[1678] [1702]1790.

Mel. Wachet auf, rufst uns etc.


1. Souveräner herzens-könig schau dein gebeugt und unterthänig, dein zugeschwornes volk ist hier; dein volk, das du selbst geruffen, das liegt vor deines thrones stuffen und ist voll flammender begier, wie es an diesem fest sich schikken möcht aufs best, um zu zeigen, wie einem ist zu solcher frist, wenn du, o Lämmlein! nahe bist.

2. Wer kan würdig drüber sprechen, die worte wollen uns gebrechen, obgleich das herz so voll davon; wir sind schaafe deiner schönen weide, wir, dein so saurer creuzeslohn. O Lamm! was wilt du nun von neuem an uns thun? wir erstaunen; du declarirst, du Kirchen-fürst! daß du nun unser Ältster wirst.

3. Du gabst zwar seit vielen jahren uns in der wahrheit zu erfahren, daß du der Herr bist übers haus; dürffen uns nicht weit besinnen, so werden wir so vieles innen, es kommen tausend proben raus: denn daß du durch dein blut, uns dir zum proper-guth angekauffet, [1702] das gläuben wir, das reden wir, und auch die leute gläubens schier.

4. Da wir dich im geiste sehen als General am haupte stehen, und du dich so mit uns läßt ein, daß wir in den künftgen zeiten dein um so viel genauers weiden er fahren solln in der Gemein: so ist wol keines hie, das nicht in harmonie Hosianna mit andern singt, sich selber bringt, und mit uns in dein herze schwingt.

5. Drum zieh ein zu deinen thoren, du findest durchgebohrte ohren, und herzen, die dir eigen sind; rede selbst in unsern chören, wir wollen dich bedächtlich hören, dein amen unser herze bindt: wir werden kindlich frey und ohne alle scheu mit dir handeln, und wenn uns Licht in was gebricht, begehrn wir deinen unterricht.

6. Sonderlich wirst du gebeten, an deinen rechten platz zu treten in deiner diener ihrem chor; laß in denen conferenzen die wunden-maale helle glänzen, und stell dich einem jeden vor; und blikt dich iemand an, dem kläre seinen plan deines willens, und mache leicht, wo einen deucht, daß seine kraft dahin nicht reicht.

7. Lamm! dein sanftes liebes-neigen, daß sich am stirnblat pflegt zu zeigen in einem majestät'schen strahl, woll auf diese glieder blitzen, wenn sie im rath beysammen sitzen, und das durchgeh sie allzumal; ja halt sie allermeist vergnügt in ihrem geist und zusammen, so mildern sie der arbeit müh durch ihrer psalmen harmonie.

8. General und Herr der heerden, die du gesammlet von der erden! bleib unverrükt bey ihnen stehn, schaue, was sich hier verbunden, seit du den stab hast wieder funden, wie ists ihm schöne anzusehn? was wird in künftger zeit nicht noch vor seligkeit draus entstehen, wenn unser Hirt, was sich verirrt, durch sein verdienst nachholen wird.

9. Nun wirst du die retirade für eine iede sünden-made, die nicht mehr weiß, wo aus noch ein; die wird denn ihr ganzes herze mit aller ihrer noth und schmerze in deine wunden führen ein. Ich seh die würkung schon der absolution, da man fühlet, daß du den brast der sünden-last vom herzen abgeführet hast.

10. Möcht man doch vor [1703] dir zerfliessen und thränend deine hände küssen, wie wir es denn im geiste thun; unser freund ist unbeschreiblich, den philosophen ganz ungläublich; was liegt daran? wir fühlen nun und sagens ohne scheu, es ist nicht phantasey oder träumen; das herze nennt den Mann, dens kennt, und dessen flamme drinnen brennt.

11. Also sind wir innig frölich, und halten uns für ewig selig; des Lammes amt ist unsre ruh; darum schallt in dieser stunde aus aller deiner leute munde: Glük zu dem General! glük zu! dem Vater aller zeit und der Dreyeinigkeit in der Gottheit! Der sünder-schaar ists elend klar: drum liebt sie ihren Heiland gar.


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TextGrid Repository (2012). Zinzendorf, Erdmuthe Dorothea von. 1790. Souveräner herzens-könig. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-B428-0