[8] Vorbericht

Ich bin gewiß versichert, daß, so lange sich das Frauenzimmer in die Mode, Bücher herauszugeben, gemenget hat, fast keine einige Schrifft von ihnen zum Vorschein gekommen sey, die nicht vorhero durch eine im Schreiben geübte Manns-Person durchsehen worden wäre. Denn dieses zu erweisen darf ich nur auf die Zeiten einer gelehrten Schurmannin und Scuderi, oder auch eine dergleichen de la Suze und [9] Dacier zurück gehen, so vermag ich auch in keine Wege diese gute Art zu tadeln, weil ich es vor weit billiger halte, das gemeine Wesen mit nichts zu beschweren, was nicht vorher durch eine rechte Aufsicht gegangen, als es auf ein bloß gerathe wohl dahin zu wagen, ob es nach seinen Vorschein Beyfall finden werde, oder nicht; was liegt uns dran ob die Madame des Houliers die schönen Verse, so unter ihren Nahmen an das Licht getreten sind, gemacht habe oder nicht, wann sie nur sonsten vor lesenswürdig geachtet werden. Nichts destoweniger hab ich es einmahl darauf ankommen lassen, einige Blätter vor mich heraus zu geben, ohne jemand darum zu Rathe gezogen zu haben; nicht, als wann ich in der Meynung stünde, daß ich es damit auf eine Weise, wie die Madame de Sevigny, oder alle dasjenige Frauenzimmer würde [10] getroffen haben, so sich vielleicht die Feder von einer frembden Hand führen lassen; Nein keinesweges, sondern darum daß ich einmahl thun wollen, als hätt ich dem vortrefflichen Frantzösischen Spötter, Mons. Boileau des Preaux geglaubet, der, nach Berichtung des Herrn Bayle, so bald er von einer Dame einen Brief nach ihrer Art in gebundner oder ungebundner Rede geschrieben bekam, denselben in ein eigen darzu gewiedmetes Behältniß legete, worüber stund: Natur geht über Kunst; Denn so wenig als solches deßen wahre Meynung in diesen Stück gewesen seyn mag, so viel Recht glaub ich doch zu haben, desselben Spotts, unsern Geschlechte zu Ehren, wieder zu spotten, wenn ich mich / wie er, verstelle, und davor halte, als hätt er es in der That also gegläubt. Indeß habe ich vielmal der Sache mit Verwunderung nachgedacht, wie es doch zugehen [11] müsse daß da das Frauenzimmer, so wol bey Hofe, als auch in woleingerichteten Städten, den Ruhm mit Beyfall aller, auch so gar derer gelehrtesten Männer hat, oft besser als jene zu reden / dennoch im schreiben es mit ihnen gar nicht fort wolle, sondern zehn Weiber-Federn nicht an die Schrifft eines einigen in der Gelehrsamkeit angeführten Mannes, ich will nicht sagen in gelehrten, sondern bloß ordentl. Sachen reichen. Die Antwort hierauff stehet zwar dem Ansehn nach schon in meinen Vortrage selbst / weil, wenn das Frauenzimmer studierete, es auch das Mannsvolck alsdenn im schreiben leicht übertreffen könte, indem ein ungelehrter Mann eben so schlecht zu schreiben scheinet, als ein dergleichen Frauenzimmer, und also wohl der Grund von einer guten Schrifft die Gelehrsamkeit in der Sprach-Kunst ohnfehlbar seyn muß, [12] weil ausser dem ein Gelehrter, der auf Schulen eine Sprache, was es vor eine sey /nach der Kunst zu lernen verachtet hat, in seinen höhern Jahren, wieder von der Sprache verachtet wird, er mag gleich in der übrigen Gelehrsamkeit, von geistlichen oder weltlichen Dingen, der gröste Held seiner Zeit seyn; Allein so thut mir doch um deswillen diese Beantwortung noch kein völliges Gnügen, weil ein ungelehrter Mann gar selten einen Gelehrten in seinen Reden übertreffen wird, dahingegen alle Gelehrten einräumen müssen / daß ihnen darinne das Frauenvolck, gar offt vorgehe. Und wo bleibet denn also die Krafft unsers Gedächtnisses, daß, da wir in rechter und ordentlicher Reihe die Worte hinter einander hersetzen, wann wir reden, wir selbige nicht so lange im Sinne behalten können, als sie von Mund aus, so zu sagen, in die Feder zu [13] bringen, Zeit erfordern; Es ist ja öffters in Briefen, die man von Frauenzimmer siehet, ein solch Gehacke unter einander, wenn ich gleichsam nach Kunst-Art der Küche es vortragen darff, daß nimmermehr eine Botage so bunt-schäckigt auf der Tafel erscheinen kan, als ein solch Schreiben unter einander verworffen aussiehet, da doch, wenn man mit denen Dichtern davon selbst spricht, man kleine Engel an Nettigkeit zu hören glaubet; Mir ist daher leid, daß ich den welt-berühmten Cavallier, welcher ein Buch geschrieben haben soll, das er eine Artzney von der Seele heisset, nicht noch in seinen Leben gekennet, der, wie man mir gesaget, diese Frage darinnen auf gewisse Masse berühret, und unter andern die besten Regeln, wie man bald und gut Lateinisch lernen könne / gegeben, da er doch selbst das Lateinische nicht geschrieben, wie man aus [14] dem Ende der Vorrede dessen andern Buchs, so er die Artzney vor den Leib betitult, ersehen soll, und gewisse Leute, so dessen genaue Freunde gewesen, uns solches gewiß versichert haben. Denn dieser sonst so grosse Mann, muß ohnfehlbar das Kunst-Stück besessen haben, wenigstens den Frauenzimmer gut Teutsch schreiben zu lehren, wenn es gleich kein Latein verstanden, wie dessen herrliche teutsche Schrifften solches einen jeden zur Gnüge überführen; Dem sey aber wie ihm wollen, so werde ich doch allzeit der Tschirnhausischen Asche dieses nachrühmen, daß mich die Anhörungen dererjenigen Ursachen, die am bemeldten Orte über das Schreiben, als der höchsten Staffel in einer Sprache, gegeben worden, bewogen haben, mich etwas in der Sprach-Kunst anführen zu lassen / damit ich in der natürlichen Zuneigung, so ich allemahl zu Versen [15] gehabt, ein wenig weiter gehen können, als es sonst geschehen seyn würde wenn ich bloß wie die meisten gleichwohl lobens-werthen Herren Meister-Sänger hierinnen verfahren und bey der Natürlichkeit allein verblieben wär, und dadurch verdienet hätte, was der gelehrte Herr Jablonski in seinen allgemeinen Lexico der Künste und Wissenschafften, unter dem Titul Poete, davon sehr artig errinnert, daß wo die Natur und angebohrne Gabe ohne Fleiß und Ubung alleine wären, wohl ein Versifex und Reimenschmidt, derer Schrifften schon in die Gewürtz-Kräme verwiesen worden, nicht aber ein Poet daraus entstünd; doch wo gerath ich mit meinen Vortrage hin, der mich in den ohnfehlbaren Verdacht setzen wird, als flösse dieser Vorbericht nicht aus meiner Feder her, und wäre also auch meinem anfängl. Vorgeben nach darinnen[16] ein blosses Gedichte ohne Reim, das meine Reime niemal gesehen hätte, allein so bin ich gewiß, daß mir die Verse niemand, so sie lieset, leicht absprechen werde, von der Vorrede aber mag man halten was man will, wenn man ein Recht zu haben gläubet, den durch die Erfahrung längst bestärckten Satz zu leugnen, daß der von Jugend auf unterhaltene Umgang mit artigen und vernünfftgen Gesellschafften, die unwidersprechlich eine hohe Schule zu einen rechtschaffenen Leben sind, uns vieles lernen könne, das andere zu leisten unterlassen müssen / welche davor, ich weiß nicht aus was vor einen Eigensinn fliehen; Wer daher über die Nutzbarkeit des Besuchs solcher Gesellschafften dasjenige lieset, was in denen unvergleichlichen Rabutinischen Briefen von so vielen Damen davon angeführet wird, die mit diesen gefangnen angenehmen [17] Grafen einen so nutzbahren Brief-Wechsel gepflogen haben, der kan ohnmöglich meinen Lehrsatz im Ernst widersprechen, er wolte dann behaupten, daß die schöne Welt, wie sie nach Frantzösischer Mund-Art zum Unterscheid des Pöbels gar artig genennet wird, mit denselben einerley sey. Hiernechst wüst ich nicht, wie ein Frauenzimmer, das gleich mir das Unglück gehabt, in ihren jungen Jahren, schon zweymahl zur Wittbe zu werden, ihre traurige Zeit vergönnter, als durch einen stillen Vers vertreiben könte. Zwar solte einen jeden der Haß, den gemeiniglich die, so selbst kein Geschicke zum Versmachen haben, wider die Poeten hegen, leicht abhalten, sich solches unschuldigen Triebes zu bedienen, allein so hat der grosse Ludwig der XIV. in Franckreich die Antwort dergestalt gnädig aufgenommen, die ihn ein grosser Poete bey Uberreichung [18] eines Verses, als der König aus Schertz zu ihm sagte; Alle Poeten sind Narren; Zur Gegen-Antwort aus einen alten frantzösischen Poeten gab: Aber nicht alle Narren sind Poeten; Daß man solch angenehm beissendes Saltz kühnlich gegen die gebrauchen darff, so sich unterstehen, die sinnreiche Poesie und deren Verehrer oder Verehrerinnen ohne Ursache zu hassen / ja selbst diejenigen, so in der Meynung stehen, als könne ein Redner und Poete, nicht nach einer gesunden Vernunfft-Lehre schreiben, stecken in einen augenscheinl. Vorurtheile, weil ja nichts mehr einen Zuhörer oder Leser als ein wahrer Vortrag reitzet, und in Erweckung der Annehmlichkeit der gröste Endzweck aller Redner und Poeten stecket; Daß aber so viele mit lauter fabelhafften Göttern u. Göttinnen um sich werffende, abgeschmackte griech. und lat. Versmacher, [19] oder die ihnen in Teutschen darinnen gefolget sind, der klugen Welt durch den in diesen Stück sehr gerechten obigen Vorwurff die Schuld ihrer Thorheit bezahlet haben, dessen ist ihre Aufführung nicht anders als würdig gewesen, und wird es auch so lange bleiben, als ihre Verehrer nicht, ausgenommen bey Lust und Spielen und dergleichen, sich einer so verkehrten Schreib-Art enthalten. Ich muß demnach öffentlich gestehen / daß so lieb als mir auch die Music von meinen jüngern Jahren an gewesen, dennoch die Poesie bey mir allemal die Ober-Hand behalten, oder am bescheidensten zu sagen, in gleichen Paare den Gang mit ihr behauptet und nicht geachtet hat, was die Steller des Naturells von Leuten daraus vor ungegründete Folgerungen zu ziehen pflegen, denn es ist entweder nach des gelehrten Hn. von Rohrs seinen Ausspruch [20] an solcher Kunst gar nichts, oder aber es muß die Vers- u. Music-Lust, wann darneben die Ehre im nechsten Grad stehet, alle Ausschweiffungen dergestalt mäßigen, daß ein aufgewecktes Wesen an der Urtheils-Krafft niemahls solchen Schaden leidet, den man mit Recht ein grosses Verliehren heissen könte. Ich halte diesemnach die so genannten Herrn Virtuosen, die mir zum öfftern bey ihren Hierseyn u. Durchreisen die Ehre ihres Zuspruchs gönnen, so werth, daß ich vor aller Welt rühmen muß, von ihnen öffters so viel Klugheit erblickt zu haben, und noch zu erblicken, die ich bey manchen Spanischen Sauer-Töpfen so leicht nicht angetroffen habe, und es mir also jedesmahl vor ein Glück schätzen werde, deren Vortrefflichkeiten noch fernerhin bewundern zu können, um dadurch zugleich der Königin Christinen, wiewohl mit aller Ehrfurcht [21] ihr fast hartes Verfahren zu zeigen, welches sie darum denen Römis. Virtuosen mercken ließ, weil sie der Pabst Alexander der VIII. offt länger als der Königin ihren Vortrag hörete, und frey gestund, daß er seine sehr wenige zur Ergötzlichkeit ausgesetzte Zeit nicht besser anzuwenden wüste, als wenn er einen erbaulichen Vers durch eine schöne Stimme abgesungen vernähme. Bin ich gleich nun nicht in andern Dingen einer Alexandrinischen Meinung, so muß ich doch bekennen, daß mir diejenigen Stunden, so ich durch Verse, mit und ohne Music, zu einer täglichen Einsicht in die menschlichen Handlungen, so weit als sie vernünfftig oder nicht sind, anwende, mir kein geringes Vergnügen geben, weil ich dadurch eine so unterschiedene Aufführung derer Menschen in der Welt gefunden, daß ich manchmahl selbst nicht weiß was ich davon sagen oder dencken [22] soll. Es haben daher längst viel alte u. neue Poeten den wohl verdienten Ruhm davon getragen, daß sie zur Verbesserung der Sitten-Lehre den stärcksten Anlaß gegeben / so gar, daß der sonst straffbahre Käyser Domitianus denjenigen Wett-Streit sehr löbl. gestifftet, welcher auf dem Capitolio zu Rom jedes 5te Jahr begangen, und krafft dessen der so in der Wohlredenheit und Poesie die Ober-Hand behalten / von dem Kayser selbst, mit einem Lorber-Crantz beehret worden, woraus hernach derer Teutschen Kayser und Römischen Päbste biß auf diese Zeit ihre wohl fortgepflantzete Gewohnheit entstanden ist, daß sie ihren Pfaltz- und Lateran-Grafen Macht gegeben haben, selbst Frauenzimmer, wann es ihre Vers-Kunst verdienete, zu Poetinnen zu crönen, wie die edele und gelehrte Venedigerin Cornara dieses Glück von beyderseits Höfen [23] unmittelbar erlanget, u. daneben mit der Ehre eines ihr aufgesetzten Doctorinnen-Huts unsterblich gepranget hat, wiewohl nun die wenigstens unter uns dergleichen Zierath suchen werden, nachdem leyder in Teutschland nicht, wie in den hierinnen vernünfftigen Franckreiche der löbliche Gebrauch ist, in so vielen prächtigen Städten der Poesie und Wohlredenheit, die schönsten Preise aufzusetzen, ja gar gleich Monsieur Titon du Tillet, denen Poeten und Musicis zu unsterblichen Ehren einen Parnaß von Ertz aufzurichten, der so sinnreich als prächtig ist, und von der gelehrten Welt die gröste Billigung erhalten hat, so entstehet doch in einen solchen Gemüthe, daß offt mit Versen von einer reinen Sitten-Lehre umgehet, ein, ich weiß nicht was, vor sehr gleichgültiges, Hertz, das bey Freud und Leid in einerley Gewichte stehet, und sich die [24] Billig-oder Mißbilligung einer Sache in so weit einerley läst seyn, als die Schrancken der Billigkeit darbey nicht überschritten werden. Ich hoffe daher, daß alle diejenigen, so meine Verse vor lesenswürdig erachten, sicherlich glauben werden, wie mir auch nicht einmal im Schlaffe / geschweige denn wachend, eingefallen, jemanden, wer es auch sey, sowohl männliches als weiblichen Geschlechtes unter dem Mantel gegenwärtiger Gedichte im geringsten zu beleidigen, denn was ich darinnen manchmal wider die Lächerlichkeit der Welt angeführet, solches ist gar nicht von Personen /wohl aber von denen Lastern allein, anzunehmen. Was die galanten und so genannten verliebten Briefe und Cantaten, so hin und wieder mit eingeflossen, anbelanget, so wird verhoffentlich kein vernünfftiger Mensch auf den Argwohn verfallen, ob hätt ich mich deren etwan selbst bedienet, [25] oder selbige im Ernst niedergeschrieben; Denn wofern ich dergleichen Schreib-Art nöthig gehabt hätte, worzu mir doch mein jetziger Zustand keine Gelegenheit geben kan / würd ich selbige sonder allen Zweifel der ohne diß zum Argwohn starck geneigten Welt wohl schwerlich aufgewiesen haben. Es seynd, wie ein jeder leicht ersehen kan, lauter erdichtete Einfälle / deren sich diejenigen so der edlen Poesie nachzuhengen pflegen, am liebsten zu bedienen gewohnt sind, damit sie sich in Ausdrückung allerhand Affecten und Gemüths-Bewegungen zu üben suchen. So glaub ich auch nicht, daß mich jemand mit Recht des Fehlers überführen wird, ob hätt ich aus einer heimlichen Selbst-Liebe die Breßlerischen Briefe deswegen mit eingerücket, damit die Leser die grossen Lobes-Erhebungen, so mir diese nunmehr seel. Dame wider alles [26] Verdienst darinnen gemacht, auch mit anhören möchte, denn ich erkenne mein Unvermögen allzumal, und weiß daß es der heutigen Welt, ohngeachtet sie an vielen Dingen Mangel leidet, dennoch an Schmeicheleyen niemals gebricht. Ich muß selbst bekennen, daß ich mir Anfangs dergleichen Einwurff selber machte, allein da ich auch zugleich mit überlegte, wie es unverantwortlich wäre, der curieusen Welt die artigen Einfälle einer so vortrefflichen und gelehrten Dame aus Mißgunst zu entziehen, so sahe ich mich allerdings genöthiget den letztern Schluß zu erfassen. Diejenigen werthen Freunde und Freundinnen / mit welchen ich Briefe in dergleichen Schreib-Art zu wechseln die Ehre gehabt, und deren geschickte Feder mir bey meinen wenigen Dichten grossen Vortheil zu wege gebracht, werden sich vermuthl. nicht wundern, wenn [27] sie diejenigen Briefe so ich ehemahls an sie abgehen zu lassen mir die Freyheit genommen, in etwas verändert finden; denn da ich selbige eines theils noch bey denjenigen Stunden, als ich den Musen-Gott meine Erstlinge brachte, auch öffters in höchster Eyl wegen schleunigen Abgang der Posten niedergeschrieben, andern theils aber von derjenigen Zeit an, da ich vor einigen Jahren von einen gewissen Freunde zu dieser edlen Kunst angeführet wurde, dessen Schrifften fleißig nachgelesen, und dergleichen Schreib-Art nachzufolgen mich bemühet, auch in der That befunden, daß jeder Tag dem Menschen bey seinen Bemühungen und Wissenschafften einen neuen Zusatz giebet, habe ich bey Ubersehung und abermahliger Durchlesung derselben, ein und andres nach meinen jetzigen Geschmack darinnen verändert, und ihnen durch diese Nachhülffe, [28] wo ich mir anders damit schmeicheln darff, diejenige Gestalt gegeben, worinnen Sie vormahls billig hätten erscheinen sollen. Wolte es etlichen Lesern seltsam vorkommen, daß ich unter diese meine Gedichte viel schertzhaffte Gedancken mit geworffen, so weiß ich zu meiner Vertheidigung nichts anders vorzubringen, als daß ich der völligen Meynung bin, man müsse von einer Dame nicht allezeit ein ernsthafftes und Catonisches Gesichte begehren, zumahl da mein Temperament und aufgewecktes Wesen gar nicht zulassen würde, wann ich eine Gleißnerische Larve vor das Antiltz nähm, und bey jeder Begebenheit mich mit niedergeschlagnen Augen und seufftzenden Geberden der Welt darstellte. Alles hat seine Zeit und das weibliche Geschlechte vermeynet ebenfals, wie das Männliche, ein Recht zu haben, sich bey aufgeräumten [29] und vergnügten Stunden mit einem zuläßigen und artigen Schertz zu belustigen. In übrigen würde ich gerne sehen, wann mich diejenigen dienst-begierigen Federn, so bey Herausgebung neu-verfertigter Bücher und Schrifften der lüsternen Welt ihr Urtheil darüber einzuhändigen gewohnet seynd, verschonten, und meine schlechte Blätter übergängen, denn solten einige aus angebohrner Höfflichkeit meinen unansehnlichen Liedern ein unverdientes Lob beylegen, so würde gleich ein jeder ersehen, daß Sie meiner verzagten Muse durch Ihren schmeichelhafften Zuspruch ein Hertze zu machen willens wären, möchten aber andere die Hechel allzusehr schärffen, oder durch Ihre bißher gar starck zur Mode gewordne zweydeutige Redens-Arten die Leser stutzig und zweiffelhafftig machen, so würde ich mir zwar das Halßtuch nicht drüber [30] zureissen, es dürffte aber doch die vernünfftige und bescheidne Welt Ihnen vermuthlich einige Schamröthe hervor locken, wann Sie selbigen nur diesen Einwurff machte, daß dergleichen Poesie von einer schwachen Frauenzimmer-Feder herrührete, und nur ein bloßer Versuch in dergleichen Schreib-Art heissen solte. Würde man mir aber mit gehöriger Bescheidenheit meine Fehler zeigen, und mir den rechten Weg zum Musen-Berg mit gelaßner und williger Hand anweisen, so kan man leichte erachten, daß ich ihm den billigen Danck dafür nicht schuldig bleiben, sondern mich vielmehr vor solche aufrichtige Anweisung und wohlgemeynte Erinnerung Ihm gar sehr verpflichtet nennen werde.

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TextGrid Repository (2012). Ziegler, Christiana Mariana von. Gedichte. Versuch in gebundener Schreib-Art. Vorbericht. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-B220-E