der
Landwirthſchaft
auf
wiſſenſchaftlicher und praktiſcher Grundlage.
Allgemeine Ackerbaulehre.
Verlag von Wiegandt, Hempel \& Parey.
Verlagsbuchhandlung für Landwirthſchaft, Gartenbau und Forſtweſen.
1875.
[[III]]
Ackerbaulehre
auf
wiſſenſchaftlicher und praktiſcher Grundlage.
Verlag von Wiegandt, Hempel \& Parey.
Verlagsbuchhandlung für Landwirthſchaft, Gartenbau und Forſtweſen.
1875.
[[IV]][[V]]
Lehrbuch der Landwirthſchaft.
Erſter Band.
[[VI]][[VII]]
Vorwort.
Die Anforderungen, welche an ein auf der Höhe der Zeit ſtehendes
Lehrbuch der Landwirthſchaft berechtigterweiſe geſtellt werden müſſen, ſind ſo
mannigfaltiger und ſchwerwiegender Natur, daß es erklärlich wird, weshalb
verhältnißmäßig ſelten Zeit und Wiſſen von dazu Berufenen aufgewendet
werden, um dem allgemein ausgeſprochenen Verlangen nach ſolchen Werken zu
entſprechen. Wenn ich auch weit entfernt bin, mich als Berufenen zu wähnen,
ſo finde ich doch den Muth, die Arbeit zu beginnen in der ſicheren Hoffnung
einer nachſichtigen Aufnahme, falls es mir in Anbetracht der oft unüber-
windlich ſcheinenden Schwierigkeiten nicht überall gelingen ſollte, jene
Vollkommenheit zu erreichen, welche ich ſelbſt gerne meiner Arbeit geben
möchte. An redlichem und eifrigem Beſtreben das nach mehrjährigen Vor-
arbeiten mit Luſt und Liebe unternommene Werk zur Zufriedenheit zu geſtalten,
will ich es nicht fehlen laſſen. Zu jenen Vorarbeiten kamen noch zahlreiche
Studienreiſen, welche mich im Verlaufe der Zeit von Südfrankreich bis nach
Schweden, von den Rheinlanden bis in die ungariſche Steppe führten, ſowie
während einer vorübergehenden Unterbrechung meiner Lehrthätigkeit die ſeltene
Gelegenheit in die Verwaltung eines der vorgeſchrittenſten und ausgedehnteſten
Großgrundbeſitze Oeſterreichs des Beſitzes des Fürſtenhauſes Schwarzenberg
in Böhmen die genaueſte Einſicht nehmen zu können. Das dabei gewonnene
Beobachtungsmaterial ſoll die weitgehendſte Verwerthung finden.
Mit meiner Arbeit wende ich mich ſowohl an jene, welche ſich in der
Schule oder durch Selbſtſtudium für den ſchönen und edlen Beruf eines Land-
wirthes vorbereiten und ausbilden wollen, als auch an jene ausübenden,
praktiſchen Landwirthe, welche über die hervorragendſten Forſchungen auf
landwirthſchaftlichem Gebiete im Laufenden bleiben wollen und für ihr Thun
und Laſſen einen — ſo hoffe ich — nicht unzuverläſſigen Rathgeber zu er-
halten wünſchen.
[VIII]
Die Eintheilung und Behandlung des Stoffes iſt aus den einleitenden
Bemerkungen zu dem vorliegenden erſten Theile des Werkes, welchem noch
drei weitere folgen werden, zu entnehmen. Das Aufſuchen zahlreicher Einzel-
heiten wird ein ſehr ausführliches Regiſter ermöglichen, welches gleichzeitig mit
dem Schlußtheile ausgegeben werden wird.
Zur Erläuterung des Textes dienen zahlreiche Holzſchnitte, bei deren Aus-
wahl die Abſicht maßgebend war, mit möglichſter Vollſtändigkeit gleichſam
typiſch gewordene Formen zur Anſchauung zu bringen.
Möchte es mir vergönnt ſein, ſtets die richtige Fährte zur Erreichung
des ſchönen Zieles einzuhalten, damit die aufgewendete nicht geringe Mühe
und Zeit nicht ganz ohne Erfolg bleiben!
Wien, im Jänner 1875.
Dr.Guido Krafft.
[[IX]]
Inhalt.
- Seite
- Einleitung 1
- I.
Allgemeine Ackerbaulehre. - I.
Das Pflanzenleben. - 1. Die Vertheilung des Stoffes
im Pflanzenkörper6 - 2. Die Bildung des Stoffes
im Pflanzenkörper15 - 1. Die Pflanze während der Keimung 16
- 2. Die Pflanze während der Vege-
tation 19 - 3. Die Pflanze während der Blüthe
und Fruchtbildung 25 - II.
Der Boden. - 1. Die Entſtehung und Ablage-
rung des Bodens29 - 2. Die Beſtandtheile des
Bodens32 - 1. Die veränderlichen Geſteinstrümmer
und der veränderliche Sand 33 - 2. Die Bodenſkelettheile 36
- a. Der Quarz 36
- b. Der Thon 36
- c. Der Kalk und die Magneſia 37
- d. Der Humus 38
- 3. Die Bodennährſtoffe 40
- 3. Die allgemeinen Eigenſchaf-
ten des Bodens und ſeiner
Beſtandtheile43 - 1. Das Abſorptionsvermögen des
Bodens 43 - Seite
- 2. Die phyſikaliſchen Eigenſchaften des
Bodens 45 - 1. Specifiſches Gewicht 45
- 2. Lockerheit und Bündigkeit 45
- 3. Adhäſion des Bodens 46
- 4. Waſſerfaſſende Kraft 46
- 5. Waſſerhaltende Kraft 46
- 6. Capillarität 47
- 7. Wärmeleitungsfähigkeit des
Bodens 47 - 8. Wärmecapacität 47
- 4. Die Bodenarten48
- 1. Der Geröll- oder Kiesboden 48
- 2. Der Sandboden 48
- a. Flugſand 50
- b. Loſer Sandboden 50
- c. Lehmiger Sandboden 50
- 3. Der Thonboden 50
- a. Strenger Thonboden 51
- b. Gewöhnlicher Thonboden 51
- c. Milder oder lehmiger Thon-
boden 51 - 4. Der Lehmboden 51
- a. Strenger oder thoniger Lehm-
boden 52 - b. Milder oder gewöhnlicher
Lehmboden 52 - c. Sandiger Lehmboden 52
- 5. Der Mergelboden 52
- a. Thonmergelboden 53
- b. Lehmmergelboden 53
- c. Kalkmergelboden 53
- d. Sandmergelboden 53
- 6. Der Kalkboden 53
- 7. Der Salz-, der Gypsboden ꝛc. 54
- 1. Der Salzboden 54
- Seite
- 2. Der Dolomitboden 54
- 3. Der Gypsmergel und Gypsthon 54
- 4. Der eiſenſchüſſige Boden 55
- 8. Der Humusboden 55
- a. Humushaltige Bodenarten 55
- b. Humusboden 56
- III.
Die natürliche Lage. - 1. Die allgemeine Lage in kli-
matiſcher Beziehung57 - 1. Die Luft 58
- 2. Das Waſſer 59
- 3. Das Licht 62
- 4. Die Wärme 63
- 2. Die beſondere oder örtliche
Lage65 - IV.
Die Melioration. - 1. Die Urbarmachung67
- 1. Die Waldrodung 67
- 2. Der Weide- und Wieſenaufriß 68
- 3. Die Urbarmachung von Heideland 68
- 2. Die Standortsverbeſſerung 69
- 1. Die Entwäſſerung 69
- a. Die Entwäſſerung durch Schutz-
dämme 70 - b. Die Entwäſſerung durch Aende-
rung des Waſſerſpiegels 71 - c. Die Entwäſſerung durch Aus-
ſchöpfen 71 - d. Die Entwäſſerung durch Ver-
ſickerungsgruben, Schachte 71 - e. Die Entwäſſerung durch offene
Gräben 71 - f. Die Entwäſſerung durch gedeckte
Abzüge 73 - g. Die Röhrendrainage 74
- 2. Das Beſeitigen der Steine 81
- 3. Die Bindung von Sandſchollen 82
- 4. Das Bodenbrennen 83
- 5. Die Cultur des Moorbodens 84
- 6. Die Anſchlemmung mit Erde 86
- 7. Das Ebenen des Bodens 87
- 8. Die Anpflanzung von Gehölzen 88
- V.
Die Bodenbearbeitung. - 1. Die Handgeräthe zur Boden-
bearbeitung93 - Seite
- 1. Der Spaten 93
- 2. Die Grabgabel und die Haue 94
- 2. Der Haken95
- 3. Der Pflug96
- 1. Die Wirkungsweiſe des Pfluges 97
- 2. Die Beſtandtheile des Pfluges 100
- 1. Das Sech 100
- 2. Das Schar 101
- 3. Das Streichbrett 103
- 4. Die Griesſäule 104
- 5. Die Sohle 105
- 6. Der Pflugbaum 105
- 7. Die Sterzen 106
- 8. Die Zugvorrichtung 106
- 3. Das Zugkrafterforderniß des
Pfluges 109 - 1. Die Bodenbeſchaffenheit 109
- 2. Die Pflugconſtruction 109
- 3. Das Pfluggewicht 110
- 4. Die Länge und Beſchaffenheit
des Streichbrettes 110 - 4. Die Pflugformen 111
- 1. Schwing-, Stelz- und Räder-
pflüge 112 - 2. Gewöhnliche und Untergrunds-
Pflüge 113 - 3. Beet-, Glatt-, Schütt- u. Häufel-
pflüge 113 - 4. Ein- und mehrſcharige Pflüge 115
- 4. Die Bodenlockerungsgeräthe 116
- 1. Schälpflüge 116
- 2. Scarificatoren 117
- 3. Exſtirpatoren 117
- 4. Grubber 119
- 5. Wühler 119
- 5. Das Pflügen121
- 1. Der Zeitpunkt für das Pflügen 121
- 2. Die Tiefe und Breite des Pflügens 122
- 3. Die Tiefcultur 124
- 4. Die Geſtaltung der Bodenober-
fläche 126 - a. Ebenbau 127
- b. Beetbau 127
- c. Kammbau 129
- 5. Die Zahl der Pflugfurchen 131
- 6. Die Brache 133
- 7. Die Leiſtungsfähigkeit des Pfluges 136
- 6. Die Egge136
- 7. Die Walze141
- 8. Die Schleife146
- 9. Die Dampfculturgeräthe147
- Seite
- VI.
Die Düngung. - 1. Die abſoluten Düngemittel 159
- 1. Der Stallmiſt 159
- a. Die Excremente der Thiere 159
- b. Das Streumaterial 163
- c. Die Stallmiſtarten 164
- 1. Der Rindviehmiſt 164
- 2. Der Schafmiſt 166
- 3. Der Pferdemiſt 167
- 4. Der Schweinemiſt 167
- d. Die Düngerbehandlung 168
- a. Verwendung in friſchem Zu-
ſtande 168 - b. Veränderungen im Stallmiſt 168
- c. Stallmiſtzuſätze 170
- d. Düngerbereitung im Stalle 171
- e. Düngerbereitung auf der
Düngerſtätte 171 - f. Düngerverwendung 173
- g. Stärke und Dauer der
Düngung 176 - 2. Die Jauche und die flüſſige
Düngung 176 - 3. Die menſchlichen Excremente 178
- 4. Der Compoſtdünger 181
- 2. Die relativen Düngemittel182
- a. Anwendung der Hilfsdünger 183
- b. Düngungsverſuche 184
- c. Düngerſtreumaſchine 186
- d. Eintheilung der Hilfsdünger 187
- 1. Die Stickſtoffdünger 188
- a. Chiliſalpeter 188
- b. Ammoniakſalze 188
- 2. Die Stickſtoffphosphate 188
- a. Peruguano 189
- b. Fiſchguano 190
- c. Excremente des Hausgeflügels 190
- 3. Die Phosphatdünger 190
- a. Phosphatguano 190
- b. Phosphorite ꝛc. 190
- c. Superphosphate 190
- d. Knochen und Knochenpräparate 191
- 4. Die Kalidünger 192
- a. Holzaſche 192
- b. Abraumſalze 193
- 3. Die indirect wirkenden
Düngemittel194 - 1. Der Gyps 195
- Seite
- 2. Der Kalk 196
- 3. Der Mergel 197
- 4. Das Kochſalz 198
- 5. Die Erd- und Schlammdüngung 198
- 6. Die Ernterückſtände 199
- 7. Die Gründüngung 201
- VII.
Die Saat. - 1. Die Auswahl des Saatgutes204
- 1. Die Beſchaffenheit des Samens 204
- a. Keimfähigkeit 204
- b. Keimprobe 205
- c. Aeußere Beſchaffenheit 206
- 2. Die Reinheit des Samens 207
- 2. Die Samengewinnung und
der Samenwechſel208 - 3. Die Saatzeit210
- 1. Der Winteranbau 210
- 2. Der Sommeranbau 211
- 3. Der Stoppelfruchtbau 212
- 4. Die Säemaſchine212
- a. Wagengeſtell 213
- b. Saatkaſten 213
- c. Samenvertheilungsapparat 214
- d. Saatleitung 218
- 5. Die Saatmethode220
- 1. Die breitwürfige Saat 220
- 2. Die Reihen- oder Drillſaat 221
- 3. Die Dibbel- oder Tüpfelſaat 222
- 4. Die Gemengſaat 224
- 5. Das Anquellen und Einbeizen
der Samen 224 - 6. Die Saatmenge225
- 7. Das Unterbringen des Sa-
mens226 - 8. Das Verpflanzen228
- VIII.
Die Pflege. - 1. Der Schutz gegen nachtheilige
Witterungseinflüſſe230 - 2. Der Schutz gegen ungünſtige
Bodenzuſtände235 - 1. Das Behacken der Pflanzen 236
- a. Die Handhaue 236
- b. Die Pferdehacke 236
- c. Die Hackarbeit 239
- 2. Das Anhänſeln der Pflanzen 240
- Seite
- 3. Der Schutz gegen ſchädliche
Pflanzen und Thiere240 - 1. Das Vertilgen der Unkräuter 241
- 2. Das Vereinzeln der Cultur-
pflanzen 242 - 3. Der Schutz gegen Pflanzenkrank-
heiten 243 - 4. Die Abwehr ſchädlicher Thiere 244
- IX.
Die Ernte. - 1. Die Mähmaſchine246
- 1. Das Wagengeſtell 246
- 2. Die Betriebsvorrichtung 247
- 3. Der Schneideapparat 247
- 4. Die Zuführungs- und Ablegevor-
richtung 250 - 2. Die Ernte grüner Pflanzen253
- 1. Die Grünfutterernte 254
- 2. Die Dürrheubereitung 255
- a. Heubereitung 256
- b. Heuwendemaſchine 257
- c. Pferderechen 257
- d. Trockenvorrichtungen 258
- 3. Die Braun- und Brennheube-
reitung 259 - 4. Die Sauerfutterbereitung 260
- Seite
- 5. Das Aufbewahren des Heues 261
- 3. Die Frucht- und Strohernte262
- 1. Das Abſchneiden der Frucht 265
- 2. Das Trocknen der abgeſchnittenen
Frucht 267 - 3. Das Einführen der Frucht 270
- 4. Das Aufbewahren der Frucht 271
- 5. Das Ausbringen der Körner aus
dem Stroh 273 - 6. Das Reinigen und Sortiren der
Körner 274 - a. Getreidereinigungsmaſchine 275
- b. Unkraut-Ausleſemaſchine 276
- c. Sortirmaſchine 277
- 7. Das Aufbewahren von Stroh
und Körnern 278 - 4. Die Dreſchmaſchine281
- 1. Die Göpeldreſchmaſchine 282
- 2. Die combinirte Dreſchmaſchine 285
- 5. Die Knollen und Wurzel-
ernte290 - a. Ernteverfahren 290
- b. Kartoffelaushebepflug 291
- c. Rübenheber 292
- d. Aufbewahrung 293
- 6. Die Ernte einzelner Pflan-
zentheile294
Einleitung.
Die Landwirthſchaft umfaßt alle jene Unternehmungen, deren Aufgabe darin
beſteht, Stoffe und Kräfte, welche an den Boden und die Atmoſphäre gebunden
ſind, durch die Vermittelung des vegetabiliſchen und thieriſchen Lebens frei zu machen,
damit dieſelben entweder unmittelbar als Thier- und Pflanzenkörper zur Befriedigung
des menſchlichen Nahrungsbedürfniſſes oder mittelbar als verarbeitete vegetabiliſche
und thieriſche Rohſtoffe zur Befriedigung der weiteren Bedürfniſſe, an Wärme, Licht,
Schutz ꝛc., verwendet werden können.
Für den Landwirth als Unternehmer tritt noch die wirthſchaftliche Forderung
hinzu von einer beſtimmten Bodenfläche die größte und werthvollſte Menge an Pflanzen
und Thieren mit Rückſicht auf die Nachhaltigkeit des Ertrages und den wirtſchaft-
lichen zu Nutzen erzielen.
Um die allgemeine Aufgabe der Landwirthſchaft zu erfüllen, wird für den Land-
wirth die Erkenntniß der Geſetze von dem Kreislaufe und der Erhaltung des Stoffes
und der Kraft, welche den Inhalt der Naturwiſſenſchaft bildet, von entſcheidendem
Einfluſſe ſein. Zur Löſung der ſpeciellen Aufgabe muß der Landwirth nicht nur die
naturwiſſenſchaftlichen, ſondern auch die volkswirthſchaftlichen Geſetze zur Richtſchnur
für ſein Handeln nehmen.
Früher vor dem Erſcheinen des Thaer'ſchen Werkes: „Grundſätze der rationellen
Landwirthſchaft (1809—1811)“, beſchränkte ſich die Lehre von der Landwirthſchaft
auf die Darlegung des „Könnens“, wie daſſelbe durch die Erfahrung feſtgeſtellt wird;
ſie hatte daher nur den Anſpruch auf die Bezeichnung Landwirthſchaftskunde.
Das Thaer'ſche Werk bildete den Uebergang zur neueren Auffaſſung der Lehre
der Landwirthſchaft, welche durch Liebig's „Die organiſche Chemie in ihrer An-
wendung auf Agricultur und Phyſiologie (1841)“ angeregt, die jetzt herrſchende
geworden. Nach derſelben erhebt ſich die Lehre der Landwirthſchaft zur Darlegung
des „Könnens und Wiſſens“, indem ſie die einzelnen durch Erfahrung und Beobachtung
feſtgeſtellten Wahrheiten als organiſche Folge des Weſens der Natur- und Wirth-
ſchaftsgeſetze — als deren oberſtes das Geſetz der Urſache und Wirkung zu gelten
hat — erkennt. Sie verdient als ſolche die Bezeichnung Landwirthſchafts-
wiſſenſchaft.
Krafft, Lehrb. d. Landw. I. 1
[2]Einleitung.
Die Ausbildung der Landwirthſchaftswiſſenſchaft iſt nicht nur von ihrer eigenen
fortſchrittlichen Entwickelung abhängig, ſondern auch von dem Fortſchritte in der
Ausbildung der Natur- und Wirthſchafts-Wiſſenſchaften, welche zu erſterer in das
Verhältniß von begründenden Hilfswiſſenſchaften 1) treten. Durch dieſes Verhältniß
ergiebt ſich von ſelbſt der hohe Werth, welcher ſowohl einer gründlichen naturwiſſen-
ſchaftlichen als auch volkswirthſchaftlichen Vorbildung für das erfolgreiche Studium
der Landwirthſchaftswiſſenſchaft zukommt. Im Beſonderen hat die Lehre der Land-
wirthſchaft die Kenntniß der Zoologie, Botanik, Mineralogie, Phyſik, Chemie, Ana-
tomie, Phyſiologie und Volkswirthſchaftslehre zur Vorausſetzung. Das wahre Ver-
ſtändniß der Landwirthſchaftswiſſenſchaft, wie jeder menſchlichen Wiſſenſchaft, ergiebt ſich
jedoch erſt dann, wenn alle gegenwärtige Erkenntniß nur als ein Entwickelungsſtadium
der Zukunft aufgefaßt wird, welche allein den Maßſtab zur Unterſcheidung des Wahren
von dem Falſchen abgiebt.
In Uebereinſtimmung mit der allgemeinen und ſpeciellen Aufgabe der Land-
wirthſchaft gliedert ſich die Landwirthſchaftslehre in die Productionslehre,
welche die Anwendung der Naturgeſetze auf die landwirthſchaftliche Production, und
in die Betriebslehre, welche die Anwendung der Natur- und Wirthſchaftsgeſetze
auf die landwirthſchaftliche Unternehmung zum Inhalte hat.
Die Production bezieht ſich entweder auf Pflanzen oder Thiere. Die Pflanzen-
productionslehre läßt den Wald-, Wein-, Obſt- und Gemüſe-Bau unberückſichtiget und
erſtreckt ſich nur auf jene Pflanzen, welche auf dem Acker oder der Wieſe cultivirt
werden. Die Pflanzenbaulehre (Phytotechnik) erhält daher richtiger die Bezeichnung
Ackerbaulehre (Agronomie).
Von der Ackerbaulehre und der Thierzuchtlehre (Zootechnik) läßt ſich wieder ein
allgemeiner Theil von einem beſonderen Theile abtrennen.
Die Landwirthſchaftslehre gliedert ſich demnach in die:
- 1. Allgemeine Ackerbaulehre. (Allg. Pflanzenbau.)
- 2. Beſondere Pflanzenbaulehre.
- 3. Allgemeine Thierzuchtlehre.
- 4. Beſondere Thierzuchtlehre.
- 5. Betriebslehre.
[[3]]
I.
Allgemeine Ackerbaulehre.
1*
[[4]][[5]]
Der Ackerbau hat die Aufgabe, Stoffe und Kräfte, welche an den Boden und
die Atmoſphäre gebunden ſind, durch Vermittelung des vegetabiliſchen Lebens für den
menſchlichen Verbrauch geeignet zu machen.
Die Pflanze bildet das vermittelnde Moment zwiſchen der unbelebten Natur
und dem animaliſchen Leben, ſie allein vermag aus dem Boden Material zum Auf-
baue ihres eigenen und indirect des Thierkörpers zu entnehmen, ſofern ihr nur die
Kraft in ihren verſchiedenen Bewegungsformen als Wärme, Licht, Elektricität, Schwer-
kraft, chemiſche Verwandtſchaft zur Verfügung ſteht.
Die Lehre vom Ackerbaue hat daher von der Kenntniß des Pflanzenlebens
(Phytobiologie) auszugehen und die Bedingungen für daſſelbe wie Stoff und Kraft,
Boden und Atmoſphäre feſtzuſtellen, um ermitteln zu können, inwiefern es möglich,
entweder abgeſehen von dem wirthſchaftlichen Vortheile — durch den wiſſenſchaftlichen
Verſuch — oder mit Rückſicht auf denſelben — durch die praktiſche Ausführung —,
einen Einfluß auf das Pflanzenleben zu gewinnen. Dieſer Einfluß erſtreckt ſich entweder
auf eine Umänderung des Pflanzenſtandortes durch Melioration und Bodenbearbeitung,
oder auf eine Vermehrung der Pflanzennährſtoffe durch Düngung, oder ſchließlich auf
eine Unterſtützung des Pflanzenlebens während der einzelnen Entwickelungsſtadien als
des Keimens, Wachſens und Reifens der Pflanze.
Demzufolge hat die allgemeine Ackerbaulehre zu umfaſſen:
- 1. Das Pflanzenleben.
- 2. Den Boden.
- 3. Die Atmoſphäre. (Natürliche Lage.)
- 4. Die Melioration.
- 5. Die Bodenbearbeitung.
- 6. Die Düngung.
- 7. Die Saat.
- 8. Die Pflege.
- 9. Die Ernte.
[6]Allgemeine Ackerbaulehre.
I.
Das Pflanzenleben.
Das Verſtändniß der Lebensvorgänge in der Pflanze wird weſentlich erleichtert,
wenn die Entwickelungsvorgänge in den elementaren Formbeſtandtheilen der Pflanze
getrennt betrachtet werden von jenen, welche ſich in der Geſammtheit des Pflanzen-
organismus ergeben 1). Die Betrachtung nach der erſten Richtung gewährt Aufklärung
über die Vertheilung des Stoffes und der mit demſelben verbundenen Kraft, nach
der anderen Richtung Aufklärung über die Bildung des Stoffes und die Verwendung
der Kraft durch die Lebensthätigkeit der Pflanze.
1. Die Vertheilung des Stoffes im Pflanzenkörper.
Den elementaren Formbeſtandtheil des Pflanzenorganismus bildet die Zelle.
Dieſelbe beſteht anfänglich als ſog. hautloſe oder primordiale Zelle aus einem
Klümpchen einer zähflüſſigen, unelaſtiſchen, quellbaren Subſtanz, dem Protoplasma.
Das Protoplasma läßt eine waſſerhaltige, hyaline, überwiegend aus ſtickſtoffhaltigen
Eiweißſtoffen zuſammengeſetzte Grundſubſtanz erkennen, in welcher Kohlehydrate und,
meiſt als feine Körnchen, Stärkemehl und Fett vertheilt ſind. Daſſelbe zeigt die
gleichen chemiſchen Reactionen wie die Eiweißſtoffe Caſeïn, Fibrin und Albumin,
indem es wie dieſe bei der Behandlung mit Jod gelb bis braun, und bei Behandlung
mit Zuckerlöſung und darauf folgendem Zuſatze von concentrirter engliſcher Schwefel-
ſäure roſenroth gefärbt wird.
Die Primordialzellen kommen bei den Samenpflanzen (Phanerogamen), welche
der Landwirth vorzugsweiſe zu berückſichtigen hat, nur vorübergehend bei der ſog.
freien Zellbildung in dem Embryoſacke des weiblichen Blüthentheiles vor.
Bei dem weiteren Vorſchreiten der freien Zellbildung entſteht zunächſt in dem
Zellen aus dem Vege-
tationskegel e. Kartoffelſtengels.
1. Zellkern (nucleus), 2. deſſen Ein-
ſchlüſſe Kernkörperchen (nucleoli).
Protoplasmaklümpchen eine Verdichtung zu einem rundlichen
Körper, der Zellkern, Fig. 1, und durch Ausſcheidung aus
dem jederzeit körnchenfreien Rande (Hautſchicht) des Proto-
plasmas und durch Umwandlung der in dieſem enthaltenen
Stärke ein elaſtiſches, ſtickſtofffreies, aus Celluloſe beſtehendes
dünnes Häutchen, die Zellhaut (Zellmembrane). Die Zell-
haut iſt für Waſſer durchdringbar, in Alkohol, verdünnten
Säuren und Alkalien unlöslich, dagegen in Kupferoxyd-
Ammoniak (Cuoxam) löslich. Durch Schwefelſäure wird
[7]Das Pflanzenleben.
ſie derart verändert, daß ſie durch Jod, wie Stärkemehl, intenſiv blau gefärbt wird,
während Jod allein keine Färbung hervorbringt.
In dieſer Form als Zellen mit einer feſten Haut, bilden ſie in mannigfaltiger
Verbindung das Zellgewebe, aus welchem ſich der ganze Pflanzenkörper auf-
baut. In demſelben erfolgt ſowohl bei der keimenden als wachſenden Pflanze die
weitere Neubildung von Zellen, mit Ausnahme jener freien Zellbildung im Embryo-
ſacke, durch die Theilung einer Mutterzelle in mehrere, gewöhnlich zwei Tochter-
zellen. Dieſe Theilung bei der Tochterzellbildung wird gewöhnlich durch das
Verſchwinden des Zellkernes in der Protoplasmamaſſe eingeleitet; an deſſen Stelle
erſcheinen zwei neue durch eine hyaline Protoplasmaſchichte getrennte Zellkerne. In
der hyalinen Schichte wird plötzlich eine Zellhaut ausgeſchieden, welche die Trennung
der urſprünglichen Mutterzelle in die neuen Tochterzellen vollendet.
Dieſe Tochterzellbildung findet nur an jenen Stellen der Pflanze ſtatt, welche
protoplasmagefüllte Zellen aufzuweiſen haben, denn ſobald das Protoplasma, dieſer
Träger der organiſchen Thätigkeit in der Pflanze, verbraucht iſt, hört die Ent-
wickelungsfähigkeit der Zelle auf.
Zellen dieſer Art bilden das fortbildungsfähige Gewebe (Urmeriſtem, Nägeli),
Fig. 2, V, welches ſich ſtets an den Vegetationspunkten der Pflanze, der Spitze
jedes Stammes (Zweiges und nahe der Spitze jeder Wurzel findet. Dieſes fort-
bildungsfähige Gewebe bewirkt das Längenwachsthum der Pflanze an Stamm
und Wurzel. Ebenſo finden ſich derartige theilungsfähige Zellen an der Baſis der
Blätter und in jenem, Cambium genannten, Theile gewiſſer Gewebeformen (Gefäß-
bündel, Fibrovaſalſtränge), welche die Wurzel, den Stamm und das Blatt durch-
ziehen und durch welche das Dickenwachsthum der Pflanze herbeigeführt wird.
Bei dem weiteren Wachsthume des Urmeriſtems, welches ein gleichartiges Zell-
gewebe darſtellt, gehen aus deſſen einzelnen Zellſchichten unter Vergrößerung und
mannigfaltiger Formveränderung der Zellen ungleichartige Gewebeſyſteme hervor.
Zunächſt ſucht ſich die Pflanze aus dem Urmeriſteme durch die Bildung einer
Oberhaut (Epidermis, E) nach außen abzuſchließen. Innerhalb des von der
Oberhaut begrenzten Pflanzenkörpers ſondert ſich dann aus den Gewebemaſſen des
Urmeriſtemes ein Grundgewebe — MarkM, und RindeRP, — von ſtrang-
artigen Gewebemaſſen, den Gefäßbündeln (Fibrovaſalſträngen G) ab. Die
Zellen dieſer drei Gewebeſyſteme haben denſelben Entwickelungsverlauf, nur bleiben
ſie auf verſchiedenen Stufen der Entwickelung ſtehen. Die Verfolgung dieſes Ver-
laufes giebt uns Gelegenheit, auf die Vertheilung des Stoffes im Pflanzenkörper
näher einzugehen.
Die Zellen des Urmeriſtemes verharren in der lebenden Pflanze ſtets in einem
gewiſſen Jugendzuſtande, der dadurch charakteriſirt iſt, daß die Zellen ſtets mit
Protoplasma erfüllt bleiben.
Eine weitere Entwickelungsſtufe erreichen die Zellen des Markes (Fig. 4, MK)
und zum Theile jene der Rinde. In denſelben ſcheidet ſich aus dem körnigen
Protoplasma eine wäſſerige Flüſſigkeit, der eigentliche Zellſaft, aus. In dem
[8]Allgemeine Ackerbaulehre.
Längsſchnitt durch einen zur Knolle anſchwellenden Tragfaden (Zweig) der Kartoffel, nach
Sorauer. — V Vegetationsſpitze (Urmeriſtem); E Epidermis; M Markkörper; RP Rindenparenchym;
G Spiralgefäße als Anfänge der Gefäßbündel; Bl, Bl2 Gefäßanlagen der ſchuppenförmig bleibenden
Blätter i; J Intercellularräume; Pc Procambium; C Cambium; Cu Cuticula; K Kork; KC Korkcambium
(Phellogen); St mit Stärke, O mit Kryſtallen von oxalſaurem Kalk gefüllte Zellen.
[9]Das Pflanzenleben.
Maaße, als ſich dieſe Ausſcheidung vermehrt, verringert ſich das Protoplasma bis
daſſelbe nur mehr einen Wandbeleg in der Zelle, den Primordialſchlauch,
Fig 3, 2., bildet. Derſelbe kann oft erſt durch
Behandlung mit waſſerentziehenden Mitteln, wie
Schwefelſäure, nachgewieſen werden, unter deren
Einwirkung er ſich zuſammenzieht und von der
Zellwand ablöſt. Von dem Primordialſchlauche
gehen oft viel verzweigte Plasmaſtrömungen und
Fäden, 2, durch das Lumen der Zelle zu dem ſtets
im Protoplasma eingebettet bleibenden Zellkerne.
Der ausgeſchiedene Zellſaft beſteht aus einer wäſſe-
rigen Löſung von Eiweißſtoffen, Zucker, Gummi,
Gerbſtoffen, Pectinſtoffen, Pflanzenſäuren, Alkaloiden,
Salzen, in der ſich auch häufig feſte Ausſcheidungen
wie Stärkekörner, Oeltröpfchen und Kryſtalle finden.
Derſelbe dient nicht nur als Löſungs- und Trans-
portmittel für die Nahrungsſtoffe und für die über-
Jugendliche Parenchym-
zellen. — 1. Vacuolen (mit Zellſaft er-
füllte Hohlräume); 2. Protoplasma-
ſtränge; 3. Primordialſchlauch; 4. Chloro-
phyllkörper.
flüſſig gewordenen Stoffwechſelproducte, ſondern nimmt durch ſeinen Gehalt an
Waſſer unmittelbaren Antheil an dem Aufbaue der Zellhaut, des Protoplasmas, der
Stärkekörner ꝛc.
In den Zellen, welche das parenchymatiſche Blattgewebe und die grünen Rinden-
ſchichten des Stengels bilden, entſtehen überdies aus körnchenfreiem Protoplasma kleine,
anfänglich gelb gefärbte, dann unter Licht- und Wärmeeinfluß ergrünende Körner,
Chlorophyllkörner, welche, wie der Zellkern, ſtets nur im Protoplasma vor-
kommen. In den Chlorophyllkörnern erſcheinen in wechſelnden Mengen Stärkekörner,
welche, wie die Chlorophyllkörner ſelbſt, im Herbſte vor dem Abfalle der Blätter
wieder aufgelöſt und dem Stamme zugeführt werden. Zuweilen ſind die Stärke-
einſchlüſſe ſo zahlreich, daß der grüne in Alkohol und Aether lösliche Farbſtoff, das
Chlorophyll, nur einen feinen Ueberzug auf den Körnern bildet. Durch dieſe Bildung
von Stärke oder von neuer organiſchen Subſtanz aus den aufgenommenen Pflanzen-
nährſtoffen (Aſſimilation) erlangen die Chlorophyllkörner eine hohe Bedeutung für
das Pflanzenleben.
Die Entwickelungsvorgänge der Zellen des Grundgewebes (Mark und Rinde)
ſind daher vorzugsweiſe durch die Veränderungen des Zellinhaltes charakteriſirt.
Bei dem zweiten Gewebeſyſteme, den Gefäßbündeln, beziehen ſich dagegen
die ſtofflichen Umänderungen, neben dem Zellſafte, auch noch auf die Zellhaut.
Der Zellinhalt erfährt ähnliche Veränderungen wie in den Zellen des Grund-
gewebes. Im jugendlichen Zuſtande nach der Differenzirung aus dem Urmeriſteme
werden die Gefäßbündel von protoplasmahaltigen Zellen, dem Procambium,
Fig. 2, Pc, gebildet. Bei der weiteren Differenzirung des Procambiums in Ge-
fäße und Holzzellen wird das Protoplasma zur Bildung des Zellſaftes und der
Verdickungsſchichten verbraucht. Noch ſpäter tritt in den Gefäßen und Holzzellen
[10]Allgemeine Ackerbaulehre.
an Stelle des Zellſaftes Waſſer oder Luft, ſo zwar daß nur die verholzte und ver-
dickte Zellwand allein übrig bleibt.
Die Zellhaut erleidet nicht nur durch die Einlagerung von weiterem aus dem
Protoplasma ausgeſchiedenen Zellſtoffe (Celluloſe), ſondern auch von Waſſer und
von unverbrennlichen Stoffen (Aſchenbeſtandtheilen) mannigfaltige Veränderungen.
Die Einlagerung von neuem Zellſtoffe und von Waſſer macht ſich durch eine eigen-
thümliche Streifung und Schichtung der Zellhaut bemerklich; ſie führt zu einer all-
mähligen Verdickung der Zellwand. Dieſe Verdickung erſtreckt ſich gewöhnlich nicht
gleichmäßig über alle Theile der Zellwand, ſondern einzelne Stellen — in benach-
barten Zellen immer an demſelben Orte — bleiben unverdickt. Die Verdickungs-
ſchichten erſcheinen daher entweder wie bei den Gefäßen, Fig. 4, PG, — langen
röhrenförmigen Gebilden, welche durch Auflöſung der Querwände zahlreicher in einer
Reihe übereinander liegender Zellen entſtehen — in Form von Ringen, Spiralen,
Gittern, Treppen, oder wie bei den Holzzellen in Form von behöften Tüpfeln.
Mit der Verdickung der Zellwand iſt gewöhnlich eine theilweiſe Umwandlung
des Zellſtoffes in Holzſtoff (Verholzung) verbunden. Der Holzſtoff (Lignin) unter-
ſcheidet ſich von dem Zellſtoffe dadurch, daß er nicht wie dieſer durch Jod und
Schwefelſäure blau gefärbt wird. Concentrirte Schwefelſäure greift den Zellſtoff an
und läßt den Holzſtoff übrig. Durch Kochen in Salpeterſäure mit chlorſaurem Kali
wird dagegen der Holzſtoff aufgelöſt, während der Zellſtoff nicht angegriffen wird.
Beſondere Erwähnung verdient die verſchiedene Ausbildung der Gefäßbündel
bei den beiden großen Gruppen der Samenpflanzen. Bei den monocotylen Pflanzen
wird das Procambium vollſtändig in nicht mehr wachsthumfähiges Dauergewebe oder
in ſog. geſchloſſene Gefäßbündel umgewandelt, welche aus Gefäßen, Gitter und
Holzzellen zuſammengeſetzt werden. Bei den dicotylen Pflanzen bleibt dagegen in
den ſog. offenen Gefäßbündeln ein Zellgewebe, das Cambium, Fig. 4, C, in
fortbildungsfähigem Zuſtande. In letzterem Falle entſtehen aus dem fortwachſenden
Cambium auf der einen der Pflanzenachſe zugekehrten Seite ſtark verholzte, von Ge-
fäßen durchzogene HolzzellenHK, auf der entgegengeſetzten Seite der elaſtiſche,
ſaftige Weichbaſt und die zähen, feſten, meiſt ſtark verdickten echten BaſtzellenB.
Das dritte Gewebeſyſtem, die OberhautE, hat verhältnißmäßig nur eine kurze
Lebensdauer. Da ſich dieſelbe nicht vergrößert, ſo wird ſie bei dem Dickenwachs-
thume der Pflanze, wie bei mehrjährigen Stämmen und Wurzeln, bald abgeſtreift.
Die Epidermis bildet gewöhnlich nur eine einreihige Zellſchicht an der Ober-
fläche des Pflanzenkörpers, welche dadurch charakteriſirt iſt, daß ſich die freie Außen-
fläche dieſer Zellen, unter gleichzeitiger Verdickung, in eine vom Waſſer nicht benetz-
bare und für Waſſer und Luft undurchdringliche Subſtanz, die Cuticula, Fig. 2, Cu
umwandelt.
Wird die Epidermis bei fortſchreitendem Wachsthume der Pflanze abgeſtreift oder
ſonſt wie durch Verletzung entfernt, ſo entſteht aus einer Zelllage unter der Epidermis
ein complicirtes, luftführendes Gebilde, der Kork, Fig. 2, K, welcher die Pflanze
noch viel ausgiebiger gegen Außen ſchützt.
[11]Das Pflanzenleben.
Die cuticulariſirte oder verkorkte Zellwand wird zum Unterſchiede von der ver-
holzten Zellwand auch nach dem Kochen in Kali von Jod und Schwefelſäure nicht
Querausſchnitt durch einen jungen Kartoffelſtengel, nach Sorauer. — C Cambium'; HK Holz-
körper (Xylemtheil des Gefäßbündels); PG Gefäße, Mn Markſtrahlen; B Baſtzellen (Phloemtheil); MK
Markkörper; S Siebröhren; B2 Baſtzellen. O Zellen mit oxalſaurem Kalk; StR Stärkering (Gefäßbündel-
ſcheide); RK Rindenkörper, Sch Leimgewebe (Collenchym, eigenthümlich verdickte, quellungsfähige Zellen);
E Epidermis, Sp Spaltöffnung, A Athmungshöhle, H Haar.
[12]Allgemeine Ackerbaulehre.
blau gefärbt und von concentrirter Schwefelſäure noch langſamer als die verholzte
angegriffen.
Trotz ihrer geringen Lebensdauer hat die Epidermis, wie ſpäter näher ausgeführt
werden ſoll, durch die Ausſtülpung von Haaren, Fig. 4, H, und durch die Bildung
von Spaltöffnungen, Sp, an allen Pflanzentheilen mit Ausnahme der echten
Wurzeln eine hohe Bedeutung für das Pflanzenleben.
Außer der Verholzung, Cuticulariſirung und Verkorkung kann die Zellwand
auch noch weitere Veränderungen erfahren, welche jedoch in den verſchiedenſten Gewebe-
ſyſtemen zum Vorſcheine kommen.
Zuweilen wird die Zellhaut in eine in Waſſer ſtark aufquellende, gallertartige
Maſſe verwandelt. Einer derartigen Verſchleimung unterliegt z. B. die Zellhaut in
den Endoſpermzellen des Hafers oder in den Oberhautzellen der Samenſchale des
Leines, des Rothklees, der Luzerne. Derartige Schleime werden nach J. Hofmeiſter
mit Jod allein, wie Stärkemehl blau gefärbt. Nach J. Kühn 1) beſtehen auch die
Membranen des Zellgewebes in den Samenlappen des Leines aus einer ſolchen der
Stärke ſich analog verhaltenden Modification des Zellſtoffes.
Häufiger lagern ſich auch unverbrennliche Stoffe, wie Kalk und Kieſelſäure, in
größeren Mengen in die Zellhaut ein. Dieſe mineraliſchen Einlagerungen bleiben
beim Glühen des betreffenden Pflanzentheiles als Aſchenſkelet zurück. Kieſel-
ſkelete erhält man z. B. durch Glühen der Gefäßzellen von Quercus suber, Phrag-
mites communis etc. Bei den Gramineen verkieſeln am häufigſten die Epidermis-
zellen, beſonders dort wo ſich ein Haar ausſtülpt. Kalkſkelete geben die Gefäßzellen
von Cucurbita pepo. Die Einlagerung von Kalk erfolgt übrigens auch in Form
von Kryſtallen, welche zuweilen, wie in der Epidermis der Hopfenblätter, als Kryſtall-
druſen (Cyſtolithen), in das Innere der Zelle hineinwachſen.
Schließlich finden ſich in den Zellen der verſchiedenſten Gewebeſyſteme, beſonders
in den meiſtens dünnwandig bleibenden Zellgeweben der Samen, Knollen, Zwiebeln,
Knospen ꝛc. feſte Ablagerungen von eiweißartigen Körpern, Fettkörnern, Stärke-
körnern, Oeltröpfchen, Kryſtallen (Fig. 4, O) u. ſ. w., welche größtentheils als ſo-
genannte Reſerveſtoffe zum Aufbaue neuer Zellen bei der wieder beginnenden
Vegetation aufgeſpeichert werden. —
Nach der chemiſchen Zuſammenſetzung laſſen ſich die mannigfaltigen feſten und
flüſſigen Stoffe, welche den Pflanzenkörper aufbauen, je nach dem Vorhandenſein von
Stickſtoff, in ſtickſtoffhaltige und ſtickſtofffreie Stoffe unterſcheiden.
Die ſtickſtoffhaltigen Stoffe kommen vorzugsweiſe im Protoplasma vor,
welches entweder im flüſſigen, körnigen Zuſtande die jugendlichen Zellen erfüllt oder,
wie in dem Endoſperme der Samen, als ſteife, brüchige Maſſe abgelagert iſt. Außer-
dem kommt das Protoplasma in kryſtallähnlichen Formen, Kryſtalloiden, z. B.
in den Kartoffelknollen, oder in rundlichen Klumpen mit Fett gemengt als ſog.
Aleuronkörner z. B. in den Kotyledonen der Hülſenfruchtſamen vor.
[13]Das Pflanzenleben.
Das Protoplasma beſteht vorzugsweiſe aus den Proteïnſtoffen, Eiweiß, Kleber
und Pflanzencaſeïn, welche aus Kohlenſtoff (nach Ritthauſen 1) ſchwankend von
51.0—54.7 %), Waſſerſtoff (6.92—7.73 %), Sauerſtoff (20.55—24.33 %),
Stickſtoff (15.6—18.4 %) und Schwefel (0.4—1.55 %) zuſammengeſetzt ſind. Die
größte Verbreitung im Pflanzenkörper erlangt von den verſchiedenen Proteïnſtoffen
das Pflanzeneiweiß (Pflanzenalbumin). Daſſelbe iſt in Waſſer löslich und ge-
rinnt bei dem Erhitzen auf 55—75° C.
Der Kleber findet ſich in der Kleberſchicht (Fig. 7, S. 17), einer einfachen,
bei Hafer, in der Nähe des Keimes, doppelten, bei Gerſte dreifachen Zellreihe unter
der Samenhaut der Getreidekörner. Derſelbe beſteht aus mehreren Formen von
Proteïnſtoffen (a. Gliadin [Pflanzenleim], b. Mucedin und c. Glutenfibrin [Pflanzen-
fibrin]), welche ſämmtlich in Alkohol und verdünnten Säuren löslich, und im waſſer-
haltigen Zuſtande eine zähe Maſſe bilden
Das Pflanzencaſeïn (a. Legumin, b. Glutencaſeïn, c. Conglutin) kommt
am häufigſten in der in alkaliſchem Waſſer leicht löslichen Modification des Legumin
vor, welches in Form von zahlreichen, bei der Reife vertrockneten Protoplasmakörnchen,
neben Stärke, die Zellen der Hülſenfrüchte, des Hafers (Avenin) und in ſehr ge-
ringen Mengen des Mais ausfüllt.
Von den ſtickſtofffreien, aus Kohlenſtoff, Sauerſtoff und Waſſerſtoff zu-
ſammengeſetzten Stoffen werden die Kohlehydrate und von dieſen, abgeſehen
von dem Zellſtoffe und ſeinen Umwandlungsprodukten, das Stärkemehl in
größter Menge in den Zellen der Samen, Knollen ꝛc. aufgeſpeichert.
Die Stärke erſcheint, je nach der Pflanzenart, in verſchieden geſtalteten Körnern,
Fig. 5, welche durch abwechſelnd waſſerreiche und waſſerarme
Schichten einen concentriſch geſchichteten Bau zeigen. Die einzelnen
Schichten gruppiren ſich ſtets um einen ſehr waſſerreichen Kern.
Zuweilen finden ſich wie in den zuſammengeſetzten Stärkemehlkörnern
der Feſtucaarten und Polygoneen zwei und mehr Kerne. In den
Samen von Weizen, Roggen und Gerſte ſind die Stärkemehl-
körner einfach linſenförmig, in den Kartoffeln eiförmig, bei Mais,
Hirſe abgerundet eckig.
Im kochenden Waſſer quellen die Stärkekörner auf und zwar
die weicheren, waſſerreicheren Schichten ſchon bei 45° C., die
äußerſte dichte, waſſerärmſte Schichte erſt bei 70° C. Bei 86° C. iſt die
Quellung oder Verkleiſterung vollſtändig eingetreten. Jedes Stärke-
korn beſteht aus Waſſer, einer geringen Menge Aſche und aus der
Stärkemehl-
körner aus der Kar-
toffelknolle.
Stärkeſubſtanz (Amylum). Letztere beſteht wieder aus einem leicht löslicheren Theile, der
Granuloſe, welche von Jodlöſung ſchön blau gefärbt wird, und aus einem ſchwerer
löslichen Theile (2—6 %) der Stärke-Celluloſe, welche, wie der verwandte Zell-
ſtoff durch Jod gelb und erſt bei Anwendung von Schwefelſäure blau gefärbt wird.
[14]Allgemeine Ackerbaulehre.
Die Löſung der Granuloſe erfolgt bei dem Zerdrücken oder Zerreiben der Stärke-
körner mit Quarzkörnern in Waſſer oder durch Maceration in Speichel bei erhöhter
Temperatur, ebenſo durch die in den keimenden Samen ſich bildende Diaſtaſe und
durch die Einwirkung verdünnter Säuren. Bei der gleichmäßigen Mengung von
Granuloſe und Celluloſe in den Stärkekörnern werden dieſe bei beginnender Ein-
wirkung des Löſungsmittels durch Ausziehen der Granuloſe allmählig corrodirt,
bis ſchließlich bei längerer Einwirkung des Löſungsmittels auch die Stärke-Celluloſe
zum größten Theile gelöſt wird.
Bei der Keimung und dem Wachsthume der Pflanzen wird das Stärkemehl in
Stärkegummi (Dextrin) und weiterhin in Traubenzucker übergeführt. Der letztere
gleichfalls zu den Kohlehydraten gehörende Körper kommt, ſowie der in den Rüben-
wurzeln, den Halmen der Getreidepflanzen während der Blüthe, in manchen Früchten
enthaltene Rohrzucker, gelöſt im Zellſafte vor.
Von weiteren ſtickſtofffreien Stoffen finden ſich in den Pflanzenzellen als nicht
gelöſte Ablagerungen die Pectin- oder Pflanzengallertſtoffe. Dieſelben ſind
höchſt wahrſcheinlich als Umwandlungsproducte der Zellhaut anzuſehen, welche zu-
nächſt in die in Waſſer unlösliche Pectoſe (Frémy) übergeht. Aus der Pectoſe ent-
ſtehen durch Einwirkung der Pflanzenſäuren das lösliche gallertartige Pectin und
Parapectin. Letztere bilden ſich in den reifenden Früchten und in dem Safte der
Wurzeln verſchiedener Rübenarten. Mit Waſſer quillt das Pectin erſt bei einer
höheren über 60° liegenden Temperatur an, eine Eigenſchaft, welche bei der Zucker-
gewinnung aus den Rübenwurzeln nach dem Robertſchen Diffuſionsverfahren (osmotiſche
Maceration) ausgenützt wird.
Zu den ſtickſtofffreien Stoffen gehören ſchließlich die in mannigfaltigen Ver-
bindungen oder im freien Zuſtande gelöſt vorkommenden Pflanzenſäuren, die in
größter Menge in den Samen der Oelfrüchte enthaltenen fetten Oele, dann die
Wachsarten, die ätheriſchen Oele, die Harze und die Pflanzenfarbſtoffe.
Vom allgemeinen Geſichtspunkte betrachtet, finden wir jeden Pflanzenkörper aus
Waſſer und Trockenſubſtanz zuſammengeſetzt. Letztere bleibt zurück, wenn
man die Pflanze einer Temperatur von 100—110° C. ausſetzt, bei welcher ſich das
Waſſer verflüchtigt.
Wird die Trockenſubſtanz einer noch höheren Temperatur ausgeſetzt, geglüht, ſo
entweicht der größte Theil der Pflanze, die verbrennliche oder organiſche
Subſtanz, meiſt als Kohlenſäure und Waſſerdampf, während ein kleiner Reſt, die
unverbrennliche oder Mineralſubſtanz (Aſche) zurückbleibt.
Der verbrennliche Theil wird von jenen organiſchen Stoffen gebildet, welche
in ihrer Vertheilung im Pflanzenkörper weiter oben näher beſprochen wurden. Trotz
der großen Zahl der dort angeführten näheren Stoffbeſtandtheile des Pflanzenkörpers
ſind es doch nur die Elemente. Kohlenſtoff, Waſſerſtoff, Sauerſtoff, Stickſtoff und
Schwefel, welche zu ihrer Bildung erforderlich ſind.
Die Elementarzuſammenſetzung des unverbrennlichen Pflanzentheiles, der Aſche,
iſt dagegen eine viel mannigfaltigere. Ausnahmslos finden ſich in der Pflanzenaſche:
Kalium, Calcium, Magneſium, Eiſen, Schwefel und Phosphor. Ohne dieſe Elemente
[15]Das Pflanzenleben.
iſt ein Wachsthum der Pflanzen unmöglich. Gewöhnlich enthält die Pflanzenaſche
auch noch: Natrium, Lithium, Mangan, Silicium, und Chlor, die Aſche der Meeres-
pflanzen: Jod und Brom. Außerdem wird, nach der großen Verbreitung im Thierkörper
zu ſchließen, das Vorkommen von Fluor vermuthet, ohne daß es bisher gelungen
wäre, daſſelbe chemiſch in der Pflanzenaſche nachzuweiſen. Seltener finden ſich, meiſt
je nach der beſonderen Beſchaffenheit des Pflanzenſtandortes: Cäſium, Rubidium,
Aluminium, Kupfer, Zink, Cobalt, Nickel, Bor, Strontium, Baryum, Arſen, Blei.
Grandean (Pogg. Ann. CXVI. 508) fand Rubidium in den Runkelrüben, im Tabak,
in den Weintrauben. Nach Knop (Landw. Verſuchsſtation. VII. 437) findet ſich Aluminium
in mehreren Flechtenarten; nach W. Wicke (Landw. Verſuchsſtation. VIII. 59) Kupfer in
Möhrenblättern, Kleeheu, Weizenkleie, in vielen Holzaſchen bis zu 0.13 %. Nach M. Freytag
enthalten alle auf zinkhaltigem Boden, Galmeiboden, gewachſenen Pflanzen Zink. Nach
Rößler (Mitth. d. l. Inſt. der Univerſität Halle, 1865, S. 179) zeigen Pflanzen, welche auf
arſenhaltigem Boden wachſen, deutliche Arſenreaktionen.
2. Die Bildung des Stoffes im Pflanzenkörper.
Die Pflanze vermag durch ihre Lebensthätigkeit weder die Elemente des
Waſſers, noch die Elemente der verbrennlichen Subſtanz und der Aſche neu zu
ſchaffen. Dieſelben müſſen als Pflanzennährſtoffe von Außen, aus der Luft
und dem Boden aufgenommen werden. Mit den Pflanzennährſtoffen treten zugleich
molekulare Kräfte in den Pflanzenkörper ein, welche im Vereine mit jenen Kraftformen,
die durch das Licht, die Wärme und die Schwerkraft der Pflanze zukommen, die
Ueberführung der aufgenommenen Elementarſtoffe in die den Pflanzenkörper aufbauenden
Formbeſtandtheile bewerkſtelligen.
Die Wanderungen, welche dabei der Stoff von ſeiner Aufnahme bis zu ſeiner
Verwendung zu machen hat, erfolgen ſtets durch die vollkommen geſchloſſene Zellwand,
welche ſelbſt bei der ſtärkſten Vergrößerung keine Oeffnungen erkennen läßt. Dieſe
Erſcheinung, welche als Difuſſion bezeichnet wird kann daher nur durch die Voraus-
ſetzung eines eigenthümlichen molekularen Baues 1) der Zelle und ihres Inhaltes
erklärt werden.
Die erſte ſtets von dem Samen ausgehende Lebensthätigkeit der Pflanze, die
[16]Allgemeine Ackerbaulehre.
Keimung, begnügt ſich im Allgemeinen mit der Umänderung der in den Pflanzen-
ſamen aufgeſpeicherten Reſerveſtoffe in jene Stoffe, welche die Keimpflanze aufbauen.
Erſt die wachſende Pflanze vermehrt ihren Körper durch Stoffaufnahme von
Außen; während ſich die reifende Pflanze in der Hauptſache wieder auf die
Ueberführung der im Verlaufe des Wachsthums neugebildeten Stoffe in den Samen
beſchränkt. Die Wachsthumsvorgänge in der keimenden und reifenden Pflanze be-
ſtehen daher nur in dem Stoffwechſel, während bei der wachſenden Pflanze zu
dem Stoffwechſel noch die Neubildung von organiſchen Stoffen aus der aufgenom-
menen Nahrung, die Aſſimilation hinzukommt.
Dieſe Verſchiedenheit in den Bildungsvorgängen je nach der Lebensperiode der
Pflanze erfordert daher eine getrennte Betrachtung.
1. Die Pflanze während der Keimung.
In jedem Samen, aus welchem eine Keimpflanze hervorgehen ſoll, findet ſich
umgeben von der ſchützenden Samenhaut (Samenſchale, Fig. 6, a) ein Keim (Embryo,
Große Saubohne Vicia Faba L. ☉ — a Same mit Samenſchale
(Testa): α Lage des Würzelchen, β Nabel, γ Mikrophyle, δ Samenſchwiele;
b und c Same nach Entfernung der Samenſchale: α Würzelchen, β Kotyle-
donen, γ Kotyledonenſtiele; d Fragment der Samenſchale (Innenſeite): α Höh-
lung, welche den Wurzelkeim umgiebt, β Leiſte, γ ſchwammiges Parenchym,
δ Nabeldurchſchnitt; e Längendurchſchnitt des Samens: α Samentaſche,
β Radicula, γ Plumula, δ ſchwammiges Parenchym der Samenhaut, ε Nabel,
η Kotyledon; f Durchſchnitt durch die Nabelpartie: α Nabel, β Gefäßbündel,
γ ſchwammiges Gewebe.
Fig. 7, e) und wenig-
ſtens der Anlage nach
ein Mehlkörper
(Endoſperm, Fig. 7, a).
Bei den monocotylen
Pflanzen, wie bei un-
ſeren Getreide- und
ſonſtigen Graspflanzen
iſt der Mehlkörper
gegenüber dem Keime 1)
kräftig entwickelt. Bei
den dicotylen Pflanzen
wird der Mehlkörper
durch den Embryo ganz
verdrängt, ſo zwar, daß
der ausgereifte Same
nur von der Maſſe
des Embryo's ausge-
füllt wird und dann
kein Endoſperm beſitzt.
In manchen Fällen,
wie bei Rübe, Kartoffel, Buchweizen, Umbellieferen erfolgt dieſe Verdrängung nur theil-
weiſe; die Samen dieſer dicotylen Pflanzen enthalten daher gleichfalls ein Endoſperm.
[17]Das Pflanzenleben.
Der Embryo beſteht aus der Hauptwurzel (Radicula Fig. 6, e, β), neben
welcher bei den Gräſern in der Anlage noch einige, meiſt 4, Seitenwurzeln hinzu-
kommen, der embryonalen Stammachſe (Cauliculus) und
dem nackten oder mit einer kleinen Blattknospe (Plumula
c γ) verſehenen Vegetationskegel.
Zur Seite des Stammes iſt bei den monocotylen Pflanzen
ein Keimblatt (Cotyledon) angewachſen, während bei den
dicotylen Pflanzen zwei fleiſchige, meiſt bedeutend entwickelte,
den Raum des Samens oft ganz ausfüllende Keimblätter,
Fig. 6, η, vorkommen. Bei den monocotylen Graspflanzen
wird die embryonale Blattknospe von einem Blatte, welches
bei der Keimung als häutige, farbloſe Scheide aus dem Samen
hervortritt, umhüllt. Außer dieſer Cotyledonarſcheide findet ſich
in dem Grasſamen ein ſchildförmiges aus dem erſten Stamm-
knoten hervorwucherndes Keimblatt, Scutellum, welches
von Sachs, entſprechend ſeiner Function durch Vermittelung
eines aus einer Reihe großer würfelförmiger Zellen beſtehenden
Epitheliums die Reſerveſtoffe aus dem Samen aufzuſaugen
und dem Embryo zuzuführen, Saugorgan genannt wird.
Das Endoſperm und die dem Embryo angehörenden
Keimblätter bilden die Reſervoire, in welchen für die Ent-
Schematiſcher
Längsſchnitt durch einen
Grasſamen. — e Embryo
(Knöspchen, Stammachſe),
w Würzelchen, s Epithel
des Scutellums (Keimblat-
tes); a Mehlkörper (Endo-
ſperm), k Kleberſchicht.
wickelung des Keimes zur Keimpflanze ſowohl ſtickſtoffhaltige als ſtickſtofffreie Nähr-
ſtoffe, Reſerveſtoffe, aufgeſpeichert ſind. Die ſtickſtoffhaltigen Reſerveſtoffe finden
ſich in Form verſchiedener Eiweißkörper in den endoſpermfreien Samen in den Cotyle-
donen, in den endoſpermhaltigen Samen im Zellgewebe des Endoſperms, des
Scutellums und in einer unter der Samenhaut liegenden äußerſten Zellſchicht des
Mehlkörpers, der Kleberſchicht, Fig. 7, k. Die ſtickſtofffreien Reſerveſtoffe füllen in
reichlichſter Menge entweder als Stärkekörner oder als Fett, oder als Gemenge beider,
neben ſpärlichen Proteïnſtoffen die Zellen des Endoſperms oder der Keimblätter.
Aehnlich wie das Endoſperm und die Keimblätter die Reſerveſtoffbehälter für
den Embryo im Samen bilden, dienen bei jenen Pflanzen, welche auch durch
Knospen fortgepflanzt werden können, die Stammtheile, die Knollen, Rhizome,
Zwiebeln und Wurzeln als Reſeveſtoffbehälter. Neben den meiſt in den äußeren
Zelllagen oder in dem Cambium der Gefäßbündel abgelagerten Proteïnſtoffen kommen
hier am häufigſten Stärkekörner als ſtickſtofffreie Reſerveſtoffe vor. In den Knollen
der Tobinambur tritt an Stelle der Stärke das verwandte Inulin, in den Zwiebel-
ſchuppen von Allium Cepa nach Sachs eine dem Traubenzucker ähnliche Subſtanz
und in der Runkelrübenwurzel der Rohrzucker.
Zur Entfaltung des Keimes oder der Knospen ſind neben einer beſtimmten
Wärmemenge nur Waſſer und ſauerſtoffhaltige Luft erforderlich, das Licht iſt entbehrlich.
Die Keimung der Samen beginnt im Allgemeinen mit der Aufnahme von
Waſſer, durch welches die Samenhaut aufquillt. Bei der weiteren Waſſerauf-
Krafft, Lehrb. d. Landw. I. 2
[18]Allgemeine Ackerbaulehre.
nahme tritt eine Volumsvermehrung des Embryos und der Keimblätter ein. Durch
das eingedrungene Waſſer werden die im Samen aufgeſpeicherten Reſerveſtoffe gelöſt
und dem Embryo zugeführt. In Folge deſſen gehen in den Geweben des Embryos,
unter gleichzeitiger Einwirkung des von dem Samen bei der Keimung aufgenommenen
Sauerſtoffes, mannigfaltige Veränderungen vor ſich, welche jedoch nicht als Neu-
bildungen, ſondern blos als Streckung und Verſtärkung der ſchon vorhandenen Zell-
gewebe anzuſehen ſind.
Durch die Zufuhr von Nahrung aus den Reſerveſtoffbehältern des Samens
gelangt im weitern Verlaufe der Keimung der Embryo zur Entwickelung. Zuerſt
durchbricht die ſich verlängernde Hauptwurzel die Samenhaut. Derſelben folgt nach
aufwärts unter gleichzeitiger Streckung der Stammachſe die Knospe, welche ſchließlich
ihre ergrünenden Blattlagen entfaltet, während ſich gleichzeitig an der Wurzel zahl-
reiche Seitenwurzeln entwickeln. Mit dieſer äußeren Entwickelung der Embryos zur
Keimpflanze entleeren ſich allmählich die Keimblätter und der Mehlkörper des Samens,
bis zuletzt der Same nahezu ausgeſchöpft und von demſelben nicht vielmehr als die
Samenſchale oder die Fruchthaut übrig bleibt.
Trotzdem die ausgebildete mit Seitenwurzeln und grünen Blättern verſehene
Keimpflanze an Volumen gegenüber dem Samen zugenommen hat, iſt doch wie oben
bemerkt, keine Vermehrung ſondern oft eine Verminderung der Trockenſubſtanz ein-
getreten. Dieſe Verminderung wird durch die Oxydation eines Theiles des Kohlen-
ſtoffes und wahrſcheinlich auch des Waſſerſtoffes der ſtickſtofffreien Reſerveſtoffe her-
beigeführt. Als Ox[i]dationsprodukte werden von den keimenden Samen Kohlenſäure
und Waſſer ausgeathmet. Mit der Aufnahme von Sauerſtoff iſt gleichzeitig eine
Wärmeentwickelung verbunden, welche am auffälligſten in den keimenden Getreide-
haufen bei der Malzbereitung beobachtet werden kann.
In Betreff der näheren Stoffveränderungen bei der Entwickelung des Embryos
zur Keimpflanze kann bemerkt werden, daß von den verſchiedenen Reſerveſtoffen un-
ſtreitig die ſtickſtoffhaltigen Proteïnſtoffe das Baumaterial für den protoplasmatiſchen
Zellinhalt (Protoplasma, Zellkern, Chlorophyllkörner ꝛc.) abgeben, während die ſtick-
ſtofffreien Reſerveſtoffe (Stärke, Inulin, Fett ꝛc.) das Baumaterial für die Zellwände
liefern. Dieſes Baumaterial wird vorzugsweiſe in den fortwachſenden Vegetations-
ſpitzen der Keimpflanze verbraucht. Damit daſſelbe von dem Samen an jene Orte
des größten Verbrauches gelangen kann, muß daſſelbe vorher gelöſt werden. Die
im Samen, in unlöslichem Zuſtande enthaltenen Proteïnkörper werden daher in
löslichere Formen übergeführt und gelangen dann in den Gefäßbündeln zu den
wachſenden Pflanzentheilen. Die Kohlehydrate und Fette erfahren desgleichen eine
Umwandlung und zwar in Zucker oder in feinkörniges wanderndes Stärkemehl, welche
in den Parenchym- und Epidermiszellen der Keimpflanze zu den Orten des Verbrauches
gelangen, um dort in dem Maße zu verſchwinden, als ſie zur Vergrößerung der Zell-
haut verwendet werden. Die Aſchenbeſtandtheile des Samens, beſonders das Kali
und die Phosphorſäure dürften nach H. Ritthauſen zur Verflüſſigung der in reinem
Waſſer unlöslichen Proteïnſtoffe beitragen.
[19]Das Pflanzenleben.
2. Die Pflanze während der Vegetation.
Mit der Erſchöpfung der Reſerveſtoffe im Samen würde ein Stillſtand im
Wachsthume der Pflanzen eintreten — wie dies thatſächlich bei Pflanzen, welche in
deſtillirtem Waſſer gezogen wurden, der Fall iſt — wenn nicht die Wurzel nach der
Entwickelung des erſten grünen Blattes die Fähigkeit erlangen würde, aus dem Boden
Nährſtoffe aufnehmen zu können. Die von der Wurzel aufgenommene Bodennahrung
wird durch den Stamm den grünen, chlorophyllhaltigen Pflanzentheilen zugeführt
und dort mit jener Pflanzennahrung, welche durch die Blätter aus der Atmoſphäre
entnommen wird, in neues Bildungsmaterial umgewandelt. Die in den grünen
Pflanzentheilen neu gebildete organiſche Subſtanz wird dann zur Weiterentwickelung
der Keimpflanze verwendet. Dieſelbe bildet als wachſende Pflanze ihre Glieder
(Wurzel, Stamm und Blatt) ſoweit aus, daß dieſelben geeignet werden, ihre beſtimmte
pſyſiologiſche Thätigkeit auszuüben.
Die phyſiologiſche Thätigkeit der Pflanzenglieder erſtreckt ſich entweder auf die
Nahrungsaufnahme von Außen oder auf die Umwandlung, die Aſſimi-
lation, der aufgenommenen Nahrung in Pflanzenſubſtanz.
Als Nahrungsquellen für die Pflanze dienen der Boden und die Luft.
Erſterer liefert das Material für die unverbrennliche Pflanzenſubſtanz, da nur im
Boden jene Elemente vorkommen, welche die Aſche der Pflanze zuſammenſetzen. Die
atmoſphäriſche Luft und die Luft im Boden liefert dagegen durch ihren Gehalt an
Sauerſtoff, Waſſer, Kohlenſäure und Ammoniak das Material für die verbrennliche
oder organiſche Pflanzenſubſtanz.
Die Bodennährſtoffe werden durch die Pflanzenwurzel aufgenommen und
zwar in dem Maße als durch den Verbrauch eines Stoffmoleküles zur Neubildung,
oder durch Verdunſtung des Waſſers von der Oberfläche der Pflanze, oder durch feſte
Ausſcheidung eines vorher gelöſten Körpers, das molekulare Gleichgewicht in der
wachſenden Pflanze geſtört wird. Je umfangreicher die Wurzel entwickelt und je
reicher dieſelbe verzweigt iſt um ſo ausgiebiger wird ſie andrerſeits die Pflanze er-
nähren können.
Von den verſchiedenen Zellen der Wurzel nehmen nur die durch Ausſtülpung
aus den Epidermiszellen ſich entwickelnden Wurzelhaare, welche nach J. Sachs 1)
zum Theile innig mit den Erdtheilchen verwachſen, die Bodennährſtoffe auf. Die
Wirkſamkeit der Wurzelhaare iſt jedoch nur eine beſchränkte. Haben dieſelben eine
Zeit hindurch aus der ſie umgebenden Bodenſchichte die Nährſtoffe aufgenommen, ſo
trocknen ſie mit dem Verholzen der älter werdenden Wurzel ab und an ihre Stelle
treten neue Wurzelhaare, welche ſich an den fortwachſenden jungen Enden der Wurzel
ausſtülpen. Im Jugendzuſtande der Pflanze werden daher die Nährſtoffe aus den
oberſten Bodenſchichten entnommen, ſpäterhin jedoch auch tiefere Schichten in Anſpruch
genommen. Vorzugsweiſe entwickeln ſich die Wurzeln und mit dieſen die Wurzel-
haare dort, wo Nährſtoffe im Boden enthalten ſind. Die Bodennahrung fließt
2*
[20]Allgemeine Ackerbaulehre.
daher den Pflanzenwurzeln nicht zu, ſondern dieſe ſuchen durch die Ortsveränderung
bei ihrem Wachsthume die Bodennährſtoffe auf. Einen ſchönen Beweis für dieſe
beachtenswerthe Thatſache liefern die von Dr. F. Nobbe 1) mit Mais ausgeführten
Vegetationsverſuche in einem Boden, in welchem die Nährſtoffe in verſchiedenen Schich-
ten künſtlich vertheilt waren. Am Schluſſe der Vegetation waren bei dieſen Verſuchen
die Wurzeln der Maispflanzen in jenen Bodenſchichten, welche die Nährſtoffe enthielten
am ſtärkſten verzweigt.
Wenn nun auch die Pflanzenwurzeln (Haupt- und Nebenwurzeln) mit ihren
behaarten Theilen den Nährſtoffen nachgehen, ſo zeigen doch manche Culturpflanzen 2),
welche ſich mit einem geringeren Bodenvolumen begnügen, das Beſtreben die Nahrung
größtentheils aus den oberen Bodenſchichten zu entnehmen. Derartige flachwur-
zelnde Gewächſe ſenden jedoch ihre Wurzeln unter Umſtänden auch in größere
Tiefen. Die flachwurzelnden Getreidepflanzen entwickeln z. B. Wurzeln von zuweilen
1,25 Meter Länge. Andere die ſog. tiefwurzelnden Gewächſe, wie die blatt-
reichen Klee- und Rübengewächſe, die Hülſenfrüchte ſuchen die Nahrung ihrer Natur
nach und angeregt durch ein größeres Waſſerbedürfniß in tieferen Bodenſchichten, ſelbſt
dann, wenn dieſe durch eine feſtere Beſchaffenheit die Wurzelausbreitung wenig begünſtigen.
Die Pflanzennährſtoffe ſind im Boden entweder im gelöſten oder wie der Sauer-
ſtoff, die Kohlenſäure und das Ammoniak im gasförmigen oder im feſten Zuſtande
enthalten oder ſie werden durch molekulare und chemiſche Kräfte an der Oberfläche
der Erdtheilchen feſtgehalten, abſorbirt. Die gelöſte und gasförmige Nahrung wird
unmittelbar durch Diffuſion von den Wurzelhaaren aufgenommen. Um auch die
feſten und abſorbirten Nährſtoffe zur Aufnahme durch Diffuſion geeignet zu machen,
ſcheidet die Wurzel eine Säure, nach Wiegmann Kohlenſäure aus, welche entweder
in der Zellwand vertheilt, die mit dieſer verwachſenen feſten Bodentheilchen löſt oder
ausgeſchieden die feſten und abſorbirten Nährſtoffe im Bodenwaſſer zur Löſung bringt.
Wie aus den Verſuchen von J. Sachs, welcher zuerſt 1859 zeigte, daß polirte Ge-
ſteinsplatten, durch wachſende Pflanzenwurzeln corroſirt werden, hervorgeht, werden
in der That die feſten Bodentheilchen als Pflanzennahrung aufgenommen. Daß
auch die abſorbirten Bodennährſtoffe aufgenommen werden, beweiſen die Vegetations-
verſuche von Ph. Zöller und Dr. F. Stohmann 3) in Torf, welcher mit abſorbirten
Nährſtoffen verſehen war.
Die Pflanze nimmt jedoch die einzelnen Nährſtoffe nicht in denſelben Mengen-
verhältniſſen, als ſie im Boden vorkommen auf, da die Aufnahme, wie oben
erwähnt, von dem Verbrauche der Nährſtoffe in der Pflanze und von dem
Beſtreben die dadurch herbeigeführte Störung des molekularen Gleichgewichtes wiederher-
[21]Das Pflanzenleben.
zuſtellen, abhängig iſt. Dieſe Thatſache erklärt ſowohl die Möglichkeit, daß Pflanzen
mit dem verſchiedenſten Aſchengehalte neben einander auf demſelben Boden zu wachſen ver-
mögen, als auch daß die Pflanzen die zu ihrem Gedeihen erforderlichen Mengen an Nähr-
ſtoffen auch dann noch ſammeln können, wenn dieſelben nur in ſehr geringen jedoch
nicht unter ein gewiſſes Minimum herabgehenden Mengen im Boden vorhanden ſind.
Um die Qualität und [Quantität] der von den Pflanzen beanſpruchten Boden-
nährſtoffe und deren phyſiologiſche Wirkung feſtzuſtellen, werden zwei verſchiedene Ver-
ſuchsmethoden angewendet. Die ältere von Fürſt Salm-Horſtmar angegebene Methode
beſteht in der Ausführung von Vegetationsverſuchen in Kohlenpulver oder nach
Dr. Hellriegel in Dahme in ausgeglühtem und mit Schwefelſäure ausgekochtem Quarz-
ſande, welchem die verſchiedenen Nährſalze in feſter oder flüſſiger Form zugeſetzt wer-
den. Die zweite zuerſt 1855 von Dr. Handtke in die Wiſſenſchaft eingeführte
und von J. Sachs 1857 weiter ausgebildete Methode beſteht in der Erziehung von
Landpflanzen in wäſſerigen Nährſtofflöſungen d. i. im deſtillirten Waſſer, in welchem
eine gewiſſe Menge (gewöhnlich auf 1000 Theile Waſſer 0.5—1 Theile Salz)
Mineralſalze aufgelöſt ſind. Nach den Ergebniſſen zahlreicher derartiger Vegetations-
verſuche ſind für das Wachsthum der Pflanzen Kali, Kalk, Magneſia, Eiſenoxyd,
Phosphorſäure, Schwefelſäure, Kieſelſäure (?) und Chlor unentbehrlich. Alle übrigen
außer in den genannten Verbindungen, in den Pflanzenaſchen enthaltenen Elemente
(S. 15) ſind nur als zufällige Vorkommniſſe zu betrachten, ohne welche die Pflanze
gleichfalls ihre normale Entwickelung erlangt.
Das gänzliche Fehlen eines Nährſtoffes kommt in dem Habitus der Pflanze
zum Ausdrucke. Nach Hellriegel 1) entwickeln ſich die (Gerſten) Pflanzen bei Stick-
ſtoffmangel normal, aber ganz en miniature. Bei Kalkmangel gehen die gebildeten
Blätter ſehr bald ein, vertrocknen und auf ihre Koſten bilden ſich dann neue.
Magneſiamangel bedingt ein langes, flattriges Ausſehen und eine kränkliche blaſſe
Farbe. Phosphor- und Stickſtoffmangel bekunden ſich durch eine rothe Färbung der
Pflanzen. Durſtpflanzen, bei mangelndem Waſſer erzogen, verhalten ſich ähnlich
wie die Pflanzen, welche an Phosphorſäure und Stickſtoff Mangel leiden.
Ueber die Verbindungen, in welchen die Bodennährſtoffe durch die Pflanzen-
wurzeln aufgenommen werden, liegen verhältnißmäßig noch wenige Anhaltspunkte vor.
Im Allgemeinen werden die ſchwer löslichen humus- und kieſelſauren Verbindungen
durch die Kohlenſäure des Bodens und durch gewiſſe Bodenſalze (Gyps ꝛc.) in
leicht löslichere Verbindungen übergeführt und als ſolche von den Pflanzenwurzeln
aufgenommen. Der Stickſtoff, welcher als Ammoniak durch die atmoſphäriſchen
Niederſchläge oder durch verweſende thieriſche Subſtanzen in den Boden gelangt
wird wahrſcheinlich nicht als Ammoniak ſondern als Salpeterſäure aufgenommen.
Nach Hampe 2) wird auch der Harnſtoff, als Stickſtoffquelle, direct von den Pflanzen-
wurzeln aufgenommen. Der freie Stickſtoff der Luft iſt kein Pflanzennährſtoff. Kali
und Natron werden als kohlenſaure-, ſalpeterſaure- oder Chloralkalien aufgenommen.
[22]Allgemeine Ackerbaulehre.
Kalkerde und Magneſia treten als kohlenſaure oder auch ſchwefelſaure Verbindungen
ein. Der Schwefel wird in Form löslicher ſchwefelſaurer Salze, das Eiſen als
phosphorſaures Eiſenoxyd aufgenommen. Die Aufnahme der Phosphorſäure erfolgt
als phosphorſaures Alkali, der Kieſelſäure als freie Säure und als kieſelſaures
Alkali und des Chlor als Chlorkalium und Chlorcalcium.
Die von der Wurzel aufgenommene gasförmige, flüſſige und feſte Nahrung
wird entweder in der Zellwand des Wurzelhaares ſelbſt und zwar in den Waſſer-
hüllen der Kryſtallmoleküle 1) der Zellhaut durch Inbibition weiter geleitet oder ſie
tritt aus der Zellwand in das Innere der Zelle und wird von hier durch Diffuſion
und Capillarität durch den Stammtheil der Pflanze zu den Blättern weitergeſchafft.
In beiden Fällen erlangt das Waſſer, welches gleichfalls durch die Wurzelhaare
aus dem Boden aufgenommen wird, eine hohe Bedeutung für das Pflanzenleben.
Nicht nur daß daſſelbe als Transport- und Löſungsmittel für die Bauſtoffe verwendet
wird und als Organiſationswaſſer unmittelbaren Antheil an dem Aufbaue des
Pflanzenkörpers nimmt, liefert es auch bei ſeiner Zerlegung den Waſſerſtoff und
einen Theil des Sauerſtoffes zur Bildung der organiſchen Subſtanz.
Außer der Waſſerbewegung, welche durch die Ernährungs- und Wachsthums-
vorgänge in allen Zellen der Pflanze ſtattfindet, geht in der lebenden Pflanze auch
noch eine continuirliche Waſſerbewegung in den Zellhäuten des Holzes vor ſich, zum
Erſatze jener Waſſermengen, welche durch die Pflanzenblätter verdunſten.
Die Verdunſtung, Transpiration der Blätter erfolgt nicht durch die Epi-
dermis, welche durch Cuticulariſirung der Zelloberfläche für Waſſer undurchdringlich
iſt, ſondern durch die gewöhnlich mit zwei Schließzellen verſehenen Spaltöffnungen.
(Fig. 4. Sp. S. 11). Dieſelben bilden die Ausführungsöffnungen der zwiſchen den
Zellen frei bleibenden Hohlräume, Intercellularräume (Fig. 2. J., S. 8), welche
die ganze Pflanze bis zu den Wurzeln durchziehen und mit den Hohlräumen der
Gefäße und Holzzellen in Verbindung ſtehen.
Der Waſſerverluſt durch die Spaltöffnungen, welche auf der Unterſeite des
Blattes reichlicher und zwar nach den Zählungen von A. Weiß 2) bis zu 700 auf
1 □ Mm. vorkommen, iſt bedeutend, wenn er auch kaum den dritten Theil der Ver-
dunſtung von einer gleich großen Waſſerfläche ausmacht. Das Gewicht des ver-
dunſteten Waſſers kann je nach der Temperatur, der Feuchtigkeit der Luft, das 2 — 3fache
des eigenen Pflanzengewichtes betragen, während nur 7—8 % des aufgenommenen
Waſſers zu Neubildungen im Pflanzenorganismus verwendet werden. Nach Knop 3)
verdunſten z. B. 1 Mill. Blätter des Rapſes in 24 Stunden 8352 Kilogr. Waſſer.
Nach den Unterſuchungen von Dr. Dietrich 4) producirt ein und dieſelbe
Pflanzenart um ſo mehr Pflanzenſubſtanz, je mehr ſie Waſſer verdunſtet und um-
gekehrt. Mit der Menge des verdunſteten Waſſers ſteht ferner die Menge der auf-
[23]Das Pflanzenleben.
genommenen Nährſtoffe in Beziehung. Nach demſelben Forſcher verdunſten auf 100
Gramm producirter Trockenſubſtanz:
| Buchweizen ......... | 42,000 | Gramm | Waſſer. |
| Klee ........... | 41,000 | „ | „ |
| Lupinen, Bohnen und Hafer ꝛc. .. | 36,000 | „ | „ |
| Sommerroggen und Weizen .... | 30,000 | „ | „ |
| Gerſte .......... | 26,000 | „ | „ |
Dieſe Angaben beſtätigen die Ergebniſſe der früheren Unterſuchungen von Dr.
Wilhelm und Dr. Breitenlohner, über den Einfluß der Pflanzenvegetation auf die
Bodenfeuchtigkeit. Nach den Genannten entziehen tiefgehende blattreiche und daher
ſtark verdunſtende Gewächſe mit längerer Vegetation und perennirendem Stande wie
Rüben, Mais, Luzerne, Wieſengräſer dem Ober- und Untergrunde mehr Feuchtigkeit
als die das Feld früher räumenden, flachwurzelnden Halmfrüchte. Ebenſo enthält ein
gebrachter Boden gegenüber einem mit Pflanzen beſtandenen Boden mehr Feuchtigkeit.
Nach Dr. Wilhelm 1) war im Februar 1866 der Feuchtigkeitsgehalt eines Feldes,
welches im Jahre 1865 Mais getragen, gegenüber einem ſeit 1864 mit Luzerne beſtandenem
Felde von gleicher Bodenbeſchaffenheit und je eines 1865 mit Weizen und Rüben beſtellten
Feldes der folgende:
| Mais | Luzerne | Weizen | Rübe | ||||
| bei | 15.8 | Centim. | Tiefe | 22.2% | 17.7.% | 18.8% | 16.9% |
| „ | 47.4 | „ | „ | 16.9% | 13.2% | 20.8% | 18.0% |
| „ | 79.0 | „ | „ | 16.4% | 12.2% | 24.3% | 21.6% |
Die Waſſerverdunſtung durch die Blätter hat noch die weitere Bedeutung, daß
ſich bei derſelben nach der Entdeckung Schönbein's 2) unter Mitwirkung des ſonſt für die
Pflanzenvegetation bedeutungsloſen freien Stickſtoffs der Luft ſalpetrigſaures Ammoniak
bildet, welches als ſolches oder umgewandelt in kohlenſaures Ammoniak ſowohl durch
die Blätter als auch durch die Wurzel aufgenommen wird.
Der Erſatz der durch die Pflanze abgegebenen Waſſermengen erfolgt durch das
von der Wurzel aufgeſogene und aufgetriebene Waſſer. Die Blätter ſelbſt, deren
Spaltöffnungen ſich beim Benetzen durch Aufquellen der Schließzellen ſchließen, neh-
men flüſſiges Waſſer (Thau, Regen) nur durch die benetzbaren Fibrovaſalſtränge
(Blattnerven) auf.
Durch die Spaltöffnungen der oberirdiſchen Pflanzentheile, welche wie oben an-
gegeben durch die Intercellularräume mit dem Zellgewebe im Innern der Pflanze
in Verbindung ſtehen, wird auch der mit den Lebensvorgängen der Pflanze im
innigſten Zuſammenhange ſtehende Gasaustauſch vermittelt. Außer durch die Spalt-
öffnungen treten auch durch Diffuſion Gasmengen in die mit der Luft in unmittel-
barer Berührung ſtehenden Zellen der Wurzeln und oberirdiſchen Pflanzentheile ein.
Dieſe Aufnahme und Abgabe von gasförmigen Stoffen ſteht mit zwei weiteren
Lebenserſcheinungen der Pflanze in Beziehung und zwar mit der Athmung
[24]Allgemeine Ackerbaulehre.
(Reſpiration) der lebenden Zelle und mit der Aſſimilation der Pflanze, welche
neben der Athmung nur in den grünen chlorophyllhaltigen Zellen unter dem Einfluſſe
des Lichtes und der Wärme vor ſich gehen kann.
Die Athmung, welche am deutlichſten bei dem Stillſtande der Aſſimilation
im Dunkeln, während der Nacht oder bei der nicht aſſimilirenden Keimpflanze, ſo lange
dieſe noch keine grünen Zellen gebildet hat, zur Beobachtung gelangt, beſteht in der
Aufnahme von Sauerſtoff und in der Ausſcheidung von Kohlenſäure, welche durch
die Oxydation der aſſimilirten Subſtanzen gebildet wird. Bei dieſem Oxydations-
proceſſe, welcher mit einer Verminderung der Pflanzentrockenſubſtanz verbunden iſt,
wird Wärme frei, welche in Kraft umgeſetzt neben der von Außen einwirkenden
Wärme die mannigfaltige Fortbewegung des Stoffes im Pflanzenkörper unterſtützt.
Die Aſſimilation der unter dem Lichteinfluſſe ſtehenden chlorophyllhaltigen
Zellen beſteht dagegen in der Aufnahme von Kohlenſäure, aus welcher unter Ab-
ſcheidung von Sauerſtoff und unter Mitwirkung der durch die Wurzeln den Blättern
zugeführten Nahrung neue organiſche Subſtanz gebildet wird. Dieſer nur bei Be-
leuchtung und nur in den grünen Pflanzentheilen ſtattfindende Bildungsvorgang, bei
welchem aus ſauerſtoffreicheren Nährſtoffen durch Desoxydation ſauerſtoffärmere
Pflanzenſubſtanz geſchaffen wird, überwiegt die vorhin erwähnte durch die Athmung
eingeleitete theilweiſe Zerſtörung der aſſimilirten Subſtanz, ſo zwar, daß trotz dieſer
Zerſtörung eine Gewichtszunahme der wachſenden Pflanze erfolgt.
Das erſte Aſſimilationsprodukt iſt die Bildung von Stärkeeinſchlüßen in den
Chlorophyllkörnern. Außer der Stärke werden zuweilen auch Oeltröpfchen und
Körner unbekannter Natur ausgeſchieden. Das in den Chlorophyllkörnern aus dem
Protoplasma entſtehende autochthone Stärkemehl wächſt nur ſo lange als es
im Bereiche des Protoplasmas bleibt. Von ſeinem Bildungsorte wird es in einem
ſehr feinkörnigen Zuſtande als wanderndes Stärkemehl den wachſenden Pflanzen-
theilen, vornehmlich den Zellſchichten nahe an den Vegetationspunkten zu weiterem
Verbrauche, wie zur Bildung der Zellhaut und anderer ſtickſtofffreier Pflanzenkörper
zugeführt. Das zu dieſem Zwecke nicht verwendete Stärkemehl wird dann zu fer-
nerem Verbrauche als eingewandertes Stärkemehl in den Samen, Knollen,
Markſtrahlen, Holzzellen ꝛc. abgelagert.
Im Dunkeln hört die Stärkebildung auf, es verſchwinden daher in dem Maße
als die Stärke von den Chlorophyllkörnern den wachſenden Geweben zugeführt wird
die Stärkeeinſchlüſſe. Stets im Feſteren gehaltene Pflanzen bilden kein Stärkemehl
und können daher nicht fortwachſen.
Die Neubildung der eiweißartigen Stoffe geht wahrſcheinlich gleichfalls in den
grünen Zellen unter Einwirkung der Kohlehydrate aus den durch die Wurzeln oder
durch die Blätter aufgenommenen Ammoniakſalzen vor ſich.
Die in den grünen Blättern neu entſtandenen aſſimilirten Nahrungsſtoffe wer-
den von hier aus nach allen Richtungen zu den Orten des Verbrauches befördert
und miſchen ſich dabei mit dem von der Wurzel zu den Blättern aufſteigenden rohen
Nahrungsſafte. Die Kohlehydrate, die Fette werden gewöhnlich im Parenchym der
[25]Das Pflanzenleben.
Rinde und des Markes, die eiweißartigen Stoffe im Weichbaſte durch Diffuſion
unter mannigfaltigen Umänderungen weiter befördert, ſomit in denſelben Gewebe-
formen, in welchen bei der keimenden Pflanze die Reſerveſtoffe zu den Verbrauchs-
orten gelangen.
Schließlich erübriget noch der phyſiologiſchen Funktionen zu gedenken, welche in
den wachſenden Pflanzen den Aſchenbeſtandtheilen zukommen. Nach F. Nobbe 1)
vegetirt die Pflanze in kalifreier ſonſt vollſtändiger Nährſtofflöſung wie im reinen
Waſſer. Sie vermag nicht zu aſſimiliren und zeigt daher keine Gewichtszunahme,
weil ohne Mitwirkung des Kali in den Chlorophyllkörnern keine Stärke gebildet
wird. Fehlt in der kalihaltigen Nährſtofflöſung, Chlor oder Salpeterſäure, ſo bildet
die Pflanze zwar kräftige Blätter, in denen ſich zahlreiche Stärkekörner erzeugen,
aber dieſe Stärke wird nicht an die Verbrauchsorte, den wachſenden Pflanzenſpitzen
und Blüthen, transportirt; die Blätter werden zunehmend vollgepropft von Stärke,
erkranken und fallen mit ihrer Ueberfülle an Nahrungsſtoffen ab. Das Kali
wirkt daher beſonders günſtig auf die Bildung der Kohlehydrate: Stärke, Zucker,
Holzfaſer ꝛc.
Nach v. Liebig 2) ſtehen Kali, Kalk und Magneſia auch in Beziehung zur
Bildung der Pflanzenſäuren. Daß die genannten Baſen auch in Beziehung zur
Zellhautbildung ſtehen, ergiebt ſich aus deren gleichmäßiger, inniger Vertheilung in
der Zellhaut, wie aus den Aſchenſkeleten (S. 12) zu erſehen iſt.
Das Eiſen iſt, wenn auch nur in geringen Mengen zur Bildung des Chloro-
phyll unbedingt nothwendig. Fehlt daſſelbe, ſo werden die Blätter farblos (Chloroſe)
und die Aſſimilation der Pflanze erleidet durch die Verhinderung der Chlorophyll-
bildung einen Stillſtand.
Das Chlor bethätigt ſeine phyſiologiſche Funktion, wie ſchon beim Kali an-
gegeben, durch die Fortleitung der Aſſimilationsprodukte zu den Verbrauchsorten.
Die Phosphorſäure ſteht nach Mayer 3) in einem beſtimmten Verhältniſſe
zu dem Stickſtoffgehalte der Pflanzen, was einen Einfluß derſelben auf die Bildung
der Eiweißkörper vermuthen läßt.
Ebenſo dürfte die Schwefelſäure in Beziehung zur Bildung der Eiweiß-
körper ſtehen, da deren Schwefelgehalt nur von dieſer herrühren kann.
3. Die Pflanze während der Blüthe und Fruchtbildung.
Nach der vollkommenen Ausbildung der Wurzeln, des Stammes und ſeiner
Verzweigungen und der grünen Blätter beſchränkt ſich die weitere Lebensthätigkeit der
reifenden Pflanze auf die Verwendung der während des Wachsthums aſſimilirten
Nahrung zur Hervorbringung der Blüthen und Früchte.
Die Blüthe iſt je nach der Planzenart entweder zweigeſchlechtig (Zwitterblüthe,
Fig. 8 rechts oben, umſtehend) oder eingeſchlechtig (einhäuſig, monöciſch oder zweihäuſig,
[26]Allgemeine Ackerbaulehre.
diöciſch). In jedem Falle werden ſowohl männliche Staubblätter s, deren Beutel die
Bildungsſtätte der Pollenzellen ſind, als auch weibliche Fruchtblätter (Carpelle), die zu
dem Fruchtknoten (Ovarium) verwachſen, gebildet. Der obere Theil des Frucht-
knotens trägt die Narbe n, welche durch den Griffelkanal mit der Fruchtknotenhöhle in
Blühendes Haferährchen. — 1—3 Blüthchen;
h1, h2 Hüllblätter (glumae), b äußere oder untere Spelze
(palea) v innere oder obere Spelze (Vorblatt). Rechts
oben einzelne Haferblüthe: p Saftſchüppchen (Perigon),
s Staubgefäße, n zwei Narben des Fruchtknotens.
Verbindung ſteht. In der Fruchtknoten-
höhle entwickeln ſich die Samenknospen,
Fig. 9, welche aus einem Knospenkerne
beſtehen, der bis auf eine Stelle den
Knospenmund(Mikrophyle m) von Knos-
penhüllen (Integumenten) β, γ umgeben
iſt. Im Parenchyme des Knospenkernes
bildet ſich eine größere Zelle, der Keim-
ſack oder Embryoſack, ε, in welchem
an ſeiner Spitze, der Kernwarze, durch
freie Zellbildung (S. 6) zwei Keim-
bläschen entſtehen. Während der Be-
fruchtung gelangen die verſtäubten, reifen
Pollenkörner auf die Narbe, der aus
der Pollenzelle auswachſende Pollen-
ſchlauch, Fig. 10 π, dringt im Griffel-
kanal bis zu den Samenknospen und
befruchtet durch die Microphyle die
Keimbläschen. Aus dem einen be-
fruchteten Keimbläschen entwickelt ſich durch Tochterzellbildung der Embryo, deſſen
Zellen ſich bei fortſchreitender Ausbildung des Samens als Keimachſe, Radicula,
Plumula und Cotyledon differenziren. Zur ſelben Zeit entwickelt ſich aus den übrigen
Samenknospe der
Runkelrübe. (Beta vulgaris) nach
Schacht (30/1). — α Knospenkern
(nucleus), β innere, γ äußere
Knospenhülle, δ Kernwarze, ε
Embryoſack, m Mikrophyle, r
Raphe (Samennaht, Gefäß-
bündel des Knospenträgers).
Theilen des Keimſackes gleichfalls durch freie Zellbildung
das Endoſperm, welches in dem endoſpermfreien Samen von
dem heranwachſenden Keime aufgeſaugt und verdrängt wird.
In Betreff des Stoffwechſels der reifenden Pflanze
kann bemerkt werden, daß die Blüthen in viel größerer
Menge als die Blätter Sauerſtoff einathmen und dafür
Kohlenſäure ausathmen. Dieſe Reſpiration iſt im Anfange
der Blüthenentfaltung am intenſivſten und nimmt mit zu-
nehmender Ausreifung der Früchte immer mehr ab.
Damit die bei der Ausbildung des Samens eintretende
Stoffwanderung unterhalten werden kann, bedarf die reifende
Pflanze eine bedeutende Wärmemenge. Unter dem Einfluſſe
der letzteren vollzieht ſich die Stoffwanderung in denſelben
Gewebeformen und unter denſelben Stoffveränderungen nur in
umgekehrter Reihenfolge, wie bei der Keimung die Wanderung
des Stoffes aus den Reſerveſtoffbehältern zu den wachſenden Gewebetheilen ſtattfindet.
[27]Das Pflanzenleben.
Zunächſt entleeren ſich, unter gleichzeitiger Verfärbung die grünen Blätter. Die
während des Wachsthums in denſelben neugebildete Stärke, ſowie der protoplasmatiſche
Inhalt, beſonders die Subſtanz der Chlorophyllkörner, dann die werthvolleren Aſchen-
beſtandtheile, namentlich Kali und Phosphorſäure, werden aufgelöſt und den Samen
oder auch den übrigen Reſerveſtoffbehältern, wie Stamm-
theilen, Knollen, Rhizomen, Zwiebeln und Wurzeln zuge-
leitet. Gleichzeitig erreicht bei einjährigen Pflanzen die Auf-
nahme von neuem Bildungsmateriale durch die Wurzeln ihr
Ende, indem die Stengeltheile, welche ebenfalls ihren Nähr-
ſtoffinhalt an die Reſerveſtoffbehälter abgeben, abſterben.
Die Stärke wird entweder als ſolche in feinkörnigem
Zuſtande oder umgewandelt in eine glykoſe ähnliche Sub-
ſtanz dem Samen zugeführt und dort wieder in feſte Stärke
oder in fettes Oel umgewandelt. Die eingewanderte ſtick-
ſtoffhaltige Subſtanz wird zwiſchen den Stärkemehlkörnern
abgelagert. Durch das Feſtwerden der eingewanderten
Subſtanz wird das molekulare Gleichgewicht in der Frucht
geſtört und damit die Möglichkeit gegeben daß immer neue
Subſtanzmengen durch Diffuſion einwandern können, ſo
lange bis die Blätter und Stengeltheile erſchöpft ſind.
Bei der Kartoffel und den übrigen Knollen- und Wurzel-
gewächſen wird die Stärke zur Reifezeit in den Blättern ge-
löſt und als ſolche oder als Glykoſe (Zucker) der Knolle oder
Wurzel zugeführt, um dort in der Kartoffel als Stärke, in
der Topinamburknolle umgewandelt in Inulin, in der Rüben-
wurzel umgewandelt in Rohrzucker aufgeſammelt zu werden.
Vergrößerte Mikro-
phyle der Samenknospe von
Erodium gruinum (Reiher-
ſchnabel) nach Hofmeiſter (400/1).
— π Pollenſchlauch, α äußere,
β innere Knospenhülle, δ Kern-
warze, Spitze des Embryo-
ſackes, ε das durch die Be-
fruchtung des Pollenſchlauches
zum Vorkeime ausgewachſene
Keimbläschen.
Für die mit der Samenbildung zuſammenhängende Stoffwanderung in der
reifenden Pflanze hat von den verſchiedenen Aſchenbeſtandtheilen das Chlor nach den
Unterſuchungen von Nobbe, wie ſchon S. 25 bei der phyſiologiſchen Funktion der Aſchen-
beſtandtheile in der wachſenden Pflanze angegeben wurde, eine ſpecifiſche Bedeutung.
Bei der Bildung des Stärkemehls im Samen und in der Kartoffelknolle, des Zuckers
in der Rübe hat unſtreitig auch das Kali, die Magneſia und die Phosphorſäure
einen näheren Einfluß.
Ueber die Beziehungen der Aſchenmenge zur Bildung der Trockenſubſtanz in
der ausgereiften Pflanze liegen noch wenige Unterſuchungen vor. Bemerkenswerth iſt
die Angabe von Dr. H. Hellriegel 1), daß die Gerſte um eine Maximalernte zu
liefern, wenigſtens für je 1000 Theile Stroh-Trockenſubſtanz 5 und für je 1000
Theile Körner-Trockenſubſtanz je 3.8 Theile Kali aus dem Boden aufnehmen muß.
Zur Bildung von je 1000 Gewichtstheilen Geſammttrockenſubſtanz ſind nothwendig
10 Gewichtstheile Stickſtoff, 4.2 Gewichtstheile Kali, 3.6 Gewichtstheile Phosphor-
ſäure, 1—1.2 Gewichtstheile Magneſia.
[28]Allgemeine Ackerbaulehre.
Mit der Samenbildung oder der Aufſpeicherung von Reſerveſtoffen in der Knolle,
der Wurzel ꝛc. hat die Entwickelung der Pflanze einen vorübergehenden Abſchluß
gefunden, welcher jedoch die Grundlage für eine neue Lebensthätigkeit der Pflanze bildet.
II.
Der Boden.
Der Boden 1), welcher im landwirthſchaftlichen Sinne als Produktionsfläche für
die Pflanze benutzt werden ſoll, muß nicht nur eine ausreichende Menge an Pflanzen-
nährſtoffen enthalten, welche als Rohſtoffe für die Aſchenbeſtandtheile der Pflanze
von den Wurzeln aufgenommen werden, ſondern er muß auch eine ſolche phyſi-
kaliſche Beſchaffenheit beſitzen, daß die Pflanzen einen genügenden Standort auf dem-
ſelben finden.
Mit Rückſicht auf dieſe Anforderungen an einen culturfähigen Boden kann in
demſelben eine Hauptmaſſe das Bodenſkelet2) von den meiſt in geringerer Menge
vorhandenen Bodennährſtoffen unterſchieden werden. Außer den genannten
Bodenbeſtandtheilen kommen dann noch in jedem culturfähigen Boden Waſſer und in
den Bodenzwiſchenräumen gasförmige Stoffe, die Bodenluft, vor.
Die einzelnen Theile des Bodenſkeletes ſind keine Pflanzennährſtoffe, ſondern
dienen nur als Träger oder Behälter für dieſe. Sie bedingen durch ihre Beſchaffen-
heit vorzugsweiſe die phyſikaliſchen Eigenſchaften des Bodens.
Die Pflanzennährſtoffe kommen entweder noch in unaufgeſchloſſenem Zuſtande
als Geſteinstrümmer oder in aſſimilirbarem Zuſtande als Bodenſalze vor.
Die Geſteinstrümmer zerfallen durch die Verwitterung in Theile des Bodenſkeletes
und in Bodenſalze; ſie bilden daher in der Zukunft die [Quelle] für neue Boden-
nahrung, während der Gehalt des Bodens an Salzen den Reichthum an mineraliſchen
Bodennährſtoffen in der Gegenwart ausmacht.
Die Lehre vom Boden hat im Verlaufe der Zeit mannigfache Aenderungen erfahren,
welche im innigen Zuſammenhange mit dem jeweiligen Stande der Lehre von der Pflanzen-
ernährung ſtehen. In früheſter Zeit galt der Boden nur als Standort, während das
Waſſer allein zur Pflanzenernährung ausreichen ſollte. Weiterhin wurde auch dem Boden
ſelbſt ein Einfluß auf die Ernährung eingeräumt, indem Bernard Paliſſy von Chappelle-
Biron (1499) deſſen Gehalt an löslichen Bodenſalzen als für ſeine Fruchtbarkeit als
[29]Der Boden.
maßgebend erkannte, während Jethro Tull (1740) den Grundſatz aufſtellte, die Pflanzen
nahrung beſtehe aus feinzertheilter Erde (Tullismus). Nach Thaer (1837) bedingt die
Fruchtbarkeit des Bodens die als ernährende Materie der Pflanze anzuſehende organiſche
Subſtanz von ihm und Einhof Humus genannt (Humustheorie). Sprengel (1839) erkennt
zuerſt, daß in den Pflanzen nichts ſein kann, was nicht früher im Boden geweſen wäre und
daher die Mineralbeſtandtheile weſentlich für die Pflanzenernährung ſind. Epochemachend
war der Ausſpruch v. Liebig's (1840), nach welchem der Boden die Quelle der Aſchen-
beſtandtheile, die Luft die Quelle der verbrennlichen Subſtanz der Pflanze iſt (Mineral-
theorie). Hlubek (1841 u. 1846) beſtreitet die Wirkſamkeit der Aſchenbeſtandtheile und läßt
Sand, Thon, Kalk und Humus (Bodengemengtheile) die Fruchtbarkeit des Bodens bedingen.
A. Stöckhardt (1849) und E. Wolff (1851) legen großen Werth auf den Gehalt des Bodens
an Stickſtoff (Stickſtofftheorie) gegenüber v. Liebig, welcher den gebundenen Stickſtoff der
Luft für die Pflanzenernährung ausreichend erklärt. Alle dieſe Theorien hatten ihre Be-
rechtigung, alle hatten jedoch den Fehler, daß ſie einſeitig nur immer einem Momente
Wichtigkeit für die Pflanzenernährung beilegten. Gegenwärtig ſucht man allen dieſen
Momenten gerecht zu werden, indem man nicht nur den Mineralbeſtandtheilen des Bodens,
ſondern auch dem phyſikaliſchen Verhalten der Bodenſkelettheile zu Waſſer und Wärme
einen beſtimmenden Einfluß auf die Ertragsfähigkeit des Bodens zuerkennt.
1. Die Entſtehung und Ablagerung des Bodens.
Der Culturboden entſteht durch die Verwitterung der Felsmaſſen, welche den feſten
Theil unſeres Welttheiles zuſammenſetzen. Die Verwitterung oder Zerbröckelung der
Felsmaſſen wird durch die Einwirkung der wechſelnden Temperatur, des Waſſers, der
atmoſphäriſchen Luft und durch den Einfluß lebender und abgeſtorbener Organismen
herbeigeführt.
Durch den Temperaturwechſel, beſonders durch den Froſt, entſtehen in
den Geſteinsmaſſen — entweder wie bei den gemengten Geſteinen durch ungleichmäßige
Erwärmung oder Erkaltung der verſchiedenen Gemengtheile oder wie bei den un-
gemengten Geſteinen durch größere Erwärmung oder Erkaltung der oberen Schichten —
vorerſt zahlreiche feine Spalten und Klüfte, welche das Eindringen von Waſſer und
Luft ermöglichen.
Das Waſſer wäſcht dann nicht nur lösliche und abſchwemmbare Theile des
Felsgeſteines aus, ſondern vermag auch mechaniſch feine Sandtheile abzureiben und
durch ſeine Ausdehnung beim Gefrieren die Felsmaſſen in kleinere Theile auseinander
zu ſprengen. Ueberdies wirkt das Waſſer durch Einleitung chemiſcher Prozeſſe, und
durch unmittelbaren Eintritt in verſchiedene chemiſche Verbindungen zerſtörend auf
die Geſteinsmaſſen ein.
Die chemiſche Wirkung des Waſſers wird weſentlich unterſtützt durch die Ein-
wirkung des Sauerſtoffes und der Kohlenſäure der Luft. Der Sauerſtoff oxydirt
nicht nur Metalloxydule und Schwefelmetalle wie Schwefeleiſen ſondern befördert auch
durch die Oxydation der im weiteren Verlaufe der Bodenbildung entſtehenden Orga-
nismenreſte (Humus) die Entwickelung der Kohlenſäure, welche wieder den hervor-
ragendſten Antheil an den chemiſchen Veränderungen der Geſteine während des Ver-
[30]Allgemeine Ackerbaulehre.
witterungsprozeſſes nimmt. Kohlenſäurehaltiges Waſſer löſt an ſich in reinem Waſſer
unlösliche für die Pflanzennährung jedoch ſehr wichtige Mineralſubſtanzen, wie kohlen-
ſaure und phosphorſaure Salze und macht ſie damit zur Aufnahme in den Pflanzen-
körper geeignet. Ebenſo verwandelt es kieſelſaure und ſonſtige ſchwerlösliche Salze
in leichter lösliche kohlenſaure Salze um, welche wieder amorphe Kieſelſäure unter
Bildung von kieſelſauren Alkalien löſen und dadurch weiter zerſetzend auf die Geſteine
einwirken.
Ein anderer Beſtandtheil der Luft, das Ammoniak, liefert im Boden nicht nur
als kohlenſaures Ammoniak ein Pflanzennährmittel, ſondern dient auch als energiſch
wirkendes Zerſetzungsmittel, beſonders der ſchwefel- und phosphorſauren Schwermetall-
oxyde. Kohlenſaure Salze des Kali, Natrons und der Kalkerde werden durch das-
ſelbe in die entſprechenden ſalpeterſauren Salze überführt.
Die ſtofflichen Aenderungen, welche durch die erwähnten Einwirkungen auf die
Felsmaſſen eingeleitet werden, reichen im Beginne ſchon hin um das Wachsthum
verſchiedener Flechtenarten (Leprariae, Variolaricae, Parmelia etc.) zu unterhalten.
Die Vegetation dieſer niederen Pflanzenformen ermöglicht weiterhin, durch die Feſt-
haltung der Feuchtigkeit und durch die Bildung abgeſtorbener organiſcher Subſtanz
die Anſiedlung höher organiſirter Pflanzen, wie Mooſe und Gräſer. Letztere unter-
ſtützen am wirkſamſten durch ihre Wurzelausſcheidungen (S. 20) und durch die nach
ihrem Abſterben vermehrte organiſche Subſtanz die Verwitterung der Felsmaſſen und
deren Umwandlung in culturfähigen Boden.
Nachdem der Verwitterungsprozeß in jedem Culturboden noch fortdauert,
finden ſich daher in demſelben gleichzeitig neben noch unzerſetzten Geſteinstrümmern, ſo-
wohl Geſteine, deſſen Spaltung in Bodenſkelettheile und Bodennährſtoffe verſchieden weit
vorgeſchritten, als auch in allen Stadien der Verweſung befindliche organiſche Reſte.
Die Verwitterung erlangt ſchließlich ihr Ende, wenn von den urſprünglichen Fels-
maſſen nur mehr die unveränderlichen Theile des Bodenſkeletes, wie der Thon, Sand,
Kalk, übrig ſind.
Je nachdem der Boden in geologiſcher Hinſicht ſein Bildungsmaterial von kry-
ſtalliniſchen Geſteinsmaſſen des Urgebirges oder von zweifellos ſedimentären Geſteins-
ablagerungen herleitet, ergiebt ſich ein bemerkenswerther Unterſchied. Derſelbe würde
nach der heutigen Auffaſſung der Bildung der geſchichteten Urgebirgsgeſteine durch
moleculare Umwandlung ſedimentärer Ablagerungen in geologiſcher Beziehung nicht
aufrecht zu erhalten ſein, wenn ſich nicht für die aus den beiden Geſteinsgruppen
hervorgehenden Bodenarten eine Verſchiedenheit der chemiſchen und phyſikaliſchen Be-
ſchaffenheit ergeben würde. In chemiſcher Hinſicht beſtehen im Allgemeinen die kry-
ſtalliniſchen und eruptiven Geſteine aus Silicaten, während die ſedimentären Gebirgs-
maſſen neben den Silicaten, noch Quarzgeſteine, Kalkſteine, Dolomite und zuweilen
auch Sulphate des Kalkes aufzuweiſen haben. Dieſe verſchiedene chemiſche Beſchaffen-
heit der Geſteine bedingt auch eine Verſchiedenheit der aus denſelben durch Verwitte-
rung hervorgehenden Bodenarten, welche noch durch die verſchiedene Ablagerung der
Verwitterungsprodukte vermehrt wird. Bei der Beurtheilung eines Bodens muß
[31]Der Boden.
daher auch auf die geologiſchen- und Ablagerungsverhältniſſe deſſelben Rückſicht ge-
nommen werden.
Der Boden kann entweder auf dem Felsgeſteine, aus welchem er durch Verwitte-
rung hervorgegangen, gefunden werden, er heißt dann Primitivboden oder un-
mittelbarer Verwitterungsboden, oder derſelbe iſt von ſeinem urſprünglichen
Entſtehungsorte fortgeſchwemmt und anderwärts abgelagert, er heißt dann Schwemm-
landsboden (Fallou) oder Schwemmboden. Erſterer wird im Allgemeinen
eine geringere Ausdehnung in die Tiefe, eine geringere Mächtigkeit haben, daher
weniger fruchtbar als angeſchwemmter Boden ſein.
Die Mächtigkeit oder Tiefgründigkeit eines Bodens, welche durch die
fortdauernde Verwitterung und durch die Bodenbearbeitung einer ſtetigen, wenn auch
in der Zeit nur ſehr unmerklichen Wandlung ausgeſetzt bleibt, hat großen Einfluß
auf die Eignung des Bodens für eine beſtimmte Pflanzenart. Auf flachgrün-
digem, ſeichtem Boden, deſſen Mächtigkeit 15 Centim. und weniger beträgt, ge-
deihen nur flachwurzelnde Pflanzen, während auf tiefgründigem Boden, welcher
mindeſtens 30 Centim. mächtig iſt, auch tiefwurzelnde Pflanzen fortkommen. Je
mächtiger der Boden um ſo vortheilhafter iſt derſelbe für das Wachsthum der Pflanzen,
da in demſelben nicht nur ein größerer Vorrath an Pflanzennährſtoffen voraus-
geſetzt werden, ſondern auch ein Austrocknen weniger leicht vorkommen kann. Ein
mächtiger Boden vermag ſtets Waſſer durch Capillarität aus der Tiefe aufzuſaugen,
während ein Zuviel an Waſſer leichter in die Tiefe abgeleitet werden kann. Seichte
Böden werden dagegen um ſo leichter austrocknen, je mehr ſie ihrer Beſchaffenheit
nach dazu geeignet ſind.
Die oberſte gewöhnlich dunkel gefärbte Schichte des Culturbodens, der Ober-
grund oder die Oberkrume zeichnet ſich, je näher zur Bodenoberfläche, durch
um ſo reichlicher beigemengte, in Humification begriffene Pflanzenreſte aus. Unter
dieſer Schichte befindet ſich gewöhnlich eine Bodenlage, welche nur feinvertheilten Hu-
mus oder noch in Vermoderung begriffene Wurzelabfälle enthält und die in ihrer
größten Tiefe aus humusfreiem Mineralboden beſteht. Unter dieſer tiefſten Schichte
des Obergrundes beginnt der Untergrund. Derſelbe beſteht bei den Primitivböden
aus Felsgerölle oder feſtem Geſteine, bei den Schwemmlandsböden aus einem Boden
von einer Beſchaffenheit, welche verſchieden iſt von jener des Obergrundes. Bei
einem angeſchwemmten Boden können auch mehrere verſchiedenartige Schichten 1)
bis zu dem feſten Geſtein wechſellagern. Auf einem bearbeiteten Culturboden wird
auch die Bearbeitung eine Verſchiedenheit der Lockerheit oder mechaniſchen Beſchaffenheit
der bearbeiteten Schichte hervorbringen. So weit dieſer Einfluß reicht bezeichnet man
den Boden als Ackerkrume, welche gewöhnlich nur einen Theil des Obergrundes
ausmachen wird, je mächtiger derſelbe iſt.
Je ſeichter der Obergrund einen um ſo größeren Einfluß wird der Untergrund
[32]Allgemeine Ackerbaulehre.
auf die phyſikaliſchen und ſelbſt chemiſchen Eigenſchaften des Obergrundes ausüben.
Enthält der felſige oder erdige Untergrund Mergeln, Kalkſteine, Baſalte, Diabaſe,
Granite u. dgl., welche bei ihrer Verwitterung die Menge der Bodenſalze vermehren,
ſo kann dies nur vortheilhaft ſein. Ungünſtig wird in ſtofflicher Beziehung der
Untergrund, wenn durch die Verwitterung Eiſenoxydul (Ortſtein) und deſſen
lösliche Salze oder freie Säuren gebildet werden. Tritt an einzelnen Feldſtellen
ein felſiger oder kieſiger Untergrund nahe an die Bodenoberfläche, ſo werden auf
ſolchen Schein-, Schrind- oder Schwind-Stellen die Pflanzen gar nicht
oder nur kümmerlich fortkommen.
In phyſikaliſcher Hinſicht wird ſich der Untergrund um ſo günſtiger heraus-
ſtellen je verſchiedener derſelbe von dem Obergrunde iſt. Ein durchläſſiger Unter-
grund mäßiget die Schädlichkeit einer undurchläſſigen Oberkrume, während anderſeits
ein undurchlaſſender Untergrund günſtig auf eine lockere, ſandige, ſchnell austrocknende
Oberkrume einwirkt. Ein ſandiger Untergrund wird daher für einen thonigen Ober-
grund günſtig, für eine gleichfalls ſandige Oberkrume ungünſtig ſein.
Die Ablagerung des Bodens in Beziehung zu ſeiner Neigung zum Horizonte 1)
iſt ebenfalls von Einfluß auf ſeine Culturfähigkeit. Je nach der Größe der Neigung
erhält der Boden die Bezeichnungen: ſanft geneigt bei 1—5°, neigig, lehnig bei
5—10°, mäßigſteil bei 10—15°, abſchüſſig bei 15—20°, ſteil bei 20—30° und
ſehr ſteil, ſchroff, jäh bei 30—45° Neigung.
2. Die Beſtandtheile des Bodens.
Die ſchließlichen Verwitterungsprodukte der Geſteine ſind entweder wie die
Bodenſkelettheile, keine Nährſtoffe, oder wie die Bodenſalze, Nährſtoffe.
In der Wirklichkeit dürfte es jedoch keinen Culturboden geben, in welchem dieſe
Spaltung 2) vollendet iſt. In der Regel finden ſich alle Uebergänge von dem un-
verwitterten Geſteine bis zu jenen Spaltungsprodukten vor.
Der Culturboden bildet daher ein Gemenge von zertrümmertem Felsgeſtein
(Geſteinstrümmer), von chemiſch verändertem, zu krümeligen oder pulverigen
Maſſen verwittertem Geſtein (Feinerde) und von Verweſungs und Verkohlungsſub-
ſtanzen verſchiedenen organiſchen Urſprunges (Humus). Die mineraliſchen Boden-
beſtandtheile machen gewöhnlich gegenüber den organiſchen die Hauptmaſſe des
Bodens aus.
Der Gehalt eines Bodens an verſchiedenen Humusſubſtanzen ergiebt ſich aus
dem Glühverluſte der völlig trockenen Erde. Die Menge der gröberen Geſteins-
trümmer wird durch die ſog. mechaniſche Bodenanalyſe durch Abſieben von
[33]Der Boden.
der Feinerde nachgewieſen. Aus der Feinerde werden ſchließlich durch Abſchlemmen
die abſchlemmbaren Bodentheile, der Thon, von den ſandigen Boden-
theilen (feinere Geſteinstrümmer, Quarz- und Kalkſand) ausgeſchieden.
Die angeführte Trennung der Bodenbeſtandtheile giebt jedoch nur wenig Auf-
ſchluß über das Verhältniß der Nicht-Nährſtoffe zu den Nährſtoffen im Boden. Ueber
dieſes Verhältniß vermag nur allein die chemiſche Bodenanalyſe Aufklärung
zu geben, indem ſie durch einen wäſſerigen oder ſalzſauren Auszug die in den Ge-
ſteinstrümmern oder in der Feinerde enthaltenen löslichen Bodenſalze nachweiſt.
Aber auch ſie kann nur ungenügend die zur Zeit im Boden in den Geſteinstrümmern
noch gebundenen Pflanzennährſtoffe von den aufnahmsfähigen unterſcheiden. Sicher
vermag ſie nur anzugeben, wie viele Pflanzennährſtoffe, aufnahmsfähige und unauf-
geſchloſſene zuſammen im Boden vorhanden ſind. Die Urſache dieſes Unvermögens
liegt in dem Unterſchiede der Löſungsmittel; der Chemiker verwendet Waſſer, ver-
dünnte und concentrirte Säuren, Aetznatron ꝛc., während im Boden auf die Löſung
der Nährſtoffe außer dem Waſſer, die Kohlenſäure, die Humusſäuren und die Menge
und Beſchaffenheit der ſchon gelöſten Salze Einfluß nehmen. Die chemiſche Ana-
lyſe giebt desungeachtet manche werthvolle Aufſchlüſſe wie z. B. über das Fehlen
eines für die Pflanze unentbehrlichen Nährſtoffes oder über das Vorhandenſein eines
für die Pflanzenvegetation nachtheiligen Stoffes, wie des ſchwefelſauren Eiſens, des
Schwefeleiſens oder eines Uebermaßes von Eiſenoxydul oder von Kochſalz und Salpeter.
Obwohl es bisher nicht gelungen die in einem Boden vorhandenen Nichtnähr-
ſtoffe von den im gebundenen und im aufnahmsfähigen Zuſtande befindlichen Nähr-
ſtoffen auf einfache Weiſe zu trennen, ſo wird es doch zur Erleichterung des Ver-
ſtändniſſes beitragen, wenn wir dieſe Unterſcheidung aufrecht halten. Die Eigen-
ſchaften der einzelnen Bodenbeſtandtheile ſollen daher in nachſtehender Reihenfolge
beſprochen werden: 1. die veränderlichen Geſteinstrümmer und der veränderliche Sand,
2. die Bodenſkelettheile und 3. die Bodennährſtoffe.
1. Die veränderlichen Geſteinstrümmer und der veränderliche Sand.
Die Geſteinstrümmer werden von verſchieden großen, noch nicht verwitterten
Felsmaſſen gebildet. Dieſelben können im Verlaufe der Zeit durch die Verwitterung
entweder mannigfaltige Veränderungen erfahren oder ſie ſind unveränderlich. Letztere
Geſteine, wie der Quarzfels, Thon und Kalkſtein werden bei den Bodenſkelettheilen
beſprochen werden.
Die veränderlichen Geſteinstrümmer bilden, wie ſchon S. 28 erwähnt, einen
noch nicht aufgeſchloſſenen Vorrath an mineraliſchen Pflanzennährſtoffen, welche zu-
meiſt erſt in der Zukunft durch die Verwitterung von den Bodenſkelettheilen abge-
ſchieden und dadurch den Pflanzenwurzeln zugänglich gemacht werden. Kleinere
Mengen der in den Geſteinstrümmern enthaltenen Pflanzennährſtoffe dürften jedoch
auch ſchon zur Zeit, in dem Maße als Wurzelhaare mit denſelben verwachſen (S. 19)
aufnahmsfähig ſein.
Krafft, Lehrb. d. Landw. I. 3
[34]Allgemeine Ackerbaulehre.
Der Werth der veränderlichen Geſteinstrümmer — wenn dieſelben nicht etwa
durch zu maſſenhafte Anſammlung im Boden ungünſtig auf die phyſikaliſchen Boden-
eigenſchaften einwirken — hängt von der näheren Beſchaffenheit der Geſteinsarten
ab, aus welchen ſie zuſammengeſetzt ſind.
Im Allgemeinen beſtehen die Geſteine entweder allein oder gemengt aus unlös-
licher Kieſelſäure in der unverwitterbaren Quarzmodification (Härte = 7), aus Sili-
caten (Härte = 6), welche durch die Verwitterung, wenn auch langſam, verändert
werden, oder aus kohlenſaurem Kalk (Kalkſtein, Härte = 3) und aus dieſem und der
kohlenſauren Talkerde (Dolomit, Härte = 5), welche im Waſſer löslich, aber durch die
Verwitterung nicht verändert werden. Zuweilen findet ſich in den Geſteinen auch
noch das im Waſſer ſchwer lösliche Sulphat des Kalkes, der Gyps (Härte = 2).
Die Silicate liefern bei der Verwitterung ſofern ſie, wie die Feldſpathe, Thonerde
und Eiſen als vorherrſchende Baſen enthalten, den Bodenſkelettheil Thon und je
nach ihrem Gehalte an Alkalien und alkaliſchen Erden wechſelnde Mengen an Boden-
nährſtoffen. Der Quarz und der Kalk bilden die Bodenſkelettheile Quarz und
Kalkſand.
Je reichlichere Mengen an leicht löslichen Pflanzennährſtoffen die Geſteinstrümmer
neben den Bodenſkelettheilen bei der Verwitterung liefern um ſo werthvoller ſind ſie für
den Boden. Die wichtigſten und am häufigſten vorkommenden Mineralien und Ge-
ſteine wollen wir daher geordnet nach ihrem Gehalte an den hervorragendſten Boden-
nährſtoffen aufzählen:
a.Kali. Das Kali kommt entweder in zahlreichen Mineralien, wie im Kali-
feldſpath (Orthoklas mit einem Gehalte von 9.11—15.21 % Kali), Kaliglimmer
(6.05—10.25 %), Magneſiaglimmer (6.06—13.15 %), Leucit (13.60—18.61 %) ꝛc.
als waſſerfreies Silicat oder wie in den Zeolithen (8.11—10.74 %) als waſſer-
haltiges Silicat vor. Die Feldſpathe und Glimmer bilden wieder einen Hauptge-
mengtheil der weitverbreiteten Gebirgsgeſteine Granit, Gneis, Syenit, Porphir, Glim-
merſchiefer ꝛc.; der Leucit einen Gemengtheil der Laven.
b.Natron. Das Natron findet ſich neben Kali in den Feldſpathen, beſon-
ders im Natronfeldſpath (Albit, 4.10—10.97 %), im Oligoklas (6.15—9.37 %)
und als waſſerhaltiges Silicat in verſchiedenen Zeolithen (7.39—16.00 %). Eine
der verbreiteſten Verbindung des Natron iſt das Chlornatrium oder Kochſalz. Die
Natronfeldſpathe bilden wie die Kalifeldſpathe einen hervorragenden Gemengtheil kry-
ſtalliniſcher Geſteinsmaſſen, wie der Granite ꝛc.
c.Kalk. In Verbindung mit anderen Silicaten kommt kieſelſaurer Kalk im
Labrador (8.05—16.53 %) einem Gemengtheil der Syenite, Grünſteine, Diorite ꝛc.,
im Augit (18.78—25.34 %), einem Gemengtheile der Baſalte, Laven ꝛc., in der
Hornblende (Amphibol, 9.55—13.80 %) einem Gemengtheile des Syenit, Diorit,
Melaphyr u. ſ. w. vor. Als kohlenſaurer Kalk (Kalkſpath) bildet der Kalk einen
weit verbreiteten Bodenſkelettheil.
d.Magneſia. Von den kieſelſauren Verbindungen der Magneſia ſind außer
[35]Der Boden.
dem betreffenden Bodenſkelettheil zu nennen: der Talk (24.81 %), Speckſtein, Ser-
pentin, die Chlorite.
e.Eiſen. Das Eiſen bildet als Eiſenoxyd einen Beſtandtheil ſehr vieler
Mineralien. Am häufigſten findet ſich das Eiſen in den verſchiedenen Eiſenerzen,
wie im Rotheiſenſtein (waſſerfreies Eiſenoxyd), im Braun- und Gelbeiſenſtein (Eiſen-
oxydhydrat), im Schwefelkies (Schwefeleiſen) ꝛc. Den Boden färben dieſe Ver-
bindungen ockergelb, roth, rothbraun, bis dunkelbraunſchwarz.
f.Mangan. Das Mangan kommt gewöhnlich als Begleiter des Eiſens vor.
Es verleiht wie jenes dem Boden eine dunklere Färbung.
g.Mineralſäuren. Unter den Mineralſäuren nimmt beſonders die Kieſel-
ſäure und Kohlenſäure einen hervorragenden Antheil an der Zuſammenſetzung der
Geſteine. Die lösliche Kieſelſäure bildet einen Beſtandtheil der wichtigen zeolithiſchen
Mineralien, welche als Thonalkali- oder Thonkalk-Silicathydrate anzuſehen ſind.
Die Phosphorſäure findet ſich im Apatit (Phosphorit, 36.88—42.28 %), dann in
den Koprolithen und Oſteolithen (Verſteinerungen der Excremente und Knochen vor-
weltlicher Thiere, 6.99—26.75 %), und in einer Mehrzahl ſeltener vorkommender
Phosphatgeſteine.
Auf die phyſikaliſchen Eigenſchaften der Geſteinstrümmer hat die Geſtalt und
Größe derſelben weſentlichen Einfluß. Die Geſteinstrümmer ſind entweder rund
oder eckig oder ſie treten wie der Glimmerſand in Form von Schüppchen auf. Die-
ſelben haben bis auf die ſehr feinkörnigen oder ſchüppchenartigen Geſteinstrümmer,
welche im feuchten Zuſtande einen geringen Zuſammenhalt beſitzen, keine Bindigkeit.
Treten die Geſteinstrümmer in ſehr grobkörniger Form auf, ſo bezeichnet man
ſie als Gerölle, Gruß, Geſchiebe, Rollſteine. Sind die Trümmer 3—5 Millim.
groß, ſo heißen ſie grober Kies, bei 2—3 Mm. Größe feiner Kies.
Feiner als erbſengroße bis ſtaubfeine Felstrümmer bilden den veränderlichen
Sand. Zuweilen wird der Sand auch von Reſten verſchiedener Thiergehäuſe ge-
bildet, welche in der Hauptſache aus kohlenſaurem und phosphorſaurem Kalk beſtehen.
Je nach der Größe der einzelnen Sandkörner unterſcheidet man: Perlſand (1—2 Mm.),
groben Sand (0.5—1 Mm.), feinen Sand oder Triebſand (0.25—0.5 Mm.), ſehr
feinen Sand, Flugſand (0.1—0.25 Mm.) und ſtaubfeinen Sand, Mehl- und Staub-
ſand (0.025—0.25 Mm.).
Je nach der mineralogiſchen Zuſammenſetzung unterſcheidet Senft 1) quarzreichen
Sand (Feldſpath-, Glimmer-, kalkhaltigen, eiſenſchüſſigen Quarz-Sand), kalkreichen
Sand (Muſchelſand, Wieſenmergel) und vulcaniſchen oder Lavaſand.
In Betreff der Eigenſchaften des Sandes kann erwähnt werden, daß derſelbe
die Wärmeſtrahlen der Sonne unter gleichzeitiger raſcher Erwärmung ſehr ſtark
abſorpirt. Ebenſo raſch, wie er ſich erwärmt, kühlt er ſich wieder ab und zwar
um ſo raſcher je grobkörniger und dunkler gefärbt derſelbe iſt. Die geleitete Wärme
nimmt der trockene und lockere Sand dagegen nur ſehr langſam auf und giebt ſie
3*
[36]Allgemeine Ackerbaulehre.
nur langſam wieder ab. Mit Sand bedeckter Boden hält ſich daher im Winter
warm, im Sommer kühl. Naſſer Sand verhält ſich als ſehr guter Wärmeleiter
gerade entgegengeſetzt. Die waſſerfaſſende Kraft des Sandes iſt, wie S. 47 näher
angegeben iſt, ſehr gering. Ebenſo verdunſtet das von dem Sande aufgenommene
Waſſer ſehr raſch oder es läuft ſchnell in tiefere Bodenſchichten ab.
2. Die Bodenſkelettheile.
Die durch die Verwitterung nicht weiter zerſetzbaren Bodenſkelettheile ſind aus
den verwitterten oder zerfallenen Geſteinstrümmern entſtanden. Dieſelben beſtehen
entweder aus Quarz, Thon oder Kalk und Magneſia. Obwohl ſie keine Nährſtoffe
ſind, bilden ſie doch die Träger für die Bodennährſtoffe. Sie bedingen wegen ihres
der Maſſe nach überwiegenden Vorkommens vorzugsweiſe den phyſikaliſchen Charakter
des Bodens, durch welchen ſie, ſowie durch die Gewährung des den Pflanzen
Schutz und Halt bietenden Standortes die größte Bedeutung für die Pflanzenvegetation
erlangen.
Der Quarz beſteht aus in Waſſer unlöslicher Kieſelſäure, welche von den
Pflanzenwurzeln nicht aufgenommen wird. Er entſteht bei der Verwitterung quarz-
haltiger Geſteine wie Granit ꝛc., oder durch das mechaniſche Zerfallen von Quarz-
fels oder Kieſelſchiefer. Durch die Verwitterung wird er in ſeinem chemiſchen Beſtande
nicht weiter angegriffen. Je nach ſeiner Form kommt derſelbe daher entweder als
unveränderlicher Sand oder als unveränderliche Geſteinstrümmer im Boden vor. Je
nach dieſem Vorkommen theilt er mit dem veränderlichen Sand oder mit den ver-
änderlichen Geſteinstrümmern die für dieſe angegebenen Eigenſchaften. Beſonders zu
erwähnen iſt, daß der Quarz keine Abſorption und Hygroſkopicität und nur geringe
waſſerhaltende Kraft beſitzt. Aehnlich wie der Quarz verhalten ſich auch jene ſonſt
veränderlichen Sandkörner, deren Verwitterung durch einen Ueberzug von Eiſenoxyd-
hydrat verhindert wird.
Der Thon oder die waſſerhaltige, kieſelſaure Thonerde bildet das letzte durch
kohlenſäurehaltiges Waſſer nicht mehr veränderliche Verwitterungsprodukt von kieſel-
ſäurereichen Feldſpathen, Zeolithen und Glimmern, welche bei der Verwitterung ihre
Alkalien, alkaliſchen Erden und einen Theil der löslichen Kieſelſäure verloren haben.
Letztere bleibt oft auch dem Thone beigemengt.
Durch verſchiedene Beimengungen, welche jedoch ſo innig mit dem Thone ver-
bunden ſind, daß ſie durch Waſſer nicht ausgeſchlemmt werden können, und auch nicht
auf chemiſchen Wege herzuſtellen ſind, erhält der Thon die verſchiedenſte Beſchaffenheit.
Durch eine Beimengung von mehr als 10 % Kieſelmehl und 5 % Eiſenoxyd bildet
ſich der Lehm, von ſo viel kohlenſaurem Kalk, daß jedes Theilchen mit Säuren
begoſſen aufbrauſt, der Mergel, von ſoviel Eiſenoxyd, daß der Thon ockergelb oder
braunroth gefärbt wird, der eiſenſchüſſige Thon und von ſoviel Bitumen, daß
der Thon ſchwärzlich gefärbt wird, der bituminöſe Thon.
[37]Der Boden.
Im trockenen Zuſtande bildet der Thon eine feſt zuſammenhängende oder pulverige,
im Waſſer ſchlemmbare Maſſe, welche im reinen Zuſtande beim Glühen nicht ſchmilzt,
ſondern durch Verlieren des chemiſch gebundenen Waſſers zu einer harten Maſſe zu-
ſammenfrittet. Bei einer geringen Beimengung von Magneſia oder von Eiſenoxyd
fühlt ſich die Thonſubſtanz, im Gegenſatze zu dem ſich mager anfühlenden Sande
fettig an.
Im feuchten Zuſtande nimmt der Thon die Wärme nur langſam an, kühlt
jedoch durch die Verdunſtung des Waſſers ſehr raſch ab. Im trockenen, pulverigen
Zuſtande erwärmt er ſich gleichfalls nur langſam, bleibt jedoch lange warm. Sonnen-
ſtrahlen erwärmen weißgrauen Thon nur langſam, am ſchnellſten dunkelgefärbten
Thon. Letzterer verliert jedoch einmal erwärmt ſeine Temperatur viel ſchneller als
erſterer. Der Froſt bewirkt durch das Gefrieren des aufgenommenen Waſſers ein
Auseinanderfallen des Thones in kleine Theilchen.
Der Thon beſitzt entgegen dem Sande eine große Bindigkeit. Im feuchten
Zuſtande läßt er ſich kneten und formen. Trocknet er raſch ab, ſo erhärtet er unter
Volumsverminderung zu einer feſten Maſſe. Weiter beſitzt derſelbe eine bedeutende
Adhäſion an andere Körper.
Waſſer nimmt er langſam aber bis zu 70 % ſeines eigenen Gewichtes auf
und hält daſſelbe lange feſt. In dem Waſſer aufgelöſte mineraliſche Pflanzennähr-
ſtoffe und fein vertheilte Humusſubſtanzen hält er gleichfalls auch noch dann zurück,
wenn das Waſſer wieder verdunſtet iſt. Gaſe, wie das in der Luft enthaltene kohlen-
ſaure Ammoniak werden von dem Thone aufgeſaugt und in ſeinen Poren verdichtet.
Beim Anhauchen oder Erwärmen giebt er dieſelben, wie an dem eigenthümlichen
Geruche des Thones zu erkennen iſt, wieder frei.
Im reinen Zuſtande bildet der Thon ebenſowenig wie der Quarz weder ein
Pflanzennährmittel, noch einen geeigneten Standort für die Pflanze. Als Boden-
beſtandtheil erhält er jedoch durch ſeine Eigenſchaften, beſonders durch ſeine Fähigkeit,
feſte und gasförmige Pflanzennährſtoffe feſtzuhalten, eine hohe Bedeutung.
Der Kalk kommt in der Natur am weiteſten verbreitet in Verbindung mit
Kohlenſäure als Calcit, oder in Verbindung mit Schwefelſäure als Gyps vor. In
Verbindung mit kohlenſaurer Magneſia bildet der kohlenſaure Kalk den Dolomit.
Ein Gemenge von Thon mit mindeſtens 20 % kohlenſaurem Kalk oder 15 %
Dolomit bildet den Mergel. Außerdem kommen Kalk und Magneſia als Ver-
witterungsprodukte zahlreicher Mineralien, beſonders der Amphibolite (Hornblende),
der augitreichen Felsarten oder als Reſte von Cochylien vor. Am gewöhnlichſten
treten dieſelben im körnigen Zuſtande als Kalk- und Dolomitſand oder auch als
unverwitterbares Gerölle auf. Noch häufiger ſind ſie im Boden in feinſter Ver-
theilung enthalten. Ihr Vorhandenſein kann durch Uebergießen mit Säuren, z. B.
mit Salzſäure, welche unter Aufbrauſen ein Entweichen der gebundenen Kohlen-
ſäure herbeiführen, nachgewieſen werden.
[38]Allgemeine Ackerbaulehre.
Beide Bodenſkelettheile ſind nicht ſo unveränderlich wie der Quarz und Thon,
indem ſie beſonders von kohlenſäurehaltigem Waſſer aufgelöſt werden. In Berührung
mit ſtickſtoffhaltigen abgeſtorbenen Organismen befördert der Kalk die Bildung von
ſalpeterſaurem Kalk. In Berührung mit ſtickſtofffreien organiſchen Reſten begünſtigt
er dagegen die Bildung von Humusſäuren.
Als Bodenbeſtandtheil wirken der Kalk und die Magneſia erwärmend und lockernd,
den Stoffumſatz befördernd. In feingepulvertem Zuſtande nimmt der Kalk bis 85 %
Waſſer auf, welches jedoch wieder ſchnell verdunſtet oder durchgelaſſen wird. Der
Zuſammenhang und die Adhäſion dieſer beiden Bodenſkelettheile hält die Mitte zwiſchen
Quarz und Thon. Die Abſorption der Bodennährſtoffe iſt mit Ausnahme des
phosphorſauren Salzes gering.
Neben Quarz, Thon und Kalk bilden auch die Zerſetzungsprodukte abgeſtorbener
Pflanzen und Thiere, welche in ihrer Geſammtheit als Humus1) bezeichnet werden,
einen Beſtandtheil des Bodenſkeletes. Der Humus iſt im Boden unter der Ein-
wirkung von Wärme, Luft und Feuchtigkeit den mannigfaltigſten Veränderungen
ausgeſetzt.
Bei ungehinderter Einwirkung der genannten Agentien verweſen die Organismen-
reſte zu einer ſchwarzen oder braunen, erdig-pulverigen Subſtanz, dem eigentlichen
Humus, welcher im Gegenſatze zur folgenden Geïnſubſtanz auf die Pflanzenvegetation
nicht ſchädlich einwirkt und daher von den Landwirthen als „gutartiger Humus“ be-
zeichnet wird.
Bei gehindertem Luftzutritte, und unter Einwirkung von Waſſer verfaulen die
Reſte zu einer grauſchwarzen, ſauer reagirenden Maſſe, dem ſauren oder fauligen
Humus, Geïn.
Wird die bei vollem Luftzutritte beginnende Zerſetzung durch Verhinderung des
weiteren Luftzutrittes und unter Einwirkung erhöhter Temperatur und Waſſer ge-
hemmt, ſo vertorft und verkohlt die Maſſe und bildet den Torf.
1. Humus. Die abgeſtorbenen organiſchen Körper werden zunächſt durch
den Sauerſtoff der Luft unter Abſcheidung gasförmiger Stoffe wie Waſſer, Ammoniak,
Schwefelwaſſerſtoff, phosphorige Säure und Kohlenſäure in die kohlenſtoffreichere und
waſſerſtoffärmere, in Waſſer unlösliche, indifferente Humusſubſtanz umgewandelt.
Die Humusſubſtanz zeichnet ſich dadurch aus, daß ſie unter Wärmeentwickelung
und Aufquellen Waſſer und darin gelöſte Stoffe bis zum 125—190fachen ihres
Gewichtes aufzuſaugen vermag und die atmoſphäriſche Luft verdichtet. An Thon
ſaugt ſich fein vertheilter Humus feſt und bildet mit dieſem ein inniges Gemiſche,
die Dammerde. Erfolgt dieſe Mengung ſo innig, daß jedes Bodentheilchen von
Humus eingehüllt erſcheint, ſo bezeichnet man den Boden als gar. Im trockenen
Zuſtande bildet der Humus eine ſtaubförmige dunkelgefärbte Maſſe. Strahlende
[39]Der Boden.
Wärme erhöht die Temperatur des Humus, je dunkler ſeine Färbung, beträchtlich,
dagegen kühlt er auch raſch wieder ab; der ſchwarze erwärmt ſich daher mehr als der
braune Humus. Waſſerhaltiger Humus wird durch den Froſt nach dem Aufthauen in
ein ſtaubförmiges Pulver umgewandelt. Der Humus iſt ſehr capillar, daß auf-
genommene Waſſer verdunſtet daher raſch. Feuchte humoſe Erde iſt deshalb auch kalt.
Bei Gegenwart von Alkalien oder Ammoniak, Kalk entſtehen aus der indifferenten
Humusſubſtanz unter Aufnahme von Sauerſtoff aus der Luft oder bei dem Fehlen
deſſelben durch Reducirung der im Boden vorkommenden ſchwefelſauren Metalloxyde
zu Schwefelmetallen, verſchiedene Humusſäuren, als Ulminſäure, Huminſäure,
Quellſäure und Quellſatzſäure. Dieſe Säuren, welche eine aus der anderen durch
fortgeſetzte Oxydation hervorgehen, enthalten der Reihe nach immer weniger Waſſerſtoff
und Kohlenſtoff, bis ſie als letztes Oxydationsprodukt der Humusſubſtanz in Kohlen-
ſäure übergehen. Von der Humusſubſtanz bleiben daher nach der Zerſetzung ſchließlich
nur die vor derſelben in den Organismen enthaltenen Aſchenſalze zurück.
Die im Waſſer löslichen humusſauren Salze beſitzen die für die Pflanzen-
ernährung höchſt wichtige Eigenſchaft, an und für ſich unlösliche und durch kohlen-
ſäurehaltiges Waſſer unzerlegbare Salze wie z. B. Silicate zu löſen oder in lös-
liche Verbindungen umzuwandeln.
Wenn nun auch der Humus und die Humusſäuren als Bodenſkelettheile, keine
Pflanzennahrungsmittel abgeben, ſo erhöht doch ihr Vorhandenſein die Fruchtbar-
keit des Bodens. Ein hoher Humusgehalt iſt im Allgemeinen ein Zeichen einer
weit vorgeſchrittenen Verwitterung des Bodens. „Die Faktoren der Fruchtbarkeit“,
bemerkt Dr. W. Knop 1) „haften zwar nur an den Mineralbeſtandtheilen des Bodens;
wo wir aber in einer Erde reichlich Humus vorfinden, da erhalten wir die Gewiß-
heit, daß hier in einer früheren Periode der Erde ſchon eine üppige Vegetation
Platz gegriffen hatte, oder was daſſelbe iſt, daß der hier vorhandene Ackerboden ein
guter war.“
Durch das Vorhandenſein des Humus in der oberſten Bodenſchichte der Acker-
krume wird eine extreme phyſikaliſche Bodenbeſchaffenheit verbeſſert, indem ſchwerer
Thonboden mehr Poroſität und Durchläſſigkeit, leichter Sand mehr Zuſammenhang
und waſſerfaſſende Kraft erhält. Weiter wird durch den Humus die Abſorptions-
und Condenſationsfähigkeit des Bodens gegen Gaſe, Waſſerdampf, ſowie das Ver-
halten des Bodens gegen die ſtrahlende Sonnenwärme günſtig beeinflußt. Durch
die Kohlenſäure und Ammoniakentwickelung des Humus bei ungehindertem Luftzutritte
wird nicht nur eine Quelle für atmoſphäriſche Pflanzennährſtoffe geſchaffen, ſondern,
wie früher erwähnt, auch die Aufſchließung, Löſung und Verbreitung der Mineral-
ſtoffe im Boden befördert. Schließlich werden durch den Humus die aufnahmsfähigen
Bodenſalze vermehrt, indem nicht nur die Aſchenſalze nach der vollſtändigen Zerſetzung
des Humus zurückbleiben, ſondern auch durch die Zerſetzungsprodukte deſſelben, wie
[40]Allgemeine Ackerbaulehre.
Kohlenſäure, Ammoniak, Schwefelwaſſerſtoff, Phosphorſäure mehrfache Umwandlungen
der im Boden vorkommenden Alkalien, alkaliſchen Erden und Schwermetalle herbei-
geführt werden.
2. Geïnſubſtanz. Die Geïnſubſtanz entſteht vorzugsweiſe aus gerbſtoff-
reichen Subſtanzen, welche in ſtehenden Gewäſſern, Sümpfen verfaulen und eine
ſchlammige, übelriechende, auch ſaurer oder atzdringirender Humus genannte Maſſe
bilden. Dieſe Subſtanz verwandelt ſich unter der Einwirkung von kohlenſauren
Alkalien in eine im Waſſer lösliche, für die Pflanzenvegetation nachtheilige Säure,
die Geïnſäure. Längere Zeit der Luft ausgeſetzt, oxydirt ſich dieſe Säure, beſonders
bei Gegenwart von Kalk und Aſche, zu Quellſatz- und Quellſäure.
3. Torfſubſtanz. Wird die Verweſung der organiſchen Reſte durch unter
Waſſer ſetzen gehemmt, ſo tritt unter Wärmeentwickelung und Entbindung von Kohlen-
waſſerſtoffen ein Verkohlen oder Vertorfen ein. Im Anfange der Bildung zeigt ſich
der unreife Torf von den Pflanzenreſten noch faſerig. Als reifer ausgebildeter Torf
erſcheint er im naſſen Zuſtande als ſchwarzbrauner Schlamm (Schlamm- oder Bagger-
torf) oder als eine ſeifige, wachsartig glänzende pechſchwarze Maſſe (Pechtorf). Der
Torf iſt als Standort für die meiſten Pflanzen wegen ſeiner großen Waſſeranſaugungs-
und Waſſerhaltungskraft ungeeignet.
3. Die Bodennährſtoffe.
Neben den Bodenſkelettheilen Quarz, Thon, Kalk und Humus entſtehen durch
die Verwitterung aus den Geſteinstrümmern in geringeren Mengen die Bodennähr-
ſtoffe, welche allein von den Pflanzenwurzeln aufgenommen werden können.
Die Bodennährſtoffe ſind nicht unveränderlich, ſondern unter dem Einfluſſe des
kohlenſäure- und ſalzhaltigen Waſſers und der im Boden befindlichen Luft, in einer
ſteten Veränderung begriffen, durch welche beſtehende Verbindungen umgeſetzt und neue
Verbindungen gebildet werden. Außerdem findet eine ſtetige Wanderung der durch
das Regenwaſſer gelöſten Nährſtoffe der Ackerkrume in den Untergrund und um-
gekehrt durch das Aufſteigen des Grundwaſſers eine Wanderung der Nährſtoffe des
Untergrundes nach aufwärts ſtatt. Dieſe Wanderung der Bodennährſtoffe wird
jedoch weſentlich durch das Abſorptionsvermögen des Bodens (S. 43) beſchränkt.
Im Allgemeinen wird ſich jedoch, abgeſehen von einer Zufuhr von Pflanzennährſtoffen
durch die Düngung in der Ackerkrume, begünſtigt durch die lebhaftere Verwitterung,
ein größerer Nährſtoffvorrath anſammeln können als im Untergrunde. Dieſe That-
ſache iſt, nebenbei bemerkt, die Urſache, weshalb tiefwurzelnde Pflanzen nur nach
gewiſſen Zeiträumen auf demſelben Felde wieder angebaut werden können.
Zu den wichtigſten im aſſimilirbaren Zuſtande im Boden vorkommenden Nähr-
ſtoffen, zu welchen noch die an die Geſteinstrümmer gebundenen (S. 34) hinzu-
kommen, gehören:
a.Kali. Das Kali kommt im Boden entweder als waſſerhaltiges Silicat
oder als humusſaures Salz vor. Außerdem findet ſich im Bodenwaſſer gelöſt oder
durch Flächenanziehung feſtgehalten kohlenſaures Kali, als Verwitterungsprodukt der
[41]Der Boden.
Feldſpathe und Glimmer, und ſchwefelſaures Kali, als Verwitterungsprodukt von
Thonſchiefer oder als Umſetzungsprodukt bei der Einwirkung von Gyps auf die
waſſerhaltigen Silicate. Bei Anweſenheit von ſtickſtoffhaltigen Verweſungsmaſſen
bildet ſich auch ſalpeterſaures Kali. Am ſpärlichſten ſind Alkaliphosphate im Boden-
waſſer vertreten.
b.Natron. Das Natron kommt am häufigſten als Chlornatrium und als
Silicat vor. Außerdem finden ſich im Boden kohlenſaures, ſchwefelſaures, ſalpeter-
ſaures, phosphorſaures und humusſaures Natron.
c.Ammoniak. Das Ammoniak kommt in denſelben Verbindungen wie das
Kali vor, iſt jedoch im Boden ſehr unbeſtändig da es bald in Salpeterſäure über-
geführt wird.
d.Kalk. In Verbindung mit Kieſelſäure findet ſich der Kalk nicht im Boden-
waſſer gelöſt, da der kieſelſaure Kalk im Momente ſeiner Löſung in kohlenſäure-
haltigem Waſſer in kohlenſauren Kalk umgewandelt wird. Neben dem kohlenſauren
Kalk findet ſich der Kalk im Boden als humusſaurer, dann als Verwitterungsprodukt
der meiſten Augite und Glimmer als phosphorſaurer und in düngerreichen Boden-
arten auch als ſalpeterſaurer Kalk vor.
e.Magneſia. Der Boden enthält die Magneſia als kohlenſaure, humus-
ſaure oder phosphorſaure Ammoniak-Magneſia oder als Silicat.
f.Eiſen. Das Eiſen iſt im Boden als Eiſenoxydhydrat oder als phosphor-
ſaures Eiſenoxyd oder als waſſerhaltiges Silicat anzutreffen.
g.Chlor, Fluor. Das Chlor kommt in Verbindung mit Alkalien am
häufigſten als Chlornatrium (Kochſalz) und Chlorammonium (Salmiak) im
Boden vor.
h.Kieſelſäure. Die von den Pflanzen aufgenommene Kieſelſäure ſtammt
nicht von der unlöslichen kryſtallirten Form derſelben, dem Quarz, her, ſondern
von der im kohlenſäurehaltigen Waſſer löslichen Kieſelſäure, welche durch die
Kohlenſäure bei der Umwandlung der kieſelſauren Salze in kohlenſaure Salze aus-
geſchieden wird.
i.Schwefelſäure. Schwefelſaure Salze bilden ſich im Boden durch Oxy-
dation der Schwefelmetalle. Letztere entſtehen in tieferen von der Luft abgeſchloſſenen
Bodenſchichten bei Gegenwart von ſchwefelhaltigen, organiſchen Reſten. Schwefelſaure
Verbindungen entſtehen auch durch Umwandlung der kohlenſauren Alkalien und
alkaliſchen Erden unter der Einwirkung von Schwefelwaſſerſtoff-Ammoniak, welches
ſich aus den im Boden befindlichen Verweſungsmaſſen organiſchen Urſprunges ent-
wickelt. Die größte Menge an Schwefelſäure kommt im Boden als unlösliche Eiſen-
oxyd- oder ſchwer lösliche Kalkverbindung vor. Zu erwähnen iſt noch, daß ſaures
ſchwefelſaures Eiſenoxydul durch die Zerſtörung der Zellmembrane für die Pflanzen-
vegetation nachtheilig wird.
k.Phosphorſäure. Die Phosphorſäure bildet einen der wichtigſten Pflanzen-
nährſtoffe, welcher jedoch in den meiſten Bodenarten nur in ſehr geringen Mengen
angetroffen wird, und zwar entweder als phosphorſaures Eiſenoxyd oder als phosphor-
[42]Allgemeine Ackerbaulehre.
ſaure Ammoniak-Magneſia, welche jedoch vor ihrer Aufnahme durch die Pflanzen-
wurzel in phosphorſaure Alkalien umgewandelt werden.
l.Salpeterſäure. Die Salpeterſäure bildet ſich bei Gegenwart von kohlen-
ſauren Alkalien und alkaliſchen Erden aus dem Ammoniak, welches ſich bei der
Verweſung organiſcher Reſte entwickelt. Sie findet ſich auch als ſalpeterſaures
Ammoniak im Boden.
m.Kohlenſäure. Die Kohlenſäure kommt ſowohl in unermeßlichen Mengen
in zahlreichen Geſteinen vor als auch im freien Zuſtande in der Luft und dem Waſſer,
welche im Boden circuliren. Eine reichliche Quelle für die Kohlenſäure bieten alle
in Verweſung begriffenen Reſte organiſcher Körper. Alle veränderlichen, an ſich un-
löslichen Silicate werden unter dem Einfluſſe kohlenſäurehaltigen Waſſers in lösliche
kohlenſaure Salze umgeſetzt. Die Kohlenſäure hat daher eine hervorragende Be-
deutung für die Ernährung der Pflanze, da ſie faſt alle im Boden gebundenen, im
reinen Waſſer ſchwer oder unlöslichen Pflanzennährſtoffe löslich und ſomit aſſimilirbar
d. h. zur Aufnahme durch die Pflanzenwurzel geeignet macht. —
Fehlt nur ein unentbehrlicher Pflanzennährſtoff (S. 21) im Boden, ſo kann
keine Pflanzenvegetation ſtattfinden, ſelbſt dann nicht, wenn alle übrigen Nährſtoffe
in noch ſo großen Mengen vorhanden wären.
Sind ſelbſt alle Nährſtoffe in den oben angegebenen Verbindungen in dem
Boden enthalten, ſo reicht dies doch nicht hin, um ein Maximum an Pflanzentrocken-
ſubſtanz zu ernten. Um dieſes zu ernten muß überdies ein beſtimmter nicht unter
ein gewiſſes Minimum — Geſetz des Minimum 1) — herabſinkender Vorrath an
Pflanzennährſtoffen im Boden vorhanden ſein. Ueber die Größe dieſes Minimum liegen
nur wenige Unterſuchungen vor. Nach Dr. H. Hellriegel 2) beträgt bei der Gerſte,
welche in Sand cultivirt wurde, das Minimum an Kali, welches im Boden enthalten
ſein muß, um noch einen Maximalertrag zu gewährleiſten, auf 1 Million Theile Boden
zwiſchen 30 und 40 Theile. Eine Erhöhung dieſes Minimum, ſelbſt bis zum Acht-
fachen hatte keinen weſentlichen Einfluß auf den Ertrag an Ernteſubſtanz, wenn auch
entſprechend größere Kalimengen von der Pflanze aufgenommen wurden. Für den
Stickſtoff fand Hellriegel, daß bei Roggen 63 Theile aſſimilirbarer Stickſtoff (Sal-
peterſäure), bei Weizen 70 und bei Hafer 63 Theile die Minimalmengen ſind, welche
den höchſten Ertrag zu erzielen vermögen.
Zur ungefähren Beurtheilung der Mengenverhältniſſe der im Boden in aufnahms-
fähigem und gebundenem Zuſtande vorkommenden Pflanzennährſtoffen ſtellen wir nachſtehend
die Minima und Maxima derſelben nach einer großen Zahl chemiſcher Bodenanalyſen
zuſammen:
In 100 Gewichtstheilen lufttrockener Feinerde können enthalten ſein:
Waſſer ........ 1.03—20.56
Organiſche Stoffe (Humus) . 0.10—20.00
In Säuren unlöslicher Rück-
ſtand (Geſtein, Quarz, Thon) 30.43—92.87
[43]Der Boden.
In Aetznatron lösliche zeo-
lithiſche Kieſelſäure ... 15.51—30.50
In Säuren löslich:
Kali ....... Spur — 3.72
Natron ...... Spur — 1.88
Kalk ....... 0.02—26.21
Magneſia ...... Spur — 3.71
Eiſen-, Mangan- und Alu- 2.27—17.98
minium-Oxyd ... Spur — 0.45
Chlor ....... Spur — 0.45
Kieſelſäure ..... 0.01— 0.19
Schwefelſäure .... Spur — 3.12
Phosphorſäure .... Spur — 0.63
Kohlenſäure ..... Spur —12.45
3. Die allgemeinen Eigenſchaften des Bodens und ſeiner Beſtandtheile.
Die natürliche Ertragsfähigkeit des Bodens iſt, abgeſehen von dem Klima und
der örtlichen Lage, von dem Vorrathe an Pflanzennährſtoffen, von deren Verhalten
im Boden (Abſorption) und von dem Verhalten des Bodens gegen äußere Einflüſſe
wie Wärme, Luft und Waſſer (phyſikaliſche Eigenſchaften) abhängig.
Im Allgemeinen werden die Pflanzen (ein gewiſſes unentbehrliches Minimum
an einzelnen Pflanzennährſtoffen im Boden vorausgeſetzt) durch eine Verſchiedenheit
in der chemiſchen Zuſammenſetzung des Bodens am wenigſten beeinflußt, wie ſchon
aus der Thatſache hervorgeht, daß Pflanzen der verſchiedenſten Art und Zuſammen-
ſetzung gleich gut auf ein und demſelben Boden oder Nährſtoffgemiſche gedeihen können.
Eine Unterſcheidung der Pflanzen nach ihrem Nährſtoffbedürfniſſe in Kieſel-, Kali-,
Kalk-Pflanzen (v. Liebig) oder in Boden -ſtete, -vage und -holde Pflanzen (Unger),
ebenſo einer eigenen Salz-, Kalk- und Gypsflora hat daher nur bedingt eine Be-
deutung. Dagegen wird das Wachsthum und die Erſcheinungsweiſe der Pflanze in
viel ausgiebigerer Weiſe durch: 1. ein verſchiedenes Abſorptionsvermögen und 2. durch
eine Verſchiedenheit in der phyſikaliſchen Beſchaffenheit des Bodens beeinflußt.
1. Das Abſorptionsvermögen des Bodens.
Die für die Fruchtbarkeit eines Bodens höchſt wichtigen Abſorptionserſcheinungen 1)
äußern ſich in dem Vermögen des Bodens aus einer wäſſerigen Löſung die wichtigſten
Pflanzennährſtoffe derart feſtzuhalten, daß ſie von dem ablaufenden Waſſer nicht
fortgeführt werden können. Von den verſchiedenen Pflanzennährſtoffen werden von
allen Bodenarten nur in ungleichem Maße Phosphorſäure, Kieſelſäure, Schwefel-
ſäure, Ammoniak, Kali, Natron, Kalk, Magneſia und Eiſenoxyd durch Abſorption
feſtgehalten. Nur die Salpeterſäure wird von den Ackererden nicht abſorbirt.
Salze werden bei der Abſorption zerlegt und die Baſen und Säuren für ſich
von den Bodentheilchen gebunden. In größter Menge werden die wichtigſten
[44]Allgemeine Ackerbaulehre.
Pflanzennährſtoffe, und zwar Ammoniak, Kali, und Phosphorſäure von dem Boden
abſorbirt.
Die Abſorption findet einerſeits in der Flächenanziehung, welche die Boden-
theilchen auf die Löſungen ausüben, anderſeits in der chemiſchen Bindung einzelner
Beſtandtheile der Löſung ihre Erklärung. Durch die Abſorption werden die Pflanzen-
nährſtoffe nicht abſolut unlöslich, ſondern nur ſchwer löslich gemacht, denn viel
Waſſer, namentlich wenn daſſelbe kohlenſäurehaltig, kann die abſorbirten Nährſtoffe
wieder löſen und den Pflanzenwurzeln zugänglich machen.
Von den einzelnen Bodenbeſtandtheilen beſitzen die fein vertheilten waſſerhaltigen
Silicate das größte Abſorptionsvermögen. Nach dieſen kommen in abſteigender
Reihenfolge die waſſerfreien Silicate, der Thon, der Kalk und zuletzt der Quarz
mit dem geringſten Abſorptionsvermögen. Ein nicht unbeträchtliches Abſorptions-
vermögen kommt nach den Unterſuchungen von Heiden 1) auch dem Humus zu. Die
Beſchaffenheit der Bodenbeſtandtheile nimmt inſofern auch Einfluß auf die Größe des
Abſorptionsvermögens, als dieſelbe mit der Dichte ihres Kornes entſchieden abnimmt.
Im Allgemeinen haben Erden von großer Fruchtbarkeit eine hohe Abſorption.
Umgekehrt kann jedoch die Wirkung einer hohen Abſorption durch andere ungünſtige
phyſikaliſche Eigenſchaften mit Bezug auf die Größe der Fruchtbarkeit abgeſchwächt
werden. Nach W. Knop 2) können bei Feinerden Abſorptionen von 0 3) an bis weit
über 100 vorkommen. Die meiſten Feinerden beſitzen jedoch Abſorptionen von 30
bis 70. Abſorptionen von 0—5 kann man für das Wachsthum der Pflanze als
ungenügend, von 5—10 und darüber als genügend erklären.
Aus den zahlreichen von Knop beobachteten Kali- und Ammoniakabſorptionen führen
wir folgende charakteriſtiſche Beiſpiele an:
- Völlig unfruchtbarer Quarzſand aus Weſtphalen .......... 0 Stickſtoff.
- Lockere Quarzſanderde mit 60 % Quarzſand .......... 8 „ „
- Quaderſandſteinboden aus der ſächſiſchen Schweiz ..... 0.154 Kali. 33 „ „
- Feinerde von Kalkſtein mit Quarzgeröll ........ 0.193 „ 39 „ „
- Guter Lehmboden von Minckwitz .......... 0.203 „ 46 „ „
- Feinſter Schlamm (Thon) aus einem Alluvialboden von Möckern — „ 77 „ „
- Ruſſiſche Schwarzerde .............. 0.202 „ 72 „ „
- Texas Schwarzerde ............... — „ 134 „ „
Im Zuſammenhange mit der abſorbirenden Eigenſchaft des Bodens, ſowie mit
dem Gehalte deſſelben an ſtickſtoffhaltigen Subſtanzen, ſteht jene Bodeneigenſchaft,
welche von den Landwirthen der älteren Schule als die ſog. alte Kraft des Bodens
bezeichnet wurde.
Mit Rückſicht auf die Größe des Abſorptionsvermögens, den phyſikaliſchen
[45]Der Boden.
Eigenſchaften und dem Vorrathe an Pflanzennährſtoffen (Bodenreichthum) bezeichnet
der praktiſche Landwirth den Boden als arm, wenn er nach allen drei Richtungen
an der unterſten Grenze ſteht. Ein ſolcher armer Boden macht ſich ſchon durch die
Begünſtigung einer eigenthümlichen Flechtenvegetation kenntlich. Dem armen Boden
zunächſt ſteht der dürftige, auch magerer, kraftloſer Boden genannt. Entwickeln
ſich bei ausreichendem Abſorptionsvermögen und ausreichendem Nährſtoffvorrathe die
Pflanzen vollkommen, ſo heißt der Boden vermögend oder kräftig, fruchtbar.
Darüber hinaus bezeichnet man den Boden bei Hervorbringung einer üppigen
Vegetation als reich und kräftig, und bei Hervorbringung einer maſtigen, beſonders
auf die Blattentwickelung, weniger auf die Fruchtbildung, gerichteten Vegetation als
überreich.
2. Die phyſikaliſchen Eigenſchaften des Bodens.
Die phyſikaliſchen Eigenſchaften eines Bodens werden in noch viel hervor-
ragenderer Weiſe als das Abſorptionsvermögen von dem Mengungsverhältniſſe, in
welchem die einzelnen Bodenbeſtandtheile vorkommen, beſtimmt. Unter denſelben zeigen
beſonders die Bodenſkelettheile (Quarz, Thon, Kalk und Humus) die auffälligſten.
Unterſchiede.
1. Specifiſches Gewicht. Das ſpecifiſche Gewicht der einzelnen Theile
des Bodenſkeletes zeigt mit Ausnahme des Humus nur einen geringen Unterſchied.
Daſſelbe beträgt bei Quarz 2.2—2.65—2.8, bei Thon 2.2—2.53, bei Kalk
2.6—2.8, bei Humus 1.225—1.370 (nach Schübler) und bei Ackerboden verſchiedener
Art 2.362—2.502.
2. Lockerheit und Bündigkeit. (Cohäſion). Beſitzen die einzelnen
Bodentheilchen wenig Zuſammenhang, ſo heißt der Boden loſe, haften die Theil-
chen feſt aneinander, ſo heißt er gebunden. Je größer der Sandgehalt um ſo
loſer, je größer der Thon und Humusgehalt um ſo gebundener iſt der Boden.
Loſer Boden bietet keinen genügenden Standort für die Pflanzen. Dagegen
wird in einem lockeren Boden der Eintritt der Luft und des Waſſers begünſtigt und
dadurch die chemiſche Thätigkeit deſſelben erhöht. Das Waſſer wird leichter ver-
dunſten oder in den Untergrund abfließen können.
Gebundener Boden erſchwert das Eindringen der Pflanzenwurzel, ebenſo auch
das Eindringen der Luft, weshalb die Verwitterung langſamer vor ſich geht. Das
Waſſer wird ſtärker feſtgehalten. Der gebundene Boden kann daher leicht zu feucht
und wegen der Verdunſtungskälte zu naß werden.
Auf die Aenderung der Bündigkeit hat neben der Bearbeitung und Düngung
ſowohl der Temperaturwechſel, beſonders der Froſt, als auch die Aenderung des
Waſſergehaltes Einfluß. Bei dem Austrocknen des Bodens entſtehen Riſſe und
Sprünge, welche eine Volumsverminderung des Bodens von 2—20 % herbeiführen.
Dieſe Volumsverminderung iſt bei Quarz nahe gleich Null und erreicht bei Thon
und Humus ihr Maximum.
[46]Allgemeine Ackerbaulehre.
3. Die Adhäſion des Bodens. Die Adhäſion des Bodens äußert ſich
im Anhaften deſſelben an die Geräthe, welche denſelben bearbeiten Sie bedingt
die Unterſcheidung von ſchweren, wiederſpenſtigen (ſchwer zu bearbeitenden) und
leichten Boden.
4. Waſſerfaſſende Kraft. Die waſſerfaſſende Kraft (Imbibition,
Sättigungs-Capacität) oder die Fähigkeit der Erde, Waſſer aufzunehmen beruht auf
der Adhäſion des Waſſers an dem Boden. Je größer der Gehalt eines Bodens
an Humus, Thon und feinvertheiltem Kalk iſt, um ſo mehr Waſſer (ſ. die Tabelle
auf S. 47) kann derſelbe aufnehmen, je größer der Gehalt an Sand und je grob-
körniger dieſer um ſo weniger. Auf die Größe der Imbibition hat auch die Tem-
peratur des Bodens einen Einfluß. Nach F. Haberlandt 1) nahm eine Erde
(humusreicher Lehmmergel) bei 60° R. 18.4 % weniger Waſſer auf als bei
15°, eine andere (humusarmer Kalk, Lehmmergel) nahm 12.6 % Waſſer weniger
auf. Dieſes Verhalten wirkt entſchieden günſtig auf die Pflanzenvegetation, da
bei zunehmender Wärme die bei niederer Temperatur geſättigte Erde Waſſer
abgiebt, welches dann um ſo leichter von den Pflanzenwurzeln aufgenommen
werden kann.
Die Pflanzenwurzeln entziehen übrigens dem Boden ſelbſt dann noch Waſſer
wenn man nicht mehr im Stande iſt durch Druck Waſſer aus demſelben heraus zu
preſſen. Die letzten Waſſerreſte, welche hygroskopiſch an die Bodentheilchen gebunden
ſind, vermögen die Wurzeln nicht mehr dem Boden zu entziehen, die Pflanzen welken
dann und zwar nach J. Sachs 2) wenn der humoſe Boden noch 12.3 %, der Lehm
noch 8 %, der Quarzſand noch 1.5 % Waſſer enthält.
Mit Bezug auf die waſſerfaſſende Kraft bezeichnet man den Boden als dürr,
wenn er nur 10 % Waſſer zu faſſen vermag, ein ſolcher Boden iſt ſtaubtrocken und
für die Pflanzenvegetation ungeeignet. Mit 12 % heißt er trocken, mit 20 %
friſch. Ein friſcher Boden läßt beim Preſſen mit der Hand Spuren von Feuchtig-
keit zurück. Derſelbe iſt für die meiſten Pflanzen am geeignetſten. Tropft der Boden
beim Preſſen, ſo heißt er mit 30 % Waſſergehalt feucht. Steht das Waſſer im
Boden (40 %), ſo heißt er naß.
5. Waſſerhaltende Kraft. Im Zuſammenhange mit der Imbibition
ſteht die waſſerhaltende Kraft des Bodens oder das Vermögen deſſelben das auf-
genommene Waſſer durch Verdunſtung oder Durchlaſſung in den Untergrund wieder
abzugeben. Die Verdunſtung aus dem Boden hängt neben der Lockerheit des Bodens,
der Temperatur und dem Feuchtigkeitsgehalte der Luft vorzugsweiſe von den Boden-
ſkelettheilen ab, wie aus der nachſtehenden Tabelle, welche zugleich die Verſuchs-
reſultate von Schübler 3) über einige weitere phyſikaliſchen Eigenſchaften enthält, zu
erſehen iſt.
[47]Der Boden.
Die waſſerhaltende Kraft und die Lockerheit des Bodens ſteht in Beziehung zur
Durchläſſigkeit des Bodens für Waſſer. Dieſe Eigenſchaft kommt dem Quarz am
ſtärkſten, dem Thon am geringſten zu. Thonböden ſind daher im Gegenſatze zu den
durchläſſigen Sandböden undurchlaſſend.
6. Capillarität. Durch die Capillarität erfolgt die Ausgleichung des
Waſſergehaltes in verſchiedenen Bodenſchichten. Während durch die Schwere das von der
oberſten Schichte aufgenommenen Regenwaſſer, in die Tiefe verſinkt, verſorgt die
Capillarität die ausgetrocknete oberſte Bodenſchichte mit Waſſer aus der Tiefe. Den
humoſen und thonigen Erden iſt die Capillarität im höchſten Grade eigen, dieſelben
können ſich daher am leichteſten mit Feuchtigkeit aus dem Grundwaſſer verſorgen.
In Röhren, welche mit verſchiedenen Erden gefüllt und in Waſſer geſtellt ſind, ſteigt
die Feuchtigkeit bei Sand auf 20—30 Cm., bei Lehm oder Thon auf 45—60 Cm.
und bei humusreichen Erden auf 60—80 Cm. capillar in die Höhe.
7. Wärmeleitungsfähigkeit des Bodens. Dieſe Eigenſchaft iſt bei allen
Bodenſkelettheilen gering. Nach Helmerſen 2) leitet die Wärme noch am beſten der Quarz
ihm folgen Marmor, feinkörniger Sandſtein mit thonkalkigem Bindemittel und dichter
Kalkſtein. Dieſe geringe Leitungsfähigkeit iſt Urſache, daß ſchon in geringer Tiefe,
etwa bei 1,25 Meter die täglichen Temperaturſchwankungen im Boden ausfallen.
8. Wärmecapacität3). Auf die Wärmecapacität hat der Humusgehalt
und die Waſſerfaſſende Kraft des Bodens den größten Einfluß. Der Humus wirkt
nicht nur durch ſeine eigene ſpecifiſche Wärme 0,50 (ſiehe obige Tabelle) ſondern
auch durch ſeine große Waſſerfaſſende Kraft erhöhend ein. Eine Erde mit geringer
[48]Allgemeine Ackerbaulehre.
Wärmecapacität (heißer, hitziger Boden, wie Kalk-, Sandboden) erkältet und
erwärmt ſich früher als eine Erde mit höherer Wärmecapacität (kalter Boden, wie
Thon-, Humusboden). Erſterer iſt daher für zarte Pflanzen unfruchtbar. Eine gewiſſe
Höhe der Wärmecapacität, welche zwiſchen den beiden Extremen Quarz und Humus
liegt (milder, warmer Boden) iſt eine nothwendige Bedingung für einen frucht-
baren Boden.
4. Die Bodenarten.
Die vorſtehend beſprochenen Beſtandtheile bilden zuſammen den Cultur- oder
Ackerboden. Je nach dem Antheile, welchen dieſelben an der Bodenbildung nehmen,
entſtehen Verſchiedenheiten, welche beſondere Eigenſchaften des Bodens, oder verſchiedene
Bodenarten bedingen. Nachdem die phyſikaliſchen Eigenſchaften eines Bodens
unter der Vorausſetzung eines beſtimmten Nährſtoffvorrathes, in hervorragendſter
Weiſe die Ertragsfähigkeit eines Bodens beſtimmen, ſo iſt es vollkommen gerechtfertigt,
wenn die Bodenarten nicht nach dem Gehalte an Bodennährſtoffen, ſondern nach
dem Vorherrſchen von 1. Geſteinen, 2 Sand, 3. Thon, 4. Lehm, 5. Mergel,
6. Kalk, 7. Gyps ꝛc., 8. Humus unterſchieden werden.
1. Der Geröll- oder Kiesboden.
Enthält ein Boden größere Mengen an unverwitterten Geſteinstrümmern, während
die Feinerde oft nur ⅓ der Maſſe und weniger ausmacht, ſo erhalten die phyſi-
kaliſchen und chemiſchen Eigenſchaften der Geſteinstrümmer über alle anderen Boden-
beſtandtheile das Uebergewicht. Je nach der Beſchaffenheit und Menge der Geſteins-
trümmer bezeichnet man derartigen Boden als Gruß-, Grant-, Geröll-, Kies-
boden, als Schuttland. Je mehr Geſteine ſich finden, um ſo weniger Erdkrume
wird dieſer Boden enthalten und um ſo mehr ſteht derſelbe an der Grenze der Cultur-
fähigkeit, da ſeine Bearbeitung um ſo ſchwieriger wird. Beſtehen die Trümmer aus
Geſteinen, welche durch Verwitterung werthvolle Bodennährſtoffe liefern, ſo kann dieſe
Bodenart immerhin, wenn auch nicht für die landwirthſchaftliche Benützung, ſo doch
für die Waldcultur oder die Cultur des tiefwurzelnden, mit der Hand bearbeiteten
Weinſtockes geeignet ſein. Wird dagegen der Geröllboden von grobkörnigen, eiſenoxydul-
haltigen Sandſteinen oder von Quarztrümmern gebildet, ſo iſt er unfruchtbar.
Treten die Geſteinstrümmer gegenüber den anderen Bodenbeſtandtheilen zurück,
ſo erhält die Bodenart nur das Beiwort „ſteinig“. Auf gebundenen Bodenarten
kann ein mäßiger Gehalt an Steinen zur Lockerung nur vortheilhaft ſein, ebenſo
können humoſe, leichte Kalkböden, Flugſand, ſtark abhängige Felder durch Steine vor
dem ſchnellen Austrocknen, dem Verwehen und Abſchwemmen geſchützt werden.
2. Der Sandboden.
Treten die Geſteinstrümmer in einer Menge von mindeſtens 80 % der Ge-
ſammtbodenmaſſe als Sand auf, ſo erhält der Boden die Bezeichnung Sandboden.
Die größten Mengen Sand liefert die Verwitterung und das Zerfallen der Con-
glomerate und Sandſteine. Je älteren Formationen (Grauwacke, Zechſtein, Bunten-
[49]Der Boden.
ſandſtein) dieſelben angehören um ſo mehr alkalienreiche Mineraltrümmer liefern
ſie, je jünger die Formationen (Keuper, Lias, Jura und Kreide) um ſo mehr Quarz-
trümmer enthalten dieſelben. In letzterem Falle, wenn der Sandboden nur aus
Quarzſand oder auch aus Kalkſand beſteht, iſt er unfruchtbar, da weder die noth-
wendigſten Nährſtoffe noch die entſprechenden phyſikaliſchen Eigenſchaften beſonders
die Waſſerhaltung und die Bindigkeit vorhanden ſind. Beſteht er dagegen aus ver-
änderlichen Geſteinstrümmern, ſo wird er um ſo fruchtbarer je reichere Mengen an
Pflanzennährſtoffen durch die Verwitterung gebildet werden können. Enthält er über-
dies noch Humusſubſtanzen beigemengt, ſo erhöht ſich noch weiter ſeine Fruchtbarkeit.
Der Sandboden iſt leicht an dem Mangel an Bindung, welche ſelbſt im feuchten
Zuſtande ein Ballen deſſelben nicht zuläßt, zu erkennen. Etwas Bindigkeit zeigt er
nur dann, wenn er einige Procente Kalk- oder Glimmerblättchen beigemengt enthält.
Er fühlt ſich mager, bei grobkörniger Beſchaffenheit rauh an. Bei der Be-
arbeitung bilden ſich keine oder nur wenige Schollen. Die Pflugfurchen ſinken
zuſammen, erſcheinen daher nicht ſcharfkantig.
Die Eigenſchaften dieſes Bodens werden durch den größeren oder geringeren
Sandgehalt 1) beſtimmt. Das Regenwaſſer läßt er, je grobkörniger und quarzreicher
er iſt, raſch in den Untergrund abfließen. Man bezeichnet daher den Sandboden
als durchläſſig trocken, dürr. Gegen in Waſſer gelöſte Stoffe zeigt er nur eine
geringe Abſorptionsfähigkeit. Der Sandboden iſt im Allgemeinen ſehr zum Aus-
trocknen geneigt. Dabei wird ſein Volumen nur wenig verändert, es bilden ſich
daher keine Sprünge. Die Pflanzen werden aus Mangel an Waſſer leicht frühreif
oder ſelbſt nothreif. (Ausbrennen der Pflanzen). Im Frühjahre wird dieſe Boden-
art raſch abtrocknen, weshalb die Beſtellungsarbeiten früher begonnen und noch weit
in den Herbſt hinein fortgeſetzt werden können. Nach Regengüſſen wird der Sand-
boden raſch ſoweit abgetrocknet ſein, um ihn bald bearbeiten zu können.
Wegen des großen Wärmeausſtrahlungsvermögens kühlt ſich der Sand raſch ab
und erwärmt ſich raſch; die Pflanzen leiden daher ſtark vom Froſte. Anderſeits
bewirkt die ſchnelle Abkühlung während der Nacht eine ſehr reichliche Thaubildung,
welche wieder durch den Gehalt des Thauwaſſers an Kohlenſäure und Sanerſtoff
zum Aufſchließen der veränderlichen Geſteine beiträgt. Wegen der leichteren Er-
wärmung wird beſonders bei mittägiger Lage die Ernte früher eintreten.
Die Behandlung des Sandbodens ergiebt ſich aus den mitgetheilten Eigen-
ſchaften. Er wird mit kleineren Quantitäten Stallmiſt aber öfter zu düngen ſein.
Den Dünger wird man, ſowie die Samenkörner bei der Saat, zur Sicherung der
nöthigen Feuchte tiefer unterbringen. Die Lockerung des Bodens durch den Pflug
wird nicht ſo oft auszuführen ſein. Im Gegentheile wird oft eine Bindung durch Ab-
walzen oder Beweidenlaſſen, angezeigt ſein. Man wird Sandboden ſchon im Herbſte
ſoweit vorbereiten, daß im Frühjahre nur mehr angebaut zu werden braucht, damit
die Winterfeuchte nach Möglichkeit ausgenützt werden kann.
Krafft, Lehrb. d. Landw. I. 4
[50]Allgemeine Ackerbaulehre.
In feuchter Lage und feuchtem Klima beſitzt der Sandboden die größte Frucht-
barkeit, unter entgegengeſetzten Verhältniſſen kann er aufhören, culturfähig zu ſein.
Im Allgemeinen wird der Futterbau auf Sandboden unſichere und ſchwankende Erträge
geben. Vorzüglich gedeihen Lupinen, auch Sandluzerne (Medicago media), Wundklee
(Anthyllis Vulneraria L.), Serradella (Ornithopus sativus). Am ſicherſten gedeiht
Wintergetreide, beſonders Roggen. Sommergetreide leidet bald Mangel an Feuchtigkeit.
Seine nähere Bezeichnung erhält der Sandboden nach der Beſchaffenheit der
Sandkörner, wie ſchon S. 35 angeführt wurde, und nach dem Gehalte an anderen
Bodenſkelettheilen. In letzterer Beziehung laſſen ſich unterſcheiden:
a.Flugſand. Derſelbe beſitzt keine oder nur ſehr wenig abſchlemmbare
Erde, wird daher leicht vom Winde verweht. Er iſt unfruchtbar oder trägt nur ſpär-
liches Weide- und Waldland; Kiefer. Wildwachſend kommen vor: Calluna vulgaris
Sal., Elymus arenarius L., Carex arenaria L., Herniaria glabra L., Dianthus
arenarius L. etc.
b.Loſer Sandboden mit einigen bis zu 10 % Thon. Winterroggen,
Ackerſpörgel, Lupinen, Buchweizen, mäßiger Ertrag von Kartoffeln; Zitterpappel;
Festuca ovina L., Bromus tectorum L., Astragalus arenarius L., Euphorbia
Cyparissias L. etc.
c.Lehmiger Sandboden mit 20 % Thon. Roggen, Gerſte, Hafer, Wicken,
unſicher Rothklee, Weißklee, bei Tiefgründigkeit und bindigem Untergrunde Eſparſette,
Luzerne, Buchweizen, Spergel, Mohar, Kartoffel.
Außerdem erhält der Sandboden bei 2—10 % Kalk die Bezeichnung mergelig
bei einem größeren Gehalte an Eiſenoxyd die Bezeichnung eiſenſchüſſiger Sand und je
nach dem Gehalte an Humus die Bezeichnung humusarm, humos, humusreich (S. 55).
3. Der Thonboden.
Bodenarten, welche mindeſtens 60 % Thonſubſtanz enthalten, heißen Thonböden.
Dieſelben enthalten überdies in wechſelnden Mengen Sand, 2—7 % Kieſelmehl,
4—5 % Eiſenoxydhydrat oder Eiſenoxyd und eine verſchiedene Menge von Stein-
trümmern beigemengt. Der Thon entſteht nur aus jenen Silicaten, unter deren
Baſen Thonerde und Eiſenoxyd vorherrſchen. Alle Feldſpathe, oligoklas- und glim-
merreichen Felsarten, wie Granit, Syenit, Gneiß, Felſitporphyr, dann Thonſchiefer
geben unter Ausſcheidung von Alkalien bei der Verwitterung Thon. Der Thonboden
iſt an ſeiner bindigen, im feuchten Zuſtande je nach ſeinem Thongehalte zähen,
klebenden Beſchaffenheit zu erkennen. Wegen ſeiner Conſiſtenz bedarf es bei ſeiner
Bearbeitung ſtarker Zugkräfte und feſt gebauter Geräthſchaften. In feuchtem Zuſtande
gepflügt, zeigen ſich die Pflugſtreifen glänzend (ſchleißen ſich). Die aufgeworfenen
Pflugfurchen bleiben ſcharfkantig liegen. Wegen dieſer Eigenſchaften heißt er ſchwer,
widerſpenſtig, zäh. Er fühlt ſich fein und fettig an. Angehaucht giebt er den
charakteriſtiſchen Thongeruch. Bei dem Benetzen mit der Zunge klebt er an. Beim
Abtrocknen von feuchtem Thonboden entſtehen durch Zuſammenziehung des Bodens
große Riſſe. Desgleichen bildet der Thonboden, beſonders wenn er im feuchten
[51]Der Boden.
Zuſtande gepflügt wurde, harte Schollen. Vermöge ſeiner großen waſſerfaſſenden
Kraft erwärmt er ſich nur langſam und iſt daher zumal in naſſer Lage und naſſem
Klima, immer naß, kalt und ſchlufig. Seine Beſchaffenheit wird deshalb durch
trockene Lage und durchlaſſenden Untergrund verbeſſert. Das Regenwaſſer bleibt
leicht ſtehen und bildet Pfützen, da es nur langſam aufgeſaugt wird, beſonders dann wenn
der Boden durch trockene Zeit dicht geworden. Im Frühjahre und nach einem Regen
trocknet er nicht ſo raſch ab, als wie der Sandboden. Im Herbſte wird er früher naß.
Die Zahl der Arbeitstage auf Thonboden iſt daher eine geringere, da derſelbe
noch überdies eine fleißigere Bearbeitung bedarf, um jenen Grad der Lockerheit zu er-
halten, welcher für die Saat nothwendig iſt. Ebenſo muß bei der Bearbeitung der richtige
Feuchtigkeitszuſtand genauer wahrgenommen werden. Die Bewirthſchaftung eines
Thonbodens wird daher nicht nur mehr Aufmerkſamkeit erfordern, ſondern auch viel
theuerer, als bei Sandboden zu ſtehen kommen. Je tiefer der Thonboden bearbeitet
wird um ſo mehr Luft kann zutreten und die Verwitterung befördern. Ueber Winter
läßt man den Thonboden in rauher Furche liegen, damit durch den Froſt eine um
ſo ausgiebigere Lockerung erzielt werden kann. Da die Verweſung des Düngers
in dem geſchloſſenen, feuchten Thonboden nur langſam vor ſich geht, aber um ſo
nachhaltiger wirkt, ſo düngt man ſeltener aber mit um ſo größeren Mengen auf
einmal. Am zweckmäßigſten wird langer d. i. ſtrohiger Miſt, verwendet, welcher
mehr Feuchtigkeit zur Verweſung braucht und zugleich eine Bodenlockerung bewerk-
ſtelligt. Die Unterbringung darf wie die des Saatgutes nicht zu tief erfolgen,
wenn anders ein ausreichender Luftzutritt gewährleiſtet bleiben ſoll. Seine ungünſtigen
phyſikaliſchen Eigenſchaften werden weſentlich durch Entwäſſerung und durch Düngung
mit Kalk oder Mergel verbeſſert.
Je nach ſeinem Gehalte an Thonſubſtanz werden unterſchieden:
a.Strenger Thonboden. Der ſtrenge, zähe Thonboden ſteht ebenſo an
der Grenze der Culturfähigkeit wie der Flugſand. In naſſen Lagen verſumpft er
und trägt dann nur Sumpfflora. Die größte Sicherheit, wenn auch nur geringen
Ertrag bieten noch der Hafer und die Weide. Tussilago Farfara L., Bellis
perennis L., Carduus nutans L., Sonchus arvensis L., Cirsium arvense Scp.,
Tanacetum vulgare L. etc.
b.Gewöhnlicher Thonboden mit 80 % Thon. Derſelbe bietet einen
ſehr guten Standort für Weizen, Pferdebohne, Rothklee; Weißbuche, Rothbuche, Eiche.
c.Milder oder lehmiger Thonboden mit 65 % Thon. Auf demſelben
gedeihen die Mehrzahl der Culturpflanzen beſonders Raps, Zuckerrüben, Luzerne,
Rothklee. Der Futterbau überhaupt iſt ſehr ſicher. Lolium perenne L., Alope-
curus pratensis L., Phleum pratense L., Avena elatior, Festuca elatior L.,
Delphinium Consolida L., Triticum repens L. etc.
4. Der Lehmboden.
Der Lehmboden beſteht aus einem Gemenge von Lehm mit 30—50 % feinem,
durch Schlemmen abſcheidbarem Sand und einigen Procenten kohlenſauren Kalk. Derſelbe
4*
[52]Allgemeine Ackerbaulehre.
iſt ein Verwitterungsprodukt der glimmer-, hornblende-, und augitreichen kryſtalliniſchen
Felsarten oder auch mancher Conglomerate und Sandſteine jüngerer Bildung.
Der Lehmboden ſteht mit ſeinen Eigenſchaften in der [Mitte] zwiſchen Sand-
und Thonboden. Er iſt niemals ſo ſtark gebunden, wie letzterer, aber auch nicht ſo
loſe wie erſterer. Der Lehmboden fühlt ſich nicht ſo fein wie der Thonboden, ſon-
dern eher mager an, je gröber die beigemengten Sandkörner. Mit dem Fingernagel
gerieben giebt er keinen glänzenden Strich wie der Thon, ſondern bleibt matt. Durch
ſeinen Eiſenoxydgehalt (7—10 %) erhält er meiſtens eine ockerige, gelb- oder leder-
braune Färbung. Luft und Feuchtigkeit zieht er in entſprechender Menge an, ſo
daß der Dünger nicht ſo raſch wie im Sandboden aber auch nicht ſo langſam wie
im Thonboden verweſt. Ammoniak condenſirt er nahezu ſo ſtark wie Thon. Der
Humusgehalt ſteigt daher im Lehmboden oft auf 6—10 und mehr Procente. Durch
die Näſſe wird der Lehmboden, trotzdem er viel (40—50 %) Waſſer aufzuſaugen
und feſtzuhalten vermag, nicht ſchmierig und zäh, ſondern er behält ſeine, auch beim
Austrocknen bewahrte krümelige Beſchaffenheit. Seine Wärmecapacität hält die
Mitte zwiſchen Thon und Quarz.
Als Unterabtheilungen des Lehmbodens ſind anzuführen:
a.Strenger oder thoniger Lehmboden mit 55 % abſchlemmbaren
Theilen. Ertragsreicher Boden, welcher jedoch in feuchten Lagen leicht verſumpft und
ſchwer zu bearbeiten iſt.
b.Milder oder gewöhnlicher Lehmboden mit einem Gehalte von
ungefähr 40 % abſchlemmbaren Theilen, einigen Procenten Kalk und 6—10 % Humus.
Bei Tiefgründigkeit gewährt dieſe Bodenart nahezu unter allen klimatiſchen Ver-
hältniſſen ſehr ſichere Pflanzenerträge. Sie wird daher auch Mittelboden genannt,
da der Cultur-, Dünger- und Samenaufwand bei der günſtigen phyſikaliſchen Be-
ſchaffenheit mäßig ausfällt. Derſelbe iſt für alle Pflanzen geeignet.
c.Sandiger Lehmboden mit 30 % Thon. Sinkt der Gehalt an ab-
ſchlemmbaren Theilen unter 25 %, ſo nähert ſich dieſer Boden dem lehmigen Sand.
In trockenen Lagen leidet auf dieſem Boden der Futterbau, weniger der Getreidebau.
Die Hackfrüchte gedeihen bei einer wenig koſtſpieligen Bearbeitung vorzüglich.
Zeigt der Lehmboden bei größerer Bindigkeit einen blätterigen Bruch von bei-
gemengten feinen Glimmerblättchen oder blätterig vertheilten Humusſubſtanzen, ſo
erhält er den Namen Lettenboden.
5. Der Mergelboden.
Der Mergelboden bildet ein Gemenge von wenigſtens 15 % Kalk und höchſtens
75 % Thon mit den verſchiedenſten anderen Bodenſkelettheilen. Derſelbe erſcheint
in den mannigfaltigſten Formationen beſonders in der Zechſtein-, Buntſandſtein-,
Muſchelkalk-, Keuper-, Lias- und Kreideformation.
Die Mergelböden ſind wegen ihres innig beigemengten Kalkes zur Verkruſtung
ſehr geeignet. Aufgeworfene Schollen zerfallen beim Austrocknen. Das Verhalten
dieſer Bodenarten gegen Waſſer, Luft und Wärme wird durch die Eigenſchaften des
ſonſt vorherrſchenden Skelettheiles beſtimmt. Nach letzterem unterſcheidet man:
[53]Der Boden.
a.Thonmergelboden, eine Gemenge 1) von 15—50 % Kalk, 50—75 %
Thon und höchſtens 25 % abſchlemmbaren Sand; außerdem 2—6 % Eiſenoxyd
oder Eiſenoxydhydrat, 10 % kohlenſaure Magneſia und eine geringe Menge Gyps
enthaltend. In ſeinen Eigenſchaften ſchließt er ſich dem Thone an, mit dem Unter-
ſchiede, daß er beim Austrocknen ein äußerſt loſes Erdreich bildet. Am günſtigſten
für dieſe Bodenart ſind feuchte, warme Lagen. Weizen, Gerſte, Bohnen; Prunus
spinosa L., Pyrus communis L., Anthyllis vulneraria L., Medicago falcata L.,
Adonis aestivalis L. etc.
b.Lehmmergelboden aus 15—25 % Kalk, 20—50 % Thon und
25—50 % Sand beſtehend. Derſelbe zählt in mäßig feuchten Lagen zu den reichſten
Bodenarten. Er bedarf häufiger und ſtarker Düngung, wenn er ſeine Fruchtbarkeit
bewahren und nicht austrocknen ſoll. Oelgewächſe, Kartoffeln, Flachs, Gerſte.
c.Kalkmergelboden: 50—75 % Kalk, 20—50 % Thon und höchſtens
5 % Sand. Derſelbe leidet durch trockene Lagen am meiſten, da er im trockenen
Zuſtande ſehr loſe wird und nach einer Durchfeuchtung und darauf folgender plötz-
licher Austrocknung mörtelartig verkittet. Eine derartige Beſchaffenheit ſteht an der
Grenze der Culturfähigkeit.
d.Sandmergelboden enthält 40—50 % abſchlemmbaren Sand. Dieſe
Bodenart ſteht in ihren Eigenſchaften zwiſchen dem ſandigen Lehm und lehmigen
Sand. In trockenen Lagen ſinkt ſeine Ertragsfähigkeit mit dem zunehmenden Kalk-
gehalte.
Einen durch ſeine Fruchtbarkeit ausgezeichneten Sandmergelboden bildet der
Lößboden, welcher ſich von dem Lehm durch ſeinen hohen Gehalt an kohlenſaurem
Kalk und durch das Fehlen der Plaſticität unterſcheidet. Derſelbe bildet eine intenſiv
braungelb gefärbte, lockere Maſſe, in welcher zahlreiche weiße Schneckenſchalen und
Knollen härterer Subſtanz, die ſog. Lößmännchen, vorkommen. Charakteriſtiſch für
denſelben iſt nach Sandberger 2) daß ſich im Löß der kohlenſaure Kalk auflöſt und
in der Tiefe wieder als ſchneeweiße, pulverige Rinde abſetzt, welche die Klüfte und
Spalten auskleidet oder die Pflanzenwurzeln als Kalkhülſen von mehreren Linien Dicke
umgiebt. Durch dieſe Auslaugung wird der Lößboden aus einem ſandigen Mergel
in einen ſandigen Lehm umgewandelt. An Stelle der Artemisia-, Polycnemum-
Arten und anderen Lößpflanzen, treten dann Huflattig, Binſen u. dgl. Von den
Culturpflanzen gedeihen auf Lößboden beſonders die Getreidearten, aber auch Hanf,
Cichorie, Kleearten und andere kalkliebende Futterkräuter.
6. Der Kalkboden.
Dieſe Bodenart enthält als weſentlichſten Beſtandtheil kohlenſauren Kalk und
zwar in einer Menge (bis 75 und mehr %), daß durch deſſen Eigenſchaften die Be-
ſchaffenheit des Bodens in hervorragender Weiſe beſtimmt wird. Von dem eben er-
[54]Allgemeine Ackerbaulehre.
wähnten Kalkmergelboden unterſcheidet ſich dieſe Bodenart dadurch, daß ſich der
Thon von dem Kalk durch Schlemmen abſondern läßt, während dies beim Mergel-
boden nicht der Fall iſt. Der Kalkboden iſt meiſt trocken und im Allgemeinen
ein humusverzehrender Boden. Der Dünger zerſetzt ſich daher raſch, weshalb
ſpärlichere aber öftere Düngung angezeigt iſt. Seine Ertragsfähigkeit hängt von
dem Gehalte an Thon und Alkalien ab, je mehr dieſe zurücktreten um ſo ärmer,
trockener, hitziger geſtaltet ſich derſelbe. Erſcheint der Kalk in Form verſchieden
großer Geſteinsbröckeln, ſo heißt er ſteiniger Kalkboden, auch Kreideboden, welcher
bei warmen Lagen an der Grenze der Unfruchtbarkeit ſteht. Bei feuchten Lagen und
mäßigem Thongehalte eignet ſich der Kalkboden vorzüglich für den Hülſenfrucht-
bau. Als lehmiger Kalkboden zeigt er die höchſte Fruchtbarkeit beſonders für Roggen,
Gerſte, Luzerne, Eſparſette. Er zeigt eine ähnliche Flora wie der Mergelboden, dann
Globularia nudicalis L., Saxifraga caesia L., Lathyrus sylvestris L., Stachys
germanica L., Hieracium, Centaurea.
Sinkt der Kalkgehalt ſoweit, daß er nicht mehr den Charakter des Bodens
beſtimmt, ſo erſcheint er nur mehr in der Nebenbezeichnung. Thonböden, welche
von 0—1 % Kalk enthalten bezeichnet man als kalkarm, diejenigen, welche 2.5 %
Kalk führen, heißen kalkig, bis zu 5 % kalkreich und bis zu 10 % mergelig.
Sandboden können ſchon bei 2.5 % kalkreich und darüber hinaus kalküberreich
genannt werden.
7. Der Salz-, der Gypsboden ꝛc.
1. Der Salzboden. Bodenarten, welche durch einen Gehalt von einigen
Procenten leicht löslicher Salze ausgezeichnet ſind, bezeichnet man als Salzböden.
Dieſelben ſind für die Culturpflanzen gewöhnlich unfruchtbar. An Abarten unter-
ſcheidet man den Salzthon mit einigen Procenten Kochſalz (ein Kochſalzgehalt
von 0.1 % im Boden wirkt ſchon ſchädlich auf die Begetation), den aulaun- und
eiſenvitriolhaltigen Thonboden, welcher von feinvertheiltem Eiſenkieſe
durchſetzt iſt, und den Saliterboden. Letzterer enthält kohlenſaures Natron und
iſt durch ſeine Salzausblühungen beim Verdunſten des Waſſers charakteriſirt. Als
Salzflora erſcheinen: Salsola Kali L., Aster tripolium L., einige Arenarien,
Salicornia herbacea L., Plantago-Arten u. dgl.
2. Der magneſiahaltige Mergelboden (Dolomitboden). Dieſer
Boden enthält 5—20 % kohlenſaure Magneſia und zeichnet ſich durch ſeine wechſelnde
Fruchtbarkeit aus. In feuchten Jahren wird er um ſo unfruchtbarer je mehr Thon
er enthält, in trockenen Jahren wird er dagegen um ſo fruchtbarer. Noch ſeltener
kommt Bitterſalz führender Boden vor. Derſelbe iſt durch folgende Flora aus-
gezeichnet: Atriplex mikrosperma W. K., Bupleurum tenuissimum L., Glaux
maritima L., Glyceria aquatica Presl., Mentha, Plantago Wulfenii Willd.,
Spergularia salina Presl., Scorzonera parviflora Jcq.
3. Der Gypsmergel und Gypsthon. Gyps und Anhydritboden iſt da-
durch gekennzeichnet, daß alle Wäſſer, welche denſelben durchdringen, farblos und
humusfrei ſind. Sie ſind gewöhnlich dürr und unfruchtbar.
[55]Der Boden.
4. Der eiſenſchüſſige Boden. Durch 5—20 % Eiſenoxyd ausgezeichnete
Thon- oder Sandböden, welche durch das Eiſenoxyd rothbraun oder ockergelb gefärbt
werden. Im feuchten Zuſtande iſt derſelbe gewöhnlich ſchmierig, in ſonnigen Lagen
trocknet er raſch ab. In der Formation des Rothliegenden und Buntſandſteines
bildet er oft ſehr fruchtbare, hopfentragende Böden.
In eiſenſchüſſigem Boden entſtehen leicht bei Gegenwart vertorfter Pflanzenreſte
(durch Umwandlung des Eiſenoxydes in Eiſenoxydul, kohlenſaures Eiſenoxydul und
Eiſenoxydhydrat) die berüchtigten Eiſenſteinbildungen, welche unter dem Namen Ort-
ſtein, Ortſand, Klumperz, Eiſenſandſtein, Limonit ꝛc. bekannt ſind. Bei ihrer Ent-
ſtehung bildet ſich zuerſt um die Erde oder die Sandkörner ein ockergelber, ſchleimiger
Ueberzug, welcher allmälig feſt wird und die Erde oder den Sand zu feſten ſchwer
verwitterbaren Maſſen verkittet. Dieſe Bildungen können dem Boden vollſtändig ſeine
Culturfähigkeit nehmen.
8. Der Humusboden.
Je nach der Beſchaffenheit und dem Culturzuſtande erhalten ſich im Boden ver-
ſchiedene Mengen von Humus-Subſtanzen. Sind nur wenige Procente (0—3) vor-
handen, ſo bezeichnet man den Boden als humusarm. Steigt der Gehalt an
Humusſubſtanzen durch die Wurzelrückſtände der Pflanze, dem Dünger ꝛc. auf 3—5 %
ſo wird derſelbe als gewöhnlich nicht weiter angeführt oder der Boden wird kurzweg
als humushaltig bezeichnet. Enthält der Boden noch mehr Humus, ohne daß
deshalb die mineraliſchen Bodenbeſtandtheile aufhören den Charakter des Bodens zu
entſcheiden, ſo bezeichnet man ihn als humoſen (5—10 %) und humusreichen
(10—15 %) Boden. Darüber hinaus als moorigen Boden. Durch einen
größeren Humusgehalt wird ein ſchwerer Thonboden gelockert und umgekehrt ein
leichter Sandboden bindig gemacht. Ein Gehalt von 5 % kann ſchon an der
ſchwarzen Färbung des Bodens, an der mit dieſer Färbung verbundenen hohen Er-
wärmungsfähigkeit und an der dem Humus zukommenden hohen ſpecifiſchen Wärme
erkannt werden. Im Allgemeinen ſteigt mit der Zunahme des Humus, wegen deſſen
günſtigen phyſikaliſchen Eigenſchaften die Fruchtbarkeit der Ackererden, wenn es immer-
hin möglich, daß auch humusarme Böden wie z. B. der Nilſchlamm (mit 1.17 %
Humus 1)) ſehr fruchtbar ſind.
a.Humushaltige Bodenarten. Dieſelben entſtehen entweder an Ort
und Stelle durch die Verweſung von Pflanzenabfällen, oder durch Ablagerungen
aus den mit Wald bedeckten Höhengegenden, oder durch Anſchwemmungen an den
Flußufern und Meeresküſten. Als Fluß- oder Meeresanſchwemmungen heißen ſie
Alluviall-, Au-, Niederungs- oder Marſchböden. Dieſelben bilden
gewöhnlich ſehr tiefgründige, 8—20 % Humusſubſtanzen enthaltende, durch ihre hohe
Fruchtbarkeit ausgezeichnete Bodenarten. Da die Humusſubſtanzen durch die Cultur,
die Vegetation, die Luft fortwährenden Veränderungen unterliegen, ſo bilden die
[56]Allgemeine Ackerbaulehre.
Marſchböden mit allen übrigen humushaltigen Böden die in ihrem Werthe veränder-
lichſten Bodenarten. Je mehr kohlenſauren Kalk ſie enthalten, wie z. B. die humoſen
Kalkthon- und Mergelböden, welche an der Nordſee unter der Bezeichnung Kleiboden
vorkommen, um ſo raſcher wird der Humusgehalt aufgezehrt. Weniger veränderlich
ſind die Humusſubſtanzen in lehm- oder thonreichen Böden, wie z. B. in den Schlick-
ablagerungen der Meer- und Flußmarſchen. Iſt ein ſolcher Boden reich an Eiſen-
oxydhydrat, (in den marſchen Schleswig-Holſteins Knick genannt) ſo kann leicht bei
Luftabſchluß unter Einfluß der Humusſubſtanzen ſobald derſelbe durch Umackern der
Luft ausgeſetzt wird die Bildung des verrufenen Ortſteines (S. 55) veranlaßt wer-
den. Die Marſchländereien zeichnen ſich durch ihre üppige Grasvegetation aus, welche
ſie zu den vorzüglichſten Hutweiden geeignet macht. Außerdem gewähren auf den-
ſelben je nach ihrer leichteren oder bindigeren Beſchaffenheit Raps, Weizen, Roggen,
Pferdebohnen, Hafer die höchſten Ernteerträge. Zu den humusreichſten Bodenarten
zählen auch die ungariſchen, ruſſiſchen (Tſcherno-ſem) und amerikaniſchen Schwarz-
erden. Auf dieſen Böden meiſtens Thon- oder Lehmmergeln, welche auch „Jungfern-
böden“ genannt werden, gedeihen Mais, Roggen, Hafer, Hanf, Mohn, Hackfrüchte
vortrefflich.
b.Humusboden. Derſelbe beſteht vorzugsweiſe aus Pflanzenreſten, welche
in den verſchiedenſten Stadien der Humificirung begriffen ſind. Im Allgemeinen
bilden dieſe Böden ausgetrocknet eine lockere, pulverige mulmige Maſſe, welche leicht
von dem Winde vertragen werden kann. Waſſer wird von dem Humusboden in
großen Mengen unter gleichzeitigem Aufquellen aufgenommen, dabei zerfließt er in
einen breiigen Schlamm Der Froſt verurſacht um ſo mehr Schaden je feuchter
er iſt, ſo zwar, daß der Anbau des Wintergetreides wegen des regelmäßigen Auf-
frierens der Pflanzen aufgegeben werden muß. Je weniger erdige Beſtandtheile die
Humusböden enthalten um ſo ungünſtiger werden ſie für die Pflanzenvegetation. Die
eigentlichen Humusböden werden näher unterſchieden als: Torfboden, Moor-
boden, Haidehumusboden. Der Torfboden beſteht aus einem filzigen,
erdigen Gemenge abgeſtorbener Torfgewächſe, beſonders der Torfmooſe als Sphagnum,
Hypnum, Polytrichum. Dann der Gräſer Carex caespitosa, Scirpus lacustris L. ꝛc.
Die Torfböden bilden ſich ſtets auf einem durch Lage oder Beſchaffenheit undurch-
laſſenden Untergrunde. Die beſtändige Näſſe hindert die vollſtändige Zerſetzung der
Pflanzenreſte, es bildet ſich daher wachsharzhaltiger, kohliger Humus. Sie ſind
höchſtens als ſchlechte ſog. ſaure Wieſen brauchbar. Als der Torfflora angehörig,
nennen wir folgende Pflanzen: Eriophorum-Arten, Phragmites communis Trin.,
Andromeda polifolia L., Betula pubescens Ehr., Comarum palustre L., Empe-
trum nigrum L., Erica Tetralix L., Ledum palustre L., Menyanthes trifoliata L.,
Vaccinium oxycoccos und uliginosum L. etc.
Iſt der Boden nicht an Ort und Stelle, ſondern durch Anſchwemmung ent-
ſtanden ſo heißt er Moorboden. Derſelbe enthält gewöhnlich etwas mehr Aſchen-
beſtandtheile. Man erkennt bei ihm nicht mehr, wie bei dem Torfboden, die
Struktur der organiſchen Reſte. Steigt der Gehalt der Mineralbeſtandtheile auf
[57]Die natürliche Lage.
50 % ſo heißt der Boden mooriger Boden, Bruchboden. Als ſolcher bildet er
ſchon den Uebergang zu den humusreichen Bodenarten. Verbeſſert wird der Moor-,
wie der Torfboden durch Entfernung des ſtehenden Waſſers und durch Aufbringung
mineraliſcher Stoffe, beſonders von gebranntem Kalk, Mergel, Erde, Sand. Sie
werden dadurch zunächſt als Wieſenland, ſpäterhin auch als Ackerland verwendbar.
Durch Humiſicirung abgeſtorbener Haidepflanzen als Erica, Calluna, Myrica,
Vaccinium-Arten bildet ſich der Haidehumusboden. Der in demſelben vor-
kommende Humus enthält viel Gerbſäure und heißt deshalb adſtringirender oder von
ſeiner wachsartigen Beſchaffenheit auch harziger Humus. In Betreff der Cultur-
fähigkeit und Verbeſſerung gilt das bei dem Torf- und Moorboden Geſagte.
III.
Die natürliche Lage.
Außer dem Boden als Standort und Träger der Pflanzennährſtoffe bedürfen
die Pflanzen zu ihrer Entwicklung auch noch der atmoſphäriſchen Luft, welche den-
ſelben durch die natürliche Lage eines Grundſtückes geboten wird.
Im Allgemeinen wird der letztere Faktor des Pflanzenwachsthums, als der
weitaus veränderlichere und ſchwieriger zu beherrſchende auf die Ertragsfähigkeit eines
Grundſtückes einen viel entſcheidenderen Einfluß ausüben als der Boden.
Abgeſehen von dem wirthſchaftlichen Vortheile, kann es gelingen auf jedem
Boden ein normales Pflanzenwachsthum hervorzubringen, wenn für die nöthige Zu-
fuhr der Pflanzennährſtoffe durch die Düngung geſorgt wird, wie die Vegetations-
verſuche in ausgeglühtem Quarzſande oder auch ohne Boden in wäſſerigen Nährſtoff-
löſungen (S. 21) beweiſen. Die Verſchiedenheiten in der Atmoſphäre, welche eben-
falls auf die natürliche Lage eines Grundſtückes Einfluß nehmen, ſtellen ſich bisher
als unüberwindbarer, als ungünſtige Bodenzuſtände heraus. Die Verſchiedenheiten
in der geographiſchen, phyſiſchen und klimatiſchen Lage werden daher in weitaus ent-
ſchiedenerer Weiſe als Bodenverſchiedenheiten den Charakter der Landwirthſchaft be-
ſtimmen. Innerhalb 1. der allgemeinen Lage wird wieder 2. die beſondere
oder örtliche Lage eines Grundſtückes mit Bezug auf die Umgebung und die
Richtung gegen die Himmelsgegend ein ſehr zu beachtender Einfluß auf die Ertrags-
fähigkeit zukommen, gegen welchen ſelbſt der Einfluß der Bodenbeſchaffenheit zurück-
ſtehen kann.
1. Die allgemeine Lage in klimatiſcher Beziehung.
Zur Ermittelung der Ertragsfähigkeit eines Grundſtückes reicht die alleinige
Kenntniß des Bodens nicht aus, ſondern es muß auch gleichzeitig auf die Beziehungen
des Bodens zu der Regenmenge, zu der Vertheilung von Wärme und Wind oder zu
den klimatiſchen Verhältniſſen Rückſicht genommen werden.
[58]Allgemeine Ackerbaulehre.
Die klimatiſchen Verhältniſſe 1) werden wieder beſtimmt durch die geographiſche
Lage nach dem Breite- und Längengrad, durch die phyſiſche Lage innerhalb des Binnen-
oder Küſtenlandes, durch die orographiſche und hydrographiſche Geſtaltung des Landes
und durch die Erhebung über die Meeresfläche. Die geographiſche Lage eines Grund-
ſtückes entſcheidet vorzugsweiſe über das Ausmaß an Wärme, welche demſelben zu-
kommt, die Meereserhebung über die Vertheilung von Regen und Schnee und die
orographiſche Geſtaltung über die Richtung der Luftſtrömungen (Winde).
Für die Beurtheilung des Klimas in Beziehung zu ſeinem Einfluſſe auf die
Vegetation iſt es nicht genügend die jährlichen Normalmitteln der Temperatur, der
Luftfeuchtigkeit und des Niederſchlages zu kennen, ſondern es muß auch die Verthei-
lung der Wärme, der Feuchtigkeit, der Regenmenge auf die einzelnen Jahreszeiten
und ſelbſt auf die einzelnen Monate, ſowie auch die Maxima und Minima dieſer
klimatiſchen Erſcheinungen, welche oft eine entſcheidende Rolle ſpielen, beachtet werden.
Obwohl die Elemente, welche das Klima einer Gegend und weiterhin den je-
weiligen Charakter der Witterung bedingen, niemals einzeln ſondern ſtets vereinigt
auftreten, wollen wir dieſelben doch des leichteren Verſtändniſſes wegen, getrennt nach
1. Luft, 2. Waſſer, 3. Licht und 4. Wärme betrachten. In ihrem Zu-
ſammenwirken nehmen die klimatiſchen Elemente ſowohl auf die Lebensthätigkeit der
Elementarorgane der Pflanze, als auch auf das Gedeihen der geſammten Pflanze Ein-
fluß und beſtimmen damit den Geſammt-Charakter der Pflanzenvegetation einer Gegend.
1. Die Luft.
Nächſt dem Boden, welcher der Pflanze die mineraliſchen Nährſtoffe darbietet) iſt
die Luft zum Wachsthume der Pflanzen unentbehrlich. Sie bietet nicht nur eine un-
verſiegbare Quelle für jene Nährſtoffe (Kohlenſtoff, Waſſerſtoff, Sauerſtoff, Stickſtoff),
aus welchen die Pflanzen ihren verbrennlichen Theil oder ihre organiſche Subſtanz
aufbaut, ſondern ſie wirkt auch durch ihre wechſelnden Zuſtände befördernd oder hem-
mend auf das Pflanzenwachsthum ein.
Die atmoſphäriſche Luft beſteht aus einem nahezu conſtanten Gemenge von
23 Gewichtsprocenten oder 20.9 Volumsprocenten Sauerſtoff und 77 Gewichtspro-
centen oder 79.1 Volumsprocenten Stickſtoff. Außerdem enthält die Luft 0.036—0.05
(im Durchſchnitte 0.049) Volumprocente Kohlenſäure. Am geringſten iſt der Gehalt
der Luft an Ammoniak (in 1 Million Gewichtstheile ſind enthalten 0.169—3.680
Theile Ammoniak) und Salpeterſäure; am ſchwankendſten der Gehalt an Waſſer.
Die Luft im Boden und jene, welche mit den Niederſchlägen dem Boden zu-
geführt wird, iſt nach Peligot und Bouſſingault ſauerſtoffreicher, indem auf 32 Theile
Sauerſtoff 68 Theile Stickſtoff kommen. Desgleichen iſt die Bodenluft durch die
Fähigkeit des lockeren, mürben Bodens Gaſe zu abſorbiren und durch die Verweſungs-
produkte der organiſchen Subſtanzen kohlenſäure und ammoniakreicher. Nach
Bouſſingault enthält die Luft in friſchgedüngtem Boden 2.2, in ſehr humusreichem
[59]Die natürliche Lage.
Boden 3.6 Volumprocente Kohlenſäure. Je größer die Gasabſorptionsfähigkeit um
ſo mehr wird die chemiſche Thätigkeit des Bodens erhöht, und um ſo mehr Pflanzen-
nährſtoffe können aufgeſchloſſen werden. Von den verſchiedenen Bodenſkelettheilen
vermögen der Humus und der Thon die größten Mengen Ammoniak und Kohlen-
ſäure ꝛc. zu abſorbiren. Der Gehalt des waſſerfreien Bodens an Ammoniak be-
trägt im Sandboden 0.00077, im Kalkboden 0.0220 und im Thonboden 0.0293 %.
Ebenſo zeigt die im gahren Zuſtande befindliche Ackerkrume die Gasabſorption in
viel höherem Grade als der geſchloſſene, rohe Boden des Untergrundes.
Außer den Beſtandtheilen der Luft, welche, wie im Capitel „Das Pflanzenleben“
näher ausgeführt wurde, zur Ernährung der Pflanze unentbehrlich ſind, wirken auch
die verſchiedenen mit der Luft im Zuſammenhange ſtehenden meteorologiſchen Erſchei-
nungen beſtimmend auf den Verlauf und die Geſtaltung der Vegetation ein. Von
den verſchiedenen Luftzuſtänden hat der Luftdruck einen unleugbaren Einfluß auf
die Verdunſtung der Pflanze und auf die Gasabſorption und Waſſerverdunſtung des
Bodens und damit indirekt einen Einfluß auf den geſammten Vegetationscharakter
einer Gegend. Von noch entſcheidenderer Einwirkung auf das Wachsthum der
Pflanze ſind die Störungen des Luftdruckes, welche die als Winde1) bezeichneten
Luftbewegungen herbeiführen. Die große Bedeutung dieſer Einwirkung erhellt aus
dem Umſtande, daß die klimatiſchen Unterſchiede der einzelnen Landſtriche in letzter
Linie auf die Lufſtrömungen zurückgeführt werden können.
In dieſer Hinſicht ſei kurz erwähnt, daß die beiden fundamentalen Luftſtrö-
mungen der warme Aequatorialſtrom (obere Paſſat) und der kalte Polarſtrom (untere
Paſſat) durch ihre Temperatursdifferenz, ihren verſchiedenen Waſſergehalt und ihre
verſchiedene Dichte vorzugsweiſe die Verſchiedenheit des Klimas bedingen.
In Europa ſenkt ſich der regenbringende Aequatorialſtrom im Sommer auf
Nordeuropa und den größten Theil von Oeſterreich herab, während er über Süd-
europa hoch hinwegzieht. Erſtere Gebiete beſitzen daher ihre einzige für die Vege-
tation günſtige Regenzeit meiſt im Sommer (Region der vorwiegenden Sommer-
regen). Im Winter ſenkt ſich dagegen der obere Paſſat ſchon auf Nordafrika
herab, während Nordeuropa von den kalten Polarwinden beherrſcht wird. Nordafrika
liegt daher in der Region der vorwiegenden Winterregen. Im Frühjahre und
im Herbſte trifft ſchließlich der feuchtwarme obere Paſſat beſonders Südeuropa, welches
daher zwei jährliche Regenzeiten, im Frühjahre und im Herbſte beſitzt. (Region der
Aequinoctialregen).
2. Das Waſſer.
Das Waſſer kommt in der Atmoſphäre entweder in Dampfform vor oder es
verdichtet ſich in flüſſiger oder feſter Form zu Regen, Schnee, Hagel, Nebel, Thau ꝛc.
Der jeweilige dampfförmige Waſſergehalt der Atmoſphäre wird bei den
[60]Allgemeine Ackerbaulehre.
meteorologiſchen Beobachtungen entweder als abſolute Feuchtigkeit (Dunſtdruck)
oder als relative Feuchtigkeit (in Procenten von der Waſſermenge, welche bei
der jedesmaligen Temperatur in der Luft enthalten ſein kann) angegeben.
Die jeweilige Menge des Regenſalles wird durch die Höhe gemeſſen, welche
das Regen- und geſchmolzene Schnee-Waſſer, abgeſehen von der Verdunſtung, auf
einer horizontalen Fläche aufgefangen, erreichen würde.
Der Feuchtigkeitsgehalt der Luft nimmt nicht nur auf die Lebhaftigkeit der Ver-
dunſtung des Waſſers durch die Pflanze, ſondern auch auf die Waſſerverdunſtung
des Bodens einen entſcheidenden Einfluß. Die Niederſchläge beſtimmen nicht nur
den Feuchtigkeitsgehalt des Bodens und verſorgen dadurch die Pflanze mit dem un-
entbehrlichen Waſſer, ſondern führen dem Boden auch Kohlenſäure, Salpeterſäure
und Ammoniak zu, durch welche der Verwitterungsproceß im Boden begünſtigt wird.
Auf die Bedeutung des Waſſers für die Vorgänge im Boden wurde ſchon im
Kapitel „Der Boden“ aufmerkſam gemacht. Ebenſo wurde auch ſchon S. 22 des
Antheiles gedacht, welcher dem Waſſer bei dem Wachsthume der Pflanzen zukommt.
Es erübrigt hier noch einige allgemeine Beziehungen zwiſchen dieſem klimatiſchen Ele-
mente und dem Boden und der Pflanze feſtzuſtellen, welche ihre weitere Ergänzung
in dem Kapitel „Die Pflege“ finden werden.
Das Regenwaſſer wird um ſo leichter in den Boden eindringen, je lockerer das
Gefüge deſſelben iſt. Bei dichtem Gefüge ſaugt ſich die oberſte Bodenſchichte von
2—4 Centim. ſchnell mit Waſſer an, wodurch ſich das weitere Eindringen verlangſamt.
Das weiterfallende Regenwaſſer wird dann je geneigter der Boden um ſo raſcher
abfließen, wenn nicht etwa Unebenheiten wie rauhe Furchen ꝛc. das Abfließen verzögern.
Während des Winters ſammelt ſich von den Niederſchlägen am meiſten Feuchtigkeit
im Boden an 1), da ſich der Verluſt durch Verdunſtung, Abtrocknung bei der tieferen
Temperatur ſehr verringert. Dieſe Winterfeuchtigkeit wird für die kommende
Vegetation um ſo vortheilhafter ſein, je mehr ſie ſich nach der Beſchaffenheit des
Bodens auf die tieferen Bodenſchichten vertheilt. Ein Uebermaß derſelben kann je-
doch beſonders in einem kalten Klima durch Verzögerung der Beſtellungsarbeiten
und durch die nachtheilige Einwirkung auf die Pflanzenvegetation ſchädlich werden.
Der Feuchtigkeitsgehalt des Bodens wird weiter vermehrt durch die Thau-
bildung, welche an dem Boden und an blattreichen beſonders ſtark behaarten
Pflanzen eintritt, wenn ſich dieſelben durch einen Wechſel der Temperatur oder durch
die Ausſtrahlung raſch abkühlen. Je dunkler und humusreicher und je lockerer der
Boden und je geringer ſeine Wärmecapacität um ſo ſtärker bethaut ſich derſelbe.
Der Sandboden bethaut ſich um ſo ſtärker je dunkler gefärbt er iſt und je mehr
Quarz- und Silicatkörner und je weniger Kalkkörner er enthält. Dunkelgefärbte Thon-,
Lehm- und Humusböden haben eine ſtarke Wärmeabſorption bei Tage und eine ſtarke
Wärmeausſtrahlung nach Sonnenuntergang, bethauen ſich daher um ſo reichlicher je
höher ihr Humusgehalt.
[61]Die natürliche Lage.
Das Waſſer, welches durch die atmoſphäriſchen Niederſchläge und den Than in
den Boden gelangt wird entweder capillar feſtgehalten oder es erfüllt alle Boden-
zwiſchenräume als ſtauendes Waſſer. In letzterm Falle wird das Waſſer durch die
Verhinderung der Durchlüftung des Bodens und durch die Verdunſtungskälte nach-
theilig für das Wachsthum der meiſten Pflanzen. Liegt der Waſſerſpiegel des ſtauenden
oder fließenden Grundwaſſers tiefer, ſo übt daſſelbe dagegen in einem trockenen
Klima durch die capillare Hebung des Waſſers bei tiefgründigem Boden einen ſehr
günſtigen Einfluß auf die Vegetation aus.
Ueber die Bewegung des Waſſers im Boden und der damit verbundenen Aenderung
der Bodenfeuchtigkeit in den verſchiedenen Monaten des Jahres geben die Beobachtungen
von E. Risler in Calèves bei Nyon 1) intereſſanten Aufſchluß. Dieſelben beziehen ſich auf
ein ſehr günſtig gelegenes Grundſtück von 12,300 □Meter. Direkt beobachtet wurde die
Niederſchlagsmenge, welche auf das genannte Grundſtück fiel, die Abgabe an Waſſer durch
Verſickern in den Untergrund (geſammelt als Ausfluß aus den Drainröhren) und die
Aenderung der Bodenfeuchtigkeit, um die Abgabe durch die Verdunſtung berechnen zu können.
Die Reſultate für das Jahr 1869 ſind nachſtehend zuſammengeſtellt:
Wie viel Waſſer zur Unterhaltung einer kräftigen Vegetation im Boden ent-
halten ſein muß wird ſich nach der Beſchaffenheit des Bodens, dem Waſſerbedürfniſſe
der Pflanzenart und dem Waſſerbedürfniſſe in den verſchiedenen Entwickelungsſtadien
der Pflanze richten. Im Allgemeinen benöthiget die keimende Pflanze am meiſten
Waſſer, die wachſende weniger, je geringer ihre Blattoberfläche, und am wenigſten
die reifende Pflanze. Manche Pflanzenart z. B. die Brunnenkreſſe (Nasturtium am-
phibium) wächſt im Waſſer, während andere nur auf trockenem Sand- und Geröllboden
fortkommen. Bei unſern Cerealien erfordert nach der reſervirten Angabe von Dr. Hell-
riegel 2) die Produktion von 1 Kilogr. lufttrockener Gerſtenkörner (die Bodenverdunſtung
eingeſchloſſen) bis zur vollen Ernte 350 Kilogr. Waſſer oder 131.7 Mm. Regenhöhe.
[62]Allgemeine Ackerbaulehre.
Dieſes Waſſerbedürfniß der Culturpflanzen wird in einem trockenen Klima (in
Mitteleuropa mit 400 Mm. Regenfall per Jahr) am ſicherſten von dem Lehm-, Thon-
oder Humusboden, in einem feuchten Klima (in Mitteleuropa in der Ebene mit
800 Mm., im Gebirge mit 1050 Mm. jährlichem Regenfall) von dem Sandboden
befriedigt werden.
Die Höhe des Niederſchlages, die Vertheilung deſſelben auf die einzelnen Jahres-
zeiten und Monate und die Zahl der Regentage werden je nach dem Verhalten
des Bodens zu Waſſer und je nach den Wärmeverhältniſſen entſcheidend für die
Pflanzenvegetation und für die Dauer der landwirthſchaftlichen Betriebsperioden ſein.
Je feuchter das Klima und je waſſerhaltiger, kälter der Boden um ſo mehr ver-
kürzt ſich die Vegetationszeit und die Zeit, welche zur Ausführung der Culturen
verfügbar iſt. Feuchtes Klima begünſtigt die Blattentwickelung, daher das Gedeihen
der Futterpflanzen, trockenes Klima bis zu einer gewiſſen Grenze die Samenbildung,
daher das Gedeihen der Körnerfrüchte.
3. Das Licht.
Das Sonnenlicht iſt unentbehrlich für die Neubildung der Pflanzenſubſtanz, in-
dem, wie ſchon S. 24 angegeben, unter deſſen Einwirkung die Aſſimilation der auf-
genommenen Nährſtoffe in den chlorophyllhaltigen Zellen unter Sauerſtoffabſcheidung
vor ſich gehen kann.
Im Dunkeln entſtehen in den Blättern ꝛc. farbloſe Chlorophyllkörner (bleich-
ſüchtige Pflanzen), welche erſt, eine beſtimmte Temperatur vorausgeſetzt, bei Licht er-
grünen und Stärkekörner bilden, die im Dunkeln wieder aufgelöſt und zum Wachs-
thume verbraucht werden. Hat ſich unter dem Einfluſſe des Lichtes ein Quantum
aſſimilirter Subſtanz in den grünen Pflanzentheilen gebildet, ſo kann dann die Zell-
theilung und der Stoffwechſel, welche das Wachsthum der Pflanze herbeiführen, auch
bei Ausſchluß des Lichtes im Dunkeln ſo lange vor ſich gehen als die aſſimilirte
Subſtanz vorhält.
Die grünen Internodien (Stengelglieder) verholzen ſich im Dunkeln nicht und
erlangen ein abnormes Längenwachsthum (Lagerfrucht). Durch Lichtabſchluß wird
nach Beobachtungen von J. Sachs 1) auch die Entſtehung von Stammadventivwurzeln
begünſtigt.
Am wirkſamſten für das Ergrünen und die Stärkebildung zeigen ſich nicht die
ſonſt chemiſch wirkſamſten blauen, ſondern die minder brechbaren, hellleuchtenden
Strahlen (orange, gelb).
Je intenſiver die Beleuchtung (bei gleichen Wärme und Waſſermengen) um ſo
blüthen- und fruchtreicher werden die Pflanzen. An ſonnigen Standorten blühen
dieſelben viel reichlicher als an beſchatteten.
Mit der Zeitdauer der Beleuchtung oder der Tageslänge nimmt die Thätigkeit
der grünen Blätter, ſomit die Schnelligkeit des Wachsthums zu, ſo zwar, daß ſich
[63]Die natürliche Lage.
mit der Annäherung an den Pol die Vegetationszeit der Pflanzen verkürzt, unge-
achtet die Temperatur ſich erniedrigt.
4. Die Wärme.
Neben dem Boden, welcher der Pflanze die nöthigen mineraliſchen Nährſtoffe
und den geeigneten Standort liefert, und dem Waſſer, welches jene zur Löſung bringt,
iſt auch noch die Kraft, mit welcher die Aufnahme und Bewegung der Nährſtoffe
vor ſich geht, zu beachten. Dieſe Kraft wird durch das Licht und durch den Ver-
brauch einer entſprechenden Wärmemenge geliefert.
Die aufgenommene Wärme wird entweder bei der Aufnahme der Aſchenbeſtand-
theile und der atmoſphäriſchen Nahrungsſtoffe oder bei der Verdunſtung des Waſſers
aus den Blättern oder bei der Ausſtrahlung, welche Urſache der Bethauung und
Bereifung der Pflanzen iſt, verbraucht. Gegenüber dieſem Verbrauche tritt die Wärme-
bildung bei der Athmung der Pflanze ſehr zurück.
Die Wärmequelle für die Pflanze bildet die geſtrahlte Sonnenwärme (Inſolation),
welche abgemindert durch die Wärmeausſtrahlung, die Temperatur des Bodens und
der Luft bedingt.
Die Bodenwärme erfährt an der Bodenoberfläche die größten Schwankungen.
In einer gewiſſen Tiefe in unſeren Breiten bei 2.5 Meter verſchwinden dagegen ſchon
die monatlichen Temperatursänderungen. Tiefwurzelnde Pflanzen leiden daher im
Allgemeinen weniger von den Temperatursextremen, als wie flachwurzelnde. Auf
die Schwankungen der Bodenwärme hat auch die Wärmecapacität des Bodens weſent-
lichen Einfluß. Auf einem Boden mit geringerer Wärmecapacität würden deshalb
froſtempfindlichere Pflanzen am meiſten leiden, während bei hoher Wärmecapacität
auch zarte Pflanzen fortkommen.
Der Beginn und die Siſtirung des Pflanzenlebens ſcheint weſentlich von dem
Unterſchiede der Boden- und Lufttemperatur abzuhängen. Sobald im Frühjahre die
Luftwärme höher iſt als die des Bodens, beginnt die Entwickelung der Vegetation,
und ſobald die Bodenwärme im Herbſte über die der Luft geſtiegen, endigt dieſelbe.
Die Wachsthumsproceſſe gehen daher erſt dann vor ſich, wenn den Pflanzen
eine beſtimmte Wärmemenge, welche ſich jedoch nicht bis zu einem ſchädlichen Ueber-
maße ſteigern darf, zugänglich wird. Die größte Lebhaftigkeit derſelben iſt ſtets an
eine beſtimmte Höhe der Temperatur gebunden.
Die Samen keimen nur innerhalb gewiſſer Temperatursgrenzen. Fehlt aus-
reichende Wärme ſo nehmen ſie zwar Waſſer auf, verfaulen aber.
Nach J. Sachs 1) beanſpruchen die Pflanzen folgende Keimungstemperaturen:
Das Ergrünen der Chlorophyllkörner beginnt bei Mais, Raps und Phaſeole
beſtimmt oberhalb 6° C. Die Beſtockung der Getreidepflanzen erreicht bei 8.8° C.
ihre Grenze. Bei einer Mehrzahl perenirender Pflanzen beginnt die Entwickelung
im Frühjahre erſt dann, wenn die Bodentemperatur 5—6° C. erreicht hat. Die
Wurzelthätigkeit der Pflanze, mithin auch die Waſſeraufnahme derſelben, wächſt mit
der ſteigenden Bodenwärme. Vermindert ſich die Bodenwärme, ſo werden die Funk-
tionen der Wurzeln geringer und ſchon bei einer Temperatur von + 5° C. genügt bei
gewiſſen Pflanzen, wie z. B. bei Tabak, Kürbis, die Aufſaugung des Waſſers nicht
mehr um den Transpirationsverluſt der Blätter zu decken, ſo daß ſie welken müſſen.
Erhöhte Bodenwärme beſchleunigt auch die Saftbewegung innerhalb der Pflanze.
Für den Erfolg mit welchem eine Culturpflanze angebaut werden kann, iſt
nicht nur die mittlere Höhe der Jahrestemperatur der Luft und des Bodens, ſon-
dern auch die mögliche Temperaturſchwankung, das Maximum und Minimum der
Temperatur und die mittlere Höhe der Sommertemperatur entſcheidend. Die wich-
tigſten Culturpflanzen machen in dieſer Beziehung die folgenden Anſprüche:
Um dieſe verſchiedenen Wärmeanſprüche der Culturpflanzen annähernd vergleich-
bar zu machen ſucht man die Mitteltemperaturen und die Anzahl der Vegetations-
tage in einen Ausdruck den ſog. Wärmeſummen oder thermiſchen Vegetations Con-
ſtanten zuſammenzufaſſen. Die Wärmeſumme giebt jedoch nur über einen, wenn
auch ſehr einflußreichen Faktor des Pflanzenwachsthums Aufſchluß.
Ein warmes Klima begünſtigt im Allgemeinen die Pflanzenvegetation, wenn es
gleichzeitig feucht iſt, hindert jedoch dieſelbe je trockener es ſich geſtaltet. Ein kaltes Klima
verzögert die Entwickelung der Pflanzen, verkürzt daher die Vegetationszeit, wie ſich
unter andern auch bei der Abnahme der Temperatur bei zunehmender Seehöhe ergiebt.
Nach Berghaus verſpätet ſich in Sachſen bei einer Erhebung um 332 Meter bei
- Weizen die Blüthe um 22 Tage, die Ernte um 22 Tage
- Roggen „ „ „ 13 „ „ „ „ 22 „
- Gerſte „ „ „ 22 „ „ „ „ 22 „
- Hafer „ „ „ 20 „ „ „ „ 14 „
- Kartoffel „ „ „ 23 „ „ „ „ 5 „
Ein kaltes Klima erhöht die Ungunſt des eine hohe Waſſerfaſſende Kraft be-
ſitzenden Thon- und Humusboden. Die nachtheiligen Eigenſchaften eines Sandbodens
treten dagegen in einem warmen und zugleich trockenen Klima am deutlichſten her-
vor. Ungünſtige klimatiſche Zuſtände ſind für die Vegetation und die Ausführung
des landwirthſchaftlichen Betriebes um ſo nachtheiliger als ſie ſich entweder gar nicht
[65]Die natürliche Lage.
oder nur mit einem hohen Aufwande von Zeit und Capital beſeitigen laſſen. Ander-
ſeits wird die Ertragsfähigkeit der Grundſtücke durch günſtige klimatiſche Zuſtände
weſentlich erhöht, ſelbſt dann, wenn die Bodenbeſchaffenheit zu wünſchen übrig läßt.
2. Die beſondere oder örtliche Lage.
Die beſondere oder örtliche Lage bedingt, ähnlich wie die allgemeine Lage das
Klima einer Gegend, die klimatiſche Beſchaffenheit einer einzelnen Oertlichkeit, eines
einzelnen Grundſtückes ꝛc.
Wie für das Klima im Großen und Ganzen außer der geographiſchen Lage und
der Meereserhebung die Größe des Welttheiles die Küſtenentwickelung und die Meeres-
ſtrömungen maßgebend ſind, ſo ſind für das Lokalklima die Bodengeſtaltung, das
Waſſernetz und die Vegetationsdecke entſcheidend.
Die Ebene hat eine Neigung zu bedeutenden, aber nicht raſch wechſelnden Ex-
tremen der Temperatur und zu einer großen Gleichförmigkeit der Feuchtigkeitsverhältniſſe.
Welliges Land wirkt durch ſeitliche Ausgleichsſtrömungen auf die zeitliche Abwechſelung
und Verminderung der Temperatur und Feuchtigkeitsextreme.
Im Allgemeinen wird ebener Boden für die Pflanzenvegetation günſtiger als
geneigter ſein, da abgeſehen von der gleichmäßigeren Beſonnung auch Abſchwemmungen
durch Regengüſſe nicht ſo leicht eintreten können. In kalten und feuchten Gegenden
wird dagegen eine Neigung des Bodens (S. 32) vielfach vortheilhaft ſein. Ab-
hängige Felder ſind ſchwieriger zu bearbeiten. Bei 10° Neigung kann die Acker-
furche nicht mehr nach aufwärts, ſondern immer nur nach abwärts gelegt werden.
Bei 15° Neigung erreicht die Spannarbeit, bei 20° der Ackerbau, bei 30° der
geſchloſſene Graswuchs, bei 45° der Wein- und Waldbau ſeine Grenze.
Ebenſo wird die Richtung der Neigung des Bodens gegen die Weltgegend
nicht unbeachtet bleiben dürfen. An den Oſt- (Morgenlage) und Süd- (Mittags-
lage) Seiten, den Sommerlehnen oder ſonnſeitigen Gehängen, welche je nach der
Jahreszeit 9—12 Stunden der Inſolation ausgeſetzt ſind, wird der Boden je nach
dem Grade der Neigung durch das Auffallen der Sonnenſtrahlen leicht erwärmt, dadurch
werden aber im Frühjahre bedeutendere Temperaturunterſchiede gegenüber der Nacht
hervorgerufen, welche die Froſtgefahr erhöhen. Gegenüber den warmen, trockenen
Südſeiten ſind die Weſt- (Abendlage) und Nord- (Mitternachtlage) Abdachungen,
die Winterlehnen oder ſchattenſeitige Gehänge, welche je nach der Jahreszeit nur
3—6 Stunden der Beſonnung ausgeſetzt ſind, kühl und feucht. Ueberdies ſind die
Nordweſtſeiten in Mitteleuropa den vorherrſchenden Winden am meiſten ausgeſetzt.
Je wechſelnder die Bodengeſtaltung um ſo ungleicher ſind die Pflanzenerträge
und um ſo mehr erhöht ſich der Culturaufwand.
Je nach der Umgebung kann die Lage frei, offen oder durch Anhöhen, Ge-
hölze ꝛc. geſchützt, eingeſchloſſen, oder ſonnig, trocken oder ſchattig, naß
ſein und dadurch die allgemeine klimatiſche Lage entweder verbeſſert oder verſchlechtert
werden.
Benachbarte Waſſerflächen bewirken eine Verminderung der Temperatur-
Krafft, Lehrb. d. Landw. I. 5
[66]Allgemeine Ackerbaulehre.
extreme, da das Waſſer ſich vermöge ſeiner hohen Wärmecapacität und der Bindung
eines Theiles der Inſolationswärme durch Verdunſtung langſamer und nicht ſo hoch
erwärmt oder erkältet als der Erdboden. Ebenſo wirken Waſſerflächen ausgleichend
auf den Waſſergehalt der Luftſtrömungen ein, trockene Winde werden feuchter, feuchte
durch Entledigung ihres Waſſers über der Waſſerfläche trockener. Nachtheilig werden
benachbarte Gewäſſer, wenn ſie unzeitgemäße Ueberſchwemmungen verurſachen oder
wenn ſie durch ihr Durchſickerungswaſſer die Veranlaſſung zu ſtauender Näſſe im
Boden werden.
Die Wieſen und grünen Ackerflächen erniedrigen die Temperatur und
erhöhen auf Koſten des Bodenwaſſergehaltes die Luftfeuchtigkeit in der wärmeren
Jahreszeit, ähnlich, nur in geringerem Maße, als wie die Waſſerflächen. Nach den
Unterſuchungen von Dr. Vogel 1) verhält ſich in letzterer Beziehung der Feuchtigkeits-
gehalt der Luft über einem Brachfelde, gegenüber jenem über einer abgemähten ver-
dorrten Wieſe, einem eben abgeblühten Eſparſettfeld und einer hochgraſigen Wieſe
wie 100 : 113 : 125 : 150.
Am nächſten dem Einfluſſe einer Waſſerfläche auf das Klima ſeiner Umgebung
kommt der Einfluß des Waldes2). Der Wald mildert nicht nur die Sommer-
wärme ſondern auch die Winterkälte. Entwaldung ſteigert daher den exceſſiven Cha-
rakter eines Klimas und bewirkt weniger eine Verminderung der jährlichen Nieder-
ſchlagsmengen als eine ungünſtigere Vertheilung der Regenfälle auf die einzelnen
Jahreszeiten. —
Das Zuſammenwirken von Boden, Klima und örtlicher Lage beſtimmt die Cultur-
und Ertragsfähigkeit eines Grundſtückes. Entſcheidend für die Benutzungsweiſe des-
ſelben ſind jedoch erſt die wirthſchaftlichen Verhältniſſe, welche feſtzuſtellen Aufgabe
der Betriebslehre iſt. Eine zweckentſprechende Einreihung der Verſchiedenheiten der
Standortsbeſchaffenheit oder die Aufſtellung eines Bonitirungs- und Claſſifi-
cations-Syſtemes wird jedoch erſt dann durchführbar ſein, wenn die Anſprüche
der verſchiedenen Culturpflanzen an die Standortsbeſchaffenheit durch die Lehren des
beſonderen Pflanzenbaues bekannt geworden ſind. Dieſe Erwägung veranlaßt uns
daher auf die Bodenbonitirung erſt in der Betriebslehre näher einzugehen.
IV.
Die Melioration.
Boden, Klima und Lage bilden die Faktoren von deren Zuſammenwirken das
Wachsthum der Pflanzen abhängig iſt. Im natürlichen Zuſtande bedeckt ſich der
ausreichend verwitterte Boden mit einer Wald- und Grasvegetation. Erſt durch die
menſchliche Thätigkeit wird das natürliche Wald- und Grasland durch die Urbar-
[67]Die Melioration.
machung1) in Culturland umgewandelt. Der Wald wird gerodet, das Grasland
umgebrochen und durch Umwandlung in Ackerland für den Anbau von Culturge-
wächſen geeignet gemacht, wenn nicht etwa die natürliche Beſchaffenheit des Stand-
ortes die Benützung als unbedingtes Wald- oder Gras- (Weide und Wieſe)
Culturland nothwendig macht. Je nach den wirthſchaftlichen Verhältniſſen und der
Eignung der Grundſtücke wird dann bei vorgeſchrittener Cultur Wein-, Hopfen-, Obſt-,
Garten-, Gemüſeland ꝛc. angelegt. Mit zunehmender Culturentwickelung wird es
ſchließlich wirthſchaftlich räthlich ſein die natürliche Beſchaffenheit der Wachsthum-
faktoren durch Verbeſſerung des Standortes oft mit großem Arbeits- und
Capitalsaufwande günſtiger zu geſtalten.
1. Die Urbarmachung.
Von den Urbarmachungen kommen hier nur jene Culturumwandlungen in Be-
tracht, welche die Herſtellung landwirthſchaftlich benutzbarer Culturländereien bezwecken.
Dieſer Zweck wird beabſichtiget wenn 1. Wälder gerodet, 2. Weideland umgebrochen,
3. Heideländereien cultivirt, Moorgründe entwäſſert, Teiche trocken gelegt werden.
1. Die Waldrodung.
Vor der Umwandlung des Waldlandes in Acker- oder Wieſenland iſt genau
zu erwägen ob ſich das Grundſtück nach der Beſchaffenheit des Bodens, des Klimas
und der Lage für die Cultur von Acker- und Wieſenpflanzen beſſer als für die
Waldcultur eignet. Sprechen die natürlichen und wirthſchaftlichen Verhältniſſe für
die Umwandlung, ſo muß vorerſt der Baumwuchs beſeitigt werden. Bei geringen
Holzpreiſen und werthloſerem Holze, wie Geſtrüpp, Reiſig, verbrennt man das aus-
getrocknete Holz und vertheilt dann deſſen Aſche über das Grundſtück. Bei der Hack-
waldwirthſchaft wird das Holz abgehauen und mit Schonung der verbleibenden Stöcke
verbrannt. Nach dieſem „Gereutbrennen“ beſtellt man das Land durch 2, 3 Jahre
mit Hafer oder Roggen und überläßt es dann wieder dem Holzwuchſe, welcher ſich
durch Ausſchlag der zurückgebliebenen Stöcke erneuert. Bei hohen Holzpreiſen und
werthvolleren Holzgattungen werden die Stämme regelrecht gefällt und die zurückblei-
benden Wurzelſtöcke durch Stockrodemaſchinen oder durch Sprengen mit Pulver, Dy-
namit aus dem Boden gebracht. Bei niedrigen Arbeitspreiſen können die Stöcke
und Wurzeln auch durch das Rajolen bei gleichzeitiger tiefer Bodenbearbeitung ent-
fernt werden. Die während des Rajolens bei dem Aufgraben des Bodens auf
0.5—1 Meter gewonnenen Wurzeln und Stöcke decken oft einen Theil der Koſten.
Das abgeholzte Land wird nun, ſofern es nicht ſchon rajolt iſt, mit Spaten oder
ſtark gebauten Rajolpflügen ſo gut es geht vor Winter bearbeitet, damit der
Froſt zur Lockerung des Bodens mitwirken kann. Im Frühjahre beſtellt man
das Land mit Hafer, welcher von allen Culturpflanzen noch am beſten in Neuriſſen
gedeiht. Nach dem Hafer läßt man eine Hackfrucht, Mais, Kortoffeln folgen, damit
5*
[68]Allgemeine Ackerbaulehre.
während der Bearbeitung noch zurückgebliebene Wurzeln aus dem Boden entfernt
werden können. Dem Hafer zunächſt eignen ſich zum Anbaue in Neuriſſen der
Roggen (Waldkorn), die Hirſe, der Buchweizen. Erſt nach einiger Zeit kann dann
das Grundſtück als Culturfeld benutzt oder als Wieſe niedergelegt werden. Die
Umwandlung des rohen Bodens in einen culturfähigeren, gahren Zuſtand wird be-
ſchleunigt, wenn das Rodland gleichzeitig mit Stallmiſt oder anderem Dünger reich-
lich verſehen wird.
2. Der Weide- und Wieſenaufriß.
Bei der Umwandlung von Weide- und Wieſenland in Ackerland handelt es ſich
zunächſt um die Zerſtörung der hinderlichen Grasnarbe. Dieſelbe wird bei geringerem
Zuſammenhalte durch den Pflug aufgebrochen. Man wählt dazu am beſten einen
ſtarken Pflug mit langem Streichbrette, welcher die Narbe umwendet und zur Be-
ſchleunigung der Humificirung ſicher in den Boden bringt. Loſe Wurzelreſte, un-
zerſetzte Narbenſtücke werden, wie ſie nach und nach bei wiederholter Bearbeitung
zum Vorſcheine kommen, mit der Egge geſammelt. Nach dem Umbruche, welcher bei
ſtark geſchloſſenem Boden auch mit dem Spaten ausgeführt wird, folgt die Beſtellung
des aufgeriſſenen, mit Stallmiſt und Kalk gedüngten Landes mit Roggen, Hafer u. dgl.
Durch den aufgebrachten Dünger, beſonders den Kalk, wird das Zerfallen der Gras-
narbe weſentlich befördert und die phyſikaliſche Beſchaffenheit des Bodens günſtig ver-
ändert. Bei ſtark verfilzter Grasnarbe, feuchtem Boden, naſſer Lage reicht zur Zer-
ſtörung der Narbe das einfache Unterpflügen nicht aus. In ſolchen Fällen wird ſich
das Brennen derſelben, ähnlich wie dies bei der Urbarmachung von Heideland aus-
geführt wird, viel wirkſamer herausſtellen.
3. Die Urbarmachung von Heideland.
Die Urbarmachung von Heideland kann wie bei dem Graslande durch das
Brennen eingeleitet werden. Ein ſehr zweckmäßiges Verfahren dabei iſt jenes, welches
auf dem fürſtlich Schwarzenberg'ſchen Beſitzungen 1) in Südböhmen zur Ausführung
gelangt. Daſelbſt wird der mit einer ſpärlichen Vegetation von Heidekraut und
Borſtengras bedeckte ſtrenge Lehmboden mit dem Pfluge bis auf 16—20 cm. Tiefe
abgeſchält. Die gewonnenen Heideplaggen werden durchſchichtet mit Torfkleie in
1 — 1.5 Meter hohen Haufen aufgeſchichtet, nachdem vorher über Kreuz Drainröhren-
ſtränge zur Unterhaltung des Luftzuges auf den Boden gelegt worden ſind. Die
angezündeten Haufen brennen ſehr leicht, nur hat man durch Bedecken mit Erde dafür
Sorge zu tragen, daß die Flammen nicht aus den Kegeln hervortreten. Durch eine
zu hohe Temperatur würde der Boden ſtatt in Pulver zu zerfallen, ſich in eine
ſteinartige Maſſe verwandeln. Nach dem Brennen wird der verbleibende, größtentheils
verkohlte Rückſtand ausgeſtreut und mit aufgefahrenem Stallmiſte durch den Pflug in
den Boden gebracht.
[69]Die Melioration.
Nach einem anderen Verfahren wird die Narbe mit breiten Plaggenhauen oder
durch den Pflug, welchem querüber ein Meſſerpflug vorangegangen, in Plaggen abge-
ſchält. Dieſe Plaggen werden nun mit Reiſig, Holz oder Torfabfällen durchſchichtet und
derart gegen den Wind aufgeſtellt, daß ſie angezündet durch den Luftzug in langſames
Glühen kommen. Die zurückbleibenden Reſte werden ausgeſtreut und untergepflügt.
Iſt der Boden trocken, ſo empfiehlt ſich ſtatt des Verbrennens der abgeſchälten
Plaggen, die Compoſtirung derſelben. Zu dieſem Zwecke werden die Plaggen mit
gebranntem Kalk durchſchichtet und der werdende Compoſt nach Bedarf umgeſtochen.
Das durch Abbrennen oder Compoſtirung von dem Heidekraute oder dem Gras-
wuchſe befreite Land wird dann, wie umgebrochenes Waldland, weiter in Cultur
genommen.
2. Die Standortsverbeſſerung.
Die Verbeſſerung des Standortes bezieht ſich entweder auf eine günſtigere Ge-
ſtaltung der Eigenſchaften des Bodens oder auf eine Abſchwächung der Ungunſt des
Klimas oder ſchließlich auf eine Beſeitigung jener Hinderniſſe, welche ſich durch eine
ungünſtige Lage der Pflanzencultur entgegenſtellen. Bei der Beſprechung der Stand-
ortsverbeſſerung folgen wir daher jener Eintheilung, welche den Kapiteln, Boden,
Klima und Lage zu Grunde gelegt iſt.
1. Die Entwäſſerung.
Die phyſikaliſchen und chemiſchen Vorgänge im Boden ſtehen in einem innigen
Zuſammenhange mit dem Waſſergehalte. Steigt der Waſſergehalt des Bodens derart,
daß ſich alle Zwiſchenräume deſſelben mit Waſſer füllen, ſo wird das Wachsthum
der Culturpflanzen geſtört und ſelbſt unmöglich gemacht. Die Urſache des Abſterbens
der Culturpflanzen in naſſem Boden liegt darin, daß durch den Waſſerüberfluß der
Luftzutritt gehemmt und durch die hohe Wärmecapacität des Waſſers die Erwär-
mung des Bodens vermindert wird. In Folge deſſen werden der Verwitterungsproceß
und die chemiſchen Umſetzungen im Boden verzögert und der Verlauf derſelben un-
günſtig geſtaltet, indem z. B. aus den Humusſubſtanzen anſtatt der Pflanzennähr-
ſtoffe Kohlenſäure und Ammoniak, für das Pflanzenwachsthum nachtheilige Kohlen-
waſſerſtoffe und ſaure Humusſubſtanzen, oder wegen Mangels an Luft durch Reduction
verſchiedener Sauerſtoffverbindungen ſchädliche Eiſenoxydulſalze, Schwefelmetalle ꝛc. ge-
bildet werden.
In wirthſchaftlicher Hinſicht wird ein naſſer Boden nicht rechtzeitig bearbeitet
werden können. Die Beſtellung im Frühjahre und die Ernte verzögern ſich, weshalb
ſich der Culturaufwand beträchtlich erhöht.
Je feuchter das Klima und die Lage, je größer die waſſerfaſſende Kraft des
Bodens um ſo mehr iſt es daher geboten den Waſſerüberfluß durch Entwäſſerung 1)
[70]Allgemeine Ackerbaulehre.
zu beſeitigen. Wie viel Waſſer abzuleiten iſt, hängt von dem Waſſergehalte des Bo-
dens und von der Wärmecapacität des waſſerfreien Bodens ab. Sind dieſe beiden
Größen bekannt, ſo läßt ſich die Menge des abzuleitenden Waſſers berechnen.
Die Vortheile der Entwäſſerung ergeben ſich nach dem Bemerkten von ſelbſt.
Die Beſeitigung des Waſſers erhöht vor Allem die Lockerheit des Bodens wodurch
die Abſorptionsfähigkeit deſſelben für die Luft und den Waſſerdampf geſteigert wird.
Die chemiſchen Proceſſe im Boden, die Zerſetzung des Düngers geſtalten ſich durch
die Erleichterung des Luftzutrittes um ſo wirkſamer. Das Regen- und Schneewaſſer
kann um ſo leichter in den Boden eindringen. Die Bodenwärme erhöht ſich nach
J. Parkes um 5.5° C. gegenüber dem nicht entwäſſerten Boden Dieſe Verbeſſerung
der chemiſchen und phyſikaliſchen Eigenſchaften des Bodens bewirkt eine größere Siche-
rung der Pflanzen gegen das Ausfrieren im Winter und gegen die Sommerdürre,
die Ermöglichung einer rechtzeitigen im Frühjahre oft um 14 Tage früheren Bearbei-
tung, die Beſchleunigung der Ernte, ꝛc. Am augenfälligſten tritt der Erfolg der Ent-
wäſſerung bei gleichzeitiger Verringerung der Culturkoſten durch eine Ertragsſteigerung
von 30—200 % hervor.
Die Art der Ausführung der Entwäſſerung richtet ſich nach der Urſache des zu
hohen Waſſergehaltes im Boden. Das Waſſer kann (S. 61) dem Boden entweder
durch die atmoſphäriſchen Niederſchläge als Tagwaſſer oder durch das Grund-
waſſer, welches aus benachbarten Gewäſſern durchſickert oder durch Quellen ge-
nährt wird, zugeführt werden. Das zugeführte Waſſer wird jedoch nur dann nach-
theilig, wenn es nicht raſch genug aus dem Boden verdunſten oder abfließen kann.
In einem Thon- oder Humusboden wird daher das capillar feſtgehaltene
Waſſer eher nachtheilig als in einem durchläſſigen Kalk- oder Sandboden. Das
ſtauende Waſſer wirkt dagegen dann am ungünſtigſten auf die Pflanzenvegetation ein,
wenn es ſich zu nahe an der Oberfläche des Bodens anſammelt und durch Mangel an
Gefälle oder durch Undurchläſſigkeit des Bodens oder einer einzelnen Schichte deſſelben
nicht abfließen kann.
Bei geringen Waſſerzuflüſſen genügt oft eine tiefere Bodenbearbeitung um das
Waſſer gleichmäßiger in der kräftiger gelockerten Erde zu vertheilen. Ausgiebigere
atmoſphäriſche Niederſchläge können durch die Herſtellung von Ackerbeeten und Waſſer-
furchen unſchädlich abgeleitet werden. Bei größerem Feuchtigkeitsgehalte des Bodens
reicht dieſe Abwehr nicht aus; an ihrer Stelle müſſen dann oft mit bedeutenden
Koſten, je nach den Umſtänden, die eine oder andere der folgenden Entwäſſerungs-
arten ausgeführt werden, die entweder benachbarte Waſſermaſſen abzuwehren oder
ſchon eingedrungene Wäſſer zu entfernen ſuchen.
Durch die Anlage von Schutzdämmen (Deiche) werden flache Meeresufer, welche
nur während der Fluth unter Waſſer geſetzt werden, entwäſſert (Holland, Schleswig-
Holſtein). Ebenſo ſucht man durch Schutzdämme das Land gegen die Ueberſchwem-
mung bei dem zeitweiligen Austreten der Flüſſe und Seen zu ſichern. Die Wirk-
[71]Die Melioration.
ſamkeit des Schutzdammes wird weſentlich erhöht und geſichert, wenn bei der Anlage
auf die Belaſſung eines Vorlandes gegen den Fluß, den See oder eines Außerdeich-
landes gegen das Meer zu, als Inundationsgebiet für das Hochwaſſer Rückſicht ge-
nommen wird.
Durch die Correktion von Flußſerpentinen mittelſt Durchſtichen wird der Waſſer-
ablauf beſchleunigt und dadurch die gefahrbringende Erhöhung des Flußbettes durch
Schlammablagerungen und die Häufigkeit der Ueberſchwemmungen oft bedeutend ver-
mindert oder ganz beſeitigt. Eine Entwäſſerung des Landes läßt ſich auch durch eine
Senkung des Waſſerſpiegels durch Regulirung und Vertiefung des Flußbettes erzielen.
Alle derartige, hydrotechniſche Anlagen ſind jedoch gewöhnlich ſo koſtſpieliger
Natur, daß deren Ausführung die Kräfte eines Einzelnen überſteigt und daher nur
durch das Zuſammenwirken mehrerer (durch Deichverbände, Waſſergenoſſenſchaften ꝛc.)
oder durch die Regierung unternommen werden können. —
Niederungen, flache Meeresufer, welche gar kein Gefälle oder nur ein ſehr ge-
ringes beſitzen, ſtellen der Entfernung des überflüſſigen Waſſers beſondere Schwierig-
keiten entgegen. In ſolchen Fällen bietet ſich oft als alleiniger Ausweg das Aus-
ſchöpfen des Waſſers durch Pumpen, welche entweder durch Dampf oder Wind in
Betrieb geſetzt werden, oder das Ausſchöpfen durch Schöpfräder, Waſſerſchnecken ꝛc.
Bei mulden- oder keſſelförmiger Bodengeſtaltung mangelt häufig gleichfalls das
Gefälle um das Waſſer durch Gräben u. dgl. ableiten zu können. Bei geringer
Ausdehnung der Mulde läßt ſich die Trockenlegung durch Aufführen von Erde, welche
den Boden über die ſtauende Näſſe erhöht, bewerkſtelligen. Bei größerer räumlicher
Ausdehnung der Mulde muß jedoch das überflüſſige Waſſer einem Sammelteich zu-
geführt werden, von wo es ebenfalls durch Ausſchöpfen entfernt wird.
Wird die Verſumpfung durch eine undurchlaſſende Schichte hervorgerufen, ſo
hilft oft die Anlage von Verſickerungsgruben oder von Schachten, welche durch die
undurchlaſſende Schichte bis zu dem durchläſſigen Untergrunde gegraben werden. Um
die Schachte für die Dauer wirkſam zu erhalten füllt man ſie mit feſtem, durchläſſigem
Material, als Steinen, Gerölle, Bruchſteintrümmern ꝛc. Zuweilen reicht ſelbſt die
Durchbrechung der undurchlaſſenden Schichte mit Bohrlöchern aus, welche durch ein-
geführte Thonröhren (vertikale Drainage) offen erhalten werden.
Tagwaſſer, Waſſer aus quelligem Terrain, aus Terrain mit unzureichendem
Gefälle, aus ſchwammigem Torf- und Moorland läßt ſich am zweckmäßigſten durch
offene Gräben ableiten. Ebenſo wird bei geringem Grundwerthe und dort, wo es ſich darum
handelt, bedeutende Waſſermengen abzuführen, wie z. B. bei den Abflüſſen aus ganzen
[72]Allgemeine Ackerbaulehre.
Drainſyſtemen, die Entwäſſerung durch offene Gräben gerechtfertigt ſein. In allen
übrigen Fällen, beſonders bei Ableitung von Grundwaſſer werden bedeckte Abzüge
weitaus vortheilhafter ſein, da die offenen Gräben zu viel Bodenfläche in Anſpruch
nehmen, die Communikation hemmen, wenn nicht mehrfache oft koſtſpielige Ueber-
brückungen zur Ausführung kommen, ferner den Winter über durch Gefrieren der
Seitenwände unwirkſam werden und einen zu großen Aufwand für die Inſtandhaltung
eingefallener Grabenränder, für die Reinhaltung der Grabenſohle von Schlammabſatz
und Pflanzenwuchs ꝛc erfordern.
Der Anlage der Grabenentwäſſerung muß eine genaue Ermittelung des Gefälles
durch ein Nivellement vorausgehen, je welliger und anſcheinend ebener das zu ent-
wäſſernde Grundſtück iſt. Desgleichen muß zur Feſtſtellung der Grabendimenſionen
unter Berückſichtigung der Bodenbeſchaffenheit eine möglichſt genaue Berechnung der
abzuführenden Waſſermengen, dann eine genaue Unterſuchung der Vorfluth, um ſich
den Abfluß des Waſſers von dem zu entwäſſernden Grundſtücke zu ſichern, vorge-
nommen werden. Zur unmittelbaren Sammlung des Waſſers werden quer gegen
das Hauptgefälle Auffangegräben mit mäßiger Neigung gezogen, welche das
Waſſer einem oder mehreren Ableitungsgräben oder Hauptableitungs-
kanälen übergeben, die nach dem größten Gefälle ausgehoben werden.
Die Entfernung der Auffangegräben, welche zwiſchen 50—100 Meter ſchwankt,
richtet ſich nach dem Waſſergehalte und der Beſchaffenheit des Bodens. Je größer
der Waſſergehalt und je bindiger der Boden um ſo mehr müſſen die Gräben zu-
ſammenrücken, wenn eine vollſtändige Entſumpfung erzielt werden ſoll.
Die Tiefe, bis zu welcher die Gräben eingeſchnitten werden, gewöhnlich 1—1½
Meter, entſcheidet ſowohl über die Koſten der Ausführung als auch über den Bedarf
an Bodenfläche. Zwei tiefe Gräben brauchen bei gleicher Sohlenbreite oft ſo viel
Fläche als drei flache Gräben. Bei der Bemeſſung der Grabentiefe hat man ſich
gegenwärtig zu halten, daß Wieſen keine ſo tiefe Senkung des Waſſerſpiegels be-
nöthigen als wie Ackerfelder. Bei Erſteren kann es in dürren Sommern ſelbſt er-
forderlich ſein, das Waſſer in den Gräben durch Hinderung des Abfluſſes mittelſt
eingeſetzter Schleußen ſtehen zu laſſen. Bei capillarem Boden wie Torfboden und
bei undurchläſſigem Boden wie Thon- und Lehmboden wird die Grabentiefe größer
genommen werden um eine ausgiebige Entwäſſerung zu ermöglichen, als wie bei
wenig capillarem und durchläſſigem Sandboden. Die Sohle des Grabens wird ge-
wöhnlich halb oder ganz ſo breit als die Tiefe genommen. Die Wände der Gräben
müſſen je nach der Bodenbeſchaffenheit verſchieden abgeböſcht werden. Bindiger Boden
bedarf nur geringer Böſchung etwa in dem Verhältniß, daß auf den Meter Tiefe
0.5 Meter Doſſirung kommt. Bei lockerem Boden ſteigt die Doſſirung auf ¾—1
Meter für den Meter Tiefe. Die Dimenſionen des Grabens oder das aus der
Böſchung, der Grabentiefe und der Sohlenbreite beſtehende Querprofil berechnet
man unter Berückſichtigung der erwähnten Umſtände nach der Waſſermenge, welche
per Secunde abgeführt werden ſoll.
Die Geſchwindigkeit, mit welcher das Waſſer abfließt, richtet ſich nach dem Ge-
[73]Die Melioration.
fälle. Daſſelbe iſt als ausreichend zu betrachten, wenn auf 5 Meter Länge 35 Mm.
Gefälle kommt. Das geringſte Gefälle, welches bei der Entwäſſerung noch benutzt
werden kann, darf nicht unter 15 Mm. auf 60 Meter Länge, unter Vorausſetzung
größerer Waſſermengen, herabgehen. Zu ſtarkes Gefälle, welches der Erhaltung der
Böſchung und Sohle nachtheilig werden kann, ſucht man durch Windungen der Gräben
abzuſchwächen. Gefährdete Stellen können auch durch Faſchinen und Steinſchüttungen
geſichert werden. Beſonders zu vermeiden ſind ſchroffe Uebergänge von einem ſtarken
zu einem geringern Gefälle. Um das Gefälle nach jedem Ausputzen der Gräben
leicht wieder herſtellen zu können, pflegt man als Anhaltspunkte Holzſchwellen in die
Grabenſohle einzulegen.
Die Richtung des Grabens ſoll möglichſt geradlinig verlaufen. Erfordert die
Terraingeſtaltung Biegungen ſo müſſen dieſe zur Verhütung von Schlammabſatz, bei
ſtarkem Gefälle zur Vermeidung von Einriſſen möglichſt ſanft ausgeführt werden.
Aus den gleichen Urſachen ſoll die Einmündung zweier Gräben nach Thunlichkeit nur
in ſpitzen Winkeln bewerkſtelligt werden.
Mit der Ausführung der Gräben, welche vorher genau nach dem Nivellement
durch Pflöcke abzuſtecken ſind, beginnt man am tiefſten Punkte, indem man gleichzeitig
die ausgehobene Erde zu Aufdämmungen verwendet oder gleichmäßig zu beiden Seiten
des Grabens ausbreitet.
Die bedeutendſten Nachtheile der offenen Gräben — der Bodenverluſt und die Er-
ſchwerung der Beſtellung — werden durch Anlage bedeckter Waſſerabzüge vermieden.
Dieſe Entwäſſerungsart iſt jedoch viel koſtſpieliger, da ihr die vollſtändige Entwäſſerung
durch offene Gräben vorausgehen muß. Iſt dieſe ausgeführt, ſo werden die ſämmt-
lichen Gräben mit den verſchiedenſten Materialien, welche wenig Raum beanſpruchen,
und leicht und billig zu beſchaffen, möglichſt unverwüſtlich und durchläſſig ſein ſollen,
von der Sohle aufwärts bis zu einer gewiſſen Höhe ausgefüllt und wieder mit Erde
vollſtändig zugeworfen.
Bei der Anfertigung der gedeckten Abzüge (Unterdrains) werden die Gräben nach
den oben angegebenen Grundſätzen zuerſt je nach der Bodenbeſchaffenheit auf 0.8—
1.2 Meter, wenn möglich mit einem mäßigen Gefälle von 10 Mm. auf 5 Meter
und nicht über eine Länge von 70—100 Meter ausgehoben. Mittlerweile hat man
das Material, mit welchem die Grabenſohle ausgefüllt werden ſoll, zugeführt. Mit
dem Ausfüllen beginnt man jedoch erſt dann, wenn das Waſſer aus dem Graben
abgelaufen. Die Arbeit des Ausfüllens nimmt man dabei zur Verhütung von Ver-
ſtopfungen durch einrollende Erde nicht wie bei dem Ausheben der Gräben am tiefſten
ſondern am höchſten Punkte des Grabens in Angriff. Die Ableitungsgräben, in
welche die gedeckten Auffangeabzüge einmünden, läßt man jedoch offen.
Das einfachſte und billigſte Füllmaterial gewähren die Feldſteine, welche vom
Felde ſelbſt unter gleichzeitiger Säuberung deſſelben, aufgeleſen werden. Die gröbſten
Feldſteine, Fig. 11 (ſ. umſtehend), legt man unten, die feineren obenauf in die
[74]Allgemeine Ackerbaulehre.
0.15—0.20 M. breite Sohle und ſchützt dann die Steinlage vor einrollender Erde ꝛc.
durch aufgelegte Raſenſtücke, deren Wurzelſeite nach aufwärts gekehrt iſt. In Er-
Querſchnitt durch
einen Unterdrain aus Feld-
ſteinen.
mangelung von Feldſteinen benützt man Bach- oder Fluß-
ſchotter, geſchlägelte Bruchſteine, Schlacken, Ziegeltrümmer
u. dgl., ſofern ihre Zufuhr nicht zu koſtſpielig wird.
Sind billige Bruchſteine zu erhalten, ſo werden dieſe
in der Grabenſohle entweder dachförmig oder thorartig zu-
ſammengeſtellt und der verbleibende Grabenraum zuerſt mit
Rollſteinen, dann mit Raſenſtücken und zuletzt mit Erde
wieder ausgefüllt. Bei dem Auffüllen der Erde bringt man
den rohen Boden wieder in die Tiefe des Grabens und
den fruchtbaren nach aufwärts.
In ähnlicher Weiſe, wie die Bruchſteine, werden auch
gebrannte Mauerziegel, Hohl- und Flachziegel verwendet.
Seit dem Aufkommen der Röhrendrains werden jedoch dieſe koſtſpieligen, gedeckten
Abzüge nur mehr ſelten ausgeführt.
In ſumpfigen Moor- und Torfgründen bildet man Abzüge, durch hohlzuſammen-
Querſchnitt durch
einen Unterdrain aus Faſchinen.
geſtellte gepreßte Torfziegel, durch hohlgeſtochene Torfſtücke,
durch gepreßte Torfröhren oder durch Einſchieben von ſtum-
pfen Torfkeilen in den Graben, ſo daß unter denſelben ein
hohler Raum verbleibt. Für ſolchen ſchwammigen, weichen
Boden, in welchem ſchweres Steinmaterial verſinken würde,
eignen ſich auch Abzüge von Reiſigbündeln, oder von
20—30 Cm. dicken Faſchinen, welche in die Gräben eingelegt
werden. Die Dauerhaftigkeit (50—60 Jahre) und Leiſtungs-
fähigkeit derartiger Abzüge wird weſentlich erhöht, wenn man
ſie in der Weiſe herſtellt, daß man 0.5—0.75 M. lange
Erlenſchwellen über Kreuz in die Grabenſohle ſtellt, Fig. 12,
und den oberen ſich ergebenden Raum mit Reiſig oder Faſchinen ausfüllt und durch
Raſenſtücke abſchließt.
Seit Ende der vierziger Jahre kam von England aus die Entwäſſerung durch
ein Syſtem von Röhrenleitungen, welche in einer gewiſſen Tiefe in den Boden gelegt
werden, in Aufnahme. Dieſe Leitungen aus gebrannten Thonröhren, nehmen das
Waſſer entweder unmittelbar aus dem Boden auf, ſie heißen dann Saugdrains,
oder ſie führen das von vielen Saugdrains geſammelte Waſſer von dem Felde
fort. Die letzteren Röhrenſtränge erhalten die Bezeichnung Sammeldrains.
Drainröhre.
Jeder Strang beſteht aus einer Reihe mit den Oeff-
nungen aneinander gelegter Thonröhren, Fig. 13, von
0.2 bis höchſtens 0.45 M. Länge.
Die Aufnahme des Waſſers aus dem Boden
[75]Die Melioration.
erfolgt nur in ſehr geringer Menge 1) durch die Thonwand der Röhren, der größte
Theil dringt durch die Stoßfugen in den Röhrencanal. Die an der Stoßfuge
anliegende Erde wird zunächſt entwäſſert. Die entwäſſerte Bodenpartie erhält dann
von oben her durch nachdrückendes Waſſer ſtets neue Feuchtigkeit zugeführt. Während
dieſes Vorganges bahnt ſich das Waſſer beim Durchſickern den Weg durch zahlreiche
Klüfte und kleine Rinnſale. Friſch gelegte Drainſtränge werden daher bei aus-
reichendem Waſſergehalte des Bodens erſt dann vollfließen, wenn ſich das Waſſer
jene Wege durch den Boden gebildet hat. Iſt der Boden entwäſſert, ſo geben die
Drainzüge erſt dann wieder Waſſer, wenn ſich der Boden neuerdings mit demſelben
durch das Steigen des Grundwaſſerſpiegels, durch Regenwaſſer oder durch Conden-
ſirung von Waſſerdampf bei plötzlichem Temperaturwechſel verſorgt hat.
Je höher die Waſſerſchichte iſt, welche ſich über einem Röhrenſtrange befindet,
um ſo ſchneller wird ſie bei dem vermehrten Drucke zum Abfließen gelangen. Ander-
ſeits wird die Bindigkeit des Bodens dieſen Abfluß hemmen. Die Höhe der zu
entwäſſernden Bodenſchichte, das verfügbare Gefälle und die Beſchaffenheit des Bodens
werden daher die Art der Aus-
führung der Drainage, beſonders
die Tieflage und Entfernung der
Drains, ſowie das Röhrenkaliber
beſtimmen.
Der Ausführung der
Drainanlage muß die Ausarbeitung
eines genauen Drainirungsplanes,
Fig. 14, vorausgehen. Derſelbe
ſtützt ſich bei kleineren Anlagen
auf die genaue Aufnahme des
Terrain-Gefälles nach horizontalen
Linien von allmälig abnehmender
Höhenlage, bei umfangreicheren
Anlagen auf die genaue Erhebung
von Längen- und Querprofilen.
Senkrecht auf die durch das Nivelle-
ment ausgemittelten, horizontalen
Linien d. h. im größten Gefälle
wird nun die Richtung der Saug-
drains eingezeichnet. Bei dieſer
Anordnung kann ſich die Wirkſam-
keit der Drains nach beiden Seiten
erſtrecken. Dieſelbe wird ſich am
Plan eines drainirten Feldes. — Die den
krummen Horizontallinien beigeſetzten Ziffern ſind Niveau-
zahlen, welche ſich auf die Meereshöhe beziehen. Die geraden,
feinen Linien entſprechen den Saug-, die dicken Linien den
Sammeldrains.
[76]Allgemeine Ackerbaulehre.
günſtigſten äußern, wenn das eingehaltene Gefälle nach Möglichkeit 2.5 oder 3:1000
beträgt. Iſt das natürliche Gefälle zu gering, ſo hilft man ſich damit, daß man
bei der Ausführung das Kopfende der Drains ſeichter, das entgegengeſetzte Ende
tiefer in den Boden legt. Bei der glatten Innenwand der Röhren genügt übrigens
ſchon das geringe Gefälle von 1:1000, um das Waſſer zum Ablaufen zu bringen.
Die einzelnen Drainſtränge werden nach Thunlichkeit parallel und zur Ver-
meidung unnöthiger Koſten geradlinig angeordnet. Man drainirt nicht bis an die
Grenze des Grundſtückes, ſondern beginnt mit dem Kopfende der Züge erſt 4.5—5 M
entfernt von derſelben. Baumreihen, Alleen u. dgl. geht man zur Verhütung des
Eindringens der Wurzeln in die Drainröhren gleichfalls aus dem Wege. Von be-
nachbarten Grundſtücken eindringende Wäſſer werden zweckmäßig durch einen eigenen
Drainſtrang, den Kopfdrain, welcher längs der gefährdeten Grenze gezogen wird,
abgeleitet. Die Länge der Drainſtränge beſtimmt man für gewöhnlich nicht über
300 Meter. Nur bei ſtärkerem Gefälle und größerem Röhrendurchmeſſer kann
darüber hinausgegangen werden. Erfordert das Terrain längere Saugdrains, ſo
müſſen dieſe durch querlaufende Sammeldrains unterbrochen werden.
Die Sammeldrains, in welche eine Mehrzahl von Saugdrains ausmünden,
werden an den tiefſten Stellen des Terrains angeordnet. Sie erfordern wegen der
größeren Waſſermenge, welche ſie ableiten, ein größeres Röhrenkaliber, dafür aber ein
geringeres Gefälle. Bei einem größeren Drainſyſteme werden wieder mehrere Sammel-
drains mit einem, wegen der größeren abzuführenden Waſſermaſſe, offenem Haupt-
ableitungsgraben in Verbindung gebracht.
Je ſeichter und undurchläſſiger der Boden um ſo tiefer müſſen die Drains gelegt
werden. Die gewöhnliche Tiefe beträgt 1.25—1.5 Meter. Ausnahmsweiſe legt
man ſie jedoch auch auf 0.9—3 Meter Tiefe in den Boden. Jedenfalls müſſen ſie ſo
tief liegen, daß ſie der Froſteinwirkung entrückt und durch die Ackergeräthe, welche den
Boden bearbeiten, weder aus ihrer Lage gebracht noch beſchädigt werden.
Die Entfernung der Drainſtränge, welche mit der Tieflage vorzugsweiſe
die Koſten der Ausführung beſtimmt, richtet ſich nach dem Waſſergehalte des Bodens
und dem Widerſtande, welchen die Bodenart dem Durchſickern des Waſſers entgegen-
ſtellt. Je feuchter und bindiger der Boden um ſo näher müſſen die Drainzüge
aneinander gerückt werden. Je loſer und trockener der Boden und je tiefer die
Drains im Boden liegen um ſo weiter können die Stränge von einander abſtehen
Leclerc 1) giebt die Entfernung der Drainſtränge bei 1.2 Meter Tieflage der Röhren
für verſchiedene Bodenbeſchaffenheit wie folgt an:
- Plaſtiſcher Thon .... 6—7 Meter,
- fetter Thon, Teichboden 9—12 „
- gewöhnlicher Thon .. 9—11 „
- Kalk- u. Kreideboden . 8—12 „
- Torfboden ........ 11—14 Meter,
- feinkörniger, erdiger Sand 10—12 „
- thoniger Sand ...... 12—14 „
- grobkörniger Sand .... 16—18 „
Um für eine beſtimmte Bodenbeſchaffenheit die richtige Entfernung zu ermitteln,
[77]Die Melioration.
gräbt man in der Mitte zwiſchen zwei vollkommen ausgeführten Probeſträngen eine
Grube und beobachtet die Aenderungen im Waſſerſtande beſonders nach einem
ausgiebigen Regen. Verſinkt das Waſſer gar nicht oder nicht raſch genug, ſo müſſen
die Drains näher oder auch tiefer gelegt werden. Im Allgemeinen wird man es
der geringeren Koſten wegen vorziehen bis zu einer gewiſſen Grenze die Drains tiefer
als näher zu legen, da im letzteren Falle mehr Gräben ausgehoben werden müſſen
und mehr Röhrenmaterial verbraucht wird.
Zur Anfertigung
der Röhren verwendet
man gut durchgearbeiteten
und geſchlemmten Ziegel-
lehm, aus welchem alle
Steinchen und Concretionen
mit größter Sorgfalt wäh-
rend des Durchtretens ent-
fernt worden ſind. Der ſo
verarbeitete Lehm wird zur
Fabrikation der Drain-
röhren in eine Röhrenpreß-
maſchine eingefüllt. Der
Werth dieſer Röhrenpreſſe
hängt neben der Dauer-
haftigkeit der Conſtruction
beſonders von der Leiſtungs-
fähigkeit ab. Eine auf zwei
entgegengeſetzten Seiten
Röhren erzeugende doppel-
wirkende Röhrenpreſſe liefert
in zehn Arbeitsſtunden
wenigſtens 1500—2000
Mtr. 40 Mm. weite Röh-
ren. Bei unzureichender
Bewegungskraft wie z. B.
Menſchenkraft ſind einfach-
wirkende Preßmaſchinen
trotz ihrer geringeren Lei-
ſtungsfähigkeit vorzuziehen.
Eine gute Röhrenpreſſe
muß die Röhren vollkom-
men rund, mit möglichſt
glatten Innenwänden, von
gleichmäßiger Dicke ohne
Einfachwirkende Drainröhrenpreſſe von A. Burgu. Sohn,
Wien. — Preis mit Sicherheitsapparat, Abſchneidetiſch, Thonſieb und
4 Röhrenformen von 40 bis 100 Mm. Durchmeſſer, nebſt 4 Röhrenleg-
gabeln 1060 Mark, 530 fl.
[78]Allgemeine Ackerbaulehre.
Blaſen und Streifen liefern. Sie muß durch Benutzung verſchiedener Preßſchablonen
die Erzeugung verſchieden weiter Röhren möglich machen. Ein beſonderer Werth
iſt darauf zu legen, daß die Preſſe mit entſprechenden Vorrichtungen verſehen iſt, mit
welchen die in einem Strange aus der Preſſe hervortretenden Röhren möglichſt ſcharf
und ohne verbogen oder zuſammengedrückt zu werden in Stücke von der erforder-
lichen Länge zerſchnitten werden können. Zu den vorzüglicheren Conſtructionen von
Drainröhrenpreſſen gehören die Maſchinen mit intermetirender Wirkung von White-
haed, Fig. 15 (ſ. vorſtehend in der Ausführung von A. Burg—Wien), von Jordan.
Continuirlich wirkende Röhrenpreſſen ſind weniger verbreitet.
Die von der Maſchine gelieferten Röhren werden ſorgfältig auf Lattengerüſte,
welche ähnlich jenen, die beim Trocknen der noch ungebrannten Dachziegel im Gebrauche
ſtehen, getrocknet und nach dem Trocknen ſtehend in einen Ofen eingeſetzt und ſorg-
fältigſt gebrannt. Die gebrannte Röhre muß in ihrer Form wohl erhalten ſein und
beim Anſchlagen hell klingen.
Die Röhren für Saugdrains werden mit einem Durchmeſſer im Lichten von
30—50, gewöhnlich von 40 Mm. hergeſtellt. Bei langen Leitungen verwendet man
anfänglich Röhren mit geringerer Weite und gegen Ende der Leitung, je mehr die
Waſſermenge zunimmt, Röhren größeren Kalibers. Zu den Sammeldrains nimmt
man Röhren von 52—100 Mm. Durchmeſſer. Reicht auch dieſe Dimenſion nicht
mehr aus, um das abfließende Waſſer aufzunehmen, ſo legt man zur Vermeidung
noch größerer und daher koſtſpieliger Röhren doppelte oder ſelbſt auch dreifache (zwei
unten, eine oben) Reihen von Röhren. Die Einmündung der Saugdrains in die
gewöhnlich 26—52 Mm. tiefer gelegten Sammeldrains wird durch Einhauen von
correſpondirenden Löchern in den auf einander gelegten Drainſträngen oder bei ſorg-
fältigerer Ausführung durch Knieſtücke, welche an die Röhren des Sammeldrains an-
geſetzt werden, vermittelt. Die Ausmündungen der Sammeldrains in die Haupt-
ableitungsgräben erfordern beſondere Aufmerkſamkeit. Damit der Froſt die Enden
der Leitungen nicht zerſtört, pflegt man dieſelben nicht aus Röhren, ſondern aus
Mauerziegeln, aus welchen ein entſprechend weiter Kanal gebildet wird, herzuſtellen.
In holzreichen Gegenden läßt man die Sammeldrains auch in Holzröhren ausmünden.
In jedem Falle verſorgt man die Ausmündungen mit kleinen Drahtgittern, damit
ein Verſtopfen durch Hineinkriechen kleiner Thiere hintangehalten wird. Bei kleineren
Drainanlagen läßt man die Sammeldrains öfters in Brunnenſtuben, welche mit ent-
ſprechend höher angeordneten Abflüſſen verſehen ſind, unter Waſſer ausmünden.
Sind die Richtungen der Drainſtränge genau nach dem Drainirungsplane am
Felde abgeſteckt, das Röhrenmaterial vorbereitet, ſo beginnt man am zweckmäßigſten
im Spätherbſte mit der Ausführung der Drainage. Zuerſt werden von dem tiefſten
Punkte aus die Gräben für die Sammeldrains nach der Eröffnung des Haupt-
abzugskanals in Angriff genommen und nach deren Vollendung die Gräben zu den
Saugdrains ausgehoben.
Zur Vermeidung unnöthiger Koſten wird der Graben, Fig. 16 (ſ. umſtehend),
nur ſo weit geöffnet, gewöhnlich 0.3—0.6 Meter, daß der Arbeiter noch die tieferen
[79]Die Melioration.
Grabentheile ausſchachten kann. Die Grabenſohle wird nur ſo ſchmal (3—15 Cm.)
ausgehoben, daß gerade die Drainröhre Platz findet. Weſentlich erleichtert wird die
Grabenarbeit durch die Verwendung engliſcher Draingeräthe.
Ein Satz ſolcher Geräthe beſteht gewöhnlich aus 3 Drainſpaten,
Fig. 17, verſchiedener Größe, deren verjüngtes Blatt den zweck-
mäßigſten Grabendimenſionen bei bindigerem Boden angepaßt
iſt, ferner aus einem Hohlſpaten für den feſteren Untergrund,
2 Schaufelhaken und dem Schwanenhals, Fig. 18, zum Ent-
fernen der abgebröckelten Erde. Anſtatt der Säuberung mit
dem Schwanenhalſe läßt man auch die Sohle mit einem Reiſig-
beſen auskehren und überdies muldenförmig mit rund ge-
ſchnittenen, an Stangen befeſtigten Holzſtücken zuſammenſtampfen.
Die mit dem Graben ausgehobene Erde wirft man auf die
Querſchnitt
durch einen Graben für
einen Sammeldrain.
eine Seite, während auf die andere Grabenſeite mittlerweile die erforderlichen Drain-
röhren zugeführt werden.
Mit dem Legen der Röhren be-
ginnt man gleichfals am tiefſten
Punkte des Terrains. Sie werden
entweder mit der Hand oder dem
Legehaken in die richtige Lage in die
Grabenſohle gebracht und ſorgfältig
aneinander geſtoßen. Im ſehr fein-
ſandigen, ſich verſchlemmenden
Boden ſchützt man zuweilen die
Stoßfugen mit kurzen, über die
Drainröhren geſchobenen Röhren-
ſtücken von größerem Durchmeſſer,
den Muffen, Fig. 19. Für gewöhn-
lich läßt man jedoch die Muffen
weg, da ſie die Anlage nicht nur
vertheuern, ſondern auch das Ein-
ſtrömen des Waſſers durch die Stoß-
fugen hemmen. Bei lockerem Erd-
reiche ſchiebt man kleine Brettchen
unter die Röhren oder ſpreitzt ſie
zur Sicherung ihrer Lage gegen die
Engliſcher
Drainſpaten.
Schwanenhals.
Grabenwand. Gleich nach dem Legen wird der Graben mit der zur Seite gelegten
Erde vorſichtig, damit die Röhren nicht
aus ihrer Lage kommen, wieder zugefüllt.
Bei leicht verſchlemmendem Boden giebt
man unmittelbar auf die Drainröhren
Zwei durch eine Muffe verbundene
Drainröhren.
eine Schichte thoniger Erde, um ein Verſtopfen der Drainzüge zu verhindern.
[80]Abgemeine Ackerbaulehre.
Die Koſten der Drainage richten ſich nach den Koſten der Erdarbeiten und
dem Materialverbrauche. Für letzteren iſt die Entfernung und das Kaliber der
Drains maßgebend. Bei 10 Meter Entfernung der Drainzüge beträgt z. B.
die Grabenlänge auf 1 Hektar 1000 Meter, wofür ſammt Einrechnung der durch
Zerbrechen unbrauchbar werdenden Röhren rund 2860 Stück 0.35 Meter langer
Röhren nothwendig ſind. Das Tauſend gebrannter Röhren koſtet je nach dem Röhren-
durchmeſſer 15—30 Mark. Die Koſten für einen bindigen Lehmboden ſtellen ſich
für ein Hektar auf folgende Summen:
- Nivellement, Planaufſtellung ꝛc. ......... 5 Mark
- 1000 Meter Graben ausſchachten à 8 Pf. ..... 80 „
- 2520 Stück 0.35 M. langer Röhren von 40 Mm. Durch-
meſſer per Tauſend 15 Mark ........ 38 „ - 340 Stück 0.35 M. langer Röhren von 80 Mm. Durch-
meſſer per Tauſend 30 Mark ........ 10 „ - Röhrenlegen und Verſchütten à Meter 3.5 Pf. .... 35 „
- 4 Geſpannstage zum Röhren zuführen ꝛc. à 5 Mark .. 20 „
- Techniſche Leitung, Aufſicht ꝛc. 5 % des vorigen Capitals-
aufwandes .............. 9 „ - per 1 Hektar in Summa 197 Mark (98 fl. 50).
Bei größerer Drainentfernung, leichterer Grabenarbeit verringern ſich die Koſten
per Hektar auf 170 Mark (85 fl.), ſteigern ſich jedoch unter ſchwierigen Verhält-
niſſen bis auf 225 Mark (112 fl. 50 kr.). Nachdem ſich dieſe Koſten bei der langen
Dauer der Drainanlage auf eine Reihe von Jahren vertheilen, ſo beläuft ſich der
Jahresaufwand für ein drainirtes Feld nur auf 5 % Zins und 2 bis höchſtens 3 %
Amortiſation und Reparatur d. i. in unſerem obigen Falle auf 13.80—15.70 Mark
(6.90—7.85 fl.). Dieſem jährlichen Aufwande ſtehen oft bedeutende durch die
Drainage herbeigeführte Mehrerträge gegenüber, welche ſich jedoch in ihrer vollen
Wirkung erſt zwei, drei Jahre nach der erſten Anlage zeigen, dann aber 30, 60 bis
200 % des Ertrages vor dem Drainiren ausmachen können. Soll dieſe Erhöhung der
Fruchtbarkeit bleibend ſein, ſo muß die Drainage nicht nur ſtets wirkſam erhalten
werden, ſondern es muß auch für den durch die Drainage hervorgebrachten ſchnelleren
Umſatz der Pflanzennährſtoffe im Boden ausreichender Düngererſatz geboten werden.
Die meiſte Veranlaſſung, daß die Drainage unwirkſam wird, geben die Ver-
ſtopfungen der Drainzüge durch Pflanzenwurzeln, Thiere und Schlammabſatz. Die-
ſelben ſind nur durch Aufreißen der Gräben und Erneuern der Drainzüge zu beheben.
Um derartige koſtſpielige Reparaturen möglichſt zu vermeiden, wird man ſchon bei der
erſten Anlage auf die Möglichkeit derartiger Verſtopfungen Rückſicht zu nehmen haben.
Sind z. B. bei Torfboden oder kalkreichen Bodenarten Schlammabſätze von kohlen-
ſaurem Kalk und Eiſenoxydhydrat zu erwarten, ſo wählt man von vornherein ein
engeres Röhrenkaliber, damit durch ſtetes Vollfließen der Röhren der Luftzutritt,
welcher das Abſetzen dieſer Niederſchläge bewirkt, ausgeſchloſſen bleibt. Iſt nach der
[81]Die Melioration.
Bodenbeſchaffenheit eine Verſtopfung durch feinen Triebſand zu befürchten, ſo wird
dieſe Gefahr zweckmäßig durch Auflegen von Moosſtücken oder einer ſchwachen Thon-
ſchichte auf die Röhren oder nur auf die Stoßfugen beſeitigt werden. Die Verſtopfung
der Drains durch Wurzeln tritt beſonders häufig dann ein, wenn das Grundſtück
mit Rüben bebaut wird. Ebenſo wachſen die Wurzeln mancher Bäume, wie der
Pappel, der Linde ꝛc., in die Drainröhren hinein. Gegen das Verſtopfen durch
Pflanzenwurzeln ſichert die Wahl größerer, häufiger nicht voll laufender Röhren, da
die Pflanzenwurzeln in waſſerleere Räume nicht hineinwachſen. Dagegen treten wieder
in nicht voll fließenden Röhren leichter Verſtopfungen durch Algenfäden (Confervae
conjugatae) ein.
Unter allen Umſtänden bleibt die Drainage, welche nebenbei bemerkt auch zur
Entwäſſerung von Gebäuden, Eiſenbahndämmen ꝛc. angewendet werden kann, für
feuchte Lagen und Bodenarten eine der empfehlenswertheſten Bodenmeliorationen. Durch
die Drainage werden die Vortheile der Entwäſſerung am ſicherſten erreicht. Sie wird
in ihrer Wirkſamkeit für gewiſſe Fälle nur noch übertroffen von der Drainbewäſſe-
rung. Dieſe Melioration, ſowie die Bodenbewäſſerung ſoll jedoch erſt im Capitel:
„Der Wieſenbau“ beſprochen werden.
2. Das Beſeitigen der Steine.
So werthvoll veränderliche Geſteinstrümmer im Boden ſind, ſo hinderlich können
dieſelben werden, wenn ſie als Haftſteine die Bodenbearbeitung erſchweren oder durch
zu maſſenhaftes Auftreten ungünſtige Bodenzuſtände mit ſich bringen. Je größer der
Gehalt an Steinen, um ſo weniger fruchtbare Erde wird vorhanden ſein und um ſo
ſchwieriger werden ſich die Culturoperationen, wie z. B. das Pflügen, Mähen ꝛc., aus-
führen laſſen. In einem ſtrengen Thonboden wird man jedoch nur ſehr vorſichtig
beim Entfernen der Steine vorgehen dürfen, da ſie hier zur Lockerung des Bodens
weſentlich beitragen können (S. 48).
Am hinderlichſten ſind Haftſteine oder zu Tage tretende Felſen. Dieſelben
können nur durch Sprengen mit Pulver oder Dynamit beſeitigt werden.
Loſe Steine werden mit der Hand aufgeklaubt, bei maſſenhafterem Vorkommen
mit dem Hand- oder Pferdeſteinrechen geſammelt, welcher mit ſeinen weitgeſtellten
Zinken nur die größten Steine aufnimmt, die unſchädlicheren kleinen jedoch zurückläßt.
Sind die Steine ſo groß, daß ſie ſelbſt mit Steinwagen nicht fortgeſchafft werden
können, ſo erübriget nur, ſie gleichfalls durch Sprengen zu verkleinern.
Bei günſtiger Bodenbeſchaffenheit führt auch das Verſenken der Steine in den
Boden zu ihrer Beſeitigung. Zu dieſem Zwecke gräbt man neben dem zu verſenken-
den Steine ein ſo tiefes Loch, daß der hineingewälzte Stein mindeſtens 0.6 Meter
unter die Bodenoberfläche kommt.
Die zuſammengebrachten Steine können entweder als Bau-, Schotterſteine, oder
zur Ausfüllung der Gräben bei gedeckten Steinabzügen oder ſchließlich bei kleineren
Parzellen zu Einfriedungen verwendet werden.
Krafft, Lehrb. d. Landw. I. 6
[82]Allgemeine Ackerbaulehre.
3. Die Bindung von Sandſchollen.
Soll die Culturbarmachung der Sandſchollen, Flugſandfelder erfolgreich durch-
geführt werden, ſo muß erſt als unerläßliche Vorbedingung der Sand zum Stehen
gebracht werden. Es wird dies erreicht durch das Bedecken mit Raſen- oder Torf-
ſtücken, mit Strauch- oder Reisholz, durch Einflechten von Strohzöpfen, durch Auf-
pflügen oder durch die Errichtung von Coupirzäunen und Schutzwällen.
Bei geringerer Beweglichkeit des Flugſandes reicht ein Bedecken mit Torf- oder
Raſenſtücken aus. Durch dieſes Bedecken wird ſich der Boden feuchter halten und
damit ſeine Beweglichkeit vermindert werden. Ein gewöhnlich angewendetes Material
zum Bedecken iſt Kiefernreiſig. Daſſelbe wird je nach der vorhandenen Menge über
die ganze Sandſcholle oder nur ſtreifenweiſe quer gegen die Richtung des Windes ver-
theilt, und zwar ſo, daß die Gipfel des Reiſigs vom Winde abwärts zu liegen kommen.
Der bedeckte Boden kann vom Winde nicht gehoben werden und kann dann unter dem
Schutze des Deckmateriales, am zweckmäßigſten im erſten Frühjahre, um die Winter-
feuchtigkeit zu benutzen, mit Holz bepflanzt oder beſäet werden.
Zuweilen pflegt man die Bindung des Sandes auch dadurch zu erreichen, daß
man ſtreifenweiſe mit dem Pfluge zwei Furchen in Kämme zuſammenwirft und
zwiſchen die Pflugfurchen Reiſig, Strohwiſche u. dgl. ſteckt.
Mit dem Aufwerfen der Kämme oder dem ſtreifenweiſen Bedecken mit Raſen-
ſtücken, Reiſig ꝛc. wird man an der am meiſten gefährdeten Seite beginnen. Ge-
wöhnlich ſind die austrocknenden Südoſtwinde am verderblichſten. Je nach der Gefahr
des Verwehens und dem vorräthigen Materiale werden dieſe Streifen oder Kämme
näher oder weiter, oft erſt auf mehrere Meter Entfernung hergerichtet.
Bei größerer Beweglichkeit der Sandſchollen ſtellt man im ſtumpfen Winkel
gegen die herrſchende Windrichtung Coupirzäune auf, indem man reihenweiſe 1.5 Meter
lange Stöcke einſchlägt, zwiſchen welche Reiſig eingeflochten wird. Dieſe Zäune er-
richtet man gegen den Südoſtwind in Entfernungen von 20—40 Meter. Durch
ihre Höhe wird der Wind von dem Boden fern gehalten oder der Sand zum min-
deſten an der durch die Zäune gebildeten Wand angehäuft und nicht fortgeweht.
Bei größeren Sandſchollen, welche nicht auf einmal, ſondern nur nach und nach von
den am meiſten gefährdeten Stellen aus gebunden werden können, errichtet man auch
querüber, jedoch in größeren Entfernungen, Coupirzäune, um auch die heftigen Nord-
winde abzuhalten.
Iſt durch die Coupirzäune allein oder unter Zuhilfenahme des Deckens der
Sand zum Stehen gebracht worden, ſo wird der Boden zur dauernden Befeſtigung
mit Gräſern und dann mit Holzpflanzen oder gleich mit Holzpflanzen beſtellt. Von
den Gräſern gedeihen auf Flugſandfeldern beſonders der Sandroggen (Arundo are-
naria), das Sandhaargras (Elymus arenarius L.), die Sandſegge (Carex arenaria
L.) ꝛc. In neuerer Zeit wird das amerikaniſche Buffalogras (Buchloë dactyloides)
empfohlen. Von den Holzpflanzen eignen ſich zur Aufforſtung der Flugſandfelder
die Meerſtrandskiefer (Pinus maritima), die öſterreichiſche oder Schwarzkiefer (Pinus
austriaca), ebenſo Pappeln, Weiden, Akazien, Ailanthusbäume, von den Sträuchern
[83]Die Melioration.
der Beſenſtrauch (Sarothamnus scoparius), der Ginſter (Genista) ꝛc. Die Wurzeln
der Bäume halten den Boden zuſammen und verleihen ihm mehr Stetigkeit; außer-
dem wird durch den Blätterabfall bald eine ſchützende Humusdecke gebildet. Solche
aufgeforſtete Flugſandfelder müſſen jedoch jederzeit vorſichtig behandelt werden. Sie ver-
langen eine beſtändige Schonung vor Weidegang und Streurechen, das Stockroden hat zu
unterbleiben, die Fällung ſelbſt iſt vorſichtig, erforderlichen Falls plänterweiſe zu leiten.
Aehnlich wie die Sandſchollen werden auch die Meeresdünen befeſtigt. Am ge-
wöhnlichſten werden dieſelben mit Ginſter (6—8 Kilogr. pro Hektar) und Meer-
ſtrandskiefern (18—20 Kilogr. pro Hektar) beſäet und die Saaten durch Bedecken
mit Strauchwerk gegen die Sonnenſtrahlen und das Austrocknen geſchützt. An den
exponirteſten Stellen legt man außerdem zum Schutze der Culturen gegen die herr-
ſchende Windrichtung 1 Meter hohe Flechtzäune an. Anſtatt dem Ginſter werden auch
Pflanzungen mit Sandroggen und Sandhafer vorgenommen, welche die Eigenſchaft
haben, durch Ueberſchütten mit Sand nicht zu leiden, ſondern ſich um ſo lebhafter
weiter zu entwickeln. Sobald ſich die Düne über den Bereich der Sandanſchüttung durch
das Meer erhoben hat, wird ſchließlich zur Aufforſtung mit Kiefern ꝛc. geſchritten.
4. Das Bodenbrennen.
Ein zäher, bindiger Thonboden, in einem feuchten, kalten Klima iſt ebenſo un-
geeignet für die Pflanzenvegetation, als wie eine loſe, trockene Sandſcholle. Nicht
nur befinden ſich in einem ſolchen Boden die Pflanzennährſtoffe in nicht aufnahms-
fähigem Zuſtande, ſondern auch die Nährſtoffe, welche durch die Düngung von Außen
in den Boden gelangen, können wegen der ungünſtigen naſſen, kalten Beſchaffenheit
des zähen Thonbodens nicht zur Wirkſamkeit gelangen. Zur Verbeſſerung der phyſi-
kaliſchen und chemiſchen Eigenſchaften eines derartigen Bodens, beſonders zur Ver-
ringerung der Wärmecapacität, empfiehlt ſich das Brennen deſſelben, eine Cultur-
operation, welche in England, ſeit 1820 von Beatſon beſonders empfohlen, vielfach
zur Ausführung gelangt.
Durch das Brennen verliert der Thon ſein Hydratwaſſer und damit die Fähig-
keit mit Waſſer eine plaſtiſche Maſſe zu bilden. Es verringert ſich ſeine waſſer-
faſſende und waſſerhaltende Kraft und damit auch ſeine Wärmecapacität. Gebrannt
zerfällt der Thon in ein Pulver, welches, dem ungebrannten Thonboden beigemengt,
auf dieſen ähnlich wie beigemengter Sand, lockernd, austrocknend und daher indirect
auch erwärmend einwirkt. Brennt man den Thon zu ſtark, ſo ſintert er, beſonders
wenn er kalkhaltig, zu ſteinharten Klumpen zuſammen, indem der Kalk mit der
Kieſelerde und einem Theil der Alkalien zu einem unlöslichen Doppelſilicat (Glas)
zuſammenſchmilzt. Bei richtig geleitetem Erdbrennen werden jedoch durch den im
Boden enthaltenen Kalk die unlöslichen Silicate aufgeſchloſſen, indem der Kalk an
die Stelle der Alkalien tritt und dieſe löslich macht. Iſt der Thon kalkarm, ſo wird
die Wirkſamkeit des Brennens durch eine Kalkbeimiſchung weſentlich erhöht.
Durch das Brennen des Thonbodens werden daher nicht nur deſſen phyſikaliſchen
Eigenſchaften günſtig beeinflußt, ſondern auch aufnehmbare Pflanzennährſtoffe, beſonders
6*
[84]Allgemeine Ackerbaulehre.
Kali, Kieſelſäure und bei Vorhandenſein von organiſchen Reſten auch Phosphorſäure
aufgeſchloſſen. Desgleichen wird das Eiſenoxydul, welches in einem feuchten Boden
leicht nachtheilig werden kann, durch das Brennen, wie die Rothfärbung des gebrannten
Thons erkennen läßt, in Eiſenoxyd umgewandelt und damit auch die Abſorptions-
fähigkeit des Bodens für die Phosphorſäure erhöht. Durch das Brennen werden
gleichzeitig manche Larven ſchädlicher Inſecten, ſowie Unkrautſamen und Unkräuter
vertilgt, welche letztere durch ihre Aſche den Boden bereichern. Schließlich wird der
Vorrath an Pflanzennährſtoffen durch die Aſche der zum Thonbrennen verwendeten
Brennmaterialien vermehrt.
Zum Brennen des Thonbodens werden entweder gemauerte Oefen, oder Feld-
öfen, welche aus Raſenſtücken aufgebaut werden, oder Gräben verwendet. Der Thon
ſelbſt wird entweder gleichmäßig von dem ganzen Felde in dünner Schichte abgeſchält,
oder nur von uncultivirten Feldrändern ausgeſtochen und vor dem Brennen etwas
abtrocknen gelaſſen. In den gemauerten Oefen werden die abgeſchälten Thonſtücke
auf das auf einen Roſt aufgeſchichtete, brennende Feuerungsmaterial allmählig auf-
gelegt. Brennt man in Feldöfen, ſo wird aus Raſenſtücken ein viereckiger Raum ein-
geſchloſſen, auf deſſen Bodenfläche vorher mit Raſenſtücken ausgelegte Gräben als Luft-
züge ausgehoben wurden. In dieſen Raum ſchichtet man über den Gräben Brenn-
material, wie Reiſig, Torfſtücke, Holzabfälle ꝛc. auf. Nach dem Anzünden deſſelben
legt man allmählig ausgetrocknete Thonſchollen auf. Nach dem Brennen wird der
Ofen ſammt ſeinem Inhalte eingeriſſen und gleichmäßig über das Feld verführt und
untergepflügt.
Viel häufiger angewendet, wie z. B. in öſterr. Schleſien, und weniger koſtſpielig
als das Brennen in Oefen iſt das Erdbrennen in dachförmig oder kegelförmig un-
mittelbar auf den Boden geſtellten Haufen. Das Brennmaterial, gewöhnlich Reiſig,
Nadelholzäſte, trockenes Moos, Torf ꝛc., wird ſchon beim Aufſtellen der Thonſchollen
gleichmäßig mit dieſem untermengt. Bei den angezündeten Haufen hat man nur
durch Auflegen neuer Erdſtücke das Durchbrechen der Flamme, welches eine zu große
Hitze hervorbringen würde, zu verhüten und dafür zu ſorgen, daß nicht etwa durch
Luftabſchluß das Feuer erſtickt werde.
Wie oft das Brennen, welches gewöhnlich im Frühjahre vorgenommen wird, zu
wiederholen iſt, hängt von der Quantität der gebrannten Thonmaſſe ab. Beabſichtigt
man durch das Brennen den phyſikaliſchen Zuſtand des Bodens zu verbeſſern, ſo
wird ein größeres Quantum, 140 Tonnen (à 1000 Kilogr.) für 1 Hektar, ge-
brannt, die Wirkſamkeit iſt daher in einem ſolchen Falle um ſo nachhaltiger und
erſtreckt ſich zuweilen auf 6—8 Jahre. Bei ſchwächeren Bränden bis herab zu
40 Tonnen für 1 Hektar iſt ſchon nach 3—4 Jahren keine Nachwirkung mehr zu
erkennen.
5. Die Cultur des Moorbodens.
Der Torf- und Moorboden iſt wegen ſeiner außerordentlichen Waſſerſaugungs-
und Waſſerhaltungskraft, wegen ſeiner Sauerſtoffbegierde, welche bei Vorhandenſein
[85]Die Melioration.
von Eiſenoxydhydrat durch Umwandlung in Eiſenoxydul zur Bildung von Moraſterz-
Ablagerungen Veranlaſſung gibt, und wegen des Gehaltes an Torfſäuren für das
Leben der Culturpflanzen untauglich. Bei ſeiner Verbeſſerung iſt entweder die Torf-
ſubſtanz zu verringern oder in eigentlichen Humus umzuwandeln. Letztere Umwand-
lung wird beſonders durch Zufuhr von Kalk und Alkalien und durch die Ermög-
lichung des Luftzutrittes herbeigeführt.
Mit den geringſten Koſten und am ſchnellſten wird die Torfſubſtanz verringert durch
Verbrennen derſelben. Durch die Brandcultur werden die freien Humusſäuren,
das nachtheilige Eiſenoxydul durch Verbrennung zu Eiſenoxyd beſeitigt. Die an Kalk
gebundenen Humusſäuren werden gleichfalls unter Freiwerden von Aetzkalk verbrannt.
Die zurückbleibende Aſche wird dem Boden reichliche Mengen aufnehmbarer Pflanzen-
nährſtoffe zuführen und den Boden zugleich trockener, wärmer, der Luft leichter zugänglich
machen, da die Aſche eine geringere Wärmecapacität und waſſerfaſſende Kraft als der
Humus beſitzt. Allerdings wird der Boden durch das Verbrennen der organiſchen Sub-
ſtanz an Kohlenſtoff und Stickſtoff ärmer, abgeſehen von den mannigfaltigen Nachtheilen,
welche der entſtehende Moorrauch nach ſich zieht. Dem Brennen muß eine Senkung
des Waſſerſpiegels durch offene Gräben vorangehen. Bei trockener Zeit wird dann,
nach Entfernung des etwa vorhandenen Geſtrüppes, nach dem Vorſchlage von Rimpau—
Cunrau 1) der Moorboden mit Plaggenhauen abgeſchält. Die Tiefe des Abſchälens
richtet ſich nach der Vertorfung des Bodens, je weiter dieſe vorgeſchritten um ſo tiefer
bis auf 8 Cm., wird abgeſchält werden müſſen Die abgeſchälten Torfſtücke werden
in Haufen zuſammengeworfen und nach dem Austrocknen angezündet. Statt dem
Schälen wird der Torfboden auch in Furchen aufgepflügt, und die Furchen nach dem
Austrocknen an der dem Winde entgegengeſetzten Seite angezündet. Bei der Leitung
des Feuers hat man darauf zu achten, daß das Verbrennen zu Aſche möglichſt voll-
ſtändig erfolge. Die gewonnene Aſche wird ausgeſtreut, durch Eggen mit dem Boden
vermiſcht und untergepflügt. Im nächſten Frühjahre wird das Land mit Hafer oder
Hirſe beſtellt, welchen im nächſten Jahre gedüngte Rüben, dann Hafer mit Graseinſaat
(58—70 Kilogr. pro Hektar) folgen. Die auf dieſe Art hergeſtellte Wieſe wird
nun zur dauernden Sicherung des Ertrages jährlich mit rohem Kaliſalz (780 Kilogr.
pro Hektar) und gedämpftem Knochenmehl (100 Kilogr.) zu düngen ſein.
Koſtſpieliger, aber zweckmäßiger iſt die Entfernung des Torfes durch Ab-
grabung, wie dies die Holländer bei ihrer berühmten Fehncultur 2) ausführen. Dieſe
Cultur ſetzt voraus, daß das ganze Moor von Schifffahrtskanälen durchzogen iſt,
auf welchen der ausgehobene getrocknete Torf nach den Abſatzorten gebracht wird,
während auf den zurückkehrenden Schiffen Dünger der verſchiedenſten Art zuge-
führt wird. Mit dem Fortſchreiten der Torfabgrabung beginnt ſofort der Ackerbau,
indem durch die Vermengung des unter dem Moore liegenden Sandbodens mit Dünger
[86]Allgemeine Ackerbaulehre.
und Torfabfall eine Ackerkrume geſchaffen wird, welche gleich im erſten Jahre Buch-
weizen oder Kartoffeln trägt.
Die Nachtheile der Brenncultur werden vermieden, wenn man den Moorboden
durch Umwandlung der Torfſubſtanz in eigentlichen Humus zu verbeſſern ſucht. Es
gelingt dies nur dann, wenn der Moorboden mit ausreichenden mineraliſchen Maſſen
verſehen wird. Bei günſtiger Gelegenheit reicht zu dieſem Zwecke oft die Ueber-
ſandung der Torffläche durch Aufleitung ſandführender Gewäſſer (ſ. unten) oder bei
kleineren Flächen durch Aufführen von Bauſchutt ꝛc. vollkommen aus, um den Moor-
boden in gutes Wieſenland umzuwandeln.
Bei größeren Moorflächen führt auch die Mengung des Moores mit dem Unter-
grunde, ſofern dieſer aus veränderlichem Sand beſteht, durch das Rajolen oder die
Dammcultur von Rimpau zum Ziele. Beſteht die Unterlage des Moorbodens aus
kalkarmem Boden oder Quarzſand, ſo wird die Mengung nur wenig zur Verbeſſerung
beitragen.
Das Rajolen wird nach vorangegangener Entwäſſerung durch drei auf einander
folgende Pflüge vorgenommen, deren letzter ſo tief geſtellt werden muß, daß er die
Sandſchichte erreicht und heraufbringt. Bei größerer Mächtigkeit des Torflagers ver-
ringert man dieſelbe durch vorausgehendes Brennen. Ueberſteigt jedoch die Mächtigkeit
der Torflage 40 Cm., ſo läßt ſich das Rajolen nur mehr mit großen Koſten durch-
führen.
Bei bedeutenderer Mächtigkeit des Torflagers (0.5—1 Meter) und bei Vor-
handenſein einer Sandunterlage empfiehlt ſich, Rimpau's Dammcultur anzu-
wenden. Bei derſelben werden entlang dem Hauptentwäſſerungsgraben im rechten
oder ſpitzen Winkel 5 Meter breite, je nach der Torflage 1—1.5 Meter tiefe Gräben
ausgehoben und das gewonnene Material, (in Cunrau Torf, Thon, Lehm, Letten
und zuletzt Sand) zu beiden Seiten gleichmäßig ausgebreitet. Der Sand wird ſo
tief ausgehoben und obenauf auf den Damm gelegt, daß dieſer mindeſtens 10 Cm.
hoch damit bedeckt iſt. Die Koſten dieſer Dammcultur betragen in Cunrau auf
1 Hektar berechnet 258 Mark (129 fl.). Durch die Dammcultur wird eine Ent-
wäſſerung des Bodens durch Ableitung des Waſſers und Erhöhung des Terrains,
eine Lüftung deſſelben und eine Bereicherung an Mineralmaſſe erzielt, und damit ein
Pflanzenwachsthum ermöglicht. Auf den friſchen Dämmen gedeiht der Hafer ganz
gut. Demſelben folgt in Cunrau gedüngtes Wickfutter, Roggen in Knochenmehl,
gedüngte Kartoffeln ꝛc.
6. Die Anſchlemmung mit Erde.
Eine unter Umſtänden wenig koſtſpielige Bodenverbeſſerung, beſonders auf Wieſen,
läßt ſich durch Ueberfluthung mit ſchlammigem Fluß- und Bachwaſſer erreichen.
In England wurden nach Thaer 1) zu dieſem Zwecke die unter der Einwirkung der
Meeresfluth und Ebbe ſtehenden, größeren, ſchlammführenden Flüſſe benützt, indem
[87]Die Melioration.
zur Fluthzeit das Waſſer durch Schleußen über ein Terrain ausfließen gelaſſen und
nach dem Abſatze des Schlamms zur Zeit der Ebbe wieder abgelaſſen wurde.
Die in neuerer Zeit von Fraas 1) wieder empfohlene künſtliche Alluvion,
d. h. die Ueberſchlammung der Wieſen, verbeſſert nicht nur den phyſikaliſchen Boden-
zuſtand, ſondern bereichert den Boden auch mit Pflanzennährſtoffen. Nicht nur wird
durch das Regenwaſſer Schlamm von den Feldern in die Gewäſſer abgeſchwemmt,
ſondern die Flüſſe ꝛc. führen auch reichliche Mengen abgeſchwemmter Verwitterungs-
produkte der Gebirgsgeſteine mit ſich, welche bei der Ueberſchlammung aus dem
Waſſer abgeſetzt werden und den Wieſen zugute kommen. Durch den Abſatz von
Sand, Thon, Lehm aus dem trüben Waſſer erhöht ſich wenn auch nur ſehr all-
mälig der Boden, welcher dadurch trockener wird. Beſteht der Boden der Wieſe aus
Thon, ſo verwende man das Waſſer, wenn es durch ſtarke Regengüſſe oder durch
das Schmelzen des Schnees recht trübe iſt, da es dann auch gröbere Sandtheile mit
ſich führt, welche zur Lockerung des Bodens beitragen. Bei loſem Boden verwende
man Waſſer, welches Lehm- und Thontheilchen ſuspendirt enthält, die ſich beim Stehen
des Waſſers aus demſelben ausſcheiden. Den Schlammgehalt kleinerer Gewäſſer kann
man dadurch vermehren, daß man an den Ufern des Oberlaufes derſelben Erde abgräbt
und in das Waſſer wirft. Bei ſtärkerem Schlammgehalte der Gewäſſer iſt es leicht
thunlich durch Einlegen von Faſchinen auch Niederungen und kleinere Mulden aus-
zufüllen, zu ebenen.
7. Das Ebenen des Bodens.
Die einfachſte Art, einen Boden zu ebenen, läßt ſich mit dem Pfluge durchführen,
indem man die Pflugfurchen jedesmal gegen die Vertiefung hin in derſelben Richtung
umlegt. Schneller und vollkommener zum Ziele führt das Abgraben der Anhöhen
mit dem Spaten und das
Ausfüllen der Vertiefungen
mit der beim Abgraben ge-
wonnenen Erde, welche mittelſt
Hand- oder Pferdekarren zu-
geführt wird. Ein beſonders
leiſtungsfähiges Geräthe für
dieſen Zweck iſt das mit einem
oder mit zwei Pferden be-
ſpannte Muldbrett, Fig. 20,
Muldbrett.
eine große, etwa 1 Meter breite, hölzerne Schaufel, deren vorderer Rand mit Blech
beſchlagen iſt. Bei dem Gebrauche wird das Muldbrett in das gelockerte Erdreich
hineingeſchoben und dabei mit Erde gefüllt. An dem auszufüllenden Orte angelangt,
hebt man den rückwärts am Muldbrette angebrachten Stiel nach aufwärts, wo-
durch ſich die Schaufel beim Fortziehen durch Ueberſtürzen ſelbſt entleert.
Gruben und Löcher, welche ſich beim Ausziehen von Baumſtrünken ergeben,
werden gleich beim Roden des Waldlandes ausgeglichen.
[88]Allgemeine Ackerbaulehre.
Bei ſtarken Abhängen wird der Boden auch durch Terraſſirung in ebene
Abſchnitte gebracht Bei der Herſtellung der Terraſſen wird vorerſt am tiefſten Punkte
des Abhanges eine Steinmauer aufgeführt, hinter welcher zugeführter oder von dem
Abhang abgegrabener Boden aufgefüllt wird. Man hat dabei, wie bei jedem Ebenen,
ſehr darauf zu achten, daß die etwa vorhandene Erdkrume möglichſt wieder auf die
Oberfläche gebracht werde. Bei der Koſtſpieligkeit der Terraſſirung wird dieſe Boden-
verbeſſerung nur bei hohem Bodenwerthe und bei werthvolleren Culturen, wie z. B.
bei der Weincultur, in ſüdlichen Ländern bei Oelgärten, Orangen-, Citronengärten zur
Ausführung gelangen.
8. Die Anpflanzung von Gehölzen.
Die bisher angeführten Bodenmeliorationen bezwecken alle die Umänderung einer
ungünſtigen Beſchaffenheit des Bodens oder auch der örtlichen Lage. Im Vergleiche
zu dieſen Verbeſſerungen des Bodens wird es dem Landwirthe nur nach langjährigen,
unausgeſetzten Bemühungen gelingen gegen die Ungunſt des Klimas anzukämpfen.
Durch die Melioration des Bodens, wie beſonders durch die Waldrodung, die
Ent- und Bewäſſerung, die Aenderung der Neigung des Bodens, wird neben der
Bodenverbeſſerung vielfach auch der Einfluß der klimatiſchen Elemente, als der Wärme,
der Feuchtigkeit ꝛc., corrigirt.
Gegen die Luftſtrömungen, welche durch ihre Kälte und Trockenheit oder durch
ihre mechaniſche Gewalt (Verwehen, Zerreißen der Blätter und ganzer Pflanzen)
der Cultur hinderlich werden, kann ſchließlich am erfolgreichſten nur durch die Anpflan-
zung der verſchiedenartigſten Gehölze, wie von Obſt- und Wildbäumen, vorgegangen
werden. Durch derartige Anlagen wird gleichzeitig ein Nutzen an Holz, Futterlaub
oder bei Obſtbäumen an Obſt von Feldſtellen erzielt, welche ſonſt, wie Feldränder,
Bach- und Flußufer, Einriſſe, Lehnen, Weidegründe ꝛc., ungenutzt bleiben würden,
ganz abgeſehen von dem Werthe, welcher derartigen Pflanzungen durch die Ver-
ſchönerung der ländlichen Beſitzungen zukommt. In wirthſchaftlicher Hinſicht wird
durch lebende oder auch todte Einfriedungen die Sicherheit des Beſitzes gegen das
Eindringen unberufener Menſchen und fremden Weideviehes, beſonders wenn die Grund-
ſtücke an öffentliche Wege angrenzen, weſentlich gefördert und der Betrieb der eigenen
Weidewirthſchaft erleichtert.
Bei zerſtückelter Lage der Grundſtücke werden bei der geringen Größe der ein-
zufriedenden Gebiete die Holzanlagen zu viel Platz wegnehmen. Iſt die Einfriedung
in der Richtung von Oſt nach Weſt geſtellt, ſo wird ihre Südſeite leicht zu trocken
werden, während die Nordſeite, je gebundener der Boden, an Näſſe leiden kann.
Der Schnee wird ſich im Winter an der Hecke anhäufen und dann im Frühjahre
die Bearbeitung verzögern. Durch die Verhinderung des Austrocknens und die Be-
ſchattung werden die Pflanzen unmittelbar an der Baumwand in ihrem Wachsthume
geſtört werden, beſonders dann, wenn eine Holzart, wie z. B. Pappeln, gewählt wurde,
welche durch ihre Wurzelausläufer den Boden weit ab von der Baumpflanzung aus-
trocknet. Gegen die Wurzelausläufer, welche auch der tiefen Bearbeitung des Bodens
[89]Die Melioration.
Hinderniſſe entgegenſtellen, ſichert übrigens die Anlage der Baumpflanzungen auf
Dämmen mit Gräben an der Seite oder die Anlage [eines] einige Meter breiten Streifens
von Grasland. Derartige Streifen erleichtern auch die Bearbeitung des Bodens ent-
lang der Hecke. Schließlich können die lebenden Einfriedigungen die Ausbreitung der
Unkrautpflanzen befördern und als Brutſtätten für ſchädliche Inſekten dienen.
Aus der Erwägung der Vor- und Nachtheile wird ſich die Zweckmäßigkeit oder
Unzweckmäßigkeit der Einfriedigungen für die jeweilige Oertlichkeit ergeben. Unſtreitig
am beſten geeignet ſind dieſelben bei exponirten, mehr trockenen Lagen und bei Weide-
wirthſchaften.
Die Gehölzpflanzungen umgeben entweder blos die Grenzen eines Gutes, be-
ſonders an jenen Seiten, welche den herrſchenden Winden ausgeſetzt ſind, als ſoge-
nannte Schutzringe, Schutzbaumwände, oder ſie werden als Hecken derart angelegt,
daß ſie das Gut, gewöhnlich nach den Schlaggrenzen, in Abtheilungen bringen.
Die Schutzringe ſind gewöhnlich kleine Waldſtreifen von 8—20 Meter Breite.
Für dieſelben empfehlen ſich beſonders immergrüne Nadelhölzer. Als beſtändig
ſchützend verdienen auch nach Hecke 1) im Mittelwaldbetrieb gehaltene Laubhölzer
genannt zu werden, da nach Abtrieb des Unterholzes das Oberholz zur Brechung
und Hebung der Winde dienen kann. Beſtändiger Schutz kann auch erreicht werden,
wenn der Schutzring aus zwei Streifen beſteht, von denen einer bereits die Hälfte
des Umtriebsalters beſitzt, wenn der andere abgetrieben wird.
Die Hecken können entweder als Stutzhecken, Buſchhecken, oder als Baumhecken
angelegt werden.
Die Stutzhecken, welche gewöhnlich unter der Scheere auf einer Höhe von
1—1.5 Meter und einer nach oben ſich verjüngenden Breite von 0.6 Meter gehalten
werden, brauchen wenig Platz und gewähren doch einen guten Schutz weniger gegen
den Wind, als gegen das Betreten des Feldes. Ihre Anlage und Unterhaltung iſt
jedoch bei einem unbedeutenden Holzertrage koſtſpielig. Man wählt für dieſelben Bäume
und Sträucher, welche nicht nur das Beſchneiden vertragen, ſondern ſich auch noch
unter der Scheere vielfach verzweigen. Die vorzüglichſte Heckenpflanze iſt der Weiß-
dorn (Crataegus oxyacantha L.), an deſſen Stelle in neuerer Zeit häufig der hol-
ländiſche Weißdorn (C. monogyna Jacq.) verwendet wird. Nächſt dem Weißdorn
ſind zu nennen der Schlehdorn (Prunus spinosa L.), der Kreuzdorn (Rhamnus
cathartica L.), der Liguſter (Ligustrum vulgare L.) ꝛc. von den Bäumen die Weiß-
buche (Carpinus betulus L.), der Maßholder (Acer campestre L.), die Linden
(Tilia), Weiden (Salix-Arten), Akazien (Robinia pseud-acacia L.), Fichten (Abies
excelsa DC.) und Eiben (Taxus baccata L.).
Die Buſch- oder Strauchhecken, in Schleswig-Holſtein Knicks genannt, läßt
man bei einer Breite von 1.5—3 Meter, 6—10 Meter hoch heranwachſen, und
haut ſie dann bei einem Alter von 10—20 Jahren um. Damit die abgetriebene
Hecke wieder friſch ausſchlägt, wählt man Holzarten mit guter Reproduktion, beſonders
[90]Allgemeine Ackerbaulehre.
Hainbuchen (Carpinus betulus L.), Ulmen (Ulmus campestris L.), Eichen (Quercus
pedunculata Ehrh.), Haſeln (Corylus avellana L.), Akazien (Robinia pseud-
acacia L.) ꝛc. In der Lombardei und anderen ſüdlichen Gegenden nimmt man zu
Buſchhecken auch Maulbeerbäume. Die Buſchhecken geben einen viel beſſeren Schutz
als die Stutzhecken und liefern Brennholz, Futterlaub und ſelbſt kleines Nutzholz.
Um von den Buſchhecken einen größeren Holzertrag zu erzielen, pflegt man die-
ſelben auch gemiſcht mit Oberholz, welches entweder als Schneidelholz oder Kopfholz
behandelt wird, anzulegen. Eine derartige Verbindung der Buſchhecken mit hoch-
ſtämmigen Bäumen bietet überdies den Vortheil, daß die Hecke auch dann noch, wenn
das Unterholz abgehauen iſt, durch die Hochſtämme Schutz gewährt und umgekehrt.
Für ſehr dem Winde ausgeſetzte Gegenden umpflanzt man die Grundſtücke ſelbſt
mit hochſtämmigen Bäumen, welche zu Baumhecken zuſammengeſtellt werden. Die
Richtung dieſer Baumhecken wird ſtets gegen den herrſchenden Wind geſtellt. Außer-
dem werden noch über quer Baumhecken angelegt, und zwar ſo, daß das ganze Gut in
eine Mehrzahl von Abtheilungen getheilt wird. Je kleiner dieſe ringsum von Baum-
hecken eingeſchloſſenen Abtheilungen (von 6—45, gewöhnlich 12—28 Hektar) ſind,
um ſo mehr ſchützen dieſelben, allerdings ſteigern ſich damit durch die größere Aus-
dehnung die Koſten der Anlage und die Inanſpruchnahme des Bodens.
Die Anlage aller dieſer verſchiedenen Hecken geſchieht entweder auf ebener Erde
oder auf kleinen Erdwällen. Im letzteren Falle wird zur Bildung des Walles zu
jeder Seite deſſelben oder nur auf einer Seite ein Graben ausgehoben, welcher dann
die Verbreitung der Baumwurzeln in das Ackerland verhindert. Der ausgehobene
gute Boden wird zweckmäßig obenauf in die Mitte des Dammes gelegt, woſelbſt
dann die Bäume ihren Platz finden. Wird die Hecke auf ebenes Land geſtellt, ſo
wird der Boden, nachdem die Richtung der Heckenanlage abgeſteckt, auf 1 Meter
Breite 0.5 Meter tief gelockert und unter Umſtänden auch gedüngt. Im zeitlichen
Frühjahre wird der vorbereitete Boden mit 2 Cm. ſtarken, vor dem Einſetzen auf
0.15 Meter Länge zurückgeſchnittenen, 2—3jährigen Holzpflanzen bepflanzt, indem
bei dem Umſpaten oder Umpflügen des Bodens die Stummelpflanzen gleich mit unter-
gebracht werden, wenn man nicht etwa das Einſetzen in Löcher vorzieht. Zur An-
lage von Baumhecken nimmt man Bäumchen, welche bereits mannshoch geworden.
Die Buſchhecken werden meiſt in zwei 25 Cm. von einander entfernten Reihen
angelegt, in welche die Stummelpflanzen auf 30—40 Cm. abwechſelnd eingeſetzt
werden. In den erſten Jahren iſt die Hecke ſorgfältig von Unkraut rein zu halten
und zu lockern. Im zweiten Frühjahre (Anfang März) werden die Pflanzen ſämmt-
lich auf 5—6 Cm. Länge zurückgeſchnitten, damit ſie möglichſt viel Seitenzweige
entwickeln, die ſpäterhin zur Verdichtung der Hecke bei kleineren Anlagen übereinander
gebogen und ineinander verflochten werden können.
[91]Die Bodenbearbeitung.
V.
Die Bodenbearbeitung.
Bezweckt die im Capitel IV erläuterte Melioration eine durchgreifende und
dauernde Aenderung der Bodenbeſchaffenheit, um damit den Pflanzenſtandort bleibend
zu verbeſſern, ſo ſucht dagegen die Bodenbearbeitung jene periodiſchen Aenderungen
in der Bodenbeſchaffenheit wieder auszugleichen, welche durch die Benutzung des Bodens
zur Pflanzencultur hervortreten. Jede Pflanze hinterläßt nach der Ernte den Boden
nicht nur — um den Betrag der von ihr aus dem Boden aufgenommenen Aſchen-
beſtandtheile — nährſtoffärmer, ſondern auch in einem ungünſtigeren phyſikaliſchen
Zuſtande. Während des Verweilens der Pflanze am Felde wird der Boden aus-
getrocknet und die Einwirkung der Kohlenſäure und des Sauerſtoffes der Luft, oder
die Verwitterung beeinträchtiget; der Boden „verſchließt“ ſich nach der Ausdrucks-
weiſe des praktiſchen Landwirthes.
Die Bodenbearbeitung iſt das emfachſte und billigſte Mittel, um dieſe, wenn
auch im Verlaufe einer Vegetation nur geringe Verſchlechterung des Bodens wieder
aufzuheben. Durch die mechaniſche Bearbeitung des Bodens werden der Kohlenſäure
und dem Sauerſtoff der Luft neue Angriffspunkte geboten, daher die Verwitterung
der alkaliſchen Thonerdeſilicate beſchleunigt, und ſomit, allerdings auf Koſten der ge-
bundenen Bodennährſtoffe, neue aſſimilirbare Pflanzennahrung geſchaffen. Außerdem
wird der phyſikaliſche Zuſtand des Bodens, welcher ſich durch die Vegetation der
Culturpflanzen verſchlechtert hat, durch die Lockerung bei der Bearbeitung wieder
in den Stand geſetzt.
Mit Rückſicht auf die folgende Pflanze ſucht die mechaniſche Bearbeitung den
Boden vorerſt zur Aufnahme der Pflanzenſamen und weiterhin zum Tragen einer
Vegetation von Culturpflanzen geeignet zu machen. In erſterer Hinſicht wird durch
das Aufbrechen der dicht gewordenen Bodenoberfläche möglich gemacht, daß der in den
Boden gebrachte Samen ſicherer die Bedingungen zum Keimen findet. In letzterer
Hinſicht werden durch die Lockerung des Bodens, welche die Bodennährſtoffe für die
Pflanzenwurzeln zugänglicher macht und eine Verbeſſerung des phyſikaliſchen Boden-
zuſtandes nach ſich zieht, die Bedingnngen für das weitere Fortkommen der Pflanzen
nach Möglichkeit geſichert.
Erfolgt die mechaniſche Bearbeitung lange vor der Wiederbeſtellung des Feldes,
ſo tritt die Abſicht, den Vorrath an aufnehmbarer Pflanzennahrung durch Beförde-
rung der Verwitterung zu vermehren, in den Vordergrund. Sie wird erreicht ent-
weder durch ein derartiges Wenden des Bodens, daß eine möglichſt große Ober-
fläche deſſelben und immer neue Bodentheilchen aus der Tiefe den Verwitterungseinflüſſen
preisgegeben werden, oder durch das Miſchen der Boden- und Düngertheilchen, durch
welches der Stoffumſatz lebhafter geſtaltet wird.
Neben dieſen in erſter Linie verfolgten Zwecken der Bodenbearbeitung ſucht man
durch dieſelbe den Boden auch zu verdichten, oder deſſen Oberfläche eine beſtimmte Form
[92]Allgemeine Ackerbaulehre.
(Beete, Kämme ꝛc.) zu geben, den Samen, den Dünger unterzubringen, den Boden
von Unkräutern und Ungeziefer zu reinigen oder man verfolgt durch die Bearbeitung
beſondere Culturzwecke, welche mit der Saat, Pflege und Ernte der Pflanzen im Zu-
ſammenhange ſtehen. Je nach der Zeit kann die Bodenbearbeitung vor, während oder
nach der Saat vorgenommen werden. Die Bodenbearbeitung zu den beiden letzteren
Zeitpunkten wird ſpäterhin bei der Saat, Pflege und Ernte beſprochen werden. Hier
beſchränken wir uns nur auf die Bodenbearbeitung im engeren Sinne, wie ſie vor
der Saat zur Ausführung gelangt.
Ein richtiges Verſtändniß der Bodenbearbeitung wird durch die genaue Bekannt-
ſchaft mit den verſchiedenen Bodenbearbeitungsgeräthen vermittelt. Es wird daher
geboten ſein, erſt dieſe und dann jene zu beſprechen.
Im Allgemeinen unterſcheiden ſich die Geräthe je nach der Kraft, welche ſie in
Bewegung ſetzt, in Hand-, Spann- oder Dampfculturgeräthe. In Bezug auf den
Gebrauch dieſer Kräfte gilt der Grundſatz, daß man niemals einen Menſchen ver-
wenden ſoll, wo das Thier arbeiten kann und niemals die thieriſche Zugkraft in Ge-
brauch nehmen ſoll, wenn der Dampf (Wind, Waſſerkraft) benutzt werden kann. Nach
Birnbaum 1) hat man berechnet, daß gegenwärtig die Arbeitseinheit durch den Menſchen
geleiſtet, im Durchſchnitte 6 bis 7mal theuerer kommt, wie durch Spannvieh und 40
bis 60mal theuerer, wie durch Dampfkraft bewirkt.
Die Zahl der Geräthe und Maſchinen 2), welche zur Vorbereitung des Bodens
zur Verwendung gelangen, iſt eine bedeutende. Trotz der Mannigfaltigkeit ihrer
Formen beruht ihre Wirkſamkeit immer wieder nur auf einer Lockerung, Wendung,
Miſchung des Bodens oder auf einer Verdichtung, Formung, Klärung deſſelben. Um
die Ueberſicht über die gebräuchlichſten Bodenbearbeitungsgeräthe zu erleichtern, geben
wir je nach ihrer verſchiedenen Wirkungsweiſe nachfolgende Zuſammenſtellung:
1. Die Handgeräthe zur Bodenbearbeitung.
Die Handgeräthe für Bodencultur finden die umfaſſendſte Anwendung bei der
gartenmäßigen Hochcultur, bei der Cultur ſehr werthvoller Pflanzen und bei land-
wirthſchaftlichen Unternehmungen ſo geringer Ausdehnung, daß die Zugkraft eines
Thieres nicht ausreichend beſchäftigt werden kann. In allen übrigen Fällen, beſonders
bei größerer Ausdehnung der Beſitzungen, ſchütterer Arbeiterbevölkerung, hohen Preis
der menſchlichen Arbeitskraft läßt ſich eine große Zahl der landwirthſchaftlichen
Arbeiten billiger durch die Spannkraft ausführen. Ganz entbehrlich werden jedoch
die Handgeräthe zur Bodencultur nur in den ſeltenſten Fällen.
1. Der Spaten.
Der Spaten, das Grabſcheit oder die Stichſchaufel beſteht aus dem Stiel
und dem Blatte. Stiel und Blatt werden bei Spaten, welche zum Ausheben von
Gräben oder zur Bearbeitung eines lockeren Bodens dienen, nicht ſo maſſiv
gemacht als wie bei Spaten, welche zum Roden oder zur Bearbeitung eines feſten,
zähen, ſteinigen Bodens verwendet werden. Für alle Fälle ſoll jedoch der Spaten
möglichſt dauerhaft hergeſtellt werden. Das dauerhafteſte Material zu den Spaten-
ſtielen gewährt natürlich gewachſenes, ungeſpaltenes zähes Holz von Hainbuchen,
Weißdorn, Apfelbaum, Rothbuche ꝛc. Das Blatt beſteht entweder mit dem Stiel
aus einem Stück Holz oder aus Eiſen. Hölzerne Spaten, welche zur [Verringerung]
der Abnutzung an den Kanten mit Blech beſchlagen werden, können nur in lockeren
Bodenarten gebraucht werden. Für feſteren Boden verwendet man für das Blatt
Schmiedeeiſen, in neuerer Zeit auch hämmerbares Gußeiſen mit verſtählter Spaten-
ſchneide oder Gußſtahl.
Der Spatenſtiel darf nicht zu lang ſein, gewöhnlich macht man denſelben
70—80 Cm. lang. Zur Erleichterung der Handhabung verſieht man ihn mit einem
entſprechenden Handgriff, einem Knopf oder mit dem bei engliſchen Spaten gewöhnlichen
ohrartigen Handgriff (Fig. 17, S. 79).
Die Form des Blattes iſt entweder dreieckig oder viereckig. Im erſteren Falle
iſt die Spatenarbeit weniger anſtrengend aber unvollkommener. Vollkommenere
Arbeit läßt ſich mit dem viereckigen nach unten zulaufenden, oben 20—25 Cm. unten
18—20 Cm. breiten Blatte verrichten. Die Länge des Blattes beträgt 25—40 Cm.
Zur Erleichterung der Arbeit wird bei dem engliſchen Spaten der obere Rand des
Blattes umgebogen, oder ein beſonderer Steg angebracht, damit der Arbeiter auch
mit dem Fuße das Blatt in den Boden drücken kann.
Eine beſondere Aufmerkſamkeit verdient die Verbindung des Blattes mit dem
Stiele. Bei dem deutſchen Spaten wird das zugeſchärfte Stielende durch eine dem
Blatte angeſchweißte Oeſe geſteckt und mit einem Nagel befeſtigt. Dieſe Verbindung
iſt nicht nur unſicher, ſondern vermehrt auch durch das bis zur Mitte des Blattes
2)
[94]Allgemeine Ackerbaulehre.
vorgeſchobene Stielende den Widerſtand beim Eindringen des Spatens in den Boden.
Sicherer und zweckmäßiger iſt die Befeſtigung des Stieles zwiſchen zwei von dem Blatte
ausgehende Schienen, wie dies häufig am engliſchen Spaten (Fig. 17, S. 79) vorkommt.
Bei dem Gebrauche des Spatens wird das Blatt deſſelben bis zu einer Tiefe
von 0.25 M. in den Boden hineingeſtochen, das etwa 0.5 M. breite Erdſtück von
ſeiner Unterlage abgeriſſen und das losgetrennte Erdſtück durch eine Drehung des
Spatens derart in den geöffneten Boden geworfen, daß der benarbte Theil desſelben
auf die Sohle des abgegrabenen Landes kommt. Das Umwenden erfolgt daher bei
guter Spatenarbeit viel vollkommener als mit dem gewöhnlichen Pfluge. Durch
das Abſtechen, Losreißen und Umlegen wird die Erde gleichzeitig, neben dem Wenden,
kräftig gelockert. Nach dem Umſtechen bildet der Boden eine ebene Fläche, welche, um
das Feld nicht zuſammenzutreten, unter einem mit dem Rechen verkleinert und von
den hervorgebrachten Wurzeln und Unkräutern ꝛc. gereinigt wird. Bei aller Voll-
kommenheit der Spatenarbeit fördert dieſelbe nur ſehr wenig, da je nach der Boden-
beſchaffenheit, dem Feuchtigkeitsgehalt des Bodens zum Graben eines Hektares auf
0.25 M. Tiefe 50—120 Arbeitstage à 10 Stunden erforderlich ſind. In einem Tage
ſpatet daher ein Mann 0.83—2.00 Ar. Bei einer Leiſtungsfähigkeit von 60
Arbeitstagen à 1 Mark (50 Kr.) koſtet demnach das Umſpaten per 1 Hektar 60 Mark
(30 fl.). Wird eine größere Tiefe durch das ſog. Doppelſpaten, mit zwei verſchieden
tiefen Spatenſtichen genommen, wie bei dem Graben von Weinbergen, Hopfengärten ꝛc.,
ſo erhöhen ſich die Koſten der Bearbeitung oft bis zum 4fachen, da der Boden in der
Tiefe feſter und ſchwieriger zu bearbeiten iſt. Unter gewöhnlichen Verhältniſſen be-
ſchränkt man daher die koſtſpielige Anwendung des Spatens zur Bodenbearbeitung
nur auf jene Fälle wo es nicht leicht thunlich ein Spanngeräth zu verwenden. So
werden die ungepflügt bleibenden Bodenſtreifen an den am Rande oder im Felde
ſtehenden Bäumen geſpatet. Feldecken, Bodenſtreifen entlang von Gräben, Hecken u. dgl.,
ſehr kleine Feldparzellen können oft nur ſchwierig mit dem Pfluge bearbeitet werden,
ſie müſſen daher geſpatet werden.
2. Die Grabgabel und die Haue.
An Stelle des Spatens verwendet man in England zur Bearbeitung ſtark ge-
bundener Thonböden die Grabgabel. Dieſelbe gleicht vollkommen dem Spaten,
nur daß deren Blatt 1—2 Mal geſchlitzt iſt, ſo daß zwei, häufiger drei, flache
gegen das Ende zugeſchärfte und gut verſtählte Zinken gebildet werden. Mit dieſem
Handgeräthe wird der Boden mit geringerer Beſchwerlichkeit kräftig gelockert, aber
nur unvollkommen gewendet. Die Leiſtungsfähigkeit eines Arbeiters beträgt mit der
Grabgabel 1—2.5 Ar. Die Grabgabel, beſonders die zweizinkige wird auch dazu
verwendet, um den feſten Untergrund in der geöffneten Pflugfurche kräftig aufzulockern.
Auf ſteinigem Boden und ſteilen Hängen verwendet man anſtatt des Spatens
und der Grabgabel, welche nicht mehr zur Bearbeitung ausreichen die Haue. Die-
ſelbe beſtehet aus einer an einem 50 Cm. langen Stiele befeſtigten verſchieden ge-
ſtalteten Klinge, welche bis zu 5 Kilogramm ſchwer iſt. Zum Umarbeiten von
[95]Die Bodenbearbeitung.
Waldland, vergrastem Boden, bedient man ſich ſehr ſtarker Hauen (Rodhauen), deren
Klinge entweder auf der einen Seite ein Beil bildet und auf der andern Seite in
eine 5—8 Cm. breite Schärfe ausläuft oder eine horizontale und vertikale Schneide
beſitzt. Für ſehr ſteinigen und harten Boden verwendet man die Spitzhacke, den
Pickel. Bei der Weinbergshaue iſt das Blatt oft ſo breit als wie bei dem Spaten,
nur daß es nicht in der Verlängerung des Stieles, ſondern im ſpitzen Winkel mit
dieſem befeſtigt iſt. Dieſelbe bildet den Uebergang zu den Hackgeräthen.
Bei dem Gebrauche der Haue geht der Arbeiter nicht wie bei dem Umſpaten
rückwärts, ſondern vorwärts, indem er
die aufgehackte Erde an ſich zieht. Die
Arbeit geht ſchneller vor ſich als mit
dem Spaten, da der Boden zwar
kräftig gelockert, aber nur unvollkom-
men gewendet wird. Mit der Haue
vermag der Arbeiter in einem Tage
je nach der Bodenbeſchaffenheit 1.5 bis
3 Ar umzuarbeiten. Für die Kartoffel-,
Der Karſt.
die Weincultur ꝛc. leiſtet der Zweiſpitz oder Karſt, Fig. 21, vorzügliche Dienſte, ob-
gleich ſeine Handhabung anſtrengend iſt.
2. Der Haken.
Anſtatt des Pfluges wird in vielen öſtlichen Ländern, vereinzelt auch in den
öſterreichiſchen Alpenländern der Haken und die Zoche zur Bodenbearbeitung be-
nutzt. Beide Geräthe laſſen unſchwer vermuthen, daß ſie durch Umwandlung der
Handhaue und des Karſtes in Spanngeräthe entſtanden ſind. Aufrecht geführt, be-
ſteht ihre Arbeit in einem Durchwühlen des Bodens, welcher dann ohne gewendet
zu werden, ſeitlich aufgehäuft wird. Etwas geneigt gegen die Furchenſeite gehalten,
läßt ſich durch den Haken neben einer kräftigen Lokerung auch ein unvollkommenes
Wenden ähnlich wie bei den Schüttpflügen erreichen. Die Furchenſohle wird dabei
nicht eben, ſondern kammförmig aufgeriſſen. Jedenfalls ſteht die Hakenarbeit der
Pflugarbeit beträchtlich nach. Es wird daher der Haken, trotzdem er leichter zu führen,
weniger Zugkraft erfordert und billiger herzuſtellen iſt, ganz ſicher im Laufe der Zeit
von dem vollkommneren Pfluge verdrängt werden.
Verwendet man in einer Gegend gleichzeitig Pflug und Haken, ſo wird letzterer
vorzüglich zum Ruhren der Sturzfelder, zum Legen, Bearbeiten und Ausnehmen der
Kartoffeln ꝛc. gebraucht. An ſteilen und ſteinigen Lehnen oder dort, wo der Haken
nur allein verwendet wird, wie in Mecklenburg, in den Oſtſeeländern, in Rußland
iſt er jedoch das einzige Werkzeug zu allen Pflugarbeiten.
Der Haken (ſlaviſch Radlo, Ralo) kann je nach ſeiner Unterſtützung, wie der
Pflug als Schwing-, Stelz- oder Vordergeſtellhaken gebraucht werden. Je nach dem
Vorhandenſein eines Streichbrettes und der Anzahl (1 oder 2) der Schare unter-
ſcheidet man: den Ruhrhaken, Krümmelhaken, Streichhaken und die Zoche.
[96]Allgemeine Ackerbaulehre.
Der Ruhrhaken beſitzt kein Streichbrett, ſondern nur, wie alle Haken, ein
ſpitzes oder breites zweiſchneidiges, in der Mittellinie des Pfluges angebrachtes Schar,
welches durch eine Griesſäule mit dem Hakenbaume verbunden iſt. Als Beiſpiel
nennen wir den ſchleſiſchen Sprunghaken, den polniſchen Ruhrhaken und den Danziger
Karrhaken. Letztere beiden beſitzen zwei hohe Räder, zwiſchen welchen das Schar an-
gebracht iſt.
Der Krümmelhaken, am vorzüglichſten repräſentirt durch den Mecklenburger
Haken oder den in der Umgegend von Saaz gebräuchlichen Perzhaken beſteht aus
einem Schar (Hakeiſen), in deſſen Fortſetzung auf der Griesſäule (Krümmel) das
Streichbrett (Hakbrett) derart aufliegt, daß es zu gleichen Theilen über die Mittel-
linie des Geräthes hervorragt. Die Sohle (Höft), eine oder zwei Sterzen, und der
Hakbaum vervollſtändigen das Gerätye. Durch Schrägſtellen des Hakens auf der
zweikantigen Sohle kann ein mittelmäßiges Wenden des Bodens erzielt werden.
Häufig wird mit dieſem Haken, wenigſtens in der Saazer Gegend, das Feld in
Kämmen bearbeitet.
Der Streichhaken, in Steiermark und Kärnten Aadl genannt. bildet den
Uebergang der Krümmelhaken zu dem Pfluge, indem an dieſem ein oder zwei Streich-
flügel oft nur in Form kurzer Holzpflöcke angebracht werden.
Die Zoche kann als ein Ruhr- oder Krümmelhaken mit getheiltem Schar be-
trachtet werden. Am weiteſten verbreitet iſt, von der chineſiſchen abgeſehen, die
ruſſiſche und polniſche Zoche. Am vollkommenſten iſt noch die oſtpreußiſche Zoche und
die Stagutte.
3. Der Pflug.
Der Pflug dient, wie der Spaten, zur Ausführung der Bodenbearbeitung, eine
der wichtigſten landwirthſchaftlichen Arbeiten, von welcher das Gedeihen der Saat
und das Wachsthum der Pflanzen abhängt und mit welcher die Zugthiere des Land-
wirthes am meiſten beſchäftigt werden, da jedes Feld mindeſtens einmal im Jahre
gepflügt werden muß. Gegenüber dem Spaten erweiſt ſich der Pflug als viel leiſtungs-
fähiger, indem er nicht nur durch die ausgiebigere Zugkraft der Thiere in Bewegung
geſetzt wird, ſondern auch die Arbeit des Abſchneidens und des Umwendens des Erd-
Hohenheimer Schraubenpflug. (Furchenſeite.) — a. Schar,
b. Streichbrett, f. Griesſäule, d. Sohle, c. Sech; e. Pflugbaum; g. Sterze.
ſtreifens nicht in zwei
getrennten Operatio-
nen wie der Spaten
ſondern unter einer
ausführt. Bei der
Wichtigkeit, welche
dem Pfluge in der
Landwirthſchaft zu-
kommt, verdient der-
ſelbe eine eingehendere
Beſprechung.
[97]Die Bodenbearbeitung.
Der weſentlichſte Theil des Pfluges iſt der Pflugkörper, Fig. 22 abdf, (ſ. vor-
ſtehend), welcher durch den Pflugbaum e, und die Zugvorrichtung, Fig. 23 ik, mit
der Zugkraft ver-
bunden iſt. Von dem
Pflugkörper verrich-
ten das Schar a und
das Streichbrett b
die eigentliche Pflug-
arbeit, während die
übrigen Theile des-
ſelben, die Gries-
ſäule f, die Land-
ſeite (der ausgeſparte
Raum zwiſchen efad
Hohenheimer Schraubenpflug (Landſeite). — a—g wie bei Fig. 22.
i Regulator, k Zughaken; lm Schleifſtelze; Gewicht 40 Kilogr. Preis 50 Mark,
25 Gulden.
in Fig. 23) und die Sohle d zur Verbindung des Schars und Streichbrettes mit
dem Pflugbaume dienen.
Zuweilen wird durch das Schälſchar (Fig. 30, S. 102) und das Sech c die
Arbeit des Pflugkörpers vorbereitet.
Der Pflugbaum verbindet ſämmtliche Pflugtheile zu einem Ganzen. An dem-
ſelben ſind rückwärts die Sterzen oder Handhaben g zur Führung des Pfluges und
vorn die Zugvorrichtung angebracht. [Dieſe] letztere beſteht wieder aus der Stell-
(Regulator Fig. 23 i), der Unterſtützungs- (Vordergeſtell ꝛc lm) und der Anſpann-
vorrichtung k.
1. Die Wirkungsweiſe des Pfluges.
Die Arbeit des Pfluges wird leichter verſtändlich, wenn die einzelnen Arbeits-
momente: 1. das Abſchneiden, 2. das Umwenden und 3. das Lockern eines Erd-
ſtreifens, trotzdem ſie zu gleicher Zeit ausgeführt werden, getrennt betrachtet werden.
Das Abſchneiden des Erdſtreifens erfolgt nach zwei Richtungen. Gewöhnlich
wird der Boden zuerſt mit dem Sech oder auch mit der vorderen Kante des Pflug-
körpers vertical in der Richtung AC, Fig. 24, 25 u. 26 (ſ. S. 98), abgetrennt und
dann mit dem Schar horizontal, Fig. 24 u. 26 AB, oder etwas geneigt Fig. 25 AB
abgeſchnitten.
Die Geſtalt des durch den Pflug bearbeiteten Erd- oder Furchenſtreifens wird
durch die Tiefe u. Breite des Abſchneidens oder der Furchentiefe und Furchenbreite
beſtimmt. Bei einer gewiſſen Breite und Tiefe wird die größte Erdmaſſe der Luft
ausgeſetzt, wie ſpäter weiter ausgeführt werden ſoll. Vorläufig erwähnen wir, daß
18 Cm. als mittlere Tiefe und 25 Cm. als mittlere Breite angeſehen werden
können, bei welcher jene Abſicht am vollkommenſten erreicht wird. Am häufigſten
bildet der Furchenſtreifen im Querſchnitt ein Rechteck, Fig. 24 u. 26, ſeltener ein
Quadrat oder ein Trapez, Fig. 25. Letztere Form des Furchenſtreifens benöthigt
bei gleicher mittlerer Furchentiefe mehr Zugkraft, indem das Schar einen längeren
Krafft, Lehrb. d. Landw. I. 7
[98]Allgemeine Ackerbaulehre.
Schnitt, Fig. 25 AB, gegen Fig. 24 AB, zu machen hat. Die Form des Furchen-
ſtreifens nimmt weſentlichen Einfluß auf die weitere Pflugarbeit und beſtimmt die
Beſchaffenheit der Oberfläche des gepflügten Landes.
Fig. 24, 25 und 26 Querſchnitte durch verſchiedene Furchenſtreifen und Darſtellung ihrer Bildungs-
weiſe. — Fig. 24 Kantfurchen; Fig. 25 Kammfurchen; Fig. 26 Glattfurchen (ſ. d. Text.)
Das Umwenden des abgeſchnittenen Erdſtreifens wird mit dem Streichbrette
ausgeführt, welches die Streifen entweder dachförmig aufeinander, Fig. 24 u. 25,
oder nebeneinander, Fig. 26, hinlegt. Durch das Umwenden ſoll nicht nur die
Narbe in den Boden gebracht werden, ſondern gleichzeitig der über die Bodenebene XY
hervorragende, der Luft ausgeſetzte Bodentheil die größte Maſſe, im Querſchnitte die
größte Oberfläche, beſitzen.
Dieſe größte Oberfläche wird bei einem rechtwinkeligen Furchenſtreifen
(Kantfurche) erreicht, wenn der hervorragende Kamm, Fig. 24 C1EF, im Quer-
ſchnitte ein gleichſchenkeliges Dreieck bildet. Es iſt dies für eine beſtimmte Furchen-
tiefe nur möglich, wenn die Furchenbreite 1.414 mal der Furchentiefe 1) genommen
wird; der Furchenſtreifen wird dann mit einer Neigung von 45 ° hingelegt. Iſt
[99]Die Bodenbearbeitung.
daher in unſerem Falle (Fig. 24) die Furchentiefe 18 Cm., ſo wird die vortheil-
hafteſte Furchenbreite 25.4 Cm. ausmachen.
Die Wendung des Furchenſtreifens erfolgt zuerſt um 90 °; er kommt dabei aus
der Lage ABCD allmälig in die Lage A2BC2 D2 und A3BC3D1, während der
Schwerpunkt des Furchenſtreifens von O bis P ſteigt und wieder bis Q fällt.
Weiterhin wird der Erdſtreifen nicht mehr um den Punkt B ſondern um den Punkt
D1 um 45 ° gedreht, während der Schwerpunkt neuerdings bis R gehoben wird, um
ſchließlich wieder bis S zu fallen. Die Geſammtdrehung des Erdſtreifens, während
welcher der Schwerpunkt von O—S rückt, beträgt ſomit 135 °.
Wird der Boden nicht horizontal ſondern geneigt gegen die Furchenſeite, Fig. 25
AB, abgeſchnitten, ſo erhält der Furchenſtreifen eine trapezoidiſche oder ſpitz-
winkelige Form (Kammfurche). Die größte Querſchnittsfläche der über die Boden-
ebene hervorragenden Kammfurche ergiebt ſich bei einer Tiefe von 18 Cm. dann,
wenn die Breite des Erdſtreifens 23.5 Cm. beträgt. Bei gleicher Tiefe mit den
rechtwinkeligen Furchenſtreifen an der Landſeite bleibt bei jeder Kammfurche das
Bodendreieck ABH = 4 × 23.5:2 = 47 □Cm. ungelockert. Außerdem müſſen bei
der um 2 Cm. geringeren Furchenbreite für die gleiche Feldbreite mehr Furchen auf-
geworfen werden. Gegenüber dieſen Nachtheilen verſchwindet der Vortheil, daß mehr
Erde über der Bodenebene der Luft ausgeſetzt wird, und daß der breitwürfig geſäete
Same tiefer mit Erde bedeckt wird, wenn die Kämme mit der Egge zugezogen werden.
Bei den rechtwinkeligen 12.75 Cm. hohen Furchen wird der Same 6.37 Cm. (Fig. 24
KF = ½ EI) und bei den ſpitzwinkeligen 13.63 Cm. hohen Furchen 6.81 Cm.
(Fig. 25 KF = ½ EI), mit Erde bedeckt.
Bei beiden Furchenformen bilden ſich im Boden durch das Aufeinanderlegen
der Erdſtreifen Hohlräume, welche als Luftkanäle die Verwitterung des Bodens be-
fördern können. Haben ſich jedoch dieſelben bis zur Saatbeſtellung nicht mit ab-
bröckelnder Erde gefüllt, hat ſich der Boden nicht geſetzt, ſo können dieſe Lücken leicht
für das Wachsthum der Pflanzenwurzeln hinderlich werden.
Das Umwenden kann auch in der Weiſe vorgenommen werden, daß die Furchen-
ſtreifen nebeneinander zu liegen kommen, ohne daß rauhe Furchen gebildet werden.
Es läßt ſich dies erreichen, wenn ein im Querſchnitte quadratiſcher Furchenſtreifen
um 90 ° gedreht oder ein rechtwinkeliger oder quadratiſcher Furchenſtreifen um 180 °
gedreht neben einander gelegt wird. Im letzteren Falle wird ein vollſtändiges Um-
drehen des Erdſtreifens, wie bei der Spatenarbeit erzielt, indem die benarbte Seite
auf die Furchenſohle, die untere Seite AB des Furchenſtreifens nach aufwärts in die
Lage A1B1 gebracht wird. Der gepflügte Boden bildet dann, wie im Querſchnitte
Fig. 26, eine glatte Fläche. Dieſe Form der Pflugarbeit kann mit jedem Pfluge
am leichteſten mit den ſog. Glatt- und Wechſelpflügen ausgeführt werden. Die
Glattfurche bietet den Vortheil, daß die Narbe vollkommen in den Boden gebracht
wird, und daß der am meiſten von der Luft abgeſchloſſen geweſene Boden nach auf-
wärts gebracht, dem Einfluſſe der Verwitterungsagentien ausgeſetzt wird. Außer-
dem werden die Hohlräume, welche bei der in den Fig. 24 u. 25 dargeſtellten Pflug
7*
[100]Allgemeine Ackerbaulehre.
arbeit entſtehen, beſeitigt. Da die Furchen neben einander gelegt werden, ſo iſt es
auch nicht wie dort erforderlich, beim Zuſammenſtoßen zweier Beete Doppelfurchen
offen ſtehen zu laſſen. Dieſe Pflugarbeit iſt deshalb beſonders bei allen thätigen
Bodenarten die leicht zum Austrocknen hinneigen, unbedingt jeder anderen vorzuziehen.
Das dritte Moment, welches bei der Arbeit des Pfluges Beachtung verdient, iſt
das Lockern des Bodens. Das Lockern und das Umwenden des Erdſtreifens ſind
zwei Verrichtungen des Pfluges, welche ſich entgegen ſtehen, indem ein Pflug, der gut
lockert, ſchlecht oder gar nicht wendet, wie die Krümel- oder Schüttpflüge. Um-
gekehrt wird ein Pflug, der die Erdſtreifen vortrefflich umlegt, den Boden nicht ge-
nügend lockern. Ob der Boden mehr gelockert oder vollkommener gewendet wird,
hängt davon ab, ob das Umlegen des Erdſtreifens um 135 ° bei den gewöhnlichen
Beetpflügen oder um 180 ° bei den Glattpflügen plötzlich oder ſehr ſanft erfolgt.
Plötzlich wird der Erdſtreifen umgelegt, wenn der Pflug mit einem großen Winkel
etwa mit 45 ° in den Boden eindringt, daher bald, allerdings mit verhältnißmäßig
größerem Kraftaufwande, die nöthige Drehung des Erdſtreifens unter gleichzeitigem
Zerbrechen und Krümeln deſſelben vollführt. Langſam und ohne viel in ſeinem Zu-
ſammenhange geſtört zu werden, wird der Furchenſtreifen umgelegt, wenn der Pflug
mit ſehr ſpitzem Winkel in den Boden eindringt. Gegenüber dem erſten Falle muß
jedoch das Streichbrett dann viel länger ſein, damit der Erdſtreifen um 135 ° ge-
dreht werde. Iſt das Streichbrett übermäßig lang, ſo vermehrt ſich jedoch die Be-
laſtung durch den länger auf dem Pfluge ruhenden Erdſtreifen und erhöht ſich auch
die Reibung. Bei welcher Länge die Widerſtände am geringſten ausfallen, iſt bisher
theoretiſch noch nicht feſtgeſtellt 1).
2. Die Beſtandtheile des Pfluges.
1. Das Sech (Meſſer, Pflugmeſſer, Kolter, Fig. 27). Das Sech, welches
gewöhnlich die Form eines großen Meſſers beſitzt, hat die Beſtimmung den Boden
Pflug-
Sech von Ran-
ſomes, Sims \&
Heab—Ipswich.
vor dem Schar in der erforderlichen Breite ſenkrecht abzuſchneiden.
In bindigem Boden iſt daſſelbe unentbehrlich, im loſem Boden ver-
richtet dagegen die vordere Kante des Pflugkörpers die Arbeit des dann
in Wegfall kommenden Seches. Bei guter Beſchaffenheit und richtiger
Stellung trägt es jedoch viel zur Reinheit des Furchenabſchnittes bei.
Das Sech wird gewöhnlich aus Schmiedeeiſen hergeſtellt und
die Schneide an der Laudſeite gut mit Stahl belegt, damit ſich das-
ſelbe beim Gebrauche ſelbſt ſchärft. Die Klinge iſt 6.5—8 Cm.
breit. Die Dicke des Meſſerrückens richtet ſich nach der Feſtigkeit
und Vernarbung des Bodens, für gewöhnliche Pflugarbeit wird die
Dicke zur Breite in dem Verhältniß von 1 : 4 genommen. Der
Querſchnitt des Meſſers bildet ein rechtwinkeliges Dreieck, deſſen eine
längere Seite platt an der Landſeite anliegt, damit der Abſchnitt
rein ausgeführt wird.
[101]Die Bodenbearbeitung.
Das Sech iſt vor dem Schar am Pflugbaume derart zu befeſtigen, daß es
leicht und unverrückbar in die entſprechende Lage gebracht und leicht zum Schärfen
weggenommen werden kann. Am unzureichendſten wegen der Schwächung des Pflug-
baumes iſt das Durchſchieben des kantigen oder runden Meſſerſtieles durch ein Loch
des Pflugbaumes, in welchem derſelbe durch Keile feſtgehalten wird. Sicherer und
vortheilhafter iſt die engliſche Befeſtigung in einer Laufbüchſe, Fig. 28, mit Stell-
ſchraube, oder die amerikaniſche (ſ. Fig. 38, S 106), bei welcher
das an den Pflugbaum angelegte Sech durch einen verſchraubten
Bügel feſtgehalten wird.
Die Stellung des Seches richtet ſich nach der Bodenbeſchaffen-
heit. Am leichteſten überwindet das Meſſer den Bodenwider-
ſtand, wenn es mit dem Pflugbaume, die Spitze nach vorwärts,
einen Winkel von 50—60 ° bildet. Bei ſtark mit Wurzeln
durchſetzten Boden wird ſich jedoch bei ſchräger Sechſtellung
der Winkel zwiſchen Sech und Pflugbaum mit Wurzelwerk,
Schmiede-
eiſerne Laufbüchſe zur
Befeſtigung des Pflug-
meſſers von J. \& F. Ho-
ward—Bedford.
welches an der Schneide emporgeſchoben wird, verſtopfen. In dieſem Falle empfiehlt
ſich eine mehr ſenkrechte Stellung, wenn auch dadurch das Eindringen des Pfluges
in den Boten erſchwert wird.
Die Spitze des Seches wird gewöhnlich ſo geſtellt, daß ſie um etwa 16 Cm.
vor und 2.5 Cm. höher als die Scharſpitze ſteht. Zweckmäßiger iſt es, das Sech
bis zur Tiefe der Sohle herabgehen zu laſſen, damit der Erdſtreifen zur vollen Tiefe
vertical durchſchnitten werde. Zur Verminderung der Reibung des Pflugkörpers an
der Landſeite ſtellt man das Sech etwas mehr in das Land hinein und zwar parallel
zur Landſeite des Pfluges. Um dieſe Stellung leicht ausführen zu können, giebt
man dem Schafte des Seches bei ſeinem Uebergange zur Klinge eine Biegung, die
gegen die Landſeite gerichtet wird (ſ. Fig. 22, S. 96).
Bei manchen amerikaniſchen Adlerpflügen, welche auf ſteinigen, vernarbten Böden
gebraucht werden, wird das Sech als Fortſetzung unmittelbar dem Schar auf der
Landſeite angeſetzt (Naſenſech). Für Moorböden, bei welchen
mit einem gewöhnlichen Sech der Erdſtreifen nicht geſchnitten,
ſondern nur emporgehoben wird, verwendet man ſog. Radſeche,
Fig. 29. Dieſelben beſtehen aus einer ſcharfrandigen Scheibe,
welche ſich bei der Fortbewegung des Pfluges in entgegengeſetzter
Richtung dreht und daher ſicher den Boden zerſchneidet.
Bei manchen engliſchen Pflügen, welche beſtimmt ſind, ver-
narbten Boden umzubrechen, wird vor dem Sech oder an Stelle
deſſelben ein Schälſech (Schälſchar, Skim, Fig. 30 ſ. S. 102)
angebracht. Durch daſſelbe, einem kleinen an einem Schafte be-
feſtigten Schar mit Streichbrett, wird die oberſte Bodenſchichte, die
Grasnarbe, Stoppel ꝛc. 4—5 Cm. tief abgeſchält und in die
vorangegangene Furche gelegt um dann ſicher durch den hinter ihm
umgelegten Furchenſtreifen mit Boden bedeckt zu werden.
Radſech von
Ranſomes Sims \& Head—
Ipswich.
2. Das Schar (Pflugeiſen, Fig. 31—33 ſ. umſtehend). Das Schar bildet
[102]Allgemeine Ackerbaulehre.
jenen weſentlichen Theil des keilförmig in den Boden eindringenden Pflugkörpers, welcher
die Aufgabe hat, den Erdſtreifen in der Tiefe vertical abzuſchneiden, etwas zu lüften
und dem Streichbrette zu übergeben. Das Schar erhält gewöhnlich die Form eines
Dreieckes oder wie bei dem Hohenheimer Pfluge die Geſtalt eines Trapezes, oder wie
bei den Wechſel- und Häufelpflügen eine pfeilförmige Geſtalt mit doppelten Schneiden,
Fig. 34 (ſ. S. 103). Manche Schare, welche in ſteinigem Boden arbeiten ſollen,
Schälſech (Skim),
wie Fig. 29.
erhalten meißelförmige Verlängerungen (Grignon Pflug).
Die Schneide des Schares bildet mit der Pflugſohle
einen Winkel von 20—60 °. Je kürzer der Pflugkörper und
je lockerer der Boden um ſo größer (bei dem Ruchadlo 60 °),
und je länger der Pflugkörper und je mehr Widerſtand der
Boden dem Eindringen des Schares entgegengeſtellt, um ſo
kleiner (bei dem Pflug von Kleyle 45 °, bei engliſchen
Pflügen 30 °) muß dieſer Keilwinkel genommen werden.
Die Breite des Schares variirt zwiſchen 16—30 Cm.
bei einer Länge von 26—30 Cm. Die ſchmälſten Schare,
Fig. 31, beſitzen die engliſchen Pflüge, welche den Erdſtreifen nicht vollſtändig vertical
Fig. 31, 32 u. 33 Pflug-
ſchare von Rauſomes, Sims
\& Head. — Fig. 31 für recht-
eckige Arbeit; Fig. 32 für
ſteinigen Boden; Fig. 33 zum
Schälen der Stoppeln ꝛc.
durchſchneiden, ſondern ein Stück an der Furchenſeite durch
Losreißen abtrennen. Die breiteſten Schare beſitzen die Land-
pflüge, der amerikaniſche Pflug von Nourſe ꝛc. Die Oberſeite
der Schare iſt zuweilen etwas gewölbt, damit ein allmäliger
Uebergang zum Streichbrette ſtattfindet. Aus demſelben
Grunde, damit keine unebene Fläche des Pflugkörpers der
Fortbewegung des Erdſtreifens Widerſtand leiſte, muß das
Schar möglichſt dicht mit dem Streichbrette zuſammengefügt
und die Schrauben, welche zur Befeſtigung des Schars an
dem Streichbrette dienen, verſenkt werden.
Das Schar, welches einer großen Abnützung unterliegt,
wird aus einem dauerhaften Materiale entweder aus Schmiede-
eiſen, Stahl oder Gußeiſen hergeſtellt. In England werden
die gegoſſenen Schare nach einer Erfindung von Robert Ran-
ſome zum Sebſtſchärfen eingerichtet, indem man ſie oben aus
weichem und unten aus hartem Guſſe anfertigt. Für zer-
brochene Schare muß ſtets eine entſprechende Anzahl von Reſerve-
ſcharen in Vorrath gehalten werden. Schmiedeeiſerne Schare,
welche ſich ſchneller als Gußſchare abnützen, ſind öfters zum
Schärfen von dem Pflugkörper abzunehmen, weshalb ſie nicht
etwa durch Nieten mit dieſem verbunden ſein dürfen. Eine
zweckmäßige Einrichtung beſitzt das Schar des Eckert'ſchen Ruchadlo's (Fig. 41, S. 108).
Der am meiſten der Abnützung unterliegende Theil, die Scharſpitze, beſteht bei dem-
ſelben für ſich aus einem verſtellbaren, meißelförmigen Stücke. Hat ſich der Meißel
bei der Arbeit abgenützt, ſo wird er entſprechend vorgeſchoben oder umgedreht und
das andere gleichfalls zugeſchärfte Ende verwendet.
[103]Die Bodenbearbeitung.
Die Stellung der Scharſpitze (Naſe) iſt für den Gang des Pfluges entſcheidend.
Gewöhnlich wird die Spitze um einige Millimeter (6—8) unter die Ebene der Pflug-
ſohle und kaum merklich gegen die Landſeite hin gebogen. Iſt die
Spitze zu ſtark nach abwärts gerichtet, ſo dringt der Pflug zu
viel in den Boden (geht auf der Naſe); im entgegengeſetzten Falle
hat er das Beſtreben, aus dem Boden herauszufahren. Bei
mehreren engliſchen Pflügen (von Ranſome, Howard) läßt ſich
die Scharſpitze nach Bedarf durch einen ſtellbaren Hebel ver-
ſchieden richten.
3. Das Streichbrett (Rüſter, Rüſterbrett) hat die Be-
ſtimmung den abgeſchnittenen Erdſtreifen meiſtens um 135 ° ſo
Schar zu dem
Häufelpflug von Ran-
ſomes, Sims \& Head.
umzulegen, daß ein möglichſt großer Bodentheil der Luft ausgeſetzt und der Boden
in verſchiedenem Grade gelockert werde. In welcher Weiſe das Umwenden des Erd-
ſtreifens vollbracht wird, wurde ſchon bei der Beſprechung der Wirkungsweiſe des
Pfluges näher ausgeführt. Am unvollkommenſten wird dieſe Wendung erzielt durch
ein gerades, plattes Streichbrett, wie ſolche noch bei Landpflügen vorkommen. Voll-
kommen und mit viel geringerem Kraftaufwande erfolgt das Umlegen des Erdſtreifens
durch ein gewundenes Streichbrett.
Die Dimenſionen des Streichbrettes nach Länge und Breite nehmen gleichfalls
darauf Einfluß ob der Furchenſtreifen vollkommener und langſamer oder ſchneller
(S. 100) umgelegt wird. Die Länge des Streichbrettes variirt bei verſchiedenen Pflügen
zwiſchen 26 und 160 Cm. Bei einem im Verhältniſſe zur Breite langen Streichbrette
genügt eine flache, ſanfte Windung, im Durchſchnitte bei einem, mit Inbegriff des
Schares, deſſen obere Fläche mit berückſichtigt werden muß, 135 Cm. langen Streich-
brette auf jeden Centimeter 1 Grad, um den Furchenſtreifen um 135 Grade zu drehen.
Der Erdſtreifen wird daher mit einem langen Streichbrette ſanft und vollkommen
umgelegt, aber nur wenig gelockert. Kurze Streichbretter krümeln dagegen den Boden
viel kräftiger, wenden aber unvollkommener. Letztere Streichbrettform kann wegen
der erforderlichen Steilheit der Windung mit vollem Erfolge nur in einem leicht
verſchiebbaren Boden verwendet werden.
Für einige der weitverbreiteſten Pflugformen, dem böhmiſchen Ruchadlo, Fig. 45 (I) dem
Hohenheimer Schraubenpflug, Fig. 22 u. 23 (II) und dem Pflug von Ranſome (III) er-
geben ſich die folgenden Dimenſionen des Streichbrettes:
Die Art der Windung des Streichbrettes läßt ſich theoretiſch nicht feſtſtellen,
da auf dieſelbe zu ſehr die Verſchiedenheiten des Bodens, welche durch die Aenderungen
des Feuchtigkeitsgehaltes noch vermehrt werden, Einfluß nehmen. Häufig formt
man das Streichbrett als den Abſchnitt einer Schraubenwindung (gewöhnlich 3/8
[104]Allgemeine Ackerbaulehre.
eines Schraubenumlaufes) entſprechend den Punkten A, A2, A3 u. A1, in Fig. 24
(S. 97), welche der Punkt A bei der Wendung des Erdſtreifens allmälig erreicht. Zweck-
mäßiger bleibt es jedoch, die Windung des Streichbrettes der Veränderung der Lage
des Schwerpunktes anzupaſſen. Mit Rückſicht auf dieſen muß die Hebung des Erd-
ſtreifens zwiſchen dem Schwerpunkte O und dem Punkte A der Landſeite erfolgen,
wenn eine Drehung des Erdſtreifens um B ſtattfinden ſoll. Im Anfange, bis der
Schwerpunkt von O nach P gehoben iſt, muß die Windung des Streichbrettes allmälig
zunehmen, darüber hinaus kann die Windung wieder abnehmen. Eine gleichmäßige
Schraubenwindung kann daher nicht als die zweckmäßigſte Form für das Streichbrett
angeſehen werden. Entſprechender iſt die Form einer lang gezogenen Spirale.
Am Anſchaulichſten wird die Windung des Streichbrettes dargeſtellt durch die Neigung
jener ſchrägen Linien, welche ſich ergeben, wenn man den Pflugkörper durch Ebenen ſenkrecht
auf die Sohlenfläche und die Landſeite durchſchneidet. Für das Ruchadlo (I), den Hohen-
heimer Pflug (II) und den Pflug von Ranſome (III) giebt Reitlechner 1) den Neigungswinkel
dieſer ſchrägen Linien für je 2 Zoll (5.25 Cm.) wie folgt an:
Von geringerem Einfluße auf die Arbeitsleiſtung des Streichbrettes iſt die Be-
ſchaffenheit der zur Windung des Streichbrettes angewendeten Fläche. Dieſelbe kann
entweder eben wie bei dem Hohenheimer Schraubenpflug, dem Kleyle'ſchen Pflug oder
hohl (concav) z. B. bei dem Ruchadlo, dem flandriſchen Pflug oder ausgebaucht
(convex) wie bei dem Grignon Pflug, dem Pflug von Ranſome ſein.
Die Streichbretter werden nur mehr ſelten aus Holz und mit Eiſenblech be-
ſchlagen angefertigt. Gewöhnlich nimmt man Schmiedeeiſen, welches im rothglühenden
Gußeiſerne Griesſäule von
Ranſomes Sims \& Head.
Zuſtande in einer Rüſterpreſſe in die richtige Form
gebogen wird. Noch ſicherer erhalten ihre Form
gußeiſerne Streichbretter, welche jedoch den Nachtheil
beſitzen, daß ſie leichter dem Bruche ausgeſetzt ſind.
In neuerer Zeit werden ſie daher von fein polirten,
ſtählernen Streichbrettern verdrängt.
4. Die Griesſäule (Pflugſäule), Fig. 35.
Dieſelbe dient zur Verbindung der einzelnen Theile
des Pflugkörpers (Schar, Streichbrett, Sohle) unter
[105]Die Bodenbearbeitung.
einander und mit dem Pflugbaume. Bei einigen Pflügen (Kleyle, Zugmayer—Wiener-
Neuſtadt, Vidats—Peſt) iſt ſie nicht wie gewöhnlich feſt, ſondern derart mit dem
Pflugbaume rerbunden, daß der ganze Pflugkörper zur Erreichung einer größeren
Furchentiefe geſenkt und gehoben werden kann.
5. Die Sohle (Schlitten) ſichert den ruhigen Gang des Pfluges, indem ſie
dieſem die nöthige Unterſtützung giebt. Bei älteren Landpflügen beſteht dieſelbe aus
einem breiten, zuweilen mit Eiſenſchienen beſchlagenen Brette, welches, abgeſehen von
der raſchen Abnützung, den Nachtheil mit ſich bringt, daß die Furche feſt zuſammen-
geſchliffen wird. Zweckmäßiger ſind ſchmale, 70—90 Cm. lange, eiſerne Sohlen,
welche gewöhnlich an der Landſeite etwas aufgebogen werden. (Engliſche Schlitten-
formen, Fig. 36). Bei einigen Pflügen
wird die ganze Landſeite von der Sohle
aufwärts bis zum Pflugbaume durch das
ſog. Molterbrett (Landſeite) geſchloſſen.
Schlittenpflugſohle von J. \& F. Howard.
Um das Auswechſeln der ganzen abgenützten Sohle zu erſparen, wird zuweilen rück-
wärts an der Sohle, z. B. bei dem Grignon Pflug ein kurzes Eiſenſtück (Ferſe) an-
geſchraubt, welches nach Bedarf nur allein ausgewechſelt wird.
Bei manchen Pflügen (Sack—Plagwitz, Fig. 37, Eckert—Berlin) ſucht man
die immerhin erhebliche, gleitende
Reibung der Sohle durch Um-
wandlung in rollende Reibung
abzumindern. Zu dieſem Zwecke
werden an Stelle der Sohle und
Landſeite eine oder mehrere Anti-
frictionsrollen angebracht. Dieſe
Vorrichtungen müſſen jedoch ſehr
ſorgfältig ausgeführt werden, wenn
nicht die erhöhte Zapfenreibung
durch das Verſchmieren der
Zapfen mit Erde den beabſichtig-
ten Erfolg illuſoriſch machen ſoll.
Landſeite des Gußſtahl-Rajolpfluges für 30—50 Cm.
Tiefgang von R. Sack—Plagwitz. — A Querſchnitt des Doppel-
Grindels bei a, F Sohle, welche an Stelle des Antifrictions-
rades C geſetzt werden kann; Preis 175 Mark, 87 fl. 50 kr.
6. Der Pflugbaum (Grindel). Der Pflugbaum verbindet den Pflugkörper,
das Sech ꝛc. mit der Zugkraft und dient zur Aufnahme der Führungs- und Stellungs-
vorrichtungen. Der Grindel muß hinreichende Stärke beſitzen, da derſelbe allen zu
beſiegenden, oft bedeutenden Widerſtänden Trotz bieten muß. Bei den continentalen
und amerikaniſchen Pflügen wird derſelbe gewöhnlich aus Holz (Buchen-, junges
Eichen-, Eſchen-, Birken-Holz ꝛc.) bei den engliſchen Pflügen aus Eiſen angefertigt.
Um die eiſernen Grindeln bei möglichſt geringem Gewichte hinreichend dauerhaft zu
machen, verwendet man zu ihrer Herſtellung nach Hamm 1): 1. maſſives Walzeiſen
[106]Allgemeine Ackerbaulehre.
mit rechtwinkeligen Durchſchnitte (Howard's Pflüge, Fig. 44, S. 111), 2. Doppelſchienen
(Spaltgrindel bei Ranſomes Pflügen), welche durch eingeſetzte Gußtheile von einander
gehalten ſind, um das Sech ꝛc aufzunehmen. 3. Röhren aus Walzeiſen oder Stahl
mit rundem oder ovalem Querſchnitte, 4. ſog. Formeiſen, meiſtens in Geſtalt eines
T gewalzt (T-eiſen z. B. bei Eckert's Pflügen, Fig. 41, S. 108).
Je länger (1.8—2.5 Meter) der Pflugbaum iſt, deſto empfindlicher wird der-
ſelbe gegen Stöſſe und ſeitliche Abweichungen. Bei Schwingpflügen wird er zur
Erleichterung der Führung ſtets kürzer genommen, als bei Räderpflügen. Gewöhnlich
giebt man dem Pflugbaume eine gerade, zuweilen auch eine geſchwungene Form. In
letzterem Falle ſucht man durch Anbringung einer Sicherheitskette oder Stange
(Grignon Pflug) oder einer Zugſchiene (Hohenheimer Schraubenpflug, Fig. 22, S. 96)
am Pflugkörper oder nahe demſelben am Pflugbaume den Zug mehr in directer Linie
wirken zu laſſen um den Grindel gegen die nachtheilige Einwirkung der Stöße zu ſichern.
7. Die Sterzen (Handhaben). Bei leichterem Boden genügt zur Führung
des Pfluges eine in der Ebene der Landſeite, rückwärts am Pflugbaume gut befeſtigte
Sterze (Sattelſterze). Für ſteinigen Boden, zum Aufbruche von Wieſenland wird
dagegen die ſichere Führung des Pfluges durch die Anbringung einer zweiten Sterze
(Furchenſterze) weſentlich erleichtert. Die Sterzen werden wie der Pflugbaum entweder
aus Holz oder Eiſen angefertigt. Lange (0.80—0.90 Meter) Sterzen, deren Griffe
der Höhe des Pflügers angepaßt, ſind empfindlicher, dafür aber unbequemer bei dem
Umkehren des Pfluges am Feldrande. Am wirkſamſten ſind dieſelben geſtellt, wenn
ihre Verlängerungslinie mit dem Mittelpunkte des Widerſtandes am Pfluge zu-
ſammenfällt.
8. Die Zugvorrichtung. a. Das Vordergeſtell (Vorderkarre). Die
Unterſtützung des Pflugbaumes bedingt die Unterſcheidung der Pflüge in Schwing-,
Pflug von Collins \& Co. — Hartford, Connecticut. — Gewicht 45 Kilogr., Tiefgang bis 30 Cm.
Preis 120 Mark, 60 fl.
Stelz-, und Räderpflüge. Den Schwingpflügen fehlt jede Unterſtützung. Bei
den Stelzpflügen (Hohenheimer Pflug) iſt der Pflugbaum durch einen vertical
verſchiebbaren, hölzernen Schuh unterſtützt. An Stelle dieſes Schuhes, welcher leicht
[107]Die Bodenbearbeitung.
eine feſte Schichte auf der Furchenſohle zuſammenſchleift, wird bei manchen amerikaniſchen
Pflügen, Fig. 38 (ſ. vorſtehend), an der Landſeite des Grindels ein Lauf- oder Kopfrad
(Radſtelze) angebracht, um die gleitende Reibung des Schuhes in die rollende umzuwandeln.
Bei vielen Räderpflügen des Continentes erfolgt die Unterſtützung des Grindels durch
kleine, zweiräderige, vom Grindel unabhängige Karren (Pflugkarren, Vorderwagen). Die-
ſelben haben den Nachtheil, daß ſie das Gewicht und den Gang des Pfluges, beſonders
wenn die beiden Räder von gleichem Durchmeſſer ſind, erſchweren. In neuerer Zeit
wird daher — zuerſt an engliſchen Pflügen — der Pflugkarren durch ein Vorder-
geſtell, Fig. 39 u. 40, verdrängt, welches eine ſeitliche Be-
wegung des Pflugbaumes verhindert. Daſſelbe beſteht aus
zwei verſchieden oder gleich großen Rädern, von welchem
jedes für ſich an einen kurzen Achsſtutzen befeſtigt iſt, deſſen
Führung in einer an dem Grindelhaupte angebrachten Lauf-
büchſe verſtellt werden kann. Das kleinere auf der Landſeite
des Pfluges angebrachte Landrad beſtimmt die Pflugtiefe, das
größere in der Furche laufende Furchenrad die Furchenbreite.
Wegen der ſehr zweckmäßigen und eigenthümlichen Ein-
richtung verdient die Univerſal-Vorderkarre des F. Eckert'ſchen
Pflugvordergeſtell
von J. \& F. Howard—Bed-
ford.
Ruchadlo's, Fig. 41 (ſ. Seite 108), beſondere Erwähnung. Die Räder dieſer Karre
ſind gleich groß, 50 Cm. Durchmeſſer; der rechte Schenkel der durchgehenden Achſe iſt
um 13 Cm. gekröpft und mit einem Stellſtifte verſehen. Ueber die Achſe iſt eine guß-
eiſerne Pinole geſchoben, an welcher mit der Kröpfung der Achſe conform, ein ver-
zahntes Segment angebracht iſt. Je nachdem man den Stellſtift der Achſe in eine höher
oder tiefer gelegene Zahnlücke des Segments einlegt, wird das in der Furche gehende
Karrenrad höher oder tiefer geſtellt. Ein Vorſtecker an der linken Seite der Pinole
ſichert dieſe Stellung. Durch dieſe Einrichtung
wird es ermöglicht, daß die Karrenachſe bis zu einer
Furchentiefe von 13 Cm. ihre wagrechte Lage bei-
behält. In der oberen Seite der Pinole iſt ein
22 Cm. langer Schlitz angebracht, in welchem der
den Pflugbalken tragende runde Stiel zur Reguli-
rung der Furchenbreite nach rechts oder links ver-
ſchoben werden kann. Durch Auf- und Niederſtellen
dieſes Stieles, in dem eigenthümlich conſtruirten
Pflugkopfe, welcher ein Umlegen des Pfluges für
den Transport oder das Umwenden am Feldrande
nach rechts und links geſtattet, kann die erforder-
liche Furchentiefe eingeſtellt werden.
Pflugvordergeſtell mit ſtell-
barem Land- und Furchenrad von Ran-
ſomes, Sims \& Head.
b. Der Regulator. Für die Ausnützung der Zugkraft iſt es von Be-
deutung, daß die Spitze des Grindels oder der Grindelkopf ſtets in die ideale Zug-
linie fällt. Die Zuglinie wird beſtimmt durch einen Punkt am Kummet der Pferde,
[108]Allgemeine Ackerbaulehre.
als Angriffspunkt der Kraft und einen Punkt etwas hinter der Scharſpitze am Pflug-
körper, in welchem alle dem Pfluge im Boden ſich entgegenſtellenden Widerſtände
vereinigt gedacht werden können. Der Mittelpunkt des Widerſtandes ändert ſich je
H. F. Eckert's Ruchadlo mit Univerſalkarre. — Gewicht
mit vorſtehender, meißelförmiger, iſolirter Scharſpitze 102 Kilogr.,
Preis 80 Mark 40 fl.; Gewicht der Univerſalkarre 43 Kilogr., Preis
30 Mark, 15 fl.
nach dem verſchiedenen Tief-
gange des Pfluges, je nach
der Verrückung des An-
griffspunktes der Kraft durch
verſchiedene Größe der Zug-
thiere, verſchiedene Länge
der Zugſtränge. In Folge
deſſen ändert ſich auch die
Richtung der Zuglinie. Aus
dieſem Grunde muß, wenn
keine andere Vorrichtung
vorhanden iſt, der Grindel-
kopf mit einem Regulator
verſehen ſein. Durch ver-
ſchiedene Stellung des Re-
gulators kann dann gleich-
falls die Zuglinie geändert
werden und ſomit rück-
wirkend der Tiefgang des
Pfluges beſtimmt werden.
Der Regulator hat jedoch nicht nur die Aufgabe den Tiefgang des Pfluges,
ſondern auch die Breite der Pflugfurche dauernd zu fixiren. Für momentane
Aenderungen im Gange des Pfluges dienen die Pflughandhaben.
Im Allgemeinen läßt ſich bei allen Pflügen, ob ſie nun Schwing-, Stelz- oder
Räderpflüge ſind, ein Tiefergehen erzielen, wenn jene Theile, welche wie der Grindel-
kopf, die Scharſpitze, die Griesſäule vor dem Mittelpunkte des Widerſtandes liegen,
geſenkt oder jene Theile, welche wie das Ende der Sohle hinter jenem Mittelpunkte
liegen, gehoben werden. Am wenigſten gebräuchlich ſind Vorrichtungen, welche die
Scharſpitze (engliſche Pflüge), die Griesſäule (Kleyle's, Zugmayer's Pflug) ſenken
oder das Sohlenende heben (Vidats Pflug, Eckert's gegenwärtig nicht mehr gebauter
Pflug mit ſtellbarer Antifrictionsrolle als Sohle). Am häufigſten ſind am Grindelkopfe
angebrachte Regulatoren. Die gebräuchlichſte, wenn auch vielfach variirende Form
des Regulators iſt die eines vertical geſtellten mit einem Zahnkamme verſehenen
Stellungsbügel, Fig. 42 u. 43 (ſ. umſtehend und auch Ranſomes Vordergeſtell Fig. 40,
S. 107), oder die in einer Oeſe vertical verſchiebbare Stange (Grignon Pflug,
Howard's Pflug Fig. 44, S. 111). Durch Einhängen des Zughakens an einem
höheren Punkte des Kammes, durch Hinaufrücken der Stange wird der Grindelkopf
geſenkt und ſomit der Pflug tiefer gehen und umgekehrt.
[109]Die Bodenbearbeitung.
Ein Tiefergehen der Schwingpflüge wird auch durch kleinere Pferde und längere
Zugſtränge, der Stelzpflüge durch Heben der Stelze erzielt. Vorübergehend wird
der Schwing- und der Stelzpflug durch Heben
der Sterzen tiefer in den Boden ein-
dringen. Bei Räderpflügen wird der größere
Tiefgang durch Verlängern des Grindels
oder durch Senkung des Grindelkopfes er-
reicht. Der Grindel wird verlängert, wenn
der die Zugkette haltende Vorſtecknagel weiter
nach vorne durch den mit einer Reihe von
Löchern verſehenen Grindel geſteckt wird. Das
Drücken auf die Sterzen läßt den Räderpflug
vorübergehend tiefer gehen.
Die Breite der Pflugfurche wird durch
den am Grindelkopfe, Fig. 43 A, oder an
dem Vordergeſtelle angebrachten horizontal
ſtehenden Stellungsbügel regulirt. Wird der
Zughaken im Stellungsbügel nach rechts
gegen die Landſeite des Pfluges verſchoben,
ſo nimmt der Pflug eine größere Breite, da
dann das Schar einen weniger ſpitzen Winkel
gegen die Zuglinie macht, daher einen breiteren
Schnitt ausführt und umgekehrt.
Seitenanficht und Fig. 43 Grundriß
des Regulators am Ball'ſchen Pfluge. — B ein
um dem Bolzen C zur Regulirung des Tief-
ganges drehbarer Kamm, welcher durch den
doppelzinkigen Vorſtecknagel D in der horizontal
ſtehenden Schiene A zur Regulirung der
Furchenbreite fixirt werden kann.
3. Das Zugkrafterforderniß des Pfluges.
Die Zugkraft, welche der Pflug zur Ausführung ſeiner Arbeit erfordert, iſt
von ſehr vielen Umſtänden abhängig. Es können ſich in dieſer Hinſicht bei der Be-
arbeitung von Ackerland Unterſchiede von 100—200 Kilogr. Zugkraft ergeben. Bei
gleicher Bodenbeſchaffenheit ſteigert ſich der Bedarf bei dem Aufbrechen von Wieſen-
land um weitere 50 Kilogr. Den hervorragendſten Einfluß auf den Zugkraftbedarf
nehmen:
1. Die Bodenbeſchaffenheit. Gebundene, ſehr feuchte Bodenarten werden
unzweifelhaft dem Eindringen des Pfluges in den Boden größeren Widerſtand ent-
gegenſtellen, als lockere Bodenarten von mäßigem Feuchtigkeitsgehalte. Reichlich mit
Wurzeln und Pflanzenreſten verſehener Boden wird gleichfalls mehr Widerſtand dem
Pfluge verurſachen. Ebenſo wird der Aufwand an Zugkraft mit der Tiefe und
Breite der Arbeit zunehmen.
2. Die Pflugconſtruction. Nach Verſuchen von Puſey und Handley 1)
gehen Räderpflüge leichter als Schwingpflüge ſo lange ſich die Räder des Vorder-
geſtelles nicht mit Erde belegt haben. Zwei Pflüge mit völlig gleichen Pflugkörpern,
der eine jedoch mit kurzem Grindel als Schwingpflug, der andere mit Rädern ergaben,
[110]Allgemeine Ackerbaulehre.
trotzdem der Schwingpflug um 25.2 Kilogr. leichter war, für dieſen 189, für den
letzteren 138.6 Kilogr. Zugkraft. Dieſer Unterſchied findet ſeine Erklärung durch
den weniger ſtetigen Gang des Schwingpfluges, gegenüber dem Räderpflug.
Von Intereſſe iſt auch das Ergebniß der in Ungariſch Altenburg 1) vorgenommenen
Kraftmeſſungen, nach welchen in einem Sandmergelboden nachſtehende Pflüge an Kraft
erfordern:
Ein mittelſchweres Pferd übt bei einer Geſchwindigkeit von 1 Meter per Secunde eine
Zugkraft von 75—80 Kilogr. aus. Der Ranſome Pflug erfordert daher zu andauernder
Arbeit ſchon mehr als zwei Zugthiere.
3. Das Pfluggewicht. Ranſome beſchwerte einen und denſelben Pflug
mit verſchiedenen Gewichten und beſtimmte den Kraftbedarf bei 15.2 Cm. Furchen-
tiefe und 22.8 Cm. Breite:
Der belaſtete Pflug
- mit einem Gewichte von 126.0 Kilogr. erforderte 116.5 Kilogr. Zugkraft,
- „ „ „ „ 151.2 „ „ 135.4 „ „
- „ „ „ „ 201.6 „ „ 176.4 „ „
- „ „ „ „ 252.0 „ „ 211.0 „ „
Je 50.4 Kilogr. Mehrgewicht bewirkten daher eine Steigerung der Zugkraft um
34.6—41.0 Kilogr. Auf die nutzbare Arbeit des Pfluges entfällt ſchätzungsweiſe die
Hälfte bis ⅔ der Zugkraft und zwar braucht das Abſchneiden des Erdſtreifens mehr
Kraft als das Wenden, je ſtumpfer die Schneide des Seches und Schares iſt.
4. Die Länge und Beſchaffenheit des Streichbrettes. Nach
Hamm hat ſich der Unterſchied bei dem nämlichen Pfluge mit einem langen und
einem kurzen Streichbrette von 1.26 reſp. 0.94 M., ſonſt ganz in gleicher Weiſe
conſtruirt wie 147:162 herausgeſtellt, da hier, wie bei dem Schar und Sech, das
Princip des dünneren oder flacheren Keiles und ſeiner leichteren Wirkung in Betracht
kommt.
Das Material des Streichbrettes beeinflußt gleichfalls die Zugkraft. Die Zug-
kraftdifferenz zwiſchen einem hölzernen Landpflug gegenüber einem eiſernen Pflug
beträgt nicht ſelten 4:1. Stählerne, gut polirte Streichbretter verdienen daher vor
allen übrigen den Vorzug.
Schließlich nimmt auch die richtige Stellung der Scharſpitze, des Seches und
die unverrückbare feſte Verbindung der einzelnen Theile des Pfluges auf den Kraft-
bedarf des Pfluges einen Einfluß. Bei Räderpflügen wird eine unrichtige Stellung
[111]Die Bodenbearbeitung.
der Scharſpitze (zu ſehr in den Boden oder gegen das Land) wegen des Vorder-
geſtelles nicht ſo leicht bemerkbar als bei den Schwingpflügen. Zur Vermeidung eines
unnöthigen Kraftverbrauches empfiehlt es ſich daher erſtere als Schwingpflüge zu
verſuchen und dann erſt, nachdem die Scharſpitze etwas nach abwärts gerichtet wurde,
mit dem Vorderwagen zu verſehen.
4. Die Pflugformen.
Die überwiegendſte Zahl der Pflugformen, die ortsüblichen Pflüge, verdanken
ihre Entſtehung der allmäligen Anpaſſung an die gegebenen Bodenverhältniſſe, welche
je nach der Culturſtufe in verſchieden vollkommener Weiſe erreicht wird. Neben
dieſen Landpflügen entſtanden zahlreiche, verbeſſerte Pflugformen, bei welchen jedoch die
nach mathematiſchen Grundfätzen conſtruirten Pflüge die Minderzahl bilden. Von
letzteren nennen wir J. Bailey's Pflug (Newcaſtle 1795), Strecker's Pflug (Wien
um 1850) und Kleyle's Pflug (Wien 1851).
Unter den verbeſſerten Pflügen treten beſonders zwei Entwickelungsreihen durch
die weite Verbreitung hervor, welche die dieſen Reihen angehörenden Pflüge er-
langt haben.
Der erſten, formenreichſten Entwickelungsreihe diente als Ausgangspunkt der Bra-
banter Landpflug. Von dieſem Stammvater zweigen ſich zwei Linien ab, die wir
als die engliſche und deutſche bezeichnen wollen. Erſterer gehört wahrſcheinlich der
Rotherham Pflug an, welcher der Vater aller neueren engliſchen Pflüge, wie der
Pflüge von Busby, Ball, Ranſome, Hornsby, Finlayſon und Howard, Fig. 44, iſt.
J. \& F. Howard's Champion Pflug mit Schälſchar. — Pflug LB für zwei Pferde, Gewicht
115 Kilogr., Preis 110 Mark, 55 fl.
Der Rotherham Pflug ſteht in Beziehung zu dem Small'ſchen, ſchottiſchen und
Bailey Pflug, welcher letzterer wieder als Stammvater für viele amerikaniſche Pflüge
(Fig. 38, S. 106) anzuſehen iſt. Die amerikaniſchen Pflüge haben gegenüber den
engliſchen ein kürzeres Streichbrett und ſtatt des eiſernen einen hölzernen Grindel.
Die zweite, die deutſche Linie nimmt ihren Ausgang von einem durch Schwerz
im Jahre 1819 in Württemberg eingeführten Brabanter Pflug. Aus dem Schwerz'-
ſchen Pflug iſt der Hohenheimer Pflug (Fig. 22. S. 96) hervorgegangen, welcher wieder
das Vorbild für eine große Zahl von Pflügen mit mittellangem Streichbrette wurde,
[112]Allgemeine Ackerbaulehre.
als des Vidats, Zugmayer Pfluges, des Pfluges von Clayton \& Schuttleworth
(Wien 1871), des Pfluges von Knoche (1850) ꝛc.
Die zweite weniger durch die Zahl der Formen als durch die ſchnelle und weit-
gehende Verbreitung ausgezeichnete Entwickelungsreihe bildet das Ruchadlo, Fig. 45,
Böhmiſches Ruchadlo.
welches von den Vettern Wewerka zu Rybytev bei Bohdaneč (Böhmen) um 1831
erfunden wurde. Eine Abänderung des Ruchadlo's iſt Horsky's Ruchadlo mit Wühl-
ſcharen, welches in neueſter Zeit von John Fowler \& Comp. in Leeds als Dampf-
ruchadlo ausgeführt wurde. Dieſelbe Abſtammung hat H. F. Eckert's 1849 in Berlin
conſtruirtes Ruchadlo. — Die engliſchen Pflüge eignen ſich mehr für ſchwer, das
Ruchadlo für leicht zu bearbeitende Bodenarten, der Hohenheimer Pflug, die ameri-
kaniſchen Pflüge für Bodenarten, welche in der Mitte zwiſchen ſchwer und leicht zu
bearbeitende ſtehen.
Je nach der Art der Conſtruction unterſcheidet man die verſchiedenſten Pflug-
formen und zwar:
1. Nach der Unterſtützung des Grindels werden die Pflüge in Schwing-,
Stelz- und Räderpflüge unterſchieden. Die Schwingpflüge haben keine
Unterſtützung, gehen daher ſehr ſchwankend, je leichter ihr Gewicht und je ungeſchickter
ihre Führung. Bei hinreichend langen Sterzen ſind ſie dagegen viel empfindlicher in
der Führung und verlangen daher eine viel größere Aufmerkſamkeit. Ihre Con-
ſtruction iſt einfacher. Bei gleicher Beſchaffenheit ſind ſie um die Koſten des Vorder-
geſtelles billiger. (Mit hölzernem Grindel 45—60 Mark, 22.50—30 fl.) Das
Umkehren mit den Schwingpflügen geht leichter vor ſich, da der Pflug nur auf
die Streichbrettſeite gelegt zu werden braucht. Auf ſteinigem Boden verrichten ſie
bei geſchickter und aufmerkſamer Führung noch die beſte Arbeit; bei ungeſchickter
Führung iſt hier jedoch ihr Gang zu unſicher. Die Stelzpflüge (Preis
50—70 Mark, 25—35 fl.) gehen ſicherer jedoch nicht immer in gleicher Tiefe, da dieſe
geändert wird, wenn die Stelze über ein Düngerſtück, einen Stein ꝛc. hinweggeht
oder ſich mit Erde belaſtet. Die Räderpflüge mit ſelbſtändigem Pflugkarren oder
[113]Die Bodenbearbeitung.
mit am Grindel befeſtigten Laufrädern, haben bei gleicher Beſchaffenheit des Pflug-
körpers um das Vordergeſtell einen höheren Preis (mit hölzernem Pflugbaume
70—80 Mark, 35—40 fl.; mit eiſernem Pflugbaume 90—110 Mark, 45—55 fl.)
und ein größeres Gewicht. Sie ſind dagegen am unempfindlichſten gegen alle
Stöße, welche von dem Vordergeſtelle aufgenommen werden. Die Tiefe und Breite
der Furchen kann mit den Vordergeſtellpflügen in größerer Gleichmäßigkeit erhalten
werden, trotzdem die Führung dieſer Pflüge leichter und nur mit geringem Kraft-
aufwande verbunden iſt.
2. Nach der Tiefe der Bodenbearbeitung unterſcheidet man die gewöhnlichen
Pflüge, welche den Boden auf eine Tiefe von 10—20 Cm. bearbeiten, und die
Untergrundspflüge, deren Tiefgang zwiſchen 20 und 50 Cm. variirt. Je
nachdem die Untergrundspflüge den Boden in der Tiefe nur lockern oder auch gleich-
zeitig wenden und an die Oberfläche ſchaffen, unterſcheidet man Wühler (S. 119) und
Rajolpflüge. Zu den vorzüglicheren Rajolpflügen gehören der eiſerne Rajolpflug von
Sack — Plagwitz, Leipzig (Preis bei 21—37 Cm. Tiefgang 135 Mark, 67.50 fl.; bei
30—50 Cm. Tiefgang 175 Mark, 87.50 fl., Fig. 37, S. 105), der Rajolpflug von
Garrett (Preis 150 Mark, 75 fl.), von Eckert—Berlin (90 Mark, 45 fl.) ꝛc. Die
Rajolpflüge ſind meiſt von der gleichen Conſtruction wie die gewöhnlichen Pflüge, nur
daß ſie dem Zwecke entſprechend viel kräftiger ausgeführt ſind.
3. Nach der Form der verrichteten Arbeit unterſcheidet man Beetpflüge, Glatt-
pflüge, Schüttpflüge und Häufelpflüge.
Die Beetpflüge, welche entweder, wie ſchon S. 98 näher ausgeführt wurde,
rechtwinkelige (die gewöhnlichen Kantfurchenpflüge) oder ſpitzwinkelige (Kammfurchen-
oder Grätfurchenpflüge) Furchen aufwerfen, beſitzen meiſtens an der rechten Seite ein
feſtes Streichbrett, welches immer nur nach einer Seite die Erdſtreifen umlegen kann,
weshalb das Feld in Abtheilungen, Beete, die mit offenen Doppelfurchen aneinander
ſtoßen, gepflügt werden muß. Die meiſten deutſchen oder continentalen Beetpflüge
beſitzen ein kurzes, daher ſteiles Streichbrett, welches den Erdſtreifen raſch umlegt
und dabei krümelt. (Nach Hamm Steilwender genannt.) Die meiſten neueren
engliſchen Pflüge, ſowie einige Landpflüge beſitzen dagegen ein langes, daher flaches
Streichbrett, welches den Erdſtreifen allmälig, ohne ihn zu zerbrechen, wendet.
(Nach Hamm Flachwender.)
Die Glattpflüge (Kehr-, Dreh-, Wechſelpflüge) beſitzen, neben einem ſtell-
baren Sech und gewöhnlich lanzettförmigen Schar, entweder ein bis zwei verſetzbare
Streichbretter oder Pflugkörper. Durch das Verſetzen des Streichbrettes oder des
Pflugkörpers nach jedem Furchenzuge auf die rechte oder linke Seite iſt es möglich,
Furche an Furche zu legen, das Feld glatt zu pflügen. Am brauchbarſten erweiſen
ſich dieſelben zum Pflügen von Bergabhängen, ſonſt ſtehen ſie gegen die Beetpflüge,
bei welchen eine viel richtigere Verbindung des Streichbrettes mit dem Schar möglich
iſt, zurück. Am unvollkommenſten ſind jene Wechſelpflüge, bei welchen ein völlig
gerades Streichbrett umgeſetzt wird. Zweckmäßiger iſt der amerikaniſche Drehpflug
Krafft, Lehrb. d. Landw. I. 8
[114]Allgemeine Ackerbaulehre.
bei welchem der Pflugkörper um eine horizontale mit der Sohle parallel laufende
Achſe gedreht werden kann, während die eine jeweilig aufſtehende Kante des doppel-
ſchneidigen Schares die Arbeit des Seches verrichtet. Aber auch bei dieſem Pflug
iſt die Windung des Streichbrettes ungenügend. Bei dem noriſchen Leitenpflug
ſind zwei Pflugkörper um 90°, bei dem flandriſchen Kehrpflug um 180° verſtellt
Kehrpflug von Ranſomes nach
Skelton's Patent. — Marke SPT. Gewicht 140
Kilogr., Preis 204 Mark, 102 fl.
an ein und demſelben Grindel angebracht.
Dieſelben werden abwechſelnd nach jedem Fur-
chenzuge in die Arbeitsſtellung gedreht. Der
entſprechendſte Kehrpflug iſt zur Zeit der (1867)
von Ranſome nach Skelton's Patent, Fig. 46,
ausgeführte. Derſelbe beſitzt zwei Streich-
bretter, von welchen abwechſelnd das eine in
Wirkſamkeit kommt, während das andere durch
eine Kurbeldrehung, welche gleichzeitig das
Schar in die richtige Stellung bringt, gegen
die Landſeite des Pfluges gelegt wird, um
hier als Molterbrett zu dienen.
Die Schüttpflüge (Krümel-, Sturz-
pflüge, Krümler) zeichnen ſich durch Einfachheit
der Conſtruction und ſomit auch durch billigen
Preis (24—30 Mark, 12—15 fl.) aus. Die-
ſelben, repräſentirt durch das Ruchadlo, be-
ſtehen aus einer einfachen, concav gebogenen,
viereckigen Eiſenplatte, deren vordere aufrecht-
ſtehende Kante die Arbeit des Seches und deren
horizontale untere Kante die Arbeit des Schares
verrichtet, während die gekrümmte Fläche die
abgeſchnittene Erde emporhebt und durch Ueber-
ſtürzen derſelben krümelt, miſcht und theil-
weiſe wendet. Das Ruchadlo läßt ſich als
Schwing- und Karrenpflug, ebenſo als Beet-
und Glattpflug gebrauchen. Um als Kehr-
ruchadlo zu dienen, wird das Streichbrett nur
um die Griesſäule, welche in der Mitte des
Streichbrettes angeordnet wird, drehbar ein-
gerichtet.
Die Häufelpflüge haben die Be-
ſtimmung, gelockerten Boden in Kämme auf-
zuwerfen. Zu dieſem Zwecke erhalten die-
ſelben neben einem doppeltwirkenden, zungen-
förmigen Schar (Fig. 34, S. 103) jederſeits ein Streichbrett. Bei ihrer Conſtruction hat
[115]Die Bodenbearbeitung.
man ſich gegenwärtig zu halten, daß einerſeits der Boden aus einer Tiefe von etwa
13 Centim. auf die Oberfläche gehoben werden
und anderſeits die gehobene Erde jederſeits
zu einem halben Kamme aufgehäuft werden
muß. Dieſer Anforderung entſpricht allein
der Häufelpflug von Hecke 1). Derſelbe be-
ſitzt jedoch zwei, unbewegliche Streichbretter,
welche für jeden anderen Abſtand der Kämme
ausgewechſelt werden müſſen. Die engliſchen
Häufelpflüge bilden die Kämme nur durch ſeit-
liche Verſchiebung der Erde. Die Streich-
bretter ſind bei denſelben beweglich ein-
gerichtet, um ſie bei verſchiedener Entfernung
und Höhe der Kämme entſprechend einſtellen
zu können. Einer der bekannteſten Häufel-
pflüge, jener von J. \& F. Howard, Fig. 47,
iſt überdies mit einem Markirſtifte verſehen,
welcher durch Aufritzen des Bodens den Weg
für den nächſten Gang des Häufelpfluges anzeigt.
4. Nach der Anzahl der in einer Richtung
arbeitenden Pflugkörper unterſcheidet man die ge-
wöhnlichen einſcharigen Pflüge, die Doppel-
pflüge und die mehrſcharigen Pflüge. Die
Zugkraft von zwei Zugthieren wird an einem ein-
ſcharigen Pflug, der bei jedem Gange nur eine
Furche umlegt, nicht genügend ausgenützt. Man
hat daher für eine Beſpannung mit drei Pferden
an einem Grindelgeſtelle zwei Pflugkörper an-
gebracht, die bei einem Gange zwei Furchen
neben einander aufwerfen. Es wird durch dieſe
Doppelpflüge nicht nur an Zeit, ſondern auch
an Zugkraft geſpart. Nach Amos kommt
auf den mit zwei Pferden beſpannten Ranſome'-
ſchen Einfurchenpflug eine Zugkraft von 160.6
Kilogr., ſomit auf jedes Pferd 80.3 Kilogr.
Bei dem von drei Pferden gezogenen Ranſome'-
ſchen Doppelpflug, jedoch gegen den Vorigen
mit etwas veränderten Pflugkörpern, entfiel auf
jeden Pflugkörper nur 112.2 Kilogr., auf jedes
Pferd 74.8 Kilogr.; bei dem Howard'ſchen
J. \& F. Howard's Häufelpflug mit
Vordergeſtell u. Markirſtift. — Gewicht 100
Kilogr., Preis mit eiſernen Streichbrettern
Marke B 97 Mark, 48.50 fl.; mit Stahlſtreich-
brettern 108 Mark, 54 fl.
8*
[116]Allgemeine Ackerbaulehre.
Doppelpflug Fig. 48, 114.8, reſp. 77.8 Kilogr. Werden mehr als zwei Pflugkörper
zu einem Ganzen verbunden — vorausgeſetzt, daß die Pflugkörper nicht wie bei den
„Union“ Doppelfurchenpflug von J. \& F. Howard. — Marke
OBU mit Furchenrad, Steuerung, verſtellbarem Grindel und ſchmiedeeiſerner
Griesſäule. Gewicht 190 Kilogr., Preis 260 Mark, 130 fl.
mehrſcharigen Saat-
pflügen in ſchwächeren
Dimenſionen aus-
geführt werden —
ſo reicht die Kraft
der Zugthiere zur
Fortbewegung nicht
mehr aus, an ihre
Stelle tritt dann die
Dampfkraft.
4. Die Bodenlockerungsgeräthe.
Die Zahl der Bodenlockerungsgeräthe, welche gewöhnlich unter dem allgemeinen,
aber ebenſo unbeſtimmten Ausdrucke Cultivatoren zuſammengefaßt werden, iſt eine
ſehr große. Viele derſelben verdanken dem Beſtreben an die Stelle des Pfluges oder
Hakens ein der Zeit nach leiſtungsfähigeres Geräth zu ſetzen, ihre Entſtehung. Um
eine Ueberſicht zu gewinnen, dürfte es am zweckmäßigſten ſein, dieſe Geräthe, welche
alle den gemeinſamen Zweck verfolgen, den Boden zu lockern ohne ihn zu wenden,
nach der Tiefe, in welcher ſie in den Boden eindringen, wie folgt zu gruppiren 1):
1. Schälpflüge, 2. Scarificatoren, 3. Exſtirpatoren, 4. Grubber, 5. Wühler.
1. Die Schälpflüge finden am Continente eine nur geringe Anwendung,
um ſo gebräuchlicher ſind ſie auf den britiſchen Inſeln. Dieſelben werden verwendet
zum 5—8 Cm. ſeichten Abſchälen der vergraſten oder mit Wurzelunkräutern durch-
wachſenen Bodendecke, zum vorläufigen Abſchälen der Klee- und auch Getreideſtoppeln
(eine Arbeit, die gegenwärtig viel häufiger durch das am Pfluge angebrachte Vor-
ſchar [Skim] vollführt wird), zur Gewinnung von Raſenſtücken, zum Abſchneiden
von Erdplaggen für das Bodenbrennen ꝛc. Um dieſe Arbeit zu verrichten, beſitzen
die Schälpflüge, welche mit keinem Streichbrette verſehen ſind, eine oder mehrere
flache Schneideklingen, welche meiſtens an einem gewöhnlichen Pfluggeſtelle befeſtigt
ſind. Durch Weglaſſung des Streichbrettes und Anbringung eines 35—40 Cm.
langen Zungenſchares läßt ſich jeder Pflug leicht in einen Schälpflug umwandeln. Es
iſt dann nicht nothwendig das Inventar der Wirthſchaft mit einem beſondern
[117]Die Bodenbearbeitung.
Schälpflug, von welchen der W. Smith'- oder Howard'ſche der bekannteſte iſt, zu
belaſten.
2. Scarificatoren. (Meſſerpflüge, Meſſereggen, Wieſenreißer ꝛc.) Dieſes
ſeltener angewendete Geräth, welches als ein Uebergang der Egge zum Exſtirpator
angeſehen werden kann, dient dazu, den Boden zwiſchen den Klee- oder Grasſtöcken
auf den mehrjährigen Kleeſchlägen oder Grasländereien zu durchſchneiden oder das
vollkommenere Umbrechen von Wieſenland durch vorausgehendes Zerſchneiden der Gras-
narbe quer gegen die Richtung des nachfolgenden Pfluges zu erleichtern. Der Scari-
ficator beſteht aus einer Mehrzahl fechartiger Meſſer, welche an einem gemeinſchaft-
lichen hölzernen oder eiſernen Geſtelle derart befeſtiget ſind, daß ſie auf verſchiedene
Entfernung verſtellt werden können. Die Wirkſamkeit wird erhöht, wenn die Meſſer,
wie bei den ganz aus Eiſen hergeſtellten Hensmann'ſchen und Biddell'ſchen Scari-
ficatoren, derart in zwei Reihen angeordnet werden, daß die 3 oder 4 vorderen Meſſer
ſich vor dem Zwiſchenraume der hinteren Reihe von 4 oder 5 Meſſern befinden.
3. Exſtirpatoren. Der Exſtirpator beſteht aus einem verſchieden geformten
Rahmengeſtelle und aus mehreren langgeſtielten Scharen (Scharfüßen), den eigentlich
wirkſamen Theilen. Das hölzerne oder eiſerne Rahmengeſtell iſt zur leichteren Füh-
rung des Geräthes mit zwei Sterzen und zur Regulirung des Tiefganges mit 1,
2—4 Führungsrädern verſehen. Die Scharfüße, welche je nach dem beabſichtigten
Tiefgange und der Bindigkeit des Bodens, für welchen der Exſtirpator gebraucht
werden ſoll, in einer Anzahl von 5—11, gewöhnlich von 7—9, zuſammengeſtellt
werden, beſtehen aus dem Scharſtiel und dem Schar. Der Scharſtiel, von
Rund- oder Flacheiſen, deſſen ſchmälere Seite nach vorne ſteht, ſoll ſo gebogen
ſein, daß er leicht in den Boden eindringen kann. Sie werden meiſt in 2 Reihen
ſo vertheilt, daß jeder Fuß ſeine eigene Bahn im Boden zieht. Ihre Verbindung
mit dem Rahmen ſoll möglichſt feſt ausgeführt ſein. Zuweilen werden ſie jedoch
Pabſt's ſiebenſchariger Exſtirpator. — Gewicht 58 Kilogr., Preis 72 Mark, 36 fl.
auch verſtellbar eingerichtet und dann durch Druckſchrauben im Rahmen feſtgehalten.
Von Bedeutung für die Art der Arbeit des Exſtirpators iſt die Form der Schare.
[118]Allgemeine Ackerbaulehre.
Für ſteinigen oder feſten Boden verwendet man 5—7 Cm. breite, meißelförmige
Schare, die ſog. Gänſefußformen. Für leichter zu bearbeitende Böden empfehlen ſich
etwas breitere (8—10 Cm.) Schare in der Form gleichſchenkeliger Dreiecke und für
Univerſal Cultivator von R. Sack—Plagwitz, als ſechs-
ſchariger [Exſtirpator]. — Derfelbe kann auch durch Einſetzen verſchiedener
Schare, als Grubber, Scarificator, Hackmaſchine und Marquer verwendet
werden; Spurbreite 0.94 Meter, Preis 216 Mark, 108 fl.; complet mit
9 ſchmalen Scharen, 16 Hackmeſſern, 3 Anhäufelſcharen, 7 Meſſern,
2 Markirzinken, 220 Mark, 110 fl.
ſandigen Boden kleine ſpitz-
zulaufende, 13 Cm. breite,
gewölbte Schare. Zur Ver-
meidung eines unnöthigen
Widerſtandes ſoll die Schar-
fläche allmälig in die Bie-
gung des Stieles über-
gehen. Gewöhnlich werden
die Schare aus einem Stücke
mit den Stielen angefertigt.
Zweckmäßiger iſt es, die
Schare, welche dann ge-
goſſen ſein können, geſondert
an den Scharſchaft anzu-
ſchieben, damit gebrochene
leichter ausgewechſelt und
für verſchiedene Arbeits-
zwecke verſchieden geſtaltete
Schare aufgeſteckt werden
können. Als die beſten Conſtructionen haben ſich bewährt der ſiebenſcharige, ganz aus
Schmiedeeiſen angefertigte Traiprain Exſtirpator, auch Tennant Grubber genannt,
(Gewicht 75—90 Kilogr., Preis 120—140 Mark, 60—70 fl.), der ſiebenſcharige
Pabſt'ſche Exſtirpator, Fig. 49 (ſ. S. 117), mit gebrochenem durch ein Rad unterſtützten
Grindel, hölzernem Rahmengeſtelle und zwei Sterzen und der Univerſal Cultivator von
R. Sack, Fig. 50. Letzterer beſteht aus einem von 2 Fahrrädern und einem Vorder-
karren getragenen Geſtelle, unter welchem, von gekuppelten Hebeln getragen, ein
für den Tiefgang ſtellbarer Rahmen mit Scharen angebracht iſt.
Die Exſtirpatoren gehören zu den vorzüglichſten Bodenlockerungsgeräthen, welche
viel häufiger angewendet zu werden verdienen, als dieß thatſächlich geſchieht. Ihr
größter Vorzug beſteht darin, daß ſie wegen ihrer größeren Breite eine viel ſchnellere
(1—2 Hectar in 10 Arbeitsſtunden) und doch kräftige Lockerung des Bodens
bewerkſtelligen, als wie der Pflug, welcher mit einem Geſpanne nur 0.3—0.8 Hectar
im Tage bearbeitet. Die Arbeit des Exſtirpators beſteht in einem mäßig tiefen
(5—10 Cm.) Abſchürfen des Bodens, welcher dabei kräftig gekrümelt, etwas ver-
ſchoben und gemengt, jedoch nicht gewendet wird. Seine Wirkſamkeit wird erhöht,
wenn man denſelben nach Bedarf zweimal in verſchiedener Richtung und zwar das
zweite Mal mit etwas tiefer eingreifenden Scharen über das Feld gehen läßt.
Der Vortheil des Exſtirpators wird am augenſcheinlichſten dort hervortreten wo der
Landwirth durch die Ungunſt der Witterung mit der Bodenbearbeitung durch den
[119]Die Bodenbearbeitung.
langſam gehenden Pflug nicht zu recht kommen kann. Am zweckmäßigſten wird der
Exſtirpator in Gebrauch genommen, wenn nach einer erſten Ackerung der Zuſtand
des Bodens und das zu reichlich aufkeimende Unkraut eine Wiederholung der Bearbeitung
in nicht zu großer Tiefe erfordert. In dieſem Falle wird die zweite Pflugfurche
vortheilhaft durch das Exſtirpiren erſetzt, durch welches die Krümelung des Bodens
und die Vertilgung des Unkrautes viel raſcher und daher auch billiger ausgeführt
wird. Ebenſo wie an Stelle der zweiten Herbſtpflugfurche kann der Exſtirpator
im Frühjahre zur Saatvorbereitung des im Herbſte oder im Winter tief-
gepflügten Feldes mit viel beſſerem Erfolge als der Pflug angewendet werden, da in
Folge der ſchnelleren und ſeichteren Arbeit die Winterfeuchtigkeit beſſer zuſammen-
gehalten werden kann. Verſpätet ſich die Vorbereitung des Feldes in einem
ungünſtigen Frühjahre, ſo wird der Exſtirpator vortreffliche Dienſte leiſten. Nach
der Düngerfurche wird derſelbe, beſonders bei ſtrohigem Dünger, viel weniger
Dünger herauf bringen als der Pflug. Krümeliger Dünger, wie Knochenmehl,
Mergel, Kalk, werden mit dem Exſtirpator gleichmäßig mit der Erde vermengt.
Schließlich werden die Samenkörner mit dem Exſtirpator viel vollkommener und etwas
tiefer als mit der Egge mit Erde bedeckt. Ein ſehr ſcholliges, unklares, mit Wurzel-
werk durchzogenes Feld muß jedoch vor Anwendung des Exſtirpators, wenn dieſer eine
zufriedenſtellende Arbeit leiſten ſoll, entſprechend geklärt werden.
4. Grubber. Die Grubber unterſcheiden ſich von den Exſtirpatoren, ent-
ſprechend ihrer Beſtimmung den Boden auf eine größere Tiefe kräftig zu lockern, nur
durch eine ſtärkere Ausführung. Ihre Anforderungen an die thieriſche Zugkraft ſind
zu bedeutend, gewöhnlich erfordern ſie 4 kräftige Zugthiere, als daß ſie in der
Praxis viel Verwendung finden würden. Am bekannteſten iſt der 320—350 Kilogr.
ſchwere Coleman'ſche Grubber (Preis 200—300 Mark, 100—150 fl.), deſſen
gußeiſerne Schare an den ſchmiedeeiſernen Scharſtielen aufgeſteckt werden können.
Eine eigenthümliche Form des Grubbers iſt Comſtock's rotirender Spatenpflug ein
1 Meter breites mit rotirenden Stahlzinken verſehenes, walzenförmiges Geräth, welches
mit 4 Pferden beſpannt 2—3 Hektar 20 Cm. tief bearbeitet.
Eine beſondere Bedeutung hat der Grubber erſt durch die Anwendung der Dampf-
kraft (S. 147) erlangt, indem mit derſelben eine ausgezeichnete Arbeit bei dem
tiefen Umbrechen der Stoppeln und bei der Tiefcultur geleiſtet wird, namentlich dann,
wenn eine Vermiſchung des Untergrundes mit dem Obergrunde nicht räthlich erſcheint.
5. Wühler. (Minirer, Untergrundspflug.) Die Arbeit des Wühlers beſteht in
einem horizontalen Abſchneiden des Bodens 16—20 Cm. tief unter der gewöhnlichen
Pflugfurche und im Krümeln des losgetrennten Bodens, ohne daß der Wühler zum
Unterſchiede von den eigentlichen, wendenden Untergrundspflügen (S. 113) den Boden
umkehrt. Seine Verwendung wird dort am Platze ſein, wo die Tiefcultur mit
Rajolpflügen oder durch zwei verſchieden tief in derſelben Furche gehende Pflüge,
wegen des Heraufbringens des unverwitterten oder ſonſt wie ungünſtig beſchaffenen
Untergrundes nicht thunlich iſt.
Der Wühler gleicht dem Haken, aus welchem er hervorgegangen iſt. Am
gewöhnlichſten findet man denſelben mit Stelzen oder Radſtelzen verſehen oder auch
[120]Allgemeine Ackerbaulehre.
als Schwinghaken verwendet. Der wirkſame Theil des Wühlers iſt das Schar,
welches durch eine entſprechend lange, zur Erleichterung des Eindringens nach vorn
kantig zulaufende Griesſäule mit dem hölzernen oder eiſernen Pflugbaume ver-
Schar zum
Untergrundpflug von
Ranſomes, Sims \& Head.
bunden iſt. Das aus Gußeiſen oder Gußſtahl gefertigte Schar,
Fig. 51, hat je nach der Beſchaffenheit des Bodens, in welchem
es zu arbeiten beſtimmt iſt, eine zungen-, meißelförmige oder auch
keilartige oder ſpitze Form. Für bindigen Boden werden über-
dies zu jeder Seite des Schares zwei kleine Streichfortſätze
oder Streichflügel ſymetriſch angeſetzt, welche durch mäßiges Heben
des Bodens eine kräftigere Lockerung und ein Aufwühlen des
Bodens in der Furche bewerkſtelligen, ſo daß dieſer oft ganz
gefüllt erſcheint. Trotzdem die Breite der Schare gering (15—27 Cm.) ſo erfordert
der Wühler zur Fortbewegung in dem meiſt feſt geſchloſſenen Untergrunde eine Be-
ſpannung mit 4 Zugthieren. Zu den bekannteſten Wühlern, welche ſtets ſehr feſt
gebaut ſein müſſen, gehören der amerikaniſche Wühler oder Untergrundspflug
(Gewicht 43—45 Kilogr, Preis 30—40 Mark, 15—20 fl.) und der für leichteren
Boden geeignete Pietzpuhler Wühler, Fig. 52. Für ſchweren Boden eignet ſich beſonders
Pietzpuhler Wühler. — Gewicht 33—40 Kilogr., Preis 40—70 Mark, 20—35 fl.
der Read'ſche Wühler, deſſen Tiefſtellung durch zwei ſchmal beiſammenſtehende, am
Pflugbaume angebrachte Räderpaare bewerkſtelligt wird, welche gleichzeitig dem Geräthe
einen ruhigen und ſicheren Gang verleihen. (Mit hölzernem Pflugbaume Gewicht
75 Kilogr., Preis 90 Mark, 45 fl.; mit Pflugbaum aus eiſerner Doppelſchiene
Gewicht 110 Kilogr., Preis 120 Mark, 60 fl.) Nicht unerwähnt darf der für leichtere
Bodenarten geeignete Horsky'ſche Untergrundswühler bleiben, welcher zwei ſchmale mit
dem Pflugbaume verſtrebte, in Hülſen verſchieden tief ſtellbare Schare beſitzt. (Gewicht
26 Kilogr., Preis 32 Mark, 16 fl.) Bei dem Horsky'ſchen Ruchadlo mit zwei
meißelförmig hinter dem Ruchadlo angebrachten Wühlſcharen iſt es gelungen, einen
gewöhnlichen Krümelpflug mit einem Wühler in einem Geräthe zu vereinigen und da-
durch an Zugkraft und Führung zu ſparen.
[121]Die Bodenbearbeitung.
5. Das Pflügen.
Ueber die Art und Zeit der Anwendung des Pfluges und der übrigen Boden-
bearbeitungsgeräthe zur Herſtellung eines geeigneten Standortes für die Cultur-
pflanzen entſcheidet die genaue Erwägung des jeweiligen Zuſtandes, in welchem ſich
der zu bearbeitende Boden durch die Einwirkung der vorausgegangenen Pflanze, der
vorausgegangenen Cultur und der jeweiligen Witterung befindet. Wenn nun auch
manche allgemeine Winke für die zeitgemäße Bearbeitung des Bodens gegeben
werden können, ſo giebt doch erſt langjährige Beobachtung des Bodens oder die
praktiſche Erfahrung Anhaltspunkte, welche mit voller Sicherheit den Erfolg gewähr-
leiſten. Im Allgemeinen wird das Pflügen derart einzurichten ſein, daß durch mög-
lichſte Vermehrung des den Pflanzen zugänglichen Bodenvolumens, oder durch mög-
lichſtes Vertiefen der Ackerkrume oder durch die günſtige Veränderung der Ab-
ſorptionsfähigkeit und der phyſikaliſchen Eigenſchaften des Bodens — durch möglichſte
Vergrößerung der der Luft ausgeſetzten Bodenoberfläche und durch entſprechende
Lockerung des Bodens — der Zweck der Bodenbearbeitung — die Fruchtbarkeit
des Feldes zu ſteigern — mit dem geringſten Aufwande an Kraft und Zeit erreicht
werde. Bei der Bearbeitung des Bodens mit dem Pfluge iſt daher zu beachten:
1. der Zeitpunkt für das Pflügen, 2. die Tiefe und Breite des Pflügens, 3. die
Tiefcultur, 4. die Geſtaltung der Bodenoberfläche und die Richtung der Bear-
beitung, 5. die Zahl der Pflugfurchen, 6. die Brachbearbeitung und 7. die Leiſtungs-
fähigkeit des Pfluges.
1. Der Zeitpunkt für das Pflügen.
Die Wirkung der Bearbeitung des Bodens mit dem Pfluge erhöht ſich weſent-
lich, wenn die richtige Zeit für das Pflügen gewählt wird. Dieſer Zeitpunkt hängt
von dem jeweiligen Feuchtigkeitszuſtande des zu bearbeitenden Bodens ab. Der
Boden darf weder zu trocken noch zu naß ſein, ſondern muß eine gewiſſe Menge
an Feuchtigkeit aufgenommen haben, bei welcher derſelbe den geringſten Zuſammen-
halt hat und dem Eindringen des Pfluges den wenigſten Widerſtand entgegenſtellt.
Der praktiſche Landwirth bezeichnet dieſen Bodenzuſtand als „abgetrocknet“, ohne daß
es jedoch möglich wäre, zifferiſch anzugeben, bei welchem Waſſergehalte der Boden in
dieſen Zuſtand kommt.
Im Frühjahre vor der Saatbeſtellung und bei Thon- oder Lehmboden, je
bindiger dieſelben ſind, muß am forgfältigſten ein naſſes Pflügen vermieden werden.
Weniger Gefahr bringt das Naßpflügen vor Winter oder bei einem leichten, ſandigen
Boden. Beim Feuchtpflügen glatſchen die Furchenſtreifen, ohne gekrümelt zu werden,
zuſammen. Nach ihrem Austrocknen bilden ſie dann harte Schollen, welche ſich nur
ſchwer verkleinern laſſen. Ein weiterer Zweck des Pflügens, die Vertilgung des Un-
krautes, wird dann gleichfalls nur mangelhaft erreicht, indem aus dem feuchten Boden
das Unkraut nicht herausgebracht wird.
Wird bindiger Thon- oder Lehmboden im trockenen Zuſtande gepflügt, ſo wird
der Boden, wenn ſeine Verhärtung überhaupt ein Pflügen zuläßt, in großen, harten
[122]Allgemeine Ackerbaulehre.
Schollen aufgebrochen, deren Verkleinerung oft bedeutende Schwierigkeiten und Koſten
verurſacht. Trockener, ſandiger Boden wird dagegen durch unzeitgemäßes Pflügen
um ſo mehr austrocknen. Gegenüber dieſem Nachtheile, verſchwindet der Vortheil des
leichteren Ausziehens von Wurzelunkraut aus dem trockenen Sandboden.
Das Stürzen von Stoppeln, vernarbtem Grasland ꝛc. wird leichter aus-
zuführen ſein, wenn vorher ein, wenn auch nur leichter Regen die oberſte verhärtete
Bodenſchichte durchfeuchtet hat. Ebenſo werden ſchollige Felder nach einem Regen
leichter zu bearbeiten ſein, indem die Schollen durch den Regen aufgeweicht und zer-
bröckelt werden.
2. Die Tiefe und Breite des Pflügens.
Von der Tiefe der Bearbeitung hängt die Größe des Vorrathes an auf-
nahmsfähigen Nährſtoffen ab, welcher den Pflanzen zu ihrer Ernährung zur Verfügung
geſtellt werden kann. Durch die Vertiefung der Ackerkrume werden Bodenſchichten,
welche bisher gegen die Atmoſphäre abgeſchloſſen waren, dieſer ausgeſetzt und zur
Vermehrung des Vorrathes an aufnehmbarer Pflanzennahrung herangezogen. Soll
dieſe Vermehrung des Nährſtoffvorrathes dauernd erhalten bleiben, ſo muß natur-
gemäß mit der Vertiefung der Ackerkrume eine Verſtärkung der Düngung Hand in
Hand gehen.
Mit der Tiefe der Bodenbearbeitung vergrößert ſich auch das Bodenvolumen,
welches den Pflanzenwurzeln zugänglich wird. Nach Hellriegel genügt zwar unter
Vorausſetzung einer ausreichenden Bodenlockerung und eines reichlichen Nährſtoff-
vorrathes ein ſehr geringes Bodenvolumen zur Bildung einer großen Wurzelmaſſe.
Es liegt jedoch nahe daß am Felde durch die Vermehrung des Bodenvolumens
gleichzeitig eine Vergrößerung des Nährſtoffvorrathes eintritt, welcher die Wurzel-
entwickelung und entſprechend dieſer die Ausbildung der oberirdiſchen Pflanzentheile
weſentlich begünſtigt.
Acht Gerſtenpflanzen producirten nach Hellriegel 1) an Trockenſubſtanz (Gramme) in
Töpfen, welche
- I. 56—58 Cm. hoch, 12.5 Kilogr. Erde enthielten 20.25 Körner, 21.59 Stroh, 41.81 Summa,
- II. 28—29 „ „ 5.0 „ „ „ 12.77 „ 9.75 „ 22.52 „
- III. 13—14 „ „ 1.67 „ „ „ 5.31 „ 4.71 „ 10.02 „
Per Kilogr. Boden (I. 3.34, II. 4.50, III. 6.01) iſt der Ertrag um ſo geringer je
größer das Bodenvolumen.
Bei jedesmaliger Anwendung des Pfluges wird es jedoch nicht zweckmäßig ſein,
immer bis auf die äußerſte, zuläſſige Tiefe den Boden zu bearbeiten, ſondern es
wird je nach dem beabſichtigten Zwecke und der Bodenbeſchaffenheit eine verſchieden tiefe
Bearbeitung vorgenommen werden. Man unterſcheidet daher je nach der Tiefe, in
welcher der Boden unter gleichzeitigem Umwenden des abgeſchnittenen Erdſtreifens
gelockert wird, ein
[123]Die Bodenbearbeitung.
- 6—10 Cm. tiefes oder flaches Pflügen,
- 10—15 „ „ „ ſeichtes „
- 15—18 „ „ „ gewöhnliches „
- 18—20 „ „ „ tiefes „
- 20—50 „ „ „ ſehr tiefes „.
Ueber 20 Cm. wird eine weitere Bearbeitung nicht mehr mit dem gewöhnlichen
Pfluge oder Haken, ſondern mit dem Untergrundspfluge oder dem Wühler vor-
genommen. Man ſpricht dann von der Tiefcultur, welcher weiterhin ein beſonderer
Abſchnitt gewidmet werden ſoll.
Handelt es ſich darum, organiſche, humusbildende Subſtanz, wie Stoppeln,
Wurzelrückſtände, Stalldünger in den Boden unterzubringen, um eine möglichſt düngende
Wirkung zu erzielen, ſo wird ein flaches oder ſeichtes Pflügen anzuwenden ſein. Soll
dagegen durch die organiſche Subſtanz, wie bei langen Stoppeln, ſtrohigem Dünger,
eine Lockerung des bindigen Bodens erzielt werden, ſo wird ein gewöhnliches und
ſelbſt ein tiefes Pflügen angezeigt ſein. Die Unterbringung des Samens mit dem
Pfluge erfordert gleichfalls, wenn derſelbe die Bedingungen zum ſicheren Keimen
finden ſoll, ein ſeichteres Pflügen. Desgleichen wird die Bodenbeſchaffenheit auf die
Tiefe der Pflugfurche Einfluß nehmen. Im Allgemeinen wird der Sandboden tiefer
als der Thonboden zu pflügen ſein.
Ein tiefes Pflügen wird ſich beſonders für tiefwurzelnde Pflanzen, wie mehr-
jährige Klee- und Futtergewächſe, Wurzel-, Oel- und Hülſenfrüchte eignen. Bei
hoher Cultur der Landwirthſchaft erhält ſelbſt das Wintergetreide einen tief gelockerten
Boden, um eine nachhaltige Steigerung der Erträge zu erzielen.
Im Zuſammenhange mit der Tiefe des Pflügens, ſteht die Breite des mit
dem Pfluge abgeſchnittenen Erdſtreifens. Dieſelbe wird je nach der Conſtruction des
Pfluges, beſonders der Breite des Schares verſchieden ausfallen. Iſt es Abſicht der
Bodenbearbeitung, einen möglichſt großen Furchenquerſchnitt über die Bodenfläche der
Einwirkung der Atmoſphäre auszuſetzen, ſo muß wie S. 98 nachgewieſen, die Breite
zur Tiefe in einem Verhältniſſe von 1 : 1.414 oder bei gewöhnlichem Pflügen auf
18 Cm. Tiefe eine Breite von 25.4 Cm., bei flachem Pflügen auf 10 Cm. Tiefe
eine Breite von 14.1 Cm. genommen werden. Im erſten Falle wird ein Furchen-
querſchnitt von 457.2 □ Cm., im zweiten Falle nur von 141 □ Cm. abgeſchnitten.
Um nun im letzteren Falle die Arbeit ſchneller zu verrichten, und die Zugkraft beſſer
auszunützen, nimmt man eine oft um das doppelte breitere Furche, wenn man darauf
verzichten kann, daß das Feld nach dem Pflügen in möglichſt rauher Furche gelegt
werden ſoll, wie z. B. bei der Zerſtörung des Unkrautes, bei dem Stoppelſtürzen,
der Unterbringung der Saat, wo ohnehin die Furchen bald durch das nachfolgende zweite
Pflügen oder durch das Eggen verwiſcht werden. Anderſeits nimmt man ſchmälere
Furchen als oben angegeben, wenn es ſich darum handelt, einen zähen, bindigen
Boden kräftig zu lockern, trotzdem das Pflügen mit ſchmalen Furchen einen größeren
Zeitaufwand nothwendig macht.
[124]Allgemeine Ackerbanlehre.
3. Die Tiefeultur.
Die Tiefcultur beſteht in der Vertiefung der Ackerkrume über 20 Cm. oder in
der einfachen Lockerung des Untergrundes. In beiden Fällen beabſichtigt dieſelbe
eine Erhöhung der Ernteerträge durch Erleichterung der Wurzelverbreitung der
Pflanzen, durch Regulirung der Feuchtigkeitsverhältniſſe des Bodens und durch Auf-
ſchließung der Bodennahrung.
Der ausgiebiger gelockerte Boden und die größere Feuchtigkeit in den tieferen Boden-
ſchichten begünſtigt die Entwickelung tiefgehender Wurzeln, durch welche
wieder die ſichere Verſorgung der Pflanze mit dem nöthigen Waſſer, ſelbſt während un-
günſtiger Witterungsperioden, gewährleiſtet iſt. Die Sicherung der Ernteerträge durch
die Tiefcultur wird ſich am augenfälligſten bei jenen Pflanzen zeigen, welche ihrer
Natur nach wie die Klee- und Rübengewächſe auf die Ernährung aus tieferen Boden-
ſchichten angewieſen ſind. Angeregt durch den größeren Nährſtoffvorrath, welcher den
Pflanzen in den tief gelockertem Boden zur Verfügung ſteht, wird nicht nur der Tief-
gang ſondern auch die Verzweigung der Wurzeln weſentlich befördert. Daß letztere von
der Vertheilung der Nährſtoffe im Boden abhängig, wurde ſchon S. 20 erwähnt.
Die Verzweigung der Wurzeln wird um ſo reichlicher erfolgen, je mehr mechaniſchen
Widerſtand der Boden vor der Anwendung der Tiefcultur dem Eindringen der
Wurzelenden entgegengeſtellt hat.
Ein weſentlicher Vortheil der Tiefcultur beſteht weiter darin, daß durch die Ver-
tiefung der Ackerkrume der Feuchtigkeitsgehalt des Bodens geregelt wird.
In einem tief gelockerten Boden vertheilt ſich die Waſſermaſſe eines beträchtlichen Nieder-
ſchlages auf ein viel größeres Bodenvolumen als wie in einem ſeicht gelockerten Boden.
Ein Uebermaß an Waſſer kann überdies in einem tief gelockerten Boden leichter
abfließen oder durch Verdunſten verringert werden. Die Pflanzen werden daher
viel weniger von naſſer Witterung zu leiden haben. Im Frühjahre werden tief-
gepflügte Felder ſchneller abtrocknen und daher rechtzeitiger beſtellt werden können.
Anderſeits wird in trockenen Zeiten der Boden ſich feuchter halten, indem die unteren,
gelockerten Bodenſchichten nicht ſo raſch als wie die oberen abtrocknen, und durch das
erleichterte Aufſteigen des Grundwaſſers angefeuchtet werden. Dazu kommt, daß tief
gelockerter Boden wegen ſeiner größeren Thaubildung viel mehr hygroskopiſches
Waſſer feſthält. Ganz abgeſehen davon können die Pflanzen mit ihrer reichlicheren
Wurzelentwickelung ihren Waſſerbedarf aus einem viel weiteren Bodenraum ent-
nehmen. Dieſe leichtere Befriedigung des Waſſerbedarfes der Pflanze iſt größtentheils
die Urſache, daß in trockenen Gegenden die Ernteerträge auf tiefcultivirten Feldern
viel mehr geſichert ſind.
Durch die Tiefcultur wird ſchließlich die Luft ungehindert in den Boden eindringen
können und die Aufſchließung und Umſetzung der Bodennährſtoffe, die
Ausnutzung des Düngers beſchleunigen. Die in tiefere Schichten eingedrungenen
Pflanzenwurzeln werden auch ihrerſeits bei der Verweſung den Stoffumſatz in tieferen
Bodenſchichten befördern. Für ſich allein angewendet führt daher die Tiefcultur zu einer
Verminderung der Subſtanz des Bodens, je höher anfänglich die Ernteerträge ſteigen.
[125]Die Bodenbearbeitung.
Bei unverſtändiger Anwendung der Tiefcultur können jedoch anfänglich
auch Rückſchläge 1) in den Ernteerträgen eintreten. Dieſelben können um ſo empfind-
licher ausfallen, wenn durch das Heraufſchaffen des rohen Bodens aus dem Unter-
grunde und durch das Verſenken der fruchtbaren Ackerkrume in die Tiefe eine Ver-
ſchlechterung oder ein ſog. Todtpflügen des Feldes eingetreten. Eine derartige Boden-
verſchlechterung iſt um ſo nachtheiliger als ſie erſt nach langjähriger Cultur wieder
behoben werden kann. Befindet ſich z. B. im Untergrunde Schotter, oder eine undurch-
laſſende Schichte bei einer durchläſſigen Ackerkrume in einer trockenen Gegend ꝛc, ſo
wird die Tiefcultur nur von Nachtheil ſein.
Im Allgemeinen wird die Vertiefung der Ackerkrume nur ſo weit auszu-
führen ſein, als nach der Bodenbeſchaffenheit die Humusſubſtanz bei tieferem
Unterbringen im Boden noch eine vortheilhafte Wirkung ausüben kann, als die
Menge des heraufgebrachten Untergrundes den phyſikaliſchen Zuſtand und das Ab-
ſorptionsvermögen der Ackerkrume nicht ungünſtig beeinflußt. Ebenſo wird die mögliche
Vertiefung von der Menge der verfügbaren organiſchen Düngerſubſtanz abhängen. Alle
nicht zu ſtark gebundenen, tiefgründigen, humusreichen Böden können ohne Nachtheil
tief gepflügt werden, je reichlichere Stallmiſtdüngungen zur Aufſchließung des an die
Oberfläche gebrachten Untergrundes zur Verfügung ſtehen. Bei gebundenen Böden,
bei Böden mit flacher, humusarmer Krume wird das Heraufbringen des rohen
Untergrundes um ſo nachtheiliger ſein, je weniger deſſen Verwitterung und Umwandlung
in gare, mürbe Ackererde durch Stalldünger unterſtützt werden kann.
In jedem Falle iſt die Tiefcultur im Herbſte vorzunehmen, damit das in rauher
Furche liegen gelaſſene Feld der Einwirkung des Froſtes ausgeſetzt wird, welcher am
billigſten und ſchnellſten die Mürbung des Bodens herbeiführt. Am zweckmäßigſten
wird die Tiefcultur, welche nicht jedes Jahr, ſondern alle 3, 4, 6 Jahre auf das-
ſelbe Feld wiederkehrend ausgeführt wird, vor der Beſtellung des Feldes mit Hack-
oder Oelfrüchten ausgeführt. Halmgetreide, beſonders Gerſte und Roggen, auf
erſt einmal rajoltem Boden gebaut, würde einen Ernteausfall erleiden, da dieſe
Pflanzen zum Gedeihen einen gewiſſen mürben Zuſtand des Bodens verlangen, welcher
etwa erſt in zwei, drei Jahren nach der Ausführung der Tiefcultur eintritt.
Um ſich nach Möglichkeit vor Mißerfolgen bei der Tiefcultur zu ſchützen,
empfiehlt es ſich vor der Ausführung derſelben, beſonders den Untergrund einer ge-
nauen Unterſuchung zu unterziehen und auch dann erſt nur probeweiſe eine kleine
Fläche vorzunehmen. Bei dem geringſten Zweifel an dem Erfolge bleibt es immer
räthlich, die Vertiefung der Ackerkrume nicht auf einmal, ſondern nur nach und nach
zur Ausführung zu bringen.
[126]Allgemeine Ackerbaulehre.
Die Ausführung der Tiefcultur wird ſich daher nach der Verſchiedenheit
der Verhältniſſe zu richten haben. Läßt die Bodenbeſchaffenheit ein Heraufbringen des
Untergrundes zu, ſo wird die Tiefcultur entweder mit dem Spaten oder durch Doppel-
pflügen oder mit dem Rajolpflug oder durch Pflugſpaten ausgeführt. Der Spaten
liefert die vorzüglichſte Arbeit, gewöhnlich iſt dieſelbe aber zu koſtſpielig, um allge-
meiner zur Tiefbearbeitung angewendet zu werden. Gebräuchlicher iſt das Doppel-
pflügen, bei welchem zwei verſchieden tief geſtellte Pflüge in ein und derſelben Furche
hinter einander geführt werden. Der erſte gewöhnliche Pflug legt die oberſte Bodeu-
ſchichte von 15—20 Cm. in die geöffnete Furche, der nachfolgende zweite mit höherem
Streichbrette greift noch 10—18 Cm. tiefer und legt den heraufgebrachten Boden
auf die bereits in der Furche liegende obere Schichte. Eine ähnliche, jedoch voll-
kommenere Arbeit verrichtet der Rajolpflug, deſſen Vorſchar die oberſte Schichte ab-
ſchält und in die Furche wirft, während der nachfolgende Pflugkörper den tief ab-
geſchnittenen Erdkörper umlegt. Bei dem Pflugſpaten wird die Furchenſohle nach
einem vorausgegangenen Pflug mit dem Spaten aufgegraben und die ausgehobene
Erde über den aufgepflügten, zur Seite gelegten Furchenſtreifen gleichmäßig aus-
gebreitet. Den bei der Tiefcultur gleichzeitig aufgefahrenen Dünger bringt man
nicht ſo tief unter, ſondern mit einer ſeichteren Pflugfurche, damit derſelbe die Mürbung
und Verwitterung des heraufgebrachten, humusarmen Bodens unterſtütze.
Läßt dagegen der Boden eine Vermiſchung der oberen mit den unteren Schichten
nicht zu, ſo begnügt man ſich mit der Lockerung der tieferen Bodenſchichten, ohne
dieſe heraufzuſchaffen. Am ausgiebigſten wird dies durch die Anwendung des Dampf-
grubbers erreicht. Steht jedoch nur Spann- und Handkraft zur Verfügung, ſo wird
der Untergrund entweder durch den Wühler oder durch die Bearbeitung der Furchen-
ſohle mit der Grabgabel, ähnlich wie bei dem Pflugſpaten gelockert.
Erwähnenswerth iſt der Vorſchlag von W. Funke 1), die Bearbeitung des Unter-
grundes mit einer Düngung deſſelben zu combiniren. Bei dieſer modificirten Tief-
cultur oder Untergrundsdüngung, welche die Anwendbarkeit der Tiefbearbeitung er-
weitert, und die höchſte Ausnutzung des Düngers gewährleiſtet, ſoll der Stalldünger
für die Ackerkrume verwendet werden und der concentrirte Hilfsdünger durch den
Untergrundsdüngepflug zu den tieferen Bodenſchichten gebracht werden.
4. Die Geſtaltung der Bodenoberfläche.
Bei der Beſprechung der Wirkungsweiſe des Pfluges wurde angegeben, welche
Formen die der Luft ausgeſetzten Furchenſtreifen durch die Verwendung verſchiedener
Pflüge erhalten können. Es ſind dies die Kantfurche, die Gräthfurche, die glatte
Furche und der Kamm. Hier handelt es ſich nun zu erfahren, wie ſich die Ober-
fläche des ganzen Feldes durch das Pflügen geſtaltet. In dieſer Beziehung unter-
ſcheidet man das Ebenpflügen (Ebenbau), das Beetpflügen (Beetbau) und das Kamm-
aufwerfen (Kammbau).
[127]Die Bodenbearbeitung.
Eine ebene Feldfläche läßt ſich am leichteſten durch den Wechſelpflug, welcher
Furche an Furche nach derſelben Seite hin legt, herſtellen. Am vollkommenſten wird
der Ebenbau durch den Balancirpflug bei der Dampfcultur ausgeführt. Bei den
Spannwechſelpflügen tritt die unvollkommenere Ausbildung des Streichbrettes der
allgemeineren Anwendung derſelben entgegen. Beim Pflügen von Abhängen mit dem
Wechſelpflug, welcher hier nur allein gebraucht werden kann, werden die Furchen
immer nach abwärts gelegt und damit eine Anhäufung des Bodens an dem Fuße des
Abhanges herbeigeführt. Bei ſorgfältiger Cultur muß daher von Zeit zu Zeit der
Boden, der auch durch Abſchwemmen in die Tiefe gebracht wird, wieder auf die
Höhe geſchafft werden.
Mit dem Beetpfluge läßt ſich annähernd eben pflügen, wenn man 10—15
Meter breite Abtheilungen in Angriff nimmt oder bei kleineren Abtheilungen (Beeten)
die Zwiſchenfurchen nur flach aushebt und wieder zuſchleift oder mit dem Exſtirpator
der Saatharke, oder auch dem Pfluge ausgleicht. Am vollkommenſten und mit dem
geringſten Zeitverluſte, welcher bei dem eben angegebenen Verfahren durch das Leer-
gehen bei dem Uebergange des Pfluges von einer Furche zur andern oft beträchtlich
ausfallen kann, läßt ſich das Ebenpflügen durch das ſog. Carré- oder Figuren-
pflügen ausführen. Man beginnt dabei die Arbeit an einer Ecke und fährt längs
den Grenzen um das ganze Feldſtück und beendigt dieſelbe in der Mitte mit einer
offen bleibenden Furche. An jeder Ecke, an welcher der Pflug ſeine Richtung ändert
und neu eingeſetzt werden muß, treten jedoch die Zugthiere den bereits gepflügten
Acker zuſammen. Am Schluſſe des Pflügens müſſen daher die zuſammengetretenen
Streifen, von den Ecken einwärts, durch den Pflug oder Exſtirpator wieder auf-
gelockert werden. Hat man die Vorfurche in der Weiſe Carré-gepflügt, ſo wird
man die nachfolgende Saatfurche nicht am Rande ſondern in der Mitte des Feld-
ſtückes beginnen. Bei dieſem Figurenpflügen wird man die Arbeit um ſo beſſer
ausführen, wenn man erſt im Innern des Feldſtückes eine Figur abſteckt und für
ſich pflügt. Dieſe Figur hat eine ſolche Geſtalt zu erhalten, daß rings um dieſelbe bis
zum Feldrande ein gleich breiter Streifen bleibt, welcher dann nach allen Seiten
durch eine gleiche Anzahl von Pflugfurchen aufgepflügt wird. Bei langen Feldſtreifen
und kleinen Ackerſtücken läßt ſich jedoch dieſe Art des Ebenpflügens mit Beetpflügen
nicht durchführen.
Durch das Beetpflügen wird der Boden in breite oder ſchmälere, flach oder
ſtark gewölbte Abtheilungen (Beete, Gewende) gebracht. Die Herſtellung der Beete
erfolgt entweder durch das Zuſammen- oder Anpflügen (Zuſammenſchlagen) oder
durch das Auseinander- oder Abpflügen.
Wird ein ebenes Feld in Beete gepflügt, ſo wird vorerſt die Richtung der Beetrücken
genau abgeſteckt und dann jederſeits der bezeichneten Linie eine Furche, die Anfurche,
ausgehoben. Bei der Herſtellung der Beete durch das Zuſammenpflügen werden
die Anfurchen wieder zuſammengelegt und entweder rings um dieſelben — dem Beet-
rücken — Furche an Furche gelegt, bis das ganze Beet vollendet iſt oder noch zweck-
mäßiger die Hälften zweier benachbarter Beete, d. i. die Fläche zwiſchen zwei Aus-
[128]Allgemeine Ackerbaulehre.
ſtichfurchen, aufgepflügt. Zwiſchen zwei angrenzenden Beeten bleibt immer eine
Doppelfurche, die Ausſtichfurche offen. Damit dieſelbe nicht zu breit ausfällt,
nimmt man die beiden letzten Furchenſtreifen ſchmäler und hält dabei den Pflug
etwas geneigt gegen die Landſeite um eine dreieckige Ausſtichfurche zu erlangen. Bei
dem Auseinanderpflügen beginnt man in der früheren Ausſtichfurche, ſo zwar
daß an Stelle dieſer der Beetrücken kommt, während die neue Ausſtichfurche an der
Stelle des bisherigen Beetrückens belaſſen wird. Durch das abwechſelnde Aus-
einander- und wieder Zuſammenpflügen der Beete kann allein die gleiche Form und
Wölbung der Beete erhalten werden.
Die Zahl der Furchen, welche zu einem Beete zuſammengelegt werden, richtet
ſich nach der Furchenbreite und der Breite des Beetes. Schmale Beete werden von
4—8 Furchen, breite von 10—20 Furchen gebildet. 4—6 Furchen breite und
zugleich ſtark gewölbte Beete heißen in Oberöſterreich, Baiern ꝛc. Bifänge. Beete,
welche über 20 Furchen breit ſind, laſſen ſich nur mehr ſchwer gleichmäßig wölben.
Man ſpricht dann nicht mehr von Beet- ſondern von Ebenpflügen (ſ. oben). Um
die regelmäßige Wölbung der Beete zu erreichen, nimmt man die Furchenſtreifen, welche
den Beetrücken bilden, tiefer und pflügt dann in dem Maße als man ſich der Beetfurche
nähert immer ſeichter. Die richtige Anlage von Beeten iſt daher viel mühſamer und
verlangt geübtere und aufmerkſamere Pflugleute als der Ebenbau.
Durch den Beetbau will man die raſchere Ableitung des Regenwaſſers erzielen
und den capillar durchfeuchteten Boden ſchneller zum Abtrocknen bringen. Zu dieſem
Zwecke werden auch die offenen Furchen der Beete, welche auch nach dem Abeggen
ihre Form bewahren, mit dem Anhäufler oder dem Haken vertieft und glatt aus-
geſtrichen, oder wie in Belgien aus denſelben die Erde mit dem Spaten ausgehoben
und zur Erhöhung der Beete über dieſe ausgebreitet. Dieſe ausgeſtrichenen Beet-
furchen wirken dann ähnlich wie offene Entwäſſerungsgräben. Von der großen
Oberfläche der Beete kann gleichzeitig der Wind die Feuchtigkeit leichter entführen.
Dieſer Vortheil des Beetbaues läßt ſich jedoch viel ſicherer durch die Drainage
erreichen, welche jede Wölbung des Bodens, die um ſo unvortheilhafter je höher und
ſchmäler ſie iſt, überflüſſig macht. Die Beibehaltung des Beetbaues wird daher
nur in gewiſſen Fällen gerechtfertigt ſein wie auf bindigen, flachgründigen Böden,
auf Böden, welche ſich wegen eines felſigen Untergrundes, einer keſſelförmigen Ab-
lagerung, eines benachbarten hochſtehenden Gewäſſers, nicht leicht auf andere Weiſe
entwäſſern laſſen. In den meiſten übrigen Fällen iſt bei den vielen Nachtheilen des
Beetbaues der ſachgemäße, d. h. zur Vermeidung von Ernterückſchlägen allmälige
Uebergang, zum Ebenbau dringend zu empfehlen.
Gegenüber dem Ebenbau ergeben ſich für den Beetbau die folgenden Nachtheile
Bei dem Beetbau iſt die Bodenbearbeitung viel ungleichförmiger. Ein Theil des
Bodens bleibt beſonders bei mangelhaftem Pflügen unter den beiden Furchen, welche
den Beetrücken bilden, unbearbeitet. Wie dieſem Uebelſtande beim Anfurchen ab-
geholfen werden kann, wurde früher angegeben. Unvermeidlich iſt es jedoch, daß auf
dem Beetrücken die fruchtbare Erde zuſammengehäuft wird, während die Beetfurche
[129]Die Bodenbearbeitung.
bei ſeichtem Boden von der Ackerkrume entblößt wird. Aehnliches gilt vom Stall-
miſte, wenn man nicht die Vorſicht gebraucht, bei dem Ausbreiten deſſelben am Beet-
rücken einen Streifen beinahe frei zu laſſen und in die Furche Dünger einzuſtreifen.
Bei dem Unterbringen des Samens mit dem Pflug wird ſich der Same am Beet-
rücken häufen, während die Furchen nur durch Nachſäen mit Samen verſehen werden
können. Eggt man unter, ſo wird der Same in der Furche zuſammengezogen.
Nicht nur daß die Beetfurchen ungenügend beſtellt ſind, werden die etwa auflaufenden
Pflanzen durch das von dem Beetrücken ablaufende, in den Furchen ſich anſammelnde
Waſſer vernichtet. Je ſchmäler die Beete um ſo größer iſt der Ausfall an ertrags-
loſer Fläche. Dieſer Bodenverluſt kann, wenn die Beetfurche nur 30 Cm. breit
angenommen wird,
- bei 40 Furchen breiten Beeten 3% der Geſammtfläche,
- „ 20 „ „ „ 6% „ „
- „ 10 „ „ „ 12% „ „
- „ 8 „ „ „ 15% „ „
- „ 6 „ „ „ 20% „ „
- „ 4 „ „ „ 30% „ „ betragen.
Durch den Beetbau werden überdieß die Beſtellungsarbeiten vermehrt. Manche
laſſen ſich gar nicht oder nicht mit jener Vollkommenheit wie bei der Ebencultur
ausführen. Bei dem Eggen, Walzen ꝛc. wird ein Theil des Geräthes, welcher über
die Furchen geht, unwirkſam ſein. Durch die Beetfurchen wird die Anwendung der
Drill- und Mähmaſchinen, das Einführen der Ernte ſehr erſchwert.
Der Kammbau beſchränkt ſich im Vergleiche zu dem Eben- und Beetbau auf
einen kleineren Verbreitungsbezirk. Die Kämme oder Dämme werden entweder mit
dem Pflug, dem Haken, dem Häufelpflug oder dem Kammformer gebildet. Mit
dem Pflug kann immer nur ein halber Kamm aufgeworfen werden, die Arbeit
fördert daher nur ſehr wenig, dafür erhalten jedoch die Kämme die größte Breite.
Am häufigſten werden die Kämme mit dem Haken und mit dem Häufelpflug und
zwar gleichzeitig zwei halbe Kämme ausgeführt. Um bei dem Häufelpflug die
gleiche Entfernung der Kämme einzuhalten, werden vorher in den gewünſchten Ent-
fernungen Linien über das Feld gezogen oder wie bei dem Howard'ſchen Häufel-
pflug (Fig. 47 auf S. 115) durch einen am Häufelpflug angebrachten Markirſtab
eine Linie für den nächſten Gang in der erforderlichen Breite in den Boden geritzt.
Die gewöhnliche Breite der mit dem Anhäufler gebildeten Kämme wechſelt zwiſchen
47 und 53 Cm. Genügt eine geringere Kammentfernung (42 Cm.), ſo wird die
Arbeit raſcher durch den Kammformer vollendet. Derſelbe beſteht aus drei kleineren,
an einem gemeinſchaftlichen Geſtelle befeſtigten Häufelpflügen, welche gleichzeitig zwei ganze
und zwei halbe Kämme auf dem vorher ebengewalzten Felde aufwerfen. Regelmäßig
geſtaltete Kämme laſſen ſich nur in lockerem Erdreiche ausheben. Die Kammcultur kann
daher nur dann als vollkommen bezeichnet werden, wenn eine gewöhnliche Bearbeitung
des Bodens mit dem Pflug vorausgegangen. Dieſelbe wird um ſo nothwendiger
Krafft, Lehrb. d. Landw. I. 9
[130]Allgemeine Ackerbaulehre.
als in ungelockertem Boden der Häufelpflug zu viel Zugkraft erfordert und nahezu
die Hälfte des Bodens unter den Kämmen unbearbeitet bleibt.
Durch die Kammcultur wird in vollkommenerer Weiſe als durch den Beetbau ein
naſſer Boden für die Pflanzencultur geeignet gemacht, indem ſich durch die größere Ober-
fläche der Kämme gegenüber dem ebenen Felde die Feuchtigkeitsverhältniſſe viel zuträglicher
für das Pflanzenwachsthum regeln. Das Waſſer läuft von den Kämmen leichter ab,
ohne dabei, wie dies bei ebener Fläche eintreten kann, den Boden zu verſchließen und
zu verkruſten. Von capillarem aus dem Untergrunde aufſteigendem Waſſer durch-
feuchtete Kämme werden durch Verdunſten des Waſſers raſcher abtrocknen. Die auf
den Kämmen ſtehenden Pflanzen werden aus dem Bereiche der ſchädlichen Näſſe
gebracht und erhalten zugleich durch das partielle Aufhäufen des Bodens eine tiefere
Ackerkrume. Der Kammbau vor der Saat, zum Unterſchiede von dem Anhäufeln
der wachſenden Pflanzen, eignet ſich daher beſonders für flachgründigen, an ſtauender
Näſſe leidenden Boden und für Gegenden mit reichlichen Niederſchlägen. Allerdings
erfordert dann der Kammbau, welcher ſtets mit der Reihencultur der Pflanzen ver-
bunden iſt, beſonders eingerichtete Kammwalzen, Säe- und Hackmaſchinen.
Eigenthümlich geſtaltet wird die Bodenoberfläche durch das Bälken, Halb-
pflügen oder Reihen. Bei demſelben wird neben je einem unberührt gelaſſenen
Bodenſtreifen von Furchenbreite ein benachbarter Furchenſtreifen ausgehoben und auf
jenen umgelegt. Da bei dem Bälken nur die Hälfte des Feldes ſtreifenweiſe auf-
gepflügt wird, ſo wird mit dem geringſten Zeitaufwande eine große Bodenoberfläche
der Luft und Froſteinwirkung ausgeſetzt, wenn das Bälken vor Winter ausgeführt
wird. Im Frühjahre wird ein gebälktes Feld ſchneller abtrocknen und daher früh-
zeitiger beſtellt werden können. Das Bälken kann auch als Nothbehelf dienen, wenn
die Zeit vor dem Winter zu kurz war, um die Stoppeln umzuſtürzen. In dieſem
Falle wird bei ſchmalen Beeten die Arbeit auch gefördert, wenn immer die letzten
beiden in der Beetfurche ſtehenden Erdſtreifen ungepflügt belaſſen werden.
Von Bedeutung für die Cultur der Pflanzen iſt die Richtung, in welcher die
Beete und Kämme gezogen werden Hindert nicht die Geſtalt und der Hang des
Feldes, ſo giebt man wegen der gleichmäßigeren Beſonnung den Beeten ꝛc. die Richtung
von Nord nach Süd. Bei geneigten Feldern werden die Beete um ſo mehr in der
Richtung des Gefälles angelegt, je mehr die Bodenbeſchaffenheit und Regenmenge ein
ſchnelleres Ablaufen des Waſſers durch die Beetfurchen erfordert. Mit der Zunahme
des Gefälles wird das Pflügen mit dem Hange immer ſchwieriger, ebenſo das Ab-
ſchwemmen des Bodens mehr zu befürchten ſein, weshalb bei ſtärkerer Neigung die
Beete ſchräg gegen dieſelbe gerichtet werden. Eine wechſelnde Neigung erfordert oft
eine Anlage der Beete in mehreren Abtheilungen nach verſchiedenen Richtungen.
Bei zwei aufeinander folgenden Pflugarten empfiehlt es ſich, die Richtung der Beete
und Kämme zu wechſeln, um eine ausgiebigere Krümelung und Ebenung des Bodens
zu erzielen. Am zweckmäßigſten wird dieſes [Querpflügen] durch den Haken oder
auch den Exſtirpator ausgeführt, welche bei größerer täglicher Leiſtungsfähigkeit den
Boden kräftig lockern.
[131]Die Bodenbearbeitung.
Ebenſo werden häufig die Feldränder in einer anderen Richtung als das übrige
Feld, in ſog. Randbeeten oder Anwanden gepflügt. Hindern bebaute oder
angrenzende, fremde Grundſtücke, oder Hecken, Gräben u. dgl. das Ueberſchreiten des
Feldrandes, ſo muß der Pflug nach jedem Gange am Felde ſelbſt umkehren. Dieſer
Theil wird dann nach Vollendung der Pflugarbeit als Anwand- oder Randbeet für
ſich bearbeitet. Um das Höherwerden der Randbeete zu vermeiden, müſſen dieſelben
abwechſelnd auseinander- und zuſammengepflügt werden, aus demſelben Grunde iſt
es zweckmäßig, den Pflug nicht am Feldrande ſondern unterwegs nach Bedarf
auszuputzen.
Iſt das Feld auf irgend eine Art fertig gepflügt, ſo erübriget noch das Ziehen
der Waſſerfurchen und das Einputzen des Feldes. Je länger die Beete und
je mehr dieſelben gegen das Gefälle gerichtet ſind, um ſo nothwendiger iſt die Her-
ſtellung von Waſſerfurchen. Für deren Anlage gelten dieſelben Grundſätze, wie für
die Anlage offener Entwäſſerungsgräben, deren Stelle ſie theilweiſe vertreten. Richtig
geführte Waſſerfurchen machen oft zu ſchmale Beete vollkommen überflüſſig. Zum
Ziehen derſelben bedient man ſich des Pfluges, der etwas geneigt gehalten wird, um
eine dreieckige Furche auszuheben, oder noch beſſer des Häufelpfluges oder Hakens.
Die Einmündungen der Beetfurchen müſſen jedoch nachträglich mit dem Spaten, um
den Ablauf des Waſſers zu ermöglichen, frei gemacht werden. Das Rein- und
Offenhalten der Waſſerfurchen iſt eine Bedingung für ihre fortdauernde Wirkſamkeit.
Den Schluß der Ackerarbeit bildet das Einputzen des Feldes, indem man die un-
gepflügt gebliebenen Feldecken, den Boden um die im Felde ſtehenden Bäume aufſpatet
und rings um das Feld mit dem Spaten oder dem Pflug eine Furche aushebt.
Der Kamm der Furche wird ſorgfältig mit dem Rechen geebenet. Dieſe Randfurche
hat den Zweck, das Eindringen des Waſſers, der Graswurzeln von den Feldrändern
zu verhüten und den am Rande ſtehenden Pflanzen einen leichten, wenn auch viel-
fach hinreichenden Schutz vor Beſchädigungen durch Betreten des Feldes zu gewähren.
5. Die Zahl der Pflugfurchen.
In manchen Fällen reicht eine Pflugfurche (Pflugart, Pflugfahre) aus um dem
Boden jenen phyſikaliſchen Zuſtand zu geben, welcher für das Gedeihen der Pflanzen
am zuträglichſten iſt. In vielen Fällen wird das Feld jedoch erſt durch 2—4 und
mehrmaliges Pflügen in den erwünſchten gahren Zuſtand gebracht.
Unter der Ackergahre verſteht man einen durch Bearbeitung und Düngung herbei-
geführten krümligen Zuſtand des Bodens, welcher es möglich macht, daß die Wachsthums-
factoren am vortheilhafteſten zur Wirkung gelangen. Dieſer eigenthümliche Zuſtand der
Gahre äußert ſich nach v. Laer 1), wie folgt: „1. Die Farbe des Ackers wird dunkler.
2. Die kleinen Schollen verlieren ihre Zähigkeit; ſie werden mürbe und zerfallen. 3. Der
Boden fühlt ſich anders an. Er wird elaſtiſch unter dem Fuße; in der Hand fühlt er ſich
weniger rauh an. 4. Die Ackerkrume dehnt ſich aus. Sie pufft auf, gewinnt an Volumen.
9*
[132]Allgemeine Ackerbaulehre.
5. Zuletzt wird das Feld grün, nicht etwa von Unkrautpflanzen, ſondern von einer eigenen
Art von Pflanzen. Die einzelnen kleinen Schollen, welche aber ſchon morſch ſind, ſowie
der ganze Acker, überziehen ſich mit einer moosartigen grünen Maſſe.“
Ueber die Nothwendigkeit, die Pflugarbeit zu wiederholen, entſcheidet die Art und
Cultur der Pflanze, welche angebaut werden ſoll und welche vorausgegangen iſt, die
Bodenbeſchaffenheit, der Cultur- und Düngungszuſtand des Bodens, die Wahl des rich-
tigen Zeitpunktes bei dem vorausgegangenen Pflügen und die klimatiſchen Verhältniſſe.
Manche Pflanzen, wie der Hafer, Mais, Buchweizen (S. 68) gedeihen in Neu-
brüchen, andere wie die Gerſte, die Hackfrüchte benöthigen ſorgfältiger bearbeitete
Böden. Die Ausführung der Reihencultur ſetzt gleichfalls eine ſorgfältigere Boden-
bearbeitung voraus.
Die vorangegangene Pflanze hinterläßt das Feld in ſehr verſchiedenem Zu-
ſtande. Nach Hackfrüchten, welche während der Vegetation fleißig bearbeitet wurden,
wird das Feld rein und loſe zurückbleiben, ſo zwar, daß ſchon eine Pflugfurche oder
auch nur ein Eggenſtrich hinreicht, um den Acker für den Anbau der nach-
folgenden Frucht wieder herzurichten. Nach Hülſenfrüchten und kleeartigen Pflanzen,
welche, je blattreicher ſie ſind, durch Abhaltung der mechaniſchen Gewalt der Regen-
tropfen und durch ihre Beſchattung (Beſchattungsgahre) den Boden in einem um ſo
günſtigeren phyſikaliſchen Zuſtand erhalten, wird das Pflügen nicht ſo oft zu wieder-
holen ſein, als wie nach dem Getreide, welches den Boden geſchloſſen und ver-
unkrautet zurückläßt.
Die Bodenbeſchaffenheit nimmt auf die Zahl der erforderlichen Pflugfurchen
gleichfalls Einfluß. Sandboden gelangt ſchon mit einer Ackerung in den erforder-
lichen lockeren, mürben Zuſtand, während Thon- und Lehmböden erſt nach mehr-
maligem, verſchieden tiefem Pflügen in jenen Zuſtand verſetzt werden und zwar je
ungünſtiger der Zeitpunkt zum Pflügen getroffen wurde. Ein im guten Cultur- und
Düngungszuſtande befindliches Feld erheiſcht ein mäßigeres Bearbeiten, um in den
gahren Zuſtand zu gelangen, als ein verunkrautetes und verarmtes Land. Je mehr
Unkraut aufkeimt, um ſo häufiger muß bearbeitet werden, ſelbſt dann, wenn der
ſonſtige Boden- und Culturzuſtand des Feldes es nicht erfordern würde.
In warmen, feuchten Gegenden wird ſich die Verwitterung und überhaupt der
chemiſche Stoffumſatz im Boden viel lebhafter geſtalten, als in kühlen, naſſen Land-
ſtrichen. In letzteren Oertlichkeiten wird daher die Wiederholung der Pflugarbeit
nicht ſo ſchnell auf einander folgen können, als wie in erſteren. Die Wurzel-
rückſtände, der Dünger werden längere Zeit zu ihrem Zerfallen brauchen, der Boden
wird ſich erſt nach einem größeren Zeitraume, oft erſt nach 1—1½ Monaten, wieder
ſo feſt legen, daß eine erneuerte Lockerung durch den Pflug angezeigt wird. Ebenſo
werden in trockenen Gegenden, längere Zwiſchenräume zwiſchen den einzelnen Pflug-
arten erforderlich ſein, da die Schollen langſamer zerfallen, das Zerbröckeln des
Bodens, das Verfaulen des Miſtes, der Stoppeln ꝛc. ſich verzögert. Ausgiebige Regen-
güſſe verſchlemmen und verkruſten den Boden derart, daß gleichfalls eine wieder-
holte Bearbeitung geboten erſcheint.
[133]Die Bodenbearbeitung.
Zwiſchen zwei Pflugfahrten ſoll der Boden wenigſtens einmal mit der Egge
bearbeitet werden, um die Mürbung und Krümelung des Bodens zu vervollſtändigen,
zu verhüten, daß die Schollen unzerbrochen in den Boden gelangen, um das Unkraut
zu vertilgen und das folgende Pflügen zu erleichtern. Manche Bodenarten, welche
nach dem Austrocknen bald erhärten, verlangen, daß ſie gleich nach dem Pflügen, ſo
lange die Schollen noch leicht verkleinert werden können, abgeeggt werden. In
Gegenden mit bindigerem Boden pflegt man daher ſeitwärts von dem Pfluge eine
Egge 1) ſo weit anzuhängen, daß ihre Arbeit von der Ackerfurche nicht überdeckt
wird. Bei dieſem gleichzeitigen Ackern und Eggen wird nebenbei die Zugkraft beſſer
ausgenutzt und das Zuſammentreten des Feldes beim Eggen vermieden. Soll der
Boden möglichſt der Einwirkung des Froſtes oder der Atmoſphäre zur Beförderung
der Verwitterung ausgeſetzt bleiben, ſo wird er nicht abgeegt, ſondern in rauher
Furche liegen gelaſſen und das Eggen, ſofern nicht früher Unkraut, beſonders bei
trockener Zeit, zu zerſtören iſt, erſt kurz vor der zweiten Ackerung vorgenommen. In
trockenen Gegenden und bei leichtem Boden walzt man den Boden nach dem Unter-
pflügen des Düngers, um durch Andrücken an die Erde das Verfaulen deſſelben zu
befördern.
6. Die Brache.
Zur Ausführung der erforderlichen Zahl von Pflugfurchen ſteht entweder eine
kürzere oder längere Zeit vor der Saatbeſtellung zur Verfügung. Bei vorgeſchrittener
Cultur wird gewöhnlich nur der Zeitraum von der im Spätſommer vorgenommenen
Ernte bis zur Herbſt- oder Frühjahrsſaat verfügbar ſein. Im Falle der Brach-
haltung bleibt jedoch das Feld nahezu ein Jahr unbebaut, um genügende Zeit für
die Bearbeitung zu erhalten und damit zwiſchen den einzelnen Pflugfurchen der
Boden ausreichend lange der Einwirkung der Atmofphäre ausgeſetzt bleiben kann.
Wird zu dieſer Bearbeitung ein ganzes Jahr verwendet, ſo ſpricht man von ganzer
oder voller Brache oder auch da keine Culturpflanzen den Boden bedecken von
reiner oder ſchwarzer Brache. Wird dagegen nur ein halbes Jahr, von Juni,
Juli an, der Brachbearbeitung gewidmet, während das Feld vorher als Weideland
oder noch zweckmäßiger als Grünfutterland benutzt wurde, ſo ſpricht man von
halber Brache oder Sommerbrache. Wird an Stelle der Brachbearbeitung
geweidet, ſo bezeichnet man die Brache als grüne Brache. Beſtellt man das zur
Brachbearbeitung beſtimmte Feld mit einer Futterpflanze oder einer Hackfrucht, ſo
heißt ſie dann bebaute Brache.
Durch die reine oder ſchwarze Brache beabſichtigt man, nachdem ſich die frühere
Anſicht von der Ruhe des Ackers, während welcher eine Bereicherung der Bodenkraft
eintritt, als unhaltbar erwieſen hat, die Herſtellung der Gahre des Ackers oder mit
anderen Worten eine Bereicherung des Bodens an aſſimilirbaren Pflanzennährſtoffen
auf Koſten der unaufgeſchloſſenen Nährſtoffe, die Verbeſſerung des phyſikaliſchen
Bodenzuſtandes und die Vertilgung der Unkräuter.
[134]Allgemeine Ackerbaulehre.
Zwiſchen den einzelnen Pflugfurchen iſt bei der Brache hinreichende Zeit für die
ungehinderte Einwirkung von Luft, Feuchtigkeit und Wärme gegeben, welche den Um-
ſatz der organiſchen und unorganiſchen Stoffe in Pflanzennahrung befördert. Durch
dieſe Einwirkung werden vorerſt die im Boden enthaltenen Wurzelrückſtände von der
vorangegangenen Ernte und der Dünger in Humusſubſtanzen umgewandelt, und damit
alle jene Vortheile erreicht, welche ſich an die Vermehrung der Humuskörper im Boden
knüpfen. Durch dieſelbe wird nicht nur eine extreme phyſikaliſche Bodenbeſchaffenheit
verbeſſert, ſondern auch durch die Kohlenſäureentwickelung bei der Zerſetzung die
Mineralſtoffe im Boden aufgeſchloſſen, gelöſt und gleichmäßig vertheilt und durch die
Kohlenſäure- und Ammoniakentwickelung unmittelbar eine Vermehrung der atmo-
ſphäriſchen Nährſtoffe im Boden beſonders des Stickſtoffes herbeigeführt. Ebenſo werden
durch die Brachbearbeitung und die durch dieſelbe geſteigerte Verwitterung unorganiſche
Stoffe, beſonders die unaufgeſchloſſenen, jedoch veränderlichen Geſteine, die Silicate,
Zeolithe ꝛc. in aufnehmbare Bodennährſtoffe umgeſetzt.
Mit Bezug auf die Aenderung des phyſikaliſchen Bodenzuſtandes wird ſich die
Brache am wirkſamſten bei bindigeren Bodenarten zeigen. Dieſelben erhalten durch
die fleißige Bearbeitung eine krümelige Beſchaffenheit. In Folge davon verringert
ſich die übermäßige waſſerhaltende Kraft, der Boden wird trockener, wärmer. Bei
lockerem Boden liegt die Gefahr nahe, daß durch die Brachbearbeitung eine pulverige
Beſchaffenheit des Bodens eintritt, welche die Ungunſt der phyſikaliſchen Beſchaffenheit
eines lockeren Bodens noch erhöht.
Die Vertilgung der Unkräuter kann ſchließlich bei dem Ueberhandnehmen der-
ſelben nur durch eine fleißige Brachbearbeitung gründlich erreicht werden.
Die vorſtehend näher ausgeführte Verbeſſerung des Bodenzuſtandes zeigt ſich in
der Erhöhung der Ernteerträge und der Qualität der Ernteproducte von den nach
der Brache gebauten Pflanzen, beſonders der Wintergetreidefrüchte, der Winter-
ölfrüchte, der Rübengewächſe. Dieſer Steigerung des Ertrages ſteht jedoch der
Ertragsausfall während des für die Pflanzencultur nicht verwendeten Brachjahres
und die größeren Koſten der Bodenbearbeitung gegenüber. Bei vorgeſchrittener Cultur
laſſen ſich die Vortheile der Brache durch Düngung, Tiefcultur, Drainage, Hackfrucht-
und Futterbau, entſprechende Fruchtfolge u. ſ. w. in viel kürzerer Zeit, ohne das
Feld ein Jahr lang unbenutzt zu laſſen, erreichen. Bei dem Uebergange zu inten-
ſiverer Cultur wird die ſchwarze Brache aufgegeben und durch die bebaute Brache
erſetzt. Durch die Beſtellung des Brachfeldes mit Hackfrüchten, welche während ihres
Wachsthumes bearbeitet werden, bleibt der Boden ebenſo gelockert und unkraut-
rein, wie nach der Brachbearbeitung. Ebenſo erhalten beſonders blattreiche Futter-
pflanzen den Boden im gelockerten, gahren Zuſtande. Bei der Beſtellung mit Klee
tritt überdies eine Bereicherung des Bodens durch die Wurzelrückſtände allerdings auf
Koſten der tieferen Bodenſchichten ein.
Trotzdem wird in gewiſſen Fällen die Brache nicht zu entbehren ſein. In
rauhen Klimaten reifen die Früchte zu ſpät, um noch Wintergetreide, welches in
ſolchen Lagen überdies frühzeitiger in den Boden ſoll, ausſäen zu können, es muß
[135]Die Bodenbearbeitung.
daher das Feld bis zum nächſten Herbſtanbaue brach liegen bleiben. Es wird dies
um ſo nothwendiger ſein, als der Verwitterungsprozeß ohnehin bei der geringeren
Temperatur langſamer verläuft.
Ein gebrachter Boden hält ſich nach den Unterſuchungen von Dr. Wilhelm 1)
und Dr. Breitenlohner 2) viel feuchter als ein mit Pflanzen beſtanden geweſener. Es
erklärt ſich dadurch in trockenen Gegenden der ſichere Ertrag der Wintergetreide- und
Rapsfelder nach der Brache. Für ſolche Gegenden, welche an atmoſphäriſchen Nieder-
ſchlägen Mangel leiden, rechtfertigt ſich daher die Beibehaltung der Brache, welche eine
Conſervirung der Feuchte zuläßt. Zäher, ſtrenger Thonboden wird zuweilen nur durch
fleißige Brachbearbeitung in einen gelockerten Zuſtand gebracht werden können. Des-
gleichen wird bei überhandnehmender Verunkrautung der Felder am ausgiebigſten
durch die Brache geholfen werden können. Fehlt es an Dünger, ſo liegt es nahe,
daß die Beibehaltung der Brache von Nutzen ſein wird.
Die Vortheile der Brache laſſen ſich am zuverläſſigſten mit der ſchwarzen Brache
erreichen; aber auch nur dann, wenn der Boden, je nachdem ſeine Beſchaffenheit es er-
fordert, öfters bearbeitet wird. Die volle Brachbearbeitung beginnt mit dem
Stürzen (Brachfurche, Stürzfurche) der Getreide- oder Kleeſtoppeln. Letztere wird
zur Erleichterung des Verrottens der Narbe ſeicht untergepflügt. Die Getreideſtoppel
kann jedoch, wenn keine Ausſicht vorhanden, den Boden vor Winter nochmals zu
pflügen, gleich tief untergebracht werden, damit über den Winter die Zerbröckelung des
Bodens durch den Froſt ausgiebiger ſtattfinde. Wird der Dünger auf die Stoppel
gefahren, ſo wird das erſte Pflügen nur flach ausgeführt und erſt das zweite Mal
tiefer gepflügt.
Die zweite Furche (Wendefurche, Zwiebrache) wird in der Regel erſt nach
dem Frühjahrsanbaue nach einem vorangegangenen, ſcharfen Eggen auf voller Tiefe
gegeben. Kurz vor der Saat wird dann die letzte Furche, die Saatfurche, gegeben.
Bei 4maliger oder öfterer Bearbeitung der Brache werden zwiſchen der Wende- und
Saatfurche eine oder mehrere Ruhrfurchen im Verlaufe des Sommers ein-
geſchaltet. Dabei wird der Dünger, wenn er nicht ſchon im Herbſte aufgefahren
wurde, während des Sommers ſeicht untergebracht. Durch die Ruhrfurche ſoll der
Boden möglichſt gekrümelt werden, ſie wird daher ſtets nach der Quere vorgenommen
oder auch namentlich wenn eine zweite Ruhrfurche folgt, mit dem Exſtirpator oder
dem Haken ausgeführt.
Bei der halben Brache, welche am häufigſten nach Klee, Wickfutter an-
gewendet wird, um von dem Klee noch einen Schnitt oder eine Weide zu erhalten,
wird in ähnlicher Weiſe wie bei der bis in den halben Sommer als Weide aus-
genützten grünen Brache verfahren. Die Kleeſtoppel oder die Weide wird im
Juni, Juli geſtürzt und der Boden bis zum Winteranbaue noch durch 2—3 Pflug-
fahrten bearbeitet.
[136]Allgemeine Ackerbaulehre.
7. Die Leiſtungsfähigkeit des Pfluges.
Die Leiſtungsfähigkeit des Pfluges richtet ſich nach der Art der Zugthiere,
nach der Conſtruction des Pfluges, der Art des Pflügens, der Bodenbeſchaffenheit und
der Jahreszeit.
Im Allgemeinen ſind Ochſen wegen ihres ruhigeren Ganges den Pferden als
Pflugbeſpannung vorzuziehen. Für die gewöhnliche Pflugarbeit reichen zwei Zug-
thiere hin (S. 110). Bei bindigerem Boden und tieferem Pflügen fährt man jedoch
vierſpännig. Je nachdem der Pflug eine breitere oder ſchmälere Furche abſchneidet
und je nach der Conſiſtenz des Bodens wird die Geſchwindigkeit der Zugthiere und
ſomit auch deren Leiſtungsfähigkeit verſchieden ausfallen. Dazu kommt, daß ſich im
Verlaufe des Arbeitstages mancher Aufenthalt durch das Hinaus- und Hereinfahren
zum Felde, durch das Umkehren und Leerfahren am Feldrande und durch das Raſten
der Zugthiere ergiebt. Dieſer Zeitverluſt kann eine halbe Stunde bis zu 2, 3 Stunden
ausmachen. Der geringſte Zeitverluſt tritt bei dem Figurenpflügen und bei dem
Ebenpflügen mit dem Wechſelpflug ein. Dagegen verlängert ſich beim Beetbau der
Weg, welcher ohne Arbeitsleiſtung zurückgelegt werden muß, je breiter die Beete und
kürzer das Feld iſt. Am meiſten, bis zu 0.7 Hektar im Tag fördert das ſeichte
Stoppelſtürzen. Auf gewöhnliche Tiefe werden in 10 Arbeitsſtunden 0.5 Hektar,
bei dem Tiefpflügen 0.3 und weniger abgefertigt. Mit dem Häufelpflug werden
täglich 1—1.2 Hektar bearbeitet.
6. Die Egge.
Die Egge dient zum oberflächlichen Lockern, Krümeln und Ebenen des Bodens.
Die Ausführung dieſer Arbeit verrichten die Eggenzinken oder Eggenzähne, welche in
verſchiedenſter Anordnung und Anzahl an einem Rahmen oder Geſtelle befeſtigt ſind.
Das Eggengeſtell, welches aus hölzernen oder eiſernen Längs- und Quer-
balken zuſammengefügt wird, vermittelt die Stellung der Zähne und die Verbindung
derſelben mit der Zugkraft. Zu hölzernen Eggenrahmen verwendet man zähes
Eichen- oder Eſchenholz, welches jedoch nicht über die Faſer geſchnitten ſein ſoll.
Eiſerne Eggenbalken erhalten gewöhnlich einen rechtwinkeligen Querſchnitt um die
Befeſtigung der Eggenzinken ſicher ausführen zu können. Je nach der Form des
Eggenrahmens unterſcheidet man dreieckige, viereckige, rhombiſche, trapezförmige, Zick-
zack- und runde Eggen. Der Eggenrahmen iſt entweder unbeweglich oder beweglich ein-
gerichtet. Die Beweglichkeit bezieht ſich entweder, wie bei der Expanſionsegge auf
die Verſchiebbarkeit der Zinkenentfernung oder auf die Veränderlichkeit der Zinken in
verticaler Richtung, wie bei den ſogenannten geſchmeidigen Eggen. Letztere Eggen
bewähren ſich beſonders zur Bearbeitung von unebenen Böden oder von Beeten,
welchen ſie ſich genau anlegen. Am vorzüglichſten wird dieſe Gruppe von Eggen durch
die Gliederegge von Howard, Fig. 53 (ſ. S. 137), (Ketten-, Dreifuß-, Wieſenegge)
repräſentirt, welche aus 45 durch Stahldrahtringe beweglich verbundenen Dreifüßen
beſteht. Umgelegt kann dieſelbe mit ihren kürzeren in der Figur nach aufwärts
[137]Die Bodenbearbeitung.
gerichteten Zinken als Schleife dienen. Die Schmiegſamkeit der Eggen an die Boden-
unebenheiten wird auch dadurch erreicht, daß man, wie bei den mehrtheiligen Eggen,
mehrere Eggenrahmen (Sätze) zu einem
Ganzen vereinigt (ſ. Fig. 54, S. 139).
Bei den Eggenzinken iſt das Ma-
terial, die Länge und Geſtalt, die Befeſti-
gung, die Stellung, die Anzahl und be-
ſonders die Art der Vertheilung zu beachten.
Die Eggenzinken werden je nach dem
Boden und Zwecke, für welchen die Egge
verwendet werden ſoll, entweder aus Holz
für leichteren Boden und leichtere Arbeit,
oder aus zuweilen verſtähltem Schmiedeeiſen,
aus ſchmiedbarem Guße hergeſtellt. Weniger
geeignet, da die Egge durch Stoß wirken
ſoll, iſt Gußeiſen. Zu hölzernen Zinken
verwendet man beſonders Eichen-, Apfel-
oder Hainbuchenholz.
Bei eiſernen Zinken genügt eine Dicke
von 0.2—2.5 Cm., um denſelben genügende
Feſtigkeit gegen das Zerbrechen zu geben.
Hölzerne Zinken nimmt man der größeren
Abnutzung wegen etwas ſtärker. Soll die
Egge in einem bindigen Boden oder zur
kräftigen Lockerung verwendet werden, ſo
wählt man gleichfalls Eggen mit ſtärkeren
Zinken. Bei einem runden Querſchnitte des
Eggenzahnes wird derſelbe im Boden nach
allen Richtungen gleichen Widerſtand finden.
Für eine vollkommene Krümelung des Bodens
iſt es jedoch erwünſcht, daß die Egge ſich nicht
geradlinig in der Richtung der Zuglinie
fortbewegt, ſondern eine hin und hergehende,
ſchlängelnde Bewegung einhält. Dieſe
ſchlängelnde Bewegung wird erhöht, wenn der
Gliederegge von J. \& F. Howard —
Bedford. — Breite, Marke F 1. 2 und F 2. 2,5 M.,
Gewicht 75 u. 113 Kilogr., Preis 63 und 94 Mark,
31 fl. 50 kr. u. 47 fl.
Querſchnitt des Eggenzahnes nicht rund, ſondern drei- oder vierkantig iſt. Eine Kante
muß dabei ſtets nach vorne in der Richtung der Zuglinie geſtellt ſein, um das
Durchſchneiden des Bodens zu erleichtern. Runde Eggen werden dagegen das
Unkraut weniger zerſchneiden, ſondern ſicherer aus dem Boden ziehen und zuſammen-
nehmen.
Die Egge wird nur zum oberflächlichen Lockern des Bodens verwendet; ſoll tiefer
gelockert werden, bedient man ſich des Exſtirpators. Von der Zinkenlänge braucht
[138]Allgemeine Ackerbaulehre.
daher nur eine Länge von 8—13 Cm., bei ſchweren Eggen von 13—16 Cm.
in den Boden einzugreifen. Außerdem muß bis zum Eggenrahmen noch eine Länge
von mindeſtens 10 Cm. vorhanden ſein, um ein ungehindertes Hinweggehen der Egge
über Wurzeln, Steine, Schollen u. dgl. zu ermöglichen. Die Geſammtlänge der
Zinken vom Eggenrahmen bis zur Spitze gemeſſen wechſelt daher zwiſchen
18—30 Cm. Die Zinken ſollen alle gleich lang ſein, damit bei richtiger Anſpannung
alle Zinken gleich tief in den Boden eingreifen. Die Zinken erhalten meiſtens eine
geradlinige, unten ſpitz zulaufende oder wie bei der hölzernen Brabanter Egge eine
ſchräg abgeſchnittene Form. Um das Eindringen beſonders bei ſenkrechter Stellung
zu erleichtern, wird die Spitze etwas aufgebogen. Bei den Krümereggen (Krümer,
Feldgeier), welche den Uebergang der Egge zu dem Exſtirpator bilden, erhalten die
Zinkenſpitzen die Form kleiner Schare. Es wird dadurch möglich, den Boden
kräftiger zu miſchen und den Samen ſicherer unterzubringen als mit der gewöhn-
lichen Egge.
Die Zinken werden entweder vertical oder, um das Eindringen zu erleichtern
etwas nach vorn jedoch nicht über 80° (zum Eggenbalken) geneigt eingeſetzt. Ge-
neigte Zinken, welche ſich, je länger ſie ſind, für ſehr verunkrauteten Boden der Ver-
ſtopfung wegen weniger eignen, bieten den Vortheil, daß die Egge für verſchieden
tiefe Bodenbearbeitung gebraucht werden kann, je nachdem man die Egge mit oder
gegen die Neigung der Zinken über das Feld zieht.
Die Befeſtigung der Zinken muß möglichſt ſicher ſein und doch leicht ein Aus-
wechſeln gebrochener Zinken geſtatten. Am ſchlechteſten iſt die Befeſtigung der Zinken
durch einfaches Durchſchlagen durch den hölzernen Eggenbalken. Nicht viel beſſer iſt
die Befeſtigung des Eggenzahnes durch Herumbiegen des platt geſchmiedeten Endes
um den Eggenbalken. Am zweckmäßigſten iſt die Befeſtigung mit Schrauben, welche
durch Contremuttern oder durch die Howard'ſchen Patentbleche vor dem Losdrehen
geſichert ſind.
Die Zahl der Zinken, welche in einem Rahmen beiſammen ſtehen, beträgt
12—36, in einer Egge mit 1—4 Sätzen 12—60 Zinken. Dieſelben werden gewöhn-
lich zu je 5—7 in den 1.2—1.5 M. langen Längsbalken angebracht. Von der
Zinkenzahl hängt die auf einen Zinken entfallende Belaſtung und bei gleicher Eggen-
breite die Entfernung der Eggenſtriche ab. Die Belaſtung eines Eggenzahnes beträgt
bei leichten hölzernen oder leichten eiſernen Eggen, welche 15—18 Kilogr. reſp.
22—25 Kilogr. ſchwer ſind 0.4—1.2 Kilogr. Dieſelben reicht nur für ein ſeichtes
Eggen von leichtem Boden oder zum Ebenen eines ſchon gelockerten Bodens, ſowie
zum Unterbringen feiner Sämereien aus Für tieferes Eindringen der Eggenzinken
verwendet man ſchwere, hölzerne Eggen oder mittelſchwere, eiſerne Eggen im Gewichte
von 30—50 Kilogr. Dieſelben werden für die meiſten Eggenarbeiten ausreichen.
Auf ſehr ſcholligem, bindigem Boden verwendet man ſchwere, eiſerne Eggen im Ge-
wichte von 75—150 Kilogr. und der Belaſtung eines Zahnes von 1.2—2.5 Kilogr.
Eine beſondere Beachtung verdient die Vertheilung der Zinken am Eggenrahmen,
von derſelben hängt die Leiſtungsfähigkeit der Egge ab. Dieſe Vertheilung ſoll
[139]Die Bodenbearbeitung.
derart vorgenommen ſein, daß jeder Eggenzinken eine gleich tiefe Furche oder Rille
zieht, die von der benachbarten gleich weit abſteht. Unbeſchadet dieſer Forderung
ſollen die benachbarten Eggenzinken möglichſt weit von einander am Rahmen an-
gebracht ſein, um ein Verſtopfen der Egge möglichſt hintanzuhalten. Bei leichten
Eggen (Feineggen) ſoll die Strichweite 4 Cm., bei ſchweren Grob- und Tiefeggen
etwa 8 Cm. betragen. Die leichten Eggen werden daher mehr Zähne als die ſchweren
beſitzen. Am beſten wird dieſen Anforderungen bei der ſchottiſchen Rhomboidalegge
oder bei den engliſchen Zickzackeggen entſprochen. Zu den wirkſamſten Eggen dieſer
Art gehört die dreitheilige, ganz eiſerne Zickzackegge von Howard—Bedford, mit eckig
abgebogenen Eggenbalken. Mit Bezug auf die Anordnung der Eggenzinken ähnlich
gebaut iſt die Zickzackegge von Ranſomes, Sims \& Head, Fig. 54. Der Eggen-
rahmen iſt bei dieſer Egge derart beweglich eingerichtet, daß ſich jeder Zinken in
einem Charniere frei drehen kann. Dadurch iſt es möglich gemacht, daß die Egge
allen Unebenheiten des Terrains folgen kann. Um die ſcharfen Biegungen der Zick-
zackeggen zu vermeiden, werden dieſelben in neuerer Zeit von Clayton \& Shuttle-
worth — Wien mit geſchwungenen Balken, Fig. 55 (ſ. S. 140), gebaut.
Gegliederte Zickzackegge von Ranſomes, Sims \& Head—Ipswich. — Leichtes Modell be-
deckt mit 4 Eggenſätzen eine Bodenbreite von 3 Meter. 60 Zinken mit einer Strichweite von 5 Cm.,
Gewicht 100 Kilogr., Laſt auf einen Zinken 1.6 Kilogr., Preis 136 Mark, 68 fl.
Als Beiſpiel einer hölzernen Egge führen wir die Brabanter Egge an, bei
welcher durch vier eigenthümlich gebogene Balken erreicht wird, daß jeder Zinken
ſeine eigene Furche geht. Dieſelbe beſitzt 27—30 Cm. lange, ſchiefſtehende Zinken.
Gewicht 50 Kilogr. Belaſtung eines Zinkens 1.8 Kilogr., Strichweite 5.5 Cm.,
Preis 20 Mark, 10 fl.
[140]Allgemeine Ackerbaulehre.
Die Anwendung der Egge iſt eine ſehr vielſeitige. Bei der Vorbereitung des
Feldes zur Saat wird zwiſchen je zwei Pflugfahrten geeggt, um die Schollen, welche
ſonſt unzerbrochen untergepflügt würden, zu verkleinern, die oberſte Ackerkrume zu
Zickzackegge von Clayton \& Shuttleworth — Wien. — Nr. 3 leichte Gattung. Breite
3 Meter, 60 Zinken in 3 Eggenſätzen, Strichweite 5 Cm., Gewicht 84 Kilogr., Belaſtung eines Zinkens
1.4 Kilogr., Preis 100 Mark, 50 fl.; Nr. 4 ſchwere Gattung 120 Mark, 60 fl.
krümeln und zu miſchen, den Boden zu ebenen, damit der Dünger leichter ausgebreitet
werden kann. Es wird ſo oft geeggt, als aufkeimendes Unkraut zu vertilgen iſt.
Das Unkraut wird dabei mit den durch den Pflug an die Oberfläche gebrachten
unzerſetzten Stoppeln, Düngertheilen ꝛc. geſammelt. Die Egge muß daher zeitweilig
durch Heben des rückwärtigen Rahmentheiles von dem zuſammengebrachten Geniſte
gereinigt werden, welches dann vom Felde abgeführt und auf den Compoſthaufen
gegeben wird. Um den beſten Erfolg zu erzielen, muß jedoch der richtige Zeitpunkt
zum Eggen abgewartet werden. Es iſt dies um ſo leichter möglich, als mit der
Egge in einem Tage eine ziemliche Fläche bearbeitet werden kann. Der günſtigſte
Zeitpunkt zum Eggen hängt noch vielmehr als wie beim Pflügen von dem Feuchtig-
keitszuſtande des Bodens ab. Derſelbe darf nicht ſo bedeutend ſein, daß ſich die
einzelnen Schollen ſchneiden laſſen oder die Erde ſchmiert, ſondern die einzelnen Erd-
theilchen müſſen ſich zerkrümeln laſſen. Wäre das Feld zu feucht, ſo würde das
Zuſammentreten deſſelben durch die Zugthiere um ſo nachtheiliger werden. Iſt
das Feld zu trocken, ſo iſt der Erfolg gleichfalls durch die Verhärtung der Schollen
abgeſchwächt, wenn ſich auch dann das Unkraut leichter entfernen läßt. Um dieſe
Verhärtung, beſonders bei bindigen Bodenarten zu vermeiden, muß daher in dieſem
Falle gleich nach dem Pflug das Feld abgeeggt werden.
Das gepflügte Land kann nicht unmittelbar zur Saat verwendet werden, ſondern
muß vorher durch die Egge oft mehrmals verkleinert und geklärt werden. Bei der
[141]Die Bodenbearbeitung
Saat verwendet man die Egge zum Unterbringen der Samen. Nach derſelben über-
eggt man das Feld, um das Hervortreten der Keimpflanzen, beſonders bei Rüben,
Kartoffeln und Mais zu erleichtern, wenn ſich durch Regengüſſe eine Kruſte gebildet
hat. Gleichzeitig wird dabei das früher als die Culturpflanzen aufkeimende Unkraut
zerſtört. Zu üppig auflaufende Getreide-, Stoppelrübenſaaten verdünnt man durch
Uebereggen. Wieſen, mehrjährige Kleeſchläge werden im Herbſte abgeeggt, um zwiſchen
den Klee- und Grasſtöcken den Boden zu lockern. Stoppelfelder werden mit der
Egge bearbeitet um das Unkraut früher zum Keimen zu bringen und um die
Stoppeln zur Erleichterung des Unterpflügens umzulegen.
Bei der Ausführung der Eggenarbeit kann entweder in der Richtung der Pflug-
furchen oder quer gegen dieſelben oder ähnlich dem Figurenpflügen rund geeggt werden.
Wird eine möglichſt gleichförmige Krümelung beabſichtigt, ſo ſoll bei jedem Eggen-
zuge mit der Richtung gewechſelt werden. Geſtattet die Form oder Neigung des
Grundſtückes keine verſchiedenen Richtungen, ſo kann man ſich auch durch ein ſchlangen-
förmig gewundenes oder zickzackförmiges Eggen behelfen.
Die tägliche Leiſtungsfähigkeit der Egge wechſelt nach der Conſtruction der Egge,
der Zugkraft und der Bodenbeſchaffenheit. Breite, leichte Eggen können auf leichten
Bodenarten viel mehr, bis zu 4.5—5 Hektar, bearbeiten als ſchwere und ſchmale
Eggen. Bei letzteren ſinkt beſonders bei bindigen, nicht genügend abgetrockneten
Bodenarten die tägliche Leiſtungsfähigkeit auf 2.3 — 1.7 Hectar. Eggen, deren Zinken
unrichtig geſtellt, leiſten gleichfalls weniger, da dann zur Erzielung einer befriedigen-
den Arbeit bei jedem Eggenzuge auf das ſchon geeggte Feld übergegriffen werden
müßte. Mit Pferden (1—4) beſpannte Eggen zeigen ſich wirkſamer als mit Ochſen
beſpannte, indem bei dem raſcheren Gange der Pferde durch erhöhte Stoßwirkung
die leichtere Zertrümmerung der Schollen erzielt wird.
7. Die Walze.
Die Walze beſteht aus einem Cylinder, welcher, in einem Geſtelle gelagert, über
den Boden gerollt, denſelben drückt, ebenet, formt und verkleinert. Die Wirkung der
Walze hängt von ihrem Gewichte, ihrer Länge (Breite) und ihrem Durch-
meſſer ab.
Das Gewicht und die Länge beſtimmen den Druck, welchen die Walze auf den
Boden ausübt. Je größer auf 1 Cm. Länge der Walze das Gewicht
ausfällt, um ſo ausgiebiger wird dieſelbe harte Schollen verkleinern. Bei einer
170 Cm. breiten Walze mit einem Gewichte von 360 Kilogr. vertheilt ſich z. B.
das Gewicht in der Weiſe, daß auf je 1 Cm. Länge ein Druck von 2.1 Kilogr, entfällt.
Das Gewicht der Walze wechſelt je nach der Art und Stärke des Materiales,
welches entweder Stein, Holz oder Gußeiſen ſein kann. Steinerne Walzen werden
ihrer Koſtſpieligkeit wegen nur für den Handgebrauch, ſeltener für die Beſpannung
verwendet. Die Walzen aus Ulmen-, Buchen- oder Eichenholz ſind entweder maſſiv
oder beſonders bei größerem Durchmeſſer hohl. In letzterem Falle werden auf
eine gemeinſchaftliche Achſe mehrere Radkränze aufgeſchoben, über welche querüber dicht
[142]Allgemeine Ackerbaulehre.
aneinander gefügt, ſtarke Bohlen aufgelegt werden. Die hölzernen Walzen, welche
ein geringeres Gewicht als eiſerne beſitzen, haben den großen Nachtheil, daß ſie
durch unregelmäßige Abnutzung leicht ihre regelmäßige Form verlieren. Am zweck-
mäßigſten ſind gegoſſene Walzen, welchen bei dem verſchiedenſten Gewichte die be-
liebigſte Form gegeben werden kann.
Leichte, hölzerne Walzen haben ein Gewicht von 150—200 Kilogr., ſchwere
hölzerne oder leichte eiſerne und ſteinerne Walzen erreichen ein Gewicht bis zu 500
Kilogr. Sehr ſchwere eiſerne Walzen wiegen 1000 und mehr Kilogr. Gewöhnlich
iſt das Gewicht der Walze unveränderlich, höchſtens daß auf dem Geſtelle ein Behälter
zur Aufnahme von Steinen oder ähnlichen ſchweren Gegenſtänden angebracht iſt.
In neuerer Zeit fertigt man hohle Walzen, deren Gewicht beliebig durch verſchiedene
Zweitheilige Ackerwalze von Amies, Barford u. Co. — Peterborough.
Mengen von ein-
geſchüttetem Waſ-
ſer geändert werden
kann. Fig. 56 zeigt
eine derartige zwei-
theilige, 2 M lange
Ackerwalze von
Amies, Barford
u. Co. in Peter-
borough aus dicht
zuſammengeniete-
ten Keſſelblech, welche mit 2 Oeffnungen zum Auffüllen oder Ablaſſen des Waſſers
verſehen iſt. Nach Perels 1) beträgt das Gewicht der Walze bei 50 Cm. Durch-
meſſer leer 4.5, mit Waſſer gefüllt 8 Kilogr. (Preis 304 Mark, 152 fl.); bei 70 Cm.
Durchmeſſer 6 reſp. 13 Kilogr. (Preis 420 Mark, 210 fl.).
Die Länge der Walze muß, wie früher erwähnt, bei der Angabe des Gewichtes
immer mit berückſichtigt werden. Sehr lange Walzen (2—2.5 Meter) ſind nicht
zweckmäßig, beſonders wenn ſie noch dazu aus einem Stücke angefertigt ſind. Die-
ſelben können ſich nicht den Unebenheiten des Bodens anſchmiegen und kommen daher
ſtellenweiſe außer Wirkſamkeit. Ungetheilte, lange Walzen wühlen beim Umkehren
den Boden auf. Zur Vermeidung dieſer Uebelſtände theilt man die Walzen in zwei
oder mehr Theile, welche entweder an einer gemeinſchaftlichen oder noch zweckmäßiger
an verſchiedenen Achſen befeſtigt werden. Eine bekannte Form der getheilten Walze
iſt die Hohenheimer dreitheilige, gußeiſerne Walze, bei welcher die einzelnen Cylinder
von 0.5 M. Länge und 0.5 M. Durchmeſſer in einem gemeinſchaftlichen, hölzernen
Geſtelle an drei Achſen derart befeſtigt ſind, daß ein Cylinder vorausgeht und zwei
andere rückwärts zur Seite nachfolgen. (Gewicht 3.5 Kilogr., Preis 170 Mark, 85 fl.)
Noch zweckmäßiger iſt die dreitheilige Walze von W. Siedersleben—Bernburg,
[143]Die Bodenbearbeitung.
Fig. 57, welche den Vortheil beſitzt, daß ſich ihre einzelnen Theile in Gelenken
ſelbſtſtändig ſowohl auf und nieder, als auch ſeitlich hin und her bewegen können.
Glatte, dreitheilige Gelenkwalze von W. Siedersleben \& Co. — Bernburg. — Breite
2.18 M., Durchmeſſer 36.6, 42 u. 47 Cm., Preis 300, 330 u. 360 Mark, 150, 165 u. 180 fl.
Der Durchmeſſer der Walze wechſelt von 0.3—1.1 M. Kleine Walzen zeigen
ſich bis zu einer gewiſſen Grenze wirkſamer, indem ſich bei denſelben das Gewicht
auf eine ſchmälere Berührungsfläche mit dem Boden vertheilt, und überdies zur
Wirkung durch Druck noch die Wirkung durch Stoß hinzukommt. Gegen eine über-
mäßige Verringerung des Durchmeſſers ſpricht jedoch die unverhältnißmäßige Vermehrung
des Aufwandes an Zugkraft. Je größer der Durchmeſſer um ſo leichter werden ſich
die Walzen fortbewegen laſſen und um ſo ſicherer werden die Schollen, welche in
dieſem Falle nicht ſo leicht ausweichen können, zerdrückt werden.
Je nach dem beabſichtigten Zwecke kommen außer glatten, cylindriſchen Walzen
manche andere Formen wie cannelirte, convexe oder concave, Scheiben- oder Ring-,
Stachel- und Zapfenwalzen zur Verwendung.
Die cannelirten Walzen oder Prismawalzen beſtehen aus zwei oder drei
großen Radkränzen, über welche mit der Kante nach Außen hölzerne oder ſchmiede-
eiſerne Stäbe gelegt werden, welche ſich jedoch nicht gegenſeitig berühren, ſondern einen
Zwiſchenraum frei laſſen. Dieſelben eignen ſich vorzüglich zum Zerbrechen einer
leichten Kruſte und zum Unterbringen feiner Sämereien. Ihr Gewicht wechſelt bei
einer Breite von 2.5 M. und einem Durchmeſſer von 0.8—1.1 M. zwiſchen 940 bis
1450 Kilogr. (Preis 390—600 Mark, 195—300 fl.)
Convexe oder concave Walzen werden nur ſelten angewendet. Erſtere Walzen
(Furchenwalzen) dienen zum Feſt- und Glattdrücken der Beetfurchen um den Ab-
lauf des Waſſers zu erleichtern. Letztere benützt man zum Abwalzen von Beeten,
welche jedoch ſehr gleichförmig gepflügt ſein müſſen, wenn die Arbeit der concaven
Walze befriedigen ſoll.
Viel häufiger verwendet man wegen ihrer vorzüglichen Arbeit die Scheiben-
oder Ringwalzen. Dieſelben beſtehen aus einer Mehrzahl an ihrem Umfange
kantig zulaufender, gußeiſerner Scheiben, welche in einer Reihe oder zur leichteren
Reinhaltung in zwei in einander greifenden Reihen, wie in Fig. 58 (ſ. S. 144) an
einem hölzernen Geſtelle befeſtigt werden. Die Ringwalzen krümmeln den Boden viel
kräftiger als glatte Walzen.
Zuweilen verwendet man einfache Ringwalzen zur Herſtellung einer Reihenſaat.
Beim breitwürfigen Ausſäen der Samen fällt derſelbe in die durch die Walze
[144]Allgemeine Ackerbaulehre.
gebildeten Rinnen, welche dann mit der Schleife unter gleichzeitiger Bedeckung des
Samens mit Erde ausgeglichen werden. In England verwendet man Walzen, welche
Ringwalze von W. Siedersleben \& Co. — Bernburg. — 20 und
21 Ringe, Durchmeſſer 42 Cm., Breite 7.34 M., Gcwicht 525 Kilogr., Preis
195 Mark, 97 fl 50 kr., mit Transporträdern um 45 Mark, 22 fl. 50 kr. mehr.
aus zwei je 100
Kilogramm ſchweren
Scheiben beſtehen,
die ſog. Landpreſ-
ſer, um hohlgepflüg-
ten Boden feſtzu-
drücken und in Käm-
me zu formiren.
Die Ringwalzen
bilden den Ueber-
gang zu den Schollenbrechern, welche aus einer Mehrzahl auf einer Achſe
aufgeſchobenen jedoch für ſich beweglichen, ſchweren gußeiſernen Ringen beſtehen.
Dieſe Ringe ſind bei den Schollenbrechern am Umfange gezahnt und ſeitlich nahe
dem Rande mit hervorſtehenden Zapfen verſehen, welche bewirken, daß Schollen, die
zwiſchen zwei Ringe kommen, zerrieben werden. Dieſe Walzen, welche allerdings mit
einem großen Aufwande von Zugkraft große, harte Schollen ſehr wirkſam verkleinern,
erhalten ein bedeutendes Gewicht, gewöhnlich bei 1.58 M. Breite 1250 Kilogr., ſo-
mit auf 1 Cm. Breite 8 Kilogr. Zu den leiſtungsfähigſten Walzen dieſer Art ge-
hört der Croskill'ſche Schollenbrecher mit einem Gewichte bis zu 1500 Kilogr. (Preis
für je 100 Kilogr. 40 Mark, 20 fl.)
Den Uebergang von den Walzen zu den Eggen bilden die Stachelwalzen
Norwegiſche Rollegge.
(Rolleggen). Dieſelben be-
ſtehen aus einer hölzernen
Walze, welche mit eiſernen
10—20 Cm. langen, 2 bis
2.5 Cm. ſtarken Stacheln
beſetzt iſt, oder wie bei der
norwegiſchen Rollegge, Fig.
59, aus eiſernen Sternen,
welche auf einer oder mehre-
ren eiſernen Achſen aufge-
ſchoben ſind. Am wirk-
ſamſten ſind zwei-, dreireihige Stachelwalzen, welche ſich gleichzeitig ſelbſt reinigen.
Die in der Fig. 59 dargeſtellte Rollegge beſitzt noch den Vortheil, daß durch Heben
oder Senken des eiſernen Geſtellrahmens mit dem rückwärts angebrachten Haspel ein
ſeichteres oder tieferes Eingreifen der Stacheln in den Boden ermöglicht wird. Mit
den Stachelwalzen werden ſelbſt Schollen, die durch glatte Walzen ſich nicht zerdrücken
laſſen, durchſtochen und verkleinert.
Zum Zerbrechen von Kruſten bedient man ſich der Kruſtenſtachler, welche
aus einer Mehrzahl kleiner, reichlich mit Stacheln beſetzter Walzen beſtehen und eine
vorzügliche Arbeit verrichten.
[145]Die Bodenbearbeitung.
Den Stachelwalzen ähnlich, nur mit viel geringerem Gewichte und daher mit
größerer Breite gebaut, ſind die Zapfenwalzen (Markirwalzen), an deren Um-
fange in entſprechenden Entfernungen Zapfen eingeſetzt ſind. Dieſelben haben den
Zweck, in einen geebeneten Boden in regelmäßigen Abſtänden Löcher einzudrücken, in welche
dann der Same hineingelegt oder die Pflanzen hineingeſteckt werden. Bei der Kamm-
cultur verwendet man zu demſelben Zwecke kleine, hölzerne Hand-Markirtrommeln,
welche ähnlich den Prismenwalzen mit ihren entſprechend weit geſtellten Leiſten die
Kämme eindrücken und dadurch markiren.
Für die Kleincultur verwendet man anſtatt der mit Zugthieren beſpannten
Walzen die Handwalze, die Patſche und den Kloßhammer. Letzterer ein
geſtielter, ſtarker hölzerner Schlägel wird zur Zertrümmerung, der nach der Beſtellung
des Feldes noch verbleibenden Schollen verwendet.
Die Verſchiedenartigkeit der Walzenformen läßt ſchon erkennen, daß die Walze
ähnlich der Egge, zu den mannigfaltigſten Arbeiten gebraucht wird. Am häufigſten
wird dieſelbe verwendet, um den Boden zu verdichten, die Schollen zu verkleinern
und den Boden zu ebenen oder zu formen.
Durch das Abwalzen wird ein lockerer Boden verdichtet, bindiger. Unter-
gepflügte Stoppeln, Düngermaſſen werden durch das Walzen an den Boden gedrückt
und damit ihr ſchnelleres Verfaulen unterſtützt. Bei Blachfröſten überwalzt man
Wintergetreideſaaten, um durch Verdichten des Bodens den Nachtheil des Aus-
frierens zu beſeitigen.
Durch die Verkleinerung der Schollen ſoll das Feld für die Saat vorbereitet
werden. Ausgeſäete feinere Sämereien wie Klee-, Gras-, Spergelſamen werden ab-
gewalzt, um dieſelben durch das Zerdrücken der Erdkrümeln und kleineren Schollen
mit Erde zu bedecken oder an den Boden anzudrücken, damit ſie dann ſicherer an-
keimen. Nach dem Aufgehen der Saat wird das Feld beſonders mit der Stachel-
walze bearbeitet, um eine durch Regengüſſe entſtandene Kruſte, welche das weitere
Eindringen des Regenwaſſers verhindert und das Aufgehen der Saat beeinträchtigt,
zu zerbrechen.
Auf dem glatt gewalzten und geebeneten Felde wird der richtige Anſchluß der
Drillbreiten leichter erzielt werden können, indem ſich die Radſpur der Drillmaſchine
kenntlicher eindrückt. Ebenſo wird man die Linien und Punkte, welche der Marqueur
(Reihenzieher) oder die Markirtrommel auf dem Felde bezeichnet, auf dem glatt
gewalzten Felde leichter wahrnehmen. Das Ebenen durch die Walze erleichtert nicht
nur den Gang der Säe-, ſondern auch der Mähemaſchine, ebenſo das Mähen mit
der Senſe, welches ſonſt auf ſcholligem Felde nur bei Belaſſung höherer Stoppeln
ausgeführt werden kann.
Außer der Bodenbearbeitung wird die Walze auch zu verſchiedenen anderen
Zwecken verwendet. Zuweilen walzt man Wieſen zur Erleichterung des Mähens
oder man walzt hohe grüne Pflanzen, welche als Gründüngung untergepflügt werden
ſollen, um dieſelben ſicherer durch den Pflug mit Erde zu bedecken. Schwere Walzen
dienen auch zum Vertilgen mancherlei Ungeziefers, als Raupen, Schnecken u. dgl.,
Krafft, Lehrb. d. Landw. I. 10
[146]Allgemeine Ackerbaulehre.
welche durch Zerdrücken getödtet werden oder zur Beſeitigung der Gänge, welche die
Mäuſe durch das Feld ziehen.
Eine beſondere Bedeutung erhält ſchließlich das Walzen für die Regelung der
Feuchtigkeitsverhältniſſe im Boden. In früherer Zeit wollte man durch das Walzen
den Boden vor dem Austrocknen ſchützen. Nach den Unterſuchungen von Dr.
Neßler 1) ſcheint jedoch bei mehr lehmigem und ſandigem Boden im Gegentheile
der gewalzte Boden in ſeiner Geſammtmaſſe durch Verdunſtung mehr Waſſer zu
verlieren als der ungewalzte Boden. Dagegen bleibt die oberſte Bodenſchichte, deren
Feuchtigkeitsgehalt für das Keimen der Pflanzen von Bedeutung iſt, durch das
Walzen feuchter, weil immer neues Waſſer von unteren, dadurch aber um ſo mehr
austrocknenden Schichten, aufſteigen kann. Oberflächlich gelockerte Erde trocknet an
der Oberfläche raſch ab, bleibt aber in den tieferen Schichten feuchter, außerdem
erleichtert dieſelbe das Eindringen des Regenwaſſers. Um daher die Vortheile des
Walzens ohne den Nachtheil des größeren Austrocknens zu erreichen, verwende man
gerifte Walzen oder Ringwalzen, welche in den Boden Vertiefungen eindrücken, die
vor dem Austrocknen durch den Wind beſſer geſchützt ſind. Neßler empfiehlt zur
Erreichung deſſelben Zweckes den Boden nach dem Walzen mit einer leichten Egge,
wenn auch nur ſehr ſeicht wieder aufzurauhen.
Der Zeitpunkt für die Ausführung der Walzenarbeit richtet ſich nach dem
beabſichtigten Zwecke. Im Allgemeinen wird erſt dann zu beginnen ſein, wenn der
Boden ſoweit abgetrocknet, daß ſich die Erde nicht anhängt oder gar ſchmiert. Durch
Walzen eines naſſen Feldes würde leicht eine Verkruſtung deſſelben eintreten. Iſt
der Boden ſehr ſchollig, ſo iſt es geboten, nachdem man die unzerbrochnen, im Boden
eingedrückten Schollen durch die Egge oder den Exſtirpator hervorgezogen hat, das
Walzen ein bis zweimal, immer nach einer anderen Richtung zu wiederholen.
Je nach dem gewählten Zeitpunkte, der Breite und dem Gewichte der Walze
ſchwankt die tägliche Leiſtungsfähigkeit von 1.6—5 Hectar. Der höhere Anſatz gilt
für leichtere einſpännige, 1.5—2.5 Meter breite, der niedere Anſatz für 2—4 ſpännige
ſchwerere, 1—2 Meter breite Walzen. Stachelwalzen fertigen je nach ihrer Con-
ſtruktion 2—2.5 Hectar pro Tag ab.
8. Die Schleife.
Die Schleife hat den Boden zu ebenen und oberflächlich zu lockern, ohne ihn zu-
ſammenzudrücken. Ihre Wirkung hält daher die Mitte zwiſchen der Wirkung der
Egge und Walze. Die Schleife beſteht aus einem unbeweglichen, 1.5 M. breiten,
mit Strauchwerk verflochtenen oder auch ohne dieſen ausgeſtatteten Rahmen, deſſen
Gewicht 10—15 Kilogr. beträgt. (Preis der belgiſchen Ackerſchleife 6 Mark, 3 fl.)
Zur Noth wird dieſelbe auch durch eine auf den Rahmen gelegte Egge erſetzt. Um
die Schleife wirkſamer zu machen, ſtellt ſich der Führer des Pferdes zur Beſchwerung
auf dieſelbe. Die mit veräſtelten Zweigen verflochtene Strauchſchleife oder
[147]Die Bodenbearbeitung.
Dornegge, Fig. 60, verrichtet eine ähnliche Arbeit wie ein Beſen. Für unebenen
Boden verwendet man Schleifen, deren einzelne Theile beweglich ſind und ſich daher
Dornegge.
den Bodenunebenheiten
anſchmiegen können.
Derartige Schleifen,
wie z. B. die belgiſche
Balkenſchleife, beſtehen
aus einer parallel an-
geordneten Reihe von
Balken, welche an einer
Kette beweglich aufgeſchoben und zur Verringerung der Abnützung an den unteren
Kanten mit Eiſenblech beſchlagen ſind.
Die Schleife wird benützt um das Feld vor dem Säen mit der Maſchine, zu
ebenen und zu klären, damit die Radſpuren der Säemaſchine deutlicher ſichtbar bleiben.
Nach der Reihenſäemaſchine ſchleift man zuweilen die durch die Saatſchare geöffneten
Rillen zu, um den Samen beſſer mit Erde zu bedecken. Ebenſo werden in Kämme
gelegte Kartoffeln, auf rauher Furche oder auf durch die Ringwalze gerifften Boden
geſäete Samen zugeſchleift. Stoppeln, Unkrautwurzeln werden durch die Schleife
bloßgelegt und können dann leichter entfernt werden. Zum Vermiſchen von pulver-
förmigen Düngern mit dem Boden eignet ſich die Schleife ganz vorzüglich. Maul-
wurfshaufen, welche beſonders auf Wieſen hinderlich ſind, werden mit der Schleife
auseinandergezogen und geebenet.
9. Die Dampfculturgeräthe.
In neuerer Zeit erlangt die Bearbeitung des Bodens mit Anwendung der
Dampfkraft 1) immer mehr Bedeutung, wenn auch einer allgemeineren Einführung
derſelben zur Zeit noch die hohen Anſchaffungskoſten der erforderlichen Dampfcultur-
geräthe hinderlich entgegenſtehen. Den größten Werth hat die tiefe und kräftige Be-
arbeitung des Bodens mit dem Dampfpfluge, dem Dampfgrubber und der Dampf-
egge, von minderem Belange iſt die Verwendung der Dampfwalze, der Dampfſäe-
maſchine, der Dampfhackgeräthe, des Dampfrübenhebers und der erſt kaum verſuchs-
weiſe ausgeführten Dampfmähemaſchine.
Die bewährteſte Form des Dampfpfluges iſt der von Fisken erfundene von
John Fowler vervollkommnete Balancir- oder Kipppflug, Fig. 61 (ſ. S. 148).
Derſelbe beſteht aus einem durch zwei große Fahrräder im Schwerpunkte unter-
ſtützten, ſchmiedeeiſernen Rahmen, an deſſen beiden in einem ſtumpfen Winkel zu
einander ſtehenden Seitentheilen in einer Reihe 4—8 ſtählerne Pflugkörper befeſtigt
ſind. Bei der Arbeit kommt nur ein Scharſatz, welcher durch das Gewicht des auf
dem Rahmen ſitzenden Führers niedergehalten wird, in Thätigkeit, während der
10*
[148]Allgemeine Ackerbaulehre.
entgegengeſetzte Rahmen mit ſeinen reihenweiſe angeordneten Pflugkörpern nach vor-
wärts in die Höhe ragt. Iſt der Pflug am Feldrande angelangt, ſo wird er um-
gekippt und neben der vorher aufgeworfenen Furche in entgegengeſetzter Richtung
wieder fortgezogen.
Kippdampfpflug für Flachcultur zu ſechs
Furchen mit Stahlpflugkörpern von J. Fowler \& Co. —
Leeds. — Preis 3060 Mark, 1530 fl.
Für die Tiefcultur wird entweder
ein beſonders ſtark gebauter Kipppflug
mit 2—5 Pflugkörpern oder noch zweck-
mäßiger ein Grubber verwendet.
Der Grubber iſt entweder nach
dem Kippſyſteme oder nach dem
Howard'ſchen Syſteme mit doppel-
wirkenden Arbeitstheilen, Fig. 62,
(ſ. S. 149), conſtruirt. Die Grubber
letzterer Art beſtehen aus 5—35 Cm.
breiten, doppelwirkenden Zinken, welche
zu 2—5 an einem ſehr ſtarken, ſtählernen
Rahmen, etwas ſpielend, befeſtigt ſind.
Die Fahrräder des Grubbers werden durch
den Führer geſteuert, der bei dem Kehren
des Geräthes nur ſeinen Sitz zu wechſeln
hat. Beide Syſteme, das Kippſyſtem
im erhöhteren Maße, haben den Nach-
theil, daß ſtets der nicht arbeitende
Theil als todte Laſt über das Feld ge-
führt werden muß. Dieſer Uebelſtand
wird in neuerer Zeit bei den Um-
wende-Cultivatoren gänzlich ver-
mieden. Ein vorzügliches Geräthe dieſer
Art iſt der neue, zweiräderige Umwende-
Cultivator von J \& F. Howard, Fig. 63
(ſ. S. 150). Das Umwenden bei dieſem
Cultivator wird auf ſehr einfache Weiſe
bewerkſtelligt. Sobald der Cultivator
am Feldrande angelangt iſt, ſo fängt
das vom Cultivator rückwärts mitgeführte,
abgewickelte Seil zu ziehen an. Der Culti-
vator wird dadurch etwas nach rückwärts
geſchoben und das neue Fahrrad und
mit dieſem die Schare durch Aufſtellen auf den mit einer Scharſpitze verſehenen
Schuh gehoben. Der Cultivator kann nun nicht mehr weiter rückwärts gezogen
werden, ſondern wird nun auf der Drehſcheibe des Schuhes für die nächſte Furchen-
reihe umgedreht.
[149]Die Bodenbearbeitung.
Gleich zweckmäßig ſind Howard's Patent-Dampfeggen deren doppel-
wirkende Zinken rück- oder vorwärts, wie die Zinken des doppelwirkenden Grubbers
arbeiten können.
Der Antrieb des Pfluges oder ſonſtigen Culturgeräthes erfolgt entweder direct
oder indirect. Bei dem älteren bereits verlaſſenen directen Syſteme wird das Cultur-
geräth nach oder vor einer über das Feld laufenden Dampfmaſchine geführt.
(Dampfpflug von James
Uſher in Edinburgh 1849
patentirt.) Gebräuchlicher
iſt die indirecte Bewegung
des Pfluges ꝛc. durch ein
Seil (meiſt ein Stahl-
Drathſeil) von der feſt-
ſtehenden Dampfmaſchine
aus.
Bei dem älteren, in-
directen Dampfpflugſyſteme
von Howard — Bedford,
Round about system,
Fig. 64 (ſ. S. 151), wird
das 1506 M lange Drath-
ſeil ringsum das Feld oder
die Feldabtheilung über
mehrere, verankerte Füh-
rungsrollen c, d, e u. f
laufen gelaſſen und durch
einen, neben einer gewöhn-
lichen, 12pferdigen Locomo-
bile a aufgeſtellten Winde-
apparat b in Bewegung
geſetzt. Der Windeapparat
beſteht aus zwei Seil-
trommeln, welche durch
Kuppelungen in und außer
Verbindung mit der Loco-
mobile gebracht werden
können. Wird die in der
Zeichnung bei b links an-
F. \& F. Howard's doppelwirkender Dampf Cultivator. —
Preis mit 5 Zinken 720 Mark, 360 fl.; mit 7 Zinken 1120 Mark, 560 fl.
gedeutete Seiltrommel in Bewegung geſetzt, ſo wird durch Aufwinden des Seiles das
bei g eingeſchaltete Dampfculturgeräth in der Richtung des Pfeiles in Bewegung
geſetzt. Bei d angelangt wird die Ankerrolle um die Pflugbreite gegen c zu verſetzt,
und nun die andere, rechtsſeitige Seiltrommel in Bewegung geſetzt, welche den Pflug
[150]Allgemeine Ackerbaulehre.
in der Richtung nach e zieht. Dieſer Vorgang wiederholt ſich ſo lange, bis das
ganze Ackerſtück unter ſteter Verkürzung des Seiles bearbeitet iſt. Der allgemeineren
Anwendung dieſes Syſtemes ſtellt ſich der Uebelſtand entgegen, daß die Locomobile,
der Pflug ꝛc. durch Zugthiere von einem Felde zum anderen geſchafft werden müſſen,
J. \& F. Howard—Bedford Patent-Umwende-Cultivator. —
Preis mit 5 Scharen 1200 Mark, 600 fl.; mit 7 Scharen 1500 Mark, 750 fl.
und mit 9 Scharen 1800 Mark, 900 fl.
woſelbſt die neue Auf-
ſtellung wieder viel Zeit
in Anſpruch nimmt.
Bei dem neueren, ver-
beſſerten Howard'ſchen
Dampfpflugſyſteme iſt
dieſem Uebelſtande
durch Benützung einer
oder auch zweier Stra-
ßen-Locomobilen ab-
geholfen. Ein großer
Vorzug des Syſtemes,
durch welchen daſſelbe
beſonders für kleinere
Beſitzverhältniſſe ge-
eignet wird, beſteht in
den geringeren Koſten.
Dieſelben betragen für
einen zehnpferdigen
Dampf-Ackerbau-Ap-
parat nach dem älteren
ſtationären Syſteme
von J. \& F. Howard,
beſtehend aus einer
Seilwinde mit 1506
Meter Stahl-Draht-
ſeil, einem doppelwir-
kenden Cultivator mit
5 Scharen und allen
nöthigen Ankern, Seil-
trägern ꝛc. ohne Dampf-
maſchine (5720 Mark,
2860 fl.), ein vier-
ſchariger Pflug dazu
(2040 Mark, 1020 fl).
Die Leiſtungsfähigkeit des 4ſcharigen Pfluges beträgt für 1.1 Meter Geſammtbreite
und 20 Cm. Tiefe bis zu 3.5 Hectar in zehn Stunden.
Verbreiteter als das ſtationäre Howard'ſche Dampfpflugſyſtem iſt das Zwei-
[151]Die Bodenbearbeitung.
maſchinenſyſtem von J. Fowler \& Co. in Leeds, Fig. 65 (ſ. S. 152). Bei demſelben
werden an jedem Feldrande zwei Straßenlocomotiven, unter deren Keſſel je eine Seil-
trommel angebracht iſt, einander gegenüber aufgeſtellt. An beiden Seiltrommeln befindet
ſich je ein Ende des Drahtſeiles, welches das eingeſchaltete Dampfculturgeräth in Be-
wegung ſetzt. Zunächſt zieht die eine, in der Figur oben, aufgeſtellte Locomotive das
Culturgeräth durch Aufwinden des Seiles auf ſeine Trommel an ſich heran. Bei der
Locomotive angelangt, wird das Geräth um ſeine Breite verrückt und umgeſtellt,
damit es nun durch die Trommel der andern, unteren Locomotive herangezogen wer-
den kann, während die losgekuppelte Trommel der oberen Maſchine das Seil aus-
wirft. Iſt eine Furchenbreite bearbeitet, ſo fährt nach Anlagen des Culturgeräthes
die Locomotive um die doppelte Geräthbreite weiter und die Arbeit beginnt von
Aufſtellung der Apparate bei dem Howard'ſchen Dampfpflugſyſteme. — a gewöhnliche
Locomobile, b Windeapparat, c, d, e, f Ankerrollen, g Culturgeräth.
Neuem. Dieſes Zweimaſchinenſyſtem hat den ausſchlaggebenden Vortheil, daß es leicht
und ſchnell in Thätigkeit gebracht werden kann, ohne daß erſt die annähernd 60 Tonnen
ſchweren Apparate, die ſich ſelbſtthätig fortbewegen, durch Zugthiere wie bei dem
Howard'ſchen Syſteme fortgeſchafft werden müſſen. Ebenſo erfordert es eine viel
kürzere Länge des der Abnutzung unterliegenden Seiles. Häufig wird dieſem Syſteme
nachgeſagt, daß nur immer je eine der Maſchinen in Thätigkeit iſt. Dieſem Einwande
kann entgegengehalten werden, daß die Maſchine mit der leergehenden Trommel Zeit
gewinnt, um wieder die nöthige Dampfſpannung anzuſammeln, welche erheblich ſinkt,
ſobald ſie wieder in Thätigkeit kommt. Dieſer Umſtand erklärt es auch, warum das
Zweimaſchinenſyſtem von Fowler, bei welchen jede Locomotive mit zwei Seiltrommeln
ausgerüſtet iſt, damit 2 Culturgeräthe, in der Fig. 66 (ſ. S. 152), ein Pflug und
ein Grubber gleichzeitig in Bewegung geſetzt werden können, ſich nicht bewährt hat.
[152]Allgemeine Ackerbaulehre.
Die Maſchinen mußten in dieſem Falle um die nöthige Spannung erhalten zu können,
ſo ſtark gebaut werden, daß ihre Transportabilität trotz breiter Radfelgen ſehr er-
ſchwert wurde. Die großen Koſten des Zweimaſchinenſyſtems laſſen jedoch deſſen An-
wendung nur unter beſtimmten Verhältniſſen als wirthſchaftlich gerechtfertigt erſcheinen.
Ein aus folgenden Theilen beſtehender, 14pferdekräftiger Apparat koſtet: Zwei 14pferdige,
Fig. 65. Aufſtellung der Apparate bei den J. Fowler'-
ſchen Zweimaſchinen-Dampfpflugſyſtem.
Fig. 66. Aufſtellung des Zweimaſchinenſyſtems bei Ver-
wendung von 2 Culturgeräthen.
ſelbſtfahrende Straßenlocomotiven
mit Seilwindevorrichtung zum
Pflügen und Riemenſcheibe zum
Betriebe von Dreſchmaſchinen ꝛc.,
730 Meter Stahldrahtſeil 36,860
Mark, 18,430 fl., dazu 1 Drei-
furchenpflug zur Tiefcultur, 1
Fünffurchenpflug zur Flachcultur
(Wanzlebenform), 1 Umwende-
cultivator mit 7 Zinken, 1 Um-
wende-Grubberegge, 2 Waſſer-
wagen, 5 kleine Seilträger, Re-
ſervetheile und Werkzeuge zuſam-
men 15,680 Mark, 7840 fl.;
1 20pferdekräftiger Dampfpflug-
apparat koſtet zuſammen 72,440
Mark, 36,220 fl.; ein 12pferde-
kräftiger, completer Apparat
47,590 Mark, 23,795 fl.
Die Leiſtung eines Apparates
beträgt annähernd in 10 Arbeits-
ſtunden mit dem
Die Vortheile der Dampfbodencultur ſind etwa folgende:
1. Höhere Ernteerträge, da die Bearbeitung des Bodens zu einer größeren und
[153]Die Bodenbearbeitung.
gleichmäßigeren Tiefe vorgenommen werden kann und dabei die Lockerung bei der
größeren Geſchwindigkeit des Dampfluges gegenüber dem Geſpannpflug viel kräftiger
erfolgt. Eine kaum zu beachtende Ungleichheit in der Bodenbearbeitung entſteht nur
dadurch, daß die Erdſtreifen bei dem Hin- und Hergehen des Pfluges jedesmal nach
einer anderen Richtung zerbrochen werden. Durch die höheren Ernteerträge allein,
welche am bedeutendſten bei Mais und tiefwurzelnden Pflanzen, wie Zuckerrüben ꝛc.
ausfallen, werden die größeren Koſten der Dampfbodencultur gegenüber der Spann-
cultur reichlich, ſ. unten, ausgeglichen.
2. Die Bearbeitung kann zur richtigen Zeit vorgenommen und damit auch
rückwirkend die nachfolgenden Culturarbeiten, beſonders die Saat, rechtzeitig aus-
geführt werden. Der auffallendſte Unterſchied wird ſich in dieſer Hinſicht bei ſchwer
zu bearbeitenden Bodenarten und in regenreichen Gegenden ergeben, in welchen die
zur Bodenbearbeitung verfügbare Zeit durch die Ungunſt der Witterung weſentlich
verkürzt wird. Bei der Spanncultur iſt es nur bei ſehr hohem Zugviehſtande mög-
lich, daß die Stoppel unmittelbar nach der Ernte umgebrochen werden kann, da ge-
wöhnlich die Zugthiere mit dem Einführen der Ernte vollauf beſchäftigt ſind. Dieſer
Nachtheil entfällt bei der Anwendung der Dampfbodenbearbeitung. Der zeitgemäßen
Ausführung der Culturarbeiten iſt nicht zum geringſten Theile der höhere Ernteertrag
bei der Dampfbodenbearbeitung zuzuſchreiben.
3. Durch die Dampfbearbeitung wird das Zuſammentreten des Bodens durch
die Hufe der Zugthiere (per Hektar 4ſpännig ungefähr 400.000 Tritte) vermieden;
dagegen iſt allerdings das Zuſammendrücken des Bodens durch die Räder und Pflug-
ſohlen des etwa 2000 Kilogr. ſchweren Balancirpfluges zu beachten.
4. Erſparung an Spannarbeitskraft, da zur Bedienung eines Zweimaſchinen-
apparates nur 4 Mann, 2 Jungen und 1—2 Pferde für die Waſſer- und Kohlen-
zufuhr erforderlich ſind. Unter Umſtänden läßt ſich der Zugviehſtand bei Einführung
der Dampfcultur bis zu ⅓ verringern.
Nachtheile des Dampfpfluges ſind ſeine bedeutenden Anſchaffungs- und Unter-
haltungskoſten. Die Dampfbodencultur wird daher nur dort wirthſchaftlich gerecht-
fertigt ſein, wo genügendes Capital zur Verfügung ſteht oder ſie durch Miethpflügen
ausgeführt werden kann. Ebenſo erſcheint ſie nur dort am Platze, wo die nicht zu
unebene, mit keinen Haftſteinen verſehene Bodenfläche ſo groß, daß der Dampfflug
mindeſtens durch 150 Tage im Jahre ausreichende Beſchäftigung findet.
Auf der Domaine Bellye—Ungarn mit bindigem Boden betragen z. B. die Dampf-
ackerungskoſten per 1 Hectar im Durchſchnitte der 252tägigen Campagne auf eine Tiefe
von 36.8 Cm. 44.20 Mark (fl. 22.10.), von 21 Cm. 31.40 Mark (fl. 15.70.), für das
Grubbern auf 31.6 Cm. 24.44 Mark (fl. 12.22.) bei einem Preiſe von 2.44 Mark (fl. 1.22.)
für das Kilogr. ſchlechter Kohle und mit Einrechnung von 20 % Amortiſation, Verzinſung
und Reparatur. Dagegen betragen die Ackerungskoſten mit einem Viergeſpann Ochſen
für 1 Hectar auf eine Tiefe von 26.3—28.9 Cm., bei einer durchſchnittlichen Tagesleiſtung von
0.065 Hectar, 36.70 Mark (fl. 18.35.), für eine 2ſpännige Ackerung bei 0.065 Hectar Tages-
leiſtung 18.42 Mark (fl. 9.21.).
[154]Allgemeine Ackerbaulehre.
VI.
Die Düngung.
Der im Boden enthaltene Vorrath an Pflanzennährſtoffen erleidet im Verlaufe
der Zeit in verſchiedenem Sinne eine mannigfaltige Veränderung. Durch die Ernte
der Culturpflanzen wird derſelbe um jenen Theil der Nährſtoffe, welcher von den
Pflanzen aus dem Boden aufgenommen wurde, vermindert, während demſelben durch
die unausgeſetzt thätige Verwitterung ſtets neue Mengen, jedoch auf Koſten des noch
unzerſetzten Geſteines zugeführt werden.
Durch den Anbau tiefwurzelnder Pflanzen, den Hackfruchtbau, die Tiefackerung,
die Brache, den Fruchtwechſel, welche in früherer Zeit als bodenbereichernde Cultur-
maßregeln angeſehen wurden, wird zwar die Verwitterung beſchleunigt und werden
noch unberührte Bodenſchichten für die Pflanzenernährung herangezogen, aber die
Erſchöpfung des Bodens an gebundenen und aufnehmbaren Nährſtoffen zuſammen-
genommen nicht hintan gehalten, ſondern noch erheblich vermehrt.
In allen Böden, mit Ausnahme jener, welchen durch Ueberſchwemmungs- oder
Untergrundswaſſer Mineralſalze zugeführt werden, reicht daher die Verwitterung und
die dieſelbe befördernden Culturmaßregeln, welche die gebundenen Nährſtoffe nur
aufnahmsfähig machen können, nicht aus, um dem Boden die durch die Pflanzen-
ernten entnommenen Nährſtoffe wieder zu erſetzen. Wenn der Boden für das Wachs-
thum der Culturpflanzen nicht ungeeignet, pflanzenmüde werden ſoll, ſo muß dieſer
Erſatz durch eine entſprechende Nährſtoffzufuhr von Außen, durch die Düngung1)
gegeben werden. Durch letztere allein iſt es möglich, den Nährſtoffvorrath im Boden
je nach dem wirthſchaftlichen Bedarfe auf einer den Anforderungen der Pflanze an-
gemeſſenen Höhe zu erhalten.
Der Dünger wirkt jedoch nicht allein durch die in demſelben enthaltenen Pflanzen-
nährſtoffe, ſondern auch durch ſeinen Einfluß auf die Verwitterung und durch die
Wiederherſtellung des günſtigen phyſikaliſchen Bodenzuſtandes, welcher durch die
Pflanzenvegetation und die Witterungseinflüſſe verſchlechtert wurde.
Die Düngung hat daher den Zweck, dem Boden mit Rückſicht auf ſeinen Nähr-
ſtoffvorrath jene Nährſtoffe, welche zur vollkommenen Entwickelung der nach der
Düngung anzubauenden Pflanzen erforderlich ſind, zuzuführen und einen günſtigen
phyſikaliſchen Zuſtand des Bodens herzuſtellen.
Bei dem Erſatze, der durch die Ernten dem Boden entzogenen Nährſtoffen iſt
noch weiter, abgeſehen von dem wirthſchaftlichen Vortheile, die Frage zu beachten,
welche Nährſtoffe im Dünger erſetzt werden ſollen.
Von den verſchiedenen Nährſtoffen, welche die Pflanze zu ihrer Entwickelung
[155]Die Düngung.
benöthigt, wird der Kohlenſtoff in ſo reichlicher Menge in der atmoſphäriſchen
Kohlenſäure der Pflanze zur Verfügung geſtellt, daß eine Zufuhr derſelben in den
Boden nicht erforderlich iſt. Bei blattreichen Pflanzen, wie Hülſenfrüchte, Klee, welche
vorzugsweiſe die Fähigkeit haben, durch ihre Blätter Kohlenſäure aus der Luft auf-
zunehmen, iſt es ſelbſt möglich, daß durch die Wurzelrückſtände eine Bereicherung des
Kohlenſtoffgehaltes im Boden eintritt. Aehnliches gilt von dem Waſſerſtoff und von
dem Sauerſtoff, auf deren Zufuhr in den Boden durch den Dünger gleichfalls keine
Rückſicht zu nehmen iſt.
Der Stickſtoff gelangt zwar in der Form von Ammoniak oder Salpeterſäure
durch den Regen in den Boden, doch ſind dieſe Zuflüſſe meiſtens ſo gering, daß ſie
die Entnahme von Stickſtoff durch die abgeernteten Pflanzen nicht auszugleichen ver-
mögen. Wenn daher der Boden nicht reich genug mit verweſender, ſtickſtoffhaltiger
organiſcher Subſtanz verſehen iſt, ſo wird eine Stickſtoffdüngung günſtig auf das
Pflanzenwachsthum einwirken. Ueberdieß befördern die Stickſtoffverbindungen den
Stoffumſatz und die Löslichmachung der Nährſtoffe im Boden.
Von den Stoffen, welche zum Aufbaue der organiſchen Subſtanz von den
Pflanzen verwendet werden, braucht daher nur der Stickſtoff und auch dieſer nicht in
allen Fällen durch die Düngung dem Boden zugeführt zu werden. Dagegen müſſen alle
übrigen Nährſtoffe, welche den unorganiſchen Theil der Pflanzen zuſammenſetzen und
welche ausſchließlich nur im Boden enthalten ſind, mit Ausnahme jener, die in ſo
großer Menge im Boden vorkommen, daß ihre Verminderung unbedenklich iſt, durch
die Düngung in jenen Mengen, als ſie durch die Ernten dem Boden entnommen
wurden, wieder erſetzt werden.
Unter den verſchiedenen Aſchenbeſtandtheilen erfordert die Zufuhr der Phosphor-
ſäure und des Kali beſondere Beachtung, indem die Pflanzen im Verhältniſſe zu dem
Vorkommen dieſer Nährſtoffe im Boden bedeutende Mengen derſelben beanſpruchen.
Kalk, Magneſia, Kieſelſäure, Schwefelſäure ſind gewöhnlich in überflüſſiger Menge
im Boden vorhanden. Ihre Zufuhr wird daher erſt dann nothwendig, wenn in
einem Boden ein Mangel an dieſen Nährſtoffen eintritt. Natron, Chlor, Eiſen und
Mangan ſind gewöhnlich, im Vergleiche zu dem geringen Gehalte der Pflanzenaſchen
an dieſen Stoffen, in reichlicher Menge in dem Boden enthalten, weshalb eine Zu-
fuhr dieſer Stoffe im Dünger von allen Bodennährſtoffen am wenigſten erforderlich
ſein wird.
Als ungefähren Anhaltspunkt über die Menge an Stickſtoff und Aſchenbeſtandtheile,
welche durch die Ernte von je 1000 Kilogr. lufttrockener Subſtanz dem Boden entnommen
werden, mögen nachfolgende Zahlen 1) dienen. Unter einem führen wir in der Tabelle einige
thieriſche Producte an durch deren Verkauf indirect eine Ausfuhr von Bodennährſtoffen
erfolgt:
[156]Allgemeine Ackerbaulehre.
Als Beiſpiel für die Mengen an Bodennährſtoffen, welche in einer Fabrikswirth-
ſchaft 1) durch den Verkauf von Körnern, Zuckerrüben und thieriſchen Producten dem Boden
entnommen werden, mögen folgende Zahlen dienen:
Die Pflanze beanſprucht jedoch nicht nur jene Stoffmengen, welche bei ihrer
Ernte, in derſelben vorgefunden werden, ſondern noch einen beträchtlichen Ueberſchuß,
wenn ſie normal gedeihen ſoll. Wie groß dieſer Ueberſchuß oder der Vorrath an
[157]Die Düngung.
aſſimilirbaren Nährſtoffen ſein muß, läßt ſich zur Zeit noch nicht ziffergemäß an-
geben. Nur ſo viel ſteht feſt, daß dieſer Vorrath nicht unter ein beſtimmtes Mini-
mum (S. 42) herabſinken darf, wenn eine vollkommene Pflanzenvegetation erzielt
werden ſoll. Sind nur geringe Mengen eines Nährſtoffes im Boden vorhanden, ſo
wird übrigens die Pflanze, die zu ihrem Gedeihen nothwendige Quantität nur dann
ſammeln können, wenn durch den phyſikaliſchen Zuſtand des Bodens, beſonders der
Lockerheit deſſelben, der Wurzelentwickelung kein Hinderniß entgegengeſtellt wird.
Je nach dem Nährſtoffvorrathe und der phyſikaliſchen Beſchaffenheit des Bodens
wird ſich die Wirkſamkeit ein und deſſelben Düngemittels verſchieden herausſtellen.
Von den verſchiedenen Bodenſkelettheilen verhält ſich z. B. der Quarz 1) ganz
indifferent bei der Zerſetzung der humoſen Subſtanzen und der Dünger, indem der-
ſelbe gar keine Abſorption und gar keinen Einfluß auf eine Löſung von Pflanzen-
nährſtoffen auszuüben vermag.
Den Gegenſatz zum Quarze bildet der Thon, welcher den entſchiedenſten Einfluß
auf die humoſen Subſtanzen und die Verweſung des Düngers nimmt. Bei ſeiner
hohen Abſorptionsfähigkeit entzieht er einer Nährſtofflöſung beſonders Kali, Ammoniak
und Phosphorſäure, während die feinſten Humustheilchen feſt an dem Thone an-
haften. Durch die Bildung von im Waſſer unlöslicher, humusſaurer Thonerde und
humusſauren Eiſenoxyd wird die Humusſubſtanz lange conſervirt.
Der Kalkboden wirkt beſonders verzehrend auf humusreiche Düngemittel, indem
ſich der Humus in der im Waſſer unlöslichen Verbindung des humusſauren Kalk raſcher
oxydirt als für ſich allein. Kalkböden verzehren den Humus. Der Gypsboden mit
geringer Abſorptionsfähigkeit verhält ſich im Ganzen paſſiv. Eine Gypslöſung macht
im Boden gebundenes Kali wieder frei.
Die Wahl der Düngemittel hat ſich daher je nach den verſchiedenen Boden-
claſſen zu richten. Dieſe Verſchiedenheit in der Wirkſamkeit der Düngemittel iſt auch
Urſache, daß ſich die Reſultate von Düngungsverſuchen nicht ohne weiteres von
einem Orte auf den andern übertragen laſſen. Die Düngungsverſuche haben in
Folge deſſen nur für jene Oertlichkeiten, an welchen ſie ausgeführt wurden, einen ſehr
hohen Werth.
Faſſen wir die bisherigen Erörterungen, welche ihre Fortſetzung in der Betriebs-
lehre finden werden, zuſammen, ſo ergiebt ſich, daß für die Ausführung der Düngung
nicht nur der Stoffgehalt des Düngemittels, ſondern auch das Bedürfniß der Pflanze
und die Beſchaffenheit des Bodens maßgebend ſind.
Als ungefähren Anhaltspunkt zur Beurtheilung der Mengen an Pflanzennährſtoffen,
welche durch je 1000 Kilogr. der wichtigeren Düngemittel in den Boden gebracht werden,
führen wir nach denſelben [Quellen], wie oben, die nachſtehenden Mittelzahlen an:
[158]Allgemeine Ackerbaulehre.
Je nach der Wirkungsweiſe der einzelnen Düngemittel unterſcheiden wir dieſelben
in folgender Weiſe:
1. Dünger, welche durch ihren Stoffgehalt wirkſam ſind und zugleich die
phyſikaliſche Beſchaffenheit des Bodens beeinfluſſen. Dahin gehört vor allem der
Stallmiſt. In früherer Zeit bezeichnete man dieſen Dünger wegen ſeiner viel-
ſeitigen Wirkungsweiſe bei der Anwendung auf den verſchiedenſten Bodenarten als
Haupt- oder Normaldünger. Nachdem derſelbe alle von den Pflanzen beanſpruchten
Nährſtoffe in hinreichender Menge und in aſſimilirbaren Formen enthält, ſo wird der-
ſelbe ſowie, die weiteren Dünger dieſer Gruppe, als abſoluter Dünger 2) bezeichnet.
[159]Die Düngung.
2. Dünger, welche vorzugsweiſe wegen ihres Stoffgehaltes zur Verwendung
gelangen. Dieſelben führen dem Boden nur einzelne Nährſtoffe zu, weshalb ſie zum
Unterſchiede von den abſoluten [Düngemitteln] als relative Dünger bezeichnet
werden. Düngemittel dieſer Art faßt man auch unter den Namen Hilfsdünger,
Beidünger, concentrirter, künſtlicher Dünger, Kunſtdünger, Handelsdünger, Special-
dünger zuſammen.
3. Dünger, welche vorzugsweiſe wegen ihres Einfluſſes auf die phyſikaliſche
Beſchaffenheit des Bodens zur Anwendung gelangen. Dieſelben können viele (Mergel)
oder nur wenige (Gyps) oder nur einen Nährſtoff (gebrannter Kalk) enthalten.
Dieſelben können mineraliſchen oder wie die Gründünger und Ernterückſtände,
organiſchen Urſprunges ſein. Dünger dieſer Art bilden als ſog. Bodenverbeſſe-
rungsmittel oder indirect wirkende Dünger den Uebergang von der Düngung
zu jenen Culturmaßregeln, welche wir in dem Capitel „Die Standortsverbeſſerung“
beſprochen haben.
1. Die abſoluten Düngemittel.
Die abſoluten Düngemittel bilden oft das ausſchließliche Düngematerial in der
Landwirthſchaft, welches nur in Ausnahmsfällen ganz entbehrt werden kann. Durch
dieſelben, beſonders durch den Stallmiſt, werden dem Boden gewöhnlich mit dem
größten wirthſchaftlichen Vortheile die erforderlichen Pflanzennährſtoffe zugeführt.
Die Ertragsfähigkeit eines Bodens hängt jedoch nicht allein von ſeinem Vorrathe an
Nährſtoffen ab, ſondern unter andern auch von ſeinen phyſikaliſchen Eigenſchaften,
welche zu erhalten und zu verbeſſern bei den meiſten Bodenarten nur durch eine
von Zeit zu Zeit wiederkehrende Stallmiſtdüngung ermöglicht wird.
Abſolute Düngemittel ſind 1. der Stallmiſt, 2. die Jauche, 3. die Excremente
der Menſchen, 4. der Compoſtdünger.
1. Der Stallmiſt.
Der Stallmiſt bildet ein Gemenge der feſten und flüſſigen Ausſcheidungen der
Hausthiere mit dem verſchiedenſten Streumaterial. Sein Werth hängt ſowohl von
a. dem Werthe der thieriſchen Ausſcheidungen ab, als auch von b. dem Werthe des
Streumateriales, von c. der Miſtart und von d. der Behandlung des Düngers bis
zu ſeiner Verwendung. Im Anſchluſſe verdient noch die Jauche und die flüſſige
Düngung Erwähnung.
Der Werth der thieriſchen Ausſcheidungen richtet ſich nach der Beſchaffenheit
des Futters und nach der Art und dem Ernährungszuſtande des Thieres.
Aus dem aufgenommenen Futter nimmt ſich der thieriſche Organismus durch
ſeinen Verdauungsapparat alle jene Stoffe heraus, welche zu ſeiner Erhaltung
erforderlich ſind. Alle übrigen, unverdaut gebliebenen Beſtandtheile des Futters
werden als feſte Excremente ausgeſchieden. Der in den Thierkörper über-
[160]Allgemeine Ackerbaulehre.
gegangene, verdauliche Theil der Nahrung wird jedoch nach ſeiner Verwendung zum
Aufbaue der thieriſchen Subſtanz und zur Kraftentwickelung durch den Stoffwechſel
des Thieres wieder ausgeſchieden und zwar entweder in gasförmiger Form durch die
Länge ausgeathmet und durch die Haut tranſpirirt oder in flüſſiger Form durch den
Harn abgeſondert. Ein ausgewachſenes Thier, welches unter normalen Verhält-
niſſen ſein Gewicht nur innerhalb geringer Schwankungen ändert, wird daher nahezu
eben ſo viele Stoffe ausſcheiden als es in der Nahrung aufgenommen hat.
Nach den Unterſuchungen über die Reſpiration des Rindes und Schafes mit dem
Reſpirationsapparate in Weende von Henneberg, G. Kühn, M. Märcker, E. Schulze,
H. Schultze ꝛc. 1) ergeben ſich im Durchſchnitte der Verſuchsperiode für das volljährige Schaf
(Hammel) bei ſog. Normalfutter (Wieſenheu) im Beharrungszuſtande folgende Beziehungen
zwiſchen dem Futter und den geſammten thieriſchen Ausſcheidungen:
Stoffwechſelgleichung pro Kilogr. Körpergewicht (Lebendgew. excl. Wolle) in Grammen
Waſſerüberſchuß (entſpr. Waſſer aus 0.666 Waſſerſtoff gebildet) 5.988. (1.741—0.209) =
1.532 Körperanſatz excl. Wolle, Minus 0.029 Körperzuſchuß = 1.503 Zunahme des eigent-
lichen Körpergewichtes.
[161]Die Düngung.
Für die Düngerwirthſchaft geht bei Erhaltungsfutter 1) nur jener Theil der
Stoffe, welche als Reſpirationsproducte gasförmig ausgeſchieden werden, verloren.
Dieſer Verluſt iſt jedoch bedeutungslos, da er vorzugsweiſe nur Stoffe wie Kohlen-
ſtoff, Waſſerſtoff und Sauerſtoff betrifft, welche keinen Düngerwerth beſitzen. Die für
die Düngerwirthſchaft allein wichtigen Mineralſtoffe und der Stickſtoff finden ſich in
den feſten und flüſſigen Ausſcheidungen der Thiere vollſtändig wieder.
Werden von den Nutzthieren außer den Excrementen und dem Harne, noch nutzbare
Stoffe hervorgebracht, ſo ändert ſich etwas dieſes Verhältniß. In dieſem Falle tritt
ein Verluſt an Aſchenbeſtandtheilen um jenen Betrag von Mineralſubſtanzen ein, welche
in den von den Thieren producirten, nutzbaren Stoffen enthalten ſind. Erfolgt ein,
wenn auch nur geringer Wolleanſatz (ſ. die obige Tabelle) ſo tritt ſchon um den
Gehalt der Wolle ein Verluſt an Mineralſubſtanzen ein. Bei einem volljährigen
Maſtochſen wird dieſer Verluſt am geringſten ausfallen, indem die Zunahme des-
ſelben größtentheils in Fett beſteht. Der Maſtviehdünger wird daher ſchon deshalb
werthvoller, als von einem anderen Nutzthiere ſein. Bei einer Kuh, welche Milch
giebt oder welche trächtig iſt, wird der Aſchengehalt des Düngers um jenen Betrag
verkürzt, welcher in der Milch (ſ. die Tabelle S. 156) enthalten iſt. Ein heran-
wachſendes Thier wird gleichfalls einen Theil der Aſche des Futters zur Ausbildung
ſeines Körpers, beſonders der Knochen verwenden. Der Dünger eines Kalbes kann
daher um ein Vielfaches ärmer an Aſchenbeſtandtheilen, beſonders an Phosphorſäure
und Kali ſein, als der Dünger eines Maſtochſens.
Eine beſondere Bedeutung für die Düngerwirthſchaft hat die Vertheilung der
einzelnen Mineralſtoffe des Futters auf Koth und Harn. Im Allgemeinen ſtimmt
dieſelbe mit den Löslichkeitsverhältniſſen der Mineralſtoffe überein. Im Harn
finden ſich vorzugsweiſe, neben Harnſtoff, Hippurſäure, Harnfarbſtoffe ꝛc. — den
Rückbildungsſtoffen der ſtickſtoffhaltigen Futterbeſtandtheile —, die leicht löslichen
Alkalien, während die ſchwer löslichen, alkaliſchen Erden, der Kalk, dann die Kieſel-
ſäure, die Phosphorſäure neben den unverdaulichen Futterbeſtandtheilen in den feſten
Excrementen ausgeſchieden werden. Der werthvollſte Dünger wird daher nur dann
gewonnen, wenn die Excremente und der Harn, welche ſich in ihrem Gehalte an
Pflanzennährſtoffen gegenſeitig ergänzen, gemeinſchaftlich geſammelt und verwendet
werden.
Ein beſonderes Intereſſe in Betreff des Kreislauſes der Mineralſtoffe bieten die oben
angeführten Fütterungsverſuche 2). Die gefundenen Durchſchnitte pro Tag und Kilogramm
Körpergewicht giebt die nachfolgende Tabelle:
Krafft, Lehrb. d. Landw. I. 11
[162]Allgemeine Ackerbaulehre.
Aus dem Vorſtehenden ergiebt ſich, welchen großen Einfluß die Fütterung der
Thiere auf die Menge und die Güte des Düngers ausübt. Je reichlicher die Er-
nährung der Thiere, in einem je beſſeren Ernährungszuſtande die Thiere ſich befinden,
um ſo werthvoller wird der Dünger ausfallen. Die Ausſcheidungen eines gut genährten
Thieres können doppelt ſo hohen Düngerwerth erlangen als die eines ſchlecht gefütterten.
Schließlich wird es jedoch für den Werth der Excremente nicht gleichgiltig ſein,
durch welche Thierart das Futter verzehrt wird, und welchem Nutzungszwecke dieſelbe
dient. Auf letztere Beziehung haben wir bereits weiter oben aufmerkſam gemacht.
Die Unterſchiede des Düngers je nach der Thierart, von welcher derſelbe abſtammt,
ſind vorzugsweiſe durch die verſchiedene Fütterungs-, Tränkungs- und Ernährungs-
weiſe der einzelnen Thierarten bedingt. Auf dieſelben ſoll weiterhin unter Dünger-
arten noch näher eingegangen werden.
Für die Beziehungen zwiſchen dem Futter und den feſten und flüſſigen Ausſcheidungen
bei verſchiedenen Thieren führt Dr. E. Wolff 1) unter Zugrundelegung der Reſultate
neuerer Fütterungsverſuche folgende Zahlen an. Von 100 Theilen der betreffenden Subſtanz
wurden gefunden:
Außer den flüſſigen und feſten Ausſcheidungen der Thiere beſteht der Stallmiſt
noch aus dem Streumateriale. Daſſelbe hat, abgeſehen von der Aufgabe den Thieren
ein trockenes und warmes Lager zu gewähren, den Zweck, die vollſtändige Gewinnung
des Kothes und Harnes zu ermöglichen. Außerdem ſoll durch die Streu die Zer-
ſetzung des Düngers geregelt werden. Man hat es daher in der Hand, durch die
Wahl des Streumateriales auf eine Verzögerung oder Verringerung der Dünger-
zerſetzung hinzuwirken. In den meiſten Fällen wird ſchließlich der Werth des Düngers
durch die Beigabe des Streumateriales um den Aſchengehalt des Letzteren erhöht.
Den erwähnten Anforderungen an ein gutes Streumaterial entſprechen am
meiſten die verſchiedenen Stroharten. Von denſelben wird am häufigſten das
Wintergetreideſtroh zur Einſtreu verwendet, während das Gerſte- und Haferſtroh
wegen ſeines größeren Futterwerthes ſeltener zu dieſem Zwecke benützt wird. Die
Menge der erforderlichen Stroheinſtreu beträgt gewöhnlich ⅓ der Trockenſubſtanz
des Futters. Das Stroh nimmt nicht nur durch ſeine Höhlungen ſicher die Jauche
auf, ſondern hält dieſelbe auch von Außen durch Adhäſion feſt und trägt durch ſeine
Beſchaffenheit weſentlich zur Feſthaltung der feſten Excremente bei. Die Schnellig-
keit der Düngerzerſetzung richtet ſich nach der Höhe ſeines Stickſtoffgehaltes; durch
die Beimiſchung des Strohes, einem Materiale mit geringem Stickſtoffgehalte, wird
daher die Zerſetzung der Düngermaſſe verlangſamt.
Bei Mangel an Stroh verwendet man an Stelle deſſelben, jedoch meiſtens mit
viel geringerem Erfolge verſchlemmtes oder durch den Regen verdorbenes Heu, ſchlecht
eingebrachtes, befallenes Hülſenfruchtſtroh, beſonders Erbſen-, Pferdebohnenſtroh, auch
Maisſtengel, Kartoffelkraut, Schilf, Teichgras ꝛc. An Meeresküſten verwendet man
mit vielem Vortheile die oft in großen Quantitäten von dem Meere ausgeworfenen
Tangmaſſen. Dieſelben beſtehen an den deutſchen Meeren meiſtens aus dem Blaſen-
tang (Fucus versiculosus L) und dem ſich etwas langſamer zerſetzenden Seegras
oder Waſſerriemen (Zostera marina L). Dieſelben zeichnen ſich beſonders durch
einen hohen Aſchen- und Natrongehalt aus. Alle genannten Streumaterialien ſtehen
jedoch in der Brauchbarkeit gegenüber dem Strohe zurück.
Daſſelbe gilt von dem Streumateriale, welches dem Walde entnommen wird.
Das gewöhnlichſte Streumaterial, welches der Wald liefert, iſt die Hackſtreu — kurz
gehacktes Kiefern- oder Fichtenreiſig —, die Laubſtreu — die dürren, abgefallenen
Blätter der Laubholzbäume — und die Waldſtreu — der zuſammengerechte Ueberzug
des Waldbodens als Moos, Haide ꝛc. Mitunter verwendet man auch die von den
Brettſägen abfallenden Sägeſpäne als Einſtreu. Der Werth dieſer Streuſurrogate
ſteht in keinem Verhältniſſe zu dem Nachtheile, welcher dem Walde durch die Ent-
nahme der Streu zugefügt wird. Wenn auch die Aufſaugung des Harns durch die
Nadel- und Laubſtreu ſelbſt größer als bei den Stroharten iſt, ſo iſt doch die Feſt-
haltung der feſten Excremente eine ungenügende. Die genannten Streumaterialien
ſind faſt durchgängig arm an Pflanzennährſtoffen.
11*
[164]Allgemeine Ackerbaulehre.
1000 Kilogr. Buchenblätter enthalten z. B. nur 2.3 Kilogr. Kali, 2.4 Kilogr. Phos-
phorſäure; Kiefernadeln 1.0 Kilogr. Kali und 1.0 Kilogr. Phosphorſäure, ſomit eine Menge
von Kali, welche in 6, reſp. 3 Kilogr. dreifach concentrirten Staßfurter Kaliſalz oder eine
Menge von Phosphorſäure, welche in 10, reſp. 4 Kilogr. Knochenmehl enthalten iſt.
Die dem Walde entnommenen Streumaterialien ſind überdies meiſt ſchwer zer-
ſetzbar. Am meiſten Werth haben dieſelben noch für bindige Thonböden, welche
durch die Beimengung von Waldſtreu gelockert werden.
Den vortheilhafteſten Erſatz für das Stroh bildet die Erde, eine je größere
waſſerfaſſende Kraft und eine je größere Abſorptionsfähigkeit dieſelbe beſitzt. Am
geeignetſten zur Einſtreu iſt daher Torf und humoſe Erde. Ein Hinderniß bei ihrer
Verwendung bildet nur ihr großes Gewicht, welches die Transportkoſten des Düngers
erhöht.
Ueber die Jauchenaufnahme einer Mehrzahl von Streumaterialien geben die Unter-
ſuchungen von Dr. J. Breitenlohner 1) bemerkenswerthen Aufſchluß. Dieſelben erfordern
jedoch noch eine Berichtigung durch die Einbeziehung der feſten Excremente in die Unter-
ſuchung:
Bei gleichen Gewichtstheilen nehmen daher Torf durch Cappillarität und Laub durch
Flächenadhäſion am meiſten, Reiſig am wenigſten Jauche auf, Roggenſtroh ſteht in der Mitte
der Extreme. Erde und Torf (am meiſten die Erde) wirken dabei abſorbirend auf die
Jauche, während alle anderen Materialien, am auffallendſten das Bohnenſtroh, ausgelau gt
werden.
1. Der Rindviehmiſt. Unter den Stallmiſtarten, welche in gewöhn-
lichen Wirthſchaftsverhältniſſen producirt werden, liefert die Rindviehhaltung die
größten Maſſen. Bei der vielfältigen und oft wechſelnden Ernährungsweiſe des
Rindviehes mit Trockenfutter, Grünfutter, Wurzelwerk, Abfälle techniſcher Gewerbe ꝛc.
wechſelt naturgemäß die Beſchaffenheit, beſonders der Waſſergehalt des Rindvieh-
düngers bedeutend. Gewöhnlich nehmen die Milchkühe bei Winterfütterung auf
1 Kilogr. Trockenſubſtanz im Futter und dem Tränkwaſſer 4 Kilogr. Waſſer, bei
Grünfütterung ſelbſt bis zu 6 Kilogr. Waſſer auf. Von dieſer Waſſermenge werden
[165]Die Düngung.
jedoch für die Milchſecretion und die Ausſcheidung durch Lunge und Haut 1—2 Kilogr.
in Anſpruch genommen, erſt das Ueberbleibende geht in den Dünger. Jungvieh und
im Erhaltungsfutter ſtehende Ochſen nehmen etwas weniger, etwa 3—4 Kilogr.
Waſſer auf 1 Kilogr. Trockenſubſtanz auf, dafür geht daſſelbe vollſtändiger in den
Dünger über. Der Rindviehſtallmiſt enthält daher 20—30 Procent Trockenſubſtanz und
70—80 Procent Waſſer. (Siehe die Tabelle auf S. 158). In Folge dieſes großen
Waſſergehaltes geht die Fäulniß und Verweſung des Rindviehdüngers nur langſam
vor ſich; in Haufen geſetzt erwärmt er ſich nicht ſehr raſch. Seine Wärmecapcität
iſt eine hohe, man bezeichnet ihn daher als kalten Dünger. Wegen ſeiner Eigen-
ſchaften kann er in großen Mengen auf einmal angewendet werden. Die langſame
Zerſetzung deſſelben iſt Urſache, daß ſeine Wirkung auf das Pflanzenwachsthum
durch längere Zeit 3—4 Jahre anhält. Am geeignetſten iſt derſelbe für Bodenarten
von geringerer Wärmecapacität z. B. für Sand und für humusarme Bodenarten. Für
wenig thätige Bodenarten empfiehlt ſich eine raſcher wirkende Düngerart.
Ueber die Wärmecapacität der Düngerarten liegen Unterſuchungen von Dr. H. Platter 1)
vor, deren Reſultate wir hier gleich im Zuſammenhange mittheilen:
Als ungefährer Anhaltspunkt für die Schätzung der Düngermenge, welche
von dem Rindviehe gewonnen werden kann, dient die Angabe des jährlichen Dünger-
erzeugniſſes von einem Stücke Vieh Für eine Kuh von 350—400 Kilogr.
Lebendgewicht werden gegenwärtig bei Stallfütterung 10,000 Kilogr. Stallmiſt an-
genommen. Bei ſchwererem Vieh, guter Düngerbehandlung, reichlicher Streu ent-
ſprechend mehr, 12—15,000 Kilogr. Weidekühe, Jungvieh, Arbeitsochſen geben
jedoch weſentlich weniger Dünger. Genauer läßt ſich die Quantität an Stallmiſt
aus der Menge des verabreichten Futters und der Einſtreu berechnen. Nach den
S. 162 von E. Wolff mitgetheilten Durchſchnittswerthen geben 100 Kilogr. Trocken-
ſubſtanz im Futter (Kuh 47.1, Ochſe 51.4) nahezu 50 Kilogr. Trockenſubſtanz im
Dünger. Dazu kommt noch die Menge der Trockenſubſtanz, welche durch das Streu-
ſtroh in den Dünger gelangt, dieſelbe beträgt unter gewöhnlichen Verhältniſſen
¼ der Futtertrockenſubſtanz.
Es geben daher 100 Kilogr. Futtertrockenſubſtanz
- 50 Kilogr. T. ſ. in den Exkrementen
- ¼ Streu 25 Kilogr. T. ſ.
- Zuſammen 75 Kilogr. T. ſ. Rindviehmiſt = 300 Kilogr. friſchen Miſt
mit 75 Procent Waſſer.
[166]Allgemeine Ackerbaulehre.
Um zu einem allgemeinen Ausdrucke zu gelangen, ſetzten wir die Trockenſubſtanz
des Futters = F, jene des Streuſtrohes = S = die gewonnene friſche Dünger-
menge = D. Es iſt daher nach Obenſtehendem
d. h. die bei einer Streumenge von ¼ der Futtertrockenſubſtanz zu gewärtigende
friſche Düngermenge iſt gleich der dreifachen Trockenſubſtanz des Futters.
Enthält die an 1 Stück Großvieh à 500 Kilogr. Lebendgewicht täglich verab-
reichte Futtermenge 12.5 Kilogr. Trockenſubſtanz, ſo werden bei 3.12 Kilogr. Streu-
ſtroh durch daſſelbe nach dem Vorſtehenden 9.37 Kilogr. trockener oder 37.5 Kilogr.
friſcher Dünger, jährlich 3421 trockener oder 13687 Kilogr. friſcher Dünger pro-
ducirt. Bleibt das Verhältniß der verfütterten Trockenſubſtanz zu dem Lebendgewichte
der Thiere durchſchnittlich gleich, ſo läßt ſich unmittelbar nach dem Lebendgewichte
auf einfache Weiſe die zu erwartende Düngermenge berechnen, indem man die Anzahl
Kilogramme Lebendgewicht mit 0.075 multiplicirt um die tägliche oder mit 27
multiplicirt um die jährliche Düngermenge im friſchen Zuſtande zu erhalten. Dieſer
Factor muß jedoch in jedem Falle beſonders erhoben werden, da er ſich mit der
Stärke der Fütterung und der Einſtreu ändert.
Dieſe durch Rechnung gefundenen Düngermengen werden jedoch in Wirklichkeit
durch mancherlei Verluſte, welche ſich immer mehr ſteigern, je länger der Dünger
auf der Düngerſtätte liegen bleibt, vermindert. Ebenſo wird bei Weide- und Arbeits-
vieh ein beträchtlicher Theil der Düngermenge in Abzug zu bringen ſein.
Die Qualität des Stallmiſtes kann gleichfalls durch Summirung der in dem
verfütterten Futter und dem Streumateriale enthaltenen Pflanzennährſtoffen mit Be-
rückſichtigung der durch die Milch- und Fleiſchproduktion der Düngerwirthſchaft ent-
zogenen Mengen an Mineralſubſtanzen beſtimmt werden. Zu dieſem Zwecke dient
die auf Seite 156 angeführte Tabelle. Da ſich jedoch bei der Berechnung nach
dem Futter die bei der Düngergewinnung eintretenden Verluſte nicht zifferiſch genau
feſtſtellen laſſen, ſo erübriget nur, die genaue chemiſche Analyſe, welche den ſicherſten
Aufſchluß über den Gehalt des Düngers zu geben vermag.
2. Der Schafmiſt. Gegenüber dem Rindviehe werden die Schafe viel
trockener gefüttert. Letztere erhalten in der täglichen Futterration einſchließlich des
Tränkwaſſers auf je 1 Kilogr. Trockenſubſtanz kaum mehr als 2 Kilogr. Waſſer.
Der von den Schafen abfallende Dünger beſitzt daher eine trockenere Beſchaffenheit
als der Rindviehdünger, ſein Waſſergehalt ſchwankt zwiſchen 64—70 Procent. Aus
dieſem Grunde und wegen der feineren Vertheilung der Holzfaſer und der ſonſtigen
unverdaut gebliebenen Futterbeſtandtheile in den Schafexcrementen bedürfen dieſelben
zu ihrer Aufſammlung geringerer Mengen an Streumaterialien. Gewöhnlich reicht
eine Steuermenge von ⅕—⅙ der Trockenſubſtanz des Futters vollkommen aus.
Die Zerſetzung des Schafdüngers erfolgt daher ſehr ſchnell, da er überdies einen
mehr als doppelt ſo hohen Stickſtoffgehalt als der Rindsdünger beſitzt. Die
[167]Die Düngung.
bei der Zerſetzung frei werdende Wärme beſchleunigt wieder rückwirkend die Zerſetzung.
Der Aſchengehalt des Schafdüngers (ſ. Tabelle auf S. 158) iſt ebenfalls bei gleichen
Gewichtsmengen höher als jener des Rindviehdüngers. Wegen der geringen Wärme-
capacität dieſer als hitzig bezeichneten Düngerart, eignet ſich dieſelbe beſonders im
verrotteten Zuſtande mehr für Bodenarten von hoher Wärmecapacität wie z. B. für
Thon und humusreiche Böden. Für Getreide und Kartoffeln eignen ſich größere
Mengen Schafdünger weniger gut, da im erſteren Falle durch den höheren Stickſtoff-
gehalt die Bildung von Lagerfrucht begünſtigt, im letzteren Falle der Geſchmack und
der Stärkemehlgehalt beeinträchtigt wird.
In Betreff der Mengen an gewonnenem Schafdünger gelten dieſelben Anhalts-
punkte, wie ſie für den Rindviehmiſt weiter oben angegeben wurden. Je (ſ. S. 162)
100 Gewichtstheile Trockenſubſtanz des Futters geben
- 53.5 Gwth. T. ſ. im Dünger
- dazu Streuſtroh 21.5 Gwth. T. ſ.
- Zuſammen 75.0 Gwth. trockenen = 242 Gwth. friſchen Schaf-
düngers mit 65 Procent Waſſer.
Auf gleiche Trockenſubſtanz, wie im Rindviehdünger, bezogen, ſtellt ſich daher
die Düngerverwerthung des Futters bei Schafen und Rindvieh gleich hoch heraus.
Das jährliche Düngererzeugniß für 1 Stück kann zu 600—750 Kilogr. angenommen
werden.
3. Der Pferdemiſt. Der Pferdemiſt verhält ſich ähnlich wie der Schafmiſt.
Derſelbe iſt wie jener wegen der trockenen Fütterung der Pferde und der concentrirten
Beſchaffenheit des Pferdeharns ein trockener und hitziger Dünger. Die Zerſetzung
des Pferdedüngers geht bei ſeiner lockeren Beſchaffenheit noch viel raſcher als bei
dem Schafmiſte vor ſich, weshalb ſich Verluſte an werthvollen Zerſetzungsproducten
nur ſchwer hintan halten laſſen. Seine Zuſammenſetzung iſt bei der gleichmäßigeren
Fütterung der Pferde mit Hafer, Heu, Stroh und Waſſer am wenigſten wechſelnd
unter allen Düngerarten. Derſelbe hat im trockenen Zuſtande die geringſte Wärme-
capacität. Er eignet ſich daher am beſten für kalte Bodenarten d. h. für Boden-
arten mit großer Wärmecapacität, wie für thonige oder feuchte, humusreiche Böden.
In leichtem, ſandigen Boden wird er zu raſch zerſetzt, um eine anhaltende Wirkſam-
keit zu äußern. Für die meiſten Fälle wird der Pferdemiſt am zweckmäßigſten
gemiſcht mit Rindvieh und Schweinemiſt angewendet, da ohnehin ſeine geringere
Menge, welche noch durch den Verluſt auf der Straße vermindert wird, eine ſeparate
Behandlung unthunlich macht. Bei den größeren Verluſten, welche der Pferdemiſt
durch ſeine leichtere Zerſetzbarkeit erleidet und bei dem Umſtande als das Pferd in
der Regel den Tag über nicht im Stalle iſt, kann die jährliche Miſtproduction
per Stück nur auf 6000—8500 Kilogr. angenommen werden.
4. Der Schweinemiſt. Der Schweinemiſt iſt meiſtens ein ſehr wäſſeriger
und ſtickſtoffarmer Dünger, deſſen Werth bei der wechſelnden Ernährung der Schweine
den größten Schwankungen unterliegt. Den höchſten Werth unter den Schweine-
düngern beſitzen die von dem Maſtſchweine abfallenden Düngermaſſen, welche in ihrer
[168]Abgemeine Ackerbaulehre.
Wirkung dem Rindviehmiſte naheſtehen. Seine hohe Wärmecapacität macht ihn
geeignet für warme, hitzige Sandböden. Die jährliche Düngerproduction beträgt per
Stück etwa 1300—2500 Kilogr.
Als allgemeiner Grundſatz für die Düngerbehandlung hat zu gelten, daß der
Dünger nach Möglichkeit vor jedem Verluſte bewahrt werde. Dieſe Verluſte beſtehen
entweder in feſten Stoffen, welche durch Verſtreuen der Düngermaſſen, oder in flüſſigen
Stoffen, welche durch Abfließen des Harns und der in demſelben gelöſten Subſtanzen,
oder in flüchtigen Stoffen, welche durch Entweichung der Zerſetzungsprodukte verloren
gehen können. Einem Verluſte an Düngermaſſe kann nur vorgebeugt werden durch
die ſorgſamſte Sammlung aller Auswurfsſtoffe, durch die Anwendung eines geeigneten
Streumateriales und durch eine rationelle Düngerbehandlung.
Die geringſten Verluſte werden dann eintreten, wenn der Dünger, ſofern es
die wirthſchaftlichen und klimatiſchen Verhältniſſe zulaſſen, gleich vom Stalle weg in
friſchem Zuſtande auf das Feld geſchafft und dort allſogleich untergepflügt oder
wenigſtens gleich flach ausgebreitet wird. Die ſämmtlichen Zerſetzungsproducte
Düngers werden in dieſem Falle von dem Boden abſorbirt werden können. Die
frei werdende Wärme, die bei der Zerſetzung des Stallmiſtes ſich bildende Kohlen-
ſäure, das Ammoniak werden unverkürzt die Löſung und Aufſchließung der Mineral-
ſtoffe des Bodens befördern können. Durch die allmählige Zerſetzung des Düngers
bleiben ſchließlich Hohlräume im Boden zurück, durch welche derſelbe gelockert wird.
Die Verwendung des friſchen Düngers wird daher beſonders bei thonigen Boden-
arten im rauhen und feuchten Klima wegen der damit verbundenen Auflockerung und
Erwärmung des Bodens am Platze ſein. Um die Vertheilung des friſchen Stall-
miſtes einigermaßen zu erleichtern, wird man möglichſt kurze Streu zur Aufſammlung
benützen.
Wirthſchaftliche Verhältniſſe ſtehen jedoch der allgemeinen Verwendung des
friſchen Stalldüngers entgegen, weshalb das Liegenlaſſen des Düngers durch
2—3 Monate oder länger im Stalle oder auf einem dazu vorbereiteten Platze, der
Düngerſtätte, das gewöhnlichere Verfahren bleibt. Durch das Liegenlaſſen des
Düngers ſoll nicht nur der urſprüngliche Gehalt deſſelben an Pflanzennährſtoffen
erhalten bleiben, ſondern unter Umſtänden durch verſchiedene Zuſätze noch vermehrt
und beſonders die Löslichkeit derſelben euhöht werden. Nächſtdem ſoll die Vermengung
der Einſtreu mit den Excrementen und dem Harn durch die eintretende Verrottung
der organiſchen Subſtanzen eine gleichmäßigere und inngere werden, um ſpäterhin
die Vertheilung des Düngers am Felde zu erleichtern. Die Ausführung der Dünger-
behandlung im Stalle und auf der Düngerſtätte ſtützt ſich vorerſt auf die Kenntniß
der Veränderungen, welche der Stallmiſt bei dem längeren Liegen erleidet.
Durch das Liegen an der Luft gehen die Beſtandtheile des Düngers allmählig in
Fäulniß und Verweſung über. Die Fäulniß, welche durch in der Luft befindliche Keime
organiſcher Natur angeregt wird, kann in der Hauptfache als ein Reductionsproceß
[169]Die Düngung.
angeſehen werden, während der nebenher verlaufende Verweſungsproceß in einer lang-
ſamen Oxydation beſteht. Damit die durch die Keime und den Sauerſtoff der Luft
eingeleitete Zerſetzung regelmäßig fortſchreite, iſt vor allem ein gewiſſer Feuchtigkeits-
grad und eine gewiſſe Wärmemenge erforderlich. Bei einem Mangel an Feuchtig-
keit, welcher ſich durch die Entwickelung einer Schimmelvegetation bemerkbar macht,
geht die Fäulniß zu raſch vor ſich, als daß alle im Waſſer löslichen Zerſetzungs-
producte von der ungenügenden Waſſermenge aufgenommen werden könnten. Die-
ſelben gehen daher bei ihrer Flüchtigkeit für den Dünger verloren. Ein Uebermaß
an Waſſer verzögert dagegen die Zerſetzung. Die gewöhnliche Lufttemperatur iſt
hinreichend, um den Zerfall der Stoffe zu unterhalten, da die Fäulniß und Ver-
weſung ohnehin mit einer lebhaften Wärmeentwickelung verbunden iſt. Im Winter
erleidet jedoch der Zerſetzungsprozeß durch zu ſtarke Abkühlung eine theilweiſe Unter-
brechung. Dieſelbe kann durch das Aufſetzen des Düngers in möglichſt große
Haufen, um die frei werdende Wärme zuſammenzuhalten, hintangehalten werden.
Die einzelnen Stadien der Zerſetzung ſind zur Zeit nicht näher ſtudirt. Was
darüber bekannt, iſt im Nachſtehenden zuſammengeſtellt. Die Veränderungen im
Dünger durch das Liegenlaſſen an der Luft beziehen ſich ſowohl auf die ſtickſtoff-
haltigen und ſtickſtofffreien organiſchen Beſtandtheile, als auch auf die unorganiſche
Subſtanz.
Von den ſtickſtoffhaltigen Beſtandtheilen ſind am leichteſten jene des Urins und
zwar am früheſten die Harnfarbſtoffe, der Harnſtoff und dann die Hippurſäure zur
Umſetzung geeignet. Langſamer erfolgt der Zerfall der ſtickſtoffhaltigen Körper der
feſten Excremente und am ſchwierigſten der Zerfall der ſtickſtoffhaltigen Subſtanz des
Strohes. Ueberhaupt ſteht die Schnelligkeit des Fäulnißverlaufes im Verhältniß zum
Stickſtoffgehalte des Düngers. Reichliche, beſonders holzige Streu, wie Sägeſpäne,
verlangſamen daher die Zerſetzung. Als Endproducte des Zerfalles der ſtickſtoff-
haltigen organiſchen Subſtanz ergeben ſich neben Waſſer als Fäulnißproducte,
Schwefelwaſſerſtoff, Ammoniak und deſſen Salze, beſonders doppelt kohlenſaures
Ammoniak und als Verweſungsproducte Kohlenſäure, Salpeterſäure, Schwefelſäure.
Ein kleiner Theil des Stickſtoffs entweicht nach den Unterſuchungen von J. Reiſet 1)
ſelbſt als ungebundener, freier Stickſtoff.
Aus den ſtickſtofffreien, organiſchen Beſtandtheilen der Düngerſubſtanz, wie der
Celluloſe, der Stärke, dem Fett ꝛc. bilden ſich unter der Einwirkung derſelben Fäulniß
erregenden Factoren neben flüchtigen Kohlenwaſſerſtoffen die verſchiedenſten Humus-
körper, welche die ſchwarze Farbe des verrotteten Stallmiſtes bedingen, während durch
den Verweſungsproceß Waſſer und Kohlenſäure frei wird.
Dieſe Veränderungen der organiſchen Düngerſubſtanz bedingen wieder die Löſung
der Mineralſtoffe unter gleichzeitiger Bildung von Humusſäuren, Kohlenſäuren und
Ammoniakſalzen.
Der Stallmiſt wird daher nach Vorſtehendem durch das Entweichen von Waſſer,
[170]Allgemeine Ackerbaulehre.
Kohlenſäure, Kohlen- und Schwefelwaſſerſtoff und Ammoniak, ſofern nichts zur
Bindung dieſer flüchtigen Subſtanzen vorgekehrt wird, kohlenſtoff-, waſſerſtoff-, ſauer-
ſtoff, ſchwefel- und ſtickſtoffärmer. Gleichzeitig tritt mit dem Vorſchreiten der
Zerſetzung der organiſchen Subſtanz und durch die Waſſerverdunſtung, welche durch
die bei der Fäulniß des Miſtes frei werdende Wärme befördert wird, ſowohl eine
Verminderung des Volumens als auch des Gewichtes des Düngers ein. Die Ab-
nahme an Gewicht und Volumen wird nach Ablauf von 2—3 Monaten, während
welcher Zeit der Dünger zu einer gleichmäßigen mürben Maſſe zuſammengefault iſt,
bei dem Mangel genauerer Unterſuchungen durchſchnittlich zu 16—20 Procent oder zu
⅙—⅕ vom Gewichte und Volumen des friſchen Düngers angenommen. Bleibt
der Dünger noch längere Zeit liegen, ſo verliert er, bis er eine ſpeckige Beſchaffen-
heit annimmt 30—40Procent. In dem Verhältniſſe, als der Dünger an Maſſe verliert,
erhöht ſich ſeine Trockenſubſtanz, weshalb der verrottete Dünger procentiſch reicher
an Pflanzennährſtoffen wird und zwar ſowhl an den unveränderlich bleibenden Mineral-
ſubſtanzen, als auch bei ſachgemäßer Behandlung an Stickſtoff. Gleichzeitig wird
er immer ärmer an organiſcher Subſtanz. Dieſen Veränderungen in der Menge und
Beſchaffenheit des Düngers muß daher Rechnung getragen werden, wenn man die
aus dem Futter und der Streu berechneten Düngermengen auf jene reduciren will,
welche in mürbem oder ſpeckigem Zuſtande auf das Feld geführt werden.
Sollen die werthvollen Beſtandtheile des Düngers beſonders der Stickſtoff und
die Mineralſalze vor der Verflüchtigung und dem Auswaſchen geſchützt werden, ſo
müſſen gewiſſe Zuſätze zum Stallmiſte gegeben werden, welche die durch die Zer-
ſetzung frei werdenden flüchtigen Stoffe binden oder in nicht flüchtige Verbindungen
überführen. Um das flüchtige Ammoniak und das ebenſo flüchtige kohlenſaure
Ammoniak feſtzuhalten, beſtreut oder durchſchichtet man den Dünger mit thon- oder
humusreicher Erde oder mit humusbildenden Stoffen, wie Torfabfälle u. dgl., welche
jene flüchtigen Verbindungen abſorbiren. Ein ebenſo wirkſames als einfaches Mittel
beſteht in dem ſteten Feuchterhalten der Düngermaſſen, durch welches die Löſung des
Ammoniak und ſeiner Salze herbeigeführt wird. Gleich zweckmäßig iſt es, die
flüchtigen Ammoniakverbindungen in das minderflüchtige, ſchwefelſaure Ammoniak
durch Zuſatz von Schwefelſäure oder von ſchwefelſauren Salzen wie Gyps, ſchwefel-
ſaurer Kali-Magneſia, Eiſenvitriol, Alaunabfälle ꝛc. umzuwandeln. Durch Beſtreuen
des feuchten Düngers mit Gyps (ſchwefelſaurem Kalk) wird eine Umſetzung mit dem
kohlenſauren Ammoniak in kohlenſauren Kalk und das minderflüchtige, ſchwefelſaure
Ammoniak herbeigeführt. Ueberdies beſitzt der Gyps auch den Vortheil, daß er die
Zerſetzung der organiſchen Subſtanz verlangſamt und der Bildung von freiem Stick-
ſtoff 1) bei der Zerſetzung des Stallmiſtes vorbeugt. Der Gyps bleibt daher das
einfachſte und billigſte Mittel, ſowohl im Stalle als auch auf der Düngerſtätte den
[171]Die Düngung.
Verluſt an Stickſtoff hintanzuhalten. Es reichen von demſelben 1 höchſtens 2 Prozente
vollkommen hin, um die erwünſchte Wirkung zu erzielen. Nächſt dieſen die Dünger-
ſubſtanz conſervirenden Zuſätzen, giebt man zuweilen auch Beimengungen, wie phos-
phorſauren Kalk in verſchiedenen Formen, Straßenkehricht, Kohlenaſche, Brauabfälle ꝛc.,
um den Gehalt des Düngers an Pflanzennährſtoffen zu vermehren. Damit iſt
jedoch der Uebergang vom Stalldünger zum Compoſtdünger gegeben.
Was die ſpecielle Bereitung des Düngers betrifft, ſo erſtreckt ſich dieſelbe auf
die Behandlung deſſelben 1. im Stalle, 2. auf der Düngerſtätte und 3. auf ſeine
Verwendung am Felde.
Vom Standpunkte der Düngerbereitung unterliegt es keinem Zweifel, daß das
Liegenlaſſen des Düngers im Stalle unter den Füßen der frei ſich be-
wegenden, daher nicht angebundenen Thiere den meiſten Vortheil bringt. Bei dieſer
Art der Düngerbereitung, welche für die Schafe die gewöhnliche, jedoch auch für andere
Thiergattungen, beſonders für Rindjungvieh, auch Kühe empfohlen wird, kann die Jauche
vollſtändiger von dem Streumateriale aufgeſaugt werden, und die Miſchung der Streu
mit den flüſſigen und feſten Ausſcheidungen durch das beſtändige Hin- und Herlaufen
der Thiere viel inniger und gleichmäßiger erfolgen. Gleichzeitig wird die Dünger-
maſſe feſtgetreten, von der Luft abgeſchloſſen und damit ihre Zerſetzung verlangſamt.
Bei der gleichmäßigeren Temperatur im Stalle und bei dem Schutze vor Sonne und
Wind kann die Zerſetzung übrigens viel gleichmäßiger verlaufen. Vom wirthſchaft-
lichen Standpunkte aus iſt zu beachten, daß die Düngerbereitung weſentlich erleichtert
wird, da der Dünger unmittelbar aus dem Stalle ausgeführt werden kann. Der
Bau der Düngerſtätte wird erſpart, dafür muß jedoch der Stall 1), um das Auf-
ſchichten des Düngers zu ermöglichen, eine größere Höhe als gewöhnlich erhalten und
mit beweglichen Raufen eingerichtet werden. Die Reinlichkeit iſt jedoch beſonders bei
Grünfütterung ſchwieriger zu erhalten, weshalb auch eine größere Streumenge erforder-
ich iſt, welche, wie bei dem täglichen Ausmiſten, 2—3mal aufgelegt werden muß.
Der größte Nachtheil liegt jedoch in der Verſchlechterung der Luft, durch die Ver-
mehrung ihres Kohlenſäure- und, ſofern nicht Gyps eingeſtreut wird, auch ihres
Ammoniakgehaltes.
Nach den Unterſuchungen von Dr. Vollrath 2) enthielten in einem Pferdeſtall 1000 Cubik-
Die gewöhnlichſte Art der Düngerbereitung iſt jene auf der Düngerſtätte,
auf welche der Miſt täglich mit möglichſter Vermeidung von Verluſten durch Verſtreuen
der Maſſen aus dem Stalle gebracht wird. Die Düngerſtätte hat den Zweck, die
[172]Allgemeine Ackerbaulehre.
gleichförmige Mengung der flüſſigen und feſten thieriſchen Ausſcheidungen mit dem
Streumateriale zu erleichtern und zu ermöglichen, daß der Verlauf der Dünger-
zerſetzung, welcher zur möglichſten Hintanhaltung von Verluſten langſam und gleich-
mäßig ſtattfinden ſoll, geregelt werden kann Um dieſen Zweck erreichen zu können,
verdient die Anlage der Düngerſtätte beſondere Aufmerkſamkeit.
Die Düngerſtätte ſoll an einem vor dem Winde und der Sonne geſchützten
Orte, am zweckmäßigſten an der Nordſeite des Stalles angelegt werden, um den
Dünger vor dem ſchnellen Austrocknen an der Oberfläche zu behüten und um gleich-
zeitig den Transport des Düngers vom Stalle zur Stätte zu erleichtern. Die un-
mittelbare Beſonnung wird zuweilen durch eine Bedachung der Düngſtätte verhindert.
Billiger und nahezu mit demſelben Erfolge läßt ſich jedoch dieſe Abſicht auch durch
Umpflanzung der Stätte mit ſchnellwachſenden Pappelbäumen (Populus alba und
canescens eignen ſich dazu am beſten) erreichen. Zur Abhaltung des von außen
zufließenden Tagwaſſers zieht man um den Dungplatz, ſofern dieſer nicht ohnehin
durch erhöhte Lage geſchützt iſt, kleine Ablaufgräben. Die Sohle der Düngerſtätte
ſoll möglichſt undurchlaſſend hergeſtellt werden, um das Einſickern der Jauche, des
werthvollſten Theiles des Düngers, zu verhindern. Gewöhnlich ſtampft man die
Sohle mit einer Lettenſchichte aus, auf welche dann ein billiges Steinpflaſter gelegt
wird. Die Sohlenfläche erhält nach einer oder zwei Richtungen eine ſanfte Neigung
zu der am tiefſten Punkte der Düngſtätte gleichfalls waſſerdicht anzulegenden Jauchen-
grube. Damit die unteren Partien des Düngerhaufens von der durchſickernden Jauche
in ihrer Zerſetzung nicht allzuſehr aufgehalten werden, ſorgt man durch eine um den
ganzen Düngerplatz gezogene Jauchenrinne, welche in die Jauchengrube einmündet,
für den Abzug der ſtauenden Jauche. Die vom Stalle durch einen bedeckten Canal
abziehende Jauche wird entweder in die gemeinſchaftliche, oder noch zweckmäßiger, in
eine beſondere Jauchengrube geleitet, von wo ſie durch eine Pumpe oder durch Aus-
ſchöpfen mit Eimern, Düngerſchaufeln über den Düngerhaufen geſpritzt oder durch hölzerne,
durchlöcherte Rinnen ausgebreitet werden kann. Am wenigſten Reparatur verurſachen
die hölzernen Jauchenpumpen (Preis 30—40 Mark, 15—20 fl), dagegen iſt ihre
Dauerhaftigkeit geringer. Eiſerne Ventilpumpen mit Spritzſchläuchen ſind koſtſpieliger
und erfordern des Einroſtens wegen vielfache Ausbeſſerung. Am zweckmäßigſten ſind
die ſog Kettenpumpen von H. F. Eckert—Berlin, Fig. 67 (ſ. S. 173), welche ſelbſt
noch bei dickflüſſiger, brockiger Jauche functioniren. Mit einer Kettenpumpe mit
6 Cm. weitem Rohre und 4 M. Hubhöhe kann 1 Mann 5600 Liter per Stunde
heben. Bei größeren Düngerſtätten legt man mehrere Abtheilungen mit zweckmäßig
vertheilten Jauchengruben an, um verſchieden alten Dünger geſondert behandeln
zu können.
Die Größe der Düngerſtätte richtet ſich nach der Anzahl der Thiere, der
Menge des Futters und des Streumateriales und nach der Zeitdauer, in welcher
der Dünger liegen bleibt. Ein Stück Großvieh producirt täglich (S. 166) 37 Kilogr.
friſchen Dünger. Soll derſelbe 80 Tage auf der Düngerſtätte liegen bleiben, ſo
iſt eine Menge von 2960 Kilogr. aufzubewahren. Wiegt 1 Cbm. Dünger
[173]Die Düngung.
800 Kilogr. und ſoll der Dünger 1.5 M. hoch aufgeſchichtet werden, ſo iſt
für 1 Stück Großvieh eine Sohlenfläche von (2960 : 800 : 1.5) 25 □ M.
erforderlich. An Raum in der Jauchengrube
iſt für 1 Stück Großvieh 0.3—0.5 Cbm. zu
rechnen.
Iſt die Düngerſtätte hergerichtet, ſo wird
dieſelbe vor dem Ausführen des Düngers mit
einer 20—30 Cm. hohen Erdſchichte bedeckt,
welche die durchſickernde Jauche aufnimmt und
bei der Entleerung der Düngerſtätte für ſich
verwendet wird. Das Ausbreiten des friſchen
Stallmiſtes ſoll möglichſt gleichmäßig auf eine
Höhe von 30 Cm. erfolgen und zwar empfiehlt
es ſich meiſtens den Dünger der verſchiedenen
Stallungen zu vermengen, wenn die einzelnen
Mengen für eine getrennte Behandlung nicht aus-
reichen. Auf dieſe unterſte Dungſchichte wird gleich
eine 10—15 Cm. hohe Erdſchichte ausgebreitet,
welche das Entweichen des Ammoniak am beſten ver-
hütet. Wird der Dünger mit einem Uebermaße
von Erde durchſchichtet, ſo vermehrt dies unnöthig
die Transportkoſten. Sehr zu empfehlen für
eine gleichmäßige Zerſetzung des Düngers iſt
das Feſttretenlaſſen deſſelben durch das Vieh,
welches man öfters auf die Düngerſtätte treibt.
Iſt die ganze Düngerſtätte auf 30 Cm. Höhe
mit Dünger überfahren und dieſer mit Erde auch
an den Seitenwänden bedeckt, ſo häuft man
Kettenpumpe von H. F. Eckert—
Berlin. Preis 3 M. lang, 93 Kilogr.
ſchwer 81 Mark, 42 fl.; 4 M. lang, 103
Kilogr. ſchwer 96 Mark, 48 fl.
eine zweite Schichte auf bis der Haufen je nach der Zerſetzungsfähigkeit des Düngers
1—2 M. hoch geworden. Ein zu hohes Aufſetzen befördert durch die erhöhte
Wärmeentwickelung die Zerſetzung und verhindert, daß die Jauche den ganzen Haufen bis
zum Grunde durchdringt. Sobald ſich die Erddecke trocken zeigt, wird der Dünger im
Winter gewöhnlich zweimal die Woche, im Sommer mindeſtens einmal täglich mit Jauche
oder in Ermanglung dieſer, ſelbſt mit Waſſer übergoſſen, um durch Feuchthalten die
Zerſetzung zu verlangſamen und jeden Verluſt an flüchtigen Subſtanzen hintanzuhalten.
Um den Inhalt der Jauchengrube und der Jauchenrinnen vor Verluſten zu bewahren,
ſtreut man ſchließlich, wie oben angegeben, Gyps in dieſelben oder man conſervirt
den Inhalt durch Zugießen von verdünnter Salzſäure oder Schwefelſäure.
Wird der Dünger auf das Feld geführt, ſo ſoll der Düngerhaufen bei dem
Aufladen nicht ſchichtenweiſe, ſondern ſenkrecht herunter abgeſchnitten werden, um eine
gleichmäßige Mengung der oberſten friſchen mit den unterſten verrotteten Schichten
zu erreichen. Nach dem Vollladen des Wagens ſoll zur Vermeidung der Dünger-
[174]Allgemeine Ackerbaulehre.
verſtreuung die Maſſe mit einer Patſche feſtgedrückt, die Räder ausgeputzt werden.
Am Felde wird der Dünger entweder am Rande in großen gleich mit Erde
zu bedeckenden Haufen aufgeſetzt, wenn der Zutritt in das Feld im Winter oder
wegen der noch ſtehenden Frucht oder der Aufweichung des Bodens durch Regen
nicht möglich iſt, oder in kleine, reihenweiſe geſtellte Häufchen abgezogen, die jedoch
ſofort flach und gleichmäßig über die zu düngende Fläche ausgebreitet werden
ſollen. Läßt man die Häufchen nur einige Tage ungebreitet ſtehen, ſo wird nicht nur
durch die vermehrte Oberfläche die Zerſetzung des Düngers und die Verflüchtigung der
werthvollſten Stoffe befördert, ſondern auch die Stellen, auf welchen ſich die Häufchen
befinden, durch Auslaugen übermäßig mit Pflanzennährſtoffen verſehen und damit
durch die Beförderung eines zu üppigen Wachsthumes der Pflanzen die Veranlaſſung
zur Bildung ſog. Geilſtellen gegeben.
Iſt es nicht möglich, den Dünger gleich unterzupflügen, ſo wird jedem Verluſte
am beſten vorgebeugt, wenn der Dünger allſogleich ausgebreitet wird, indem dann
die weitere Zerſetzung aufhört. Fällt Regenwetter ein, ſo wird der Dünger gleich-
mäßig ausgelaugt. Die gelöſten Stoffe gelangen dann gleichmäßiger als ſelbſt beim
Unterpflügen in den Boden.
Am ausgiebigſten wird die phyſikaliſche Wirkſamkeit des Düngers, beſonders ſein
Vermögen, einen bindigen, kalten Boden zu lockern und zu erwärmen, erreicht, wenn
er gleich nach dem Breiten in den Boden gebracht wird. Bei dem Unterpflügen des
Düngers ſoll derſelbe vollkommen mit Erde bedeckt werden, weshalb man bei langem,
ſtrohigem Dünger oder großer Düngermenge, denſelben in die geöffnete Furche mit der
Miſtgabel einſtreifen 1) läßt. Die Unterbringung wird in einem trockenen, lockeren
Boden und in einem warmen Klima tiefer ausgeführt werden müſſen, als unter
gegentheiligen Verhältniſſen, wenn der Dünger die nöthige Feuchtigkeit zu ſeiner Zer-
ſetzung finden ſoll.
Im Allgemeinen gilt der Grundſatz, daß der Dünger möglichſt gleichmäßig mit
dem Boden vermengt werden ſoll, da nur bei gleichmäßiger Vertheilung der Pflanzen-
nährſtoffe im Boden ein gleichmäßiger Pflanzenſtand erzielt werden kann. Bei reihen-
oder platzweiſer Stellung der Pflanzen, werden jedoch beſonders geringere Dünger-
mengen am vortheilhafteſten ausgenützt, wenn der Dünger an derſelben Stelle, wo
die Pflanzen ſtehen, durch die ſog. Stufendüngung, in den Boden gebracht wird.
Die Stufendüngung kann entweder nach dem Pflug oder dem Häufelpflug aus-
geführt werden, im Kleinen auch mit der Handhacke. In erſterem Falle legt man
mit der Hand den Dünger ſtreifen- oder ſtellenweiſe in jede 2. oder 3. Furche. Ver-
wendet man den Häufelpflug, ſo legt man den Dünger zwiſchen die Kämme und
bedeckt ihn durch Spalten der Kämme mit Erde. Bei Kartoffeln ꝛc. kann dieſe
Stufendüngung auch nachträglich im Frühjahre auf das ſchon vor Winter mäßig ge-
düngte Feld angewendet werden.
[175]Die Düngung.
Fehlt es im Herbſte vor der Saat an Zeit oder der nöthigen Miſtmenge, ſo
können noch nachträglich dem Boden im Frühjahre durch das Ausbreiten von Stall-
miſt auf die jungen Pflanzen, durch die ſogenannte Kopfdüngung, Pflanzennähr-
ſtoffe zugeführt werden. Die Wirkung des Ueberdüngens iſt jedoch nur eine vorüber-
gehende, weshalb die Kopfdüngung nur zur Aufhülfe ſchlecht über den Winter ge-
kommener Saaten oder zur Düngung von Wieſen und mehrjährigen Kleeſchlägen
verwendet werden ſoll.
Ein im weſtlichen Deutſchland und in England übliches Düngungsverfahren iſt
das Pferchen oder Horden, bei welchem das Weidevieh, meiſtens Schafe, durch
transportable Zäune oder Netze über Nacht zuſammengehalten wird, um das ein-
gezäunte Feldſtück unmittelbar zu bedüngen. Iſt das Feldſtück durch ein oder zwei
Nächte je nach der beabſichtigten Größe der Düngung gepfercht, ſo wird ſtreifenweiſe
ein neues Feldſtück mit den Schafen betrieben. Durch dieſe Düngungsweiſe wird
nicht nur die ganze Düngerbehandlung, ſondern auch die Ausfuhr und das Aus-
breiten am Felde erſpart, gegenüber welcher Koſtenerſparung die Abnutzung der
Zäune nicht in Betracht kommt. Es läßt ſich jedoch nur in milden klimatiſchen
Verhältniſſen oder mit abgehärteten Schafen ausführen. Die Stärke und Wirkung
der Pferchdüngung richtet ſich nach der Anzahl und Ernährung der Schafe und nach
der Dauer der Pferchdüngung. Als gute Pferchdüngung wird angenommen, wenn
12,000 Schafe per Hectar in je 24 Stunden 12—14 Stunden im Pferche ver-
weilen, als ſchwache, wenn auf 1 Hectar nur 9000 Schafe kommen. In erſterem
Falle wird die von einem Schafe abfallende Düngermenge auf 0.84 □M., in
letzterem auf 1.11 □M. vertheilt. —
Die Wirkung des in den Boden gebrachten Stallmiſtes iſt eine zweifache, indem
derſelbe ſowohl den Boden mit Pflanzennährſtoffen in aſſimilirbarem Zuſtande ver-
ſieht, als auch die phyſikaliſchen Eigenſchaften des Bodens verbeſſert. Nachdem der
Stallmiſt aus den in der Wirthſchaft ſelbſt gebauten Futterſtoffen hervorgeht, ſo
reicht derſelbe allein nicht aus, um alle aus der Wirthſchaft entnommenen Nährſtoffe
zu erſetzen, wenn nicht durch eine Wieſenzulage oder durch Futter- und Düngerzukauf
Erſatz für die in den Verkaufsfrüchten enthaltenen Mineralſtoffe geboten wird. Von
den zur Verwendung gelangenden Düngermitteln iſt er jedoch neben den menſchlichen
Excrementen allein im Stande, dem Boden alle Nährſtoffe, wenn auch nicht in dem-
ſelben Verhältniſſe, wie ſie dem Boden entnommen werden, ſo doch in ausreichender
Menge und in aſſimilirbarem Zuſtande zu geben.
Vergleicht man den friſchen mit dem verrotteten Miſt, ſo ergiebt ſich, daß in
letzterem ſich die Nährſtoffe in aufnahmsfähigerem Zuſtande befinden. Dabei iſt aber
zu beachten, daß der, aus einer gewiſſen Menge friſchen Stallmiſtes entſtehende
verrottete Miſt durch Verluſte bei der Aufbewahrung nährſtoffärmer wurde,
wenn auch bei gleichen Mengen der verrottete Miſt einen höheren Gehalt an
Pflanzennährſtoffen aufzuweiſen hat. In dem verrotteten Miſt iſt beſonders eine
Verringerung der organiſchen Subſtanz (S. 170) eingetreten, in Folge deſſen die
phyſikaliſche Wirkung des Stallmiſtes in dieſem Zuſtande abgemindert iſt. Durch
[176]Allgemeine Ackerbaulehre.
den friſchen Dünger wird der Boden humusreicher. Es machen ſich durch dieſen
alle Vortheile, welche mit einer Vermehrung des Humusgehaltes verbunden ſind, wie
die Lockerung, Erwärmung, Austrocknung des Bodens, am nachhaltigſten bemerkbar.
Der friſche Dünger wird daher zur größten Wirkung auf einem kalten, bindigen Boden
gelangen. Die Verwendung des verrotteten Stalldüngers wird dagegen auf Sandboden
und auf Bodenarten, welche durch Cultur ſchon in einen günſtigen, gahren Zuſtand
gebracht worden ſind, angezeigt ſein.
Die Wirkung des Stallmiſtes wird ferner von der Stärke der Düngung
abhängig ſein. Unter 13 Tonnen oder 13 vierſpännigen Fuhren à 1000 Kilogr.
per Hectar, wird man nicht leicht herabgehen können, da ſich ſo geringe Mengen
nur ſchwierig, am leichteſten noch durch Stufendüngung, vertheilen laſſen. Je nach
der Menge per Hectar bezeichnet man eine Düngung von
- 13—17 Tonnen oder Fuhren als ſchwach,
- 17—30 „ „ „ „ gewöhnlich,
- 30—40 „ „ „ „ ſtark,
- 40—60 „ „ „ „ ſehr ſtark.
Ueber die Dauer der Düngerwirkung und innerhalb der Dauer über die
Wirkung in den einzelnen Jahren, laſſen ſich nur Schätzungen anführen. Die Dauer
der Wirkung ſteht im Zuſammenhange mit der Stärke der Düngung und der Be-
ſchaffenheit des Bodens und Klimas. In einem gebundenen, wenig thätigen Boden,
in einem kalten, feuchten Klima wird die Düngung auf einmal ſtärker gegeben, da
die Zerſetzung im Boden nur langſam vor ſich geht. In einem ſolchen Falle wird
daher die Wirkung des Düngers auf eine längere Zeit 4—5 Jahre anhalten.
Unter entgegengeſetzten Verhältniſſen in einem trockenen, warmen Klima und einem
lockeren Sandboden wird man ſchwächer und öfter düngen, da die Wirkung nicht ſo
lange, oft nur 2—3 Jahre vorhält.
In Betreff der Vertheilung der Düngerwirkung auf die einzelnen Jahre ſchätzt
man, daß auf das 1. Jahr 50 Procent, auf das 2. Jahr 25 Procent, auf das 3. Jahr
10 Procent und auf das 4. Jahr 5 Procent der Geſammtdüngerwirkung entfällt.
2. Die Jauche und die flüſſige Düngung.
Die Jauche oder Gülle (Pfuhl, Aadl ꝛc.) iſt jene werthvolle Flüſſigkeit, welche
durch den Düngerhaufen filtrirt und in der Jauchengrube aufgefangen wird. Die-
ſelbe enthält nicht nur die Mineralſalze des Harns, ſondern auch jene, welche bei
dem Durchſickern aus den feſten thieriſchen Ausſcheidungen gelöſt werden. Ihr Werth
iſt ſehr verſchieden, je nach der Verdünnung, welche ſie durch Regenwaſſer erfährt und
je nach dem durch Zuſätze dem Verluſte an Stickſtoff vorgebeugt wurde. Ihr Ge-
halt an feſten Stoffen iſt verhältnißmäßig gering, derſelbe beträgt im Mittel
1.8 Procent. Dieſe Trockenſubſtanz beſteht jedoch mehr als zur Hälfte aus Mineral-
ſalzen und nahezu zu 1/8 aus Stickſtoff. Die Aſche beſteht wieder nahezu zur
Hälfte aus Kali, während Phosphorſäure und die übrigen Aſchenbeſtandtheile nur in
geringeren Mengen vorkommen. Iſt die ſehr zweckmäßige Einrichtung getroffen, daß
[177]Die Düngung.
auch die menſchlichen Excremente unmittelbar in die Jauchengrube gelangen, ſo wird
ihr Werth noch weiters erhöht. Vor ihrer Verwendung muß jedoch der Schlamm,
welcher ſich durch die Excremente und die verſchiedenen Zuſätze zur Bindung des Stick-
ſtoffes gebildet hat, aufgerührt und dann mit der Jauche ausgeführt werden.
Die Jauche wird ſowohl zum Feuchthalten der Dünger- und Compoſthaufen als
auch direct zum Düngen der Felder verwendet. Zum Hinausführen auf das Feld bedient
man ſich hölzerner oder noch zweckmäßiger eiſerner Jauchenkarren. Dieſelben werden
häufig wie bei dem Howard'ſchen Jauchenkarren, Fig. 68, mit einer Pumpe zum Auf-
füllen der Jauche verſehen. Für ein Pferd erhält der Kaſten des Karrens einen
Jauchen- und Waſſerkarren von J. \& F. Howard—Bedford. — Preis ohne Pumpe und
Schlauch 510 Mark, 255 fl.; Pumpe mit Schlauch 100 Mark, 50 fl.
Faſſungsraum von 80—100 Liter. Die rückwärts angebrachte Vorrichtung zur Ver-
theilung der Jauche iſt mit Löchern verſehen, welche durch einen Schieber leicht ge-
reinigt werden können; einfache Löcher würden ſich bald verſtopfen.
Wird die Jauche auf ein unbebautes oder feuchtes Feld geführt, ſo kann ſie
unmittelbar angewendet werden. Wird ſie jedoch auf die beſtellten Felder ausgegoſſen,
ſo muß ſie vorher mit Waſſer verdünnt werden, wenn die Pflanzen nicht beſchädigt
werden ſollen. Am zweckmäßigſten verwendet man ſie als Kopfdüngung auf Wieſen,
Kleeſchlägen, für Futter und Getreidepflanzen, auch für Kartoffeln, Rüben, Raps.
Die Menge, welche per Hektar ausgegoſſen wird, beträgt 300—400 Hektoliter.
Weſentlich verbeſſert wird die Jauche durch Zuſatz von leicht zerſetzbaren Ge-
ſteinen wie Granit, Baſalt, Feldſpath ꝛc., durch deren Zerſetzungsproducte der
Gehalt der Jauche an Mineralſalzen vermehrt wird. Die angeführten Materialien
werden unmittelbar in die Jauchengrube oder in eigene Behälter gegeben und unter
öfterem Umrühren durch etwa 6 Monate der Zerſetzung durch die Jauche ausgeſetzt.
Krafft, Lehrb. d. Landw. I. 12
[178]Allgemeine Ackerbaulehre.
Ueber den Werth dieſer Jauchenbehandlung, welche gleichzeitig die Fähigkeit der Jauche,
Geſteine leicht zu zerſetzen, darlegt, giebt ein Verſuch von F. Senft 1) intereſſanten Auf-
ſchluß. In einem Faſſe wurden 2.5 Kilogr. grobgepulverter, ſchon angewitterter Granit
mit 2.26 Hectoliter gewöhnlicher Düngerjauche übergoſſen. Nach ſechs Monaten waren
von dem Granite nur noch Quarzkörner, eine ockergelbe, thonige Maſſe und einzelne roth-
braune Glimmerſchuppen übrig; der Feldſpath aber war größtentheils zerſetzt. Nachdem
die Jauche vollſtändig abgegoſſen und der ſandigerdige Rückſtand gehörig ausgetrocknet wor-
den war, zeigte die letztere nur noch ein Gewicht von 1.86 Kilogr. Es waren alſo aus
dem Granitſande durch die Jauche 0.64 Beſtandtheile ausgezogen. Eine gleiche Menge
Baſaltſand, ebenſo behandelt, war ſo zerſetzt, daß nur 0.96 Kilogr. Rückſtand blieb.
Eine andere Art der Jauchenverwendung iſt die flüſſige Düngung (Gülle),
welche darin beſteht, daß der ſämmtliche Stalldünger in flüſſiger Form auf das Feld
gebracht wird. Bei dieſer flüſſigen Düngung entfällt die phyſikaliſche Wirkung des
Düngers, weshalb dieſelbe nur für gewiſſe Verhältniſſe, wie Gartencultur, Klein-
wirthſchaft, oder für überwiegendes Gras- und Futterland, auf Lehmböden angezeigt
iſt. Die Erhöhung der Koſten bei dieſer Art der Düngerbereitung ſteht gleichfalls
einer allgemeineren Anwendung derſelben entgegen.
In einigen Gegenden der Schweiz und Baierns wird faſt aller Dünger als
Gülle verwendet, indem die feſten Excremente in die Jauche geworfen oder zur
Erſparung an Streu aus dieſer in die Jauche geſchüttelt und durch wiederholtes Um-
rühren mit derſelben vermiſcht werden. Die mit den feſten Excrementen gemengte
Jauche wird dann in großen, verſchloſſenen Sammelgruben einer 4—6 wöchentlichen
Gährung überlaſſen. Nach dieſer Zeit wird ſie als Gülle auf das Feld, wie die
verdünnte Jauche, ausgegoſſen.
In etwas verſchieden von der Schweizer Güllebereitung iſt die von E. Chadwik
und Mr. Kennedy in England verſuchte Verwendung von flüſſigem Dünger 2). In
Ausführung derſelben werden die ſämmtlichen Stallauswürfe in einem Sammel-
behälter einer Gährung überlaſſen. Aus dem Sammelbehälter kommen die Dünger-
maſſen in mit Rührwerken verſehene Ciſternen, in welchen ſie mit der 2—4fachen
Menge Waſſer verdünnt werden. Zur Erhöhung des Düngerwerthes ſetzt man über-
dies Guano, aufgeſchloſſenes Knochenmehl, gepulverte Oelkuchen u. dgl. zu. Der auf
dieſe Art erhaltene flüſſige Dünger wird dann durch eiſerne Röhrenleitungen und
Kautſchukſchläuche unter Benützung des natürlichen Gefälles, oder durch Pumpwerke
auf die zu düngende Feldfläche geleitet.
3. Die menſchlichen Excremente.
Unter den ſehr zahlreichen Düngemitteln, welche der Landwirthſchaft zur Ver-
fügung ſtehen, ſind die menſchlichen Excremente jene, welche trotz ihres hohen Werthes,
erſt dann zur Anwendung gelangen, wenn die Landwirthſchaft eine gewiſſe Höhe der
[179]Die Düngung.
Cultur erreicht hat. Unter den europäiſchen Ländern verwendet man daher nur in
Belgien, dem ſüdlichen Frankreich, Elſaß, den Gartenwirthſchaften in der Nähe der
mitteldeutſchen Städte ꝛc. auf die Sammlung und Benutzung der Excremente die
größte Aufmerkſamkeit. Von den außereuropäiſchen Ländern ſind es beſonders China
und Japan, welche ſich durch die ausgedehnteſte Verwendung der menſchlichen Aus-
wurfsſtoffe auszeichnen.
Die Urſache der oben erwähnten eigenthümlichen Erſcheinung, daß die Fäcal-
maſſen erſt mit der Erreichung einer höheren Culturſtufe in Verwendung genommen
werden, liegt in einer natürlichen Scheu gegen die Benützung dieſer Materialien und
noch mehr in der Schwierigkeit, die Mehrungsſtoffe auf eine billige Weiſe in einen
transportfähigen Zuſtand zu bringen.
Erſt in neuerer Zeit beginnt man der Verwendung der menſchlichen Excremente
in der Landwirthſchaft eine erhöhtere Beachtung zuzuwenden, indem man durch die
Anregung J. v. Liebig's 1) zur Erkenntniß ihres hohen Werthes gelangt iſt. Die
Landwirthſchaft hat die Aufgabe, das Bedürfniß des Menſchen an Nahrung ꝛc. zu
befriedigen. Die Mineralſtoffe, welche in den für die Ernährung des Menſchen
beſtimmten Materialien, wie Körner, Fleiſch ꝛc. enthalten ſind, werden aus der
Wirthſchaft ausgeführt, ohne ihren Weg wieder zurückzufinden, da ſie in den Excre-
menten meiſtens durch die Canäle, in die Flüſſe und das Meer gelangen. Um dieſen
Betrag wird daher der Boden als ein Ganzes genommen immer ärmer an Pflanzen-
nährſtoffen, wenn auch auf einzelnen Wirthſchaften der Vorrath an Pflanzen-
nährſtoffen im Boden durch Zukauf von künſtlichen Düngemitteln oder von Futter
und Stalldünger auf Koſten anderer Wirthſchaften erhalten oder ſelbſt vermehrt
wird. Dieſer Verminderung an Bodennährſtoffen iſt nur durch die Verwendung der
menſchlichen Excremente für die Düngung entgegen zu wirken.
Bei vollſtändiger Sammlung der Mehrungsſtoffe finden ſich in denſelben alle jene
Stoffe wieder, welche in der Nahrung des Menſchen enthalten waren, mit Ausnahme
gewiſſer Procente an Kohlenſtoff, Waſſerſtoff und Sauerſtoff, welche durch die Lunge
und Haut ausgeſchieden wurden. Entſprechend der aufgenommenen Nahrung zeichnen
ſich daher die menſchlichen Abfallſtoffe beſonders durch ihren Gehalt an Stickſtoff und
Phosphorſäure aus.
Nach den Angaben von E. Heiden 2) berechnet ſich die Geſammtmenge der jährlich aus-
geſchiedenen Excremente und ihrer wichtigſten Beſtandtheile in Kilogrammen wie folgt:
Die Menge der Geſammtausleerungen kann zu 0.524 Cubikmeter à 930 Kilogr. ver-
anſchlagt werden.
12*
[180]Allgemeine Ackerbaulehre.
Die Verwendung der menſchlichen Excremente erfolgt entweder im natürlichen
Zuſtande oder in Verbindung mit den verſchiedenſten Zuſätzen. Erſtere einfachere
Verwendungsart läßt ſich jedoch nur auf dem Wirthſchaftshofe ſelbſt oder in der
Nähe kleinerer Ortſchaften ausführen, indem man den Inhalt der Sammelbehälter
unmittelbar auf das Feld ſchafft und dort allſogleich unterpflügt. Zur Sammlung
dieſer werthvollen Düngermaterialien empfiehlt es ſich auf dem Wirthſchaftshof ꝛc. ge-
eignete Räumlichkeiten herzurichten, in welchen die Mehrungsſtoffe in leicht trans-
portablen Tonnen aufgefangen werden können. Dieſe Tonnen ſollen nur ſo groß ſein,
daß ſie alle Woche ein- bis zweimal ausgeleert werden müſſen. Sind dieſelben in
Wohngebäuden angelegt, ſo iſt dafür Sorge zu tragen, daß in dieſelben nicht auch
das Spülwaſſer gegoſſen wird. Für größere Städte wird in neuerer Zeit vielfach
das Syſtem von Liernur empfohlen, welches darin beſteht, daß die ſämmtlichen
Fallimente durch den Luftdruck in luftleer gemachte Baſſin's getrieben werden, von
welchen ſie in Fäſſern gefüllt zur unmittelbaren Verwendung gelangen oder der
Poudrettfabrication zuführt werden können. Nebenbei erwähnt ſei noch die Verwen-
dung der Canalwäſſer zur Berieſelung von Acker- und Feldflächen 1). Letztere Ver-
wendung hat ſich jedoch bisher in den wenigſten Fällen rentirt.
Werden die Mehrungsſtoffe auf Feldern, welche von dem Erzeugungsorte ent-
fernt ſind, verwendet, ſo müſſen ſie vorher durch Zuſätze conſervirt und in einen
transportfähigeren Zuſtand übergeführt werden.
In Belgien, welchem der billige Transport auf zahlreichen Waſſerwegen zur
Verfügung ſteht, verdünnt man die menſchlichen Ecxremente zur Conſervirung mit
Waſſer. Um von einer naheliegenden, zu weit gehenden Verdünnung des dortſelbſt
als flandriſchen Dünger (engrais flamand) verkauften Latrinendüngers ge-
ſchützt zu ſein, wird deſſen Preis nach Areometergraden (Latrinenareometer von
Lesecq) beſtimmt 2). Die Vertheilung des flandriſchen Düngers auf die Felder wird
mit Jauchenfäſſern ausgeführt. Mengen, welche nicht gleich zur Verwendung kommen,
werden in cementrirten Gruben in der Nähe der Felder aufbewahrt. Auf ähnliche
Weiſe laſſen ſich die Fäcalmaſſen conſerviren, wenn ſie, wie ſchon S. 177 erwähnt,
unmittelbar in die Jauchengrube gelangen.
Die größten Schwierigkeiten bei der Verwendung der Fäcalmaſſen macht ihr
großer Waſſergehalt, welcher daher zu vermindern iſt, wenn dieſelben in einen trans-
portfähigen Zuſtand gebracht werden ſollen. Die Verminderung des Waſſergehaltes
wird auf die verſchiedenſte Weiſe angeſtrebt, ohne daß es bisher gelungen wäre,
eine allen Anforderungen entſprechende Methode ausfindig zu machen. Bei den be-
kannteſten derartigen Methoden werden vorerſt nach der Desinficirung der Maſſen
durch Eiſenvitriol, Gyps, Karbolſäure ꝛc., die feſten und flüſſigen Ausleerungen
geſondert geſammelt und entweder bloß die feſten oder auch die flüſſigen Stoffe
weiter verarbeitet. Letztere Methoden, welche ſämmtliche Fallimente der Landwirth-
[181]Die Düngung.
ſchaft zu erhalten trachten, haben unſtreitig den Vorzug. Die Verminderung des
Waſſers unter gleichzeitiger Conſervirung der Maſſen erfolgt entweder unter Zu-
ſätzen von Ätzkalk (Moſſelmann'ſches Syſtem), welcher das Waſſer bindet und die
Zerſetzung der friſchen ſtickſtoffhaltigen Subſtanzen hemmt, oder durch Einſtreuen von
Maſſen, welche die Feuchtigkeit aufſaugen, wie trockene Erde (Moule'ſches Erdſyſtem)
oder Kalk und Kohlenpulver (Müller-Schür'ſches Syſtem) Bei letzterem Syſteme
wird der Harn durch Torferde, welcher ſaure ſchwefelſaure Magneſia zugeſetzt iſt,
filtrirt und die ablaufende Flüſſigkeit weggeſchüttet, während die Torferde als Dünger
in Verwendung kommt. Zuweilen verwandelt man die feſten menſchlichen Excremente
auch in einen Streudünger, Poudrette, Urat, künſtlicher Guano genannt, indem
die Flüſſigkeit durch Ablaufenlaſſen entfernt und die zurückgebliebene Maſſe auf
Horden unter Schuppen getrocknet, verkleinert und geſiebt wird.
Ein praktiſches Verfahren zur Verwerthung der menſchlichen Exkremente beſteht
darin, daß man ſie unter gleichzeitiger Desinficirung mit Eiſenvitriol ꝛc. in Gruben
einfüllt und nach dem Abſatze der feſten Theile die oben auf befindliche Flüſſigkeit
mit dem Jauchenfaße auf das Feld oder die Wieſe führt. Der ſchlammige Bodenſatz
wird entweder mit dem Stallmiſte auf der Düngerſtätte vermengt oder für ſich
mit Erde durchſchichtet in einen ſehr werthvollen Compoſt verwandelt.
4. Der Compoſtdünger.
Unter Compoſt, Menge- oder Streudünger verſteht man jene Düngermaſſen, welche
aus den mannigfaltigſten Wirthſchafts-Abfällen thieriſchen, vegetabiliſchen oder mine-
raliſchen Urſprunges bereitet werden. Bei der Verſchiedenartigkeit der zur Compoſt-
bereitung verwendeten Materialien wird auch der Werth des Compoſtdüngers ſehr
verſchieden ausfallen. Demungeachtet bietet der Compoſt eine weſentliche Unter-
ſtützung für die Düngerwirthſchaft, da er gewöhnlich nicht nur die werthvollſten
Pflanzennährſtoffe, wie Stickſtoff, Phosphorſäure und Kali enthält, ſondern dieſelben
auch bei ſachgemäßer Bereitung im aufnahmsfähigen Zuſtande vorhanden ſind.
Den größten Werth für die Compoſtbereitung beſitzen die thieriſchen Abfälle
einer Wirthſchaft, die daher mit größter Sorgfalt zu ſammeln ſind. Gefallene
Thiere laſſen ſich noch am beſten durch die Compoſtbereitung verwerthen. Nach dem
Abziehen der Haut wird das Fleiſch von den Knochen durch Kochen in mit Schwefel-
ſäure angeſäuertem Waſſer abgetrennt und mit den Eingeweiden, dem Blut, der
zerkleinerten Hornſubſtanz, beſtreut mit etwas Gyps, auf den Compoſthaufen gebracht.
Der mit Erde bedeckte Compoſthaufen wird dann mit der Fleiſchbrühe, von welcher
vorher das als Dünger werthloſe Fett abgeſchöpft wurde, übergoſſen. Die Knochen
werden zerkleinert, wenn möglich gedämpft und gleichfalls auf den Compoſthaufen
gegeben. Außerdem können das Blut, die Knochen, Haare ꝛc. der geſchlachteten
Thiere, Hornſpäne, Knochenabfälle, der ſtickſtoffreiche Wollſtaub, Lederabfälle, Abfälle
der Leimfabriken, Gerbereien, kleinere Partien Stallmiſt, Geflügelmiſt, menſchliche
Excremente zur Compoſtbereitung verwendet werden. Zur Feuchthaltung eignet ſich
ganz vorzüglich die Düngerjauche und zur Zerſetzung ſchwer zerſtörbarer Materialien ſo-
wohl dieſe als auch jene Erde, welche als Unterlage auf die Düngerſtätte geſtreut wurde.
[182]Allgemeine Ackerbaulehre.
Von Pflanzenabfällen ſind für den Compoſthaufen zu verwenden Unkrautpflanzen
in möglichſt friſchem Zuſtande, um ihre Zerſetzung zu erleichtern, Scheunenabfälle,
Unkrautgeſäme, nachdem es durch Uebergießen mit ſiedendem Waſſer ſeiner Keim-
fähigkeit beraubt worden iſt, Kartoffelkraut, die Rückſtände in den Mieten und
Kellern, in welchen Knollen und Wurzeln aufbewahrt waren, Baumlaub, Abfälle
von der Flachsbereitung, Malzkehricht und ſonſtige Brauhausabfälle, verdorbene Oel-
kuchen, Sägeſpäne ꝛc.
Von mineraliſchen Stoffen eignen ſich für die Compoſtirung der Inhalt der
Straßengräben, Erde, Schlamm, Torf, Bauſchutt, Holzaſche; den geringſten Werth
beſitzt Steinkohlenaſche ꝛc.
Ueberhaupt ſind alle nur irgend wie zu erlangenden, einen Düngerwerth beſitzenden
Materialien, wie z. B. Chauſſéeabraum, Kehricht aller Art, Küchenabfälle, ſofern ſie
nicht verfüttert werden können, Spülwaſſer, Abfälle aus den Zuckerfabriken, Rüben-
abfälle und Erdkehricht aus der Rübenkammer, Preß- und Scheideſchlamm, Melaſſe,
der Abſatz aus den Schmutzwäſſern ꝛc., auf das ſorgſamſte zu ſammeln und der
Compoſtirung zuzuführen.
Bei der Bereitung des Compoſtes handelt es ſich darum, die Zerſetzung ſchwer
zerſtörbarer Materialien durch Zuſatz von Kalk, Bauſchutt ꝛc. zu befördern und dem
Verluſte von gasförmigen Stoffen vorzubeugen. Die oben angeführten Materialien
werden entweder gleich am Felde ſelbſt an einer ſchattigen Stelle oder in der Nähe
des Hofes in mäßig hohen (1—1 5 M.) Haufen, durchſchichtet mit Erde und
Kalk oder auch mit Stallmiſt, Knochenmehl ꝛc. je nach der Natur der Materialien,
aufgeſetzt und ſchließlich mit Erde bedeckt. Um eine gleichmäßige Zerſetzung zu be-
fördern, iſt der Haufen mit Jauche oder Waſſer ſtets feucht zu erhalten und zeit-
weiſe umzuſtechen, um gleichzeitig eine innigere Mengung der verſchiedenartigen
Materialien zu erzielen. Sehr zu empfehlen iſt es, je nach der Art der zur Com-
poſtirung verwendeten Stoffe, mehrere Haufen zu bilden, welche dann geſondert
behandelt werden können. Iſt das Ganze nach Ablauf von ½—1 Jahr in
eine gleichmäßige, mürbe Maſſe zerfallen, ſo iſt der Compoſt zur Verwendung
geeignet.
Wegen ſeiner ſchnellen Wirkung verwendet man den Compoſt entweder als
Stufendüngung für werthvollere Pflanzen oder als Kopfdüngung für Wieſen- und
Futterſchläge. Ebenſo gut eignet er ſich zur Düngung aller anderen Feldfrüchte.
Die Vertheilung auf dem Felde wird entweder mit einer Düngerſtreumaſchine oder
durch Abziehen in kleine Häufchen und nachmaliges Ausſtreuen mit der Schaufel
ausgeführt. Der ausgebreitete Compoſt wird dann entweder mit der Schleife ein-
gezogen oder mit der Egge untergebracht.
2. Die relativen Düngemittel.
Wird in einer Wirthſchaft, welche Körner und Vieh ausführt, ohne Futter oder
Dünger von auswärts zu beziehen nur der ſelbſt producirte Stallmiſt zur Düngung
verwendet, ſo liegt es nahe, daß nach und nach eine Verminderung des Stoffgehaltes
[183]Die Düngung.
beſonders an Kali und Phosphorſäure, welche mit den Körnern ꝛc. ausgeführt
werden und daher nicht mehr in den Stallmiſt übergehen, eintreten muß. Dieſe
Entwerthung des ſelbſt producirten Stallmiſtes wird um ſo raſcher ſich fühlbar
machen, je weniger durch die Verwitterung im Boden die entzogenen Nährſtoffe nach-
geſchafft werden können. In dieſem Falle erweiſen ſich die concentrirten Dünge-
mittel, welche nur einen oder einige Nährſtoffe enthalten, als willkommene Unter-
ſtützung für die Stallmiſtdüngung. Durch ihre Verwendung iſt es möglich, dem
Stalldünger wieder ſeine urſprüngliche Zuſammenſetzung zu geben.
Ihrer Natur nach können die concentrirten Dünger niemals einen vollkommenen
Erſatz für den Stallmiſt bieten. Der Stallmiſt enthält alle Nährſtoffe, während
die concentrirten Dünger nur einzelne, wenn auch beſonders wichtige Pflanzennährſtoffe
enthalten. Ueberdies beſitzt der Stallmiſt die oft unſchätzbare Fähigkeit, den phyſi-
kaliſchen Zuſtand des Bodens weſentlich zu verbeſſern, während von den künſtlichen
Düngern, welche gewöhnlich im Verhältniſſe zur Bodenmaſſe in ſehr geringen Mengen
angewendet werden, in dieſer Richtung kein Einfluß zu erwarten iſt. Um ſo größeren
Werth haben jedoch die concentrirten Düngemittel als Hilfs- und Beidünger zum
Stallmiſt, welcher nur allein als der Hauptdünger in der Landwirthſchaft angeſehen
werden kann.
Bei der Anwendung der Hilfsdünger hat man ſich vor allem die Geſetze
der Pflanzenernährung gegenwärtig zu halten. Sind in einem Boden die einzelnen
Nährſtoffe, eine ausreichende Menge derſelben vorausgeſetzt, in jenem Verhältniſſe zu
einander vorhanden, wie ſie von den Pflanzenwurzeln aufgenommen werden, ſo würde
eine Düngung mit concentrirten Düngemitteln, das heißt eine einſeitige Vermehrung
des einen oder anderen Pflanzennährſtoffes, von keinem Einfluſſe auf die Erhöhung
des Ernteertrages ſein. Dieſe könnte erſt dann eintreten, wenn auch die übrigen
Nährſtoffe in jenem Verhältniſſe wie ſie zum Wachsthume der Pflanzen erforderlich
ſind, vermehrt werden. Iſt andererſeits das Nährſtoffverhältniß im Boden durch
den Anbau ſolcher Pflanzen, welche den Boden beſonders an einem Nährſtoff
erſchöpften, derart geſtört, daß dieſer Nährſtoff nur in einem Minimum vorhanden
iſt, ſo wird die Zufuhr deſſelben durch concentrirten Dünger von entſchiedener
Wirkung auf die Steigerung der Pflanzenerträge ſein. In dieſem Falle werden auch
die übrigen im Ueberfluſſe vorhandenen Nährſtoffe, welche ohne jenen fehlenden nicht
zur Ausnützung gelangen können, zur Ernährung der Pflanzen herangezogen. Ein
ähnlicher Fall tritt bei Körnerwirthſchaften mit Wieſenzulage ein, welche für
den Entgang an Kali und Phosphorſäure in den verkauften Körnern einen
Erſatz durch Verfütterung des Wieſenheues zu geben ſuchen. Durch das Wieſenheu
erhält der Boden des Ackerlandes, wenn vollſtändiger Erſatz gegeben werden ſoll,
unvermeidlich gegenüber der Phosphorſäure einen Ueberſchuß an Kali und Stickſtoff.
Dieſer Ueberſchuß wird nur dann ausgenützt werden können, wenn durch Knochen-
mehl ꝛc. für eine Vermehrung der Phosphorſäure geſorgt wird. In dieſem Falle
werden daher die Ernteerträge durch Beidüngung von Phosphaten zu der Stallmiſt-
düngung höher ſteigen, als wenn letztere nur allein angewendet wird.
[184]Allgemeine Ackerbaulehre.
Iſt daher in einem Boden der eine oder andere Nährſtoff im Minimum vor-
handen, ſo reicht eine Stallmiſtdüngung, welche in dieſem Falle meiſtens zu einer
Luxusdüngung mit den übrigen Mineralſtoffen führt, allein ohne Zuhilfenahme von
künſtlichen Düngemitteln nicht aus, um die höchſten Ernteerträge zu erzielen.
Oefters iſt nur eine vorübergehende Erhöhung des einen oder andern Pflanzen-
nährſtoffes im Boden erwünſcht, wie z. B. zur leichteren Durchführung des Ueber-
ganges zu einer neuen Fruchtfolge, zur Sicherung des Anbaues einer bisher noch
nicht cultivirten Pflanze, zur ſchnelleren Culturbarmachung eines Neulandes, zur
Aufhilfe für ſchwache Saaten ꝛc. Auch in dieſen Fällen werden die raſch wirkenden,
wenn auch nur kurze Zeit, oft nur ein Jahr in ihrer Wirkung anhaltenden Hilfs-
düngemittel erfolgreich anzuwenden ſein.
Je nach der Bodenbeſchaffenheit gelangen die künſtlichen Düngemittel weder auf
extrem ſchweren noch auf leichteren, ſandigen Böden zur vollen Wirkſamkeit. Die
beſten Erfolge gewähren dieſelben nur auf Böden von mittlerer Beſchaffenheit. Die
Wirkſamkeit der Handelsdünger wird jedoch nicht allein von dem Boden und
Düngungszuſtande eines Feldes, ſondern auch von der Witterung und von dem
Bedürfniſſe der verſchiedenen Culturpflanzen an einzelnen Nährſtoffen beeinflußt.
Im Allgemeinen wird eine größere Regenhöhe mit Berückſichtigung der waſſer-
haltenden Kraft des Bodens die Wirkung der Handelsdünger entſchiedener hervortreten
laſſen, während anderſeits eine geringe Regenmenge in der Vegetationszeit die Wirkung
der Hilfsdünger auf die Steigerung des Pflanzenertrages auf Null reduciren kann,
beſonders dann wenn ſie gleichzeitig mit einer höheren als die für den Ort geltenden,
mittleren Luftwärme zuſammenfällt, welche die Austrocknung des Bodens durch ver-
mehrte Waſſerverdunſtung befördert.
Abgeſehen von dem Vorrathe an Nährſtoffen im Boden und den übrigen
Wachsthumsfactoren kann je nach dem Nährſtoffbedarfe der anzubauenden Pflanzenart
erwartet werden, daß die gebräuchlichſten Hilfsdünger beſonders auf die Ernteerträge
der nachſtehenden Pflanzen günſtig einwirken. Auf den Ertrag
der Cerealien und Oelgewächſe: Knochenmehl, Peruguano, Kalkſuperphosphat,
Chiliſalpeter;
der Wurzelgewächſe: Superphosphate, Kalidünger;
der Hülſenfrüchte und Kleepflanzen: Gyps, Aſche, Kaliſalze;
der Wieſenpflanzen: Kaliſalze, Knochenmehl.
Zieht man jedoch in Erwägung, daß der Boden je nach ſeiner phyſikaliſchen
und chemiſchen Natur, beſonders aber die Witterung je nach ihrem Verlaufe vor und
während der Vegetation in den meiſten Fällen ebenſo einflußreich, in vielen ſelbſt noch
viel einflußreicher auf das Erntereſultat ſind als die Düngung, ſo ergiebt ſich von
ſelbſt, daß ſich von vornherein nicht beſtimmen läßt, ob die Anwendung eines con-
centrirten Düngers für die örtlichen Verhältniſſe von Erfolg ſein wird oder nicht.
Hier kann nur allein der zunächſt im Kleinen ausgeführte, praktiſche Düngungs-
verſuch entſcheidenden Anhaltspunkte gewähren. Dieſen Anhaltspunkten kommt
jedoch, wie ſchon S. 157 erwähnt, keine allgemeinere Geltung zu, ſondern ſie beziehen
[185]Die Düngung.
ſich nur auf den vorliegenden Zuſtand des Bodens und der Witterung. Mit Rück-
ſicht auf letztere kann oft ein einmaliger Verſuch keine ausreichende Entſcheidung
bringen, wenn derſelbe gerade bei einer ungünſtigen Witterung zur Ausführung gelangte.
Der Werth des vergleichenden Düngungsverſuches hängt vornehmlich von der
glücklichen Wahl des Verſuchsfeldes ab. Nach dem Vorſchlage von Dr. Grouven 1)
iſt es rathſam, eher ein mageres Feld, welches etwas weit von der letzten Düngung
entfernt iſt, von möglichſt gleichmäßiger Beſchaffenheit im Ober- und Untergrund aus-
zuwählen, da auf dieſem die Wirkung der Düngung meiſtens deutlicher hervortritt
als auf einem in ſehr gutem Zuſtande befindlichen Felde. Der Breite nach ſoll das
auszuwählende Feldſtück horizontal und eben ſein, in ſeiner Längsrichtung kann es
alsdann etwas ſteigen oder fallen. Zweckmäßig iſt es, das Verſuchsfeld ſchon den
Sommer vorher nach der Gleichmäßigkeit des Pflanzenſtandes auszuwählen und ab-
zuſtecken. Am beſten werden Ungleichheiten in der Bodenbeſchaffenheit, welche ſelbſt
kleine, anſcheinend gleichmäßige Feldſtücke darbieten, für den Verſuch unſchädlich gemacht,
wenn die einzelnen Parcellen in langen, ſchmalen Streifen angelegt werden. Die
zweckmäßigſte Größe einer Parcelle iſt bei einer Länge von 200 M. 400—500
□ M. Die Dauer der Verſuche ſoll ſich mindeſtens auf drei Jahre
erſtrecken, um den Einfluß der Witterung wenigſtens theilweiſe zu beſeitigen. Sehr
zu empfehlen iſt es auch, die Nachwirkung der angewendeten Düngermittel auf die
im 2. und 3. Jahre, nach der auf der Wirthſchaft eingehaltenen Rotation, folgenden
Pflanzen zu beobachten. Um die Wirkung der Düngemittel deutlich erkennen zu
können, muß man zur Ermöglichung eines Vergleiches ſtets 2—3 Parcellen ungedüngt
laſſen und eine Parcelle mit Stallmiſt düngen.
Die Auswahl der Düngerſtoffe kann entweder in der Weiſe erfolgen, daß man
zunächſt nur ſolche verſucht, deren Wirkſamkeit vorzugsweiſe nur durch einen Nähr-
ſtoff bedingt iſt, oder man verwendet unmittelbar zuſammengeſetztere Handelsdünger.
Die Stärke der Düngung wird verhältnißmäßig nach der üblichen mittleren Düngung
auf 1 Hectar bemeſſen. Vom wirthſchaftlichen Standpunkte empfiehlt es ſich, die
Wahl der verſchiedenen Düngemittel derart einzurichten, daß für dieſelbe Fläche ſtets
die gleichen Koſten aufgewendet werden. Beachtenswerth iſt die Ausführung der
Düngungsverſuche nach dem Plane von G. Ville 2), ſofern derſelbe einer Modification
unterzogen wird. G. Ville ſtellt vorerſt eine Miſchung einfacher Salze in der Weiſe
zuſammen, daß in der Miſchung (Engrais complet genannt) dieſelben Stoffe und
dieſelben Stoffmengen enthalten ſind, wie in 40,000 Kilogr. Stallmiſt (nach Ville
von der Zuſammenſetzung 163 Stickſtoff, 75 Phosphorſäure, 150 Kali und 320
Kilogr. Kalk), als der für 1 Hectar erforderlichen Düngermenge. Die in 8 Parcellen
getheilte Fläche eines halben Hectars wird nun verhältnißmäßig in folgender Weiſe
gedüngt.
[186]Allgemeine Ackerbaulehre.
- 1. Parcelle. 40,000 Kilogr. Stallmiſt per 1 Hectar.
- 2. „ Completer künſtlicher Dünger.
- 3. „ „ „ „ mit Weglaſſung der ſtickſtoffh. Materie.
- 4. „ „ „ „ „ „ „ der Phosphorſäure.
- 5. „ „ „ „ „ „ „ des Kali.
- 6. „ „ „ „ „ „ „ des Kalkes.
- 7. „ „ „ „ „ „ „ aller Mineralſtoffe.
- 8. „ Ungedüngt.
Die Modification dieſer Düngerverſuche hätte darin zu beſtehen, daß die
Miſchung des completen Düngers nicht aus Salzen (bei Ville ſchwefelſaures Am-
moniak, Knochenaſche, Pottaſche, Gyps, ſalpeterſaures Kali), ſondern aus den gewöhn-
lichen Handelsdüngern mit Rückſicht auf ihre chemiſche Zuſammenſetzung (S. 158)
hergeſtellt wird, etwa wie bei der Feſtſtellung der Futternormen nach dem chemiſchen
Gehalte der einzelnen Futterſtoffe.
Bei der Ausführung der Düngung im Großen wird die raſche und voll-
kommene Wirkſamkeit der Hilfsdünger nur dann erreicht werden können, wenn der Dünger
möglichſt gleichmäßig ausgeſtreut und innig mit dem Boden vermiſcht werden kann.
Die Gleichmäßigkeit der Vertheilung verdient um ſo mehr Beachtung, als gewöhnlich
nur kleine Mengen von Hilfsdüngern zur Anwendung gelangen, die bei partienweiſer
Anhäufung auf dem Felde ſelbſt das Wachsthum der Pflanzen und damit den Erfolg
der Düngung beeinträchtigen können. Weſentlich erleichtert wird die Vertheilung,
wenn das Düngemittel als möglichſt feines und gleichförmiges Pulver und in mög-
lichſt leicht löslichem Zuſtande verwendet wird. Es iſt dabei keineswegs zu befürchten,
daß die löslichen Düngemittel im Boden durch das Waſſer in tiefere Schichten ge-
führt werden, da gerade die werthvollſten Pflanzennährſtoffe, welche in der Natur
ſeltener vorkommen und deren Beſchaffung daher dem Landwirthe am meiſten Koſten
verurſachen wie Kali, Ammoniak und Phosphorſäure am ſtärkſten der Abſorption
durch den Boden unterliegen. Wenn nun auch die löslichen Pflanzennährſtoffe durch
die Abſorption im Boden wieder unlöslich werden, ſo bedingt ihre anfänglich lös-
liche Form doch eine vollkommenere Vertheilung im Boden. Düngemittel, welche
durch Anziehung von Feuchtigkeit in Klumpen zuſammenballen, müſſen vor ihrer Ver-
wendung ſorgfältig zertheilt werden. Iſt die auszuſtreuende Düngermenge gering,
ſo kann das Ausſtreuen mit der Hand dadurch erleichtert werden, daß man die Maſſe
durch Beimiſchen von trockener, humoſer Erde vermehrt.
Am gleichmäßigſten erfolgt das Ausſtreuen mit einer Düngerſtreumaſchine.
Eine der bekannteſten Düngerſtreumaſchinen iſt die in Fig. 69 (ſ. S. 187) abgebildete
Maſchine von Chambers. Der Säekaſten dieſer Maſchine beſteht aus zwei Ab-
theilungen, ähnlich wie bei der Drillſäemaſchine. Die obere Abtheilung, in welche
der möglichſt fein pulreriſirte und trockene Dünger eingefüllt wird, enthält eine Rühr-
welle, um das Ablaufen des Streudüngers in den Vertheilungsraum zu erleichtern.
Die Ablauföffnung iſt durch einen Schieber beliebig zu erweitern um das aus-
zuſtreuende Quantum zu reguliren. In der unteren Abtheilung befindet ſich die
[187]Die Düngung.
Vertheilungsvorrichtung, welche aus einer Anzahl auf einer Welle aufgeſchobener, guß-
eiſerner Ringe mit verzahnten Kränzen gebildet wird. Die vorſpringenden Zapfen
dieſer Ringe erfaſſen den Dünger
und führen ihn in den Aus-
ſtreukaſten, welcher unter der
Maſchine hängt. Um das An-
kleben des Düngers zu ver-
hindern, lehnen ſich gegen die
Kränze Schabeiſen, deren Druck
je nach der Klebrigkeit des ge-
brauchten Düngers durch ver-
änderliche Federn verſtärkt oder
vermindert werden kann. Das
ausgeſtreute Düngermittel, ſo-
fern es nicht zur Ueberdüngung
angewendet wurde, iſt entweder
durch die Egge oder noch zweck-
mäßiger durch den Pflug mit
dem Boden zu vermiſchen.
Die zahlreichen Hilfs-
düngemittel, von welchen
weiterhin nur die gewöhnlichſten
angeführt werden ſollen, laſſen
ſich je nach den Pflanzennähr-
ſtoffen, durch welche ſie vorzugs-
weiſe wirkſam ſind, etwa in fol-
gender Weiſe gruppiren. Wirk-
ſam durch den Gehalt an:
1. Stickſtoff (Nitrate):
Ammoniakſalze, Salpeterſaure-
ſalze (Chiliſalpeter), dann
Gaswaſſer, Abfälle thieriſchen
Urſprunges, wie Wolle-, Ger-
berei-, Leder-, Leim-, Horn-, Thranabfälle ꝛc.
Chambers, breitwürfige Düngerſtreumaſchine von
H. R. Garrett \& Sons — Suffolk. — Preis, 2 Meter breit, 477
Mark, 238.50 fl.
2. Stickſtoff und Phosphorſäure (Stickſtoffphosphate): Peruguano, Fiſchguano,
Fledermaus-Guano, Geflügelexcremente, Oelkuchenmehl, Blutdünger, Fleiſchmehl ꝛc.
3. Phosphorſäure (Phosphate): Bakerguano, Sombrero-, Bolivia-, Mejillones-
Guano, Navaſſa Phosphat, Phosphorite, Apatit, Koprolithen, Oſteolithen, Knochen-
aſche, Superphosphate, phosphorſaurer Kalk der Leim- und chemiſchen Fabriken ꝛc.
Außerdem gehören hierher Dünger, welche durch den Gehalt an Phosphorſäure und
nebenbei an Stickſtoff wirkſam ſind: rohes Knochenmehl, gedämpftes und mit Schwefel-
ſäure aufgeſchloſſenes Knochenmehl, Ammoniak-Superphosphat, Poudrettedünger ꝛc.
[188]Allgemeine Ackerbaulehre.
4. Kali (Kalidünger): Pottaſche, Staßfurter Abraumſalze, Auſſeeer-, Kaluszer-
Kaliſalze, Seifenſiederfluß (Chlorkalium), Rückſtände der Weinſäurebereitung, Wein-
treſtern ꝛc.
5. Kali und Stickſtoff: Kaliſalpeter, Miſtjauche ꝛc.
6. Kali und Phosphorſäure: Holzaſche, Kaliſuperphosphate ꝛc.
1. Die Stickſtoffdünger.
Auf die Bedeutung einer Stickſtoffdüngung wurde bereits Seite 155 hinge-
wieſen. Dieſelbe erſcheint beſonders dann am Platze, wenn es an den erforderlichen
Mengen an Düngern organiſchen Urſprunges, beſonders an Stallmiſt gebricht. Der
Stickſtoff kann entweder in Form eines ſalpeterſauren oder Ammoniakſalzes oder als
Abfälle organiſchen Urſprunges auf die Felder gebracht werden.
Der bekannteſte Stickſtoffdünger iſt der Chiliſalpeter (ſalpeterſaures Natron).
Bei der Anwendung deſſelben können am leichteſten Verluſte durch Verſickerung in
den Boden eintreten, da die Ackererde keine Abſorption für Salpeterſäure beſitzt.
Am ungeeignetſten iſt daher die Verwendung des Salpeters vor der Saat oder bei
naſſer Witterung. Am beſten eignet ſich derſelbe als Kopfdüngung beſonders für
ſchwach durch den Winter gekommene Halmfrüchte. Seine Wirkung iſt hier um ſo
raſcher als er im Boden in wäſſeriger Löſung bleibt, und daher unmittelbar durch
die Pflanzenwurzeln aufgenommen werden kann. Seiner allgemeineren Auwendung
ſteht nur der hohe Preis (ungefähr 30—40 Mark. 15—20 fl. per 100 Kilogr.)
entgegen, wenn auch nur geringe Mengen auf 1 Hectar 100—200 Kilogr. aus-
geſtreut werden.
Geeigneter für die Düngung als der Chiliſalpeter ſind die wenig flüchtigen
Ammoniakſalze, welche gegenüber dem Erſteren den Vortheil beſitzen, daß das
Ammoniak von dem Boden abſorbirt wird. Am verwendbarſten erweiſt ſich das
rohe ſchwefelſaure Ammoniak, welches als Nebenproduct bei der Leuchtgasfabrication
aus dem Gaswaſſer gewonnen wird. Größere Mengen dieſes Salzes werden auch
aus dem kohlenſauren Ammoniak dargeſtellt, welches aus faulenden, thieriſchen Stoffen
erhalten wird. Die Ammoniakſalze werden im Boden in das flüchtige, kohlenſaure
Ammoniak umgeſetzt, weshalb dieſelben am beſten erſt kurz vor der Saat in den-
ſelben Mengen wie der Chiliſalpeter ausgeſtreut werden und eingeeggt oder noch
zweckmäßiger mit dem Exſtirpator oder dem Pfluge in den Boden gebracht werden.
Die Ammoniakſalze eignen ſich mehr für leichtere, der Chiliſalpeter mehr für ſchwerere
Bodenarten, wie ſchon nach der verſchiedenen Abſorption des Ammoniaks und der
Salpeterſäure im Boden erwartet werden kann.
2. Die Stickſtoffphosphate.
Der hervorragendſte Dünger dieſer Gruppe iſt der Guano, welcher auf den
Inſeln nahe der peruaniſchen Küſte gewonnen wird. Der Guano bildet ein Ge-
menge von Excrementen verſchiedener Seevögel mit den Reſten der abge-
ſtorbenen Vögel und anderer Seethiere. Je nach dem Fundorte des Guanos
[189]Die Düngung.
iſt der Werth deſſelben ein höchſt verſchiedener. Den größten Werth beſitzt der
Peruguano, welcher in jenen warmen und regenloſen Gebieten gewonnen wird.
Wegen des mangelnden Regens erhält ſich der Peruguano in ſeiner urſprünglichen
Beſchaffenheit, ohne ſich durch Zerſetzung, welche bei Anweſenheit von Waſſer raſch
eintritt, zu verändern. Von den zahlreichen Guanoſorten, welche in allen. Theilen
der Welt gefunden werden, kann jedoch wegen der klimatiſchen Beſchaffenheit ſeines
Fundortes der Peruguano nahezu nur allein als Stickſtoffphosphat bezeichnet werden.
Die übrigen in Landſtrichen mit Regen vorkommenden Guanoſorten werden unter
dem Einfluſſe der abwechſelnden Trockne und Näſſe bald derart zerſetzt, daß die
organiſchen Stoffe in Form von kohlenſaurem Ammoniak, Kohlenſäure und Waſſer
in die Atmoſphäre entweichen, die löslichen unorganiſchen Salze ausgewaſchen werden,
während nur die unlöslichen Verbindungen, beſonders der phosphorſaure Kalk zurück-
bleiben. Dieſe ſtickſtoffarmen Guanoſorten wie Baker-, Sombrero-Guano ꝛc. erhalten
daher ihren Platz unter den Phosphaten.
Der Peruguano (Preis 28 Mark, 14 fl. per 100 Kilogr.) beſteht aus einer
hellbraungelben Maſſe, welcher verſchieden große, knollige Stücke von weicher oder
harter Beſchaffenheit beigemengt ſind. Derſelbe enthält die drei wichtigen Pflanzen-
nährſtoffe, Stickſtoff, Phosphorſäure und Kali, jedoch nicht in demſelben Verhältniſſe,
wie ſie von den Pflanzenwurzeln aufgenommen werden, weshalb der Peruguano niemals
wie der Stallmiſt als Hauptdünger gelten kann. Der Stickſtoff 12—14 %, kommt
im Peruguano nahezu zur Hälfte als Ammoniak und zum anderen Theile in
organiſchen Verbindungen (Harnſäure) vor, letztere werden im feuchten Boden raſch in
Ammoniak übergeführt. Die Phosphorſäure iſt meiſt an Kalk, aber auch an
Ammoniak und an Eiſenoxyd gebunden. Das Kali kommt in geringſter Menge
gegenüber den beiden anderen Pflanzennährſtoffen vor. Die günſtige Wirkung des
Peruguanos iſt daher beſonders auf ſeinen Gehalt an leicht aſſimilirbaren Stickſtoff- und
Phosphorſäure-Verbindungen zurückzuführen. Um die Phosphorſäure ebenſo raſch wie die
vorhandenen Stickſtoffverbindungen wirkſam zu machen, verarbeitet die Fabrik Ohlendorff
und Co. in Hamburg zumeiſt ſeebeſchädigten Guano durch Behandlung mit Schwefelſäure
auf Peruguano-Superphosphat (Preis per 100 Kilogr. 30 Mark, 15 fl.) Die
gleichmäßige Zuſammenſetzung (8—9 % Stickſtoff und 9—10 % in Waſſer löslicher
Phosphorſäure) hat die Anwendung dieſes feingepulverten Düngemittels weſentlich geſteigert.
Bei der Verwendung des Peruguanos ſind vorerſt alle groben Theile durch
Abſieben zu entfernen. Die Knollen werden dann mit hölzernen Stößeln unter
Beimiſchung ſcharfkantigen Sandes verkleinert und nun gemengt mit den abgeſiebten
feineren Theilen und etwa dem 5—10fachen Gewichte an Erde ausgeſtreut. Die
größte Wirkung wird auf jenen Böden, welche nicht zu naß und trocken und welchen
Phosphorſäure und Stickſtoff fehlen, erzielt werden. Auf Böden, welche arm an
Pflanzennährſtoffen, wird jedoch durch die Düngung mit Peruguano die Erſchöpfung
des Bodens beſchleunigt. Ebenſo ungeeignet iſt eine Guanodüngung auf ſtark ver-
unkrauteten Böden, da durch die Begünſtigung des Wachsthumes der Unkrautpflanzen
die Culturpflanzen leicht Schaden leiden können.
[190]Allgemeine Ackerbaulehre.
Der Peruguano eignet ſich für alle Pflanzen, beſonders aber für Oelfrüchte und
für Kartoffeln. Verwendet man denſelben für Cerealien, ſo iſt es zweckmäßig, die
eine Hälfte der für 1 Hectar beſtimmten Düngermenge (gewöhnlich 200—400 Kilogr.)
im Herbſte unmittelbar vor der Saat, die andere Hälfte im Frühjahre als Kopf-
düngung zu geben. Aehnliches gilt bei der Düngung der Rüben. Auch hier wird
die halbe Menge (400—500 Kilogr. per Hectar) kurz vor der Saat mit der Egge
oder dem Pfluge in den Boden gebracht und der Reſt als Stufendüngung beim
Legen des Samens gegeben. Dabei hat man jedoch zu beachten, daß der Guano
reichlich mit Erde vermiſcht wird, damit der Same nicht unmittelbar mit dem Guano
in Berührung kommt.
Die drohende Erſchöpfung der Peruguanolager gab die Veranlaſſung zur Auf-
ſuchung neuer Düngerquellen, welche im Stande wären, einen Erſatz für den Peru-
guano zu geben. Von demſelben iſt am meiſten der Fiſchguano zu beachten,
welcher aus werthloſeren Fiſcharten und aus den Abfällen bei dem Härings- und
Kabliaufang an den Meeresküſten bereitet wird. Sein Werth wird weſentlich erhöht,
wenn demſelben feines Knochenmehl beigemengt wird, da die Menge an Phosphor-
ſäure gegenüber dem Stickſtoff im Fiſchguano zurücktritt.
Ebenſo verdienen die Excremente unſeres Hausgeflügels wegen ihres
hohen Düngerwerthes auf das ſorgfältigſte geſammelt zu werden.
3. Die Phosphatdünger.
Zu den phosphorſäurereichſten Düngemitteln (32—40 % Phosphorſäure) zählen
vor Allem jene Guanoſorten, welche wie der Baker-, Sombrero-Felſen-
Guano, das Navaſſa-Phosphat ꝛc. in warmen, Regenniederſchlägen aus-
geſetzten Landſtrichen gewonnen werden. Die Wirkſamkeit dieſer Düngermittel iſt
jedoch im rohen Zuſtande, wegen der Schwerlöslichkeit der phosphorſauren Ver-
bindungen, eine geringe. Sie tritt erſt dann im vollſten Maße hervor, wenn die-
ſelben in Superphosphate umgewandelt werden. Daſſelbe gilt von den weiteren
Phosphatdüngern wie dem Apatit, einer Verbindung von phosphorſaurem Kalk
mit Fluor oder Chlorcalcium, dem Phosphorit, mehr oder weniger verunreinigtem
Apatit, den Koprolithen und Oſteolithen. Die bekannteſten Phosphorite
ſind die naſſauiſchen aus der Lahn- und Dillgegend mit einem Phosphorſäuregehalt
von 30—36 %. Roh angewendet haben ſie nur wenig Erfolg auf die Steigerung
des Pflanzenertrages, am eheſten noch, wenn ſie vor Winter flach eingeeggt oder auf
der Oberfläche des Ackers liegen gelaſſen werden. Ebenſo können ſie auf den Dünger
oder Compoſthaufen zur Bereicherung deſſelben gegeben, oder in die Jauchengrube
geworfen werden. Zur vollkommenſten Ausnutzung gelangen ſie jedoch erſt dann,
wenn ſie, wie früher bemerkt, in Superphosphate umgewandelt werden.
Als Rohmaterial zur Bereitung des Superphosphates werden ſowohl
Bakerguano, Apatite, Phosphorite, Koprolithen, Oſteolithen, als auch Knochen ver-
wendet. Es handelt ſich dabei vorzugsweiſe um die Umwandlung des in den ge-
nannten Materialien enthaltenen ſchwer löslichen, dreibaſiſch phosphorſauren Kalk in
[191]Die Düngung.
leicht löslichen, ſauren phosphorſauren Kalk. Zu dieſem Zwecke werden die Roh-
materialien zu einem ſehr feinen Pulver vermahlen und in entſprechender Weiſe mit
Schwefelſäure oder Salzſäure behandelt. In den Boden gebracht wird zwar das
Superphosphat wieder unlöslich. Seine Wirkung iſt demungeachtet eine viel raſchere
und ausgiebigere, indem die Vertheilung der im Bodenwaſſer ſich löſenden Phosphor-
ſäure der Superphosphate eine viel vollkommenere und innigere iſt als bei der
Anwendung von noch ſo fein gemahlenen, rohen Phosphatdüngern.
Am zweckmäßigſten verwendet man das Superphosphat, welches je nach dem
Rohmateriale noch näher bezeichnet wird, wenn möglich einige Wochen oder einige
Tage vor der Ausführung der Saat. Streut man das Superphosphat mit dem
Samen aus, ſo muß daſſelbe reichlich mit Erde gemiſcht werden, indem ſonſt die
freie Phosphorſäure beizend auf den Samen einwirkt. Aus dieſer Urſache iſt auch
die Benützung des Superphosphates als Ueberdünger auf junge Saaten nicht rath-
ſam. Für Halmfrüchte verwendet man per 1 Hectar 200—400 Kilogr. und zwar
von den ſog. hochgrädigen Fabricaten (mit 15—20 % löslicher Phosphorſäure; Preis
von 100 Kilogr. 19.20 Mark, 9.60 fl.) die geringere, von den ärmeren Superphos-
phaten (mit 10—15 % löslicher Phosphorſäure; Preis 14 Mark, 7 fl.) die größere
Menge. Für Zuckerrüben eignet ſich beſonders ein Gemenge von Superphosphat mit
Kaliſalzen und mit Peruguano oder eine Miſchung des Phosphates mit ſchwefelſaurem
Ammoniak, das ſog. Ammoniak-Superphosphat (mit 8 % Stickſtoff und
12 % löslicher Phosphorſäure; Preis 34 Mark, 17 fl.). Daſſelbe bildet den Uebergang
zu einer anderen Gruppe von Phosphatdüngern, welche neben der Phosphorſäure auch
geringe Mengen von Stickſtoff enthalten. Die Letzeren werden repräſentirt durch die
Knochen und die verſchiedenen Knochenpräparate.
Die Knochen enthalten neben dem ſtickſtoffhaltigen Knorpel und dem Fette
vorzugsweiſe phosphorſauren Kalk, phosphorſaure Magneſia, kohlenſauren Kalk ꝛc.
Von dieſen Beſtandtheilen hat das Fett keinen Düngerwerth, es iſt daher vor der
Verwendung der Knochen zu Düngungszwecken durch Auskochen zu entfernen, indem
es überdies die Zerſetzung der Knochen verzögert. Im friſchen Zuſtande iſt die
düngende Wirkung der Knochen ſelbſt im geſtampften, grobſplitterigen Zuſtande als
rohes Knochenmehl, wegen der langſameren Zerſetzung eine viel geringere, als
von Knochen, welche vor ihrer Verwendung entſprechend zubereitet werden. Die in der
Wirthſchaft abfallenden Knochen werden am zweckmäßigſten verkleinert und mit Aſche,
humoſer Erde abgemiſcht auf einen Compoſthaufen gegeben, welcher fleißig mit Jauche zu
übergießen iſt. Die auf dieſe Weiſe fermentirten Knochen zerfallen nach Ablauf eines
halben Jahres. Kleinere Knochenmengen giebt man zweckmäßig auf den Düngerhaufen.
Die üblichſte fabriksmäßige Zubereitung beſteht in der mechaniſchen Zerkleinerung
der Knochen, nachdem ſie vorher hochgeſpannten Waſſerdämpfen durch einige Zeit
ausgeſetzt wurden. Durch dieſes Dämpfen werden die Knochen nicht nur entfettet,
ſondern ſo mürbe, daß ſie leicht auf Knochenſtampfen oder Knochenmühlen in ein
feines, ſtaubartiges Pulver, dem gedämpften Knochenmehl (Preis per 100 Kilogr.
15—20 Mark, 7.50—10 fl.), verwandelt werden können. Je feiner das Mehl,
[192]Allgemeine Ackerbaulehre.
um ſo gleichmäßiger wird es ausgeſtreut werden können und um ſo mehr erhöht ſich
daher ſeine Wirkung auf die Pflanzenvegetation.
Eine andere Zubereitung beſteht in dem Glühen der Knochen bei Luftzutritt,
wodurch die Knorpelſubſtanz verbrannt und die unorganiſchen Beſtandtheile als
Knochenaſche zurückbleiben. Man erhält in der Knochenaſche einen ſehr phosphor-
ſäurereichen Dünger, jedoch ohne Stickſtoffgehalt.
Am zweckmäßigſten iſt die Umwandlung des Knochenmehles in Knochenmehl-
Superphosphat oder aufgeſchloſſenes Knochenmehl. (Preis per 100 Kilogr.
20—24 Mark, 10—12 fl.) Die Knochenaſche und die in den Zuckerfabriken
unbrauchbar gewordene Knochenkohle (Spodium), die Abfälle der Beindrechsler geben
gleichfalls ein werthvolles Material für die Fabrication des Superphosphates, deſſen
Bereitung weiter oben angegeben wurde. Von weiteren Knochenpräparaten verdienen
ſchließlich noch die Abfälle der Leimfabriken, welche etwa 50 % baſiſch phosphor-
ſauren Kalk enthalten, die vollſte Beachtung als Düngemittel.
Vor dem Ausſtreuen des Knochenmehles empfiehlt es ſich, daſſelbe etwas an-
faulen zu laſſen. Zu dieſem Zwecke mengt man daſſelbe, wie bei der Fermentirung
der friſchen Knochen angegeben, mit Erde, Sägemehl, kurzem Schaf- oder Pferdemiſt
und übergießt die von der Maſſe gebildeten Spitzhaufen fleißig mit Jauche. Nach
etwa einer Woche wird dann die Maſſe verwendet. Hat man ſich von der Wirkung
des Knochenmehles auf ſeinen Feldern überzeugt, ſo iſt es vortheilhaft, daſſelbe
ſchichtenweiſe auf den Dünger zu ſtreuen und mit dieſem auf das Feld zu führen.
Durch die bei der Zerſetzung des Stallmiſtes gebildete Kohlenſäure wird dann die
Löſung des Knochenmehles weſentlich befördert.
Wird das Knochenmehl für ſich, gewöhnlich in Mengen von 400—550 Kilogr.
per Hectar, vom Superphosphat etwas weniger, angewendet, ſo bringt man daſſelbe zweck-
mäßig ſchon längere Zeit vor der Saat, für Sommerſaaten ſchon im Herbſte in den Boden,
mit welchem es durch die Egge oder noch beſſer mit dem Pfluge vermiſcht wird.
Die günſtigſte Wirkung zeigt das Knochenmehl beſonders auf die Körnerbildung der
Winter- und Sommerhalmfrüchte. Zu Kartoffeln als Stufendüngung angewendet,
erhöht es den Ertrag und Stärkegehalt derſelben. Ebenſo eignet ſich das Knochen-
mehl als vorzüglicher Wieſendünger. Zu Kleegewächſen wird man am beſten die
vorausgegangene Halmfrucht mit Knochmehlpräparaten düngen
4. Die Kalidünger.
Die Zufuhr von Kali in den Boden erlangt beſonders für Zuckerfabriks-
wirthſchaften und für Wieſen, welche einer Ueberſchwemmung nicht ausgeſetzt ſind,
eine hohe Bedeutung, wenn man ſich gegenwärtig hält, welche bedeutende Mengen an
Kali, beſonders durch den Zuckerrübenbau (S. 156) dem Boden entnommen werden.
In früherer Zeit beſchränkten ſich die Kalidünger auf die verſchiedenen Aſchen, die
ausgelaugte Aſche bei der Pottaſchenbereitung und die ſog. Seifenſiederaſche.
Den größten Werth für Düngungszwecke beſitzt die unausgelaugte Holzaſche.
Dieſelbe enthält neben reichlichen Mengen von kohlenſaurem Kalk und von Magneſia
[193]Die Düngung.
8.43—37.84 % Kali und 3.46—10.74 % Phosphorſäure 1). Am kalireichſten iſt
die Aſche von Laubhölzern, beſonders die Lindenholzaſche. Die Aſche kann entweder
unmittelbar (30—35 Hectoliter per Hectare) auf das Feld oder die Wieſe aus-
geſtreut oder auch als willkommenes Material auf den Compoſthaufen gegeben
werden.
Von viel geringerem Werthe als die Holzaſche iſt die Aſche von Torf, Braun-
oder Steinkohlen, welche in der Hauptſache aus kohlenſaurem, ſchwefelſaurem Kalk,
Thonerde und Eiſenoxyd beſteht. Bei ihrem geringen Gehalte an Kali und Phosphor-
ſäure beruht ihr Einfluß nur auf einer Lockerung des Bodens.
Seit (1861) der fabriksmäßigen Verarbeitung der kalireichen Abraumſalze
des Steinſalzlagers zu Staßfurt-Leopoldshall ſtehen dem Landwirthe weitere unſchätz-
bare Kalidünger zur Verfügung. Nachdem ſich das rohe Abraumſalz, welches das
Hangende des dortigen Steinſalzlagers bildet, wegen ſeines Gehaltes an Chlor-
magneſium — einem auf die Pflanzenvegetation nachtheilig einwirkenden Salze —
für die Düngung als ungeeignet herausſtellte, verarbeiten gegenwärtig 33 Fabriken, von
welchen die bekannteſten jene von Dr. A. Frank, Vorſter \& Grüneberg, N. F. Loefaß,
vereinigte chemiſche Fabriken zu Leopoldshall ꝛc. ſind, das Abraumſalz auf verſchiedene
Verbindungen, welche vorzügliche Kalidünger abgeben.
Die Hauptbeſtandtheile der Abraumſalze ſind der Carnallit (waſſerhaltiges
Chlorkalium mit Chlormagneſium) und der Kieſerit (waſſerhaltige, ſchwefelſaure
Magneſia) welche mit Schichten von mehr oder weniger reinem Steinſalz wechſel-
lagern. Daneben finden ſich noch als ſecundäre Bildungen in mächtigen, bauwürdigen
Lagern Kainit (waſſerhaltige ſchwefelſaure Kali-Magneſia mit Chlor-Mageſium) und
in einzelnen Druſen Sylvin (Chlorkalium). Außerdem durch das ganze Lager ver-
theilt Boracit, (ſaure borſaure Magneſia mit Chlor-Magneſium), Tachydrit, Anhydrit
und Aſtrakanit. Außer dem Staßfurtervorkommen werden ſeit 1869 auch in Kalucz-
Galizien mächtige Lager von Syloin und Kainit auf Kalidüngerſalze ausgebeutet.
Als Düngemittel werden von den Staßfurter Düngerfabriken folgende Ver-
bindungen den Landwirthen angeboten:
2)
Krafft, Lehrb. d. Landw. I. 13
[194]Allgemeine Ackerbaulehre.
Gereinigte ſchwefelſaure Kali-Magneſia (28—30 % Kali entſpr.
54—57 % ſchwefelſ. Kali und 34—38 % ſchwefelſ. Magneſia) 11.25 Mark, 5.62 fl.
Von den angeführten Kaliſalzen empfehlen ſich beſonders jene, in welcher das
Kali in Verbindung mit Schwefelſäure vorkommen, wie das rohe ſchwefelſaure Kali
und die rohe ſchwefelſaure Kali-Magneſia. In den Boden gebracht wird das Kali von
den waſſerhaltigen Silicaten und den Humuskörpern abſorbirt während die Schwefel-
ſäure mit Kalk oder Magneſia in Verbindung tritt. Verwendet man dagegen Dung-
ſalze, welche vorzugsweiſe Chlorkalium enthalten, ſo bilden ſich im Boden unter
Abſorption des Kali Chlorkalium und Chlormagneſium, zwei Salze, welche ungünſtig
auf das Wachsthum der Pflanzen einwirken. Dieſelben vermindern bei den Zucker-
rüben den Gehalt an Zucker, bei den Kartoffeln jenen an Stärke. Ueber die Wahl des
Kaliſalzes und über die zweckmäßigſte Verwendung deſſelben entweder unmittelbar zu
den Wurzelfrüchten oder zu den vorausgegangenen Halmfrüchten wird jedoch auch
hier nur ein richtig angeſtellter Düngungsverſuch den ſicherſten Aufſchluß
gewähren.
Hat der Düngungsverſuch ergeben, daß der angewendete Kalidünger die Qualität
der Rübe oder der Kartoffel nicht beeinträchtigt, ſo wird derſelbe am zweckmäßigſten
im Herbſte vermiſcht mit der 2—4fachen Menge trockener Erde ausgeſtreut und
möglichſt tief untergebracht, indem durch die Wurzelfrüchte beſonders die tieferen
Bodenſchichten erſchöpft werden. Für die Beſtimmung der Stärke der Düngung kann
die Erſchöpfung des Bodens durch die Wurzelfrüchte einen Anhaltspunkt geben. Durch
eine mittlere Ernte von 30—35 Tonnen Zuckerrüben per Hectar werden dem Boden
117—136 Kilogr. Kali 1) entnommen, ſomit ſo viel als in 280—340 Kilogr. ge-
reinigtem ſchwefelſaurem Kali oder in 680—800 Kilogr. roher ſchwefelſaurer Kali-
Magneſia enthalten ſind.
Mit meiſtens gleichfalls günſtigem Erfolge werden die Kalidünger auch für
Futterpflanzen, Hülſenfrüchte und auf Wieſen angewendet. Im letzteren Falle iſt es
vortheilhaft, den Kalidünger auf den Compoſthaufen zu geben und den kalireichen
Compoſtdünger im Winter auf die Wieſe gleichmäßig auszubreiten. Sehr zu empfehlen
iſt es, die Kaliſalze nicht direct anzuwenden, ſondern ſie dem Stallmiſt ſchichtenweiſe
beizumiſchen und mit dieſem auf das Feld zu bringen.
3. Die indirect wirkenden Düngemittel.
Zu den indirekt wirkenden Düngemitteln oder Bodenverbeſſerungsmitteln, durch
welche vorzugsweiſe auf eine günſtige Aenderung der phyſikaliſchen Beſchaffenheit des
Bodens und nur nebenbei auf eine Vermehrung der Pflanzennährſtoffe hingewirkt
werden ſoll, ſind zu zählen:
- 1. der Gyps, die Nebenproducte der Fabrication von Stearinkerzen, Holz-Eſſig-
ſäure, der Dornenſtein von den Salzgradirwerken ꝛc.;
[195]Die Düngung.
- 2. der Kalk, Gaskalk, Kalk aus dem Saturateur der Zuckerfabrik, die Abfälle
der Sodafabrication, der Kalkofenbruch, Bauſchutt ꝛc.; - 3. der Mergel;
- 4. das Kochſalz;
- 5. die Erd- und Schlammdüngungen (Bodenmiſchungen).
Außerdem können hierhergezählt werden jene Düngemittel, durch welche
die organiſche Subſtanz des Bodens vermehrt wird, wie - 6. die Ernterückſtände und
- 7. die Gründüngung.
1. Der Gyps.
E. Heiden 1) giebt über die bisher verſuchten Erklärungen der Wirkung des
Gypſes folgendes Reſumé:
„1. Der Gyps (ſchwefelſaurer Kalk) iſt nur in untergeordnetem Grade als
directes Nahrungsmittel zu betrachten; bei dieſer ſeiner Wirkung iſt der Schwefel-
ſäure die Hauptrolle zu vindiciren.
2. die Hauptwirkung des Gypſes iſt eine indirekte; dieſe zerfällt
a. in eine chemiſche, welche in Löslichmachung der im Boden befindlichen Pflanzen-
nährſtoffe beſteht, ſo daß ſie aufnahmefähig für die Pflanzen werden. Der
Gyps ſpielt ſomit den Vermittler bei der Aufnahme der Nährſtoffe aus dem
Boden durch die Pflanzen. Unerwähnt darf dabei aber nicht bleiben, daß hie-
durch der Gyps zugleich eine Düngung des Untergrundes bewirkt, was für
die Erklärung der Thatſache, daß er vor Allem bei den Leguminoſen ſeine
Wirkung zeigt, von Bedeutung iſt.
b. In eine phyſikaliſche als Regulator der Waſſeraufnahme durch die Pflanze.“
In letzterer Beziehung ſind die Verſuche von J. Sachs 2) zu erwähnen, nach welchen
Salzlöſungen, vor allem der Gyps, die Verdunſtung des Waſſers durch die Blätter verzögert,
in Folge deſſen der Boden länger feucht bleibt und die Pflanzen ihren Waſſerbedarf leichter
decken können. Eine in reichen Buchenhumus gepflanzte junge Tabakpflanze mit Waſſer
begoſſen verdunſtete vom 9.—11. Sept. 30.7 Grm, mit 1/8 % Gypslöſung begoſſen in der-
ſelben Zeit 14.6 Grm. Waſſer.
Am wirkſamſten beſonders für ſchmetterlingsblüthige Pflanzen, wie Erbſen
Wicken, Bohnen, Klee ꝛc, zeigt ſich der Gyps, (Preis per 100 Kilogr. 2 Mark, 1 fl.)
wenn er auf einen pflanzennährſtoffreichen, friſchen, tiefgründigen Lehmboden in einem
mäßig feuchten Klima zur Anwendung kommt. Auf einem mageren Boden und bei
trockener Witterung bleibt eine Gypsdüngung vollſtändig wirkungslos Zum Aus-
ſtreuen mit der Maſchine oder der Hand verwendet man möglichſt feingepulverten,
ungebrannten Gyps in einer Menge von 200—400 Kilogr. per Hectar. Sehr
13*
[196]Allgemeine Ackerbaulehre.
begünſtigt wird die Vertheilung des Gypspulvers, wenn das Ausſtreuen auf den be-
thauten Pflanzen oder vor dem Eintritte eines Regenfalles ausgeführt wird. Am ge-
wöhnlichſten gypſt man die Kleepflanzen im Frühjahre bald nach dem Erwachen der
Vegetation oder im Herbſte nach dem Getreideſchnitte um noch einen Stoppelklee ge-
winnen zu können. Wieſen, beſonders kleereiche, werden gleichfalls oft mit vielem Er-
folge im Frühjahre mit Gyps überſtreut.
Der ausgezeichneten Verwendbarkeit des Gypſes zur Conſervirung des Vieh-
düngers im Stalle und auf der Düngerſtätte durch Bindung des flüchtigen Ammoniaks
wurde ſchon weiter oben gedacht.
2. Der Kalk.
Der Erfolg des Kalkens eines Bodens wird weſentlich erhöht, wenn der Kalk
nicht als rohes Kalkſteinpulver (kohlenſaurer Kalk) ſondern im gebrannten Zuſtande
als Aetzkalk (Kalkhydrat) verwendet wird.
Die Wirkung des Kalkes beruht ausgenommen jene Fälle, wo es einem Boden
an der nöthigen Menge an Kalk fehlen ſollte, weniger auf der Zufuhr dieſes aller-
dings für die Pflanzenernährung nothwendigen Nährſtoffes als auf der indirecten Ein-
wirkung. welche der Kalk auf die Umſetzung der Nährſtoffe und auf die Aenderung
des phyſikaliſchen Zuſtandes des Bodens auszuüben vermag.
Durch den Aetzkalk wird die Zerſetzung der Humusſubſtanz und deren Ueber-
führung in Kohlenſäure, Waſſer und Ammoniak unter Freiwerden der im Humus
enthaltenen Mineralſalze beſchleuniget. Ein Theil der Kohlenſäure wird zur Bildung
von kohlenſaurem und doppelkohlenſaurem Kalk verwendet. Der verbleibende Ueberſchuß
unterſtützt unmittelbar oder mittelbar das Wachsthum der Pflanze. Durch die Ver
mehrung des Kohlenſäuregehaltes im Boden kann die Pflanzenwurzel leichter ihren
Bedarf an dieſem Nährſtoff decken, anderſeits wird durch die Aufſchließung der in
den unzerſetzten Geſteinstrümmern gebundenen Bodennährſtoffe der Gehalt an Mineral-
ſalzen erhöht. Außerdem wird die Löslichkeit der an die waſſerhaltigen Silicate ge-
bundenen Bodennährſtoffe durch kalkhaltiges Waſſer vermehrt und damit dieſelben
gleichfalls für die Pflanzenwurzel leichter aufnahmsfähig gemacht. Auf ſaure Wieſen
gebracht verhindert der Aetzkalk die Bildung von Eiſenoxydulſalzen und die Ver-
torfung der organiſchen Reſte.
In größeren Quantitäten angewendet wirkt eine Kalkdüngung auch günſtig auf
den phyſikaliſchen Zuſtand des Bodens ein. Bindiger, zäher, naſſer Thonboden wird
lockerer, ſandiger Boden bis zu einem gewiſſen Grade bindiger.
Bei dem Umſtande als die hauptſächlichſte Wirkung der Kalkdüngung in der
Beſchleunigung des Nährſtoffsumſatzes im Boden beſteht, kann dieſelbe nur auf
einem pflanzennährſtoffreichen Boden oder bei unmittelbar nachfolgender Stallmiſt-
düngung einen großen Effect erzielen. Eine Stallmiſtdüngung iſt um ſo nothwendiger,
als der Boden durch die Kalkdüngung, welche die Nährſtoffe leichter aufnehmbar
macht, um ſo raſcher erſchöpft wird. Zweckmäßig iſt es, die Felder mit geringeren
Quantitäten, ungefähr mit 1000—2000 Kilogr. per Hectar, aber in kürzern Zeit-
[197]Die Düngung.
räumen etwa von 4 zu 4 Jahren mit Kalk zu überfahren. Iſt es beſonders auf
die phyſikaliſche Wirkung des Kalkes abgeſehen oder wird die Kalkdüngung auf
thonigem Boden vorgenommen, ſo kann übrigens auch das angegebene Quantum ver-
zehnfacht und ſelbſt verzwanzigfacht werden.
Als günſtigſter Zeitpunkt für die Ausführung des Kalkens iſt der Herbſt anzu-
ſehen und zwar kann der Kalk entweder zur Winterhalmfrucht oder zu Kartoffeln,
Rüben gegeben werden. Saure Wieſen ſind gleichfalls im Herbſte zu kalken.
Nicht jeder Kalk eignet ſich gleich gut zur Düngung. Ganz ungeeignet ſind
hydrauliſche Kalkte. Je ſchneller ſich der gebrannte Kalk löſcht, um ſo vortheilhafter
iſt ſeine Verwendung. Auch manche magere Kalke, welche gleichzeitig durch ihren
Gehalt an Magneſia wirkſam werden, eignen ſich, ſofern ſie ſich vollſtändig ablöſchen
laſſen, ganz gut zu dem Zwecke der Düngung.
Die billigſte Art der Kalkdüngung beſteht darin, daß man unmittelbar am
Felde den Kalk in Feldöfen, welche aus Raſenſtücken aufgebaut werden, brennt, und
nach dem Brennen in Häufchen über das Feld verführt. In den Häufchen ſoll der
Kalk ſich langſam durch Anziehung der Feuchtigkeit aus der Luft ablöſchen, weshalb
man die Häufchen leicht mit Erde bedeckt. In Felge der Umwandlung des Kalkes
in Kalkhydrat nimmt das Volumen der Häufchen zu, die daher in der Erddecke
entſtehenden Sprünge müſſen wieder ſorgfältig zugeſchloſſen werden. Iſt der Kalk in
ein feines Pulver zerfallen, ſo werden die Häufchen auseinandergeſchlagen, das Kalk-
pulver — einzelne gröbere Stücke müſſen vorher zerdrückt werden — mit der
Schaufel möglichſt gleichförmig über das Feld verbreitet und mit dem Pflug oder
noch zweckmäßiger mit dem Exſtirpator innig mit dem Boden vermengt.
3. Der Mergel.
Aehnlich dem Kalk wirkt der Mergel, auf deſſen Eigenſchaften ſchon S. 37 u. 52
hingewieſen wurde, indirect düngend auf den Boden ein. Durch das Mergeln werden
dem Boden je nach der Natur des Mergels gewiſſe Mengen von Thon, Kalk und
Sand zugeführt und damit das Miſchungsverhältniß der Bodenſkelettheile, welches die
phyſikaliſchen Eigenſchaften eines Bodens beſtimmt, weſentlich verändert. Für den
Thonboden wird ſich daher, die Gelegenheit vorausgeſetzt, vorzugsweiſe der Sand-
mergel, für den Sandboden der Thonmergel eignen, um die extremen phyſikaliſchen
Bodeneigenſchaften auszugleichen. Nebenbei werden dem Boden durch den Mergel
Kalk und beſonders bei Thonmergel geringe Mengen an Phosphorſäure und Alkalien
zugeführt.
Von Bedeutung bleibt auch die Vermehrung der Ackerkrume, jedoch nur dann,
wenn bedeutendere Mergelmengen angewendet werden. Gleich wie bei der Kalk-
düngung wird die Nachhaltigkeit der Wirkung des Mergels nur durch gleichzeitige
Anwendung von Stallmiſtdüngungen gewährleiſtet, andernfalls ein ſogenanntes „Aus-
mergeln“ des Feldes eintritt.
Bei dem großen, aufzubringenden Quantum können wegen der Koſtſpieligkeit
des Transportes nur jene Felder, gewöhnlich in Zwiſchenräumen von 10—20 Jahren
[198]Allgemeine Ackerbaulehre.
mit Vortheil gemergelt werden, welche ſich in nächſter Nähe des Mergellagers be-
finden. Das Verfahren dabei beſteht einfach darin, daß der Mergel am beſten im
Sommer oder wenn dies die wirthſchaftlichen Verhältniſſe nicht zulaſſen, im Herbſte
auf das Feld geführt, in Häufchen gebracht wird und nach dem Zerfallen aus-
gebreitet und mit der Egge und dem Pflug mit dem Boden gleichmäßig ver-
miſcht wird.
4. Das Kochſalz.
Ueber die Bedeutung des Kochſalzes als Düngemittel (130 ‒ 250 Kilogr. per
Hectar) gehen die Anſichten auseinander. So viel ſteht feſt, daß bei Rüben und
Kartoffeln durch eine Kochſalzdüngung zwar eine Vermehrung der Ertragsmenge
jedoch eine Verminderung des Zucker- reſp. Stärkemehlgehaltes eintritt, während bei
Cerealien und Wieſenpflanzen eine Kochſalzdüngung ſowohl auf die Menge als die
Qualität des Ertrages günſtig einwirkt.
Die Wirkung des Kochſalzes (Chlornatrium) iſt eine indirecte, indem daſſelbe
löſend auf die Pflanzennährſtoffe im Boden einwirkt. Dieſe löſende Wirkung zeigt
ſich conſtant nur bei den alkaliſchen Erden und vielleicht auch bei dem Kali, während
ſie bei der Phosphorſäure von zur Zeit noch nicht bekannten Bedingungen abhängig
zu ſein ſcheint.
Ueber die Löſung der Pflanzennährſtoffe durch Kochſalz wurden in neuerer Zeit, unter
Andern, von E. Heiden 1) Unterſuchungen angeſtellt. Je 100 Grm. eines lehmigen Sand-
bodens (Ackerkrume und Untergrund getrennt) wurden 8 Tage mit reinem Waſſer und mit
Kochſalzlöſung (mit 0.59 % Chlor und 0.38 % Natrium) in Berührung gelaſſen. Von der
Kochſalzlöſung war aus 100 Grm. Erde mehr wie von den reinen Waſſer gelöſt worden
in Grammen.
5. Die Erd- und Schlammdüngung.
Die Erde kann gleichfalls als indirect oder direct wirkender Dünger verwendet
werden. Der allgemeineren Anwendung ſteht nur die Koſtſpieligkeit des Erd-
transportes entgegen. Das Aufbringen der Erde durch Anſchlemmen, auf welches
wir ſchon S. 86 aufmerkſam gemacht haben, iſt noch die billigſte Art. Um vieles
koſtſpieliger und daher nur auf kleinen Parcellen auszuführen iſt die unmittelbare
Aufführung der Erde mit Hand- oder Spanntransportgeräthen.
Durch das Befahren mit Erde ſoll entweder die Ackerkrume vermehrt oder
das Miſchungsverhältniß der einzelnen Bodenſkelettheile günſtiger geſtaltet werden.
Die Vertiefung der Ackerkrume erfordert bedeutende Erdquantitäten, da zur gleich
[199]Die Düngung.
hohen Bedeckung der Fläche eines Hectars für je 1 Centimeter 100 Kubikmeter Erde
erforderlich ſind. Soll eine Aenderung der phyſikaliſchen Beſchaffenheit des Bodens
herbeigeführt werden, ſo ſind nicht viel geringere Mengen erforderlich, wenn eine
ausgiebige Wirkung erzielt werden ſoll. In letzterer Hinſicht wird ein Thonboden
durch Ueberfahren mit Sand, ein Sandboden durch Ueberfahren mit Thon, ein
Tofboden durch Ueberfahren mit Sand und Kalkſand weſentlich verbeſſert.
Wenn nun auch das Erdfahren im Großen, ſeiner Koſtſpieligkeit wegen, ſelten mit
Vortheil zur Ausführung gelangen kann, ſo ergeben ſich doch innerhalb der Wirth-
ſchaft mannigfaltige Gelegenheiten zu Erdbewegungen im Intereſſe der Düngung. In
den bei geneigtem Terrain und leicht abſchwemmbarem Boden abſichtlich angelegten
Schlammfängen, in den Fluß- und Bachläufen, in den Teichen häufen ſich oft be-
deutende Schlamm- und Erdmengen an, die ausgeführt und compoſtirt ein um ſo
werthvolleres Düngermaterial abgeben, wenn ſie die Erde von reich gedüngten Feldern
aufnehmen 1). Bei der Anlage der Schlammfänge hat man zu beachten, daß der
Ablauf am Rande außer der Richtungslinie des Zulaufes angeordnet werde, um
einen möglichſt vollſtändigen Schlammabſatz zu erzielen. Die Schlammfänge ſind am
zweckmäßigſten ſo umfangreich anzulegen, daß ihre Räumung und die Verführung des
Schlammabſatzes auf die Felder nur nach längeren Zwiſchenräumen, etwa halbjährig
vorgenommen zu werden braucht.
Teichſchlamm, welcher ſich auf dem Grunde ſtehender Gewäſſer gebildet hat,
eignet ſich wegen ſeines Gehaltes an Geïnſäure (ſaurer Humus) erſt dann als
Düngemittel, wenn er längere Zeit an der Luft gelegen hat. Durch das Ausſetzen
der Luft oxydirt ſich die Geïnſäure des Schlammes bald zu Quellſatz und Quell-
ſäure (S. 40). Dieſe Umwandlung wird weſentlich durch einen Zuſatz von Kalk
oder Aſche beſchleunigt. Durch einen derartigen Zuſatz wird gleichzeitig die freie
Schwefelſäure gebunden, welche aus dem ſehr häufig in dem Teichſchlamme vorkom-
menden fein vertheilten Schwefeleiſen beim Liegen an der Luft entſteht
6. Die Ernterückſtände.
Die Thatſache, daß nach blattreichen, tiefwurzelnden Pflanzen folgende Ge-
wächſe ohne Dünger hohe Erträge zu liefern vermögen, führte in früherer Zeit zur
Annahme, daß der Boden durch dieſe Pflanzen bereichert werden könne. Man unter-
ſchied daher die Culturpflanzen 2) in ſolche, welche den Boden bereichern und in ſolche,
welche denſelben angreifen. Zu erſteren zählte man vor allem die Geſpinnſt- und Oel-
pflanzen, die Rüben und Kartoffeln, zu letzteren den Rothklee, die Luzerne, die Eſparſette.
Wenn nun auch obige Thatſache als richtig anerkannt werden muß, ſo ſind
doch die daran geknüpften Folgerungen nicht ganz ſtichhaltig. Jede Pflanze entzieht
dem Boden, wenn auch in verſchiedenen Mengen Nährſtoffe. Dabei iſt jedoch zu
berückſichtigen, daß gewöhnlich ein Theil der Pflanze, die Wurzeln und Stoppeln, als
[200]Allgemeine Ackerbaulehre.
Ernterückſtände im Boden verbleiben. Die Menge und Qualität dieſer Ernterückſtände
iſt bei den einzelnen Pflanzen ſehr verſchieden. Dieſer Unterſchied erklärt ausreichend
das oben berührte verſchiedene Verhalten der Pflanzen zu dem Boden.
Die größten Mengen an Ernterückſtänden ergeben ſich bei jenen Pflanzen, welche
ſowohl Wurzeln als einen Theil ihrer oberirdiſchen Organe zurücklaſſen. Oben an
ſtehen in dieſer Hinſicht die Kleegewächſe, Cerealien und Oelfrüchte. Die geringſten
Ernterückſtände verbleiben nach den Kartoffeln und Rübenarten, beſonders dann,
wenn auch noch die Blätter oder das Kraut vom Felde genommen werden.
Durch die Ernterückſtände wird der Boden abſolut bereichert mit jenen Stoffen,
welche wie der Kohlenſtoff, der Stickſtoff von der Pflanze aus der Luft aufgenommen
wurden. Gegenüber dem Kohlenſtoff iſt jedoch die Menge an Stickſtoff, welche als
kohlenſaures Ammoniak durch die Blätter aufgenommen wurde, eine ſehr geringe.
Mit der Bereicherung an Kohlenſtoff und organiſcher Subſtanz überhaupt, werden
alle jene Vortheile erreicht, welche mit einer Vermehrung des Humusgehaltes ver-
bunden ſind. Es wird damit, wie ſchon mehrfach erwähnt, nicht nur der phyſikaliſche
Zuſtand des Bodens günſtig beeinflußt, ſondern auch noch den Pflanzen eine direkte
Kohlenſtoffquelle und mit der ſich bildenden Kohlenſäure ein Löſungsmittel für die
mineraliſchen Bodennährſtoffe geboten.
Neben dieſer abſoluten Bodenbereicherung tritt überdies durch die Ernterückſtände
auch noch eine relative Bereicherung der Ackerkrume an Stickſtoff und an Mineral-
ſalzen auf Koſten des Untergrundes ein. Beſonders die tiefwurzelnden Gewächſe ent-
nehmen dem Untergrunde Mineralſalze, welche dann mit den Wurzelrückſtänden der
Ackerkrume zukommen, indem ſelbſt bei tiefwurzelnden Gewächſen ein großer Theil der
Wurzeln ſich in der Ackerkrume verbreitet. Dabei iſt noch zu beachten, daß die
tiefgehenden Wurzeln Pflanzennährſtoffe, welche nicht hinreichend vom Boden ab-
ſorbirt werden und daher in den Untergrund geſchwemmt werden, wie Kalk und
Salpeterſäure, aus demſelben aufnehmen und wieder durch die Rückſtände der flach
gehenden Wurzeln in Umlauf bringen.
Die Wurzelrückſtände verdienen daher die vollſte Beachtung, da ſie nicht nur
den Vorrath an aſſimilirbaren Pflanzennährſtoffen vermehren und die Ackerkrume auf
Koſten des Untergrundes abſolut bereichern, ſondern auch durch die Lieferung von
humusbildendem Material den phyſikaliſchen Zuſtand des Bodens verbeſſern.
Nach den Unterſuchungen von Dr. Weiske und Dr. Werner 1) verblieben bei ver-
ſchiedenen Pflanzen unter Annahme einer Ackerkrume von 26.15 Cm. und unter Berück-
ſichtigung der für die betreffende Culturpflanze paſſendſten Bodenart, Düngung und Vorfrucht
auf dem Verſuchsfelde zu Proskau folgende Mengen an Stoppel- und Wurzelrückſtänden
(umgerechnet) per Hectar und zwar an Trockenſubſtanz:
- 4jährige Luzerne .. 2772 Kilogr.
- 1jähriger Rothklee . 2558 „
- 3jährige Eſparſette . 1700 „
- Roggen ..... 1509 Kilogr.
- Wundklee .... 1435 „
- Raps ...... 1278 „
- Hafer ..... 1083 Kilogr.
- Lupine ..... 1013 „
- Weizen ..... 997 „
- Erbſen ..... 924 „
- Seradella . 897 Kilogr.
- Buchweizen . 629 „
- Gerſte .. 571 „
Die Analyſe ergab an den wichtigſten Pflanzennährſtoffen per Hektar in Kilogr:
Beachtenswerth ſind unter Anderen auch die Verſuche von Heiden 1), welcher den Gehalt
der Wurzeln (allein ohne Stoppeln) an Nährſtoffen jenen gegenüberſtellt, welche durch die
abgeernteten Pflanzen dem Boden per Hectar in Kilogrammen entzogen werden. Die Summe
der Nährſtoffe, welche im Obertheile und in den Wurzeln enthalten ſind, zeigt erſt das volle
Bedürfniß der Pflanze per Hectar in Kilogrammen und lehrt uns die Menge der Pflanzen-
nährſtoffe erkennen, welche im Boden für die Pflanze während der Vegetationszeit disponibel
ſein müſſen.
7. Die Gründüngung.
Eine ähnliche, nur noch ausgiebigere Wirkung als wie den Ernterückſtänden, kommt
der ſogenannten Gründüngung zu, welche darin beſteht, daß man gewiſſe Pflanzen
anbaut, um ſie vor dem Eintritte der Samenbildung als Dünger unterzupflügen.
Es ſoll dadurch das Feld in ausgiebigerer Weiſe als wie bei den Ernterück-
ſtänden an humusbildender Subſtanz und nebenbei auch an Aſche durch die in dem
verwendeten Samen enthaltenen Mengen vermehrt werden. Dazu kommt noch die
Einwirkung auf die phyſikaliſche Beſchaffenheit des Bodens, welcher durch die unter-
gepflügten Pflanzenmaſſen lockerer und mürber wird. Andere erklären den vortheil-
haften Einfluß der Gründüngung durch die Beſchattung des Bodens, wodurch der-
[202]Allgemeine Ackerbaulehre.
ſelbe im gahren, friſchen und unkrautfreien Zuſtande erhalten bleibt oder in dieſen
Zuſtand übergeführt wird.
Nach unſerer Anſicht iſt bei der Wirkung der Gründüngung der Einfluß der
Gründüngungspflanze auf die Verwitterung und Zerſetzung der Geſteinstrümmer im
Boden nicht zu unterſchätzen. In manchen Fällen dürfte dieſer Einfluß bei richtiger
Wahl der Gründüngungspflanze für den Ertrag der nach der Gründüngung gebauten
Pflanze ausſchlaggebend ſein.
Intereſſant ſind in dieſer Beziehung die für einen anderen Zweck zur Beant-
wortung der Frage: Haben die Culturpflanzen einen Einfluß auf die Verwitterung
und Zerſetzung der Geſteine? angeſtellten Unterſuchungen von Dr. Th. Dietrich 1).
Die Frage iſt ohne Zweifel zu bejahen. Alle Pflanzen haben in dem Safte ihrer
Wurzeln Säuren gelöſt, die durch Diffuſion mit den Bodentheilchen und Geſteins-
theilchen in Berührung kommen und auf dieſe löſend und zerſetzend einwirken. Von
unſeren Culturpflanzen iſt dieſe Einwirkung auf den Boden bei unſeren Cerealien
ſo ziemlich gleich Null. „Hafer und Gerſte, Sommerroggen und Sommerweizen
wachſen zwar normal in einem Geſteinſand, der keine Feinerde und keine auflöslichen
Beſtandtheile enthält, ſie produciren aber keine organiſche Subſtanz, ſie begnügen
ſich in der Regel mit dem Anſatze von einem, höchſtens zwei Samenkörnern. Dieſe
Pflanzen leben eben nur von der Subſtanz des Samenkorns und etwa von dem,
was durch die natürliche Verwitterung im Verlaufe der Vegetation aus dem Geſtein
löslich wird. Buchweizen und eine Reihe anderer Pflanzen verhalten ſich ebenſo.
Viel energiſcher wirken Blattpflanzen; Bohnen und Erbſen ſammeln ſo viel Nahrung
aus dem Geſtein, daß ſie freudig vegetiren und nicht ohne beträchtliche Vermehrung
ihrer Pflanzenſubſtanz bleiben.
Am Üppigſten aber unter allen Verſuchspflanzen vegetiren die Lupinen. Sie
leben in dem aus rohem, unverwittertem Geſtein gefertigten Sand ganz munter fort,
entwickeln ein bedeutendes, umfangreiches Wurzelnetz, ſie blühen und ſetzen verhältniß-
mäßig reichlich Frucht an mit 20, 30 und mehr Samenkörnern. In dieſem Falle
iſt es unzweifelhaft, daß die Lupine durch ihre Wurzeln zur Zerſetzung des Ge-
ſteins in bedeutendem Maße beiträgt. Die Lupine iſt ſomit im Stande, die in
nährſtoffarmen Böden vorkommenden Geſteinsbröckchen und die darin enthaltenen
Nährſtoffe ſich nutzbar zu machen, eine Fähigkeit, welche den Cerealien und anderen
Pflanzen abgeht.“
Soll ſich daher eine Pflanze zur Gründüngung eignen, ſo muß ſie vor allem
eine ſchnelle und maſſenhafte Entwicklung ihrer oberirdiſchen Theile beſitzen, welche
den Boden ausreichend beſchatten, und eine tiefgehende, die Geſteinstrümmer angreifende
Wurzel beſitzen. Dabei ſoll die aufzuwendende Saatmenge keine großen Koſten ver-
urſachen. Dieſen Anforderungen an eine Gründüngungspflanze entſpricht am vor-
züglichſten die Lupine (beſonders die weiße Lupinus albus), an dieſe reihen ſich dann
der Spörgel, welcher jedoch bei gleicher Schnellwüchſigkeit eine geringere Pflanzenmaſſe
[203]Die Saat.
gewährt, die Wicke, deren Samen verhältnißmäßig koſtſpielig, der Raps, der Buch-
weizen, der Roggen ꝛc. Bei letzteren beiden Pflanzen kommt jedoch neben der
Pflanzenmaſſe nur die Beſchattung des Bodens in Betracht.
Bei dem Umſtande als durch die Verfütterung der Gründüngungspflanzen keine
düngenden Stoffe verloren gehen würden, kann ſich die Gründüngung nur in ſolchen
Fällen als wirthſchaftlich gerechtfertigt herausſtellen, wo ſich die Transportkoſten des
Futters und Düngers wegen der Entfernung der Felder zu hoch herausſtellen würden,
oder dort, wo bei dem Uebergange von einer Fruchtfolge zur andern, ſchnell aſſimilir-
bare Nährſtoffe in den Boden gebracht werden ſollen.
In manchen Fällen, wie bei dem Unterpflügen von Pflanzen, welche aus dem
Körnerausfalle bei der Ernte gewachſen ſind, oder bei Kleeſchlägen, von welchen man
zur Lockerung des Bodens den letzten Schnitt unterpflügt, ergiebt ſich von ſelbſt eine
Art Gründüngung.
Am zweckmäßigſten ſäet man die Gründüngungspflanzen nach der Ernte in die
aufgebrochene Stoppel. Um einen möglichſten hohen Ertrag an grüner Pflanzen-
maſſe zu erhalten, wird man das Saatquantum reichlicher als bei dem gewöhnlichen
Anbaue der betreffenden Pflanze bemeſſen. Sobald die Pflanzen bis nahe zur
Entwicklung der Blüthe gelangt ſind, pflügt man dieſelben unter. Um das Unter-
pflügen leichter und vollſtändiger zu bewerkſtelligen, drückt man die Pflanzen durch
Abwalzen nieder, der Pflug folgt dann in derſelben Richtung oder man mäht die
Pflanzen ab und ſtreift dann die grünen Maſſen in die geöffnete Pflugfurche ein.
Die Wirkung der Gründüngung iſt keine andauernde, ſie erſtreckt ſich höchſtens
auf ein Jahr.
VII.
Die Saat.
Nach der Vorbereitung des Bodens durch Bearbeitung und Düngung erfolgt
zur geeigneten Zeit die Ausſaat des Samens. Zuweilen treten jedoch an Stelle
des Samens auch andere Pflanzentheile, wie Stammtheile, Knollen, Rhizome
Zwiebeln und Wurzeln ꝛc., durch welche ſich erfahrungsgemäß manche, erſt durch die
Cultur gewonnene, werthvolle Eigenſchaft der Pflanzen viel ſicherer als durch den
Samen fortpflanzen läßt.
Die Beſchaffenheit des Samens oder des an deſſen Stelle tretenden Pflanzen-
theiles entſcheidet über den Erfolg der Pflanzencultur. Die Entwickelung des Samens
erfordert ausreichende Mengen (S. 17) an Wärme, Luft und Waſſer. Der Same
muß daher znr Sicherung der Keimungsbedingungen zur richtigen Zeit und mit
Rückſicht auf die Pflege der wachſenden Pflanze auf eine entſprechende Art und in ge-
eigneter Menge in den Boden untergebracht werden. In manchen Fällen iſt es
ſchließlich geboten, erſt die junge Pflanze auf das freie Feld auszuſetzen.
[204]Allgemeine Ackerbaulehre.
Nach dem Bemerkten iſt bei der Saat 1) zu berückſichtigen: 1. Die Auswahl
des Saatgutes und im Zuſammenhange damit 2. die Samengewinnung und der
Samenwechſel, weiter 3. die Saatzeit, 4. die Säemaſchine, 5. die Saatmethode, 6. die
Saatmenge, 7. die Unterbringung des Samens und ſchließlich 8. die Verpflanzung.
1. Die Auswahl des Saatgutes.
Bei der nähern Betrachtung der Samen von ein und derſelben Pflanzenart
ergeben ſich die mannigfaltigſten Verſchiedenheiten, welche ſich beſonders auf Form,
Färbung, Größe und Gewicht der einzelnen Samenkörner beziehen.
Je bedeutender das Gewicht des Samens, eine um ſo größere Menge Bildungs-
material wird in den Nährſtoffbehältern deſſelben enthalten ſein können, da auf den
Embryo gewöhnlich der geringſte Theil des Samengewichtes entfällt. Je größer die
Nährſtoffmengen, um ſo ausgiebiger wird die Ernährung und das Wachsthum der
Keimpflanze ſtattfinden. Es muß daher der Same vor der Ausſaat einer ſorg-
fältigen Auswahl unterzogen werden, wenn man fruchtreiche, gegen ungünſtige Ein-
flüſſe widerſtandsfähige Pflanzen erzielen will. Dieſe Auswahl muß ſich ſowohl
auf die Qualität des Samens als auch auf die Reinheit deſſelben beziehen.
1, Die Beſchaffenheit des Samens.
Die Keimung des Samens wird, wie S. 17 angeführt wurde, äußerlich durch
das Aufquellen deſſelben in Folge der Waſſeraufnahme und durch die Entfaltung des
Keimes kenntlich, während gleichzeitig mannigfaltige Stoffveränderungen vor ſich
gehen, welche die Auflöſung der im Samen aufgeſpeicherten Reſerveſtoffe und die
Verwendung derſelben als Baumaterial für die keimende Pflanze bewirken. Ver-
liert der Same im Verlaufe der Zeit die Fähigkeit aufzuquellen oder tritt in
den aufgequollenen Samen eine Zerſetzung des Sameninhaltes oder ſchließlich eine
Entwicklungsunfähigkeit des Keimes ein, ſo hört derſelbe auf, als Saatgut brauchbar
zu ſein. Die erſte Bedingung für die Tauglichkeit eines Samens für die Ausſaat
iſt daher deſſen Keimfähigkeit. Nächſt dieſer wird von der ſonſtigen äußeren
Beſchaffenheit des Samens, ſoweit dieſe auf die Entwickelung der künftigen Pflanze
von Einfluß iſt, die Güte des Saatkornes abhängig ſein.
Die Fähigkeit zu keimen erlangen die Samen ſchon vor ihrer Reife. Es können
daher ſelbſt unreife Samen, wenn ſie nur ihre volle Größe erreicht haben, im Noth-
falle zur Saat verwendet werden. Kräftige, gegen ungünſtige Einflüſſe widerſtands-
fähige Pflanzen werden jedoch nur aus ausgereiften Samen hervorgehen, weshalb
man nur dieſe zur Saat auszuwählen hat. Beſonders bei mangelhafter Auf-
bewahrung verliert die Mehrzahl der Samen unſerer Culturgewächſe in kurzer Zeit
(nicht über 5 Jahre) die Fähigkeit auszukeimen.
[205]Die Saat.
Nach den Unterſuchungen von F. Haberlandt 1) verlieren auf ſchüttbodenähnliche Art
aufbewahrte Getreidekörner am frühzeitigſten ihre Keimfähigkeit, weniger raſch die im luft-
trockenen Zuſtande, in nachträglich luftdicht verſchloſſenen Fläſchchen eingefüllten Körner.
Am längſten erhalten ihre Keimfähigkeit die vor der luftdichten Aufbewahrung künſtlich bei
einer Temperatur von 50—60 ° R. getrockneten Getreidekörner.
In manchen Jahrgängen gedeiht dieſer oder jener Same vorzüglicher, um denſelben
zur Reſerve für ſpätere Jahre zurückbehalten zu können, empfiehlt daher Haberlandt beſonders
für werthvollere Sämereien die Aufbewahrung in Gefäßen aus verzinntem Eiſenblech oder
Glas, welche nach ihrer Füllung mit künſtlich getrockneten Samen zugelöthet oder verpicht
werden ſollen.
Von den Getreidearten leidet die Entwicklungsfähigkeit nach dem Vorangeführten
ſchon nach einer einjährigen gewöhnlichen Aufbewahrung, weshalb von denſelben
ſtets friſcher, d. h. von der vorangegangenen Ernte gewonnener Same verwendet werden
ſoll. Bei dem Weizen, welcher auf dem Schüttboden aufbewahrt ſeine volle Keimfähig-
keit durch 3 Jahre behält, empfiehlt es ſich dennoch, überjährigen Samen zur Saat zu
nehmen, da dieſer von dem Steinbrandpilz — deſſen Sporen nach den Unterſuchungen
von Dr. J. Kühn 2) ſchon nach dem zweiten Jahre ihre Keimfähigkeit verlieren —
viel weniger zu leiden hat. In meiſt noch kürzerer Zeit büßen die gerbſtoffreichen
und ölhaltigen Samen ihre Lebensfähigkeit ein. Am längſten bleiben noch die Samen der
Hülſenfrüchte keimfähig, obwohl auch hier ein einjähriger Same wegen der raſcheren
Entwickelung der Saat vorzuziehen iſt. In Fällen, wo älterer Same verwendet wird,
weil derſelbe viel vollkommener als der jüngſt geerntete iſt, muß man den größeren Aus-
fall durch keimunfähige Samen durch ein größeres Saatquantum zu decken ſuchen.
Um ſich von der Keimfähigkeit der Samen zu überzeugen, unternimmt man vor deren
Verwendung eine Keimprobe, die in der Weiſe auszuführen iſt, daß man etwa 100
Körner auf einen Teller zwiſchen mäßig feucht gehaltene Lagen von Fließpapier legt und
dieſen dann in der Nähe eines warmen Ortes bringt. Zu demſelben Zwecke dient auch
der vorzügliche Nobbe'ſche Keimapparat 3) aus poröſem, gebranntem Thon, Fig. 70 u. 71
(ſ. S. 206). Derſelbe beſteht aus einer kreisförmigen Mulde zur Aufnahme der an-
gequellten Samen, welche von einer Rinne mit ſenkrechten Wänden zur Aufnahme des
Waſſers umgeben iſt. Der während der Keimprobe über den Apparat gelegte Deckel von
[206]Allgemeine Ackerbaulehre.
gleicher Thonmaſſe, Fig. 72 (ſ. S. 207), liegt nur loſe auf, damit die bei der
Keimung gebildete Kohlenſäure entweichen kann. Nach einigen Tagen oder Wochen,
je nach der Natur der Samen, ergiebt ſich, ob die Samen und wie viele derſelben
zum Keimen gelangten.
Nach Nobbe 1) wechſelt die Keimfähigkeit von 100 reinen Samen verſchiedener Pflanzen
in Procenten in folgender Weiſe:
Nach Robert Hoffmann 3) gelangen die Samen der verſchiedenen Pflanzen in folgenden
Zeiten zum Keimen (Hervortreten des Würzelchen): In 1 Tag: Leindotter, Hanf, weiße
Rüben; in 2 Tagen: Weizen, Gerſte, Roggen, Hafer, Buchweizen, Wicke und Mohn; in
3 Tagen: Saubohnen; in 4 Tagen: Mais, Hirſe; in 5 Tagen Phaſeolen; in 10 Tagen
Rüben
Nächſt der Keimfähigkeit hat auch die äußere Beſchaffenheit der Samen Ein-
fluß auf deren Eignung zur Saat. Je größer die Maſſe des Samens, um ſo größere
Keimapparat von Dr. F. Nobbe. —
Die in den vier Ecken befindlichen Vertiefungen
dienen zur Aufnahme von kleinen Gläſern mit
Aetzkali, um die Kohlenſäure zu abſorbiren. (Preis
3 Mark, 1.50 fl., zu beziehen durch Wiegandt,
Hempel \& Parey ‒ Berlin.)
Keimpflanzen können aus demſelben hervor-
gehen. Dieſer Satz gilt nicht nur für die
Samen verſchiedener Arten — man ver-
gleiche das Keimpflänzchen vom Tabak mit
jenem der Pferdebohne — ſondern auch ein
und derſelben Pflanzenart. Aus großen und
ſchweren Körnern werden, wie zahlreiche
Verſuche beſtätigen, viel kräftigere Keim-
pflanzen, welche ungünſtige Boden- und
Witterungsverhältniſſe viel ſicherer überwin-
den, hervorgehen als aus kleinen und leichten
Samen. Ueberdies darf man von großen
zur Saat verwendeten Samen unter übrigens
gleichen Umſtänden auch größere Samen bei
der Ernte erwarten.
Das Samenkorn ſoll nicht nur groß und ſchwer, ſondern auch ganz ſein.
Querſchnitt durch den Keimapparat
von Nobbe.
Aus zerbrochenen Körnern geht zwar, ſofern
der Keim nicht verletzt iſt 4), auch eine Pflanze
hervor, die aber wegen Nahrungsmangel in
der erſten Jugend ſtets ſchwach bleiben wird.
[207]Die Saat.
Aus demſelben Grunde geben bei den Kartoffeln ganze Knollen gegenüber den zer-
ſchnittenen Knollen, Augen ꝛc. den höchſten Ertrag.
Jede Abweichung von der einer Samen-
art eigenthümlichen Form, Färbung
und dem eigenthümlichen Geruche beein-
trächtigt gleichfalls die Verwendbarkeit derſelben
zur Saat. Von verſchrumpften Körnern, z. B.
verſchrumpften Getreidekörnern ſog. Kümmel-
körnern, laſſen ſich, wenn ſie auch keimen ſollten,
doch nur ſchwächliche, wenig widerſtandsfähige
Pflanzen wegen ihrer unvollſtändigeren Aus-
bildung erwarten. Samen, welche bei der
Ernte vorzeitig ausgewachſen ſind, können eben-
falls nur ein ſchlechtes, unbrauchbares Saat-
Deckel zum Keimapparat von
Nobbe. Die Oeffnung in der Miite dient zur
Einführung eines kleinen Thermometers.
gut abgeben. Die Schädigung der Saatwaare durch ſchlechte Einerntung oder
mangelhafte Aufbewahrung wird ſich meiſt ſchon durch eine abnorme Färbung des
Samens verrathen. Wegen ſchlechter Aufbewahrung zur Saat weniger geeignet
ſind z. B. dunkel ſchmutziggelb gefärbte Weizenſamen einer gewöhnlich wachsgelben
Sorte, Rothkleeſamen, welche an Stelle der violetten Backen eine gleichmäßig gelb-
grüne Mißfärbung zeigen, Hanfkörner, welche gleichmäßig gelblich weiß ins grünliche
ſpielend gefärbt ſind oder ſonſt ein Same, der nicht ſeine gewöhnliche Färbung beſitzt.
Jedem Samen kommt nicht nur eine eigenthümliche Form und Färbung, ſondern
auch ein beſtimmter Geruch zu. Tritt an Stelle deſſelben ein dumpfer Geruch,
welcher durch die Vegetation des Pinſelſchimmels (Penicillium crustaceum) hervor-
gerufen wird, ſo kann man überzeugt ſein, daß der Same durch ſchlechte Aufbewahrung
gelitten hat. Weizen, welcher von dem Steinbrandpilze ergriffen iſt, riecht nach
faulen Eiern oder faulen Fiſchen.
Schließlich darf bei der Auswahl des Saatgutes die Varietät nicht überſehen
werden. Es können dafür jedoch keine allgemeinen Anhaltspunkte gegeben werden, da
die Varietäten ein und derſelben Culturpflanze unter gleichen Boden- und klimatiſchen
Verhältniſſen ſehr verſchiedene Erträge geben. Die auf Anbauverſuche in der betreffen-
den Oertlichkeit geſtützte Erfahrung gewährt allein ſicheren Anhalt für die Auswahl
der Samenvarietät.
2. Die Reinheit des Samens.
Außer der vorzüglichen Beſchaffenheit iſt die Reinheit des Samens von fremden
Beimiſchungen, wie Unkrautſamen, Sand ꝛc. ein Erforderniß eines guten Saatkornes.
Vor der Ausſaat müſſen alle Unkrautſamen und ſonſtigen fremden Beimiſchungen
4)
[208]Allgemeine Ackerbaulehre.
aus dem Saatgute entfernt werden. Bei kleineren Samenmengen werthvoller
Pflanzen empfiehlt es ſich die Sonderung von Körnern und fremden Beimengungen ſelbſt
mit der Hand auszuführen. Bei größeren Mengen begnügt man ſich mit dem Reinigen
des Samens durch Werfen, Sieben oder auf einer Reinigungs- und Sortirmaſchine.
Dabei werden alle zur Saat unverwendbaren, unvollkommenen und gebrochenen Körner
entfernt und gleichzeitig die Körner nach ihrer Größe geſondert. Die meiſt geringen
Koſten, welche das Putzen und Sortiren der Saatwaare verurſacht, ſollten nach dem
altengliſchen Spruche: „was ein Jahr ſäet, müſſen ſieben Jahre ausjäten“ um ſo
weniger geſcheut werden, als die Verwendung reinen Saatgutes zur Erzielung unkraut-
freier Felder unerläßlich iſt.
Nach F. Nobbe 1) beträgt die Verunreinigung der Samen in Procenten bei verſchiedenen
Pflanzen die folgenden Mengen:
Als eindringliche Mahnung überhaupt nur gut gereinigten und geputzten Samen zur
Saat zu verwenden, erwähnen wir, daß nach den Unterſuchungen von F. Nobbe mit den im
Samen der nachſtehenden Pflanzen, vorkommenden Beſtandtheilen, welche außer in Sand,
Spreu ꝛc. zum nicht geringen Theile in Samen von Unkräutern, bisweilen auch von Gift-
pflanzen und Schmarotzern (Seide) beſtehen, auf die Fläche eines Hectar ausgeſäet werden bei
- Lein . . mit 5 % Verunreinigung 335.100 Körner (41 Arten) Unkrautſamen.
- Rothklee . „ 6.4 „ „ „ 602.500 „ (44 „) „ „
- Timothegras „ 4 „ „ „ 3,069.000 „ (31 „) „ „
- Frz. Raygras „ 46 „ „ „ 55,146.000 „ (45 „) „ „
2. Die Samengewinnung und der Samenwechſel.
In vielen Fällen iſt es vortheilhaft, den erforderlichen Samen ſelbſt zu gewinnen.
Wird mit Sorgfalt vorgegangen, ſo kann man oft einen ebenſo guten, für die
heimiſchen Verhältniſſe oft brauchbareren Samen erziehen, als man von Außen her
erhalten kann. Daß es manchen Oertlichkeiten gelingt, eine weit und breit wegen
ihrer Vortrefflichkeit bekannte und geſuchte Saatwaare zu produciren, hat neben
günſtigen Vegetationsverhältniſſen beſonders ſeinen Grund in der weitgetriebenen Sorg-
falt, welche bei der Cultur der Samenpflanze und bei der Gewinnung des Samens
aufgewendet wird. Durch die Auswahl der paſſendſten Bodenart, des geeignetſten
Standortes für die Samenpflanzen und die ſorgfältigſte Ausführung der Saat,
Pflege und Ernte gelingt es mindeſtens ein beſſeres als das gewöhnlich gebaute
Saatkorn zu erzielen.
Bei geringem Samenbedarfe wähle man zur Samengewinnung jenen Theil der
[209]Die Saat.
beſtellten Felder aus, auf welchem die Pflanzen am vollkommenſten entwickelt ſind.
Dieſer Theil iſt dann beſonders zu pflegen, zu jäten und mit thunlichſter Auf-
merkſamkeit zu ernten. Die gewonnenen Samenpflanzen werden am ſicherſten im
Geſtröhe an trockenen, luftigen Orten bis zur Verwendung aufbewahrt. Bei größerem
Samenbedarfe kann man ſelbſt eine paſſende Feldparzelle für die Samenzucht beſonders
ſorgfältig vorbereiten und düngen.
Bei Culturpflanzen, wie Tabak, Zuckerrüben, Mais ꝛc., von welchen wenige
Körner zur Beſtellung einer verhältnißmäßig großen Fläche ausreichen, kann die
Sorgfalt bei der Cultur und Samengewinnung ſelbſt auf die einzelne Pflanze aus-
gedehnt werden. Den Samen nimmt man von den kräftigſten jedoch im Blattwerke
nicht zu üppig entwickelten Pflanzen und bewahrt denſelben bis zur Verwendung
ſorgfältig auf.
Auf der Auswahl der einzelnen Samenkörner beruht das Hallet'ſche Samenzucht-
verfahren (Pedigree). Wie ſehr eine Auswahl der Samen je nach ihrem Vorkommen an
verſchiedenen Stellen des Fruchtſtandes gerechtfertigt iſt, ergiebt ſich aus Folgendem.
Dr. Heinrich 1) fand an den Roggenkörnern je nach ihrer Stellung an den beiden Enden
oder der Mitte der Aehre folgende Unterſchiede: 100 Körner wogen aus den
- unterſten Aehrchen 1.5262 Gr., ſpec. Gewicht 1.2926
- oberſten Aehrchen 1.5415 „ „ „ 1.2904
- aus der Aehrenmitte 3.6656 „ „ „ 1.3336.
Nach v. Nathuſius—Königsborn 2) fand ſich das leichteſte Weizenkorn mit 0.017 Gr.
an der Spitze der Aehre, das ſchwerſte mit 0.058 Gr. in der Mitte, während ſich am
Grunde der Aehre nur rudimentäre Körner fanden.
Wer frühe Sorten erziehen will, muß aus einer größeren Zahl keimender
Samen jene ausleſen, bei welchen die Keimung zuerſt erfolgt.
Unter ungünſtigen Verhältniſſen kann jedoch bei der ſachkundigſten Behandlung
kein guter Same gewonnen werden, da jede Pflanze ihre beſonderen Anſprüche an
Boden und Klima macht. Für ſolche Oertlichkeiten empfiehlt ſich der Samenbezug
von auswärts oder das Wechſeln des Samens. Die etwaigen Mehrkoſten des
fremden Saatgutes lohnen ſich durch die anzuhoffenden höheren Ernteerträge. Dieſes
Wechſeln muß jedoch, ſoll es erfolgreich bleiben, öfter wiederholt werden, indem der
fremde Same, wenn er auch anfänglich reicheren Ertrag als der einheimiſche gewährt,
doch mit der Zeit, je nach der Pflanzenart in ein oder mehreren, höchſtens 3—4
Jahren, ſeine Eigenthümlichkeit verliert und ſich nicht mehr von dem ortsüblichen
Samen unterſcheidet. Kann der Same von auswärts billiger als der eigengebaute
Same bezogen werden, wie z. B. bei Klee-, Gras-, Gemüſeſamen, ſo wird man
gleichfalls den fremden Samen vorziehen. In jedem Falle hat man fremde Samen
vor ihrer Verwendung möglichſt ſorgfältig auszuputzen, um ſich nicht der Gefahr
auszuſetzen, läſtige, oft ſchwer ausrottbare Unkräuter einzuſchleppen.
Krafft, Lehrb. d. Landw. I. 14
[210]Allgemeine Ackerbaulehre.
Ein näheres Eingehen auf die Ausführung des Samenwechſels muß bei der
Verſchiedenartigkeit der Culturpflanzen in dieſer Beziehung dem beſonderen Pflanzen-
baue vorbehalten bleiben.
3. Die Saatzeit.
Damit der Keim im Samen zur Entwickelung gelangen kann, müſſen die Reſerve-
ſtoffe aufgelöſt und dem Keime zugeführt werden. Zum Keimen iſt daher Waſſer
und außer dieſem der Sauerſtoff der Luft und je nach der Pflanzenart ein beſtimmter
Wärmegrad erforderlich. Je nach den Wärmeanſprüchen werden die Pflanzen zu
verſchiedenen Zeiten anzubauen ſein. Pflanzen, welche meiſtens wie Roggen, Weizen,
zuweilen auch Gerſte, Raps, Rübſen, Erbſen, Wicken, unſere Winterkälte vertragen,
werden im Herbſte angebaut, damit ſie im nächſten Frühjahre unterſtützt durch die
Winterfeuchte um ſo ſchneller heranwachſen können. Im Frühjahre werden dagegen
alle in der Jugend gegen Winterkälte empfindlicheren einjährigen und auch die meiſten
zwei- und mehrjährigen Culturpflanzen angebaut.
Den Anbau der erſteren Pflanzen, der ſog. Winterfrüchte, bezeichnet man nach
der Zeit der Ausführung als den Herbſt- oder Winteranbau, den der letzteren
Pflanzengruppe als den Frühjahr- oder Sommeranbau. Neben dieſen beiden
Saatzeiten kommt in wärmeren Landſtrichen mit mildem Spätſommer auch noch eine
Ausſaat nach dem Getreideſchnitte der ſog. Stoppelfruchtbau vor.
Der beſondere Zeitpunkt zur Ausführung der Saat richtet ſich nach dem Ein-
tritte der erforderlichen Wärme, nach dem Wärme- und Feuchtigkeits-Bedürfniſſe der
Keimpflanze und der wachſenden Pflanze und nach der Vorbereitung und nach dem
Feuchtigkeitszuſtande des Bodens.
1. Der Winteranbau.
Im Herbſte muß die Saat jedenfalls vollendet ſein, bevor die Vegetation bei
einer mittleren Tagestemperatur von 5° C. zum Stillſtande kommt. Vortheilhafter
wird es ſein, die Saat ſchon früher auszuführen, da nicht nur der Same einige
Tage zum Aufkeimen braucht, ſondern auch die Saat noch Zeit zur Beſtockung
erfordert. Die Beſtockung hört auf, wenn die mittlere Tagestemperatur auf 8.8° C.
herabgeſunken iſt. Zu ſpät geſäete Pflanzen fangen bei entſprechender Witterung im
Frühjahre ſchon zu ſchoſſen an, obgleich ſie noch nicht Zeit genug gehabt haben,
zu einer kräftigen Entwickelung genügende Mengen an Bildungsſtoffen zu aſſimiliren
Säet man anderſeits zu frühzeitig, ſo werden ſich die Pflanzen zu reichlich beſtocken
und dadurch leichter dem Verfaulen über Winter ausgeſetzt ſein.
Für den hohen Werth der rechtzeitigen Ausſaat für die Entwickelung des Getreides
ſprechen unter Andern die Verſuche von H. Thiel 1). Je 357 Körner Weizen ergaben bei
verſchiedener Saatzeit am 29. Juli die folgenden Erntereſultate:
[211]Die Saat.
Neben der Wärme und Feuchtigkeit erfordert auch der Zuſtand des Bodens
bei Feſtſtellung der Saatzeit eine eingehende Berückſichtigung. Im Allgemeinen wird
man in einem rauhen, kalten Klima bei gebundenem Boden im Herbſte früher, in
einem milden, warmen Klima bei loſem Sandboden ſpäter anbauen. Iſt der Herbſt
trocken, wird eine frühe, iſt er feucht, eine ſpätere Saat beſſeres Gedeihen erwarten
laſſen.
In unſeren Breiten werden die Saaten je nach der mittleren Tagestemperatur
ungefähr in der folgenden Reihenfolge, welche jedoch durch die jeweilige Herbſt-
witterung und durch den Stand der Vorbereitung des Feldes mannigfaltige Aenderung
erfährt, auszuführen ſein:
2. Der Sommeranbau.
Im Frühjahre muß mit dem Anbaue ſo lange gewartet werden, bis das Feld
ſoweit abgetrocknet, daß es zur Saal hergerichtet werden kann. Bei zu früher Saat
würde der Same wegen Mangel an Wärme gar nicht oder zu langſam keimen und
daher leicht der Gefahr des Verfaulens oder der Unterdrückung durch aufkeimendes
Unkraut ausgeſetzt ſein. Manche Keimpflanzen (Mais, Phaſeolen) ſind überdies ſehr
empfindlich gegen Froſt, weshalb ſie erſt ſpäter, nachdem die Zeit der Fröſte vorüber,
geſäet werden können. Samen wie Klee, Pferdebohnen, Erbſen, welche viele Feuchtig-
keit zum Keimen brauchen, desgleichen Samen, wie Hafer, Pferdebohnen ꝛc., welche
Pflanzen mit langer Vegetationszeit angehören, hat man dagegen ſo zeitlich als
thunlich anzubauen.
Boden, Klima und Witterung entſcheiden jedoch auch hier, wie bei den Winter-
ſaaten über den genaueren Zeitpunkt der Saat. Im rauhen, feuchten Gebirgs-
klima wird die Frühjahrsſaat ſpäter als in einem milden, trockenen Klima vor-
zunehmen ſein. Auf gebundenem Boden, der lange feucht bleibt, verzögert ſich die
Saatzeit gleichfalls, während auf lockerem Boden, der raſch abtrocknet, ſo früh als
thunlich zur Saat geſchritten werden muß, um die Winterfeuchtigkeit nach Möglichkeit
auszunützen.
14*
[212]Allgemeine Ackerbaulehre.
In unſeren Breiten wird die ungefähre Reihenfolge der Saaten im Frühjahre,
unter demſelben Vorbehalte wie für den Winteranbau, die folgende ſein:
3. Der Stoppelfruchtbau.
In Gegenden mit feuchter Herbſtwitterung gelangt ſchließlich auf das ſchon
einmal abgeerntete Feld noch eine zweite Saat, die Stoppelfruchtſaat zur Aus-
führung. Am gewöhnlichſten baut man die Stoppelfrüchte in die aufgebrochene
Getreideſtoppel, um entweder noch eine zweite Körnerernte oder noch häufiger um
durch den Anbau ſchnell wachſender Pflanzen Material zur Gründüngung oder zur
Fütterung zu gewinnen. Als Stoppelfrüchte werden gebaut: Buchweizen, Stoppel-
oder Waſſerrüben, Möhren, Grünerbſen und Wicken, Futtermais, Spergel, Incarnat-
klee und andere Futterpflanzen. Der Erfolg der Stoppelſaat hängt davon ab, daß
man unter Zuhilfenahme von raſch wirkenden Düngern, wie Jauche, Guano, Blut-
dünger ꝛc. ſofort nach der erſten Ernte noch während des Einführens derſelben den
Boden umbricht, um die Saat noch früh genug vollenden zu können. Bei alledem
wird der Stoppelfruchtbau nur in milden Lagen mit günſtiger, nicht zu trockener
Herbſtwitterung und auf einem kräftigen, in guter Cultur ſtehenden Boden gelingen,
da nur unter ſolchen Verhältniſſen die Stoppelfrüchte Feuchte und Wärme, die beiden
Bedingungen für ihr Keimen und Ausreifen finden können.
4. Die Säemaſchine.
Der Erfolg der künftigen Ernte hängt nicht nur von der guten Beſchaffenheit
des Samens ſondern auch von der ſachgemäßen Ausführung der Saat ab. Wirth-
ſchaftlich ausgeführt iſt die Saat, wenn mit der möglichſt geringſten Saatmenge ein
möglichſt hoher Ernteertrag erzielt wird. Eine der erſten Bedingungen zur Erreichung
dieſes Zieles iſt die Ausſaat von gleich viel Samen auf jede Feldſtelle. Wird dieſe
Bedingung erfüllt, ſo wird kein Same überflüſſig hinausgeworfen und der höchſte
[213]Die Saat.
Rohertrag durch die Gleichmäßigkeit des ſpäteren Pflanzenſtandes gewährleiſtet, da
jeder Pflanze gleich viel Nährſtoffe des Bodens und der Luft zu ihrer Entwickelung
zukommen können.
Gewöhnlich wird die Saat mit der Hand ausgeführt; in neuerer Zeit faſt
ebenſo häufig mit der Maſchine.
Mit der Säemaſchine wird auf einem ebenen und ſelbſt mäßig gewellten Felde
der Same viel gleichmäßiger ausgeſtreut, als dies ſelbſt dem geübteſten Säemann ge-
lingen kann. Ueberdies wird die Saat mit der Maſchine ſchneller und oft auch billiger
ausgeführt, weshalb der günſtigſte Zeitpunkt zur Ausführung derſelben gewählt
werden kann; Umſtände, von welchen die Vollkommenheit der Saat und die Größe
der künftigen Ernte weſentlich abhängen. Nur in Gebirgsgegenden oder auf ſtark
hügeligen Feldern werden dieſe Vortheile, welche der Maſchinenſaat gegenüber der
Handſaat zukommen, durch die Schwierigkeiten, welche ſich der Anwendung der
Maſchine entgegenſtellen, mehr als aufgewogen.
Mit der Hand oder der Maſchine kann der Same entweder unregelmäßig —
breitwürfig — über das zur Saat genügend vorbereitete Feld geſtreut oder in
Reihen — Reihenſaat — oder in regelmäßigen Abſtänden (im Verbande) —
Dibbelſaat — in den Boden gelegt werden. Bei den beiden letzteren Saat-
methoden wird die Saatfrucht gleichzeitig in den Boden untergebracht, während die-
ſelbe bei der Breitſaat erſt nachträglich mit Erde bedeckt werden muß. Dem ent-
ſprechend können die Säemaſchinen unterſchieden werden in: 1. Breitſäemaſchinen,
2. Reihenſäemaſchinen (Drills, Drillſäemaſchinen) und 3. Dibbelſäemaſchinen.
In der Anordnung der weſentlichſten Theile ſtimmen alle Säemaſchinen überein.
Jede Säemaſchine beſitzt ein Wagengeſtell Fig. 77 (ſ. S. 217) A., mit oder ohne
Steurungsvorrichtung, den Saatkaſten B. und die Saatleitung C.
Das Wagengeſtell ruht auf 2, 3 oder 4 Rädern, welche durch Zahnrad-
überſetzungen, un, den Samenvertheilungsapparat in Bewegung ſetzen. Von ſeiner
Breite hängt die Leiſtungs- und Transportfähigkeit ab. Die Breitſaatmaſchinen
erhalten gewöhnlich eine Breite von 2.5—4 M. Ihre Leiſtungsfähigkeit beträgt
in letzterem Falle 10 Hectar per Tag. Um bei einer Breite von 3.76 M. den
Transport auf das Feld zu erleichtern, hat H. F. Eckert—Berlin ſeine Univerſal-
breitſäemaſchine derart eingerichtet, daß die Maſchine, wie in Fig. 73 (ſ. S. 214),
erſichtlich, der Länge nach gefahren werden kann. Die Spurbreite der Drill- und
Dibbelſäemaſchinen beträgt 1.8—2 M. Zur größeren Ausnützung der Zugkraft
und der Bedienung werden aber auch gegenwärtig Maſchinen wie z. B. die Germania-
Drill- und Dibbelmaſchine von W. Siedersleben—Bernburg (Gewicht 24reihig
735 Kilogr., Preis 1200 Mark, 600 fl.) bis zu einer Spurweite von 3.77 M.
gebaut und damit die Leiſtungsfähigkeit von 4—5½ Hectar per Tag bei gewöhnlicher
Spurbreite bis auf 12 Hectar per Tag geſteigert.
Der Saatkaſten beſteht meiſtens aus zwei Abtheilungen, von welchen die
obere, Fig. 77 a, zur Aufnahme des auszuſäenden Samens dient, während die untere,
d, den Samenvertheilungsapparat enthält. Ein angemeſſener Faſſungsraum der
[214]Allgemeine Ackerbaulehre.
erſten Abtheilung, iſt nach Perels 1) für Breitſäemaſchinen 1.5 Hectoliter für Drills
und Dibbelmaſchinen 0.75—1 Hectoliter. Iſt der Raum zu klein, ſo wird die
Arbeit durch das öftere Nachfüllen zu ſehr behindert.
Die größten Verſchiedenheiten ergeben ſich in der Conſtruction des Samen-
Univerſalbreitſäemaſchine von
H. F. Eckert—Berlin, langfahrend für den
Transport zuſammengeſtellt. — Gewicht
225 Kilogr., Preis 244 Mark, 122 fl.
vertheilungsapparates, welcher jedoch für alle drei
Gruppen von Säemaſchinen, er mag was immer
für eine Form erhalten, in gleicher Weiſe an-
gewendet werden kann. Derſelbe beſteht aus der
Säewelle, welche von den Fahrrädern aus durch
eine Zahnrad- oder Kettenradüberſetzung zur Um-
drehung gebracht wird und aus dem auf der
Säewelle in beſtimmten Abſtänden aufgeſchobenen
Schöpfapparat, welcher den Samen aufzunehmen
und den Saatleitungen zuzuführen hat. Nach
der Form des Schöpfapparates unterſcheidet man
folgende Samenvertheilungsapparate:
- 1. Kapſeln oder Trommeln (Williamſon, Hohen-
heimer Kapſelſäemaſchine). - 2. Ausſtreuung durch Tangentialkraft.
- 3. Säewalzen (Duket's Bürſtenſyſtem, Alban'
ſche Walzen) - 4. Säeräder (Slight, Bürſtenwalzen-Syſtem,
Säeſcheiben). - 5. Löffel (Cook's, Garrett's Syſtem).
- 6. Schöpfräder.
Die Bemeſſung des Saatquantums wird
bei 1—4 durch Schieber, welche die Ausſtreu-
öffnungen beliebig erweitern oder verkleinern bei
5 und 6 durch Aenderung der Umdrehungs-
geſchwindigkeit der Säewelle bewerkſtelligt, zu
welchem Zwecke den letzteren Maſchinen eine ent-
ſprechende Anzahl Wechſelräder beigegeben werden.
Am einfachſten iſt der Samenvertheilungs-
apparat bei den Trommel ſäemaſchinen. Er
beſteht aus einer Mehrzahl von Oeffnungen,
welche am Umfange der Kapſeln angebracht ſind
und die durch einen gleichfalls durchlöcherten, verſchiebbaren Ring verſchieden weit offen
erhalten werden können, um das Saatquantum zu bemeſſen. Dieſe Einfachheit der Con-
ſtruction iſt dadurch möglich gemacht, daß der Samenkaſten, die Kapſel, nicht wie
gewöhnlich feſt, ſondern drehbar vermittelſt der durch die Kapſeln geſteckten Welle
[215]Die Saat.
eingerichtet iſt. Die Samenvertheilung iſt jedoch nur bei runden, glatten Samen
wie Raps verläßlich, weshalb dieſe Art von Säemaſchinen immer mehr durch andere
Conſtructionen verdrängt werden.
Das Ausſtreuen des Samens durch Tangentialkraft, bei welchem der
aus einer Oeffnung des Säekaſtens ausfließende Same auf eine rotirende Scheibe
oder einen rotirenden Kegel fällt und verſtreut wird, iſt [gleichfalls] ſehr unzuverläßlich,
weshalb daſſelbe nur noch vereinzelt bei Handſäemaſchinen zur Anwendung gelangt.
Die Säewalzen beſtehen aus 16 Cm. langen, hölzernen Walzen, welche an
ihrem Umfange mit Löchern oder zellenförmigen Vertiefungen verſehen ſind. Ueber
denſelben ſind meiſt kleine blecherne Zulauftrichter angebracht, durch deren Verſchiebung
die Mündungen der Zellen, zum Ausſäen geringerer Saatmengen, theilweiſe verdeckt
werden können. Damit die Zellen immer gleich viel Samen bei der Umdrehung der
Walzen aufnehmen, wird der Ueberfluß durch kleine an den Blechtrichter befeſtigte
Bürſtchen abgeſtreift. Die vorzüglichſte Maſchine dieſer Art iſt die beſonders früher
viel verbreitete Breitſäemaſchine von Alban (Breite 3.4 und 3.75 M., Gewicht
210 Kilogr., Preis 234 Mark 117 fl.), welche ſeither durch die neueren Con-
ſtructionen von Kämmerer, Eckert ꝛc. überholt wurde.
Gegenüber den eben ange-
führten Conſtructionen werden
gegenwärtig die Säeräder, Löffeln
und Schöpfräder zur Vertheilung
des Samens viel häufiger ver-
wendet.
Die Säeräder beſtehen
aus einer Mehrzahl verſchieden
geformter Scheiben, welche ſich
dicht über Oeffnungen im Boden
des Säekaſtens befinden. Bei
ihrer Umdrehung wird der Same
aus dieſen Oeffnungen aus-
H. F. Eckert's Säeſcheibe. — a Säeſcheibe, b Säe-
welle, c ſtellbarer Schieber.
geſtreut. Eine ſehr zweckmäßige, dauerhafte Form dieſer Säeräder oder Säeſcheiben,
Fig. 74, iſt jene, welche Eckert bei ſeiner Univerſalbreitſäemaſchine, (Fig. 75,
im Querſchnitte, Fig. 76, ſ. S. 216, im Längsſchnitte und Fig. 73 auf S. 214
in der Zuſammenſtellung zum Transporte dargeſtellt) anwendet. Dieſe Säeſcheiben,
Fig. 74 a, welche in beſtimmten Abſtänden (ſ. Fig. 76 auf S. 216) an der
Säewelle b aufgeſchoben ſind, bewirken durch ihre wellenartige Form ein ſtetiges
Verſchieben der Körner, wodurch ihr Ausfließen aus den Oeffnungen im Boden des
Säekaſtens geregelt wird. Zur Bemeſſung der Samenmenge läßt ſich mit einem
Stellhebel, welcher auf einer Scala genau das auszuſäende Quantum angiebt, die
Schiene c derart verſchieben, daß die Ausſtreuöffnung verkleinert oder ſelbſt ganz
geſchloſſen wird. Um ein ſtärkeres Ausſäen zu verhindern, iſt nach der ganzen Länge
des Saatkaſtens über der Säewelle und den 22 Säeſcheiben eine Schutzklappe
[216]Allgemeine Ackerbaulehre.
angebracht, welche den Säekaſten, Fig. 75, gleichzeitig in den Samenvorraths- und
den Samenvertheilungsraum ſcheidet.
Fig. 75. Querſchnitt; Fig. 76 Längsſchnitt durch die
Univerſalbreitſäemaſchine von H. F. Eckert.
Bei den Löffelſäemaſchinen
wird der Samenvertheilungsapparat
von Scheiben, Fig. 77 e (ſ. S. 217),
gebildet, an welchen jederſeits nahe
dem Umfange ſchmiedeeiſerne oder
wegen der gleichen Form aus hämmer-
barem Gußeiſen hergeſtellte Löffeln an-
genietet ſind. Mehrere dieſer Löffel-
ſcheiben werden in beſtimmten Ab-
ſtänden an einer vierkantigen Säewelle
aufgeſchoben. Der Same, welcher von
den Löffeln bei der Umdrehung der
Scheiben aus dem unteren Theile des
Saatkaſtens geſchöpft wird, fällt, ſobald
die Löffeln ihre höchſte Stellung er-
reicht haben, in den blechernen Säe-
trichter f, deſſen oberer Rand ſo ge-
formt, daß er allen von den Löffeln
geſchöpften Samen aufzufangen ver-
mag. Das Wandſtück h des Trichters
läßt ſich durch den Draht g um ein
Charnier drehen und in die in der
Figur gezeichneten Stellung bringen,
bei welcher die Mündung des Trichters
verſchloſſen iſt; der geſchöpfte Same
wird dann durch die offene Wand bei h
wieder in den Saatkaſten zurückfallen.
Durch dieſe Einrichtung iſt es möglich,
die eine oder andere Saatzuführung
nach Bedarf außer Betrieb zu ſetzen.
Um die Säewelle mit den Löffelſcheiben
leicht auswechſeln zu können, ſtecken
die Saattrichter zum leichten Abnehmen
mit ihrem unteren Ende in vierkantig
ausgeſchnittenen, mit Blech ausgefütter-
ten Oeffnungen des Samenkaſtens.
Um mit ein und denſelben
Löffelſcheiben verſchieden große Samen ausſäen zu können, verwendet man die Smyth'-
ſchen Doppellöffel, welche auf ihrer Rückſeite mit kleineren Höhlungen verſehen ſind.
[217]Die Saat.
Durch einfaches Umkehren der Löffelwelle iſt es möglich, aus dieſen kleineren Ver-
tiefungen auch Raps, Klee, überhaupt feinere Sämereien auszuſäen.
Querſchnitt durch die Garrett'ſche Reihenſäemaſchine. — A Wagengeſtell; B Saatkaſten:
a Samenvorrathskammer, b Gleitſteg, c durch einen Schieber verſchließbare Samen-Ausflußöffnung,
d Samenvertheilungsraum, e Löffelſcheibe, f Säetrichter, g Verſchlußklappe, welche beim Säen die
Oeſſnung h in der Trichterwand verſchließt, uu, Zahnradüberſetzung; C C' Saatleitung: i i' Schüttel-
trichter, k k' Saatſtiefel, l l' Saatſchare, m um den Punkt n drehbarer Saatſcharhebel, o Gewicht,
p Strebe zur Befeſtigung der Hebel, qq' Vorrichtung zum Neigen des Saatkaſtens, r Kreuzhebel, r' Sperr-
hebel, s Winde, t Hebel zum Ausrücken der beiden Zahnräder, um das Ausſtreuen des Samens zu
unterbrechen.
In neuerer Zeit verwendet man an Stelle der Löffelſcheiben die billiger an-
zufertigenden Schöpfräder an deren Peripherie gleich große, ſehr genau aus-
gearbeitete, halbkugelförmige Vertiefungen angebracht ſind. Von deutſchen Firmen
Verſchiedene Schöpfräder zur Drillmaſchine von Rud. Sack — Plagwitz. — a für feine
Sämereien, Klee ꝛc., b für Getreide und Rübenkerne, c für Bohnen, Mais, Dinkel, d zum Dibbeln der
Rübenkerne, e für Pferdebohnen. Preis eines Schöpfrades 2 Mark, 1 fl.; 1 Schöpfrad d 1.7 Mark, 0.85 fl.
haben dieſe Säevorrichtung Rud. Sack in Plagwitz—Leipzig, Fig. 78, Zimmermann—
Halle, Eckert—Berlin angenommen.
[218]Allgemeine Ackerbaulehre.
Die bisher angeführten Theile der Säemaſchinen, das Geſtell und der Samen-
kaſten, werden in gleicher Weiſe bei allen drei Säemaſchinenarten angewendet. Ein
Unterſchied ergiebt ſich erſt in der Conſtruction der Saatleitung.
Bei den Breitſäemaſchinen fällt der Same entweder unmittelbar aus den
Ausſtreuöffnungen zu Boden, beſonders dann wenn der Säekaſten ſehr nahe dem Boden
angebracht iſt, oder vorher auf ein Vertheilungs- oder Streubrett. Daſſelbe beſteht
bei der Alban'ſchen Breitſäemaſchine aus einem unter dem Säekaſten hängenden
Brette von gleicher Länge mit der Maſchine, auf welchem mit der Kante nach auf-
wärts dreieckige Holzklötzchen befeſtigt ſind. Der aus der Maſchine fallende Same
wird, an die Klötzchen auffallend, entſprechend vertheilt, jedoch nur ſo lange als die-
Längsſchnitt durch Smyth's
teleſkopiſche Samenleitungsröhre. —
a Ausflußröhre aus dem Samenkaſten,
b1 b3 doppelwandige Röhre, in welche
ſich die Röhre b2 einſchieben kann,
c Kugelgelenk, d Querſchnitt durch den
Saatſcharhebel, e Saatſchar.
ſelben durch Regen nicht naß geworden ſind. Zweck-
mäßiger, weil gegen Naßwerden beſſer geſchützt, iſt das
Fallbrett, welches zuerſt von Kämmerer angewendet
wurde. Daſſelbe beſteht aus zwei parallelen etwas
abſtehenden Brettern, durch welche ſenkrecht eine Mehr-
zahl reihenweiſe verſetzter Meſſingſtifte (ſ. Fig. 73
S. 214) durchgezogen ſind. Die Vertheilung des
Samens, welcher in den Zwiſchenraum der beiden
Bretter hineinfällt, erfolgt durch das Anprallen an
die Stifte.
Bei der Drillmaſchine hat die Saatleitung
nicht nur den Zweck, den Samen aus der Maſchine
zum Boden gelangen zu laſſen, ſondern auch denſelben
in den Boden reihenweiſe unterzubringen. Für jede
Reihe, jede Ausſtreuöffnung iſt daher eine eigene Saat-
leitung erforderlich. Dieſelbe beſteht aus einer ver-
ſchieden geſtalteten Saatröhre, welche in den mit einem
kleinen Schare verſehenen Saatſtiefel, Fig. 77 S. 217
k k', ausmündet. Die Saatſtiefel ſind mit einem
am Geſtelle der Maſchine bei n beweglich befeſtigten
Saatſcharhebel m, welcher rückwärts durch angehängte
Gewichte o beſchwert werden kann, verſehen, um den
Unebenheiten des Bodens folgen zu können. Die
ſämmtlichen Saathebel ſind an einer hölzernen durch
einen Kreuzhaspel drehbaren Welle s mit Kettchen
aufgehängt, um bei Unterbrechung der Saat gleich-
zeitig aus dem Boden gehoben werden zu können
Am zweckmäßigſten ſind die in der Fig. 79 dar-
geſtellten Saatleitungen aus ineinander ſchiebbaren
Blechröhren (teleſkopiſche Saatröhren), welche mittelſt eines Kugelgelenkes mit den
Saatſtiefeln vereinigt ſind. Weniger verläßlich ſind die bei der ſonſt vielfach be-
währten Drillmaſchine von R. Garrett \& Sohn—Leiſton, Fig. 80 (ſ. S. 219),
[219]Die Saat.
angewendeten Saatleitungen aus in einander geſteckten, an kleinen Kettchen hängenden
Blechtrichtern. Hornsby—Grantham erſetzt dieſelben durch Schläuche aus vulcaniſirtem
Kautſchuk, welche zur Sicherung der
Samenleitung an ihren unteren in den
Saatſtiefeln eingelegten Enden in kurze
Blechröhren ausmünden.
Die Saatleitungen der Dibbel-
maſchinen müſſen mit Vorrichtungen
verſehen ſein, welche ein intermettirendes
Ausſtreuen des Samens ermöglichen.
Bei Kutzer's Rübendibbelmaſchine (aus-
geführt von B. Eichmann—Prag.
Gewicht 400 Kilogr., Preis 700 Mark,
350 fl.) wird das platzweiſe Aus-
ſäen durch eine mit bohnenförmigen
Vertiefungen verſehenen Walze ver-
mittelt, weche bis nahe an ihrem
unteren dem Boden zugekehrten Theile
von einer Schiene umgeben wird, um
ein vorzeitiges Herausfallen des
Samens zu verhindern. Ihre Arbeit
iſt vorzüglich, wenn die Vorſicht ge-
braucht wird in mäßigem Schritte zu
fahren, damit die Tüpfel nicht zu
Reihen ausgezogen werden.
In neuerer Zeit verſieht man
gewöhnliche Drillmaſchinen mit einem
Dibbelapparate. Derſelbe wird von
hin- und herbewegten Schiebern oder
Klappen gebildet, welche die Saat-
leitung nur zeitweilig öffnen. Bei
dem Dibbelapparat von R. Sack
(Preis für 4 Reihen 60—75 Mark,
30—38 fl) wird die Bewegung der
Klappen durch mit Daumen verſehene
Scheiben bewerkſtelligt.
13reihige Drillſäemaſchine von R. Garrett \&
Sohn—Leiſton. — Breite 11—13reihig 1.88 M., Gewicht
600 Kilogr.; Preis ſammt 2 Säeſcheiben, 2 Saatſcharen,
14 Stück Ueberſetzungsrädern, 14 Paar Lagern, 13 ſchweren
20 leichten Gewichten, mit ganz eiſernen Laufrädern über-
zogen mit ſchmiedeeiſernen Radreifen 780 Mark, 390 fl.
Bei der Ausführung der Drillſaat iſt beſonders die Saatmenge und der richtige An-
ſchluß der einzelnen Säebreiten genau feſtzuſtellen. Zur Beſtimmung der auszuſäenden
Saatmenge hat man nur zu ermitteln, welche Fläche beſäet und welches Samengewicht bei
einer beſtimmten Zahl Radumdrehungen ausgeſtreut wird. Iſt die Maſchine 2 Meter breit,
der Umfang der Fahrräder 5 Meter, ſo wird bei jedesmaliger Umdrehung des Rades eine
Fläche von 10 □Meter angebaut. Für 1 Ar (100 □Meter) ſind daher 10 Radumdrehungen
erforderlich. Nunmehr beſtimmt man das Saatgewicht, welches ſich bei 10 Umdrehungen
[220]Allgemeine Ackerbaulehre.
der Fahrräder (damit dieſelben frei beweglich ſind, hebt man die Maſchine, welche zur
Sammlung des Samens auf ein Tuch geſtellt wird, auf untergeſchobene Böcke) für jedes
der 10—12 zur Umdrehung der Säewelle jeder Maſchine beigegebenen Triebräder ergiebt.
Iſt die Reihenentfernung nicht in die Spurbreite der Maſchine theilbar, ſo läßt ſich eine
gleiche Entfernung der Anſchlußreihen nur dann erzielen, wenn die Drillmaſchine mit einem
Vorderſteuer verſehen iſt, deſſen Spurweite ſich ändern läßt. Für die Feſtſtellung der Spur-
weite des Vordergeſtells empfehlen wir 1) die Formel ½ v = a + b — (c + d).
In derſelben bedeutet ½ v die halbe Spurbreite des Vorderſteuers von der inneren Kante
des Radkranzes gemeſſen, a die Entfernung der letzten Schar, welche in der gewünſchten
Reihenentfernung noch angebracht werden kann, von der Mitte der Maſchinenbreite, b die
Reihenentferung, c den Abſtand des letzten Schares von der inneren Kante des Hinterrades
und d die Breite des Hinterrades. Das Vorderſteuer muß dann ſo geführt werden, daß die
innere Kante des Vorderrades auf die Spur der äußeren Kante des Hinterrades kommt.
5. Die Saatmethode.
Saatmethoden giebt es die Folgenden: 1. die breitwürfige Saat, 2. die Reihen-
ſaat, 3. die Dibbelſaat und 4. die Gemengſaat. Außerdem verdient 5. das An-
quellen und Einbeizen der Samen Beachtung.
1. Die breitwürfige Saat.
Am gewöhnlichſten führt man die Breitſaat mit der Hand aus. Ein Säetuch
oder ein Säekorb ſind dafür die einzigen Hülfsmittel. Die tägliche Leiſtungs-
fähigkeit eines geübten Säemanns beträgt 3.5—4.5 Hectar. Eine regelmäßige
Samenvertheilung gelingt jedoch nur dem geübten Säemanne, welcher erſt viele Fehl-
ſaaten macht, bis er jene Uebung erlangt. Noch ſchwieriger als die gleichmäßige
Vertheilung mit der Hand iſt das Ausſäen einer beſtimmten Samenmenge auf eine be-
ſtimmte Fläche. Um die Samenmenge verſchieden zu bemeſſen, greift der Säemann
entweder ſtärker oder ſchwächer, mit der ganzen Hand oder nur mit den Fingern in
den Samen oder er macht größere, kleinere Schritte, wirft den Samen bei jedem
oder erſt bei jedem folgenden Schritte auf eine größere oder geringere Feldbreite oder
er ſäet zweimal nach verſchiedenen Richtungen, wenn möglich kreuz und quer über
das Feld oder er läßt ſchließlich bei Beeten die Saatbreiten zur Hälfte übergreifen.
Um feine Samen oder eine geringe Saatmenge in richtigem Ausmaße zu ſäen ver-
mengt man dieſelbe mit lockerer Erde und ſtreut ſie erſt dann mit dieſer auf das Feld.
Bei der Handſaat hat der Säemann zu beachten, daß ein und dieſelbe Feld-
ſtelle nicht zwei oder mehrmal beſäet werde. Bei in Beeten gepflügten Feldern wird
ſich dies leicht vermeiden laſſen. Bei eben gepflügtem Felde muß jedoch das ſchon
beſäete von dem unbeſäeten Felde durch Einſtecken einer Miſtgabel, an deren Stiel
ein kleiner Strohwiſch gebunden oder bei kurzen Feldern durch das Aufſtellen der
Fruchtſäcke am Feldrande von einander geſchieden werden. In vielen Fällen reicht
auch zur Erkennung des ſchon beſäeten Feldtheiles die Spur der Schritte oder das
Hinlegen des Hutes vollkommen aus.
[221]Die Saat.
Tritt windiges Wetter ein, ſo kann die Handſaat nicht ausgeführt werden,
ſollte ſelbſt darüber die beſte Saatzeit verloren gehen.
Dieſer und mancher andere Uebelſtand wird jedoch vermieden, wenn die Breit-
ſaat mit der Maſchine ausgeführt wird. Außerdem gewährt die Maſchinenbreitſaat
den Vortheil, daß die Arbeit raſcher vollführt werden kann, da je nach der Breite der
Maſchine 8—10 Hectar per Tag beſäet werden können und daß der Same nicht nur
gleichmäßiger, ſondern auch zu jedem beliebigen Quantum mit großer Verläßlichkeit
ausgeſäet werden kann. Da mit der Breitſaatmaſchine nicht ſo viel Samen, wie bei
der Handbreitſaat überflüſſig verſtreut wird, ſo reicht für erſtere, um eine gleiche Fläche
entſprechend mit Samen zu beſtellen, oft eine um 10 Procent geringere Saatmenge
aus, um deren Werth die Saat billiger als bei Handſaat zu ſtehen kommt.
2. Die Reihen- oder Drillſaat.
Mit der Hand kann die Reihenſaat im Großen nur unvollkommen ausgeführt
werden, indem man den Samen oder die Knollen in jede zweite oder dritte Pflug-
furche legt und durch den folgenden Erdſtreifen zudeckt. Häufiger als am Felde wird
die Handreihenſaat im Garten ausgeführt, indem man nach der Schnur mit dem
Rechenſtiel eine Rinne zur Aufnahme-des Samens öffnet.
Im Großen wird die Reihenſaat am häufigſten mit der Maſchine ausgeführt,
welche gleichzeitig bei einer zwei bis vierſpännigen Zugkraft 11—13 und mehr Reihen
ausſäet. Da Saat und Unterbringung zur gleichen Zeit erfolgt, ſo wird die Saat-
beſtellung, trotzdem die Drillmaſchine nicht viel mehr Fläche täglich beſäen kann, als
ein geübter Säemann, doch ſchneller als bei der Handbreitſaat, welche erſt unter-
gebracht werden muß, beendigt werden können.
Durch die Drillmaſchine wird der Same nicht nur gleichmäßig in regelrechten
Reihen ausgeſtreut, ſondern auch jedes Samenkorn zur gleichen, beliebig feſtzuſtellenden
Tiefe in den Boden gelegt. Gegenüber der Handbreitſaat kann daher bei der Drill-
ſaat noch mehr und zwar bis zu 25—33 Procent an Samen ohne Nachtheil für
den Saatenſtand geſpart werden. Durch dieſe Erſparniß wird ſich die Maſchine,
ſofern ihr nur eine genügende Fläche zur Beſtellung zugewieſen werden kann, in kurzer
Zeit bezahlt machen.
Bei geringerem Aufwande an Saatgut bietet die Drillſaat auch den weiteren,
durch die Erfahrung und den Verſuch 1) vielfach beſtätigten Vortheil einer größeren
und qualitätsreicheren Ernte, wie von vornherein zu erwarten iſt, da bei der Reihen-
ſaat jede Pflanze nahezu gleich viel Boden und Raum erhält, Luft und Licht un-
gehinderter zutreten können. Wegen des freien Lichtzutrittes wird auch das Lagern
der Pflanzen, das Auftreten von Roſt und Mehlthaupilzen weniger zu befürchten ſein
und daher auch die Ernte der gleichmäßiger ſtehenden Pflanzen erleichtert ſein. Nach
[222]Allgemeine Ackerbaulehre.
Meſſungen von Dr. Th. v. Gohren 1) vergrößert ſich durch das Drillen die geſammte
Blattfläche einer Pflanze gegenüber der breitwürfigen Saat bei Weizen um 72 Procent,
bei Hafer um 87 Procent und bei Gerſte um 62.5 Procent.
Ein ſchließlicher Vortheil der Maſchinenreihenſaat beſteht darin, daß der Land-
wirth durch die Einführung derſelben gezwungen wird ſein Feld ſorgfältiger zur
Saat vorzubereiten, da nur auf einem unkraut- und wurzelreinen, feingekrümelten
Boden die Maſchine erfolgreich arbeiten kann.
Bei der Ausführung der Drillſaat iſt es von Wichtigkeit, die Entfernung,
welche den Pflanzenreihen gegeben werden ſoll, feſtzuſtellen. Auf dieſelbe hat ſowohl
die Beſchaffenheit und der Culturzuſtand des Bodens, als auch die Saatzeit und die
ſpätere Entwickelung der auszuſäenden Pflanze einen Einfluß. Im Allgemeinen wird
man um ſo größere Reihenentfernungen zu wählen haben, je beſſer die Bodenqualität,
je früher die Saatzeit und je reichlicher ſich die Pflanze beſtockt, oder je üppiger deren
Blattentwickelung iſt und umgekehrt.
In England pflegt man die Reihen des Getreides, bei uns die Reihen der
Futter- und Hackfrüchte mindeſtens 20 — 25 Cm. entfernt zu halten, um die Pflanzen-
zwiſchenräume während des Wachsthums der Pflanze bearbeiten und vom Unkraute
reinigen zu können. In trockenem windigem Klima, in welchem ſich die Getreidepflanzen
nur bei nahem Stande zu ſchließen vermögen, iſt es meiſtens zweckmäßiger, die Reihen
nur 10—16 Cm. weit zu ſtellen und dann auf das Bearbeiten der Zwiſchenräume
mit Hackgeräthen zu verzichten. Bei engen Drillreihen ermäßigt ſich allerdings die
Samenerſparniß auf 20 und einige Procente, dagegen gewährleiſtet die gleich tiefe
Unterbringung des Samens gerade in trockenen Gegenden ein viel ſichereres, gleich-
mäßigeres Auflaufen der Saat.
3. Die Dibbel- oder Tüpfelſaat.
Die Dibbelſaat, auch Platz- oder Stufenſaat genannt, wird am häufigſten mit der
Hand ausgeführt. Vor Ausführung dieſer Saatmethode muß das Feld vollkommen
eben hergerichtet werden, damit die Plätze, auf welche die Samen hinkommen ſollen, leicht
Anordung der Pflanzen im
Quadratverbande.
erſichtlich gemacht werden können. Zur Bezeichnung
der Pflanzenſtellen dienen Reihenzieher oder Mar-
queure. Mit dieſen Geräthen, welche großen Rechen
mit weit geſtellten Zinken vergleichbar ſind, werden
nach beſtimmten Richtungen Linien in den Boden
eingeritzt. Sollen die Pflanzen nach allen Richtungen
gleich weit von einander abſtehen, damit ſich dieſelben
nach allen Richtungen gleichmäßig entwickeln können,
ſo wird man die Reihen entweder kreuz und quer
ziehen, die Pflanzen ſtehen dann im Viereck, dem ſog.
Quadratverbande, Fig. 81, oder nach drei Richtungen, die Pflanzen ſtehen
dann im Dreiecke, dem ſog. Dreiecksverbande, Fig. 82 (ſ. S. 223). Bei dem
[223]Die Saat.
[Quadratverbände] bringt man bei gleichem Abſtande der Pflanzen, weniger Pflanzen 1)
auf das Feld als bei dem Dreieckverbande. Bei engegebauten Pflanzen, welche im
Quadrat- oder Dreiecksverbande ſo nahe ſtehen würden, daß eine Bearbeitung der
Zwiſchenräume nicht mehr möglich wäre, zieht
man die Reihen kreuz und quer aber in ver-
ſchiedenen Abſtänden. Die Pflanzen ſtehen dann
im Rechtecke oder im ſog. Reihenverbande,
welcher wenigſtens nach einer Richtung eine
Bearbeitung zuläßt. Iſt das Feld auf die
eine oder andere Art markirt, ſo werden mit
der Handhacke oder dem Steckholze, Fig 83,
welches durch einen Querſtab verhindert wird
über die beſtimmte Saattiefe in den Boden ein-
Anordnung der Pflanzen im
Dreiecksverbande.
zudringen, kleine Grübchen an den Kreuzungspunkten der Linien oder in der Mitte
der Figuren ausgehoben, der Same mit der Hand hineingelegt und mit der Haue
oder durch einen Fußtritt mit Erde bedeckt. Je nach der Reihenentfernung legt
eine Perſon täglich z. B. 0.15—0.30 Hectar Kartoffelknollen oder 0.05—0.1 Hectar
Rübenſamen. Anſtatt des Reihenziehers verwendet man bei der Kleincultur zur Be-
zeichnung der Pflanzenſtellen einen Pflanzſtock, oder eine Markirwalze oder ein Brett,
das entſprechend der Entfernung der Pflanzenſtellen ein-
gekerbt oder eine Pflanzſchnur, bei welcher Knoten die Pflanz-
weite angeben
Bei Anwendung von Dibbelſäemaſchinen entfällt die
Markirung des Feldes, da der Same ſchon durch die
Maſchine platzweiſe in den Boden gelegt wird. Unvoll-
kommen aber vielfach ausreichend läßt ſich eine platzweiſe
Anordnung der Pflanzen auch in der Weiſe herſtellen, daß
man den Samen drillt und dann die überflüſſig aufge-
gangenen Pflanzen auszieht, vereinzelt.
Die Dibbelſaat bietet, allerdings bei erhöhtem Arbeits-
aufwande, wenn ſie mit der Hand ausgeführt wird, den
Steckholz.
großen Vortheil, daß bei derſelben am meiſten mit dem Samen geſpart wird. Das
Aufgehen und das Wachsthum der Pflanzen wird am gleichmäßigſten erfolgen können,
da bei voller Benützung jeder Feldſtelle keine Pflanze die andere in ihrer Entwickelung
behindert. Bei der Dibbelſaat iſt beſonders die Beſtockung, ſowie die Halm- und
Aehrenentwickelung 2) der Getreidepflanzen eine ungemein kräftige. Am auffälligſten
[224]Allgemeine Ackerbaulehre.
treten jedoch die Vortheile dieſer Saatmethode bei jenen Pflanzen hervor, welche wie
die Kartoffeln, Rüben, der Mais ꝛc., während ihres Wachsthums eine Bearbeitung
des Bodens in den Pflanzenzwiſchenräumen erhalten. Gewöhnlich rühmt man der
Tüpfelſaat auch nach, daß ſie bei guter Ausführung weniger von dem Inſektenfraße,
den Spätfröſten, und der Trockene zu leiden hat. Dagegen ſind Fehlſtellen viel auf-
fälliger ſichtbar und nachtheiliger als bei gedrillten Pflanzen.
In feuchten Lagen iſt es empfehlenswerth die Tüpfelſaat auf Kämme aus-
zuführen. Bei dieſer Kammſaat (S. 129) erhalten die Pflanzen nicht nur einen
trockeneren Standort, ſondern dieſelben können auch, da ſie höher ſtehen, das Unkraut
leichter unterdrücken. Die Kartoffeln, welche wegen ihrer kräftigen Triebe eine
ſtärkere Bedeckung vertragen, legt man oft auf das ebene, vorher markirte Feld und
bildet erſt nachträglich über den Reihen die Kämme.
4. Die Gemengſaat.
Die Verſchiedenheit der Saatmethode bezieht ſich nicht nur auf die Art der
Ausführung, ſondern auch auf die Zahl der Samenarten, welche auf daſſelbe Feld
ausgeſtreut werden. Gewöhnlich wird nur eine Samenart ausgeſtreut, zuweilen jedoch
auch zwei und mehr verſchiedenartige Samen. Am häufigſten wird die Doppel-
oder Gemengſaat bei dem Anbaue der Kleearten, des Graſes zur Ausführung
gebracht. Durch die gleichzeitige Einſaat mit Getreide erhalten dieſe in ihrer Jugend
langſamer wachſenden Pflanzen einen größeren Schutz. Unter einem wird ihre Be-
ſtellung billiger ausfallen, da ſie ſich mit der für das Getreide gegebenen Vorbereitung
begnügen. Als Schutz oder Ueberfrüchte darf man jedoch nur ſolche Pflanzen wählen,
welche die Unterſaat nicht allzuſehr beſchatten, ſich nicht lagern und überdieß das Feld
frühzeitig räumen. Am zweckmäßigſten ſind der Reihe nach Grünhafer, Grünmiſch-
ling, Lein, gedrillte und breitwürfige Halmfrüchte. Außer Klee unter Getreide pflegt
man in vielen Gegenden auch Möhren, Waſſerrüben unter Lein oder unter Gerſte,
Roggen anzubauen. Noch zweckmäßiger für dieſe Pflanzen iſt die Unterſaat in Raps,
nachdem dieſer die letzte Frühjahrsbearbeitung erhalten hat. Auf kräftigem Boden
gewähren nichtrankende Zwergbohnen unter weit geſtelltem Körnermais einen werth-
vollen Nebenertrag, welcher die Erſchwerung der Bearbeitung reichlich lohnt.
Bei der Kleincultur können auf einem gut gedüngten Boden in Frühkartoffeln
nach deren letzter Bearbeitung Runkelrüben eingepflanzt werden. Zur Sicherung
und Erhöhung des Futterertrages pflegt man ſelbſt mehrere Pflanzenarten ſogenannte
Miſchlinge oder Gemenge auf daſſelbe Feld anzubauen.
5. Das Anquellen und Einbeizen der Samen.
In der Regel wird der Same trocken ausgeſäet. Zuweilen läßt man den
Samen vor der Ausſaat einen Tag lang im Waſſer anquellen, um das Keimen im
Boden zu beſchleunigen. Folgt nach der Saat mit gequelltem Samen trockene
Witterung oder iſt der Boden trocken, ſo iſt es leicht möglich, daß die Keimung wegen
Mangel an Waſſer unterbrochen wird und der Same verloren iſt. Folgt ſehr naſſe
[225]Die Saat.
Witterung, ſo kann der Same wieder leichter verfaulen. Das Einweichen oder An-
quellen des Samens iſt daher nur ausnahmsweiſe vorzunehmen, beſonders dann,
wenn ſchwer und langſam keimende Samen, wie Mais, Runkelrüben, Tabak ꝛc.
ausgeſäet oder wenn Fehlſtellen durch Nachſäen ergänzt werden. Außer dem An-
quellen beizt man die Samen auch mit verſchiedenen zuweilen giftigen oder düngenden
Stoffen, um entweder Thiere oder Pilzvegetationen abzuhalten, oder um der jugend-
lichen Pflanze mehr Nährſtoffe zukommen zu laſſen. Letztere Abſicht wird ſelten er-
reicht werden können, da die Keimpflanze keine Stoffe aufnimmt und die wachſende
Pflanze bald außer Bereich der den Samen einhüllenden Düngerſubſtanz kommt.
Um ſo mehr Beachtung verdient das Einbeizen zur Abhaltung von Pilzvegetationen,
auf welches wir ſpäter zurückkommen werden.
6. Die Saatmenge.
Die Menge des Saatgutes hängt in erſter Linie davon ab wie viel Raum die
Pflanze in ihrem ausgewachſenen Zuſtande benöthigt. Dieſelbe wird jedoch immer
mit Rückſicht auf die Sicherheit des Ertrages um ſo geringer ſein können, je kleiner
der Same im Verhältniſſe zur Ausbreitung und Beſtockung der Pflanze iſt. Bei
der platzweiſen Saat iſt jedoch „nicht möglichſte Samenerſparniß, ſondern Verwendung
des für rationelle Cultur noch zuläſſigen größeren Saatquantums die wirthſchaftlich
zweckentſprechendſte Maßnahme.“ 1) Den größten Raum 0.1 — 0.3 □Meter be-
anſpruchen abgeſehen von einigen Handelsgewächſen (Hopfen ꝛc.) die Hackfrüchte, den
geringſten die Futtergewächſe, welche um ſo höhere Erträge abwerfen, je dichter ihr
Stand. Nach dem Wachsraume und der Körnerzahl, welche in einem beſtimmten
Maße oder Gewichte enthalten ſind, läßt ſich der Samenbedarf leicht berechnen.
Baut man z. B. Zuckerrüben in 50 Cm. weiten Reihen und in der Reihe auf 20 Cm.
Entfernung ſo kommt auf eine Rübenpflanze ein Wachsraum von 0.1 □M. Auf 1 Hectar
werden daher 100,000 Pflanzen ſtehen. Zur Sicherung der Saat legt man an jede Pflanz-
ſtelle 4 Rübenkerne, ſomit auf 1 Hectar 400,000. 1 Kilogr. Rübenſamen enthält 25,600
Stück; auf 1 Hectar ſind daher 15.6 Kilogr. erforderlich.
Die Saatmenge wird jedoch nicht allein von dem Wachsraume, ſondern auch
von der Größe und Qualität der Samen beſtimmt. Je beſſer der Same um ſo
weniger braucht man zu ſäen Alter Same muß um ſo reichlicher geſäet werden, je
mehr die Keimfähigkeit bereits abgenommen hat.
Die erſte Herbſt- oder Frühjahrsſaat kann dünner ausgeführt werden, als die
ſpäter folgenden, da die frühzeitig geſäeten Pflanzen ſich kräftiger beſtocken und aus-
breiten können. Spätere Saaten kommen im Frühjahre in mehr abgetrocknete Felder
und müſſen daher auch ſchon deshalb dichter geſäet werden.
Nach der Saatmethode erfordert das platzweiſe Legen mit der Hand am wenigſten
Krafft, Lehrb. d. Landw. I. 15
[226]Allgemeine Ackerbaulehre.
Samen. Immer mehr benöthigen der Reihe nach die Maſchinendibbelſaat, die
Reihenſaat, die Maſchinen- und ſchließlich die Hand-Breitſaat.
Je tiefer kleine Samen untergebracht werden, deſto weniger Körner werden
aufgehen, um ſo ſtärker muß zur Deckung dieſes Ausfalles geſäet werden. Um-
gekehrt müſſen bei großen Samen um ſo mehr genommen werden, je flacher die
Bodenbedeckung, da die Samen durch Vertrocknen und Vogelfraß leichter ver-
loren gehen.
Auch je nach dem Zwecke der Cultur wird der Same von ein und derſelben
Pflanze verſchieden dicht auszuſäen ſein. Getreide zur Gewinnung von Stroh ſäet
man ſtärker. Für die Körnergewinnung ſäet man am dünnſten, für die Verwendung
des Getreides zu Grünfutter am dichteſten. Runkelrüben für die Zuckerfabrication
ſtellt man näher als für die Futterverwendung. Geſpinnſtflachs ſäet man dichter
als Samenflachs.
Die Samenmenge wird ſchließlich auch noch von den äußeren Vegetations-
bedingniſſen, dem Boden, dem Klima ꝛc. beeinflußt. Je günſtiger im Allgemeinen das
Klima und je zuſagender die Bodenbeſchaffenheit für eine Pflanze ſind, um ſo weniger
und je ungünſtiger, um ſo mehr Saatgut wird erforderlich ſein.
In kalten, ſehr trockenen oder ſehr feuchten Gegenden oder Boden wird man
ſtets reichlichere Saatmengen in Anwendung finden, ebenſo dort, wo Saaten den Ver-
heerungen durch die Thiere ꝛc. mehr ausgeſetzt ſind. Auf einem ſchlecht vorbereiteten,
ſcholligen, verunkrauteten Felde ſäet man dichter als auf einem in gutem Cultur-
zuſtande befindlichen Felde.
7. Das Unterbringen des Samens.
Die Mehrzahl der Culturpflanzen findet auf freiem Felde die Bedingungen
zum Keimen nur dann, wenn der Same mit Erde bedeckt wird. Die Bedeckung darf
jedoch nur ſo weit gehen, als dem Samen die zum Keimen nothwendige Feuchte und
der Luftzutritt geſichert bleibt.
Je ſpäter die Jahreszeit, je feuchter die Saatwitterung und je feuchter und ge-
bundener der Boden, um ſo unzweckmäßiger iſt ein zu tiefes Unterbringen, indem
nicht nur der erforderliche Luftzutritt durch die Gebundenheit des Bodens und das
Uebermaß an Feuchte gehemmt, ſondern auch das Aufgehen der Saat durch die
geringere Bodenwärme in der Tiefe verzögert würde. Bei lockerem, loſem, der Luft
zugänglicherem Boden wird dagegen der Same in tiefere Bodenſchichten gebracht nicht
nur ausreichende Luft, ſondern auch Feuchtigkeit ſicherer finden können. Legt man den
Samen zu tief, ſo könnte es leicht kommen, daß der Vorrath an Reſerveſtoffen im
Samen nicht ausreicht, um die Keimpflanze bis über den Boden herauswachſen zu
laſſen. Die Größe des Samens und der Keimpflanze beſtimmt daher ebenfalls die
Tiefe der Unterbringung. Kleine Samen, wie Gras, Klee, Mohnſamen, welche nicht
viele Reſerveſtoffe enthalten, dürfen nur an den Boden angedrückt, höchſtens mit
einigen wenigen Linien Boden bedeckt werden. Etwas tiefere Bedeckung als wie
Mohn ꝛc. vertragen der Raps, der Hanf. Getreide kann etwa 5.25 Cm. tief,
[227]Die Saat.
Hülſenfrüchte, beſonders Erbſen, Pferdebohnen können ſelbſt bis 8 Cm. tief ohne Beein-
trächtigung des Keimens mit Erde bedeckt werden. Kartoffelknollen werden gewöhnlich
10 Cm. tief in die Erde gelegt und vertragen in lockerem Boden ſelbſt eine Tief-
lage von 16 Cm. ohne Gefährdung des Ertrages.
Als ungefährer Anhaltspunkt für die zweckmäßigſte Saattiefe 1) einiger Culturpflanzen
unter verſchiedenen Verhältniſſen kann folgende Angabe dienen:
Wegen der Froſtgefahr empfiehlt es ſich das Getreide ſeicht unterzubringen,
damit das Anwurzeln früher und ſicherer erfolgen kann. Bei ſeicht gelegtem Korne
bringt die Keimpflanze gleich die Kronenwurzeln zur Ausbildung, während bei
tiefer Lage erſt ein langes Stengelglied bis an die Oberfläche des Bodens getrieben
werden muß.
Soll ein gleichzeitiges Aufgehen erzielt werden, ſo muß der Same nicht nur
in angemeſſener Tiefe ſondern alle Samen gleich tief untergebracht werden. Dieſer
Anforderung an eine gut ausgeführte Saat genügen nur die Handſtufenſaat und die
mit der Drill- und Dibbelſäemaſchine ausgeführte Saat. Bei letzterer können über-
dies die Samen durch eine verſchiedene Belaſtung der Saatſchare je nach Erforderniß
bis zu einer gewiſſen Grenze in beliebiger Tiefe in den Boden gelegt werden.
Bei der Hand- und Maſchinenbreitſaat wird jedoch durch das nachträgliche Be-
decken des Samens mit Erde die regelmäßige Vertheilung und Unterbringung des-
ſelben unvermeidlich geſtört. Breitwürfig geſäete, feinere Sämereien wie Gras, Klee-
ſamen werden in feuchteren Gegenden oft nur mit der Walze leicht an den Boden
gedrückt oder wie z. B. der Flachs bei ſorgfältiger Cultur mit dem Rechen ein-
geharkt, mit der Schleife eingezogen. Größere Samen pflegt man mit der Egge,
dem Saatpfluge, dem Exſtirpator oder dem Pfluge unterzubringen.
Durch die Egge wird die Saat ungleich tief, einzelne obenauf liegen bleibende
Körner oft gar nicht untergebracht. Bei trockner Witterung wird der oberflächlich
oder gar nicht untergebrachte Samen vertrocknen. Bei feuchter Witterung wird die
Saat zu üppig auflaufen. Bei wechſelnder Witterung wird ſchließlich die Zwei-
wüchſigkeit der Saat begünſtigt. Am vortheilhafteſten iſt das Untereggen des
Samens auf feuchten Feldern mit bindigem Boden und unter einem feuchten Klima,
indem hier der durch die Egge nur mäßig tief untergebrachte Same weniger leicht
dem Verfaulen ausgeſetzt iſt.
Tiefer als mit der Egge wird der Same mit dem Pfluge untergebracht. Der
Pflug eignet ſich daher nur zur Unterbringung von größerem Saatgute, wie z. B.
der Pferdebohnen, Erbſen Kartoffelknollen ꝛc. Für Getreide und kleinere Sämereien
15*
[228]Allgemeine Ackerbaulehre.
iſt dagegen die Bedeckung mit dem Pfluge nur auf loſem, trockenem Boden und bei
trockener Saatwitterung angezeigt, wenn man nicht den Ausfall an Keimpflanzen
durch das zu tiefe Unterbringen, durch ein größeres Saatquantum ausgleichen will.
Außer dem zu tiefen Unterbringen bringt das Unterpflügen den Nachtheil, daß die
Samen bei dem Umlegen des Erdſtreifens in die Furche zuſammenrollen und in Folge
deſſen die Pflanzen in unregelmäßigen, zu dicht beſtandenen Reihen erſcheinen.
Noch am gleichmäßigſten und zur angemeſſenſten Tiefe werden, in nicht zu ge-
bundenen Bodenarten, die breitwürfig ausgeſäeten Samen durch den Saatpflug und den
Exſtirpator untergebracht.
Der Saatpflug (Saatharke, Saatdecker), Fig. 84, beſteht aus 3—7 kleinen
Ruchadloſcharen, welche an einem gemeinſchaftlichen Geſtelle derart befeſtigt ſind, daß
die aufgeworfenen Erdſtreifen genau an einander zu liegen kommen. Der Saatpflug
Kainzer, dreiſchariger Saatpflug. — Gewicht 100 Kilogr., Preis 60 Mark, 30 fl.
deſſen Leiſtung im Tage 1—1.5 Hectar beträgt, deckt den Samen auf etwa 3—5 Cm.
Tiefe. Derſelbe kann daher auch zum Raſenſchälen und Stoppelſtürzen verwendet
werden.
8. Das Verpflanzen.
Manche Pflanzen benöthigen vom Ankeimen bis zum Ausreifen eine längere
Zeit als bei der Einhaltung der gewöhnlichen Anbau- und Erntezeiten zur Ver-
fügung ſteht, Andere beſitzen in ihrer Jugend eine ſo langſame Entwickelung, daß
ſie ſich für die erſte Jugendzeit mit einem geringerem Wachsraume als ſpäter be-
gnügen können. Wieder andere Gewächſe bedürfen in der Jugend wegen ihrer großen
Empfindlichkeit beſonders gegen Froſt einen ausreichenderen Schutz als denſelben auf
freiem Felde gegeben werden könnte. Andere verlangen ein ſo ſorgfältig zubereitetes
Feld, daß ſie nicht zeitig genug ins freie Land geſäet werden könnten. In allen dieſen
Fällen wird es vortheilhafter ſein, den Samen anſtatt gleich unmittelbar auf das
freie Feld zu bringen, vorher auf ein kleineres, gartenmäßig zubereitetes Stück Land
oder in beſonderen Samen- oder Miſtbeeten auszuſäen und erſt dann die heran-
gezogenen jungen Pflänzchen auf das Feld auszuſetzen, zu verpflanzen.
[229]Die Saat.
Durch das Verpflanzen werden für gewöhnlich Tabak, Kopfkraut, Pflanzrüben,
Weberkarde, Kümmel, Krapp, häufig auch nach Getreide gebauter Raps, Futter-
rüben ꝛc. angebaut. Zuweilen kommt dieſe Anbaumethode auch bei Mais, Rüben
und anderen Pflanzen, welche für gewöhnlich nicht verpflanzt werden, zur Ergänzung
eines durch Inſecten oder Witterungsſchaden oder ſonſt wie lückenhaft gewordenen
Standes zur Ausführung.
Das Samen- und Miſtbeet richte man an einem möglichſt windgeſchützten
Orte ein. Am zweckmäßigſten wählt man zur Anlage des Samenbeetes ein Stück
fruchtbares Gartenland, welches überdies reichlich gedüngt werden kann. Die Größe
deſſelben ſoll eher etwas zu groß als zu klein genommen werden, damit man eine
leichtere Auswahl unter den Pflanzen hat und überhaupt nicht ſo leicht ein Mangel
an kräftigen Pflanzen eintreten kann.
In das entſprechend hergeſtellte Samen- oder Miſtbeet ſoll die Ausſaat ſo zeit-
lich erfolgen, daß man rechtzeitig mit geeigneten Pflanzen verſehen iſt. Zur be-
quemeren Bearbeitung und zur Erleichterung des ſpäteren Aushebens der Pflanzen
ſäet man die Samen am beſten in 5 Cm. entfernten Reihen. Zur Unterſtützung
des Ankeimens und Wachſens der Pflanzen iſt das Saatbeet nach Bedarf zu begießen,
Kruſten ſind ſorgfältig mit dem Rechen zu zerbrechen, der Boden in den Pflanzen-
zwiſchenräumen zu lockern und durch fleißiges Jäten vom Unkraute rein zu halten.
Wird der Pflanzenbeſtand zu dicht, ſo iſt derſelbe durch Verdünnen, Ausziehen der
überflüſſigen Pflanzen, zu lichten. Gegen Froſt ſchützt man die Beete durch Bedecken
mit ſchütter gelegtem Stroh oder Reiſig, welches unter einem das Geflügel abhält. Miſt-
beete, welche beſonders für den Tabak in eigenen Holzkäſten eingerichtet werden, bewahrt
man durch Glasfenſter oder mit geöltem Papier überſpannten Holzrahmen vor der Kälte.
Mit dem Ausnehmen der erſtarkten Pflanzen aus dem Samenbeete wartet man
nach Thunlichkeit ſo lange, bis eine mäßig feuchte Witterung eingetreten. Bei dem
Ausnehmen ſelbſt ſind die Pflanzen und deren Wurzeln möglichſt vor Verletzungen
zu ſchützen. Zu lang gewachſene Wurzeln, welche ſich im Pflanzloche umbiegen
würden, ſind dagegen einzukürzen, verwelkte Blätter abzunehmen.
Das Verpflanzen auf das freie Feld erfolgt, wenn möglich nach
einem mäßigen Regen, entweder auf das vorher markirte Land oder nach
der Pflanzſchnur, dem Pflanzbrette. An den bezeichneten Pflanzſtellen
werden mit der Hand oder dem Pflanzholze, Fig. 85, bei größeren Pflanzen,
wie z. B. bei den Samenrübenwurzeln mit der Haue, dem Spaten Löcher
ausgehoben, in welche die Pflanze ſo tief als ſie früher im Samenbeete
im Boden gewachſen, eingeſenkt und ſanft an den Boden unter gleichzeitigem
Zufüllen des Loches angedrückt wird. Bei kleineren Flächen läßt ſich das
Anwurzeln der Pflänzlinge durch Anſchlämmen mit Waſſer oder ver-
dünnter Jauche befördern und ſichern. Bei manchen Gewächſen wie z. B.
beim Raps können die bewurzelten Pflanzen auch an die Seitenwand der
Pflanzholz.
geöffneten Pflugfurche gelegt und durch die folgende Furche mit Boden bedeckt
werden.
[230]Allgemeine Ackerbaulehre.
VIII.
Die Pflege.
Die Pflege der Pflanzen umfaßt die Ausführung einer Reihe von Cultur-
maßregeln, welche entweder das Wachsthum der Pflanzen befördern, oder Hinder-
niſſe, die ſich demſelben entgegenſtellen, beſeitigen. Die Pflege ſtützt ſich auf die
Erkenntniß des Pflanzenlebens und der Bedürfniſſe der Pflanze.
Die Förderung des Pflanzenwachsthums wird vornehmlich durch die Bearbeitung
des Bodens während des Wachsthumes der Pflanze angeſtrebt. In gewiſſem Sinne
fällt dieſelbe mit der Beſeitigung eines ungünſtigen Bodenzuſtandes zuſammen.
Die Culturmaßregeln, welche die Pflege der Pflanzen ausmachen, bezwecken
entweder 1. einen Schutz gegen nachtheilige Witterungseinflüſſe, entſprechend dem
Licht-, Wärme-, Luft- und Waſſerbedürfniſſe der Pflanze oder 2. einen Schutz gegen
ungünſtige Bodenzuſtände entſprechend dem Bedarfe der Pflanzen an Bodennährſtoffen
oder 3. einen Schutz gegen die Angriffe von Schädlingen aus der Pflanzen- und
Thierwelt.
1. Der Schutz gegen nachtheilige Witterungseinflüſſe.
Den Winterfrüchten wird ein ſchneeloſer Winter oft verderblich. Das wieder-
holte Gefrieren und Aufthauen des Bodens während deſſelben verurſacht durch die
abwechſelnde Ausdehnung und Zuſammenziehung deſſelbens das Ausfrieren der
Pflanzen, bei welchem die Pflanzen aus dem Erdreiche gehoben werden. Bei mäßigem
Auftreten des Ausfrierens kann der Saat durch Ueberfahren mit mäßig ſchweren
Walzen aufgeholfen werden. Durch daſſelbe werden die von dem Froſte bloß-
gelegten und emporgezogenen Wurzeln an den Boden angedrückt, ſo daß die Pflanzen
wieder fortwachſen können. In Gegenden, welche regelmäßig von ſchneeloſen Wintern
heimgeſucht werden, empfiehlt es ſich, ſchon von Vornherein zur möglichſten Ab-
minderung dieſes Uebelſtandes, die Getreideſaaten ſeichter unterzubringen, um ein
raſcheres und ſichereres Anwurzeln zu erzielen. Eine ähnliche Erſcheinung wie das
Ausfrieren iſt das Auswintern, welches jedoch durch die Angriffe ſchädlicher
Thiere oder durch verheerende Pilzvegetationen hervorgerufen wird.
Gegenüber dem ſchneeloſen Winter kann auch eine zu ſtarke Schneedecke,
welche ſonſt die Pflanzen vor raſchem Wechſel der Temperatur ſchützt und mit Feuchtig-
keit verſieht, durch Abſchließung von der Luft und dem Lichte den Saaten verderblich
werden, beſonders bei Schneewehen oder wenn ſich durch Aufthauen und nachmaliges
Gefrieren eine Eiskruſte auf dem Schnee gebildet hat. Im Gebirge, wo dieſe Er-
ſcheinung öfter vorzukommen pflegt, ſucht man die Eiskruſte durch Aufpflügen zu
zerbrechen.
Noch größeren Schaden als durch Luftabſchließung kann eine Schneedecke ver-
urſachen, welche ſich auf feuchtem, noch ungefrorenem Boden bildet, da dann leicht
[231]Die Pflege.
die Saat verfaulen kann. Schließlich ſchadet der Schnee beim Aufthauen durch
Abſchwemmen des fruchtbaren Bodens. Zur Verhütung dieſes Schadens und zur
Verhinderung von Thauwaſſeranſammlungen auf dem Felde, welche zum ſog. Aus-
tränken der Pflanzen Veranlaſſung geben können, hat man zweckmäßig geführte
Waſſerfurchen und ſonſtige Abzüge herzuſtellen und ſorgfältig in dienſtfähigem Stande
zu erhalten.
Wie ſehr eine mittlere Schneedecke von 15—18 Cm. das wirkſamſte Schutzmittel gegen
das Eindringen des Froſtes in den Boden, gegen Wärmeſchwankungen im Boden und
gegen das Erfrieren vieler Culturgewächſe iſt, zeigen die Beobachtungen Ebermayers 1) in
Aſchaffenburg:
Gegen Ausgang des Winters verurſachen Spätfröſte den meiſten Schaden, ſo-
wie gegen Ausgang des Herbſtes Frühfröſte. Gegen die ſchädliche Einwirkung der-
ſelben ſchützt das Bedecken oder Anhäufeln der Pflanzen mit Erde. In Hopfengärten
legt man aus dieſem Grunde über die Hopfenpflanzen mit dem Pfluge einen Furchen-
ſtreifen, welcher im Frühjahre wieder entfernt wird, ſobald die Froſtgefahr vorüber
iſt. Rübenwurzeln, welche im Frühjahre zur Samenzucht ausgeſetzt werden, erhalten
gleichfalls zum Schutze gegen Froſt ein kleines Erdhäufchen. Reicht die Erde
zum Bedecken der Pflanzen nicht aus, ſo verwendet man auch Stroh oder ſtrohigen
Dünger. Wieſen, auf welchen die Vegetation der Graspflanzen im Frühjahre bereits
erwacht iſt, ſchützt man durch Ueberleiten von nicht zu kaltem Waſſer vor der Froſt-
einwirkung. In Weinbergen ſucht man frühmorgens, vor Sonnenaufgang, durch
Erzeugung von Rauchwolken die lebhafte Wärmeausſtrahlung zu vermeiden. Treten
die Fröſte frühzeitig im Herbſte ein, ſo können dieſe ſelbſt die Ernte behindern.
Beiſpielsweiſe kann es vorkommen, daß ſpätreifende Maisſorten vor der Ernte von
Frühfröſten überraſcht werden, daß die Zuckerrüben bei Mangel an Arbeitern ein-
frieren und von Schnee bedeckt werden, bevor ihr Herausnehmen aus dem Boden
beendet iſt.
Naſſe Witterung behindert nicht nur die rechtzeitige Ausführung der meiſten
landwirthſchaftlichen Arbeiten, ſondern bringt auch unmittelbar durch Beförderung
eines zu üppigen Wachsthumes, welches das Lagern der Culturpflanzen und das
Verfaulen der ſaftigen grünen Pflanzentheile begünſtigt, empfindlichen Schaden.
Tritt anhaltend feuchte Witterung während des Blühens der Pflanzen ein, ſo wird
die Befruchtung durch Zerplatzen oder Fortſchwemmen der Pollenkörner geſtört und
dadurch die Samenbildung gehindert. Am empfindlichſten ſchadet zu naſſe Witterung
[232]Allgemeine Ackerbaulehre.
bei der Einbringung der reifen Pflanzen. Stroh und Heu verlieren durch mehrfaches
Beregnen, während der Ernte, je mangelhafter dabei vorgegangen wird, nicht allein
den aromatiſchen Geruch, ſondern auch einen erheblichen Theil ihrer löslichen Nähr-
ſtoffe, wenn ſie nicht durch Verfaulen gänzlich unbrauchbar werden. Während einer
zu naſſen Erntewitterung können die Samen in den Aehren der Körnerfrüchte aus-
wachſen. Unter allen Umſtänden leidet durch eine feuchte Witterung, wenn dieſelbe
während des Pflanzenwachsthumes mit Kälte verbunden iſt, die Qualität der ab-
zuerntenden Früchte. Wein, Obſt, Rüben bleiben unter ſolchen Verhältniſſen zucker-
arm, Kartoffeln arm an Stärke.
In einem kühlen, naſſen Jahre geerntete Kartoffeln enthielten z. B. nur 18 % Stärke-
mehl, während auf demſelben Felde in einem günſtigen Jahrgange geerntete Kartoffeln
einen Stärkemehlgehalt von 21 — 22 % zeigten. Nach Stöckhardt enthielt Hafer der im
naßkalten Jahre 1851 erbaut wurde, in den Körnern 7 %, im Stroh 2 % Proteïnſtoffe,
dagegen im warmen Jahre 1852 in den Körnern 12 %, im Stroh 3.5 % Proteïnſtoffe.
Die Abhilfe gegen zu naſſe Witterung beſchränkt ſich während der Same im
Boden liegt, oder die Pflanzen am Felde ſtehen, auf das ſachgemäße Ziehen und im
Standhalten von Waſſerfurchen und ſpäterhin auf die ſorgfältigſte Ausführung der
Ernte. Am meiſten geſchützt gegen die ſchädliche Einwirkung des feuchten Wetters ſind
drainirte oder mit offenen Waſſerableitungsgräben verſehene Felder.
Regengüſſe, welche mit Hagel verbunden ſind, ſchaden um ſo mehr, je weiter
die betroffenen Früchte in ihrer Entwickelung vorgeſchritten ſind. Selbſt dann, wenn
die Pflanzen durch den Anprall der Hagelkörner nicht geknickt werden, wird die Lebens-
thätigkeit der Pflanze ſchon durch das theilweiſe Erfrieren der von Hagelkörnern ge-
troffenen Stellen, welche ſich durch eine Entfärbung des Blattgrünes bemerkbar machen,
geſtört. Werden die Pflanzen ſchon nahe der Blüthezeit etwa im Juni von einem
heftigen Hagelwetter betroffen, ſo erübriget nichts, als ſie abzumähen und an ihrer
Stelle nach Möglichkeit noch eine andere Saat z. B. einer ſchnellwachſenden Futter-
pflanze auszuführen.
Trockene Witterung verzögert oder verhindert das Aufgehen der Saat; ſpäter
ſtört ſie die Entwickelung und das Ausreifen der Pflanzen. Je nach der Vegetations-
periode, in welcher die trockene Witterung eintritt, wird ſie von ſehr verſchiedenem
Einfluſſe ſein. Gar nicht ſchadet die Trockene, wenn die Körner ſchon ſo weit aus-
gebildet ſind, daß ihr Inhalt fadenziehend iſt, denn dann iſt die Production der
Maſſe ſchon beendet. In allen früheren Vegetationsperioden wirkt ſtarke und längere
Trockenheit nachtheilig auf die Entwickelung und den Ertrag, je früher die Pflanze
davon betroffen wird. Getreidepflanzen, welche in ihrer Jugend viel Feuchte erhalten,
ſpäter aber an Trockene leiden, werden in der Ausbildung der Körner beeinträchtigt.
Bei ſtarker Trockene ſchlagen dann die Körner ſelbſt fehl — das Getreide verſcheint.
Umgekehrt bilden Pflanzen, welche in ihrer Jugend trockener Witterung ausgeſetzt
ſind, ihre Körner ganz gut aus, während das Stroh kurz bleibt, wenn vor der
Blüthezeit feuchte Witterung eintritt. In durchgängig trockenen Jahrgängen ſchoſſen
[233]Die Pflege.
die Getreidepflanzen nicht vollkommen aus, werden nothreif, wodurch zwar das Stroh
einen größeren Nährwerth gewinnt, aber der Körnerertrag bedeutend geſchmälert wird,
da beſonders anhaltende Dürre verhindert, daß die in den Wurzeln, Halmen,
Blättern aufgeſpeicherten Nährſtoffe zur Ausbildung der Körner verwendet werden,
daher im Stroh zurückbleiben. Aehnliches gilt von den Zuckerrüben, deren Wachs-
thum in einem trockenen Herbſte vorzeitig zum Stillſtande kommt, ſo zwar, daß die
Zuckerbildung in den Rübenwurzeln gehemmt wird. Am meiſten wird durch zu
trockene Witterung das Wachsthum der grasartigen Pflanzen beeinträchtigt. Gegen
trockene Witterung kann nur die Bewäſſerung Abhilfe gewähren. Auf bindigem
Boden läßt ſich eine Conſervirung der Feuchte durch Abwalzen, auf lockerem Boden
durch oberflächliches Abeggen erzielen. Felder, die mit Bäumen bepflanzt oder die
in der Nähe von ausgedehnteren Baumgruppen oder Wäldern liegen, werden ebenſo
wie gedüngte, in guter Cultur ſtehende Ackerländereien unter übrigens gleichen Um-
ſtänden viel weniger von der Trockene zu leiden haben, als baumloſe, ungedüngte und
verwahrloſte Felder.
Nach Unterſuchungen von Ebermayer 1) beträgt die Menge des in einzelnen Jahres-
zeiten (im Mittel ſämmtlicher Beobachtungen von 1868/69) in verſchiedenen Tiefen in den
Ackerboden, ſtreuloſen und ſtreubedeckten Waldboden eingedrungenen Waſſers in Procenten
der gefallenen Regen und Schneemenge:
Außer Schnee, Froſt, Regen, Trockene kann auch der Wind den Culturpflanzen
verderblich werden. Bei Pflanzen, deren nutzbarer Theil die Blätter ſind, wie
z. B. Tabak, macht der Wind durch Zerreißen die Blätter unbrauchbar, ſo zwar,
daß in ſehr dem Winde ausgeſetzten Oertlichkeiten die Cultur derartiger Blattpflanzen
aufgegeben werden muß. Bei manchen Pflanzen, z. B. beim Mais, kann es vor-
kommen, daß die Blätter durch den Wind abgedreht oder daß die Pflanzen wie bei
jungen, auf ſandigem Boden gebauten Getreidepflanzen verweht oder aus dem Boden
herausgeriſſen werden. Im letzteren Falle empfiehlt ſich ein Abwalzen des Feldes,
um die Pflanzen wieder an den Boden anzudrücken. Den ausgiebigſten Schutz gegen
die Heftigkeit der Winde vermögen nur Hecken- und ähnliche Baumpflanzungen zu
gewähren.
[234]Allgemeine Ackerbaulehre.
Bei manchen Saaten, beſonders bei Getreide, kommt häufig eine Erſcheinung
zur Beobachtung, welche der Landwirth als das Lagern bezeichnet. Dieſe Er-
ſcheinung beſteht darin, daß die davon betroffenen Pflanzen nicht aufrecht ſtehen bleiben,
ſondern ſich zur Erde legen und in Folge deſſen in ihrer weiteren Entwickelung ge-
ſtört werden. Gelagerte Gewächſe können daher nur unvollkommen ausgebildete
Körner liefern. Das Lagern tritt meiſt nur auf reichlich gedüngtem Boden und bei
ſehr üppiger Vegetation der Pflanzen ein. Als Urſache deſſelben ergiebt ſich der
Mangel an Licht, welcher bei Getreide in den unteren Internodien des Halmes,
ähnlich wie bei etiolirten (beſchatteten) Pflanzen, eine Ueberverlängerung, bei un-
genügender Verdickung der Zellen hervorruft, ſo zwar, daß die üppig entwickelten
oberen Theile nicht den nöthigen Halt finden können. Als geeignetſtes Mittel zur
Abhilfe empfiehlt ſich die Drillſaat, da bei dieſer ſelbſt bei üppigerem Wachsthume
wenigſtens zwiſchen den Reihen das Licht leichter Zutritt hat. Zeigen die Winter-
ſaaten ein zu kräftiges Wachsthum, welches Lagerfrucht befürchten läßt, ſo können
die Pflanzen durch flüchtiges Abweidenlaſſen im Herbſte oder vor dem Ausſchoſſen
der Halme im Frühjahre in ihrer zu üppigen Entwickelung gehemmt und dem Lichte
freierer Zutritt verſchafft werden. Daſſelbe läßt ſich auch durch ſcharfes Eggen oder
Abwalzen erreichen. Sind die Pflanzen ſchon weiter herangewachſen, ſo läßt ſich
die Gefahr des Lagerns auch durch Abnehmen der oberſten Spitzen mit der Sichel
oder Senſe, durch das ſog. Schröpfen oder Serben abmindern.
Die Länge der Internodien bei etiolirten und im Lichte (frei) gewachſenen Roggenhalme
beträgt zur Zeit der Reife nach Koch 1)
Die durchſchnittliche Verdickung der Zellen an der Baſis des 2. Internodiums bei einer
5—800fachen Vergrößerung gemeſſen beträgt:
Das Abnehmen einzelner Pflanzentheile, um der übrigen Pflanze mehr Licht
und Raum zur Entwickelung zu verſchaffen, findet nicht nur bei dem Getreide,
ſondern auch bei manchen anderen Culturpflanzen ſtatt. Im Hopfengarten bricht
oder ſchneidet man z. B. die Blätter 0. 5 Meter vom Boden aufwärts ab, um
der Luft und dem Lichte leichteren Zutritt zu gewähren. Bei dem Tabak werden
die aus den Blattwinkeln hervorkommenden Seitentriebe fort und fort ausgebrochen,
ausgegeizt. Treibt derſelbe ſeine Blüthen aus, ſo werden dieſe gleichfalls abgebrochen,
um die Bildung vollkommener Blätter zu befördern. Das Abgipfeln der Blüthen-
[235]Die Pflege.
ſtände wird auch bei Zuckerrüben, welche zuweilen ſchon im Herbſte zu blühen be-
ginnen, vorgenommen, um die Wurzelernte nicht zu ſchädigen. Den Maispflanzen
nimmt man zuweilen die Fahne, den männlichen Blüthenſtand, wenn bei kühler Zeit
zu befürchten ſteht, daß die Kolben nicht ausreifen.
2. Der Schutz gegen ungünſtige Bodenzuſtände.
Mergeliger, feinkörniger Boden kann durch Regengüſſe leicht derart zuſammen-
geſchlemmt werden, daß ſich eine verſchieden ſtarke Kruſte bildet, welche den Boden
gegen die Atmoſphäre abſchließt und das Eindringen des Waſſers in den Boden
verhindert. Bildet ſich die Kruſte unmittelbar nach der Ausſaat, ſo iſt dieſelbe
durch Abeggen oder bei größerer Dicke durch Abwalzen oder durch Ueberfahren mit
dem Kruſtenſtachler zu zerbrechen, damit die Luft ungehindert zu den keimenden
Samen zutreten kann. Die Keimpflanzen werden überdies durch die zerbrochene
Kruſte ungehinderter aus dem Boden hervorkommen können. Selbſt bei Pflanzen,
wie bei den Kartoffeln, deren Triebe ſtark genug wären, um ſelbſt eine mächtigere
Kruſte zu heben und zu durchbrechen, wird es zur Erleichterung des Austreibens
zu empfehlen ſein, die Kruſte zu entfernen.
Nach Neßler 1) enthielt eine Erde, welche überhaupt 21.3 % Waſſer zurückhalten konnte,
6 Tage nach dem Begießen folgende Waſſermengen in 100 Theilen:
Noch häufiger als eine Verdichtung des Bodens, während die Pflanzen am Felde
ſtehen, wird zur Beförderung des Pflanzenwachsthums eine Lockerung erforderlich
ſein. Dieſe Bodenlockerung hat denſelben Zweck wie die Bodenbearbeitung überhaupt.
Durch dieſelbe wird das Eindringen des Waſſers und der Luft erleichtert und damit
der Pflanze durch Beförderung der Verwitterung während der Vegetation neue Boden-
nahrung zur Verfügung geſtellt. Dieſe Bodennahrung kann um ſo leichter aus-
genützt werden, als den Wurzeln durch die Lockerung mehr Raum zur Entwickelung
gegeben iſt. Außerdem werden durch die Bearbeitung der Pflanzenzwiſchenräume
alle Unkräuter vertilgt, welche ſonſt den Culturpflanzen den Platz und die Nahrung
wegnehmen. Inſecten, welche die Pflanzen in ihrer Jugend heimſuchen, werden
gleichzeitig, wenn auch nicht immer vernichtet, ſo doch verſcheucht und ſo lange
unſchädlich gemacht, bis die Pflanzen, welche durch die Lockerung kräftiger heran-
wachſen, den Angriffen der Schädlinge leichter widerſtehen können.
[236]Allgemeine Ackerbaulehre.
Die Ausführung der Bodenlockerung während des Pflanzenwachsthumes kann je
nach der Pflanzenart und der Zeit auf die verſchiedenſte Weiſe vorgenommen werden.
Wieſen, und mehrjährige Kleeſchläge werden im Herbſte, oder noch zweckmäßiger, im
nächſten Frühjahre, ſobald dieſelben abgetrocknet, mit ſcharfen Eggen überfahren, um
den Boden zwiſchen den Gras- oder Kleeſtöcken möglichſt zu lockern und der Luft
zugänglich zu machen. Der Erfolg eines derartigen Uebereggens wird ſich um ſo
auffälliger zeigen, je älter die Grasnarbe und je mehr ſich der Boden der Kleefelder
im Verlaufe der Zeit geſchloſſen hat. In gleicher Weiſe werden breitwürfige oder
gedrillte Getreideſaaten, Hülſenfruchtſchläge, Kartoffeln, Futterfelder ꝛc. im Frühjahre,
ſobald ſich der Boden zu ſehr ſchließt, ein oder mehrmal abzueggen ſein. Bei
dichtſtehendem Getreide wird ſich auch ein Eggen quer über die Drillreihen durch
die Verdünnung des Pflanzenbeſtandes beſtens bewähren.
1. Das Behacken der Pflanzen.
Am häufigſten wird die Bodenlockerung während der Vegetation der Cultur-
gewächſe durch die Bearbeitung oder das Behacken der Pflanzenreihen in Ausführung
gebracht. Dieſe Culturarbeit verlangen beſonders jene Pflanzen, welche, wie die
Kartoffeln, Rüben, der Mais, und die ſonſtigen Hackfrüchte, bis zu ihrer voll-
ſtändigen Entwickelung einen großen Wachsraum beanſpruchen, daher in ihrer erſten
Jugend das Feld nicht vollſtändig bedecken.
Am ſorgfältigſten läßt ſich das Behacken mit der Handhaue durchführen, da
der Arbeiter möglichſt nahe der Pflanze den Boden zu lockern vermag, ohne dieſelbe
zu beſchädigen. Pflanzen, welche nicht in regelmäßigen Reihen am Felde geſtellt
ſind, können nur mit der Handhaue oder dem Haindl behackt werden. Schneller
und zugleich billiger als mit der Hand läßt ſich die Hackarbeit bei Reihencultur
mit der Pferdehacke verrichten. Mit letzterer können bei einer Beſpannung mit
einem Pferde 0.75—1.2 Hectar im Tag fertig werden, während zum Behacken
eines Hectar mit der Hand je nach der Reihenentfernung, der Tiefe der Bearbeitung,
der Beſchaffenheit und Verunkrautung des Bodens 10—26 Arbeitstage erforderlich ſind.
Furchenigel. — Preis 36 Mark, 18 fl.
Je nach der Be-
ſchaffenheit der Pferde-
hacke wird eine Reihe
oder bei engſtehenden
Pflanzen werden auch
mehrere Reihen zu
gleicher Zeit bearbeitet.
Die einreihige Pferde-
hacke bietet den Vor-
theil der leichteren
Führung. Ein be-
währtes Geräthe dieſer Art iſt die Furchenegge (Drillegge, Furchenigel, Rübenigel),
Fig. 86, Dieſelbe beſteht aus drei Eggenbalken, welche nach vorne ſpitz zulaufen
[237]Die Pflege.
zwei derſelben ſind in der Nähe des Laufrades mit Charniren verſehen, um durch
verſchiedene Stellung ſchmälere und breitere Reihen bearbeiten zu können. An den
Eggenbalken ſind eine Mehrzahl Eggenzinken eingeſetzt, welchen ein kleines, herzförmiges
Schar vorangeſtellt iſt. Die beiden Sterzen dienen dazu, das Geräth genau in der
Richtung der Reihen führen zu können. Zur tieferen Bearbeitung verwendet man
die ſchottiſche Pferdehacke, Fig, 87, deren arbeitende Theile aus einem zweiflügeligen,
Schottiſche Pferdehacke von A. Burg \& Sohn — Wien. — Gewicht 40 Kilogr., Preis
64 Mark, 32 fl.
in der Mitte an einem Grindel befeſtigten Schare beſteht, welchem nach rückwärts
4 an 2 beweglichen, ſchmiedeeiſernen Rahmentheile befeſtigte Hackſchare folgen.
Ein gleichzeitiges Behacken meyrerer Reihen findet beſonders bei weit gedrilltem
Getreide, eng gebauten Rüben ſtatt. Unter unſeren Verhältniſſen gelangt das Be-
hacken der Getreidefelder ſelten zur Ausführung, weil eine ſo weite Reihenentfernung,
beſonders in einem trockenen Klima ſich wegen des Austrocknen des Bodens zwiſchen
den Reihen nicht günſtig für das Pflanzenwachsthum herausſtellt. Die mehrreihigen
Pferdehacken werden daher nur zum Behacken von Rüben, weit gedrillten Grünmais ꝛc.
verwendet. Je nach der Bodenbeſchaffenheit werden gewöhnlich verſchiedene Formen
von Hackwerkzeugen in Gebrauch genommen.
Unter den mehrreihigen Pferdehacken verdient wegen der vielſeitigen Verwend-
barkeit der auch als Hackmaſchine benützbare Univerſal-Cultivator von Rud. Sack
(Fig. 50, S. 118) genannt zu werden.
Eine einfachere Conſtruction iſt die Smith'ſche Pferdehacke, Fig. 88 (ſ. S. 238),
welche aus einem Vordergeſtelle beſteht, an dem der eiſerne Hackapparat beweglich an-
gehängt iſt, ſo zwar, daß derſelbe nach Bedarf durch die beiden Sterzen leicht zur
Seite bewegt werden kann. Die Hackmeſſer ſind in zwei Reihen, ſtellbar für Reihen-
entfernungen von 26—80 Cm. an zwei eiſernen Scharbalken befeſtigt. Für den
Rübenbau wird die Pferdehacke, außer den 8 Schürfmeſſern, mit 5 Häufelſcharen f oder
Schälſcharen d verſehen.
Eine ſehr zweckmäßige, mehrreihige, ſchmiedeeiſerne Pferdehacke iſt jene von
W. Siedersleben \& Co. — Bernburg, welche als eine weſentliche Vereinfachung der
bewährten Taylor'ſchen Pferdehacke anzuſehen iſt. Bei derſelben läßt ſich der ganze
Hackapparat durch Drehung einer Getriebachſe, welche in eine auf dem Achsbalken
[238]Allgemeine Ackerbaulehre.
befeſtigten Zahnſtange eingreift nach beiden Seiten bis auf 33 Cm. verſchieben.
Hiebei wälzt ſich das Zahnrad auf der nicht verſchiebbaren Zahnſtange ab und nimmt
den mit den Lagern der Getriebwelle feſt verbundenen Hackapparat mit. Dieſelbe
Smith'ſche Pferdehacke. (Salzmündener Conſtruction). — a Vordergeſtell mit verſtellbarer
Spurbreite, b Haken zum Einhängen des Hackapparates, c u. d Hackſchare, deren Schäfte mittelſt Klemm-
ſchrauben am Rahmen feſtgehalten werden, f Häufelſchar, e Tragrad. Gewicht 175—200 Kilogr., Preis
150 Mark, 75 fl.
kann ſowohl zum Behacken der Rüben, Fig. 89, als auch des Getreides, Fig. 90
(ſ. S. 239), verwendet werden. Für die erſte Hacke wird dieſelbe, wie in Fig. 89,
mit breiten, doppelſchneidigen, ſtählernen Meſſern, welche an beſonderen, den Saat-
ſcharhebeln bei der Garrett'ſchen Drillmaſchine ähnlichen Hebeln befeſtigt werden, und
mit dazwiſchen angebrachten Schutzwalzen ausgerüſtet. Durch dieſe Schutzvorrichtung
Rübenhackmaſchine von W. Siedersleben \& Co. — Bernburg. Armatur mit Vorrichtung
zum Schutze junger Pflanzen. — Gewicht mit drei Armaturen: 1. wie oben, 2. zum Fertighacken, 3. zum
Anhäufeln von 4 Rübenreihen 360 Kilogr., Zugkrafterforderniß bei 8 Cm. Tiefgang 125 Kilogr., tägliche
Leiſtung 4 Hectar, Spurbreite 1.88 Meter, Preis 495 Mark, 247.50 fl.
iſt es möglich, die Rüben gleich nach dem Aufgehen zu behacken, ohne die jungen
Pflanzen zu beſchädigen.
Eine beſondere Aufmerkſamkeit verlangt die Stellung der Hackſchare, da die
[239]Die Pflege.
Pflanzen, wenn ſie nicht genau in der Reihe ſtehen, gegenüber der Handhacke mit
der Pferdehacke viel leichter beſchädigt oder mit Erde überdeckt werden können. Zur
Vermeidung von Beſchädigungen der Pflanzen muß die Hacke ſo geſtellt werden, daß
ihre wirkſamen Theile, die Hackſchare etwas entfernt von den Pflanzen ſtehen, in
Folge deſſen wird je-
doch der Boden un-
mittelbar an den
Pflanzen nicht be-
arbeitet. Ebenſo wer-
den beim Behacken von
engſtehenden Reihen-
ſaaten auch die Zwi-
ſchenräume in der
Reihe nicht gelockert.
Werthvollere Pflanzen,
wie Zuckerrüben, Han-
delsgewächſe, Pflanzen,
deren nutzbare Blätter,
Hackmaſchine von W. Siedersleben \& Co. mit Armatur zum
Behacken von 13 Getreidereihen. — Preis ꝛc. wie bei Fig. 89, extra für 13
Getreidehackvorrichtungen 45 Mark, 22.50 fl.
wie beim Tabak, leicht durch die Pferdehacke beſchädigt werden könnten, behackt man
deshalb bei ſorgfältiger Cultur ſtets mit der Hand. Bei den weniger werthvollen
Kartoffeln, Futterrüben, Mais, oder bei Arbeitermangel wird die Pferdehacke trotz
ihrer unvollkommenen Leiſtung, welche durch die Billigkeit und Schnelligkeit der Arbeit
mehr als aufgewogen wird, der Handhaue vorgezogen.
Im Allgemeinen beginnt man mit der Hackarbeit ſo zeitlich als möglich, ſobald
die Pflanzenreihen ſichtbar werden, damit die Pflanzen durch Zerbrechen einer etwaigen
Kruſte im Aufgehen unterſtützt werden und ein Ueberwuchern mit Unkraut nicht ein-
treten kann. Da es ſich bei der erſten Hackarbeit nur um die Zerſtörung der Kruſte
und der Vertilgung des Unkrautes handelt, ſo genügt es, dieſelbe 3—5 Cm. tief
und zwar am zweckmäßigſten mit der Handhaue, welche den Boden nicht ſo kräftig
lockert, auszuführen. Kräftiger bewurzelte Pflanzen, welche nicht leicht aus ihrer
Lage zu bringen ſind, können jedoch gleich anfänglich tiefer auf 8—10 Cm. behackt
werden. Bei Pflanzen, deren Samen längere Zeit zum Keimen brauchen, pflegt
man einige Körner einer ſchneller keimenden Pflanzenart mit in die Reihen aus-
zuſäen, um dieſelben für die erſte Hacke ſchon ſichtbar zu machen, wenn die eigentliche
Pflanze noch nicht hervorgekommen iſt. Bei feuchtem, regneriſchem Wetter darf
ſelbſtverſtändlich nicht gehackt werden, da ſich ſonſt leicht Schollen bilden könnten, die
dann ſpäterhin ſchwer zu verkleinern wären. Nach dem Regenwetter wird leicht aus-
trocknender Boden 1) früher zu lockern ſein um die Feuchte zu erhalten, umgekehrt
naſſer Boden ſpäter zu lockern ſein, damit er früher abtrockne.
[240]Allgemeine Ackerbaulehre.
Die folgende zweite Hacke giebt man gewöhnlich tiefer mit der Pferdehacke, um
den Boden möglichſt kräftig zu lockern. Mit Erde zugedeckte Pflanzen werden nach
der Pferdehacke aufgedeckt, damit ſie nicht in ihrer Entwickelung aufgehalten ſind.
Der zweiten Hacke folgen je nach der Beſchaffenheit und Ertragsfähigkeit der Pflanzen,
je nach der Witterung, der Verunkrautung und dem Zuſtande des Bodens noch eine
oder ſelbſt noch zwei, drei weitere Hacken. Die aufeinander folgende Hackarbeit wird
jedesmal nach Möglichkeit an einer entgegengeſetzten Feldſeite begonnen, bei im Quadrat-
verbande ſtehenden Pflanzen kreuz und quer vorgenommen, damit ſtets andere Boden-
partien gelockert werden.
2. Das Anhäufeln der Pflanzen.
Den Schluß der Bodenlockerung während der Vegetation der Pflanzen bildet
das Anhäufeln, welches entweder mit der Handhaue, dem Häufelpfluge oder dem
Kammformer ausgeführt wird. Je nach der Reihenentfernung und der Höhe des
an die Pflanzen gelegten Erdkammes können mit einem 1ſpännigen Häufelpflug
1—1.25 Hectar im Tage bearbeitet werden, während mit der Hand per Hectar
14—24 Arbeiter erforderlich ſind. Durch das Anhäufeln ſoll der Boden kräftigſt
gelockert und in die Nähe der Pflanze gebracht werden, wodurch dieſe nicht nur
ſtandfähiger, ſondern auch mit Bodennahrung verſorgt wird. Das Häufeln wird
daher beſonders bei Pflanzen vortheilhaft ſein, welche wie der Mais Seitenwurzeln,
deren Bildung bei Lichtabſchluß begünſtigt wird (S. 62) oder wie die Kartoffeln
unterirdiſche Seitenäſte (Stolonen) austreiben. Bei der Cultur der Zuckerrüben
wird das Behäufeln ausgeführt, um die aus dem Boden herauswachſenden Wurzeln
mit Erde zu bedecken, damit ihr Zuckergehalt vermehrt wird.
Das Häufeln darf jedoch, wenn es nicht mehr ſchaden als nützen ſoll, nicht zu
ſpät ausgeführt werden. Bei einer etwaigen Wiederholung läßt man den Häufel-
pflug tiefer gehen, um eine neue Bodenſchichte zu bearbeiten und den Erdkamm zu
erhöhen.
3. Der Schutz gegen ſchädliche Pflanzen und Thiere.
Der Schaden, welcher durch das Ueberhandnehmen von Unkrautpflanzen in den
Culturſaaten angerichtet wird, iſt ein mannigfaltiger und oft ſchwerwiegender. Nicht
nur daß dort, wo eine Unkrautpflanze ſteht, eine Culturpflanze ſich entwickeln könnte,
entziehen dieſelben den Nutzpflanzen das Licht, die Feuchtigkeit und die Nahrung 1)
und ſchädigen dadurch deren Ertrag. Viele Unkräuter ranken und winden ſich an
den Culturpflanzen hinauf, ziehen ſie zu Boden und befördern dadurch die Bildung
der Lagerfrucht.
Manche Unkrautſamen beſitzen eine Geſtalt, welche die Sonderung von den
Samen der Culturpflanzen durch Siebwerke ſehr ſchwer möglich macht. Derart
[241]Die Pflege.
verunreinigte Frucht wird nur mit einem unverhältnißmäßigen Preisabſchlage zu
verkaufen ſein. Viele Unkräuter dienen ſchließlich manchen ſchädlichen Thieren als
Brutſtätten, von welchen aus ſie die Culturpflanzen heimſuchen. Aehnlich wie die
Unkrautpflanzen verhalten ſich die Culturpflanzen ſelbſt, wenn ſie im Uebermaaße
am Felde ſtehen oder zwiſchen Culturpflanzen anderer Art vorkommen. Noch
größeren Schaden als die Unkrautpflanzen verurſachen unter Umſtänden Pilzkrank-
heiten und bei maſſenhaftem Auftreten eine Mehrzahl ſchädlicher Thiere, gegen deren
verheerende Wirkung oft vergeblich angekämpft werden kann.
1. Das Vertilgen der Unkräuter.
Am ſchwierigſten zu vertilgen und daher am verderblichſten ſind die Wurzel-
unkräuter, wie die Diſteln, und die Rhizomunkräuter, wie Quecken (Triticum
repens L.), Schachtelhalm (Equisetum arvense L.), Hahnenfuß (Ranunculus repens
L.), Huflattig (Tussilago farfara L.) ꝛc. welche ſich nicht nur durch Samen, ſondern
auch durch Wurzeltriebe und unterirdiſche Stammtheile (Rhizome) vermehren. Gegen-
über dieſen ausdauernden Wurzelunkräutern laſſen ſich die einjährigen bloß durch Samen
ſich fortpflanzenden Unkräuter leichter ausrotten. Bei den Samenunkräutern
reicht meiſt ein einmaliges Vertilgen aus, ſofern es zur rechten Zeit vorgenommen
wird, während das Ausrotten der Wurzelunkräuter nur bei großer Ausdauer zu
bewerkſtelligen iſt. Die Vorbeugungsmaßregeln zur Verhütung des Unkrautes ſind
in der Regel wirkſamer als das Vertilgen der ſchon am Felde angeſiedelten Un-
krautpflanzen. Die ausgiebigſte Maßregel zur Vertilgung des Unkrautes iſt die
ſachgemäße Bodenbearbeitung und Brachehaltung. In gleicher Weiſe werden die ent-
ſprechende Wahl der aufeinander folgenden Pflanzen, die Fruchtfolge, die Reinigung
der Saatfrucht und die Aufbringung Unkrautſamen freien Düngers zur Ver-
hütung einer Verunkrautung weſentlich beitragen. Abgeſehen von dieſen wichtigen
Culturmaßregeln, welche vor der Saat auszuführen ſind, kann auch während der
Vegetation der Pflanzen durch das Uebereggen der Saaten, durch die Hackcultur
und das Jäten das Unkraut beſeitigt werden. Der Erfolg aller dieſer Arbeiten
wird jedoch erſt dann ein vollkommen geſicherter ſein, wenn dieſelben gleichzeitig auf
großen Landſtrecken zur Ausführung gelangen, da die Verbreitung der Unkräuter
von außen her durch den Wind, das Waſſer, die Vögel ꝛc. nur zu leicht ſtatt-
finden kann.
Am ſchwierigſten ſind die Wurzelunkräuter zu vertilgen. Selten gelingt es
dieſelben gleich auf das erſte Mal aus dem Felde zu ſchaffen. Am eheſten werden
dieſelben durch oftmaliges Ausſtechen der Wurzeln, durch Sammeln der ausgepflügten
Wurzelſtöcke und nachmaliges Verbrennen vernichtet. Bei der Vertilgung der Samen-
unkräuter kommt es hauptſächlich darauf an, ſie niemals zur Blüthe und noch viel
weniger zum Samentragen gelangen zu laſſen, je leichter die Samen vom Winde
fortgetragen und je mehr Samen von einer Unkrautpflanze ausgeſtreut werden können.
In letzterer Beziehung hat man gezählt und berechnet, daß je eine der folgenden Un-
krautpflanzen Samen tragen: die Kamille (Chamomilla matricaria L.) 60,000 Stück,
Krafft, Lehrb. d. Landw. I. 16
[242]Allgemeine Ackerbaulehre.
der rothe Klatſchmohn (Papaver Rhoeas L.) 50,000 Stück, die Klette (Lappa tomentosa
Cam.) und die Gänſediſtel (Sonchus oleraceus L.) je 24,520 Stück, der Ackerſenf (Sina-
pis arvensis L.) 4—8000 Stück, das Hirtentäſchchen (Capsella bursa pastoris Mnch.)
4500 Stück, die Kornrade (Agrostema Githago L.) 2500 Stück, die Ackerwinde (Convol-
vulus arvensis L.) und die Diſtel (Carduus acaulis) je 600 Stück ꝛc.
Bei hochwachſendem Unkraute pflegt man daſſelbe vor dem Blühen abzumähen
und dadurch unſchädlich zu machen. Selbſtverſtändlich darf die Senſe nicht ſo tief
ſchneiden, daß die Culturpflanze mitgenommen wird. Schießt das Unkraut neuerdings
in die Höhe, ſo iſt das Abköpfen deſſelben nach Bedarf zu wiederholen. Nimmt das
Unkraut ſtellenweiſe ſehr überhand, ſo kann es ſelbſt gerathen ſein, daſſelbe mit-
ſammt den Culturpflanzen abzumähen, um es ſicher auszurotten. Bei vereinzeltem
Auftreten oder bei werthvollen Culturpflanzen erübriget noch das Ausziehen des
Unkrautes mit der Hand, das Jäten deſſelben. Die ausgezogenen Unkrautpflanzen
werden entweder auf den Compoſthaufen gegeben oder noch beſſer, da manche Un-
krautſamen ihre Keimfähigkeit ſelbſt im Dünger bewahren, verbrannt und erſt die
Aſche als Dünger verwerthet.
Zu den verderblichſten, ſchmarotzenden Unkrautpflanzen zählen die Flachs-
(Cuscuta epilinum Weihe.) und Kleeſeide (Cuscuta Trifolii Bab.), welche zumeiſt
auf Lein, Hanf oder Klee, Luzerne, verſchiedenen Gras- und Unkrautpflanzen vorkommen.
Zur Vernichtung derſelben wird das Bedecken der fleckenweiſe ergriffenen Kleeſtöcke mit
Spreu, Aſche, das Uebergießen mit Jauche empfohlen. Am ſicherſten iſt jedoch
dieſem Feinde durch Umſpaten oder Abbrennen der ergriffenen Stellen beizukommen.
Im letzteren Falle werden die befallenen Flächen und deren nächſte Umgebung, welche
gleichfalls ſchon von einzelnen Fäden der Kleeſeide erreicht ſein kann, mit kurz-
geſchnittenem Strohe etwa 20—30 Cm. hoch bedeckt, mit Petroleum etwas an-
gefeuchtet und angezündet. Den Verheerungen durch dieſen Schmarotzer kann auch
durch Ausputzen der Samen der Kleeſeide aus dem Rothkleeſamen vor deſſen Verwen-
dung zur Saat vorgebeugt werden. Zu dieſem Zwecke verwendet man die Kleeſeiden-
Sortirmaſchine von Schöll in Plieningen bei Stuttgart (Preis 150 Mark, 75 fl.),
deren Siebe mit 7 Maſchen auf den Centimeter verſehen ſind, welche den Rothklee-
ſamen zurückhalten, während der Kleeſeideſamen durchfällt. Bei den Kleegrasſaaten
wird jedoch dieſe Reinigung des Samens nicht immer den gewünſchten Erfolg haben,
da der Kleeſeideſamen auch mit der Grasſaat auf das Feld gebracht werden kann.
2. Das Vereinzeln der Culturpflanzen.
Gleichwie die Unkrautpflanzen kann auch ein Uebermaß von Culturpflanzen
dem Erntertrage Nachtheil bringen, wenn die überflüſſigen Pflanzen nicht rechtzeitig
entfernt werden. Um eine volle Saat zu erzielen, müſſen oft mehr Samen ausgeſtreut
werden als ſpäter Pflanzen am Felde ſtehen ſollen, wie dies der Fall iſt bei der
Rübe, dem Mais, bei der Dibbelſaat, bei der Reihenſaat, welche ſpäter platzweiſe
zu ſtellen iſt. Dieſes Uebermaß von Pflanzen wird durch das Vereinzeln oder
Verdünnen des Pflanzenſtandes aus dem Felde geſchafft. Die geeignetſte Zeit zur
[243]Die Pflege.
Vornahme dieſer Arbeit iſt die Zeit bald nach [der erſten] Hacke, wenn die Pflanzen noch
nicht allzu ſehr erſtarkt ſind. Am unvollkommenſten wird das Vereinzeln mit der Pferde-
hacke ausgeführt, welche quer durch die Pflanzenreihen gezogen wird. Die Hackſchare
ſind dabei in entſprechenden Abſtänden anzuordnen Am ſicherſten wird mit der Hand
vereinzelt, indem man mit oder ohne Zuhilfenahme der Haue die überflüſſigen Pflanzen
auszieht und nur in den erforderlichen Abſtänden, womöglich die ſtärkſten Pflanzen,
ſtehen läßt. Die ausgezogenen Pflanzen können, ſofern ſie nicht als Futter geſammelt
werden, zwiſchen die Reihen gelegt werden, damit das Unkraut nicht ſo leicht aufkommen
kann. Zum Vereinzeln der Pflanzen ſind je nach dem Wachsraume der Pflanzen
20—26 Perſonen per Hectar erforderlich.
3. Der Schutz gegen Pflanzenkrankheiten.
Noch verheerender als die Unkrautpflanzen treten die mannigfaltigſten, zumeiſt
durch Pilzvegetationen hervorgerufenen Pflanzenkrankheiten 1) auf. Dieſelben ſind
um ſo verderblicher, als es ſelten gelingt, gegen dieſelben erfolgreich anzukämpfen.
Von den Pflanzenkrankheiten, welche durch Pilzbildungen veranlaßt werden, kann mit
ſicherem Erfolge zur Zeit nur den Verheerungen des Steinbrandpilzes (Tilletia
Caries Tul. und Tilletia laevis Kühn) bei dem Weizen vorgebeugt werden. Stein-
brandigen Weizen erkennt man an einer ſchmutziggrünen Färbung der Aehre. Zer-
drückt man ein ergriffenes Korn, ſo findet man an Stelle des Keimes und des
Sameneiweißes eine anfangs ſchmierige, ſpäter ſtaubartige ſchwarze, übelriechende
Maſſe, die Früchte (Sporen) des Pilzes. Vorgebeugt wird dieſer Krankheit durch
Beizen des Weizens mit Kupfervitriol.
Nach der Vorſchrift Dr. J. Kühns 2) wird der Kupfervitriol 1 Kilogr. auf
5.5 Hectoliter fein zerſtoßen, in heißem Waſſer aufgelöſt und dann zu ſo vielem
kalten Waſſer in einen Bottich gegoſſen, daß der hineingeſchüttete Samen noch eine
Querhand hoch mit dem Kupferwaſſer bedeckt iſt. Der eingeſchüttete Weizen wird
wiederholt umgerührt und alles an der Oberfläche Schwimmende abgeſchöpft. Der
ſo eingequellte Weizen bleibt 12 Stunden ſtehen, wird alsdann ausgeworfen, flach
ausgebreitet und fleißig gewendet. Nach wenigen Stunden kann derſelbe mit der
Hand, nach 24 Stunden mit der Maſchine geſäet werden.
Gegen die Roſtkrankheit der Getreidepflanzen giebt es nur ein theilweiſes
Vorbeugungsmittel. Dieſe Krankheit äußert ſich in dem Erſcheinen roſtrother rundlicher
oder roſtgelber länglicher Flecken auf den Blättern und Halmen der Getreidepflanzen,
welche von den Früchten der drei Arten des Getreideroſtpilzes (Puccinia graminis
16*
[244]Allgemeine Ackerbaulehre.
Pers., Pucc. straminis de By. und Pucc. coronata Corda) gebildet werden.
Tritt die Roſtkrankheit ſehr heftig auf, ſo zwar, daß die Pflanzen wie mit Roſt
überzogen erſcheinen, ſo leidet nicht nur das Stroh, welches für die Fütterung un-
tauglich wird, ſondern auch die Körnerbildung der Pflanze. Die Teleutoſporen
von Pucc. graminis bilden auf den Blättern von (Berberis vulgaris L.) Berbe-
ritzenſtrauch zwei Fruchtformen, die Spermagonien und Aecidien. Die Aecidienſporen
keimen auf dem Grasblatte und bilden dort ein Mycelium (Lager) des Roſtes,
welches in ſeiner weiteren Entwickelung zur Fortpflanzung des Pilzes während des
Sommers Styloſporen und zur Fortpflanzung über den Winter die erwähnten Teleuto-
ſporne ausbildet. Die Verbreitung des Roſtes durch die Aecidienſporen wird
wenigſtens hintangehalten, wenn alle in der Nähe der Getreidefelder vorkommenden
Berberitzenſträucher ausgerottet werden. Einen ähnlichen Generationswechſel machen
die beiden anderen Roſtpilzarten auf der Ochſenzunge (Anchusa officinalis L.) und
reſp. auf den Blättern des Kreuzdornes (Rhamnus cathartica L.) durch.
Gegen andere Pilzkrankheiten, wie gegen die Kartoffelkrankheit, welche durch
den Kartoffelpilz (Peronospora infestans de By.) hervorgebracht wird, den Staub-
oder Flugbrand (Ustilago Carbo Tul.), das Mutterkorn, beſonders bei dem
Roggen (Claviceps purpurea Tul.) ꝛc., iſt es bisher nicht gelungen, erfolgreich zu
Felde zu ziehen Der Landwirth muß ſich hier darauf beſchränken, durch ſorgfältige
Auswahl von geſundem Saatgute, durch aufmerkſame, ſachgemäße Pflege während des
Wachsthumes der Pflanzen eine möglichſt normale Entwickelung der Culturgewächſe zu
befördern, um dieſelben widerſtandsfähiger gegen die Angriffe der Pilze zu machen.
4. Die Abwehr ſchädlicher Thiere.
Zu den vielen ſchädlichen Einflüſſen, welchen unſere Culturpflanzen während
ihrer Vegetation ausgeſetzt ſind, kommen ſchließlich noch die Angriffe durch die
verſchiedenartigſten Thiere 1). Die Vorbeugungs- und Vertilgungsmittel zur
Beſeitigung dieſer ſchädlichen Thiere richten ſich nach der verſchiedenen Natur der
Pflanze und ihres Feindes, ſie können daher erſt bei der beſonderen Cultur jeder
Pflanze angeführt werden. Im Allgemeinen ſei erwähnt, daß das ſicherſte Mittel
zur Vorbeugung des Inſectenſchadens der Schutz aller jener Thiere iſt, welche mit
ihrer Nahrung auf die Inſecten angewieſen ſind. Den hervorragendſten Platz in
dieſer Beziehung nehmen die Vögel ein, von deren Wirkſamkeit im Vertilgen ſchäd-
licher Inſecten Tſchudi ſagt: „die Vögel verrichten eine Arbeit, welche Millionen
Menſchenhände nicht halb ſo gut und vollſtändig ausführen würden.“ Man ſorge
daher nicht nur für einen ausreichenden Schutz der nützlichen Vögel, ſondern auch
für die genügende Anzahl von Niſt- oder Brutkäſten an geeigneten Bäumen. Eines
[245]Die Ernte.
gleichen Schutzes werth ſind die nicht weniger nützlichen Fledermäuſe, der Maulwurf,
die Spitzmäuſe, der Igel, das Wieſel, alle Amphibien, beſonders Nattern, Eidechſen,
Fröſche und Kröten. Als weitere Vorbeugungsmittel ſind anzuſehen die Wahl der
Saatzeit, der Beſtellungsart, und der Fruchtfolge mit Rückſicht auf die Lebensweiſe des
zu fürchtenden, Pflanzenfeindes und das Reinhalten des Bodens von Unkraut., welches
jenem zur Brutſtätte dienen könnte. Mit viel weniger Erfolg als durch Schonung
und Hegung der nützlichen Thiere kann der Landwirth durch unmittelbares Vertilgen
der Pflanzenfeinde und ihrer Brut gegen dieſe ankämpfen. Die Vertilgung durch
Einſammeln und Tödten des Thieres und ſeiner Brut wird jedoch nur dann ein
günſtiges Ergebniß liefern wenn dieſelbe gleich beim erſten Auftreten des ſchädlichen
Thieres möglichſt allgemein und unverdroſſen zur Ausführung gelangt.
IX.
Die Ernte.
Ehe die Erntezeit heranrückt, ſind die nöthigen Vorbereitungen für dieſelbe zu
machen. Beſondere Fürſorge verdient die Beſchaffung der nöthigen Arbeitskräfte.
Bei größerem Bedarfe an Erntearbeitern wird es zweckmäßig ſein, ſchon im Früh-
jahre von auswärts fremde Schnitter und Schnittarbeiter in der erforderlichen An-
zahl für die Erntezeit heranzuziehen und vertragsmäßig zu verpflichten. Ebenſo wird
mit dem Herannahen der Erntezeit das Zugvieh in den Stand zu ſetzen und das
vorhandene durch Futterzulagen für die vermehrte Arbeit während der Erntezeit
zu kräftigen ſein. Erntewägen, Erntemaſchinen und ſonſtige Erntegeräthe, wie
Senſen, Sicheln, Rechen, Erntetücher ꝛc. werden zuſammenzurichten, Fehlendes zu
ergänzen ſein. Scheunen und ſonſtige Vorrathsräume, wie Feimenplätze, Miethen ꝛc.
ſind auszuputzen und überhaupt in Ordnung zu bringen. Den Winter vorher wird
ſich häufig genug Zeit finden laſſen, um auch den nöthigen Bedarf an Strohbändern
in Vorrath zu erhalten. Je umſichtiger und umfaſſender alle derartigen Vorberei-
tungen getroffen werden, um ſo leichter wird die Ernte abzuwickeln ſein. Es empfiehlt
ſich daher eher ein Zuviel als ein Zuwenig zu thun, da ein Verſäumniß häufig
mit der empfindlichſten Störung der Erntearbeiten und in Folge deſſen oft mit der
erheblichſten Schädigung des Ernteerfolges verbunden iſt.
Zu welchem Zeitpunkte die Ernte ſelbſt in Angriff genommen werden und welches
Verfahren dabei zur Anwendung gelangen ſoll, richtet ſich ſowohl nach den ge-
troffenen Vorbereitungen als auch in hervorragendſter Weiſe nach dem Reifezuſtande
der Frucht, der Beſchaffenheit der Witterung und der Anzahl der zur Verfügung
ſtehenden Arbeiter.
Im Allgemeinen iſt mit Bezug auf den Reifezuſtand der geeignetſte Ernte-
zeitpunkt dann eingetreten, wenn die abzuerntende Pflanze oder die zu ge-
winnenden Pflanzentheile die für ihre weitere Verwendung entſprechendſte Ausbildung
erlangt haben.
[246]Allgemeine Ackerbaulehre.
Dieſe Ausbildung wird zu ungleichen Zeiten eintreten je nachdem, 1. die ganze
noch grüne Pflanze oder 2. die Frucht und das Stroh oder 3. die Knollen und
Wurzeln oder ſchließlich nur 4. einzelne Theile der Pflanze, wie die Samen, die
Blüthen, die Stengel, Blätter ꝛc. zu gewinnen ſind.
1. Die Mähmaſchine.
Je nach der abzumähenden Fruchtart unterſcheidet man 1. Gras-, 2. Getreide-
und 3. combinirte Mähmaſchinen Letztere eignen ſich ebenſo zum Schneiden von
Gras als von Getreide. Alle Mähmaſchinen 1) beſtehen aus 1. dem Wagen, 2. der
Betriebsvorrichtung und 3. dem Schneideapparat, zu welchem bei vielen Getreide-
erntemaſchinen noch 4. der Ablegeapparat hinzukommt.
Der Wagen dient zur Befeſtigung der einzelnen Theile der Mähmaſchine
und zur Aufnahme des Betriebsmechanismus für den Schneide- und Ablegeapparat.
Er beſteht aus den Fahrrädern und dem Geſtelle, in welchem der Betriebsmechanismus
Howard's „European“-Getreidemähmaſchine
mit Selbſtablage, zwei Fahrrädern u. Kutſcherſitz außerhalb
am Geſtelle. — Gewicht 470 Kilo, Geſammtbreite 2.6 Meter;
Preis mit 2 Meſſern und Werkzeugkaſten 640 Mark, 320 fl.
gelagert iſt. Die meiſten Getreide-
mähmaſchinen werden mit einem
70—80 Cm. hohen Fahrrade,
die Grasmähmaſchinen mit zwei
Rädern verſehen. Es iſt jedoch
auch bei Getreidemähmaſchinen
wegen dem leichteren Betriebe des
Schneideapparates u. dem ſichereren
Gange der Maſchine zweckmäßiger,
zwei Räder anzubringen. Eine
empfehlenswerthe Maſchine dieſer
Art iſt die zweiräderige „European“-
Getreidemähmaſchine mit Selbſt-
ablage von H. \& F. Howard —
Bedford, Fig. 91. Dieſelbe
zeichnet ſich dadurch aus, daß die
Fahrradachſe nicht wie ſonſt üblich,
ſondern in ſtarken Doppelgelenken gelagert iſt, ſo daß die Fahrräder jeder Unebenheit
(Abhänge, Waſſerfurchen ꝛc.) des Bodens ohne Störung der Arbeit folgen können.
Von Wichtigkeit für den Aufwand an Zugkraft iſt die Anordnung der Deichſel.
Bei einräderigen Maſchinen vertheilen ſich die Widerſtände beſſer, wenn die Deichſel
zwiſchen dem Fahrrade und dem Schneideapparate, bei zweiräderigen Maſchinen wenn
die Deichſel zwiſchen beiden Fahrrädern angebracht iſt. Am ungünſtigſten iſt die An-
ordnung der Deichſel außer dem Fahrrade, indem dann die Tendenz der Maſchine
ſich gegen die Frucht zu drehen am ſtärkſten hervortritt.
[247]Die Ernte.
Die Betriebsvorrichtung beſteht aus 2, 3 Räderpaaren, je nachdem die
Maſchine nicht nur ſchneiden, ſondern auch die geſchnittene Frucht ſelbſtthätig ablegen
ſoll. Das erſte Zahnrad iſt entweder wie bei den älteren Maſchinen an das Zahn-
rad angegoſſen oder auf die Fahrradachſe feſtgekeilt, oder auch wie bei den neueren
Conſtructionen durch eine Sperrklinkenkuppelung feſtgehalten. Letztere Anordnung er-
möglicht die ſelbſtthätige Außerbetriebſetzung der Maſchine beim Rückwärtsfahren und
die leichtere Auswechſelung bei vorkommenden Brüchen. Die Welle des letzten Triebes
trägt bei allen Maſchinen eine Kurbelſcheibe oder Kurbel mit einer Pläuelſtange
(Lenkerſtange) um die rotirende Bewegung des Fahrrades, in die hin und hergehende
des Schneideapparates umzuwandeln.
Die Größe und Art der Ueberſetzung ergiebt ſich beiſpielsweiſe bei der bekannten
Hornsby'ſchen Maſchine „Governor“ ſiehe Fig. 97 aus nachfolgenden Zahlen:
a) für die Bewegung des Meſſers:
1. Aufgeſchraubte innere Stirnradverzahnung . 70/17 Zähne,
2. Koniſche Verzahnung ........ 46/13 „
Geſammt-Ueberſetzung: ........ 14.57
b) für die Bewegung des Ablegeapparates:
1. Innere Stirnradverzahnung a. 1 ....... 70/17 Zähne,
2. Stirnradverzahnung mit 1 Zwiſchenrad mit 51 Zähnen 11/37 „
3. Koniſche Ueberſetzung ........... 8/33 „
Geſammt-Ueberſetzung ..... 0.29
Der Schneideapparat befindet ſich zur rechten oder linken Seite des
Wagens, weil die Zugthiere nicht in, ſondern nur neben der zu ſchneidenden Frucht
gehen können. Derſelbe wird ſich am beſten den Bodenunebenheiten anſchmiegen,
wenn er möglichſt in der Verticalebene der Fahrradachſe liegt. Am nächſten dieſer
Anforderung kommt die Mac Cormick'ſche und die Wood'ſche „Champion“-Mäh-
maſchine.
Bei den gegenwärtig gebrauchten Mähmaſchinen erfolgt der Schnitt durch eine
Anzahl von Scheeren, deren Klingen entweder glatt (Scheerenſyſtem) oder geſägt
(Sägeſyſtem) angefertigt werden. Bei beiden Syſtemen iſt meiſtens je eine Klinge
der Scheere, deren mehrere in einer Reihe neben einander angeordnet werden, un-
beweglich, je die andere beweglich eingerichtet. Die unbeweglichen Klingen, die Finger,
Fig. 92 (ſ. S. 249), a, a, a, welche größtentheils aus hämmerbarem Guſſe an-
gefertigt werden, ſind an einem ſchmiedeiſernen Balken, dem Fingerbalken b, an-
geſchraubt. Sie beſitzen nach vorne eine runde oder vierkantige flach zulaufende
Spitze. Ihr rückwärtiger Theil iſt bis nahe der Spitze geſchlitzt. Die beweglichen
Klingen, welche ſich zu je zwei zu einem gleichſchenkelig dreieckigen Stücke, der
Meſſerplattec, c, c vereinigen, ſind gleichfalls auf einer ſchmiedeeiſernen Schiene,
der Meſſerſchiened, aufgenietet. Die Meſſerſchiene ſammt den Meſſerplatten wird
in den erwähnten Fingerſchlitzen durch die Lenkerſtange hin und her bewegt. Bei
dem Hineinfahren des Schneideapparates in das ſtehende Getreide erfolgt zuerſt durch
die Finger des Schneideapparates eine Theilung der Halme in Büſcheln. Bei
[248]Allgemeine Ackerbaulehre.
weiterem Vorrücken der Maſchine gleiten dieſe Büſchel längs den zugeſchärften Finger-
kanten in den Winkel zwiſchen Meſſerſchneide und Finger, um dort bei der Ver-
ſchiebung des Meſſers an die Fingerkante angepreßt und ſchließlich bei dem Durch-
gange des Meſſers durch den Fingerſchlitz abgeſchnitten zu werden. Bei entſprechender
Geſchwindigkeit der Schneiden, welche bei Sägemeſſern geringer ausfallen kann und ſo
bedeutend ſein muß, daß der Halm nicht ausweichen kann, wird ein Theil der Halme
auch ohne Andrücken an die Finger abgeſchnitten. Damit das ſtehende Getreide oder Gras
ſicher und rein von dem gemähten abgetheilt wird, befindet ſich an jenem Ende des
Schneideapparates, welches den Fahrrädern entgegengeſetzt iſt, ein Theiler. Derſelbe beſteht
aus einem beweglichen, zugeſpitzten Schuh und zwei aufgeſetzten Rundeiſenſtangen.
Die Meſſer werden in demſelben Momente, als ſie ſeitwärts gehen, auch noch
gleichzeitig mit der Fortbewegung der ganzen Maſchine, nach vorwärts bewegt. Die
Art und Weiſe dieſer Bewegung bedingt im Zuſammenhange mit der Scheerenzahl
die Schönheit und Gleichmäßigkeit des Schnittes. Die zuverläßlichſten Anhaltspunkte
zur Beurtheilung des Schnittes ergiebt die graphiſche Darſtellung oder das Diagramm
der Meſſerbewegung.
Die erforderlichen Momente zur Conſtruction des Diagramms 1) ergeben ſich aus dem
Kopfe der nachſtehenden Tabelle, in welcher die Abmeſſungen (in Cm.) des Schneideapparates
mehrere der bekannteſten Mähemaſchinen aufgenommen ſind.
Zur Erläuterung ſei erwähnt, daß man unter Abſcheerungswinkel jenen Winkel ver-
ſteht, welchen die Schneidekante des Meſſers mit der Fiugerkante oder der Zugrichtung bildet.
Unter horizontalem Hub verſteht man die horizontale Verſchiebung der Meſſer.
[249]Die Ernte.
In den Diagrammen, welche auf Grund der angegebenen Daten um 2/9 verkleinert
für die beiden in der Tabelle zuerſt angeführten Maſchinen von Kearsley nach dem Patent
von Brigham \& Bickerton, Fig. 93, und von Samuelſon Fig. 94, gezeichnet ſind, wurden die
Flächen, deren Halme unmittelbar auf ihrem Standorte geſchnitten werden, „ſchraffirt“,
die Flächen, welche von zwei Meſſerbahnen überfahren wurden „punktirt“ und die Flächen, auf
welchem die Halme erſt vorgeſchoben oder nach ſeitwärts gebogen werden müſſen, wenn
ſie zum Schnitte gelangen ſollen, „weiß“ angelegt. Die Größe der einzelnen Flächen in
Procenten ſind in den letzten vier Spalten der obigen Tabelle angegeben.
Die bisher erwähnten Theile beſitzen ſowohl die Getreide- als auch die Gras-
Längenanſicht und Durchſchnitt des Schneideapparates der Mähmaſchine. (Scheeren-
ſyſtem). — aaa Finger, b Fingerbalken, ccc Meſſerplatten, d Meſſerſchiene.
mähmaſchinen. Als Beiſpiel der letzteren bringen wir in Fig. 95 (ſ. S. 250)
die Abbildung der „International“-Grasmähmaſchine von J. \& F. Howard — Bed-
ford. Dieſelben laſſen das geſchnittene Gras oder Futter dort liegen, wo es gewachſen.
Fig. 93. Diagramm der Meſſerbewegung der Mähmaſchine von H. \& G. Kearsley („New Patent X.
L. Reaper“). — Fig. 94. Diagramm der Meſſerbewegung der Mähmaſchine von Samuelſon \& Co.
(„Manvarings Patent, Modell A“) — a1a2a3a4 Endpunkte der Fingerbahnen, c Meſſerplatten. Der Pfeil
giebt die jeweilige Richtung der Meſſerbewegung an.
[250]Allgemeine Ackerbaulehre.
Es iſt dies um ſo eher möglich, als das Zuſammentreten des Futters durch die
Zugthiere keinen Schaden bringt, während bei derartig gemähten Getreide, ein
Verluſt durch Austreten der Körner eintreten würde. Die Getreidemähmaſchinen
müſſen daher nicht nur das Getreide ſchneiden, ſondern auch in Garben legen, damit
es raſch zur Seite geſchafft werden kann, um die Bahn für den folgenden Gang
Howard's International-Grasmähemaſchine. — Gewicht 382
Kilogr.; Preis mit zwei Meſſern 430 Mark, 215 fl.
frei zu machen. Je
nachdem die Maſchine
die Ablage mit Hilfe
eines Arbeiters oder
ſelbſtthätig vornimmt,
unterſcheidet man Ge-
treidemähmaſchi-
nen mit Handablage
und mit Selbſtablage.
Bei den Mäh-
maſchinen mit Handablage wird das Getreide durch einen Arbeiter mit einem
Rechen dem Schneideapparate zugebogen und auf einer hinter dem Schneideapparate
befindlichen Plattform geſammelt. Iſt die zu einer Garbe nöthige Menge auf-
gehäuft, ſo wird bei den meiſten neueren Maſchinen dieſer Art die Plattform durch
einen Tritt auf ein einfaches Hebelwerk gekippt und mit dem Handrechen nach hinten,
ſelten gleichzeitig auch nach ſeitwärts abgelegt. Die ſeitliche Ablegung wird noch am
vollkommenſten erreicht durch die „Premier“-Getreidemähmaſchine von R. Hornsby \&
Sons, Fig. 96 (ſ. S. 251). Dieſelbe kann mit einer Plattform aus einem kipp-
baren Roſte von 8 Eiſenſtäben verſehen werden. An den letzten zwei Stäben ſind
zwei verſchieden lange Schleifſtangen in einem Charnier eingehängt, welche zur Er-
leichterung der ſeitlichen Ablage aufgeſtellt eine ſchiefe Ebene bilden. Die Hand-
ablagemaſchinen, welche gewöhnlich nur mit einem Pferde beſpannt ſind, verlangen zwei
Arbeiter — einen Kutſcher und einen ſehr angeſtrengt arbeitenden Ableger — zur
Bedienung, während überdies zum allſogleichen Aufbinden der Garben mehrere Arbeiter
nöthig ſind. Aus dieſem Grunde hat deren Einführung nur für wenige Verhältniſſe
eine wirthſchaftliche Berechtigung.
Bei den Mähmaſchinen mit Selbſtablage wird die garbenweiſe Ablage des
Getreides nach ſeitwärts durch drei Vorrichtungen 1. der Plattform, 2. der Zu-
führungs- und 3. der Ablegevorrichtung bewerkſtelligt.
Die Plattform ſchließt ſich meiſt als ein hölzernes, theilweiſe oder ganz mit
Blech beſchlagenes Kreisſegment unmittelbar an den Schneideapparat an. Die
Unterſtützung der Plattform erfolgt einerſeits durch die Fahrräder, an deren Achſe
dieſelbe aufgehängt iſt und anderſeits durch ein kleines meiſt koniſches Trag- oder
Laufrad. Dieſe Unterſtützung iſt beweglich eingerichtet ſo zwar, daß die Plattform
mit dem Meſſerapparat durch einen Hebel beliebig gehoben oder geſenkt werden kann,
um die Stoppelhöhe zu reguliren oder die Maſchine für den Transport geeignet zu
machen. Der äußere Rand der Plattform iſt ſenkrecht aufgebogen und überdies
[251]Die Ernte.
häufig durch Rundeiſenſtangen, welche vom Theiler ausgehen, erhöht, um zu verhüten,
daß die Getreidehalme über den Rand der Plattform fallen. Die Anordnung der
Plattform läßt ſich aus der Fig. 97 (ſ. S. 252) erſehen, welche die Getreidemähe-
maſchine „Governor“ mit
Selbſtablage von R. Hornsby
\& Sons —Grantham darſtellt.
Die Plattform hat den Zweck,
das abgeſchnittene Getreide vor
der Ablage zu ſammeln.
Die größte Mannigfaltig-
keit ergiebt ſich in der Con-
ſtruction der Zuführungs-
und Ablegevorrichtung.
Erſtere hat die Beſtimmung das
Getreide gegen den Schneide-
apparat zu biegen, damit es
ſicher von den Meſſern erfaßt
werden kann, letztere hat das
auf der Plattform ſich an-
ſammelnde Getreide in Garben
ſeitwärts zu legen, damit die
Bahn für den nächſten Gang
der Maſchine frei wird. Bei
wenigen Maſchinen ſind beide
Vorrichtungen getrennt. In
dieſem Falle beſteht die Zu-
führungsvorrichtung aus einem
horizontal gelagerten Haspel,
während die Ablegevorrichtung
die verſchiedenſte Geſtalt an-
nimmt. Bei der Maſchine von
Wood beſteht z. B. letztere aus
einem Arm, welcher an einer
Kette ohne Ende am Umfange
einer viereckigen Plattform ge-
führt wird. Gewöhnlich bewegen
ſich beide Vorrichtungen um
dieſelbe Achſe. Die Zuführung
Einpferdige Getreidemähmafchine „Premier“ mit
eiſernem Geſtelle von R. Hornsby \& Sons—Grantham. — Schnitt-
breite 1.35 Meter, Gewicht 298 Kilogr.; Preis 380 Mark, 190 fl.
wird durch ein einfaches an einer Stange befeſtigtes Brett, das Raff- oder Sammel-
brett, die Ablage durch eine Harke vermittelt. Die Raff- und Harkenarme rotiren um
eine ſenkrechte Achſe und erhalten ihren Weg durch eine Führungscurve vorgezeichnet.
Je zwei Harken und zwei dazwiſchen angebrachte Raffbretter bilden ein Kreuz, deſſen
[252]Allgemeine Ackerbaulehre.
Drehung ein Heranbiegen der Halme und ein Abharken der abgeſchnittenen Halme
von der Plattform bewirkt. In dieſer Form findet ſich der Ablegeapparat an der be-
kannten Samuelſon'ſchen Maſchine. An Stelle der Führungscurve tritt bei der Hornsby'-
„Governor“. Getreidemähmaſchine mit Selbſtablage von
R. Hornsby \& Sons—Grantham. — Schnittbreite 1.58 Meter, Gewicht
610 Kilogr., Preis mit ſchmiedeeiſernem Laufrade 704 Mark, 352 fl.
ſchen Maſchine ein aus der
Fig. 97 zu erſehender,
ſehr empfehlenswerther Be-
wegungsmechanismus.
Den meiſten Anforde-
rungen entſpricht gegenwärtig
die Ablegevorrichtung der
Maſchine von Johnſton in
Brokport (Staat New-York,
Schnittbreite 1.58 Meter,
Gewicht 590 Kilogr.; Preis
840 Mark, 420 fl.), deren
Harken, gleichfalls auf einer
Führungscurve laufen. Die
eigenthümliche Biegung der
Curve bewirkt daß ſich die
Harken nach dem Paſſiren der
Plattform aufſtellen und da-
her die bequeme Anbringung
eines Kutſcherſitzes an der
Fahrradachſe zulaſſen. Dieſe
Maſchine iſt überdies mit
einer Vorrichtung verſehen
welche während des Ganges
der Maſchine die Größe
der Garben reguliren oder
die Ablage ganz ſiſtiren
läßt.
Schließlich ſtellt man
an die Getreidemähmaſchine
die Anforderung, daß der
Kutſcher auf der Maſchine
bequem und ſicher ſitze und
im Stande ſei, die Maſchine
leicht zu beaufſichtigen und
die verſchiedenen Stellungen und Ausrückungen ſicher zu handhaben. Das Gewicht
des Kutſchers kommt dabei wenig in Betracht. Durch daſſelbe kann bei paſſender
Anordung, zur Seite der Fahrradachſe, der Druck der Deichſel auf die Pferde auf-
gehoben werden.
[253]Die Ernte.
Zur Beurtheilung des Bedarfes an Zugkraft mögen hier nach den beiden oben er-
wähnten Berichten noch einige Angaben folgen:
Die durchſchnittliche Zugkraft in Kilogr. für je 30 Cm. Schnittbreite war bei den
Kraftproben in Berlin (I) mit Ausſchluß der combinirten Maſchinen und in Ungar. Alten-
burg (II) die folgende:
2. Die Ernte grüner Pflanzen.
Im grünen Zuſtande werden ſowohl die Wieſenpflanzen als auch die auf dem
Ackerlande gebauten Futterpflanzen geerntet. Abgeerntet finden dieſelben entweder
gleich im friſchen Zuſtande als Grünfutter Verwendung oder dieſelben werden vor
ihrer Verfütterung zu Heu getrocknet. Durch die Heuwerbung will man nicht nur
Vorſorge für die Winterernährung der Thiere treffen, ſondern auch ein Futter er-
zielen, welches als Zuſatz eine höhere Verwerthung wäſſeriger Futtermittel, wie
Kartoffeln, Rüben, Schlempe u. dgl. ermöglicht.
Für die Verfütterung der Pflanzen im grünen oder getrockneten Zuſtande kann
es nicht gleichgültig ſein, in welchem Entwickelungsſtadium der Pflanze das Ab-
mähen vorgenommen wird, indem davon nicht nur die Menge der in den Futter-
mitteln enthaltenen Nährſtoffe, ſondern auch die Verdaulichkeit derſelben abhängig iſt.
Im jugendlichen Zuſtande ſind alle Wieſen- und Feldfutterpflanzen relativ reich
an Nährſtoffen und zwar beſonders an den für die Thierernährung ſo wichtigen
ſtickſtoffhaltigen Beſtandtheilen und an Phosphorſäure. In jungen Pflanzen iſt die
Zellſubſtanz überdies noch zart und leicht verdaulich. Je weiter die Pflanzen in
ihrer Entwickelung vorſchreiten, deſto mehr verlieren ſie an Futterwerth, da ſie nicht
nur relativ ärmer an ſtickſtoffhaltigen Nährſtoffen werden, ſondern ſpäterhin auch
bereits eine Umbildung des Zellſtoffes in ſchwerer verdaulichen Holzſtoff eintritt.
Die Analyſen von Rothklee, der (I) am 9. Juli in der Knospung, (II) am 17. Juli
in der angehenden und (III) am 24. Juli in voller Blüthe ſtand, ergaben nach E. Heiden
und F. Voigt 1) folgende Reſultate:
Nach der Blüthe hört die Zunahme der ſtickſtoffhaltigen Stoffe auf. Bis zur
Samenbildung und Samenreife tritt dann nur mehr eine Zunahme der ſchwer ver-
daulichen Holzfaſer ein. Die Gewächſe werden holzig und verlieren ſelbſt durch
Abfallen einen Theil der zarteren, nährſtoffreichen Blätter und der ausgereiſten
Körner.
Ter Schnitt zu Grünfutter ſoll daher ſo früh als es mit Rückſicht auf die
Menge möglich vorgenommen werden; da überdies, je jünger die Pflanzen abge-
ſchnitten werden, um ſo raſcher und kräftiger ein Nachwuchs erfolgt. Je ſpäter ge-
ſchnitten wird, um ſo hartſtengliger und weniger werthvoll für die Fütterung wird
das Grünfutter.
Für die Heuwerbung wird es dagegen am vortheilhafteſten ſein, in der an-
gehenden Blüthe, oder kurz vor Eintritt der vollen Blüthe zu ſchneiden. Ein
weiteres Hinausſchieben über dieſen Zeitpunkt, bis die Pflanzen überſtändig und hart
werden, iſt ſtets mit einem Verluſte an der Nahrhaftigkeit verbunden, der bei weitem
nicht durch die größere, aber weniger werthvolle Maſſe aufgewogen wird. Dieſe
größere Menge älterer Futterpflanzen iſt oft nur ſcheinbar, da ſich das hartſtenglige
ältere Heu nicht ſo dicht, wie jenes von biegſamen jungen Pflanzen zuſammenlegt
und daher maſſiger als dieſes erſcheint. In kühlen Gegenden mit feuchtem Herbſte
wird auf die Zeit des erſten Schnittes auch die weiteren Schnitte, die Grummet-
ernte, Einfluß haben, denn erfolgt der Heuſchnitt zu ſpät, etwa nach der Blüthe der
Pflanzen, ſo würde der Grummetſchnitt zu ſpät in den Herbſt hinein kommen, um
noch gut austrocknen zu können.
1. Die Grünfutterernte.
Die einfachſte und müheloſeſte Gewinnung des Grünfutters beſteht in dem
Abweidenlaſſen der Wieſen oder des Feldfutters durch Thiere. Bei Stallfütterung
muß jedoch das Abbringen der grünen Futterpflanzen die Menſchenhand, am ge-
wöhnlichſten mit der Senſe, oder die Maſchine beſorgen.
Das Mähen der Gras- und Futterpflanzen geht am beſten in den Morgen-
ſtunden, ſo lange noch Thau liegt. Die am ſchwierigſten abzumähenden, trockenen
Wieſenpartien, die mit dichtem, zähem Graſe bewachſen ſind, läßt man daher früh-
morgens mähen, das lockere, ſaftigere Gras ſpäterhin. Die Leiſtungsfähigkeit des
Mähers beträgt je nach der Art der Grünfutterpflanze und der Beſchaffenheit des
Pflanzenwuchſes zwiſchen 0.3—0.6 Hectar per Tag. Bei großen, abzumähenden
[255]Die Ernte.
Flächen bedient man ſich ſtatt der Senſe der Grasmähemaſchine, welche je nach ihrer
Mähbreite von 1.5—2 Meter 3.5—4.6 Hectar täglich abzumähen vermag.
An Grünfutter wird man auf einmal nur ſo viel mähen, als man gut in einem
Tage zur Fütterung der Thiere verbrauchen kann. Für Sonn- und Feiertage wird
man jedoch eine entſprechende Menge an Grünfutter in Vorrath mähen. Um es
friſch zu erhalten legt man daſſelbe an einem ſchattigen Orte auf ein luftiges Latten-
gerüſt. Derartige Lattengerüſte bewähren ſich auch zur Erhaltung eines naß ein-
gebrachten, oder eines ſehr jungen Grünfutters. Zur Aufbewahrung des Grünfutters
benöthigt man für 100 Kilogr. Klee, Miſchling ꝛc. 0.75—1 Cubikmeter, für eine
Fuhre zu 800 Kilogr. 6—8 Cubikmeter.
2. Die Dürrheubereitung.
Die Güte des Heues hängt nicht allein von der richtigen Wahl des Ernte-
zeitpunktes, ſondern auch von der gelungenen Werbung und Einbringung ab. Bei
derſelben hat man ſich gegenwärtig zu halten, daß die Bildung des Heues vorzugs-
weiſe auf die durch die Verdunſtung herbeigeführte Verminderung des Vegetations-
waſſers der grünen Pflanzen bis auf 14—15 % beruht. Je ungehinderter und
ſchneller dieſe Verdunſtung des Waſſers vor ſich gehen kann, um ſo weniger Ver-
luſte an Nährſtoffen können eintreten. Heu, welches während der Ernte mehrfach
vom Regen durchnäßt und dann von der Sonne gebleicht wird, büßt nicht nur ſeinen
aromatiſchen Geruch ein, ſondern verliert auch einen erheblichen Theil ſeiner werth-
vollen löslichen Nährſtoffe.
Gut eingebrachtes Wieſenheu enthält z. B. nach Stöckhardt 62 %, durch 10 Tage
mehrfach beregnetes nur mehr 56 % Geſammtnährſtoffe; gut eingebrachtes Kleeheu 51 %,
durchnäßtes nur 39 % Nährſtoffe. Bayer 1) fand im Wundkleeheu:
Außer den Verluſten durch die Ungunſt der Witterung können noch weitere
Verluſte während der Heuwerbung, beſonders des Rothkleeheues, durch Abbröckeln
der ſchnell dürr werdenden Blätter und feineren Stengeltheile eintreten. Wie be-
deutend dieſe Verluſte ſein können, geht daraus hervor, daß bei dieſen Pflanzen die
Blätter, welche überdies noch viel reicher an Nährſtoffen als die Stengel und Halme
ſind, mindeſtens den vierten Theil, wenn nicht die Hälfte der geſammten Erntemaſſe
ausmachen.
Nach beiden Richtungen hat man ſich durch die geeigneten Erntemethoden vor
Schaden zu bewahren. Das einfachſte, aber wenig verläßliche Verfahren beſteht
darin, das gemähte Futter in Schwaden ſo lange liegen zu laſſen bis es ſo weit
trocken, um eingeführt werden zu können. Daſſelbe kann jedoch nur in Gegenden
[256]Allgemeine Ackerbaulehre.
mit ſehr trockener und ſicherer Witterung während der Heuwerbung ausgeführt werden
und iſt ſelbſt dort unvermeidlich mit einem Bleichen des Heues an der Oberfläche
der Schwaden verbunden
Nach dem gewöhnlichſten und ſicherſten Verfahren wird das Futter frühmorgens
ſo lange der Thau anhält, geſchnitten und nach dem Abtrocknen des Thaues werden
Zweipferdige Heuwendemaſchine von J. \& F.
Howard. Marke HH, Spurweite 1.4 M., Gewicht 600 Kilogr.;
Preis 376 Mark, 188 fl.
die Schwaden gleichmäßig über das
Feld oder die Wieſe ausgebreitet.
Ueber den Tag wird das Futter je
nach dem ſchnelleren oder lang-
ſameren Abwelken mit dem Rechen
ein- oder zweimal, Vor- und Nach-
mittags umgewendet. Häufig
macht man den Fehler das ab-
gewelkte Futter über Nacht aus-
gebreitet liegen zu laſſen, anſtatt
es vor Eintritt der Bethauung
in kleine etwa 0.5 Meter hohe
Häufchen zuſammen zu bringen.
Wird die Oberfläche dieſer Häuf-
chen durch Thau und ſelbſt leichteren
Regen benetzt, ſo trocknet dieſelbe
doch den nächſten Tag durch Sonne
und Wind ſchnell wieder ab. Den
zweiten Tag nach dem Schnitte
werden die Häufchen jedoch in einer
dickeren Schichte wieder zerſtreut
und das Futter tagsüber nach
Bedarf mehrmals gewendet, um
dann gegen Abends in größeren
Häufchen aufgeſetzt oder geſchöbert
zu werden. Nicht allzu ſaftreiches
Futter kann ſelbſt ſchon vor dem
Schöbern trocken genug zum Ein-
führen ſein. Den dritten Tag
wird der Schober ausgebreitet, das
Heu gewendet. Bei günſtiger Zeit
wird es dann ſchon ſo weit dürr
ſein, um eingeführt zu werden. Die meiſte Aufmerkſamkeit hat man darauf zu richten,
das Futter vor Eintritt des Thaues, alſo über Nacht oder vor dem Beginne eines Regens
in Haufen zuſammenzubringen, da es in denſelben bei länger anhaltender naſſer
Witterung beſſer vor dem Verderben geſchützt iſt, als wenn es ausgebreitet daliegt.
Bei ſehr wenig abgetrocknetem Futter empfiehlt es ſich jedoch die Haufen bei länger
[257]Die Ernte.
währenden Regen etwas aufzulockern, um ein Verfaulen der grünen Pflanzenmaſſe
hintan zu halten. Nur kurz vor dem oder im Regen geſchnittenes Gras wird
zweckmäßig gleich in Schwaden — vorausgeſetzt, daß dieſe noch nicht geſtreut ſind —
liegen gelaſſen.
Bei größeren Flächen wird das Wenden und Zuſammenrechen mit dem Hand-
rechen oder der Gabel zu koſtſpielig. Zur Erſparung an Koſten und zur Beſchleu-
nigung der Arbeit verwendet man zum Umwenden des Heues Heuwendemaſchinen
welche durch ein Pferd in Betrieb geſetzt werden. Eine bewährte Conſtruktion dieſer
Art iſt die Heuwendemaſchine von J. \& F. Howard in Bedford, Fig. 98 (ſ. S. 256),
welche ganz aus Schmiedeeiſen, ſchmiedbarem Guß gefertigt und mit beweglichen Stahl-
zinken verſehen iſt. Dieſelbe iſt mit einer Einrichtung zum Höher- und Tieferſtellen
verſehen, je nachdem das Heu mehr oder weniger dicht liegt.
Zu demſelben Zwecke und um das trockene Futter zuſammenzubringen, benützt
man an Stelle der Handrechen hölzerne oder eiſerne Pferderechen, welche mit
einem Pferd beſpannt auch zum Nachrechen auf den Getreideſtoppeln die beſten Dienſte
thuen. Die Heurechen
werden entweder von Holz
wie die amerikaniſchen
Heurechen, Fig. 99, oder
von Eiſen, mit beweglichen
Stahlzinken wie die eng-
liſchen Heurechen, Fig. 100
(ſ. S. 258) in der Aus-
führung von Ranſomes,
angefertigt.
Das öftere Wenden
des entſtehenden Heues
verurſacht, je weiter das-
Amerikaniſcher Heurechen. — AA Zugbäume, T Rechen,
BDF Geſtellt zur Entleerung des Rechens durch Heben der beiden
Handhaben.
ſelbe im Austrocknen vorſchreitet, bei manchen Kleearten, beſonders dem Rothklee, einen
zu ſtarken Abfall der leicht zerbrechlichen Blätter und feineren Stengeltheile. In ſolchen
Fällen wird ein Verfahren, bei welchem das entſtehende Heu möglichſt wenig gerührt
wird, angezeigter ſein. Derartiges ſehr blätter- und zugleich ſehr ſaftreiches Futter
wird man 1—2 Tage in Schwaden liegen laſſen und wenn dieſelben oberflächlich ab-
gewelkt, umwenden und zu je zwei Schwaden zuſammennehmen. Nach 4—5 Tagen,
wenn das Futter halb ausgetrocknet, wird es in große, 0.3—0.6 Meter hohe
Windhaufen, durch welche der Wind durchziehen kann, aufgeſetzt. Dieſe Wind-
haufen werden ſchließlich in 2—3.5 Meter hohe Schober zuſammengebracht, in
welchen das werdende Dürrfutter ſo lange bleibt, bis es nach einer, bei ungünſtiger
Witterung auch nach zwei Wochen, vom Schnitt an gerechnet, eingeführt werden
kann. In feuchten Gegenden wird ſelbſt dieſes Verfahren nicht ſicher genug ſein
und leicht ein Verfaulen oder ſonſtiges Verderben der Futtermaſſe eintreten können.
Bei ſolchem ſaftigen Futter kann man in feuchten Lagen das Trocknen auch, ähnlich
Krafft, Lehrb. d. Landw. I. 17
[258]Allgemeine Ackerbaulehre.
wie bei der Getreideernte, durch Aufſetzen in Kapellen oder in Puppen bewerkſtelligen.
Zu dieſem Zwecke wird das Futter mit Strohbändern oder, wenn die eigenen Stengel
lang genug ſind, mit dieſen unterhalb der Blüthen in mäßig große Garben ge-
bunden und aufgeſtellt. Es erübrigt dann nur, die getrockneten Garben einzuführen.
Bei geringeren Futtermengen kann dieſes, wenn auch koſtſpielige, Verfahren um ſo
mehr zur Ausführung empfohlen werden, je blätterreicher, langhalmiger und ſaft-
reicher das Futter und je unſicherer die Witterung iſt.
Bei größeren Futtermengen eignen ſich zum Trocknen die in Gebirgs- und
ſonſtigen feuchten Gegenden zum Trocknen von Klee und Gras verwendeten Gerüſte, wie
Pferderechen von Ranſomes, Sims \& Head—Ipswich, mit 28 ſtählernen, im Querſchnitt T-
förmigen Zinken, welche von dem Sitze aus durch Aufheben von dem abgeharkten Heu entleert werden
können. — Breite 2.7 Meter, Durchmeſſer der Fahrräder 0.9 Meter, Gewicht 236 Kilogr.; Preis
214 Mark, 107 fl.
Kleereiter oder Trockenpyramiden. Die Kleereiter, Fig. 101 (ſ. S. 259), be-
ſtehen aus 2.5—3 M. hohen Stangen, welche mit mehreren im Kreuz eingeſchobenen,
1 Meter langen Querhölzern verſehen ſind. Auf dieſen Stangen wird das etwas
abgewelkte Futter derart aufgehängt, daß es den Boden nicht berührt, damit auch von
unten die Luft durchziehen kann und der darunter befindliche Klee ꝛc. in ſeinem Wachs-
thume weniger gehindert iſt. Das Regenwaſſer wird hier unſchädlich von der Ober-
fläche des Futters ablaufen können. Auf einem einpfähligen Kleereiter können ungefähr
25 Kilogr. Futter aufgehängt werden. Stehen per Hectar etwa 2600 Kilogr. in
Ausſicht, ſo benöthigt man 105 Stangen, deren erſte Anſchaffung 70—100 Mark,
35—50 fl. koſten kann. Eine Auslage, welche jedoch erſt im Verlaufe mehrerer Jahre,
bis die Stangen unbrauchbar werden, wiederkehrt. Bei felſigem oder feſtem Boden
iſt das Einſchlagen der Stangen erſchwert, es werden daher hier an Stelle der Reiter
Futtertrockenpyramiden, Fig. 102 (ſ. S. 259), angewendet, welche aus drei pyramidenartig
zuſammengeſtellten und mit Querhölzern verbundenen Stangen aufgerichtet werden.
Eine ſolche Pyramide, welche bis zu 750 Kilogr. grünes und 150—200 Kilogr.
[259]Die Ernte.
trockenes Futter zu tragen vermag, gewährt der Luft freien Zutritt, ſie hat jedoch
den Nachtheil, daß unter derſelben der weitere Futterzuwachs zurückbleibt.
Der richtigſte Zeitpunkt für das Einführen des auf die eine oder andere Weiſe
hergeſtellten Dürrheues iſt gekommen, wenn die auch ſchwerer austrockenden, gröberen
Reiter zum Trocknen des Klees ꝛc.
Futter-Trockenpyramide.
Halme und Stengel des Futters ſo weit getrocknet ſind, daß ſie beim Biegen oder
Drehen zerbrechen. Noch weiter das Futter ausdürren zu laſſen, iſt unzweckmäßig, weil
dadurch die feineren, nahrhafteſten Futtertheile durch das Aufladen ꝛc. zu ſehr ab-
bröckeln. Iſt das Dürrfutter gut eingebracht, ſo ſoll daſſelbe ſeine lebhafte grüne
Farbe und ſeinen aromatiſchen Geruch nicht verloren haben.
3. Die Braun- und Brennheubereitung.
In ungünſtigen, regenreichen Lagen wird es ſelten gelingen, das Dürrheu in
der gewünſchten Beſchaffenheit hereinzubringen. Hier wird es, ſofern nicht das
Trocknen auf Reitern oder in Puppen vorgezogen wird, gerathener ſein, ein Ver-
fahren in Anwendung zu bringen, bei welchem ſchon vor dem Ausdürren das Futter
den ſchädlichen Witterungseinflüſſen entzogen werden kann. Ein ſolches Verfahren
beſitzt der Landwirth ſowohl in der Braunheu-, als auch in der Brennheubereitung.
Dieſe Methoden haben beſonders für Futterpflanzen, wie Klee, Luzerne, Eſparſette ꝛc.,
welche viele zarte, nach dem Trocknen leicht zerkrümelnde Blätter beſitzen, großen
Werth. Grobes, ſog. ſaures Wieſengras, gewinnt bei dieſer Werbungsart an
Schmackhaftigkeit.
Zur Braunheubereitung wird das Wieſengras, welches bei günſtiger
Zeit in 3 Tagen Dürrheu werden würde, verwendet, wenn noch ein Tag bis zur
Bildung des fertigen Dürrheues fehlt, der Klee, welcher in 6 Tagen trocken wäre, ſoll
zur Braunheubereitung genommen werden, wenn noch 3—4 Tage zur vollſtändigen
Heubildung nothwendig wären. Bei der Braunheubereitung wird das bis zu
dem erwähnten Grade abgewelkte Futter in große Haufen von wenigſtens 6 Meter
17*
[260]Allgemeine Ackerbaulehre.
im Durchmeſſer unter Schupfen oder in freiſtehenden Triſten ſchichtenweiſe möglichſt
feſt zuſammengeſetzt, indem 10—15 Perſonen den Haufen, von der Mitte nach dem
Rande zu, ſo lange feſttreten, bis derſelbe etwa 5 Meter hoch geworden iſt. In dem
fertigen Haufen tritt bald eine Selbſterhitzung ein, die je nach der Witterung 4—8
Tage andauert und bei zu feucht aufgeſetztem Futter ſich bis zur Selbſtentzündung
oder mindeſtens bis zu einem Verkohlen des Futters ſteigern kann. Iſt der Haufen
zu wenig zuſammengetreten, ſo wird das Futter an den hohlliegenden Stellen ver-
faulen und verſchimmeln. Nach ungefähr 6 Wochen wird das fertige Braunheu
mit Strohmeſſern, um jeden Verluſt feinerer Theile vorzubeugen, angeſchnitten und
verfüttert.
Wegen der Unſicherheit des Gelingens weniger vortheilhaft iſt die Brennheu-
bereitung (Klappmeyer'ſche Methode), bei welcher der Klee oder das ſonſtige
Futter, nachdem daſſelbe einen Tag abgewelkt iſt, in große Haufen zur Selbſt-
erhitzung durch 48—60 Stunden ausgeſetzt wird. Durch die Wärme, welche am
zweiten Tag bis auf 65° C. ſteigt, wird das Waſſer zur Verdunſtung gebracht.
Nach dieſer Zeit muß der Haufen ſelbſt während Regenwetter, wenn nicht ein Ver-
derben des Futters eintreten ſoll, zu weiterem ſchnell erfolgendem Abtrocknen aus-
einander geriſſen werden.
Nach Dr. H. Weiske's 1) Unterſuchungen erreichen die Verluſte, welche unvermeidlich
mit der Dürr- oder Brennheubereitung verbunden ſind, folgende Höhe. Zur Vergleichung
dient die ebenfalls angeführte Analyfe von Luzernepflanzen, welche im Laboratorium ſorgfältig
getrocknet wurden. Von einem ¼ Hectar großen Luzerneſchlag wurden erhalten in Kilogr. bei
4. Die Sauerfutterbereitung.
Bei ſehr ſaftigem oder grobſtengeligem Futter verdient ſchließlich noch die Be-
reitung von Sauerfutter oder ſog. Sauerheu die allgemeinſte Anwendung. Am
häufigſten wird der Grünmais, aber auch die Rübenblätter und Rübenköpfe, ebenſo der
Rothklee, die Luzerne, das Wieſengras, beſonders wenn deren Trocknung durch regne-
riſche Witterung gefährdet erſcheint, durch die Sauerfutterbereitung zu einer längeren
Aufbewahrung geeignet gemacht. Bei der Sauerheubereitung kann das Futter ſelbſt
in einem vorgeſchrittenerem Entwickelungsſtadium, als bei der Dürrheubereitung, ge-
ſchnitten werden, um möglichſt an Maſſe zu gewinnen. Bei der Bereitung des
Sauerfutters wird das Futter in großen Mengen, um ein beſſeres Halten derſelben
zu erreichen, in Gruben eingelegt, welche ausgemauert werden, wenn ſie für beſtändig
[261]Die Ernte.
an einem beſtimmten Platze ausgehoben werden. Bei kleineren Quantitäten reicht
es jedoch aus, die Grube in feſtem, trockenem Erdreiche am Felde ſelbſt oder
in der Nähe des Stalles auszuheben. Die zweckmäßigſte Tiefe der Grube beträgt
1.25—2 Meter, bei einer oberen Breite von 3 Meter und einer Sohlenbreite von
2.5 Meter. Als Anhalt zur Bemeſſung der Grubenlänge rechnet man, daß je
1 Meter 4—5000 Kilogr. Grünmais aufnehmen kann. Die ausgehobene Erde wird
am Rande zur ſpäteren Benützung als Deckmaterial auf die Seite gelegt. In die
gereinigte Grube wird nun das grüne Futter gleich nach dem Abmähen ſchichten-
weiſe eingelegt und ebenſo ſchichtenweiſe zuſammengetreten oder durch Ueberfahren
mit ſchweren Walzen möglichſt feſt zuſammengedrückt. Zur Unterſtützung eines
möglichſt gleichförmigen und dichten Zuſammenlegens der Futtermaſſen kann entweder
das Futter vor dem Einlegen, an der Grube ſelbſt, grob gehäkſelt oder am Felde
mit 1 Meter langen Stricken in kleine Garben gebunden werden, welche regel-
mäßig in die Grube eingelegt, und nachdem die Stricke entfernt, feſtgetreten werden.
Iſt das Futter dürr geworden, ſo iſt es zweckmäßig, daſſelbe etwas anzufeuchten.
Ein Zuſatz von Salz iſt nicht erforderlich. Ueber den Rand der Grube wird mit
dem Aufſchichten und Feſttreten des Futters bis auf 1 Meter Höhe fortgefahren.
Die Seitenwände der über der Grube hervorragenden Futtermaſſe ſollen möglichſt
ſenkrecht aufgeführt werden, damit ſich die Maſſe regelmäßig ſenke. Zum Schluſſe
werden die Wände mit einer alten Senſe glatt abgeſchnitten und der Haufen allſeitig
durch eine 0.5 Meter ſtarke, feſtgeſtampfte Erdbedeckung von dem Luftzutritte ab-
geſchloſſen. Nach Ablauf eines Vierteljahrs iſt die Gährung, welche bald in der
Futtermaſſe eintritt, beendet. Das fertige Sauerfutter bietet beſonders im nächſten
Frühjahre gegen Ausgang der Winterfütterung ein willkommenes und von dem Vieh
gern gefreſſenes Futter. Gut zubereitet hält es ſich in den zugedeckten Gruben
2 Jahre und länger. Beim Anbrechen der Grube entfernt man ſorgfältig auf einer
kurzen Strecke die Erde und ſchneidet die tägliche Portion mit einem großen Meſſer
ab, nachdem man vorher die oberſte, etwa 8 Cm. ſtarke, verſchimmelte und durch
Erde verunreinigte Schichte entfernt hat.
5. Das Aufbewahren des Heues.
Das Braun-, Brennheu und das Sauerfutter werden gleich von ihrem Be-
reitungsorte aus verfüttert; das Dürrhen muß dagegen erſt nach ſeiner Bereitung vom
Felde oder der Wieſe in den Hof eingeführt werden. Daſſelbe wird entweder in mit
Stroh zugedeckten Triſten oder Feimen im Freien oder in bedeckten Dachräumen
über gewölbten oder mit einem Ziegelpflaſter oder Eſterich verſehenen Viehſtallungen,
um das Verderben durch die Stalldünſte zu verhüten, oder in Schupfen ꝛc. auf-
bewahrt. Am beſten hält ſich das Heu unter einem Rohr- oder Strohdache, weniger
gut unter einem Ziegeldache, da ſich hier leichter tropfbarflüſſiges Waſſer, welches
das Verſchimmeln des Heues befördert, bilden kann Im Freien wird die Heu-
feime, Fig. 103, am zweckmäßigſten auf einem leichten Gerüſte aufgebaut, welches aus
[262]Allgemeine Ackerbaulehre.
einer feſt in die Erde eingegrabenen Stange a und aus niedrigen, im Kreiſe gruppirten
Pfählen pp, die ihrerſeits leichte Bretter und Stangen x tragen, beſteht.
Bei der Aufbewahrung hat man dafür zu ſorgen, daß das Heu möglichſt feſt
zuſammengeſetzt wird, je feuchter es eingebracht wurde, um ein Verſchimmeln oder
Heufeime. (S. den Text.)
ſonſtiges Verderben zu ver-
hüten. Auf dem Heuboden
ſoll die größte Ordnung und
Reinlichkeit herrſchen; das zu
verfütternde Heu ſoll abge-
ſchnitten, nicht willkürlich aus
dem Haufen herausgeriſſen
werden, um eine Verwüſtung
deſſelben hintanzuhalten.
Friſch eingebrachtes Heu
kann gleich verfüttert werden,
beſſer iſt es jedoch, daſſelbe
erſt nach einiger Zeit, nach-
dem es in möglichſt feſt zu-
ſammengepreßtem Zuſtande
gelagert (ausgeſchwitzt) hat,
zu verwenden, indem dann
bei den Thieren weniger leicht Verdauungsſtörungen, welche bei der Verfütterung
vom friſchen Heu zuweilen vorkommen, zu befürchten ſind. Zu lange aufbewahrtes
Heu verliert, wahrſcheinlich durch einen langſamen Verweſungsprozeß, nicht nur ſeinen
aromatiſchen Geruch, ſondern auch einen Theil ſeines Stickſtoffgehaltes.
Die Ergebniſſe der Stickſtoffbeſtimmungen von zwei Heuſorten, von welchen ein Theil
zwei Jahre lang aufbewahrt wurde, waren nach Dr. Peters 1)
Die Unterbringung von 100 Kilogr. Wieſenheu oder Grummet erfordert
2—2.5 Cubikmeter, einer Fuhre Wieſenheu zu 800 Kilogr. 10—20 Cubikmeter,
100 Kilogr. Kleeheu 0.7—0.8 Cubikmeter Dachraum.
3. Die Frucht- und Strohernte.
Zur Zeit der Blüthen- und Fruchtbildung ändert ſich die Lebensthätigkeit der
Pflanze, welche während des Wachsthumes hauptſächlich auf die Umwandlung der
aus dem Boden und der Luft aufgenommenen Nährſtoffe in Pflanzenſubſtanz ge-
richtet iſt. Schon mehrere Wochen vor der vollendeten Fruchtbildung, d. i. vor der
Reife, hört die Pflanze auf Nährſtoffe aus dem Boden durch die Wurzeln auf-
[263]Die Ernte.
zunehmen; dagegen beginnt nun in der Richtung gegen die Blüthentheile eine Wan-
derung jener Stoffe, welche ſich während des Pflanzenwachsthumes in den Blättern
und Halmen oder Stengeln gebildet haben. In dem Maße, als ſich die Blätter
und Halme entleeren, vermehrt ſich durch die Stoffeinwanderung das Gewicht der
zu den Samen heranreifenden, befruchteten Blüthentheile. Im Samen werden die
Stoffe zur Bildung des Keimes verwendet oder im Mehlkörper des Samens als
Reſerveſtoffe abgelagert. Fehlt es in trockenen Sommern an der nöthigen Feuchte,
ſo tritt die Stoffeinwanderung nur unvollkommen ein. Die Samen erreichen in Folge
deſſen nicht ihre vollſtändige Ausbildung, die Pflanzen werden nothreif.
In Uebereinſtimmung mit der fortſchreitenden Stoffeinwanderung in den Samen
treten auch äußerlich wahrnehmbare Veränderungen ein, welche wir an dem Samen
der Getreidepflanzen näher verfolgen wollen. Einige Zeit nach der Befruchtung füllt
ſich der Same, welcher nun ſeiner Größe nach ſchon fertig ausgebildet iſt, durch die
Einwanderung von Stoffen mit einem milchigen Inhalte. Dieſes Stadium in der
Reife der Getreidefrucht bezeichnet man als die Milchreife. Der milchige In-
halt wird mit dem Vorſchreiten der Reife fadenziehend und nimmt im weiteren
Verlaufe eine wachsartige Beſchaffenheit an, während ſich das Stroh gelb färbt.
Der Same über den Fingernagel gebogen bricht noch, wenn derſelbe dieſes Reife-
ſtadium, die ſog. Gelbreife, erreicht hat. Noch ſpäter wird der Same durch
Verdunſtung von Waſſer hart und bricht über den Nagel gebogen nicht mehr, es
iſt die Vollreife eingetreten. Schließlich wird der Same ganz hart, todtreif,
während das Stroh eine weißliche Färbung annimmt.
Nach den Unterſuchungen von Dr. A. Nowacki 1) ergeben ſich je nach dem Reifeſtadium
folgende Aenderungen in den im friſchen Zuſtande nach dem Abſchneiden der Pflanzen unter-
ſuchten Körnern:
Die Einwanderung von Stoffen aus dem Halme und den Blättern in die
Körner hat wahrſcheinlich mit dem Beginne der Gelbreife ihr Ende erreicht. Dieſer
Zeitpunkt wird daher, um die größte Samenmenge bei beſter Qualität zu erzielen,
am vortheilhafteſten zur Vornahme der Ernte ſein. Nach dem Abſchneiden der
Halme gehen übrigens die Veränderungen im Samen hauptſächlich durch Verdunſten
des Waſſers, während des ſog. Nachreifens, noch etwas weiter fort.
[264]Allgemeine Ackerbaulehre.
Nowacki 1) ließ einen Theil der Körner bis Anfang September mit den Spelzen und
Halmen in Verbindung und unterſuchte die nunmehr nachgereiften, lufttrocknen Körner
bei der Aufbewahrung in einem luftigen, trocknen Zimmer. Das Reſultat giebt nachſtehende
Tabelle:
Auf das Nachreifen der abgeſchnittenen Früchte wird man ſich beſonders dann
verlaſſen, wenn man es mit Früchten zu thun hat, bei welchen durch ein Hinaus-
ſchieben des Erntezeitpunktes die Gefahr ſtetig zunimmt, daß die Körner immer
leichter, je weiter ihre Reife fortſchreitet, aus dem Stroh ausfallen können. Allzu
ſehr ſich auf das Nachreifen zu verlaſſen und das Getreide mit Rückſicht auf daſſelbe
ſchon in der Milchreife zu ſchneiden, wäre aber ebenſo fehlerhaft als wie ein zu
weites Hinausſchieben der Ernte. Im erſteren Falle würde zwar die Keimfähigkeit
der Körner nicht beeinträchtigt, aber der höchſte Ertrag noch nicht eingetreten ſein;
im letzteren Falle würde ein großer Verluſt durch Körnerausfall kaum zu ver-
meiden ſein.
Pflanzen, deren Samen ſehr leicht ausfallen, wie z. B. die Hülſenfrüchte, der
Raps, die Hirſenarten ꝛc. müſſen daher geerntet werden, ſobald die erſten Pflanzen
am Felde reif geworden ſind. Noch ſchwieriger wird die Feſtſtellung des richtigen
Erntezeitpunktes bei zweiwüchſigen Pflanzen oder bei Gewächſen, welche wie der Hafer,
die Samenkleearten ungleich reifen. In dieſen Fällen wird dann zu ernten ſein,
wenn erwartet werden kann, daß die größte Zahl der Pflanzen reif geworden ſei.
Nächſt der Beſchaffenheit der abzuerntenden Früchte hat jedoch auch noch die
Witterung und die verfügbare Arbeitskraft auf die Wahl des Erntezeitpunktes einen
maßgebenden Einfluß. Bei günſtiger Witterung und ungenügender Arbeitskraft
beginne man, je ausgedehnter die abzubringenden Flächen ſind, eher etwas früher,
als es der Reifezuſtand der Früchte erfordern würde, um wenigſtens die Hauptmaſſe
der Früchte zur richtigſten Zeit hereinzubringen. Fällt dagegen ungünſtige, namentlich
kühle und feuchte Witterung ein, ſo bleibt es räthlicher die Ernte etwas zu ver-
ſchieben, in der Erwartung, daß die Früchte am Halme am ſicherſten gegen die
Unbilden der Witterung geſchützt bleiben.
Von den verſchiedenen Culturpflanzen erfolgt die gleichzeitige Aberntung der
Frucht mit dem Stroh, beſonders bei Getreide, Hülſenfrüchten und Oelgewächſen,
ebenſo bei Klee- und Grasſämereien.
[265]Die Ernte.
Die erſte Arbeit bei der Frucht- und Strohernte iſt das Abſchneiden der ſtehen-
den Frucht Meiſtens enthält jedoch die abgeſchnittene Frucht noch ſo viel Vegetations-
waſſer, daß ihre weitere Aufbewahrung nicht unmittelbar ausführbar, es folgt daher
dem Abſchneiden als zweite Erntearbeit das Trocknen, gewöhnlich durch Binden und
Aufſtellen der abgeſchnittenen Frucht bewerkſtelligt. Nach dem Trocknen erübrigt
noch, die Frucht einzuführen, aufzubewahren und ſchließlich als letzte Erntearbeit die
Trennung der Frucht von dem Stroh vorzunehmen.
1. Das Abſchneiden der Frucht.
Es iſt nicht gleichgiltig, wie tief man die Pflanzen abſchneidet, indem davon
ſowohl die Höhe der Stoppeln, als auch die Erntemenge des Strohes abhängt. Im
Allgemeinen wird man lieber kürzere als längere Stoppeln am Felde laſſen, da
man in den meiſten Wirthſchaften niemals zu viel Stroh erhalten kann. Unter
gewöhnlichen Verhältniſſen läßt man die Stoppel etwa 8 Cm. lang. Bei einer zu
kurzen Stoppel ergeben ſich die mannigfaltigſten Schwierigkeiten, beſonders dann,
wenn das Feld ſtark verunkrautet oder mit einer Kleeeinſaat verſehen iſt. In dieſem
Falle kommt zu viele grüne Maſſe in das Stroh, deſſen Trocknung dann um ſo
ſchwieriger wird, je feuchter die Gegend oder die Witterung. Man wird deshalb in
feuchten Gebirgsgegenden die Stoppel länger zu belaſſen haben; über 30 Cm. wird
man jedoch nicht leicht hinausgehen können, da dann, ganz abgeſehen von dem Ver-
luſte an Stroh, ſo lange Stoppeln nur ſchwierig untergeackert werden können.
Bei einer Klee- und Kleegraseinſaat in den Getreideſchlägen erleichtert dagegen
eine hohe Stoppel das Trocknen eines etwa zu gewinnenden Herbſtſchnittes. Ebenſo
pflegen Landwirthe, welche auf einem bindigen, ſchwer zu bearbeitenden Thonboden
wirthſchaften, die Stoppel länger zu belaſſen, um durch die untergepflügte Stoppel
eine ausgiebige Bodenlockerung herbeizuführen.
Ob nun die Stoppel kurz oder lang ausfällt, jedenfalls muß darauf geachtet
werden, daß dieſelbe zur Erleichterung des ſpäteren Stoppelſturzes gleich hoch ab-
geſchnitten werde. Am ſicherſten wird ſich dies nur durch die Mähmaſchine erreichen
laſſen. Geſchickte Schnitter werden jedoch eine annähernd gleiche Stoppel auch mit
der Sichel, weniger leicht mit der Senſe zu Wege bringen.
Die Sichel, welche entweder mit einer glatten oder gezahnten Schneide ver-
ſehen iſt, hat den Vortheil für ſich, daß bei ihrer Anwendung die Halme oder
Pflanzenſtengel nur wenig aus ihrer gleichmäßigen, natürlichen Lage kommen, daher
ſpäterhin leichter ausgedroſchen werden können. Ihre Leiſtungsfähigkeit iſt jedoch ver-
hältnißmäßig nur eine geringe, da zur Abbringung 1 Hectar Getreide je nach dem
Fruchtſtande 10, 17 bis 20 Arbeitstage erforderlich ſind, während vom Raps oder
einer anderen Oelfrucht täglich 0.15—0.3 Hectar mit der Sichel geſchnitten werden
können. Unentbehrlich bleibt ſie nur bei ſehr kleinen Flächen oder bei der Ernte
von ſehr ſtark nach den verſchiedenſten Richtungen gelagerten, oder mit Wicken und
rankenden Unkräutern durchwachſenen Früchten, oder dort, wo es ſich um die wenn auch
mühevollere Herſtellung einer ſehr kurzen Stoppel handelt. In allen übrigen Fällen iſt
[266]Allgemeine Ackerbaulehre.
die Senſe vorzuziehen. Dieſelbe, mit mehr Kraft und der Geſchwindigkeit von 2.2 M.
in der Secunde geführt, vermehrt zwar den Ausfall der Früchte, bietet jedoch den Vor-
theil der größeren Leiſtungsfähigkeit, welche je nach der Dichtigkeit und Gleichmäßigkeit
des Pflanzenſtandes 0.3—0.7 Hectar per Tag betragen kann. Beim Mähen mit der
Senſe fallen die Halme auseinander, das Ausdreſchen iſt daher gegenüber dem mit der
Sichel geſchnittenen Getreide mit einem kleinen Verluſte verbunden, ebenſo wird es
erforderlich ſein, nach dem Hauen das Stoppelfeld nachrechen zu laſſen.
Die Senſe beſteht aus dem Meſſerblatt und dem Wurf oder Stiel. Das
Blatt wird am ſicherſten mittelſt eines eiſernen Ringes und Zapfens durch Keile an
dem Stiel befeſtigt. Daſſelbe beſteht aus dünnem Stahl von hoher Güte. Die
Schneide des Meſſers wird bei den continentalen Senſen durch das Dengeln ausgezogen,
während in England und Amerika das Meſſer concav geſchliffen wird. Zum Mähen
von langſtrohigem Wintergetreide verwendet man eine Senſe, welche mit einem Ge-
ſtell, dem ſog. Reff, verſehen iſt. Mit dieſer Reffſenſe wird die Frucht gegen das
noch ſtehende Getreide angehauen und von einer zweiten Perſon zuſammengenommen
und auf ein vorbereitetes Strohband zur Seite gelegt. Bei kurzſtrohigem Sommer-
getreide iſt das Reff entbehrlich, da dieſes gewöhnlich in Schwaden gemäht wird.
In vielen Fällen hält es ſchwer, die nöthige Anzahl Erntearbeiter zu beſchaffen,
um rechtzeitig die Ernte vollenden zu können, es bleibt dann nur der einzige Aus-
Mähmaſchinenmeſſer-Schleif-
und Schärfmaſchine von R. Hornsby \& Sons—
Grantham. — Preis mit Meſſerhalter 46
Mark, 23 fl.
weg der Anwendung einer Mähmaſchine.
Mit derſelben wird der Schnitt am ſchnellſten
ausgeführt, da ſie je nach der Schnittbreite und
dem Fruchtſtande täglich 3.5—5.6 Hectar ab-
zumähen vermag. Die Mähmaſchine kann jedoch
nur dann vortheilhaft in Gebrauch genommen
werden, wenn ſie die ganze Erntezeit eine genügende
Fläche, mindeſtens 70 Hectar Getreide, zur Ab-
erntung zugewieſen erhalten kann. Bei größeren
abzuerntenden Flächen, gleichwie bei genoſſen-
ſchaftlicher Benützung ſind Mähmaſchinen mit
ſelbſtthätiger Ablegevorrichtung jenen mit Hand-
ablage verſehenen wegen der beträchtlicheren Zeit-
und Arbeitserſparung vorzuziehen. Derartige
Maſchinen, welche nicht nur die Frucht ſchneiden,
ſondern dieſelbe auch gleichzeitig zur Seite in
garbengroßen Partien ablegen, erfordern zu an-
dauernder Verwendung zwei kräftige Zugthiere,
Pferde oder Ochſen. Auf ſehr welligem oder
hügeligem Terrain wird man zweckmäßiger von
der Anwendung der Mähmaſchine abſehen. Lagerfrucht wird von Mähmaſchinen, welche,
wie z. B. Johnſton's Harveſter—Brockport im Staate New-York, für dieſe Arbeit
beſonders eingerichtet ſind, beſſer als mit der Hand abzubringen ſein.
[267]Die Ernte.
Bei dem Betriebe und der Wartung der Mähmaſchinen iſt im Allgemeinen
folgendes zu beachten:
1. Die Maſchine iſt eher zu viel als zu wenig mit reinem, nicht leicht trocknen-
dem Oel an allen ſich bewegenden Theilen zu ſchmieren. Bei Beginn des Betriebes
iſt beſonders alle zehn Minuten der Kurbelzapfen der Pläuelſtange (Lenkerſtange) zu
ſchmieren. Die Lager der Fahrräder, die Wellen des Ueberſetzungsmechanismus, die
Meſſerführungen ſind mindeſtens zweiſtündlich mit Oel zu verſehen.
2. Die Meſſerſchneiden ſollen ſtets ſcharf erhalten werden, zu welchem Zwecke
die Meſſer je nach der Güte des Stahles jeden halben Tag oder jeden zweiten Tag
gegen geſchliffene Reſervemeſſer ausgewechſelt werden müſſen. Das Schleifen geſchieht
entweder durch Abziehen mit einer Sägefeile oder auf den bewährten Maſchinen zum
Schärfen der Mähemaſchinenmeſſer, wie z. B. auf dem Schleifapparat von Hornsby \&
Sons—Grantham, Fig. 104 (ſ. S. 266). Letzterer beſteht aus einem leichten Ge-
ſtell mit Schleifſtein, Rad und Tretſchuh.
3. Nachdem die Maſchine in der höchſten Stellung des Schneideapparates auf
das Feld gebracht worden iſt, wird ſie nach Bedarf genau geſtellt und nach dem
Schmieren probeweiſe leer gefahren. Bei dem Beginne der Arbeit oder nach er-
folgtem Stillſtande wird die Maſchine etwas zurückgeſchoben, damit die Meſſer mit
voller Geſchwindigkeit in das ſtehende Getreide gelangen.
2. Das Trocknen der abgeſchnittenen Frucht.
Selten iſt das Getreide oder die abgeerntete Hülſenfrucht, der Raps, der Samen-
klee trocken genug, um gleich vom Felde weg ohne Schaden in den Hof und in die
Scheune eingeführt zu werden. Häufig iſt die Frucht überdies mit grünen Pflanzen
(Gras, Unkraut) durchwachſen, welche gleichfalls vor dem Einführen getrocknet werden
müſſen. Das Trocknungsverfahren richtet ſich ebenſowohl nach der Beſchaffenheit
der Erntefrucht, als nach der jeweiligen Witterung. Das Beſte iſt jenes, welches
nicht nur das Austrocknen des Getreides ꝛc. befördert, ſondern auch Schutz vor Näſſe,
Sturm, dem Ausdürren gewährt.
Das ſchnellſte Verfahren, welches aber nur bei vollreifem Getreide und ſehr
günſtiger Witterung zur Ausführung gelangen kann, beſteht im Liegenlaſſen der in
Schwaden gemäheten Früchte, bis ſie — bei wenig günſtiger Witterung durch Wenden
der Schwaden unterſtützt — nach 2—3 Tagen zum Einführen geeignet ſind. Ge-
wöhnlich kommt dieſe Art zu Trocknen bei der Ernte der Hülſenfrüchte, auch des Rapſes
zur Anwendung, obgleich auch dieſe Früchte, wie das Getreide, gebunden und auf-
geſtellt werden.
Mehr Zeit, oft einige Wochen beanſprucht das Trocknen, wenn das Getreide
gelbreif geſchnitten, mit Unterwuchs verſehen und die Witterung unſicher, kühl und
feucht iſt. In dieſen Fällen darf das Getreide nur ſo lange in Schwaden liegen bleiben,
bis der Unterwuchs ſo weit abgewelkt, daß er zäh geworden; das Getreide wird dann
in Schwaden aufgebunden und zum Trocknen aufgeſtellt. Erlaubt es die Beſchaffen-
heit des Strohes und Unterwuchſes, ſo wird das Getreide gleich nach dem Schnitte,
[268]Allgemeine Ackerbaulehre.
ohne es erſt in Schwaden liegen zu laſſen, auf Strohbänder gelegt, gebunden und
aufgeſtellt.
Das Binden der Garben mit Bändern meiſt von Roggenſtroh, oder von Schilf,
Weidenruthen u. dgl., erleichtert das nachmalige Aufladen, Aufbewahren und Aus-
dreſchen der Frucht. Rathſam iſt es, die Strohbänder ſchon im Winter bei gelegener
Zeit mit der Hand oder einer einfachen Strohſeilmaſchine anfertigen zu laſſen. Eine
Arbeiterin verfertigt in 10 Arbeitsſtunden etwa 14—18 Schock Bänder, zu welchen
für jedes Schock ungefähr 11—14 Kilogr. Roggenſtroh erforderlich ſind. Vor der
Anwendung befeuchtet man die Strohbänder mit Waſſer um ſie biegſamer zu machen.
Die einzelnen Gebunde macht man nicht über 15 Kilogr. ſchwer, da ſonſt weiter-
hin die Handhabung durch ihr Gewicht erſchwert wird. Je weniger trocken die
Frucht und je feuchter die Erntezeit, um ſo mehr muß man wegen des leichteren
Abtrocknens unter dieſes Gewicht herabgehen und bei ſehr feuchter Zeit, trotz Erhöhung
des Arbeitsaufwandes, nur Garben von 4—6 Kilogr. zuſammenbinden. Am ent-
ſprechendſten für eine leichte Handhabung und ein baldiges Austrocknen iſt bei Winter-
getreide eine Garbengröße von 8—10 Kilogr., bei Sommergetreide von 7—8 Kilogr.
und bei Hülſenfrüchten von 5—6 Kilogr.
Bei günſtiger Witterung genügt es, das gebundene Getreide in Prismen zu je 8—12
Garben zuſammenzulegen, indem man ſenkrecht auf zwei mit den Aehren gegen einander
Getreide-Prisma.
gelegten Garben in der, in Fig 105 ange-
gebenen Weiſe je 4, 3, 2 und 1 Garbe reihen-
weiſe querüber legt.
Für unſichere Erntezeit geeigneter als die
Prismenform iſt die Aufſtellung im Kreuze
Fig. 106. Bei der Herſtellung derſelben wer-
den zuerſt zwei Garben, Aehre auf Aehre, gegen
einander gelegt und dann zwei weitere Garben
in gleicher Weiſe querüber in's Kreuz gelegt.
Mit vier weiteren Garbenpaaren, deren Aehren
gleichfalls übereinander greifen, werden die
Arme des Kreuzes erhöht. Zum Schluſſe nimmt man eine etwas ſtärker gebundene Garbe,
theilt ſie vom Strohband ab in vier gleiche Büſchel und ſetzt ſie derart auf das Kreuz,
Getreidekreuz.
daß die Aehren zwiſchen den Armen des
Kreuzes herabhängen. Die aufeinander ge-
legten Aehren ſind durch die nach abwärts
gerichteten Aehren der Schlußgarbe gegen
Regen geſchützt. Die Körner können gut
nachreifen, und ſind gegen das raſche Ver-
trocknen durch die Sonne geſchützt, wodurch
ſich die Gefahr des Körnerausfalles ver-
mindert Bei der geſchützten Lage der Aehren
ſind die Körner ebenſo gegen das Aus-
ſchlagen durch den Wind geſichert. Das
Stroh bleibt bei dieſen Kreuzen licht; bei
ſtärkerem Regen kann es jedoch, beſonders
an den Bandſtellen bedeutend durchnäßt werden. Um auch die unterſten am Boden liegenden
[269]Die Ernte.
Garben zu ſchützen und leichter zum Austrocknen zu bringen, pflegt man die Kreuze in
einigen Gegenden Schleſiens auf Stangen, ähnlich wie bei den Kleereitern zu ſpießen, welche
unten 50 Cm. vom Boden mit einem Querholze verſehen ſind, das als Auflager für die
unterſte Bodengarbe dient.
In feuchteren Gegenden iſt die Aufſtellung in Puppen oder Hocken, Fig. 107, der-
jenigen in Kreuzen vorzuziehen. Bei dem Auf-
ſetzen in Kreuzen läßt man die Garben gerne
einen Tag abliegen, während die Puppen gleich
nach dem Schneiden aufgeſtellt werden können,
da die Garben weniger groß gebunden werden.
Ihre Aufſtellung erfolgt in der Weiſe, daß um
eine zur Vermehrung der Standfähigkeit etwas
ſtärker gebundene Garbe im Kreiſe 6 — 8 weitere
Garben etwas abſtehend, damit die Luft leichter
durchziehen kann, aufgeſtellt werden. Zum
Schluſſe werden ſämmtliche mit ihren Aehren
nach aufwärts gerichteten Garben mit einer
Getreidepuppe.
ſtärker gebundenen Garbe, deren Stroh auseinander Gebreitet wird, trichterförmig überdeckt.
Noch mehr Schutz als dieſe Puppen gewähren die in Böhmen gebräuchlichen ähnlichen Hut-
mandel, Fig. 108. Dieſelben werden von einer in der Mitte ſtehenden Garbe gebildet, an
welche 2mal übereinander je 4 Garben kreuzweiſe
angelehnt werden. Die aufwärts gerichteten
Aehren ſämmtlicher Garben erhalten dann durch
eine querüber gegen die herrſchende Windrichtung
gelegte Garbe (Hut), welche knapp vor den Aehren
im Stroh eingeknickt wird, Schutz vor dem Regen.
Das Aufſtellen derſelben erfolgt raſch, da eine
Perſon neben dem Garbenbinden 10—15 ſolcher
Mandeln im Tage aufrichten kann. In Puppen
oder Hutmandeln wird das Getreide ſicher nach-
reifen können und gegen den Regen am beſten
geſchützt ſein. Dieſelben ſind aus kleinen Garben
gebildet, können daher, wenn durchnäßt, bei
ihrer lüftigeren Zuſammenſtellung ſchnell wieder
abtrocknen, ohne daß die Körner durch Aus-
wachſen der Keime oder das Stroh durch Ver-
änderung ſeiner Farbe und ſeines Gebrauchs-
werthes Schaden genommen haben.
Kurzhalmiges Getreide, wie Gerſte, Hafer,
läßt ſich weniger gut in Puppen und Mandeln
aufſtellen. Für dieſe Früchte gelangt die Auf-
ſtellung in zwei dachförmig gegen einander ge-
ſtellten Zeilen, Stiegen, Fig. 109 u. 110,
zur Ausführung, wenn man nicht vorzieht, die-
ſelben in Schwaden zu trocknen, nach Bedarf
zu wenden und dann erſt vor dem Einführen
zu binden. Zur Erhöhung der Standfähigkeit
können die beiden ſeitlichen Garben an den
Enden der Reihe mit einem Bande, Fig. 109 a a,
Getreidehutmandel.
Aufſtellung des Getreides
in Zeilen.
umſchlungen und zur Vermehrung des Schutzes die ganze Zeile mit einem Dache, Fig. 110,
von geöffneten Garben bedeckt werden.
[270]Allgemeine Ackerbaulehre.
Das Binden nach dem Trocknen kommt am häufigſten bei ſolchen Früchten zur Aus-
führung, die wie Raps und andere Oelfrüchte durch raſches Austrocknen zu ſehr dem
Rapskaſten.
Getreidekaſten.
Körnerausfalle ausgeſetzt wären. Die Auf-
ſtellung der ungebundenen Frucht erfolgt in
ſog. Kaſten, Fig. 111. Bei deren An-
fertigung legt man die Rapspflanzen, die
Schoten nach innen, die Stengelenden nach
außen, auf einen kreisförmigen Haufen, welcher
zur Sicherung gegen das Abheben durch den
Wind mit aufgelegten Stangen, Steinen u.
dgl. beſchwert wird. Bei Getreide bildet man
die Kaſten in der Art, daß man aus einer
5—6 Garben im Gewichte von je 10 Kilogr.
entſprechenden Menge von Pflanzen einen
Kegel, Fig. 112, aufrichtet, welcher unterhalb
der nach aufwärts gerichteten Aehren mit
einem Strohbande gebunden wird. Auf dieſen
Haufen ſtülpt man zum vollkommneren Schutze
eine nach unten geöffnete Garbe. Dieſe Auf-
ſtellung des Getreides empfiehlt ſich beſonders
für ſolche Gegenden, welche während der Ernte-
zeit anhaltenden Regenfällen ausgeſetzt ſind,
oder für Getreide mit ſehr reichlichem, grünen
Unterwuchſe.
Für ſehr feuchte Gebirgsgegenden eignen
ſich die in dem ſteieriſchen und kärnthneriſchen
[Alpengegenden] gebräuchlichen Stangengerüſte,
Getreideharfen, welche aus einem mit vielen Querſtangen verbundenen, hohen, gegen die
Windſeite gerichteten Holzgeſtelle beſtehen, welches durch ein Dach geſchützt wird. Zwiſchen den
Harfenſproſſen wird das nicht vollkommen trockene Getreide bis zum Ausdreſchen aufgehängt.
3. Das Einführen der Frucht.
Iſt die Frucht getrocknet und günſtiges Wetter eingetreten, ſo müſſen alle Kräfte
zuſammengehalten werden, um das Einführen der Frucht in die Aufbewahrungsräume
möglichſt raſch zu vollenden. Die Erntewagen werden daher ſchon vorher in Stand
zu ſetzen, erforderlichen Falls mit Ernteleitern zu verſehen ſein. In die Erntewagen
legt man beſonders bei dem leicht ausfallenden Raps große Tücher, um die während
des Auf- und Abladens ausfallende ſchönſte Frucht nicht zu verlieren. Je nach der
Entfernung des Feldes vom Hofe werden 4—6 Fuhren Getreide mit einem Ge-
ſpanne täglich eingeführt werden können. Eine weſentliche Beſchleunigung des Ein-
führens kann erzielt werden, wenn man während des Aufladens eines Wagens mit
dem Geſpanne einen bereits geladenen zweiten Wagen einführt, oder ſog. Wechſel-
wagen benutzt, von welchen man für je zwei Geſpanne drei Wagen rechnen kann.
An Handarbeitern benöthigt man für jeden in der Ladung begriffenen Wagen zwei
Auflader, von welchen der eine der Knecht ſein kann, und 2—3 Garbenzureicher.
Eine Perſon wird ungefähr 50—60 Mandeln Wintergetreide und 80—100 Mandeln
Sommergetreide zu laden vermögen. Zum Abladen in der Scheune werden ebenſo-
[271]Die Ernte.
viele Leute, als wie zum Aufladen erforderlich ſein. Vor dem Einlagern des Ge-
treides in die Scheune oder vor dem Aufſetzen in Triſten wird auf den Boden Stroh
aufgelegt, damit die Aehren nicht unmittelbar auf die Erde zu liegen kommen.
4. Das Aufbewahren der Frucht.
Bei der Aufbewahrung der eingebrachten Früchte handelt es ſich darum, die-
ſelben vor jedem Verluſte und vor dem Verderben zu ſchützen und ſo unterzubringen,
daß ihre weitere Benützung und Verarbeitung anſtandslos erfolgen kann. Gewöhn-
lich wird dies durch das Unterbringen des Getreides entweder unter Dach in Scheunen,
Schuppen oder ähnlichen Gebäuderäumen, oder im Freien in ſog. Mieten, Triſten,
Feimen, Schobern zu erreichen geſucht.
In gedeckten Räumen iſt das Getreide jedenfalls am ſicherſten aufgehoben.
Verluſte durch Vögelfraß, Diebſtahl, ſelbſt durch Feuer werden leichter abzuwehren
ſein. Bei guter Scheunenanlage 1) wird das Einfahren, Abladen und Ausdreſchen
der Frucht bequemer und unter leichterer Aufſicht auszuführen ſein. Eine gute Lage
der Scheune, eine zweckmäßige Anordnung der Banſen und Tennen wird in dieſer
Beziehung eine weſentliche Vereinfachung und Erleichterung der Arbeit ermöglichen.
Aus dieſem Grunde findet man zuweilen bei abſchüſſigem Terrain die Zufahrt zur
Tenne zur Erleichterung des Abladens an der Giebelſeite in halber Scheunenhöhe
angelegt. Bei der gewöhnlichen Anordnung der Tenne geht dieſelbe in einer Breite
von 4.5—5.5 Meter quer oder längs durch die Scheune und zwar in einer Höhe,
welche das Einfahren des vollbeladenen Wagens geſtattet. Gegen den Banſen zu
werden die Tennen 1.25 Meter hoch mit Brettern verſchalt, über denſelben ein
Sturzboden gelegt, damit auch der Dachraum zum Einpanſen benutzt werden kann.
Als ungefährer Anhaltspunkt für den Bedarf an Scheunenraum zur Auf-
bewahrung der Ernte können folgende Zahlen dienen: für jedes Kilogramm Garben-
gewicht ſind 0.016 Cubikmeter Scheunenraum erforderlich, daher für ein 125 Kilogr.
ſchweres Mandel zu 13 Garben Wintergetreide 2 Cubikmeter, für ein 112.5 Kilogr.
ſchweres Mandel Sommergetreide 1.77 Cubikmeter, im Durchſchnitt per Mandel
1.89 Cubikmeter. Je 800 Mandeln beanſpruchen eine Tenne und 1365 Cubikmeter
Banſenraum; ſollen auf dieſer Tenne die aufbewahrten 800 Mandeln rechtzeitig mit
der Hand ausgedroſchen werden, ſo muß dieſelbe wenigſtens bei einer Breite von
5.5 Meter 6.6 Meter lang ſein, es können dann auch im Nothfalle zwei Ernte-
wagen hintereinander ſtehend abgeladen werden, vorausgeſetzt, daß das Scheunenthor
4.4 Meter hoch und ebenſo breit iſt.
Bei reicher Ernte wird man gewöhnlich nicht ausreichenden Scheunenraum be-
ſitzen, da man ſich bei der Koſtſpieligkeit deſſelben — 10 Cubikmeter Raum bei
Schindeldach koſten ungefähr 20—24 Mark, 10—12 fl. — nur für eine Mittel-
ernte vorſehen wird. In dieſem Falle wird man das in der Scheune nicht unter-
[272]Allgemeine Ackerbaulehre.
zubringende Getreide in Triſten, Fig. 113 aufſetzen. Als Standort der
Triſte wählt man einen trockenen, vorher geebeneten Platz, auf welchen als Unter-
lage Stroh, Reißig zur Abhaltung der Feuchte gelegt wird. Der Triſte oder
Feime giebt man gewöhnlich eine viereckige oder wegen des gleichförmigeren Setzens
eine runde Grundfläche. Zur Vermeidung großer Dachflächen macht man ſie höchſtens
Getreidetriſte.
7.5—9.5 Meter breit. Bei
den Aufſetzen der Triſte legt
man auf den gereinigten
und geebeneten Platz das
Getreide mit dem Sturz-
ende nach außen, mit den
Aehren nach innen. Das
Aufſetzen erfordert große
Aufmerkſamkeit und Geſchick,
wenn durch das nachmalige
Setzen des Getreides die
Triſtenform unverändert
bleiben ſoll. Das Dach der
Feime wird mit loſem Stroh
oder mit dachziegelförmig
übereinander gelegten Stroh-
gebunden eingedeckt und durch
Strohſeile, welche mit Holznägeln feſtgehalten werden, oder durch Beſchweren mit Steinen
und Balken vor dem Abheben durch Winde geſchützt. Die Seitenflächen wird man ſtets
einziehen zum beſſeren Schutze vor dem Regen und ſcharf abrechen und mit dem Stroh-
meſſer glatt abſchneiden, damit das Regenwaſſer leichter ablaufen kann und die Vögel nicht
Hölzernes Feimengerüſt (ſ. d. Text).
durch loſe heraushängende Aehren
herbeigelockt werden. Zum Schluſſe
wird die Triſte zur Ableitung des
Regenwaſſers mit einem kleinen
Graben umgeben, deſſen Erdaufwurf
an die Triſte gelegt wird. Bei
kleineren Triſten läßt ſich durch Auf-
ſtellung eines an hohen Pfeilern
verſchiebbaren leichten Daches noch
mehr Schutz gegen die Witterung
geben, beſonders dann, wenn die
zum Dreſchen in Angriff genom-
mene Triſte von einem Regenfall betroffen wird. Wo Mäuſeſchaden zu fürchten
iſt, wird man ſich durch die erhöhte Aufſtellung der Triſten oder Feimen auf eigenen
hölzernen oder eiſernen Gerüſten zu ſichern trachten. Die hölzernen Feimengerüſte,
Fig. 114, beſtehen aus Langhölzern 1, welche auf gemauerten Kegeln k aufgelegt
[273]Die Ernte.
werden. Zwiſchen den Langhölzern werden Latten r gelegt, welche vor Aufführung
der Feime mit einer Stroh- oder Reiſigſchichte überdeckt werden. Noch zweckmäßiger
ſind die eiſernen, zerlegbaren Feimengerüſte, Fig. 115, welche auf Säulchen mit
glockenförmigem Hut gelegt
werden um die Mäuſe ab-
zuhalten. In Böhmen 1)
verwendet man 30 Cm.
hohe Streifen aus Mauer-
werk, welche zur Ermög-
lichung des Luftzuges in ent-
ſprechender Entfernung von
einander gerückt ſind. Dieſe
Vorrichtungen ſind noch
zweckmäßiger als Feimen-
gerüſte.
Eifernes Feimengerüſt. — Preis bei 5.5 Meter Durch-
meſſer 216 Mark, 108 fl.
Im Vergleiche zur Scheune verlangen die Feimen mehr Arbeitsaufwand, da
das Getreide, ſofern man nicht eine transportable Dampfdreſchmaſchine benützt, zum
Ausdreſchen ein zweites Mal aufgeladen und zur Tenne geführt werden muß. In
vielen Fällen wird es daher am wirthſchaftlichſten ſein, wenn man Scheunen und
Feimen gleichzeitig zur Aufbewahrung benützt. In der Scheune wird dann das
Sommergetreide, vorerſt Gerſte und Erbſen untergebracht, während das Wintergetreide,
welches weniger dem Körnerausfall ausgeſetzt iſt, in Triſten aufgeſtellt wird.
5. Das Ausbringen der Körner aus dem Stroh.
In vielen Wirthſchaften verwendet man zum Ausbringen der Körner aus dem
Stroh den Dreſchflegel oder ſelbſt noch die Dreſchſtange. Bei unachtſamer
Führung dieſer Handgeräthe und bei dem Unterlaſſen des öfteren Wendens der Frucht
während des Dreſchens bleiben viele Körner im Stroh zurück. Dabei iſt die täg-
liche Leiſtungsfähigkeit eines Dreſchers eine geringe, dieſelbe beträgt bei langſtrohigem
Wintergetreide 1.25—1.85 Hectoliter, bei kurzem Sommergetreide je nach der Schüttung
1.85—2.5 Hectoliter. Mit dem Ausdreſchen der geſammten Ernte wird man daher
den ganzen Winter über zu thun haben und die Frucht wird nicht jeder Zeit zum
Verkaufe bereit liegen können. Das Handdreſchen wird ſich deshalb nur dort
empfehlen, wo ſich die Arbeiter mit 1/15—1/16 des Ausdruſches begnügen oder dort,
wo deſſen Beibehaltung ungeachtet der größeren Koſten geboten erſcheint, um die
Arbeiter für den Sommer zu erhalten.
Um ſchneller mit dem Ausdreſchen der Frucht fertig zu werden, können zur
Noth die Körner durch Pferde oder Ochſen ausgetreten oder durch Ueberfahren mit
Walzen ausgebracht werden. Das Austreten nimmt man gewöhnlich wie z. B.
in Ungarn am Felde ſelbſt auf einem proviſoriſch hergerichteten Tretplatze vor. Das
Getreide, beſonders der ſchwerer auszutretende Roggen und Weizen, darf jedoch nicht
Krafft, Lehrb. d. Landw. I. 18
[274]Allgemeine Ackerbaulehre.
zäh, ſondern muß gut ausgetrocknet ſein, wenn nicht zu viele Körner im Stroh zurück-
bleiben ſollen. Das Austreten, welches bei trockener Zeit für ein Pferd eine tägliche
Leiſtungsfähigkeit von 5 Hectoliter ermöglicht, fördert dagegen bei feuchter Zeit nur
wenig. Am leichteſten werden Hirſe, Raps, Gerſte ausgetreten. Bei dem Rapſe
iſt dieſe Art des Ausbringens jedenfalls am Vortheilhafteſten, da hier Eile noth
thut, um die Scheunen bald leer zu bekommen und den Raps raſch auf den Markt
zu bringen. Für Getreide bleibt jedoch das Austreten immer nur ein Nothbehelf,
da nicht nur manche Körner durch die Thiere gefreſſen werden, ſondern auch durch
mangelhaftes Entkörnen ein Körnerverluſt unvermeidlich iſt. Ueberdies leidet die
Qualität der Körner durch Zerſchlagen und durch Verunreinigung von Seite der
Thiere. Das Stroh wird ſtärker zerbrochen.
Wegen der Unzulänglichkeit des Austretens und nachdem der Handdruſch mit
dem Flegel viel Zeit beanſprucht, kommt das Dreſchen mit der Maſchine immer mehr
in Aufnahme. Durch die Dreſchmaſchine wird das Ausbringen der Körner aus
dem Stroh nicht nur billiger, ſondern auch vollkommener und viel ſchneller bei
weniger Aufſichtskoſten ausgeführt. Bei geringen Fruchtmengen reicht eine Hand-
dreſchmaſchine aus. Dieſelbe erfordert bei einer täglichen Leiſtungsfähigkeit von
9.25—12.5 Hectoliter Körner 6—8 Perſonen zur Bedienung. Da dieſelbe nicht
mehr leiſtet, als wenn die zur Bedienung erforderlichen Perſonen mit dem Flegel
dreſchen würden, ſo geht allerdings der Vortheil der Arbeitserſparung verloren, da-
gegen erübrigt noch der Vortheil des reineren Ausdreſchens. Eine erhebliche Arbeits-
erſparniß tritt erſt bei Anwendung von zwei- und mehrpferdigen Göpeldreſch-
maſchinen oder von Dampfdreſchmaſchinen hervor, welche unter einem das
Getreide auch putzen und ſortiren. Eine zweipferdige Göpeldreſchmaſchine driſcht
mit einer Bedienung von 6—7 Perſonen, zu welchen noch zwei weitere Perſonen
zum Betriebe einer Putzmühle kommen, in 9—10 Stunden 900—1000 Garben
Wintergetreide zu 6—7 Kilogr. Gewicht, welche bei guter Schüttung 28—37 Hecto-
liter Körner geben können, oder 1000—1200 Garben Sommergetreide. Eine acht-
pferdige Locomobil-Dreſchmaſchine, die 25—30 Perſonen zur Bedienung verlangt,
liefert dagegen 230—320 Hectoliter.
Für Landwirthe, welche kein ausreichendes Capital zum Ankaufe einer Dreſch-
maſchine verfügbar oder nur kleinere Fruchtmengen auszudreſchen haben, empfiehlt ſich,
damit dieſelben auch an den Vortheilen des Maſchinendruſches Theil nehmen können,
der genoſſenſchaftliche Ankauf und die gemeinſchaftliche Benützung einer Dreſchmaſchine,
wenn ſich nicht etwa die günſtige Gelegenheit bietet, das Getreide durch einen Unter-
nehmer gegen Lohn oder Antheil ausdreſchen zu laſſen.
Ueber die Conſtruction der Dreſchmaſchinen, Reinigungsmaſchinen u. ſ. w. laſſen
wir am Schluſſe der Beſprechung der Frucht- und Strohernte ein ſelbſtändiges Capitel
nachfolgen.
6. Das Reinigen und Sortiren der Körner.
Erſt das geputzte und ſortirte Getreide ſollte verkauft oder zur weiteren Ver-
wendung aufbewahrt werden. Je ſorgfältiger daſſelbe geputzt und von Unkraut,
[275]Die Ernte.
Staub, Spreu ꝛc. gereinigt wird, um ſo höher wird der zu erzielende Marktpreis
ausfallen. Anderſeits wird ein ſchlecht gereinigtes und ſortirtes Getreide einen ganz
unverhältnißmäßigen Preisabſchlag erleiden.
Bei den größeren Dreſchmaſchinen wird das Getreide gleich geputzt und ſortirt.
Bei kleineren Maſchinen und dem
Handdruſche muß jedoch das Reinigen
von Staub, Unkrautſamen u. dgl.
und die Sonderung der ſchweren von
den leichteren Körnern und von der
Spreu beſonders vorgenommen wer-
den. Am langſamſten wird dieſe
Arbeit verrichtet durch Abſcheidung
der Spreu, Aehren und Strohtheile
von den Körnern durch grobmaſchige
Siebe, des Staubes und der leichteren
Körner, Unkrautſamen u. dgl. durch
Werfen mit der Schaufel gegen den
Wind und ſchließlich durch Sortirung
der Körner mit verſchieden feinen
Sieben.
Getreide-Reinigungsmaſchine von R. Hornsby
\& Sons—Grantham. — Nr. 119 zum Handbetriebe mit
10 Sieben 316 Mark, 158 fl.; Nr.119 e kleiner, ohne Stachel-
walze, mit Holzgeſtänge zum Schütteln der Siebe, 188
Mark, 94 fl.
Billiger, ſorgfältiger und ſchneller wird die Arbeit des Reinigens und Sortirens
der Körner durch die Getreidereinigungsmaſchine (Putzmühle, Windfege)
verrichtet. Die wirkſamen Theile einer derartigen Maſchine beſtehen aus einer Flügel-
welle, dem Ventilator und dem
Siebwerke. Der Ventilator
hat die Aufgabe, durch den
bei ſeiner Umdrehung er-
zeugten Wind das Getreide
vom Staub und leichteren
Theilen zu befreien. Das Sieb-
werk, aus einer Mehrzahl
ſchräg geſtellter, flacher Siebe
beſtehend, hat die Aufgabe,
das Getreide von Unkraut-
ſamen zu reinigen und je
nach der Größe ſeiner Körner
in 2, 3 und mehr Sorten
zu trennen. Eine der ver-
breitetſten Windfegen iſt die
Raden-Ausleſemaſchine (Trieurs à alveoles) von
Ih. Pernollet—Paris mit einfacher Wirkung. — Nr. 1 Länge des Cylin-
ders 1.3 Meter, Durchmeſſer 45 Cm., Gewicht 75 Kilogr. Leiſtungs-
fähigkeit 3 Hectoliter per Stunde, Preis 250 Mark, 125 fl.
von R. Hornsby—Grantham, Fig. 116. Dieſelbe iſt überdies an der Einlaufgoſſe
mit einer durch ein Gitter arbeitenden Stachelwalze verſehen, welche Halme und
längere Spreutheile ausſondert.
18*
[276]Allgemeine Ackerbaulehre.
Die Arbeit der Ausſcheidung von Unkrautſamen wird auch für ſich von eigenen
Unkraut-Ausleſemaſchinen bewerkſtelligt. Zu den vorzüglicheren Maſchinen
dieſer Art zählt jene von Lhuillier—Dijon und von Jh. Pernollet—Paris. Die
Längsſchnitt durch die Raden-Ausleſemaſchine von
Jh. Pernollet mit doppelter Wirkung für runde Unkrautſamen
und lange Körner (Hafer). — Nr. 2 Länge 1.9 Meter, Durchmeſſer
45 Cm., Gewicht 100 Kilogr. Leiſtungsfähigkeit per Stunde
3 Hectoliter, Preis 360 Mark, 180 fl. (ſ. d. Text).
Pernollet'ſchen Ausleſemaſchinen
werden in zwei Modellen mit ein-
facher, Fig. 117 (ſ. S. 275), und
doppelter, Fig. 118, Wirkung
gebaut. Letztere haben die Be-
ſtimmung außer der Abſchei-
dung von runden Unkrautſamen
(Kornraden, Wicken, Labkraut,
Ackerſenf ꝛc.) und von Hinter-
getreide aus allen Getreide-
arten, auch die Abſonderung
von Hafer, Gerſte aus Weizen
und Roggen zu bewerkſtelligen.
Beide Ausleſemaſchinen ſind
an dem vorderen Fünftel des
drehbaren Cylinders, welcher
durch den Trichter, Fig. 118 G,
mit Getreide verſorgt wird,
mit einer auszuwechſelnden Sieb-
rolle mit länglichen Schlitzen B
verſehen, welche zur Abſchei-
dung von — bei C aus der
Maſchine fallenden — Hinter-
getreide, ſchmalen verkümmerten
Körnern, kleinen Unkrautſamen,
Erde, Staub ꝛc. dient. Der
übrige Theil des Cylinders
iſt geſchloſſen und an der
inneren Wandſeite mit dicht
aneinander gereihten Zellen be-
deckt. Das Getreide gelangt
nun bei den Maſchinen mit
doppelter Wirkung 1) in die ſich
an das Rollſieb B anſchlie-
ßende erſte Abtheilung, welche
mit Zellen von 1 Cm. Durchmeſſer ausgekleidet iſt. Dieſe Zellen nehmen nur
Weizenkörner und dieſen ähnlich große Körner, ſowie runde Unkrautſamen auf,
[277]Die Ernte.
während Gerſte, Hafer ꝛc. durch die Oeffnungen bei D aus der Maſchine treten.
Bei der Drehung des Cylinders in der Richtung von m nach n, Fig. 119, fallen
die von den Zellen aufgenommenen Körner in
eine Rinne p, in welcher ſie durch den Schrauben-
transporteur s in die dritte, letzte Abtheilung ge-
ſchafft werden. Zur Seite der Rinne befinden
ſich in jeder Abtheilung vier ſchiefe Ebenen
(Spateln), welche das Gleiten der aus den Zellen
fallenden Körner in die Rinne vermitteln. Die
Rinnenvorrichtung iſt um die Achſe des Cylinders,
an welche ſie durch die Träger p befeſtigt iſt,
drehbar eingerichtet, um durch ein verſchieden
Fig. 119. Querſchnitt durch die Raden-
Ausleſemaſchine von Pernollet. (S. d. Text).
Fig. 120. Abſtreifbügel z. V.
ſteiles Aufrichten der Spateln eine entſprechend reine Arbeit zu erhalten. Unter den
Spateln ſind Bügel, Fig. 120 c, aus ſtarkem Eiſendraht befeſtigt, welche die Be-
ſtimmung haben größere Körner, die etwa in die Zellen hineingelangen, abzuſtreifen.
Die dritte Abtheilung, welche gleichfalls mit einer Rinne und einem Schrauben-
transporteur ausgeſtattet iſt, ſcheidet die runden Unkrautſamen, ſowie kurze Getreide-
körner aus, indem dieſe ſich
in die hier nur 7 Millim.
großen Zellen legen und
durch die Rinne bei F,
Fig. 118, aus dem Cylinder
gelangen. Die nicht von
den Zellen aufgenommenen
Weizen- oder Roggenkörner
beſter Qualität werden bei
E ausgeſchieden.
Ebenſo wie für die
Ausſcheidung von Unkraut-
ſamen werden auch Maſchi-
nen gebaut, welche allein
die Beſtimmung haben, die
vom Staub gereinigten
Cylinderſieb mit Steintrichter und Windfege von
Rauſomes, Sims \& Head—Ipswich. — Gewicht 360 Kilogr., Preis
408 Mark, 204 fl.
Körner nach ihrer Qualität zu ſortiren oder gemengte Körnerarten von einander
zu trennen. Zu den vorzüglichſten Sortirmaſchinen gehört das Cylinderſieb
von Penney (Länge 1.4 Meter, Durchmeſſer 52 Cm., Preis 180 Mark, 90 fl.),
welches aus einem Drahtgeflecht beſteht, deſſen Maſchen je nach den gewünſchten
Qualitäten verſchieden weit geſtellt werden können, das ähnlich gebaute Cylinderſteb
von Ranſomes, Fig. 121, und die Früchteabſonderungsmaſchine von Pernollet—Paris
mit auszuwechſelnden, Fig. 122 (ſ. S. 278), oder fixen Siebrollen. Das Ran-
ſomes'ſche Sieb iſt im Innern mit einem Apparate verſehen, welcher Steine und
[278]Allgemeine Ackerbaulehre.
andere Gegenſtände, die größer als die größten Körner ſind, ausſcheiden. Dieſelben
kommen unmittelbar unter dem Rumpfe der Maſchine heraus. Außerdem iſt dieſe
Früchte-Abſonderungsmaſchine (Crible-Trieurs)
von Jh. Pernollet—Paris. — Kleines Modell mit auszuwechſeln-
den Siebrollen. Länge 1.25 M., Durchmeſſer 55 Cm., Gewicht
40 Kilogr., Leiſtungsfähigkeit per Stunde 2—3 Hectoliter, Preis
200 Mark, 100 fl.
Reinigungsmaſchine mit einem
Ventilator verſehen, um Staub,
Spreu ꝛc. abzuſondern.
Mittelſt der Pernollet'ſchen
Maſchine, Fig. 122, können ent-
weder Körnereiner Fruchtgattung in
3, 4 oder 5 Qualitäten ſortirt oder
eine Gemenge verſchiedener Früchte
wie z. B. von Weizen und
Roggen, von Gerſte und Hafer,
Linſen und Wicken, Bohnen und
Erbſen, Rothklee und Luzerne ꝛc.
durch Einſetzen verſchiedener Sieb-
rollen von einander getrennt werden.
7. Das Aufbewahren von Stroh und Körnern.
Meiſt begnügt man ſich das ausgedroſchene Stroh in Feimen oder Triſten
aufzubewahren. Stehen jedoch eigene Strohböden zur Verfügung, ſo wird man in
denſelben vor allem das Futterſtroh zur beſſeren Erhaltung des Futterwerthes unter-
zubringen ſuchen. An Raum iſt für das gebundene Stroh erforderlich bei:
Raumerforderniß
Die Aufbewahrung der Körner erfolgt gewöhnlich auf Schüttböden,
Speicher, Fruchtkäſten, die in den Dachräumen der Wirthſchaftsgebäude mit Ausnahme
der Stallungen oder als ſelbſtſtändige Gebäude eingerichtet werden. Bei der Ein-
richtung derſelben handelt es ſich vorzugsweiſe um eine ebene, möglichſt glatte Boden-
fläche, welche den Inſecten wenig Niſtorte gewährt. Außerdem ſoll für aus-
reichende mit feinen Drathgittern und mit Läden aus Eiſenblech verwahrte Fenſter
geſorgt ſein, um bei möglichſter Feuerſicherheit und Abhaltung von Licht und Vögeln
doch einen lebhaften Luftzug zu ermöglichen. Sind mehrere Geſchoſſe im Schütt-
boden übereinander eingerichtet, ſo ſollen dieſelben mindeſtens 2.5 Meter hoch ge-
halten werden, um das Abtragen der Frucht bequem vornehmen zu können. Die
Brauchbarkeit des Schüttbodens wird weſentlich erhöht, wenn durch Aufzüge und durch
geeignet angebrachte Schläuche, das Auf- und Abtragen der Fruchtſäcke durch Arbeiter
vermieden werden kann.
Das friſche Getreide darf nur wenige Zoll aufgeſchüttet werden, je weniger aus-
[279]Die Ernte.
getrocknet daſſelbe iſt; erſt ſpäter kann man es ohne Gefahr in 0.3—0.6 M. hohe
Haufen aufſchichten. Um das friſche Getreide dünn genug aufſchütten zu können und um
überdies noch genügend Raum zum Umſchaufeln zu erhalten, hat man für jeden zu
erntenden Hectoliter 0.325 Quadratmeter gedielten Schüttbodenraum zu rechnen.
Um das Dumpfigwerden des Getreides zu verhüten muß daſſelbe beſonders in
feuchten Gegenden gleich nach dem Aufſchütten auf den Speicher täglich umgeſchaufelt
werden. Späterhin wird nach Bedarf dieſe Arbeit etwa nur alle zwei Wochen aus-
geführt. In jedem Falle hat man die Getreidehaufen öfters zu unterſuchen, um durch
rechtzeitiges Umſchaufeln ein Warmwerden derſelben zu verhüten. Bei feucht ein-
gebrachtem Getreide oder bei Raps wird man die Haufen luftiger erhalten, wenn man
die Spreu mit den Körnern auf den Boden bringt.
Neben den Speichern verdienen auch die ober- oder unterirdiſch angelegten Silos
einige Beachtung. Dieſelben beſtehen aus flaſchenförmigen, ausgemauerten oder bei
undurchläſſigem Boden auch ohne Ausmauerung angelegten Gruben, welche nachdem
ſie mit gut ausgetrocknetem Getreide bis an den Hals gefüllt durch aufgelegte Balken
und aufgeſchütteter, dann feſtgeſtampfter Erde vor dem Luftzutritte abgeſchloſſen wer-
den. Vor dem Gebrauche des Silos brennt man denſelben mit Stroh aus und
umgiebt die Wände kurz vor dem Einfüllen des Getreides, falls keine Ausmauerung
vorhanden, mit trockenem Strohe. Ein 50 Cubikmeter großer Silo vermag 500
Hectoliter Körner zu faſſen. Hat man das Getreide möglichſt trocken in den Silo
eingebracht, ſo hält es ſich ganz vortrefflich und iſt überdies am ſicherſten gegen Feuer
geſchützt. In lockerem Boden und
bei Silo ohne Ausmauerung können
jedoch leicht Mäuſe und durch deren
Gänge Regenwaſſer eindringen.
Bei größeren zur Aufbewah-
rung gelangenden Getreidemaſſen
kommen, beſonders in neuerer Zeit
in Ungarn, an Stelle der Schütt-
böden, Getreidethürme von
Sinclair, Devaux ꝛc. und ähnliche
Gebäude zur Verwendung, welche
mit Vorrichtungen verſehen ſind, die
das Lüften und Umwenden des Ge-
treides auf ebenſo einfache als billige
Weiſe ohne Umſchaufeln erzielen
laſſen. Bei den vielfach bewährten
John Sinclair'ſchen Getreide-
thürmen, Fig. 123, wird das Getreide
Getreidethurm von J. Sinclair. (S. d. Text.)
durch eine Winde f und die Thüren a in das obere Stockwerk geſchafft und durch die
Oeffnungen g in das Gebäude entleert. Das ganze Gebäude durchziehen kreuz und
quer dachförmig aufgeſtellte Holzrinnen r, welche der Luft durch die mit Draht
[280]Allgemeine Ackerbaulehre.
verſicherten Oeffnungen h in den Umfangsmauern den Eintritt in die Getreidemaſſen
geſtatten. In dem unterſten durch die Thüren b zugänglichen Geſchoß befinden ſich
die Trichter i, welche in einen durch den Schieber k verſchloſſenen größeren Trichter
münden. Läßt man einige Hectoliter Getreide durch dieſe Trichter ab, ſo entſteht
in dem Getreide der betreffenden Thurmabtheilungen eine ſo gründliche Bewegung,
als nur immer durch Umſchaufeln erzielt werden könnte.
Eine ſehr ſichere Aufbewahrungsart iſt die in neuerer Zeit von Dr. Louvels 1)
vorgeſchlagene Aufbewahrung in einem Vacuum. Die Koſten eines derartigen
cylinderförmigen Apparates betragen jedoch incluſive Luftpumpe für 100 Hectoliter
1320 Mark, 660 fl.
Den Fruchtvorräthen werden beſonders der weiße und ſchwarze Kornwurm ver-
derblich. Bemerkt man im Auguſt und September auf den Getreidehaufen einige,
zuweilen bis zu 20 und 30, durch ein weißgraues Geſpinnſt und weißlichen Unrath
verbundene Klümpchen von Körner, ſo hat man es mit dem erſteren Schädling,
dem weißen Kornwurm oder der Kornmotte (Tinea granella L.) zu thun, deren Raupe
das Innere der Körner ausfrißt und mit den erwähnten Geſpinnſten umgiebt. Zur
Verpuppung ſucht die im September ausgewachſene Raupe Balkenfugen oder Bretter-
ritzen auf. Aus der Puppe erſcheint dann im April bis Juli der kleine ſilbergrau
gefärbte Schmetterling. Der zweite Schädling, der ſchwarze Kornwurm oder Ge-
treiderüſſelkäfer (Curculio granarius L.) legt dagegen, nachdem er in Ritzen über-
wintert hat, ſeine Eier in die Getreidekörner, von deren Inhalt ſich weiterhin Larve
und Käfer ernähren. Die Verpuppung erfolgt innerhalb der Körner. Aus der
Puppe entwickelt ſich im Juli die erſte Generation des Käfers, aus deſſen Brut im
September Käfer zweiter Generation hervorgehen.
Gegen beide Schädlinge der Motte und dem Käfer, welche oft bedeutende Korn-
vorräthe vernichten können, empfiehlt ſich ein ſorgſames Reinhalten der Speicher,
Verſtreichen aller Fugen und Ritzen mit Kalk, Theer, Entfernen des alten, oft in
Winkeln herumliegenden verſtaubten Getreides, fleißiges Umſchaufeln und Werfen der
Frucht beſonders im Frühjahre und im Juli. Zeigen ſich die Schädlinge erſt ver-
einzelt, ſo ſuche man nach Möglichkeit, die an den Wänden ſitzenden Motten, in den
Wintermonaten die Puppengeſpinnſte, dann die Käfer, welche ſich durch hingelegte Schaf-
felle anlocken laſſen, zu vernichten. Bei kleineren Quantitäten angegriffenen Getreides
können die Raupen und entſprechend die Larven und Puppen des Käfers durch Dörren
im Backofen, jedoch nicht über 50 °C., um nicht die Keimkraft der Körner zu zer-
ſtören, getödtet werden. Für alle Fälle muß daſſelbe ſo raſch als möglich von dem
Schüttboden entfernt werden. Iſt das Uebel ſchon zuweit vorgeſchritten, ſo bleibt
ſchließlich nichts anderes übrig, als den Schüttboden ganz zu leeren, ſorgfältig bis
in die kleinſten Winkel unter Anwendung ſcharfer Lauge zu reinigen und ein Jahr
lang unbenützt ſtehen zu laſſen.
[281]Die Ernte.
4. Die Dreſchmaſchine.
Das Ausdreſchen der Körner durch die Maſchine erfolgt entweder wie bei
dem älteren, noch heute am meiſten angewendeten, ſchottiſchen oder Meikle'ſchen
Syſteme durch Erſchüttern und Stoßen der Halme oder wie bei dem amerikaniſchen
oder Moffitt'ſchen Syſtem durch Ausſtreifen der Halme. Bei beiden Syſtemen beſteht
der wirkſame Theil aus einer Trommel, welche in einem gewiſſen Abſtande und zu
einem gewiſſen Theile des Umfanges von einem Mantel umgeben iſt. Der Mantel
iſt feſtſtehend, die Trommel wird durch irgend einen Motor in Bewegung geſetzt. In
den Zwiſchenraum beider wird das zu entkörnende Getreide eingelegt.
Hensmann'ſche Handdrechſmaſchine von A. Burg \& Sohn—Wien. — Geſtell aus hartem
Holze, Trommelbreite 39.5 Cm., Preis 340 Mark, 170 fl.
Bei dem weniger gebräuchlichen amerikaniſchen Syſteme iſt die Trommel
und der Mantel mit zahlreichen radial abſtehenden Stiften beſetzt, welche derart an-
geordnet ſind, daß ſie knapp aneinander vorbeipaſſiren und dadurch aus den da-
zwiſchen befindlichen Getreidehalmen die Körner ausſtreifen.
Bei dem ſchottiſchen Syſteme ſind die Trommel und der Mantel parallel
zur Trommel-Achſe mit Schlagleiſten ausgerüſtet. Das in den Zwiſchenraum ein-
gelegte Getreide wird bei dieſem Syſteme durch den Stoß entkörnt. Damit dieſer
möglichſt wirkſam iſt, muß das Getreide bei ſeiner geringen Maſſe mit großer Ge-
ſchwindigkeit von der rotirenden Trommel gegen die Leiſten des Dreſchmantels ge-
worfen werden.
Bei beiden Syſtemen wird das Getreide gewöhnlich mit den Aehren voran
[282]Allgemeine Ackerbaulehre.
eingelegt. Das entkörnte Stroh gelangt vielfach gebrochen als Wirrſtroh aus der
Maſchine. Bei den ſeltener angewendeten Breitdreſchmaſchinen erhält man das Stroh
auch als Langſtroh, indem bei dieſen Maſchinen die Trommel ſo breit conſtruirt
wird, daß die Halme parallel zur Trommelwelle eingeführt werden können.
Je nach der Art der Betriebskraft unterſcheidet man Hand-, Göpel- und
Dampfdreſchmaſchinen, welche entweder transportabel oder feſtſtehend eingerichtet
werden können. Hand- oder Göpeldreſchmaſchinen werden meiſtens nur zum Ent-
körnen verwendet, während die ſogenannten combinirten Dampfdreſchmaſchinen noch mit
einem Apparate zum Reinigen und Sortiren der Körner ausgeſtattet werden. Den
geringſten wirthſchaftlichen Werth beſitzen, wie ſchon weiter oben erwähnt, die Hand-
dreſchmaſchinen, unter welchen jene von W. Hensmann, Fig. 124, (ſ. S. 281), noch
die weiteſte Verbreitung gefunden hat. Wir beſchränken uns daher auf die Anführung
der Göpel- und Dampfdreſchmaſchinen.
Im Allgemeinen wird man an eine gute Dreſchmaſchine folgende Anforderungen
ſtellen: 1. Reinen Druſch. Bei guter Stellung des Mantels ſollen nicht viel über
3 % Körner, wie man ſich leicht durch eine Probe überzeugen kann, im Stroh zurück
bleiben. Bei einem guten Handdruſche bleiben etwa 5—7 % Körner im Stroh. 2. Die
Körner ſollen nicht beſchädigt, weder gebrochen noch zerquetſcht werden. 3. Die Maſchine
ſoll ſolid gebaut, in allen ihren Theilen leicht zugänglich und 4. leicht zu bedienen
ſein und wenig Leute zur Bedienung erfordern. 5. Schließlich verlangt man von
derſelben möglichſte-Leiſtungsfähigkeit bei geringem Kraft- und Koſtenaufwande.
Aus Unterſuchungen, welche in Fühlings „Neue landw. Zeitung“ (1866 S. 112) mit-
getheilt werden, geht hervor, daß der durch die Maſchine gedroſchene Weizen, beſonders
wenn er gebeizt werden ſoll, in ſeiner Keimfähigkeit beeinträchtigt wird. Es gingen nicht
auf von Weizen bei
- Maſchinendruſch, ungebeizt im Durchſchnitt 2—4 % Körner,
- mit Kupfervitriolbeize „ „ „ 33—41 % „
- Handdruſch, ungebeizt „ „ „ 3 % „
- mit Kupfervitriolbeize „ „ „ 9 % „
Den Bedarf an Samengetreide wird man daher zweckmäßiger durch die Hand aus-
dreſchen laſſen
1. Die Göpeldreſchmaſchine.
Das Geſtell der Dreſchmaſchine beſteht entweder aus einer Holz- oder Eiſen-
conſtruction. Im letzteren Falle wird die Lagerung der Dreſchtrommel ſicherer zu
bewerkſtelligen ſein, anderſeits üben in erſterem Falle die unvermeidlichen Stöße und
Erſchütterungen bei der größeren Elaſticität des Holzes einen minder ſchädlichen Ein-
fluß aus. Die wegen des Werfens des Holzes unſicherere Lagerung kann durch
Auflegen der Zapfenlager auf Lagerplatten zum Theile behoben werden. An dem
Geſtelle ſoll ein ausreichend großer Tiſch zum bequemen Einlegen des Getreides in
die Maſchine angebracht ſein, welcher gleichzeitig dem Einleger genügenden Schutz zu
gewähren hat.
[283]Die Ernte.
Die in dem Geſtelle möglichſt tief unterzubringende Dreſchtrommel beſteht
aus einer horizontal gelagerten, ſchmiedeeiſernen oder ſtählernen Welle, aus den
Nabenkränzen und den Schlagleiſten, welche mit den Nabenkränzen verſchraubt ſind.
Die in einer Anzahl von 4—8 möglichſt ſicher an den Nabenkränzen befeſtigten
Schlagleiſten, ſind entweder wie bei der Barrett'ſchen Maſchine von Winkelbandeiſen
oder von Stahl oder ſchmiedbarem Guſſe angefertigt. Dieſelben ſind gewöhnlich glatt
oder auch mit Riffen verſehen, um durch Vergrößerung der Oberfläche einen reineren
Druſch zu erzielen. Häufig, Fig. 125, verwendet man auch Schläger aus mit Band-
eiſen verkleideten Eſchenholze, auf welche ſchräggerippte Stäbe aus ſchmiedbarem Guß
feſt aufgeſchraubt werden. Bei der bedeutenden Geſchwindigkeit der Dreſchtrommel,
welche gewöhnlich 800—1000 Touren in der Minute macht, müſſen die Schlagleiſten nicht
nur gleich ſchwer ſein, ſondern auch gleichweit von der Trommelwelle abſtehen.
Auf ⅓—⅗ ihres Umfanges iſt die Trommel, nahezu concentriſch abſtehend, von
dem Dreſchmantel oder Dreſchkorbe umgeben. Derſelbe beſteht aus einer
Mehrzahl den Schlagleiſten ähnlichen Stäben, welche ſoweit von einander entfernt ſind,
Trommel der Göpel-Breitdreſchmaſchine von H. F. Eckert—Berlin. — Breite 1.5 Meter.
daß die ausgedroſchenen Körner durchfallen können. An den Dreſchkorb ſchließt ſich
ein ſchräg ſtehender Roſt an, auf welchen das entkörnte Stroh herabgleitet und aus
der Maſchine entfernt wird.
Die Kraftübertragung auf die Trommelwelle erfolgt entweder durch Zahnräder
oder Riemenſcheiben. Letztere haben den Vortheil, daß der Riemen abſpringt, wenn
eine Unterbrechung der Arbeit durch zu vieles Einlegen oder aus ſonſt einer Urſache ein-
tritt. Um in ſolchen Fällen bei Zahnradüberſetzungen einen Bruch zu vermeiden, wird an
paſſender Stelle ein Sperrrad eingeſchaltet, welche es möglich macht, daß z. B. bei plötz-
lichem Stillſtand der Göpeltransmiſſion, die Trommel durch die angeſammelte lebendige
Kraft ihre Bewegung fortſetzt. Bei dem hohen Ueberſetzungsverhältniß von 1 : 10 und ſelbſt
1 : 20, welche erforderlich iſt um die erforderliche Tourenzahl der Dreſchtrommel zu er-
reichen, iſt die Zahnradabnützung eine beträchtliche. Zur Vereinigung der Transmiſſions-
welle mit dem Vorgelege verwendet man mit Vortheil wie bei der viel verbreiteten
Barrett'ſchen Göpeldreſchmaſchine, Fig. 126 (ſ. S. 284), ein Hook'ſches Univerſalgelenk.
Für den Betrieb der Göpeldreſchmaſchine gelten folgende Beſtimmungen:
1. Vor dem Beginne des Dreſchens müſſen alle Theile derſelben beſonders der
Dreſchmantel richtig geſtellt werden. Nach E. Perels 1) ſoll der Dreſchkorb, um eine
[284]Allgemeine Ackerbaulehre.
Maximalleiſtung zu erzielen, ſoweit von der Trommel abſtehen, daß beim geringſten
weiteren Abſtand ſofort ein Unreindreſchen eintritt. Man ſtellt daher den Dreſchkorb
anfänglich etwas weiter als erforderlich und nähert ihn dann während des Dreſchens
Göpeldreſchmaſchine von Barrett. — Gewicht ohne Göpel 500 Kilogr., Trommellänge
44.5 Cm., Durchmeſſer 47 Cm., Preis 750 Mark, 375 fl.
durch die Stellſchrauben bis der Reindruſch erfolgt. Als ungefähren Abſtand des
Dreſchkorbes von der Trommel giebt Perels folgende Zahlen (Millimeter) an:
2. Mit dem Einlegen der Frucht darf erſt begonnen werden, wenn die Dreſch-
trommel ihre volle Umdrehungsgeſchwindigkeit, welche nach dem Tone erkannt werden
kann, erreicht hat. Im anderen Falle verſagt die Dreſchmaſchine leicht den Dienſt.
3. Das Einlegen des Getreides bedarf beſondere Aufmerkſamkeit und Geſchick-
lichkeit. Die Strohbänder müſſen vorher entfernt werden. Das Einlegen ſelbſt
mit den Aehren voran ſoll in einer möglichſt gleichmäßigen Schichte erfolgen, damit
weder ein Verſtopfen noch ein Leergehen der Maſchine eintreten kann.
4. Für die Bedienung der Maſchine muß eine ausreichende Zahl von Arbeitern
(7—10) beigeſtellt werden, welche dafür zu ſorgen hat, daß ſtets ausreichende
[285]Die Ernte.
Mengen aufgebundenen Getreides auf den Einlegtiſch gebracht werden und das aus-
gedroſchene Stroh gleich von der Maſchine durch Abharken entfernt werde.
2. Die combinirte Dreſchmaſchine.
Die combinirte Dreſchmaſchine beſorgt nicht nur das Ausdreſchen, ſondern auch
Locomobile von Ranſomes, Sims \& Head—Ipswich. eingerichtet zur Heizung mit Stroh ꝛc.
[286]Allgemeine Ackerbaulehre.
Arbeitsſtellung der Dampfdreſchmaſchine von Clayton \& Shuttleworth—Lincoln und Wien. — Breite 1.4 Meter, Preis ſammt 8pferdiger Locomobile, Theer-
decke, Treibriemen ꝛc. 11800 Mark, 5900 fl., Leiſtungsfähigkeit in 10 Stunden 165 Hectol. Wintergetreide, 220 Hectol. Sommergetreide.
bei einfacher Reinigung das Ausputzen
oder bei doppelter Reinigung das Aus-
putzen und Sortiren der Körner. Die
Letzteren werden daher von dieſen Dreſch-
maſchinen in nahezu marktfertigen Zu-
ſtande geliefert. Bei der größeren Trommel-
breite (1.25—1.5 M.) dieſer Maſchinen
und der erhöhteren Leiſtungsfähigkeit wird
ſtets die Dampfkraft als Motor ver-
wendet. Am häufigſten werden die Dreſch-
maſchinen durch transportable Dampf-
maſchinen, den Locomobilen, in Be-
wegung geſetzt, um das Ausdreſchen an
jedem beliebigen Orte, am Felde ſelbſt
oder im Hofe vornehmen zu können. Eine
Maſchine dieſer Art mit 10 Pferdekräften
von Ranſomes, Sims \& Head zeigt die
Fig 127 (ſ. S. 285). Dieſelbe iſt mit
einer Vorrichtung zur Heizung mit Stroh,
Schilf, Maisſtengeln ꝛc. verſehen, welche
jedoch leicht abgenommen werden kann, um
wie gewöhnlich Holz oder Kohle als Brenn-
material verwenden zu können. Der Ein-
führungsapparat für Stroh und Stengel
beſteht aus einem vor die Feuerbüchſe ge-
legten Walzenpaare mit Einlegetiſch das in
gleicher Weiſe wie bei den Häckſelſchneidern
eingerichtet iſt. Dieſer Einführungsapparat,
welcher von der Locomobile ſelbſt in Be-
wegung geſetzt wird, hat den Zweck das
Stroh fächerartig in der Feuerbüchſe aus-
zubreiten, um die vollſtändige Verbrennung
deſſelben zu ermöglichen. Die durch den Roſt
in den Aſchenkaſten fallende Aſche wird
durch die Einleitung von Dampf ſtets feucht
erhalten. Die Maſchine conſumirt per
Pferdekraft und Stunde 12 Kilogr. Stroh
oder 3.2 Kilogr. Kohle. Zum Ausdreſchen
von 100 Garben Weizen ſind ungefähr
10—12 Garben Stroh erforderlich.
Die Zuſammenſtellung einer trans-
portablen Dampfdreſchmaſchine mit einer
Locomobile nach der vorzüglichen Con-
[287]Die Ernte.
ſtruction von Clayton \& Shuttleworth — Lincoln und Wien iſt aus Fig. 128 (ſ. S. 286)
zu erſehen. Die Locomobile iſt mit ſchmiedeeiſernen Laufrädern und Speiſewaſſervor-
wärme-Vorrichtung ausgeſtattet. Die mit einem hölzernen Patent-Sprengwerk-Rahmen
verſehene Dampfdreſch-
maſchine enthält ein
doppeltes Putzwerk,
einen Patent-Penney'-
ſchen Sortir-Cylinder
und ein Paternoſter.
Nachdem die An-
ordnung der einzelnen
Theile bei der com-
binirten Dreſchmaſchine
von Clayton, Shuttle-
worth \& Co. nahezu
typiſch für viele Dampf-
dreſchmaſchinen gewor-
den iſt, ſo ſoll eine nähere
Beſchreibung derſelben
an der Hand des Längen-
durchſchnittes, Fig. 129,
hier ihren Platz finden.
Die Dreſchtrommel
A iſt ziemlich hoch oben
in dem Geſtelle gelagert.
Dieſelbe iſt mit 8 ge-
rippten Schlagleiſten a
aus gewalztem Stahl
verſehen, welcher weniger
der Abnützung unter-
liegt, als der früher
gebräuchliche, hämmer-
bare Guß. Im Holz-
ſchnitte ſind die Schlag-
leiſten noch aus letzterem
Material auf einer
Holzunterlage ange-
bracht, welche zur Ver-
hütung des Abſplitterns
mit einer Bandeiſen-
Längsſchnitt durch die Dampfdreſchmaſchine von Clayton \&
Shuttleworth (ſ. d. Text).
ſchiene bekleidet iſt. Links von der Trommel befindet ſich der durch 6 Schrauben
ſtellbare Dreſchmantel B, welcher aus zwei durch das Charnir b verbundenen, für
[288]Allgemeine Ackerbaulehre.
ſich ſtellbaren Theilen beſteht. Oberhalb der Trommel iſt ein breiter Spalt die E [...]
legeöffnung C, hinter welche der vertiefte Standplatz D für zwei Einleger angebra [...]
iſt. Das untere Ende des Dreſchkorbes zeigt die Platte c, welche das ausgedroſche [...]
Stroh auf die 5 Strohſchüttler E führt. Dieſe Strohſchüttler beſtehen aus ſchmal [...]
Holzgittern, welche durch die fünfmal gekröpfte Welle G abwechſelnd zu je 2 und [...]
auf- und abwärts bewegt werden und dadurch das Stroh, welches durch die Stifte [...]
vor dem Zurückgleiten geſichert iſt, bei F aus der Maſchine entleeren. Durch [...]
ſchüttelnde Bewegung, welche dem Stroh ertheilt wird, werden die etwa in demſelb [...]
noch enthaltenen Körner herausgerüttelt. Dieſelben fallen durch das Gitter auf d [...]
Schüttelkaſten L. Die Bewegung der Welle der Strohſchüttler erfolgt durch ein [...]
gekreuzten Riemen von der Trommelwelle aus (ſ. d. Fig. 130, S. 289). Ih [...]
Unterſtützung erhalten die Strohſchüttler durch die um f und g drehbaren Schwi [...]
hebel H und J. Die oberhalb der vollkommen verkleideten Strohſchüttler angebra [...]
Thür K ermöglicht den Zutritt zu denſelben.
Unter dem Dreſchmantel und den Strohſchüttlern befindet ſich der Schüttelkaſ [...]
LL, welcher die durch den Dreſchmantel und die Strohſchüttler durchfallenden Körn [...]
Spreu ꝛc. aufnimmt und auf ſeinen beiden ſchiefen Ebenen nach M ſchafft. D [...]
Schüttelkaſten beſteht aus den ſtarken Seitenwangen k, welche durch die Querriegel [...]
verſtrebt ſind, aus dem ſolid zuſammengefügten Bretterboden m m und aus den [...]
höhten Leiſten n n, welche den Schüttelkaſten an ſeinen beiden Enden abſchließen.
Der Schüttelkaſten, welcher durch die dreimal gekröpfte Welle N und den Zu [...]
ſtangen O aus federndem Eſchenholz in Bewegung geſetzt wird, hängt in 3 federnd [...]
eſchenen, um p drehbaren Schwinghebeln o (nach Coulſon'ſchen Syſtem). Z [...]
weitere Schwinghebel, welche in der Figur bei r und s im Querſchnitte zu ſeh [...]
ſind, dienen zur Verhütung des ſeitlichen Abweichens des Schüttelkaſtens.
Von dem Schüttelkaſten gelangt das noch völlig verunreinigte Getreide in [...]
erſte Reinigung, welche die Körner von der Spreu, dem Kaff, abgebrochenen Aeh [...]
und ſonſtigen Verunreinigungen abſondert. Der Apparat für die erſte Reinig [...]
beſteht aus dem mit 5 Flügelwellen X verſehenen Ventilator T und den Siebwerk [...]
welche von dem bei y austretenden Luftſtrom beſtrichen werden. Das erſte in [...]
4 Schwinghebeln c' d' und e' f' aufgehängte Siebwerk P ſondert mit ſeinem S [...]
grober, mit Oeffnungen von 1—2 Cm. Weite verſehener Siebe u die bei R [...]
der Maſchine tretenden Strohtheile von den auf das Brett v durchfallenden Körn [...]
Von dem Brette v gelangt das Getreide auf das Blechſieb W, woſelbſt es du [...]
den auffallenden Windſtrom vom Staube und den leichteren Theilen gereinigt wi [...]
Die letzteren werden bei S aus der Maſchine hinausgeblaſen. Das gereinigte [...]
treide gelangt in die gegen eine Seite der Dreſchmaſchine geneigte Rinne Z, zu d [...]
in der Figur nicht ſichtbaren Paternoſterwerk, Fig. 130 (ſ. S. 289), zur zwei [...]
Reinigung.
Bei der zweiten Reinigung paſſirt das durch das Becherwerk (Paternoſter)
hobene Getreide zuerſt den Gerſtenentgranner und dann den Penney'ſchen Pate [...]
Sortir-Cylinder. Derſelbe ſortirt das Getreide iu 4 Sorten, welche an der Sti [...]
[289]Die Ernte.
wand der Dreſchmaſchine in einer Höhe ausgeleert werden, daß ſie gleich von unter-
gehängten Säcken aufgenommen werden können.
Auch bei den combinirten Dampfdreſchmaſchinen erfordert das Einlegen beſondere
Uebung, um ſo mehr als das Getreide bei der größeren Umdrehungsgeſchwindigkeit
der Dreſchtrommel (1000—1100 Touren in der Minute) raſcher hereingezogen wird.
In neuerer Zeit verwendet man daher Selbſtſpeiſevorrichtungen, welche in der Haupt-
ſache aus einem Syſteme von Hürden beſtehen. Dieſe Hürden ſind ähnlich den Stroh-
ſchüttlern gebaut und werden auf der Dreſchbühne vor der Einlegeſpalte angebracht.
Eine weſentliche Erleichterung der Bedienung der Dreſchmaſchine ermöglicht auch der
Stacker oder Triſtenſetzer, welcher in der vorzüglichen Ausführung von Clayton \&
Shuttleworth in Fig. 131 (ſ. S. 290) abgebildet iſt. Derſelbe wird mit ſeinem korb-
förmigen Theile unter das Ende der Strohſchüttler geſchoben und dient dazu das Stroh
von dem Strohſchüttler aufzunehmen und bis auf eine Höhe von 7.32 Meter in Triſten
Seitenanſicht der Dampfdreſchmaſchine von Clayton \& Shuttleworth.
ohne Zuhilfenahme der ſonſt erforderlichen Menſchenkraft aufzuhäufen. Dieſe Triſten-
ſetzer können auch dazu verwendet werden um mit einem kleinen Göpel betrieben, Heu
oder Stroh vom Wagen aus in Triſten aufzubauen. Der wirkſame Theil dieſes
Apparates beſteht aus einer Mehrzahl Harken, die an zwei Ketten ohne Ende
in einer für den Transport zuſammenſchiebbaren Bretterlade mit Stroh beladen
empor und rückwärts leer herabgeführt werden.
Für einzelne Früchte verwendet man ſchließlich beſondere Entkörnungsapparate,
wie z. B. zum Ausdreſchen und Enthülſen der Kleeſamen die Kleedreſch- und
Putzmaſchine von Celſing in Hellefors (Schweden), welche aus einem mit eiſernen
Stiften verſehenen coniſchen Dreſchapparat beſteht und bei einer Leiſtungsfähigkeit von
15—20 Kilo Kleeſamen per Stunde, ungefähr 200 Mark, 100 fl. koſtet. Zum
Abrebeln der Maiskörner verwendet man Mais-Entkörnungsmaſchinen (Maisrebler).
Krafft, Lehrb. d. Landw. I. 19
[290]Allgemeine Ackerbaulehre.
Dieſelben werden ſowohl für den Hand- als Maſchinenbetrieb conſtruirt. Die be-
kannteſte Form für den Maſchinenbetrieb iſt der amerikaniſche Maisrebler, welcher
Triſtenſetzer von Clayton \& Shuttleworth. — Preis 1250 Mark, 625 fl.
aus einem an ſeinem oberen Theile mit einem Mantel bedeckten und mit Stiften
verſehenen Cylinder beſteht. Die Leiſtung bei Dampfbetrieb beträgt in 10 Stunden
370—430 Hectoliter Körner. (Preis 1000 Mark, 500 fl.)
5. Die Knollen- und Wurzelernte.
Bei den Wurzelgewächſen, wie den verſchiedenen Rübenarten, der Möhre, Cichorie,
den Knollenfrüchten, wie der Kartoffel, Topinambur, den Gewürz- und Arzneipflanzen,
wie Süßholz, Meerrettig, der Farbepflanze Krapp wird der im Boden befindliche
Theil der Pflanze, die Wurzel oder der unterirdiſche Stamm, die Knolle, bei der
Ernte gewonnen, während der oberirdiſche Theil gewöhnlich zur Düngung dem Boden
einverleibt wird.
Iſt es ſchon bei den Getreide- und Futterpflanzen, von welchen nur die ober-
irdiſchen Pflanzentheile geerntet werden, ſchwierig den richtigſten Erntezeitpunkt zu
beſtimmen, ſo wird dies um ſo ſchwieriger bei Pflanzen, deren nutzbarer Theil ſich
im Boden befindet und die wie die Rübengewächſe unter gewöhnlichen Verhältniſſen
nicht im erſten ſondern erſt im darauf folgenden Jahre ihre Vegetation mit der
Blüthen- und Fruchtbildung abſchließen. Als einziger Anhaltspunkt, wenn man ſich
nicht durch die Größenentwickelung und ſonſtige Beſchaffenheit der probeweiſe aus
dem Boden genommenen Wurzeln oder Knollen leiten laſſen will, dient hier
[291]Die Ernte.
das Abſterben des Krautes oder das Gelbwerden der Blätter. Bei mehrjährigen
Wurzelfrüchten, welche gewöhnlich vor dem Froſteintritte geerntet werden müſſen,
entſcheidet für den Beginn der Ernte auch das Herannahen der ſpäteren Jahreszeit.
Die Veränderungen, welche mit der fortſchreitenden Entwickelung in den Wurzeln
und Knollen vor ſich gehen, ſind ähnlich jenen, welche beim Ausreifen der Samen
ſtattfinden. Auch hier wandern die organiſchen Stoffe beſonders die Stärke aus den
grünen Pflanzentheilen nur in anderer Richtung, nämlich nach abwärts, in die unter-
irdiſchen Pflanzentheile, um dort wie bei der Zuckerrübe in Zucker umgewandelt oder
wie bei der Kartoffel als Stärke aufgeſpeichert zu werden. Dieſe Wanderung
nimmt mit fortſchreitendem Alter der Wurzeln und Knollen bis zur Reife hin ſtetig
zu, ſo zwar daß, günſtige Witterung vorausgeſetzt, jede Verzögerung der Ernte, ſo
lange die Blätter noch grün, eine Vermehrung der nutzbaren Stoffe ermöglicht.
Das Ernteverfahren iſt in der Regel ſehr einfach, es beſchränkt ſich auf das
Ausnehmen der Wurzeln und Knollen mit der Hand unter Mithilfe der Haue, des
Spatens, des Karſtes oder der Miſtgabel. Bei Knollengewächſen erfolgt das Aus-
nehmen auch unter Anwendung des Pfluges, des Häufelpfluges oder des Kartoffel-
aushebepfluges, welche die Knollen derart aus dem Boden bringen, daß ſie dann mit
der Hand von der Erde aufgenommen werden können. Die Leiſtungsfähigkeit einer
Perſon bei dem Herausnehmen der Rüben, deren Köpfe und Blätter gleich mit einem
Meſſer abgeſchnitten werden, beträgt 0.05—0.07 Hectar. Bei Anwendung des Pfluges
können im Tag 0.8—1.25 Hectar Kartoffeln oder 0.18—0.3 Hectar Rüben aus dem
Kartoffelaushebepflug von J. \& F. Howard. — Gewicht 80 Kilo, Preis 112 Mark, 56 fl.
Boden gebracht werden. Bei dem Ausnehmen hat man darauf zu achten, daß die
Geräthe ſo tief gebraucht werden, daß die ſämmtlichen unterirdiſchen Theile gewonnen
werden. Ebenſo müſſen die Knollen und Wurzeln möglichſt unverletzt ausgehoben
werden, da verletzte Stellen leicht zum Faulen Veranlaſſung geben. Die Blätter
oder die Krauttheile, welche von den Wurzeln bei der Ernte abgeſchnitten werden,
werden am Felde gleichmäßig ausgebreitet und ſpäter untergepflügt. Auf eine nähere Be-
ſprechung des Ernteverfahrens bei den Hackfrüchten kann an dieſer Stelle, wo es ſich nur
um die Beſprechung allgemeiner Culturmaßregeln handelt, nicht eingegangen werden.
Dagegen verdienen die Geräthe zur Ernte der Hackfrüchte noch einige Beachtung.
Das größte Hinderniß für die Anwendung der Erntegeräthe bei den Kartoffeln
und Rüben bildet das Kraut, durch welches leicht Verſtopfungen herbeigeführt werden, die
das Geräthe unwirkſam machen. Feuchte oder naſſe Erde erhöht nicht nur die Anſprüche
an die Zugkraft, ſondern führt gleichfalls zu Verſtopfungen der Geräthe. Am wenigſten
19*
[292]Allgemeine Ackerbaulehre.
hat ſich der Hanſom'ſche Kartoffelgraber, welcher durch rotirende Gabeln das Aus-
nehmen bewerkſtelligen ſoll, bewährt. In gewiſſen Fällen bei trockenem, lockerem
Boden und mäßig hohem und dichtem Kraute leiſtet der Howard'ſche Kartoffel-
aushebepflug, Fig. 132 (ſ. S. 291), noch die meiſten Dienſte. Derſelbe iſt
Rübenaushebepflug von L. Zeit-
hammer — Krumau. — Entfernung der Schar-
ſpitzen von einander 16 Cm., Leiſtung per Tag
0.5—1.7 Hectar.
ein Häufelpflug, deſſen Streichbretter gitter-
artig geſchlitzt ſind. Bei dem Gebrauche
des Kartoffelaushebepfluges wird ein Kartoffel-
kamm nach dem anderen geſpalten, dabei
fällt die Erde durch das Streichbrett, während
die Kartoffeln abrollen und auf die gelockerte
Erde gelegt werden. Brauchbarer als die Kar-
toffelaushebepflüge ſind die Rübenheber.
Die bekannteſte Form derſelben iſt jene, welche
zuerſt von Hohenheim aus verbreitet wurde.
In der Ausführung von L. Zeithammer,
Fig. 133, beſteht derſelbe aus einem einfachen,
mit Flacheiſen verſtärkten Holzgeſtelle, welches
als arbeitenden Theil zwei ſechartige, mit
einer Querſtange verbundene, unten ſich flügel-
artig ausbreitende Aushebeſchare trägt. Durch
die Schare wird das Erdreich um die Rübe
gelockert, während die Querſtange die Rübe
von der Pfahlwurzel abtrennt und in die Höhe
hebt, ſo zwar, daß ſie dann leicht von einem
Arbeiter aus dem Boden aufgenommen wer-
den kann.
Nachdem die Wurzel- und Knollenfrüchte
einen hervorragenden Antheil an der Ver-
ſorgung der Thiere über Winter nehmen, ſo
müſſen dieſelben bis in das Frühjahr hinein
unverſehrt und ohne Verluſt aufbewahrt
werden. Um dies zu erreichen müſſen alle nach-
theiligen Einflüſſe fern gehalten werden, welche
entweder ein gänzliches Verderben der Wurzeln
und Knollen oder einen Verluſt an ihrem Nähr-
werthe herbeiführen können. Am nachtheiligſten
für dieſelben iſt die Einwirkung des Froſtes. Erfrorenes Wurzelwerk iſt nicht nur
ungeeignet zur Fütterung, ſondern auch ungeeignet zur techniſchen Verarbeitung Gleich
ſchädlich wie der Froſt iſt ein Uebermaß an Wärme, beſonders dann, wenn dieſelbe
mit Feuchtigkeit verbunden iſt. Wärme und Feuchtigkeit begünſtigt nicht nur ein
Verfaulen der Wurzel und Knollen, ſondern auch gegen das Frühjahr zu ein mit
Subſtanzverluſt verbundenes vorzeitiges Auswachſen. Die in Aufbewahrung befindlichen
[293]Die Ernte.
Kartoffeln werden ſelbſt unter den günſtigſten Umſtänden durch Verdunſten des
Waſſers und gegen das Frühjahr hin auch durch Verluſt an Stärke und ſtickſtoff-
haltigen Subſtanzen an Gewicht verlieren. Bei der Aufbewahrung muß man daher
trachten in den Aufbewahrungsräumen eben nur ſo viel Wärme, 4—5°C, zu er-
halten, daß die Knollen nicht erfrieren, daß der Zerſetzungsprozeß der organiſchen
Beſtandtheile und das Austreiben der Knoſpenaugen bei den Knollen, der Herzblätter
bei den Wurzelfrüchten verhindert werde. Das Austreiben wird nicht nur durch die
Erhaltung einer gleichmäßigen Temperatur, ſondern auch durch möglichſten Abſchluß
gegen die Feuchtigkeit hintangehalten.
Die Verſuche Nobbe's 1) über die Veränderungen der Kartoffeln, während der Winter-
ruhe ergeben bei verſchiedener Aufbewahrung folgende Reſultate:
Die erwähnten Bedingungen für eine gute Aufbewahrung von Knollen und
Wurzelfrüchten werden am leichteſten in luftigen trockenen Kellern zu erreichen ſein.
Bei leicht dem Verderben ausgeſetzten Wurzel- und Knollenfrüchten, wie Möhren,
Kohlrüben, Kartoffeln u. dgl. legt man die genannten Wurzeln und Knollen nicht
auf den feuchten Boden, ſondern in nicht zu hohen Lagen auf luftige Lattenroſte.
Bei kleineren Mengen und werthvolleren Knollen und Wurzeln wie z. B. bei Speiſe-
kartoffeln, Gemüſewurzeln u. dgl. wird ſich für die gute Erhaltung ein ſchichtenweiſes
Einſchlagen in trockenen Sand beſtens bewähren.
Fehlen hinreichend ausgedehnte und geeignete Kellerräumlichkeiten, ſo iſt die Auf-
bewahrung in Mieten, welche im freien Felde oder im Hofraume angelegt werden,
vorzunehmen. Die Mieten oder Haufen von Wurzeln oder Knollen, welche durch eine
einfache Erdbedeckung geſchützt werden, ſind je nach der Bodenbeſchaffenheit entweder
vertieft in die Erde oder unmittelbar auf dem geebeneten Boden anzulegen. Die Auf-
bewahrung in Gruben, welche 1—1.5 Meter tief in trockenem Sandboden ausgehoben
werden, iſt gewöhnlich wärmer, daher im Allgemeinen weniger zu empfehlen, als die
Aufbewahrung über der Erde oder in nur wenige Centimeter in den Boden ein-
gelaſſenen Mieten. In dieſen Gruben oder auf den mäßig vertieften Lagerplätzen
werden die Wurzeln und Knollen derart aufgeſchichtet, daß ſie einen dachförmigen
Haufen bilden. Die Breite des Haufens hängt vorzugsweiſe von der Beſchaffenheit
[294]Allgemeine Ackerbaulehre.
der aufzubewahrenden Wurzeln oder Knollen ab. Je mehr dieſe wie z. B. Kartoffel-
knollen, beſonders zur Saat beſtimmte, durch Faulen und Auswachſen leiden könnten,
um ſo ſchmäler etwa 1—1.5 Meter breit hat man die Miete anzulegen. Rüben,
Kartoffeln, welche bald zur Verfütterung oder Verarbeitung gelangen, können in
etwa 1.5—2 Meter breiten Mieten aufbewahrt werden. Die Länge der Miete
richtet ſich nach dem aufzubewahrenden Quantum. Zum Schluſſe wird die Miete
mit trockenem Sande oder Erde bedeckt und zwar anfänglich bis vor dem Froſt-
eintritte nur mit einer etwa 16 Cm. dünnen Schichte, da unmittelbar nach dem
Einmieten die Knollen und Wurzeln einen Theil ihres Waſſers durch Verdunſtung
verlieren. Dieſes Waſſer, ſoll es nicht Anlaß zum Verfaulen der Wurzeln ꝛc. geben,
kann durch die geringere Erdbedeckung leichter entweichen. Die Auflage von Stroh
vor der Bedeckung der Miete, um das Hineinfallen der Erde zwiſchen den Haufen
zu verhüten oder die Anlage von ſog. Dunſtſchläuchen bringt mehr Schaden als
Nutzen, indem durch das Niederſchlagen der Feuchtigkeit ein Verfaulen des Strohes
und in Folge deſſen eine ſchädliche Wärmeentwickelung eintritt. Iſt die Miete mit
Erde bedeckt, ſo zieht man in angemeſſener Entfernung von dem Haufen, um
das Eindringen des Froſtes hintanzuhalten, einen kleinen Graben, welcher zur Ab-
leitung des Regen- und Schneewaſſers zu dienen hat. Mit dem Herannnahen
der Froſtzeit oder mit dem Eintritt ſtärkerer Regen, welche die leichte Bedeckung
durchdringen könnten, vermehrt man die Erdſchichte bis auf eine Dicke von 0.5 Meter
und mehr. Verſchärft ſich der Froſt, ſo kann man ſelbſt Pferdemiſt, Laub u. dgl.
als ſchützende Decke verwenden. Bei dem Eintritt des Frühjahres iſt die Erdbedeckung
wieder zu vermindern, damit die Gefahr des Auswachſens verringert werde.
Eine dauerhafte Aufbewahrungsart der Knollen, welche in Böhmen 1) immer
mehr Eingang findet, beſteht in der Einſäuerung. Bei derſelben werden die vor-
her in einer hölzernen Lattentrommel reingewaſchenen Kartoffeln in einem Bottich ab-
gedämpft und nach dem Dämpfen auf einem gepflaſterten Boden ausgebreitet, nach-
dem ſie etwas abgekühlt, zerſtampft und ſodann nach dem vollſtändigen Abkühlen
ſchichtenweiſe in Gruben ſo lange eingetreten, bis der Kartoffelbrei nicht mehr nach-
giebt. Die volle Grube wird ſchließlich 1 Meter hoch mit Erde bedeckt, um ſie
möglichſt luftdicht abzuſchließen. In dieſem eingeſäuerten Zuſtande halten ſich die
Kartoffeln ſelbſt durch ein volles Jahr und geben ein ſehr ſchmackhaftes vom Vieh
gern gefreſſenes Futter.
6. Die Ernte einzelner Pflanzentheile.
Bei der überwiegendſten Zahl unſerer Culturpflanzen wird entweder die ganze
Pflanze oder deren oberirdiſcher Theil, die Stengel mitſammt den Blättern und
Blüthentheilen im grünen oder ausgereiften Zuſtande geerntet. Bei einer geringeren
Pflanzenzahl bezieht ſich die Ernte nur auf einen oder einige wenige Pflanzen-
theile, als auf die Knolle, den Stengel und das Blatt, das Blatt allein, die Blüthe,
[295]Die Ernte.
den Blüthentheil, den Fruchtſtand und die Frucht. Es ſollen daher noch einige all-
gemeine Anhaltspunkte für die Ernte einzelner Pflanzentheile gegeben werden.
Außer den Wurzel- und Knollenfrüchten werden unter Umſtänden auch einige
Hülſenfrüchte und Handelsgewächſe durch Ausziehen der ganzen Pflanze mitſammt
der Wurzel aus dem Boden geerntet. Bei erſteren werden jedoch zum Unterſchiede
von Letzteren nach dem Herausnehmen der ganzen Pflanze aus dem Boden noch die
grünen Theile von der Wurzel oder der Knolle getrennt. Die Hülſenfrüchte, bei
welchen für gewöhnlich die Ernte wie bei dem Getreide ausgeführt wird, erntet
man durch Ausziehen der Pflanze mit der Wurzel dann, wenn einem Verluſte
durch Körnerausfall möglichſt vorgebeugt werden ſoll. Aus dieſem Grunde werden
am häufigſten Phaſeolen, Linſen, Pferdebohnen, ſowie ſtark gelagerte Erbſen, welche
mit der Senſe oder der Sichel ſchwer zu ſchneiden wären, ausgerauft. Nach dem
Ausraufen werden dieſelben in Garben gebunden und am Felde oder zu Hauſe auf
luftigen Böden völlig getrocknet, um ſchließlich in der Scheune ausgedroſchen zu werden.
Von den Handelsgewächſen im weiteren Sinne werden Flachs und Hanf, bei welchen
es ſich um die Erlangung einer möglichſt langen Faſer handelt, mit der Hand aus-
gerauft. Nach dem Trocknen derſelben in Puppen oder Kappeln trennt man die
Wurzeln durch Abſchneiden, die Samen durch Abriffeln von den Stengeln.
Für ſich allein werden von im Boden befindlichen Pflanzentheilen die Knollen
der Topinambur und in gewiſſen Fällen auch die der Kartoffel und die Wurzeln
der Rüben gewonnen. Die Topinamburknollen läßt man gewöhnlich, nachdem im
Herbſte die dürren Stengel mit dem Laube abgeſchnitten wurden, über Winter im
Boden liegen, in dem ſie in demſelben den Winter am Beſten überſtehen. Im
nächſten Frühjahre pflügt man ſie hierauf nach Bedarf aus dem Boden. Bei den
Kartoffeln und Rüben wird die alleinige Ernte der Knollen und Wurzeln durch Aus-
pflügen dann ausgeführt, wenn das Kraut oder Blattwerk zur Verfütterung oder bei
der Kartoffel zur Hemmung der Ausbreitung des Kartoffelpilzes kurz vor der Ernte
abgeſchnitten wurde.
Die Stengel und Blätter werden im abgetrockneten Zuſtande als Stroh
durch Abhacken mit der Haue oder durch Abſchneiden mit dem Meſſer bei der
Topinambur und bei ſolchen Pflanzen gewonnen, bei welchen wie beim Mais, der
Mohrenhirſe der Fruchtſtand für ſich geerntet wird.
Das Blatt wird vornehmlich bei dem Tabak und bei dem in früheren Zeiten öfters
cultivirten Waid durch Abnehmen vom Stengel mit den Fingern oder durch Abſchneiden
mit dem Meſſer geerntet. Kleinere Landwirthe pflegen häufig auch bei den Rüben,
Kartoffeln und Krautpflanzen einen Theil der Blätter abzunehmen, abzublatten, um für die
Sommerfütterung ein willkommenes Futter zu erhalten. Wird dieſes Abblatten oder
theilweiſe Entlauben zu frühzeitig vorgenommen, ſo leidet darunter der Hauptertrag
an Wurzeln oder Knollen. Werden die Rüben zu früh abgeblattet oder das Kar-
toffelkraut zu früh abgeſchnitten, ſo wird die Wanderung der in den Blättern ge-
bildeten organiſchen Subſtanz in die Wurzeln oder unterirdiſchen Stammtheile un-
möglich gemacht. Die Wurzeln und Knollen können dann nicht ihren vollen Gehalt
[296]Allgemeine Ackerbaulehre.
an Zucker und Stärke erreichen. Ohne erheblichen Schaden an dem Hauptertrage
wird daher das Abblatten oder Abnehmen des Krautes nur in dem Falle vor-
genommen werden können, wenn es kurz vor der Ernte ausgeführt wird, zu welcher
Zeit die Lebensthätigkeit der Pflanze ohnehin zum Abſchluß kommt.
Ueber den Einfluß des Abblattens auf Ertrag und Gehalt der Zuckerrüben geben die
Unterſuchungen von Dr. J. Breitenlohner 1), die nachfolgenden Aufſchlüſſe:
Die Blüthe bildet das Ernteobject bei dem Saffran (Crocus sativus). Die-
ſelbe wird in vollkommen aufgeblühtem Zuſtande zeitlich am Morgen abgebrochen.
Nachdem die Saffranblüthe einige Tage abgetrocknet, werden die Narben mit Vorſicht
herausgenommen und im Backofen mit möglichſter Sorgfalt vollſtändig getrocknet.
Die Ernte der Blumenblätter findet nur bei dem ſelten angebauten Safflor
(Carthamus tinctorius) ſtatt. Dieſelben werden, nach und nach wie ſie ſich dunkel-
roth färben und abzuwelken beginnen, abgenommen.
Die alleinge Ernte der Frucht oder des ganzen Fruchtſtandes wird
entweder bei Gewächſen mit ſehr werthvollen Samen oder Früchten wie bei Hopfen,
Weberkarden, Mohn, Fenchel, mitunter auch bei Rothklee, oder bei Gewächſen, welche
einen großen Fruchtſtand beſitzen, wie bei Mais, Kürbis, Gurken, Sonnenblumen
oder ſchließlich bei Gewächſen deren Samen zu ungleicher Zeit ausreifen und daher
leicht ausfallen könnten, wie bei Lupinen, Zuckerrüben ꝛc. vorgenommen.
Die Ernte des Fruchtſtandes kann entweder von vielen Pflanzen gleichzeitig
oder von jeder Pflanze einzeln vorgenommen werden.
Erſtere Gewinnungsart wird verhältnißmäßig ſelten angewendet. Sie ſteht nur
vereinzelt bei der Gewinnung der Rothkleeköpfe im Gebrauche, indem man mit einem
Kamme, der vorne an einem ſchaufelartigen Behälter zur Aufnahme der Kleeköpfe an-
gebracht iſt, in der Höhe der Köpfe über die Kleepflanzen ſtreift und jene von den
ſtehenbleibenden Stengeln abtrennt.
Häufiger werden die Fruchtſtände einzeln entweder mit einem verſchieden langen
Stengelſtücke oder ohne demſelben von den Pflanzen abgenommen.
[297]Die Ernte.
Bei dem Hopfen werden z. B. die mit reifen Dolden beſetzten Ranken von
dem Stocke abgetrennt, in 0.5 Meter lange Stücke geſchnitten und von dieſen die
Dolden an einem geeigneten Platze am Felde ſelbſt oder im Hofe mit dem Finger-
nagel einzeln abgepflückt. Bei dem Abpflücken läßt man einen 1.5 Cm. langen
Stiel an der Dolde um dieſelbe vor dem Auseinanderfallen zu ſichern.
Bei den Weberkarden erfordert die ſpätere Verwendung die Belaſſung eines
wenigſtens 25 Cm. langen Stengelſtückes an dem Kopfe. Die Köpfe werden nach
dem Abblühen, ebenſo wie die Dolden des Fenchels, die Roſen der Sonnenblume,
die Mohnköpfe ꝛc. in dem Maße als die Samen in den Fruchtſtänden nach und
nach ausreifen, durch Abſchneiden vom Stengel geerntet.
Zuckerrübenkerne werden häufig mit dem Stengel geerntet und nach dem Trocknen
durch Dreſchen und Abpflücken von demſelben getrennt. Bei beſonders werthvollen
Sorten pflegt man jedoch die Kerne auch unmittelbar, ſowie ſie nach und nach reifen,
von dem Stengeln der ſtehenden Pflanze abzubrechen.
Der Fruchtſtand allein ohne Stengelſtück wird nur bei dem Mais und den
kürbisartigen Gewächſen von dem ſtehenbleibenden Stamme abgebrochen. Von den
geernteten Maiskolben werden ſchließlich die Körner, nach dem Trocknen im Freien
oder in beſonders eingerichteten Trockenhäuſern, durch den Dreſchflegel oder durch
Abſtreifen mit einem ſtumpfen Meſſer oder durch Maisentkörnungsmaſchinen von
der Fruchtſpindel abgetrennt. —
Mit der Beſprechung der Verfahrungsweiſen bei der Ernte einzelner Pflanzen-
theile haben wir ſchon das Gebiet des beſonderen Pflanzenbaues berührt und ſind
daher am Schluſſe des allgemeinen Ackerbaues angelangt.
Appendix A
Pierer'ſche Hofbuchdruckerei, Stephan Geibel \& Co. in Altenburg.
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ciplinen, wie für die Landwirthſchaftsgeſchichte, Landwirthſchaftsſtatiſtik, Landwirthſchafts-
politik, Agrargeſetzgebung, Agriculturmeteorologie, Agriculturchemie, Agriculturphyſik,
Landwirthſchaftsbaukunde ꝛc.
wenn wir über die morphologiſchen und phyſiologiſchen Verhältniſſe der Pflanzen mehr als
einen allgemeinen Abriß geben wollten, ſo empfehlen wir zu eingehenderen Studien: Dr.
J. Sachs, Lehrbuch der Botanik, 2. Auflage, Leipzig 1871, u. W. Hofmeiſter, Handbuch der
phyſiologiſchen Botanik, 4. Bd.: J. Sachs, Handbuch der Experimental-Phyſiologie der
Pflanzen, Leipzig 1865.
Bonn 1872, S. 229.
4. Bd. S. 398) ſind die Zellwand, die Stärkekörner und die protoplasmatiſchen Ge-
bilde aus Kryſtallmolekülen zuſammengeſetzt, welche ſich nicht gegenſeitig berühren,
ſondern von Waſſerhüllen auseinander gehalten werden. Dieſe Waſſerhüllen bilden
den Weg, auf welchem das Waſſer und in demſelben gelöſte feſte Stoffe in die Zellwand
oder in das Innere der Zelle von dem die Pflanze umgebenden Medium (Boden) oder von
einer benachbarten Zelle eintreten können.
Das Wachsthum der organiſirten Gebilde wird nach dieſer Theorie dadurch herbei-
geführt, daß ſich entweder aus den aufgenommenen Stoffen zwiſchen den ſchon vorhandenen
Kryſtallmolekülen neue Moleküle mit Waſſerhüllen einſchieben (Wachsthum durch Intusſus-
ception) oder die vorhandenen Moleküle ſich durch Anſatz neuer Theile vergrößern (Wachs-
thum durch Appoſition).
Ztg. 1873 S. 40) im Mittel bei dem Weizen 4.82, dem Roggen 6.74, der Gerſte 3.01,
dem Hafer 3.72, dem Mais 11.93 % des ganzen Kornes.
Das Wurzelleben der Culturpflanzen. Leipzig 1870; Dr. H. Thiel, Bewurzelung einiger
Culturpflanzen. Landw. Centralbl. f. Deutſchl. 1870. II. S. 355; u. A.
Bd. 86, S. 131—154.
F. Senſt, Der Steinſchutt und Erdboden. Berlin 1867; Dr. H. Girard, Grundlagen der
Bodenkunde. Halle 1867; F. A. Fallou, Pedologie od. allg. u. beſ. Bodenkunde. Dresden
1862; Dr. W. Knop, Die Bonitirung der Ackererden. Leipzig 1871.
faſſung als Bodengemengtheile angeführt. Da dieſe Bezeichnung der gegenwärtigen Er-
kenntniß des Bodens, als Träger und Ernährer der Pflanze nicht mehr entſpricht, halten
wir es für zweckmäßig, dieſelben in ihrer Geſammtheit als Bodenſkelet, im Gegenſatze zu
den Geſteinstrümmern und Bodennährſtoffen, zu bezeichnen.
ſehr fruchtbaren Marſchböden an der Weſtküſte von Schleswig-Holſtein.
künſtlichen Nährſtoffgemiſchen, welche bei Vegetationsverſuchen (S. 21) im Laboratorium
zur Anwendung gelangen.
mittel neuer Erdrindenlagen. Leipzig 1862.
X. 103.
und unabhängig von dieſem 1850 von Huxtable und Thompſon beim Filtriren von Miſt-
jauche durch Erde beobachtet. Eine eingehende hiſtoriſche Darſtellung der zahlreichen Ver-
ſuche über das Abſorptions-Vermögen des Bodens, welche beſonders durch v. Liebig angeregt
wurden, findet ſich in Dr. E. Heiden. Lehrbuch der Düngerlehre. Stuttgart 1866. I. Bd.
S. 223—292. Einen vollſtändigen Nachweis der bezüglichen Literatur bringt Dr. W. Knop.
Der Kreislauf des Stoffes. Lehrbuch der Agricultur-Chemie. Leipzig 1868.
Ammoniak abſorpirten Stickſtoffmengen in Cubikcm., bei normaler Temperatur (0°C) und
Spannung (76 Cm. Barometerſtand).
d. k. Ak. d. W. in Wien. LIV. Bd. II. Abth. 1866.
Ann. LXXXVIII. S. 461.
Wärmemenge, welche im Vergleiche zu Waſſer (= 1) eine Gewichtseinheit (1 Kilo) des
Körpers braucht, damit ſeine Temperatur um 1°C. erhöht werde.
1869. S. 213.
Lehrbuch der Klimatologie mit beſonderer Rückſicht auf Land- u. Forſtwirthſchaft. Wien 1874.
Pflanzen behalten wir uns vor unter Einem im Kapitel „Schutz gegen Witterungseinflüſſe“
zu beſprechen.
pag. 249—307, mitgetheilt in der Zeitſchrift der öſterr. Geſellſchaft für Meteorologie.
Wien 1874, S. 146.
und ſeine klimatologiſche und hygieniſche Bedeutung. I. Band. Aſchaffenburg 1873.
ſitzungen des Fürſtenhauſes Schwarzenberg. Wien 1872, S. 247.
und Praxis. 4. Aflg. Regenwalde 1870; W. Dünkelberg. Der Landwirth als Techniker,
2. Abth. Braunſchweig 1866; F. Kreuter. Praktiſches Handbuch der Drainage. Wien 1851.
weite Röhre in 24 Stunden in ſcharf gebranntem Zuſtande nur 1.6—3.3 Dekagramm
Waſſer durch.
Hildesheim 1870.
Berlin 1873.
1872; C. Reitlechner, Lehrbuch der landw. Maſchinenlehre. Wien 1869; M. Rühlmann,
Allg. Maſchinenlehre. 4. Bd. Braunſchweig 1867—1872.
= Furchenbreite b; EF = CE1 = CA = Furchentiefe t. Es iſt daher in dem recht-
winkeligen Dreiek C1EF, C1F2 = C1E2 + EF2 oder b2 = t2 + t2 = 2 t2 oder b =
t √ 2 = 1.414 t.
Freie Bearbeitung von J. E. Ranſome: „Ploughs and Ploughing.“
verwendeten Bodenlockerungsgeräthe von jenen, welche zur Reihencultur während des Wachs-
thumes der Pflanzen benützt werden, kann nicht ſtrenge aufrecht erhalten werden, da nicht nur
mannigfaltige Uebergangsformen des einen Geräthes in das andere vorkommen, ſondern
auch viele Geräthe durch Einſetzen verſchiedener arbeitender Theile auf die mannigfachſte
Weiſe benützt werden können. So kann z. B. der Univerſal Cultivator von R. Sack—Plag-
witz, Leipzig nicht nur als Exſtirpator, ſondern auch als Pferdehacke, als Häufelpflug ꝛc. ver-
wendet werden.
bei der Tiefcultur in der verſchiedenen Abſorptionsfähigkeit des Ober- und Untergrundes.
1000 Grm. eines kalkarmen Bodens abſorbirten:
Grundlagen zu einer neuen Methode der Tiefcultur. Berlin 1872.
Für prakt. Landwirthe bearb. 4. Aflg. Münſter 1865. S. 7 u. 53.
gehalt an Bodenfeuchtigkeit zu Gunſten der Brache gegenüber der Gerſte von 2.17—6.81 %.
von 1867. II. S. 47. Berlin 1868.
Wien 1870, S. 142.
wendung der Dampfkraft in der Landwirthſchaft. Halle 1872.
Dr. E. Wolff, Praktiſche Düngerlehre mit einer Einleitung über die Nährſtoffe der Pflanzen
und die Eigenſchaften des Culturbodens. 5. Aflg. Berlin 1874.
ducten, Fabrik-Abfällen und wildwachſenden Pflanzen“. Berlin 1871 oder E. Wolff, Die
mittlere Zuſammenſetzung der Aſche. Stuttgart 1865.
vieh und Schweinen ein Drittel des producirten, friſchen Urins aus dem Stalle abläuft und
in den Jauchengruben ſich anſammelt; als Streu ſind für ein Pferd 3 Kliogr., ein Stück
Rindvieh 4 Kilogr., ein Schwein 2 Kilogr. und für ein Schaf 0.3 Kilogr. Weizenſtroh täglich
berechnet worden.
Göttingen. S. 190.
iſt um das Thier am Leben zu erhalten. Bei der Verabreichung deſſelben verbleibt der
Thierkörper in einem gewiſſen Beharrungszuſtande, in welchem derſelbe ſich anſcheinend nicht
verändert.
cultur. 1868 u. 1869.
ſtickſtoffhaltiger organ. Stoffe und die Mittel, ihm vorzubeugen. Landw. Jahrbücher 2. Bd.
1873. S. 107.
bereitung theilt F. Ritter Horsky von Horskyfeld in ſeinem Werke: „Mein Streben,
Wirken, meine Reſultate.“ Kolin 1873. S. 34 u. 90 mit.
9—12 zweiſpännige Fuhren à 0.6—0.7 Cubikmeter oder 500—750 Kilogr., Dünger breiten
0.17—0.25 Hectar, Dünger einſtreifen 0.40—0.46 Hectar.
Düngerweſen, Bonn 1855; Die flüſſige Düngung u. das italieniſche Raygras. Suppl.
z. Vorig. Bonn 1859.
der Felder im Gefolge der Canaliſation der Städte in England. Danzig 1870.
ſtation zu Salzmünde. Glogau 1868 S. 335.
3 éd. Paris 1870.
ſiehe G. Krafft, Ein Großgrundbeſitz. Wien 1872. S. 249 und 258.
unrichtig Morgen ſtatt Hectar.
und Kleeſamen. Berlin 1873; F. Haberlandt, Beiträge zur Frage über die Acclimatiſation
der Pflanzen und den Samenwechſel. Wien 1864.
S. 126.
blumen, mit Vernarbung der Schnittflächen 2 oder 4 Pflanzen. Einzelne getrennte Theile
des Embryos wachſen ſo lange ihre Reſerveſtoffe vorhalten. Nackte Embryonen keimten in
Kügelchen aus einem Brei ihres eigenen, zerriebenen Endoſperms.
und Säen in der Reihe.
d. l. Vereins in Bayern 1873. S. 127 u. 175; J. Lehmann, Einfluß des Samens auf
die Ernte. Ebendaſ. 1871 Märzheft.
Pflanze ein Wachsraum von m2, bei dem Dreieckverbande einer von 0.86 m.
bei der
- Breitſaat zwiſchen 3.23 und 5.31 Cm.
- Drillſaat „ 6.14 „ 9.87 „
- Dibbelſaat „ 10.21 „ 15.73 „
Die Aehrchen des Roggens waren bei letzterer größtentheils dreiblüthig.
Prüfung des Gülich'ſchen Kartoſſel-Anbau-Verfahrens. Halle, 1872. S. 99.
Annal. d. Landw. 1873. S. 82.
burg 1873.
burg 1873.
1872. S. 202.
Wien 1870. S. 143.
S. 143.
von landw. Producten, Fabrik-Abfällen und wildwachſenden Pflanzen. Berlin 1871.
wenn man ſich mit der Natur derſelben vertraut gemacht. Zum Studium in dieſer Richtung
empfehlen ſich beſonders: Dr. J. Kühn, Die Krankheiten der Culturgewächſe, ihre Urſachen
und ihre Verhütung. 2. Aufl. Berlin 1858 und Dr. P. Sorauer, Handbuch der Pflanzen-
krankheiten. Berlin 1874.
Steinbrand des Weizens. Wiener landw. Zeitung. 1872. S. 375.
Nördlinger, Die kleinen Feinde der Landwirthſchaft. 2. Aufl. Stuttgart 1869; Dr. E. L.
Taſchenberg, Naturgeſchichte der wirbelloſen Thiere. Leipzig 1865; Guſtav Künſtler,
Die unſeren Culturpflanzen ſchädlichen Inſecten. Wien 1871; Gloger, Die nützlichſten
Freunde der Land- und Forſtwirthſchaft unter den Thieren. 5. Aufl. Berlin 1863.
Getreide-Mähmaſchinen-Concurrenz zu Ungar. Altenburg. Wien 1870; Dr. C. Filly,
Internationale Mähmaſchinen-Concurrenz bei Berlin. Berlin 1869.
Wien 1870. Nr. 1.
mäßigſten Zeitpunkt zur Ernte. Halle 1870. S. 39.
F. C. Schubert, Handbuch der landw. Baukunde. 3. Aufl. Berlin 1872; F. Jummerspach,
Die landwirthſchaftliche Baukunde. Wien 1860.
1873. S. 1.
- Holder of rights
- Kolimo+
- Citation Suggestion for this Object
- TextGrid Repository (2025). Collection 4. Lehrbuch der Landwirthschaft auf wissenschaftlicher und praktischer Grundlage. Lehrbuch der Landwirthschaft auf wissenschaftlicher und praktischer Grundlage. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). Kolimo+. https://hdl.handle.net/21.11113/4bqh3.0