Auf eben diese Leiche

In fremden Namen.


Der Mensch, die zart und kleine Welt
Woran Gott seine Kunst bezeiget,
Ist vieler Schwachheit ausgestellt,
Die oft das Herz zur Erde beuget.
Nimmt er Verfolgung und Gefahr,
Kreuz, Leiden, Noth und Krankheit wahr,
So überfällt ihn Angst und Grauen.
Absonderlich erschrickt sein Geist,
Wenn ihm der Tod die Stunde weist,
Da er sein Reich soll helfen bauen.
Die allerkleinste Creatur
Krümmt sich in Schmerz und Todes-Zügen.
Es ist nicht wider die Natur
Ein Grauen vor den Tod zu kriegen.
Hiskias, der Gott nie vergaß,
Rang weinend ohne Unterlaß
Die Hände auf dem Kranken-Bette.
Und bathe Gott, der Wunder schafft,
Ums Leben, und um neue Kraft,
Damit er ihn zu preisen hätte.
Wie bitter ist es nicht, die Welt
Und ihre Herrlichkeit zu meiden,
Und von der Ehre, Gut und Geld,
Macht, Ansehn, Glück und Pracht zu scheiden!
Wie schmerzhaft ist es, wenn ein Mann,
Der sich der Tugend rühmen kan,
So früh und zeitig soll erblassen!
O! ein durchdringend herber Schmerz,
Die Eltern und sein halbes Herz,
Die liebsten Freunde zu verlassen!
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Doch der Gerechte ist bemüht
Sich solcher Fesseln loszureissen.
Sein Geist, der nach dem Himmel sieht,
Will sich getrost im Tod beweisen.
Er weiß gewiß, daß diese Welt
Nur Angst und Jammer in sich hält,
Und doch zuletzt im Rauch verschwindet;
Hingegen trift er Canaan
Und Gosen nach den Sterben an,
Allwo er recht Vergnügen findet.
Dieß Himmels Glück erblickst du nun
Erblaßt und hochgeliebte Seele!
Dein Geist kan nun in Frieden ruhn,
Und lacht zu Kedars Mörder-Höhle.
Dich hat zwar auch die Grabes-Nacht
Nach der Natur zur Furcht gebracht,
Und manchen Seufzer ausgetrieben.
Allein wer ist, der dirs verdenkt,
Daß sich der frühe Tod gekränkt,
Da dich die Krankheit aufgerieben.
Dein Ehgemahl, das kurze Zeit
Dein treu und zärtlich Herz genossen,
Bracht Dich zur größten Traurigkeit,
Da Thränen aus den Augen schossen.
Ach! Dein Gemahl, das Du geliebt
Und nur durch deinen Tod betrübt,
Lag dir ja freylich an dem Herzen.
Der liebsten Eltern Klag-Geschrey;
Der ganzen Freundschaft Lieb und Treu,
Erweckte billig herbe Schmerzen.
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Jedoch du hast dich als ein Christ
Bey deinem Todes-Kampf bezeuget,
Mit Gott hast du dich ausgerüst:
Und Andachtsvoll dein Haupt geneiget.
Du überliessest deine Seel
Dem starken Fürst von Israel.
Und die, so dir an Herzen lagen:
Die übergabst du seiner Güt.
Und also hast du dich bemüht,
Gelassen gute Nacht zu sagen.
Du warst in deinem Geist gewiß
Sie nicht auf ewig zu verlieren,
Gott würde sie im Paradieß
Dir wieder wissen zuzuführen.
Du dachtest an die Herrlichkeit
So dir dort oben ist bereit,
Und wie dein Kranz da würde grünen.
Du dachtest: O! was nehm ich wahr:
Den Umgang mit der Menschen-Schaar
Vertausch ich mit den Seraphinen.
So wurde deine Todes-Pein
In ein gewünschtes Glück verwandelt,
Du schliefst in Jesus Armen ein.
So wohl hat Gott mit dir gehandelt!
Er machte durch des Sohnes Blut,
Dein Scheiden, Tod und Sterben gut,
Und hat dich zu sich aufgenommen.
Du bist nun, wie Elias dort,
An dem verlangten Freuden-Ort
Mit Roß und Wagen angekommen.
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Ihr Eltern! die ihr neben mir
Des liebsten Sohnes Tod beklaget,
Und mit der sehnlichsten Begier
In eurem Schmerz nach Balsam fraget.
Wer richt euch auf? Wer tröstet mich?
Dieß kan kein Mensch! warhaftiglich,
Nur Gott muß Trost ins Herze geben.
Er wirds auch thun, er steht uns bey,
Denn wir vertrauen seiner Treu,
Wir wollen ihn nicht wiederstreben.

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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Zäunemann, Sidonia Hedwig. Auf eben diese Leiche. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-ADDD-B