Jean Nicolas de Parivall
Sinnreiche / Kurtzweilige und Traurige Geschichte

An den Leser

[5] An den Leser.

Nachdem ich verspühret / daß meine kurtzweilige Historien zum wenigsten so wohl / als die traurige aufgenommen worden: Hab ich entschlossen Sie wieder in grösserer Gesellschafft herfür zu geben / wie ich ihnen versprochen / da ich Sie erstlich am Tag gabe. Sie haben nichts neues noch unverdauliches gehabt; sind auch anjetzo ihre jüngere Schwestern / die mit ihnen kommen / nicht weniger züchtig und gebutzet /als ihre Vorgeherinnen. Daher sie dann so frey und artlich werden mit durch gehen / als das erste mal. Die jenige / die Sie kennen / werden gerne wissen wollen / [5] ob diese / welche Sie mitbringen / werth sind / also / wie die vorige gehalten zu werden. Zwey oder drey haben sich beklagt / daß etliche Sie haben verschreyt gemacht / die jenige nemlich / welche nichts für gut achten / als was Sie selbst gethan haben / sondern welche alle Brey / die disseits gekocht werden /für stinckend halten. Ich hab ihnen geantwortet / daß diese Verachtungen ihrer Melancholey / und ihren nachdencklichen Angelegenheiten zuzuschreiben /daß man nicht jederman recht thun könne / und daß auch die Tugend selbst ihre Feinde habe. Nimme es an / günstiger Leser / und wann du Sie behalten hast /lasse sie frey passieren / weil Sie Neutral sind / und keine verbottene Wahre fůhren.


GOtt mit Uns.

Sinnreiche - Kurtzweilige Geschichte

1. Eine artliche Antwort - welche dem König Henrich dem Grossen in Franckreich gegeben worden
Die erste Geschicht.
Eine artliche Antwort / welche dem König Henrich dem Grossen in Franckreich gegeben worden.

Dieser großmächtige Fürst / welchen die Geschicht-Schreiber einen Wieder-Aufrichter der Frantzösischen Monarchie nennen / welcher wegen seiner grossen Gütigkeit / neben siegreicher Tarpfferkeit / von männiglich hoch geachtet / und unter die Zahl der grösten Monarchen der Welt gerechnet worden. Dieser Hercules hatte so schöne / scharffsinnige / und spitzfindige Reden in sich / daß die vortrefflichste Scribenten sich nicht weniger bemühet / dieselbe zusamm zu tragen /als seine grosse Thaten zu beschreiben. Ich will von jenen nur zwey oder drey Bekandte anführen / umb die Fremde durch diese Muster zu veranlassen / daß[7] Sie deren mehrere in seinem trefflichen Lebens-Lauf zusamm suchen möchten. Als er einsten durch seine liebe Stadt Pariß fuhr / wurd er eines alten Manns ansichtig / welcher weisse Haar / und einen schwartzen Bart hatte. Der König ließ seine Kutsche halten / und fragte den Alten / woher seine Haar und Bart zweyer so widerwärtiger Farben worden: Der Alte antwortete behend / dann dem König beliebte keine Weitläufftigkeit: Allergnädigster Herr! es kommet daher / weil meine Haar zum wenigsten zwantzig Jahr jünger sind / als mein Bart. Der König fieng an zu lachen / und lobte diese artliche Antwort.

2. Streit wegen Unterschied der Religion
2. Streit wegen Unterschied der Religion.

Eben selbiger König Heinrich hörte einsten vor seinem Zimmer ein Gezänck / und lautes Reden / ward begierig zu wissen / was es betreffe. Diß waren die Abgeordnete von Roschelle / welche unter währenden Auffwarten ungefähr einen Medicum vor der Thür [8] angetroffen / welcher von ihrer Stadt war / aber ihre Religion verlassen / und die Catholische angenommen hatte. Sie verwiesen ihme solche Aenderung / als ein Anzeichen seiner Wanckelmut und Leichtsinnigkeit. Der König gieng heraus / unn fragte Sie worüber sie stritten. Allergnädigster Herr / antwortete einer von den Abgeordneten / und wiese den Medicum mit hefftigen Worten / dieser Mensch hat sehr übel gethan /daß er die Reformirte Religion verlassen. Darauf versatzte der König: Meine Freund / behüte GOtt / eure Religion muß sehr kranck seyn / und zum Ende gehen / weiln die Medici sie verlassen.

3. Eine schöne Antwort - welche vorgedachter König einem neu-ankommenen Edelmann gab
3. Eine schöne Antwort / welche vorgedachter König einem neu-ankommenen Edelmann gab.

Er sahe einmahl von fern einen heßlichen übel-gestallten Edelmann / welcher stunde / die Gemähl auf einem Gang im Königlichen Hause zu betrachten. Diesen fragte der König / [9] wem er zugehörte. Der Edelmann / welcher den König niemahl gesehen /kandte ihm nicht / war sonst übel zusamm geraumt /und antwortete; Er kehre sich selbst zu: Behüt Gott /sagt der König / in Betrachtung seiner närrischen Weise / ihr gehört einem närrischen Herren zu / der euch nicht besser abgerichtet hat.

4. Ein sonderbahre Auslegung des Benedicite
4. Ein sonderbahre Auslegung des Benedicite.

Nachdem dieser König Heinrich durch Annehmung des Catholischen Glaubens / und durch seine grosse Thaten / denen damahligen Ligierten die Waffen aus den Händen gebracht / und den Spaniern den Muth wider Ihn zu kriegen benommen. Nach dem Er /sprich ich / Fried mit ihnen gemacht / hat Er alle seine Gedancken dahin gewendet / wie Er in seinem Reich gute Policey und die Gesetze wieder aufrichten möchte / welche unter währenden Krieg gantz darnieder gelegen. Einmahl kam Ihm der Lust an / [10] durch etliche seiner Länder zu reisen / um sich seinen Unterthanen zu zeigen / und alle noch übrige Ordnungen heilsamlich zu recht zu bringen. Als er in ein kleines Städtlein kam / fragte er nach einē guten Prediger. Man nannte ihm einen wolberedten Franciscaner / den begehrte er zu sehen / und befahl / man solte Ihn alsbald vor ihm bringen. Als der König sahe / daß er so schön / fett / und wolgestalt war / kunte sich nicht enthalten / mit lachendem Munde ihme zu sagen: Er verwundere sich sehr / daß er ihn in so guter Leibs-Beschaffenheit sehe / da er doch ein so hartes Leben führe / mit Fasten und Enthaltung / welche seinen Leib vielmehr in Abnahm bringen solten / und daß seine Hof-Purse in ihrem Uberfluß sehr mager blieben. Allergnädigster Herr! antwortet der Mönch mit lieblichem Angesicht /es kommet daher / daß die Hofleute ihr Benedicite nicht recht beten. Der König wurd etwas bestürtzt über diese Antwort / welche schiene / als käme sie von einem her / der nach der Liga stencke: Ihr irret /[11] sprach er / sie können es alle gar wohl. Darauf sagte der gute Pater: Eure Majestät vergeben mir / wenn ich werde darthun / daß sie es nicht recht können / und wann sie thäten / wie ich / daß sie sich noch besser /als ich / befänden. Lernet michs / sagte der König /wie ihr es dann machet in ihrer Gegenwart / damit sie es wissen / und fett werden / wie ihr / und doch nicht Pœnitentz thun. Sehet / allergnädigster Herr! wie ich es mache / griff an seine Stirn / und sagt überlaut /daß sie es alle höreten: ohne Sorg; Er legte die Hand auf den Bauch / und sagte ohne Liebes Ubung / darnach legte er die Hand auf die lincke Schulder / unn sprach: ohne Streit / legte endlich die Hand auch auf die rechte Schulder / und sprach: ohne Rechtfertigungen. Der König begriffe solches Benedicite, und war damit dermassen vergnügt / daß er endlich gesagt: Meine Hoffleute sollen es alle lernen / und sich dessen Morgens und Abends mit Andacht bedienen. Der Leser mag heraus nehmen / was für ein heimlicher Verstand / [12] diesen grossen Herrn also lachend gemacht.

5. Die Brüderschafft der Pönitenten oder Bußfertigen
5. Die Brüderschafft der Pönitenten oder Bußfertigen.

Heinrich der dritte König in Franckreich / wurde zu seiner Zeit von seinen Unterthanen fast eben so hart geplagt / als Carl König in Engelland / von den Seinigen / nur das jener von einem Münch / mörderischer Weise umbgebracht / dieser aber von 40. Henckers-Buben unbillich zum Tod verurtheilet worden / welche Ihm das Haupt mit einem Beil haben abschlagen lassen / vermittels einer unerhörten Procedur / welche ein immerwährend Abscheuen verursachen wird. Henrich von Valoes war gemeiniglich genennet von etlichen ein Heuchler / seiner Andacht halber / von andern ein aberglaubischer Papist. Dieser gute Herr hatte durch bösen Rath / und übele Ordonanzen / sein Volck fast gantz ausgesogen / umb seine Favoriten reich zu machen / welche sich in der Kron [13] Franckreich Beschwehrnussen gekleidet: Darauf stellte der König eine Brüderschafft an / welche er nennte der Pönitenten oder Bußfertigen. Die Spötter / als sie ihn einsten mit seinen Brüdern in weissen genetzten Säcken mit der Procession gehen sahen / lachten ihn aus mit seinem Orden / und machten darüber folgende Verse:


Nach dem er Franckreich ausgesogen /
Und alles seinem Volck entzogen /
Heist das nicht trefflich Buß gethan?
Er zieht den nassen Sack ja an.

Ein Mönch / welcher wider Ihn und gedachte Brüderschafft geprediget hatte / wurde auf seinen Befehl gehebt: Der Hertzog von Epernon wolte ihn sehen / und sprach zu ihm lachend: Mein sauberer Herr / man sagt überal / daß ihr in euren Predigten die Leute lachend machet: das stehet nicht wohl. Ein Prediger / wie ihr seyd / soll nicht zum Gelächter / sondern zur Erbauung predigen. Der Mönch sagte unerschrocken: Ihr sollet wissen / daß ich nichts / [14] denn Gottes Wort predige / und daß niemand lachens halber in meine Predigten kommet / es seyen dann die Böse und Gottlose. Ich hab auch niemahl ihrer so viel lachend / als ihr weinend gemacht. Diß war ein verwegnes / doch kräfftiges Wort / welches man zur selben Zeit sehr wohl aufnahm.

6. Stichred auf die Geistlichen
6. Stichred auf die Geistlichen.

Ein vornehmer welscher Mahler zeigte den Cardinäln durch eine subtile Antwort / daß der Geistlichen zu unserer Zeit ihr Leben so unordentlich und voll Aergernus sey / daß das himmlische Heer darüber erröten möchte. Als nun zwey Cardinäl in seinen Laden kommen / sahen sie lang die Gemählde der vornehmsten Aposteln an / und sagten dem Mahler; Sie befänden sie allzu roht. Er antwortete kaltsinnig: Eure Eminenzen verzeihen mir: Ich hab sie gemahlt / nicht wie sie auf Erden gelebt haben / eyferig die Religion fortzupflantzen; sondern wie sie jetzund im Himmel sind /nemlich in [15] Schamhafftigkeit / daß sie sehen / wie ihre Nachfolger so schlecht und in so grosser Freyheit leben.

7. Eine artliche Rede Gleichnus weiß
7. Eine artliche Rede Gleichnus weiß.

Ein Gaßconier / welchem das Glück und seine Meriten bey den Könige / seinen Herrn in grosse Gnade gebracht / ersahe einsten den Cardinal Rischelie die Stiegen im Luver hinaufgehen / da sagt er zu ihm / in dem Er ihme Reverentz machte: Eure Eminentz steigen herauf / und ich hinab. Dardurch zu verstehen zu geben / daß Er in des Königs Gnaden empor / er aber hernieder komme.

8. Eine sehr artliche Antwort eines Baurn - gegen einen grossen Herrn
8. Eine sehr artliche Antwort eines Baurn /gegen einen grossen Herrn.

Es spatzirte einsten ein grosser Herr durch die Gassen mit etlichen andern Herren / und sahe einen grossen Bauren-Flegel vorbey gehen / welcher auf seinen Arm ein Span-Ferckel trug / die schriehe so sehr / daß jederman die Ohren davon voll wurdē. Der [16] Herr sahe ihn an / und sprach: Du Dölpel / kanst du deine Spansau nicht schweigend machen? Nimm sie bey den Schwanz / so wirstu sehen / daß sie kein Geschrey mehr machen wird. Der Baur that es / und sahe / daß der Raht gut war / bedanckte sich derhalben / und sagte / er hätte die Kunst noch nicht gewust / wie man die Span-Ferckel solte stillen: Ihr müst / sagte er zu den Herrn / einmahl Schweine gehütet haben / weil ihr ihre Art so wohl wisset. Alle herumstehende lachten überlaut / und der Fürst selbst erlustigte sich über diese grobe Antwort. Aber da der Baur von den Hofleuten umbringet war / welche ihm mehr andre Fragen vorbrachten / umb sich damit zu erlustigen / machte sich darvon ohne Abschied / und machte keine Reverentz / dann er hatte es auch nicht gelernt / oder wann er eine gewust hätte zu machen / hätte er davor gehalten / er müste keine machen.

9. Possierliche Rede - welche auf die Proelaten jetziger Zeit artlich gegeben worden
[17] 9. Possierliche Rede / welche auf die Prœlaten jetziger Zeit artlich gegeben worden.

Ein Hertzog und Pär in Franckreich / welcher sonst in den Historien seiner trefflichen Thaten halber wohl bekannt ist / der sich auch in hohes Ansehen gebracht / durch die spizfindige Reden / welche seine Geschicklichkeit in vielen Begebenheiten hervor gab. Als dieser Hertzog einsten durch einen Edelmann Nachricht erhalten / welchem der Graf von Soesson ihm geschicket / seine Ankunfft auzuzeigen / begab er sich in sein Zimmer / nahm die Bibel vor sich / ein grossen Pater-Noster in die Hand / und wartete seiner in einem Saal. Der Herr Graf gantz bestürtzt / daß Er niemand ihme entgegen kommen sahe / fragte / ob der Hertzog von seiner Ankunfft wüste / und wie es ihm gienge. Der Graf gieng zu ihm hinein / und sagte: Wie / mein Oheim / empfanget ihr die Fürsten vom Geblüt also? Schicket sich diß Exercitium / in welchem ich[18] euch, antriff zu Leuten euers gleichen? Habt ihr vergessen / wohin ihr bey Hof kehret? Ha / sagte er überlaut / in dem er ihm Reverentz machte / E. Liebden vergeben mir / wann ich meine Schuldigkeit Nicht abgelegt / oder meines Beruffs vergessen hab. Weiln die Pfaffen unser Handwerck treiben / so treiben wir das ihrige auch. Sie zünden allenthalben Krieg an / an statt / daß sie vom Fried solten predigen. Mit einem Wort / weil sie sind Soldaten worden / so werden wir geistlich: Lasset uns ihr Brevier tragen / weil sie unsere Degen tragen. Der Herr Graf antwortete / ihr habt recht / es ist alles umbgekehrt: Die Hirten sind Wölffe worden / oder sie haben sich mit ihnen verglichen /umb ihre Heerden umbzubringen.

10. Eine scharffsinnige Antwort - eines Franziscaner München
10. Eine scharffsinnige Antwort / eines Franziscaner München.

Unter den vier Bettel-Orden ist keiner gewesen / da die Läster-Zungen so scharff geredt hätten / als unter den Franciscanern. Ich will solches [19] lieber darthun durch kurtzweilige Reden / als mich besagtem Orden verhasset machen / welchen ich so sehr hoch gehalten / da ich studierte / sonderlich da ich mehr von Andacht / als von bösen guten wuste. Ein Pater Franciscaner ritte einsten ein gut Pferd / welches ihme von einem Burger verwiesen ward / derselbe thäte ihm dar / daß / weil er des Ordens S. Francisci wäre / so wär er Gelübds und Aids halber schuldig / seinem Patron zu folgen. Er ist zu Fuß gangen / und ihr seyd auf einen Pferd geritten. Ha / sagt der gute Pater / ihr saget recht / daß ich dem heiligen Stiffter unsers Ordens folgen solle. Es ist aber schon so lange Zeit / daß er fort marchiret ist / daß es mir unmüglich / ihm zu Fuß wieder einzuholen: Ich könte es auch wol zu Pferd nicht thun / wann ich nicht fort renne. War ist es / daß die Bächlein ihren Quellen weder an Güte /Klarheit / oder Sauberkeit des Wassers gleich sind.

11. Eine Predigt eines Pater Franciscaner Ordens
[20] 11. Eine Predigt eines Pater Franciscaner Ordens / die er für seine Ranzion den Strassenräubern gehalten.

Etliche Strassenräuber / die sich in einem Wald versteckt hatten / die Vorbeygehende zu ertappen / als sie von ferne einen Minoriten-Bruder sahen / entschlossen sich / ihn aufzuhalten. Und da sie ihn bey seiner Kutte erwischt hatten / setzten sie ihme das Pistolan die Gurgel / und wolten den Beutel haben. Dieser lustige Mönch entsatzte sich nicht vor solchem Geschrey / sondern sagte zu ihnen mit lachendem Mund: Lieben Kinder / mich deucht es ist schon lang / daß ihr aus der Welt seyd / und die menschliche Gesellschafft verlassen habt / weil ihr die Regel der Franciscaner vergessen habt / worinn ihnen verboten ist / mit Geld umzugehen / weniger sich damit zu beladen. Weil ich nun das jenige Metal nicht habe / das ihr mit Gefahr eures Lebens suchet / in Haß wider die menschliche [21] Gesellschafft: So biete ich euch eine Predigt an / aus welcher ihr lernen möget / die unersättliche Brunst zu mässigen / die euch unaufhörlich plaget. Und erinnert ihr euch nicht mehr eures Glaubens /noch auch des letzten mahls / da ihr in der Kirch seyd gewesen. Die Strassen-Räuber / in Meynung / sie hätten dem München schon bange genug gemacht / verwunderten sich über ihn / daß er so lustig und possierlich war / und wurden auf eine kleine Zeit Engel des Liechts / und nach dem sie ihre Grausamkeit / in eine diesem Prediger nützliche Mässigung verwandlet / beschlossen sie einmüthig / ihn anzuhören. Sie huben ihn auf den ersten Ast / eines dicken Baums /und satzten sich vor ihm auf die Erde / begierig zu wissen / was er ihnen erzehlen würde. Darauf / als der gute Pater / alle / einem nach dem andern wolangeschauet / fienge er seine Predigt also an: Liebe Kinder! wann ich das Leben unsers Heylands unn das eurige betrachte / so finde ich sie nicht gar ungleich einander. Er ist sehr arm gewesē / ihr seyd [22] es auch. Er ist in Gemein von den Juden verhasset und verfolgt worden; ihr erfahret auch dergleichen von allen Innwohnern dieser Gegend. Er ist für einen Verführer des Volcks gehalten worden; und ihr seyd warhafftig Dieb und Mörder. Er hat nicht gehabt / da er sein Haupt hinlegte. Und ihr habt keine sichere Aufenthalt / so gar / daß die wilden Wälder eure Wohnung / die Finsternüs euer Liecht / die Wölffe eure Gefährden / und die Vögel / welche nichts Gutes bedeuten / eure Musicanten sind. Da er von einer Stadt und Gemein verfolgt ward / begab er sich in eine andere. Und ihr /wann ihr aus einer grossen Gefahr entgangen seyd / so fliehet ihr nur / und zitteret vor einem rauschenden Blat. Endlich fiel er in die Hände seiner Feinde /durch Verrätherey eines von seinen Jüngern. Ihr werdet auch darein kommen durch einen von euern Mit-Brüdern. Er wurd geführet von Pilato. Ihr werdet auch gebracht werden vor eure Richter. Er wurd zum Tod verurtheilt an das [23] Creutz: Ihr werdet auch an den liechten schändlichen Galgen gehängt werden. Er fuhre zu der Höllen. Ihr werdet dahin in das Nachtlager kommen. Aber zween grosse Unterscheid sind zwischen Euch und Ihm. Er wurd von falschen Zeugen verklagt / und unschuldig verdammet für die Sünden des menschlichen Geschlechts. Ihr aber werdet angeklagt werden / durch unverwerffliche Zeugen /und werdet umb eurer Missethaten willen rechtmässig; die Angst des Todes ausstehen müssen. Er kam siegend wieder aus der Hölle. Ihr werdet darinn bleiben in Ewigkeit Amen. Diese schöne Predigt gefiele den Räubern so wohl / daß sie den Prediger hinaus vor dem Wald begleiteten mit vielen Ehr-Bezeugungen / und liessen ihn wieder in sein Kloster gehen.

12. Eine Stich-Red - damit ein ander einen bezahlt
12. Eine Stich-Red / damit ein ander einen bezahlt.

Ein guter Bruder Minorit / der gute Schnacken in sich hatte / als er mit seinem Esel einsten über einen [24] Bach marchierte / sagte ihm ein guter Gesell / daß sein Esel zittere / als wann er das Fieber hätte. Der Münch antwortete mit ernstlichem Angesicht / darunter er den Schalck verbergen kunte / daß es niemand mercken kunte: Wann du / sprach er / den Strick am Hals /Eisen an den Füssen / und einen Pfaffen an der Seiten hättest / würdest du noch viel anderst zittern / nicht vom Fieber / sondern vor Furcht / du möchtest flattern.

13. Ein Widerkauffer in Frießland - der auf eine Viertel Stund ein Hugonet worden ist
13. Ein Widerkauffer in Frießland / der auf eine Viertel Stund ein Hugonet worden ist.

Frießland ist eine von den vereinigten Provinzen in Niederland / allwo sich so viel Wiedertäuffer finden /daß sich dasselbe rühmen kan / es seye ihr Nest. Sie geben sich zu erkennen / durch ihre kleine niedere Krägen die sie tragen / mit kurtzen Haaren / und durch ihre ernsthaffte Reden. Man saget von ihnen /daß sie sich zur Evangelischen Gedult bekennen / und wann man sie schläget / [25] daß sie es leiden / ja sie reichen gar den andern Backen dar: Aber es ist keine Regel ohne Exception: deren wir eine beyführen wollen. Ein Widerkäuffer wurde von einem Hugoneten mit Worten sehr angetastet auf öffentlichen Marck /und als er darauf nur mit guten Worten sich verantwortet / an statt daß er ihn damit besänfftigte / erhebte er ihme den Muht dermassen / daß er sich erkühnte /ihn / wiewohl nicht gar hart zu schlagen / worzu er sich bewegen liesse / weil ihm bewust war / daß die Religion der Widertäuffer ihme nit zuliesse / Gewalt mit Gewalt zu vertreiben. Aber er ward sehr betrogen / in dem er sahe / daß der Widertauffer seinen Kragen abnahm / und mit lauter Stimme ausruffte / daß er auf eine wenige Zeitlang wolte ein Hugenot seyn. Dann der Widertauffer griff ihn solcher massen an / daß er nicht von ihm ließ / biß er ihn genug gestriegelt und genötiget / um Verzeihung zu bitten. GOtt weiß / wie ihm die Zuseher ausgelacht / und mit vielen schimpfflichen [26] Worten verfolgt haben / so gar / daß er endlich entflohen / die Ohren und den Schwantz zwischen den Beinen hängen lassen / wie der Wolf / der in einer Capelle von einer Ziege erdapt worden / und nicht hinter sich sehen durffte. Die Wiedertauffer halten davor /man solte sich nicht schlagen / noch Krieg führen; ich weiß nicht / ob es geschiehet dem Evangelio zu gehorchen / oder weil sie zu Münster in Westphalen und anderer Orten unglückselig gewesen.

14. Ein Wolf - welcher von einer Ziege erdapt worden
14. Ein Wolf / welcher von einer Ziege erdapt worden.

In den Catholischen Orten findet man ein hauffen Creutz und Capellen auf dem Land / welche die Reformirten nicht gedulden / wo sie Herren sind / dann sie sagen / solches stincke nach dem Papstum / und folglich nach Götzendienst. Ein Ziege wurde einsmals von einem Wolf verfolget / und kam in eine solche Capelle / welche halb offen war / sprang auch in einem Liecht auf [27] dem Altar. Der Wolff / der ihr auf dem Fuß nahe gefolget / gieng auch hinein / und berührte ungefähr mit seinem Schwantz die Thür / daß sie sich zumachte / und also beede Thiere des andern Morgens in der Capelle gefunden worden. Das eine auf dem Altar / das ander an dem Fuß / beyde einander sehr barmhertzig anschauend. Diese Postur machte jederman lachend / der es sahe; Die Ziege wurd endlich loß gelassen / der Wolff aber erschlagen /weil er in einen heiligen Ort ist kommen / und hatte die Füsse nicht gewaschen.

15. Eine kurtzweilige Frage
15. Eine kurtzweilige Frage.

Ein ehrbarer Mann wurde gewahr / daß drey von seinen guten Freunden nicht weit von ihm vorbey giengen / folgte ihnen nach / griff sie hinterwerts an / und begehrte zum possen jedoch trotziglich ihren Beutel. Die guten Freunde kandten ihn alsbald an der Stimme / und antworteten ihme ebenmässig / daß es den Beutelschneidern zustünde / solches zu begehren. Er [28] aber versatzte: Ihr Herren / sprechend / ihr werdet mir verzeihen / es kan auch ein ehrlicher Mann den Beutel begehren / aber ein Beutelschneider nimmet ihn gar. Ihr habt recht / sagten sie darauf / ihr sollet auch nicht den Beutel / sondern eine collation bekommen.

16. Grausame Widerersetzung der Ehre
16. Grausame Widerersetzung der Ehre.

Niederland bestehet in siebenzehen Provinzen / darunter die gröste die unfruchtbarste ist / darinn die Einwohner bey ihrer Armuth sich getrösten / daß dieselbe mit einem Schein der Freyheit geschmüncket / welche bey ihnen ein wenig grösser als anderswo ist: Aber sie unterlassen gleichwol nicht den fleischlichen Lüsten sich zu ergeben / wie auch sonst aller Orten geschiehet / nach Innhalt dieser Historie. Ein Forster / der auf das Geträid im Feld acht zu geben hatte / traff einsten seinen Herr Pfarrer mit seiner jungen Beicht-Töchter einer an / daß sie ein Korn-Feld zerwühlet / und mehr Schaden daran [29] gethan / als zwey wilde Schwein / die nur durchlauffen. Als nun dieser Mensch sie auf der That erwischt hatte / straffte er sie / quia bipedes pauperiem fecisse affirmabat. Das gantze Dorff / und andere umher wurden solches alsbald innen (dann die Possen glaubet man eher als etwas rechtes.) Der Forster wurd gefordert / und beharrte / er habe sie beysamm liegend gefunden. Der Pfarrer verlaugnete es /und begehrte seinen ehrlichen Namen wieder / und die gute Schwester / welche anderst wolte scheinen zu seyn / als sie im Werck gewesen / hielte es mit dem Pfarrer eben zu solchem Ende. Der Forster beharrte auf seiner Anklag / und sein Widerpart auf dem Vorsatz ihn zu verderben. Letzlich wurd ihm gerathen /weil er keine Zeugen hatte / sachte zu gehen / und einen Advocaten umb Rath zu fragen. Er traff einen an / der besser war / als andere seiner Profession /welcher / als er ihn fleissig über sein Recht angehöret hatte / ihm sagte: Mein Freund / wann ich euch zu einer Rechtfertigung riethe / [30] so thäte ich wider mein Gewissen / und stürtzte euch in einen erbärmlichen Abgrund; ich glaub / daß alles / was ihr saget / wahr sey / aber weil euch Zeugen manglen / so bemühet euch zu vergleichen / je eher / je besser / und thut ihnen eine schlechte Erstattung ihrer Ehre. Der Forster kommet dem Raht gantz traurig nach / und der Widerpart / der vor Gericht gewiesē ward / verstund sich darzu / daß der Forster bereit wäre Satisfaction zu thun. Der Forster rief überlaut / und hatte seinen Hut in Händen: Ihr Herren / ich halte den Herrn Pfarrer für einen ehrlichen Mann / und diese Weibs-Person für ehrlich; aber bey dem Ayd / den ich zu GOtt geschworen / hab ich dafür gehalten / daß ich sie auf einander angetroffen / sie hätten das Korn verderbt. Alle Umbstehende machten über dieser artlichen Antwort ein solch Gelächter / daß die Vögel in der Lufft darüber scheu gemacht wurden: Der Gegentheil aber gieng mit einer langen Nase davon.

17. Straff der Hurerey
[31] 17. Straff der Hurerey.

In einer Provintz an dem Bält Mittagwärts / in welcher die Römischen Soldaten unter Varo zerhauen wurden / truge sich eine kurtzweilige Historie zu / die wir beschreiben wollen. Ein Geistlicher (von was Religion er gewesen / kan ich nicht sagen / dann es giebet deren so viel / daß man sie nicht alle zählen kan) nahm eine Stelle auf einem Wagen mit vier Pferden ein / und sahe gleich eine schöne junge Frau darbey kommen / welche den lären Platz an seiner Seite einnahm. Sie hatte ein Kind auf ihrer Schoß / und erzeugte sich so verschlagen in allen ihren Reden / welche sie mit dem Geistlichen hielte / daß Er sich darüber und zugleich auch über ihrer Schönheit verwunderte. Da sie über die erste Brucke fuhren / küste er Sie nach Lands Gebrauch / welcher diese Gemeinschafft gültig machet / und befand Sie recht für ihm /und leicht dahin zu bringen / wo er verlanget. Er kützelte sie bißweilen / und Sie / [32] damit sie ihm mehr Künheit zumutete / druckte ihme seine Hände gar freundlich / und machte ihm damit das Maul wässerig. So viel Brücken / so viel küssens / und so viel Funcken das Feur anzuzünden / welches sich solte bey der ersten Gelegenheit leschen. Er bat sie heimlich um Erlaubnus bey ihr zu schlaffen / dazu sie sich gar gern verstunde / und damit sie ihrer Begierde / mit einem Schein der Erbarkeit möchten ein Genügen thun / beschlossen sie bey sich / sie wolten sagen / sie wären Mann und Weib zusamm. In der ersten Nacht-Herberg / gabe der Domine sein Väleiß dem Wirth aufzuheben / und befahl / man solte ein Bett und Zimmer für sich und sein Weib zurichten lassen. Nach der Nacht-Mahlzeit giengen sie mit einander schlaffen /und legten das kleine Kind zu ihren Füssen. In der dritten Nachtwacht / wann man allezeit einen Gang für eine Wacht rechnet / gab sie dem Kind einen Stoß mit dem Fuß / welches in der Wiege lag / also daß /ob sie es wohl [33] mit Fleiß gethan / sie doch von ihrem entlehnten Mann aufstunde / und versprach / so balden wieder zu kommen / als sie nur ihr Kind gestillt haben würde. Er war müde / und befande diesen Stillstand nöthig zu seiner Ruhe / schlief auch ein / und bedurffte keines wiegens darzu / fragte auch nichts mehr nach ihr / nach dem Er seinen Lust an ihr genug gebüsset. Sie schieret ein Feuer / und begehrte vom Wirth / der sich von dem Geschrey des Kindes aufmachte / er solte ihr ihres Manns Välleis geben / sie sagte auch / es wäre ein silberner Löffel darinn / den sie haben müste. Er brachte ihr das Välleis / und legte sich wieder nieder auf ihr Wort / daß sie das Feuer wieder wohl verwahren wolte / so bald sie ihrem Kind den Brey würde gegeben haben. Da nun das Kind wieder eingeschlaffen war / legte sie es fein sanfft wieder nieder bey dem Feuer / machet die Thür auf /und bekommet mit dem Välleis den Schlüssel zum freyen Feld. Der Domine stunde früh auf / bezahlet seine [34] Zeche / und foderte sein Välleis wieder. Der Wirth antwortet ihm / er hab es schon seiner Liebsten zugestellt: Man suchte sie überall / aber vergebens /sie hat in der Nacht ein Loch gefunden / dardurch unser Domine ungedultig worden / und die Hure verfluchte: Machte also durch seinen Zorn offenbar / daß diese sein Weib nicht gewesen. Der Wirth fänget auch einen Hader mit ihm an / und schilt Ihn / daß er sein Haus hat verunehret / und betrohet Ihm / er wolte ihn vom Dienst bringen. Der Domine gab es genäuer /bate den Wirth / er solte still davon seyn / und lässet das Kind auf seinen Kosten zu einer Ziehe-Mutter thun. Also ward der Pfaff betrogen / die Dirne umb ihre Dienste belohnet / und von dieser schweren Last zugleich entledigt. Möglich ist es / daß sie wieder ein anders dafür bekommen / welches ihr eben so beschwerlich mag gewesen seyn / als das andere / dessen sie ledig ist worden.

18. Zweiffelhafftes Wort: Bräuer
[35] 18. Zweiffelhafftes Wort: Bräuer:

Es giebet Leuthe von so frischen artlichem Gemüth /daß es scheinet / die Natur habe sie nur zu Belustigung der Gesellschafften gemacht. Aber die Stich-Reden / welche einige Warheit in sich begreiffen / die säncken sich bißweilen so tieff in die Hertzen ein /daß sie nicht wohl können wieder ausgelescht werden. Darumb müssen die jenige / welche dergleichen Wahren ausgeben / so klug seyn / als die jenige / welche gantze Länder regieren. In einer gewissen Stadt in Holland war ein Thürhüter / der noch wegen seines lustigen Humors in guter Gedächtnüs lebet. Derselbe hatte von den Bürgermeistern Befehl / alle Bräuer auf den andern Tag vor sie zu fordern / und forderte alle Weinhändler an statt der Bier-Bräuer. Sie erschienen vor den Herren / welche darob sehr verwundert waren / und liessen diesen guten Kerl fodern / von ihme zu vernehmen / ob ihm [36] nicht befohlen worden die Bräuer zu fodern: Es ist waar / ihr Herren / sagte er / und ich halte darfür / es seyen keine grössere Bräuer / als diese hier / wegen des Gemisches / die sie mit ihren Weinen machen / wann sie dieselbe von einem Vaß ins andere ziehen. Wann ihr die Bier-Bräuer gemeldet hättet / so hätte ichs auch besser verstanden.

19. Der Esel wird dem Pferdt vorgezogen
19. Der Esel wird dem Pferdt vorgezogen.

Eben dieser Thürhüter reisete einsmahls mit seinen Herren über Land / da wurde er genöthiget etwas lustiges zu sagen: Aber er entschuldigte sich sehr / und sagte / er fürchte / er möchte ihnen etwas zuwider sagen / wann Er seine Gemüts-Meinung gar zu frey am Tag gebe. Es wurde Ihm zur Antwort / er solte nur frey und ohne scheu reden. Darauf sagte Er: Ihr Herren! Ich frage euch / welches woltet ihr lieber seyn; Ein Esel / oder ein Pferd: Man sagte ihm mit einhelliger Stimm / weil das Pferd viel edler und [37] vortrefflicher wäre / so wäre kein Zweiffel / daß es nicht solte den Vorzug haben. Meines theils / ihr Herren / sagte der Thürhüter / hab ich eine gantz andere Meynung /als ihr; und wann es mir frey stünde / zu wählen /wolte ichs lieber mit dem Esel als mit dem Pferd halten. Seine Herren lachten darüber / und wolten die Ursach wissen. Darumb / sagte er / weil die Esel / und nicht die Pferde können Herren werden: Also / wann ich ein Esel wäre / so könnte ich hoffen / einmahl Burgermeister zu werden. Diese Spott-Red und viel andere dergleichen empfanden seine Herren sehr übel / und entschlossen / ihn vom Dienst zu setzen.

20. Ein sehr artliches Gewett
20. Ein sehr artliches Gewett.

Dieser Thürhüter kunte seines Amts wol entrahten /weil er sonst gute Mittet hatte. Und als er von dem Stattschreiber vernahm / daß seine Herren ihn wolten absetzen / wolte er wetten / dem wäre nicht also / und nahme sich vor / diesen Schimpff bevor [38] zu kommen. Kam derwegen am allerersten zur Audientz / und da er vor seinen Herren Reverentz gemacht hatte / bedanckt er sich sehr / und sagte / weil er schon sehr alt wäre / wolte er ihnen sein Amt aufgeben / solches thät er mit solcher Anmutigkeit / daß die Herren des lachens sich nicht enthalten kunten / wiewohl sie es verdroß / daß ihr Diener ihnen wäre vorkommen. Darauf wandte er sich zu den Stattschreiber / und sagte ihm /daß er gewonnen habe: Und daß seine Herren ihn nicht / sondern er selbst sich abgesetzt.

21. Mangelhaffter Heyrahts-Contract
21. Mangelhaffter Heyrahts-Contract.

Ein junger Mensch hatte lange Zeit eine Jungfrau zum heyrathen gesucht / die er endlich erlangte von ihren Eltern / mit dem Beding / daß jedes sein Gut absonderlich behalten solte. Die erste Nacht nach der Hochzeit / gabe ihr der Mann nichts von seinem / obwol sie seine Liebste war / unn sein Hertz ganz innen hatte /und wande ihr den [39] Rücken / stellte sich / als schlieff er. Den andern Tag thäte er eben desgleichen / und das junge Weib voll Liebes-Ungedult / als welche sich auf ein anders Fest / und ein anders Exercitium /als auf die Ruh versah / fragte ihm im küssen / warum er sich so eingezogen und so ehrerbietig hielte: Ha /sagte er / mein Schatz! es muß ein jedes das seinige für sich haben. Die junge künfftige Frau wolte das ihrige nicht länger prag liegen lassen / und wartete nur auf die Pflugschar: Sprang derohalben aus dem Bette / und sagte / sie wolte alsbalden Hab und Gut gemeyn machen; Nachdem sie nun den Heyraths-Contract /welcher mangelhafft war / gantz aufgehebt / dann er brachte ihr eine Hinternuß / welche solte aus dem Weg geräumt werden. Sie gienge geschwind eine andere Abrede ein / nach welcher sie billich lang geseuffzet. Und von dieser Zusammenwerffung der Güter entstunde ein neue Frucht / welche war das Band ihrer Liebe / und der Aufenthalt ihres Alters.

22. Artliche Rede an dem Prinzen Moritz
[40] 22. Artliche Rede an dem Prinzen Moritz.

Ein Walon gienge einsten zu Grafenhag im Hof spatzieren / fragte einen Capitain seinen Landsmann / ob man nicht könte mit dem Prinzen von Uranien reden: Er antwortete ihm / er solte sich nur ein wenig gedulten / er werde unfehlbar bald aus seinem Zimmer kommen. Kaum hatte er ausgeredt / da kam der Prinz / deme der Walon / welcher noch nach der guten alten Welt war / diese Oration thäte: Gnädigster Herr! sagte er / Euer Fürstl. Excellentz solle wissen / daß unser Fahnen Gunckelloß sey / und daß mir der Fahne zustehe / als dem ältesten Feldweibel. Der Printz sahe dieses grosse stuck Fleisch an / in welchem solch ein verirrter Geist sich aufhielte / und vermeynte / er wolte ihme einen sonderlichen Anschlag auf den Feind entdecken / führte ihn derowegen auf die Seiten / und sagte ihm: Redet nur frey heraus / ich will euch gedultig anhören. [41] Der Feldweibel wiederholte sein voriges Lied / der Printz aber kunte das Wort / Gunckelloß nicht verstehen / fragte derohalben den Capitain / was es bedeute: Gnädigster Herr / sagte der Capitain / dieser Soldat begehret den Fahnen / als ältister Feldweibel / und kommet / Euer Excellentz den Tod seines Fähndrichs anzudeuten. Der Prinz war damahl in gutem Humor / und fragte / wie lang er den Herren Staden gedienet hätte. Lasset gücken / sagte er auf seine altväterische Sprach / zehlte dabey an den Fingern / und striche seinen Bart: Ich bin eben in selbigem Jahr in Ihre Dienste kommen / da Ihr vor Groll die Flucht genommen. Diese angebohrne Dumheit gefiel dem Prinzen so wohl / daß Er dem Soldaten sagte: Lasset Euch geschwind einen Brief darüber aufsetzen / so will ich ihn unterschreiben. Wann der Prinz in gutem Humor war / erinnerte Er sich mit Lust dieser Begebenheit.

23. Ein Betrüger ward wieder betrogen
[42] 23. Ein Betrüger ward wieder betrogen.

Es war zu Rom ein Artzt / welcher sich rühmte / er könne allerhand Kranckheiten / ja das Podagra selbst curiren. Der Pabst / der so sehr damit behafftet war /daß er auch die Hugenoten darüber zum Mitleiden bewegte / bekam davon Nachricht. Er schickte alsbald bin zu ihm / und wolte zehentausend Thaler von ihm entlehnen. Der Artzt / oder vielmehr der verwegene Betrüger / ward gantz bestürtzt über dieses unverhoffte Begehren / liesse dem heiligen Vatter sagen / er habe so viel Gelds nicht / und er und sein Haußwesen wären starck genug dazu / alles anzuwehren / was er gewinne. Darauf befahl der Pabst / man solte diesem Menschen sagen / er wäre ein Betrüger / und wann er das Geheimnis hätte / diese Kranckheit zu curiren / so wäre er reicher / als der grosse Alexander mit dem Asiatischen Schätzen.

24. Vexation von einem Menschen - der in den letzten Todes-Nöthen gelegen
[43] 24. Vexation von einem Menschen / der in den letzten Todes-Nöthen gelegen.

Der vortreffliche Italiäner heutiges Tages der Tacitus unter den Politicis / unsrer Zeit hat sich verhasst gemacht bey guten Leuten / und ist gar für einen Atheisten bey seinem Tod gehalten worden. Als er in die letzte Todes-Noth fiel / und sahe / daß der Priester ihme die letzte Oelung geben wolte: Sprach er / es ist Zeit weg zu reisen / weil man schon die Stiefel schmieret. Er hat viel warhafftiges geschrieben / aber er hat damit mehr geschadet als genutzet.

25. Eitele Ehre verspottet
25. Eitele Ehre verspottet.

Es war ein Capellan in Franckreich / in einer Gegend / da die Andacht so hefftig nicht ist / daß sie die Leute bewegte / in das gelobte Land zu ziehen: Gedachter Capellan bildete sich ein / er singe gar wohl / da er doch eine häßliche Stimme hatte / und die Music nicht verstunde. Ein gute alte Mutter [44] finge an zu weinen /so offt sie ihn singen hörte. Welches der Caplan in acht nahm / und zoge sonst alles auf seinen Vortheil hinaus / bekam derowegen Anlaß zu fragen / warum sie so weynte. Ach! mein Herr / sagte sie / ich hab grosse Ursach zu weinen / dann wir haben einen Esel verlohren / der uns gute Dienste gethan hat; und so oft ich euch singen höre / so erinnere ich mich seiner / so gar ähnlich fället euer Stimme der seinigen bey. Der Capelan gienge gantz bestürzt davon / und wünschte der Alten den Teufel auf den Kopff: verfluchte auch seinen Vorwitz / der ihn mit seiner eitlen Ehre so übel hat anlauffend gemacht.

26. Böser Will wird für die That genommen - und billich gestrafft
26. Böser Will wird für die That genommen /und billich gestrafft.

Zwo Meilen von einer Stadt in Gallien / vor welcher Käiser Carl sein Schiff voll Victorien zerscheitert hat / lieget ein grosses Dorff / durch welches ein schöner Bach fliesset / und dasselbe belustiget. Ein Frater /Minoriten [45] Ordens / welcher etwas beredter als ein Münch / gelährter als züchtig / mehr weltlich als geistlich / unn hingegen weniger gecreutzigt / als sein Kleid war / der predigte zur Fasten mit grosser Erbauung in gedachtem Dorff / hernach aber gab er durch ein Aergernüs zu erkennen / daß man nach seinen Worten / und nit nach seinen Wercken thun solle. Nach Ostern unterliese er nit die Früchte seiner Predigtē / vermittels einer freywilligen Samlung einzubringen / und das Erbieten eines Wirths anzunehmen /daß Er nemlich zu Abends bey ihm essen und schlaffen solte. Da er in der Kammer war welche für ihm zugerichtet wordē / fieng er an die Schnupptücher zu durchsuchen / welche die guten Leute ihme zu Dienst des Klosters gegeben. Die Magd im Hause / ein unverschämtes junges Mensch / machte sich zu dem Tisch / dieses leinen Gezeug zu besehen / darnach ohne diß die Weibs-Personen gar sorgsam sind. Mein GOtt! sprach sie / wie ist diß das schönste weisse dinglich. Der Münch sahe sie mit Augen [46] der Begierde an / wordurch sein Hertz alsbald angezündet ward /und fragte sie / ob sie ein halb dutzent davon haben wolte: Die Magd versatzte: wie verstehet ihr dieses /mein Pater! Darauf riebe ihr der Münch die Achsel /und legte ihr die Hand unter das Kinn / vorhabens sie zu küssen / sprechend: auf den Fall verstehe ichs /wann ihr mir die Gunst woltet erzeigen / bey mir zu schlaffen. Wie / sagte die Magd / bey einen Pfaffen schlaffen? das begehr ich nicht zu thun. Aber er brachte sie bald dahin / als welche mehr auf eine nutzliche Kurtzweil / als auf eine unruhige Ehre hielte. Sie versprach wieder zu kommen / so bald Herr und Frau würden schlaffen liegen. Der Münch speisete geschwind ab / redete nicht viel / in dem er mehr auf das bestellte / als an sein Brevier gedachte / also daß Er dem Wirth gute Nacht gab / und in seine Kammer sich begabe. Die lose Magd entdeckt die Sache dem Hauß-Knecht / was sie mit dem Münch abgeredt /umb ein halb dutzent Schnupptücher / der [47] Hauß-Knecht war froh darüber / und sagte / man müsse ihn erdappen: Dann nichts gefällt dem gemeinen Pöbel bey den Catholischen besser / als wann sie den Geistlichen / die Aergernus geben / können einen Schimpf anthun. Da nun jederman zu Ruhe / und alles im Haus stille war / stunde der Hauß-Knecht still auf / nahme der Magd ihre Haube / die ihm ohne diß nichts von ihren Sachen abgeschlagen / und gienge also in des armen Münchs Kammer / machet ihre Stimme nach /und legte sich neben ihn. Ihr Absehen war unterschiedlich / und klar genug / daß sie sich einander nicht besser durfften erklären. Aber da der Münch an einem gar empfindlichen Ort gefasset wurde / fienge er so sehr an zu schreyen / daß das gantze Hauß davon aufrührisch wurde. Der Wirth stunde in einem Sprung auf nur in Hembd / zündete ein Liecht an /und gehet in des Münchs Kammer / den fande er auf den Knien / mit zusammgeschlagenen Händen und heissen Thränen / umb Vergebung bittend: den[48] Knecht aber verkleidet / wie gedacht worden / auf den Bett / als einen Narren. Der Wirth kunte das Räzel nicht begreiffen / sondern trohete ihn mit Schlägen /wann er nicht alsbald aufstehen / und ihme die Sach erklären wurde. Darauf wand sich der Wirth gegen den Pfaffen: Wie sprechend / leichtfertiger Pfaff! ist das / was ihr uns in der Fasten gepredigt habt? Wollet ihr ein Huren-Hauß aus meinem Hauß machen / und mir das gute / was ich euch gethan hab / mit Bösen vergelten. Ach mein Herr / antwortete der Mönch /wir sind alle schwache Menschen / ich habe gesündiget / und bitte euch deßwegen um Verzeyhung / der Wirth sprach: Stehet auf / ich verzeihe euchs umb der Liebe des jenigen willen / der für uns gelitten hat und gestorben ist. Der Mönch sagte darauff: Ach mein Herr / ich begehre / daß euer gantzes Hauß mir solches auch verzeihe / unn daß alles unserm Orden zu Ehren verschwiegen bleibe. Jederman versprach auf Befehl des Wirths / mit [49] einem Aid still zu schweigen /und der Münch gienge wieder in sein Kloster Busse zu thun. Aber was ihrer drey wissen / das bleibet nicht drey Tag verschwiegen. Die Wirthin sagte es den andern Tag ihrer Nachtbarin / mit dem Beding /daß sie nichts davon sagen solte. Diese sagte es wieder einer andern / biß das gantze Dorff Nachricht davon erhielte. Diß kommet endlich vor die Obern /und vor dem Provinzial / welche sich alle in das gedachte Dorff begaben / und den Pönitenten gebunden mitführeten / allwo sie sich Berichts erholten / und die Bauren im Dorff mit dem Glocken-streich zusamm beruffen liessen / baten die jenige um Verzeihung /welche sich daran geärgert / der Pönitent aber wurde gegeisselt / und ein Jahrlang ins Gefängnüs gestrafft. Dieser arme Tropff hat die Zeche zimlich theuer bezahlen müssen / und hat keine Speise darvon genossen / auch gar den Wein noch nicht gerochen.

27. Die Armuth ist arbeitsam
[50] 27. Die Armuth ist arbeitsam.

Durch gantz Holland ist der Gebrauch / daß man die gemäste Ochsen umb Allerheiligen verkauffet / und die Bezahlung geschiehet ordentlich umb Ostern. Ein Wallon hatte zu Leyden einen Ochsen auf Borg bekommen / ward aber von dem Bauren nach verfallenem Termin heimgesucht / umb das Geld zu erheben. Der arme Wallon zeigte ihm seine sieben Kinder / und sagte: Sehet / diese haben den Ochsen gefressen / und haben noch kein Geld erworben / biß sie aber zu Jahren kommen / da sie etwas gewinnen können /müssen wir noch / mit Gunst zu reden / ein stuck miteinander aufessen. Der Baur sahe nichts / als Armuth im Hause / ward zum Mitleiden bewegt / und weil er sehr reich war / bezeugte er sich sehr vergnügt hieran zu seyn / alsbald gieng Er selbst hin / kauffte Brod bey einem Becker / lässet Bier bringen / und satzte sich guter Ding zu Tische mit seinen Armen Schuldnern / für seine Zeche erliesse er [51] die Schuld / nahme von der Gesellschafft Abschied / unn gienge so vergnügt hin / als wann er wäre bezahlt worden. Dieser Wallon kame wieder auf den folgenden Marck / und da er seinen mitleidigen Glaubiger sahe / gienge er hin / und kauffte umb einen Ochsen / nicht weit von seinen / und wurd des Preises bald mit dem Baurn einig / wie es alle die jenige machen / die nicht Lust haben zu zahlen. Aber gedachter Baur sahe / wie schlecht er bekleidet war / und hatte vielleicht der Kauffleute mehr angetroffen / die weniger Geld hatten / als eine Kröte Federn. Protestierte also / er müste Geld / oder Bürgen haben. Der Wallon wande sich umb / und zeigte ihme den andern Baurn / sprechend: Sehet / dieser Mann hat mir das vorige Jahr auch einen verkaufft / fraget ihn / ob ich Ihme etwas schuldig bin. Der Bauer kandte den andern / als seinen Nachbarn / und fragte ihm / ob es waar wäre / daß er ihm einen Ochsen verkaufft habe. Ja / sagte er / und was noch mehr ist / ich foder nichts an ihn. [52] Dieser Baur meynte / er habe sein Geld empfangen / liesse ihme derhalben den Ochsen heimtreiben. Da aber der Termin verflossen war / und er verhoffte sein Geld zu bekommen hörte er nichts / als Heulen und Wehklagen / davon es im gantzen Hause erschallete / mit einer augenscheinlichen Armuth. Er wolte bezahlt /und mit Worten nicht zu frieden seyn. Aber wo nichts ist / hat der Käiser das Recht verlohren. Er verklagte den andern Bauern / und liesse ihn vor Gericht fodern / der erschiene / bekandte aufrichtig / daß er ihme an statt eines Allmosen seine Schuld nachgelassen habe /wande sich gegen seinen Nachbarn / und sprach: Wann dieses euch hätte grossen Schaden gebracht /hätte ich euch davon berichtet: Aber ich weiß / daß ihr / als ein reicher Mann / eure gute Werck nicht besser hättet anwenden können. Der Bauer / welcher nicht so barmhertzig war / wie der ander / gienge gantz bestürtzt darvon / und liese sehen / daß er mit Gewalt sein Gut den unverschämten Armen gebe. Sehet / [53] wie dieser gute Kauffmann seine beede Ochsen bezahlte / und doch die Hände nicht in Beutel thate.

28. Eine Gasterey von 6. München - welche die Kutte abgelegt
28. Eine Gasterey von 6. München / welche die Kutte abgelegt.

Unter denen / die ihre Kutte am Nagel hängen / sind ihrer viel / die es aus Fürwitz thun / eine andere Religion anzunehmen / aber vielmehr derer / die den Anläuffen ihres allerempfindlichsten Feindes nicht widerstehen können. Holland wimmelt von solchen Leuten / offtmals sind sie so hitzig auf das Weibes-Volck / als die jenige / die erst vom Fieber kommen / nach dem Essen thun. Weder eine noch die andere können wieder satt werden / weil sie gar zu lang gefastet haben / und lassen nicht ab zu schmähen auf die Urfach ihrer Enthaltung. Wir wollen eine Prob darüber thun / aber keiner Stadt gedencken. Ein Burger / welcher einsten von einer belägerten Stadt an der Mosel kam / gienge durch ein kleines Dörfflein / da kam ihme der Lust an / eine Kanne [54] Bier zu trincken. Er känte den Wirth / daß er ein Münch gewesen / nach dem er so ein schönes Haußhalten führte. Dann da er in die erste Kammer kommen / sahe er fünff München / und so viel Huren / welche den verlohrnen Sohn fürbildeten. Kein Mensch kunte sich so sehr verwundern / wie er / da er diese lose Pursch sahe / er machte sich näher zu ihnen / grüste sie / und sagte: Wie so ihr Herren? Habt ihr das Kloster verlassen / daß ihr also leben möget? Hat euch der H. Geist aus den Fünsternüssen des Pabstums darum gezogen / daß ihr eure Zeit zubringen / und leben möget wie die Epicurer? Was würden eure Obern darzu sagen / wann sie von euren schönen Leben etwas vernehmen solten. Sie /an statt daß sie sich solten geschämt haben / erkannten ihn um seines Beruffs willen / fasten ihn bey seinem Mantel an / liessen ihn bey sich sizen / und rufften überlaut / es wäre jezund nicht Zeit zu predigen /sondern lustig zu seyn / und sich der ereignenden Gelegenheit zu bedienen.

29. Eines bekehrten Münchs letzte Wort
[55] 29. Eines bekehrten Münchs letzte Wort.

Ein Münch / welchen GOtt mit sonderbarem Geist begabet / und die Natur mit ihren werthen Gaben ausgerüstet / kam in Holland / umb daselbst die übrige Zeit seines Lebens bey einer Frauen oder bey ihrer mehrern zuzubringen / dann numerus pluralis die meherre Zahl gefiel ihm wohl / daß man ihn nicht dürffte nöthigen. Dieser Mensch hatte die Gnade des heiligen Geistes verachtet / und begab sich in ein wollüstig leben / davon ich schweige / um seine letzte Wort zu mercken / welche er zu einen Calvinischen Pfarrer gethan / der ihn trösten wolte in seiner letzten Noth. Mein Bruder / sagte er zu ihm / ich zweifle nicht / ihr werdet den Saurteig des Pabstums gar ausgefegt haben. Ha mein Bruder / antwortete der Krancke / ich gedencke nicht mehr daran / daß ich ein Papist bin gewesen. Der Pfarrer / deme diese Bekantnüs gefallen /und allen Mißtrauen genommen [56] hatte / fragte: So seyd ihr nun ein / wares Glied der Reformirten Kirchen? Der ander sagte: diß noch weniger. Der Pfarrer war gantz bestürtzt über dieser Antwort / welche ihm gegeben wurde / da er derselben sich nicht versahe. Endlich / da Er sahe / daß ihm der Tod auf der Zungen sasse / und es bald heissen würde am letzten: redete er mit ihm also ernstlich: Mich beduncket / es wäre forthin Zeit / daß ihr euer Gewissen bedächtet. Mein Bruder / sagte der Krancke / welcher in die Züge fallen wolte / ich hab noch Zeit genug zu bedencken / welches die beste Religion sey. Nach dem er dieses ausgeredt hat mit solchem Geberden / daraus man ihn für einen Atheisten halten kunte / wandte er sein Haubt auf die andere Seite / und wolte den Pfarrer kein Gehör mehr geben; nachdem derselbe fortgieng gab er seinen Geist auf / weiß nicht wem / dann der / welcher ihn erschaffen hat / wolte ihn nicht /weil er von so vielerley Religionen / die er erkennt hatte / keine annehmen wolte.

30. Von einem Weib - welches ihren Mann vom liederlichen Leben abhielte
[57] 30. Von einem Weib / welches ihren Mann vom liederlichen Leben abhielte.

Ein junges Weib ward eyffersichtig über ihres Mannes Ubel-verhalten / und verspührte / vermittels ihrer grossen Sorgfalt / daß er ihre Magd lieb hatte / und ihr hingegen das jenige entzog / was ihr von rechtswegen zugehörte: Sie unterfienge sich einsten / ihme das jenige zu erzehlen / was ihr ohne Aufhören anliege /und sie verhindere vom Schlaff: Wie mein Mann /sprach sie / ist es möglich / daß ihr der Liebe vergessen habt / welche ihr zu mir truget / da ich noch ledig war / und das Gelübd / das ihr mir gethan habt / keine andere zu lieben / als mich / so lang ich leben werde? Anjetzo vermercke ich das Widerspiel / und daß ihr offtmahls Thorheiten mit meiner Magd begehet. Der Mann sahe / daß der Handel offenbar worden / und gab ihr zur Antwort: Es ist waar / daß ich Thorheiten mit dieser jungen Taschen vorgehabt / aber ich[58] schwehre euch / ich wills mein Lebtag nimmer thun. Das Weib / welche nicht wolte / daß er den Handel bleiben liesse / rieffe: Mein Mann / nicht mehr mit der Magd / aber wohl mit der / die euch hierzu verbindt: Und wann ihr thut / was ist thun sollet / so soll euch alles verziehen seyn.

31. Ein Betrug mit dem andern bezahlt
31. Ein Betrug mit dem andern bezahlt.

In einer Provintz / nicht weit von der jenigen / in welcher die Strittigkeiten der meisten Christlichen Potentaten glücklich geschlichtet worden / truge sich diese lustige Betrügerey zu / die ich jetzt erzehlen will. Ein Apotecker sahe einen jungen Bauren vorbey gehen /welcher gar einfältig ausgesehen / und einen Hasen gen Marck getragen. Der Apothecker sagte seinen Gespanen: Ihr Herren / wir müssen den Bauren hänßlen /und ihme sein Häßlein nehmen: Ich will euch sagen wie. Ich will sehen / daß ich ihn berede / es sey eine Katz / und will mich auf [59] euch beruffen. Die Erfindung hielten sie für gut; Der Apotecker redete den Baurn also an: Vatter / wo tragt ihr diese Katz hin? Was /sagt der Baur / haltet ihr diesen Hasen für eine Katze? Grober Flegel / sagte der ander / bist du ein Narr /daß du uns wilst überreden / diese Katz sey ein Häßlein? Wem meinestu / daß du vor dir hast? Ich wette mit dir um einen Hasen / daß diß eine Katze ist / wir wollen diese Herren / die bey diesem grossen Creutz stehen / den Ausspruch machen lassen. Der Baur hatte sich besonnen / verliesse sich auf sein Gesicht / und gienge das Gewett ein auf obige Condition / aber er wurd wohl überdölpelt / da er verurtheilt wurde durch die Schiedsleuthe / welche ihme weiß machten / es wäre eine Kaz / schickten ihn mit lerer Hand nach Hause / und verzehrten den Hasen / aber nicht ohne lachen und spotten über des Baurens Einfalt. Sein Weib fragte ihn / wie theuer er seinen Hasen verkaufft habe / und wo das Geld wäre / das er dafür eingenommen. Aber sie bekam [60] fast Stösse davon / dann er verwiese ihr / daß sie ihm eine Katze für einen Hasen gegeben. So viel ist es / daß sie endlich mit einander zu unfrieden wurden / darüber die Nachbarn sie nicht stillen können. Der Dölpel muste die Schuld haben /welcher bekandte / daß ein Apotecker ihn erwischt hatte / und erzehlte / wie er damit wäre umbgangen. Das Weib / welches Hirn im Kopff hatte / saget / man müsse den Apotecker mit gleicher Müntz bezahlen /und erdachte eine andere Liste. Sie füllte ein Faß mit Koth / welches ihr Mann zum Apotecker brachte /und fragte / ob er sein Hönig wolte kauffen / er wolte es wohlfeyl geben. Sie wurden des Kauffs einig: Der Baur kehrte wieder umb mit seinem Geld / und war frohe / daß sein Poß so stattlich angegangen. Als derselbige offenbar worden / ist er von allen seinen Mit-Bürgern ausgelacht worden / welche ihn vexirten und fragten / ob die Katz den Hasen gefressen / und dafür Hönig geschissen.

32. Anmerckung über die Gesetz-Tafel
[61] 32. Anmerckung über die Gesetz-Tafel.

Wenig Tag nach Ausblünderung der Kirchen und Zerstörung der Altär / da ein guter Gesell durch eine Stiffts-Kirchen in Niederland gienge / stunde er still /um die Zehen Gebot zu lesen / welche ein wenig weiter unten lagen / als das grosse abgeworffene Crucifix war. Dieser Mensch kehrte sich wieder zu seinen Gesellen / und sagte ihnen lachend: Ihr Herren / ich siehe da mit güldenen Buchstaben geschrieben: Du solst nicht stehlen. Fürwahr es ist Zeit / daß man diß Verbot angeschlagen hat / weil schon alles weg ist / und weil man nichts mehr stehlen kan. Diß hätte man verbieten sollen / da die Kirch noch reich war / und nicht jetzo / da alles fort ist / daß ein blindes Pferd keinen Schaden darin thun könte.

33. Begegnussen eines Polnischen Münchs
[62] 33. Begegnůssen eines Polnischen Münchs.

Ein Polnischer Münch Prediger Ordens / die in Franckreich Jacobiner genennt werden / da er sein Vatterland und seinen Orden verlassen / begab er sich nach Leiden unter der Larven Reformirter Religion /welche ihn (seinem sagen nach) aus der Einsamkeit seines aberglaubischen Götzendienerischen Klosters gebracht. Es wurde ihm sein Unterhalt geschafft / Er bekam ein feines Zimmer / und kam in Gunst eines Geistlichen / und vornemlich eines Professors und folgend Rectors. In seiner Gasse / welche zimlich breit wegen eines dardurch fliessenden Canals war / wohnete ein ehrlicher Burger / welcher seiner guten Gaben und Erfahrenheit halber wohl angesehen war. Dieser hatte drey oder vier Töchter / welche das Hertz nicht hatten / unter ihrer Thür zu stehen / weil er ihnen so häßliche Sachen vormachte / welche sie ohne Verletzung ihrer Ehren nicht vertragen [63] kunten. Da er einsten an seinem Fenster war / und diese Jungfrauen vor ihrem Hause sahe / machte er ihnen Reverentz / und nach dem er drey oder vier Taback-Pfeiffen Creutzweiß übereinander gelegt / nähme er eine / welche ich Ehren halber nicht deutlicher nennen will / und zerschluge damit die andere alle / auf einen Schlag / daß die Trümmer auf die Gassen gesprungen. Diese unzimliche That machte einigen ein Gelächter / andern verursachte es sich zu schämen / diesen ehrlichen Jungfrauen aber gab es gnugsame Gelegenheit sich stille innen zu halten. Da nun der Vatter vernommen /wie dieser Gesell sich so übel gehalten / gienge er zum Rector / und fragte / ob er einen solchen Kerl kennte. Der Rector sagte / Er kenne ihn sehr wohl: Es wäre ein Polnischer Herr / der die Irrthumb des Pabstumbs verlassen hatte / damit er in der lauteren Reformirten Religion leben möchte: Er fiel ihm in die Rede / und antwortete: Herr! diß ist ein Schelm / ein unverschämter liederlicher Tropf / der euch [64] und alle unsere Kirchen betrüget. Darnach erzehlte er ihn alle seine unverschämte Händel / mit grosser Verwunderung des Rectors / welcher ihn nicht mehr hören noch sehen wolte mit seinen Entschuldigungen: Also daß er allenthalben verschlagen wurde. Darumb begab er sich wieder in Polen / und begab sich in Dienste zu einem grossen Reformirten Herrn in Polen / genannt Weiwod Belßki / da er sich nicht besser hielte / als in Holland. Dieser Mönch war gewohnet / im Luder zu leben / und betranck sich mit Wein / fienge einen Hader mit den andern Dienern an / da er nun den Schlägen nicht mehr entweichen kunte / rieffe er über laut: Schlaget nicht zu / denn ich bin ein Priester. Die Diener waren gantz bestürtzt / und erzehlten solches etliche Stunden hernach ihrem Herrn / welcher befahl / man solte ihn alsbald vor ihn bringen. Er fragte wie er heisse / was für eines Ordens er wäre / und warumb er aus seinem Kloster gesprungen: Er antwortet zitterend / er wäre ein Dominicaner gewesen / [65] und habe Holland unter dem Deckel der Reformierten Religion gesehen / aber er sagte wohl nichts von den Taback-Pfeiffen / welche ihn in Ungnade gebracht. Der Herr liesse ihn in einer Kammer wohl verwahren / gienge darnach in das Kloster zu den Dominicanern / alwo er mit gebührender Ehrerbietung empfangen wurde / er sagte zu den Vornehmsten im Kloster: Meine Patres, ich hab einen Mönch von eurem Orden / der mir dienet / und weil er sehr liederlich ist / will ich ihm euch wieder geben / daß ihr ihn wieder Busse thun lasset /dann er hat es wohl verdienet. Und nach dem er ihnen einen Theil von seinem Lebens-Lauf erzehlt hatte /liesse er ihn ihnen liefern. Wer weiß / wie er die zerbrochenen Taback-Peiffen in Holland / und den Meed / den er bey den Weiwoden getruncken / hat bezahlen müssen.

34. Von einem andern Polnischen München - welcher elendiglich hin gestorben
[66] 34. Von einem andern Polnischen München /welcher elendiglich hin gestorben.

Der Entsprungene / von welchem wir reden wollen /bezeugte an seinem letzten End / daß die jenige / welche gar keine Religion haben / sich aller der jenigen könten bedienen / die ihnen nutzlich seynd / und dieselbe wie ein Hembd wieder ablegen / wann es ihnen beliebet. Dieser stellte sich lange Zeit Catholisch /und hielte heimlich die Messe für etliche Polnische Herren / die sich zu Leiden aufhielten. Er bekam von ihnen dreyssig Thaler / daß er damit nach Dantzig in Polen wieder zöge / dann sie sahen seinen Fall vor sich in seiner Unbeständigkeit / aber an statt / daß er solte wieder ins Kloster gehen / nahme er den Weg in das Hur-Hauß / verzehrte sein Geld / und seine Gesundheit mit den Huren / und weltzete sich in Unzucht / darüber er das Leben und die Ehre verlohren. Da er ohne Geld war / bat er die Calvinischen Pfarrer umb Beyhülffe / [67] erklärte sich zur Reformirten Religion /und gabe Schrifften heraus / so wohl ihnen zu Ehren /als zu Verachtung der Catholischen / aber sie fragten nicht viel darnach / daher er dann sein Leben so elendiglich enden muste / wie der fromme Job / verlassen von einen und anderen / aber es war die Ursach ihres Elends ungleich / dann die Wunden / welche jener an seinem Leib hatte / kamen vom Teufel: Diese aber von dem Münch kamen von den schändlichen Huren. Es ist nicht zu wunderen / daß dergleichen Betrüger meistentheils nicht angenommen werden / dann sie haben das Hönig im Mund / und die Galle im Hertzen. Sie haben keinen andern Wegweiser / als ihre Viehische Begierden / und umb einen Credit zu machen / wie sie dafür halten / sagen sie mehr Ubels von der Römischen Kirche / als sichs gebühret / und von dem München mehr / als die Reformirte davon hören wollen. Zeugen dessen haben wir an dem Jesuiten auf dem Rabenstein / und vielen andern Betrügern.

35. Artliche Begebenheit mit einem Barbierer und Vice-Re
[68] 35. Artliche Begebenheit mit einem Barbierer und Vice-Re.

In der Gegend umb Italien / welche den Frantzosen allezeit gefährlich gewesen / und offt von ihrem Blut besprengt worden / da war ein Vice-Re, welcher wider die Spanische grandeza immer etwas lächerliches vorbrachte / und überaus lustiges Humors war. Als dieser Herr vernahm / daß in der Stadt ein Barbierer voll artlicher Schnacken wäre / begehrte er / man solte ihn zu ihm bringen. Dieser Barbierer hatte ihrer Excellentz die Haar geschnitten / und verlohre darüber kein Wort; bekame auch auf dero Befehl ein so schlechtes Geld / daß es nicht kunte getheilt werden. Nach dem der Barbierer gegen dem Herrn Reverentz gemacht / fragte er kaltsinnig / wem er dann das übrige geben solte: Diese ernstliche Manier gefiel demVice Re so wohl / daß er ihm alsbald zehen Pistolen geben ließ.

36. Ein närrisches Versprechen von einem Italiäner
[69] 36. Ein närrisches Versprechen von einem Italiäner.

Nach der Italiäner Meynung sind alle Walle Nazionen Barbaren / sie sind allein gescheid / aber sie fehlen weit: Wiewohl sie diese Geschichte für falsch könten halten. Ein Bauer kam nach Rom / und wolte einen Esel verkauffen / den wolte er einem andern / seines gleichen anbieten. Dieser / ehe er ihm Geld angeboten / fragte / wie er beschaffen wäre: Der Herr des Esels antwortet: Ey es ist das beste Thier von der Welt. Wolan / sagte der andere / hier habt ihr euer Geld /und ich versprich euch / wann er so ist / wie ihr ihn beschreibet / er wird an mir nicht nur einen Freund /sondern einen guten Bruder habē. Alle Baurn / die auf dem Marck waren / hatten ein Gelächter darüber / und spotteten über die Alberkeit dieses Tölpels / darüber die Schweitzer selbst gelacht hätten.

37. Allzu grosser Credit ist gefährlich
[70] 37. Allzu grosser Credit ist gefährlich.

Die Erfahrung lehret uns / daß es offtmahls den jungen Leuten schädlich ist / wann sie gar zu viel Credits haben / wie es den Glaubigern gefährlich ist / mit dem Credit zu reichlich umbzugehen. Die Stadt Leyden kan darüber Zeugnus geben / und viel Inwohner daselbst können erzehlen / was sie darbey verlohren haben. Ein fremder Student liesse einmal einen Schneider holen / deme sagt er / er wolte ihm ein Kleid machen lassen: aber auf borg für 6. Wochen /oder meistens zwey Monat. Der Schneider führte ihn zu einen Tuchgewändter / der leichtlich seine Wahren wagte / aber aufs wenigst mit doppeltem Wucher; Er gab der Frauen zu verstehen / daß dieser Edelmann ein Kleid haben wolte / und daß er ohne Zweifel seinen Wexel in sechs Wochen bekommen würde. Sie sagte / sie wäre offt betrogen worden / aber sie hielte ihn für einen ehrlichen Menschen / [71] und verliese sich auf sein Wort. Sie wiesse dem Schneider ein Tuch /und hielte die Ele umb vier Kronen. Aber in dem sich der Schneider zum Edelmann kehrte / sagte er ihm es wäre nicht drey werth. Es lieget nichts daran / antwortete der Edelmann heimlich ins Ohr / sie mag sieben Elen umb den Preiß herab schneiden / handlet nicht viel / sie solle doch nichts haben. Ich will auch noch sieben Elen davon für mich nehmen umb eben diß Geld / sagte der Schneider / daß ich genug zum Ausmachen habe. Also hatte der Edelmann in drey Tagen ein Kleid / der Schneider auch eines / die Kauffmännin aber den Unmuth / daß sie ihr Geld verlohren. Die Begierde gar zu viel zu gewinnen / giebet Anlaß / daß man zu viel waget.

38. Von einem wackern Mann - der sich selbst nicht mehr kandte
38. Von einem wackern Mann / der sich selbst nicht mehr kandte.

In jener kleinen Provintz / welche fast durch die gantze Welt eben so bekandt ist / als das grosse Liecht /welches dieselbe erleuchtet / ist ein zimlich [72] berühmtes Dorff wegen eines Roßmarckts / welcher daselbst jährlich gehalten wird. Daselbst wurde ein Procurator zum Amtman bestellt auf eine Zeitlang. Als dieser einsten durch gedachtes Dorff / mit 7. oder 8. Dienern hinter ihm gienge / ward er angeschrihen von einem Bauren / er gienge aber seinen Weg fort / liesse das Geschrey vor Ohren gehen / und stellte sich / als hörte er ihn nicht. Der Baur gehet noch so geschwind fort /lauffet über den Kirchhof / umb den Weg abzuschneiden: redet ihn endlich mit diesen Worten an: Wie da? kennet mich der Herr nicht mehr? Darauf antwortet der Ambtmann etwas ernstlich: Was der Teufel solt ich dich kennen / weil ich mich selbst nicht mehr kenne? Ich hab schier meinen vorigen Zustand vergessen: Und dencke nicht mehr an das jenige / was ich vorher gewesen / nach dem ich siehe so viel grip homines hinter mir gehen / da jederman vor mir den Hut abnimmet. Diese Antwort / also geschwind ertheilet /ward für so gut aufgenommen / [73] daß jedermann anfienge zu lachen. Sie war ungezwungen / und ohne falsch fürgebracht von solch einem Menschen / der weniger vom Ehrgeitz / als von seinem Creditoren beunruhiget worden.

39. Von einem Reformirten Geistlichen und einem Italiäner
39. Von einem Reformirten Geistlichen und einem Italiäner.

Ein junger Italiänischer Edelmann / welchen der Fürwitz gestochen / in Holland zu gehen / hielte sich lange Zeit in dem schönsten Ort selbiger Provintz auf / allwo sein lustiger Humor ihme Thür und Thor öffnete / zu den vornehmsten Compagnien. Er wurd offtmahl von einem Pfarrer der Religion halber angezäpfet; Er aber wolte sich mit ihm nicht einlassen / sondern befande sich zu schwach für ihm. Als er einmaln durch tausenderley Fragen sich überhäuffet befand /auf welche er nicht kunte noch wolte antworten /sprach er zu ihm: Mein Herr / ich bitte euch um Gottes willen / lasset mich mit meiner Religion mit Frieden / ich kan eure nicht annehmen / und wann ihr [74] machet / daß ich die meinige aufgiebe / so sage ich euch zu / daß ich keine mehr behalten werde. Diese ausdrückliche Antwort verursachte bey der gantzen Gesellschafft und den Pfarrer selbst ein Gelächter / dieser sagte ihm auch / es wäre dann besser / daß er bey der Seinigen bliebe / weil er die Reformirte nicht annehmen wolte.

40. Ein Ambtmann ward um Geld gestrafft
40. Ein Ambtmann ward um Geld gestrafft /weil er einen Menschen unschuldiger Weiß unter dem Vorwandt eines Götzendienst ins Gefängnus legen lassen.

Eben selbiger Procurator gienge einsten in ein Dorff / darüber Er zu gebieten hatte / sahe einen Baurn am Fenster im Gefängnüs / und verwunderte sich sehr darob / dann er wuste / daß er weder dem Trincken noch dem Zancken ergeben / sondern sehr reich war. Er redete ihn an / und fragte / warum er darinnen lege / und ob er ein Unglück gehabt: Ja / sagte Er / wie ihr werdet verstehen / wanns euch beliebet / [75] herein zu kommen. Es ist mir aber etwas solches begegnet / daß ihr es schwerlich werdet können errahten. Ihr sollet wissen / mein lieber Freund / daß ich von Leiden zu Pferd umb zwey Uhren wieder kommen bin / und da ich da und dahin kam / allwo es Bäume giebet / welche denen / die kein gut Gesicht haben / dasselbe folgends benehmen können / da stiege ich ab / und bin nieder gekniet / in einem guten Gedancken / welchen ich zu Gott schickte. Denn man muß wissen / daß Er Römisch Catholisch war / und mehr dann dreyssig-tausend Thaler vermöchte. Der Amtmann hat mich in dieser Postur betend erwischt / und hat mich Götzendiensts beschuldiget / und dafür gehalten / es seye allda vor diesem eine Capelle gestanden. Also hat er mich ohne weitern Proceß in die Gefängnus geworffen / und mir betrohet / er wolle mich gantz verderben. Ich hab ihm schon 30. Thaler anbieten lassen / aber er begehrt 200. und will sich anderer Gestalt nicht befriedigen lassen. Darauff sagte der [76] Procurator / welcher des Baurn Einfalt / und die Arglüstigkeit des Ambtmanns kennte / als welcher ihme gedachte Summe abzuschröcken gedachte / in dem er ihme bedrohet / er wolte ihn in grosse Unkosten bringen: Bekennet mir die Warheit nur immer frey / und wann ihr sonst nichts gestifftet habt / so will ich euch bald heraus bringen / wann ihr nur einen einigen Schuncken spendiret. Der Gefangene sagte: Ich will euch deren wohl vier geben / und will eurer Frauen noch eine schöne Verehrung dazu geben. Sie werden miteinander einig / und der Procurator lässet das Gericht zusamm kommen / erhält bey demselben / daß der Gefangene ohne Caution loß gelassen wird / und daß der Amtmann seine Klage anstellen solte: Der sprach: Ihr Herren / ich hab diesen Menschen an solch einem Ort gefunden / da unsere Vorfahren sagten / es sey zur Zeit des Pabstums eine Capelle gestanden / allda triebe er greulichen Götzendienst. Er knihete mit blossem Haupt / zusammgeschlagenen Händen / [77] und niedergeschlagenen Augen / und murmelte / weiß nicht was für Gebet daher. Ich schwehre / daß solch ein Aber glaub unter den Reformirten nicht kan noch soll gedultet werden / man wolte dann die zarten Gewissen antasten / deßwegen Er zur Straff solle gezogen werden / mit Verlust seiner Ehren / andern Götzendienern zum Abscheu. Der Procurator antwortete / es wäre kein Götzendienst / wann man Gott auf den Knihen anruffet / und die Anklage wäre falsch / weil kein geschnitzt noch gemahltes Bild da wäre: Sonst wäre diß ein falscher Wahn / wann man sagen wolte / daselbst wäre vor diesem eine Capelle gestanden / davon weder Stumpf noch Stiel übrig wäre. Und wann es schon wäre / so könte Er daher keinen Folg auf einen Götzendienst / oder zu seinem Vortheil erzwingen /also beschloß er / es solte gedachter Ambtmann alle Kosten und Schäden gut thun / Straf geben / für die Armen / und dem Bauern seine Ehre wieder geben. Ihr Herren / fuhr er weiter [78] fort / ich bitte / betrachtet doch die schändliche Procedur dieses Menschen / er ist nicht eyferig umb der Ehre Gottes / sondern umb seines Nutzens willen. Er hat diesen vermöglichen Mann angetroffen / dessen furchtsame Art ihme bewust war / hielte derowegen dafür / wann er ihn erschröcken würde / wolte er ihme zwey oder dreyhundert Reichsthaler abjagen. Fürwar / wann es ein armer Baur wäre gewesen / er hätte ihn wohl mit Frieden gelassen /wann er schon alle Päbstische Greuel getrieben hätte. Die Professor der Rechten auf der Universität zu Leiden / denen die Acten überschickt wurden / sprachen durch den Mund des vornehmen Mannes / weiland Herrn Cunæi, daß die Gerichts-Personen sich nicht bedencken sollen / gedachten Ambtmann in alle Kosten / zu einer Straff / und zu Ersetzung des angethanen Schimpfs zu verurtheilen: Dann / er sagte / wir können Gott anruffen / stehend / kniend / mit blossem Haubt / auf dem Land / zu Wasser / in den Kirchen /in den Städten / und auf [79] dem Feld / dann er hat alles geschaffen / alles ist sein / und die gantze Welt ist sein Fußschämel. Der Ambtmann bekam von diesem Proceß eine lange Nase / wurde von jederman / sonderlich von dem Procurator ausgelacht / auf diesem schiebte er sein Unglück: Der Teuffel / sagte er / hat euch hieher geführet / dann wann ihr nicht gewesen wäret / hätte ich ein gutes stuck Gelds erhoben / da es mich darfür mit Schand und Spott / darzu wohl dreissig Reichsthaler kostet. Der Procurator antwortete: Dieses geschiehet euch zur Lehre / daß ihr ein andersmahl die Bauren besser tractiren lernet / welche euch genug verehren / daß ihr sie heimlich ihren Gottesdienst verrichten lasset. Wann sie nicht in die Messe gehen dörffen / wann sie es nicht theuer genug bezahlen / und noch dazu in der stille / so gebet doch zu /daß sie Gott offentlich anruffen mögen. Der Ambtmann kratzete seinen Kopf / und der Procurator machte sich bey dem Bauern fein lustig.

41. Von einem blinden Weibe
[80] 41. Von einem blinden Weibe / welches bey einer heimlichen Zusammenkunfft der Catholischen erwischt worden.

Damit man die zwo folgende Geschichte verstehen möge / ist zu wissen / daß denen jenigen / welche den Pabst für das Haupt der Kirchen halten / kein offentlich Exercitium Religionis in Holland zugelassen ist /und wann sie bißweilen heimlich zusamm kommen /so geschiehet es nicht / daß man durch die Finger dabey siehet / sondern durch eine Art einer Verbündnus / welche genau muß bezahlt werden / und sonst so eng eingeschränckt ist / daß sie auch Straff geben müssen / wann sie offenbahr werden. Wahr ist es /daß die Mässigung der Straff unvergleichlich grösser ist in einer / als in der andern Stadt / nach dem die Obrigkeit gesonnen ist / welche mehr auf die Handlung Achtung geben / als auf den hitzigen Eyfer der Prediger. Es geschahe einsmahls / daß eine blinde Frau in eine Versamblung geführet [81] wurde / darzu kam der Ober-Ambtmann unversehens / und straffte alle /die da angetroffen wurden. Diß Weib kam traurig nach Hause / dieselbe fragte der Bruder / welcher ohne diß wild in seiner Gestalt (dann er kunte übel ohne Stecken gehen) und in seinem Thun war / warum sie traurig wäre? Ach / sagte sie / solte ich nicht traurig seyn / der Ambtmann hat uns erwischt / und unsere Namen aufgeschrieben: Derowegen ich werde Straff geben müssen. Der Bruder antwortete: Ach du bist nicht gescheid / daß du dich diß Plunders halber so bekümmerst. Weistu / was du thust / wann er das Geld wird fordern lassen / sage / du seyest Willens gewesen / in die Haupt-Kirche zu gehen / der jenige aber / der dich geläitet / hab dich von dem rechten Wege irr geführet / und weil du blind bist / kan dir der Ambtmann nichts abhaben. Dieser Raht ward für gut befunden / und diente der Beklagten zu ihrem Vortheil / dann der Ambtmann bekam nur Spott davon / an statt des Geldes / [82] welches Er wolte in den Beutel schieben.

42. Thörichter Fürwitz wird rechtmässig gestrafft
42. Thörichter Fürwitz wird rechtmässig gestrafft.

Holland hat sechs grosser Städte / Hag und Roderdam ungezehlt / welche auch nicht klein sind. Die jenige /welche für die vierdte gerechnet wird / hat in ihrer Ring-Mauer eine grosse Anzahl fremmder Künstler /deren die meisten die Römische Kirche / weiß nicht warum / verlassen haben / und grössere Feinde der Catholischē sind / als die also gebohren worden. Und diese Art Leute wird von den frommen Holländern genennt / nach ihrer Land-Sprach Flamansamers herbe Flamanden. Einer von jenen sahe einsmahls früh morgens / daß etliche verstohlner Weise / durch eine kleine Thür eingangen / bildete er sich ein / es müsse eine Päbstliche Versamlung seyn / (dann nur sie allein haben kein freyes Exercitium ihrer Religion) und war begierig zu sehen / wie sich alles verhielte / vielleicht eine Gelegenheit [83] zu haben / wodurch Er diesen Götzen-Dienern schaden möchte. Da die Thür zugeschlossen / und der Priester bey dem Altar war / kam der Ambtmann mit Gewalt / schläget die Thür mit dem Hammer auf / und bemühet sich / den Priester zu erdappen / welcher subtiler Weiß und fast durch verschloßne Thür entwischte. Als alles in Unordnung war / befahl er einem jeden / an seinem Ort zu bleiben / und seinen Namen zu geben. Er kam zu diesem tollen Niederländer / dem befahle er mit trotzigem Gesicht / davor das Volck zitterte / er solte auch seinen Namen von sich geben. Herr! sagte er mit lächlendem Gesicht / woraus eins Erfreuung hervor blickte / nemlich über das Unglück dieser Papisten / ich bin Reformirt / und gehe mit zum Nachtmahl. Der Ambtmann antwortete: Ich frage nicht wes Glaubens du seyest /sondern wie du heissest. Der herbe Niederländer sahe / daß er nicht kunte mit einer schlechten Entschuldigung davon kommen / bezeugte mit einem Aid / er wäre ein Hugenot / [84] welches Er wolte mit den Calvinischen Pfarrern beweisen / und daß ihn der blosse Fürwitz da hinein gebracht / umb zu sehen / ob der Holländischen Papisten Götzendienst mit den Flandrischen überein komme. Der Ammtmann / deme dieseProtestationen überdrüssig waren / der auch unwillig war / daß Er des Priesters verfehlet / der allein mehr hätte ausgetragen / als funffzehen Burger / sagte ihm wieder trotziglich: Schelm / sage deinen Namen / oder ich will dich mit gewalt dazu bringen. Der Niederländer gehorchet / und gienge so bestürtzt davon / wie der Hund zu Breitheim / welcher den halben Schwantz verlohren. Des andern Morgens schickte der Amtmann hin / und ließ funffzig Gulden von ihm fordern / welches die ordinari Straff war. Er schickte an statt des Geldes zween Reformirte Pfarrer / zu bezeugen / daß er ein rechter Calvinist wäre / und dem Ammtmann darzuthun / daß er solcher Gestalt umb eines blossen Fürwitzes willen nicht solte gestrafft werden. Ihr Herren / sagte [85] Er / ich hab Befehl / die Zusammenkunfften zu verwehren / und alle die jenigen / welche sich darbey befinden / in Straff zu nehmen / und keinen Unterschied zu machen / ob sie Päbstisch sind oder nicht / darumb solle er die Straff wie andere geben. Ist er keiner / warum ist er dabey gewesen? Er ist mehrer Straf würdig / als andere / die in dem Aberglauben stecken. Dieser arme Teuffel muste auch etwas in das Becken speyen / und lange Zeit nacher Spottreden anhören / so wohln von seinen Nachbaren / als andern / welche ihn bißweilen fragten / ob er nicht mehr zu den Papistischen Zusammenkunfften kommen wolle.

43. Glückselige Liebes Begegnus
43. Glückselige Liebes Begegnus.

Die Göttin Venus / eine Schwester der Fortunen /theilet bißweilen aus einer ihr anklebenden Leichtfertigkeit ihre Gaben offtmahls denen mit / welche sie nicht begehren; sehet eine merckwürdige Probe dessen. Ein junger wackerer Mensch / sehr gelehrt /brachte [86] durch sein bitten so viel zu wegen / daß Er einer jungen Bürgerlichen Jungfrauen / welche eine reiche Kauffmanns Tochter war / ihre Liebe abgenommen. Diese verliebte Jungfrau sahe wohl zuvor / daß ihre Eltern nimmermehr in die Heyrat willigen wurden / und da sie das Liebes-Feuer / welches sie gantz ausbrannte / nicht mehr dulten kunte / entschlosse sie bey ihr / sie wolte die Eltern darzu nöthigen / durch ein Mittel / welches wider den Gehorsam ist / den die Kinder denen schuldig sind / die sie auf die Welt gebracht. Sie truge ihrem Liebsten vor / er solte sie des andern Tags besuchen / Abends umm 11. Uhren / sie wolte ihn heimlich in ihre Kammer führen / aber alles unter dem Ehe versprechen. Der junge Gesell / welcher nichts bessers verlangte / auch keine bessere Gunst begehren kunte / verwilligte darein / und damit Er nicht er manglen möchte auf die bestimmte Zeit zu kommen / versteckte Er sich unter eine Banck / bey seiner Liebsten Thüre / ungefehr um zehen Uhren /und wartete also [87] seiner Zeit. Als er aber in diesem Zustand war / hörte er ein grosses Geschrey / und das Klingen der Degen / welches die jenige machten / die den Flüchtigen nachjagten. Er furchte sich / und vergaß schändlich seiner Ernde / welche er im Frühling seiner Liebe schon einnehmen solle / oder er wolte sie biß auf den andern Tag verschieben / verliesse seinen Ort / und flohe davon. Ein anderer guter Kerl / deme die Furcht auch gleiche Sporn / wie dem ersten gegeben / flohe diesen Streit / und verbarge sich eben an selbigem Ort / welchen der flüchtige Liebhaber verlassen. Als nun dieses Ungewitter vorüber war / und er sich wieder auf seine Füsse machen wolte / hörte er die Thür leise aufmachen / und sahe eine andere Venus / welche nicht aus dem Wasser / sondern von ihrem Bette kam / welche ihme einen schnee-weissen Arme darreichte / und bate / er solte ohne grosses Geschrey hinein gehen. Er gehet hinein / und siehet eine Jungfrau im Hembd / die ihn bey der Hand nimmet /und in ihre Kammer [88] führete / nach dem sie die Thür wieder zugemacht / und sich liederlich wieder niedergelegt. Dieser Mensch war so voll Freuden / daß Er nicht reden kunte / (dann es war auch nicht redens Zeit) und wuste nicht / ob Er wachte oder schlieffe /erholte sich wieder auf Bitten dieser schönen Jungfrauen / er solte sich ausziehen / und sich erinnern /daß sie sich nicht anderer gestalt auf Discretion ihme untergeben wolle / als umb ihre Eltern zu nöthigen /daß sie die Heyrat zulassen möchten. Er gehorchte /und liesse sich nicht bey den Haaren dazu ziehen /sondern bauete einen Garten / der einem andern vermeynt war. Den ersten Angriff that Er ohne Trompeten schall: Die Schöne aber bezeugte mit Umbarmen in der That und in Worten / die Ubermaß ihrer Liebe /hiesse ihn auch schon ihren Mann. Dieser Vogel sagte nichts / aus Furcht / die Stimme möchte ihn verrathen / oder es dürffte sonst der Sturm abgeschlagen werden. Er kommet nochmal auf die Brosche / unn hätte geschrien: [89] gewonnen / wann seine Rede nicht straffbar wäre gewesen. Die junge Dame war froh / daß sie einen so guten Gespan erwählet hatte / und nöthigte ihn zu reden. Aber er antwortete nicht anders / als mit Küssen / und machte sich zum dritten Sturm fertig: darnach gab er sich zu erkennen / und sagte zu ihr: Meine liebste Junge Frau / es ist leicht zu mercken /daß ihr diese süsse Anweisung einem andern Freund gegeben habt / welcher durch seine Abwesenheit derselben sich unwürdig gemacht. Die arme Dame starb schier vor Unmuth über dieser Rede / fiele in ihre Haare / und fienge so bitterlich an zu weinen /daß dieser junge Kerl sich darüber sehr erbarmet. Und wer hätte ein solch Hertz von Felsen gehabt / der nicht Mitleiden mit ihr gehabt hätte / von welcher Er so sonderliche Liebe genossen. Derohalben bemühet er sich / weil er von gutem Verstand war / sie zu trösten / Er wuste ihr auch so artlich zu erweisen / daß nach geschehenen Dingen kein Mittel mehr übrig sey / und schwuhr ihr so sehr / er [90] wolte nichts davon offenbaren / daß sie endlich aufhörte zu seuffzen. Als Er nun sahe / daß sie wieder gestillet / sonst aber sehr schön war / wolte Er den Scharmützel wieder anfangen / aber er fande viel grössern Widerstand / als im Anfang. Endlich ergab sie sich auf sein Versprechen /und ließ ihm die gantze Beut biß am Morgen; Sie schieden endlich auf Befehl der Morgenröthe nach tausend Umbarmungen von einander / die Dame / um ihn desto mehr in dem Eyd auf das Stillschweigen zu stärcken / verehrte ihme eine schöne guldene Kette /und einen Beutel halb voll Ducaten. Wiewohl er für seine sanffte Arbeit wohl belohnet wurde / gieng er doch mit mercklicher Reu von ihr / und liesse sie in sanffter Ruhe. Den andern Tag entschuldigte sich der ander / mit der grossen Gefahr / welcher er glücklich entrunnen / so bald er sie allein antreffen kunte / er kunte sie so artlich beschwätzen / dann sie stellte sich sehr erzürnet / daß sie ihm endlich umb eilf Uhren wieder ankommen liesse. Ich kan nicht [91] sagen / ob er gemercket hat / daß ein Rauber im Garten gewesen /welcher den ersten Knopf abgepflücket: Ich will noch weniger sagen / ob er ein besserer Gärtner / als der erste gewesen. Dieser heyratete sie endlich etliche Monat hernach mit Consens der Eltern / weil der Garten nicht unfruchtbar war.

44. Eine artliche Antwort - welche einem rotzigen Galan gegeben wurde
44. Eine artliche Antwort / welche einem rotzigen Galan gegeben wurde.

Ein verdienter Cavalier war einsten bey einer Jungfrauen / deren Schönheit / Annehmlichkeit / und liebliche Gespräch ihme das Maul wässerich machten. Als die Jungfrau sahe / daß Er so offt ausgespien: fragte sie ihn / warumb? Jungfrau / sagte Er / verwundert euch nicht darüber / dann ich bin bey einen so guten delicaten Bissen / den ich nicht angreiffen darff. Die Jungfrau antwortete sehr artlich: Was würde dann geschehen / wann ihr näher zu mir kämet / ihr dörfftet gar in Wasser zergehen / darumb thätet ihr [92] besser /wann ihr euch entfernet / und eure Begierde vor verbottnen Bissen mässiget.

45. Ein Schimpff - welcher einem geitzigen Liebhaber angethan wurde
45. Ein Schimpff / welcher einem geitzigen Liebhaber angethan wurde.

In einem Land / welches ein Arm vom Rhein befliesset / welches auch Käyser Karl der Fünffte mit den Niederlanden vereiniget / trug sich ungefehr Anno 1626. diese kurtzweilige Geschicht zu. Ein junger Baur von den reichesten im Dorff / liebte ein Mägdlein / welche mit Gaben der Natur mehr als mit Gaben des Glücks geziert war; Dieses Mägdlein / welches Hirn im Kopf hatte / trachtete / wie sie diesen Vogel auf ihren Herd bringen möchte / daß er nicht wieder davon dürfte / sondern bey ihr zu Hauß bleiben muste / gebunden mit den Banden / welche allein der Tod zerreissen kan: wuste ihn dermassen einzunehmen /und zu bereden / daß er glaubte / in was für Noht die Liebe sie gebracht / und ihr Erbieten [93] anzunehmen /daß sie ihn umb bestimmte Zeit in ihre Kammer / ja gar in ihr Bett lassen wolte. Er stellte sich ein / nahm aber nichts vor / aus Mangel des Hertzens / oder vielmehr / weil er mehr geitzig / als verliebt war. Doch war Er so behertzt / daß Er sich zu dem Bett machte /Sie reichte ihme die Hand / er vergnügte sich aber mit einem Kuß / griffe ihr an die Brüst / und sagte / weiters wage er sich nicht / dann das Brod wäre sehr theur / und würde viel kosten / ein Kind aufzuziehen. Das Mägdlein verdroß ein so grober Schimpf / und da sie sahe / daß Er die Stiege hinab gieng / machte sie sich im Grimm auf / welches man leichter bey sich erachten / als beschreiben kan / und giebet ihm einen Stoß mit dem Fuß / daß Er die Treppe hinab fiele /und durffte die Staffeln doch nicht zehlen. In dem Gerümpel vom Fallen erwachten ihre Eltern / und fragten / woher solches komme: Er schrecket nicht / sagte sie überlaut / es ist die Theurung. Diese artliche Antwort wurde in allen umbliegenden Dörffern [94] bekandt / und wurde ein Lied darauf gemacht. Der junge Dölpel wurde aber so sehr ausgelacht / daß er nicht mehr zu seines gleichen kommen durffte. Das Mägdlein aber bekam noch eine bessere Heyrath / als mit ihme.

46. Von einem Falliten - und dessen Vertrag
46. Von einem Falliten / und dessen Vertrag.

Ein Student bürtig von einem Land / davon der gröste Theil den Schweden durch den Teutschen Fried zu theil worden. Dieser Student gieng durch von Leiden /und hatte seine Creditores nicht bezahlt / wie es dann auch andere von dem Nord und den benachbarten Orten zu machen pflegen. Die Creditores wusten /daß der Vatter zimlich wohl stunde / und schickten einen von ihren Mittlen an ihn / daß Er die Bezahlung für alle einfordern solle / die Mutter / welche wie eine Heldin aussahe / wolte die Rechnung sehen mit solchen Geberden / daß der Holländer vor Angst etwas anders hätte thun mögen: Die erste war vom Buchführer / welcher [95] der Solicitator selbst war: deme brach sie die helffto ab / und sagte / Er habe die Bücher zu theuer angesetzt / und wolte nichts darwider reden lassen. Die Kost verwilligte sie zu bezahlen / aber wann sie Wein darbey fand / fragte sie / ob ihr Sohn einen gedruncken: Der Mann sagte: Ja. Darauf sprach die Frau: Der Schelm solte mit Bier zu frieden gewesen seyn / ich begehre diese Schuld nicht zu zahlen. Da sie aber sahe / das Er mit lautern Wein nicht vor lieb genommen / sondern daß Er an statt Wassers /Zucker und Citronen hinein gethan / darauf schmähete sie ärger / als man auf den Orpheum gethan. Was /sagte sie / der Dieb hat so grossen unnützlichen Kosten gemacht! Wann ich ihn hätte / ich wolte ihn beym tausend Schlaperment mit meinen Händen erwürgen. Unser armer Bot zitterte / wie die Kälber vor der Thür am Schlachthauß / und sorgete / er möchte mehr Stöß als Geld in Holland bringen. Er sagte nichts / sondern liesse sie vor zimlich wohl auswüten / damit sie zuvor [96] des Fechtmeisters Schuld auch sehen möchte. Sie sagte: Er solte nichts mit einander haben /dann Er hätte ihrem Sohn keine rechte Lection gegeben: hätte Er ihn recht unterrichtet / wäre er nicht so sehr verwundet worden / dann er wäre schier an der Wunden gestorben / und ist davon noch nicht heil. Unser Buchführer nahm Abschied von ihr / und war froh / daß er nicht gute Schläge bekommen / sondern die halbe Bezahlung erhalten.

47. Der Credit ist gefährlich
47. Der Credit ist gefährlich.

Ein Buchführer beklagte sich einsten gegen einem andern / über der fremden Studenten Betrügerey / die ihnen kein Gewissen machen / eines andern Gut mit sich zu nehmen; deme fiel ein anderer seiner Mitgenossen / ein Buchführer in die Rede / und hielte ihme folgenden Discurs: Ihr habt Ursach euch darüber zu beklagen / ich hab Ursach auch dergleichen zu thun /aber wir seynd zum theil selbst Ursach daran / dann wann wir ihnen nicht so viel borgten / [97] so erführen wir das ander auch nicht so offt. Wisset ihr nicht / daß sie uns für Egyptier halten / sie entlehnen das Unserige /wie es die Kinder Israel machten / und nehmen es mit / wie sie. Ihr hättet recht / sagte der ander / welcher nur mit halben Mund lachte / wann sie es thäten aus einem sonderlichen Befehl Gottes / wie die Israeliten /und wann sie es entlehnten / aber sie machten einen Kauff auf nimmer bezahlen. Wohl / sagte der andere Kauffmann / damit man nicht betrogen werde / so muß man nimmer borgen.

48. Von ihrer dreyen / deren einer sein Pferd - der ander sein Messer
48. Von ihrer dreyen / deren einer sein Pferd /der ander sein Messer / der dritte seine Brillen suchte.

Man erzehlet in allen Sprachen / die in Europa sind /daß ein Baur / welcher fünf Pferd vor sich triebe / und das sechste suchte / darauf Er ritte / welches er vergaß in zählen / alle / die ihm begegneten / fragte / ob sie nicht ein Pferd von dieser oder jener Farb gesehen. Sein Nachbar fienge an zu [98] lachen; Zähle das jenige /sprach er / das du zwischen deinen Beinen hast / so wirstu sie alle haben. Der Finländer zu Stockholm war eben so lächerlich / Er war ein Fleischhacker seines Handwercks / und suchte sein Messer / welches er zwischen den Zähnen hielte. Fürwar dieser verursachte auch kein gering Gelächter / welcher fragte / ob man nicht seine Brillen gesehen / die Er auf der Nase hatte / und suchte sie darauf / da er doch sein Gesicht buckete.

49. Von einer Jungfrau - die mit einem Lackeyen davon gezogen
49. Von einer Jungfrau / die mit einem Lackeyen davon gezogen.

Nicht allein in den warmen Ländern übet die Göttin /welche aus dem Schaum des Meers kommet / ihre Tyranney. Die Länder nahe gegen Mitternacht sind nicht davon befreyet / auch selbst das mitternächtische Königreich nicht. Als der Ertz-Hertzog Albrecht die zehen Niederländische Provinzen regierte / und der Printz Moritz über die sieben andere Präsidieret / als General / beede aber unter währendem [99] Stillstand die Degen eingesteckt; Da truge sich in einer derselben Provintzen zu / welche ich anjetzo nicht nennen will /umb gewisser Ursachen willen / daß ein wackerer Edelmann sich verheyrahtet / und sein Leben mit seiner Frau / die eine von ihren Schwestern bey ihr hatte / in Liebe wohl zugebracht. Diese schöne / Jungfrau lage unter den Sticheln des Fleisches / und verstopffte ihre Ohren vor den Ursachen / welche die Ehre ihr eingab / sondern entdeckte ihre Brunst einem Lackeyen / einem wackern Kerl / und versprach ihm gute Beförderung / wann Er das Hertz nehme / ihr zu folgen. Dieser junge Mensch zoge die Rose / welche er brechen solte / den Dörnern vor / welche gemeiniglich auf unordentliche Liebe folgen. Er ergabe sich ihr gantz und gar. Die Junge Verliebte hatte die Zeit er forschet / da ihr Schwager aus war / und ihre Schwester sonst zu thun hatte / gabe vor / sie wolte spatzieren reiten / und der Diener solte mit ihr. Als sie so weit vom Schloß waren / daß man sie darauf nimmer sehen [100] kunte / da ritten sie den Galop auf eine Stadt zu / welche unter die vornehmste vereinigte Provinz gehörte: Der Schwager kam wieder / und fande / daß seine Frau über ihrer Schwester Wegreiten Gedancken hatte / man eilte ihnen nach / unn wurden Abends erwischt / nach dem sie ein wenig Zeit hatten gehabt /ihre Bündnüs mit der That zu bekräfftigen. Da sie sich schlaffen gelegt / und sehr müde waren / von beeden Arbeiten / deren die junge Liebhaberin nicht gewohnt war; kame der Edelmann / lässet sie beede gefangen nehmen / und fortführen / die Jungfrau in eine Kammer / daß sie darinn ihr Unglück beweinen solte /und den Lackeyen ins Gefängnus / daß er daselbst sein Urtheil solte erwarten. Er wurde verurtheilet / Er solte hinaus gestrichen / und der Niederland verwiesen werden. Ader durch Vermittelung seiner Freundeappellirete Er nach Hag: Als der Printz vernommen /wie die Jungfrau ihme Anlaß gegeben: Sagte Er / er solte Gnade haben / und solte ausgestrichen werden /[101] wann er eine so gute Gelegenheit abgeschlagen hätte /welche sich nicht alle Jahr einmahl ereignet.

50. Diebsstahl der Liebe in einem Garten offenbaret
50. Diebsstahl der Liebe in einem Garten offenbaret.

Die schöne Jungfrauen sind den Fallstricken der Jungengesellen unterworffen / wie die Vögel dem Vogler / wann sie dem Locken der Pfeiffen Gehör geben / so müssen sie in ihr Garn kommen / und ihre Fehler erkennen / wann sie dieselbe begangen haben. Ein junges Mägdlein ward von einem Jungengesellen allein in einen Garten geladen / der wolte ihr das jenige benemen / was sie in der Welt am liebsten haben ben solte. Sie kame dahin wider die Gebühr / und fande daselbst eine Collation in bereitschafft darauf giengen sie spatzieren / und führten alleweil Liebes-Reden /welche untermenget waren mit Küssen und Umbarmen. Endlich liesse sich die Jungfrau durch ihren innerlichen Feind leichtlich auf die Beredung dieses Welt-Menschen bethören: Der [102] legte sie unter einen Birn-Baum / und genoß der Vergnügung / auf welche Er lange Zeit gewartet / welche aber abgebrochen wurde / wie ihr vernehmen werdet.

Es war ein Dieb auf dem Baum / der wolte Birn stehlen / deren der Baum voll hienge / der durffte sich nicht regen / aus Furcht / er möchte verrahtē werden /oder er dürffte die jungen Leute in ihrem Vorhaben irre machen. Darauf erkannte sie ihren Fehler / fienge an zu seuffzen / und mit weinender Stimme zu sagen: Wer wird das Kind erhalten / wann ich schwanger werde? Ihr Bereiter antwortete: Sorget dafür nicht /und bekümmert euch gar nicht / da schon zweymahl zum Ringe gerennt ist: Man muß dreymahl hinein kommen / ehe man gewinnet. Der oben ist / wird euer Kind erhalten und ernehren. Holla / sagte der Dieb mit einer schröklichen Stimme / ich hätte viel zu thun / wann ich alle Kinder auferziehen solte / die in geheim gezeugt werden. Niemand ist mit solchem Schrecken von [103] einer so annehmlichen Ergötzlichkeit kommen / als diese zwey / sie liessen die Fliegel hängen / flohen davon / und suchten die Garten-Thür. Als der Dieb sahe / daß sein Betrug so wohl angeschlagen / stieg er vom Baum / verzehrte die übrige Collation /tranck den Wein / und nahme einen Sack voll Birn mit. Man darff nicht fragen / ob er allenthalben diese artliche Begegnus / und das schöne Spectacul erzehlet habe.

51. Die Schüncken eines Dorff-Pfarrers von jungen Bauren-Knechten gestohlen
51. Die Schüncken eines Dorff-Pfarrers von jungen Bauren-Knechten gestohlen.

In einer Gegend / welche von Frantzosen und Teutschen bestehet / truge sich dieses Stücklein zu / welches werth ist / daß es hieher gesetzt wird. Etliche Bauren-Knecht waren in einem Wirtshause beysammen / der eine sagte / er möchte gern Schuncken und Würst essen: aber die andere sagten: Sie hätten nicht Gelds genug / die Zech zu zahlen. Folget mir / sagte der erste / wann ihr das Hertz habt / wir wollen [104] dem Pfarrer seine stehlen / denn er hat ihrer gar zu viel. Aber man muß hier wissen / daß Er sehr geitzig war /und Pfarr-Kinder hatte / die ihme nicht gar wohl wolten. Sie gehen einmüthig mit einander hin / nehmen Stricke mit / steigen auf das Dach / und lassen ihrem Kerl hinab. Dieser hatte sich mit etlichen Schuncken und Würsten versehen / und gabe seinen Gefährten ein Zeichen / sie solten ihn wieder hinauf ziehen. Aber der Rauchfang war nicht weit genug / daß er mit allen seinen Schuncken durchschlupffen kunte / und da sie mit gewalt zogen / zerriß das Seil / Er aber fiel mitten in die Kuche; Die Magd erschrack über dem Gerumpel / und schriehe / was für ein Teufel vom Rauchfang gefallen wäre. Der Dieb erschrack nicht /liesse auch seine Beute nicht / die Er / wie ihm bedunckte / in einem guten Krieg gemacht / schwärtzte ihme die Hände und das Gesicht / und setzte sich in des Pfarrers Sessel: Derselbe wolte ihn beschweren /und sprach: Verfluchter höllischer Geist / weiche aus[105] meinem Hauß / und lasse mich in Ruhe. Der Dieb antwortete: Mache die Thür auf / das thät die Magd alsbald auf des Pfarrers Befehl / welcher kräfftiger war / als alles Beschwehren. Er kame wieder zu seinen Cameraden / welche um seines Falls willen sehr in Aengsten waren / denen erzehlte er seine Begegnussen / darnach liesse er seinen gantzen Raub zusamm in einen Kessel werffen; Diese Pürßlein machten die gantze Nacht über sich lustig / auf des Herrn Pfarrers Unkosten / welcher sahe des andern Tags /daß seine Küche viel heller war / weiln der Rauchfang geplündert gewesen. Da erkennte Er / daß der Teufel seine Klauen darein gesteckt hatte. Er war darüber sehr unlustig / und fluchte diesem Teufel / der nicht die Seelē / sondern nur die Schuncken gesucht. Er predigte offt wider die jenige / welche von seinem Speck gefressen / betrohete ihnen mit dem Bann /wann sie sich nicht würden wieder stellen / und den Diebsstall doppelt wieder geben.

52. Ein Mensch wurd ausgelacht / weil er sich berümhte - er könne eine Sprach
[106] 52. Ein Mensch wurd ausgelacht / weil er sich berümhte / er könne eine Sprach / die er nicht verstund.

Kurtz zuvor / ehe der König Gustav in Teutschland gezogen / hatte sich die Catholische Liga in Nieder-Sachsen ausgebreitet / und hatte ihre Besatzungen in allen Städten / ausgenommen die jenigen / welche am Meer gelegen waren. Ein junger Mensch / welchen wir Eisenfresser nennen / bürtig aus einem kleinen Städtlein in Pommern / kame dahin wieder von Leiden / allwo er etliche Monat studieret / oder vielmehr gefressen und gesoffen hatte. Sein Vatter / welcher in der Stadt Burgermeister war / gabe ihm einen Verweiß / wie er wohl verdienet: Er sagte zu ihm /Grosser Flegel (denn er war groß) was hast du zu Leiden gethan? Du hast ohne Zweifel die Zeit mit Sauffen zugebracht / (und also war es auch) du hast mir zweyhundert Thaler schändlich anworden. Lieber Vatter / antwortete er / [107] ihr müsset wissen / daß zu Leiden alles viermahl theurer ist / als hier / und daß eine Henne / die hier drey Kreutzer gilt / daselbst nicht kan umb vierzehen gekaufft werden. Ist es müglich / versatzte der gute Vatter / biß wüste ich nicht /aber sage mir / hast du Frantzösisch gelernt? wann du es kanst / so will ich dir alle deine Mißhandlung verzeihen. Mein Vatter / zweiffelt nicht / ich rede gut Frantzösisch / und diß sagte Er desto behertzter / weil Er wohl wuste / daß sein Vatter solche Sprach nicht verstunde. Der Vatter antwortet: Diß gefället mir wohl / ich verzeihe dir gern / daß du so viel unnützlich verthan hast. Aber es ist zu mercken / daß in selbiger Stadt ein Frantzösisches Regiment und etliche Compagnien Reuter waren. Der Burgermeister gienge hinweg / und liesse seinen Eissenfresser lustig hinter ihm / daß er so glücklich dieser Plag entgangen /davor er sich so hart entsatzte: Aber er hatte die Dinte noch nicht probieret. Der Burgermeister traff den Obersten auf dem Marck an / der mit etlichen [108] Teutschen Officiren spatzieren gienge: Er grüssete sie /der eine unter ihnen sahe ihn an / daß er so lustig aussahe / und fragte ihm / ob Er etwas neues wüste. Ihr Herren / sagte Er / ich weiß nichts / ausser daß mein Sohn aus Holland ist kommen / wann ihr ihm etwan davon wollet reden hören / so kommet Morgen Mittags zu mir zum Essen / er wird euch davon können sagen. Da sie von Holland hörten / waren sie alle begierig ihn zu sehen / umb von ihme zu vernehmen /was daselbst passirte. Sie versprachen ihm gewiß / zu ihm zu kommen / umb die Ehre zu haben / ihme aufzuwarten / der alte Vatter kam mit Freuden wieder nach Hauß / und sagte zu seinem Sohn / Er habe einen vornehmen Frantzösischen Herrn / Ihrer Käiserl. Majest. Obristen mit andren Officirern gebeten auf das Mittag-Mahl / die trügen alle Verlangen / ihn zu sehen. Eisenfresser / fuhre er fort / du must Frantzösisch reden / mache ein hübsches Complement gegen diesen Herrn / dessen Gunst uns lehr nöthig ist.

[109] Diese Zeitung hätte unsern Eissenfresser schier kranck gemacht / dann Er wuste nicht / wie er sich verhalten solte. Ich weiß / Er hat schon davon lauffen wollen / und hätte gewündscht tod zu seyn / damit er der Schande entgehen möchte / umb deren willen er seine Farb offt verändern müste. Er versprach dem Vatter zu thun / was Er befehle / und gienge ins Wirtshauß / die Melancholey zu vertreiben. Da es Essens Zeit war / begabe sich der Burgermeister unter die Thür / mit seinem Sohn / der mehr tod als lebendig war / umb die Gäste zu empfangen. Der Oberst /da Er den Herrn Burgermeister höfflich salutiret hatte / nahete sich zu unserm grossen Eissenfresser / umb ihn zu empfangen / und fragte ihn / wie Er sich von seiner Reise gehabe. Er meynte / als hätte er gefraget /ob Er sich wohl gehabe: antwortet derhalben: Ja mein Herr! Der Oberste merckte / daß er ihn nicht recht verstanden / sagte Ihm nochmahl: Ich bin erfreuet über des Herrn glücklicher Wiederkunfft. Der [110] Eissenfresser / als er eben vorige Wort hörte / aber nicht in ihrer rechten Bedeutung / und davor hielte / er müste vor nicht recht geantwortet haben / da Er Ja gesagt /wolte es demnach verbesseren / und sprach / Nein /mein Herr! Da merckte der Oberste seine Unwissenheit / und daß Er seinem Vatter vergebliche. Hoffnung gemacht / welcher diese Officier vertröstet hatte / daß sein Sohn so trefflich Frantzösisch rede. Ein teutscher Capitain sagte zu dem Burgermeister / sein Sohn agiere entweder den Obersten / oder er verstehe nicht Frantzösisch. Der Burgermeister ward unwillig darüber / wande sich gegen seinen Sohn / und rief überlaut: Rede Frantzösisch / du Dölpel! ist diß der Respect / den du einem Käiserlichen Obersten giebest. Endlich hätte er ihm gar geschlagen / wann er nicht von dem Obersten wäre abgehalten worden / dem sagte der Eissenfresser auf Lateinisch / daß er nicht könne Frantzösisch reden / sondern er habe es nur seinem Vatter also fürgesagt / wegen oben erzehlter Ursachen. [111] Man satzte sich zu Tisch / allwo mit etlichen Glässern Weins der Fried gemacht worden / und war grosse Freude darüber.

54. Man giebet nicht zweymahl vor einer Thür
54. Man giebet nicht zweymahl vor einer Thür.

Es ist ein kleines Wäldlein / eines Mußqueten Schuß weit von Harlem / zimlich lustig / allwo viel Burger und junge Leute / so wohl von Amsterdam / als von gedachter Stadt Harlem Sommers-Zeiten sich lustig machen / mit so grosser Freude / als im Hage geschiehet. Einmal gegen Abend gienge ein junger Mensch darin spazieren / unn sahe über quär zwischē den Bäumen eine sehr schöne Jungfrau / welche etwas Melancholisch zu seyn schiene. Er redete sie an / und grüssete sie höflich / begehrte auch die Ehre ihrer Gesellschafft zu haben: Sie verwilliget gar geschwind /was er begehret / und spazirte fast eine Stund lang mit ihme herumb. Er schwatzte ihr von der Liebe / und befande sie ohne viel Beredens willig / [112] in das Garn sich zu begeben. Sie gehen mit einander in ein Wirtshauß / nahe bey gedachten Wäldlein / bestelten die Abend-Malzeit / und eine Kammer für sie beede. Dieser junge Mensch war gantz erstarret über dieser Jungfrau Schönheit / und kunte sich über sein Glück nicht genug verwundern / gab ihr auch genug zu verstehen / wie wehe es ihm nach ihr sey. Nach dem Abend-Essen legten sie sich miteinander schlaffen /und brachten die Nacht mit sonderbarer Liebe zu. Die junge Dame stunde am ersten auf / bezahlte die Zech /und weckte ihren Galan auf / welcher umb der ausgestandenen Arbeit willen starck schlieffe. Er springet vom Bett auf / bittet sie / sie solle warten / biß er angezogen sey / und wendet allen Fleiß an / sie aufzuhalten. Sie sagte ihm / daß die Zeit sie ermahne fortzugehen / damit sie nicht möge erkennet werden / sie habe die Zech bezahlt / und gabe ihm noch 20. Reichsth. zu Lohn / für seine gehabte Mühe. Sieben Monat hernach / vernahm dieser junge [113] Mensch / daß diese Dame im Kindbett liege / dann er hatte nicht nachgelassen / biß er erfahren / wer sie gewesen / und wer ihre Eltern wären / welche nicht gar gemeine Leute waren. Er wolte sie heyrathen / und kehrete allen Fleiß an / sagte / er wäre Vatter zu dem Kind /aber die junge Dame antwortete: Er wäre für seine Müh schon bezahlt worden / und könte also keinen Lohn mehr fordern.

55. Ein Hencker von einem armen Sünder ausgelacht
55. Ein Hencker von einem armen Sünder ausgelacht.

In Niederland war ein verschnittener Scharffrichter /der ward artlich / aber zu Unzeit von einem armen Sünder bey dreissig Jahren alt / ausgelacht / den er hencken wolte. Da Er aber auf der Leiter / der Hencker aber bemühet war / ihme den Strick wohl umb den Hals zu legen / sagte dieser Kerl / an statt daß er solte dem jenigen zugehört haben / der ihm erinnerte /er solte ein gutes End nehmen: Ich hab ihrer ein baar /sprach er / die haben mir [114] grossen Lust geschaffet: Sie werden mir nichts mehr nutz seyn. Meister Wilhelm /ich wolt / daß ihr sie an deren statt hättet / die ihr verlohren habt. Jederman fienge an zu lachen / daß der Priester / der ihme vorbetete / kaum Gehör haben kunte. Manche Leute können der Possen nicht lassen /so lang sie etwas vergängliches an sich haben.

56. Von einem Baurn - der bey den Frantzösischen Abgesandten in der Messe war
56. Von einem Baurn / der bey den Frantzösischen Abgesandten in der Messe war.

Die Obrigkeiten in den Holländischen Städten sind sonsten zur Bescheidenheit geneigt / welche den Holländern ohne diß angebohren ist / sie werden aber oft durch ihrer Prediger Eiffer aufgemundert / daß sie ihre Placaten wider die Papisten müssen verneuern. Dahero die Catholische keine heimliche Zusammenkunfften halten dörffen / sondern zu den Abgesandten gehen müssen.

Ein Catholischer Baur gienge einsmahls aus des Frantzösischen Ambassadors [115] Hause / gleich da die Messe aus war / der ward von den Substituten aufgehalten / in deme dieser ihn betrohet / weil Er in der Messe gewesen / er wolte ihn ins Gefängnus führen /damit er etwas spendiren möchte. Der Baur antwortete / Herr! ihr könnet nicht sagen / daß ich in der Messe gewesen / ich hab erst Gold eingenommen für Butter / welche ich seiner Muhme gegeben / ich will /ihr sollet anjetzo mit mir hineingehen / damit ich euch zeigen möge / daß ihr mich unrecht anklaget / da werdet ihr dann aus des Abgesandten Mund hören / daß es euch nicht geziemet / auf die jenigen also acht zu geben / die in seinem Hause aus und ein gehen. Als er dieses gesagt / nahme er ihn bey dem Arm / und wolte ihn hinein ziehen; Der Substitut aber wuste / daß nichts da zu erobren wäre / als Schläge und Spott /und machte sich davon / damit er den Spottreden der Zuseher entgehen möchte. Diß wurde dem Ambassador erzehlet / der sich darob sehr erfreute / und des Bauren Verstand lobte.

57. Ein artlicher Fund - einer Nöthigung zu entgehen
[116] 57. Ein artlicher Fund / einer Nöthigung zu entgehen.

Ein junger Student hatte eine Zeit lang umb eine schöne Schmids-Tochter gebuhlet / unn brauchte nicht viel Mühe ferner zu seinem Zweck zu gelangen. Er schlieff eine Nacht bey ihr / das merckte der Vatter / gienge zornig in die Kammer mit einem heissen Eisen in der Hand / schwur und bezeugte / er wolte ihn umbbringen / wann er nicht alsbald seiner Tochter die Ehe versprechen wolte / weil er sie in ihrer zarten Jugend zu Fall gebracht. Der Student fürchtete sich vor dem Tod / (dann der Schmidt hebte den Arm auf /ihn zu schlagen) und rieffe / man solte nur Dinten und Federn bringen / er wäre bereit / ihr Satisfaction zu geben. Er liesse Dinte durch seine Frau bringen / dann er wolte nicht aus der Kammer gehen / er hätte dann sein Versprechen schrifftlich. Er brachte es zu Papier / wie es dem Schmidt beliebte: Aber er setzte die zwey Wort / vi [117] coactus hinzu / das heisset so viel /als mit gewalt genöthiget. Der Schmidt wolte die Auslegung darüber haben / damit er nicht möchte betrogen werden. Das ist / sagte er / meiner Vor-Eltern Zunahme / welchen ich mit beygesetzt / zu mehrer Versicherung / und euch desto besser zu vergnügen.

Der Schmidt nahme das Papier mit sich / und sprach: Meine Kinder / lasset euch wohl seyn / und ruhet biß morgen früh / niemand wird euch irre machen. Die jungen Leute hatten sich von der Angst /welche ihnen das Hertz genommen / ein wenig wieder erholet / und sättigten sich mit der Lust / welche den jungen Leuten anhängig ist. Der Student bedanckte sich für das Nacht-Lager / welches sie ihme gegönnet / und für ihre gute Tractament / und nahme Abschied.

Da etliche Wochen fürüber waren / und der Schmidt sahe / daß die Liebe bey seinem vermeinten Eidam erkaltet / und Er seiner Tochter vergessen /gienge Er zu einem Advocaten / dem zeigte er [118] seine Handschrifft / mit welcher er verhoffte ihn zu nöthigen; Aber der Advocat zeigte ihm / wie er betrogen worden. Also wurd die Schmiede verdeckt / weil verbotnes Eisen darein kommen war / der Schmidt aber muste mit einem geringern Aidam vor lieb nehmen.

58. Von einer unfruchtbaren Frauen - die sich zu viel hat brauchen lassen
58. Von einer unfruchtbaren Frauen / die sich zu viel hat brauchen lassen.

Ein Landmann / der wohl zu bleiben / und nur eine einige Tochter hatte / verheyratete sie mit einem wohlstehenden Gült-Bauren. Da sie etlich Jahr verheyratet gewesen / und er noch keine Frucht ihrer Liebe sahe /ward er darob betrübt / und beklagte sich dessen gegen seine Tochter mit solchen Worten: Meine Tochter / ich habe wohl Ursach traurig zu seyn / weiln ich zimlich wohl stehe / ihr aber keine Kinder habt. Ist es möglich / daß dein Mann / der so stark ist / sein Handwerck nicht recht kan: Wann deme also / damit das Meinige nicht in fremmde Hände komme / so rathe [119] ich dir in der stille / du sollest dir einen guten Freund trachten / oder einen von deinen Knechten nemen / diesen Mangel zu ersetzē. Ach mein Vatter /antwortete sie / ich habe alle unsere Knechte arbeiten lassen / auch gar den Stall-Knecht nicht vergessen /daß also mein Acker nicht in Brach gelegen: und wann er keine Frucht bringet / so ist der Mangel nicht an den Baurn und Arbeitern. So / meine Tochter / rieff der Vatter / jetzund siehe ich / woher deine Unfruchtbarkeit kommet; Du must dich hinfüro entwehnen /und dich nur einer Pflugschare bedienen. Thustu es nicht / so solle es dich reuen / und gienge von ihr / liesse sie aber mit solchem Befehl gantz bestürtzet.

59. Klugheit eines Vatters - gegen seine verheyrate Tochter
59. Klugheit eines Vatters / gegen seine verheyrate Tochter.

Ein Burgersmann / der im Krieg sich berühmt gemacht / hatte sich verheyratet / kunte aber nur eine Tochter aufbringen / dieselbe gab er einem vernünfftigen Menschen zu Ausgang [120] des funfzehenden Jahrs ihres Alters. Dieser jungen Frauen / welche ihre Kinderschuh noch nicht gar ausgetretten / kam es frembd vor / sich dem Willen ihres Mannes zu untergeben /und beklagte sich darüber offt gegen ihre Mutter /deren / als die einige Tochter / Sie auch das einige Hertz war.

Sie bekam einsten einen sanfften Filtz / und ernstliche Anmahnung von ihrem Mann / welcher sie noch in ihrer Jugend ziehen wolle. Aber sie flohe zu ihrer Mutter / erzehlte ihr weynend / wie ihr Mann sie so übel gehalten / und daß er ihr alle Augenblick auf Schläge trohe. Die Mutter / als eben so närrisch wie die Tochter / fienge mit ihr an zu weinen / und hielte sie auf / biß der Vatter wieder kommen / und hoffte /ihr Sach wohl vorzubringen / daß der abwesende Aidam unrecht haben solte. Der Vatter kame wieder hinein / sie aber verdoppelten ihre Zähren / und schnitten sie mit vielen Seuffzen ab / der Vatter hiesse sie stille seyn / umb zu vernehmen / woher dieses gar gewaltige Seuffzen [121] komme. Mein Mann / sagte darauff die Frau / diß war wider meinen Willen / daß ihr meine Tochter diesem Hencker gegeben / der sie so übel hält. Und darauf fienge sie ihr Seuffzen wieder an / und liesse ihren Mann so wenig berichtet als zuvor. Er nahme seine Tochter bey dem Arm / die weinete / er fragte sie / ob sie ihr Mann geschlagen habe. Sie sagte Nein / aber er hätte ihr darauf getrohet. Da er nun eine nach der anderen gehört hatte /sagte er also zu ihnen: Mein Weib / du bist nicht gescheid / wann ich dich machen liesse / so zerstörtestu eine Ehe / welche du erhalten helffen soltest / umb dein und meiner Ruhe willen. Darnach kehrte er sich zu seiner Tochter / und sagte: Aus / mache dich geschwind zu deinem Mann / und sey ihme gehorsam /bey Straff meines Unwillens. Ich verbiete dir mein Haus / wann du ihn nicht mitbringest. Darauf nahme er sie bey der Hand / und führete sie ein wenig säuberlicher / als man einem Aufrührer thäte / der Hader in einem Hause anrichtete / [122] biß an die Thür / die schluge er hart hinter ihr zu. Die Mutter ward gantz verstarret / und durffte sich nicht regen / die Tochter aber kam gantz bestürtzt wieder zu ihren Mann / der nahme sie mit vielen Liebes-Bezeugungen an / tröstete sie / trucknete ihr die Augen / und machte / daß sie sich wohl abrichten liesse. Dieser Proceß hat zum heilsamen Balsam gedienet / für eine Wunde / die unheilsam worden wäre / wann sie wäre verwarloset /oder nicht recht geheilet worden. Die jenigen Leute lebeten in einer vollkommenen Liebe / und den Vatter /so lang er lebte / bekame grossen Danck von seinem Aidam / und wurd von jederman hoch gehalten.

60. Fledermäuse für Gespenster gefangen
60. Fledermäuse für Gespenster gefangen.

Es giebet so glaubhaffte Leute / so voller Furcht / daß / wann sie ein Geräusch zu Nachts hören / und die Ursach nicht finden können / so bilden sie ihnen ein / es kommen Gespenster / wollen auch andere bereden /daß sie es glauben / [123] und werden unwillig / wann man ihres leichten Glaubens lachet.

In einer Kammer hörte man bißweilen ein Geräusch / und weil man dessen Ursach nicht errahten kunte / glaubete man / es wären unzweiflich gewiß Gespenster. Ein Mann von 60. Jahren schlieffe mit seinem Sohn darinn / und versicherte mich / es wäre nicht daran zu zweiflen. Des andern Tags erbothe sich meiner guten Freund einer / welcher nicht leicht glaubte / daß Gespenster wären / alleine die folgende Nacht / war im Monat May / allda zu schlaffen. Er legte sich / und behielte ein brennendes Liecht / und nahm ein kurtzweilig Buch / nach dem er sich Gott befohlen hatte / umb zu verhindern / daß ihn der Schlaf nicht übermächtigen möchte / und wartete mit Schmertzen auf das / was geschehen solte. Umb eilf Uhren hörte er ein kleines Geräusch / welches sich durch die Menge vermehrte. Er steckte seinen Kopff zum Fürhang herfür / kunte aber nichts sehen / jedoch hatte die Forcht ihme fast das Hertz genommen / [124] daß er gewündschet hätte / zehen Meilen davon zu seyn. Da er endlich sich dem jenigen befohlen hatte / der ein HErr ist über alle Creaturen / stunde er auf / und hatte seinen Degen in der einen Hand / und das Liecht in der anderen / aber er sahe nichts als einen Schatten / und eine Bewegung der Lufft / darnach sahe er drey Fledermäuß / die machten das Geräusch mit ihren Fliegeln / und mit ihren Füssen wider die Wand. Darauf hat er den Lust sie zu jagen mit den Degen / aber er kunte sie nicht fangen / sondern furchte sich / sie möchten ihme in die Haare kommen / da machte er das Kammer-Fenster auf / und liesse die bösen Gespenster hinaus / die kamen hernach nicht wieder /haben auch die jenigen nicht mehr verunruhiget / die ihn in der Kammer gesucht.

61. Betrug der jenigen - die Waar sagen
61. Betrug der jenigen / die Waar sagen.

War zu grosser Vorwitz ist schädlich / und die jenige / welche zukünfftige [125] Dinge wissen wollen / begehren betrogen zu werden. Ein junger Mensch gesellte sich einmahl zu einem / der sich unterfienge waar zu sagen: Er begehrte von ihm / er solte ihm diese Vergnügung thun. Ja / sagte er / ich will euch waar sagen / was euch begegnen wird. Aber man thut nichts umsonst: und jeder Arbeiter ist seines Lohnes wehrt. Er gab ihm einen halben Gulden / und seine Hand / die besahe der Waarsager gar genau / umb die Zeit zu haben seine Lügen anzubringen: Er sagte: Ihr werdet lang leben / dann eure Lebens Linie ist nirgend abgeschnitten. Ihr seyd fromm / wie eine Taube / und wann euer Zorn vorbey ist / so verzeihet ihr leichtlich euren Beleidigern. Ihr liebet das Frauenzimmer / aber lieber ihre Liebe / ihr werdet eine göttliche Heyrat treffen / in eurer Jugend seyd ihr kräncklich gewesen: Aber jetzund befindet ihr euch wohl. Ihr schlaget eurem Vatter nach / der ein tapfferer Mann gewesen /und dem Recht der Seinigen beygestanden. Eure Mutter ist ein [126] Tugendsames Weibe gewesen / und ein Spiegel der Keuschheit / sie that niemanden Unrecht /und liesse jedem das Seinige. Ein Kerl / der dabey war / fienge an zu lachen / und sagte / daß sein Vatter in seinem Heymat gestorben / nicht daß er sein Recht vertheidigte / sondern daß er der Justitz ein Genügen geleistet / und daß ein Gaßconischer Salat ihn umb das Leben / und umb die Begräbnus seiner Vätter gebracht. Seiner Mutter hätte ein hitziges Fieber ihr Leben verkürtzet / daß ihr Leib nicht verfaulen durffte. Mit einem Wort / sein Vatter ward um seines Stehlens willen gehenckt / und die Mutter umb Zauberey willen verbrennt.

62. Ein Weib / welches genöthigt wurde - vor ihren Mann sich zu demütigen
62. Ein Weib / welches genöthigt wurde / vor ihren Mann sich zu demütigen.

Kein Thier ist schwerer zu zähmen / als eine herrische hochmütige / stoltze Frau: Ihr Geist / wie die Italiäner sagen / kennet sich selbst nicht. Es ist nicht nöthig /den Ort zu verschweigen / [127] wo diese Geschicht sich begeben / weilen die Autores denselben entdecket.

Ein Kauffman zu Amsterdam hatte eine wunderliche Frau geheyrathet / die war geschickt zu regieren /und nicht zu gehorchen: Sie machte ihrem Mann viel Beschwehrnüs / darunter die letzte war / welche sie klug und tugendhaffter machte. Sie fiel Abends einsmahls mit ihm in einen Streit / darüber sie so sehr sich erzürnte / dann sie war ihres Zorns leibeigen /daß sie mit aller Macht aus wolte gehen. Der Mann wolte nicht / daß sie umb gesagte Stund in eine Gefahr käme in einem Canal / zog den Haus-Schlüssel ab / aber sie war so grimmig / daß sie ein Fenster aufmachte / sprang auf die Gasse / und kam zu ihren Eltern / da sie ihren armen Mann mit allen Farben recht abgemahlet. Den andern / und folgende Tage sahe der Vatter und Aydam einander auf der Börse / aber der eine sagte nichts von seiner Tochter / der ander nichts von seiner Frau. Endlich verdrosse dem Vatter diß Hauß-Wesen länger also [128] zu sehen / er kunte auch keine solche Scheidung gedulten / sondern fragte ihn /ob er seine Frau nicht wieder zu haben verlangte: Mein Vatter / antwortete der Aidam / ich weiß nicht /wo sie hin ist: Sie ist wider meinen Willen aus dem Hause gegangen / und hat mir noch nicht wissen lassen / wo sie hin ist. Der Vatter antwortete: Sie ist bey mir / und ist nicht aus meinem Hause kommen / seiter sie aus eurem ist. Ich bitte euch / besuchet sie / sie wird alles thun / was ihr haben wollet. Nein / nein /sagte der Aidam / weil sie den Fehler begangen hat /so stehets auch ihr zu denselben zu ändern. Sie solle zu eben dem Fenster wieder hinein gehen / durch welches sie heraus ist kommen / anderst nimm ich sie nicht wieder an. Der Vatter unterliese nicht nach seiner Wiederkunfft der Tochter vorzusagen / was ihre Schuldigkeit ausweise / und ihr rund heraus zu sagen / daß sie sich wieder zu ihrem Mann verfügen müsse. Nach vielen hin und wieder gehen endlich (dann das Weib hatte ihr eingebildet / [129] ihr Mann würde noch frohe seyn / wann Er sie würde bitten dörffen / und bereuete ihren begangenen Fehler /) erbote sie sich wieder zu ihm zu kommen / aber durch die Thür / und im Friede zu leben. Der Mann aber wolte keine andere Condition eingehen / dermassen / daß sie / weil ihr nach der vornehmsten Fahrnus im Hause weh war /sich mit etwas Unmuth von ihren Eltern begleiten liesse. Und weil sie das Fenster offen fande / nahme sie wieder den Besitz ein / der ihr gebührte / mit guter Zufriedenheit des Vatters / und der Mutter / und noch vielmehr der beden Theil / die ihren Gebühr wieder verrichteten.

63. Gedult überwindet alles
63. Gedult überwindet alles.

Es giebet Leute / die ihre Affecten zwingen können /daß sie über die Beschimpfungen unempfindlich zu seyn scheinen. Wann diese Leute nicht rechte Junger unsers Heilandes sind / so weiß ich nicht wer es seyn wird.

Eine Person gutes Wandels / und seltsamer Gedult / befande sich einsten in [130] einer Gesellschafft / vielleicht ihre Gedult zu probieren / wurde von einem ungeschickten angegriffen / der sagte ihm vielerley vor /und bemühete sich das Lob schwartz zu machen. Dieser bewegte aber sich so viel darob / als ein Felse /wann bey grossen Sturmwind die Wellen daran schlagen. Jederman verwunderte sich über der Gedult dieses Socratis / welcher in einem rechtmässigen Zorn einen grossen Hader erwecken hätte können / daraus groß Unglück entstanden wäre. Nicht weniger verwunderten sich die Zuhörer über die Antwort / die er gabe: Könnet ihr mir / sprach er / nichts anders verweisen / als dieses? Ich dachte / ihr wollet mich Dieberey / Ehebruch und anderer Ubelthaten halber beklagen. Lasset uns alle beede lügen / nach eurem sagen bin ich ein lasterhaffter Mensch / nach meinem seyd ihr ein ehrlicher / frommer und tugendhaffter Mann / der niemand beleidiget / und nie affterredet hat. Diese Antwort gereichte dem einen zu Ehren /dem andern machte es verirret / der davon [131] gienge schamhaffter als ein Wolf / der in einem tieffen Graben ist gefallen.

64. Kluge Antwort
64. Kluge Antwort.

In einer Stadt in Niederland / da man nicht Meß hält /als mit Forcht / und in der stille / truge sichs zu / daß auf einen Tag gegen den Abend / nach der Predigt /zween Catholische in die Kirche giengen / nach dem das gröste Getränge vorbey war / und ein Reformirter Burger sie kennte / auch seinen Gefehrten sagte / daß die Kinder des Liechts aus der Kirche giengen / und die Kinder der Finsternus kämen hinein. Ihr habt uns des Liechts beraubet / sagte der Catholische / und wir müssen es unter wärender Finsternus suchen. Wolte damit andeuten / er dörffte seiner Andacht nicht anderst / als in der Finsternus abwarten.

65. Ein Ständlein einem Wolff gebracht
65. Ein Ständlein einem Wolff gebracht.

Ein armer alter Vatter kam einsten Abends von einem Dorff / [132] allwo ihme eingefasset wurden allerley Brocken von Torten / Pasteten / Braten / und Capaunen-Keilen. Er wurde damit verfolget von einem Wolf /der nicht gewohnet war so gute Bißlein zu rüchen. Dieser Alte war mehr tod als lebendig / warff ihme einen Bissen in dem Rachen / den verschlunge er / als den besten / welchen er jemahl gessen / und folgte ihn als unvergnügt auf den Fuß weiter nach / darumb dieser Bettler bemüsset wurde / die Hand in Sack zu stecken: Sonst meynte er / wäre es umb ihn geschehen. Das grobe Anlauffen dieses losen Unzieffers hörte nicht auf / biß die Tasche leer ward. Da dachte der Alte / er wäre schon verlohren / und wuste nicht /auf was für einem Fuß er dantzen solte / bedachte sich also / er wolte ihm ein Ständlein machen / dessen der Wolff nicht gewohnet war / flohe also davon / als wann er eine Blase halb voll Erbis am Schwantz hängend hätte. Da sprach der Alte: hätte ich gewust / daß meine Leyer die Krafft hätte / dich zu verjagen / verfluchtes Thier / fürwar [133] so hätte ich meinen Vorrath erspahret / und wäre mit voller Rantze nach Hause kommen.

66. Ein Paßquill wider das Haus Oesterreich - welcher seinem Autori schädlich war
66. Ein Paßquill wider das Haus Oesterreich /welcher seinem Autori schädlich war.

Es ist allezeit sehr gefährlich / und stehet gar übel /von grossen Herren übelzu reden / in Gegenwart derer / welche von vornehmen Herkommen sind / ob sie gleich im Krieg Feind sind. Diese Histori bezeuget solches / und kan zur Lection denen dienen / welche Vexation treiben / entweder aus Feindseligkeit der Partheyen / oder aus Feindschafft wider die Religion /daß man die Fürsten an Ehren nicht antasten solle /noch weniger die Fürstinnen. Es giebet keine Augustos mehr / welche den jenigen etwas verehren / die übel von ihnen reden.

In den vereinigten Niederländischen Provinzen fande sich einsten ein Scribent / der sich unterstunde eine Schmähe-Karten wider das Hauß [134] Oesterreich dem Gubernator derselben Provinz zu überreichen /welcher aus dem uhralten Hause von Nassau war. Dieser Herr kunte nicht verbergen / wie ihme dieses Papier mißfallen / aber er verbarg den Haß / den er darüber gefast hatte / und sagte ihm nur / er habe den Fürsten aus dem Hauß Oesterreich das Haar wohl abgeschnitten. Ja / Gnädiger Herr / rieffe er / ich hab ein anders unter der Preß / welches ihnen die rechte Farben geben wird. Der Herr sagte / ich muß es auch sehen / und kehrte ihm darauf den Rucken / und erwartete seiner Antwort nicht darauf. Dieses Unthier verhoffte eine gute Verehrung zu bekommen / lässet das Werck eilend fertigen / und dedicirte es Ihrer Excellentz / überbrachte es auch selbst zween Tag hernach. Der Gubernator fande Lügen darinn / welche der Vatter der Lügner selbst nicht hätte nachsagen mögen. Er unterstunde sich / die Durchleuchtigste Infantin zu lästern / deren Tugenden von allen grossen Herren in Europa hoch geehret wurden. Die Tugenden [135] selbst haben sie zu ihren Conterfät gebrauchet / welches sie hernach gehuldiget haben. Er kunte kaum verbergen den Zorn über die injurien / die dem Käiser und König von Spanien angethan wurden: Aber er kunte nicht erdulten / daß der Ruhm / dieser grossen Prinzessin durch einen schändlichen Erdwurm beflecket würde. Er sagte derohalben zu ihm mit einem Angesicht / welches ein Ungewitter prophezeyete / dessen er nur gar zu spat gewar wurde / er solte Nachmittag wieder kommen / sein Lohn wäre schon in bereitschafft. Er bildete sich schon bey nahem ein so grosses Recompens ein / als ein General haben kunte /der einen Sieg über besagtes Hauß erhalten / er kame umb zwey Uhr / und traff seine Excellentz zu Hause an / von welcher Er ordre bekam / hinauf zu steigen /allwo er seinen Hofmeister finden würde. Nach dem er eine tieffe Reverentz gemacht / gienge er hinauf /und traffe ihn in der Antikammer an / der seiner erwartete / und ihn fragte / ob er der Paß quilant wäre. Ja / mein [136] Herr / sagte er / ich hab deren zween wider unsere Feinde gemacht. Wohl / versatzte der Hofmeister / ich habe Befehl / euch doppelte Recompens zu geben / gehet in diese Kammer. Ihn griffen daselbst vier Lackeyen an / und zogen ihn biß auf das Hembd aus / und schlugen ihn mit Ochsen-Sennen tapffer ab. Der Kopf / der das Böse eingegeben / und die Hand /die es geschrieben hatte / bekamen keine Schläge. Einer sagte: Siehe / diß ist für dem Käyser: Der andere für dem König von Spanien. Der dritte / der Befehl hatte / die stärckesten Schläge zu geben: Siehe / diß ist für die Durchleuchtigste Infantin. Der vierdte züchtigte ihn im Namen des Marquese Spinola. Dieser arme Teufel kunte vor Schreyen keinen Athem mehr ziehen / und war gezeichnet an seinem Leibe /wie die Orientalischen Zeuge / bate um Gnad mit zusamm geschlagenen Händē / da ihre Excellentz hinein kam / der ihm einen grossen Verweiß gab / und sagte: Er hätte grössere Züchtigung verdienet / weiln Er ein hohes [137] Hause bey Ehren angetastet / und sagte: Diese Herren / ob sie wohl unsere Feind sind / sollen sie doch nicht von den Lumpen-Gesind gelästert werden. Sey ein andermahl klüger / und erinnere dich / daß das Schmähen eine Pest ist des menschlichen Geschlechts. Dieser arme Teuffel gienge nach Hauß trauriger / als eine Nacht-Haube / und bekandte seinen Freunden / daß sein Fall daher kommen sey / woher er sein Aufnehmen zu haben gehoffet.

67. Die Partheilichkeit in Religions Sachen ist abscheulich
67. Die Partheilichkeit in Religions Sachen ist abscheulich.

Wann die H. Schrifft von demütigen Personen gelesen wird / so machet sie das heilige Körnlein in ihnen wurtzlen / welches in seiner Zeitigung Frucht bringet /voller Liebe gegen den Nächsten / voller Gutwilligkeit gegen einen jeden / und eine vollkommene Einigkeit allenthalben. Hingegen / wann Ehrgeitzige dieselbe lesen / bringet sie nur Zanck / Haß / Parteylichkeit / und Rotten. Wann die H. Schrifft übel ausgelegt[138] wird / ist sie ein schneidendes Messer / welches den verletzet / der es in der Hand hat / unn das Gesetz ist der Dorn / denen die Rosen davon abbrechen wollen. Der Pabst / der die Schlüssel S. Peters in den Fluß warff / und sagte / das Schwerdt S. Pauli würde die Leute mehr zum Gehorsam bringen / der besan sich nicht auf die Demut unsers allgemeinen Herrn / der seinen Einzug zu Jerusalem nahme / auf einem Esel reitend / noch der Wort / welche Er zu S. Peter gesagt: Mein Reich ist nicht von dieser Welt: Stecke dein Schwerd wieder in die Scheide: Ich kan meine Feinde schlagen / mit einer Legion Engel / aber ich will es nicht thun. Wann er sich auf diese schöne Sprüche bedacht hätte / so hätte er wol seiner Heerde keine so grosse Aergernus gegeben.

Es geschiehet auch unter geringen Leuten / daß die Begierde angesehen zu werden / und sich auf den Fliegeln der Gunst vom Volck empor zu schwingen /alleine regiert. Sie rühren das Volck auf / wie der Wind die Wellen / durch [139] ihre Wohlredenheit / und wickeln sie wider ihre Obrigkeiten auf / welche sie bezüchtigen einer Heucheley oder Gottes Verleugnung. Die Papisten heissen die Hugenoten Ketzer /Rebellen / und Gottes Verächter / und etliche unter diesen hinwieder heissen jene Götzendiener / und ihren Pabst den Antichrist / deme sie den Kelch der Vermaledeyung anwündschen / mit allem / was darinn ist / damit er möchte zerspringen. Das Wort Gottes /welches aus eines und des andern Mund gehet / ist so sehr mit menschlichen Affecten vermischet / darum es nicht zu verwundern / wann es an statt der Süssigkeit / Bitterkeit / und an statt der Einigkeit Zweytracht anrichtet. Ich verstehe die jenigen nicht / welche ihr Ammt recht verrichten / sondern etliche ehrgeitzige /welche ihre böse Meynung offtmals mit dem Religions-Eiffer schmüncken.

So lang die entstandene Zerrüttungen / wegen der Gnaden-Wahl wäreten / welche schier grosses Ubel dieser Republic angerichtet / weiln dieser [140] Streit die Gemüter auch zertrennte / und schleichten sich darmit Politische Factionen ein. Viel Meutmacher gab es /die zu fürchten waren. Der Prinz Moritz hienge sich an die Gomaristen / und fast alle Frembde / welche zu Leiden wohnten / legten sich zu den grösten Hauffen. Unter so vielen Aufrührern / welche den Knoten des Streits nicht verstunden / und welche gern in trüben Wasser gefischt hättē / wollen wir einen auftretten lassen / der ein schlechter Meister seines Handwerks /aber in Schalkheit doppelt arg war / welcher verhoffte / durch Hülff seiner grossen Schmähungen / durch den grossen General befördert zu werden / damit die so verschreyte Gegen-Partey möchte zu Boden gelegt werden. Vielleicht mag er das Leben des Aufrührers Artavel von Gent gelesen haben / oder er ist gar von ihm herkommen. Er war aus einer von den Spanischen Provinzen gebürdig / und war sehr zu fürchten.

Die Arminianer waren gantz Schach matt / deßwegen machte sich dieser unruhige [141] an die alte Lumpen der Papisten / sagte gemeiniglich / man solte sie in den vereinigten Provinzen nicht gedulten / noch den Soldaten Quartier geben / welche aus den Orten zögen / die mit Accord von den Spaniern erobert würden: Aber diese bescheidene Nazion / welche nicht an die Einfälle der aufrührischen Flanderer sich binden lässet / die nicht vergnügt sind grosser Freyheit zu geniessen / sondern wollen noch Eisen dazu schmieden /selbe zu zähmen / wolle ihme die Freyheit zu reden nicht benehmen / daß er seinen Gifft an den Fuß eines Felsen hinspeyen möchte. Da dieser tolle Mensch sahe / daß sein Eyffer wider die Arminianer und Papisten ihn nicht biß an das Regiment geholffen / unterstunde er sich denselben zu üben wider alle / welche Er vermeynte unter dem Schein der Religion anzuzäpffen. Aber seine viehische Weise zeigte / daß dieser Eyffer nur zur Larve diente / seine Boßheiten darunter zu verstecken.

Als er einsten in einer Gesellschafft [142] war / entdeckte er / wie er aus dem Pabstumb gekommen / und wie ihn der H. Geist aus dichterer Finsternus als die Egyptische waren / gerissen hatte: Er sprach / ich hab mein Handwerck zu Antorff bey einen Meister einen groben Papisten gelernet / der mir viel Uberdruß wegen seines Aberglaubens und Götzendienstes gab. Endlich weil ich wuste / daß unser Gott eyfferig ist /und nicht will / daß man seine Ehre einem andren gebe; hab ich mir vorgenommen / ihn zu züchtigen /nahme die Zeit in acht / da Er in der Messe war / und bemächtigte mich eines schönen silbern Bechers / der in seinem Hause war / und gienge aus dem Land der Dienstbarkeit / umb zu kommen in das Land der Verheissung. Ein guter Freund / da Er sahe / daß jederman lachte / stunde auf / und sagte: Meister Martin /ich hab euch allezeit für einem ehrlichen Mann gehalten; aber jetzund siehe ich / daß ihr ein Dieb seyd. Was? antwortete er / mit hitzigem Gesicht / wie ein Flanderer im Streit / sollet ihr sagen / ich sey ein[143] Dieb? Bey den Tod des Pabsts / ihr sollet von meiner Hand sterben / oder mirs beweisen. Der andre sagte: Eur eigne Bekentnus verurtheilet Euch. Ich beziehe mich deßwegen auf die gantze Compagnie. Er versatzte: Wann ich alles aus seinem Hause hätte mitnehmen können / hätte ichs gethan / dann er war ein verfluchter Feind Gottes / wegen seines Götzendiensts. Der andere antwortete: Wann Er ein Egypter /und ihr ein Israelit gewesen / sollet ihr es doch nicht gethan haben / ohne ausdrücklichen Befehl Mosis.

68. Ein böses Weib ist die Hölle auf Erden
68. Ein böses Weib ist die Hölle auf Erden.

Das gröste Glück / welches einem ehrlichen Menschen / der sich zu verheyraten Willens ist / begegnen kan / ist ein Tugendsames Weib: Seine Wohlfahrt ist ihme ein irrdisches Paradeis / welches ihme den Weg zum Himmel banet. Kommet es aber anderst / so ist es ein einheymischer Krieg / eine Hölle in der Welt /durch welchen [144] man in die andere kommen kan. Es ist ein Elend ohne Hülffe / ein Gefängnus / dardurch man nicht brechen kan / ausser durch den Tod / es ist eine unvermeidliche Plage /und ein immerwärendes Ubel.

Ein Burger in einer Stadt / gelegen zwischen Mittag und Mitternacht / hatte ein Weib gefreyet / die war böser als der Teufel / und hörte weniger die Billichkeit an / als ein Thier / das selten die Sonne siehet. Als sie einmahl ihren Zorn gegen den Mann nicht auslassen kunte / schwuhre sie / sie wolte sich erträncken / und meynte /sie wolte ihme grossen Trotz anthun. Sie gienge fort / wie eine beschleppte Katze / und der Mann folgte ihr mit der Laute nach / schrie / wer will ein Weib sehen / die sich erträncken will? Da sie an den Canal hin kommen / und sie sich nicht endlich erklären kunte hinein zu springen / aus Furcht vielleicht sie möchte die Schenckel naß machen / und Er der Mann sie in diesem Zweifel sahe / schluge er auf der Laute / und schriehe so laut / [145] daß es die Nachbaren hören kunten: Mein Weib weiß nicht / ob sie leben oder sterben solle. Sie sprange ins Wasser nahe am Rand / und er sange: Mein Weib hat das Hertz sich zu erträncken / sie vermeynte / ihr Mann würde sie abhalten von solcher scheinbaren Verzweifflung / aber er wuste wohl / daß sie sich nur so stellte / und lachte sie aus; Sie kame aber wieder aus dem Wasser / nicht als eine Venus / oder als eine Creatur welche dem Schiffbruch entkommen / sondern als eine höllische Furia / und verfolgte ihren Mann / der davon gienge /und mit lauter Stimme sange: Mein Weib hat sich anderst bedacht / und hat das Wasser zu kalt geacht. Die sich umbbringen wollen / rühmen sich dessen nicht vorher.

69. Ein ansehnlicher Eiffer
69. Ein ansehnlicher Eiffer.

Ein Soldat ein Schweitzer / und Römisch Catholisch /als er in Franckreich von etlichen Frantzösischen Edelleuten gebeten wurde / mit ihnen in Holland zu gehen / den Herren Staden [146] zu dienen / fragte er sie /ob die Holländer Catholisch wären. Es wurde ihm geantwortet / ja: So will ich / antwortete Er / mit euch ziehen. Als er zu des Printzen von Oranien Armee kommen / welche auf dem Feld / und zusamm gestellt war / da er dann weder Pfaffen / noch Mönchen / noch Altär noch Bilder sahe / schriehe Er / er wäre betrogen / er könte den Hugenoten wider die Catholische nicht dienen mit gutem Gewissen. Als dieser Haubtmann sahe / daß er in die transcheen nicht gehen wolte / prügelte er ihn ein wenig: Aber er sagte: bringet mich lieber umb / ich will lieber sterben / als wider meine Religion streiten. Alle Soldaten fiengen an zu lachen / und zu seinem Glück gienge der der Printz vorbey / und wolte wissen / wer er wäre / da ihm alles erzehlet ward / fienge Er an zu lachen / wie die anderen / rieffe ihm / und schenckte ihm einen Thaler / sagend: Mein Freund / damit ihr sehet / daß ihr unter wackren Leuten seyd / die niemand nöthigen / will ich euch einen Trummelschlager geben / [147] der soll euch zu den Spaniern führen. Er bedanckte sich gegen dem Fürsten / und gienge fort. Ein Eyfer / worüber etliche lachten / etliche roth wurden.

70. Mancher schlägets ab - und reuet jhn
70. Mancher schlägets ab / und reuet jhn.

In gemeinem Sprichwort saget man / die Gelegenheit hat fornen Haare / hinden ist sie kaal / anzuzeigen /daß man sie muß in acht nehmen / wann sie sich ereignet / und daß es eine Thorheit sey / darnach zu lauffen: Wann sie den Rucken gewendet / kan man sie nicht mehr aufhalten. Diese kurtzweilige Geschichte /welche in dem lustigen Ort der Welt sich zugetragen /giebet dessen ein mächtiges Zeugnus.

Eine Jungfrau hatte ihre Liebe auf einen jungen Menschen geworffen / der sich derselben durch seine Furchtsamkeit unwürdig gemacht / wie er auch in vielen andern Sachen war / wie aus der folgenden Histori erscheinen wird. Als die Eltern der Jungfrau ihre zarte Neigung gemercket / denen es gefährlich ist [148] sich zu widersetzen / wolten sie einige Hindernus darzwischen machen / daß es die Jungfrau nicht solte mercken: Sie redeten diesen jungen Maulaffen an / und schlugen ihme eine sehr ehrlich- und nutzliche Condition vor / ob er das Hertz hätte / dieselbe anzunehmen. Er gabe diesem Anbringen statt / mehr als sein Hertz den Bewegungen der Jungfrauen gegeben. Sie versprachen ihm ein ansehnliches Amt in Indien / zum Schein auf seinen Nutzen / in der That aber / umb ihn weit von der Jungfrau zu bringen. Er nahme es an /und nahme keinen Abschied von der jenigen / deren er nicht werth ware / welche ihn zum Liebsten haben wolte / und zoge seinen Weg hin. Die arme Verliebte starbe fast vor Unmuth / weil sie sahe / daß sie ihrer Hoffnung solte beraubt seyn / gabe Raum ihrer blinden Liebe / sich vornehmend / den nähesten zu heyraten / der ihr begegnen wurde / der nur ein wenig Ansehen hätte / damit sie sich gegen ihre Eltern rächen möchte / welche ihr diesen Possen zu ihrem besten gemacht. Sie [149] ließ frühe Morgens ihren Wagen anspannen / stiege mit ihrer Magd hinein / und liesse durch den Wald fahren. Ungefähr sahe sie einen jungen Soldaten / einen Hoch-Teutschen / wacker von Person; Sie liesse stille halten / ruffet ihn / und fragte / ob er verheyratet wäre. Er sagte / nein / sie bat ihn hinein zu sitzen / umb sie biß in ein Dorff zu begleiten / welches zwo Meilen von dannen war. Er ist dessen zu frieden / und fähret mit ihr in das Dorff / allwo sie das Mittag-Essen bestellet. Sie satzten sich zu Tische / und die Jungfrau erzehlte ihme die Grausamkeit ihrer Eltern / sie versprach ihme / sie wolte ihn heyraten / und ihme zulassen bey ihr zu schlaffen. Sie lässet ein Bett überziehen / ziehet sich ab / und legte sich nieder / und bate den Soldaten / er solte dergleichen thun / aber er schluge es ab / und gab zu vernehmen /daß er unempfindlicher wäre / als des Apulesi Esel.

Die Jungfrau stunde gantz bestürtzt auf / und fast verzweiflet / daß ihre Schönheit diesen Esel nicht erhitzen [150] kunte / zahlte die Zeche / und führte ihn mit ihr / biß an den Ort / wo sie ihn liesse aufsitzen. Als er des andern Tages vernahme / was Stands die Jungfrau war/ und wo sie wohnet / erkandte Er seinen Fehler /und wendete so viel Fleiß an / biß er mit ihr reden kunte / bat sie umb Verzeyhung / und erbote sich zu allem / was sie wolte / aber die Jungfrau sagte zu ihme / weil die Gelegenheit vorbey wäre / könte er sich vergeblich wieder anmelden. Und also gienge sie in ihr Zimmer / und liese ihn so bestürtzt von ihr / als sie des Tages vorher gewesen / damit er von seinen Gesellen ausgelacht werden möchte.

71. Ein Schimpf in Schertz gezogen
71. Ein Schimpf in Schertz gezogen.

In Sachsen ist eine berühmte Universität / in welcher der Evangelischen Apostel die Theologia gelehret hat / allwo Professores sind / welche für wackere Leute gehalten werden / sonderlich der jenige / von welchem ich reden will / der umb seiner Annehmlichkeit willen [151] öffter bey Hoff / als auf der Universität / und mehr bey den Chur-Fürsten / als bey den Rector war. Ihme widerfuhr einsten von einem bey Hof ein grosser Schimpf / und weil er nicht von solchem Gemüt war /daß er dergleichen verdulden solte / suchte Er Gelegenheit sich zu rächen. Er gienge einsten in ihrer Chur-Fürstl. Durchl. Garten spazieren / und sahe ermelten Hofbedienten. Damit er nun nicht möchte gesehen werden / versteckte er sich hinter einen Zaun /umb zu ersehen / ob er ihm auf etwas erwischen könnte. Er hörte / wie er in seiner grossen Liebe sagte / da er eine zeitige Erdbeer sahe / daß solche von der Hand seiner Liebsten müsse abgepflücket werden. Da er solches ausgeredt / legte er seinen Hut darüber /gehet mit blossem Haupt aus den Garten / und suchte seine Jungfrau / die sich erst angelegt hatte / dieselbe bate er übermässig demütig / sie solte mit ihme in den Garten gehen / dahin sie sich endlich nach vielen abschlägigen Antworten bequemte / dann die Jungfrauen in Teutschland [152] sind mehr von Spanischer gravität /als von Frantzösischer Freundlichkeit. Dieser Professor / der ohne Zweifel das Leben des Clement Marot gelesen / und diesem Cavalier eines anhängen wolte /brache die Frucht ab / und brachte dieselbe der Chur-Fürstin / und hoffierte einen grossen Hauffen hin an die Stelle / den er mit dieses unglückseligen Menschen Hut bedeckte / welcher auch mit seiner Liebsten angestochen kame / und sie bate / sie wolte sich bücken / und die neue Frucht abbrechen / welche sein Hut bedeckte. Sie hebte den Hut auf / und sahe diese stinckende Frucht / die sie schier angerühret hätte. Die Jungfrau flohe im Zorn davon / und hinterliesse ihren Liebhaber mehr todt / als wann er schon drey Tage in Nobis Krug gewesen wäre / da Er wieder zu sich selbst kame / fluchte er mehr Sacrament / Blitz und Donner heraus / als man Aepffel in der Normandie findet / er wolte diesen Cujon / der ihn den Bossen gethan / umbbringen. Darnach bate er seine Liebste umb Verzeihung / [153] bey welcher er nimmer in die vorige Gnade kommen kunte / dann diese stoltze Schöne verstunde keinen Schertz / sondern bliebe bey ihrer Teutschen gravität / und wolte ihn nicht mehr sehen. Sehet / wie sich dieser Professor an diesem Hoffmann gerochen hat / da er ihn umb seine Liebste / und in ein Geschrey bey Hof gebracht. Man saget / die Rache sey süsse: Aber man hat sich zu hüten / daß man niemand dazu bewege.

72. Einfalt eines Bauren
72. Einfalt eines Bauren.

Nichts hoblet die groben Gemüter besser ab / als die Gesellschafften der Gelehrten / oder der Soldaten: das wollen wir beweisen. Ein junger Bauer / grob vom Leib und Gemüth / machte sich zu einen Obersten /der viel Officier bey sich hatte / und begehrte einen Dienst von ihme. Der Oberste / ein artlicher Mann /erkannte dieses Bauren Dumheit / und fragte ihn ob Er wohl eine Pique tragen könne. Wie / mein Herr /sagte er gantz erzürnt / als wann ihm ein Spott wiederfahren wäre / ich will ihrer wohl fünffe tragen. [154] Der Oberste antwortete lachend: Wir suchen dergleichen Leute wie du bist / die starck sind / und unseren Herren wohl wollen.

73. Lustigkeit eines Bauern
73. Lustigkeit eines Bauern.

Eine Compagnie Wallonen waren in einem Dorff logieret / da suchten die Officier eine Kurtzweil / und erfuhren / daß ein Baur da wäre / der etwas einfältig /ihnen genug zu lachen geben könte. Sie liessen ihn kommen / und der Hauptmann fragte ihn / ob er dem König von Spanien dienen wolte: Er sagte: Ach mein Herr / ich bin nie im Krieg gewesen / und weiß nicht /wie mans machen solle. Wir wollen dich es lernen /sprach der Capitän / und der König bedarff solcher Soldaten / wie du bist. Der arme Mann antwortete ihm: Wann er keine tapfferere hat / als ich bin / so wird er nimmermehr die Holländer unter sich bringen / dann ich kan nicht einmahl jemand aushauen sehen. Den Capitain / welchen diese Weise sehr wohl gefiel /fragte / wie er heisse / [155] und steckte ihm einen Thaler in die Hand / liesse ihm auch eine Mußqueten ohne Pulver und Bley geben. Die Nacht kame heran / und Er muste Schildwacht stehen. Etliche bestellte Soldaten fiengen ein Geschrey an auf etlich hundert Schritt weit von diesem Helden. Der Capitain machte ihm ein Hertz / also daß er etlich mahl mit zitterender Stimme ruffte: Wer da? Aber sonder Antwort. Der Capitain hiesse ihn tapffer fluchen / die Feinde damit zu schröcken. Der Bauer rieffe zu Folge dessen: Wer da? bey meiner Seel. Da lachten die Officier / daß sie hätten zerbersten mögen / und einer darunter hiesse ihn schiessen: Er zoge den Hanen offt herüber / und sagte: Mein Gott / erbarme dich der Seele dieses armen Menschen / den ich umbbringen will.

74. Das äusserliche Ansehen betrüget offt
74. Das äusserliche Ansehen betrüget offt.

Reichthumb ist offt besser verdecket unter den Lumpen / als unter [156] schönen Kleidern / und in armen Hüttlein mehr / als unter prächtigen Pallästen / die wohl verwachet sind / und ist keine grössere Betrügerey /als in den äusserlichen Ansehen. Der Fisch ist offt /wo man ihn am wenigsten vermutet. Diese Histori bezeuget es gar fein: Es war ein Mayerhof zu verkauffen in der Stadt Leiden / daß denselben dem Gebrauch nach der jenige haben solte / der am meisten darfür geben würde / da waren viel Bürger in einem Wirtshauß: dahin sich auch dem Ansehen nach ein armer Mann begab / der so übel bekleidet war / daß er nicht durffte in ein Zimmer gehen / sondern liesse ihm eine Kanne Bier in den Gang bringen / und setzte sich so nahe zu der Thür an eine von gedachten Kammern /daß Er die Conditiones vernehmen kunte / wie der Mäyerhof solte verkaufft werden. Wann nun niemand mehr aufbietet / so ists der Gebrauch / umb die Umbstehenden anzufrischen / daß man eine Summa Geldes sehen lässet / umb die Sach zu steigern / also daß dieser Mäyerhof [157] schon auf 20000. Gulden getrieben ward / niemand aber Geld in die Hände nahme / dardurch die Sach umb zweyhundert Thaler gestiagert würde: Da sagte dieser arme Mann / der Thorwärter solte ihm solch Geld geben. Der Thorwarter thut es /und erinnert ihn / er solte sich hüten / daß er sich nicht verbrenne. Mit einem Wort / er bote das meyste / da liese man ihn hinein kommen / und fragte ihn / ob Er Bürgen habe; Er antwortete nein: Alle Umstehende glaubeten / er wäre von Sinnen kommen / man betrohete ihn auch schon mit der Gefängnus: Zween Schergen verwahrten die Thür / daß er nicht davon lauffen kunte. Er sagte zu den Verkauffern: Ihr Herren! Ich hab keine Bürgen hier / aber wann ihr mich wollet gehen lassen / will ich zween holen. Man gab ihm die zween Apostel mit / aus Furcht / er möchte in einen Canal vor Verzweifflung springen / oder davon lauffen / aber er kam eine halbe Stund hernach wieder /und machte die Compagnie bestürtzter / als sie jemals [158] gewesen / dann er legte seine beede Bürgen auf den Tisch / das waren zween Säcke / der eine voll Pistolen / der andere voll Rosinoblen / und fragte / ob sie genugsam wären. Man sagte / ja / und liesse ihn sitzen /tranck auf seine Gesundheit / da man ihn vorher für einen andern gehalten / der das Gefängnüs solte verdient haben.

75. Der Commissarien Justitz ist den Malefitz Personen gefährlich
75. Der Commissarien Justitz ist den Malefitz Personen gefährlich.

Als Franciscus I. König in Frankreich / genandt der Wiederbringer der guten Künste / einsten in der Kirch der Celestiner war / und eines Rentmeisters Grab ansichtig wurde / welcher / laut der Historien / ein guter Mann soll gewesen seyn / der aber durch eine starcke Hof-Feindschafft untergedruckt ward: rieffe er / es wäre schad / daß ein solcher Mensch durch die Justitz solte hingerichtet werden. Ein Mönch antwortete sehr wohl: Er ist nicht von der Justitz / sondern von den Commissarien verurtheilet worden. Gabe darmit [159] zu verstehen / daß die Condition der jenigen fast zu beweinen ist / welche solchen Leuten unter die Hände kommen / da sie dafür ihren ordentlichen Richtern in die Hand kommen solten. Viel grosse Herren seynd darunter bey unsern Zeiten in Franckreich / Holland und Engelland zu kurtz kommen.

76. Streit dreyer Frauen
76. Streit dreyer Frauen.

In der Handels-Stadt Amsterdam / ist nicht weit von der neuen Brucken eine gangbare Gasse / allwo an einem Morgen eine greuliche Schlacht zwischen drey Weibern vorlieffe / welche wohl würdig ist / daß sie hier erzehlt werde. Die Comödianten haben die höllischen Furien niemal besser fürgestellet / und war derCerberus nicht schröcklicher als diese Hexen / welche vom Brandwein lebendig gemacht / und in grausamere Gestalten verstellet wurden / als Ulysses und seine Gesellen. Die eine hielte ihren Schlüssel an dem Rinck / die andre hatte ihre Scheeren / die dritte ihre Hand. Sie hielten einander [160] bey den Haaren / und führte die erste keinen Streich / der nicht das Blut Elen hoch springen machte. Die andere führte ihre Schläge nach dem Gesicht. Die dritte setzte ihre Nägel ein. Ich habe nie ein solch Spectacul gesehen / das mir so zu Hertzen gegangen. Wann bie Nachbaren nicht zugeloffen wären / sie zu scheiden / so hätte der Streit mit ihrem Tod bald ein Ende genommen. Zum ersten machte man sie Wehrloß / aber man hatte grosse Mühe / sie von einander zu bringen / in deme sie einander so fest bey den Haaren gehalten / daß sie nicht nachlassen kunten / biß man ihnen die Haare abgeschnitten. Mit Brüglen wurde nichts ausgerichtet / als daß sie müde gemacht worden. Hätte man ihre Kleider zerrissen / so hätte man sie noch abscheulicher gemacht / dann sie waren im Gesicht schon so blutig /daß man sie nicht mehr kennete. Ein Nachtbaur lieffe mit einem paar Eimer Wassers zu / und tauffte sie so wohl / daß sie im Zittern nachliessen / und dadurch wurden alle umbstehende [161] zum Lachen bewegt / dann er schriehe dazu: Ihr losen Weiber / ich hab euch angesprengt / damit ihr besser werdet.

77. Kurtzweilige Antwort - die ein Mann einem bösen Weibe gegeben
77. Kurtzweilige Antwort / die ein Mann einem bösen Weibe gegeben.

Ein Burger zu Pariß in der Vorstadt St. Germain /hatte seine Nachbarin in Harnisch gebracht / ich weiß nicht wordurch / dann ich kame unter wärenden Hader darzu: Im End / es war eine liederliche Ursach / dann es bedarff nicht viel / ein böses Weib zum Zorn zu reitzen. Dieser Mann war vor seiner Thür gutes Muths / und liesse auf sich schelten / wolte aber Wort umb Wort nicht geben / sondern bliebe nur bey seiner Vertheidigung. Sie schändete ihn tausendfältig: Er aber lachte nur darüber / und sagte nichts als diese Wort: Ihr seyd ein Weib. Die Leute stunden stille /und wolten hören / wie dieser Handel ablauffen wolte; dann das Weib erzürnte sich dermassen / daß sie dem Ansehen nach [162] keine vernünfftige Creatur mehr war. Was / sagte sie / habt ihr wider mich zu sagen? bin ich nicht ein ehrlichs Weib? Der gute Mann / nach dem er offt wiederholet hatte / sie wäre ein Weib /und furchte / sie möchte gar zur höllischen Furie werden / sprach: Ich will mich deutlicher erklären. Sie stellte sich wie die Kanne mit zweyen Oehren / und schaumete vor Zorn / hatte kaum die Gedult / wieder in sein Haus zu gehen. Er aber sprach: Warlich / ihr seyd nichts als ein Weib. Darauf stiesse er die Thür auf / und liesse dieses böse Thier also verstarret / daß sie schier in eine Onmacht fiele / also / daß man sie mit Essig abwischen muste / damit der Gaifer / so aus ihrem Munde lieffe / abgedrucknet werden möchte. Jederman gienge vergnügt davon / es fehlte aber auch nicht an Auslachen. Wann der Zorn überhand nimmet / so verstellet er einen Menschen in ein Vieh.

78. Die eilfftausend Jungfrauen von Cöln
[163] 78. Die eilfftausend Jungfrauen von Cöln.

Der Printz Moritz / war in gantz Europa bekannt /weil er eine von den vortrefflichsten und bescheidensten Kriegs-Schulen aufgerichtet / die jemahl gewesen. Als er den Pfaltzgrafen neben der Königlichen Prinzessin aus Engelland / die erst geheyratet / das Glait gegeben / biß in die Stadt Cöln / ward er daselbst von dem Löbl. Rath mit zimlicher Ehre empfangen / wie es seine und seiner Gesellschafft Qualitäten erfoderten. Als er einsten mit den Burgermeistern durch die Stadt gienge / und nach allerley Sachen /auch nach den Kirchen fragte / wiese man ihme eine Kirche / allwo S. Ursula mit eilftausend Jungfrauen begraben liegen solle. Darauf antwortete der Printz: Wie hat man so viel Jungfrauen in dieser einigen Kirche begraben? Man hätte zu schaffen / daß man ihrer eilftausend in gantz Holland finden solte. Diese Antwort machte [164] die gantze Gesellschafft lachend / ward auch im Lachen heraus geredt.

79. Es gilt alles gleich
79. Es gilt alles gleich.

In Holland / allwo ein Theil des Landes wegen der Höhe zum Ackerbau tüchtig ist / der ander aber / als niedriger / Wießmaten begreiffet / starb der Pfarrer in einem Dorff / da nun die Bauern kaum einen andern bekommen kunten / langete ein Capellan darumb an /welcher in seiner übergebenen Supplication sie versicherte / durch sein Gebet alles zu erhalten / was sie wolten / wann sie nur einig seyn würden. Die Bauren waren sehr froh / daß sie einen so wackeren Mann angetroffen / der wohl ein heiliger zu nennen gewesen /nahmen ihn also an zu ihren Pastorn / und vertrösteten sich auf seinen Segen ohne Zahl / auf Reichthum ohne Ende / und auf ein wohlstehendes Dorff. Er vertruge sich gar weißlich / und verdeckte seine Heucheley unter einer falschen Larve der Andacht / gabe allenthalben ein gut Gerücht von sich / wodurch Er [165] und seine Pfarr-Kinder viel Feindschafft bekamen. Den dritten Sommer nach seinen Eintritt / da die Sonnenstrahlen mit keinem Regen abgekühlet wurden / gabe es eine grosse Dürre / derohalben die Bauren ihn anlieffen / er solte Gott um einen Regen bitten. Die jenige aber / welche Wießmaten hatten / verlangeten dergleichen nit. Der Pfarrer sagte einsten in einer Predigt zu seinen Zuhörern / er werde seines Versprechens er innert / welches er gethan / da er angenommen worden / und fragte sie alle / ob sie einen Regen begehrten: Die jenige / welche Aecker hatten / schriehen mit lauter Stimme / die Trockne wäre ihnen schädlich / die andern schriehen Nein. Der Pfarrer sagte ihnen: Ihr Herren! weil ihr nicht einig seyd / bin ich meines Versprechens ledig / Gott weiß / was uns vonnöthen ist. Hat Er Sorg für die Sperling / so wird Er unser auch nicht vergessen / die wir mehr wehrt sind. Die einen giengen bestürtzt hin / die andern lustig / der Pfarrer machte sich zur Mittags-Malzeit. [166] Was nun einem gefället / das mißfället dem andern / alle Dinge in dieser Welt / so sie hin und her betrachtet werden / sind sie für Mittel-Dinge zu achten / wann man sie recht verstehet.

80. Höflichkeit machet die Dölpel zahm
80. Höflichkeit machet die Dölpel zahm.

Ein Holländer / ein lustiger Mensch / der die Melancholey selbst hätte lachend machen können (seiner Aemter auch nicht zu vergessen / war er bestellt die Hunde aus der Kirch zu jagen) gieng mit seinem Weibe das letzte Jahr von Trier auf Antwerpen. Sie sahe vor Barmherzigkeit unserer lieben Frauen / und er ihren rotzigen Vettern gleich / sie hatten auch in der Religion ungleiche Meynung. Nach dem sie die Kirchen besehen / die ein anders Ansehen als die Holländische haben / darüber die Holländer vergessen das Maul zu zumachen / in Betrachtung so vieler Zierraten / deren sie nicht gewohnet sind / sahen sie das Schloß / und was sonst schönes da war. Sie [167] fragten nun wieder nach dem Weg gen Roterdam / und auf das Schiffe / da er nahe bey den Hafen war / sagte er zu seiner Frauen / Er müste für den Durst trincken /den sie im Schiff leiden möchten / dann sie machte ihn aus / weil er erst vom Tisch kam. Sie giengen in ein Wirtßhaus / und er begehrte eine Kanne Bier. Die Wirths-Tochter / die ein hübsches Brabantisches Mägdlein war / kam in die Kammer / und da sie sich höflich geneiget / fragte sie ihn: Was beliebet dem Herrn? Unser Mann verwunderte sich solcher Ehre /und sagte heimlich zu seiner Frauen: Mein Catharina /bin ich zu Antorff ein Herr / und in Holland ein Hunds-Peitscher. Warlich / ich machte mich der Ehren verlustigt / welche mir diese Jungfrau angethan / wann ich Bier bringen liesse. Darauf fienge er an mit stoltzer Stimme: bringet eine Kanne Wein! Sein Weib fieng an zu gruntzen und zu brummen: Hanns / was thustu / wir werden nicht Gelds genug haben / folgends heim zuzehren. Er antwortete: [168] Es lieget nichts daran / ich hab nie so viel in so grossen Ehren verzehret / und ich will mich dessen in Holland rühmen /hab ich nicht recht gethan / daß ich mein schwartzes Kleid mitgenommen? Mein Gott / sagte er ferner / wie sind die Mägdlein hier so viel artlicher als die in Holland / sehet! was die Höfflichkeit vermag?

81. Kurtzweiliger Streit - zwischen Hanns und seinen Weib Catharina
81. Kurtzweiliger Streit / zwischen Hanns und seinen Weib Catharina.

Eben dieser wolte seinem Weib / die zur Melancholey geneigt war / wie er zur Frölichkeit / eine Kurtzweil machen / und sprach zu ihr / da sie aus unserer Frauen Kirche giengen: daß einsmahls die Gösen oder Bettler / (also nennete man anfänglich die Holländer) nach seiner Hofnung die Stadt Antorff überkommen würden; Er sagte ferner: Carharina / wann dieses geschiehet / so hoffe ich eben das Ambt allhie zu bekommen / das ich in Holland habe. Aber welche Kirche räthest du [169] mir / daß ich begehren solle? Die zu unser Frauen /oder die bey den Jesuiten / die jederman hoch hält /und niemand kan sie genug loben? Hanns / sprach sie / du bist ein Narr / daß du mir von diesen Sachen schwätzest / Gott wird dieses nimmermehr verhängen / und wann es geschehe / so haben eure Pfarrer gar zu zarte Gewissen / daß sie solten in Kirchen predigen /welche voller Abgötterey sind. Hanns antwortete: Man würde die Bilder / Altär / und alle Zierrath von Götzen hinweg thun. Catharina aber rieffe überlaut: Dann würden die Kirchen nicht mehr so schön seyn /und würden eher der Höllen / als Templen gleich sehen: Aber Hanns / werde Catholisch / so wollen wir sehen / daß du hier befördert werdest: Du würdest besser machen haben / die Hunde kommen bey den Calvinisten selten in die Kirchen: dann es sind keine Tafeln darinnen.

82. Kurtzweilige Frage - welche eben demselben gegeben ward
[170] 82. Kurtzweilige Frage / welche eben demselben gegeben ward / und seine kluge Antwort.

Etlich gute Gesellen fragten einsten unsern Hunds-Peitscher: ob er wohl seine beede Aemter gegen einer Stadtschreiber-Stelle in Holland vertauschen wolte: Darauf fienge er so starck / aber mit so guter Manier an zu lachen / daß die gantze Gesellschafft auch dergleichen thun muste. Er sagte: Ihr Herren / mein Rucken ist starck genug hundert Mandel Dorfft zu tragen auf einen Tag. Und mein Kopf / der zwar dick genug ist / ist doch zu schwach / eine kleine Geheimnus eine halbe Stund lang zu behalten. Die Qualitäten des Leibes übertreffen die Gaben des Gemüts: Ich hab auch sagen hören / die Secretarien dörffen keinen Wein trincken: Ich aber verkauffte alle meine Heimlichkeit umb eine Maß Wein. Die Antwort ward für besser befunden / als die Frage: Dann wer sich an seinem Stand vergnüget / der ist glückseliger / [171] als der jenige /welcher sich nach mehrern bewirbet.

83. Ein betrogener Zollner
83. Ein betrogener Zollner.

Die jenige / welche die Gefälle der Holländischen Städte in Bestand haben / werden von ihren Herren scharff beschützet / und die jenige / welche auf einem Betrug erwischet werden / straffet man ohne Nachlaß. Darumb, legen sie Fallstricke / und haben allenthalben ihre Kundschaffter / sonderlich auf die Weinhändler / die sollen keinen Wein anderst als in kleinen Fäßlein verkauffen. Wann einer unter ihnen sich erkühnet / eine Kanne allein wegzugeben / und derselbe ertappet wird / so muß er 400. Gulden Straf geben.

Eine Jungfrau gienge einmahl in eines Kauffmanns Hause mit einem Krug Essig zu holen / ward durch solch einen Kundschaffter ausgespähet / der verbarge sich hinter einer Bute / umb sie im herausgehen anzutasten: Das thäte er so vorteilhafftig / daß sich die Jungfrau nicht mehr aus seinen Händen arbeiten[172] kunte. Sie fienge an zu schreyen / dann sie war schon zum Possen geschicket / dieweil sie wuste / daß die Zöllner nichts auf den Essig zu suchen hatten. Der Zöllner fragte sie; was sie in dem Krug habe: Was hast du darnach zu fragen / antwortete das Mägdlein /lasse mich gehen. Die Nachbaren kamen zusamm /und nahmen sich des Magdleins an / in Meynung / sie hätte verbotene Wahre / aber niemand wolte ihr helffen. Sie war schlau / und stellte sich forchtsam / mit Bitt / er solte sie gehen lassen / aber er sagte / er wolle sie in das Gefängnüs führen lassen / begehrte auch mit gewalt zu kosten / was sie für einen Wein im Krug habe. Sie stellte sich als überwunden / und da sie sahe / daß er die Nase hinein wolte stecken / stiesse sie ihm den Krug mit solcher Gewalt in die Zähne /daß sie ihm deren ein halbdutzent einschluge / darüber ihme sein Blut mit dem Essig über den Kragen herunter geloffen. Sie rieffe: hab ich dich den Essig damit kosten lernen? Die Umbstehenden fiengen darüber an [173] sehr zu lachen / und ihn auszupfeiffen / biß er mit verhülletem Gesicht unter seinen Mantel davon lieffe.

84. Betrug eines Studenten
84. Betrug eines Studenten.

Ein Nordischer Edelmann / war bey einer mißtrauischen Wirthin im Losament / die sich sehr bekümmerte / wann ihr einer schuldig war / er aber schiene so gütig und einfältig zu seyn / da er sonsten von gutem Geschlecht war / daß sie ihre Bitterkeit etlicher massen im Zaum hielte / und ihn alle Augenblick nöthigte / er solte seinen Eltern schreiben / daß sie ihm einen Wechsel schicken möchten; aber ich halte / sie haben ihm dafür einen Brief gefchrieben / er solte die Flucht nehmen / und Banquerote spielen / (als wann solches sich thun liesse ohne Verletzung seiner Ehre / seines Adels / und seiner Reputation / auch ohne Beleidigung Gottes geschehen könte / der uns verboten hat /das jenige einem andern zu erweisen / was wir von anderen nicht leiden wolten) griffe demnach die Sache folgender massen an.

[174] Einer seiner Lands-Leute / ein verdienter Edelmann / der bey selbiger Wirthin im Hause war / nahme Abschied von ihr / und von allen seinen Bekandten /Vorhabens nacher Hause zu reisen. Er wolte ihme mit sammt der Wirthin das Glait biß nach Amsterdam geben: Damit er aber seine Person recht agieren / und diesen Argus / mit seinen hundert Augen / oder vielmehr diesen Drachen schläfferig machen möchte /truge er allgemach seine besten Kleider darvon / füllete hingegen seine grosse Reise-Kisten voll Steine /damit er desto leichter ohne Abschied fortkommen möchte. Die Wirthin gienge vor seiner Abreise fachte in die Kammer / und fande die Kiste sehr schwehr /dahero sie ihr eingebildet / seine Kleider wären noch alle darinnen / versahe sich des Betrugs nicht / sondern zoge mit ihnen nacher Amsterdam / allwo sie sich stellte / als hätte sie etwas zu verrichten. Da sie drey Tag da geblieben / nimmet sie von den einen Abschied / und fraget den andern / ob er nicht wieder nach Leiden [175] wolte. Der gab ihr zur Antwort: Frau /reiset nur hin / morgen will ich unfehlbar hernach kommen / dann ich hab nur noch etliche Briefe zu schreiben. Sie kame wieder nach Haus voll Sorg / und prophezeyete ihr selbst das bevorstehende Unglück. Es vergehen drey Tage / und kamen keine Zeitungen von dem Edelmann / das machte die Creditores aufrührisch / in Ansehung / daß sie sich betrogen bekandten. Da man aber die Kisten aufmachte / da kamen sie mit schwärtzerm Angesicht davon / als ein Glockengiesser. Nachdem sie von dieser Ohnmacht sich wieder erholten / fiengen sie an ihme zu fluchen /und mehr Ungewitters zu wündschen / als dem Ulyssi und seinen Gefehrden begegnet.

85. Der Credit verursachet allezeit Sorg - und offtmahls Verlust
85. Der Credit verursachet allezeit Sorg / und offtmahls Verlust.

Etliche frembde Herren / lauter wackere Leut / zum wenigsten dem Ansehen nach / die fiengen einsten mit einander von Reisen an zu reden / und die schönen Städte zu loben / welche sie [176] gesehen hatten / Einer preisete Somür / der andere zoge Turs hervor / und ein jeder gabe seine Ursachen. Die jenige / welche Italien gesehen / sagten Wunder von den Pallästen zu Rom / von der schönen Stadt Florentz / und von der herrlichen Republic zu Venedig. Mit einem Wort / sie sagten so viel Gutes von Franckreich / Engelland und Welschland / daß sie denen / die nicht darinn gewesen / grossen Lust gemacht / auch dahin zu ziehen. Einer von der Compagnia aus dem Norden her / welcher nur die Sächsische Universitäten gesehen / sonst aber wohl angesehen war / mehr wegen seines Degens /und seiner Courage halber / welche Er in vielen Occasionnen und Quellen mit Ruhm erwiesen / als wegen seiner Kunst aus den Büchern / da er so viel Wunder erzehlen hörte / fragte / ob man auch durch alle diese schöne Länder Credit fände? Sie antworteten alle einmütiglich / nein / und man würde wohl tractiret und bedient / aber man müste die Hände in den Beutel / nicht aber auf das [177] Papier legen. Darauf sagte Er: Ihr Herren / die Stadt Leiden ist allen denen vorzuziehen / die ihr mir erst so sehr gelobet habt /und ich will euch sagen / warumb: Die Bürger sind daselbst sehr höflich / und lassen uns für Edelleute gelten / da es uns keinen Heller kostet. Erstlich fragen wir nach einer Kost: da weiset man uns eine / wir tractiren und sagen zu dem Wirth / er soll Gedult haben auf sechs Wochen / oder zwey Monat / dann werde unser Wechsel kommen. Der Wirth saget dann / mein Herr / es ist nichts daran gelegen / wir wollen noch länger warten / dann wir sehens euch an / daß ihr aus einem ehrlichen Geschlecht seyd. Also seynd wir losiret. Aber es ist nicht genug / wir müssen auch nach der Mode gekleidet seyn. Wir lassen einen Schneider holē. Wann er kommet / unn uns freundlich gegrüsset / bietet er seine spitzige Dienste an. Wir sagen ihme wieder / unser Wechsel werde in sechs Wochen hier seyn. Er solle die Mühe auf sich nehmen / uns zu einen Tuch-Gewändter zu führen. Gar gern /[178] sagt er / mein Herr / und wann er mit dem Kauffmann geredt hat / gehen wir in sein Gewölb. Der dancket und fraget uns / von wannen wir wären / und bietet uns alles an zu borgen / was in seinem Hause ist. Wann wir den Zeug und den Abschied vom Kauffmann haben / sagen wir dem Schneider / er solle das Kleid nach der Mode machen: das verspricht er zu thun. Der Schuster und die Leinwad-Krämerin kom men / und borgen uns mit gleicher Ehrerbietung. Da sind wir brave Edelleute: Aber die Exercitien manglen uns: Wir reden mit den Fortifications- unn Fecht-Meistern / tractiren mit ihnen / und dann auch mit den Frantzösischen Sprach-Meistern. Wir müssen eine Bibliothec haben / und Collegia unter den Professoribus halten / die Buchhändler geben uns ebenmässig Bücher auf borg / die Professores sehen gern / wann ihre Collegia voll werden. In Summa / wir sind Edelleute worden / leben ohne Sorg / und lernen alle Exercitia, dörffen keinen Heller dafür geben / offtmals[179] aber eine Obligation oder Handschrift. Darumb bekennet mit mir / das Leiden an Schönheit und Güte alle Städte in Europa übertreffe. Sie fiengen alle an zu lachen / über diese schöne Auslegung / und einer darunter sagte: Wann aber die Creditores mißtrauisch /und über das lange Warten unwillig werden: Was Raht? So gehen wir nach Amsterdam / antwortere er /und wann wir einen Brief hinter uns an sie gelassen /nehmen wir ein Schiff / und fahren wieder auf heim zu. Wann die Creditores die Ursachē / die uns bewegt ohne Abschied fort zuziehen / vernehmen / und die versprechen ihnen Geld zu schicken / ansehen / so reden sie uns nicht übel nach / damit sie ihr Geld nicht verlieren / endlich wird alles vergessen. Wann wir nach Hause kommen / lachen wir noch über die närrische Einfalt / und plumben Leichtglaubung der Holländer. Etliche Burger / die von diesem Gespräch klug wurden / machten ihnen dasselbe zu nutzen; Darmit ist der Credit so kranck worden / daß er sich nimmer sehen kan [180] lassen. Ein jeder muß sich in acht nehmen / daß er nicht betrogen werde / man darff niemand trauē / als guten Leuten.

86. Man solle sich dessen nicht rühmen - was einem nicht angehöret
86. Man solle sich dessen nicht rühmen / was einem nicht angehöret.

Ein junger Kauffmann ward verliebt in eine Jungfrau /welche vom Leib und Gemüt schön war / dieselbe wurd von ihme mit viel Aufsicht und Respect bedienet / aber nicht mit allem Vortheil / den er verlangt hatte. Er ergötzte sich sehr mit Lesung der Romanen /sonderlich der Astrea / daraus Er eine Oration gelernet / welche Paris der schönen Dianen gehalten / darinn verweiset er ihr demütig / daß seine Dienst noch nichts anders / als Höflichkeit / und noch keine rechte Liebes-Bezeugung erlanget. Da er sie recht für sich befünden / redete er einsten seine schöne Liebste allein an / bringet mit eben selbigen Worten die Klage an / und schlüsset / wie er angefangen / änderte nichts daran / setzte nichts dazu noch davon. Die Jungfrau /welche die Astrea auch gelesen / [181] antwortete ihm frey /nach dem sie ihme wohl zugehöret: Er solte das Blat umwenden / so würde er die Antwort finden / welche die Diana dem Paris gegeben: Es wäre nicht nöthig /daß sie sich darmit bemühete: Sie verliere gar zu viel Zeit darmit: Der junge Mensch gienge mit Schanden davon / weil er sahe / daß seine Liebste ihn ausgelacht / und lernete also mit Schaden / daß man denAutoribus nichts stehlen / sondern nur nachthun darff. Lange Zeit mochte er sich vor ihr nicht sehen lassen /die Jungfrau aber / die seine meriten wohl kennte /wie auch seine Mittel / und Zuneigung / nahm ihn wieder zu Gnaden an / und verwilligte ihm das jenigs / was Paris von der klugen Diana nicht eher / als nach dem Tod des Sylvanders erlangen kunte.

87. Betrug mit dem Harm
87. Betrug mit dem Harm.

Ein junger Parisischer Burger / ein sehr reicher Mann / als er an seinem Weib / welches er sehr liebte / in acht nahme / daß sie Bett-lägerig / und [182] sehr krank war / daß sie die Medici schon verliessen / bekame den Raht / er solte zu den Königlichen Medicum gehen /der in gantz Franckreich der erfahrnste seyn solte. Als er zu ihm kame / bate er ihn / er wolte mit ihm zu seiner Frauen kommen / die sterben wolte. Der Medicus entschuldigte sich / er hätte mit dem König zu thun /und sagte / er solte ihme nur von ihrem Harm schicken / so wolte Er sehen / ob ihr zu helffen.

Der Burger gehet mit Fleiß fort / und thut was ihme befohlen worden / gab das Harm-Glaß einen fürwitzigen Mägdlein / welche aus Dumheit das Glaß fallen liesse / daß es in tausend Stücken zersprungen. Sie wuste nicht / was sie thun solte / und mochte nicht wieder heim gehen / aus Furcht / sie möchte geschlagen werden / entschliesset bey ihr / sie wolte ein anders Glaß kauffen / ihr Wasser hinein zu lassen / und dasselbe dem Medico zu bringen. Als er den Harm besehen / welcher einen gesunden Menschen anzeigte / schriebe er dem Burger / seinem Weibe mangle[183] nichts / als daß er bey ihr schlaffen solte / und daß sie ohne Zweifel sich darauf besser befinden werde. Die ser Mann besuchte seine Frau mit Zufriedenheit / gab ihr des Medici Bericht zu verstehen / und daß er fertig wäre demselben nachzukommen. Sie sagte: Ach mein Mann / was wollet ihr machen / ich bin so schwach /daß ich alle Augenblick des Tods gewärtig bin. Der Mann leget sich mit Ungedult zu ihr / und folget dem Raht des Doctors / aber das gute Weib starb darvon etliche Stunden hernach. Der Burger ward sehr betrübt / gienge zu den Medico / der fragte ihn / wie sich seine Frau gehabe: Mein Herr / sagte er / sie ist gestorben / und euer Raht hat ihr das Leben nicht können verlängern. Der Medicus wurde gantz bestürtzet / und sagte / es sey ein Betrug mit untergeloffen / und daß der Harm / den er gesehen / von einer gesunden Person kommen wäre / begehrte demnach /man solte die Magd darüber fragen. Man liesse sie kommen / und betrohete ihr / wann sie nicht würde die [184] Warheit sagen. Darauf erzehlte das arme Mägdlein alles / was sich zugetragen. Darüber etliche lachten / etliche weyneten.

88. Schändliche Thorheit der Geitzigen
88. Schändliche Thorheit der Geitzigen.

In einer Stadt in Holland lebten und starben zween Brüder / darunter der älteste Burgermeister / beede aber so karg waren / daß sie das Hertz nicht hatten /einen guten Bissen auf ihren Tisch bringen zu lassen /oder sich zu heyraten. Wann der Burgermeister zu verrichten hatte / muste ihn auf gemeinen Kosten ein baar Sameter Hosen gemacht werden / und doch waren sie sehr reich / wie der Erfolg dieser Histori zu erkennen geben wird. Als der Aelteste starb / überlebte ihm der Jüngere noch etliche Jahre / und allezeit in einem schändlichen Geitz / davor. Er nicht ausgehen durffte / damit Er keiner saubern Kleider bedürffte /dann die jenigen / welche Er trug / waren alt und abgetragen. Man wuste doch / daß [185] Er einen Schatz haben müste / weil er fast nichts verzehrte / und seine Eltern doch vermögliche Leute waren / die Religion und Liebe waren gantz vertrieben bey ihm / die Sorg etwas zu erwerben / und zu erhalten / waren gantz eingewurtzelt.

Endlich wurde dieser Alte kranck / eine alte Magd /die seinem Bruder etliche Jahr gedienet / fragte ihm /ob Er nicht einen ehrlichen Mann verlange / der ihn trösten solte. Beliebts Euch / sagte sie / daß ich einen Geistlichen oder Pfaffen kommen lasse. Er antwortete lang nicht / dann Er wuste nicht / in was für einer Religion er sein Leben enden solte / in welchem Er keine gewisse angenommen hatte. Endlich / nach dem Er lang bey sich bedacht / befahle Er seiner Magd / sie solte ihm einen Pfaffen kommen lassen / und sagte /Er wolte sich doch lieber an die alte / als an die neue Lehre hängen. Durch Erinnerung des Pfaffens wurde er endlich bewegt / einer armen Wittib mit kleinen Kindern zween Thaler zu schencken / welches Allmosen / [186] wie klein es auch war / so haben doch etliche gesagt / es habe ihm gereuet / als er sich ein wenig erholet. Es sey ihm wie ihm wolle / er lebete nur etliche Stunden hernach / da der Priester von ihm gienge. Seine Erben vom vierdten oder fünfften Glied fanden viel Säck mit Gold und Silber durch treue dieser alten Magd / welche unter Torfft versteckt waren / und sich auf hundert sechs und funfzig tausend Gülden erstreckten. Die theileten sie unter einander / und spotteten der Thorheit dieser beeden Brüder; Die Magd bekam zwölf tausend Gülden zur Verehrung / und die Burger wolten das Nest sehen / daraus man diese Vögel genommen.

89. Merckwürdige Gesparsamkeit eines Pfaffen in verwichenen Zeiten
89. Merckwürdige Gesparsamkeit eines Pfaffen in verwichenen Zeiten.

Kurtz vor der Unruhe / die in Frankreich und Niederland entstanden / unter dem Vorwand der Reformation / lebete ein Pfarrer nicht weit von der Abtey / genandt Orval / nicht weit von dem Wald-Ardeme / ein einfältiger [187] Mann / aber aufrichtiger / als die meisten derer / die wohl studiret haben / und besser in den Streitsachen und Gewissens-Fragen / als in den Tugend-Ubungen erfahren sind. Dieser Pfaff nahme niemals mehr als achtzehen Pfenning für seine Messe /sechse behielte Er für seinen Unterhalt / sechse gab er den Armen; die helffte vom übrigen war für die Kirchen / die andere helffte für seine Kleider. Einsmahls wurde ihm gesagt / er solte etwas auf seine Alte Tage sparen / oder dahin / wann er kranck würde. Seine Antwort entdeckte sein Vertrauen zu Gott; Er sagte: Unser Vatter verlässet die jenigen nicht / die sich festiglich auf ihn verlassen; giebet er mir Kranckheit /so wird er mir auch Mittel und Gedult verschaffen /dieselbe auszustehen mit ruhigem Gemüt. Alles müssen wir von ihm mit festen Glauben erwarten / und darauf werden wir die Kron deren empfangen / die wohl gekämpfet haben.

90. Ein lächerlicher Raht auf eine närrische Frage
[188] 90. Ein lächerlicher Raht auf eine närrische Frage.

In Holland ist ein Dorff / am End desselben ist die Kirche / welche gebaut worden auf Befehl des H. Wilibalds / genant der Apostel der Provintz. Die Bauren kamen in einem Wirthshause daselbst zusammen /Raht zu halten / wie man die Kirche mitten in das Dorff versetzen solte / was man für Werckzeug dazu bedürffe / und wie viel es kosten würde. Einer von der Gemeine stund auf / und sagte ihnen: Ihr Herren /wann ihr mich Zechfrey haltet / will ich euch einen guten Raht geben. Die Bauern spitzeten hierüber die Ohren höher als die Esel / und der Aelteste darunter sagte / und besonne sich nicht lang / er hätte eine Verehrung wohl verdienet / wann sein Raht gut befunden würde. Ich finde für rahtsam / sagte er / daß wir so viel Häuser auf die andere Seite des Dorffs bauen lassen / dann es ist Platz genug dar / alsdann wird die Kirche in der Mitte seyn. Die [189] Bauren wurden froh /vor Wundern über diesen seltzamen Raht / und beschlossen dem dieses Raht Lycurgus zu folgen / aber sie wurden durch einen Zufall verhindert / welchen sie nicht zuvor gesehen.

91. Der Unschuldige wird gerochen - und Betrug vergehet
91. Der Unschuldige wird gerochen / und Betrug vergehet.

Diese Geschichte bezeuget / daß die Gottlosen reich sind von Erfindungen umb Geld zu erfischen / unter dem Schein der Gerechtigkeit. Man muß gute Schuh anhaben / wann man auf den Dörnen gehen will / und mißtrauisch seyn / wann man nicht will über den Dölpel fallen.

Ein Bauer kam in eine Stadt mit einem Sack voll Geldes / umb seinen Herrn damit zu bezahlen / von welchem Er einen grossen Meyerhof und viel Felder hatte. Dem kante eine schöne Burgerin / welche sein Vorhaben vernichtete / und ihn bate / er solte hinein kommen / Zeug bey einer Verschreibung zu seyn / die sie von einem Notario aufrichten lassen. Er gehet hinein / und versahe [190] sich keines Betrugs / das Weib liesse ein grosses Glaß Wein holen / und hiesse ihn nieder sitzen. Da das Glaß aus war / liesse sie ein anders holen: Der Bauer fragte / wann der Notarius kommen werde: Sie sagte / Er solte ein wenig Gedult haben /und gab ihm so viel zu trincken / biß er voll ward. Man legte ihn auf ein Bett / nimmet ihme seinen Beutel / und das Weib legte sich an seine Seite / und liesse den Ambtmann holen: Der hilffet zum Bossen /und agieret mit den Notario. Er nimmet den armen Bauren gefangen / wie auch das Weib / die versprach ein gutes stuck Geldes / umb Aergernus zu vermeyden. Man trohet dem Bauren mit der Gefängnus / weil Er einen Ehebruch begangen. Er laugnete es / das Weib aber behaubtet dasselbe / also daß Er von so viel falschen Zeugen überwiesen und bezwungen wurde / einen Accord einzugehen. All sein Geld bliebe im Stich / und er setzte noch eine Verschreibung auf / über etliche hundert Gulden / die Er in drey Tagen bezahlen [191] solte / umb das Gefängnus zu vermeyden. Er gienge traurig durch die Stadt / und unterstunde sich nicht zu seinen Herrn zu gehen / den traffe Er ungefähr auf der Gassen an / dieser führte ihn mit nach Hause / behält ihn bey dem Essen / und fragte ihn / warum Er so Melancholisch sey: Darauf erzehlte Er von Puncten zu Puncten sein Unglück / und seine Unschuld / wie er sein Geld verlohren / und eine Verschreibung aufgesetzt. Dieser Herr / der mächtig war /liesse den Ambtmann zu sich kommen / fragte ihn /und da er merckte / daß Er in seinen Reden stammlete / befahle Er / Er solte die Obligation wieder bringen /neben dem Geld / jene zerrisse er / dieses gab er dem Bauren wieder / und betrohete / wann ers nicht thun wolte / solte Er umb sein Ambt kommen. Der Bauer wurde endlich bezahlt / und entledigte sich seiner Schuld bey seinen Herrn / der Ambtmann wurde ausgelacht / und von dem Weib ein Mährle gemacht. Böse Anschläge gelingen allezeit / aber nicht nach der Meynung der [192] jenigen / die sie angeben / sondern einen oder den anderen zum Nachtheil.

92. Lächerliche Furcht eines Geistlichen
92. Lächerliche Furcht eines Geistlichen.

Die heilige Schrifft lehret uns Achtung geben auf das jenige / was unsere Prediger sagen / nicht was sie thun: Dann offtmahls predigen uns die Trunckenbold von der Mässigkeit; die Hurenjäger von der Keuschheit / die Hoffärtigen von der Demuth / und die Geitzigen von der Liebe / etc. Viel ihrer straffen ihre Lehr von der Vorsehung einer Lügen / dessen eine augenscheinliche Probe folget: Unter wärenden Pfältzischen Krieg schickten die Herren Staden zwey tausend Mann unter dem Commando des tapfern Helden / des Prinzen Heinrichs / den unierten Fürsten zu hülffe. Ein Prediger saß auf einer Trummel zu predigen /nahm seinen Text aus dem 91. Psalm Davids / der war dieser: Wann ihrer tausend fallen zu deiner Seiten / und zehen tausend zu deiner Rechten / so wird es[193] doch dich nicht treffen. Und da er predigte / kam eine Kugel geflogen aus des Feindes Stadt / die gienge über das Lager / darüber erschrack der Prediger / ein andere Kugel flog dargegen hinein / über den dritten Schuß stund er auf / verlässet seine Predigt / und seine Zuhörer / denen Er einen Muth machen solte /und flohe davon. Die Soldaten fiengen dermassen an zu lachen / daß das gantze Läger darüber erhallete /und die ihm nachlieffen / kunten ihn nicht wieder zurückführen / so voller Furcht war er. Das Exempel eines Generals giebet den Soldaten mehr Muhts / als die schwache Wort eines Predigers.

93. Kräfftige und merckwürdige Wort
93. Kräfftige und merckwürdige Wort.

Ein Fürst / der sich in Glück und Unglück wohl zu schicken wuste / als Er vom König in Spanien Abschied nahme / umb wieder in Franckreich zu kehren /gab eine artliche Antwort dem Don Lui von Haro /welcher damahl zu Fontarabien war / und bot [194] ihm ein Zimmer in seinem Hof an / da er schon eines dem König in Engelland gegeben / Nein / nein / sprach Er / es wäre zu viel / zween so grosser Bettler in eurem Hause zu beherbergen: Ihr würdet einē Spital daraus machen / und der Hof eines grossen Herrn könte wohl genennt werden der S. Ludwig Hof oder L'hostel Dieu.

94. Lächerliches Gespräch von Unterschied der Religion
94. Lächerliches Gespräch von Unterschied der Religion.

Ein Catholischer Student besuchte einen Reformirten / der ihn höflich tractirte / und ein Glaß Wein neben einer Pfeiffe Taback ihme vorsatzte. Bald hernach gienge ein Fechtmeister hinein / der war Lutherisch /dem folgte bald hernach ein Arminianer. Diese Herren fiengen an zu lachen / wegen des Unterschieds in ihren Meynungen / und ihre Freude wurde grösser / da sie einen Schiffmann dazu kommen sahen / der ein Wiedertauffer war. Zween Portugäsen kamen zu letzt auch darzu / welche nichts dann das alte Testament[195] gelten lassen wolten: Also daß unter sieben Personen sechserley Religionen waren. Man solte gewündscht haben / daß ein Quacker aus Engelland dazu kommen wäre. Aber diese Secte war noch nicht aufkommen /und ware die Frage noch nicht vom wacklen / sondern vom Trincken und Gläser lären.

Der Schiffmann wurde gefragt / ob er ein rechter Wiedertauffer wäre; und ob Er nicht vermenget sey: Dieser Mensch / dessen gröste Kunst war die Melancholey zu vertreiben / und eine gute Gesellschafft lustig zu machen / antwortete: Ihr Herren / meine Religion ist sehr vermischet / dann ich bin mit allerhand Leuten umgegangen / und hab es gemacht / wie die jenige / die gantz Europam ausziehen: Sie lernen der Italiäner Klugheit / der Spanier Gravität / der Frantzosen Lustigkeit / der Teutschen Freyheit / der Engelländer Verachtung / die Ruhmrätigkeit der Schottländer / und die Bescheidenheit der Holländer. Die Herren verzeihen mir / daß ich so einen langen Vortrag mache / die [196] Materie erfodert es / und eure Gedult ist so groß / daß sie das Ende erwarten will. Und ist genug Weins und Toback da / daran ihr euch exerciren könnet. Er fuhre fort / und sagte / meine Religion ist von vielen Stucken zusamm gesetzt / wie ihr vernehmen werdet. Erstlich halte ich es mit den Papisten / dann sie haben viel Feyertäge / ich arbeite nicht gerne / und bin fäuler / als ein fetter Mönch / der kaum gehen kan. Die Lutherische Religion beliebet mir / dann sie fressen und sauffen gern wie ich. Ich halte es mit den Gomaristen / welche allezeit Herren seyn / und auf den Küssen sitzen wollen. Vor diesem war ich ein Diener / und habe keine Ruhe gehabt / biß ich Herr bin worden. Der Leib meiner Religion hänget an den Wiedertauffern / welche lehren / man solle sich nicht schlagen. Diese Lection gefället mir / dann ich rauffe mich nicht gern. Dieses Gespräch vollführte er mit solcher Anmutigkeit / daß vor Lachen der gantzen Compagnie die Zähren aus den Augen geloffen. Aber das [197] Gelächter war noch viel grösser / da Er auf die Arminianer kam / dann einer von der Compagnie fragte ihn / da Er sahe / daß seine Rede aus war / ehe er der Arminianer gedacht / ob er nichts von deren ihrer Religion behalten: Er antwortete: Ich halte von diesen Leuten weniger / als von meinen Hund. Darauf wurde jederman stille / umb zu vernehmen / was für ein Posse aus solcher Auslegung heraus kommen würde: Wann ihr es nicht wisset / sprach Er / so will ich euch sagen warumb / höret nur: Aber er durffte nicht darumb bitten / jederman spitzte die Ohren schon: Er sagte / mein Hund lage auf meinen Küssen /welches auf meinen Sessel lieget / wann ich ihn abtreiben / und ihme das Küß nehmen will / blecket er die Zähne / und hätte schier das Hertz mit mir darumb zu zancken: Diese Herren hingegen haben ihre Sitze verlassen / und weder ihre Augen darüber aufgeworffen / noch ihre Ohren gestutzet: als wolte Er sagen /sie haben die Obrigkeit den Gomaristen abgetrettē ohne einigen [198] gethanen Widerstand. Darauf thate der Arminianer eine schöne Rede: Es ist besser / sprach Er / wann man ein grosses Gewitter vorsiehet / das einen unfehlbaren Untergang nach sich ziehet / daß man sich verwahre / als wann man sich freventlich widersetzet / und dann Leib und Gut verlieret. Lieber Meister / der eine Theil war gar zu schwach / und die Arminianer sind Wiedertauffer worden / sie wolten sich nicht wehren. Nach diesem Gespräch fienge man wieder an in dem Trincken sich zu üben / biß in die Nacht / welche zum Aufbruch antriebe.

95. Kurtzweiliger Betrug - der einem Geitzigen begegnet
95. Kurtzweiliger Betrug / der einem Geitzigen begegnet.

Ein guter Gesell kennete / dem Ruhm nach / einen Wund-Artzt / unterstunde sich ihn zu betrügen. Er wickelte einen Pfennig in ein Papier / das legte er zusamm / und gienge zu denselben Barbierer / das Haar schneiden zu lassen. Da er fertig war / gab er sein Papier dem Barbierer / darnach gienge [199] Er geschwinder davon / als ein Lackey / der ein guten Bissen hinter der Kuche erdappet. Der Barbierer machte ihm eine tieffe Reverentz / und bildete sich ein / er hätte ihme ein Goldstuck gegeben / und der Sache gewiß zu werden / wickelte er das Papier auf / aber als er nichts /als einen kupfern Pfennig darinn fande / gienge er alsbald aus dem Hause / und rieffe diesem Schlangenbalg-Verkauffer von weitem nach.

Der andere / da er seinen Namen nennen gehöret /wande sich zu dem Barbierer / der ihm winckete wieder zu kommen; ich weiß / was ihr wollet / sagte Er /nein / nein / behaltet das gantze Stuck. Da Er diß gesagt hatte / hielte er seinen Hut in der Hand / und schwange sich nach gemachter Reverentz in eine andere Gasse. Der Barbierer gienge mit langer Nase wieder in seine Stuben / und zeigete sein Geld / in Meynung Mitleiden zu erlangen / aber man lachte ihn aus / und einer unter dem Hauffen sagte zu ihm: Wie mein Meister / lasset ihr euch von solch einen Bernheuter [200] dölpeln? Fürwar ihr habt gemeinet / ihr habet von seinem Haar bekommen; Er aber hat das eurige.

96. Ein anderer Barbierer - der erdappet worden
96. Ein anderer Barbierer / der erdappet worden.

Ein anderer Barbierer wurde noch besser vexieret /und sein eitler Ruhme ausgeschrien. Ein Comödiant kam in seine Barbier-stube / sich butzen zu lassen /weil er aber übel geschifftet war / wurde er von dem Meister spöttlich abgewiesen / mit diesen Worten: Es kommen keine Weber in meine Stuben / sie stehet niemand offen / als vornehmen Leuten / die ein gutes Ansehen haben. Der Comödiant / der eine Nasen hatte / gehet fort / und zucket die Achsel / und gedachte auf Mittel sich zu rächen; Den andern Morgen kommet er wieder mit einen Lackeyen / und einem Comödianten-Kleid / darinn er für etwas stattliches angesehen war. Der Meister empfähet ihn ehrerbietig / und führet ihn in einen Saal; dem sagte dieser Rodomont; Er habe etliche [201] Haare im Hintern / die ihm Ungelegenheit machen: Ich bitte euch / sprach er / schneidet mir sie hinweg / ich will euch eine gute Verehrung geben. Gar gern / sprach der Meister / der Herr gedulte sich / biß ich die Thür zumache / und nahme seine Scheere. Der Comödiant ziehet die Hosen ab / und der Barbier butzte dem jenigen den Hintern / den er den Tag vorher abgeschlagen / den Bart im Gesicht zu butzen. Solches hielte ihm der Comödiant vor / und lachte ihn aus. Der arme Barbierer erschracke / und der Comödiant sagte es auch den andern von seiner Pursch. Also gar / daß ein Märle von ihme gesagt / auch das näheste Possen-Spiel von ihm gemacht wurde. Man solle niemand wegen seiner Kleider verachten / dann die Tugend stecket öffter unter alten Lumpen / als unter seidenen Kleidern / und in Bauren Hütten mehr / dann in Pallästen.

97. Grausamkeit - die unter wärenden Burgerlichen Kriegen verübt worden
[202] 97. Grausamkeit / die unter wärenden Burgerlichen Kriegen verübt worden.

Unter wärenden blutigen Tragödien / die der Ehrgeitz / und die Religion angezündet / truge sichs in Frankreich zu / daß ein vornehmer Kriegs-Officier / Reformirter Religion / zehen Soldaten gefangen genommen / die dem König gedienet / denen Er / seinen Gebrauch nach / kein Quartier gab / dann Er gedachte an den Bartholomœi-Abend / und wolte sich darüber rächen / nicht aber erwarten / daß es Gott selbst gethan hätte. Er nöthigte sie alle / einen nach den andern von einem Fenster hinab zu springen in abscheuliche Tieffen / auf spitzige Felsen / daß sie sich in Stüke zerfielen / ehe sie gar hinab kamen. Ihrer neune liessen sich nicht bitten / weil dieses eine Nothwendigkeit war. Der zehend lieffe offtmahl biß hin an das Fenster / als er aber diese Grausamkeiten sahe / die schröcklicher als der Tod selbst waren / gienge er wieder zurück /wie man [203] sagte / daß Er besser springen möchte. Und dadurch machte Er die Zuseher lachend. Da Er sich endlich bezwungen sahe / von den jenigen / denen zu lang wurde zu warten / sagte er: mir giebet man den Sprunge für einmal / ich habe ihn euch zehenmal schon gebracht. Diese Rede gefiele dem Capitän so wohl / daß Er ihn des Sprungs erliesse / der ihn den Hals gekostet hätte / und schenckte ihm das Leben.

98. Von einem berühmten Mathematico, der mitten in einer Gassen gelegen in der Vorstadt St. Germain
98. Von einem berühmten Mathematico, der mitten in einer Gassen gelegen in der Vorstadt St. Germain.

Ein mercklicher Unwill / der aus einer Verachtung entsprang / triebe denselben guten Menschen aus Holland / als man daselbst in grossen Furchten war /wegen der Feinde / die über die Flüsse gegangen / und biß in das Bistum Utrecht kommen waren.

Er kame nach Pariß / allwo Er die Mathematic profitirte / wie er auch hier thate / Einsmals hatte Er sich vollgesoffen / [204] (dann er brauchte wenig Weins / biß sein Kopff tolle worden) Er fiele in den Koth / mitten auf der Gassen / und kunte sich nicht wieder aufhelffen. Seine Bekandte lieffen ihme zu Hülffe / und einer darunter nahme ihn bey der Hand / und sagte zu den andern / der Herr betrachtet die Sterne / umb Calender zu machen / die Prognostica würden gewiß zutreffen. Er antwortete ihnen! Umb Verzeihung / ich habe die Gassen zu Pariß messen wollen: Aber der Koth hatte mich verhindert / und ich will alsbald hingehenamour zu machen / mit der schönesten Jungfrau dieser Vorstadt. Seine Wort / seine schöne Gebärden /und versoffene Postur machten die Leute über alle massen lachend / und er ward in sein Hauß gebracht /und kunte seine Liebste nicht sehen / noch weniger die Gassen dieser grossen Stadt messen: Vielmehr aber ein Possen- Spiel geben in den Burgundischen Hof.

99. Kurtzweilige Rede von zweyen guten Gesellen
[205] 99. Kurtzweilige Rede von zweyen guten Gesellen.

Zween gute Gesellen / die bey der Kirche einen geringern Dienst verrichteten / als die Gräber / kamen auf einen Trunck zusammen / und besonnen sich / daß es in der Kirche etwas zu thun gabe / giengen sie Abends hin mit einer Latern. Einer unter ihnen fiele ungefähr in einen Graben / davon der Deckel weg war/ und darein ein Mensch des andern Tages gelegt werden solte. Man kan dencken / wie Er muß erschrocken seyn / wann man an seinen Gefährten gedencket / der die Laterne trug. Mein guter Freund /sagte Er offtmal / und zitterte wie ein Baumen-Blat /bistu tod? Der andere / deme der Trunck und der Fall neben dem fetten Erdreich / so ihme in das Maul geloffen / die Rede verleget / sagte kein Wort. Dahero dieser / in Meynung Er wäre todt / ihme mehrmal zurieffe / wann Er nicht todt wäre / solte Er einen Arm rühren / und gab ihme die Hand. [206] Auf dieses andere Begehren antwortete ihm der andere trotziglich: Küsse mich im Hintern / so wirstu finden / daß ich noch lebe. Diese Antwort / welche von einem so trutzigen Menschen fiele / machte mehr Lachens / als eine traurige Music.

100. Schöne Antwort - die dem König gegeben worden
100. Schöne Antwort / die dem König gegeben worden.

Henrich der Grosse / redete einsten mit etlichen Herren / und sagte ihnen / er müste geschwind fünf und zwantzig tausend Mann auf die Bein bringen / und daß er folglich auch Patenten in Teutschland schicken müste / auch anders wohin / damit er sein Volck beysamm haben / und seinen Feind vorkommen möchte. Darauf antwortete ein Fürst: Allergnädigster Herr! es ist nicht nöthig / daß Euer Majestät sich so viel bemühen / ich weiß ein Mittel / sechzehen tausend Mann bloß auf Eurer Majestät Befehl zusamm zu bringen / darunter der Adel noch nicht zu rechnen /welcher hurtig seyn wird aufzusitzen / [207] so bald Er sehen wird / daß es Ernst ist mit dem Krieg. Darauf sagte der König: Botz Element / bringet mir diese Leute alsbald zu wegen / aber was ist ihr Beruff? Allergnädigster Herr! es sind Advocaten; Eure Majestät kan deren alsbald sechzehen tausend werben / unn werden ihrer doch zu viel übrig bleiben / das arme Volck auszusaugen. Man darff nicht fragen / ob dieser gute König Ursach gehabt zu lachen / weiln die Compagnia ein grosses Geschrey vor Gelächter machte. Die subtilen Gemüter entdeckten sich durch subtile Antworten.

101. Unzeitiger Eiffer ist allezeit gefährlich
101. Unzeitiger Eiffer ist allezeit gefährlich.

Ein Prediger sagte einsten in seiner Predigt: Die Obrigkeiten wären Götter auf Erden / die Bediente wären die Engel. Diesen Menschen hinderten die Affecten /oder der Ehrgeitz vielmehr / das Wort Gottes lauter und rein zu predigen: Er schalte offt auf seine Obern /daß sie den Papisten [208] durch die Finger sehen / und daß sie den Götzendienst zu verantworten hätten / der unter den Reformierten vorlieffe. Er triebe seinen Eiffer so weit / daß die Obrigkeit seiner Unfug überdrüssig wurde / und ihn auf das Rahthauß vor sich kommen liesse / auch ihm seine aufrührische Wohlredenheit verwiese. Der Richter sagte ihm: Prediget das Wort Gottes mit lieb / sonst werden die Götter die Engel verjagen / und euch aus dem Land der Verheissung in die Wüste schicken. Unter allen / die das Wort Gottes predigen / ist keiner / der es mit mehrer Erbauung / und mehr nach der Lehrart des heiligen Geistes thue / als die jenige / welche es friedfertig auslegen. Die jenige / welche aus ihrem Text gehen /umb ihren Passionen Raum zu geben / verjagen die gute Verständnus zwischen den Mit-Burgern einer Stadt oder Provintz / und an statt / daß sie den Frieden / der uns von unser aller Herren so sehr anbefohlen ist / behaubten / machen sie Zertrennungen. Die vereinigte Niederland [209] haben die Waffen ergriffen umb der Freyheit willen / sie solle gehandhabet werden. Die jenige / welche anderst thun / verfehlen des vornehmsten Ziels unserer Vorfahren / und säen Samen voller Unkrauts. Lasset uns für unsere Brüder bitten /und sie nicht verfolgen / diß ist ein Evangelischer Raht / man muß die Verirrten wieder auf den rechten Weg bringen / durch die Bahn der Süssigkeit / und keines Weges durch Schmäh-Wort.

102. Merckwürdiges Duel zwischen einen Rodomant - und einen Picarter
102. Merckwürdiges Duel zwischen einen Rodomant / und einen Picarter.

Es ist ein Cavalier nach Pariß kommen / welcher sich rühmte / er komme von den vier Söhnen Ammon her /und suchte Schlägereien / wie die Ritter der runden Taffel vor diesen die Begegenheiten gesuchet. Er hätte mit einem Anblick in Staub gelegt den Riesen Ferregus / wann er ihn angetroffen hätte / und alle Zauberey der Urganter hätten die Stärcke seines Arms [210] nicht einen Augenblick aufhalten können. Also ward Er gefürchtet von allen denen die ihn nicht kenneten. Er befande sich einsten in einer Compagnie / da ein jeder aufstunde / ihme Ehre zu erzeigen / als einem andern Mars / ausgenommen ein Picarter / der nichts weiters thäte / als den Rand seines Huts anrühren / mehr aus Bäurischer Wsise / als aus Verachtung. Dieser Rodomont fienge an ihn also zu vexiren / daß er zornig wurde (denn die Picarter sind empfindlich) und sagte ihm / er könne das vexieren nicht leiden. Wie / sagte dieser Cavalier / darffstu auch wohl ohne Zittren vor mir reden? Dessen solle dich gereuen. Der Picarter antwortet: Ich fürchte mich vor euch nicht. Wohl /sagte der Cavalier / wann du des Lebens überdrüssig bist / so komme morgen mit einem Degen da und dahin / der Picarter antwortet: Ich will allein kommen / und deiner nicht schonen. Man wolte sie vertragen /einer aber von der Compagnie / welcher diesen Großsprecher kante / sagte etlichen [211] heimlich in die Ohren /es werde mehr zu lachen als zu weynen geben. Unser Picarter kommet gar frühe auf den Platz / allwo Er länger als eine Stund gewartet / er sahe den Cavalier ankommen / der den Lufft mit seinem Schnauben zerspaltete / welches Er von seinen Vorfahren geerbet /und verjagte damit die Vögel / die sich im Wald zu Fontainebleau verbargen. So bald er den Picater ersahe / machte er wunderliche grumme Mäuler / und viel Bravaden / fragte ihn von weiten / ob Er den Tod nit fürchte / und ob Er des Lebens müde wäre. Komme her / sprach der Picarter / deme diß Großsprechē aufs höchste mißfallen / ich will dirs zeigen. Der Cavalier fragte ihn / ob Er verheyratet wäre und Kinder habe. Ja / antwortete der Picarter / was sorgest du aber darfür? Mache fort / es wird bald geschehen seyn. Ha / sagte der andere / dein Weib / die bald ein Wittibe werden wird / und deine Kinder / als künfftige Wäisen / tauren mich. Ich bin unüberwindlich /und habe schon mehr als zehen tausend [212] Ritter umbgebracht. Wann du der Richart ohne Furcht wärest / und alle Teufel in der Höllen umbgebracht hättest / wolte ich dich nicht fürchten / dein Mitleiden ist nichts nutz; Her! her! tritt herbey / und wehre dich / oder ich bringe dich umb. Der Cavalier nicht ohne Zittern gienge hinter sich / und rief / er solte sich ein wenig gedulten. Ich hab dir noch ein Wort zu sagen / sprach Er / ich siehe / du bist ein wackerer Kerl / es wäre schad / daß du durch meinen Degen umbgebracht würdest. Ich bin barmhertzig / bitte umb dein Leben / so solle es dir geschenckt seyn. Nein / nein / sagte der Picarter /wehre dich / oder ich tödte dich. Weil du nicht wilst um das Leben bitten / sagte dieser theure Held / so bitte ich darumb. Der Picarter / ob Er wohl zornig war / kunte sich nicht enthalten zu sagen: Gehe hin /hüte der Kälber / bey denen kanstu deine Aufschneiderey anbringen / und darffest dich deiner Haut darbey nicht fürchten. Wer in Fried und Ehren leben will / der fange keinen unnötigen Hader an / dann [213] die wenig reden / sind gemeiniglich tapfferer / als die plaudern.

103. Lustig und lächerliches Gespräch über drey unterschiedene Stände
103. Lustig und lächerliches Gespräch über drey unterschiedene Stände.

Ein armer Taglöhner hatte seinen Vatter begraben lassen / und bate den Pfarrer / den Edelmann / und etliche andere zur Abend-Malzeit. Der Taglöhner schiene einfältiger zu seyn / als er war / und der Gott und seinen Nähesten lieb hatte: fragte derhalben den Pfarrer /was Er thun müste / daß Er selig würde: Unser Heyland / sagte der Pfarrer / befielet / daß / wer zum Leben eingehen will / der solle seine Gebot halten. Aber der Bauer antwortete / Herr Pfarrer / thut ihr dieses? Der Pfarrer antwortete: Ich kan es ohne Gottes Gnade nicht thun. Aber / sprach der Bauer / es sind ihrer viel aus Gnaden selig worden / ohne Wercke /wie der Schecher am Creutz / und andere durch eine blosse Busse. Ich bekenne es / sagte der Pfarrer / und diß ist eine sonderbare Gnade des H. Geistes / [214] wann man die gantze Zeit übel gelebet hat / und sich an seinem Ende bekehret. Diese Gnade wird nicht jeden zu theil / wann man aber gute Wercke thut / durch Mitwürckung gedachter Gnade / solang man lebet / so ist man ausser Gefahr / mit dem Feigenbaum verflucht zu werden. Wer gute Wercke thut / der ist in der Gnade /und wer keine thut / der ist ausser der Gnade. Dann eines ist nicht ohne das andere. Der Bauer antwortete: Er wolte sich in keine so tieffe Frag einlassen / er hätte nicht gemeynt / daß sein Pfarrer so gelährt wäre. Ich glaub / es kommen etliche aus Gnaden in den Himmel. Wer sind diese / fragte der Edelman: Der Bauer antwortet / das sind die Edelleute / darnach fienge er an der Edelleute Leben zu erzehlen / die lernen in ihrer Jugend dantzen / Lautenschlagen / reithen / cortisieren bey dem Frauen-Zimmer / fechten / und alles mit guter Manier. Sie schlagen sich / sie bringen die Leute mit guter Manier umb / sie kommen nach Hof / da lernen sie die Gottesfurcht hinter [215] sich hinaus / exeat aulâ, qui volet esse pius. Sind sie im Krieg /so dörffen sie alles thun / eine Schmach vertragen /das wäre dem gantzen Adel ein Spott / der sich nicht anderst als mit Blut abwischen liesse. Wann sie verheyratet sind / halten sie ihre armen Unterthanen übel / und verderben sie entweder mit Processen / oder sonst. Mit einem Wort / weil ihre Wercke sehr unterschieden sind von denen / die die Gedult herfür bringet / und mit welchen die jenige gefüllet sind / die ihr Creutz auf den Rucken tragen / so folget / wann sie selig werden / daß es aus Gnaden geschiehet. Aber /sagte der Edelmann / was saget ihr von den Geistlichen? Es ist gar zu gefährlich von ihnen zu reden / sie haben mehr als einerley Hagel / und sind viel gefährlicher / als die weltliche Herren. Aber wann mir der Herr Pfarrer Erlaubnus giebet / will ichs gerne sagen: Als der Pfarrer dem Edelmann zu gefallen / sonst aber ungern seinen Willen darein geben / so fienge der Edelmann seine Rede wiederumb also an: Die [216] Pfarrer / weß Glaubens sie auch seyen / wollen / daß man ihnen glaube / ohne Ausflucht / sie wollen geehret /angesehen seyn / und die erste Stellen allenthalben haben / um ihres Herrn willen / deme sie dienen. Sie leben köstlich / und können dahero den Weibern nicht feind seyn / der Geitz verdunckelt offtmals die Tugenden / wozu sie sich bekennen / damit sie ihren Herrn würcklich nachfolgen / aber wann sie einem feind sind / der ihnen etwas zu leid gethan / so lassen sie es nicht leicht ausleschen. Darumb saget man gemeiniglich: Odium Theologicum durat in perpetuum. Pfaffen-Feindschafft höret nicht auf. Jederman lachte über diese schöne Auslegung / und war niemand / als der Pfarrer / der den Kopff darob schüttlete / und zu verstehen gabe / daß es ihme mißfallen. Darauf fragte der Edelmann / der auch mit lachte / ob dann die Bauren nicht aus Gnaden selig würden. Herr / sagte Er / diese Leute essen ihr Brod / welches sie im Schweiß ihres Angesichts erwerben / sie tragen ihr Creutz mit Gedult / [217] und werden nach ihren Wercken geurtheilet. Aber ich gestehe / daß in allen Ständen Böse und Fromme sind / und ist ein verderbtes Wesen überal /die gantze Gesellschafft lobte diesen Bauern / wegen seiner guten Vernunfft / und haben dafür auf seine Gesundheit getruncken. Ihr Herren / sagte er ferner /die Frommen greiffet meine Rede nicht an / die Bösen werden darüber lachen.

104. Auf eine spitzfindige Frage - eine artliche Antwort
104. Auf eine spitzfindige Frage / eine artliche Antwort.

Der Graf von Tylli / als Er des Bischoff von Halberstadt Armee geschlagen / wie auch den Grafen von Mannsfeld / zwange die Flüchtigen so wohl als die Generalen sich in Holland / als in einen Ort der Sicherheit zu retiriren. Die Generalen waren willkommen / und gastiret so wol von den Herrn Staden als von dem Printz Moritz / biß die Frantzösischen Troppen ankamen / umb eine neue Armee aufzurichten. Da alle diese Herren einsten zu Tische sassen / fienge man von dem Teutschen [218] Krieg an zu sagen / und gedachter Bischoff fienge an seine Streit und Sieg zu erzehlen. Der Printz Moritz hatte noch nichts gesagt /fienge an: Mein Herr Vetter / ich hab euch viel sagen hören von euern Thaten wider den Wallensteiner /was saget ihr von den Tilli? Darauf kratzete Er am Kopf / und zuckete die Achsel / antwortend / ja mein Herr Vetter / der ist mein Meister / er hat mir offt Lection gegeben / mit meinen Unkosten / und Spott. Aber der Wallensteiner ist so gescheid / wie ich / er muß zu den Tilli noch in die Schule gehen / und ich zu E. Liebden. Alle / die bey diesen Gespräch waren /hatten Ursach zu lachen / und der Printz selbst. Die Erfahrenheit ist eine Meisterin aller Sachen.

105. Von einem Bauern und etlichen Pfaffen
105. Von einem Bauern und etlichen Pfaffen.

Auf einem stattlichen Leich-Banquet / wozu viel Dorff-Pfarrer gebeten wurden / war auch ein Bauer /ein guter Gesell / der nahme in acht / daß [219] sie immer Lateinisch miteinander redeten / und fragte sie ernstlich / warumb sie nicht teutsch reden / daß sie jederman verstehen könte. Einer unter ihnen / der etwas seyn wolte / antwortet / sie wären auf eine Sach kommen / die sich nicht wohl anders als in Latein ausführen liesse. Ihr Herren / sagte der Bauer / ihr branget mit euerm Latein / und ich wette / daß ihr mit aller euer Philosophie mir nicht sagen könnet / wo der HErr Christus hin ist gangen / da Er zwölff Jahr alt war / einer sagte / Er war nach Jerusalem gangen / der andere gen Nazareth / der dritte / er wäre über das Meer Tiberias gangen. Ihr Herren / sagte der Bauer /lasset euchs nicht verdrüssen / ihr wisset nichts / ich bin auf keiner hohen Schul gewesen / und weiß doch mehr / als ihr. Die Pfaffen verwunderten sich seiner Einbildung / da er weder lesen noch schreiben kunte /wolten derhalben / er solte diese Rätzel aufflösen /und baten ihn darumb. Ihr Herren / sprach er / da unser HErr zwölf Jahr überkommen / da gienge er in das [220] dreyzehende. Die gantze Compagnie fienge an zu lachen / über die Spitzfindigkeit dieses Dölpels / der lachte wie die andern / und vermeynte / er habe Wunder gethan.

106. Man erweiset sein Hertz nicht allein in Duellen
106. Man erweiset sein Hertz nicht allein in Duellen.

Ein Frantzösischer Capitain kam in einen Streit mit einem anderen Holländischen Capitain / und sande ihm einen Absagbrief / in die Armee der Holländer. Der Holländer antwortete / weil Er in der Herren Staden Dienst wäre / könte er sie derselben nicht berauben / angesehen / daß sie eben in einer Belägerung begriffen waren / und zu zeigen / daß es ihme am Hertz nicht fehle / wolte er Ihre Durchl. den Prinzen von Uranien bitten / daß er ihm wolte zulassen den ersten Sturm zu lauffen / der auf ein Ravelin gehen soll / und wann er es wolte mit halten / könte er es auch thun.

Sie erhielten Erlaubnus von Ihrer Durchl. und hielten sich so wohl / alle [221] beede / daß sie das Ravelin einbekamen / und wurden von jederman gelobet / auch hernach gute Freunde miteinander.

107. Schöne Antwort eines Verzagten
107. Schöne Antwort eines Verzagten.

Ein guter Kerl / der mehr Hertz im Ansehen / als in der That hatte / dann er war groß von Person / und wackeres Ansehens / bekam einsten eine gute Ohrfeige von einem kleinen Kerl / in beyseyn vieler wackern Leute / und stellte sich nicht zur Gegenwehr. Jederman verwunderte sich seiner Feigheit / einer von der Compagnie fragte ihn / wie er doch diesen Schimpf vertragen könte. Mich beduncket / es sey mir eine grössere Ehre / solches zu leiden / als zu rächen /gegen einen so kleinē Menschen. Aber geborgt ist nicht geschenckt. Wann er einmahl in die Stadt N. kommet / da ich zu Hause bin / will ich ihn zwo dafür geben / die so gut seyn werden / daß Er sein Lebtag daran gedencken wird. Der andere sagte ihm / er solte so lang [222] nicht warten / und wann er einen Tropfen warmes Bluts im Leib hätte / so könte ers auf vierhundert Schritt von dannen beweisen / und / fuhre er fort / ob ich wohl nicht so groß bin als du / will ich dir dochSatisfaction geben / und weisen / daß ich mehr Hertz / als du hast / der du eine Hundsfütische Seele in einem grossen Cörper einquartieret hast. Holla / antwortete der andere dapfere Kerl / es ist eine Tod-Sünde / wann man sich schläget / und der König hat es dazu verboten. Wann ich auf den Platz käme / und bliebe / so käme ich nicht in meiner Vorfahrer Grab. Jederman fieng dermassen an zu lachen / über dieser Antwort / daß die Diener / welche in der Küche schlieffen / darüber aufwacheten / und die Hunde fiengen an zu bellen. Einer von der Compagnie sagte /wann ihr immer dieser Meynung seyd / so werdet ihr lang leben / wann euch nicht bald eine Kranckheit mitnimmet. Ich hoffe / antwortete dieser dapffere Held / ich wolle einsten dem König wider seine Feinde dienen. Der andere [223] sagte / ja das wird auf den Schantzen geschehen / und nicht daß ihr im Streit ziehen wollet. In Summa / er wurde ausgelachet vom Frauenzimmer und Cavalieren / daß er still seyn / und fortgehen muste / ehe er grössern Schimpf bekommen.

108. Von einem jungen Menschen - der keinen Degen trug
108. Von einem jungen Menschen / der keinen Degen trug.

Es giebt junge Leute / die den Degen tragen an der Seiten mehr zur Zierde / als zu etwas anders / und wissen nicht / wie sie ihn gebrauchen sollen. Aber sie betrügen sich sehr / und stellen sich in Gefahr ausgelacht zu werden.

Ein junger Mensch gutes Humors / kam in allerley Gesellschafften / und truge keinen Degen. Einer seiner Freund fragte ihn zum Possen / warum er alleweil ohne Degen gienge / und ob er sich nit fürchte / daß er möchte auf der Gassē / oder auf dem Land angegriffen werden. Lieber Freund / sagte Er / wann ich einen Degen trüge / und wüste ihn nicht zu gebrauchen / so dürffte ich mich nimmermehr [224] vor wackern Leuten sehen lassen. Und wann ich von einem geschimpfft würde / der einen Degen hat / und ich hätte keinen /so könte ich mich allenthalben mit Ehren entschuldigen / und ohne Gefahr denselben zu verlieren / sagen /wann ich einen Degen hätte / hätte Er das Hertz nicht mir etwas zu thun. Und also bleibe ich bey Ehren /und darff mein Leben nicht wagen. Mann muß sich selbst kennen / ehe man sich in Gefahr begiebet.

109. Es ist den Eltern gefährlich - ihre Güter vor ihrem Tod den Kindern abzutretten
109. Es ist den Eltern gefährlich / ihre Güter vor ihrem Tod den Kindern abzutretten.

Man saget ins gemein / die Liebe nehme ab / und die Erfahrung lehret uns / daß die Eltern ihre Kinder mehr lieben / als sie von ihnen geliebt werden / und solches durch ein Geheimnus der Natur / welche nicht allein nach ihrer Erhaltung / sondern auch nach der Vermehrung strebet.

Sehet / warumb die Eltern auf ihr Alter sollen Achtung haben / dann auf [225] die Kinder sich verlassen / ist eben als wann sich einer auf einen faulen Stecken lähnet. Die Vätter und Mütter leben offt gar zu lang denen jenigen / die sie in die Welt gebracht. Hier saget man / ein Vatter kan wohl sieben Kinder ernehren / aber sieben Kinder ernehren kaum einen armen Vatter. Ein merckwürdiges Sprichwort. Ein sehr reicher und sehr alter Vatter hatte fünf Kinder wohl verheyratet / und Er lebte allein in seiner Häuser einem / mit einem Diener und einer Magd / er besuchte seine Kinder offt / und war so willkomm bey ihnen / daß er ohne Vergnügung nicht von ihnen kam. Sie nöthigten ihn hart / er solte seine Güter abtretten / und seine Wohnung nehmen ein Monat bey einen / das andere bey einen andern / dann er würde bessere Gelegenheit bey seinen Kindern / als bey fremden Leuten haben. Sie sagten: Ihr sollet wohl tractieret / und wohl gewartet werden / ihr könnet spatzieren gehen / wann ihr wollet / und wo ihr hin wollet / ihr dörffet nichts thun / als Gott [226] dienen / und euer Leben in Ruhe zubringen: und wann ihr etwas befehlet / soll euch alsbald gehorchet werden. Diese Wort hatten so viel Nachdruckes über diesen Alten / daß er seine Güter alle seinen Kindern einraumete / aber er war der erste / deme es gereuet / das erste Jahr ward er wohl gehalten / das andere merckete er / daß es abnahme / in dem dritten wurd er verachtet / und in dem vierdten /wurd er vexieret von seinen Kinds-Kindern.

Weil Er nun genug Kräffte hatte / dieser unerträglichen Trangsall zu widerstehen / bedachte Er sich einer Liste / die ihm trefflich wohl angienge. Er füllete eine alte Kisten mit Steinen / und gab allen seinen Kindern zu verstehen / er hätte Unbillichkeiten erdultet / er wolte sich aber also nicht halten lassen: Und der jenige / sprach Er / der mich am besten tractiren und mir aufwarten wird / der solle diesen Schatz haben / den ich verborgen / weil ich euch nicht getrauet. Wollet ihr diese Condition nicht annehmen /so will ich mit diesem Schatz [227] anderstwohin ziehen /darunter noch etliche kostbare Kleinodien seynd. Sie versprachen alle / sie wollen ihn wohl halten / mit dem Beding / daß der / welcher seine Schuldigkeit am besten in acht nehmen würde / den Schatz haben solte. Man darff nicht fragen / ob Er nicht wohl gehalten worden / nicht so wegen seiner selbst / als um des Schatzes willen. Die Knecht und Mägde ehrten ihn /die kleinen Kinder gaben ihm einen guten Morgen vor dem Bett / und ward überal wohl gehalten: offt nöhtigte man ihn länger zu bleiben / Gott weiß / ob der gute Alte nicht offt heimlich bey sich gelacht / wann er der Weil allein hatte. Da er merckte / daß es mit ihm zum Ende gehet / befahl Er seinen Kindern einig zu seyn / und verbot die Kisten zu öffnen / biß Er begraben sey: und daß sie alle zusamm den sechsten Tag hernach dieselbe aufmachen solten / alsdann sie seinen letzten Willen finden würden. Sie liessen ihn begraben / und bey den Leichmahl lobete ihn ein jedes / in Meynung / es werde [228] dem andern vorgezogen seyn. Man öffnete die Küste / und nach dem sie nichts als Stein darinn gefunden / wurden sie bestürtzter / als wann ihnen Hörner wären gewachsen. Da sie aber alles wohl erwogen / bekandten sie / ihr Fehler seye groß / und daß ihr Vatter wohl gethan / daß er die Sach also angegriffen.

110. Kurtzweiliger Ausgang eines Duels
110. Kurtzweiliger Ausgang eines Duels.

Ein guter Gesell hatte einen Hader mit einem andern /umb eines Glaß Weins willen angefangen / und sagte / er habe nicht Bescheid gethan. Sie stritten lange Zeit / und der jenige / welcher getruncken / sagte zum andern / er wolte ihn in dem Wald beym Hag suchen des andern Tages / umb zu wissen / ob Er besser mit dem Degen / als mit Gläsern sich wehrete. Der andere gabe ihm die Hand / dann die jenigen / welche den Dampf vom Wein im Kopf haben / die haben zu viel Hertzes.

Sie kamen den andern Tag im [229] Wald mit ihren Secunden / und wusten nicht die Ursach ihres Streits. Sie fragten darüber einen von der Compagnie / der erzehlte es ihnen. Bey meiner Treu / sagte der eine /welcher gefodert / mich bedunckt / es ist mehr Nutzens bey dem Trunck / als beym Schlagen. Lasset uns Frieden machen in dem nähesten Wirthshauß. Solches thäten sie / dann sie hatten mehr Lust zu trincken / als Blut zu lassen.

111. Von einem Blaser zur Alchimisterey
111. Von einem Blaser zur Alchimisterey.

Es war einer in der reichesten Niederländischen Provintz einer / der seine Zeit zubrachte mit der Alchimisterey / der hatte so viel gedistilliret / biß Er alle sein Hab und Gut verdistillieret. Er meynte / er habe die beste Wissenschafft zu stehlen gefunden / und wolte offt davon mit dem Printzen von Oranien reden / aber er wurde durch die Diener verhindert / die sahen / daß er im Kopf nicht richtig war / und traueten ihme nicht. Er gabe einsten zu verstehen / [230] wann man ihm mehr verachten würde / so wolte Er seine Geheimnus dem König in Spanien eröffnen / zum Verderben Hollands. Diß wurde dem Prinzen erzehlet / der ward unwillig /daß man ihm so offt verwehrt vor ihme zu kommen.

Er kame zur Audientz / und der Prinz fienge an zu lachen / bildele sich ein / es wäre ein Abgesandter vom Teufel / dann er war schwärtzer und greulicher als ein Kohlenbrenner / und zween Schmide. Mein Herr / sagte er / und machte Reverentz auf die alte Art / ich hab so viel in dem Bauch der Natur herum gestieret / daß ich mehr Geheimnussen gefunden / als einiger Mensch in der Welt. Aber diß ist das wunderlichste / daß ich die Kunst zu stehlen habe mit dem Harnisch auf dem Rucken / und der Picke in der Hand / solcher gestalt kan ich ein Regiment Soldaten stehlen lassen / und darff keiner den Hals darüber brechen. Mein Gott / sagte der Fürst / so werden wir viel Städte einnehmen / und unsere Feinde bald verderben. Lasset diesen [231] Freund wohl tractiren / und daß man ihme auf meinen Befehl ein guten Recompens gebe. Diß sagte er mit lachendem Mund / dergleichen thaten auch alle Umstehende. Wann er sich gerühmet hätte /er wolte die Soldaten unter dem Wasser marchiren machen / so hätte man geglaubet / der Priester in Brabant / der sich dieser Kunst berühmt hatte / wäre sein Schuler gewesen.

Seither hat man nichts mehr von diesem Laboranten gehöret / man weiß nicht / ob er in Brabant gegangen / allwo er sagte / daß die Tochter des Königs von Maroco / verliebt in ihm / ankommen wäre. Dieses geschiehet nur gar zu ofte daß die Laboranten / und die das perpetuum mobile suchen / das vornehmste Rad ihres Verstands verlieren.

112. Die Tugend krönet das Werck
112. Die Tugend krönet das Werck.

In den See-Städten weiß man von Schiffbrüchen zu reden / folgendes ist werth / daß es allen diesen Historien die Thüre zuschlüsse / umb eine [232] Tugend zu krönen / welche leichter ist zu loben / als nachzuthun. Ein Schiff hatte gescheidert / die darinnen waren /wolten ihr Leben auf Brettern erretten / durch allerhand Mittel / die die Natur giebet in der Verzweiffelung. Ein junger Cavallier sahe eine gar schöne Jungfrau / die wolte ihren Geist aufgeben / die ruffte den Himmel um Hülffe an / Er kunte wohl schwimmen /und kam ihr zu hülff / bate sie / sie wolte auf seinen Rucken aufhucklen / jedoch die Arme ihme frey lassen / als welche die Ruder zu ihrer Errettung waren. Die Jungfrau umbarmet ihn fest / und Er war schon müde von seiner Arbeit / und hatte grosse Noht an das Gestad zu kommen. Sie wurden von denen / die zu hülffe kamen / in eine Herberge geführet / und so wohl bedienet / daß sie den andern Tag sich wohlauf befunden. Der junge Mensch frisch und lustig / hatte schon die Gefahr vergessen / da Er sich dieser Schönen erinnerte / und hielte / sie würde so fertig seyn / sich zu ihm zu legen / als Er war / seine Dienste anzutragen.[233] Er kame zu ihr in die Kammer / und bate / sie wolte ihm die gröste Gunst erweisen. Sie war noch im Bette / lässet sich küssen / und erlaubet ihm noch mehrers /daraus er gute Hoffnung zu noch mehrerm abnehmen kunte: Er machte sich schon fertig weiter fort zu machen / da hielte sie ihn zurück / und stellte ihm ihre Ehre vor. Jungfrau / sagte Er im Zorn / ich hab mein Leben gewagt / eures zu retten / und ihr wollet mir die Liebe abschlagen / die ich so wohl verdient hab / welche ihr ohne mich niemanden auch mir nicht erlauben könntet. Fürwar die Undanckbarkeit solte in so schönen Cörper nicht wohnen / weil es ein Laster ist / welches die Erde nicht kan gedulten / und der Himmel nicht ungestrafft lässet. Da redete die Tugend aus dem Mund dieser Jungfrau / welche von einem mächtigen Feind angegriffen ward / und zeigte ihm / daß sie ihm das Leben schuldig wäre / und daß sie ihr Leben ohne Verlust ihrer Ehre für das Seinige aufsetzen wolte. Aber / sprach sie / ihr [234] hättet besser gethan / wann ihr mich das Leben hättet verlieren lassen / als daß ihr mir es erhalten / damit ich ein Kleinod verlieren möchte / das ich würdiger achte / als das Leben. Nehmet ihr mir die Ehre / so nehmet ihr mir das Leben doppelt / für das einige / das ich von euch habe. Ihr habet schon das Hertz durch eine starcke Verbündnus / das übrige sollet ihr durch eine Heyrat auch haben. Wollet / oder könnet ihr nicht in dieser Bahn bleiben /so lasset mich auf der jenigen / worinn ich euch mit der Tugend allezeit als meinen Erlediger ehren werde. Dieser junge Mensch war gantz verblendet von dem Glantz der Schönheit dieser Jungfrau / bate sie um Verzeihung / und gienge aus ihrer Kammer / damit sie sich mit Gelegenheit anziehen möchte. Darauf setzten sie sich zu Tische / und der Jungegesell vernahme von ihr / wo sie her wäre: Und weil er an ihr eine gute Gelegenheit für sich fande / bote er ihr seine Dienste an /sie zu heyrathen. Sie nahme es gar gern an / und gab ihr einen Ring zum ewigen Zeugnus [235] seiner Liebe. Dem Laster folget Unlust / und der Tugend immerwärende Glückseligkeit nach.

113. Ein jeder redet seinen Vortheil
113. Ein jeder redet seinen Vortheil.

Ein Capitain kam in eine Kirche / mehr aus Fürwitz /als aus Andacht / und mehr zum Spaß / als aus Eiffer: Da hörte Er eine Predigt von einem vornehmen Prediger / der befahl seinen Zuhörern den Fried an / und sagte / man solle ihn von Gott mit aller Demuth erbittē / als welcher ihn allein geben könne. Dieser Capitain / der nicht seiner Meynung war / wuste / daß er in Friedens-zeitē sich unter dem Gehorsam der Gesetz geben / welche in wärendem Krieg darnieder liegen /und aus der Freyheit kommen müste / und verwartete den Prediger vor der Kirche / redete ihn ernstlich an /und halb zornig / daß Er wider sein Handwerck geprediget / welches / wann es aufhörte / müste Er bettlen / oder ein anderes gefährlichers anfangen. Wie /Herr Pfarrer! sprach Er / ists in Ernst / daß ihr den Fried begehret? [236] Ja / mein Herr / antwortete der Pfarrer. Der Capitain versatzte / was sollen dann wir thun? wir arme Soldaten / die nichts anders können. Wollet ihr uns am Galgen hin schicken? Was thätet ihr / wann das Fegfeuer eure Kesseln nicht sieden machte? Ihr würdet so wohl bettlen / als wir. Die Hugenoten bestreiten es mit allen Eiffer. Lasset zu / daß wir es mit dem Degen vertheidigen. Diese Rede gefiele denen so wohl / die zuhöreten / daß sie alle darüber anfiengen zu lachen. Die grossen Herren haben für ihren Haubt-Zweck die Erhaltung ihrer Herrschafften / und geringere die Erhaltung ihrer Kuchen.

114. Geschenck und Gaben vermögen viel
114. Geschenck und Gaben vermögen viel.

Die mit Geschencken streiten / wann sie umb ledige Aemter sich bewerben / erlangen den Sieg viel leichter / als die jenige / welche nichts als Gebet und Demuth mitbringen. Jupiter selbst lässet sich durch diese Waffen überwinden. [237] Ein Englischer von Adel bedurffte in seiner Kirche eines guten Priesters / Er hatte die Gerechtigkeit den Dienst zu vergeben: und liesse etliche junge Kerl predigen / und behielte ihme die Wahl bevor. Nach der Predigt behielte er einen nach dem andern bey der Mahlzeit / und redete sie also an: Ihr habt wohl gepredigt / und mit guter Erbauung / wann ihr mir eine Frag auflösen könnet / die ich euch will vorlegen / so sollet ihr den Dienst haben. Aber saget mir / wer ist des Melchisedechs Vatter und Mutter gewesen. Auf diese Frage wurden sie meistentheils stumm / oder traffen es nicht recht / wie der Edelmann wolte: Dahero giengen viel hinter den Dienst weg /und durffte keiner sich mehr anmelden / aus Furcht /Er möchte eben so viel Ehr davon tragen / als die andern. Ein arger lustiger Gesell / bedachte sich auf alle Weiß und Wege / dachte dieser Frage nach / und fand / es müste eine gute Schmier seyn. Er redete seinen Vatter an / und bezeugte / wann er ihm so und so viel Geldes [238] geben wolte / so solte er ihm nichts weiter vorstrecken. Der gute Vatter wolte sich dieses Sohns loß machen / der ihm beschwerlich war / und viel gekostet hatte / so lang er gestudieret; gab ihm derhalben ein zimlich stuck Geldes / dasselbe thäte er in zween Säcke / in einen das Gold / in den andern das Silber / und kame zu gedachten Herrn / mit seinen beeden Säcken / von welchem Er Erlaubnus bekam zu predigen / und die Ehre mit ihm zu speisen / wie die vorigen. Zum Nachtisch versicherte er ihm / er habe wohl gepredigt / und er solte mit dem Dienst versehen werden / wann er die Frag auflösen könte. Mein Herr / sagte der Student / ich will euch den Vatter und die Mutter Melchisedechs zeigen; sehet / hier bringe ich sie / und wiese die zween Säcke / die nahme der Herr / und gabe ihm die Stelle / sagte auch / er wäre gescheider als alle andere / die darumb angehalten.

Man giebet nichts mehr auf Bitten unn auf Meritē /sondern alles ums Geld / die Recomendationē selbst verliren ihre [239] Kräffte / wann der güldene Regen fället.

115. Von dreyen Plauderinnen
115. Von dreyen Plauderinnen.

In einer Stadt / die ihren Namen von Leiden hat /kamen einsten drey gute Schwestern vor der einen ihrer Thür zusammen / die fiengen alle drey an mit solcher Gewalt zu plaudern / und mit so grossen Eiffer von etlichen Jungfrauen aus ihrer Nachbarschafft übel zu reden / daß man davor hielte / sie würden aus ihren Gespräch nimmermehr kommen / oder vielmehr aus dieser ihrer Verwandlung: Ja / man hätte sie für Säulen gehalten / die stumm wären / wann man nicht an ihren Geberten gesehen / daß sie Lebendige gewesen. Sie redeten heimlich / und gleichsam in die Ohren / damit es niemand hören solte / und waren so bethöret in der Lästerung / daß sie gar mit Mund und Hand sich zusamm verfügten.

Ein guter Freund sasse unfern von ihnen auf einen Stein / und hätte eine Büchsen haben mögen / um diese Plaudertaschen [240] mit einem Pistol-Schuß von einander zu schröcken. Dann auf einen Donnerschlag hatte man sich nicht zu versehen / wiewohl es mitten im Sommer war / dann es war damahl gantz heiter /und die Sterne schienen schon am Himmel / biß gar der Mond aufgienge. Da Er sahe / daß sie am hefftigsten im Reden waren / hebet Er das eine Bein auf /und liesse einen Wind / den er eingefangen gehalten /der prasselte härter als ein Carabiner-Schuß / und hatte grosse Würckung / dann die Weiber erschracken darüber / daß sie an die Thür hinfielen / welche sich aufthäte / daß sie nach aller Länge da lagen. Dieser Kerl fienge also an zu lachen / und alle / die den Schlag gehöret / daß die arme Weiber mit Schand sich verbargen. Es war aber noch nicht alles / dann die Nachbarschafft bekam Wissenschafft davon / und lachten sie lang hernach aus / darüber trugen sie immerwärende Feindschafft auf die Trompete Marine /das weibliche Geschlecht ist leichtsinnig / übel den Leuten nachzureden / und je [241] schlimmer ein Weibsbild ist / je übler redet sie von den Leuten / in Meynung /jederman solle seyn wie sie / das ist ihrer Begierden Leibeigne.

116. Das Streiten von Religions-Sachen tauget nichts
116. Das Streiten von Religions-Sachen tauget nichts.

In vorigen Zeiten / als die Menge der Religionen durch so viel disputiren und widerwärtige Meynungen aufkommen / wurde viel Christen-Blut vergossen. Jetzund / da diese Hitze vorüber ist / disputiret man nur davon / etliche treiben das Gespött daraus / entweder weil sie innerlich gar keiner ergeben sind / oder daß sie über den Eyffer der jenigen lachen / welche sich gar zu sehr der ihrigen annehmen. Engelland ist die Schaubühne / auf welcher viel solcher Tragödien gespielet sind worden / und allwo viel wackere Leute umbkommen sind / unter dem Wüten der jenigen /welche sich von ihren Affecten einnehmen liessen. Jetzund lebet man dar / wie allenthalben / unter der Regierung des jetzigen fried-fertigen König Carl [242] des andern / und diese kurtzweilige Geschicht begabe sich zu Zeiten der vorigen Unruhen / zwischen dem König seinen Vatter / und dem Parlament. Ein Frantzösischer Herr / der seinen Namen mit seinen Schrifften unsterblich gemacht hat / saß einsmahls mit etlichen Englischen Herren zu Tische; Es entstunde unter ihnen ein Streit wegen der Religion / diese vertheidigten die Protestierende / jener die Alte. Es war ein guter Alter am Tisch / der sagte nichts / der lachte nur bißweilen / und erklärte sich zu keinen Theil. Der Frantzoß war übel mit seiner Kaltsinnigkeit zu frieden / und fragte / ob seine Argumenta nicht starck genug wären / die Hartnäckigkeit der andern niederzulegen /und zu was für einer Lehre er sich bekennte. Mein Herr / sprach der Milort / ich erfreue mich / euch zu hören / und verwundere eure grosse Klugheit / aber ich sage euch / ich hab noch keine Religion angenommen. Wie / sprach der Frantzösische Herr / ihr habt schon graue Haar / und saget / ihr seyd noch [243] an keine Religion gebunden. Nein / sprach Er / mich beduncket / es ist noch Zeit / das Parlament verwirffet sie alle /aber sie werden ein neuen Model zu einer giessen /die will ich annehmen. Alle Herren fiengen an über dieser schönen Antwort zu lachen / welche die Diener den Mägden in der Küche erzehlten. Alle Feindschafft- und Mißhelligkeiten sind schändlich wegen des Unterschieds der Religion / allein die Laster und böse Gewonheiten muß man fliehen.

117. Kurtzweiliges Gespräch eines Reformierten Christens mit einem Juden
117. Kurtzweiliges Gespräch eines Reformierten Christens mit einem Juden.

Lustige Begebenheiten dienen den Melancholischen zur Erlustigung. Diese / welche ich erzehlen will / kan dergleichen Würckung haben / wann sie recht aufgenommen wird. Ein Kauffmann hielte mit einem Juden Gemeinschafft / und vexirte sich öffters mit ihm. Als er einsten mit ihm auf ein ernstliches Gespräch kam über das alte Testament / fragte Er ihn / ob er nicht ein [244] Christ werden wolte: Der Jud antwortete: Er hätte gar keinen Lust darzu / weil er sehe / daß die Christenheit in so vielerley unterschiedliche Meynungen und Parteylichkeiten zertrennt wäre: Darauf sprach der Christ: Wann ihr ein Christ würdet / so machtet ihr euch ohne Zweiffel zu den Reformirten / die haben die beste Religion / welche von allem Götzendienst gereiniget ist / da findet ihr kein geschnittenes Bild /allwo man den einigen Gott im Geist anruffet / wie der Jüdische Tacitus erzehlet. Der Jud antwortete: Ich sage / wann ich den Jüdischen Glauben verliesse / so würde ich Catholisch / und nicht Reformirt / dann sie glauben mehr an die ausdrücklichen Wort euers Messiœ / als ihr / sie zweifflen nicht / daß sein Leib im Abendmal gegenwärtig sey / weil Er es gesagt hat. Ihr aber gebet eben die Antwort / wie unsere Vorfahrer gegeben / da sie sprachen / wie kan uns dieser Mensch sein Fleisch zu essen / und sein Blut zu trincken geben? Die Gewalt zu binden und zu lösen wurde von unsern [245] Vättern verworffen / und ihr sprechet / es gehöre auch Gott alleine zu solche Macht. Also / wann ich ein Christ wäre / hielte ich es mit ihnen. Der Christ sprach: man müste sich nicht eben an die blosse Wort halten / sondern an den geheimen Verstand. Ich verstehe es / sprach der Jud / wie die Capernaiter / die sich über solche Lection geärgert.

118. Mißtrauen ist eine Mutter der Sicherheit
118. Mißtrauen ist eine Mutter der Sicherheit.

Es ist allezeit gefährlich / ja gar Lebensnachtheilig für einem Reisenden / wann er Geld sehen lässet. Ein junger Frey-Reuter kam zur Armee des Prinzen von Uranien / welcher die Stadt Grol belägert hatte / der liesse auf seinen Karren einen Frantzosen / der sich für einen Pfarrers Sohn ausgabe / und nicht Holländisch kunte / aufsitzen. Gedachter Frey-Reuter / der einen Sack in den Armen truge / darinnen er ungefähr 400. Gulden hatte / und war unwillig / daß er zu Arnheim keinen Karren haben kunte / der um 5. [246] Uhren früh fortfuhre / damit er noch zur Convoy kommen möchte / die von Zutfen umb 9. Uhr fort wolte. Als er nun vernahm / daß es nur noch drey Meilen dahin hatte /sagte er / er wolte den Weg wohl zu Fuß lauffen /wuste nicht / daß die Meilen in diesem Land so viel grösser / als in Holland sind. Mein Herr / sprach der Frantzoß / ich will mit euch gehen / so frühe ihr wollet / in Meynung / er wolte das Geld bey dem Kopf erwischen / und den Frey-Reuter umbbringen / der allezeit voran marchirte / und sich nichts Böses versahe / jedoch fragte er ihn ein- oder zweymahl / warum er zurück bliebe / und setzte allgemach einen Mißtrauen in diesen Beutelschneider. Endlich kame er zu einen Graben / liesse mit einem Zulauff zu dem Steg / der war von einem dicken Bret gemacht / und kehrte sich umb / da Er auf den Steg war / da sahe Er diesen Kerl auf sich loß gehen / mit blossem Degen in der Hand /daß er ihm eines hinterwerts versetzen möchte: Da zog der Frey-Reuter auch geschwind vom [247] Leder / und bliebe auf seinen Vortheil stehend; Wie / sprach Er /sollstu mich unredlicher Weise von hinten angreiffen? Er antwortete: Der Herr verzeihe mir / ich habe nichts Böses im Sinne gehabt / sondern es ist etwas von meinem Urin auf das Hefft meines Degens kommen. Diese Entschuldigung passirte für gut in dieses leichtglaubigen Frey-Reuters Sinn / aber er wolte nicht mehr zugeben / daß er hinter ihm bliebe / sondern liesse ihn von weiten an der Seite gehen. Zu Zutfen hat er einen güldnen Ring gestohlen einem trunckenen Menschen / daraus erkennte ihn der Frey-Reuter / daß er ein Beutelschneider gewesen / und wolte ihn nimmer bey sich in Gesellschafft haben.

119. Eines jungen Edelmanns gestraffter Hochmuth
119. Eines jungen Edelmanns gestraffter Hochmuth.

Etliche fremde Herren haben sich in ein Holländisches Schiff begeben / umb die vereinigte Provintzen zu sehen / und einer Belagerung beyzuwohnen / die der dapffere Printz von [248] Uranien vorgenommen / um daran den ersten Grund in der Kriegs-Kunst auf der besten Schuel / die einmahl gewesen / zu machen /und unter solch einem Lehrmeister / der diese Wissenschafft so wohl verstanden / als jemand in dieser Welt. Einer unter ihnen war ein wenig zu verwegen /und wuste nicht / daß die Schiffleut ihnen auf ihren Schiffen so grosse Oberherrlichkeit vorbehalten /lachten sie aus / wann sie an den Segeln oder Seilen umbgiengen: Diese aber verstunden den Schertz nicht / weil sie entweder die Sprach nicht kunten / oder weil sie gar zu fleissig auf ihre Arbeit Achtung gegeben /dann der Wind bließ in die Segel / und gaben also den Worten dieser Auskrochenen Jugend kein Gehör. Endlich hienge einer darunter aus fast Lebens-gefährlicher Verwegenheit / einem Schiffer den Hacken an das Bein / der ein Seil aufspannen wolte / also / daß er nach der Läng über den Bort fiele. Darüber wurden die Schiffer so sehr ergrimmet / daß sie alle zulieffen /ausser dem jenigen / der bey [249] dem Steuer-Ruder saß /hatten Prügel und Stricke / und strigleten ihn unbarmhertziglich / und wolten denen kein Gehör geben / die für ihn baten. Ja / sie waren so grimmig / daß sie ihn banden / ihn ins Meer zu werffen / und einen andern Jonas aus ihm zu machen. Ein alter Mann aber / der beede Sprachen verstund / gabe ihnen zu verstehen /sie solten gnug daran haben / daß sie ihn so wohl abgeschmieret / solten im übrigen es seiner kindischen Unwissenheit verzeihen / darüber verliessen sie ihn unter den Armen seiner Gefehrten. Ist eine gute Lection für die Reisenden / welche lehret / wie man die Verwegenheit / die die Unwissenheit begleitet / ändern solle. Man reiset deßwegen nit aus / daß man solle braviren / sondern daß man sich in allen Tugenden und guten Sitten geschickt mache / und eine auf Erfahrenheit gegründete Wissenschafft erlange.

120. Einfalt etlicher Bauern
120. Einfalt etlicher Bauern.

In einer Gegend in Franckreich sind die Inwohner reich / wann [250] sie wenig haben / angesehen / wann sie wenige Ehre besitzen / gelährt / wann sie ein wenig gestudieret / und dapfer / wann sie gleich ihrē Feind nicht geschlagen. In selben Land war ein junger Freyherr / erst neulich aus fremden Landen ankommen; Dem thaten die Bauern die Ehre an / und bewillkommeten ihn. Der Freyherr tractirte sie höfflich mit zwey oder dreyerley Weinen / und erzeigte ihnen so viel Gutes / mit frölichem Angesicht / daß der Vornehmste darunter / der es zum wenigsten seyn wolte / sie alle auf eine Seite führte / da der Freyherr weg gienge /und sagte ihnen / ihr Herr hätte so leichte Schuh an /dann sie waren nach der Mode / und wäre von nöthen / daß sie ihm ein neues paar machen liessen. Ihr Herren / sprach er / unser Herr hat auf seinen Reisen gar viel Geldes anworden / daß ich dafür halte / er habe nicht mehr so viel / daß er ihme ein neues par machen liesse. Darum / wann ihr guten Rath folgen wollet /wollen wir ihme ein par machen lassen mit vierfachen Sohlen / und zwey oder [251] dreyhundert Nägeln / das wird ihm aufs wenigste drey Jahr halten. Dieser Raht gefiel allen wohl / und da die Schuh fertig waren / brachte man sie dem Herrn / der nahm sie an mit solchen Gelächter / daß es nicht auszusagen. Die Bauern wurden wieder verehret / und die Schuh wie ein Heiligthumb aufgehebt / welche nun die Zeit endlich verzehret hat. Sind die Bauern damahl einfältig gewesen / so sind sie heut zimlich gescheid / und loß genug gemacht worden durch die Unheil / so sie in diesen langwierigen Kriegen ausgestanden.

121. Wunderliche Würckung der Gewonheiten
121. Wunderliche Würckung der Gewonheiten.

In einer Stadt / welche eine Republic von den Ubergebliebenen der Allermächtigsten / die jemahl gewesen /aufgerichtet / welche umgekehret worden durch Ehrgeitz ihrer Dictatoren: In dieser Republic / welche bey dreyzehen hundert Jahren her floriret / wegen ihrer unvergleichlichen Policey / und welche lange Zeit die Ottomannische [252] Pforten in zweiffelhafften Gedancken erhielte / eine Stadt einzunehmen / deren Belägerung länger als vor Ostende gewähret / da geschahe diese lächerliche Begebenheit / die ich erzehlen will.

Ein Kerl von gemeinen Pövel / der sich mit Mistladen / und Häußlein auch Rinnen fegen nehrte / gienge einsten für eines Apoteckers Hause / dem stiegen die starcke Geruch so sehr im Kopf / daß er in Ohnmacht fiele / und lang für tod da lage. Die Nachbaren lieffen allenthalben zu / und brachten mit Raht und That /was von nöthen / ihn wieder zu recht zu bringen: Aber vergebens / daß man endlich keine Hoffnung zu seiner Gesundheit mehr hatte. In dem gehen zween München vorbey / die fragten / warumb die Leute so beysamm stünden: Man erzehlte ihnen / was sich zugetragen / und was für eines Handwercks der Ohnmächtige wäre. Darauf sprach der eine / welcher ein guter Philosopus war / und wuste / daß die Kranckheiten durch widerwärtige Mittel curiret werden müsten: bringet Koth her von dem [253] unsäubersten und stincketesten / die zu finden seyn möchten. Dieser Mönch befahl / man solle dieses Pflaster von Koth ihme unter die Nasen-Löcher halten: Also daß dieser Gestanck ihm in dem Kopf stiege / da erquicketen sich seine Geister wieder / und er stunde auf / wie ein Mensch / der wohl geschlaffen / wuste nicht wo er wäre / noch warumb die Leute umb ihn her stunden. Die jenigen / welche die Geheimnussen der Natur nicht verstunden / bildeten ihnen ein / diß wäre ein Wunderwerck / und jeder gienge wieder heim / mit verwunderen. Die böse Gewonheiten wären biß an das Ende / wie die Falten an dem Schamlot. Die jenige / die des Stehlens gewohnet sind / enden ihr Leben in der Lufft / die Sauffer in den Wassern / die Hurer in den Spitälen / und die Ehrgeitzigen durch des Henkers Hand / wann nicht die Reue bey Zeiten kommet /welche verursachet eine Besserung von diesen bösen Neigungen.

122. Die jenigen / welche sich auf Gunst verlassen - sind eben den Gefahren unterworffen
[254] 122. Die jenigen / welche sich auf Gunst verlassen / sind eben den Gefahren unterworffen / als ihre Herren.

Die Favoriten der Fürsten nehmen selten ein gutes End / und werden gemeiniglich durch des Glückes Rad umbgekehret / wann sie es nicht fest setzen / wie der Cardinal gethan / welchen nur der leidige Tod von seinen Aemtern bringen kunte / die Er auch allen seinen Feinden zum Trutz behalten. Die alten Historien bewähren es mit gar zu viel Exempeln / so wohln als die heutige / davon ich schweigen / und nur sagen will / daß die jenigen / die die Libere dieser blinden Göttin anziehen / können mit einem Ercker verglichen werden / welcher auf einem hohen Gebäu stehet / welches / so bald es von dem Donner eingeschlagen wird / fället er auch / wann er mit keinem andern Aufenthalt versehen ist. Aber es sind ihrer wenig / die diese traurige Verkehrungen zuvor sehen / oder die sich in acht [255] nehmen können / und leiden Schiffbruch / ehe sie sehen / wo das Ungewitter herkommet. Alle die jenigen / welche in dem Glück der unglückseligen Catrina nachgefolget / welche von einer geringen Wäscherin zu oberst an das Rad kam / und das Königreich Neapolis regierte / kamen erbärmlich mit ihr umb. Se anus ward aus einem gemeinen Soldaten des Käysers Tiberii Mitgesell / und so mächtig / daß er ihn kaum aufreiben kunte. Derselbe kame mit allen seinen Creaturen in die äusserste Ungenad / die einen Unglückseligen betreffen möchte: Auch seine Töchter / wie unschuldig sie waren / kunten dem Galgen nicht entgehen / sondern wurden noch dazu vom Hencker geschändet. Einer allein / der sich klug regierte / kunte mit starckem Mißtrauen und guter Vorsichtigkeit auf das Zukünfftige / sich vor den Verderben erretten /und muß denen zum Exempel dienen / die sich den Wellen dieses ungestümmen Meers vertrauen / welches so so sehr verschreyet ist / umb so vieler fast unumgänglicher Schiffbruch [256] willen. Dieser hiesse M. Terentius, ein Römischer Ritter / welcher deßwegen straffwürdig wurd / weil er es mit dem Sejano gehalten. Er verlaugnete solches nicht / wie viel andere gethan / er sagte / als Er zu dem Raht redete / es wäre vielleicht besser für mich / meine Schuld zu verlaugnen / als zu bekennen: Aber es mag gehen wie es will / so will ich doch bekennen / daß ich des Sejani Freund / und froh war / daß ich erlanget / was ich begehret. Seine Befreunde und Schwäger wurden zu Ehren befördert / und galten viel beym Käyser. Denen Er aber Feind ward / die kunten sich aus dem Jammer und Elend nicht wieder heraus reissen / darein sie sich gestürtzet. Es ware nicht Sejanus, den wir ehreten: Sondern das Claudisch und Julische Hause / in welches er kommen. Es war / Käyser / dein Aydam / deinCollega im Consulat, den wir geliebet / und der jenige / welcher dein Ambt in der Republic verwaltet. Es stehet uns nicht zu zu wissen / warum du einen vor dem andern beförderst. [257] Gott hat dir vollkommene Krafft zu urtheilen gegeben von allen Sachen / uns aber die Ehre gelassen / unterthänig zu seyn. Wir betrachten den jenigen / der von dir Reichthum / Ehre unn Macht zu hindern und zu befördern bekommen /und niemand wird es widersprechen / daß nicht solches alles an der Person des Sejani eingetroffen. Man kan weder des Fürsten geheimen Willen / noch seine geheime Rahtschlüß entdecken. Ihr Vätter des Vatterlands / sehet nicht so genau auf den letzten Tag Sejani / sondern vielmehr auf die sechzehen Jahr / da Er auf den Flügeln des Glücks geschwebet. Wir haben mit Ehrerbietung den Satrium und Pomponium bey guten Willen erhalten / und für grosse Ehre aufgenommen /von ihren Hofbefreyten und Thorwartern gekennt zu werden. Was dann solte diese Beschützung in der Gleichgeltung immer verbleiben / daß sie in gleiche Theil solte zertheilt werden. Man mag die Hinter-List / die der Republic gestellet worden / und die Anschläge der Mörder [258] nur durch eben das End der Freundschafft und Schuldigkeit / O Käyser / straffen: Du bist absolviret / und wir auch. Diese mannhaffte Rede errettete den Terentium mit ihren starcken Argumenten / verderbte seine Ankläger / und zeigte / daß nicht alle straffwürdig sind / welche solcher Favoriten Freunde sind / die dann die Fortun / aber meistentheils das Unglück stürtzet.

123. Es ist sehr schändlich - wann man die Geheimnussen unsers Glaubens entheiliget
123. Es ist sehr schändlich / wann man die Geheimnussen unsers Glaubens entheiliget.

Man sagt ins gemein: die Gedancken sind Zollfrey /dann man ist nicht schuldig Rechenschafft darüber zu geben. Ich setze noch hinzu / daß die Wort der Caution unterworffen sind / die Schrifft aber bleibet / und ist folglich zu straffen / wann sie solche Sachen in sich begreiffet / die wider das Gesetz sind. Der jenige / welcher von den Præadamiten geschrieben / umb eine eitele Ehre zu suchen / der schiene / als wolte er das alte Testament umbstossen / oder [259] verlachen. Er ward in der Römisch-Catholischen Religion auferzogen / und da er unter die geistliche Jurisdiction kame / solte er zum Feuer verurtheilet werden / und hätte ihm wenig geholffen / daß er sein Unrecht erkannte /weil Er seine Irthumer geschrieben / wann nicht die Vorbitt eines von den mächtigsten Fürsten / die jemahls den Degen an der Seite getragen / seiner Buß in etwas beygestanden. Dieser / davon wir jetzt reden wollen / ist in der Reformierten Religion auferzogen worden / und weiter fortkommen. In einer Provintz /allwo die Wasser niemahls austrocknen / und die Freyheit zu reden selten gestrafft wird / wurde ein Buch gedruckt / davor alle Christen einen Abscheu haben solten / welches auch nicht anderst / als unter den Atheisten gelobet wurde. Der Autor lästerte den Sohn Gottes / und nennete ihn einen Zimmermann /darumb wäre er von den Gelehrten für einen Juden gehalten worden / wann Er nicht auch des Mosis Namen verschreyt gemacht hätte / in [260] dem er ihn grausam und unmenschlich geheissen / weil er einen armen alten Mann umbgebracht / der etliche kleine Bürdlein Holtz zusamm gelesen am Sabathtag. Er bemühete sich auch die Christen zu bereden / unser Heyland wäre nicht Gottes Sohn / er machte auch die Keuschheit der allerheiligsten Jungfrau verdächtig. Diese und andere mehr Gottslästerungen verursachten / daß man auf ihn zu greiffen befahl / (dann jederman redete wider diese vermessene Betrügereyen) und solte der jenige ein gutes stuck Geldes haben / der ihn der Justitz überliefern würde. Er wurde in einer Stadt erwischet / und in die jenige gebracht / wo das Buch gedruckt worden. Jederman wolte sehen / was Er für ein Urtheil bekommen würde / welches fürwar genädiger war / als das jenige / welches die Venediger wider einen jungen Edelman ergehen liessen / der wider das Lamb Gottes geredt / und sein Bildnus verachtet. Denn dieser wurd enthauptet / und sein Leib zu Aschen verbrant / jener aber verdammet / [261] daß er etliche Jahr in einen Thurn ein Speculativisches Leben führen / und etliche tausend Francken Straf geben solte. Also weit ist die Natur beeder Nationen unterschieden / dann diese sind gar zu mässig / jene gar zu hitzig: Also ist es nöthiger / daß man in diesem trocknen Land gewaltigere und hitzigere Mittel gebrauche / als in den Seeländern. In vorigen Zeiten klagte man die einfältige Leute als Götzendiener an / weil sie unwissend waren / auch weder lesen noch schreiben kunten. Heut zu Tag / da man die Bequemlichkeit der Truckerey hat /und damit die Finsternus der Unwissenheit vertrieben / ist der Vorwitz so weit gewachsen / bey unzehlich viel Leuten / daß man nicht mehr anfänget von allen Sachen zu zweifflen. Es ist schon lange Zeit / daß diß Buch / welches von den dreyē Betrügern handlet / den Atheismum völlig amTag giebet. Zu unsern Zeiten hat sich ein unverschämter Mensch gefunden / der denselben gelähret / aber nach dem Er umb Vergebung seines Fehlers gebetten / [262] und wieder abgefallen / ward er in einem küpffern Ochsen gebraten. Wann es nicht zugelassen / von grossen Herren anderst als mit Ehrerbietung zu reden / noch viel weniger solte man anderst als mit tieffester Demuth von den jenigen reden /der uns erkauffet hat.

124. In einer Aufruhr muß ein Fürst seine Authorität in acht nehmen
124. In einer Aufruhr muß ein Fürst seine Authorität in acht nehmen.

Wann ein Fürst den Respect und die Liebe verlohren /die ihme seine Unterthanen schuldig sind / so ist es vergeblich / wann er sich bewirbet solche wieder zu überkommen / entweder mit Sanfftmuth / oder scharffen Proceduren. Das ist eine Gelegenheit / die hinten kahl ist / welche / so sie aus den Händen ist / nicht wieder zu erdappen ist. Henrich der dritte / König in Franckreich / hat es erfahren / und Carl der erste /wurde der Furie der jenigen aufgeopfert / die ihr Leben wegen seiner gar zu grossen Gütigkeit für ihn aufgeopffert haben solten. Tiberius, welcher für [263] den besten und lustigsten Politico unter allen Römischen Käisern gehalten würde / wann er seinen Ruhm mit seinen Unflätereyen / unn Grausamkeiten nicht beschmützet hätte / der wuste dieses wol / als welcher seines Sohns Leben lieber als seines aufwagen wolte /daß Er solte durch Aufrührer hingerichtet werden. Etliche Regimenter / darüber Junius Blæsus in Ungern commandirte / hatten allen Respect und Gehorsam verlohren / und nahme die Aufruhr so sehr überhand /daß die Officier ihre Soldaten nicht mehr in Ordnung bringen kuntē. Als Tiberius solches vernam / verstellte er weißlich sein darüber geschöpfftes Mißfallen /und weil Er sich nicht unterstunde selbst hin zu ziehen / aus Forcht / sie möchten nichts auf ihn geben /sande er seinen Sohn hin. Aber weil die Aufruhr schon zu starck eingerissen / und die Gemüter gar zu zweyträchtig waren / hätte er nichts ausgerichtet / wo nicht ein natürlicher Zufall wäre kommen / der den Grimm der Soldaten geleget. Lentulus wolte sich zum [264] Schlacht-Opfer ihres Zorns gebrauchen lassen / jederman machte sich zu einen unvermeydlichen Blutbad auf den andern Tag fertig / als der Mond finster wurde / und alle die Aufrührer bestürtzt machte / die wusten nicht die Ursach dieses abnehmens und glaubten die Götter wären auf sie erzürnet umb ihres Ungehorsams willen / und veränderten ihr viehisches Toben in eine verzagte Demuth. Sollen wir den Sohn unsers Käisers länger belagert behalten / sagten sie weinend? Wollen wir immer in unserer Untreu verharren? Sehen wir nicht / daß die erzürnte Götter solche rächen wollen? Lasset uns zu unsers Fürsten Füssen fallen / und durch unser Heulen Gnade erlangen: Als Drusus die Ursach ihrer Reu verstanden / vergnügte er sich auf Gutduncken seiner Räht / wiewol er sonst mehr zur Schärpfe / als zur Milde geneigt war / die Rädleinsführer allein zu straffen. Ein kleiner Regen kan einen grossen Sturmwind erregen / und ein Füncklein ein grosses Feuer. Diese [265] Finsternuß erhielte dem Tiberio seine Authorität / brachte dem Druso grosse Ehre /und die Regimenter wieder zum Gehorsam. Käiser Carl erhielte seine Authorität in einem Aufstand des gantzen Reichs mit grosser Majestät unn Triumph. Er machte / daß sich die von Gent ihrer Mißhandlung reuen liessen; Sein Sohn schickte in der allgemeinen Aufruhr der siebenzehen Provintzen einen Gubernator, der vergifftete die Wunden / an statt daß er hätte eine heilsame Salbe darauf legen sollen. Dieser Fürst / der die Kunst zu regieren / nach aller klugen Politicorum Meynung treflich verstunde / thäte nicht also wie sein Vatter / der nahme die Müehe auf sich /kame selbst in eine Stadt / und schickte nicht seinen Sohn ab / dann jener war seiner Authorität ein Götzendiener / wie er; er wolte Spanische Colonien einführen / die diß Volk nicht leiden kunte / dann er hat allezeit sich zwischen ihrer Schuldigkeit und Freyheit im Mittel gehalten / da hingegen Carolus die Niderländer durch Niderländer regieren wolte.

125. Kurtzweilige Begegnuß eines Narrn und eines Blinden
[266] 125. Kurtzweilige Begegnuß eines Narrn und eines Blinden.

Man hat einen jungen Menschen durch die besten Stätte in Frankreich herumb ziehen sehen / welcher sich eingebildet / (dann er war nicht recht gescheid /) er sey ein Marggraff / und Vetter der vornemsten Herrn im Land. Er gienge frey in die Wirtshäuser / um etliche Gläser Wein zu schmarotzen / etlichmal dantzete er ohne Huet / und ohne Wambs; Er traff einsten zu Roan einen blinden Leyrer an / dem befahle er / er solte eine Sarabande spielen / das that er; weil er ihn aber gar zu sehr antrieb fortzufahren / und kein Geld dafür bekam / ob er es wohl grob genug begehrte; als schlug er ihm rund ab / länger zu spielen. Der Marggraff an statt daß er die Hand in Sack geschoben / gab ihm eine gute Ohrfeige / daß der arme Blinde schier zu Boden gefallen. Kein wildes Schwein / welches die Hund und Jäger verfolgen / kan grimmiger seyn / als dieser Leyrer [267] gewesen. Nachdem er grausam geflucht / gienge er mit dem Stecken umb ihn herumb / mit solcher Furie / das jederman auf die Seite gienge / aus Furcht man möchte Schläge darvon tragen / und lachten so sehr / daß der Leyrer schier darüber gestorben. Dann der Marggraff nahm sein tempo in acht / wann er sich gewendet / da schlug er ihn / und versteckte sich dann. Darüber erzürnte sich der Blinde auf das äusserste mit Fluchen / und machte mit der Bettlers Wehr ein Rädlein: Die Leute aber zersprangen fast vor Gelächter. Endlich mißfiele das Spiel und das Gottslästern den Bescheidnē / nahmen den Blinden und seine Leyre / und führten ihn damit nach Hauß /voller Zorn / daß er den tapfern Marggrafen nicht todt geschlagen. Es ist gantz gewiß / daß die jenige / welche der Schöpfer mit einigem Zufall gezeichnet / mehr zum Zorn und Rachgier geneigt sind / als andere.


Ende der Sinnreichen und Kurtzweiligen Geschichten.

Traurige Geschichte

1. Von fünff Frantzosen - die in der Stadt Leiden hingerichtet worden
Die Erste Geschicht.
Von fünff Frantzosen / die in der Stadt Leiden hingerichtet worden / weil sie falsche Müntz gemacht.

Diese grosse Welt ist in Warheit ein Meer / das von vielen Winden bewegt wird / der Mensch ist das Schiff / dem an statt des Steurmanns die Vernunfft gegeben ist / sich damit über die Felsen geruhig zu einem seligen End zu führen. Wann aber die Vernunfft durch böse Gewonheiten oder unzimliche Begierde verkehret ist / wann dieser Steurmann durch unordentliche Lust verblendet ist / so ist es unmüglich / daß das Schiff seinē Untergang entgehē könne: Aber die gute Auferziehung / wie wohl sie sehr nöthig ist /glecket doch nicht / das Schiff wohl [3] zu Land zu bringen: Es ist nicht genug seinen Begierden zu widerstehen / man muß sich auch vor allen Dingen vor bösen Gesellschafften hüten / welche den Compaß der Tugend verrucken. Das sind die dunckele Bränder / die uns in das Verderben sencken. Wie viel siehet man ihrer / die ihr Leben durch des Henckers Hand elendiglich verlieren / die aus guten alten Häusern herstammen / und sind mit Sorgen in der Tugend und Lernung auferzogen worden? Was sagen sie den Zu schauern / wann sie auf der Wahlstadt sind? Ach wann ich böser Gesellschafft nicht gefolgt hätte / so wäre ich jetzund nicht in diesem Elend. Fliehet diese Ottern-Gezüchte / welche die Jugend in den Irrgarten des Elends führen / nehmet ein Exempel an uns /wann ihr wollet in Fried und Ehren sterben. Die Geschichte / welche ich euch vor Augen lege / bewähret solches.

Zween Frantzösische Edelleut / deren der eine sehr jung / und bey der Armee des General Mannsfeld in Ost-Frießland [4] war / welcher allda so schön Haußhielte / wie jederman wohl weiß / und kamen in Holland mit drey andern in Compagnie / die liederlicher waren / als sie / und falsche Müntze machen kunten: Ein wol bekandtes Laster zu dieser Zeit / welches ihrer viel auf den Scheiderhauffen führet. Da ihnen nun Geld zerrunne / und sie ihren Werckzeug bey sich hatten /brauchten sie ihre Kunst / und überredeten beede Herren / daß sie es mit ihnen hielten. Der Wirth im Hauß hörte das hämmern / und merckte den Possen / offenbaret es der Obrigkeit / die lässet sie durch den Stadt-Richter gefangen nehmen. Sie wurden verhört / und nach dem sie überwiesen wurden / wurden sie verurtheilet / beede Edelleute zum Schwerd / die drey andere zum Strang. Da der Gerichts-Tag erschiene / bemüheten sich etliche Frantzösische Officier / sie zu erretten: Sie kunten aber keine Gnade erhalten / sondern wurden umb vier Uhren enthaubtet / die drey andern erwürgt / ihrem Urtheil gemäß. Sehet die Frucht [5] der Liderlichkeit einer blinden verwegenen Jugend.

2. Von einem Schneider - der von einem jungen Edelmann schier umbgebracht worden
2. Von einem Schneider / der von einem jungen Edelmann schier umbgebracht worden.

So klug unn vorsichtig der Mensch seyn mag / so kan er doch dem Unglük nicht entgehen / das ihme über dem Haupt verhengt ist / und darff sich niemand vor seinem Tod glückselig nennen. Man muß mit Gewalt der Verhängnus Gottes sich untergeben / Er hat eine völlige Macht über uns / wie der Poet saget / und können wir durch unsere Sorgen seine Ordnungen nicht ändern. Mancher stehet früh Morgens frisch und gesund auf / dem aber ein Unglück zustehet / dessen er sich selben Tags nicht versehen.

Ein junger Edelmann von Wien in Oesterreich /hatte lang durch Italien und Teutschland gereiset / und zu Tübingen studieret / auf einer berühmten Universität in Hertzogthum Würtenberg / kame von dar in Holland so wohl [6] daß er die Städte dieser hohen Republic sehen / als auch sein studieren zu Leiden fortsetzen möchte. Er begab sich mit etlichen andern Teutschen Schlesiern in eine Kost / und bate einen / man solte ihm einen guten Schneider zuweisen. Der Schneider / welcher gar ein bescheidener Mann war /gienge in seine Stube / grüssete ihm höfflich / und redete mit ihm so wohl von der Manier / als vom Zeug zum Kleid / der Schneider aber nahme das Maß. In dieser wärenden Action fragte er ihn / wo er her wäre / der Edelmann antwortete: aus Oesterreich. Darauf sagte der Schneider: Wie hat der Herr durch so viel Feinde passieren können? Dann es ist zu erinnern /daß dazumahl die Armeen des Grafens Tilli hin und wieder in der Pfaltz und den umbliegenden Ländern zogen. Der Edelmann wurd jehling unsinnig / davon er hernach gestorben; und zog sein Stilet aus seinem Sack / unn gab dem armen Schneider einen Stich zwischen die Schuldern / welcher sich gebucket / umb das [7] Maaß von seinen Hosen zu nehmen: nach dem Er gespüret / daß er beschädigt ward / stund er auf / und wolte entfliehen / da bekam er noch einen Stich in das Gesicht / und einen in die Hand. Als der arme Mann so übel zugerichtet war / fiele er die Treppe hinab /und brach noch ein Bein dazu. Dieser rasende lauffet ihm nach / und giebet ihm einen Stoß in die Seite /der ihm schier in das Grab gebracht. Die Nachbarn lieffen zu / und rissen den Schneider aus dieses Mörders Händen / und da er vor den Schergen vorbey gienge / die gemeiniglich nahe bey den Thoren gehalten werden / warff er ihnen ein Hand voll Reichsthaler hin / und etliche Pistoleten / umb sie aufzuhalten /und Gelegenheit zu haben / durchzuwischen. Er war schon ausser der Stadt / und durch des Schneiders Bruder wieder erdappet / der warff ihn auf die Erde nieder / und ließ ihn mit Beystand der Soldaten aus der Guardi in die Gefängnus führen. Jederman schalte auf diese blutige Action / und klagte über des [8] Schneiders Unglück / welcher / nach überstandenen grossen Schmertzen allgemach wieder gesund wurde / wider der Medicorum und Wund-Aertzte Meynung: jedoch nicht so wohl / wie vorher. Unterdessen war der Gefangene immer toll / er zerrisse seine Kleider / machte sein Angesicht unflätig / bellete wie ein Hund / heulete wie ein Wolff / und thäte alles / was ein närrischer Mensch thun möchte. Die Herren / in Meynung / es hätte ihn verdrossen / daß der Schneider vom Feind gesagt / und Er doch ein Oesterreicher war / und weil er sein Geld ausgeworffen / damit Er desto leichter entfliehen möchte / hielten diese Unsinnigkeit für erdichtet. Der Schneider wolte ausgehen / und wurde ihm vorgestellet / zu vernehmen / was ihn beweget /daß er seine Hand in dieses unschuldigen Menschen Blut gewaschen / und ob seine Wort ihn beleidiget /da antwortete er mit Nein / aber / da er dieses Menschen ansichtig wurde / habe er ihn eingebildet / es seye ein greuliches Monstrum / oder ein Teuffel. Da[9] Er nun endlich also mit seinen extravagantien fortfuhre / zweifflete man nicht mehr an seiner Kranckheit / daß Er im Hirnhauß verwirrt seyn solte. Das ärgeste war es / daß man nicht wuste / woher Er wäre / und niemand ihn kennete. Da Er ein wenig zu sich selbst kame / entdeckte er seinen Namen / und sein Heymat. Der Magistrat der Stadt schriebe nach Wien / daß diesem Menschen solch ein Unglück begegnet sey. Die Freunde schickten seinen Vettern einen / einen wackern Cavalier / der ihn mit nach Hause führte / nach dem er alle Unkosten und den Schneider bezahlet. Er hoffte / er wolte ihn von der Unsinnigkeit helffen /und liesse ihn bey sich schlaffen / aber er stunde zu Nachts wieder auf / nahme den Nacht-Scherben / und der Vetter kunte sich kaum versehen / daß Er nicht beschädigt oder benöthigt wurde / umb Hülffe zu schreyen. Den andern Tag wurde er nach Delpht geführet / allwo er den achten Tag hernach starb / und ehrlich in die grosse Kirche zu Leiden begraben wurde / [10] allda siehet man sein Epitaphium noch. Der Schneider / welcher ein elend Leben führte / überlebte ihn nur umb etliche Monat.

3. Von eines Fürsten Diener - dem der Kopff abgeschlagen worden
3. Von eines Fürsten Diener / dem der Kopff abgeschlagen worden / weil Er einen Mord begangen.

Giebet es allhie traurige Begebenheiten / so kommen dieselbe von Vollerey / Geitz und nicht von der Liebe / oder Ehrgeitz her / wie in Franckreich / und sonst hier. Wir wollen solches beweisen.

Ein Fürst / der von den Orten herkam / wo der Nordwind seine Herrschafft hat / als Er mit vielen Leuten nacher Leiden aus eben denen Ursachen kam /welche alle Frembde dahin ziehen; war er nicht lang daselbst / als ihme ein Unglück in seinem Hauß begegnet. Seiner Diener einer / der bey ihme viel galt /wurde einmahl zur Abend-Malzeit mit dem Koch gebeten / in die Stadt zu kommen. Nach dem er sich mit Wein überladen / giengen sie gegen zehen Uhr [11] wieder nach Hauß / hieben ins Pflaster / daraus mehr Funcken sprangen / als er Zorns im Hertzen hatte. In dem Getümmel / welches sie mit ihren Degen und Schreyen verursachet / fand sich ein Burger / der sich von seiner Gesellschafft begab / mit welchen Er aus dem Wirthshauß kam / und sagte: Ich will nicht wieder nach Hause kommen / biß ich einen Degen werde erwischet haben / ich will vergehen oder einen haben.

Darauf wolte er die jenige nicht mehr anhören / die ihm gerahten / er solte heim zu seinem Weibe gehen: und gienge mit dem Messer in der Finstere hin / wirffet einen nieder / und sagte: Wolte ich / so könte ich dir das Leben nehmen: Aber ich will mit deinen Degen zu frieden seyn. Der ander lauffet mit einem breiten Degen zu / und giebet ihm einen so starcken Fang / daß er darüber zu Boden fället.

Im Fallen schriehe Er: Verzeihet mir / ihr Herren! Ich bin sehr verwund / und hab euch nichts gethan. Der jenige [12] aber / der am ersten beschimpffet wurde /stunde gantz im Zorn auf / und stösset ihme den Degen durch den Leib. Auf diesen Stich verlohre er die Sprach / und das Leben. Aber zu eben selbiger Zeit kame die Wacht / die beede Gesellen mitnahme /und sie in das Studenten-Gefängnus führte. Den andern Tag wurden sie verhört / und da die Zeugen auch abgehöret worden / bekannten sie ihre That. Der Fürst begehrte etwas langsamm / man solte sie loß lassen /und schiene / sie wären alle beede loßkommen / wann seine Hofpursch nicht unterschiedliche Spott-Reden mit Betrohungen wider das Gericht ausgestossen hätten.

Dem jenigen / der ihme den tödtlichen Stoß gegeben / wurde der Kopff abgeschlagen / auf einer Bühne / welche mit Fleiß vor dem Rahthauß aufgerichtet wurde. Er starbe Christlich / und ward von jederman betauret. Diß war das erste Blut-Urtheil / welches die Universität gesprochen; Die Eltern des Umbgebrachten wären leichtlich zu befriedigen [13] gewesen: Aber wie ich erst gesagt / auf der andern Seite ist man nicht umbgangen / wie es hätte seyn sollen. Das Gericht lässet sich nicht trotzen / alle Menschen müssen sich davor demütigen / weil es die Frommen beschützet /straffet die Bösen / und stellet uns die Göttliche Majestät vor.

4. Von einem Edelmann der in einer Begegnus zu Nachts umgebracht wurde
4. Von einem Edelmann der in einer Begegnus zu Nachts umgebracht wurde.

Die Mitternächtische Völcker seynd dem Sauffen mehr / als die Mittägige ergeben / und dieses verursachet unter ihnen blutigen Ausgang.

Ein Edelmann aus einer Provintz bürdig / welche vor Zeiten durch die Ritter Teutsches Ordens zum Christlichen Gebrauch bekehret wurde / kame nach Leiden / und bekam daselbst grosses Ansehen / so wohl seines Muths / als seiner Geschicklichkeit in den Exercitien halber. Er bewiese seinen Muth offt in vielen Gelegenheiten / daß ihn dafür jederman zum Freund haben [14] wolte. Nach dem Er etliche Jahr in dieser Stadt Leiden zugebracht / unn entschlossen in Teutschland zu reisen / zu der Schwedischen Armee /welche damahls der Protestierenden Hoffnung ermunderte. Davon wurd er abgehalten durch folgendes Unglück.

Er wurde zur Mittags-Malzeit von etlichen Dänischen Edelleuten gebeten / welche ihn so starck mit dem Trunck zusetzten (dann diß ist der gröste Spaß in dem gantzen Norden / wann man seine Gäste voll sauffet) daß er kaum wieder nach Hauß gehen kunte. Die jenige nun / welche ihn gastieret / gaben ihm auch das Gleit nach Hauß / in dem Er an seiner Thür anklopffete / daß man ihn aufmachen solte / nahmen sie in der eil Abschied und lieffen davon / aus Forcht / er möchte sie nöthigen mit ihm hinein zu kommen / wie Landes Gebrauch ist / Er liesse ihnen nach sampt seinem Diener / einem jungen ungefähr von zwantzig Jahren alt / und war eben so finstere Nacht / daß man gar nichts sehen kunte. Er traff einen Holländer [15] und Frantzosen an / an welche Er aus Unachtsamkeit stiesse / wie ihnen auch von den andern geschahe / die davon geloffen. Sie griffen alsbald zu den Degen /und dieser Edelmann beschädigte sie beede sehr gefährlich; aber sein Diener lieffe davon. Der Frantzoß fiele von dem Stoß / welchen Er nahe bey dem Hertz bekommen / stund aber wieder auf / und gab diesem Edelmann einen Stoß in den Arm / der sich gleich zu dem Holländer gewendet / mit solchem Stoß schnitte er ihm die Puls-Ader ab / also daß Er in einer Viertheil Stund sich gantz verblutet / weil er vom Wein gar zu erhitzt / und erzürnt war / daß Er sein Blut in der finstern Nacht so unglücklich vergossen. Er wurde in sein Haus getragen / ohne Puls / ohne Bewegung /in einer Schwachheit / die ihn umb eilf Uhren umb das Leben gebracht. Vier und zwantzig Stund vorher /sahen zween glaubwürdige Studenten ein Gespenst vor der Thür dieses unglückseligen Edelmanns / welches schiene / als hätte es [16] dieses Unglück geprophezeyet: Solches bezeugten sie zween Tag hernach.

Solch ein Ende nam dieser Edelmann / der noch zu hohen Ehren hätte kommen können / wann die Parcen ihme den Faden seines Lebens nicht so bald abgeschnitten hätten. Wann sein Diener gestanden wäre /so wäre dieser Edelmann allem Ansehen nach der andern Meister worden / und hätte seine Feinde dahin gebracht /daß sie ihn hätten durch passieren lassen müssen. Aber die Versehung von oben ist stärcker /als die Menschliche. Wann wir wüsten / was uns begegnen soll / so würden wir Fleiß anwenden / alles Unglück / das auf uns gerichtet ist / abzukehren.

5. Von der tollen Weise / etlicher - die zu Nachts durch die Gassen lieffen
5. Von der tollen Weise / etlicher / die zu Nachts durch die Gassen lieffen / und denen jenigen Backenschnitt gaben / die ihnen begegneten.

Wann der Mensch Gott gantz und gar verlassen hat /so lauffet Er Spornstreichs in allerhand Laster. Er [17] giebet raum seinem ungezähmten freyen Willen / stösset alle Warnungen mit Füssen weg von sich / und bedencket nicht / was seine Boßheit ihme für ein Ende zu weg bringen werde. Ein Fluß / der auslauffet / ist nicht so gefährlich / als diese lose Vögel. Dann jener kommet wieder in seinen Ort / und scheinet zu bereuen / daß Er einmahl daraus gekommen; Die bösen Buben aber bleiben immer in ihrem bösen Leben / biß sie dasselbe durch des Henckers Hand verlieren. Es ist nicht lang / daß junge nichtswehrte Leute sich solche Thorheit haben einnehmen lassen / daß sie Winters Zeit durch die Gassen giengen / und die jenigen schnitten / welche ihnen begegnet. Diese lose Vögel machten solche Forcht unter den Leuten / daß fast niemand aus seinem Hauß gehen mochte / und bewegten den Magistrat / dem Frevel dieser Unglücks-stiffter zu begegnen / mit ernstlichen Verbote bey Lebens Straff. Sie kehreten sich nichts hieran / und trugen ihrer viel gespaltene Gesichter davon / so wohl zu [18] Amsterdam und Leiden / als Harlem / und anderer Orten. Einer war so gar verwegen / daß er ungefähr umb sechs Uhren an der Thür eines ansehlichen Burgers zu Harlem anklopffete. Die Magd machte das Hauß auf / er stellte sich / als fragte er nach ihren Herrn / und tratte zu ihr / und gab ihr einen Schnitt in das Gesicht. Die Magd fühlete daß sie beschädigt war / schriehe um Hülffe. Er machte sich auf die Füß / und bemühete sich mit der Flucht zu erretten: Aber er wurde von den Burgern verfolget / die noch auf der Gassen waren /die erdappten ihn endlich / und führten ihn ins Gefängnus. Dieser Schelm verkehrte seine Vermessenheit in eine Demut / die Herren der Stadt aber / umb den andern eine Forcht zu machen / liessen ihme gleich den Kopff weghauen. Nach dieser Execution hörte man von diesen verzweiffelten Bösewichten nichts mehr / und kam die Sicherheit allgemach wieder.

Etliche Jahr zuvor waren etliche / welche den Leuten die Hauben vom [19] Kopff nahmen; Einer aber darunter / ward öffentlich von dem Hencker zu Leiden darüber gestrichen / und muste dazu ein Haube aufsetzen / da vergienge ihnen der Lust / mehrere zu nehmen /und liessen diese schändliche Dieberey bleiben.

Beede diese Schelmenstück erinnern mich einerExecution, welche in vorigen Zeiten zu Leiden sich begeben / welche ich offt von alten Leuten hab erzehlen hören / zu beweisen / daß solche Abentheur da selbst so wohl als anderwärts zu finden / wiewohl etwas selten.

Es waren drey Gesellen / die strichen durch das Land / und thäten so viel Ubels / daß ein jeder sie zu fürchten hatte. Sie giengen einsten in eines Bauern Hauß / der war in die Kirche mit seiner Frauen gegangen. Sie fanden ein kleines Kind in der Wiegen / welches sie nahmen / und zogen ein stuck Rindfleisch aus einem Kessel / der über dem Feuer stunde / darein steckten sie diß kleine unschuldige Kind. Grausame Leut! was habt ihr an dieser Boßheit für [20] einen Vortheil gehabt? Die Eltern kamen von der Kirche wieder / und suchten ihr Kind / das fanden sie in dem Kessel / gekocht. Ich lasse ihr Weheklagen und Mitleiden dahin gestellt seyn / damit ich desto eher auf eine andere abscheuliche That kommen möge. Sie giengen in ein anderes Bauernhauß / allwo sie ein Mägdlein allein gefunden / die steckten sie in ein Faß mit Milch /die Füß in die höhe gekehret / und erstickten das arme Kind / nahmen aber ihren Lust daran / daß sie das Kind in der Milch haben gurgeln hören. Diese Ubelthäter wurden bekommen / der schlimste unter ihnen wurde bey kleinen Feuer abgeschmäuchet / und der andere Creutzweiß ausgespannet ins Feuer geworffen. Dem dritten / der in die grösten Ubelthaten nicht gewilliget / wurde die eine Hand abgehauen / und er am Galgen gehencket. Diese Execution wird noch heut zu Tag von alten Leuten die grosse Justitz genennt.

6. Von einem Dänischen Studenten - der in Duelliren umkommen
[21] 6. Von einem Dänischen Studenten / der in Duelliren umkommen.

Die Holländer schlagen sich selten in Duellen / und schelten sehr auf diese schädliche Gewonheit. Sie entscheiden ihre Strittigkeitē in der grösten Hitz des Zorns / wann sie einander begegnen / und mehr mit Messern / als mit Degen. Die Teutschen lauffen geschwind hinaus auf eine Wiesen / aber sie bringen offtmahls ein Stuck mit wieder nach Hauß / und sind vergnügt / wann sie nur Blut sehen. Ja wann sie zwey oder drey Gänge gethan haben / werden sie von den Secundanten geschieden / wann es auch noch kein Blut gegeben. Die Frantzosen aber / welche Gottes und ihres Herrn Gebot verachten / seynd mit ihrer Ehre kützlicher / schlagen sich / und ihre Secunden auch / und bringen einander umb / wie die Rasenden. Bey ungefähr 40. Jahren her sind viel Duellen vorgelauffen zwischen den Teutschen / welche die Universität Leiden besuchet haben / aber keines ist [22] unglückseliger abgangen / als das jenige / welches ich noch erzehlen will.

Ein Dänischer Student / von schönen Qualitäten /war einsten truncken / und beschimpfte einen Teutschen: man zeihete ihm / er hätte seine Gläser zur Bravade ihme gebrochen. Der Dän wurd heraus gefodert / da sie sich nun des Platzes halber nicht vereinigen kunten / wurde die Sach auf den andern Tag verschoben. Der Schlesier (dann er war von dar bürdig) schiene viel geneigter zum Friede / als zum Krieg zu seyn / entweder daß Er die Geschwindigkeit seines Feindes gefürchtet / oder sonsten. Der Dän hingegen /der seinen Degen wohl verstunde / hatte einen stoltzen Muht / und verachtete seinen Feind durch eine Einbildung / die ihm das Leben gekostet.

Sehet / hier waren sie auf der Wiese / der Dän verfolgte dem Schlesier / der wieche immer mit pariren /und gab ihme bißweilen etliche Stösse. Man bemühete sich endlich sie zu scheiden / der Dän sagte / er wolte noch einen Gang [23] thun: Als er aber seinen Feind schier flüchtig sahe / wolte er den Degen wenden /umb ihn eines in das Gesicht zu versetzen / der andre aber führte einen langen Stoß / und traff ihn unter die rechte Wartze. Als Er den Stoß hatte / taumelte er; man legte ihn nieder / Er wolte wieder auf / aber in dem gab er seinen Geist auf. Solch ein End nahme dieser wackere junge Mensch im 24. Jahr seines Alters / und hinterliesse seine Eltern und Freund in grossen Hertzenleid. Die Trunckenheit und grosse Einbildung beförderten das End seines Lebens; Dieses Unglück mag andern zum Beyspiel dienen / ihre Vermessenheit zu mässigen / umb ihrer Freunde Wohlfart willen.

7. Von einem Todschlag - der zu Delpht im Trunck geschehen
7. Von einem Todschlag / der zu Delpht im Trunck geschehen.

Die Trunckenheit ist an ihr selbst kein so grosses Laster / sagte ein gelährter Mann / aber weil es die Vernunfft benimmet / muß man sich wohl dafür hüten. Der Wein hat unterschiedliche [24] Würckungen / nach den unterschiedlichen Temperamenten der Menschen; Es giebet Leut / welche / so sie sich betruncken haben / nichts als Schlägerey suchen / und schlügen den Hannibal selbst zu Boden / wann sie ihn anträfen. Solche haben Wein von Leven / und von denen redet auch meine Feder. Ein junger vornehmer Kerl / bürdig von der besten Städte einer in Holland / hatte sich einsten zu Delpht früh Morgens voll gesoffen / als Er nun über quär durch die Gassen gienge / wurde Er von jederman angesehen / und lieffen ihm die Kinder nach / die lacheten ihn aus / und schmäheten ihn so sehr / daß sie ihme den Kopff wärmer machten / der schon vorhin toll war / von Bachischen Dünsten. Er zog seinen Degen aus / und da Er einen Alten unter seiner Thür sahe / brachte Er ihn ohne weiters procediren umb; man schriehe: Der Mann ist hin / der Mann ist tod! Der Stadt-Richter nimmet ihn im Verhafft / und lässet ihn ins Gefängnus setzen. Den andern Tag [25] wuste er nicht / wo Er war / noch warum Er dahin gelegt worden. Er wurde befraget / aber er verlaugnete die That / dann er wuste nichts davon. Man hörte die Zeugen / und stellete sie ihm für. Er gabe genugsam zu erkennen / daß er unwissend den Mord begangen / und bewegte die Richter selbst zu Mitleiden. Man rechtfertigte ihn / man spendierte Geld /umb den Gegentheil zu befriedigen / aber vergeblich. Er wurde zum Tod verurtheilet. Er kam auf die Walstadt / die gantz mit schwartz bezogen war; Er truge Leid / und bezeugte nochmahl / er wisse nichts von solcher Mordthat: Und weil es so viel ehrliche Leute bezeugen / sagte Er / so bin ich bereit / den tödtlichē Streich auszustehen. Hab ich unschuldig Blut vergossen / da mir der Kopff toll war; so will ich das Meinige mit nüchtern Geist / und heiliger Reu über alle meine Missethaten aufgeben. Diese dapffere Standhafftigkeit machte die Umbstehende weinend / auch selbst die jenige / welche überlaut gesagt: Wann dieser Mörder [26] solte Gnade erlangen / so wolten sie nimmermehr leiden / daß ein Burger umb dergleichen Ubelthat willen vom Leben zum Tod gebracht würde.

8. Von zweyen Studenten - die zu Nacht ungefähr umbgebracht wurden
8. Von zweyen Studenten / die zu Nacht ungefähr umbgebracht wurden.

Weil wir in traurigen Geschichten sind / die durch Trunckenheit entstanden: So wollen wir hier diese erbärmliche mercken / welche zu Leiden sich vor wenigen Jahren begeben. Ja / ich darff wohl sagen / daß diß eines von den grösten Unglücken gewesen / die jemahl geschehen sind / so lang diese Universität stehet. Die Nazion desselben Orts ist sehr bescheiden /und erzürnet sich nicht / biß sie wohl aufgebracht wird / kommet auch gar selten zur extremität / wann sie nicht vom Wein erhitzet ist. Offt hat man junge Studenten gesehen / die sich in dem süssen Rebensafft vollgesoffen / und des Nachts wie die Unsinnige geloffen sind / mit blossem Degen / braviertē die jenige /welche ihnen begegnet / [27] welches sie wohl hätten bleiben lassen/ wann sie nüchtern gewesen. Die Trunckenheit verursachte auch das Unglück / wovon ich erzehlen will. Etliche Studenten hatten einen gantzen Nachmittag geschwermet / und wurden von den Unruhigsten veranlasset / in das Pflaster zu hauen. Sie giengen zum sechst oder siebenden aus / und traffen vier Teutsche an / welche die kühle Abend-Lufft an die Gassen gelocket: dann selbigen Tages war es sehr warm. Von hefftigen Worten / die sie einander zuwurffen / kamen sie zu Schlägen. Die Teutsche / die nicht getruncken hatten / und die nur ihre Stoß-Degen bey sich hatten / nahmen die Streich derer aus / die breite Degen hatten / und denen der Wein ein Hertz machte. Die Teutsche nahmen die Flucht / die anderen lieffen ihnen nach / und nöthigten sie umbzukehren /nahe bey einer Brucke. Da gienge der Hader erst noch hefftiger an / und der Vornehmste / als ihme nun sein Degen an der Spitze gebrochen ward / wiche zuruck. Einer darunter fiel nieder / [28] und weil er so geschwind nicht wieder aufkommen kunte / bate er die beede andere / sie solten ihn nit verlassen: Jeder that einen Stoß darauf / und legeten darmit ihrer zween zur Erden: Der eine bekame den Stich über quär im Leib /darüber Er alsbald geblieben. Der andere bekam einen in das lincke Aug / und gienge biß in das Hirn / darüber er noch etliche Stunden lebete / und Gott umb Verzeihung seiner Sünden bate. Die Schmertzē aber /die er fählete / waren sehr groß. Ich will nichts sagen von ihrer Eltern Hertzenleid / damit ich nichts überflüssiges beybringe. Trunckenheit bringet nichts Gutes / dann sie ist eine Wurtzel alles Ubels.

9. Von einem Mann - der sein Weib und Kind umbgebracht
9. Von einem Mann / der sein Weib und Kind umbgebracht / und sich hernach aus Verzweifflung erhencket.

Die jenige / denen die Schönheit Hollandes bekannt ist / und die volckreiche Städte darinnen gesehen /werden diese Geschichte kaum glauben [29] können / daß solch ein Unglück in der Stadt Leiden solte geschehen seyn. Jedoch ist es gar gewiß / und obwohln gegen andern Mittägigen Ländern weniger solcher Monstren darinn zu finden / so sind sie darinn doch eben so grausam und abscheulich / als anderswo.

Ein junger Mensch von einer Gränz-Stadt bürtig /seines Handwercks ein Schuhmacher / hatte sich in ein Mägdlein verliebet / welche sich seinem Willen ergabe / und ihme ein Töchterlein brachte auch immer ihn bate / er solte sie freyen; wozu die Eltern dieses jungen Menschens sich nicht verstehen wolten / so wohln weil sie nichts hatte / als auch / weil sie anderer Religion war. Der junge Mensch / vielleicht sein Gewissen zu beruhigen / und Vorhabens in Indien zu gehen / nahme sie im Schiff zur Ehe. Sie war vergnügt / daß sie die Lucken ihrer Ehre wieder gefüllet /liesse ihn ziehen / und ernehrete sich und ihre Tochter fünff Jahr lang mit ihrer Hand-Arbeit / das war Spitzenwircken / oder Klippeln. Nach dem Er wieder zu rück [30] kam / begabe Er sich wieder zu seinen Weib /und wohnte zu Leiden; Die Brief aber / die täglich von seinen Eltern kamen / (wie man hernach ausgeben) brachten Befehl mit / er solte diese Hur verlassen / (also nenneten sie dieses arme Weib /) wann Er ihr Erb seyn wolte; darmit machten sie ihme den Kopff so warm / daß er sich entschlosse / ihrer sich loß zu machen / auf Mittel und Wege / wie ihr vernehmen werdet. Er hatte ein Japonisches Messer / drey Finger breit / und anderthalbe Schuh lang / damit machte er diß arme Weib und ihre Tochter fertig. Die Nachbarn hörten ein Geschrey / dessen waren sie gewohnet umb ihres widerwärtigen Lebens willen / bekümmerten sich anderst nicht darumb / und versahen sich dieses jämmerlichen Spectaculs nicht / das sie zu sehen bekamen.

Den andern Morgen / das war Sambstags / gienge Er aus seinem Hause / zum Brandewein / und dann fort aus der Stadt. Einer hatte mit ihm zu reden / gienge in das Hause / und [31] fande dieses blutige Spectacul /worüber den Allerbarbarischesten die Haare solten gen Berge stehen. Die Justitz ward dessen innen /kame dahin / und nahme den Augenschein / befunden / daß das Weib über viertzig Wunden hatte / darunter achte tödlich waren. Die grausamste unter allen / war zwischen den zweyen Fingern / mitten in der Hand /die spaltete den Arm entzwey / biß an Elenbogen. Das Kind hatte zehen Wunden / die Hand abgeschnitten /und wurde auf dem Leibe seiner Mutter gefunden. Dieser Ubelthäter ward von der Justitz gesuchet / und bey einem Dorff gefunden / mehr erwürget an einer Schrancken / als erhencket / dann die Füsse hiengen ihme auf die Erde. Zwey oder drey Tage hernach ward er auf einer Schleiffen durch die Stadt gezogen / und darauf aus Befehl des Magistrats am Galgen gehencket. Die Leute thun sehr übel / wann sie sich geschehenen Dingen widersetzen / die man nicht ändern kan. Wann etwas noch geschehen solle / so [32] kan es menschlicher Rath hintertreiben. So bald es aber geschehen ist / so ist der Rath aus. Hätten die Eltern dieses armen Sünders daran gedacht / hätten sie ihn nicht in Verzeifflung gebracht / und hätten diese Schande an ihrem Hause nicht dörffen erleben.

10. Vom Hannsen aus der Normandie
10. Vom Hannsen aus der Normandie / genennet das hölzerne Bein / welcher / nach dem Er sein Weib / zwey Kinder / und einen alten Mann umbgebracht / zu Leiden den ersten Novembris gerädert wurde.

Die Philosophi sagen / daß alles Thun der Menschen auf jedes seine Vergänglichkeit ziele: Die Geistlichen lehren / daß die Sünde bekandt seye durch die Ubertrettung. Fürwar wann kein Gesetz wäre / das den Todschlag verböte / so könte der jenige / welcher ohne Rachgier einen todt schläget / auf keine Ergötzlichkeit sein Absehen haben / und hätten die Thiere selbst ein Abscheuen davor / wan sie reden könnten.[33] Die Thier von einerley Art verderben einander nicht: Nur der Mensch allein kan seines gleichen nicht gedulten / entweder aus Widerwillen / Tollheit / Rachgier / oder Ehrgeitz / oder andere unordentliche Begierde. Aber seine eigene Kinder in der Wiege in ihrem zarten Blut / als Unschuldige / die ihre Hände zu ihren Vättern aufheben / umbzubringen / Ach Gott! was für eine rasende Weise ist diß! was für eine viehische Grausamkeit! was für eine Verzweifflung ist solches? Wer will mir sagen / daß man eine Ergötzlichkeit oder einen Lust daran haben könne? Es ist keine Rache / noch eingewurtzelter Neid! Was ist es dann? Ich mag es nicht sagen / aus Furcht / ich möchte es nicht recht treffen. Ich lasse einen andern darüber urtheilen / und mache mich fertig / die abscheulichste Tragödie zu erzehlen / die jemahls unter einer bescheidenen Nazion sich begeben / kan aber nicht errahten / was diesen Barbaren möchte zu diesem bösen Stück bewegt haben. Ein Normander / der sein eines [34] Bein in der Belagerung Breda verloren / in Diensten der Staaden / bekam eine Unterhalt von ungefehr hundert Gulden / damit er seines Lebens Nohtdurfft darvon haben möchte / und ein höltzernes Bein / seinen Leib damit tragen zu helffen. Er zog nach Leiden / und nehrete sein kleines Haußwesen mit seinem Handwerck / das war Wollen zu Hüten zuzurichten / und mit seinem Wartgeld. Er hatte keine Ruhe /sondern wolte stets von der Religion disputiren / wie ein neuer Student / der die Catholische Kirche verlassen / er wolte derselben Mißbräuche beweisen / damit man sehen solte / er wäre daraus mit guten Vorbedacht gegangen. Also erzehlten es glaubwürdige Leute / nach dem er gerichtet worden / daß er unbeständig / zänckisch und aufrührisch gewesen. Dieser Ubelthäter wurde vielmehr von dem bösen Geist / als von einer Ergötzlichkeit über diese grausame That veranlasset / frühe Morgens von seinem Weibe aufzustehen / und das breite Eisen zu nehmen / womit er sonst [35] gearbeitet / Er tratte zu dem Bett / und gabe ihr damit einen grossen Hieb über den Kopff / und machte sie fertig. O du Tyrann! es ist genug! halte still! fahre nicht weiter fort! dein Verbrechen schreyet schon um Rache vor dem Richterstuel des grossen Gottes. Aber ich rede mit einem Stummen / mit einem Verstockten / mit einer Mißgeburt der Natur / und mit dem Allerschlimmsten / den sie jemahl gezeuget. Er gienge zu seinem Töchterlein / von ungefehr sechs Jahren alt / dasselbe bote ihme die Hand / und redete ihn mit diesen Worten unschuldig an: Ach Data / lasset mich leben / ich will es nicht sagen / daß ihr die Mutter umbgebracht habt. Aber dieser Hencker gabe dem Töchterlein so viel Hiebe / daß er die Seele von dem Leibe dieses unschuldigen Kindes gejaget: Darnach gienge Er hin zur Wiegen / allwo ein anders von einem Jahr alt gelegen / demselben schnitte Er die Gurgel ab / als einem Lämlein. Dieser grausame Fleischhacker hatte nun sein kleines Hauß mit Blut angefüllet / und [36] gienge aus ferner umbzubringen / wer ihme begegnen würde. Ein armer alter Mann war eben auf dem Wege / der zu seiner Arbeit gehen wolte /und sein Morgenbrod unter dem Arm hatte. Aber es ist zu mercken / daß es noch nicht Tage war / dann es mag ungefehr drey Viertel Stund über fünffe gewesen seyn. Er redete diesen armen Mann an / der ihm nichts böses eingebildet / schluge ihm alsbald mit dem ersten Streich zu Boden / und hiebe ihme den Kopf ab /mit vielen widerholten Streichen / dann das Eisen schnitte nicht gar scharff. Ein junges Mägdlein wolte auch dardurch gehen / die hatte das Geschrey gehöret. Er machte sich auf / sie auch umbzubringen / dann es schiene / als wolte er das Menschliche Geschlecht gar ausrotten. Sie flohe davon / Er lieffe ihr mit seinem höltzern Bein nach / das Mägdlein entwischte / und schrihe umb Hülffe. Die Nachbarn kamen heraus /und der Tag voller Abscheulichkeit begunte anzubrechen. Man fande diesen erbärmlichen Cörper zerstümmelt / [37] und lebloß. Auf ein so trauriges Spectacul nahme der Hauffen der Nachbarn zu / die entschlossen bey sich / diesem Monstro nachzusetzen / der sich in einen Canal gestürtzet / damit er sich erträncken /und vor den Leuten verstecken möchte. Man ziehet ihn mit Hacken wieder heraus / und liesse ihn noch länger leben / als Er selbst wolte / weil seine Zeit aus war. Man bande ihn an einem Baum / verwiese ihm seine Grausamkeit / aber Er spottete darüber / das wurde der Justitz angezeigt. Die Schergen kamen an /die führeten ihn mit einen Schubkarren im Trab fort /und alle seine Mordthaten wurden jederman kunt. Er wurde verhöret / brachte Lästerungen für / und sagte überlaut / Er wäre es nicht / der dieses Blutbad gemacht hätte / sondern Gott habe es selbst gethan /dann / sprach er / hätte ers nicht haben wollen / so hätte ers verhindert. Man bemühete sich / ihn auf einen rechten Weg zu bringen: aber vergeblich / er bliebe halsstarrig / unn bezeugte nicht / daß es ihm einmahl leid wäre. Er stellte [38] sich offt / als wolt er sich den Kopff einstossen / aber Er wurde verhindert von denen / die auf ihn Achtung gegeben.

Da man endlich gesehen / daß er ein verstockter Hertz gehabt / als Pharao / und einen Mund / der alle Augenblick Gotteslästerungen heraus stiesse / wurde er verurtheilet / Er solte sein Leben durch ein Rad enden. Er gab kein Anzeichen eines Mißfallens / noch einiger Reue. Der Hencker schnitte ihm beede Daumen ab / schluge ihm Bein und Arm entzwey / darauf gab Er ihm mehr dann vierzehen Streich / mit eben dem Eisen / biß er ihm den Kopf gar abgeschlagen.

Sehet das elende End dieses Verzweiffelten / welchen die Christliche Vermahnungen nicht kunten bewegen / in sein Gewissen zu gehen: Seine Hartnäckigkeit war sehr groß / und seine Sünde war übermässig /welche ihm auch die Ohren verstopffet / daß Er Gottes Wort nicht angenommen / und noch weniger seine Gnade. Ich rede von dem äusserlichen Ansehen.

11. Von einem Fechtmeister - der sich mit einem jungen Bauren geschlagen
[39] 11. Von einem Fechtmeister / der sich mit einem jungen Bauren auf ein Holländisches Schnittgen geschlagen / und ihn sehr verwundet.

Diese Geschicht ist nicht so traurig / als die Vorhergehende / und bezeuget nur die Thorheit / welcher vor diesem die jungen Bauers-Knechte so gemeiniglich ergeben waren / daß keine Kirchweyhe vorbey gienge / da nicht etliche beschädigt wurden. Aber diese viehische Weise ist abkommen / und gewinnen die Wund-Aertzte so viel nicht mehr / als vor diesem auf dergleichen Märckten / umb der scharffen Justitz willen / die hierüber gehalten wird.

Vor diesem war es im Gebrauch / daß die leichtfertigsten Vögel von dem Dorff ein Messer in das Wirthshauß hiengen / und wer dasselbe angerühret /der muste sich schlagen / und kunte nicht davon kommen / er wurde dann wohl ausgeruffen und geschlagen.

Wir wollen zu unserer Geschicht [40] schreiten. Es war damahl zu Leiden ein geschickter Fechtmeister / den ich gekennet / der hatte zwey höltzerne Messer auf seinen Saal / damit übte Er die Bauern / und andere /die Lection bey ihme genommen. Einmahl fiele es diesen Fechtmeister ein / auf eine Kirchweihe zu gehen /da Er wuste / daß es solche Nasenspalter geben würde. Er gienge in das Wirtshauß / und sahe das Messer hängen / gienge in eine Kammer / und liesse sich zu Essen bringen. Er stellte sich / als hätte er kein Messer / und wisse den Gebrauch nicht / nahme derohalben das Messer / und gebrauchet dessen. Zween Baurn-Knecht kamen auch hinein / und fragten: Wer hat das Messer genommen? Ich / sagte der Fechtmeister; So mustu / sagte der ander / dich mit einem schlagen / mit welchen du wilst / unter uns beyden / dann es ist also der Gebrauch. Ihr Cammeraden / sagte der Fechtmeister / ich wuste nichts von diesem Gebrauch / ich will lieber mit euch trincken / als mich schlagen / dann es könte mir ein Unglück geschehen.[41] Die zween Bauren / welche meynten / er hätte kein Hertz / zwangen ihn noch mehr. Darauf sagte der Fechtmeister: Weil ihr mich darzu nöthiget / bin ichs zu frieden / aber ihr müsset zuvor diese Kanne Wein mit mir aussauffen / damit ihr bessers Hertz bekommet. Nach dem jeder einmahl getruncken / antwortete er: Mit welchem solle ich zu thun haben? Sie antworteten / mit welchem du wilst / dann sie kenneten ihn nicht. Wolan denn / ich will den Stärckesten haben /den Grössesten / und der sich am mausigsten machet. Sie gehen auf den Platz mitten in das Dorff / und fiengen ihren Streit an / auf diese Weise: Sie brachen die Spitzen von den Messern ab / nahmen ihre Hüte in die lincke Hand / und stellten sich einer gegen dem andern. Der Fechtmeister / der dieses Spiel wohl kunte / machte eine Finte / und gabe ihm einen Schnitt von der Stirn an über den Backen biß an den Hals. Cammerade / schriehe er / hastu genug? Nein /Nein / antwortete der Baur gantz erschluchtzet / [42] ich muß mich wieder rächen: Als er solches gesagt / gabe er dem Fechtmeister eines / deme er aber entwiche /und spaltete ihme den andern Backen auf. Der Baur ward gantz erhitzet und erzürnt / daß er so übel solte getractiert worden seyn / da Er überall der Han im Korb / und der Vornemste im Dorff seyn wolte / gehet auf dem Fechtmeister noch verwegener / als vor / der gab ihm eines über quär / und zerschnitte ihme die Nase. In deme kam ein anderer Bauer / der rieffe ihm bey seinen Namen / und sagte ihme: Was thust du /Narr! du hast mit dem Fechtmeister von Leiden zu thun. Ich kenne ihn / gehe fort / du hast genug. Jetzund hast du dein Trinckgeld dafür / daß du so viel Unfug verübet hast. Auf diese Warnung / nach dem er auf den Fechtmeister genug geschmähet / machte er sich fort / und wurde von allen Zusehern ausgelacht /der Meister aber ward gelobet / daß Er ihme seinen Hochmuth also darnieder gelegt / dann er trutzte alle andere Bauren / und niemand durffte ihm etwas thun.

[43] Die jenige / welche ihrem Unglück nachgehen / finden es / und man misset ihnen eben mit der Maß /womit sie andern gemessen. Dieser abscheuliche Gebrauch ist nunmehr abkommen / vermittels guter Ordnung / und scharffer Justitz / die man darüber hält /ohne einige Gnade weder am Beutel / noch an der Haut.

12. Von einer Kauffmanns Tochter - die ihr Kind umbgebracht
12. Von einer Kauffmanns Tochter / die ihr Kind umbgebracht / und verurtheilet worden / daß sie in einem grossen Faß solte erträncket werden.

Die Ehre wird heut zu Tag so übel verstanden / daß man offt den Schatten für den Cörper / und das Falsche für die Warheit nimmet. Es ist nicht genug zu einem rechtschaffenen Menschen / daß einer Edel gebohren ist / man muß sich auch darnach halten / nicht zwar in Schlägereyen / noch in menschlichem Eiffer /sondem durch eigene Tugend. Es ist nicht genug starck zu seyn / wann man seine Stärcke nicht [44] auch in Helden-Thaten gebrauchet / welche von der Tugend herkommen / als da sind / wann man sein Vatterland vertheidigen solle / wann man Unterdruckten aufhelffen solle. Reichthum / Schönheit und Geschicklichkeit machen keinen wackern Menschen / wann sie zumahln aus dem Gelais der Mittelmaß kommen. Wir bilden uns ein / wir seyn ehrliche Leute / weil unser Verbrechen nicht offenbar ist / welches also beschaffen / daß / wann es der Justitz vorkäme / wir solche Ehre und das Leben durch einen schändlichen Tod verliereten. O! wie grosser Unterscheid ist zwischen der Ehre dieser Welt / und der jenigen / welche auf der Tugend gegründet ist. Wilt du ein ehrlicher Mensch seyn / so fasse die Tugend: Wilt du eine ehrliche Jungfrau seyn / so bewahre deine Keuschheit /wie den Augapffel / diß ist ein Glaß / welches bald zerbricht / es ist ein Spiegel / der seinen Glantz geschwind verlieret / und von dem Anhauchen bald beflecket wird. Du meinest deine Ehre sey angetastet /weil einer deine Schand [45] entdecket hat / meynestu / du machests besser durch ein Duell? Du kanst wohl zeigen daß du kein etc. bist: Aber du wirst darumb nichts desto ehrlicher / ob du schon das Feld erhältst.

Die rechte Ehre ist / wann man sein Gewissen nicht beflecket hat / und über keine Ubelthat erröthet. Es ist eine eiserne Mauer / welche die Ehre bewahret / und welche machet / daß einer mit erhabenen Kopff ohne Furcht einiges Verweises einher tretten kan. Hat man etwas gestifftet / so ist die Ehre verlohren / ob schon die Leute nichts davon wissen; Die Züchtigung machet die Schande nicht grösser / die unser Verbrechen an sich selbst verdienet / ob wir dasselbe schon verstockter Weise verneinen.

Das erbärmliche Ende dieses Mägdleins / welches wir erzehlen wollen / die noch vermeinte ihren guten Namen zu erhalten / nach deme sie ihre Ehre verlohren / wann sie nur ihre begangene Mordthat laugnete /die doch genug bekannt war: Dasselbe lehret uns die[46] rechte Ehre mit Füssen tretten / durch unsere Lüste /und streiten mit Recht oder Unrecht für die falsche viel eifferiger / als umb Feuer und Herde.

In der vornehmsten Handelsstadt in Niederland war ein zimlich vermöglicher Kauffmann / der für einem ehrlichen Mann gehalten wurde / derselbe hatte eine Tochter / die schon Mannbar war / welche ihrer Eltern Frombkeit mißbrauchte / so wohln als der Freyheit /welche die Mägdlein in Niederland haben / sie ergabe sich einem jungen Menschen / der ihres gleichen nicht war / mehr ihre Liebs-Begierde zu sättigen / als umb absonderlicher Zuneigung willen. Nach dem sie schwanger worden / verbarg sie ihren Leib mit grosser Sorgfalt / wie es die jenige machen / die vor Jungfrauen wollen angesehen seyn: Sie laugnete es / auch gar dem Jungengesellen / der sie geschwängert hatte. Die Zeit der Geburt kame herbey / der Jungegesell bate sie / sie wolte ihme solches nicht verhalten / und erbote sich / sie zu heyraten. Diese Creatur [47] war voll falscher Ehre / erzürnte sich wider ihn / und weiset ihn dermassen ab / daß er gantz traurig und bestürtzt davon gienge. Bald darnach überfallen sie die Schmertzen / und kame sie des Abends vom Kind /gienge alsbald hin / und warff es in den Canal: welches sie durch eine unmenschliche That vollbrachte /nachdeme sie dem Kind den Kopff auf dem Eiß eingeschlagen: dann es hatte ein wenig gefroren.

O du Tigerthier! ja wilder als ein Tigerthier / welches doch seine Jungen ernehret! Warumb hast du kein Mitleiden mit dieser armen Creatur / die du erst auf die Welt gebracht hast? Hast du damit deine Ehre retten wollen? die du doch schon verlohren hattest /da du deinen Lüsten den Zaum schiessen lassen? Du hast die Mutter-Liebe abgelegt / damit du grausamer werdest / als Medra / und grimmiger als Megera: Nein! nein! du behältst nichts / als den Schatten: und der erzürnte grosse GOtt verhänget / daß deine Ubelthat offenbar werde / umb sehen [48] zu lassen / daß du keine Ehre mehr habest.

Den andern Morgen war das kleine unschuldige Kind auf den Eiß gefunden / und auf das Rahthauß getragen / man mercket die Blutstropffen / denen gehet man nach biß in das Hauß dieser von Gott Verlassenen. Die Nachbarn warnen sie / wann sie sich schuldig befände / solte sie sich auf die Seite machen. Sie bliebe aber im Laden / und stellte sich frölich bey bösem Spiel / schalte die jenigen / welche zu ihrem Vortheil redeten / und erwartete das jenige / was ihr solte begegnen. Des Vatters Zustand stopffte den Leuten annoch in etwas die Mäuler / aber die Anzeichen waren so groß / daß der Stadt-Richter sich dahin verfügen muste; Er fande das Mägdlein im Laden / die grüssete Er höflich / und nach dem Er die Mägde im Hauß befragte / befahle Er ihr / sie solte sich aufmachen mit ihme zu gehen. Sie gehorchet mit mannlicher Resolution / und ward auf das Rahthaus geführet. Man fragte sie / sie verlaugnete / [49] man liesse vier Ammen kommen / die besichtigten sie / und auf ihre Aussage bezwange man sie zu bekennen. Aber in dieser ihrer verstockten Weise / liessen die Herren das kleine Kind bringen; Darüber wurde sie gantz bleich /kunte nicht länger stehend bleiben / ihr Gewissen schriehe wider sie / ihre Ehre hatte keine eiserne Mauren sie zu vertheidigen. Sie wanckete / sie bekandte /und liesse eine Reue verspüren / die Mitleidens wehrt war: Die Gerechtigkeit ist blind / und hat keine Hände / daß sie sich bewegen / oder mit Geschencken bestechen liesse. Dreissig tausend Gulden waren nicht starck genug / noch ihre Reue kräfftig / sie zu erretten. Sie kommet auf die Wahlstatt / nicht mit einem Muth / damit sie den Tod hätte den Trutz geboten: sondern mit weiblicher Schwachheit / bemühete sich auch mit ihren Thränen die Richter zu bewegen / oder das Urtheil aufzuziehen. Aber vergeblich. Die Straff muste auf die Ubelthat folgen / andern zum Exempel. Das Urtheil wurd vollzogen in gegenwart [50] einer grossen Menge Volcks / welches denen selbst ein Mitleiden verursachete / die doch das gröste Abscheuen vor diesen Laster haben.

Schwache Gemüter / die ihr euch vergriffen habt /unterstehet euch nicht / euer Verbrechen mit einem noch grössern zu bemändlen / sonst werdet ihr den Zorn Gottes über euch befördern. Der grosse Gott verzeihet leichtlich / Er wartet des Sünders zur Buß /Er gehet auf Baumwollenen Tritten / aber seine Streich treffen wohl. Lasset uns nicht unter den Versuchungen erliegen / noch unsern viehischen Lüsten uns untergeben: Lasset uns mit der Vernunfft darthun / daß wir von den unvernünfftigen Viehe unterschieden sind / so wird unser End friedlich und glückselig seyn. Man bedecket umbsonst ein Laster mit einem andern noch grössern / umb die falsche Ehre zu retten. Das Holtz kan sich wohl eine zeitlang unter dem Wasser halten: Aber so bald die Schwehre davon ist /wodurch es aufgehalten worden / kommet es wieder in die höhe / und [51] lässet sich vor jederman sehen. Eben also kommen die Verbrechen / welche man für gar geheim hält / durch Gottes Verhängnus am Tag / und schwimmen empor / damit die Gerechtigkeit / welche zwar blind ist / sie Exemplarisch straffen möge.

13. Von etlichen Mördern - die ein altes Weib und ihre Magd umbgebracht
13. Von etlichen Mördern / die ein altes Weib und ihre Magd umbgebracht / damit sie ihr Geld bekommen möchten.

Wozu dienet es / daß einer von der unerschöpflichen Brunnquell alles Guten eine vernünfftige Seele bekommen / wann sie in uns die aufsteigende Begierden nicht bezähmen kan / welche / wann sie zunehmen /uns in den Abgrund alles Elends führen? Das unglückselige schändliche End derer jenigen / die ihr Leben durch einen schändlichen Tod verlieren / solte diese Ubertrettungen verhindern und lehren / dergleichen Unglück zu fürchten. Was hilffets / wann man gleich alle Tag Gottes Wort lieset / oder in der Kirche höret / [52] wann wir uns nicht bezwingen / die Wurtzel des Lasters auszureissen / welches unser Verderben mit Schand und Spott nach sich ziehet? Von allen Unvollkommenheiten / die den Menschen strauchlend machen / und von der Bahn der Tugend abführen / ist keines / die die Christliche Liebe mehr ersticke / als der Geitz / wann derselbige unsere Hertzen eingenommen / ist kein Mittel mehr da; das Gehör ist verstopffet gegen die heilige Erinnerungen; Gottes Wort wird für ein Mährle geachtet / oder für ein Kinderspiel / ja alle Mittel / Geld zu gewinnen und zu behalten / werden ergriffen: Wucher / Unterdruckung der Armen / ja gar Todschläge sind die Stricke / deren die Geitzige sich gebrauchen / um Reichthum aus dem greulichen Brunnen zu schöpffen / in welchen sie / wann das Seil zerreisset / plump hinein fallen / und darinn elendiglich verderben. Das Hertz eines Geitzigen ist härter als ein Felsen / welcher nit kan erweichet werden /weder durch Exempel des Mitleidens / noch durch einige [53] gute Anmahnung. Das Geträid / so darauf fället /kan keine Wurtzel gewinnen / es ersticket aus Mangel der Feuchtigkeit.

Die Mordthat / die ich erzehle / welche vor etlichen Jahren in der Stadt Leiden geschehen / scheinet aus Geitz herkommen zu seyn. Wann diese Mörder noch nicht alles davon getragen / so war Ursach / daß die falsche Ehre sie noch besessen / und daß sie Sorg gehabt einsten offenbahr zu werden.

Es war ein altes Weib zu Leiden / ungefehr siebenzig Jahr alt / die hatte ihre Wohnung über dem Marck / nahe bey der neuen Kirchen / in einer Krämers-Gassen / die sehr gangbar war: sie hatte eine einige Magd bey ihr. Diß Weib hatte den Beruf / sie wäre reich /und weil sie nur ein Mensch bey ihr hatte / leicht zu bestehlen / ohne sonderbarem Widerstand. Es war gegen dem Monat Aprilis / da die Nächte schon sehr kurtz waren / und daß die Burger sich schon zum Einlegen schickten: Da nahmen ihnen diese Mörder auch vor / der [54] guten alten Frauen ein Ausziehen zu machen / auf Mittel und Wege / wie ich zeigen will.

Diese Magd hatte einen Kerl / der mit ihr buhlete /Vorhabens / wie Er auch hernach bekannte / sie zu heyraten: Darumb kam er offt / sie zu Abends zu besuchen / und löffelte mit ihr / wie es die junge Leute machen / die Vorhabens sind / einander zu heyraten. Eben selbigen Abend / der dieser armen Magd und ihrer Frauen die letzte war / hatte dieser Kerl den Abend mit ihr zugebracht / und ungefehr umb zehen Uhren seinen Abschied von ihr genommen. Den andern Morgen fande man diese zwo arme Creaturen /daß ihnen die Gurgel ware abgeschnitten / die Alte auf ihrem Bett / die Magd auf der Erden / nicht weit von ihr. Das Geschrey kame in der gantzen Stadt aus /und jederman redete mit Bestürtzung davon. Diese Mörder (dann es schiene nach allem Anzeigen / daß deren mehr als einer gewesen) hatten nicht viel Mühe / diese Alte fertig zu machen / aber [55] wie sie die Magd tractiret / kan man wohl schlüssen / daß sie sich wohl gewehret / und bewiesen / wie starck die Natur in der Verzweiffelung sey; Dann diese Metzler hatten ihr die Drussel mit dem ersten Schnitt nicht abgeschnitten. Nach dieser grausamen That nahmen sie alles Geld /welches in sieben oder acht Säcken gewesen / die legten sie auf der alten Frauen ihr Bett / rühreten aber kein Silbergeschmeid noch Leinen-Gezeug an / dessen die Holländer guten Vorrath pflegen zu haben /womit sie auch sich ergötzen.

O ihr Henckers-Buben! ihr habt noch nicht alles genommen / was ihr hättet davon tragen können / eure Ehre zu beschönen. Habt ihr keinen Abscheu vor dem jenigen / der alles siehet / und vor dessen Thron das unschuldige Blut umb Rache schreyet? Er hat noch Mittel genug / euer Ubelthat zu entdecken / wann es ihme gefallen wird / und wann ihr euren Lohn nicht in dieser Welt bekommet / so wird es in der andern geschehen. Lang geborgt ist nit geschenkt. [56] Diese Mörder nun wolten nichts von Silbergeschmeid nehmen /aus Furcht verkundschafftet zu werden. Und man weiß noch heut zu Tag nicht / wer Ursacher an dieser Ubelthat gewesen. Die Obrigkeit hat seither genaue Kundschafft gelegt / auch dem jenigen eine grosse Summa Gelds zu geben versprochen / der diesen Mörder offenbaren würde: Aber vergebens. Etliche haben vermeynt / es müsse nur einer dieses Meisterstück gemacht haben / und wann ihrer zween oder drey wären gewesen / hätten sie sich so lang nicht verbergen können / und ihr Verbrechen wäre wol am Tag kommen. So viel ist es / daß solches biß auf diese Stund ungestrafft geblieben / man hat viel vergebliche Argwohn gehabt / daß der / oder die jenige / welche diese grausame That gethan / nicht solche Diebe gewesen / die kein ander Handwerck sonst gelernet.

O! verderbte Zeiten / ihr bringet gar zu viel Geschmeiß / so wenig Früchte / die auf den Bäumen sind / zu verderben. Es ist allenthalben Gefahr / saget der[57] Ap. Paulus / aber wo wird man sicher seyn / wann man in seinem eignen Hause ermordet wird? Geben solche Städte keine sichere Auffenthalt / wo wird man sicher auf dem Lande wohnen? Ja ich glaube / man fände mehrere Sicherheit bey den wilden Thieren in den dicken düstern Wäldern / als unter den Leuten.

14. Von einem Priester - der zween Streiche vor dem Altar bekommen
14. Von einem Priester / der zween Streiche vor dem Altar bekommen / wovon er etliche Tage hernach gestorben.

Es war ein Priester / der hielte sich in einem Dorff auf / unfern von Tergude / da hielte Er bißweilen Zusammenkunfften / und hatte ihme damit bey vielen Reformierten Feindschafft gemacht / entweder durch seine Predigten / oder durch allzugrosse Verwägenheit /oder sonst: Also / daß der Ambtman sich resolvirte ihn zu erdappen: Damit er nun sein Vorhaben zu Werck möchte richten / erforschete er die Gegend /wo die erste Zusammenkunfft solte gehalten werden; aber das Ungewitter [58] fiele auf einen andern / wie ihr vernehmen werdet.

Ein weltlicher Priester von Leiden / ein friedfertiger Mann / der gute naturalien hatte / und der die Holländische Eigenschafften an sich hatte / das ist / eines temperierten Humors. Als er sich in Gesellschafft des andern / welchen man suchte / befundē / wurde er gebeten / eine Versamlung anzustellen / in seiner Abwesenheit auf den andern Morgen / weil er solte verreisen. Er nahme es gar gern an / und da sie sich des Orts halber verglichen / fande Er sich allda ein. Der Ambtmann wurde von dem Ort auch berichtet / und begabe sich heimlich dahin / brache die Thür auf /und gienge gleich eben hinein / als der Priester die Messe anfienge. Alles war in Confusion / einer unter den Schergen schluge den Priester sehr trotziglich /der doch schon gesagt / er wolte sich ergeben. Er verdoppelte seinen Streich / und ward die Morgenröthe mit Scharlacken gefärbet / da so viel Ströme von Blut aus seinen Wunden geloffen / darüber [59] die Bauren fast unsinnig worden. Es schiene / als wolten diese Leute den Malchus agiren / aber der Priester befahl ihnen /sie solten nachgeben / und seinem Exempel folgen. Er ward in ein Schiff geschleppet / also blutig / wie er war / nach Tergude gebracht / und in das Gefängnus geworffen. Die Holländer / ohne Ansehen der Religion / waren doch übel zu frieden und geärgert über solche Procedur. Der arme Tropff wurde schlecht von dem Barbierer verbunden / entweder aus seiner Unwissenheit / oder aus Feindschafft. Der Fiscal liesse ihn im Haag führen / verwiese ihm seine Vermessenheit / daß Er in Holland gekommen / wider die Patenten der Herrn Staaden: Mein Herr / sagte Er / ich bin kein Brabanter / sondern ein Holländer von Alters her. Mein Ursprung kommet anderswo nicht her / und alle meine Vorfahren sind Holländer gewesen. Darauf sprach der Fiscal: Von wannen seyd ihr dann? Er antwortete: Ich bin von Leiden / mein Vatter ist ein Tuchgewandter / ein sehr bekandter [60] Mann. Der Vatter hatte schon Wind gehabt von seines Sohns Unglück /begabe sich deßwegen nach Haag / gab eine grosse Straffe für den armen verwundeten Holländer / und führte ihn wieder in sein Haus unter den Armen seiner betrübten Mutter. Aber es wurde immer ärger mit ihm / und der Medicus urtheilte nach allen Anzeigen / daß Er nicht weit von seinem Ende seyn würde: Dasselbe zeigte Er ihm frey an. Diese Zeitung war ihm sehr angenehm / wie seine Wort bezeugten / die Er zu einem gelährten Mann gethan / der ihn besuchte. Lætatus sum, sagte Er / in his, quæ dicta sunt mihi in domum Domini ibimus. Ich habe mich mit dem Propheten David gefreuet / über diese Zeitung / wir wollen in das Hauß des HErrn gehen. Etliche Stunden hernach gab Er seinen Geist auf / ward ehrlich begraben / und von allen Burgern betrauret / welche die That nicht billichten; Der Mörder gieng über den Berg hinaus.

Sehet / also fället offt das jenige / was [61] einem zubereitet wird / auf den andern / und also bezahlen die Geschlagene das Gelach. Die Flamander sagen in ihrer Sprach / die Unschuldigen müssen die Zeche bezahlen: Deren dieser ehrliche Mann nicht befreyet war. Er ward geschlagen / und gabe noch Straff darzu.

15. Von einem Weibe und fünf andern Dieben - die zu Leiden gehenckt wurden
15. Von einem Weibe und fünf andern Dieben /die zu Leiden gehenckt wurden / weil sie ihnen vorgenommen / das Schiff / welches nach Delft auf dem Marckt gehet / zu blindern.

Ich hab keine Diebs-Geschichte in diesen Tractat wollen mit einbringen / weil solches ein zu gemeines Laster ist / davon ihrer eine grosse Menge an den Galgen kommen. Aber ich hab diese mit hinein gebracht /weil sie eine Erklärung giebet der Policey dieser Provinz / umb der Holländer Bescheidenheit zu verstehen zu geben / welche niemals das Ziel überschreiten /weder in Belohnung der Dienste / noch in Bestraffung der Laster / welche die [62] weltliche Gesellschafft beleidigen. Die Diebsstal geschehē entweder in offentlichen allgemeinē oder in Privat-sachen. Diese geschehen mit Beutelabschneiden / mit Einschleichung in Kauffmanns-Gewölber / daraus man stücker Zeug nimmet /mit Kisten Aufbrechen / Kleider heraus nehmen / oder wann man Geld / und Silbergeschmeid auf- und davon träget / und andere Geschwindigkeiten verübet / jedoch nicht in die Häuser bricht. Diese Diebe sind für das erste / andere / und dritte mahl nicht so gar hart zu züchtigen / solche werden biß auf das dritte mahl ausgehauen / oder mit Zeichen gebrennet / für das vierdte mahl kommen sie gar an Galgen. Es ist zwar in einer Stadt schärfferes Recht / als in der andern / sonderlich zu Leiden gehet es gelind zu / daher kommet das Sprichwort: Wer Lust hat zu stehlen /und den Strick zu entgehen / der komme nach Leiden /und lasse sich gefangen setzen. Aber die Diebe dörffen sich auf dieses Sprichwort nicht fester / als auf ein gebrochnes [63] Bret verlassen / dann der Uberfluß so vieler Fremden machet die Justitz schärffer / die Frommen zu beschützen / und den bösen Begierden einen Abscheu zu machen.

Die Frantzosen sind hierinn ein wenig schärffer /jedoch weit nicht so / wie die Engelländer / die einen am Galgen verurtheilen umb den ersten geringen Diebsstall. Die Dennemärcker waren gewohnet einen Menschen aufzuhencken / der so viel gestohlen / als den Strang bezahlen könte / nach dem alten Sprichwort. Aber heut zu Tag / sind sie / wie ich höre / ein wenig gnädiger.

Die offentliche gemeine Diebsstal werden begangen wider den Schutz der Obrigkeit / als wann man Wägen auf der Strassen angreiffet / Schiffe in den Canälen / Häusser zu Nachts aufbricht / Viehe auf dem Felde nimmet / das keinen andern Hüter / als allgemeine Treu und Glauben hat. Dann in dieser kleinen Provinz ist kein vierfüssigter Wolf / und wann ein Lamb gefressen wird / so geschiehet es nur durch einen Zwey beinichten. [64] Aber diese Diebereyen werden unerbittlich gestrafft / als Criminalæsæ Majestatis, und wäre einem Ubelthäter besser / wann er tausend Thaler in eines Burgers Hauß / als ein Schaf auf der Wiesen entwendet hätte / wie wir erzehlen wollen.

Ein Weib / ihr Mann / sein Bruder / und zwenn andere berühmte Diebe / zu denen sich noch einer ihres gleichen gesellet / aber etwas unerfahrner / sich in eines andern Gut zu kleiden / die machten einen Bund miteinander / wie sie das Marckt-Schiff blindern wolten / das alle Donnerstag um 4. Uhren nach Delpht gehet / und bekräfftigten diese Resolution mit einem Eid / unter dem Pitschafft des Stillschweigens. Dieses verdammte Vorhaben / das dem gemeinen Wesen so schädlich war / wird dem Magistrat kunt / der bekam darbey Gelegenheit / dieser Diebe sich zu bemächtigen / gleich da sie im Werck waren / die That bey eitler Nacht ins Werck zu setzen. Sie bekannten ihre Schuld / und sonderlich die jenige / welche sie begehen [65] wolten / wurden auch dafür alle sechs an Galgen gehencket. Der eine darunter war noch nie unter des Henckers Händen gewesen. Doch muste er mit den andern fort / weil er ihre Gesellschafft gesucht / mit ihnen gessen / getruncken / und ihme vorgenommen /es mit ihnen zu halten. Etliche Jahre zuvor ward ein Mensch aus der Pfaltz gehencket / weil er zu Nachts Schaff auf dem Feld suchte. Ein Mann zu Harlem von 60. Jahren alt wurde gehencket / daß er ein einig Schaf gestohlen / und weil er keinen andern Raub als diesen gethan / sonst aber in Ansehung seines Alters /wolte man ihn vom Strang erlösen: aber vergeblich. Es ist keine Gnade für eine Ubelthat / welche (wann man durch die Finger sehe) die Handlung und ein gantzes Land in Unordnung brächte. Wer Gefahr liebet / der kommet in Gefahr umb / Mässiggung spinnet die Wärung / Gewalt aber verderbet sie.

16. Von einem jungen Studenten - welcher erbärmlich starb
[66] 16. Von einem jungen Studenten / welcher erbärmlich starb / nach dem Er sich an heimlichen Orten verbrennet.

Man saget gemeiniglich / daß die Göttliche Vorsehung eine besondere Sorg habe für die unschuldigen Kinder / und für die vollen Leute. Ich lasse dem günstigen Leser den Verstand dieses Sprichworts aussuchen / und mache mich fertig / das elende Ende eines jungen Studentens von gutem Herkommen zu erzehlen. Dieser kam in die Stadt Leiden / umb daselbst sein Studieren fortzusetzen: Aber ein trauriger Zufall hielte ihm den Lauf seines Lebens auf in dem Aprill seines Alters. Er hatte etliche gute Freunde auf seiner Stube getractiret / die ihn besuchten / und tractirte sie so wohl / daß sie damit vergnügt waren / er aber ward so voll / daß er nicht wohl stehen kunte. Seine Freunde hatten Abschied genommen / Er zog sich aus /setzte sich im Hembd vor das Feuer in einem Sessel /das [67] Liecht setzte er zu der Seiten / darauf schlieffe er ein. Bald hernach wachte er auf / und schriehe umb Hülffe; aber die Leute im Hause / die im ersten Schlaff waren / kamen nicht geschwind genug.

Ein Edelmann / der in einer Kammer oberhalb seiner lag / erzehlte mir den andern Tag die gantze Geschichte / er hörte das grausame Geschrey / dieses armen jungen Menschen / aber er kunte ihm nicht helffen / weil er an einem Fieber darnieder gelegen. Endlich kame man in die Kammer / und fande ihn in schlechtem Zustand. Dann das Feuer hatte sein Hembd ergriffen / da er schlieffe / dasselbe verbrande ihn an heimlichen Orten / und röstet ihme fast dem gantzen Leib. Der Wein und Schlaff benahmen ihm die Vernunfft sich zu besinnen / daß er das Hembd herab hätte gerissen / darum verbrennte es fast gantz /ehe die Hauß-Leute zu Hülffe kamen. Man schickte nach Doctor und Barbierern / aber sie kunten ihme nicht helffen. Er starb etliche Tage hernach von so grossen Schmertzen / die alle zum [68] Weinen bewegten /die sich seinem Bette genahet.

17. Von einem jungen Edelmann / der in die Maaß fiele - und ertrancke
17. Von einem jungen Edelmann / der in die Maaß fiele / und ertrancke.

Der Mensch ist so vielen unglückseligen Zufällen unterworffen / daß es kein Wunder ist / wann er unter einem bleibet / nach dem er andern entgangen. Das Feuer kürtzete dem jenigen das Leben ab / von welchem wir allererst gesagt; und diesen ersteckte das Wasser / beede in der Blüt ihres Alters. Dieser junge Edelmann war von Roterdam verreiset / in Gesellschafft seines Bruders / und gienge gegen dem Abend auf Briel zu. Die Bots-Leute waren in der Arbeit die Segel aufzuziehen / da Er auf das Schiff stiege / vielleicht daß er sein Wasser lassen wolte. Aber sein Unglück war so groß / daß er mit seinen Sporn an einem Seil hangen blieb / und hinter sich in die Maaß hinein fiele. Sein Bruder rauffte sich die Haare aus / bate die Schiffleute / [69] sie wolten ihn erretten / versprach ihnen zehen tausend Thaler: Aber es war nicht müglich ihme zu helffen / wegen der Fünstere in der Nacht /und des Winds. Dieser arme Cavallier schwimmete lang genug / aber die Finsternus und seine Stiefel hinterten ihn an das Port zu kommen: Also daß die Müdigkeit und der Fluß des Wassers ihn fortführten / und sein Leben samt aller Hoffnung erstickten. Jederman /der ihn kennete / betaurete ihn / so wohl seiner guten naturalien halber / als umb der schönen Gaben willen / die er hatte / welche neben seinem hohen Herkommen ihme Hoffnung machten / in der Republic wohl fortzukommen. Ach! du unersättliche Parce / wirstu nimmermehr aufhören / die Tugend zu verfolgen? Warumb nimmestu die Frommen vor der Zeit hin /und lässest die Bösen leben? Vielleicht daß sie dir zu deiner Grausamkeit helffen? Du bist der Mißgeburt gleich / welche sich nicht sehen liesse / als vor Jungfrauen: Du bringest die Tugendhafften umb / damit[70] die Leute möchten ausgerottet werden / und verschlingest nur die jenigen / welche einsten der Zwietracht widerstehen könten / die die Boßheit anzurichten beginnet. Du wirffst den Steuermann in das Meer /damit das Schiff zerscheitere an den Felsen und Sandbäncken.

Eben solch ein Unglück begegnete einem Studenten von meiner Bekanntschafft vor kurtzer Zeit auf dem Meer von Mittag zwischen Ambsterdam und Harling. Die jenige / welche in dieser Stadt gewesen / wissen /daß alle Abend / ehe man den Schlagbaum vorziehet /welcher ein grosses Holtz ist vor dem Hafen / umb zu verhindern / daß kein Schiff hinein komme; nach allen Städten Schiffe fortfahren / die an demselben Meer liegen. Dieser Student nun / der kurtz zuvor sein studieren zu Leiden absolviret / und Doctor der Rechten worden / stiege auf das Schiff / umb seine Nohtdurfft zu verrichten: Aber entweder durch Erschitteren des Schiffs / oder vom Wind geschahe es / daß Er in das Wasser fiele / und also umbkame. [71] Der Wind nahme sein Geschrey fort: und das Wasser gab seinen Leichnam etliche Tage hernach wieder. Aber die arme Eltern / die nur diesen einigen Sohn gehabt / wolten sich nicht trösten lassen / biß die Zeit und Gedult durch Gottes Gnade sie gestillet. Sehet das traurige Ende dieser beeden wackeren Menschen / welche mich etliche Zähren gekostet / umb der Liebe willen / die ich ihnen gelobet hatte.

Was wollen wir von der Unbeständigkeit der Dinge in dieser Welt sagen / welche uns verwehret / auf unsere Jugend / auf Reichthum / Glück / und auf die Menge unserer Freunde zu verlassen? Das Glück hat so eine vollkommene Herrschafft über uns / daß menschliche Vernunfft dieselbe nicht kan ändern noch mindern. Darumb / wie der Apostel saget / wer stehet / der sehe zu / daß er nicht falle / und sey stets in Furcht und Mißtrauen.

18. Von einem Frantzösischen Edelmann - der ermordet wurde in einem von den schönsten Orten in Holland
[72] 18. Von einem Frantzösischen Edelmann / der ermordet wurde in einem von den schönsten Orten in Holland.

Die zu Hofe gewesen sind / und wieder davon sind kommen / sagen / es sey ein Meer voller Lust / aber auch voller Felsen und Stein / welche mit dem besten Wind die beste Schiffe bekommen. Das Glück ist der Wind / der das Schiff treibet / die Sandbäncke sind der Neid / der verursachet die Zerscheiterung / sonderlich wann das Schiff nicht mit Tugend wol verpichet ist. Sich nun darinn wohl zu halten / muß man alles ausstehen / alles verschmertzen / und dem Raht desDædali folgen: Wieviel sind gewesen / die schon biß zum Einlauf des Flusses kommen sind / Vorhabens hinein zu steigen / die sich aber wieder zuruck begeben haben / wie der Fuchs / der den krancken Löwen eine Visite gegeben? Aber damit wir nicht davon reden wie ein Blinder von der Farb / und die Hofleute nicht erzürnen [73] mögen / wie der unwissende Redner gethan / der von dem Krieg von Hannibal geredet. Wollen wir die Historie von einem vornehmen Hoffmann anfangen / wie derselbe gefallen: wollen uns aber nicht der verborgenen Ursachen seines Unglücks annehmen: Man kan auch nicht von diesen grossen Meer reden / wann man nicht den gesaltzenen Lufft desselben gekostet / denen aber / die nichts als Holtz und Gebirge gesehen / stehet das Stillschweigen wol an. Dieser Herr nun / von welchem wir reden / war lange Zeit bey den vornehmsten Herrn einem in Franckreich in Gnaden / die er aber dadurch verloren; weil Er sich in seines Herrn Sattel setzen wollen! wann er nicht den Schlüssel zu dem freyen Feld geschwind erwischt hätte / wäre er damahl in Gefahr gestanden Schiffbruch zu leiden. Von dannen kam er in Holland; Wie er nun ein trefflicher Hoffman war: also brachten ihm seine Meriten / und sein Herkommen nicht allein die Gnade des Fürsten von Oranien / sondern auch [74] aller der jenigen zu wege / die auf diesen lustbarem Welt-Meer walleten / unter dem Fahne dieser blinden Göttin. Er war vollkommen / von einer mehr hohen / als mittelmässigen Statur / und hatte keinen Mangel an einer Eigenschafft / die einen Menschen über die andere bey wackern Leuten angesehen machen. Er hatte ein Krakel mit einem jungen Fürsten / und sie wurden alsbald gescheiden / aber die Empfindlichkeit gienge gar zu tieff dem Fürsten zu Hertzen / daß er sich nicht so geschwind zu frieden stellen kunte. Er liesse ihn einsten auskundschafften / und erdappete ihn / da er eben von dem Frantzösischen Ambassador herkam / mit seinem Obersten / dann Er war Major im Regiment / und solte des andern Tags verreisen / sich zu seinen General zu verfügen. Er wurde von 5. oder 6. Personen angegriffen / mit grossem ungestümm / Er gienge immer zu ruck / und parierte; Nachdem er aber von seinem Obersten verlassen war /wolte er in ein Hauß fliehen umb der grossen Gefahr zu entgehen. [75] Man machte das Hauß zu / und alle Burger in derselben Gassen thäten deßgleichen / lieffen an das Fenster / und wolten sehen / wie dieser Handel folgend ablauffen würde. Der Frantzoß / deme an Geschicklichkeit und Hertz nichts mangelte / und sich liederlich schluge / da Er die Partey ungleich befunden / ruffte Er dem Fürsten zu: Es wäre genug zwey über einem / und begehrte Quartier / aber vergeblich. Er sprach: Du must sterben! Er war schon hart verwundet / und hatte sich dapffer gewehret. Da bekame er einen harten Stoß / (wie etliche Zeugen / die es gesehen / aussagen) zwischen den Ruckgrad / der durch und durch gienge. Darauf rieffe er mit lauter Stimme: Grosser Gott! sey meiner armen Seele genädig! Nach diesem Stoß stritte er noch biß hin an den Marckt / da fiel er vor den gulden Kopf auf einen hauffen Kräuter / dann der Verlust des Geblüts und seine Wunden schwächten ihme seine Kräfften. Nach dem er gefallen war / bekame er noch zween Stöß / einen [76] in Leib /den andern in das Gesicht.

Er hatte noch so viel Kräffte sich wieder aufzurichten / und warff die Augen auf den jenigen / der ihme den letzten Stoß gegeben: Darauf starb er gleichsam mit Verwunderung. Die auf dem Marckt waren / da sie solch eine Procedur sahen / rieffen: Ein Mörder! über solchem Geschrey lieffen die Fleischhacker zu /und wann sie hätten den Fürsten und alle die bey ihm waren / erdappen können / hätten sies in Stücken zerhauet: So mitleidig ist das Volck daselbst / wann sie eine grausame und unbilliche That sehen. Diese Procedur wurde sehr übel aufgenommen. Endlich wurde der Fürst bezwungen / seine Sicherheit anderswo zu suchen / und die Frantzosen / die ihme den Tod geschworen / die gaben ihme denselben auch / aber in dem Bette der Ehren / in einer Schlacht / welche die Spanier verlohren. Sehet wie dieser wackere Frantzösische Herr sein Leben geendet / der dasselbe besser in Eroberung der [77] Niederland hätte anwenden können /seinem Herrn zu Dienst / und dem gantzen Königreich zu Nutzen.

19. Von einem Polnischen Edelmann - der sich aus Verzweifflung umbgebracht
19. Von einem Polnischen Edelmann / der sich aus Verzweifflung umbgebracht.

Ich weiß nicht / welchen unter beeden ich den grausamsten und unnatürlichsten nennen solle / den jenigen der die vorbeygehende umb ihres Geldes willen todt schläget / oder der sich selbst umbbringet. Alles wohl gerechnet / finde ich / daß dieser viel schlimmer ist / als jener: dann er thut es umb etwas guten Willen / den Raub zuhaben / der andere aber / weil er seine Verdrüßlichkeiten nicht durch etwan eine dapffere Resolution überwinden können / da er doch viel lieber sich im Krieg begeben / und einen ehrlichen Tod darinn suchen solte. Die Heiden hielten es für ein Anzeigen der Großmütigkeit / wann ihme einer den Tod eher selbst angethan / als daß er in die Hände seiner Feinde gefallen / und wann einer sich [78] resolviret / eher aus dieser Welt zu gehen / als lange Zeit in dem Elend herum zu wallen. Wir / die wir in einer bessern Schul unterrichtet worden / halten dafür / daß zu Erhaltung der Ehre / großmütig zu seyn / wir alles Ungemach ausstehen müssen / das wir nicht abwenden können. Es ist war / daß wir den Tod nicht solten fürchten /aber wohl demselben beschmipffen / und nicht uns denselben selbst anthun / wann wir nicht die Lehre unsers Heylands und Lehrmeisters verwerffen / und die Gnade verachten wollen / die wir durch sein kostbares Blut erlanget haben / das ist die ewige Seeligkeit. Haben wir nun so grosse Trangsall / welche kein Mittel noch Trost annehmen wollen / die uns auch unser Leben verdrüßlich machen / lasset uns an ihme hangen / Er beut uns die Hände / und ruffet uns: Kommet her / sagt Er / zu mir alle / die ihr müheselig und beladen seyd / ich will euch erquicken. Wollen wir für seine Jünger gehalten werden / so lasset uns unser Creutz auf uns nehmen / nicht aber einen [79] gewaltsamen Tod / sonst sind wir seiner nicht wehrt. Keine Pillen sind so bitter / die wir nicht hinab schlingen könten / noch ist auch keine Trübsal / die wir nicht leichtlich ausstehen können / wann wir unser Vertrauen auf ihn setzen. Das Exempel des frommen Job dienet den Angefochtenen zu einem Spiegel / wie auch allen denen / die sich unglückselig nennen: Sie haben nichts verlohren / als das jenige /was sie nicht gehabt / da sie in die Welt kommen. Warumb / O Mensch / beklagstu dich? Lästerest du wider den Allmächtigen? Verfluchest du dein Leben wegen Verlust dessen / was du nicht hast können behalten / und was dir ist geschencket worden? Wann du dich dieses schönen Spruchs erinnertest: Gott hat es gegeben / Gott hat es genommen; Der Name des HErrn sey gebenedeyet: So würdest du die Ruckstreich des Glücks verlachen. Wann der jenige / dessen jämmerliches End wir beschreiben wollen / sich mehr auf den ewigen HErrn / als auf einen Sterblichen verlassen [80] hätte / so wäre ihm sein Creutz leicht worden zu tragen / und würde Er seinen Lauf viel Christlicher vollendet haben.

Es waren nacher Leiden zween junge Fürsten kommen / aus einem von den ältesten und vornehmsten Häusern aus Sarmatien / die waren nicht lang hier /als der Aelteste darunter in ein hefftig Fieber gefallen / welches ihn innerhalb drey Tagen vom Leben zum Tod gebracht. Der Hofmeister / entweder weil er nicht Befehl hatte / sich daselbst aufzuhalten / oder daß er sich eingebildet / seine Wolfahrt wäre hin; ertruge diesen traurigen Fall so ungedultig / daß er offtmals die Waffen ergriffen sich umbzubringen: darüber man grosse Mühe hatte / ihn davon abzuhalten: und ihn nicht wieder in vorigem Zustand bringen kunte. Man sahe / wie Er bißweilen ungebührende Sachen verübet / in seiner Bestürtzung gab Er die Schwachheit seines Geistes auch den jenigen zu erkennen / die ihn gar nicht kenneten; Seine Stimme war [81] verändert / sein Reden weibisch / und sein Gang ungleich / darüber etliche des Fürsten Diener warneten / sie solten auf ihn Achtung geben / umb ein grösseres Unglück zu verhüten. Nachdem er ihm einsten früh Morgens fürgenommen zu sterben / befahl Er seinem Diener / er solte einen Geistlichen holen / der ihn trösten solte. So bald der Diener fort war / stunde er von seinem Bett auf / nahme einen Carabiner / den er mit einer Kugel geladen / setzete ihn an den Magen / und schiesset ihn loß. Die Kugel gienge unterhalb der Rippen hinein / und verursachte / daß er schröcklich geschriehen / und von den Nachbarn gehöret wurde /welches das gantze Hauß aufgebracht. Ich lieffe selbst hinzu / als naher Nachbar / und fande zwey Edelleute bey diesen elenden Menschen / der hatte sein unglückseliges Leben schon geendet. Sie zeigten mir die Kugel / und erzehlten mir / was Er für ein Leben in der Jugend geführet / daß er ungefehr ihrer vier und zwantzig umgebracht / und daß er immer ein weites[82] Gewissen gehabt. Sein Leib wurde zu Nachts begraben / die Seele suchte ihren Richter / und sein Ruhm verschwande augenblücklich. Daß er seinen Herrn verlohren / und so viel umbgebracht (wie es glaublich ist) die haben ihn den Lust vertrieben / das jenige zu erhalten / was man für das kostbarste auf dieser Welt hält / nemlich das Leben. Der Wurm / der an dem Gewissen naget / muß bissig seyn / weil er einen Menschen bezwungen hat / der aus seinem Land geflohen / weil er einen Mord begangen / daß er sich an dem Liecht verbrannt. Dann weil er in sieben Jahren keine Ruhe gefunden / da er in fremden Landen war / kam er wieder / den Tod selbst zu begehren / und die Straf eines Mörders auszustehen / in der Stadt Hamburg: weil ich einen Menschen umbgebracht / sprach Er / so muß ich von des Henckers Hand sterben.

20. Von einem Edelmann - der zu Leiden enthauptet worden
[83] 20. Von einem Edelmann / der zu Leiden enthauptet worden / weil er einen jungen Studenten umbgebracht.

Ein Mensch / der einen Todschlag begangen / mag immer hin lauffen / und mit Cain vor dem Angesicht der Gerechtigkeit fliehen / er schleppet seine Halffter immer nach sich: Er kommet spat oder bald darzu /und wer das Schwerdt anrühret / der solle auch mit dem Schwerdt ümbkommen.

Ein junger Edelmann aus Holland bürdig / hatte einsten Händel mit einem vornehmen Mann / den griffe er bey der ersten Gelegenheit an / und schickte ihn in die andere Welt mit einem Stoß / den er ihme in den Leib gegeben. Diese Mordthat geschahe ungefehr umb drey Uhren Nachmittag in der Stadt Leiden vor vieler Leute Augen / der Thäter erwischte das Thor /und kame durch / dann niemand wolte ihn aufhalten. Er war etliche Jahr ausser seinem Vatterland / und seine Freunde erhielten [84] bey den Fürsten Gnade / wie auch bey dem Gegentheil einen Vertrag / aber ohne Gewissen. Er kame nun ungeändert wieder / allezeit mit unruhigem Kopf / und mit einem Wurm / der ihn ohne Aufhören plagte / und Gesellschafften zu suchen veranlaste / umb Ergötzlichkeit zu haben. Wann er nüchtern war / redete Er gar vernünfftig / und brachte schöne Sachen vor. Aber wann er betruncken war / so waren Hader und Zanck sein Element. Darum flohen ihrer viel seine Compagnie. Der letzte Handel / den Er hatte / entstunde bey dem Trunck; dann er fienge an wider einen zu murren / der ihm mit tractirte; aber nachdem dieses Ungewitter fast gestillet war / und die Zeit kam fortzugehen / nahme er den Degen in die Hände / und stiesse ihn den Bruder dessen / auf welchen er einen Neid hatte / in den Leib. Dieser junge Mensch war auf den Tod verwundet / wurde auf sein Bett gelegt / und der Thäter gienge zu einen Burger schlaffen / und bekümmerte sich über den begangenen [85] Mord gar nicht / ausser daß er seinen Wirth bate / er solte nicht offenbaren / daß er in seinem Hause wäre. Der Stadt-Richter vernahme die That und den Ort /wohin er geflohen / gienge hin / der Wirth verlaugnete ihn. Aber er liesse die Kammer öffnen / und fand ihn in seinem Bette. Er befiehlet ihm aufzustehen / und sich anzuziehen. Er gehorchte / wiewohl ungern / und nahme ein ander Losament. Unterdessen starb der arme Beschädigte / der von gutem Herkommen war /und muste solche Schmertzen erleiden / daß alle Umbstehenbe darüber weinten / er hatte aber vorher nochmal ausgesagt / daß der Gefangene der Thäter seye. Er verlaugnete es dennoch / und hatte gute Freunde / die umb seine Erledigung / und umb Gnade baten. Die Zeugen wurden abgehöret / welche alle aussagten / wie der Verstorbene vor seinem Ende. Er bestunde dannoch auf seinem Ablaugnen / die Richter / welche nun von der That genugsamen Bericht hatten / die boten ihme die Tortur an / umb ihn zu bekennen[86] zu machen / was Er nur gar zu wol wuste. Der Edelmann sahe nun / daß es rechter Ernst wäre / und wolte auf seiner Verstockung nicht länger bleiben / sondern bekandte seinen Fehler frey / mit Bezeugung seines grossen Mißfallens. Er hatte noch etliche Tage Zeit sich auf den harten Gang zubereiten / und schriebe einen Trostbrief an seine arme Mutter / bate / sie wolte ihm seinen Ungehorsam verzeihen / und was Er ihr sonst alles zuwider gethan. Er stiege auf die Bühne / mit grossem Muth / bate Gott / die Justitz /und die Umbstehende umb Verzeihung: Verrichtete ein schönes Gebet / und wartete des Streichs mit sonderbarer Standhafftigkeit.

Es war diß ein wackerer junger Mensch / der gutes Gemüts war / aber von bösen Begierden / die ihn von der rechten Bahn weggebracht / welches jemand wohl in acht genommen / wie ich hab erzehlen hören / er sahe ihme streng in die Augen / sagte / er werde keines natürlichen Todes sterben. Es war grosser [87] Schad /dann hätte er seine Begierden gemässiget; So hätte er noch mit der Zeit ein Mann werden können. Sehet die Gewalt der Göttlichen Verhängnus.

21. Von einem Bauren - der zu Gotkirch in einem Dorff
21. Von einem Bauren / der zu Gotkirch in einem Dorff / zwo Meilen von Leiden enthaubtet wurde / weil er einen Menschen ertränckt hatte.

Den Baum kennet man an der Frucht: Ist jener böß /so kan diese nicht gut seyn / wie die H. Schrifft bezeuget. Es giebet Leute / die in ihrer Jugend den Lastern also ergeben sind / daß es ihnen fast unmüglich fället / sich zu enthalten; ob sie gleich alle Tage in der Schule des wackeren Mannes wären / der alle seine böse Zuneigungen durch Erlernung der Philosophie bezwange. Dieser / dessē End wir beschreiben wollē /gab genug zu verstehen / was er für Früchte bringē würde / wann er zeitig würde / und wann er auf der Schaubiene dieser Welt hoch genug gestiegen wäre /so scheinet es / seine Ubelthaten [88] wären noch weiter auskommen / und wären gesehen und offenbaret worden / biß in weit-abgelegene Länder. Dann man merckte an ihm eine grosse Zagheit / die er biß aufs äusserste erwiesen / dazu kame eine schwartze Grausamkeit / wann er eines Meister worden. Da Er verheyratet worden / fienge er an in die Wirtshäuser zu gehen / und wann der Trunck seine Würckung gehabt / überfiele er alsbald den nähesten / der ihme zu wider war / und wann er der Stärckste war / erzürnte er sich in seiner Boßheit so sehr / daß er ihn in Stücken zerhauet hätte / wann man ihn nicht davon abgehalten. Darumb flohe man seine Gesellschafft / und wolte niemand mit ihme zu thun haben. Traff er einen an /mit dem er zu reden bekame / oder einen Behertzten /der ihme eine gute Ohrfeige gegeben / so gienge Er mit langer Nase fort / und sagte nichts.

Als aber diese arme Seele mit ihrem Schwager einen Hader angefangen / schluge Er ihm / und tractirte ihn mit einem Grabscheid dermassen / daß Er[89] davon starb. Dieser Mörder versteckte sich / umb den Urtheil zu entgehen / und seine gute Freunde thäten so viel / daß sie endlich bey dem Prinzen von Uranien Gnade erhielten. Als Er wieder kam; gab Er kein Anzeichen einiger Besserung / sondern verübte mehrer Unfug durch seine Hartnäckigkeit / und Bernheuterischen Zorn: Aber er hatte das Glück / besser tractiret zu werden / wann er seinen Feinden zu schwach war /als Er denen jenigen gethan / die sich ihme unterworffen: Solches bezeuget der letzte traurige Actus der der letzte war an seiner Tragödie. Es war ein armer Mann / der auf dem Heu bey seiner Frauen gelegen / und nach dem sie weg waren / verlohre sich ein Weiber-Mantel: Er lieffe mit andern nach / erdappte diesen armen Mann / der schriehe umb Barmhertzigkeit / und bezeugte / er habe ihn nicht genommen. Aber sein Geschrey war zu einen Barbarn gerichtet / der weniger Mitleidens hatte / als ein brüllen der und grimmiger Löwe. Nach dem er ihn genug gestriegelt [90] hatte / hielten sie ihn so lang unter den Wasser / daß / da sie ihn wieder herausgezogen / Er fast kein Anzeigen des Lebens gabe / und starb kurtze Zeit hernach.

Diese Hencker entflohen / jeder in sein Hauß / und bliebe die Sach lange Zeit anstehend / ehe man darnach gefragt / vielleicht weil keiner sich des Verstorbenen annehmen wolte / oder weil er noch nicht gar todt war / da man ihn aus dem Wasser gezogen. Es seye wie ihm wolle / als das Gericht genugsamen Bericht davon eingenommen / wurde beschlossen / man solte seine Person angreiffen: Aber das Schwehreste war / wie man ihn möchte antreffen / dann weil er starck und mächtig war / war es nicht zu glauben /daß er sich wie ein Kind würde einführen lassen.

Man gebrauchte eine Liste / und zween Schergen schlichen heimlich in das Zimmer / worinn er saß /der eine darunter griffe ihn von hinten an / und truckete ihn dermassen / daß ihm der andere die Hände binden kunte. Er war gewarnet / er solte sich in acht nehmen / [91] aber er gabe nichts darauf / sondern bildete sich ein / daß man ihn nicht dürffte angreiffen / oder daß ihm sein Unglück auf den Fuß nachgefolget / er ward nach Leiden geführet / und etliche Tag hernach wieder nach Gotkirche gebracht / sein Urtheil daselbst auszustehen. Er kam auf die Wahlstatt / aber mit solcher Kleinmütigkeit / daß er schier ohnmächtig worden /ehe der Hencker zugehauet. Viel ihrer lassen äusserlich ein Hertz sehen / und haben innerlich keines. Das rechte Hertz hat ihren Ursprung von der Tugend /welche in dem inwendigen bestehet. Dieser Baur / der mehr tod als lebendig vor Furcht war / endete also sein Leben / und liesse sein armes Hauß sehr bekümmert. Wann wir das End bedächten / ehe wir etwas anfiengen / so würde uns unser Verstand abhalten übels zu thun.

22. Von einem Stier - der einen Müller und sein schwangeres Weib umbgebracht
[92] 22. Von einem Stier / der einen Müller und sein schwangeres Weib umbgebracht.

Die jenige / welche das Unglück / deme der Mensch unterworffen ist / wohl nach unserer menschlichen Gebrechligkeit erwogen haben / die befinden / daß sein Zustand ist elender als aller andern Thier. Der Anfang und das End seines Lebens sind voll Jammers / das Mittel / welches das beste seyn soll / ist vielen Anfechtungen unterworffen / so wohl umb der Kranckheiten als umb Feindschafften willen / die so wohln von Haußgenossen / als von Fremden / von wilden und zahmen Thieren herkommen. Das End aller seiner Vergnüglichkeiten ist nichts / als seine Traurigkeit / und alle Ehren dieser Welt sambt derselben Macht / und Reichthum sind nichts anders / als ein Irrgarten der Unruh und des Mißtrauens / darinn der Mensch keinen Ausgang findet / als durch den Tod.

Das Unglück / welches sich in Holland [93] zugetragen / bekräfftiget solches unter andern Unglücken / die täglich allerhand Leuten begegnen. Ein Müllner in einem Dorff / nahe bey Amsterdam nahm in acht / daß einer von seinen Stieren sich abgerissen / und auf der Wiese herum geloffen / Er lieffe auf ihn zu mit einem grossen Brügel / Vorhabens ihn zu fahen / und wieder anzubinden / daß er keinen Schaden mehr thun möchte: Aber diß grimmige Thier achtete des Schlagens nicht / sprang auf ihn zu / und stösset ihn mit seinen Hörnern so hart / daß Er zur Erde fiele / und seinen Geist aufgab. Sein armes Weib / welches ihn in solcher Noht sahe / lieffe mit schwangern Leibe zu / daß sie ihm helffen möchte; aber diß grimmige Thier verlässet den Mann / und gehet auf die Frau / die stösset er mit seinen Hörnern so starck in den Leib / daß er sie hoch in die Lufft geworffen / da dann die Mutter auf eine Seite / und das Kind auf die andere gefallen. Andere Bauern lieffen mit gewehrter Hand zu / und verfolgten dieses Vieh [94] so behend / daß sie es in das Wasser gesprenget / und todt geschlagen.

Vatter und Mutter starben von ihren Wunden / das Kind aber lebte noch drey Jahr / wurde getaufft / unn von den Herren zu Ambsterdam aus der Tauff gehoben.

23. Von einem Jüngling / der enthaubtet worden - weil Er seinen Bruder ermordet
23. Von einem Jüngling / der enthaubtet worden / weil Er seinen Bruder ermordet.

Es ist keine grössere Feindschafft / noch grösserer Haß / als die jenige / welche unter Befreunden einreisset / wann sie sonderlich alt wird. Brüder sind selten einig / saget das Sprichwort; Solches ist nichts neues /dann Cain erwürgte seinen Bruder / wie die heilige Schrifft uns lehret. Unterdessen / als Gott seine Geissel über die Stadt Leiden hielte / nicht eben dieses letzte mahl / truge sich dieses Unglück zu / das ihr vernehmen werdet.

Zween Brüder wurden uneins wegen einer Sach /die ich nicht hab erfahren können / und erhitzeten so sehr einander / [95] daß endlich der eine sein Messer auszog / unn dasselbe dem andern mit solcher Gewalt in den Leib stiesse / daß er darvon ein grosses Loch gemacht / dardurch die arme Seele leichtlich fort passiren kunte. Dieser Barbar / der umb der Contagion willen solte an sein Heyl gedacht haben / flohe aus der Stadt / aber er wurde von den Stadt-Knechten so sehr verfolget / daß er endlich wieder erdappet und ins Gefängnus geführt wurde / den Lohn seiner blutigen Thaten zu empfangen. Wann die Feindschafft die Vernunfft verblendet hat / so ist es aus / Göttliche und menschliche Straffen können sie nicht mehr zäumen. Der Ausgang dieser Actionen ist die Reu / und offt Schand und Spott dabey.

24. Von etlichen Burgern - die unglückselig mit Mußqueten umbgebracht wurden
24. Von etlichen Burgern / die unglückselig mit Mußqueten umbgebracht wurden / durch einen unglückseligen Befehl.

Unter währenden hochverderblichen Holländischen Krieg / zwischen [96] Holland und Engelland / trug sich ein Unglück zu Amsterdam zu / darüber diese gantze mächtige Stadt in Zerrittung kommen / und fast unwiederbringlicher Schad entstanden wäre. Eine Flotte / welche lange Zeit auf der See war / kame wieder /die Schiffleut liessen sich mercken / daß sie übel zu frieden waren / weil man sie umb ihren Sold bringen wolte. Diese Aufruhr wurde durch unruhige Köpffe gestärcket / und weil einiger Schein des Rechten hierunter verborgen lag / (wann sie es nur mit unrechtmässigen procediren nicht verderbt hätten) nahme dieselbe dermassen zu / das die Schiffleute ohne einigen Respect sich unterstunden / die Herren anzulauffen / und ihnen zu trohen / wann ihre Bitte abgeschlagen werden solte. Die Herren / welche damahl in dem kleinen Indianischen Hause beysammen waren / sahen diesem Lermen zu / und wusten / daß die Folge darauf gefährlich wäre / wann man nicht bey Zeiten Vorsehung thäte / das Blut zu stillen; bemüheten sich demnach sie mit [97] guten Worten zu stillen / versprachen ihnen die Bezahlung wofern sie sich zu Ruhe ein jeder in sein Hauß begeben würde / aber umbsonst. Dann nachdem die Anzahl sich mehrete / wurde auch der Eiffer / und vielleicht auch der Lust der reichen Kauffleute Häuser zu stürmen / noch grösser: Etliche darunter griffen die Herren mit hefftigen Worten an / und stellten sich / als wolten sie weiter fortfahren / wann GOtt nach seiner Güte diese erste Empörung nicht geleget / noch seinen Dienern eingegeben hätte / in was Ordnung sie sich zu verhalten. Dieses Lumpen-Gesind machte schon eine Furcht unter die Leute / mehr durch die Menge / als durch die gute Ordnung / und mehr durch Unfug / als durch gerechte Sache. Die Vorsehung der Herren war / daß sie etliche Compagnien mit ihren Waffen kommen liessen / welche diese ungestümme Leute zerstreuet / und drey oder vier von den Rädleinführern griffen / die gehencket wurden / um die Autorität der Justitz zu manuteniren / und die Burgerschafft [98] vor Unterdruckung zu beschützen. Der Gerichts-Tag erschiene / die Herren aber / umb diß Lumpen-Gesind zu verhindern / daß es keine Hindernus der Justitz machen möge / welche frey seyn solle / liessen etliche Compagnien aufziehen / und die Plätze besetzen. Die Ubelthäter waren auf der Bühne / man sahe der Aufrührer Supplicationen herfür kommen / und das Volck war begierig diese Sachen zu sehen / durch das Volck zu tringen / und näher hinzu zu kommen. Das Geträng war groß / welchem die Soldaten wehren wolten / und schiene / derselbe Tag werde Wunder / oder grosse Unordnung herfür bringen.

Die Obrigkeit hatte in allen Anstalt gemacht / und die Justitz war gewaffnet / umb die Unordnung zu verhindern / welche die lose Leute erregen wolten /damit sie möchten ungestrafft bleiben. Als ein Capitain gesehen / daß man von einer Seite zugedränget /befahle Er seinen Soldaten / sie solten diesem Lermen steuren / aber die voran waren / [99] die waren von den hintern so sehr getränget / daß es ihnen genau gienge /daß sie nicht gar erdrucket worden. Er befahle zu schüssen / die Soldaten thatens / und schossen etliche todt / etliche verwundeten sie / dann sie kunten nicht fehlen / sie müsten dann nach den Sternen geschossen haben / dann auf dem Tache waren auch Leute. Die Justitz verrichtete ihren Lauf unter dieser Unordnung /welche so groß war / daß einer über den andern fiel /in deme sie entfliehen wolten. Endlich zertrennte sich die menge / unn die Obrigkeit / welche grosses Mißfallen über dieses Unglück hatte / liesse den Capitain für sich kommen / der erschiene einmahl / das andere mahl aber nicht / dann er furchte sich vor der Straf /und machte sich deßwegen aus dem Staub / da unterdessen der Raht die Soldaten kommen liesse / umb zuvernehmen / wie sich alles zugetragen / und warumb sie geschossen.

Sie antworteten / es wäre auf Befehl des Capitains geschehen; Er wurde gefodert / aber er war schon fort / und [100] wolte lieber sich schrifftlich / als mündlich verantworten. Er scheuete das Liecht / welches die Sichersten erschröcket / dafür sich einsten ein Marschall aus Franchreich entsetzete / der sonst vor Furcht niemahl bleich worden ist. Die Herren liessen die Todten ehrlich begraben / erzeigten ihre Freygebigkeit den armen Witiben / und versprachen den Kindern sie einsten zu befördern / wann sie sich wohl hielten. Der Capitain kam in Verdacht / als hätte er aus Rachgier einen grossen Lermen machen wollen / umb die Stadt zu verderben. Es seye wie ihm wolle / er entwischte der Justitz / aber der Leute Reden nicht / die ihn kenneten / und lebte nicht lang nach diesen blutigen Befehl. GOtt erhielte durch seine Gnade die Stadt vor einem grössern Ubel demütigte die Schiffleute / und hielte sein lebendig Ebenbild in Ansehen. Die guten Schiffer erkennet man bey den grössesten Ungewitter / und nicht bey stillen Wetter.

25. Von einem Polnischen Edelmann - deme der Kopf abgeschlagen worden
[101] 25. Von einem Polnischen Edelmann / deme der Kopf abgeschlagen worden / weil er seine Liebste gefährlich verwundet hatte.

Die schlipferige Göttin / welche eine so grosse Macht in Morgen- und Mittags-Ländern hat / bringet selten bey uns traurige Zufälle / weil sie die Vernunfft nicht so / wie anders wo verirren noch verblenden kan. Ich weiß nicht / ob die Kälte von Mitternacht die mächtige Spitze ihrer gefährlichen Angriffe stumpf machet /und ob der Nordwind ihre unmässige Hitze lindert. Wir sehen selten die Wirckung ihrer Boßheit auf den Rabenstein büssen / und daß beede andere Laster /von denen wir geredt haben / ihre Herrlichkeit viel weiter ausbreitē. Das gröste Ubel / das sie herfürbringet / ist der Ungehorsam der Kinder gegen ihre Eltern / und nicht das Verderben seines gleichens. Es ist war / daß ein fremder Herr einen excess begangen / der aber ein unbescheidenere Natur [102] hatte / als andere / die in diesen Ländern wohnen. Er hatte eine Liebste / mit welcher er lange Zeit gebuhlet / die hatte er so heimlich gemacht / daß böse Mäuler Gelegenheit bekommen an ihrer Bekandtschafft sich zu exerciren. Ich für meinen Theil weiß nichts davon / und will ihre Mißhandlung nicht loben / noch die jenige vertheidigen /die übel davon geredt haben. Ich will nur sagen / das dieser Cavalier umb etlicher verdächtigen liederlichen Sachen willen sie anredete / und nach etlichen verträulichen Wortwechseln / ihr etliche Stiche mit der Haar-Nadel gabe / wodurch sie ausser Hoffnung gesetzt wurde / dem Tod zu entgehen. Er wurde gefangen genommen / und etliche Tage hernach enthauptet / mit solchem Unglück / daß ihme der Hencker etliche Streich gabe / ehe er ihme den Kopff herab brachte. Man meynte / es wäre im obern Zimmer bey ihm nicht recht aufgeraumt gewesen / welches auch glaublich zu seyn schiene / dann ein bescheidener Mensch hätte dergleichen nimmermehr [103] gethan / wann er nicht durch viel hefftigern Zorn dazu bewegt wäre worden. Als Er verhört worden / antwortete er ohne Entschuldigung seines Vorhabens / sie umzubringen. Das beförderte das Urtheil zum Tod.

26. Von einem Cavallier - der von einem andern in einen Trunck umbgebracht worden
26. Von einem Cavallier / der von einem andern in einen Trunck umbgebracht worden.

Es ist nicht lang / daß ein berühmter Schwedischer General / welcher durch das Glück seiner Waffen und mit Gunst seiner Bundsverwandten den Adler hat rupffen helffen / nach Amsterdam kame / entweder seiner eignen / oder umb seines Herrn Verrichtungen willen: Unter seiner Suite war ein Edelmann / der wurd unglücklicher weiß umgebracht / wie ihr vernehmen werdet. Ach! Trunckenkeit! du verdienest Altäre in den Mitternächtischen Ländern / damit du kein Ubel mehr stifften mögest / gleichwie auch gewiese Barbarische Völcker die Teufel verehret haben. Einsten war der General [104] von der Taffel aufgestanden /und aus den Wirthshaus gegangen / wichtiger Sachen halber / es entstunde ein Hader über etliche Gesundheit-Trüncke zwischen zweyen Edelleuten / die eines Schwedischen Nachtbarn Unterthanen waren / und ihme. Der Cavalier (den wir einen Schweden nennen wollen / wegen seines Herrn / deme er gedienet) kunte nicht mehr trincken / der wolte nicht mehr dieses Exercitium fort treiben / protestirte lang wider eine Gesundheit / die man ihme gebracht. Endlich nach etlichen Ohrfeigen bekame Er einen Stoß im Leib / wordurch Er verhindert wurde / seinen Degen zur Gegenwehr in die Hände zu nehmen.

Dieser Mensch starb / und einer von diesen Edelleuten hatte die Krafft zu entwischen und Hamburg zu erlangen. Der andere / der das Hauptstück unsers Discurs ist / hatte mehr Weins im Leib / als Er ertragen kunte / und wurde bald gefangen.

Den andern und folgende Täge / wurde Er verhört /und verantwortete [105] sich so stattlich / daß die Richter darob sehr erfreuet wurden. Er verstunde das Recht und die Politic / redete fast allerhand Sprachen / mit einem so vortrefflichen Judicio, daß alle die jenige /welche so viel schöner Sachen erzehlen hörten / gewündschet / daß Er erlediget würde / beweinten auch hertzlich sein Unglück. Der Mörder war eben so bekannt / als die Mordthat selbst / die Richter aber waren fast verblendet von so vielen herrlichen Qualitäten / und wusten nicht / was sie schlüssen solten. Da schriebe sein Herr der König für ihm / und bate die Herren von Ambsterdam / sie wolten ihn ihme lieffern. Sie waren froh / daß sie eines so kostbaren Lasts ledig worden / welcher des Nestors Alter verdient hätte / und überschickten ihn ihme mit Erkäntnis der Sache / und dem gantzen Proceß. Dieser Edelmann hatte Italien / Frankreich / Spanien unn Teutschland gesehen / redete diese Sprachen perfect / hatte die exercitien trefflich wohl gelernet / sein Geld mit Ehren wohl angewendet. Er kan noch bey Leben / [106] seinem König und dem Vatterland nutzlich seyn / welches ich glaube / und ihme umb seiner Meriten willen wündsche. Dann ich kan mir nicht einbilden / daß ihn der Trunck wieder in solch einen Fall gebracht.

27. Von einem blutigen Scharmützel zweyer Frantzösischer Edelleute
27. Von einem blutigen Scharmützel zweyer Frantzösischer Edelleute / welche den Angriff thaten.

Der Neid hat den ersten Stein an dem Grund dieses Haders gelegt / das Lasterreden hat dazu geholffen /und hat denselben dahin gebracht / wie wir erzehlen werden. Die Christen haben die H. Schrifft niemal so fleissig durchgeblettert / als zu dieser unserer Zeit /niemahls aber ist die Christliche Liebe kälter und unfruchtbarer gewesen. Das Gebet seinen Nähesten zu lieben / als sich selbsten / ist aus den Hertzen der Christen ausgewurtzelt / oder für Possen gehalten /alles / was die menschliche Witz thun kan / bestehet in dem / daß sich einer hütet / betrogen zu werden. Es ist keine Treu noch Redlichkeit mehr / das siehet [107] man aus so vielen Processen / Schelmenstücken und Teuffelischen Erfindungen / davon ich schweigen will /damit ich in meinem Vorhaben fortfahre.

Es war zu Leiden ein teutscher Fechtmeister / der galte bey seinen Landsleuten sehr viel unter dem Vorwand / daß er ein guter Meister sey. Jederman wolte seiner Gunst haben / damit Er gute Lection möchte bekommen / kauffte er sie mit guten Prœsenten und mit Geld. Er hatte Feindschafft mit einem andern / der ein Lüticher war / den man auch für einen guten Fechtmeister hielte / und der sich sonst wohl regieren kunte.

Die Verleumdung gienge mit erhobenen Kopf so weit / daß sie eine Nation verachtete / welcher es niemahl an Hertz gemangelt; Es waren zween Frantzösische Herren alda / die lerneten von dem Lütticher /darunter einer zuvor bey dem Teutschen gelernt hatte. Diese vernahmen / daß man auf die Frantzösische Nation geschmählet / und entschlossen sich / vor aller Welt / Rach zu üben folgender massen.

[108] Einer darunter nahm einen Stecken unter seinen Mantel / und verwarteten ihn umb halb zwey Uhren auf der Brucke / nahe bey der Universität / dann sie wusten / daß Er dardurch auf den Fechtboden gehen muste. Er gienge aus dem Hause / da Er gessen hatte /diese Herren warteten ihme auf / und nach etlichen Reden gab ihm einer darunter drey oder vier Schläge mit dem Stecken über dem Leibe / da unterdessen der andere ihme sagte / er solte den Degen nicht ausziehen. Aber es schiene / er wolte diesen groben Schimpf hoch empfinden / und da Er sahe / daß ihm etliche teutsche Herren zu Hülffe kamen / nahm Er den Degen in die Hand / und der Streit wurde so groß /daß die Zuseher / welche von allen Seiten zu lieffen /über den dapffern Eiffer dieser Streitenden erschracken / darüber (wie sie dafür hielten /) etliche auf dem Platz bleiben würden. Die Gasse war nicht gar breit /wegen des Canals / also daß nur zween und zween gegen einander streiten kunten / und man kunte sie nicht wohl von [109] einander bringen. Endlich fiele der kleineste unter den Frantzosen / gantz feurig war /und der mehr mit Hertz / als mit Geschicklichkeit an den Fechtmeister sich machte / ob es ihme wohl daran nicht gemangelt / wegen seines tapferen Gemüts /welches zwar hitzig / aber ein wenig gar zu verwägen war. Der andere Frantzoß / der mit einem oder zween anderen zu thun hatte / da Er sahe / in was für einer Gefahr sein Freund war / machete mit einem grossen Stoß-Degen die jenige zu ruck gehen / welche da waren / mehr das Unglück zu verhüten / als zu verursachen / sprang auf den Fechtmeister / der das Leben diesem wackeren Edelmann nehmen wolte / der hatte mit seiner Hand den Stoss pariret / den Er ihm nach dem Bauch gethan / und gabe ihm einen starcken Stoß / der ungefähr bey der Schulter hinein / und hinab im Leib gienge / darnach machte Er mit seinen Waffen Platz / (dann er meynte / er habe ihn umbgebracht) er erlangete das Thor unter dem Getränge / und verließ[110] seinen Freund / dem kamen die Wallonen zu hülffe /und andere mehr / und der Fechtmeister wurde wieder in sein Hauß gebracht. Jederman war erfreuet über der Tapfferkeit dieser Frantzosen / und etliche schalten dieses procediren. Es seye wie ihm wolle / sie erwiesen / daß sie keinen Menschen fürchten / ob Er schon ein Fechtmeister ist / und wolten zeigen / daß es eine grössere Ehre sey / einen Starcken / als einen Schwachen und einen Meister / als einen Schuler zu schlagen.

28. Von einem Mörder - der zwo Frauen umgebracht
28. Von einem Mörder / der zwo Frauen umgebracht / und darauf das Hauß geplündert.

O Du gläntzendes Metall! wie verblendest du die Vernunfft deren / welche vor Begierde dich zu haben brennen! du machest / daß sie sich alles unternehmen / und lässest sie nicht bedencken / was ihre Beginnen für einen Ausgang nehmen werden. Du sollest nicht tödten / du sollest nicht ehebrechen / das sind Gebot /damit sich die einfältige [111] unwissende Leute abweisen lassen. Was das weltliche Gericht belanget / bilden sie ihnen ein / sie wolten demselben aus dem Garn gehen / wann sie alles davor verschwiegen halten. Aber die Sonne der Gerechtigkeit / welche alles siehet / weiß schon die Mittel / ihre Ubelthaten am Tag zu bringen / und kan die leblosen Creaturen redend machen / die Mörder zu überweisen. Diebe! Schelmen! Mörder! und Todschläger! die ihr Gott verlassen habt / und seiner Gebot spottet / um euren unordenlichen Begierden zu dienen / sehet ihr nicht aus der Erfahrenheit / daß nichts ungestrafft bleibe / und daß die Missethaten / auch die geheimesten / spat oder geschwind offenbar werden / damit sie mögen nach der Schärpfe des Gesetzes gestrafft werden! Die Reue kommet gemeiniglich zu spat / und die grösse der Sünde mercket man alsdann erst / wann es begangen ist. Aber weil die Gottlosen in ihren Sünden entschlaffen / taub und blind sind / wollen wir ihnen diese grausame aus Geitz begangene Mordthaten /[112] und deren Abstraffung vor Augen stellen: Vielleicht haben sie einen Abscheu davor / und werden sich in den Pfad der Tugend wieder einstellen! Fromme Leute werden eine Lection daran haben / vor dergleichen Unglück sich zu hüten / damit sie nicht möchten /samt ihrem Geschlecht / untergedruckt werden.

In einer von den besten Städten in Niderland / und wo Astrea ihr Regiment besser / als anderswo bestellet hat / da war ein Burger / der hielte grosse Gemeinschafft mit einem andern wohlhabenden / und der viel Geldes hatte. Dieser Kerl liese sich gelusten den Schatz zu heben / und liese / durch Eingeben des Teuffels / ein Instrument bey einen Schlosser oder Schmid mit Fleiß machen. Mensch! bedencke das End / so wirst du nimmermehr Böses thun. An einem Sonntag wuste er / daß dieser Mann in der Kirche war / samt seiner Frauen und seinem Sohne / und daß nur ein Töchterlein / das Hause zu hüten da ware / Er gienge hin / klopffete [113] an / und fragte nach ihnen bey den Mägdlein / welches die Thür aufgemacht; Sie sagte / er wäre in der Kirchen. Er stellte sich / als erschrecke er / begehrte Papier / Dinten und Federn von ihr / ein Wort zu schreiben. Sie führte ihn in die Schreibstube / oder in das Cabinet / allwo die güldene Wolle war / welche er mitnehmen wolte / nicht durch Ertödtung des Drachens / sondern von diesem unschuldigen Mägdlein. Er liese die Feder fallen / welche das Mägdlein / in deme sie sich gebucket / aus Höflichkeit wieder aufheben wolte: Aber dieser Barbar nahme sein Eissen / damit gab er ihr einen harten Streich auf den Kopf. Sie rieffe sehr / aber er benahme ihr geschwind die Stärcke / weiter um Hülffe zu ruffen. Es war ein Weib in der Höhe / die kämmete sich /die gehet über dem Geschrey herunter / aber der Mörder machet / daß sie mit dem Mägdlein Compagnie halten muste / darnach nahme er das Geld / machte die Thür zu / und gienge fort. Der Vatter kam wieder /[114] und kunte nicht in das Hause / er liese seinen Sohn durch seines Nachbarn Hause gehen / der machte die Thür auf / und fande diese jämmerliche Tragödie / die man in seinem Hause gespielet / mit Verlust seines Bluts / unn seines Gelds. Er zeigte es bey der Obrigkeit an / die zoge Bericht ein / um den Urheber dieses Schelmenstücks zu erfahren: Diß aber war eine verlohrne Arbeit: Der Mörder klagte ihme das Leid über seinen so mercklichen Schaden. Ich weiß nicht / wie ihm seine Beine haben ertragen können / und wie er das Hertz gehabt / in ein Hauß zu gehen / das er mit Blut angefüllet. Ich will mich nicht mit vielen particularien aufhalten / umb allen Uberfluß zu erspahren. Ich will nur sagen / daß dieser Mörder / da er genug hatte / sich in ein Dorff satzte / da er magere Ochsen kauffte / die schickete er auf die Weide / und die er wieder verkauffte / wann sie gemästet waren. Es war aber Zeit / daß er seinen Lohn empfangē solte / die Gerechtigkeit GOttes / die auf lauter Baumwollen[115] gehet / kunte seinem Verbrechen länger nicht zusehen / das unschuldige Blut schriehe um Rache / es solle erhöret werden. Lasset uns besehen / wie diese Mörder offenbar wurden / und lasset uns mit Verwunderung ansehen / die Würckung dieser unendlichen Güte. Es geschahe / daß das Brunnen-Wasser in diesem Hause faul und unflätig worden; da solte man ihn fegen: aber man fande das Eisen unten am Boden /welches der Mörder hineingeworffen / welches nicht von gemeinem Form war. Man sandte es der Obrigkeit / die fragte genau nach / und aus dem Zeichen /welches drauff war / erfuhre man den Schmied / der es gemacht. Er wurde befragt / und bekennete / es wäre seine Arbeit / und sagte noch mehr / daß / wann er den Mann sehen werde / deme er es gemacht / so wolte er ihn wohl kennen. Der Stattrichter nahme aus einem Argwohn / den Schmied mit ihm / und liesse ihn wie einen Viehhändler verkleiden / neben andern /um desto besser auf die Spur zu [116] kommen. Man redete ihn an / führte ihn in ein Wirtshauß / und wiese ihm dieses Mörder-Eisen / er wurde gantz bleich / und in seinem Gewissen überzeiget / welches ihn bezwinget seinen Fehler zu bekennen. Er wurde wieder in die Stadt geführet / da er nach seinen Thaten solte empfangen / und ein Spectacul männiglich geben / daran sich die jenigen spiegeln mögen / welche böse Gewohnheiten in gleichmässigen Irrgarten verführen.

29. Von einer Frauen - die ihrer Schnur wolte einer Unzucht überweisen
29. Von einer Frauen / die ihrer Schnur wolte einer Unzucht überweisen / damit ihres Sohns Ehe zutrennet werden mögte.

Es war ein Jüngling in Holland zimlich reich / der sich mit einer ehrlichen Jungfrauen verheyrathet / die aber nicht so reich war / als er / darum war seine Mutter übel damit zufrieden / wie hernach heraus kommen / und ihr vernehmen werdet. Dieß Weib ward ihrer Schnur so abhässig / daß sie alle Mittel suchte / sie zu verderben / [117] wann sie die Liebe ihres Mannes gegen sie zerstörte. Sie umbs Leben zu bringen / war kein Schein da: Sie bedachte sich auf ein anders Schelmenstuck / welches nicht besser als das erste war / welches auch diese arme junge Frau schier gar unterdruckt hätte. Sie bestache etliche falsche Zeugen /welche sich erboten anzusagen / daß sie unschambar lebte. Man verklagte sie / sie verläugnete beständig /daß sie schuldig sey: Die Schwieger gienge hin / die brachte die Zeugen. Aber sie müssen sie entweder nicht gekennet haben / oder / daß GOtt ihre Unschuld nicht wolte gar unterdruckt werden lassen / darum wancketen sie in ihren Aussagen / und bekenneten ihre Fehler / der Schwieger zu ihrem Untergang / und zu Ehren dieser tugendhafften Frauen. Die Richter liessen diese Zeugen hinaushauen / und thäten der Schwieger sonst grossen Schimpff an. In dieser Geschichte haben sich drey grosse Laster gebrauchet. Geitz / Verrähterey und falsches Zeugnus / zwey Personen zu [118] scheiden / die GOtt zusamm gefüget hatte /und eine Ehe zu trennen.

30. Von einem Kauffmann - der unter dem Galgen gestrichen worden
30. Von einem Kauffmann / der unter dem Galgen gestrichen worden / weil er falliert hatte.

Gemeiniglich geschiehet es an Fürsten-Höffen / daß das Glück ihre Majestät erzeiget / wann sie einen erhebet / die andere niederwirffet / und die jenige gar umkehret / die ihre Unbeständigkeit verlachen. Wir sehen aller Orten unter dem Volck / sonderlich unter Kauffleuten wie diese eingebildete Göttin besondere Macht habe. Holland war vor dem Krieg wider Spanien ein armes Land; nach deme aber die Handlung daselbst floriret / und Kauffleute allda wohnen / so redet man nur von Tonnen Goldes darinnen.

Wie viel sind ihrer zu Amsterdam / die anderst woher mit dem Välleis auf dem Rucken / und dem Stab in Händen / kommen sind / ja wie man im Sprichwort redet / die auf einen Strohbusch durch den Fluß des Wassers lebendig [119] gemacht worden / die jezund sehr reich sind / und deren Kinder fast jederman puchen: das ist / daß das Glück ihnen wohl gewolt. Aber es lässet ihnen auch offt ihre Macht anderst sehen / wenn sie solche zu unterst an sein Rad bringet.

Heut sehet ihr / daß einer gar wohl stehe / und guten Credit habe / morgen wird er arm / und muß fallieren. Im handlen ist eine wunderseltzame Ordnung / und solche Eingelencke / welche denen jenigen nichts bevor lassen / die in einem wohlbestelltem Regiment beobachtet werden. Der Adel / der die Handlung verachtet / kan sich so wohl nicht erhalten / sondern kommet durch menge der Kinder in die Gedancken / das unbeständige Glück der Waffē zu ergreiffen / oder geistlich / oder arm zu werden. Da unterdessen die Kaufleute zu Wasser und Land handlen /so wohl in Kriegs / als Friedens-Zeiten. Die tapfferste Edelleute begeben sich in die gröste Gefahr / damit sie Ehre erlangen möchten / und die Kauffleute achten die Gefahr auf dem Meer nicht / sondern wagen [120] sich biß in Indien / Geld zu gewinnen. Aber gleichwie man nicht allezeit guten Wind haben kan: Also geschiehet es offt / daß die Kauffleute falliren / entweder aus andern Verschulden / oder wegen ihrer selbst. Sie richten sich doch wieder auf / und fangen wieder an zu handlen / so wohl durch ihren Fleiß / als durch Hülffe ihrer Freunde. Ich rede nicht von den jenigen / die es ohne Betrug aus Noth thuen / sondern von den jenigen / die es aus Hinterlüste thuen / umb sich von ehrlicher Leute Gütern zuberichern. Diese sind die Freybeuter / welche / wann sie durchwischen / accordiren sie offt mit ihren Creditoren auf zehen oder funffzehen / mehr oder weniger für das hundert. Unter so vielen Falliten will ich nur einen anführen / welcher seine Zeit in acht genommen / und seinen Beutel gespickt hatte / und darauf sich auf achte biß neun Meilen von der Stadt begabe. Nachdem er sich durch Unterhandlung etlicher seiner Freunde mit seinen Creditoren verglichen um ein geringes; [121] So bald er wiederkam / zeichete er seinen Diebsstall / und kauffte viel Wahren um baares Geld / dieses war eine merckwürdige Verwegenheit. Als dieses der Obrigkeit offenbar wurde / nahme man ihn aus seinem Hauß / und solte er gehenckt werden. Aber er wurde dessen noch befreyet / durch mächtige Fürbitte / und bekame dargegen etliche Streiche mit der Ruthen / andern zum Abscheu / damit sie ein andermal klüger handeln mögen.

31. Von einem mit Wein beladenen Schiffe - welches bey Katwich zerscheiterte
31. Von einem mit Wein beladenen Schiffe /welches bey Katwich zerscheiterte / und von einem Bauren / der sich im Wein erträncket.

Es mag neun oder zehen Jahr seyn / daß ein Schiff nahe bey den Holländischen Küsten zerscheitert / ist: Es kame von Burdes / und war mit treflichen Wein beladen. Der Kauffmann / welcher darauf war / bemühete sich / sein Leben zu retten / aber die Wellen liessen ihn nicht an den Strand kommen / und verschlingeten [122] ihn mit allen den andern ausgenommen einen armen Schiffer / der nicht schwimmen kunte / der hatte sich auf einer Sandbänck aufgehalten: Man kame ihm zu hülffe / das Meer aber warf alle Wein-Faß an das Land / unter welchen eines in einer doppelten Legel war / darin Frontiniac gewesen. Die Bauren schlugen eines ungefähr auf / und weil er ihnen trefflich süß vorkam / soffen sie so viel darvon / daß einer unter ihnen darüber gestorben. Dieser kunte sich für so glückselig schätzen / als der Bruder jenes Königs in Engelland / der sein Leben in einem Legel Spanischen Weins geendet.

32. Von dem Unglück - das sich zu Delft den 12. Octobers
32. Von dem Unglück / das sich zu Delft den 12. Octobers / Anno 1654. mit den Feuer zugetragen / welches in den Pulver-Thurm kam.

Grosser GOtt! deine Macht ist unendlich / und deine Gerichte sind unerforschlich! doch giebet es so verwegene Leute / die sie ergründen wollen / du machest die Natur beben / du zerschlägest [123] sie mit deinem Donner /und legest sie im Staub: Jedoch giebet es so Gottlose Leute / die in ihrem Unglauben verstockt sind / verlaugnen dein Göttliches Wesen / und wissen nichts /als das ihrige! Sie sind taub zu dem Krachen des Donners / und blind zu der Würkung deines mächtigen Arms / und zu den Wunder-Wercken / die du täglich thust. Ungehindert so vieler Erinnerungen deines Zorns / saget der Narr in seinem Hertze: Es ist kein Gott! Du hast unsere Waffen gesegnet / unser Land mit Handel und Wandel genehret / du hast uns einen rühmlichen Frieden gegeben / und fruchtbare Jahre beschehret; Aber damit zeigest du / daß alle diese Güter nicht von unserer menschlichen Witze und Macht herkommen / damit unsere Undanckbarkeit gestrafft werde: Du befiehlest dem Meer / daß es aus seinen Schrancken komme / uns zu erschröcken / und uns zu lehren an dich gedencken / du befihlest den Flüssen / daß sie aus ihrem Ort lauffen / deinen Befehl zu verrichten. [124] Der Englische Krieg ist vorbey /und die Mißverständnüssen sind in Holland gestillet /wir sind in unsern Wollüsten wieder eingeschlaffen /aber du hast uns wieder aufgewecket / mit einen von den allergefährlichsten Donnerschlägen / die man jemahl in Holland gehöret. Ich sage ein Schlag / der Holland erschütteret / davon ich kürtzlich reden / und mich nicht aufhalten will / woher er kommen.

An einem Montag frühe / ungefähr umb halb zehen Uhren / kam das Feuer in die Pulver-Kammer / welche die Geheimnus von Holland genennt worden /darinn aufs wenigste 70. in 80000. Pfund Pulver waren / das gabe solch einen Donnerschlag / daß die in der Stadt glaubeten / welche nicht beschädigt wurden / der Jüngste Tag wäre kommen. Die jenige / welchen die Macht des Pulvers bekannt ist / werden besser verstehen / als mans beschreiben kan / was dieser schröckliche Schlag für Schadē gethan. Eine belägerte Stadt / darein man viel Feuer-Kugeln wirffet / [125] kan nicht mehr verderbt werden / als der Stadt Delft durch diesen grausamen Schlag geschehen. Gantze Gassen sind von Grund aus umgeworffen worden / unn sind wenig Häuser / die ihn nit gespüret habē / entweder an den Gläsern oder Tächern. Die Kirchen selbst sind nicht ausgeschlossen geblieben. Die Burger sperreten sich in ihre Häuser / und erwarteten der Zukunfft unsers HErrn. Etliche lieffen untereinander auf der Gassen / fragten / was dann geschehen sey: Andere giengen aus der Stadt / voller Furcht und Schrecken. Als man aber gesehen / daß das Magasin gesprungen /und man ein wenig wieder sicher worden: Da fienge jederman an sein und seiner Freunde Verlust zu beklagen. Man hörte das Geschrey der jenigen / die fast unter den eingefallenen Steinen begraben waren / die hatten gebrochene Arm und Bein / und rufften die Nachbarn um Hülffe. Ich will nit alles / was passiret ist / noch auch das Heulen und Weinen der armen Beschädigten erzehlen; Ich will nur sagen [126] mit Verwunderung / daß etliche auf dem Wall waren / die in die Höhe geflogen / und doch lebendig geblieben. Aber das jenige / was über alles Wunder ist / war ein kleines Kind von ungefehr fünff Viertel Jahren alt / das auf seinem Stuel gefundē wurde unter den Steinen /vier und zwantzig Stunden hernach mit einem Apffel in der Hand / und war nicht beschädiget / dasselbe sahe mit lachendem Gesicht die jenige an / die es errettet. Was noch mehr ist / schwangere Weiber wurdē 24. Stund hernach aus diesem Geträng herfür gebracht / welche sich wohl befunden / und ihrer Frucht entbunden worden. Die Zahl der Todten ist ungewiß /der Verwundten sehr groß / die Spitäl wurden voll davon / und wurden alle mit Lieb und Versorgnus gewartet. Man kan nicht errathen / woher dieses Unglück gekommen / und was man alles davon geredt /war nur aus Muthmassung. Der Diener / welcher das erste mahl da war / kame nicht wieder heraus / und wurde mit dem Thurm [127] fortgeführet / an dessen Stelle man jetzund nichts als einen Brunnen und Koth findet. Jederman kam aus Fürwitz hin / daß man kaum durch die Gasse gehen kunte / das Mitleiden bewegte die Liebe / daß man den gequetschten zu hülffe kommen. Seither den Münstrischen Frieden sind viel Feuersbrunsten / Wassergüsse / und Unglück von Pulver-Thürnen gewesen / als zu Venedig / Copenhagen /Delft und Grevelingen.

Ingleichen Wassergüsse / als Vorboten des Zorn Gottes. Die Geistlichen schreiben diese Unglück unsern Sünden zu: Die Politici natürlichen und ungefähren Ursachen / der Pövel machet eine Prophezeyung daraus entweder eines Kriegs / od' sonst eines traurigen Zufalls. Der grosse Gott / der alles regieret /züchtiget uns nicht / daß Er uns nicht zuvor die Ruhte zeige. Lasset uns wachen mit beten / damit wir mit dem Bräutigam in sein heiliges Reich eingehen /Amen.

33. Von einem Dieb und Mörder - der gehenckt worden
[128] 33. Von einem Dieb und Mörder / der gehenckt worden.

Man darff nicht erst gegen Mittag oder Morgen sich verfügen / die Würckungen der Grausamkeiten zu erfahren: Wir wollen die Länder verlassen / welche von der Hitze des grossen Liechts verbrennet sind / und die Augen auf die jenige werffen / welche gegen dem Nord sehen / dieselbe geben uns nur gar zu viel Exempel: Lasset uns auf die Schaubühne einen führen /oder vielmehr die Leiter hinauf steigen sehen / einen dazu verurtheilten / der so hart zu bekehren war / als die Israeliter einen Dieb / einen Mörder / der leichtfertige Schelm fiele unter die Hand der Justitz / war verstockter als Pharao / nach dem er viel Diebsstal begangen / wurde er verurtheilet / er solte das Leben in der Lufft lassen. Der Priester / der ihme zugegeben worden / ihn zu diesen Weg geschickt zu machen /befande ihn schwer zu bekehren / und mehr resolviret seine Vermahnungen zu verachten / als dieselben [129] anzunehmen. Es war ein Same / der auf einen Felsen fiele / und keine Wurtzel gewahne; Es war ein Eiß /das nicht zerschmeltzen noch brechen kunte. Endlich nach vielen hin und wieder gehen / da Er sahe / vielleicht / daß seine Halsstarrigkeit ihn nicht köme vom Galgen erretten / thate er die Ohren auf zu den Erinnerungen / und das Hertz den Göttlichen Eingebungen /wie man äusserlich davon urtheilen kunte. Da er fertig war am Galgen hingeführt zu werden / sagte er zu dem Priester / er hätte noch etwas auf seinem Hertzen / das ihme sehr anliege / und das er ihme gern eröffnen wolte; aber mit den Beding / daß er es nicht weiter als biß nach seinen Tod kommen lassen wolte. Der Priester verspricht es ihme. Darauf sagte Er: Ich hab geholffen einen Pfaffen lebendig braten / mit meinen Cameraden / ohne Mitleiden und Erbarmen. Sein Schreyen hat ihn nicht errettet / und sein Geld kunte ihn von unsern mörderischen Händen nicht erlösen. Diese Ubelthat betrübet meine [130] Seele / und ich empfinde die Rächerinnen / die mich bißhero an der Gnade Gottes verzweiflend gemacht. Der Priester hatte ein Abscheuen vor solchem Greuel / zeigte ihme die grösse seiner Sünde / und vermahnte ihn zu der Gnade dessen zufliehen / der allezeit die Arme ausgestreckt hat / uns zu empfangen. Da Er nun Reu und Leid hatte / ward er hinaus geführet. Der Priester erzehlte alsbalden / nach dem Er tod war / diese schröckliche Geschichte: Man hätte ihm aber grössere Marter angethan / wann man alle diese Grausamkeiten gewust hätte.

34. Von einem Todschlag durch Verrätherey geschehen
34. Von einem Todschlag durch Verrätherey geschehen.

Keine Nazion in Europa / die sich übeler in fremmde Länder schicket / als die Wallonen / nach den Anmerckungen / die ein gelährter Mann darüber gemacht hat / und wie uns die Erfahrenheit lehret: Sehet / hier haben wir dessen eine Prob in einer Vorstadt / nicht weit von dem Gestad der Offenbaren [131] See. Zween Frantzosen hatten einen Streit in einer Herberge / und schier einander geklopffet / traffen den andern Morgen einander wider an / der eine / der sich offendirt befunden / sagte zu dem andern / er wolte den Schimpff rächen / welchen er ihme angethan. Ich sage dir / sprach Er / versiche dich mit einem guten Degen / dann so bald ich dich wieder antreffe / will ich dir meinen rechten Zorn-Eyffer sehen lassen. Der andere lachte hierüber / bedachte bey sich / wie er ihm mit treuloser Action könte bevor kommen. Endlich überfiele er ihn etliche Tage hernach / griff ihn hinterwarts an / hielte ihn / und gab ihm einen Stich mit dem Messer in das Hertz. Der arme junge Mensch / der kein loses Wort ausgegeben / und der seinen Degen an der Seite hatte / neben einem Stock in der Hand /fiel starre tod hin / der Mörder entflohe.

35. Von einem Rauber / der gerädert worden - zur Straff seiner Ubelthaten
35. Von einem Rauber / der gerädert worden /zur Straff seiner Ubelthaten und begangenen Mord.

Die Justitz kan nicht zu scharf seyn / [132] die bösen Buben zu straffen / die Boßheit steiget bey etlichen so hoch /daß die Gericht / Rad / Feuer und Galgen zu gering sind / sie zu züchtigen / nach der grösse ihrer groben Verbrechen. Dieser / von dem wir reden / ward in einem Land gerichtet / welches Holland gar nahe ansiehet / in dem drey und zwantzigsten Jahr seines Alters. Er hatte so viel Mordthaten begangen / oder begehen helffen / und wann Gott nicht verhänget hätte /daß er in die Hände des Gerichts gefallen wäre / hätte er noch mehr gestifftet. Sein Beichtvatter begleitete ihn zur Wahlstatt / nach dem er sein Gewissen zur Reue gebracht / da redete er ihn also an: Komme her /mein Sohn / wie könnet ihr euere Hände in so viel unschuldigen Blut waschen? Er antwortete: Mein Pater! Ich will euch frey sagen / daß der erste Mord / den wir begehen / mit etwas Furcht vollbracht wird / der ander und dritte mit geringerer Widerstrebung. Darnach erlangen wir solch eine Gewonheit / daß wir weniger Mühe haben einen [133] Menschen umbzubringen / als ein Metzger einen Ochsen zu schlachten. Wir haben ein altes Weib ermordet / die nur einen halbē Orts Gulden hatte / ohne einige Bestürtzung / und also sind wir mit allen andern Mordthaten verfahren. Du loser Gesell /sagte der Münch / ist euch das Messer nicht aus den Händen gefallen! Fürchtete ihr nit / daß der gerechte Gott euch nicht mit seinem Donner zerschmettere /oder daß die Erde sich nicht aufthue / euch zu verschlingen. Ich bekenne / antwortete er / ich hab eine grössere Straff verdienet / als ich leiden solle / ich verlasse mich auf die Barmhertzigkeit dessen / der uns zur Busse leitet. Er hat den Tod für uns gelitten /ich leide ihn für meine böse Thaten / umb andern ein Exempel zu geben / und der Justitz ein Genügen zu thun.

36. Seltzame Begenussen einer Fürstinne
36. Seltzame Begenussen einer Fürstinne.

Ein mächtiger Fürst überwand allezeit / und war seinen Feinden wegen seiner Tapferkeit ein Schrecken /seine Unterthanen liebten [134] ihn / wegen so vieler guten Gesetze / die Er gegeben / wegen seiner klugen Regierung / und wegen noch anderer hell leuchtenden Tugenden / die ihn biß in das Grab begleitenden: Als er sein End herannahen sahe / befahle er seinem Sohn seine abwesende Tochter / und bate / Er solle sie bey allen ihren Rechten und Privilegien erhalten. Er versprache es / aber nach dem Tod seines Vatters / da er davor hielte / seine Schwester würde ihre Herrschafften nicht wohl behaubten können / sande er ihr viel Kriegs-Volck. Der vornehmste Minister des Königes / und der Fürstin ihrer / welche zweyerley widerwärtige Absehen hatten / wurden Feind mit einander / und setzten ihre Feindschafft so weit in dem Hertze des Fürsten und der Fürstin / daß alle Mittel / die man angewendet / diese entstehende Feindschafften zu dämpfen / zu nichte gemacht wurden / darauf kame man zu Streichen mit Waffen. Man belägerte viel Städte /man sahe offt auf dem Land einen Rauch aufgehen /die armen Bauren fliehen / und Ströme von Blut fliessen; und der Neid wurtzelte so starck ein / daß Er nicht kunte weder durch Fleiß / noch durch Unterhandlung hoher Potentaten ausgerissen werden. Der vornehmste Minister der Prinzessin / der viel bey ihr galte / wie auch bey dem Volck / der riethe ihr / sie solte ihren Bruder enterben / mit welchem keine Versöhnung einzugehen war. Darauf wolte dieser Minister der beste bey der jenigen seyn / welche diesem Raht gefolget / und deren keinen [135] verworffen hatte; Er hoffte sie zu heyraten / wegen so vieler Dienste / die Er ihr geleistet / und daß Er solcher Ehre von Geburt her werth wäre: Er brachte durch seine bewegliche Practicken / und durch seine kühne Creaturen so viel zu wegen / daß Er der Vormünder gedachter Prinzessin Einwilligung erhielte / aber nicht von allen / in seinen hohen Gedancken zu triumphiren. Unterdessen aber schickte ihn ein schädlicher Streich in das Grab /betrübte diese schöne Braut / und hätte die Unterthanen schier in Verzweifflung gebracht / ja alles zernichtet / was man mit so viel Mühe / Schweiß und Blut zu weg gebracht.

Etliche benachbarte Fürsten / die der Prinzessin schlechthin beygestanden / weil sie dem Bruder feind waren / wie auch zu Hoffnung sie zu heyraten / bekümmerten sich wenig / um den Tod dieses spitzfündigen Ministers / der eine Dame haben wolte / welche sie durch so viel Mittel gesuchet. Ein fremder Fürst /deme ein mächtiger Monarch beygestanden / lieffe ihr seine Dienste anbieten / aber seine Prackticken waren offenbar/ und sein Ehrgeitz verschreyet / darum gienge Er bald hernach wieder hin / wo Er hergekommen. Die Vormündere kunten ihre Prinzessin nach ihren Verlangen nicht anbringen / und betrachteten die unübersteiglichen Ungelegenheiten / darein sie verwickelt waren; warffen ihre Augen auf einen jungen Printzen / und machten ihn zum Gubernator ihrer Herrschafften. Er verrichtete [136] sein Ammt rühmlich /hielte die Feind ferne von den Gräntzen / und überkam gantze Länder mit Ruhm / daß er ein trefflicher General wäre. Wie aber der Neid die Tugend begleitet / und die Ehre bey glücklichem Fortgang der Sachen /entweder Ehrgeitz / oder grossen Argwohn verursachet: Also ward dieser Fürst verdächtig / ob strebete Er nach der Prinzessin / sie zu heyraten. Jedoch hatte er etliche Nebel glückselig vertrieben / umb des gemeinen Ruhestands willen / er gienge weiter nicht /sondern raumte durch seinem Tod einem andern die Stelle / der mit seinem mächtigen Arm diesen geängstigten Bruder nöthigte / aller seiner Zusprüche sich zu verzeihen. Der jenige / welcher ihme nachfolgte /verstunde sich nicht wohl mit der Prinzessin Vormündern / und seine Anschläge hatten solchen Fortgang nicht / als er sich vorsetzte / welche man auch nicht anderst / als durch Muthmassungen errathen kunte. Er wurde kranck / und starb mit grosser Nachklage von männiglich / also daß / weil der Argwohn im Rauch gienge / bliebe die Prinzessin in den Gedancken / wie es das Ansehen hatte / sich nicht zu verheyraten. Sie folgte ihrer Vormünder Raht / war mit ihrer erlangten Ehre zu frieden / daß es nur ihrem Volck wohlgienge. Sie verachtete den Neid / den man auf sie hatte / und brachte ihre Feinde zur Reu / daß sie jemahl ihren Herrschafften / oder der grösse ihrer Reputation Schaden zugefüget.

37. Von einem jungen Menschen - der sich aus Verzweifflung umbgebracht
[137] 37. Von einem jungen Menschen / der sich aus Verzweifflung umbgebracht.

Die Liebe bringet nicht allein Rosen / sondern auch sehr gefährliche Dörner / und an statt der Genüssung /traurige Ausgänge / und blutige Veränderungen. Sie verändert die Thiere / wie der Poet saget / das ist / sie machet sie unvernünfftig / und grausam gegen sich selbst / wann sie die Hoffnung verlieren / des Geliebten theilhafftig zu werden. Dieser / dessen End wir beschreiben wollen / hatte lange Zeit nach einer Jungfrau gestrebet und durch sein Aufwarten etwas Gunst bey ihr erlanget; der wurd so wütend / da er sahe / daß ihre Eltern sie einem andern versprochen / an deme gar nichts besonders war / daß er in seinem Dolchen vor seiner Liebsten Augen gefallen / welche sich darüber dermassen bekümmerte / daß sie das Kloster-Leben vor einem Mann / und den Tod an statt der Heyrath erwelte. Ein anderer / da er gesehen / daß seine Liebste durch den Strom des Flusses fortgeführet worden / darum er sie für verlohren geachtet /stürtzete sich in den Fluß / und ertränckete sich darinn. Diese Proceduren sind nicht werth / daß sie von einem Christen solten gesagt werden / der solle alles nach unsers Heylandes Exempel gedultig ausstehen /und ihme selbst den Tod nicht anthun / wann er nicht das ewige Leben verlieren will. Der Heid / der sich an seiner Liebsten Thier gehencket / ihr [138] einen Schrecken zu machen / ist bessers Lobes werth / als beede erste; denn nach der Heiden Gesetze / war es eine Großmütigkeit / wann sich einer selbst umbgebracht / damit er von einer unerträglichen Plage kommen mögte. Dieser Affect ist so gewaltig / und herrschet bisweilen mit solcher Macht über die Gemüter / daß sie junge Mägdlein vo Fensterm herunter springen / von ihren Eltern lauffen / und sich in ihrer Liebsten Arme begeben machet / ohne Furcht unglückseliger Begegnuß /oder Schiffbruch an ihrer Ehre zu leiden. Die jenige /welche Gifft genommen / nach dem sie den Mörder ihres Liebsten Barbarisch tractiret / könnte ihrer Jugend halber entschuldigt werden bey den Frommen /wann ihre Grausamkeit sie bey den Nachkommen nicht so schwartz gemacht hätte. Wann die Rachgier sich mit diesem Affect vermenget / so ist nichts so schröckliches / dessen sie sich nicht unterfange. Dieses blinde Feuer / durch Zorn angeblasen / lässet sich durch die Vernunfft nicht regieren.

38. Von einem Diener / der eine Uhr zerbrach / in Meynung - es wäre eine Mauß
38. Von einem Diener / der eine Uhr zerbrach /in Meynung / es wäre eine Mauß.

Wir wollen die Erzehlung so vieler unnatürlichen Thaten verlassen / lasset uns diese Tiberios, diese Nerones, diese Domitianos, diese Feinde des menschlichen Geschlechtes und der Tugendliebenden fliehen: Lasset uns die losen Leute verfluchen / die ihre Herren umbringen / [139] oder ihnen nicht gehorchen wollen; Lasset uns mit einer lächerlichen Geschichte aufhören / welche die Melancholey und die Nebel verjagen kan / die unser Gemüth einnehmen / wann wir so viel abscheuliche Unglück bedencken.

Ein Edelmann hatte einen Knecht in Dienste aufgenommen / der bewiese durch folgende Action seine Einfalt / oder vielmehr seine Dölpeley. Sein Herr legte sich einsten auf das Bett / und befahle ihm / er solte seine Kleider auskehren. Er truge sie in eine andere Kammer / und hörte ein Geräusch / welches die Uhr thate / welche auf Minuten zeigte / er hielte sie an sein Ohr / und glaubte festiglich / es müste eine Mauß darinn verborgen seyn. Als er sich den andern Tag aus dem Bett aufmachte / und das Geräusch nach hörte /sagte er bey sich selbst / ich will dich schon erdappen / du Rabenas / nahme einen Stecken und schluge die Uhr damit in tausend Stücken / in Meynung / die Mauß zu erschlagen / die sich nicht fande. Der Herr aber fande den Stecken wohl / welcher / als er sahe /daß seine Uhr hin war / striegelte er seinen Diener tapfer herumb. Endlich auf Fürbitte etlicher Herren vergab er ihm seinen Fehler / und hiesse ihn die Mauß.


ENDE. [140]

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TextGrid Repository (2012). Parivall, Jean Nicolas de. Werk. Sinnreiche - Kurtzweilige und Traurige Geschichte. Sinnreiche - Kurtzweilige und Traurige Geschichte. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-6C30-0