Lichte Streifen von dem Himmel

Lichte Streifchen von dem Himmel
Leicht zur Erde niederwallen;
Will das Licht die Saiten stimmen?
Will ein Regen niederfallen?
Eilend ist meine Streiferei,
Wo das Paradies wohl sei.
Viele dichte Dornenhecken
Sollen es der Welt verschließen,
Tausend Vögel drinnen stecken,
Tausend Bäche rauschend fließen;
Eilend ist meine Streiferei,
Wo das Paradies wohl sei.
[147]
Wie viel tausend rothe Blicke
In dem grünen Klee hier winken,
Winkt ihr mir zu meinem Glücke,
Blumen, die im Grün ertrinken?
Endet hier meine Streiferei,
Wo das Paradies wohl sei?
Zwei Kaninchen auf zwei Beinen
Sitzen da an einem Blatte,
Während sie's zu fressen scheinen,
Sie sich recht geküsset hatten;
Liebet ihr euch im Ehestand,
Nehmet mich auf in dem sel'gen Lande.
Freundlich mich die Beiden laden,
Doch sie beide mein vergessen,
Und was könnt' ich ihnen schaden,
Wäre ich auch zu vermessen;
Gnädig sind wohl die Grafen hier,
Aber die Liebe ward nicht mir.
Seht, der Wind kommt wie verschlafen,
Der der Erde Teppich kehrt,
Will den Staub zusammen raffen
Und sich gar an mich nicht kehrt;
Höflich ist nicht die Dienerei,
Wenn's das Paradies auch sei.
Von dem höchsten Apfelbaume
Schüttelt Wind die Früchte alle,
Weckt ein Kindlein aus dem Traume
Mit der harten Früchte Falle;
Wärest du mein, die Streiferei,
Wäre voll Geschrei dabei.
[148]
Dieses Kind, das sollt' ich kennen,
Auch der Bäume Schattenrisse,
Doch die Regenstreifen rennen,
Herz und Himmel sind zerrissen,
Traurig wird meine Streiferei,
Wo das Paradies wohl sei.
Kindlein, bist du hier alleine?
»Ganz alleine mutterselig!«
Und was willst du damit meinen;
Ist die schöne Mutter selig?
Seit die Menschen sind verstört,
Ist das Paradies bethört.
Eine Ziege kommt gesprungen,,
Aus dem Euter Milch verlieret,
Ist vom Blumenkranz umschlungen
Und sie frißt ihn, der sie zieret:
Traurig ist meine Streiferei,
Wo das Paradies wohl sei.
Diese Wiesen, diese Gänge
Wandelt ich in Liebchens Schatten,
Durch des Morgens schöne Klänge
In dem zärtlichen Ermatten,
Und wie ist es mir bewährt,
Auch das war der Müh nicht werth.
Langeweile gähnt in Blumen,
Nichts zum Trinken, nichts zum Schmause,
Von dem Zeichnen Semmelkrumen
In dem bunten Frühlingshause;
Ach und ich weiß es nun auf's Haar,
Wo das Paradies einst war.
[149]
Offen stehn die Paradiese,
Und ich stehe drin verlassen,
Ewigkeit, die sie verhießen,
Würd' ich ohne Kunst doch hassen,
Ach und ich fühl' es nun bewährt,
Dieses war der Müh' nicht werth.
Wie mit geflügelten Heuschrecken ziehend
Über die dürr zerfressenen Halme,
Zieh ich mit dem Heere glühend,
Daß ich die Wurzeln des Grüns zermalme,
Such' ich in ewiger Streiferei,
Wo das Ende der Welt wohl sei.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2011). Arnim, Ludwig Achim von. Gedichte. Ausgewählte Gedichte. Lichte Streifen von dem Himmel. Lichte Streifen von dem Himmel. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-09B0-2