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An Philipp Seidel

Rom d. 9. Febr. 88.

Mit der heutigen Post geht an Hrn. Herder der dritte Ackt Claudinens ab. Der ganze fünfte Band ist nun in seinen Händen. Mache nun deine Sache mit Göschen und sorge daß du das Geld gegen den letzten Theil des Manuscripts gleich erhaltest. Gieb es nicht eher aus der Hand, du brauchst dich nur auf deinen Auftrag zu beziehen.

Nun habe ich wegen Fritzens etwas mit dir zu reden. Überlege doch, ob du Zeit Musse und Lust hast dich seiner anzunehmen und ihm einigen Unterricht zu geben. Ich wünsche es besonders, da ich noch[344] nicht weiß wie es mit mir auf Ostern wird. Mein Gedancke wäre: daß du ihm von dem Rechnungswesen im allgemeinen Begriffe gäbest, dann im besondern was zu dieser und jener Art, besonders bey Cammern und Ämtern nötig ist, ihn eben in den Begriff leitetest, von dem was bey einem Rechnungs Amte vorkommt, seine Fähigkeit zum mechanischen prüftest um überhaupt zu sehen, wo sein Gemüth hinauswill. Du könntest ihm einen sinnlichen Begriff von den Einkünften des Fürsten geben, von der Art, wie sie zu er heben, zu verwahren, zu berechnen pp. Genug ihn mit pracktischem lebendigem Sinne in den Vorhof kameralistischer Beschäftigungen führen. Und mir schriftlich oder mündlich deine Gedancken sagen. Du findest wohl Zeit hierzu und übernimmst wohl gerne dieses Geschäfte, das löblich ist und wodurch du mir eine Sorge abnimmst. Dencke zugleich an sein physisches Wohl und mache dir eine Angelegenheit zu sehen: wie es mit der Entwicklung seiner Kräfte geht und wird. Sprich Fr. v. Stein über das alles, ich habe ihr schon deßhalb geschrieben. Du begreifst meine Absicht und wirst sie gut durchdencken und ihr entgegen arbeiten. Hast du nur einen vierwöchentlichen Versuch gemacht, so läßt sich weiter und Bestimmtes über die Sache handeln.

Über deine Microscopische Beobachtungen und noch mehr über deine Gedancken dabey müssen wir uns dereinst mündlich umständlicher erklären. Es sind zu [345] zarte Sachen, und die Bestimmung der Worte und Ausdrücke verlangt große Genauigkeit die in Schriften kaum, in Briefen nie erhalten werden kann.

Du wirst von Göschen auch noch ausser dem stipulirten Gelde für den 5. Band, eine Summe, für die Kupferstiche erhalten. Ich schicke zugleich die Quittungen aufs Osterquartal, damit du alles berichtigen kannst: Denn ich wünsche, daß du mir 250 Scudi an Hrn. Hofr. Reifenstein auszahlen lassest. Wenn das Geld Ostern hier ist; so ist es gut.

Grüße Collina und gieb ihm inliegendes Blat, er wird dir die Summe von 16 Scudi zahlen die er mir schuldig ist.

Lebe wohl und laß mich hören daß du wohl bist und mich liebst.

G.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1788. An Philipp Seidel. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-82CD-9