Heilige Oster-Andacht

Auf! auf! ermuntre dich mein Herz,
Und sage nun den Thränen abe.
Verlasse deinen Seelen-Schmerz,
Und klag nicht mehr bey Jesus Grabe.
Die Traurigkeit, so Jesus Noth;
Die Angst, so dir sein Marter-Tod
Sein Leiden, Qual und Pein erreget,
Stell nun auf einmahl gänzlich ein:
[17]
Denn meines Jesus Leichenstein,
Und Schweiß-Tuch ist nun abgeleget.
Schau Seele nach Gethsemane!
Gott liegt nicht mehr in Todes-Banden.
Mein Heyland fähret in die Höh!
Er ist heut siegend auferstanden.
Das Grab ist leer, der Engel ruft:
Was sucht ihr Christum in der Gruft?
Er ist durch Stein und Sand gedrungen.
Er hat des Todes Macht bekriegt,
Dieselbe als ein Held besiegt,
Und sich nun in die Höh geschwungen.
Kommt ihr Verläugner seiner Macht,
Und schauet, wie er triumphiret!
Ihr, die ihr oft aus Unbedacht,
Und Boßheit dieses Wort geführet:
Was soll uns dieser Josephs-Sohn?
Hinweg! zum Creuz! dieß ist sein Lohn,
Er werde in die Gruft gesenket.
Nun kommt und schaut den Sieges-Mann.
Der Tod und Hölle zwingen kan.
Erzittert, wenn ihr dran gedenket!
Er bricht mit einer solchen Kraft
Schon jetzt der Riegel Zwang in Stücken;
Was wird man nicht vor Eigenschaft
Bey seiner letzten Zukunft blicken?
Macht jetzt sein Strahl die Hüter blind,
Die seiner Auffahrt Zeugen sind,
Was wird ihn nicht an jenem Tage
Vor Gottheit, Licht und Glanz erhöhn,
Wenn die Gerechten Freude sehn,
Die Bösen aber nichts als Plage.
[18]
Wer wird, o Herr! vor dieser Stund
Und vor dem Rechnungs-Tag erschrecken?
Nur die, so deinen heilgen Bund
Durch Ungerechtigkeit beflecken.
Herodes, Judas fürchten sich,
Und andre, die so freventlich
Dich Herr! mein Heyl! beleidget haben.
Die Priester stehen in der Zahl,
Ja alle, welche dazumahl
Zu deinem Tode Anlaß gaben.
Du Sieges-Fürst! des Todes Tod!
Nunmehr ist Davids Wort vollendet.
Du hast zwar in der Sterbens-Noth
Dein heilges Leben hier geendet:
Man hat dich auch ins Grab gebracht;
Doch durftest du des Moders Macht
Und die Verwesung niemahls sehen.
Kaum schließet dich des Grabes Stein,
Wie Jonam dort drey Tage ein,
So must du prächtig auferstehen.
Ihr Jünger! die ihr bitterlich
Bey eures Meisters Gruft geweinet,
Blickt auf! die Sachen ändern sich,
Weil Christus wiederum erscheinet.
Macht nicht der Magdalenen Mund,
Des Heylands Auferstehung kund?
Sie hört ja seine süsse Rede;
Sie sieht ihn würcklich vor sich stehn,
Und kan vergnügt vom Grabe gehn;
Sie ist nicht mehr betrübt und blöde.
[19]
Ja, liebster Jesu, meine Seel
Gibt deiner Auferstehung Glauben.
Du Held und starker Michael!
Den Trost soll mir kein Feind nicht rauben.
Mein Herze! denke doch daran
Wie leicht es sich verändern kan:
Der, so mit Tüchern zugebunden,
Und in die Gruft geleget war,
Hat jetzt die ganze Höllen-Schaar,
Durch seinen Durchbruch überwunden.
Umsonst ist hier der Menschen-Macht;
Vergeblich ist das Grab zu siegeln;
Was nützet wohl die starke Wacht?
O! suchet nur nichts auszuklügeln!
Wer will dem Herrscher aller Welt,
Der Meer und Wind in Schranken hält,
In seinen Werken widerstreben?
Fällt Tod und Welt und Belial
Vor ihm mit einem starken Knall,
Wie will sich dann ein Mensch erheben?
Triumph! Victoria! die Sünd
Hat Christus mit ins Grab genommen.
Ich bin nunmehro Gottes Kind;
Nun darf ich vor sein Antlitz kommen.
Mir graut nicht vor des Grabes-Thür,
Der Tod kömmt mir nicht schrecklich für,
Dieweil mein Grab geheilget worden,
Weil du mein Haupt erstanden bist;
So leb ich auch, und jeder Christ,
Der jetzo steht in Creuzes-Orden.
[20]
Du schwingest deine Sieges-Fahn,
Und rufst, der Schall dringt durch die Ohren;
Kommt her, schaut meine Wunden an.
Und glaubt, so geht ihr nicht verlohren.
Ich lebe nun und allezeit,
Des Höchsten Stul ist mir bereit,
Ich sitz zu meines Vaters Rechten.
Drum solt ihr gleichfals auferstehn.
Und mit in meine Freude gehn:
So lohn ich allen meinen Knechten.
Drum frag ich nichts nach Angst und Pein,
Nach Noth, nach Ungemach und Leiden,
Nichts nach Betrug und Heuchel-Schein,
Ich will mich stets an Christo weiden.
Stürmt alles Unglück auf mich zu:
Stöhrt Welt und Satan meine Ruh;
So will ich dulten, hoffen, schweigen.
Das kurze Leiden dieser Zeit,
Ist ja nicht werth der Herrlichkeit,
Die mir Gott wird im Himmel zeigen.
Es kan kein Held und Rittersmann
Auf seinem Haupte Palmen tragen,
Er hebe denn zu streiten an,
Und suche seinen Feind zu schlagen.
Kampf, Fechten, Mühe, Blut und Schweiß
Pflegt stets vor Ehre, Ruhm und Preiß,
Und vor dem Siege herzugehen;
So dringt man auch durch Creuz und Leid
In jene frohe Ewigkeit.
Nach Nebel ist das Licht zu sehen.
[21]
So gieng es meinem Heyland auch,
Er muste erst in seinen Jahren
Mich dünkt (ich seh den Dornen-Strauch)
Viel Schmach von seinem Volk erfahren.
Er schwitzte erst am Oelberg Blut,
Und muste seiner Feinde Wuth
Durch Bande, Hohn und Striemen sehen.
Er muste erst mit grosser Pein
Gemartert und gecreuzget seyn;
Bevor er kunte auferstehen.
Wärst du, mein Licht und Seelen-Heyl,
Nicht aus der dunklen Gruft gegangen;
So blieb der andre Tod mein Theil;
Ich könte nie zu Gott gelangen.
Herr! deiner Auferstehung Kraft,
Gibt meiner Seele Muth und Saft,
Getrost durch Noth und Tod zu brechen.
Triumph! Triumph! mein Heyland lebt,
Der mich aus meinem Grabe hebt;
So kan ich einstens Heilig! sprechen.

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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Zäunemann, Sidonia Hedwig. Heilige Oster-Andacht. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-AC87-6