[99] [117]Georg Wickram
Von Gůteñ vnd Bösen Nachbaurn

Wie ein reicher Kauffmann aus Probant in das
Künigreich Portugal zohe / wie es ihm nachmals
auff dem Mer mit einem Hispanischen krancken
Kauffman ergangen ist. Wie er den selbigen mit
im zů haus füret / sein inn seiner kranckheit wol
pflegen lasst / vnnd nachmals sein Tochter
gibt. Auch wie sich ein junger gesel auff
der Wanderschafft halten sol / Fast
kurtzweilig zů lesen / Newlich
an tag geben / durch Georg
Wickram / stattschreiber
zů Burckhaim.

Wer zů weg baut der selb nit kan

Sein baw ausfüren yederman /

Das der bleib vngetadlet stohn

Ich wags lass red für ohren gohn.


[117][119]

Dem ersamen, kunstliebhabenden Caspar Hanschelo

Dem ersamen, kunstliebhabenden Caspar Hanschelo, burger und des goldtschmidt-handtwercks zů Colmar, meinem lieben gevattern, zůvor.

Lieber gevatter Caspar, die gůt früntschafft unnd brüderliche trew, so wir zůsamen gehabt, dieweil wir zů Colmar umb einander gewont haben, ist inn mir noch gar keins wegs aussgeloschen; binn gůter hoffnung, euwer gemüt habe sich gegen mir auch nit anderst verendert; dann uns die kurtzen meilen, so wir zůsamen haben, kein ynbruch machen sollen. Damit ir aber dannocht mein günstig und genaigt gemüt gegen euch in meinem abwesen spüren möchten, hab ich mich zů vil malen bedacht, durch was mittel unnd wäg ich mich gegen euch umb vilfaltige früntschafft, so mir von euch bewisen, erzeigen wolt, damit ich nit als ein grober undanckbarer vilfaltige gůtthaten unvergolten liess hinschleichen.

Ist mir eben gleich zů gedancken kummen, das ir vil lieber sün haben, so ihr zů dem loblichen unnd kunstlichen handtwerck des goldtschmidens abrichten; und dieweil nun diss handtwerck sunderlichen erhaischt, das die, so das anderst nach rechter art understehn zů lernen, sich gar weit in die land, königreich und provincien auff die wanderschafft begeben müssen, hab ich, sovil mir müglich, euch und eweren sünen diss büchlin also zů gefallen zůsamengelesen, inn welchem erstlichen gar kurtz gemelt würt, wie ein hart und beschwerlich ding es ist, ja ein herb und vil mer bitterer můss zů essen dann karpffengallen oder colloquint, so einer einen zenckischen ungetrewen nachbaurn umb sich leiden můss. Zům andern würt angezeigt, wie sich zů vil malen begeben thůt, das zwen gůter fründ unbekanter weiß zůsamenkumen und [119] früntschafft zůsamen sůchen, sind doch nit einer landsart, haben einander nie erkant und werden doch solche fründ mit einander, das ir fründtschafft nimermer ausgelest werden mag. Zům dritten würt ein feine gotselige hochzeit hierinn beschriben. Item, wie man die kinder, so sie anheben zů erwachsen, zůr ehr gottes sol aufferziehen, demnach zů handtwercken anfüren, und so man die wandren schicken wil, wie man in ein underricht geben sol, damit sie sich gegen herren und frawen, kind und gesind gebürlich wissen zů halten.

Ihr werdet auch sunderlich hierin vernemen von einem gůten und getrewen nachbauren, wie dapffer und mannlich er sich gegen seines nachbauren feinden gehalten hat, und wie im auch derselbig sein gůtthat und früntschafft so dapfer hinwiderumb vergolten; und das einem jungen zům fürnemlichsten warzůnemen ist, in sunderheit denen, so mit silber und gold, edlen gestainen oder in andren grossen händlen mit kostlichen wahren umbgond, werden sie gar fein hierinnen berichtet: erstlich, das sie sich böser geselschafft, so dem spiel, schlecken und den hüpschen frawen anhangen, entschlagen, sollen sie in irer herren heuser, gewölb oder gäden nit kummen lassen. Dann offt ein solcher böser vogel auff ungewischten bäncken findet, ehe dann das ander leut verlieren; dardurch dann offt mancher frumer junger verargwont würt des, so er im all seine tag nie in sein sinn nam; des ich euch wol ein frisch exempel sagen wolt. Zům letsten würt auch den jungen und alten fürgebildet, so einer geschäfft oder gewerb halben an fremde unerkante nationen zeucht, das im nit nutz ist seinem wirt oder anderen unbekanten sein handel, geschefft oder gewerb anzůzeigen, er habe dann dieselbigen gnügsam erfaren und erkennen lernen. Diser und derengleichen warnungen, so nit all gemeldet, werden in disem kleinen büchlin begriffen, welchs ich zůsamengelesen, sidhar ich von Colmar verruckt und gon Burckhaim gezogen bin.

Bit euch hiemit, lieber gevatter, wöllend diss also gůter fründtlicher mainung von mir auffnemen, wie ich das gůter meinung an tag kummen lassen; nit das wir unser freündtschafft damit erneweren wöllen (dann das soll gantz ferr von mir sein; dieweil unser freündtschafft noch nie veraltet, darff [120] sie auch keins ernewrens nit), sunder wöllend die mit disem büchlin bevöstigt haben. Erbeut mich hiemit in allem dem, so mir müglich ist, euch mein armen dienst allzeit zů beweisen; will also euch und die euweren got in seinen schirm befolhen haben.

Datum Burckhaim den andren januarii, nach unsers herren und säligmachers gebůrt tausent fünffhundert fünfftzig und sechs jar.


Ewer allzeit dienstwilliger

Georg Wickram

stattschreiber zů Burckhaim.

Von guter nachbaurschafft, zum leser

Von gůter nachbaurschafft, zům leser.

Es habend sich unsere vorälteren, früntlicher lieber leser, vil und fast beflissen, das sie sich inn den nachbaurschafften fein früntlich zůsamengehalten unnd etlich tag im ar sunderlich darzů bestimpt, an offenen strassen tisch und bänck auffgericht, ire speisen zůsamengetragen und also tugentlich miteinander gessen, in zucht und ehren bei einander gesessen. Wo dann etwo gemeine brunnen gewesen, so sie erschöpfft, ists dero geleichen auch zůgangen. Es haben auch zů zeiten die nächsten nachbauren, so mit ihren heuseren an einander gestossen, solche freuntschafft und liebe zůsamen gehabt, als wann sie blůtverwante freund gewesen. Inn aller widerwertigkeit, kranckheitten und trübsal sind sie nimer von einander gewichen, nit solche můsfründ, wie man der leider vil wider und für findet, gewesen. Dieselbigen sind nimer liebere freund, dann wann man schwein unnd kälber metzget, da man nit vil krancken warten unnd tröstens darff. Derselbigen bauchfreund sind yetzunder sehr viel auff erdt; welches dann ist ein sundere ursach diss meines gedichts, darinn ich dann die beyden gattungen, so viel mir ye müglichen sein mag, abmalen will.

Zům anderen ursachet mich auch der gros unfleiss der teutschen lehrmeister und guldinschreiber. Dann ob sie gleich die kinder auff schreiben, rechnen und lesen wol abrichten, werdend sie doch gar keiner mores, zucht noch geberdiger [121] sitten von inen underwisen. Und so sie dann zü handtwercken kumen, wissen sie weder har noch dar, wie sie ein meister, frawen oder gesellen halten sollen, künnend oder wissend auch nit, wie sie eim biderman zůsprechen, antworten oder fragen sollen. Alsdann sind ihre meister gleich als hinlessig als die anderen; wann sie nur waidlich hudlen und sudlen bey inen, mögendt sie sunst leicht zucht unnd hofligkeit künden. Wann sie dann ausgelert haben lauffen sie dahin wie das liebe vieh, meinen, sie habend ihre jar der lehr schon überkummen, so müssend sie erst von newem anheben. Bey keinem rechtgeschaffnen meyster mögen sie bleyheben, ziehen also von einem fretter unnd sudler zů dem anderen unnd kummend also umb die zerung, so ihn ire älteren, vögt oder vormünder geben haben. Darnach greiffen sie die büntel an, yetzund ein hembd, darnach ein par strümpff. Unnd wann wir dann nichs mehr haben, nemmen wir den ausgesognen lären büntelsack in rockermel, so wir anderst nit umb den rock auch kumen sind, in das vatterland eylend, ander provision zů holen. Etwan bleiben wir gar daheymen, wissend mehr und haben mehr erfaren dann alte und gewanderte gesellen, so wol alters halben unsere vätter weren.

Desshalben, lieber leser oder zůhörer, euwer baider ungunst zů vermeiden, hab ich mich zůforderst entschuldigen wöllen, wo dir villeicht allemal dises büchlin an das mäntelin würde greiffen oder sagen, das dir vor wissend wer, wie es dir vor jaren in disem oder jenem land wer gangen, da dann brotheischen dein best handtwerck war, sunst hettest du dich bettlens nit erweren mögen. Hey so gedenck doch, das dir dises büchlin zů keinem trutz noch nachtheil gemacht! Dann wie dirs gangen ist, so mags iren noch mehr gangen sein. Hiemit, lieber leser, bewar dich gott.

1. Wie ein reicher kauffman, so zu Antdorff gesessen

1.
Wie ein reicher kauffman, so zů Antdorff gesessen, mit einem seinem nachbauren zů unfriden [122] ward von wegen irer bayder kind, was grossen unrhats darauß erwachsen thet.

Dieweil ich im ingang meines büchlins verheissen hab, von gůten unnd bösen nachbauren etwas zů schreiben, will ich dannocht hierin gar niemants gemelt haben. Aber laß dirs gleich gelten, lieber leser! Dise nachbaurn sein gleich in Holant oder Brabant, Schwaben, Elsas oder Breißgaw dahaim gewesen, so laß dannocht dise ding geschehen sein. Darumb merck nůr eben auff!

Es hatt vor jaren gewonet ein reicher tugentsamer kauffherr in der statt Antdorff mit namen Robertus, welcher von mengklich, jung unnd alten, in hohem wert gehalten was. Nicht weniger hette auch sein hausfraw ein gůt lob vonn wegen ihres tugentlichen unnd holdtsäligen wandels; sie was ein weib der ehren ein liebhaberin. Den beyden het under anderem zeitlichen gůt got der herr auch vil schöner und lieber kinder bescheret; die wurden von in gar wol und ehrlich aufferzogen. Sovil unnd inen beyden sammen müglich war, hielten sie ire kinder darzů, das sie niemants belaidigten weder in kleinem noch in grossem; deßhalben sie von gemeiner nachbaurschafft gezartet und liebgehalten waren.

Man sagt aber gemeinlich: Der esel stand so wol er ymer wölle, můß er dannocht das kreutz tragen. Also gieng es auch disem Roberto, und im warde zů vilmalen für seine wolthaten fast übel gelont. Er het einen zänckischen, arglistigen und alventzischen nachbauren, der was ein tůchbereiter; der hett vil knecht auß fremden nationen und landen; wann die also bey einander waren, erzalt ir yeder, was in seiner haimat landtleuffig unnd breuchig wer. Nůn hat der tůchbereiter einen sůn, gar ein argen, verlognen, můtwilligen, eygensinnigen, bösen lecker. Der nam yeder zeit mit fleis acht uff die reden, so die gesellen mit einander hetten; wann er von in kam, wußt er vil mer darvon zů sagen dann keiner under dem hauffen, kam dann also zů herr Roberten kindern, sagt [123] von der sach, als ob er die selb gesehen und erfaren het.

Das het der gůt Robertus wargenummen, den jungen, der dann yetzund fast die vierzehen jar uff im het, mit gůten worten gestrafft, im dabey anzeigung geben, wie gar übel diss einen jüngling zieren thüe, so er seiner wort so milt sey; dann man sprech gemeinlich, wer vil redt, der müß vil erfaren und gelesen haben, oder aber müß vil darunder liegen; so sey er noch nit der jaren, das er die ding alle, deren er sich rhüme, erkundiget habe, ob er gleich wol ein jar, zwey bey seinem vetteren zů Mecheln gewesen, mög er doch der ding nit sovil erfaren haben. Mit semlichen und deren gleichen worten vermeint der gůt Robertus etwas gůts bey dem jungen anzůrichten, aber sein müh und arbeit gar umbsunst was. Als aber der jung seiner weiß nicht abston wolt, sunder gantz darauff beharret, verbot Robertus seinen kindern, damit sie nit der lugen bey im gewonten, das sie gedencken und lůgen solten, kein gemeinschafft mit im zů haben, im seiner lugen und dant gar nit zů losen, sunder wann er sich also under sie mischen wolt, solten sie von im gon und im sein wesen allein lassen.

Diß stund nit sehr lang an, der tůchbereiter nam sein acht, satzt seinen sůn zů red, was die ursach wer, das des nachbauren kind so abscheulich ab im sich stalten, dieweil sie doch allwegen seiner geselschafft begert hetten. Der jung, so zů seinem alter gar zů listig was, zaigt seinem vatter einen langen tant an, so Robertus mit im solt geredt haben, in so hart der lugen gestrafft, so er im doch sein lebenlang keine nie gesagt hett, demnach seinen kinden verbotten, kein gemeinschafft mer mit im zů haben; diss allein wer die ursach, so er von ihm begert zů wissen.

Der tůchbereiter, so von art ein hochbruntzer was und aber darneben gar wenig und schier gar kein glauben auff in zů setzen, nam die sach gar schwer auff, vermaint nit, das man seinen kindern, wie übel die handleten, inreden solt. Er was gantz und gar über den gůten herren Robertum erzürnet, [124] lieff mit angehencktem schwert für sein thüren, fand in von ungeschicht in seinem laden sitzen, sich in etlichen registeren zů ersehen. Ungewarneter sach fieng der tůchbereiter an mit greußlichen worten zů reden. ›Nachbaur,‹ sagt er, ›sagend an, was hat mein sůn schantlichs oder lästerlichs verwircket, oder binn ich nit so gůt noch der ehren, das ewre kinder geselschafft mit den meinen haben mügen? Das beger ich einmal von euch zů vernemen.‹

Der gůt herr, dem diss gar ein rauhe sach war, so hett er auch sunder zweifel der red, so er mit seines nachbaurn sůn gehabt, lang in vergess gestelt; derhalben er von solchem greußlichen anfaren etwas schrecken empfieng; so schambt er sich auch von wegen der fürgonden weiber und männer, das er also von seinem nächsten nachbaurn solt überrumplet werden. Er sagt mit sänffter stim: ›Lieber nachbaur, ir überfarend mich gar ungewarneter sachen. Ich bit euch von wegen gůter nachbaurschafft, habt ir etwas mit mir zů reden, gond zů mir inn mein hauß! Es ist euch doch zů yeder zeit offen unnd gar nicht verbotten harin zů gon.‹ – ›Das geschicht, so mir sanct Antonius helff, nimmer,‹ sagt der tůchbereiter; ›dann welch hauß unnd hoff meinen kinderen verbotten sind, deren kan und will ich mich auch wol enthalten, das ich nit viel stain an dem pflaster darinnen zertret. Eh wolt ich, das himlisch fewr verbrant ein sollich hauß und hoffreitine.‹

Robertus sagt: ›Da wölle got vor sein! Wie mügen ir einen semlichen freflichen wunsch thůn? Nůn würd es euwerem hauß gar vil zů nahend sein, so dem meinen etwas args widerfaren solt. Lieber nachbaur, nit also! Wir wöllend gůte liebe freundt mit einander sein und uns der kinder sachen nichts beladen; dann sich in ire sachen gar nicht zů legen ist.‹ – ›Das mag ein anderer ihngon. Mir aber ist meiner kind eins lieber dann alle nachbauren, so hinder mir und vor mir sind.‹ Robertus stůnd auff von seinem sitz, wolt dem unnützen man seiner täding nit mer zůhören, unnd er gieng in das hinderist theil seines hauses, damit er nit ursach gewün, seinem nachbauren weiter antwurt zů geben.

Erst kam seines nachbauren weib, ein schaum von einer [125] bösen befftzin; die fieng erst an das kind mit dem kübel umbzůwerffen und außzůgiessen. Da was aber niemant, so auff ire red antwurten wolt. Nicht dest weniger bal sie für und für wie ein jaghündlin, so vorlaut und doch kein wiltbret vorhanden ist. Auß solchem irem jämerlichen geschrey sich gar viel volcks vor herr Robertus hauß versamlet; zů dem was diser böß mutz aller welt ires bösen mauls halben wol bekant. Als aber niemants zůgegen was, so ir antwurt geben wöllen, hat sie zůletst von ir selb nachgelassen.

Es ist aber diß ein anfang gewesen eines unabläßlichen hader und zancks, so da nimmermer hat außleschen wöllen, bis zůletst der gůt Robertus hatt einen weiten geben müssen. Dann er kund spüren und sehen, das im der tůchbereiter alles, so er erdencken mocht, das im ein leiden und verdruß was, anfing; und was er durch eygne person nit kunt oder mocht zůwegen bringen, da richt er seine knecht und mägt, weib und kind an, damit dem gůten herren gar vil trutz bewisen ward. Es waren des tůchbereiters mägt dahin abgericht, wann sie nur ein spülwasser außschutten, geschahe es der mas, das dem gůten herren sein laden damit verunreiniget und besprentzt ward. Des nachtes schutten seine knecht allen unrhat von oben ab, alles dem gůten Roberto für sein hauß, davon dann summers zeit ein armer geschmack entstůnd.

Nůn spricht man, wann ein jud einem gar übel wünschen wölle, so wünscht er im einen bösen nachbauren. Das sei nůn oder nit, so ist es fürwar ein böser und arger wunsch; gott behüt eynen yeden frumen menschen darvor. Ich můß bekennen, daß es ein langwirigs ding ist; dann ichs zům theil auch versůchet hab. So hab ich auch ein reiche witfraw erkant, deren mocht ein nachbaur leicht ettwas überzwerchs in weg legen, so gieng sie hinach ein jar oder zwey on reden mit im, wiewol sie sunst ein grosse geisterin was, lag für fewr in der kirchen, und ob dem Hortulus anime sass sie gantz gedeicht täglich ir siben zeit betten, als wann sie ein closterfraw gewesen. Ob aber sollichs aus eim gůten grundt geschehen sey oder aus einem spiegelfechten vor der welt, ist mir verborgen. Das aber wais ich wol, als sie in ein grosse und langwirige kranckheit gefallen ist, hat sie nit sunderlichen[126] vil nach gaistlichen dingen geforschet. Dann gar wenig tag vor ihrem absterben hatt man sie über iren schatz, wie schwach sie gewesen ist, füren müssen; bald darnach ist ir aller verstand und red empfallen, hat weder wortzeichen noch nichts geben mügen, das, so man ir zůgesprochen, ist alles umbsunst gewesen; und nachdem sie lang in eynem ernstlichen wesen gelegen, ist sie zůletst on alle vernunfft ungeredt auß disem jamerthal gefaren. Der almechtig gott verzeihe ir armen seelen und uns allen, amen. Diss hab ich allein darumb hier ingeflickt, ob doch vergent solche hartnäckige leut und unfrüntliche nachbauren dise ware geschicht hören lesen oder selb lesen, sie ir bösen weiß abstanden, ir red gegen irem nächsten nit also aus neyd und hass sparend, damit in an irem letsten end nit an irer sprach manglen werde. Davon sey zů disem mal genůg gesagt.

Jetz kum ich wider an den Robertum, der sich sei nes nachbaurn halben größlich bekümmert. Jedoch nam er im mit andren nachbauren gůt geselschafft, richt zů vilmalen gůte malzeiten zů, berůfft sie, damit sie frölichen und gůts můts miteinander weren. Das wolt dann den tůchbereiter schellig und unsinnig machen; und vermeinet, dieweil er dem Roberto feind wer, es solt in yederman von seinetwegen hassen; wie man dann vil solcher dopleter stocknarren findt; wann sie eim feindschafft tragen, můß als ir gesind denselbigen hassen, sie ziehen auch ir kinder darzů, vermeinen auch darneben, ire gůten freundt sollend denjenigen feindschafft tragen, so er in doch all sein tag leids nie gethon hat.

2. Wie dem Robertus sein weib inn ein grosse kranckheit falt

2.
Wie dem Robertus sein weib inn ein grosse kranckheit falt, aber bald wider uffkummet; seine kinder aber sterbend im alle biß an sein jüngste tochter.

Man sagt gewonlich und ist auch selten fäl: ›Wann einen unglück reiten will, so kumpts hauffenweis‹. Also giengs auch dem gůten Roberto. Er was bekümmert mit seim bösen nachbauren, dieweil er im allen widerdries, so er erdencken mocht, [127] zůfüget und er im dargegen gern alle freundtschafft bewisen hett, im und den seinen, aber gar umbsunst war. Es was auch die gůt Sophia nit wenig bekümmert ires haußwürts halben, umb das er ihm die sach so schwer auffnam. So sie bests mocht, understůnd sie im das außzůreden: ›Lieber haußwirt‹, sagt sie, ›was gedenckest du doch, das du dich die ding so hart last bekümmern? Nůn bedürffend wir doch, got hab lob, unsers nachbauren gar nichts. Es hatt uns gott der almechtig mit narung versehen, das wir im nit bald zů gnaden kumen dörffend. Das du dich also bekümmerst, ist ihm ein grosse ergetzligkeit und hertzliche freud; ich wolt ihm fürwar nit sovil zů gefallen thůn. Nůn haben wir doch sunst andre vil gůter nachbaurn, so uns alles gůts günnen; mit denselbigen sůch dir freud und kurtzweil! Es haben doch gemeinlich all unser nachbaurn schöne und lustige gärten, darinn sie vilmalen spatzieren gohn. Mit in wolt ich geselschafft haben und sie zů gast heim zů haus laden. Damit würstu unserm ungünstigen nachbaurn nit ein solliche freud machen, als wann du also trostmütig daheimen beleibst uff dir selb sitzen.‹

Dise und dergleichen trostung gab Sophia irem haußwirt; des er ir auch gäntzlich volget und nam im sehr vil freud mit inen. Es mocht aber das wanckelmůtig und unsteht glück dem gůten frumen Roberto die freud nit vergunnen, sunder vermischt im die mit bitterem trawren und schmertzen Dann erstlichen ward im Sophia, sein liebste gemahel, mit tödtlicher kranckheit beschwert, also das ir niemants irs lebens tröstung zůsaget. Wiewol sie in kurtzen tagen wider zů gesuntheit und krefften kumen ist, so hatt sich doch ein ander leid dem gůten Roberto zůtragen. Dann er hett vier schöner ausserlesener knaben, die im gantz gehorsam und underdienstbar waren, auch von im zů der ehr gottes in aller forcht aufferzogen; zů denselbigen hett er sechs wol erzogner schöner töchteren, die im und seinem weib fast lieb waren. Die sturben im alle nach einander näher dann in einem monat, das [128] ihm nůr die jüngst tochter under allen kindern belib. Davon im dann sein hertz möcht zersprungen sein; es mocht ihm sein leid niemandt außgereden. So gehůb sich Sophia sein weib nicht weniger übel dann er, also das keines dem anderen einen trost hett geben künden.

Es hett aber Robertus einen andren gůten nachbauren, derselbig und sein weib in aller angst und nodt nie von im gewichen waren; der redt im die sach auß, sovil im yemer müglich was. Als er aber mercket, das sein trost und außreden gar nichts verfahen wolt, gedacht er im andre mittel für die handt zů nemen. Er hett ein gůten freundt, so vil bey im auß unnd yhngieng; der was ein Holender, ein über die maß gelerter mann. Mit demselbigen überlegt er die sach der maß und sagt zů ihm: ›Mein hertzallerliebster und getrewister frünt, ich hab ein sehr grosse bit an euch zů gelangen. Wo ir mir in dem zů willen würden, möchtend ir mir grösser lieb und früntschafft nit beweisen.‹ Der gelert man hatt sich auff solche wort nit lang genumen zů bedencken, sonder gesagt: ›Gůten freunden, so anderst die freundtlicheit nit ein angenumne und falsche freundtschafft ist, will sich in keinen weg gezimmen noch gebüren etwas freuntlicher bitt abzůschlagen, ja wann die schon biß in den tod hinein reichen solt, yedoch das dieselbig nit ehrberürig sey. Darumb, mein freunt, wöllest mir deine anmůtung eröffnen; will ich dir fast gern, so mir anderst müglich, inn disem und anderem willfaren.‹

Darauff sprach der gůt nachbaur Roberti: ›Mein lieber und gůter freundt, dir ist on allen zweyfel wol küntlich mein freuntlicher lieber nachbaur Robertus der kauffman, ein mann erbars wandels, der seinem hauß wol vorstath, seine kinder, denen got genad, wol und christenlich erzogen hat, alles sein haußgesind zů der ehr gottes auffbawet, gotslesterung und andere laster geduldet er an keinem, so under seinem můß und brot sein wöllend. In summa er ist ein solcher, so yederman [129] inn seiner widerwertigkeit trösten kan; ihm selb aber ist er in seinem eygnen trübsal gantz trostlos. Es hatt sich in kurtzer zeit zůtragen, das im neune seiner lieben kinder einander nach auß diser welt verscheiden sind und im von zehen schöner kindern nit mer dann ein einige als die jüngst tochter über beliben ist. Des sich dann der mann, und nit unbillich, so gar übel geheben thůt, sein klag zů tag mert, also das im niemant die sach außreden kan. Nun aber waiß ich dich dermassen in der heiligen und göttlichen schrifft erfaren, so du dein fleis mit im understast, würst du in bald von seinem fürnemen abwenden und auff ein christliche ban bringen. Sodann hab ich die sach also angeschantzet, damit er nit mercken solt, das ich mich mit dir seinethalben bespracht hette. In meinem hauß will ich ein gůt herrlich mal zůrichten lassen, den Robertum sampt seinem weib zů gast darzů berüffen. Dann ich weis, wiewol er yetzund leidig nit gern ausgath, das er dannocht mein bitt nit abschlagen würt.‹

Diss ward also von dem gelerten man angenumen unnd das mal auff den nächst künfftigen tag harnach angeschlagen.

3. Wie Robertus von seinem guten freundt

3.
Wie Robertus von seinem gůten freundt und nachbaurn zů gast geladen und Robertus mit dem gelerten man zů worten kumpt.

Der gůt freunt, dem die sach mer angelegen, dann er niemants öffnet, fügte sich des abents in das haus Roberti. Den fand er noch mit grossem kummer umbgeben; er tröst in nach seinem vermügen, so best er mocht, zůletst bat er in, er und Sophia wolten den künfftigen tag das morgenmal mit so ihm essen; dann er gar niemants dann gůte freund darzů berůffen hett, so im gar anmütig und nit zůwider sein würdend. Robertus, wiewol er mit grossem ellend und jamer umbfangen, [130] noch wolt er seinem gůten freunt die bitt nit abschlagen, sagt im also zů, wo im gott gesuntheit verleihen, wolt er unnd sein gemahel zů rechter zeit erscheinen. Des sich dann sein nachbaur sehr erfrewet.

Als er nůn urlaub von Roberto nam, heim zů haus keret, seinem weib befalh, allen möglichen fleis anzůwenden und auff den mornigen tag uff den ymbis ein gůt mal anzůschicken; des im sein weib gantz willig was. Also ward auff den künfftigen tag das mal mit grossem lust zůgericht. Zů gelegner zeit kamen die geladnen gäst, wurden von dem wirt und seinem weib frölich empfangen und ein jeder an die stat, nach dem er wirdig was, gesetzet, die trachten gar kostlich unnd wol bereit fürgetragen. Der gelert man, von welchem oben gesagt, fieng an ein schon Benedicite zů sprechen, gott den allmechtigen bittend, das er ihn dise zeitliche und fürgesetzte speis durch seine milte güt und genad benedeyen und segnen wolt, in auch die genad verleihen, das sie gedachter speis und dranck nit zů vil zů inen nemen, damit sein götlicher nam nit dardurch geunehret noch gelestert würde. Als sie nůn alle amen gesprochen hand, haben sie die speis mit züchten genossen.

Da ist yederman zimlich frölich gewesen; allein Robertus der hatt einen seufftzen über den anderen gelassen und sich gantz trawrig erzeiget, das dann die andren, seine lieben nachbaurn und freundt, auch trostmütig gemacht hat. Der gelert man, so hart neben Roberto gesessen gewesen ist, hat in mit gar sanfftmütigen worten angeredt: ›Lieber herr Roberte, was bekümmert euch so schwerlichen, das ir so gar nit gůter dingen sein wöllen?‹

Darauff antwort Robertus: ›O freundt, den grossen kummer und meines hertzen beschwernus, so ich trag, nit müglich ist zů erzalen. Damit aber ir dannocht zům theil bericht empfahend, so wissend, das mir gott durch sein milte gnad zehen schöner kinder beschert, mit welchen ich grosse freud und ergetzligkeit gehabt hab. Dieselbigen hatt mir gott der herr in gar kurtzer zeit einander nach genumen bis an mein jüngste tochter, die ist von solcher kranckheit wider auffgestanden. Nůn krenckt mich erst noch mehr ein ungetrewer und gar [131] unfreündtlicher nachbaur, so ab meinem jamer so gar ein gros wolgefallen hatt. Das mag er auch, im selb nit allein behalten; dann er sich sonderlichen beflissen, wann man meiner kinder leichen zů grab getragen, hatt er sein gesind dahin gericht, das sie von heller stimmen an hand gefangen zů singen, so doch ein yeder nachbaur billichen ein mitleiden mit dem anderen haben solt.‹

›Das wer wol billich und recht‹, sagt der glert man. ›Es ist aber im dest weniger lobs nachzůsagen; auch ist seiner ehren nit dester mer, würt im auch gwißlich solcher hochmůt und trutz unvergolten nicht beleiben. Dem allen aber sey wie im wölle, so wend wir das nodtwendigst an die hand nemen und einen trost sůchen der abgestorbnen kinder halben. Es ist dem menschen und allen thieren sampt dem geflügel von natur angeboren, das ein yedes seine jungen lieb hat, ir sterben und verderben nit gern sicht. Der mensch aber soll ein underschaid haben des orts seiner kinder halben, also das er bedenck, wohar im die kummen, und wer im die geben hab, das auch derselbig die macht wider zů seinen handen und gwalt zů nemen, wann das sein götlich wolgevallen sey; wie der gůt frum selig Job spricht in seinem bůch am 1. capitel: Als ihm botschafft kam, wie seine kinder bey einander gewesen in des erstgebornen brůders hauß unnd hetten alda ein gros fontanium und wolleben gehalten, da sie sich am wenigsten besorgt, wer ein grosser wind von der wüsten har kummen und das hauß zerrissen, also das es ganz zů boden wer gefallen und das volck alles im hauß zerschlagen bis an den eintzigen knecht, so darvon kummen was und dem Job die geschicht erzalt. Das was je auch ein arms jämerlichs ding und ein erschrockenliche bottschafft einem vatter, so seine kind so hertzlichen liebet. Deren het er auch zehen an der zal, siben sün unnd drey töchteren; wann die bey einander waren, schlemten und praßten, opfert er und bat got für sie, damit sie got nit straffet umb ir üppigs leben. Als im nůn solche botschafft kumen ist, was hat er geton? Hat er auch mit got gezürnet? Nein. Dann er thet als ein vatter; so wußt [132] und verstůnd er, das die kinder nit lenger sein waren, dann es war der will des herren, so im die geben und geliehen hett. Wiewol er dannocht vor leid seine kleider zerriß und fiel uff das angesicht, raufft sein har auß, bettet unnd sprach: »Nackend binn ich auff erden von meiner můter leib kummen, nackend würd ich wider von hinnen faren. Der herr hats geben, der herr hats genumen; der namen des herren sey gelobt.« – Wir lesen auch ein schön exempel an dem königlichen propheten David an dem 7. capitel im andren bůch der könig: Als das weib Urie, welchen David het lassen umbbringen, im ein kind an die welt gebar und aber das durch gott mit kranckheit angegriffen ward, wie dann Nathan der prophet dem David zůvor verkündet, da legt David alle seine feyrtagskleider ab, was gantz trawrig, lag nachts auff der erden, und kund im niemants das trawren außreden. Da nůn das kind starb, wurden seine knecht angsthafft, sagten zůsamen: »Wer will dem künig ansagen, das das kind gestorben, dieweil kein trost an im verfahen wöllen und dannocht das kindt noch in leben war?« David aber verstůnd an iren geberden, das das kindt gestorben was; wie solt er ihm anderst gethon haben? Er fragt: »Ist das kindt todt?« Und sie bekanten im das. Da stůnd David auff von der erden, da er gelegen was; er wůsch und salbet sich mit wolschmackendem öl, legt wider hochzeitliche kleider an und hies im z essen bringen. Da in aber seine knecht fragten, was er damit gemeinet, sagt er: »Im ist also, wie ir saget. Dann da das kind noch in der kranckheit lag und lebet, da weinet und fastet ich und lag uff der erden, zů gott rüffende; dann ich gedacht: Wer waißt, ob mir der herr gnedig sein möcht! Nůn aber ist das kindt tod. Was hilfft mein fasten, schreyen und klagen! Ich mags darumb nit widerbringen. Ich wais aber wol, das ich zů im faren werd; es kumpt aber zů mir nit mer.« – Bei disen zweien heiligen mannen sollen wir billich einen trost fassen, wann uns gott hie in disem zeitlichen jamerthal angreiffet, unsere kinder zů seinen götlichen genaden berüffet, das wir nit zů lang und vil trawren sollen und uns zů sehr darab krencken, [133] dieweil sterben ein natürlich ding ist und allem dem, so das leben auff erden bracht hat, můß das mit dem und durch den tod verwechßlen. Fürwar ich můß hie loben die antwurt, so Anaxagoras, der weiß haid, dem, so ihm den todt seiner sünen verkündet, geben hatt. Er gab kein andre antwurt, dann das er sagt: »Das wußt ich wol, das sie einmal sterben můßten, dann sie wurden von mir als einem sterblichen menschen geboren, darumb sie auch sterblich gewesen sind.« Diser philosophus, wiewol er ein haid gewesen, hatt er doch meines bedunckens wol und gotselig geantwurt; dann er sich umb seine beide sün nit weiter, dann billich gewesen, bekümmert hatt. – Darumb, mein allerliebster Roberte, wöllend euch auch ein maß ewers klagens setzen unnd, wie oben von David gesagt, das, so nit widerzůbringen ist, auffhören zů klagen!‹

Robertus umb den gůten und getrewen rhat dem gůtten mann fleissigen danck sagte, in auch darneben bat, auff diss mal nit mer darvon zů sagen, damit der wirt sampt seinen andren gästen nit ein verdruss ab irer beiden red nemen; so es ihm aber kein verdruß sein wolt, wer sein bitt an ihn, das er des andren morgens zů im kem, ein kleins morgensüplin mit im ess; alsdann wolten sie genůgsam von disen dingen reden. Des was der gůt mann gar wol zůfriden, versprach im auch seinen willen und bitt zů volziehen. Also ward die überentzig zeit mit zimlichen freuden vertriben.

4. Wie Roberto botschafft von Lisabona kam

4.
Wie Roberto botschafft von Lisabona kam von seines vattern brůder, der was gar ein alter reicher kauffman.

Dieweil sie noch also an dem tisch sitzen, essen und trincken, so kumpt ein bot von Lisabona an das hauß und klopffet [134] an. Man schlos im behend uff, fragt in, was seine geschefft werend; er zeigt an, wie er etlich brieff hett, so Roberto dem kauffman zůstünden. Das ward herr Roberten bald angesagt. Also bat er den wirt, das er verschaffen wolt, das der bott für ihn kem. Das ward eylends außgericht.

Als nůn der bott für ihn kam, empfieng ihn Robertus gar freundtlich, fragt in, von wannen har sein raiß gieng. ›Herr,‹ sagt der bot, ›ich kum von Lisabona ewerem vettern.‹ Gab im damit brieff. Der inhalt was, wie er, sein vetter, yetzund gar alt und schwach were, so hett er gar kein kind, und were im sein haußfraw mit tod abgangen; zůdem wißt er keinen verwanten mer dann in; wer sein beger, das er zů Antorff auff brechen wolt und zů im gehn Lisabona ziehen; wolt er ihm und seinen kindern alles, was er hett, übergeben und er bey im auß und eingehn und den tisch bey im haben. Sobald Robertus den brieff gelesen, ist im von stund an sein hertz und gemůt gehn Lisabona gestanden, wiewol er nit dergleichen thet noch sich gegen yemands mercken lies. Er befalh dem botten haim in sein hauß zů gohn, darinn seiner warten.

Alsbald nůn das mal vollendet worden, habend die gäst dem würdt gar freundtlichen danck gesaget, sind demnach von hoff geschaiden, yeder inn sein behausung gangen. Robertus hatt auch mit sundrem ernst haim geeylet.

5. Wie Robertus auß Antorff gehn Lisabona gezogen

5.
Wie Robertus auß Antorff gehn Lisabona gezogen, allein das er von seinem ungetrewen nachbaurn kem unnd seiner kinder dest eh vergessen möcht.

Auff gantzem erdboden ist nichts, so dem menschen sein vatterland mehr unnd ehe erlaiden kan oder mag, dann so er etwas täglich vor augen sehen můs, so ihm verdrießlich ist, unnd das aber nit wenden mag. Also gieng es auch dem gůten Roberto auch in seinem vatterland; wiewol im [135] an gůt gar nicht manglet, so bekümbret in doch die ungetrew nachbaurschafft, so ihm der tůchbereiter täglich bewiß. Er berhatschlagt sich kurtz mit seinem weib; der gefiel die sach dermassen so wol, das sie irem mann täglich anlag, er solt sein sach nůr bald dahin ordnen. Also saumet sich Robertus nitt lang, verkaufft, vertauscht, verwechßlet sein hab und gůt, wie er mocht; in summa er macht sich in monats frist gar wegfertig.

Und als er yetzund gar sein sach zů Antorff auff ein ort gemacht, hat er uff der freyen strassen vor seinem hauß etlich tisch auff das kostlichest bereiten lassen und gar vil seiner gůten freündt und nachbauren darzů berůffen, gar kein außgesündert dann den tůchberei ter, dem dann solche freud fast weh im hertzen thet. Also letzet sich Robertus mit ihn, ließ auch einem yeden tischgenossen ein sundere herliche letze, sein darbey zů gedencken. Des sie ihm all gar freundtlich danck sageten; darneben klagten sie sein hinfart gar schwärlichen, wunschten auch dem vil unglücks, so ihm ursach zů seinem abscheid geben hett. Als sie nůn das morgenmal und auch den nachtimbis mit grossem kosten geendet hetten, Robertus und sein weib Sophia sie fründtlich gesegnet und darneben gebetten, ihnen, wo sie yemants erzürnt hetten, zů verzeihen. Also ist yederman zů hauß gezogen.

Des andren tags hat Robertus all sein hab und gůt zů schiff verordnet; und als es dem patron des schiffs geschickt gewesen, hatt er alle die erforderen lassen, so mit im in Portugal hand faren oder schiffen wöllen, und hatt sich die zeit eben zůtragen, das sie auff einen freytag am morgen von land gefaren sind, fast gůt wind und wetter antroffen. Es hatt auch Robertus alles sein haußgesind, knecht und mägt, mit ihm gefürt; dann sie iren herren und frawen dermassen lieb und wert gehalten haben, das sie auch mit inen in todt gangen weren.

Als sie nůn gehn Lisabona kumen sind, ist Robertus mit weib, kind und gsind den nechsten in seines vetteren haus gezogen. Von dem ward er gar früntlich und mit grossen freuden empfangen; er übergab im all sein hab und gůt zůsampt dem gewerb und einem grossen handel, so er mit edlem [136] gestain het, behielt im nichts anderst vor dann ein sunder gemach, damit er sein rhů haben möcht, wann es im gelegen was. Robertus pflag sein auch gar wol mit essen, trincken und aller wartung, befalh auch allem seinem volck, das sie den alten herren mer vor augen haben solten dann in selbs. Sollichs ward alles nach seinem willen erstattet.

Also lebet der gůt alt man noch bis in die zehen jar, da starbe er säligklichen. Er ward von Roberto und seinem weib trewlich geklaget unnd beweinet, auch ehrlichen zů der erden bestattet. Und ward Robertus ein besitzer und herr alles des gůts, das dann zů dem seinen, so er mit im auß Brabant bracht het, einen seer grossen hauffen machet. Er hůb auch an seines vettern säligen handel mit gewalt zů treiben, handlet viel in Engelandt und Brabant, auch gehn Venedig und andere ort, so lang bis er zůletst seiner tochter Cassandra eynen jungen kauffherren gab. Da machet er sich auch rhüwig, wie ihr nachmals vernemmen werdt.

6. Wie zwen reicher kauffherren eines handels

6.
Wie zwen reicher kauffherren eines handels und gewerbs zůsamen auff einem schiff kumen, fründtschafft und geselschafft zůsammen sůchen, der ein fast kranck ward, der ander sein gar trewlichen pflegen was und, als sie gehn Lisabona kumen, zů ihm in sein haus nam.

Als auff ein zeit ein mechtig schiff mit kauffmanschafft von Lunden aus Engeland gohn Lisabona in Portugal gantz wol gerüst fahren wolt, hand sich gar viel kaufleut zůsamen geschlagen, sich mit einander verbunden, in einer gemeinen geselschafft auff disem schiff in Portugal zů faren; dann viel under inen nie in dem künigreich gewesen waren. Under diser geselschafft was ein Hispanier, gar ein treflicher feiner mann; derselbig handlet nicht mit scheinlichen wahren, [137] sunder hett sein gelt in grossen geselschafften ligen. Derselbig herr hett im auch gon Lisabona zů raisen fürgenumen, kam zů einem andren herren, der zimliches alters was, auff dem schiff, der dann seine wonung in der statt Lisabona hett. Zů demselbigen gesellet sich der gemelt jung hispanisch kauffherr; wurdend der sach so gar früntlichen eins, das der alt den jungen bitten ward, wann sie gehn Lisabona kemen, er niergent anderstwo dann in seinem haus herberg sůchen solt; dann er wißt im gůt gemach zů schaffen. Der jung sagt im semliches zů; dann er hett nit mer diener bey im dann nůr ein knecht unnd ein jungen, damit er niemant kein sunderen überlast zůfügen mocht.

Nůn begabe es sich in einer nacht, das den jungen kauffman ein gar hartes fieber berüren ward, davon er grossen schrecken empfahen thet. Seine knecht sagten das dem alten kauffherren, dem Portugaleser. Der entsatzt und erschrack der botschafft gar übel, ja nit anderst, dann wer er sein sůn gewesen. Er fügte sich zů dem patronen des schiffs, bat in umb ein sunder gemach im schiff, er wolt ims wol bezalen damit der gůt jung herr sein rhů gehaben möcht. Das warde ihm zůhandt durch den patronen bewilliget, und ward sein, sovil ymmer müglich sein mocht, uff dem schiff gepflegen mit speis unnd mit dranck, auch mit anderer notdurfft. Der jung aber ward dermassen so gar schwach, das im niemant das leben zůsagen wolt. Davon der alt solchen unmůt an sich nam, das alle die auff dem schiff sorgten, er würd auch in ein kranckheit fallen.

Zůletst aber halffe ihnen gott zů land, das sie ein port erlangten. Bald ließ der alt ein senffti oder ein rossbar machen, damit er den jungen vollend gen Lisabona bringen möcht, dann da gedacht er im wol rhat zů schaffen mit vormittel der hilff gottes; derselb ist auch der gewiss artzet zů leib und zů seelen. Also habend sie in wenig tagen die stat Lisabona erreichet, des dann der alt kauffherr fast fro gewesen.

7. Wie die beide kauffherrn gehn Lisabona komen

7.
Wie die beide kauffherrn gehn Lisabona komen unnd [138] freundtlich empfangen warden, auch wie der alt herr befelch gab, des jungen wol zů pflegen.

So man lang auff dem mör gefaren ist und jetzunder wider zů land kumpt, ist grosse freud bey allen denen, so uff dem schiff gewesen; insunderheit wann sie zů haus haus kommen, werden sie von weib, kinden und dem gantzen hausgesind mit grossen freuden und frolockung empfangen. Also gienge es da auch zů. Der alt kauffherr ritte mit etlichen seinen dienern erstlich zů haus, die andern liesse er bey der bor, befalh inen, nur gemach harnach zů kummen; dann er sorgt, wo jemand aus seinem gesind die bor gesehen, würden sie sich darab entsetzt haben, ime wer etwas übels widerfaren. Er ward früntlich von den seinen empfangen. Da was alle freud, das sie iren alten herren wider frisch und gesundt daheimen hetten.

In disen dingen kam auch der kranck kauffherr. Der alt aber hett zůvor seinem weib kunt gethon, wie ein krancker kauffman kem, den wolt er also bey ihm behalten, bis er widerumb zů krefften keme. Also was im schon ein besunder gemach nach aller notturfft bereit. Der alt befalh allem seinem gesind, das man sein bey dem allerbesten pflegen solt; das dann auch geschah, also das der gůt jung kauffman in kurtzen tagen fein wider anfieng zů ihm selb zů kummen. Als er nůn anfieng ein wentzig starck zů werden, ass er nit mer inn seinem gemach, sunder gieng allen ymbis an des alten herren taflen essen.

Nůn het der herr ein schöne gerade tochter, die yetzunder schon manbar was. Die fieng dem krancken kauffherren an zů gefallen; dann es gar leicht mag sein, das einen krancken ergetzet. Also was disem herren auch; so het er auch nie kein weib gehabt, was ime auch vatter und můter mit tod vergangen. Darumb nam er im entlich für, den alten herren umb die tochter anzůsprechen. Dann er was gůter hoffnung, sie würde im keins wegs abgeschlagen; er wußt sich auch an [139] gůt so mechtig, als ihr vatter was. Darzů was er auch von person, leib und gestalt ein schöner gerader jüngling; es het in aber yetzund der last der kranchkeit ettwas an seiner gestalt und schöne entstellet. Als ihm aber die kranckheit vergangen was, nam er von tag zů tag wider zů, das er in gar kurtzer zeit zů seiner vorigen gestalt kumen thet. Cassandra aber (also hies die tochter) lag im stetigs an, darumb er dann täglichen hinach gedencken ward, wie er doch mitt dem vater zů red kem, also das es in glimpff möcht zůgon.

8. Robertus, der alt kauffman, unnd Richart

8.
Robertus, der alt kauffman, unnd Richart mit einander in einen schönen garten spatzieren gond; Richardus mitt gantz weiten umbschweiffenden worten kumpt an den alten, zůletst bit er umb Cassandra zům weib.

Die lustigest zeit, so im jar sein mag, was yetzund vorhanden; dann die fruchtbaren beum mit irer edlen und wolschmackenden blůst fiengend an harauszůprossen, das erdtrich erzeigt sich auch mit wunsamen und schönen blümlin von allen farben und mancherley art gestaltet; so hort man die vögel allenthalben uff den zweigen mit lieblichem gesang zůsamenstimmen, gleich als wann sie umb ein kleinat kempfften und einer über den anderen vermeint zů steigen und mit gesang obzůligen. Davon es dann sehr lustig in dem feld zů spatzieren was.

Diss bewegt Robertum, den alten herren, das er zů Richarden, dem jungen kauffherren, gieng und in bat, er wolt mit im hinaus in den garten spatzieren gohn, des dann Richardus gantz willig was. Also zugent sie miteinander hinaus sunder alle diener und geselschafft, retten von manigerhand kauffmanschafft und gewerbshändlen.

[140] Zůletst fieng Richardus an und sagt: ›Mein hertzallerliebster herr Roberte, ich soll und můs euch billich einen vatter und meinen allerbesten freunt bekennen. Dann ich nit wissen mag, das mir von meinen fründen allen die wenigst freundtschafft widerfaren sey, so ihr mir bewisen hand. Dann ich zůvorderst gott die ehr geben will, dieweil ich waiß, sunder sein hilff und ewere vilfaltigen und bewisenen gůtthaten wer mir nit wol müglich gewesen lebendig von dem schiff zů kummen. Darzů habend ir mich erst, als mir zů land kummen sind, in ewerem haus mit den allerbesten wartungen zů meinen krefften bracht. Das alles mir nit müglichen zů vergleichen ist. Ob ich euch schon als mein gůt, und was ich vermag, darfür geben solt und mich darzů für einen leibeigenen knecht willig in ewer dienst ergeb, möchte es dannocht nimmermer vergolten sein. Darumb, mein allerliebster herr und vatter, bitt ich euch, ir wöllen mir zů verston geben, wardurch ich doch solche überschwenckliche gůtthat vergelten mag, damit ich nit als ein undanckbarer gast geachtet werden möcht. Dann es sagen die alten, das kein grösser laster weder undanckbarkeit möge funden werden.‹

Darauff antwurt Robertus: ›Holtseliger lieber Richarde, es ist noch nit an dem, das wir von einander schaiden noch unsre fründtschafft zertrennen wöllend. Dieweil du wider zů deiner gesuntheit und krefften kummen bist, wend wir erst ein fröliche zeit mit einander haben, will uns anderst der allmechtig ein semlichs günnen. So dirs gefalt, magstu dein handel gleich so wol bey mir füren, als wann du in Hispanien werest. Ich will dir ein eygen contor und gewelb ihngeben, darinn soll dich niemant nit hinderen; und bleib so lang bey mir, als dir mein haußhaltung und kost gefallen thůt! Mir hat got der herr zů wasser und land vil glücks verliehen, auch seer gros gůt bescheret; das will ich mit lieben und gůten fründen brauchen, so lang ich leb. Dann es soll das gůt nit mein, sunder ich will sein herr sein, niemant hatt mir darein zů reden. Ich hab doch nit mer dann ein einige tochter, bin auch sunst keiner kinder mer warten; sie würt dannocht nach meinem absterben gůts genůg finden.‹

Daruff sagt herr Richart: ›Herr, ir habt fürwar ein schöne [141] tochter. Der ewig got geb euch genad, das ir sie nach ewerem wolgefallen verheuraten! O wie ein säliger jüngling ist der, welchem ein semliche schöne braut an seine arm kumen sol! Ich sag bei meiner selen, wann mir ein solche junckfraw in Portugal zů einer ehegemaheln zůston möcht, wolt ich all mein hab und gůt in Hispanien zů barem gelt machen und in Portugal ziehen mit allem sam.‹

Robertus, der alt kauffherr, het mit gantzem fleiß auff des jungen wort acht genumen. Er ward gantz kurtz mit im zů rath und sagt: ›O mein liebster Richarde, wann ich gedencken möcht, das dir in diser sachen ernst were oder das du ein ehrliche liebe zů meiner tochter trügest, du soltest in kurtzer zeit ein freuntliche antwort von mir empfahen.‹

›Ach herr und vatter,‹ sagt Reichart, ›wie wolt ich doch ewiglichen ein solchen bedrug gegen gott verantworten, wann ich dem, der mir so vil gůtthat erzeigt, solt ein bedrug unnd die unwarheit anzeigen! Ich sag also, wann ich so gůt binn, das ihr mich für ein tochterman haben wöllend, so stand ich hie und bit euch durch gottes willen umb ewer dochter. Alles das, so einem ehrenmann zůston mag, will ich mich allzeit befleissen und darneben ewer dochter schon und ehrlich halten, wie dann einem ehrlichen mann gebürt. Darzů steth mein hertz und gemüt gäntzlich, bey euch zů bleiben und zů wonen; dann mir vätterliche trew von euch bewisen.‹

Darauff antwort Robertus: ›Dieweil es dann, mein allerliebster Richarde, die meinung hat, so sey dir auff meinem theil mein dochter zůgesagt. Mir aber wil dannocht gebüren, die můter und die dochter darunder anzůsůchen, damit harnach kein verwiss daraus ervolgen thüe. So wolt ich auch sie, die dochter, nit gern zwingen, das sie wider iren willen einem jüngling oder witwer solt vermehelt werden, zů welchem sie keinen willen het; wiewol etliche und vil vätter und mütern der neigung sind, ihre kinder etwan von grosses gůts wegen an ein ort wider unnd über iren willen zů stossen, da sie weder gunst, liebe noch willen hin haben. Was aber zů zeiten aus solcher vermählung gůts erwachset, sicht man leider zů vil wol, ja das offt die alten ir händ ob den köpffen zůsamenschlagen müssen. Dann es nit sehr lang und noch [142] in frischer gedechtnus ist, das ein gůter edelman seiner töchteren eine versorgen und einem alten edelman, der ir gar zůwider was, geben wolt; sie aber erfůr die sach, wolt der hochzeit nit warten, nam ires vatters karchknecht zůr ee, und sovil sie mocht raum und blatz haben, packt sie irer kleider zůsamen und fůr mit im darvon; habend beid lang mit einander gehauset, vil schöner und lieber kinder sidhar gezeuget. Darumb, lieber Richhart, sag ich das, damit mein tochter nit über nacht ursach hett mit mir zů zürnen, wann ir etwan ein wentzig mit einander stössig würden und sie sagen möcht, ich het sie gezwungen, einen man zů nemen, so mir und nit ihr gefallen het.‹

Daruff sagt Richart: ›Von gantzem grund meins hertzen solt mirs leid sein, es wer gleich ewer tochter oder ein andere, solt ich deren wider iren willen vermähelt werden. Was lieber stund würden wir doch bey einander haben!‹

Als sie nůn mit disen und deren gleichen reden ir zeit vertriben, bis das es umb den ymbis war, da zugen sie mit einander zů haus gantz frölich. Dann sie wol vermůten kunden, das die sach einen fürgang haben würd.

9. Cassandra würdt von irem vatter unnd ihrer muter zu red gesetzt

9.
Cassandra würdt von irem vatter unnd ihrer můter zů red gesetzt von wegen Richarten des jünglings; sie aber gab gleich iren gůten willen darzů.

Alsbald die baiden herren zů haus kumen sind, ist das morgenmal gar lustig zůgericht gewesen; das haben sie mit freuden und kurtzweiligem gesprech volbracht. Nach dem essen hatt Robertus sein weib uff ein ort genumen, auff solche weis mit ir angefangen zů reden: ›Mein allerliebste Sophia, du weist, das wir yetz in die fünffundzwentzig jar in gantzem friden früntlich mit einander haußgehalten, in welcher zeit uns got in die zehen kinder beschert, welche er auch nach seinem gütlichen wolgefallen in verstandnem alter durch den natürlichen tod wider zů seinen gütlichen gnaden berüfft und genummen bis an ein tochter, welche er uns seines gefallens [143] gelassen, mit der [wir] bißhar nit wenig freud und ergetzligkeit gehabt haben. Nůn sichstu, mein allerliebste Sophia, was zů diser zeit für arglistiger kupler und kuplerin in der welt sind, so da schencken und gaben von andren fründtschafften nemen, manchem biderman ein kindt an ein ort verkuplen, da die älteren weder gunst noch willen hin haben. Nůn ist unser tochter schon erwachsen, das es nit viel umbsehens mer bedörffen will. Darumb wer mein rhat, wann ein waidlicher gsel kem und iren zů den ehren begert, wolten wir sie ihm geben.‹

Sophia antwurt: ›Ach mein Roberte, mit was newen unerhörten thäding gest du da umb! Du hast mir fürwar mit deinen worten ein eyßkalten stral durch mein hertz gedrungen. Wehe mir armen weib! Wie solt es mir doch ewigklichen ergohn, solt ich mein allerliebstes kindt von mir geben! Ich bin des gantz gewiss, das ich vor meiner uffgesetzten und geordneten stund meinen geist müßte gott dem herren auffopffern.‹

Darauff antwurt Robertus: ›Du solt dir, mein liebe Sophia, die sach nit so hart auffnemen, unser tochter zů verheuraten. Dann sie nicht dest weniger bey uns in unser wonung und behausung bleiben würd in einen weg als in den anderen. Damit aber du die sach recht verstandest, so wiss, der Richhardus, welcher jetzund ein zeitlang sein uffenthalt bey uns gehabt, der begert ir, hatt sich auch erbotten, den allernächsten in Hispanien zů schiffen, sein hab und gůt, so er darinnen hett, alles zů verkauffen und haraus zů wonen, so anderst wir im die tochter zů einer gemahel geben. So habe ich in Engeland und uff dem schiff wol von andren kaufleuten vernumen, das der wechsel und handel, mit dem er umbgath, sehr gros sey. So hat er auch gar ein grosse summa seines eygenen gelts hin und wider in den geselschafften ligen, so ihm alle jar ein grosses eintreit. Wir haben auch nůn dalest sein wesen und geberd, derzeit er bei uns gewesen ist, zimlich erlernet. Darumb, mein liebe Sophia, wöllest mir dein entliche meinung zů verston geben. Wolt dir dann mein fürschlag gefallen, so wolten wir mit unser tochter Cassandra auch reden, ob ir die sach anmütig were oder nit. Ich bin einmal des vorhabens, ir keinen man zů geben, sie habe dann [144] ein lust zů im, und wann er gleich eines fürsten gůt hette und vermöcht.‹

Alsbald Sophia dise wort von irem herren verstůnd, hůb ir die sach an zů gelieben. Jedoch stůnd sie in sorgen, Richarten möcht mit der zeit das hertz widerumb in Hispanien ston. Darumb sagt sie: ›O mein hertzallerliebster Roberte, wann nit ein sorg darauff stůnd, sobald Richart die tochter von uns brecht, möcht er sagen, seiner gelegenhait wer inn Portugal nit zů wonen; er wolt wider in Spanien.‹

Darauff antwort Robertus: ›Mein Sophia, desselbigen solt du gar kein gedenckens haben, dieweil er all seine verlaßne güter inn Hispanien verkauffen und zů barem gelt machen, dasselb hie an einem wechsel anlegen würt. So sagt er auch, das er einen sundren lust bei uns zů wonen hab.‹ – Daruff sagt Sophia: ›Wolan, so mag ich leiden, das wir unser tochter Cassandra die sach fürhalten und ir gůtduncken hören, damit wir iren willen und meinung auch verston mügen.‹

Alsobald ward die junckfraw Cassandra berůffen, und ward ir alle meinung des heurhats halben fürgehalten, wie es dann oben nach der lenge anzeigt. Und in summa, das ichs bekürtz, die junckfraw gantz züchtigklichen anfieng zů antworten und sagt: ›Ir mein allerliebsten älteren, die ir mich so schon unnd zärtlich in gar grosser liebe erzogen hand, wie möcht ich anderst gedencken, dann das euch lieb und ein gefallen ist, ich geschweig zů thůn! Darumb so setz ich euch die ding gantz in eweren willen und gefallen. An herr Richarten, dem jüngling, habe ich gantz keinen mangel, so ferr und er euch gefallen thůt.‹

Also was es alles schon richtig, und manglet nicht mer, dann das Richart nit zůgegen was und ein priester, so sie zůsamengeben. Robertus, der gůt alt herr, was in grossen freuden, dieweil er sein tochter und gemahel so gantz gůtwillig funden hett. So was fraw Sophia nit minder frölich, das ir tochter dermassen sich verheuraten solt und dannocht bey ir im haus bleiben. Wie frölich aber Cassandra gewesen sey, gib ich einem yeden selb zů erachten. Der jüngling was schön, so het er auch, ein grosses gůt; davon Cassandra nit wenig heimlich frewd an irem hertzen trůg. Also ward die sach von [145] den alten gar dapffer getriben, damit es bald zů einer hochzeit keme. So was Reicharten auch schon alle meinung verkündet; deshalben er auch gar frölich was.

10. Cassandra und Richardus werden zusamen vermähelt

10.
Cassandra und Richardus werden zůsamen vermähelt, würdt aber aus etlicher ursachen nit ein grosse hochzeit gehalten.

Robertus, der gůt alt mann, hett verschaffet, das auff den nächstkünfftigen tag ein herrliche malzeit in seinem haus bereit würd. Er hatt auch in eigner person seine nechsten freund darzů berůffen, doch das sie zů früer tagzeit erscheinen solten, dann er wolt seiner tochter Cassandra einen man geben. Dise verkündung namen etliche seiner freünd in einem schertz auff, liessens doch eine gůte sach sein; dann in was unverborgen, dieweil Robertus in Engelant gewesen, was ihm ein liebe schwester mit tod abgangen. Nicht desto minder kamen sie des morgens gantz gehorsamlichen. Alda erkanten und sahen sie erst den ernst, dieweil sie den priester im haus funden, auch alle ding auff das zierlichest ausgebutzt und uffgemutzt.

Als sie nůn zůsamenkummen sind, hat man entlich vom heurhat angefangen zů reden und sunderlich von dem, das Richart in Portugal und namlichen zů Lisabona sein wonung haben solt und gar nit inn Hispanien ziehen, sein wonung darin zů haben, es were dann sach, das schwäher und schwiger mit tod vergiengen und alsdann sein weib noch in leben were, mit gůtem willen mit im zů ziehen sich begeb; sunst solt er sie in keinerlay weg zwingen. Über solche ehberedung wurden in beywesen der früntschafft gůte versicherungen auffgericht, deßgleichen des gůts halben auch alles gar wol versehen und hinder die fründtschafft gelegt, damit man über nacht semliche schrifften wüste zů finden.

Also wurden die zwey nach christlicher ordnung zamen vermähelet. Demnach ward der ymbis mit grossen freuden volbracht, allein das gar kein seitenspiel da gebraucht ward allein der ursach, das dem alten herren sein schwester so kurtzlichen [146] gestorben was, wie dann oben gemelt wirt. Was aber sunst zů einer kostlichen malzeit gehöret, daran was gar kein mangel, es wer gleich von speis oder von fremden kostlichen weinen aus allen nationen harbracht.

Nach der malzeit, als man das wasser umbgeben het, sind sie auffgestanden, weib und mann mit einander in einen schönen garten spatzieren gangen. Darinn sich dann die jungen männer auff das essen dapffer gebraucht haben, mit ringen und springen einander dapffer geübt, desgleichen mit dem ballenspiel nit gefeiret. Die alten aber haben sich mit einander underredt der hochzeit halb, in was gestalt die anzůgreiffen wer; wurden aber all in gemein rhätig, das ein kleine hochzeit solt gehalten werden unnd auch auff das bäldist, so immer müglichen sein möchte. Disen rath ließ im Robertus gar wol gefallen, beschlosse also mit inen, uff den dritten tag müst alle ding zůr hochzeit bereit sein, das sich ein yeder darnach wißte zů richten.

Under disem begab sich under den gůten freunden ein zanck, namlich mit den steinstössern. Es hetten ir zwen ein ziel erlangt, was aber dem einen im stossen hinweggesprungen. Darumb im dann der ander gar nit gewunnen geben wolt; so dorfft sich auch der andren keiner mehr understohn das ziel zů geweren. Reichart, so dann noch seine kranckheit nit gar verdewt het, gedacht: ›Wann ich meiner sterck selb vertrawen dörfft, ich wolt disen krieg bald verrichtet haben.‹ Er nam den stein, welcher zimlich gros was, und sagt: ›Ir jungen herren und vettern, wann ich euch beidsamen überläg, wolt ihr dann zůfriden sein?‹ Des waren sie gantz wol zůfriden; dann sie nit maineten, das Reichart über ir gelegt ziel solt gestossen haben. Reichart fasset den stein in forteil und sties in gantz geschwind weit über das ziel hinaus. Da hette schon der zanck diser zweyer ein end, und ward iren genůg darzů gespott. ›Gelt‹, sagten die anderen, ›ir habt eweren mann funden, so euch kan unnd waißt zů entschaiden? Lieber, thůnd ims nach!‹ Also hůbend sie das ballenspiel an zů spielen; aber keiner under in allen mochts dem Richardo vorthůn mit behendigkeit des leibs und allen fortlen, so man brauchen mag in dem ballenspiel.

[147] Als es nůn umb den nachtymbis worden, sind sie wider in einer geselschafft zů haus gezogen, haben den nachtimbis frölichen volbracht. Demnach die fremden zů haus gangen, und sich yeder an sein rhů gelegt.

11. Die hochzeit wird gehalten mit grossen frewden

11.
Die hochzeit wird gehalten mit grossen frewden, aber gar kein dantz oder seitenspiel gebraucht; auch von der morgengab, so Reichart der braut sol geben, gehandlet.

Als nůn die drey tag verschinen sind, haben sie die braut des morgens frü zů der kirchen gefürt, darbey dann anderst niemands dann die früntschafft gewesen ist, alles aus oberzalter ursachen. Als es nůn umb den ymbiss ward, hat man sich zů tisch gesetzt, frölich angefangen zů essen und drincken.

Es het aber der alt Robertus ein tag darvor alle alten hausarme leut, so im müglich sind gewesen anzůkumen, berůffen lassen, das sie uff die hochzeit der gestalt erscheinen solten: des morgens frü solten sie sich in der kirchen einmütiglichen versamlen und da gott den almechtigen bitten, das das er disen zweien jungen menschen seinen segen und gnad verleihen wolt, das sie in seinem götlichen willen leben möchten, gesunde kinder bey einander zeugen, und so dieselbigen erwüchsend, das sie die in der ehr und forcht gottes auffziehen, seine gebot underweisen, zů der gehorsamkeit abrichten und sie sunderlich auch vor der gotslesterung und dem liegen verhüten möchten; das ihn got auch ein solchen verstand, keusch und gotsförchtig gemüt und hertz geben wolt, wie er dem jungen Tobia durch Raphaelem den engel eingebildet het. Wann sie dann semlichs volbracht, solten sie in gemeiner schar in seine behausung kumen, da würd inen allensamen ein gůt malzeit bereit sein. Dis alles ward durch die armen leut nach des alten herren willen unnd begeren volzogen.

[148] Als nůn die armen leut in herr Robertus haus kummen sind, ist inen in einem grossen weiten saal ihr losament fein und ordenlichen zůgericht gewesen. Da waren vil taflen gedeckt mit schönen weissen tüchern. Robertus het ihnen auch ire sundere und eignen schencken und dischdiener bestellet, so allein auff die armen leut solten warten, damit keinerlei mangel noch bresten bey inen gespürt würde. Als sie nůn gar ordenlich zů tisch gesessen, habend sie zům ersten gott den allmechtigen umb das täglich brot gebetten; darnach hat man inen das essen dargetragen. Also habend sie gantz züchtigklichen gessen und getruncken mangerlei gůter speis und tranck, das nit ein wunder gewesen were, das sich etliche übertruncken hetten. Aber deren ist keiner gesehen worden; dann sie alle, weib und mann, mit züchten unnd grosser dancksagung speis und dranck genossen haben.

Disen brauch habend unsere bettler im Teutschen land gar fein und hoflich gelert. Das kan ich sagen, das ich uff etlichen reichstagen gesehen, wann man tags das almůsen, das dann reuhlich da was, außtheilt, das sie einander häfen und schüßlen auff den köpffen entzwey geschlagen; müßt auch einer spitz ohren gehabt haben, der ein vatterunser von einem gehört, aber gůt starck lantzknechtisch schwür, die ein namen hatten. Aber doch waren auch darunder, denen mit solcher unützen weis nit wol was, unnd ob sie gleich wol einen missfallen darab hetten, můsten sies dannocht ein gůte sach lassen sein. Jetz kumen wir wider uff die materi.

Als nůn die armen leut den ymbis volbracht, hand sie gott dem herren lob und danck gesagt, demnach auffgestanden. Bald ist der alt herr mit sampt dem breutigam kumen; denen haben die armen leut tausentveltig glück gewünscht. Der breutigam aber hatt einem yeden armen menschen einen groschen geschenckt; damit sind sie abgefertigt gewesen.

Ich můs aber ein wort darzů reden. Es ist der brauch gar nit bey uns, wiewol wir ein andere gewonheit, die auch nit zů verwerffen, bey uns haben. Wann zů zeiten hochzeiten [149] sind gewesen, habe ich offt gesehen, das die beyde müter, der braut und des breutigams, harumbgangen sind; alsbald man ein essen uffgehaben und von den tischen getragen, sind sie da gewesen und alles angeschnitten fleisch, oder was das gewesen, in besunder kessel oder häfen gethon; das hatt man dann zů einer bestimpten stund under die armen leut ausgetheilt. Jetzund macht man aus solchen bitzlen, schnitzlen und fragmenta ein kauffmanschatz; dann es mag das volck nit so bald vom tisch auffston, es sind der kaufleut ein gantzer hauffen zůgegen mit häfen und mit schüsseln, kauffen den blunder allen gar auff, also das den armen leuten das spülwasser, darin diser kauffmanschatz gelegen, kaum werden mag. Hüw umb, lauff teufel lauff! Ist dir, als du inkaufft hast, nie nichts zů theur gewesen, schauben und röck, guldin gürtel, perlin porten hatt alles müssen zům kostlichsten da sein, du hast nit rhatgeben gnůg haben mügen, die dir die richten, trachten und schleck angeben, wie du sie einander nach antragen, und můs alles gantz eben sein, da kan niemant zů vil fressen unnd sauffen, niemants kan nichts nit verderben; bald aber der arm dürfftig kumpt, da ist allenthalben mangel, da hat man nichts mer auszůthailen dann böse unütze wort, stoßt man sie anderst nit gar zů haus und hoff aus, schleußt thür und thor vor inen zů. Wolan, got sicht und hört alle ding. Er sah den reichen man wol in seim pracht und schmuck bey dem goltgezierten tisch; er sahe aber auch den armen Lasarum mit vilen grossen geschweren vor des reichen thüren, da im die hund seine offnen geschwer und schäden leckten. Wie giengs aber darnach? Rauch genůg giengs zů. Der arm Lasarus starb bald harnach, und ward seine seel von den engelen getragen inn die schoß Abrahe. Da aber der reich starb, wo kam der hin? Seine engel, die leidigen teuffel, trůgen in in die abgrunt der hellen. Warumb geschahe im das? Darumb das der vol wanst dem gůten Lasaro die brösamlin von seinem tisch abgefallen versagt hat. Darumb biss nur emsig, so du ein sůn oder tochter hingibst, damit dir nichs vergebens hinweggang! Dann gibstu das den armen, got mag dirs nitt vergelten am jüngsten tag. Aber so du gelt kanst[150] draus lösen, wirstu von dem teuffel noch mer lons gewertig sein. Diss sey genůg davon geredt.

Die hochzeit ward also mit kurtzweiligem und früntlichem gesprech biss zum nachtymbis vols vertriben; dann alles dantzen, wie offt gemelt, da vermitten blib.

Richart hette sich hiezwischen heimlich inn sein contor gethon sampt seinen beyden knechten. Er nam ein gar schönen grossen doppelten übergulten kopff; die beyden theil legt er voller goldt, den einen voller schiffnobel, den andern voller rosennobel sampt einer schönen guldenen ketten, befalh seinen beiden knechten, gantz fleissig wahrzůnemen, wann des morgens schweher und schwiger für sein schlaffkammer gon und die morgengab an in der braut forderen, solten sie mit disen beiden köpffen auff der fart sein und auch für die kamer kumen; diß wolt er der braut zů einer morgengab verehren.

Nach dem gieng Richart zů dem nachtmal. Da das auch volbracht was, fůrt man die braut in ein schöne kamer schlaffen. Demnach nam vederman urlop, zogen zů haus, vertriben die nacht mit süssem schlaff, erwarteten also in der rhů des anderen morgens. Das gesind aber, so den gantzen tag zů schaffen gehabt, sassen erst die gantz nacht zůsamen und hetten iren gůten můt auch.

12. Reichart begabt sein braut mit eyner rheilichen morgengab

12.
Reichart begabt sein braut mit eyner rheilichen morgengab. Weiter von einem zůtütler, der die armen leut hasset, was Richart mit im geredt hab.

Es was eben auff disen morgen der lieb und selige mai angegangen. Die morgenröt mit gar frölichem anblick, in rosienroter farben mit schöner wath angethon, sich sehen liess; die edlen waltvögel mit gar süsser und lieblicher stimm zůsamenstimmeten. Bald bracht Phebus seinen wagen, daruff fürt er die sonn mit irem spreissigen kopff, damit der lieblich mai also seinen yngang het.

[151] Robertus und Sophia stůnden auff, legten ire kleyder an, giengen eylends für der braut kameren; auch hetten sich schon etlich der anderen freünd harzůgemacht, sie forderten die morgengab an den breutigam. Er bat, sie solten ein klein verziehen, dann sie würd bald vorhanden sein. Indes kamen die zwen diener mit den vergulten köpffen, klopfften auch an der kammern und gaben irem herren ein wortzeichen, damit er wußt, das sie vorhanden waren. Also schlos er von stund an auff und empfieng die köpff von dem jungen und dem andren diener. Der schweher, schwiger sampt der andren freundtschafft giengen auch hinein inn die kammeren.

Richart nam erstlich die schöne kettin, hieng die seiner braut an den hals, demnach stalt er ir auch die zwen übergulten köpff dar. Als aber sie gantz schamhafftig under sich sehen des schönen und ausserlesenen golds nit wahrnam, hatt Richart ir den einen kopff mit dem gold in den geeren geschüt und darzů gesagt: ›Allerliebste braut, nement hin dise morgengab! Und nach diser gaben sollend ir täglichen mehr und vil bessers von mir gewarten sein, so uns anders got ein zeitlang frisch und gesunt bey einander lassen wil.‹ Alle, die semlichs sahen, verwunderten sich ab dem grossen gůt; dann Robertus het selb nit vermeint, das der jüngling ein semliche barschafft und gůt bey im gehabt het.

Nůn solten wir weiter anzeigen, wie der ymbis gehalten und der tag zů end bracht worden were. So dunckt michs gar nit von nöten, dieweil nichts da verhandlet worden dann kostlich trachten fürgetragen, schöne credentz von gold und silber da gesehen, der diener ein gros summa umb die tisch rumbher gelauffen. Aber eins, so fürgangen, můs ich anzeigen.

Es was ein nachbaur, ein gewandbereiter, zůnechst an Roberten haus gesessen, ein rechter und grosser dellerschlecker; denselbigen dorfft man zů keinem wolleben nit berůffen; dann er fand zů aller zeit ursach, damit er sich selb hienin schraubet. Also hat er auff diser hochzeit auch gethon. Er kam ungeladen unnd machet sich gantz geschefftig. Nun hetten sich etlich arme leut, die den anderen tag nit bey dem mal gewesen, zůsamengeschlagen, sassen vor herr Robertus [152] haus, ob in doch ein almůsen von der hochzeit werden möcht. Als sie nůn diser schmorotzer ersehen thet, hat er sie gantz unwirs angefaren unnd gesagt: ›Wer hat euch heut hieher bescheiden? Ihr habt ewer mal gester yngenumen. Darumb ziecht nur hinweg, ir dürffen uff nichts hoffen.‹

Diss erhort einer des herren diener, so dann disem schleckdenlöffel sunderlichen find war; der gieng herzů und sagt zů im: ›Lieber, laßt euch die armen nit irren! Dann die beyde herren haben sie gesehen und befelch in der kuchen geben, das man in sol das almusen zůsamenhalten unnd demnach austeilen.‹ Diser suppenfresser wolt gesehen sein, stach mit bösen worten wider hinumb. Zůletst sagt der diener: ›Lieber, laßt doch die armen leut beleiben neben euch! Nun seit ir doch gleich so wenig berůfft als sie. Was wölt ir daraus machen?‹

Zů disem streit und zanck kam von ungefer der jung herr Richhart. Der fragt, was sich da für ein zanck zůtragen, wolt den bericht der diener aller sach wissen. Als er nůn aller sach bericht, ward er darüber erzürnt und sagt: ›Ir solt die armen nit also, hassen; dann iren ist das reich der himel, wie dann Christus selb spricht Mathei 5. So wir nůn auch inn das reich gottes begeren, müssen wir uns mit den armen hinindringen. Wißt ir nit, wie Salomon in seinen sprüchen so treulich ermanet, das wir den armen alle zeit sollen gůts beweisen? Dann er spricht in seinem 14. capitel: Der sünder verachtet seinen nechsten, aber wol dem, der sich des ellenden erbarmet. Item am 19. spricht er: Wer sich des armen erbarmet, der leihet dem herren, der wirt im wider gůts vergelten. Und an dem 21. zeigt er die straff an denen, so den armen gehessig sind; dann er sagt: Wer seine ohren verstopfft vor den armen, der würt auch rüffen und nit erhört werden. Und gleich im andren capitel hernach: Ein gůt aug wirt gesegnet, dann es gibt seines brods den armen. So habend wir auch gar ein schön exempel an dem lieben Tobia. An seinem 4. und 14. capitel da vermanet er seinen lieben sůn Tobiam gar hertzlichen, das er almůsen geben sol. Also auch Jesus Sirach am 12., das man den ellenden und armen gůts thůn sol. Item am 14. capitel sagt er: Vergiss der armen [153] nit; wann du denen gůts thůst, so wirt dir auch frewd widerfaren, die du begerest. Darzů haben wir dort ein schönen trost von Christo selb Mathei 25., da Christus sagen wirt zů den seligen und ausserwelten, welche da werden stehn zů der rechten des herren; zů denen wird der herr sprechen: Kumpt her, ir gesegneten meines vatters, ererbet das reich, so euch bereit ist von anbegin der welt! Dann ich binn hungerig gewesen, und ihr hand mich gespeiset; ich binn durstig gewesen, und ir hand mich gedrenckt; ich binn ein gast gewesen, und ir hand mich beherbergt; ich binn nackend gewesen, und ir hand mich bekleit; ich binn kranck gewesen, und ir habend mich besůcht; ich bin gefangen geweßt, und ir sind zů mir kumen. Und wann sie dann sagen werden, sie habend im keine solche gůtthat erzeiget, wirt in der künig wider antwurten: Warlich sag ich euch, was ir geton habt einem aus disen meinen geringsten, das habt ir mir gethon. Das solt ir, lieber nachbaur, bedencken und die armen liebhaben; so werdet ir hinwider von dem herren geliebt werden.‹

Der schmarotzer verlachet dise wort gantz spötlichen und sagt: ›Hey breutgam, ich hab nie anderst gewißt, dann ir seit ein kauffherr; so vernime ich yetzund wol, das ihr ein predicant seit.‹

Die wort hort der diener, so vor mit ihm gebalget hett. Er sagt: ›Mein herr, bekümmert euch nit mit disem fatzman! Dann dise wort sind im nůr ein gespött.‹ – ›Aber mir nit,‹ sagt herr Reichart, ›sie sind mir lieber dann gold und silber, berlin und edelgestein. Ich trag und für sie auch alwegen bey mir.‹ Damit zeigt er in ein schönes gebundenes büchlin, in welchem die bücher Salomonis und der Syrach yngebunden was.

Der diener sagt: ›Kein bůch wirt in nit bekümmern; dann er und sein hund versehend sich, in ein himelreich zů kumen. Des ich dabey abnim: er hat den hund dahin abgericht, das kein armer mensch zů seiner hausthür kumen darff; so grausam thůt er über die armen.‹ – ›Das ist ein grosse und schwere sünd,‹ sagt Reichhart, ›ir müsset auch gott einen schweren stand darumb thůn.‹ Damit gieng Reichart in die [154] kuche, befalh, wann man die letst richt oder essen angetragen hett, solt man den armen leuten die auffgehabne speis fein und ordenlichen außtheilen.

Jetzund wend wir gnůg von der hochzeit gesagt haben, dieweil sich doch keinerlei kurtzweil weder mit tantzen noch andrem zůgetragen. Richart aber gantz stil darzů schweigend nam im gäntzlich für, wann die zeit sich ein wenig verlieff, (dann das würd eben auff sein widerkunfft sein, so er aus Hispanien keme) alsdann wolt er erst ein frölichs wesen anfangen und alle gůten freund unnd nachbauren darzů laden, ein new hochzeit haben, wie es dann auch geschah.

13. Wie zwen jung Portugaieser, so einander nahendt verwandt

13.
Wie zwen jung Portugaieser, so einander nahendt verwandt waren, eines abents, als man schon das liecht auffgezündet het, mit zweyen riffienern auff Richarten warten und in umbracht wolten haben.

In allen landen unnd inn der gantzen welt ist der brauch, wann gott der almechtig einem ein zeitlich glück zůsendet, můs er alwegen vergünstig leut darzů haben, damit es im dannocht nit so gantz glat hienausgang. Mögen und künden sie schon die sach nit wenden und hinder sich treiben, werffend sie dannocht etwann ein dreyspitz hienein, damit es dannocht einen hinckend mach, dem sie das glück vergünnen. Also ging es dem gůten Reicharten zů disem mal auch.

Es was in der statt Lisabona ein junger reicher Portugaleser, sehr můtwillig unnd verwegen. Derselbig hett lang umb die Cassandram geworben, aber von seiner überschwencklichen frechheit und můtwillen, so er an allen orten beging, hat im sie ir vatter gar nit geben wöllen und gantz abgeschlagen. Als nůn derselbig jüng[ling] sah, das sie dem Richarten vermählet und zům weib geben was, hat er es zů grossem verdruss, als ob er dardurch gäntzlichen verachtet[155] wer, uffgenummen, hat sich zů einem seiner freundt verfüget, welcher auch ein wolgerathner vogel was gleich wie er.

Demselben hat er sein anligen geklagt und gesagt: ›Mein allerliebster und ausserwelter fründt, dir ist, glaub ich, unverborgen, was grosser schmach und verachtnüs mir von dem alten herren Roberto zůgestanden. Dann er mich für keinen dochterman hat wöllen erkennen, nimpt disen hargeflognen Spanier auff, des gens man doch nit erkennet in gantzem Portugal. Ich friss mir selb schier mein eygenes hertz darumb, binn doch nit so bedacht, das ich waiß, durch was mittel und weg ich mich an dem alten sol rechen, damit im solche schmach möcht vergolten werden.‹

Auff dise wort antwort sein fründt und sagt: ›So mich der handel antref, wißt ich im wol zů thůn. Ich wolt mich früntlich zů dem Hispanier gesellen, mit im zechen, spielen und alle böse stück mit im versůchen, damit ich seins thůns und lassens gnůgsam erfarnüs überkem. Wann sich dann mein zeit begeb, wolt ich ein balg mit im anfangen, und ehe dann er wißt, wie der hafen geschaumpt wer, wolt ich im zům wenigsten ein lammes hendlin gemacht haben; wie ich, nit lang vergangen, zweyen kauffmansdienern abkert hab. Die hetten sich beid noch keiner streich versehen; denn ich mit lachendem mund zůschmiert, und ehe dann sie zů streichen kumen mochten, hett ich dem einen die linck hand, dem anderen den rechten arm lam geschlagen.‹

Darauff sagt diser: ›Da laß ich mich gar nit hienbringen, dieweil ich nůn so manigmal von seiner stercke und geschwindigkeit hab hören sagen. Mit fechten, meinend sie, mög im in gantzem Lisabona niemant verglichen. Den stein hat er bisshar allensamen vorgestossen; keiner under allen übertrifft in mit ringen; das springen gath im gantz wol von statt; im ballenspiel ist er gar ein rabi. Darumb mir gar nit zweiflet, er sey im schlagen unnd scharmützlen auch nit faul. Wann ich dann meint, ich wolt in schlagen, so hett er mich schon getroffen.‹

Da sagt sein freundt: ›Wann dir dann diser weg nit gefallen wil, můß man einen andren für die hand nemen. Thů im also! Der Spanier gath nachts vilmalen aus mit seinen [156] freunden essen. Alsdann wöllendt wir ein par riffiener gewinnen; die nemen gelt, bringen dir von im, was du begerst, es sey ein hand, ein fůß, ein schenckel, arm oder den kopff. Ye dann darnach du inen lonest, darnach arbeiten sie dir.‹

Darauff antwort diser: ›Der rhatschlag würt mir entlich anzůnemen sein. Dann ich mein gelt lieber wil lassen kriegen, dann solt ich darob zů trümmeren gohn.‹

Also bedachten sie sich nit lang, machten ir practick und erfůren, das ein mechtig schiff mit kaufleuten und kostlicher wahr kumen was. Da wußten sie schon gewiss, das Richart bey inen das nachtmal essen würd. Sie fügten sich zů zweyen schantbůben und riffieneren; mit denselbigen wurden sie eins umb einen lohn, das sie den Richarten bey derselbigen nacht solten auff den todt wundt schlagen oder gar umbringen, wie inen das am basten fügen wolt. Das sie inen dann beiden samen in die händ geredten. Darnach sind sie eylens gangen, haben ire schwerter gewetzt, ire bantzerhemder und bucklier zů weg gelegt, damit sie gegen abent sich nit lang dörfften rüsten.

Der gůt Richardus wußt von solcher verreterey gar nicht. Es war aber sein alter brauch, das er nachts auff kein gassen ging, er hett sich dann wol under seine sichtbare kleider mit bantzer, welches gantz rein was, angethon. Darzů hett er alle zeit etlich pomerantzen bey im, so mit bley außgefült waren, dann er zům theil geböglet worden was. Er nam urlaub von seinem schweher, schwiger und hausfrawen, ging zů den gůten herren in die herberg, deren er dann gar vil under inen sehr wol kant.

Diss alles hetten seine widersecher eben wargenumen, wartetten im gar fleissig uff den dienst. Als nůn die gůten herren in der herberg gessen hetten, belanget sie einmal an gůte rhů; dann sie lang uff dem meer gefaren waren unnd yetzund des wassers ganz müd und matt. Das wußten die andren gůten herren; derhalben sie urlop von ihn namen, und zug ein yetlicher heim in sein behausung.

14. Ein reicher goldschmit, so sein handel mit berlin

[157] 14.
Ein reicher goldschmit, so sein handel mit berlin und kostlichem edlem gestein füret, kumpt Reichart zů hilff; dann im die vier gar überlegen waren. Die beyden riffiener bleiben todt.

Auff disen nachtimbis was auch bey gedachter geselschafft gewesen ein junger mann, ein goldschmit, welcher einen schweren unnd grossen handel fůrt mit edlem gestein und den allerkostlichsten orientischen berlin; darumb er dann gar wol bekant was under den kaufleuten, so aus ferren landen waren. Der sass nit gar weit von herr Roberten haus; darumb dann beide gůten herren, Reichart und der goldschmidt, eines wegs heimgiengen. Sie hetten beidsamen ire jungen mit zweien wintliechtern bey ihn; darvor die erbar geselschafft nicht zů schwert kumen kunden. Also schlichen sie so lang hinach, bis der goltschmit urlaub von herr Reicharten nam und schlos sein haus auff, gieng mit seinem jungen hinein.

Bald waren die schälck all vier mit gewerter hand ob dem gůten jungen herren, das er gar kein flucht wußt. Auff dletst riß er sich mit gantzem gwalt von in aus, erwischet seiner pomerantzen eine, warff damit den einen riffiener an sein schlaff, das er tod nider zů der erden sanck. Reichart schre sie an und sagt: ›Ihr verzweifleten bößwicht, was ansprach habt ir an mich unschuldigen? Es ist mir doch keiner under euch allen bekant.‹ Nůn waren sie noch so nahend bey des goltschmits haus, das er alle wort von Reicharten vernemen mocht; so erkant er ihn auch an seiner red. Er hieß eylents ein wintliecht oder zwei anzünden, nam sein gůt schwert von der wand, damit zů seinem haus hinaus und sprach herr Reicharten mannlichen zů und sagt: ›Lieber herr, sind manlich und unerschrocken! Ich will uff dise nacht mein leib und leben bey euch lassen. Wir beid wend diser dreyer schälck wol mechtig sein.‹

Von disen trostlichen worten die drey grossen schrecken empfiengen. Richart, der hett erst noch mer mannesmůt überkumen, zucket die ander kugel und fasset einen solchen starcken [158] wurff, das den andren riffiener sein pantzer gar nit gehelffen mocht, sunder můst den tod an der pomerantzen fressen, wie dann sein gesel an der anderen gethon het. Da diss die zwen gewar wurden, understůnden sie die flucht zů geben. Der goltschmit aber eylet hinach, und in der flucht wundet er Richarten find gar hart. Also haben sie die riffiener uff der gassen ligen lassen, welchen das blůt zům mund, ohren und nasen außlieff.

Der goldschmit ist mit herr Reicharten zů haus gangen, haben gar manigerley von diser sachen, wohar das kumen möcht, berhatschlaget, aber den rechten zweck nicht treffen künden; also mit einander der sachen eins worden, das sie den künfftigen morgen in alle balbierer- und scherheuser gon wolten und erforschen, was sie in der nacht für wunder leut verbunden hetten. Zůletst name der goltschmit urlop und gieng mit seinem diener zů haus.

Es war aber der alt herr und fraw schon zů beth gangen, wußten gar nichts umb dise sachen, desgleichen auch die jung fraw; dann sie versahend sich nit, das Reichart so zeitlich zů haus keme, und was gar niemants mer, so auff in wartet, vorhanden wann das gesind im haus. Also gieg Reichart auch zů beth, befahl dem hausgesind, fewr und liecht zů verwaren. Er sagt seiner Cassandra auch gar nicht von dem lerman, damit er sie nit angsthafft machet und erschreckte.

Des nachts gedacht er gar manigerley und sunderlich an den goldschmit, der im so trostlich zůgesprungen was, besan sich offt, womit er im doch semliche gůtthat möcht vergelten, und nam im entlich für, dieweil im gott sein leben günnet, das er in für einen brůder und freundt ansprechen wolt. So waren sie beide fast in einem alter, zwen frölich jung kerle, mit allerhand sprachen gefaßt. Reichard was lang im land zů Meissen bey einem herren gewesen, da er dann sein zierlich gůt tentsch gelernt het; so het Lasarus der goltschmit Teutschland allenthalben ausgewandert und sein handwerck gearbeit. Es kund auch Robertus, sein weib und alles gesind im haus gůt niderlendisch oder brobendisch teutsch; dann er von Antdorff dahin gezogen was, alles gesind, knecht und mägt, mitbracht.

15. Lasarus und Reichart kumen morgens auff die spur

[159] 15.
Lasarus und Reichart kumen morgens auff die spůr.

Lasarus der goldschmidt alsbald er des morgens auffgestanden unnd sich angethon hett, ist er den nächsten zů Reicharten gangen. Die zwen riffiener aber sind noch also in iren pantzeren angethon uff der strassen gelegen. Umb sie ist ein grosse menge des volcks gestanden, die dann gemeinlich dise bösen und verwegenen bůben gekant haben, auch darneben wol ermessen künden, das sie auff semliche abentheur umbgangen sind. Lasarus hat sich auch hinzůgestelt, damit er doch von dem volck eines jeden rhatschlag und meinung vernemen möcht. Da aber ist nicht anders gesagt worden, dann das in beiden ir verdienter und bescherter lohn worden sey.

Als nůn Lasarus zů Richarten kumen ist, hat er im einen gůten morgen gewünscht; haben einander zů beiden theilen früntlich gegrüßt, demnach mit einander hingezogen von einem scherhaus zů dem andern. Und als sie yetzund in das fünfft scherhaus oder balbierershaus kumen sind, haben sie den jungen, welcher den riffienern den lohn gegeben, den Richarten umbzůbringen, funden. Er lag dort uff der gautschen gar uff den todt verwundt. Alsbald er nun den Lasarum, welcher in also verwundet het, ersahe, sind im die wunden so hefftig wider angangen blůten, das im der balbierer die in keinen weg mehr hat künden stellen. Unnd er auch an ihm selb wol befand, das sein sach nit mehr sein würd, hat er angefangen Richarten gar früntlich bitten, ihm zů verzeihen, dieweil er ihm on alle schuld findtschafft getragen und also bey nächtlicher weil auff in gewartet mit einem anhang, deren dann zwen hindurch weren; so gedecht er wol seinen letsten tag auch schon gelebt haben. Richart bat in gar früntlich, das er ihm doch die ursach seiner feindtschafft anzeigen wolt, dieweil er in doch mit wissen nie erkant het. Da sagt er: ›Fürwar so hab ich nie begert, das euch solt ein har geschworen haben, binn aber ewerem schweher von gantzem meinem hertzen feindt gewesen und dieselbige feindtschafft, so ich ihm getragen, understanden an euch zů rechen.[160] Das blat aber hatt sich umbgewendt; dann ich bin, der die grůben getolben hat, und zů dem ersten hineingefallen.‹ Also fieng er an gar schwach zů werden, so das er gar nicht mer antwurten noch reden kund; und ehe dann ein stund vergon thet, ist er gäntzlich verscheiden.

Die zwen aber sind mit einander rhätig worden, den vierden auch zů erfaren. Als sie aber lang hinach getast, hand sie erfaren, das er darvon gewesen ist. Also haben sie solche sach der oberkeit, so darzů verordnet gewesen, angezeiget. Als aber dieselbig verstanden, das nit mer dann noch einer in leben und aber hin und weg sey, haben sie die zwen riffiener dem nachrichter bevolhen, das er sie hinaus an das hochgericht schleiffen solt und vergraben. Reicharten aber und Lasarum haben sie heissen zů haus gehn und frölichen sein, darbey bevolhen, wann inen mer semlich sachen begegnen, das sie gleicher gestalt handlen wöllen wie dissmals.

Also sind sie mit einander gangen zů dem alten Roberto; dem habend sie alle verloffnen sachen erzalt, dabey den jungen, so dise practic angericht, zů erkennen geben. Von stund an hatt der alt gemerckt, wohar der neid erwachsen.

16. Robertus, Richardus und Lasarus essen das morgenmal

16.
Robertus, Richardus und Lasarus essen das morgenmal mit einander; Lasarus kaufft herr Roberto ein haus ab, daran ihm Richart heimlich vil zů steur kumpt.

Die drey gůten herren bliben also bey einander, bis das es umb den morgenimbis ward, sind sie zůsamengesessen und ein gůten můt miteinander gehabt, viel von irem volbrachten scharmützel zů red worden. Es hat auch Reichart dem Lasaro offt gedancket des brüderlichen zůspringens, so er im gethon hat.

Als sie nůn im besten essen gewesen, hatt Reichart gesagt: ›Was wolt ich sein doch schaden haben, das Lasarus etwas näher bey uns gesessen wer! Wie wolten wir doch so [161] gůt früntschafft mit einander haben!‹ Darauff antwurt Lasarus: ›Mein lieber Richarde, wann mich ewer herr schweher wol gemeint und mir sein nebenhaus zů kauffen gebe, dieweil er das nit braucht, wir wolten gnůg nah zůsamenkumen.‹ Daruff sagt Robertus: ›Fürwar, Lasare, es wer ein haus für euch und zů ewerem gewerb gantz ausserwelt. Wo es meinem tochterman gefallen will und ir mir das nach der billigkeit bezalen, will ichs euch zů kauffen geben.‹ Darzů sagt Reichardus: ›Mit mir hats gar nit nodt. Dann so mir die sach allein übergeben, wir wolten des kauffs bald eins worden sein. Dann ich dörfft im das gar für eygen schencken; er hatt auch semlichs wol umb mich verdienet.‹ – Alsbald der alt solche wort vernam, hatt er mit dem Lasaro zůgefaren und ime das haus für ein gelt angeschlagen und im diss also zů seinen handen gefertiget; des sich dann Reichart nit wenig frewet.

Sobald sie das mal volbracht hand, hatt der jung herr Reichart den Lasarum mit im in sein schreibstůben gefürt, einen wolbeschlagnen kasten auffgeschlossen, etlich hundert ducaten in einen seckel gezalt unnd die dem Lasaro geben und gesagt: ›Dise schenck und gab nim von mir, du mein liebster brůder! Dann fürthin disen tag und alle tag soltu mein brůder genant werden, dieweil du mir solche trew erzeigt. Diss gold solt du an disem kauff zů steur haben. Du solt aber dich, sobald dir immer müglich sein mag, schicken, das du zů haus ziehest; von diser schencken aber soltu niemants nichts sagen dann deinem weib.‹ Lasarus sagt Reicharten gar fleissigen danck, erbot sich auch aller underdienstbarkeit sein leben lang gegen im. Reichart aber wolt im nit mer gestatten oder zůgeben, das er in irtzet, sunder solt ihm nicht anderst zůsprechen dann seinem eygenen brůder. Und wiewol das den Lasarum gar saur ankam, so můst er seinen doch zůletst gewonen.

Der gůt Lasarus was in sehr grossen frewden von wegen der gůten beut, so ihm so gantz unversehenlichen zůgestanden was. Er nam urlop von Reicharten, gieng den nächsten zů haus, damit er sein liebe hausfrawen seiner frewden auch theilhafft machen möcht. Er zeigt ir die sach heimlichen an; sie aber wolt ihm erstmals keinen glauben [162] geben, sagt: ›Wie möcht das müglich sein, das dir ein man, so dir noch mir gar nichts verwandt ist, solt eine semliche schencke thůn! Ich glaub wol, er hab dirs geliehen, damit du yetzund von den fremden kaufleuten und zolloriern berlin und edelgestein kauffen mügest.‹ Darauff antwort Lasarus: ›Die ding wirstu, mein liebe hausfraw, bald selb erfaren; und so du mir volgen wilt, wöllen wir in acht tagen mit gottes hilff das new gekaufft haus besitzen. Aber damit du meinen worten mehr glauben gebest, so wöllen wir gleich jetzund beidsamen mit einander gon und dem alten herren Roberto das haus bezalen.‹

Damit nam er mehr gelt zů im, unnd giengen beid mit einander, bezalten das haus und fiengen gleich des anderen tags harnach an ynzůziehen. Des Reichart seer erfrewt ward.

17. Richart sagt dem Lasaro von seiner fürgenumnen raiss

17.
Richart sagt dem Lasaro von seiner fürgenumnen raiss; Lasarus verspricht im geselschafft zů leisten. Lasarus wirt verraten und von einem riffiener uff ein galeen verkaufft, aber durch Reicharten widerumb erlößt worden.

Als nun Lasarus sein altes haus gantz verlassen und yetz sein wonung und wesen gar in seinem newgekaufften haus hett, ist nit müglich zů schreiben, was übergrosser frewd dise zwen gůten und getrewen nachbauren mit einander hetten. Sie waren stetigs umb und bei einander, also das sich menigklichen darab verwundert. Zůdem was ir beyder handtierung dienstlich zůsamen; dann Richart mit edlem gestain ein mechtigen handel fůrt, sodann was Lasarus ein seer künstlicher goldarbeiter. Wann dann kaufleut kamen aus fremden landen und künigreichen, nach kleinoten, ringen und steinen frag hetten, funden sie bey disen zweyen, was sie nur begerten.

Auff einen tag begab es sich, als sie yetzund lang zeit [163] umb einander gewonet hetten, das Reichhart dem Lasaro anzeigt, wie er willens wer, in Hispanien zů schiffen unnd sein vätterlich erbgůt zů reichen. Als diss Lasarus von im vernam, giengen im alle seine har zů berg, und sagt: ›Wie lang, mein Reicharde, wirt sich dein widerkunfft verziehen?‹ – ›Ungevorlich,‹ sagt Reichhart, ›uff ein monat oder drey, oder vileicht lenger, ye darnach mir mein raiß glücklich von stat geht.‹ – ›Sie verziehe sich so kurtz oder lang sie immer mag, so ist mir nit müglich deiner geselschafft einen monat zů entrhaten. Unnd ob du mich schon nit zů einem mitgeverten ansprichest, will ich mich selb erbotten haben, mit dir die schiffart zů volenden. Darumb ernenn mir nůr stund und tag, wann du auff sein wöllest, damit ich mich auch zů solcher fart müge růsten!‹ – Von disem erbieten ward Richart nit wenig erfreut; dann er zůvor den Lasarum gern darumb angesprochen hett. Damit ichs bekürtz, sie machten einen satten bescheid, und rüstet sich ein yeder mit allem, so im uff dem schiff von nöten sein möcht.

Kurtz darnach ließ ein patron aus Hispanien umbschlagen, so yemands uff seinem schiff mit in Hispanien faren wolt, der möcht sich fertig machen; dann er entlichen willens wer, in zweien tagen darvon zů säglen. Als Richart und Lasarus das vernamen, giengend sie zů dem schiffpatronen und verdingten sich auch auff das schiff. Und als die zeit kam, nam Richart urlop von seiner hausfrawen, schwäher und schwiger, desgleichen auch Lasarus, der befalh sein weib des Reicharten gemahel. Die waren zů allen theilen seer leidig; yedoch trösten sie sich, das die zwen bey ein ander waren; so was auch Lasarus weib stetigs in Richarten haus bis zů der widerkunfft der beden männer.

Also fůren die zwen gůten und getrewen nachbauren mit einander. Sie hetten gůten wind und wetter, kamen in gar kurtzer zeit inn Hispanien, da dann Reichart daheimen und bürtig her was. Er richtet seine sachen zum nützlichsten an. Was er von gelt und kleinoter in Hispanien het, packet er alles in beschlagne truchen; die ligende güter und was von gemeinem hausraht war, vergant und verkaufft er alles; dann er sein in Portugal einen grossen überfluss hett.

18. Lasarus wirt von einem riffiener auff ein türckisch schiff

[164] 18.
Lasarus wirt von einem riffiener auff ein türckisch schiff verkaufft, hart in eysenen banden verwart; auch wie Richhart so traurig was.

In diser zeit wolt danocht das glück nicht gar für und für mit disen zweien gůten gesellen sein, sunder inen auch etwas überzwerchs under die füss legen. Es was ein öder schalck, ein riffiener, der het Richarten etlich tag geholffen haußrhat und anders zů marckt füren umb sein besoldung.

Der schalck nam mit fleiss war, was Lasarus für ein mann was, auch das er ein frembdling inn Hispanien was, sich der sprach gar nit verstůnd; er aber, der schalck, mer dann einer sprachen kündig was. Als nůn Reichart seine sachen gar zům end gericht und yetz nit mer dann auff ein schiff warten thet, haben sie ir zeit mit spatzieren und ander kurtzweil vertriben. Es ist aber der riffiener stet umb sie gewesen; dann sie in für einen frummen mann achteten.

Eines morgens stůnd der gůt Lasarus uff, dann er mocht nit schlaffen, nam im für hinaus an die schiffporten zů spatzieren. Als er nůn auff dem weg was, begegnet im der gedacht riffiener. Des sich dann Lasarus erfrewet; dann er ihm ein spatziergesellen meinet ersehen haben. Er sagt ihm gleich sein fürnemen. Bald hett der verreter sein anschlag gemachet und sagt, er wolt ein gesellen geben und mit an das port spatzieren gehn. Des der gůt frumb Lasarus wol zůfriden was. Also zugen sie mit einander hienaus.

Das port stůnd allenthalben voll nauen unnd galeen, so das es anzůsehen was, als wann ein statt dahin gebawen were. Der verreter, so zůvor mer mit semlichen bößwichtstucken was umbgangen, fügt sich zů einem türckischen schiffpatronen, zeigt im an, wie er abermals einen starcken jungen mann vorhanden hett. Also ma chet er geschwind ein kauff mit dem patronen uff dem schiff umb zwentzig ducaten; die er [165] im versprach für den Lasarum zů geben, sobald er im den auff das schiff gelüfert het. Saumet sich der schalck nit lang, gieng hinaus zů dem Lasaro, zeiget ihm an, wie ein kauffman auff dem schiff were, so ein gross gůt von edlem gestein aus der Türckey mitbracht hett, begert die zů verkauffen; so wer noch kein kauffman ob solchen steinen gewesen; wann er die begert zů sehen, wolt er im wol darzů künden beholffen sein. Lasarus als ein begiriger batt den schalck freundtlich, im auff das schiff zů helffen.

Also fůrt er in darauff und macht sein verreterey auff türckisch, das der gůt Lasarus gar nit verston kund. Also fůrt in der patron unden in das schiff. Da ward er gleich von den knechten angriffen unnd fast hart in eysen geschlagen. Des er dann über die mass sehr erschrack, wol abnemen kund, das er von dem schantlichen bößwicht verraten was. Der empfieng sein gelt und macht sich damit inn die statt.

Lasarus als er yetz den ernst befand, ward er innigklichen weinen; dann es was niemandts umb in, so mit im reden kunt. Er klagt gott sein ellend und trübsal und bat in, das er im aus seinen grossen nöten helffen wolt. ›O mein allerliebster brůder Richarde,‹ sagt er, ›wann du wissen soltest, wie meine sachen yetzund so geforlich stünden, dir würd gewisslichen kein schlaff mehr zů lieb sein, du würdest eylends meinem heil nachtrachten und mich von diser ewigen gefangenschafft erlösen. Ach was grossen jamer und kümmerniss wirt dich umbgeben, wann du mich erfaren wirst also verloren sein! Was grossen leids wirstu mit dir zů haus füren, wann du zů meiner lieben gemahel kummen würst und mich nit mit dir bringest! So kanst du auch gar nit sagen noch anzeigung geben, war ich kumen sey, ob ich in dem meer ertruncken oder von bösen bůben erschlagen worden. Ach got mir armen Lasaro! In disen banden můs ich meine jungen tag und starcken leib verzeren mit grosser harten viehischen arbeit. Und so ich zůr arbeit nit mer tauglich binn, wirt mir anders nichts volgen, dann das man mich also lebendig in das grausam und wüttend meer werffen wirt. O ir trutzigen riffiener, warumb habt ir mich nicht zů Lisabona bey der nacht erschlagen, als ich Reicharten von euch erlösen und mit gewaltiger[166] hand erretten můst! Jetzund wer meiner schon vergessen, und bewegt kein ursach mer, umb mich zů trawren. Meine freundt hettend mich damalen zů der erden bestattet. Wer wirt mich yetz zů meiner begrebd beleiten! Wehe mir, das ich von den schnöden Türcken also gefangen sein můs und auch zůletst den tod von in leiden, ich geschweig der harten streich, so meinem rucken schon bereit sind.‹ Dise und deren gleichen klag fůrt Lasarus mit solchen kläglichen geberden, das es einen stein solt erbarmet haben.

Reicharten waren dise ding gar verborgen; dann, wie ir oben gehört, so was Lasarus gantz frü von ihm uffgestanden und hinausgangen. Als nůn sein zeit kam, stůnd er auch uff, legt sich an; dann im kein böser gedanck nie ynkam. Es meinet den Lasarum unden in dem sal zů finden, aber er war niendart vorhanden. Das nam Richharten sehr frembd, dann er sein nit an im gewonet was; sein brauch was sunst allen morgen auff Reicharten zů warten. Also ging Reichart eylends in die kirchen und meinet, den Lasarum entlich darinn zů finden; das aber war auch umbsunst. Er eylet bald auff den marckt, da sich dann allen morgen die kaufleut versamletten; von Lasaro aber kund er gar nichts hören noch sehen. Das macht in also angsthafft, das er gantz verdacht stůnd, nit wußt, wes er sich weiters halten solt.

Wie er nůn also in einem semlichen trächter stoth, kumpt zů im ein kauffman, dem er seer wol bekant was. Derselbig sah wol, das die sach nit nach seinem willen stůnd; darumb er in dann fragen ward, was im doch angelegen wer, das er so gantz schwermütig wer. ›Ach mein gůter herr,‹ sagt Reichart, ›ich hab ein sehr schwere sach, so mich bekümmert. Dann ich ein lieben freundt und brůder, so mit mir aus Portugal har geschiffet ist, heut morgen verloren. Den ich yetz- und an allen orten gesůcht, da er gewon was des morgens am ersten zů gon, kan in aber weder erkunden noch erfragen. Semlichs mir mein hertz nicht wenig bekümmert. Dann ich stand in grossen sorgen, die riffiener haben in etwan under ein eys bracht und ermördet. Wo ein semlichs zůgangen und beschehen wer, so sag ich, das mir nit grösser laid zůhanden möcht gangen sein.‹

[167] Der ander kauffman sagt: ›Fürwar, herr Reichart, mir falt yetzund ein sehr wunderbarlicher gedancken zů. Als ich mich heut morgen gantz frü auffmundret, etlicher geschefften halben hinaus an das port ging mit einem meinem diener, alda sahe ich einen feinen geradnen jungen mann, euch mit der kleidung fast gleich beklaidet, mit einem bösen bůben gon, das ich mich schon darob verwundret. Dann derselbig arg vogel lang im růff gewesen ist, er hab sein sunder verreterey uff den türckischen schiffen, also das gar vil durch in verraten und den Türcken verkaufft werden. Da mügt ir wol nachgedenckens haben, was euch hierinn gůt bedunckt. Dann ich die beiden mit einander uff einem türckischen schiff heut morgen sehr früh gesehen hab.‹

Reicharten von semlichen worten sein hertz zittern ward. Er sagt zů dem kauffman: ›Ach mein allerliebster herr und freundt, ich bit euch umb ein getrewen rhat, wes ich mich doch in diser sachen halten soll. Dann es saget mir mein eygen hertz, mein liebster brůder seye also verraten worden.‹

Darauff sagt der kauffherr: ›Wann die sach mich berůrt als euch, so fügt ich mich onverzogenlich zů dem obersten gubernator, so von dem künig über das port gesetzt ist, zeigt im die sach von anfang an und begert, das er mir etlich diener zůgeben wolt, die mir die türckischen schiff hülffen ersůchen. Ir werdet einen gůten bescheid bey im finden. So es euch dann gefallen, wolt ich nach dem morgenymbiss mit euch an das port gon und das schiff anzeigen, auff welchem ich die zwen heut morgen gesehen hab.‹ – ›Des sind auffs freüntlichst gebetten,‹ sagt Reichart; ›wo ichs ewiglichen umb euch vergelten kan, solt ir mich gantz willig finden.‹

Also machten sie iren bescheid, wo sie nach dem morgenymbis zůsamenkumen wolten. Demnach gieng Richart eylends zů dem herren des ports, zeigt ihm alle handlung an. Der im etlich diener zůgab, die mit im auff ein bestimpte stund hinausgon solten. Also zog Reichart in sein herberg, da er den Lasarum auch meint zů finden; aber umbsunst was.

19. Wie Reichart auff das schiff kam und Lasarum

[168] 19.
Wie Reichart auff das schiff kam und Lasarum, seinen gesellen, in eysen gebunden und gefangen sitzen fand; von der grossen frewden, so Lasarus von der zůkunfft seines gesellen überkam, und wie in Richart wider löset. Der riffiener ward gefencklich angenumen.

Als nůn der ymbis vollendet was, Reichart von dem tisch auffstůnd, eilends an das ort kam, da er unnd der ander kauffmann einander hinbescheiden hetten, welchen er auch gleich an dem ort fand seiner warten. Bald sind sie mit einander gangen an die schiffporten; da haben sie uff des obristen diener ein klein verziehen müssen.

Als sie aber yetzund vorhanden waren, sind sie mit einander auff das schiff, so der kauffman anzeigt hat, gangen, haben den patron harfür gefordert. Der ist des obristen dienern bald gehorsam gewesen. Da hat einer under den dienern, so die türckisch sprach fast wol reden kund, angefangen und gesagt: ›Herr patron, mein gnedigster herr ist grüntlich bericht, wie das ihr auff den heutigen morgen einem argen falschen verräter einen jungen starcken mann abkaufft haben. Denselbigen sollend ir uns unverzogenlich sehen lassen; und so ir ihn auff ein ander schiff verschupfft haben, solt ihr gedencken, das er wider zůhanden kum.‹ Darumb nam er sich nit lang zů bedencken, sagt und bekant, alle ding, so im vorgehalten was, war sein, fürt sie damit allesamen unden in das gemach, inn welchem Lasarus gefangen lag.

Der erblicket bald Richarten, seinen gesellen. Hie mag ein yeder wol selb abnemen, mit was unmäßlichen frewden Lasarus seye umbgeben worden, als er seinen getrewen gesellen, nachbauren und freünd vor ihm in der gefencknis stohn sahe, dieweil er wol gedencken kund, von wes wegen er kumen was. Richart ward auch gar hoch erfrewt, als er den Lasarum, welchen er gar verloren geschetzt, wider funden. Er [169] sagt zů im: ›O mein Lasare, sag mir, durch was hinderlist und verräterei kummest du in dise gefencknis? Hab ich dich nit alwegen gewarnet, da solt dich nit zů weit von mir lassen der bösen bůben halben, so in diser stat ir wonung haben? Dann ir gar ein grosse menge ist, so sich mit semlicher verräterey erneren thůnd. Werestu bey mir bliben, dise geferligkeit wer dir nit zůhanden gestossen.‹

Lasarus sagt: ›Mein lieber Richarde, solt ich dann nit dem meinen leib vertraut haben, welchen du täglich umb dich hast, darzů im als dein leib und gůt gentzlichen vertraut?‹ – ›Wer ist dann der gruntschalck?‹ sagt Reichart. ›Den wöllest du mir zů erkennen geben, damit ich mich auch vor ime hab zů hüten!‹

Lasarus sagt: ›Es ist der starck und gross böswicht, so uns für und für auff der gant geholffen, hat auch allen ymbis mit uns gessen. Der hatt mich vor langem alles meines wesens erfragt; ich hab im auch gar nichs daran verborgen, dieweil ich in für ein frumen und gůten menschen achtet.‹ – ›Wolan,‹ sagt Richart, ›er sol seinen verdienten lon darumb empfahen.‹ Damit richt er dem patron wider ab, was er umb den Lasarum geben het. Alsbald ward er von den banden ledig gemachet. Reichart gab auch des obristen dienern iren gebürenden lon, dancket auch dem kauffman seiner anleitung gar fast, giengen allsammen wider mit frewden in die statt.

Des abents schicket Reichart nach dem riffiener. Er aber machet sich kranck; dann er sorgt, Reichart möcht einen argen won auff in haben. Er wußt aber noch nit, das Lasarus wider von seiner gefangenschafft erlediget was. Als nun der schalck nit kumen wolt, fůgt sich Richart und Lasarus eylends zů dem blůtrichter, klagten im, was inen von dem verräter begegnet were. Bald ward zů im gegriffen und in die gefencknis gefůrt. Da ward er aller bösen stuck befragt, so er seine tag ye begangen hett. Deren er dann über die mass vil bekant, namlich diepstal, mort und verreterey.

20. Hie würt der schantlich verreter an den galgen gehangen

[170] 20.
Hie würt der schantlich verreter an den galgen gehangen von wegen seines vilfaltigen übels.

Als nůn der bös bůb dem richter so manigerley böser schelmenstuck bekant hatt, auch darbey bitten ward, so man ettwas sträflichs mit im fürnemen wolt, das mans nur bald mit im auff ein ort machet, also befalh der richter den schergen und dem nachrichter, das sie in die nacht verwaren solten, sobald aber am morgen der tag anbrech, sie in als einen übeltheter hienaus solten füren unnd an galgen hencken sunder alle barmhertzigkeit; dann er wol eines schantlichern unnd schmälichern todts werdt gewesen wer. Diss ward also am andren morgen volnzogen, und ward dem schalck gelohnet, nachdem er gearbeittet het.

Hie mügen alle jungen ein exempel nemen, so die frembden land brauchen, das sie nit all ort und winckel erschlieffen, sunderlich zů unzeiten und spoter oder gar früer stunden. Sie sollend auch nit eim yeden, so sie mit glatten und süssen worten kan ansprechen, glauben geben, ihr geschefft und befelch an keinen andren orten und enden offenbaren, dann da es in zů thůn befolhen ist. O wie vil jungen kumen also zů grund, das keiner irer freünd nimer erfaren mag, wohin sie kumen sind! Das machet die schnöd und bös geselschafft, mit denen sie sich zů weit ihnlassen. Ach gott, wie vil werden in Italien unnd an andren orten durch die schamlosen weiber verfürt unnd yngezogen! Sobald sie nit mehr haben auszůgeben, werden sie von den riffienern erwürgt und umbracht.

Derhalben einem jungen, so die land und strassen brauchen můs, nichts fürderlichers noch vorstendigers sein mag, dann das er sich zů frumen wirten halt, welche ein ehrlichen gast wissen zů halten und nit alles unnütz gesind zů gesten aufflesen; item das sie auff der strassen sich keiner geleitsleut annemen, sie haben sie dann zůvor als erbare biderleut erfaren; [171] auch bey gůter zeit umb herberg sehen, damit sich keiner in dem feld verspätigen dürffe. Gemeinlich spricht man: ›Die nacht ist niemandts fründt.‹ So sagt auch Christus selb im evangelio: ›Es sind zwölff stunden im tag; welcher am tag wandlet, der stoßt sich nit, dann das liecht ist in im; welcher aber bey nacht wandlet, der würt sich gar bald stossen, das macht, das liecht ist nit in im.‹

Hie wend wir weiter sagen von Reicharten und Lasaro, wie sie wider zů land kumen sind, auch was sich der zeit in Portugall verloffen hab.

21. Wie in abwesen des Lasarus sein weib einen jungen sun

21.
Wie in abwesen des Lasarus sein weib einen jungen sůn an die welt bracht unnd in Richarten hauß zůr kindtbeth lag, iren gantz herlichen gepflegen ward.

Die zwen gůter jungen herren waren gantz emsig in der sach, damit sie wider zů hauß kemen. So het Lasarus auff das unglück, so im zůhanden gangen war, keinen lust mehr, in Hyspanien zů beleiben; darumb er täglich an Richarten lag zů manen, damit sie wider heim in Portugall kemend. Dise wend wir ire geschefft lassen verrichten und wöllen sagen, wie es die zeit in Portugal gangen sey.

Lasarus, als der von land gefaren, het er sein weib groß schwanger hinder im gelassen, darumb in dann desto mehr heim belangen thet. Es kam die zeit, das die gůt fraw solt geligen. Da sollichs Cassandra, Richarten weib, an ir wargenummen, hat sie die Lucia (also hies des Lasarus weib) mit früntlichen worten getröstet und ir ein schön gemach in ir behausung zůrichten lassen. Zůdem ging die Cassandra auch gros schwanger; aber sie gelag nit, bis das ir herr wider zů land kam. Also kam die stund, das sich die gůt Lucia nit mer erweren mocht, das sie die kindswehe gar hart ankamen. Sie gebar einen jungen sůn, der sie gar grosse freüd überkam. [172] So ward sein auch Cassandra hertzlichen erfrewet; dann sie beid nit weniger liebe und früntschafft zůsamen hetten dann die männer. Das kindlein ward nach christlichem brauch und ordnung zůr tauff getragen. Der alt herr Robertus hůb das kindlin aus der tauff, volbracht auch das mit gantz grossen frewden. Er begabt auch die kindtbetterin fast reichlichen, befalh auch seiner tochter, das sie ir wol pflegen solt, das dann nach seinem befelch volzogen ward. Cassandra was täglich bei ir, damit sie dester kurtzer zeit haben solt.

Aber Lucia wolt nit gar volkumenlich sich trösten lassen. Ir sinn, wunsch und gedancken stůnden stetigs nach Lasaro, irem lieben herren, dieweil sie nit wissen mocht, wie es im gieng. Wann sie dann des tags in semlichen gedancken was, kamen ir des nachtes gar mancherley treum und fantasien für. Das macht sie so unrhüwig und blöd, dieweil sie keinen rechten natürlichen schlaff haben mocht, das sie zůletst in ein harte kranckheit fallen thet. Davon die gůt Cassandra nit wenig schmertzen empfieng; sie lies ir auch die sach dermassen so hart anligen, das beide, vatter und můter, in grossen sorgen stůnden, Cassandra wird auch von wegen solcher kümernus in ein kranckheit kumen; und was also zů beiden seiten angst, jamer unnd nodt, es nam auch die kranckheit an der Lucien von tag zů tag zů. Also namen sie das kindlin von ihr, bestaltend ein gesunde seuberliche seugam, die das kindlin in pfleg haben solt, so lang bis es genůg gesogen het.

In disen dingen begab es sich, das ein post aus Hispanien gohn Lisabona kam; die bracht dem alten herren brieff von seinem tochterman Reicharten, desgleichen von Lasaro, davon der alt herr grosse frewd empfieng. Er nam bald des Lasarus brieff, eylet damit zů seiner krancken gefatterin, der kindtbetterin, gab ir den brieff. Die erkant von stund an ihres herren geschrifft; sie empfieng auch ein semliche grosse freud darvon, das sie inn einer gůten zeit nit wust, was sie anfahen solte. Zůletst brach sie den brieff uff; darinn fand sie ein kostlichen ring, welchen ir Lasarus, ir gemahel, aus Hispanien geschicket hett. Sie nam den ring, kußte den zum offtern mal; darnach lase sie ires herren brieff. Des inhalt [173] war, sie solt frisch, frölichen und gůter dingen sein; die sach stünd wol umb sie beidsammen; so weren sie auch mit gůtem glückseligen wind in Hispanien kumen, das sie kein fortun nie bestanden hetten, weren deshalb gůter hoffnung, gott der almechtig würd in auch durch sein götliche hilff mit gnad und glück wider in Portugal helffen. Des inhalts was auch des Reicharten brieff.

Lucia aber nam von ires herren schreiben einen semlichen grossen trost und frewd, das sie in gar kurtzen tagen wider zů iren verlornen krefften kam und ward gantz frisch und gesund. Es haben auch Lasarus und Reichart heim geschriben, das sie jetzund nicht mer außzůrichten hetten und allein warten müsten, wann ein schiff in Portugal säglen wolt, darauff sie ir gůt mit in zů haus möchten bringen. Also habend sie die übrig zeit mit verlangen gewartet.

22. Wie sich die zwen auff ein schiff satzten

22.
Wie sich die zwen auff ein schiff satzten und wider in Portugal mit gůtem wind schiffeten.

Richart und Lasarus hetten yetzunder schon alle ire geschefft in Hispanien ausgericht. Zů allem irem glück funden sie ein schiff, so in Portugal säglen wolt mit etlichen güteren und kaufleuten, des sie dann gar wol zů můt wurden. Sie kamen zů dem patronen, wurden mit im eins umb ein lon, was er nemen wolt. Als nůn der bestimpt tag kam, blies man zů schiff. Da versamleten sich die kaufleut, sassen auff das schiff und sägleten mit gůtem glücklichem wind und wetter von land. Sie hatten sehr gůte geselschafft auff dem schiff, davon inen dann die zeit auff dem mer sehr kurtz ward, biss das sie yetzund schon das künigreich Portugal ersehen haben.

Da erhůb sich ein sehr gros ungewitter uff dem mer.

Also můsten sie wider iren willen in einem hafen anckeren und etliche tag darin verharren, biss wider wind und wetter kam, welchem sie vertrawen dorfften. Dieweil sie aber still ligen můsten, fingend sie alle kurtzweil an. Sie hetten auch [174] nahend bey in einen wald, in dem wonet gar vil gefügels und ander wiltbrett. Es waren sehr gůt schützen under in; die zugen täglich auff das bürschen, kamen nimmer lär, brachten alzeit wiltbrett und gefügel mit in, davon ir malzeiten wol gebessert wurden. Die andren aber bliben bey dem schiff, sutten und brieten. Etlich sengten das wiltbrett von den geschossenen wilden schweinen, dise zugen die reher ab, die andren waren emsig, die feißten fasanten und holtztauben zů rupffen und an die spiss zům feur zů bereiten. So waren auch etliche, so sich des geköchts gar nichts underzugen, sunder hetten iren eignen fleiss, grůben feine sitz in die erden, liessen in der mitte einen vierecketten platz; das waren ire tisch, auff welchen sie die speis namen. Also verging ein gantze woch, das sie můsten auff wind warten, das dannocht iren keinem die zeit lang was. Wann dann die jäger des abents mit dem wiltbrett kamen, so was schon das essen auffs fleissigst bereittet. Alsdann sassen sie zůsamen und waren frölich und gůter dingen.

Es waren etliche under inen, die in nit gehn Lisabona gewünschet hetten. ›Habend wir nit gůt an disem lustigen ort zů bleiben?‹ sagten sie. ›Wir finden doch nach unserm wunsch und begeren fisch nach forteil zů fangen; so hand wir einen grossen überfluss an wiltbrett, so uns gott allen tag bescheren thůt; an gůtem süssen wasser hand wir gar keinen mangel, das mügen wir selb aus den frischen brunnenquellen empfahen, die mit starckem getös aus den harten felsen lauffen. Wir geschweigen der edlen und kostlichen früchten, so wir täglich von den baumen ablesen mügen; deren granaten, pomerantzen und feygenbeim ist ein überfluss in diser inseln. Schad ist es, das sie nicht von menschen bewonet würt.‹ – Diser meinung waren gar vil under inen. Andere aber waren auch eins andren gesinnet, und insonderheit Lasarus und Richardus, die weren lieber daheim in iren heusern gewesen, da sie dann auch gůten rhat zů finden wußten. Andere belanget an die ort und end, da sie dann ir gewerb und händel brauchen wolten.

Also het ein yeder seinen besonderen fürschlag, wie dann das gantz menschlich geschlecht zů unrů geboren und erschaffen [175] ist. Ein yeder můs nach gottes ordnung sein arbeit und lauff volbringen. Der arm mann aber, wann er gesund ist, hat er es zů dem besten. Des morgens gath er frü an sein arbeit; sein speis, wie schlecht und rauch die ist, schmackt sie im doch überaus wol; die nacht ist im nit zů lang, er schlafft sie mit freuden und rhüwig durch aus. Der reich burger, so sich můs seiner zinß und renten behelffen, můs mit andrer arbeit sein stündlin erlangen. Sein arbeit ist müsam; dann er sitzt ein gantzen tag zů gedencken, wie er von disem schuldner müg bezalt werden und wie er den andren mit recht bekümbern wöl. Des nachts ligt er in seinem beth ongeschlaffen, hat dise und jene sorg, gedenckt stetigs, wie er sein gůt zůsamenhauff. Wann er gleich köstlich speis und tranck auff seinem tisch hat stohn, laßt in doch sorg und angst die nit mit lust niessen; schmackt im nit so wol, als dem armen mann ein rauhes stücklin brot bey einem wasserkrůg und kraut. Also auch der kauffmann, der můs durch gross gefärligkeit seine wahren und güter zůsammenbringen. Dann auff dem land sind im die strassenreuber auffsetzig, můs sich alle zeit seines leibs und gůts vor inen besorgen. So er dann auff dem mör faren thůt, machend in die grausamen und erschrockenlichen wällen angsthafft, so das im auch speis unnd tranck nit wol schmacken thůt. Der keyser, künig, fürsten und herren, wann die schon gleich gůten friden haben, müssend sie sich doch täglichen vor iren heimlichen finden, so in durch gifft nachstellen, besorgen, also das sie auch keinen eintzigen mundtfoll ohn sorg oder mit freuden essen. Darumb sag ich wie vormals, das die speis an keinem ort mit grösserem lust und frölicher genossen werd, dann wo armůt und gros arbeit under einem tach wonen.

23. Wie die guten herren gut wind und wetter überkamen

23.
Wie die gůten herren gůt wind und wetter überkamen, zů follen gehn Lisabona geseglet hand.

Als yetzund wider ein gůter wind entstund, haben [176] sie das land verlassen, die schiffart zu follen an die hand genumen und in kurtzer zeit das künigreich Portugal zů follem erreichet. Da sie nůn gar nahend gehn Lisabona kumen sind, habend sie alles geschütz, so auff dem schiff gewesen, abgohn lassen, ir paner auffgesteckt, welchs mit des hispanischen künigs wapen und schilt bezeichnet gewesen. Bald ist das geschrey in aller statt erschollen, wie das ein solch mechtig schiff mit gütern aus Hispanien kumen. Das ist herren Roberten kuntbar worden; der hat sich eylends zů seiner lieben tochter verfügt und das bottenbrot an sie gefordert, desgleichen an sein liebe gefatterin Lucia. Demnach ist er an das port gegangen und des schiffs sampt deren, so darauff gewesen sind, mit freuden erwartet.

Sobald nůn das an land kumen ist, sind die Portugaleser, so daruff gewesen, mit ersten an den land getretten. Richart von seinem schwäher gar früntlichen empfangen ward. Er fordret auch von Lasaro das bottenbrot umb seinen jungen sůn, davon er hertzlichen erfrewet ward. Sie zugen mit einander zů haus; da wurden sie erst von iren weiberen und der alten můter mit grossen freuden empfangen. Es kamen auch Richarts gůte günner und fründ, so gros verlangen nach im hetten gehabt. Sie hiessen in früntlichen wilkum sein, fragten in, wie es im uff solcher rayß ergangen were, das er inen dann zům theil anzeiget. Under disem gespräch ward ein herliches mal zůbereittet. Die gůten fründ beliben bey in, damit sie sich gnůgsamlichen mit in ersprachten.

Als sie nůn in dem besten imbis waren, fing Richart an und sagt: ›Ir meine allerliebsten und getrewisten fründ, wiewol ir von vilen kauffmanschätzen, so mir aus Hispanien bracht, gehört, so hab ich euch doch von der liebsten kauffmanschafft noch nichts gesagt. Wiewol die ein geringes kostet, so waiß ich dannocht, Lucia würt die für die kostlichsten wahren erwelen.‹ Dise red kunten sie alsamen nit verston; und wiewol sie den Lasarum berůrt, so kundt er es dannocht nit mercken. Sie alsamen in gemein begerten zů wissen, was doch das für ein kauffmanschatz sein möcht; dann sie alsamen wol gedachten, es lig ein fatzman darunder verborgen.

[177] Also fing Richart an und sagt: ›Lieben fründ, ich beger von euch zů vernemen, wann einer under euch einen solchen jungen und starcken mann feil fünd, wie der Lasarus ist, was wolt er mit gůtem willen umb in geben?‹ Disen worten nach verstund Lasarus erst, wo Richart hinaus wolt. Derhalben er gantz schamrot under seinem angesicht ward und sagt: ›Wolan, ich můs mich leiden; dann gemeinlich ist ein semlicher brauch in der welt, das man einen zů seinem schaden spayet.‹ Damit saget er zů Richarten: ›O Richarde, ich wil dich fast gern von meinem unfal hören reden, dieweil mir gott durch dich geholffen hat, das ich selber zůgegen sein kan, und nit also in der schnöden Türcken gefäncknüß hab müssen verderben und umkumen. Drumb bitt ich, wöllest yetz die histori, wie sie ergangen sey, deinen lieben und gůten fründen erzelen.‹

Reichart sagt: ›Fürwar, Lasare, es wirt keinem bas gezimen dann dir, dwil du in allen weg darbey gewesen bist.‹ Also fieng Lasarus an zů erzalen die gantz handlung, wie es ihm erstlichen mit dem verräter ergangen was, als er im aus vertrauter meinung all seine heimligkeiten geöffnet; item, wie er des morgens frů Richarten in seinem beth gelassen und willens gewesen wer an dem port zů spatzieren, als der verräter zu im kumen, in auff ein türckisch schiff gefürt, daruff verraten und verkaufft; zůletst, wie ihn Reichart umb 20 ducaten von dem türckischen patronen erkaufft und gelediget; sunst wer er von disem schiff nit mehr kumen.

Als Lucia solliche wort vernumen von anfang biss zum end, ward sie dem so tieff nachgedencken, das ir steinhart hinder dem tisch geschwand; sanck also onmechtig Richarten in sein schoss. Davon sie all zůmal seer erschracken unnd von dem tisch auffwuschten. Cassandra saumpt sich nit lang bey dem tisch; sie nam ein glass mit krefftigem wolschmackendem wasser von dem schafft, strich das der schwachen Lucien an ire schläff. Bald kam ir verschwundener gaist wider. Sie blicket iren Lasarum an und sagt: ›O Lasare, wann mir solcher unfal zů wissen gewesen wer, gewiss würd ich meiner schwären kranckheit zů grund gangen sein. Ach gott, mein allerliebster Lasare, bistu in solcher [178] grossen gefor und angstbarkeit gestanden, und haben wir zů Lisabona nichts darvon wissen mögen!‹

Die gůten herren, so zů tisch gesessen waren, als sie sahen, das Lucia wider zů ihren krefften kummen was, sassen sie wider zů dem tisch. Lasarus fing an sein gemahel mit gar fründtlichen worten zů trösten und sagt: ›Du mein allerliebste gemahel und getrewe haushälterin, nit wöllest so hart zů hertzen nemen die unfäl, so schon dahien und verflogen sind! Las uns aber vor allen dingen gott fleyssigen danck sagen, das er mir durch seine hilff wider zů land, haus und hoff geholffen hat, dir und mir auch einen semlichen frölichen anblick hat bescheret! Sodann sollend wir auch grossen danck sagen Richarten, unserem liebsten fründ, der durch sein fürsichtigkeit erfaren hat, uff welchem schiff ich gefangen gewesen binn, davon er mich wider umb zwentzig ducaten erkaufft und erlöset hat. Darumb, mein Lucia, las dein trauren faren und las uns mit disen lieben herren und fründen einen gůten můt haben! Dann sie alsamen grosse freud von unser gesunden zůkunfft überkumen hand.‹

Disen trost gab Lasarus seiner hausfrawen; dergleichen trösteten sie auch die anderen herren und gäst, so zů tisch sassen. Also follendeten sie die überig zeit mit grossen freuden. Und als die malzeit volbracht ward, der tisch auffgehaben, hand sie gott umb seine manigfaltigen gaben fleyssig und von hertzen danck gesagt. Demnach sind sie von hoff gescheiden, ein yeder heim zů haus gangen.

24. Cassandra genißt einer jungen tochter

24.
Cassandra genißt einer jungen tochter; die beiden kinder werden von iren älteren gar wol und in der ehr gottes aufferzogen.

Ir habend vornen gehört, wie das Cassandra sehr gros schwanger gangen. Als sie nůn befand, das die zeit irer geberung gar nahend was, hat sie ir liebe Lucia zů ir berůffen und gar fründtlichen an sie begert, sie wolt nit von ir weichen, bis sie der kindsweh genesen were. Lucia sagt: ›Ach mein [179] allerliebste Cassandra, mich wundret gar fast, was dich zů solchem flehen unnd bitten verursacht. Nůn bist du doch die, so mir in allen weg zů gebieten hast; darzů wer mir nit müglich von dir zů beleiben. Sag mir doch, wer hat mich in meiner grossen kranckheit mehr heimgesůcht dann du? Wer hat mich in meiner schwachheit mehr erlabt und in meinem jamer, trauren und klagen mehr getröst dann eben du, mein liebste Cassandra? Darumb tröst dich nůr unnd vertraw diser Lucien! Die würt dich in irem leben nit verlassen; und so es auch müglich wer, das wir nach unserem absterben einander dienst beweisen künden, wolt ich mich gegen dir in keinerley weg sparen. Das vertrawen solt du vestiglich zů mir haben.‹ Diss trostes sich Cassandra nit wenig erfrewen thet.

Kurtzlich nach diser red gebar Cassandra ein schöne junge tochter, die nant sie Amelia. Lucia was ir pflegerin. Wiewol sie auch andere vorgengerin het, so ir warten solten, so was ir doch nichts anmütigers dann eben, das ir Lucia bewies, es wer mit dem geköcht oder mit anderer wartung; dann es was zů beiden theilen ein solch gros vertrawen und lieb umb sie, als wann sie natürliche und rechte geschwistern gewesen werend. Nit weniger liebe und fründschafft trůgen die beide mann zůsamen, wie ir dann oben gehört haben; ir keiner mocht ohn den anderen bleyben. So was Richart dem Lasaro sunderlichen vorstendig mit gold und edlem gestein, also das sich Lasarus in kurtzer zeit mit seinem handel so dapffer hieneinrichtet, das er ein grosser herr ward.

Die gůt geselschafft, so sie täglich einander bewisen und leysteten, nem zů gar lange weil zů beschreiben; darumb wend wir das mit fleiss übergohn und wöllen sagen, in welcher gestalt die beyde kinder aufferzogen sind. In irer jugendt wurden sie täglich mit ordenlicher wartung underhalten; zů rechter zeit lies man in iren schlaff, ire leinwat, beth und decke wurden mit fleis gantz seuberlichen gehalten. Also namen die beide kindlin fast zů; sie waren überaus schön von gestalt und lidmas, welches iren älteren hertzliche grosse frewd gebären thet. Sie waren auch täglichen in ernstlichem flehen und gebett zů gott dem herren, das er die kindlin bey nacht und bey tag in seinem götlichen schirm erhalten, behüten [180] und bewaren solt und das er in, den älteren, semliche gnad verleihen wolt, das sie die kinder zů seinem lob möchten aufferziehen; darumb inen dann gott der almechtig ire kinder behüten ward.

Also wer es noch ein feiner, gotseliger brauch, so uns got der almechtig kinder bescheret, das wir wol bedechten, warzů und warumb uns die gott geben het, nit das wir sie zů aller bossheit und üppigkeit aufferziehen sollen, inen allen můtwillen gestatten, sunder in der forcht gottes, dieweil wir das aus gottes gebot schuldig sind, aufferziehen. Wie wir haben im 5. bůch Mose am 4. capitel. Dann gott der herr befalhe gar ernstlichen dem volck, das sie ihre kinder in der forcht gottes aufferziehen, inen auch seine gůtthaten, gebot und wunderwerck täglichen vorbilden solten, damit sie täglichen in dem gesatz geübt würden. So haben wir auch ein schön und herrlich exempel an dem seligen Tobia; item an den älteren Susanne, die sie dann in aller gottseligkeit ufferzogen haben. Matathias vor und ehe er starb, ermanet und underwiss er seine kinder fast trewlich. Dise lond uns zům beispil und exempel nemen! So würt uns gott glück und heil zů unseren kinden geben und uns frewd an denen erleben lassen. Diejenigen aber, welche ein wolgefallen haben an der bossheit irer kinder, dieselbigen würt gott mit grossem jamer umbgeben und ire kinder zů grossen schanden kumen lassen.

25. Wie beide kinder zu der lehr ufferzogen wurden

25.
Wie beide kinder zů der lehr ufferzogen wurden, und wie gehorsam sie iren lehrmeistern waren, auch in gar kurtzer zeit das schreiben und lesen begriffen.

Man sagt gewonlich, und ist ein gmein sprichwort: ›Was man mit ersten in ein new geschir schüttet, denselbigen geschmack verleurt es nimmermer‹. Also ist es auch ein ding umb die zart und waich jugent. Zeucht und weißt man die auff gůte ding, nement sie das mit willen an und wachsen und wurtzlen also darinen uff. Wo man aber das widerspil mit inen fürnimpt, da würt nimer kein gůter beltz aus. [181] Dann wo vatter und můtter mit der straaff zů waich sind, nemend die kinder gar bald einen halsstarck darvon ab, gebend auch zůletst umb keine gütige und früntliche straff gar nichts. Also gieng es dem priester Eli mit seinen beden sünen. Denen het er auch den zaum zů lang gelassen; sie waren böser vögel zwen; was sie nur gelust, das fiengends an. Wann dann das volck zům Eli, dem obersten priester, kam und im seiner sün faule bossen und böse stuck anzeigten, schickt er nach in, strieff sie mit sanfften worten, sagt: ›Lieben sün, ir solten ein semlichs nit thůn; dann ihr erzürnen gott schwerlichen.‹ Wann sie dann von ihm kamen, was in die straff irs vatters schon vergessen, und fiengends gleich wider an dem ort ahn, da sie es gelassen hetten. Was ward aber zůletzt draus? Gott liess ein semliche harte straff über sie gon, das auff einen tag der vatter sampt beiden sünen umbkam und allsamen eines unzeitigen tods sturben.

Dis und anders hat Lasarus mit grossem ernst bedacht. Dann als sein sůn yetz fünff jar alt worden ist, hat er in zů schůlen gethon und in dem schůlmeister mit allem fleiß befolen, das er in in der forcht und under der růten halten wolt, auch kein fleiß mit der lernung an im sparen; solchs wolt er zůsampt dem lohn früntlich umb im verschulden. Dergleichen thet auch Lucia. Sie waren nit gesinnet, wie yetzund die älteren gemeinlich sind. Die wann sie ein kind in die schůlen verdingen, wissend sie nit, wie sie dem schůlmeister genůg empfellen sollen, das er irem sůn nit zů hart seye; sunst wissend sie ihn nit in der schůlen zů behalten; henckend auch gewonlich dran, sie forschen nit so vil darnach, ob er gleichwol nit fast lerne, wann er allein nur in die schůl gang, das er sicher vor den rossen sey und in kein wasser falle. Also můs sich dann ein yeder schůlmeister entziehen, das er meinen sůn nit erzürne, wann er schon die růten überaus wol verdient hat.

Lasarus aber gedacht allein darauff, das er seinen sůn bringen unnd behalten möcht in der forcht des herren, darzů dann sein junger sůn von natur geneigt was. Emsig unnd fast gern gieng er zů schůlen; er nam auch gantz fleissig war, was im sein lermeister befelhen und für letzgen fürgab, die [182] lernet er gantz flissiglichen. Derhalben in sein schůlmeister gar lieb gewan, und ward der junge Lasarus sunder alle streich von seinem schůlmeister underwisen, also das er in kurtzem vil seines alters an der lernung übertreffen ward, das sie dann offtermals von irem schůlmeister hören můsten. Darzů hett er auch den brauch an im, wie er von seinen älteren täglichen sah, das er keinen morgen aus dem haus gieng, er wunscht zů dem ersten vatter und můter einen glückhafftigen säligen tag, deßgleichen allem hausgesind. Demnach strält oder kempt er sein hor, wůsch seine händ. Wann dann ein suppen vorhanden was, so ass er die nit, er hett dann zůvor gott dem herren lob und danck gesagt. Darnach nam er sein büchlin und schreibgezeug und zoh in die schůlen, studiert gantz fleissig.

Dergleich ward auch aufferzogen die tochter Richardi. Sie ward einer züchtigen erbaren frawen verdinget, bey deren sie auch schreiben und lesen fast wol lernet. Und als sie nůn schreiben und lesen sampt dem rechnen gnůgsamlichen ergriffen, hatt man sie zů einem seidensticker verdingt. Uff derselbigen arbeit ist sie fast künstlich worden; sie bessert sich auch von tag zů tag, also das sie harnach ein berümpte meisterin mit der nadlen ward, das sie auch iren lermeister weit übertreffen thet. Diss bracht Richarten und seinem gemahel gar grosse frewd und in sonderheit dem alten Roberto.

Es was aber das gröst laid, das ihnen got nit mer kinder bescheren wolt. Also gieng es auch dem gůten Lasaro; dann ime sein weib auch nit mer kinder gebar, nachdem sie iren sůn Lasarum geboren het. Dise zwey jungen und wolgezognen kinder wůchsen also mit einander auff, also das sie vil umbeinander wonten. Von semlicher täglicher beywonung enzünt Cupido ein züchtige und freundtliche liebe in inen, das keins rhů haben mocht, wann es nit wußt, wie die sach umb das ander stůnde. Diser freundtligkeit haben zů beiden theilen die älteren wargenumen, darin sie dann ein sonders gross gefallen gehabt unnd offtermals schimpflicher weis zůsamen gesagt: ›Da ziehend wir ein par volck mit einander auff. Wann in got das leben günnet, wie möchten wir ein besser werck[183] schaffen dann dise zwey in ehlichen stand zůsamen vermähelen!‹ Dise wort wurden offt von den jungen gehört; das namen sie ye lenger ye mer zů hertzen.

Und als sie nůn die zwölff jar auff in hetten, nam der alt Lasarus seinen sůn aus der schůlen, fieng in an zů dem hantwerck zů ziehen. Des dann Amelia (also hies die tochter) sehr wol zů můt was, damit sie dester mer umb den jungen Lasarum wonen möcht. So sie dann etwas von künstlicher arbeit zů schicken het, nam sie ir ramen, ging damit zů dem jungen Lasaro in seins vatters laden und volbracht da ir arbeit. Darab dann der alt Lasarus und Reichardus gross gefallens hetten. Noch gedachten sie nit, das dise zwei jungen ein solch liebe zůsamen trügen, bis über lang da brach es aus durch einen ring, so der jung Lasarus seiner liebsten Amelien geschenckt hett. Aber dannocht denselbigen mit wissen seines vatters gemacht het, im doch nit anderst zů verston gab, dann das er den ring selbs behalten wolt, wie ihr harnach vernemen werdend.

26. Lasarus begeret an seinen vatter Lasarum

26.
Lasarus begeret an seinen vatter Lasarum, im gold zů einem ring zůzůstellen, im selb denen zů machen. Reichardus schencket im ein kostlichen stein darzů, welchen er darein versetzen solt.

Ein sehr unrhüwig ding ist umb ein liebhabenden jüngling; dann er weder tag noch nacht růen mag, er sinnet im gantz fleissig nach, was er zů yeder zeit anfahen und schaffen sol, damit er seiner liebsten junckfrawen zum besten gedienen und ir zů gefallen möge sein. Sunderlich die, so mit künstlichen handwercken umbgohn, die befleissen sich irer arbeit, das sie die auffs kunstreichst herfürbringen, damit sie desto mehr von iren liebgehabten junckfrawen gelobt und gebrisen werden. Also was auch dem jungen Lasaro zů můt. Er was gar fleissig auff der goldarbeit; und so er dann ein arbeit, es wer von kleinotten oder ringen, ausgemacht, zeiget er das seiner junckfrawen Amelien. Die lobt und rümpt in dann auff das [184] allerhöchst; davon ward er dann dermassen so lustig, das er die nachvolgend arbeit noch besser macht.

Eins tags begab es sich, das Reichart inn dem laden was, dem jungen Lasaro seiner arbeit zůsah, in auch fast drob lobet. Der jung Lasarus zů seinem vatter sagt: ›Mein lieber vatter, mich lust ein bitt an euch zů keren, wann ich nit in sorgen stünd, das mir die von euch würd abgeschlagen.‹ Daruff sagt der vatter: ›Lieber mein sůn, du magst wol bitten und begeren, was zimlich und ehrlich ist, und [so] ich dir auch ein semlichs gelaisten mag, es sol dir unversagt sein.‹

Darauff sagt der jung: ›Ich wil gar nichts unzimlichs an euch můten noch begeren, dann allein umb ein wenig goldes; daraus wolt ich mir selb einen ring machen nach meinem gefallen.‹ – ›Das sey dir unversagt, mein sůn,‹ sprach der vatter, ›nim gold, sovil dir zů einem ring von nöten ist, und mach dir ein ring nach deinem wolgefallen!‹ Richart sagt zů dem jungen: ›Mein Lasare, dieweil du des vorhabens bist, das du dich selb probieren wilt, so sey dir zůgesagt, das ich dir einen kostlichen rubin schencken wil; derselb dir deinen ring nit wenig zieren sol.‹

Als nůn der jung Lasarus das gold und den stein überkumen, hat er gleich von stund an das ringlin angefangen zů machen und das mit solchem fleis gearbeit, den stein so sauber versetzt und das ringlin ausbereitet, das sich sein vatter darab verwundert. Desgleichen Richart nit klein verwunderen darob empfing. Als nůn der jung Lasarus das ringlin ein zeit lang behalten, so das er meint, sein vatter würde dem nicht mehr nachfragen, hat er das seiner liebsten junckfrawen Amelien zů einem newen jar geschencket. Die dann semliche gab mit gar grossen freuden empfangen hat. Sie ist auch dem Lasaro mit anderen schencken begegnet, als mit schönen gestickten fatzanetlin, schlaffhauben und mit andrer arbeit, so sie mit iren henden selb gewircket hett. Diss sind die ersten gaben gewesen, so dise zwey einander verehrt hand.

Das unstet glück aber, welches kein bestendige freud haben mag, wolt disen zweyen jungen liebhabenden ir heimliche freud, so sie zů beiden theilen mit iren gaben hetten, nit lenger vergünnen. Und wie dann der liebhabenden gewonheit [185] ist, das sie die ding, so von lieber hand kumen, des tags offt beschawen, also pflag auch Amelia mit irem ringlin umbzůgohn. Jetzund, wann sie sich einig wußt, so stackte sie es von einem finger an den anderen, darnach kußt sie das zů tausent malen, dann so verwand sie es widerumb in ein schönes seidines tüchlin, trüge das zů allen zeiten bey ir. Eines tags, als ir heimliche und verborgene lieb außbrechen wolt, begab es sich an einem morgen frü, das sie in irem sunderen gemach sass, und umb des gůten lufftes willen hett sie die thüren und fenster auffgespert. Sie versahe sich aber nit, das yemand im haus noch auffgestanden wer, fienge aber an mit irem ringlin zů gefätterlen und nit anderst mit im zů sprachen, als wann ein mensch bey ir gewesen und ir red und antwort gegeben hett. Reichardus, der jetz von etlicher geschefft willen auffgestanden was, für der tochter gemach hingieng. Als er sie also lautt reden hort, auch etliche wort wol verstůnd, das als ir gespäch von dem jungen Lasaro was unnd von dem schönen ringlin.

Der vatter gieng hinein in das gemach. Bald ward sein Amelia gewar; sie blicket umb sich und ersah den vatter kumen, darab sie über die mass sehr erschrack; sie mocht auch nit so vil platz gewinnen, das sie den ring het verbergen mügen. Der vatter hett in erblicket, aber gar nit dergleichen gethon. Er wunscht ir ein seligen morgen, fragt sie, was das frü uffston meinet. Sie antwort dem vatter mit zittrender und verzagter stimm: ›Ach mein vatter,‹ sagt sie, ›du sichst, was den gantzen tag für unrhů in unserm haus ist beide von knechten und mägden; das ein laufft auff, das ander nider. Wann ich dann ein semlich getöbel und getös hören můs, ist mir nit müglich etlich arbeit zů volbringen, dieweil ich in steten gedancken bin: Jetz wirt man dich zům vatter berüffen, oder begert vileicht die můter deiner. Zů zeiten gedencke ich, wöl man mich zům imbis oder nachtmal berüffen. Semlich gedancken benemend mir dann den fleiß, so ich uff die arbeit legen solt. Derhalben ich mir gäntzlichen fürgesetzt hab, allen morgen so zeitlichen uffzůston, meine arbeit zů volbringen. So ursachet mich auch nit wenig das lustig aussehen meines gemachs. Des morgens durchbrechen [186] die külen windlin dis gantz gemach, so erklinget auch der vogel gesang in unserm garten gar lieblich. Das hören dann meine beiden schwetzigen pappagei, die fahend auch an mit einander zů kurtzweilen. Das alles, mein hertzlieber vatter, sind ursachen meines früen uffwachens.‹

Bey diser antwurt lies es der vatter bleiben; er wust aber wol, was sein tochter am meysten ursacht so frü auffzůston; dann er auch inn semlichem spittal kranck und wund gelegen was. Er nam urlaub von seiner tochter, leget sich vollend an, gieng demnach eylents zů sehen, ob Lasarus uffgestanden wer. Er fand in schon ob seiner arbeit im laden sitzen sampt seinem sůn. Er wunscht in beidsamen einen säligen morgen, des sie im auch früntlich danckten. Als er nůn ein gar kleine zeit bey ihn gestanden, hatt er zů dem alten Lasaro gesagt: ›Mein Lasare, ich bitte dich, wöllest mir zů gefallen ein stund oder zwo müssig gehn; dann mich eben yetzund das spatzieren ankumen ist. Darumb so nim deinen mantel! So gond wir hinaus von einem garten zů dem anderen, empfahen den gůten lufft und süssen geschmack der reichen blůst.‹

27. Wie sich die beiden vätter irer kinder halben

27.
Wie sich die beiden vätter irer kinder halben under einander underredt haben und entlich beschlossen einen heurhat zů machen, aber zůvor und eh den jungen Lasarum in fremde land ein zeitlang zů schicken.

Lasarus der bitt seines gesellen zů willfaren gäntzlichen bereit was. Er befalh seinem sůn, was er die zeit solt außrichten; also giengend sie beid mit einander. Sobald sie nůn für die porten kumen sind, hat Reichardus angefangen mit seinem gesellen uff solche meinung zů reden: ›Mein lieber getrewer brůder und fründ Lasare, ich hab deine trew, früntschafft und liebe nůnmer gnůgsam erfaren; darumb nit viel probierens von nöten. So wais ich zůvor wol, wann dir müglich were etwas gross von meinetwegen außzůrichten, du würdest [187] dich keinswegs sparen. Das vertrawen soltu in gleichem fal zů mir haben. Nůn waistu, wie wir zům offternmal unser fatzwerck miteinander getriben haben deines sůns und meiner tochter halben. Solchs wil mich schier beduncken, zů einen ernst geraten wölle.‹ Damit fieng er an und erzalt ihm, was sich erst mit seiner tochter und dem ringlin zůgetragen het, desgleichen was sie für wort getriben, bey denen wol abzůnemen wer, das sich nit ein kleines fewr in inen beiden enzündet hette. So were im auch die sach gantz gefellig, allein das wer im beschwerlich, sie hetten beidsamen das recht alter nit auff inen. Darzů so were Lasarus noch nie auskumen, künd auch nit mehr dann ein sprach, das im dann zů seiner hantierung übernacht einen grossen abbruch bringen würd mit kauffen unnd verkauffen. So were es auch umb einen ungewanderten jungen, der die fremde nit erkundiget het, wie umb ein ungekochtes gemüs. Derhalben begert er seine (des Lasarus) meinung auch zů verstohn, was er doch in der sach meinet am allerfüglichsten zů handlen sein.

Lasarus [het] mit erst ab den worten Richardi nit wenig schrecken empfangen, biss er seinen gůten willen gegen seinem sůn vermerckt. Er gab im antwort uff sein begeren: ›O Richharde, liebster brůder, du hast mich warlichen im anfang deiner wort grausam erschreckt, dieweil ich inn grossen sorgen stůnd, mein sůn würd dich durch solchen frevel erzürnet haben. Ich aber spüre erst deinen gnedigen und gůten willen gegen im; des ich mich dann von wegen sein zům höchsten bedanck, dieweil ich bekennen můs, das mir gar vil gůts widerfaren ist, dieweil ich in deiner geselschafft gewesen bin. Du hast mir zů meinem haus geholffen, den merern theil daran bezalet aus deinem eygnen gůt. Nit weniger bist du mir noch allen tag vorstendig mit gold und edlem gestein, ich geschweig aller anderen gůtthaten, so mir von dir all stund bewisen werden. Nu aber wiltu erst meinem sůn auch berhaten sein; das mir dann die gröst zeitlich frewd sein würd, so mir in all mein tagen zů handen gangen oder noch gehn möcht, wo ich erleben solt dein tochter und meinen sůn mit einander ehliche beywonung zů haben. Darumb, mein Reichart, gedenck, rhat und thů im, wie es dir selb am basten [188] gefallen will mit meinem sůn! Dann ich im gar nit nachzůgedencken waiss.‹

Reichart auff die wort Lasari also antwurt: ›Dieweil du dann meines rhats und willens pflegen wilt, so vernim meine wort mit gantzem fleis, damit du erachten magst, ob dir ein solchs zů thůn sei oder nit! In mir hab ich beschlossen, das wir uns gegen beiden jungen gar nichts wöllen mercken lassen, das uns etwas darvon zů wissen sey. Nicht dest weniger wend wir deinen sůn Lasarum kleiden und zůrüsten, was im von nöten sein würt. Sodann bin ich vorhabens, auff nächstkünfftige mess gehn Antdorff zů faren; da wais ich deinem sůn ein gůten herren, bey dem er in kurtzer zeit wol an seiner arbeit gebessert werden mag, auch darbey die frantzösisch, italianisch und hispanisch sprach ergreiffen. Dann er aus allen disen landen gar künstreiche goldarbeiter zůwegen bringet; solchs laßt er an keinem gelt erwinden. Zů im hab ich gar gůt kuntschafft und sehr vil mitt im gehandlet, in auch alle meine tag nie ungerecht an einem wenigsten wort erfunden. Zů demselbigen, so dirs gefallen wil, kan ich deinen sůn verschaffen. Wann er dann ein jar zwey ausgewesen ist, mag man wider nach im schicken. Alsdann haben sie beid erst ein rechtes alter auff inen, und würt der verstand auch etwas bey in gescherpfet, wiewol mich noch ein sorg ängstiget. Wo wir den jüngling also hienweg füren und dergleichen thůnd, als wann uns von irer liebe gar nit zů wissen sey, werden sie das auch nit dürffen öffnen; nicht dester minder würde inen semlichs abscheiden grossen schmertzen geberen, so das iren eins oder vileicht beyde in harte und schwere kranckheit fallen möchten, also das wir wolten, das wir disen anschlag nie gemacht hetten. Darumb will mich für gůt ansehen, das wir unser weiber darunder besprächen, was ir gůtbeduncken hierinnen wer. Gewiss werdend wir ein geschwinden rhat bey inen finden. Ein ding aber wais ich fast wol, das sie einander für sich selb noch gar nichts versprochen haben. Dann das gröst wünschen und begeren meiner tochter was heut morgen, das sie gantz fleissiglichen got von himel bat, das er durch sein eingeben den älteren ein gleichförmig hertz machen wolte, damit wir alle vier einmütiglich zů rhat würden [189] inen zweyen zůsamen zů helffen. Dis was gäntzlich ir begeren. Darumb, mein Lasare, magstu auch sagen, was dir zům basten gefallen wöl.‹

Daruff sagt Lasarus: ›Richarde, fürwar dein fürschläg beidsamen gůt sind. Jedoch liesse ichs bey dem letsten beleiben, also das wir unser weiber auch darvon reden horten.‹ – ›Wolan‹, sagt Reichart, ›so gehnd wir im namen des herren mit einander zů haus, die ire meinung zů erfaren.‹

Dises ward also stracks volendet.

28. Wie beide vätter ire weiber zusammen beruffen

28.
Wie beide vätter ire weiber zůsammen berůffen, alle sachen zů wissen thůnd. Amelia heimlich an einer klunsen stůnd, alle wort höret und dem jüngling zůschreibet.

Die beiden herren kamen yetzund wider zů haus gon. Lasarus der jung was die zeit auff dornen gesessen; dann in wolt etwas ahnen. Er nam gar fleissig wahr, was die beide vätter sagen wolten, wann sie in den laden kumen würden. Als er sie aber beidsamen so gůts můts sah, gewann er auch wider ein frölich hertz. Reichart aber fieng an den gůten Lazarum mit gar verborgnen stichwörtlin zů vexieren. Zůletst kam er auch mit dem ringlin harfür, davon der gůt jung von newen dingen angsthafftig ward; dann er stůnd in grossen sorgen, der vatter würd frag nach dem ringlin haben, das aber zů disem mal nit geschehen ist.

Als sie nůn gedacht haben, die weiber seiend uffgestanden, habend sie dem jungen Lasaro befolen seiner můter zů sagen, das sie eylents zů Reicharten frawen kumen wöl, sie hab etwas ernstlichs mit ir zů reden. Disen befelch hatt Lasarus eylents außgericht; sie zwen aber sind den nächsten zů Reicharten weib gangen. Indem kam auch Lucia, das weib Lasari. [190] Bald haben sie alles hausgesind haissen abdretten und aus dem gemach gehn.

Da diss beschehen, hat Reichardus angefangen reden mit gantz frölichem angesicht und also gesagt: ›Ir meine allerliebsten und vertrewtisten fründ und fründin, ir sollend wissen, das ein sach vorhand ist, welche uns gemeinlich berüren wirt. Dieselbig habe ich schon dem Lasaro geoffenbaret, sind demnach beidsamen zů rhat worden, euch dieselbig auch anzůzeigen und ewers rhats hierinn zů pflegen. Ich aber gedenck dise ding also von gott geordnet sein, damit sich unser früntschafft des orts mere und zůneme. So wissend, das ich uff gewisse spůr kumen bin mit unser tochter und dem jungen Lasaro, wo wir die ding nit fürkummen, sie einander selber nemmen werdend‹. Zeigt in damit alle verloffene geschichten an, darbey, was sie sich Lasarus halben mit einander entschlossen hetten.

Des sich beide weiber größlichen verwunderten; doch gefiel inen zů beiden seytten, das sie mit Lasaro solten fortfaren, wie sie seinethalben beschlossen hetten. So wolten sich auch die beide weiber der sachen underziehen, die jungen beidsam zů red setzen, den rechten und satten grund von in erfaren, darneben ir (der älteren) willen zů verston geben. Ein solcher vorschlag beiden mannen sehr wol gefiel.

Es het sich aber Amelia gar heimlichen vor dem gemach an ein klunsen oder spalt gestellet, alle wort und anschläg von wort zů wort gar eygentlich vernummen. Dardurch ir dann ein grosse freud zůstůnd; es ward aber mit dem ein bitter trawren drunder vermischet, als sie verstůnd, das der jüngling ein zeitlang in Brabant bleiben můst. So umgab sie auch grosse scham, als sie verstůnd, das der vatter des morgens alle wort, so sie in irem gemach geredt, gehört het. Sie gedacht im gantz fleissig nach, wie sie doch dem jüngling zů wissen thůn möcht, was ihrer beiden älteren fürnemen were, damit, wann die můter an in kumen würd, das er bedacht wer antwurt zů geben. Sie gieng eilents in ir gemach, nam iren schreibgezeug, sass nieder und schrib dem jüngling alle sachen, wie sich die verloffen hetten, bericht ihn dabey, was er der můter zů antwurt geben solt, damit [191] sie beidsamen gegen den mütern gleich zůsagten, verbot im auch gar nichts zů leugnen; doch solt er nit gleich bewilligen in Brabant zů raisen, bis das er sich nit mer erweren künd. Sie nam den brieff, gab in einem vertrawten jungen, so dem Lasaro gar angenem und lieb was, befalhe im, wann er sehen würd, das der alt Lasarus sampt seinem weib zum imbis kumen, (dann sie beidsamen bey dem vatter essen würden) solt er dem jungen Lasaro den brieff in den laden bringen. Das alles ward also nach ihrem anschlag vollendet.

29. Wie Amelia von irer muter zu red gesetzt ward

29.
Wie Amelia von irer můter zů red gesetzt ward, ir gar ordenlichen erzalet, was sich in zeit der haushaltung junger leut, so die jar noch nit uff in haben, zůtragen thůt; auch von der gschwinden antwurt der junckfrawen.

Des andren tags am morgen sehr früh stůnd die junckfraw Amelia von irem beth auff. Nůn hett ir die můter am abent fürgenummen, wie sie morgens mit ihrer tochter reden wolt. Amelia was gar eine kleine zeit auffgewesen, so kumpt die můter, klopffet an der kammerthüren an. Davon Amelia erstlich erschrack; dann sie nit gewon was, das sie yemants so frü überlauffen solt. Sie schlos eylents uff. Sobald sie aber die můter erblicket, gedacht sie wol, warumb es zů thůn was. Sie empfieng die můter gar mit früntlichen worten, sie dancket ir mit züchtigen worten, wunscht ir einen seligen tag.

Demnach sagt sie: ›Amelia, mein einige und allerliebste tochter, mein beger ist an dich, du wöllest dein gemach zůschliessen, damit wir von niemants überlauffen werden. Dann ich etwas nötigs mit dir zů reden hab, da ich nit gern wolt, das ander leut wissens darvon tragen solten.‹ Amelia was ihrer můter gehorsam, verriglet von stund an die kamerthür und [192] sagt: ›Ach mein hertzallerliebste můter, was ist dann das für ein heimliche sach? Nu bin ich ye nit an dir gewonet, das du mir solche heimliche reden fürbringest.‹

Die můter sagt: ›Amelia, mein liebe tochter, es kumpt deinem vatter und mir deßgleichen gantz glaublich für, wie das du und der jung Lasarus euch miteinander verredt haben sollen; des zů einem hafft habe er dir einen kostlichen ring geben, dergleichen habest du im auch etliches gewircks deiner arbeit zů einem gegenwurff und widergeltung seiner gaben zůhanden gestellt. Ist ihm also, so hast du dich warlich hoch gegen deinem vatter und mir, dergleich gegen dem großvatter und großmůter vergriffen, darumb du dann gott schwerlich antwurt geben můst. So wirt dir auch sunst alle welt übel darumb sprechen, das du ein einige tochter bist und also sunder deiner ältern wissen in hauffen greiffest und dir deines gefallens einen mann harauslisest, als wann deine älteren seumig an dir gewesen weren oder du der jaren gar veraltet werest, wiewol weder dein vatter noch ich mangel oder unwillen an dem Lasaro haben, allein das er noch zů gar jung ist zů der haushaltung. Zůdem so hatt er auch die fremde nie erkundiget, das dann an einem jungen hausman ein grosser mangel ist; dann er weder die fremden noch die haimischen nach gebür waißt zů halten. So sichst du auch täglichen, wo zwey menschen also gar jung züsamen kumen und kinder mit einander zeugen, was aus semlichen kinderen werden. Sie mügen weder har nach dar; das macht, das vatter unnd můter ir recht volkumen natürlich alter noch nit auff in haben. Nim dir zů einem spiegel unsern vierden nachbauren von disem haus gesessen, welcher von seiner großmůter ein groß gůt in rendten und gülten ererbet hatt! Als in aber seine vormünd gehn Salamanca gethon haben zů eim künstlichen schreiber und rechenmeister, ist er noch nit über sein zwölff jar gewesen, ein junger frecher ungesaltzner junger, hatt sich umb gar nicht verstanden, was im nutz oder schad gewesen sey; allein sind ihm alle seine gedancken nach einem weib gestanden, und gedacht, im mög an gůt gar nicht zerrinnen. Was ist beschehen? Sein schůlmeister het ein schöne tochter jung und můtig, die fieng dem jungen löffel an zů gefallen. [193] In summa es kam dahin, das sie einander die ehe geretten unnd versprachen. Was solten die vormünd thůn? Die sach hett sich zů weit yhngerissen, man kunds nit mer gewenden. Der kirchgang beschach, das gůt jung par völcklin kam miteinander in die haushaltung, gewannen kinder mit einander unnd fiengen an haus zů halten, gleich wie das haus ein gibel hett. Allen tag was sanct Gallentag; es můsten allen imbis gäst vorhanden sein, da was künig Artus hoff; bald man gass, was wirffel, karten, lauten und pfeiffen vorhanden. Das bestůnd aber, gleich wie es ein anfang und fundament het; dann es in kurtzen jaren dahin kam, das die fraw und kinder befögtet wurden, thailten mit dem mann ab. Zůletst nam die fraw die kinder, fůr mit in darvon wider gehn Salamanca zů irer früntschafft, da sie, wie ich bericht würd, auff disen tag umb einen lohn dienen můs. So sagt man, er pfeiff auch schon uff dem hindristen löchlin. Also, mein liebe tochter, geht es den jungen unverstanden ehleuten; wann sie yetzund der rhů zům basten bedürfften, habend sie das, so von ihren älteren erspart was, verthon und umb nassen zucker geben; so müssend sie dann ander leuten in die schüssel sehen. Diss wöllest du, mein hertzliebe tochter, zů hertzen nemen. Nit verlass dich uff deiner ältern gůt! Ob sein gleich ein grosser theil ist, mag es doch in einem kurtzen augenblick gar vergon, wie dann alles zeitlich uff der gantzen erdenkreis zergencklich ist und zů trimmeren gehn můs zů seiner bestimpten und geordneten stund. Darumb uns gleich so gros und hoch von nöten ist, das wir gott bitten, das er uns das zeitlich gůt bewaren und behüten wölle und uns das nit las zů lieb sein, damit wir nitt unser hertz und gedancken allein darauff setzen und das zů unser verdamnüs mißbrauchen. Du sihest auch, mein liebe Amelia, was grossen unrhů, zancks, hader und zwitracht in allen erbfällen gemeinlich entston, namlich wo der erben vil miteinander zů theilen haben. Des du dann, mein tochter, gar überhaben bist, dieweil du kein ander geschwistert noch miterben neben dir hast. Du bist deinem vatter und mir ein angenemes und liebes kind; das magst du wol abnemen an den grossen gefärlichen raisen, so er zů wasser und land fürnimpt, alles darumb das er dir ein gross gůt zůwegen [194] bringen mög. Das du in dann billich geniessen solt und nichts fürnemen, so im zůwider sein mag. Aber dem allen sey, wie im wölle, so bit ich dich, wöllest mir nicht verhalten, hast du dem Lasaro die ehe versprochen. Zeig mirs ingeheim an, so will ich mich fleissen, des vatters zorn zů milteren.‹

Darauff saget die junckfraw: ›O du mein geliebte můter, womitt habe ich doch in allen meinen tagen semlichs verschuldet, das mein vatter und du mir ein solchs übel vertrawen, so das ich on ewer wissen und willen mich solt verheuraten! Ach sag mir doch, mein liebe můter, welchen drit bin ich doch in allen meinen tagen wider eweren willen für ein thür hinausgangen, das ich euch nit darumb befragt het? Wo habe ich einiche gespilschafft mit mir harein gefürt ohn euwer vorwissen, das doch ein geringes gewesen were, und solt mich yetzunder an einem so grossen übersehen! Ich aber sol und müs geston, das ich dem jüngling Lasaro aus grund meines hertzen günstig bin, doch anderst nit, dann was zucht und ehr ertragen mag. So wais ich auch, das ich keiner anderen gestalt von im lieb gehabt würd. Das ich einen schönen ring von ihm empfangen, müs ich bekennen. Ich bin aber des gewiss, das er denselbigen weder seinem vatter noch niemand anders enttragen, sunder hat den selber gemacht aus etlichem gold, so im sein vatter gern darzů bewilligt hatt. So hat im auch den saphier unser vatter darzů geschenckt. Das ich in auch mit etlicher meiner arbeit dargegen begabt hab, leugne ich gar nit, dieweil ich all meine tag gehört hab, das under allen lasteren kein grössers nit funden werd dann undanckbarkeit. Was möcht ich im dann für billicheren danck bewisen haben, dieweil er mich mit künstlicher seiner eygnen arbeit begabt, dann das ich im mit meiner arbeit widergolten hett, wie ich dann auch geton hab! Das aber bekenn ich zum überflus, wann es got also wolt fügen, das wir in ehlichen stand zůsamenkumen, ich warlichen des künigs sůn aus Engeland nit für in haben noch erkiesen wolt, so es mit ewer aller gůten willen besche. Dem allen ist nit anderst, mein hertzliebe můter, dann wie ich dir hie bekant hab. Yedoch solt du mir gäntzlichen vertrawen, das ich versprechens [195] halben sein und aller welt ledig bin.‹ Damit beschlos Amelia ir red.

Als nůn die můter der tochter meinung und willen verstanden, ist sie nit wenig davon erfrewet worden und fieng weiter an mit ir zů reden. ›Amelia‹, sagt sie, ›du solt entlichen von mir vertröst sein, das dir Lasarus zů einem gemahel erkorn ist von deinem vatter auch mit bewilligung seiner beiden älteren. Das aber můs zůvor und ehe beschehen, das er ein zeitlang auch andre fremde land und ort erkundigen můs, damit er wiss, wie man sich mit kind und gesind halten sol. Also haben schon beide vätter die ding abgerett. Ich gedenck auch, Lasarus wirt auch schon als wol als du zů red gesetzt worden sein, damit wir ewer beder willen und gemüt erkundigen. Wo aber die reden nit gleich zůstimmen, werden beide älteren einen grossen argwon daraus schöpffen.‹ – ›Des bin ich on sorg‹, sagt die tochter, ›dieweil ich wais, das Lasarus warhafft ist, wirt er nicht anders künnen anzeigen, dann wie du mich gehört hast.‹ Damit nam die můter urlop von der tochter.

In der zeit was auch Lucia an iren sůn Lasarum gericht gewesen, der gantz gleichförmig mit Amelien zůsaget, wie er dann geschrifftlichen bericht von ihr empfangen het. Als er aber vernam, das er wanderen můst, was im das můs gar versaltzen. Jedoch wolt er nit viel mit der můter daraus handelen, erwartet des vatters meinung.

30. Wie Lasarus der alt seinem sun die erst lehr gibt

30.
Wie Lasarus der alt seinem sůn die erst lehr gibt, wes er sich gegen menigklich halten sol, damit er von yederman lieb und werdt gehalten werde.

Nachdem nůn die älteren der zweyer gemüt erkundiget, haben sie sich nit lang gesaumet, ir ordnung gemacht, damit Lasarus bald abgefertigt würd. Es hatt aber der alt Lasarus seinen sůn gar früntlichen und vätterlichen underwisen, wes er sich alle zeit gegen fremden und haimischen halten solt; auch lernet er in zůvor, wie er der tugend nachvolgen unnd die laster[196] vermeiden möcht, wie ir dann semlichs auffs kürtzest vernemen werdend.

An einem feyrtag am morgen sehr frü nam Lasarus seinen sůn, mit ihm hinaus allein in einen garten ging, fieng mit im an uff nachvolgende meinung zů reden: ›O mein allerliebster sůn Lasare, du solt wissen, das uns gott durch manigfältige und vil gůtthaten begabt hat, so das wir bey Richarten gar schon und wert gehalten sind. Erstlichen hat er mir, eh dann du uff erdtreich kamest, das haus, in welchem wir sind, zůwegen bracht und das merer thail daran bezalet aus seinem eygenen gůt. Sodann hatt er mir auch grossen fürsatz mit gold und edlen gesteinen gethon und mich gäntz lich darmit verlegt. So hatt er mich auch in Hispanien aus der Türcken schiff und banden entlediget und mit seinem eygenen gelt erkaufft. Zůdem erbeut er sich yetzunder mit gůtem früntlichem willen, dir sein einige tochter Amelia zů rechter ehe zů geben, aber doch mit der condition, das du ein zeitlang under den fremden etwas versůchen und erfaren solt, damit du die frantzösisch sprach lernest. Das alles magst du in Brabant in der stat Antdorff zůwegen bringen; dann daselbst findet man schůlen, darinn man auff allen sprachen studieren mag. Er selbst will dich auch in eygner person dahin begleitten und dir umb einen herren helffen, bey dem du gar wol versorget sein wirst.‹

Darauff antwurt Lasarus: ›Ach mein lieber vatter, mich wunderet warlich nit wenig an dich, das du mich so gäntzlich in wind schlagen wilt. Wie ist doch die vätterlich liebe, so du mir alwegen getragen hast, so gäntzlichen in dir verloschen! Was gedenckest du doch, mein lieber vater, das du mich zum erstenmal so weit von dir schicken und einem solchen kalten land wilt vertrawen! Fürwar wann du die blödigkeit meines leibs ein wenig bass bedächtest, du würdest mich nit so gentzlichen in den wind schlagen. Wann dir got sunst mer kinder geben und beschert hett, alsdann neme mich nit wunder, das du mich also verschatztest. Wann mich nůn got mit grosser kranckheit angreiffen sol, bin ich des tods eygen. [197] Zůdem hab ich offt von dir selbs gehört, was ungetrewen und unbarmhertzigen volcks in Brabant funden werd, so einem kümmerlich unb sein gelt etwas zů lieb werden lassen; und aber du wilt mich gleich in meiner ersten ausfart in ein solche ungetrewe art verschicken. Warumb thüst du mich nit gehn Toleten in die küniglich stat? Da sind auch kunstreiche goldarbeiter, bey welchen ich meines bedunckens wol so vil erfaren und lernen möcht, als wann ich gleich in Brabant were. Von dannen kündt ich dir alwegen schreiben, was mir anleg. Deßgleichen möcht ich auch täglichen erfaren, wie es umb dich und mein liebe můter ein gestalt het, ob ir gesund oder kranck weren. Darumb, mein allerliebster vatter, biss in deinem fürnemmen nit zů geschwind, bedenck die sach wol, ehe dann sie beschiecht, damit du nit etwan mit schmertzen klagen und sagen müssest: Ach gott, ich het das nit gemeint; ich het mich deren ding nit versehen. Dann schnelle handlung unbedacht hat mangem mann gross leiden bracht.‹

Darauff antwort der vatter: ›Mein sůn, du solt nit gedencken, das dise ding mit unbedachtem můt und sunder vorbetrachtung gehandlet werden. Ich sage dir, das der getrew Reichart ein gantz fleissig nachgedenckens hatt, damit deine wolfart einen glückseligen fürgang gewinn. Den herren, zů dem du kummen solt, kennet er ausdermassen wol, hat auch gar vil mit im zů handlen. So kumpt auch nimer kein monat hin, das sie nit gewisse bottschafft zůsamen haben, einander kostliche stein, kleinat und anders überschicken, also das dir an meinem schreiben gar nit manglen wirt, deßgleichen mir auch an dem deinen. Das du dir aber meinest gelegner sein gehn Toleten zů wandren, das mag mit deinem nutz gar nicht geschehen, dieweil du keiner anderen sprachen dan der portugalesischen alda bericht würdest, die du zůvor kanst. Zů Antdorff aber hast du die wal under den schůlen als frantzösisch, spanisch, italianisch und ander mehr, darinn magstu alle tag zů gelegner zeit gon; und so du dann aus der schůlen kumpst, magstu in der künstlichen arbeit dich ergetzen und üben. Darumb, mein Lasare, solt du mir, deinem vatter, inn dem fal nit zůmessen, als wann ich dich so gar gering verschatzte und mich dein also verzeihen wolt. [198] Du solt mir entlich glauben, das du mir der liebst uff diser erden bist; mag mir auch kein lieberer nit werden, dann du ye mein einiger sůn bist. Darumb solt du dir die sach nit anderst uffnemen noch gedencken; dann alles, was ich uff dißmal mit dir fürnemen thů, unb und von wegen deiner wolfart thůt geschehen. Eins můstu thůn; wiltu Reicharten einige tochter zů einem gemahel haben, will sich gebüren, das du im des orts gehorsam seyest. Du bedarffest dich gar nit beschweren in Brabant zů schiffen; dann du zů einem herlichen und geschickten mann kumen wirst. Du solt auch des orts getröst sein, wann dich schon got der almechtig angreiffet, das dein gleich so wol gepflegen wirt, als wann du schon bey mir und deiner můter werest.‹

Als nůn Lasarus der jung die meinung seins vatters vernumen, hat er zůletst mit grossem unwillen sich darein ergeben und gesagt: ›Mein lieber vatter, wiewol mir die raiß gar zůwider ist, noch dannocht lernet mich kintliche trew und liebe, dieweil dir die sach also gefallen will, das ich mirs auch gefallen lassen sol. Darumb ist mein bit, so es anderst nit sein mag, wöllest bald zů den dingen thůn, damit ich nit lang mer uffgehalten werd.‹ – ›Das sol nach deinem begeren beschehen‹, sagt der vatter.

Als sie sich nůn genůgsam miteinander underredt haben, sind sie wider zů haus gangen. Richart, bald er das vernam, schicket er nach dem alten Lasaro, befragt in ernstlich seines sůns halben. Der erzalt ihm alle ding, wie sich die verloffen hetten. Davon Reichart nit wenig frewd empfieng.

31. Wie Lasarus seinen sun außrüstet

31.
Wie Lasarus seinen sůn außrüstet, und wie Lasarus der jung Amelien einen brieff schreibt, darinnen er sie uff das freundtlichest genadet.

Lasarus saumbt sich nit lang, er ließ sein sůn nach notdurfft bekleiden, damit er mit ehren einem herren zů haus kumen dörfft. Inn der zeit erkundiget sich Reichardus, wann ein schiff in Brabant faren würd. Als sich nůn die zeit nähert, [199] das Lasarus in vier tagen můst uff sein, nam er im für seiner junckfrawen zů schreyben; dann im derzeit allein mit ir zů reden nicht werden mocht. Er stůnd eines morgens gar frü uff, sass in sein kamer und schrib einen gantz kläglichen brieff auff semliche meinung:

›Ich schrib dir gern, mein allerliebste junckfraw, ein frölichen brieff; die anschläg aber deines unnd meines vatters wöllend mir semlichs nit zůgeben noch gestatten. Es aber ist an dem, das ich mich, liebste Amelia, scheiden můs, dann alles das, so zů meiner hinfart von nöten, ist bereit, und ist nichts mer, so mein rais hinderet dann dein vatter, so mich dann selb dahin begleiten und zů einem herren verschaffen wirt. Du solt mich aber, mein Amelia und allerliebste junckfraw, nit darfür achten, als wann ich mich gleich gegen meinem vatter bewilligt hette, gehn Antdorff zů ziehen. Ich hab mich im lang zeit mit früntlichen wordten widersetzt, hat aber an im nicht mögen verfahen. Dieweil ich nůn bedacht hab, das ein jedes kind aus götlichem befelch schuldig ist seinen vatter und sein můter in ehren zů halten und in allen gůten dingen zů gehorsamen, wie uns dann das fünfft gebot underrichtet Exodi am 20., habe ich mich ye nit lenger widersetzen und außreden wöllen, damit ich nit gott und seinem gebot, auch meinem vatter und můter zůwider were. Du aber solt nit anderst gedencken, dann das mein sterblicher leib allein von hinnen scheiden werd, mein seel aber, hertz und gemüt wirt on zweifel alle zeit bey dir bleiben. In süssem traum wird ich bey dir unnd umb dich wonen. In künstlicher arbeit wirrts mich größlich fürderen, wann ich dein gedencken wird; dann ich mich dir zů gefallen in allen künsten befleissen will, dieweil ich dich ein rechte liebhaberin der kunst erkenne. Zůdem hat dich Pallas, die göttin, mit iren lieblichen brüsten und honigsüsser milch geseugt und ernert; des gibt mir zeugnis das kunstlich stuckwerck und gewirck, [200] damit du mich begabt und hertzlich erfreut hast. Das mir auch, indem ichs offtmalen anschawen wird, nicht wenig frewd und trost geberen sol. Gehab dich wol, mein Amelia, und biss mein nit weniger yngedenck in meinem abwesen, dann ich deiner sein will! Hiemit beware dich got, mein allerliebste junckfraw Amelia! Ich bleib allzeit dein getrewer Lasarus.‹

Disen brieff nam der jüngling täglich zů im, alzeit gůter stunden gewertig, darin er in seiner liebsten junckfrawen selb möchte antwurten. Dann sie nit ursach grosser zucht und schamm nach irem gefallen statt haben mochten, mit einander zů sprachen; wiewol in beidensammen von iren ältern züchtige gesprech nit gewert ward, noch dorfft keins frölich mit dem anderen sprach halten.

Es füget sich gar kurtzlich, das Amelia von irer můter zů des jünglings můtter geschicket warde. Von ungeschicht fande sie niemand in dem haus dann allein den jungen Lasarum, der dann an seiner arbeit gantz geflissen sass. Amelia kam zů im hinein, und als sie beidsammen so unversehens einander ansichtig wurden, erschracken sie über die mass gar seer und warden gantz schamrot under iren angesichtern. Keins under den beiden wolt erstlich anfahen mit dem andern zů reden; zůletst stůnd der jüngling auff unnd empfienge die junckfraw gar früntlich, die im dann auch mit grosser zucht danck sagt. Lasarus nam den brieff aus seinem bůsam, gab in Amelien und sagt: ›Allerliebste junckfraw, nemet hien dise schrifft! Die wirt euch berichten des, so mir grosser schamm halben nit müglich ist mit worten anzůzaigen.‹

Die junckfraw nam den brieff, gnadet dem jüngling, schicket sich eilents zů haus. Sobald sie ir můter angezeigt, wie Lucia nit anheimisch were, hat sie sich in ir gemach gefügt, des jünglings brieff zů tausent malen geküsset, ehe und sie den gelesen hat. Als aber sie seines inhalts grüntlichen bericht empfieng, hat sie gantz kläglichen angehaben zů wainen unnd des Lasarus abschaid zů klagen von gantzem hertzen. Aber sie hat gott andechtiglichen gebetten, das er dem jüngling [201] auff seiner fart sein götliche gnad und segen verleihen wölle, dem auch den heiligen Engel Raphaelem, welcher den jüngling Tobiam beleitet, zů einem geleitsman senden, damit er gesund und frisch wider zů land kumme, sie auch alle gar in gůter gesuntheit finden möchte. Als sie nun iren jüngling genůg geklagt, hat sie ire nassen augen mit fleiss gedrücknet, ist demnach zů irer můter gangen, ihres befelchs fleissig ausgewart, sich auch gar keins traurens angenumen, dieweil sie wol abnemen kund, das die sach nit zů wenden was.

32. Richardus ist aller ding wegfertig

32.
Richardus ist aller ding wegfertig, so hat Lasarus der alt seinen sůn auch nach notdurfft ausgebutzt. Ein kostlich malzeit würt gehalten, darzů Amelia auch berůffen würt. Lasarus der alt gibt seinem sůn gůten bericht, wess er sich gegen meniglich halten sol.

Gar kurtz nach disen tagen kame ein mechtig schiff mit kauffmanschafft von Antdorff gehn Lisabona, das dann auch anderer wahren gewertig, darauff der patron etlich tag warten můst. In solcher zeit macht sich Richardus auch gäntzlich fertig; so hette Lasarus seinen sůn mit aller notwendigkeit versorgt, und was nichts anders mehr vorhanden, dann das man auff gůt wetter und wind warten můst. Richardus liess ein gůt herrlich fontanium unnd malzeit zůrichten, darzů er seine gůten freünd berůffet. Lasarus sampt seinem weib und seinem sůn auch zůgegen waren; so saß junckfraw Amelia auch zů tisch. Da warden mit dancksagung zůvor gegen gott dem allmechtigen die kostlichen trachten angetragen unnd genossen, vil kurtzweiliger schwenck und reden fürbracht, aber doch in aller zucht und gotsfurcht getriben.

Das aber leider yetzund in einen argen bösen und schnöden brauch geraten will; dann wo yetz gastung und malzeiten gehalten werden, es sey bey reichen oder bey armen, geistlich oder weltlich, da müssen schantlich wüst grob bossen zůforderst iren fürgang haben. Da wirt der gnadenreichen gaben [202] gottes, als wein und brot, auch anderer speisen, in keinen weg verschont, ja auch des milten gütigen barmhertzigen vatters, so uns die so gnediglichen mittheilet, gar nit gedacht, es seye dann sach das einer etwa unnütze tantmären von im sagt, als wie Christus und Petrus mit einander gewandret haben, wie sie sich bey disem und jenem bauren gehalten und dergleichen narreyen, so zů keinem gůten, sunder all ergernus erwegen. Das dann warlich den namen Gottes größlich misshandlen heißt und zů gůtem teutsch gottes namen entehret und gelesteret. Wolan, es sey genůg von dem geredt.

Es haben aber die gůten unnd schimpflichen reden die junckfraw Amelia zů keiner frewden oder lachen bewegen mügen. Lasarus der jung auch nit gar wolzůmůt was; so offt er Amelia die junckfraw anblicket, einen schweren seufftzen von seinem hertzen gon liess, desgleichen pflag auch die junckfraw zů thůn. Der imbis aber mit grossen frewden volbracht worden ist; mancherley reden haben sich verloffen, so ich von kürtze wegen underlass zů schreiben. Als nůn die tisch auffgehaben wurden, habend sie got dem herren lob und danck gesagt und demnach von dem tisch auffgestanden, einen abscheid mit einander gemacht.

Lasarus aber und sein sůn sind mit einander hinaus in einen garten gangen; dann also wolt es der vatter haben, damit er nach seinem willen und gefallen mit im reden und in underweisen künd. Als sie nůn in den garten kumen sind, haben sie sich zůsamen under einen pomerantzenbaum gesetzt, hat der vatter mit seinem sůn uff volgende meinung angefangen zů reden:

›O Lasare, mein einiger und geliebter sůn, ich můss bekennen, das du mir, got aber zůvorderst ausgedingt, der allerliebst uff erden bist, dieweil du mir bisshar in allen gebotten gewilfaret hast. Dann von der zeit an, da du erstlichen angefangen hast zů reden, haben wir, ich und dein můter, dich mit ernst dahin gezogen, das du niemand beleidigt, weder nachbauren noch ire dienstboten. Wir haben dir auch nie gestatten noch vertragen wöllen, das du unserem gesind, gesellen, jungen oder mägten wiederdriess noch einiche schmach bewisen hettest. Und als du schon zů verstand kamest, [203] hond wir gar nit haben wöllen, das du von dem gesind etwas märlin bracht oder sie gegen uns verschwätzt. Darumb bist du alle zeit von dem gesind lieb gehalten gewesen. Zů dem andren waist du, mein Lasare, wie ich dich von deinen jungen tagen an ye und alwegen zů der ehr gottes gezogen hab, dich in allen tugenden underwisen. Binn auch gůter hoffnung, du werdest mein getrewe unnd vätterliche underweisung nit aus deinem hertzen kumen lassen und im gantz fleissig nachgedencken. – Insunderheit wöllest in grossen ehren haben das vergult schön yngebunden büchlin, so ich dir vor einem jar zůgestelt hab, namlich das büchlin der geistlichen zucht, Jesus Syrach genant, in dem du alle tugent erlernen magst. Ich hab dir auch in schrift verfaßt das 4. und 14. capitel des gotsförchtigen Tobie, darin er seinen geliebten sůn gantz früntlichen underweiset, wes er sich gegen got und der welt halten solle. Darbey wirst du auch finden etlich schöne sprüch aus dem guldenen büchlin der sprüchen Salomonis. Dise ding wöllest du woll in dein hertz einbilden, so wirstu gewisslich größlich daraus gebessert werden. – Wolan, mein sůn Lasare, du wirst yetz zůmal ein ferren weg von mir ziehen und dich ein zeit lang under den fremden erhalten müssen. So merck fürbas auff mich, deinen vatter, und glaub mir meiner red als dem, der es erfaren und erkundiget hat! Wann du an die fremde kumen wirst und sunderlich gehn Antdorff, wirt dir mancherley gesind fürkumen, so dich mit listen hindergon werden, zůvor wann sie einen schweren seckel bey dir schmacken werden. Vor denselben solt du dich mit fleis verwaren, ir keinem zů vil vertrawen; sunst wirdest du bald umb dein gelt kumen. Ich sag dir, mein sůn, das du in vil tausent stätten solche finantzer, riffiener und böser vögel finden möchtest; ich geschweig der unverschamten gemeinen weiber, vor denen du dich sunderlichen hüten solt. Dann durch sie manig jung blůt arbeitselig umbbracht unnd an seinem leib verderbt wirt, deren ich selb etliche erkant hab. – So du nůn zů deinem herren kumest und er dich empfahen wirt, soltu in mit frölichem angesicht und uffgerichter stirnen ansehen und früntlichen danck sagen mit zimlicher reverentz. Dann ich sag dir, das die herren ein sunder auffschawen haben [204] uff die sitten und geberden der jünglingen, so sie die am ersten ansichtig werden. Schlecht einer sein gesicht under sich, halten sie den gemeinlich für untüchtig, messen im auch alle schalckheit zů. Wann aber ein junger eines freundtlichen gesprächs, unerschrocknen angesichts dapffer mit in nach notturfft reden darff, denselbigen hatt man für einen verstendigen warhafften und auffrechten mann. – Du solt auch mit gantzem fleiß dich bey allen menschen verhüten, das du keinen zanck noch hader anrichtest; dann vilen menschen von wegen ires zänckischen und klapperischen munds merckliche unrhů entstanden. Darumb, lieber sůn, volge mir, deinem vatter, und mische dich inn keinen handel, so dich nit andrifft! Mit willigen ohren biss bereit yederman zůzůhören, aber mit lancksamer zungen und wolbedachtem můt soltu uff gethone frag antwurt geben und ungefragt bey alten achtbaren leuten gar nichts reden. Deinem herren soltu in allen gůten gebotten gantz willig gehorsamen. So dich yemants lehrnet und underweiset, es sey mit künstlicher arbeit oder auff gůte sitten dich understath zů wenden, denselbigen solt du nit minder in ehren haben, dann mich, deinen vatter. – Wann dein herr gesellen oder diener hat, von welchem du etwas lehrnen magst, denselbigen soltu dich nit schämen in in die händ zů sehen. Dann ich můs bekennen, das ich in meiner wanderschafft vil mer von gesellen gelernt habe dann von meinen herren und meisteren. Ich hab mich auch nie beschwärt, inen uff die feirtag ire schůch zů wischen, ire hemmetter in die wäsch zů tragen, und was ich mit meinem dienst inen zů gůt hab mügen außrichten, des habend sie nichts begert vor mir zů verbergen. Du aber solt dich nit zů tieff mit in einlassen in tafernen oder wirtsheuser. Dann man findt gewonlichen an solchen orten böse knaben, so dem spiel unnd füllerey anhangen, durch dieselbigen mancher redlicher jüngling gar übel verfürt und zů schanden kumet. So aber sich zůträgt, das deines herren gesind mit seinem gunst etwan ein ehrliche zech in seinem haus anschlagen, soltu dich dein gelt nit dawren lassen, sunder williglich deinen gebürenden thail darzů geben und frölich mit in sein. – Rhüme dich nit zů vil deines gůts! Dann wo du mer anzeigen wirst, dann desselbigen ist, wirt man dirs [205] für ein grosse lugen achten, und so du minder sagst, von stund an wirst du von menigklich für einen thoren und fantasten ausgeschrien. Diser meiner lehr, lieber sůn, wöllest du nit vergessen, sunder deren fleissig nachgedencken. – Mit kleydung hab ich dich nach deinen ehren unnd meinem vermügen nach aller notturfft versehen, damit du für erbar leut kumen darffst. Dieselbigen kleider wöllest in ehren und sauber halten; dann wo du die ehrlich haltest, werdend sie dir auch alle ehr beweisen. Ein zimliche zerung hab ich dir verordnet, so dir Reichardus überantwurten wirt; dieselbig wöllest wol und nutzlich anlegen. An disen stucken allen, wo du denen nachkumen, wirst du meinem gefallen ein genügen thůn.‹

Lasarus der jung hat die wort seines vatters gar fleissig gemercket; er versprach im auch, dem also nachzůkumen. Damit sind sie wider aus dem garten gangen, heim zů haus gezogen, des nachtimbis mit grossem lust erwartet.

33. Reichardus berüffet den patron des schiffs zum nachtmal

33.
Reichardus berüffet den patron des schiffs zům nachtmal, leben also in frewden bey einander, biss jetz die zeit kumpt, das man zů beth gon solt, jederman an sein rhů gewisen ward.

Reichart, welcher von natur freundtlich, getrew und gůtig was, hat yetzund von dem patron verstanden, das er des nächstkünfftigen morgens von land und wider in Brabant schiffen wolt. Er liess im alle ding zů schiff tragen, befalhe auch seinem fründ Lasaro, das er seins sůns kleider und was er mit im füren wolt, auf das schiff solt verschaffen. Das ward alles mit gantzem fleiß ausgericht. Richart bat den patron des schiffs, er wolt in nit verschmahen und das nachtmal mit im essen, und so er yemands uff dem schiff het, so ihm anmütig were, denselbigen möcht er mitbringen. Diss bewilliget im der patron, nam also seinen jungen sůn mit im, [206] dem älteren aber befalhe er das schiff zů bewaren. Also zugen sie miteinander von dem schiff in die statt in das haus Richardi. Da wurden sie gar schon und ehrlich empfangen von seinem weib, die dann einem yeden, wer der was, sein gebürend reverentz thůn kund. Da was auch ein herrlich malzeit bereitet. Uff die bestimpte zeit unnd stund kamen alle die, so zů dem nachtimbis berůfft waren, zůsamen, damit sie mit dem jungen Lasaro sich letzten. Es war auch kein person inn diser gastung, so ihm nit ein letzgelt zů einer zerung verehren ward, des ihm dann Lasarus nit wenig frewd nam. Sie wunschten im auch alle hertzlichen ein glückselige ausfart, und das sein widerkunfft auch mit grossen frewden geschehen solt.

Amelia, die junckfraw, was noch nit zůgegen, dann sie noch an ires liebsten jünglings arbeit was. Zůletst kam sie mit einem schönen sammatten paret in den saal gegangen, das trůg sie auff irem haupt. Daruff was ein schöne guldene schnůr mit gůten orientischen perlin geziert; es waren auch daran gebunden gar kunstliche und conterfetische von feiner seiden gewirckte blümlin, so Amelia mit iren händen gearbeit het; dann sie derselbigen kunst ein meisterin was. Als nun die junckfraw in mitte des schönen wolgezierten saals kumen ist, hat sie den sitzenden fründen und gesten die speiss gesegnet, ist damit zů Lasaro, dem jüngling, mit züchtigen geberden gangen, hat das paret von irem haupt unnd goltfarben har abgenummen, dem jüngling auff sein blosses haupt gesetzt und gesagt: ›Mein allerliebster Lasare, ich vernim, das du morgens frü von hinnen schiffen würst. Dieweil du nůn von allen deinen lieben freunden reilichen abgeletzet bist, bit ich, wöllest dise meine gab und letze nit verschmahen und die von meinentwegen von hinnen füren und, so dir müglich sein mag, etwas darvon harwider bringen; wil ich mich hiezwischen, so mir gott mein herr gesundtheit verleihet, umb ein schöneren und besseren wilkum arbeiten; das soltu erfaren.‹

Der jüngling vor grosser scham und freuden der junckfrawen nit antwurten kundt. Zůletst aber erholet er sich, und mit grosser reverentz bedanckt er sich umb die gab, versprach [207] der junckfrawen darbey, dise gab in grossen sorgen und ehren zů haben, wie dann solchs von im geschahe. Also stůnd Richhardus auff, nam sein tochter Amelia und satzte sie neben Lasarum an den tisch. Da wurden sie von der freundtschafft und den anderen gesten gar züchtiglichen und mit verborgenen schimpflichen worten gefatzet, davon sie beidsamen zům offternmal gantz schamrot wurden, davon sie dann gar vil schöner den gesten erschinen.

Nach langem gespräch und beschehenem ymbiss wurden die tisch auffgehaben, gott dem herren umb seine vilfaltigen gůtthaten lob und danck gesagt. Der schiffpatron nam urlaub von Reicharten, Lasaro und iren beiden weiben. Richart vermeint in mit früntlicher bitt bey im zů behalten. Er aber wolt nicht von dem schiff beleiben und sagt: ›Früntlicher Richarde, du waist, was grossen gůts mir auff disen tag auff mein schiff geantwurt worden ist. Wann ich dann schon gern bey dir zů herberg beleiben wolt und auff das allerbest gelegt, des ich ungezweiflet bin, würd ich doch meinen schlaff nit mügen haben, sunder stetigs auff mein schiff gedencken. Darumb so du mir gern an güte rhů wilt helffen, so verschaff, das ich zů schiff kume, damit deine und anderer kauffherren wahr versorgt sey!‹

Also beleitet Richardus und Lasarus sampt seinem sůn den patronen biss uff das schiff. Alda was ein herrlicher schlaaffdrunck zůbereitet von mancherley latwergen und confecten. Der aber ward nit lang gehalten; dann jederman eilet an die rhů, damit sie des morgens zů rechter zeit möchten ire sachen ordnen. Sie namen urlop von dem patron mit gewünschter gůter nacht, zugen zů haus und volbrachten die nacht mit rhů.

34. Wie morgens frü zu schiff geblasen ward

34.
Wie morgens frü zů schiff geblasen ward, davon Amelia grossen schmertzen empfieng und iren jüngling Lasarum klaget und dabey beschalte.

Die nacht was yetzund durch Auroram, die morgenröte, [208] gar verjaget und hinder die hohen gipffel der bergen getriben. Phebus hett seine vier schnellen pferd inn sein wagen gesetzt, kam mit grossen frewden mit glantzender sunnen dahergefaren; die süssen und kůlen windlin mit irem sanfften wehen daher bliesen, davon alle gewechs erquickung namen. Die vögel auff den zweigen mit iren süssklingenden stimmen den tag mit frölichem gesang empfiengen. Der patron des schiffs erfrewet sich auch nit wenig ab semlichem gůten wind und wetter. Er schicket eylends sein trometter in die statt umbzůblasen; dann er gleich willens was von land zů säglen.

Also versamleten sich alle die, so willens hetten zů faren, mit grossen freuden bey dem schiff. Allein Lasarus der jüngling in grossem trawren stůnd; dann im nit weil werden mocht, sein allerliebste Amelia zů gesegnen. Er genadet seiner můter; dann er nit meinet, das sie an das port zů dem schiff gehn würd. Es hette aber Cassandra und Lucia am abent zůvor ein packt und anschlag mit einander getroffen, das sie sampt irer tochter Amelien Reicharten und den jüngling Lasarum zům schiff beleiten wolten. Cassandra kam sampt irer tochter gegangen in das haus Lasari. Da aber waren Richardus und Lasarus aller ding schon beraidt.

Aber es gefiel Richarten sonderlichen, das der jüngling, zůvor und ehe er von land schied, dem alten Roberto genaden solte, desgleichen der alten můter, die sich dann der welt gantz entschlagen hetten ires betagten alters halben. Sie beliben eintzig in irem gemach, darinn wurden sie mit speiss und dranck, auch ander wartung wol versorget von Cassandra und Amelia, irer tochter. Also gieng Reichhardus mit dem jüngling zů in. Da warend sie eben erst auffgestanden. Reichardus zeigt in an, wie er yetzund willens were, sampt dem jüngling Lasaro in Brabant zů schiffen, weren derhalben kumen, inen beiden zů genaden. Es wußten auch die alten zůvor allen anschlag, auch von der eheberedung zwischen Amelien unnd dem jüngling. Der alt Robertus, sovil im müglich und die zeit ertragen mocht, underwis er den jüngling, gab im ein gůte letze, sein darbey und seiner lehr zů gedencken. Nit weniger hat sich die gůt alt můter mit Lasaro früntlich geletzet und gewünschet, das im vil glücks auff seiner raiss [209] widerfaren und im got ein selige und fröliche haimfart verleihen wolt, damit sie in mit frewden widersehen möchten.

Also giengend sie sambt dem alten Lasaro, den beiden weiben und junckfrawen zů dem schiff; das was schon aller ding bereit zů faren. Lasarus genadet seinem vatter und seiner lieben můter. Sein hertz aber was im so gros, das er Amelia, seine liebste junckfraw, nit gesegnen kund, sunder befalhe das seiner můter, der junckfrawen ein brieff zů antwurten, darinn er sie zům allerfreuntlichsten gesegnet. Des aber die junckfraw nit kleinen unmůt empfieng, ward auch gäntzlich in heimlichen zorn gegen Lasaro entrüstet, wiewol sie nicht dergleichen thet, biss sie wider haim in ihr gemach kam. Also fůr das schiff mit uffgerichtem sägel und gůtem glückseligem wind darvon. Sie stůnden an dem port ein gůte zeit, dem nachsahen, biss das sie es gar aus irem gesicht verloren. Demnach sind sie wider zů haus gangen.

Amelia, die junckfraw, ist in ihr gemach gangen, iren jüngling schwerlich beklagt, umb das er ongnadet von ir weggefaren ist. Sie hůb an auff nachvolgende meinung mit ir selb zů reden: ›O Amelia‹, sagt sie, ›wo hast du dein hertz und vertrawen hiengesetzet! Wie hast du dein hertzliche und stete lieb so gar übel angelegt! Auff einen sand und schmeltzend eiss hastu gebawen. Ey du unverstandner jüngling, wie hastu an deinem hertzen haben mögen, also von mir sunder alles urlop hinwegzůschaiden! Binn ich doch die, so dir nachgevolget ist biss an das port des mers, und hast mir nit mit einem früntlichen wort genaden mögen. Wolan, ich waiss mich in keinen weg an dir zů rechen, dann das ich dich aus meinem hertzen setzen unnd ausschliessen will. Dann das zůsagen unser baider älteren mag mich noch gar nichts an disem ort binden, dieweil der handschlag noch nit geschehen ist. Far nur hin, Lasare, du unbedachter jüngling! Mein stete trew und lieb wil ich einem bekantern und verstendigern jüngling behalten, dann du bist. Mich aber rewet all mein tag, das ich mich deines abscheids halben so jämerlich gehebt hab. Wolan, hin ist hin. Ich kan und mags nit widerbringen.‹

35. Am anderen tag bringet Lucia der junckfrawen den brieff

[210] 35.
Am anderen tag bringet Lucia der junckfrawen den brieff, dardurch sie in ein newe liebe entzünt wirt.

Des andern tags kam Lucia zů der junckfrawen Amelia. Alsbald nůn die junckfraw ihr ansichtig worden, ist ir das hertz im leib von zorn auffgehupffet; dann sie von newen dingen an Lasarum gedencken ward, umb das er also von ihr abgescheiden was. Bald gab ir Lucia den brieff, welchen Lasarus vor seinem abscheid geschriben und der junckfrawen zů geben empfolhen. Dann Lucia wol an der verkerten gestalt Amelien wol abnam, das sie über den Lasarum erzürnt was; dann sie erstlich den brieff nicht wolt von der Lucien annemen. Darumb sagt sie: ›Mein liebste Amelia, wie hat sich dein gestalt so gantz über mich verkeret! Sag mir, womit hab ich semlichen zorn gegen dir verschuldet? Nůn hab ich doch gůte hoffnung gehabt, du werdest in kurtzer zeit mein allerliebste sůnsfraw werden.‹

Amelia, bald sie des Lasari gedencken hort, als ir gemüt ein grosser schrecken und zorn durchdringen ward, und sagt also: ›Lucia, ich bitt, so ir meiner hulden nit beraubt sein wend, so gedenckend mir ewers sůns mit keinem wort. Dann gegen im all mein gunst, früntschafft, lieb und trew verloschen ist. Ich sag auch, ehe dann ich mich im vermähelen lassen will oder mich meinen vatter darzů zwingen lassen, will ich eh in ein kloster gon und mich meines vatters gůt verzeihen.‹

Lucia von solchen worten und theuren gelübt der junckfrawen nit wenig schrecken empfieng; wie aber solicher zorn auff iren sůn erwachsen sein mocht, was ir verborgen. Darumb fieng sie auff das allerfreundtlichest mit der junckfrawen an zů reden: ›Ach mein züchtige liebste junckfraw Amelia, meinen sůn zů vertädingen kan ich nit, dieweil mir nit zů wissen ist, womit er solche schwere ungnad umb dich verdienet hat. Ich aber bitt dich von wegen deiner můter, [211] ermane dich auch der grossen liebe, trew und früntschafft, so wir zůsamen tragen, auch ein yede insunderheit iren dienst gar offt gegen der anderen probiert hatt – von des wegen langt mein früntlichste bit an dich, wöllest mich verstendigen deren ursach.‹

Amelia, wiewol sie nit willens was die ursach zů offenbaren, so bezwang sie doch die hohe ermanung der Lucien, fieng an auff dise meinung mit zornwegern worten zů reden: ›O Lucia, ihr sollend nit mainen, das mein empfangner und angenumener zorn on mercklich ursach zůgangen seye, dieweil ich bedacht habe, was günstigen hertzens und grossen liebe ich zů ewerem sůn Lasaro getragen, in auch freuntlicher letze, als er hienwegschiffen wöllen, verehret, darzů in, als dem ich grosse unsegliche liebe getragen, das geleidt mit schwerem bekümmertem hertzen gegeben; dann mir sein hinscheiden unmenschlich schmertzen geberen thet. Dargegen aber [er] als ein stainhertziger und harter jüngling von mir ungnadet und sunder alles urlop von mir ist hinweggescheiden. Der härtigkeit ich im in allen meinen tagen nimmermer vergessen wil und mein hertz auch in gleichem gegen im erharten lassen, im auch kein lieb noch früntschafft nimmermer nit beweisen, sunder im härter sein, dann die junckfraw Daphne dem Phebo ye gewesen ist. Dann dieselbig Daphne, ehe dann sie wolt im ire liebe mittheilen, batt sie die götter, sich in einen lorberbaum zů verwandlen, und ward im von semlichen baum nicht mer dann ein zweig; daraus machet er im ein krantz zů ergetzligkeit seiner liebe. Also sol ewerem sůn auff dissmal auch an dem krantz, so ich ime zů einer letze in ewer aller beywesen zůgestelt, genügen und fürbas mer nichts anders von mir warten noch verhoffen.‹

Lucia, welche ein gar verstendig weib was, merckt gleich wol, wo hinaus die sach dienen wolt. Sie sagt: ›Mein Amelia, ich kan dir warlichen an disem ort nit unrecht geben, dieweil sich mein sůn eines semlichen unverstands gegen dir gebraucht hatt. Ich aber bitte dich, wöllest mich derhalben in keinerlei weg neiden oder feindschafft tragen; dann mir die undanckbarkeit meines sůns gar klein gefallen bringt. Ich bitt dich aber, mein liebste Amelia, von wegen der liebe, so du zů [212] deinem vatter und deiner můter tregst, wöllest mich meiner letsten bit geweren und disen brieff [lesen], so mir mein sůn an dem port gegeben und mich mit wainenden geberden gebetten dir den zů überantwurten, zeiget mir auch darbey an, wie ihm sehr gros daran gelegen were.‹

Amelia die junckfraw, wiewol sie vormals gar erzürnt gewesen was, hat sie doch in ir selb gedencken und erachten künden, das Lasarus sein abscheiden so hart bekümmert, das er mit ir nit hat reden künden, sunder ir in disem brieff erst genaden und urlop von ir nemen. Sie nam den brieff von der Lucien, stiess den eylends in iren bůsam; dann sie befand, das etwas darinnen verschlossen war; so sahe sie auch an der überschrifft, das Lasarus disen brieff ihr in aller früntschafft und liebe überschickt het. Lucia verstůnd wol an iren weisen und geberden, das sie disen brieff ungelesen nit lassen würde; darumb nam sie urlop von Amelien und gieng wider zů haus.

36. Amelia allein in irem gemach sitzet, den brieff lesen ward

36.
Amelia allein in irem gemach sitzet, den brieff lesen ward, in grossen zorn gegen ir selbs fallen thet, umb das sie dem jüngling on alle ursach so gehass gewesen was.

Amelia ginge schnels gangs in ihr gemach unnd schlos den brieff uff, darinn fande sie einen schönen dopleten schiffnobel, lase den mit gantzem fleiss von wort zů wort. Der lautet also:

›Ich wünsch dir, mein allerschönste und liebste junckfraw, vil gůter frölicher zeit und stund, so das du die frölicher unnd besser haben mügest, dann sie mir inn meinem abwesen sein werden. Ach mir armen! Was mag mir doch in gantzem Brabant für einiche frewd zůston, ja nicht allein in Brabant, sunder in der gantzen weiten welt, dieweil [213] ich deiner schönen züchtigen adelichen gestalt und frewdenreichen anblicks můs beraubet sein! O mein zarte Amelia, wie wehe mir mein hinschaiden von dir gethon, ist mir nit müglich weder zů sagen noch zů schreiben. O Amelia, wie gern hette ich ein freundtlichen abscheit mit mund von dir gemacht! Ist mir aber nit müglich gewesen; dann mich das jämerlich senen und verlangen nach dir so hart bekümmert, das mir mein red darvon gelegen. Meine augen hetten auch vor zehern nit zůgelassen, ein einiges wort mit dir zů reden. Wann dann ich also stummlos vor dir gestanden were, würdest du vileicht ein verdruss ab mir als einem solchen weibischen jüngling genumen haben. Darumb, mein liebe junckfraw, mir sollich mein hinscheiden nit zů argem auffnemen wöllest. Dann ich mit meinem hertzen nimmer von dir schaiden wird; ich binn unnd bleib dein Lasarus, und du mein allerliebste junckfraw. Niemans dann allein der todt kan oder mag uns schaiden. Ich schick dir hiemit dise kleine gab; wöllest die nit verschmahen. Dann ich můss bekennen dich einer reichern und bessern werdt sein, hab dir aber dise allein darumb geschickt, damit du sie zů deinem schatz legest, und so du dann zů vilmalen darüber gehst, disen schiffnobel zům wenigsten anblicken wirst, mein darbey zů gedencken. Hiemit wirstu mich nimmermer in vergess stellen. Des soltu auch von mir gantz gewiss sein, das ich, so offt mir der zeit werden mag, ich die reichen gaben und kleinat, so du mit deinem künstlichen händen gewirckt hast, zů besehen und mich darmit zů ergetzen. Dann diss wirt mein frewd, trost und kurtzweil in Brabant sein. Jetzund, liebe junckfraw, will ich dich got bevelhen und dich damit auffs hertzlichest gesegnet haben. Gedenck mein, o liebste Amelia! Nit vergiß mein umb eines kurtzen jars willen! Setze dein hertz und gemüt zů mir, wie die keusch Penelope gethon, welliche sich die anzal der reichen und mechtigen werber nit hat lassen wanckelmütig machen, sunder auff iren liebsten gemahel und fürsten Ulissen zwentzig jar gewartet hat. Denselbigen mocht nit abwenden die zaubereyen Circes noch die mechtig göttin Calipso, sunder begert stetigs zů haus zů seiner liebsten gemaheln. Das hertz in mir, das doch dein allein ist, wirt kein stund anderst gesinnet [214] werden. Got pfleg dein dise und alle stund und zeit in gesuntheit!‹

Amelia hat disen brieff yetz zům offteren mal gelesen und gar wol verstanden. Bald ist sie in sich selbs gangen, ir grosse schnelle grimigkeit, so sie zů dem Lasaro getragen, ernstlich bedacht. Zůletst fieng sie an mit ir selber zů reden und sagt: ›O Lasare, mein liebster jüngling, solt dir zů wissen sein, in was grossen zorn ich gegen dir ohn alle schuld heimlich gewütet, (ja, nit haimlich, dann deiner můter alle sach offenbar ist) du wirdest mir so früntlich nit geschriben und dich mir so früntlich bevolhen haben. Weh mir unsteten unbekanten junckfrawen, die ich mich nit mer würdig schätz, einem so recht liebhabenden jüngling vermähelt zů werden! Was hat mich doch zů solchem boßhafftigen zorn bewegen mügen, das ich in solchen hass gegen einem solchen kunstreichen und schönen jüngling fallen thet! Wer es nicht genůg an dem schreiben, so er an mich gethon, als er seinem vatter und můter in Brabant bewilliget hatt zů schiffen! Hatt er mir nit dasselbige mal alles sein hertz und gemüt eröffnet und einen gnůgsamen früntlichen abscheid an mich begert! Billich hab ich mich selb gegen seiner můter der Daphne verglichen, dieweil sie auch ein solche ungütigkeit gegen dem Phebo erzeigt. Ich můs mich schuldig geben, das ich noch ungütiger gegen meinem Lasaro gewesen binn, dann die junckfraw Daphne gegen Phebo, irem liebhaber; darumb ich billich[er] in einen stain dann zům baum solt verwandlet werden. Ach mir armen Amelien! Möcht mir doch semlich gnad von dem glück verlühen werden, das meinem liebsten jüngling diser mein außgestossener zorn gegen seiner můter nit fürkäme! Wie möcht aber ein můter irem liebsten einigen sůn solche unbilliche ding verschweigen! Wolan, ich bin dannocht gůter hoffnung, sie werd mich des orts nit vermelden; sunst wird sie mir gewislich meins lieben jünglings schreiben sampt der gaben, damit ir mich so früntlich geletzt, [nit] geantwurt haben, sunder ir die selbs behalten. Wie aber dem, wo sie das uff einen sunderen ranck gethon haben wirt, damit warzůnemen, ob ich die gab uff solchen ausgestossnen zorn behalten wölle? Ach nain, das getrawe ich ir nimermer. Ich [215] aber will semliche sorg mit geschickligkeit von mir wenden und ablegen. Sobald und mir müglich sein mag, will ich mich einig zů ir fügen. So wirt sie mich erstlich under augen ansehen, ob ich noch ein solches brinnendes gesicht hab, ob sich mein farb also zům offterenmal verwandlen wölle und ob meine wort so grimm lauten. Ist dann sach, sobald sie mich so gantz eines anderen hertzens und gemüts befindt und sie aber sich zorniger gestalt erzeiget, so ist all mein hoffnung umbsunst; dann sie keines gůten hertzens mer gegen mir sein wirt. So sie mich aber irer alten gewonheit nach früntlich empfahen wirt und eines frölichen angesichts sich gegen mir erzeigt, bin ich gewiss, das ich gar in keinen ungnaden gegen ir stand. Wolan, jetzund ist eben die recht stund anzůsůchen, yetz find ich sie allein; dann ir magt den nachtimbis zů bereiten pflegt. Nůn will ich meine sach wagen und gůter hoffnung warten sein.‹

37. Amelia kumpt zu der Lucien; sie wirt schon von ir empfangen

37.
Amelia kumpt zů der Lucien; sie wirt schon von ir empfangen, die junckfraw legt grosse bit an sie, ires sůns halben ir zů verzeihen. Des Lucia seer wol zůfriden ist und Amelia zů gast ladet.

Amelia, die gůt angsthafft junckfraw, nam urlop von irer můter, sagt, sie wolt nůr etwas bey der Lucien außrichten und eylends wider zů haus kummen, des dann Cassandra wol zůfriden was. Also fügt sich die junckfraw eylends hinumb in das haus Lucie, die fand sie gantz einig in irem saal ir arbeit mit der nadel volbringen. Sobald sie nůn der junckfrawen gewar worden, hatt sie die mit fleiß under irem angesicht beschaut, ob sich das nit entstellen noch entferben wolt, ob ir das näßlin nit spitzig und weis werden und die augen in dem haupt hin und wider wancken wolten. Amelia aber mer erschrocken dann zornmütig erscheinen thet, das dann Lucia wol verston kundt. Darumb fing sie an mit [216] gütiger geberd gegen Amelien auffzůston und ir entgegenging.

Die junckfraw aber gantz zaghafft ir augen gegen der erden kerend von einem winckel in den andren sehen [thet], den jungen kindern geleich, so geboßt und nit gern für ire älteren kumen. Lucia hat sie gantz früntlich empfangen und gesagt: ›Mein liebste junckfraw, was ist die ursach deiner zůkunfft? Hast du etwas befelchs von deiner můter an mich, oder kumpst du ander sachen halben zů mir?‹

Von disen freundtlichen worten die junckfraw gůt hoffnung gewann, ir für fürgenumene bit an Lucia zů werben. ›Mein allerliebste můter und fründin‹, saget sie, ›wiewol ich euch heut morgen mit gar ungezempter red empfangen hab, seit ihr dannocht so gütig, mich freůndtlicher, dann ich euch empfangen habe, empfahend. Darumb, o liebste Lucia, nit wöllend mir solchen ungeschickten zorn zů argem ermessen! Dann mich das freundtlich schreiben ewers sůns gar eines anderen sins gemacht hat, dieweil ich darinn sein freundtlichs und erbars entschuldigen gnůgsamlich verstanden hab. Nůn zůmal waiss ich nichts mer, so mich angsthafft machen thůt allein zwey ding. Zům ersten, das ich nit wissen mag, wie es meinem liebsten Lasaro uff dem meer in den sorglichen wällen ergon mag. Zům andern trenget mich ein andere sorg, das ich förcht, wann im gott wider haim zů land helffen werde, das im mein unbillich zürnen zů wissen werde. Was wirt dann anderst draus erfolgen, dann das er würd sprechen: O Amelia, hab ich umb mein grosse liebe, trew und gunst ein solchen zorn und ungunst bey dir erworben, wolan so wil ich dich auch mit gleicher müntz bezalen.‹

Uff dise wort antwurtet Lucia und saget: ›Für den ersten unmůt, o junckfraw, solt du dir semlichen trost fassen, das im got der allmechtig sein stund und zeit gesetzt hat zů sterben; wann die hie ist, so gilt es gleich auff dem meer oder auff der erden. Ich aber hab in gott dem allmechtigen, der mir in geben und wider alles übel wol bewaren kan, in seinen schutz und schirm bevolhen, das er mir in behüten und vor üblem bewaren wölle, damit er frisch und gesund wider zů uns kumen, uns auch dergestalt finden möge. Die ander sorg und kümmernus, mein Amelia, deren bedarffst du gar [217] nicht, du habst dann solchen andren dann mir allein geoffenbaret. Mich solt du nit gedencken also gesinnet zů sein, das ich das, so ich von dir gehört hab, meinem sůn offenbaren wölle; dann mir sicher leid were, solt semlichs im von andern gesagt werden. Nůn waist du, mein junckfraw, sunder zweifel wol, was für ein abred ewer beider halben von uns, den ältern, beschehen ist. Was wolt mich dann frewen, so ich etwas böses samens zwischen euch baiden seen solte! Vil mer, so es darzů kumpt, will ich alles gůts anrichten, damit wir alsamen durcheinander, jung und alte, frewd und kurtzweil bey und umb einander haben mügen. Darumb sorg gar nicht meinenthalben, liebe Amelia! Dann ich dir alles gůtes beweisen will, so lang ich und du in leben sind. Mein tochter solt du von disem tag an sein, mir auch als ein kindt seiner muter vertrawen solt; des hab dir mein seel zů pfand.‹

Amelia von solchen worten hertzlichen trost empfieng. Sie dancket irer schwiger des gůten trosts, so sie ir mitgetheilt. Darneben saget sie auch, das ir nichts gefelligers wer dann sie für ein můter und schwiger zů haben. Lucia, als sie lang genůg mit der junckfrawen gespracht, batt sie die, bey ir zů beleiben und das nachtmal mit ir zů essen; doch solt sie zůvor ir můter Cassandram auch verkündigen, das sie auch zů in kumen solt.

Des Amelia gar willig was, ging zů irer můter; und wiewol sie hart an sie satzt, mocht sie sie doch lang nit bereden. Dann sie sagt: ›O mein tochter, wie übel es stath einem weib, in abwesen ires mans gastung zů halten, so wenig ziert ein weib, in irs mans abwesen zů gast aus dem haus zů gon, zůvorab so ihr gemahel inn sorgen wandren thůt. Du waist, meine liebe tochter, das dein vatter yetzund auf dem wallenden meer in und uff glücks wag und rhat schwebet, allen augenblick der fortunen und sturmwinden warten můs. Darumb will mir, o liebe tochter, baß gezimmen dahaim zů bleiben und meines haus zů warten.‹

Darauff sagt Amelia: ›O můter, ich můs dir deiner wort gewunnen geben. Dann es ist ein gross laster an etlichen weiben, ich schetz auch gar leichtfertig; sobald die mann über land raysen oder an andere ort schiffen, lauffend [218] sie bald aus dem haus, ein gevatter zů der andren, richten gůt malzeiten zů, leben mit einander in saus. Und ob schon etwan eine under in ist, so nit recht frölich sein kan, sagen die andren: »Hey, was trawrt ir umb eweren man so sehr! Er ist jetzund auch, da im wol ist, bei gůten freunden, herren und gesellen. Laßt uns nůn mit einander auch gůten můt haben und gleich unsern männern leichtsinnig und gůter ding sein!« Sie aber betrachten wenig, in was gefar ire männer zů zeiten leibs und gůts halb ston müssen. Es aber, liebe můter, hat ein andre gestalt umb dich unnd dein liebe und getrewe Lucia, dieweil ir so liebe nachbeurin und von wegen ewer grossen liebe und trew wol schwestern genant mügen werden. So ist mein lieber vatter und Lasarus der jüngling, ir allerliebster sůn, yetzund, ob gott will, auff einer glückseligen und gůten schiffart bei einander. Zůdem ist der alt Lasarus auff den heutigen tag auch verritten, einem des künigs obersten etliche kleinat bringend, und ist Lucia sein in dreyen tagen nit warten. So wais ich auch an inen beiden, das sie nit liebers erfaren werden in irer widerkunfft, dann so sie hören werden, das ir beid so vilmal umbeinander gewesen sind. Es würd auch on zweifel grossen missfallen bringen, so sie das widerspiel erfaren solten. Nůn hatt doch mein liebster vatter vor langem fürkumen, das ewer keine auff die gassen gon darff, so sie zů der andren will; dann ir ein gemeine thür zůsammen haben, damit ir einander ware und freundtliche nachbaurschafft mügt beweisen. Das mich dann nit kleine und schlechte gab von got sein beduncket, wo er solche freundtliche nachbaurschafft zůsamen verfügt. Du aber, hertzliebe můter, solt nit thůn nach meinem begeren, sunder allein solt du thůn, was dir gefalt; dasselbig mir auch gefallen solle.‹

Cassandra, demnach sie ein hochverstendige fraw was, wol abnemen kund, das die früntschafft irer tochter schon anhůb gegen der Lucia zů grůnen; sie gedacht auch bey ir selb, das ir tochter an dem ort war gesagt hett. Darumb sagt sie: ›Liebe tochter, dieweil es dir dann also gefallen will, das wir gehn mit Lucien zů essen, so wöllend wir unser speys, so ich für uns hab bereiten lassen, mit uns tragen, unsere mägt [219] mit uns füren, damit sie nit hiezwischen etwan ein rumor anfangen in unserem abwesen. Dann du sichst und hörst auch von andren unsern gůten freunden, wes das gesind yetzund genaigt ist. Sobald herren und frawen aus dem haus kumen, so fahend sie gleich an zů rosen: keins will dem andren nichts zů gůt auffnemen, ein yedes wil sich der maisterschafft underziehen, schelten und rupffend einander auff. Alles das einem yeden zů wissen ist. Beyweilen treit sich zů, das sie einander ins har fallen, einander rauffen und schlagen. Ist dann sach, das sie gar zůfriden mit einander, můss herr und fraw aber iren schaden leiden. Dann sobald das gsind sich sicher vor inen weißt, tragen sie auff nach der schwere; alsdann můß Lorentz keller sein, da halten sie Gallen- unnd Martinsnacht. Darumb, liebe tochter, las dirs yetzund auch gsagt sein; wann du über nacht haußhalten wirst, thů es selb erfaren! Yetzund gang, befilhe den mägten, die kost hienumb zů tragen! So wend wir gleich gohn, damit Lucia unser nit warten dürff.‹

38. Cassandra und ihr tochter gond zu Lucien

38.
Cassandra und ihr tochter gond zů Lucien, werden gar schon und freundtlich empfangen, treiben ob dem nachtmal gar fründtlich gespräch mit einander.

Frölich und wol zůmůt was Amelia, als sie von ir můter so gůten bescheidt empfangen het. Sie versorgt eylens alles, das die můter befolhen het zů beschehen. Demnach gingend sie beyde miteinander. Lucia ward irer zůkunfft hertzlichen unnd hoch erfrewet. Bald warden die drey zůsamen sitzen an ein besunderen tisch, demnach die speis mit dancksagung genossen; das gesind zůsamen in ein sunder gemach gesetzt, damit sie drey ir gespräch mit einander haben möchten.

Als sie nůn im besten imbis waren, sagte Cassandra mit [220] lachendem mund: ›Sag mir, liebste Lucia, was ist doch die ursach, das du mich also spat zů disem nachtimbis berüffet hast? Nůn sind wir auff dissmal beidsamen witfrawen; dann du noch in dreyen tagen deins Lasarus nit warten darffst. Darumb uns beyden vil bas gezimen thet, das ein yede in irem haus belib, sorg und angst für iren gemahel trüg gleich der edlen Römerin Lucretia, damit wir nit geachtet und gleich geschätzt würden des Sextus und andren schlamgirigen weibern.‹ – ›Du sagst mir ein ding‹, sprach Lucia, ›so mir, mein liebste Cassandra, gantz rhaw und onbewißt ist. Möcht aber, wo dirs nit vertrüßlich were, gern semliche histori von gedachten weibern vernemen.‹

Daruff antwort Cassandra: ›Ich sag dir, mein liebste Lucia, dass ich dise histori nit einmal, sunder zům offternmal gelesen hab. Darzů mich dann nit wenig geursacht hat der nutz und schaden, so daraus erfolgt ist. Zům ersten gibt sie uns weibern ein sunderlich gůte underweisung und lehr, wes wir uns in abwesen unserer gemaheln halten sollen. Zům anderen strafft sie die künig und fürsten irer hoffart und tyranney; dann durch solche geschicht ist zů grundt gangen der küniglich gewalt und regiment, also das die Römer harnoch keinen künig mehr gehabt hand. Damit du aber, mein Lucia, einen rechten verstand daraus nemen magst, wil ich dir solche histori, so vil mir müglich zů behalten gewesen, zům kürtzisten erzalen. Nim war, als der hoffertig Tarquinius, welcher ist gewesen der sibend und letzt künig zů Rom, die mechtig statt Ardea genant belägert, begabe sich in solcher belägerung, das die fürnemsten jungen burger aus Rom, so bey im zů fäld lagen, ein schlam und malzeit bey einander zů halten angeschlagen hetten. Under denselbigen was auch des künigs Tarquini sůn, Sextus genant. Als sie nůn sich satt getruncken hetten, fingen sie an von einem und anderem zů reden, wie dann der truncknen leut gewonheit ist. Under andren reden aber, so sie triben, wurden sie irer weiber gedencken, und meinet ein yeder, seine wer die fürsichtigste und züchtigste. Zům letsten machten sie einen ausschutz und santen iren drey aus dem leger, die solten sich gehn Rom verfügen und aller irer weiber wesen erkundigen. Under disen [221] dreyen was einer des künigs sůn mit namen Sextus, wie oben anzeigt; der ander hies Colatinus, ein gemahel Lucretie; der drit was genant Tarquinius, ein sůn Egerii. Als sie nůn gehn Rom kumen sind, haben sie aller deren heuser, so das gewett bestanden, durchgangen, irer weiber thůn und lassen zů erkundigen. Als sie nůn kumen sind in das haus Sexti, funden sie vil der anderen weiber bey ir in grossen freuden, tantzen, singen und springen. Und in summa da ward nichts underlassen, so zů freuden dienen mocht; gedachten wenig irer männer, so vor der statt Ardea in grossen geferligkeiten lagen. Als sie aber in das haus Colatini kamen, funden sie sein weib, die keusch Lucretia, ein jung und schön weib, under iren mägten sitzen, wollen zausen und erlesen, in iren täglichen kleidern angethon als eine, so mitleiden und sorg für iren gemahel getragen. Darumb ir dann der breis billich vor anderen römischen weibern zůgemessen ward. Diss lob und ehr ward ir von allen Römern, so in der wettung gewesen waren, wol gegünnet. Aber der schandtlich verreter Sextus, welcher vormals kurtz vor diser handlung die stat Gabia, über das sie im so wol vertrawet, schentlich verraten und übergeben het, der vergunt ir der ehren, darumb das [das] lob seiner frawen nit gegeben, welche aber keines lobs wirdig was; dann sie sich nit einer erbaren frawen gemäß gehalten het. Also begab sich kurtz harnach, das der schalck Colatinum, den gemahel Lucrecie, außgespürt het, also das er sich sein gantz und gar sicher wußt. Da kam er spath gegen der nacht eintzig geritten in das haus Colatini, als wann es ihm zů spath in sein haus zů reitten were; er suchet an umb herberg. Lucretia in nit anderst achtet dann iren liebsten unnd besten fründt, empfieng in gar züchtiglich. Dann ir des schalcks bosheit gar verborgen was; sie wußte auch, das sie irem gemahel kein undienst daran thůn würd. Sie pflag sein mit essen und trincken auff das reihlichest, wie im dann wol gezimpt hette als eines künigs sůn, wann er auch ein küniglich gemüt unnd hertz gehabt. Als nůn zeit ward, das man zů beth gon solt, nam sie urlop von im, gieng in ir schlaffgemach, aller sorgen und argwons entlediget. Sextus aber, der bößwicht, hett ein magt mit grossen schencken und [222] gaben darzůbracht, das sie ihm den weg anzeiget, wie er haimlich in der frawen Lucretia schlaffkamer kumen möcht. Als sie im nůn solchs wilfaret, schlich er gantz haimlich in der Lucretie kamer. Er schlich haimlichen zů irem beth, fand sie hart schlaffen, erwecket sie und gabe sich zů erkennen und verstendigt sie kürtzlich, wes willens und gemüts er gegen ir were. Bald aber die keusch fraw semlich sein böss fürnemen verston ward, verachtet sie alle gaben und geschenck, so er ir bieten ward. Als er aber vil mit ir versůchet und nichts helffen wolt, hatt er sie lassen greiffen ein scharff schneident schwerdt, ir das leben damit zů nemen drawen ward. Sie aber gantz steiffer meinung belib, ir ehr zů bewaren, auch das schwerdt und den tod verachten war. Da aber der schalck sich vergeblich arbeiten vermercket, erdacht er einen andren schalckhafftigen bösen list und sagt: »Wolan, dieweil du dann mir ye nit zů willen werden wilt, so wiss, das ich dich mit disem meinem schwert ertötten will, deßgleichen deinen haußknecht und euch beidsamen also blůtig in ein beth zůsamenlegen und dann fürgeben, wie ich euch so schamlos bei einander funden hab. Alsdann hastu dannocht das schandtlich gerücht auff dir ligen.« Mit semlichen trawworten erschrackt er die keusch fraw, das sie im seines willens wilfaren thet. Als nůn der morgen kam, sass der schalck auff und rit wider in das leger. Lucretia gantz bekümert irer ehren halben uffstund, sich in klägliche und trawrig gewand bekleiden ward, nach irem gemahel Colatino und nach irem vatter, der hiess Lucretius, schicket. Die kamen schnel mit zwayen gůten fründen. Da funden sie Lucretiam in semlichem jamer und klagen, das sie gar bey mit ir verzagt weren. Als sie aber in die schandtlich that Sexti erzalen ward, da erkanten sie ir unschuldig hertz, begunden sie früntlich zů trösten. Sie aber sagt: »O Colatine, mein allerfrüntlichster gemahel, und du, mein hertzliebster vatter, wann ir gleichwol mein unschuld erkennen und glaubet, so binn ich dannocht nit entschuldigt bey andren Römern und Römerin, desgleichen andren völckeren. Damit sich aber niemants an mir ergere oder sich mit mir beschönen mög, will ich mir selb darumb bůss geben.« Damit zog sie ein scharpffs messer, so sie heimlich [223] under irem gewand verborgen gehabt, und stiess das in angesicht irs gemahels, vatters und gůten fründen in ir keusches hertz. Davon sie dann, als billich, übel erschracken und hertzlich bekümert warden. Also wurden sie zů rhat, trůgen iren toten leib auff den blatz für die gantzen gemein. Da ward von menigklich ein gross zůlauffen. Aber alle, so diser erbärmklichen und mörderischen geschicht ansichtig, wurden alle über den künig Tarquinium und seinen sůn Sextum in zorn bewegt. Damalen was einer under der gmein, Junius Brutus genant, denselbigen vormals alle menigklich für einen thoren gehalten. Derselbig stůnd in mitten under die gantz gemein, fůrt ein schwere und grosse klag wider Sextum, des künigs sůn, auch wider den künig. Semlichs lange weil zů erzalen neme; in summa, seiner klag und erzelung, so er wider den künig und seinen boßhafftigen sůn gethon, ward yederman zůfallen. Schlussen alle porten an der statt zů, und ward gebotten, das man den künig noch seinen anhang inn die statt nit mer lassen solte. Also zergieng das regiment der künig zů Rom allein von diser ursach und schandtlichen thadt wegen, so der bößwicht Sextus an der keuschen frawen Lucretia begangen het. Des billich alle frawen ein exempel nemen sollen und sich hüten, das sie in abwesen irer ehlichen männer nit einen yeden gast auffnemen und herbergen sollen, damit sie an ehren nit befleckt noch bemaßget werden.‹

Lucia mit fleissigen ohren den worten Cassandra zůgehört, hatt auch nit wenig erbermd mit der lang verstorbnen Lucretia. ›O‹, sagt sie, ›mein liebe Cassandra, du hast mir diss mein hertz mit erzalter hystorien hart verwundet. Doch hab ich zů allervorderst an dir verstanden, das du vermeinst, wir vergreiffen uns an dem, das wir in abwesen unser männer zůsammen gangend. Hat wol ein mainung, ja wann wir solchermassen haushielten, wie die obgemelten Römerin gethon haben, so andre gespielschafften und, als zů vermůten ist, junge gesellen zů in berüfft, so mitgetantzt und gesungen haben. So aber schon zů diser stund unsere beide mann zů haus kummen solten, würden sie dannocht sunst kein geselschafft bey uns finden, dann eben wie wir sunst täglich pflegen zamenzůgon. So habend wir auch kein sunderlichen kosten angewendet, [224] dann eben wie wir sunst ein yede mit dem gesind dahaimen zůfriden gewesen were.‹

Darauff sagt Cassandra: ›Ich hab dannocht, mein Lucia, noch nit von dir verstanden, was doch für ein ursach hab, das du mich und mein tochter zů disem nachtimbis berůfft hast.‹ – ›Du solt auch nit alle ding wissen‹, sprach Lucia, ›aber dir ist zů rhaten unverbotten.‹

›Wolan so will ich rhaten, du aber můst nit leugnen, so ichs triff. Du hast gewisslichen ein bottschaft von deinem sůn Lasaro an mein tochter Amelia zů werben gehabt, ir dieselbig geantwurt, und dieweil es eben umb den nachtimbis gewesen ist, hast du dannocht dein ehrwort müssen thůn. Da ist mein tochter willig gewesen; das hab ich gar wol an ir gemerckt. Dann sie mich in allen iren tagen so hoch umb kein ding ermanen thet.‹

Lucia mit lachendem mund die sach versprach; dann sie der junckfrawen angesicht gantz schamrot vermerckt hatt. Damit sie ir aber stewret, sagt sie: ›O Cassandra, mit deiner räterschen unnd raten wirstu wenig gewinnen. Du hast naher Brabant schiessen wöllen, und ist dein pfeil in Engeland gefaren. Damit du aber wissest, was unser geschefft gewesen sind, will ich dich des grüntlich underrichten. Wir sind [von] unsers nachbauren tochter, so newlich aus dem closter kumen ist, zů red worden, wie sich die newlich in die ehe verpflicht; dann sie noch nit profes gethon, derhalben sie des wol macht gehabt. Nů aber meinet dein tochter Amelia, wann dirs und irem vatter so anmütig wer als ir, so möcht sie wol in ein closter gon. Auff das hab ich ir ein büchlin fürgelegt, welches Erasmus von Rotterdam, ein hochgelerter man, hatt lassen außgon, und ist desselbigen tittel »Virgo misogamos«, ist sovil als ein junckfraw, so ein verdruss hatt im ehestand. Nach disem büchlin oder gespräch volget ein anders »Virgo, poenitens«, in welchem das closterleben uff das gründtlichest anzeigt wirt. Sobald sie dasselb gelesen, hatt sie dem closterleben gantz abgesagt. Als sie aber wider von mir hatt schaiden wöllen, bat ich sie, dich zů berůffen und diss schlecht nachtmälin mit mir zů essen, dieweil ich waiss, das du, mein [225] liebe Cassandra, nit uff grosse schleck noch kostliche speis achtest, sunder dich an hausmanskost gern lassest benügen.‹

Daruff sagt Cassandra: ›Lucia, wie du sagst, also ist im entlichen. Du solt mir auch glauben, das ich nimmer bas tractiert würd, dann wann unsere männer anhaimisch sind und wir also unser geköcht und häfelin zůsamentragen. Dann ich von jungem auff darzů gewähnt binn worden, als ich noch an meines vatters tisch gessen hab, das ich mich an der ersten und andren tracht hab sättigen lassen, auff pasteten und ander ding nie fast achtung gehabt. Das ist auch die recht meinung, wann gůte nachbaurschafft zůsamen gehn wöllen, das keiner den andren zů kosten bring.‹

Diser und dergleichen gespräch hetten beide weiber mit einander, biss das sie yetz zeit beduncket zů schaiden. Da nam Cassandra und Amelia urlop von Lucien, giengen zů haus und legten sich zů beth nider, schlieffen die nacht mit rhůen.

39. Wie es Lasaro und Reicharten auff dem meer ergangen ist

39.
Wie es Lasaro und Reicharten auff dem meer ergangen ist, auch wie sie gehn Antdorff ankumen sind.

Jetzund wöllend wir ein zeitlang Cassandra und Lucia lassen ir zeit bey einander vertreiben unnd wöllend sagen, wie es Reicharten und Lasaro dem jungen gangen. Der gůt jung Lasarus was in grossem unmůt; so was ihm auch ungewon auff dem wütenden meer zů faren, das war auch sein erste ausfart. Ihm ward auch die müterlich kuchen nit nachvolgen. Dise und andere mehr zůfallende ursachen machten den gůten jungen dermassen so kranck und schwach, das Reichart seinethalben in grossen sorgen stůnd.

Es war von ungeschicht ein hochgelerter alter man, ein doctor, uff dem schiff. Zů dem thet sich Reichart und thet in uffs fründtlichst bitten, wo im müglich wer, das er den knaben zů krefften unnd gesundtheit bringen möchte, solt er kein müh an im sparen; im solt seiner müh und arbeit ehrlich [226] und wol gelonet werden. Der doctor was ein geborner Engellender, wonet aber zů Antdorff und was allein darumb zů Lisabona gewesen, das er materialia einkaufft het; dann er ein eygne apoteck zů Antdorff hielte. Er was von natur ein früntlicher und gütiger man, den leuten geneigt zů dienen. Bald füget er sich zů dem jüngling, begriff im seinen puls und besahe im seinen harn; da befand er, das im gar nichts von sorglicher kranckheit gebrechen thet, dann das er sein hertz mit zů vil melancoley und unmůt beschwären thet. Diss zeigt der gemelt doctor Reicharten an, sagt im dabey, wo der jüngling nit von solchem unmůt abliess, were zů besorgen, das ein schwerers daraus volgen würd und dörfft semlichs zůfals umb sein leben kumen.

Als Reichart diser ding bericht empfieng, fügt er sich zů Lasaro, strafft in mit gůten früntlichen worten, bath in sein unmůt hinzůlegen, dann im wer fürnemlich zů bedencken, was kummers und unrhů er seinen älteren zůfügen und stifften würd, wo er also an der fremde und sunderlich uff dem meer sterben solt, dieweil er ein einiger sůn seiner ältern were. Er solt im solchen unmůt nemen; wann er über ein [jar] in Brabant nit bleiben möcht, wolt er in wider mit im in Portugal füren. Durch dise früntliche wort und zůsprechen ist Lasarus gleich als vom todt erquickt worden, hat wider angefangen essen und mit andren jungen, so auff dem schiff waren, leichtsinnig zů sein.

In kurtzen tagen aber sind sie zů Antdorff ankumen. Da hat man zůvor und ehe alle stück büchsen, so auff dem schiff gewesen sind, abgeschossen und vil zeichen der frölichen ankunfft sehen lassen. Nit min der sind sie auch von den Brabendern empfangen worden mit grossem jubilieren und frolocken. Als sie aber nůn ab dem schiff gangen sind und in die statt Antdorff kumen, Lasarus yetz die grossen und zierlichen schönen gebew ansichtig worden ist, deren er in Portugal keinen gesehen, hat er im die statt über die mas wol gefallen lassen. Des dann Richardus sunderlich wahrgenumen hat, gedacht in im selb, jetzund würt der sachen wol rhat zů finden sein.

Richart hat gůte kuntschafft zů Antdorff gewißt, ist in [227] die best herberg gangen, den wirt umb die herberg angesprochen. Der aber hat in vor langem erkant und derhalben früntlich empfangen. Als es nůn umb den nachtimbis worden, sind sehr vil kaufleut von der bursch kumen, so dann alsampt herberg bey gemeltem wirt gehabt. Under disen was ein junger Portugaleser, dem Lasaro sehr wol bekant. Sobald er den Lasarum ersehen, hat es in größlich erfrewet; dann sie zů Lisabona schůlgesellen mit einander gewesen waren. Sie sprachen einander früntlich an; der jung hies mit namen Ferdinandus und was eines sehr waidlichen geschlechts zů Lisabona. Es hett in sein vatter gehn Antdorff gethon, das er im factorieren solt, welchs dann Ferdinandus gar dapffer und wol ausrichtet. Also sassen sie zůsamen über tisch, wurden herlichen und wol tractiert. Lasarus yetz wider erquickt war; dieweil er einen gesellen gefunden het, lies er im die sach nit mehr so schwer anligen als vormals.

Als nůn der nachtimbis mit grossen freuden geendet was, begert yederman an sein rhů, insunderheit diejenigen, so ab dem schiff kumen waren; die ward nach gůtem gemach belangen, dieweil sie nit vil rhů auff dem schiff gehabt hetten. Sie vertriben die nacht mit süssem schlaff. Das macht, das sie lang auff dem meer gefaren und wenig rhů gehabt hetten.

40. Morgens an einem sonnentag Ferdinandus und Lasarus

40.
Morgens an einem sonnentag Ferdinandus und Lasarus miteinander spatzieren giengen; Ferdinandus den Lasarum trewlichen warnet vor zweyen jungen Portugalesern, der ein Lorentz, der ander Veit genant.

Als nůn die finster nacht vergangen, der göttin Palladi oder Minerve nachtfogel sich verschloffen und verborgen het, dargegen die süssingend fraw nachtigal den liechtscheinenden tag mit süssem gesang verkünden ward, sind die zwen gůten jungen schlemmer, so einander lang nit gesehen hetten, auffgestanden, sich schnel anthon, mit einander spatzieren gangen. Ferdinandus aber zůvor von Richarten underrichtet worden[228] was, in welcher mass er mit Lasaro sein red und gespräch füren solt, damit er in lustig machet, in Brabant zů bleiben. Ferdinandus, der yetz lang zeit zů Antdorff gewondt, aller lustigen ort der statt kündig was, nam Lasarum zů sich, fůrt den allenthalben in der stat umbher in alle kirchen, auff das wasser, deßgleichen an die schiessrain und zunfftheuser, und wo er etwas lustiges wußt, da můst er mit im hingon. Davon Lasarus ein lust und begird gewan, ein zeitlang an dem ort zů wonen.

Als nůn Ferdinandus seinen willen verstůnd, hatt er warnungsweiss auff volgende meinung mit im angefangen zů reden: ›Mein liebster Lasare, dieweil dein hertzliebster vatter, der dich sunder allen zweifel ob allem weltlichen schatz liebet, har inn Brabant geschicket, fremde sprachen und sitten zů lernen, hatt er dich ungezweifelt mit worten underrichtet, wes du dich gegen menigklich zů halten habest, damit du von yederman lieb und wert gehalten werdest. Nůn kan ich aber dannocht nit lassen dich vor geferlichem schaden zů verwaren, darein du von ungefell fallen möchtest. Du solt wissen, das noch andre Portugaleser aus Lisabona in diser stat Antorff sind und derselbigen nit wenig, aber fürnemlich zwen verlotterter böser bůben, einer Lorentz genant, der ander Veit. Dieselbigen zwen lecker auff alle bůbenstuck gar scharpff abgericht sind. Wann sie erfaren, das ein junger aus Lisabona har gon Antdorff kumpt, besunder wo sie wissen, das einer gelt underhanden hat, gesellen sie sich gleich zů im, (dann also ist mir mit ihn begegnet) gend im gůte wort, streichen im den falben hengst auffs früntlichest, bis sie einem hinder, sein gelt kumen und er das sein mit in ohn worden ist. Alsdann thůnd sie, als wer er nie mit in in kuntschafft kumen. Das wöllest dir ein gůte warnung lassen sein, dich ir beider, so vil dir yemer müglich sein mag, entschlagen. Du wirst yetzund an ein weidlichen dienst kumen, in welchem vil zů versehen ist, silber, gold und edelgestein täglich um die weg ligt. So werden sie erstlich, wann sie deine herberg erfaren hand, dich täglichen überlauffen wöllen, heimsůchen und ansprechen. Daran aber, weis ich, deine herren und frawen klein gefallens haben werden. Dann ich sag dir, das dise [229] zwen jungen fast übel beschrait sind in gantzer statt Antdorff. Darzů ir yeder auff dissmal schon den dritten herren hat, welches einem jungen allhie gar nachteilig ist, wo einer in einem jar mehr dann einem herrn dienet. Solten sie dann also geselschafft zů dir sůchen und in gewonheit kumen in deines herren haus zů gon, möcht etwas kleins oder grosses von inen entwert werden. Was würd dir semlichs für nachtail bringen? Ja mer, dann du ymmer erachten und gedencken magst. Und ob gleichwol dein herr keinen argwon uff dich gedencken, wirt er dannocht allzeit in sorgen ston, du möchtest durch solche böse bůben verfürt werden, wirt derhalben dester mehr uffsehens gegen dir haben. Das wirt dich dann schmertzlich bekümmern, wo anderst du, als ich mein, ein erbar uffrecht gemüt und hertz in dir hast. Du woltest dann deinen lieben älteren ein semlichs gern für ire ohren kumen lassen, so wirst du disen meinen worten nit wenig nachgedenckens haben und darbei, wo du fein seuberlich hinach fragen wirst, dise ding selb erfaren und innen werden.‹

Auff dise wort saget Lasarus: ›O Ferdinande, wie kan ich dir diser deiner getrewen warnung gnůgsam vergelten! Ich můs dir bekennen, das mir mein vatter, vor und ehe dann ich von im geschaiden bin, einen vätterlichen underricht geben hat, mir aber nit also mit fingern daruff gedeutet, damit ich aigentlich die personen, vor denen ich mich zů hüten hab, erkennen mag. Ich sag dir bey meinem gůten glauben, wann sichs begeben het, das mich diser bůben einer für ein lantzman angesprochen, het ich im mein geselschafft nit abgeschlagen; dann mir ir hantierung verborgen gewesen ist.‹

Daruff antwurt Ferdinandus: ›Du solt dich darumb nit, o Lasare, aller gůten gesellen und landsleut entschlagen, dieweil unser noch gar vil sind, die sollich böß geschrey nit haben, uns auch keins wegs darnach halten. Zů denselbigen solt du dich gesellen, so wirst du gewiss nichts unrechts noch übels thůn. Du solt on mangel sein ehrlicher und gůter geselschafft, so wirst du auch auff ein tag mehr kurtzweil und fröligkeit sehen, dann zů Lisabona in einem monat.‹

Diser und derengleichen reden habend die zwen jüngling [230] vil miteinander getriben und also nicht destweniger spatzieren gangen, die statt, so vil in müglich gewesen, beschawet.

41. Reichardus ladet den herren zu gast

41.
Reichardus ladet den herren zů gast, zů welchem er den jüngling verdingen wolt, gibt ihm auch alle schwebende sach zwischen dem jüngling und seiner tochter zů verston.

Innerthalb diser zeit, als die beiden jüngling spatzieren gangen waren, hat sich Reichart zů Francisco, dem reichen goldschmidt, verfüget, in freundtlich angesprochen; bald habend sie die alt kundtschafft ernewert. Reichart hatt in fleissig gebetten, uff den imbis sein gast in der herberg zů sein. Des ihm Franciscus gern zů willen worden ist, yedoch mit dem geding das er auff den abend bey im zů gast in seinem haus sein wolt; er solt auch mit im bringen, wer im lieb were. Also wurden sie entlich der sachen zůfriden, giengend mit einander zůr herberg.

Underwegen aber fieng Reichardus an mit Francisco zů sprachen von wegen des jünglings und sagt: ›Francisce, mein lieber vertrawter fründ, die langwirig und gůt geselschafft, so wir lang zůsamen gehabt und noch haben wöllen, ist nit von nöten fast zů melden; dann wir zů baiden theilen deren gnůgsam erfaren sind. Nun hab ich uff das güt verdrawen, so ich zů euch hab, einen schönen unnd wolerzognen jüngling mit mir herbracht, so zům theil etwas uff der goldarbeit erfaren ist, zůdem ein gantz gehorsamer jüngling, wie du dann selb an im erfaren solt. Sein vatter ist mir nit anderst, dann wer er mein brůder; so stond unser heuser zů rhür an einander, also das wir aus unsern heusern thüren zůsammen gebrochen haben, damit wir alle stund bei einander sein mögend. Es habend auch unsere weiber nit minder liebe zůsamen dann wir; wo eine kranck würt, so hat die ander gar wenig rhů, [231] sie sei dann stetigs bey ir. Demselbigen jüngling hab ich mein liebste unnd einige tochter versprochen zů rechter ehe. Damit er aber in der hispanischen und italianischen sprach erfaren werd, hat seinem vatter und mir gefallen, ihn in Brabant ein zeitlang zů erhalten. Dieweil wir aber den jüngling gern nach dem basten versehen wolten, habe ich im kein besseren herren in Antdorff wissen zů bekumen dann eben dich, meinen lieben und gůten fründ. Darumb ist mein dienstlich bitt und begeren, wöllest mich alter gůter freundtschafft geniessen lassen und mich diser meiner bitt geweren. Forder für den kosten, was du nůr wilt, allein das ich den jüngling waiss versorgt sein!‹

Daruff antwurt Franciscus: ›O Reicharde, mein alter gůter brůder und freundt, die schiffart, so du har gethon, wol erspart hettest; so du dem jüngling nůr ein kleine geschrifft an mich geben, wolt ich dir gleich sowol inn solchem fal zů willen worden sein, den jüngling als meinen eygenen sůn auffgenumen haben. Fürwar mich belanget den jüngling zů sehen.‹ Reichardus spricht: ›Jetzund gond wir inn die herberg, da werden wir in gewisslich finden.‹

Also sind sie in die herberg gangen, da hand sie Lasarum und Ferdinandum funden in früntlichem gesprech bey einander sitzen, von alter kundtschafft, so sie in ihr jugent, als sie noch kinder gewesen, mit einander gehabt, reden. Alsbald aber sie die beiden herren kumen sahen, sind sie auffgestanden, ire paret abgezogen und sie mit züchtiger reverentz empfangen. Reichardus sagt: ›Lasare, mein lieber sůn und fründ, hie magstu sehen den herren, zů welchem ich dich ein zeitlang verschaffet hat, so es dir anderst wolgelegen sein will in Brabant zů bleiben. Wo aber dein gefallen wer wider inn Portugal zů schiffen, wöllend wir aber weg finden, wie der sach zů thůn seye.‹

Lasarus, wiewol er lieber gewölt hett in Portugal zů faren, zog ihn doch die scham so fast hinder sich, das er sagt: ›Ach mein herr und vatter, was würden meine ältern sagen, wann ich so unverschampt wider haim kumen solt, dieweil ich mich euch allen gar bewilliget hab nach ewerem gefallen zů leben! Was für ein spötlich geschrey würd über mich gehn in gantzer statt Lisabona, wann ich also gesunds [232] leibs on alle erlitne nodt wider zů haus kem! Das sol ferr von mir sein. Viel ehe wolt ich ein jar lenger hie bleiben, dann mir das ziel erstreckt ist. Ich hoff einen gůten herren zů haben, bey welchem ich etwas erkunden und erfaren mag. Sodann will ich im auch erlichen und trewen dienst beweisen; darzů sol mir got, mein schöpffer, hilflich sein.‹ Also geantwurt liess Lasarus sein red bleiben.

Was grossen wolgefallens Richart ab der antwurt des jünglings empfieng, nit gnůgsam beschriben werden mag. Franciscus, der reich goldschmidt, nam auch die antwurt des jünglings mit freuden an unnd gedacht: ›Diser jüngling hat nit ein geringen verstandt inn ihm.‹

In dem waren jetzund die taflen berait, und sasse yederman und mit grosser stille und andacht dem allmechtigen gott lob und danck gesagt unnd mit zucht die speis und dranck genossen. Ob dem essen wurden mancherhand reden getriben von kauffmanschafft und ander gattung, davon nit von nöten zů schreiben ist. Nachdem nůn der imbis vollendet ward, sind sie mit freuden auffgestanden, ein yeder seinen geschefften nachgegangen. Franciscus, der reich goldschmidt, als ein weltweiser mann hett ob dem imbis gar eben wargenumen, das Lasarus mit dem Ferdinando schon in kundtschafft kummen gewesen, hatt sich des gantz hertzlichen erfrewet, dieweil er wol abnemen und verston kundt, das Ferdinand ein gar hohen verstand hette; zůdem was er auch von den andren kaufleuten seines thůns bericht worden, darumb er dann fast wol sehen mocht, das Lasarus sich zů ihm gesellet.

42. Wie Reichardus mit dem Francisco zu haus gangen

42.
Wie Reichardus mit dem Francisco zů haus gangen, im den Lasarum uffs fleissigest bevelhen thůt.

Als nůn menigklich seinem geschefft nachgangen, Ferdinandus nach gewonheit der factoren auch auff bursch gezogen ist, auff das er seinem herren nichts versaumet. [233] Franciscus den Reichardum sampt dem jüngling mit im haim zů haus füret; da wurden sie von newen dingen von des goldschmidts weib fründtlichen empfangen.

Reichardus, als er nůn vermercket, das Lasarus ein gůten willen het zů bleiben, auch nicht wissen mocht, wann im ein schiff, so in Portugal schiffen würd, an die hand stiess, hatt er im fürgenumen, ein entlichen abscheidt mit Lasaro und Francisco zů machen. Derhalben fieng er an uff nachgonde meinung zů reden: ›Lasare, mein lieber eyden, (dann also solt du yetzund von mir genant und gehalten sein, so lang mir und dir got das leben gunnen thůt) du waist, was mein und deines vatters begeren zů Lisabona an dich gewesen ist, namlich das du ein zeitlang alhie zů Antdorff dich erhalten solt etlicher sprach halben, als namlich frantzösisch und spanisch zů lernen. Damit aber du inn solcher zeit deines handtwercks nit in vergess kummest, hatt uns für gůt angesehen, dich zů einem herren zů verdingen, bey welchem du im brauch und practick bleiben magst. Denselbigen habend wir nach allem unserem wunsch unnd willen überkumen; binn auch sunder zweifel, du werdest dich früntlich, wol und ehrlich bey im erhalten werden, so du anderst, als mir nit zweiflet, seines willens und gůten rhat volgest. Darumb, mein Lasare, so sichs heut oder morgens zůtrüg, das ich von land schiffen würd, wöllest du diser meiner red, so ich yetzund und vormals mit dir geredt hab, ingedenck sein, darneben deines liebsten vatters lehr nit vergessen. So magstu, wo dir gott dein leben erstrecken wirt, noch zů grossen ehren und reichtum kumen‹.

Auff dise wort antwurt Lasarus gar sanfftmütigklich und sagt: ›Mein hertzlieber vatter, deren red, so ir und mein liebster vatter mit mir gethon, würd ich in ewigkeit, solang sich dann mein leben erstrecken wirt, nimermer vergessen noch dieselbigen aus meinem hertzen kumen lassen, in welchs ichs mit allem fleis verzaichnet hab. Zům andren will ich mich in aller lernung dermassen fleissen und üben, es sey gleich auff dem handtwerck oder in übung der sprachen, das mir in jarsfrist gar nichts manglen sol, damit ich in kurtzer zeit wider gehn Lisabona schiffen mag. Der bösen geselschafft [234] halben bedörffend ir gar keinen mangel noch sorg umb mich haben; ich wil mich deren wol entschlagen künden. Zůdem hoff ich mich gegen herren und frawen, deßgleich gegen dem gesind so früntlich zů halten, das sie mir alles gůten verjehen sollen.‹ Also empfalh Lasarus dem Reichardo, seinem vatter und můter anzůzeigen, wes willens und meinung er were, bath im auch die uffs früntlichest zů grüssen und innsunderheit sein liebste junckfraw Amelia.

Reichardus sagt im zů, die sach also auszůrichten, wie er im befolhen, in darbey ernstlich bittende, seinem fürnemen nachzůfaren, damit er bald wider in Portugal kummen möcht. Demnach befalhe er in Francisco, dem goldschmidt, auffs trewlichest, im das früntlichst und best zů thůn und im gar niendert an mangel zů lassen, so ihm an kleidung, gelt oder ander notdurfft abgienge, widerumb damit zů versehen.

Wie er nůn also mit dem Francisco red, so kumpt Lasarus, zeigt an, wie ein schiff vorhanden sey, so den mornigen tag in Portugal faren wölt. Des dann Reicha dus wol zů můt was, fügt sich eilends an das port, kam zů dem patronen, verdinget sich auff das schiff sampt anderer wahr, so er zů Antdorff kaufft hett. Demnach sind sie wider in Franciscus haus gangen.

Da was ein gůt mal bereit, und hett Franciscus auch andre seine gůten fründ geladen, desgleichen auch den Ferdinandum. Sind also fründtlich zamen gesessen, den nachtimbis mit freuden und kurtzweiligem gespräch volbracht, demnach vom tisch auffgestanden, in einen lustigen garten spatzieren gangen, darin ein schön summerhaus gewesen ist. Franciscus weib einen kostlichen schlaffdrunck zůrüstet, vil und mancherley confect und latwergen dar stalt. Also an dem gůten und külen lufft bei einander sitzen bliben, biss yetzund der himmel von den glantzenden sternen zwitzert. Der mon auch mit hellem schein die gantz erd durchleuchtet, und der nachthawer die nacht mit seiner ungehewren stimm verkünden ward.

Es hette auch schon des schlaffs gott die seltzamen und vermischten trewm ausgesant, einen yeden an sein sunder end verordnet. Diser gott des schlaffs ligt in Cimmeria in einem [235] nüblingen und finsteren hol, darin kein tag sunn noch mon nimmer scheinet. Da hört man die nachtgal nit den tag verkünden; des hanen flattern mit seinen flüglen wirt auch nit gehört, sein kreyen und laut verkündung des tags ist nie da erhört worden; keines hundes bellen, des stiers brülen erschal nie in disem hol; für und für ist gantz stille zeit darin, damit der gott seinen schlaaff mit rhůen haben mag.

Als sich nůn die trewm under die ehrlich geselschafft gemischet, fieng sie an der schlaaff hefftig in iren augen zů schmirtzen, also das sie allgemeinlich der rhů begeren warden. Also ein yeder, nach dem billich was, zů beth gewisen; bald umbgabe sie ein sanffter schlaff. Vertriben also die nacht in stiller rhů und mit süssem schlaff.

43. Wie Morpheus, der fürnemst under den trewmen

43.
Wie Morpheus, der fürnemst under den trewmen, dem jüngling inn der nacht fürkumpt in aller gestalt und form, als wann es Amelia, die junckfraw gewesen were.

Es ist einer under vil hundert tausent trewmen, so umb den gott des schlaffs wonen, der allerlistigest, genant Morpheus, welcher sich inn eines yeden menschen bild verwandlen kan so gantz gleich und änlich, das kein underscheid nit mag gemerckt werden. Und obgleich ein mensch vor vil jaren mit tod abgangen, so kan doch diser Morpheus sein gestalt, so er bey seinem leben gehabt, wider erzeigen, als wann der noch in leib und leben wer. Diser Morpheus nam an sich die gestalt der trawrigen Amelien, und als Lasarus der jüngling entschlaffen was, kam er im also in trawriger gestalt für, gebar gantz kläglichen und sagt: ›O Lasare, wie hastu mein so gar vergessen, wie bald hastu mich von hertzen geschlagen! Du hast mich in grossem trawren bey meinem vatter und můter verlassen; du aber bedenckst ein solches gar wenig. Dir manglet an keiner kurtzweil noch freuden; dargegen aber [236] bin ich mit grossem laid umbfangen. Yetzund wunderet mich gar nicht mehr, das du also von mir hinweggeschaiden bist sunder alles urlop. Wolan, ich můs dirs nachgeben. Biss frölich! Ich far dahin.‹ Diss geredt, hat sich Morpheus gleich von dannen gemacht und seine flügel an seine füs gebunden, wider in Cimmeria geflogen, da er den schlaff mit vil der umbstenden trewm funden hat.

Lasarus von disem gesicht und trawm erwachet, umb sich greifen ward, vermeinend sein Amelia noch zůgegen sein. Als er sich aber befand durch einen trawm betrogen sein, warde er sein ungefell hefftig klagen und sagt: ›O du unseliger und betrüglicher Morphee, durch was hab ich doch umb dich verschuldet, das du mir ein solch falsch und unwarhafftig gesicht in meinem schlaaff fürbringest! Ich sorge, du betrüglicher Morphee, du werdest dich gleicher gestalt bey meiner liebsten junckfrawen Amelia geübt haben, damit du sie auch gleich wie mich in angstbarkeit und trawren setzest, mich auch also verdächtlich gegen ir machest, als ob ich ir schon vergessen hätte. O du mein liebste junckfraw, möcht es müglich sein, das du aus dem künigreich Portugal in Brabant sehen, mir auch in mein hertz hinein schawen, sicher würdest du mir keines argen nimermehr vertrawen und mich ye mehr als einen waren, rechten und getrewen liebhaber erkennen.‹ Mit disen und derengleichen worten Lasarus die übrig zeit der nacht on allen schlaff zů end bracht, biss des morgens der pfaw mit seinem haiseren geschrey den tag verkünden ward.

Reichhardus von seiner rhů uffstůnd, damit er sich des schiffs nit versaumet. Lasarus auch aus seiner schlaffkamer kam; wunschten einander einen säligen morgen. Reichhardus der trawrigen gestalt des jünglings bald warnam, mocht aber die ursach gar nit wissen, dieweil Lasarus des abents so gůter ding gewesen was. Reichardus fieng an den jüngling auffs früntlichst zů fragen, was doch die ursach seines trawrens wer. Der jüngling im aber des kein wort endecken wolt; damit er aber auff sein frag antwurten möcht, sagt er: ›O mein allerliebster vatter, ir solt meines trawrens nit wunder haben, dieweil ir heut von mir scheiden und uff das wütend meer euch begeben werdt, ich aber nit würd wissen mügen, wie es [237] umb euch ein gestalt hab, welches allein meines trawrens die scheinbarst und gröst ursach ist.‹

Von diser red ward Richart gantz gesettiget, vermeinet auch nit anderst, dann Lasarus nem im semlichen unmůt von wegen seines abscheidts, tröst in darauff, so best er mocht. Sind demnach mit einander an das port zů dem schiff gangen und ein entlichen beschaid bey dem schiffmann geholt, auff welche stund er von land säglen wolt. Also ward im die stund auff mittentag bestimmet, so würd alle alle wahr sampt den kaufleuten fertig sein und das schiff von land stossen.

Bald Reichardus das vernumen, hat er ein gůt mal in seiner herberg bereiten lassen, den Franciscum, sein weib und gesellen sampt dem Ferdinando darzů berůffen und sich also früntlich mit inen abgeletzet, das mal mit fründtlichem gespräch bis zům end vertriben, biss die zeit kumen, das man sich zů schiff schicken solt. Da hat Reichardus urlaub von seinem wirdt genumen, in tugentlich abbezalet, sich fründtlich mit dem haußgesind geletzet und demnach zů dem schiff gangen. Sie allsamen habend in fründtlich belaitet biss zů dem schiff. Und als sie einander auffs früntlichst genadet haben, ist Reichart zů schiff gangen. Bald hat der patron des schiffs die sägel auffgespant und mit gůtem glücklichem wind von land gefaren, in kurtzen tagen das künigreich Portugal erraichet. Da ist ein gross jubilieren und frolocken gewesen von denjenigen, so kostliche wahren auff dem schiff gehabt, auch von denen, so ire fründ wider zů land kumen sind, wie dann solches wol zů vermůten ist.

44. Wie sich Lasarus so underdienstbar bey seinem herren gehalten

44.
Wie sich Lasarus so underdienstbar bey seinem herren gehalten unnd wie freündtlich er sich gegen dem gesind gehalten hab.

Lasarus, von art nnd natur ein verstandener jüngling, übernam sich seiner kunst noch reichtum gar nichts. Er was gegen menigklich fründtlich, grůsbar und gantz gütiger milter wort; under dem gesind richtet er keinen zanck an, [238] sonder befliss sich yeder zeit friden zů machen. Er was nit geneigt, wie man yetz der jungen vil findt, die nůr gern har uff har machend, und wo sie etwas von den gesellen hören, tragen sie das den meistern zů ohren. So dann ein meister oder herr etwann auch sein pfenwert darzů sagt, mags den gesellen nit verschwigen bleiben; daraus dann nichts dann grosser hader und zanck erwachset; würt offt aus einem kleinen fewrlin ein grosse brunst. Dise ding zieren einen jungen gar übel, wiewol darneben ein yeder junger oder gesell von rechts wegen schuldig ist, wann er seines herren oder meisters schaden sicht, denselbigen zů wenden, so weit im müglich ist. Desselbigen dann Lasarus gantz wol geneigt was. Er übernam sich auch seiner kunst und arbeit gar nichts gegen den gesellen; wann schon etwann ein alter gesell minder arbeiten kunt dann er, so was dannocht sein ehrerbietung gegen demselbigen von wegen seines alters nicht dest weniger.

An einem yeden feyrtag zů morgen was er alwegen der erst auff, seubert und butzet seinem herren die schůch, demnach auch den gesellen, so im an älte vorzugen. Darnach schicket er sich zů der kirchen, batt gott den almechtigen umb seine milte gnad und güte, das er ihm den heiligen geist mittheylen wolt, damit er sein handwerck und die sprachen, welcher er sich understanden hett, gnůgsamlichen ergreiffen und lernen möcht. Alsbald er sein gebett follendet, fügte er sich wider in seins herren haus, sich mit andren goltschmidtgesellen, so sein herr hett, auff künstlichen stucken fleissig übet deren auch keiner nichts vor im verbergen noch heimlich halten was. Das bracht er alles mit seiner underdienstbarkeit zůwegen. Auff die wercktag befliss er sich sonderlich, das er des morgens frü zur schůlen ging, so er zůvor gott umb seine milte gnad gebetten het, das er im seinen heyligen geist mittheylen wolt.

Sein emsigkeit und grosser fleiss brachten in in gar kurtzer zeit dahin, das er allen andren jünglingen seines alters weit an dem fleiss und an der lehr vorgienge. Derhalben er dann von etlichen tollköpffen gehaßt, aber von denjenigen, so auch fleissig und verstanden waren, in allen ehren gehalten; wie dann semlichs bey aller welt in gemeinem brauch ist, das [239] die eselsköpff keinen künster umb sich leiden mügen, sie müssen fantasten, schwindelköpff, wintmüller und derengleichen seltzame namen haben, so doch dieselbige schmerschneider nit einer moren zwagen künden. Ob sie schon zů zeiten viel gůt haben, so ist es gewisslich von iren älteren erkündiget und erspart, oder aber müssend sich mit des armen Judas hanttierung behelffen, die armen leut schinden und schaben, das marck aus den beinen schmeltzen. Sunst, wo sie sich mit ir handarbeit neren solten, müsten sie bettlen gon. Kumpt auch wol zů zeiten darzů, das sie aus dem gewalt gottes durch fewrsnodt oder kriegsleuff umb hab und gůt kumen; alsdann thet erst wol, wann sie etwan ein künstlich handwerck gelernt hetten, damit möchten sie die leibsnarung wol bekumen.

Eins můs ich hier zůsetzen, wie etwan die künstlichen hantwercker ein uffenthalt unnd fristung irs lebens durch ir kunst bekummen haben. Ich hab selb von einem waidlichen und fürnemen edelman gehört, welcher durch die Türcken mit vilen andren Christen gefangen worden. Hatt sich von ungeschicht begeben, das im ein schreibtäfelin zůgestanden, in welchem manches edelmans wappen verzeichnet gewesen. Als man nůn angefangen die Christen zů blündern, auszůziehen und zů seblen, haben die Türcken obgemelte schreibtafel bey im funden und nit anderst vermeint, dann er sey seiner handt ein maler, habend in von stund an nebent sich gefürt und einem grossen herren überantwurt. Die andren Christen alle haben müssen har lassen und also erbärmklich umb ir leben kumen. Dise schreibtafel ist disem edelman bass kumen, dann het er einen sack mit talern bey im gehabt.

45. Wie Lasarus bey seinem herren verdacht ward

45.
Wie Lasarus bey seinem herren verdacht ward und aber sein unschuld durch Ferdinandum an tag kam.

Ir habend oben gehört, wie Ferdinandus, auch ein portugalesischer jüngling, den Lasarum in allen trewen warnet vor den beiden beiden yßvöglen, als namlich dem Lorentzen und Veiten, also das er sich ir beider, so weit im müglich [240] wer, entschlagen solt. Des im dann Lasarus auch gern het gefolgt, kam solcher gůten getrewen warnung lang zeit nach. Es haben sich aber gedachte zwen lottersbůben an sein abscheuhen gar nit keren wöllen, sunder im als ye mehr nachgeeylet, wie sie in in ir geselschafft bringen möchten, dieweil sie wol bedaucht, das in seins herren haus gůt mausen und vogel außnemen wer. Sie kamen auch offtermal unverschampt in seines herrn haus, nach im zů fragen. Sein herr, der umb ire bůbenstuck kein wissen trůg, mocht sie fast wol leiden. Wann sich dann Lasarus so unfrüntlich gegen in stalt, ward es den gůten herren verdriessen, strafft den Lasarum mit fründtlichen worten und sagt: ›Mein Lasare, wie magstu doch in deinem hertzen haben, dise zwen deine landtsleut also unfründtlich anzůsprechen? Ich vermeint, es solt dir ein sundre freud sein, wann sie dich haimsůchten und deiner geselschafft begerten. Zůdem beger ich dir auch nit abzůstricken, das du gůte ehrliche jungen mit dir zů haus bringest, freud und kurtzweil mit in habest.‹

Lasarus hett seinen herren wol verstanden, kundt an seinen worten wol abnemmen, das er diser bůben begangenschafft nit wußt. So wolt er ihn auch kein böss geschray machen gegen seinem herren, dieweil er von ir keinem nichts args wußt dann eben das, so er von Ferdinando gehört het; darumb liess er die sach recht also hingon. Wann nach derselbigen zeit oder tag deren jauffkinder eins kam, was er leichtsinnig mit inen, yedoch bedacht er zů aller zeit und stund die wort Ferdinandi, sahe in dester fleissiger auff die händ.

Sein fleissigs unnd emsiges auffsehen mocht aber dannocht nit die schalckheit beider schälck hinderstellig machen; dann sie der bůben- und schelmenstuck durchtriben und gantz abgericht waren. Sie sahen und spürten das fleissig auffsehen des Lasari; darumb machtend sie in kuntschafft mit den andren gesellen, so in der werckstat waren. Wann dann zů zeiten Lasarus inn der schůlen war, wußten sie sich gar fein zů schicken, brachten des morgens geschleck, etwan grünen ingwer, ein andren morgen ein käntlin malfasier. Disen schleck begunten die gůten gsellen zů gewonen, namen auch die zů grossem danck an. Wann dise zwen setzling kamen, [241] liessend sie die nit mehr ausserthalb am laden ston, sie můsten hinein. Inen ward auch von den gesellen zůgelassen, alle arbeit, so uff dem werckbret lag, nach irem willen zů besichtigen.

Auff einmal begab sich in abwesen Lasari, das ein reicher zollerier ein kostlichen stein bracht; der was in einem guldinen kleinat versetzt, nit sehr gros, aber hoch gewirdiget. Das kleinat gab er in den laden sampt andren ringen; under welchen stainen die folien verdorben, begert er im andre darunder zů legen. Dise ding alle bliben auff dem werckbret ligen. Darnach bald kam Lorentz, der gůten knaben einer, besahe die ding. Und als im blatz werden mocht, vergaucklet er das kleinat, davon oben gesagt, das sein der gesellen keiner wahrgenumen. Zůdem mißtrawten im die gesellen gar nicht; so war Lasarus derzeit mit seinen fleissigen und gewarnten augen nit zůgegen.

Diss stund also an bis auff den abent. Lasarus nach seiner gewonheit das gold gearbeit und ungearbeit ynraumet, die fremden ring und kleinat in einem sunderen lädlin fand, denen nachfragt, von wannenhar die kemen. Des er auffs kürtzest von den gesellen bericht ward; er fragt der sach nicht weiter nach.

Diss bestůnd also biss uff den vierden tag, das yetzund der kauffman kam zů besehen, ob ihm sein arbeit gefertiget were, besahe seine kleinat unnd ring, ob die noch all vorhanden weren. Alsbald manglet er seines liebsten und besten kleinats, so er under in allensamen gehabt hett. Er fragt im geschwind nach; aber es wußt im niemand antwurt darumb zů geben. Der gůt kauffman kundt nit lenger zůr sach schweigen. Der herr ward berüfft und die ding angezeigt. Die gesellen all gemein můsten dem kauffman geston, das er in gedacht kleinat überantwurt hett; wie aber das von den andren kumen, were in gar nicht zů wissen.

Wer was mehr geengstiget dann der gůt herr, das im ein solcher böser růff in seinem laden kumen solt! Haimlich het er gern das kleinat bezalt, das niemands der sachen innen worden wer. Im fiel auch von stund an das böst ein, wie dann gewonlich in solchen dingen beschicht, das der argwon der gröste schalck ist und gemeinlich das loß uff den unschuldigen [242] fallet. Also geschache dißmal auch. Der herr gedacht in im selb: ›Es wirdt sich gewisslich Lasarus an disem kleinat vergriffen haben und vermeint das seiner junckfrawen in Portugal zů schicken.‹ Er gedacht der sachen auffs allergeschwindist nach, so er immer mocht. Bald nam er den kauffman uff ein ort und sagt: ›Lieber herr und fründt, laßt euch den verlust des kleinats nůr nit hart anligen! Es sol euch zů dem theuristen bezalt werden, so es anderst nicht funden wirdt. Mir aber ist zů sinn, ich wölle das in gar kurtzen stunden wider zůr handt bringen.‹ Also satzt der kauffman sein hertz zůr rhůen.

Franciscus befalh seinem gesind, sie solten dem kauffman die andren kleinat und ring auff das allerseuberst und fleissigest außbereiten, wie ihn der kauffman anzeigt hette. Er saumbt sich nit lang, fügt sich zů Ferdinando; dann er im gar wol vertrawet. Er nam in heimlich auff ein ort, zeigt im alle sach an, was sich des kleinats halben verloffen het. Von diser red Ferdinandus nit wenig schrecken empfing, wiewol er Lasaro der ding gar nicht verdrawet. Er sagt: ›Francisce, lieber herr, ewer wort habend mir mein hertz durchschnitten, wiewol ich dem Lasaro deren dingen gar keins wegs vertraw, hoff auch, er werd gantz unschuldig des orts erfunden werden. Aber ich sorg der bösen gesellen, so im täglich nachgehangen sind, die werden im ein letz gelassen haben‹.

Franciscus fragt den Ferdinandum und sagt: ›Mein Ferdinande, wer sind dieselbigen gesellen? Bericht mich des!‹ – ›Es sind,‹ sprach Ferdinandus, ›zwen jung Portugaleser, gar zwen bös abgeschaumpt lecker. Der ein heißt mit namen Lorentz, der ander Veit.‹ – ›Acha‹, sagt der gůt herr, ›fürwar ich binn ein ursach daran. Dann sich Lasarus ir gar nicht beladen wöllen; als ich das an im gemerckt, binn ich mit rauhen worten in angefaren. Er aber mir die ursach gar nit endecket, allein befand ich in harnach geselschafft zů beiden jungen zů haben.‹ Darauff sagt Ferdinandus: ›Francisce, lieber herr mein, ich bitt, wöllend allen argwon fallen lassen gegen dem unschuldigen Lasaro und setzend ewer vertrawen gantz in mich. Ich sol die sach, ehe dann die sunn iren lauff volbringt, [243] dahin gericht haben, das ir eygentlich erkundigen sollend, wo das kleinat hinkumen seye.‹

Mit disen worten ist Franciscus gesettiget gewesen und hatt also den Ferdinandum gebetten, geflissen in der sachen zů sein; sind damit von einander geschaiden. Ferdinandus mit allem fleiss der sach nachgedencken ward, wie und durch was weg er die an die handt nemmen wolte.

46. Wie Ferdinandus das kleinat mit geschwinder practic

46.
Wie Ferdinandus das kleinat mit geschwinder practic wider überkumpt unnd Lorentz, der jung schalck, darvonlaufft.

Ferdinandus, der gůt jüngling, war gantz angsthafftig; er kundt auch gar kein rhů nit haben, er hette dann zůvor das kleinat erfraget. Er fügt sich zů einem seinem lantzman, welchen er wußt vil gemeinschafft mit Lorentzen haben, fieng an von vilerley sachen mit im zů reden, und aber gar zůletst sagt er: ›Lieber Heinrice, wann bist du bey unserm lantzman, dem Lorentzen, gewesen? Mich beduncket, er fahe sich an gar wol zů halten. Aber warlich sein wesen hat mir erstlich nit wöllen gefallen; dann sehr vil klag ab im kumen von einem und anderem. Ich aber, gott hab lob, hör gar nichts mehr.‹

Heinrich, ein gůter einfaltiger junger, verstund die red nit, wohienaus sie langen oder raichen wolt oder was Ferdinandus darmit gemeinet. ›Warlich‹, sagt Heinrich, ›es gefalt mir Lorentz auch vil bass, dann da er bey seinem anderen herren gewesen ist. Er hat sich meines bedunckens sidhar gar umbgekert.‹ – ›Das hör ich fast gern‹, sprach Ferdinandus. ›Du siehest, mein Heinrich, wann sich ein Portugaleser ungeschickt haltet, müssen wir alle die, so aus Portugal sind, desselbigen ungeschickligkeit uns stätigs umb die ohren gohn haben. Lieber, wann bistu bey dem Lorentzen gewesen, das du mit im gespracht hast?‹

Darauff antwort Heinrich: ›Fürwar es ist noch nit sechs stund, da haben wir in eines bastetenbeckers haus ein gůte [244] basteten gessen.‹ Ferdinandus sprach: ›War sunst niemants mehr bey euch?‹ – ›Ja‹, sagt Heinrich, ›ein zollerier von Lisabona, welcher dir sehr wol bekant ist; derselbig bezalt die zech für uns alle.‹ – ›Wie möcht ich zů demselbigen kumen?‹ sagt Ferdinandus, ›Ich het ein nötig geschefft bey im auszůrichten.‹

›So thů im also‹, sagt Heinrich. ›Es haben Lorentz und Simon der zollerier einander uff morgen umb sechs uren in des malfasierschencken haus, zůnechst bey seinem herren wonend, vertagt. Da wöllend wir ein trunck malfasier thůn, darbey einen weinkauff beschliessen, so Lorentz und Simon mit einander abgeredt.‹ – ›Lieber‹, sagt Ferdinandus, ›was weinkauffs würt aber das werden?‹

Antwort Heinrich: ›Ich hab wol verstanden, das Lorentz einen kostlichen stein hat in einem kleinot versetzet, den hat er dem Simon feyl gebotten‹. Bald Ferdinandus die red vernam und das kleinat melden hort, gedacht er: ›Die sach wil sich recht zůtragen; das ist gewisslichen das kleinot, nach dem ich verlangen hab.‹ – ›Ich möcht leiden‹, sagt Ferdinandus, ›wann mir morgen sovil zeit und weil werden möcht, das ich auch bey euch sein künd; dann ich dem Simon gern ein bottschafft, so er mir ausrichten solt, anhencken wolt.‹ Damit schieden sie von einander.

Ferdinandus wůßt zůvor wol, wo Simon zů herberg lag. Er fügt sich eilends zů ihm, bericht ihn aller sachen, wie es sich mit dem kleinat zůgetragen. Des ihm Simon grossen danck saget; dann er gedacht, wo er dis kleinat also ungewarnetter sachen kaufft und etwann an einem andren ort wider fail solt gethon haben, im möcht ein gros nachthail daraus erfolget sein. Wurden also der sach eins, das Ferdinandus sampt dem goldschmidt und dem kauffman, so das kleinat verloren hett, in des malfasierschencken haus kumen solt, sobald die glock sibne schlüg, wolt er die sach dahin spilen, das eben derzeit das kleinat under augen ligen müßt. Diss ward also kurtz bey in beiden beschlossen.

Ferdinandus saumpt sich nit, gieng zů dem goltschmidt Francisco, sagt im alle verloffnen sachen. Davon Franciscus größlichen erfrewet ward. Des morgens frü gieng er [245] zů dem kauffman. Der ward auch nit weniger erfrewet, als er verstůnd, das er wider zů seinem kleinat kumen solt. Alsbald es umb siben uhren was, kam Ferdinandus auch zů in. Alsbald sind sie miteinander gangen in das malfasierhaus, haben alle sach nach irem willen geschaffen. Simon der zollerier, Heinrich und das gůt sünlin Lorentz sassen schon im stich, fiengen an von dem weinkauff zů handlen.

Sobald Lorentz den goltschmidt Franciscum sampt dem kauffman und Ferdinandum ersehen ward, erschrack er aus der massen so sehr, das er ein einigs wort nit gereden kunt. Franciscus und der kauffman namend sich an, als wann sie an einen andren tisch sitzen wolten. Simon aber verstůnd die sach wol, wie sie das gemeinten. Er sagt: ›Lieben herren, kumend zů uns in unser geselschafft! Wir haben euch gern; dann wir einen weinkauff zů vertrincken haben, da mügt ir auch wol das best in helffen handlen.‹ – ›Lieben herren‹, sagt der kauffman, ›wo ir unser geselschafft kein verdruss haben, wöllend wir fast gern bey euch unsern pfenning verzeren.‹

Alsbald sind sie an die tafel gesessen, mit in gessen und getruncken. Und als yetz Simon die recht zeit maint vorhanden sein, hatt er zů dem jungen gesagt: ›Nun wolan, Lorentz, wir müssen zů der sachen greiffen. Der malfasier ist gůt; ich möcht sein zů vil zů mir nemen und alsdann nit wissen, was ich handlet.‹ – ›Hey‹, sagt der leckersbůb, ›die sach hat doch nit eyl. Was heut nit geschiecht, geschehe auff einen andren tag.‹

Simon sagt: ›Ich binn willens, auff morgen zů verreiten. Darumb was auff dißmal nit geschiecht, würdt nit bald mehr geschehen.‹ Franciscus der goldschmidt sagt: ›Der gůt jüngling hat vileicht ein abscheuhen ab uns. So wir im zůwider sind, sol uns nit beschweren uffzůston.‹

›Nein, gar nicht,‹ sagt Simon, ›es ist kein häling. Der gůt jung hat ein kleinat; das wolt ich im abkauffen, so wir anderst der sachen uns vergleichen künnen.‹ Damit zeigt Simon an, wie das kleinat geschaffen wer. Der kauffman, des das kleinat was, begert das auch zů sehen, sagt, er wolt dargegen auch etlich kleinat und ring sehen lassen. Lorentz aber wolt nit haraus mit, sunder sagt, er wolte im (dem Simon) [246] zů kauffen geben, im wer nit gelegen anderen das kleinat zů zeigen. Da diss Ferdinandus hort, sagt er: ›So můstu sollich kleinat nit mit rechten sachen zůwegen bracht haben, oder můs sunst ein falsch darunder verborgen sein. Es sey dann, das dus uns sehen lassest, so wirst du mich in argwon bringen, du habest das etwan funden, ehe dann sein herr das verloren hatt.‹

Lorentz wußt nit, womit er sich außreden solt. Er nam sich eines zorns und unwillens an, stůnd auff von dem tisch und wolt hinweggangen sein. Der kauffman aber und der goltschmidt erwuschten in bei seinem rock und sagten: ›Nit also, Lorentz! Wir werden dich von handen nit lassen, es sey dann sach, das du uns das kleinat, davon geredt worden ist, sehen lassest. Ich sag dir,‹ sagt der kauffman, ›ich kenn ein gůten fründ, dem gemelt kleinat billicher dann dir gehört. Wie du auch das überkumen hast, ist mir gar wol zů wissen. So du das mit gůtem willen von dir geben wirst, das sey mit hail. Wo aber nit, so hab dir des mein trew zů einem pfand, du můst das an einem ort von dir geben, da es dich dein hals kosten můs.‹

Der schalck sahe yetzunder den ernst wol; so gedacht er auch an andre bossen, so er auff der hauben hett; wann dann dis und das vergangen zůsamenriechen solt, möcht es im so gůt nit werden, er müst am galgen sein end nemen. Er besann sich kurtz, zoh sein säckel aus dem bůsam, nam das kleinat haraus und warffs auff den tisch, kundt aber gar kein wort vor schand und schrecken reden. Ferdinandus aber, als er diss gesehen, hat sich alles in im umbgekert, und mit rauhen worten hat er den dieb angefaren und gesagt: ›Ey du schantlicher verzweifleter diebischer böswicht, ich wolt, das ich dich solt an einem galgen erwürgen, wann allein dein frummer vatter und dein frumme můter nit werend. Sag mir, was grosser freuden werden sie haben, wann Simon in die ehrlich bottschafft von dir bringen wirt! Wie wirt dein herr, bey dem du yetzund bist, eins solchen ehrlichen knechts so ein grosses wolgefallen haben! Ja, ich will dir das hoch und theur behalten haben, wo du mich mer für einen lantzman ansprichst, ich sol dir vor allermenigklich alle deine bösen stuck anzeigen und endecken und dich einen lantzman verrüffen.‹

[247] Als der bůb nůn wol außgefegt was, gieng er gantz schamrot von in allensamen hinweg on alles urlop, sein kopf under sich schlůg, wie dann alle dieb thůn, die keinen biderman frölich dörffen ansehen. Franciscus, der kauffman unnd auch Simon der zollerier waren der sachen gar wol zůfriden; Franciscus, umb das er aus einem grossen argwon kumen war, der kauffman darumb, das er seins kleinats wider zůkumen was, Simon, umb das er mit disem gestolnen kleinat nichts zů schaffen het gewunnen. Sie bliben also noch ein gůte zeit bei einander sitzen. Dem Ferdinando sagten sie auch gar fleissigen und grossen danck, umb das er sie alle drey vor schaden verhütet het. Also wurden dem gůten kauffman seine ring und kleinat nach allem seinem gefallen außbereit. Aber Lorentz der schalck kam Ferdinando nit mehr under augen; er sůchet auch nit weiter geselschafft bei Lasaro.

47. Wie Lasarus nach dem jar aus gehaiss seiner ältern gehn

47.
Wie Lasarus nach dem jar aus gehaiss seiner ältern gehn Venedig schiffet, und wie es im mit seinem wirt ergieng.

Von disem argwon, so Franciscus auff den gůten jüngling Lasarum gehabt, da was im gar nichts umb zů wissen. Dann er sich alles gůten gegen seinem herren und allem haußgesind versehen thet; er vermeint auch, man solt im anderst nit vertrawen, dann wie er gesinnet were. Franciscus aber, damit dem jüngling die ding nit fürkemen, bath den Ferdinandum gar fleissiglichen, er wolt dem Lasaro gar nichts darvon sagen, damit er im keinen unmůt daraus neme; des dann Ferdinandus gar vorhin gesinnet was. Also hatt Lasarus vor als naher seinen fleiß gebraucht die zeit aus, biss etlich monat verschinen.

In denen dingen hatt im Reichhardus und sein vatter ein botschafft bey einem Venetianer zůgeschriben, ihm auch viel kostlicher stain zůgeschickt, die er mit im gehn Venedig solt [248] füren und verhandlen; darzwischen und er zů Venedig wer, wolten sie in Portugal versehen, das alle ding zů der hochzeit recht und wol verordnet würd, dann es stünden sunst alle sachen gar wol. Das aber war nit; dann Amelia was mit einem harten und sorglichen feber umbgeben, und sorgten die beiden älteren, wann der jüngling zů land kummen solt, in möcht vor unmůt gleichergestalt ein kranckheit überfallen.

Als nůn dem jüngling die bottschafft angesagt und er die auch selb gelesen, wiewol er fast gern haim in Portugal gefaren wer, noch kitzlet in der fürwitz, das er Venedig und ir monier gern gesehen; so was ihm auch gar nit verborgen, das er täglich von Venedig wider auff Lissabona schiffen möcht. Darumb undernam er sich der schiffart mit freuden. Er macht sein rechnung mit seinem herren, zalt in tugentlich und früntlichen ab, letzet sich auch mit allem haußgesind. Demnach gnadet er seinem herren und frawen, bedancket sich alles gůten, so im, der zeit bei in gewesen, widerfaren. Also gab im sein herr das gelait biss zů dem schiff, deßgleichen Ferdinandus.

Also fůrend sie mit gůtem wetter darvon, und in gar kurtzer zeit erreichten sie das port zů Venedig. Lasarus fragt den kauffman, so mit im von Antdorff ausgefaren was, wo er gůt herberg haben möcht. Der kauffman hett gern gesehen, das er mit im zů haus gangen und herberg bey im gehabt het; das aber Lasarus gar nicht thůn wolt. Also wise er in zů einem wirt, den hett alle welt für ein frumen und weidlichen man; er het auch gar vil gastung von allen landsarten; das macht, er kundt gar mancherley sprachen; von wannen der mann kam, kundt er mit im reden. Lasarus kart bey demselbigen wirt yn; der hett einen einigen sůn und ein tochter. Dieselb was gar gerad und schön von leib und gestalt, aber darneben eines unverschampten ungeberdigen wandels, welches einer junckfrawen sehr übel anstoth, ir auch alle zier und schonhait irs leibs hinnimpt.

Lasarus sobald er in die herberg kam, gab er dem wirt sein felles und bulgen zů verwaren, sagt im auch darneben, er solt im gůt sorg darzů haben; dann er hett darinn, so im fast lieb wer, wie er dann mit der zeit selb sehen würd. Der wirt was gar geflissen in der sach; dann er gedacht: ›Diser [249] jüngling wirt gewißlich etlich tag herberg bey dir nemen.‹ Da nůn Lasarus etlich zeit zů Venedig gewont und auch zům theil kuntschafft gemacht, kamen täglich kaufleut zů im, so mit edlen gestainen umbgiengen, die gabend im ein gar gross gelt zů lösen. Des nam der wirt ye lenger ye mer war, gedacht heimlich bey im selb: ›Möchtest du dein tochter dem jüngling anhencken, wie möchtest du sie immer bass versorgen!‹ Dise seine gedancken offenbart er seinem weib; die lies ir auch des mans meinung nit übel gefallen, wann es also zůgehn und geschehen möcht. Also wurden sie zů rhat, mit der tochter zů reden, das sie sich früntlich zů dem jüngling thůn solt, ob sie sein lieb und gunst erlangen möcht. Die tochter, so zůvor frevel unnd můtwillig was, hůb sich an ye fester zů dem jüngling zů gesellen, thet sich im auch zůletst gar fail. Lasarus liess also gůter meinung hingon, achtet ir nit sehr vil; jedoch was er gůter schimpfiger wort mit ir, vermeint aber nit, das die sach sich dahin erstrecken solt, darauff dann vatter und můter, brůder und schwester sie gespielt hetten.

Nůn es begab sich, das der vatter und můter die tochter zů red satzten, ob sie der hoffnung were etwas bey Lasaro zů erlangen. Die tochter sagt ja, sie spürt einen gůten willen an im. Damit verursachet sie vatter und můter, das sie mit dem jüngling retten von wegen irer tochter, sagten im zů ein gros zůsteur zů geben. Lasarus sich ab diser red nicht wenig verwundret, yedoch gedacht er in im selbs: ›Dir will dannocht gebüren, deinem wirt umb sein ehrlichs erbieten fleissigen danck zů sagen‹.

Und als nůn der wirt und sein weib ir red geendet, fing Lasarus gar züchtiglichen an zů antworten und sagt: ›Lieber herr und getrewer würt, deren früntschafft und gůtthat, so mir täglichen von euch widerfart, dergleichen auch von den eweren, kan ich mich sicher nit gnůgsam bedancken, ich geschweig des, das ir mich so gůt achten, das ir mir auch ewer einige tochter zům weib geben wolten. Ich sag euch, wo ich mein selb gewaltig were, wolt ich ein sollich erbieten nit gern abschlagen, sunder das mit grossem danck annemen. Ir aber solt wissen, das ich meinen vatter und můter noch beidesamen [250] inn leib und leben hab, on deren vorwissen mir das nit zů thůn gebüren würd, ob ich gleichwol sunst nit verbunden were, wie ich dann bin. Dann als ich aus Portugal geschifft binn, hatt man mich kurtz darvor einer schönen züchtigen junckfrawen vertrewet. Vor deren absterben, das gott lang wenden wöl, würt mir kein andre mein hertz besitzen, vil weniger mich einer andren vermäheln lassen. Darumb, lieber herr wirt, wölt ewer tochter nach ehren versorgen, wo es euch am gefelligsten ist; dann mit mir ist es gar umbsunst‹.

Mit disen worten macht Lasarus dem wirt sein hertz so gar erbittert, das im das aus grossem zorn in seinem leib uffhupffet, wiewol er sich gegen Lasaro gar nicht mercken lies. Nit weniger was můter, tochter und brůder über in ergrimbt. Es bekümert sie aber nichts mehr, dann das sie im die tochter selb angebotten hetten. Der vatter aber für sich selb heimlichen nachgedenckens het, durch welchen weg er den jüngling hinrichten und umb sein leben bringen möchte, damit im dannocht sein gůt belib. Aber die sach gieng im widersins aus.

48. Wie der falsch wirt gleich in derselbigen nacht

48.
Wie der falsch wirt gleich in derselbigen nacht understůnde Lasarum umbzůbringen und aber seinen eygnen sůn erstach und in das meer warff.

Es begab sich gleich an demselbigen tag, das Lasarus von einem kauffman zů gast geladen ward, das er das morgenmal bey im essen solt, deßgleich den nachtimbis; dann er het sunst gar vil ehrlicher kaufleut zů gast geladen, so aus fremden landen zů Venedig waren.

Diss hett der wirt eben wargenumen. Und als er yetzund vermeint, er und sein weib werend allein bey einander in der kamern, hatt er mit ir angefangen zů reden und gesagt: ›O hausfraw, was grossen schmertzen und betrübnus mir [251] bringt, das ich dem ungetrewen und stoltzen Portugaleser unser tochter zům weib angebotten hab, kan ich dir nit gnůgsam erzalen; dann so offt und ich in anblick, sich mein hertz in meinem leib umbwendet‹. Daruff sagt die fraw: ›Hast du doch macht, das dů ihm dein herberg abstricken magst!‹

›Ach,‹ sagt er, ›alsdann würd ich uns alle gar erst in ein gros geschrei bringen. Dann alsbald er aus dem haus kem, würd er allenthalben ausschreyen, im wer die herberg darumb verbotten, das er unser tochter nit zům weib hett haben wöllen, wie dann auch war ist. Dann ich wais sunder allen zweifel, das er noch in langer zeit hie nit hienwegfaren wirt.‹ Daruff sagt die fraw: ›So müßt man ein andren weg für die hand nemen, damit wir sein abkumen möchten‹. Da sagt der wirdt: ›Hausfraw, merck, was ich mich kurtz besunnen hab! Es wirt noch hinacht der Portugaleser zů gast außgon zů morgen und zů nacht. So wais ich, wann er haimkumpt, wirt er wolbedruncken und bezecht sein. Wann er dann in dem ersten schlaff ist, will ich in mit seinem eygnen wehr umbbringen und demnach in das wasser werffen; alsdann mag uns alles sein gůt, so er bey im hat, beleiben.‹ Diser rhat wolt der frawen gar nit gefallen, und widerriet dem mann semlichen mordt. Er aber gedacht in im selb: ›Meinem fürnemen můs ein gnnügen geschehen, es geraht gleich wie es wölle‹. Schwig damit und gieng aus der kamern.

Es hett der wirdt ein magt, die was ein geborne Teutschin, die was in der andren kamern gestanden und alle wort von dem wirdt und seinem weib vernumen. Es erbarmet sie der jüngling gar sehr. Sie verzog, biss der jüngling von dem morgenmal zů haus kam; da fügt sie sich allein zů im, warnet in gantz trewlich, er solt gedencken und die künfftig nacht nit in dem haus ligen, dann im wer ein grausam bad zůgericht. Der jüngling dancket der magt irer gůten warnung gar fleissig, jedoch meint er nit, das im der wirt also mörderisch nach seinem leben stellen solt.

Als er nůn des abents wider zů dem kauffman kam, so in geladen het, zeigt er ihm insgehaim alle sachen an, so sich der tochter halben und auch mit der magt zůtragen hett. Sobald das der kauffman vernam, der dann auch nit ein geborner [252] Venediger was, sagt er: ›Mein lieber Lasare, ich sag dir warlich, die Venediger haben seltzame dück hinder in. Wiewol ich ein ynwoner zů Venedig bin, so setz ich doch nit gross vertrawen auff sie. Zůvor wann sie über ein ergrimbt sind, achten und trachten sie mit allem ernst, wie er hingericht werd. Mag einer das in eigner person nit zůwegen bringen, findt er bald ein riffiener, so etlich ducaten zů einer belonung nimpt, wartet uff den zů gelegner zeit, sticht ihm den hals ab. Sie sind auch gar geschwind mit iren süplin, wie dann im Teutschland nit ein vergebenlich sprichwort entstanden ist; wann einer aus Italien kumpt unnd kranck ist, bald spricht man: Er hat ein Venediger süplin gegessen. Derselbigen dir auch auff dise nacht eine möcht übergehenckt und bereit sein. Darumb du dann die gůt und getrew warnung der magd nit verachten solt. Beleib hinacht bey mir in meinem haus! Biss morgen wöllend wir zů deinem wirt gon und im sagen, das deiner gelegenheit bey im zů bleiben nicht mehr sein wölle; derhalb begerest du mit im abzůrechnen und in zů bezalen, was du bey im verzert habest. Ich hab dich aus gottes gnaden, so lang und du zů Venedig bleibest, wol zů erhalten. So ich dann gehn Lisabona kum, kan diss dein vatter und schweher wol umb mich vergleichen‹. Dise meinung gefiel dem jüngling sehr wol.

Der wirt aber het noch alle zeit ein nachgedenckens, wie er doch die sach auffs haimlichst möcht an ein ort bringen. Es was aber Lasarus und sein sůn all nacht in einer kameren gelegen, ein yeder an einem besunderen beth; so waren sie auch eines fast gleichen alters. Der wirt, damit sein sůn die nacht nit im haus were, auch von dem mordtgeschrey nit einen schrecken nem und er auch an seinem bösen fürnemen desto minder verhindert würd, nam er seinen sůn uff ein ort, sagt zů im: ›Mein sůn, ich möcht leiden, wo du auff dise nacht etwan ein gůte geselschafft wißtest, du hettest dich zů inen verfügt. Dann ich uff dise nacht ein gastung haben würd, so dir gar zůwider sein, und kan sie doch mit keinen fůgen ausschlagen.‹

Dem jungen gefiel die red gar wol; dann er sunst mehr lust zů fremder geselschafft het dann zů den, so täglich in [253] seines vatters haus zechten. Er fůr sein strass, fand im bald ein gelegne bursch, bey denselbigen sass er biss schier umb mitternacht. Und als sie yetzund wol gezecht hetten, ist er uffgestanden, haimwertz zůgangen mit etlichen gůten gesellen, so im das geleyt biss für seins vatters thür geben haben. Demnach ye einer dem andren genadet und seins wegs gangen. Der sůn hat das haus nach im verschlossen und ist zů beth nidergangen.

Diss alles hat der wirt gehört, nit anderst vermeint, dann Lasarus kam yetz von dem kauffman, der hab in haimbelaiten lassen. Und als er nůn vermeint, der jüngling wer entschlaffen, ist er auffgestanden, die kamer seines sůns heimlich geöffnet und stillerweiß hineingeschlichen. Als er aber niemands an Lasarus beth gewar worden, ist im zů sinn kummen, der jüngling hab sich voller wein getruncken und seines beths verfält, hab sich an seines sůns beth gelegt. Der ist yetzund inn seinem besten schlaaff gewesen. Da diss der wirt wargenumen, hat er von stund an sein schwert durch in gestossen, im sein hertz dermassen gerürt, das er kaum einmal ein trenser gelassen, verschaiden ist. Der wirt hat eylends den doten körpel also nackend gefaßt und hinden zů seinem haus hinausgetragen, da er das meer allernächst hatt haben mügen, hineingeworffen, nit anderst gemeint, dann es sey Lasarus der jüngling gewesen. Hatt aber des morgens der rechten mähr innen worden.

49. Wie Lasarus mit sampt dem kauffman in das wirtshaus kumen

49.
Wie Lasarus mit sampt dem kauffman in das wirtshaus kumen, mit dem wirt zů rechnen begertend; wie der wirt ab irer zůkunfft gar übel erschrack.

Der wirt, so die nacht seinem fürnemen fleissig nachgesunnen und gar wenig geschlaffen het, lag des morgens über seinen brauch in dem beth. Lasarus sampt dem kauffman kamen mit noch zweien gůten herren der mainung, mit dem wirt abzůrechnen und in zů bezalen. Der wirt aber, wie oben gehört, noch nit auffgestanden was. Die wirtin befalh der [254] magt, sie solt im sagen, es werend fremde herren da, so sein begerten, ihn auch eylends haben müsten.

Bald stůnd er uff, zoh sein gewand an und kam zů in in den saal und erblicket den Lasarum vor den andren allen, ob welchem anblick er dermassen einen schrecken empfieng, das er nider zůr erden sanck und im hart geschwinden thet. Davon sie alle gar übel erschracken. Der wirtin die ding wurden angezeigt; die kam auffs geschwindest gelauffen, erschrack auch gar hart ab disem zůfal. Alsbald wurden kostliche und krefftige wasser darbracht, damit ward der bößwicht wider erquicket. Er was nit recht zů im selb kumen, schrie er mit einem lauten gall: ›O wehe und ach meines einigen und allerliebsten sůns! Weh mir armen verlaßnen man!‹

Bald die wirtin ein solche klag von dem wirt erhort, gedacht sie an die wort, so sie den vorigen tag von im gehört hett. Sie lieff eilends in ires sůns kammern; da fand sie alle seine kleider, so er angetragen des anderen tags; es was auch sein bethstat mit schwaiss übergossen. Da ward erst ein jämerlichs und grausames mordtgeschrey erhört. Die fraw aus grossem unmůt und zorn kundt ir gar nit abbrechen; sie kam in den saal lauffen, und mit grossem geschrey sagt sie: ›O du mörder, du bößwicht, du hast dein eigen blůt unnd fleisch umbbracht. Sag, wo hastu mir meinen liebsten sůn hingeworffen? Sein gewand und blůt hab ich funden, aber seinen leib hab ich niergend gesehen. O Lasare‹, sagt sie, ›diss solt dir begegnet sein. Ich aber hab im den mordt deinenthalben widerrhaten, bin auch gůter hoffnung gewesen, er solte meinem gůten und getrewen rhat volgen. Aber leider mein sůn hat die schnůr darob nemen müssen.‹

Von disen worten sind alle die, so zůgegen gewesen, grausam und hart erschrocken. Der wirt aber, als er yetzund an gott und an im selb verzweiflet gewesen, ist geschwind an das ort gelauffen, da er sein sůn ins meer geworfen, hat sich selb hineingesprengt, ist also jämerlich versuncken und ertruncken. In kurtzen tagen darnach hat Lasarus seine sachen dahin gericht, das er sein barschafft und anders, so er bei der wirtin hett, zůwegen bracht, bezalt sie auch gantz tugentlichen ab und trachtet im eilends nach einem schiff, so in in Portugal [255] füret. Dann zů Venedig zů bleiben war gar seines sins nit mehr, dieweil im die sach so nahend mißraten were.

50. Wie Lasarus wider gehn Lisabona kam, mit Amelien hochzeit

50.
Wie Lasarus wider gehn Lisabona kam, mit Amelien hochzeit hielt, mit seinem vatter und schwäher gemeinschafft het in gwinn und verlust.

Bald Lasarus dem unglück entgangen, lust in nit mehr zů Venedig zů bleiben. Er fand ein schiff nach seiner gelegenheit, kam in kurtzer zeit gehn Lisabona gesund und frisch; und wiewol seine älteren sein nit warten waren, empfiengend sie in doch mit gar grossen freuden. Amelia was auch in solcher zeit wider zů iren verlornen krefften kumen. Lasarus erzalt auch allen seinen fründen von anfang biß zů dem end, was im in Brabant gůts widerfaren wer; deßgleichen zeigt er auch an, inn was grossen gefahr er gestanden was zů Venedig bey seinem wirt, und allein durch die getrew warnung des wirtes magd bei seinem leben bliben were, des sie dann der kauffman, so in aus Brabant gon Venedig gefürt het, wol berichten würd, so er einmal in Portugal kummen würd. Diser red verwunderten sie sich alle gar fast, danckten und lobten got aus grundt ires hertzens, das er irem sůn also gesunds leibs wider in sein vatterland geholffen het.

Demnach ward zů beyden seiten die hochzeit angeschlagen, alle ding zimlich und ehrlich bestelt und gar kein grosser bracht alda getriben. Wiewol an gůt und gelt an dem ort gar nichts manglet, so waren doch alt und jung dermassen zů der mässigkeit genaigt, das sie got umb den grossen ungebürlichen kosten forchten. Nicht destweniger ward under der früntschafft ein fröliche hochzeit gehalten, die aber nit lenger dann zwen tag weren thet.

Alsbald nun die vergangen unnd hingericht was, habend sich beide vätter und mütern mit einander underredt, was sich nün fürbashin der haushaltung zů beradtschlagen were. Sie kunden zů allen theilen wol erachten, das die zwey junge der haushaltung noch nit gewont und erfaren waren. So hetten [256] sie, die beyde älteren, ein yedes für sich selb ein weite behausung mit vilen gemachen underschiden. Darumb solten deren theyl eins das jung par volck zů inen nemen, welchem theyl es am allerfüglichsten unnd gelegensten were; diss was ir aller meinung. Als nůn die jungen befragt wurden, gefiel in die sach auch gar wol, und ward die wahl zů inen gesetzt, bey welchem theyl sie am liebsten sein wolten. Sie aber wolten gar kein wahl erkiesen, sunder satzten das den alten heym; welche sie gern haben wolten, bey denselbigen wolten sie auch gern ir wonung haben und Lasarus als ein knecht, Amelia als ein magt ir tag bey in verzeren. Zůletst ward die wahl den zweyen mütern heymgestelt. Also wolt ir yede die zwey jungen bey ir haben, und wurden also der sachen schier zů unfriden.

Da diss Richardus ersahe, stůnd er auff und sagt: ›Gebt mir zů allen theylen die sach von hand, also wie ich das mach, das es also bey demselbigen sol bleyben! Ich hoff, ich wöls dermassen aussprechen, es sol euch allen wolgesprochen sein‹. Diss liessen sie ihn allen wolgefallen, begerten auch gemeinlich darbey zů bleiben.

Da fieng Richardus an und sagt: ›Ir meine liebe kind und fründ, wir haben von der unaussprechlichen milten gnaden und gaben gottes ein reühliche und gar gůte narung zůsamenbracht. Darumb wir im dann auch billichen danckbar sein sollen, den armen, von deren wegen uns dise gaben beschert sind, nit vergessen. So würt uns gott gewisslich auch nimer mangel lassen; des sollen wir uns gäntzlichen zů im versehen, dieweil von im alles gůts kumpt und fleußt als von dem waren und rechten brunnen alles gůten. Nůn wissend ir alle gar wol, was grosser trew, liebe und früntschafft wir yetz gar lange zeit zůsamen getragen haben, auch so früntlich, tugentlich und lieplich umb einander gewont, das keins under uns allen das ander mit einem eintzigen wort erzürnet hat, haben uns auch inn dem brauch die zeit her gehalten, das keins on des anderen beywesen keynen bissen gessen hat, und ist ein gar schlechter underscheid hierinn zů vermercken, ob wir ein oder zwo haushaltung haben. Dieweil nůn aus sunder ordnung gottes die sach dahin gericht ist, das wir zů [257] beyden theylen nit mehr dann zwey kinder haben, dieselbigen zůsamen vermähelt sind alles mit unser aller gůten vorwissen und willen, haben uns auch inn alle weg gevolget, so wer das mein gůt beduncken, rhat und meinung, das wir erstlichen ein gemeinen unzerteylten handel anfiengen, ein gemeinen kosten und haushaltung anrichteten, also bey einander ob einem tisch und taflen sessen, einen gemeinen koch und einkauffer sampt knecht und mägten aus gemeinem gwinn und vorrhat erhielten. Amelia die solt hinfürbas die müter inn der haushaltung sparen. Demgleich soll Lasarus auch gegen seinem vatter handlen mit der arbeit. So wir die sach also nach meinem rhatschlag angreiffen, würt uns gewisslichen heil und glück bey und mit einander angon. Doch müssend wir ein haupt under uns haben, uff welchen wir alle sehen sollen und wider dasselb gar nicht handlen, in auch lieben ob allem reichtum, silber, gold, berlin und edelgestain.‹

Lasarus der alt und auch der jung liessen ihn die mainung gar wol gefallen, dergleichen auch die weiber, und was also ir entlich mainung, Reichardus solt der sein, auff welchen sie alle gar ein auffsehen und gemerck haben solten, seinen gebotten und verbotten gehorsam sein.

Da diss Richardus von inen verstůnd, fing er an gantz gütlich zů lachen und sagt: ›O ir mein lieben fründ, kennend ir den obman noch nit? Nůn hat er dannocht jetz ein lange zeit umb und bey uns gewonet. Es hatt in auch Christus, unser lieber herr und erlöser, seinen ausserwelten und allerliebsten jungeren zů einer säligen letze gelassen, nit allein seinen jüngeren, sunder allen Christgleubigen menschen. Damit ir aber verstehn, wer diser obman sei, was er für einen namen hab, so wißt, er haißt Frid. Wo derselbig in ehren und in einem dapfferen ansehen gehalten wirt, da gehts recht zů, da ist glück und hail, mag auch nichts überzwerchs under die weg kummen. Wo der sälig frid in einer statt nit zů alleroberst in gericht und raht gesetzt wirt und ein gantzer raht und gemein uffsehens auff in haben, da würts nimmer oder gar selten recht zůgon. Wo man in in eim haus nicht dulden will und in hinaushetzet, wirt im bald alles glück, so in demselbigen haus ist, nachfolgen. Des wir ein gůt beispiel [258] haben an vilen grossen und namhafftigen stetten, als da ist gewesen Hierusalem, Rom, Cartago. Sobald sich zwitracht under sie gemischet und sie denselbigen zů burger auffgenumen, den säligen friden ausgeschlossen, zůhandt ist ir regiment und gantzer gewalt zergangen. Darumb wöllend wir den säligen friden nit aus unser haushaltung kumen lassen, darneben auch als unser gesind, knecht und mägt darzů halten, damit frid und einigkeit bey uns bleib und sein wonung bey uns beger zů halten.‹

Also ward ein gemeine fridliche und früntliche haushaltung under disem völckle angericht, die sie auch mit der gnad und hilff gott des almechtigen bey einander erhielten, so lang biss der almechtig got ein yedes nach seinem berůff aus disem zeitlichen jamerthal erforderet unnd sie satzt inn die himlischen tabernackel, die da bereit sind allen fridsamen und rechtgleubigen. Dahin uns auch nach disem armen zergencklichen leben helffe gott der vatter, gott der sůn und gott der heilig geist.


AMEN.


Notes
Erstdruck: Straßburg (Knoblochs Druckerey) 1556.
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TextGrid Repository (2012). Wickram, Georg. Von guten und bösen Nachbarn. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-A60B-0