[133] [153]Der vertheidigte Pythagoras
Oder
Die bey der Riemann-Viccischen vermählung behauptete wanderung der seelen

B.N.


Die schulen wissen noch in ihrer sitten-kunst
Viel vom Pythagoras und seiner schrifft zu sagen:
Er hätte nur der welt für flammen rauch und dunst/
Für früchte leeres stroh und schaalen vorgetragen;
Als er durch phantasey zum pfauen sich gemacht/
Der erden aber gar die träume beygebracht:
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Daß unsre leiber sich im grabe zwar verzehren/
Die seelen aber stets in frische cörper kehren.
Doch wer das grosse buch gelehrter welt gesehn/
Und weiß/ wie man das gold mit kupffer kan vermengen/
Was dem und jenem offt für unrecht ist geschehn;
Wie schlang und nattern auch an balsam-stauden hängen/
Wird lernen/ daß vielleicht die dinte neuer zeit
Auch seiner lehren grund mit flecken überstreut;
Weil doch die wanderung der seelen auff der erden/
Uns nach gewisser art noch kan erwiesen werden.
Ich will vor dieses mahl mit meiner einfalt nicht
Der pfuschernden natur in ihre kammer steigen;
Wie sie aus steinen drach- und tieger-thiere bricht/
Aus blumen vögel kan/ aus pflantzen lämmer zeugen:
Ich untergrüble nicht die unerhörte that/
Wie Gott ein lebend weib in saltz verwandelt hat:
Denn ieder mensch führt selbst das uhrwerck in den händen/
Das seine seele kan aus ihrem circkel wenden.
Die erste wanderung/ die Adam vor sich nahm/
Geschah durch seinen fall/ in einen solchen pfauen:
Drum kont er/ da der Herr in garten wieder kam/
Auch mehr nicht ohne scham auff seine füsse schauen.
Wer weiß nicht/ wie sein sohn zum wolffe sich gemacht/
Da sein verdammter grimm den bruder umgebracht?
Und wie er endlich gar nach ausgeführtem morden/
Vor angst und zittern ist zu einem hasen worden?
Was diese vorgethan/ wird heute noch erfüllt.
Wir sterben tausendmal an sitten und geberden.
Ja/ wenn aus Capua nur wollust-zucker qvill't/
Muß selber Hannibal zu einem Nero werden.
Ein Alexander reist bey weibern und bey wein
Ein wunderwerck der welt durch feur und flammen ein:
Warum? dieweil sein geist bey purpur und bey kronen/
Auch gleichwohl muste noch in einem sclaven wohnen.
Was giebt wohl mancher nicht vor blinde possen an/
Wenn Moden und Pariß ihm seinen kopff verrencken?
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Denn was ein andrer offt im lande kauffen kan/
Holt er von Brüssel her/ die jungfern zu beschencken;
Ja solt es auch nicht mehr als Serviteur nur seyn/
So mischt er dennoch stets von Franckreich etwas ein:
Was wunder ist es dann? wenn alle kinder lachen/
Daß seine grillen ihn zu einem affen machen.
So ändert sich der mensch durch hochmuth/ zorn und wein.
Was thut die liebe nicht/ die fürstin aller sachen?
Wenn sie/ wie Circens mund/ durch ihrer flammen schein/
Aus klugen narren kan/ aus narren kluge machen.
Ich ruffe Jupitern hier nicht zum zeugen an/
Den sie in einen stier und schwan verwandeln kan:
Denn die verliebte welt wird wohl am besten wissen/
Wer Simson seinen geist und ihr das hertz entrissen.
Der erste funcken-glut/ der in der brust entspringt/
Heist auch die seele gleich aus ihrem lager rücken.
Drum kan Antonius/ da ihn August umringt/
Vor grosser liebes-brunst nicht mehr den degen zücken:
Denn weil Cleopatra ihm geist und seele nimmt/
Und seine tapfferkeit auff ihren lippen schwimmt/
So muß er endlich nur wie weiber auch verderben/
Und lieber durch sich selbst als vor dem feinde sterben.
Diß alles aber ist so wunderns-würdig nicht/
Als wenn sie hochzeit läst mit alten müttern machen.
Da wird das dürre maul in falten eingericht/
Die augen fangen gar mit purpur an zu lachen.
Und wenn der lippen schnee/ der stirne hyacinth/
Und ihrer wangen pracht durch schmincke sich verbindt/
So solten nach der zeit wohl tausend blinde schwehren/
Daß sich ein altes weib in jungfern kan verkehren.
Was sie bey frauen thut/ ist männern auch gescheh'n/
Wenn sie den grauen bart/ wie mutten/ sich versengen/
Mehr auff ein bißgen fleisch als alle wohlfarth seh'n/
Und ihren lebens-rest an junge mädgen hängen.
Ihr gantzes wesen stirbt. Die füsse kriegen krafft/
Die peltze werden fort/ die krücken abgeschafft;
Und keiner lässet sich Actäons fall erschrecken/
Da doch die meisten offt in seinem kummer stecken.
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Dem grauen alter folgt die seele junger welt.
Wie wandert nicht der geist der kühnen junggesellen?
Und wie die jungfern nicht? wenn eigensinn und geld
Ihr hertze/ wie das maul den elephant/ verstellen.
Da soll ein Edelmann/ und hier ein Doctor seyn.
Die schönheit nimmt sie so wie tyger kugeln ein;
Biß endlich fall und zeit den vorhang weggezogen/
Und auff den spiegel schreibt: Mein bild hat mich betrogen.
Diß thut die phantasey. Doch reine liebes-glut
Pflegt unsern seelen-stern weit anders zu versetzen.
Denn vor die dienste/ die ein frommer Jacob thut/
Muß Rahels süsser mund mit küssen ihn ergetzen.
Man giebt das hertze zwar als einen sclaven hin;
Doch zeigt das ende nichts als wucher und gewinn;
Wenn seele/ mund und brust in einen klumpen fliessen/
Und ihre wanderung in weichen federn schliessen.
Hochwerth-geschätztes paar/ heut ist das helle licht/
Das meinem urtheil kan den wahren anstrich geben;
Indem eur treues hertz in frische flammen bricht/
Und eure geister sich aus ihrer wohnung heben.
Denn seine seele fleust in ihre marmel-brust/
Sie läst ihr vaterland/ und sucht am kriege lust/
Zu zeigen/ daß auch Mars zum engel an geberden/
Aus priester-wittben gar kan eine Pallas werden.
Die liebe hat fürwahr was grosses hier gethan/
Der himmel aber mehr; indem er sie gebohren.
Drum glaubt: daß eur magnet sich nicht verirren kan;
Weil er ihm selber Gott zu seinem stern erkohren.
Die bunte tulipe/ der blumen gröste zier/
Bringt jährlich eine tracht von neuen farben für;
Eur frühling aber wird in seinen garten schreiben:
Die liebe muß allein bey einer farbe bleiben.
So schickt die leiber nun auch den gedancken nach/
Und kühlt die strenge glut mit perlen und jesminen.
Cupido putzet schon das theure schlaff-gemach/
Und wil euch bey der lust mit marcipan bedienen.
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Womit er selber nur mit augen möge seh'n/
Ob dem Pythagoras nicht unrecht ist gescheh'n/
Und ob es möglich sey/ daß vor drey vierthel jahren
Eur leben könne noch in einen cörper fahren.

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TextGrid Repository (2012). Neukirch, Benjamin. Gedichte. Gedichte. Der vertheidigte Pythagoras. Der vertheidigte Pythagoras. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-60C5-6