72. Lied

18. April 1781.


Ich ging unter Erlen am kühligen Bach,
Und dachte wohl manchem und manchem wohl nach:
Es war mir im Herzen so leicht und so wohl;
Doch wurden von Thränen die Augen mir voll.
Es entschwebte den säuselnden Wellen das Bild
Von meiner Geliebten, holdselig und mild;
Da sank ich ans Ufer ins schwellende Moos,
Mir stürzten die Thränen hinab in den Schoß.
Nun lag ich im Schatten am kühligen Bach,
Und dachte wohl manchem und manchem wohl nach:
Die Nachtigall sang, und es rauschte der Bach;
Ich dachte dem einen und einen nur nach.
[137]
Schon flammten die Wolken im rötenden Strahl,
Schon senkten sich bräunere Schatten ins Thal,
Schon bebte durch Erlen der Mond auf dem Bach;
Ich dachte dem einen und einen nur nach.
Nun wankt' ich von dannen mit weinendem Blick,
Und sah nach dem Bach und den Erlen zurück:
Sie schwanden; es schwand nicht das liebliche Bild,
Das immer und immer die Seele mir füllt.

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TextGrid Repository (2012). Stolberg, Friedrich Leopold Graf zu. Gedichte. Gedichte. 72. Lied. 72. Lied. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-1B56-7