der
Landwirthſchaft
auf
wiſſenſchaftlicher und praktiſcher Grundlage.
Beſondere Pflanzenbaulehre.
Verlag von Wiegandt, Hempel \& Parey.
Verlagsbuchhandlung für Landwirthſchaft, Gartenbau und Forſtweſen.
1876.
[[III]]
Pflanzenbaulehre
auf
wiſſenſchaftlicher und praktiſcher Grundlage.
Verlag von Wiegandt, Hempel \& Parey.
Verlagsbuchhandlung für Landwirthſchaft, Gartenbau und Forſtweſen.
1876.
[[IV]][[V]]
Inhalt.
- Seite
- II.
Beſondere Pflanzenbaulehre. - Einleitung 3
- I.
Die Mehlfrüchte.
(Cultur ſtärkemehlreicher Samen.) - 1. Der Weizen5
- Arten [und] Spielarten, Entwicke-
lungsgeſchichte 5 - 1. Die Wachsthumsbedingungen 12
- 2. Die Vorfrucht und Vorbereitung 14
- 3. Die Saat 16
- 4. Die Pflege 19
- 5. Die Ernte 24
- 2. Der Roggen26
- Spielarten 26
- 1. Die Wachsthumsbedingungen 27
- 2. Die Vorfrucht und Vorbereitung 28
- 3. Die Saat 29
- 4. Die Pflege 31
- 5. Die Ernte 33
- 3. Die Gerſte34
- Arten und Spielarten 34
- 1. Die Wachsthumsbedingungen 36
- 2. Die Vorfrucht und Vorbereitung 38
- 3. Die Saat 39
- 4. Die Pflege 40
- 5. Die Ernte 42
- 4. Der Hafer43
- Arten und Spielarten 43
- 1. Die Wachsthumsbedingungen 45
- Seite
- 2. Die Vorfrucht und Vorbereitung 46
- 3. Die Saat 46
- 4. Die Pflege 47
- 5. Die Ernte 48
- 5. Der Reis48
- 6. Der Mais49
- Spielarten, Entwickelungsgeſchichte 49
- 1. Die Wachsthumsbedingungen 51
- 2. Die Vorfrucht und Vorbereitung 52
- 3. Die Saat 53
- 4. Die Pflege 55
- 5. Die Ernte 57
- 7. Die Mohrenhirſe58
- 8. Die Hirſe59
- Arten und Spielarten 59
- 1. Die Wachsthumsbedingungen 60
- 2. Die Vorfrucht und Vorbereitung 60
- 3. Die Saat 61
- 4. Die Pflege 61
- 5. Die Ernte 61
- 9. Der Buchweizen62
- 10. Mengſaaten64
- a. Weizengemenge 65
- b. Spelzgemenge 65
- c. Roggengemenge 65
- d. Gerſtengemenge 65
- e. Hafergemenge 66
- II.
Die Hülſenfrüchte.
(Cultur proteïnreicher Samen.) - 1. Die Erbſe66
- Arten und Spielarten 66
- 1. Die Wachsthumsbedingungen 67
- Seite
- 2. Die Vorfrucht und Vorbereitung 68
- 3. Die Saat 68
- 4. Die Pflege 69
- 5. Die Ernte 70
- 2. Die Linſe71
- 3. Die Wicke72
- 4. Die Pferdebohne74
- 5. Die Wicklinſe, Platterbſe
und Kicher76 - 6. Die Phaſeole78
- III.
Die Oelfrüchte.
(Cultur ölhaltiger Samen.) - 1. Der Raps80
- Spielarten, Entwickelungsgeſchichte 80
- 1. Die Wachsthumsbedingungen 82
- 2. Die Vorfrucht und Vorbereitung 82
- 3. Die Saat 83
- 4. Die Pflege 83
- 5. Die Ernte 86
- 2. Der Rübſen87
- 3. Der Leindotter88
- 4. Der Mohn88
- Spielarten 88
- 1. Die Wachsthumsbedingungen 89
- 2. Die Saat und die Pflege 90
- 3. Die Ernte 90
- 5. Der Senf, der Oelrettig, die
Sonnenblume und die Madie91 - IV.
Die Gewürzpflanzen, der Hopfen
und die Weberkarde.
(Cultur ätheriſches Oel enthaltender Samen,
Wurzeln und Fruchtſtände.) - 1. Der ſchwarze Senf94
- 2. Der Meerrettig94
- 3. Der Kümmel95
- 4. Der Fenchel, der Anis und
der Koriander96 - 5. Der Safran97
- 6. Der Hopfen98
- Spielarten, Entwickelungsgeſchichte 98
- 1. Die Wachsthumsbedingungen 99
- 2. Die Anlage des Hopfengartens 100
- Seite
- 3. Die Pflege 101
- 4. Die Ernte 102
- 7. Die Weberkarde104
- V.
Die Farbepflanzen.
(Cultur farbſtoffhaltiger Blüthen, Blätter und
Wurzeln.) - 1. Die Malve106
- 2. Der Saflor106
- 3. Der Wau107
- 4. Der Waid108
- 5. Der Krapp109
- VI.
Die Blattpflanzen.
(Cultur alkaloidhaltiger Blätter.) - 1. Der Tabak112
- Arten und Spielarten, Entwicke-
lungsgeſchichte 112 - 1. Die Wachsthumsbedingungen 113
- 2. Die Vorfrucht und Vorbereitung 114
- 3. Die Saat 115
- 4. Die Pflege 116
- 5. Die Ernte 117
- VII.
Die Geſpinnſtpflanzen.
(Cultur baſtreicher Stengel.) - 1. Der Lein119
- Arten und Spielarten, Entwicke-
lungsgeſchichte 119 - 1. Die Wachsthumsbedingungen 120
- 2. Die Vorfrucht und Vorbereitung 120
- 3. Die Saat 121
- 4. Die Pflege 123
- 5. Die Ernte 124
- 6. Die Flachszubereitung 125
- 7. Der Ertrag 127
- 2. Der Hanf128
- Spielarten, Entwickelungsgeſchichte 128
- 1. Die Wachsthumsbedingungen 129
- 2. Die Vorfrucht und Vorbereitung 130
- 3. Die Saat 130
- 4. Die Pflege 131
- 5. Die Ernte 131
- Seite
- VIII.
Die Knollen- und Wurzelfrüchte.
(Cultur ſtärkemehlhaltiger Knollen und rohrzucker-
haltiger Wurzeln.) - 1. Der Kohlrabi134
- 2. Die Kartoffel135
- Spielarten, Entwickelungsgeſchichte 135
- 1. Die Wachsthumsbedingungen 138
- 2. Die Vorfrucht und Vorbereitung 140
- 3. Die Saat 141
- 4. Die Pflege 144
- 5. Die Ernte 147
- 3. Der Topinambur148
- Spielarten 148
- 1. Die Wachsthumsbedingungen 148
- 2. Die Vorfrucht und Vorbereitung 148
- 3. Die Saat und Pflege 149
- 4. Die Ernte 149
- 4. Die Runkelrübe150
- Spielarten, Entwickelungsgeſchichte 150
- 1. Die Wachsthumsbedingungen 155
- 2. Die Vorfrucht und Vorbereitung 156
- 3. Die Saat 156
- 4. Die Pflege 158
- 5. Die Ernte 160
- 6. Die Rübenſamengewinnung 161
- 5. Die Kohlrübe162
- Spielarten 162
- 1. Die Wachsthumsbedingungen 162
- 2. Die Saat 163
- 3. Die Pflege 163
- 4. Die Ernte 164
- 6. Die Waſſerrübe164
- Spielarten 164
- 1. Die Wachsthumsbedingungen 166
- 2. Die Vorfrucht und Vorbereitung 166
- 3. Die Saat 167
- 4. Die Pflege 167
- 5. Die Ernte 168
- 7. Die Paſtinake168
- 8. Die Möhre169
- Spielarten 169
- 1. Die Wachsthumsbedingungen 171
- 2. Die Vorfrucht und Vorbereitung 171
- 3. Die Saat 171
- 4. Die Pflege 172
- 5. Die Ernte 173
- Seite
- 9. Die Cichorie173
- 10. Der Kuhkohl174
- 11. Der Kopfkohl175
- Spielarten 175
- 1. Die Wachsthumsbedingungen 176
- 2. Die Saat 176
- 3. Die Ernte 177
- IX.
Die Futterpflanzen.
(Blatt- und Stengelcultur.) - 1. Die Luzerne179
- Spielarten, Entwickelungsgeſchichte 179
- 1. Die Wachsthumsbedingungen 179
- 2. Die Vorfrucht und Vorbereitung 180
- 3. Die Saat 181
- 4. Die Pflege 182
- 5. Die Ernte 183
- 2. Die ſchwediſche Luzerne184
- 3. Die Sandluzerne184
- 4. Die Hopfenluzerne184
- 5. Der Rothklee185
- Spielarten, Entwickelungsgeſchichte 185
- 1. Die Wachsthumsbedingungen 187
- 2. Die Vorfrucht und Vorbereitung 187
- 3. Die Saat 189
- 4. Die Pflege 189
- 5. Die Ernte 192
- 6. Der Incarnatklee193
- 7. Der Weißklee194
- 8. Die Serradella195
- 9. Die Eſparſette197
- 10. Die Lupine199
- 11. Der Grünraps und Grün-
rübſen201 - 12. Der Spörgel202
- 13. Der Grünbuchweizen203
- 14. Das Grüngetreide203
- 15. Der Mohar204
- 16. Der Grünmais206
- 17. Das Kleegemenge und Klee-
gras208 - 18. Das Miſchfutter216
- Seite
- Anhang.
- X.
Die Wieſen. - 1. Die Zuſammenſetzung der
Grasnarbe221 - 2. Die Entwäſſerung228
- 3. Die Bewäſſerung229
- Bewäſſerungsſyſteme 233
- a) Die Staubewäſſerung 235
- b) Der Hangbau 236
- c) Der Rückenbau 238
- Seite
- d) Der natürliche Wieſenbau 240
- e) Die Peterſen’ſche Drain-
bewäſſerung 241 - 4. Die Düngung244
- 5. Die Verjüngung246
- 6. Die Pflege248
- 7. Die Ernte250
- XI.
Die Weiden. - 1. Cultur der Weiden251
- 2. Ertrag der Weiden252
II.
Beſondere Pflanzenbaulehre.
Krafft, Lehrb. d. Landw. II. 1
[[2]][[3]]
Die beſondere Pflanzenbaulehre (beſondere Ackerbaulehre) hat die Aufgabe,
die natürlichen Bedingungen, welche in der allgemeinen Ackerbaulehre für das Wachs-
thum der Pflanzen feſtgeſtellt wurden, im Beſonderen für die einzelnen Culturpflanzen
Mitteleuropa’s auszuführen und das Culturverfahren anzugeben, durch welches —
abgeſehen von dem wirthſchaftlichen Vortheile — der größte Ertrag von der einzelnen
Pflanze erreicht werden kann.
Das Culturverfahren richtet ſich vorzugsweiſe nach dem Pflanzentheile, welcher
in erſter Linie zur Nutzung gelangen ſoll und auf deſſen höchſte Ausbildung daher
hinzuwirken iſt. Meiſt beſitzen Pflanzen der verſchiedenſten Art die gleichen nutzbaren
Theile; ſie erfordern daher die gleiche Cultur, weßhalb ſie zweckmäßig, unbeſchadet
ihrer Verſchiedenartigkeit in botaniſcher Hinſicht, in eine Gruppe zuſammengefaßt werden
können. In nachſtehender Ueberſicht ſtellen wir den möglicherweiſe zur Nutzung ge-
langenden Pflanzentheilen jene Pflanzengruppen und Pflanzen gegenüber, welche vor-
zugsweiſe wegen dieſer nutzbaren Theile angebaut werden:
- 1. Stärkemehlreiche Samen: Mehlfrüchte.
- 2. Proteïnreiche Samen: Hülſenfrüchte.
- 3. Oelhaltige Samen: Oelfrüchte.
- 4. Aetheriſches Oel enthaltende Samen:
Gewürzpflanzen. - 5. Aetheriſches Oel enthaltende Frucht-
ſtände: Hopfen. - 6. Fruchtſtände: Weberkarde.
- 7. Farbſtoffhaltige Narben: Safran.
- 8. Farbſtoffhaltige Blumenblätter:
Safflor, Malve. - 9. Farbſtoffhaltige Blätter: Waid, Wau.
- 10. Alkaloidhaltige Blätter: Tabak.
- 11. Baſtreiche Stengel: Geſpinnſtpflanzen.
- 12. Stärkemehlhaltige Knollen: Knollen-
früchte. - 13. Rohrzuckerhaltige Wurzeln: Wurzel-
früchte. - 14. Farbſtoffhaltige Wurzeln: Krapp.
- 15. Geſammte oberirdiſche Pflanzentheile:
Futterpflanzen.
Vorerſt iſt auf die wirthſchaftliche Bedeutung der jeweiligen Pflanzengruppe
aufmerkſam zu machen und weiterhin die Cultur der einzelnen, der Gruppe an-
gehörigen Pflanze näher auszuführen.
Die Lehre von der Cultur der einzelnen Pflanze hat wieder von der Ermitte-
lung der Arten und Spielarten auszugehen, die Entwickelungsgeſchichte für mindeſtens
eine Pflanze der betreffenden Gruppe anzudeuten, weiterhin die Bedingungen für das
Wachsthum feſtzuſtellen, welche Aufſchluß über die Verbreitung, über die Anſprüche
1*
[4]Beſondere Pflanzenbaulehre.
an Boden und Klima und über deren Einfluß auf die Abänderung der Pflanze
geben, die geeignete [Vorfrucht] und Vorbereitung (Beſtellung und Düngung) an-
zuführen und ſchließlich Anhaltspunkte zu gewähren für die Ausführung der Saat
(Auswahl des Saatgutes, Samengewinnung und Samenwechſel, Saat-Zeit, -Methode
und -Menge, Unterbringen des Samens), der Pflege (Schutz gegen nachtheilige
Witterungseinflüſſe, gegen ungünſtige Bodenzuſtände und gegen ſchädliche Pflanzen
und Thiere) und der Ernte (Zeitpunkt und Ausführung der Ernte, Ernteertrag).
Zur weiteren Vereinfachung der Darſtellung ſollen mit Rückſicht auf die Gleich-
artigkeit der Benutzung mehrere der obengenannten Pflanzen und Pflanzengruppen
zuſammengenommen werden.
Die beſondere Pflanzenbaulehre hat daher die Cultur der nachſtehenden Pflanzen-
gruppen zu umfaſſen:
- 1. Die Mehlfrüchte.
- 2. Die Hülſenfrüchte.
- 3. Die Oelfrüchte.
- 4. Die Gewürzpflanzen, den Hopfen und die Weberkarde.
- 5. Die Farbepflanzen.
- 6. Die Blattpflanzen.
- 7. Die Geſpinnſtpflanzen.
- 8. Die Knollen- und Wurzelfrüchte.
- 9. Die Futterpflanzen.
- Anhang: 10. Die Wieſen.
- 11. Die Weiden.
[5]Die Mehlfrüchte.
I.
Die Mehlfrüchte.
Die Mehl-, Getreide- oder Körnerfrüchte werden vorzugsweiſe wegen ihrer
Samen angebaut. Die Samen dieſer Pflanzen enthalten neben großen Mengen
von ſtickſtofffreien Nährſtoffen, 7.8 (Reis) bis 13.2 % (Weizen) Proteïnſtoffe. Be-
ſonders reich ſind ſie an Stärkemehl, von welchem der Reis den größten (74.5 %)
der Hafer den kleinſten (56.6 %) durchſchnittlichen Gehalt beſitzt. Der größte Theil der
Mehlfrüchte — die Cerealien, Halmfrüchte oder Hauptbrodfrüchte — dient zur Ernährung
der menſchlichen Bevölkerung. Durch den Anbau der Cerealien wird von derſelben
Fläche nahezu die vierfache Menge an ſtickſtoffhaltigen Nährſtoffen als wie durch den
Futterbau und die Gewinnung von Fleiſch producirt. Außerdem liefern die Körner
im rohen oder verarbeiteten Zuſtande ein ſehr werthvolles Viehfutter und das Roh-
material zur Bier-, Branntwein- und Stärkefabrication. Durch letztere Verwendungs-
art erlangen die Getreidefrüchte auch annähernd die Bedeutung von Fabrikspflanzen.
Nebenbei erhält man von den Getreidepflanzen Stroh, welches als Streu- und
Futtermaterial für die Nutzthiere oder zu verſchiedenen anderen Zwecken verwendet wird.
Gegenwärtig wird die Cultur der Getreidepflanzen am ausgedehnteſten in Ländern
betrieben, deren Cultur noch weniger entwickelt iſt. Die Gebiete von Südrußland,
Nordamerika und Ungarn ſind daher als die Getreidekammern für die übrige civili-
ſirte Welt anzuſehen. Urſache dieſer Erſcheinung iſt nicht nur die einfache Cultur,
die Eignung für faſt alle Bodenarten und die geringen Anſprüche an das Klima,
ſondern auch bei dem geringen Waſſergehalte (12—14 %) der Körner die Möglich-
keit der leichten Transportirung und Aufbewahrung der Letzteren.
Am häufigſten werden von den Mehlfrüchten in Mitteleuropa angebaut, aus der
Familie der
Gramineen: der Weizen (Triticum), der Roggen (Secale cereale L.),
die Gerſte (Hordeum), der Hafer (Avena), der Reis
(Oryza sativa L.), der Mais (Zea Mais L.), die Mohren-
hirſe (Sorghum vulgare Pers.), die Hirſe (Panicum
miliaceum L.).
Polygoneen: der Buchweizen (Polygonum fagopyrum L.).
Außerdem gelangen noch Gemenge verſchiedener Mehlfrüchte als Mengſaaten
zum Anbaue.
1. Der Weizen.
Der Weizen unterſcheidet ſich von den übrigen Getreidearten durch ſeine mehr-
blüthigen Aehrchen. Am häufigſten finden ſich in einem Aehrchen zwei, öfter drei
und bis zu fünf Blüthen. Die Frucht iſt entweder, wie bei dem eigentlichen
Weizen, nackt oder, wie bei dem Spelzweizen, derart mit den Spelzen vereinigt,
[6]Beſondere Pflanzenbaulehre.
daß ein Ausbringen durch Dreſchen nicht möglich. Beide Weizengruppen werden
entweder als Winter- oder Sommerfrucht angebaut und zählen eine große Zahl
von Arten und Spielarten:
A. Eigentliche Weizen. 1. Gemeiner oder weicher Weizen (Triticum
vulgare Vill.) ☉ ⚇. Die Spindel iſt zäh, die Aehrchen decken ſich zur Hälfte, die
Spelzen ſind weich. Die äußere Deckſpelze oft begrannt, oft unbegrannt. Die
eiförmigen, nackten Körner ſind an der Keimſeite ſtumpf und ſowohl an der Rücken-,
als auch an der Bauchſeite abgerundet. Die Spielarten werden häufig nach der
Aehrenlänge, Begrannung, Behaarung und Farbe der Aehrchen unterſchieden, ohne
daß dieſer Unterſcheidung bei der großen Veränderlichkeit der Spielarten (ſiehe weiter
unten) eine erhebliche Bedeutung zukommt. Mehr Beachtung verdient die Sonderung
der Spielarten nach der Farbe der Körner und der Beſchaffenheit des Bruches. In
dieſer Hinſicht unterſcheidet man:
a. Weizen mit weißen oder hellgelben Körnern und rein weißem, mehligem
Bruch. Dieſelben kommen am meiſten unter den Weizen von Auſtralien und Nord-
amerika, ſeltener unter den europäiſchen Weizen vor. Bekanntere Sorten ſind:
Auſtraliſcher Weizen aus Mount Barker, Victoriaweizen, Weißer Winter-Talavera-
weizen, Californiſcher Weizen, Frankenſteiner Weizen, Sandomir-Weizen ꝛc.
b. Weizen mit rothen Körnern und mehligem Bruch. Dieſelben ſind in
Frankreich, in der Schweiz, in Deutſchland, England häufig verbreitet. Sorten:
Gewöhnlicher Winterbartweizen, Fig. 1, Flandriſcher Kolbenweizen, Fig. 2, Probſteier
Weizen, Hallets genealogiſcher Nurſery-Weizen, Prinz Albert-Weizen, Blumenweizen ꝛc.
2. Glas- oder Hartweizen (Triticum durum Desf.) ☉ und ⚇, Fig. 3.
Dieſer Weizen unterſcheidet ſich von dem gemeinen Weizen durch einen glaſigen, hornigen
Bruch der Körner. Dieſe Beſchaffenheit des Endoſperms der Körner wird hervor-
gebracht durch das lückenloſe Aneinanderdrängen der Stärkekörner in dem eingetrock-
neten Protoplasma, in Folge deſſen die Zellen durchſichtig oder glaſig werden. In
den mehligen Körnern iſt das Protoplasma weniger ſtark entwickelt, es entſtehen daher
durch das Austrocknen bei der Reife zwiſchen den Stärkekörnern zahlreiche Luftlücken,
welche die Zellen undurchſichtig, mehlig erſcheinen laſſen. Der Glasweizen iſt ge-
wöhnlich begrannt. Die Spelzen ſind ledrig, hart, in Folge deſſen iſt die Frucht
nicht abgerundet, ſondern entſprechend den Falten der Spelzen eckig, ſcharfkantig. Der
Keim iſt länglich ſpitz, faſt vorgezogen.
c. Weizen mit harten, geſtreckten, kantigen, lichtgelben Körnern mit horniger
Bruchfläche. Dieſelben werden am häufigſten im Orient und in Oſteuropa angebaut.
d. Zahlreiche Mittelformen mit theilweiſe glaſigem, theilweiſe mehligem Bruch.
Zu denſelben gehören die Weizenſorten von Deutſchland, Weſt- und Nordeuropa.
Am meiſten verbreitet iſt derſelbe in Ungarn, Rumänien, Südrußland, Kanada, den
Vereinigten Staaten Nordamerikas.
e. Banaterweizen. Die Farbe der Körner dieſes harten, zu den kleinſten
Sorten zählenden Weizens iſt ein mit roth und bläulichem Aſchgrau gemiſchtes Wachs-
gelb. Ihrer Form nach ſtehen ſie in der Mitte zwiſchen den abgerundeten und
kantigen Körnern.
[7]Die Mehlfrüchte.
Aehre des gewöhnlichen
Winterbartweizens (Triticum
vulgare Vill.) ⚇.
Aehre des flandriſchen
Kolbenweizens (Triticum vulgare
Vill.) ⚇.
Aehre des Glas-
weizens. (Triticum durum
Desf.) ☉.
[8]Beſondere Pflanzenbaulehre.
Aehre des polniſchen
Weizens (Triticum polonicum L.) ☉
Aehre des rothen, engliſchen
Weizens (Triticum turgidum L.) ☉.
3. Polniſcher
Weizen. (Triticum
polonicum L.) ☉ F. 4.
Dieſer Sommerweizen
beſitzt große breit-
ſpelzige Aehren und
große glaſige Körner,
(Fig. 9) ſchilfartiges
Stroh. Dieſer Weizen,
auch ruſſiſcher Rieſen-
roggen genannt, braucht
viel Wärme, wenn ſein
Ertrag befriedigen ſoll.
Derſelbe wird noch
am häufigſten im ſüd-
lichen Spanien gebaut.
4. Engliſcher
Weizen. (Triticum
turgidum L.) ☉ u. ⚇.
Die Aehre iſt etwas
breitgedrückt, auf der
breiteren Seite zweizei-
lig, auf der ſchmäleren
geſchindelt. Die Hüll-
ſpelzen ſind durch einen
flügelartigen gekielten
Rücken gekennzeichnet.
Der Anbau des eng-
liſchen Weizens be-
ſchränkt ſich auf ſüd-
liche Länder. Sorten:
Rother engliſcher Wei-
zen, Fig. 5, Helena-
weizen, egyptiſcher Mu-
mienweizen, äſtiger
Wunderweizen ꝛc.
B. Spelzweizen,
1. Spelz oder Din-
kel, Beſen. (Triticum
Spelta L.) ☉ u. ⚇ Der
Halm des Spelzes iſt
ſteif, lagert ſich daher
[9]Die Mehlfrüchte
Aehre des weißen
Winter-Bartſpelzes (Triticum
Spelta L.) ⚇.
Aehre des weißen Som-
mer-Emmers (Triticum dicoccum
Schrank.) ☉.
Aehre des Einkorns (Triticum
monococcum L.) ⚇.
[10]Beſondere Pflanzenbaulehre.
ſeltener, die Aehre iſt ſeitlich zuſammengedrückt, die Spindel ſpröde und zer-
brechlich. Die Hüllſpelzen ſind abgeſtumpft und mit einem kurzen Zahn verſehen.
Die Frucht wird von den Deckſpelzen eng und feſt umſchloſſen und kann nur durch
Schälen (Gerben) auf eigens eingerichteten Mühlen (Gerbegang) von den Spelzen
abgeſondert werden. Der Spelz wird nur ſtellenweiſe in Oeſterreich, Südtirol, am
Rhein, in Baiern, Württemberg, Dänemark und in Spanien gebaut. Sorten:
Weißer Winter-Kolbenſpelz, Vögelsdinkel, blauer Sammt-Kolbenſpelz, rother, weißer
Wintergrannenſpelz, Fig. 6. Er iſt etwas weniger anſpruchsvoll als der gemeine
Weizen, mit welchem der Spelz in der Cultur vollſtändig übereinſtimmt.
Polniſcher Weizen 1)
(Triticum polonicum L.) ☉ —
a Karyopfe (Grasfrucht) Rückſeite;
b Bauchſeite: α Fruchtbaſis;
c Embryo: α Scheitel des Keims,
β Scutellum, γ Stamm, δ
Würzelchen; d Längsſchnitt
durch die Frucht: α Scutellum,
β Knöspchen, γ Primordial-
blättchen, ε Würzelchen, η
Fruchtbaſis.
b.Emmer, Zweikorn. (Triticum dicoccum
Schrank.) ☉ und ⚇ Der Emmer beſitzt eine gedrungene,
zweizeilige Aehre mit zweifrüchtigen Aehrchen. Dieſer
Spelzweizen wird nur im mittleren und ſüdlichen Europa
(Spanien) in geringer Ausdehnung cultivirt. Sorten:
Weißer Sommeremmer, Fig. 7, Reisdinkel, ſammtartiger
Winteremmer, ägyptiſcher Spelz ꝛc.
7. Einkorn. (Triticum monococcum L.) ☉ und
⚇ Fig. 8. Ausgezeichnet durch ſeine gedrungene, breit-
gedrückte, zweizeilige kleine Aehre mit einfrüchtigen Aehr-
chen. Daſſelbe wird meiſt als Winterfrucht in der Schweiz,
in Schwaben und in ſüdlichen Ländern, doch ſelten in grö-
ßerer Ausdehnung gebaut.
Aus dem Leben der Weizenpflanze (Triticum vulgare),
als deren muthmaßliche wilde Stammformen der Boeotiſche
(Triticum boeoticum Boiss.) und der Thaoudar-Weizen
(T. Thaoudar Boiss.), nach Anderen fälſchlich der Gerſtenwalch
(Aegilops ovata L.) und der weizenartige Walch (Aegilops
triticoides Link.) anzuſehen ſind, heben wir als Beiſpiel für
die Wintergetreidearten Folgendes mit Rückſicht auf ihre
Cultur hervor:
Die erſte Lebensthätigkeit geht von dem Samen aus. Die Figur 9 zeigt in a die
Rückſeite, in b die Bauchſeite des Weizenſamens, richtiger der Weizenfrucht. d gibt einen
Längsſchnitt durch die Frucht, c den losgelöſten Keim. Seine volle Keimfähigkeit behält
der Weizenſame, wenn er auf dem Schüttboden aufbewahrt wird, nur durch drei Jahre,
dennoch empfiehlt es ſich nur überjährigen Samen auszuſäen, da dieſer von dem Stein-
brandpilze — deſſen Sporen nach den Unterſuchungen von J. Kühn ſchon nach dem zweiten
Jahre ihre Keimfähigkeit verlieren — viel weniger zu leiden hat.
Die Entwickelung des Keimes erfolgt nach Haberlandt (Landw. Verf.-Stat. XVII, 104)
noch bei einer Temperatur von 4.75°C., während A. Uloth in einem Eiskeller in einigen
Eisbrocken vollſtändig entwickelte Keimpflanzen von Weizen vorfand. Die obere Tem-
peraturgrenze, bei welcher noch ein Keimen ſtattfinden kann, liegt nach Haberlandt zwiſchen
31 und 37°C. Wird der Same zu tief in den Boden gebracht, ſo erreicht von den Keim-
pflanzen nach Jörgenſen bei 20.8 Cm. kaum mehr ein Procent die Oberfläche des Bodens.
[11]Die Mehlfrüchte.
Je nach der Beſchaffenheit des Bodens wird daher der Weizenſamen in einer Tiefe von
2.5—4 Cm. am ſicherſten die Bedingungen zum Keimen finden.
Je nach der Saattiefe und der Witterung verſtreichen bis zum Sichtbarwerden der
Weizenſaat — bis die erforderliche Wärme-Summe von 100—138°C. aufgebracht wird —
16—20 Tage. Von den aufkeimenden Körnern entwickelt jedoch nur ein Theil vollſtändige
Pflanzen. Iſidore Pierre (Compt. rend. XLVII.) fand von 408 im Verhältniſſe von
2.35 Hektoliter per Hektar auf 1 □Meter ausgeſäeten Körnern zur Erntezeit nur 146
Pflanzen, mithin ſind 262 Körner oder 64 % der Saatmenge verloren gegangen — in der
Erde verfault, von Feldmäuſen ꝛc. gefreſſen oder ſonſt wie zu Grunde gegangen.
Das weitere Wachsthum der Weizenpflanze erfordert eine mittlere Jahrestemperatur
von 3.7°C. und eine mittlere Sommertemperatur von 14.0°C. Ueber die minimalen
Nährſtoffmengen, welche die Weizenpflanze im Boden beanſprucht, liegt nur die Angabe
von Hellriegel vor, daß 70 Theile aſſimilirbarer Stickſtoff in 1 Million-Theile Boden ent-
halten ſein müſſen, wenn noch ein Maximalertrag gewährleiſtet ſein ſoll.
Das Wachsthum der Weizenpflanze erfolgt ziemlich raſch. Nach den Meſſungen von
W. Bernatz (Landw. Centralbl. f. D. XVI. I. S. 126) verlängerte ſich ein Weizenhalm
in 7 Tagen um 230 Mm., wovon 119 Mm. auf die Nachtſtunden und 111 Mm. auf die
Tageszeit entfielen. Die Geſammtlänge der Wurzelfaſern, welche durchſchnittlich 2—3 Mm.
lang werden, erreicht nach Nobbe (Landw.-Ver.-Stat. XI. 110) bei einer Sommerweizenpflanze
520 Meter. Die Wurzeln des Weizens gehen nach C. Fraas (Wurzelleben der Cultur-
pflanzen, Berlin 1872) nie tiefer als 0.46—0.63 Meter, weshlab die Bodennahrung leicht
zugänglich ſein muß. Ein Uebermaß derſelben ſchmälert jedoch durch die üppige Halm-
entwickelung den Körnerertrag. Aus den unteren Knoten entwickeln ſich bei ungehinderter
Lichteinwirkung zahlreiche Seitentriebe, Schoſſe, und zwar nach den Zählungen von J. Pierre
bei einem Wachsraume von 63 □Cm. im Mittel 3—4 per Pflanze. Gegenüber dieſer
mittleren Beſtockung ſteht die ungewöhnliche Beſtockung einer auf einem fruchtbaren Boden
und bei frühzeitigem Anbaue in Dalmatien gewachſenen Weizenpflanze, welche nach einem
Berichte von Haberlandt (Landw. Centralbl. f. D. 1869 März) aus einem Korne 130
ährentragende Halme entwickelte, im Ganzen 1.112 Kilogr. wog und 6855 Körner im Ge-
wichte von 0.218 Kilogr. trug. Aus den Seitenſproſſen kommen, ſo lange keine Verholzung
eingetreten iſt und je mehr dieſelben der Beſchattung und der Feuchte ausgeſetzt ſind, zahlreiche
Seitenwurzeln hervor. Wie ſehr die ungehinderte Einwirkung der Wachsthumsfactoren die
Entwickelung der Pflanze begünſtigt, ergibt ſich aus den Blattmeſſungen von Dr. Gohren,
nach welchen ſich durch das Drillen die geſammte Blattfläche einer Weizenpflanze gegenüber
der breitwürfigen Saat um 72 % vergrößert hat. Je größer die
Blattfläche, um ſo mehr Waſſer verdunſtet die Pflanze, und um
ſo mehr Trockenſubſtanz wird producirt. Nach Dietrich verdunſtet
der Weizen auf je 100 Gramm producirter Trockenſubſtanz
30.000 Gramm Waſſer.
Die Zahl der Aehren beträgt nach den Unterſuchungen von
Pierre im Mittel 2 und 1.5 per Pflanze, bei einem Ertrage, welcher
für ein Hektar 38.5 und 26 Hektoliter entſpricht. Jede Aehre hatte
im Mittel 1064 und 706 lufttrockene Körner mit 15 % Waſſer. In
100 Gramm Körner fanden ſich 2440 und 2500 Körner, mithin
hatte ein Korn ein Gewicht von 41 und 40 Mgr., woraus ſich be-
rechnet, daß jede Aehre 3—40, im Mittel 25.7 und 17.7 Körner
enthielt. Von jenen 25.7 Stück Körner per Aehre waren 23.91 voll-
kommen und 1.79 unvollkommen entwickelt.
In der Weizenähre ſind regelmäßig die oberen und unteren
Körner merklich kleiner, als die mittleren. Nathuſius-Königsborn
[12]Beſondere Pflanzenbaulehre.
(Anal. d. L. i. d. k. pr. St. XXII. S. 78) fand für die einzelnen Körner in derſelben
Reihenfolge und Nebeneinanderſtellung, wie ſie an der Aehre paarweiſe oder einzeln vor-
kommen, die auf Seite 11 ſtehenden Gewichtszahlen in Grammen.
In dem Maße, als die Frucht ausreift, wandern die in den Halmtheilen enthaltenen
Stoffe allmählig in dieſelbe. Die eingewanderten Stoffe werden entweder zur Ausbildung
der Frucht verwendet oder als Reſerveſtoffe in der Frucht aufgeſpeichert. Die näheren Vor-
gänge während des Reifens des Getreides wurden ſchon Band I, Seite 263, ausführlich
beſprochen.
Weitere Details über die Natur und die Entwickelung der Weizenpflanzen wurden ſchon
an verſchiedenen Orten mitgetheilt; dieſelben können, wie auch bei den übrigen Culturpflanzen,
leicht mit Hilfe des Sachregiſters nachgeſehen werden.
1. Die Wachsthumsbedingungen.
Die Verbreitung der verſchiedenen Weizenarten erſtreckt ſich über alle Länder der
Erde; die geernteten Mengen ſtehen jedoch gegenüber jenen an Reis und Mais zu-
rück. Der Weizen verlangt, um mit Erfolg angebaut zu werden, eine mittlere Jahres-
temperatur von mindeſten 3.75°C. und eine Sommertemperatur von 14°C. Der
Weizenbau erreicht daher ſeine Grenze in Schottland bei 58°, in Skandinavien bei
64°, in Rußland bei 60° und in Nordamerika bei 50° nördlicher Breite. In rau-
hen Gebirgsgegenden kommt er nicht mehr fort, wenn er auch weniger als der Roggen
dem Ausfrieren unterliegt. Am Südabhange der Alpen finden ſich noch Getreide-
felder bei 1264 Meter Erhebung über der Meeresfläche. Die Vegetationsdauer des
Winterweizens beträgt vom Anbaue bis zur Ernte in unſeren Breiten 284—340
Tage, des Sommerweizens 120—140, des Winterſpelzes 280—308 und des
Sommerſpelzes und Emmers 126—140 Tage. Der Winterweizen bedarf, die Winter-
monate nicht eingerechnet, bis zur Ernte eine Wärmeſumme von 2563—3087°C.
Bei der weiten Verbreitung des Weizens liegt es nahe, daß die Eigenſchaften
deſſelben unter dem Einfluſſe der Verſchiedenartigkeit des Klimas auf die mannig-
faltigſte Weiſe abgeändert werden. Dieſe Abänderungen1) beziehen ſich ſowohl auf
die Beſchaffenheit des Halmes, der Aehre und der Körner, als auch auf die Vege-
tationsdauer und die chemiſche Zuſammenſetzung des Weizens.
Regenreiche Gegenden befördern die Längenentwickelung des Strohes, während
plötzlich eintretende heiße und trockene Sommer die Ausbildung von kurzem und leich-
terem Stroh begünſtigen. Weizen aus regenreicheren Gegenden geben unter ſonſt
gleichen Verhältniſſen längeres und ſchwereres Stroh als Weizenſorten aus regen-
armen Bezugsorten.
Die Beſtockung des Weizens wird durch ein feuchtes Klima begünſtigt, weshalb
an ſolchen Oertlichkeiten leichter Lagerfrucht eintritt, als in Gegenden, in welchen das
Ausſchoſſen der Halme durch trockene Sommerperioden beeinträchtigt wird.
Noch augenſcheinlicher als auf den Halm wirken die klimatiſchen Verſchieden-
heiten auf die Form und Farbe der Aehren und Körner. Dieſe Thatſache bedingt
[13]Die Mehlfrüchte.
die Unbeſtändigkeit der zahlreichen Weizenſpielarten. Ein trockenes, warmes Klima
begünſtigt die Entſtehung der begrannten Weizenſpielarten (Bartweizen). Der Bart-
weizen, in einem kühlen und feuchten Klima gebaut, verliert jedoch allmählig ſeine
Grannen und verwandelt ſich in den unbegrannten Weizen (Kolbenweizen).
Erhält der Weizen, wie z. B. in Gebirgsgegenden, unzureichende Wärmemengen,
ſo bleiben die Aehren kurz und die Körner klein (Igelweizen). Feuchte, warme Ge-
gend begünſtigt dagegen die Veräſtelung und das anſcheinend üppigere Wachsthum
der Aehrchen (Wunderweizen).
Die Varietäten des Sommerweizens machen in einem Vegetationsjahre alle ihre
Entwickelungsphaſen durch, während die Winterweizen vorher noch eine länger dauernde
Beſtockungsperiode im Herbſte benöthigen. Der Winterweizen, im Frühjahre an-
gebaut, wird ſich zwar beſtocken, gelangt aber nur ausnahmsweiſe zur Halmbildung.
Der Sommerweizen, im Herbſte ausgeſäet, wird dagegen meiſt durch die Winterkälte
vernichtet werden. Je nördlicher der Anbauort, um ſo größer wird dieſer Unterſchied
zwiſchen Sommer- und Winterfrucht. Durch mehrjährigen Anbau derſelben Körner-
ſorte im Frühjahre und im Herbſte gelingt es jedoch, den ſogenannten Wechſelweizen
zu erziehen, welcher mit gleichem Erfolge in beiden Saatzeiten gebaut werden kann.
In Gegenden (Südoſteuropa) mit continentalem Klima, welches ſich durch raſches
Steigen der Temperatur im Frühjahre und durch Regenmangel im Sommer kenn-
zeichnet, entſtehen frühreifende, in feuchtem, kühlem Klima dagegen ſpätreifende Weizenſorten.
In Betreff der chemiſchen Zuſammenſetzung der Weizenkörner bedingen hohe
Sommerwärme und geringer Regenfall hohen Stickſtoffgehalt (Max. 3.97 %) in den
producirten Weizenſorten. In der That ſteigt in Europa der Stickſtoffgehalt des
Weizens mit der von Weſt nach Oſt vorrückenden Lage des Anbauortes. Mit der
Vermehrung des Stickſtoff- oder Proteïngehaltes ſteht die Glaſigkeit der Weizenkörner
im Zuſammenhange. 100 Theile glaſiger Weizenkörner enthielten 69.84 Theile
Stärke und Zucker und 12.54 Theile Proteïn; mehlige Weizenkörner 73.85, reſp.
8.58 Theile. Durch ein trockenes, warmes Klima wird daher die Bildung von
Weizenkörnern mit glaſigem Bruch begünſtigt, während in einem feuchten, kühlen
Klima die Körner mehlig werden.
Der Weizen beanſprucht gebundenere Bodenarten, welche ſich in trockenen Ge-
bieten länger als lockere Bodenarten friſch erhalten. Für den Weizen als Winter-
getreide ſind vorzugsweiſe geeignet die Thonböden und der ſtrenge Lehmboden, welche
wegen dieſer Eignung kurzweg von den praktiſchen Landwirthen als „Weizenböden“
bezeichnet werden. In kühleren, feuchteren Gegenden hat die Gebundenheit des Bo-
dens weniger Bedeutung. In warmen Gegenden gedieht der Weizen am beſten auf
tiefgründigem Boden, welcher durch Grundwaſſer ſtets feucht erhalten wird. Der
ſtrenge Thonboden, der naſſe Lehmboden, der loſe Sandboden, der Flugſand und
der Moorboden ſind für die Weizencultur ausgeſchloſſen. Ebenſo ſind ſehr trockene
und ſehr naſſe Bodenarten wegen der Gefahr des Auswinterns beſonders für das
Wintergetreide untauglich. Weniger gebundene Bodenarten eignen ſich noch am beſten
für den Winterſpelz und den Sommer-Emmer.
[14]Beſondere Pflanzenbaulehre.
Die Nährſtoffanſprüche einer Weizenernte von einem Hektar ſteigen mit der zu-
nehmenden Entwickelung der Pflanzen. Nach J. Pierre 1) berechnen ſich dieſelben für
verſchiedene Entwickelungsperioden, wie folgt:
Nach den angeführten Zahlen iſt die größte Erſchöpfung des Bodens durch die
Weizenernte ſchon eingetreten, wenn der Weizen abgeblüht hat.
2. Die Vorfrucht und Vorbereitung.
Der Weizen gedeiht am beſten nach reiner Brache, indem dieſe den Boden in
einem friſchen, gahren Zuſtande zurückläßt, der für das Wachsthum der Weizenpflanze
am zuträglichſten iſt. Nach der Brache wird, je kühler die Gegend und je bindiger
der Boden, um ſo mehr Zeit zur ausreichenden Bearbeitung des Feldes verfügbar
ſein und um ſo zeitlicher wird der Anbau des Weizens erfolgen können. In trocke-
nen Gegenden wird der Ertrag des Wintergetreides nach Brache dadurch geſichert,
daß ein gebrachter Boden mehr Feuchtigkeit enthält, als ein Boden, auf welchem
Pflanzen geſtanden. Hält man keine reine Brache, ſo wird dem Weizen, als der hervor-
ragendſten Körnerfrucht, der beſte Platz in der Fruchtfolge auf unkrautreinen Feldern an-
gewieſen. In dieſer Beziehung eignet ſich vorzüglich als Vorfrucht für den Weizen der
nach gedüngter Brache oder Grünfutter gebaute Raps. Gleich werthvoll als Vorfrucht iſt
die den Boden ſtark beſchattende Pferdebohne, die Erbſe, der Tabak. Ebenſo gedeiht
der Weizen vorzüglich nach gut beſtandenem Klee, Grünmais oder Miſchling, deren
Wurzelrückſtände viele Nährſtoffe zur Auflöſung bringen. Die Wurzelfrüchte und
der Körnermais ſind nur bedingungsweiſe gute Vorfrüchte für den Winterweizen.
Dieſelben räumen meiſtens das Feld zu ſpät und hinterlaſſen den Boden in zu
ſtark gepulvertem und trockenem Zuſtande. Bei feuchter Herbſtwitterung und auf
gebundenem Boden kann der Weizen noch am eheſten nach dieſen Vorfrüchten gebaut
[15]Die Mehlfrüchte.
werden. Am ungeeignetſten iſt der Weizen ſelbſt als Vorfrucht, indem, abgeſehen von
der Bodenerſchöpfung, die blattarmen Halmfrüchte den Boden verdichten und den Ge-
halt an Humusſubſtanzen verringern, ohne durch reichlichere Ernterückſtände einen
Erſatz zu bieten. Folgen zwei Halmfrüchte nach einander, ſo wird dieſe Verſchlech-
terung des phyſikaliſchen und chemiſchen Bodenzuſtandes beträchtlich geſteigert. Am
eheſten bieten noch, wenn auch nur geringe Vorfrüchte für Weizen, die Wintergerſte
und der Winterroggen. Der Spelz erfordert dieſelben Vorfrüchte wie der Weizen.
In Wirthſchaften mit ausgedehntem Hackfruchtbau vermindert ſich die Fläche für
den Winterweizen, da dieſer nur auf den früh geräumten Schlägen gebaut werden
kann. Die ſpät geräumten Felder beſtellt man dann zweckmäßiger mit Sommer-
weizen. Letzterer kann auch noch an Stelle eines über Winter zu Grunde ge-
gangenen Winterweizens nach deſſen Umbruche ausgeſäet werden.
Bei der reichlichen, wenn auch größtentheils flach gehenden Wurzelverbreitung des
Weizens bedarf derſelbe eine geringere Menge an aufnehmbarer Pflanzennahrung, als
Gewächſe mit weniger verzweigter Wurzel. Der Weizen kann daher bei leichterem
Boden in zweiter und bei ſchwererem Boden in dritter Tracht (Jahr) nach der Dün-
gung gebaut werden. Düngung mit friſchem Stallmiſt im Weizenſchlage ſelbſt iſt
zu vermeiden, da in dieſem Falle, je feuchter das Klima, um ſo eher das Lagern
des Weizens eintreten kann. Der Spelz, der ein ſteiferes Stroh beſitzt, kann jedoch
unbeſchadet in friſcher Düngung gebaut werden. Entſprechend ſeinem Bedarfe an
Pflanzennährſtoffen empfiehlt ſich eine Düngung mit größeren Mengen Knochenmehl
unter Beigabe von Kalifalzen. Dieſelben können auch, ſowie geringere Stallmiſt-
mengen, nach der Saat als Kopfdüngung angewendet werden. Nach den oben mit-
getheilten Unterſuchungen von Pierre kann ſich der Einfluß des Düngers bis zum
Momente des Aehrenanſatzes noch auf ſehr wirkſame Weiſe geltend machen. Nach
Beendigung der Blüthe iſt jede Zufuhr von Dünger nicht nur unwirkſam, ſondern
ſelbſt nachtheilig. Iſt es dem Landwirthe darum zu thun, Körner von mehliger
Beſchaffenheit zu gewinnen, ſo bleibt oft nichts Anderes übrig, als eine ſtarke, na-
mentlich ſtickſtoffreiche Düngung direct zu Weizen zu vermeiden, nachdem dieſe bei
Gegenwart von Aſchenſalzen unzweifelhaft eine reichlichere Erzeugung von Proteïn-
ſubſtanzen in der Pflanze begünſtigt. Soll umgekehrt glaſiger Weizen producirt
werden, ſo muß man durch die Düngung den Stickſtoffgehalt des Bodens — die
Bedingung zur reichlichen Erzeugung von eiweißartiger Subſtanz — nach Möglich-
keit zu vermehren ſuchen.
Die Vorbereitung des Bodens zur Weizenſaat iſt je nach der Vorfrucht und
dem Zuſtande des Feldes verſchieden. Bei derſelben iſt unter allen Umſtänden zu
beachten, daß der Boden möglichſt rein von Unkraut hergeſtellt, jedoch nicht zu ſtark
gepulvert werde. Die letzte Furche iſt womöglich längere Zeit vor der Saat aus-
zuführen, um den Samen nicht auf hohles Land auszuſäen und den Weizen gegen
das Ausfrieren mehr zu ſichern.
Nach der Raps- und Rübſenernte iſt der Zeitraum bis zur Weizenſaat lang
genug, um eine mehrmalige Bearbeitung mit dem Pfluge ausführen zu können.
[16]Beſondere Pflanzenbaulehre.
Gewöhnlich pflügt man nach der Oelfrucht zweimal; das erſtemal flach, indem man
entweder quer über die Kämme, auf welchen der Raps geſtanden war, ſtürzt, oder
durch verſchieden tiefes Pflügen nach der Länge die Kämme auszugleichen ſucht. Das
Keimen der ausgefallenen Rapskörner wird durch Uebereggen begünſtigt und die auf-
gelaufenen Pflanzen durch wiederholtes Eggen zerſtört. Das Feld bleibt dann bis zur
zweiten Furche, welche zur erforderlichen Tiefe zu geben iſt, unberührt liegen, damit
die untergepflügten Rapsſtoppeln verfaulen.
Die Beſtellung nach Klee kann ein- oder mehrfurchig erfolgen, je nach der Ver-
unkrautung und dem Lockerungszuſtande des Bodens. In einem mäßig feuchten Klima,
welches die Bildung großer Schollen nicht zuläßt, genügt oft eine Ackerung auf
18—20 Centim. oder ein Doppelpflügen mit zwei verſchieden tief geſtellten in der-
ſelben Furche gehenden Pflügen. Der Klee kann dann um ſo länger durch Weide
ausgenützt werden. Bei mehrjährigem Klee und trockenem Klima ſind oft zwei
Ackerungen und ſelbſt eine halbe Brache erforderlich, wenn man nicht in dieſem Falle
vorzieht, dem Klee eine Sommerhalmfrucht folgen zu laſſen. Die erſte Ackerung
wird tiefer zu geben ſein, damit die Kleeſtoppel, in tiefere und feuchtere Bodenſchichten
gebracht, leichter verfaulen kann. In feuchten Gegenden wird dagegen das Verfaulen
der Kleeſtöcke durch flaches Abſchälen der Stoppeln und durch Anwalzen beſchleunigt.
Nach frühem Grünfutter beſtellt man den Weizen mit 2 Pflugfurchen, nach
ſpätem, welches ſchon im Frühjahre eine Lockerung erhielt, nur einfurchig. Ebenſo
wird der Weizen nach Hülſen- und Hackfrucht nur einfährig beſtellt.
Erhält der Weizen eine Düngung mit Stallmiſt, ſo wird derſelbe nicht zur
letzten Saatfurche, ſondern zur vorangegangenen Furche aufgefahren. Im Falle auf
dem betreffenden Gute keine tief bearbeiteten Hackfrüchte gebaut werden, empfiehlt es
ſich, dem Winterweizen eine Tiefackerung zu geben.
3. Die Saat.
Zur Saat wählt man, abgeſehen von den allgemeinen Anforderungen an ein
gutes Saatgetreide, die ſchwerſten Körner, den Vorſprung, nachdem dieſelben das
beſte Erntereſultat verſprechen. Für kleine Saatquantitäten empfiehlt ſich das als
„Pedigree“ bezeichnete Saatzuchtverfahren von F. Hallet. Daſſelbe beruht auf der
Auswahl der kräftigſten Aehre, von welcher wieder das ſchwerſte und am kräftigſten
entwickelte Korn, das ſich gewöhnlich in der Mitte der Aehre befindet, zum Anbaue
genommen wird. Im Großen muß man ſich jedoch darauf beſchränken, das durch
eine Sortirmaſchine abgeſonderte ſchwerſte Saatgut, welches per 1 Hektoliter minde-
ſtens ein Gewicht von 67 Kilogr. haben ſoll, zu verwenden.
Beachtenswerth iſt es, den Samen zur Saat durch den Handdruſch zu ge-
winnen, vornehmlich dann, wenn der Same zur Verhütung des Steinbrandes mit
Kupfervitriol gebeitzt werden ſoll. Der mit der Maſchine gedroſchene Weizen be-
kömmt leicht Brüche und Riſſe, welche das Eindringen des Beizmittels zu dem Keime
erleichtern, wodurch deſſen Lebensfähigkeit vernichtet wird. Mit Kupfervitriol gebeizter
[17]Die Mehlfrüchte.
Same gab bei Handdruſch und Ausreiben nur 2—4 % 1), dagegen bei Maſchinen-
druſch, beſonders bei raſchem Gange und Patentelevator 62 % nicht keimfähiger
Körner. Nach Nobbe 2) zeigt das von einem gebeizten Korne erzeugte Pflänzchen
zum mindeſten ein auffallend geſchwächtes Wurzelſyſtem. Durch das ſtarke Ab-
ſorptionsvermögen des Bodens für Kupfer wird jedoch dieſer nachtheilige Einfluß des
Kupfervitriols, ſobald das Korn in die Erde gelangt, abgemindert. Für die Stärke
und Dauer des Kupferbades iſt das von J. Kühn (Bd. I. d. Lehrb. S. 243) angegebene
Verfahren zu empfehlen. Unterläßt man das Beizen, ſo ſoll man wenigſtens zwei-
jährigen Samen zur Ausſaat verwenden, nachdem die Sporen des Steinbrandpilzes nach
einem Jahre ihre Keimfähigkeit größtentheils verlieren. Mit Rückſicht auf den
Samenwechſel empfiehlt F. Haberlandt frühreifende Weizen aus ſüdöſtlichen Ländern
Europa’s zu beziehen und zur Saat zu verwenden. Dieſelben an nördlich oder
weſtlich gelegenen Punkten Europa’s gebaut, entwickeln ſich raſcher als die einheimi-
ſchen und zeigen ſich gegen Hitze und Trockene des Sommers widerſtandsfähiger
und gegen die Fröſte weniger empfindlich. Sie gewähren nicht nur die höchſten Er-
träge, ſondern auch das größte Gewicht per Hektoliter. Umgekehrt werden ſpät-
reifende Weizen aus nördlichen, feuchten Gegenden in ſüdlichen Gegenden mit con-
tineutalem Klima unſichere Erträge gewähren.
Der ausgewählte, keimfähige Samen muß rechtzeitig ausgeſäet werden, damit ſich
die Pflanzen noch vor dem Eintritte der Winterkälte beſtocken können. Bei einer
mittleren Tagestemperatur von 8°C. hört jede weitere Beſtockung auf, während
erſt bei 5 °C. das Keimen der Weizenkörner ſein Ende erreicht. Um eine gehörige
Beſtockung zu ermöglichen, welche allein den Weizen gegen die Beſchädigungen während
des Winters ſichert, muß mindeſtens 4—6 Wochen vor dem Schluſſe der Beſtockung
angebaut werden. Der Weizen kann jedoch noch eher als der Roggen eine Spät-
ſaat ohne Nachtheil vertragen, da er im Frühjahre ſpäter als dieſer die Halme aus-
bildet, ausſchoßt. Eine frühzeitige Saat iſt um ſo empfehlenswerther, als die Be-
ſtockung, welche — die erforderliche Menge an Wärme und Feuchtigkeit vorausgeſetzt
— hauptſächlich durch das directe ſonnenlicht befördert wird, und daher bei der
länger dauernden und im Frühherbſte noch intenſiveren Einwirkung des Lichtes um ſo
reichlicher erfolgen kann.
Abgeſehen von ungünſtiger Witterung, werden frühgeſäete Weizenkörner größere
Sicherheit des Aufgehens und die Gewähr eines größeren Ernteertrages bieten.
Beachtenswerth iſt die Thatſache, daß ſpätgeſäeter Weizen im Frühjahre zur gleichen
Zeit wie frühgeſäeter zu ſchoſſen beginnt, weshalb ein Ausfall am Ertrage bei
Erſterem leicht erklärlich iſt, indem jener nicht ausreichende Zeit gehabt hat, die zu
einer kräftigen Entwickelung erforderlichen Mengen an Bildungsſtoffen zu aſſimiliren.
In ſehr kühlen und rauhen Gegenden wird der Anbau des Weizens bereits Ende
Auguſt vorgenommen. In Mitteldeutſchland beginnt man, wenn die mittlere Tages-
Krafft, Lehrb. d. Landw. II. 2
[18]Beſondere Pflanzenbaulehre.
temperatur auf 16—8.8°C. herabgegangen iſt, etwa in der erſten Hälfte des Sep-
tembers. In wärmeren Ländern ſäet man Anfang October bis in den November
hinein. Der Spelz wird gewöhnlich etwas ſpäter als der Weizen angebaut. Der
Sommerweizen wird möglichſt frühzeitig ſchon Mitte März bis in der erſten Hälfte
des Aprils geſäet.
Die Saatmenge richtet ſich nach der Keimfähigkeit des Samens, der Saatzeit,
der Vorbereitung und Beſchaffenheit des Feldes. Je beſſer das Feld, je frühzeitiger
die Saat und je qualitätvoller der Same, um ſo weniger Saatgut iſt im Allgemei-
nen erforderlich. Bei trockener Witterung iſt mehr zu ſäen, als wenn der Boden
ausreichend mit Feuchte verſorgt iſt. Die angewendete Saatmethode hat gleichfalls
einen bedeutenden Einfluß auf die Menge des Saatgutes. Vom Winterweizen ſäet
man breitwürfig per Hektar 2—3 Hektoliter, gedrillt 1.6—2.2 Hektoliter. In ſehr
günſtigem Klima und kräftigem Boden kann das Saatgut, gleichmäßige Unterbringung
vorausgeſetzt, ſelbſt noch ſchwächer als 2 Hektoliter genommen werden. Bei dem
Sommerweizen ſchwankt die Saatmenge zwiſchen 2.2—3 (breitwürfig) und 2—2.4
Hektoliter (gedrillt). Die Saatmenge bei dem Spelz beträgt breitwürfig 5—7 Hek-
toliter; bei dem im zeitlichen Frühjahre gebauten Sommeremmer 4.5—6 Hektoliter.
Zur Keimung benöthigt der Weizen im Verhältniſſe zu anderen Samen weniger
Waſſer. Nach den Unterſuchungen von Rob. Hoffmann 1) nimmt der Weizen bis
zur Keimung, welche nach 48 Stunden beginnt, 45.5 % Waſſer auf, während z. B.
die Erbſen in derſelben Zeit 106 %, der Rothklee in 72 Stunden 126 % Waſſer
aufnehmen.
Ein tieferes Unterbringen des Weizenſamens als 8 Centim. iſt für das ſichere
Aufgehen der Saat von Nachtheil. In feuchten Gegenden und feuchtem Boden wird
der Weizen ſchon bei 4 Centim. die günſtigſten Bedingungen zum Keimen finden.
Legt man den Samen tiefer, ſo iſt nicht nur der Zutritt des Sauerſtoffes der Luft
gehemmt, ſondern auch der Same der Gefahr des leichteren Verfaulens ausgeſetzt.
In trockenem Boden wird der Same erſt bei 8 Centim. die nöthige Feuchte zum
Keimen finden. In Lagen, welche ein Auswintern des Weizens begünſtigen, wird
ein ſeichteres Bedecken mit Boden dem tieferen Unterbringen vorzuziehen ſein. Im
erſteren Fall wird der Weizen durch die frühzeitigere Bildung der bleibenden Kronen-
wurzeln gegen das Auswintern mehr geſchützt ſein. Bei einem tiefgelegten Weizen-
korne muß wie bei jedem Getreideſamen ein bis zur Oberfläche des Bodens geſtrecktes
Stengelglied ausgebildet werden, an welchem ſich erſt unter der Bodenoberfläche die
Kronenwurzeln entwickeln. In trockenen Gegenden wird der Same am beſten und
gleichmäßigſten mit der Drillmaſchine in die erforderliche Tiefe untergebracht. Die
Drillreihen werden enge, bis auf 10—16 Centim. entfernt gehalten. Breitwürfige
Saaten ſind auf friſchem Boden unterzueggen, auf trockenem Boden mit dem
Exſtirpator, dem ſeicht geſtellten Pflug oder noch beſſer mit dem Saatpfluge unter-
zubringen.
[19]Die Mehlfrüchte.
Ueber die geeignetſte Saattiefe des Weizens theilt Buckmann 1) einen Verſuch mit, aus
welchem hervorgeht, daß bei gewöhnlichem Weizenboden ein Unterbringen auf 2.6—5.2 Centim.
die beſte Saattiefe iſt:
Bei den Verſuchen gingen die Samen auf
- bei 1.3 Centim. Tiefe in 11 Tagen und entwickelten ſich ⅞ Pflanzen,
- „ 2.6 „ „ „ 12 „ „ „ „ ſämmtliche Pflanzen,
- „ 5.2 „ „ „ 18 „ „ „ „ ⅞ Pflanzen.
- „ 7.9 „ „ „ 20 „ „ „ „ ¾ „
- „ 10.5 „ „ „ 21 „ „ „ „ ½ „
- „ 13.2 „ „ „ 22 „ „ „ „ ⅜ „
- „ 15.8 „ „ „ 23 „ „ „ „ ⅛ „
4. Die Pflege.
Der Weizen kann gegen nachtheilige Witterungseinflüſſe, wie jede andere
Pflanze, nur wenig geſchützt werden. Die Winterkälte ſchadet unmittelbar durch das Er-
frieren der Pflanzen, beſonders dann, wenn durch längere Froſteinwirkung auf lockerem,
trockenem Boden, die Bodentemperatur tiefer unter Null ſinkt. Eine ſtarke Schneedecke,
wenn ſie noch dazu auf ungefrorenem Boden fällt, begünſtigt ein Verfaulen der
Weizenſaat. Durch Trockene wird der Weizen weniger zu leiden haben, da er meiſt
auf gebundenen, ſich feuchter haltenden Bodenarten angebaut wird. Feuchte Witte-
rung befördert die Bildung von Lagerfrucht. Tritt Regenwetter während der Blüthe
ein, ſo ſtört daſſelbe die Befruchtung, indem die Pollenkörner durch das aufgenom-
mene Waſſer platzen und unwirkſam werden. Während der Ernte hindert die Regen-
zeit die Vornahme derſelben und das Austrocknen der Garben. Bei zugleich war-
mer Witterung wachſen die Körner auf die Erde zu liegen kommender Aehren, ſowie
des zum Trocknen aufgeſtellten Getreides leicht aus.
Wird der Weizen nach dem Hervortreten der Aehren von einem Hagelwetter
betroffen, ſo iſt die Ernte meiſt verloren, weshalb oft nichts übrig bleibt, als das
Getreide abzumähen, um nach Möglichkeit noch eine andere ſchnellwachſende Grün-
futterpflanze ꝛc. anbauen zu können.
Ebenſo nachtheilig können ungünſtige Bodenzuſtände werden, welche meiſt wieder
durch die Witterung herbeigeführt werden. Durch Heben und Senken des Bodens be
abwechſelndem Gefrieren und Aufthauen werden die Weizenpflanzen aus dem Boden
gezogen, wintern aus. Dieſe Erſcheinung iſt jedoch häufig auch auf eine Beſchädigung
durch Inſectenfraß zurückzuführen. In einem lockeren Boden können die Pflanzen
durch den Wind herausgezogen und abgedreht werden oder die Blätter bei leicht ver-
wehbarem Boden durch die Sandkörner zerſchlitzt werden. Um das Anwurzeln der
auf was immer für eine Art aus dem Boden gezogenen Pflanzen zu befördern,
drückt man dieſelben durch Abwalzen im Frühjahre wieder an die Erde an. Durch
das Abwalzen wird gleichzeitig eine ſtärkere Kruſte, die ſich über Winter gebildet
hat, zerbrochen. Die durch das Abwalzen niedergebogenen Halme richten ſich wieder
auf, indem die Knoten — die polſterartig aufgeſchwollene Baſis der Blattſcheiden —
2*
[20]Beſondere Pflanzenbaulehre.
längere Zeit die Fähigkeit behalten, ſich ſelbſt im Finſtern nach aufwärts zu krüm-
men und dadurch den vorwärts befindlichen Halmtheil emporzuheben, ſo zwar, daß
oft zwei benachbarte Halmſtücke nahezu einen rechten Winkel bilden. Meiſt reicht
zum Zerbrechen einer Kruſte auch ein einfaches Uebereggen aus. Steht der Weizen
in entfernten Reihen, ſo wird das Wachsthum deſſelben durch ein- oder mehrmaliges
Behacken in der Reihe mit der Hand oder der Pferdehacke im Herbſte und im Früh-
jahre weſentlich befördert. Durch das Behacken oder das ſtarke Uebereggen bei enge
gebauten Weizenſaaten wird durch Bedecken des unteren Theiles der Sproſſen, die
Bewurzelung derſelben befördert, weshalb das Uebereggen ſelbſt dünnbeſtandener
Saaten zu einem kräftigeren Wachsthume verhilft.
Wird die Verholzung der Halmglieder durch Beſchattung bei zu üppigem Wachs-
thume auf reich gedüngtem Boden oder bei zu dichter Saat verhindert, ſo wird der
Weizen durch den Regen oder Wind zu Boden gelegt, ohne durch das Aufkrümmen
der Knoten bei der weichen Beſchaffenheit der Halmglieder wieder aufgerichtet werden
zu können. Um dieſer Erſcheinung, dem Lagern des Weizens, vorzubeugen, läßt man den-
ſelben bei zu reichlicher Beſtockung bei trockener Zeit vor oder während des Winters durch
Schafe abweiden, welche ſchnell über das Feld zu treiben ſind, damit die Pflanzen nicht zu
tief bis auf die Vegetationsſpitzen abgebiſſen werden. Im Frühjahre kann eine beſſere
Belichtung der Weizenſaaten durch das Abnehmen, (Schröpfen, Serben) der oberſten
Blattſpitzen mit der Senſe oder Sichel oder auch durch ein mehrmaliges ſcharfes
Eggen, durch welches der Pflanzenſtand verdünnt wird, erzielt werden.
Schütter und ſchwach durch den Winter gekommenen Weizenſaaten iſt dagegen
durch eine Kopfdüngung mit Stallmiſt oder Knochenmehl, oder durch Ueberfahren mit
Jauche im Frühjahre aufzuhelfen.
Gegen das Ueberhandnehmen von Unkrautpflanzen kann während des Wachs-
thums der Weizenpflanzen nur das Jäten Abhilfe gewähren. Der Mehrertrag durch
das Wegſchaffen der Unkräuter deckt oft reichlich die Jätekoſten. Zu den gewöhnlichſten
Unkräutern auf Weizenfeldern zählen: die Kornrade (Agrostema githago L.) ☉, Fig. 10,
und der Wachtelweizen (Melampyrum arvense L.) ☉, Fig. 11, welche ſchwer aus
den Weizenſamen wegen der gleichen Größe ihrer Körner ausgeputzt werden können,
die Ackerdiſtel (Cirsium arvense Scop.) ♃, Fig. 12, welche wie die folgenden Un-
kräuter hauptſächlich durch das Unterdrücken der Weizenpflanzen Schaden bringt, der
weiße Senf (Sinapis alba L.) ☉, der Amaranth (Amaranthus retroflexus L.) ☉, die
Gänſediſtel (Sonchus arvensis L.) ♃, das Klebkraut (Galium aparine L.) ☉, Fig. 13,
welches wie die rankende Ackerwinde (Convolvulus arvensis L.) ♃, Fig. 80, die Ernte
erſchwert und die Halme zu Boden zieht; der Acker-Hahnenfuß (Ranunculus ar-
vensis L.) ☉, Fig. 14., der Feldritterſporn (Delphinium Consolida L.) ☉, die
Klatſchroſe (Papaver Rhoeas L.) ☉, Fig. 22, S. 31, die knollige Platterbſe (Lathyrus
tuberosus L.) ♃, die Haftdolde (Caucalis daucoides L.) ☉, die Wucherblume (Chry-
santhemum segetum L.) ☉, das Kreuzkraut (Senecio vulgaris Lv.) ☉ Fig. 127,
die Kornblume (Centaurea Cyanus L.) ☉, Fig. 24, S. 31, die Borſtenhirſe (Seta-
ria viridis Bv.) ☉ ꝛc.
[21]Die Mehlfrüchte.
Kornrade (Agrostema
githago L.) ☉. — a Samen in na-
türl. Größe; b 7fach vergrößert.
Wachtel-
weizen (Melampyrum
pratense L.) ☉.
Ackerdiſtel (Cirsium arvense
Scop.) ♃. — a Achäne, nat. Gr.; b vergr.,
der Pappusring abgelöſt.
Der Ertrag an Weizen wird durch das Ueberhand-
nehmen der mannigfaltigſten Schmarotzerpilze weſentlich
beeinträchtigt. Am häufigſten treten auf:
- Steinbrand (Tilletia Caries Tul. u. laevis Kühn).
- Flug- oder Staubbrand (Ustilago Carbo Tul.).
- Streifenroſt (Puccinia graminis Pers.).
- Fleckenroſt (Puccinia straminis d. By.).
- Kronenroſt (Puccinia coronata Corda.).
- Rußthau (Dilophospora graminis Fuck.),
in England beobachtet. - Mutterkorn (Claviceps purpurea Tul.).
Gem. Klebkraut (Galium
aparine L.) ☉.
Der Steinbrand, Schmier- oder Stinkbrand ver-
wandelt den Inhalt des Weizenkornes durch die Bildung
ſeiner Sporen in eine ſchwarze, ſchmierige, nach Härings-
lake (Trimethylamin) riechende Maſſe, welche jedoch erſt
bei dem Zerdrücken des befallenen Weizenkornes wahr-
genommen werden kann. Der gemeine Weizen iſt dieſer
Pilzkrankheit viel mehr ausgeſetzt, als das Einkorn und
der Spelz. Die Sommerfrucht leidet wieder mehr als
die Winterfrucht. Die Steinbranderkrankung des Weizens
kann ſchon zur Zeit der Fruchtbildung an einer eigen-
thümlichen dunklen, blaugrünen Färbung der Aehre er-
kannt werden. Die Entwickelung des Brandpilzes wird
unſtreitig durch einen feuchten, geſchützten Standort, durch
undurchlaſſenden Boden oder durch friſche Düngung be-
Frucht des Acker-Hahnen-
fußes (Ranunculus arvensis L.) ☉.
— a b Schließfrucht; c dieſelbe
im Profil.
günſtigt. Das wirkſamſte Mittel zur Verhütung bleibt das 12—16ſtündige Einweichen
des Saatgutes in eine ſtark verdünnte Löſung von Kupfervitriol, welcher die Brand-
ſporen tödtet. Auf 5 Hektoliter Getreide werden ungefähr 1 Kilo blauer Vitriol verwendet.
Der Staub- oder Flugbrand befällt gleichfalls die Körner. Die Sporen dieſes
[22]Beſondere Pflanzenbaulehre.
Pilzes bleiben jedoch nicht wie bei dem Steinbrande von der Fruchthaut eingeſchloſſen,
ſondern werden als ein feines, ſchwarzes Pulver verſtäubt.
Der Roſt zeigt ſich anfänglich in Geſtalt kleiner brauner Flecken oder Streifen
an den Halmen und Blättern und zwar häufiger auf Winter- als auf Sommer-
weizen. Aus dieſen Roſtflecken oder Streifen brechen zur Zeit der Fruchtbildung
des Pilzes goldgelbe ſtaubige Puſteln hervor. Bei ſtarkem Auftreten der Roſtpilze
leidet das Wachsthum der Weizenpflanzen derart, daß die Körner nicht aus-
gebildet werden. Die Winter- oder Teleutoſporen der Roſtpilze beſitzen die Eigen-
thümlichkeit, daß ſie einen Generationswechſel auf einer anderen Pflanze als der
Getreidepflanze durchmachen, von welcher erſt die Uebertragung des Roſtes auf das
Getreide ſtattfindet. Der Streifenroſt verlangt als Nährpflanze das Blatt des
Berberitzenſtrauches (Berberis vulgaris L.), der Fleckenroſt die Ochſenzunge (Anchusa
officinalis L.), die Beinwurz (Symphytum officinale L.) ꝛc., der Kronenroſt die
Blätter des Kreuzdorns (Rhamnus cathartica L.) und des Faulbaumes (Rham-
nus Frangula L.).
Durch die Ausrottung der genannten Pflanzen und durch das Verbrennen des
roſtigen Weizenſtrohes, ſowie durch die ſorgfältigſte Cultur des Weizens kann die
Ausbreitung der Roſtkrankheit beſchränkt werden. Desgleichen ſind geſchützte, ab-
geſchloſſene Lagen für den Weizenbau zu vermeiden, dagegen offene Lagen vorzuziehen,
indem bei bewegter, freier Luft die Sporen nicht ſo leicht haften bleiben und in die
grüne Pflanze eindringen. Beſtimmte Arten und Varietäten werden von dem Roſte
weniger befallen, dieſelben ſind daher vorzugsweiſe zum Anbaue zu verſuchen. Im
Allgemeinen werden der polniſche Weizen (Triticum polonicum L.), der Spelz (Tr.
Spelta L.) und der engliſche Weizen (Tr. turgidum L.) weniger vom Roſte befallen.
Nach Verſuchen von P. Pietrusky 1) ſind unter 44 angebauten Varietäten am wider-
ſtandsfähigſten: der weiße bengaliſche Weizen, der rothe, ſechsreihige Kolbenweizen, der
braune ſammtartige Bartweizen, der engliſche St. Helenaweizen, der rothe Emmer,
Vögel’s Dinkel ꝛc
Ebenſo zahlreich wie die Feinde aus der Pflanzenwelt ſind die Feinde aus der
Thierwelt.
Bedeutenden Schaden verurſachen öfters die Feldmäuſe (Arvicola arvalis Pall.)
Ihre Vernichtung durch Fangen in Gräben, in deren Sohle ſtellenweiſe Töpfe mit
glaſirten Innenwänden eingeſenkt ſind, durch das mißliche Vergiften mit Kugeln aus
Phosphorpaſta, durch das Ausgießen der Gänge mit heißem Waſſer ꝛc. gelingt nur
dann, wenn gleichzeitig die Natur durch feuchte, kalte Witterung, durch Ueber-
ſchwemmung zu Hilfe kommt oder die natürlichen Feinde der Mäuſe, die Füchſe,
Katzen, Igel, Buſſarde ꝛc. mitwirken.
Weniger verbreitet iſt die Zieſelmaus oder das Erdzieſel (Spermophilus ci-
tillus L.); daſſelbe tritt die Halme nieder und ſammelt die ausgedroſchenen Körner
in unterirdiſchen Höhlen. In ähnlicher Weiſe, nur noch ausgiebiger ſchadet der
Hamſter (Cricetus frumentarius Pall.).
[23]Die Mehlfrüchte.
Von den Vögeln kann der Sperling (Fringilla domestica), welcher ſich zur
Noth durch Scheuchen und Schießen fern halten läßt, beſonders kleinen Flächen, wie
Verſuchsfeldern ꝛc. nachtheilig werden.
Von den Inſecten verurſacht die Wanderheuſchrecke (Oedipoda migratoria) dem
Weizen und den übrigen Feldfrüchten oft großen Schaden. Aufhacken der Eierleg-
plätze und Zerſtören der Eier, Sammeln der Heuſchrecken am Morgen, Abbrennen
von aufgefahrenem Stroh ſind noch die wirkſamſten Schutzmittel gegen dieſe ver-
heerende Landplage. In ähnlicher Weiſe durch Ausgraben und Zerſtören der Eier
vertilgt man die ſchädliche Maulwurfsgrille (Gryllotalpa vulgaris Latr.).
Außerdem iſt der Weizen den Angriffen der folgenden Schädlinge aus der
Thierwelt 1) ausgeſetzt:
Wurzel:
Saatſchnellkäfer, Drahtwurm (Agriotes segetis
Gyll.). Fig 39. Larve ſehr ſchädlich.
Maikäfer, Engerling (Melolontha vulgaris F., agri-
cola F., und ruficornis F.). Larve ſehr ſchädlich.
Halme:
Getreidelaufkäfer (Zabrus gibbus F.). Fig. 15. Larve
ſchädlich.
Getreidelaufkäfer nebſt Larve
(Zabrus gibbus F.).
Getreideböckchen (Cerambyx marginellus Fabr.). Larve ſehr ſchädlich.
Weizeneule (Agrotis tritici L.). Fig. 45. Raupe ſchädlich.
Getreidehalmwespe (Cephus pygmaeus L.). Fig.25, S. 33. After-Raupe ziemlich ſchädlich.
Getreidegallmücke, Heſſenfliege (Cecidomyia destructor Say.). Fig. 26, S. 33.
Made ſehr ſchädlich.
Weizenmücke (Cecid.
tritici Kirby.). Fig.
16. Made ſ. ſchädlich.
Scheckfüßige Weizen-
mücke, Kornfliege
(Chloropstaeniopus
Meig.). Made ſehr
ſchädlich.
Linirtes Grünauge,
Weizenfliege (Chlo-
rops lineata F.).
Made ſehr ſchädlich.
Weizenmücke (Cecidomyia tritici Kirby.). — Vergrößerte Larve in der
Weizenblüthe, oben ſtark vergrößerte Larve; 2 Larve in einer geplatzten
Puppenhülle; 3 Weibliche Mücke, + natürliche Größe derſelben.
Blätter:
Ackerſchnecke (Limax agrestis L.). Fig. 91. Sehr ſchädlich.
[24]Beſondere Pflanzenbaulehre.
Getreiderüßler, ſchwarzer
Kornwurm (Sitophilus granarius
L.). — a Larve in einem Korne,
c Käfer.
Winterſaateule, Erdraupe (Agrotis segetum Hb.).
Fig. 40. Raupe ſehr ſchädlich.
Saatzünsler (Pyralis frumentalis L.). Fig. 67. Raupe
ſchädlich.
Kleinzirpe (Cicada sexnotata Fall.).
Getreideblattlaus (Aphis cerealis), ſchädlich.
Blüthen, Aehren, Körner, Spelzen:
Weizenälchen (Anguillula tritici Roffr.), verurſachen
die Gicht- oder Radenkrankheit.
Getreidelaufkäfer (Zabrus gibbus F.). Fig. 15, S. 23.
Käfer und Larve ſehr ſchädlich.
Getreiderüßler, ſchwarzer Kornwurm (Sitophilus gra-
narius Sch.). Fig. 17. Käfer und Larve ſehr ſchädlich.
Vertilgungsmittel ſiehe Band I. S. 280.
Kornmotte, weißer Kornwurm (Tinea granella L.).
Fig. 37. S. 37. Raupe ſehr ſchädlich. Vertilgungs-
mittel ſiehe Band I. S. 280.
Getreidemotte (Tinea cerealella Ol.). Raupe ſehr
ſchädlich.
Getreideblaſenfuß (Thrips cerealium Hal.), ſchädlich.
Oscinis granarius Curt. Made ſchädlich.
5. Die Ernte.
Der zweckmäßigſte Zeitpunkt zur Ernte, 1) und zwar ebenſowohl für zur Saat,
als für andere Zwecke beſtimmten Weizen, iſt jener Moment, in welchem die Körner der
vollkommeneren Aehren des Getreidefeldes in die Gelbreife treten. Dabei iſt voraus-
geſetzt, daß das Getreide nicht früher eingefahren wird, als bis fämmtliche Körner
ganz hart geworden ſind. Wird bei Körnern, welche zur Saat beſtimmt ſind, zu
früh eingefahren, ſo kann durch die eintretende Erhitzung in der Scheune oder in der
Feime die Keimfähigkeit der Körner leicht vernichtet werden. Wenn das Reifen bei ſehr
heißem und trockenem Wetter zu raſch verläuft, oder unzureichende Arbeitskräfte
zur Verfügung ſtehen, ſo muß vor oder nach dieſem günſtigſten Momente gemäht
werden, wenn auch, je weiter man ſich von dieſem Momente entfernt, der Verluſt
ſich um ſo mehr vergrößert. Der größte Verluſt tritt ein, wenn das Mähen ſchon
in der Milchreife vorgenommen wird — es ſind dann die Körner noch nicht vollkommen
ausgebildet — oder wenn das Getreide bis in die Todtreife ſtehen gelaſſen wird, in
welcher ſich wieder die Gefahr des Körnerausfalles beträchtlich ſteigert.
Die Anſicht der Landwirthe, daß durch eine frühzeitige Ernte, z. B. gegen Ende
der Milchreife, oder durch ein langſameres Nachreifen in Puppen das Glaſigwerden
[25]Die Mehlfrüchte.
des Weizens verhindert werden kann, hat ſich nach den Unterſuchungen von Nowacki nicht
beſtätigt, indem zur Erntezeit die Menge der eingewanderten Proteinſtoffe, von welchen
allein die Glaſigkeit der Körner abhängt, nicht mehr verändert wird. Siehe auch die
Zahlenangaben auf Seite 14. Ebenſo iſt die Anſicht der Landwirthe, daß ſich die
Schale oder die äußere Umhüllung des Weizenkornes mit vorſchreitender Reife ver-
dickt, unhaltbar.
Je nach der Lage und Witterung wird die Ernte zu ſehr verſchiedenen Zeiten
vorgenommen.. Im ſüdlichen Ungarn beginnt man ſchon in der zweiten Hälfte des
Juni. In Mitteldeutſchland, Böhmen Mitte Juli, in Norddeutſchland Mitte Auguſt,
in Gebirgslagen ſteht noch Ende Auguſt der Weizen am Felde. Der Spelz wird
zur ſelben Zeit wie der Weizen geerntet.
Der Ertrag hängt vorzugsweiſe von der Bodenbeſchaffenheit und der ſorgfälti-
gen Cultur ab. Die Höhe deſſelben wird auf die mannigfaltigſte Art angegeben.
Oft begnügt man ſich nur mit der Anführung der geernteten Anzahl Mandeln zu
15 Garben. Dieſe Angabe iſt jedoch ſehr unſicher, da die Körnerſchüttung eines
Mandels, welches überdieß von verſchieden ſchweren (5—15 Kilogr.) Garben auf-
geſtellt wird, 0.3—1 Hektoliter betragen kann. Ebenſo unbeſtimmt iſt die Angabe
nach dem Vielfachen der angewendeten Saatmenge. In dieſem Falle iſt es leicht
möglich, daß ein höherer Ertrag einer geringeren Vermehrung des Saatgutes ent-
ſpricht. Werden z. B. 3.3 Hektoliter per Hektar ausgeſäet und 20 Hektoliter ge-
erntet, ſo entſpricht dieß dem ſechsfachen Korne; werden anderſeits 1.5 Hektoliter
geſäet und 15 Hektoliter geerntet, ſo entſpricht dieß trotz der geringeren Ernte, doch
dem 10fachen Korne. Gleich unzuverläßlich iſt die hie und da übliche Angabe der
Erntemenge nach Abzug des Samens. Bei der factiſch gleichen Ernte von z. B.
20 Hektoliter kann in dieſem Falle die Ernteangabe doch verſchieden, z. B. mit
16.7 und 18.5 ausfallen, wenn verſchiedene Saatmengen, in unſerem Beiſpiel 3.3
und 1.5 Hektoliter angewendet wurden.
Am ſicherſten bleibt es daher, die Höhe des Ernteertages nach der erhaltenen
abſoluten Körnermenge anzugeben. Auf geringem Weizenboden ſtellt ſich der Ertrag
auf 10—13 Hektoliter, auf mittlerem Weizenboden auf 17—23 Hektoliter, auf
gutem, in reichem Düngungszuſtande [befindlichen] Boden auf 25—38 Hektoliter.
Mit Bezug auf die erreichte Höhe der Cultur beträgt der Durchſchnittsertrag an
Weizen auf Bauernfeldern 10—12 Hektoliter; in gleicher Lage bei Großgütern
16—20 Hektoliter, in hochcultivirten Ländern ſelbſt 20—27 Hektoliter.
Das Gewicht der geernteten Körner per Hektoliter wechſelt nach ihrer Größe
und Glaſigkeit, der Samenvarietät, dem Boden und dem Klima. Leichte Waare
wägt 63—65 Kilogr., mittelſchwerer Weizen 67—70 Kilogr., ſchwerer, kleinkörniger
Banaterweizen 73—75 Kilogr. Schwere Weizen erlangen verhältnißmäßig einen
viel höheren Marktpreis als leichtere Weizen.
Neben den Körnern werden per Hektar 1.3—2.6—4.5 Tonnen (à 1000
Kilogr.) Stroh gewonnen. Bei einem mittleren Weizenertrage von 19 Hektoliter
(à 70 Kilogr.) erhält man durchſchnittlich 2.6 Tonnen Stroh, oder für je 100
[26]Beſondere Pflanzenbaulehre.
Kilogr. Körner nahe an 200 Kilogr. Stroh. In feuchten Gegenden ſtellt ſich das
Verhältniß von Körnern zu dem Stroh auf 100:250 und ſelbſt 330.
Die Erträge des Sommerweizens ſind unſicherer und ſehr ſchwankend je trockener
das Frühjahr war. Bei derſelben Bodenbeſchaffenheit erhält man eine um ein
Viertel geringere Körnermenge und eine etwas größere Strohmenge als von Gerſte.
An Spelz und Emmer werden auf geringem Boden 25—34 Hektoliter geerntet;
als mittlerer Ertrag ſind 42—64, als ſehr hoher Ertrag 74—96 Hektoliter im
Gewichte von 39—45 Kilogr. anzuſehen. Vor ſeiner Verwendung wird der Spelz
geſchält (gegerbt). Er gibt dann 36—45 %, der Emmer 50 % Körner. Der
Strohertrag des Spelzes fällt gewöhnlich um 10 % mäßiger als wie bei dem Winter-
weizen aus, während der Emmer denſelben nahezu erreicht.
2. Der Roggen.
Das Aehrchen des Roggens (Secale cereale L. ☉ und ⚇), Fig. 18, S. 27, enthält
zwei Blüthchen, welche je eine Frucht ausbilden, und zwiſchen welchen ſich ein geſtieltes,
verkümmertes Blüthchen befindet. Die mittlere dritte Blüthenanlage entwickelt ſich nur
ſelten, unter beſonders günſtigen Umſtänden. Es werden dann wie bei dem mehrblüthigen
Roggen von Martiny-Danzig ſelbſt drei bis vier Körner in einem Aehrchen aus-
gebildet, während ſich gleichzeitig die Zahl der Aehrchen in einer Aehre von 7 auf
27 ſteigern. Der Roggen, als deſſen muthmaßliche wilde Stammformen Secale
montanum Guss. und Secale anatolicum Boiss. anzuſehen ſind, beſitzt keine con-
ſtanten Spielarten, am wenigſten ändert ſich die Beſchaffenheit der Körner, am be-
trächtlichſten die Beſtockungsfähigkeit. Gewöhnlich wird dem Stauden- oder Schilf-
roggen (Sorten: Ruſſiſcher Staudenroggen, Correns Staudenroggen, Spaniſcher
Doppelroggen, Zeeländerroggen ꝛc.) eine beſonders eigenthümliche Beſtockungsfähigkeit
zugeſchrieben, während bei jeder Roggenſorte durch friſchen Standort, kühle Witterung,
kräftigen Boden und frühzeitige, dünne Saat eine reiche Beſtockung hervorgerufen
werden kann. Der Staudenroggen verliert anderſeits ſeine reiche Beſtockungsfähigkeit,
ſobald er unter weniger zuſagenden Verhältniſſen angebaut wird.
Aehnliches gilt von dem Johannisroggen, welcher frühzeitig gegen Mitte Juli
angebaut, Zeit genug erhält, um ſich reichlich beſtocken zu können, ſo zwar, daß
derſelbe nach einem Grünfutterſchnitte im Herbſte, noch für das nächſte Jahr zur
Körnergewinnung ſtehen bleiben kann.
In den rheiniſchen Gebirgsgegenden wird ein dickſchaliger, dunklerer Roggen, das
„Klebkorn“ gebaut, welches ſelbſt noch in rauhen Lagen und auf kaltem, feuchtem
Boden einen ſicheren Ertrag abwirft.
Ein vorzügliches Saatgut gewährt der Probſteier Roggen, welcher ſich durch
ſein dickes und zugleich langes Korn von ſilbergraublauer Farbe auszeichnet und durch
beſonders ſorgfältige Cultur und Behandlung in einem 3 □Meilen großen, zur
„Probſtei“ Preetz bei Kiel in Holſtein gehörigen Landſtrich gewonnen wird.
[27]Die Mehlfrüchte.
1. Die Wachsthumsbedingungen.
Der Roggen bildet die Hauptfrucht für Mittel-
und Nordeuropa. In ſüdlicheren Ländern, wie in Al-
gier, Aegypten wird er ſeltener gebaut. An ſeine Stelle
treten in jenen Ländern der Mais und das Sorghum.
In Rumänien, Griechenland, zum Theile auch in Sieben-
bürgen, wird der Roggen meiſt gemiſcht mit Weizen
als ſogenannte Halbfrucht ausgeſäet. Nach Norden
erſtreckt ſich der Roggenbau in Schweden und Norwegen
bis zum 70°, im europäiſchen Rußland bis zum 65°,
in Aſien bis zum 60° nördl. Breite. Sommerroggen
geht in der Schweiz nicht über 1740 Meter Meeres-
höhe hinaus.
Die Wärmeanſprüche des Roggens ſind etwas ge-
ringer, als bei dem Weizen, weshalb er raſcher ſeine
Entwickelung durchmacht. Der Vorſprung, welchen der-
ſelbe gegenüber dem Weizen erreicht, wird um ſo größer,
je kühler das Klima iſt. Bis zum Sichtbarwerden der
Saat nach 13—16 Tagen beanſprucht derſelbe 114
bis 125°C., bis zum Blühen ohne Einrechnung der
vegetationsloſen Zeit, jedoch mit Rückſicht auf die Tages-
länge 1225—1425°C., bis zum Reifen nach 280
bis 322 Tagen 2250—2950°C. In Gegenden mit
feuchtem Herbſte und ſtrengem Winter wird der Roggen,
wenn auch in geringer Ausdehnung, als Sommerroggen
gebaut, welcher in 112—140 Tagen ſeine Entwickelung
beendet.
In feuchtem Klima oder auf feuchtem Boden ver-
zögert ſich das Schoſſen, das Blühen und die Frucht-
reife um einige Tage, dafür beſtocken ſich die Pflanzen,
wie ſchon früher erwähnt, viel reichlicher, erreichen einen
höheren Wuchs und geben ſomit einen größeren Stroh-
ertrag.
Feuchte verträgt er weniger gut als der Weizen, be-
ſonders wenn noch eine rauhe Lage hinzukommt. Er
wintert dann viel leichter als der Weizen aus. Da-
gegen kommt der Roggen in rauher und trockener Ge-
gend viel ſicherer als der Weizen fort.
Der Roggen gedeiht auf geringeren, beſonders we-
niger gebundenen Bodenarten beſſer als der Weizen,
während derſelbe auf friſchen, gebundenen Bodenarten
gegen den Weizen zurückſteht. Am zuſagendſten ſind
Aehre des Winterroggens.
(Secale cereale L.) ⚇.
[28]Beſondere Pflanzenbaulehre.
dem Roggen der ſandige Lehmboden und in feuchterem Klima der lehmige Sand-
boden. Auf loſem Sandboden, ſowie auf Moorboden iſt er die einzige Winter-
frucht, die noch fortkommt, vorausgeſetzt, daß er auf letzterem durch Auswintern nicht
zu ſehr leidet. Auf Moorboden wird zweckmäßiger wegen der größeren Gefahr des
Ausfrierens an ſeiner Stelle Sommerroggen angebaut. Die loſen Sandböden er-
halten daher auch die Bezeichnung „Roggenböden“.
Eine Roggen-Mittelernte entzieht dem Boden per Hektar mehr Nährſtoffe, als
eine Weizen-Mittelernte. Eine Mittelernte enthält an Aſchenbeſtandtheilen in Kilogr. in
17 Hektoliter Weizen, à 69 Kilogr. oder in
- 1170 Kilogr. Körner: 19.77 Aſche, 6.20 Kali, 9.24 Phosphorſäure,
- 2340 „ Stroh: 107.87 „ 14.74 „ 5.15 „
- Zuſammen: 127.64 „ 20.94 „ 14.39 „
19 Hektoliter Rogen, à 65 Kilogr. oder in
- 1235 Kilogr. Körner: 22.10 „ 6.92 „ 10.37 „
- 3470 „ Stroh: 140.53 „ 27.06 „ 7.28 „
- Zuſammen: 162.63 „ 33.98 „ 17.65 „
Trotz der größeren Erſchöpfung begnügt ſich der Roggen mit einem ärmeren
Boden, vielleicht daß ſeine Wurzeln, welche eine durchſchnittliche Länge von 0.37
Meter beſitzen, die Nahrung leichter aufnehmen können. Die größere Genügſamkeit
des Roggens in Betreff des Vorrathes an aufnehmbarer Bodennahrung findet auch
durch die Verſuchsreſultate von Dr. Hellriegel, ſofern es die Stickſtoffnahrung betrifft,
ihre Beſtätigung. Nach Hellriegel ſind 63 Theile aſſimilirbarer Stickſtoff in einer
Million Theile Boden die Minimalmengen des Stickſtoffes, welche bei Roggen und
Hafer den höchſten Ertrag zu erzielen vermögen, während für Weizen 70 Theile er-
forderlich ſind.
2. Die Vorfrucht und Vorbereitung.
Der Roggen erhält in der Fruchtfolge einen ähnlichen Standort angewieſen,
wie der Weizen. Letzterem wird man jedoch als der werthvolleren Frucht die beſſeren
Plätze und die Schläge mit bindigerem Boden vorbehalten. Auf Sandboden ſind
gute Vorfrüchte für Roggen der Buchweizen, der Spergel, die Lupine und die Sera-
della. Eine weniger gute Vorfrucht iſt Rothklee, welcher nur auf mehr gebundenem
Boden fortkommt. Dagegen ſind der Raps, die Hülſenfrüchte, beſonders die Erbſen,
vorzügliche Vorfrüchte für Roggen. Nach den Hackfrüchten, welche den Boden in
pulverförmigem, ausgetrockenetem Zuſtande zurücklaſſen, erhöht ſich die Gefahr des
Auswinterns, abgeſehen davon, daß die genannten Früchte gewöhnlich zu ſpät das
Feld räumen. Um auch nach ſpäten Hackfrüchten Roggen bauen zu können, ſäet
man Sommerroggen. Nach reiner oder bebauter Brache gedeiht der Roggen gleich
vorzüglich wie der Weizen. Außerdem eignet ſich der Roggen zum Anbaue auf Neu-
riſſen und auf gebranntem Lande. Nach Gerſte, beſonders nach der früh vom Felde
kommenden Wintergerſte, nach Weizen gedeiht der Roggen bei feuchter Herbſtwitterung
[29]Die Mehlfrüchte.
ganz gut. Nach ſich ſelbſt gedeiht er eher als der Weizen, indem die Verunkrautung
bei dem ſchnelleren Wachsthume des Roggens weniger zu befürchten iſt. Auf leichtem
Sandboden reifen die Lupinen oft zu ſpät, um noch Roggen ſäen zu können. Für
dieſen Fall verdient ein Verſuch von J. Kühn 1) Beachtung, welcher 1.5 Hektoliter
blaue Lupine auf 28.7 Ctm. der Länge nach und 1.2 Hektoliter per Hektar böhmiſchen
Waldroggen in die Quere drillte. Nach der Aberntung der Lupine blieb der Roggen
für das nächſte Jahr am Felde ſtehen.
Die Vorbereitung des Bodens vor der Roggenſaat richtet ſich nach der voraus-
gegangenen Vorfrucht. Für dieſelbe laſſen ſich nur ſchwer allgemeine Anhaltspunkte
geben, indem der Roggen unter zu verſchiedenartigen klimatiſchen und Boden-Verhältniſſen
cultivirt wird. Gewöhnlich ſtimmt die Vorbereitung mit jener bei dem Weizen An-
gegebenen überein. Bei lockerem Boden wird man nur ſo weit bearbeiten, als es die
Vertilgung des Unkrautes erfordert. Gebundene Böden werden dagegen öfters zu
bearbeiten ſein, da der Roggen ein gelockertes, reines Land verlangt. Die letzte
Furche vor der Saat gibt man 1—2 Wochen vorher, damit ſich der Boden wieder
etwas ſetzen kann.
Der Roggen verträgt friſchen Dünger eher als der Weizen; doch ſtellt man
denſelben gewöhnlich in die zweite oder ſelbſt in die dritte Tracht der Düngung, da
er auch dann noch gut lohnt. Bei phosphorſäurearmem Boden iſt, wie für den
Weizen, die Düngung mit Phosphatguano, Knochenmehl ꝛc., entweder vor der Saat
oder als Kopfdünger gegeben, zur Steigerung des Körnerertrages zu verſuchen.
3. Die Saat.
Zur Saat verwende man die ſchwerſten und ſchönſten Körner. Bei kleineren
Saatquantitäten empfiehlt es ſich, jene Körner zu verwenden, welche beim Einfahren
auf die Dreſchtenne fallen und zuſammengekehrt werden oder beim leichten Durch-
klopfen der Garben mit dem Dreſchflegel aus denſelben ausſpringen. Die Keim-
fähigkeit des Roggens 2) erliſcht ſchon nach dem zweiten Jahre, weshalb ſtets nur
Same von der vorangegangenen Ernte genommen werden ſoll. Aelterer Roggen geht
außerdem ſpäter auf. Sehr zu empfehlen iſt der Wechſel mit dem Saatgute, indem
Roggen aus ſüdlicheren Gegenden bezogen eine raſchere Entwickelungsfähigkeit zeigt
und einen größeren Ertrag gewährt. In rauhen Gegenden wird ſich jedoch der
Samenbezug aus nördlichen Gegenden mehr empfehlen, indem ſich bei Roggen aus
ſüdlichen Gegenden die Gefahr des Auswinterns erhöht.
Mit der Roggenſaat wird gewöhnlich der Herbſtanbau begonnen, nur in rauhen
Gebirgsgegenden wird der Weizen vor dem Roggen beſtellt. Je frühzeitiger der
Roggen in den Boden kommt, um ſo größer wird unter ſonſt gleichen Verhältniſſen
der Körnertrag ausfallen. Die Frühſaat iſt für Roggen um ſo angezeigter, als
derſelbe im Frühjahre bald zu ſchoſſen beginnt, daher ſich ſchon im Herbſte kräftig
[30]Beſondere Pflanzenbaulehre.
beſtocken muß. Der Weizen kann im Frühjahre noch eher etwas in der Beſtockung
nachtragen. In Gebirgsgegenden beginnt man mit der Ausſaat des gewöhnlichen
Roggens ſchon Anfang Auguſt; in unſeren Breiten Mitte September, ſo daß die
Roggenſaat Ende September, Anfang October vollendet ſein kann. In milden Lagen
kann bei trockener Beſtellung und nachfolgender feuchter Witterung der Roggen aus-
nahmsweiſe ſelbſt noch im November und December (Chriſtkorn) angebaut werden.
Die Saatmenge kann etwas geringer als bei dem Weizen genommen werden,
da die Roggenkörner etwas kleiner und leichter als die Weizenkörner ſind. 1000
Roggenkörner wägen durchſchnittlich 17—30 Gramm, ebenſoviele Weizenkörner 30
bis 40 Gramm. Je geringer der Boden und ungünſtiger die Lage, ein um ſo grö-
ßeres Saatquantum iſt zu nehmen; in Gebirgsgegenden oft bis zu 4 Hektoliter per
Hektar, in milden Lagen dagegen breitwürfig 1.8—2.8, gedrillt 1.5—2 Hektoliter
und darunter. Der Staudenroggen wird um ¼—⅕ ſchwächer angebaut. Der
Sommerroggen ſoll zeitlich im Frühjahre, im März oder April, etwas ſtärker (2.1
bis 2.9 Hektoliter) als der Winterroggen geſäet werden.
Es genügt, den Roggen auf 4—5 Ctm., bei oberflächlich trockenem Boden auf
5—8 Ctm. Tiefe unterzubringen. Ein tieferes Unterbringen im Herbſte hat keinen Zweck;
im Gegentheile wird dadurch das Keimen und die Bildung der Kronenwurzeln ver-
zögert. Die Drillweite wird, beſonders auf trockenem Boden und bei freier Lage
enge (12 Centim.) bemeſſen. Staudenroggen drillt man auf 20—26 Centim., wenn
man nicht das Dibbeln deſſelben vorzieht.
Roggen-
keimpflänzchen.
Die größte Tiefe, bis zu welcher der Roggenſamen, wie jeder
Pflanzenſamen, untergebracht werden kann, hängt von der Länge der
Keimpflanze, Fig. 19, ab, welche ſich aus den Reſerveſtoffen des Sa-
mens entwickelt. Ein 0.030 Mgr. ſchweres Roggenkorn, welches
wir im Waſſer in einem dunklen Raum keimen ließen, um jede Neu-
bildung durch Aſſimilation fern zu halten, ergab eine etoilirte Keim-
pflanze, welche fünf verkürzte, zuſammen 320 Mm. lange Wurzeln
aufzuweiſen hatte und nebſt der Scheide noch zwei vergilbte 3 und
2.5 Mm. breite Blätter entfaltete. Dieſelbe maß von dem aus-
geſchöpften Samen bis zur Spitze des längſten Blattes 210 Mm.
Es wäre dieß ſomit die größte Tiefe geweſen, bis zu welcher das
Roggenkorn in den Boden hätte gelegt werden können, unbeſchadet
ſeiner weiteren Entwickelung, die von dem Ergrünen der hervor-
tretenden Blätter abhängig iſt. C. Tiſchert 1) fand, daß von je 100 Saat-
körnern die meiſten, und zwar im Sandboden 78.2 bei 10.4 Ctm., im
humoſen Boden 80.9 bei 2.6 Ctm., im Lehmboden 86.4 bei 5.2 Ctm., im Thonboden 73.6
bei 5.2 Ctm. Saattiefe aufgingen. Ueber 10 Ctm. Saattiefe hinaus zeigte ſich ſchon bei
allen Bodenarten eine ſtarke Abnahme der Zahl der aufgehenden Pflanzen. In Betreff
des Zeitpunktes, zu welchem die Pflänzchen aus verſchiedener Bodentiefe von 2.6—13.0 aus
dem Boden hervorkamen, ergab ſich, daß der Vertiefung der Saatlage um etwa 2.6 Ctm.
eine Verzögerung des Auflaufens um je einen Tag entſpricht. Tiefer (15.6—18.2 Ctm.)
gelegte Körner keimten, erreichten jedoch nicht die Oberfläche des Bodens.
[31]Die Mehlfrüchte.
4. Die Pflege.
Durch den Winterfroſt ausgezogene Roggenſaaten werden im Frühjahre durch
Abwalzen des Bodens an denſelben angedrückt. Nach Kühn 1) ſchützt das Behacken
der Drillſaaten im Herbſte gegen das Ausfrieren, indem dabei zwiſchen den Pflanzen-
reihen kleine Rillen gebildet werden, in die ſich die Näſſe vorzugsweiſe zieht. Ein
Aufziehen des Bodens beobachtet man dann in den Zwiſchenräumen, während die
trockener ſtehenden Pflanzenreihen unbeſchädigt bleiben.
Auf feuchtem, ungefrorenem Boden kann bei ſchneereichen Wintern und voran-
gegangener üppiger Entwickelung der Pflanzen ſelbſt ein Ausfaulen „Ausſauern“ der
Roggenſaaten eintreten. Unter den angeführten Bedingungen verfaulen entweder die
Blatttheile oder noch häufiger die Wurzeln durch das ſtehende Waſſer im Boden.
Unkrautgräſer, wie die Trespe, ſind gegen das Ausfaulen unempfindlicher, ſie ent-
a Kleiner Klappertopf (Alectorolophus [Rhinanthus L.] minor
Ehrh.) ☉; b Gemeiner Klappertopf (Alectorolophus major Rchb.) ☉;
c Feld-Klappertopf (Alectorolophus hirsutus Allione.) ☉.
Klatſchmohn
(Papaver Rhoeas L.) ☉.—
a und b vergrößerter
Same; c natürl. Größe.
Rauhhaarige Wicke (Vicia
hirsuta Koch.)☉ u. ⚇. — a Fruchtzweig;
b und c Same mit unvollſtändigem
ſich ablöſendem Samenmantel (Aril-
lus); d Samen im Profil mit Nabel
und Samennaht. (Raphe).
Scabioſenartige
Flockenblume (Centaurea
Scabiosa L.) ♃. — a na-
türl. Größe; b vergrößerte
Frucht.
Blaue Kornblume
(Centaurea cyanus L.) ☉.
a u. b Frucht mit ſitzender
Haarkrone; c ein Haar
des Pappus, ſtark ver-
größert.
[32]Beſondere Pflanzenbaulehre.
wickeln ſich daher im nächſten Frühjahre in den gelichteten Roggenſaaten um ſo
üppiger. Dieſer Umſtand mag zu der irrigen Anſicht Veranlaſſung gegeben haben,
daß ſich in feuchten Wintern die Roggenpflanzen in Trespenpflanzen umwandeln.
Im Frühjahre durch Spätfröſte beſchädigter Roggen kann zuweilen noch zu
einem Ertrage gebracht werden, wenn er gleich abgemäht wird. Bei günſtiger Witte-
rung und kräftigem Boden ſchoßt er dann vom Neuen und bietet einen theilweiſen
Erſatz für die durch den Froſt vernichteten Pflanzen. Der Erfolg des Abſchneidens
iſt um ſo ſicherer in einem je früheren Entwickelungsſtadium vor der Blüthe der
Froſtſchaden eingetreten iſt. Bei trockenem Frühjahrswetter iſt es jedoch zweckmäßiger,
auf das Nachſchoſſen zu verzichten und in das umgebrochene Roggenfeld Kartoffeln
oder eine andere geeignete Pflanze anzubauen.
Verſchließt ſich im Herbſte oder Frühjahre der Boden des Roggenfeldes, ſo
empfiehlt ſich ein leichtes Uebereggen der Saat. Daſſelbe ſchützt gleichzeitig, wenn er-
forderlich, durch Verdünnung des Pflanzenſtandes und durch Erleichterung des Licht-
eintrittes vor dem Lagern. Zur Verhütung dieſer Erſcheinung kann der Roggen wie
der Weizen im Winter mit Schafen abgeweidet werden oder vor Beginn des Schoſſens
mit der Senſe geſerbt werden.
In der Blüthezeit des Roggens einfallender Froſt hindert die Befruchtung, weshalb oft
zahlreiche Aehrchen unfruchtbar bleiben, ſchartig werden. Ebenſo ſtören den ungehinderten
Verlauf der Befruchtung heftige Winde und anhaltende Regengüſſe in der Blüthezeit.
Außer einer Mehrzahl jener Unkräuter, welche wir als auf Weizenfeldern
vorkommend bezeichneten, finden ſich häufig die Roggentrespe (Bromus secalinus L.) ⚇,
der jährige Ziſt (Stachys annua L.) ☉, der ſchwer auszuputzende Klappertopf (Rhi-
nanthus) ☉, Fig. 20, S. 31, die rauhhaarige Wicke (Vicia hirsuta Koch.) ⚇, Fig. 21, der
Klatſchmohn (Papaver Rhoeas L.) ☉, Fig. 22, die Flockenblume (Centaurea Sca-
biosa L.) ♃, Fig. 23. Die Kornblume (Centaurea cyanus L.) ☉, Fig. 24, iſt nach Mög-
lichkeit von den Roggenfeldern fernzuhalten, weil ſie zur Verbreitung der Roggenälchen,
welche die ſogenannte Knoten- oder Stockkrankheit des Roggens hervorrufen, beiträgt.
Pflanzenkrankheiten werden bei dem Roggen durch folgende Pilze hervorgerufen:
- Roggenkornbrand (Ustilago secalis
Rabh.), ſelten. - Roggenſtengelbrand (Urocystis occulta
Rabh.), ſelten. - Streifenroſt (Puccinia graminis Pers.).
- Fleckenroſt (Puccinia straminis d. By.).
- Mutterkorn (Claviceps purpurea Tul.).
- Mehlthau (Erysiphe communis Wallr.).
Unter den genannten Pilzen treten am verheerendſten die Roſtpilze auf. Dieſelben
vermögen oft den geſammten Ernteertrag zu vernichten. Erſcheint das Mutterkorn häu-
figer (10—12 %), ſo iſt daſſelbe durch Sortiren von den Roggenfrüchten abzuſon-
dern, da es mit dieſen vermahlen, dem Mehle eine ungeſunde Beſchaffenheit verleiht.
Ueberdies iſt der Roggen den Angriffen der folgenden Thiere ausgeſetzt:
Wurzel:
Saatſchnellkäfer (Agriotes segetis Gyll.), Fig. 39. Larve ſchädlich.
Maikäfer, Engerling (Melolontha vulgaris F.). Larve ſehr ſchädlich.
Wurzel und Schoſſe:
Roggenälchen (Stockkrankheit) (Auguillula devastatrix Kühn.). Sehr ſchädlich.
[33]Die Mehlfrüchte.
Roggenzünsler (Pyralis secalis L.). — Raupe ſchädl.
Gemeine Halmwespe (Cephus pygmaeus L.). Fig. 25.
Afterraupe ſehr ſchädlich.
Heſſenfliege (Cecydomia destructor Say.). Fig. 26.
Made ſehr ſchädlich.
Weizenmücke (Cecydomia tritici Kirby.). Fig. 16,
S. 23. Made ſehr ſchädlich.
Scheckfüßige Weizenmücke (Chlorops taeniopus Meig.).
Made ſehr ſchädlich.
Fritfliege (Chlorops frit L.). Made ſehr ſchädlich.
Roggenfliege (Chlorops pumilionis L.). Made ſ. ſch.
Linirtes Grünauge (Chlorops lineata F.). Made
ſehr ſchädlich.
Gemeine Halmwespe (Cephus
pygmaeus L.) — 1 Larve; 2 dieſelbe
eingeſponnen im Winterlager; 3 Halm-
wespe, vergr.
- Blätter:
- Ackerſchnecke (Limax agrestis L.).
Fig. 91. Sehr ſchädlich. - Aaskäfer (Silpha atrata L.). Fig. 101.
Unmerklich ſchädlich. - Winterſaateule (Agrotis segetum Hb.).
Fig. 40. Raupe ſehr ſchädlich. - Kleinzirpe (Cicada sexnotata Fall.).
Wanze ſchädlich. - Getreideblattlaus (Aphis cerealis F.).
Blattlaus und Nymphe ſchädlich. - Aehre und Körner:
- Brach- und Junikäfer (Melolontha sol-
stitialis L.). Käfer ſchädlich. - Getreidelaubkäfer (Melolontha fruticola
F.). Larve ziemlich ſchädlich. - Kornwurm (Sitophilus granarius Sch.).
Fig. 17, S. 24. Käfer ſchädlich? - Queckeneule (Hadena basilinea W. F.).
Fig. 35, S. 41. Raupe ſehr ſchädlich. - Getreidemotte (Tinea cerealella Ol.).
Raupe ſehr ſchädlich.
Heſſenfliege (Cecidomia destructor Say.). — 1 Eier an einem Blatte; 2 Tonnenpuppe in einem
Halme; 2′ dieſelbe ſehr ſtark vergrößert; 3 ſehr ſtark vergr. Larve; 4 die in der Tonne liegende, ſtark vergr.
Puppe; 5 weibl. Mücke, daneben der vergr. Hinterleib der männl. Mücke, + natürliche Größe der weibl. Mücke.
5. Die Erute.
In Betreff des richtigen Zeitpunktes zur Vornahme der Roggenernte gelten die-
ſelben Anhaltepunkte wie bei dem Weizen; doch verträgt der Roggen eher als der Weizen
Krafft, Lehrb. d. Landw. II. 3
[34]Beſondere Pflanzenbaulehre.
das Hinausſchieben des Mähens über den günſtigſten Erntezeitpunkt, indem derſelbe
weniger als der Weizen dem Körnerausfalle unterliegt. Der Roggen reift in kühleren
Gegenden um 8—14 Tage früher als der Weizen, in warmen Lagen fällt die Ernte
beider Halmfrüchte nahezu in dieſelbe Zeit. Gewöhnlich wird der Roggen Anfangs Juli
geſchnitten, in ſüdlichen Lagen aber auch ſchon Ende Juni, in rauhen Lagen im Auguſt.
Die Erträge verſchiedener Gegenden unterliegen noch größeren Unterſchieden als
wie bei dem Weizen, indem der Roggen unter den verſchiedenartigſten Verhältniſſen
zum Anbaue gelangt. Auf Bodenarten, welche dem Flugſande naheſtehen, ſind kaum
5—8 Hektoliter per Hektar zu erwarten, auf geringem Boden 14—17 Hektoliter,
in zuſagenden Lagen 17—19—30 Hektoliter, auf Niederungsboden 32—42 Hekto-
liter. Das Gewicht der Körner ſchwankt per Hektoliter zwiſchen 60—65—70
Kilogr. Je feuchter die Gegend und die Jahreswitterung, um ſo leichter fällt
gewöhnlich das Gewicht aus.
Der Roggen beſitzt unter den Getreidearten gewöhnlich das längſte (1.2 bis
2 Meter) Stroh; die Erträge an demſelben ſind daher mit Ausnahme ſehr trockener
Gebiete anſehnlich und erreichen per Hektar 2.6—4—5.2 Tonnen à 1000 Kilogr.
Das Verhältniß von Stroh zu den Körnern ſtellt ſich meiſtens auf 100 Kilogr.
Körner: 250—300 Kilogr. Stroh.
Der Sommerroggen gibt meiſt nur unſichere Erträge, je ſpäter in das Früh-
jahr hinein derſelbe zum Anbaue gelangte oder je trockener die Frühjahrswitterung war.
In beiden Fällen kann ſich der Sommerroggen nicht ausreichend beſtocken. Der
Körnerertrag ſtellt ſich auf 10—17—20 Hektoliter à 53—61 Kilogr. per Hektar,
der Strohertrag auf 1.5—3 Tonnen.
3. Die Gerſte.
Die Gerſtenähre beſteht aus einblüthigen Aehrchen. Je nachdem alle oder nur
einige Aehrchen vollkommen ausgebildete Körner entwickeln und von der Spindel
abſtehen, oder an dieſelbe angedrückt ſind, ergeben ſich die verſchiedenen Gerſtenarten.
Mit Ausnahme einer Gerſtenart ſind alle mit langen Grannen verſehen. Die
Körner ſind meiſtens mit den Deckſpelzen verwachſen, ſeltener nackt. Als wilde
Stammformen ſind muthmaßlich Hordeum spontaneum C. Koch., am Kaukaſus
einheimiſch, und H. ithaburense Boiss. anzuſehen.
1. Zweizeilige, große gemeine Gerſte (Hordeum distichum L.) ☉.
Die Aehre enthält zwei ſich gegenüberſtehende Reihen von vollkommen entwickelten
Blüthchen, während zu jeder Seite zwei weitere Reihen verkümmerter Blüthchen ſtehen.
Ihr Halm iſt höher, die Frucht größer, die Vegetationszeit länger als bei den
übrigen Gerſtenarten. Die Gerſtenſpielarten zeigen weniger Beſtändigkeit als jene
des Weizens, doch erhalten ſie unter veränderten Anbauverhältniſſen ihre Eigen-
thümlichkeiten länger, als die Spielarten des Roggens.
a. Weißgelbe, zweizeilige Gerſte mit mehligem Bruche. Dieſelbe wird am
meiſten gebaut in den mittel- und weſteuropäiſchen Ländern, in Auſtralien, Amerika,
(Canada). Sorten: Chevaliergerſte, durch die röthlich violette Färbung ihrer Aehren
von anderen Spielarten unterſchieden, Fig. 27, Imperialgerſte, Schottiſche Annatgerſte,
[35]Die Mehlfrüchte.
Phoenix-Gerſte, Probſteier Gerſte, Kalinagerſte, Gerſte aus
der Hanna, Weiße auſtraliſche Gerſte, Prophetengerſte, Jeru-
ſalemsgerſte ꝛc. Eine beſondere Spielart iſt die Pfauen-
oder Reisgerſte (deutſcher Reis), deren Aehren durch die
Stellung der Grannen ein fächerförmiges Ausſehen zeigen.
b. Weißgelbe, zweizeilige Gerſte mit glaſigem Bruche.
Die Körner dieſer Gerſte beſitzen einen mehr glaſigen Bruch,
welcher beſonders deutlich hervortritt, wenn die Bruchfläche
benetzt wird. Sorten: Bläuliche Gerſte. Die auf der Rückſeite
durch die weißgelben Spelzen ſchimmernde, glaſige Beſchaffen-
heit des Kornes verleiht demſelben ein bläuliches Ausſehen.
c. Schwarze, zweizeilige Gerſte mit glaſigem Bruche.
Die ſchwarz beſpelzte Gerſte beſitzt einen entſchieden glaſigen
Bruch. Dieſelbe kommt am häufigſten unter den Gerſten
aus Spanien, Algier, Abyſſinien, Rumänien, Kleinaſien,
ſomit in trockenen, warmen Gebieten vor. Schwarze und
bläuliche Gerſten ſind jedoch auch in Norwegen und
Schweden verbreitet.
d. Nackte Gerſte mit mehligem oder glaſigem Bruche.
Die Verbreitung dieſer Gerſte erſtreckt ſich über kein zu-
ſammenhängendes Gebiet; man findet ſie nur hie und da in
Rußland, Rumänien angebaut. Ihrem allgemeineren An-
baue ſteht, trotz des größeren Körnerertrages gegenüber den
Spelzgerſten, das leichte Ausfallen der Körner entgegen.
Sorten: Nackte Kaffeegerſte, Nackte Phoenixgerſte ꝛc.
2. Vierzeilige, kleine Gerſte (Hordeum vul-
gare L.) ☉ und ⚇. Die vierzeilige Gerſte unterſcheidet
ſich von der ſechszeiligen Gerſte dadurch, daß jederſeits der
Aehre zwei Aehrchen abſtehen, zwiſchen welchen ein Aehr-
chen an die Spindel angedrückt iſt, ſo zwar, daß die
Aehre ein vierkantiges Ausſehen erhält. Dieſelbe macht
geringe Anſprüche an Klima und Boden und vollendet, als
Sommerfrucht angebaut, ihr Wachsthum in 11—14
Wochen. In milden Lagen kann dieſelbe auch als Winter-
frucht angebaut werden. Vierzeilige Wintergerſten werden
in Ungarn, Südrußland, Aegypten ꝛc. gebaut.
a. Gemeine weiße, vierzeilige Gerſte. Sorten:
Große gemeine Wintergerſte, Mammuth-Wintergerſte, Ge-
meine vierzeilige Sommergerſte, Warthebruchgerſte, Victoria-
gerſte, Mandſchureigerſte.
b. Bläuliche und ſchwarze vierzeilige Gerſte. Som-
mer- und Winterfrucht.
Zweizeilige Chevalier-
gerſte (Hordeum distichum L.) ☉.
3*
[36]Beſondere Pflanzenbaulehre.
Sechszeilige Frühgerſte (Hordeum
hexastichon L.) ☉ und ⚇.
c. Nackte vierzeilige Gerſte. Sorten:
Aegyptiſches Korn, Himalayagerſte, Nackte
Namptogerſte ꝛc.
3. Gabelgerſte (Hordeum trifurcatum
Ser.). Dieſe vierzeilige Gerſte beſitzt keine
Grannen, ſondern an Stelle dieſer befinden
ſich an den Hüllſpelzen lederartige, dreigabelige
Fortſätze. Dieſe nackte Wintergerſte wird in
Aegypten cultivirt.
4. Sechszeilige Gerſte (Hordeum
hexastichon L.) ☉ und ⚇, Fig. 28. Dieſe als
Winter- und Sommerfrucht angebaute Gerſte
beſitzt ſechs, regelmäßig von der Spindel ab-
ſtehende Zeilen von Aehrchen.
1. Die Wachsthumsbedingungen.
Bei den geringen Wärmeanſprüchen und
der Kürze der Vegetationszeit der Gerſte
kann dieſelbe, als einzige Getreidepflanze, noch
in dem kurzen nordiſchen Sommer unter dem
70° nördlicher Breite angebaut werden. Ihr
Anbau iſt überall unter der Iſothere (Orte
gleicher mittlerer Sommertemperatur) von
10°C. möglich. Sie wird am Nordcap noch
unter dem 70° nördl. Br., am weißen Meere
unter dem Polarkreiſe angebaut. In den
mitteleuropäiſchen Alpen geht ihr Anbau bis
nahe an 1000 Meter Höhe. Ebenſo gut wie
ein kaltes, verträgt ſie auch ein heißes,
trockenes Klima. Sie kommt in heißen Ge-
genden, wie z. B. in Arabien, leichter als der
Hafer fort. Sie gedeiht bei 5—10° und
auch bei 30°C. Bodenwärme.
In jenen nördlichen Himmelsſtrichen bil-
det die Gerſte — in Schweden Korn ge-
nannt — die Hauptbrodfrucht für die Be-
völkerung, während ſie in ſüdlichen Ländern
ausſchließlich zur Graupen-, Stärke-, Bier- und
Malzbereitung und zur Fütterung der Nutzthiere,
beſonders der Pferde verwendet wird. Am
weiteſten nach Norden geht die vierzeilige
Gerſte. Die zweizeilige Gerſte, die gewöhnlichſte
[37]Die Mehlfrüchte.
Gerſtenart in Mittel- und Weſteuropa reift auch noch dort, wo der Weizen als
Winterfrucht gedeiht und die Rothbuche (Fagus sylvatica L.) zuſammenhängende
Wälder bildet. Im Süden überwiegt die Cultur der ſechszeiligen Gerſte.
Die vierzeilige Sommergerſte kommt früher zur Entwickelung, als die zwei-
zeilige. Trotz der verſchiedenen Vegetationsdauer, welche bei der zweizeiligen Sommer-
gerſte durchſchnittlich 100—120 Tage, bei der vierzeiligen Wintergerſte 190—300 Tage
beträgt, benöthigen doch beide Gerſtenarten, bei Außerachtlaſſung der Wintermonate, eine
Wärmeſumme von 2200°C., in feuchten Klimaten von 2500°C. Die Winter-
gerſte kann jedoch nur in Gegenden mit mildem Winter gebaut werden, da ſie bei
Blachfröſten vollſtändig ausfriert.
Die Abänderungen, welchen die Gerſtenpflanze unter verſchiedenen klimatiſchen
Einflüſſen unterliegt, zeigen manche Uebereinſtimmung mit den bei dem Weizen an-
geführten Beobachtungen. Die Gerſtenpflanze bei conſtanter Bodenwärme von 10°C.
cultivirt iſt ſtämmig, breitblätterig, ihre Wurzel weiß, aus wenig verzweigten Aeſten
beſtehend; die bei 30°C. cultivirte iſt ſchwächlich, ihre Wurzel viel verzweigter,
dünner und intenſiv braun, doch kommt ſie vollſtändig zur Entwickelung und Körner-
bildung 1). Die Länge (60—85 Ctm.) des Strohes und damit aber auch die grö-
ßere Geneigtheit zum Lagern nimmt in nördlicheren und feuchteren Lagen zu. Der
Strohertrag, welcher bei der zweizeiligen Gerſte höher als bei der vierzeiligen aus-
fällt, wächſt im Allgemeinen mit der Annäherung an den Pol. In Gegenden
mit früheintretenden, trockenen und heißen Sommern wird die Entwickelung und das
Ausreifen beſchleunigt. Feuchtigkeit des Klimas verzögert dagegen die Reifezeit.
In Bezug auf den Boden iſt die Gerſte anſpruchsvoll. Gute Braugerſte wächſt
nur auf einem kräftigen, tiefgründigen Lehmboden. Auf zu ſtark gebundenen Boden-
arten kann die Gerſte leicht durch die Näſſe leiden, in Folge deſſen ihre Blätter ver-
gilben. Auf trockenem Boden, wie dem Sandboden, ſchoßt ſie in dürren Jahren
nicht vollkommen aus und wird nothreif. Doch kommt ſie in ſolchen Lagen noch
eher fort, als der Hafer, da ſie bei ihrer kürzeren Vegetationszeit, die wenn auch
noch ſo geringe Winterfeuchtigkeit beſſer ausnutzen kann. Am beſten gedeiht ſie auf
mildem Lehmboden, auf tiefgründigem, ſandigem Lehm, kalkreichem Lehm, bis lehmi-
gem Sand, welche Bodenarten daher als „Gerſtenböden“ bezeichnet werden.
In Betreff der Bedingungen, unter welchen das Wachsthum der Gerſtenpflanzen
vor ſich geht, liegen im Verhältniß zu anderen Nutzpflanzen noch die meiſten Unter-
ſuchungen vor, welche wir vorzugsweiſe Dr. E. Hellriegel zu verdanken haben.
Vor allem nimmt das abſolute Gewicht des Samens (1000 Körner wiegen 20 bis
50 Gramm) auf die geerntete Pflanzenmaſſe Einfluß, indem mit jenem das Gewicht der
Pflanze ſteigt. — Unter gleichen äußeren Vegetationsverhältniſſen ändern ſich die Ernte-
mengen je nach dem verfügbaren Lichte. Nach Hellriegel (Chemiſcher Ackersmann XIV. 17)
verhalten ſich die Erntemenge von Gerſtenpflanzen, welche im Freien, an der Vorder- und
Hinterſeite eines Glashauſes gezogen wurden, wie 8.56 : 3.7 : 1. Jene Pflanzen, welche
an der Hinterſeite des Glashauſes im diffuſen Lichte gewachſen waren, ſchoßten lang
[38]Beſondere Pflanzenbaulehre.
aber dünn und weich in die Höhe, ohne Körner zu bilden. — Ueber die Minimalmengen an
Kali und Stickſtoff, welche die höchſten Erträge gewähren, ſowie über das Waſſerbedürfniß
der Gerſtenpflanzen und deren Verhalten zu einem verſchiedenen Bodenvolum hatten wir
ſchon Band I. S. 23, 27, 42, 61 und 122 berichtet. Ebenſo machten wir ſchon Band I.
S. 21 auf den Einfluß eines Stickſtoff-, Kalk- und Magneſiamangels auf die äußere Er-
ſcheinung der Gerſtenpflanze aufmerkſam.
2. Die Vorfrucht und Vorbereitung.
Die Gerſte gedeiht am beſten auf einem nicht abgetragenen, Unkraut reinem
Felde. Sehr gute Vorfrüchte für die Gerſte ſind daher die gedüngten Hackfrüchte,
wie Zuckerrüben, Kartoffeln und der Mais. Dieſelben laſſen den Boden in gut gelockertem
Zuſtande und möglichſt frei von Unkraut zurück. Auf nährſtoffreichem Boden gedeiht
die Gerſte auch nach gut beſtandenem Klee, deſſen Wurzelrückſtände viele Nährſtoffe
zur Auflöſung bringen, vortrefflich; noch beſſer lohnt jedoch der Hafer den Klee.
Nach ſich ſelbſt gedeiht die Gerſte, wie der Weizen, ſchlecht, indem ſie bei ihrem
ſchnellen Wachsthume einen reichlichen Vorrath an aufnehmbaren Bodennährſtoffen
bedarf. Sehr häufig, wie bei den Felderwirthſchaften, kommt die Gerſte nach Winter-
getreide zu ſtehen, wenn auch die Aufeinanderfolge zweier Halmfrüchte nicht zu em-
pfehlen iſt. Die Wintergerſte, wenn ſie fortkommt, erhält den beſten Platz in der
Fruchtfolge; gewöhnlich wird ſie nach gedüngter Brache oder nach Raps gebaut.
Die Gerſte findet ihre beſte Ernährung bei leichterem Boden in der zweiten,
bei ſchwererem Boden in der dritten Tracht der Düngung, wenn ſie auch eine friſche
Düngung eher als eine andere Getreidefrucht, wegen ihrer geringeren Geneigtheit zum
Lagern verträgt. Friſche Düngung erhöht den Stickſtoffgehalt der Körner, weshalb
ſie beſonders für Braugerſte zu vermeiden iſt, von welcher man größere Mehligkeit
und geringeren Proteïngehalt verlangt.
Die Vorbereitung des Bodens zum Gerſtenanbaue richtet ſich nach der Be-
ſchaffenheit des Bodens, dem Klima und der Vorfrucht. Im Allgemeinen ſoll die
Gerſte in ein gut zubereitetes Land gebracht werden. Nach den Hackfrüchten iſt die
Beſtellung einfach; gewöhnlich gelangt das Feld ſchon nach einer Pflugfurche in den
erforderlichen klaren und reinen Zuſtand. Im Frühjahre ſäet man entweder un-
mittelbar auf die Herbſtfurche oder man wendet, im Falle der Boden ſich über Winter
geſetzt hat, vorher noch den Exſtirpator an. Bei Zuckerrüben und Kartoffeln, welche
am Felde eingemietet werden, können die Feldſtreifen, auf welchen die Mieten ſtehen,
erſt nach der Abfuhr der Wurzeln oder Knollen im Frühjahre umgebrochen werden.
Dieſer Umſtand ſchädigt den Ertrag der Sommerung, welche an ſolchen Plätzen wegen
Entganges der Winterfeuchte im Wachsthume zurückbleibt. Nach im Herbſte tief-
geſtürztem Kleegras kann im Frühjahre nach vorausgegangenem Eggen gleichfalls auf
die Herbſtackerung geſäet werden. Nach Wintergetreide erfordert jedoch die Gerſte eine
mehrfurchige Beſtellung. Nach dem Stoppelſturze wird am zweckmäßigſten gleich im
Herbſte noch eine zweite Ackerung, welche dann in rauher Furche über den Winter
liegen bleibt, gegeben und im Frühjahre unmittelbar auf die abgeeggte Furche ge-
ſäet, um beſonders in trockenen Gegenden die Winterfeuchte möglichſt beiſammen
zu halten.
[39]Die Mehlfrüchte.
3. Die Saat.
Bei der Auswahl der Gerſte zur Saat muß der Zweck, für welchen dieſelbe
angebaut wird, berückſichtigt werden. Von der Braugerſte verlangt man, daß die
Körner eine kurze, gedrungene, in der Mitte ſtark bauchige Form beſitzen, daß die
feinen, querrunzeligen, lichtgefärbten Spelzen einen möglichſt geringen Bruchtheil von
dem Gewichte des Kornes ausmachen. Dunkle Färbung der Spelzen iſt nicht er-
wünſcht, da dieſelben häufig durch Beregnen hervorgerufen wird, welches nachtheilig
auf die Gleichmäßigkeit des Keimens einwirkt. Die Bruchfläche des Kornes ſoll
mehlig und nicht glaſig ſein, indem im erſteren Falle die Körner ſtärkemehlreicher
ſind und daher eine größere Ausbeute an Dextrin und Zucker verſprechen. Außerdem
ſollen die einzelnen Körner gleichartig ſein, damit bei der Malzbereitung die Keimung
möglichſt gleichmäßig verlaufe. Futtergerſte wird dagegen um ſo werthvoller ſein,
einen je größeren Gehalt an Proteïnſtoffen ſie aufzuweiſen hat.
Zur Braugerſte müſſen daher nicht wie bei der Futtergerſte nur die ſchwerſten,
ſondern auch zugleich die mehlreichſten Körner zur Saat ausgewählt werden. Es
ſind dieß allerdings zwei Eigenſchaften, die ſich meiſt einander entgegenſtehen. Die
für dieſen Zweck vorzüglichſte Saatwaare gewährt die Gerſte aus dem mähriſchen
(Hanna), böhmiſchen und oberungariſchen Hügellande.
Für trockene Gegenden empfiehlt es ſich mit Rückſicht auf die Widerſtands-
fähigkeit gegen die Trockene, die Gerſte aus den ſüdöſtlichen Ländern Europa’s zu be-
ziehen, indem dieſe eine kürzere Vegetationszeit beſitzen und daher mit der Winter-
feuchte ſchon vor Eintritt der Trockene ausreichend entwickelt ſind.
In milderen und trockenen Gegenden wird die Gerſte bei Beginn der Frühjahrs-
ſaat Mitte März (mittlere Tagestemperatur 5—8.7°C.), in rauhen Gegenden in
der Mitte der Saatzeit Anfang bis Ende April (8.7—12.5°C.) angebaut. In
rauhen und zugleich feuchten Lagen oder bei kühler, feuchter Witterung wird man
die Gerſte ſelbſt gegen Schluß der Frühjahrsſaat anbauen, da ſie ſonſt leicht unter
der übermäßigen Feuchte leidet. Nach zu Grunde gegangener Winterung, Raps
kann die kleine vierzeilige Gerſte, welche in 70—80 Tagen ausreift, ſelbſt noch im
Mai und Anfang Juni mit Ausſicht auf Erfolg angebaut werden. In milden Lagen
wird die Wintergerſte zeitlich im Herbſte, im Auguſt oder September angebaut, da
dieſelbe im Frühjahre bald ausſchießt, weshalb ihre Beſtockung ſchon im Herbſte
vollendet ſein ſoll.
Das erforderliche Saatquantum für die zweizeilige Gerſte iſt ſo groß als wie bei
dem Weizen. Unter günſtigen Verhältniſſen beträgt daſſelbe 2 Hektoliter per Hektar,
unter ungünſtigen 3—3.5 Hektoliter. Bei der Drillſaat iſt um 20—25 % weniger
Saatgut zu nehmen. Zu dünn gefäete Gerſte wird leicht von dem Unkraute über-
wuchert, während bei zu dichtem Stande der Gerſte leichter Lagerfrucht entſtehen
kann. Von der vierzeiligen Gerſte ſäet man breitwürfig 2.5—3.2 Hektoliter, gedrillt
2.3—3 Hektoliter; von der Wintergerſte ebenſoviel als wie von der zweizeiligen Gerſte.
Die Keimpflanze der Gerſte, Fig 29 zeigt dieſelbe im Beginne der Keimung, iſt ſo groß,
daß ſie ſelbſt eine größere Bodenſchichte zu durchbrechen vermag. Im Sandboden und in
[40]Beſondere Pflanzenbaulehre.
Keimendes
Gerſtenkorn (Hordeum
distichum L.) ☉, vier
Tage nach der Ausſaat.
trockenen Gegenden bringt man daher die Gerſtenkörner 5—7 Ctm.
tief unter, in feuchtem, bindigem Boden genügen jedoch ſchon 2.5—5
Ctm. Im erſteren Falle wird die breitwürfige Saat mit dem
Pfluge oder dem Exſtirpator untergebracht und angewalzt, um die
oberſte Schichte, in welcher die Samen liegen, feucht zu halten;
im letzteren Falle wird die Gerſte untergeeggt. Bei der unter-
gepflügten Gerſte tritt leicht ein verſchiedener Wuchs der Pflanzen ein,
weshalb es am zweckmäßigſten iſt, die Gerſte mit der Drillmaſchine
unterzubringen.
4. Die Pflege.
Die Gerſte leidet unter der Ungunſt der Witterung oft beträchtlich. Die
Wintergerſte kann über Winter ganz zu Grunde gehen. Im Frühjahre verurſachen
Spätfröſte oder anhaltend feuchte Witterung ein Gelbwerden der Gerſtenblätter.
Tritt bei dem Frühjahrsanbaue wechſelnde Witterung ein, ſo wird die Gerſte, je un-
zweckmäßiger ſie untergebracht wurde, leicht zweiwüchſig, wodurch ihr Ertrag bedeutend
geſchmälert werden kann. Tritt Dürre ein, ſo ſchoßt ſie nicht vollkommen aus,
bleibt „in den Hoſen ſtecken“ und wird überdieß nothreif.
Die Entfernungen bei der Drillcultur ſind für die Gerſte meiſt enge, ſelten
weit zu geben, weshalb eine Bearbeitung mit Hackgeräthen nur ausnahmsweiſe vor-
kommt. Die Bodenbearbeitung während der Vegetation beſchränkt ſich auf ein leichtes
Uebereggen, wenn der Boden zur Kruſtenbildung neigt.
Rettig-Hederich (Raphanus
raphanistrum L.) ☉ — a Glieder-
hülſe in natürl. Größe, b und c
Same, d Samendurchſchnitt, e halbir-
tes Fruchtglied.
Unkräuter finden ſich in den Gerſtenfeldern um
ſo mehr, je ſchütterer der Stand und je mehr die
Entwickelung der Gerſte durch trockene Witterung ge-
hemmt wird. In den Rheingegenden reinigt man die
Gerſte durch Jäten. Das Jäten iſt beſonders bei
jenen Feldern zu empfehlen, welche Saatwaare liefern
ſollen. Bei feuchter, warmer Zeit genügt oft ein Ab-
köpfen der Unkräuter, welche dann ſchnell von der
Gerſte überwachſen werden. Auf vernachläſſigten
Feldern treten in der Gerſte hauptſächlich folgende
Unkräuter auf: Obenan der weiße Senf (Sinapis
alba L) ☉, der Ackerſenf (Sinapis arvensis L.) ☉ und
der Ackerrettig oder Hederich (Raphanus raphani-
strum L.) ☉, Fig. 30, dann das Adonisröschen (Adonis
aestivalis L.) ☉, der Klatſchmohn (Papaver Rhoeas
L.) ☉, Fig. 22, S. 31, das Löffelkraut (Cochlearia officinalis L.) ⚇, das Hirtentäſchl
(Thlaspi arvense L.) ☉, Fig. 33, S. 41, die Hundsgleiße (Aethusa cynapium L.) ☉,
Fig. 32, S. 41, die Kornblume (Centaurea Cyanus L.) ☉, Fig. 24, S. 31, der Ackerſtein-
ſamen (Lithospermum arvense L.) ☉, Fig. 31, S. 41, das gemeine Mäuſeöhrchen (Myo-
sotis intermedia Lnk.) ☉ und ⚇, Fig. 34, S. 41, die gemeine Melde (Atriplex patula
L.) ☉, Fig. 44, der Flohknöterich (Polygonum lapathifolium L.) ☉, Fig. 81.
[41]Die Mehlfrüchte.
Ackerſteinſame (Lithosper-
mum arvenseL.) ☉ — a und b Vor- u
Rückſeite der vergrößerten Frucht,
c natürl. Größe.
Hundsgleiße (Aethusa cynapium L.) ☉ —
a und b Theilfrucht (Mericarpium) von der Außen-
ſeite mit fünf ſchief gekielten Riefen, die beiden
ſeitlichen breiter; c von der Innenſeite; d Querſchnitt
durch die Frucht.
Hirtentäſchl (Thlaspi arvense
L.) ☉ — Samen mit Längsriefen.
Gemeines Mäuſe-
öhrchen (Myosotis intermedia
LK.) ☉ u. ⚇.
Die gewöhnlichſten Pflanzenkrankheiten der Gerſte werden durch folgende Pilze
hervorgerufen:
- Flugbrand (Ustilago Carbo Tul.), in
den Aehren auf Wintergerſte häufiger
als auf Sommergerſte. - Getreideroſt (Puccinia graminis Pers.),
auf den Blättern und Halmen. - Mutterkorn (Claviceps purpurea Tul.).
Die Gerſte iſt den Beſchädigungen durch folgende Inſecten ausgeſetzt:
Queckeneule (Hadena basilinea W. F.). —
1 unvollkommen ausgewachſene Raupe; 2 vergr.
Puppenende; 3 Falter.
Kornmotte (Tinea granella L.).
— 1 Raupe an zuſammengeſponnenen
Gerſtenkörnern mit Excrementen; 2 et-
was vergr. Puppe; 3 Motte.
- Wurzel:
- Drahtwurm (Agriotes segetis Gyll.).
Fig. 39, S. 47. Larve ſchädlich. - Getreide-Blattlaus (Aphis cerealis F.).
Blattlaus und Nymphe ſchädlich.
[42]Beſondere Pflanzenbaulehre.
- Schoſſe:
- Getreidelaufkäfer (Zabrus gibbus F.).
Fig. 15, S. 23. Larve ſchädlich. - Heſſenfliege (Cecidomyia destructor
Say.). Fig. 26, S. 33. Made ſehr
ſchädlich. - Weizenmücke (Cecidomyia tritici Kirby.).
Fig. 16, S. 23. Made ſehr ſchädlich. - Scheckfüßige Weizenmücke (Chlorops
taeniopus Meig.). Made ſehr ſchädlich. - Fritfliege (Chlorops frit L.). Made ſehr
ſchädlich. - Blätter:
- Aaskäfer (Silpha atrata L.). Fig. 101,
unmerklich ſchädlich. - Kleinzirpe (Cicada sexnotata Fall. u.
picta F.). Wanze ſchädlich. - Aehren und Körner:
- Queckeneule (Hadena basilinea). Fig. 35,
S. 41. Raupe ſchädlich. - Kornmotte (Tinea granella L.). Fig. 36,
S. 41. Raupe ſehr ſchädlich. - Getreidemotte (Tinea cerealella Ol.).
Raupe ſehr ſchädlich. - Getreideblaſenfuß (Thrips cerealium
Hal.). Vollkommener und unvollkom-
mener Kerf ſchädlich. - Fritfliege (Chlorops frit L.). Made ſehr
ſchädlich. - (Chlorops Herpinii Gill.). Made ſchädlich.
5. Die Ernte.
Die Gerſte muß geerntet werden, wenn die erſten Pflanzen reif geworden ſind.
Auf den Nachwuchs kann um ſo weniger gewartet werden, als durch trockene Witte-
rung bei der Sprödigkeit des Gerſtenſtrohes leicht ganze Aehren abbrechen und ver-
loren gehen. Beſondere Vorſicht bei der Wahl des richtigen Erntezeitpunktes und
bei der Vornahme der Ernte erfordert die nackte Gerſte, welche noch viel leichter als
die gewöhnliche Gerſte ausfällt, beſonders dann, wenn nach kurzem Regenfall wieder
Sonnenſchein eintritt. Meiſtens tritt die Gerſtenernte gleichzeitig mit der Roggen-
ernte ein, in trockenen Gegenden aber auch vor, in feuchten, kalten nach der Roggen-
ernte. Die Wintergerſte wird noch zeitiger, bald nach der Rapsernte, Ende Juni,
Anfang Juli, geerntet. Die Gerſte muß möglichſt trocken eingebracht werden, wes-
halb man ſie gewöhnlich, wenn dieſelbe nicht mit der Maſchine geſchnitten wird, in
Schwaden mäht. Die Schwaden bleiben liegen und werden erſt nach dem Abtrocknen
in Garben gebunden und aufgeſtellt.
Der Körner-Ertrag der zweizeiligen Gerſte ſtellt ſich unter ungünſtigen Verhält-
niſſen auf 13—16 Hektoliter per Hektar, auf gutem Gerſtenboden im Durchſchnitte
auf 20—23.5—27 Hektoliter, unter ſehr günſtigen Vegetationsverhältniſſen auf 28
bis 40 Hektoliter. Das Gewicht der Gerſte per Hektoliter beträgt bei geringer
Gerſte 52 Kilogr., bei ſchwerer Gerſte 56—63 Kilogr.
Der Strohertrag iſt gering, 0.8—1.7—3 Tonnen. Auf je 100 Kilo Körner
entfallen ungefähr 130—150 Kilo Stroh. Unter den ſämmtlichen Halmfrüchten
beſitzt das gut eingebrachte Gerſtenſtroh den höchſten Futterwerth.
Die vierzeilige Gerſte gibt per Hektare 15—25 Hektoliter Körner und 1 bis
2.3 Tonnen Stroh. Der Körnerertrag der Wintergerſte iſt auf geeignetem Stand-
orte höher, als jener der Sommergerſte, derſelbe beträgt 30—50 Hektoliter. Die
Körner ſind kleiner und um 7—10 % leichter als von der zweizeiligen Gerſte. Der
Strohertrag ſtellt ſich auf 2—2.5 Tonnen.
[43]Die Mehlfrüchte.
4. Der Hafer.
Winterrispenhafer (Avena sativa L.) ⚇.
Der Hafer unterſcheidet ſich von den übrigen Getreidepflanzen durch ſeine voll-
kommen ausgebildete Rispe. Die Aehrchen ſind mehrblüthig (2—4 Blüthchen).
Die langen, knieförmig gebogenen Grannen ſind unter der Spitze der Deckſpelze an-
geſetzt. Die Frucht iſt bei den meiſten Arten mit den Deckſpelzen verwachſen.
1. Rispenhafer (Avena sativa L.) ☉ und ⚇. Die Rispenäſte dieſer Haferart ſind
nach allen Seiten faſt wagrecht ausgebreitet. Die 2—3blüthigen Aehrchen beſitzen
[44]Beſondere Pflanzenbaulehre.
Weißer ungariſcher Fahnenhafer.
(Avena orientalis L.) ☉.
entweder nur eine oder keine Granne. Die
Spielarten unterſcheiden ſich nach der Farbe
der Spelzen, der Länge der Körner und der
Zahl der Früchtchen. Je nach der Ent-
wickelungsdauer unterſcheidet man Früh- und
Späthafer.
a. Blaßgelblicher, doppelfrüchtiger Ha-
fer. Hafer mit weißen oder blaßgelblichen
Spelzen werden außer Europa vorzugsweiſe
in Südauſtralien und Canada gebaut. Sorten:
Mit kurzem Korne und glatten glänzenden
Spelzen: Auſtraliſcher Hafer, Tasmaniſcher
Hafer, Berwick-Hafer, Engliſcher Kartoffel-
hafer, Canadiſcher Hafer; mit länglichem
Korne: Weißer Hafer, Angushafer, Prob-
ſteier Hafer, Ligowo-Hafer, Sibiriſcher Hafer,
Schottiſcher Dunhafer, Schottiſcher Potato-
hafer; mit etwas zuſammengezogener Rispe:
Kamtſchatka-Hafer, Kaukaſiſcher Hafer, Ho-
petown-Hafer ꝛc.
b. Goldgelber Hafer. Sorten: Großer
Goldhafer, Kartoffel-Goldhafer, Podoliſcher
Hafer, Ungariſcher Goldhafer, Winterhafer
(Fig. 37, S. 43) ꝛc.
c. Dunkler Hafer. Dunkle, bläulich-
oder rothbraun- und ſchwarzbeſpelzte Hafer
kommen ſowohl unter jenen des Nordens als
auch unter jenen ſüdlicher Klimate vor.
Sorten: Grauer und blauer Winterhafer,
Brauner Rispenhafer, Arabiſcher Hafer,
Brauner rumäniſcher Hafer, Schwarzer
Hafer, Joanette-Hafer ꝛc.
d. Dreifrüchtiger Hafer (Avena tri-
sperma Schuebl.). Dieſer Hafer, welcher
drei Früchte in jedem Aehrchen ausbildet,
wird in Württemberg und Baden unter dem
Namen „Gäbeleshafer“ (Gabel- oder Klump-
hafer) gebaut.
2. Fahnenhafer (Avena orientalis
L.) ☉. Der Fahnenhafer iſt durch ſeine zu-
ſammengezogene Rispe, welche fahnenartig
nach einer Seite gewendet iſt, gekennzeichnet.
[45]Die Mehlfrüchte.
Die Aehrchen dieſer Haferart ſind 3—4blüthig. Derſelbe wird ſeltener, am häufigſten
in den Gebirgsländereien Galiziens und Schleſiens angebaut. Sorten: Weißer und
ſchwarzer begrannter Fahnenhafer, Auſtraliſcher Fahnenhafer, Goldfahnenhafer, Weißer
ungariſcher Fahnenhafer, Fig. 38, S. 44, Brauner ungariſcher Fahnenhafer,
Schwarzer tatariſcher Hafer ꝛc.
3. Nackter Hafer(Avena nuda Al.). Die Körner ſind mit den Spelzen
nicht verwachſen. In unſerer Sammlung von Haferſorten der verſchiedenſten Länder
beſitzen wir nur eine Probe des nackten Hafers aus Dünkirchen (Frankreich), unter
der Bezeichnung nackter Himalayahafer. Metzger und Langethal führen noch den
7blüthigen Chineſiſchen nackten Hafer an.
1. Die Wachsthumsbedingungen.
Als Nahrungsmittel für den Menſchen verwendet man den Hafer nur in Schott-
land und hie und da im weſtphäliſchen Sauerlande. Für gewöhnlich dient er als
Pferdefutter. Nebſt dem Roggen beſitzt der Hafer die geringſte Verbreitung unter
den Cerealien. Die Polargrenze ſeines Anbaues fällt in Schottland auf den 58.5° nördl.
Breite, in Norwegen auf den 66°, in Schweden auf den 63.5°, in Rußland trifft ſie mit
der Polargrenze des Roggenbaues nahe zuſammen. In der Schweiz überſteigt der Hafer-
bau nicht die Meereshöhe von 1670 Meter, in den Karpathen nicht die Höhe von
1430 Meter. Ter Hafer verträgt rauhere und feuchtere Gegenden als die Gerſte.
Er bildet daher die Hauptſommerfrucht nördlicher Breiten; trotzdem reicht ſein An-
bau nicht ſo weit nach dem Norden als wie jener der Gerſte, da ſeine längere Vegeta-
tionszeit einem Vorrücken nach Norden hinderlich entgegenſteht. Nach Süden dehnt
ſich der Verbreitungsbezirk des Haferbaues gleichfalls nicht ſo weit aus als jener
der Gerſte, welche die Trockene und die Hitze leichter überſteht.
Die Haferpflanzen treten ungefähr 10—12 Tage nach der Saat aus dem
Boden hervor. Bis zur Reife verſtreichen 110—150 Tage, während welcher Zeit
dem Hafer eine Wärmeſumme von 2340—2730°C. zukommt.
Hafer aus ſüdlicheren Gegenden als der Anbauort bezogen, entwickeln ſich im
Allgemeinen unmerklich raſcher als jene aus nördlichen Gegenden. Haferſorten aus
Südoſteuropa haben überdieß nach den Vegetationsverſuchen von F. Haberlandt1)
eine größere Widerſtandsfähigkeit gegen die Hitze und Trockenheit des Sommers als
alle übrigen. Ebenſo ſcheinen die Fahnenhafer ein größeres Wärmequantum und
geringere Feuchtigkeit beſſer als die Rispenhafer zu vertragen. Der Strohertrag
ſteigt je feuchter die Gegend. Die beſten Haferkörner, d. h. ſolche mit leichten Spelzen
und ſchwerem Kerne, liefern die Hafer aus nördlicheren Gegenden. Nach H. Krutzſch2)
mindert ſich jedoch bei nördlicheren Bezugsorten das Geſammtgewicht der Körner per
Hektoliter. Nach demſelben Gewährsmann werden dunkel gefärbte nordiſche, ſchwach-
begrannte Hafer in ſüdlicheren Gegenden gebaut heller und verlängern ihre Grannen.
[46]Beſondere Pflanzenbaulehre.
In Betreff der Anſprüche an den Boden iſt der Hafer genügſamer als alle
übrigen Getreidearten, wenn er auch beſſere Bodenqualitäten ſehr gut lohnt. Der-
ſelbe kann ebenſo gut auf geringem Sandboden, als auf ſchwerem, zähen Thon-
boden, auf Moorboden und auf flachgründigem, ſteinigem Boden angebaut werden.
Eine Mittelernte an Hafer entzieht dem Boden gegenüber einer Mittelernte an Gerſte
folgende Nährſtoffmengen:
28 Hektoliter Hafer, à 40 Kilogr. oder
- 1120 Kilogr. Körner: 30.24 Aſche, 6.94 Phosphorſäure, 4.93 Kali,
- 2170 „ Stroh: 87.67 „ 3.12 „ 19.31 „
- Zuſammen: 117.91 „ 10.06 „ 24.24 „
23 Hektoliter Gerſte, à 57 Kilogr. oder
- 1311 Kilogr. Körner: 29.10 „ 10.09 „ 5.90 „
- 2170 „ Stroh: 89.62 „ 3.12 „ 20.40 „
- Zuſammen: 118,72 „ 13.21 „ 26.30 „
2. Die Vorfrucht und die Vorbereitung.
In Betreff der Vorfrucht iſt der Hafer ebenſo genügſam als wie in ſeinen
Anſprüchen an den Boden. Man baut ihn ſowohl als ſogenannte abtragende Frucht
nach Weizen, Gerſte, Roggen, Hülſenfrüchten, als auch zwei bis dreimal nach ſich
ſelbſt. Vorzüglichen Ertrag liefert der Hafer auf umgebrochenen Klee- und Gras-
ländereien oder auch nach Hackfrüchten. In Neuriſſen, friſch drainirtem Lande, in
Waldrodungen und in trocken gelegten Teichen gedeiht er beſſer als irgend eine
Pflanze.
Die Vorbereitung des Feldes zur Haferſaat ſoll ſchon im Herbſte vollendet ſein,
um im Frühjahre frühzeitig ausſäen zu können. Hat ſich der Boden beſonders bei
gebundener Beſchaffenheit über Winter zuſammengeſetzt oder iſt eine Verunkrautung
des Feldes zu befürchten, ſo muß im Frühjahre nochmals gepflügt oder das Feld
mit dem Exſtirpator bearbeitet werden.
Der Hafer kann am weiteſten hinter der Düngung ſtehen. In humusreichen
Boden kann derſelbe in die vierte Tracht nach der Stallmiſtdüngung kommen; in
humusarmen, leichteren Bodenarten in die dritte Tracht.
3. Die Saat.
Bei der Auswahl des Saatgutes hat man beſonders darauf zu ſehen, daß bei
den großen Unterſchieden in der Qualität des Hafers nur Samen genommen werde,
welcher per Hektoliter mindeſtens ein Gewicht von 40 Kilogr. erreicht, alle leichteren
Körner ſind auszuſcheiden. Die Güte des Hafers iſt jedoch nicht allein von der
Schwere des Kornes, ſondern auch von dem Antheile, welchen die Spelzen an dem
Samengewichte nehmen, abhängig. Auf dieſen Umſtand ſollte daher bei der
Auswahl des Saatgutes gleichfalls Rückſicht genommen werden. Bei geringeren
Haferſorten bilden die Spelzen bis zu 40 % vom Gewichte des Kornes; während
[47]Die Mehlfrüchte.
ſich das Gewichtsverhältniß der Spelzen bei den vorzüglicheren Qualitäten auf 12 %
herabmindern kann.
Je trockener der Boden, deſto früher iſt der Hafer anzubauen. Bei frühzeitiger
Saat tritt häufig ein Erfrieren der jüngeren Pflanzen und dann ein zu dünner Stand
ein, welcher das Unkraut leichter aufkommen läßt. Je früher, um ſo dichter muß
daher geſäet werden. Die gewöhnliche Saatzeit für den Hafer fällt auf Anfang
März, April.
Das Saatquantum wird bei breitwürfiger Saat mit 2.5—3.5 auch 4.3 Hektoliter
per Hektar bemeſſen, bei der Drillſaat mit 2.3—3 Hektoliter. Der Hafer verträgt
eine tiefere Bedeckung. Untergepflügte Saaten gehen jedoch wegen der geringeren Tem-
peratur des Bodens etwas ſpäter auf. Die untergeeggte Saat findet bei trockener
Witterung wegen zu ſeichter Bedeckung nicht die genügende Feuchte zum Keimen. Am
ſicherſten kommen gedrillte Haferſaaten.
4. Die Pflege.
Die Pflege des Hafers beſchränkt ſich auf das Abwalzen der untergebrachten
Saat, um das Ankeimen zu ſichern, und auf das Uebereggen bei eingetretener Ver-
kruſtung des Bodens.
Der Hafer unterliegt, bedingt durch ſeine Stellung in der Fruchtfolge ſehr, der Ver-
unkrautung, weshalb zuweilen nichts übrig bleibt, als ihn mitſammt dem Unkraute
zu Futter abzumähen. Beſonders nachtheilig durch die Verunreinigung der Frucht
werden die verſchiedenen wilden Haferſorten, vorzugsweiſe der Flughafer (Avena fa-
tua L.) ☉. Derſelbe iſt nicht wie der Rispenhafer am Grunde der Aehrchen ſchwach
weißlich behaart, ſondern mit roſtrothen Haarbüſcheln und ſchwarzen, ſtarren, ſtark-
gedrehten Grannen verſehen. Die Unkrauthafer liefern ſtets kleinere, ſchlechte, ſchwer
auszuputzende Körner und weniger Stroh als der Culturhafer.
Der Hafer wird am empfindlichſten von dem Staub- oder Flugbrand (Ustilago
Carbo Tul.) und von dem Roſte heimgeſucht. Am Hafer beobachtet man häufiger
den ſonſt ſelteneren Kronenroſt (Puccinia coronata Corda).
Außerdem wird der Hafer durch folgende Feinde aus der Inſectenwelt beſchädigt.
Drahtwurm (Agriotes segetis Gyll.).
Fig. 39. Larve ſchädlich.
Roſtrother Erdflohkäfer (Haltica ferruginea
Schrk.). Larve ſchädlich.
Getreidemotte (Tinea cerealella Ol.).
Raupe ſehr ſchädlich.
Cikade (Cicada cicadellina). Wanze ſchädlich.
Roſenzirpe (Cicada picta F.). Wanze
ſchädlich.
Getreideblattlaus (Aphis cerealis F.). Blatt-
laus u. Nymphe ſchädlich.
Fritfliege (Chlorops frit L.). Made ſehr
ſchädlich.
Saatſchnellkäfer (Agriotes segetis Gyll.).
— 1 Vergr. Larve, daneben Unterſeite des Leib-
endes; 2 Käfer; 3 Unterſeite des vergr. Kopfes:
a Unterkiefer, b Unterlippe, d Lippentaſter,
ek innere und g äußere Kiefertaſter, f Fühler
[48]Beſondere Pflanzenbaulehre.
5. Die Ernte.
Das Reifen des Hafers erfolgt ſehr ungleich, indem nicht nur die einzelnen
Pflanzen eines Feldes, ſondern auch die Körner an einer Pflanze zu verſchiedenen
Zeiten ausreifen. Dazu kommt, daß die ſchwerſten Körner bei dem Hafer ſich nicht,
wie bei den Getreideähren in der Mitte, ſondern an der Spitze der Rispe aus-
bilden. Man muß daher etwas ſpäter ernten, ſelbſt auf die Gefahr hin, durch
Ausfall einen Verluſt zu erleiden, um jene ſchwerſten Körner zur richtigen Zeit ge-
winnen zu können. Manche Hafervarietäten unterliegen übrigens nur ſehr wenig
dem Körnerausfalle. Eine ſpätere Ernte iſt um ſo angezeigter, als nach Arendt,1)
welcher die Haferpflanzen zur Zeit der beginnenden Reife, als die Körner ſchälbar
aber noch weich waren, und zur Zeit der völligen Reife unterſuchte, die völlig reife
Pflanze in dem letzten Stadium des Reifens die ſtickſtoffhaltige Subſtanz der Aehr-
chen mit den Körnern noch um 15.7 %, die ſtickſtofffreie Subſtanz (Stärke, Dextrin,
Zucker) noch um 21.8 % vermehrte, während die Holzfaſer (Celluloſe) nicht mehr
zugenommen hat. In Gebirgsgegenden bleibt der Hafer zäh, weshalb derſelbe ſchwer
mit der Hand auszudreſchen iſt. Um ſich nun die Arbeit zu erleichtern — ſofern
man kein Gewicht auf den Futterwerth des Haferſtrohes zu legen hat — läßt man
nach dem Schnitte den Hafer mehrmals beregnen (röſten). Die Körner gehen dann
leichter aus dem Stroh. Dieſes Verfahren ſoll jedoch immer nur als ein Noth-
behelf betrachtet werden. Der Hafer wird von den Getreidefrüchten gewöhnlich zu-
letzt, im Auguſt bis Ende September geerntet.
Auf geringem Haferboden erreicht der Körnerertrag kaum 12 Hektoliter per
Hektar. Als durchſchnittliche Körnererträge ſind 25—28—32 Hektoliter anzuſehen.
Unter beſonders günſtigen Verhältniſſen auf humusreichem Boden ſteigen dieſelben
bis auf 40—70 Hektoliter für ein Hektar. Das Gewicht der Körner zeigt bei
keiner Getreideart ſo große Unterſchiede als wie bei dem Hafer. Das Gewicht des
Hektoliters ſchwankt von 31—40—53 Kilogr.
Der Strohertrag unterliegt gleichfalls je nach der feuchten oder trockenen Jahres-
witterung und der Beſchaffenheit des Standortes großen Schwankungen. Der
niedrigſte Strohertrag erreicht kaum eine Tonne à 1000 Kilogr. Unter gewöhnlichen
Verhältniſſen ſtellt ſich der Strohertrag auf 1.5—2—2.5 Tonnen per Hektar. In
feuchten Lagen erreicht er jedoch 3.5 Tonnen.
5. Der Reis.
Der Reis (Oryza sativa L.) iſt das Hauptgetreide in Oſtindien, Japan und
China und in den Ländergebieten zwiſchen dem Aequator und dem 45. Breitegrade.
Wenn der Reis auch nach ungefähren Berechnungen der Hälfte aller Menſchen als
Hauptnahrungsmittel dient, ſo beſitzt er doch für Mitteleuropa nur geringe Bedeu-
tung. Der Reis verlangt als ſubtropiſche Sumpfpflanze nicht nur ein zeit-
weiliges Unterwaſſerſetzen, ſondern auch eine Wärmeſumme von mindeſtens 4500°C.
[49]Die Mehlfrüchte.
und eine mittlere Sommerwärme von 23°. In beachtenswerther Ausdehnung kann
daher der Reis mit Ausnahme von Spanien, Griechenland und der Türkei nur mehr
in der friauliſchen Ebene und in Oberitalien zum Anbaue gelangen. Der Reis
zeigt in ſeinen Früchten, welche mit den Spelzen innig verwachſen, ähnliche mannig-
faltige Abänderungen wie der Weizen. Nicht nur, daß die Früchte begrannt und
unbegrannt vorkommen, zeigen die Spelzen die verſchiedenſte Färbung von hellgelb,
braun, braunroth, braunſchwarz, violett bis zum ſchwarz und eine glatte bis
ſammtartige Beſchaffenheit.
Die Verſuche mit dem Anbaue des Bergreis (O. montana Louv.), welcher in
den höher gelegenen Theilen China’s in einem ſehr regenreichen Gebiete gebaut wird,
und dem amerikaniſchen Waſſerreis (Zizania aquatica), welche beide Pflanzen bei
uns ohne Bewäſſerung fortkommen ſollen, blieben ſtets erfolglos.
Als gefährlichſte Feinde der Reiscultur ſind neben Wärme- und Waſſermangel
die Reisquecke (Leersia oryzoides Sw.) und die Reiskrankheit anzuſehen. Letztere wird
durch einen Kernpilz (Pleospora oryzae)1) hervorgerufen, deſſen Mycelium in allen
Theilen der Pflanze wuchert und je nach der Verfärbung der befallenen Pflanzen
die weiße oder ſchwarze Reiskrankheit (Carolo bianco e nero) hervorbringt.
6. Der Mais.
Der Mais, Welſchkorn, Kukurutz, türkiſch Korn, türkiſcher Weizen, in Amerika
„Corn“ genannt (Zea Mays L.) ☉ zeichnet ſich durch ſeinen Blüthenſtand aus. Die
männlichen Blüthen ſtehen in Rispen an der Spitze des Halmes, die weiblichen in
Kolben in den Blattaxeln. Nach unſeren Unterſuchungen2) zahlreicher abnormer
Blüthenſtände unterſcheiden ſich die Maisblüthen in der Anlage nicht von den übrigen
Grasblüthen. Die männlichen Aehrchen ſind zweiblüthig, ebenſo die weiblichen;
bei letzteren kommt in der Regel nur ein Blüthchen zum Fruchtanſatze.
Die Veränderlichkeit und Bildungsfähigkeit der Maispflanze iſt eine außer-
ordentliche, weshalb ſie eine ſehr große Zahl von — wenn auch nicht immer be-
ſtändigen — Varietäten aufzuweiſen hat. Manche Varietäten erreichen eine Höhe
des Stammes von nur 0.5 Meter, andere, wie z. B. der Pferdezahn, werden 4.7
bis 5.6 Meter hoch. Bei uns ſchwankt die Höhe der Maispflanze zwiſchen 1.5 bis
3 Meter. Die Farbe der Körner zeigt alle Abſtufungen von weiß, gelb, orange, roth,
blau, violett bis ſchwarz; ſie ſind entweder gleichförmig gefärbt oder ſtreifenweiſe ge-
zeichnet. Das Gewicht der Körner ſchwankt für je 100 Stück zwiſchen 6.5 Gramm
(Spitzmais) und 58.5 Gramm (Pferdezahnmais). Ebenſo verſchiedenartig iſt die
Form der Körner. Dieſelben ſind entweder ſehr klein (Perlmais) oder kleinkörnig,
großkörnig, ſpitz zulaufend (Spitzmais) oder mit charakteriſtiſchen Eindrücken an dem
oberen Theile des Kornes verſehen (Pferdezahnmais). Die Körner ſind entweder
glatt oder wie bei dem Zuckermaiſe runzelig. Hinſichtlich der Wärmeanſprüche
Krafft, Lehrb. d. Landw. II. 4
[50]Beſondere Pflanzenbaulehre.
zeigt die Maispflanze große Verſchiedenheiten, größere als irgend eine Pflanze.
Zur ungefähren Orientirung in der großen Zahl von Maisvarietäten führen wir
folgende Gruppen von Barietäten1) an:
a. Spelzmais. In Braſilien wildwachſende Art mit langen die Körner um-
hüllenden Spelzen.
b. Spitzmais. Spätreifender, ſpitzkörniger, gelb und roth gefärbter Mais,
welcher vereinzelt in Amerika gebaut wird.
c. Zuckermais. Die Körner des Zuckermaiſes ſehen an ihrer Oberfläche nicht
glatt, ſondern faltig, runzelig aus. Derſelbe iſt entweder farblos oder gelb, roth,
blau, bunt gefärbt oder geſtreift. Der Anbau dieſer ſpätreifenden Maisſorte beſchränkt
ſich auf Nordamerika.
d. Pferdezahnmais. Große, plattgedrückte Körner mit Eindrücken an der
Spitze, welche den Kunden bei den Pferdezähnen ähnlich ſehen. Dieſe ſehr ſpät-
reifenden, verſchiedenartig gefärbten und gezeichneten Maisſorten werden vorzugs-
weiſe in den wärmeren Theilen der Vereinigten Staaten von Nordamerika in großer
Ausdehnung gebaut, vereinzelt auch in Südtirol. Bei uns kommen ſie ſelten zur
Reife und zeigen dann oft ſchon im erſten Jahre die Neigung, ſich in Maisſorten
mit runden Körnern umzuwandeln.
e. Kleinkörniger Mais. Die meiſten frühreifenden Maisſorten beſitzen kleine,
runde, verſchieden gefärbte Körner. Sie eignen ſich beſonders zum Anbaue in jenen
Gegenden, in welchen der Maisbau ſchon unſicher wird. Sorten: Zwergmais,
Perlmais, Hühnermais, Chineſiſcher Mais mit verſchieden gefärbten Körnern an
ein und demſelben Kolben, Cinquantino oder Fünfmonatmais, welcher in 130 Tagen
ausreift, Pignoletto, etwas größer als der vorige, in 150 Tagen ausreifend.
f. Großkörniger Mais. Dieſer zwiſchen den ſpät- und frühreifenden Sorten
ſtehende, runde, verſchieden gefärbte Mais wird am gewöhnlichſten in Europa und
Amerika cultivirt. Zu den ertragreicheren Sorten zählen: Ladykorn, King Philipp
Mais, Popkorn, Canadenſer Mais ꝛc.
Die Reſerveſtoffe ſind im Maiskorne derart vertheilt, daß die Eiweißſtoffe bis zu 25 %
und das fette Oel bis zu 33 % vorzugsweiſe im Keime — deſſen Gewicht durchſchnittlich
11.93 % des Geſammtgewichtes des Kornes ausmacht — das Stärkemehl in Form dicht ge-
drängter polyedriſcher Körner in dem Endoſperm enthalten ſind. Die Stärkekörner des mehr
nach Außen gelegenen, hornigen Theiles des Endoſperms ſind durch ein ſtickſtoffhaltiges
Bindemittel zuſammengekittet.
Die Keimfähigkeit des Maiſes erleidet erſt nach 3—4jähriger gewöhnlicher Aufbewahrung
am Schüttboden eine Einbuße. Bei luftdichter Aufbewahrung von künſtlich getrocknetem
Samen zeigt ſelbſt eine 7- und 8jährige Aufbewahrung keine erhebliche Verminderung der
Keimfähigkeit.
Die Keimung tritt erſt bei einer Temperatur über 9.4°C. ein. Vom Tage des An-
baues bis zum Sichtbarwerden des erſten Blattes, nach 11—17 Tagen, ſind nach unſeren
[51]Die Mehlfrüchte.
Unterſuchungen (Metamorphoſe der Maispflanze. Wien 1870. S. 20) 150—250°C. er-
forderlich. Die Keimpflanze, welche ſich aus dem Nährſtoffvorrathe des Maiskornes ent-
wickelt, beſitzt nebſt der Scheide zwei vollſtändig entfaltete Blätter. Dieſelbe erreicht von
dem Korne gemeſſen eine Höhe von 7—14 Ctm.
Das weitere Wachsthum der Maispflanze, welches von dem Ergrünen der Blätter ab-
hängt, erfordert eine Temperatur, welche beſtimmt oberhalb 6°C. und wahrſcheinlich unter-
halb 15°C. liegt1). Bei niederer Temperatur verlängert ſich zwar noch anfänglich die
Pflanze, die Blätter bleiben aber gelb. Nach Bernatz (Landw. Centralbl. XVI. I. 126)
wächſt der Mais langſamer als der Weizen; er nahm in 7 Tagen um 155 Mm. (am
Tage 105, Nachts 50 Mm.) an Länge zu.
Die Aſſimilationsproducte der Blätter treten bei dem Maiſe nach den Unterſuchungen
von Dr. J. Sachs (Annalen der Landw. i. d. kgl. pr. Staaten. Bd. XXXIX. S. 181)
im Stamme als Stärke auf, welche überwiegend durch die Parenchymzellen weiter befördert
wird, während die Eiweißſtoffe durch die Gitterzellen der Gefäßbündel zu den Verbrauchs-
orten geſchafft werden. Später ſcheint die Stärke zum Theile in Rohr- und Traubenzucker
umgewandelt zu werden, um ſich endlich wieder, durch die Kolbenſpindel eingewandert,
in dem Endoſperm der reiſenden Körner als Stärke niederzuſchlagen.
Der Tiefgang der Maiswurzeln iſt nach Johnſon (Wie die Feldfrüchte wachſen. Braun-
ſchweig 1871. S. 269) in reichem zähen Boden auf 0.5—1 Meter, dagegen im leichten,
ſandigen Boden ſogar bis auf 3—4.7 Meter verfolgt worden. Fehlt es an Stickſtoff, ſo
zeigt der Mais nach Stohmann (Landw. Verſ. Stat. X. 107) eine Neigung zur Ent-
wickelung ſehr langer Wurzeln. Eine Maispflanze von kaum 0.16 Meter Höhe beſaß eine
2.2 Meter lange Wurzel.
Bemerkenswerth bleibt weiter, daß bei der Maispflanze die Blattknoten lange Zeit
quellungsfähig bleiben, ſo zwar, daß durch den Wind niedergelegte Maisſtämme mit halb-
reifen Kolben durch die Krümmungsfähigkeit dieſer Knoten wieder aufrecht geſtellt werden.
Bis zum Hervortreten der männlichen Rispe, 50—100 Tage nach dem Anbaue, iſt je
nach der Maisvarietät eine Wärmeſumme von 970—1900°C. erforderlich. Sobald ſich
die männlichen Blüthen öffnen und die Verſtäubung der Pollenzellen beginnt, erſcheinen von
oben nach abwärts in den Blattaxeln des Stammes die weiblichen Blüthenkolben. Jeder
Kolben wird von zahlreichen, ſcheidenartigen Deckblättern (Lieſchen) eingehüllt. An der
Spitze der Lieſchen treten die ſehr langen Griffeln der weiblichen Blüthen als zahlreiche
Fäden hervor. Bis zu dem Erſcheinen der Griffeln verſtreichen 63—112 Tage mit einer
Wärmeſumme von 1200—1800°C. An einer Pflanze entwickeln ſich 1—4, in ſeltenen
Fällen auch 5 Maiskolben, in welchen die Samen je nach der Varietät in 6—20 Reihen
von 90—220 Mm. Länge dicht gedrängt ſtehen.
Größeren Kolben entſpricht nach Haberlandt (Centralbl. f. geſ. Landescultur. 1867.
Nr. 1) bei völlig ausgereiſten Körnern ein größeres Körnergewicht, aber auch ein größeres
Gewicht der Kolbenſpindel und der Deckblätter. Das durchſchnittliche lufttrockene Gewicht
eines Kolbens beträgt 143 Gramm; davon entfallen auf die Körner 104 Gramm (73.6 %)
und auf die Spindel 39 Gramm (26.4 %). Die Deckblätter eines Kolbens wägen durch-
ſchnittlich 24 Gramm (16.5 % vom Kolbengewicht), das Stroh einer Pflanze 114 Gramm
(77.1 % vom Kolbengewicht).
1. Die Wachsthumsbedingungen.
Der Mais, welcher nach dem Reiſe die meiſten Menſchen ernährt, bildet in
Amerika und Afrika eine Hauptbrodfrucht. Seine Verbreitung erſtreckt ſich nicht
nur auf ſeine Heimath Amerika, woſelbſt der Maisbau vom 54° nördlicher Breite
4*
[52]Beſondere Pflanzenbaulehre.
bis 40° ſüdlicher Breite, von Canada bis Laplata gebaut wird, ſondern auch auf
Südeuropa, Afrika, Aſien und Auſtralien. In Europa geht der Maisbau bis zur
Iſotherme von 9.4°C., bis zur Grenze des Weinbaues und ſelbſt darüber hinaus,
ſofern die vorzugsweiſe entſcheidende mittlere Sommertemperatur (Juni — Auguſt)
mindeſtens noch 19.4°C. erreicht.
Um zur Reife zu gelangen, bedürfen die Maispflanzen während ihrer Vege-
tationszeit von 129—186 und mehr Tagen eine Wärmeſumme von 2500—3000°C.
Nach Haberlandt1) wird die Reifezeit früher Sorten bei der Uebertragung
derſelben aus ſüdlichen in nördliche Gegenden immer weiter hinausgeſchoben. Es
macht ſich dieß um ſo mehr geltend, je öfter der fremde Same zum Anbaue ge-
langte. Die früheſten Sorten gehören dem Süden an und jenen Ländern, welche ſich
durch Trockenheit des Sommers, geringen Vorrath von Pflanzennährſtoffen im Boden
und raſch ſteigende Sommerwärme auszeichnen. Die Körner ſolcher frühreifender
Sorten bleiben meiſt klein, haben aber eine größere Härte und größeres ſpecifiſches
Gewicht. Im Gegenſatze zu den Bedingungen, welche Frühmaisſorten hervorbringen,
entſtehen ſpätreifende Sorten bei ſtarken, jährlich wiederkehrenden Regen im Sommer,
bei künſtlicher Bewäſſerung, beſonders kurz vor dem Eintritte der Blüthe, bei frucht-
barem Boden und gemäßigter Sommerwärme, daher in den nördlicheren maisbau-
treibenden Ländern. Bei den ſpäteren Sorten vergrößert ſich mit der ganzen Pflanze
auch das einzelne Korn, es wird vielmals ſchwerer als ein frühreifendes, ſein Ge-
webe wird lockerer und ſein Stärkemehlgehalt nimmt ab.
Der Mais gedeiht auf ſchwerem, wie auf leichtem Boden. In wärmeren Ge-
genden wird er auf gebundeneren Böden höhere Erträge gewähren, da dieſe ſich leichter
feucht erhalten. In nördlicheren Gegenden wird er in wärmeren, etwas geſchützten
Lagen und auf leichterem Boden, der ſich ſchneller erwärmt, beſſer gedeihen. Zu
naſſen Boden verträgt der Mais nicht, während er ſelbſt anhaltende Trockene, ſo-
fern nur zeitweilig ein Regenfall eintritt, gut überſteht. Er kommt noch auf ge-
ringen Bodenqualitäten fort, während er kräftigen Boden durch einen Körnerertrag
lohnt, wie er in gleicher Höhe von keiner anderen Körnerfrucht erreicht wird.
2. Die Vorfrucht und Vorbereitung.
Der Mais wird gewöhnlich zwiſchen zwei Halmfrüchten gebaut und zwar folgt nach
frühreifenden Maisſorten Wintergetreide, nach ſpätreifenden Sommergetreide. Als
tiefwurzelnde Pflanze kann er mit gleicher Sicherheit bei gehöriger Düngung ſelbſt Jahr
für Jahr auf demſelben Felde angebaut werden. Nach Klee, Gras oder auf
Neubruch geräth er vorzüglich.
Durch Düngung kann der Mais zu einem ſehr hohen Ertrage gebracht werden.
Er verträgt eine ſtarke Stallmiſtdüngung, da er bei der Stärke ſeiner Halme nicht
zum Lagern neigt. Nur auf ſehr kräftigem Boden wird es geſtattet ſein, ihn ohne
[53]Die Mehlfrüchte.
friſche Düngung zu bauen. Die Stallmiſtdüngung kann entweder im Herbſte, oder
im Winter, oder kurz vor dem Anbaue gegeben werden. Außer dem Stallmiſte
werden auch Aſche, Knochenmehl, Guano, Compoſt ꝛc. mit Erfolg zur Düngung der
Maisfelder verwendet.
Der Mais greift den Boden, wenn wie gewöhnlich das Stroh zur Dünger-
gewinnung verwendet wird, gegenüber den Wurzelfrüchten nicht ſehr ſtark, jedoch ſtärker
als das Wintergetreide an. Eine Mittelernte entzieht dem Boden per Hektar fol-
gende Mengen an Aſchenbeſtandtheilen:
30 Hektoliter Mais, à 66 Kilogr. oder
- 1980 Kilogr. Körner: 25.74 Aſche, 11.68 Phosphorſäure, 7.33 Kali,
- 3000 „ Stroh: 125.70 „ 15.90 „ 28.80 „
- 700 „ Kolbenſpindeln: 3.22 „ 0.14 „ 1.68 „
- Zuſammen: 154.66 „ 27.72 „ 37.81 „
Der tiefwurzelnde Mais verlangt einen ſorgfältig und tief gelockerten, fein ge-
krümelten Boden. Nach dem Stoppelſturz des vorangegangenen Getreides wird der
Boden vor Winter mit dem Untergrundpfluge oder dem Wühler tief gelockert. Oft
wird die Stoppel gleich tief geſtürzt. Ueber Winter wird der Dünger aufgefahren
und nach Möglichkeit untergepflügt oder erſt mit der Saatfurche im Frühjahre in
den Boden gebracht.
3. Die Saat.
Zur Saat bewahrt man die Körner am beſten am Kolben auf und zwar wählt
man dazu die ſchönſten und am vollkommenſten entwickelten Kolben. Bei kleineren
Saatquantitäten verwendet man nur jene Körner, welche im mittleren Drittel des
Kolbens ſich befinden, indem dieſe am vollkommenſten ausgebildet ſind.
Nach den Unterſuchungen von Dr. G. Wilhelm1) befinden ſich dagegen die ſchwerſten,
keimfähigſten und daher zur Saat beſonders geeigneten Körner nicht am mittleren, ſon-
dern am unteren Drittel der Kolben. Das durchſchnittliche Gewicht und die Keimfähigkeit
- von 100 Körnern des oberen Kolbendrittels war 22.152 Gramm, reſp. 97.7 %.
- „ mittleren „ „ 25.115 „ „ 97.9 %.
- „ unteren „ „ 26.365 „ „ 96.6 %.
Von den verſchiedenen Maisſorten wird ſich, je näher ein Land der nördlichen
Grenze des Maisbaues gelegen iſt, um ſo mehr der Anbau frühreifender Mais-
ſorten empfehlen. Dieſe Frühſorten, welche für nördlichere Gegenden aus Südungarn,
Dalmatien, Italien zu beziehen wären, ſollen jedoch nur wenige Jahre gebaut werden,
da ſie bald die Eigenſchaften des einheimiſchen Samens erreichen. Ein wiederholter
regelmäßiger Samenwechſel führt allein zur Erhaltung der Eigenthümlichkeiten der
gewählten Sorte.
Die junge Maispflanze iſt gegen Fröſte ſehr empfindlich, weshalb der Anbau
des Maiſes erſt dann vorgenommen werden ſoll, wenn ſtärkere Fröſte nicht mehr zu
befürchten ſind. Da der Mais, beſonders bei kühlem Wetter, langſam keimt, ſo baut
[54]Beſondere Pflanzenbaulehre.
man ihn etwas früher, als es mit Rückſicht auf die Froſtgefahr erforderlich wäre.
Am zweckmäßigſten iſt es, eine mittlere Tagestemperatur von 12.5°C. abzuwarten, und
erſt dann zur Saat zu ſchreiten. In wärmeren Lagen wird der richtige Zeitpunkt zur
Saat in den letzten Apriltagen oder mit Beginn des Mai, in kälteren erſt Mitte
Mai eintreten. Frühreife Sorten können noch im Juni mit Erfolg geſäet werden.
Zur Ergänzung von Fehlſtellen verwendet man zur Beförderung des Ankeimens ge-
quellten Samen.
Der Mais benöthigt einen verhältnißmäßig großen Wachsraum. Die breit-
würfige Saat iſt daher bei dieſer Pflanze als Samenverſchwendung und als zu koſt-
ſpielige Saatmethode auszuſchließen. Ebenſo unvollkommen iſt das Unterbringen
nach jeder zweiten oder dritten Pflugfurche. Am vollkommenſten iſt die Stufenſaat,
welche entweder mit der Hand oder der Dibbelmaſchine ausgeführt wird. Bei der-
ſelben wird das Feld vor der Saat durch die Egge und die Walze klar und glatt
gemacht und mit dem Reihenzieher kreuz und quer markirt. An den markirten
Stellen werden je drei Körner auf 4 bis höchſtens 5 Ctm. Tiefe in den Boden ge-
bracht. Bei trockenem Boden zieht man an der markirten Stelle den Boden mit
der Haue oberflächlich weg und legt die Körner in die darunter liegende, feuchtere
Schichte und drückt ſie etwas an. Meiſt reicht jedoch ein Verfahren aus, bei
welchem mit dem Fuße ein Grübchen in den Boden gedrückt wird, in das 3—4
Körner aus der Hand hineingeworfen werden; mit der Fußſpitze werden dann die
Körner mit lockerer Erde zugedeckt und leicht angedrückt.
Die Größe des Wachsraumes, welchen man der im Quadrat- oder Reihen-
verbande ſtehenden Maispflanze gibt, richtet ſich nach der Güte des Bodens und
des Klimas und nach der gebauten Maisſorte. Bei kräftiger Entwickelung der Mais-
pflanze in einem warmen Klima, wie in Amerika, muß derſelben ein Wachsraum
von 0.4 □Meter und mehr gewährt werden. In Ungarn baut man den Mais
entweder auf 63—80 Ctm. oder auf ſchwächerem Boden auf 50 Ctm. in’s Geviert,
und beläßt an jeder Stelle zwei Pflanzen; es erhält ſomit jede Pflanze 0.3—0.2
reſp. 0.13 □Meter Wachsraum. Verzichtet man auf das kreuz und quer Behacken,
welches nur bei dem Quadratverbande möglich iſt, ſo kann man die Pflanzen auch
einzeln im Reihenverbande auf 63 Ctm. und 32 Ctm. mit demſelben Wachsraume
von 0.2 □Meter bauen. Dieſelbe Stellung der Pflanzen wird auch erzielt, wenn
der Mais mit der Drillmaſchine in 63 Ctm. (70—40 Ctm.) entfernten Reihen
angebaut wird und ſpäter die überflüſſigen Pflanzen mit der Hacke derart heraus-
gehauen werden, daß auf je 32 Ctm. (40—26 Ctm.) eine Pflanze ſtehen bleibt.
Das erforderliche Saatquantum läßt ſich leicht nach dem Wachsraume und der
Körnerzahl eines Hektoliters berechnen. Bei 0.2 □Meter Wachsraum ſind für ein
Hektar 50.000 Körner erforderlich. In 1 Kilogr. ſind 2000—8000 Körner im
Mittel 5000 Körner enthalten. Es ſind daher per Hektar 10 Kilogr. Maiskörner
oder bei einem Gewichte des Hektoliters von 66 Kilogr. 0.15 Hektoliter Saatgut
erforderlich. Da jedoch in eine Stufe mehrere Körner gelegt werden, ſo erhöht ſich
der Samenbedarf auf 0.2—0.3 Hektoliter. Bei der Reihenſaat benöthigt man
0.42—0.53 Hektoliter per Hektar.
[55]Die Mehlfrüchte.
Auf nährſtoffreichem Boden, dem es nicht an Feuchte fehlt, baut man bei
dem Kleinbetriebe zwiſchen die meiſtens etwas weitläufiger geſtellten Pflanzenreihen
Zwergbohnen (Fiſolen), Rüben, Kartoffeln und Kürbiſſe. Der Ertrag des Feldes
wird dadurch unter günſtigen Verhältniſſen weſentlich vermehrt, wenn ſich auch die
Culturkoſten wegen der erſchwerten Pflege und Ernte erhöhen. In trockenen Ge-
genden iſt dieſe Zwiſchencultur nicht auszuführen, da der Mais die Bodenfeuchtigkeit
allein verbraucht; in kühlen Gegenden beſchatten die Zwiſchenfrüchte den Boden zu
ſtark. Man wird ſich daher in ſolchen Lagen begnügen, bloß an den Feldrändern
Zwiſchenfrüchte, beſonders Kürbiſſe, zu bauen.
4. Die Pflege.
Die Maisſaaten leiden oft ſehr empfindlich durch die Spätfröſte; ebenſo können
Frühfröſte im Herbſte beträchtlichen Schaden anrichten. Anhaltende Trockenheit ſchä-
digt gleichfalls den Körnerertrag. Heftige Winde drehen die Pflanzen ab oder
zerreißen ſie durch das Anwerfen von Sandkörnern, wenn der Boden leicht verweht
werden kann.
Iſt der Mais tief gelegt, ſo kann noch vor dem Aufgehen der Saat eine vor-
handene Kruſte durch Uebereggen zertheilt werden. Die weitere Bearbeitung des Bodens
wird wie bei den Hackfrüchten ausgeführt. Sobald der Mais handhoch heran-
gewachſen, wird demſelben mit der Pferdehacke die erſte Hacke gegeben. Dieſelbe iſt
nur ſeicht auf 5 Ctm. Tiefe auszuführen, da es ſich weniger um die Lockerung des
Bodens, als um die Vertilgung des Unkrautes handelt. Kann man kreuz und quer
behacken, ſo wird die Arbeit um ſo vollkommener. Läßt die Pflanzweite nur nach
einer Richtung eine Bearbeitung zu, ſo ſoll zu mindeſtens die Arbeit jedesmal an dem
entgegengeſetzten Feldende begonnen werden. Durch das Hacken verſchüttete Pflanzen
läßt man mit der Hand wieder bloßlegen.
Iſt der Mais gedrillt, ſo müſſen die Pflanzenreihen vor der zweiten Hacke je
nach der Varietät des Maiſes auf 26—40 Ctm. verdünnt werden. Großkolbige
Maisſorten ſtellt man weiter, kleinkolbige enger. Ebenſo müſſen bei der Stufenſaat
alle überflüſſigen Pflanzen bis auf zwei, höchſtens bei ſehr fruchtbarem Boden bis
auf drei Pflanzen ausgezogen werden. Seitenſchößlinge, welche aus den unteren
Knoten der Maispflanze bei feuchter Witterung hervorkommen, ſollen gleichfalls
durch Abſchneiden entfernt werden. Wenn ſich das Heraustragen der ausgegeizten
Pflanzen aus dem Felde lohnt, ſo können dieſelben als Futter verwendet werden.
Nach dem Verdünnen, wenn der Mais ungefähr eine Höhe von 30 Ctm. er-
reicht hat, folgt die zweite, auf etwa 8—13 Ctm. Tiefe zu gebende Hacke. Dieſer
zweiten Hacke folgen je nach Witterung und Bodenbeſchaffenheit zwei bis drei weitere
Hacken. Für gewöhnlich reicht eine zweimalige Hacke vollkommen aus Vor dem
Hervortreten der Rispen wird der Mais angehäufelt. Durch daſſelbe wird nicht
nur die Standfähigkeit des Maiſes erhöht, ſondern auch das Anwurzeln der aus
den unteren Halmknoten hervortretenden Wurzeln befördert und dadurch die Er-
nährung der Pflanze begünſtigt. Zuweilen wiederholt man das Anhäufeln, doch muß
[56]Beſondere Pflanzenbaulehre.
daſſelbe noch vor dem Eintritt der Blüthe beendet ſein, indem während der
Blüthe das Maisfeld nicht mehr betreten werden darf, um nicht den ungehinderten
Verlauf der Verſtäubung und Befruchtung zu ſtören.
Von Pflanzenkrankheiten hat der Körnermais nur wenig zu leiden. Vereinzelt
tritt der Maisbrand oder Beulenbrand (Ustilago Maydis Tul.) auf. Derſelbe
bildet an den Kolben, Rispen und zuweilen auch an den Stengeln und Blättern über
fauſtgroße Beulen, deren Inhalt größtentheils aus dem braunſchwarzen Sporenpulver
des Pilzes beſteht. Ein, wenn auch nicht ſehr erheblicher Schaden durch den Beulen-
brand ergibt ſich nur dann, wenn der Mais mehrere Jahre nach einander auf dem-
ſelben Felde gebaut wird. Gegen denſelben kann man ſich überdieß durch Beizen des
Samens mit Kupfervitriol ſchützen, wenn man gleichzeitig die Vorſicht gebraucht,
kein brandiges Stroh mit dem Dünger auf das Feld zu bringen. Zuweilen,
wenn auch ſeltener als wie bei dem dichtſtehenden Futtermaiſe, erſcheinen auf den
Blättern und Halmen Roſtſtreifen und Roſthäufchen von Puccinia straminis, dBy.
Nach J. Kühn1) wurde auf dem Maiſe auch Mutterkorn gefunden.
Bemerkenswerth ſind die zahlreichen abnormen Bildungen2), welche ſowohl in
dem männlichen als auch in den weiblichen Blüthenſtänden der Maispflanze häufig
vorkommen, ohne daß dadurch eine erhebliche Schädigung des Ertrages eintreten würde.
Der Mais hat nur wenig von Feinden aus der Thierwelt zu leiden. Am
verderblichſten wird den Maisſaaten, ſo lange ſie noch ſehr jung ſind, der Drahtwurm
(Agriotes segetis Gyll.), Fig. 39, S. 47. Die durch dieſen Feind entſtehenden Lücken
können jedoch durch Nachlegen von gequellten Maiskörnern bis Mitte Mai wieder in
Stand gebracht werden. Als dem Maiſe ſchädliche Inſecten kommen zur Beobachtung:
- Wurzeln und Keimpflanzen:
- Engerling (Melolontha vulgaris F.).
Larve ſchädlich. - Saatſchnellkäfer (Agriotes segetis Gyll.).
Fig. 39, S. 47. Larve ſehr ſchädlich. - Ypſiloneule (Plusia gamma L.). Fig. 88.
Raupe ſchädlich. - Winterſaateule (Agrotis segetum Hb.).
Fig. 40, S. 57. Raupe ſehr ſchädlich. - Weizeneule (Agrotis tritici L.). Fig. 45,
S. 64. Raupe ſchädlich. - Stengel und Blätter:
- Hirſezünsler (Pyralis silacealis Tr.).
Raupe ſehr ſchädlich. - Wanderheuſchrecke (Oedipoda migra-
toria). - Heupferd (Decticus verrucivorus L.).
- Körner:
- Kornmotte (Tinea granella L.). Fig. 36,
S. 41. - Getreidemotte (Tinea cereallela Ol.).
Raupe ſehr ſchädlich. - Getreiderüßler (Sitophilus granarius
Sch.). Fig. 17, S. 24.
[57]Die Mehlfrüchte.
Winterſaateule (Agrotis segetum Hb.). — 1 geſtreckte und eingerollte Raupe, 2 Puppe,
3 weiblicher Falter.
5. Die Ernte.
Das Ausreifen der Maiskolben beginnt mit dem Abdorren der Kolbenblätter.
Weiterhin laſſen ſich drei Stadien des Ausreifens unterſcheiden. Im erſten Stadium
tritt ein völliges Abwelken der aus den Deckblättern hervorragenden, fadenförmigen
Griffel ein; bei einer gelben Maisſorte zeigen die Körner noch ein völlig glashelles
Ausſehen. Im zweiten Stadium erhalten die noch milchſaftigen Körner mit Aus-
nahme eines Theiles der Körner an der Kolbenſpitze, welche milchweiß erſcheinen,
eine dottergelbe Färbung. Im dritten Stadium nehmen die härter gewordenen Körner
eine ſattgelbe Färbung und einen Glasglanz an. Bei anders gefärbten Körnern
tritt in ähnlicher Weiſe nach und nach die Verfärbung ein.
Um in Gegenden, welche für den Maisbau unſicher ſind, oder bei ſpätreifenden
Sorten das Ausreifen zu beſchleunigen, wurde die Abnahme der Rispe und der
Blätter oberhalb des letzten Kolbens oder das Abgipfeln des Maiſes, ſowie das Ein-
ſchneiden und Umbrechen der Maisſtengel empfohlen. Nach Haberlandt1) ſind dieſe
Verfahrungsweiſen, beſonders letztere, nicht nur erfolglos, ſondern von beträchtlichem
Nachtheile für die Quantität und Qualität der Ernte. Der Schade durch die auf
dieſe Weiſe herbeigeführte Nothreife iſt um ſo größer, je früher dieſe Eingriffe vor-
genommen werden. Am zweckmäßigſten bleibt es noch, im Falle Frühfröſte das Aus-
reifen verhindern ſollten, etwa 14 Tage vor der Ernte die Deckblätter aufzuſchlitzen
und ſeitwärts herabzubiegen, damit die am Stamme bleibenden Kolben leichter aus-
trocknen und die Körner erhärten können.
Die Ernte wird im letzten Reifeſtadium vorgenommen, wenn die Kolbenblätter
dürr und die Körner hart geworden ſind. Früher Mais, wie Cinquantino, reift
ſchon Mitte Auguſt, großkörnige Sorten in warmen Gegenden Mitte September, in
kühleren im October, oft auch gar nicht. Bei dem Ausbrechen der Kolben werden
die Lieſchen mit der Hand oder einem Meſſer, einem Nagel aufgeſchlitzt und die
Kolben abgenommen, oder man bricht die Kolben mit den Deckblättern von den
[58]Beſondere Pflanzenbaulehre.
Stengeln und entfernt ſie erſt im Hofe mit der Hand oder in neuerer Zeit auch mit
Maſchinen. Die nackten Kolben können bei uns wegen ihres großen Feuchtigkeits-
gehaltes (33 %) nicht gleich entkörnt werden, wenn nicht ein Verſchimmeln und Ver-
derben der Kolben oder Körner eintreten ſoll. Bei kleinen Quantitäten hängt man
die mit einem Theile ihrer Deckblätter in Bündeln oder in Kränze zuſammengebunde-
nen Kolben zum Austrocknen auf Baumäſte, unter die Hausdächer, oder auf
Trockenpyramiden auf. Größere Mengen werden in eigene Trockenhäuſer eingefüllt.
Es ſind dieß nicht über 1.3—2 Meter breite, gegen die herrſchende Windrichtung
geſtellte leichte Gebäude, deren Wände aus eng geſtellten Latten beſtehen, durch welche
die Luft durchziehen, aber keine Körner herausfallen können. In dieſen Trocken-
häuſern bleibt der Mais bis gegen das Frühjahr, zu welcher Zeit das Entkörnen
vorgenommen wird. Das Entkörnen oder Abrebbeln geſchieht entweder mit der Hand
mit einem ſtumpfen Meſſer oder durch Abdreſchen auf einem Lattenroſte oder durch
Maisentkörnungsmaſchinen, welche für den Hand- und Dampfbetrieb eingerichtet
werden. Eine von drei Arbeitern bediente Handrebbelmaſchine liefert im Tag
15—22 Hektoliter Körner, größere Maſchinen für Kraftbetrieb 360—420
Hektoliter. Für den Samenbedarf bewahrt man bis zur Saat die Kolben in den
Lieſchen auf und rebbelt nur die Körner in der Mitte oder von dem unteren Drittel
(ſiehe Seite 53) des Kolbens ab.
Der Ertrag an Körnern iſt je nach der Cultur und dem Boden ſehr ver-
ſchieden. Kleinkörnige Sorten, wie Cinquantino, Pignoletto ꝛc. bleiben hinter dem
Ertrage der großkolbigen, großkörnigen Maisſorten kaum zurück. Für einen etwaigen
Ausfall an der Hektoliterzahl liefern ſie mehr als genügenden Erſatz durch das
höhere Hektolitergewicht und den beſſeren Preis, den ſie in Folge deſſelben erzielen.
Das Hektar liefert im Durchſchnitte 38—100 Hektoliter Kolben, welche 20—70
Hektoliter Körner geben. Im großen Durchſchnitt beträgt der Körnerertrag 30 Hekto-
liter im Gewichte von 65—70 Kilogramm. Unter ſehr günſtigen Verhältniſſen
ſteigen die Maximalerträge bis gegen 100 Hektoliter Körner. Die abgerebbelten
Spindeln werden gewöhnlich als Brennmaterial verwendet.
Das Stroh wird für ſich durch Abhacken im Spätherbſte gewonnen und wird
entweder als Streumaterial in den Viehausläufen oder für die Compoſtfabrikation
verwendet; geerntet werden 2.5—6.3 Tonnen, à 1000 Kilogr. per Hektar.
7. Die Mohrenhirſe.
Die Mohrenhirſe, Sirk, Beſenkraut, Sorghohirſe, Negerkorn, Durra oder Guinea-
korn (Sorghum vulgare Pers.) ☉ bildet neben Eleusine coracana und indica und
Teff (Poa abyssinia Jacq.) die Hauptbrodfrucht in den afrikaniſchen Tropenländern.
Ihr Anbau, öfter nur eingeſprengt in Mais und Kartoffelfeldern, erſtreckt ſich jedoch
auch auf Ungarn, Dalmatien, Siebenbürgen, Südtirol, Rumänien, Südfrankreich.
Noch unter dem 48° nördl. Breite kommen die Samen zur Reife, wenn auch die
Pflanzen kaum zwei Meter hoch werden. Ihre Körner werden in den genannten
Ländern nicht nur zur Mehlbereitung, ſondern auch als Futter, beſonders für
[59]Die Mehlfrüchte.
Schweine und Geflügel verwendet. Die entkörnten Rispen geben vorzügliche
Kehrbeſen.
Neben der gemeinen Mohrenhirſe mit lockerer, endſtändiger Rispe wird zu-
weilen auch die nickende Mohrenhirſe (Sorghum cernum Roxb.) ☉ gebaut. Deren
dichte, klumpige Rispe wird von einem bogenförmig nach abwärts gekrümmten Stengel
getragen. Außerdem wurden in den fünfziger Jahren vergebliche Anbauverſuche mit
der in Oſtindien einheimiſchen Zuckermohren-
hirſe (Sorghum saccharatum Pers.) ☉ gemacht.
Dieſelbe unterſcheidet ſich von den beiden ande-
ren Sorghumarten, welche einen leichten, trocken-
markigen Stengel beſitzen, durch ihren blei-
ſchweren, zuckerſaftreichen Stengel. Von den
verſchiedenen Sorghumarten werden ſowohl
weiß- als auch roth-, braun- und ſchwarz-
früchtige Varietäten angebaut.
In Ungarn wird die Saat der gemeinen
Mohrenhirſe Anfang Mai ausgeführt. Bei
größeren Culturen werden die Samen in 60
bis 80 Ctm. entfernten Reihen und in der Reihe
auf 26—30 Ctm. gedibbelt. Der Samen-
verbrauch iſt gering; derſelbe beträgt 10—20
Kilogramm per Hektar. Die weitere Cultur
ſtimmt mit jener bei dem Maiſe angegebenen
überein. In ihrer erſten Jugend wächſt ſie
nur langſam, verträgt jedoch die Dürre ſehr
gut. Nach Tulasne werden die Halme der
Mohrenhirſe von einem Steinbrandpilz (Tilletia
Sorghi vulgaris) befallen. Die Reife der Körner
erfolgt ſpät, erſt Anfang October. An Körnern
werden per Hektar 170—250 Kilogr. geerntet.
8. Die Hirſe.
Von den verſchiedenen Hirſenpflanzen wer-
den wegen ihrer Körner angebaut: die gemeine
oder Rispenhirſe (Panicum miliaceum L.)☉
Fig. 41, die Klumphirſe (P. miliaceum var.
contractum) ☉, die Bluthirſe (Panicum san-
guinale L.) ☉ und die große Kolben- oder
Borſtenhirſe, Fennich (Setaria italica Beauv.) ☉,
außerdem iſt, jedoch als Futterpflanze, der Mohar
(Setaria germanica Rth.) ☉ zu erwähnen.
Die bei uns am häufigſten angebaute
Gemeine oder Rispenhirſe
(Panicum miliaceum L.) ☉.
[60]Beſondere Pflanzenbaulehre.
Rispenhirſe unterſcheidet ſich von der Kolbenhirſe durch den rispenförmigen Blüthen-
ſtand und den Mangel an Borſten, welche bei der letzteren Hirſe als blüthenloſe
Aehrchenſtiele neben den fruchttragenden Aehrchen hervorſehen. In den zweiblüthigen
Aehrchen kommt nur eine Blüthe zur Entwickelung. Der Same verwächſt mit den
Spelzen, welche um denſelben eine ſpröde, verſchieden gefärbte, glänzende Schale
bilden. Die Früchte der Kolbenhirſe ſind kleiner als jene der Rispenhirſe.
Von den verſchiedenen Varietäten der Rispenhirſe werden in Oeſterreich und
Ungarn vorzugsweiſe ſolche mit gelben, welche mehr oder weniger mit violettſchwarzen
Früchten untermiſcht ſind, oder weißen Früchten, in Böhmen auch die blutrothen, in
Deutſchland die grauen Hirſen angebaut. Seltener werden Hirſen mit braunen,
violetten oder ſchwarzen Körnern cultivirt. Gegenüber der Rispenhirſe hat die große
Kolbenhirſe, welche ſich durch ihre großen, klumpigen und borſtigen Rispenähren
auszeichnet, in Mitteleuropa nur eine geringe Verbreitung. Bemerkenswerth iſt, daß
dieſe Culturpflanze aus dem Samen einer wildwachſenden Unkrautpflanze, der grü-
nen Borſtenhirſe (Setaria viridis Bv.) ☉ bei ſchütterer Ausſaat in gelockertem, frucht-
barem Boden, wie F. Haberlandt zuerſt nachgewieſen hat, in wenig Jahren heran-
gezogen werden kann.
1. Wachsthumsbedingungen.
Die Rispenhirſe verlangt ein warmes, wenn auch trockenes Klima. Ihr Anbau
erreicht daher mit dem Aufhören der Wein- und Maiscultur ſeine Grenze. In
kälteren Gegenden verurſacht die Ernte durch das ſehr ungleiche Ausreifen der Rispen
zu viele Schwierigkeiten, als daß die Cultur noch lohnend ſein könnte. Die Rispen-
hirſe kann lange Trockene vertragen, ſelbſt dann, wenn dadurch das Wachsthum zum
vorübergehenden Stillſtande kommen ſollte. Sie eignet ſich daher beſonders zum An
baue in den öſtlichen Ländern Europa’s. Noch höhere Anſprüche an die Wärme als
die Rispenhirſe ſtellt die Kolbenhirſe, welche überdieß eine längere Vegetationsdauer —
oft von mehr als 5 Monaten — beſitzt und die Frühjahrsfröſte noch weniger als die
Rispenhirſe verträgt.
Die Anſprüche an den Boden ſind durch das Wärmebedürfniß der Hirſe be-
dingt. Sie gedeiht daher auf Sandboden und ſandigem Lehm, beſonders in trocke-
nen, warmen Lagen am Beſten. In trockenen, humusreichen Teichböden gibt ſie
gleichfalls reichliche Körner- und Stroh-Erträge.
2. Die Vorfrucht und Vorbereitung.
In Betreff der Vorfrucht ſind die Hirſenarten nicht wähleriſch. Beſonders gut
gedeihen ſie in Neubrüchen und nach Klee und Hackfrüchten. Dagegen verlangen ſie
einen reinen und ſorgfältig zubereiteten Boden, damit ſie leichter von dem Unkraute
verſchont bleiben. In zweiter Tracht nach reichlicher Düngung ſind ſie ertrags-
reicher als in friſcher Düngung.
[61]Die Mehlfrüchte.
3. Die Saat.
Wegen ihrer Empfindlichkeit gegen Froſt wird die Hirſe ſpät, erſt zu Anfang
Mai gebaut, wenn die mittlere Tagestemperatur 12.5°C. erreicht hat. Nach zu
Grunde gegangenem Roggen oder Mais kann die Rispenhirſe ſelbſt noch Ende Juni
mit Vortheil geſäet werden. Sehr zu empfehlen iſt die Ausführung der Saat durch
die Drillmaſchine, indem gedrillte Saaten ſpäterhin ein Behacken der Reihen zulaſſen.
Der Samenbedarf iſt bei Breitſaat 0.3—0.7 Hektoliter, bei Drillſaat 0.2—0.3
Hektoliter per Hektar.
4. Die Pflege.
Das Wachsthum der Hirſenpflanzen erfolgt anfänglich nur langſam, weshalb
ſie ſehr leicht von Unkräutern aller Art unterdrückt werden können. Um die Aus-
breitung des Unkrautes hintanzuhalten, müſſen die Saaten entweder übereggt oder noch
zweckmäßiger mit kleinen Handhacken bearbeitet werden. Bei der Kleincultur empfiehlt
ſich ſelbſt ein Jäten mit der Hand. Drillſaaten ſind mit mehrſchaarigen Hackgeräthen
öfters durchzuziehen.
Von Pilzkrankheiten hat die Hirſe beſonders in niederen, feuchten Lagen oder
wenn ſie auf im Walde eingeſchloſſenen Feldſtücken gebaut wird, von dem Hirſebrand
(Ustilago destruens Schlecht.) zu leiden. Oft werden ſchon die in den Halmen
verbleibenden Rispen von dieſem Flugbrande befallen und dadurch an dem Hervor-
treten gehindert. Auf der Kolbenhirſe wurde eine andere Brandart (Ustilago Crameri)
beobachtet. Gegen den Hirſebrand wird das Abſengen der an den Samen haftenden
Sporen empfohlen 1). Zu dieſem Zwecke werden die Hirſekörner durch ein leichtes
Feuer geworfen. Unter den Inſecten vermag die Raupe des Hirſezünslers (Pyralis
silacealis Tr.) den Hirſeſaaten bedeutend zu ſchaden.
5. Die Ernte.
Der richtige Zeitpunkt zur Vornahme der Ernte iſt bei dem ungleichen Aus-
reifen der Rispen ſchwer zu treffen, während anderſeits durch ein Verſäumniß ein
beträchtlicher Verluſt durch das leichte Ausfallen der Körner entſtehen kann. In
warmen Sommern wird die Rispenhirſe im Auguſt, in kühlen im September, die
weniger ausfallende Kolbenhirſe um einen Monat ſpäter geerntet. Um einen Verluſt
durch Ausfall vorzubeugen, empfiehlt es ſich, die Hirſe mit der Senſe zu ſchneiden
und gleich nach der Ernte in der Scheune auszudreſchen. Das noch friſche Stroh,
ſowie die ausgedroſchenen Körner müſſen jedoch durch Ausbreiten auf der Tenne
ſorgfältig getrocknet werden. Für den Bedarf zur Saat läßt man eine Partie un-
ausgedroſchen, um dann im Frühjahre ſicher keimfähigen Samen zu erhalten. Der
Körnerertrag erreicht bei der Rispenhirſe per Hektar 15—30 Hektoliter im Gewichte
von 60—70 Kilogramm. Von der Kolbenhirſe erhält man etwas weniger. Die
unenthülſte Hirſe, welche als Viehfutter und zur Branntweinbrennerei verwendet
wird, beſitzt ungefähr denſelben Preis wie die Gerſte. Vor ihrer Verwendung zur
[62]Beſondere Pflanzenbaulehre.
menſchlichen Nahrung wird ſie auf eigenen Mühlen enthülſt, wobei ſich 40 % Abgang
ergeben. An Stroh, welches, wenn gut eingebracht, einen großen Futterwerth beſitzt,
erhält man per Hektar 1—2 Tonnen à 1000 Kilogramm.
9. Der Buchweizen.
Buchweizen (Polygonum fagopyrum L.) ☉.
Zu den cultivirten Buchweizen-
arten zählen: 1. Der gemeine Buch-
weizen, Heidekorn, Gricken, Blende,
Schwarzes Welſchkorn (Polygonum fa-
gopyrum L.) ☉, Fig. 42. Eine Buch-
weizenpflanze entwickelt oft mehr als
40,000 Blüthen in end- und blatt-
winkelſtändigen Trauben. Trotzdem iſt
die Fruchtbildung ſehr unſicher, weil
häufig der Fruchtknoten aus unbekannter
Urſache verkümmert 1) und die Blüthen
ſomit männlich werden. Außerdem iſt
die Befruchtung dadurch erſchwert, daß
die acht Staubgefäße häufig kürzer als
der Fruchtknoten ſind. In der Blüthe,
welche ein 5theiliges weißes, am Saume
roth gefärbtes Perigon beſitzt, befinden
ſich acht kleine, goldgelbgefärbte, glän-
zende Honigdrüſen. Die glatte Frucht
bildet ein ſcharf dreikantiges, oben ſpitzes
Nüßchen. Beſitzt der Fruchtknoten zu-
weilen 2 ſtatt 3 Narben, ſo erſcheint
die Frucht flach und zuſammengedrückt.
Dieſelbe enthält einen mehlreichen Eiweiß-
körper. Die Wurzel des Buchweizens
zeichnet ſich durch beſonders lange (3 bis
5 Mm.) Wurzelhaare aus. Zu den
bekannteren Varietäten gehören der ſilber-
graue ſchottiſche und der ſchwarzſamige
gemeine Buchweizen; erſterer zeichnet ſich
durch üppige Krautentwickelung aus,
bleibt jedoch im Körnerertrage zurück. Seine hauptſächlichſte Verwendung findet der-
ſelbe als Heidegrütze, Heidemehl und als Maſtfutter für das Geflügel. Der Honig-
[63]Die Mehlfrüchte.
ertrag der Blüthen wird durch Wanderbienenzucht ausgenützt. 2. Der tatariſche,
ſibiriſche oder chineſiſche Buchweizen(Polygonum tataricum L. oder emarginatum
Rth.) ☉, Fig. 43. Derſelbe unterſcheidet ſich von dem gemeinen Buchweizen durch
ſeine in gedrängten Trauben ſtehenden, jederzeit zwitterigen Blüthen, mit grünlichem
Perigon und durch ſeine rauhen Früchte mit wellig
gekerbten Kanten. Derſelbe, weniger empfindlich
gegen Fröſte, wird jedoch wegen ſeines geringeren
Mehl- und größeren Hülſengehaltes minder ge-
ſchätzt. Im gemeinen Buchweizen zeigt er ſich oft als
Unkraut. 3. Der Färberknöterich oder Indigo-
buchweizen (Polygonum tinctorium Lour.) ☉ ſoll
hier nur erwähnt werden, da er weniger um der
Früchte als wegen des ſchönen, indigoähnlichen Farb-
ſtoffes in den Blättern, jedoch meiſt nur verſuchs-
weiſe angebaut wird.
Ausgerandeter Buchweizen
(Polygonum emarginatum Roth)☉ — a u.
b Achäne; c dieſelbe im Querſchnitt:
α Fruchthülle, β Samenhülle, γ Eiweiß,
δ die S-förmig gebogenen Keimlappen.
Der gemeine Buchweizen ſtammt aus den nordöſtlichen Aſien oder aus China.
Gegenwärtig wird ſeine Cultur in Europa, begünſtigt durch ſeine kurze Vegetations-
dauer von 12 — 14 Wochen, noch unter dem 70° nördl. Breite ausgeführt. Bis
zur Reife beanſprucht die Pflanze eine Wärmeſumme von 1000°C. Am meiſten
zuſagend ſind dem anſpruchsloſen Buchweizen leichtere, ſandige Bodenarten. Auf
Moorboden und Neuland zählt er zu den wenigen Culturpflanzen, welche angebaut
werden können. Thon-, Mergel- und Kalkboden ſind von der Buchweizencultur aus-
zuſchließen.
In der Fruchtfolge kann er auf jeden Platz geſtellt werden, am häufigſten wird
er nach gedüngter Hackfrucht oder nach Roggen geſäet. In wärmeren Lagen wird
derſelbe auch als Vor- oder Nachfrucht zu anderen Pflanzen, beſonders als Stoppel-
frucht nach Getreide, Raps, ſofern der Boden für die nachfolgende Frucht nicht zu
ſehr ausgetrocknet wird, angebaut. Da der Buchweizen den Boden ſehr erſchöpft,
muß zur Nachfrucht eine Düngung gegeben werden. Auf humusreichem Boden kann
der Buchweizen in vierter Tracht einer reichen Stallmiſtdüngung ſtehen, auf humus-
armen Boden ſtellt man ihn jedoch mindeſtens in die dritte Tracht. Friſche Dün-
gung, beſonders ſtickſtoffreiche, befördert zu ſehr die Krautentwickelung auf Koſten
der Fruchtbildung. Auf Humusboden wirkt eine Kalidüngung (200 Kilogramm
dreifach concentrirtes Kaliſalz per Hektar) im Herbſte gegeben vorzüglich auf den Buch-
weizen. Auf leichtem, phosphorſäurearmen Sand bewährt ſich eine Düngung mit
200—300 Kilogramm Superphosphat.
Gegen Spät- und Frühfröſte iſt er ſehr empfindlich, da er nicht ſelten ſchon
bei 1.5—2.5°C. vollſtändig erfriert. Seine Saat wird daher nicht vor Anfang Mai bis
Mitte Juni als Stoppelfrucht nach der Getreideernte ausgeführt, nachdem das Feld
vorher durch eine Pflugfurche und mehrmaliges Eggen rein und locker vorbereitet
wurde. An Samen kommen auf 1 Hektar bei Breitſaat 1—1.5 Hektoliter, bei
Drillſaat 0.5—0.8 Hektoliter. Der Same ſoll nur flach mit der Egge auf 2.5
bis 5 Ctm. untergebracht werden.
[64]Beſondere Pflanzenbaulehre.
Gemeine Melde (Atriplex
patula L.) ☉ — a — c Schlauch-
frucht; b von der Seite; d Same.
Getreideeule (Agrotis tri-
tici L.). — 1 Weiblicher Falter; 2
Vorderhälfte der Raupe; 3 Kopf,
vergr.: c Kopfſchild, o Oberlippe,
k Kiefer, f Fühler.
Das weitere Gedeihen des Buchweizens hängt
ſehr von der Gunſt der Witterung ab. Namentlich ſtören
heftige Winde den Verlauf der wegen des Blüthen-
baues ohnehin erſchwerten Befruchtung. Bei ſchütterem
Stande leidet er leicht vom Unkraute, beſonders vom
Hederich (Sinapis arvensis L.)☉, wildem Spörgel (Sper-
gula arvensis L.) ☉, Bitterkraut (Picris hieracioides
L.) ⚇ u. Melde (Atriplex patula L.) ☉, Fig. 44. Der
Buchweizen hat von einer Mehrzahl von Inſecten zu
leiden, welche auch die Getreidepflanzen angreifen. Unter
anderen wird er zuweilen von der Raupe der Weizen-
ackereule (Agrotis tritici L.), Fig. 45, verwüſtet.
Die Ernte wird im Auguſt oder September mit
der Senſe oder Sichel vorgenommen, wenn die Mehr-
zahl der Früchte ſich dunkelbraun gefärbt hat, ab-
geſehen davon, ob noch viele Blüthen vorhanden ſind oder
nicht. Das ſaftige Blattwerk trocknet nur langſam, weshalb
das Aufſtellen in Capellen ſehr zu empfehlen iſt, wenn
man, um das Verſchimmeln der Körner hintanzuhalten,
nicht etwa vorzieht, die halb abgetrockneten Pflanzen
auszudreſchen und das Stroh wieder zum vollſtändigen
Austrocknen aufzuſtellen. Der Körnerertrag iſt ſehr ſchwankend. Er bewegt ſich
zwiſchen einer vollſtändigen Mißernte bis zu 26 Hektoliter per Hektar. Als Mittel-
ertrag ſind 12—17 Hektoliter im Gewichte von 60—65 Kilogr. anzuſehen.
An Stroh, welches gewöhnlich nur als Streumaterial, wenn gut eingebracht, auch
als Futter verwendet werden kann, erntet man 1—2 Tonnen, à 1000 Kilogr.
10. Mengſaaten.
Unter Mengſaaten verſteht man den Anbau eines Gemenges verſchiedener Va-
rietäten einer Frucht oder eines Gemenges verſchiedener Getreidearten untereinander
oder mit Hülſenfrüchten und deren gleichzeitige Aberntung, wodurch ſich dieſelben
von den Unterſaaten unterſcheiden. Die einzelnen Pflanzen ſtellen verſchiedene An-
ſprüche an den Boden und die Witterung. Bei ihrem gemengten Anbaue iſt es
wahrſcheinlicher, daß durch die jeweilige Witterung wenigſtens eine Pflanze in ihrem
Wachsthume befördert wird und dadurch der Ernteertrag geſichert wird, wenn ſelbſt die
andere beigemengte Pflanze nicht gedeihen ſollte. Nachdem die einzelnen Pflanzen
verſchiedene Mengen an Bodennährſtoffe beanſpruchen und ſich gegenſeitig ſchützen, iſt
es ſelbſt möglich, von derſelben Fläche einen höheren Ertrag als bei rein geſäeten
Früchten zu erzielen. Der Schaden durch Inſectenfraß und Pflanzenkrankheiten wird
ſich weniger geltend machen, indem bei Eintritt deſſelben die eine oder andere Pflanze
ſchon jenes Entwickelungsſtadium erreicht haben kann, wo ſie dem Inſectenfraße ent-
wachſen und weniger zur Erkrankung geneigt iſt. Durch die Ausſaat im Gemenge
[65]Die Mehlfrüchte.
iſt es möglich, eine beſtimmte Getreideart ſelbſt in nicht ganz zuſagenden Verhältniſſen
zum Anbaue zu bringen. Schlägt ſie fehl, ſo iſt doch wenigſtens von der beigemeng-
ten Frucht ein Ertrag zu erwarten.
Durch die höheren Erträge der Mengſaaten wird der Boden ſtärker erſchöpft,
man muß daher für ausreichenden Erſatz durch vermehrte Düngerzufuhr ſorgen.
Ein weiterer Nachtheil liegt darin, daß gemengte Körnerfrüchte gewöhnlich einen ge-
ringeren Preis beſitzen als reine Früchte. Dieſer Nachtheil wird jedoch durch die
Verwendung von Sortirmaſchinen behoben, welche wie die Trieurs (Band I.
S. 277) zu dem beſonderen Zwecke der Trennung der Gemengſaaten gebaut werden.
Durch die Vollkommenheit, welche die genannten Maſchinen gegenwärtig erreicht haben,
iſt es möglich, dem Anbaue der Mengſaaten eine größere Ausdehnung als bisher zu
geben. Bei der Wahl der zu mengenden Früchte hat man darauf zu ſehen, nur
ſolche Früchte zu nehmen, die ungefähr zur gleichen Zeit reifen.
a.Weizengemenge.
Am häufigſten wird Weizen und Roggen als Halbfrucht oder Mengkorn
angebaut, beſonders dort, wo der Weizenbau für ſich allein unſicher iſt. Das
Mengungsverhältniß beider Früchte wird je nach den Bodenverhältniſſen ſehr verſchieden
genommen. Zuweilen baut man auch verſchiedene Weizenſorten im Gemenge, be-
ſonders wenn es ſich darum handelt, eine neue Sorte im Großen zu verſuchen.
Mißlingt der Verſuch, ſo bleibt doch der Ertrag von dem beigemengten einheimiſchen
Weizen.
b.Spelzgemenge.
In Gegenden, in welchen der Spelzbau unſicher, mengt man denſelben mit
ein Viertel oder ein Fünftel Roggen, welcher leicht wieder aus den geernteten
Körnern ausgeſchieden werden kann. Durch dieſe Beimengung erhält man einen
größeren Strohertrag. Zuweilen gelangt auch Linſen-Spelz zum Anbaue.
c.Roggengemenge.
Außer der Halbfrucht wird der Roggen häufig mit Hülſenfrüchten gemengt aus-
geſäet. Letztere halten unter dem Schutze der Roggenpflanzen den Winter leichter
aus, als für ſich gebaut. Linſen-Roggen, Erbſen-Roggen, Winter-
wicken-Roggen bieten überdieß den Vortheil, daß das Stroh an Futterwerth
durch das beigemengte Hülſenfruchtſtroh gewinnt. In Gegenden mit ſtrengen Wintern
mengt man die Hülſenfrüchte mit Sommerroggen. Erbſen, welche auf ſandigem
Boden minder gut gedeihen, werden bis zu ein Drittel mit Sommerroggen gemengt.
Sie laſſen ſich leicht von dem Roggen trennen.
d.Gerſtengemenge.
Gerſte und Hafer können nur dort gebaut werden, wo der Unterſchied in der
Entwickelung nicht zu bedeutend iſt. Außerdem werden Gerſte und Sommer-
roggen, Linſen-Gerſte, Erbſen-Gerſte und Wicken-Gerſte gemengt ausgeſäet.
Krafft, Lehrb. d. Landw. II. 5
[66]Beſondere Pflanzenbaulehre.
e.Hafergemenge.
Der Hafer wird am häufigſten im Gemenge mit den verſchiedenſten Hülſenfrüchten,
als Wicken, Erbſen, Bohnen (Rauhfutter, Rauhzeug) oder mit einer mäßigen Unter-
ſaat von Pferdebohnen angebaut.
II.
Die Hülſenfrüchte.
Von den Hülſenfrüchten werden vorzugsweiſe wegen ihrer proteïnreichen Samen
die Erbſe, die Linſe, die Wicke, die Pferdebohne, die Wicklinſe, die
Platterbſe, die Kicher und die Phaſeole gebaut. Hauptnahrungs-
mittel für den Menſchen bilden ſie nur in ſüdlichen Ländern; in Mitteleuropa ſtehen
ſie gegen die Getreidefrüchte in der Ausdehnung der Verwendung ſehr zu-
rück. Den größten mittleren Gehalt an Proteïnſtoffen, vornehmlich an Legumin,
beſitzt die Wicke (27.5 %), den geringſten, jedoch immer noch nahezu die doppelte
Menge als wie der Weizen, die Erbſe (22.4 %). Neben den Proteïnſtoffen enthalten
die Samen noch ſtickſtofffreie Stoffe, beſonders Stärkemehl in Form von ellipſoidiſchen
Körnern, in einer Menge von 44.5 % (Pferdebohnen) — 52.6 % (Erbſen). Außer
den ſehr nahrhaften Samen liefern die Hülſenfrüchte ein ſehr nahrhaftes Futterſtroh,
deſſen gute Einbringung jedoch oft gefährdet iſt.
Die Hülſenfrüchte beſitzen eine tiefgehende Wurzel und hinterlaſſen, ungleich den
Getreidepflanzen, den Boden im friſchen Zuſtande, indem ſie denſelben nicht nur
beſchatten, ſondern auch durch ihren Blätterabfall mit humoſen Subſtanzen bereichern.
Die Verbreitung der Hülſenfruchtcultur tritt gegenüber der Ausdehnung des
Getreidebaues in Mitteleuropa zurück. In ſüdlicheren Gegenden, wie beſonders in
Spanien, gewinnt jedoch ihre Cultur an Ausdehnung und Bedeutung. Bei dem
großen Nährwerthe der Hülſenfruchtſamen verdient ihr Anbau auch in Mitteleuropa,
beſonders in nicht zu trockenen Lagen allgemeinere Aufnahme.
1. Die Erbſe.
Die Erbſe, Saaterbſe, Felderbſe, Gartenerbſe (Pisum sativum L.) ☉ und ⚇
unterſcheidet ſich von den übrigen Hülſenfrüchten durch die kugeligen Samen und durch die
beiden großen Nebenblätter. Die Varietäten ſind ſehr unbeſtändig, ſo zwar, daß ſich häufig
auf ein und derſelben Pflanze zwei Varietäten, mitunter ſelbſt in einer Hülſe zwei
verſchiedene Varietäten vereinigt finden. Sicher laſſen ſich etwa folgende Erbſenarten
und Varietäten nach der Farbe der Blüthe und des Samens, nach der Höhe der
Pflanze und der Art der Verwendung unterſcheiden:
1. Die Saaterbſe(Pisum sativum L.) ☉, Fig. 46, weißblühend. a. Ge-
meine Zuckererbſe mit runden Samen, Hülſe zwiſchen den Samen eingedrückt und
eßbar. Sorten: Hohe weiße Zuckererbſe (1.5—2 Meter hoch), Zwergzuckererbſe
(0.3—0.6 Meter hoch) ꝛc. b. Schal-, Kneifel-, Pahl-, Brockel- oder Pflückererbſe, Samen
[67]Die Hülſenfrüchte.
rund, Hülſe walzig, nicht eingedrückt, innen mit einer
derben Haut, daher nicht eßbar. Samen erbsgelb,
gelbgrün oder grün. Sorten: Weiße frühe Mark-
erbſe. Victoriaerbſe, Kneifelerbſe, Maierbſe, Rieſen-
felderbſe; Baltiſche Erbſe, Grünliche Erbſe ꝛc.
2. Die Ackererbſe (Stockerbſe) (Pisum ar-
vense L.) ☉, violettblühend, Samen kantig eingedrückt,
graugrün, braun punktirt. a. Kern- oder Eckererbſen.
Sorten: Große graue Erbſe, Schlöſſelerbſe, Preußiſche
Erbſe, Graue franzöſiſche Erbſe ꝛc. b. Zuckerſchefe oder
Zuckerſchote, ſammt den Hülſen eßbar. Sorten:
Holländiſche Zuckererbſe, Schwertzuckererbſe, Sichel-
erbſe ꝛc.
Gemeine Saaterbſe (Pisum
sativum L.) ☉ und ⚇.
1. Die Wachsthumsbedingungen.
Die Erbſe eignet ſich mehr für mäßig feuchte, warme Gegenden. Regenarme
Oertlichkeiten werden der Erbſe ebenſo nachtheilig als regenreiche. Feuchtwarme
Sommer begünſtigen die Krautentwickelung und vermindern den Blüthen- und Frucht-
anſatz. In rauhen Gegenden werden die Erbſen, welche eine Vegetationsdauer von
17—22 Wochen beſitzen, zu ſpät reif. Ihr Anbau erſtreckt ſich bis zum 62° nördl.
Breite und über faſt alle bewohnten Theile der Erde.
Mäßig gebundene Bodenarten mit einigem Kalkgehalte, wie mergeliger, durch-
laſſender Lehm, ſagen ihr am beſten zu. Reicher Boden begünſtigt eine üppige
Stengel- und Blattentwickelung und in Folge der größeren Beſchattung die Bildung
von Lagerfrucht. Strenger Lehm- und Thonboden, ſowie zu loſe, moorige Bodenarten ſind
am ungeeignetſten für den Erbſenbau. Zu beachten iſt, daß auf manchen Böden
gut weichkochende Erbſenſorten in wenig Jahren in hartkochende umgeändert werden,
welche, wie bekannt, beim Kochen mit Waſſer hart und hornig bleiben und ſich nicht
in eine breiige Maſſe verwandeln laſſen. Nach Ritthauſens Analyſen hartkochender
Erbſen dürfte anzunehmen ſein, daß dieſe Eigenſchaft beſonders auf ſolchem Boden
zum Vorſcheine kommt, welcher etwa an Phosphorſäure Mangel leidet oder der einen
zu großen Reichthum an Kali und Salpeterſäure beſitzt, wie dieß namentlich bei
humusreichen und mit Stallmiſt ſtark gedüngtem Boden der Fall iſt. Eine mittlere
Erbſenernte entzieht dem Boden per Hektar folgende Mengen an Nährſtoffen in
Kilogrammen:
16 Hektoliter Erbſen, à 78 Kilogr. oder
- 1248 Kilogr. Körner: 29.33 Aſche, 12.23 Kali, 1.50 Kalk, 10.73 Phosphorſäure,
- 2000 „ Stroh: 88.00 „ 20.20 „ 32.40 „ 7.00 „
- Summa: 117.33 „ 32.43 „ 33.90 „ 17.73 „
5*
[68]Beſondere Pflanzenbaulehre.
2. Die Vorfrucht und Vorbereitung.
Die Erbſen werden gewöhnlich nach Getreide, nach gedüngten Kartoffeln oder
in die Kleeſtoppel gebaut. Dieſelben bilden eine ausgezeichnete Vorfrucht für die
Winterung, auf leichtem Boden beſonders für den Roggen. Nach ſich ſelbſt oder zu
bald auf demſelben Felde wiederkehrend gedeihen ſie minder gut (Erbſenmüdigkeit).
Die Erbſen bedürfen eines geringen Reichthumes an aufnehmbaren Pflanzen-
nährſtoffen, ſie können daher in zweiter und dritter Tracht einer reichen Stallmiſt-
düngung gebaut werden. Von den Hilfsdüngern bewähren ſich vornehmlich phosphor-
ſäurereiche, beſonders Knochenmehl. Durch dieſelben wird der Phosphorſäuregehalt
der Erbſen vermehrt und dadurch das Hartkochen derſelben vermieden.
Die Beſtellung der Erbſen erfolgt gewöhnlich mit einer im Herbſte gegebenen
Furche. Im Frühjahre werden dann die Erbſen mit dem Pflug oder dem Exſtir-
pator in den Boden gebracht.
3. Die Saat.
Zur Saat verwende man große im Mittel 0.37 Gramm ſchwere Körner 1). Dieſelben
keimen nicht nur vollſtändiger, ſondern gewähren auch reicheren Körner- und Strohertrag.
Bei kleineren Körnern muß das Saatquantum ſtärker genommen werden, indem eine gleiche
Gewichtsmenge Samenſubſtanz, gleichgiltig, welche Anzahl und Größe der Saatkörner
dieſe in ſich ſchließt, den daraus hervorgehenden Samen das Vermögen ertheilt, eine
aliquote Gewichtsmenge Samen daraus zu produciren. Die Anſicht, daß zwei und
ſelbſt drei Jahre alte Erbſen ſich in ihrem Samen-, weniger in ihrem Strohertrage
günſtiger als friſcher Samen verhalten, bedarf erſt der Beſtätigung. Sind die
Erbſen einer Gegend von Natur aus hartkochend, wie ein Verſuch in deſtillirtem
Waſſer, oder in Waſſer, welchem etwas Soda oder Aetznatron zugeſetzt iſt, zeigen
würde, ſo dürfte, ſofern die Urſache nicht im Boden liegt, ein entſprechender Samen-
wechſel am Platze ſein, nachdem Erbſen, welche ſich ſchwer weichkochen laſſen, nur
als Viehfutter verwendet werden können.
Der Anbau der Erbſen hat zeitlich im Frühjahre, ſobald das Feld abgetrocknet,
zu erfolgen. Da die jungen Pflanzen gegen Froſt wenig empfindlich, ſo baut man
die Erbſen ſchon Ende März zur ſelben Zeit wie den Sommerroggen. Frühreifende,
kleine Erbſen können jedoch auch noch im Mai mit Erfolg gebaut werden. In milden
Lagen werden die Erbſen auch im Herbſte als Wintererbſen angebaut. Rauhe
Winter überdauern ſie noch am eheſten in der Gemengſaat (S. 65) mit Winter-
getreide.
Die Samen keimen raſch und oft noch durch eine Erdbedeckung von 16 Ctm.
Die Körner vertragen daher eine tiefe Bedeckung (Band I. S. 227). In
trockenem Boden werden ſie untergepflügt, in feuchtem zweckmäßiger untergeeggt. Sehr
ſeicht gelegte Erbſen leiden ſtark durch den Vogelfraß. Sehr zu empfehlen iſt die
[69]Die Hülſenfrüchte.
Ausſaat mit der Drillmaſchine auf 30—40 Ctm. Entfernung. Das Saatquantum
beträgt bei Breitſaat 2—3 Hektoliter, bei Drillſaat 1.5—2.5 Hektoliter für ein Hektar.
Das geringere Saatquantum nimmt man bei Frühſaat, das ſtärkere bei ſpäter ge-
ſäeten Erbſen.
4. Die Pflege.
Bei feuchter Witterung und dichtem Stande tritt leicht Lagerfrucht und in wei-
terer Folge ein Verfaulen der Erbſenpflanzen ein. Bei geringer Ausdehnung der
Erbſenfelder verhindert man das Lagern durch das ſogenannte Stiefeln oder Stengeln
der Erbſen, indem man denſelben Gelegenheit gibt, ſich an eingeſteckten Stäben auf-
zuranken. Im Großen ſucht man dem Lagern durch Unterſäen von (20—25 %)
Pferdebohnen vorzubeugen. Zeigt ſich nach dem Aufgehen der Erbſenſaat viel
Unkraut, ſo hat man daſſelbe durch Uebereggen oder auch durch Jäten zu be-
ſeitigen. Bei gedrillten Saaten oder bei untergepflügten Erbſen, welche in unregel-
mäßigen Reihen auflaufen, empfiehlt ſich ein Durchfahren mit der Pferdehacke. Bei
ſehr ſorgfältiger Cultur hackt man ſelbſt mit der Hand. Ein Ueberſtreuen mit
Gyps befördert weniger den Hülſenanſatz als die Blattentwickelung; erſcheint daher
nicht räthlich.
Bei ſehr üppigem Wachsthume der Erbſen treten häufig Riſſe an den Stengeln
auf, welche nach den Unterſuchungen von Marek 1) durch Gewebeſpannungen und nicht
durch Spätfröſte, wie häufig vermuthet wird, hervorgebracht werden.
Die Erbſe iſt eine unſichere Pflanze, da ſie häufig durch Mehlthau (Erysiphe
communis Wallr.), Schimmel (Peronospora Viciae Berk.) oder durch Roſt (Uromyces
appendiculatus Lèv.) zu Grunde geht, ohne daß es gelingt, dagegen erfolgreich auf-
zutreten. Ebenſo macht zuweilen der Erbſenkäfer (Bruchus pisi L.), Fig. 48,
den Erbſenbau unmöglich. Die Larve deſſelben frißt die Cotyledonen des Erbſen-
ſamens und benutzt ſchließlich die Erbſe als Puppenlager. Der Erbſenkeim bleibt
jedoch unverletzt, weshalb befallene Körner immerhin, wenn auch ſchwächliche Keim-
pflanzen liefern. Der Erbſenkäfer wird durch Dörren der Samen bis zu 50°C.
für die nächſte Ernte unſchädlich gemacht, indem dadurch die eingeſchloſſenen Puppen
und Käfer zu Grunde gehen, ohne daß die Erbſen ihre Keimkraft verlieren.
Außerdem werden die Erbſen von folgenden Inſecten heimgeſucht:
Erbſeneule (Mamestra pisi Hb.). — 1 Raupe, 2 Falter.
[70]Beſondere Pflanzenbaulehre.
1 Erbſenkäfer (Bruchus pisi L.).
2 Bohnenkäfer (Bruchus rufimanus Sch.).
3 Larve des gemeinen Samenkäfers. — 4 Ge-
meiner Samenkäfer (Bruchus granarius L.).
Rehfärbiger Erbſen-
wickler (Grapholitha nebritana
Fisch.).
- Stengel und Blatt:
- Linirter Graurüßler (Sitona lineata
L.). Käfer ziemlich ſchädlich. - Erbſeneule (Mamestra pisi Hb.), Fig. 47.
Raupe unmerklich ſchädlich. - Flöhkrauteule (Mamestra persicariae
L.). Raupe ſchädlich. - Gemüſeeule (Mamestra oleracea L.).
Raupe ſchädlich. - Ypſiloneule (Plusia gamma L.), Fig. 88.
Erbſenminirmade (Phytomyza pisi
Kalt.). Made unmerklich ſchädlich. - Wickenblattlaus (Aphis viciae Kaltb.).
Blattlaus und Nymphe ſchädlich. - Ampferblattlaus (Aphis rumicis L.).
Blattlaus und Nymphe ſchädlich. - Erbſenblattlaus (Aphis pisi Kalt.).
Blattlaus und Nymphe ſchädlich. - Samen:
- Erbſenkäfer (Bruchus pisi L.), Fig. 48.
Larve ſehr ſchädlich. - Erbſenrüßler (Curculio quinquepunc-
tatus F.). - Samenſtecher (Apion vorax Hst.).
- Rehfärbiger Erbſenwickler (Grapholitha
nebritana Fisch.), Fig. 49. Raupe
ſchädlich. - Erbſengallmücke (Cecidomyia pisi
Loew.). Made unmerklich ſchädlich. - Motte (Oecophora lacteella L.).
5. Die Ernte.
Die Erbſenernte findet nach der Getreideernte, Anfang Auguſt bis Ende Septem-
ber ſtatt. Die Ausbildung der Hülſen erfolgt, beſonders bei feuchter Witterung,
ſehr ungleich. Man muß ſich daher auf das Nachreifen verlaſſen und ernten, ſobald
die erſten Hülſen reif geworden ſind. Die Erbſen können meiſt nur gerauft oder
mit der Sichel abgeſchnitten werden. Rauft man zur Vermeidung von Ausfall früh-
zeitig, ſo macht dann der friſche Zuſtand des Strohes deſſen gute Einbringung
ſchwierig. Gewöhnlich bindet man die Erbſen einige Tage nach dem Raufen oder
Mähen in Gebünde, zweckmäßiger iſt das Trockenen auf Kleepyramiden. Bei
der Kleincultur wird die Reife der Hülſen durch das Pinciren der Erbſen beſchleu-
nigt. Dieſe Operation beſteht darin, daß man, ſobald die Erbſen zu blühen be-
ginnen, die Pflanzenſpitzen über der dritten oder vierten Blüthenetage abkneipt (pin-
cirt). Dieſes Köpfen begünſtigt neben der Beſchleunigung des Reifens die
[71]Die Hülſenfrüchte.
gleichzeitige Entfaltung der Blüthen und ſomit auch die gleichmäßige Reife der
Samen.
Der Ertrag ſtellt ſich auf Bodenarten, welche 20 Hektoliter Roggen geben, auf
16—18 Hektoliter von einem Hektar. Im Uebrigen iſt der Ertrag ſehr unſicher und
ſchwankt von einer totalen Mißernte bis 32 Hektoliter im Gewichte von 77—81
Kilogramm. An Stroh, welches, jedoch nur wenn gut eingebracht, ein werthvolles
Futterſtroh gewährt, erhält man von einem Hektar 1.5—35 Tonnen à 1000 Kilogramm.
2. Die Linſe.
Die Linſe, Acker- oder Saatlinſe (Lens esculenta
Moench. [Ervum lens L.]) ☉ u. ⚇, Fig. 50, beſitzt eine glatte,
meiſt zweiſamige Hülſe. Ihre Stammform findet ſich im
wilden Zuſtande in Südeuropa; dieſelbe gleicht im Baue
und in der Form und Farbe der Samen der Wicke. Gebaut
werden 1. Sommerlinſen, welche wieder nach der Größe
und Farbe der Samen unterſchieden werden, als kleine graue
Feldlinſe, große gelbgraue Linſe (Varietäten: Heller- oder
Pfenniglinſe mit großen, mehlreichen Körnern, Provencerlinſe),
ſchwarze Linſe ꝛc.; 2. Winterlinſen (rothſamige, franzöſiſche
Winterlinſe ꝛc.). Die Winterlinſen werden nur in milden Lagen
oder in Miſchung mit Winterroggen Mitte September angebaut.
In zuſagenden Gegenden ſind dieſelben im Samen und Stroh
ergiebiger als die Sommerlinſen.
Der Anbau der Linſe, welche eine Vegetationszeit von
100—130 Tagen beſitzt, erſtreckt ſich bis zum 60° nördl.
Breite. Im Vergleiche zu den Erbſen werden die Linſen
wegen ihres geringeren und unſichereren, wenn auch werthvolle-
Linſe (Lens
esculenta Moench.)
☉ und ⚇.
ren Samen- und Strohertrages in geringerer Ausdehnung, am häufigſten noch bei
den Kleinwirthen cultivirt.
Die Saatlinſe liebt vor Allem unkrautreinen, ſandigen oder lehmigen, lockeren,
thätigen Boden und erträgt trockene Wärme viel leichter als die Erbſe. Ihre beſte
Vorfrucht iſt die Kartoffel. Das Feld iſt womöglich ſchon im Herbſte zu pflügen;
friſche Stallmiſtdüngung iſt zu vermeiden. Da ſie empfindlicher gegen ſtärkere Fröſte,
ſo wird ſie etwas ſpäter als die Erbſe angebaut und mit der Egge untergebracht.
Am beſten bewährt ſich bei der Linſe die Ausſaat in etwa 30 Ctm. entfernten
Reihen, welche ſpäterhin behackt werden. Das erforderliche Saatquantum beträgt
bei Breitſaat je nach der Größe der Samen 1—2.2 Hektoliter, bei Drillſaat 0.6
bis 1.6 Hektoliter auf ein Hektar. Sehr zu empfehlen iſt, wegen des ſicherern Ge-
deihens, die Ausſaat der Linſen im Gemenge mit Gerſte im Verhältniſſe von 1:3.
Das Gemenge läßt ſich nach der Ernte leicht durch Werfen oder Sieben trennen.
Wegen ihres niederen (16—30 Ctm.) Wuchſes iſt ein Jäten unbedingt noth-
wendig, wenn die Linſen nicht von dem Unkraute überwuchert werden ſollen. Als
[72]Beſondere Pflanzenbaulehre.
Feinde verdienen der Linſenkäfer (Bruchus lentis Kogi.), der rehfärbige Erbſenwickler
(Grapholitha nebritana Fisch.), Fig. 49, S. 70, die Blattlaus (Aphis pisi Kalt.), dann
der Roſt (Uromyces apiculatus Lèv.) und der Schimmel (Peronospora Viciae
Berk.) erwähnt zu werden. Lagerfrucht tritt bei dem niederen Wuchſe der Linſen
ſeltener ein.
Das Raufen der Linſen wird vorgenommen, ſobald die unteren Hülſen ſich zu
bräunen beginnen, wenn auch das Kraut noch grün iſt. Der Ertrag ſtellt ſich auf 10
bis 17 Hektoliter à 80 Kilogramm Körner und 0.78—1.2 Tonnen Stroh. Letz-
teres ſteht im Futterwerthe dem Wieſenhen gleich.
3. Die Wicke.
Wicke (Vicia sativa L.) ☉ u. ⚇.
Die Wicke, Futterwicke, Feldwicke (Vicia
sativa L.) ☉ u. ⚇, Fig. 51, unterſcheidet ſich von den
übrigen Hülſenfrüchten durch den an der Unter-
ſeite behaarten Griffel. Hülſen aufrecht, flaumig,
zweiklappig, einfächerig; Samen kugelig, etwas zu-
ſammengedrückt. Dieſelbe wird in Mitteleuropa
in derſelben Ausdehnung wie die Erbſe gebaut.
Die Samen dienen verſchroten zur Viehmaſtung
oder auch zur Brodbereitung (Wickenbrod). Am
häufigſten wird die Wicke im Gemenge mit Hafer
ausgeſäet, um eine ſehr werthvolle Futtermiſchung
zu erhalten.
Die Wickenſamen variiren ſowohl in der
Größe als in der Färbung. Zu den großkörni-
gen Wicken gehört die als Futterpflanze gebaute
Narbonner oder Franzöſiſche Wicke (Vicia nar-
bonnensis L.) mit großen, kugeligen, dunkelbraunen Samen, die Winterwicke, welche
jedoch nur in milden Lagen ſicher fortkommt (S. 65) ꝛc. Am häufigſten iſt der
Same ſchwarz gefärbt, es gibt jedoch auch roth- und gelbſamige Wicken, dann eine
weißſamige Spielart, die Erbslinſe (Vicia sativa v. leucospermia Ser.).
Die Wicke, welche eine kurze Vegetationszeit von 18—22 Wochen beſitzt, ver-
trägt Kälte und rauhe und feuchte Lage beſſer als die Erbſe, weshalb ſie noch bis zum
60° nördl. Breite zur Reife gelangt. Sie gedeiht auf allen der Erbſe zuſagenden
Bodenarten, überdies auch noch auf gebundenerem Boden. Die beſten Samenerträge
gewährt ſie auf mildem Lehmboden. Auf die Vorfrucht braucht bei der Wicke keine
beſondere Rückſicht genommen zu werden. Gewöhnlich ſtellt man ſie zwiſchen zwei
Getreidefrüchte. Als Nachfrucht wählt man meiſt den Weizen, während nach
der Erbſe Roggen folgt. Die tiefwurzelnde Wicke wirkt ſehr günſtig auf die Be-
ſchaffenheit des Bodens, indem ſich durch den ſtarken Blätterabfall der Stickſtoff-
[73]Die Hülſenfrüchte.
gehalt deſſelben vermehrt. 1) Wicken, welche zur Samengewinnung gebaut werden, er-
halten keine friſche Düngung, um die Bildung von Lagerfrucht und die zu üppige
Blattentwickelung hintanzuhalten. Auf leichtem Boden empfiehlt ſich eine Düngung
mit Superphosphat, auf Thonboden eine Düngung mit Kalk und Gyps.
Geſäet werden ſie zur gleichen Zeit als wie die Erbſen, mit welchen ſie in der
Entwickelung und Art der Cultur nahezu übereinſtimmen. Bei Breitſaat bemißt
man das Saatquantum für ein Hektar mit 1.8—2.5 Hektoliter, bei Drillſaat auf
14—26 Ctm. Reihenentfernung mit 1.2—1.8 Hektoliter. Zur Futtergewinnung
rein oder gemengt mit Hafer ſäet man etwas ſtärker. Auf ſandigem Boden werden
die Wickenſamen auf höchſtens 6—7 Ctm. Tiefe untergepflügt, auf bindigem, feuch-
tem Boden auf 2.5—4 Ctm. Tiefe eingeeggt.
Trockene Witterung verzögert das Wachsthum der Wickenpflanzen, wodurch die-
ſelben leichter von den Erdflöhen beſchädigt werden können.
Die zum Grünfutter beſtimmten Wicken werden leicht von dem ſchnellwachſenden
Hederich (Raphanus raphanistrum L.) ☉, Fig. 30, S. 40, und dem Ackerſenf (Si-
napis arvensis L.) ☉ unterdrückt. Unter den Samenwicken ſtellen ſich als läſtige
Unkräuter ein, die Kornrade (Agrostema githago L.) ☉, Fig. 10, S. 21, und der
Wachtelweizen (Melampyrum arvense L.) ☉, Fig. 11, S. 21. Zuweilen wird die
Wicke auch von einer Seide (Cuscuta Viciae Koch.) gefährdet. Ausputzen des
Samens hilft am beſten gegen dieſe Schmarotzerpflanze. Wie die Erbſe wird die
Wicke auch vom Mehlthau (Erysiphe communis var. Leguminosarum Link.), dem
Traubenſchimmel (Peronospora Viciae Berk.) und vom Roſt (Uromyces appen-
diculatus Lèv.) heimgeſucht.
Von den Nachſtellungen der thieriſchen Feinde hat die Wicke weniger zu leiden
als die Erbſe. In Gegenden, in welchen das Ueberhandnehmen der Erbſenkäfer den
Erbſenbau unmöglich macht, bietet die weniger gefährdete
Wicke einen theilweiſen Erſatz. Am meiſten Schaden
verurſachen den jungen Wickenpflanzen der Graurüßler (Si-
tona lineata L.), die Wickenblattlaus (Aphis viciae
Kalt.), der Marienkäfer (Coccinella septempunctata L.),
Fig. 52, und die Raupe der Erbſeneule (Mamestra pisi
Hb.), Fig. 47, S. 69. Den Samenertrag beeinträchtigen
das Wickenſpitzmäuschen (Apion viciae Deg.) und der
gemeine Samenkäfer (Bruchus granarius L.), Fig. 48,
S. 70.
Siebenpunktirter
Marienkäfer (Coccinella septem-
punctata L.). — Stark ver-
größerter Käfer.
Der Ertrag an Körnern ſtellt ſich für ein Hektar auf 10—20 Hektoliter
à 70—80 Kilogramm; der Ertrag an ſehr werthvollem Futterſtroh auf 1—3
Tonnen.
[74]Beſondere Pflanzenbaulehre.
4. Die Pferdebohne.
Die Pferdebohne, Ackerbohne, Puff- oder Saubohne (Vicia Faba L.)☉, Fig. 53,
unterſcheidet ſich von der Wicke durch die ungeſtielten, in den Blattwinkeln ſitzenden
Hülſen, durch die weiche Stachelſpitze, anſtatt der Wickelranke an der Blattſpindel,
und durch ihren ſteifen, aufrecht ſtehenden, 0.5—2 Meter hohen Stengel. Der
Pferdebohne (Vicia Faba L.) ☉ — A Samen.
Same, Fig. 54, wird gewöhnlich verſchroten zur Viehfütterung oder auch im friſchen
Zuſtande als Gemüſe verwendet. Die Spielarten unterſcheiden ſich durch die Größe
und Färbung ihrer Samen. 1. Die kleine, gewöhnliche Pferde- oder Ackerbohne
mit rundlichen, kantigen, 1.3 Ctm. langen, im Mittel 0.49 Gramm ſchweren Samen.
Sorten: Grüngelbe Pferdebohne, Blaue engliſche Ackerbohne. 2. Die große Puff-
oder Saubohne mit flachen, 2.6 Ctm. langen, im Mittel 0.75 Gramm ſchweren
Samen (Fig. 54). Sorten: mit graugelben Samen, Mazagan-Puffbohne; mit grünen
Samen, Windſor-Puffbohne, mit violetten bis ſchwarzen Samen, Puffbohne von
Navoë.
[75]Die Hülſenfrüchte.
Die Ackerbohne, in den Gegenden um das Caspiſche Meer heimiſch, wurde
ſchon im Alterthume allgemein angebaut, gegenwärtig erſtreckt ſich ihr Anbau über
die ganze civiliſirte Welt. Am zuſagendſten iſt der Ackerbohne ein mäßig feuchtes,
warmes Klima. In trockenen Lagen gedeiht ſie ebenſowenig wie auf naſſen, flach-
gründigem Boden. Trotzdem ſie leichte Fröſte verträgt, kann ſie in rauhen Lagen
wegen ihrer langen Vegetationszeit (22—28 Wochen) nicht mehr cultivirt werden.
Große Saubohne (Vicia Faba L.) ☉ nach Robbe. — a Same mit Samenſchale (Testa): α Lage des
Würzelchen, β Nabel, γ Mikrophyle, δ Samenſchwiele; b und c Same nach Entfernung der Samenſchale:
α Würzelchen, β Cotyledonen, γ Cotyledonenſtiele; d Fragment der Samenſchale (Innenſeite): α Höh-
lung, welche den Wurzelkeim umgibt, β Leiſte, γ ſchwammiges Parenchym, δ Nabeldurchſchnitt;
e Längendurchſchnitt des Samens: α Samentaſche, β Radicula, γ Plumula, δ ſchwammiges Parenchym
der Samenhaut, ε Nabel, η Cotyledon; f Durchſchnitt durch die Nabelpartie: α Nabel, β Gefäßbundel,
γ ſchwammiges Gewebe.
Auf bindigem, tiefgründigem Lehm- oder Thonboden iſt ſie die ſicherſte Hülſen-
frucht. Am üppigſten gedeiht ſie auf mächtigen Schlammablagerungen in trocken-
gelegten Teichen und auf Marſchboden. Ebenſo kann die Ackerbohne mit vielem
Erfolge in mäßig feuchten Neubrüchen gebaut werden.
Als bodenbeſchattende Pflanze, welche einen gahren Boden nicht unbedingt ver-
langt, wird die Pferdebohne häufig an Stelle der Brache oder auch nach einer Ge-
treide- oder einer ſpäten Hackfrucht gebaut. Durch ihre tiefgehenden Wurzeln lockert
ſie den ſchweren Boden, welcher überdieß durch das dichte Blattwerk oberflächlich
friſch erhalten wird, ſie iſt daher auf bindigem Boden eine vorzügliche Vorfrucht
für Winter- und Sommerweizen.
Die Pferdebohnen, welche einen weiten Wachsraum geſtatten, werden gewöhnlich als
Hackfrüchte cultivirt. Die Koſten der Hackcultur lohnen ſich reichlich durch vermehrte
Körnererträge. Die Beſtellung ſoll daher möglichſt ſorgfältig ausgeführt werden.
Vor Winter ſind die Stoppeln der Vorfrucht zu ſtürzen und womöglich der Boden
tief zu pflügen, um die Wurzelverbreitung zu begünſtigen.
[76]Beſondere Pflanzenbaulehre.
Die Pferdebohnen lohnen und vertragen wegen ihrer ſteifen Stengel die ſtärkſten
Stallmiſtdüngungen, welche ohnehin auf gebundenem Boden angezeigt ſind. Der
Stallmiſt kann entweder im Winter oder kurz vor der Saat aufgefahren und mit
dieſer untergebracht werden.
Die Pferdebohne wächſt langſam und bedarf den ganzen Sommer zu ihrer
Entwickelung, weshalb ihre Ausſaat um ſo zeitlicher erfolgen muß, je rauhere Herbſt-
witterung zu erwarten iſt; gewöhnlich ſäet man ſie in der Mitte der Frühjahrs-
ſaatzeit. Samen, welche von dem Bohnenkäfer (Bruchus rufimanus Sch.), Fig. 48,
S. 70, durchgefreſſen ſind, ſind nach Möglichkeit von der Saat auszuſcheiden. Breitwürfig
werden je nach der Größe der Samen 2.5—3.5 Hektoliter für ein Hektar auf das
Feld geſäet und durch den Pflug oder die Egge je nach der Bodenbeſchaffenheit auf
3.5—9 Ctm. Tiefe untergebracht. Zuweilen werden die Samen auch in jede zweite
Pflugfurche mit der Hand gelegt. Bei ſorgfältigerer Cultur drillt man ſie in 12
bis 50 Ctm. weiten Reihen mit einem Saatquantum von 2—3 Hektoliter für
ein Hektar. Zweckmäßig iſt es, nach der Pferdebohnenſaat Erbſen, Wicken oder
Bohnen auszuſäen; dieſelben gewähren einen beachtenswerthen Nebenertrag.
Bald nach dem Aufgehen übereggt man die Bohnenſaaten. Weiterhin empfiehlt
es ſich die Breitſaaten mit der Hacke unter gleichzeitigem Verdünnen zu bearbeiten.
Gedrillte Pferdebohnen werden als Hackfrüchte behandelt, mehrmalsbe hackt und ſchließ-
lich angehäufelt.
Während des Wachsthumes leiden ſie häufig durch trockene Witterung, durch den
Roſt (Uromyces appendiculatus Lèv.) und den Honigthau. Im Gefolge des
Letzteren treten eine Unzahl ſchwarzer Blattläuſe (Aphis viciae Kaltb.) auf, welche
oft den Fruchtanſatz ſehr beeinträchtigen. Das Abſicheln der von Blattläuſen be-
fallenen Gipfel gewährt inſofern eine Abhilfe, als die unten ſtehenden noch nicht be-
fallenen Blüthen ſich beſſer ausbilden können.
Außerdem werden die Pferdebohnen von folgenden Inſecten heimgeſucht:
Samenkäfer (Bruchus granarius L.), Fig. 48, S. 70. Larve, Puppe und Käfer ſchädlich.
Ackerbohnenkäfer (Bruchus rufimanus Sch.), Fig. 48, S. 70. Larve, Puppe und
Käfer ſchädlich.
Graurüßler (Sitona lineata L.). Käfer ziemlich ſchädlich.
Ampferblattlaus (Aphis rumicis L.). Blattlaus und Nymphe ſchädlich.
Gegen Ende der Getreideernte, oft auch erſt im October, werden die Pferde-
bohnen, ſobald ſich ihre unterſten Hülſen ſchwarz gefärbt haben, entweder ausgezogen
oder mit der Senſe geſchnitten und in Gebünden kegelförmig zum Trockenen auf-
geſtellt. Von dem Hektar erhält man 15—35 Hektoliter im Gewichte von 75 bis
82 Kilogramm. An Stroh, welches meiſt nur zur Streu verwendet werden kann,
gewinnt man 2.3—4.5 Tonnen.
5. Die Wicklinſe, Platterbſe und Kicher.
Die Wicklinſe, Linſenwicke, einblüthige Erve, Würfelerve (Vicia monantha
Koch.) ☉, Fig. 55, wird im nördlichen und ſüdlichen Europa wegen der Samen,
[77]Die Hülſenfrüchte.
zuweilen auch als Futterpflanze auf ſandigem Boden gebaut. Sie unterſcheidet ſich
von der Linſe und der echten Linſenwicke oder Ervenlinſe (Vicia Ervilia Willd.) ☉
dadurch, daß die Blüthenſtiele nur eine einzige Blüthe tragen. Sie wächſt auf
armem, kalkloſem Sandboden, auf welchem weder Erbſen noch Wicken gedeihen.
Den Bedarf an Saatgut gibt O. Rhode1) bei Drillſaat mit 0.74—1.08 Hektoliter für
ein Hektar an. Der Ertrag an Körnern ſchwankt von 13—22 Hektoliter, an Stroh
von 1.5—2.3 Tonnen vom Hektar.
Wicklinſe (Vicia monantha Koch)☉.
Kicher (Cicer arietinum L.) ☉.
Die Platterbſe, puniſche Kicher, Kicherling (Lathyrus sativus L.) ☉ unter-
ſcheidet ſich von den übrigen Hülſenfrüchten durch ihre einpaarigen Blätter und durch
die in lange Ranken auslaufenden Blattſtiele, welche 1—2 helllila oder violett gefärbte
Blüthen tragen. Die flach zuſammengedrückte Hülſe iſt zweiklappig und meiſt vier-
ſamig. Der weiße oder dunkelbraune Same iſt glatt und faltig. Ihre Verbreitung
als Culturpflanze beſchränkt ſich auf Frankreich, Spanien und Rumänien. Bei uns
wird ſie kaum im Großen, ſondern nur in Gärten angebaut.
Die Kicher, Kichererbſe, Kaffeeerbſe (Cicer arietinum L.) ☉, Fig. 56, iſt leicht
an den drüſenhaarigen, ſcharf gezahnten Fiederblättchen, welche freie Oxalſäure ent-
halten und an den aufgeblaſenen Hülſen zu erkennen. Varietäten: Braunſamige,
Gelbe, Weiße, Kugelige, Gemeine Kichererbſe. Die Kicher wird in Algier, Aegypten, Spa-
nien, Südfrankreich, Italien, Rumänien, in der Türkei, in Griechenland häufig an
Stelle der Erbſe, welche durch die anhaltende Dürre zu ſtark leiden würde, angebaut.
Dieſelbe gedeiht ſelbſt auf einem mageren, trockenen Kalkboden. Als Saatquantum
gibt O. Rhode per Hektar gedrillt 0.86—1.29 Hektoliter, als Ernteertrag 10.8
bis 17 2 Hektoliter à 80 Kilogramm Körner und 1.17 bis 1.96 Tonnen Stroh an.
[78]Beſondere Pflanzenbaulehre.
6. Die Phaſeole.
Die Phaſeole, Fiſole, Faſel, gemeine Vitsbohne, Schminkbohne, Gartenbohne
oder ſchlechthin Bohne (Phaseolus vulgaris L.) ☉ unterſcheidet ſich von der gleichfalls
cultivirten türkiſchen oder Feuerbohne (Phaseolus multiflorus W.) ☉ durch die kürzeren
Blüthenſtiele, die geringere Anzahl Blüthen und die glatten Hülſen. Die hochroth
oder weißlich, reichblühende Feuerbohne hat dagegen rauhe, dickſchalige Hülſen.
Erſtere ſtammt aus Oſtindien, letztere aus Südamerika. Von den Veitsbohnen werden
mehr als 100 Spielarten cultivirt. Dieſelben werden je nach der Form und Fär-
bung der Samen unterſchieden: 1. Gemeine Stangenbohne, Steigbohne, Reiſer-
bohne oder halbflache Bohne (Ph. v. subcompressus Al.) mit halbflachen, eier-
förmigen Samen; Sorten: a. einfarbig: Weiße Stangenbohne, Gemeine gelbe Bohne,
Negerbohne; b. gefleckt: Gefleckte Stangenbohne, Zebrabohne. 2. Zwerg-, Buſch-
oder Zuckerbohne (Ph. v. nanus Mart.), wegen ihres niedrigen (0.6 Meter), nicht
windenden Stengels am häufigſten auf dem Felde gebaut. 3. Speck- oder Schwert-
bohne, flache Bohne (Ph. v. compressus Mns.), flache Bohnen mit ſtark vertieftem
Nabel, Hülſe ſehr zuſammengedrückt, eßbar; Sorten: Große weiße Schwertbohne,
Rieſenſchwertbohne, Amerikaniſche zweifarbige Speckbohne. 4. Eckbohne, Salatbohne
(Ph. v. gonospermus Savi), Samen eckig zuſammengedrückt; Sorten: Schwarze,
Weiße Eckbohne, Reisbohne. 5. Eierbohne (Ph. v. ellipticus Mns.), Samen ellip-
ſoidiſch bis faſt kugelig, weiß, ſchwarz, dottergelb, grau oder grünlich gefärbt; Sorten:
Perl-, Wachs-, Goldbohne. 6. Dattelbohne (Ph. v. oblongus Savi.) mit den
Dattelkernen ähnlichen Bohnen. Sorten: Weiße, Türkiſche, Chineſiſche Dattelbohnen.
7. Kugelbohne (Ph. v. sphaericus Savi.) mit kugeligen Samen; Sorten: Capiſche
Bohne, Kaiſerbohne, Butterbohne ꝛc.
Als Pflanzen einer wärmeren Zone ſind die Phaſeolen ſehr empfindlich gegen
niedere Temperatur. Sie leiden ſchon bei + 1.25°C. Ihre Entwickelung voll-
enden ſie jedoch ſchon in 12—14 Wochen. Am ausgedehnteſten wird ihr Anbau
in Spanien betrieben; in Deutſchland und Oeſterreich erreicht ihre Cultur auf dem
Felde nur einen geringen Umfang. Am häufigſten wird ſie noch als Zwiſchenfrucht
unter Mais oder als Einfaſſung von Kartoffelfeldern gebaut. Im erſteren Falle
verwendet man die nicht rankenden Zwergbohnen, in letzterem Falle auch Stangen-
bohnen, welchen durch eingeſteckte Stäbe Gelegenheit zum Aufranken gegeben wird.
An den Boden macht die Phaſeole wenig Anſprüche. Am beſten gedeiht ſie
jedoch in einem mehr leichteren, in gutem Düngungszuſtande befindlichen Boden. Bei
ihrer Empfindlichkeit gegen kühle Witterung iſt ihr Anbau vor dem Mai nicht räthlich.
Gewöhnlich legt man ſie zu je 3—5 Samen in Stufen oder drillt ſie auch in 30
bis 45 Ctm. entfernten Reihen mit einem Saatquantum von 1.6—2.2 Hektoliter
für ein Hektar. Bei ſorgfältiger Cultur bringt man wohl auch Dünger in die
Stufen.
Während der Vegetation werden die Bohnen mehrmals behackt. Rankende
Bohnen verſieht man mit Stäben, um das Aufranken zu befördern.
[79]Die Oelfrüchte.
Von Pilzkrankheiten ſtellen ſich auf den Bohnen ein: der Roſt (Uromyces Pha-
seolorum Tul.) und an faulenden Stengel Sclerotium sphaeriaeforme Lib.
An reifen Bohnen, welche gewöhnlich mit der Hand ausgerauft werden, erntet
man von einem Hektar 10—25 Hektoliter; an Stroh, welches ſich vortrefflich zur
Fütterung eignet, erhält man 1—1.5 Tonnen. Als Zwiſchenfrucht unter Mais
ſtellt ſich der Körnerertrag auf 5—10.5 Hektoliter.
III.
Die Oelfrüchte.
Die Oelfrüchte oder Oelpflanzen werden zuweilen mit den Gewürz-, Farbe-,
Blatt- und Geſpinnſtpflanzen in eine, durch die große Zahl der Arten ausgezeichnete
Pflanzengruppe zuſammengefaßt, welche mit dem unbeſtimmten Namen „der Handels-
pflanzen“ bezeichnet wird. Ihre Cultur bleibt auf gewiſſe Gebiete beſchränkt, weshalb
ihr Anbau nicht jene Flächenausdehnung und jene allgemeine Bedeutung erlangt,
welche den Getreidepflanzen zukommt; demungeachtet werden durch dieſelbe namhafte
Werthe hervorgebracht. Ihr Anbau erfordert große Betriebscapitalien. Im Falle
des Gelingens gewähren aber auch die Handelsgewächſe hohe Reinerträge. Ihr Preis
iſt unabhängig von den Getreidepreiſen, weshalb ſie ſelbſt bei niedrigen Getreidepreiſen
hohe Erträge liefern. Ueberdieß bieten ſie den Vortheil, daß durch ihre meiſt früh-
zeitig eintretenden Ernten das Geld zu einer Zeit flüſſig wird, in welcher der Be-
darf wegen der bevorſtehenden Getreideernte am größten iſt. Sie erfordern viele
Handarbeit, eignen ſich daher mehr für kleinere Landwirthe. Die Auswahl der
Handelspflanzen für die Cultur auf Großgütern iſt dagegen nur eine beſchränkte.
Die einfachſte Cultur verlangen die Oelfrüchte. Dieſelben ſind daher die vor-
züglichſten Handelspflanzen für den Großbetrieb. Die Bedeutung ihres Anbaues
ſchien vorübergehend durch die Einführung der Mineralöle und des Leuchtgaſes und
durch die immer mehr gebotene Auflaſſung der Brache gefährdet zu ſein. Durch die
Steigerung des Oelverbrauches bei den Eiſenbahnen und durch das Aufgeben des
Anbaues in ungeeigneten Oertlichkeiten iſt jedoch dieſe Gefahr beſeitigt. In wirth-
ſchaftlicher Beziehung bieten ſie eine ausgezeichnete Vorfrucht für den Weizen. Außer-
dem gewähren ſie den großen Vortheil, daß durch den Verkauf der Oelſamen, unter
Vorausſetzung der Verfütterung einer entſprechenden Oelkuchenmenge, keine Mineral-
ſalze, ſondern nur Sauerſtoff, Waſſerſtoff und Kohlenſtoff — die Beſtandtheile des
Oeles — aus der Wirthſchaft ausgeführt werden.
Zu den wichtigſten Oelpflanzen, welche ausſchließlich wegen ihrer ölhaltigen Sa-
men gebaut werden, zählen aus der Familie der Cruciferen 1. der Raps, 2. der
Rübſen, 3. der Leindotter und aus der Familie der Papaveraceen 4. der Mohn.
Außerdem werden jedoch nur nebenbei die Samen der beiden Geſpinnſtpflanzen Lein
und Hanf zur Oelgewinnung verwendet. Zu den genannten kommen in ſüdlichen
[80]Beſondere Pflanzenbaulehre.
Gegenden noch hinzu, aus der Familie der
Caeſalpineen: Arachis (Arachis hypogaea L.).
Amygdaleen: Mandelbaum (Amygdalus communis L.).
Oleaceen: Oel- oder Olivenbaum (Olea europaea L.).
Seſameen: Weißer Seſam (Sesamum orientale L.).
Compoſiten: Abyſſiniſche Oelpflanze (Guizotia oleifera DC.) ꝛc.
Seltener werden zur Oelgewinnung angebaut aus der Familie der
Euphorbiaceen: Kreuzblättrige Wolfsmilch (Euphorbia Lathyris L.),
Ricinus (Ricinus communis L.).
Cruciferen: Weißer Senf (Sinapis alba L.), Gartenkreſſe (Lepidium
sativum L.), Chineſiſcher Oelrettig (Raphanus oleiferus L.).
Papaveraceen: Gelber Hornmohn (Glaucium luteum Scop.).
Compoſiten: Sonnenblume (Helianthus annuus L.), Madie (Madia
sativa Molin).
Juglandeen: Wallnußbaum (Juglans regia L.) ꝛc.
1. Der Raps.
Rapsblüthenſtand (Brassica napus
oleifera DC.) in natürlicher Größe.
Der Raps, Reps, Räps, Kohlraps, große
Winterſaat, Kohlſaat, Colza (Brassica napus
oleifera DC.) unterſcheidet ſich von den übri-
gen Kreuzblüthlern (Cruciferae) durch ſeine
nicht gegliederte, geſchnäbelte, mit einer Längs-
rippe verſehene Schote. Kelch und hellgelbe
Blumenkrone vierblättrig; vier längere und
zwei kürzere Staubgefäße, Fig. 57. Vom
Rübſen unterſcheidet ſich der Raps durch ſeine
dunkelgrünen, blauduftigen, kahlen, glatten und
ganzrandigen Blätter und durch ſeine größeren,
dunklen, beinahe ſchwarzen Samen. Derſelbe
wird faſt überall als Winterfrucht, in Frank-
reich, den Niederlanden und auch vereinzelt in
Deutſchland als Sommerfrucht gebaut. Eine
Mittelform zwiſchen dem Rapſe und Rübſen
mit etwas kleineren Körnern als der Raps wird in Deutſchland unter dem Na-
men Avöl, Avehl oder holländiſcher Raps cultivirt.
Zu den bekannteſten Varietäten gehören: Der Uckermärker Rieſenraps (Stengel-
höhe 1.5 Meter) mit langer Vegetationszeit, Holſteiner Raps, Zwergraps (Stengel-
höhe 1 Meter) ꝛc.
Der Rapsſamen, Fig. 58, behält ſeine Keimfähigkeit nicht lange, höchſtens 3 Jahre.
Mit dem Vorſchreiten der Keimung nimmt der Oelgehalt der Samen ſtetig ab1). Das fette Oel
[81]Die Oelfrüchte.
wird in Zucker oder Dextrin umgewandelt und zum Aufbaue der Keimpflanze verwendet.
Die weitere Entwickelung vollendet der Winterraps in 300—330 Tagen, der Sommer-
raps in 140—180 Tagen. Die Rapswurzel ſendet
zwar ſtarke, tiefgehende Aeſte bis zu einer durch-
ſchnittlichen Tiefe von 70 Ctm. in den Boden,
ſie iſt jedoch arm an feinſten Wurzelverzweigun-
gen. Ausgereift beſaß eine Winterrapspflanze nach den
Beſtimmungen von W. Knop1) einen Stamm
von 1.58 Meter Höhe, mit einer unteren Stärke von
2.6—4 Ctm., 15 Zweige, 750 Schoten, 29.160 Sa-
men. Die Gewichtsverhältniſſe der einzelnen Organe
der Rapspflanze waren:
Rapsſame (Brassica napus oleifera
DC.) ⚇ nach Robbe. — a und b Same von der
Hülle befreit; c Querdurchſchnitt durch den
eiweißloſen Samen: α Würzelchen, β und
γ Cotyledonen.
Eine blühende Sommerrapspflanze ergab an Stamm und Zweigen 32, reſp. 3.49
an Blättern 15, reſp. 2.43 und zuſammen 47, reſp. 5.92 Grm.
Die Stoffveränderungen während fünf verſchiedener Entwickelungsperioden der Raps-
pflanze unterſuchte Iſidor Pierre (Compt. rend. — Annal. d. preuß. Landw. 1869). Für
ein Hektar berechnet ergaben die Analyſen der trockenen Pflanzen ohne Wurzeln in Kilo-
gramm:
Aus dieſen Zahlen ergibt ſich, daß die Erſchöpfung des Bodens durch die Rapsernte
ſchon ihre höchſte Stufe erreicht hat, ſobald die Blüthezeit vollendet iſt. Mit der Reife
der Samen verſchwindet das aus den Stengeltheilen ꝛc. eingewanderte, feinkörnige Stärke-
mehl und an Stelle deſſelben tritt fettes Oel. In 100 Gewichtstheilen Samen finden ſich
32.4—49.4, im Mittel 36.49 % Oel. Die Schwankungen im Oelgehalte können daher je
nach Witterung, Standort, Düngung bis 10 % betragen. Nach den Unterſuchungen von
Prof. Dr. Wollny ſteht der Oelgehalt im Zuſammenhange mit der Größe der Rapskörner
in der Weiſe, daß mit der zunehmenden Größe der Samen der procentiſche Oelgehalt
ſteigt. Von 100 Kilogramm Rapsſamen werden je nach der Vollkommenheit des Preß-
verfahrens 50—55 Kilogramm Oelkuchen, welche ein vorzügliches Maſtfutter geben, gewonnen.
Ueber die Menge der Rückſtände, welche dem Boden nach der Rapsernte verbleiben, findet
ſich Band I. S. 201 eine ausführliche Angabe.
Krafft, Lehrb. d. Landw. II. 6
[82]Beſondere Pflanzenbaulehre.
1. Die Wachsthumsbedingungen.
Der Raps wird unter den verſchiedenſten klimatiſchen Verhältniſſen gebaut, ſo-
wohl in den heißen Küſtenſtrichen von Algier, den warmen Gegenden von Italien,
dem Banat und dem ungariſchen Flachlande, als auch in dem kühlen Schleſien, in
Norddeutſchland, Frankreich und in den ſüdlichen Theilen von Schweden. Er ge-
deiht überall dort, wo das Wintergetreide fortkommt.
Der Raps verlangt einen nährſtoffreichen, mäßig friſchen und gebundenen Boden,
der um ſo tiefgründiger ſein ſoll, je trockener die Lage, damit ſich die Winterfeuchte
leichter erhalten kann. Am zuſagendſten ſind dem Rapſe Weizen- und Gerſtenböden.
In friſchen Lagen gedeiht er auch auf tiefem, kalkhaltigem, lehmigem Sandboden vorzüglich.
Auf flachgründigem, ſehr leichtem Boden leidet er ſehr häufig durch die Trockene.
Auf Moorboden gewachſene Oelſaat iſt verhältnißmäßig arm an Oel und wird des-
halb von den Oelfabriken ungern gekauft. Für einen derartigen Boden eignet ſich
noch am beſten der Sommerraps.
2. Die Vorfrucht und Vorbereitung.
In den meiſten Fällen, beſonders in trockenen Lagen, wird vor dem Rapſe
Brache gehalten. Wird keine Brache gehalten, ſo erhält der Raps als Vorfrucht:
Rothklee, von welchem jedoch nur ein Schnitt genommen wurde, oder Futtermiſchling,
Futterroggen, welche frühzeitig das Feld räumen, Luzerne, Incarnatklee, Buchweizen.
Bei ſehr gutem Culturzuſtande des Feldes baut man den Winterraps, häufiger den
Sommerraps, auch nach Getreide oder, wenn auch wegen der leichten Verunkrautung
ſeltener, nach ſich ſelbſt. Für Getreide, beſonders für Weizen, iſt der Raps eine
vorzügliche Vorfrucht. Vor dem Anbaue des Getreides wird bei friſchem Boden zu-
weilen eine Stoppelfrucht eingeſchaltet.
Außer dem Stoppelſturze werden zum Rapſe bei der Brachhaltung drei, nach Roth-
klee oder Futtermiſchling zwei bis drei Ackerungen gegeben. Eine Pflugfurche wird
womöglich vor Winter mit dem Tiefpfluge oder dem Wühler ausgeführt. Der
Stallmiſt kann vor der Saat, zweckmäßiger aber früher untergebracht werden. Im
letzteren Falle erhält die Rapspflanze einen reicheren Vorrath aufnehmbarer Nähr-
ſtoffe und kann ſomit leichter ihren zahlreichen Feinden entwachſen.
Der Boden wird durch den Raps ſtark angeſtrengt, da durch denſelben mehr
Aſchenbeſtandtheile als durch eine mittlere Weizenernte entnommen werden. Ein
Theil der Nährſtoffe wird allerdings durch die Pfahlwurzel aus tieferen Boden-
ſchichten entnommen.
Eine Mittelernte entzieht dem Boden per Hektar in Kilogramm in 20 Hektoliter
Raps, à 68 Kilogramm oder in
- 1360 Kilogr. Körner: 53.17 Aſche, 13.05 Kali, 7.48 Kalk, 22.44 Phosphorſäure,
- 3000 „ Stroh: 121.60 „ 33.30 „ 34.80 „ 7.20 „
- Zuſammen: 174.77 „ 46.35 „ 42.28 „ 29.64 „
[83]Die Oelfrüchte.
Im Falle man eine den verkauften Rapsſamen entſprechende Menge an Oel-
kuchen verfüttert, welche die entnommenen Nährſtoffe in die Wirthſchaft wieder zurück-
bringt, ſinkt die Erſchöpfung des Bodens durch den Raps auf ein Geringes
herab. Das Mengenverhältniß, in welchem die Bodennährſtoffe von dem Rapſe
in Anſpruch genommen werden, iſt ein verſchiedenes von jenem bei Weizen. Letzterer
kann deshalb nach Raps ganz vorzüglich gedeihen.
Wegen ſeines geringen Wurzelvermögens verlangt der Raps ſehr viele auf-
nehmbare Bodennährſtoffe, er iſt daher in die erſte Tracht einer Stallmiſtdüngung
zu ſtellen. Außer der Stallmiſtdüngung iſt das Kalken oder Mergeln des Bodens,
eine Düngung mit Chiliſalpeter, mit einem Gemenge von Kaliſalzen und Knochenmehl,
ſowie eine Guanodüngung je nach der Bodenbeſchaffenheit zu verſuchen.
3. Die Saat.
In den meiſten Gegenden fällt die Anbauzeit des Rapſes auf die erſten Tage
des Auguſt, in rauheren Lagen auch ſchon auf Ende Juli. In warmen Oertlichkeiten
wird er ſich, noch Anfang September gebaut, vor Winter ausreichend entwickeln. Zur
Saat verwende man die größten Körner, weil dieſe die höchſten Erträge und auch die
meiſten großen Samenkörner ergeben, welche wegen ihres größeren Oelgehaltes ent-
ſchieden den höchſten Werth als Marktwaare beanſpruchen. Bei trockener Witterung
ſäet man unmittelbar auf die abgeeggte Saatfurche, damit das Ankeimen in dem
heraufgebrachten, friſchen Boden ſicherer vor ſich gehen kann. Die Saat wird der
leichteren Pflege wegen auf 40—60 Ctm., bei geringerem Boden ſelbſt auf 30 Ctm.
Entfernung gedrillt, ſeltener breitwürfig ausgeführt. Im erſteren Falle
werden für ein Hektar 0.1—0.2, im letzteren 0.2—0.25 Hektoliter Samen ver-
braucht. Bei feuchtem Boden erfolgt das Auflaufen am ſicherſten und geht die Ent-
wickelung am ſchnellſten vor ſich, wenn der an ſich kleine Same nur ſeicht, auf
etwa 1.5 Ctm., untergebracht wird. In trockenem Boden, bei austrocknenden Winden
und geringer Regenwahrſcheinlichkeit kann der Raps jedoch bis auf 3—4 Ctm. Tiefe
mit Erde bedeckt werden. Kleinwirthe pflegen den Raps auch zu verpflanzen, um
vor demſelben noch eine reife Pflanze vom Felde gewinnen zu können. Einige
Wochen vor dem Auspflanzen beſtellt man ein dem Bedarfe entſprechend großes
Pflanzbeet. Die jungen Rapspflanzen werden dann erſt Ende Auguſt oder Anfang
September nach dem Pfluge oder mit dem Steckholze auf das Feld ausgepflanzt.
Bei der Großcultur können kleinere Fehlſtellen, welche ſich nur zu häufig in den
Rapsfeldern nach dem Winter zeigen, durch Nachpflanzen ergänzt werden.
Der Sommerraps wird zeitig im Frühjahre, im April, breitwürfig oder auf
30—50 Ctm. gedrillt mit 0.25—0.3 reſp. 0.2—0.25 Hektoliter für das Hektar
angebaut.
4. Die Pflege.
Froſt, Dürre oder eine vereiſte Schneedecke auf Raps, welcher vor Winter in
ſeiner Entwickelung weit vorgeſchritten iſt, führen oft eine geringere Ernte oder ein voll-
6*
[84]Beſondere Pflanzenbaulehre.
ſtändiges Mißrathen herbei. Bei andauernder Näſſe faulen die Wurzeln ab, ſo daß
nur mehr der Wurzelhals und die Blattroſette übrig bleibt. Im Frühjahre laſſen
ſich derartige „ausgeſäuerte“ Pflanzen leicht aus dem Boden ziehen.
Durch Trockene an dem Aufgehen gehinderte Saaten, ſowie durch Erdflöhe ver-
nichtete frühe Auguſtſaaten, werden durch eine zweite, Ende Auguſt auszuführende
Saat oder durch den Anbau von Winterrübſen erſetzt. Tritt die Vernichtung ſpäter
ein, ſo kann das umzubrechende Rapsfeld noch mit Wintergetreide beſtellt werden.
Iſt der Raps über Winter zu Grunde gegangen, ſo wird an ſeiner Stelle Sommer-
raps oder Rübſen, Mais, Gerſte, Kartoffel, oder wenn der Schotenanſatz durch den
Glanzkäfer verhindert wird, Grünfutter angebaut.
Breitwürfige Saaten werden bei zu üppiger Entwickelung vor Winter durch
Uebereggen gelichtet. Drillſaaten erhalten im Herbſte ein bis zweimal eine Be-
arbeitung mit der Pferdehacke. Schließlich werden dieſelben angehäufelt; eine Arbeit,
welche dann im Frühjahre zu wiederholen iſt.
Von Feinden aus der Pflanzenwelt, noch mehr aus der Thierwelt hat der
Raps, beſonders der Sommerraps, oft ſehr zu leiden. Das ſogenannte Befallen
oder die Schwärze des Rapſes, welche ſich in dem Erſcheinen von kleinen, braun-
ſchwarzen Flecken auf den Blättern und Schoten äußert, wird durch den Raps-
verderber (Sporidesmium exitiosum Kühn.) herbeigeführt. Als Schimmel erſcheint
ein anderer Pilz, Peronospora parasitica Pers.
Zu den ſchädlichſten und am häufigſten vorkommenden Rapsfeinden gehören die
Nachſtehenden:
- Mark, Stengel, Wurzel:
- Schnellkäfer (Agriotes haemorrhoidalis
Redtb.). Larve ſchädlich. - Raps-Mauszahnrüßler (Baridiuschloris
F.). Fig. 59. Larve ſchädlich. - Rapsverborgenrüßler, Kohlgallenrüßler
(Ceutorhynchus sulcicollis Gyll.).
Fig. 60. Larve unmerklich ſchädlich. - Verurſacht das „Kröpfigwerden“
(gallenartige Wurzelanſchwellungen). - Blätter:
- Rapserdfloh (Haltica chrysocephala).
Fig. 61. Käfer ſchädlich. - Gelbſtreifiger Erdfloh (Haltica nemo-
rum F.). Fig. 106. Käfer und
Larve ſchädlich. - Großer Kohlweißling (Pieris brassicae
Schk.). Fig. 123. Raupe ſchädlich. - Rübſaatweißling (Pieris napi Schk.).
Raupe ſchädlich. - Winterſaateule (Agrotis segetum Hb.).
Fig. 40, S. 57. Raupe ſehr ſchädlich. - Ypſiloneule (Plusia gamma L.), Fig. 88.
Raupe ſehr ſchädlich. - Rapsſägewespe (Tenthredo spinarum
F.). Fig. 82. Afterraupe ſehr
ſchädlich. - Kohlblattlaus (Aphis brassicae L.).
Blattlaus und Nymphe unmerklich
ſchädlich. - Rapsblüthen:
- Rapsglanzkäfer (Meligethes aeneus).
Fig. 62. Käfer u. Larve ſehr ſchädlich. - Maikäfer (Melolontha vulgaris F.).
Käfer und Larve ſchädlich. - Goldkäfer (Cetonia aurata L.).
Unmerklich ſchädlich. - Erdfloh (Haltica). Larve ziemlich ſchädlich.
- Rapsmotte (Tinea xylostella L.).
Raupe ziemlich ſchädlich. - Junge Rapsſchötchen:
- Rapsgallmücke (Cecidomyia brassicae
L.). Made ziemlich ſchädlich. - Rapsſchoten:
- Verborgenrüßler (Ceutorhynchus assi-
milis Germ.). Käfer und Larve
ſchädlich. - Rübſaatpfeifer (Pyralis margaritalis
Treitschke.). Fig. 63. Raupe
ſchädlich.
Rapsmauszahnrüßler (Baridius chloris).
— 1 Larve, darüber der vergr. Kopf; 2 Puppe;
3 Käfer, darüber in natürl. Größe: a Auge, g
Fühlerfurche mit nicht zurückgezogenem Fühler.
Rapsglanzkäfer (Meligethes aeneus). —
1 vergrößerte Larve, darunter ihr ſtark vergrößerter
Kopf: u Unterkiefer, k Oberkiefer, f Fühler,
o Oberlippe; 2 vergrößerter Käfer.
Kohlgallenrüßler (Ceutorhynchus sulcicollis Gyll.). — 1 Wurzel- und Stengelgallen; 2 vergrößerte
Larve, daneben Umriß der natürlichen Größe, darunter ihr ſtark vergrößerter Kopf; a Augen, b Unterlippe,
v Oberlippe, k Oberkiefer, u Unterkiefer; 3 Käfer, darunter Seitenanſicht, a Hinterbeine, b Fühler; 4 Larve
von Ceutorhynchus napi Dej.
Rapserdfloh (Haltica chrysocephala).
— 1 Larve, darunter ihr vergr. Kopf; 2 ver-
größerter Käfer, darunter das Hinterbein.
1—2 Rübſaatpfeifer (Pyralis
margaritalis Tr.). — Sämmtliche Figuren
nach Giebel.
[86]Beſondere Pflanzenbaulehre.
Die Verheerungen der Rapsfeinde treten gewöhnlich um ſo empfindlicher auf,
je vereinzelter der Raps cultivirt wird. Wirkſame Hilfsmittel gegen dieſelben ſind
nur wenige bekannt; die Erdflöhe werden durch Aufſtreuen von Aſche, Kalk oder
Guano auf die jungen Saaten, wenn nicht vertilgt, ſo doch vertrieben.
5. Die Ernte.
Zur Zeit der Ernte muß das Reifen des Rapſes ſorgfältig beobachtet werden,
um nicht den richtigen Zeitpunkt für das Abbringen zu verſäumen. Am frühzeitig-
ſten, in der Halb- oder Vorreife, etwa in der zweiten Hälfte des Juni, muß der
Raps geerntet werden, wenn derſelbe bei Tag mit der Mähemaſchine geſchnitten
werden ſoll. Man wähle dabei jenen Moment, in welchem das Grün des
ganzen Feldes einem röthlichgelben Schimmer gewichen iſt. Schneidet man
mit der Senſe, ſo wird gemäht, wenn ſich die Körner der unterſten Schoten zu
bräunen beginnen und der Geſammtanblick des Rapsfeldes bereits einen gelblichen
Schimmer zeigt. Bei dem Schnitte mit der Sichel und bei ausreichender Arbeitskraft
kann der Raps am weiteſten in der Reife vorgeſchritten ſein, ehe derſelbe geerntet
wird. Man nimmt dann die Ernte vorſichtshalber in den Nacht- und Morgen-
ſtunden vor, zu welcher Zeit der Raps zäher iſt und weniger leicht ausfällt.
In dieſem Falle wird die Rapsernte erſt Anfang Juli vorgenommen. Die Ernte
des Sommerrapſes tritt im Auguſt oder September ein.
Rapskaſten.
Bei ſicherer Witterung wird der
Raps in Gelege, in welchen er ſchnell
nachreift, auf das Feld gegeben. Bei un-
ſicherer Witterung iſt das Aufſtellen des,
in kleinen Garben gebundenen, Rapſes in
Puppen oder das Aufſetzen in 2—2.5
Meter hohe, kegelförmige Haufen, Fig. 64,
Kaſten,1) in welchen die Schoten nach
Innen gelegt werden, vorzuziehen. Die
Kaſten bieten gegenüber den Puppen den Vortheil, daß in denſelben die Schoten
weniger aufſpringen. Iſt der Raps auf die eine oder andere Art getrocknet, ſo wird
derſelbe mit möglichſter Vorſicht aufgeladen. Stehen die Puppen oder Kaſten in
Reihen, ſo wird zwiſchen denſelben und dem anfahrenden, mit einem Tuch bedeckten
Wagen eine Leinwandplache ausgebreitet, auf welcher die Puppen ꝛc. umgeſtürzt und
von hier aus aufgeladen werden. Entfernter ſtehende Kaſten können mit zwei Stan-
gen durchſtochen werden und ſo, mit wenig Verluſt, zur Plache getragen werden.
Das Ausbringen der Körner aus den Schoten geht leicht vor ſich. Der Raps
wird häufig noch ausgetreten; reinere Arbeit liefert jedoch das Ausdreſchen mit der
Hand oder der Maſchine. Bei dem Maſchinendruſche iſt die Trommel möglichſt weit
von dem Dreſchkorbe zu ſtellen oder eine eigene mit weniger Schlagleiſten verſehene
[87]Die Oelfrüchte.
Rapstrommel einzuſetzen. Auf dem Boden ſchüttet man die ungeputzten Körner an-
fänglich, je feuchter ſie ſind, nur ſehr dünn auf, erſt ſpäter putzt man ſie und häuft
ſie höher auf.
Gegenüber dem Getreidebaue iſt der Rapsbau viel unſicherer. Während das
Getreide alle 10 Jahre nur einmal eine Nothernte gibt, mißräth der Raps in der-
ſelben Zeit zwei, dreimal, wenn auch in günſtigen Jahrgängen ſein Körnerertrag
über 30 Hektoliter vom Hektare ſteigen kann. Als mittlerer Körnerertrag ſind
15—18—21 Hektoliter im Gewichte von 65—68 Kilogramm anzuſehen. Der Er-
trag des Sommerrapſes iſt noch unſicherer und zugleich geringer, derſelbe beträgt
10—20 Hektoliter.
An Stroh, welches als Futter oder Streumaterial Verwendung findet, erhält
man vom Winterrapſe 2.6—3.4—4.0 Tonnen, wovon etwa ein Drittel auf die
Schoten entfallen. Der Strohertrag des Sommerrapſes ſtellt ſich auf 1.5 - 2.4
Tonnen vom Hektare.
2. Der Rübſen.
Der Rübſen, Rübenraps, Rübſamen, Rübſaat, Rübenkohl, kleiner Räps, Rüb-
ſprenkel (Brassica rapa oleifera DC.) unterſcheidet ſich vom Rapſe hauptſächlich
durch ſeine erſten, grasgrünen und behaarten Blätter. Der Rübſen iſt kleiner als
der Raps, ſeine Schoten enthalten kleinere, lichtere Samen, welche 5—8 % weniger
Oel geben. Dem Rübſen nahe verwandt iſt der in Mitteldeutſchland ſehr ver-
breitete Biewitz, deſſen Same noch etwas kleiner iſt. Der Biewitz verträgt noch
leichter als der Rübſen ein rauheres Klima und reift überdieß etwas früher.
Der Rübſen macht gegenüber dem Rapſe geringere Anſprüche an Boden und
Düngung. Er gedeiht, beſonders der Sommerrübſen, noch auf ſandigem Boden.
Wegen ſeiner um 20 Tage kürzeren Vegetationsdauer kann er ſpäter als der Raps
zu Ende Auguſt oder Anfang September, nach einer Vorfrucht, gewöhnlich einem
früh abgeernteten Getreide oder einer Hülſenfrucht, beſonders nach Wickfutter, an-
gebaut werden. Die Saat iſt dichter auszuführen, die Drillreihen werden daher
enge, auf 25—35 Ctm. Entfernung geſtellt. An Saatgut braucht man trotzdem
wegen der kleineren Körner weniger, bei Breitſaat 0.15—0.2, bei Drillſaat 0.13
bis 0.18 Hektoliter auf ein Hektar. Bei Sommerrübſen beträgt die Saatmenge
0.25—0.31, reſp. 0.2—0.25 Hektoliter. Letzterer ſoll nicht vor Ende Mai an-
gebaut werden. Er eignet ſich auch wegen ſeiner kurzen Vegetationsdauer von zwölf
Wochen zum Anbaue als Stoppelfrucht. Der Rübſen wird nicht verpflanzt. Die
Cultur und Ernte, welche um ein bis zwei Wochen früher als bei dem Rapſe
eintritt, ſtimmt mit jener des Rapſes vollkommen überein. Gegen den Inſectenfraß
zeigt er ſich etwas widerſtandsfähiger als der Raps.
Als Ernteerträge von einem Hektare gibt Rohde folgende Mengen an: Winter-
rübſen 15.06—25.82 Hektoliter Körner im Gewichte von 65 Kilogramm und 1.96
bis 3.13 Tonnen Stroh; Sommerrübſen 8.60—12.91 Hektoliter Körner à 60 Kilo-
gramm und 1.17—1.56 Tonnen Stroh. Der Preis des Samens iſt wegen
ſeines geringeren Oelgehaltes niedriger als jener des Rapſes.
[88]Beſondere Pflanzenbaulehre.
3. Der Leindotter.
Gemeiner Leindotter (Camelina
sativa Crtz.) ☉ nach Robbe. — Same mit
Hülle, r Würzelchen; enthüllter Same:
α Würzelchen, β und γ Keimblätter,
δ Endknöspchen.
Der gemeine Leindotter, Dotter, Butterraps
oder Butterſame (Camelina sativa Crtz.), wie
der Raps zur Familie der Cruciferen gehörig,
beſitzt zum Unterſchiede von demſelben ein auf-
geblaſenes Schötchen. In dem zweifächerigen
Schötchen befinden ſich meiſt je acht, kleine gold-
gelbe oder bräunliche Samen, Fig. 65, welche
bis zu 28 % eines leicht ranzig werdenden Oeles
enthalten. Die Pflanze wird 0.45—0.60 Meter
hoch.
Der Anbau dieſer Oelfrucht erreicht ſelten eine größere Ausdehnung, obwohl
ſie noch auf geringem, trockenem Sandboden fortkommt und weniger von dem In-
ſectenfraße zu leiden hat. Vereinzelt findet man den Leindotter in Deutſchland,
Oeſterreich, Belgien, Frankreich, in der Türkei, meiſt an Stelle einer zu Grunde ge-
gangenen anderen Oelfrucht, angebaut.
Die Ausſaat erfolgt entweder breitwürfig mit einem Saatquantum von 15 bis
25 Kilogramm oder in 16—20 Ctm. breiten Drillreihen mit einer Saatmenge
von 12—20 Kilogramm. Die Saatzeit fällt auf den Monat April oder den An-
fang Mai.
Von den Pflanzenkrankheiten verhindert das Ueberhandnehmen des Schimmels
(Peronospora parasitica Pers.) und des weißen Roſtes (Cystopus candidus Pers.)
die Blüthenbildung und den Fruchtanſatz.
Unter den Inſecten ſchaden am meiſten die Raupen der Ypſiloneule (Plusia
gamma L.), Fig. 88, und der Kohlerdfloh (Haltica oleracea L.).
Im Auguſt werden die ſamenreifen Pflanzen gemäht und zum Trocknen auf-
geſtellt. Der Körnerertrag erreicht von dem Hektare 10—20 Hektoliter à 60 Kilo-
gramm. An Stroh werden 1.5—2.3 Tonnen geerntet.
4. Der Mohn.
Der Mohn, Schlafmohn, Gartenmohn, Magſamen (Papaver somniferum L.),
Fig. 66, zur Familie der Papaveraceen gehörig, beſitzt eine vierblätterige, verſchieden-
färbige Blumenkrone, zahlreiche unterweibige Staubblätter, Griffel fehlend, Narbe
ſchildförmig, vier bis zwanzigſtrahlig, Fruchtkapſel halbvielfächerig und kahl, mit
vielen, eiweißhaltigen Samen. Letzterer enthält bis zu 53 % eines, ſehr leicht ver-
daulichen, fetten Oeles. Die Samen der großkörnigen Mohnſorten werden ſowohl zur
Oelgewinnung, als auch zur Bereitung verſchiedener Speiſen verwendet. In Süd-
europa, dem Orient und in neueſter Zeit, jedoch mit zweifelhaftem Erfolge, auch
in Deutſchland, werden kleinſamige Spielarten der Mohnpflanze zur Opium-
gewinnung angebaut. Das Opium iſt der eingetrocknete Milchſaft. Derſelbe enthält
die verſchiedenſten giftigen Alkaloïde, darunter bis zu 15 % Morphin, Papaverin,
[89]Die Oelfrüchte.
Rhöadin ꝛc. Er kommt in allen Theilen der
Pflanze vor. Am leichteſten kann er durch ſpiral-
förmige Einſchnitte in die noch grüne Fruchtkapſel
erhalten werden. Am ergiebigſten für die
Opiumgewinnung iſt der blaublühende Rieſenkopf-
mohn.
Von Bedeutung iſt die Unterſcheidung der
Varietäten in offenen oder Schüttmohn und in
Dreſch- oder Schließmohn. Bei Erſterem fallen
die Samen beim Schütteln durch Löcher heraus,
welche bei der Reife unter der Narbe in der Kapſel-
wand aufſpringen. Bei dem Schließmohne bleiben
die Köpfe geſchloſſen, es tritt daher kein Verluſt
durch Samenausfall ein; dagegen iſt der Körner-
ertrag bei dem Schüttelmohne ergiebiger, weshalb
dieſer häufiger zum Anbaue kommt. Außerdem
werden die Varietäten nach der Farbe der Blüthen
und der Farbe und Größe der Samen unter-
ſchieden in: Grauſamigen Schütt- oder Schließ-
mohn mit weißen, rothen, braunen Blumenblättern,
Blauſamigen Mohn mit ſtahlblauen Samen,
fleiſchrothen am Grunde dunkelrothen Blumen-
blättern und Weißſamigen Mohn mit weißen
Samen und Blüthen, welche am Grunde rothe
Flecken zeigen.
Der Mohn, welcher eine Vegetationsdauer
von 120—150 Tagen beſitzt, wird faſt aus-
ſchließlich als Sommerfrucht gebaut.
Mohn (Papaver somni-
ferum L.) ☉.
1. Die Wachsthumsbedingungen.
Der Mohn kann überall gebaut werden, wo noch das Wintergetreide fortkommt.
In gutem Culturzuſtande befindlicher Sand- oder Lehmboden in friſcher Lage ſagt
ihm am beſten zu. Gleich gut gedeiht er auf fruchtbarem Kalkboden. Auf bindigen
Bodenarten geht er zu unſicher auf. Naſſe Böden ſind für die Mohncultur aus-
geſchloſſen.
Die Vorbereitung des Feldes ſoll möglichſt ſorgfältig, gartenmäßig ausgeführt
werden. Eine tiefe Furche im Herbſte lohnt er reichlich. Je reiner das Feld vor-
bereitet, um ſo leichter wird es ſein, die anfänglich langſamer wachſende Mohnpflanze
vor dem Unkraute zu ſchützen.
Als Vorfrucht eignet ſich gedüngte Hackfrucht oder, wenn auch weniger,
Getreide. Außerdem gedeiht er im Neubruche.
[90]Beſondere Pflanzenbaulehre.
Nach Hoſaeus 1) wurde der Samenertrag durch eine Düngung mit einem Ge-
menge von Guano und Sombrerophosphat gegenüber dem ungedüngten Mohn ver-
doppelt und verdreifacht, der Oelgehalt etwas geſteigert. Stickſtoffhaltige Düngſtoffe,
vorzüglich das ſchwefelſaure Ammoniak ſollen nach Dietrich 2) eine auffällige Ver-
mehrung des Morphingehaltes herbeiführen.
2. Die Saat und Pflege.
Der Mohn iſt möglichſt frühzeitig, gegen Ende März, ſpäteſtens Mitte April
anzubauen. Der Same, welcher gewöhnlich mit Sand oder Aſche gemiſcht, breitwürfig,
in einer Menge von 9—13 Liter oder 6—8 Kilogramm ausgeſäet wird, darf nur
flach mit der Egge oder der Schleife untergebracht werden. Bei der vortheilhafteren
Drillſaat (Saatmenge 6—9 Liter oder 4—6 Kilogramm) iſt zu beachten, daß der
Same nicht zu tief in den Boden gelangt. Die Entfernung der Drillreihen ſchwankt
nach dem Längenwachsthume des Mohnes zwiſchen 26—52 Ctm. In trockenen
Gegenden erreicht er eine Höhe von 0.5, in feuchten von 0.6—1 Meter.
Der Mohn iſt als Hackfrucht zwei bis drei Mal mit der Hand, ſpäter mit der
Pferdehacke zu behacken, und zuletzt leicht anzuhäufeln. Nach der zweiten Hacke iſt
der Mohn in der Drillreihe auf 15—20 Ctm. zu vereinzeln, da bei zu dichtem
Stande die Köpfe klein bleiben.
Von Spätfröſten leidet der Mohn wenig. Späterhin ſagen ihm beſonders ein
warmer Sommer und Windſtille zu. Beeinträchtigt wird der Ertrag durch naßkalte
Witterung und heftige Winde, welche die Stengel abbrechen und bei Schüttmohn
den Samen ausſchütteln.
Der Schimmelpilz, Peronospora arborescens Berk., verurſacht ein Ver-
krümmen der Stengel und ein blaſiges Auftreiben der Blätter. Den größten Schaden
auf den Mohnfeldern richtet der Weißfleckrüßler (Ceutorhynchus macula alba
Hbst.) an. Das Käferweibchen frißt ein Loch in den unreifen Mohnkopf und legt in
die Nähe der Mohnkörnerreihe ein Ei. Die ausſchlüpfende Larve frißt dann oft ſämmt-
liche Körner. Außerdem ſchaden den Wurzeln der Mohnwurzelrüßler (Coeliodes
fuliginosus Marsh.), an den Blättern der Erdfloh (Haltica fuscicornis Ill.), die
Ampferblattlaus (Aphis rumicis L.), die Mohnblattlaus (Aphis papaveris F.) ꝛc.;
den Früchten die Kohleule (Mamestra brassicae L.), Fig. 77, die Mohngallen-
mücke (Cecidomyia papaveris Winn.) ꝛc.
3. Die Ernte.
Der Mohn wird geerntet, ſobald im Auguſt, in kühlen Sommern im Septem-
ber, die Stengel dürr und der Same in den Kapſeln locker geworden iſt. Der
Schließmohn kann länger als der Schüttmohn, deſſen Samen leicht ausfallen, am
Felde belaſſen werden. Im Kleinen werden die reifen Köpfe des Schüttmohnes in
[91]Die Oelfrüchte.
einem Sacke ausgeſchüttelt. Die entleerten Pflanzen werden dann ausgezogen, ge-
bunden, zum Trocknen aufgeſtellt und nach dem Trocknen neuerdings ausgebeutelt.
Im Großen wird der Mohn ſorgfältig ausgezogen, die loſen Samen über ein aus-
gebreitetes Tuch ausgeſchüttelt und in Puppen zum Trocknen aufgeſtellt. Die trock-
nen Garben werden dann nach etwa fünf Tagen wiederholt ausgeklopft. Der Schließ-
mohn wird entweder geſchnitten oder ausgezogen und die Köpfe nach dem Trocknen
bei der Kleincultur mit einem Meſſer geöffnet, bei dem Anbau im Großen durch Dreſchen
oder durch eigene Maſchinen zerbrochen. Während der Ernte verurſacht, außer dem
Ausfalle durch Winde, naſſe Witterung leicht ein Auswachſen der Samen.
Der Körnerertrag iſt geringer, jedoch ſicherer als wie bei dem Rapſe. Als
Durchſchnittsertrag ſind 15 Hektoliter à 60 Kilogramm von dem Hektare anzuſehen.
Die Ertrags-Schwankungen bewegen ſich zwiſchen 12 und 20 Hektoliter. An Stroh
oder Stengeln, welche geringen Streuwerth beſitzen, dagegen oft als Brennmaterial
geſchätzt werden, erhält man 2—2.5 Tonnen.
5. Der Senf, der Oelrettig, die Sonnenblume und die Madie.
Der weiße Senf (Sinapis alba L.) ☉ beſitzt einen
0.5—0.6 Meter hohen Stengel, fiedertheilige, leierförmige
Blätter, eine fünfnervige, ſteifhaarige Schote. Die weiß-
gelben, auch braunen Samen enthalten 36 % fettes Oel
und ein ſcharfes, brennendes, ätheriſches Oel. Derſelbe ge-
deiht auf mergeligem und kalkhaltigem Boden, ebenſo auf
Sandboden ganz vorzüglich. Er eignet ſich wie der
Sommerraps, mit welchem er in der Cultur übereinſtimmt,
zum Erſatze für ausgewinterten Raps. Sein Anbau kann
zeitig im März oder Anfang April vorgenommen werden,
da er gegen Spätfröſte wenig empfindlich iſt. Das
Samenerforderniß beträgt auf einem Hektare, breitwürfig
geſäet, 20—30 Liter, gedrillt in Entfernungen von 45 Ctm.
15—20 Liter. Am meiſten gefährden den Senf der Erd-
floh, der Kohlweißling und der Saatzünsler (Pyralis fru-
Saatzünsler (Pyralis
frumentalis L.).
mentalis L.), Fig. 67. Der Körnerertrag erreicht 10—20 Hektoliter à 60 Kilo-
gramm; der Strohertrag 1.5—2.4 Tonnen. Die Ernte fällt auf den Monat Juli.
Der Oelrettig (Raphanus oleiferus L. oder chinensis L.) ☉ und ⚇ unterſcheidet
ſich von den übrigen Kreuzblüthlern durch ſeine undeutlich gekerbte, nicht aufſpringende
Gliederſchote, Fig. 68, n.S. Die licht rothbraun gefärbten Samen enthalten bis zu 50 %
Oel. Trotz des hohen Oelgehaltes geht die Cultur dieſer Pflanze nicht über
einen verſuchsweiſen Anbau hinaus, indem ſie wegen ihrer Empfindlichkeit gegen
naßkalte Witterung in der Blüthezeit, dem leichten Lagern und der ſehr ungleichen
Samenreife ſehr unſichere Erträge abwirft. Der Oelrettig wird vereinzelt in Aegypten,
Rumänien und Spanien angebaut. In ſeinen Anſprüchen an Boden und Düngung
und in der Cultur ſtimmt er mit dem Mohne überein. Breitwürfig geſäet erfordert
[92]Beſondere Pflanzenbaulehre.
Chineſiſcher Oelrettig (Ra-
phanus chinensis L.) ☉ u. ⚇ nach Nobbe.
— a Gliederſchote (nat. Gr.); b dieſelbe
längs halbirt; c u. d Same; e Oberhaut-
Fragment des Samens, ſtark ver-
größert; f ſenkrechter Samendurchſchnitt
mit riemig gefaltetem Embryo.
ein Hektar 40—50 Liter, gedrillt 20—30 Liter
Samen. Am empfindlichſten ſchaden, wie den meiſten
Kreuzblüthlern, die Erdflöhe. Der Körnerertrag er-
reicht unter günſtigen Verhältniſſen 20 Hektoliter
à 64 Kilogramm.
Die Sonnenblume, Sonnenroſe (Helian-
thus annuus L.) ☉, eine peruaniſche Pflanze, zeichnet
ſich durch ihren 0.6—2.5 Meter hohen Wuchs und
den bekannten, bis zu 35 Ctm. im Durchmeſſer
großen, ſcheibenförmigen Fruchtſtand aus. Die
weißen bis dunkelſchwarzen, eiförmigen oder geſtreiften
Samen geben ein vorzügliches (15—40 %) Speiſe-
Oel; der Stengel ein gutes Brennmaterial. Im
Großen werden die Sonnenblumen vorzüglich in
Südrußland gebaut. Doch gedeihen ſie im dichten
Stande weniger gut als wie eingeſprengt als
Zwiſchenfrucht auf Mais- und Kartoffelfeldern oder als Einfaſſung von Feldparcellen.
Sie gedeiht auf jedem Boden, ſelbſt auf trockenem Sandboden. Vor der Saat im
April wird das Feld auf 80—100 Ctm. Entfernung marquirt und in der Reihe
alle 60 Ctm. einige Samenkörner in den Boden geſteckt. Auf ein Hektar entfällt
eine Saatmenge von 10—12 Kilogramm. Während des Wachsthumes werden die
Zwiſchenräume nach Bedarf behackt und die Pflanzen ſchließlich angehäufelt. Hervor-
kommende Seitentriebe werden bis auf drei bis vier Samenköpfe weggebrochen. Nach
Woronin 1) beeinträchtigt in Rußland der Sonnenroſenroſt (Puccinia Helianthi
Schweinitz) die Ausbildung der Samen. Unter den Inſecten wird ſie von der
Raupe der Mangoldeule (Phlogophora meticulosa) heimgeſucht. Der Same,
welchem die Vögel ſehr nachſtellen, wird ſelten vor dem October reif, weshalb
bei ausgedehntem Anbaue das Trockenen und Ausbringen derſelben aus den einzeln
abgeſchnittenen Fruchtſtänden manche Schwierigkeiten bereitet. An Samen gewinnt man
von einem Hektare 17—22 Hektoliter à 45 Kilogramm, an Stengeln, welche für
ſich abgehackt oder abgeſchnitten werden, 3.5—4.3 Tonnen.
Die Madie, ölgebende Madie, Oelmadie (Madia sativa Molin) ☉, ſtammt aus
Chili, woſelbſt ſie wegen ihrer ölhaltigen (35 %) Samen gebaut wird. In Europa,
beſonders in Württemberg, wurde ſie nur verſuchsweiſe cultivirt, jedoch bald wieder
aufgegeben, nachdem ihre Samen zu ungleich reifen. Die Pflanze wird in 108
Vegetationstagen 0.5—0.6 Meter hoch; ihre Blätter, zwiſchen welchen der gelb-
blumige Kopf halbverborgen ſteht, ſind dicht mit Drüſenhaaren bedeckt. Sie gedeiht
auf lehmigen und ſandigen Bodenarten beſſer als auf ſtark gebundenen Böden. Sie
verlangt jedoch wegen ihrer 0.15—0.25 Meter langen Pfahlwurzel entſprechende
Tiefgründigkeit des Bodens. Im April, Mai ſäet man breitwürfig 23—35 Kilogr., gedrillt
[93]Die Gewürzpflanzen, der Hopfen und die Weberkarde.
15—23.5 Kilogramm auf ein Hektar. Während des weiteren Wachsthumes, welches in
90—120 Tagen vollendet iſt, wird die Madie wie der Mohn cultivirt. Die Samen-
köpfe reifen ungleich. Verſäumt man den richtigen Moment, ſo erleidet man durch
Samenausfall großen Verluſt. An Samen erntet man von dem Hektar 12 bis
22 Hektoliter à 54 Kilogramm, an Stroh 0.8—1.5 Tonnen.
IV.
Die Gewürzpflanzen, der Hopfen und die Weberkarde.
Der Anbau der Gewürz- und Arzneipflanzen erreicht bei den geringen Ver-
brauchsmengen derſelben nur eine ſehr mäßige Ausdehnung und daher auch meiſtens
nur eine locale Bedeutung, wenn auch die durch denſelben hervorgebrachten Werthe
immerhin beachtenswerth ſind. Ihre Cultur erfordert eine große Aufmerkſam-
keit, welche mit Vortheil nur von dem Kleinwirthe aufgewendet werden kann. Die
Zahl der Gewürz- und Arzneipflanzen iſt eine anſehnliche. Von denſelben gelangen
jedoch nur etwa die folgenden außer dem Garten zum Anbaue: aus der Familie der
Papilionaceen: Bockshornklee (Trigonella foenum graecum L.), Süßholz
(Glycyrrhiza glabra L.),
Roſaceen: Nelkenwurz (Geum urbanum L.),
Cruciferen: Brunnkreſſe (Nasturtium officinale R. Br.), Schwarzer Senf
(Brassica nigra Kch.), Weißer Senf (Sinapis alba L.), Meerrettig
(Armoracia rusticana Lam.),
Ranunculaceen: Schwarzkümmel (Nigella sativa L.),
Umbelliferen: Kümmel (Carum carvi L.), Anis (Pimpinella anisum L.),
Fenchel (Foeniculum officinale All.), Koriander (Coriandrum
sativum L.),
Labiaten: Pfeffermünze (Mentha piperita L.),
Compoſiten: Wermuth (Artemisia absinthium L.),
Irideen: Safran (Crocus sativus All.),
Aſphodeleen: Zwiebel (Allium cepa L.) ꝛc.
Am geeignetſten für die Großcultur iſt der Hopfen (Humulus lupulus L.)
aus der Familie der Urticeen, weniger die im Anhange zu beſprechende Weber-
karde (Dipsacus fullonum Mill.) aus der Familie der Dipſaceen.
Die Cultur des Hopfens erfordert einen hohen Capitals-, Arbeits-
und Düngeraufwand, welchem allerdings ein bedeutender, wenn auch unſicherer
Rohertrag gegenüber ſteht. Der Hopfen läßt ſich nicht ohne Schaden über ein
Jahr aufbewahren, weshalb der Preis, wie nicht leicht bei einem anderen Pflanzen-
producte, je nach dem Ausfalle der Ernte den größten Schwankungen, und zwar im Ver-
hältniſſe von 1 : 12 unterliegt. Die Hopfencultur kann die anſehnlichſten Reinerträge
gewähren, behält jedoch ſtets wegen der Unſicherheit der Ernte und dem Schwanken
der Preiſe den Charakter eines Glücksſpieles. Trotzdem nimmt der Anbau dieſer
wichtigen Handelspflanze mit dem geſteigerten Bedarfe der in ſtetiger Zunahme be-
griffenen Bierproduction an Bedeutung immermehr zu.
[94]Beſondere Pflanzenbaulehre.
1. Schwarzer Senf.
Sowohl die Samen des ſchwarzen Senfes (Brassica nigra Kch.) ☉, als auch des
weißen oder engliſchen Senfes (Sinapis alba L.) ☉ werden wegen ihres Gehaltes an
einem ſcharfen, brennenden, ätheriſchen Oele zur Bereitung des Moſterichs (Senf,
Moutarde) verwendet. Bei derſelben werden die Senfkörner mit Moſt oder Wein-
eſſig angemacht, nachdem vorher ihr fettes Oel durch kaltes Preſſen entfernt wurde.
Der ſchwarze Senf, welcher vorzugsweiſe in Südfrankreich, Griechenland, Ruß-
land ꝛc. angebaut wird, unterſcheidet ſich von den anderen Brassica-Arten durch die
durchaus geſtielten Blätter, während bei dieſen die oberen Blätter ſitzend oder herz-
förmig umfaſſend ſind. Der weiße, hie und da in Deutſchland gebaute Senf (S. 91)
unterſcheidet ſich von dem ſchwarzen durch die ſteifhaarigen, fünfnervigen Schotenklappen.
Der Senf gedeiht am beſten auf einem mergeligen oder kalkreichen Boden,
ebenſo auf Neubruch. Bei ſeinen beſcheidenen Anſprüchen und ſeinem ſchnellen Wachs-
thume, welche denſelben, ſowie den weißen Senf auf den Getreidefeldern als Unkraut
läſtig machen, begnügt er ſich auch mit einem leichten, trockenen Boden. Da der
Senf gegen leichte Fröſte wenig empfindlich iſt, ſo beginnt man mit der Saat zeitlich
im Frühjahre, im April. Gedrillt ſäet man auf ein Hektar 15—20, breitwürfig
20—30 Liter. Cultur und Ernte des Senfes ſtimmen mit jener des Sommerrapſes
überein. Am empfindlichſten leidet derſelbe durch den Erdfloh, ebenſo durch die
Raupe des großen Kohlweißlings (Pieris brassicae Schk.) Fig. 123. Die Ernte
muß zeitlich vorgenommen werden, da der ſchwarze Senf leicht ausfällt. Der
Körnerertrag ſchwankt zwiſchen 14—20 Hektoliter à 63 Kilogramm von einem Hektare.
2. Der Meerrettig.
Der Meerrettig, in Oeſterreich Kren genannt (Armoracia rusticana Lam.) ♃,
wird wegen ſeiner ausdauernden, durch die Cultur beſonders ſtark entwickelten Rhi-
zome, welche ein ſcharfes, beizendes, zu Thränen reizendes, ätheriſches Oel enthalten,
cultivirt. Im größeren Umfange wird er um Tulln in Niederöſterreich, in Malin,
Czaslau, um Nürnberg, Bamberg, Erlangen, Forchheim in Baiern ꝛc. gebaut. Die ge-
ſchätzteſten Wurzeln liefern jene Meerrettigſorten, deren große herzförmige, gekrauſte
Wurzel- und länglichen, ganzrandigen Stengelblätter eine dunkelgrüne Färbung beſitzen.
Er verlangt einen tiefgründigen, humoſen, friſchen Boden in friſcher und zu-
gleich ſonniger Lage. In einem tief gelockerten, meiſt tiefgeſpateten, vor Winter ge-
düngten, lehmſandigen Boden erhält man zarte Wurzeln mit mildem Geſchmacke.
Letzterer wird um ſo ſchärfer und beißender, je bindiger der Boden iſt.
Die Anlage eines Meerrettigfeldes geſchieht durch Wurzelſtücke (Setzer,
Fechſer), welche im Herbſte bei der Ernte einer älteren Anpflanzung gewonnen werden.
Als Setzer verwendet man die etwa federkieldicken Nebenwurzeln, welche von den
dickeren Stangenwurzeln abgeſchnitten und durch Entfernen des unteren Theiles auf
20—25 Ctm. Länge abgeſtutzt werden. Die über Winter in trockenem Sande im
Keller aufbewahrten Setzer werden im April, nachdem ſie gereinigt, etwas ſchräg mit
[95]Die Gewürzpflanzen, der Hopfen und die Weberkarde.
dem dünnen Ende nach abwärts in vorbereitete Pflanzlöcher geſteckt, ſo zwar, daß
das obere Ende nur etwa 1—2 Ctm. mit Erde bedeckt wird. Die Pflanzenreihen
werden auf 40—60 Ctm. Entfernung und in der Reihe auf 20—40 Ctm. Ent-
fernung auf das ſorgfältig vorbereitete Land marquirt.
Ueber den Sommer wird die Anlage nach Bedarf mehrmal behackt. Bei der
zweiten Hacke gegen Ende Juni muß die Arbeit des „Hebens“ und „Putzens“ vor-
genommen werden, damit möglichſt dicke Stangen erzielt werden. Dieſe Arbeit be-
ſteht darin, daß die bis zur Mitte bloßgelegten Setzlinge mit dem Karſte etwas ge-
hoben werden, um nun alle Nebenwurzeln abſchneiden zu können. Die Faſerwurzeln
werden mit der Hand abgerieben und gleichzeitig die Blatttriebe bis auf einen kräftig
entwickelten ausgebrochen. Bei der dritten Hacke werden dieſe Operationen zuweilen
wiederholt.
Der Meerrettig dient als Nährpflanze für den Schimmelpilz, Cystopus can-
didus Lèv. Außerdem iſt derſelbe den Angriffen nachſtehender Thiere ausgeſetzt:
Blattkäfer (Chrysomela cochleariae
F.). Käfer ſkelettirt die Blätter.
Erdfloharten (Haltica). Käfer ſchädlich.
Kohlweißling (Pieris brassicae Schk.).
Fig. 123. Raupe ſchädlich.
Rübenweißling (Pieris rapae Schk.).
Raupe ſchädlich.
Meerrettigſpanner (Geometra fluctuata
L.). Raupe unmerklich ſchädlich.
Meerrettigzünsler (Pyralis forficalis
L.). Raupe ſchädlich.
Ampferblattlaus (Aphis rumicis L.).
Nelkenblattlaus (Aphis dianthi Schr.).
Hat der Meerrettig, wie gewöhnlich, ſchon im erſten Jahre zum Küchengebrauche
ausreichend dicke Stangen gebildet, ſo werden dieſelben im ſelben Jahre Ende October
oder Anfang November oder im nächſten Frühjahre mit dem Karſte aus dem Boden
gehoben und durch Abklopfen und Abreiben mit einem wollenen Lappen gereinigt.
Nachdem man das Kraut und die Nebenwurzeln abgenommen, ſchneidet man von
letzteren die erforderliche Anzahl von Setzern ab. Sind die Rhizome oder Stangen zu
ſchwach, ſo können ſie auch noch ein zweites Jahr ſtehen bleiben. Dicke Rhizome
verholzen leicht, wenn ſie lange im Boden bleiben.
Das Hektar liefert im Durchſchnitte 24.000—26.000 30—35 Ctm. lange
und 2.5—5 Ctm. dicke Stangen im Werthe von 4 Mark (2 fl.) per 100 Stück.
3. Der Kümmel.
Der Kümmel, Carve oder Garbe (Carum carvi L.) ⚇ iſt an dem allbekannten
Geruche und den am allgemeinen Blattſtiele kreuzweiſe geſtellten Blättchen von an-
deren Umbelliferen zu unterſcheiden. Derſelbe beſitzt eine faſt ſpindelförmige Wurzel,
einen kantig-riefigen 0.3—1.6 Meter hohen Stengel, ſchwärzliche Blattſtiele, ſehr
kleine weiße, erſt im zweiten Jahre erſcheinende Blüthen und eine an beiden Ecken
ſpitze, fünfrieſige Frucht (Fig. 69, n. S.). Die Samen werden ſowohl als Gewürz
für Käſe und Backwerk, als auch zur Bereitung des Kümmelbranntweines verwendet.
Seine Anſprüche an den Boden ſind mäßig, wenn er auch auf etwas kalk-
[96]Beſondere Pflanzenbaulehre.
Kümmel (Carum carvi
L.) ⚇ nach Nobbe — a Theil-
frucht n. Gr.; b ſich löſende
Doppelfruchtvergr. α Frucht-
ſäulchen, β Theilfrucht,
γ Narbenpolſter; c Längs-
ſchnitt durch die Theilfrucht.:
α Eiweißkörper, β Embryo; d
vrgr. Embryo: α Würzelchen, β
Keimblätter, γ Endknöspchen;
e Querſchnitt durch die vergr.
Theilfrucht: α Fruchthülle,
β Samenhülle, γ Hauptrippe,
δ Endoſperm, ε Embryo.
Kümmelpfeifer (Haemy-
lis daucella Hb.). — 1 vergr.
Raupe, 2 Falter, ſchwach ver-
größert, 3 Puppe im geöffneten
Stengel: b abgeſtreifter Puppen-
balg, f Flugloch, d Deckelchen.
haltigem, tiefgründigem Lehmboden am beſten gedeiht, ſo
kommt er doch auf faſt allen Bodenarten fort. Als Vor-
früchte bewähren ſich am beſten gedüngte Hackfrüchte. Die
Beſtellung erfolgt entweder durch die Pflanzung oder die
Saat unter einer Ueberfrucht. Im erſteren Falle werden
die Samen möglichſt früh im Samenbeet ausgeſäet und
die Pflanzen gegen Ende Juni 30 Ctm. im Quadrate ver-
pflanzt; im letzteren Falle werden ſie Ende April oder auch
ſchon im Herbſte unter Sommergerſte geſäet oder quer über
Raps oder Winterweizen auf 30 Ctm. gedrillt. Die Saat,
zu welcher per Hektar 9—15 Kilogramm erforderlich find,
ſoll ſo früh vorgenommen werden, daß der Kümmel noch vor
Winter aufgeht.
Die Frühjahrspflanzung oder Saat wird über Sommer
fleißig behackt. Das Kraut ſchneidet man vor Winter zum
Verfüttern ab. Geerntet wird dann erſt im Juni des
nächſten Jahres.
Der gedrillte Kümmel wird nach Aberntung der
Oberfrucht mit der Pferdehacke oder der Hacke gereinigt.
Im nächſten Frühjahre wird das Hacken vor der Ernte
wiederholt. Vom Ungeziefer hat der Kümmel verhältniß-
mäßig wenig zu leiden. Am verderblichſten wird die
Kümmelſchabe der Kümmelpfeifer (Haemylis daucella Hb.),
Fig. 70, welcher die Dolden zur Blüthenzeit umſpinnt
und die Samenbildung verhindert. Die Ernte wird mit der
Sichel dann vorgenommen, wenn die meiſten Körner einen
braunen Schein zeigen. Bei reiferem Kümmel gehen zu-
viele Körner durch Ausfallen verloren. Die mit der
Sichel abgeſchnittenen oder ausgezogenen Stengel werden
in kleinen, (16 Ctm.) dicken Bunden zum Trockenen auf-
geſtellt und gleich am Felde oder in der Scheune aus-
gedroſchen. Der Ertrag erreicht auf 1 Hektar 1200 bis
2400 Kilogramm, die Stroherträge belaufen ſich auf 2
bis 3 Tonnen.
4. Der Fenchel, der Anis und der Koriander.
Dieſe drei Doldenpflanzen, von welchen der Fenchel 3—4 Jahre aushält und
jedes zweite Jahr blüht, während der Anis und Koriander nur einjährige Pflanzen
ſind, werden wie der Kümmel als Hackfrüchte, jedoch nur hie und da im Größeren
cultivirt. Wir begnügen uns daher bei dieſen drei Gewürzpflanzen mit der Angabe
der Saat- und Erntemengen.
[97]Die Gewürzpflanzen, der Hopfen und die Weberkarde.
Die Drillſaat des Fenchels (Foeniculum
officinale All.) ⚇ erfordert für 1 Hektar 43 bis
50 Liter. Der Körnerertrag erreicht 15 bis
25 Hektoliter à 36 Kilogramm.
Der Anis (Pimpinella anisum L.) ☉,
welcher in 30—40 Ctm. entfernten Reihen ge-
drillt wird, erfordert ein Saatquantum von 17
bis 20 Kilogramm. Im Juli oder Auguſt
werden 500—860 Kilogramm Körner von
einem Hektare geerntet.
Der Koriander (Coriandrum sativum L.) ☉,
welcher ſich von den übrigen Doldengewächſen
Koriander (Coriandrum sativum L.) ☉ nach Nobbe.
— a u. b Doppelfrucht mit 5 Haupt- und 4 Nebenriefen:
α Narbenpolſter; c Längsdurchſchnitt: α Fruchthülle,
β Samenhülle, γ Samen mit halbkugeligem Eiweiß
und kleinem hangenden Embryo, δ Narbenpolſter,
ε Innenfläche der Theilfrucht.
durch den hohlen Samen, Fig. 71, unter-
ſcheidet, benöthigt ein Saatquantum von 23
bis 31 Kilogramm. Der Körnerertrag er-
reicht 17—30 Hektoliter à 36 Kilogramm.
5. Der Safran.
Der echte Safran (Crocus sativus L.) ♃,
Fig. 72, blüht zum Unterſchiede von dem
Gartenſafran nicht im Frühjahre, ſondern im
September, October. Derſelbe beſitzt ein hell-
violettes oder purpurgeſtreiftes, mit der rothen,
dreitheiligen Narbe gleich langes Perigon. Zwei
Blüthenſcheiden umgeben den Grund der Blüthen-
röhre. Der nutzbare Theil des Safranes iſt
die Narbe mit einem Theile des Griffels. Die-
ſelbe wird getrocknet als Gewürz, ſeltener wegen
Echter Safran (Crocus sativus
L.) ♃.
Krafft, Lehrb. d. Landw. II. 7
[98]Beſondere Pflanzenbaulehre
ihrer Koſtſpieligkeit als Färbemittel verwendet. Am gebräuchlichſten iſt der Safran
zum Färben von Butter, Käſe, gewiſſen Wurſtſorten ꝛc. Nächſt dem Safrangelb
(Polychroit) enthält der Safran auch noch ein goldgelbes, charakteriſtiſch riechendes
Oel, wegen welchem derſelbe als Gewürz gebraucht wird.
Der Safran, eine orientaliſche Pflanze, verlangt ein Weinklima zu ſeinem Ge-
deihen. Am ausgedehnteſten wird ſeine Cultur in Niederöſterreich in der Umgegend
von St. Pölten, in Südtirol, Ungarn, in der Provence und in Loiret betrieben.
Am vorzüglichſten wächſt er auf einem in gartenmäßigen Culturzuſtande befindlichen,
ſandigen Lehmboden, welcher eine warme, ſonnige Lage beſitzt.
Die Anlage der Safranbeete erfolgt durch junge Zwiebeln (unterirdiſche,
knollenförmige, von einigen Schuppenblättern eingehüllte Stämme), welche von älte-
ren Pflanzungen entnommen werden. Jede Mutterzwiebel trägt an ihrer Spitze
mehrere Knospen, aus welchen neue Blüthen und neue Blüthenſtengel entſtehen. Die
jungen Zwiebeln (Kiele) werden auf das tief umgeſpatete und mit verrottetem Stall-
miſte gedüngte Land reihenweiſe, 5 Ctm. tief und in 8—10 Ctm. Entfernung in
den Boden geſetzt. Weiterhin ſind die Safranbeete ſorgfältig von Unkraut rein zu
halten. Im September treten die erſten Blumen auf. Eine Vollernte gibt jedoch
erſt das zweite und dritte Jahr. Die Ernte iſt ſehr mühſam, da nach dem Ab-
trocknen des Thaues, vor der Mittagswärme, die Narben einzeln aus den neu hervor-
kommenden, aufgeblühten Blumen ausgebrochen werden müſſen. Die Narben werden
dann auf Papier im Backofen nach dem Brodbacken oder auf eigenen Oefen ſorgfältig
bei gelinder Wärme getrocknet und in Gläſern gut verwahrt.
Am empfindlichſten hat der Safran durch einen Pilz, den Safrantod (Rhizoc-
tonia violacea Tul.) zu leiden, welcher die Zwiebeln gegen Ende des Frühjahres
und im Laufe des Sommers zerſtört und bei maſſenhaftem Auftreten zum Aufgeben
des Crocusbaues nöthigt.
Die Erntemenge iſt gering, indem für 1 Kilogramm getrockneter Narben im
Werthe von 80—120 Mark (40—60 fl.) 40—100,000 Blüthen erforderlich
ſind. In zwei Erntejahren erhält man von einem Hektare 17—30 Kilogramm.
6. Der Hopfen.
Der Hopfen (Humulus lupulus L.) ♃ iſt eine zweihäuſige Pflanze aus der
Familie der Neſſelgewächſe. Von demſelben werden nur die weiblichen Pflanzen,
von welchen die Fruchtſtände zur Bierbereitung verwendet werden, cultivirt.
Der Werth des Hopfens wird durch ſeinen Gehalt an Hopfenmehl beſtimmt,
welches ſich zwiſchen den Schuppenblättern des Fruchtſtandes findet. Derſelbe hängt
nicht nur von beſonderen Vegetationsverhältniſſen ab, ſondern vorzugsweiſe von der
cultivirten Hopfenvarietät. Unter den verſchiedenen Hopfenvarietäten ſteht wegen der
unerreichten Güte obenan der rothe Saazer Späthopfen. Derſelbe iſt durch
mäßig große, äußerſt mehlreiche, grünlichgelbe Dolden ausgezeichnet, deren Deckblätter
ſich zur Zeit der ſpät eintretenden Reife ſchließen. Die Ranken dieſer vorzüglichſten
Hopfenſorte beſitzen eine blaugrüne Färbung und eine rothe Streifung. Der Saazer-
[99]Die Gewürzpflanzen, der Hopfen und die Weberkarde.
hopfen wird wieder, je nachdem er in der näheren oder entfernteren Umgegend von
Saaz gebaut wird, in Saazerſtadtgut, der beſten Qualität, und in Saazerlandhopfen
(Bezirk- und Kreishopfen) unterſchieden. Von geringerer Qualität als der Saazer
Späthopfen iſt der nahezu um das Doppelte ertragreichere Auſchaer Grün-
hopfen. Derſelbe beſitzt grüne Ranken und röthliche Dolden, welche zuweilen dem
Biere einen leichten Knoblauchgeſchmack verleihen.
Der Hopfen wird nicht durch Samen, ſondern durch Stammſtücke, Setzlinge oder
Fechſer genannt, fortgepflanzt. Nach zehnjährigem Wachsthume erreicht die Wurzeloberfläche
nach Meſſungen von W. Fleiſchmann 1) 5540 □Ctm., die Blattfläche 11 □Meter. In
tiefgründigem Boden erreicht die Wurzel eine Länge von nahezu 3 Meter. Die einjährige,
ſich ſtets nach rechts windende Ranke wird bis 12 Meter lang. Nach Meſſungen von Hartig
beträgt zur Zeit der kräftigſten Entwickelung das Wachsthum der Ranken in je 5 Minuten
über 2.2 Millimeter. Die Blätter ſind grob geſägt, drei- bis fünflappig oder ungetheilt;
in ihrer Epidermis finden ſich eigenthümliche Zellhautwucherungen mit Kalkeinlagerungen,
die Cyſtolithen. Die Blüthe des Culturhopfens tritt im Juli um drei bis vier Wochen
früher als jene des wildwachſenden Hopfens ein. Die weiblichen Blüthen bilden ein knospen-
artiges Kätzchen. Jedes Blüthchen, welches von zwei Paar kleiner Schuppenblätter (Laub-
und Nebenblätter) eingehüllt iſt, beſitzt ein ſchuppenartiges Perigon. Je zwei ſolcher Blüthen
ſtützt wieder eine größere Deckſchuppe. Vollkommen entwickelt bilden dieſe ſchuppenförmigen
Blätter zuſammen den zapfenförmigen Fruchtſtand, welcher gewöhnlich als „Dolde“ oder
Trolle bezeichnet wird. Am Grunde der Schuppenblätter befinden ſich in der Nähe des
Fruchtknotens drüſenartige, ſchwefelgelbe Gebilde, die Lupulinkörner oder das Hopfenmehl.
Daſſelbe fehlt den männlichen Pflanzen und entwickelt ſich in den befruchteten, weiblichen
Blüthen nur in geringerer Menge, weshalb zur Verhinderung der Samenbildung alle männ-
lichen Pflanzen aus den Hopfengärten zu entfernen ſind.
Das Hopfenmehl enthält 3—10 % Lupulin, einen bitteren Extractivſtoff, 0.1—0.5 %
ſcharf aromatiſches Hopfenöl, 1.2—4.2 % rothgelbes Harz und einige % Gerbſtoff. Das
ätheriſche Oel und das Harz bedingen den Geruch des Hopfens. Beim Lagern des Hopfens
verflüchtigt ſich ein Theil des Oels, während ein anderer in ein übelriechendes Zerſetzungs-
product (Valerianſäure) übergeht, an welchem man (mehr als ein Jahr) alten Hopfen er-
kennen kann.
1. Die Wachsthumsbedingungen.
Der Hopfen iſt eine bei uns einheimiſche Pflanze. Die charakteriſtiſche Aus-
bildung des Hopfenmehles im Culturhopfen iſt jedoch an beſtimmte, zum Theile noch
nicht vollkommen ſicher geſtellte Vegetationsbedingungen geknüpft. Im Bereiche der
Stadt Saaz breiten ſich die werthvollſten Hopfenanlagen auf den 2—3 Meter tiefen
Anſchwemmungen an der Eger aus. Gleich vorzügliche Lagen finden ſich auf mäch-
tigen Bodenarten aus dem Rothliegenden. Am zuſagendſten iſt daher dem Hopfen
ein tiefgründiger, friſcher, lehmiger Thon oder auch lehmiger Sandboden in geſchützter
und doch ſonniger Lage. Naſſe, eingeſchloſſene Lagen, ſowie Moorboden eignen ſich
nicht für den Hopfenbau.
Die Anſprüche an die Bodennährſtoffe ſind bedeutend, ſofern die Blätter und
Ranken dem Hopfengarten nicht in irgend einer Form als Dünger wieder zu Gute kommen.
7*
[100]Beſondere Pflanzenbaulehre.
Die Erſchöpfung beträgt bei einer mittleren Ernte für ein Hektar:
- Aſche, Kali, Kalk, Phosporſäure
- 260 Kilogr. Dolden 17.37 Kilogr. 5.98 Kilogr. 2.89 Kilogr. 2.91 Kilogr.
- 8000 Kilogr. Blätter u. Ranken 325.60 „ 91.20 „ 100.80 „ 35.20 „
- Zuſammen: 342.97 Klgr. 97.18 Klgr. 103.69 Klgr. 38.11 Klgr.
Der Hopfen wird unter den verſchiedenſten klimatiſchen Verhältniſſen gebaut,
ſowohl in den feuchteren Lagen Südungarn’s (Bellye), als auch in Böhmen (Saaz,
Auſcha), in Baiern (Spalt), am Rhein, im Elſaß, in Belgien, in England, in Poſen
(Neutomysl) und ſelbſt in Schweden.
2. Anlage des Hopfengartens.
Als ausdauernde Pflanze wird der Hopfen nicht in die Fruchtfolge aufgenommen,
ſondern in der geeigneten Oertlichkeit als beſonderer Hopfengarten, Hopfen-
plantage, angelegt. Auf tiefgründigem Boden bleibt eine Hopfenanlage ge-
wöhnlich durch 12—15 Jahre, in beſonders günſtigen Lagen auch noch länger in
guter Ertragsfähigkeit. Nach dieſer Zeit fängt die Anlage an lückig zu werden, ſo
zwar, daß ſie die Culturkoſten nicht mehr lohnt und aufgelaſſen werden muß. In
den aufzulaſſenden Garten wird im Herbſte ohne Ueberfrucht Luzerne ausgeſäet. Die
im Boden zurückgebliebenen Hopfenſtöcke, wenn ſie auch austreiben, werden durch den
häufigen Schnitt der Luzerne bald zum Abſterben gebracht. Nach 3—4 Jahren
ſind ſie verfault, ſo zwar, daß nun auch die Luzerne umgebrochen werden kann.
Durch ein oder zwei Jahre gebaute Hackfrucht reinigt den Boden auch von den
Luzernewurzeln und das Land iſt nunmehr wieder zur Neuanlage eines Hopfengartens
geeignet.
Die Neuanlage beginnt im Herbſte mit dem Rajolen des Bodens mit dem
Spaten auf mindeſtens 1 Meter Tiefe, unter gleichzeitiger Anwendung einer ſehr ſtarken
Stallmiſtdüngung, welche zweckmäßig zu zwei verſchiedenen Tiefen untergebracht wird.
Im nächſten Frühjahre wird das abgeeggte und gewalzte Land mit der Schnur auf
je 1.3—1.8 Meter im Quadrat marquirt. Auf einen Hopfenſtock entfällt daher je
nach Boden und Klima ein Wachsraum von 1.7—3.2 □Meter. Im erſteren Falle
kommen auf 1 Hektar 5883, im letzteren 3125 Hopfenpflanzen. An den mar-
quirten Stellen werden in 30 Ctm. tiefen Gruben zwei, zuweilen auch drei un-
bewurzelte, ſeltener bewurzelte Setzer derart mit den Augen nach aufwärts hinein-
geſtellt, daß ſich die Setzer oben berühren, während ſie unten 13—16 Ctm. von
einander abſtehen.
Die Setzlinge (Fechſer) werden beim Schnitte der älteren Hopfenanlagen in
demſelben Frühjahre, in welchem die Anlage erfolgt, gewonnen. Als Setzer ver-
wendet man jenen Theil der vorjährigen, ſtärkeren Reben, welcher ſich unmittelbar
über dem Wurzelſtocke befindet. Derſelbe wird gewöhnlich in 10 Ctm. lange Stücke,
[101]Die Gewürzpflanzen, der Hopfen und die Weberkarde.
welche mindeſtens drei Augen beſitzen müſſen, zerſchnitten und bis zu ihrer Ver-
wendung im Keller [aufbewahrt].
Die etwa Ende März ausgeſetzten Fechſer bedeckt man mit lockerer Erde und
bezeichnet ihren Platz durch 30—50 Ctm. lange Stäbchen, an welchen ſpäter-
hin die jungen Triebe mit feuchtem Stroh angebunden werden. Ueber den Sommer
wird zwiſchen den Hopfenreihen fleißig gehackt, um den Boden unkrautfrei zu er-
halten. Da nur ſelten ſogenannter Jungfernhopfen wächſt, pflegen namentlich kleinere
Hopfenbauer Futterrüben, Dorſchen, Kohlrüben, Kraut, Gurken, Fenchel und
verſchiedene Gemüſe als Zwiſchencultur anzubauen, um auch im erſten Jahre einen
Ertrag zu erhalten. Vortheilhafter iſt es, von dieſer Zwiſchencultur, welche dem
Boden nur aſſimilirbare Nährſtoffe wegnimmt, abzuſehen.
Im Herbſte wird auf die Hopfenreihen mit dem Pfluge eine Furche aufgeworfen
„angeackert“, nachdem man vorher die Reihen mit Stallmiſt oder Compoſt gedüngt hat.
3. Die Pflege.
Anfang April, wenn die froſtgefährliche Zeit vorüber, wird die Erdbedeckung
durch das „Abackern“ entfernt. Die Erdkämme zwiſchen den Hopfenſtöcken werden
mit der Hand beſeitigt.
Halben April wird der Schnitt ausgeführt. Bei demſelben werden mit einem
Meſſer oder Sichelſtumpf alle Thauwurzeln und faulen Stellen knapp am Kopfe
abgetrennt. Auf den geſchnittenen Stock wird etwas Erde und dann Stallmiſt oder
Compoſt gelegt. Zur Bezeichnung ſeines Platzes wird ſchließlich über denſelben ein
kleines Erdhäufchen aufgerichtet.
Nach dem Austreiben des Hopfens erfolgt das Ausſetzen der Stangen. Die
Stangen müſſen wenigſtens 6.5 Meter lang ſein. Wählt man zu kurze Stangen,
ſo wächſt der Hopfen über dieſelben hinaus und wird in ſeinem Wachsthume be-
ſchränkt. Zu lange Stangen befördern eine reichere Stengel- und Blattbildung.
Durch dieſelbe werden die Hopfenſtöcke frühzeitig erſchöpft, wenn nicht auch eine Ein-
buße im Doldenanſatze eintritt. Am beſten und haltbarſten ſind entrindete, gerade,
mit wenig Aſtknorren verſehene Stangen von Fichten- oder Lärchenholz. Unentrindete
Stangen erleichtern zwar das Ranken des Hopfens, erſchweren aber die Ernte. Die
Stangen, welche gut ausgetrocknet ſein müſſen, werden an ihrem Stammende vier-
kantig zugeſpitzt und 16 Ctm. [aufwärts] zur beſſeren Conſervirung mit einem Theer-
ringe verſehen. Die Anſchaffung der Hopfenſtangen verurſacht bei dem Preiſe von
12—14 Mark (6—7 fl.) für 60 Stück einen bedeutenden Capitalsaufwand. Durch
das Abbrechen der Spitzen werden die Stangen bald zu kurz und unbrauchbar,
weshalb ſich dieſer Aufwand alle 6 Jahre, der gewöhnlichen Dauer der Stangen,
wiederholt. Trotz der Koſtſpieligkeit der gewöhnlichen Stangencultur konnte dieſelbe
bisher von den billigeren Drahtanlagen, von Anlagen mit Verwendung von
Stricken, trockenen Hopfenranken, Reifen ꝛc. nicht verdrängt werden.
Die Stangen werden mit der Hand in 30 Ctm. tiefe Löcher, welche mit einem
[102]Beſondere Pflanzenbaulehre.
Meter langen, eiſernen Hopfenſtichel an der Weſtſeite des Stockes gemacht werden,
hineingeſtoßen.
Nach dem Ausſetzen der Hopfenſtangen (Stängeln) wird mit der erſten Hacke
wieder ein Erdkamm über die Hopfenreihen aufgeworfen. Von den Hopfentrieben,
welche bald nach dem Schnitte hervorkommen, bindet man zwei, auch drei kräftige
und gleichgewachſene Reben vorſichtig mit feuchtem Stroh an die Stangen. Die
Uebrigen werden weggeſchnitten. Iſt der Hopfen vom Boden aus nicht mehr zu erreichen,
ſo wird das „Anführen der Hopfenreben“ von der Leiter aus vorgenommen. Das
letzte Band wird ſtärker geknüpft, um ein Herabrutſchen der Reben an der Stange
möglichſt zu verhindern.
Die letzte Arbeit vor der Ernte iſt das Ebenhacken, um den Garten zur Er-
leichterung der Ernte zu ebenen. Nach dem Ebenhacken hat der Hopfen ſo zahlreiche
Seitentriebe angeſetzt, daß bei der rauhen Behaarung der Triebe der Eintritt in den
Hopfengarten nicht mehr möglich iſt. Dieſe Seitentriebe beſitzen den reichſten Blüthen-
anſatz oder „Anflug“. Um der Luft und dem Lichte leichteren Zutritt zu ver-
ſchaffen, pflegt man die Seitentriebe, ſowie die Blätter, 0.5 Meter aufwärts vom
Boden, vor dem Ebenhacken abzubrechen.
Zu den häufigſten Pflanzenkrankheiten, welche den Hopfenertrag beträchtlich
ſchmälern oder ſelbſt vernichten können, zählen der Mehlthau durch den Pilz Podo-
sphaera pannosa Lk. hervorgerufen, der Rußthau oder die Schwärze (Fumago sa-
licina Tul.), deren Umſichgreifen durch das Auftreten einer Anzahl von Blattläuſen
begünſtigt wird, das Befallen der Dolden durch den Kupferbrand, eine Krankheit,
welche ſich beſonders bei großer Trockene kurz vor der Ernte einſtellt, ꝛc. Außerdem
hat der Hopfen von einer Schmarotzerpflanze, der großen oder europäiſchen Seide
(Cuscuta europaea L.) ☉ zu leiden.
Als mehr oder minder ſchädliche Thiere wurden am Hopfen beobachtet:
Wurzel:
Schnellkäferlarven (Agriotes.), Fig. 39,
S. 47.
Hopfenwurzelſpinner (Hepiolus humuli
F.). Raupe ſchädlich.
Blätter:
Erdfloharten (Haltica). Larve ziemlich
ſchädlich.
Deutſcher Cfalter (Vanessa C album
L.). Raupe unmerklich ſchädlich.
Tagpfauenauge (Vanessa Jo L.). Raupe
unmerklich ſchädlich.
Rothſchwanz (Orgyia pudibunda L.).
Raupe unmerklich ſchädlich.
Flöhkrauteule (Mamestra persicariae
L.). Raupe ſchädlich.
Hopfenzünsler (Pyralis rostralis L.).
Raupe ſchädlich.
Hirſezünsler (Pyralis silacealis Treit.).
Raupe unmerklich ſchädlich.
Hopfenblattlaus (Aphis humuli Schrk.).
Blattlaus und Nymphe ſehr ſchädlich.
Hopfenſpinne (Tetranychus humuli).
Alt und Jung ſchädlich.
4. Die Ernte.
Der richtige Zeitpunkt für die Hopfenernte iſt gekommen, wenn ſich gegen Ende
Auguſt, Anfang September die Dolden ſchließen, einen aromatiſchen Geruch entwickeln,
[103]Die Gewürzpflanzen, der Hopfen und die Weberkarde.
ſich hart anfühlen und beim Drücken knirſchen. Die Hopfendolde zeigt ſich dann grünlich-
gelb gefärbt. Nach dem Abnehmen wird ſie dunkler und erhält nach dem Trocknen
einen Stich ins Röthliche. Letztere Färbung iſt von der „bodenrothen“ Färbung,
welche der Hopfen bei mangelhaftem Trocknen während naſſer Witterung erhält,
wohl zu unterſcheiden. Vor der Ernte werden zur Erleichterung des Aushebens der
Stangen die beiden Reben eines jeden Stockes 30—60 Ctm. über der Erde ab-
geſchnitten. Der zurückbleibende Theil der Ranken wird zur Verhütung des Thrä-
nens in einen lockeren Knoten geſchlungen. Ein Arbeiter hebt nun etwas die Stan-
gen mit dem Stangenheber, ein zweiter zieht die gelockerten Stangen aus dem Boden,
legt ſie um und ſtreift die Hopfenranken über das dünnere Ende der Stangen herab.
Von den abgeſtreiften, in 60 Ctm. lange Stücke geſchnittenen Ranken werden die
Dolden, gewöhnlich auf einem am Felde ſelbſt vorgerichteten Platze, mit dem Nagel
einzeln abgepflückt. An jeder Dolde muß ein 1.5 Ctm. langer Stiel belaſſen werden,
um das Zerfallen derſelben zu verhüten. Die gepflückten Dolden werden mit ſorg-
fältigem Ausſcheiden aller Stengel und Blätter in einen bereitſtehenden Korb ge-
worfen. Mißfärbige, beſonders röthliche Dolden, ebenſo Dolden, deren Deckblätter
zu kleinen, ungetheilten Laubblättern ausgewachſen ſind, ſog. Huſaren, ſondert man
als Ausſchuß von den Uebrigen aus. Aus den Körben ſchüttet man den Hopfen
locker in große Ziechen, welche möglichſt vor der Sonne geſchützt werden müſſen und
zwei- bis dreimal des Tages zu den Hopfentrockenböden geführt werden. Auf den
Trockenböden, zu welchen Schüttböden, Dachböden über gewölbten Stallungen ꝛc. be-
nutzt werden, hängt oder ſtellt man in ausreichender Zahl Hürden auf, um den Hopfen
möglichſt dünn, auf höchſtens 5 Ctm. Höhe, zum Trocknen ausbreiten zu können. Nach
drei, bei ungünſtiger Witterung nach 8 Tagen, wird der halbtrockene, bisher mit
Holzſtäbchen fleißig gewendete Hopfen auf kleine Kämme zuſammengeſchoben, welche
bei fortſchreitendem Trocknen in immer größere Haufen zuſammengenommen werden.
Sobald eine in der Hand gedrückte Partie Hopfendolden nach dem Aufhören des
Druckes wieder auseinander geht und nicht mehr beiſammen bleibt, iſt der Hopfen
trocken genug, um in die Hopfenziechen, in welche er zum Verkaufe kommt, eingetreten
zu werden.
Die Ernte an trockenem Hopfen beträgt innerhalb zehn Jahren im Durchſchnitte
von einem Hektare bei einem
- ausgezeichneten Ertrage 1 mal 750 Kilogr.
- ſehr guten „ oder ganzen Bau 1 „ 520 „
- guten „ „ ¾ „ 2 „ 347 „
- mittleren „ „ ½ „ 2 „ 260 „
- geringen „ „ ⅓ „ 2 „ 173 „
- ſchlechten „ „ ¼ „ 2 „ 86 „
Als zwölfjähriger Durchſchnittspreis, ſofern es bei dem ſchwankenden Preiſe des
Hopfens überhaupt thunlich, einen Durchſchnitt zu ziehen, kann per 50 Kilogramm
Hopfen in der Qualität des Saazer Stadthopfens 310.82 Mark (155 fl. 41 kr.)
angeſetzt werden. Die extremſten Preisnotirungen nach auf- und abwärts übertreffen
[104]Beſondere Pflanzenbaulehre.
jedoch dieſe Angabe nahe um das Vierfache. 1847 notirte der Saazer Stadthopfen
per 50 Kilogramm 56—80 Mark (28—40 fl.), 1860 erreichte er das Maximum
mit 800 Mark (400 fl.).
An Hopfenlaub, welches entweder grün an das Rindvieh verfüttert, oder auf
zuſammengeſtellten Hopfenſtangen am Felde ſelbſt als Winterfutter für das Schaf-
vieh getrocknet wird, erntet man durchſchnittlich 7—10 Tonnen im grünen oder 1.3
bis 1.8 Tonnen im trockenen Zuſtande.
7. Die Weberkarde.
Die Weberkarde, Rauhkarde, Kardendiſtel, Weberdiſtel, Walkerdiſtel (Dipsacus
Fullonum L.) ⚇ aus der Familie der Dipſaceen wird in vorzüglichſter Qualität
in Südfrankreich, dann in Mähren, Oberöſterreich, Steiermark, Süddeutſchland, Schle-
ſien ꝛc. vorzugsweiſe von kleineren Grundbeſitzern gebaut. Die Kardenköpfe mit
ihren elaſtiſchen, an der Spitze hakenförmig umgebogenen, ſtachelichten Spreublättchen
dienen zum Rauhen des Tuches, durch welches aus dem gewalkten Loden (rohes
Tuchgewebe) die feinen Haarenden herausgezogen werden.
Die Karde, eine zweijährige Pflanze, liebt warmes Klima, durchlaſſenden, jedoch
friſchen, in gutem Culturzuſtande befindlichen Sand-, Lehm- oder Kalkboden. Auf
Thonboden leidet die Elaſticität und Feſtigkeit der Spreublättchen. Friſche Düngung
unterſtützt ein üppiges Wachsthum, wodurch die Köpfe ungewöhnlich groß und ſchlecht
geformt werden und grobe Häkchen bekommen. Am beſten gedeihen die Karden in
zweiter und dritter Tracht, mit einer ſchwachen Kalkdüngung.
Den beſten Samen bezieht man aus dem ſüdlichen Frankreich. Derſelbe wird
entweder auf ein Samenbeet oder unmittelbar auf das freie Feld ausgeſäet. 9 bis
10 Kilogramm Samen auf ein Hektar, zeitig im Frühjahre, auf ſorgfältig vorbereitete
Beete geſäet, geben für 5—6 Hektare Setzlinge. Ende Juli bis Mitte Auguſt werden
die jungen Pflanzen auf Kämme, Beete oder auf ebener Fläche in 45—52 Ctm.
entfernten Reihen mit 30 Ctm. Entfernung in der Reihe ausgepflanzt. Das Pflanz-
feld kann vorher mit einer früh das Feld räumenden Frucht, wie Raps, Wintergerſte,
Frühkartoffel, Miſchling beſtellt werden. Im Herbſte und nächſten Frühjahre iſt
das Feld durch Behacken möglichſt rein zu halten.
Zweckmäßiger iſt es, den Kardenſamen unmittelbar auf das freie Land als
Zwiſchenfrucht unter Getreide, Mais, Mohn, Raps oder anderer Hackfrucht auszuſäen.
Unter dem Rapſe ꝛc. werden je vier oder fünf Kardenſamen im April oder Mai in
Entfernungen von 30 Ctm. zwiſchen die Reihen geſteckt und leicht mit Erde bedeckt.
Nach der Ernte des Rapſes oder der ſonſtigen Ueberfrucht werden die Kardenpflanzen
vereinzelt und bis vor Winter zweimal behackt. Im nächſten Jahre wird das Be-
hacken wiederholt und die Pflanzen ſchließlich leicht angehäufelt.
Ungünſtige Winter können in den Pflanzungen bedeutenden Schaden anrichten.
Außerdem wird die Ausbildung des Fruchtſtandes durch einen Pilz, Peronospora
Dipsaci Tul., gehindert. Derſelbe bedeckt die untere Blattfläche und den Stengel
der Karde mit einem mehlthauartigen, weißgrauen Ueberzuge. Als Gegenmittel wird
[105]Die Farbepflanzen.
von J. Kühn 1) das Ausſchneiden jeder befallenen Pflanze, eventuell zeitweiliges Aus-
ſetzen der Kardencultur, empfohlen. Dieſelben Hilfsmittel beſchränken die Sclerotien-
bildung (wahrſcheinlich von Peziza Sclerotiorum Lib.), welche ein Abfaulen der
Stengelbaſis und damit ein Abſterben der Köpfe der etwa fußhohen Kardenpflanzen bewirkt.
Außerdem ſind die Weberkarden den Angriffen der Kardenälchen (Anguillula
Dipsaci Kühn) ausgeſetzt, welche im Mark, Samen und Pappus der Kardenköpfe
auftreten und dieſelben mißfärbig und hohl machen (Kernfäule der Weberkarde). Für
die Ernte gibt Pohl 2) die folgenden Anhaltspunkte: Haben die Pflanzen geſtaudet,
ſo zeigt ſich zuerſt die Stengel- oder Hauptkarde, welche ſogleich entfernt werden muß,
ſobald ſie einen 2.5 Ctm. langen Stiel hat. Häufig verbindet man damit das
Schlitzen des trichterförmigen Stengelblattes, in welchem ſich leicht Waſſer ſammelt.
Weiterhin werden alle an den Seitentrieben hervorkommenden über 6 Ctm. langen
Köpfe als zu groß abgebrochen und entfernt. Mitte Juli treten die Karden ge-
wöhnlich in die Blüthe. Nach dem Verblühen werden die Köpfe nach und nach mit
einem 5—6 Ctm. langen Stiel geſchnitten und in luftigen Räumen unter Dach
getrocknet. Nach vier bis fünf Wochen ſind die etwa 10—15 Ctm. hoch auf-
geſchichteten Köpfe ſoweit trocken, daß die vertrockneten Blumenblätter und Samen
durch mehrmaliges Hin- und Herſchaufeln entfernt werden können. Die getrockneten
Köpfe werden ſortirt und in Büſcheln von 25 oder 50 Stück zuſammengebunden.
An Köpfen werden von 1 Hektar 120,000—350,000, im Durchſchnitte 260,000
Stück gewonnen.
V.
Die Farbepflanzen.
Unter den Handelspflanzen kommt den Farbepflanzen die geringſte allgemeine
Bedeutung zu, weßhalb ihr Anbau nur auf ganz beſtimmte Oertlichkeiten beſchränkt
bleibt. Ihr Werth wird durch das Bekanntwerden und die allgemeinere Verwendung
der Farbeſtoffe zahlreicher, tropiſcher Pflanzen und der viel haltbareren, auf rein che-
miſchem Wege hergeſtellten Farbeſtoffe immer mehr verringert. Die meiſte Beachtung
verdienen noch die nachſtehenden, nach dem Farbeſtoff liefernden Pflanzentheile geordne-
ten Pflanzen:
Rothe Farbeſtoffe liefernde Blüthen:
Malvaceen: Schwarze Malve(Althaea rosea var. nigra. L.).
Compoſiten: Saflor(Carthamus tinctorius L.).
Gelbe Farbeſtoffe liefernde Stengel und Blätter:
Reſedaceen: Wau(Reseda luteola L.).
[106]Beſondere Pflanzenbaulehre.
Blaue Farbeſtoffe liefernde Stengel und Blätter:
Cruciferen: Waid(Isatis tinctoria L.).
Polygoneen: Färberknöterich (Polygonum tinctorium Lour.).
Rothe und gelbe Farbeſtoffe liefernde Wurzel:
Stellateen: Krapp(Rubia tinctorum L.).
1. Die Malve.
Malve (Althea rosea L.).
Von der ſchwarzen Malve (Althea rosea var.
nigra L.) ☉ werden die Blüthen zum Rothfärben
von Wein verwendet. Die Pflanze treibt, wie die
als Garten- und Apothekergewächs gebaute Stock-
oder Pappelroſe, erſt im zweiten Jahre ihre 2.5
bis 4 Meter hohen Stengel, an deren Spitze ſich
die bis 10 Ctm. im Durchmeſſer großen, an kur-
zen Stielen ſitzenden Blüthen, Fig. 73, bilden.
Nach Anbauverſuchen im Kleinen von Dr. Hanna-
mann und Dr. Stengel 1) liefert die ſchwarze Malve
auf einem durchlaſſenden, guten, lehmfreien Sand-
boden in nicht zu ſtarker Düngkraft die höchſten
Erträge. Auf ſtrengem Thonboden gingen viele
Pflanzen ein. Naſſen Boden, reſp. undurchlaſſenden Untergrund verträgt die Malve
nicht. Die Samen werden im Frühjahre, um Johannis, 5—8 Ctm. im Quadrat
in den Boden geſetzt oder erſt auf ein Gartenbeet gebracht, von wo aus die Pflanzen
auf das freie Feld verſetzt werden. Im erſten Jahre beſchränkt ſich die Cultur auf
das Behacken der Pflanzenzwiſchenräume. In neuerer Zeit droht der Malvenroſt
(Puccinia Malvacearum)2) den Malvenculturen verderblich zu werden. Im zweiten
Jahre zeigen ſich Mitte Juli die erſten Blüthen, welche, ſobald ſie vollſtändig auf-
geblüht ſind, nach und nach abgepflückt werden. Das Trocknen der Blüthen muß
mit großer Vorſicht geſchehen, da ſie ſich, ſobald ſie in hohen Haufen zu liegen
kommen, leicht verhärten und in Folge der dann eintretenden Gährung und Schimmel-
bildung leicht verderben.
Der Ertrag ſchwankte auf kleineren Verſuchsparcellen, umgerechnet auf 1 Hektar,
zwiſchen 140—400—780 Kilogramm Blüthen im Werthe von 40 Mark (20 fl.)
per 100 Kilogramm.
2. Der Saflor.
Der Saflor, die Färbediſtel, das Bürſtenkraut, der falſche Safran (Carthamus
tinctorius L.) ☉, eine 70 Ctm. hohe, aus Oſtindien ſtammende, einjährige Pflanze
mit zahlreichen, dornig gezahnten, pergamentartigen, glänzenden Blättern, wird vor-
zugsweiſe wegen ſeiner anfangs tief-ſafrangelben, ſpäter mennigrothen Blumenblätter
angebaut. Die im Juli und Auguſt mit einem Meſſer abgenommenen und ſorg-
[107]Die Farbepflanzen.
fältig getrockneten Blüthen dienen zum Rothfärben, vornehmlich der Seide, und als
Schminke. Die Saflorblüthen enthalten zwei Farbſtoffe: das unhaltbare, nicht be-
nutzte Saflorgelb und das im Waſſer unlösliche Saflorroth (Carthamin). Die
Samen geben ein brauchbares Brenn- und Speiſeöl.
Der Saflor kommt überall dort fort, wo die Sonnenblume gedeiht. Er liebt
etwas kalkhaltigen, warmen, in gutem Culturzuſtande befindlichen Boden. Die
elfenbeinweißen, den Sonnenblumenkernen ähnlichen Früchte werden im April in 40
bis 50 Ctm. entfernten Reihen auf je 15 Ctm. in den Boden geſteckt. Im übrigen
wird die Pflanze als Hackfrucht cultivirt.
Zur Zeit der Blüthe wird das Feld nach je 2—3 Tagen durchgegangen und
werden alle dunkelroth und welk gewordenen Blüthen abgenommen. Dieſelben werden auf
einem luftigen Boden, geſchützt vor dem Sonnenſcheine, zum Trocknen ausgebreitet.
Die Früchte können ſpäter für ſich geerntet werden. Das Stroh hat wegen ſeiner
ſtarren, ſtacheligen Blätter wenig Futterwerth. Der Ertrag per Hektar kann 85 bis
200 Kilogramm trockener Blüthen, im Werthe bis zu 4 Mark (2 fl.) per Kilo-
gramm, erreichen.
3. Der Wau.
Der Wau, das Gelbkraut
oder Färberkraut (Reseda lu-
teola L.) Fig. 74, iſt eine ein-
heimiſche, ein- und zweijährige
Pflanze, welche wegen ihres vor-
zugsweiſe in den Blättern, aber
auch in den Stengeln enthaltenen
gelben Farbeſtoffes (Luteolin) hie
und da im Größeren gebaut
wird. Von den beiden Varie-
täten des Wau’s, dem franzöſiſchen
und deutſchen, wird erſtere, farbe-
ſtoffreichere, zeitlich im Frühjahre
angebaut und wenn die etwas
kleiner bleibenden Pflanzen in die
Blüthe (Fig. 75) treten, im Auguſt
geerntet. Der deutſche Wau
erreicht eine größere Höhe, er
wird im Auguſt geſäet und im
Wau (Reseda luteola L.)
☉ und ⚇.
Aehrenförmiger
Blüthenſtand des Wau’s.
Juli des nächſten Jahres in der vollſten Blüthe geerntet.
Sandige und kalkige Bodenarten in gutem Düngungszuſtande, ebenſo Neuland,
ſagen ihm am beſten zu. Auf armem Boden bleibt er niedrig und bildet nur wenig
Seitentriebe und Blüthenähren.
Die gewöhnlichſten Vorfrüchte für den Wau ſind Raps, gedüngte Hackfrüchte,
zuweilen auch gedüngte Halmfrüchte.
[108]Beſondere Pflanzenbaulehre.
In milden Gegenden mit feuchtem Frühjahre empfiehlt es ſich, den Wau als
Sommergewächs zu cultiviren. In trockenen Frühjahren geht der Same, welcher
viele Feuchtigkeit zum Keimen verlangt, oft lange nicht auf, weshalb es für ſolche
Oertlichkeiten zweckmäßiger iſt, den Wau ſchon im Herbſte auszuſäen. An Samen,
welcher mit der Egge flach untergebracht oder noch beſſer gedrillt wird, verwendet
man auf 1 Hektar 12—16 Kilogramm.
Die weitere Cultur iſt ſehr einfach. Sie beſchränkt ſich auf das Jäten und
Bearbeiten der Bodenzwiſchenräume mit der Handhacke und auf das Verdünnen bei
zu üppigem Stande der Pflanzen.
Sobald der Wau in volle Blüthe getreten, die unterſten Blätter gelb zu werden
beginnen und die unterſten Samenkapſeln reifen, werden die Pflanzen dicht am Boden
abgehauen und im Schatten, nachdem alle etwaigen Unkrautpflanzen ausgezogen
worden, zum Trocknen aufgeſtellt. Am beſten wird der Wau auf der Tenne oder
unter einem ſonſtigen bedachten Raume getrocknet, da ſich ſein Werth durch Beregnen
bedeutend verringert. Der gut getrocknete Wau darf weder braun noch dunkelgrün
ſein, ſondern muß, wenn er als gute, farbreiche Waare bezahlt werden ſoll, hellgrün
gefärbt ſein. Der Ertrag an getrockneten Pflanzen erreicht bei dem zweijährigen,
deutſchen Wau 2600—5000 Kilogramm, im Werthe von 12—20 Mark (6—10 fl.)
per 100 Kilogramm, bei dem einjährigen, franzöſiſchen Wau 2000—4300
Kilogramm, im Werthe von 20—24 Mark (10—12 fl.).
Zur Samengewinnung läßt man einige Pflanzen bis zur Vollreife ſtehen. Der
Samenertrag ſtellt ſich auf 200—400 Kilogramm von dem Hektare.
4. Der Waid.
Die Cultur des Waid, Färberwaid, deutſcher Indigo (Isatis tinctoria L.) ⚇
wird ſeit der Einführung des Indigo (von Indigofera tinctoria und Indigofera anil
ſtammend) zum Blaufärben nur mehr in ſehr beſchränktem Maße, am ausgedehnteſten
noch in Thüringen angebaut.
Der Boden für Waid ſoll tiefgründig, lehm- und kalkreich ſein und ſich in
gutem Düngungszuſtande befinden. Ueber die Cultur dieſer zweijährigen Pflanze
macht Langethal 1) folgende Angaben:
„Für den Waid pflügt man den Acker, ſobald die Gerſte das Land verlaſſen
hat, 45 Ctm. tief, und bringt dabei, mit Hilfe des Rechens 45 Fuhren Dünger
ins Land. Der Acker bleibt bis zum October liegen, worauf man die Erde, durch
ein nochmaliges Tiefpflügen wieder zuſammenſchlägt. Im Anfange des Frühjahres
wird das Feld blos aufgeegget und mit 5 Kilogramm Schötchen pro Hektar beſäet,
die man auf ſehr flache Furchen ausſtreut. Zuletzt wird zugeegget und angewalzt.
Bekommen die Schötchen keinen Regen, dann bleiben ſie oft 6 Wochen, ohne zu
keimen, im Boden liegen, dann aber wachſen die Pflanzen ſchnell heran. Sobald
[109]Die Farbepflanzen.
dieſe das fünfte Blatt getrieben haben, beginnt die erſte Lockerung und Reinigung
des Bodens mit der kleinen Hacke und die fußweite Stellung der Pflanzen, wobei
man alle überflüſſigen Exemplare, ohne den guten Pflanzen zu ſchaden, entfernt.
Die Blätter wachſen nun fußlang heran, werden dunkelgrün, riechen gerieben nach
Rettig und ſchmecken kreſſenartig-ſcharf. Wenn ſie hart werden, beginnt die erſte
und beſte Ernte, die den meiſten Farbeſtoff enthält; ſie fällt in den Juli. Nur
die Herzblätter läßt man ſtehen, die übrigen ſtößt man ab, indem man ſie mit der
linken Hand partienweiſe zuſammenfaßt. Die mit Erde beſchmutzten werden ab-
gewaſchen, alle trocknet man, und verkauft ſie den Fabrikanten. Das Land wird
nun mit der Schurfkrücke gereiniget, dann überegget, worauf der Acker, unbeſchadet
der Waidpflanzen, wie ein neubeſtelltes Land ausſieht; denn der Waid wächſt ſchnell
wieder nach, und iſt bis zum September ſchon ſo weit gediehen, daß die zweite
Ernte erfolgen kann. Nach derſelben wird Weizen beſtellt, der in einem ſo kräftigen,
ſchön und rein zugerichteten Boden ganz vortrefflich gedeiht. Bei guter Cultur
erntet man 3916 Kilogramm Blätter im Mittel, und nach deren Preis richtet ſich
die größere oder geringere Beſchränkung des Anbaues.“
5. Der Krapp.
Der Krapp, die
Röthe, die Färber-
röthe, (Rubia tinc-
torum L.) ♃, Fig. 76,
beſitzt kleine, gelbgrüne
Blüthen, welche zu
drei auf einem ge-
meinſchaftlichen Stiele
ſtehen. Die Frucht
bildet eine zweiknopfige,
rothe, fleiſchige, durch
Fehlſchlagen einſamige
Beere. Der nieder-
liegende, vierkantige
Stengel trägt, un-
gefähr von 6 zu 6
Ctm., quirlförmig ge-
ſtellte, lanzettförmige,
am Rande mit rück-
wärts gerichteten, klei-
nen Stacheln beſetzte
Blätter. Dieſe Sten-
gel kommen zu meh-
reren aus je einem
Krapp (Rubia tinctorum L.) ♃. — Links oben eine Frucht, unten eine Blüthe
[110]Beſondere Pflanzenbaulehre.
Gelenke des unterirdiſchen Wurzelſtockes, welches nach oben Zweige, nach unten Ad-
ventivwurzeln bildet. Wegen dieſes unterirdiſchen Stammes, welcher das bekannte
Krapproth liefert, wird die Pflanze cultivirt. Am ausgedehnteſten wird der Krapp-
bau in Frankreich im Rhonethal, beſonders in der Umgegend von Avignon, dann
in Holland, im Elſaß, in der Umgegend von Breslau, in der Uckermark, in der
Provinz Sachſen, in Oeſterreich, in Rußland am Aſowſchen Meer, in Italien ꝛc.
betrieben. Die Krappwurzeln enthalten im friſchen Zuſtande keinen fertigen Farbeſtoff,
ſondern nur das Chromogen: Ruberythrinſäure, ein Glycoſid (gepaarter Zucker),
welches ſich durch Kochen mit verdünnter Salzſäure und Alkalien, ſowie auch durch
ein in der Krappwurzel enthaltenes Ferment in Zucker und Alizarin ſpaltet. Letzte-
res iſt das eigentliche Pigment des Färberkrapps. Außer dem Alizarin, welches bei
weiterer Behandlung Krapproth und Purpurin gibt, enthält die Krappwurzel noch
einen gelben (Xanthin), gelbrothen und braunen Farbſtoff.
Der Krapp gedeiht mit Ausnahme der rauhen Lagen überall in Mittel- und
Südeuropa. Am zuſagendſten iſt demſelben ein mäßigfeuchtes und warmes Klima.
Als Wurzelgewächs verlangt er einen tiefgründigen Boden. Am beſten gedeiht er in
humoſem oder ſandigem Lehm und lehmigem Sand. Der vorzügliche franzöſiſche
Krapp gedeiht auf einem ſehr kalkreichen Boden (6—50 %), doch ſcheint hoher Kalk-
gehalt im Boden, wie die Unterſuchungen von A. Petzholdt 1) zeigen, welcher in
holländiſchen Krappböden kaum 4 %, in transkaukaſiſchen Krappböden kaum 7 %
Kalkerde fand, keine unerläßliche Bedingung für die Production werthvoller Krapp-
wurzeln zu ſein.
Der Krapp gedeiht bei reichlicher Düngung ganz gut nach ſich ſelbſt. Zweck-
mäßiger iſt es, denſelben nach gedüngten Hackfrüchten zu ſtellen. Nach dem Krapp
gedeihen beſonders die tiefwurzelnden Futtergewächſe vorzüglich. Die Anſprüche des
Krapp an die Bodennährſtoffe ſind bedeutende, weshalb er mit einer ſehr ſtarken
Stallmiſtdüngung bedacht werden muß. Im zweiten und dritten Jahre gibt man
eine Kopfdüngung mit Compoſt oder Knochenmehlpräparaten.
Vor der Beſtellung wird das Feld im Herbſte auf 60—80 Ctm. Tiefe mit
der Hand rajolt oder durch Spatenpflügen, Tiefpflügen oder Wühlen kräftig bearbei-
tet und im Frühjahre durch mehrmaliges Pflügen, Eggen und Walzen in krümligen,
klaren Zuſtand gebracht.
Der Krapp kann entweder aus Samen oder aus Setzlingen (Fechſern) erzogen
werden. Der Same, welchen man am zweckmäßigſten aus Frankreich oder Italien
kommen läßt, verliert bald, ſchon nach einem Jahre, ſeine Keimfähigkeit, weshalb
der Anbau der Samen auf freies Feld oder vorerſt in Gartenbeeten zur Erzielung
von Pflänzlingen in unſeren Verhältniſſen ſtets unſicher bleibt. Sicherer iſt es,
die Anlage durch Setzer zu bewerkſtelligen, welche aus einer älteren Krappanlage ge-
nommen werden. Die etwa 16—20 Ctm. langen Schößlinge bricht man derart
von der Hauptwurzel ab, daß ſich an ihren Enden noch einige Wurzelfaſern befinden.
[111]Die Farbepflanzen.
Die Setzlinge werden im Mai entweder auf 1.25—2.5 Meter breite Beete, zwi-
ſchen welchen jederſeits ein 40—60 Ctm. breiter Weg belaſſen wird, in 30 Ctm.
entfernten Reihen auf je 8—10 Ctm. mit einem Pflanzmeſſer oder der Handhacke
in den Boden gelegt oder nach dem Pfluge in jede zweite Furche in den Boden ge-
bracht, oder ſchließlich in 45—60 Ctm. breite Kämme gelegt.
Im erſten Sommer wird das Krappland durch Jäten rein gehalten, mit der
Handhacke, ſpäter auch mit der Pferdehacke ſorgfältig bearbeitet und nach Thunlich-
keit in trockenen Zeiten begoſſen. Im Herbſte wird die Erde in den Wegen zwi-
ſchen den Beeten oder in den Zwiſchenräumen der Kämme aufgegraben und die
Krapppflanzen mit Erde bedeckt. Im zweiten Jahre wird die Lockerung des Bodens
durch Hacken wiederholt, ebenſo nach Erforderniß im dritten Jahre. Das Blattwerk
kann im Herbſte abgeſchnitten und zur Fütterung verwendet werden.
Für die Vornahme der Ernte gibt A. L. Günther 1) die folgenden Anhalts-
punkte: „Die Ernte tritt gewöhnlich ſchon im Herbſte des zweiten oder dritten Jahres
ein. Im Allgemeinen iſt die zweijährige Nutzung die vortheilhaftere, weil im dritten
Jahre der Zuwachs ſelten dem Opfer einer ganzjährigen Verwendung des Feldes
entſpricht. Noch vortheilhafter ſcheint uns die Ernte im Frühjahre, da um dieſe
Zeit gewöhnlich die zur Ernte nöthige Handarbeitskraft billig zu haben iſt. Wird
im Herbſte geerntet, ſo iſt die Zeit von Mitte September bis Mitte October die
günſtigſte. Das Kraut wird abgeſchnitten und hierauf das Land möglichſt tief um-
gegraben oder auch tief geackert, die Wurzeln geſammelt und auf Haufen gegeben,
welche durch Bedecken mit Stroh vor Nachtfröſten geſchützt werden. Gute Krapp-
wurzeln müſſen gelblichroth ausſehen, geringere ſind lichtroth, ſchlechte gelb. Der
Verkauf derſelben im friſchen Zuſtande wäre wohl der günſtigſte, gewöhnlich muß der
Landwirth die Wurzeln vorher dörren und kann ſie dann erſt in dieſem Zuſtande
verkaufen. 100 Kilogramm friſche Krappwurzeln geben 20 Kilogramm trockenen
Krapp. Weiterhin wird der gewaſchene und bei 40°C. getrocknete Krapp durch
Dreſchen oder Vermahlen zwiſchen Mühlſteinen von der braunen Rinde (die als
mindeſte Sorte unter dem Namen „Müllkrapp“ in den Handel kommt) befreit und
gemahlen.
Der Ertrag wechſelt zwiſchen 1050—3470 Kilogramm trockener Wurzel per
- Hektar. Einjährige Krapppflanzen geben 1050—1300 Kilogramm.
- Zweijährige „ „ 1800—2200 „
- Dreijährige „ „ 2600—3470 „
Der Preis der Krappwurzeln beträgt 36—60 Mark (18—30 fl.) per 100
Kilogramm. Aus 500 Kilogramm gut getrocknetem Krapp erhält man 100 Kilo-
gramm Krappmehl. Letzteres wird ſowohl zur Krapp- oder Türkiſchroth-Färberei,
als auch zur Bereitung des Krapplackes, welcher als Oel- und Waſſerfarbe dient,
und zur Bereitung der Alizarintinte verwendet.
[112]Beſondere Pflanzenbaulehre.
VI.
Die Blattpflanzen.
Der Anbau jener Gewächſe, von welchen die Laubblätter zur techniſchen Ver-
werthung gelangen, erfordert eine gartenmäßige Cultur, welche ſich nur mit Auf-
wendung von viel Handarbeitskraft durchführen läßt. Zur Zeit wird nur der Tabak
aus der Familie der Solaneen ausſchließlich wegen ſeiner Blätter cultivirt. Die
hohen Roherträge, welche derſelbe zu gewähren vermag, machen denſelben zu einer
der wichtigſten Handels- und Fabrikspflanze, durch welche ausgedehnte Bodenflächen
nutzbar gemacht werden.
1. Der Tabak.
Der Tabak (Nicotiana), ein aus dem tropiſchen Theile Amerika’s ſtammendes
Culturgewächs, beſitzt eine trichterförmige, nicht ſelten mit langer Röhre und einem
fünfzähnigen oder fünfklappigen, gefalteten Saume verſehene Blumenkrone. Die
Frucht iſt zum Unterſchiede von anderen Solaneen keine Beere, ſondern eine zwei-
fächerige, halb vierklappige Kapſel, welche eine große Zahl kleiner (0.7 Mm.), brauner
Samen enthält. Auf einer Pflanze finden ſich bis 400,000 Samen.
Die Arten des Tabakes unterſcheiden ſich durch die Farbe der Blüthe und die
Form der Blätter. Faſt ſämmtliche Arten bilden wieder eine ſehr große Zahl von
Spielarten. Bei uns werden folgende Arten cultivirt:
A. Tabak mit langröhriger, hellrother Blumenkrone; Stengel einfach, 1.25 bis
2 Meter hoch:
1. Großblättriger oder Maryland Tabak, Bauernknaſter (Nicotiana macrophylla
Spr.) ☉. Blätter aufrecht oder wagrecht, breit eirund, ſtumpf, ſtengelumfaſſend-ſitzend,
die Seitenrippen ſtehen von der Mittelrippe faſt unter einem rechten Winkel ab;
Blüthen in zuſammengezogenen Rispen. Varietäten 1): kurzblätteriger (in der Ha-
vanna, in Ungarn gebaut; Rauchtabak-Pfeifengut), Duten- oder Schaufeltabak,
länglichblätterig (Ungarn, Elſaß; Pfeifengut, feine Cigarrendeckblätter), breit-
blätteriger Marylandtabak (Magdeburg, Nürnberg; Carottengut-Schnupftabak).
2. Gemeiner oder virginiſcher Tabak(Nicotiana tabacum L.) ☉. Blätte[r]
meiſt hängend, länglich-lanzettlich, lang zugeſpitzt, Seitenrippen von der mittleren unter
ſpitzem Winkel auslaufend. Blüthen in weitausgebreiteten Rispen. Als am meiſten
gebaute Varietäten führt Langethal 2) die folgenden an: Goundietabak (Virginien,
Pfalz; Pfeifen- und Carottengut, Deckblatt), Friedrichsthaler oder Achtertabak (Pfalz;
Pfeifengut), Amersforter, Virginier (Deckblatt) ꝛc.
[113]Die Blattpflanzen.
B. Tabak mit kurzröhriger, grünlich-gelber, aufgeblaſener, am Schlunde ein-
geſchnürter Blumenkrone; Stengel verzweigt, 0.60—1.10 Meter hoch.
1. Bauern- oder Veilchentabak, Türkiſcher Tabak (Nicotiana rustica L.) ☉.
Blätter eiförmig, blaſig, dick und klebrig, die oberen ſitzend, die unteren geſtielt.
Blüthen in traubiger, zuſammengezogener Rispe. Am wenigſten empfindlich, in
Hannover, bei Nürnberg, in Ungarn und beſonders in Braſilien gebaut, jedoch nur
zu Schnupf- und Kautabak verwendbar.
2. Jungferntabak(Nicotiana paniculata) ☉. Blüthen in verlängerten Rispen;
in Peru und Ungarn gebaut.
Der Tabak hat eine Pfahlwurzel mit wenigen Seitenwurzeln. Die Blätter ſind
mit klebrigen Drüſenhaaren verſehen, welche ein flüchtiges Oel enthalten. Der Werth
des Tabakblattes ſteht im Zuſammenhange mit der Verbrennlichkeit ſeiner näheren Beſtand-
theile. Ein guter Rauchtabak ſoll gleichmäßig verglimmen und dabei einen angenehmen
Geruch entwickeln. Tabak, welcher mit heller Flamme brennt oder kohlt, iſt von ſchlechter
Qualität.
Nach Neßler 1) enthält der Tabak im Mittel etwa 80 % org. Subſtanz und 20 % Aſche.
Erſtere beſteht aus den ſtickſtofffreien Körpern, Celluloſe, Kohlehydrate, Fett- und anderen
organiſchen Säuren, ſowie aus ſtickſtoffhaltigen Proteïnkörpern und dem giftigen, betäuben-
den, ſtickſtoffhaltigen Alkaloid Nicotin. Ein anderer Theil des Stickſtoffes iſt in Form von
Salpeterſäure und nach der Fermentation auch als Ammoniak vorhanden. Die Celluloſe,
wenn ſie nicht zu ſtark verholzt iſt und die Kohlehydrate ſind verhältnißmäßig leicht ver-
brennlich. Fett und Eiweißkörper ſind ſchwerer verbrennlich und geben bei ihrer Verbrennung
übelriechende Verbindungen. In Betreff des Nicotins iſt conſtatirt, daß die beſſeren Tabake
weniger als die ſchlechteren enthalten. Nach Neßler enthielt ein Havannatabak 0.62 %, ein
Portorico 1.2 %, ein badiſcher Unterländer 3.36 % Nicotin. In kohlendem Tabake iſt der
Nicotingehalt gewöhnlich größer, als in nichtkohlendem. Von den anorganiſchen Ver-
bindungen erhöhen die ſalpeterſauren, kohlenſauren und organiſchen Kali- und auch Natron-
ſalze die Verbrennlichkeit, während die Chloralkalien hindernd auf dieſelbe einwirken. Der
Producent muß mit ſich im Klaren ſein, für welchen Zweck er den Tabak bauen will, in-
dem darnach Cultur und Behandlung einzurichten ſind. Der Tabak kann verwendet werden
zu Kautabak, Schnupftabak (Carottengut), Rauchtabak (Pfeifen- oder Schneidgut), Papier-
eigarrettentabak und Cigarrentabak. Der deutſche Tabakbau befaßt ſich vorzugsweiſe mit der
Hervorbringung der letzteren drei Tabakſorten.
1. Die Wachsthumsbedingungen.
Der Tabak, deſſen Heimat eine mittlere Jahrestemperatur von 20.4° R. auf-
zuweiſen hat, beſitzt eine große Empfindlichkeit gegen Spät- und Frühfröſte. In un-
ſeren Breiten muß er deshalb in Miſtbeeten herangezogen werden. Nur eine einzige
Art, der Bauerntabak, kann in gutem Weinklima direct auf das freie Feld gebracht
werden. Die vorzüglichſten Tabake werden in milden oder warmen Lagen, wie in
Holland, in den Rheingegenden, beſonders in der Pfalz und in Ungarn gebaut. Die
Tabake, welche in Norddeutſchland bis hinauf nach Pommern bei nur vier froſtfreien
Monaten cultivirt werden, erreichen dagegen nicht die Qualität jener.
Krafft, Lehrb. d. Landw. II. 8
[114]Beſondere Pflanzenbaulehre.
Die Lage des Tabakfeldes ſoll möglichſt gegen Wind geſchützt ſein, um die
Blätter vor dem Zerreißen zu ſichern. In Holland pflegt man zu dieſem Zwecke
die Tabakfelder mit kleinen Hecken oder mit Feldſtreifen, welche mit Bohnen beſtellt
werden, zu verſehen. In wärmeren Ländern verrichten Reihen von Maispflanzen
dieſelben Dienſte.
Ein etwaiger ungünſtiger Einfluß der natürlichen Wachsthumsbedingungen auf
die Qualität der Tabakblätter kann oft durch die Cultur beſeitigt werden. Durch
beſonders ſorgfältige Cultur wird es in Holland möglich, daß auf ſonſt ungeeignetem,
ſchwerem Thonboden doch feinrippiger, großblätteriger Tabak erzielt wird. In der
Pfalz und in Ungarn gedeiht der Tabak vornehmlich auf mergeligem, lehmigem
Sandboden.
2. Die Vorfrucht und Vorbereitung.
Der Tabak wird in umgebrochenes Klee-, Luzerne- oder Grasland gebaut.
Häufig wird jedoch vorher eine Getreideernte gewonnen, ſo zwar, daß dann der
Tabak nach Getreide folgt. In Ungarn erzieht man die feinſten Tabakſorten in den
ſog. Tabakgärten, in welchen der Tabak mehrere Jahre hintereinander auf derſelben
Bodenſtelle gebaut wird.
Nach Getreide gibt man dem Tabake eine möglichſt ſorgfältige Vorbereitung.
Vor Winter wird das Feld zwei-, dreimal gepflügt. Eine Herbſtfurche wird als
Tiefackerung gegeben. Mit derſelben wird gleichzeitig der Dünger untergebracht, da-
mit derſelbe durch die nachfolgende Bearbeitung um ſo gleichmäßiger in den Boden
vertheilt wird. Im Frühjahre findet ſich, bis zum Verpflanzen, Zeit genug, um das
Pflügen nochmals zu wiederholen.
Die Tabakpflanze, welche einen hohen (20—29.5 %) Aſchengehalt beſitzt, ver-
langt eine bedeutende Menge an aſſimilirbaren Nährſtoffen im Boden. Dem Tabak-
felde werden jedoch nur jene Mengen an Pflanzennährſtoffen entzogen, welche in den
verkauften Blättern enthalten waren, die in den Stengeln, Wurzeln ꝛc. enthaltene
Aſchenmenge verbleibt dem Boden. Bei einer mittleren Blatternte von 1300 Kilo-
gramm auf einem Hektare werden dem Boden die folgenden Nährſtoffmengen entzogen:
Aſche 301.21 %, Kali 95.2 %, Kalk 64.0 %, Phosphorſäure 13.23 % ꝛc.
Der Tabak verlangt daher eine reichliche Düngung; nur auf Neuriſſen wird er
ohne Düngung gebaut werden können. Den günſtigſten Einfluß auf die Blatt-
qualität, beſonders auf die Verbrennlichkeit übt nach Vegetationsverſuchen die Dün-
gung mit ſchwefelſaurem, kohlenſaurem und ſalpeterſaurem Kali, während dagegen
phosphorreiche Dünger zu vermeiden ſind. Lauter 1) empfiehlt vornehmlich eine nicht
übermäßige Düngung mit Rindviehmiſt und Holzaſche. Ein ſtickſtoffreicher Dünger,
wie Schafdünger, befördert das Wachsthum außerordentlich und gibt große, feine
und zähe Blätter, welche jedoch ſchlecht brennen, ſtark knellern und beim Verglimmen
nach brennendem Haare riechen. Kräftiger Boden, ſowie ſtarke, ſtickſtoffreiche Düngung
[115]Die Blattpflanzen.
producirt, ſelbſt bei dem Anbaue der berühmteſten Spielarten, wenn noch günſtige
Witterung hinzutritt, ein zum Rauchen wenig geeignetes dickeres „fetteres“ Blatt.
3. Die Saat.
Die Auswahl der anzubauenden Tabakvarietät richtet ſich nach der Beſchaffen-
heit des Standortes und dem Zwecke, für welchen der Tabak gebaut werden ſoll. In
letzterer Beziehung verweiſen wir auf die oben gemachten Angaben. Mit Bezug auf
die Bodenbeſchaffenheit ſind für trockene, arme Sandböden kleinblätterige Sorten,
welche näher geſtellt werden können, zu empfehlen; für friſchen in gutem Culturzuſtande
befindlichen Boden eignen ſich dagegen großblätterige Tabakſorten.
Für gewöhnlich wird der Tabak im Samen- oder Miſtbeet ausgeſäet und im
Mai, Anfang Juni, in kühleren Gegenden ſelbſt Anfang Juli, wenn keine Spätfröſte
mehr zu befürchten ſind, auf das freie Feld ausgeſetzt. Der Anbau in das Samen-
beet wird im März, in wärmeren Gegenden auch erſt im April vorgenommen. Die
Pflänzchen erreichen ſomit im Samenbeet ein Alter von 1—1½ Monaten.
Als Samenbeet kann man in warmen Gegenden jedes geſchützte Gartenbeet
verwenden. Daſſelbe wird mit einem Holzrahmen umgeben, um das Beet ſchnell
durch Auflegen von Brettern, Strohmatten oder von Rahmen, welche mit geöltem
Papier überſpannt ſind, bedecken zu können. In kühlen Gegenden verwendet man
zweckmäßig eigens angelegte Miſtbeete, welche am beſten erhöht auf kleinen Pfeilern
errichtet werden, um das Ungeziefer abzuhalten. Dieſe erhöhten Miſtbeete oder
Tabakkutſchen beſtehen aus hölzernen Käſten, welche mit Pferdemiſt und mit Compoſt-
erde angefüllt werden. Die Compoſterde, ein Gemenge von Miſt, verfaultem Laub
und Gartenerde, wird vorher vorſichtshalber, zur Entfernung von Regenwürmern und
Inſectenbrut, durchgeſiebt. Die Größe der Miſtbeete und die Saatmenge richtet ſich
nach der Ausdehnung des Tabakbaues, gewöhnlich reichen für ein Hektar 12.5 bis
14.0 □Meter Beetfläche und 14.5—29 Gramm Samen vollkommen aus.
In dem Miſtbeete werden die jungen Tabakpflanzen durch Jäten fleißig von dem
Unkraute gereinigt und nach Bedarf durch Begießen feucht erhalten. Ueber Nacht und
bei kalter Witterung ſchützt man die Beete durch Bedecken. Nach einiger Zeit über-
ſetzt, pikirt, man die noch kleinen Pflänzchen auf Gartenbeete in größere Entfernungen
von 4—4.5 Ctm.
Sind die Pflänzchen handhoch geworden und haben ſie 6—7 Blätter entwickelt,
ſo wird an das Verpflanzen auf das freie Feld geſchritten. Bei trockener Witterung
ſind die Pflanzſtellen vorher zu begießen. Der Wachsraum, welcher den Pflanzen zu
geben iſt, richtet ſich nach der Blattgröße der Tabakſorte und nach der Lage und
Beſchaffenheit des Grundſtückes. In der Pfalz gilt als die entſprechendſte Entfernung
für den Dutentabak 36—40, für Goundi 45—50 und für Friedrichsthaler 55 bis
65 Ctm. In Ungarn ſtellt man die Pflanzen auf bindigerem Boden und bei groß-
blätterigem Tabake in 80 Ctm. entfernte Reihen. Die Pflanzen werden entweder
auf ſchmale Beete oder auf das ebene Land im Quadratverbande verpflanzt. Zwiſchen
je drei Reihen läßt man einen genügend breiten Weg, um die weiteren Cultur-
arbeiten leicht ausführen zu können.
8*
[116]Beſondere Pflanzenbaulehre.
4. Die Pflege.
Einige Zeit nach dem Verpflanzen wird das erſtemal behackt. Nach Bedarf
wird weiterhin die Hackarbeit wiederholt. Zum Schluſſe wird entweder der Boden
an die Tabakpflanzen etwas angezogen oder der Tabak wird vollkommen angehäufelt.
Sobald die Blüthenrispen ſich zeigen, wird die Pflanze geköpft, um die Ausbildung
der erſten Blätter zu befördern. Wie tief die Blüthenrispen abgebrochen werden
ſollen, richtet ſich nach der Abſicht, größere oder kleinere Blätter erziehen zu wollen.
Bei dem Dutentabake läßt man in der Pfalz, außer den unterſten Sandblättern, zwölf
Blätter ſtehen, bei dem Gounditabake baut man auf zehn, bei dem Friedrichsthaler
auf acht Blätter. In Folge des Köpfens entwickeln ſich in den Blattachſeln zahl-
reiche Seitentriebe, welche nach und nach zu entfernen, auszugeizen ſind. Um die
Blätter nicht zu beſchädigen, empfiehlt es ſich, das Ausgeizen nach Möglichkeit bei
trockener Witterung vorzunehmen.
Nach den Unterſuchungen von Dr. Th. Koſutàny 1) erhöht ſich durch das Geizen und
Abbrechen der Blüthenrispen der Nicotingehalt der Tabakblätter, während ſich durch das
Unterlaſſen dieſer Operation derſelbe verringert. Bei dem Umſtande, als der Nicotingehalt
der Samen nur unbedeutend iſt, ſcheint das Nicotin nur ein untergeordnetes Nebenproduct
zu ſein. Beläßt man die Blüthe, ſo wird die producirende Thätigkeit der Pflanze für die
möglichſt vollkommene Ausbildung der Samen zu ſehr in Anſpruch genommen, weshalb
die Bildung des minder wichtigen Nicotins zurückbleiben muß. Dieſe Thatſache erklärt,
weshalb der in Ungarn gewöhnlich ohne Geizen und Abbrechen der Blüthen gebaute Tabak
ein ſo mildes Pfeifengut liefert, welches nach dem Trocknen und Schneiden gleich zum
Rauchen verwendet werden kann, während der Tabak von Frankreich, der Pfalz vorher erſt
ausgelaugt, ſocirt werden muß. Will man leichteres Pfeifengut bauen, ſo können daher
die genannten, bedeutende Arbeitskoſten verurſachenden Operationen unterbleiben, während
bei Cigarrendeckblättern, welche durch das Geizen ꝛc. beſſer entwickelt werden, der Preis der
Blätter gegenüber den Koſten dieſer Operationen über die Ausführbarkeit der Letzteren entſcheidet.
Die Blatternte wird am empfindlichſten durch ungünſtige Witterung beeinträch-
tigt. Nicht nur, daß die Tabakpflanze ſchon im Frühjahre durch Spätfröſte arg be-
Kohleule (Mamestra brassicae L.). — Raupe.
ſchädigt werden kann, verurſacht ſpäter-
hin eintretendes anhaltendes Regen-
wetter ein Vergilben und ſelbſt Verfau-
len der Tabakblätter. Anhaltende
Trockene ſtört gleichfalls die vollkom-
mene Blattentwickelung. Stürme und
Hagelfälle, welche die Blätter durch
Zerreißen unbrauchbar machen, kön-
nen bei häufiger Wiederkehr ſelbſt zum
Aufgeben des Tabakbaues zwingen.
Zuweilen niſtet ſich bei nach-
läſſiger Cultur an den Wurzeln der
Tabakpflanzen ein läſtiger Schma-
rotzer, die äſtige Sommerwurz oder der
Hanftod (Orobanche ramosaL.) ♃ ein.
[117]Die Blattpflanzen.
An ſchädlichen Inſecten ſtellen ſich auf den Tabakfeldern die Folgenden ein:
- Reizkäfer (Mylabris Fuesslini Pz.).
Käfer ſchädlich. - Kohleule (Mamestra brassicae L.),
Fig. 77, Raupe ſchädlich. - Flöhkrauteule (Mamestra persicariae
L.). Raupe ſchädlich. - Ypſiloneule (Plusia gamma L.), Fig. 88,
Raupe ſehr ſchädlich.
5. Die Ernte.
Der richtigſte Reifezuſtand für die Ernte von Cigarrentabak tritt gewöhnlich
Mitte September ein, wenn die dunkelgrünen Blätter anfangen gelbgrün zu werden
und auf denſelben gelbliche Tupfen erſcheinen. Die Blätter werden klebrig und bekommen
gegen Abend einen honigartigen Geruch. Wird der Tabak reifer, ſo verlieren die fetter
werdenden Blätter an Brennbarkeit, Wohlgeruch und Farbe. Für Pfeifengut erhält
man ein feineres Product, wenn man die Blätter derart überreif werden läßt, daß ſich
ihre Ränder einzurollen beginnen. Die oberen Blätter reifen gewöhnlich ſpäter, als
die unteren.
Bei ſorgfältiger Ernte werden vorerſt die unterſten, durch Sand und Erde be-
ſchmutzten Blätter, die Sand- und Erdblätter, abgenommen. Dann erſt beginnt die
Haupternte der übrigen 8—10 Blätter. Am zweckmäßigſten iſt es, die Blätter, wie
ſie nach und nach reifen, in drei Zeitintervallen abzubrechen. Die abgenommenen
Blätter werden mit der unteren Seite nach oben gekehrt, in kleinen Bündeln auf-
einandergelegt und mehrere Stunden am Felde abwelken gelaſſen; dabei können die
Blätter vorläufig nach ihrer Qualität ſortirt werden.
In neuerer Zeit widmet man einer in Amerika und Südfrankreich gebräuchlichen
Erntemethode vermehrte Aufmerkſamkeit, nachdem dieſelbe mehr Sicherheit für das
Trocknen gewährt. Dieſe Methode, auch als Holzſchuher’ſche Tabakbaumethode be-
kannt, beſteht darin, daß man nach dem vorangegangenen Abnehmen der Sandblätter
die Staude mit einem Hackmeſſer umhaut und ſie einige Tage abwelken läßt. Hier-
auf wird die ganze Pflanze mit allen ihren Blättern, mit der Spitze des Stengels
nach unten, in einem abgeſchloſſenen Raume zum Trocknen aufgehängt oder noch häu-
figer in Trockenkammern durch Anwendung künſtlicher, innerhalb 3—4 Tage allmählig
von 30 bis 70°C. ſteigender Wärme getrocknet1).
Die nach dem gewöhnlichen Verfahren abgenommenen Tabakblätter enthalten
bis zu 90 % Vegetationswaſſer, welches durch Trocknen verringert werden muß. Das
Trocknen iſt mit der größten Vorſicht und Sachkenntniß vorzunehmen, damit die
Blätter nicht ſpröde werden, ſondern zäh bleiben und ihre charakteriſtiſche Farbe un-
verändert erhalten. Am beſten eignen ſich dazu eigene mit Jalouſien zur Reguli-
rung des Luftzuges und des Lichteintrittes verſehene Tabaktrockenhäuſer. Im Noth-
[118]Beſondere Pflanzenbaulehre.
falle können jedoch auch Dachräume, Scheunen, unbenützte Kühlſchiffe und dergleichen
verwendet werden. In den Trockenhäuſern oder Trockenräumen werden die einzelnen
Blätter auf Schnüren, welche mit einer Nadel durch die Mittelrippe gezogen werden,
frei aufgehängt. Bei dicken Blattrippen durchſchneidet man wohl auch mit einem Meſſer
die Rippe und reiht die Blätter auf kleine, durch die Rippe gezogenen Ruthen auf.
Der Tabak darf jedoch erſt dann zum Aufhängen kommen, wenn die Mittelrippe
runzlig wird und ſich trocken anfühlt.
Je feuchter das Klima, um ſo ſchwieriger wird ſich ein gutes Trocknen, ohne
daß ein Verſtocken der Blätter oder der ſogenannte Dachbrand eintritt, bewerkſtelligen
laſſen. Um in ſolchen Fällen ein Verſchimmeln und Vermodern hintanzuhalten,
müſſen die Blätter an den Schnüren ſo weit von einander geſchoben werden, daß ſie
ſich nach dem durch das Trocknen herbeigeführten Einrollen nicht berühren.
Die Blätter ſind bis ſpäteſtens November, Anfang October getrocknet, wenn
ſie zuſammengeballt wieder auseinandergehen und die Mittelrippe völlig trocken
iſt. Nach dem Trocknen wird der Tabak nochmals ſortirt und in kleinen Käſtchen
zu je 25—30 Blätter zuſammengelegt und mit einem paſſenden Brett zuſammen-
gepreßt, um dann leicht mit einem Strohſeile zuſammengebunden zu werden. In die-
ſen Bündeln, welche wöchentlich umzuſetzen ſind, wird der Tabak bis zum Verkaufe
aufgeſpeichert.
Je nach der Eignung des Klima’s und der Witterung erntet man 860—2500
Kilogramm Blätter. Als Durchſchnittserträge werden in Ungarn 1000 Kilogramm,
in Galizien 1000—1200 Kilogramm, in der Pfalz 1300—1700 Kilogramm
angegeben. Der mittlere Preis des Tabakes ſtellt ſich auf 32—40 Mark (16 bis
20 fl.) per 100 Kilogramm, feinere Qualität bis auf 40 Mark (80 fl.). Bei
frühzeitiger Tabakernte und günſtiger Herbſtwitterung entwickeln ſich aus den ſtehen-
gebliebenen Stengeln Seitentriebe, welche noch 170—350 Kilogramm eines wenig werth-
vollen Tabakes geben. Zur Samengewinnung läßt man an einigen Pflanzen die Blüthen
ſtehen und wartet die vollſtändige Reife der Samen ab. Bei der großen Anzahl Samen,
welche eine Pflanze liefert, und bei dem geringen für 1 Hektar erforderlichen Saatquantum
genügen für große Anbauflächen einige wenige Pflanzen. Die Samen werden in den
Kapſeln über Winter belaſſen und erſt im Frühjahre ausgenommen. Bei ſorgfältiger
Samenerziehung läßt man nur die erſten vollkommenen Blüthen ſtehen, während man
alle ſpäter nachkommenden ſorgfältig abbricht.
VII.
Die Geſpinnſtpflanzen.
Die Geſpinnſtpflanzen werden hauptſächlich zur Gewinnung der Faſer cultivirt,
nebenbei gewähren viele derſelben in ihren Samen auch Oel. Nachdem ihre Cultur
viele Handarbeit erfordert, ſo eignet ſich ihr Anbau beſonders für kleinere Land-
wirthe. In neuerer Zeit, in welcher die Zubereitung der Flachsfaſer dem Landwirthe
beinahe gänzlich von den Fabriken abgenommen wurde, läßt ſich jedoch auch mit erheblichem
[119]Die Geſpinnſtpflanzen.
Vortheile der Anbau auf große Flächen ausdehnen. Abgeſehen von zahlreichen tropi-
ſchen und ſubtropiſchen Geſpinnſtpflanzen, wie der Baumwolle (Gossypium religio-
sum ♄, herbaceum ☉ und arboreum L. ♄), der Jute (Corchorus capsularis und
textilis L.), dem neuſeeländiſchen Flachſe (Phormium tenax Forst.), dem Manillahanfe
(Musa textilis N. v. Es. und paradisiaca L.) ꝛc., kommen in unſeren Breiten nur
die wenigen folgenden Geſpinnſtpflanzen zum Anbaue, und zwar aus der Familie der
Lineen: der Lein (Linum usitatissimum L.),
Urticeen: die Brennneſſel (Urtica dioïca L.), der Hanf (Canabis sativa L.),
Ramiè (Boehmeria nivea).
1. Der Lein.
Der gemeine oder Geſpinnſtlein, Flachs (Linum usitatissimum L.) ☉1) wird
vorzugsweiſe wegen ſeines baſtreichen, 0.23—1 Meter hohen, oben äſtigen Stengels
gebaut. Er beſitzt kleine, lanzettliche Blätter, einen bleibenden, achtblätterigen Kelch,
eine hinfällige, fünfbl ätterige Blumenkrone, fünf am Grunde verwachſene Staubgefäße
und eine zehnfächerige Kapſel mit je einem Samen in jedem Fache.
Die Spielarten werden nach dem Verhalten der reifen,
trockenen Samenkapſeln unterſchieden in: 1. Schließ- oder
Dreſchlein, Fig. 78, deſſen Kapſeln (Knoten, Bollen)
geſchloſſen bleiben und 2. Spring-, Klang-, Spät- oder
kleinen Lein, deſſen Kapſeln bei der Reife von ſelbſt auf-
ſpringen. Die Baſtfaſer des letzteren iſt feiner, auch ge-
währt die Pflanze einen reichlicheren Samenertrag, trotzdem
wird der Schließlein häufiger gebaut, weil er höher wird
und mehr und zugleich feſtere Faſer liefert. Der gewöhnlich
gebaute Lein blüht blau, zuweilen wird jedoch auch eine
weißblühende nicht beſtändige Leinvarietät unter dem Namen
Weißblühender oder Sicilianiſcher Lein angebaut, deſſen
Same das vierfache Gewicht und Volumen des Rigaer
Leines beſitzt und ſich vorzugsweiſe zur Oelgewinnung eignet.
Ebenſo ſelten wird der Winterlein und der ausdauernde
oder ewige Lein (Linum perenne L.) ♃ cultivirt.
Die höchſtens 14 Ctm. lange Pfahlwurzel des Leines beſitzt
nur wenige und kurze Seitenwurzeln, von welchen die aus dem
Wurzelhalſe hervorkommenden noch die längſten (5—8 Ctm.)
ſind. Das Wurzelvermögen des Leines iſt daher ſehr gering.
Die ſpinnbare Faſer findet ſich als Baſt in Bündeln ver-
einigt zwiſchen der Rinde und dem Holztheile des Stengels.
Die Flachsfaſer iſt unter dem Mikroſkope durchaus ſtielrund,
Lein (Linum usitatissi-
mum L.) ☉.
[120]Beſondere Pflanzenbaulehre.
Leinſamen, vergr. 1 Längs-
ſchnitt, 2 Querſchnitt — a Samen-
hülle, b Endoſperm, c Cothledonen,
d Würzelchen des Embryo.
zum Unterſchiede von der Baumwolle, welche ein flaches, oft
ſtark gewundenes Band darſtellt. Die Länge der dickrandi-
gen, gekammerten Baſtzellen des Leines wechſelt zwiſchen
6—95 Mm. Sie ſind derber gebaut als jene des
Hanfes, welche nur 6—22 Mm. lang ſind. Die ein-
zelnen Bündeln (Faſer) ſind jedoch bei dem Leine aus
einer geringeren Zahl von Baſtzellen zuſammengeſetzt,
weshalb die Faſer feiner als jene des Hanfes erſcheint.
Auf die Beſchaffenheit der Flachsfaſer hat vornehmlich,
wie ſpäter ausgeführt werden ſoll, die Düngung einen
beſtimmenden Einfluß.
Die Leinſamen, Fig. 79, ſind länglich eiförmig,
goldbraun, mit einer zarten äußerſten Zellenhülle verſehen,
welche im Waſſer ſtark anquillt. Der Keim beſitzt zwei
große, ölreiche (bis 30 %) Cotyledonen, welche von einem
dünnen Endoſperme umgeben ſind.
1. Die Wachsthumsbedingungen.
Der Lein, welcher wahrſcheinlich aus dem Orient ſtammt, zählt zu den älteſten
bekannten Culturpflanzen. Gegenwärtig wird er überall gebaut, wo der Boden ge-
nügende Friſche beſitzt und ein feuchtes Klima vorhanden iſt. Seine Cultur iſt über
ganz Europa verbreitet. Außerdem wird der Flachs in Aegypten, Algier, Auſtralien,
Nordamerika, Braſilien ꝛc. gebaut. In Europa liefern die ruſſiſchen Oſtſeeprovinzen,
Belgien, Irland, Tirol, Schleſien die beſten Flachsqualitäten
Zu ſeinem Gedeihen verlangt er feuchte Wärme; Hitze und Dürre, ſowie Spät-
fröſte verträgt er nicht. Er gedeiht daher am vorzüglichſten im Gebirge, in Nie-
derungen an den Meeresküſten, überhaupt in Gegenden, welche ſich durch reichliche
Thau- und Nebelbildung auszeichnen.
In feuchten Gegenden liefert der Flachs die feinſten Qualitäten auf ſandigen
Bodenarten, vornehmlich auf nicht zu überreichem, ſandigem Lehmboden, auf humoſem,
lehmigem Sandboden mit durchlaſſendem Untergrunde und auf trocken gelegtem Teich-
boden. Am wenigſten zuſagend ſind dem Leine Thonböden und dürrer Sand.
2. Die Vorfrucht und Vorbereitung.
Die beſte Vorfrucht für den Lein iſt der friſch umgebrochene Rothklee oder
irgend eine andere Futterpflanze. Häufig wird er nach einer gedüngten Hackfrucht,
nach Raps, nach Roggen, gebaut. Nach ſich ſelbſt gedeiht er nicht, weshalb er nur alle
6—9 Jahre auf daſſelbe Feld wiederkehren ſoll. Welche Urſache dieſer Erſcheinung,
der Leinmüdigkeit, zu Grunde liegt, iſt zur Zeit nicht genügend bekannt. Durch die
Erſchöpfung des Bodens kann ſie nicht allein herbeigeführt werden, nachdem ſonſt
eine entſprechende Düngung die Wiederkehr des Leines auf daſſelbe Feld möglich
machen würde, was jedoch nicht zutrifft.
Nach dem Leine, welcher das Feld in reinem, friſchem Zuſtande zurückläßt, ge-
deiht jede Pflanze gut. Gewöhnlich iſt der Flachs die Vorfrucht für Winterung,
[121]Die Geſpinnſtpflanzen.
Rothklee, oder für Möhren, die gleich untergeſäet und dann als Stoppelfrucht
geerntet werden.
Seine Anſprüche an die Bodennährſtoffe ſind entgegen der allgemeinen Anſicht
keine bedeutenden, namentlich, wenn die Flachsbereitung am Gute ſelbſt vorgenommen
und nur die aſchenarme Faſer ausgeführt wird. Werden dagegen die rohen Lein-
ſtengel verkauft, ſo entgehen damit dem Boden bei einer mittleren Ernte von 1800
Kilogramm von einem Hektare: an Aſche 54.72, Kali 16.92, Kalk 11.84, Phosphor-
ſäure 7.2, Kieſelſäure 3.06 Kilogramm.
Auf die Beſchaffenheit der Flachsfaſer hat nach den Unterſuchungen von Fleiſch-
mann (Landwirth 1873, Nr. 17) beſonders eine Kochſalzdüngung Einfluß. Dieſelbe
bewirkt einen höheren Waſſer-, Kali- und Phosphorſäuregehalt der Leinpflanze,
eine vermehrte Bildung feiner Flachsfaſern und eine verminderte Verholzung
derſelben. Nach Schiſchkin1) gewährte eine Chlorkalium-Düngung die feinſten und
längſten Stengel, während bei phosphorſaurem Kalk die kürzeſte und gröbſte Faſer
erhalten wurde. Der Oelgehalt der Samen zeigte ſich vorzüglich beeinflußt durch
die Düngung mit ſchwefelſaurem Natron und Chlorkalium.
Starke Düngungen mit friſchem Stallmiſte ſind zu vermeiden, da dieſer nicht gleich-
mäßig genug mit dem Boden vermengt werden kann, der Lein daher ungleich und
grobſtenglig werden würde. Am zweckmäßigſten düngt man zur Vorfrucht oder man
bringt zeitlich im Herbſte verrotteten Stallmiſt auf das Feld. Von vorzüglichem
Erfolge auf die Leinernte iſt das Ueberfahren mit Jauche oder mit menſchlichen
Excrementen, welche letztere vermengt mit verdorbenen Oelkuchen als flüſſiger Dünger
verwendet werden. Aehnlich der Jauche begünſtigt auch ein Ueberſtreuen von Aſche
oder von Compoſt aus Leinabfällen ein ſchnelles Emporwachſen der jungen Lein-
pflanzen, welche dadurch gegen die Angriffe der Erdflöhe mehr geſichert werden.
Die Vorbereitung muß ſehr ſorgfältig, gartenmäßig vorgenommen werden.
Nach einer Hackfrucht genügt eine im Herbſte gegebene Furche. Nach Halmfrüchten
iſt der Boden mehrmals, drei- bis viermal, zu pflügen und mit dem Wühler zu
bearbeiten. Beetackerungen eignen ſich für den Leinbau nicht, ſondern die Felder
müſſen möglichſt eben gepflügt werden. Im Frühjahre beſchränkt ſich die Vorbereitung
auf ein fleißiges Abeggen und Abwalzen, um das Feld in einen mürben, krümeligen
Zuſtand zu bringen, welcher zur Saat unbedingt erforderlich iſt.
3. Die Saat.
Guter Leinſamen ſoll einen friſchen Geruch, eine glänzende, mehr helle als
dunkelbraune Farbe beſitzen und leicht aus der Hand gleiten. Von größter Bedeutung
für die Gewinnung vorzüglicher Ernten iſt bei dem Leine der Samenwechſel. Die
vorzüglichſten Samen liefern die ruſſiſchen Provinzen Litthauen, Eſthland, Kurland,
aus welchen dieſelben unter dem Namen Rigaer, Pernauer, Wiedauer, Libauer Lein, oder
unter dem Collectivnamen „Tonnenlein“, in Tonnen verpackt, in den Handel gebracht werden.
[122]Beſondere Pflanzenbaulehre.
Ausgezeichneten Leinſamen producirt auch Oſtpreußen, beſonders Memel und Königs-
berg, in neuerer Zeit auch Tirol (Etſchthal, Axem). Zu den bewährteſten Sorten zählt
ſchließlich der aus Holland in Ballen importirte Zeeländer Lein. Die erſte Ernte
von Tonnenlein liefert noch nicht den vollſten Flachsertrag, ſondern erſt die zweite,
welche aus der erſten Samengeneration, dem Kronen- oder Roſenlein, hervorgeht. Die
weiteren Samengenerationen, welche zum Unterſchiede als Saatlein bezeichnet werden,
nehmen dann in Qualität immer mehr ab, bis es nach 4—5 Jahren angezeigt
wird, den Samen zum Oelſchlagen, als ſogenannten Schlaglein, zu verwenden und
neuerlich den Samen zu wechſeln.
Zur Gewinnung eines vorzüglichen Samens trägt, nächſt der günſtigen Lage, die
Art der Cultur weſentlich bei. Zur Samengewinnung ſäet man den Lein möglichſt
früh auf umgebrochenes Grasland. Am zweckmäßigſten iſt es, den Samen zu drillen
oder möglichſt ſchütter mit einem Saatquantum von 1—1.75 Hektoliter auf ein Hektar
zu ſäen, damit die Pflanzen weit entfernt von einander ſtehen und ſich um ſomehr ver-
äſteln können. Außerdem läßt man den Samenlein vollkommen ausreifen, abgeſehen
davon, daß man dann auf die Gewinnung eines guten Baſtes verzichten muß.
Iſt es Abſicht, möglichſt vielen und guten Baſt, mit Hintanſetzung der Samen-
gewinnung zu erhalten, ſo ſäet man dicht, 3—4.2 Hektoliter auf ein Hektar. Je
dichter die Pflanzen am Felde ſtehen, um ſo länger, dünner und aſtärmer werden die
Stengel und um ſo feiner wird die Faſer. Letztere bleibt elaſtiſcher, da ſie ſich wegen
des durch den dichten Stand der Pflanzen verringerten Lichtzutrittes weniger verholzt.
Zwiſchen dieſen beiden Extremen der vorzugsweiſen Samen- oder Baſtgewinnung
gibt es eine Mehrzahl von Uebergängen, welchen entſprechend das Saatquantum an-
gepaßt werden muß. Am häufigſten wünſcht man mittelguten Baſt und doch auch
brauchbaren Samen zu erziehen. Für dieſen Fall ſäet man mäßig dicht, 2 Hekto-
liter auf 1 Hektar.
Zur Saat empfiehlt es ſich, überjährigen Samen zu verwenden, nachdem dieſer,
wie die Erfahrung lehrt, beſſere Erträge als friſcher abwirft. Die Urſache ſucht
man in der größeren Austrocknung des älteren gegenüber dem friſchen Samen. Wie
die Saatverſuche von Pietrusky zeigen, iſt es daher bei Verwendung von friſchem,
unverdorbenem Samen gerathen, denſelben vorher künſtlich bei 30°C. (jedoch nicht
über 37°C., da bei dieſer Temperatur der Lein nach Haberlandt ſeine Keimfähig-
keit verliert) auszudörren.
Der Lein wird entweder frühzeitig, Ende März bis Anfang April, als Frühlein,
oder ſpäter, Anfang Mai bis Mitte Juni, als Spätlein angebaut. Je trockener die
Gegend, um ſo eher wird der Same, wenn er frühzeitig ausgeſäet wird, die nöthige
Feuchte zum Keimen finden. Bei häufigen Frühfröſten iſt es jedoch zu empfehlen, die
Saaten zu verſchiedenen Zeiten vorzunehmen, um ſicher zu gehen und ſich zugleich
auch die Ernte zu erleichtern.
Für die Flachsgewinnung wird der Same kreuz und quer breitwürfig aus-
geſäet, da nur auf dieſe Weiſe ein dichter und zugleich gleichmäßiger Pflanzenſtand
erreicht werden kann Die Drillſaat eignet ſich weniger gut, da die Reihen nicht nahe
[123]Die Geſpinnſtpflanzen.
genug geſtellt werden können, am ſicherſten iſt es noch, das Feld kreuz und quer
zu drillen.
Die Unterbringung des kleinſamigen Leines darf nicht tief erfolgen, indem der-
ſelbe, ſobald die Erdbedeckung im Thonboden über 8 Ctm., im Sandboden über 10 Ctm.
beträgt, nicht mehr hervorkommt. Gewöhnlich wird er eingeeggt und nachher abgewalzt,
oder bei ſorgfältiger Cultur mit dem Handrechen eingeharkt.
4. Die Pflege.
Der Leinſamen bleibt mindeſtens acht Tage bis zum Hervortreten der beiden
Keimblättchen im Boden liegen. Während dieſer Zeit iſt durch Uebereggen eine
Verkruſtung des Bodens hintanzuhalten. Bald nach dem Aufgehen erliegt er leicht,
beſonders bei trockener Witterung, den Angriffen der Erdflöhe, gegen welche das
Ueberſtreuen mit Aſche einigermaßen ſchützt. Späterhin leidet er ſowohl durch trockene
Frühjahr- und Sommerwitterung, als auch durch anhaltende, übermäßige Regengüſſe;
letztere befördern das Lagern des Leines. Gegen daſſelbe ſchützt das ſogenannte
Gabeln oder Ländern, welches darin beſteht, daß man aus Reiſig und Stangen
leichte Gerüſte aufſchlägt, welche die Leinſtengel aufrecht erhalten.
Hat man zur Saat kein reines Feld und keinen reinen Samen gewählt, ſo
muß man bald nach dem Aufgehen des Leines an das Jäten ſchreiten, welches ſpäter-
hin nach Bedarf zu wiederholen iſt. Dem Jäten muß um ſo mehr Aufmerkſamkeit
zugewendet werden, als von der Reinheit, der Preis der rohen Stengel abhängt. Am
nachtheiligſten ſind rankende Unkräuter, wie das Klebkraut (Galium aparine L.) ☉, Fig. 13,
S. 21, der Ackerwindling (Convolvulus arvensis L.) ☉, Fig. 80, oder ſolche, welche wie
Ackerwinde (Convolvulus arvensis L.) ☉
nach Nobbe. — a Frucht, b Same, c Same mehr-
mals vergrößert.
Floh-Knöterich (Polygonum
lapathifolium L.) ☉ nach Nobbe. —
a Frucht in nat. Gr.; b desgl. von
der Seite; c Querſchnitt; d vergr.
der Leindotter (Camelina sativa Crtz.), Fig. 65, S. 88, der Leinlolch (Lolium
linicola Sond.) ☉, ſchwer von dem Flachſe zu unterſcheiden ſind. Gegen die auf dem
Leine ſchmarotzende Flachsſeide (Cusuta epilinum Weihe) ☉ hilft am beſten das
Ausſieben der Samen. Außer den genannten Unkräutern finden ſich häufig auf den
Flachsfeldern: der Ackerſenf (Sinapis arvensis L.) ☉, das Leinkraut (Silene linicola
Gm.) ☉, der Ackerſpörgel (Spergula arvensis L.) ☉, Fig. 141, der Flohknöterich
(Polygonum lapathifolium L.)☉, Fig. 81, Wolfsmilcharten (Euphorbia) Fig. 133, ꝛc.
Von Pflanzenkrankheiten hat der Lein nur wenig zu leiden. In den Flachs-
culturen Belgiens hat der Roſt, unter dem Namen „le feu“ oder „la brûlure du
lin“ bekannt, bedenkliche Ausdehnung gewonnen. Derſelbe wird durch einen Pilz,
[124]Beſondere Pflanzenbaulehre.
Melampsora lini Desm. hervorgebracht, welcher auf Stengeln und Blättern ſchma-
rotzt und die Baſtfaſer brüchig macht.
Rapsfägewespe (Ten-
thredo spinarum F.). — Wespe.
Außer von dem Erdflohe wird der Flachs beſchädigt von:
der Rapsſägewespe (Tenthredo spinarum F.), Fig. 82,
der Ypſiloneule (Plusia gamma L.), Fig. 88, deren Larve reſp.
Raupe die Blätter und Blüthen abfrißt und dadurch
oft weite Feldſtrecken vernichtet; dem Flachsknotenwickler
(Tortrix epilinana Zell.), deſſen Räupchen in der äußer-
lich unverſehrt erſcheinenden Samenkapſel die Samen auf-
zehrt. Außerdem ſind die Engerlinge (Melolontha vul-
garis F.), welche die Flachswurzel abnagen, als ſehr
ſchädlich zu bezeichnen.
5. Die Ernte.
Der Zeitpunkt der Ernte richtet ſich nach dem Culturzwecke. Will man eine
feine, elaſtiſche, glänzende, ſich leicht bleichende Faſer erhalten, ſo muß der Lein bald
nach dem Abblühen ausgerauft werden. Zu dieſer Zeit beginnen erſt die unterſten
Blätter zu welken, das Feld hat daher noch ein grünes Ausſehen; die Samen in
den milchigen Kapſeln ſind noch weiß. Zur Samengewinnung läßt man dagegen
den Lein vollſtändig ausreifen. Die Blätter ſind dann von den braun gefärbten
Stengeln abgefallen, die Samenkapſeln raſſeln bei dem Darüberſtreichen, die Samen
ſind hart und glänzend braun gefärbt. Soll Flachs und Same zugleich gewonnen
werden, ſo erntet man zwiſchen jenen beiden Zeitpunkten, wenn die Stengel gelb
gefärbt ſind, das ganze Feld einen zeiſiggelbgrünen Anflug bekommt und die Samen
ſich zu bräunen beginnen.
Das Raufen oder Ausziehen des Flachſes mit der Wurzel darf erſt nach dem
Abtrocknen von Regen oder Thau vorgenommen werden. Die Stengel ſind dabei
unterhalb der Samenknoten zu faſſen, damit das kürzere Unkraut am Felde ſtehen
bleibt. Große Unkrautpflanzen werden abgeſondert. Zum Raufen ſind je nach dem
Stande des Leines 17—20 Arbeiter auf einem Hektare erforderlich, zum Aufſtellen
des gerauften Flachſes weitere 5—7 Arbeiter.
Das Trocknen muß mit vieler Sorgfalt vorgenommen werden, damit der Flachs
nicht ſpröde, grau und glanzlos wird. Bei kleineren Leinfeldern breitet man die
Stengel auf ein benachbartes Stoppelfeld oder eine Wieſe aus und wendet ihn nach
einiger Zeit. Für ausgedehntere Flächen iſt die zweckmäßigſte Art zu trocknen, das
Aufſetzen in Kapellen oder die belgiſche Methode. Die ausgerauften Stengel werden
in einer Reihe auf’s Feld gelegt und wenn ſie nach ½—1 Tag ſteif geworden ſind,
dachförmig, mit den Samenkapſeln nach aufwärts, an eine auf zwei Paar gekreuzter
Schindeln aufliegende Stange angelegt. Die am Ende der 4—5.5 Meter langen
Kapellen ſtehenden Stengel werden mit 2, 3 Stengeln zuſammengebunden, um die
Kapelle ſtandfähiger zu machen. Je nachdem die Stengel und Knoten trocken werden,
läßt man die Kapellen bei gutem Wetter 8, ſonſt 14 Tage bis 3 Wochen ſtehen.
[125]Die Geſpinnſtpflanzen.
Nach dem Trocknen bindet man größere Garben, welche dann zum Abriffeln der
Samen nach Hauſe oder gleich in die Röſtanſtalten geführt werden.
Unzweckmäßiger als das Aufſtellen in Kapellen iſt das Aufſetzen in Puppen,
welche unterhalb der Knoten zuſammengebunden werden. An der Bandſtelle blei-
ben die Stengel länger friſch und der Regen kann weniger leicht ablaufen.
Das Abtrennen der Samenkapſeln wird entweder durch Dreſchen, oder durch
die Bearbeitung mit dem Botthammer, Fig. 83, S. 126, vorgenommen. In beiden
Fällen, im letzteren weniger, geräth der Flachs leicht in Unordnung. Es iſt daher
zweckmäßiger, die Samen durch das Abriffeln zu gewinnen. Daſſelbe beſteht darin,
daß man den Flachs durch einen eiſernen Kamm, die Riffel, Riffelbank durchzieht,
wobei die Samenknoten abreißen, während die Stengel in der Hand des Rifflers
zurückbleiben. Die Kapſeln werden auf Tüchern getrocknet, aufbewahrt und im
Frühjahre ausgedroſchen.
6. Die Flachszubereitung.
Für den Landwirth iſt es ſtets am vortheilhafteſten, die rohen Flachsſtengel an
eine Flachsbereitungsanſtalt zu verkaufen. Fehlt die Gelegenheit dazu, ſo erübrigt
nur, die Zubereitung ſelbſt vorzunehmen, wenn ſie dann auch minder vollkommen ausfällt.
Bei der Zubereitung handelt es ſich um die Trennung des Baſtes von der
Rinde und dem Holzkörper, welche durch ein im Waſſer unlösliches Bindemittel zu-
ſammengehalten werden. Erſt nach dieſer Trennung iſt es möglich, den Baſt in
hinreichend dünne, zum Verſpinnen geeignete Faſerbündel zu zertheilen.
Die Trennung geſchieht, nachdem die Behandlung mit alkaliſcher Lauge oder
Seifenlöſung wegen ihrer Koſtſpieligkeit ſeltener angewendet wird, durch das
Röſten der Flachsſtengel, welches ein Verfaulen des Bindemittels bewirkt.
Die Flachsröſte bezeichnet man je nach dem angewandten Verfahren als Thauröſte,
kalte und warme Waſſerröſte.
Bei der Thauröſte werden die Flachsſtengel auf einer Wieſe oder einem Stoppel-
felde flach ausgebreitet und weiterhin nach Bedarf ſo oft umgewendet, bis durch die
Fäulniß des Bindemittels das Holz derart brüchig geworden iſt, daß ſich der Baſt
leicht abziehen läßt. Der Erfolg dieſes billigſten Röſtverfahrens iſt zu ſehr von der
Witterung abhängig, als daß jederzeit ein gutes, tadelloſes Product erwartet werden
könnte. Abgeſehen von der langen Dauer (4—10 Wochen) dieſes Röſtverfahrens
kann durch anhaltende naſſe Witterung ſehr leicht der Baſt ſelbſt beſchädigt werden,
wie ſchon aus dem großen Gewichtsverluſte, welcher bei dieſer Methode auf
30—40 % geſchätzt wird, hervorgeht. Außerdem iſt durch die bei der Thauröſte
eintretende Zerſetzung die Bildung des Rußthaupilzes kaum zu vermeiden. Das
dunkelfarbige Mycelium dieſes Pilzes haftet feſt an den Baſtzellen und wird durch
das Sonnenlicht nicht gebleicht.
Vortheilhafter iſt die belgiſche oder Waſſerröſte, bei welcher die Stengel mit
der Spitze nach aufwärts in eigenen Lattenkäſten in fließendes Waſſer aufgeſtellt
werden. Durch Beſchweren mit Stangen oder Steinen werden die Röſtkäſten ſtets
[126]Beſondere Pflanzenbaulehre.
unter dem Waſſer gehalten. In Ermangelung von fließendem, offenem Waſſer, oder
wenn die Fiſchzucht durch das abfließende Röſtwaſſer gefährdet erſcheint, verwendet
man eigene Baſſins oder Röſtgruben. Am gewöhnlichſten wird die kalte Waſſer-
röſte Anfang Mai bis Ende September vorgenommen. Je wärmer die Temperatur
des Waſſers, um ſo mehr wird der Röſtprozeß beſchleunigt. Gewöhnlich dauert die
Röſte bei 17°C. 14 Tage, bei 22°C. 8 Tage. Je wärmer das Waſſer und je
grüner der Flachs ausgerauft wurde, um ſo vorſichtiger muß der richtige Zeitpunkt
zum Herausnehmen des gar geröſteten Flachſes beobachtet werden. Ueberröſteter
Flachs verliert ſehr an Werth.
In neuerer Zeit kommt in den Flachsbereitungsanſtalten die Warmwaſſer-
röſte unter Anwendung von heißem Waſſer oder von Dampf in Aufnahme, da ſich
bei fabrikmäßiger Arbeit in kürzerer Zeit, in 60—70 Stunden, unabhängig von
Witterung und Jahreszeit, ein gleichmäßigeres und ſchöneres Product erzielen läßt
als bei irgend einem anderen Röſtverfahren. Zu den bekannteſten Verfahren dieſer
Art zählt die Warmwaſſerröſte von Schenk.
Die geröſteten Stengel werden weiterhin getrocknet, indem dieſelben auf einer
Wieſe ausgebreitet werden, wobei dieſelben gleichzeitig gebleicht werden. Im Thau
geröſteten Flachs trocknet man zuweilen auch im Backofen oder in eigenen Dörr-
ſtuben. Die folgenden Operationen des Bottens, Brechens und Schwingens bezwecken
die vollſtändige Trennung der Faſer von den holzigen Theilen des Flachsſtengels.
Botthammer.
Die erſte Vorbereitung zur Trennung des
Baſtes von dem geröſteten Leinſtengel, das Botten
(Plaueln), beſteht darin, daß die fächerförmig
ausgebreiteten Bündel von Flachsſtengeln mit dem
Botthammer, Fig. 83, ſo lange geſchlagen wer-
den, bis der holzige Theil der Stengel gut
gebrochen iſt. Häufig folgt dieſer Arbeit
die weitere des Brechens (Brackens). Bei
derſelben wird der Flachs geknickt und bei dem
Durchziehen durch die Breche von den als Scheben oder Acheln abfallenden
Holztheilen befreit. Die gewöhnlich gebräuchlichen Handflachsbrechen haben den
Nachtheil, daß ſie, beſonders wenn kein Botten vorangegangen iſt, zu viel Abfall
geben. Dieſer Abfall wird etwas verringert, wenn man den Flachs zuerſt auf
einer einzahnigen und dann auf einer zweizahnigen Breche, Fig. 84, ausarbeitet.
Mit viel weniger Verluſt arbeiten die Flachsbrechmaſchinen, von welchen ſich be-
ſonders die Warneckſche Patent-Flachsknickmaſchine (Preis 256 Mark, 128 fl.) und
die Kaſelovskiſche Brechmaſchine (Preis 526 Mark, 263 fl.) bewährt haben. Das
Brechen des Flachſes bewirken bei dieſen Maſchinen zwei Paar cannelirter Walzen,
zwiſchen welchen durch beſondere Vorrichtungen der Flachs mehrmals hin- und her-
geſchoben wird.
Nach dem Brechen dem Flachſe noch anhängende Scheben werden durch das
Schwingen entfernt. Bei dem Schwingen wird der Flachs in einen handhohen
[127]Die Geſpinnſtpflanzen.
Handflachsbreche. — a perſpectiviſche Anſicht, b Querſchnitt.
Einſchnitt des Schwingſtockes,
Fig. 85, gelegt und mit dem herab-
gleitenden Schwingmeſſer unter
fortwährendem Drehen und Aus-
ſchütteln ſo lange bearbeitet, bis
der Flachs von den Scheben be-
freit iſt. Die Schnur an der
Rückſeite des Schwingſtockes hat
die Beſtimmung, den dahinter
ſtehenden Arbeiter zu ſchützen
und die Führung des Schwing-
meſſers zu erleichtern.
Schließlich wird der gebrechelte
und geſchwungene Flachs mit der
Hechel gekämmt, um von dem-
Schwingſtock.
ſelben alle verwirrten Partien (Werch) und noch zurückgebliebene Holztheile ꝛc. ab-
zuſondern.
7. Der Ertrag.
Von einem Hektare können 1300—4000 Kilogr. getrockneter Flachsſtengel ge-
wonnen werden. Der Ertrag an bearbeitetem Flachſe verringert ſich jedoch durch die
mannigfaltigen Abgänge, die bei dem Röſten 25—30 %, bei dem Brechen und
Schwingen 17—26 % ausmachen, ſo zwar, daß von dem rohen Flachſe nur
12—20 % geſchwingelter Flachs zu erzielen ſind. An gehecheltem Flachſe erhält
man nur 6—10 % von den rohen Flachsſtengeln. Ein Hektar gibt 180—780
Kilogr. geſchwungenen Flachs. Der Nebenertrag an Samen, welche ein werthvolles
Oel geben, erreicht 4—8 Hektoliter per Hektar. Bei ſchütterem Anbaue ſteigt der-
ſelbe auf 12—16 Hektoliter.
[128]Beſondere Pflanzenbaulehre.
2. Der Hanf.
Hanf (Cannabis sativa L.) ☉.
Der gemeine Hanf
(Cannabis sativa L.) ☉,
Fig. 86, zählt zu den
wenigen Culturpflanzen,
welche zweihäuſig ſind.
Die männlichen Blüthen
ſtehen in langen Riſpen
und beſitzen ein fünftheiliges
Perigon mit ebenſo vielen
Staubgefäßen. Die weib-
lichen Blüthen ſtehen an
der Spitze des Stengels ge-
häuft und beſitzen ein ſchei-
denartiges, einblätteriges
Perigon, einen einfächerigen
eineiigen Fruchtknoten mit
zwei fadendünnen Narben.
Die Spielarten des
Hanfes, welche nach der
Höhe des Stengels oder
dem Anbauorte unterſchieden
werden, ſind unbeſtändig.
Bei freiem Stande erreicht
der Hanf im Gegenſatze
zu dem Leine ſeine größte
Höhe, oft 2,5—3 Meter.
Dieſer ſogenannte „Schleiß-
hanf“, Rieſenhanf, verliert
jedoch an Höhe, ſobald er
in dichtem Stande angebaut
wird. Niedriger bleibt der
Spinnhanf, welcher feineren
Baſt liefert. Zu den bewähr-
teſten Sorten des Spinn-
hanfes zählen der Rheinhanf,
der Bologneſiſche und der
Sibiriſche Hanf.
Der Baſt des Hanfes läßt ſich nicht in ſo feine Faſern theilen als wie bei dem Leine,
trotzdem die einzelnen Baſtzellen bei dem Hanfe kürzer ſind. Die Baſtfaſern des Hanfes ſind
nicht ſo elaſtiſch, indem ſie nach Wicke (Flora 1863, S. 114) ſo ſtark verkieſeln, daß ſich
durch Verbrennen derſelben ſchöne Skelete darſtellen laſſen. Die Hanffaſer wird daher vor-
zugsweiſe zur Erzeugung von Stricken, Tauen, Segeltuch und grober Leinwand verwendet.
[129]Die Geſpinnſtpflanzen.
Die Blätter des Hanfes ſind gefingert und mit lanzettlichen, ſägezähnigen Theilblättchen beſetzt.
Die Pflanze iſt mit zahlreichen Drüſenhaaren verſehen. Die Zellen des Haarköpfchens, welche
die Oberhaut als weite Blaſe umgibt, ſind mit einer öligen, riechenden Subſtanz erfüllt,
welche den Stoff zu dem berauſchenden Haſchiſch liefert.
Die männlichen Pflanzen (Staubhanf, Hanfhahn, Femmelhanf, Bäſtling), wachſen höher
und reifen einige Wochen früher als die weiblichen Pflanzen (Samenhanf, Hanfhenne,
Maſtel). Bisher iſt es nicht gelungen, durch Culturmaßregeln auf die Hervorbringung
weiblicher Pflanzen einzuwirken, wie die Verſuche von Haberlandt und Leydhecker nachweiſen.
Nach Letzterem1) zeigen ſich bei Verwendung von:
- ganz ſchwerem Saatgute 48.9 % männliche und 51.1 % weibliche Pflanzen,
- mittelſchwerem „ 28.4 „ „ „ 71.6 „ „ „
- leichtem „ 38,8 „ „ „ 61.2 „ „ „
- friſcher Düngung 31.8 „ „ „ 68.2 „ „ „
- ohne Dünger 42.9 „ „ „ 57.1 „ „ „
- bei früher Saat 38.1 „ „ „ 61.9 „ „ „
- „ ſpäter „ 39.3 „ „ „ 60.7 „ „ „
- im Durchſchnitte 38.3 „ „ „ 61.7 „ „ „
- grauen, dunkelbraun ge-
zeichneten Körnern2) 52.6 „ „ „ 47.4 „ „ „ - nahezu ſchwarzen, reiferen
Körnern als Saatgut 14.1 „ „ „ 85.9 „ „ „
Nach neueren Verſuchen3) wäre Haberlandt geneigt, anzunehmen, daß zwiſchen ſehr
ſtarker Düngung, vielleicht auch der Be-
ſchattung einer- und der Bildung des weib-
lichen Blüthenſtandes andererſeits eine urſäch-
liche Beziehung beſtehe.
Der Same, Fig. 87, iſt von der hart
und glaſig ſpröde gewordenen Fruchtknoten-
haut umgeben. Seine Cotyledonen ſind
reich an Oel (25—32 %). Ein Kilogramm
enthält 42.000 Körner. Die Keimung, bei
welcher nach Göppert eine Temperatur-
erhöhung von 6—7° eintritt, erfolgt nach
Haberlandt bei 4.2°C. in 3 Tagen, bei
10.5°C. in 2 Tagen, bei 15.6°C. und
18.5°C. in einem Tage.
Saathanf (Cannabis sativa L.) ☉ nach Nobbe.
— a und b Frucht, nat. Gr.; c dieſelbe vergrößert;
d Verticalſchnitt durch Frucht und Same: f Frucht-
ſtielnarbe, r Würzelchen, k k Cotyledonen,
p Knöspchen.
1. Die Wachsthumsbedingungen.
Der Hanf gedeiht im Gegenſatze zum Leine, welchem kühles, feuchtes Klima zu-
ſagt, noch in trockenen, heißen Lagen. Er wird faſt in ganz Europa gebaut, vor-
züglich in Süddeutſchland, am Rhein, in Ungarn in der Umgegend von Apatin, in
Mähren, in Rußland, Polen, Frankreich u. ſ. w., ebenſo in Nordamerika.
Am vorzüglichſten gedeiht er auf Neubrüchen, angeſchwemmtem, humoſem Land,
in trocken gelegten Teichgründen, überhaupt an mäßig friſchen Orten, je trockener
Krafft, Lehrbuch d. Landw. II. 9
[130]Beſondere Pflanzenbaulehre.
das Klima und auf humoſem, mergeligem oder ſandigem Lehmboden. In zuſagenden
Lagen gibt er viel ſicherere Erträge als der Lein.
2. Die Vorfrucht und Vorbereitung.
Der Hanf wird entweder in der Fruchtfolge oder auf eigenen Hanfſchlägen
mehrmals nach einander, unter Zuhilfenahme von Dünger, angebaut. Er hinterläßt
das Feld in einem vorzüglichen Zuſtande, ſo zwar, daß nach ihm beſonders Weizen
ſehr gut gedeiht. Der Hanf unterdrückt ſelbſt tiefwurzelnde Unkräuter, wie Diſteln ꝛc.;
im nächſten Jahre bleibt daher die folgende Getreidefrucht, Winterung oder
Sommerung, unkrautfrei. Am häufigſten wird er nach Weizen, Raps oder nach
einer Hackfrucht, auch nach Klee angebaut.
In der Regel wird zu Hanf gedüngt und zwar im Herbſte, um eine gleich-
förmige Vermengung des Stallmiſtes mit dem Boden zu erzielen, obwohl dieſe Rückſicht
nicht ſo ſtreng wie bei dem Leine zu beobachten iſt. Außer der Stallmiſtdüngung lohnen
raſch wirkſame Dünger, wie Schaf- und Geflügelmiſt, Abtrittscompoſt, Aſche, Kalk,
Mergel, Knochenmehl ꝛc. Nach J. Neßler1) gibt eine Düngung mit Kochſalz
nicht nur einen erheblicheren Mehrertrag, ſondern auch eine ſchönere Qualität, be-
ſonders eine zähere und biegſamere Beſchaffenheit des Baſtes. Als Menge empfiehlt
er 150 und nicht über 300 Kilogr. Viehſalz, welches vor dem letzten Pflügen mög-
lichſt gleichmäßig auszuſtreuen iſt.
Die Bearbeitung des Bodens ſoll möglichſt ſorgfältig vorgenommen werden.
Nach dem Stoppelſturze wird im Herbſte mehrmals, wenn möglich einmal tief, gepflügt
und das Feld über Winter in rauher Furche liegen gelaſſen. Im Frühjahre wird das
Feld mit dem Exſtirpator und der Egge vollkommen klar gemacht und vor dem An-
baue mit der Maſchine und mit einer leichten Walze überfahren. Um das nach-
malige Femmeln zu erleichtern, bildet man ſchmale Beete.
3. Die Saat.
Zur Saat eignet ſich am beſten Samen aus Apatin (Ungarn) oder aus Cremona
(Italien), dem Breisgau und Elſaß. Empfehlenswerth iſt es, den Samen vor
ſeiner Verwendung einer Keimprobe zu unterziehen, da er oft taub, keimunfähig, iſt.
Die Hanfkeimpflanze iſt ſehr empfindlich gegen den Froſt. Der Hanf iſt daher
erſt ſpät, Ende April, Anfang Mai und ſelbſt noch im Juni anzubauen. Zur Ge-
winnung von feinem Hanfe baut man dichter, für Seilerhanf und zur Samen-
gewinnung ſchütterer. Zu letzterem Zwecke ſprengt man oft einzelne Samenkörner
in Kartoffeläcker ein und erhält dann 3—4 Meter hohe, kleinen Nadelbäumchen
ähnliche Pflanzen. Spinnhanf, welcher auf ſchwächerem und trockenerem Boden zu
ſtehen kommt, wird breitwürfig mit 2—3, auch 4 Hektoliter per Hektar ausgeſäet
und untergeeggt oder auf 14 Ctm. mit 2 Hektoliter Saatmenge gedrillt. Für
ſtarken Hanf ſäet man nur 1—2 Hektoliter. Zur Samengewinnung wird der Hanf
[131]Die Geſpinnſtpflanzen.
in 1 Meter weiter Entfernung gedrillt und die Drillreihen mit der Dornegge zu-
geſchleift. Für letzteren Fall genügt ein Saatquantum von 0.5 Hektoliter.
4. Die Pflege.
Der Hanf wächſt ſchnell und unterdrückt das Unkraut leicht; er bedarf daher
faſt gar keiner Pflege. Der weitgeſtellte Samenhanf wird, wenn erforderlich,
gejätet und ſobald er 30—40 Ctm. hoch iſt mit der Hand oder mit einem möglichſt
weit geſtellten Häufelpflug, unter gleichzeitigem, leichtem Anhäufeln, auf 50—60 Ctm.
Entfernung vereinzelt.
Stürme beſchädigen den Hanf durch das Aneinanderreiben der Stengel, ſonſt
leidet er nur wenig von ungünſtiger Witterung.
Auf flachſtreichenden Seitenwurzeln ſiedelt ſich nicht ſelten eine gefährliche
Schmarotzerpflanze, der Hanfwürger, Hanftod (Orobanche ramosa L.) ♃ an.
Derſelbe wird am ſicherſten, nächſt der Reinigung des Samens, durch ein leichtes Be-
häufeln mit Handhäckchen ferngehalten. Außerdem ſchmarotzt auf dem Hanfe
die Seide (Cuscuta europaea L.) ☉.
Von Pilzkrankheiten leidet der Hanf wenig. Zuweilen zeigen ſich hervorgerufen durch
einen Pilz (Spilosphaeria Cannabis) weißlich graue, braun berandete Flecken auf
den Blättern. In Rußland befällt der Hanfkrebs (Peziza Kaufmanniana Tich.)
den Stengel und beſchädigt die Baſtfaſer.
Außer von vielen körnerfreſſenden Vögeln, beſonders dem Hänfling (Fringilla
cannabina), welche dem Samen nachſtellen, wird der Hanf von folgenden Inſecten
heimgeſucht:
Wurzel:
Engerling (Melolontha vulgaris F.),
Larve ſehr ſchädlich.
Todtenkopfſchmetterling (Sphinx Atro-
pos L.), Raupe unmerklich ſchädlich.
Ypſiloneule (Plusia gamma L.),
Fig. 88, Raupe ſehr ſchädlich.
Flöhkrauteule (Mamestra persi-
cariae L.), Raupe ſchädlich.
Stengel:
Hirſezünsler (Pyralis silacealis
Treit.), Raupe ſchädlich.
Ypſiloneule (Plusia gamma L.). — a Ei ver-
größert, b in nat. Gr., c Raupe, d Puppenhülle, e Eule.
5. Die Ernte.
Der männliche Hanf (Femmel) wird bei ſorgfältiger Cultur ſobald er ab-
geblüht hat und gelb zu werden beginnt, gleich ausgerauft. Derſelbe reift 4—6
Wochen früher als wie der weibliche oder Samenhanf, gewöhnlich Anfang oder Ende
9*
[132]Beſondere Pflanzenbaulehre.
Auguſt. Zuweilen femmelt man ſchon vor dem Verſtäuben, um die Samen-
bildung zu verhindern und ein feineres Product zu erzielen. Unterläßt man dieſe
allerdings mühſame Arbeit, ſo verholzt die Faſer der überreifen, männlichen Pflanzen
zu ſtark, um noch ein feines Produkt geben zu können. Von einem Hektare werden
ungefähr 1000—1200 Kilogr. Femmelhanf gewonnen.
Will man ein feines Produkt erzielen, ſo wird der ſpäter reifende, weibliche Hanf,
ſobald er abgeblüht hat, ausgerauft. Der Stengel muß jedoch noch grün ſein,
zeigt er eine röthliche Färbung, ſo iſt er ſchon überreif. Bei gleichzeitiger Faſer-
und Samengewinnung zieht man jedoch etwas ſpäter nach dem Fruchtanſatze. Hanf
zur ausſchließlichen Samengewinnung wird Ende September, Anfang Oktober
mit der Sichel knapp am Boden abgenommen, ſobald die oberen Körner lichtgelb
werden und aus den Blüthenblättern leicht herausgenommen werden können. Ueber-
reifer Hanf leidet zu ſehr durch Ausfall und Vogelfraß.
Die ausgerauften Hanfſtengel werden durch Abklopfen von der Erde befreit,
kürzere Stengel für ſich ausgeſchieden, da dieſe kürzere Zeit zum Röſten brauchen,
in armſtarke Bündel gleich mit einem Hanfſtengel gebunden und in Pyramiden zum
Trocknen aufgeſtellt. Die Arbeiter thuen gut, ſich ihre Hände beim Raufen mit
Tüchern zu umwickeln, da dieſe, namentlich bei ſtarkem, oft zweifingerdickem Hanfe, ſonſt
bald wund werden. In den Pyramiden bleibt der Hanf 2—3 Tage, bis die Blätter
abgewelkt und ein ſchwarzes Ausſehen erlangt haben. Der getrocknete Rohhanf
wird dann gleich in die Fabrik gefahren oder wenn dieß nicht möglich der weiteren
Zubereitung unterworfen.
Der Ertrag an Rohhanf erreicht auf einem Hektare 2500—8000 Kilogramm.
Bei der Samengewinnung wird der getrocknete Hanf in großen, runden Haufen
mit 3.5 Meter Durchmeſſer, zuſammengeſchichtet und zum Schutze gegen Vögel mit
Stroh zugedeckt. Dieſe Haufen erwärmen ſich ſtark, es muß daher öfters nachgeſehen
werden. Nach einigen Tagen gehen dann die Früchte leicht aus den durch die
Wärme zerſtörten Blüthenblättern heraus. Sie werden am Felde ſelbſt auf einem
vorbereiteten Platze durch Aufſchlagen von je einer Handvoll Stengel auf ein Brett ge-
wonnen. Die ausgeſchlagenen, nachträglich noch gereinigten Früchte geben das beſte Saatgut.
Die in den Stengeln zurückbleibenden, geringeren Körner werden durch Ausdreſchen
erhalten und entweder verfüttert oder zur Oelgewinnung verwendet. Der Samen-
ertrag erreicht auf einem Hektare 10—20 Hektoliter. Von 1 Hektoliter Samen
à 52—53 Kilogr. erhält man 25 % Oel und 75 % Oelkuchen, welche ſich jedoch
nur zu Düngungszwecken verwenden laſſen.
Die weitere Zubereitung des Spinnhanfes iſt ähnlich jener des Leines. Das
Röſten wird gewöhnlich im Waſſer in beſchwerten Lattenkäſten vorgenommen. Es
dauert je nach der Stärke der Stengel und der Temperatur des Waſſers 4—7 Tage.
Von dem fertig geröſteten Hanfſtengel läßt ſich die Faſer ihrer ganzen Länge nach
abziehen; reißt ſie ab, ſo iſt der Hanf überröſtet oder überreif gezogen worden.
Der geröſtete Hanf wird zum Trocknen aufgeſtellt und bis zur weiteren Verarbeitung
in Triſten eingelagert. Dieſe Verarbeitung beſteht im Brechen, Schwingen und
[133]Die Knollen- und Wurzelfrüchte.
Hecheln. Dieſelbe wird wie bei dem Leine, nur mit ſtärker gebauten Geräthen und
Maſchinen vorgenommen. Vor dem Schwingen wendet man in der Regel die ſo-
genannten Hanfreiben an, welche in Hanfgegenden gewöhnlich von den Müllern
in Betrieb erhalten werden.
Der Ertrag an geſchwungenem Hanfe wird zu 350—1300 Kilogr. angenommen.
Von 100 Kilogr. geſchwungenem Hanfe erhält man 50—60 Kilogr. gehechelten.
100 Kilogr. Rohhanf geben im Durchſchnitte 16 Kilogr. gehechelten Hanf.
VIII.
Die Knollen- und Wurzelfrüchte.
Die Knollen- und Wurzelfrüchte werden wegen ihres unterirdiſchen Stammes
oder wegen ihrer Wurzel gebaut, welche durch die Cultur gegenüber den wildwachſenden
Pflanzen an Umfang und Qualität zunimmt. Dieſe beiden Pflanzengruppen er-
fordern während des Wachsthumes zur Ausbildung ihres nutzbaren, unterirdiſchen
Theiles eine ſorgfältige Bodenbearbeitung, weshalb ſie auch als „Hackfrüchte im engeren
Sinne“ bezeichnet werden.
Mehrere Knollen- und Wurzelfrüchte ſind menſchliche Nahrungsmittel, andere
geben ein werthvolles Viehfutter, andere ein Rohmaterial für mannigfaltige tech-
niſche Gewerbe, wieder andere laſſen eine Verwendung zu mehreren der genannten
Zwecke zu. Die näheren nutzbaren Beſtandtheile der Knollen und Wurzeln ſind das
Stärkemehl und der Zucker. In der Kartoffelknolle macht das Stärkemehl oft den
größten Theil der Trockenſubſtanz aus. Durch die Knollen- und Wurzelgewächſe
werden bedeutende Mengen an Futter producirt; viele geben 8.600—11.000 Kilogr.
Trockenſubſtanz von einem Hektare, unter Umſtänden, beſonders wenn ihr Ertrag
durch Cultur und Düngung geſteigert wird, daher mehr als manche Grün-
futterpflanze. Die Hackfrüchte bilden eine weſentliche Stütze für die Winterfütterung,
obgleich ſie kein ganz naturgemäßes Futter ſind. Sie enthalten zu wenig Proteïn-
ſtoffe. Um vollſtändig ausgenutzt zu werden, verlangen ſie daher einen Zuſatz von
Oelkuchen, Körnern und Stroh. Sie vertragen wegen ihres hohen Waſſergehaltes
keinen weiten Transport. Ihre Aufbewahrung über den Winter iſt aus derſelben Ur-
ſache mit großen Schwierigkeiten verbunden.
Die Knollen- und Wurzelfrüchte erfordern Tiefcultur, mehrfaches Behacken
und Behäufeln; ihre Cultur iſt daher koſtſpielig. Die Koſten werden jedoch reichlich
durch den Ertrag gedeckt. Da ſie viele Arbeit erfordern, eignen ſie ſich nicht für
menſchenleere Gegenden, ſondern mehr für dichte Bevölkerung. Großgüter, welche
ihre Cultur aufnehmen, bedürfen einer Vermehrung des Spannviehes. An die
Bodennährſtoffe ſtellen ſie hohe Anſprüche, da dieſe — wenn ſie für techniſche Gewerbe
als Handelspflanzen gebaut werden — größtentheils von der Wirthſchaft ausgeführt werden.
Die Bodenſubſtanz wird nur dann erhalten, wenn nur Zucker oder Stärke, deren Beſtand-
theile die Pflanzen aus der Luft genommen, ausgeführt werden und die übrigen Ab-
fälle der betreffenden techniſchen Gewerbe wieder in der Wirthſchaft verwendet werden.
[134]Beſondere Pflanzenbaulehre.
Ein Theil dieſer Abfälle gewährt bedeutende Futtermengen, welche in Dünger um-
gewandelt, dem Boden die entzogenen Nährſtoffe wieder zurückerſtatten. Am vortheil-
hafteſten wird ſich die Cultur der Hackfrüchte herausſtellen, wenn durch Vermehrung des
Capitals- und Düngeraufwandes möglichſt hohe Ernteerträge angeſtrebt werden, indem
ſich dann die nahezu gleichbleibenden Arbeitskoſten auf eine größere Erntemenge vertheilen:
Am häufigſten werden von den Knollenfrüchten cultivirt und zwar aus
der Familie der
Cruciferen: der Kohlrabi (Brassica oleracea gongyloides L.)
Solaneen: die Kartoffel (Solanum tuberosum L.)
Compoſiten: der Topinambur (Helianthus tuberosus L.).
Von den Wurzelfrüchten werden gebaut aus der Familie der
Chenopodeen: die Runkelrübe (Beta vulgaris L.),
Cruciferen: die Steck- oder Kohlrübe (Brassica napus rapifera DC.),
die weiße oder Waſſerrübe (Brassica rapa rapifera DC),
Cucurbitaceen: der Kürbis (Cucurbita Pepo L.),
Umbelliferen: die Sellerie (Apium graveolens L.), die Paſtinake
(Pastinaca sativa L.), die Möhre (Daucus carota L.),
Compoſiten: die Cichorie (Cichorium intybus L.).
Im Anhange ſollen einige Futterpflanzen, deren Stengel und Blätter zur Ver-
wendung kommen, jedoch in der Cultur mit den Knollengewächſen übereinſtimmen,
beſprochen werden und zwar aus der Familie der
Cruciferen: der Winterkohl, Kuhkohl (Brassica oleracea acephala
DC.), das Kopfkraut (Brassica oleracea capitata DC.).
1. Der Kohlrabi.
Spätkohlrabi (Brassica oleracea gongy-
loides L.). ⚇
Der Kohlrabi, Oberkohlrabi, Ober-
rübe (Brassica oleracea gongyloides L.) ⚇
wird nur vereinzelt im Größeren am
Felde, gewöhnlich nur im Garten oder
als Zwiſchenfrucht in Hopfengärten als
Gemüſe angebaut. Für das Feld eignet
ſich beſonders der Spätkohlrabi, Fig. 89.
Derſelbe gedeiht am beſten auf mehr
leichtem als ſchwerem Boden, der ſich in
gutem Düngungszuſtande befinden und
vor Winter tief gepflügt werden ſoll.
Die nöthigen Pflanzen erzieht man auf
beſonderen Gartenbeeten, auf welchen die
Ausſaat nicht vor Anfang April ſtatt-
finden ſoll, um zu vermeiden, daß die
Pflanzen in die Blüthe ſchießen. Bei
dichtem Stande im Gartenbeete erhält
[135]Die Knollen- und Wurzelfrüchte.
der Kohlrabi leicht ein ſpindeliges Wachsthum, weshalb eine ſchüttere Stellung
vorzuziehen iſt. Das Ausſetzen der erſtarkten Pflänzchen auf das Feld erfolgt
mit dem Ballen auf 30—60 Ctm. im Quadrate. Während des Wachsthumes
werden dieſelben nach Bedarf behackt, ſtets reingehalten und nach Thunlichkeit
begoſſen.
Die Ernte erfolgt ſobald die Knolle den Umfang eines großen Apfels er-
reicht hat.
2. Die Kartoffel.
Die Kartoffel, auch Erdapfel, Erdbirne, Grundbirne oder Erdtoffel genannt
(Solanum tuberosum L.) gehört zur Familie der Nachtſchattengewächſe (Solaneae):
Kelch fünftheilig, Blumenkrone radförmig mit fünftheilig gefaltetem Saume; die
Staubbeutel kegelförmig zuſammengeneigt, an der Spitze mit zwei Löcher auf-
ſpringend. Frucht eine vielſamige Beere. Samen mit großem Endoſperme; Keim
gekrümmt.
Wenig Pflanzen variiren in ſo vielen Spielarten als die Kartoffel; aber nur
wenige dieſer Spielarten zeigen ſich in ihren Eigenſchaften conſtant. Ueber den
Werth der Sorte für ſpecielle Verhältniſſe entſcheidet daher nur der Anbauverſuch,
welcher jedoch erſt nach mehrjähriger Wiederholung einen ſicheren Anhaltspunkt
gewährt.
Die verſchiedenen Kartoffelſorten werden zunächſt nach ihrer Reifezeit in Früh-,
Mittelfrüh- und Spätkartoffeln unterſchieden. Für die weitere Unterabtheilung iſt
die Form der Knolle (1. lang, 2. oval, 3. rund), die Tiefe der Augen (a tief,
b mitteltief, c flachſitzend), die Form des Längenquerſchnittes (α rund, β platt),
die Größe der Knolle (a klein, b mittelgroß, c groß, d ſehr groß), die Färbung der
Knollenſchale und des Fleiſches (gelblich, röthlich, roth, blau und weiß), die Be-
ſchaffenheit der Schale (rauhſchalig oder glatt), die Form der Stolonenbildung (kurze
Stolonen mit dicht anſitzenden Knollen, mittellange Stolonen, an deren Spitze
die Knollen ſitzen und ſehr lange, ſtark verzweigte Stolonen mit Knollenanſatz, vor-
wiegend an der Spitze der Nebenſtolonen), der Wuchs des Krautes, ſeine Höhe und
Färbung, die Färbung der Blüthe (weiß, blaßviolett, blauviolett, blauroth), maß-
gebend. Vom wirthſchaftlichen Standpunkte entſcheidet über den Werth der Kartoffel-
ſorten ihr Ertrag und Stärkemehlgehalt.
Aus der großen Zahl (über 1000) von Kartoffelſorten 1), die oft unter den
verſchiedenartigſten, willkürlichen Namen vorkommen, ſeien die nachſtehenden wegen
ihrer guten Eigenſchaften beſonders erwähnt:
I. Frühkartoffeln. 1. Lange Form, Augen flach, Querſchnitt rund: Lange
Johanniskartoffel, weiße Schale, hellgelbfleiſchig, Stärkemehlgehalt 19.1 %; Lange
Sechswochenkartoffel, gelblich, rauhſchalig, gelbfleiſchig 17.8 %. 2. Ovale
Form, Augen flach, Querſchnitt rund: Weiße Zuckerkartoffel, gelbfleiſchig, 19.5 %;
Querſchnitt platt: Early Rose oder Amerikaniſche Roſenkartoffel, blaßroth, rauh-
[136]Beſondere Pflanzenbaulehre.
ſchalig, weißfleiſchig, 19.0 %; Chileniſche Huaichalkartoffel, hellroth, gelbfleiſchig,
23.1 %; 3. Runde Form, Augen mittel, Querſchnitt rund: Bisquitkartoffel, weiß,
weißfleiſchig, 19.3 %.
II. Mittelfrühe Kartoffeln. 1. Lange Form, a Augen tief, Querſchnitt rund:
Tannenzapfenkartoffel, gelblich, gelbfleiſchig; b Augen flach, Querſchnitt platt: Pater-
ſons weiße Nierenkartoffel, weißfleiſchig 17.4 %; 2. Ovale Form, Augen flach,
Querſchnitt rund: Goderichkartoffel zart weiß, rauhſchalig, weißfleiſchig, 18.0 %.
III. Spätkartoffeln. 2. Ovale Form, Augen tief, Querſchnitt rund: Rieſen-
Sandkartoffel, weiß, rothe Flecken, gelbfleiſchig 11.4 %; 3. Runde Form, a Augen
tief, Querſchnitt rund: Grüne Heiligenſtädterkartoffel, gelblich, gelbfleiſchig, 17.0 %;
Rio Frio, hellroth, weißfleiſchig, 20.7 %; Zwiebelkartoffel aus Voigdehagen, blaß-
roth, rauhſchalig, weißfleiſchig, 24.9 %; b Augen mittel, Querſchnitt platt: Sächſiſche,
weißfleiſchige Zwiebelkartoffel, hellroth, rauhſchalig, 21.3 % ꝛc.
Die Fortpflanzung der Kartoffel erfolgt gewöhnlich durch die Knolle, welche als unterirdiſcher
Stammtheil anzuſehen iſt. In der Kartoffelknolle finden ſich die ſtickſtoffhaltigen Reſerve-
ſtoffe als Protoplasma oder als Aleuronkryſtalle, die je näher der Schale und den
Knospenaugen um ſo reichlicher vorkommen. Die ſtickſtofffreien Reſerveſtoffe füllen als
Stärkemehl die Zellen der Knolle. Nach Außen iſt die Kartoffel durch eine Korkſchicht, Rinde
(Kartoffelſchale) abgeſchloſſen, welche bei den rauhſchaligen Sorten zahlreiche Korkwärzchen
(Lenticellen) aufweiſt. Zuweilen tritt, beſonders in naſſen Jabrgängen, eine reichere und
maſſigere Entwickelung der Korkwärzchen als gewöhnlich auf. Dieſe Erſcheinung bezeichnet
man als Schorf. Eine rauhe Schale wird gewöhnlich als Merkmal für einen hohen
Stärkemehlgehalt und für eine größere Widerſtandsfähigkeit gegen die Pilzkrankheit an-
geſehen. An der Oberfläche der Knolle finden ſich in ſpiraliger (8/13) Stellung vertheilt,
zahlreiche Blattorgane in Geſtalt kleiner Schuppen. In den Achſeln dieſer Schuppenblätter
finden ſich Knospenanlagen, die Knospenaugen.
Bei der Keimung der Kartoffel wird durch die Vegetation der Knospen die Saat-
kartoffel allmählig ausgeſchöpft. Zunächſt wird das Stärkemehl als Zucker gelöſt, und
die Eiweißſtoffe in der Nachbarſchaft der Gefäßbündel, welche unter der Korkſchale gegen
die Knospenaugen zu verlaufen, dem Keime zugeführt und von dieſem zur Zellbildung
verwendet. Erſt ſpäter wird der Inhalt der entfernteren Zellgewebe im Inneren der Knolle
in Anſpruch genommen. Die Saatkartoffel wird jedoch nach den Unterſuchungen von
F. Nobbe1) nicht vollſtändig ausgeſchöpft. Die Veränderungen, welche im Durchſchnitte die
Kartoffelmutterknolle erleidet, nachdem ſie 4 Laubſproſſen von zuſammen 150 Grm. und
11 Knollen à 54 Grm. gebildet hatte, ergeben ſich aus den folgenden Zahlen:
Beachtenswerth iſt es, daß mit der Entwickelung der Keimtriebe der Solaningehalt
(Alkaloid) der Kartoffel beträchtlich zunimmt.
Unter 4°C. findet nach den Beobachtungen von K. v. Rappard 2) keine Keimung
[137]Die Knollen- und Wurzelfrüchte.
mehr ſtatt. Gegen den Froſt ſind die Kartoffeltriebe ſehr empfindlich, indem ſie weniger
durch die directe Kälteeinwirkung als durch die Wärmeausſtrahlung ſchon bei Temperaturen
nicht weſentlich unter 0° beſchädigt werden.
Die erſten Blätter ſproſſen bei einer Mitteltemperatur von 11.5—13°C. nach 29—16
Tagen (334—212°C.) aus dem Boden hervor. Die Blüthe tritt bei einer mittleren Luft-
temperatur von 13.8 und einer Bodentemperatur von 14.7°C. in 36—40 Tagen nach
dem Keimen und die Knollenreife von der Blüthe in 50—60 Tagen ein, ſo zwar, daß die
geſammte Vegetationsdauer 116—144 Tage beträgt. Bei Frühkartoffeln kann jedoch die
Vegetationsdauer 70—90, bei Spätkartoffeln 180 Tage erreichen. Die erforderliche Wärme-
ſumme von der Saat bis zur Reife der Knollen beträgt 1300—1600°C.
Trotzdem die Blattoberfläche einer Kartoffelpflanze nach den Meſſungen von Dr. Th.
v. Gohren 1) 3453 □Ctm. beträchtlich iſt, ſo beſitzt die mit Kartoffeln beſtandene Fläche
gegenüber anderen Culturpflanzen die geringſte Blattoberfläche. Erſtere = 100 verhält ſich
zu der Blattfläche auf einem Zuckerrübenfelde wie 100:147, Kleefelde: 456, Roggenfelde (ge-
drillt): 792, Haferfelde (gedrillt): 1336. Frühreife Sorten haben in der Regel ein ſehr
niedriges, ſpätreifende ein hoch gewachſenes Kraut. Je höher das Kraut um ſo größer iſt
die Bodenbeſchattung und um ſo unkrautreiner hält ſich das Feld. Von der Kraut-
entwickelung hängt die Pflanzweite der Knolle ab.
Aus den Knospenaugen der Knolle entwickeln ſich unterirdiſche Seitentriebe, die Stock-
triebe oder Stolonen, welche ſich, wenn ſie im Boden verbleiben, zu Knollen verdicken,
wenn ſie über den Boden gelangen, zu Laubſtengeln auswachſen. An denſelben Achſelſtellen
entwickeln ſich auch zahlreiche Wurzeln, welche die Nahrung aus dem Boden aufnehmen.
Bei ertragreichen Sorten iſt die Wurzelentwickelung der Kartoffel nur mäßig. Bei den-
ſelben bilden ſich an einer mächtig entwickelten, ungetheilten Hauptwurzel aus den
Schuppenachſeln eine mäßige Menge von Wurzelfaſern. Bei geringwerthigen Sorten ent-
wickeln ſich dagegen zahlreiche, langbärtige Wurzelfaſern an einer ſchmächtigen Hauptwurzel.
Dieſe Wurzelentwickelung bezeichnet man als lodig. Je mehr Stolonen die Pflanze ent-
wickelt und je reichlicher dieſelben verzweigt ſind, um ſo mehr Knollen ſind zu erwarten.
Bei übermäßiger Stolonenentwickelung, wie bei übermäßiger Krautbildung finden ſich zwar
zahlreiche aber nur kleine Knollen.
Die oberirdiſchen aus den Blattachſeln hervorkommenden Seitenzweige ſind, wie das
von J. Kühn 2) beobachtete Vorkommen von Knöllchen im Kartoffelkraute darthut, von
phyſiologiſcher Gleichwerthigkeit mit den aus den Achſeln der Schuppenblätter hervortretenden
Stolonen; deren Bildung kann daher durch frühzeitiges Heranziehen des Bodens durch
Umwandlung der Seitenzweige befördert werden.
Unter Umſtänden tritt ein Durchwachſen der Knollen beſonders bei ſpätreifenden
Sorten ein. In dieſem Falle entwickeln ſich entweder unmittelbar an einer Mutterknolle
(Kindelbildungen) oder an der Spitze aus dieſer hervorwachſender Bruttriebe neue Knollen.
Die Bildung dieſer Tochterknollen geſchieht nach J. Kühn 3) nicht auf Koſten der Mutter-
knolle, da ſie mit dieſer gleichen Stärkemehlgehalt beſitzt, ſondern durch Einwanderung von
neuen Reſerveſtoffen aus der Pflanze. Erfolgt das Auswachſen nach dem Abſterben des
Krautes, ſo iſt daſſelbe dann allerdings nur auf Koſten der früher gebildeten Mutter-
knollen möglich.
[138]Beſondere Pflanzenbaulehre.
Ueber die Knollenentwickelung bei zwei Kartoffelſorten führen wir die Unterſuchungen
von F. Nobbe (Sächſ. Amtsbl. 1867, 11) an:
Die Stoffwanderungen in der reifenden Kartoffelpflanze gehen nach zwei Richtungen.
Ein Theil der während des Wachsthumes in den Blättern gebildeten Aſſimilationsproducte
wandert aufwärts in die zur Beere ausreifende Blüthe, ein anderer abwärts zu der Knolle,
welche entſprechend der Stoffeinwanderung an Größe zunimmt. Die Stärke wird dabei
in den leitenden Geweben in eine Glykoſe ähnliche Subſtanz umgewandelt, welche in
der Beere oder in noch ergiebigerer Weiſe in der Knolle das Material zur Anſammlung
der Stärke liefert. Mit vorſchreitender Reife nimmt die Kartoffel ſo lange an Stärkemehl
zu, als das Kartoffelkraut noch grünt. Nach Nobbe und Siegert 1) zeigen verſchieden alte
Knollen, welche nach ihrer Größe in acht Entwickelungsſtufen gruppirt wurden, folgenden
Gehalt:
Nach dieſem phyſiologiſchen Zuſammenhange zwiſchen den unter- und oberirdiſchen
Organen der Kartoffelpflanze ergibt ſich von ſelbſt, wie übrigens durch zahlreiche Verſuche
nachgewieſen wurde, daß eine Entlaubung der Kartoffelpflanze nur nachtheilig auf den
Knollenertrag einwirken kann, je früher dieſelbe vorgenommen wird.
1. Die Wachsthumsbedingungen.
Die Kartoffel kommt wildwachſend in ihrer Heimat, auf den kalten Höhen
der Anden von Chili und Peru, vor. Als Culturpflanze, deren Wichtigkeit jener
der Getreidepflanzen nahe kommt, wird ſie auf der ganzen bewohnten Erde angebaut.
In Europa erſtreckt ſich ihre Cultur bis zum 70° 40′ nördlicher Breite über die
Grenze der Getreidecultur hinaus. Sie wird noch in Island und in der Schweiz
an der Sonnenſeite der Gebirge in einer Meereshöhe von 1400 Meter angebaut,
während ſie im tropiſchen Südamerika zwiſchen 500—570 Meter Meereshöhe
cultivirt wird.
Die Abänderungen der Kartoffelpflanze beziehen ſich vorzugsweiſe auf die
Aenderung der Form und die Zuſammenſetzung der Knollen. Erwähnenswerth, wenn
[139]Die Knollen- und Wurzelfrüchte.
auch ohne Bedeutung, iſt der Umſtand, daß die urſprünglich nur weißen Blüthen
bei uns auch röthlich und violett gefärbt auftreten. Die Knollen der wildwachſenden
oder der aus Samen gezogenen Kartoffeln beſitzen höchſtens Pflaumengröße, eine rund-
liche bis eiförmige Geſtalt, blaßgelbe Färbung und glatte Schale. Erſt durch die
Cultur, durch die Verſchiedenheit des Bodens, weniger durch die Verſchiedenheiten
des Klima’s, nehmen ſie unter gleichzeitiger Vergrößerung die mannigfaltigſte Form,
Farbe und Beſchaffenheit an. Am meiſten wird durch dieſe Einflüſſe der Ertrag
der Knollen und deren Stärkegehalt abgeändert.
Der Stärkemehlgehalt ein und derſelben Kartoffelſorte erhöht ſich in dem Maße,
als der Sandgehalt des Bodens ſteigt und verringert ſich im Verhältniſſe, als der
Boden an Feuchtigkeit und Bindigkeit zunimmt. Auf feuchtem, naßgalligem Boden
tritt überdieß, wenn überhaupt die Kartoffel noch fortkommt, ein erheblicher, oft über
50 % gegen zuſagenden Boden betragender Minderertrag ein. Von ähnlichem Ein-
fluſſe iſt trockene oder naſſe Witterung, welche beziehungsweiſe den Stärkemehlgehalt
und den Ernteertrag ſteigert oder vermindert
Ungehinderter Einfluß von Licht und Wärme beſchleunigt den Eintritt der ver-
ſchiedenen Wachsthumsperioden. Es iſt daher wahrſcheinlich, daß durch die ununter-
brochene Einwirkung von Wärme und Licht in den längeren Tagen des Nordens die
Bildung von frühreifen, umgekehrt im Süden die Bildung der ſpätreifenden Kar-
toffelſorten begünſtigt wird. Frühreifende Sorten erhält man übrigens auch, wenn
von ſpätreifenden Sorten vor der Reife einige ſchon entwickelte Knollen ausgenommen
und zur Saat verwendet werden.
In Betreff der Bodenanſprüche beſteht bei der Genügſamkeit der Kartoffel das
Vorurtheil, daß dieſelbe wie der Hafer auf jeder Bodenart gedeihe. Die ſicherſten
und ausgiebigſten Erträge gewährt dieſelbe jedoch nur auf ſandigem, mergeligem
Lehmboden, je tiefgründiger und je weniger feucht ſeine Lage iſt. Zunächſt ſteht in
der Eignung für die Kartoffelcultur der Sandboden. Auf ſehr trockenem Sandboden
ſinkt jedoch der Ertrag, wenn auch nicht ſo bedeutend, wie auf bindigem, feuchtem
Lehm- und Thonboden oder auf naſſem Moorboden. Bindige und feuchte Boden-
beſchaffenheit hindert die Knollenausbildung und verringert wie oben bemerkt den
Stärkemehlgehalt der wäſſerig werdenden Kartoffelknollen. Bei trockenem Boden
ergibt ſich außerdem nach der Erfahrung im Großen ein mäßigeres Auftreten der
Knollenkrankheit.
Ihre Anſprüche an den Nährſtoffvorrath des Bodens ſind mäßig. Die Er-
ſchöpfung wird jedoch beträchtlich, wenn das aſchenreiche Kraut vom Felde weggeführt
wird, wie aus nachſtehenden Zahlen zu erſehen iſt, welche für einen Mittelertrag auf
einem Hektare gelten. Es enthalten
180 Hektoliter Kartoffeln à 61 Kilogr. oder
- 11.000 Kilogr. Knollen 103.4 Aſche, 17.6 Phosphorſäure, 62.7 Kali,
- 2.000 „ Kraut 39.4 „ 3.2 „ 8.6 „
- Geſammternte 142.8 Aſche, 20.8 Phosphorſäure, 71.3 Kali.
[140]Beſondere Pflanzenbaulehre.
2. Die Vorfrucht und Vorbereitung.
In der Fruchtfolge erhält die Kartoffel jeden beliebigen Standpunkt angewieſen,
ſofern nur Sorge getragen wird, daß durch Düngung ein genügender Vorrath an
leicht aufnehmbarer Pflanzennahrung geſchaffen wird. Gleich wie nach jeder Pflanze
kann die Kartoffel auch nach ſich ſelbſt ohne erheblichen Nachtheil bei ausreichender
Düngung angebaut werden. Sie zählt zu jenen wenigen Pflanzen, welche auch in
friſch aufgebrochenem Wald- und Wieſenlande vorzüglich gedeihen.
Nachfolgende Früchte ſind gewöhnlich Sommerhalmfrüchte. Nach Frühkartoffeln,
welche rechtzeitig das Feld räumen, kann auch Wintergetreide angebaut werden, wenn
nicht der Bodenzuſtand hindernd entgegentritt. Die Kartoffel hinterläßt das Feld in
ſehr lockerem, zugleich aber häufig auch in ſehr trockenem Zuſtande. In dieſem
Falle ſind die Winterſaaten der Gefahr des leichten Auswinterns ausgeſetzt.
Die Kartoffel bedarf bei ihrer geringen Bewurzelung eines größeren Reich-
thumes an aufnehmbaren Bodennährſtoffen. Sie kommt daher bei ausgedehnterem
Anbaue in die erſte Tracht einer Stallmiſtdüngung. Hat man anſpruchsvollere
Hackfrüchte, wie Rüben, ſo erhalten dieſe die Düngung und die Kartoffel kommt in
die zweite, dritte Tracht. Speiſekartoffeln ſtellt man ebenfalls in eine ſpätere Tracht,
indem durch eine friſche Stallmiſtdüngung die Größenentwickelung und Wäſſerigkeit
der Knollen befördert wird. In Lagen, welche der Kartoffelkrankheit ausgeſetzt ſind,
iſt gleichfalls friſche Düngung zu vermeiden, da es nicht unwahrſcheinlich, daß durch
dieſelbe die Verbreitung des Kartoffelpilzes begünſtigt wird.
Durch ſtickſtoffreiche Düngung — Chiliſalpeter, ſchwefelſaures Ammoniak, große
Mengen Stalldünger und Jauche — wird der Stickſtoffgehalt, bezüglich der Proteïn-
gehalt der Knollen vermehrt, der Stärkemehlgehalt vermindert. Derartige Düngung
iſt daher nur bei Futterkartoffeln angezeigt. Superphosphat, aufgeſchloſſener Peru-
guano, ſchwefelſaure Kalimagneſia und Kalk empfehlen ſich beſonders zu Kartoffel-
düngungsverſuchen. Kalidüngung, ſofern nicht Chlorverbindungen verwendet werden,
erhöht den Stärkemehlgehalt der Kartoffelknollen. Am zweckmäßigſten wird der
Kalidünger im Herbſte angewendet. Kochſalzdüngung ſchadet dem Kartoffelertrage.
Der Stalldünger wird zu den verſchiedenſten Zeiten, oft erſt zur Saatfurche
ausgefahren oder zu den Knollen ſelbſt als Stufendüngung gegeben. Im Allgemeinen
wird jedoch die Unterbringung im Herbſte oder das Ausbreiten über Winter und
Unterpflügen im zeitlichen Frühjahre den Vorzug verdienen.
Die Vorbereitung des Feldes ſoll möglichſt ſorgfältig und tief vorgenommen
werden. Nach dem frühzeitigen Stoppelſturze der vorangegangenen Getreidefrucht
wird ſich beſonders auf gebundeneren Bodenarten ein Tiefpflügen auf 26—30 Ctm.
und tiefer ſehr empfehlen. Heraufgebrachter, roher Boden beeinträchtigt nicht das
Wachsthum der Kartoffelpflanze. Im Frühjahre gibt man noch eine oder ſelbſt
noch zwei Furchen vor dem Anbaue. Auf lockerem Boden reicht eine zweijährige Be-
ſtellung aus. Die Stoppel wird dann gleich tief geſtürzt und im Frühjahre das
Land nochmals gepflügt, nachdem über Winter der Dünger aufgefahren und aus-
gebreitet wurde.
[141]Die Knollen- und Wurzelfrüchte.
3. Die Saat.
Die Auswahl des Saatgutes hängt von der Verwendung der zu erntenden
Knollen ab. Für Speiſekartoffeln wird man ſolche Sorten auswählen, welche ſich
durch Wohlgeſchmack auszeichnen und die eine feine Schale und keine tiefliegenden
Augen beſitzen, da ſich ſonſt beim Schälen zuviel Abfall ergeben würde. Außerdem
liebt man für Speiſekartoffeln mittelgroße Knollen von mehliger, nicht wäſſeriger
Beſchaffenheit. Zur Bereitung von Stärke und zur Branntweinbrennerei ſind recht
große, möglichſt ſtärkemehlreiche Knollen erwünſcht. Gleichzeitig ſollen ſie einen
großen Maſſenertrag abwerfen, um von der bebauten Fläche die möglichſte Stärke-
oder Spiritusausbeute erzielen zu können. Aehnliches gilt für die Kartoffeln, welche
zur Fütterung der Thiere beſtimmt ſind, mit dem Unterſchiede, daß für dieſe Ver-
wendung der Werth der Knollen mit der Zunahme des Proteïngehaltes ſteigt.
Im Uebrigen ſind Kartoffeln mit kürzeren Stolonen jenen mit längeren, Kar-
toffeln mit mäßigerer Krautentwickelung jenen mit üppigerer Entwickelung vorzuziehen,
indem dann der Stockraum beſchränkt und der Ertrag erhöht werden kann. Selbſt-
verſtändlich werden zur Saat immer nur geſunde Knollen verwendet. Ebenſo werden
Knollen, welche bereits ausgekeimt haben, zur Saat minder verwendbar ſein, da die
kräftigſten Knospen und ein Theil der Reſerveſtoffe ſchon verbraucht wurde und nur
mehr die ſchwächeren, noch nicht getriebenen Knospen zurückbleiben.
Je größer die Saatknolle 1), um ſo kräftiger und ſchneller wird ſich im All-
gemeinen die junge Pflanze entwickeln und daher um ſo mehr Ertrag abwerfen.
Beſonders auffallend wird ſich ein Unterſchied zwiſchen großen und kleinen Knollen
unter ungünſtigen Boden- und Witterungsverhältniſſen zeigen, während bei günſtigen
Vegetationsbedingungen der Unterſchied nicht ſo beträchtlich ausfällt. Vom wirth-
ſchaftlichen Standpunkte wird man jedoch jederzeit mittelgroßes Saatgut mit 6—10
Augen verwenden, indem ſich die Koſten der Saat bei großem Saatgute unverhältniß-
mäßig erhöhen. Stehen nur große Knollen zur Verfügung, ſo kann das Saatgut durch
Theilen der Knollen vermehrt werden. Zweckmäßig iſt es, die Theilung ſtets der
Länge nach vorzunehmen, damit beide Hälften gleichviel Augen behalten. Das
Theilen in noch kleinere Stücke bis zum Ausſchneiden einzelner Augen wird nur als
Nothbehelf auszuführen ſein, indem die vielen Schnittflächen, wenn ſie ſich auch mit
einer Korkſchicht ſchützen, doch bei ungünſtiger, feuchter Witterung zum Faulen der
Knollen leicht Anlaß geben können. Je mehr Keimaugen ſich an einer Saatknolle
befinden, um ſo größer iſt nach den Unterſuchungen von A. Leydhecker 2) die Kraut-
entwickelung, während Kartoffeln, welchen nur ein Auge belaſſen wurde, wegen der
größeren, disponibeln Menge von Reſerveſtoffen nicht nur einen vermehrten Maſſen-
ertrag, ſondern auch große, ſchwere Knollen lieferten. Für die Praxis empfiehlt es
[142]Beſondere Pflanzenbaulehre.
ſich jedoch, Knollen mit wenigſtens drei Keimaugen, wegen der größeren Sicherheit,
auszulegen.
Beſitzt man von einer neu einzuführenden Kartoffel nur wenige Knollen, ſo
kann auch dadurch das Saatgut vermehrt werden, daß man von den gelegten Knollen
die hervortretenden Sproſſen ſammt Wurzeln abnimmt und einzeln auspflanzt.
Die Knollen werden gewöhnlich ohne weitere Vorbereitung zur Saat verwendet.
Um das Vernarben der Schnittflächen zu befördern, pflegt man mitunter die zer-
ſchnittenen Knollen mit Aſche, Kalk oder Erde zu beſtreuen. Zuweilen läßt man
die Knollen vor dem Auslegen abwelken, indem die Erfahrung lehrt, daß ſolche
Knollen, gegenüber friſchen, höhere Ernteerträge abwerfen. Abgewelkte Knollen treiben
in trockenem Boden nicht oder höchſt langſam, ſie ſind daher dem Verderben weniger
ausgeſetzt. Tritt feuchte Witterung ein, ſo beginnen ſie raſch zu wachſen.
Die Kartoffel fängt erſt zu wachſen an, wenn die mittlere Tagestemperatur
10°C. erreicht hat. Außerdem ſind die jungen Kartoffeltriebe ſehr empfindlich
gegen Spätfröſte. Der Anbau ſoll daher nicht zeitig vorgenommen werden. Das
Unkraut würde dann leicht aufſchießen und das Wachsthum der Kartoffeln beeinträch-
tigen. Legt man die Knollen, wie bei den Frühkartoffeln ſchon im März, ſo muß
man ſie wenigſtens durch Tieferlegen in den Boden vor dem Froſte zu ſchützen ſuchen.
Gewöhnlich wird das Auslegen der Kartoffeln nach der Saat des Sommergetreides
vorgenommen. Kommt man bei großen Anbauflächen zu weit in das Frühjahr
hinein, bis Ende Mai oder Anfang Juni, ſo wird man wieder nur Früh-
kartoffeln auslegen können.
In Betreff des Wachsraumes, welcher einer Pflanze gegeben werden ſoll, haben
die Verſuche von J. Kühn 1) als zweifellos ſicher herausgeſtellt, daß bis zu einer
gewiſſen, für die einzelnen Sorten und für verſchiedene Kraftzuſtände des Bodens
nicht gleichen Grenze der Kartoffelertrag per Hektar um ſo mehr ſteigt, je enger
der Stockraum wird. Entgegen der gewöhnlichen Auffaſſung, nach welcher die Ent-
fernungen um ſo weiter zu wählen ſind, je reicher der Boden iſt, hat ſich bei dieſen
Verſuchen die engere Reihenentfernung bei gleicher Sorte von um ſo günſtigerem Einfluſſe
auf den Ertrag gezeigt, je höher der Kraftzuſtand des Bodens, je ſtärker gedüngt
worden war. Bei einer Reihenweite von 60 Centim. wird für die meiſten Ver-
hältniſſe, je nach Bodenbeſchaffenheit, Kraftzuſtand des Ackers und je nach den be-
ſonderen Anforderungen der Varietät der angemeſſenſte Stand in den Reihen
zwiſchen 30—50 Centim. wechſeln, ſo zwar, daß einer Pflanze ein Wachsraum
von 0.18—0.3 □ Meter zukommt und die Bearbeitung mit der Pferdehacke
wenigſtens nach einer Richtung möglich iſt. Der geringere Wachsraum wird bei
kleinerem Saatgute und bei Kartoffelſorten mit geringerer Krautentwickelung gegeben.
Die einfachſte Anbaumethode beſteht darin, daß man die Knollen nach jeder
zweiten oder dritten Pflugfurche in den Boden legt und etwas in die lockere Erde
[143]Die Knollen- und Wurzelfrüchte.
zur Sicherung ihrer Lage eindrückt. Damit die Kartoffeln in gerader Reihe ſtehen,
hat man darauf zu achten, daß die Pflugfurchen möglichſt gerade gezogen werden.
Ebenſo häufig iſt der Anbau mit dem Häufelpflug. Es werden dabei die
Knollen in die Furchen der mit dem Häufelpflug gebildeten Kämme gelegt und durch
Verziehen der Kämme mit der Schleife etwa 10 Centim. hoch mit Erde bedeckt.
Mehr Arbeit verurſacht das Bedecken der Knollen durch Spalten der Kämme, welche
nachträglich abgewalzt werden, um die Knollen nicht zu tief mit Erde zu bedecken.
Bei feuchtem Boden legt man die Knollen auf die Oberfläche des markirten Landes
und bedeckt ſie mit dem Häufelpflug. Seltener werden die Kartoffeln mit der Hand
auf das kreuz und quer markirte Land gelegt; bei Beetbau iſt das Legen in Stufen
nach dem Augenmaß gewöhnlicher.
Nicht ohne Bedeutung iſt die Tiefe des Auslegens der Knollen, wenn auch da-
durch der Knollenanſatz, wie man gewöhnlich glaubt, nicht im Mindeſten beeinflußt
wird. Nobbe 1) hat nachgewieſen, daß die Kartoffelpflanze nicht mehr oder weniger
Knospen am unterirdiſchen Stammtheile erzeugt, ob ſie aus 1 Centim. oder 1 Meter
Bodentiefe emporſtrebt; nur die Länge der Internodien wird beeinflußt und kann
um das Hundertfache ſchwanken. Durch flaches, nicht unter 10 Centim. gehendes
Auslegen wird im Allgemeinen frühzeitig eine ſehr kräftige Beſtaudung erzielt. Bei
der vom Grafen Pinto vorgeſchlagenen Culturmethode oder bei der „engliſchen
Methode“ bleiben daher die Knollen ſo lange unbedeckt liegen, bis ſie ausgetrieben
haben und werden erſt dann nach etwa 3—4 Wochen mit Erde bedeckt. Bei bin-
digem, feuchtem Boden iſt ein tieferes Auslegen als 10 Centim. nicht zu empfehlen,
indem tiefer gelegte Knollen langſamer, ungleicher und ſchwächer austreiben und einen
geringen Ernteertrag geben. Auf lockerem, leichtem Boden wird dagegen der Ernte-
ertrag durch eine Tieflage bis ſelbſt zu 16 Centim. nicht weſentlich beeinträchtigt.
Unter ſolchen Verhältniſſen finden tiefer gelegte Knollen um ſo leichter über
ſich genügenden Bodenraum zur normalen Entfaltung ihrer Stolonen, ſo zwar
daß ſelbſt das Behäufeln, welches das Austrocknen des Bodens befördert, in Weg-
fall kommen kann.
Das Saatquantum richtet ſich nach dem Wachsraume, welcher einer Kartoffel-
pflanze gegeben wird und nach der Größe der verwendeten Knollen. Daſſelbe ver-
mindert ſich in dem Maße, als der Wachsraum größer und die Knollen kleiner
genommen werden. Nach J. Kühn hat man nicht möglichſte Samenerſparniß,
ſondern Verwendung des für rationelle Cultur noch zuläſſigen größeren Saatquantums
als die wirthſchaftlich zweckentſprechendſte Maßnahme anzuſehen. Beträgt das durch-
ſchnittliche Gewicht einer Saatknolle 35 Grm. und der Wachsraum 0.25 □Meter,
ſo ſind per Hektar 1400 Kilogr. oder bei einem Gewichte des Hektoliters von
70 Kilogr. 20 Hektoliter Saatknollen erforderlich. Dieſe Menge vermindert und
erhöht ſich je nach den Verhältniſſen auf 13 — 32 Hektoliter. Die erforderlichen
Mengen an entſprechend ſchweren Saatkartoffeln wird man ſchon beim Einernten
[144]Beſondere Pflanzenbaulehre.
zu gewinnen ſuchen, indem man die Kartoffeln über einen Lattenroſt abladen läßt,
welcher die zu großen Knollen abſcheidet.
4. Die Pflege.
Nach der Saat überwalzt man die Kartoffelfelder, damit die Knollen an den
Boden angedrückt werden, vorausgeſetzt, daß das Feld nicht zu feucht iſt. Zeigt
ſich viel Unkraut oder eine Kruſte, ſo übereggt man die Kartoffeln noch vor dem
Hervortreten der Keimtriebe. Beginnen die Triebe nach 2—3 Wochen hervor-
zukommen, ſo wiederholt man das Uebereggen oder bearbeitet das Feld, jedoch nur
bei tiefgelegten Knollen, mit dem Exſtirpator. Weiterhin wird der Boden zwiſchen
den Kartoffelreihen nach Bedarf zwei- bis dreimal mit der Handhacke oder mit
Spanngeräthen bearbeitet, um das Unkraut zu vertilgen und die Entwickelung der
Wurzeln und Stolonen, welche in lockerer Erde kräftiger vor ſich geht, zu befördern.
Sind die Kartoffeln im Quadratverbande gelegt, ſo kann man auch nach zwei
Richtungen mit den Spanngeräthen durchfahren. Bei leichtem Boden und wenigem
Unkraute genügt oft ein einmaliges Behacken. Nach dem Hacken wird ein- oder
zweimal, das erſtemal ſeichter, dann tiefer mit der Hand, dem Häufelpflug oder bei
engen Reihen mit dem Kammformer angehäufelt.
Durch frühzeitiges Heranziehen des Bodens bei dem Anhäufeln werden an einer
größeren Zahl von Achſelſtellen Stolonen- und Wurzelbildung hervorgerufen. Bei
der Gleichwerthigkeit der Seitenzweige mit den Stolonen kann ſelbſt durch das Be-
decken der Stengel eine Stolonenbildung aus den Achſeln der Laubblätter eintreten.
Das Anhäufeln, wie es gewöhnlich mit dem Häufelpflug oder der Hand ausgeführt
wird, kann jedoch auf Bodenarten, welche ſehr dem Austrocknen unterliegen, eher
nachtheilig als förderlich werden, indem die Stengel durch den angeſchütteten Boden
zuſammengedrängt, zwiſchen ſich einen hohlen Raum freilaſſen, welcher das Aus-
trocknen des Bodens begünſtigt und ſomit die Stolonenbildung hemmt. Unter ſolchen
Verhältniſſen iſt das gewöhnliche Anhäufeln beſſer zu unterlaſſen. Ebenſo nach-
theilig oder mindeſtens nutzlos iſt zu ſpätes Anhäufeln, indem dann leicht die ſchon
gebildeten Knollen beſchädigt werden und überdieß zu hoch mit Boden bedeckt werden,
um ſich vollkommen ausbilden zu können.
Am beſten empfiehlt ſich auf Grund des Gülich’ſchen Culturverfahrens ein früh-
zeitigeres Anhäufeln, als gemeinüblich iſt, etwa unmittelbar nach der zweiten Hacke,
wenn die Stengel eine Höhe von 13—16 Ctm. erreicht haben. Dabei iſt es räth-
lich, um die Bildung jener oben erwähnten Hohlräume zu vermeiden, bei der Aus-
führung des Anhäufelns mit der Hand eine Hacke voll Boden auch auf und zwiſchen
die Triebe des Stockes zu bringen. Nach 8—10 Tagen können dann die Kämme
mit dem Häufelpflug erhöht werden.
Kurze Erwähnung verdient das Gülich’ſche Culturverfahren 1). Nach demſelben erhält
jede Saatknolle einen Wachsraum von 0.985 Qu.-Meter (1.15 Meter Reihenentfernung
und 0.86 Meter in der Reihe), welcher bei kleinen Knollen um die Hälfte verringert wird.
[145]Die Knollen- und Wurzelfrüchte.
Um die Pflanzſtellen wird kranzförmig der Dünger und in die freibleibende Mitte der Pflanz-
ſtelle die Knolle mit dem Nabel (der Anſatzſtelle der Stolone) nach oben gelegt. Sind
die Triebe 13—16 Ctm. lang geworden, ſo werden ſie vorſichtig behäufelt, indem die Erde
auf und zwiſchen die ſternförmig niedergebogenen Triebe gegeben wird, ſo zwar, daß die
beblätterten Spitzen der Zweige unbedeckt bleiben. Bei öfterer Wiederholung dieſer Ope-
ration bildet ſich ein flacher Erdhügel, an deſſen unterem Rande die Triebe hervor-
ſehen, während die Spitze, unter welcher die Knollen ſich ausbilden, von dem Kraute frei
bleiben. Durch dieſes Culturverfahren ſoll die Stolouenbildung und der Knollenanſatz be-
fördert und zugleich ein wirkſamer Schutz gegen die Kartoffelkrankheit erzielt werden. Die
Unterſuchungen Kühn’s u. A. haben jedoch dargethan, daß das Gülich’ſche Verfahren kein
Schutzmittel gegen die Krankheit abgibt und daß zwar von dem einzelnen Stocke ein größerer
Ertrag, von der beſtimmten Fläche aber wegen des zu großen Stockraumes nicht der höchſte
Ertrag erzielt wird. Dieſes Verfahren iſt daher nur dort am Platze, wo es gilt, eine
einzelne Knolle, wie z. B. bei der Einführung neuer und daher oft koſtſpieliger Sorten,
zur möglichſt reichen Vermehrung zu bringen.
Bei der Blattentwickelung der Kartoffelpflanze ſtellen ſich verhältnißmäßig wenige
Samenunkräuter ein, um ſo mehr Wurzelunkräuter, wie Diſteln ꝛc., welche jedoch
durch das fleißige Behacken ſehr vermindert werden. Am häufigſten kommen ſolche
Samenunkräuter vor, welche, wie der Amaranth
(Amaranthus retroflexus L.) ☉, die Melde (Atri-
plex) ☉, Fig. 44, S. 64, der Gänſefuß (Chenopo-
dium) ☉, Fig. 90, im Schatten keimen. Außerdem
wird die Kartoffel auch von der großen oder euro-
päiſchen Seide (Cuscuta europaea L.) ☉ heimgeſucht.
Den Erkrankungen durch Pilze ſind die
Knollen und Krauttheile oft derart ausgeſetzt,
Weiße Melde (Chenopodium album
L.) ☉. — a Schlauchfrucht in nat. Gr.;
b und c dieſelbe vergr.; d durchſchnittene
Frucht: α Würzelchen, β Endoſperm.
daß der Ertrag vollſtändig vernichtet wird. Zur Beobachtung kommen am
Kraute: Pinſelſchimmel (Penicillium roseum), Fleckenkrankheit (Sphaeria nebulosa
u. dulcamarae). An Knollen: Pockenkrankheit, Schorf, Grind (Rhizoctonia
solani Kühn). An faulenden Knollen: Kartoffel-Spindelſchimmel (Fusisporium
Solani Mart.), Trockenfäule (Spicaria solani Hartig). An Kraut und Knollen:
Naßfäule, Kartoffelkrankheit, Kartoffelpilz (Peronospora infestans dBy.).
Unter den genannten Pilzen tritt der Kartoffelpilz am häufigſten und ver-
heerendſten auf. Derſelbe bildet die Urſache der als Naß- oder Zellenfäule bekann-
ten Kartoffelkrankheit. In leicht erkennbarer Weiſe tritt die Krankheit gewöhnlich
im Juli oder im Auguſt auf, indem ſich zuerſt auf den Blättern und Stengeln miß-
farbige, weißumſäumte Flecken zeigen, welche raſch braun, dann ſchwarz werden und
das Abſterben des Krautes zur Folge haben. Die auf dem befallenen Laube er-
zeugten, zahlreichen Fortpflanzungsorgane (Sporangien) des Kartoffelpilzes fallen ab
und werden durch den Regen in den Boden verbreitet. Bei der weiteren Entwicke-
lung treten aus der geplatzten Wand der Sporangien zahlreiche, bewegliche Schwärm-
zellen (Zoosporen) hervor, welche zur Ruhe gekommen Keimſchläuche bilden. Die-
ſelben durchbohren die Oberhaut der jungen Knollen und bringen nunmehr auch
dieſe zum Erkranken und Verfaulen. Zur Abwehr dieſes verheerenden Pilzes kennt
Krafft, Lehrb. d. Landw. II. 10
[146]Beſondere Pflanzenbaulehre.
man zur Zeit kein verläßliches Mittel. Nur ſo viel ſteht feſt, daß die Ausbreitung
des Pilzes durch naſſe Witterung und naſſen Boden begünſtigt wird und daß die ein-
zelnen Varietäten eine verſchiedene Neigung zum Erkranken beſitzen. Kühn1) erklärt letztere
Erſcheinung damit, daß ſich die einzelnen Kartoffelſorten zur Zeit des Auftretens des
Paraſiten in einem verſchiedenen Entwickelungsſtadium befinden. Junge Triebe er-
liegen am ſchnellſten der Krankheit; ausgewachſene zeigen dagegen eine große Wider-
ſtandsfähigkeit. Späterhin tritt wieder eine größere Empfänglichkeit ein. Legt man
daher frühreife Sorten ſehr ſpät aus, ſo kommt die Pflanze mit ihrer widerſtands-
fähigſten Entwickelungsperiode in jene Zeit, in welche die Ausbreitung des Pilzes am
verderblichſten auftritt, und erhält ſich daher eher geſund.
Bei dem Zuſammenhange der Erkrankung der Knollen mit jener der Blätter hat man
auch die Abnahme des Krautes nach der Blüthe als Vorbeugungsmittel empfohlen. Die
Entlaubung hindert jedoch nicht die Verbreitung der Pilzſporen durch den Wind von be-
nachbarten Feldern und ſchädigt außerdem, je frühzeitiger dieſelbe vorgenommen wird, den
Knollenertrag, wenn nicht etwa noch Zeit genug zur Neubildung von Blättern vorhanden
iſt. Nach Hellriegel fand, im Vergleiche zur Ernte belaubter Pflanzen, ein Minderertrag
- bei 10 Wochen nach der Ausſaat eintretender Entlaubung von 74 %
- „ 14½ „ „ „ „ „ „ „ 53 %
- „ 17 „ „ „ „ „ „ „ 29 %
- „ 18 „ „ „ „ „ „ „ 19½ % ſtatt.
Erwähnenswerth iſt noch die Kräuſelkrankheit, welche meiſt Kartoffelſorten mit
zarter Schale und Belaubung und oft nur einzelne Triebe derſelben befällt. Die-
ſelbe äußert ſich in einer eigenthümlichen Verkrümmung des Laubes, welche durch
den Pilz Rhizoctonia tabifica Hallier2) hervorgerufen wird. Die befallenen
Pflanzen entwickeln keine oder nur unvollkommene Knollen. Die Krankheit wird
verringert, wenn man nur mittelgroße, unzerſchnittene Kartoffeln auslegt und alle
kleinen, am Anſatzpunkte mißfarbigen Brutkartoffeln ausſcheidet.
Kraut und Knollen werden von nachſtehenden Schädlingen heimgeſucht:
- Knollen:
- Tauſendfuß (Julus guttulatus F.).
Alt und Jung unmerklich ſchädlich. - Saatſchnellkäfer (Agriotes segetis Gyll.),
Fig. 39, S. 47. Larve unmerklich
ſchädlich. - Engerling (Melolontha vulgaris F.).
Larve ſehr ſchädlich. - Trauermücke (Sciara vitripennis Klug.).
Made nicht ſchädlich. - Düngerfliege (Borborus limosus Meig.).
Made nicht ſchädlich. - Kohlſchnacke, Wieſenſchnacke (Tipula
oleracea L.). Made ſchädlich. - Kraut:
- Rothe, nackte Schnecke (Limax rufus
L.). Alt und Jung unmerklich ſchädlich. - Graue Ackerſchnecke (Limax agrestis L.),
Fig. 91. Alt und Jung unmerklich
ſchädlich.Figure 91. Fig. 91.Ackerſchnecke nebſt Schale (a — c).
(Limax agrestis L.) nach Giebel. - Reizkäfer (Mylabris Fuesslini Pz.).
Käfer ſchädlich. - Blattkäfer (Chrysomela exoleta F.).
Käfer ſchädlich. - Todtenkopfſchmetterling (Sphinx Atro-
pos L.). Raupe nicht ſchädlich. - Winterſaateule, Erdraupe (Agrotis se-
getum Hb.), Fig., 40 S. 57. Raupe
ſchädlich. - Kreuzwurzackereule (Noctua exclama-
tionis Hüb.). Raupe ſchädlich. - Erdläufer (Agrotis valligera F.).
Raupe nicht ſchädlich. - Ypſiloneule (Plusia gamma L.), Fig. 88,
S. 131. Raupe ſchädlich. - Blaſenfuß (Thrips minutissima L.).
Nymphe unmerklich ſchädlich. - Nelkenblattlaus (Aphis dianthi Schr.).
Blattlaus und Nymphe nicht ſchädlich. - Rübenblattlaus (Aphis rapae Curt.).
Blattlaus u. Nymphe unmerkl. ſchädlich. - Pfirſichblattlaus (Aphis persicariae
Hrtg.). Blattlaus und Nymphe nicht
ſchädlich. - Schmalwanzen (Lygaeus). Wanze und
Nymphe ſchädlich. - Springſchwanz (Smynthurus solani
Curt.). Alt und Jung nicht ſchädlich.
4. Die Ernte.
So lange das Kartoffelkraut grünt, findet noch eine Stärkeeinwanderung in die
Knollen ſtatt (S. 138), weshalb die Ernte bei günſtiger Witterung ſo lange hinaus-
geſchoben werden ſoll, bis ein Gelb- oder Welkwerden des Krautes, bei Frühkartoffeln
im Juli und Auguſt, bei Spätkartoffeln im September und October eintritt. Je
flüſſiger ſich der Inhalt beim Durchſchneiden der Knollen zeigt, um ſo weniger reif
ſind dieſelben.
Das Ausnehmen der Knollen wird entweder mit der Haue, dem Spaten, dem
Karſt oder der Miſtgabel vorgenommen. Bei dem Anbaue im Großen benützt man
zum Ausnehmen auch den Pflug, den Häufelpflug oder den Kartoffelaushebepflug
(Bd. I. S. 291). Die arbeitenden Theile dieſer Geräthe müſſen ſo tief geführt werden,
daß ſich keine Knollen mehr unter denſelben befinden. Das Aufleſen der Knollen
von der Erde erfolgt hierauf mit der Hand. Nach der Ernte übereggt man das
Feld und erhält dann noch einige Hektoliter zurückgebliebener Knollen. Wird das
Feld nach dem Vertheilen des Kartoffelkrautes umgepflügt, ſo kann man gleichfalls
noch einige Knollen ſammeln laſſen. Ein gewiſſes Procent wird jedoch im Boden
bleiben, da deſſen Herausnahme ſich nicht mehr lohnen kann. Der Ertrag der Kar-
toffeln, welche früher zu den ſicherſten Pflanzen gerechnet wurden, iſt ſeit dem Auf-
treten der Kartoffelkrankheit ſehr ſchwankend geworden. Unter ungünſtigen Verhält-
niſſen erntet man kaum 85—150 Hektoliter per Hektar. Als Durchſchnittsertrag
können 170—230 Hektoliter à 73—75 Kilogramm angenommen werden. Unter
günſtigen Boden- und Witterungsverhältniſſen ſteigt der Ertrag auf 250—300
Hektoliter.
Das abgetrocknete Kraut verbleibt dem Felde oder wird als Streuſurrogat ver-
wendet. Kartoffelkraut, welches im Frühjahre noch unzerſetzt iſt, wird geſammelt
und auf den Compoſthaufen geführt.
Für die Aufbewahrung der Knollen bis zu ihrer Verwendung im Winter und
nächſtem Frühjahre gelten die Bd. I., S. 292 entwickelten Grundſätze.
10*
[148]Beſondere Pflanzenbaulehre.
3. Der Topinambur.
Topinambur
(Helianthus tuberosus
L.).
Der Topinambur, die knollige Sonnenblume, Erdbirne,
Erdartiſchoke (Helianthus tuberosus L.) 4, Fig. 92, zeichnet
ſich durch ihre büſcheligen unterirdiſchen Aeſte aus, welche zu
länglichen, höckerigen Knollen anſchwellen. Die Knollen dienen
wie bei der Kartoffel zur Vermehrung. Sie enthalten ſtatt
Stärkemehl etwas Stärke neben Inulin. Wegen ihres großen
Waſſergehaltes, welcher jenen der Kartoffeln überſteigt, eignen
ſie ſich faſt nur zum Viehfutter. Je nach der Färbung der
Knollen unterſcheidet man weißen, gelben und rothen Topi-
nambur, außerdem noch langblättrigen Topinambur. Die
weiße und gelbe Varietät iſt nach v. Nathuſius-Königsborn er-
tragreicher, die rothe nach den Unterſuchungen von Neßler
etwas proteïnreicher (2.24 %). An dem 2—3 Meter hohen
Stengel erſcheinen ſpät im Herbſte kleine 50—80 Ctm. breite,
den Sonnenblumen ähnliche Blüthenköpfe mit goldgelben
Randblüthen. Zur Samenreife kommt der Topinambur,
ſelbſt in wärmeren Lagen Ungarns, niemals.
1. Die Wachsthumsbedingungen.
Der Topinambur kam nach dem 30jährigen Kriege aus
Südamerika über England nach Deutſchland und wurde häufig
als Viehfutter cultivirt, gegenwärtig wurde derſelbe vielfach
von der Kartoffel verdrängt. Am häufigſten wird er noch auf
ſandigem Boden in Oberbaden, Elſaß und in Ungarn cultivirt.
Man kann ihn überall dort, wo die Kartoffel fortkommt, an-
bauen. Der Topinambur geht nicht tief, er gedeiht daher noch
auf flachgründigem, ſandigem oder thonigem Boden, ſofern ihm
während des Sommers nur einige Regenniederſchläge zukommen. Die Knollen halten
über Winter ohne zu erfrieren aus und treiben im nächſten Frühjahre neue Stengel-
triebe. Man kann ihn daher überall, in jedem Klima, anbauen. Seine Wurzeln
gehen nicht ſehr tief, weshalb der Topinambur ſelbſt flachgründigen Boden verträgt.
Er gedeiht ſowohl auf gebundenen als auch auf loſen Bodenarten, wenn ihm nur
im Sommer ausreichende Feuchte zukommt.
2. Die Vorfrucht und Vorbereitung.
Die über Winter im Boden verbleibenden Knollen erfrieren nicht, ſie treiben
das nächſte Jahr wieder aus und verunkrauten das Feld, weshalb der Topinambur
nicht für die Fruchtfolge paßt, ſondern in eigene Außenfelder gegeben wird, wo-
ſelbſt er mehrere Jahre hintereinander angebaut wird. Soll auf einem Felde der
Topinamburbau aufgelaſſen werden, ſo baut man Kartoffeln oder Grünwicken mit
[149]Die Knollen- und Wurzelfrüchte.
Klee, oder ſonſt ein Grünfutter, welches öfters geſchnitten wird, um die Reproductions-
kraft der Knollen zu vernichten.
3. Die Saat und Pflege.
Die Cultur des Topinamburs ſtimmt mit jener der Kartoffel überein. In
Gegenden mit trockenem Frühjahre kann man ihn jedoch ſchon im Herbſte vorher
auslegen, er treibt dann im nächſten Mai, da er viel Wärme zu ſeiner erſten Ent-
wickelung benöthigt. Bei einer Neuanlage legt man die Knollen nach dem Pfluge
oder nach dem Marqueur in 60 Ctm. entfernten Reihen auf das gut gedüngte und
tiefgepflügte Feld. Der Bedarf an Saatknollen, zu welchen man die größten aus-
wählt, nachdem dieſelben ertragreicher ſind und ſich früher entwickeln, beträgt auf
einem Hektare 10.7—13 Hektoliter oder 0.9—1.17 Tonnen. Zur Vermehrung des
Saatgutes zerſchneidet man die großen Knollen. Sind dieſelben welk geworden, ſo
befeuchtet man dieſelben, um ſich das Zerſchneiden zu erleichtern. Bei der Beſtellung
im zweiten und den folgenden Jahren iſt bei gebundenem, friſchem Boden ein Nach-
legen nicht erforderlich, nachdem gewöhnlich von dem Vorjahre eine ausreichende
Menge kleinerer Knollen im Boden zurückbleibt. Um ganz ſicher zu gehen und die
Regelmäßigkeit der Reihen erhalten zu können, pflegt man wohl auch die Hälfte des
Saatgutes nachzulegen.
Die Pflege iſt die gleiche, wie für die Kartoffel angegeben wurde. Verkruſtet
oder verunkrautet das Feld, ſo reinigt man daſſelbe durch mehrmaliges Uebereggen.
Späterhin, wenn die Pflanzenreihen ſichtbar werden, bearbeitet man die Zwiſchen-
räume, unbeſchadet der in denſelben hervorkommenden Topinamburtriebe, mit der
Pferdehacke. Bei dem ſchnellen Wachsthume der Topinamburpflanzen iſt der Schluß
derſelben ſchon Anfangs Juli eingetreten und dadurch der Ausbreitung des Unkrautes
ein Ziel geſetzt. Gewöhnlich reicht ein zweimaliges Behacken mit der Pferdehacke
und zum Schluſſe ein Anhäufeln der Reihen vollkommen hin.
Nach Leunis 1) finden ſich auf dem Topinambur zwei Pilze: Rhizosporium he-
lianthemi auf den Knollen und Chaetomium pannosum an trockenen Stengeln.
4. Die Ernte.
Die Topinamburpflanze bleibt bis zur Froſtzeit grün, die Knollen wachſen da-
her fort. Die grünen Blätter können abgenommen und als Futter verwendet werden.
Am gewöhnlichſten nimmt man die Stengel im September und Anfang October
ab, zerſchneidet und verfüttert ſie, gemiſcht mit anderem Grünfutter. Noch häu-
figer werden die Stengel bündelweiſe zum Trocknen aufgeſtellt und dann den Schafen
vorgelegt. Die zurückbleibenden, dürren Stengel dienen als Brennmaterial. Der Er-
trag an Futterlaub erreicht 4.—5.8 Tonnen auf einem Hektare. Ein frühzeitiges
Ernten der Stengel verringert den Knollenertrag, indem durch das Aufhören der
Blattthätigkeit keine organiſche Subſtanz mehr gebildet wird.
[150]Beſondere Pflanzenbaulehre.
Die Knollen werden am zweckmäßigſten erſt im nächſten Frühjahre ausgenommen,
da ſie ſich im Boden beſſer als in Kellern oder Mieten halten. Sie werden dadurch
um ſo werthvoller, als ſie zu einer Zeit verfügbar werden, wo die Winterfütterung
mit Wurzelwerk ſchon dem Ende zugeht. Das Erntequantum erreicht 3—4.8 Tonnen
von einem Hektare. Nach Dubrunfaut 1) erfahren die Topinamburknollen während
ihrer Aufbewahrung eine nicht unintereſſante Veränderung. Im Mai und April
enthalten die Knollen rechtsdrehenden Zucker und zwar Rohrzucker und einen nicht
kryſtalliſirenden Zucker, Stoffe, die im September nicht vorhanden waren und wahr-
ſcheinlich aus dem Inulin hervorgegangen ſind. Daher erklärt ſich, daß bei der
Verwendung des Topinamburs zur Branntweinbrennerei die Knollenmaiſche im Früh-
jahre gut gährt und reichlich Spiritus gibt, während dieß im Herbſte nicht der Fall
iſt. Bei der Sicherheit der Erträge verdient der Anbau des Topinamburs immerhin
in futterarmen Gegenden Beachtung.
4. Die Runkelrübe.
Runkelrübe (Beta vulgaris L.). ☉ und ⚇ nach
Nobbe. — a Fruchtſtand; b Schlauchfrucht, vom Perigone halb
umwachſen; c Deckel der Schlauchfrucht; d Same; e Längs-
ſchnitt durch den Samen: α Würzelchen, β Keimblätter,
γ Endoſperm.
Die Runkelrübe, Futterrübe,
Zuckerrübe, Rübenmangold, Dick-
rübe, Dickwurz, Burgunderrübe
(Beta vulgaris L.) unterſcheidet ſich
von den übrigen Chenopodeen durch
ihre dicke, langwalzige Wurzel.
Die Wurzelverdickung iſt durch die
Cultur entſtanden, ebenſo iſt durch
dieſe die Rübe zweijährig geworden.
Für gewöhnlich treibt die verdickte
Wurzel im erſten Jahre nur gras-
grüne, maſſige, ganzrandige Wurzel-
blätter; erſt im zweiten Jahre erhebt
ſich der 0.6—1.5 Meter hohe Samen-
ſtengel, an welchem ährenförmig eine
große Zahl grüner Blüthchen ſtehen. Die Blüthchen ſtehen zu 2—6 ge-
häuft, in ſogenannten „Knäueln“ in den Achſeln ſchmaler Deckblätter. Jedes Blüth-
chen beſitzt ein fünfſpaltiges, ſpäter knorpelig erhärtendes Perigon, Fig. 93, fünf
Staubgefäße und einen zweinarbigen Fruchtknoten. Die Früchte, Schlauchfrüchte,
verwachſen mit ihrem unteren Theile und fallen ſchließlich als ein Geſammtkörper,
dem „Rübenkern“, ab. Je eine Frucht enthält einen glänzenden, braunbehäuteten
Samen, welcher außer dem Keime mit einem ſchneeweißen Eiweißkörper, Fig. 93 e γ,
verſehen iſt. Zuweilen ſchießen einzelne Pflanzen, nach Langethal beſonders ſolche,
welche von Körnern erzeugt wurden, die entweder unvollkommen waren oder vom Gipfel
der Samentriebe genommen wurden, ſchon im erſten Jahre in Samen.
[151]Die Knollen- und Wurzelfrüchte.
Die Runkelrübe läßt eine mannigfaltige Verwendung zu. Als Mangold
werden ihre Blätter zur Zierde, als Schnittkohl werden ihre Blätter und als rothe
Rübe ihre Wurzel zu Gemüſe verwendet. Als Futterrübe finden die Wurzeln
Verwerthung als ein gutes und ergiebiges Viehfutter, welches bis zur Hälfte der
täglichen Ration verabreicht werden kann. Als Zuckerrübe liefert ſie das Roh-
material für zahlreiche Zuckerfabriken, zuweilen auch, wie in Frankreich, zur Spiritus-
fabrikation.
Die Varietäten der Runkelrübe unterſcheiden ſich nur wenig in den Blüthen,
ſchon mehr in den Blättern, die größte Abweichung ergibt ſich in der Größe, dem
Zuckergehalte und der Form der Knollen. Letztere machen die Rübe bald werth-
voller für die Fütterung, bald werthvoller für die Zuckerfabrikation. Von der Futter-
rübe verlangt man einen höheren Gehalt an Trockenſubſtanz und an Proteïnſtoffen,
von der Zuckerrübe dagegen einen höheren Gehalt an Zucker (10—14 %) und einen
möglichſt geringen Gehalt an Proteïnſtoffen und Aſche.
Lange, weiße Futterrunkel (Beta
vulgaris var. longalba Alfld.). ⚇.
Lange, gelbe Futterrunkel (Beta
vulgaris var. longoflava Alfld.). ⚇.
[152]Beſondere Pflanzenbaulehre.
Die Spielarten der Futterrüben, gemeinhin auch Runkeln genannt,
unterſcheiden ſich je nach der Form der Wurzeln, dem Wachsthume über oder in dem
Boden, der Färbung der Schale, des Fleiſches und der Blattrippen. Am meiſten
Bedeutung hat noch die Form und das Wachsthum der Wurzeln. In dieſer Be-
ziehung unterſcheidet man Futterrüben 1. mit langen, walzenartigen Wurzeln: Lange,
weiße Futterrunkel, Fig. 94, lange gelbe Futterrunkel, Fig. 95, gebogene Futter-
runkel oder das Ochſenhorn; 2. mit abgeplatteten Wurzeln, weniger zur Fütterung
geeignet: Tellerrunkel; 3. mit kugeligen Wurzeln: Gelbe Kugelrunkel, Fig. 96, gelbe
und rothe Oberndorfer Rübe; 4. mit ovalen Wurzeln: gelbe, Fig. 97, und rothe,
gemeine Runkel. Nach vergleichenden Anbauverſuchen von Karmrodt 1) liefern die
Gelbe Kugelrunkel (Beta vulgaris var.
globosoflava Alfld.) ⚇.
Gelbe gemeine Runkel (Beta
vulgaris) ⚇.
langen Futterrübenſorten, mit Ausnahme der weißgefärbten, welche überhaupt zu
den ertragreichſten Sorten zählen, geringere Erträge als die kugeligen Rüben, von
welchen ſich beſonders die rothen durch hohe Erträge und großen Proteïngehalt, daher
hohen Futterwerth auszeichnen. Die tellerförmigen Rüben gewähren die geringſten
Erträge. Stark aus dem Boden wachſende Sorten ſind am meiſten zum Anbaue
auf verunkrautetem Boden zu empfehlen, nachdem ſie durch ihren Wuchs weniger von
dem Unkraute zu leiden haben.
Von den Spielarten der Zuckerrübe oder Zuckerrunkel wird man ſowohl
die zuckerreichſten zum Anbaue wählen, als auch ſolche, die im Boden wachſen, da
der aus dem Boden wachſende Theil der Zuckerrübe einen geringeren Gehalt an
Zucker beſitzt. Von der Zuckerrübe verlangt man weiters eine möglichſt gleich-
förmig ſpindelige, unveräſtelte Wurzel mit glatter Oberfläche und mit feinen Seiten-
[153]Die Knollen- und Wurzelfrüchte.
wurzeln. Veräſtelungen der Rüben erſchweren ſehr das Waſchen. Die Zuckerrübe
ſoll ein hartes, dichtes, weißes Fleiſch, einen kleinen Kopf mit wenig und gedrängten
Blättern beſitzen, um bei der Ernte wenig Abfall zu geben. Wegen ihres Zucker-
gehaltes und geringen Abganges ſind beſonders berühmt: die weiße, weiß- und feſt-
fleiſchige, ſchleſiſche Zuckerrübe mit grünem Kopfe, breiten Blättern und aufrecht-
ſtehenden, hellgrünen Blattſtielen, Fig. 98; die mehr ſpindelförmige Quedlinburger
Rübe mit roſafarbenem Kopfe und röthlich geränderten Blattſtielen; die weiße, weiß-
und feſtfleiſchige von Knauer gezüchtete Imperial-Zuckerrübe mit ſehr ſtumpfem Kopfe
und ſtark gekräuſelten Blättern, Fig. 99. Zuckerreiche Rüben mit etwas größerem
Abgange ſind: die mähriſche Zuckerrübe, Fig. 100, auch Caſtelnaudary genannt;
die in neuerer Zeit, jedoch übermäßig, gerühmte Beſtehorn’ſche Zuckerrübe; die oliven-
förmige Zuckerrübe von Büchner in Erfurt; die urſprünglich von Vilmorin’s
Rübe abſtammende franzöſiſche Rübe, deren Zuckergehalt ſich jedoch durch die Acclimati-
ſation in Deutſchland verringert hat.
Schleſiſche Zucker-
rübe (Beta vulgaris L.)
☉ und ⚇.
Imperial-Zuckerrübe
(Beta vulgaris L.)
☉ und ⚇.
Mähriſche Zucker-
rübe (Beta vulgaris L.)
☉ und ⚇.
Die Rübenwurzel enthält Rohrzucker, ſtickſtoffhaltige Körper, und zwar vorzugsweiſe
Pflanzeneiweiß, dann Aſparagin und ein Alkaloid, Betain genannt, Pektoſe und Pektin-
körper, Faſer, Farbſtoffe, Citronenſäure, Oxalſäure und Aſchenſalze.
In Betreff des anatomiſchen Baues der Rübenwurzel unterſcheidet J. Wiesner 1) 1. als
[154]Beſondere Pflanzenbaulehre.
äußere Umhüllung der Rübe die Oberhaut (Periderm), 2. das eigentliche Zellgewebe, 3. das
von kleinzelligem Gewebe (Markſtrahlen) durchſetzte Cambium und weiter 4. in regelmäßi-
gem Wechſel Ringe von Zellgewebe und von Holzfaſern mit Gefäßen, welche den Blatt-
ringen am Kopfe der Wurzel entſprechen. Die Wand der Zellen erleidet allmählig eine
Umwandlung, deren erſtes Product die aus Pektoſe beſtehende Zwiſchenzellſubſtanz iſt. Der
Zucker findet ſich in größter Menge im Zellgewebe in der Nähe des Cambiums. Morpho-
logiſch, wenigſtens in ihrem oberen Theile, beſteht die Rübenwurzel aus dem rübenartig
angeſchwollenen, hypokotylen Gliede, in welchem durch die Cultur die Entwickelung des
Parenchyms zu Ungunſten der Holzbildung geſteigert iſt.
Nach den Unterſuchungen von Nobbe lieferten von den zu einem Knäule verwachſenen
5—6 Blüthen im Durchſchnitte nur 2⅓ je 1 Samen, von dieſen keimten im Durchſchnitte
59,6 % (45.0—82.4 %). Gewöhnlich erwartet man von einem Knäule 3 Keimpflanzen, während
die Mehrzahl nach Nobbe nur 1 und 2 hervorbringen. Der Same bleibt durch 4 bis
6 Jahre keimfähig. In 1 Kilogramm Runkelſamen ſind durchſchnittlich 46.570 Frucht-
knäule mit ungefähr 68,000 keimfähigen Samen enthalten. Dieſelben keimen erſt bei einer
Temperatur von 9.4°C.
Die Blattentwickelung der Rübenpflanze zeigt nach den Meſſungen von Th. v. Gohren
(Landw. Verſ. Stat. IX, 298) gegenüber den anderen Culturpflanzen die größte Flächen-
ausdehnung, ſie beträgt per Pflanze 14,044 Qu.-Ctm. Dagegen beſitzt bei dem weiten
Wachsraume die mit Rübe beſtandene Fläche, abgeſehen von den Kartoffeln, die geringſte
Geſammtoberfläche der Blätter.
Die in den Blättern erzeugte Stärke verwandelt ſich bei den wachſenden Runkelrüben
in den Blattſtielen in Glycoſe, aus welcher in der anſchwellenden Wurzelknolle kryſtalliſir-
barer Rohrzucker entſteht. Im Allgemeinen nimmt nach C. Scheibler (Ztſchr. d. V. ſ. d.
Zuckerrübeninduſtrie XVII. 625) das ſpecifiſche Gewicht der Rüben (1.0209—1.0673) ſowohl,
als das der Säfte (1.0518—1.0841) während der Vegetation zu, nur anhaltendes Regen-
wetter veranlaßt eine vorübergehende Abnahme der Dichtigkeit. Wenn auch die Saftmenge
in der erſten Zeit der Entwickelung größer iſt, als ſpäter, ſo ſteigt doch mit dem ſpec.
Gewichte der Zuckergehalt der Säfte, während der Gehalt an Nichtzucker (Aſche und orga-
niſche Subſtanzen) ſowie auch an Stickſtoff ſtetig fällt. Der Werthquotient (Zucker + Nicht-
zucker: Zucker = 100: X) nimmt daher in demſelben Verhältniſſe mit der vorſchreitenden
Entwickelung zu. Die kleineren, ¾—1 Kilogramm ſchweren Rüben beſitzen zur Zeit der
Ernte im Herbſte im Allgemeinen ein etwas größeres ſpec. Gewicht und einen größeren
Zuckergehalt. Rückſichtlich des äußeren Typus fand Méhais (Compt. rend. LXVI. 556),
daß Rüben, deren einzelne Nebenwurzeln angeſchwollen waren, im Durchſchnitte 15.08 %
Zucker zeigten, während mit feinen Nebenwurzeln verſehene Rüben nur 11.13 % enthielten. Kugel-
förmige, und ſehr raſchwüchſige Rüben enthielten im Durchſchnitte weniger Zucker als ſpindel-
förmige langſam wachſende. Die Farbe der Rüben ſcheint in keinem Zuſammenhange mit
dem Zuckergehalte zu ſtehen.
Werden die Rüben zur Samengewinnung ein zweitesmal in das Feld verſetzt, ſo ver-
lieren ſie nach Corenwinder (Journal d’agric. prat. XXX. II, 585) während der erſten
Entwickelung der Blattknospen etwas Zucker, ſpäterhin bleibt der Zuckergehalt ſtationär.
Erſt wenn die Samen erſcheinen, vermindert ſich der Zuckergehalt raſch, ſo zwar, daß er
bei der Reife der Samen vollſtändig aufgezehrt iſt. Abnorme, im erſten Jahre geſchoßte
Rüben enthalten jedoch auch noch nach der Samenreife beträchtliche Mengen (9.58—13.38 %)
Zucker, jedoch viel weniger als normal gewachſene, nicht geſchoßte Rüben.
Nach den Vegetationsverſuchen von Nobbe, Zöller u. A. wird die Zuckerproduction
und der Zuckergehalt der Rübe durch Düngung mit Kali in Verbindung mit Phosphor-
ſäure vermehrt. Ammoniakverbindungen und Kochſalz führen eine überwiegende Blatt-
[155]Die Knollen- und Wurzelfrüchte.
production, die Erzeugung einer großen Menge Eiweißkörper und eine Verminderung der
Zuckerproduction herbei.
In Betreff des Einfluſſes der Rüben auf den Boden ergeben die Unterſuchungen von
Wilhelm und Breitenlohner (Bd. I. S. 23), daß dieſelben den Boden viel ſtärker austrocknen
als die Halmfrüchte. Bemerkenswerth iſt der Umſtand, daß die Zuckerrüben gerne in Drain-
röhren hineinwachſen und ein Verſtopfen derſelben herbeiführen.
1. Die Wachsthumsbedingungen.
Die Rübenpflanze liebt warme Lagen, indem ſie beſonders in der Jugend gegen
Fröſte empfindlich iſt. Großen Einfluß nimmt die Wärme auf die Zuckerbildung.
Der Zuckergehalt ſteigt und fällt mit dem Wärmeausmaße einer Gegend, weshalb die
Rentabilität des Zuckerrübenbaues ſchon im ſüdlichen Schweden ihre Grenze erreicht.
Als Futterrübe gedeiht jedoch die Runkel überall dort, wo noch Wintergetreide gebaut
werden kann.
Die Anſprüche an den Boden werden durch das große Waſſerbedürfniß der
Rübe beſtimmt. Je trockener das Klima, um ſo mehr verlangt die Rübe einen
tiefgründigen, friſchen Boden, welcher einen reichlichen Nährſtoffvorrath beſitzen muß,
nachdem ſie beſonders in ihrer erſten Jugend nur langſam wächſt. Nachdem
die Rübenwurzel oft 1 — 1.2 Meter tief geht, ſo wird ein Theil der Nährſtoffe
aus tieferen Bodenſchichten entnommen, bis zu welchen die Düngung nicht reicht.
Es kann daher die Rübe nur nach einer Reihe von Jahren, nach 4—5 Jahren,
auf daſſelbe Feld wiederkehren. Die Anſprüche einer mittleren Zucker- oder Futter-
rüben-Ernte an den Nährſtoffvorrath im Boden ſind beträchtlich. Es erfordert,
in Kilogramm, eine Mittelernte von
Trotz den bedeutenden Nährſtoffanſprüchen verliert ein Gut nur wenig Aſchen-
beſtandtheile, ſofern daſſelbe nur reinen Zucker ausführt und die Preßlinge oder
Rübenſchnitzel, den Scheideſchlamm und die Melaſſe zur Fütterung und Dünger-
erzeugung verwendet.
Von den verſchiedenen Bodenarten eignen ſich für den Zuckerrübenbau vorzüglich
tiefgründige, humoſe Lehm- und Mergelböden. Ungeeignet für die Rübencultur, be-
ſonders den Zuckerrübenbau, ſind loſe, arme und trockene Sandböden, zähe Thonböden,
ſowie alle flachgründigen und naſſen Bodenarten.
[156]Beſondere Pflanzenbaulehre.
2. Die Vorfrucht und Vorbereitung.
Auf kleinen Flächen, ſowie auf ſehr fruchtbaren Teichgründen 1) baut man die
Rübe unter Zuhilfenahme von künſtlichen Düngern oft 2, 3 und mehr Jahre nach
einander. Es verringert ſich dadurch der Culturaufwand, doch vermehren ſich oft in
erſchreckender Weiſe die ſchädlichen Inſecten. Die gewöhnlichſte Vorfrucht für die
Zucker- oder Futterrübe iſt Winter- oder Sommergetreide. Nicht unerwähnt ſei die
Beobachtung, daß die Rübe auf gleichem Boden nach Winterroggen nicht nur im
Blatte, ſondern auch in der Wurzel durchwegs viel beſſer ſich entwickelt als nach
Winterweizen. Nach der Rübe, welche überdieß das Feld ſpät verläßt, iſt der Boden
oft ſo ausgetrocknet, daß nachfolgendes Wintergetreide nicht gedeiht. Die gewöhnlichſte
Nachfrucht iſt daher Sommerung, beſonders Gerſte oder auch Hülſenfrucht.
Die Rüben bedürfen, wie vorhin erwähnt, eines großen Vorrathes an aufnehm-
barer Pflanzennahrung im Boden, weshalb die Futterrüben ſtets in die erſte Tracht
der Düngung geſtellt werden. Bei Zuckerrüben wird zwar durch eine friſche Dün-
gung der Maſſenertrag erhöht, gleichzeitig aber auch der Stickſtoff und Aſchengehalt,
weshalb man bei ſorgfältiger Cultur vorzieht, die Zuckerrüben in die zweite Tracht
der Stallmiſtdüngung zu ſtellen, oder den Stallmiſt wenigſtens ſehr zeitlich im Herbſte
in den Boden zu bringen. Von den künſtlichen Düngmitteln ſind ſowohl Guano,
Aſche, Kaliſalze, insbeſondere Chlorkalium, Knochenmehl, Superphosphate, ſowie
Compoſt und Gründüngung zu verſuchen.
War, wie gewöhnlich, Getreide Vorfrucht, ſo wird zur Vorbereitung des Feldes
die Stoppel ſobald als möglich ſeicht geſtürzt und nach Ablauf von einigen Wochen
das Feld tiefgepflügt und gleichzeitig der mittlerweile aufgefahrene Dünger eingeackert.
Bei Einführung der Zuckerrübencultur lohnt es ſich, das Feld tief umzuſpaten,
um die Rübencultur zu ſichern. Ueber Winter bleibt das Feld in rauher Furche
liegen. Im nächſten Frühjahre wird nach Möglichkeit mit dem Boden nur wenig
gerührt, um durch Erhaltung der Feuchte in der oberſten Erdſchichte das Ankeimen
der Rübenkerne zu ſichern. Iſt der Boden durch mehrjährigen Hackfruchtbau und
Tiefcultur in vorzüglichem Culturzuſtande, ſo genügt meiſt — nachdem die Beet-
ausſtichfurchen im Herbſte oder Frühjahre mit einem Saatpflug zugezogen wurden —
ein einfaches Uebereggen und Abwalzen des Feldes, um daſſelbe für die Rübenſaat
geeignet zu machen. Hat ſich das Feld zu ſtark begrünt oder werden ſpäter gebaute
Futterrüben cultivirt, ſo wird daſſelbe vor dem Anbaue exſtirpirt oder auch gepflügt.
Folgt Rübe nach Rübe, ſo werden die Rübenblätter gleichmäßig vertheilt und das
Land tief umgeackert.
3. Die Saat.
Auf den Zuckergehalt der Rübe hat die Auswahl von Samen zuckerreicher
Rübenvarietäten beſonderen Einfluß. Die wegen ihres Zuckerreichthumes berühmte
[157]Die Knollen- und Wurzelfrüchte.
Vilmorin-Rübe wurde durch die Auswahl der zuckerreichſten Samenrüben heran-
gezüchtet. Zu dieſem Zwecke wurde aus jeder Rübe mit einem eigenen Löffelbohrer
ein kleines Stück aus dem mittleren Theile der Rübe herausgenommen und das
ſpecifiſche Gewicht des Saftes durch Wägen eines Silberkörpers in demſelben er-
mittelt. 1) Die Rüben mit dem dichteſten Safte wurden zu Samenrüben beſtimmt
und das darin ausgebohrte Loch für die beſſere Aufbewahrung mit Sand ausgefüllt.
In neuerer Zeit verdient zur Ausſcheidung der dichteſten Rüben zur Samenzucht die
Knauer’ſche Rübenſortirmaſchine Beachtung. Jedenfalls ſoll man zur Samenzucht
nur kleinere, nicht über 2.5 Kilogramm ſchwere Rüben ausſuchen, nachdem dieſe ge-
wöhnlich zuckerreicher als große Wurzeln ſind.
Die Zuckerrübenſaat wird ſo zeitlich als möglich, zu Ende März oder Anfang
April ausgeführt, da die Vegetationsdauer 26—30 Wochen beträgt.
Die Ausführung der Saat erfolgt auf’s flache Land oder in Kämme, in Reihen
oder in Tüpfeln. Der Wachsraum richtet ſich nach dem Düngungszuſtande und der
Fruchtbarkeit des Bodens. Je reicher der Boden, um ſo enger muß gebaut werden,
um nicht über 2.5 Kilogramm ſchwere Zuckerrüben zu erhalten. Futterrüben werden
dagegen weiter geſtellt. Die Reihenſaat wird gewöhnlich enge, in Reihen von 40
bis 50 Ctm., in ſehr fruchtbarem Boden ſelbſt nur von 30 Ctm. Entfernung ausgeführt.
Die Tüpfelſaat wird auf dieſelbe Reihenentfernung mit der Dibbelſäemaſchine bewerk-
ſtelligt. Bei guter Ausführung leidet ſie weniger von dem Inſectenfraße und über-
dauert Spätfröſte, ſowie die Trockene leichter als wie die Reihenſaat, dagegen machen
ſich bei jener Fehlſtellen viel auffälliger ſichtbar als bei dieſer. Die Tüpfelſaat wird
häufig auch auf das marquirte Feld mit der Hand ausgeführt, indem man an den
Kreuzungsſtellen 4—5 Knäul in den durch ein Pflanzholz oder ein kleines Häckchen
geöffneten Boden legt. Für feuchtere Gegenden empfiehlt ſich die Kammſaat,
durch welche die Rübe nicht nur einen trockeneren Standort erhält, ſondern auch das
Unkraut, da ſie höher ſteht, leichter unterdrücken kann. Bei der Handſaat und der
Dibbelſaat benöthigt man am wenigſten Rübenſamen, etwa 9—10 Kilogramm per
Hektar. Für die Drillſaat ſind 15—20 Kilogramm Kerne erforderlich. Da die
Rübenkeimpflänzchen klein ſind, ſo dürfen die Kerne in feuchten Lagen nicht über
2.5 Ctm., in trockenen Lagen nicht über 5 Ctm. tief gelegt werden.
Die Futterrüben werden überdieß auch noch durch das Verpflanzen beſtellt. Bei
demſelben werden die Kerne vorerſt im Samenbeete auf 25 Ctm. und in der Reihe
auf 4 Ctm. Entfernung ausgeſäet. Für 1 Hektar genügt ein Samenbeetraum von 500
□ Meter und eine Samenmenge von 1—1.5 Kilogramm. Die Saat in das Samen-
beet wird gewöhnlich ein Monat früher, als dieſe in der betreffenden Gegend auf dem Felde
möglich wäre, vorgenommen. Das Verſetzen aus dem Gartenbeete wird Ende Mai,
ſobald die Wurzeln federkieldick (1.5 Ctm. dick) geworden ſind, mit dem Pflanzholze
vorgenommen, nachdem man die Blätter 10 Ctm. über dem Wurzelhalſe zur Ver-
minderung der Verdunſtung abgeſchnitten hat. Oft gelingt die Pflanzung ſelbſt noch
[158]Beſondere Pflanzenbaulehre.
Anfang Juni. Zuckerrüben werden ſelten, höchſtens zur Ergänzung von Fehlſtellen
ausgepflanzt, da die nach der Pflanzung entſtehenden gabeligen Wurzeln für die
Zuckerfabrikation ungeeignet ſind.
4. Die Pflege.
Die Rübe iſt möglichſt bald zu bearbeiten, indem ſie, namentlich bei kühler
Witterung, leicht von dem Unkraute, beſonders von Melden der verſchiedenſten Art,
von Sinapis arvensis L. ☉, Amaranthus retroflexus L. ☉, Polygonum convolvulus
L. ☉ ꝛc. unterdrückt wird. Eine Verkruſtung des Bodens, welche ſich noch vor dem Auf-
gehen der Saat bildet, wird, um das Aufkeimen zu erleichtern, durch Ueberfahren mit
leichten Stachelwalzen oder mit dem Kruſtenſtachler beſeitigt. Häufig wird noch vor dem
Aufgehen der Rübenpflanzen die erſte Hacke, jedoch nur ſeicht, gegeben. Der erſten Hacke
folgt gewöhnlich noch eine zweite und dritte Hacke und zum Schluſſe ein ſchwaches An-
häufeln, um die etwa aus dem Boden wachſenden Rübenköpfe mit Erde zu bedecken.
Nach der erſten Hacke werden die Rüben auf die entſprechende Entfernung vereinzelt.
Bei der Reihenſaat fördert man dieſe Arbeit, wenn man vorher die Reihen quer-
über mit der Pferdehacke, deren Schare auf 16 Ctm. Entfernung geſtellt ſind, durch-
zieht. Von den übrig bleibenden Pflanzenbüſcheln zieht man alle Pflanzen bis auf die
ſtärkſte aus und legt ſie zwiſchen die Reihen, um dem Unkraute das Aufkommen zu
erſchweren. Da aus einem Rübenkerne mehrere Pflanzen hervorkommen, ſo muß das
Vereinzeln bei jeder Saatmethode vorgenommen werden.
Zuweilen gehen die Rüben regelmäßig auf, beginnen jedoch früher oder ſpäter
zu welken und ſterben ſchließlich ganz ab. Dieſe Erſcheinung wird als „Rüben-
müdigkeit“ bezeichnet. Als Urſache dieſer Erſcheinung werden, ohne ſie ſicher erklären
zu können, genannt: die Erſchöpfung des Bodens, ungünſtige phyſikaliſche Beſchaffenheit
des Untergrundes bei zu raſch auf einanderfolgendem Anbaue der Rübe, Beſchädi-
gungen durch Feinde aus dem Pflanzen- und Thierreiche ꝛc. Nach J. Kühn ſoll die
Rübenmüdigkeit durch die Rübennematode, einem kleinen Wurme, hervorgerufen werden.
Als Abhilfe der Rübenmüdigkeit werden angegeben: Ausſetzen mit dem Rübenbaue,
Düngung, tiefe Bearbeitung, wenn möglich Untergrunddüngung und ſorgfältige Cultur.
Iſt die Rübe bei Frühſaat durch den Froſt, die Trockene oder durch Erdfloh-
fraß eingegangen, ſo kann die Saat im Verlaufe des April und ſelbſt noch bis Mitte
Mai wiederholt werden, wenn auch, je ſpäter die Saat, die Ernte um ſo mehr ge-
fährdet iſt. Tritt ein Fehlſchlagen der Rübenſaat ſpäter ein, ſo erübrigt nur der
Umbruch und der Anbau einer ſchnellwachſenden Grünfutterpflanze.
Bis jetzt ſind bei der Rübe die folgenden Pflanzenkrankheiten 1) beobachtet
worden: 1. Der Roſt der Runkelrübenblätter (Uromyces betae Tul.). Derſelbe
beeinträchtigt die Blattthätigkeit und ſomit auch die Ausbildung der Wurzeln. Sein
Auftreten erreicht jedoch ſelten eine größere, nachtheilige Ausdehnung. 2. Die Herz-
fäule der Rübe (Peronospora betae Schacht.), welche ſich durch eine Kräuſelung
[159]Die Knollen- und Wurzelfrüchte.
und Verunſtaltung der jüngſten Blätter, der Herzblätter kenntlich macht. Die in den
Herzblättern hervorgerufene Stockung der Säfte wirkt nachtheilig auf die Ausbildung
und den Zuckergehalt der Rübe. 3. Der Wurzel- oder Rübentödter (Rhizoctonia
violacea Tul.), welcher ſich durch eine Fäulniß des Rübenfleiſches kenntlich macht.
Um eine weitere Verbreitung aller der drei vorgenannten Pilzkrankheiten zu verhüten,
wird eine thunlichſte Entfernung der kranken Rüben und Trennung derſelben von den
geſunden empfohlen. 4. Die Schwärze oder der Rußthau der Runkelrüben (Helmin-
thosporium rhizoctonon Rabh.). Zuerſt macht ſich dieſe Krankheit durch glatte,
braune Flecken an der Spitze der feinen Wurzeln bemerkbar. Die Flecke überziehen
allmählig die ganze Rübe und führen ſchließlich zum vollſtändigen Verfaulen des Rüben-
körpers. Nachdem dieſe Krankheit beſonders in feuchtem, undrainirtem Lande eintritt, ſo
empfiehlt ſich als beſtes Schutzmittel die Entwäſſerung. 5. Die Blattdürre der Runkelrübe
(Depazea betaecola De Candolle). 6. Eine noch wenig bekannte neue Krankheit der
Zuckerrübe, eine Rübenfäule, deren veranlaſſende Urſache noch nicht ſicher feſtgeſtellt
iſt, obgleich man vermuthet, daß dieſe Krankheit durch denſelben Pilz, welcher die Ur-
ſache der Kartoffelkrankheit iſt, hervorgerufen wird.
Als Rübenſchädlinge aus der Thierwelt ſind zu bezeichnen:
Schwarzer Aaskäfer nebſt
Larve (Silpha atrata L.) nach Giebel.
Nebeliger Schildkäfer (Cassida nebulosa
L.) nach Giebel. — 1 Larve; 2 Puppe, bei h abgeſtreifte
Larvenhaut; 3 Käfer von oben und unten, vergr.
- Junge Pflanzen:
- Schwarzer Aaskäfer (Silpha atrata und
opaca L.), Fig. 101. Larve ſchädlich. - Geheimfreſſer, Moosknopfkäfer (Crypto-
phagus linearis Steph.). Käfer
ſchädlich. - Wurzel:
- Rübennematode (Heterodera Schachtii).
Alt und jung ſchädlich. - Saatſchnellkäfer (Agriotes segetisGyll.),
Fig. 39, S. 47. Larve ſchädlich. - Blätter:
- Nebeliger Schildkäfer (Cassida nebu-
losa L.), Fig. 102. Käfer und Larve
ſchädlich. - Kohleule (Mamestra brassicae L.),
Fig. 77, S. 116. Raupe ſchädlich. - Winterſaateule (Agrotis segetum Hb.),
Fig. 40, S. 57. Raupe ſchädlich. - Ypſiloneule (Plusia gamma L.), Fig. 88,
S. 131. Raupe ſchädlich. - Runkelfliege (Anthomyia conformis
Fall.). Made ziemlich ſchädlich.
[160]Beſondere Pflanzenbaulehre.
5. Die Ernte.
Die Ernte der Zuckerrüben findet ziemlich ſpät, Anfang September ſtatt und
muß vor Eintritt der Fröſte, bis ſpäteſtens Anfang November vollendet ſein. Da
die Rübe bis in den Herbſt hinein fortwächſt, ſo kann jede Verzögerung der Ernte
einen Gewinn an Zucker bringen. In wärmeren Gegenden erntet man, ſobald die
Blätter gelb zu werden beginnen; in feuchten Gegenden erhalten ſich jedoch dieſe bis in
den Herbſt hinein grün. Das Herausnehmen der Rüben erfolgt mit der Rübengabel,
dem Rübenſpaten oder dem Rübenerntepflug. Bei dem Gebrauche dieſer Geräthe
muß jede Beſchädigung der Rübenwurzeln, welche ſpäterhin zum Faulen Veranlaſſung
geben könnte, möglichſt vermieden werden. Die mit dem Spaten oder dem Rüben-
heber gelockerten Rüben werden mit der Hand aus dem Boden gezogen, leicht an-
einander geklopft, damit die loſe Erde abfalle, und mit einem Meſſer oder einer alten
Sichel von der anhaftenden Erde, dem Wurzelfilze und den grünen Kopftheilen ſammt
den Blättern befreit. Der Rübenkopf enthält oft weniger Zucker und iſt meiſt ſalz-
reicher als der übrige Theil der Wurzel. Derſelbe wird am zweckmäßigſten durch
einen Schnitt, welcher die geringſte Wundfläche gibt, abgetrennt. Die abgeſchnittenen
Rübenköpfe werden für ſich geſammelt und zur Verfütterung verwendet. Bei gerin-
gen Ernten iſt es räthlich, die Köpfe der Rüben auf ihre Saftbeſchaffenheit zu unterſuchen.
Erweiſt ſich der Unterſchied in der Saftbeſchaffenheit als ein geringer, ſo iſt es ge-
boten, nur die Blätter und nicht auch die Köpfe der Rüben abzuſchneiden. Die
geputzten Rüben, ſofern ſie nicht gleich vom Felde abgeführt werden können, wirft
man auf kegelförmige Haufen zu etwa 300 Kilogramm zuſammen, welche dann zum
Schutze gegen Nachtfröſte und zur Verhütung des Abwelkens mit Blätter und Erde
bedeckt werden. Die Rüben, welche erſt im Verlaufe des Winters vom Felde geführt
werden können, werden am Felde ſelbſt, um die Ackerungsarbeiten nicht aufzuhalten,
in reihenweiſe geſtellte Mieten aufbewahrt. Zum Schutze gegen den Froſt erhalten
die Mieten erſt eine mäßige, 20 Ctm. hohe Erdbedeckung, welche mit dem Eintritte
der kälteren Jahreszeit auf 50—60 Ctm. verſtärkt wird. In den Mieten werden die
Rüben für die Zuckerfabrikation bis März, für die Fütterung bis zum Beginne der
Grünfütterung im April aufbewahrt. Die bei der Ernte abfallenden Blätter werden
entweder unmittelbar verfüttert oder mit den Köpfen in Gruben 1) als Sauerfutter
eingeſchlagen. Wegen ihres hohen Aſchengehaltes verurſachen ſie jedoch bei dem Vieh
leicht Abführen. Am häufigſten läßt man die abgeernteten Rübenfelder mit Schafen
übertreiben und breitet das Uebrigbleibende gleichmäßig aus, um es ſpäterhin als
Gründüngung unterzupflügen.
Bei den Futterrüben werden zuweilen die Blätter für ſich durch das ſogenannte
Abblatten gewonnen. Wird das Abblatten zu frühzeitig vorgenommen, ſo leidet da-
durch der Ertrag, bei Zuckerrüben auch noch der Zuckergehalt. 2)
Die Erträge an Zuckerrübenwurzeln ſind je nach der Beſchaffenheit des Bodens
[161]Die Knollen- und Wurzelfrüchte.
und der Witterung ſehr ſchwankend. Bei dem großen Culturaufwande iſt der Zucker-
rübenbau nur dann lohnend, wenn Durchſchnittserträge von 23.5—26 Tonnen à 1000
Kilogramm auf einem Hektare erzielt werden. In günſtigen Jahrgängen ſteigt der
Ertrag bis auf 35 Tonnen per Hektar. An Rübenblättern werden von einem Hektare
5—8 Tonnen gewonnen. Die Futterrüben geben viel höhere Maſſenerträge, welche
zwiſchen 30—60 und mehr Tonnen ſchwanken, im Durchſchnitte 30 Tonnen
erreichen. Der Blattertrag iſt gleichfalls höher; derſelbe ſtellt ſich auf 8—15 Tonnen.
6. Die Rübenſamengewinnung.
Zur Samenzucht werden ſchon bei der Rübenernte gleichmäßig gewachſene,
ſpindelförmige, nicht über 1 Kilogramm ſchwere Rübenwurzeln bei Seite gelegt. Die
überdieß, wie oben S. 157 bemerkt, auch auf ihren Zuckergehalt geprüft werden
können, um die zuckerreichſten Wurzeln für die Samengewinnung zu erhalten. Die
Blattroſetten der ausgewählten Samenrüben werden bloß abgedreht oder ungefähr
5 Ctm. über dem Rübenkopfe abgeſchnitten, um die Herzknospe nicht zu verletzen.
Ueber Winter werden ſie ſorgfältig eingemietet oder noch zweckmäßiger im Keller,
zwiſchen trockenem Sand eingebettet, aufbewahrt, damit ſie weder erfrieren noch vor-
zeitig austreiben. Im nächſten Frühjahre pflanzt man ſie nach der Sommergetreide-
ſaat im April in tief geſpatetes, gartenmäßig zubereitetes, gedüngtes und geſchütztes
Land. Meiſtens verwendet man dazu die geräumten Mietenplätze der Zuckerfabriken
oder geeignete Theile der Rübenſchläge. Das vorbereitete, geebnete Feldſtück wird
kreuz und quer marquirt, ſo zwar, daß jede Samenrübe je nach der Bodenbeſchaffen-
heit einen Wachsraum von 0.5—1.0 □ Meter erhält. In den Kreuzungspunkten
werden mit dem Spaten 70 Ctm. tiefe Löcher ausgehoben und in dieſelben mit Bei-
gabe von gutem Compoſt die Rübenwurzeln, ſo tief als ſie gewachſen waren, hinein-
geſetzt. Futterrüben, welche aus dem Boden wachſen, läßt man entſprechend aus dem
Boden hervorſehen. Zum Schutze gegen den Froſt wirft man über jeder Rübe ein
kleines Erdhäufchen auf. Den Sommer über wird der Boden zwiſchen den Rüben
mit der Hand oder auch mit der Pferdehacke ſtets rein und locker gehalten. Die hervor-
kommenden Samentriebe werden entweder bis auf einige ausgegeizt oder man beläßt ſie
und bindet ſie zur Sicherung an kleine Stäbchen. Oft reicht auch ein einfaches Zu-
ſammenbinden der Samentriebe mit einem Strohbande aus. Sobald die größten
Fruchtknäuel gebräunte Samen zeigen, werden die, wenn auch noch grünen Samen-
ſtengel mit der Sichel abgeſchnitten 1) und zum Trockenen auf die hoch belaſſenen
Stoppeln gelegt. Abgetrocknet fährt man die Stengel in die Scheune, um daſelbſt
die Rübenkerne mit dem Flegel abzuklopfen. Bei beſonders werthvollen Zuckerrüben-
ſorten pflegt man auch die Kerne einzeln mit der Hand nach Maßgabe ihres Reifens
von den ſtehenden Pflanzen abzureißen. Der Ertrag an Samen iſt oft bedeu-
tend, er erreicht von einem Hektare 500—1000 Kilogramm im Werthe von 60 bis
80 Mark (30—40 fl.) per 100 Kilogramm.
Krafft, Lehrb. d. Landw. II. 11
[162]Beſondere Pflanzenbaulehre.
5. Die Kohlrübe.
Die Kohlrübe, Steckrübe, Wrucke, Erdkohlrabi, Bodenkohlrabi, Unterkohlrabi,
Krautrübe, Dorſch, ſchwediſche Kohlrübe oder Rutabaga (Brassica napus rapifera
DC.) ⚇ kann als eine durch die Cultur entſtandene Varietät des Rapfes (Brassica napus
oleifera DC.) ⚇ angeſehen werden. Von demſelben unterſcheidet ſie ſich durch die dicke,
fleiſchige, oben mit Blattnarben beſetzte Wurzel. Wie die Kohlrübe und der Raps, ſo
Runde, weiße Kohlrübe (Brassica
napus rapifera var. alba Alfld.) ⚇.
Schwediſche Rutabaga (Brassica
napus rapifera var. flava Alfld.) ☉ und ⚇.
können faſt alle Kreuzblüthler durch die Cultur
entweder in Rüben- oder Oelpflanzen um-
gewandelt werden. Von der Stoppel- oder Waſſer-
rübe unterſcheidet ſich die Steck- oder Kohlrübe
durch die glatte und bläuliche Oberfläche der
Blätter. Als Varietäten der Kohlrüben kennt
man: 1. die weiße Kohlrübe mit weißſchaliger
und weißfleiſchiger Wurzel, welche wieder je nach
der Form der Wurzel verſchiedene Untervarietäten
bildet. Sie wird als vortreffliches Futter für
Kühe, Schafe und Maſtvieh gebaut, welches ſich
jedoch nicht ſo gut als die Runkelrüben auf-
bewahren läßt; zuweilen findet ſie auch Ver-
wendung als menſchliches Nahrungsmittel. Sorten:
Eiförmige, gemeine Kohlrübe; Runde, weiße Kohl-
rübe, Fig. 103; Ovale, franzöſiſche Kohlrübe ꝛc.;
2. die gelbe Kohlrübe mit gelbſchaliger und
gelbfleiſchiger Wurzel. Sorten: Engliſche Rutabaga
mit violettem Anfluge, als Viehfutter verwendet;
Schwediſche Kohlrübe oder ſchwediſche Rutabaga
mit grünlichem Kopfe, Fig. 104, zur Fütterung
und Speiſe geeignet.
1. Die Wachsthumsbedingungen.
Die Steckrübe liebt feuchtes Klima und friſchen Boden, ſie iſt wegen ihrer
kurzen Vegetationszeit (18—20 Wochen) beſonders für Gebirgsgegenden, rauhe Lagen
und zähen Boden ſehr werthvoll. Durch trockene Witterung und Inſectenfraß leidet
ſie mehr als die Runkelrübe. Am zuſagendſten ſind derſelben in gutem Düngungs-
zuſtande befindliche, tiefgründige Lehm- und Thonmergelböden, trocken gelegte Teich-
niederungen und Flußanſchwemmungen. Wo das Kraut oder der Kopfkohl gedeiht,
dort kann auch die Kohlrübe mit Erfolg gebaut werden. Am häufigſten wird ſie
in England, im nördlichen Deutſchland und in Gebirgsgegenden cultivirt. Sie ver-
langt ſtarke Düngung, weshalb in Gebirgsgegenden oft nach der Herbſtdüngung
noch eine Frühjahrsdüngung gegeben wird und ſchließlich das Feld noch mit flüſſigem
Dünger überfahren wird. Wenn ſie auch nicht ſo tief als wie die Runkel mit den
[163]Die Knollen- und Wurzelfrüchte.
Wurzeln in den Boden eindringt, ſo lohnt ſie doch eine tiefe Vorbereitung des Feldes.
Am gewöhnlichſten wird ſie im Brachfelde oder nach Luzerne, Rothklee gebaut. Wird
ſie erſt im Juni ausgepflanzt, ſo kann vorher noch eine Ernte von Futterroggen,
Incarnatklee oder weißem Senf genommen werden.
2. Die Saat.
In England wird die Steckrübe gewöhnlich auf das freie Land geſäet (geſteckt),
während in Deutſchland das Auspflanzen üblicher iſt. In den Samenbeeten, welche
Anfang April in 26 Ctm. entfernten Reihen beſtellt werden, laſſen ſich die jungen
Pflanzen leichter gegen die Angriffe der Inſecten ſchützen. Die Pflanzung erfolgt auf
das ſorgfältig vorbereitete Feld mit dem Pflanzſtocke nach dem Marqueure oder durch
Einpflügen, ähnlich wie bei den Kartoffeln, im Mai und Juni. Die Entfernung
der Pflanzreihen richtet ſich nach der Größe der Wurzeln; ſie darf nicht 47 Ctm.
im Quadrate überſteigen. Die Saat wird wie bei dem Rapſe Ende April gedrillt, in
England auch auf gedüngten Kämmen ausgeführt. Auf einem Hektare beträgt die
Samenmenge bei der Drillſaat 10—14, bei der Dibbel- oder Horſtſaat 6 Kilo-
gramm; für die Pflanzmethode genügen 5—6 Kilogramm.
3. Die Pflege.
Die ausgeſäeten Kohlrüben keimen bei warmer Witterung in einigen Tagen,
je raſcher ſie dann wachſen, um ſo eher überwinden ſie die drohenden Gefahren. Das
Verdünnen kann mit der Hacke ausgeführt werden, da jeder Same nur eine Pflanze
liefert. Die weitere Cultur, ſowie die Cultur der verpflanzten Kohlrüben ſtimmt
mit jener bei der Runkelrübe angegebenen überein. Sie werden mehrmals behackt und
ſchließlich angehäufelt.
Von Pflanzenfeinden hat die Kohlrübe wenig zu leiden: am häufigſten wird ſie
von Mehlthau- und Schimmelpilzen (Peronospora parasitica Tul. und Erysiphe
communis Wallr.) befallen.
Die Hauptfeinde der Kohlrübe, welche beſonders bei anhaltender Trockene
die ganze Pflanzung im Samenbeete oder am Felde vernichten können, ſind die Erd-
flöhe und die Raupen des Kohlweißlings. Nächſt dieſen ſchaden:
- Wurzel:
- Rapsverborgenrüßler (Ceutorhynchus
sulcicollis Gyll.). Fig. 60, S. 85.
Larve ziemlich ſchädlich. - Kohlfliege (Anthomyia brassicae
Bouché) Fig. 105, S. 164. Made
unmerklich ſchädlich. - Stengel und Blätter:
- Ackerſchnecke (Limax agrestis L.), Fig.
91, S. 146, alt u. jung ſehr ſchädlich. - Gelbſtreifiger Erdfloh (Haltica nemo-
- rum L.), Fig. 106, S. 164. Käfer
und Larve ſehr ſchädlich. - Kohlerdfloh (Haltica oleracea L.).
- Großer Kohlweißling (Pieris brassicae
Schk.), Fig. 123, S. 177. Raupe ſehr
ſchädlich. - Rübenweißling (Pieris rapae L.).
Raupe ſchädlich. - Rübſaatweißling (Pieris napi L.).
Raupe ſchädlich. - Weizeneule (Agrotis tritiei L.), Fig. 45,
S. 64. Raupe ſchädlich.
11*
[164]Beſondere Pflanzenbaulehre.
- Erdraupe (Agrotis segetum Hb.),
Fig. 40, S. 57. Raupe ſehr ſchädlich. - Rapsſägewespe (Tenthredo spinarum
Fab.), Fig. 82, S. 124. Afterr. ſchädl. - Kohlblattlaus (Aphis brassicae L.).
Blattlaus und Nymphe unmerklich
ſchädlich. - Ampferblattlaus (Aphis rumicis L.).
Blattlaus und Nymphe unmerklich
ſchädlich. - Nelkenblattlaus (Aphis dianthi Schrk.).
Blattlaus und Nymphe ziemlich
ſchädlich.
Kohlfliege (Anthomyia brassicae Bouché).
— 1 Larve, vergr., darüber das Hinterleibsende;
2 Puppe ſtark vergr.; 3 männliche Fliege vergr.;
4 Körper der weiblichen Fliege vergr.; Kopf und
Fühler vergr.
Gelbſtreifiger Erdfloh (Hal-
tica nemorum L.), wie Fig. 105 nach
Giebel. ‒ 1 Larve; 2 Puppe; 3 Käfer,
alle vergr., über Letzterem Blattſtück mit
Käfer.
4. Die Ernte.
Die Kohlrüben können länger im Felde ſtehen gelaſſen werden als die Runkel-
rüben, nachdem ſie weniger empfindlich gegen Fröſte ſind. Das Ausnehmen derſelben
geht leichter vor ſich als bei den Runkelrüben, da ſie meiſt aus dem Boden heraus-
wachſen. Am beſten werden dieſelben gleich verfüttert. Sie laſſen ſich nur ſchwer
bis über den Januar hinaus aufbewahren, am beſten noch in kühlen, luftigen, froſt-
freien Räumlichkeiten. Die Aufbewahrung in Mieten iſt weniger zu empfehlen. Ihr
Ertrag an Wurzeln ſtellt ſich im Durchſchnitte auf 26—35 Tonnen per Hektar,
erreicht jedoch unter günſtigen Verhältniſſen auch 52 Tonnen. Als Nebenertrag
erhält man die Blätter, welche einen ähnlichen Futterwerth wie die Rapsblätter
beſitzen. Bei der Gewinnung der Samen wird ebenſo, wie bei der Erziehung der
Runkelrübenſamen vorgegangen.
6. Die Waſſerrübe.
Die Waſſerrübe, weiße Rübe, Brachrübe, Stoppelrübe, Turnips, Saatrübe,
Halmrübe, Tellerrübe, Ackerrübe, auch Steckrübe (Brassica rapa rapifera Metzg.) ⚇
iſt als eine Spielart des Rübſens anzuſehen, welche durch die Cultur eine fleiſch-
verdickte, rübenartige Wurzel erhielt. Sie blüht im zweiten Jahre im April und
[165]Die Knollen- und Wurzelfrüchte.
Rothe Tellerrübe (Brassica rapa
var. erythroplax Alfld.) ⚇.
Weiße Norfolker Kugelrübe (Brassica
rapa var. erythroplax Alfld.) ⚇.
Pfälzerrübe (Brassica rapa var.
jodopyrgus Alfld.) ⚇.
Stickelrübe (Brassica rapa rapifera
Metzg.) ⚇.
[166]Beſondere Pflanzenbaulehre.
Mai. Nach der Form der Rübe unterſcheidet Langethal 1)A. plattrunde und rund-
liche Sorten mit abgerundetem unterem Ende der Wurzel, von deren Mitte die dünne
Wurzel ausgeht. Sie haben meiſtentheils kleinere Blätter als wie die langen, kegel-
förmigen Waſſerrüben. Sorten: Weiße Mairübe; Rothe Tellerrübe oder Auvergne-
rübe, auch Schweizerrübe genannt, Fig. 107, mit violettweißer Schale und violett-
rothem Kopfe, Speiſerübe; Weiße Norfolker Kugelrübe, Fig. 108, mit weißer Schale
und röthlichem Kopfe. B. Lange Sorten, die ſich nach unten allmählig zuſpitzen.
Sorten: Guckelrübe, deutſche oder Pfälzerrübe, Fig. 109, weiß mit dunkelviolettem
Kopfe, gemeine Viehrübe; Stickelrübe, Fig. 110, gelblichweiß bis braun, ſo groß
wie die Teltauer oder Teltower Rübe, nur langgeſtreckt.
1. Die Wachsthumsbedingungen.
Die Waſſerrübe verändert ſich durch die Cultur und den Boden auf die mannig-
faltigſte Weiſe, weshalb keine der vorgenannten Varietäten als beſtändig anzuſehen
iſt. In einem ſandigen Boden, wie in der Mittelmark, liefert ſie die kleine, wohl-
ſchmeckende Teltower Rübe, die unter anderen Bodenverhältniſſen bald an Geſchmack
verliert und an Größe zunimmt. In einer feuchten Atmoſphäre, wie in dem Inſel-
klima Englands, bei ſtarker Düngung und auf friſchem Boden vergrößern ſich die
Wurzeln, w. z. B. bei den Turnips bis zu 30 Kilogramm Gewicht. Die Waſſer-
rübe eignet ſich beſonders für leichten, tiefgründigen, friſch gelegenen Sandboden oder
Lehmboden. Wegen ihrer kurzen Vegetationszeit — ſie wird ſehr bald, je nach der Varie-
tät, in 6—14 Wochen nach ihrer Ausſaat geerntet — gehört die Waſſerrübe zu jenen
Culturpflanzen, welche am weiteſten gegen Norden (bis zum 71. ° nördl. Breite) ge-
baut werden können. Die kurze Vegetationszeit, ſowie der Umſtand, daß die Waſſer-
rübe durch trockene Witterung und hellen Sonnenſchein im Wachsthume gehemmt wird,
macht ſie für warme Klimate beſonders geeignet als Stoppelfrucht, als welche ſie nach
der Getreideernte im Auguſt angebaut wird. Ihre Sicherheit als Stoppelfrucht hängt
davon ab, ob der Same im Herbſte genügende Feuchtigkeit erhält, um raſch zu keimen
und durch ſchnelle Entwickelung ſeinen Feinden entwachſen zu können. In kühlen,
feuchten Gegenden kann die Waſſerrübe jedoch auch als Sommerfrucht im Mai oder
Juni ausgeſäet werden. In trockenen Gegenden lohnt ſie ſich dagegen nicht als
Sommerfrucht und tritt an ihre Stelle die Runkelrübe.
Die Waſſer- oder Weißrübe verlangt einen ſandigeren Boden als die Kohlrübe,
am beſten gedeiht ſie in tiefem, ſandigem Lehm- oder lehmigem Sandboden. Mit Er-
folg kann ſie auch noch auf entwäſſertem Moorboden angebaut werden.
2. Die Vorfrucht und Vorbereitung.
Als Sommerfrucht oder als Brachfrucht wird die Weißrübe nach frühem Grün-
futter oder nach vorangegangenem Raps, Wintergetreide ꝛc. in das gut, wenn möglich
[167]Die Knollen- und Wurzelfrüchte.
tief gelockerte und gedüngte Feld ausgeſäet. Nachdem die Waſſerrüben, wie die
Möhren, in der Jugend gedämpftes Licht vertragen, können ſie auch unter ſchnell-
wachſenden, lichtſtehenden Pflanzen, wie unter Lein, Gerſte geſäet werden, um nach
Aberntung der Ueberfrucht das Feld allein einzunehmen. Häufiger iſt bei uns der
Anbau der Waſſerrüben, beſonders der langen Sorten als Stoppelfrucht nach Winter-
getreide, Raps oder auch Lein. Die Beſtellung beſteht in dieſem Falle im Um-
brechen der Getreideſtoppel, welches gleich nach der Ernte vorzunehmen iſt. Eine
beträchtliche Steigerung des Ertrages wird erzielt, wenn man vorher die Stoppel
mit Stallmiſt, Miſtjauche oder künſtlichen Düngern, auch mit Kalk überfährt.
Baut man die Waſſerrüben (Turnips) wie in England alle vier Jahre auf
daſſelbe Feld, ſo tritt bald eine Pflanzenmüdigkeit ein, welche ſich in einer mehrfachen
Veräſtelung der Wurzel (Fingerkrankheit) äußert. Es empfiehlt ſich daher die
Waſſerrübe erſt alle 8 Jahre wiederkehren zu laſſen.
3. Die Saat.
Der Same der Weißrübe iſt ähnlich dem Rapsſamen. Je dunkler gefärbt, um
ſo beſſer iſt derſelbe. Bei ſeiner Kleinheit (auf 1 Kilogramm gehen 515,000
Samen) benöthigt man ein geringes Saatquantum, bei breitwürfiger Saat 2 bis
4 Kilogramm, bei Drillſaat 1—1½ Kilogramm per Hektar. In England werden
die Brachrüben häufig in 60—80 Ctm. entfernte Kämme auf 30—45 Ctm. Ent-
fernung geſtellt. Um das Wachsthum zu beſchleunigen, gibt man in die Kämme oft
noch künſtliche Düngemittel. Die Drillreihen werden auf 45—50 Ctm. Ent-
fernung geſtellt und ſpäterhin durch die Handhacke auf 30 Ctm. vereinzelt. Die
Drillreihen werden auf 45—50 Ctm. Entfernung geſtellt und ſpäterhin durch die
Handhacke auf 30 Ctm. vereinzelt. Die Drillſchaare erhalten keine Belaſtung, da-
mit der feine Same nicht über 1.5 Ctm., im leichten Boden nicht über 2 Ctm.
tief untergebracht wird.
Die Zeit der Ausſaat wurde ſchon bei den Wachsthumsbedingungen angegeben.
4. Die Pflege.
Die Weißrüben werden, wie die Kohlrüben, mehrmals behackt und zuletzt an-
gehäufelt. Bei breitwürfigen Saaten iſt das Handhacken nur bei dem Kleinbetriebe
auszuführen. Für die Breitſaat genügt ein mehrmaliges, kräftiges Uebereggen, bei
welcher Gelegenheit die zu dichte Saat ſoweit verdünnt wird, daß jede Pflanze etwa
0.1 □ Meter Wachsraum erhält. Fehlſtellen können nicht durch Nachpflanzen ergänzt
werden, weshalb man häufig an ſolche Stellen Runkelrüben ſetzt.
In der erſten Jugend werden die Waſſerrüben leicht von dem Hederich (Rapha-
nus raphanistrum L.) ☉, Fig. 30, S. 40, deſſen Blätter jenen der Waſſerrüben
gleichen, der Quecke (Triticum repens L.) ♃ und dem Ackerſpörgel (Spergula ar-
vensis L.) ☉, Fig. 141, S. 202, unterdrückt. Die Waſſerrübe wird von denſelben
Feinden aus der Thierwelt, wie die Kohlrübe, angegriffen, beſonders ſchädlich werden
jenen die Erdflöhe, die Kohlraupe und die Saateule.
[168]Beſondere Pflanzenbaulehre.
Auf den Wurzelblättern der Weißrübe verurſacht ein der Gattung Cystopus
angehöriger Paraſit den weißen Roſt oder Schimmel.
5. Die Ernte.
Die Ernte läßt ſich leicht ausführen, nachdem die meiſten Waſſerrüben aus dem
Boden herauswachſen. Sollen größere Mengen noch im Herbſte verfüttert werden,
ſo bewerkſtelligt man die erſte Saat ſo zeitlich, daß mit der Fütterung Anfang Sep-
tember begonnen werden kann. Die Waſſerrüben ſind weniger empfindlich gegen den
Froſt als die Runkelrüben, trotzdem laſſen ſie ſich ſchwer und nur in kleinen Mieten
aufbewahren In England erſpart man ſich das Nachhauſefahren der ausgenomme-
nen Turnips, indem man ſie ſammt den Blättern vom Felde weg von den Schafen,
welchen gleichzeitig Bohnen oder Rapskuchenmehl vorgelegt wird, verzehren läßt. Als
Brachrüben gewähren ſie auf einem Hektare Erträge von 40—50 Tonnen; als Stoppel-
rüben ſinkt der Ertrag auf durchſchnittlich 20—24 Tonnen. An Blättern, welche
ein gutes Futtermaterial liefern, werden 4—6 Tonnen gewonnen. Unter beſonders
günſtigen Umſtänden erhöht ſich bei einigen als Sommerfrucht gebauten Sorten der
Ertrag auf 50—70 Tonnen Wurzeln.
Zur Samengewinnung läßt man einige Rüben, welche durch ſtarkes Anhäufeln
gegen die Winterkälte geſchützt werden, im Felde ſtehen oder man bewahrt die
Samenrüben im Keller auf und ſetzt ſie im nächſten Frühjahre zur Samenzucht aus.
7. Die Paſtinake.
Die gemeine Paſtinake (Pastinaca sativa L.) ⚇ unterſcheidet ſich von anderen
Umbelliferen durch die rundlichen, einwärts gerollten, gelben Blumenkronenblätter.
Die angenehm riechende Wurzel wird durch Cultur fleiſchig. Der kantig gefurchte,
0.3—1.25 Meter hohe Stengel iſt wie das Blatt grasgrün. Die zwei ſeitlichen
Riefen der Früchtchen von den drei mittleren merklich entfernt. Dieſe urſprünglich
in Europa einheimiſche Pflanze wird entweder als Gemüſe oder, wie namentlich die
langwurzelige Paſtinake, als Viehfutter cultivirt. Außer den langwurzeligen Sorten
kommen noch mittellange Sorten, wie die Jerſey-Paſtinake, Fig. 111, und runde
Sorten, wie die Zucker- oder Königspaſtinake, Fig. 112, zum Anbaue.
Der Same der Paſtinake 1) bewahrt nur zwei Jahre lang ſeine Keimkraft,
daher friſcher Same auszuſäen iſt. Die Vegetationsdauer der Paſtinake iſt etwas
kürzer als die der Mohrrüben.
Bei der tiefgehenden Wurzel der Paſtinake kann dieſelbe nur auf einem reichen,
tiefgründigen und tief bearbeiteten, nicht zu ſchweren Boden cultivirt werden. Am
geeignetſten ſind der lehmige Humusboden und der humoſe, reiche Sandboden; auf
Thonboden gedeiht ſie nicht. Nachdem ſie zu ihrem Gedeihen ein mildes, feuchtes
Klima bedarf, findet ſich ihre Cultur vorzugsweiſe in Belgien, Nordfrankreich und
England.
[169]Die Knollen- und Wurzelfrüchte.
Das Saatquantum iſt bei dem größeren Samen (1 Kilogramm enthält 164,000
Samen) größer als wie bei der Mohrrübe, mit deren Cultur übrigens die Cultur
der Paſtinake übereinſtimmt. Bei der Drillcultur ſtellt ſich der durchſchnittliche
Saatbedarf auf 12 Kilogramm für ein Hektar.
Jerſey-Paſtinake (Pastinaca
sativa L) ⚇.
Runde Zuckerpaſtinake (Pastinaca
sativa L.) ⚇.
Die Erträge von der Paſtinake ſtellen ſich bei der Feldcultur geringer als wie
bei der Mohrrübe heraus. Durchſchnittlich iſt der Ertrag nicht höher als auf
34.2 Tonnen Wurzeln und 2.5 Tonnen Blätter per Hektar zu veranſchlagen.
Die Wurzel wird namentlich als ein vorzügliches Pferdefutter, nach Dombasle
auch als ein vortreffliches Maſtfutter für Rindvieh betrachtet.
Die Wurzel erträgt einen mäßigen Winterfroſt, weshalb man dieſelben nicht
ſelten über den Winter in der Erde läßt, um im nächſten Frühjahre das empor-
ſprießende Laub als Grünfutter zu benutzen.
8. Die Möhre.
Die Möhre, Mohrrübe, gelbe
Rübe, Wurzel, Carote (Daucus Ca-
rota L.) iſt unter ihren Verwandten
leicht kenntlich an dem ſteifhaarigen,
0.15—1.26 Meter hohen Stengel, den
großen drei- und fiederſpaltigen Hüll-
blättchen und an der mittelſten purpur-
rothen Blüthe, während die übrigen
Blüthen der Dolde weiß ſind. Die
Früchte, Fig. 113, beſitzen neben drei,
Mohrrübe (Daucus Carota L.) ⚇. ‒
a Frucht von der inneren Verbindungsfläche geſehen;
b Außenfläche mit langſtacheligen Nebenriefen; c Frucht
in nat. Größe.
[170]Beſondere Pflanzenbaulehre.
kurzborſtigen Hauptriefen, vier langſtachelige Nebenriefen. Das Eiweiß iſt vorn
flach, auf dem Rücken gewölbt. Die durch Cultur nach 3—4 Jahren fleiſchig wer-
denden, wohlſchmeckenden, zuckerhaltigen Wurzeln dienen zu Gemüſe und zur Vieh-
fütterung, zerſchnitten und geröſtet auch als Kaffeeſurrogat.
Rothe, lange, fran-
zöſiſche Möhre (Daucus Carota var.
aurantia Alfld.) ⚇.
Weiße, grünköpfige
Rieſenmöhre (Daucus Carota var.
alba. Alfld.) ⚇.
Orangerothe Horn-
möhre (Daucus Carota L.) ⚇.
Die Sorten werden nach der Länge und Form der Wurzeln unterſchieden in:
1. Lange Möhren: Weiße, grünköpfige Rieſenmöhre, Fig. 114. Dieſelbe wächſt
mit grünem Kopfe aus der Erde hervor und gibt ſchwere, nicht unter 1.5 Kilogr.
wiegende Wurzeln, welche wegen ihres geringen Zuckergehaltes und ihrer hohen Er-
träge ſehr empfehlenswerth als Viehfutter ſind. Rothe Altringhammöhre; Rothe,
Braunſchweiger Speiſemöhre ꝛc. 2. Mittellange Möhren: Orangegelbe, franzöſiſche
Möhre, Fig. 115, für Speiſe und zur Fütterung geeignet; Gelbe Salfelder Futter-
möhre; Rothe Frankfurter Speiſemöhre. 3. Kurze, rundlich abgeſtumpfte, in ein
feines Würzelchen ausgehende Hornmöhren, auch Caroten genannt, welche vorzugsweiſe
als Gemüſe verwendet werden. Orangerothe Hornmöhre, Fig. 116; Goldrübe ꝛc.
[171]Die Knollen- und Wurzelfrüchte.
1. Die Wachsthumsbedingungen.
Die Möhre liebt gemäßigtes Klima und widerſteht der Trockenheit und Kälte.
Ihr Anbau reicht bis zum 71.° n. Breite. Am meiſten wird ihr Wachsthum durch
regneriſche Witterung, beſonders naſſe Sommer, ſowie durch feuchte Lage und ſtauende
Näſſe im Untergrunde beeinträchtigt. Bei frühzeitigem Anbaue treibt die Möhre
ſchon im erſten Jahre ihre Samenſtengel auf Koſten des Wurzelertrages aus. Sie
gedeiht am beſten auf tiefgründigem, humusreichem, ſandigem Lehm- oder lehmigem
Sandboden. Bei zu trockenem Boden verkommt die Möhre. Auf naſſem Boden
leiden die Wurzeln leicht an Fäule. Ebenſo ſind Bodenarten, welche zum Verkruſten
neigen, bei dem langſamen Wachſen der jungen Pflanzen für den Möhrenbau
ungeeignet.
2. Die Vorfrucht und Vorbereitung.
Die Möhre wächſt ſehr langſam. Sie braucht 1—2 Wochen bis zum Auf-
gehen und bleibt dann lange Zeit wenig entwickelt. Oft iſt das Möhrenpflänzchen
erſt 2—3 Ctm. hoch, wenn die Wurzel ſchon 15—16 Ctm. tief gegangen iſt.
Dieſes langſame Wachsthum in der Jugend behindert ſehr die Cultur der Möhre,
welche leicht durch Unkraut unterdrückt oder durch Kruſtenbildung des Bodens ver-
nichtet werden kann. Man baut ſie daher am zweckmäßigſten wie den Rothklee,
unter einer Schutzfrucht, unter Wintergetreide, auch unter Gerſte, Lein, Mohn. Nach
der Ernte der Ueberfrucht gelangt die Möhre zur ſchnelleren Entwickelung, nament-
lich wenn der Boden zwiſchen derſelben behackt wird. Empfehlenswerth iſt auch die
Unterſaat der Möhre im Frühjahre unter Raps, nachdem dieſer ſeine letzte Be-
arbeitung erhalten hat. Iſt der Boden verunkrautet, ſo baut man ſie nach Brache
oder einer gedüngten Hackfrucht wie Kartoffeln.
Folgt die Möhre nach Hackfrüchten, ſo genügt eine Tieffurche, welche über
Winter in rauher Furche liegen bleibt. Wenn es die Beſchaffenheit des Untergrundes
zuläßt, lohnt ſich ein Spatpflügen, denn je ſchneller die Wurzel in die Tiefe
dringen kann, um ſo weniger wird die Möhre von nachtheiliger Witterung zu leiden
haben. Nach Winter- oder Sommergetreide wird erſt die Stoppel flach geſtürzt,
dann tiefgepflügt und im Frühjahre noch eine flache Furche gegeben oder das Feld
mit dem Exſtirpator bearbeitet.
Der Dünger wird im Herbſte aufgebracht. Bei ſtark verunkrautetem Lande
empfiehlt es ſich die Vorfrucht zu düngen. Der Ertrag an Wurzeln wird durch
ſtickſtoffhaltige Düngemittel, wie Guano, Federviehmiſt, verrotteter Pferdemiſt bedeu-
tend erhöht. Bei friſchem Stallmiſte treiben die Möhren gerne ſchon im erſten
Jahre in die Samen.
3. Die Saat.
Werden die Möhren für ſich allein geſäet, ſo muß man ſie ſo zeitlich als
möglich in der zweiten Hälfte der Frühjahrsſaat, Ende März oder Anfang April
in den Boden zu bringen ſuchen.
[172]Beſondere Pflanzenbaulehre.
Um das Ausſtreuen der Samen, welche durch ihre Häkchen oft klumpenartig
zuſammenhängen, zu erleichtern, vermiſcht man dieſelben mit Sand oder trockener
Erde. Eine weitere Vorbereitung des Samens beſteht in dem Anquellen, durch
welches das langſam verlaufende Auskeimen beſchleunigt werden ſoll. Noch vortheil-
hafter iſt es die Samen ſchichtenweiſe in Erde zu legen, durch 1—2 Tage feucht zu
erhalten und dann erſt mit der Erde auszuſäen. Durch dieſes Verfahren wird ein
ſchnelleres Ankeimen ermöglicht und damit werden die jungen Pflänzchen vor dem
Unkraute und dem Inſektenfraße mehr geſichert.
Die Saat wird entweder breitwürfig ausgeführt oder gedrillt. Im letzteren
Falle werden mit einem Marqueur die Reihen vorgezeichnet und der Same mit der
Hand in den Boden gebracht. Das Drillen mit der Maſchine iſt wegen der Be-
ſchaffenheit der Samen nicht gut auszuführen. Gewöhnlich gibt man den Möhren
etwas weniger Wachsraum als den Runkelrüben. Die Entfernung der Drillreihen
hat 40—50 Ctm. zu betragen. Noch häufiger dibbelt man den Samen auf
26—30 Ctm. im Quadrate. Das Saatquantum beträgt bei der Breitſaat
7—8 Kilogr., bei der Reihenſaat 6—7 Kilogr. und bei der Tüpfelſaat 4—5
Kilogr. für ein Hektar.
4. Die Pflege.
Sobald die Reihen ſichtbar werden, wird das Hacken derſelben vorgenommen.
Sind die Möhren unter eine Ueberfrucht geſäet, ſo kann das Hacken ſelbſtverſtändlich erſt nach
dem Abbringen der Letzteren ausgeführt werden. Sind die Pflänzchen 3—6 Ctm.
hoch geworden, ſo werden ſie vereinzelt, bei der Reihenſaat auf eine Entfernung von
12—14 Ctm. Das Anhäufeln wird bei den Möhren meiſt unterlaſſen.
An Pflanzenkrankheiten zeigen ſich: die Schwärze der Mohrrübenblätter, ver-
anlaßt durch den Pilz Sporidesmium exitiosum Kühn, auf den Wurzeln Sclero-
tium elongatum Chèv., der Wurzelbrand oder Wurzeltödter (Rhizoctonia violacea
Tul.). Eine weitere Wurzelerkrankung, welche ſich in gelblichbraunen Flecken zwiſchen
Außen- und Innenrinde zeigt, rührt von dem Pilze Helicosporangium parasiticum
Karst. her. Außerdem unterliegt die Möhre, wie die Runkelrübe, der Zellenfäule.
Unter den Feinden aus der Thierwelt können beſonders die Larven einer Fliege
(Psila rosae F.) bedeutenden Schaden anſtiften. Dieſelben freſſen an der Spitze
der Wurzeln Gänge, welche weiterhin zum Faulen der Rübe Veranlaſſung geben
(Wurmfäule, Roſtflecken oder Eiſenmadenkrankheit). Außerdem ſchaden:
- Wurzel:
- Tauſendfuß (Julus guttulatus F.), alt
und jung ziemlich ſchädlich. - Saatſchnellkäfer (Agriotes segetis Gyll.),
Fig. 39, S. 47, Larve ziemlich ſchädlich. - Hopfenwurzelſpinner (Hepiolus humuli F.),
Raupe unmerklich ſchädlich. - Kraut:
- Fenchelfalter (Papilio Machaon L.),
Raupe nicht ſchädlich. - Flöhkrauteule (Mamestra persicariae L),
Raupe ſchädlich. - Ampferblattlaus (Aphis rumicis L.),
Blattlaus und Nymphe unmerkl. ſchädlich.
[173]Die Knollen- und Wurzelfrüchte.
- Möhrenblattlaus (Aphis dauci Curtis.),
nicht ſchädlich. - Blüthe:
- Möhrenſchabe (Haemylis daucella Hb.),
Fig. 70, S. 96. Raupe ſchädlich. - Samen:
- Möhrenzünsler (Pyralis palealis Hübn.),
Raupe unmerklich ſchädlich. - Möhrenmotte (Tinea cicutella Treit.),
Raupe unmerklich ſchädlich. - Gallmücke (Cecidomyia) Made ziemlich
ſchädlich; verurſacht Aufſchwellen und
Fehlſchlagen vieler Samen.
5. Die Ernte.
Die Futtermöhren werden erſt im Oktober vor dem Eintritte der Frühfröſte ge-
erntet. In loſem Boden können ſie einfach mit der Hand aus dem Boden gezogen
werden. Bei bindigerer Bodenbeſchaffenheit hebt man ſie jedoch mit dem Rüben-
ſpaten, dem Karſt oder ſelbſt mit dem Pflug aus dem Boden. Die Erträge
ſchwanken je nach Varietät und je nach dem Culturzuſtande des Bodens zwiſchen
40—70 Tonnen à 1000 Kilogr. von dem Hektare. Das Laub kann für ſich durch
Abſchneiden geerntet werden und gibt 5—7 Tonnen eines nahrhaften Viehfutters.
Bei der Aufbewahrung der Wurzeln in Kellern oder Mieten muß ſehr vorſichtig
vorgegangen werden. Um ein Faulen der Rüben zu verhüten, dürfen ſie bei der
Einmietung nicht früher ſtärker mit Erde bedeckt werden, als ſie nicht einen Theil
ihres Waſſers durch Austrocknen verloren haben.
Bei der Gewinnung der Samen wird in ähnlicher Weiſe vorgegangen wie bei
den Runkelrüben. Die Ernte hat zu beginnen, ſobald ſich die Dolden zu bräunen
beginnen, nachdem eine Verzögerung der Aberntung zu einem bedeutenden Samen-
ausfalle führt. Von 100 Stück Samenmohrrüben kann ein Kilogramm Same
geerntet werden.
9. Die Cichorie.
Die Cichorie, Wegwarte (Cichorium intybus L.) ♃, Fig. 117, iſt leicht an
ihren blauen, ſelten weißen oder röthlichen Blüthen, welche zu dreien nebeneinander
ſtehen, zu erkennen. Die Frucht iſt eine Schließfrucht (Achäne), Fig. 118. Bei der
jungen Pflanze ſind die mattgrünen, lanzettlichen Blätter am Boden in eine Roſette
zuſammengedrängt. Späterhin erhebt ſich der rauhe, harte Stengel, an welchem
meiſt erſt im zweiten Jahre im Juli und Auguſt zahlreiche Blüthenköpfchen erſcheinen.
Die wilde Unkrautcichorie beſitzt eine dünne, holzige Wurzel, welche jedoch durch die
Cultur 2—5 Ctm. dick und fleiſchig wird. Sie gibt das Material zur Bereitung
des bekannten Surrogat-Kaffees. Die Blätter, beſonders die etoilirten werden ſo
wie die Wurzeln als Gemüſe verwendet. Im grünen Zuſtande liefern ſie ein gutes
Milchfutter.
Am beſten gedeihet die Cichorie auf einem tiefgründigen ſandigen Lehmboden.
In der Fruchtfolge nimmt ſie denſelben Platz ein, wie die Zuckerrübe. Häufig baut
man ſie zwei Jahre auf einem und demſelben Felde an, da bei der Ernte gewöhnlich
zahlreiche Wurzeln im Boden verbleiben, welche bei einjähriger Benutzung das Feld ver-
[174]Beſondere Pflanzenbaulehre.
Wurzelblatt und Blüthe der Cichorie.
Cichorie, (Cichorium intybus L.) ♃ nach
Nobbe. — a—c Achäne, b Frucht von der Scheibe,
c vom Rande des Blüthenbodens, d und e keimende
Frucht, Würzelchen behaart.
unkrauten. Als Nachfrucht wird eine Hackfrucht gebaut. Nach dem Sturze der
Wintergetreideſtoppel wird der Boden zur Cichorie tief gepflügt und in rauher Furche
liegen gelaſſen.
Im nächſten Frühjahre wird auf das abgeeggte Feld zu Anfang Mai der Same
breitwürfig oder gedrillt ausgeſäet. Die Breitſaat erfordert 8—11 Kilogr., die
Drillſaat 7—10 Kilogr. Samen für ein Hektar.
Sobald die jungen Pflanzen das vierte Blatt entwickeln, werden ſie gejätet, be-
hackt und bei breitwürfigen Saaten auf 16—30 Ctm. Abſtand verdünnt. Das
Hacken wird dann nach Bedarf wiederholt. Von Pflanzenkrankheiten ſtellen ſich die
Lohe (Peronospora gangliformis Berk.) und Sclerotium tectum Fr. ein.
Das Ausnehmen der tiefgehenden Wurzeln 1) erfolgt mit kleinen Spaten im
September, nachdem vorher das Kraut zur Verfütterung abgeſchnitten wird. Die-
ſelben werden vom Felde aus zum Dörren in die Cichorienfabrik abgeliefert. Das
Erntequantum erreicht 8—19 Tonnen à 1000 Kilogr. von einem Hektare.
10. Der Kuhkohl.
Der Kuhkohl, Winterkohl, Baumkohl, Rieſenkohl, Pommeriſche Kohl (Brassica
oleracea acephala DC.) ⚇, Fig. 119, wird in den nördlichen und nordweſtlichen
Küſtenländern angebaut. Derſelbe bildet keine Häupter oder Köpfe, ſondern die
grünen oder blauen Blätter bleiben offen. Dieſelben werden allmählig zur Fütterung
abgebrochen, wodurch der Stengel oft 1.5—2 Meter hoch wird. Aus den Aſt-
ſproſſen erſcheinen im zweiten Jahre im Mai die gelblichweißen Blüthentrauben.
[175]Die Knollen- und Wurzelfrüchte.
Der Same wird nach W. Pabſt 1)
im Frühling, im März oder April,
auf Gartenbeete geſäet. Späterhin
werden die Pflanzen auf kräftiges,
gut vorbereitetes Ackerfeld in der Ent-
fernung von 63 Ctm. verpflanzt und
über den Sommer mehrfach behackt.
Der hoch in die Höhe gehende Kohl
hält im milden Klima den Winter
im Freien aus. In jenen Gegenden
können daher die Blätter vom
Herbſte an den ganzen Winter
hindurch, von unten angefangen,
abgenommen und endlich auch die auf
der Häckſelbank geſchnittenen Stengel
zur Fütterung für die Kühe verwendet
werden.
Der Ertrag an grüner Pflanzen-
maſſe, Stengeln und Blättern zu-
ſammen, erreicht bis 54 Tonnen von
einem Hektare.
Riefen- oder Baumkohl (Brassica oleracea
acephala DC.) ⚇.
11. Der Kopfkohl.
Der Kopfkohl, Weißkraut, Kraut, Kappes (Brassica oleracea capitata DC.) ⚇
beſitzt zum Unterſchiede von dem Kuhkohl, einen verkürzten Stengel mit ſehr genäherten
Blättern, deren obere zu einem feſten Kopfe (Krautkopf) geſchloſſen bleiben.
Die Varietäten werden unterſchieden nach der Farbe in Weiß- und Rothkraut,
nach der Form in rund-, platt- und ſpitzköpfiges Kraut, nach der Vegetationszeit in
Früh- und Spätkraut. 1. Das große Weißkraut hat ſeegrüne Blätter und große,
kugelige Köpfe. Sorten: Ulmer Frühkraut, Plattköpfiges Spätkraut, Braunſchweiger
Braunſchweiger Kraut
(Brassica oleracea capitata var. depressa H.) ⚇.
Zuckerhutkraut (Brassica oleracea
capitata var. obovata DC.) ⚇.
[176]Beſondere Pflanzenbaulehre.
Ulmer Rothkraut (Brassica
oleracea capitata DC.) ⚇.
Kraut, Fig. 120, Centner- oder Rieſenkraut ꝛc.
2. Yorkerkohl oder Filderkraut mit länglichen,
ſpitzzulaufenden Köpfen. Sorten: Großes Yorkerkraut,
Zuckerhutkraut, Fig. 121. 3. Das Rothkraut,
deſſen Kopf ſich durch violett-weinrothe Färbung
auszeichnet. Sorten: Erfurter oder Holländer
Frührothkraut, Großes Ulmer Spätrothkraut,
Fig. 122.
Das Frühkraut, auch Winterkraut genannt, wird nur in Gärten als Gemüſegezogen;
dagegen das Spätkraut auch im Großen auf dem Felde. Das Letztere wird meiſt
zur Viehfütterung gebaut und zwar für die Monate September und Oktober, da es
ſich nur ſchwer über Winter aufbewahren läßt. Von den Kleinwirthen werden von
dem Spätkraute, welches ſpäterhin als menſchliches Nahrungsmittel verkauft wird,
häufig die äußeren, abſtehenden Blätter abgeplattet und ſowie die Krautſtrünke zur
Viehfütterung verwendet.
1. Die Wachsthumsbedingungen.
Das Kraut beanſprucht ein feuchtwarmes Klima; im naſſen und trockenen
Klima iſt ſein Gedeihen ſehr unſicher. Gebundene, humusreiche Bodenarten, Thon,
Lehmboden, trocken gelegtes Teichland in friſcher Lage, bei größerer Tiefgründigkeit
eignen ſich am vorzüglichſten für den Anbau des Krautes. Es verträgt und lohnt
durch Vergrößerung der Köpfe die ſtärkſten Düngungen mit Stallmiſt, menſchlichen
Excrementen, Jauche, Knochenmehl, Aſche ꝛc. Der Dünger wird ſchon im Herbſte
aufgebracht; die verdünnte Jauche zum Begießen des Krautes, während der
Vegetation, verwendet.
Im Herbſte iſt das Feld tief zu pflügen. Im nächſten Frühjahre iſt das
Pflügen ein-, zweimal zu wiederholen, namentlich wenn das Kraut verpflanzt
werden ſoll. Bei der gartenmäßigen Cultur empfiehlt es ſich das Kraut nicht
in die Fruchtfolge aufzunehmen, ſondern auf eigenen, ſorgfältig zubereiteten Kraut-
feldern mehrere Jahre nacheinander auf derſelben Stelle anzubauen.
2. Die Saat.
Am ſicherſten wird das Kraut durch Verpflanzen gezogen. Zu dieſem Zwecke
wird der Same möglichſt früh im März auf ſehr ſorgfältig vorbereitete Samen-
beete, welche gegen Erdflöhe und den Froſt zu ſchützen ſind, ausgeſäet. Von 3—5
Kilogr. Samen erhält man für ein Hektar eine ausreichende Zahl von kräftigen,
jungen Pflanzen. Dieſelben werden im Mai, längſtens Anfang Juni auf das Feld
verpflanzt und zwar entweder in 0.9—1.3 Meter entfernte Reihen oder auch auf
Kämme oder auf ſchmale Beete, um in feuchten Gegenden das überflüſſige Waſſer ab-
zuhalten. Die weitere Pflege iſt dieſelbe, wie ſie jeder Hackfrucht gegeben wird.
Zuweilen wird der Kopfkohl von einem Schimmelpilze (Peronospora parasitica
Tul.) und dem weißen Roſte (Cystopus candidus Lèv.) befallen. Die Zahl der
Feinde aus der Thierwelt iſt eine bedeutende, wir führen nur die ſchädlichſten an:
[177]Die Futterpflanzen.
- Junge Pflanzen:
- Erdfloharten (Haltica), Käfer ſehr
ſchädlich. - Ameiſen, ziemlich ſchädlich.
- An den Wurzeln und Stengeln:
- Drathwurm (Agriotes segetis Gyll.),
Fig. 39, S. 47, Larve ziemlich ſchädlich. - Engerling (Melolontha vulgaris F.),
Larve ſehr ſchädlich. - Kohlfliege (Anthomyia brassicae Bè.),
Made ziemlich ſchädlich. - An den Blättern:
Ackerſchnecke (Limax agrestis L.), Fig.
91, S. 146, alt und jung ſehr ſchädlich. - Großer Kohlweißling (Pieris brassicae
Schk.), Fig. 123, Raupe ſchädlich. - Kleiner Kohlweißling (Pieris rapae Schk.),
Raupe ſchädlich. - Gemüſeeule (Mamestra oleracea L.),
Raupe ſchädlich. - Gemüſeeule (Mamestra brassicae L.),
Fig. 77, S. 116, Raupe ſchädlich. - Kohlzünsler (Pyralis forficalis L.),
Raupe ſchädlich. - Kohlwanze (Cimex oleraceus L.), Wanze
und Nymphe ſchädlich. - Kohlblattlaus (Aphis brassicae L.),
Blattlaus und Nymphe unmerklich
ſchädlich. - Figure 123. Fig. 123.
Großer Kohlweißling (Pieris
brassicae Schk.). — a Raupe; b Puppe.
3. Die Ernte.
Die Ernte der Krautköpfe findet durch Abhauen von den Strünken Ende
Oktober bis Anfang November ſtatt. Die loſe hängenden, äußeren Blätter werden
abgenommen und wie die Strünke zur Viehfütterung verwendet. Der Ertrag an
Krautköpfen, Krauthäuptern, welche durchſchnittlich 2 Kilogr., bei gutem Gedeihen
auch 3 und mehr Kilogr. wägen, erreicht auf einem Hektare je nach dem Pflanz-
raume und dem Culturzuſtande des Feldes 39—58.7 Tonnen und mehr. Zur
Samengewinnung werden einige ſchwere Krautköpfe im Keller aufbewahrt und im
nächſten Frühjahre zur Samenzucht auf Gartenbeete in einer Entfernung von
2—2.5 Meter gepflanzt. 25—40 Pflanzen liefern ein Kilogr. Samen.
IX.
Die Futterpflanzen.
Als Futterpflanzen werden Kleearten und kleeartige Gewächſe, Gräſer und
Futterkräuter, ſowie Knollen- und Wurzelfrüchte angebaut. Letztere haben in vor-
ſtehender Abtheilung eingehende Berückſichtigung gefunden. Ebenſo wurde ſchon die
Cultur mancher Pflanzen, welche ſich gleichfalls zur Futtergewinnung eignen, jedoch
auch zu anderen Nutzungen herangezogen werden, unter den verſchiedenſten Pflanzen-
gruppen beſprochen. In dieſer Abtheilung handelt es ſich vorzugsweiſe um die
Krafft, Lehrb. d. Landw. II. 12
[178]Beſondere Pflanzenbaulehre.
Darſtellung der Cultur jener Pflanzen, welche nahezu ausſchließlich im grünen oder
getrockneten Zuſtande zur Viehfütterung verwendet werden.
Die Cultur der bezeichneten Futterpflanzen auf dem Felde hat erſt in neuerer Zeit, in
Uebereinſtimmung mit dem Aufſchwunge der Viehzucht, an Ausdehnung gewonnen, ſo
zwar, daß heute in manchen Wirthſchaften oft die Hälfte und mehr der Ackerfläche
mit Futtergewächſen beſtellt wird. Ihre Cultur beanſprucht nur wenig Arbeits-
und Capitalsaufwand.
Die meiſten Futterpflanzen beſitzen tief gehende Wurzeln, durch welche die tieferen
Bodenſchichten ausgenützt werden können. Die verbleibenden Ernterückſtände ver-
beſſern die phyſikaliſche und chemiſche Eigenſchaft der Ackerkrume und machen die-
ſelbe um ſo geeigneter für den Ackerbau der flachwurzelnden Getreidepflanzen. Je
beſſer das Feldfutter gedeiht, um ſo mehr ſteigt die Stallmiſtproduction, um ſo höher
werden die Erträge der Getreidefrüchte, trotzdem dann deren Anbau auf eine kleinere
Fläche eingeſchränkt werden muß.
Bei der Wahl der Futterpflanzen hat man ſich von dem Grundſatze leiten zu
laſſen, daß jene Pflanze, welche von der Flächeneinheit die größtmöglichſte Menge an
ſtickſtoffhaltigen, organiſchen Nährſtoffen mit den geringſten Koſten zu produciren ver-
mag, am werthvollſten iſt. In den meiſten Fällen wird es auf die Gewinnung von
proteïnſtoffreichem Futter ankommen. In dieſer Hinſicht ſtellt ſich bei den verſchiedenen
„Futtergewächſen im weiteren Sinne“ das Nährſtoffverhältniß der Proteïnſtoffe zu den
- Kohlehydraten, bei den Kleearten und kleeartigen Gewächſen wie 1 : 1.6—2.5,
- Gräſern und Futterkräutern „ 1 : 4.4—5.0,
- Knollen- und Wurzelfrüchten „ 1 : 6.0—15.0.
Bei den Körnerfrüchten iſt die Auswahl eine geringe, indem faſt überall die
gleichen Arten zum Anbaue gelangen. Bei den Futterpflanzen iſt jedoch je nach dem
beabſichtigten Zwecke — der Gewinnung von Futter für den Stall oder für die Weide —
die Auswahl unter den verſchiedenen Arten eine ſehr große. Wir wollen nur jene
Futterpflanzen anführen, deren Anbau von Bedeutung und daher eine größere Aus-
dehnung angenommen hat. Es ſind dieß aus der Familie der
Papilionaceen: Stechginſter (Ulex europaeus L.), Wundklee (Anthyllis
vulneraria L.), Luzerne (Medicago sativa L.),
Schwediſche Luzerne (Medicago falcata L), Sand-
luzerne (Medicago media Pers.), Hopfenluzerne
(Medicago lupulina L.), Griechiſches Heu oder Bocks-
hornklee (Trigonella foenum graecum L.), weißer Stein-
oder Bokahraklee (Melilotus albus Desr.), Rothklee
(Trifolium pratense L.), Incarnatklee (Trifolium
incarnatum L.), Weißklee (Trifolium repens L.),
Schwediſcher oder Baſtardklee (Trifolium hybridum L.),
Serradella (Ornithopus sativus L.), Eſparſette
(Onobrychis sativa Lam.), Futterwicke (Vicia sativa L.),
ſ. S. 59, Wolfsbohne oder Lupine (Lupinus L.).
[179]Die Futterpflanzen.
Cruciferen: Raps (Brassica napus oleifera DC.), Rübſen (Brassica
rapa oleifera DC.), Senf (Sinapis alba L.), ſ. S. 91,
orientaliſche Zackenſchote (Bunias orientalis L.).
Alſineen: Spörgel (Spergula arvensis L.).
Polygoneen: Buchweizen (Polygonum fagopyrum L.), ſ. S. 62.
Gramineen: Futterroggen (Secale cereale L.), Mohar (Setaria
germanica P. B.), Zucker-Mohrenhirſe (Sorghum saccha-
ratum Pers.), ſ. S. 59, gemeine Mohrenhirſe (Sorghum vul-
gare Pers.), ſ. S. 58, Mais (Zea Mays L.) ꝛc.
Schließlich ſind zu beſprechen: das Kleegemenge und Kleegras, und das
Miſchfutter.
1. Die Luzerne.
Die Luzerne, der Schneckenklee, blaue Schneckenklee, Spargelklee, Monatsklee,
ewige Klee (Medicago sativa L.) ♃ iſt im blühenden Zuſtande an den ährenähnlichen
Köpfen von violettſchattirten Blüthen, nicht blühend an den verkehrt-länglich-eirunden,
ausgerandeten, ſtachelſpitzigen, oben gezähnten Blättchen zu erkennen. Von allen anderen
Papilionaceen iſt ſie durch die dreifach, ſchneckenförmig oder ſichelförmig gewundenen
Hülſen unterſchieden. Sie beſitzt für warme, trockene Gebiete eine ähnliche Wichtigkeit
als Futterpflanze, als wie der Rothklee für kühlere, feuchtere Gegenden. Am vor-
züglichſten gedeiht dieſe aus dem Orient ſtammende Futterpflanze in Ungarn, Italien,
Spanien und Frankreich. Den beſten Luzerneſamen producirt Süd-Frankreich, be-
ſonders das Rhônegebiet um Avignon; derſelbe wird als franzöſiſcher Luzerneſamen
in den Handel gebracht. Die franzöſiſche Saat iſt im allgemeinen voller im Korne,
gleichmäßiger in der Größe und in der Farbe; namentlich die Provencer Saat
zeichnet ſich durch eine ſchön hellgelbe Farbe aus. Eine Varietät der Luzerne iſt die
chineſiſche oder rundblätterige Luzerne, welche ſich durch breitere Blätter von der
gewöhnlich gebauten Luzerne unterſcheidet und unter dem Namen Miu Siu von
China eingeführt wurde. Ihre Reproductionskraft iſt geringer als jene der ge-
wöhnlichen Luzerne.
Die Luzerne zeichnet ſich durch ihre lange, dünne, gleichmäßig dicke Pfahlwurzel aus,
welche in der Regel im erſten Jahre um ein Drittheil länger wird als der aufſtrebende
Stengel. Letzterer ſtirbt im Herbſte größtentheils ab; im nächſten Frühjahre kommen dann
aus den Blattachſeln am Wurzelhalſe Adventivknospen zur Entwickelung, welche weiterhin
roſettenartige Triebe entwickeln. Die Luzerne widerſteht der Trockene beſſer wie die Eſpar-
ſette und ſchließt nach Dr. Fraas 1) vortrefflich geröllartiges und feſtgebackenes Geſtein auf.
Als Maximum des Tiefganges der Wurzeln unſerer Kleearten führt Fraas bei Weißklee
0.15, Incarnatklee 0.31, Rothklee 0.63, Luzerne 1.26, Eſparſette 0.94—3.79 Meter an.
Es iſt aber nicht ſelten, daß der Weißklee nur einige Centimeter, der Rothklee nur 0.30,
die Luzerne 0.63 Meter tief gelangen und doch gedeihen.
1. Die Wachsthumsbedingungen.
Gegenüber dem Rothklee, welcher nur durch 2 Jahre benützt wird, iſt die Luzerne
im Maximum durch 15—25 Jahre ausdauernd, da ſie nur in der erſten Jugend, ſo
12*
[180]Beſondere Pflanzenbaulehre.
lange die Wurzel ſchwach iſt, durch den Froſt gefährdet werden kann. Vor dem
Rothklee zeichnet ſie ſich daher durch eine größere Sicherheit aus. Die Luzerne
blüht überdieß um einige Wochen früher als der Rothklee, ſo zwar, daß der erſte
Schnitt ſchon Anfang Mai vorgenommen werden kann. Ebenſo kann ſie länger in
den Herbſt hinein bis gegen Mitte Oktober als Grünfutter benutzt werden. Sie
reproducirt ſich ſchneller als der Rothklee, außerdem muß man ſie frühzeitiger vor
der Blüthe, wenn ſie 0.47—0.65 Meter hoch geworden iſt, mähen, weil ſie ſonſt
zu ſtark verholzt und bei ihrem Stengelreichthume, gegenüber dem Rothklee, zu ſehr
an Qualität abnimmt. Während der Rothklee 2—3, ſelten 4 Schnitte liefert,
gewährt die Luzerne im Verhältniß zur vorhandenen Wärme und Feuchtigkeit im
ſüdlichen Ungarn bei 11.2°C. mittlerer Jahrestemperatur, wenn ſie vor der Blüthe
gemäht wird, 5 und mehr Schnitte, in Norddeutſchland bei 7.5—8.8°C. 3, kaum
4 Schnitte. Das Feld wird von der tiefwurzelnden, ſtark beſchattenden Luzerne
nach den Unterſuchungen von Dr. G. Wilhelm (Bd. I. S. 23) ſtärker aus-
getrocknet als durch eine Hackfrucht oder Getreidepflanze.
In warmen, trockenen Gegenden, in welchen der Rothklee nicht mehr gebaut
werden kann, gibt die Luzerne nur auf ſehr tiefgründigem Boden, deſſen tiefere
Schichten durch Grundwaſſer feucht erhalten werden, ſichere Erträge. Stauendes
Waſſer führt zu einem Verfaulen der Wurzeln und daher zu einem Eingehen der
Luzerneſtöcke. Ebenſo erreicht ihr Wachsthum ein Ende, wenn ihre Wurzeln auf
Sand und Schotter, oder auch auf einen feſten, undurchlaſſenden Boden treffen.
Ausreichende Tiefgründigkeit vorausgeſetzt, ſind nahezu alle Bodenarten zur Luzernecultur
gleich geeignet; ausgeſchloſſen ſind jedoch zäher Thonboden, loſer Sandboden und
Moorboden. Gedeiht ſie dennoch auf ſolchen Böden, ſo liegt die Urſache daran,
daß ſich unter dem ungeeigneten Boden eine geeignete Bodenſchichte befindet. Die
höchſten Futtererträge gewährt die Luzerne auf ſandigem, mergeligem oder mildem
Lehmboden, oder auf lehmigem Sandboden. Ihre Ausdauer richtet ſich vorzugs-
weiſe nach der Bodenmächtigkeit.
2. Die Vorfrucht und Vorbereitung.
Unter gewöhnlichen Verhältniſſen dauert die Luzerne 4—10 Jahre aus; ſie
wird daher ſelten in die allgemeine Fruchtfolge aufgenommen werden können.
Sind die ſämmtlichen Felder luzernefähig, ſo wird ſie in ſogenannten Wechſelſchlägen
gebaut. Auf denſelben bleibt ſie ſo lange als ſie aushält. Nehmen ihre Erträge
ab, ſo wird ein anderer Schlag zu Luzerne niedergelegt. Sind nicht alle Felder
luzernefähig, ſo empfiehlt ſich die Anlage ſelbſtſtändiger, außerhalb der Fruchtfolge
ſtehender Futterfelder, welche ausſchließlich zur Futtergewinnung verwendet werden.
Die eine Hälfte eines ſolchen Futterfeldes trägt ausdauernden Klee, die andere einjährige
Futterpflanzen, wie Grünroggen, Grünmais, Grünwickhafer, auch Hackfrüchte. Wird die
Luzerne lückenhaft, ſo gelangt ſie zum Aufbruche und an ihre Stelle treten die
genannten, einjährigen Futtergewächſe, während nun die andere Hälfte des Futter-
feldes zu Kleeland niedergelegt wird.
[181]Die Futterpflanzen.
Die Luzerne wird gewöhnlich nach einer gedüngten Hackfrucht gebaut, oder auch
unmittelbar zu derſelben der Stallmiſt aufgefahren. Sehr zu empfehlen iſt es, den
Boden entweder zur Hackfrucht, oder im vorausgegangenen Herbſte tief zu pflügen,
oder mit dem Wühler im Untergrunde zu lockern. Meiſtens wird die Luzerne unter
einer lockerer geſäeten Ueberfrucht gebaut. Am beſten eignet ſich dazu Grünhafer
oder Grüngerſte, welche frühzeitig zu Grünfutter gemäht werden und daher die
Luzerne nicht ſo lange unter Schatten halten. Häufig baut man ſie jedoch auch
ohne Schutzfrucht, damit ihr die Frühjahrsfeuchte allein zum ſchnelleren Ankeimen
zukommt. Baut man die Luzerne unter Grünfutter oder Sommergetreide nach
gedüngter Hackfrucht, ſo genügt die Beſtellung, welche der Ueberfrucht gegeben
wurde.
3. Die Saat.
Zur Saat eignet ſich am beſten die franzöſiſche Luzerne. Vor der Verwendung
des Samens iſt derſelbe rein auszuputzen und beſonders auf die Ausſcheidung des
Kleeſeideſamens zu achten. Das käufliche Saatgut iſt häufig durch die ähnlich ge-
ſtalteten Samen der Hopfenluzerne (Medicago lupulina L.) ☉ verfälſcht. Der gelbbraune
Luzerneſamen, Fig. 124, iſt länglich, eckig, faſt bohnenförmig geſtaltet, oft gekrümmt.
Man kann zufrieden ſein, wenn von 100 Gewichtstheile Samen 73 Gewichtstheile
bei der Keimprobe zur Entwickelung gelangen. Dieſes günſtige Verhältniß wird
jedoch nur erreicht, wenn man nicht älteren als höchſtens zweijährigen Samen zur
Ausſaat verwendet.
Die Saat ſelbſt wird größtentheils im Frühjahre bei trockener Witterung nach
der Beſtellung der Ueberfrucht ausgeführt. In Gegenden mit trockener Frühjahrs-
witterung erſcheint es ſelbſt geboten, die
Luzerne ſchon im Herbſte zur Ausſaat zu
bringen, ſie bringt dann ſchon im erſten
Herbſte einen Futterertrag. Um dieſen zu
erzielen, empfiehlt es ſich, auch 4 Kilo-
gramm Rothkleeſamen per Hektar mit
der Luzerne auszuſäen. Der Rothklee
vermehrt die Futtermenge des Stoppel-
ſchnittes und ſchützt das Feld, bei dem
ſonſt ſchütteren Stande der Luzerne, vor
Verunkrautung. Häufig wird die Luzerne
breitwürfig mit einem Saatquantum,
welches je nach der Trockenheit von 20
bis 40 Kilogramm für ein Hektar
ſchwankt, ausgeſäet. In nicht zu trockenen
Luzerneſamen (Medicago sativa L.) ♃ nach
Nobbe; — d Seitenanſicht, c keimender Samen.
Lagen empfiehlt es ſich, die Luzerne quer über die Reihen der Schutzfrucht zu drillen.
Die Unterbringung der breitwürfig geſäeten Luzerne erfolgt, bei der Kleinheit des
Samens, deſſen Durchmeſſer 2.5—3 Mm. beträgt, mit einer leichten Egge auf
höchſtens 2.5—4 Ctm.
[182]Beſondere Pflanzenbaulehre.
4. Die Pflege.
Im nächſten Frühjahre nach dem Ausſaatjahre, ebenſo in jedem folgenden Herbſte
und Frühjahre werden die Luzernefelder durch ſcharfes Eggen gelockert. Weit gedrillte
Luzerne kann ſelbſt mit Hackgeräthen bearbeitet werden. Aeltere, auf bündigerem
Boden angelegte Luzernefelder werden mit kräftigeren Geräthen, wie mit dem Scari-
ficator, zwiſchen den einzelnen Pflanzenſtöcken gelockert. Ueber den Winter erhalten
die Luzernefelder eine Kopfdüngung mit Stallmiſt oder noch häufiger mit Compoſt-
dünger. Ebenſo vortheilhaft iſt es, die Luzerne mit verdünnter Jauche zu über-
fahren, oder mit Aſche und Gyps zu überſtreuen.
Am nachtheiligſten für das Wachsthum der Luzerne ſind grasartige Unkraut-
pflanzen. Dieſelben ſind Urſache, weshalb in feuchten, ſehr graswüchſigen Lagen
der Luzernebau ganz aufgegeben werden muß. Am meiſten wird die Luzerne durch
die Quecke (Triticum repens L.) ♃, den Windhalm (Agrostis stolonifera L.) ♃,
die taube Trespe (Bromus sterilis L.) ☉, die Dachtrespe (Bromus tectorum L.)
☉, die weiche Trespe (Bromus mollis L.) ⚇, Fig. 126, die Ackertrespe (Bromus
Achäne der kleinblüthigen
Galinſoge (Galinsoga parviflora Cav.)
☉, wie Fig. 126 und 127 nach Nobbe.
Weiche Trespe
(Bromus mollis L.) ⚇. —
a, b, c Scheinfrucht;
d Karyopſe.
Frühlingskreuzkraut (Se-
necio vernalis Waldst. Kit.) ☉ —
a und b Achäne mit haarigem Pap-
pus; c Frucht, vergr.; d ein Frag-
ment der Frucht, ſtark vergrößert.
arvensis L.) ☉, den Ackerfuchsſchwanz (Alopecurus agrestis L.) ☉ u. ſ. w. unter-
drückt. Außerdem ſtellen ſich auf Luzernefeldern ein: Euphorbiaarten, die klein-
blüthige Galinſoga (Galinsoga parviflora Cav.) ☉, Fig. 125, das Frühlings-
kreuzkraut (Senecio vernalis Waldst. Kit.) ☉, Fig. 127 ꝛc. Der gefährlichſte Feind
der Luzernefelder bleibt, abgeſehen von der ſelten vorkommenden, röthlichen Sommer-
wurz (Orobanche rubens Wallr.) ♃, die Quendelſeide (Cuscuta epithymum L.) ☉.
Gegen die Letztere werden alle jene Vertilgungsmittel angewendet, welche bei dem
Rothklee S. 191 angegeben werden.
Unter den kryptogamiſchen Schmarotzern hat vie Luzerne beſonders zu leiden:
[183]Die Futterpflanzen.
durch den Mehlthaupilz (Erysiphe communis Wallr.), den Schweifroſt (Uromyces
apiculatus Lèv. und appendiculatus Lèv.), im ſüdlichen Frankreich durch den Wurzel-
tödter (Rhizoctonia violacea Tul.), weiteres durch einen Schimmelpilz (Peronospora
Trifoliorum dBy.), Uromyces strictus Schröt. etc.
Von Feinden aus der Thierwelt hat die Luzerne verhältnißmäßig wenig zu
leiden, da ſie durch ihre große Reproductionskraft den entſtandenen Schaden bald
wieder ausgleicht.
5. Die Ernte.
Die Luzerne wird ſowohl zu Grünfutter, als zu Heu abgemäht. Im erſteren
Falle wird man mit der Ernte beginnen, ſobald ſich der Schnitt lohnt. Bei aus-
reichenden Luzernefeldern kann ſchon Anfang Mai der erſte Schnitt genommen werden. Zu
Grünfutter und Heu ſoll die Luzerne vor der Blüthe geſchnitten werden, weil ſie
ſonſt leicht zu hartſtengelig wird. In trockenen Lagen tritt der Uebelſtand ein,
daß die Luzerne, wenn kaum ein ausreichender Schnitt gewachſen iſt, auch ſchon in
voller Blüthe ſteht, weshalb die einzelnen Schnitte nur wenig ausgiebig ſind.
Im erſten Jahre nach der Aberntung der Ueberfrucht iſt der Ertrag mäßig, er er-
reicht bei günſtiger Witterung zwei leichte Schnitte. Im nächſten Jahre erreicht der
Ertrag in wärmeren Lagen mit 5, in kühleren mit 3—4 Schnitten die größte Menge.
Weiterhin bleibt derſelbe auf ziemlich gleicher Höhe. Nur zuletzt geht er zurück,
wenn die Stöcke abzuſterben beginnen. Ueber die Vertheilung der Erträge auf die
einzelnen Jahre gibt W. Hecke für mittelmäßig luzernefähigen Boden in Ungariſch-
Altenburg folgende auf neues Maaß umgerechnete Zahlen an:
- Im 1. Jahre beträgt die Ernte auf 1 Hektar 3500 Kilogr. Heu.
- „ 2. „ „ „ „ „ „ 7000 „ „
- „ 3. „ „ „ „ „ „ 5500 „ „
- „ 4. „ „ „ „ „ „ 4400 „ „
- „ 5. „ „ „ „ „ „ 2600 „ „
- Im Durchſchnitte der 5jährigen Dauer 4600 „ „
Unter günſtigeren Verhältniſſen ſteigt jedoch der durchſchnittliche Jahresertrag auf
6 —10,000 Kilogramm Heu; in dem ertragreichſten zweiten und dritten Jahre
auf 12—13,000 Kilogramm.
Die gemähte Luzerne läßt man bei der Heuwerbung in Schwaden liegen, und
vermeidet nach Thunlichkeit ein öfteres Wenden, indem die dürr werdenden Blätter,
wie bei dem Rothklee, leicht abfallen. Im Uebrigen trocknet ſie bei ihrem größeren
Stengelreichthume, und da ſie überdieß in wärmeren Gegenden gebaut wird, ſchneller
als der Rothklee.
Zur Samenzucht wählt man einen nicht zu üppig ſtehenden Theil auf einem
drei oder vierjährigen, niemals einjährigen Luzerneſchlage aus, indem durch die
Samengewinnung die weitere Reproductionsfähigkeit der Luzernepflanzen geſchwächt wird.
Der Samenertrag erreicht 5—7 Hektoliter vom Hektare. Der Luzerneſamen iſt leichter
als wie von dem Rothklee zu gewinnen.
[184]Beſondere Pflanzenbaulehre.
2. Die ſchwediſche Luzerne.
Die ſchwediſche Luzerne, deutſche Luzerne, der ſichelfrüchtige Schneckenklee, Sichelklee
(Medicago falcata L.) ♃ unterſcheidet ſich von der blauen Luzerne durch die faſt kopf-
förmig ſtehenden, citronengelben Blüthen, welche ſpäterhin eine ſichelförmige Hülfe bilden
und durch die gezähnelten Nebenblättchen. Kolaczek 1) erwähnt, daß die Repro-
duction des Sichelklee’s weder ſo energiſch, noch ſo ausgiebig als die der Luzerne iſt.
Bei der Cultur liefert er einen reichlichen Schnitt und eine halb ſo ergiebige oder
noch geringere Nachmahd. Der Verholzungsproceß tritt zeitig ein, deshalb muß die
Ernte vor der Blüthe geſchehen. Der Anbau des Sichelklee’s verdient alle Beach-
tung, beſonders für jene Oertlichkeiten, in welchen wegen Trockenheit und Wärme des
Bodens und Klima’s, wegen ſteinigen, gerölligen Untergrund weder Rothklee noch Luzerne
einſchlagen. Das Saatquantum beträgt 9 bis 15 Kilogramm, der Heuertrag 4 bis
5000 Kilogramm, der Samenertrag 3 bis 4.5 Hektoliter von einem Hektare.
3. Die Sandluzerne.
Die Sandluzerne, wechſelfarbige Luzerne (Medicago media Pers.) ♃ wird
von Vielen nur als Uebergangsform der ſchwediſchen Luzerne zu der cultivirten Lu-
zerne angeſehen, nachdem ſich oft in ein und derſelben Traube verſchiedene von gelb,
grasgrün bis violett gefärbte Blüthen finden. Sie wurde zuerſt am Rhein auf mehr
ſandigerem Boden, welcher frei von ſtehender Näſſe iſt, mit Erfolg angebaut. Als
Ueberfrucht hat ſich Leindotter, Gerſte, Grünroggen bewährt, gegen zu dichten Stand
der Ueberfrucht iſt ſie empfindlich. An Samen kommen auf 1 Hektar 30 bis 40
Kilogramm. Sie liefert nur zwei Schnitte und eine Weide. Ihre Dauer iſt eine
viel kürzere als wie jene der Luzerne, höchſtens 3 bis 4 Jahre. Auf leichten, armen
Sandböden gibt ſie in einem Schnitte und Weide 4 bis 5 Tonnen Heu, auf zu-
ſagenderem Boden in zwei Schnitten und Weide 6 bis 8 Tonnen Heu per Hektar.
4. Die Hopfenluzerne.
Die Hopfenluzerne, der Hopfenklee, gelbe Klee (Medicago lupulina L.) ☉ und ⚇
beſitzt gleichfalls eine ſchneckenförmig gewundene, wehrloſe Hülſe, welche jedoch zum
Unterſchiede von der Luzerne in der Mitte geſchloſſen iſt. Die vielblüthigen Trauben
ſind gelb. Der Stengel faſt niederliegend. Sie nimmt mit jedem Boden verlieb
und eignet ſich beſonders zu Kleegrasmiſchungen, welche zur Weide ausgeſät werden.
Obwohl ſie nur zwei Jahre aushält, ſo findet man ſie doch auch auf mehrjährigen Klee-
ſchlägen, da ſie ſich durch Samenausfall vermehrt. Der Samen wird häufig zur
Verfälſchung anderer Kleeſaat verwendet. Nach Nobbe läßt er ſich jedoch an der
[185]Die Futterpflanzen.
in der Mitte ſtark vortretenden Spitze des Würzel-
chens von anderen Kleeſamen unterſcheiden, Fig.
128. Nach Werner 1) ſind bei der übrigens ſelten
vorkommenden Reinſaat durchſchnittlich 32 Kilogr.
Samen pro Hektar erforderlich. Auf leichtem
Sandboden liefert ſie in zwei Schnitten 8—12.000
Kilogramm Grünfutter und 2—3000 Kilo-
gramm Heu pro Hektar. Auf beſſerem Boden
werden nach Werner 16,000 Kilogramm Grün-
futter und 4000 Kilogramm Heu erzielt. Die
Körnererträge ſtellen ſich auf 6—10 Hektoliter
von einem Hektare.
Frucht und Same des Gelb-
klee’s (Medicago lupulina L.) ☉.
5. Der Rothklee.
Der Rothklee, rothblühende Klee, Wieſenklee, Saatklee, Kopfklee, gemeine
Klee (Trifolium pratense L.) ⚇ und ♃ beſitzt ſitzende Blüthen in endſtändigen
Köpfen. Die Blumenkrone (Hoſe) iſt bleibend und hüllt ſelbſt im vertrockneten
Zuſtande die Schließfrucht, Fig. 129, ein. Von der Luzerne unterſcheidet ſich der
Rothklee durch die am Grunde mit weißlichen Streifen
gezeichneten Blätter, welche ſämmtlich an gleichkurzen
Stielchen ſitzen, während bei dem einfärbig grünen
Luzernedreiblatt das Mittelblättchen merklich länger ge-
ſtielt iſt. Die Varietäten des Rothklees werden je
nach der verſchiedenen Entwickelungsdauer unterſchieden.
Am früheſten entwickelt ſich der Brabanter, Holländer
Rothklee (Trifolium
pratense L.) ♃. — Schließfrucht.
oder Bordeaux-Klee, welcher niedriger und feiner bleibt. Die Blätter zeichnen ſich
durch eine dunkelgrüne Farbe aus. Um 8—14 Tage ſpäter blüht der Steieriſche
oder grüne Klee. Derſelbe gibt nur einen ſtarken und einen ſchwachen Hieb; ſeine
Stengel ſind ſtärker und länger, weshalb er ſich leichter lagert. Die Blattfarbe iſt
hellergrün. Derſelbe verträgt jedoch rauhere Lagen beſſer als der Brabanterklee.
Zuweilen baut man beide Varietäten, um zu verſchiedenen Zeiten Futter zu erhalten.
Außerdem werden in milderen Lagen von Frankreich und England, weniger in
Deutſchland der Normanniſche und Bretagner Klee cultivirt.
Eine Kleeſaat wird nach Nobbe (Landw. Verf.-Stat. 1872, S. 384) als Mittel-
waare anzuſehen ſein, wenn 1000 Körner 1600 Milligr. wiegen, die Verunreinigung
gegen 4—5 % beträgt, von 100 Samen gegen 80 keimen und der Gebrauchswerth 78 %
ausmacht, ſowie wenn ſie außerdem frei iſt von den Samen der Cuscuta und Orobanche.
Häufig wird der Rothkleeſamen durch Beimengung von Hopfenluzerne, zuweilen auch von
künſtlichen Samen aus gefärbtem Sand verfälſcht. Die Rothkleeſamen, Fig. 130, nehmen
[186]Beſondere Pflanzenbaulehre.
Rothklee (Trifolium pratense L.) ♃ — abc lufttrockener Samen;
d keimender Samen; α Lage des Würzelchens.
bei der Keimung viel Waſſer auf; nach den Unterſuchungen
von R. Hoffmann (Landw. Verſ.-Stat. VII. 47), 117.5 %
vom Gewichte des Samens. Dabei vergrößern ſich die Zellen
der Quellſchichte, welche ſich zum Unterſchiede von dem Leine,
unmittelbar an die äußerſten Zellen der Cotyledonen an-
ſchließen, um ein Vielfaches. Friſche Ackerkrume iſt daher zum
Ankeimen des Rothkleeſamens unerläßlich. Im Anfange bildet
der Keim eine einfache Wurzel, Fig. 131, und eine einfache
Endknospe. Erſt im September des erſten Jahres kommen
zahlreiche Seitenſchoſſe zur Entwickelung. Im zweiten Jahre
hat die Rothkleepflanze das Beſtreben, eine beſonders lange
Pfahlwurzel zu treiben. Die kräftige Ernährung hängt jedoch
nicht von der Länge dieſer, ſondern von der Zahl der feineren
Nebenwurzeln ab, welche ſich vorzugsweiſe in den nährſtoff-
reichſten Bodenſchichten (Nobbe, Landw. Verſ.-Stat. X. 94)
entwickeln. Im Felde wird daher das Wachsthum der Klee-
pflanze durch nährſtoffreiche tiefere Bodenſchichten begünſtigt.
Für das erſte Vegetationsjahr genügt wohl ein 30 Ctm. tiefer
Boden, für das zweite Vegetationsjahr bedarf jedoch der Roth-
klee einer Bodenmächtigkeit von mindeſtens 80 Ctm.
Für die richtige Wahl des Erntezeitpunktes hat ſowohl
die Ausbildung der einzelnen Pflanzenglieder (Blätter, Stengel,
Blüthen) als auch die Zuſammenſetzung in den verſchiedenen
Entwickelungsſtadien große Bedeutung. Nach der erſten Richtung
fand Dr. Dietrich folgende Zuſammenſetzung.
Rothklee im voll-
endeten Keimungsſtadium
nach Nobbe. — a Coty-
ledonen; b Primordial-
blättchen; c erſtes Drei-
blatt; d Stämmchen.
In letzterer Beziehung enthält die Rothkleepflanze in 100 Theilen nach Dr. Dietrich
(Chemiſcher Ackersmann. 1865. S. 118):
[187]Die Futterpflanzen.
1. Die Wachsthumsbedingungen.
Der Rothklee verlangt zu ſeinem Gedeihen einen friſchen, humoſen Boden.
In trockenen Gegenden wird man denſelben nur auf ſolchen Feldern bauen können,
welche durch das Grundwaſſer oder durch Bewäſſerung feucht erhalten werden. Am
üppigſten gedeiht er daher in kühlen, feuchten Gebieten und im Gebirge, ſoweit das
Wintergetreide reicht. Am ſicherſten wird er ſein Bedürfniß nach Waſſer auf einem
tiefgründigen Boden befriedigen können. Derſelbe ermöglicht die ungehinderte Ent-
wickelung der Pfahlwurzel, welche die Kleepflanze mit Waſſer zu verſehen hat. In
feuchtem Boden und Klima gedeiht die Rothkleepflanze auch auf einem weniger tief-
gründigen Boden. Nicht rothkleefähig ſind loſe Sandböden, geringe lehmige Sand-
böden und arme dürre Kalkböden. Böden mit ſtauender Näſſe ſind, ſo lange ſie
nicht entwäſſert ſind, gleichfalls ungeeignet. Auf Moorböden und in rauhen, ſchnee-
loſen Lagen iſt der Rothklee durch das Auswintern ſehr gefährdet. Am üppigſten
entwickelt er ſich auf nährſtoffreichen, in einem guten mechaniſchen Zuſtande befind-
lichen Feldern, auf welchen er ſich raſch anwurzeln und gleich in der erſten Jugend
kräftig entwickeln kann. Nur in ſolchen Lagen gibt er mit Sicherheit zwei gute,
ſeltener drei Schnitte. In dürren Jahrgängen und auf unſicherem Boden kann man
häufig nur auf einen Schnitt rechnen.
Eine Mittelernte von 4000 Kilogr. Rothkleeheu entnimmt dem Boden per
Hektar: 227.6 Kilogr. Aſche, 73.2 Kilogr. Kali, 80 Kilogr. Kalk, 22.4 Kilogr.
Phosphorſäure, 6.8 Kilogr. Schwefelſäure, 5.6 Kilogr. Kieſelſäure ꝛc.
2. Die Vorfrucht und Vorbereitung.
Der Rothklee folgt nach Brache oder gedüngter Hackfrucht. Ungeeignete Vor-
früchte ſind Hülſenfrüchte, Pferdebohnen ꝛc. Gewöhnlich wird dem Klee eine
Schutzfrucht gegeben, nachdem er, wie in den einleitenden Bemerkungen erwähnt,
in der erſten Jugend klein bleibt und bei freiem Stande durch trockene Witterung
leicht eingehen kann. Als Schutzfrucht ſind nur ſolche Gewächſe zu verwenden, welche
ſich nicht lagern und den Klee nicht allzuſehr beſchatten. Es iſt dann möglich, daß
ſich der Klee im Ausſaatjahre unter der Schutzfrucht ſoweit entwickelt, daß er ſchon
im Herbſte einen Stoppelſchnitt oder wenigſtens eine Stoppelweide gibt. Als geeignetſte
Ueberfrüchte in abſteigender Reihenfolge ſind zu erwähnen: der Grünhafer, der
Miſchling mit wenig Wicken, Lein, Rübſen, Wintergerſte, Winterroggen, Winterweizen,
[188]Beſondere Pflanzenbaulehre.
Sommergerſte, Sommerhafer. Der Klee läßt den Boden in einem günſtig
veränderten, phyſikaliſchen und chemiſchen Zuſtande zurück, indem nicht nur
durch den Blätterabfall und die Wurzelrückſtände der Humus und Stickſtoffgehalt
des Bodens um ſo mehr, je reicher die Kleeernte ausfiel, vermehrt wird, ſondern
auch die dichte Beſchattung bei gut beſtandenem Klee die Ackerkrume in einem
günſtigen, gahren und unkrautfreien Zuſtande zurückläßt. Durch das Wachsthum des
Klee’s wird zwar der Boden als Ganzes (Ober- und Untergrund zuſammengenommen)
waſſerärmer, aber die Ackerkrume friſch erhalten, ſo zwar, daß je üppiger der Klee
geſtanden, um ſo beſſer das nachfolgende Getreide gedeiht, welches hauptſächlich auf
die Ackerkrume angewieſen iſt. Ob nach dem Klee Winter- oder Sommergetreide
folgen ſoll, hängt von wirthſchaftlichen Erwägungen ab. Folgt Sommerung, ſo kann
der zweijährige Klee noch bis in den Herbſt hinein benützt werden, während bei der
Winterung der Sturz der Kleeäcker ſchon im Juli oder Auguſt auszuführen iſt.
Mit gleichem Erfolge wie Getreide können nach Klee Flachs, Kartoffeln, Rüben ge-
baut werden. Auf daſſelbe Feld darf der Klee nicht ſobald (erſt nach 6 Jahren)
wiederkehren, wenn nicht die Erſcheinung der „Kleemüdigkeit“ eintreten ſoll. Dieſelbe
äußert ſich durch das Eingehen der jungen Pflanzen im zweiten Vegetationsjahre
(gewöhnlich dem erſten Hauptnutzungsjahre), nachdem dieſelben im Jahre der Anſaat
in der gut gedüngten Ackerkrume oft eine freudige Entwickelung gezeigt und ſelbſt
die Nutzung als Stoppelklee geſtattet haben. Die Kleemüdigkeit ſcheint von der Er-
ſchöpfung des Ober- und Untergrundes an aſſimilirbaren Nährſtoffen herzurühren.
Tritt ſie auf kräftigem Boden ein, ſo liegt dieſer Erſcheinung eine andere Urſache zu
Grunde: durch die zu häufige Wiederkehr des Klee’s wird nämlich das Gedeihen eines
Schmarotzerpilzes (Peziza ciborioides Fries), welcher die Kleeſtöcke zum Abſterben
bringt, begünſtigt.
Die Vorbereitung zu Rothklee iſt einfach und billig, nachdem er ſich mit jener
begnügt, welche der Ueberfrucht gegeben wurde. Die Anſprüche an den Düngungs-
zuſtand des Bodens ſind mäßig. Sofern ſich der Rothklee nur in der erſten Jugend
ſchnell anwurzeln kann, gedeiht er auf humus- und nährſtoffreichem Boden ſelbſt in
vierter Tracht nach der Düngung; auf humusarmem und leichtem Boden muß er
jedoch ſchon in eine frühere Tracht zu ſtehen kommen. Von den verſchiedenen künſt-
lichen Düngemitteln wirken nach Dr. Heinrich 1) im Allgemeinen neben dem Chlor-
natrium beſonders die Kalkſalze (Gyps, Superphosphat, ebenſo Aetzkalk) auf eine
größere Stengelbildung, die Magneſia- und Kaliſalze auf die Blattbildung. Bei
Anwendung von ſtickſtoffhaltigen Düngemitteln hält die Ausbildung dieſer Organe
ungefähr die Mitte zwiſchen der Einwirkung der Kalk- und Kaliſalze. In Betreff
der Ausbildung der Blüthen ließ ſich keine Einwirkung nachweiſen. Nicht unbedeutend
war der Einfluß der Düngemittel auf die im Klee aufgetretenen Unkrautpflanzen.
Nächſt den ungedüngten Parzellen haben beſonders die ſtickſtoffhaltigen Düngeſalze
(Chiliſalpeter, ſchwefelſaures Ammoniak) die Unkrautentwickelung begünſtigt. Am
[189]Die Futterpflanzen.
wenigſten Unkraut zeigten die mit Gyps und Superphosphat gedüngten Parzellen.
Gypsdüngung, ſowie Düngung mit ſchwefelſaurer Magneſia erhöhen den Ertrag
an Trockenſubſtanz.
3. Die Saat.
In Gegenden mit trockenem, froſtreichem Frühjahre empfiehlt es ſich, die Klee-
ſaat ſchon im Herbſte nach der Ausſaat des Wintergetreides unter dieſes vor-
zunehmen. Je zeitlicher, im September, die Kleeſaat ausgeführt werden kann,
um ſo mehr iſt der Rothklee geſichert und um ſo eher kann derſelbe ſchon nach der
Aberntung der Halmfrucht, wenn nicht grünes Mähfutter, ſo doch eine Stoppelweide
geben. In feuchten Lagen und auf lockerem Humus-Boden iſt jedoch die Herbſtſaat
durch das Auffrieren über Winter zu ſehr gefährdet, weshalb ſich hier die möglichſt
zeitliche Frühjahrsſaat unter Sommer- oder Wintergetreide empfiehlt. In trockenen
Lagen erfolgt die Ausſaat zur Sicherung des Fortkommens in die Winterung, ſonſt
gewöhnlich in die Sommerung. In zu feuchten Lagen tritt jedoch in letzterem Falle
der Uebelſtand ein, daß die Gerſte, der Hafer vom Rothklee überwachſen werden,
weshalb auch hier die Ausſaat in die Winterung erfolgen muß, wenn man nicht etwa
vorzieht, die Kleeſaat erſt nach dem Aufkeimen der Sommerung vorzunehmen. Bei
der Einſaat unter Winterung wird geſäet, ſobald das Feld abgetrocknet, oft auch
auf dem Schnee, welcher beim Schmelzen die Körner in den Boden bringt. Die
ausgeſäeten Kleeſamen bleiben bei ihrer Kleinheit gewöhnlich ohne Erdbedeckung. In
trockenem Boden empfiehlt es ſich, dieſelben durch einen leichten Eggenzug ſehr ſeicht
unterzubringen. Kommt der Klee in die Sommerung, ſo wird erſt dieſe unter-
gebracht und dann der Klee ausgeſäet, welcher mit der Schleife oder Egge ſeichter
als die Sommerung bei feuchtem Boden auf höchſtens 0.6—1.6 Ctm., bei trockenem
auf 2.5 Ctm. untergebracht wird. Gewöhnlich wird der Klee breitwürfig mit der
Hand oder einer Maſchine geſäet. Ein gleichmäßigerer Stand, welcher namentlich
für das Mähen mit der Maſchine von Vortheil iſt, wird erzielt, wenn der Klee quer
über die Getreidereihen, je nach dem Bodenzuſtande, auf 8—10 oder auf 15 bis
20 Ctm. Entfernung gedrillt wird. Zur Saat hat man möglichſt kleeſeidefreien Samen
zu verwenden. Die Seide ſollte daher vorher durch feine Siebe, welche eine Maſchen-
weite unter 0.75 □Millim. beſitzen, ausgeputzt werden. Am beſten eignet ſich zu
dieſem Zwecke das Hohenheimer Sieb, vertrieben durch Kaufmann Schöll in Plie-
ningen (Württemberg). Ebenſo ſoll man möglichſt friſchen Samen verwenden, nach-
dem dieſer ſchon nach 2 Jahren ſeine Keimfähigkeit verliert Zur Samenzucht oder
bei trockener Lage ſäet man zuweilen den Klee mit den hygroskopiſchen Hülſen, um
das Ankeimen zu ſichern. Bei breitwürfiger Saat benöthigt man auf friſchem Boden
ein Saatquantum von 9—10 Kilogr., auf trockenem Boden und bei ungünſtiger
Lage 20 und mehr Kilogr., unter mittleren Verhältniſſen 15 Kilogr.
4. Die Pflege.
Die Pflege der Kleefelder beſchränkt ſich auf die Aufhülfe durch eine Kopf-
düngung und auf die Bearbeitung des Bodens zwiſchen den Kleeſtöcken. Unmittelbar
[190]Beſondere Pflanzenbaulehre.
nach dem Getreideſchnitte empfiehlt es ſich, auf die bethauten Blätter Gyps aus-
zuſtreuen. Im Frühjahre ſowie nach jedem Schnitte wird das Gypſen, ſofern ſich
ein kleiner Verſuch bewährt hat, wiederholt. Sehr zu empfehlen iſt es, die Kleefelder
über Winter mit verdünnter Jauche zu überfahren oder mit einer Kopfdüngung
von kurzem Stallmiſt, Compoſt, Holzaſche zu verſehen. Im Frühjahre wird auf
gebundenem Boden eine Lockerung und eine Reinigung vom Unkraute durch Ueber-
ziehen mit einer eiſernen Egge, auf moorigem Boden ein Ueberwalzen angezeigt ſein.
Trotzdem in zuſagenden Verhältniſſen der Rothklee eine ſichere Pflanze iſt, kann
derſelbe doch in ſehr trockenen Jahrgängen, durch eine zu dicht beſtandene Ueberfrucht
oder durch Blachfröſte fehlſchlagen. Kommt der Rothklee wegen mangelnder Feuchtig-
keit im Frühjahre nicht zum Keimen, ſo kann man die Saat wiederholen; geht
er ſpäter ein, ſo wird an ſeiner Stelle Incarnatklee oder ein ſchnellwachſendes Grün-
futter, Miſchling u. dgl. angebaut.
Brannheil (Prunella vulgaris L) ♃ nach
Nobbe. — Theilfrüchtchen a in nat. Gr.; b ver-
größerte Unter- und c Oberſeite.
Cypreſſen-Wolfsmilch (Euphorbia
cyparissias L.) ♃ nach Nobbe. — Vorder- und
Rückſeite.
Löwenzahn (Taraxacum officinale
Wiggers) ♃. — a—c Achäne mit geſtielter Haar-
krone; d ſtärker vergrößertes Pappushaar.
Iſt der Stand des Klee’s lückenhaft, ſo tritt leicht eine Verunkrautung des
Feldes ein. Auf Samenkleefeldern ſind Unkräuter, wie die Wucherblume (Chry-
santhemum Leucanthemum L.) ♃, die Brunelle (Prunella vulgaris L.) ♃,
Fig. 132, der Wegerich (Plantago lanceolata L.) ♃, Fig. 144, Wolfsmilcharten,
Fig. 133 ꝛc., welche ähnlich große Samen wie der Klee beſitzen, höchſt nachtheilig.
Außerdem erſcheinen nach mißrathenem Klee häufig: der Feldmohn (Papaver
Argemone L.) ☉, die Ackerbrombeere (Rubus caesius L.) ♄, die Ackerkamille
(Anthemis arvensis L.) ☉, die Ackerdiſtel (Cirsium arvense Scp.) ♃, Fig. 12,
S. 21, der Löwenzahn (Taraxacum officinale Wiggers) ♃, Fig 134, die
Quecke (Triticum repens L.) ♃, ꝛc. Auf den Wurzeln des Rothklee’s ſtellt
ſich zuweilen eine Schmarotzerpflanze, die Sommerwurz oder der Kleeteufel (Oro-
[191]Die Futterpflanzen.
banche minor Suttow.) ein, welche die Kleeſtöcke durch Entnahme des bereits
aſſimilirten Stoffmateriales zum Abſterben bringt. In ähnlicher Weiſe werden die
Kleefelder von der Kleeſeide (Cuscuta Trifolii Bab.), Fig. 135, heimgeſucht, die
jedoch mit ihren Saugwurzeln (Hauſtorien) in das Parenchym der Stengel eindringt.
Zur Vertilgung dieſes gefährlichen Kleefeindes wird das Ausputzen der Samen und
wenn derſelbe bereits am Felde erſchienen, das Bedecken der befallenen Stellen mit
Spreu, Aſche, rohem ſchwefelſaurem Kali, oder das Uebergießen mit Jauche empfohlen.
Am wirkſamſten bleibt noch das Umſpaten oder Abbrennen der ergriffenen Stellen,
wenn auch dabei die Kleeſtöcke mit vernichtet werden. Das Abbrennen wird am
ſicherſten erreicht, wenn man die inficirten Flächen mit kurz geſchnittenem, etwas mit
Petroleum angefeuchtetem Stroh 2—3 Decim. hoch bedeckt und dieſes anzündet.
Kleeſeide (Cuscuta Trifolii Bab.) auf Rothklee ſchmarotzend. 2. vergr. Stengel mit Hauſtorien
und Blüthenknäuel; 3. Samen; c Embryo und Endoſperm; 4. Keimlinge.
Von den verſchiedenen Pflanzenkrankheiten ſtellen ſich auf dem Rothklee die folgen-
den ein: 1. der Mehlthau, hervorgerufen durch den Mehlthaupilz Erysiphe communis
Wallr. oder den Schimmelpilz Peronospora Trifoliorum de Bary. 2. Die Blattdürre
oder Blattfleckenkrankheit, welche nach Kühn einen Kugelpilz, Sphaeria Trifolii, als Ur-
ſache hat. 3. Die Kleefäule oder der Kleekrebs, veranlaßt durch die Sklerotien des
Becherpilzes (Peziza ciborioïdes Fries). 4. Der Roſt, hervorgerufen durch den
Schweifroſtpilz (Uromyces apiculatus Lèv. und Uromyces appendiculatus Lèv.).
5. Der Wurzeltödter (Rhizoctonia violacea Tul.).
[192]Beſondere Pflanzenbaulehre.
Zu den häufigſten Feinden aus derThierwelt zählen:
- An Blatt und Stengel:
- Ackerſchnecke (Limax agrestis L.), Fig.
91, S. 146, alt und jung ſchädlich. - Linirter Graurüßler (Sitona lineata L.),
Käfer ziemlich ſchädlich. - Fallkäfer (Chrysomela obscura L.),
Larve ſchädlich. - Sonnenkäferchen (Coccinella globosa Jll.),
Larve ſchädlich? - Kleeblumenſpinner (Orgyia fascellina L.),
Raupe unmerklich ſchädlich. - Erbſeneule (Mamestra pisi Hb.), Fig. 47,
S. 69, Raupe unmerklich ſchädlich. - Steinkleeeule (Noctua suasa Esp.),
Raupe unmerklich ſchädlich. - Wieſenkleeeule (Noctua glyphica L.),
Raupe unmerklich ſchädlich. - Minirräupchen (Tinea bremiella Zell.),
unmerklich ſchädlich. - Ypſiloneule (Plusia gamma L.), Fig. 88,
S. 131, Raupe ſchädlich. - Blattlaus (Aphis pisi Kalt.), Laus und
Nymphe unmerklich ſchädlich. - Samen:
Rothkleeſpitzmäuschen (Apion apricans
Gyll.), Fig. 136, Käfer ſchädlich. - Gelbſchenkliges Spitzmäuschen (Apion
flavo-fermoratum Germ.), Käfer
ſchädlich. - Figure 136. Fig. 136.
Rothkleeſpitzmäuschen (Apion apricans Gyll.) nach
Giebel. — Käfer, daneben die Puppe, über dieſer der ſtark
vergr. Kopf der Larve, rechts die ſtark vergr. Larve. - Wurzel:
- Kleewurzelkäfer (Hylesinus tri-
folii Müll.), Käfer und Larve
unmerklich ſchädlich. - Stockausſchläge:
- Stockälchen (Anguillula de-
vastatrix J. Kühn.), ver-
urſacht die ſogenannte Stock-
fäule.
5. Die Ernte.
In Betreff des Zeitpunktes der Ernte und der Heuwerbung verweiſen wir auf
die Capitel „die Ernte grüner Pflanzen“ und „die Dürrheubereitung“, Bd. I,
S. 253 und 255. Zur Ergänzung ſei bemerkt, daß man den Rothklee
häufig ſchon im Herbſte entweder zur Weide, oder wenn der Klee ſchon 30—50
Ctm. hoch geworden iſt, zu Grünfutter oder Heu benutzen kann. Das Weiden darf
jedoch nicht zu ſpät in den Herbſt hinein und nur durch Rinder oder Lämmer vor-
genommen werden, da nur die Blätter nicht auch die Endknospen der Kleeſtöcke ab-
gebiſſen werden dürfen. Im zweiten Jahre nach der Ausſaat kommt der Klee zur
vollen Benutzung. Zur Grünfuttergewinnung wird man ſo bald als möglich
ſchreiten, wenn der Klee kaum 30—40 Ctm. hoch geworden iſt. Solcher zeitig an-
geſchnittener Klee ſchießt ſchnell wieder nach. Jener Theil, welcher nicht als
Grünfutter zur Verwendung gelangt, wird vor oder während der Blüthe zur Heu-
[193]Die Futterpflanzen.
gewinnung abgemäht. Im Spätſommer kann dann noch ein zweiter Heuſchnitt ge-
nommen werden, welchem in günſtigen Jahrgängen ein ſchwacher dritter, oder eine
Weidebenutzung folgen kann. Die reinen Rothkleeſaaten werden häufig, das Saat-
jahr ungerechnet, nur durch einen Sommer benutzt, nachdem der Rothklee nicht ſo
ſicher ein zweites Mal überwintert und außerdem der einjährige Klee beſſer in die
Fruchtfolge paßt. Bei zweijähriger Benutzung des Rothklees wird häufig im zweiten
Jahre nur ein Schnitt genommen und das Kleeland ſchon im Juli umgebrochen.
Erfolgt der Umbruch ſpäter, ſo wird nach dem Heuſchnitte noch geweidet.
Der Ertrag an Heu oder Grünfutter, welch Letzterer dem 4½—5fachen Gewicht
des Heuertrages gleichkommt, iſt ſehr verſchieden, er erreicht in rothkleefähigen Lagen
meiſt ein größeres Futterquantum, als von natürlichen Wieſen zu erwarten wäre.
An trockenem Kleeheu werden im großen Durchſchnitte 4 Tonnen per Hektar, in
günſtigen Lagen und Jahrgängen jedoch auch 7—10 Tonnen gewonnen. Von dem
Ertrage entfallen auf den Stoppelſchnitt oder die Stoppelweide ungefähr 0.9—1.3
Tonnen, auf das 1. Hauptbenutzungsjahr in zwei Schnitten und zuweilen auch Weide
4 Tonnen, auf das 2. Benutzungsjahr in einem Schnitte und Weide 2.6 Tonnen
oder, wenn ſchon im Juli die Kleeſtoppel umgebrochen wird, nur 1.7 Tonnen.
Zur Samengewinnung für den eigenen Bedarf oder für den Verkauf wählt
man nicht etwa die üppigſten Stellen des Kleefeldes, ſondern ſolche aus, auf welchen
der Klee einen kräftigen, nicht zu blattreichen Wuchs zeigt. Am zweckmäßigſten iſt
es, den Klee vom zweiten Schnitte, welcher ſich weniger leicht lagert, zur Samen-
gewinnung zu beſtimmen. In kühlen Gegenden wird man jedoch ſchon von dem
erſten Schnitte den Samen gewinnen. Die Samenernte iſt vorzunehmen, wenn die
Samen, vollſtändig ausgereift, eine eigenthümliche, glänzende Färbung zeigen und hart
geworden ſind. Ein Ausfall iſt nicht zu befürchten, eher brechen die ganzen Köpfe
ab. Entweder werden die ganzen Pflanzen abgeſchnitten und in Puppen zum
Trocknen aufgeſtellt oder auf Kleereiter gehängt oder mit einem Kamme, welcher an
der vorderen Kante einer Mulde angebracht iſt, nur die Köpfe abgeſtreift und das
Stroh nachträglich abgemäht. Der abgedroſchene oder abgeraufte Klee iſt noch von
den Hülſen umgeben, welche durch Dreſchen bei Froſt oder durch Dörren und nach-
maliges Abdreſchen oder noch beſſer auf eigenen Kleeenthülſungsmaſchinen von dem
Samen abgeſchieden werden. Der Ertrag an Kleeſamen ſchwankt zwiſchen 340 bis
520 Kilogramm von einem Hektare.
6. Der Incarnatklee.
Der Incarnatklee, auch roſenrother Klee, Blutklee genannt (Trifolium incar-
natum L.), iſt einjährig. Im Auguſt geſäet, beſtockt er ſich bis vor dem Eintritte
des Winters derart, daß er noch im Herbſte eine Weide liefert. Im nächſten
Mai, längſtens Anfangs Juni, tritt er in die Blüthe und ſetzt im Juli ſeinen
Samen an. Er gewährt daher noch vor dem Rothklee einen Schnitt. Im April
ausgeſäet, blüht er im Juli oder Anfang Auguſt und reift im September. Seine
Blumenkrone iſt ſchön purpurroth gefärbt. Einzelne Varietäten blühen fleiſchroth oder auch,
Krafft, Lehrb. d. Landw. II. 13
[194]Beſondere Pflanzenbaulehre.
wie der weiße Incarnatklee, weißlich. Am häufigſten wird er in der Schweiz, in
Südfrankreich, in Italien, am Rhein, vereinzelt in Oeſterreich angebaut. Im All-
gemeinen geht jedoch ſein Verbreitungsbezirk ſüdlicher und weniger weit öſtlich, als
jener der Luzerne, indem er ein ausgeſprochenes Verlangen nach Sommerwärme und
eine große Empfindlichkeit gegen Kälte (Früh- und Spätfröſte) beſitzt.
Der Incarnatklee gedeiht am Beſten auf mildem Lehmboden. Ungeeignet ſind
naßgründige, ſtark gebundene Bodenarten, ſowie trockene, ſehr leichte Sandböden.
Seine Cultur iſt ſehr einfach. Gewöhnlich wird er wegen ſeines ſchnellen Wachs-
thumes ohne Ueberfrucht nach Wintergetreide oder Winterroggen ausgeſäet. Im
Herbſte, nach einer Halmfrucht angebaut, wird er im nächſten Frühjahre ſo früh-
zeitig abgeerntet, daß noch Gerſte, Hirſe angebaut oder Runkeln und Kohlrüben
verpflanzt werden können. Der Incarnatklee gibt einen willkommenen Erſatz für
im Herbſte oder im Frühjahre eingegangenen Rothklee. Die Vorbereitung iſt einfach,
nachdem ein Umbrechen der Stoppeln mit dem Saatpflug vollkommen ausreicht.
Der Same, Fig. 137, wird entweder ohne oder mit den Hülſen ausgeſtreut und ein-
geeggt oder angewalzt. Jederzeit iſt friſcher Samen zu verwenden, da die Keimkraft
Incarnatklee (Trifolium incarnatum L.) ☉ nach Nobbe. — a Same in natürlicher Größe;
b Same vergrößert; d keimender Same geſchält; e ungeſchält.
deſſelben ſchon im zweiten Jahre abnimmt. Das Saatquantum richtet ſich nach
der Bodenbeſchaffenheit und der Saatwitterung, es ſchwankt zwiſchen 25—35 Kilo-
gramm auf einem Hektare. Der Incarnatklee muß in ſeiner Blüthezeit entweder
grün verfüttert oder zu Heu gemacht werden, da er ſpäterhin durch Verholzung an
Nährwerth ſehr verliert. Die Erträge ſind ſehr unſicher, ſie erreichen 2.3 bis 3.5
Tonnen Heu. Der Samenertrag ſtellt ſich auf 6 bis 9 Hektoliter von einem
Hectare.
7. Der Weißklee.
Der Weißklee, kriechende Klee, Schafklee, Steinklee, holländiſche Klee (Tri-
folium repens L.) ♃ beſitzt weiße, geſtielte und mit Deckblättern verſehene Blüthen.
Er iſt länger ausdauernd als der Rothklee und bildet niederliegende, kriechende
Stengel, welche ſich von Strecke zu Strecke einwurzeln. Selbſt in gedrängtem
Stande wird er ſelten höher als 40 bis 50 Ctm.; er gibt nur einen Schnitt,
welcher bei dem eigenthümlichen Wachsthume von vorzüglicher Beſchaffenheit iſt, da
er faſt nur aus Blättern und Blattſtielen beſteht. Er eignet ſich daher weniger
[195]Die Futterpflanzen.
gut zur Gewinnung von Mähfutter. Abgeweidet reproducirt er ſich dagegen ſehr
ſchnell, weshalb er zu den beſten Weidepflanzen gezählt werden kann. Der Weißklee
gewinnt noch dadurch an Werth, daß er noch auf geringeren Bodenarten, wie auf
ſehr ſteinigen, ſandigen oder thonigen Boden, fortkommt und ein rauhes Klima
leichter als der Rothklee verträgt. Der Weißklee kann ſelbſt noch auf Moor- und
Bruchboden, ſobald derſelbe nicht an übermäßiger Näſſe leidet, mit Erfolg gebaut
werden.
Die Cultur des Weißklees ſtimmt mit jener des Rothklees überein. In einem
trockenen Klima wird der Weißklee im Herbſte oder im Verlaufe des Winters in
Wintergetreide eingeſäet. Iſt das Frühjahr ausreichend feucht, um das Ankeimen
zu ſichern, ſo wird er auch in Sommergetreide eingeſäet. Außer dem Getreide eignen
ſich als Ueberfrucht für den Weißklee Spörgel und zur Grünfütterung gebauter
Buchweizen. Am häufigſten ſäet man ihn nicht rein, ſondern unter Kleegras, nament-
lich dann, wenn dieſes ſpäterhin zur Weide beſtimmt wird. Zur Ausſaat, welche
mit der Egge oder Walze untergebracht wird, genügen weniger Samen, als bei dem
großkörnigeren Rothklee; auf leichtem Boden 10—15 Kilogr. pro Hektar.
Die Pflege des Weißklees beſchränkt ſich auf ein Ueberwalzen im Frühjahre,
wenn die Pflanzen durch den Froſt aus dem Boden gehoben wurden und auf eine
Kopfdüngung, welche reichlich gelohnt wird.
Die Ernte als Mähfutter findet in einem ſpäteren Entwickelungsſtadium als
bei dem Rothklee ſtatt, nachdem der Weißklee nur einen Schnitt gibt. Er wird
nach dem Eintritte der vollen Blüthe gemäht. Das Abweiden beginnt man im Früh-
jahre, ſobald der Weißklee einen dichten Beſtand zeigt. Der Heuertrag ſtellt ſich
auf 1.9—3 Tonnen, der Samenertrag auf 3—6.5 Hektoliter per Hektar.
8. Die Serradella.
Die Serradella 1), der große Krallenklee, der Saatvogelfuß, die Klauenſchote
(Ornithopus sativus Brot.) ☉, Fig. 138 n. S., iſt eine noch lange nicht genug gewürdigte,
einjährige Futterpflanze des Sandbodens, welche aus Portugal ſtammt und ſich ſeit
1851 auch in Deutſchland eingebürgert hat. Die Serradella wird 20—50 Ctm.
hoch. Der aufſtrebende Stengel, ſowie die 7—23 paarigen Blätter ſind behaart.
Die blaßroſa gefärbten Blüthen und die 4—6gliedrigen Hülſen, Fig. 139, ſind zu 2—3
an einer Stelle angeſetzt. Am beſten gedeiht die Serradella in feuchtem Klima, auf
einem tiefgründigen Sandboden, der ſich in guter Cultur und in gutem Düngungs-
zuſtande befindet. Auf ganz trockenem Sandboden mit tiefem Stande des Grund-
waſſerſpiegels ſchlägt ſie bei anhaltender Trockene gerne fehl. Bei reiner Anſaat wird
ſie nach gedüngter Hackfrucht, Kartoffel oder Rüben angebaut, häufiger wird ſie jedoch
mit einer Ueberfrucht gebaut. Am beſten eignet ſich dazu Wickfuttergemenge oder
13*
[196]Beſondere Pflanzenbaulehre.
Serradella (Ornithopus sativus Brot.)
Winterroggen, weniger geeignet iſt Win-
terweizen oder ein Sommergetreide. Zur
Heugewinnung wird ſie auch im Ge-
menge mit Lupinen angebaut. Mit einer
Ueberfrucht gibt ſie im Herbſte einen
Schnitt und eine Weide, oder auch zwei
Grünfutterſchnitte.
Die Saat wird ſehr früh, Ende
März, zur Samengewinnung Anfang
April ausgeführt, nachdem die junge
Serradella gegen Froſt wenig empfind-
lich iſt. Bei der Reinſaat werden für
1 Hectar breitwürfig 25 — 35 Kilo-
gramm, unter einer Ueberfrucht 23—30
Kilogramm Samen ausgeſtreut, eingeegt
und mit der glatten Walze an den
Boden angedrückt.
Während ihres Wachsthumes leidet
ſie am meiſten durch Unkräuter. Am
leichteſten wird ſie von der Quecke
(Triticum repens L.) ♃, dem Ackerſpörgel
(Spergula arvensis L.), Fig. 141, S. 202,
und dem Hederich (Raphanus rapha-
nistrum L.) ☉, Fig. 30, S. 40, unter-
drückt. Von Inſecten ſchadet die Raupe der
Ypſiloneule (Plusia gamma L.), Fig. 88,
S. 131, durch Abfreſſen der Blätter.
Serradella (Ornithopus sativus
Brot.) ☉ — a u. b Gliederfrucht; c und
d Same; e derſelbe im Profil; α Keim-
würzelchen, wenig vorſtehend.
[197]Die Futterpflanzen.
Die Serradella behält nach den Unterſuchungen von Dr. J. Fittbogen 1) ihren
vollen Futterwerth bis zum Ende der Blüthe und unterſcheidet ſich in dieſer Be-
ziehung vortheilhaft von anderen Pflanzen, welche, wie z. B. der Rothklee, mit zu-
nehmendem Alter relativ ärmer an ſtickſtoffhaltigen Nährſtoffen werden. In der
Praxis dürfte ſich dies Ergebniß indeſſen weſentlich durch den Umſtand modificiren,
daß bei der Heuwerbung ein großer Theil der Blätter, welche bekanntlich zu den
ſtickſtoffreichſten Organen gehören, verloren geht.
Das Wachsthum der Serradella iſt bis zum Eintritte der Blüthe ein ſehr lang-
ſames; die größte abſolute Zunahme an organiſcher und anorganiſcher Subſtanz
wurde während des weiteren Verlaufes der Blüthe conſtatirt.
Jedenfalls erſcheint daher das letzte Stadium der Blüthe als die paſſendſte Zeit
für die Ernte. Zu derſelben Zeit wird auch in der Praxis die Heuwerbung überall
da vorgenommen, wo man die Serradella nicht zur Samengewinnung anbaut.
Rein ausgeſäet wird ſie von Mitte Juni bis in den Herbſt hinein als Schaf-
weide ausgenutzt oder bei Benutzung zu Grünfutter Ende Juli das erſtemal und im
September das zweitemal gemäht. Zu Heu ſchneidet man ſie gegen Ende der Blüthe
im Auguſt und nimmt dann noch Ende September einen Grünfutterſchnitt. Der
Same wird Ende Auguſt bis Mitte September gewonnen. Unter einer Ueberfrucht
geſäete Serradella wird im October zu Grünfutter verwendet. Der Heuertrag iſt
großen Schwankungen ausgeſetzt. Derſelbe wechſelt zwiſchen 2.3 — 3.4 Tonnen per
Hektar. Der Samenertrag erreicht 8—12 Hektoliter.
9. Die Eſparſette.
Die angebaute Eſparſette, der ewige oder ſpaniſche Klee, die Eſper (Onobrychis
sativa Lam.) ♃ beſitzt 6—13paarige Blätter. Die Blättchen ſind länglich-lanzettlich;
die hellroſenrothen, purpurngeſtreiften Blüthen ſtehen in langgeſtielten, kegelförmigen
Aehren. Die Schließfrucht, Fig. 140, iſt einſamig, am Rande dornig gezähnt.
Die gemeine Eſparſette und die ſich nur durch die
kräftigere Entwicklung unterſcheidenden Varietäten der
zwei- und dreiſchürigen Eſparſette werden ſowohl in
Mittel- als auch in Weſteuropa angebaut.
Das Wurzelvermögen der Eſparſette iſt noch
bedeutender als jenes der Luzerne. Nach Fraas 2)
gehen die Wurzeln 2-, 3mal ſo tief, als wie bei der
Luzerne. Beſonders charakteriſtiſch für die Eſparſette
iſt der Umſtand, „daß im Herbſte der letzt abgemähte oder
abgeweidete Achſentheil bis an 5.3 Ctm. Tiefe in die
Erde hinein abſtirbt, während ſich dort ein neuer
Eſparſette (Onobrychis
sativa Lam.) ♃ nach Nobbe. — a u.
c Schließfrucht; b u. d Same.
[198]Beſondere Pflanzenbaulehre.
Wurzelhals bildet und aus ſeinem verdickten Ende 2—3 neue Schoſſe ſchickt. Da
ſich dieſes im Herbſte eines jeden Jahres wiederholt, ſo geht ſeine Beſtockung lange
Jahre vorwärts Die Wurzel bleibt gerade, wird ſehr hart und ſendet an den
jungen Sproſſen alljährig horizontal verlaufende, dichte Büſcheln von Fibrillen aus;
dabei geht die Pfahlwurzel gewaltig tief und umſchlingt Geſteine und Felsſtücke, ſo
daß die Furchen, die ſie aufſchließend dabei ſich gräbt, daran ſichtbar ſind.“ Wenn
ſie auch 5—15 Jahre ausdauert, ſo iſt ihre Reproductionskraft doch nicht ſo groß
als wie jene der Luzerne; ſie gibt gewöhnlich nur einen Schnitt und eine Weide.
Am vorzüglichſten gedeiht und am längſten hält ſie aus auf tiefgründigem Boden.
Sie iſt jedoch auch nahezu die einzige Futterpflanze, welche noch auf trockenem, felſigem
Boden fortkommt, ſobald dieſer nur das Eindringen der Wurzeln in Klüfte und
Riſſe ermöglicht. Man findet ſie meiſt auf Kalk-, Kreide- und Mergelböden
angebaut. In Betreff des Klimas ſtellt ſie keine beſonderen Anſprüche, nachdem ſie
Froſt und Dürre gut verträgt. Ausgeſchloſſen vom Eſparſettebaue ſind alle feucht-
gründigen Bodenarten, weshalb ſie auch auf Moorböden nur ſchlecht fortkommt.
In der Cultur und der Stellung in der Fruchtfolge ſtimmt ſie mit der Luzerne
überein. Gleich dieſer wird ſie auf eigenen Eſparſetterotationen oder eigenen Futter-
feldern angebaut. Wo ſie nicht gut fortkommt, benutzt man ſie auch nur durch
2 Jahre, ſie erhält dann in der Fruchtfolge dieſelbe Stellung wie das Kleegras.
Sie hinterläßt das Feld in gutem Zuſtande, ſie iſt daher als gute Vorfrucht für
Winterhalmfrucht, Raps, Mais anzuſehen.
Die Eſparſette verlangt einen gut zubereiteten, tief gelockerten Boden, weshalb ſie
am geeignetſten nach gedüngten Hackfrüchten gebaut wird. Die Alleinſaat kommt ſelten
vor, da ſie im erſten Jahre gewöhnlich einen zu geringen Ertrag abwirft. Häufiger
wird ſie im Frühjahre unter dünn geſäete Sommerung gebaut, oder wenn das
Frühjahr zu trocken, zur Sicherung des Ankeimens ſchon im Herbſte quer über die
Wintergetreidereihen gedrillt. Bei der Breitſaat iſt ein Saatquantum von 170—240
Kilogramm, bei der Drillſaat von 100 bis 200 Kilogramm auf ein Hektar erforderlich.
Im Ausſaatjahre ſoll das Abweiden mit Schafen unterlaſſen werden, nachdem
die junge Eſparſette leicht beſchädigt werden kann. Erſt ältere Eſparſetteſchläge können
ohne Gefahr mit Schafen abgehütet werden. Ueber Winter kann der Eſparſette
bei ſchwachem Stande durch eine Kopfdüngung mit Stallmiſt, durch Ueberſtreuen von
Aſche, Compoſt, durch Ueberfahren mit Jauche aufgeholfen werden. Im Frühjahre
empfiehlt ſich eine Lockerung des Bodens zwiſchen den Pflanzen durch die Egge.
Schwach entwickelte Eſparſette wird leicht von verſchiedenen Gräſern, beſonders von
verſchiedenen Trespenarten (Bromus tectorum L. ☉, sterilis L. ☉, arvensis L ☉
und mollis L. ☉, Fig. 126, S. 182) unterdrückt. Von kryptogamiſchen Paraſiten
ſtellen ſich auf der Eſparſette der Mehlthau (Erysiphe communis Wallr.) und der
Schweifroſt (Uromyces apiculatus Lèv. und appendiculatus Lèv.) ein. Von der
Thierwelt ſchaden der Eſparſette die Erbſenblattlaus (Aphis pisi Kalt.), weniger
eine Gallmücke (Cecidomyia Onobrychis Bremi.)
Der erſte, oft einzige Schnitt wird Ende Mai, Anfang Juni, wenn die Eſpar-
[199]Die Futterpflanzen.
ſette in voller Blüthe ſteht, genommen. Neben der Eſparſette muß auch anderes
Futter gebaut werden, da der eine Schnitt zur Fütterung nicht ausreicht. Man
wird daher die Eſparſette nur dort bauen, meiſt mit Gras gemiſcht, wo die Luzerne
nicht mehr 3.5 Tonnen von einem Hektare abwirſt. Der Ertrag an Eſparſetteheu
bewegt ſich in einem Schnitte und Weide zwiſchen 2—4.3 Tonnen Heu.
Zur Gewinnung des Eſparſetteſamens wird auf einem reinen Eſparſettefelde
ein entſprechendes unkrautfreies Stück zum Samen ſtehen gelaſſen. Ausgereift wird
die Eſparſette mit der Hand abgeſtreift oder noch öfter gemäht und in kleine Ge-
bunde gebracht, welche in Capellen zum Trocknen aufgeſtellt werden. Zur Vermei-
dung jeglichen Samenverluſtes klopft man die Eſparſette gleich am Felde mit dem
Dreſchflegel ab und führt Samen und Stroh für ſich in den Hof. An Samen
mit Hülſen werden von einem Hektare 20—35 Hektoliter geerntet.
10. Die Lupine.
Die Lupinen, Wolfsbohnen, Feigbohnen gleichen in der Tracht der gemeinen
Pferdebohne. Sie haben aufrechte, wenig veräſtelte, 0.60—2.0 Meter hohe Stengel mit
fingerigen Blättern und große, in gebüſchelten oder quirligen, gedrungenen Trauben
ſtehende Blüthen. Die Samen enthalten weder Stärke noch fettes Oel in größerer
Menge, dagegen vorwiegend Eiweißkörper und außerdem einen Bitterſtoff, welcher
die Eigenſchaften eines Alkaloid zeigt und ſtickſtoffhaltig iſt. Die Lupinen beſitzen
eine Pfahlwurzel, welche ſich plötzlich in flachliegende Nebenwurzeln ausbreitet. Die
Wurzeln ſind mit 2 Ctm. großen, unregelmäßig vertheilten, kugeligen Höckern verſehen.
Am häufigſten werden in Deutſchland, Frankreich, Italien, Spanien folgende
Arten cultivirt: 1. Die weiße Lupine (Lupinus albus L.) ☉ mit weißen Blüthen ohne
Deckblättchen und einer Höhe von 0.6—2.0 Meter. Dieſelbe wird hauptſächlich als
Gründüngungspflanze gebaut. Zur Fütterung eignet ſie ſich wegen ihres großen
Gehaltes an Bitterſtoff nicht. Die Samengewinnung iſt durch das ſpäte Reifen ſehr
erſchwert. 2. Die gemeine rothe oder rauhhaarige Lupine (Lupinus hirsutus
L.) ☉ mit purpurrothen Blüthen und einer Stengelhöhe von 0.6—1.25 Meter wird nur
als Gartenzierpflanze verwendet. 3. Die gelbe, wohlriechende Lupine (Lupinus
luteus L.) ☉ mit blaßgelben, wohlriechenden Blüthen, deren Kelch mit zwei Deckblättchen
verſehen iſt, 0.50—1.00 Meter hoch. Dieſelbe wird vorzugsweiſe als Viehfutter
gebaut. 4. Die blaue oder ſchmalblätterige Lupine (Lupinus angustifolius
L.) ☉ mit lineallanzettlichen bis linienförmigen Blättchen, blaublühend, 0.6—1.0 Meter
hoch, Samen faſt kugelrund, aſchgrau und weiß gefleckt. Dieſelbe iſt hartſtenglig und
wird von dem Vieh weniger gerne als die gelbe Lupine gefreſſen. Sie gedeiht auf
ſchlechterem Boden und iſt ſamenreicher.
Die Lupine beſitzt von der Ausſaat bis zur Reife eine Vegetationsdauer von
20—24 Wochen. In nördlichen und rauhen Lagen kann ſie daher nur zur Grün-
fütterung gebaut werden. Die Samengewinnung iſt unter ſolchen Verhältniſſen aus-
geſchloſſen. Auf ſehr kalkreichem Boden, auf Mergelboden, bei ſtauendem Untergrund-
waſſer gedeiht die Lupine nicht; dagegen kommt ſie am kräftigſten auf ſandigem
[200]Beſondere Pflanzenbaulehre.
Lehmboden und lehmigem Sandboden fort. Bei ihrem mächtig entwickelten Wurzelſyſteme
und ihrem Vermögen, Bodennährſtoffe aufzuſchließen (ſ. Bd. I. S. 102), gedeiht ſie ſelbſt auf
anſcheinend armen Sand-, Kies- und Flugſandböden, welche jedoch oft einen ausreichen-
den Gehalt an in Verwitterung begriffenen Feldſpath- und glimmerhaltigen Geſteins-
trümmern beſitzen. Die Lupinen werden gewöhnlich ohne Stallmiſtdüngung gebaut,
dagegen empfiehlt ſich eine Düngung mit Kaliſalzen und Superphosphaten, nachdem
Same und Stroh der Lupine reich an Kali und an Proteïnſtoffen iſt, deren Bildung
im Zuſammenhange mit der Phosphorſäure ſteht.
Die Lupinen können nach jeder Frucht, welche das Feld unkrautfrei, namentlich
rein von Quecken hinterläßt, angebaut werden. Nach der Lupine iſt durch die Ernte-
rückſtände der Boden beſonders für flachwurzelnde Halmgetreide geeignet. Kommt
die Lupine zeitlich genug vom Felde, ſo folgt Winterroggen, andernfalls ein Sommer-
getreide. Nach ſich ſelbſt gedeiht die Lupine zwar auch, doch erſcheint es geboten,
die Lupine, je weniger verwitterbare Geſteinstrümmer der Boden enthält, nicht zu
raſch aufeinander folgen zu laſſen; es könnte ſonſt die Lupinenmüdigkeit eintreten,
welche ſich darin äußert, daß die Lupine nach einem anfänglich freudigen Wachsthume,
ſobald ſie mit ihren Wurzeln in die tieferen Bodenſchichten eindringt, zum Ab-
ſterben kommt.
Als Vorbereitung wird das Feld im Herbſte tief gepflügt und im nächſten Früh-
jahre der Same nach vorangegangenem Eggen mit dem Exſtirpator untergebracht.
Wird die Lupine gedrillt, ſo folgt auf die Herbſtfurche noch eine flache Frühjahrs-
furche. Am zweckmäßigſten iſt es, die Lupinen frühzeitig im März oder April aus-
zuſäen, indem ſie dann mit der Winterfeuchte ſicherer ankeimen und das Feld zeitlich
genug räumen, um noch Roggen beſtellen zu können. Zur Heu- und Grünfutter-
gewinnung empfiehlt es ſich, die Lupinen auf 24—26 Ctm., zur Samengewinnung
auf 30—37 Ctm. zu drillen. Ausgeſäet werden auf ein Hektar breitwürfig 1.6
bis 2.2 Hektoliter, gedrillt 1.07—1.6 Hektoliter gelbe, 1.8—2.4 Hektoliter, reſp.
1.3—2.0 Hektoliter blaue und 2.0—2.6 Hektoliter weiße Lupinen. Dr. J. Kühn 1)
empfiehlt die Lupine mit Roggen gleichzeitig auszuſäen. Nach der Aberntung der
Erſteren bleibt das Feld dem Roggen überlaſſen. Von anderer Seite 2) wird für
geringen Sandboden empfohlen, die Lupine mit Wicklinſe im Verhältniſſe von 4:5,
oder mit Buchweizen, mit Spörgel oder mit Serradella zu mengen.
Am meiſten ſchaden der Lupine, welche ſich anfänglich nur langſam entwickelt,
die Quecke (Triticum repens L.) ♃ und der Hederich (Rhaphanus raphanistrum L.) ☉,
Fig. 30, S. 40. Außerdem ſtellt ſich auf derſelben die Lupinenſeide (Cuscuta lupulifor-
mis Krocker) ein, welche jedoch keinen ſo bedeutenden Schaden anrichtet als wie die Klee-
ſeide in den Luzerneſchlägen. Unter den Pilzen treten als Feinde auf: der Mehlthaupilz
(Erysiphe communis Wallr.), der Schweifroſt (Uromyces apiculatus Lèv.) und
in neuerer Zeit von Cohn im Innern von Lupinenſtengeln gefunden Sclerotium
[201]Die Futterpflanzen.
Semen T. Unter den Beſchädigern aus der Thierwelt ſind zu nennen: der Grau-
rüßler (Sitona griseus F.) und die Lupinenfliege (Anthomyia funesta Kühn),
deren Larve die Samenlappen der Lupine anfreſſen, wodurch dieſelben in Fäulniß
übergehen.
Zu Grünfutter oder Heu werden die Lupinen im Juli gemäht, wenn ſchon ein
Theil der Hülſen angeſetzt iſt, während an den Seitenäſten ſich noch Blüthen zu
entfalten beginnen. Das Trocknen wird entweder in Schwaden, welche nach 8—14
Tagen in größere Haufen zuſammengebracht werden oder auf Kleepyramiden vor-
genommen. Der Heuertrag erreicht je nach der Bodenbeſchaffenheit und der Witte-
rung bei der gelben Lupine 2—3 Tonnen, bei der blauen Lupine 3 — 4 Tonnen per
Hektar. Bei ſpätgeernteten Lupinen und feuchter Erntewitterung empfiehlt ſich die
Sauerfutterbereitung. Das Lupinenſauerfutter kann bis zu einem Drittel der
Trockenmaſſe des Geſammtfutters ohne nachtheilige Einwirkung auf die Geſundheit des
Rindviehes verfüttert werden.
Die Samengewinnung iſt ſchwierig, je rauher und feuchter die Lage. Da ein
Theil der Hülſen oft noch grün, während andere ſchon aufſpringen, ſo iſt ein Samen-
verluſt nahezu unvermeidlich. Am zweckmäßigſten wird die Lupine gemäht, ſobald
die erſten Hülſen reifen. Die gemähte Frucht läßt man 1—2 Tage unberührt
liegen. Weiterhin werden die Lupinen auf Kleereitern oder ähnlichen Trockengerüſten
aufgehängt und nachreifen gelaſſen. Schließlich werden ſie auf der Tenne, um den
Blätterabfall zu vermeiden und um nur die reifſten Samen zu gewinnen, leicht ab-
gedroſchen. Im Kleinen werden auch die mit völlig reifen Hülſen beſetzten Zweige
nach und nach ausgeſchnitten und für ſich geerntet. Der Samenertrag ſtellt ſich bei
den gelben Lupinen auf 8 — 25, bei den blauen Lupinen auf 12—25 Hektoliter von
einem Hektare.
11. Der Grünraps und Grünrübſen.
Ueber dieſe beiden Pflanzen als Futter gebaut, bemerkt W. Pabſt:1)
Früh geſäeter Raps, bloß zur Grünfütterung angebaut (ſogenannter Schnitt-
kohl) kann im Herbſte einen reichlichen Schnitt gewähren, und wenn er gut durch
den Winter kommt, im zeitigen Frühjahre einen zweiten. Da indeſſen der Raps
einen guten und vorzüglich vorbereiteten Boden verlangt, und wenn er gedeiht, als
Oelgewächs einen höheren Ertrag verſpricht, ſo wird es ſelten von Vortheil ſein, ihn
auf die eben angedeutete Weiſe zum Grünfutter zu bauen.
Der Winterrübſen gibt eine vortheilhafte Unterſaat unter den Futterroggen.
In den Rheingegenden ſäet man auch Sommerrübſen als Stoppelfrucht
zur Herbſtgrünfütterung, für ſich allein oder unter Stoppelrüben. Im letzteren Falle
wird er früher ausgezogen und die Rüben werden ſpäter geerntet. —
Außer den genannten Pflanzen, welche einen unſtreitig höheren Werth als Oel-
pflanzen beſitzen, wird auch der weiße Senf als Grünfutter gebaut. Je älter der
[202]Beſondere Pflanzenbaulehre.
Senf wird, um ſo ungeeigneter wird er jedoch wegen ſeines Gehaltes an ätheriſchem
Oel zur Fütterung, weshalb er vor der Blüthe gemäht werden muß.
12. Der Spörgel.
Der Spörgel, Spergel, Ackerſpark, Knörich, Sperk (Spergula arvensis L.) ☉
beſitzt einen fünfblätterigen Kelch, ungetheilte weiße Blumenkrone, 5 oder 10 Staubgefäße,
eine fünfklappige, vielſamige Kapſel. Stengel aufrecht, äſtig, 0.15—0.31 Meter
hoch. Die lineal-pfriemlichen Blätter ſind unterſeits gefurcht und quirlig gebüſchelt.
Die dunkelſchwarzen, fein punktirten oder fein warzigen Samen, Fig. 141, ſind ſchmal ge-
flügelt. Die Wurzeln ſind zahlreich veräſtelt, gehen jedoch nicht tief. Seine Vegetationszeit
Ackerſpörgel (Spergula ar-
vensis L.) ☉. — a Same in natürl.
Größe; b—d vergr., ſchmal geflügelte
Samen.
beträgt nur 6—8 Wochen, weshalb zwei, auch drei
Ausſaaten in einem Sommer gemacht werden können.
Der gebaute Feldſpörgel gedeiht noch auf ſehr
leichten und armen Sandböden. Er wird jedoch nicht
über 20 Ctm. hoch, blüht im Juni und Juli und reift
im Auguſt. Durch die Cultur auf beſſeren Sand-
böden entſtand der große, bis 100 Ctm. hohe Rieſen-,
Rigaer- oder auch Flachs-Spörgel(Spergula
maxima Koch), deſſen Same ſich von dem platt-
runden Samen des gewöhnlichen, niedrigen Spörgels dadurch unterſcheidet, daß
er etwas kantig und etwa dreimal ſo groß iſt. Seine Vegetationszeit iſt länger, ſie
beträgt 10—12 Wochen. Der Futterwerth beider Spielarten iſt nahezu gleich,
bei der niedrigen Pflanze eher etwas höher.
Das Culturgebiet des Spörgels erſtreckt ſich über die Küſtenländer der Oſt-
und Nordſee, ſoweit die Atmoſphäre einen ziemlich hohen Grad von Feuchtigkeit be-
ſitzt. Im Südoſten (unter dem 48.° n. Br.) erreicht ſeine Cultur ſelbſt bei der
günſtigſten Bodenbeſchaffenheit durch die Wärme des Klimas und die ſpätfroſtreichen
Winter ſeine Grenze. In Gegenden, in welchen der Lein mit Erfolg gebaut werden
kann, gedeiht auch auf humoſem, friſchem Sand oder lehmigem Sand der Spörgel.
Kalkreiche Bodenarten meidet er.
Der Spörgel gedeiht nach allen Pflanzen gut. Er verlangt keine tiefgehende
Bearbeitung, jedoch eine feine und reine Ackerkrume. Gewöhnlich wird er ohne
Dünger gebaut, obgleich er ſchnellwirkende Dünger, insbeſondere Jauchendüngung,
gut lohnt. Außer im Frühjahre wird der Spörgel auch als Stoppelfrucht nach
Wintergetreide angebaut.
Die Ausſaat kann in der Zeit von Ende März bis Ende Auguſt ausgeführt
werden und zwar wird ſie meiſt ſehr dicht mit 19—20 Kilogramm Ackerſpörgel
und 20—30 Kilogramm Rieſenſpörgel per Hektar vorgenommen. Die Unterbringung
des meiſt breitwürfig ausgeſäeten Spörgels erfolgt mit der Egge.
Der Spörgel wird leicht von ſchnellwachſenden Samen- und Wurzelunkräutern
unterdrückt. Ein gefährlicher Feind deſſelben iſt ein Roſtpilz (Puccinia Spergulae
Rbh.), welcher das Kraut zur Verfütterung ungeeignet macht.
Der als Nachfrucht gebaute Spörgel wird meiſtens abgeweidet. Nimmt der-
[203]Die Futterpflanzen.
ſelbe das Feld als Hauptfrucht ein, ſo wird er in voller Blüthe zur Grünfütterung
oder Heubereitung gemäht; außerdem liefert derſelbe dann noch eine ſchwache Nach-
weide. Der Ertrag ſtellt ſich zwiſchen 1.3—2.2 Tonnen Trockengewicht per Hektar.
Kleinwirthe pflegen mitunter den Spörgel anſtatt zu mähen, mit der Hand aus-
zuraufen.
Zur Samengewinnung wird ſchütterer und frühzeitig geſäeter Spörgel beſtimmt,
welcher entweder gemäht oder noch beſſer ausgerauft wird. Der Zeitpunkt zur Vor-
nahme der Ernte iſt gekommen, wenn die unterſten Samen ſich bräunen. Bei länge-
rem Hinausſchieben öffnen ſich die Kapſeln und ſtreuen den Samen aus. Wegen des
Samenausfalles iſt daher auch das Trocknen mit beſonderer Sorgfalt vorzunehmen.
An Samen werden geerntet 8—12 Hektoliter, an Spörgelſtroh, welches im Nähr-
werthe dem Wieſenheu nahe ſteht, 1.5—2.4 Tonnen per Hektar.
13. Der Grünbuchweizen.
Der Grünbuchweizen wird als Stoppelfrucht nach der Getreideernte bei ſeiner
Schnellwüchſigkeit meiſt nur dann angebaut, wenn bei trockenen Jahrgängen die
Grünfütterung ſchwierig durchführbar iſt. Auf leichtem, ſandigem Boden wird er
jedoch auch im Frühjahre in der Weiſe gebaut, daß man alle 8—14 Tage eine neue
Saat ausführt, um ein gutes, wenn auch waſſerreiches Grünfutter während des
ganzen Sommers zu erhalten. Häufig ſäet man unter ſolchen Verhältniſſen den
Buchweizen gemengt mit der Hirſe und zwar 1—1.25 Hektoliter von der erſteren
und 0.5—0.8 Hektoliter von der letzteren Pflanze.
14. Das Grüngetreide.
Mit grüngeſchnittenem Wintergetreide beginnt gewöhnlich gegen Anfang Mai,
auch früher, die Grünfütterung. Meiſtens iſt es der Grünroggen, Futterroggen,
Futterkorn, welcher zuerſt ſoweit entwickelt iſt, um einen ausreichenden Schnitt zu
gewähren. In milden Lagen, welche keinen erheblichen Fröſten ausgeſetzt ſind, kann
ein noch zeitlicheres Grünfutter durch die Wintergerſte erhalten werden. Als erſtes
Grünfutter wird der Grünroggen zur Vermeidung des Aufblähens bei dem Vieh ſtets
im geſchnittenen Zuſtande und abgemengt mit Stroh zu verwenden ſein. Die Fütte-
rung mit demſelben kann jedoch nur kurze Zeit, 8—10 Tage, dauern; ſie hört auf,
ſobald der Roggen in die Aehren ſchießt und hartſtenglig wird. Er bleibt dann
entweder zur Körnergewinnung ſtehen oder er wird zu Heu gemacht. An ſeine Stelle
tritt gleichfalls nur für eine kurze Zeit der Winterweizen. Winterfutter-Roggen
und -Weizen werden beſonders in trockenen Gegenden vor dem erſten Luzerneſchnitte eine
nicht zu verachtende Futteraufhülfe gewähren. Man baut jedoch immer nur ſoviel
als für die erwähnte kurze Zeit erforderlich iſt. Am beſten wählt man dazu ein
in der Nähe des Hofes befindliches, gedüngtes Futterfeld. Die Saat wird möglichſt
frühzeitig im Herbſte mit der Drillmaſchine auf 12—13 Ctm. Entfernung mit
2.5—3 Hektoliter per Hektar ausgeführt. Der Ertrag erreicht 3.5—5 Tonnen
Trockenfutter per Hektar.
[204]Beſondere Pflanzenbaulehre.
Gleichwie der Roggen frühes Grünfutter liefert, gibt derſelbe als Johannis-
roggen auch im Herbſte ſpätes Grünfutter. Nach dem Grünfutterſchnitte im Herbſte
bleibt der Johannisroggen für das nächſte Jahr zur Körnergewinnung ſtehen.
Seltener als das Wintergetreide wird das Sommergetreide, Gerſte, Sommer-
roggen zu Grünfutter angebaut. Daſſelbe kommt um einige Tage früher als das
Wickfutter zur Verwerthung, weshalb es für trockene Gegenden nicht unbeachtet
bleiben ſollte.
15. Der Mohar.
Der Mohar, die kleine Kolbenhirſe (Setaria germanica P. B.) ☉ aus der Gruppe
der Hirſengräſer (Paniceen Kunth.) beſitzt gegenüber der Rispenhirſe (Panicum
Rispe des Mohars
(Setaria germanica P. B.) ☉.
miliaceum L.) ☉ eine zuſammengezogene, ährenförmige Rispe,
Fig. 142, aus welcher zahlreiche Borſten, ebenſoviele blüthen-
loſe Aehrchenſtielchen, hervorſehen. Mit der großen Kolben-
hirſe oder dem großen Fennich (Setaria italica Beauv.) ☉,
welche im ſüdlichen Europa wegen ihrer Körner viel gebaut
wird, beſitzt der Mohar die größte Aehnlichkeit, nur daß
bei dieſem die Rispe und die ganze Erſcheinung der Pflanze
ſchwächer ausfällt. Dieſe Uebereinſtimmung geht ſo weit,
daß der Mohar nur als eine Spielart der großen Kolben-
hirſe angeſehen werden kann. Letztere läßt ſich wieder,
wie F. Haberlandt gezeigt hat, in wenig Jahren durch
ſchüttere Saat in gelockertem, fruchtbarem Boden, aus dem
nur 45 Ctm. hohen grünrispigen Borſtengras (Setaria
viridis Beauv.) ☉, einem hartnäckigen Unkraute ſandiger
Böden und warmer Klimate mit nur 5 Ctm. langer
Rispenähre, heranzüchten. In der Zwiſchenzeit ergeben ſich
die mannigfaltigſten Uebergänge von der kleinen bis zur
anſehnlichen, großen Kolbenhirſe. Trotzdem hier der nicht
zu häufige Fall vorliegt, daß der Zuſammenhang einer
Culturpflanze mit ihrer wilden Stammform unmittelbar
nachgewieſen werden kann, reicht doch die Cultur der Kolbenhirſe in die früheſten
Zeiten zurück, nachdem dieſelbe auch in den ſchweizer Pfahlbauten aufgefunden wurde.
Die Varietäten des Mohars unterſcheiden ſich nach der Färbung der Körner.
Mohar mit orangegelben oder ſchwarzen Körnern wird vornehmlich in Ungarn, ſowie
in Südfrankreich und Oberitalien angebaut. In Kärnten wird eine Moharvarietät
mit violetten Körnern, in Rußland mit gelben Körnern, welche einen Stich ins Röth-
liche beſitzen, cultivirt.
Der Mohar beanſprucht während ſeiner kurzen Vegetation, welche bei
Futtermohar innerhalb 72—90 Tagen, bei Mohar zur Samengewinnung nach 120
bis 130 Tagen abſchließt, in jenem Falle eine Wärmeſumme von 1500°C., in
dieſem 2200°C. Zu ſeiner Entwickelung begnügt er ſich mit einer geringen
[205]Die Futterpflanzen.
Feuchtigkeitsmenge. Trotzdem ſeine Wurzeln nur flach in den Boden eindringen,
vermag er einzig und allein durch die atmoſphäriſchen Niederſchläge von andern
Futterpflanzen unter ähnlichen Verhältniſſen unerreichte Mengen an Trockenſubſtanz
zu produciren. Durch ſeine Widerſtandsfähigkeit gegen die Dürre wird er daher eine
der unſchätzbarſten Pflanzen für trockene Gebiete. Der Mohar ſcheint die Fähigkeit,
Dürre-Perioden ungefährdet überwinden zu können, vornehmlich der reichen Behaarung
aller ſeiner Theile zu verdanken.
Kühle, feuchte Witterung hält ihn in ſeiner Entwickelung zurück, weshalb er ſich
für rauhe, nördliche Gegenden weniger zum Anbaue eignet, wenn er auch noch im
ſüdlichen Schweden zur Samenreife gelangt.
Seine Anſprüche an den Boden ſind ebenſo mäßige, wie ſeine Anſprüche an die
Feuchtigkeit. Er kommt zwar noch auf den leichteſten Bodenarten fort, doch ſagen
ihm lehmiger Sandboden, ſandiger Lehmboden oder Sandmergelboden am meiſten zu.
Auf feuchten, gebundenen Bodenarten iſt ſeinem Gedeihen ein Ziel geſetzt. Auf friſch
umgebrochenem Graslande wächſt er vorzüglich.
Eine mittlere Moharheuernte von 3100 Kilogramm per Hektar entnimmt
dem Boden an Aſche 181.04, an Kali 65.72, an Kalk 18.91, an Magneſia 16.74
und an Phosphorſäure 10.54 Kilogramm, ſomit weniger an wichtigen Boden-
nährſtoffen, als eine gleiche Ernte von Wieſen-, Luzerne- oder Rothkleeheu.
Nach dieſen Zahlen wird es ſich daher empfehlen, außer mit Stallmiſt, die Düngung
mit kalireichen Düngemitteln zu verſuchen. Friſche Stallmiſtdüngung lohnt er reich-
lich, doch begnügt er ſich auch mit der Stellung in zweiter oder dritter Tracht.
In der Fruchtfolge erhält der Mohar ſeinen Platz nach irgend einer Sommer-
oder Wintergetreidefrucht oder nach Körnermais, Klee, Luzerne, mehrjähriger Weide
angewieſen. Die gewöhnlichſte Nachfrucht iſt Winterroggen. In trockenen Jahr-
gängen verzehrt er jedoch alle Feuchtigkeit, ſo zwar, daß es dann zweckmäßiger wird,
eine Sommerung folgen zu laſſen.
Die Vorbereitung iſt ſehr einfach. Die Stoppel der vorangegangenen Frucht
wird im Herbſte geſtürzt und bleibt über Winter in rauher Furche liegen. Unmittel-
bar vor der Saat im Frühjahre erfolgt die zweite Furche, um im trockenen Boden
die Feuchtigkeit möglichſt zu erhalten. Auf das durch wiederholtes Eggen geklärte
Feld erfolgt dann die Ausſaat ziemlich ſpät, von Mitte Mai bis Ende Juni, wenn
die mittlere Tagestemperatur mindeſtens 12.5°C. erreicht hat. Frühere Saaten
werden leicht durch den Froſt vernichtet. Nach den Unterſuchungen von Haberlandt1)
keimt der Mohar bei einer Temperatur von 4.75°C. erſt nach 24 Tagen, während
er bei einer Temperatur von 18.5°C. ſchon in 2 Tagen keimt. In ähnlichem
Verhältniſſe wird die weitere Entwicklung durch die verſchiedenen Temperaturen
beeinflußt. Zur Saat ſoll ſtets friſcher Samen verwendet werden, da der Moharſame
ſeine Keimfähigkeit ſchnell verliert.
Die Koſten des Anbaues ſind gering, nachdem man auf 1 Hektar für die Breit-
[206]Beſondere Pflanzenbaulehre.
ſaat 42.5 Liter, für die Drillſaat in 12—14 Ctm. entfernten Reihen 40 Liter Samen
benöthigt. Die Breitſaat wird möglichſt flach, auf höchſtens 2.5 Ctm. Tiefe, ein-
geeggt oder mit der Dornegge oder der Schleife untergebracht und zuletzt angewalzt.
Die weitere Cultur beſchränkt ſich auf ein Abeggen oder Abwalzen der Mohar-
felder, wenn eine Kruſte das Aufgehen der Saat hindert. Bei kühler Witterung
wächſt er nur ſehr langſam, er kann dann leicht vom Unkraute, beſonders von
Melden und dem Amaranth (Amaranthus retroflexus L.) ☉ überwuchert werden,
wenn nicht durch Jäten vorgebeugt wird. Die noch gänzlich von den oberen Blatt-
ſcheiden umhüllte Rispe wird zuweilen von einer Staubbrandart (Ustilago Crameri
Kcke.) befallen, welche ähnlich dem Hirſebrand die Rispenäſte in eine braunſchwarze
Sporenmaſſe umwandelt.
Die Ernte zur Futtergewinnung erfolgt nach der Getreideernte Ende Juli,
Anfang Auguſt, wenn die 0.6—1 Meter hohe Pflanze ihre Rispenähren aus den
Blattſcheiden hervorſchiebt. Bei dem mäßigen Waſſergehalte (60—70 %) des Mo-
hars geht das Trocknen leicht vor ſich. Bei beſtändiger Witterung bleiben die
Schwaden einige Tage liegen, bis ſie, währenddem einmal gewendet, in größere
Scheiben zuſammengezogen und ſchließlich in großen, kegelförmigen Haufen zur voll-
ſtändigen Heubildung aufgeſetzt werden. Der Heuertrag ſchwankt von einem Hektare
zwiſchen 900—7000 Kilogramm. Die Durchſchnittserträge bewegen ſich zwiſchen
3100—3500 Kilogramm. Seltener wird der Mohar als Grünfutter geerntet, da
daſſelbe von dem Vieh ungern gefreſſen wird. Der Ertrag an Grünfutter ſtellt ſich
zwiſchen 2000—8000—17.000 Kilogramm.
Zur Samengewinnung wird der Mohar etwas ſchütterer und zwar mit Vortheil
gedrillt angebaut. Der Same kann ziemlich reif gelaſſen werden, da er nicht ſo
leicht als wie bei der Hirſe ausfällt. Ein Hektar liefert bis 26 Hektoliter, im
Mittel 16 Hektoliter Samen im Hektolitergewichte von 54—60 Kilogramm.
16. Der Grünmais.
Der Grünmais iſt für trockene, warme Gegenden eine der werthvollſten Futter-
pflanzen. In der kleinen ungariſchen Ebene 1) wird Mitte Juni mit der Fütterung
begonnen und bis zum Eintritte der Spätfröſte Mitte October fortgefahren, ſo zwar,
daß der Mais nahezu durch 4 Monate das ausſchließliche Grünfutter liefert. Der
Grünmais iſt jedoch auch für Gegenden, in welchen der Körnermais nicht mehr fort-
kommt, wie die nördlichen Kronländer Oeſterreichs, Deutſchland ꝛc. eine ſehr werth-
volle Futterpflanze, deren Anbau immer mehr an Ausdehnung gewinnt, nachdem der
Grünmais ſo bedeutende Futtermengen wie nicht leicht eine andere Pflanze abwirft.
Der Futtermais wird gerne von dem Vieh gefreſſen, er erhält jedoch bei ſeinem
großen Gehalte an ſtickſtofffreien Beſtandtheilen erſt dann ſeine richtige Zuſammen-
ſetzung, wenn er mit ſtickſtoffhaltigen Futtermitteln verabreicht wird.
[207]Die Futterpflanzen.
Der Anbau des Maiſes iſt an eine beſtimmte Temperatur gebunden, nachdem
er erſt bei 9.4°C. zu keimen beginnt. Säet man ihn früher, ſo können die Körner
leicht durch Verfaulen und Inſectenfraß zu Grunde gehen. Der Grünmais kann
etwas früher als der Körnermais angebaut werden, doch muß die mittlere Tages-
temperatur mindeſtens 9.4°C. erreicht haben. In wärmeren Gegenden erfolgt die
erſte Saat gegen Ende April, in kälteren erſt Anfang oder Mitte Mai. Die ſpäteſte
Saat, welche Ende September oder Anfangs October zur Verfütterung gelangt,
kann Mitte Juli ausgeführt werden. Zu frühe Grünmaisſaaten, wenn ſie ſelbſt
von Spätfröſten verſchont bleiben, entwickeln ſich gewöhnlich nur langſam, weshalb
ſie oft von ſpäteren Saaten in der Entwickelung überholt werden. Nachdem der
Grünmais von der Saat bis zum Schnitte nur ungefähr 2 Monate Zeit, etwa 800
Wärmegrade nothwendig hat, ſo iſt es möglich, ſelbſt von einem Felde zwei Grün-
maisernten durch wiederholten Anbau zu gewinnen. Ebenſo kann man ihn noch
als Stoppelfrucht nach Grünroggen, Wickhafer, Frühkartoffeln mit Erfolg cultiviren.
Soll durch Mais die Sommergrünfütterung bewerkſtelligt werden, ſo beſäet man alle
10 Tage oder Paar Wochen ein neues Stück Land. Dabei iſt zu beachten, daß
man die ſpäteren Saaten auf größeren Feldflächen und auf beſſerem, feuchterem
Boden ausführt als die früheren Saaten, welche ſich ſelbſt auf minderen Feldern durch
die Winterfeuchtigkeit kräftig entwickeln können. Zur Gewinnung von Winterfutter
wählt man ſtets die reicher tragenden Frühſaaten.
Der Grünmais kann nach jeder Frucht gebaut werden. Beſonders lohnt er
friſche Düngung. Tiefcultur wird nur dort auszuführen ſein, wo, wie dieß nur
ſelten vorkommen wird, keine tiefgepflügte Hackfrucht in der Fruchtfolge vorkommt.
Nach dem Grünmaiſe gedeiht Wintergetreide vorzüglich.
Zur Saat verwende man frühreifende Maisſorten mit mittelgroßen Körnern.
Spätreifende Sorten, wie Pferdezahnmais, geben ein zu langſam wachſendes Futter.
Breitwürfige Saaten leiden häufig durch trockene Witterung, es iſt daher die Drill-
ſaat auf 20—45 Ctm. Entfernung und auf 4—5 Ctm. Tiefe auf das abgeeggte
und abgewalzte Feld vorzuziehen. Bei dieſer Saat entwickelt der Mais nur ſchwache
Stengel von 1—2 Meter Höhe, welche ungeſchnitten dem Vieh vorgelegt werden
können. Weitläufige Reihen können jedoch nach dem Auflaufen mit der Pferdehacke
bearbeitet werden. Das Saatquantum beträgt bei enger Drillſaat 2—2.2 Hekto-
liter, bei weitläufiger Drillſaat 1.0—1.5 Hektoliter für ein Hektar.
Bei größerer Reihenentfernung wird der Grünmais ein- bis zweimal behackt.
Bei engen Reihen unterläßt man jedoch dieſe Arbeit.
Der erſte Grünmais wird ſchon geſchnitten, wenn er eine Höhe von 0.5—0.6
Meter erreicht hat. Zur Winterfütterung mäht man, wenn die männlichen Rispen
zu blühen beginnen, nachdem er zu dieſer Zeit den höchſten Maſſenertrag abwirft.
Der Ertrag des Grünmaiſes, bemerkt Hecke, „iſt ſicher und bedeutend; ſelten
ſinkt er bis auf 3.5 Tonnen Trockenfutter, ſehr gewöhnlich beträgt er 5—7—8.6
Tonnen, oft noch weit mehr. Das gilt beſonders von frühgeſäetem Mais; der
ſpätgeſäete ſchwankt in trockenen Gebieten im Ertrage ſehr und gibt überhaupt wenig
[208]Beſondere Pflanzenbaulehre.
über die Hälfte des frühgebauten; immerhin liefert der Mais durch zwei Saaten,
oder durch eine Saat nebſt einer vorangegangenen Grünroggen- oder Wickhaferſaat,
ſelbſt auf geringem Boden 5—7 Tonnen, auf gutem Boden 8.6—13 Tonnen
Trockenfutter von einem Hektare.“
Zur Winterfütterung wird der Mais ſelten zu Heu gemacht, da die ſaftreichen
Stengel nur ſchwierig und ſehr langſam trocknen. Am häufigſten conſervirt man
ihn für den Winter durch Bereitung von Sauerfutter oder, wenn auch ſeltener, durch
Braunheubereitung. In welcher Weiſe dabei vorzugehen iſt, wurde ſchon Band I.
S. 260 beſprochen.
17. Das Kleegemenge und Kleegras.
Iſt das Gedeihen der verſchiedenen Kleearten durch eine ungünſtige Beſchaffen-
heit des Bodens oder des Klimas gefährdet, ſo bewährt ſich an Stelle der Rein-
ſaaten der Anbau eines Gemenges von verſchiedenen Futterpflanzen, unter welcher
immerhin die Kleearten eine hervorragende Rolle ſpielen können, viel beſſer. Dieſe
Futterpflanzen können entweder einer oder mehreren Pflanzenfamilien angehören. Im
erſteren Falle werden entweder mehrere Kleearten als Kleegemenge oder verſchiedene
Grasarten, wie bei dem Feldgrasbau, in letzterem Falle Klee gemiſcht mit Gras als
Kleegras oder Hülſenfrüchte und Gras als Miſchfutter (Miſchlinge) gemein-
ſchaftlich auf daſſelbe Feld ausgeſäet.
In Lagen, in welchen der Rothklee nicht ſicher das zweite Jahr gedeiht, wird
es am Platze ſein, eine Einſaat von Gras vorzunehmen, welches jedenfalls kommt,
wenn auch der Klee im zweiten Jahre ausbleiben ſollte. Iſt die Lage überhaupt
für den Anbau von Rothklee oder einer anderen Kleeart ungeeignet, ſo wird die Sicher-
heit weſentlich durch Mitausſaat von Gras erhöht, indem in ungünſtigen Jahren
das Gras, in günſtigen der Klee den Hauptertrag liefern werden. In Wirthſchaften, deren
Viehernährung ſich auf den Weidebetrieb ſtützt, wird die größte Ergiebigkeit erzielt, wenn
ein Gemenge von Klee- und Grasarten angebaut wird. Reinſaaten würden oft
nicht ſo hohe Erträge abwerfen und außerdem durch das Abweiden in ihrer Aus-
dauer beeinträchtigt werden. Den geeignetſten Platz findet das Kleegras und Klee-
gemenge dort, wo die natürlichen Vegetationsbedingungen durch zu große Trockene
oder Feuchte, durch zu geringen Boden das Gedeihen der reinen Kleeſaaten unſicher
erſcheinen laſſen. Auf zuſagendem Boden und bei zuſagenden klimatiſchen Verhält-
niſſen werden jedoch die Reinſaaten den Vorzug verdienen, namentlich dann, wenn
ausſchließliche Stallfütterung betrieben wird.
Die größeren Erträge der Gemengſaaten gegenüber den Reinſaaten unter un-
günſtigen Verhältniſſen beruhen auf der Möglichkeit der größeren Ausnutzung des
Bodens, indem die verſchiedenen Pflanzenarten nicht nur eine ungleiche Bewurzelungs-
fähigkeit und dadurch verſchiedene Bodenſchichten zu ihrer Ernährung heranziehen,
ſondern ſich auch in ihren Anſprüchen an die Menge der Bodennährſtoffe ſehr un-
gleich verhalten. Im Gemenge gedeihen manche Pflanzen, beſonders froſtempfindliche,
viel ſicherer, als wenn ſie allein am Felde ſtehen, da ſie durch die Beſchattung der
[209]Die Futterpflanzen.
kräftigeren Pflanzen ausreichenden Schutz erhalten. Durch die gemengte Ausſaat iſt
es außerdem möglich, die Futterpflanzen häufiger, als bei der Reinſaat, auf daſſelbe
Feld wiederkehren zu laſſen. Ein weiteres Moment, welches zu Gunſten der Gemenge
ſpricht, beſteht darin, daß thieriſche und pflanzliche Feinde keine ſo weitgehende Ver-
breitung finden können wie bei Reinſaaten, abgeſehen davon, daß bei einem Ueber-
handnehmen des einen oder anderen Feindes immer nur ein Theil des Pflanzen-
beſtandes vernichtet werden kann, während der verſchonte Theil ſich um ſo kräftiger
entwickeln wird. Bei der Ernte bietet das Trocknen des Gemengfutters weniger
Schwierigkeiten als bei Reinſaaten. Die Ausnutzung des Gemengfutters durch das
Vieh kann eine viel vollſtändigere ſein, wenn bei der Wahl der gemeinſchaftlich aus-
zuſäenden Pflanzen auf das Nährſtoffverhältniß in denſelben Rückſicht genommen
wird. Wird der Rothklee, welcher ein Nährſtoffverhältniß von 1:2.3 beſitzt, z. B.
mit Timotheusgras, welches ein Nährſtoffverhältniß von 1:5.7 aufzuweiſen hat,
gemengt angebaut, ſo erhält man in dieſem Kleegraſe ein Futter, in welchem ſich
die Proteïnſtoffe in einem für die Viehfütterung günſtigerem Verhältniſſe zu den ſtickſtoff-
freien Stoffen befinden. Dieſer Umſtand wird jedoch weniger in das Gewicht fallen,
da der Landwirth einem zu proteïnreichen Futter durch Abmengung mit Stroh ꝛc.
bald ein weiteres Nährſtoffverhältniß geben kann.
Die Zahl der Klee- und Grasarten, welche zur Ausſaat im Gemenge ver-
wendet werden können, iſt eine derart große, daß ſich für die richtige Auswahl der-
ſelben nur allgemeine Grundſätze feſtſtellen laſſen, welche durch verſuchsweiſen
Anbau für den ſpeciellen Fall erprobt werden müſſen. Entſcheidend für die Wahl
der verſchiedenen Futterpflanzen iſt die Beſchaffenheit des vorliegenden Bodens, Klimas und
der Lage, außerdem der Zweck, für welchen das Gemenge gebaut werden ſoll. In
letzterer Beziehung kann es ſich entweder um die Gewinnung von Mähefutter oder
von Weide für Schafe oder Rindvieh handeln. Zur Weide wird man, je geringer
der Boden, hauptſächlich nur ſolche Pflanzen auswählen, welche wie Weißklee, verſchiedene,
ſich frühzeitig ſtark beſtockende Grasarten, eine kräftige Reproduction beſitzen und
gegen das wiederholte Abbeißen durch die Weidethiere unempfindlich ſind. Weiter
wird der Umſtand von Einfluß ſein, wie lange Zeit das Gemenge benutzt werden
ſoll. Für ausdauerndes Gemenge wird man Luzerne, Weißklee, Grasarten,
engliſches Raygras, franzöſiſches Raygras, Knaulgras, für zweijährigen Beſtand
Timotheusgras vorherrſchen laſſen, im entgegengeſetzten Falle den Rothklee, das
italieniſche Raygras wählen. Für Mähefutter wird man, je beſſer der Boden, um
ſomehr die Kleearten, beſonders den Rothklee, vorwiegen laſſen; unter günſtigen Ve-
getationsverhältniſſen können die Kleepflanzen oft ⅔ des Pflanzenbeſtandes ausmachen.
Auf naſſem Boden treten mehr und mehr der Baſtardklee, auf trockenem der Weiß-
klee an Stelle des Rothklee’s.
Mit Bezug auf Vorſtehendes ſeien die charakteriſtiſchen Eigenthümlichkeiten der am
häufigſten für Gemenge verwendeten Klee- und Grasarten angegeben und zwar ihre Aus-
dauer, ihre Anſprüche an Boden und Klima, ihr Wuchs, ihre Entwickelung (ſehr früh —
Mai; früh — Juni; mittelfrüh — Juli; ſpät — Auguſt), die Saatzeit, die Zahl
Krafft, Lehrb. d. Landw. II. 14
[210]Beſondere Pflanzenbaulehre.
der Körner in einem Kilo reiner Saat, ſowie die für die Reinſaat auf 1 Hektar
erforderliche Saatmenge in Kilogramm.1)
Für Sandboden, loſen Sandboden, mageren lehmigen Sandboden:
Mähefutter:
Gelbe Lupine(Lupinus luteus L.) ☉; warmes, trockenes Klima; mittelfrühe
Entwickelung; Saatzeit April; Zahl der Körner in 1 Kilo reiner Saat
9840; Saatbedarf 150 Kilogramm. S. Seite 199.
Serradella(Ornithopus sativus Brot.) ☉; friſche Lage; mittelfrüh; März,
April; 369,000; 23—30 Kilogramm. S. Seite 195.
Pimpinelle(Pimpinella Saxifraga L.) ♃; trockene Lage; mittelfrüh; April;
36 Kilogramm, Maximum im Gemenge 4—6 Kilogramm.
Weide:
Weißklee(Trifolium repens L.) ♃; Ausdauer 4—10 Jahre; Ausläufer treibend;
früh; Herbſt oder Frühjahr; 1,606.000; 10—15 Kilogramm. S. Seite 194.
Hopfenluzerne(Medicago lupulina L.) ☉ und ⚇, vermehrt ſich jedoch ſelbſt
durch Samenausfall; feuchtes und trockenes Klima, verträgt Beſchattung;
früh; 766,000; 17—32 Kilogramm. S. Seite 184.
Wundklee(Anthyllis vulneraria L.) ⚇; warmes und trockenes Klima, verträgt
Beſchattung; früh; 388,000; 15—23 Kilogramm.
Niederliegender Klee(Trifolium procumbens L.) ☉; durch Samenausfall
10—12 Jahre ausdauernd; trockene Lage; verträgt Beſchattung; Stengel
niederliegend; früh; 13 Kilogramm.
Schafſchwingel(Festuca ovina L.) ♃; Fig. 152, S. 224; trockene Lage; keine
Ausläufer, dichte, büſchelige Horſte; mittelfrüh; 1,320,000; 20—30 Kilogramm.
Härtlicher Schwingel(Festuca duriuscula L.) ♃; widerſteht der Dürre; ohne
Ausläufer, Horſte bildend; mittelfrüh; 930,000; 30—50 Kilogramm.
Bibernelle, Becherblume (Poterium sanguisorba L.) ♃; Fig. 143; wenig
empfindlich gegen Kälte; aufrechter Stengel; früh; 87,600; 60 Kilogramm,
in Weidemiſchungen 6—12 Kilogramm.
Schafgarbe(Achillea millefolium L.) ♃; widerſteht der Dürre; treibt Ausläufer;
früh; 6,791,600; 4—5 Kilogramm, für Weidemiſchungen 0.5—1 Kilogramm.
Lanzettlicher Wegerich(Plantago lanceolata L.) ♃; Fig. 144; für dürren
Sandboden; Wurzelblätter in Roſetten; ſehr früh; 639,400; 20—30 Kilo-
gramm, für Weidemiſchungen 1 Kilogramm.
Für ſchweren Thonboden mit undurchlaſſendem Untergrunde:
Mähefutter:
Rothklee(Trifolium pratense L.) ⚇ und ♃; feuchtes Klima, friſche Lage; mittel-
früh; 526,000; 15—23 Kilogramm. S. Seite 185.
[211]Die Futterpflanzen.
Baſtardklee(Trifolium hybridum L.) ♃; Ausdauer 4—5 Jahre; feuchtes,
rauhes Klima; früh; Ausſaat im Herbſte oder Frühjahre; 1,412,000; 10 bis
16 Kilogramm.
Wieſenlieſchgras(Phleum pratense L.) ♃; Fig. 154, S. 225; feuchtes, auch
trockenes Klima; entwickelt ſich erſt im zweiten Jahre vollkommen; ſpät;
Herbſt oder Frühjahr; 2,437,000; 10—14 Kilogramm.
Bibernelle (Poterium sanguisorba L.) ♃.
— a — d Fruchtkörper vom vierkantigen, verhärteten
Kelch umſchloſſen; e derſelbe im Durchſchnitte, zwei
Früchte einſchließend.
Spitzwegerich (Plantago lanceolata L.) ♃ —
a Frucht: α Reſt der Blumenkrone, β deren um-
geſchlagene vier Ränder, γ Fruchthülle, δ Ort
des Aufſpringens, ε Kelchblatt; b Fruchtdeckel
von den Blüthenreſten befreit; c Doppelſame;
α Samenträger; d der muſchelförmige Same von
der Innenſeite: α Nabel (in einer tiefen Furche);
e Same von der Rückſeite, mit hellem Längs-
ſtreif; f Samenträger: α Nabelſchnur.
Wieſenfuchsſchwanz (Alopecurus pra-
tensis L.) ♃. — a Scheinfrucht in nat. Gr.,
b desgleichen 7fach vergr.; d nackte Grasfrucht
(Caryopſe).
Ackerfuchsſchwanz (Alo-
pecurus agrestis L.) ☉. Sämmt-
liche Figuren nach Nobbe. — Be
zeichnung wie vorher.
14*
[212]Beſondere Pflanzenbaulehre.
Weide: Außer Weißklee, Baſtardklee, Wieſenlieſchgras
Knaulgras(Dactylis glomerata L.) ♃; Fig. 150, S. 222; Ausdauer 4—6 Jahre;
aufrechter Halm, bildet große Horſte; ſehr früh; 825,000; 25—45 Kilogramm.
Kammgras(Cynosurus cristatus L.) ♃; feuchtes Klima; Bodengras, Raſen
bildend; mittelfrüh; 2,419,000; 20—28 Kilogramm.
Für tiefgründigen, humoſen Thon- und Lehmboden:
Mähefutter: Außer Rothklee, Knaulgras
Luzerne(Medicago sativa L.) ♃; warmes, trockenes Klima; früh; Saatzeit:
April; 452,000; 25—40 Kilogramm. S. Seite 179.
Eſparſette(Onobrychis sativa Lam.) ♃; warmes, trockenes Klima; früh;
März, April; 49,000; 150—250 Kilogramm. S. Seite 197.
Italieniſches Raygras(Lolium italicum A. Br.) ⚇ oder ♃; warmes
Klima, friſche Lage; ſehr früh; Herbſt oder Frühjahr; 589,000; 40 bis
60 Kilogramm.
Wieſenfuchsſchwanz(Alopecurus pratensis L.) ♃, Fig. 145 und 149; mäßig
feuchtes Klima, Mergel-, Lehm-, Thonboden, humoſer Sand; Ausläufer; ſehr
früh; Herbſt oder Frühjahr; 976,000; 30—60 Kilogramm.
Kümmel(Carum Carvi L.) ⚇; friſche Lage; blüht im zweiten Jahre im Mai;
April bis Herbſt; 485,000; 20 Kilogramm, im Gemenge 4—8 Kilogramm.
Weide: Außer Weißklee, Baſtardklee, Wieſenlieſchgras
Gemeines Rispengras(Poa trivialis L.) ♃; Ausdauer 5 Jahre; feuchtes
Klima; Ausläufer und Bodengras; früh; 5,910,000; 18—25 Kilogramm.
Engliſches Raygras, Ryegras (Lolium perenne L.) ♃; Ausdauer 4—6 Jahre;
feuchtes Klima, jedoch auch auf trockenen Bodenarten; verträgt Beſchattung;
Ausläufer; früh; 550,000; 40—70 Kilogramm
Wieſenſchwingel(Festuca pratensis Huds.) ♃; friſche Lage; Horſte; mittel-
früh; 692,000; 80—100 Kilogramm.
Für ſandigen Lehm- und lehmigen Sandboden:
Mähefutter: Außer Rothklee, Eſparſette, Wundklee
Sandluzerne(Medicago media Pers.) ♃; treibt ſpäter, als die gemeine Lu-
zerne; 602,000; 30—40 Kilogramm. S. Seite 184.
Incarnatklee(Trifolium incarnatum L.) ☉; Weinklima; früh; Auguſt oder
Frühjahr; 267,000; 27—45 Kilogramm. S. Seite 193.
Weide: Außer Weißklee, Hopfenluzerne, engliſches und italieniſches Raygras, härt-
licher Schwingel, Wieſenlieſchgras
Gelber Wieſenhafer(Avena flavescens L.) ♃, Fig. 147; bildet Untergras,
kleine Horſte; früh; 1,897,000; 30 Kilogramm.
Für Kalkboden:
Weide: Außer Weißklee, Hopfenluzerne, Wieſenknopf, Wieſenlieſchgras
Goldklee(Trifolium agrarium) ⚇; verträgt Beſchattung; aufrechter Wuchs; früh;
16—20 Kilogramm.
[213]Die Futterpflanzen.
Fadenförmiger Klee(Trifolium filiforme L.) ☉; durch Samenausfall aus-
dauernd; 20 Kilogramm.
Franzöſiſches Raygras(Arrhenatherum elatius M. et K.) ♃, Fig. 148
und 153; Ausdauer 3—6 Jahre; verträgt die Dürre und Beſchattung;
kurze Ausläufer; ſehr früh; 360,000; 100 Kilogramm.
Gelber Wieſenhafer, „Goldhafer“
(Avena flavescens L.) ♃. — a — c Schein-
frucht.
Franzöſiſches Raygras (Arrhena-
therum elatius M. et K.) ♃. — a, b Schein-
frucht (Aehrchen mit 2 Früchten); c, d Gras-
frucht (Caryopſe).
Aufrechter Schwingel(Festuca erecta Wallr.) ♃; früh; 139,134; 300
Kilogramm.
Für humoſen Boden: Mähefutter: Rothklee, Wieſenlieſchgras; Weide:
Außer Baſtardklee, Weißklee, Wieſenſchwingel, Lieſchgras, Wieſenfuchsſchwanz,
Kümmel
Hornklee(Lotus corniculatus L.) ♃; 5 Jahre; feuchtes, rauhes Klima, Thon,
Mergel, Sand, humoſer Niederungsboden; aufrechter Stengel; früh; 637,000;
12—20 Kilogramm.
Wie viel von jeder Pflanze an Samen in einem Gemenge auszuſtreuen iſt, richtet ſich
nach dem Wachsraume, der Anzahl Körner in einem Kilogramme und der Keimfähigkeit.
Der Wachsraum einer Kleepflanze beträgt ungefähr 30 □Ctm., jener einer Gras-
pflanze 7□ Ctm. Im Gemenge wird jedoch ſtets ſtärker geſäet, da man annehmen
[214]Beſondere Pflanzenbaulehre.
kann, daß neben jeder Kleepflanze noch eine Graspflanze gut Platz hat. Die An-
zahl der Körner in einem Kilogramme iſt bei den einzelnen Pflanzen ſehr verſchieden;
es läßt ſich daher nicht kurzweg ein Kilogramm z. B. einer Grasart mit einem Kilo-
gramme einer anderen vertauſchen, ſondern es muß entſprechende Rückſicht auf die
Körnerzahl genommen werden. Dieſe Körnerzahl iſt aber, abgeſehen von der etwaigen
Ungenauigkeit der Zählungen, bei ein und derſelben Pflanzenart ſehr ſchwankend;
daſſelbe gilt von der Keimfähigkeit. Wenn daher vom theoretiſchen Standpunkte die
oben angedeuteten Factoren für die Bemeſſung der Saatmenge allein maßgebend ſind,
ſo können dieſelben, da ſie vorläufig nicht auf leichte Weiſe feſtgeſtellt werden können,
doch nicht praktiſch verwerthet werden. In der Praxis wird daher bei Beſtimmung
des Saatquantums in anderer Weiſe vorgegangen. Bei der Feſtſtellung des
Saatquantums iſt zunächſt das Verhältniß zu beſtimmen, in welchem die ein-
zelnen Klee- und Grasarten gemengt werden ſollen. Dieſes Verhältniß in Procenten
ausgedrückt, gibt gleichzeitig die Flächen an, welche von der einzelnen Pflanzenart
in Anſpruch genommen werden. Iſt nun das für die Reinſaat erforderliche Saat-
quantum bekannt, ſo läßt ſich leicht die Saatmenge für das Gemenge feſtſtellen; da-
bei wird es vortheilhaft ſein, einen Samenzuſchuß zu gewähren, nachdem im Gemenge
nicht nur mehr Pflanzen Raum finden, ſondern auch die Beſtockung durch die größere
Beſchattung zurückbleiben kann. Dieſer Zuſchuß iſt unter zuſagenden Verhältniſſen
mit 25 %, unter weniger zuſagenden Verhältniſſen mit 33 %, auf geringem Boden
und bei ungünſtiger Lage ſelbſt mit 50 % feſtzuſtellen. Das richtige Miſchungs-
verhältniß für einen beſtimmten Boden und eine beſtimmte Lage kann jedoch immer
erſt durch den Verſuch ſicher feſtgeſtellt werden. Um einen ungefähren Anhalts-
punkt zu geben, ſei für einige Beiſpiele das erforderliche Saatquantum angegeben:
Unter Verhältniſſen, welche dem Rothklee nicht zuſagen, werden häufig mit vielem
Erfolge Rothklee, Luzerne und Eſparſette als Kleegemenge angebaut. Für das Ver-
hältniß, in welchem die genannten Kleearten im Gemenge verwendet werden ſollen,
entſcheidet die Zuträglichkeit des ſpeciellen Bodens und der ſpeciellen Lage für die
eine oder andere Kleeart. In kühlen, feuchten Lagen wird der Rothklee, in trockenen,
warmen Lagen die Luzerne und Eſparſette vorwiegen. Bei der Bemeſſung des
Saatgutes wird ein Zuſchuß gegenüber der Reinſaat gegeben, welcher bei geringem
Boden oft 50 %, unter günſtigeren Verhältniſſen 25—30 % betragen kann. Bei-
ſpielsweiſe werden auf einem tiefgründigen Lehmboden in friſcher Lage geſäet:
- Rothklee 50 % der Reinſaat per 20Klg. = 10 Klg. Zuſchuß 25 % = 12.5 Klg. Ausſaat per Hekt.
- Luzerne 30 % „ „ „ 30 „ = 9 „ „ „ = 11.25 „ „ „ „
- Eſparſette 20 % „ „ „ 150 „ = 30 „ „ „ = 37.50 „ „ „ „
- Zuſammen 61.25 Klg. Ausſaat per Hekt.
Bei natürlicher Graswüchſigkeit des Bodens tritt an Stelle des Kleegemenges
das Kleegras, indem entweder eine Kleeart mit einer Grasart oder mehreren derſelben
zur Miſchung je nach dem Zwecke der Letzteren verwendet werden. Zu den Kleegras-
miſchungen wird, je graswüchſiger der Boden, um ſo mehr der Rothklee in den Vorder-
[215]Die Futterpflanzen.
grund treten, während die Luzerne, welche durch die Grasvegetation leicht unterdrückt
wird, zurücktritt. Als häufig vorkommende Beiſpiele führen wir an:
- Rothklee 60 % der Reinſaat per 20 Klg. = 12 Klg. Zuſchuß 25 % = 15 Klg. Ausſaat per Hekt.
- Wieſen-
lieſchgras 40 % „ „ „ 25 „ = 10 „ „ 25 % = 12.5 „ „ „ „ - Zuſammen 27.5 Klg. Ausſaat per Hekt.
oder Weide für mächtigen, ſandigen Lehmboden in friſcher Lage; Miſchungs-
verhältniß: Kleearten 50 %, Grasarten 45 % und gewürzhafte Pflanzen 5 %:
- Rothklee 40 % der Reinſaat per 20 Klg. = 8 Klg. Zuſchuß 30 % = 10.40 Klg. Ausſaat per Hektar
- Weißklee 10 % „ „ „ 12 „ = 1.2 „ „ „ = 1.56 „ „ „ „
- Engliſches
- Raygras 25 % „ „ „ 60 „ = 15 „ „ „ = 19.50 „ „ „ „
- Franzöſ.
- Raygras 10 % „ „ „ 30 „ = 3 „ „ „ = 3.90 „ „ „ „
- Lieſchgras 10 % „ „ „ 25 „ = 2.5 „ „ „ = 3.25 „ „ „ „
- Bibernelle, Schafgarbe 5 % „ 36 „ = 1.8 „ „ „ = 2.34 „ „ „ „
- Zuſammen 40.95 Klg. Ausſaat per Hekt.
Dem Kleegemenge und dem Kleegraſe wird in der Fruchtfolge dieſelbe Stelle
eingeräumt als wie ſie der vorherrſchende Beſtandtheil deſſelben, gewöhnlich der Roth-
klee erhält. Ein je günſtigerer Platz denſelben zugewieſen wird, um ſo kräftiger ent-
wickeln ſie ſich und um ſo beſſer wird erfahrungsgemäß die Nachfrucht, gewöhnlich
Wintergetreide, gedeihen.
Die Futtermiſchungen werden ebenſo wie die Reinſaaten unter einer Schutzfrucht
ausgeſäet. In trockenen Lagen erfolgt die Ausſaat zur Sicherung des Fortkommens
in die Winterung, ſonſt gewöhnlich in die Sommerung. Tritt in feuchten Lagen
der Uebelſtand ein, daß die Gerſte, der Hafer vom Rothklee überwachſen werden, ſo
muß auch hier die Ausſaat in die Winterung erfolgen. Häufig wird das Kleegras
nicht im Frühjahre, ſondern ſchon im Herbſte in die Winterung eingeſäet. Daſſelbe
kommt dann nicht nur ſicherer, ſondern liefert ſchon nach der Ernte der Ueberfrucht,
wenn nicht grünes Mähefutter, ſo doch mindeſtens eine Stoppelweide.
Samen ähnlicher Größe können gemeinſchaftlich mit der Hand oder mit Ausnahme
der begrannten Grasſamen mit einer Drillmaſchine ausgeſäet werden. Es muß daher, je
mannigfaltiger die Samenmiſchung, um ſo öfter das Feld beſäet werden.
Die Unterbringung der breitwürfig geſtreuten Samen kann wegen der Kleinheit
der meiſten derſelben nur ganz ſeicht vorgenommen werden, in trockenen Gegenden
mit einer leichten Egge, in feuchteren mit der Schleife oder der Dornegge. Nach
der Grasſaat empfiehlt ſich ein Abwalzen des Feldes.
Für die Pflege und Ernte der Kleeſaaten gilt daſſelbe, was für die Reinſaat
von Rothklee angegeben wurde. Den erſten Schnitt wird man gewöhnlich als den
üppigeren zum Abmähen beſtimmen und den weiteren Nachwuchs durch Abweiden
gewinnen.
[216]Beſondere Pflanzenbaulehre.
Bei ausgedehntem Kleegrasbau iſt es von beſonderer Bedeutung, ſich den er-
forderlichen Grasſamen ſelbſt zu erziehen, nachdem durch käufliche Samen — ab-
geſehen von der oft zweifelhaften Keimfähigkeit — nicht nur läſtige Unkräuter
eingeſchleppt werden können, ſondern auch durch verunreinigte Waare die ge-
fährliche Kleeſeide auf das Feld gebracht werden kann. Geringer Samenbedarf läßt
ſich durch Abſammeln der Grasſamen von Wieſen decken. Bei größerem Bedarfe
kann der Same von den Kleegrasſaaten ſelbſt gewonnen werden, indem man par-
zellenweiſe zu verſchiedenen Zeiten mäht. Dieſes Verfahren kann beſonders dann
von Erfolg ſein, wenn zu verſchiedenen Zeiten reifende Grasarten das Gemenge zu-
ſammenſetzen. Beſteht z. B. die Grasmiſchung aus Knaulgras, engliſchem Raygras
und Wieſenlieſchgras, ſo wird, Ende Mai gemäht, die Hauptmaſſe der Samen aus
Knaulgras, Mitte Juni aus engliſchem Raygras und Ende Juni aus Lieſchgras
beſtehen. Am verläßlichſten iſt die Gewinnung der erforderlichen Samen in eigenen
Klee- und Grasſamenſchulen, welche an geſchützten Orten und auf gedüngtem,
in gutem Culturzuſtande befindlichem Boden anzulegen ſind. Um eine Vermengung
der Pflanzen durch Verwehen der Samen durch den Wind zu verhüten, werden die
einzelnen Abtheilungen durch dazwiſchen befindliche, mit Getreide oder ſonſt wie zu
beſtellende Feldſtreifen abgeſchieden. Die Ernte der Grasſamen kann entweder durch
Abnehmen der Rispen und Aehren oder durch Mähen der ganzen Pflanzen vor-
genommen werden. Der richtigſte Zeitpunkt für die Ernte iſt gekommen, wenn
die beſten und größten Samen zur Reife gelangt ſind. Die abgemähten Pflanzen
reifen am ſicherſten in Puppen nach, in welchen ſich auch das Samenſtroh am
beſten erhält.
18. Das Miſchfutter.
Eine der werthvollſten Futteraufhülfen, ſelbſt in Gegenden, wo der Rothklee
vorzüglich gedeiht, bildet durch die Qualität und Quantität des Ertrages das Miſch-
futter, Mengfutter, Futtergemenge, Gemenge, der Miſchling oder der gemeinſchaftliche
Anbau von Getreide- und Hülſenfrüchten zur Grünfutter- oder Heugewinnung. Als
Hauptfutter eignet ſich der Miſchling wegen der Koſtſpieligkeit des Saatgutes und
der Unſicherheit des Ertrages in trockenen Lagen weniger gut; um ſo mehr
Beachtung verdient derſelbe als Futter nebenbei oder zur Nutzbarmachung von Feldern,
auf welchen die urſprüngliche Saat mißrieth.
Das Verhältniß, in welchem die einzelnen Futterpflanzen im Gemenge angebaut
werden, iſt ſehr verſchieden. Daſſelbe richtet ſich vornehmlich nach dem jeweiligen
Werthe des zu verwendenden Samens. Sinkt der Preis der Hülſenfrüchte, ſo iſt
es vortheilhaft ⅔ des Pflanzenſtandes aus Hülſenfrüchten, ⅓ aus Getreide beſtehen
zu laſſen; ſteigt der Preis, ſo vermindert man die Hülſenfrüchte bis auf die Hälfte
des Beſtandes. Zur Mengung werden nicht nur Winter- (Wintermiſchling), ſondern
auch Sommergetreide und Hülſenfrüchte (Sommermiſchling) verwendet. Am häufig-
ſten wird ein Gemenge von Wicken und Hafer (Wickhafer) angebaut. Demſelben
[217]Die Futterpflanzen.
werden auch Gerſte, Erbſen, Pferdebohnen und Buchweizen, in wärmeren Gegenden
auch Mais beigemengt, damit ſich die Hülſenfrüchte leichter emporranken können.
Außerdem werden, jedoch im geringeren Umfange gebaut, Linſe und Hafer, Wick-
gerſte, Wicke und Sommerroggen, Wicke und Sommerweizen; in milden Lagen
Winterroggen und Wintererbſe oder Winterwicke, auch Linſe, Winterrübſen,
Wintergerſte mit Winterwicke, Johannisroggen gemengt mit Buchweizen und
Wicke ꝛc.
Der Wickhafer gewährt ein zeitliches, ſehr nahrhaftes Grünfutter. Durch
ſeinen Anbau läßt ſich die Brache, nach welcher Raps oder Wintergetreide gebaut
werden ſoll, vorzüglich ausnutzen, indem ſowohl der Raps als das Wintergetreide um
ſo beſſer gedeihen, je beſſer der Miſchling ſtand. In Gegenden, in welchen der
Rothklee gedeiht, gewährt der Wickhafer ein um ſo werthvolleres Futter, als ſeine
Ernte in die Zwiſchenzeit vom erſten zum zweiten Rothkleeſchnitte fällt.
Um die Sicherheit der Gemengſaat zu gewährleiſten, muß deren Anbau auf
einem gedüngten, in gutem Zuſtande befindlichen Boden erfolgen. Nach einer Winte-
rung wird dem Felde eine zweifährige Ackerung gegeben. Nach Sommergetreide oder
Hackfrucht wird das Feld im Herbſte, durch zwei, beziehungsweiſe eine Pflugfurche vor-
bereitet. Im nächſten Frühjahre wird das Feld, je mehr es in trockenen Gegenden darauf
ankommt, die Winterfeuchte zu erhalten und auszunutzen, durch einen Eggenſtrich und
durch Abwalzen oder Ueberziehen mit der Schleife zur Saat vorgerichtet. Ueberdieß
empfiehlt ſich eine Gypsdüngung.
Sowohl der Hafer als die Wicke vertragen frühzeitigen Anbau, weshalb ge-
wöhnlich mit der Miſchlingſaat der Frühjahrsanbau begonnen wird. Zu ſeiner Ent-
wickelung braucht der Miſchling eine Wärmeſumme von 780°C., derſelbe kann
daher ſchon Anfang Juni zu Grünfutter angeſchnitten werden. Spätere Ernten ſind
in trockenen Gegenden unſicher, an ihre Stelle tritt dann der viel ſicherere Grün-
mais. In feuchten Gegenden kann dagegen der Miſchling in jedem Monat bis nach
der Getreideernte und da noch als Stoppelfrucht gebaut werden. Zur Ausſaat ver-
wendet man, um einen dichten Stand zu erzielen, eine größere Menge, oft ¼—⅓
mehr als bei der Einzelſaat erforderlich wäre. Die ſicherſte Saat wird durch das
Drillen erzielt; dabei iſt an Saatgut etwa 3.2 Hektoliter per Hektar erforderlich.
Werden Wicke und Hafer geſäet, ſo werden je nach dem Preiſe der Wicken entweder
2.2 oder 1.6 Hektoliter Wicken und das Uebrige Hafer genommen.
Während des Wachsthumes leiden die Gemenge durch trockene Sommerwitterung,
außerdem durch Blattläuſe, den Roſt und den Mehlthau.
Mit dem Schnitte beginnt man vor dem Eintritte der Blüthe; was älter wird,
beſtimmt man zur Heugewinnung. In feuchten Jahrgängen erhält man von dem
Nachwuchſe ſelbſt einen, wenn auch geringen, zweiten Schnitt. Die Heubereitung geht
leicht vor ſich, nachdem der Miſchling in Schwaden, welche ein- bis zweimal ge-
wendet werden, ſchnell ſo weit abtrocknet, um ihn in Haufen aufſetzen zu können.
In feuchten Gegenden wird er auf Kleereitern getrocknet oder zur Sauerheuberei-
[218]Die Futterpflanzen.
tung beſtimmt. Der Ertrag an Trockenfutter unterliegt großen Schwankungen.
In günſtigen Jahrgängen, auf tiefgründigem, friſchem Boden werden 4.3 Tonnen
und mehr geerntet. Auf geringeren Bodenarten fällt der Ertrag auf 1.7—2.6 Tonnen.
Bei einem Ertrage von 1.7 Tonnen und darunter wird es ſchon zweifelhaft, ob
eine ſo koſtſpielige Saat noch wirthſchaftlich von Vortheil iſt und nicht zweckmäßiger
durch andere Pflanzen zu erſetzen wäre.
[[219]]
Anhang.
X.
Die Wieſen.
Ein Grundſtück, ſich ſelbſt überlaſſen, bedeckt ſich unter gewiſſen Verhältniſſen,
die durch das Wort „Graswüchſigkeit“ zum Ausdrucke gelangen, mit einer Vegetation
von Gras und Kleepflanzen. Dieſes natürliche Grasland, welches zum Unterſchiede
vom Ackerlande nicht unter dem Pfluge gehalten wird und dauernd mit Gräſern
und Kräutern bewachſen iſt, wird je nach ſeiner Benutzung zur Heu- und Gras-
gewinnung oder zur unmittelbaren Ernährung für das Vieh als Wieſe und Weide
unterſchieden. Dieſer Unterſchied kann jedoch nicht ſtrenge aufrecht erhalten werden,
indem ſowohl Wieſen zeitweilig beweidet und Weiden unter Umſtänden gemäht
werden. Zutreffender iſt der Umſtand, daß die Weide eine mehr geſchloſſene Grasnarbe
beſitzt, da unter dem Einfluſſe des Abweidens meiſt nur die Bodengräſer, welche wegen
ihrer Beſtockungsfähigkeit ein wiederholtes Abbeißen vertragen, übrig bleiben, während
die Wieſe nicht nur eine, wenn auch etwas lockere Grasnarbe, ſondern auch noch über
dieſelbe ſich erhebende Obergräſer (Halme und Blüthen) aufzuweiſen hat.
Mit den Wieſen und Weiden ſind weiterhin nicht zu verwechſeln die Wechſel-
wieſen, die Egarten, die Drieſchländereien, welche abwechſelnd als Wieſe oder Weide
und als Ackerland benutzt werden, und die Futterfelder, auf welchen durch künſt-
lichen Anbau von Gräſern und Kleearten ein ein- bis mehrjähriges Futterland
geſchaffen wird.
Das natürliche Grasland hat unter günſtigen Verhältniſſen bedeutende Vorzüge
vor dem Ackerlande voraus. Der Pflanzenbeſtand der Wieſe kann faſt nie zu
Grunde gehen, nachdem derſelbe von den mannigfaltigſten Pflanzenarten gebildet wird,
die in ihrer Entwickelung durch die wechſelnde Witterung in ſehr verſchiedener Weiſe
beeinflußt werden, während die Saaten auf dem Ackerlande durch die Ungunſt der
Witterung, des Bodens, durch die Angriffe der Feinde aus der Pflanzen- und Thier-
welt gänzlich vernichtet werden können. In dürren Zeiten dorren zwar die Gräſer
auf der Wieſe aus, dafür erhalten ſich die tiefwurzelnden Kleearten. Der Ertrag
iſt daher unter zuſagenden Verhältniſſen viel ſicherer, als der oft gefährdete Ertrag
des Ackerlandes. Die Wieſen liefern nicht nur ein in ſeiner Menge von den
Witterungsverhältniſſen unabhängiges, ſondern auch für die Ernährung der Thiere
[220]Anhang.
vortreffliches, in ſeiner naturgemäßen Zuſammenſetzung oft unerſetzliches Futter. Die
Wieſen ſind jedoch nicht nur eine ſichere Stütze für die Viehhaltung, ſondern auch
eine ſehr werthvolle Stütze für das Ackerland.
Die Wieſen werden meiſt nicht gedüngt; der Dünger, welcher durch die Ver-
fütterung des Heues entſteht, kommt daher dem Ackerlande zu Gute. Die Weiden
ſind in dieſer Beziehung von geringerer Bedeutung, beſonders dann, wenn die Thiere
Tag und Nacht auf der Weide verbleiben. Findet keine Ausfuhr von Wieſenheu
ſtatt, ſo müſſen alle in dieſem enthaltenen Stoffe bei der Fütterung des Viehes in
den Stallmiſt übergehen und dem Ackerbaue zukommen. Bei einem durchſchnittlichen
Jahresertrage von nur 2 Tonnen per Hektar an Heu und Grummet erhält das
Ackerland an Pflanzennährſtoffen: 28,4 Kilogr. Stickſtoff, 103.0 Kilogr. Aſche,
26.4 Kilogr. Kali, 17.2 Kilogr. Kalk, 6.6 Kilogr. Magneſia, 8.2 Kilogr. Phos-
phorſäure, 4.8 Kilogr. Schwefelſäure und 27.8 Kilogr. Kieſelſäure. Die Mengen
an einzelnen Pflanzennährſtoffen ſtehen jedoch nicht in demſelben Verhältniſſe zu ein-
ander wie die Mengen an Pflanzennährſtoffen, welche in den verkauften Produkten
alljährlich dem Ackerlande entzogen werden. Bei Körnerwirthſchaften, welche für
den Entgang an Bodennährſtoffen in den verkauften Körnern einen Erſatz durch Ver-
fütterung des Wieſenheues zu geben ſuchen, erhält daher der Boden des Ackerlandes
unvermeidlich, je reicher die Heuerträge ſind, gegenüber der Phosphorſäure einen
Ueberſchuß an Kali und Stickſtoff. Etwas günſtiger ſtellt ſich das Verhältniß in
Rübenwirthſchaften, welche in der Rübe bedeutendere Mengen an Kali ausführen.
Durch die Entnahme an Heu wird ſelbſtverſtändlich der Nährſtoffvorrath im
Wieſenboden verringert. Die Wieſe gewährt deshalb nur dann eine ſichere, nach-
haltige Stütze für die Wirthſchaft, wenn ſie durch ihre Beſchaffenheit und Lage vor
der Erſchöpfung ihres Bodens geſichert iſt. Erhält die Wieſe durch Ueberſchwemmung,
Bewäſſerung oder Düngung Nährſtoffe von Außen zugeführt, ſo wird ſie ſich auf
gleicher oder ſelbſt ſteigender Höhe der Fruchtbarkeit erhalten können. Ueber-
ſchwemmungs- oder Bewäſſerungswieſen werden daher eine ſehr werthvolle Zulage
für das Ackerland ſein. Anders ſtellt ſich das Verhältniß, wenn die Wieſe, wie ge-
wöhnlich nicht gedüngt, auch durch Waſſer keinen Erſatz für die durch das Heu
entnommenen Bodennährſtoffe erhält. In dieſem Falle kann ſich ihr Nährſtoffvorrath
nur durch die Verwitterung der veränderlichen Geſteinstrümmer auf gleicher Höhe
erhalten. Reicht dieſe Verwitterung nicht aus, ſo geht die Wieſe in ihrem Ertrage
zurück; ſie verliert daher an Bedeutung für das Ackerland. Dieſer Fall tritt bei
allen zu trocken und zu naß gelegenen Wieſen ein, weshalb es fraglich bleibt, ob
ſolche Wieſen nicht zweckmäßiger in Ackerland umzuwandeln ſind. Für die Be-
antwortung dieſer Frage iſt nicht nur die natürliche Beſchaffenheit, ſondern auch
die wirthſchaftliche Lage der Wieſe maßgebend. Trockene Wieſen werden ſelten ver-
beſſerungsfähig ſein, da die Beſchaffung von Bewäſſerungswaſſer in ſolchen Fällen
meiſt ſchwierig iſt, eher laſſen ſich noch naſſe Wieſen durch die Peterſen’ſche Wieſen-
baumethode ertragreicher machen.
Wieſen im Ueberſchwemmungsbereiche eines Baches oder Fluſſes, hochgelegene
[221]Die Wieſen.
Wieſen in einem kühlen, feuchten Klima, welches die „Graswüchſigkeit“ des Bodens
befördert, ſind als natürliches unbedingtes, Grasland anzuſehen, welches
nur mit großen Koſten in Ackerland umgewandelt werden kann. Vom wirthſchaft-
lichen Standpunkte aus werden nur ſolche Ländereien als Wieſen zu belaſſen ſein, welche
ſich vermöge ihrer Beſchaffenheit — Wieſen mit friſchem Boden, in feuchter Lage
an Flußufern, in Gebirgsthälern, Wieſen, bei welchen die Möglichkeit einer genügenden
Bewäſſerung gegeben iſt — höher als Ackerland rentiren und die wegen ihrer Lage
— Entfernung von dem Wirthſchaftshofe — nicht in Ackerland umgewandelt werden
können. Unter extenſiven Wirthſchaftsverhältniſſen wird ſich daher bei der Einfachheit
der Wieſencultur das Ausmaß an wirthſchaftlich unbedingtem Grasland
größer herausſtellen als unter intenſiven Verhältniſſen. Mit Rückſicht auf den Er-
trag werden ſich nur ſolche Ländereien für Wieſen eignen, welche mindeſtens zwei
Tonnen Heu pro Hektar liefern, andernfalls iſt es vortheilhafter, ſie zur Weide liegen
zu laſſen oder als Waldland zu benutzen. In welcher Weiſe bei der Umwandlung
des Wieſen- und Weidelandes in Ackerland vorzugehen iſt, wurde ſchon Band I,
S. 68 unter „der Weide- und Wieſenaufriß“ erörtert. Wieſen mit geringem Boden
werden das Aufbrechen nur ſelten lohnen, indem ein ſchlechter Boden dieſelbe Arbeit
verlangt wie ein guter und dennoch weniger trägt. Zweckmäßiger iſt es, derartige
geringe Wieſen als Weiden niederzulegen; da die Beweidung nichts koſtet, muß ein
Reinertrag übrig bleiben, der bei der Benutzung als Wieſe und noch mehr als
Ackerland bei den geringen Erträgen ſehr in Frage kommt.
Bei der Beſprechung der Wieſen und ihrer Cultur kommen zu berückſichtigen:
1. Die Zuſammenſetzung der Grasnarbe, 2. die Entwäſſerung, 3. die Bewäſſerung,
4. die Düngung, 5. die Verjüngung, 6. die Pflege und 7. die Ernte.
1. Die Zuſammenſetzung der Grasnarbe.
Die Güte einer Wieſe läßt ſich am ſicherſten nach der Zuſammenſetzung der
Grasnarbe beurtheilen. Die Beſtimmung der Gräſer und der anderen Wieſen-
pflanzen, welche die Grasnarbe bilden, gibt ſicherern Aufſchluß über die Ertragsfähigkeit
einer Wieſe, als wie die Schätzung nach der Beſchaffenheit von Boden, Klima und Lage.
Es bleibt daher die Beſtimmung der Pflanzenarten, welche die Wieſennarbe zuſammen-
ſetzen, unerläßlich; ſie gewährt nicht nur Aufſchluß über die ſehr verſchiedene Güte
des zu gewinnenden Heues, ſondern läßt auch einen Schluß zu auf die zu erhoffenden
Erntemengen. Im Allgemeinen werden alle Pflanzen, welche harte, holzige Stengel
oder einen ſtarken Geruch beſitzen, mit Stacheln bewehrt oder entſchieden giftig ſind,
und daher von dem Vieh entweder ungern oder gar nicht gefreſſen werden, un-
erwünſchte Beſtandtheile einer Grasnarbe ſein. In einer guten Grasnarbe ſollen
die eigentlichen oder Süßgräßer (Gramineen) und die Kleepflanzen gegenüber
anderen Pflanzenfamilien, beſonders den Sauergräſern (Cyperaceen) vorherrſchen.
Einige Gräſer haben die Eigenthümlichkeit, von dem Wurzelſtocke aus zahlreiche
Blätterbüſchel zu treiben, ſie bilden das ſogenannte Bodengras, andere wieder ſchießen
in die Halme, ſie bilden das ſogenannte Obergras. Boden- und Obergräſer ſollen
gleichzeitig auf einer guten Wieſe vorhanden ſein, indem nur dann der höchſte
[222]Anhang.
Heuertrag erzielt werden kann. Die Zahl der Graspflanzen, welche die Grasnarbe
zuſammenſetzen, iſt, je nach der Güte der Wieſe, ſehr verſchieden. Einen ungefähren
Anhaltspunkt geben in dieſer Beziehung die durch neuere Unterſuchungen von J. Kühn
beſtätigten Auszählungen von Sinclair. Derſelbe fand auf 0.3047 □Meter
(1 engl. □Fuß):
reichſter, natürlicher Weide 1000 Pflanzen, darunter 940 Graspflanzen und
60 Klee- und andere Pflanzenarten,
alter, feuchter, mooſiger Weide 634 Pflanzen, darunter 510 Graspflanzen
und 124 Klee- und andere Pflanzenarten,
bewäſſerter Wieſe 1798 Pflanzen, darunter 1702 Graspflanzen und 96 Klee-
und andere Pflanzenarten.
Als Wieſengräſer1), die oft ausſchließlich den Beſtand guter Wieſen (ſüßer
Wieſen) bilden, ſind zu nennen:
Wieſenfuchsſchwanz (Alopecurus
pratensis L. ♃.
Knaulgras (Dactylis glomerata L.) ♃.
[223]Die Wieſen.
1. Wieſenfuchsſchwanz (Alopecurus pratensis L.) ♃, Fig. 145, S. 211 und
149. Derſelbe findet ſich in friſchen Lagen auf lehmigem, thonigem Boden, beſonders häufig
in der Nähe der Bewäſſerungsrinnen auf Bewäſſerungswieſen. Als eines der zeit-
lichſten Gräſer, Blüthezeit Mai, Juni, liefert er, frühzeitig gemäht, bei ſeiner großen
Reproductionsfähigkeit, einen guten zweiten Schnitt. Derſelbe erreicht eine Höhe
von 0.9—1.2 Meter und gewährt eine bedeutende, als Futter ſehr werthvolle
Pflanzenmaſſe, mit einem Nährſtoffverhältniſſe von 1 : 3.8 1). Der Wieſenfuchs-
ſchwanz iſt daher bei Anſaat von Bewäſſerungswieſen und von friſchen Wieſen über-
haupt in erſter Linie zu berückſichtigen; für trockene Wieſen iſt er ungeeignet.
2. Knaulgras (Dactylis glomerata L.) ♃, Fig. 150, Juni, Juli. Kommt auf
verſchiedenen Standorten vor; oft herrſchend auf Bewäſſerungswieſen, aber auch auf
trockenen Wieſen. Frühblühend, entwickelt es breite Blätter und Halme, welche
einen reichen Futterertrag gewähren, das auch, wenn früh gemäht, von ſehr guter
Qualität (1 : 47) iſt.
3. Rispengras (Poa). Auf Wieſen kommt am häufigſten das Wieſen-
rispengras (Poa pratensis L.) ♃, Fig. 151, Mai, Juni, vor, welches ein vom
Vieh gern gefreſſenes Futter (1 : 4.3) gibt. Unter allen Gräſern zeichnet es ſich
durch ſeine Ertragsfähigkeit aus, welche ſelbſt auf trockenen Standorten anſehnlich
ausfällt. Auf friſchen Boden- und Wäſſerungswieſen herrſcht das gemeine Rispen-
gras (Poa trivialis L.) ♃, Juni, Juli, vor. Daſſelbe bildet dichte Raſen und
gewährt ein zartes, ausgezeichnetes Futter mit einem Nährſtoffverhältniſſe von 1 : 4.
Das jährige Rispengras (Poa annua L.) ☉, faſt das ganze Jahr blühend, hat
wegen ſeiner kurzen Dauer und geringen Entwickelung wenig Bedeutung für die
Wieſe, eher eignet ſich daſſelbe für die Weide.
4. Schwingel (Festuca). Der Wieſenſchwingel (Festuca pratensis Huds.)
♃, Juni, Juli, iſt in friſchen Lagen ähnlich geſchätzt wie das Knaul- und Wieſen-
rispengras. Er hat den Vortheil, daß er ſpät blüht und daher in einer Zeit in
das Heu gelangt, in welcher derſelbe den höchſten Futterwerth (1 : 4) erreicht hat.
Auf trockenen Plätzen verkümmert derſelbe. Auf bindigem, nicht naſſem Boden treibt
er zahlreiche, lockere Grasbüſchel und hohe, weiche Halme, weshalb er auf
Wäſſerungswieſen gerne geſehen wird. Der Rohrſchwingel (Festuca arundinacea
Schb.), ♃, Juni, Juli, erſcheint auf Wieſen mehr an den Rändern von Bächen
und ſonſtigen Waſſerläufen. Für trockene Wieſen eignen ſich noch am eheſten der
rothe (Festuca rubra L.), ♃, 1 : 4.3, Mai, Juni, und der härtliche Schwingel
1)
[224]Anhang.
Wieſenrispengras (Poa pratensis L.) ♃.
Schafſchwingel (Festuca ovina L). ♃.
(Festuca duriuscula L.) ♃, 1 : 3.7. Der Schafſchwingel (Festuca ovina L.), ♃,
Fig. 152, Mai, Juni, gibt wegen ſeiner ſchmalen Blätter nur wenig Maſſe, kommt
jedoch noch auf trockenem Sandboden fort und liefert ein mittelmäßiges Weidegras.
5. Raygräſer (Lolium). Das Engliſche Raygras (Lolium perenne L.),
♃, 1 : 3.81, Juni—Herbſt, zeichnet ſich durch ſeine zahlreichen Blätterbüſchel aus,
welche ſich um ſo reichlicher entwickeln, je öfter das Gras abgeweidet oder abgemäht
wird. Es kommt auf mehrſchürigen Wieſen, da es ſpät ſeine Aehre entwickelt, ſelten
zum Blühen. Der Hauptbeſtandtheil der Lombardiſchen Wäſſerungswieſen beſteht
aus dieſem ausgezeichneten Graſe. Seine Ausdauer iſt, namentlich in rauhen
Gegenden, gering, oft zwei, auch nur ein Jahr; es muß daher immer neu ausgeſäet
werden. Es eignet ſich vorzüglich zur Bildung eines dichten Raſens in Gärten und
als Weidegras, welches auf allen Bodenarten mit Ausnahme von Sand und Moor
gedeiht. Eine geringere Beraſung zeigt das Italieniſche Raygras (Lolium itali-
cum A. B.), ♃, 1 : 4.7, Juni—Herbſt; es gewährt jedoch gleichfalls, beſonders bei
Anwendung von Jauchendüngung, ausgezeichnete Erträge. Es entwickelt ſich raſch,
erhält ſich jedoch nur kurze Zeit.
[225]Die Wieſen.
Franzöſiſches Raygras (Arrhenatherum
elatius Beauv.) ♃.
Lieſchgras (Phleum pratense L.) ♃.
6. Franzöſiſches Raygras (Arrhenatherum elatius Beauv.), ♃, Fig. 153
und 148, 1 : 3.2, Juni—Juli. Daſſelbe iſt eines der höchſten Gräſer, welches ſich zeitlich
entwickelt, wenig Blätter und viele Halme beſitzt. Es liefert auf gut entwäſſerten
Wäſſerungswieſen ſehr hohe Erträge, welche jedoch von geringer Qualität ſind. Am beſten
kommt daſſelbe auf weniger gebundenen, mergeligen, ſelbſt trockenen Bodenarten fort.
Für trockene, warme Gegenden iſt es eines der beſten Obergräſer, da es raſch empor-
ſchießt und ſich mit der Winterfeuchtigkeit begnügt.
7. Lieſchgras, auch Timotheusgras genannt (Phleum pratense L.), ♃,
Fig. 154, 1 : 6.8, Juni, Juli, liebt feuchte, ſelbſt naſſe Standorte und Thon- und
Lehmboden. Auf Sandboden gedeiht es ſchlecht. Dieſes Gras entwickelt ſich ſpät,
hat daher an dem erſten Schnitte wenig, an dem zweiten, ſpäteren Schnitte um ſo
mehr Antheil. Frühzeitig gemäht liefert es noch einen zweiten Schnitt, ſonſt nur
noch eine Weide. Auf Wieſen iſt das Lieſchgras wegen ſeines bedeutenden Ertrages,
welcher jedoch von minderer Qualität iſt, erwünſcht.
8. Straußgras, Windhalm oder Fioringras (Agrostis stolonifera L.),
♃, Fig. 155, Juni, Juli. Daſſelbe liefert auf friſchem Standorte dichtes Unter-
gras. Es iſt eines der am ſpäteſten blühenden Gräſer, weshalb es hauptſächlich
im Grummet vorkommt. Auf trockenen Standorten treibt es wenig Halme, liefert
jedoch durch ſeine weitkriechenden, queckenähnlichen, unterirdiſchen Stengel raſch einen
mittelmäßig dichten Raſen.
Krafft, Lehrbuch d. Landw. II. 15
[226]Anhang.
9. Hafergräſer (Avena). Sowohl der Goldhafer (Avena flavescens L.), ♃,
Fig. 147, 1 : 6, Juni, Juli, als auch der weichhaarige Hafer (Avena pubescens L.),
♃, 1 : 5.9, Mai, Juni, liefern bei ziemlichem Ertrage ein mittelgutes Futter. Letzterer
kommt ſelbſt auf noch trockeneren Standorten als das Franzöſiſche Raygras fort.
10. Trespen (Bromus). Die weiche Trespe (Bromus mollis L.), ⚇,
1 : 2.4, Mai, Juni, iſt ein mittelmäßiges Gras, welches hohe, breit beblätterte
Halme treibt und noch auf trockenen Wieſen fortkommt. Noch geringeren Werth
beſitzt die Ackertrespe (Bromus secalinus L.), ⚇, Juni, Juli, welche auf Getreide-
feldern als läſtiges Unkraut erſcheint. Ebenſo beſitzt die aufrechte Trespe (Bromus
erectus Huds.), ♃, Mai, Juni, wenig Werth als Wieſengras.
11. Honiggras (Holcus lanatus L.), ♃, 1 : 3.8, Juni—Auguſt. Daſſelbe
iſt durch ſeinen üppigen Wuchs, ſeine ſehr ſtarke Beſtockung und durch die röthlichen,
beim Blühen ausgebreiteten Rispen ausgezeichnet. Es erſcheint auf torfigen und
auf übermäßig bewäſſerten Wieſen. Es liefert eine bedeutende Menge an Futter,
welches ſich jedoch wegen der ſtarken Behaarung nur als Pferdefutter eignet; zur
Anſaat iſt daher dieſes Gras weniger zu empfehlen.
Straußgras (Agrostis stolonifera L.) ♃.
Zittergras (Briza media L.) ♃.
[227]Die Wieſen.
Seltener erſcheinen auf Wieſen das gemeine Kammgras (Cynosurus crista-
tus L.), ♃, Juni, Juli; das durch ſeinen aromatiſchen Geruch ausgezeichnete Ruch-
gras (Anthoxanthum odoratum L.), ♃, 1 : 4.5, Mai, Juni; das Zittergras
(Briza media L.), ♃, Fig. 156, Juni, Juli; das Böhmergras (Phleum
Boehmeri Wibel.), ♃, Juni, Juli; das Seslergras (Sesleria caerulea Arduin.),
♃, März, April, ꝛc. Dieſelben ſind wegen ihrer geringen Entwickelung und ge-
ringen Verbreitung von minderer Bedeutung.
Von Klee- und anderen Pflanzen treten als Beſtandtheile der Wieſen auf:
1. Rothklee (Trifolium pratense L.), Mai—September. Auf Gebirgs-
wieſen ſehr häufig, oft ein Drittel bis die Hälfte des Pflanzenbeſtandes ausmachend.
Auf Wieſen in der Ebene iſt er gleichfalls ſehr erwünſcht, er kommt jedoch nur
auf Wieſen mit tiefgründigem Boden in größerer Menge vor.
2. Weißklee (Trifolium repens L.), ♃, Mai—Herbſt. Derſelbe bildet
einen ſehr häufigen Beſtandtheil der Wieſen und Weiden und erſcheint ſowohl auf
trockenen Gebirgswieſen, als auch auf Wäſſerungswieſen. Er liefert beſſeres Futter
als der Rothklee, da beinahe nur die Blätter mit den Blattſtielen in das Heu ge-
langen, daher keine Verholzung des Futters ſtattfinden kann. Im erſten Schnitte
trifft man ihn wenig, um ſo mehr im zweiten Schnitte.
3. Baſtardklee (Trifolium hybridum L.), ♃, Mai—Herbſt. Bei friſcher
Lage gibt er viel und nahrhaftes Futter, welches nicht leicht erhärtet.
Von anderen Kleearten kommen noch herrſchend vor: der Bergklee (Trifolium
montanum L.), ♃, Mai—Juli; auf feuchten Wieſen der gehörnte Schneckenklee
(Lotus corniculatus L.), ♃, Mai—Herbſt; zuweilen auch der gelbe Hopfenklee
(Medicago lupulina L.) ☉, Mai—Herbſt, ꝛc. Die Luzerne (Medicago sativa L),
♃, Juni—Herbſt, die Eſparſette (Onobrychis sativa Lam.), ♃, Mai—Juli,
kommen auf Wieſen ſelten vor, wenn ſie auch gerne geſehen werden und bei der An-
ſaat von Kunſtwieſen Berückſichtigung verdienen.
Von anderen Pflanzen kommen öfter auf Wieſen vor: auf trockenen Stellen
die Zaunwicke (Vicia sepium L.), ♃, April—Juni; der ſpitze Wegerich (Plantago
lanceolata L.), ♃, April—Herbſt; die Wieſenplatterbſe (Lathyrus pratensis L.),
♃, Juni, Juli, welche als gute, jedoch wenig ertragreiche Wieſenpflanze anzuſehen
iſt; der Wieſenknopf (Sanguisorba officinalis L.), ♃, Juni, Auguſt; die Becher-
blume (Poterium sanguisorba L.), ♃, Juni—Juli; auf feuchten Wieſen der
Kümmel (Carum carvi L.), ⚇, April, Mai; die Pimpinelle, Steinpeterlein (Pim-
pinella saxifraga L.), ♃, Juli, Auguſt; die Schafgarbe (Achillea millefolium L.),
♃, Juni—Herbſt. Alle übrigen Pflanzen mit auffallenden Blüthen, wie die
Wieſenranunkel (Ranunculus acris L.), ♃, Mai—Juli; die Kukuksblume (Lychnis
flos cuculi L.), ♃, Mai—Juli; das Fingerkraut (Potentilla anserina L.), ♃,
Mai—Juli; der Löwenzahn (Leontodon taraxacum L.), ♃, Juli, Auguſt; der
Wieſenſalbei (Salvia pratensis L.), ♃, Mai, Juli; die Ampferarten (Rumex
acetosa L. und acetosella L.), ♃, Mai, Juli ꝛc. gelten eher als Unkräuter, denn
15*
[228]Anhang.
als gute Wieſenpflanzen, welche meiſt vom Vieh, wenn ſie in größerer Menge vor-
kommen, verſchmäht werden.
Auf ſchlechten Wieſen, beſonders auf feuchten, verſumpften, ſogenannten ſaueren
Wieſen herrſchen vor: die binſenartigen Scheingräſer (Cyperaceen), als das Woll-
gras (Eriophorum angustifolium Rth.), ♃, April, Mai, die Sumpfbinſe (Scir-
pus palustris), die Segge oder das Riedgras (Carex caespitosa L., acuta L.,
glauca Scop. etc.), ♃, April, Mai; die ſimſenartigen Scheingräſer (Juncaceen), als
die geknäulte Simſe (Juncus conglomeratus L.), ♃, Mai, Juni, die Flatterſimſe
(Juncus effusus L.), ♃, Juni, Juli, die ſparrige Simſe (Juncus squarrosus L.),
Juli, Auguſt, die After- oder Hainſimſe (Luzula campestris DC.), ♃, März,
Mai, die Kolbengewächſe (Typhaceen), der Kalmus (Acorus calamus L.), ♃,
Juni, Juli, weiter der Schachtelhalm (Equisetum-Arten), Mooſe (Musci) ꝛc.; die
Sumpfdotterblume (Caltha palustris L.), ♃, April, Juni; die Waſſermünze (Mentha
aquatica L.), ♃, Juli, Auguſt; das Heidekraut (Erica vulgaris L.) ꝛc. Von ſüßen Gräſern
ſind auf derartigen Wieſen anzutreffen: die Raſenſchmiele (Aira caespitosa L.), ♃,
Juni, Juli; das Pfeifengras (Molinia caerulea Mönch.), ♃, Auguſt, September;
das Waſſerrispengras (Glyceria spectabilis M. et K.), ♃, Juli, Auguſt; das
fluthende Süßgras (Glyceria fluitans RBr.) ♃, Juni, Juli; das Schilfrohr
(Phragmites communis Trin.), ♃, Auguſt, September, ꝛc.
Außer den nutzbaren Pflanzen finden ſich auf Wieſen, deren Culturzuſtand
gering, zahlreiche Unkrautpflanzen. Manche derſelben beſitzen breite Blätter und ver-
drängen gute Wieſenpflanzen, wie die Diſteln, andere werden wegen ihrer Dornen,
wie die Hauhechel (Ononis spinosa L.), ♃, wieder andere wegen ihrer wolligen
Behaarung und wegen ihres ſtarken Geruches von den Thieren verſchmäht. Andere
Wieſenunkrautpflanzen ſind zugleich Giftpflanzen, wie die Herbſtzeitloſe (Colchicum
autumnale L.), ♃, der gefleckte Schierling (Conium maculatum L.), ⚇, das
Bilſenkraut (Hyoscyamus niger L.), ☉ und ⚇, die Wolfsmilcharten (Euphorbia-
Arten) ꝛc.
2. Die Entwäſſerung.
Wenn auch im Allgemeinen der Mehrzahl der Wieſenpflanzen ein friſcherer
Boden zuſagt als den auf dem Ackerlande gebauten Culturpflanzen, ſo verträgt doch
nur ein Theil derſelben, die geringwerthigen Scheingräſer, ein größeres Maß von
ſtauendem oder fließendem Waſſer im Boden. Die Feldfrüchte ſtehen nur einen
Theil des Jahres am Felde, es kommt denſelben ſomit auch die Winterfeuchte zu
Gute; außerdem haben viele tiefgehende Wurzeln, weshalb denſelben ein großes
Bodenvolum zur Deckung ihres Waſſerbedürfniſſes zur Verfügung ſteht. Die Wieſen-
pflanzen haben dagegen meiſt nur flachſtreichende Wurzeln, ſie verlangen daher ſchon
deshalb einen größeren Feuchtigkeitsgehalt des Bodens. Steigt jedoch der Waſſer-
gehalt derart, daß der Boden feucht oder naß genannt werden muß, ſo können
die werthvollen Süßgräſer nicht mehr gedeihen und an ihre Stelle treten die ſauren
Gräſer. In einem ſolchen Falle wird es räthlich ſein, das überflüſſige Waſſer durch
[229]Die Wieſen.
Entwäſſerung zu entfernen. Dabei iſt jedoch ſehr vorſichtig vorzugehen, damit nicht
aus der naſſen Wieſe anſtatt einer friſchen, eine trockene, unfruchtbare Wieſe werde.
Der Grundwaſſerſpiegel darf daher nicht zu tief gelegt werden, damit eine An-
feuchtung von unten her möglich bleibt.
In welcher Weiſe bei der Entwäſſerung vorzugehen iſt, richtet ſich nach der
Urſache der Verſumpfung. Oft reicht die Regulirung eines benachbarten Waſſer-
laufes oder die Anlage von Schutzdämmen gegen Ueberſchwemmungen aus. Schreitet
man zu einer vollſtändigen Entwäſſerung, ſo wird dieſelbe am häufigſten durch offene
Gräben, ſeltener durch bedeckte Gräben oder durch Röhrendrainage ausgeführt 1).
Bei dem Kunſtwieſenbaue muß gleichfalls, neben der Bewäſſerung, für eine ausreichende
Entwäſſerung geſorgt werden.
3. Die Bewäſſerung.
Die ausgiebigſte Beförderung des Wachsthumes der Wieſenpflanzen erfolgt durch die
zeitgemäße Anwendung von Waſſer, durch die Bewäſſerung. Der Erfolg und die
Wirkſamkeit der Bewäſſerung iſt je nach den Boden- und klimatiſchen Verhältniſſen
und der Beſchaffenheit des Waſſers ein ſehr verſchiedener. Die Benutzung des
Waſſers kann daher nicht überall die gleiche ſein, ſondern ſie muß ſtets für den
ſpeciellen Fall angepaßt werden. Die in der Lombardei, im Siegen’ſchen in der
Campine ermittelten Geſetze über das Bewäſſerungsweſen laſſen ſich aus dieſem
Grunde nicht unmittelbar auf gegebene Verhältniſſe übertragen.
Das Waſſer wirkt entweder dadurch, daß es den Boden anfeuchtet, die Boden-
temperatur regulirt, oder dem Boden ſuspendirte oder gelöſte Nährſtoffe zuführt,
oder durch Einleitung chemiſcher Proceſſe und durch unmittelbaren Eintritt in ver-
ſchiedene, chemiſche Verbindungen zerſtörend auf die noch unverwitterten Geſteinsmaſſen
ein. In warmen, heißen, trockenen Klimaten, wie z. B. in Spanien, Algier, in Egypten,
im Orient, beruht die Wirkſamkeit der Bewäſſerung vornehmlich auf der Anfeuchtung des
Bodens, durch welche die Pflanzen mit ihrem nöthigen Waſſer verſorgt werden. In
kühlen, feuchten Gebieten, wie in Großbritannien, beruht die Wirkſamkeit der Be-
wäſſerung nicht in der Anfeuchtung, ſondern in der Düngung mit den vom Waſſer
mitgeführten oder gelöſten Bodennährſtoffen. Durch die im Waſſer ſuspendirten
Erdtheilchen (Schlamm, Schlick) wird nicht nur eine Vermehrung der Bodennähr-
ſtoffe, ſondern auch eine Veränderung der phyſikaliſchen Eigenſchaften des Bodens
erzielt. Dieſe Wirkung ſucht man zu erreichen, wenn man trübes Flußwaſſer,
Schmelzwaſſer oder künſtlich durch Einwerfen von Erde ſchlammig gemachtes Waſſer
über die Wieſen leitet 2). Bei ſchon hoch gewachſenem Graſe iſt jedoch ein Bewäſſern
mit trübem Waſſer zu vermeiden, indem ein verſandetes Heu nachtheilig auf die
Geſundheit der Thiere einwirkt. Außerdem kann es Abſicht ſein, die Temperatur
[230]Anhang.
des Waſſers bei der Bewäſſerung zu benutzen. Auf den Lombardiſchen Winterwieſen
wird das Quellwaſſer, welches aus der Tiefe kommt und im Winter daher wärmer
als die Luft iſt, über die Wieſen geleitet, um die Wärmeausſtrahlung und das Ge-
frieren des Bodens zu verhindern oder die Wirkung von Spätfröſten abzuſchwächen.
Es iſt einleuchtend, daß umgekehrt die Verwendung von kälterem Waſſer eine nach-
theilige Verzögerung der Vegetation herbeiführen würde. Schließlich kann noch
erwähnt werden, daß durch ein richtig geleitetes Bewäſſern ſchädliche Thiere, wie
Mäuſe, Engerlinge ꝛc. vernichtet oder vertrieben werden können.
Von weſentlicher Bedeutung für den Erfolg der Bewäſſerung iſt die Qualität
des angewendeten Waſſers. Quellwaſſer, welches dem Urgebirge entſtammt, hat mit
Rückſicht auf die düngende Wirkung des Waſſers weniger Werth als ein Quellwaſſer,
welches ſedimentären Schichten entſpringt und daher gewöhnlich reicher an gelöſten
und ſuspendirten Mineralſubſtanzen iſt. Bach- und Flußwaſſer erhält um ſo
größeren Werth, je mehr Dörfer und Städte, deren Abfälle in das Waſſer gelangen,
oder je reicher gedüngte Felder die Ufer umgeben. Waſſer aus Moorbrüchen und
Torfſtichen iſt meiſt untauglich. Sehr kalkreiche Waſſer ſind wegen ihrer incruſtirenden
Wirkung gleichfalls weniger zur Bewäſſerung geeignet. Quellen, welche aus einem von
eiſenoxydulhaltigen Sandſteinen oder Quarztrümmern gebildeten Geröllboden oder einem
mit Wald bewachſenen Boden entſtammen, beſitzen gleichfalls wegen ihres geringen Gehaltes
an Nährſtoffen wenig Werth als Rieſelwaſſer. Zur Anfeuchtung des Bodens wird dagegen
nahezu jedes Waſſer verwendbar ſein. Schon einmal zur Wäſſerung benutztes
Waſſer hat meiſt weniger Werth als noch unbenutztes, indem der Boden durch Abſorption
dem Rieſelwaſſer die gelöſten Nährſtoffe entnimmt und ſich durch Abſetzen der Ge-
halt an mitgeführten Schlammtheilen verringert und zwar werden die ſuspendirten
Stoffe nach den Unterſuchungen von Bardeleben 1) in höherem Maße zurückgehalten
als die gelöſten. Bei ſehr reichem Boden findet nach Mayer ſelbſt durch Aus-
waſchen eine Bereicherung des Waſſers ſtatt, weshalb für dieſen Fall ein mehr-
maliges Benutzen des Rieſelwaſſers nur von Vortheil ſein könnte. Bei mehrfacher
Benutzung des Rieſelwaſſers muß durch die Art der Anlage Sorge getragen werden,
daß auch jeder Wäſſerungs-Abtheilung noch nicht verwendetes Waſſer zugeführt
werden kann. Verläßlichen Aufſchluß über den Gehalt an düngenden Subſtanzen
kann einzig und allein die chemiſche Analyſe des Waſſers geben. Ungefähren An-
haltspunkt für die Güte des Waſſers ſollen auch die im Waſſer oder an dem Ufer
wachſenden Pflanzen gewähren. Das Vorkommen von Waſſerfäden (Confervae),
der Brunnenkreſſe (Nasturtium officinale R. Br.) ♃, des Waſſerehrenpreiſes
(Veronica beccabunga L.) ♃, des Waſſerlieſches (Butomus umbellatus L.) ♃,
des Kalmus (Acorus calamus L.) ♃, der Potamogetonarten, des Waſſerhahnen-
fußes (Ranunculus aquatilis L.) ♃, des Waſſerrispengraſes (Glyceria aquatica
Prsl.) ♃, ꝛc., ſoll ein verwendbares Waſſer anzeigen. Sämmtliche Scheingräſer,
[231]Die Wieſen.
das Rohr (Arundo Donax L.) ♃, das Landſchilfrohr (Phragmites communis
Trin.) ♃, der Rohrkolben (Typha latifolia L.) ♃, der Schierling (Cicuta
virosa L.) ♃, deuten geringes Waſſer an. Uns will ſcheinen, daß auf das Vor-
kommen dieſer Pflanzen nicht die Güte, ſondern die Strömung des Waſſers größeren
Einfluß hat. In einem lebhaft fließenden Waſſer werden die zuerſt genannten
Pflanzen vorkommen, in einem ſtehenden die vorgenannten Sumpfpflanzen.
Je nachdem durch die Bewäſſerung eine Anfeuchtung oder eine directe oder
indirecte Vermehrung der aufnahmsfähigen Bodennährſtoffe oder eine Verbeſſerung
der phyſicaliſchen Bodeneigenſchaften oder ein Schutz gegen Fröſte erreicht werden ſoll,
wird das erforderliche Waſſerquantum auf ein und demſelben Boden und unter
gleichen klimatiſchen Verhältniſſen ſehr verſchieden ausfallen. Außerdem haben aber
auf das Waſſerquantum auch noch die Beſchaffenheit des Waſſers, des Bodens, be-
ſonders deſſen Waſſercapacität, die Beſchaffenheit des Klimas, die Lage des Grund-
ſtückes mit Rückſicht auf das Gefälle und die techniſche Ausführung der Bewäſſerung
weſentlichen Einfluß. Ein durchläſſiger Boden, eine Fläche mit großer Neigung, von
welcher das Waſſer raſch abfließt, wird, wenn noch ein trockenes Klima hinzutritt,
größere Waſſermaſſen beanſpruchen, als ein eben gelegener, bindiger Thonboden in
einem kühlen, feuchten Klima, in welchem der Verluſt durch Verdunſtung des Waſſers
ein verſchwindend kleiner iſt. Geſtattet die Anlage eine wiederholte Benutzung
des abgerieſelten Waſſers, wie dieß der Fall iſt, wenn die einzelnen, zu berieſelnden
Flächen in Hängen unter einander liegen und kein ſchädlicher Rückſtau zu befürchten
iſt, ſo kann dadurch das Waſſerquantum in erheblicher Weiſe vermindert werden.
Wird die Wieſe mit Stalldünger oder ſonſtigen Düngemitteln verſehen, ſo ändert
dieß gleichfalls den erforderlichen Bedarf an Waſſer. Aus dem Bemerkten geht her-
vor, daß es nicht möglich iſt, über die erforderliche Waſſermenge eine beſtimmte An-
gabe zu machen. In dem einen Falle wird 1 Liter per Hektar und Secunde
ausreichen, in einem anderen erſt 90 Liter. Im Allgemeinen kann bemerkt werden,
daß in ſüdlicheren, trockenen und wärmeren Gegenden, in welchen es hauptſächlich
auf die Anfeuchtung ankommt, das geringſte Waſſerquantum, in nördlichen, feuchteren
und kälteren Gegenden, in welchen vorzugsweiſe die düngende Wirkung des Waſſers
in Betracht kommt, um ſo größere Waſſermaſſen erforderlich ſind, je ärmer das
Waſſer an düngenden Subſtanzen iſt.
Vor der Anlage einer Wäſſerungswieſe muß genau die verfügbare Waſſermenge
ermittelt werden, indem ſich darnach die Ausdehnung, welche man der Anlage geben
kann, richtet. Ein ſehr häufig gemachter Fehler beſteht darin, daß man die Anlage
außer Verhältniß mit der verfügbaren Waſſermenge zur Ausführung bringt.
Zu welcher Zeit die Meſſung der verfügbaren Waſſermenge ſtattfinden ſoll,
richtet ſich nach der Zeit, in welcher bewäſſert werden ſoll. Wird zur Ausnutzung
der düngenden Wirkung des Waſſers vornehmlich im Herbſte gewäſſert, ſo ſind die
Herbſtwaſſerſtände der zu verwendenden Waſſerläufe maßgebend; wird anderſeits, um
eine Anfeuchtung der Wieſen zu erzielen, im Sommer gewäſſert, ſo ſind die niedrigſten
Waſſerſtände zu berückſichtigen. Für die Waſſermenge, welche ein Fluß oder Graben
[232]Anhang.
führt, iſt das durchſchnittliche Querprofil und die mittlere Geſchwindigkeit des Waſſers
entſcheidend. Letztere hängt ſowohl von dem Gefälle der Sohle, als von der Reibung
an den benetzten Wänden des Grabens ab.
Bezeichnet a den Querſchnitt eines Grabens, p den benetzten Umfang d. h. die mitt-
lere Breite vermehrt um die doppelte Tiefe, das Verhältniß des Gefälles zu der Längen-
Einheit und r den ſogenannten mittleren Radius, d. h. , ſo beträgt die geförderte
Waſſermenge Q1) nach den Unterſuchungen von Darcy und Bazin pro Secunde
wobei alle Abmeſſungen nach dem metriſchen Syſteme beſtimmt ſind.
Iſt z. B. die mittlere Breite des Grabens 6 Meter, die Waſſertiefe 2 Meter und das
Gefälle 0.25 Meter auf 1000 Meter Länge, ſo iſt
= 8.6 Cubikmeter.
Annähernd läßt ſich die Waſſermenge auch nach dem durchſchnittlichen Regen-
falle auf das Quellengebiet des Waſſerlaufes, abzüglich der Verdunſtung, ſchätzen.
Am zuverläſſigſten wird man ſich jedoch durch die Anlage einer kleinen Probefläche,
da ohnehin bei größeren Wieſenflächen nicht gleich die ganze Wieſe zur Bewäſſerung
umgebaut wird, über den erforderlichen Waſſerbedarf und den Erfolg der Wäſſerungs-
anlage unterrichten.
Die erforderliche Waſſermenge wird durch Stauvorrichtungen, wie Wehren,
Schleußen ꝛc., welche in den Waſſerlauf eingeſetzt werden, gewonnen und durch einen
Zuleitungsgraben der Wieſe zugeführt. In trockenen Gegenden, oder bei unergiebigen
oder periodiſch reich fließenden Bächen wird die Gleichmäßigkeit des Zulaufes durch
Anlage von Teichen und Sammelbaſſins zu erreichen geſucht. Bei tiefliegendem
Waſſer iſt oft eine allerdings mit vermehrten Koſten verbundene künſtliche Hebung
des Waſſers mittelſt Windräder, Waſſerräder, Pferdegöpel oder Dampfkraft, welche
Pumpen, Schöpfwerke oder Wurfräder in Betrieb ſetzen, nothwendig. Am zu-
verläſſigſten und leiſtungsfähigſten erweiſen ſich durch Locomobilen — welche außer
der Rieſelzeit zum Dreſchen oder anderen Arbeiten verwendet werden können — in
Bewegung geſetzte Pumpen, wie beſonders die Centrifugalpumpen von Gwyne \& Co. —
London, mit oder ohne eiſernem Wagengeſtell. Ueber ihre Anwendbarkeit entſcheidet
der Werth der durch die Bewäſſerung muthmaßlich erzielten Ertragsſteigerung.
Die Zuleitung, Vertheilung und Ableitung des Waſſers auf einer Wieſe erfolgt
durch eine Mehrzahl Gräben, welche ihrem Zwecke entſprechend die verſchiedenſten
[233]Die Wieſen.
Dimenſionen erhalten. Ihr Lauf wird durch das Gefälle und die Art der Wieſen-
anlage beſtimmt.
Der Hauptzuleitungsgraben, Fig. 157 und 158, Seite 236 und 238 A A,
führt das Waſſer unmittelbar aus einem Waſſerlaufe auf die Wieſe. Die Aus-
mündung des Zuleitungsgrabens ſoll 3.5—4 Meter oberhalb der in dem Waſſer-
laufe eingeſetzten Stauvorrichtung erfolgen, um Waſſerdurchbrüche und Verſandungen
zu vermeiden. Derſelbe muß durch Aufdämmung ſo hoch geführt werden, daß nach
Möglichkeit der höchſte Punkt der Wieſe mit Waſſer verſehen werden kann. Für die
erſten 5—7 Meter gibt man dem Zuleitungsgraben gerne ein etwas ſtärkeres Ge-
fälle von 5—8 Ctm., den ſogenannten Einſchuß. Weiterhin muß das Gefälle des
Zuleitungsgrabens um ſo ſchwächer ſein, je größer die zugeleitete Waſſermaſſe iſt.
Daſſelbe richtet ſich daher nach der Größe des Grabenprofiles oder Querſchnittes;
nach der Angabe von Dr. W. F. Dünkelberg 1) gibt man, umgerechnet auf neues
Maß, bei Zuleitungsgräben (I) und bei Ableitungsgräben (II)
Die Dimenſionen des Zuleitungsgrabens richten ſich nach der Waſſermaſſe, der
Bodenbeſchaffenheit ꝛc.
Die Conſtruction der Gräben, welche die Beſtimmung haben, das Waſſer aus
dem Zuleitungsgraben auf die Wieſe zu vertheilen, richtet ſich nach dem Syſteme des
Wieſenbaues. Je nach der Art des letzteren kommen Transportir-, Fig. 157 B B,
Vertheilgräben, Fig. 157 und 158 C C, Ueberſchlag- oder Horizontal-, Parallelrinnen,
D D ꝛc. zur Verwendung, über deren Beſtimmung weiter unten nachzuleſen iſt.
Dieſelben erhalten in der Mehrzahl der Fälle kein oder nur ein ſehr geringes Gefälle.
Das zur Bewäſſerung verwendete Waſſer muß ſchließlich bei jeder Art des
Wieſenbaues durch einen meiſt in den Boden eingeſchnittenen Ableitungsgraben, Fig.
157 und 158, b b und a a, von der Wieſe weggeführt werden. Das Gefälle,
welches dem Ableitungsgraben zu geben iſt, wurde ſchon oben angeführt. Derſelbe
erhält anfänglich eine geringe Querſchnittsfläche, welche immer mehr zu vergrößern
iſt, je mehr er in ſeinem weiteren Verlaufe Waſſer aufzunehmen hat, während bei dem
Zuleitungsgraben gerade das Umgekehrte ſtattfindet, im Anfange breit, wird er gegen
ſein Ende in dem Maße, als er bereits ſein Waſſer abgegeben, immer mehr ver-
ſchmälert.
Bewäſſerungsſyſteme.
Das Waſſer kann einem zu bewäſſernden Grundſtücke entweder unterirdiſch oder
oberirdiſch oder auf beiden Wegen zugeführt werden.
[234]Anhang.
Die erſte Art (Syſtem St. Paul) wird am ſeltenſten ausgeführt, ſie beſteht darin, daß
man das Waſſer in offenen Gräben zuleitet. Die Bewäſſerung des Bodens erfolgt dabei
durch das allmählige Verſickern und Hineinziehen des Waſſers in die Grabenwände. Ab-
geſehen von der Raumverſchwendung, welche jederzeit mit der Anlage offener Gräben
verbunden iſt, kann auf dieſem Wege nur eine Anfeuchtung erzielt werden. Dieſe Art
der Bewäſſerung wird daher nur nebenbei bei Grundſtücken, welche durch offene Gräben
entwäſſert werden, durch Abſperren der Gräben zur Anwendung gebracht. Bei ſtärkerem
Gefälle der Gräben führt jedoch ein derartiges Abſperren nur zu theilweiſen Ver-
ſumpfungen des tiefer liegenden Terrains.
Eine regelrechte, gleichmäßige Verwäſſerung iſt dagegen bei oberflächlicher Zu-
führung des Waſſers viel ſicherer zu erreichen. Bei der oberflächlichen Zuführung
wird das Waſſer entweder über eine nahezu horizontale Fläche aufgeſtaut (Stau-
wieſe, Bewäſſerung durch Ueberſtauung) oder in einer dünnen Schichte über die
geneigte Wieſenfläche fließen gelaſſen (Rieſelwieſe) und zwar entweder nach einer
(Hangbau) oder nach zwei entgegengeſetzten (Rücken-, Beetbau) Richtungen.
Der Hang oder der Rücken kann entweder erſt künſtlich geſchaffen werden (Kunſt-
wieſenbau) oder er liegt ſchon vor und wird entſprechend benutzt (natürlicher
Bau, rationelles Wieſenbauſyſtem, auch wilde Bewäſſerung genannt).
Bei der Ueberrieſelung wird durch eine Anzahl Gräben, den Zuleitungsgräben,
den Vertheilungsgräben und ſchließlich den Rieſelrinnen ein beſtimmtes, verfügbares
Waſſerquantum möglichſt gleichmäßig auf die Oberfläche der Wieſe gebracht. Der
Ueberſchuß an Waſſer, welchen der Boden der bewäſſerten Fläche nicht mehr auf-
nimmt, wird durch oberflächlich gezogene Auffangegräben dem Abzugsgraben zu-
geführt. Die Entwäſſerung erſtreckt ſich daher nur auf die Abführung desjenigen
Waſſers, welches von dem Boden nicht mehr aufgenommen werden kann; dieſer
ſelbſt kann nur wieder durch Siſtirung der Bewäſſerung allmählig abtrocknen. Bei
fehlerhafter Durchführung der Bewäſſerung kann deshalb die Wieſe leicht zu
Schaden kommen.
Dieſem angeführten Uebelſtande wird durch die dritte Art der Bewäſſerung,
der Peterſen’ſchen Drainbewäſſerung, welche ſowohl ober- als unterirdiſch
das Waſſer zuführt, dadurch möglichſt abgeholfen, daß das überſchüſſige Rieſelwaſſer
nicht nur oberflächlich abgeführt wird, ſondern auch die ganze Erdſchichte der Wieſe
einer ausgiebigen Entwäſſerung durch eine Röhrendrainage, die nach Belieben in oder
außer Thätigkeit geſetzt werden kann, unterzogen wird. Durch die abwechſelnde Be-
wäſſerung und Entwäſſerung des Bodens erhält der Boden reichlich Gelegenheit, die
im Rieſelwaſſer gelöſten Mineralſubſtanzen zu abſorbiren. Außerdem kann bei der
Drainbewäſſerung durch Abſperren der Saugdrains ein nahezu gleichmäßiges Auf-
ſteigen des Waſſers auf der ganzen Länge des Drainſtranges und demnach eine
gleichmäßige, unterirdiſche Bewäſſerung erzielt werden. Durch wiederholtes Anſtauen
und Ablaſſen des Waſſers erreicht man eine energiſche Durchlüftung des Bodens,
welche für die Bereitung der Pflanzennahrung von größter Wichtigkeit iſt. Nebenbei
ergibt ſich bei der Drainbewäſſerung bei günſtigen Gefällsverhältniſſen die Möglichkeit,
[235]Die Wieſen.
das frei abfließende Drainwaſſer nochmals zur Bewäſſerung verwenden zu können. Dieſer
Nebenzweck gab die Veranlaſſung zu vielfachem Mißverſtändniß, da man ihn ſchließ-
lich als Hauptzweck anſah, und doch könnte dieſe Einrichtung ungefährdet des
ſonſtigen Principes auch gänzlich wegfallen, wenn man auf andere Weiſe die zeit-
liche Unterbrechung der Drainage durchführen könnte.
Von den verſchiedenen Bewäſſerungseinrichtungen verdienen nur die folgen-
den eingehende Beachtung: a) die Staubewäſſerung; b) der Hangbau; c) der
Rückenbau; d) das rationelle Wieſenbauſyſtem und e) die Peterſen’ſche Bewäſſerung.
a.Die Staubewäſſerung.
Die Staubewäſſerung iſt eine der einfachſten, meiſt auch billigſten, jedoch nur
unvollkommene Bewäſſerungsart. Dieſelbe beſteht darin, daß die zu überſtauende
Fläche mit Dämmen eingefaßt wird, innerhalb welcher ſich das durch einen Zu-
leitungsgraben zugeführte Waſſer aus einem nahezu horizontal liegenden Vertheil-
graben verbreiten kann. Je geringer das Gefälle, um ſo größer können die einzelnen
Staugebiete angelegt werden. Ueber 25 Hektar wird man nicht hinausgehen
können, weil bei größeren Waſſerflächen der Wind den Abſatz des Schlammes aus
dem Waſſer behindern würde Iſt das Gefälle über 1—1.5 Meter auf 100
Meter groß, ſo würden bei ausgedehnten Staugebieten die Dämme zu hoch gebaut
werden müſſen und außerdem das Waſſer an den tiefſten Stellen über 0.6—1 Meter
hoch zu ſtehen kommen. In dieſem Falle wird man die Staugebiete nur 6 Hektar
groß machen; darunter zu gehen wird inſofern nicht räthlich ſein, als zu viele
Dämme angelegt werden müſſen. Auf ſtark geneigten Flächen iſt daher die Ueber-
ſtauung nicht anwendbar. Um das Ablaſſen des Waſſers ſicher bewerkſtelligen zu
können, müſſen entſprechende Abzugsgräben, die in einen Hauptabzugsgraben aus-
münden, gezogen werden.
Bei der Einfachheit der Anlage ſind die Koſten derſelben, wenn nicht etwa
koſtſpielige Schleußenwerke zum Einlaßen des Waſſers erforderlich ſind, gering. Die-
ſelben betragen per Hektar 36—70—104 Mark (18—35—52 fl.). Die Unter-
haltungskoſten der Anlage ſind gleichfalls gering. Durch die Staubewäſſerung, be-
ſonders wenn ſchlammiges, erdiges Waſſer zur Verfügung ſteht, kann eine allmählige
Vermehrung der Krume herbeigeführt werden. Schädliche Thiere, wie Mäuſe,
Ameiſen, Engerlinge, Maulwürfe ꝛc. ſowie Unkräuter, welche nur auf trockenem
Boden wachſen, werden durch Ueberſtauung ſicherer als durch Ueberrieſelung vertilgt.
Dagegen iſt die Anlage auch unvollkommener, da nur im Frühjahre oder Herbſte
oder nach dem Schnitte bewäſſert werden kann. Der Boden muß tiefgründig und
von bindiger Beſchaffenheit ſein, damit die Durchfeuchtung für einen Schnitt aushält.
Iſt das Gras bereits hoch gewachſen, ſo kann nicht mehr überſtaut werden, da ſonſt
eine Verſandung und Verſchlämmung des Graſes eintreten würde. Bei Stauwieſen
verlieren ſich oft die beſſeren Gräſer, da dieſe das ſtauende und wegen des geringen
Gefälles nur langſam abfließende Waſſer nicht vertragen. Die Ueberſtauung verdient
daher nur dort ausgeführt zu werden, wo es an Capital zur Ausführung eines
[236]Anhang.
Kunſtbaues fehlt, wo ausreichende Waſſermaſſen nur im Frühjahre und Herbſte zur
Verfügung ſtehen und wo es ſich darum handelt, die Krume einer Wieſe auf billige
Weiſe zu vermehren.
b.Der Hangbau.
Der Hangbau eignet ſich vornehmlich für ſolche Wieſenflächen, die nach einer
Richtung hin geneigt ſind und mindeſtens ein Gefälle von 3—5 Meter auf 100
Meter aufzuweiſen haben. Iſt das Gefälle geringer, ſo tritt an Stelle des Hang-
baues der Rückenbau. Bei dem Hangbaue handelt es ſich darum, das Waſſer über
eine nach einer Richtung hin geneigte Fläche (Hang) gleichmäßig überrieſeln zu laſſen.
Zu dieſem Zwecke wird ein Syſtem von horizontal verlaufenden Wäſſerungsrinnen
angelegt, welche das Waſſer über die Wieſe auszugießen haben.
Dabei gilt der Grundſatz, daß die zu bewäſſernde Fläche in thunlichſt kleine
Abtheilungen zerlegt werde, indem eine Bewäſſerungsrinne nur kleine Flächen gleich-
mäßig mit Waſſer verſehen kann. In der Nähe der Bewäſſerungsrinnen wächſt ge-
wöhnlich das üppigſte Gras, je mehr ſolcher Rinnen vorhanden, um ſo üppiger wird
demnach der Graswuchs der ganzen Wieſe ausfallen.
Bei der Anlage des Hangbaues, Fig. 157, wird ein Hauptzuleitungsgraben
A, A angelegt, welcher das Waſſer aus einem Bache oder Fluße der Wieſe zuzu-
führen hat. Derſelbe muß erforderlichenfalls durch Aufdämmungen (ſiehe x, y Quer-
profil) ſo geführt werden, daß von ihm aus der höchſte Punkt der Wieſe mit Waſſer
verſehen werden kann. Ueber die weitere Anlage deſſelben ſiehe S. 233.
Plan eines Kunſtwieſenhangbaues. — A, A Hauptzuleitungsgraben; B, B Zu-
leitungs- oder Transportirgräben; C, C Vertheilungsgräben; D, D Wäſſerungsrinnen.
b, b Hauptabzugsgräben; c, c Ableitungsgräben; d, d Auffangrinnen; x y Querprofil.
Von dem Zuleitungsgraben B, B wird das Waſſer an die Vertheilungs-
gräben C, C abgegeben. Dieſelben haben das Waſſer den einzelnen Wieſen-
[237]Die Wieſen.
abtheilungen zuzuführen. Bei nicht zu ſtarkem Gefälle werden ſie von dem Haupt-
zuleitungsgraben aus in der Richtung des Hauptgefälles angelegt. Bei ſtarkem Gefälle
müſſen ſie dagegen ſchräg gegen das Hauptgefälle geführt werden. Ihre Breite und
Tiefe richtet ſich nach der zuzuführenden Waſſermenge; im Anfange erhalten ſie eine
Breite von 0.38—0.60 Meter und eine halb ſo große Tiefe. Gegen das Ende
ihres Laufes werden ſie, wie die Zuleitungsgräben, immer ſchmäler und ſeichter
gehalten, da ſie ihr Waſſer bereits abgegeben haben. Ihre Länge erreicht 30—38
und mehr Meter. Die Entfernung von einem Vertheilungsgraben zum andern iſt
nicht über 20—40 Meter zu bemeſſen. Das Einfließen des Waſſers aus dem
Zuleitungsgraben wird durch kleine Schleuſen oder durch Staubretter regulirt.
Von den Vertheilungsgräben fließt das Waſſer in die meiſt auf beiden Seiten
angelegten, eigentlichen Wäſſerungs-, Rieſel- oder Ueberſchlagsrinnen D, D. Dieſelben
erhalten zum Unterſchiede von den zuweilen ſteil abgeböſchten Vertheilungsgräben
ſenkrechte Wände und gar kein Gefälle, ſie heißen daher auch Horizontalgräben oder
richtiger Horizontalrinnen. Ihre Breite beträgt 15—30 Ctm., ihre Tiefe ſoll nie
unter 8—13 Ctm. herabgehen. Ihre Länge kann bei ebenen Wieſenflächen bis zu
25 Meter, bei unebenen Flächen bis zu 6 Meter erreichen. Nur bei dieſer An-
ordnung wird das Waſſer der ganzen Länge nach über den untern Rand der Wäſſe-
rungsrinne austreten und die Hangfläche regelmäßig überrieſeln. Beginnt das Waſſer
nicht mehr gleichmäßig, ſondern in einzelnen Bächlein über den Hang herabzufließen,
ſo iſt es geboten, unterhalb der erſten, auf ſtark abhängigen Flächen meiſt in einer
Entfernung von 10—13 Meter, auf ſanften Hängen bei 5—7 Meter, eine zweite
Wäſſerungsrinne von dem Vertheilgraben ausmünden zu laſſen und ſo fort, bis der
ganze Hang mit Wäſſerungsrinnen verſehen iſt.
Zur vollſtändigen Ableitung des bereits benutzten Waſſers werden am Fuße
eines jeden, oder bei wenig Waſſer, eines jeden zweiten oder dritten Hanges, kleine
Auffangrinnen (Ablaufrinnen) d, d mit ¼ Procent Gefälle ausgehoben. Dieſelben
laufen parallel mit den Horizontalrinnen und erhalten am Anfange 10—15 Ctm.,
gegen ihr Ende 21—24 Ctm. Breite und eine Tiefe von 10—15 Ctm. Die nächſte
Horizontalrinne wird von der oberhalb gelegenen Auffangrinne 0.5—1.0 Meter
entfernt gehalten.
Die Auffangrinnen führen das Waſſer in einen gemeinſchaftlichen Ableitungs-
graben c, c, der meiſt ſenkrecht auf die Auffangrinnen ſteht und parallel mit den
Vertheilungsgräben läuft. Aus den Ableitungsgräben gelangt das Waſſer in den
Hauptabzugsgraben d, d. Für die Anlage der Ableitungsgräben und des Haupt-
abzugsgrabens gelten die Grundſätze, welche für die Entwäſſerung durch offene Gräben
Band I. S. 71 angegeben wurden.
Bei größeren Wieſenflächen und wenig Waſſer wird das von den Abzugsgräben
aufgenommene Waſſer tieferliegenden, aufgedämmten Zuleitungsgräben zugeführt, um
neuerdings zur Bewäſſerung verwendet zu werden. Die Wirkſamkeit des Waſſers
wird jedoch bei einem derartigen Etagenbau um ſo mehr abgeſchwächt, je öfter das
Waſſer zur Berieſelung verwendet wurde; weshalb dafür Sorge getragen werden
[238]Anhang.
muß, daß auf jeder Tafel oder Etage friſches, noch unbenutztes Waſſer zugeführt
werden kann.
c.Der Rückenbau.
Auf Wieſen mit ſehr geringem Gefälle (6.8—20 Ctm. auf 10 Meter) läßt ſich
die Bewäſſerung, wenn man von der Ueberſtauung abſieht, nur durch den Rückenbau
Fig. 158, ausführen. Zu dieſem Zwecke werden künſtlich durch Abgraben und
Plan eines Kunſtwieſen-Rückenbaues. — A, A Hauptzuleitungsgraben; C, C Ver-
theilungsgräben; D, D Wäſſerungsrinnen, d, d Entwäſſerungsrinnen; c, c Ableitungs-
gräben; a, a Hauptabzugsgraben; x y Querprofil; m n Längenprofil am Kopfende der
Rücken; o p Längenprofil am Ende der Rücken; H Heuabfuhrweg.
Aufdämmen beiderſeits geneigte Flächen, Rücken geſchaffen. Für die Anlage des
Zuleitungsgrabens A, A und der Vertheilungsgräben C, C gelten dieſelben Grund-
ſätze, wie ſie für den Hangbau angeführt wurden. Die Vertheilungsgräben müſſen
im Bereiche jeder Abtheilung von Rücken möglichſt horizontal oder mit einem Gefälle
von 1 Ctm. auf 10 Meter angelegt werden, damit bei der Anſtauung das Waſſer mög-
lichſt gleichförmig jedem Rücken zukomme. Meiſt ſenkrecht auf den Vertheilungs-
graben münden die auf dem Kamme der Rücken angelegten Wäſſerungs- oder Ueber-
ſchlagsrinnen D, D. Die Breite der Wäſſerungsrinnen richtet ſich nach der
Länge der Rücken, gewöhnlich gibt man denſelben am Anfange 18—30 Ctm., gegen
das Ende 12—20 Ctm. Das ablaufende Waſſer wird in Ablauf- oder Ent-
wäſſerungsrinnen d, d geſammelt, welche in der Vertiefung zwiſchen zwei Rücken in
den Boden anfänglich in einer Breite von 15—18 Ctm., gegen das Ende von
20—30 Ctm. mit möglichſtem Gefälle eingeſchnitten werden und das Waſſer den
Ableitungsgräben c, c zuführen. Von Letzteren gelangt dann das ſchon benutzte
[239]Die Wieſen.
Waſſer entweder in den Hauptabzugsgraben a, a oder es wird neuerdings zur Be-
wäſſerung benutzt und dann einem Zuleitungsgraben übergeben.
Von Bedeutung für den Beet- oder Rückenbau iſt die Breite, Länge und Höhe
der Rücken. In erſterer Hinſicht unterſcheidet man ſchmalen und breiten, in letz-
terer hohen und flachen Rückenbau. Schmale Beete laſſen ſich leichter und billiger
herſtellen als breite. Sind die Seitenflächen zu lang, ſo ſammelt ſich das Waſſer in
kleinen Bächen und bleiben die Wieſenpartieen zwiſchen den Bächleins unbewäſſert.
Die Seitenfläche des Rückens oder der halbe Rücken (Rückenwand) ſoll bei ſchmalem
Bau 3.75—5 Meter, ſomit der ganze Rücken 7.5—10 Meter Breite erhalten.
(Siehe Fig. 158 die beiden Längenprofile). Fehlt es an hinreichendem Waſſer, ſo
ſind dagegen wegen des geringeren Bedarfes die breiten Rücken mit einer geſammten
Beetbreite bis zu 20 Meter vorzuziehen. In dieſem Falle werden zwiſchen Be- und
Entwäſſerungsrinnen auf halber Beetfläche parallel mit dieſen verlaufende Ueber-
ſchlagsrinnen eingeſchnitten, welche durch eigene kurze Zuleiter aus den Bewäſſerungs-
rinnen Waſſer erhalten. Bei dieſer Einrichtung iſt es dann möglich, daß bei breiten
Rücken auch der untere Theil mit friſchem Waſſer verſehen werden kann.
Von der Höhe der Rücken hängt das Gefälle der beiden Seitenflächen ab.
Zu hohe Rücken ſind ſchon wegen des vermehrten Erdtransportes nicht zu empfehlen,
außerdem kann man bei ſeichtem Boden in der Beetfurche leicht auf den Untergrund
kommen. Die Aberntung iſt bei hohen Rücken mit größeren Schwierigkeiten ver-
bunden. Hohe Rücken mit einem Gefälle bis zu 8.3 Ctm. per 1 Meter Rücken-
ſeite eignen ſich daher nur für ſehr naſſe, ſumpfige Wieſen. Gewöhnlich gibt man
den Rückenſeiten am Anfange 2—3.5 Ctm. und am Ende 2.4—3.6 Ctm. per
1 Meter Gefälle. Gegen das Ende des Rückens muß das Gefälle größer genommen
werden, da der Abzugsgraben zwiſchen den Beeten ſich allmählig tiefer ſenkt. Das
Ende des Beetrückens wird mit einem gleich den Rückenſeiten abgedachten Kopfe
verſehen, oberhalb welchem die Bewäſſerungsrinne ihr Ende erreicht.
Die Länge der Rücken richtet ſich nach der Neigung der Wieſenfläche, bei ſtarker
Neigung, 1.3 — 2 Ctm. per Meter, dürfen die Beete nur 20—25 Meter lang
gemacht werden, wenn eine gleichmäßige Vertheilung des Waſſers aus der Wäſſerungs-
rinne ſtattfinden ſoll. Bei ebener Lage gibt man den Rücken eine Länge von 25
bis 30 Meter, unter beſonderen Verhältniſſen ſelbſt von 45—50 Meter.
Unterhalb jeder Abtheilung von Rücken wird eine ſanft geneigte Fläche von
4—5 Meter Breite als Heuabfuhrweg, Fig. 158 H, hergeſtellt. Derſelbe kann als
Hang auch zur Bewäſſerung eingerichtet werden. —
Der Anlage einer Kunſtwieſe als Hang- oder Rückenbau muß die genaue Auf-
nahme des Gefälles durch ein Nivellement vorausgehen. Auf Grund des Nivellements
werden an den höchſten Punkten der Wieſenfläche der Zuleitungsgraben, an den
tiefſten der Ableitungsgraben ausgehoben. Die weitere Anordnung der Hänge und
Rücken wird nach dem projectirten Plane durch Pflöcke ausgeſteckt. Bei der An-
ordnung der Rücken und Hänge ſoll möglichſt darauf Bedacht genommen werden,
daß alle unnütze Erdarbeit vermieden werde und die gute Raſennarbe möglichſt
[240]Anhang.
erhalten bleibe. Zu dieſem Ende wird der Raſen mit dem Wieſenbeile in parallele
Streifen zerſchnitten, in möglichſt gleicher Dicke mit einer Schälſchippe oder Stech-
ſchippe abgeſchält und zuſammengerollt. Nach der Entfernung des Raſens wird der
Boden aufgehackt und durch Ab- und Auftragen entſprechend den Pfählen die erfor-
derliche Oberfläche, Hang oder Rücken geſchaffen. Nach dem Planiren werden die
Raſenſtücke wieder aufgelegt und mit der Raſenklatſche an den Boden angedrückt.
Wenn der Raſen etwas angewachſen, hebt man die Vertheilungsgräben und die
Wäſſerungsrinnen nach der Schnur aus. Bei Letzteren hat man darauf zu ſehen,
daß die Wände ſenkrecht ausgehoben werden und die beiden Ufer bei dem Rückenbaue
gleich hoch ſtehen, damit das Waſſer über beide Seitenflächen gleichmäßig herabfließe.
Die Vertheilungsgräben müſſen geſtampft werden, um ein Setzen derſelben zu ver-
hindern. Mit der Bewäſſerung beginnt man, wenn der Raſen vollkommen ange-
wachſen, bei beſäetem Boden vorſichtig gleich nach der Anlage.
Die Koſten der Herſtellung einer Kunſtwieſe ſind bei dem erforderlichen, großen
Arbeitsaufwande bedeutend. Der Aufwand für einen Hangbau ſtellt ſich je nach den
zu bewältigenden Schwierigkeiten und der Höhe des Arbeitslohnes auf 400—700
Mark, (250—350 fl.) für einen Rückenbau auf 700—1000 Mark (350—500 fl.)
per Hektar.
d.Der natürliche Wieſenbau.
Der größte Theil der Koſten bei dem Kunſtwieſenbaue entfällt auf die Plani-
rung, auf die Erdbewegung überhaupt. Dieſelben können weſentlich verringert
werden, wenn auf die Regelmäßigkeit der Wäſſerungs-Hänge und Rücken verzichtet
und die Bewäſſerung nach Thunlichkeit der natürlichen Beſchaffenheit der Boden-
oberfläche angepaßt wird. Entſprechend dem Gefälle werden die einzelnen Gräben
und Rinnen nicht parallel zu einander und nicht geradlinig, ſondern in geſchwungenen
Linien geführt. Für dieſe Art der Bewäſſerung, welche als wilde Ueberrieſelung,
Schlangenbewäſſerung, natürlicher Hang- oder Rückenbau, rationelles Wieſenbewäſſe-
rungsſyſtem bezeichnet wird, haben dieſelben Grundſätze bei der Führung und Anlage
der Be- und Entwäſſerungsgräben und Rinnen zu gelten, als wie ſie oben bei dem
Kunſtbaue erörtert wurden. Je nach den Terrainverhältniſſen können auch ver-
ſchiedene Bewäſſerungsarten wie Hangbau, Rückenbau, Ueberſtauung neben einander
angelegt werden. Am planmäßigſten wird dieſe Art von zuſammengeſetztem Bau
von Vincent bei ſeinem Bewäſſerungsſyſteme zur Ausführung gebracht.
Am wenigſten eignen ſich für den natürlichen Wieſenbau die Rücken, nachdem
ſelten von Natur aus ein derart welliges Terrain, welches ohne viel Mühe
zu einem Rückenbaue verwendet werden kann, vorhanden iſt. Am eheſten läßt ſich
noch der ſog. „angedeutete Rückenbau“ ausführen. Bei demſelben werden 8 Meter
breite Beete in der Weiſe hergeſtellt, daß man an beiden Seiten Entwäſſerungs-
gräben zieht. Die von den Gräben gewonnenen Raſenſtücke legt man mit einem
Zwiſchenraume, welcher als Bewäſſerungsrinne dient, in die Mitte des Beetes. Den
[241]Die Wieſen.
Grabenauswurf verwendet man dann zur Ausfüllung und Abdachung zwiſchen den
Raſenſtücken und den Entwäſſerungsgräben.
e.Die Peterſen’ſche Drainbewäſſerung.
Bei der Drainbewäſſerung handelt es ſich ſowohl um die Herſtellung einer
vollſtändigen Röhrendrainage, als auch einer Hangbewäſſerung, welche beide durch
Vorrichtungen, den Schließapparaten oder Tageröhren, mit einander in Verbindung ge-
bracht werden. Vorerſt müſſen durch ſorgfältiges Nivellement die Horizontallinien des
Grundſtückes ermittelt werden. Die Saugdrains werden nicht, wie bei der gewöhnlichen
Röhrendrainage, in das größte Gefälle, ſondern in der Richtung der Horizontalen
gelegt und ihnen nur ſoviel Neigung (1:1000) gegeben, daß das Waſſer überhaupt
abfließen kann. In das Hauptgefälle der Wieſen kommen die Sammeldrains.
Die Tiefe, in welcher die Drains zu legen ſind, richtet ſich nach der Boden-
beſchaffenheit; ſeichter als 1 Meter ſoll man nicht gehen, meiſtens legt man ſie in
1.3—1.6 Meter Tiefe. Die Entfernung der Saugdrains von einander iſt um
ſo weiter zu beſtimmen, je durchlaſſender der Boden und je geringer das Haupt-
gefälle iſt. In jedem Falle iſt ſie geringer zu nehmen, als unter gleichen Um-
ſtänden bei der Röhrendrainage, nachdem die Bewäſſerungsrinnen mit denſelben
correſpondiren. Gewöhnlich nimmt man die Entfernung auf 10 bis höchſtens 15
Meter. Die Länge der Saugdrains richtet ſich nach der Entfernung der Sammel-
drains; wegen der Schließſtellen iſt ſie nicht zu kurz, gewöhnlich mit 140 Meter
zu bemeſſen.
Um die Drainage nach Belieben in oder außer Thätigkeit ſetzen zu können,
werden an den Einmündungen der Saugdrains in die Sammeldrains Schließ- oder
Stauapparate angebracht. Dieſelben beſtehen aus viereckigen aus Erlen-, Eichen-
oder Lärchenholz hergeſtellten Käſten. In dem unteren Theile, im ſogenannten Ventil-
kaſten, befindet ſich die Vorrichtung zum Schließen der Sammeldrains. An den
Ventilkaſten, Fig. 159, A ſchließt ſich die Tageröhre B an, welche bis an die Ober-
fläche der Wieſe geführt iſt. Dieſelbe iſt nur auf dem Ventilkaſten aufgeſteckt, damit
der Froſt den letzteren nicht aus ſeiner Lage verrücken kann. In den Ventilkaſten
mündet der Sammeldrain E und möglichſt rechtwinklig auf die Richtung des Sammel-
drains, die beiden Saugdrains F. Der Abfluß durch den Sammeldrain E′ wird
nach Bedarf durch das Ventil C unterbrochen oder hergeſtellt. Das Ventil, aus
feuerfeſtem Thone, ſitzt mit ſeinem abgeſchliffenen Rande waſſerdicht auf der Oeffnung
des thönernen Anſatzſtückes J, das eine leichtere Verbindung der Drainröhre mit den
Holzwänden vermittelt. Durch die dreiſtrahlige Führung C wird ein Ausweichen
des Ventiles verhindert. Das Oeffnen oder Schließen der Klappe erfolgt durch den
Hebel D aus Zinkblech, welcher mit der Zugſtange K aus verzinntem Eiſendraht
in Verbindung ſteht. In der Tageröhre, die mit einem durch Schlinge und
Schraube M befeſtigten Deckel verſchloſſen iſt, befindet ſich bei H eine Anzahl von
Schlitzen, welche die Communication mit der Rieſelrinne N herſtellen. Unreinigkeiten,
welche durch die Schlitzen oder ſonſtwie in den Schließapparat gelangen, werden
Krafft, Lehrb. d. Landw. II. 16
[242]Anhang.
durch das Gitter G abgehalten. In neuerer Zeit wurde dieſer Schließapparat von
Peterſen weſentlich vereinfacht und dadurch billiger hergeſtellt. Bei dieſem vereinfachten
Schließapparate, Fig. 160, beſteht der Ventilkaſten, dem die hölzerne Tagröhre B aufgeſetzt
iſt, ganz aus Thon. Das Ventil C bewegt ſich vertical, wie die Figur zeigt, viel
ſicherer als bei den älteren Einrichtungen, in dem Thonſtücke D, welches in den
Sammeldrains E′ eingekittet iſt. Auf das Thonſtück D iſt unmittelbar eine Drain-
Schließapparat zur Peterſen’ſchen Drainbewäſſerung, alte Form. — S. den Text. Preis
in der B. von Raumer’ſchen Thonwaarenfabrik in Cunnersdorf bei Hirſchberg in Schleſien: 10 Ctm.
breites Ventil 1 Mark, Aufſatzrohr 0.6 Mark; 16 Ctm. weites Ventil 2 Mark; 53 Ctm. langes, 21
Ctm. weites Aufſatzrohr 3 Mark.
röhre A aufgeſteckt, deren Stoßfugen mit Cement verſtrichen ſind. In dieſe Drain-
röhre ergießen ſich ſowohl der Sammel- E, als auch die beiden Saugdrains F,
deren Stoßfugen ebenfalls, bis auf 2.5 Meter vom Ventile entfernt, in hydrauliſchen
Kalk gelegt ſind.
[243]Die Wieſen.
Dieſes Ventil beſitzt jedoch den Nachtheil, daß bei deſſen Anwendung ein
Gefällsverluſt unvermeidlich iſt. In neuerer Zeit conſtruirte daher C. v. Raumer 1)
ein Ventil (Preis bei 10 Ctm. Weite 4½ Mark), bei welchem jeder Gefälls-
verluſt vermieden wird.
Die oberflächliche Bewäſſerung der Wieſe erfolgt durch die Bewäſſerungsrinnen,
welche oberhalb der Saugdrains in den Horizontalen angelegt werden und von den
Schließſtellen ausgehen. Ihr Waſſer erhalten ſie von Vertheilgräben, welche ſich
oberhalb der Sammeldrains befinden.
Soll nun die Bewäſſerung in Gang geſetzt werden, ſo läßt man zunächſt das
Waſſer durch die Rieſelrinnen an der Oberfläche des Hanges herablaufen. Das in
den Boden eingedrungene Waſſer wird von den Saugdrains aufgenommen und den
Schließapparat zur Peterſen’ſchen Drainbewäſſerung, neuere Form. —
S. den Text. Preis in Auguſt Niemann’s Thonwaarenfabrik in Flensburg: 9½
Ctm. weites Ventil 1.20 Mark, Aufſatz dazu 0.85 Mark; 19 Ctm. weites Ventil
4.80 Mark, Aufſatz dazu 2.70 Mark.
Sammeldrains zugeführt. Iſt daſelbſt durch das Herablaſſen des Ventiles in den
Schließvorrichtungen der weitere Abfluß gehemmt, ſo ſtaut ſich das Waſſer in den
Saugdrains und tritt durch die Stoßfugen der Röhren, wegen der horizontalen Lage der-
ſelben, in der ganzen Länge des Stranges hervor. Auf dieſe Weiſe findet eine
gleichmäßige, unterirdiſche Durchfeuchtung des Bodens ſtatt. Iſt hinreichender,
hydroſtatiſcher Druck vorhanden, ſo ſteigt ſelbſt das Waſſer in den Tagröhren empor
16*
[244]Anhang.
und tritt durch die Schlitzen in die Wäſſerungsrinnen, um von dort aus über einen
neuen Hang zu rieſeln.
Wird das Ventil gelüftet und dem Waſſer der Abfluß aus den Saug- in die
Sammeldrains geſtattet, ſo entleert ſich das Waſſer aus dem Boden. Wird nun
weiter unten in der nächſten Schließſtelle wieder eine Abſperrung vorgenommen, ſo
ſteigt das Waſſer in einer neuen Abtheilung unterirdiſch empor. Durch ein der-
artiges wiederholtes Anſtauen und Ablaſſen, verbunden mit einer oberirdiſchen Ueber-
rieſelung, wird nicht nur eine ausgiebige Bewäſſerung, ſondern auch eine Durchlüftung
des Bodens erzielt, indem bei jedesmaliger Entwäſſerung an Stelle des abziehenden
Waſſers Luft tritt. Durch dieſen ſteten Wechſel von Luft und Waſſer wird im Boden
die regſte Verwitterung hervorgerufen, abgeſehen davon, daß durch die Drain-
bewäſſerung jeder beliebige Feuchtigkeitszuſtand in demſelben erhalten werden kann.
Die Drainbewäſſerung eignet ſich für alle jene Wieſenflächen, welche einer
Drainirung bedürftig wären. Für durchlaſſenden Sandboden und lehmigen Sand-
boden iſt die Drainbewäſſerung um ſo weniger am Platze, je durchläſſiger der Unter-
grund iſt. Die Koſten der Ausführung ſind bedeutender als die einer gewöhnlichen
Röhrendrainage. Dieſelben belaufen ſich auf 500—700 Mark (250—350 fl.)
per Hektar.
4. Die Düngung.
Wieſen, welche durch Ueberſchwemmungen oder durch unterirdiſch zufließendes
Waſſer mit Mineralſalzen verſehen werden, bedürfen zur Erhaltung der Nachhaltig-
keit des Ertrages keiner Düngung. Derartig günſtig gelegene Wieſen ſind als
höchſt werthvolle Stützen einer Wirthſchaft anzuſehen. Wieſen, welche jedoch nur
auf die Nachſchaffung der Bodennährſtoffe durch die Verwitterung und durch die
atmoſphäriſchen Niederſchläge angewieſen ſind, werden in dem Maße ärmer an
Bodennährſtoffen als Heuernten gewonnen werden, wenn nicht durch Düngung für
einen Erſatz geſorgt wird. Die Erſchöpfung wird ſich jedoch nicht ſo bald als wie bei
dem Ackerlande durch Sinken der Erträge bemerkbar machen, da die verſchiedenen
Pflanzen, welche eine Grasnarbe zuſammenſetzen, verſchiedene Anſprüche an die
Bodennährſtoffe ſtellen. Am leichteſten durchführbar iſt eine Düngung der Wieſen
mit Stallmiſt im Gebirge, nachdem der Bedarf für das Ackerland bei der geringen
Ausdehnung deſſelben bald gedeckt iſt. Bei vorwiegendem Ackerlande wird jedoch
ſelten eine Düngung mit Stallmiſt auszuführen ſein, nachdem hier der Stalldünger
oft für das Feld nicht in hinreichender Menge zu beſchaffen iſt. In ſolchen Fällen
muß man zu den verſchiedenſten, künſtlichen Wieſendüngern greifen. Die Frage,
ob es für den Landwirth vortheilhafter iſt, die ganze Maſſe des in der Wirthſchaft
producirten Stallmiſtes dem Acker zuzuführen oder auch einen beträchtlichen Theil
deſſelben den Wieſen zukommen zu laſſen, beantwortet E. Wolff 1) in folgender
Weiſe: „Im Allgemeinen kann man als Regel hinſtellen, daß der Stallmiſt auf
[245]Die Wieſen.
dem Ackerlande ſich beſſer bezahlt macht, als auf den Wieſen, und es ſollten die
letzteren eigentlich nur dann mit Stallmiſt gedüngt werden, wenn der Acker unter
dem Einfluſſe dieſes Düngers bereits den relativ höchſten Grad der Ertragsfähigkeit
erreicht hat und um in dieſem Zuſtande zu verbleiben, wenigſtens keiner ſehr ſtarken
oder häufig wiederkehrenden Düngung mit Stallmiſt bedarf. Ein abſoluter Ueberfluß
an Stallmiſt wird, freilich bezüglich der Düngung des Ackerlandes, ſelten vorkommen;
wohl aber kann ein relativer Ueberfluß vorhanden ſein. Wenn nämlich in den ober-
ſten Schichten des Ackerbodens, vielleicht in Folge langer und ausſchließlicher Stallmiſt-
wirthſchaft, eine ſehr reichliche Menge von wirkſamem Kali und ſtickſtoffreichem, raſch
verweſendem Humus ſich angeſammelt hat und daher große Neigung vorhanden iſt,
Lagerfrucht zu bilden, dann iſt zu überlegen und durch Verſuche zu prüfen, ob nicht
jener Zuſtand im Ackerboden durch Düngung mit Phosphaten und theilweiſe Ent-
ziehung von Stallmiſt verbeſſert und auf dieſe Weiſe alſo eine gewiſſe Menge des
letzteren für die Wieſen verfügbar werden kann. Der Stallmiſt wirkt auf den Acker
nicht allein direct durch ſeine pflanzenernährenden Beſtandtheile, ſondern auch indirect
durch ſeine Eigenſchaft, den Boden zu erwärmen und namentlich in einem aufgelocker-
ten, milden, für den befruchtenden Einfluß der atmoſphäriſchen Luft leichter zugäng-
lichen Zuſtande zu erhalten. Auf den Wieſen kann dieſe indirecte Wirkung des
Düngers nicht oder in einem nur geringen Grade ſich äußern, weil faſt aus-
ſchließlich eine Ueberdüngung ſtattfindet, eine mechaniſche Miſchung mit den Beſtand-
theilen des Bodens dagegen nicht möglich iſt. Bei der Düngung der Wieſen muß
man daher die betreffenden Nährſtoffe in einem ſolchen Zuſtande in Anwendung
bringen, daß ſie fein zertheilt oder in Waſſer löslich raſch in die oberſten Schichten
des Wieſenbodens eindringen. Es geſchieht dieſes bei der künſtlichen Bewäſſerung
oder natürlichen Ueberſchwemmung der Wieſenflächen, ſowie bei der Düngung mit
gutem Compoſtdünger.“
Am günſtigſten wirkt der Stalldünger auf friſch gelegenen Wieſen. Auf trocke-
nen und naſſen Wieſen und bei trockenem Frühjahre iſt dagegen ſeine Wirkung am
geringſten. Die beſte Zeit zur Düngung mit Stallmiſt, welcher als Kopfdünger auf
die Wieſe aufgefahren wird, iſt der Herbſt in der Zeit zwiſchen der letzten Mahd
und dem Eintritte des Froſtes. Im nächſten Frühjahre werden die noch vorhandenen
Miſtklumpen mit der Schleife oder der Dornegge verkleinert und ſchließlich das übrig-
bleibende, unzerſetzte Stroh mit der Egge geſammelt und auf den Compoſthaufen
gegeben. Der Stallmiſt darf nicht in zu großen Quantitäten, gewöhnlich 10 Tonnen
per Hektar, angewendet werden, da ſonſt die Entwickelung der Blattpflanzen zu
ſehr auf Koſten der Gräſer begünſtigt wird. Durch eine zweimalige, ſchwache Düngung
wird der Stallmiſt höher ausgenutzt, als wenn daſſelbe Quantum auf einmal auf-
gefahren wird. Alle zwei, drei Jahre iſt nach der Beſchaffenheit der Wieſe und des
Stallmiſtes die Düngung zu wiederholen.
Das Pferchen der Wieſen iſt nur dann von Nutzen, wenn die Schafe anderwärts
ſich ſatt gefreſſen, da nur dann eine Bereicherung von Bodennährſtoffen eintreten
[246]Anhang.
kann. Jauche, im verdünnten Zuſtande auf die Wieſen gefahren, gewährt gleichfalls
einen vorzüglichen Wieſendünger.
Der vorzüglichſte Wieſendünger iſt jedoch guter, feinvertheilter Compoſt, welcher
als Streudünger verwendet wird. Am zweckmäßigſten wird derſelbe im Winter auf-
gefahren und in Häufchen abgezogen; im nächſten Frühjahre wird er, ſobald der
Schnee aufgethaut, gleichmäßig ausgebreitet und durch ſcharfes Eggen etwas in den
Boden gebracht.
Von ſehr gutem Erfolge iſt das Ueberfahren der Wieſen mit Erde, Mergel,
Schlamm aus den Schlammfängen ꝛc. Durch daſſelbe werden namentlich moorige
und torfige Wieſen weſentlich verbeſſert, indem ihnen dadurch die fehlenden Mineral-
ſubſtanzen zugeführt werden. Auf mooſigen Wieſen wird durch Aufführen von Erde
das Moos unterdrückt und dadurch Raum für Gräſer, welche durch künſtliche Be-
ſamung gezogen werden können, geſchaffen.
Guano, Knochenmehl, Kaliſalze, Holzaſche, verdorbene Malzkeime und Oelkuchen,
Gyps, Kalk geben gleichfalls vortreffliche Wieſendünger. Dieſelben werden am zweck-
mäßigſten im Herbſte aufgebracht, damit ſich dieſelben bis zum Frühjahre vollſtändig
löſen und zur Wirkung kommen können. Ueber die Art und Stärke der Anwendung
dieſer Düngemittel verweiſen wir auf die betreffenden Capitel in Band I.
5. Die Verjüngung.
Aeltere Wieſen, deren Grasnarbe ſich durch die Länge der Zeit verſchlechtert
hat, werden durch Verjüngung wieder in den Stand geſetzt; durch dieſelbe wird
die Bildung einer neuen Grasnarbe bezweckt. Die Vorkehrungen bei der Verjüngung
alter Wieſen ſind daher dieſelben als wie bei der Anlage neuer Wieſen, nur mit dem
Unterſchiede, daß im erſteren Falle die alte, ungeeignete Narbe vorher entfernt
werden muß.
Die Entfernung des Raſens wird am gewöhnlichſten durch den Umbruch der
Wieſe mit einem flachwendenden Pfluge vorgenommen. Dabei handelt es ſich um
ein möglichſt vollſtändiges Wenden des Raſens, um das Verfaulen der Grasnarbe
zu beſchleunigen. Bei ſchwer zerſetzbarer Narbe empfiehlt es ſich, dieſelbe mit dem
Pfluge oder der Plaggenhaue zu ſchälen und auf dem Neulande ſelbſt mit Kalk,
Stallmiſt ꝛc. in einen Compoſt zu verwandeln, während der entblößte Boden einen
Sommer hindurch gebracht wird.
Der Aufbruch des Raſens erfolgt am beſten im Nachſommer oder im Herbſte
vor dem Eintritte der Fröſte. Soll ſchon im nächſten Jahre wieder eine Wieſe ge-
ſchaffen werden, ſo läßt man das umgebrochene Land im nächſten Frühjahre mit dem
Meſſerpfluge oder der Meſſeregge kräftig bearbeiten, um die noch unzerſetzte Gras-
narbe zu verkleinern und mit dem Boden zu vermiſchen. Auf dem mit der Egge
klar gemachten Boden erfolgt gleich die Neuanlage durch Ausſaat von Gras-
ſämereien.
Wirkſamer wird die Verjüngung ausfallen, wenn man die Wieſe nach dem Um-
bruche einige Jahre als Ackerland benützt, bevor man zur Neuanlage ſchreitet. Im
[247]Die Wieſen.
erſten Frühjahre wird in dem Neuriſſe Hafer, Flachs, Buchweizen angebaut. Im
zweiten Jahre eine gedüngte Hackfrucht, Mais, Kartoffeln u. dgl. gebaut, um eine
möglichſte Durcharbeitung des Bodens zu erzielen. Im dritten Frühjahre erfolgt
dann die Neuanlage.
Die Bildung einer neuen Grasnarbe kann entweder durch Wiederauflegen einer
gut zuſammengeſetzten Grasnarbe oder durch Impfen, oder endlich bei mangelndem
Raſen durch Anſaat erfolgen. Auf erſtere Art wird jedenfalls am ſchnellſten die
neue Beraſung erzielt; im letzteren Falle iſt es dagegen am eheſten möglich, eine be-
ſtimmte für die betreffende Oertlichkeit paſſende Zuſammenſetzung der Grasnarbe
zu erreichen.
Am ſicherſten wird die Wieſenanlage durch Auflegen von Raſen gelingen. Zu
dieſem Zwecke wird die frühere Narbe oder die Narbe von einer andern zum Um-
bruche beſtimmten Wieſe durch den Meſſerpflug in Streifen geſchnitten, mit dem ge-
wöhnlichen Pfluge abgeſchält und eingerollt. Dieſelbe wird dann auf den gedüngten
und gut durchgearbeiteten Boden aufgelegt und feſtgeſtampft, um das Anwurzeln zu
befördern. Auf Sandboden, welcher zur Bewäſſerung einzurichten iſt, empfiehlt es ſich
im Nothfalle ſelbſt Raſen von ungeeigneter Zuſammenſetzung zu verwenden, um dem
Boden mehr Bindung zu verſchaffen. Unerläßlich iſt es, Dämme und Böſchungen,
ſowie die Ränder der Bewäſſerungsrinnen mit Raſen zu bekleiden, um ihre Form
erhalten zu können.
Fehlt es an einer ausreichenden Menge von Grasnarben, ſo kann man ſich
durch das ſogenannte Oculiren oder Impfen der Wieſen behelfen. Dieſes Verfahren
gelingt am beſten, wenn man ſtreifen- (Fig. 161) oder plätzeweiſe (Fig. 162) in
Streifenweiſes Wieſenimpfen.
Plätzeweiſes Wieſenimpfen.
Entfernungen von 0.5 Meter Raſenſtücke auslegt, die Zwiſchenräume mit Erde aus-
füllt und mit Grasſamen beſäet. Unterläßt man das Ausfüllen mit Erde, ſo wird
ſich zwar auch der Raſen durch Wurzelausläufer ergänzen, die Ebenheit der Wieſen-
oberfläche jedoch beeinträchtigt werden. Billiger läßt ſich das Raſeneinimpfen in der
Weiſe ausführen, daß man den Raſen in kleine Stücke zerhackt, dieſelben gleichmäßig
über die Fläche ausſtreut und nach oder vor der Beſamung mit einer Walze an
den Boden drückt.
Fehlt es an ausreichender Raſennarbe, ſo bleibt nichts Anderes als die Neu-
anlage der Wieſe durch Anſaat übrig. In ſehr graswüchſigen Gegenden findet ſich
oft ein natürlicher Graswuchs ohne vorangegangene Ausſaat durch die in dem
Boden befindlichen Wurzelſtöcke und Samen ein. Auch in dieſem Falle wird die
[248]Anhang.
Qualität der neu zu ſchaffenden Grasnarbe durch Anſaat weſentlich verbeſſert,
wenn man nur die für die betreffende Lage geeignetſten, vorzüglichen Gräſer und
Kleearten zur Ausſaat bringt. Den nöthigen Samen erhält man am ſicherſten durch
Sammeln deſſelben auf Wieſen, Rainen ꝛc. und ſeine Vermehrung in eigenen Gras-
ſamenſchulen. Bei geringerem Bedarfe reichen auch die ſogenannten Heublumen,
der von den Heufeimenplätzen zuſammengekehrte Samenausfall, aus. Durch die
Ausſaat der Heublumen kann jedoch leicht, wenn man nicht genau die Beſchaffenheit
der Wieſe, von welcher das Heu herrührt, kennt, eine arge Verunkrautung herbei-
geführt werden. Bei dem Bezuge des Samens von Samenhandlungen ſetzt man
ſich der Gefahr aus, keimunfähigen Samen und Samen nicht gewünſchter Grasarten
zu erhalten, wenn man ſie nicht vorher durch eine Samencontrollanſtalt prüfen läßt.
Für die erforderliche Menge an Gras- und Kleeſamen gelten dieſelben Grundſätze,
welche bei der Anlage von Kleegrasſaaten zu beobachten ſind.
Vor der Anſaat der Samen muß der Boden durch Düngung und Bearbeitung
auf das Sorgfältigſte vorbereitet werden. Die Grasſamen werden ſowohl allein,
als auch mit einer Ueberfrucht angebaut. Erſteres empfiehlt ſich beſonders in
trockenen Gegenden, wenn die Saat im Herbſte vorgenommen wird, letzteres unter
entgegengeſetzten Verhältniſſen. Zu welcher Zeit der Same, im Juli oder Auguſt,
im Herbſte, im Frühjahre unter Winter- oder Sommergetreide ausgeſtreut werden
ſoll, richtet ſich nach der klimatiſchen Beſchaffenheit und dem Bodenzuſtande. Im
Allgemeinen kann bemerkt werden, daß auf rothkleefähigem Boden bei rauhen Wintern
die Frühjahrsſaat, auf luzernefähigem Boden die Herbſtſaat, ohne Ueberfrucht und
möglichſt dicht ausgeführt, angezeigt iſt. Der ausgeſäete Same bleibt entweder unbedeckt
liegen oder er wird mit der Dornegge oder der Walze an den Boden leicht angedrückt.
Um die Narbe der durch Beſamung hergeſtellten, jungen Wieſe dicht zu
machen, empfiehlt ſich auf Wäſſerungswieſen ein ſchwaches aber fleißiges Be-
wäſſern. Im erſten Nutzungsjahre mäht man ſobald als möglich, um die Be-
ſtockung zu befördern. Nach dem erſten Schnitte beweidet man die Wieſe vorſichtig
mit Schafen oder, wo dieß nicht thunlich, überfährt man dieſelbe mit glatten,
ſchweren Walzen.
6. Die Pflege.
Die Pflege der Wieſen hat entweder Hinderniſſe, welche das Wachsthum der
Wieſenpflanzen beeinträchtigen, zu entfernen oder Vorkehrungen zu treffen, durch welche
daſſelbe befördert wird.
Mit Rückſicht auf eine ungehinderte Aberntung iſt vorerſt die Oberfläche der
Wieſe zu reinigen und zu ebenen. Auf Wieſen, namentlich auf ſolchen, welche aus
aufgerodetem Waldlande entſtanden ſind, ſollen zu Tag tretende Steine durch Spren-
gen, Verſenken und Aufleſen beſeitigt, Geſträuch und Geſtrüpp entfernt werden. Bei
Waſſerläufen iſt es vortheilhaft die Ufer, am beſten mit Weiden, welche zur Ver-
meidung von Uferbrüchen nicht hochſtämmig zu ziehen ſind, zu bepflanzen. Die
Ränder der Wieſe können vortheilhaft mit Hecken eingeſäumt werden.
Ein Hinderniß für die Benützung ſind Unebenheiten. Dieſelben können nach
Abnahme des Raſens mit dem Muldbrette ausgeglichen und durch Auflegen von
[249]Die Wieſen.
Raſen oder durch Beſamung wieder mit Graswuchs verſehen werden. Auf Wäſſerungs-
wieſen können durch Stauungen Vertiefungen ausgefüllt werden. Maulwurfshaufen
und Ameiſenhaufen ſollen ſo bald als möglich mit der Schleife, Dornegge, dem
Wieſenhobel, der Wieſenegge (Band I. S. 137, Fig. 53) oder dem Rechen ver-
zogen werden, da ihre Entfernung nach erfolgter Beraſung mühſamer wird. Reſte
von vorangegangener Düngung werden mit der Egge geſammelt.
Unkräuter, beſonders mit Dornen und Stacheln beſetzte, ſowie giftige, wie die
Zeitloſe (Colchicum auctumnale L.) ♃, Wolfsmilcharten (Euphorbiaceen), Diſteln ꝛc.
ſollen durch Jäten und Ausſtechen möglichſt entfernt werden. Manche Sumpfpflanzen,
ſauere Gräſer und Mooſe werden am ſicherſten durch Trockenlegung der Wieſe ver-
nichtet. Gegen die Ueberhandnahme des Mooſes hilft ſcharfes Uebereggen oder
Bearbeiten mit dem Meſſerpfluge im Frühjahre, Ueberſtreuen von Aſche und nach-
heriges Ausſäen vorzüglicher Grasarten.
Im Ueberſchwemmungsgebiete von Flüſſen gelegene Wieſen ſind durch Schutz-
dämme vor dem ſtrömenden Waſſer zu ſchützen, während dem rückſtauenden Waſſer
ungehinderter Zutritt zu verſchaffen iſt.
Am wirkſamſten wird das Wachsthum der Wieſenpflanzen durch eine zeitgemäße
Bewäſſerung befördert. Um die Bewäſſerung durchführen zu können, müſſen die
Wäſſerungsanlagen ſtets im Stande erhalten werden. Zu dieſem Zwecke empfiehlt
ſich die Anſtellung eines eigenen Wieſenwärters, welcher bis zu 50 Hektare zu über-
wachen vermag. Die Gräben und Wäſſerungsrinnen müſſen fleißig, beſonders im
Frühjahre und nach dem Schnitte nachgeſehen und im Stande erhalten werden.
Je nach dem Zwecke, welchen man durch die Bewäſſerung erreichen will, wird
man zu verſchiedenen Zeiten und in verſchiedener Dauer bewäſſern. Im Falle durch
die Bewäſſerung eine Düngung erzielt werden ſoll, wird am ſtärkſten und anhaltend-
ſten zu wäſſern ſein, während zur Anfeuchtung oder zum Schutze gegen ungünſtige
Witterung geringere Waſſerquantitäten erforderlich ſind. Die günſtigſte Zeit zur
Bewäſſerung, wenn auf die düngende Wirkung gerechnet wird, iſt der Herbſt. Mit
der Herbſtwäſſerung ſoll ſobald als möglich nach der letzten Grummetmahd begonnen
werden und bis vor dem Eintritte der Fröſte damit fortgefahren werden. Iſt der
Boden ſehr durchlaſſend, ſo kann eine Woche hindurch Tag und Nacht gewäſſert
werden, dann ſtellt man aber die Wäſſerung auf einen Tag ein, um den Boden ab-
trocknen zu laſſen, bevor von Neuem begonnen wird. Auf ſehr gebundenem Boden
und vor dem Winter wäſſert man durch 2—3 Tage und läßt dann die Wieſe einen
Tag abtrocknen. Tritt nach Froſtwetter wieder Thauwetter ein, ſo kann aufs Neue
die Wäſſerung vorgenommen werden. Je nach der verfügbaren Menge des Waſſers
wird man abtheilungsweiſe vorgehen und dafür ſorgen, daß vor dem Froſteintritte
jede Abtheilung Waſſer erhalten hat. In warmen Gebieten, wie auf den ſogenannten
Winterwieſen der Lombardei, wird die Wäſſerung über den ganzen Winter fortgeſetzt,
um durch das Waſſer den Wieſenpflanzen einen Schutz zu gewähren.
Im Frühjahre beginnt man erſt wieder mit der Bewäſſerung, wenn die Froſt-
zeit vorüber, etwa im März, in rauhen Lagen oft erſt Anfang Mai. Die Frühjahrs-
bewäſſerung muß mit der größten Sorgfalt durchgeführt werden. Anfänglich wäſſert
[250]Anhang.
man nur wenig und läßt, ſobald Nachtfröſte zu befürchten ſind, das Waſſer über
Nacht auf der Wieſe ſtehen, um die junge Vegetation vor der nachtheiligen Froſt-
einwirkung zu ſchützen. Bei Sonnenſchein vermeide man zu wäſſern, weil ſich ſonſt
leicht ein grüner Schleim (Conferven) einſtellt, welcher die Grasvegetation unterdrückt.
Sobald das Gras emporgewachſen, wäſſert man, beſonders in trockenen Gegenden, nicht
mehr als zur Feuchthaltung der Wieſe erforderlich iſt. Oft genügt es zu dieſem
Zwecke, die Gräben mit Waſſer voll zu halten. Reicht das Anfüllen der Gräben
nicht aus, ſo wäſſert man noch über Nacht, damit die Wärme des Tages von den
Pflanzen zum Wachsthume verwendet werden kann. Eine Woche vor der Mahd iſt
die Bewäſſerung ganz abzuſtellen, damit der Boden feſt wird. Kurz vor der Mahd
läßt man noch einmal Waſſer auf die Wieſe, um das Mähen zu erleichtern. Nach
der Mahd läßt man die Wieſe 6—8 Tage trocken ſtehen, um die Beſtockung der
Gräſer zu befördern. Wäſſern unmittelbar nach der Ernte würde ein Verfaulen der
noch nicht vernarbten Grasſtöcke herbeiführen. Nach dieſer Zeit beginnt man wieder
mit dem Bewäſſern nach Bedarf und ſetzt damit bis zum zweiten Schnitte fort. Wie
oft während des Sommers zu wäſſern iſt, richtet ſich nach der Witterung und der
Bodenbeſchaffenheit. Nach dem Grummetſchnitte beginnt wieder die Herbſtbewäſſerung.
7. Die Ernte.
In Betreff des Zeitpunktes, zu welchem das Mähen der Wieſen vorzunehmen
iſt, des Verfahrens bei der Dürrheubereitung und bei der Braun- und Brennheu-
bereitung, ſowie des Vorganges bei der Aufbewahrung des Heues verweiſen wir auf
Band I. S. 253: „Die Ernte grüner Pflanzen“.
Heupreſſe von Clayton \& Shuttleworth — Wien. —
Preis 320 Mark (160 fl.).
Der Ertrag an Heu
und die Anzahl der Schnitte
richten ſich nach Lage, Be-
ſchaffenheit und dem Cultur-
zuſtande der Wieſe, und der
Beſchaffenheit der Witterung.
Wieſen, deren jährlicher Heu-
ertrag unter eine Tonne per
Hektar herabgeht, eignen ſich
nicht mehr zur Wieſencultur.
Sie lohnen nicht mehr die
Koſten der Heuwerbung. Die-
ſelben ſollten als Weide-,
Acker- oder Waldland benutzt
werden. Ausgezeichnete, zwei-
bis dreiſchürige Bewäſſerungs-
wieſen liefern 7—8.5 Tonnen
Heu per Hektar. Im Durch-
ſchnitte gewähren zweiſchürige
Wieſen 3.5—4 Tonnen, ein-
[251]Die Weiden.
ſchürige 1.5—2 Tonnen per Hektar. In feuchtwarmen Gegenden erreicht der Wieſenertrag
ſeine größte Höhe, verringert ſich in feuchtkühlen Gegenden und ſinkt auf ſeine
niedrigſte Stufe in trockenen, heißen Gegenden. Von dem geſammten Heuertrag entfallen
je nach dem Vorherrſchen von Ober- oder Untergras und je nach der Frühjahrs- oder
Sommerwitterung entweder ein gleicher oder verſchiedener Antheil auf Heu und Grummet.
Am gewöhnlichſten wird das Heu in den eigenen Stallungen verwerthet. Für
den Verkauf, beſonders in weitere Entfernungen empfiehlt es ſich, das Volumen
des Heues durch Preſſen zu vermindern. Mit der in Fig. 163 dargeſtellten Heu-
preſſe kann man je nach der Trockenheit des Heues 65—75 Kilogramm in Ballen
zuſammenpreſſen, welche ein Volumen von 66×70×113 Ctm. erhalten.
Nächſt dem Heuertrage kann noch ein Nebenertrag durch Beweiden der Wieſen
erzielt werden. Das Beweiden ſoll jedoch nach Möglichkeit nur im Herbſte mit
Schafen oder Rindvieh vorgenommen werden. Im Frühjahre leidet darunter der
Heuertrag des erſten Schnittes je weniger üppig der Graswuchs iſt. Auf Wäſſerungs-
wieſen iſt das Weiden gleichfalls nach Thunlichkeit zu vermeiden. Durch das Be-
weiden im Herbſte werden insbeſondere einſchürige und ſelbſt zweiſchürige Wieſen beſſer
ausgenutzt. Der Weideertrag iſt mit 25—40, bei einſchürigen Wieſen ſelbſt mit
50 Procent des Heuertrages zu veranſchlagen. Einen weiteren Nebennutzen erhält
man, wenn die Wieſenränder mit Obſt- oder Wildbäumen bepflanzt ſind.
XI.
Die Weiden.
Unter Weiden verſteht man natürliches Grasland, welches ausſchließlich durch
Abweiden ausgenutzt wird. Es iſt die einfachſte und mit den wenigſten Auslagen
verbundene Bodenbenutzung, welche ſich daher insbeſondere für extenſive Betriebs-
verhältniſſe eignet, oder dort am Platze iſt, wo die Biehproducte, beſonders das
Maſtfleiſch, hoch im Werthe ſtehen. Je nach dem örtliche oder wirthſchaftliche Ver-
hältniſſe zur Beibehaltung der Weide zwingen, unterſcheidet man abſolutes und wirth-
ſchaftlich bedingtes Weideland. Als abſolutes Weideland ſind ſolche Bodenflächen zu
betrachten, welche wegen ihrer Lage in feuchten Niederungen (Nordſeeküſten, Theiß-
gegend ꝛc.) oder auf Berghöhen (Schweiz, öſterreichiſche Alpenländer) nicht anders
benutzt werden können. Wirthſchaftlich gerechtfertigtes Weideland kann ſich aber ſo-
wohl in weniger entwickelten Landgebieten, wie in Oſteuropa, Südamerika, Auſtra-
lien ꝛc., als auch in den vorgeſchrittenſten Gebieten, wie in den engliſchen Graf-
ſchaften ꝛc., ergeben. In jenem Falle führt die Werthloſigkeit der Bodenproducte,
in dieſem der hohe Werth der Viehproducte zu einer derartigen Benutzung.
Die natürliche Beſchaffenheit der Weide wird höchſtens durch Entwäſſerung mit
offenen Gräben, welche gleichzeitig durch die Abſchließung des Grundſtückes den Weidebetrieb
erleichtern, verbeſſert. Bewäſſerung und Düngung kommen nur ſelten vor. Letztere findet
noch am eheſten auf den Alpenweiden ſtatt, indem dort die wenn auch geringen Stallmiſt-
quantitäten keine andere Verwendung finden können; aber auch hier wird die Düngung
meiſt nur angewendet, um von einem Theile des Weidelandes Mähefutter gewinnen
zu können. Es iſt ſelbſtverſtändlich, daß auch auf der Weide die Anwendung von
[252]Anhang.
Compoſt, Jauche, indirect wirkenden Düngemitteln, wie Aſche, Kalk, Gyps, Kali-
ſalze ꝛc., verſucht werden ſollte.
Eine andere Verbeſſerung des Weidelandes beſteht in der Einzäunung der ein-
zelnen Weideabtheilungen mit Hecken oder Baumpflanzungen. Durch dieſelbe wird
nicht nur der kalte Wind, welcher den Graswuchs beeinträchtigt, abgehalten, ſondern
auch den Weidethieren ein Schutz gegen Sonne und Unwetter gewährt. Die Anlage von
Hecken lohnt ſich außerdem durch die Ermöglichung einer Verringerung der Hirtenanzahl.
In warmen Landſtrichen empfiehlt ſich überdieß die Anlage von Baumpflanzungen
auf der Weide ſelbſt. Schlechte Weiden können durch Abſchälen, Brennen und Wieder-
beſamung verbeſſert werden.
Die Pflege der Weiden beſchränkt ſich darauf, Geſtrüpp und Buſchwerk,
Maulwurfshaufen, giftige, ſtachelige und ſonſt den Weidethieren nachtheilige Pflanzen
zu entfernen. Die Excremente ſollen nach Möglichkeit vertheilt werden, um das Zer-
ſtören der Grasnarbe oder die Bildung von Gailſtellen hintanzuhalten. Die aus-
giebigſte Pflege erhalten die Weiden durch die richtige Beſetzung mit Vieh, für welche
jedoch erſt im Band III Anhaltspunkte gegeben werden ſollen.
Der Ertrag der Weiden zeigt noch größere Verſchiedenheiten als jener der
Wieſen. Je nach der Höhe deſſelben richtet ſich die Eignung der Weide für die eine
oder andere Art der Weidethiere. In dieſer Beziehung unterſcheidet man:
1. Maſt- oder Fettweiden. Dieſelben finden ſich meiſt in Niederungen auf ſehr
fruchtbarem Boden in der Nähe des Meeres (Schleswig-Holſtein) oder von Flüßen (Theiß-
niederungen, welche wegen der Sommerdürre meiſt nur im Frühjahre benutzt werden
können). Ihr Ertrag erreicht in Weideheu ausgedrückt 5—6 Tonnen per Hektar.
Auf denſelben können ſich durch 160 Weidetage, wenn per Tag 30 Kilogramm
Weideheu für je 1000 Kilogramm Lebendgewicht des Weideviehes erforderlich ſind,
2.3—2.5 Stück Rindvieh à 500 Kilogramm ernähren. Am häufigſten werden
derartige Fettweiden mit Maſtochſen und Kalbinen ausgenutzt.
2. Kuhweiden. Dieſelben finden ſich in vorzüglichſter Beſchaffenheit in den
Alpenländern und den Niederungen des weſtlichen Europas. Ihr Ertrag ſchwankt
je nach der Güte von 2.5—3.5 Tonnen Weideheu, mit welchen ſich 1—2.3 Weide-
kühe à 500 Kilogramm ernähren können. Sinkt der Ertrag unter 1.6—2.5 Tonnen,
ſo lohnt ſich oft nicht mehr die Ausnutzung durch Rindvieh. Schon bei 2.5 Tonnen
Ertrag kann die Beweidung mit Schafen von Vortheil ſein. Bei dieſem Ertrage
können durch 185 Weidetage 8.7—11.5 Stück ernährt werden.
3. Schafweiden. Weiden, welche wegen hoher Lage, trockenem, ſandigem
Boden in ihrem Ertrage herabgehen, eignen ſich nur mehr als Schafweiden. Die
geringſten Schafweiden geben 0.3—0.6 Tonnen Weideheu, mit welchen 1.1—2.2
Stück Schafe per Hektar ernährt werden können.
Holz- und Obſtpflanzungen geben auf gut gepflegten Weiden oft noch einen
nicht zu verſchmähenden Nebenertrag.
Appendix A
Pierer’ſche Hofbuchdruckerei. Stephan Geibel \& Co. in Altenburg.
[][][]
verweiſen wir auf Dr. F. Nobbe. Handbuch der Samenkunde. Berlin 1873—75, welchem wir dieſen und
die weiteren Holzſchnitte der Früchte und Samen entnehmen.
ihre Frucht unter verſchiedenen Verhältniſſen unterworfen iſt. Landw. Centralbl. f. Deutſch-
land. 1869 Märzheft und Oeſterr. Landw. Wochenbl. 1875, S. 3.
rend. LXVIII. 1526—1536. Mitgeth. in den Annalen d. Landw. IX. Jahrg. S. 375.
Feinde der Landwirthſchaft. 2. Auflg. Stuttgart 1869. S. 728; Dr. C. G. Giebel.
Landwirthſchaftliche Zoologie, Glogau 1869, u. A. Letzterem Werke ſind zum großen Theile
die in den Text gedruckten Abbildungen entnommen.
über den zweckmäßigſten Zeitpunkt zur Ernte. Halle 1870. S. 123.
bringung. Halle 1872.
Culturpflanzen.
Landescultur. 1866. Nr. 11.
Wien 1870. S. 66.
ſchen Leguminoſen. Bonn 1873. (Special-Katalog der Ausſtellung der Akademie Poppelsdorf.
Wien 1873.)
Landescultur. 1867. Nr. 1.
1. Heft, Halle 1863, S. 4.
Wien 1870. In dieſer Schrift wird verſucht, die zahlreichen Bildungsabweichungen bei
der Maispflanze auf ein allgemeines Geſetz zurückzuführen.
Zeitg. Wien 1866, Nr. 35.
Landw. Verſ. Stat. X. 9 und F. Haberlandt. Warum iſt der Körneranſatz beim ge-
meinen Buchweizen nicht ſelten ſo gering? Centralbl. f. d. geſ. Landescultur in Böhmen.
1867, Nr. 23.
Zeitung 1872. S. 291; Dr. G. Marek. Das Saatgut und deſſen Einfluß auf Menge und
Güte der Ernte. Wien 1875. S. 192.
1875. S. 124.
tion von Rüben, Wicken, Hafer oder ohne Vegetation. Mitth. d. l. Centr.-Vereines für
Schleſien. 14. Heft. S. 142.
Tabelle über den Ertrag der vornehmſten Feldgewächſe.
Ver. der Prov. Sachſen. 1868. 3.
baues. 5. Auflg. Berlin 1874. S. 148.
5. Auflg. Brlin 1874. III. Theil, S. 52.
heim 1867.
Staaten mit einer vollſtändigen Darſtellung der Methode des Trocknens durch Feuer.
Landwirthſchaftliche Jahrbücher von Nathuſius und Thiel. Berlin 1875. 1. Heft.
geſtellt in Wien 1873. Greifswald 1873.
Bericht über Verſuche zur Prüfung des Gülich’ſchen Verfahrens beim Anbau der Kartoffel.
Halle, 1872, S. 32.
augen bei den Steckkartoffeln ebenſo beeinflußt, wie durch die Größe der Letzteren? Wiener
l. Ztg. 1872. S. 80.
1872. 1. Heft. S. 98.
S. 901.
auf Rübe durch 10 Jahre ohne Düngung.
Berlin 1874, S. 112.
Berlin 1875, S. 726.
Entwickelungsperioden liegen eingehende Unterſuchungen von H. Schulz (Landw. Verſ.-
Stat. IX. 203) vor.
S. 385.
S. 304.
1861. S. 64. „Der Mais als Futterpflanze“.
buch des Futterbaues auf dem Ackerlande. Berlin 1875; Prof. Dr. C. F. W. Jeſſen.
Deutſchlands Gräſer und Getreidearten ꝛc. Leipzig 1869.
ſtoffen (ſiehe Band III, „die Beſtandtheile des Futters“) werden wir im Folgenden immer
gleich nach der ſyſtematiſchen Bezeichnung der einzelnen Pflanzen angeben.
Gräſer und Getreidearten ꝛc. Leipzig 1869; Hanſtein, die Familie der Gräſer, Wiesbaden
1857 und Dr. Chr. Ed. Langethal, Handbuch der landwirthſchaftlichen Pflanzenkunde.
1. Theil: Gras und Getreide. 5. Auflage. Berlin 1874.
bis 81.
rührung mit dem Boden erleidet. Neue landw. Zeitung. 1873. S. 14.
S. 185.
Mittel zur Hebung der Produktionskraft des Bodens. Berlin 1870.
- Rechtsinhaber*in
- Kolimo+
- Zitationsvorschlag für dieses Objekt
- TextGrid Repository (2025). Collection 4. Lehrbuch der Landwirthschaft auf wissenschaftlicher und praktischer Grundlage. Lehrbuch der Landwirthschaft auf wissenschaftlicher und praktischer Grundlage. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). Kolimo+. https://hdl.handle.net/21.11113/4bqhb.0