeln iſt ſehr
merckwuͤrdig/ daß einer von dieſem Volcke
leichtfertiger Weiſe oͤffters geſchworen/ und ob-
gleich ſein Meineyd durch die Laͤnge der Zeit ent-
deckt geworden/ hat er ſich doch wenig wegen
der Straffe, die er ihm ſelbſt bey Verrichtung
des Eydes angewuͤnſchet/ bekuͤmmert/ zumah-
len ſelbige ihn in ſeinem Leben nicht getroffen.
Nachdem er aber Anno 1713. geſtorben/ und
D 5von
[58] von ſeinen Befreundten am Ufer im Sande
tieff verſcharrt geworden, hat ſich ein Baͤr gar
oͤffters gewieſen/ welcher denen andern Leuten
keinen Schaden zugefuͤget/ auch von der Viel-
heit der Hunde nicht hat koͤnnen abgetrieben
werden/ immittelſt aber die Stelle des Be-
grabenen nachgeſpuͤhrt/ biß er ſelbige dis Jahr
im Ausgange Julii gefunden, den Coͤrper aus
der tieffen Erden ausgekratzet, und ihm das
Geſichte/ in welches er den Scheitan bey geleiſte-
tem Eyde oͤffter gehauen/ ſamt den Haͤnden/
womit er den Hieb vollfuͤhret/ abgefreſſen/
nachgehends aber ſich niemahlen wieder gewie-
ſen hat. Die Leuthe/ welche auf der Naͤhe ihre
Jurthen hatten/ erzehlten dem Metropoliten in
meinem Beyſeyn dieſe Umſtaͤnde/ mit der groͤ-
ſten Beſtuͤrtzung/ und weilen ſie im 1713. Jahr
bereits getaufft waren/ in dem vorigen Stande
aber ſolche fremde Begebenheiten nicht erlebet
hatten/ ſchienen ſie daruͤber ziemlich confus zu
ſeyn.


§. 20. Die Anzahl der Goͤtzen oder Schei-
[r]anen
iſt unmoͤglich zu berechnen, weil ein jeder
ihm ſeinen particulairen bildet/ auch die Wei-
ber in ihren Jurthen a parte Hauß-Goͤtzen hat-
ten, als ſie noch im Heydenthum lebten/ doch
waren in allem nur 3. die ſie vor die bewehrteſten
hielten. Zwey ſtunden neben einander in den
Biehorkiſchen Jurthen oder Huͤtten, davon der
eine/ welcher keinen Nahmen hatte/ der aller-
vornehmſte von ſie allen war. Dieſem Abgott
tha-
[59] thaten ſie die groͤſte Ehre an/ und lieffen zu ihm/
ſeine Huͤlffe in allen Begebenheiten zu erbitten.
Seine Geſtalt kan man wohl nicht eigentlich be-
ſchreiben/ weiln diß blinde Volck aus Furcht/
daß er nicht verbrandt wuͤrde, ihn aus dem
Wege geſchafft, als ſie den Bericht erhielten/
daß der Ertz-Biſchoff, der ſie auf allergnaͤdig-
ſten Befehl Jhro Czaariſchen Majeſte tauffen
ſolte, in der Naͤhe waͤre. Doch bemercken ſie
ihn in ihren Erzehlungen folgender maſſen: Er
ſey aus Holtz/ auf eine/ nach ihrer Gewohnheit/
rude Arth/ ſonder Leib gebildet, und eine Figur
eines Menſchen-Kopffs am Ende des Klotzes
ausgehauen geweſen/ den Klotz ſelbſten haͤtten
ſie mit einem rothen Kleide behangen/ woran
auch andre ihre Lumpen und Stuͤcke/ die ſie die-
ſem Scheitan widmen wollen/ gehefftet. Auf
dem Kopffe aber ſey ihm eine Muͤtze mit einem
koſtbahren Brehm von Fuchsſchwaͤntzen beſetzt
geweſen.


§. 21. Der andere Scheitan, ſo nechſt bey
ihm ſtunde/ war eine Ganß aus Ertz gegoſſen,
mit ausgebreiteten Fluͤgeln; ſie wurde lange
nicht ſo hoch æſtimiret als der vorige, ohngeach-
tet er aus Ertz war/ denn der Hoͤltzerne war aͤl-
ter, und alſo verſtaͤndiger und probirter, als
die Ganß, zudem hatte ſie nur Inſpection uͤber
Enten/ Gaͤnſe und ander Feder-Vieh/ welche
Herrſchafft nicht eben von groſſer Conſequence.
Wenn ſie nun appetit hatten wilde Gaͤnſe zu eſ-
ſen, ſo opfferten ſie der Ganß, oder verſprachen
ihr/
[60] ihr/ wenn ſie durch ihre Huͤlffe Feder-Vieh er-
haſchen koͤnnen/ ein fettes Maul von dem ge-
fangenen zu machen, geſtalt ſie glauben/ es ja-
ge ihnen die Ganß das Feder-Wild zu. Jm-
gleichen daß ſie uͤber die ſchlechte Zobeln zu ſa-
gen haben, und ſelbige ihnen zu lieffern vermoͤ-
gend waͤre; Es haͤtten aber die naͤchſt beyſte-
hende die Herrſchafft uͤber ihr (die Ganß) und
commendire ſie nach ſeinem Willen: Auch muͤ-
ſte ſie ſich fertig halten/ wenn er Luſt zu prome-
nir
en haͤtte/ ſo ſetzte er ſich auf ihre Fluͤgel, und
begebe ſich an den Orth, dahin er verlange.


§. 22. Den dritten betitulirten ſie mit dem
Nahmen Starick Obskii, der Obiſche, Alte.
Er ſtund dismahl gegen dem Flecken Samaroff
uͤber/ und hatte er zwey Wohnungen, die eine
war Samaroff, die andere bey dem Ausfluß/ wie
erwehnet/ unweit der Jurthis in dem Obi. Sie
veraͤnderten alle 3. Jahr ſein Behaͤltnis/ und
nachdem er 3. Jahr bey Samaroff geſtanden,
fuͤhrten ſie ihn in einem a parten Bohte/ ihrer
Arth nach mit groſſen Solennitæten zu der andern
Huͤtten/ die am Obi ſtunde. Dieſen glaubten
ſie einen Goͤtzen der Fiſche zu ſeyn/ zumahlen er
alle Fiſche aus dem Meer in den Obi und ihnen
zufuͤhren koͤnne. Er war hoͤltzern, und hatte ei-
nen groſſen Ruͤſſel mit Eiſen beſchlagen,
welches die Bedeutung hatte/ daß er da-
mit koͤnne die Fiſche aus dem Meer zu dem Obi
ziehen. Auf dem Kopffe ſtunden ihm 2. kleine
Hoͤrner/ Augen aber hat er von Glaß/ was
dis
[61] dieß zu bedeuten/ wiſſen ſie ſelbſt nicht zu de-
monſtrir
en; Bey ihm legten ſie ihre Pantzer/
die den Sieg/ welchen er uͤber alle Meer-Goͤt-
ter erhalten/ vorſtellen/ und daß kein groͤſſer
Goͤtze auf dem Meer ohne ihn regiere. Wenn
das Eyß begunte zu brechen/ und die Stroͤhme
ſich ergoſſen, kamen ſie zum haͤuffigſten zu die-
ſem Scheitan, ein jeder der ſich aufmachte/ Fiſch
zu fangen/ bate/ daß er ihm einen guten Fang
gewehren/ und die Fiſche aus dem Meer nach
ſeinem Willen leiten wolle. Es geſchehen dieſe
Bitten nicht allezeit mit einer Demuth, ſondern
ſie erpochten auch von ihm die Gewehrung/
maſſen ein Klotz keinem ſo leicht eine Furcht ein-
jaget, zudem alle ihre Verehrungen aus purem
Intereſſe geſchahen/ auſſer welchem ſie nimmer-
mehr zu den Goͤtzen lauffen wuͤrden. Doch
war ſolches Pochen gleichwohl mit einem
Schein der Demuth untereinander Abwechſe-
lungs Weiſe vermiſcht/ welchen die Liebe zum
Gewinſt/ nach der Groͤſſe ihres hefftigen Ver-
langens/ wuͤrckte; waren ſie denn ſo gluͤcklich/
daß ſie eine Menge der Fiſche hatten beſchloſſen
und gefangen/ ſo bildeten ſie ihnen ein, ſelbiges
waͤre durch ihr Pochen und ernſtliches Bitten
erſtritten. Die Erſtlinge/ ſonderlich wenn
ſie einen Fiſch fiengen/ den ſie Nelm nennen/
und dem Lachſe gar nahe kommt, brachten ſie
dem Stara Obskii zum Opffer: Sie ſelbſten ge-
noſſen zwar der Fiſche/ allein mit dem Fiſch-Fett
beſchmierten ſie ihm den Mund und die Lippen,
da-
[62] dahero alle die Scheitanen, ob ſie wohl nicht ſo
hoch von ihnen æſtimiret wurden, man ſie doch
mit beſchmutzten und glaͤntzenden Maͤulern an-
antraff/ und ein jeglicher mit ſchmutzigem Mun-
de aus der Huͤtten guckte.


§. 23. Nach aufgehobenem Panquet ſchlu-
gen ſie mit Stoͤcken, nach Gewohnheit in die
Lufft, und convoyrten den Geiſt wieder nach ſei-
nem Element. Wenn ſie aber ungluͤcklich in
ihrem Fangen waren, und nach offenem Waſ-
ſer ſo fort nicht nach ihrem Willen von denen Fi-
ſchen aus dem Meer erhielten/ bunden ſie dem
Goͤtzen einen Strick am Halß/ und wurffen
ihn in ein unflaͤtiges Loch/ peitſchten ihn zuvor/
und worffen mit unempfindlichen Schelt-Woͤr-
tern um ſich/ daß er entweder geſchlaffen/ wie er
von ihnen ſey angeruffen worden/ oder daß er
nicht mehr zum Goͤtzen tauge/ vielleicht daß ihm
die Kraͤffte mit den Jahren abnehmen/ ihren
Vor-Eltern haͤtte er noch groſſe Dienſte gethan/
nun wuͤrde er faul und unvermoͤgend. Sie ſpo-
lirten
ihn auch aller Bekleidung, und ruͤckten
ihm auf/ daß ſie gleichwohl in groſſen Hunger
und Mangel ſeiner verboſten Nachlaͤßigkeit hal-
ber gerahten waͤren. Jn ſolchem Loche wurde
er ſo lange arreſtiret gehalten, und mit den
ſchmaͤlichſten und unverdaulichſten Worten zu-
geſetzt/ biß ſie von ohngefehr nach der Jahrzeit
die Fiſche aus dem Meer wieder fiengen, als-
denn vergaſſen ſie alles zugewandte Hertzeleid,
nahmen den geſchimpfften Goͤtzen wieder aus
der
[63] der garſtigen Verwahrung/ wuſchen ihn ab/
und nachdem ſie ihn mit den ordinairen Be-
kleidungen behangen/ ſetzten ſie ihn an den ge-
woͤhnlichen Orth/ und gaben ihm auch wohl zur
Verſoͤhnung ein fettes Maul.


Das 4te Capittel.


Von dem Anfange der Be-
kehrung der
Oſtiackenzur Chriſtli-
chen Griechiſchen
Reli-
gion \&c
.


§. 1.


JN ſolchem bejammerden Zuſtande lebten
dieſe Leute bißhero/ und ſchiene faſt kei-
ne Huͤlffe zu ſeyn/ vermittelſt welcher
ihnen die Augen geoͤffnet wuͤrden/ daß
ſie von dem Satan zu GOtt koͤnten gefuͤhret
werden. Das Reich China erregte dem Fran-
ciſco Xaverio
den appetit, daſelbſt bey gelehrten
und ſcharffſinnigen Leuten das Werck der Be-
kehrung zu treiben/ und ſeinen Nachkoͤmmlin-
gen Kloͤſter zu ſtifften; Allein er wolte ſich nicht
bemuͤhen, die angelegenſten Oerter der Welt
durchzukriechen/ und die in denen Wildniſſen
irrende Schaffe aufzuſuchen. Das Land iſt
viel zu unluſtig/ der herbe Nord-Wind allzu-
kalt/
[64] kalt/ und die Armuth der elenden Einwohner,
ſamt den grasſirenden freßigen Kranckheiten/
benehmen allen appetit, daß alſo ein jeder fro-
ſtig ſeyn wuͤrde/ dieſe unluſtige Reiſe zu wagen/
und um den Schaden Joſephs bekuͤmmert zu
ſeyn. Dennoch gefiehl es dem groſſen GOtt
ein Werckzeug auszuruͤſten/ daß dieſe muͤhſeli-
ge Menſchen zur andern Erkaͤnntniß gebracht
wurden.


§. 2. Jn der Haupt-Stadt Siberiens war
dazumahl Ertz-Biſchoff/ Seine Eminenz, der
Hoch Ehrwuͤrdige und Hoͤchſtandaͤchtige P. Phi-
lotæus;
Seibiger hatte im Anfang ſeiner geiſtli-
chen Wuͤrde einen ſonderlichen innerlichen An-
trieb, die Herumliegende zum Chriſtlichen Glau-
ben zu bringen; Wannenhero er ihm angele-
gen ſeyn ließ/ ſeine Misſionarios nach den Mon-
galen
und ihrem vornehmſten Prieſter Kutuchta
zu ſenden; Wobey er ihnen adſociirte zwey ſeiner
Bedienten/ die die Mongalſche Leſ- und Schreib-
Arth nebſt der Sprache lernen ſolten.


§. 3. Kutuchta wird von denen Mongalen,
Contaiſi
ſchen, Ajukaiſchen und Buchariſchen
Voͤlckern/ als ihr [Hoherpreſter] hoch und heilig
gehalten; eine Menge Soldaten begleiteten
ihn/ gleichwie auch ſeine Pfaffen/ die ſie La-
maen
nennen/ ihm zur Hand gehen. Dieſe
Heyden ſind eben ſolche Goͤtzen-Diener/ wie die
meiſten Chineſer und Jndianer, derer obriſter
Pfaffe genannt wird Dalailama, der wie ein
Ertz-
[65] Ertz-Biſchoff und oberſter Prieſter dem Ku-
tuchta,
als ſeinem Biſchoff, vor einiger Zeit ein
Geſetz/ und zu dieſen Voͤlckern/ weil er die
Menge allein zu beſtreiten ſich unfaͤhig geur-
theilet/ geſandt, doch ſo/ daß er ſeine Depen-
dence
von ihm hatte, welcher Kutuchta aber
vor kurtzer Zeit ſich entzogen/ und ſich nunmehro
von dem Volck als ein obriſter Prieſter vereh-
ren laͤſt. Dalailama hat ſeinen Verbleib auſ-
ſerhalb der Chineſiſchen Mauer/ jenſeit der letz-
ten Rußiſchen Stadt Selinga; und an der an-
dern Seite einer See/ die ſie Baikæ More nen-
nen.


§. 4. Gleichwie nun die Mongalen ſich nicht
an einem Orte aufhalten/ ſondern des Win-
ters in Gezelten von Filtz, die ſie Woiloken
nennen/ des Sommers aber in Seyden und
Sammeten leben/ und ſelbige an beliebigen Oer-
tern aufſchlagen/ alſo ihre Lager-Staͤte und
Wohnungen taͤglich oder nach Verflieſſung ei-
niger Zeit veraͤndern; So hat auch Kutuchta
keinen gewiſſen Ort zu ſeiner Reſidence, ſon-
dern ziehet hin mit trefflichen Gezeltern,
und einer anſehnlichen Menge ſeiner Solda-
ten/ wo er ſeinem Gutduͤncken nach einen luſti-
gen Ort antrifft/ er fuͤhrt die gewoͤhnliche Ab-
goͤtter, und ſonderlich die, welche das Volck
am hoͤchſten verehrt/ mit ſich/ und ſetzet ſelbige
in a parte Gezelter.


E§. 5.
[66]

§. 5. Das gemeine Volck bildet ſich ein/
daß er ſich alle neue Mond verjuͤngere/ bey
denen alten Vor-Eltern. Allein die Misſio-
narii
des Metropoliten erwehnen/ daß weil ſie
ſonderliche Liebe von ihm genoſſen/ und die
audience nach Verlangen haben koͤnnen/ ſie
es eigentlich remarquiret/ daß er biß zum al-
ten Mond ſeinen grauen Bahrt wachſen laſſe/
und ein falſches klatterichtes Haar/ das ihm
eine alte Geſtalt mache, im alten Mond auf-
ſetze/ ſo bald aber das neue Licht zu ſcheinen be-
ginnet/ den alten Bahrt abſchneide/ und ſich
im Geſichte roth und weiß/ gleich dem weib-
lichen Geſchlechte in Rußland, ſchmincke und
anmahle. Sie ſtatuiren Metemplychoſin
Pythagoricam,
und glauben/ daß des Men-
ſchen Seele nach dem Tode in ein Thier o-
der Menſchen wieder einziehe, weßfalls ſie
nicht gerne einen Vogel oder ander Thier er-
ſchlagen/ aus Furcht/ ſie moͤchten ihre Vor-
Eltern in ihnen ertoͤdten; Woferne ſie aber
der Creatur gleichwohl das Leben nehmen,
haben ſie die Abſicht, die Seele avanciren zu
machen; ſonſten ziehe des Menſchen Seele,
wenn er in ſeinem Leben ſchweiniſch geweſt,
in ein Schwein wieder ein u. ſ. w. biß ſie ſich
durch vielfaͤltige Veraͤnderung endlich einen
Menſchen zu beziehen geſchickt mache. Die
von mehrerm Nachſinnen/ halten eigentlich
nicht dafuͤr/ daß die Seele aus einem Coͤrper
in
[67] in den andern fahre/ ſondern die Wuͤrckun-
gen derſelben; Des Kutuchtæ Seele aber zie-
he von einem Kutuchta zum andern/ ſolcher
Geſtalt/ daß/ weil noch bey ſeinen Lebzeiten ein
ander, der ihm ſuccediren ſoll/ erwehlet wird/
und ihm jederzeit zum nechſten iſt/ die Kraͤffte
und Eigenſchafften der Seele des Alten/ dem
jungen Nachfolger/ nach ſeinem Tode wieder
einverleibt werden, und des Jungen Seele
durch den Umgang mit dem Alten bey ſeinem
Leben bequem gemacht werde, den Verſtand
und die Gemuͤths-Gaben nach ſeinem Tode
deſto beſſer zu faſſen und zu beherbergen.


§. 6. Wenn er ſich dem Volck zeiget/ er-
hebt er ſich unter dem Schall ſo vieler Trom-
peten und Paucken nach einem praͤchtigen
Sammeten Gezelte/ worinnen ein erhabenes
Kuͤſſen mit vielen niedrigen an der Runde ſte-
het. Wenn er ſich umkehret zum ſitzen/ und
ſeinen Platz eingenommen/ hoͤren die Paucken
und Trompeten auf/ und ſetzen ſich ſeine Prie-
ſter oder Lamaen bey ihm in der Runde.
Dieſem jetzigen Kutuchta ſitzt ſeine Schweſter,
die auch eine Lama geworden/ und gantz kahl
beſchoren nach Arth der Lamaen, zur Rechten/
die uͤbrige Lamaen werffen ein Kraut/ das wir
Poſt nennen/ auf ihre Rauchfaͤſſer/ und be-
raͤuchern erſtlich den Goͤtzen, nachgehends den
Kutuchta, und ferner das Volck/ letzlich brin-
E 2gen
[68] gen ſie das Rauchfaß vor den oberſten Prie-
ſter, und die Vornehmſten von ihrem Orden
ſetzen ſieben Schalen des feinſten Porcellains
vor den Goͤtzen/ und ſieben vor ihn; Sel-
bige ſind gefuͤllet mit weiſem Honig/ Zucker/
Meth/ Brandtwein/ Thee, Milch und Wein/
oder in der Stelle legen ſie eingemachte can-
diſirt
e Sachen. Das Volck rufft dabey mit
lauter Stimme: Ge Gen Kutuchta, d.i. Kutuch-
ta
iſt ein heller Paradies.


§. 7. Unter andern Fragen, die er den
Misſionarien gethan, iſt dieſe ziemlich laͤcher-
lich/ (Erbarmens wuͤrdig) daß er von ihnen
begehret zu wiſſen/ die Zahl derer die geſtorben
waͤren/ ſie haben ihm aber verſetzt: Daß ſie
von ihm zu wiſſen verlangten die Zahl derer die
noch lebten. Worauf er geantwortet/ er koͤn-
te es nicht wiſſen/ maſſen die Welt ſehr groß
ſey, und in dieſem Augenblick, daß er die Zahl
determinire, koͤnten wieder welche gebohren
werden. Die Misſionaires hatten repliciret:
Es waͤre einerley Beſchaffenheit mit denen
die geſtorben waͤren: Womit er zufrieden ge-
weſt.


§. 8. Nachdem nun dieſe Bemuͤhung
ſeinen vorgeſetzten Zweck nicht erreichte, und
der Metropolit in ſeinem Alter die Regierung
des Ertz-Biſchoffthums ablegte/ hingegen ſei-
nen Stand in eines Einſiedlers verwandelte/
war
[69] war er intentionirt, ſich nach dem Kioviſchen Klo-
ſter, welchem er ſeine Jugend gewidmet ge-
habt, zu verfuͤgen/ und daſelbſt ſein Leben zu
beſchlieſſen. Allein er wurde durch den
Durchl. Fuͤrſten und Gouverneuren Siberiens,
Knees Matphei Petrowitz Gagarin
beweglich
erſucht, dis ſein Gouvernement ſobald nicht
zu quittiren/ ſondern eine Zeitlang ſich daſelbſt
noch aufzuhalten; Dieſem leutſeligen Herrn/
der durch ſein genereuſes Gemuͤth ihm einen je-
den verbindlich gemacht/ zu willfahren/ bat er
ihm die Freyheit aus/ die Oſtiacken aus dem
Heydenthum zu ſeiner Religion zu bringen.
Welches ihm denn um deſto mehr gewaͤhret
wurde/ je mehr die Abſicht Jhro Groß-Czaa-
riſchen Majeſtaͤt dahin geziehlet geweſen.


§ 9. Dieſes Vornehmen ins Werck zu
ſetzen, war keine fertige Arbeit, vielweniger ge-
ziemte es ſich mit geſtieffelten Evangeliſten/
wie heutiges Tages die Gewohnheit zu refor-
mir
en/ ſondern er begab ſich mit einigen
Geiſtlichen an die Oerter/ da ſie ihre vor-
nehmſte Abgoͤtter ſtehen hatten: Und weil
das Volck daſelbſt zuſammen kam/ zeigte er
ihnen die groſſe Thorheit, ein hoͤltzernes Bild
zu ehren/ und wieß ſie auf den warhafftigen
GOTT/ dem allein die Anbetung zukaͤme.


§. 10. Ob nun gleich der Dienſt des Sa-
tans in ſeinen Kindern muͤhſam und ſchaͤdlich,
E 3ſo
[70] ſo ſuchen ſie gleichwol ihren gefaͤhrlichen Zu-
ſtand und die Kranckheit der Seelen nicht zu
changiren/ ohngeachtet die einfaͤltige Men-
ſchen den Betrug des Boͤſewichts mehr als
zu wohl erkennen/ ſondern defendiren ihre
Blindheit, wie ihr Leben ſelbſt, allermaſſen
die Liebe zum Alterthum ihnen die Veraͤnde-
rung nicht zulaͤſt/ als die ihnen weiß macht,
es haͤtten gleichwol ihre Vaͤter und Vor-Vaͤ-
ter von undencklichen Jahren keinem andern
geopffert/ noch angebetet/ haͤtten ſich auch
ziemlich wohl/ ihrer Einbildung nach/ dabey be-
funden. (Derſelbige Greuel haͤngt uns/ die
wir wollen Chriſten ſeyn/ ziemlich an/ daß
wir uns auch nach der Vorfahren Exempel
richten wollen, und zwar nach ihrer Boß-
heit; Wuͤrden wir aber ſolches fahren laſſen/
und ein neues Leben anfangen/ ſo moͤchte uns
bald geholffen werden.) Der Dienſt des Schei-
tans
waͤre ihnen zum beſten gewohnt/ und
ſey es ihnen zutraͤglicher/ daß ſie bey dem/
was ſie von Jugend auf geſehen und gehoͤret/
verbleiben/ als eine ſolche Veraͤnderung er-
wehlen/ darinnen ſie den Zuſtand ihrer Vor-
fahren gefaͤhrlich, und ihre Seelen verdammt
halten muͤſten. (iſt eben die Antwort ſo ge-
meiniglich von denen Maul-Chriſten auf treue
Warnung/ das Leben zu aͤndern/ erfolget)
Solche und dergleichen Entſchuldigungen ſetz-
ten ſie denen Ermahnungen des Metropoliten
ent-
[71] entgegen/ und reſolvirten ſich zuletzt ihr Le-
ben lieber dabey zu zuſetzen/ als das gering-
ſte von ihren vorigen Gewohnheiten zu ver-
geben.


§. 11. Der Anfang wurde gemacht Anno
1712. bey Samaroff, woſelbſt ſie ihren Fiſch-
Goͤtzen, den ſie/ wie erwehnt Starick Obskoi
nannten, vor dißmahl ſiehen hatten/ das
Volck war zu allen Beredungen taub, und
wolte von keiner Veraͤnderung, vielweniger
von der Abſchaffung ihres uhralten Goͤtzens/
der ihnen und ihren Vaͤtern die Menge der
Fiſche verſchafft/ den ſie auch mit ſchimpfli-
chen und heßlichen Tractamenten zu ihrem
Willen bringen konten/ wiſſen, vielmehr
verbunden ſie ſich mit Gewalt und Aufſetzung
ihres Lebens ihn beyzubehalten. Gleichwie
aber das menſchliche Gemuͤth denen Verneu-
erungen nicht ſo gar abhold/ ſo fiengen ſie all-
gemaͤchlich an in ihren Neigungen zweiffelhafft
zu werden, und aufmerckſamer die Vermah-
nungen anzuhoͤren. Dahero ſie es denn end-
lich geſchehen lieſſen/ daß ihr Goͤtze dem Feuer
geopffert und verbrandt wurde.


§. 12. Damit ſie aber auch dis Ungeheu-
er nicht ſo platterdinges quittirten/ ſondern
von ihm gleichwol ein Andencken behielten,
machten einige unter ihnen ein falſches Ge-
ſchrey ruchtbar/ als haͤtten ſie vermerckt/ daß
E 4ein
[72] ein weiſſer Schwan im Feuer/ worinnen das
Abendtheuer verbrandt wurde, ſich haͤtte ſe-
hen laſſen/ ſelbiger waͤre mit der Flamme im
Rauch in die Lufft geflogen/ und dis waͤre
der Geiſt/ den ſie und ihre Vorfahren in dem
ungeſchickten Klotze verehret haͤtten. Weiln
aber von dem Gefolge des Metropoliten kei-
ner das geringſte davon remarquiret/ und wie
die Sache weiter nachgefraget wurde, auch
die Uhrheber dieſer Fabel kaum wolten zu er-
kennen geben, ſo wurde der leere Wahn de-
nen einfaͤltigen Leuten deſto eher benommen,
je kuͤrtzer Fuͤſſe die Luͤgen zu haben pfleget.


§. 13. Doch war dis Feuer ſo bald nicht
geſtillet, als die weiter abgelegene ſich feſter
vornahmen, ihre liebe Goͤtzen vor ſo ſchlech-
ten Preiß nicht von ſich zu laſſen, ſondern mit
geſamter Hand abzuwehren/ daß dem heili-
gen Alterthum keine Gewalt geſchaͤhe/ und
hierzu wurden ſie veranlaſſet durch einige
Pfaffen aus ihrem Mittel/ welche bey ihrem
Wahrſagen vom Scheitan die Vertroͤſtung
erhielten, daß ſie ſich nur freymuͤthig zur Ge-
genwehr ſtellen moͤchten/ auch ſpargirten ſie/
es haͤtte der Scheitan ſelbſt vor acht Tagen,
vor des Metropoliten Ankunfft aus dem Klo-
tze geredet/ und ſie ermahnet/ daß ſie ſich
nicht ergeben, ſondern feſt an ihm ſich halten
ſolten/ er ſelbſt wolle ſich wohl defendiren/
und
[73] und alle Unternehmungen der Chriſten Krafft-
loß machen. Es war der Biſchoff, nachdem
er die vorigen auf gedachte Art beſaͤnfftiget,
und den Alten von dem Obi [...] Strohm ver-
brandt/ weiter hinaus biß an die Schorhau-
ſche Jurthen avancir
et, woſelbſt er dieſen Ab-
gott antraff/ welcher ſolcher geſtalt das Volck
inſtigiret haben ſolte. Selbiges verſammle-
te ſich zu einer gewaltſamen Unternehmung/
allein ſie wurden durch die Motiven dieſes
Mannes in kurtzem zu ſolchen Gedancken ge-
bracht, daß ſie zulieſſen/ auch dieſen Goͤtzen dem
Feuer zu widmen.


§. 14. Der Weg wurde weiter nach einem
Kloſter fortgeſetzt, welches den Nahmen Kotskoi
hat/ daſelbſt hatte vor Zeiten ein reicher Oſtiack
gewohnet/ welcher nachgehends zur Rußiſchen
Kirche ſich bekant. Umb ſelbiges Kloſter wohne-
ten etliche wenige Ruſſen/ die meiſten aber wa-
ren Oſtiacken, und dem Heydenthum zugethan;
Dieſe ließ der Biſchoff zu ſich kommen/ und un-
terwieſe ſie in den Lehr-Setzen ſeiner Religion,
hingegen zeigte er ihnen den gefaͤhrlichen Dienſt,
welchen ſie dem Satan erwieſen, worinnen ihre
arme Seele periclitirte, was hingegen vor ein
ewiges Leben, die, welche Chriſto anhiengen/ zu
gewarten haͤtten; Es fand ſich unter ihnen
ein Knees, Nahmens Alatſcho, welcher ſeinen
Uhrſprung aus der uhralten Familie derer Be-
E 5fehls-
[74] fehlshaber dieſes Volcks herfuͤhrete/ dieſer hatte
der Ermahnung des Biſchoffs/ weil er ziemlich
Rußiſch verſtunde/ eine Zeit lang mit groſſer
Auffmerckſamkeit zugehoͤret/ und wurde in ſei-
nem Gewiſſen ſo uͤberzeuget, daß er umb mehre-
re Information und Erleuchtung anhielte. Es
gab ihm der Metropolit unter andern auch zu
verſtehen/ daß die gantze Rußiſche Nation auch
vor Zeiten in dem Heydenthum auch gleicher
Geſtalt geſteckt haͤtte/ und von dem Uladimiro
waͤhrender ſeiner Regierung alle Goͤtzen in Kiov
zu erſt abgeſchafft und verbrandt worden/ daher
nahm er ſich vor/ die Beſchaffenheit dieſer ange-
prieſenen Umſtaͤnde beſſer zu pruͤfen, und eine
Reiſe nach Kiov zu wagen/ daſelbſt die Graͤber
der verſtorbenen und von ihnen hochgeachteten
Heiligen/ derer Gebeine ſie vor unverweßlich
ausgeben/ zu beſehen. Welche Reiſe er auch
ſofort ins Werck ſetzte/ nachdem er ſich nebſt ſei-
nen Angehoͤrigen tauffen laſſen.


§. 15. Das Jahr verlieff mit dieſen Bege-
benheiten/ und der kalte Winter ließ nicht zu, den
Weg vor dis mahl weiter fortzuſetzen. Wan-
nenhero der Biſchoff auff die Reiſe ſich begab/
und zu dem folgenden Jahre die Veranſtaltung
machte/ ſeine Intention zum endlichen Zweck zu
bringen, nachdem er diß Jahr nicht mehr dann
10. biß 11. Seelen getaufft.


Welcher geſtalt im Jahr 1713. \& 1714. uͤber
5000.
[75] 5000. Menſchen von dieſer Nation getaufft
worden/ und wie es durch ſonderliche Schickung
GOttes arrivirte/ daß dieſe Leute/ die meiſtens
in der Wildniß leben, in dieſen Jahren eben bey-
ſammen geweſt/ da man ſelbige ſonſten in 10.
Jahren nicht haͤtte ſammlen koͤnnen/ wird auff
eine bequemere Zeit dem geneigten Leſer zu
communiciren verſpahret.


GOTT allein die Ehre.

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TextGrid Repository (2025). Müller, Johann Bernhard. Leben und Gewohnheiten Der Ostiacken. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). https://hdl.handle.net/21.11113/4bqht.0