[25] Drittes Buch

Die Luft beglänzte schon der Sonne reger Schimmer;
Er warf den güldnen Stral in Raufbolds Ruhezimmer.
Der Vorhang, der ihn brach, und rauschend vor ihn trat,
Zog an der weißen Wand ein länglichtes Qvadrat.
Des Degens Stichblatt schien, in falben Schattenbildern,
Der Schreckkometen Lauf elliptisch abzuschildern.
Ganz Leipzig hub sich schon halb taumelnd in die Höh,
Und trank das schwere Naß, den bräunlichen Caffee;
An jedem Nachttisch ward der Schönen Witz geschäfftig,
Und macht erst ihren Reiz durch fremden Anputz kräftig.
Der Spiegel, der allein sonst unparteyisch war,
Stellt, die kaum häßlich schien, itzt jung und reizend dar,
Und sieht, wie man sich quält, durch einen schwarzen Flecken
Ein feindlich Blätterchen 1 den Stutzern zu verdecken.
Nur Raufbold ruhte noch, und lag, von Sorgen frey,
Bis in den hellen Tag, auf einer harten Streu.
Zwar kostbar schlief er nicht, doch schlief er ohne Kummer,
Und mancher wache Geist versüßt ihm Ruh und Schlummer.
Der Schlaf, den man nur meist in braunen Nächten sieht,
Der, wenn der Morgen glänzt, die muntern Menschen flieht,
Und wenn des Bauers Hand ihn aus den Augen reibet,
In bunte Zimmer flieht, und in den Städten bleibet;
Der fand bey Raufbolds Ruh, da er durch Spiel und Schmaus
Die Nacht zum Tag gemacht, auch noch im Tag ein Haus.
Er schläft und ruht mit ihm, und nimmt die Augenlieder
Zu seinem sanften Sitz, und drückt sie sinkend nieder.
Dieß sieht sein wilder Schutz, der Renommistengeist,
Sein Auge flammt vor Zorn, da er den Schlaf so dreust
Auf Raufbolds Augen sieht; er schwört, ihn zu bestrafen;
Doch läßt er auf sein Flehn ihn und den Helden schlafen.
»Wie, Raufbold? seufzet er, du schläfst? ach wüßtest du,
Wie sehr bey deiner Streu, bey deiner süßen Ruh,
[26]
Dein Schutzgeist sich betrübt; wie würdest du erschrecken;
Die Wangen würden sich mit edler Röthe decken.
Wer weis, ob dich nicht schon der Mode Wort verführt?
Wer weis es, ob nicht schon dein Herz die Neigung spürt,
Die kurze leichte Tracht abtrünnig zu verändern,
Und Hals, und Uhr, und Stock, und Degen zu bebändern?
Wie oft nimmt uns der Glanz von der Verändrung ein – –
Jedoch du bist zu stolz, ein Leipziger zu seyn.
Ein Stiefel reizt dich nur; wich er vor weißen Strümpfen,
Du würdest Jena, dich, und deinen Stal beschimpfen.«
Er schwieg, und setzte sich auf Raufbolds Degenknopf;
Sein sonst so kühner Arm stützt den gebeugten Kopf;
Sein Finger, den er stolz an seine Nase legte,
Wies, daß ein herber Gram sein kühnes Herz bewegte.
Jedoch die Freude kömmt, und heitert sein Gesicht
Und seine Wangen auf; ein aufgeklärtes Licht,
Das von der Stirne schießt, prallt von der Wand zurücke,
Froh wird sein Angesicht, froh werden seine Blicke.
Wie, wenn vom Horizont der schwarze Dunst entflieht,
Ein lächelnd heitres Blau die leere Luft bezieht,
Der Himmel sich entwölkt, und auf den holen Flächen
Die freyen Stralen sich mit regem Lichte brechen:
So floh von seiner Stirn, die erst der Gram umhüllt,
Der Runzeln krumme Reih, der Sorge bleiches Bild.
»Wie, sprach er, soll der Ruf von meinen tapfern Söhnen,
Vom weiten Markt allein bis zu der Mod ertönen?
Nein! mein bewiesner Muth verstöhr ihr neues Reich,
Mach ihre Hülfe schwach, und Leipzig Jena gleich!
Den gelben Caffeegott will ich zuerst verführen;
Dann sollen meine List die andern Geister spüren.«
Sogleich macht er aus Luft, die er geschwind verdickt,
Sich einen Oberrock, den keine Steife drückt.
Er macht sich dieß Gewand, Jenensern gleich zu gehen,
Und daß er jenisch sey, auch schweigend zu gestehen.
Sein Fittig, der beynah dem großen Handschuh glich,
Macht, daß er, wie Mercur, die leichte Luft durchstrich.
[27]
Da, wo Schellhafers Haus die festen Mauern endet,
Ragt, wenn man seinen Blick schief gegenüber wendet,
Ein glänzend Haus empor, das durch die neue Pracht
Fast einem Schlosse gleicht, Paläste finster macht.
So, wie im dicken Wald, ein Kranz bejahrter Eichen,
Durch seine Wipfel droht, den Himmel zu erreichen,
Ein schlanker Tannenbaum sie sämmtlich übereilt,
Und durch sein grünes Haupt die Wolken fast zertheilt:
So streckt dieß stolze Haus den Giebel in die Lüfte,
Und hüllet oft das Dach in falben Rauch und Düfte.
Der Eingang zeigt sogleich in einer Schilderey,
Daß dieß des Caffeegotts geweihter Tempel sey.
Es liegt ein Araber an dieses Gottes Baume;
Ihm bringt, in flachem Gold, von dem durchsüßten Schaume,
Den man aus Bohnen kocht, die die Levante schickt,
Ein nackter Liebesgott, der lächelnd auf ihn blickt,
Ein volles Köpfchen dar; er nimmt es, sich zu laben;
Dieß ist aus Stein gehaun, und durch die Kunst erhaben.
Im Innern wird man gleich den rauchenden Altar,
Woselbst auf flachem Thron der Caffee sitzt, gewahr.
Er muß ein Löffelchen, anstatt des Zepters, führen,
Und ihn ein Zuckerhut statt einer Krone zieren.
An seiner Seite brennt die Lamp in blauer Glut,
Auf der sein trinkbar Gold in einem Kessel ruht;
Das Wasser sprudelt auf, sein Pulver schlägt es nieder,
Doch hebt sichs, wie erzürnt, mit schwarzen Wellen wieder.
Er trinkt, indem er nichts, als nur die Lippen regt.
Sein lüftiges Gewand, das um die Hüften schlägt,
Ist braun, wie sein Gesicht. Es steht auf Nebentischen
Gebacknes Zuckerwerk, den Trank damit zu mischen.
Der Renommistengeist trat kühn in das Gemach;
Er beugte sich verstellt vor seinem Thron, und sprach:
»Du, dessen brauner Trank die Leipziger belebet,
Mein jenisches Gewand, das um die Schultern schwebet,
Zeigt, daß ein fremder Geist zu deinem Thron sich naht,
[28]
Der, deine Pracht zu sehn, vergnügt aus Jena trat.
Doch, wie bin ich erstaunt! wie ist dein Glanz verheeret!
Die Tempel, wo man dich durch Knasterdampf verehret,
Wo man in Porcellan dir Opfer dargebracht,
Hat einer Göttinn Wort vom Volk entblößt gemacht.
Nur einzeln und zerstreut sieht man auf deinen Häusern,
In niederm Pöbelvolk, dein mächtig Reich sich äußern.
Die Stutzer dieser Stadt sind meist von dir getrennt,
Da ihre ganze Schaar den Thee als Gott erkennt.
Du weißt nicht, wie man dich und deinen Trank verschmähet,
Da Mittags auch sogar Thee auf den Tischen stehet.
Früh, wenn man ungeputzt vom Schlafe kaum erwacht,
Wird, dir zum größten Schimpf, dein brauner Trank gebracht.
Und hat die Mode nicht die Neuerung ersonnen?
Hat die Galanterie nicht solches angesponnen?
Und dennoch bleibest du der falschen Göttinn treu?
Und dennoch stehst du ihr und ihrem Reiche bey?
Nein, Jena, das zu sehn, nur Leipziger verschwören,
Weis, itzo zwar noch wild, doch treu, dich zu verehren.
Es trinket nicht dein Naß mit vieler Zärtlichkeit.
Hier ehrt man dich durch Furcht, in Jena, daß man schreyt,
Folgst du denn, als ein Gott, der Mode neuen Willen?
Willst du, was sie befiehlt, auch als ein Sklav erfüllen?«
Er schwieg. Der faule Gott setzt erst mit träger Hand
Durch brennendes Papier die Lamp in neuen Brand;
Dreymal erhellt dieß Licht den Dampf durch lichte Stralen,
Und dreymal macht er erst die angefüllten Schalen
Mit seinen Lippen leer, eh er das Schweigen brach.
Jedoch des Kobolds Fluch macht, daß er dieses sprach:
»Geist, warum suchst du dich vergeblich zu bemühen,
Mich durch ein kriegrisch Wort in deinen Streit zu ziehen?
Zuerst zeigt mir dein Fluch, daß du von Jena kömmst;
Dann, daß du auch den Lauf der besten Moden hemmst.
Was schwächt es meine Macht, daß man am frühen Morgen
[29]
Mein nährend Wasser trinkt, wo man noch leer von Sorgen,
Frey von Besuchen ist? Geh, dieß ist, was ich will;
Zum Krieg bin ich zu sanft, zum Zank bin ich zu still.
O, rief der Kobold drauf, welch ein verzagt Gemüthe!
So wallt denn auch in dir dieß weibische Geblüte,
Das die Galanterie und alles zitternd macht,
Wenn man von ungefähr an Krieg und Stal gedacht?
Ja, ja, mehr als zu still – – doch wirst du meinen Streichen
Darum entgehn – –? er schwieg; der Zorn hieß ihm entweichen.«
Er eilt, sein wilder Schwung trägt ihn behend zurück;
Halb rasend, halb betrübt flammt sein verdrehter Blick.
Die Mode, die indeß mit halb verworrnen Haaren
Zurückgekommen war, rief von den treuen Schaaren
Den aufgeschmückten Putz; er kam, und sie fing an:
»Geh, eile durch die Luft zu meinem Sohn, Sylvan!
Erweck ihn, hilf sein Haar durch heißes Eisen beugen,
Laß ihn im Festgewand mit voller Pracht sich zeigen,
Daß man ihn, als das Haupt der Stutzer, prangen sieht;
Und wenn er denn geschmückt die Augen auf sich zieht:
So laß ihn in den Hecht zum Renommisten tragen,
Der wird, wenn er ihn sieht, der kurzen Tracht entsagen.«
So sprach sie; und ihn trägt der Flügel flatternd Paar
Durch die zertheilte Luft; sein buntgefärbtes Haar
Scheint von dem sanften West itzt flatternd, itzt zerflogen,
Und macht den Sterblichen den schönsten Regenbogen.
Sein halb mit Gold gestickt, halb silbernes Gewand,
Das er mit weiser Faust nachläßig um sich band,
Wies in der obern Luft den allerreinsten Schimmer.
Indem erreicht sein Fuß Sylvans geschmücktes Zimmer.
Sogleich verweilt den Blick die aufgeputzte Wand,
An der er manch Gemäld auf bunten Tüchern fand.
Zween Spiegel, deren Last zwo große Schleifen hielten,
Die neidisch auf sich selbst mit gleichen Bildern spielten,
Entdeckten diesem Geist, der ihre Ränder maß,
[30]
Sein oft gesehnes Bild durch ihr getreues Glas.
Dicht unter jedem mußt ein Armstuhl sich erhöhen,
Und an der Thüre sah man zweene Sessel stehen:
Doch konnt ihn dießmal nur die Ordnung halb erfreun;
Er ging geschwind hindurch ins Schlafgemach hinein,
Woselbst ein Nachttisch stund, mit Puder überzogen,
Von dem die Stäubchen noch um seine Fläche flogen.
Sylvan lag noch im Schlaf; dieß sah der Putz, und sprach:
»Auf! junger Herr, gieb itzt dem Schlummer nicht mehr nach!
Auf! eine Gottheit selbst befiehlt dir, zu erwachen;
Die Mode schickt mich her, dich heute schön zu machen.
Hör, Raufbold ist ietzt hier, in Jena sonst dein Freund,
Besuch ihn doch, daß ihm dein Anzug reizend scheint.
Er wohnt im blauen Hecht; geh hin, ihn zu bekehren,
Ein Leipziger zu seyn, die Mode zu verehren.«
Sogleich erwacht Sylvan; man hat ihn sonst gesehn,
Da er von Jena kam, Jenensern ähnlich gehn:
Doch da er Stutzer sah, lernt er sein Kleid verachten;
Er ward ihr Oberhaupt, der erste neuer Trachten.
So, wie ein Renegat weit mehr die Christen scheut,
Als der, dem die Geburt den Alcoran 2 gebeut:
So schien er auch hernach Jenenser mehr zu hassen,
Als Leipziger nicht thun, die Leipzig nie verlassen.
Er warf den Schlafrock um, noch halb vom Schlaf entstellt
Und da der rasche Stoff von seinen Achseln fällt,
Macht er ein sanft Getön, indem die seidnen Falten
Mit schwirrendem Geräusch von ihm zurücke prallten.
Wie, wenn von Chloens Hut das Band vom Damon hängt,
Der schalkheitsvolle West sich in denselben fängt,
Es wirbelnd um sich dreht, itzt rollend schnell vereinet,
Und wenn ers flatternd hebt, es zu entführen scheinet,
Die Schäferinn sogleich ein reges Säuseln spürt;
So rauscht der Schlafrock auch, da ihn Sylvan berührt.
[31]
»Was, sprach er, hab ich nicht in diesem Traum gesehen?
Ists wahr, ist Raufbold da; so muß ich zu ihm gehen.
In Jena kannt ich ihn als Bruder und als Freund:
Wer weis, er wird wohl hier den kurzen Kleidern feind,
Und kleidet sich, wie ich?« So sprach er voller Freuden;
Sein Diener trat herein, und half ihm zierlich kleiden.
Ein weißer seidner Strumpf umwickelte das Knie;
Die hohe Lasch am Schuh war durch des Schusters Müh
Mit schmalem Band besetzt, und auf den schwarzen Flächen
Sah man den breiten Riem tombackne Schnallen brechen.
Des Puders zarter Staub fiel wolkicht auf sein Haar,
Dem ein erhitzter Stahl der Locken Ursprung war.
Der Putz half sein Tupe 3 mit klugen Fingern thürmen,
Und setzte sich darauf, es tapfer zu beschirmen.
Den weißen Hals umschloß ein schwarzes seidnes Band,
Das sich bey seinem Kinn in eine Schleife wand.
Ein neuer Modezeug aus rosenfarbner Seide,
Voll Laubwerk schön gewebt, dient ihm zum Oberkleide,
Das an der breiten Schooß sich tief in Falten zog,
Und an der Brust gesteift halb rund sich auswärts bog.
Der Leib war kurz im Schnitt, der Ermel lang gestrecket,
Der den sonst freyen Arm bis an den Knöchel decket,
Um den in gradem Strich ein langer Aufschlag liegt,
Der unten aufgeschlitzt, gleich einem Viereck, fliegt,
Und nur bis ans Gelenk des Ellenbogens steiget,
Wo er in gleicher Reih fünf güldne Knöpfe zeiget.
Es deckt die kleine Hand der zärteste Battist,
Der kraus in Falten liegt, und vorne bogicht ist,
Durch glühend Eisen krumm, macht er durch seine Länge
In einer Zirkelform ein flatterndes Gepränge.
Dieß ist das obre Blatt, das an die Finger reicht.
Wenn es, vom Wind bewegt, etwas zurücke weicht:
So sieht man seine Hand noch kleinre Krausen decken,
Die ihre Falten kurz nach alter Mode strecken.
[32]
Ein breitgewirktes Gold umgab der Weste Rand;
Grisett hieß man den Stoff, aus welchem sie entstand;
Seit gestern hatt er sie; die Farbe glich den Lüften,
Wenn sie der Frühling leert, von den geschwärzten Düften.
Der Hüften enges Kleid war schwarzer Groditur 4,
Und die beglänzte noch das göldne Band der Uhr,
Die seine Tasche zwar halb zeigte, halb verhehlte,
Doch die er gänzlich wies, wenn er etwas erzählte.
Zuletzt ergriff er noch den leichten Stutzerstal;
Er hatt um sein Gewind, nach einer langen Wahl,
Ein bläulicht Band geknüpft, und um sich nie zu schlagen,
Wollt er ihn ungeschärft, und ohne Stichblatt tragen.
Sein Rohr aus Indien ziert ein besondrer Knopf;
Er war aus Porcellan ein Frauenzimmerkopf;
Der unbelebte Ton schien lächelnd zu entzücken;
Der Reiz war auf der Stirn, der Muthwill in den Blicken.
Nunmehro stellt er sich mit aufgebautem Haar,
In Kleidern, als das Haupt von Leipzigs Stutzern dar.
Eh die bemühte Hand den langen Anzug endet,
War zweyer Stunden Zeit, jedoch mit Ruhm, verschwendet.
Wie, wenn die kühle Nacht die nassen Felder flieht,
Und an dem Horizont die Morgenröthe glüht,
Die Rose, deren Haupt der Thau zur Erde zwinget,
Es itzund freudig hebt, da sie der Tag verjünget,
Die rothe Höhle sich erst nach und nach entschließt,
Bis, wenn ein Sonnenstral auf ihre Fläche schießt,
Der weichen Blätter Reih in runder Form sich spreitet,
Und endlich auf einmal sich auseinander breitet:
So wuchs bey jedem Stück der neuerfundnen Tracht,
Doch erstlich nach und nach Sylvans gehäufte Pracht,
Bis, da sich um den Leib die seidne Kleidung beugte,
Er sich auf einmal schön, auf einmal reizend zeigte.
Der Tanz hub seinen Fuß; er gieng zum Spiegelglas,
Wo er Tupe und Haar noch einmal klügelnd maß.
[33]
Doch hätt ihn, da der Putz ihm allzuschön geglücket,
Beynah sein eignes Bild, wie den Narciß, entzücket.
»Ja, Raufbold, rief er aus, bist du auch noch so wild:
So reizt dich doch, wie mich, mein allzureizend Bild.
Wärst du auch ein Barbar, so muß ich dich vergnügen;
Der Leipziger zeigt sich in allen meinen Zügen.«
Indeß trat sein Lakay vergnügt in das Gemach:
»Herr, sprach er, auf ihr Wort fragt ich im Hechte nach,
Herr Raufbold ist schon da; gleich wird die Sänfte kommen,
Die ich zu ihrem Dienst mit mir hieher genommen.«
Sogleich war er bereit; jedoch, indem er geht,
So schickt er noch zuvor zur Mode dieß Gebeth:
»O Göttinn! der ich hier vor meinem Nachttisch diene,
O Mode! sieh auf mich, doch mit geneigter Mine.
Die Sänfte bringt mich itzt zu Raufbolds Zimmer hin:
Hilf mir, daß ich ihm doch als Freund auch reizend bin!
Laß diesen Renommist durch meine Kunst bekehren:
Als Bruder liebt er mich, als Freund mag er mich hören.
Wirf meiner Kleidung Reiz, den Haaren Schönheit zu,
Und kurz, Gesicht und Tracht sey, Göttinn, so wie du.
Hilf, daß dieß lange Rohr sein wildes Herz bewege!
Mir mach Beständigkeit, und ihm Verlangen rege!«
So sprach er, und sein Wort drang zu der Göttinn Höhn.
Die Mode sah auf ihn, und hörte dieses Flehn.
Sie winkt; sogleich sieht sie der Geister rege Schaaren,
Die mit geschloßner Reih und gaukelnd um sie waren.
»Ihr Complimente, fliegt, strengt eure Flügel an,
Und schwebt mit starker Kraft um meinen Sohn, Sylvan.
Beschützt ihn; denn er will zum Renommisten gehen.
Vielleicht kann ich durch ihn sein Herz verändert sehen,
Da er vor kurzem mir sehr schlechte Hoffnung gab.«
So sprach sie, und der Schwarm stürzt sich sogleich herab.
Ihr Wort war von der Kraft, sie sämmtlich aufzuwiegeln.
Sie winkt, dieß war genug, die Geister zu beflügeln.
Sylvan stund in der Thür, die Sänfte war schon da,
[34]
Als ihn bereits von fern der Blick der Geister sah;
Sogleich sah man das Heer um seine Sänfte schweben;
Sogleich ward Lipp und Mund von ihrer Schaar umgeben.
Da der getreue Putz, der sein Tupe geschmückt,
Und auf der Spitze saß, sie um sich her erblickt,
Rief er gebiethrisch aus: »Ihr Geister, kommt und höret,
Was euch der Putz befiehlt, was euch die Mode lehret.
Ich weis, sie schickt euch her, um den Sylvan zu seyn;
Drum nehmt auch euren Platz nach ihrem Willen ein.
Du, zierlicher Brador, setz dich auf seine Schleife,
So, daß um seinen Hals dein schwarz Gefieder streife:
Und wenn der Geist Podan die Füß ihm zierlich beugt;
So mach du, daß sein Haupt sich gleichfalls höflich neigt.
Du aber, Seladon, liebäugle mit den Blicken,
Die Schönen, die ihn sehn, betrügrisch zu bestricken.
Beredter Florimand, den Mund eröffne du, 5
Wenn sein Verstand nicht denkt; und denkt er, schließ ihn zu.
Ihr andern Geister könnt auf seinem Hute sitzen,
Die Dresse 6 soll ein Theil, ein Theil die Masche schützen.
Da, wo sein schroff Tupe die höchste Spitze macht,
Seh ich auf euch herab; nehmt ihr mein Wort in Acht;
Und wird Sylvan beschützt: so werd ich euch beglücken;
Wo nicht, so sollen euch die schwersten Strafen drücken.
Der eine soll zwölf Jahr mit steifem Rücken stehn,
Der andre soll niemals nach jungen Schönen sehn,
Der dritte, wenn er scherzt, soll stets vernünftig scherzen,
Und Tobacksdampf soll euch die blauen Flügel schwärzen.«
So sprach er, und die Schaar wird durch die Ehr entflammt;
Mit stolzem Angesicht eilt jeder an sein Amt.
Indessen läßt Sylvan die Thür der Sänfte schließen,
Die Träger schreiten fort, mit weitgedehnten Füßen.
[35]
Und wie? der Renommist schließt noch die Augen zu?
Nein, der bemühte Tag verjagt die faule Ruh:
Und Raufbold hebt sein Haupt dem hohen Tag entgegen,
Vom harten Stroh empor, auf dem er sanft gelegen.
Da er an seinen Fuß den engen Stiefel zwang,
Erscholl von seinem Mund ein jenischer Gesang:
»Dem Biere günstig seyn, die Schnurren zu bekriegen,
Im Zweykampf fest zu stehn, den Bürger zu betrügen,
Wenn man die Schuld ihm läßt, und ohne Schuld entflieht:«
Dieß sang er männlich ab; dieß war sein Morgenlied.
Drauf sprach er, da den Fuß die harten Stiefel drücken,
Von Donner, Blitz und Tod, und Schlagen und Zerstücken.
Er gieng nun in den Stall, sein treues Roß zu sehn.
Jedoch der Stutzer kam, und zwang ihn, still zu stehn.
Sein Glanz war allzugroß; zwar hielt er nicht die Blicke,
Doch den gehobnen Fuß, und ihn zugleich zurücke.
Wie, wenn ein leichter Hirsch dem schnellen Hund entweicht,
In flüchtigem Entfliehn durch rasche Büsche streicht;
Mit zackigtem Geweyh das leere Feld durcheilet,
Doch wenn das Horn ertönt, die Flucht etwas verweilet,
In seinem Laufe stutzt, die schlaffen Ohren spitzt:
So stutzt auch Raufbold erst; doch gleich wird er erhitzt,
Da er ihn selber sieht. Je mehr Sylvan sich nahte,
Jemehr verdroß ihn auch der Glanz von seinem Staate.
Sein Renommistenblick, der seitwärts auf ihn flog,
Und prallend eine Form von spitzen Winkeln zog,
Vermochte seinen Zorn, auch da er schwieg, zu zeigen.
Der Stutzer sah dieß an, und brach das lange Schweigen:
»Wie? Raufbold! rief er aus; wie? kennst du mich nicht mehr?
Ists möglich, fällt es dir, mich zu umarmen, schwer?
O Freund! soll ich dein Herz, wie dein Gesicht betrachten;
So kennst du mich nicht mehr; so willst du mich verachten.«
Nein, dachte Raufbolds Herz, ich weis wohl, wer du bist;
Jedoch in solcher Tracht kennt dich kein Renommist.
[36]
Wo du, o Feiger, willst an Jena untreu werden:
So kenn ich dich auch nicht in leipziger Geberden.
Er stellte sich bestürzt, und fragt ihn, wer er sey:
O! rief der Stutzer drauf: »Freund, du bist ungetreu.
Hätt ich doch nur mein Haar vergeblich nicht gebogen;
Müh, Fleiß und Putz sind hin; ich sehe mich betrogen.
Ja, ja, umsonst bin ich um neun Uhr aufgewacht;
Und itzo wird nicht mehr, Sylvan, an dich gedacht?«
Sylvan? sprach Raufbold drauf, mit angenommner Freude,
»Mein Seel! ich kannt dich nicht, in deinem stolzen Kleide.
Obgleich dein Mund verstellt, und nicht mehr jenisch spricht:
So kenn ich doch nunmehr dein weißes Angesicht.
Da, geh in dieß Gemach, gleich werd ich dich umarmen;
Jetzt, Bruder, muß ich mich des kranken Pferds erbarmen.
Ich weis, du nimmst es mir nicht übel, wenn ich geh,
Und nach der Reis einmal den armen Gaul beseh.«
Er sagts, und geht hinab, zu seinem kranken Pferde,
Der Stutzer ins Gemach, mit zorniger Gebehrde.
Was Raufbold itzt gethan, schien ihm ein solch Vergehn,
Daß er im Zorne schwur, sein rieselnd Blut zu sehn.
Die Geister, die indeß theils auf des Hutes Dressen,
Theils auf dem weißen Haar um ihn herum gesessen,
Ersahen, daß er sich zu setzen Willens war;
Und gleich den Augenblick flog von der wachen Schaar
Das Compliment herab, das, wenn es Stühle bringet,
Uns höflich, oft auch falsch, zum Niederlassen zwinget.
Gleich nimmt es einen Stuhl mit der geschloßnen Hand,
Und bringt ihn unsichtbar dem Stutzer, der noch stand:
So, wie in dem Homer ein Dreyfuß Leben heget,
Der zu den Göttern sich mit stolzem Gang beweget.
Sylvan, der es nicht sah, setzt sich ergrimmt darauf,
Und noch vom Zorn erfüllt, läßt er den Klagen Lauf.
»Ach, seufzt er, bin ich denn noch nicht genug verschmähet,
Daß er mich einsam läßt, und erst zum Pferde gehet?
Erst machte, wie er sprach, dieß leipziger Gewand
[37]
Dem falschen Raufbold mich verhaßt und unbekannt;
Nun will er auch sogar – – jedoch ich will mich rächen,
Ich will – – Er schwieg; der Zorn verwehrt ihn, mehr zu sprechen.«
Der Augen funkelnd Paar verdrehte bald der Harm,
Und bald die bleiche Wuth; er bog den rechten Arm,
Schloß seine weiße Hand, droht mit galanten Fluchen,
Aus Rach an ihm dereinst den Degen zu versuchen.
Der Renommistengeist kam aus dem Stall zurück;
Die Neugier lenkt sogleich auf den Sylvan den Blick;
Doch wie verdroß es ihn, da er den Puder wittert!
Sein Fluch macht, daß das Heer der Complimente zittert.
Der Putz, ihr Führer, bebt, und jeder wird erschreckt,
Da dieser wilde Geist mit Lachen sie entdeckt.
Wie, wenn die Frösch im Lenz aus lauen Sümpfen fliehen,
Und aus dem dichten Schilf an grüne Ränder ziehen,
Die Schaar, wenn etwas rauscht, vom Rand ins Wasser hüpft,
Mit schlüpfrigem Geräusch in schlanke Binsen schlüpft,
Bis auf den Boden sinkt, und sich erst sicher schätzet,
Wenn in dem Wassergras das Heer vertraulich schwätzet;
Jedoch so bald die Fluth nicht mehr von Wellen bebt,
Der kühnste Frosch zuerst sein dickes Haupt erhebt;
Und wenn sein grüner Leib kein zitternd Wasser fühlet,
Mit seinen Füßen steigt, und auf der Fläche spielet:
So bebt vor seinem Blick der Geister feige Schaar.
Der von der Furcht gejagt, verbirgt sich in sein Haar;
Der in den großen Hut, und jener in die Schatten,
Wo unter seinem Kinn sich Hals und Schleife gatten.
Dieß sah der wilde Geist; er rief, indem er lacht:
»Hört, Geister, nehmt ihr auch den Stutzer so in Acht?
Warum flieht ihr vor mir? ich werd euch nicht verderben;
Ihr seyd zu schön geputzt, und allzuklein zum Sterben.
Allein euch ists ein Schimpf, daß ihr hier knechtisch sitzt,
Und mit so vieler Müh ein weibisch Haar beschützt.
Wißt ihr, daß dieser Staat sehr schlecht den Stutzer zieret,
[38]
Daß, wenn er ihn verliehrt, er auch sein Gut verliehret,
Daß er durch dieß Gewand mehr borgt, als er bezahlt,
Und daß er oft mit Gold bey leerem Magen prahlt?
Glaubt mir, sein größter Fleiß könnt erst nach zweyen Jahren
Mit Hungern sich das Geld zu diesem Kleid ersparen.
Und ihr beschützt ihn noch, und gaukelt noch um ihn?
Es ist der beste Rath, sogleich von ihm zu fliehn.
Euch Geistern stehts nicht an, um ihn herum zu schweben;
Er wird euch nicht, ihr ihm, ein würdig Ansehn geben.«
Dieß war sein letztes Wort; er sagt es, und geschwind
Verwandelt sich sein Leib in einen Wirbelwind,
Der durch das Fenster stieß, des Stutzers Haar verheerte,
Und seinen Lockenbau mit wildem Hauch zerstörte.
Dieß sah der treue Putz; von edlem Zorn gereizt,
Rief er dem Kobold zu, der durch die Haare kreuzt:
»Wieweit wirst du doch noch den frechen Hochmuth treiben?
Kann denn auch dieses Haar nicht unzerstreuet bleiben?
Geist, bändige die Wuth! wem willst du widerstehn?
Der Göttinn, die hier herrscht, der Mode? welch Vergehn!
Halt ein; sonst mußt du auch in meiner Stutzer Trachten,
Weil Raufbold sich bekehrt, den Renommist verachten.
So? Raufbold sich bekehrt? ein herrlicher Bericht!
Jedoch, du guter Putz, du kennst Jenenser nicht.
Da kömmt er selbst, gieb Acht, ob du ihn wirst ergetzen.«
Und alsbald sah man ihn den Fuß ins Zimmer setzen.
»Freund, rief er, ach mein Pferd! wie sehr ist dieß nicht krank!
Doch ward dir auch die Zeit seit meinem Wegseyn lang?«
Nein, sprach Sylvan verstellt; und ohne mehr zu sagen,
Ward alsobald Caffee und Knaster aufgetragen.
»Da, Bruder, lange zu! sprach Raufbold, stopf dir ein!«
Allein es bath Sylvan, ihm gütigst zu verzeihn,
Er rauche jetzt nicht mehr. So? ließ sich jener hören,
»Vermuthlich wirst du mir es doch wohl nicht verwehren.«
[39]
Nachdem er nun sogleich sein langes Rohr gefüllt,
Ward sein gestreubtes Haupt in dicken Dampf gehüllt,
Der auf den Stutzer zog; jedoch ein Geist verwehrte,
Daß dieser scharfe Dampf die Augen nicht versehrte.
Man trank, doch nicht vergnügt; im Raufbold macht der Haß
Und im Sylvan Verdruß, daß jeder sich vergaß.
Ein jeder war bemüht, den andern zu bekehren;
Der will den Renommist, und der den Stutzer lehren.
Zuletzt hub dieser an: »Freund, es ist Zeit zu gehn;
Man will den Mittag mich in einem Garten sehn,
In dem ich schmausen soll; will mich dein Fuß begleiten:
So zeig ich dir zugleich der Gärten Seltenheiten.
Ja, bis in die Allee, sprach der, begleit ich dich,
Der Gärten Schmuck reizt nur die Leipziger, nicht mich.«
Sogleich gieng er mit ihm nach den geschmückten Thoren,
Ein jedes bebt vor ihm; der Schall der eisern Sporen
Klirrt, wenn sein Fuß sich hebt, der einen Absatz wies,
Der, wenn er niedertrat, die Steine zittern hieß.
Nicht fern vom Petersthor, auf dessen vordern Theilen
Der Helden Rüstung ruht, wo die verzierten Säulen
Die Last der Kugeln drückt, die wie Colossen stehn,
Wird man gevierte Reihn erhabner Linden sehn.
Auf einer Seite glänzt des Wassergrabens Breite,
Der weiße Mauren netzt; und auf der andern Seite
Hebt aus der trägen Fluth die Pleiße sich empor.
Ihr nasses Haupt bekränzt ein hellgrün junges Rohr.
Sie sieht an ihrem Strand ein Volk aus fernen Ländern,
Die Franzen, welche flohn, die Lehre nicht zu ändern;
Sie hört ihr fremd Gespräch, und ihr gekünstelt Wort;
Sie hörts, und rauscht entzückt auf stolzen Fluten fort.
Des Abends sieht man hier geschmückte Schönen wallen;
Den Stutzern suchen sie, die ihnen zu gefallen;
Nur schimmernde Barons, die ihre Schönheit rührt,
Sind würdig, daß die Hand sie in die Gärten führt.
Am Ufer gehn allein in sich gekehrte Dichter;
[40]
Tiefsinnig ist der Gang, tiefsinnig die Gesichter.
Die Reime, die als schlecht ihr Eigensinn erstickt,
Sind Geister, welche man um ihren Hut erblickt.
Hier ists, wo oft ein Graf bestäubt vorüber schießet,
Wenn er sich an sein Roß mit großen Stiefeln schließet,
Das itzt bald schüttelnd braust, bald vor Begierde schäumt,
Bald von der Erd entflieht, und bald sich muthig bäumt.
Ihm folgt, zwar nicht so schnell, doch mit geschmücktern Rossen,
Die aufgezierte Reih vergüldeter Carossen
Auf rothen Rädern nach, die destomehr entzückt,
Wenn sie ein reizend Paar von Leipzigs Schönen schmückt.
Hier, wo Natur und Kunst, und beyde glücklich streiten,
Sah man den Renommist, mit ihm den Stutzer schreiten.
Der erste sprach: »Ists wahr, was hier mein Auge schaut,
Hier hat die Weichlichkeit der Bänke Reih erbaut?
O träge Leipziger! gewiß, ich wills noch sehen,
Daß der verwöhnte Fuß nicht mehr vermag zu gehen.
Nein! Stiefeln trag ich doch fast ganze Tage lang,
Und niemals drückt den Fuß der angemeßne Zwang.«
Er sagts; sein Fuß tritt auf, daß die Allee erzittert,
Daß jede Bank erbebt, und eine Linde splittert.
Die Pleiße hemmt dadurch bestürzt den trägen Lauf,
Und selbst der Paukenschall im Garten höret auf.
Ja dieser starke Tritt heißt neue Geister wüten.
Die Bänke hasset er, und ihn die Sybariten;
Dieß ist ein Geisterheer, dem Lindengang zum Schutz,
Der Leib ist zart gebaut, ihr Daseyn stammt vom Putz,
Ein rauschendes Gewand, das die umschürzten Lenden
Mit grünen Falten deckt, ist ihren weichen Händen
Ein steter Zeitvertreib. Ihr lächelndes Gesicht
Bleibt ewig schön und jung, und kennt die Runzeln nicht.
Die holde Zärtlichkeit blickt aus den sanften Zügen;
Man sieht sie stets vereint mit gelben Schwingen fliegen.
Die meisten sind zum Schutz des Frauenzimmers da.
Kömmt ihrem Lockenbau der rauhe Wind zu nah:
[41]
So heißen sie ihn fliehn; und will ein Band entfahren:
So machen sie es fest, an den geschmückten Haaren.
Zwey schützen ihren Straus, der ihre Schläfe ziert,
Damit kein junger Herr leichtfertig ihn entführt.
Oft zeigt der Palatin, was er verstecken sollte,
Und dieses macht ein Geist, der ihn zurücke rollte.
Ein Stutzer, setzt er nur in die Allee den Fuß,
Hat alsbald einen Geist, der ihn begleiten muß.
Ein kleiner Sybarit muß auf dem Aufschlag sitzen,
Und ihm sein lockigt Haar und die Manschetten schützen.
Seufzt er, so fliegt ein Geist von seinem langen Rohr,
Und bringt sein zärtlich Ach der Göttinn lispelnd vor.
Ihr Fächer sucht zwar oft die Seufzer wegzuwehen,
Doch wenn ein Geist entflieht, hört sie den andern flehen.
Bey jeder Bank steht auch ein loser Sybarit.
Aus Schalkheit hemmt er oft den Gehenden den Schritt.
Er lockt sie unsichtbar, und zwingt sie, sich zu setzen,
Und durch Gespräch und Scherz sich und ihn zu ergetzen.
»Euch, Geistern, rief bestürzt ihr Führer, Lindamor,
Euch, Geistern, steht gewiß ein nahes Unglück vor.
Wie? sollen wir nicht mehr in den belaubten Linden
Der Stutzer stolze Reih, nein Renommisten finden?
In Stiefeln geht man hier! es klirrt der scharfe Sporn,
Wo sonst der Fächer facht. So treffe denn mein Zorn
Den wilden Renommist, und den, der ihn begleitet.
Jedoch ists nicht Sylvan? Ach Geister, ach bestreitet!
Bestreitet meinen Sohn, bekehrt ihn, folgt mir nach!«
Gleich dünkt es dem Sylvan, daß etwas in ihm sprach:
»Wie, schöner Herr, du kannst mit einem Fechter gehen?
Ein Renommist soll dich an seiner Seite sehen?
Flieh, meid ihn! denn du weißt, daß diese kurze Tracht,
Die ein Jenenser schätzt, ein Leipziger verlacht.
Sieh dort die Rothmündinn, wie sehr bist du zu schelten!
Soll ein Jenenser mehr, als deine Göttinn, gelten?«
Die Schöne nahte sich. Den Stutzern war ihr Blick,
Der freundlich auf sie fiel, das allergrößte Glück.
[42]
Sie wars, sie war die Macht, die alles dienstbar machte,
Und alle, die sie sahn, in ihre Netze brachte.
Des Morgens, wenn sie noch an ihrem Nachttisch war,
Sah sie schon vor der Thür der Diener lange Schaar.
Nie ist ein Tag für sie so sehr betrübt gewesen,
Da sie in Briefen nicht der Stutzer Schmerz gelesen.
Sylvan erblickte sie; itzt, dacht er, ist es Zeit,
Daß dieser Schläger sieht, wie ihn ein Stutzer scheut.
Sogleich verläßt er ihn. »Bleib! willst du mich verschmähen?
Schrie Raufbold auf ihn zu, willst du mit mir nicht gehen?«
Ein naher Garten wars, den diese Schöne sucht;
Sylvan begleitet sie, er geht, und Raufbold flucht.

Fußnoten

1 Blatternarbe.

2 Koran.

3 Toupet.

4 Satin.

5 Mit allegorischen Namen (Brador, Podan) und Schäfernamen (Seladon, Florimand) belegt Zachariä seine epischen Götter und ›Maschinen‹.

6 Für: Tresse. Vgl. S. 12, Anm. 14.


License
Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).
Link to license

Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Zachariä, Justus Friedrich Wilhelm. Drittes Buch. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-AB54-D