Christiana Mariana von Ziegler
Vermischete Schriften
in
gebundener und ungebundener Rede

[2] Vorrede

Geneigter Leser.


Das weibliche Geschlechte wird überhaupt angeklaget, daß es in seinen Entschliessungen nicht gar zu beständig zu seyn pflege. Ich will es auch gewisser maassen ganz [2] gerne einräumen, ob ich gleich von vielen, welche durch ihre gezwungene Ernsthaftigkeit sich einen Ruhm zu erwerben suchen, deswegen keine geneigte Mine erhalten werde. Ich höre schon, wie sie murmeln, und mir den unzeitigen Vorwurf machen, als beschuldigte ich sie nur deswegen, weil ich selbst meinen Vorsatz geändert hätte. Es ist an dem, daß ich ehemals in meinen Gedichten von der Poesie öffentlich [3] Abschied genommen habe: Und doch zeige ich itzo daß mich die Lust zum Dichten noch nicht verlassen hat. Wie ich mich schon vielmals nicht gescheuet habe, die Fehler meines Geschlechtes zu entdecken; so schäme ich mich auch nicht, meine eigene Schwachheit zu gestehen; wo anders die Aenderung meines Entschlusses eine Schwachheit zu nennen ist.

Die Liebe zur Dichtkunst hat mich so eingenommen, daß ich ihr [4] unmöglich habe widerstehen können. Ich habe in dieser Beschäftigung, oder in diesem Zeitvertreibe, wenn man diesen Namen vor besser hält; so lange sie die Regeln der Sittlichkeit nicht überschreitet, so viel Unschuldiges und Edles gefunden, daß ich nicht umhin gekonnt darinn zuweilen fortzufahren. Dar aus sind die Stücke entstanden, welche dir in dem ersten Theile dieses Bandes vorgeleget werden. Mehr brauchet [5] es nicht von dem Ursprunge, und zur Vertheidigung meines Unternehmens zu sagen. Da ich gesonnen war, nicht mehr zu dichten, hatte ich die Absicht, mich auch in ungebundener Schreibart, so wohl durch eigene Betrachtungen als Uebersetzungen zu üben. Ich folgete diesem Triebe, und derselbe hat den Grund zu dem andern Theile des gegenwärtigen Werkes geleget, welchem ich deswegen den Titel [6] Vermischeter Schriften gegeben. Ich habe meine Feder mit Vorbedacht in unterschiedenen Arten prüfen wollen. Daher wirst du hier Reden, Gespräche, Briefe und Fabeln finden. Ich habe auf der Schaubühne der Welt so viele sonderbare Schauspiele aufführen sehen, daß es mir leicht gefallen wäre, ein weit mehrers von demjenigen zu entdecken und zu beurtheilen, was in den menschlichen Handlungen strafbar oder [7] lächerlich ist. Indessen habe ich in allen Stücken auf keine einzele Personen gesehen, sondern nur den Lauf der Welt überhaupt betrachtet, und was mir am seltsamsten geschienen, vor allen andern heraus genommen. Man wird mir dieses mit Grunde nicht verargen können; denn ich bin ja sowohl als andere Menschen, ein Zuschauer der Dinge, die in derselben geschehen; und darüber werde ich wohl eben so wenig zu [8] tadeln seyn, daß ich sage was ich glaube. Vielleicht lässet sich einer oder der andere diese Abschilderungen und Beurtheilungen zur Warnung dienen, sich vor allem demjenigen in Acht zunehmen, wodurch er mit recht lächerlich werden kann. Ein billiger Leser wird also meine gute Absicht nicht strafen können. Und wo ich ja getadelt werden sollte, daß meine Abbildungen nicht rechte Originale geworden wären; so [9] will ich mich nebst itzt gedachtem auch damit entschuldigen, daß ich eine allzu grosse Menschenliebe besitze, jemand in seiner völligen Blösse wirklich darzustellen. Es ist genug, wenn uns nur das Laster und der Fehler beschrieben wird. Alles überlasse ich dem Urtheile verständiger und billiger Leser. Findet meine Arbeit Beyfall, so werde ich ihnen davor gebührender maassen verbunden bleiben. Denen aber bey welchen sie ihn [10] nicht erhält, gebe ich die Versicherung daß ich mir wohlgegründete Erinnerungen ferner zu Nutze machen, ausser diesen aber mich durch widrige Urtheile von einem so nützlichen und angenehmen Zeitvertreibe nicht abhalten lassen werde.

[11]

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Ziegler, Christiana Mariana von. Gedichte. Gedichte. Vorrede. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-B184-7