Dominicus Wenz
Lehrreiches Exempel-Buch
Das ist:
Auserlesene von theils frommen, theils ungerathenen, theils gebesserten Kindern, nicht weniger, zur Marianischen Andacht bewegende, und andere merckwürdige Begebenheiten, sinnreiche Reden unterschiedlicher Personen, lehrreiche Fabeln, zur Aufmunterung Christ-Catholischer Jugend, wie auch denen Erwachsenen zu ihrer Seelen Heil, ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les-Buch.

Approbatio Censoris

Approbatio Censoris.

Cum Plurimum Reverendi & Clarissimi Authoris Liber hic, cui titulus: Exempel-Buch etc. cum gemina Appendice admodum fructuose tum verbi divini Præconibus, tum Patr. & Matr. familias possit inservire, merito luci publicæ committi poterit. Augustæ Vindel. 13. Febr. 1757.

Franciscus Joseph, de Handl, SS. Theol. Licent. & Seren. Princ & Episc. August. Consil. Eccles. Maj. Poenit. & Libr. Censor, nec non insignis Eccles. ad S. Mauritium Canonicus & Parochus. mppria.

Imprimatur H.S.

Franciscus Xaverius L. B. Adelmann de Adelmansfelden, Episcopus Mactaritensis, Ecclesiæ Cathedralis Augustanæ Canonicus Capitularis, Suffraganeus, in Spiritualibus Vicarius Generalis, & Consilii Ecclesiastici Præses. mppria.

Vorrede

Vorrede.

Eltern und Kindern zu Lieb und zum Nutzen ist gegenwärtiges Exempel-Buch zusammen getragen worden. Es ist gar zu wohl bekannt, daß zumahlen denen Kindern nichts angenehmers ist, als wann sie ein Exempel, Historie oder Begebenheit entweder hören, oder selbst ablesen können. Wann man dabey nur allein auf einen Zeitvertreib gesehen hätte, so wäre das Unternehmen vielleicht mehr zu tadelen, als zu billigen und zu loben: Da man aber in der Wahl der Exempel und Begebenheiten alle Vorsicht gebraucht, und nur die auserlesenste und merckwürdigste angeführet, und dabey hauptsächlich und vorzüglich auf den Nutzen, und die Besserung der Sitten gesehen, und deswegen jedesmal zu Ende eines Exempels oder einer Begebenheit einen kurtzen Spruch und eindringende Lehre beygefüget; so ist um so weniger an dem daraus zumal für die Kinder zu entspringenden Vortheil zu zweifeln, da man das gegründete Zutrauen zu den Eltern hat, sie werden an sich nichts ermangeln lassen, daß sie ihre Kinder aufmuntern, dem Exempel frommer Kinder und anderer tugendhafter Personen nachzufolgen, an denen von Ungerathenen und Lasterhaften aber ein Abscheuen zu bekommen. Gleichwie aber Eltern mit Anschaffung dieses Buchs ihren Kindern eine Freude machen; so können sie auch bey und durch den rechten Gebrauch desselben frömmere Kinder bekommen, welches ihnen ja selbst eine Freude seyn muß; worzu noch kommt, daß sie alles dessen, was sie ihre Kinder gutes lehren, selbsten theilhaftig werden. Wie trostreich ist aber dieses! nicht zu gedencken, wasgestalten GOtt ihnen ihre Kinder als Liebes-Pfänder anvertraut habe, für welche sie dereinstens Rechenschaft werden geben müssen. Woraus sich der Schluß von selbsten ergibt, wie sehr und eifrig sich die Eltern angelegen seyn lassen sollen, ihren Kindern in allem den Vorschub zu thun, wodurch sie in der Frömmigkeit zunehmen können.

Und da zumalen zum Heil der Seelen ungemein beförderlich ist, wann man Mariam die jungfräuliche Mutter GOttes andächtig und beständig verehret; so sind auch hievon auserlesene Begebenheiten zur Marianischen Andacht eingeschaltet worden. Elteren sollen hiebey ihren Kindern jene Verheissungs-Worte Prov. 8. c. einschärfen: Wer mich findet, der wird das Leben finden; nemlich das Leben der Gnad, und der himmlischen Glory. Darum lehren die heilige Vätter insgemein, daß diejenige, welche Mariam andächtig und beständig verehren, neben dem Dienst GOttes und frommen Leben auch ihrem Dienst zugethan seynd, ein glaubwürdiges Zeichen an sich haben, daß sie von GOtt zur ewigen Seligkeit verordnet seyen. Wie trostreich muß nun den Eltern fallen, wann sie bey ihnen selbst also gedencken: Mein Kind (oder meine Kinder) können durch Ablesung dieser Begebenheiten zur Marianischen Andacht aufgemuntert werden; und mithin ein glaubwürdiges Zeichen erlangen, daß sie von GOtt zur ewigen Seligkeit verordnet seyen! mein GOtt zur ewigen Seligkeit verordnet seyen! mein GOtt was für ein Gluck ist diese für sie, und zugleich für mich, wann ich ihnen dieses Buch verschaffe! kan ich nicht billig hoffen, die Mutter GOttes werde mir in Ansehung der Sorg, die ich hab, daß meine Kinder zu ihrer andächtigen Verehrung bey Zeiten aufgemuntert werden, durch ihre mächtige Fürbitt verhilflich seyn, samt ihnen die ewige Seligkeit zu erlagen? O da laßt mich ihre gewöhnliche Güte daran nicht zweiflen, dann wo ist jemal erhört worden, daß man zu ihrer Andacht und Verehrung etwas umsonst beygetragen? werd ich vielleicht der erste seyn? es seye fern von mir, daß ich so niederige Gedancken von ihr haben sollte. Soll nicht dieser Trost allein die Eltern kräftigst antreiben, sich die Frömmigkeit, gute Zucht und Einpflantzung der Marianischen Andacht in die Hertzen ihrer Kinder bestermassen lassen angelegen seyn.

Daß aber auch lehrreiche Fabeln und curieuse Begebenheiten in diesem Exempel-Buch angetroffen werden, muß ich etliche Ursachen anführen. Erstlich kan man nicht immerdar mit Lesen geistlicher Sachen beschäftiget seyn: dann alles hat seine Zeit, wie der weise Salomon sagt Eccl. 3. Es ist eine Zeit zu weinen, und eine Zeit zu lachen. eine Zeit, die man ernstlichen Sachen wiedme; und wiederum eine Zeit, zu welcher man sich erlustige, und mithin das abgemattete Gemüth wiederum erfrische, damit es sich hernach desto lieber zu den vorigen Geschäften bequeme.

Zweytens, welches auch die hauptsächlichere Ursache ist, wird niemand in Abred stehen, daß die Jugend fürwitzig seye; und aber wegen verderbter Natur allezeit lieber erzählen höre, was schädlich, als was nutzlich ist, gemäß deme, was GOtt selbsten sagtGen. c. 8. Der Sinn, und die Gedancken des menschlichen Hertzens seynd zu dem Bösen geneigt von seiner Jugend auf. Demnach wann ein Buch handlet von Liebs Händlen, (als da seynd die sogenannte Romans) wann darinn erzählt werden unzüchtige Possen; O wie begierig ist die Jugend darnach! wie schädlich ist ihr aber ein solches Buch? Wie manche unschuldige Seel ist schon dardurch verführt worden wo nicht gleich im Anfang, wenigst mit heranruckenden Jahren? Dann da melden sich nachgehends wiederum an jene Bildnussen, und Gestalten der Liebs-Händlen, unzüchtiger Possen, so man vor diesem gelesen, und mithin in der Gedächtnuß zuruck geblieben: mit diesen aber wird die Einbildungs-Kraft angefüllt, die Sinnlichkeit bewegt, das Gemüth angefochten, und gleichsam angeflammet; also daß man jetzt erst lernet, was man vor diesem nicht besorget hat. Mithin suchet man durch die theils lehrreiche Fabeln, theils curieuse Begebenheiten den Schaden der Kinder der ihnen aus dem Lesen der Liebs-Büchern erwachsen könte, zu verhindern und abzuwenden.

Uebrigens müssen die Eltern nicht glauben, daß dieses Exempel-Buch nur für die Kinder geschrieben worden. Nein; es finden die Elteren für sich darinnen viel nutzliches, lehrreiches und erbauliches, z.E. sie werden Sachen antreffen, über welche sie manche gute Gedancken machen können, mit Verwunderung, jetzt über GOttes Barmhertzigkeit; jetzt über seine Gerechtigkeit und allerhand Zulassungen: sie werden finden, was sie zur Christlichen Starckmüthigkeit wieder aufmuntern können; sie werden ferner aus den zarten Begebenheiten, die sich aus GOttes wunderbarlicher Schickung mit Clotilde und Boetio zugetragen, lernen, wie sie sich darein schicken müssen, wann sie etwann mit einer Trübsal von GOTT heimgesucht werden. Dann da werden sie mit Verwunderung eine heroische Ergebung in den göttlichen Willen, und eine ungemeine Starckmüthigkeit ersehen. Daß also auch auf ihrer Seiten der Nutzen nicht ausbleiben wird, weil man sich auch hier beflissen hat, über das noch eine nutzliche Lehr heraus zu ziehen, jenem gemäß, was der Poet Horatius so weislich als zierlich gesungen:


Wo Lust und Nutz, sich finden ein,
Da wird der Zweck getroffen seyn.

Register
Der in diesem Werck Enthaltenen Exempeln, Begebenheiten, sinnreichen Reden, und lehrreichen Fabeln.
Von frommen Kindern.

Erstes Exempel.

Ein Knab ziehet samt einem Franciscaner Röcklein eine ungemeine Gottseligkeit an sich. Pag. 1
Zweytes Exempel.

Unser liebe Frau erscheint einem Töchterlein und ladet es ein zur ewigen Freud. 2
Drittes Exempel.

Das JEsus Kindlein isset mit zweyen unschuldigen Knaben mehrmalen zu Mittag. 3
Viertes Exempel.

Ein unschuldiges Töchterlein giebt nach der Heil. Communion vor Liebe gegen Christo den Geist auf. 5
Fünftes Exempel.

Das JEsus Kindlein nimmt von einem unschuldigen Knaben Brod an. 6
Sechstes Exempel.

Einem adelichen Fräulein zerspringt das Hertz vor Liebe gegen dem JEsus Kindlein. 7
Siebentes Exempel.

Das Christkindlein kommt in der Heil. Christnacht zu einem frommen Knaben. 8
Achtes Exempel.

Ein frommer Knab mercket den Unterschied zwischen einer ungeweyhten und geweyhten Hostie. 9
Neuntes Exempel.

Ein frommer Knab wird samt einem Abbt vom JEsus Kindlein zur himmlischen Tafel eingeladen. 10
Zehentes Exempel.

Ein adelicher Knab erscheint nach dem Tod seinem Zucktmeister. 12
Eilftes Exempel.

Christus erscheinet dem Heil. Edmund in Gestalt eines holdseligen Knabens. 13

Zwölftes Exempel.

Unser liebe Frau kommt samt einer grossen Schaar der Heil. Jungfrauen zu einem frommen Mägdlein im Todbeth. 14


Dreyzehentes Exempel.

Ein frommer Student verlangt unsere liebe Frau zu sehen. 17

Vierzehentes Exempel.

Ein Student will lieber von seinen Eltern verlassen seyn, als daß er sich abhalten lassen sollte, GOtt dem HErrn in einer geistlichen Gesellschaft zu dienen. 18


Fünfzehentes Exempel.

Ein frommer Student erscheinet nach dem Tod seinem Cammeraden. 19
Sechzehentes Exempel.

Ein frommer Jüngling wird seiner Seelen Seligkeit versichert. 20

Siebenzehentes Exempel.

Ein unschuldiger Edelknab wird wegen andächtiger Anhörung einer Heil. Meß wunderlicher Weis beym Leben erhalten. 23


Achtzehentes Exempel.

Ein Knab lebt und stirbt gottselig. 25
Neunzehentes Exempel.

Ein junger Graf wird durch öfteres Gespräch mit Ordens-Gistlichen zum Closter-Leben gezogen. 27
Zwantzigstes Exempel.

Ein junger Graf hört in dem Todbeth eine englische Music. 30
Ein und zwantzigstes Exempel.

Von dem gottseligen Frater Wilhelm, Profeß in dem Closter Münchroth, Prämonstratenser Ordens. 31

Zwey und zwantzigstes Exempel.

Ein armer Student, wird mit der Zeit Cardinal, und stellt sich gegen einer armen Wittib, die ihn Zeit seines Studierens beherberget, danckbar und reichlich ein. 33


Drey und zwantzigstes Exempel.


Ein unschuldiger Jüngling wird am Galgen wunderbarlicher Weis frisch und gesund beym Leben erhalten. 37


Vier und zwantzigstes Exempel.


Ein Jüngling deme man auf der Richtstatt das Haupt abschlagen wollte, wird von dem Heil. Schutz- Engel beym Leben erhalten. 41


Fünf und zwantzigstes Exempel.


Ein Sohn laßt sich aus Liebe gegen seiner alten nothleidenden Mutter unschuldig als ein Dieb auf Leib und Leben gefangen setzen. 43


Sechs und zwantzigstes Exempel.


Ein Knab stirbt selig, weil er gegen seinem geistlichen Lehrmeister nicht allein ehrerbietig gewesen, sondern auch seiner Lehr gefolget hat. 45


Sieben und zwantzigstes Exempel.


Ein neunjähriges Söhnlein erscheint nach dem Tod seiner Mutter in grossem Glantz, und versichert sie, daß es sich in dem Himmel unter dem Chor der Ertz-Englen befinde. 48


Acht und zwantzigstes Exempel.


Ein siebenjähriger Knab ist bereit, ehender lebendig verbrennt zu werden, als dem Christlichen Glauben abzusagen. 50


Von ungerathenen Kindern.

Erstes Exempel.

Eines bösen Buben Seel nehmen die böse Geister mit sich in die Höll, hinunter. 52

Zweytes Exempel.

Eine der Ueppigkeit in Kleidern gar zu ergebene adeliche Fräulein stirbt gantz verzweifelt und gottlos. 53


Drittes Exempel.

Ein Jüngling wird wegen allzuvielen Spielen verdammt. 54
Viertes Exempel.

Einem der Unzucht ergebenen Studenten reibt der böse Feind den Hals um. 55
Fünftes Exempel.

Ein Edelknab ergibt sich dem bösen Feind, und stirbt unbußfertig. 56
Sechstes Exempel.

Ein adelicher Jüngling wird im Ehebruch erdappet, und jämmerlich erstochen. 59

Siebentes Exempel.

Einem widerspenstigen und auf den Tod kranck liegenden Sohn wird von dem verstorbenen Vatter die Stirn eingeschlagen. 60


Achtes Exempel.

Der böse Feind will einen boshaften Sohn im Schlaf erwürgen. 61
Neuntes Exempel.

Ein vermessener Sohn streckt nach dem Tod den Arm aus dem Grab hervor. 62
Zehentes Exempel.

Einem erhenckten ungehorsamen Sohn wachsen gähling graue Haar auf dem Kopf, und ein grauer Bart. 63

Eilftes Exempel.

Eine Krott springt einem undanckbaren Sohn an die Stirn, und kan nicht mehr davon gebracht werden. 64


Zwölftes Exempel.


Der Geist eines verstorbenen Schulmeisters drohet zweyen muthwilligen Schulknaben mit einer feurigen Ruthen. 66


Dreyzehentes Exempel.

Ein Student stirbt unselig, weil er die Vorbothen des Todes nicht in Acht genommen. 67
Vierzehentes Exempel.

Christus erscheint einem lasterhaften Jüngling im Schlaf. 69
Fünfzehentes Exempel.

Ein Gespenst erschröckt bey nächtlicher Weil einen lasterhaften Jüngling. 70
Sechzehentes Exempel.

Ein junger Graf ladet eine Todten-Schädel zum Nacht-Essen ein. 71
Siebenzehentes Exempel.

Ein Student williget im Todbeth in eine unreine Belustigung; stirbt darauf, und wird verdammt. 75
Achtzehentes Exempel.

Ein Sohn bekommt von seiner verstorbenen Mutter einen empfindlichen Verweis. 77
Neunzehentes Exempel.

Verwunderlicher Ausgang liederlichen Lebens zweyer Studenten. 78

Zwantzigstes Exempel.

Ein ungerathener Sohn, so dem Fluchen und Gottslästeren ergeben, wird von dem bösen Feind in Stucken zerhacket. 82


Ein und zwantzigstes Exempel.


Ein verstorbener Jüngling erweckt noch vor seinem End eine vollkommene Reu und Leid über seine Sünden; und wird also selig. 87


Zwey und zwantzigstes Exempel.


Ein adelicher Jüngling, nachdem er sich so weit verlohren, daß er so gar Christum verlaugnet, erlangt doch durch Mariä Fürbitt wieder Gnad und Verzeihung. 88


Drey und zwantzigstes Exempel.

Eine Jungfrau wird wegen ihrer gleisnerischen Andacht verdammt. 91

Vier und zwantzigstes Exempel.

Eine treulose Braut wird an ihrem Hochzeittage, unter währendem Tantzen, von dem Teufel weggeführt. 92


Fünf und zwantzigstes Exempel.

Ein unkeuscher, liederlicher Sohn ersticht sich selbst aus Verzweiflung mit einem Messer. 94

Sechs und zwantzigstes Exempel.

Ein Jüngling hoft' der Wohllüsten in der Welt auf viele Jahre hinaus zu geniessen, und hernach in ein Closter zu gehen; wird aber in seiner Hoffnung betrogen. 96


Sieben und zwantzigstes Exempel.


Einen Jüngling peiniget das böse Gewissen, wegen begangener Mordthat dergestalten, daß er sich selbst vor der Obrigkeit angeklagt, und das Todes- Urtheil über sich gesprochen. 97


Acht und zwantzigstes Exempel.


Aus Zulassung GOttes gerathet ein Student, weil er den göttlichen Beruf in einen geistlichen Ordens- Stand in Wind geschlagen, in die Händ der Mörder; von welchen er in ein Fuhrfaß eingesperrt, wider ihr Verhoffen auf eine wunderliche Weise ist erlediget worden. 100


Neun und zwantzigstes Exempel.

Ein Vatter zahlet seine undanckbare Töchter, in Aufsetzung des Testaments gar artig aus. 105
Dreyßigstes Exempel.

Ein undanckbarer Sohn gedencket nicht einmal seines verstorbenen Vatters in der andern Welt. 108

Ein und dreyßigstes Exempel.

Ein Jüngling, der unter dem Spielen auf sich selbsten fluchet, wird von einem grausamen Gespenst erschröckt. 109


Zwey und dreyßigstes Exempel.


Die dritte Person in der heiligsten Dreyfaltigkeit, nemlich der heilige Geist, tröstet einen todkrancken Studenten, welcher vorhin an seiner Seelen-Heil verzagt war. 110


Drey und dreyßigstes Exempel.


Eine verzweiflete Tochter stirbt letztlich vor lauter Reu und Leid, und fahret von Mund auf in den Himmel. 114


Vier und dreyßigstes Exempel.


Einem ungerathenen Sohn entziehet die Bildnuß des schmertzhaften Erlösers das Angesicht; laßt sich aber auf dessen gethane Buß wiederum sehen. 116


Fünf und dreyßigstes Exempel.


GOtt verhängt über einen Sohn, daß ihm eben derjenige Fuß, mit welchem er vor vielen Jahren seine leibliche Mutter gestossen, ist abgehauen worden. 122


Sechs und dreyßigstes Exempel.

Ein Königlicher Printz will seinen eigenen Herrn Vatter erschiessen. 124
Sieben und dreyßigstes Exempel.

Ein Sohn ermordet aus Rachgierd seinen leiblichen Vatter. 128

Acht und dreyßigstes Exempel.

Nach dem Tod eines zwar adelichen, aber der Unzucht ergebenen Jünglings, laßt sich ob seinem Grab ein erschröckliches Gespenst sehen. 132


Neun und dreyßigstes Exempel.


Ein adeliches Fräulein verübt an einem welschen Baron, der ihren Liebsten umbringen lassen, eine grausame Rach; bringt sich aber darauf selbst auf eine gantz verzweifelte Art um das Leben. 136


Andere auserlesene Exempel von merckwürdigen Begebenheiten, so sich mit unterschiedlichen Menschen vor und nach dem Tod zugetragen


Erstes Exempel.


Eines schlimmen Advocaten tägliche Andacht zu unser lieben Frauen verhindert, daß ihne der Teufel nicht konte wegführen. 145


Zweytes Exempel.


Ein Doctor der Gottesgelehrtheit laßt sich im Todbeth mit dem bösen Feind in einen Glaubens-Streit ein, wird aber überwunden. 148


Drittes Exempel.


Ein guter Freund erscheint dem andern nach dem Tod, und versichert ihn wegen Unsterblichkeit der Seel. 150


Viertes Exempel.


Ein von Todten Auferstandener erzählet, was ihme nach seinem tödlichen Hintritte aus diesem Leben wiederfahren. 152


Fünftes Exempel.

Ein Verstorbener richtet sich nach dem Tod zu dreymalen in der Todten-Bahr auf. 154

Sechstes Exempel.

Einem der nur einen Tag im Fegfeuer gelitten, kommt es vor, als hätte er schon viele Jahr darinnen zugebracht. 156


Siebentes Exempel.


Ein verstorbener Student erscheinet seinem Lehrmeister nach dem Tod in einem peinlichen Mantel von Pergament. 157


Achtes Exempel.

Ein Mörder erlangt durch seine reumüthige Zäher vor dem Tod Verzeihung Sünden. 160

Neuntes Exempel.

Zu einem krancken uncatholischen Herrn kommen bey nächtlicher Weil sechs verdammte Geister, die ihn schrecken. 161


Zehentes Exempel.


Ein Mägdlein wird ewig verdammt, weil sie aus Schamhaftigkeit ihre unreine Liebshändel dem Beichtvatter vor dem Tod nicht bekennen wollen. 163


Eilftes Exempel.


Einem Ertzbischof, mit Namen Udo, wird von einem Engel das Haupt abgeschlagen, weilen er, ungeachtet seines ärgerlichen Lebens, dannoch hat därfen das Heil. Meßopfer halten, und mithin die Heil. Hostie unwürdig empfangen. 167


Zwölftes Exempel.

Ein voller Zapf wird in die Höll geführt, allda zu sehen die Pein der Vollsaufer. 171

Dreyzehentes Exempel.

Ein gefangener Bauer wird von dem bösen Geist aus der Gefängnuß in die Hölle geführt; allwo ihm die höllische Pein gezeigt worden. 173


Vierzehentes Exempel.

In einem Closter setzen sich verdammte Geister vor dem Nacht-Essen an die Tisch des Convents. 176
Fünfzehentes Exempel.

In einem gewissen Schloß werden die nächtliche Poltergeister beschworen und vertrieben. 178

Sechzehentes Exempel.

Ein ungerechter Wucherer wird drey Täg vor seinem Tod in die Hölle geführt, und ihm dort sein bestimmter Sitz gezeigt. 184


Siebenzehentes Exempel.


Ein reicher Wucherer wird nach seinem Tod in einer Capuciner-Kutten begraben, die ihn aber über die massen brennt. 185


Achtzehentes Exempel.


Einer der seinem Feind bey Lebzeiten nicht verzeihen wollen, holet nach dem Tod den andern zu gleicher Pein in die Höll ab. 188


Neunzehentes Exempel.


Ein gottslästerischer unbußfertiger Edelmann stirbt verzweifelt, und geht an Leib und Seel zu grund. 189


Zwantzigstes Exempel.


Der Geist eines verstorbenen Herrn erscheint nach dem Tod einer Magd im Haus, und begehrt Hülf von ihr. 196


Ein und zwantzigstes Exempel.


Der Geist eines verstorbenen Dieners erscheint nach dem Tod seinem Herrn, ihne bittend, er, und seine Gemahlin wollen seiner nicht vergessen. 198


Zwey und zwantzigstes Exempel.


Ein regulirter Chorherr des heiligen Augustini streitet in dem Todbeth unermüdet, wider die böse Geister, und erhaltet den Sieg wider sie. 202


Drey und zwantzigstes Exempel.


Ein edler Herr erlangt durch die Fürbitt des Heil. Martyrers Cäsarii vor dem Richterstuhl GOttes Gnad und Barmhertzigkeit. 204


Vier und zwantzigstes Exempel.


Ein tödlich verwundter Soldat wird durch die Fürbitt Mariä so lang beym Leben erhalten, bis er seine Sünden gebeichtet, und davon absolvirt worden. 207


Fünf und zwantzigstes Exempel.

Ein Ordens-Bruder stirbt frölich und getröst, ungeachtet er hinläßig gelebt hatte. 208
Sechs und zwantzigstes Exempel.

Ein krancker Herr bereitet sich besser zum Tod; weilen ihm sein Narr die Wahrheit gesagt. 210
Sieben und zwantzigstes Exempel.

Ein von Todten Erweckter macht einen streitigen Handel vor Gericht auf Erden aus. 212

Acht und zwantzigstes Exempel.

Ein adelicher Herr, aus Forcht der Justiz hoher Obrigkeit in die Händ geliefert, und durch einen grausamen Tod hingerichtet zu werden, verdingt sich zu einem Bauren, und giebt s.v. einen Sauhirten ab. 215


Neun und zwantzigstes Exempel.


Carl der Fünfte dieses Namens, Römischer Kayser, führt nach abgelegtem Kayserthum zwey Jahr ein einsames Leben; und bereitet sich also zu einem guten Tod. 219


Dreyßigstes Exempel.

Ein verzweifelter Sünder wird noch vor seinem letzten Abdruck bekehrt. 223

Ein und dreyßigstes Exempel.

Ein frommer Ordensmann kan dem lieblichen Gesang eines unbekannten Vögeleins nicht genug zuhören. 225


Zwey und dreyßigstes Exempel.


Ein Verstorbener ladet einen guten Freund, der noch bey Leben war, zu einer Mahlzeit im Himmel ein. 228


Drey und dreyßigstes Exempel.

Unerhörte Christliche Standhaftigkeit eines Ehe- Herrn auf das Zureden seiner Gemahlin. 231

Vier und dreyßigstes Exempel.

Ein Officier will lieber durch des Henckers Hand das zeitliche, als durch den Tod in einer Todsünd das ewige Leben verliehren. 234


Fünf und dreyßigstes Exempel.


Ein Todschläger wird wunderbarlich durch ein Gespenst verrathen, und der Justiz hoher Obrigkeit in die Händ geliefert. 235


Sechs und dreyßigstes Exempel.


Einen untreuen, geldgierigen, und noch darzu mit bösem Gewissen auf sich selbst fluchenden Wirth, führt der Teufel lebendig durch den Luft hinweg. 239


Sieben und dreyßigstes Exempel.


Ein alter Greis, so vor vielen Jahren einen Todschlag begangen, wird auf eine wunderliche Weis verrathen. 250


Acht und dreyßigstes Exempel.


Viel Erben aus einem gräflichen Geschlecht steigen nach dem Tod auf einer feurigen Leiter in die Hölle hinunter. 251


Neun und dreyßigstes Exempel.


Ein Wucherer will aus Lieb wegen seinem Weib und Kindern ehender verdammt werden, als den ungerechten Gewinn heimstellen. 252


Vierzigstes Exempel.


Ein armer Steinmetz, so lang er in der Armuth gelebt, war er fromm und gottsförchtig, so bald er aber zu unverhoften Reichthum gelangt, ist er gottlos und verkehrt worden. 253


Ein und vierzigstes Exempel.


Ein tapferer Kriegs-Held kommt durch wundersame, und traurige Begebenheiten um seine Frau Gemahlin, zwey Söhnlein, Bediente und Kriegsleut, samt grossen Reichthum. 258


Zwey und vierzigstes Exempel.

Unsinnige Liebe eines Ehebrechers, und einer Ehebrecherin. 265

Drey und vierzigstes Exempel.

Ein Cavalier fallt aus gerechtem Urtheil GOttes, wegen begangener Ehrabschneidung, in das greuliche Laster der stummen Sünd, und mithin in den Ehebruch; stirbt aber als ein Büssender. 270


Vier und vierzigstes Exempel.

Ein frommer Kiefer wird aus einer Drachen-Gruben wunderbarlich erlößt. 276
Fünf und vierzigstes Exempel.

Drey edle Gebrüder werden wunderbarlicher Weis in ihr Vatterland übersetzt. 279

Sechs und vierzigstes Exempel.

Ein adelicher Jüngling wird seinen Eltern durch den Heil. Niclas wunderbarlicher Weis wiederum zugestellet. 285


Sieben und vierzigstes Exempel.

Ein Bedienter wünscht im Todbeth, daß er mehr GOtt, als seinem Herrn auf Erden gedient hätte. 288

Acht und vierzigstes Exempel.

Thomä Mori, Reichs-Cantzlers in Engeland, Christliche Starckmüthigkeit, so er in Aufnehmung eines Unglücksstreichs erwiesen. 289


Neun und vierzigstes Exempel.


Ein frommer Priester erkennt durch ein Gesicht den innerlichen Stand dreyer Mägdlein, da sie seiner Meß beygewohnt. 290


Fünfzigstes Exempel.

Schwerer Streit, den ein Jüngling im Todbeth wider den bösen Geist ausgestanden. 292
Ein und fünfzigstes Exempel.

Ein Oesterreichischer Printz wird wunderbarlicher Weis aus äusserster Lebens-Gefahr errettet. 293
Zwey und fünfzigstes Exempel.

Ein edler Printz führt einen unschuldigen Wandel, und stirbt voll des Trosts. 296

Drey und fünfzigstes Exempel.

Ein Christlicher König in Japonien, so im Welt-Theil Asien liegt, bereitet sich gar gottselig zu einem glückseligen Tod. 297


Vier und fünfzigstes Exempel.


Die Seel eines verstorbenen Vatters erscheint dem Sohn erst nach viel Jahren, und begehrt Hülf von ihm. 299


Fünf und fünfzigstes Exempel.


Einer Tochter wird der unterschiedliche Zustand ihrer verstorbenen Elteren in der andern Welt gezeigt. 301


Sechs und fünfzigstes Exempel.

Die Gedächtnuß an eine zugefügte Unbild hindert den Zugang in die himmlische Gesellschaft. 305

Sieben und fünfzigstes Exempel.

Ein Edelmann wird durch Zerspringung eines Glas mit Wein des bevorstehenden Tods gewarnet, und zum Beichten angetrieben; stirbt aber ohne Beicht dahin. 307


Acht und fünfzigstes Exempel.

Ein Hertzog von Oesterreich entkommt glücklich aus einer Lebens-Gefahr. 310

Neun und fünfzigstes Exempel.

Ein mitleidiger Edelmann ersauft in einem tiefen Schöpf-Bronnen; seine Seel aber wird von den Englen in Himmel getragen. 313


Sechzigstes Exempel.


Albertus, der Grosse genannt, aus dem Prediger- Orden, erlangt durch unser liebe Frau grosse Wissenschaft in natürlichen Dingen; verliehrt sie aber einige Zeit vor dem Tod wiederum. 317


Ein und sechzigstes Exempel.


Ein untreuer, undanckbarer Gesell fallt eben in die Gruben, die er seinem größten Gutthäter gegraben. 320


Zwey und sechzigstes Exempel.

Einem Gefangenen kommt die Zeit in der Gefängnuß vor, als wäre sie eine halbe Ewigkeit. 329

Drey und sechzigstes Exempel.

Dem Heil. Augustino erscheint die Seel des verstorbenen Heil. Hieronymi in einem ungemein hellen Liecht. 330


Vier und sechzigstes Exempel.


Godoleva eine unschuldige Matron, wird von ihrem Eheherrn über die massen hart gehalten; erlangt aber durch ihre unüberwindliche Gedult endlich die Marter-Cron. 337


Fünf und sechzigstes Exempel.


Eustachii und seiner Gemahlin Theopistä Gedult wird von GOtt auf eine nicht minder wundervolle, als harte Prob gesetzt; die aber letztlich mit dem Marter-Cräntzlein geziert worden. 343


Sechs und sechzigstes Exempel.


Hermenegildi, eines Königlichen Printzen, gründliche Verantwortung gegen seinem Herrn Vatter, Leovigildum, König in Spanien, wegen falscher Beschuldigung, als strebte er ihme nach der Cron; der aber dannoch ohne Ansehen seiner Unschuld, und zwar fürnemlich um des Catholischen Glaubens willen hat müssen das Leben lassen. 352


Sieben und sechzigstes Exempel.

Ein Possenreisser wird nach seinem Tod wiederum lebendig, lebt aber forthin in strenger Buß. 357

Acht und sechzigstes Exempel.

Ein Vatter wird wegen dem üblen Verhalten seines Sohns umsonst ermahnt, dieser aber erbärmlich ermordet; worüber der Vatter vom Verstand kommen, und die Mutter, so eine fromme Frau ware, sich blindgeweint. 358


Neun und sechzigstes Exempel.


Drey buhlerische Jüngling vermeinen, sie warten einer vornehmen Dame auf, so aber ein teuflisches Gespenst war, von welchem sie schändlich betrogen, und erbärmlich zugerichtet wurden. 359


Siebenzigstes Exempel.


Aus dreyen unkeuschen Jünglingen wird einer lebendig von denen bösen Geistern gebraten; denen andern zwey aber wird verschont, weil sie GOtt um Verzeihung gebetten, und sich zu bessern versprochen. 360


Ein und siebenzigstes Exempel.


Eine adeliche Frau wird verdammt, weil sie in der Beicht etliche abscheuliche und wider die Natur laufende Sünden verschwiegen, die sie mit ihrem Eheherrn begangen hatte. 361


Zwey und siebenzigstes Exempel.


Eine junge ledige Weibs-Person wird durch ein förchtliches Gesicht von dem leichtfertigen Tantzen abgehalten. 362


Drey und siebenzigstes Exempel.


Eine ehebrecherische Frau muß ihren eigenen Liebhaber aufhencken; worauf sie bey dem Erhenckten lebendig eingemauret elendiglich hat verschmachten müssen. 363


Vier und siebenzigstes Exempel.


Eine Römische Matron lasset sich, ihre eheliche Keuschheit zu retten, von einem der ihr hinterlistig nachstellte, grausamlich erwürgen. 364


Fünf und siebenzigstes Exempel.


Eine Frantzösische Dame, mit Namen Mazia, welche mit ehebrecherischer Liebe gegen einem Advocaten verstrickt war, macht sich aus Forcht, gerichtlich eingezogen zu werden, aus Franckreich in Welschland, allwo sie ihr Leben zwar in grossem Elend, jedoch aber büssend zugebracht, und endlich beschlossen hat. 367


Sechs und siebenzigstes Exempel.


Ein eifersüchtiger Edelmann bringt sich selbst in die Grub, die er aus falschem Argwohn einem vermeinten Buhler hat graben wollen. 369


Sieben und siebenzigstes Exempel.


Eine fromme Matron bringt durch freundliche Manier zuwegen, daß ihr Eheherr verspricht, das übermäßige Spielen zu lassen. 370


Acht und siebenzigstes Exempel.


Eine Schwieger verfolgt ihre Sohnsfrau mit allen Kräften; stürtzt sich aber hierdurch in ihren selbst eigenen Untergang. 371


Neun und siebenzigstes Exempel.


Ein Ehemann wird von seinem frommen Weib öfters, wiewohl vergebens zur Andacht ermahnt; endlich aber durch einen förchtlichen Traum erschröckt, und gebessert. 373


Achtzigstes Exempel.


Ein anderer bringt durch einen bescheidenen Fund sein widerspenstiges Weib zum gebührenden Gehorsam. 374


Ein und achtzigstes Exempel.


Caroli des Grossen, Römischen Kaysers, mildes und zugleich kluges Verfahren gegen einem seiner Hofbedienten, der sich in eine seiner Kayserlichen Prinzeßin verliebt hatte. ibid.


Zwey und achtzigstes Exempel.


Der Geist einer verstorbenen jungen Weibs-Person erscheint einem jungen Edelmann, gegen welchen sie bey Lebszeiten mit unreiner Liebe entzündet ware. 376


Drey und achtzigstes Exempel.


Ein unsinniglich verliebter Edelmann wird auf einmal dergestalten verändert, daß er forthin an nichts anders gedencken, noch von etwas anders reden konnte, als allein von der Liebe, welche man GOtt in Ansehung seiner unendlichen Güte und Schönheit, die alles übertrift, schuldig ist. 379


Vier und achtzigstes Exempel.


Ein heidnischer König in Bulgarien wird durch ein Gemähld, in welchem das letzte Gericht mit allen Umständen so förchtlich, als künstlich entworfen war, also erschreckt, daß er sich zum Christlichen Glauben bekehrt hat. 382


Fünf und achtzigstes Exempel.


Des Heil. Apostels Pauli fürtrefliche Vertheidigung seiner selbst vor dem Römischen Rath wider seine Lands-Leut, die ihn bey dem Kayser fälschlich verklagt hatten. 383


Sechs und achtzigstes Exempel.


Kayser Carl des Grossen, merckwürdige Ermahnung, die er kurtz vor seinem Tod an seinen Sohn Ludwig gethan, da er ihm, als seinem Nachfolger in der Regierung die Kayserliche Cron auf das Haupt setzte. 386


Sieben und achtzigstes Exempel.


Ein vornehmer reicher Herr an dem Königlichen Hof in Persien wird um des Christlichen Glaubens willen aller seiner Reichthumen gewaltthätiger Weis beraubt; welches er doch mit grosser Gedult übertragen, und im Glauben beständig ist. 387


Acht und achtzigstes Exempel.


Die Erzählung von dem Leben des Heil. Einsiedlers Antonii ist Augustino ein starcker Antrieb zu seiner Bekehrung. 388


Neun und achtzigstes Exempel.


Ein Beamter, weil er seine Unterthanen hart gehalten, und gepreßt, zeiget nach dem Tod seinen Befreundten an, wie daß er ewiglich verdammt seye. 390


Neunzigstes Exempel.


Ein frommer Türck wird wunderbarlich zum Christ- Catholischen Glauben bekehrt; dessen Wahrheit zu bezeugen er auch eine grausame Marter aussteht. 391


Ein und neunzigstes Exempel.


Ein unschuldiger Jüngling, zu dessen Ermordung alle Anstalt gemacht war, wird von GOtt nicht allein wunderbarlich beschützt, sondern noch darzu wider alles Menschen Verhoffen eines Kaysers Tochtermann. 395


Zwey und neunzigstes Exempel.


Eine Verleumderin wird auf eine unverhofte Weis zu Schanden gemacht; und noch darüber aus gerechter Straf GOttes vom Teufel besessen. 400


Drey und neunzigstes Exempel.


Ein türckischer Printz erzählt von sich selbst, wie wunderlich er zum Christlichen Glauben seye bekehret worden. 402


Vier und neunzigstes Exempel.


Ein Verstorbener wird auf Mariä Vorbitt wiederum lebendig, damit er seine bey Lebszeiten begangene Sünden besser untersuchen, und mit wahrer Reu und Leid beichten möge. 407


Gespräche zwischen dem Heil. Schutz-Engel, und seinem Pfleg-Kind mit untermengten merckwürdigen Begebenheiten.


Erstes Gespräch. 409
Begebenheiten. 410
Zweytes Gespräch. 412
Begebenheit. 413
Drittes Gespräch. 417
Begebenheit. 418
Viertes Gespräch. 420

Merckwürdige Begebenheiten, woraus zu ersehen, wie nutzlich es seye, die göttliche Mutter andächtig und beständig mit dem Gebett des Heil. Rosenkranzes, oder wenigst mit gewisser Zahl des Englischen Gruß täglich zu verehren.

Erste Begebenheit.

Ein lasterhafter Jüngling wird mittelst des Heil. Ro senkranzes-Gebett wunderbarlich bekehrt. 421

Zweyte Begebenheit.

Ein verzweifleter Sünder kommt durch das Gebett des Heil. Rosenkranzes wiederum zu recht, und beschließt sein Leben seliglich. 422


Dritte Begebenheit.

Eine Weibsperson erlangt durch den Heil. Rosenkranz die Gnad eine vollkommene Beicht zu thun. 423

Vierte Begebenheit.

Eine Kindsmörderin wird durch die Kraft des Heil. Rosenkranzes, nachdem sie lebendig unter die Erden vergraben worden, wunderbarlich beym Leben erhalten. 424


Fünfte Begebenheit.


Der englische Gruß von einem lasterhaften Edelmann täglich gebettet, verhindert, daß ihn der böse Geist nicht konte wegführen. 425


Sechste Begebenheit.


Ein hartnäckiger Sünder wäre zur ewigen Verdammnuß verurtheilt worden, wann er nicht täglich hundert Ave Maria gebettet hätte. 427


Siebente Begebenheit.


Ein verzweifelter, und so gar dem bösen Feind schon verschriebener Mensch, kommt durch Mariä kräftige Fürbitt bey GOtt wiederum zu Gnaden. 428


Achte Begebenheit.


Ein ehebrecherischer Graf in Franckreich wird durch den Psalter, den ihm seine Gemahlin bey nächtlicher Weil ohne sein Vermercken unter das Haupt- Küssen gelegt, wunderbarlicher Weis zur Bekehrung veranlasset. 429


Neunte Begebenheit.


Ein gewisser Mann, welcher hätte ertrincken, und in Sünden sterben sollen, wird wegen der Andacht, so er gegen unser liebe Frauen getragen, beym Leben erhalten. 431


Zehente Begebenheit.


Ein Verstorbener, welcher wegen seinen Sünden hätte sollen verdammt werden, und aber täglich den Rosenkranz gebettet, wird durch die Fürbitt der Mutter GOttes erhalten, daß er seine Sünden hat beichten können. 432


Eilfte Begebenheit.

Ein grosser Sünder wird durch einen eintzigen Anblick Mariä auf einmal bekehrt. 433

Zwölfte Begebenheit.

Ein Jüngling wird durch beständige Andacht zu unser lieben Frauen zur Besserung seines liederlichen Lebens gebracht. ibid.


Einige Begebenheiten, die sich wegen andern Andachten zu unser lieben Frauen zugetragen.

Erste Begebenheit. 435
Zweyte Begebenheit. 440
Dritte Begebenheit. 441
Vierte Begebenheit. 442
Fünfte Begebenheit. ibid.
Sechste Begebenheit. 443
Siebente Begebenheit. 444
Achte Begebenheit. ibid.
Neunte Begebenheit. 446
Zehente Begebenheit. 447
Eilfte Begebenheit. 449
Zwölfte Begebenheit. 450
Dreyzehente Begebenheit. 454
Fünftes Gespräch zwischen dem H. Schutz-Engel und seinem Pflegkind. 455
Sechstes Gespräch. 456
Begebenheit. 457
Siebentes Gespräch. 458
Begebenheit. ibid.
Achtes Gespräch. 459
Begebenheit. 460
Neuntes Gespräch. 463
Begebenheit. ibid.
Zehentes Gespräch. 465
Begebenheit. ibid.
Eilftes Gespräch. 466
Begebenheit. ibid.
Zwölftes Gespräch. 469
Begebenheit. ibid.
Dreyzehentes Gespräch. 470
Begebenheit. 471
Vierzehentes Gespräch. ibid.
Begebenheit. 472
Fünfzehentes Gespräch. ibid.
Von denen wunderbarlichen Gaaben und Freyheiten, so GOtt seiner würdigsten Mutter verliehen hat. 474
Von dem Leben Mariä, von ihrer unbefleckten Empfängnuß an, bis zur Geburt Christi. ibid
Von der Geburt Christi an, bis auf Mariä Reinigung. 475
Von der Reinigung an, bis sie von ihrem Sohn, da er zum Leiden gienge, Abschied genommen. ibid.
Von dem Leben Mariä zur Zeit des Leidens und Tods Christi. 476
Von der Auferstehung Christi an, bis Maria in Himmel aufgenommen worden. ibid.
Mariä Crönung geschehen von der heiligsten Dreyfaltigkeit. 477
Unterschiedliche zugleich aber curieuse Begebenheiten.
Erste Begebenheit.

Von einem alten, und reichten Wirth, den etliche Beutelschneider auf eine sehr listige Weis bestohlen haben. 479


Zweyte Begebenheit.

Ein liederliches versoffenes Weib überliftet ihren Gleichfalls liederlichen versoffenen Mann. 482
Dritte Begebenheit.

Einem Caminfeger tragt der Fall aus dem Camin ein unverhoftes und stattliches Mittagmal ein. 485

Vierte Begebenheit.

Ein Schwörer laßt sich bereden, als hätte ihn GOtt mit Blindheit gestraft, und dieses Bereden war Ursach, daß er nachgehends vom Schwören abgelassen. 488


Fünfte Begebenheit.

Ein Dieb rettet sich durch Erfindung eines artigen Lists aus der Gefahr gehenckt zu werden. 490

Sechste Begebenheit.

Ein Weib beredet ihren versoffenen Mann mit List, als wann er gestorben und wiederum wäre lebendig worden. 492


Siebente Begebenheit.

Einige Kerls verkaufen die Haut eines Thiers, ehe sie solche vorher gefangen. 494

Achte Begebenheit.

Zweyen blinden Bettlern werden ihre schmutzige Hüt, in welchen sie viel Geld eingenähet hatten, listiger Weis vom Kopf weggenommen. 496


Neunte Begebenheit.

Ein calvinischer Prädicant will einen Propheten abgeben, den jüngsten Tag zu verkünden. 499

Zehente Begebenheit.

Etlichen, so sich in einem Wirthshaus vollgesoffen, kommt selbiges nicht anders vor, als ein auf dem Meer herum fahrende Galeere. 503


Eilfte Begebenheit.


Eine Edelfrau in Deutschland erwiese denen Calvinischen Prädicanten, die alles dem unvermeidlichen Verhängnuß zuschrieben, einen artigen Schimpf, indem sie selbige verstellter Weis zu einem Mittagmahl eingeladen, aber mit hungerigem Bauch wiederum nach Haus hat kehren lassen. 505


Zwölfte Begebenheit.


Ein Bauer, nachdem er seine Trunckenheit das erstemal ausgeschlaffen, laßt sich bereden, ein Hertzog zu seyn; das anderemal aber erkennet er sich ein Bauer zu seyn, wie er allezeit gewesen. 507


Dreyzehente Begebenheit.

Listiger Betrug eines geitzigen und schäbigen Kaufmanns wird mit List bezahlt, und abgestraft. 511

Vierzehente Begebenheit.

Wunderlich artige, und aus dem Stegreif ausgesonnene Lob- und Trost-Predig, so ein Ordensmann zu Strassenraubern gehalten. 513


Fünfzehente Begebenheit.

Einem Ordensmann begegnet eine wunderliche und zugleich lächerliche Begebenheit. 517
Clotildis, Königin in Franckreich, Wittwenstand, Betrübnuß und Ableiben. 521
Siebenhente Begebenheit.

Boetii Leben, Gefangenschaft und Tod. 531

Achtzehente Begebenheit.

Ein Christlicher General ringt mit größter Lebens-Gefahr mit einem ungeheur grossen Bären, den er aber zuletzt mit einem bey sich habenden Stilet glücklich erlegt hat. 552


Neunzehente Begebenheit.


Ein junger Türck, nachdem er sich taufen lassen, und mit einer Christin verheurathet hatte, fallt meineidig vom Christlichen Glauben ab, kommt aber darüber elendiglich ums Leben. 555


Zwanzigste Begebenheit.


Ein türckisches Mägdlein wird durch Ansprach einer krancken Catholischen Wittfrau wunderbarlich zum Christlichen Glauben bekehrt; um dessentwillen es auch getödtet worden. 559


Ein und zwanzigste Begebenheit.

Einen königlichen Printzen macht die Forcht und Schröcken in einer eintzigen Nacht schneeweiß. 561

Zwey und zwanzigste Begebenheit.

Ein Sohn hatte seinen Herrn Vatter so weit beredet, daß er mit ihm GOtt dem HErrn in einem Closter bis ans End des Lebens gedienet hat. 562


Drey und zwanzigste Begebenheit.


Eine adeliche Frau wird in ihrem Anliegen von dem heiligen Antonio von Padua auf eine gantz verwunderliche Weis getröstet. 563


Vier und zwanzigste Begebenheit.


Christ-auferbauliches Sendschreiben eines neubekehrten Chinesischen Fürsten, an seine Fürstliche Gemahlin, aus Gelegenheit der Verfolgung wider die Christen in China. 565


Fünf und zwanzigste Begebenheit.


Ein Eheherr wird ewig verdammt, weil er gegen seiner Ehegemahlin einen unversöhnlichen Haß getragen. 566


Sechs und zwanzigste Begebenheit.

Ein Kind wird auf den Fluch seiner Mutter durch den Teufel weggeführt. ibid.

Sieben und zwanzigste Begebenheit.

Ein unschuldiges Kind wird von einem Diener, nach ausgesprochenen heiligsten Namen JEsus, dem Teufel aus denen Klauen gerissen. 567


Acht und zwanzigste Begebenheit.


Ein Verstorbener kommt wieder zum Leben, und bekennet eine von vielen Jahren her in der Beicht verschwiegene Sünd. 570


Neun und zwanzigste Begebenheit.


Christus weyhet selbst in höchster Person zur Ehr seiner Jungfräulichen Mutter die Capell, in welcher der Heil. Meinrad das Heil. Meßopfer täglich pflegte zu verrichten. 572


Dreyßigste Begebenheit.


Ein verzweifleter Mensch wird durch ein Mariä Bildlein von Einsiedlen erhalten, daß ihn der Teufel nicht hat können mit Leid und Seel hinwegführen. 575


Ein und dreyßigste Begebenheit.


Ein reicher, aber gewissenhafter Kaufmann, läßt vor seinem End für sich ein Seelamt halten, und stirbt gleich darauf selig. 576


Zwey und dreyßigste Begebenheit.


Ein Meermann redt und zeigt an, was für wunderliche Geschöpf im Abgrund des Meers verborgen seyen. 579


Drey und dreyßigste Begebenheit.

Der Heil. Maclovius lieset Meß auf einem ungeheuer grossen Wallfisch, ohne daß er es wußte. 580
Vier und dreyßigste Begebenheit.

Der Teufel kan nicht hinaus, wo der Ausgang mit dem Heil. Creutz bezeichnet ist. 581

Fünf und dreyßigste Begebenheit.

Ein Engel bringt einem Bischof in einem crystallenen Schälelein das noch frische und wohlgefärbte Hertz des Heil. Augustini. 580


Sechs und dreyßigste Begebenheit.

Ein Wirth betrügt einen Edelmann mit einem falschen Spiegel. 583
Sieben und dreyßigste Begebenheit.

Ein Kayserlicher Trabant weißt seine Mauserey mit einem artigen List zu entschuldigen. 584

Acht und dreyßigste Begebenheit.

Ein altes Lutherisches, und in ihrem Irrthum hartnäckiges Weib wird von einem Ordensmann artig überwiesen, daß sie den rechten Glauben nicht habe. 586


Neun und dreyßigste Begebenheit.


Ein Waldbruder will auf einmal ein Leben gleich den Englen führen; erfahrt aber bald, daß er einem Menschen gleich leben müsse. 587


Vierzigste Begebenheit.


Zwey fürwitzige Ordensbrüder werden von einem in einer Wüste wohnenden Altvatter ihres Undancks halber artig bezahlt. 589


Ein und vierzigste Begebenheit.


Es wird zu errathen aufgegeben, welches das größte Creutz seye, so den Menschen in diesem Leben aufgelegt wird. 592


Zwey und vierzigste Begebenheit.


Ein Ordensmann bezahlt gar artig ein Lutherisches Weib, von welcher er offentlich beschimpft worden. ibid.


Drey und vierzigste Begebenheit.

Ein armer, aber pralender Edelmann wird auf eine curieuse Weis zu schanden gemacht. 595
Vier und vierzigste Begebenheit.

Einem alten Rathsherrn wird ein artiger Possen gespielet. 596
Fünfzigste Begebenheit.

Lächerlicher Possen, so ein Spitzbub einem blinden Bettler gerissen. 598
Ein und fünfzigste Begebenheit.

Eines Soldaten lächerliche Red nach erfundenen todten Leichnam seines Cameradens. 599
Zwey und fünfzigste Begebenheit.

Ein todter Ries erschreckt ein gantzes Dorf der Bauren. ibid.

Drey und fünfzigste Begebenheit.

Ein Müller will lieber seinen Streithandel fahren lassen, als mit Gefahr, viel Geld zu verthun, einem Advocaten unter die Händ kommen. 600


Vier und fünfzigste Begebenheit.

Der Weib Fürwitz wird auf eine artige Weis zu schanden gemacht. 602

Fünf und fünfzigste Begebenheit.

Einem Weib wird ein trefliches Mittel vorgeschrieben, wie sie verhindern könne, daß ihr Mann nicht viel rumore. 603

Auserlesene mithin aber serieuse Begebenheit.

Erste Begebenheit.

Ein halsstarriger Sünder stirbt gantz unbußfertig. 605
Zweyte Begebenheit.

Eine Mutter klagt über den unzeitigen Tod ihres Sohns unmäßiglich. 606

Dritte Begebenheit.

Der Heil. Schutz-Engel bringt einen tödlich verwundeten Jüngling an ein sicheres Ort, damit er verbunden, und geheilt möchte werden. 608


Vierte Begebenheit.


Einen alten zugleich aber frommen und einfältigen Schifmann erhalten die heilige Engel in einem auf dem Meer entstandenen Ungewitter, daß er nicht zu Grund gegangen; sondern an dem Gestatt, wohin sein Schiffahrt gerichtet war, angeländet ist. 609


Fünfte Begebenheit.


Glückliche Ankunft, und glorwürdiger Einzug dreyer Japonesischer Königen Abgesandten zu Rom, den allgemeinen Vatter der Christenheit zu verehren. 610


Sechste Begebenheit.

Denckwürdiger Schifbruch, so sich im Mohrenland mit etlichen Ordens-Leuten zugetragen. 618

Siebente Begebenheit.

Herrlicher Glaubens-Kampf eines Christens, worinn der wahre Christ-Glaub wider die Unglaubige obgesieget hat. 634


Achte Begebenheit.

Gottseliger Hintritt eines Greisen. 638

Neunte Begebenheit.

Ein Spanier wird in äusserster Lebens-Gefahr von GOtt wunderbarlich, und so lang erhalten, bis er seine Sünden hat beichten können. 639


Zehente Begebenheit.


Ein Frantzösischer Kaufmann waget sich mit all seinem Haab und Gut auf das Meer; leidet aber Schifbruch, kommt um alles, und muß voller Elend wiederum nach Haus kehren. 640


Eilfte Begebenheit.

Ein barbarischer Sclav rächet sich grausamlich gegen seinem Herrn. 642
Zwölfte Begebenheit.

Ein in bösen Gewohnheiten veralteter Sünder stirbt gantz verzweifelt. 646
Dreyzehente Begebenheit.

Margaretha von Cortona wird wunderbarlich bekehrt. 647

Vierzehente Begebenheit.

Ein liederlicher Jüngling, der alles das Seinige verschwendet, kommt durch Beyhülf der heiligen Mutter Annä wiederum auf ein grünes Zweig. 649


Fünfzehente Begebenheit.

Drey vermummte hochadeliche Herren kommen jämmerlich ums Leben. 650
Sechzehente Begebenheit.

Ein Rab laßt sich mit deutlicher Stimm vernehmen von der Ewigkeit. 651
Siebenzehente Begebenheit.

Ein verdammer Geist zeiget an, was die Verdammte in der Höll am meisten bedauren, und beweinen. 652
Achtzehente Begebenheit.

Ein Verdammter giebt eine Prob von dem höllischen Gestanck. ibid.

Neunzehente Begebenheit.

Ein alter Greiß gibt noch im Todbeth zu verstehen, was gestalten er vor diesem, da er noch frisch und gesund war, gern nach neuen Zeitungen gefragt habe. 654


Zwanzigste Begebenheit.

Gottseliger Hintritt aus diesem Leben eines Knabens von 16. Jahren. 655
Ein und zwanzigste Begebenheit.

Heller Spiegel Christlicher Starckmüthigkeit in Trübsal. ibid.

Zwey und zwanzigste Begebenheit.

Ueberaus harte und mitleidenswürdige Prob, so ein Graf mit seiner Ehegemahlin vorgenommen, um zu erfahren, ob sie sich gäntzlich nach seinem Willen schicken werde. 659


Drey und zwanzigste Begebenheit.

Höchst auferbauliche Lebensart eines berühmten Feld-Obersten. 665
Vier und zwanzigste Begebenheit.

Ein Kayserlicher General Feldmarschall-Lieutenant rüstet sich gottseliglich zur Sterbstund. 668
Fünf und zwanzigste Begebenheit.

Ein Calvinischer Fürst hat kurtz vor seinem Tod einen fürchtlichen Traum. 669
Sechs und zwanzigste Begebenheit.

Unseliger Tod Henrici des achten Königs in Engeland. 670

Sieben und zwanzigste Begebenheit.

Thomä Mori, weiland Engeländischen Reichskantzlers, gottsförchtiger Lebenswandel, und für die Ehr des Catholischen Glaubens starckmüthig ausgestandener Tod. 672

Lächeriche, meistentheils aber sinnreiche Reden und Antworten, welche zwischen unterschiedlichen Leuten vorgefallen. 678. bis 699

Erzählung der zehen Egyptischen Plagen, aus welchen mit Erstaunung zu ersehen ist, was GOtt für ein mächtiger HErr seye, und wie er die Halsstarrigkeit des Sünders brechen, und mithin den schuldigen Gehorsam von ihm erzwingen könne.


Die erste Egyptische Plag. Wasser in Blut verwandlet. 699
Die zweyte Egyptische Plag. Die Frösch. 700
Die dritte Egyptische Plag. Mucken und Schnacken. 701
Die vierte Egyptische Plag. Fliegen. ibid.
Die fünfte Egyptische Plag. Pestilentz. ibid.
Die sechste Egyptische Plag. Blattern. 702
Die siebente Egyptische Plag. Donner und Blitz. ibid.
Die achte Egyptische Plag. Heuschrecken. 703
Die neunte Egyptische Plag. Finsternuß. ibid.
Die zehente Egyptische Plag. Kinder-Tod. 704

Lehrreiche Fabeln.
Erste Fabel.

Ein zartes irdenes Schälelein tanzt mit einem tolpeten eisenen Dreyfuß, und wird von ihm unter dem Tanzen zerbrochen. 705


Zweyte Fabel.


Ein arge Katz stiftet mit ihrem Ohrenblasen Mißtrauen zwischen einem Adler, und wilden Schwein, wodurch sie beede ins Verderben gebracht hat. 707


Dritte Fabel.

Ein Fuchs wird von einem Bauern, den er aus Lebens- Gefahr errettet, übel belohnt. 709
Vierte Fabel.

Eine glückliche Haushaltung wird durch Uneinigkeit zerstöhrt. 715
Fünfte Fabel.

Eine Lerch kundschaftet alles wohl aus, damit ihre Junge wohl versorgt seyen. 717
Sechste Fabel.

In einem herrlichen Gebäu stritten einstens alle Theil des Hauses um den Vorzug. 719
Siebente Fabel.

Ein Esel muß seine Ehrsucht mit der Haut bezahlen. 723
Achte Fabel.

Drey erzfaule Steigbettler bekommen ihren verdienten Lohn. 731
Neunte Fabel.

Eine Jungfrau erhaltet wider die Nachstellungen ihrer Brüder den Sieg. 735

Zehente Fabel.

Philautia, das ist, die eigene Lieb, vermacht Testaments-weise dem größten Narren, so man in der Welt finden wurde, ein betrügliches Schatztrühlein, als ein Erbgeschenckt. 736


Eilfte Fabel.


Die Haasen hielten sich für die forchtsamsten Thier auf Erden; veränderten aber die Meinung, nachdem sie gesehen, daß sie von denen Fröschen geförchtet wurden. 750


Zwölfte Fabel.


Von einem Vatter und Sohn, die mit ihrem Esel über Land gereiset, und niemand haben recht thun können. 753


Dreyzehente Fabel.

Der arme Esel muß ein schlechtes Verbrechen mit der Haut bezahlen. 755
Vierzehente Fabel.

Die Ameis beklagt zu spat ihre stolze Begierd, Flügel zu bekommen. 756
Fünfzehente Fabel.

Die Amsel hatte gantz wohl gethan, daß sie es nicht mit denen Spatzen gehalten. 758
Sechzehente Fabel.

Ein Hahn bezahlt des Fuchsen List mit gleicher Münz. 759

Siebenzehente Fabel.

Ein Fuchs ziehet sich durch listige Entschuldigung aus der Gefahr, von dem Löwen zerrissen zu werden. 760


Achtzehente Fabel.

Ein Wolf gräbt ihm selbst durch übles Nachreden eine Grub. 762
Neunzehente Fabel.

Der Fuchs kommt ums Leben, dieweil er dem treuen Rath des Hahnen nicht folgen wollen. 763
Zwanzigste Fabel.

Eine arme Maus wird von dem Frosch betrogen. 764
Ein und zwanzigste Fabel.

Die Fortuna (das Glück) erhält wider den Tod der Präcedenz halber den Sieg. 765
Zwey und zwanzigste Fabel.

Ein Hafen meidet die Gesellschaft des Dreyfusses. 767
Drey und zwanzigste Fabel.

Die Tagszeit wird sinnreich vorgestellet. ibid.
Vier und zwanzigste Fabel.

Disput zwischen einem Alten und dem Tod. 768
Fünf und zwanzigste Fabel.

Das Pferd sucht Rache wider seine Feind, und wird darüber zum Sclaven. 769
Sechs und zwanzigste Fabel.

Zwischen dem Mosrohr und Eichbaum erhebte sich ein Streit, wer stärcker aus ihnen seye. 770
Sieben und zwanzigste Fabel.

Der Wolf verspricht kein Thier mehr aufzufressen; halt aber sein Versprechen keineswegs. 771
Acht und zwanzigste Fabel.

Zwey Mäuse suchen einander heim. 772
Neun und zwanzigste Fabel.

Der Pfau macht sich durch böses Exempel verächtlich bey dem Federvolck. 773

Dreyßigste Fabel.

Der Fuchs getraut sich nicht den krancken Löwen heimzusuchen, durch dieses Mißtrauen aber erhält er sich beym Leben. 774


Ein und dreyßigste Fabel.

Der Esel wollte gern ein Roß seyn. 775
Zwey und dreyßigste Fabel.

Ein verruchter Böswicht wird von einer Ampel vor Gericht angeklagt und überwiesen. 776
Drey und dreyßigste Fabel.

Die Mäus halten wider die Katz einen Rathschlag. 777

Vier und dreyßigste Fabel.

Wunderlicher Gerichtshandel, der sich zwischen etlichen Tugenden, als Klägerinnen, einer, und zwischen dem edelsten Metall, dem Gold, anderer Seits solle ereignet haben; dessen Ausspruch GOtt als dem höchsten Richter heimgestellet wird. 778

Schriftmäßiges Examen, darinn D. Martin Luther, und Johann Calvin denen dreyen fürnehmsten Apostlen Petro, Paulo und Jacobo vorgestellet, und aus dem Wort GOttes selbst so weit überzeuget, daß ihnen der Eingang in den Himmel rechtmäßig abgesprochen worden.

Das erste Capitel. St. Petrus, St. Paulus, St. Iacob, Martin Luther. 789

Das zweyte Capitel. Mercurius, St. Petrus, Calvinus, Lutherus. 793

Das dritte Capitel. Charon, Mercurius, Calvinus, Lutherus. 796

Das vierte Capitel. Megära, Calvinus, Lutherus. 799

Das fünfte Capitel. Nemesis, oder Rach, Aeacus, Minos, Rhadamanthus. 801


Anhang, bestehend erstlich in Freuden-Geschichten von der heiligen Beicht.


Erste Abtheilung.

Erforschung des Gewissens.

Auslegung der Figur: Christus bey dem Brunnen, und die Samaritanin. 809
Erstes Capitel.

Margaretha von Cortona, beicht zum zweyten mahl generaliter. 810
Zweytes Capitel.

Protasius König zu Arima, verabsaumet die Feyertäg, wird vom Himmel ermahnet. 813
Drittes Capitel.

Versaumnuß, und frembe Sünd. Isabella, Königin in Hispanien wird vermahnet. 815
Viertes Capitel.

Rechte Erforschung zur Beicht, entgehet der strengen Erforschung des letzen Gerichts. 817
Fünftes Capitel.

In Anrufung Mariä, wird das Gewissen erleuchtet zu guter Erforschung und Beicht. Ein Hispanier. 820
Zweyte Abtheilung.
Bereuung der Sünden.

Auslegung der Figur: Magdalena bey den Füssen des HErrn: Unrerschied zwischen der vollkommenen, und unvollkommenen Reu. 822


Erstes Capitel.

Vollkommene Reu, eines Edelmanns. 823
Zweytes Capitel.

Unvollkommene Reu, Landelinus. 825
Drittes Capitel.

Vollkommene Reu, mit Begierd der Beicht. Francisca ein hochedle Spanische Ehefrau. 827

Viertes Capitel.

Vollkommene Reu erstrecket sich auf eigene, und alle Sünden. Camilla von Veranis, erstlich ein weltlich eitle, darnach ein geistlich heilige Fräule, durch ein gute reumüthige Beicht. 830


Fünftes Exempel.


Grosser Reumuth zweyer Frauen, dero Reu einer Vollkommen, der andern Unvollkommen, gewesen doch kräftig. 832


Sechstes Capitel.

Ein Edelmann verzeichnet schriftlich sein vollkommene Reu. 834

Siebentes Capitel.

Viel mit vollkommener Reu und Begierd der Beicht, seynd ohne Beicht selig worden. Wie die Christen das H. Land einnehmen wolten. Auch zu Brüssel in der Pest. 835


Dritte Abtheilung.

Vorsatz sich zu bessern.

Auslegung der Figur. Zachäus windet sich aus aller Ungerechtigkeit. 837

Erstes Capitel.

Der Comödiant Babylas mit zwey Frauen, machen ein steiffen Vorsatz, Buß zu thun. Ein Römische Fräule wird von einer Schlang vergift. Ein Buhler will nach der Beicht sein Buhlschaft nimmer kennen. 838


Zweytes Capitel.


Der Vorsatz erfordert Versöhnung. Ein dollsinniger Mann verwundet den König, will lang keinen Vorsatz machen, nicht mehr zu sündigen. Gibitrudis stirbt, und wird wiederum lebendig zu beichten, ihre Gemüths-Abwendung von etlichen Schwestern. Catharina Königin in Engeland verzeihet. 840


Drittes Capitel.


Der Vorsatz muß verzeihen, auch denen die uns beleidiget haben. Zwey junge Herren, und ein Jungfrau beichten Patri Possevino, und thun dieses. 843


Viertes Capitel.


Der Vorsatz wicklet sich aus aller Ungerechtigkeit. Isabella Königin in Hispania, handlet derowegen mit Ferdinand Talavera Bischof zu Granada ihrem Beicht-Vatter. 845


Fünftes Capitel.

Kirchen-Raub muß der Kirchen zugestellet werden: Herzog in Lothring Ragnerus. 847
Sechstes Capitel.

Ungerechtes Gut thut kein gut, ein Sohn eines Wucherers stellet es zu, wird geistlich. 848

Siebentes Capitel.

Der Vorsatz giebt einem jeden das Seinige. Nicolaus, Esterhazy Palatinus, stellet zu die Herrschaft Regez. 850


Achtes Capitel.

Der Vorsatz vertilgt die Aergernuß. Ein Mahler im Carmeliter-Closter, erscheint Patri Dominico. 851

Vierte Abtheilung.

Bekanntnuß der Sünd.

Auslegung der Figur: Petrus empfahet die Schlüssel. 853

Erstes Capitel.

Beschaffenheit des Beicht-Vatters. St. Johannes Nepomucenus wird wegen der Verschwiegenheit gemartert. 854


Zweytes Capitel.

Pater Bernardus Colnagus Soc. JEsu, ein gütiger Beicht-Vatter. 856
Drittes Capitel.

Wem man soll beichten. 857
Viertes Capitel.

Ein Jungfrau beicht P. Henrico Susoni. 858

Fünftes Capitel.

Die Todsünd nach dem Unterschied, und Anzahl beichten. St. Agnetis von Monte Politiano Herr Vetter. 859


Sechstes Capitel.

Wie man den Unterschied, und Anzahl der Sünden beichten soll. Etlich Exempel. 861

Siebentes Capitel.

Durch die Beicht wird ein abscheulicher Diener holdselig. Mater Paula Centuriona hat dieses gesehen. 867


Achtes Capitel.

In Zweiflen soll der Beicht-Vatter gefraget werden. Ein Römische Edelfrau. 868
Neuntes Capitel.

Drey Eigenschaften der Beicht, dermüthig, redlich, lauter. 870
Zehentes Capitel.

Die Todfünd muß man, die läßliche kan man beichten. 872

Fünfte Abtheilung.

Gnugthuung, oder die auferlegte Buß verrichten.

Auslegung der Figur: die Ehebrecherin soll hingegen nicht mehr sündigen. 874

Erstes Capitel.

Die Straf der Sünd wird nicht allzeit gäntzlich vergeben. Vorzeiten wurden schwere Bussen auferlegt. 875


Zweytes Capitel.

St. Vital Abbt giebt kleine Bussen. 877
Drittes Capitel.

In gewissen Begebenheiten können kleine Bussen auferlegt werden. 878
Viertes Capitel.

Alle Bussen seynd klein gegen der Sünd. Philipp Graf zu Namur thut Buß, nach dem Tod Wunder. 882
Fünftes Exempel.

Pabst Innocentius leget auf einer schweren Sünderin, ein geringen Buß. 884

Sechstes Capitel.

Die Buß soll nicht verschoben, gleich verrichtet werden. St. Antoni des Abbten vortreflichste Tugend wird den Beicht-Vättern anbefohlen. 886


Siebentes Capitel.

Neben der auferlegten können andere Bussen angenommen werden. 888
Freuden-Lied nach verrichter Beicht. P. Joannis Dilati Soc. JEsu. 892

Anhang, bestehend zweytens in Trauer-Geschichten von der heiligen Beicht.

Erstes Capitel.

Wann ist die Beicht ungiltig: Sechs Ursachen der ungiltigen Beicht. 898
Zweytes Capitel.

Zwey Stuck wohl zu mercken einem jeden Beichtvatter. 899
Drittes Capitel.

Der Innhalt dieses Büchleins. 900
Viertes Capitel.

Der Urheber der Verschwiegenheit in der Beicht, ist mehrmahlen der Teufel. 901
Fünftes Capitel.

Ein sechzehen-jähriges Mägdlein wird verdammet, wegen verschwiegenen Sünden. 903
Sechstes Capitel.

Ein Fäul wird aus gleicher Ursach verdammet. 909
Siebentes Capitel.

Ein Weib wird gleichfalls verdammet, und ihr Cörper wird von Teuflen hingeführt. 912
Achtes Capitel.

Ein Königliche Engeländische Prinzeßin wird eben aus solcher Ursach verdammet. 914
Unbescheidner Beicht-Vatter. 917
Neuntes Capitel.

GOtt offenbahrt die in der Beicht verschwiegene Sünd. 918
Gleichnuß von einem geschwängerten Mägdlein. 920
Zehentes Capitel.

Im Ehestand kam man sündigen, wie einer Frau solche ihr Sünd worden zu ihrer Verdammnuß. 922

Eilftes Capitel.

Ein Closterfrau, und Obrigkeit des Closters, wird verdammet, wegen einer eitlen Verschwiegenheit. 924


Zwölftes Capitel.

Wegen eines unzüchtigen Gedancken wird ein Frau ewig zur Höllen verdammet. 926
Dreyzehentes Capitel.

Ein seltsame Geschicht von Pelagio einem Mönch. 928
Unvernünftige Thier suchen ihr Heil durch gute Mittel. 932
Vierzehentes Capitel.

Die Sünd je mehr sie wird verborgen, je mehr wird sie geoffenbahret. 933
Viel besser ist es vor dem Beichtvatter, als vor dem Gericht zu schanden werden. ibid.
Fünfzehentes Capitel.

Diese Wahrheit wird bekräftiget mit einem Gesicht. 936

Sechzehentes Capitel.

Beschluß des ersten Theils, St. Aegidius der Abbt ist ein Helfer, wider die Schamhaftigkeit, recht zu beichten. 939


Zweyte Abtheilung.

Erstes Capitel.

Ein hochwichtiges gutes Bedencken. 941
Ob mehr Catholische Christen verdammet, als selig werden? Ein Ursach dessen. ibid.
Zweytes Capitel.

Die in Raufhändlen sterben, haben kein rechten Vorsatz, ihrem Feind zu verzeihen. 942
Drittes Capitel.

Zwey klägliche Begebenheiten deren, die sich nicht wollen besseren. 943
Viertes Capitel.

Von gutem Vorsatz, der zur Beicht wird erfordert. 946
Fünftes Capitel.

Ein Student zu Paris wird verdammet, aus Mangel des guten Vorsatzes. 948
Cap. 6. Ein Domherr wird gleichfalls verdammet. 951
Cap. 7. Aus was Ursach wird der gemachte Vorsatz gebrochen? Vier Ursachen werden angezeigt. 953
Die erste ist die Hoffart. ibid.
Die 2. ist der eigne Nutz. 954
Die 3. Die Verzweiflung. ibid.
Die 4. Ist die Untreu. 955
Cap. 8. Andere Ursachen, die fünfte ist die Vergessenheit, die sechste ist die eitle Forcht. 956
Cap. 9. Aus Abgang des guten Vorsatzes, wird ein Frau verdammet. 959
Cap. 10. Ein Wucherer bleibt ein kleine Zeit im guten Vorsatz. 961
Cap. 11. Gute Mittel im guten Vorsatz zu verharren. 963
1. Nicht auf sich vermessentlich trauen. ibid.
2. Die Flucht der Gefahr. 964
Cap. 12. Gefährlich ist es, die Beicht aufschieben. 965
Ein unglückseliger Beichtvatter, und Beicht- Kind. 968
Cap. 13. Ein guter Beichtvatter, ist ein grosser Nutz. Ein Exempel. ibid.
Cap. 14. Drey Beicht-Vätter werden erschröcklich gestraft. 971
Cap. 15. Oefter in ein Sünd fallen, ist ein Zeichen eines unkräftigen Vorsatzes. 976
Cap. 16. Dies wird mit einem Exempel bewiesen. 980
Cap. 17. Die Nothwendigkeit der General- Beicht. 983
Cap. 18. Warum ein General-Beicht soll geschehen. 987
Die erste Ursach, weilen es vor dem Tod viel thun. ibid.
Die 2. Weilen wir unsicher seynd in der Zeit. 988
Die 3. Wahre Forcht GOttes zu bekommen. 989
Cap. 19. Die 4. Ursach ist, zur Demuth. 990
Die 5. Zum Sieg des bösen Feinds. 991
Ein Exempel von einer büssenden Closter- Frau. ibid.
Die 6. Ursach, ist sicher zu seyn, daß wir einen steiffen Vorsatz haben gemacht. 993
Cap. 20. Innhalt der obbemelten Nutzbarkeiten. 995
1. Alle mangelhafte Beichten werden ersetzet. ibid.
2. Die tiefe Demuth wird erwiesen. ibid.
3. Die Lieb GOttes wird entzündet. 996
4. Die Gedult wird angenommen. ibid.
5. Ein Großmüthigkeit wird gefasset. ibid.
6. Das Leben wird erneueret. ibid.
7. Hiemit kommet die Ruhe des Gewissens. ibid.
8. Der Sieg über die Teufel. 997 ibid.

Exempel von einem Verliebten, der Zauberey braucht, endlich büsset. Die Beich-Vätter sollen mit Gedult anhören die General-Beicht. 998


Form und Unform in dem Beichtstuhl.

Erster Beicht-Form. 1002
Zweyter Form. 1003
Dritter Form. 1004
Vierter Form. 1006
Fünfter Form. 1007
Erster Unform. 1008
Zweyter Unform. 1010
Dritter Unform. 1011
Vierter Unform. 1013
Fünfter Unform. 1014

Fünf nothwendigste Puncten zu einer rechtschaffenen Beicht.

Erster Punct. Fleißige Ersorschung des Gewissens. 1016

Zweyter Punct. Eine übernatürliche, eine allgemeine und hertzliche Reu, entweder eine vollkommene oder unvollkommene. ibid.

Dritter Punct. Ein kräftiger Vorsatz. 1017

Viertet Punct. Eine vollkommene, demuthige offenhertzige Beicht. 1018

Fünfter Punct. Eine geziemende und heilsame Buß 1021

Form einer wahren vollkommenen Reu und Leid. 1023

Des lehrreichen Exempel-Buchs von Frommen Kinderen

1. Exempel
Erstes Exempel.
Ein Knab zieht samt einem Franciscaner-Röcklein eine ungemeine Gottseeligkeit an sich.

Um das Jahr Christi 1220 lebte in Niederlanden ein Knab Namens Achas, so nicht gar 7. Jahr alt worden. Seine Elteren waren vermögliche Leut, so den armen Geistlichen viel Guts thaten. Nun truge es sich einstens zu, daß zwey arme Franciscaner bey ihnen den Einkehr genommen. Da gefielen dann dem Knaben ihr Ordens-Kleyd, und demüthige Sitten sowohl, daß er seine Elteren mit weynenden Augen gebetten, sie wolten ihm doch auch ein Franciscaner Röcklein machen lassen. Wie er nun solches erhalten, da ist nicht auszusprechen, was Gottseeligkeit und heiligen Eifer er samt dem Röcklein an sich gezogen. Dann so er ungefehr hörte, daß andere Knaben unter sich zanckten, oder einander gar schlugen, da strafte er sie mit ernstlichen Worten, und sagte zu ihnen: sie sollen gedencken, was für eine grosse Straf in der anderen Welt auf sie warte, wann sie sich nicht besseren wurden. Sahe er aber, daß andere fridsam und eingezogen waren, da lobte er sie: und sagte zu ihnen: sie solten mir getröst seyn; dann sie hätten einen grossen Lohn in dem Himmel zu gewarten. Ja so gar gegen seinen Elteren konte er seinen heiligen Eyfer nicht einhalten. Dannenhero so etwann sein Vatter truncken nach Hauß kame, (und wie es halt geht, wann man zu viel getruncken hat) mithin etwann fluchte, oder unehrbare Wort ausstoßte, da fienge der Knab an zu weinen, und sagte: Ach mein Vatter! erinneret euch doch dessen was der Prediger erst neulich auf der Cantzel gesagt hat, daß nemlich die Trunckene das Reich GOttes nicht besitzen werden. Und da einstens seine Mutter etwas üppiges gekleydet [1] in die Kirchen gehen wolte, deutete er ihr auf ein Crucifix-Bild, und sagte: Ach liebe Mutter! sehet doch, wie unser lieber HErr so arm, und mit Blut überronnen am Creutz hangt; und ihr zieher so üppig daher! das stehet ja nicht wohl? Solche Ermahnungen aber, weil sie mit Beobachtung schuldiger Ehrerbietung, und aus einem heiligen Eifer geschahen, nahmen die Elteren dem Knaben nicht allein nicht übel auf; sonderen vilmehr liebten sie ihn darum, und liessen es ihnen gesagt seyn. Neben seinem heiligen Eyfer, die Beleydigung GOttes bey anderen zu verhinderen, truge er zur heiligen Armuth (zu welcher sich die Franciscaner strenger, als andere Ordens-Geistliche verbinden) eine solche Lieb, und Hochachtung, daß er nicht einmahl Geld anrühren wolte Als er nun in solcher Gottseeligkeit eine Zeit lang zugebracht, gefiele es GOtt, ihne aus diser Welt abzuforderen, und als eine schöne, und noch frische Tugend-Blum in den himmlischen Lust-Garten zu übersetzen, ehe und bevor sie etwann mit der Zeit verwelcken, und durch anderer böse Exempel möchte verderbt werden. So wurde er dann von GOtt mit einer tödlichen Kranckheit heimgesucht. Wie nun der gottseelige Knab das End seines Lebens vor sich sahe, da legte er eine Beicht ab von allem dem, was nur den Schatten einer Sünd haben möchte; worauf er auch das Heil Sacrament des Altars, als die letzte Weeg-Zehrung der Sterbenden verlangte. Weil ihm aber solches, als einem Kind abgeschlagen worden, da habe er seine unschuldige Händ gen Himmel, und sagte: HErr JEsu Christ du weist, wie gern ich dich in dem Heil. Sacrament des Altars bey mir hätte. Weil es mir aber nicht zugelassen wird, und ich meine seits gethan, was ich hab können, so hoffe ich, du werden meinen guten Willen für das Werck annehmen, und ich werde dort in dem Himmel ewig bey dir seyn. Dises geredt, hat er sein unschuldiges Leben geendiget. Cap. tiprat. L. 2. Apum.


Lasse mir das ein seltsames Exempel von einem frommen Knaben seyn. Wo findet man heut zu Tag der gleichen?

2. Exempel
Zweytes Exempel.
Unser liebe Frau erscheint einem Töchterlein, und ladet ein zur ewigen Freud.

Zu Rom, der vornehmsten Statt in Welschland, lebte ein Töchterlein mit Namen Musa. Diese erschiene einstens bey nächtlicher Wache [2] die Himmels-Königin, samt vielen heiligen Jungfrauen, dero Kleyder schneeweiß waren, die Angesichter aber glantzten wie die Sonne. Die Himmels-Königin redete das Töchterlein an mit diesen Worten: Musa! sihest du diese Jungfrauen? Sie seynd alle auserwählte Bräuten meines Sohns. Verlangst auch du in ihre Gesellschaft zu kommen, so must du gantz eingezogen leben; und also von allem Muthwillen, frechen Reden und Gelächter, ja von allen üppigen Freuden, denen sonst die unbesonnene Jugend ergeben ist, dich enthalten. Wirst du das thun, so wisse, daß du innerhalb 30. Täg werdest in unserer Gesellschaft seyn. Dieses geredt, verschwande die Himmels-Königin samt ihrer Gesellschaft. Wie nun das Töchterlein aus dem Schlaf erwachet, da ist nicht auszusprechen, wie gantz verändert es sich befunden. Es waren ihm vergangen alle kindische Freuden: es wollte von nichts anders hören, als nur von himmlischen Dingen; also daß ihre Elteren sich darüber nicht genug verwunderen konten. Wie es ihnen aber die nächtliche Erscheinung der Ordnung nach erzählet, da hat die Verwunderung bey ihnen noch mehr zugenommen. Nun, wie gienge es weiters? Es stunde kaum 25. Täg an, da ward das Töchterlein mit einem tödtlichen Fieber überfallen; an welchem als es bis auf den 30sten Tag kranck gelegen, da ist ihme die Himmels-Königin abermahl in Begleitung obgedachter heiliger Jungfrauen erschienen, und hat es zur ewigen Freud eingeladen. Auf welche Einladung das Töchterlein mit Freuden geantwortet: O Frau! Ich komme, ich komme. Dises gesagt, schlosse es die Augen zu, und gabe den Geist auf. S. Greg. 4. Dial.


O wie gefallen GOtt, und seiner Jungfräulichen Mutter die jenige Töchterlein, welches fein züchtig und eingezogen seynd.

3. Exempel
Drittes Exempel.
Das JEsus Kindlein isset mit zweyen unschuldigen Knaben mehrmahlen zu Mittag.

Es waren zwey unschuldige Knaben, die giengen in einem Dominicaner-Kloster bey einem frommen Pater in die Schul, von welchem sie nicht allein im Lesen und Schreiben, sondern auch in aller Frommkeit und guten Sitten unterwiesen wurden. Ihre Gewohnheit war, um die Mittag-Zeit nach der Schul in einem nahe an dem Closter gelegnen Kirchlein das Mittag-Essen welches in Brod, Aepfeln und Birn, so ihnen ihre Mütter täglich in das Schul-Säcklein mitgaben, bestunde einzunehmen. In dem Kirchlein aber war ein Altar auf welchem ein geschnitzeltes Mariä- [3] Bild stunde, so auf dem Schoos das JEsus Kindlein hatte. Wie sie nun eines Tags allda ihr Mittag-Essen tröstlich einnahmen, sihe! da stiege das JEsus Kindlein von freyen Stucken vom Altar herunter, gesellete sich zu den Knaben, grüßte sie, und gesegnete ihnen das Mittag-Essen. Die Knaben danckten ihm, hiessen es willkomm seyn, und sagten, es komme eben recht, wann es mit ihnen essen, und verlieb nehmen wolle. Und da ihm das JEsus Kindlein die Einladung gefallen lassen, theilten sie ihm mit, was sie in ihrem Schu-Säcklein hatten: welches dann das JEsus Kindlein alles angenommen, und eben auch mit ihnen gegessen hat. Wie aber alles aufgessē war, bedankte es sich gegen ihnen: und nachdem es Abschied genommen, stiege es wiederum auf den Altar, und setzte sich in den Schoos seiner Mutter; die Knaben aber nahmen ihren Ruck-Weeg aus dem Kirchlein, und giengen wiederum der Schul zu. Wie nun dieses mehrmahlen nacheinander geschehen, haben sie es endlich dem Pater, ihrem Lehr-Meister angezeigt, mit vermelden, was gestalten das JEsus Kindlein zwar öfters mit ihnen zu Mittag esse; allein es gebe ihnen nichts dagegen. Wie der Lehrmeister das gehört, konte er sich eines Theils nicht gnug darüber verwunderen; anderen Theils aber wußte er sich selbst vor Freuden nicht zu fassen: dann er aus dieser Erzählung abgenommen, die Unschuld dieser Knaben müsse dem JEsus Kindlein sehr gefallen, indeme es mit ihnen zu essen sich so oft gewürdiget habe. Demnach unterrichtet er sie, wie sie sich inskünftig gegen dem JEsus Kindlein zu verhalten hätten, und sagte: Höret, ihr Kinder! wann inskünftig das JEsus Kindlein wiederum mit euch wird zu Mittag essen, so redet es an (jedoch mit tieffester Ehrerbietung) und saget zu ihm: liebstes JEsus Kindlein! du issest wohl mit uns, gibst uns aber nichts dagegen. Wir wolten, daß du uns auch einmahl etwas brächtest; oder aber uns samt unserm Lehr-Meister zu deiner Tafel thätest einladen. Ey ja! versprich es uns, oder wir lassen dich nicht mehr von uns weggehen. Diesen Unterricht nun liessen ihnen die Knaben treulich gesagt seyn. Wie derohalben das JEsus-Kindlein bald darauf seiner Gewohnheit nach mit den Knaben wiederum zu Mittag asse, und aber nach dem Essen wiederum weggehen, und auf den Altar steigen wollte, da hielten es die Knaben zuruck, und redeten es an, wie sie von ihrem Lehr-Meister abgerichtet worden. Das JEsus Kindlein liesse ihm die vertrauliche Anred der Knaben gefallen, und sagte zu ihnen:Liebe Kinder! seyd nur zufrieden. Dann sehet! ich lade euch samt euerem Lehrmeister zu meiner himmlischen Tafel ein, und zwar auf das Fest meiner Auffahrt. Bringet ihm nur diese Bottschaft. Solches geredt, nahme es von den Knaben den Abschied; diese aber liefen voller Freuden zu ihrem Lehrmeister, und [4] legten die erfreuliche Bottschaft ab. Der Lehrmeister merckte aus dieser Bottschaft wohl, daß er samt denen Knaben, von dein JEsus-Kindlein aus diesem Leben werde abgefordert werden. Deßwegen sprache er ihnen zu, sie solten fein fromm seyn, und fleißig betten, damit sie sich würdig machten, an der himmlischen Tafel zu speisen. Das erweckte nun in den Knaben eine ungemeine Freud, und sie meinten eben, sie können das Fest der Auffahrt Christi nicht erwarten. Wie aber selbiges herbey kommen, da kleydeten sie sich an so schön, als sie konten, und giengen mit ihrem Lehrmeister des Morgens frühe in obgedachtes Kirchlein, allwo sie ihm beyde zur Meeß dienten, und mit aufgehebten Händen gar andächtig betteten; bisweilen aber dem JEsus Kindlein auf dem Altar einen Blick gaben, gleich als wolten sie es seines Versprechens erinneren. Wie nun der Lehrmeister die Meß vollendet, und dem anwesenden Volck den Priesterlichen Seegen ertheilet, da ist er samt denen Knaben sänftiglich auf die Erden gesuncken, und haben alle den Geist aufgegebē; ihre unschuldige Seelen aber seynd dem Himmel zugeflogen, allwo sie nunmehr an der himmlischen Tafel ewig erquickt werden. Antonius Senensis in Chronica ad Annum Christi 1240.


O Unschuld! was für ein Gefallen hat GOtt an dir, glückseelige Kinder, die ihre Unschuld behalten.

4. Exempel
Viertes Exempel.
Ein unschuldiges Töchterlein gibt nach der Heil. Communion vor Liebe gegen Christo den Geist auf.

Zu Bononien, einer Stadt in Welschland, ist ein Frauen-Closter, Dominicaner-Ordens. Bey selbigen Closter-Frauen gienge in die Kost ein Töchterlein, welches man die Unschuld selbsten hätte mögen nennen. Neben anderen Andachten, denen es ergeben war, truge es eine sonderbahre Ehrerbietung zu dem heiligen Sacrament des Altars. Dannenhero wann es zu Zeiten gesehen, wie die Closter-Frauen communicierten, hat es eben gemeinet, es seye ihm unmöglich, daß es nicht auch mit ihnen communiciren solle: so groß war bey ihm die Begierd, mit Christo in diesem heiligen Sacrament vereiniget zu werden. Allein, weil es die Jahr zum communicieren noch nicht hatte, wolten es die Closter-Frauen nicht lassen hinzu gehen. Das schmertzte dann das gute Kind dermassen, daß ihm darüber das Hertz hätte zerspringen mögen. Was geschiehet? Als auf ein Zeit die Closter-Frauen abermahl communicierten, und aber das Kind nur zusehen mußte, da entstunde in ihm eine solche Begierd, auch zu communicieren, [5] daß die heilige Hostie, so der Priester in der Hand hielte, und eben jetzt austheilen woll te, ihm von freyen Stucken aus der Hand entwiche; mit grossem Glantz umgeben, durch den Luft zu dem Töchterlein hinfloge, und ober seinem Haupt schwebete. Ueber welches Wunder als der Priester erschrocken, und Anfangs nicht gewußt, was dieses bedeuten wolle, da fallt ihm ein, Christus wolle ein für allemahl durch die Heil. Communion bey diesem Töchterlein einkehren; eben darum, weilen es eine so grosse Begierd zu communicieren habe: geht also hin, nimmt die im Luft schwebende heilige Hostie mit tiefester Ehrerbietung wiederum in die Hand, und communicierte darmit das Töchterlein. Wie nun das Kind diese unerhörte Gnad, so ihme Christus erwiesen, etwas tieffers zu Gemüth geführt, das ist sein Hertz mit solcher Liebe gegen Christo entzündet worden, daß es selbige nicht länger ertragen können, sondern ist in eine süsse Ohnmacht dahin gesuncken, und hat vor Freuden den Geist aufgeben. Segneri in homine Christiano P. 3. Discursu 8. n. 17.


O glückseeliges Kind! wie wird an jetzo dein Begierd, so du hattest, mit Christo in der H. Communion vereiniget zu werden, so glückseelig erfüllet! dann welchen du auf Erden in dem H. Sacrament des Altars unter der weissen Gestalt nur verdeckter gesehen, den schauest du nunmehr in dem Himmel von Angesicht zu Angesicht an, und wirst ihn also mit unaussprechlicher Freud in alle Ewigkeit anschauen. O Glückseeligkeit!

5. Exempel
Fünftes Exempel.
Das JEsus Kindlein nimmt von einem unschuldigen Knaben Brod an.

Es war ein unschuldiger Knab, der begehrte einstens von seiner Mutter das Abend-Brod. Und als er selbiges empfangen, gienge er damit aus dem Haus, und über die Gassen: asse aber im Fortgehen von dem Brod: wie es eben die Kinder machen. Indem er also fortgeht, kommt er zu einer Capell, in welcher ein geschnitzeltes Mariä-Bild war, so auf dem Arm das JEsus-Kindlein truge. Wie er nun in die Capell hinein sihet, und das JEsus Kindlein betrachtet, unterdessen aber immerzu von dem Brod isset, da sagt er aus kindischer Einfalt zu dem JEsus Kindlein: Liebstes JEsus Kindlein! ich will dir auch von meinem Brod geben, wann du es annehmen wilst: sage nur ja. Solches sagend, streckt ihm der Knab das Brod dar. Weilen aber das JEsus Kindlein sich auf dieses darstrecken nicht bewegte, und noch viel weniger antwortete, [6] da behertzigte dises den Knaben dermassen, daß er bitterlich zu weinen anfienge, und endlich noch einmahl inständig mit Darstreckung des Brods anhielte, sagend: ey ja, liebstes JEsus Kindlein! lasse dich doch erbitten, und nimm auch von meinem Brod. Sehet Wunder! das JEsus-Kindlein streckt das rechte Händlein aus, langt nach dem Brod, und nachdem es solches zu sich genommen, sagt es zu dem Knaben: höre auf zu weinen, dann sihe! weil du mich so schön bittest nimme ich das Brod eben an: aber nach drey Tägen will ich dir in dem Himmel ein anders Brod darfür geben. Mit dieser Antwort eilet der Knab voller Freuden nach Hauß, und erzählet seiner Mutter, was das JEsus Kindlein zu ihm gesagt habe. Bald darauf erkranckte er dergestalten, daß er sich mußte zu Beth legen. Er lage aber kaum 3. Täg, da starbe er; und seine unschuldige Seel floge dem Himmel zu, allwo sie nunmehr geniesset das Brod des ewigen Lebens. Joannes Herolt in Prompt.


Christe JEsu! wie lieb seynd dir doch die unschuldige Knaben! darum hast du Marci 10. gesprochen:lasset die Kinder zu mir kommen; dann solchen ist das Reich GOttes. Ja du wilst, daß wir alle den Kinderen in der Unschuld gleich werden, indem du Matth. 18. sagst: es seye dann, daß ihr werdet wie die Kinder, so werdet ihr zum Himmelreich nicht eingehen.

6. Exempel
Sechstes Exempel.
Einem adelichen Fräulein zerspringt das Hertz vor Liebe gegen dem JEsus Kindlein.

Es war ein adeliche Fräulein von 14. Jahren: das truge zu unser lieben Frauen eine grosse Andacht. Bey dieser nun hielte sie oft und viel an, sie wollte ihr doch einmahl das JEsus Kindlein zu sehen geben. Was geschiehet? als dieses Fräulein einstens zu Haus in einer Capell andächtig bettete, und eben eine grosse Begierd hatte, das JEsus Kindlein zu sehen, da erschiene ihr unser liebe Frau mit dem JEsus Kindlein auf den Armen, und redete das Fräulein an mit diesen Worten: Siehe! da bring ich dir das JEsus Kindlein, das du schon so lang zu sehen begehrt hast. Nimme es auf deine Arm, und thue ihm fein schön. Wie nun das Fräulein selbiges auf die Arm genommen, da fragte das JEsus Kindlein! Kind! liebst du mich? das Fräulein antwortete: ja freylich liebe ich dich, hertzliebstes JEsulein. Wie liebst du mich aber, fragte das JEsus Kindlein weiters? mehr als mein eigenes Hertz, antwortete das Fräulein. Allein das JEsus Kindlein war mit diser Antwort noch nicht zufrieden, [7] sondern wolte weiters wissen, was das Fräulein mit disen Worten sagen wolle? Da antwortete das Fräulein: Hertz liebstes JEsulein! das kan ich mit Worten nicht aussprechen, sondern ich laß mein Hertz für mich reden. Kaum hatte sie dise Wort ausgeredt, da wurde ihr Hertz mit solcher Süßigkeit erfüllet, daß es in Stucken zersprungen; das JEsus Kindlein aber nahme ihre Seel auf, und truge sie unter lieblichem Gesang der Englen mit sich dem Himmel zu. Wie nun diejenige, so im Haus waren, das englische Gesang gehört, liefen sie wundershalben der Capell zu; und da sie hinein kommen, fanden sie das Fräulein tod auf der Erden ligend: die Capell aber mit himmlischen Geruch erfüllet. Wie man aber die Ursach dises Tods zu erfahren ihren Leib eröffnet, da fande man das Hertz von einander zersprungen; indessen Mitte aber mit goldenen Buchstaben geschriben dise Wort: O mein JEsu, ich liebe dich; weil du mein Herr, und Heyland bist. Joannes Herolt in Prompt.


Ach was für ein glückseeliger Tod! vor lauter Liebe GOttes sterben! O daß auch uns ein solcher Tod widerfuhre! wie glückseelig wären wir!

7. Exempel
Siebendes Exempel.
Das Christ-Kindlein kommt in der Heil. Christ-Nacht zu einem frommen Knaben.

Es war ein frommer Knab: diesen kame einstens in der H. Christ-Nacht eine ungemeine Begierd an, das Christ-Kindlein, zu sehen in der Gestalt, die es auf Erden gehabt. Zu disem End wachete er in seinem Kämmerlein, und bettete auf gebogenen Knyen bis gegen Mitternacht. Wie nun die Begierd, das Christ-Kindlein zu sehen, mithin immerzu in ihm grösser wurde, da hörte er jemand an der Thür des Kämmerleins klopfen. Es nahme ihn anfänglich wunder, wer es seyn müsse, der so spath in der Nacht zu ihm verlange. Allein weil er sich von seiner Andacht nicht wolte abhalten lassen, bliebe er auf dem Boden knyend, und gabe keine Antwort. Wie man aber das anderte mahl an die Thür anklopfte, da sagte er endlich: Herein. Kaum hatte er das Wort ausgeredt, sihe, da eröfnete sich die Thür, und es kame in das Kämmerlein hinein das Christ-Kindlein, mit grossem Glantz umgeben; hatte aber nichts an, als ein schneeweisses Hemdlein, und schine, als wäre es gantz frostig, und wolle demnach eine Wärme suchen. Also dann liefe es zu dem Knaben hin, und fiele ihm um den Hals. Der Knab dises sehend, umfienge das Christ-Kindlein mit beyden Armen, [8] und druckte es aus Liebe ans Hertz, gleich als wolte er auf solche Weis dem erfrornen Christ-Kindlein warm machen. Wie er nun eine gute Weil mit dem Christ-Kindlein seine Freud gehabt, und selbiges nicht genug anschauen können, da verschwande es gähling aus den Armen des Knabens, und liesse ihn mit himmlischen Trost übergossen auf dem Boden knyend verharren.Ex Collect. Relat. Brandisy.


Es ist halt das Christ-Kindlein gern bey den unschuldigen Knaben. Es ist ihm nichts liebers, als ihr Hertz. Da machet es ihm seine Wohnung: da hat es seine Freud; da ruhet es; und da bleibt es, so lang die Knaben in der Unschuld verbleiben.

8. Exempel
Achtes Exempel.
Ein frommer Knab mercket den Unterschied zwischen einer ungeweyhten, und geweyhten Hostie.

Ein frommer Knab von 9. Jahren erkranckte auf den Tod; und da er vermerckt, daß er sterben müsse, legte er bey Zeiten seine Beicht ab. Hernach batte er seine Elteren, sie möchten doch den Pfarrer des Orts ersuchen, daß er ihn mit dem höchsten Gut versehen möchte. Als ihm aber die Eltern sagten, er seye noch zu jung zu communiciren; und also werde es der Pfarrer nicht thun wollen: da rufte er überlaut: ach gebt mir doch den Leib meines HErren JEsu Christi! diesen will ich vor meinem Tod bey mir haben. Ach! schlagt mir doch dise. Bitt nicht ab. Durch dises inständige Bitten bewegt, giengen die Elteren endlich hin, und zeigten es dem Pfarrer an. Diser aber gabe ihnen zur Antwort, er könne es nicht thun; weil der Knab noch zu jung, und folgendes noch nicht genugsam verstehe, was das grosse Geheimnuß des Altars in sich enthalte. Jedoch damit er den Knaben zufriden stellte, wolle er zu ihm kommen, und nur ein ungeweyhte Hostie mit sich nehmen; der Knab werde es nicht mercken. Allein wie ihm der Pfarrer die ungeweyhte Hostie zeigte, da sagte er: HErr! das ist keine geweyhte Hostie. Thur dise hinweg, und gebt mir eine geweyhte. Den Leib Christi will ich haben, und nichts anders. Wie der Pfarrer das gehört, nahme er daraus handgreiflich ab, GOtt müsse es dem Knaben geoffenbart haben, was man zu thun im Sinn gehabt. Zweifelte also nicht mehr, der Knab verstehe zu Genügen, was das Geheimnuß des Altars seye. Deswegen reichte er ihm durch eine geweyhte Hostie die Heil. Communion; welche der Knab auch mit grosser Andacht [9] empfienge, und bald hernach den Geist aufgabe. Joannes Herolt in Prompt.


Mein GOtt! wie hat ein Kind in göttlichen Dingen so gar nicht vonnöthen, daß es von den Menschen unterwisen werde, wann du es selbsten von oben herab erleuchtest, und unterweisest!

9. Exempel
Neuntes Exempel.
Ein frommer Knab wird samt einem Abbt vom JEsus-Kindlein zur himmlischen Tafel eingeladen.

Es war in einem Closter ein Knab, der zum Clösterlichen Leben unterrichtet, und auferzogen wurde. In dem Closter aber ware ein Capell, in welcher ein geschnitzeltes Mariä-Bild, so das JEsus-Kindlein auf den Armen hatte. So oft nun der Knab das Mittag-Essen einnahme, thate er ihm selbst aus Liebe zu dem JEsus-Kindlein von einer und anderen Speis etwas abbrechen, und behielte es in einem Schüsselein auf. Mit disem gienge er nach dem Mittag-Essen in gedachte Capell, und nachdem er vor dem JEsus-Kindlein eine Reverentz gemacht, sagte er aus Heil. Einfalt: Schaue mein JEsus-Kindlein! da hab ich dir von meinem Mittag-Essen etwas aufbehalten: lasse es dir belieben. ich gib dir halt was ich hab: so lieb bist du mir. Alsdann gabe er dem JEsus-Kindlein das Schüsselein in die Händlein, und sagte:isse jetzt mein JEsus-Kindlein: ich will unterdessen meinen Geschäften nachgehen: aber über eine kurtze Zeit werd ich wider kommen, und das Schüsselein abholen. Darauf hin machte der Knab dem JEsus-Kindlein eine Reverentz, und gienge aus der Capell hinweg. Wann er nun über eine Zeit, das Schüsselein abzuholen, zuruckkommen, fande er selbiges allzeit leer: woraus er dann abgenommen, einmahl das JEsus-Kindlein müsse das Schüsselein ausgeessen haben. Hier ist aber zu wissen, daß der Abbt des Closters, unter welches Gehorsam, und geistlicher Zucht der Knab stunde, im Brauch gehabt, zu gewissen Zeiten in gedachter Capell sein Gebett zu verrichten. Da hat es sich dann einstens zugetragen, daß indem der Abbt in einem Winckel bettete, der Knab eben dazumahl seinem Gebrauch nach dem JEsus-Kindlein zu essen brachte; und weil er glaubte, allein zu seyn, seine unschuldige Ansprach mit ihm hielte. Das verursachete nun den Abbt, daß er aus dein Winckel herfür kame, und diesen Knaben mit Worten anredete: ich sihe wohl, daß du ein unschuldige Kind bist; dann ich hab deiner Ansprach, so du mit dem JEsus-Kindlein gehabt, [10] schon lang zugehöret. Es kan wohl seyn, daß es dir in Ansehung deiner unschuldigen Einfalt einmahl wird antworten. Solte nun dises geschehen, so lasse es mich auch wissen, was es gesagt habe; und thue nichts ohne meine Erlaubnus. Freylich ja, sagte der Knab: ohne euere Erlaubnuß will ich nichts thun: dann ich wohl weiß, zu was mich der Gehorsam verbindet. Aber (die Erzählung wiederum aneinander zuknüpfen) wie gienge es weiters? der Knab hätte es schon längsten gerne gehabt, daß ihm das JEsus-Kindlein auch thäte antworten, und aus dem Schüsselein essen in seiner Gegenwart. Dannenhero als er einstens dem JEsus-Kindlein wiederum zu essen gebracht, sagte er: ach mein JEsus Kindlein! weil ich sihe, daß du die geringe Speisen, so ich dir täglich bringe, nicht verachtest, so hätte ich es halt gern, wann du auch einmahl mit mir reden, und aus dem Schüsselein essen thätest, da ich zu gegen bin. Ey ja! lasse dich erbitten; allein weil das JEsus Kindlein sich nicht regen wolte, da fienge der Knab an selbiges mit weinenden Augen zu bitten, es wolt ihn doch nicht verschmähen. Da regte sich dann das JEsus-Kindlein, eröfnete den Mund, und sagte zu dem Knaben: nun weil ich dir so lieb bin, daß du mir zu Ehren deinem Mund bey dem Mittag-Essen so oft an Speisen etwas abgebrochen, so lade ich dich hingegen zu meiner himmlischen Tafel ein: und das ohne langes Aufschieben. Auf dises Einladen war der Knab über die Massen erfreut. Weil er aber dem Abbt versprochen, er wolle ihn auch wissen lassen, was das JEsus Kindlein gesagt hätte, und nichts thun ohne seine Erlaubnuß, so sagte er zu dem JEsus Kindlein: ach! mein JEsus-Kindlein wie gern wolte ich gleich kommen, allein weil ich dem Abbt des Closters den Gehorsam versprochen, so wirst du mir ja erlauben, daß ich ihm vorher davon sage, und von ihm Erlaubnuß begehre. Wie nun das JEsus Kindlein dessen zu friden war, da liefe der Knab dem Abbten zu, und erzählte ihm die von dem JEsus Kindlein gethane Einladung. Da sagte der Abbt: ach was für eine schöne Gelegenheit wäre jetzt für mich, mit disem Knaben auch zur himmlischen Tafel zu kommen? O wie begierig bin ich darnach! O daß mich GOtt erhörte, und aus diesem Leben abforderte! dann gleich wie ein Hirsch verlangte nach Wasser Bronnen; also hat meine Seel Verlangen nach dir, O GOtt! Dises aus dem Innersten des Hertzens geredt, gabe der Abbt dem Knaben Befehl mit disen Worten: Gehe widerum hin zum JEsus Kindlein, und sage ihm, du habest zwar von mir Erlaubnuß zur himmlischen Tafel zu kommen; aber nicht anderst, als mit dem Beding, daß ich auch mit dir därfte [11] kommen. Wie der Knab dem JEsus Kindlein dise Bottschaft hinterbracht, da sagte das JEsus Kindlein: nun dann, so kommet beyde miteinander, und zwar auf das nächste heilige Pfingst-Fest. Gebet aber auf dises acht: wann man in der Kirchen anstimmen wird das Gesang: komm heiliger Geist, und erfülle die Hertzen deiner Glaubigen! alsdann wird die Zeit eueres Hintritts aus der Welt vorhanden seyn. Mit diser Antwort erfreute der Knab den Abbten über alle massen. Damit sie dann beyde die behörige Anstalt machten, würdig an der himmlischen Tafel zu erscheinen, empfiengen sie nicht allein mit möglicher Andacht die Heil. Communion als die letzte Weeg-Zehrung; sondern übten sich auch in Betrachtung himmlischer Dingen, und anderen gottseeligen Wercken. Wie nun endlich das Heil. Pfingst-Fest ankommen, da nahme der Abbt den Knaben mit sich in die Kirchen, und ließ ihn neben sich in dem Chor-Stuhl knyen; allwo sie dann mit unaussprechlicher Begierd warteten, bis man im Chor obgedachte Wort: komm Heil. Geist! anstimmen wurde. So bald es dahin kommen, siehe! da gaben sie beyde sänftiglich ihren Geist auf; und gelangten auf solche Weis ihre unschuldige Seelen an die himmlische Tafel. Colletctor Speculi.


O wie ist diesem Knaben der kleine Abbruch, den er ihm selbst bey dem Essen aus Liebe zu dem JEsus Kindlein an einer und anderer Speis gethan, so reichlich belohnt worden! es laßt ihm nemlich GOtt nichts umsonst thun. Solte es auch nur ein Bissen seyn, den wir uns am Mund ihm zu Lieb abbrechen, so wird er seinen Lohn haben. O wohl ein freygebiger GOtt.

10. Exempel
Zehendes Exempel.
Ein adelicher Knab erscheint nach dem Tod seinem Zuchtmeister.

Es war ein adelicher Knab: den liessen seine Elteren in einem Benedictiner-Closter in die Kost gehen; damit er alldort in der Frommkeit und guten Sitten auferzogen wurde. Weil er aber holdseelig, und ein lauteres Leben bey ihm war, so liessen ihm die Geistliche des Closters mehr zu, als in die Länge wurde gut gethan haben. Wie der Prior des Closters das gemerckt, und deswegen in Sorgen gestanden, der Knab möchte durch allzuviles Ubersehen verderbt werden, nahme er ihn selbst unter die Zucht: und nachdem es vonnöthen war, strafte er ihn mit Worten; oder züchtigte ihn auch mit Streichen. Es war aber der Knab von so guter Art, daß er die Zucht gern annahme; mithin in kurtzer [12] Zeit einen solchen Fortgang in der Frommkeit und guten Sitten machte, daß man sich darüber verwunderen mußte: bis ihn endlich der Tod frühzeitig aus diser Welt hinweg nahme. Nach dem Tod erschine er dem Prior in grossem Glantz, und redte ihn an mit folgenden Worten: O was Danck bin ich dir schuldig, daß du mich unter deine Zucht genommen, und mir nichts ůbersehen, wordurch ich hätte können verderbt werden! dann diese gute Zucht hat mir in Himmel geholffen. Dises geredt, verschwande der Geist, und fuhre in grossem Glantz dem Himmel zu. Joannes Herolt in Prompt.


Da sollen die Kinder lernen, was sie ihren Lehr-Meistern für Danck schuldig seyen, wann sie von ihnen in guter Zucht gehalten werden. O wie wahr ist das Sprich-Wort: Ruth macht Kinder gut! es werden es auch die Kinder, wann sie mit der Zeit zum Verstand kommen, selbsten bekennen müssen.

11. Exempel
Eilftes Exempel.
Christus erscheinet dem Heil. Edmund in Gestalt eines holdseeligen Knabens.

Als der Heil. Edmund in seiner Jugend zu Paris, der vornehmsten Stadt in Franckreich, studirte, flohe er die Gesellschaft derjenigen Mit-Schulern durch dero allzufreye Reden, und freches Schertzen, die Reinigkeit seiner Seel könte bemackelt werden. Dannenhero pflegte er an denen Vacantz-Tägen gern allein spatzieren zu gehen. Wie er nun einstens über eine lustige Wiese spatzieren gienge, da begegnete ihme Christus der HErr in Gestalt eines holdseeligen Knabens, von welchem er mit disen Worten gegrüßt wurde: grüsse dich GOtt, mein geliebter Edmund, weil er disen Knaben sein Lebtag nie gesehen, verwunderte er sich sehr ab disem Gruß. Indem er also nicht wußte, was er antworten solte, da grüßte ihn der Knab abermahl mit den vorigen Worten; und setzte noch dise Frag hinzu: wie? Edmund! solst du mich nicht kennen? nein, antwortete Edmund; ich kenne dich nicht: kan mir auch nicht einbilden, wie ich dir solle bekannt seyn. Da lächlete der Knab, und sagte: wie ist es möglich, Edmund, daß du mich nicht kennen sollest? indem ich doch täglich dir an der Seiten bin; du seyest gleich in der Schul, oder anderstwo. Keinen Augenblick weiche ich von dir. Und damit ich dir aus dem Wunder helffe, so lise die Buchstaben, welche an meiner Stirn geschriben stehen. Edmund sahe über sich, und nahme wahr, [13] daß an der Stirn des Knabens mit goldenen Buchstaben geschrieben stunde dieser Titul: J. N. R. J. das ist:JEsus von Nazareth, ein König der Juden. Nachdem Edmund diesen Titul gelesen, da sagte der Knab, eben das ist mein Nam, diesen solst du verehren:und so oft du zu Nachts ins Beth gehst, diese Buchstaben J. N. R. J. mit dem Daumen an deine Stirn machen: dann dieser Titul wird dich und alle die jenige, so ihn bedeutet massen werden an die Stirn machen, vor dem gähen Tod bewahren. Nach welchen Worten der göttliche Knab verschwunden; Edmund aber mit himmlischem Trost erfüllet worden. Surius ad diem 16. Novemb.


Wollen die Schul-Kinder, daß auch Christus nicht allein in der Schul, sondern allenthalben bey ihnen seye, und bleibe, so müssen sie dem heiligen Edmund nachfolgen, und sich vor denjenigen Mitschülern hüten, so im Reden und Schertzen gar zu frey und ausgelassen seynd; und zu diesem End den H. Edmund für ihren Patronen erwählen.

12. Exempel
Zwölftes Exempel.
Unser liebe Frau kommt samt einer grossen Schaar der heiligen Jungfrauen zu einem frommen Mägdlein im Todbeth.

In einem gewissen Dorf, welches der Scribent nicht benamset, ware einstens eine fromme und tugendsame Hirten-Tochter: die halffe ihrem Vatter das Vieh hüten. Auf der Vieh-Weid aber war ein altes verlassenes Kirchlein, in welchem ein Mariä-Bild stunde, mit dem Kindlein in dem Schooß. Dieses Kirchlein nun besuchte das fromme Mägdlein zum öfteren, und bettete vor dem Märia-Bild mit grosser Andacht dem heiligen Rosenkrantz. Weil aber dieses Bild schlecht gekleidet war, hatte das Mägdlein Mitleyden darmit, und sagte einstens: O du gebenedeyte Jungfrau, und Mutter meines HErrn JEsu Christi! wie gern wolte ich dich mit einem kostbahren Kleid zieren, wann ich es nur im Vermögen hätte! allein du weist, wie arm ich bin. Darum will ich diesen Abgang mit dem Englischen Gruß ersetzen. Mit diesem will ich dich zieren, und verehren. Wie gesagt, also hat auch das Mägdlein etliche Jahr lang gethan, bis es endlich unser lieben Frauen gefallen, diese Andacht mit Abholung des Mägdleins in den Himmel zu belohnen, Weßwegen dann das Mägdlein in eine tödtliche Kranckheit gefallen, in welcher es sich nach Empfahung der heiligen Sacramenten gar gottseelig zum Tod bereitet hat. Währender solcher Kranckheit truge es sich zu, daß zwey Ordens-Geistliche durch einem Wald reiseten, so nicht gar weit von[14] gedachtem Dorf entlegen war. Da nun einer aus ihnen ziemlich müd worden, sagte er zu seinem Reiß-Gespanen, wie daß er nicht weiter könte fortgehen, er hätte sich dann vorher ein wenig nidergelegt, und ein Schläflein gethan. Dieses aber wolte der Reiß-Gespan nicht gutheissen, sagend, wie daß es nicht sicher wär, sich in diesem Wald aufzuhalten; in Bedencken, daß er wegen den Mördern verschreyt wäre. Allein der Ermüdete gabe zur Antwort, er könne sich einmahl des Schlafs nicht enthalten, gehe es wie es wolle. Er befehle sich einmahl in den Schutz GOttes; dieser werde sie hoffentlich nicht in die Händ der Mörder kommen lassen. Dieses gesagt, legte er sich unter einen Baum nieder, und schlieffe eben tief ein. Unterdessen setzte sich der andere zu ihm auf die Erden, nahme ein geistliches Buch aus dem Sack, und lase unterdessen daraus, bis gleichwohl der Ermüdete würde ausgeschlaffen haben. Aber sihe! es stunde nicht lang an, da sahe er von weitem daher kommen eine Schaar der schönsten Jungfrauen, alle mit kostbahren und zierlichen Kleydern angethan. Er stunde demnach geschwind auf, und machte ihnen eine tieffe Reverentz. Die Jungfrauen neigten sich zwar gegen ihm; giengen aber stillschweigend fürbey. Auf diese Schaar der Jungfrauen kame ein andere, viel schöner als die erstere; und die giengen auch stillschweigend fürbey. Letztlich kame ein Schaar, so an Schönheit die vorige alle weit übertraffen; und auf diese eine Jungfrau, so die allerschönste aus allen war; die truge auf ihrem Haupt einen Krantz von weissen, rothen, und gelben Rosen, die so frisch waren, als wann sie erst in einem Lust-Garten wären abgebrocket worden. Vor dieser Jungfrau nun machte der Geistliche ein tieffere Reverentz, als vor allen anderen: und weil kein andere auf sie folgete, entstunde in ihm eine grosse Begierd zu wissen, wer doch diese überaus schöne Jungfrau seyn müsse. Er faßte demnach das Hertz, und fragte sie mit aller Ehrerbiethung, sie wolte ihm doch sagen, wer sie seye? die Jungfrau antwortete: ich bin Maria die Mutter GOttes, welche keinen Sünder verschmähet, der mich demüthig anruffet. Als aber der Geistliche auch zu wissen verlangte, wer die vorgehende Jungfrauen wären, und wohin sie wolten; da bekame er von der Mutter GOttes diese Antwort: es seynd lauter auserwählte Bräuten meines Sohns, welche auf Erden die Jungfrauschaft gehalten, und Theils in der Welt, Theils in den Clöstern gelebt, ja einige aus ihnen haben so gar die Marter um des Christlichen Glaubens willen gelitten. Alle diese eilen mit mir in das nächste Dorf, in welchem ein frommes Hirten-Mägdlein auf den Tod kranck ligt. Dieses wollen wir heimsuchen, trösten, und ihme beystehen, bis es wird verschieden, und in unser Gesellschaft aufgenommen seyn. Und diese Gnad hat das Mägdlein darum verdienet, [15] weil es mich in einem gewissen Kirchlein mit dem Gebett des heiligen Rosenkrantzes etliche Jahr lang verehrt hat. Diß geredt, nahme die Mutter GOttes ihren Weeg weiter fort. Der Geistliche aber weckte alsobald seinen Reiß-Gespanen auf, und erzählete ihm, was Zeit seines Schlaffes fürbey gangen. Der Reiß-Gespan sagte, wie ihm eben dieses, was er jetzt erzählen gehört, in dem Schlaf vorkommen seye. Demnach machten sie sich beyde auf, und eileten dem Dorf zu, in welches gedachte Jungfrauen das Mägdlein heimzusuchen, waren vorangangen. Wie sie nun in das Dorf kommen, fragten sie aller Orten, ob nicht irgendwo ein Mägdlein auf den Tod kranck liege? Und da ihnen anfänglich niemand konte Bericht geben, wurden sie betrübt, und kamen auf die Gedancken, es möchte etwann nur ein leerer Traum gewesen seyn, was ihnen begegnet. Letztlich aber haben sie einen Mann angetroffen, der ihnen das Haus gewiesen, in welchem das Mägdlein auf den Tod kranck lage. Sie giengen demnach dem Haus des krancken Mägdleins zu; klopften dort an, und nachdem sie eingelassen worden, fanden sie das Mägdlein auf einer Burde Strohe ligend. So bald sie selbiges gesehen, grüßten sie es gantz freundlich, und sagten: O Kind! wie glückseelig bist du, indeme du dein Leben in der Unschuld endigest! das Mägdlein bedanckte sich erstlich wegen dem freundlichen Gruß; nachgehends aber sagte es zu ihnen: Ehrwürdige Herren! entdecket euere Häupter, knyet nieder, und bittet GOtt, daß ihr würdig seyet zu sehen, wie um mich herum stehe die Mutter GOttes, samt drey Schaaren der schönsten Jungfrauen. Das thaten nun die Geistliche. Und sihe! da erblickten sie die Mutter GOttes samt denen Jungfrauen, die durch den Wald gegangen waren. Ja sie sahen auch eine grosse Schaar der Englen, welche eine himmlische Music anstimmten: unter welcher, als das Hirten-Mägdlein den Geist aufgegeben, setzte ihm die Mutter GOttes den von oben gedachten Rosen geflochtenen Krantz auf das Haupt, und nahme die Seel mit unaussprechlichem Frolocken der Englen und Jungfrauen mit sich in den Himmel hinauf. Specul. Exempl. sub Tit. B. Maria Virgo.


O wie belohnet die Mutter GOttes diejenige, von welchen sie mit dem Gebett des heiligen Rosenkrantzes verehrt wird! das solle ja allen Kindern ein Antrieb seyn, daß sie keinen Tag fürbey gehen lassen, sie haben dann unser lieben Frauen zu Ehren den heiligen Rosenkrantz gebettet? damit auch ihnen unser liebe Frau einstens im Tod-Beth beystehe.

13. Exempel
[16] Dreyzehentes Exempel.
Ein frommer Student verlangt unsere liebe Frau zu sehen.

Es war ein frommer Student, und zumahl ein grosser Liebhaber unserer lieben Frauen. Als dieser auf ein Zeit gehört, was gestalten selbige mit ihrer Schönheit alle andere Heilige in dem Himmel unvergleichlich übertreffe, da entstunde in ihm eine ungemeine Begierd, diese Schönheit mit leiblichen Augen zu sehen. Deßwegen rufte er unser liebe Frau Tag und Nacht an, sie wollte ihn doch dieser Gnad theilhaftig machen. Was geschiehet? Unser liebe Frau erhöret sein Gebett, indeme sie ihm einen Engel schickt, und sagen läßt, wie daß sein Wunsch mit nächsten solle erfüllet werden. Allein lasse sie ihn zugleich wissen, daß, weilen ihre Schönheit den Glantz der Sonnen weit übertreffe, so werde er selbige ohne Verliehrung des Gesichts nicht anschauen können. Gilt gleich, antwortete der Student dem Engel, wann ich nur dieser Schönheit kan ansichtig werden, so achte ich es nicht, ob ich schon darüber erblinden sollte. Mit dieser Antwort nun kehrete der Engel zuruck. Bald aber darauf reuete es den Studenten, daß er mit Gefahr, das Gesicht zu verliehren, die Schönheit Mariä zu sehen verlangt hätte. Ach! sagte er: wie wirds mir gehen, wann ich sollte blind werden? wie werd ich dem Studieren ferners obliegen können? wer wird mich erhalten? Auf solche Weis werd ich ja zuletzt müssen bettlen gehen. O wie unbesonnen war mein Verlangen! indem er also sein künftiges Elend zu Hertzen führt, da fallt ihm ein: wie wär es aber, wann ich nur das rechte Aug aufthäte? Auf solche Weis bliebe mir ja ein Aug übrig, mit welchem ich noch genug sehen könnte? ja ja; das ist ein guter Einfall, das will ich thun: bey dem soll es sein Verbleiben haben. Dieses bey sich beschlossen, verfügte er sich für sein Altärlein, so er in seinem Studier-Zimmer aufgerichtet, und bettete darvor eben gar andächtig, in Hofnung, unser liebe Frau werde nicht lang mehr ausbleiben; wie dann auch geschehen. Dann siehe, indeme er vor dem Altärlein knyet, da erscheint ihm unser liebe Frau in einem unaussprechlichen Glantz, gegen welchem alle irdische Schönheit nur ein Schatten ist. Da konte sich dann der fromme Student nicht genug darüber verwunderen. Er sperrete das rechte Aug auf, so weit er kunte, und dannoch kunte er sich mit sehen nicht ersättigen. Er wolte demnach das lincke Aug gleicher Weis aufthun; damit er also diese Schönheit vollkommentlicher sehen, und sich darinn ergötzen möchte. Allein ehe es geschahe, verschwande unser liebe Frau, und war hiemit alle Freud aus. [17] Da klagte dann der Student über sich selbst, daß er das lincke Aug nicht zeitlich aufgethan, und sagte: O! daß unser liebe Frau sich nur noch einmahl sehen liesse, wie gern wollte ich das lincke Aug auch dran setzen; dann diese Schönheit ist es wohl werth. Dieses gesagt, bate er unser liebe Frau auf ein neues, sie möchte sich doch noch einmahl sehen lassen. O grosse Gütigkeit dieser Frauen, sie erscheinet dem Studenten das andertemahl. Da hat sich dann der Student dieser Gelegenheit bedient, und jetzt das lincke Aug (dann das rechte hatte er durch das erste Anschauen schon verlohren) auch aufgethan, und mithin aus dem Anschauen dieser Schönheit eine neue, und zwar so unausprechliche Freud empfunden, daß er sich selbsten nicht fassen kunte, ja eben gemeint, er seye schon in dem Himmel. Wiewohlen aber unser liebe Frau bald wiederum verschwunden; so ist doch dem Studenten nicht allein das lincke Aug unverletzt geblieben, sondern er hat auch das Liecht des rechten Augs wiederum erhalten. Also gütig ist diese Frau, daß sie ihre Gutthaten niemand laßt zum Schaden gereichen. Joannes Herolt in Prompt.


O GOtt! was wird es für eine Freud seyn, die Schönheit Mariä im Himmel auf ewig anschauen können, solle das nicht allen Kindern ein starcker Antrieb seyn, unser lieben Frauen alle gleich von den ersten Jahren an zu dienen, und sie beständig zu verehren, nur damit sie dieser Schönheit ewig geniessen mögen? freylich ja.

14. Exempel
Vierzehentes Exempel.
Ein Student will lieber von seinen Eltern verlassen seyn, als daß er sich solte lassen abhalten, GOtt dem HErrn in einer geistlichen Gesellschaft zu dienen.

Es ware ein adelicher Jüngling: den hatten seine Elteren nach Deventer in Holland, zur Zeit, da noch alles Catholisch war, zum Studieren geschickt. Wie er nun eine Zeit lang daselbst dem Studieren obgelegen, bekame er Lust, GOtt dem HErrn in einer Gesellschaft gewisser Geistlichen, so die Jugend im Studieren unterwiesen, zu dienen. Er hielte demnach bey ihnen an, und ward auch von ihnen in Ansehung seines ungemeinen Eyfers und Beständigkeit in ihre Gesellschaft aufgenommen: auf welches hin er in kurtzer Zeit nicht allein in dem Studieren, sondern auch in der Frommkeit einen ungemeinen Fortgang gemacht. Wie nun seine Eltern (die ihne lieber in der Welt, als in einem geistlichen Orden gesehen hätten) solches innen worden, zürneten sie heftig wider den Sohn. Schrieben ihm demnach einen scharffen Brief zu, und liessen ihn [18] wissen, daß wo ferner den geistlichen Orden nicht verlassen wurde, so wolten sie ihn nicht mehr für ihren Sohn erkennen; mithin die Hand völlig von ihm abziehen, und ihme zu Fortsetzung des Studirens keinen Pfenning mehr zuschicken, solte er auch darüber in die äusserste Armuth gerathen, und allen Mangel leiden müssen. Das war freylich eine harte Bedrohung. Allein der Student, welcher darfür hielte, man müsse in denen Sachen, so das Heyl der Seel betreffen, vielmehr GOtt, als denen Menschen gehorsamen, liesse sich durch diese Drohungen nicht schröcken, noch von dem geistlichen Orden abwendig machen. Unterdessen, weil er von denen Elteren verlassen, und von ihnen keine Hilf mehr hatte, geriethe er in kurtzer Zeit in grosse Armuth; die ihn aber von dem Eifer, in den geistlichen Orden zu tretten, und GOtt dem HErrn darinn zu dienen, nicht könnte abhalten; ja im Gegentheil vielmehr stärckte. Allein GOtt wolte ihn nicht länger so grossen Mangel leiden lassen; sondern bahnete ihm die Straß zu dem Himmel durch Zuschickung eines tödtlichen Fiebers. Wie nun der gottselige Student die Stund des Tods vor sich sahe, und es nunmehr mit ihm auf die Neige gehen wolte, da versammlete er die noch übrige Kräften, so gut ers vermöcht: richtete sich in dem Beth auf; erhebte seine Augen und Händ gen Himmel, und sagte zu den Umstehenden: Wiewohl mich Vatter und Mutter verlassen haben, so hat doch GOtt sich meiner angenommen: dieser wird mich jetzt auch zu sich in den Himmel aufnehmen. Dieses geredt, gabe er sänftiglich den Geist in die Händ sei nes Schöpfers auf. Collector Speculi.


Ach wie verlaßt GOtt diejenige so gar nicht, die ihme zu dienen verlangen! dannenhero wann ein Kind Tag und Nacht einen innerlichen Trieb spühret, GOtt dem HErrn in einem geistlichen Orden zu dienen, und der Beicht-Vatter auch darfür haltet, dieser Trieb komme von GOtt her; so solle ein solches Kind von den Elteren sich nicht lassen abwendig machen: weilen man in solchem Fall vielmehr GOtt, als den Eltern gehorsamen solle. O wie nachdencklich ist jener Spruch Christi Matth. 10. Wer Vatter und Mutter mehr liebet als mich, der ist meiner nicht werth!

15. Exempel
Fünfzehendes Exempel.
Ein frommer Student erscheint nach dem Tod seinem Cammeraden.

Es waren zwey fromme Studenten: die lebten unter einander in grosser Vertraulichkeit. Nun geschahe es auf eine Zeit, daß sie ein Gespräch von dem künftigen Leben hielten. Da machten sie dann unter einander[19] einen Pact, daß welcher der erste aus ihnen sterben wurde, der solte dem anderen nach dem Tod innerhalb vier Wochen erscheinen; jedoch wann es nicht wider GOttes Willen wäre. Wie nun bald hernach einer aus ihnen mit Tod abgangen, da ist er dem andern auf die bestimmte Zeit erschienen. Und als er von dem, so noch bey Leben ware, gefragt worden, wie es um ihn stehen? antwortete der Geist des Verstorbenen: gantz wohl; dann ich bin ein Kind der Seligkeit. Und da er weiters gefragt worden, wie er so geschwind in Himmel kommen wäre? gabe er zur Antwort: da ich noch bey Leben war, hab ich mich allzeit mit grosser Andacht zur heiligen Communion bereitet. Worauf der Geist verschwunden. Joannes Herolt in Prompt.


O wie solle uns das ein Antrieb seyn, daß wir uns zur heiligen Communion mit möglicher Andacht bereiten! damit auch wir nach dem Tod desto geschwinder in Himmel kommen.

16. Exempel
Sechszehendes Exempel.
Ein frommer Jüngling wird seiner Seelen Seligkeit halber versichert.

Es war ein adelicher Jüngling: der betrachtete einstens bey sich selbsten die vielfältige Gefahren, denen die Jugend in der Welt unterworfen ist, verführt zu werden, und die Unschuld zu verliehren. Weil er dann kein Mittel sahe, diesen Gefahren zu entgehen, so lang er sich unter den Welt-Menschen aufhielte, machte er den Schluß, die Welt zu verlassen, und ein einsidlerisch Leben zu führen. Diesem Schluß zufolg, begabe er sich unwissend seiner Eltern in eine Einöde, in welcher sich etliche fromme Alt-Vätter aufhielten. Dort meldete er sich bey einem aus diesen Alt-Vättern an, mit inständiger Bitt, er wolle ihn doch in sein Hüttlein, und geistliche Zucht auf- und annehmen. Allein weil dieser Jüngling dem Alt-Vatter zu zart, und schwach vorkame, als daß er sich in das rauhe einsidlerische Leben wurde schicken können, so wolte er nicht gleich ja sagen. Weilen aber der Jüngling nicht aussetzte, und unter anderem sagte: er hoffe, GOtt werde ihm so viel Gnad geben, daß er alle Beschwernussen überwinden könnte; liesse sich der Alt-Vatter in Ansehung dieses Eifers endlich bereden, und nahme den Jüngling in sein Hüttlein auf: Da liesse sich nun der Jüngling so wohl an, daß er dem Alt-Vatter ein Freud war. Dann er stunde um Mitternacht zum Lob GOttes gantz munter auf; er gewohnete nach und nach das strenge Fasten; er casteyete seinen zarten Leib mit Geißlen. Jetzt thate er betten; jetzt psalliren; jetzt arbeiten; jetzt die himmlische Ding mit innerstem [20] Trost der Seelen betrachten. Mit einem Wort: er lebte nicht anderst, als wie einer, der schon viel Jahr in der Einöde GOtt gedienet hätte; also daß sich der Alt-Vatter selbst an ihm erbauete, und ihn dessentwegen inniglich liebte. Aber siehe! wie diese Freud des Alt-Vatters so unverhofter Weis zerstöhrt worden. Es bettete einstens dieser Alt-Vatter inbrünstig, und gantz allein in seinem Bett-Kämmerlein, und bathe GOtt, er wolte doch dem Jüngling Beständigkeit im Guten geben. Wie er nun also in seinem Gebett fortfuhre, da hörte er eine Stimm, dieses Innhalts: Vatter! höre auf für den Jüngling zu betten; dann GOtt hat ihn schon von Ewigkeit her verworfen; und wird er mit der Zeit nichts anders, als einen Höllen-Brand abgeben. Dieses ausgeredt, liesse sich die Stimm weiters nicht mehr hören. Weilen nun der Alt-Vatter geglaubt, diese Stimm müsse vom Himmel kommen seyn, erschracke er nicht anderst, als wann er vom Donner getroffen wär. Drauf hin betrübte er sich dergestalten, daß er eben gemeint, das Hertz müsse ihm vor Leidwesen, und Mitleiden zerspringen. Dann er gedachte bey sich also: ach du armer Jüngling. Sollest du dann umsonst in diese Einöde kommen seyn? solle dann dein bisher geführter frommer Lebens-Wandel kein anders End nehmen, als daß du endlich in die Höll kommest? O entsetzliche, O unerforschliche Urtheil GOttes! wegen solcher Beschaffenheit der Sachen konte der Alt-Vatter forthin den Jüngling ohne Seufzen und Vergiessung der Zäher nicht anschauen. Ja er liesse sich bisweilen mit diesen Worten vernehmen: O du armes Kind! O du armes Kind! wie erbarmest du mich! wie erbarmest du mich! dieses nun bewegte den Jüngling, daß er die Ursach solches Weinens und Klagens zu wissen verlangte. Allein der Alt-Vatter wolte es nicht gestehen. Wie aber der Jüngling nicht aussetzte zu fragen, gabe er ihm keine andere Antwort, als diese; du armes Kind! es ist besser, du wissest es nicht; dann ich wurde dich vor der Zeit bis in den Tod betrüben. Allein der Jüngling wolte an dieses noch nicht kommen; sondern sagte: mein Vatter! seye es, was es wolle; aufs wenigst werde ich wissen, woran ich bin. Ist es ein Unglück, das sich wenden laßt, wohl und gut: die Hofnung soll mein Trost seyn. Solte es aber sich nicht wenden lassen so werd ich mich ja müssen drein schicken: was will ich machen? ach, mein Kind! sagte der Alt-Vatter: es ist ein Unglück, welches all andere Unglück übertrift. Man kan und weißt sich nicht drein zu schicken; und man wird es doch tragen müssen. Wann du es aber je zu wissen verlangst, so will ich es dir gleichwol anzeigen; aber ich weiß, du wirst von Hertzen erschröcken, und vor Leid-Wesen vergehen wollen. Ich hab es schon gesagt, versetzte der Jüngling: seye es was es wolle, so verlange ich [21] es ein für allemahl zu wissen: lasset alsdann mich sorgen. So wisse dann, sagte der Alt-Vatter, daß, als ich unlängst für dich GOtt gebetten, er möchte dir Beständigkeit im Guten geben, so hab ich ein zu Stimm vom Himmel gehört, welche mich abgemahnet, für dich zu betten; in Bedencken, daß dich GOtt aus unerforschlichem, aber gerechtem Urtheil verworfen, und ewig wolle lassen zu Grund gehen. Armes Kind! könnte ich dir auch ein traurigere Zeitung bringen, als diese ist? solte sich nicht ein Stein über dich erbarmen? O was Mitleiden hab ich mit dir! wie viel besser wäre es für dich, du wärest niemahl gebohren worden! ach wie leid ist es mir, daß ich dir eine so traurige Zeitung hab müssen anzeigen! Der gute Jüngling erschracke zwar anfänglich über diese so unverhofte Zeitung, und wußte nicht, was er sagen solte. Wie er sich aber nach und nach erholet, sagte er zu dem Alt-Vatter: O! ist es nur das, so euch bishero dergestalten wegen meiner bekümmert, und ihr mir deswegen verborgen habt? höret Vatter! seyd meinetwegen ohne Sorg; ich will darum nicht aufhören, GOtt zu lieben. Eben darum, daß ich ihn in der Höll nicht werde lieben können, so will ich es jetzunder thun. Kan ich ihn in der Ewigkeit nicht lieben; so will ich ihn in der Zeit lieben. O unverhofte Antwort von diesem Jüngling! O unerschrockner Muth! O niemahl erhörte Standhaftigkeit! O Hertz, das auf keine Weis von GOtt abzuwenden ware! höret jetzt, was GOtt für ein Gefallen ab dieser Antwort gehabt! er schickte alsobald einen Engel zu dem Alt-Vatter, und liesse ihm sagen, wie daß die Stimm, so er in seinem Kämmerlein gehört, als wann sein Lehr-Jung von GOtt verworfen wär, nicht vom Himmel, sondern vom bösen Geist herkommen seye: welcher den Jüngling von seinem frommen Leben abwendig zu machen, und in die Verzweiflung zu stürtzen gehoft hätte. Der Jüngling solle aber fortfahren, GOtt in der Einöde zu dieden, und ihn beständig zu lieben, so werde GOtt nicht ermanglen, ihme darfür die ewige Glori zu geben. Wie der Alt-Vatter diese andere Zeitung gehört, da ist nicht auszusprechen, in was Freud seine bisher gehabte Traurigkeit verändert worden. Er zeigte demnach solche Zeitung ohne Verzug dem Jüngling an: er fiele ihm um den Hals, und wünschte ihm Glück, daß er durch seine Standhaftigkeit GOtt das Hertz abgewunnen, und die Versicherung erhalten, daß er ein Kind der Seligkeit seyn werde. Als der Jüngling diese Zeitung von dem Alt-Vatter verstanden, konte er sich vor Freuden selbsten nicht fassen. Er fiele auf die Knie nieder; er danckte GOtt; er lobte ihn; er opferte sich auf ein neues zu seinem Dienst auf; er schenckte sich ihme mit Leib und Seel: und da er bishero GOtt von Hertzen gedient, und ihn über alles geliebt hatte, thate er solches forthin mit noch grösserem [22] Eifer. Bliebe also beständig, bis an das End, und erwarbe auf solche Weis letztlich das Sieg-Kräutzlein der ewigen Seeligkeit. Dauroult. Specul. c. 2. Tit. 2.


O wie aufrichtig muß bey diesem Jüngling die Liebe gegen GOtt geweßt seyn! dann wie wurde er sich sonst so unbeweglich an GOtt gehalten haben? wer halt GOtt recht liebt, der sagt mit dem heiligen Job c. 13. Wann er mich schon tödten wird, so will ich doch auf ihn boffen. Dann je grösser bey uns die Liebe gegen GOtt ist, je grösser ist auch die Hofnung, und das Vertrauen auf ihn. Und wann wir in dieser Liebe beständig bleiben, so wird uns die ewige Seligkeit richtig zu Theil werden. So wollen wir dann GOtt für uns sorgen lassen: er wird alles zu unserem Heyl richten.

17. Exempel
Siebenzehendes Exempel.
Ein unschuldiger Edel-Knab wird wegen andächtiger Anhörung einer Heiligen Meß wunderlicher Weis beym Leben erhalten.

Es war an einem Königlichen Hof ein Edel-Knab, von solcher Frommkeit, Tugend, und anständigen Sitten, daß ihm die Königin vor anderen günstig und geneigt war. Um solche Gunst nun ware ihme ein anderer Edel-Knab an dem Hof mißgünstig und neidig. Aus Neid also angetriben, gienge er zu dem König, und brachte durch boshaftes Geschwätz den unschuldigen Edel Knaben samt der Königin in den Verdacht, als wann es unter beyden nicht recht hergienge. Einmahl schine es, die Königin seye dem Edel Knaben gar zu gewogen. Der König, so ohne das argwöhnisch war, liesse sich von disem neidigen Verleumder dergestalten einnehmen, daß er wider den unschuldigen Edel Knaben einen grossen Zorn faßte; ja so gar den Schluß machte, ihne tödten zu lassen. Demnach, als er bald darauf mit dem Verleumder auf die Jagt ritte, unter Weegs aber zu einem Kalch-Ofen kame, da man eben Kalch brennte, rufte er den Kalch-Brenner zu sich, und sagte zu ihm: höre! morgiges Tags wird in der Frühe von meinem Hof ein Edel Knab zu dir kommen. Diser wird dich fragen, ob der königliche Befehl vollzogen worden? So bald du dise Frag von ihme wirst vernommen haben, so ergreiffe ihn in der Mitte, und wirffe ihn ohne alle Barmhertzigkeit in den feurigen Kalch-Ofen hinein, und lasse ihn darinn zu Pulver und Aschen verbrenen; dann er hat nichts besseres verdient. Der Verleumder freute sich von Hertzen, daß ihm sein verleumderisches Geschwätz angangen, [23] und der Unschuldige, der ihm ein Dorn in denen Augen war, auf solche Weis aus dem Weeg geraumet wurde. Aber, O! wie gedachte er so gar nicht, daß dises Unglück ihn selbsten treffen könne. Wie gienge es dann weiters? des anderen Tags in der Frühe liesse der König den unschuldigen Edel Knaben zu sich kommen, und sagte zu ihm: gehe hin zu meinem Kalch-Brenner, und frage ihn, ob der königliche Befelh vollzogen worden? Der Edel Knab gienge unverzüglich hin, unwissend, was für ein Unglück auf ihn wartete. Zu allem Glück aber mußte er unter Weegs bey einer Kirchen fürbey gehen. Weilen nun eben dazumahl mit der Glocken das Zeichen zu einer Meß gegeben war, bediente er sich diser guten Gelegenheit, die heil Meß darinnen mit Andacht anzuhören. Dann also war er in den ersten Jahren von seinem Herrn Vatter seelig unterrichtet worden: er solte nemlich keinen Tag fürbey gelassen, er hätte dann mit Andacht eine Heil. Meß angehört. Indem er sich nun in der Kirchen mit Anhörung der H. Meß eine gute Zeit lang aufhielte, da ward der König begierig zu wissen, ob der Kalch-Brenner an diesem Unschuldigen den königlichen Befehl vollzogen hätte? Er liesse also den Verleumder zu sich kommen, und befahle ihm ohne Verzug zu dem Kalch-Brenner hinzugehen, und zu fragen, ob der königliche Befehl vollzogen worden? der Verleumder gienge mit Freuden hin, in Hoffnung, der Unschuldige, den er bey dem König boßhafter Weis in die Ungnad gebracht, werde schon zu Pulver und Aschen verbrennt worden seyn. Aber, O wie hatte er sich selbst betrogen! dann sihe! so bald er zu dem Kalch-Brenner kommen, und ihn gefragt, ob der königliche Befehl vollzogen worden? Gedachte diser, das müsse eben derjenige Edel Knab seyn, den der König in den brennenden Kalch-Ofen zu werffen befohlen. Ergriffe ihn also in der Mitte; und ohngeachtet der unglückseelige Mensch schrye und protestirte, er würde für den Unrechten angesehen, kehrte sich der Kalch-Brenner nichts daran; sondern warffe ihn ohne alle Barmhertzigkeit in den feurigen Kalch-Ofen hinein, und liesse ihn darinn jämmerlich zu Pulver und Aschen verbrennen. Wie dieses fürüber, kam bald darauf der unschuldige Edel Knab aus der Kirchen auch herbey, unwissend, was sich mit dem Verleumder zugetragen hatte. Und als er den Kalch-Brenner gefragt, ob der königliche Befehl vollzogen worden, ward ihm mit ja geantwortet. Mit welcher Antwort er zuruck gekehrt, und selbige dem König hinterbracht. Wie nun der König den unschuldigen Edel Knaben frisch und gesund vor sich sahe, kunte er sich vor Verwunderung nicht fassen, indem er vermerckt, daß just das Widerspihl geschehen. Fragte ihn also voller Unwillen, wo er sich so lang aufgehalten, daß der königliche Befehl nicht [24] nicht vollzogen worden, wie es der König verlangt hatte. Da gabe der unschuldige Edel Knab folgende Antwort: Ihro Majestät nehmen nicht ungnädigst auf, daß ich mich in Uberbringung dero Königl. Befehl an den Kalch-Brenner verweilet hab. Die Ursach ware diese: als ich unter Weegs bey einer Kirchen fürbey gienge, in welcher man eben dazumahl mit der Glocken ein Zeichen zu einer Meß gegeben, bediente ich mich dieser Gelegenheit, und gienge in die Kirchen der Heil. Meß beyzuwohnen. Dann also bin ich in den ersten Jahren von meinem Herren Vattern unterrichtet worden: ich solte nemlich keinen Tag fürbey gehen lassen, ich hätte dann mit Andacht eine Heil. Meß angehört. Diser guten Lehr nun nachzukommen, bin ich eben in die Kirchen gangen, und hab mit Andacht eine gantze Heil. Meß angehört: welches ja Ihro Majestät nicht ungnädigst aufnehmen werden. Als der König dise Antwort vernommen, erkennte er daraus die Unschuld dises; und die Boßheit des anderen Edel Knabens: preißte mithin die Gerechtigkeit GOttes, als welche den Verleumder so fein gefunden, und wider alles Verhoffen zur verdienten Straf gezogen. Ex Chronica S. Franc. P. 2. l. 8. c. 18.


O wie wahr ist jenes Sprichwort, welches sagt: wer einem andern eine Grub grabet, der fallt letztlich selbsten drein! wie nutzlich ist es hernach, täglich mit Andacht eine Heil. Meß hören! dann durch dises Heil. Opfer ziehen wir uns zu die Barmhertzigkeit GOttes, und bewegen ihn, daß er uns in Gefahren Leibs und der Seel sonderbar zu Hülf kommt.

18. Exempel
Achtzehendes Exempel.
Ein Knab lebt, und stirbt gottseelig.

Um das Jahr Christi 1606. lebte zu Lech-Haußen, einem Dorf in Bayer-Land ein Knab, mit Namen Andreas, ohngefähr 14. Jahr alt. Von den ersten Jahren seines Verstands an, war ihme nichts über die Kinder-Lehr. Da gabe er mit solcher Aufmercksamkeit acht auf das jenige, was der Kinder-Lehrer sagte, daß er von einem Sonntag auf den anderen alles richtig aufsagen konte, was er in der letzten Kinder-Lehr gehört hatte: also, daß andere Kinder sich darüber verwunderen, und den Knaben deswegen loben mußten. Neben disem Lust, den er zur Kinder-Lehr hatte, flohe er sorgfältig alles dasjenige, was nur einen Schein einer Sünd haben möchte. Gegen den Elteren war er so [25] ehrerbiethig und gehorsam, daß er sie im geringsten nicht beleydigte. Wann er bettete, geschahe es mit solcher Andacht, daß die Zuseher sich höchstens daran erbaueten. Kurtz: man sahe an disem Knaben nichts, als ein lautere Unschuld und Gottseeligkeit. Dessentwegen gefiele es GOtt, ihne, da er noch in der ersten Unschuld, aus dieser Welt abzuforderen, und zu sich in den Himmel zu nehmen. Zu welchem End er ihne mit einer tödlichen Kranckheit heimgesucht. Wie der Knab gemerckt, daß das End seines Lebens herzu nahe, batte er, man möchte einen Geistlichen kommen lassen, dem er beichten könte. Nun das geschahe. Wie der Geistliche ankommen, grüßte er den Knaben: und nachdem er sich des Zustands der Kranckheit erkundiget, thate er an ihn folgende Fragen: Mein Kind! wo bist du auch mit deinen Gedancken? in dem Himmel, antwortete der Knab. Wärest du aber bereit zu sterben (fragte der Geistliche weiters) damit du möchtest im Himmel seyn? freylich ja, war die Antwort des Knabens. Was machen aber die fromme Kinder im Himmel? fuhre der Geistliche weiters fort. Da gabe der Knab zur Antwort: sie lieben GOtt ohne Unterlaß: und das mit ihrer grösten Freud. Der Geistliche konte sich über den Verstand, und Gottseeligkeit des Knabens nicht genug verwunderen. Als er drauf seine Beicht angehört, fande er in dem Knaben eine solche Unschuld, daß er keiner Absolution vonnöthen hatte. Also dann wurde ihm die Heil. Communion, als die letzte Weeg-Zehrung gereicht; welche der Knab mit ungemeiner Innbrunst, und Andacht des Hertzens empfangen. Nach wenig Tagen, als die Leibs-Kräften bey ihm zimlich abgenommen, und die Elteren um sein Bethlein herum stunden, sagte er zu der Mutter: meine liebe Mutter! es ist nun an dem, daß ich sterben muß. Behüte dich GOtt; und lebe wohl. Behüre dich GOtt mein lie ber Vatter! Behüte euch GOtt meine liebe Brüder! und du Johannes (also hiesse der ältiste Bruder) seye ins künftig der Mutter gehorsamer, und nicht so widerspenstig. Und du Matthias (das war der jüngste Bruder) schnelle die Eltern nicht so an; sondern seye gegen ihnen bescheidentlich. Allein, ich hätte schier etwas vergessen; nemlich meinen Rosenkrantz, den ich einstens von dem Kinder-Lehrer geschenckt bekommen. Disen vermache ich dir meine liebe Mutter! behüte euch GOtt alle insgesamt noch einmahl; und lebet wohl. Auf dieses hin verfiele ihm die Sprach; er aber unterliesse nicht, äusserliche Zeichen von sich zugeben der Hofnung, die er hatte, bald im Himmel zu seyn: und das um so vil destomehr: weilen er kurtz vorhero dem Geistlichen bekennet, wie daß ihm währender Kranckheit, unser liebe Frau samt vilen Heiligen erschinen, die ihn freundlich gegrüßt, [26] und ein Gespräch von denen himmlischen Freuden geführt hätten: zu welchen sie ihn eingeladen, und die Hofnung gemacht, er werde mit nächstem bey ihnen seyn; weßwegen er dann so begierig zu sterben geweßt seye. Weilen er nun nicht mehr reden konnte, streckte er bald die Händ gen Himmel auf; bald schrenckte er sie Creutzweiß übereinander; bald bezeichnete er sich mit dem heiligen Creutz: und wann man ihm die heylwerthiste Namen JEsus und Maria vorsprache, neigte er mit grosser Andacht das Haupt. Als er aber in die letzte Zügen griffe, fienge er an wie ein Rosen zu brinnen, (welche Farb er auch nach dem Tod behalten) und über ein kurtzes darauf gabe er seine unschuldige Seel in die Händ des Schöpfers auf, nachdem er seine Kranckheit eine geraume Zeit mit einer wunderbarlichen Gedult übertragen hatte. Raderus in Bavaria Pia.


O ihr Kinder! was habt ihr an diesem Knaben für ein schönes Exempel! folget ihm nach in fleißiger Anhörung der Kinderlehr, so werdet ihr daraus solche Sachen lernen, die in euch legen werden einen rechten Grund zur Gottseeligkeit: mithin erwecken ein Abscheuen von Sünden, und einen Lust zur Tugend; eine Verachtung irdischer, und hingegen eine Begierd himmlischer Dingen. Wo dieses geschiehet, O was Freud machet ihr den Elteren! was Lob euch selbsten! und was endlich für einen Verdienst in dem Himmel!

19. Exempel
Neunzehendes Exempel.
Ein junger Graf wird durch öfteres Gespräch mit Ordens-Geistlichen zum Closter-Leben gezogen.

Vor Zeiten war in Teutschland ein junger Graf, mit Namen Albert, von 13. Jahren. Diesen schickte seine Frau Mutter nach Paris in Franckreich, um alldort an dem Königlichen Hof mit den Königlichen Printzen (die ihm verwandt waren) auferzogen zu werden. Weilen aber daselbst ein Dominicaner Closter war, in welchem sich zu selbiger Zeit der seelige Jordanus, und andere Ordens-Geistliche, aus Teutschland gebürtig, aufhielten, suchte der junge Graf selbige, als Lands-Leut, ofters heim, und hatte mit ihnen seine Ansprach. Indem nun diese Geistliche öfters von himmlischen Sachen redeten, wurde der junge Graf davon also bewegt, und eingenommen, daß ihm das Hof-Leben gäntzlich verleidete. Ja nicht allein dieses, sondern er bekame so gar einen Lust, auch in den Orden dieser Geistlichen zu tretten: damit er desto ungehinderter dem Heyl seiner Seelen abwarten möchte: wie er dann bey dem seeligen Jordano, als damaligen Ordens-Meister inständig (doch aber in der Stille; damit es nemlich [27] die Gräfliche Eltern nicht innen wurden) angehalten. Allein weil der seelige Jordanus besorget, der junge Graf möchte wegen seinen jungen Jahren nur fliegende Gedancken bekommen haben, und also auf seinem Vorhaben nicht beständig bleiben, so gab er ihm Bescheid in folgenden Worten:HErr Graf! weilen sein HErr Vatter schon alt, und auf der Gruben herum geht, so wäre es rathsamer, er thäte mit der Zeit die Grafschaft, als der eintzige und rechtmäßige Erb antretten, und liesse ihm angelegen seyn, seine Unterthanen mit Liebe und Sanftmuth zu regieren; dann durch dieses würde er viel Gutes schaffen können. Mit dieser Antwort mußte sich der junge Graf für diesesmal vergnügen lassen; wiewohl er keinen Lust hatte in der Welt zu bleiben. Unterdessen geschahe es nach verflossenen 3. Jahren, daß ihn die Elteren von Paris wiederum nach Haus beruften: zu welchem End sie ein Anzahl Diener abschickten, die ihne zuruck bringen solten. Wie nun die Diener bey ihm zu Paris angelangt, und den Befehl der Gräflichen Elteren abgelegt, sagte er zu ihnen: es ist gantz recht. Allein ehe ich abreise, müsset ihr vorher mit mir in das Dominicaner-Closter, damit ich die teutsche Ordens-Geistliche, als meine liebe Lands Leut, zuletzt noch einmahl sehe, und von ihnen Urlaub nehme. Nun das geschahe: und glaubten die Diener, es hätte nunmehr alles seine Richtigkeit. Allein nachdem der junge Graf denen Dieneren befohlen, einen Abtritt zu nehmen, unter dem Vorwand, als hätte er mit denen Geistlichen abseits, und in geheim etwas wichtiges abzuhandlen, bate er den seeligen Jordanum, er möchte doch alle Geistliche des Closters in das Convent lassen zusammen kommen; dann er etwas, woran viel gelegen, vorzubringen hätte. Als es geschehen, fiele der junge Graf auf seine Knye nieder, und sagte: ich nimme GOtt, und alle Heilige zu Zeugen, daß ich von diesem Ort nicht werde gehen, es seye dann, daß ihr mich in euren Orden aufnehmet. Dann um Christi willen verlasse ich alles, was ich in der Welt hab: und diesem allein will ich in euerem Orden bis an das End meines Lebens dienen. Sehet demnach wohl zu, daß ihr mir meine Bitt nicht abschlaget, sonst werdet ihr es vor GOtt zu verantworten haben, und er wird mein Blut von eueren Händen forderen. Wie der seelige Jordanus samt dem gantzen Convent diesen ungemeinen Eyfer des jungen Grafen gesehen, wußten sie vor Erstaunung nicht, was sie sagen sollten. Nachdem sie sich aber erholet, hielten sie untereinander Rath, was zu thun wäre; in Bedencken, daß es die Gräflichen Eltern sehr übel dörften aufnehmen, wann ihr Sohn in den geistlichen Orden sollte tretten. Allein, wie sie befunden, daß GOtt den jungen Grafen kurtzum in dem heiligen Orden haben wollte, nahmen sie ihn einhellig auf, und legten ihm [28] das Ordens-Kleyd an. Wie die Diener das vernommen, und gesehen, daß sie unverrichter Sachen wiederum hinkehren mußten, wo sie herkommen waren, haben sie traurend ihren Abschied genommen. So bald die Gräfliche Elteren verstanden, was sich mit ihrem Sohn zugetragen, da ist nicht auszusprechen, wie sie lamentirt, und alles angewendet, den Sohn wiederum aus dem Closter zu ziehen. Unter anderen wurde dieses Geschäft aufgetragen einem gewissen Herrn, mit Namen Theodoric, so ein leiblicher Bruder von des jungen Grafen Frau Mutter war, und eben dazumahl zu Paris sich aufhielte. Dieser dann gienge in das Dominicaner-Closter hin, und verlangte, man solte den jungen Grafen, seinen Vetter herfür kommen lassen. Wie dieses geschehen, redete er ihn auf folgende Weis an: Was ist das, Vetterle? wie kanst du es über dein Hertz bringen, daß du deine Elteren dergestalten betrübest? du weist ja, daß dein Herr Vatter alt ist, und auf der Gruben herum gehet; und also zu sorgen, die Frau Mutter dörfte bald eine Wittib werden. Ach! in was betrüben Stand wird sie gesetzt, wann sie nach dem Tod ihres Herrn zugleich deiner wird entrathen müssen; da sie doch ihren eintzigen Trost auf dich gesetzt, der gäntzlichen Hofnung, du werdest sie nicht verlassen, sondern ein Stab ihres Alters seyn! O was für einen Bach der Zähern wird sie vergiessen, wann sie sich in ihrer Hofnung wird betrogen sehen, ey! si gehe dann in dich selbsten; gedencke was du thust: kehre zuruck in die Welt, und betrübe deme Elteren nicht bis in Tod hinein. Aber der junge Graf fertigte seinen Herrn Vettern mit dieser Antwort ab: Herr! wisset ihr nicht, daß unser lieber HErr, da er am Creutz hienge, seine liebste Mutter in höchster Betrübnuß vor sich gesehen? und dannoch hat er dessentwegen vom Creutz keinesweegs wollen herunter steigen. Also werde auch ich das Ordens-Creutz, an welches ich mich durch die heilige Gelübde heften werde, nicht verlassen, wann ich auch meine Frau Mutter solte vor mir dahin sterben sehen. Unterdessen werde ich GOtt bitten, daß er sie tröste; mir aber die Gnad gebe, daß ich ihm beständig in dem angenommenen heiligen Orden diene. Dahero bliebe der junge Graf beständig, und brachte sein Leben in dem Orden bis an das End gottseelig zu.Cantiprat. l. 2. Apum. c. 28.


O wie wiel ligt daran, mit was für Leuten man umgehe! und was man für Gespräch führe! wäre dieser junge Graf stets zu Hof geblieben, was hätte er anders gehört, als was weltlich, schnöd und zergänglich ist? und also wurde er ein lauteres Welt-Kind worden seyn; in welchem Stand er vielleicht ewig wäre zu Grund gangen. Da er aber zu Zeiten mit frommen Geistlichen umgangen, und himmlische Gespräch angehört, O wie hat [29] er die Eitelkeit der Welt so bald erkennt! darum lasse dir folgende Reimen gesagt seyn:


Wilt du weit seyn von der Hölle,
Zu den Frommen dich geselle.
Fromme thun dich Gutes lehren;
Böse wurden dich verkehren.
20. Exempel
Zwantzigstes Exempel.
Ein junger Graf höret in dem Tod-Beth eine Englische Music.

Dieser junge Graf Ulrich mit Namen, aus dem Gräflichen Geschlecht von Helffenstein, ward gebohren um das Jahr Christi, 1583. in der Churfürstlichen Residentz-Stadt München, allwo dazumahl sein Herr Vatter an dem Churfürstlichen Hof Oberster Hofmeister war. Als er die Jahr zum Studieren erreicht, ward er zu denen Jesuiten daselbst in die Schul geschickt. Was für Exempel der Frommkeit, Gottesforcht, und Eingezogenheit er der studierenden Jugend von sich gegeben, ist mit Worten nicht leicht auszusprechen. Man kan es einiger massen aus diesem abnehmen. Wann es sich bisweilen zugetragen, daß er etwas späters in die Schul kommen, schämte er sich nicht, mitten in die Schul (O Demuth!) auf den Boden zu knyen, und vor allen Mit-Schülern mit aufgehebten Händen (O Frommkeit) das Schul-Gebett zu verrichten. Wer ihn gesehen hätte, würde geglaubt haben, ein Engel knye da: also andächtig bettete er. So ließ er auch, als noch ein Kind, Zeichen von sich spühren, als hätte er ein Begierd, mit der Zeit in den Orden der Jesuiten einzutretten, und GOtt darinnen zu dienen. Dann als ihm einstens St. Nicolaus allerhand schöne Sachen eingelegt, so daß er sich darüber hätte erfreuen sollen, zeigte er sich doch etwas traurig. Seine Frau Mutter dieses vermerckend, fragte ihn, warum er sich traurig zeige? St. Nicolaus habe ihm ja schöne Sachen eingelegt? da sagte er: Es ist schon wahr, allein ich wollte, es hätte mir auch ein Baret eingelegt, wie die Jesuiter tragen. Also wohl gefiele ihm ihr Habit. Allein GOtt wollte ihn in der Gesellschaft JESU nicht auf Erden, sondern im Himmel haben. Es geschahe also im eilften Jahr seines Alters, daß, als er einstens aus der Schul nach Haus gienge, ihn auf der Gassen eine Schwach heit überfiele, in welcher er zur Erden gesuncken, und als Krancker hat müssen nach Hauß getragen werden. Es zeigte sich auch gleich, was es für eine Kranckheit seye. Dann es brachen an dem gantzen Leib die Kinds-Blattern herfür: und weil sie sich bald wieder hinein gezogen, haben sie ihm endlich den Tod verursachet. Wie es nun auf die letzte gienge, und die Gräfliche Eltern [30] traurig um das Beth herum stunden, und ihme zusprachen, er sollte den Tod nicht förchten; dann er werde dieses gegenwärtige Leben mit einem besseren vertauschen, sagte er gähling: still still: höret ihr nicht eine Englische Music? O wie lieblich klingt sie! es waren nemlich die heilige Engel, die ihn eingeladen, mit ihnen in dem Himmel das Lob GOttes anzustimmen. Denen er auch freudig gefolget; in dem er bald darauf seine unschuldige Seel in die Händ ihres Schöpfers aufgegeben. Raderus in Bavaria Pia.


Wann wahr ist, was das Sprichwort sagt: gleich und gleich gesellt sich gern; so muß dieser junge Graf ein rechter Engel gewesen seyn; als welchen die Engel unter freudiger Music in ihr Gesellschaft aufgenommen. Schad ist derowegen, daß das Gräfliche Geschlecht von Helffenstein Anno 1627. ausgestorben: vielleicht wurde es dem Himmel noch mehr Engel auferzogen haben. Dergleichen geweßt eine junge Gräfin von Helffenstein, so erst ein Kind von 5. Jahren war. Als der Herr Vatter dieses Gräflichen Kinds auf den Tod kranck darnieder lage, fragte es den Geistlichen, so dem Herrn Vatter in der Kranckheit beystunde, und ihm zusprache, ob es unsern HErr GOtt nicht bitten dörfte, daß es an statt des Herrn Vatters sterbe; der Herr Vatter aber wiederum gesund aufstunde? Warum nicht? sagte der Geistliche: bette sie nur. Sie muß aber alles in den Willen GOttes stellen. Was geschiehet? Das Gräfliche Kind bettet, und GOtt erhöret es. Dann es darauf kranck worden, und dahin gestorben. Idem Raderus ibidem.


Mein GOtt! wann ein Kind von 5. Jahren gegen seinem Herrn Vatter eine solche Lieb erzeiget hat, daß es für ihn zu sterben verlangte; weilen es nemlich die Gutthaten, so es von ihm empfangen, bey noch so jungen Jahren mehr, als wohl erkennet hat: was sollen dann Kinder von 10. 20. Jahren thun?

21. Exempel
Ein und zwantzigstes Exempel.
Von dem gottseeligen Frater Wilhelm, Profeß in dem Closter Münchroth, Prämonstratenser Ordens.

Dieser gottselige Jüngling ward Anno 1564. zu Mindelheim (so dazumahl Schwäbischen, anjetzo aber Bayerischen Gebiets ist) gebohren. Seine Eltern, weil sie sahen, daß er von Kindheit auf zur Frommkeit geneigt war, hatten sich entschlossen, ihne studiren zu lassen. Indem sie aber mit diesen Gedancken umgiengen, starben sie an der dazumahl grassirenden Pest dahin. Wurde also unser guter Wilhelm frühzeitig ein armes, und verlassenes [31] Waislein. Jedoch verliesse ihn GOtt nicht; sondern schickte es, daß er von einem seiner Vettern nach Memmingen in ein Closter (sonst der Spital zum heiligen Geist genannt) in die Kost gethan wurde: allwo er zugleich Gelegenheit fande, bey einem selbigen Orts Geistlichen zum studiren den ersten Anfang zu legen. Da hat er sich dann so fromm und unschuldig aufgeführt, daß ihn alle Geistliche im Closter lieben mußten. Dann er flohe alle Gelegenheit, von frecher und ausgelassener Bursch verführt zu werden. Die Zeit aber brachte er eintweders mit Betten, oder Lernen zu. Wie nun der Lehrmeister vermerckt, daß dieser Jüngling nirgends besser hin taugte, als in einen Ordens-Stand, hat er ihm durch ein Recommendations-Schreiben in das Closter Münch-Roth, Prämonstratenser Ordens, geholfen: allwo man ihn auch in das Probier-Jahr aufgenommen. Da hat er sich gleichfalls so gottselig, und unschuldig verhalten, daß niemand im gantzen Closter die geringste Klag wider ihn führen konte. Er hatte zwar keine sonderbare Fähigkeit zum studiren; jedoch bemühete er sich diesen Mangel durch ungemeinen Fleiß zu ersetzen: so, daß die Patres des Closters wohl mit ihm zu frieden waren, und er auch nach vollendetem Probier-Jahr zur heiligen Profession des Ordens zugelassen wurde. Da hat er sich dann in allerhand Tugenden geübt; absonderlich in der Gedult, wann ihm da und dort von anderen etwas widerwärtiges begegnet ist. Wie man nun gesehen, daß er in der Tugend einen guten Grund gelegt, ist er nach Dillingen zu studiren geschickt worden: in welchem er auch solchen Fortgang gemacht, daß er seinen Lehr-Meistern ein sattsames Genügen gethan. Jedoch hatte er diesen Fortgang mehr dem heiligen Gebett (welchem er sehr ergeben war) als seinem eigenen Fleiß zu zuschreiben. Mithin war seine vornehmste Bemühung in Ubung der Tugenden, und Betrachtung himmlischer Dingen; in Ausforschung seines Gewissens, und fleissiger Beobachtung seiner selbst; damit er nemlich die Reinigkeit seiner Seel mit keiner Sünd bemacklete. So verschonte er auch seinem eigenen Leib auf keine Weis, als welchen er nicht allein mit härinen Stricken umgürtete, und marterte: sondern auch hart geißlete; damit er auf solche Weis das Fleisch dem Geist unterthänig machte. In Summa: es war kein Tugend, in welcher er sich nicht täglich übte. Absonderlich liesse er ihm die Reinigkeit so wohl des Leibs, als der Seelen angelegen seyn. Dannenhero konte er nichts hören, und noch viel weniger reden, ja gar nicht einmahl gedencken, was nicht keusch, rein, und heilig war. Wordurch er zu einer solchen Unschuld und Reinigkeit gelangt, daß man ihn einem Engel gleich geschätzt hat. Deswegen er mit denen heiligen Englen in eine solche Verträulichkeit und Gemeinschaft kommen, daß, als er einstens kranck war, sie vom Himmel herunter gestiegen, und (O unerhörtes Wunder,) das Brevier [32] Chor-weis mit ihm gebettet haben. So hat ihm auch einer aus ihnen in selbiger Kranckheit die Bottschaft gebracht, er werde bald sterben, und bey denen heiligen Englen im Himmel seyn. Weilen nun die Kranckheit von Tag zu Tag zunahme, und solches an seine Oberen berichtet worden, wurd er von Dillingen in das Closter zuruck beruffen, und abgeholet. Da ist ihm dann bald nach seiner Ankunft auf eine Zeit unser liebe Frau erschienen, und hat ihn mit ihrer liebreichsten Ansprach über die massen erfreuet, mit beygesetzter Vertröstung, daß sie ihn über ein kurtzes in den Himmel abholen werde. Wie dann auch geschehen. Dann bald darauf erschiene ihm unser liebe Frau das anderte mahl, da er allgemach wolte in die letzte Züg greiffen, in Begleitung zweyer heiligen Jungfrauen: welche nicht von ihm gewichen, bis seine unschuldige Seel von dem Leib abgeschieden: die sie dann mit sich in den Himmel geführt haben, da er nicht mehr, als vier und zwantzig Jahr alt worden. Nach seinem Tod ist aus seinem Grab ein himmlischer Geruch gespühret worden: welches ein unwidersprechliches Zeichen war, daß er die Reinigkeit Leibs und der Seelen jederzeit unversehrt erhalten habe. Raderus in Bavaria Pia.


Wohl ein schönes Exempel hat die Jugend an diesem gottseligen Frater. Fürs erste: wie sie ihr die Reinigkeit Leibs und der Seelen solle lassen angelegen seyn: und also ab allem dem ein Abscheuen haben, wordurch die Reinigkeit könnte verletzt werden; als da seynd unzüchtige Reden, Rauppen-Possen, und dergleichen. Dann wie der heilige Apostel Paulus sagt: böse Reden verderben gute Sitten. 1. Corinth. 15. Fürs anderte: wie die Jugend niemahl im lernen ehender einen Fortgang mache, als wann sie sich der Gottseligkeit befleissen, und dem heiligen Gebett ergeben ist; absonderlich, wann sie das lernen zur Ehr GOttes richtet, und ihm zu solchem End aufopfert. Dann wie obgedachter Apostel sagt: die GOttseligkeit ist zu allen Dingen nutz, 1. Timoth. 4.

22. Exempel
Zwey und zwantzigstes Exempel.
Ein armer Student, wird mit der Zeit Cardinal, und stellt sich gegen einer armen Wittib, die ihn Zeit seines Studirens beherberget, danckbar, und reichlich ein.

Matthäus Schiner, aus dem Waliss im Schweitzer Land, ward von armen Elteren gebohren. Nachdem ihm selbige weggestorben, und er also ein Waißlein worden, begabe er sich nach Bern (da nemlich diese Stadt noch catholisch war) um alldort eine Gelegenheit zum studiren zu finden: dann er von Natur nicht allein einen ungemeinen Lust; sondern [33] auch besondere Fähigkeit darzu hatte. Wie er nun zu Bern angelangt, suchte er zu erst eine Herberg, wo er aus und eingehen könnte. Die Kost betreffend, mußte er sich entschliessen, selbige von Haus zu Haus zu erbettlen: dann er hatte nichts, als ein abgeschabenes Mäntelein, zerrissene Schuhe, und schlechtes Röcklein, in welchem er sich kaum därfte sehen lassen. Da geschahe es dann, daß ihn ein arme Wittib aus Mitleiden in ihr Haus aufnahme, wo er aus- und eingehen könnte; im übrigen aber für das Essen selbsten sorgen liesse; als welche für ihre Person genug zu thun hatte, wie sie das Maul hindurch bringen möchte. Auf solche Weis nun machte Matthäus dem studiren den Anfang; und das mit solchem Eifer, und unverdrossenen Fleiß, daß man sich darüber verwundern mußte. Dann wie wohl er das Allmosen von Haus zu Haus heischen mußte, so verhinderte ihn doch dieses im geringsten nichts von dem studiren: indem er von einer Gassen in die andere gehend, stäts (O unerhörter Eifer!) ein Buch in der Hand hatte, und darinnen lase; nur damit ihm kein Zeit, etwas zu lernen, fruchtlos hingienge. Durch diesen angebohrnen Lust, und unermüdeten Fleiß brachte er es mit der Zeit so weit, daß er im studiren alle andere Studenten übertraffe, und letztlich zur Würde eines Doctors in der GOtts-Gelehrheit befördert wurde. In dieser Doctors-Würde nun (worzu eine von Natur angebohrne Wohlredenheit schluge) führte er sich so klug und verständig auf, daß ihn eine löbliche Eidgenossenschaft für würdig erachtete, in einem wichtigen Geschäft an Ihro Päbstliche Heiligkeit nach Rom, als einen Abgesandten, abzuschicken. Welche Gesandschaft ihm auch würcklich aufgetragen wurde. Wie man nun zu Rom seine grosse Wissenschaft, Wohlredenheit, und Erfahrnuß mit Bewunderung ansehen mußte, hat ihn Ihro Päbstliche Heiligkeit zu einem Cardinal (so eine der vornehmsten geistlichen Würde in der Catholischen Kirchen, und die nächste nach dem Pabstum ist) gemacht. Nachdem er in dieser Würde lange Zeit der Kirchen grosse Dienst gethan, schickte ihn einstens der Pabst als einen Abgesandten in die Schweitz, um allda zwischen denen Teutschen und Frantzosen nach langwirigem Krieg einen erwünschten Frieden aufzurichten. Dieser Gelegenheit nun bediente sich der Cardinal, einen Abweeg auf seiner Reiß zu nehmen; damit er sein liebes Bern einstens wiederum sehen, und daselbst den Einkehr nehmen könnte. Wie dann auch geschehen; und er als Päbstlicher Abgesandter von der gantzen Stadt mit grosser Ehrerbietung, und Freuden-Bezeugungen empfangen worden. Das erste, so er bey seiner Ankunft zu wissen verlangte, war dieses: ob nemlich jene Wittib (und die nennete er mit Namen) die ihn Zeit seines Studirens zu Bern beherberget, noch bey Leben wäre? und da ihm mit ja geantwortet worden, bezeugte er darüber grosse Freud: befahle demnach seinen Bedienten, [34] ohnverzüglich Tappetzereyen, Sessel, Silber-Geschirr, und anders, was einem grossen Herrn seinem Stand nach zu bewürthen nöthig, in der Wittib Haus zu tragen, und auf ein Mittagmahl Tafel zu decken. Wie nun die Bediente in der Wittib Haus angelangt, und in die Stuben kommen, fanden sie selbige allein, und zwar an der Kunckel spinnend: grüssen sie mithin gantz freundlich, und sagten zu ihr:Mütterle! thut die Runckel auf ein Seiten und kehrt darfür das Haus und die Stuben aus; damit wir alles mit Tappezereyen auszieren, eine Fürst liche Tafel rüsten, und selbige mit Sessel umstellen können. Die Wittib dies hörend, fragte sie: wer sie dann wären? und was dieses bedeuten solte? sie bekame aber keine andere Antwort, als diese: sie solte nur thun, was ihr befohlen worden; sie werde es bald erfahren, wer sie wären; und auf was es angesehen seye? indem nun die Wittib dem Befehl nachkommen, und überall sauber ausgekehrt, mithin den Kopf zu einem Fenster ausgestreckt, um zu sehen, wer dann mehr in ihr Haus kommen werde; da siehet sie einen Wagen mit Brodt, Wein, Fleisch, Vögel, Wildpret, und anderen bey Fürstlichen Taflen gewöhnlichen Speisen, und Confect beladen, dem Haus zufahren: hinter dem Wagen aber eine Fürstliche Gutschen, in welcher der Cardinal sasse, samt einigen der vornehmsten Herren der Stadt, so aus Befehl des Magistrats den Cardinal Ehren halber dahin begleiteten. Sie gienge also dem Cardinal eilends bis zum Haus hinaus entgegen: und da er aus der Gutsche gestiegen, fiele sie vor ihm aus Ehrerbietung auf ihre Knie nieder, und erwartete gleich wohl, was dann die Ankunft eines so grossen Herrn bedeuten solle. So bald der Cardinal die Wittib das erstemahl wiederum gesehen, sagte er zu ihr: stehet auf, Mütterle! und grüß euch GOtt! wie ist es? kennet ihr mich noch? schaut mich nur recht an. Ich bin derjenige, den ihr vor diesem als einen armen Studenten Zeit meines Studierens aus Mitleiden in diesem eurem Haus beherberget, und darinn aus- und eingehen lassen. Jetzt bin ich kommen, euch in der alten Herberg heimzusuchen, und euch für die Lieb, die ihr mir erwiesen, Danck zu sagen. Laßt uns dann mit einander in die Stuben hinauf gehen; dann bey euch will ich das Mittagmahl einnehmen. Wie sie in die Stuben hinauf kommen, und der Cardinal mit der Wittib eine Zeit lang von den alten Händlen ein freundliches Gespräch gehalten, befahle er, Speis und Tranck auf die Tafel zu tragen: welches als es geschehen, sagte er: jetzt Mütterle! wollen wir über Tisch betten. Nach verrichtem Gebett, hiesse er die Wittib neben sich an die Tafel hinzu sitzen: die sich aber anfänglich geweigert, sagend: es wäre ihr höchste Schuldigkeit, einem so grossen Herrn als ein Magd unterthänigst aufzuwarten. Allein weil ihr der Cardinal nichts liesse daraus [35] gehen, und es kurtz um haben wolte, mußte sie letztlich gehorsamen. Da legte ihr dann der Cardinal selbst alle Speisen vor, und sprach ihr freundlich zu: sie wolte es ihr nur recht belieben lassen, und sich vor ihm nicht scheuen. Nachdem nun ein und andere Speisen aufgeessen waren, begehrte der Cardinal, man solte ihm einen grossen silbernen und vergoldeten Becher vom besten Wein einschencken. Als dieses geschehen, nahme er den Becher in die Hand; kehrte sich damit gegen der Wittib, und sagte: nun, Mütterle! ich brings euch zu; und zwar auf eure eigene Gesundheit. Und nachdem er einen Trunck gethan, stelte er den Becher der Wittib zu. Allein diese getraute sich nicht, den Becher anzunehmen. Wie aber der Cardinal darauf drange, und nicht aussetzte, sagend: Mütterle! ihr müßt mir auch eines aus diesem Becher Bescheid thun: ich lasse es euch nicht nach: nahme sie endlich den Becher, wie wohl mit zitterenden Händen an. Indem sie aber nicht wußte, wie sie diesem grossen Herrn müßte den Titul geben, und demnach jetzt: ihr Excellentz! bald gestrenger Juncker! sagte; mußte der Cardinal ob ihrer Einfalt wohl hertzlich lachen. Gleichwohl damit er ihr ein Hertz zu trincken machte, sagte er zu ihr: Mütterle! heißt mich nur wie vor diesem: dann ich bin eben derjenige, dem ihr vor diesem manches mahl eines zugebracht. Auf dieses Zusprechen hebte die Wittib den Becher über sich, und sagte: so seye es dann, Herr Schiner! weil ihr es doch so haben wolt: ich brings euch zu, auf euere gute Gesundheit. Unser HErr wolle euch noch viel Jahr gesund erhalten. Der Cardinal bedanckte sich; und nachdem er noch eine Zeit lang bey der Tafel gesessen, stunde er endlich auf, und bedanckte sich gegen der Wittib noch einmahl, daß sie ihn vor diesem Zeit seines Studirens so mitleidig beherberget: nahme darauf behüt GOtt von ihr, und hinterliesse ihr nicht allein, was von Speis und Tranck in grosser Menge überblieben; sondern auch die silberne Schüßlen, Teller, Trinck-Geschirr, Sessel, Tappezereyen, und anders, was er mit sich gebracht. Ja, er verehrte ihr noch darüber zu einem Leben-länglichen Angedencken, zwey hundert Ducaten. Womit er das Haus verliesse, und seine Reiß weiters fortsetzte. Wie nun dieses alles in der Stadt Bern ruchtbar worden, da ist nicht auszusprechen, mit was Lob-Sprüchen die gantze Burgerschaft diese unerhörte Demuth, undDanckbarkeit des Cardinals gegen der armen Wittib erhebt habe. Auf allen Gassen hörte man nichts anders, als dieses freudige Ausruffen: es lebe glückselig, dieser demüthige und danckbare Cardinal! GOtt gebe, daß seine Tugend einstens den höchsten Ehren-Gipfel auf Erden besteige! Gazæus in Piis Hilar. Tom 2.


Nehmen die arme Studenten von der Demuth undDanckbarkeit dieses Cardinals ein Exempel, und folgen [36] sie ihm nach. Machen sie es nicht, wie etwelche grobe und undanckbare Gesellen, welche, wann sie durch das Glück mit der Zeit zu einer Würde erhöht werden, nicht allein gegen ihren Gutthätern nicht erkanntlich seynd; sondern nicht einmahl dergleichen thun, als wann sie selbige noch kenneten. O wie schandlich ist dieses! aber was gewinnen sie damit? nichts anders, als daß alle recht geschaffene, Ehr- liebende Leut diesen ihren Hochmuth, und Undanckbarkeit verfluchen.

23. Exempel
Drey und zwantzigstes Exempel.
Ein unschuldiger Jüngling wird am Galgen wunderbarlicher Weis frisch und gesund beym Leben erhalten.

Es waren zwey fromme Eheleut: die thaten eine Wallfahrt nach Compostell in Spanien; um allda das Grab des heiligen Apostels Jacobi zu verehren. Sie hatten aber einen eintzigen Sohn, der nicht allein schön, und holdselig von Angesicht; sondern auch fromm und unschuldig war: und deme die Zucht und Schamhaftigkeit aus den Augen schiene. Weil er nun der Elteren eintziger Augen-Trost war, mußte er auch mit ihnen wallfahrten. Nachdem sie auf ihrer Wahlfahrt ein gutes Stuck-Weegs hinter sich gelegt, kamen sie auf einen Abend in die Stadt, so den Namen von dem heiligen Dominicus führt. Weil sie nun müd, hungerig, und durstig waren, kehrten sie dort in einem Wirthshaus ein; um allda zu übernachten. Da liessen sie ihnen dann zu Essen, und zu Trincken bringen: damit sie sich erfrischten, und die Wallfahrt fortzusetzen neue Kräften bekämen. Es geschahe aber, daß, indem des Wirths Tochter diesen Gästen Speis und Tranck auftruge, sie ein Aug auf den Jüngling warfe: durch dessen schöne Gestalt sie also eingenommen war, daß ihr Hertz vor Liebe zu brinnen anfienge. Sie konnte also kaum erwarten, bis diese Gäst vom Tisch aufstunden, und in die Ruhe begehrten. Wie solches endlich geschehen, nahme sie den Jüngling auf eine Seiten, und sagte ihme ohne Scheu, wie daß sie in ihn verliebt wäre. Der keusche und schamhafte Jüngling, als er dieses gehört, konte sich kaum inhalten, daß er ihr nicht die Hand ins Gesicht schluge: also wehe thate es ihm, daß sie ihn für fähig ansahe, etwas unehrbares zu begehen. Doch fertigte er sie mit diesen ernsthaften Worten ab: packe dich fort, du unverschamte! für wen siehest du mich an? meinst du ich seye deines gleichens? nein, fürwahr: du betrügest dich weit. Mein Ehr ist mir lieber, als du dir einbildest. Mit diesem Ausbutzer nahme das unverschamte Mensch den Weeg zur Stuben hinaus, und liesse sich wohl nicht mehr sehen. Dieser Schimpf aber [37] thate ihr so wehe, daß sie hin und her denckte, wie sie sich doch an dem Jüngling rächen möchte. Endlich fiele ihr ein, sie solte warten, bis der Jüngling in der Ruhe wäre, und hernach in der Stuben erkundigen, ob er nicht vielleicht seinen Rock darinn gelassen. Das thate sie dann: und nachdem sie den Rock nach Wunsch gefunden, nahme sie aus einem Kasten einen silbernen Becher herfür: steckte selbigen in die Taschen des Jüngling Rocks: schliche hernach in der Stille zur Stuben hinaus, und begabe sich auch in die Ruhe. Des andern Tags, als die Gäst aufgestanden, bezahlten sie die Zech, und nahmen ihren Weeg weiters fort. Sie waren aber kaum zur Stadt hinaus kommen, da fienge des Wirths Tocher an zu lamentiren, und über die Gäst zu klagen: wie daß sie nemlich einen silbernen Becher dem Wirth entfremdet hätten. Man solle also ihnen ohne Verweilen nachsetzen, und selbige aussuchen, bis man den Becher gefunden hätte: und sie hernach als Dieben der Gebühr nach abstraffen. Nun was geschiehet: man erwischt sie noch, sucht sie aus, und findet endlich den silbernen Becher bey dem Jüngling in der Taschen des Rocks. Da hiesse es gleich: O du Dieb! jetzt bist du ertappet worden. Hast du gehoft, mit dem Becher hindurch zu kommen; warte nur: du wirst bald darfür den Strick am Hals haben. Der unschuldige Jüngling erschracke zwar über dieses unerwartete Unglück; betheurte aber hoch; wie daß er sein Lebtag niemand das geringste gestohlen: müsse ihm also der silberne Becher unwissend seiner, und heimlich bey nächtlicher Weil, da er noch in der Ruhe gelegen, von weiß nicht wem in die Tasche gesteckt worden seyn. Bitte also, man wolle ihn seinen Weeg lassen fortgehen. Allein alles Entschuldigen war umsonst: der gefundene Becher überzeugte ihn: und wie die Sach für den Richter des Orts kommen, brauchte es nicht viel, ihn als einen Dieben zum Galgen zu verurtheilen. Wie dann auch geschehen. Mit was Leidwesen, jammeren, heulen und weinen der lieben Eltern, ist leich zu gedencken. Sie bathen; sie protestirten; sie erbothen sich, den Sohn mit einem Stuck Geld auszulösen: aber da fanden sie nirgend kein Gehör. Wurde also der unschuldige Jüngling zum Galgen hinaus geführt: an welchen er auch ohne Barmhertzigkeit aufgeknüpft worden. Die Elteren, so vor Leidwesen, diesem traurigen Spectacul nicht zusehen konten, setzten unterdessen in äusserster Betrübnuß ihre Wallfahrt fort; unterliessen aber nicht, ihren unschuldigen Sohn unser lieben Frauen, und dem heiligen Apostel Jacob anzubefehlen, und zu bitten, daß sie sich seiner annehmen wolten. Als sie endlich zu Compostell bey dem Grab des heiligen Jacobs angelangt, selbiges verehrt, und einige Tag lang ihre Andach daselbst abgelegt, nahmen sie ihren Weeg wiederum traurig zuruck nach der Stadt, wo ihr unschuldiger Sohn das Unglück gehabt, aufgehenckt zu werden; um selbigen, wie [38] wohl am Galgen hangend, noch das letztemahl zu sehen, den Abschied zu nehmen, und ihme wenigst die ewige Ruhe zu wünschen. Wie sie nun an das Ort, und zu dem Galgen kommen, und mithin ihren lieben Sohn daran hangend gesehen, haben sie eben gemeint, sie müssen sich zu Tod weinen, und werde ihnen vor Leidwesen das Hertz im Leib zerspringen. Aber siehe Wunder! indem sie also bitterlich weinen, und klagen, da regte der erhenckte Jüngling die Händ und Füß, und fienge an also zu reden: Höret auf zu weinen, liebe Elteren! dann ich lebe noch frisch und gesund: ja es ist mir mein Lebtag nicht so wohl geweßt, als die sechs und dreyßig Täg, da ihr aus geweßt seyd. Dann wisset, daß mich unter dieser Zeit einer Seits unser liebe Frau; anderer Seits aber der heilige Apostel Jacob mit ihren Armen im Luft gehalten, daß mich der Strick keineswegs hat würgen können. So empfande ich auch einen solchen Trost, und Süssigkeit, daß es mich unterdessen weder gehungert, noch gedürstet hat. So haben weiters diese meine grosse Patronen, in deren Schutz ich mich befohlen, verhindert, daß mir weder die Sonnen-Hitz, noch Regen und Wind im geringsten haben schaden können: wie dann mein lebhafte Farb und Gestalt euch dessen überzeugen werden. Es haben zwar die Raaben vielmahl herzu fliegen wollen, aus Begierd mir meine frische und offene Augen auszupicken; seynd aber allzeit durch heimlichen Gewalt zuruck getrieben worden. In Summa: daß ich noch frisch und gesund lebe, das hab ich nach GOtt niemand anderen, als diesen meinen grossen Patronen zu zuschreiben. Gehet also hin, und zeiget es dem Richter des Orts an: begehrt auch von ihm, daß er mich vom Galgen abzunehmen befeh le, und hierdurch meiner Unschuld essentliche Zeugnuß geben wolle. Die Elteren dies hörend konten sich vor Freuden nicht fassen: und indem der Vatter den Sohn noch mehr ausfragte, lieffe unterdessen die Mutter, was giebst, was hast, in die Stadt vor des Richters Haus, und verlangte unverzüglich fürgelassen zu werden; sagend: sie hätte ihm ein unerhörtes Wunder anzuzeigen. Der Richter, welcher eben dazumahl zu Mittag speißte, und Gäst bey sich hatte, liesse sie alsobald in die Stuben kommen, und fragte sie: was sie ihn dann für ein unerhörtes Wunder anzuzeigen hätte? da sagte die Mutter. O HErr Richter! wisset, daß mein Sohn, den ihr vor sechs und dreyßig Täg ohne sein Verdienen habt an Galgen hencken lassen, noch frisch und gesund lebe. Dann sein Unschuld liesse nicht zu, daß er am Strick erworgen solte. Lasset ihn also vom Galgen abnehmen: auf daß wir ihn umpfangen, und mit ihm freudig in unser Vatterland zuruck kehren mögen. Der Richter dies hörend, hielte darfür, das Weib rede ab, und seye vor Leidwesen [39] im Kopf verruckt worden. Lachte also überlaut, und sagte: gleichwie dieser gebratene, und mit Speck durchgespickte Güggel und Henne, die du vor mir in dieser Schüssel siehest, und ich jetzt gleich mit dem Transchier-Messer in Stück zertheilen will, noch bey Leben seynd; also lebt auch dein Sohn noch an dem Galgen. Kaum hatte er dieses gesagt, und das Transchier-Messer in die Hand genommen, siehe Wunder! da wurden der gebrattene Güggel und Henne wiederum lebendig; bekamen ihre vorige Federen; sprangen aus der Schüssel heraus; giengen auf dem Tisch herum, und pickten die Brosamen, so sie da fanden, hungrig auf. Ja der Güggel, nachdem er einen freudigen Kreis, seiner Gewohnheit nach, um die Henne gemacht, schwunge die Flügel, und krähete aus vollem Hals, was giebts, was hast. Wie der Richter samt denen anwesenden Gästen dieses Wunder gesehen, erstaunte er heftig darüber: stunde alsobald vom Tisch auf, und gieng den geraden Weeg zur Richtstatt hinaus, um zu sehen, ob dann der erhenckte Jüngling noch frisch und gesund lebe? kaum ware dieses Wunder mit dem Güggel, und Henne in der Stadt auskommen, da lieffen alle, so wohl Geistliche als Weltliche zusammen, und begleiteten den Richter zur Richtstatt hinaus. Wie sie dort ankommen, und der am Galgen hangende Jüngling sie ersehen, redete er sie an mit folgenden Worten: Sihest du, O Richter! wie sich GOtt meiner Unschuld angenommen, und mich frisch und gesund beym Leben erhalten hat? Und also dein wider mich gefälltes Urtheil an sich selbst ungerecht geweßt ist? Ihr andere Zuseher aber! sehet ihr nicht, wie mich einer seits unser liebe Frau; anderer seits aber der Heil. Apostel Jacob mit ihren Armben in Luft halten? durch dero Fürbitt bey GOtt bin ich 36. Tag lang (O Gutthat! für welche ich ihnen mein Lebtag nicht genug werde dancken können) frisch und gesund beym Leben erhalten worden. Wie der Richter, und das umstehende Volck dieses gehört, preißten sie insgesamt GOtt in seiner Mutter, und dem Heil. ApostelJacob: der Jüngling aber wurde auf Befehl des Richters vom Galgen abgenommen, und seinen Elteren mit Freuden zugestellt: welche dann GOtt, seiner Mutter, und dem Heil. Apostel Jacob unaufhörlich danckend in ihr Vatterland zuruck gekehrt seynd. Was den zum Leben wiederum erweckten Güggel, und Henne betrift, haben selbige nachgehends noch 7. Jahr lang gelebt; und seynd von ihnen andere junge Güggele, und Hennele von gleicher Farb, und Federen erzeugt, und ausgebrütet worden: von diesen letzteren aber wiederum andere, bis auf andere 7. Jahr hinaus. Gazæus in Piis Hilar.


Wie laßt GOtt die Unschuld so gar nicht stecken! und wie lieb ist ihm ein [40] keusches Hertz! wir haben dessen ein stattliches Exempel in göttlicher Heil. Schrift, Daniel 13. Es ware schon an dem, daß die unschuldige, und keusche, aber fälschlich angeklagte Susana solte versteiniget werden. Aber wie hat hat GOtt selbige so wunderbarlich, und wider alles Verhoffen durch den Propheten Daniel aus dieser Gefahr errettet! wie nutzlich ist es hernach, unser liebe Frau, und andere Heilige GOttes um ihr. Hülf und Schutz anruffen! grosse Blindheit der Uncatholischen, die es nicht erkennen wollen! aber was ist mit ihnen anzufangen? die Catholische gebrauchen sich wider selbige jener Wort Christi Matth. 15. Lasset sie gehen. Sie seynd blind, und Führer der Blinden.

24. Exempel
Vier und zwantigstes Exempel.
Ein Jüngling, deme man auf der Richtstatt das Haupt wolte abschlagen, wird von dem Heil. Schutz-Engel beym Leben erhalten.

Zu Constantinopel, so eine der vornehmsten Stätten in Europa ist, befande sich ein adelicher Jüngling, mit Namen Falco; der von Kindheit auf mit sonderer Andacht dem Heil. Schutz-Engel zugethan ware; ihm auch zu Ehren sich mit einem Gelübd verbunden hatte, niemahlen zu lügen, solte es ihn auch Leib und Leben kosten. Das ware nun eine schwere Sach in einem solchen Alter, deme eben sobald eine Lug, als einem der Fuß auf dein Eiß entwischt. Gleichwohl ware Falco des gäntzlichen Schluß, seinem heiligen Schutz-Engel zu Ehren, niemahlen zu lügen. Uber ein Zeit hernach begab es sich, daß er mit einem seiner Spies-Gesellen uneinig worden, also daß es gar zum Degen kommen. In welchem Gefecht Falco den andern erstochen hat. Die That geschahe in Geheim, und ware niemand bekannt, als dem allwissenden GOtt. Nachdem der Tod des Entleibten durch die Statt erschollen, forschte man dem Thäter allenthalben streng nach, und warffe endlich auch aus einem geringen Anzeigen den Argwohn auf den Falco. Er wird darüber in Verhaft gezogen, und gerichtlich gefragt. Was solte nun der arme Jüngling thun? wolte er sich schuldig geben? so war das Leben hin. Wolte er laugnen? so handlete er wider das Gelübd. Er gienge lang mit seinen Gedancken zu Rath, und die natürliche Forcht sagte ihm: dem Heil. Schutz-Engel wird ja mit Menschen-Blut nicht gedient seyn; als welcher nicht verlangt, seinem Pfleg-Kind das Leben zu benehmen, sondern zu erhalten. Die Schand ist groß; die Freyheit ist lieb: und weil kein andere genugsame Zeugnuß vorhanden, so ist es nur um ein keckes Laugnen zu thun, so hin ich der Banden loß, [41] und wider auf freyem Fuß. Anderer Seits aber sagte ihm das Gewissen: wilt du dann dem Heil. Schutz-Engel untreu, und an deinem Gelübd eydbrichig werden? nein, sagte er: das thue ich nicht. Leben hin, Leben her: tausendmahl ehender will ich sterben, als lügen. Aus solche Weiß geschihet der Gerechtigkeit ein Genügen; und werd ich zu einem Schlacht-Opfer der Treu und Liebe gegen meinem Heil. Schutz-Engel. So bekennete er dann die That, und wurde zu dem Schwerdt verdammt. Als der Tag angebrochen, an welchem er das Urtheil solte ausstehen, wurde er in Beyseyn einer grossen Menge Volcks zur Richtstatt hinaus geführt. Jedermänniglich truge Mitleyden mit ihm; er aber befahle sich noch einmahl durch ein eyfriges Schuß-Ge bettlein seinem Heil. Schutz-Engel; und sein Hertz sagte ihm, er werde ihn nicht lassen: worauf er seinen Hals darstreckte. Ingleichem zuckte auch der Scharf-Richter schon das Schwerdt, und wolte den Streich führen. Aber sihe Wunder! ein schöner Jüngling stunde gegen über, gleichfals mit einem entblößten Schwerdt, und trohete dem Scharf-Richter den Tod, wofern er nicht wurde inhalten: worüber diser dermassen erschrocken, daß er das Schwerd fallen lassen, und auf ein Seiten gesprungen. Weilen aber die Sach dem Blut-Richter verdächtig vorkame, wurde die Vollziehung des Urtheils einem anderen anbefohlen: welcher aber gemeldter Ursach halber eben so wenig, als der erste, konte zu Streichen kommen. Eben das widerfuhre auch dem dritten. Letztlich erbotte sich einer aus den Befreundten des entleibten zu solchem Henckers-Handwerck, aus Begierd der Rach. Und als er Erlaubnuß erhalten, nahme er das Schwerdt in die Hand, des gäntzlichen Willens, dem unterdessen zwischen Forcht und Hoffnung zitterenden armen Sünder das Haupt auf einen Streich abzuschlagen. Aber auch solches Blut-begieriges Beginnen ware umsonst: dann nicht allein, wie denen drey vorigen, erschine ihm der Heil. Schutz-Engel mit zornigen Angesicht? sondern befahle ihm auch mit bedrohlichen Worten das Schwerd einzustecken, mit vermelden: es seye nicht billich, daß derjenige sterben soll, der ihm zu Ehren lieber das Leben verliehren, als mit einer Lug hätte erhalten wollen. Solches, als nun auch dieser offentlich erzählt, konte und wolte der Richter weiter nicht verfahren lassen; sondern sprach den Falco loß; und liesse ihn seines Gefallens gehen, wo er wolte: welcher dann nach gethaner so grosser Wohlthat auf ein neues in der Lieb und andächtiger Verehrung seines Heil. Schutz-Engels gestärckt worden; bald hernach die Welt verlassen, in einen geistlichen Ordens-Stand eingetretten, darinnen den NamenEngel bekommen; wie ein Engel gelebt, und seelig gestorben. [42] Hautinus in Angelo Custode pag. 471.


O wie verlaßt der Heil. Schutz-Engel seine Pfleg-Kinder so gar nicht, wann sie treu an ihm bleiben, und ihn beständig verehren! es heißt bey ihm: ein Dienst ist des anderen werth. Und laßt er ihm wohl nichts umsonst thun. Verehrt man ihn, so hat man es hundertfältig wiederum zu geniessen; absonderlich, wann es zum sterben kommt, und die Seel etwann in Gefahr stehet. O wie bemühet er sich alsdann, selbige aus den Klauen des bösen Feinds zu erretten! wie viel giengen zu Grund, ohne seinen Schutz und Beystand! O wie viel! das das (wann sonst nichts anders wär) soll uns ein Antrib seyn, ihn beständig zu verehren, und uns täglich in seinen Schutz zu befehlen.

25. Exempel
Fünf und zwantzigstes Exempel.
Ein Sohn laßt sich aus Liebe gegen seiner alten nothleydenden Mutter unschuldig, als ein Dieb, auf Leib und Leben gefangen setzen.

Zu Meaco, einer Statt in Japonien (so ein Kayserthum in der neuen Welt ist) waren 3. Brüder, welche mit saurem Schweiß und harter Hand-Arbet sich bemühet, eine lange Zeit ihre alte nothleydende Mutter zu ernähren. Da aber eine grausame Verfolgung wider die Christen im Königreich Arima entstanden, ward ihnen zugleich die Gelegenheit benommen, forthin mit ihrer Arbeit etwas zu gewinnen, und folgends der Mutter die nothwendige Nahrung zu verschaffen. Dieses dopplete Schwerdt der Armuth und Verfolgung durchdrange das Hertz der betrangten Brüderen über die massen empfindlich; weil sie nicht mehr im Stand waren, der Mutter hülfreiche Hand zu bieten. Was geschihet? es steht nicht lang an, da erschallet im gantzen Kayserthum eine allgemeine Erinnerung an alle Unterthanen: daß wofern einer einen Dieb ertappen, oder selbigen vor Gericht stellen, und des Diebsstahls wurde überweisen können, der solle eine reichliche Belohnung zu gewarten haben. O Liebe! was erdenckst du nicht? gedachte 3. Brüder kommen zusammen; werden eines Raths und Entschlusses, daß einer aus ihnen, wie wohl unschuldig, sich für einen solchen Dieb ausgeben; die andere zween aber denselben an Stricken gebunden, als einen schuldigen für Gericht stellen solten: um die versprochene Belohnung einzunehmen und damit der nothleydenden Mutter hülfflich beyzuspringen. Das Los fiele auf den jüngsten. Dieser laßt sich willig binden, von den anderen als ein Dieb für Gericht stellen, und des Diebsstahls beschuldigen. Als nun [43] der Richter die Anklag vernommen, lobte er die Treu der Ankläger; liesse ihnen das versprochene Geld erlegen: den Beschuldigten aber in die Gefängnuß werffen. Ehe und bevor aber jene davon zogen, wolten sie von ihrem Bruder, der das End-Urtheil erwarten mußte, den letzten Abschied nehmen. Das geschahe nun beyderseits mit so zarter Neigung, daß sie vor häuffigen Zäheren nicht ein Wort reden konten. Ja es fiele ihnen fast unmöglich von einander abgesöndert zu werden: also hatte sie die natürliche Lieb mit einander verbunden. Der Richter stunde nicht weit von dannen; sahe dieser hertzlichen Beurlaubung zu; gedachte aber bey sich selbst:ey! dieser Beschuldigte kan kein Ubelthäter seyn; sonst wurden ihne seine Ankläger nicht so liebreich umfangen, so hoch bedauren, und so freundlich anschauen. Befahle demnach einem seiner Bedienten, diesen zweyen auf dem Fuß nachzugehen, all ihr Thun fleißig zu beobachten, und ihm hernach unverzüglich von dem gantzen Verlauf Bericht zu ertheilen. Entzwischen ward mit dem Urtheil inngehalten. Als nun gedachte zwey Brüder bey der betrangten Mutter angelangt, gaben sie ihr das Geld: bekenneten mithin aufrichtig, mit was List sie es zu ihrer Hülf, dem jüngsten Bruder aber zu gröstem Nachtheil bekommen hätten. Die fromme Alte erschracke hierüber über die massen: weinte bitterlich, und schrye überlaut: hinweg mit disem ungerechten Gewinn! es seye weit von mir, daß ich dis Geld auch nur anrühren solte; werffet es in das Wasser; dann es ist ein Blut-Geld meines allerliebsten jüngsten Sohns. Tausendmahl will ich lieber vor Hunger sterben, als mich mit dem Blut meiner Kinder ernähren. Der Gerichts-Diener hatte alles vernommen: lieffe eilends nach Haus, und ertheilte seinem Herrn völligen Bericht. Alsobald wird der Gefangene aus dem Kercker herzu geruffen, und über diese Begebenheit examinirt: der dann alles aufrichtig bekennet, und sich allein mit der kindlichen Liebe gegen seiner Mutter entschuldiget hat. Als nun der Richter alles mit höchster Entsetzung angehört, verschobe er das Urtheil, gienge zu dem Kayser, und gabe ihm Bericht von dieser wundersamen Begebenheit. Der Kayser erstaunte darüber, lobte doch die Liebe in der Unthat, und wolte diese 3. Brüder sammentlich bey sich sehen. Als sie nun vor ihm erschinen, lobte er abermahl ihre wiewohl übermäßige, doch auch ungewöhnliche Zuneigung: bestimmte dem Jüngsten, der sein Leben für die Mutter aufgesetzt, 1500. den anderen zweyen en 500. fl. zum jährlichen Einkommen: davon sie sich, samt der Mutter forthin reichlich, und ohne Gefahr zu erhalten hatten. Hazart S. J. in den Japonischen Kirchen-Geschichten. p. 5. c. 17. fol. 156.


[44] O ihr Kinder in Europa! wie soll euch dises Exempel schamroth machen, wann ihr eure Elteren mit allerhand Undanckbarkeit betrübet, ja in höchster Bedürftigkeit verlasset! soll ein Volck, das in dem äussersten Welt-Winckel ligt, die Christen unterweisen, mit was Ehr und Lieb-Pflicht ein Kind seinen Elteren zugethan, und gewogen seyn solle? O Schand!

26. Exempel
Sechs und zwantzigstes Exempel.
Ein Knab stirbt seelig; weil er gegen seinem geistlichen Lehrmeister nicht allein ehrerbiethig gewesen, sondern auch seiner Lehr gefolget hat.

In dem Kayserthum China (so in dem Welt-Theil Asia ligt) ware ein Knab, von vornehmen, aber heydnischen Elteren gebohren. Im 6ten Jahr seines Alter überfiele ihn eine tödliche Kranckheit, von welcher man glaubte, daß sie ihn aufreiben wurde. Als nun sein Herr Vatter bemühet war, ihn durch allerhand kostbahre Mittel vom Tod zu erretten, und aber selbige nicht anschlagen wolten; erbote sich ein Pater aus der Gesellschaft JEsu, mit Namen Adam Schall (der sich dazumahl in Sina befande, die Heyden zum Christlichen Glauben zu bekehren) daß wann der Herr Vatter ihm den Knaben überlassen wolte, er ihm, mit GOttes Hülf getraue, von der tödlichen Kranckheit wiederum aufzuhelffen. Allein, da müsse man ihm nichts einreden. Nun der Herr Vatter, aus Liebe gegen dem Knaben, gibt seinen Willen drein. Wie der Pater solchen erhalten, sprache er dem Knaben zu, er solte sich tauffen lassen; so wurde ihm geholffen werden. Der Knab sagt zu, laßt sich vom Pater tauffen, und im Heil. Tauf Johannes nennen. Und sihe! es stunde kaum ein Viertel Stund an, da stunde der Knab frisch und gesund aus dem Beth auf, mit höchster Verwunderung aller anweesenden Heyden. Wie der Knab erkennt, daß ihm durch das Heil. Tauf-Wasser das Leben erhalten worden, bedanckte er sich höchstens gegen dem Pater für so grosse Gutthat, welche er durch sein Zuthun erhalten hätte: mit demüthigster Bitt, er wolte ins künftig nicht weniger für sein Seel Sorg tragen, als er dem Leib geholffen hätte. DerPater sagte: Mein Kind! du must diese Gutthat dem grossen GOtt zuschreiben. Diser hat dir durch das Heil. Tauf-Wasser geholffen. Saume dich also nicht, in unsere Christliche Kirch zu gehen, GOtt für diese grosse Gnad zu dancken, und die Bekanntnuß des wahren Glaubens abzuleg?. Der Knab folgt; geht zu seinem Herrn Vatter; fallt ihm zu Füssen, und bittet demüthigst, ihm zu erlauben, dem grossen GOtt [45] der Christen schuldigen Danck zu erstatten. Der Herr Vatter ein Heyd, und also dem Christenthum gar nicht günstig, kame ungern an die Einwilligung. Jedannoch, den Knaben nicht zu betrüben, liesse er es eben geschehen. Ja nicht alein das, sondern als der Knab ferners anhielte, daß er bey dem Pater auf eine Zeit lang möchte in die Kost gehen, und von ihm in dem Christenthum unterwisen werden, liesse der Herr Vatter auch dises zu. Dann anderst ware der Knab nicht zu trösten, und zu stillen. Da solte man gesehen haben, mit was Eyfer er den Pater anhörte, und ihm die gute Lehr liesse gesagt seyn. Alle Morgen und Abend fiele er vor einemMariä-Bild auf seine Knye nieder und befahle sich in den Schutz dieser Jungfräulichen Mutter. Er war der erste, so mit Anbrechen des Tags die Kirchen besuchte, und auch der Letzte, so zu Abends selbige verliesse. Dem Heil. Meß-Opfer wohnte er bey mit ungemeiner Andacht. Nach dessen Vollendung warffe er sich samt dem Priester zur Erden, und danckte GOtt um die empfangene Gutthat des eingesetzten Heil. Meß-Opfers. Nachgehends verehrte er abermahl die grosse Himmels-Königin; wie auch andere Heilige: Einen jeden vor seinem Altar. Sein Andacht war dem Alter nach nicht kindisch, sondern ernsthaft. Da sahe man nichts ausgelassenes, nichts freches, nichts leichtfertiges, und was dergleichen sonst der Jugend pflegt anzuhangen. Sein Fähigkeit, die Glaubens-Sachen zu verstehen, war so groß, daß er selbst viel ungewöhnliche Fragen aufgabe, welche zu beantworten auch denen Gelehrten konten schwer fallen. Die Ehrerbiethung, und das Aufsehen, so er gegen dem Pater als seinem Lehrmeister truge, war bey ihm auch sonderbahr. Täglich, wann er aus der Kirchen kame, warffe er sich zu den Füssen des Paters; neigte das Haupt, und begehrte von ihm den Heil. Seegen. Was ihm von köstlichen Früchten, oder Zucker-Werck ver ehrt wurde, dises alles liesse er seinem Lehrmeister, als ein Confect, auf den Tisch setzen. Nichts wolte er verkosten ohne seine Erlaubnuß. Die allerbitterste Artzneyen nahme er auf seinen Befehl, als wärens die schleckerhafteste Bißlein. Wann der Pater etwann dem studieren oblage, oder sonst beschäftiget war, setzte er sich vor sein Thür hin; damit der Pater von den jenigen, so ihn zur Unzeit wolten heimsuchen, nicht beunruhiget; und verhinderet wurde.

Andere Tugend-Werck waren auch nicht klein, in diesem wie wohl noch kleinem Alter. Er wußte seine 5. Sinn dergestalten im Zaum zu halten, als hätte er vil Jahr in einem Closter gelebt. Die Speisen, nach welchen ihn sonst am meisten gelustete, genosse er am wenigsten. Sein Leib wurde mit der Zeit so voller Geschwär und Eiter-Beulen, daß er weder gehen, noch stehen konte; und dannoch überwande er den Schmertzen, [46] und hielte sich jederzeit ausser dem Beth. Man hörte nicht die geringste Klag über seine so schmertzhafte Kranckheit; man spührte in seinem Angesicht kein eintziges Zeichen einer Ungedult; auch dazumahl nicht, wann man ihm die Beulen mit scharffen Eisen eröfnen mußte. So oft man ihn fragte, wie er sich befinde, antwortete er: gantz wohl. Und dannoch bewegte sein Peyn voller Leib einen jeden zum Mitleyden. Einer aus denen, so ihm abzuwarten bestellt waren, anstatt, daß er die Gemächlichkeit des Krancken in allen hätte beobachten sollen, thate vilmahl das Gegenspihl, und war ihm überlästig. Dannenhero, als sein Lehrmeister dises auf eine Zeit vermerckt, wolte er ihm einen anderen Diener zugeben, welcher ihm mehr behülflich, als überlästig seyn wurde. Allein der Knab bathe ihm solches aus, und sagte: Mein Pater ihr habt mich unterwisen, das Böse mit Gutem zu vergelten. Wie solte ich dann diese Gelegenheit, solche Lehr im Werck zu üben, aus den Händen lassen? Nein, nein: ich bin wohl zu friden. Nach wenig Tagen, als der grobe Diener dem Knaben abermahl überlästig fiele, sagte derPater: mein Kind! ich kan nicht länger gedulden, daß dir dieser ungeschlachte Diener so vil Verdruß anthun solle. Er muß mir weg, und ein anderer an seiner statt dich bedienen. Da antwortete der Knab: ich bite euch, ehrwürdiger Pater! lasset es uns nicht gereuen, daß wir ihm Gutes gethan haben. Wir haben nur einen grössern Verdienst davon.

Als die zunehmende Schwachheit seinen blöden Leib gäntzlich zu Beth gelegt, und der Tod allbereit den Bogen gespannt hatte, seinen Pfeil auf ihn abzuschiessen, liesse er den Pater nicht von seiner Seiten. Und da ihm die Sprach entfallen wolte, gabe er mit den Augen genugsam zu verstehen, daß er auch dazumahl in allem zu gehorsamen verlangte. Als er befragt wurde, ob er sich des Sterbens halber nicht entsetze? Antwortete er mit halb lautenden Worten: ich entsetze mich nicht ab dem Tod. Ich bin bereit von hinnen zu scheiden, so bald es meinem GOtt belieben wird. Endlich, als er ein gewisses Heiligthum, so ihm der Pater gegeben, jetzt auf die Brust, bald auf den Mund, und Augen gelegt; auch öfters die heylsame Namen JEsus, und Maria zum Beystand angeruffen, ward er als ein zarte Blühe von dem Baum des Lebens sänftiglich abgewähet, am Fest-Tag des Heil. Vorlauffers Christi Johannis, dessen Namen er in dem Heil. Tauf bekommen hatte. Wenig Tag hernach, als sich der Pater spat in der Nacht zur Ruhe begeben, vernahme er folgende Stimm: Pater! Pater! die sonst bekannte Wort, und Weis zu ruffen, führten dem Pater gleich seinen Johannes zu Gemüth. Deswegen fragte er ihn, wie es um ihn in der anderen[47] Welt stehe? Da antwortete der Knab (so mit einem hellen Glantz umgeben war, und die gantze Schlaf-Cammer des Paters erleuchtete) mit jenen Worten aus dem 26. Ps. Mein Vatter, und mein Mutter haben mich verlassen: aber der HErr hat mich aufgenommen. Woraus dann sein glückseeliger Stand in jener Welt unschwer abzunehmen war. Hezart im ersten Theil seiner Kirchen-Geschichten am 423. Blat.

Da siehet man, was grosse Gnab GOtt den Kindern gebe, wann sie gegen dem Geistlichen Lehrmeister ehrerbiethig seynd; seine Lehr aufmercksam anhören, und selbiger folgen. Das hat gethan ein Kind, so vor Heydnischen Eltern gebohren war. Was sollen dann der Christen Kinder thun? Wie schandlich wär es, wann sie sich von der Heyden Kindern überwinden liessen?

27. Exempel
Sieben und zwantzigstes Exempel.
Ein 9. jähriges Söhnlein erscheint nach dem Tod in grossem Glantz seiner Mutter, und versichert sie, daß es sich in dem Himmel unter dem Chor der Ertz-Englen befinde.

Johannes, ein Söhnlein der H. Franciscä, der Römerin, ward von seiner Kindheit an der Einsamkeit, und stetem Gebett dermassen ergeben, daß, wiewohl er noch nicht 7. Jahr alt, schon in die Schul gienge, Lesen und Schreiben lernte, dannoch daheim der Gottesforcht, und Heiligkeit so innbrünstig oblage, daß er weder in der Schul, noch zu Hauß das geringste nicht versaumte. So hatte auch GOtt seine Unschuld und Andacht schon dazumahl mit dem Geist der Weissagung geziert. Als er aber das 9te Jahr seines Alters angetretten, forderte ihn GOtt durch den Tod zur ewigen Seeligkeit ab. Welchen Johannes muß vorgesehen haben, indem er zu seinem Schwesterlein Agnes, welches jünger als er war, öfters sagte: nicht die Stadt Rom, sondern der Himmel seye sein Vatterland. Den Weeg zum Tod bahnte ihm ein innerliches Geschwär, von welchem er angegriffen worden. Wie er gemerckt, daß ihm dieses den Garaus machen wurde, verlangte er (wiewohl noch in der ersten Unschuld) einen Beicht-Vatter: welchen man ihm auch kommen lassen: der aber nichts, als eine lautere Unschuld an ihm fande. Doch gabe er ihm den Priesterlichen Seegen, und machte das Heil. Creutz-Zeichen über ihn. Nachgehends beurlaubte er seine Frau Mutter, und bathe, sie wollte ihm auch den mütterlichen Seegen ertheilen. Nachdem er diesen erhalten, sahe er zu ihm ins Krancken-Zimmer hinein kommen seine Heil. Patronen, welche er, da er noch gesund war, täglich zu verehren, und anzuruffen [48] pflegte: wie auch eine grosse Menge der Himmlischen Geistern, aus den Chören der Englen. In dero Gegenwart er seine unschuldige Seel in die Händ GOttes aufgabe; welche von einem auch krancken Jungfräulein in der Nachbarschaft gesehen worden, wie selbige mitten zweyer Englen in den Himmel hinauf fuhre. Sein Angesicht bliebe auch nach dem Tod (der sich Anno 1411. zugetragen) so schön und lieblich, als thäte er nur schlaffen.


Ein Jahr nach seinem seeligen Ableiben, als die Mutter eines Tags zu Morgens in aller Frühe in ihrem Bett-Cämmerlein, ihrem Brauch nach, der Andacht, und Himmlischer Betrachtung oblage, wurde sie gähling eines wunderlichen Liechts, und Himmlischen Glantzes gewahr; mitten in dem Glantz aber ihres vor einem Jahr verstorbenen Söhnleins, des Evangelists: eben in der Gestalt, die er bey Lebzeiten, und bey gesunden Kräften hatte; jedoch unvergleichlich schöner. Neben ihm aber stunde noch ein anderer, dem Ansehen nach ein Knab gleichfalls von 9. Jahren; aber weit glantzender. Die Mutter kame anfänglich ein Verwunderung und Schrecken an; bald aber erholete sie sich, und wurde mit Himmlischem Trost erfüllet: konte aber nicht errathen, wer derjenige Knab seyn müsse, welcher neben ihrem lieben Söhnlein stunde. Das Söhnlein nahete sich unterdessen zu ihr, grüste sie mit den annehmlichsten Gebärden aufs freundlichste; und erfüllte sie zugleich mit noch viel grösserer Fröhlichkeit des Geists. Sie faßte demnach ein Hertz, und langte aus natürlicher Liebe, als ein Mutter mit beyden Händen zu, umfienge und umhalsete ihn, und (wie sie vermeynte) druckte ihn an ihr Hertz, empfande aber aus dem drucken, daß sie nichts als lauter zusammen gezogenē Luft an sich gedruckt hätte: wie dann die Geister, wann sie den Menschen erscheinen wollen, insgemein einen Leib aus dem Luft pflegen zu gestalten, und an sich zu nehmen. Nichts destoweniger fienge Francisca an mit ihm zu reden, und sagte:was thust du da? Mein liebes Kind! wo ist dein Wohnung? Was für Freuden geniessest du? Bist du anjetzo als ein Seeliger der deinigen auf Erden, und absonderlich deiner Mutter auch ingedenck? Und was mehr dergleichen war. Das Söhnlein hebte anfänglich die Augen gen Himmel; sahe hernach die Mutter auf das holdseeligste an, als wollte es sagen: Ach mein Mutter! kein Aug hat es gesehen; ist auch in keines sterblichen Menschens Hertz und Sinn jemahl gestiegen, was für Freuden alldort seinen Liebhabern GOtt vorbereitet habe. Alsdann fienge es an, deutlich von der unaussprechlichen Klarheit des göttlichen Angesichts; von dem Amt der Auserwählten: welches besteht in dem unaufhörlichen Anschauen, und Liebe GOttes. Dieses und viel anders mehr redte das Söhnlein mit der Mutter; und sie hinwieder mit ihm: [49] und das beyläuffig eine Stund lang, bis nemlich die Sonn an dem Himmel aufzusteigen begunte. Ehe sich aber das Söhnlein von der Mutter beurlaubte, zeigte es ihr an, wie daß es sich in dem Himmel unter dem Chor der Ertz-Englen befinde: der Knab aber, so neben ihm stehe, seye ein Ertz-Engel; aber weit ober ihm. Darauf brachte er ihr 2. fröliche Zeitungen Erstlich, daß auch sein Schwesterlein Agnes in wenig Tägen hernach ihme durch den Tod nachfolgen, und zu ihm in Himmel kommen werde. Andertens, daß ihr (nemlich der Mutter) GOtt aus sonderbahrer Gnadneben ihrem gewöhnlichen Schutz-Engel, den Mit-Gefährten, das ist, gegenwärtigen Ertz-Engel zum Trost ihrer Pilgerfarth auf Erden hinterlassen. Nach welchen Worten das Söhnlein verschwunden, und die Mutter voll der überschwenglichen Freud gelassen. Ist auch nachgehends geschehen, was das Söhnlein der Mutter vorgesagt. Dann Agnes, das Schwesterlein, welches selbiger Zeit noch frisch und gesund war, in wenig Tägen darauf erkranckt, und in grosser Heiligkeit verschieden; der Ertz-Engel aber bey der H. Francisca bis in die 23. Jahr (O unerhörte Gnad!) verblieben: nach welchen selbiger mit einem andern, noch höheren Ertz-Engel ist abgewechselt worden. Julius Ursinus in dem Leben der H. Francisca der Römerin.


Mein GOtt! was für ein Unschuld! was für ein Heiligkeit muß in diesem 9. jährigen Söhnlein geweßt seyn, daß es verdient hat, in den Chor der Ertz-Englen, dieser so grossen Himmels-Fürsten, aufgenommen zu werden! O was Trost, was Freud wird seine heilige Mutter hieraus geschöpft haben; in Erwegung, daß sie dem Himmel einen solchen Engel auferzogen, von welchem GOtt in alle Ewigkeit wurde geliebt, und gelobt werden! Könnte auch den frommen Elteren eine grössere Freud widerfahren? Ein solche Freud machen ihren Elteren alle fromme Kinder: ihnen selbst aber in dem Himmel ein unaussprechlich grössere, wann sie in der Unschuld aus dieser Welt sollten verscheiden. Ey! das ist wohl zu bedencken.

28. Exempel
Acht und zwantzigstes Exempel.
Ein 7. jähriger Knab ist bereit, ehender lebendig verbrennt zu werden, als dem Christlichen Glauben abzusagen.

Im Jahr Christi 1624. erhebte sich in Japonien (einem Land, das im äussersten Welt Theil Asia liegt) wider den Christlichen Glauben eine so heftige Verfolgung, daß allenthalben fast nichts anders zu sehen war, als Creutz, Schwerdt, Feur und Flammen; durch welche Marter-Zeug [50] viel 100 Christen des zeitlichen Lebens beraubt, zu dem ewigen befördert wurden. Zu diesem End stärckten manche Eltern, und probierten ihre Kinder auf unterschiedliche Weiß; um selbige zur Marter bequem, und hertzhaft zu machen: unter welche forderist zu zählen ein gewisser Herr, aus dem vornehmsten Adel selbiges Lands; welcher sein 7. jähriges Söhnlein mit steten Ermahnungen, und nachfolgenden Proben also zur Marter aufmunterte: Gibe wohl acht (sprache er fast täglich zu ihm) daß du dich lieber durch den grausamen Tod hinrichten lassest, als dem wahren Christlichen Glauben abzusagen. Wenig Täg vorher, ehe man ihn ergriffen, und Handvest gemacht, sagte er zu dem Knaben: Mein Kind! gesetzt, du sehest die Gerichts-Diener wider dich ankommen, dich zur Marter abzuführen; wurdest du auch ehender dich lebendig verbrennen lassen, als Christum verlaugnen? Und was (antwortete der Knab) wurde der Herr Vatter thun? Ich wollte mich (sprach dieser) ehender 1000mahl verbrennen lassen, als Christum verlaugnen. Und ich auch, antwortete der Knab. So komme dann herbey (sagte der Herr Vatter) ich will dich probieren, ob du auch deinem Vorgeben nach, starckmüthig das Feur ertragen mögest. Nimm hin diese feurige Kohlen, und behalte sie so lang in der Hand, bis ich dir befehle solche fallen zu lassen. Der Knab reichte unverzüglich die Hand her, und hielte die brennende Kohlen unbeweglich (ob schon das Fleisch mercklich verletzt war) so lang, bis ihm der Herr Vatter gebotten, solche hinweg zu werffen, als man ihn fragte, ob er dann keinen Schmertzen empfunden habe? Gabe er zur Antwort: Einer, der bereit ist, lebendig verbrennt zu werden (wie dann ich bin) muß es wenig achten, eine glüende Kohlen so kurtze Zeit in die Hand zu nehmen, wie ich gethan hab. Hazart. S. J. in seinen Japonischen Kirchen-Geschichten 6. Theil, 10. Cap.


Wie groß muß die Liebe dieses Knabens gegen GOtt gewesen seyn; der sich nicht gescheuet ehender lebendig verbrennt zu werden, als von GOtt, und sei nem Glauben abzuweichen? Und wie müssen sich erwachsene Christen gegen diesem Knaben schämen, wann sie nur in Anhörung der Marter durch das Feur erschrecken! Allein da muß man die Güte GOttes anbetten, welche denen schwachen Kindern darum so viele Starckmüthigkeit verleyhet; damit diejenige zu schanden werden, welche sich mehr auf die natürliche Kräften, als GOttes Gnad verlassen. Ein Kind kan mit GOttes Gnad mehr, als alle Menschen mit ihren natürlichen Kräften.

Von ungerathenen Kindern

1. Exempel
Erstes Exempel.
Eines bösen Buben Seel nehmen die böse Geister mit sich in die Höll hinunter.

Der heilige Pabst Gregorius erzählet, wie daß zu seiner Zeit ein Bub gelebt, so nicht über 5. Jahr alt war, jedoch habe er zum Bösen so viel Verstand gehabt, als andere, die schon über 7. Jahr alt seynd. Weilen nun sein Vatter ihme alles übersehen, seye der Bub so böß und verderbt worden, daß wann man nicht gleich gethan, was er gewolt, er nicht allein vom Zorn sich einnehmen lassen, sondern auch Gottsläfterliche Wort ausgestossen. Was wurde endlich daraus? Höret! als dieser Bub einstens seinem Vatter auf der Schooß sasse, da sahe er etliche kohlschwartze Männer gegen ihm kommen, die ihm troheten, sie wollten ihn wegnehmen. Er schrye also überlaut: Vatter, Vatter! Hilf mir. Als ihn nun der Vatter gefragt, warum er also schrye, und wo ihm fehle? da sagte der Bub: sihest du nicht die kohlschwartze Männer? sie trohen mir, sie wollen mich wegnehmen. Wie ihm aber der Vatter sagte: er könne niemand sehen, es seye nur eine Einbildung; solle sich also nicht förchten: da wurd der Bub zornig, und stoßte nach Gewohnheit Gottslästerliche Wort aus; worunter er zugleich die Seel ausgeschüttet: welche dann die kohlschwartze Männer, nemlich die böse Geister mit sich in die Höll hinunter geführt. S. Greg. l. 4. Dial.

O grosse Verantwortung dieses Vatters! dann hätte er seinem Buben nicht so viel übersehen, sondern bey Zeiten die Ruthen gebraucht, wurde er dessen Seel errettet haben; die anjetzo in der Höll den Vatter verflucht, und in Ewigkeit verfluchen wird. Allein das ist hinläßiger Vätteren verdienter Lohn.

2. Exempel
[52] Zweytes Exempel.
Eine der Uppigkeit in Kleydern gar zu ergebene adeliche Fräulein stirbt gantz verzweiffelt, und gottlos.

Zu Spoleto, einer Stadt in Welschland, war ein adeliche Fräulein, die sich der Uppigkeit in Kleydern gantz und gar ergeben. Wie sie nun auf eine Zeit gefährlich erkrancket, und die Artzten ihr das Leben abgesprochen, hat man sie ermahnet, auf ihre Seel zu gedencken und bey Zeiten einen Beicht-Vatter kommen zu lassen, als dessen sie wohl wurde vonnöthen haben. Allein sie wolte nichts davon hören; sondern wie sie gemercket, daß es müsse gestorben seyn, begehrte sie von ihrer Frau Mutter, sie möchte ihr doch die schönste Kleyder, so sie zu tragen gewohnt hatte, herbey bringen lassen: dann in diesen, und nicht anderst wolle sie sterben. Wie nun das ein närrisches Begehren von einer Sterbenden war (als welche besser gethan, wann sie ein Leilach begehrt hätte, in welches ihr todter Leib möchte eingenähet werden) so wollte anfänglich die Frau Mutter nicht daran. Wie aber die Todt-Krancke mit Bitten nicht aussetzte, so liesse es die Frau Mutter endlich zu, nur damit ihr liebes Töchterlein nicht betrübt wurde. Als nun dieses Welt-Kind auf das üppigste angekleidet war, da sahe sie sich wie ein Pfau, stoltz und hoffärtig um, und brache zuletzt in diese wehemüthige Wort herfür: Ach! so muß ich dann sterben? so muß ich dann in der Blühe meiner Jugend in das Grab? so muß ich dann diesen Geschmuck, und alle zeitliche Freuden verlassen? ist es nicht schad um meine schöne Gestalt? wem wird dieser Geschmuck so wohl anstehen, als er mir angestanden? O trauriges Hinscheiden! man er mahnte sie zwar: jetzt seye kein Zeit, von dem Kleyder-Pracht zu reden, und solches unnützes Klagen zu führen, vielmehr solle sie auf ihr Seel gedencken, für diese müsse sie besorgt seyn, damit sie nicht verlohren gehe: was es den Menschen nutzen würde, wann er schon die gantze Welt gewinnen sollte, wurde aber Schaden leyden an der Seel? wie Christus sagt Matth. 16. solle also über ihr bishero geführtes üppiges und freyes Leben ein hertzliche Reu und Leyd erwecken, ihre Sünden aufrichtig beichten, und sich auf solche Weiß mit GOtt versöhnen: damit sie dort an ihm einen gnädigen Richter finde. Allein alles Zusprechen war bey diesem Welt-Kind umsonst: vielmehr fienge sie an zu toben, gräßlich herum zu sehen, und endlich in diese verzweiffelte Wort auszubrechen: sie habe mit GOtt nichts zu thun: er habe an ihr nie keinen Theil gehabt; werde auch keinen an ihr haben: vielmehr sollen tausend Teuffel [53] kommen, und sie wegführen: dem Teuffel hab sie sich ergeben, und des Teuffels wolle sie auch seyn in alle Ewigkeit. Diese entsetzliche Wort geredt, fiele sie in eine Ohnmacht, griffe zugleich in die Züg, und speyte ihren verdammten Geist in den Rachen der Höllen aus. Robertus Delirio in Opere de Pœnit. Serm. 10. cap. 3.

O unerhörte Gottlosigkeit! O verzweiffelte Reden! O erschröckliches End! also nemlich geht es, wann man schon in der Jugend an nichts anders, als Uppigkeit, Hoffart, und Freyheit des Lebens gedenckt.

3. Exempel
Drittes Exempel.
Ein Jüngling wird wegen allzu vielem Spielen verdammt.

Der Heil. Bischof Cyrillus schreibt von einem Jüngling (den er wohl gekennt) wie daß selbiger dem Spielen über die massen ergeben geweßt seye. Man habe ihn zwar öfters davon abgemahnet; aber umsonst: bis endlich GOtt die Hand darein geschlagen, und den Jüngling durch eine tödtliche Kranckheit aus dieser Welt abgefordert. Wie nun dieser Tod dem heiligen Cyrillo zu Ohren kommen, da hat er GOtt inständig gebetten, er wolle ihm doch offenbahren, wie dem verstorbenen Jüngling in der andern Welt gehe? siehe Wunder! indem der heilige Mann in dem Gebett begriffen, da ist ihm der Jüngling erschienen, und aber in erschröcklicher Gestalt: dann er war gefesselt an feurige Ketten; und aus seinen Nas-Löchern schlugen Feur-Flammen aus. In dieser Gestalt nun redete er den heiligen Mann also an: wisset, heiliger Vatter daß ich derjenige Jüngling bin, den du vor diesem wohl gekennt hast: und aber, O daß ich nie wäre gebohren worden! dann weil ich dem Spielen gar zu sehr ergeben war, bin ich jetzt ewig verdammt. Dieses gesagt, ist er aus den Augen des heiligen Manns verschwunden: hinterliesse aber einen so unleidentlichen Gestanck, daß forthin kein Mensch mehr an selbigem Ort hat wohnen können. S. Cyrillus Episc. Hieros. in Epist. ad S. August.


Was Wunder, daß dieser Jüngling wegen allzu vielem Spielen ist verdammt worden? dann was lernet man anders darbey, als zancken, betrügen, fluchen, und schwören?

4. Exempel
[54] Viertes Exempel.
Einem der Unzucht ergebenen Studenten reibt der böse Feind den Hals um.

In Portugall war ein Student, welcher nicht allein dem Laster der Unzucht sehr ergeben: sondern auch einstens unter dem Spatzierengehen einen anderen unschuldigen Studenten damit angesteckt, und verführt hat. Den andern Tag darauf des Morgens, als es Zeit war, in die Schul zu gehen, da wollte sich kein Student sehen lassen. Der Vatter verwunderte sich demnach, warum der Sohn so lang im Beth liege, und faulentze? gienge also gantz erzörnet der Kammer zu, des Vorhabens, den Sohn mit scharffen Worten; oder da es vonnöthen, auch mit Streichen aus dem Beth zu treiben. Aber siehe! indem er die Kammer eröfnet, fande er die Läden darinn noch verschlossen; erblickte aber neben dem Beth ein erschröckliches Gespenst, welches auf ihn zugehen wollte. Er nahme also voller Schröcken den Weeg zuruck, und zeigte es seiner Hausfrauen an. Diese, weilen sie eines gottseeligen Wandels ware, faßte das Hertz; und nachdem sie sich in GOttes-Schutz befohlen, gienge sie der Kammer zu: sahe erstlich hinein; konte aber das Gespenst nicht sehen: dann es sich weg gemacht hatte. Sie gienge also in die Kammer hinein, und nachdem sie die Läden aufgemacht, trate sie zum Beth hin; fande aber nichts anders, als hin und wider entsetzliche Brandmahlen, gleich als hätte jemand eine feurige Hand in das Beth gedrucket. Wie sie aber weiter in der Kammer herum gangen, da fande sie den Sohn tod auf dem Boden liegen; aber in erschröcklicher Gestalt: dann er lage mit dem Angesicht in seinem eigenen Unrath, und sein Leib war hin und wider mit Brandmahlen gezeichnet: woraus sie nichts anders hat schliessen können, als daß ihne der böse Feind mit seinen feurigen Klauen beym Hals ergriffen, selbigen umgerieben, und den todten Leichnam müsse aus dem Beth auf den Boden heraus geworffen haben: welches ohne Zweiffel eben dazumahl geschehen, als der unglückseelige Student in der Nacht mit der abscheulichen Unzucht sich besudlet hat. Mit was Leydwesen nun die Mutter dieses traurige Spectacul angesehen habe, kan ihm ein jeder leicht einbilden. Dominicus Ottonellus S. J. in libro, cui titulus: Nonnulla Monita.


O wie solle durch dieses Exempel die Jugend von dem abscheulichen Laster der Unzucht abgeschröckt werden! indem daraus gnugsam erhellet, was der böse Feind über die Unzüchtige für einen Gewalt habe. Nicht weniger sollen dardurch geschreckt werden diejenige, [55] welche zu solchem abscheulichen Laster andere Unschuldige anreitzen, und verführen: dann solchen wäre es besser, man henckte ihnen einen Mühl-Stein an den Hals, und versenckte sie in das tieffe Meer, als daß sie eine unschuldige Seel ärgeren; wie Christus sagt. Matth. 18.

5. Exempel
Fünftes Exempel.
Ein Edel-Knab ergibt sich dem bösen Feind, und stirbt unbußfertig.

Um das Jahr Christi 1633. befande sich zu Würtzburg in Franckenland, an dem Hochfürstlichen Hof ein Edel-Knab, Ernestus mit Namen, der sich durch seine schöne Gestalt und annehmliche Sitten bey jedermann beliebt gemacht. Aber O des grossen Unglücks! dann weilen er in gedachter Stadt eine Bas hatte, die ihn als ihr Vetterlein öfters in ihr Hauß zu Gast geladen, ja bisweilen auch über Nacht bey sich behalten, ist er durch sie (als welche nichts besonders war) nach und nach also verführt worden, daß er nicht allein alle Zucht und Ehrbarkeit verlohren, sondern so weit kommen, daß er sich letztlich gar (O erschröckliche Sach!) dem bösen Feind unterschrieben, und bey nächtlicher Weil auf dem Hexen-Platz eingefunden. Wie nun seine Lasterthaten endlich an Tag kommen, hat man selbige dem Fürsten des Orts hinterbracht: welcher dann über diese unglückseelige Veränderung hertzlich geseuftzet, und sich des Weinens nicht enthalten können. Weil aber Ernestus noch jung, wollte der Fürst nicht der Schärffe nach mit ihm verfahren, sondern verlangte allein, Ernestus solle aufrichtig bekennen, von wem, und auf was Weis er so jämmerlich wäre verführt worden. Ernestus bekennte alles redlich, wie daß nemlich seine eigene Bas ihn zu so greulichen Lasterthaten angereitzet und verführt hätte. Allein es seye ihm hertzlich leyd darfür, wünsche auch nichts mehrers, als daß er von der Dienstbarkeit des bösen Feinds wiederum möchte los werden. Wie der Fürst das gehört, übergabe erihn gewissen Ordens-Geistlichen, mit Befehl, sie sollten alles anwenden, damit Ernestus wiederum auf den rechten Weeg gebracht wurde. Das liessen ihnen dann die Geistliche auf alle Weis angelegen seyn. Vor allem versahen sie ihn mit geweyhten Sachen, Heiligthümer: und damit der böse Feind ihm desto weniger möchte zukommen, und ihn bey nächtlicher Weil mit sich auf den Hexen-Platz führen, kamen sie niemahl von seiner Seiten. Sie betteten mit ihm, sie speißten mit ihm; sie führten ihm mit sich in und aus der Kirchen. Sie sagten ihm von den höllischen Peynen; von den himmlischen Freuden, von GOttes Barmhertzigkeit, von des [56] bösen Feinds Betrug, damit er sich vor dessen Nachstellungen zu hüten wußte: welches ihm Ernestus auch liesse gesagt seyn, und in allem zu folgen sich anerbotte. Aber wie hart machet sich von dem bösen Feind los derjenige, welcher sich ihm einmahl ergeben hat; dann sihe! bey nächtlicher Weil kame der böse Feind zu dem Ernesto in die Kammer, wo er ruhete; weckte ihn auf, und beredete ihn, die geweyhte Sachen von sich zu legen, welches da es Ernestus gethan, nahme ihn der böse Feind aus dem Beth, und führte ihn mit sich auf den Hexen-Platz: um 4. Uhr aber gegen Morgen, daß es die Geistliche, welche auf ihn genau acht hatten, nicht sollten gemerckt haben; indem sie oft ein Geräusch gehört, und das Beth Ernestileer gefunden. Wann nun die Geistliche Ernestum gefragt, wo er bey nächtlicher Weil hinkommen, pflegte er ihnen die Wahrheit mit weinenden Augen zu bekennen; versprache aber anbey, er wolle sich inskünftig bessern: welches er auch eine Zeitlang gehalten: aber ohne Bestand. Dann so bald der böse Feind wiederum zu ihm kommen, liesse sich Ernestus auf ein neues von ihm verführen; also daß die Geistliche nunmehr alle Hofnung, ihn wiederum auf den rechten Weeg zu bringen, verlohren gaben. Welches als es der Fürst vernommen, entsetzte er sich heftig darüber, und liesse Ernestum denen Blut-Richtern vorstellen, mit Befehl, nach denen Rechten mit ihme zu verfahren. Nun das geschahe, und war das Urthel gefällt, Ernestus sollte mit dem Schwerdt hingerichtet werden. Diesem nach wurde Ernestus aus Fürstlichem Befehl nach Hof geführt, und in einem Zimmer wohl verwahret. Bald darauf, an einem Morgen, mußten die Geistliche in aller Frühe zu dem Ernesto gehen, und ihm das Urthel des Tods ankünden. Ernestus lage eben dazumahl in dem Beth, ohne eintzige Sorg, und Gedancken an den bevorstehenden Tod. Wie nun die Geistliche in das Zimmer hinein getretten, wünschten sie Ernesto einen guten Morgen; und fragten ihn, wie er lebe? gantz wohl, antwortete Ernestus. Weil er sich aber schamte, in Gegenwart der Geistlichen länger im Beth zu liegen, so bate er, sie möchten einen kleinen Abtritt nehmen, bis er aufgestanden, und angekleydet wäre. Als dieses geschehen, kame er für die Geistliche, und nachdem er ihnen ein Reverentz gemacht, sagte er: Wohl-Ehrwürdige Herren! ich sage ihnen noch einmahl, daß ich mich wohl auf befinde: allein was verlangen sie? und was bedeutet es, daß sie sich hier so frühe einfinden? die Geistliche antworten mit traurigen Gebärden, wie daß sie nichts mehres wünschen, als daß Ernestus glückseliger, als bishero, leben möchte. Weilen nun das gegenwärtige Leben kurtz und zergänglich, so solle er sich zum künftigen und ewigen Leben bereiten; dann der Staab seye wircklich [57] über ihn gebrochen, und kein Hofnung übrig, Gnad zu erhalten. Ernestus über diese Ankündigung des Tods thate dergleichen, als förchtete er sich im geringsten nichts darfür; viel mehr lächelte er, und sagte: ey! wir haben einen gütigen GOtt: bekümmert euch nur nicht meinetwegen, ihr Herren! dieses gesagt, legte er seinen Mantel an, und gienge mit den Geistlichen in einen grossen Saal, allwo die Blut-Richter versammlet waren. Wie er nun hinein getretten, und die Blut-Richter an einem Tisch herum sitzend gesehen; anbey eine Traur-Bühne, mit schwartzen Tücheren überzogen, da entsetzte er sich heftig darüber, und das noch vielmehr, da er den Hencker mit entblößtem Schwerdt erblickt hatte. Da erbleichte er; da zitterte er; da lieffe ihm der kalte Schweis über den Rucken. Nachdem er sich aber in etwas wiederum erholet, lieffe er in dem Saal auf und ab; schrie erbärmlich, und brache in diese klägliche Wort aus: ach mich Unglückseligen! ist es dann an dem, daß ich sterben muß? und zwar durch des Henckers Hand? ich? dessen Herkommen von einem so adelichen Haus ist: dessen Jahr noch in der ersten Blühe seynd? Und auf den meine adeliche Eltern all ihr Hofnung gebauet haben? O Unglück! ist dann kein Gnad mehr zu hoffen? geht dann mein Elend niemand zu Hertzen? ach ihr Richter! lasset euch doch erweichen, und verschonet meiner blühenden Jugend! keiner war aus den Anwesenden, der sich des Weinens hätte enthalten können; ja die Richter selbst wurden zum Mitleiden bewegt: stunden also insgesamt auf, giengen zum Fürsten, und bathen ihn unterthänigst, er möchte doch Ernestum begnaden, und ihm das Leben schencken. Nun war der Fürst so mitleidig, daß er das Urtheil des Todes wiederrufte, der gäntzlichen Hofnung, jetzt werde Ernestus einmahl dem bösen Feind absagen, und sich von Hertzen zu GOtt bekehren; weswegen er dann den Geistlichen befohlen, ihm auf ein neues ernstlich zu zuprechen. Aber, O wie groß war der Gewalt, so der böse Geist über Ernestum hatte! dann siehe! es stunde nicht lang an, da liesse sich Ernestus auf ein neues von dem bösen Feind verführen. Wie nun der Fürst von dieser Unbeständigkeit berichtet worden, verkehrte sich sein Mitleiden in einen gerechten Zorn, mit dem Befehl, Ernestum ohne Verzug, und Barmhertzigkeit hinzurichten. Wird also Ernestus wiederum in den vorigen Saal geführt, allwo ihm die Geistliche abermahl ernstlich zugesprochen, er solle sich doch bekehren; dann jetzt seye es am letzten; nach wenig Augenblick werde er in der Ewigkeit seyn: solle also ein gute Anstalt darzu machen, damit selbige für ihn glückselig seye. Aber alles Zusprechen war umsonst; dann anstatt, daß Ernestus sich bekehrt hätte, fienge er wiederum an, in dem Saal auf und ab zu lauffen, erbärmlich zu schreyen, und zu lamentiren. Allein die Richter gaben dem Hencker Befehl, die Gelegenheit [58] in Acht zu nehmen, und diesem Traur-Spiel mit dem Schwerdt ein End zu machen; welches dieser auch gethan, und Ernesto, da er ihm unter den Streich lieffe, den Kopf abgeschlagen, die unbußfertige Seel aber in die unglückselige Ewigkeit geschickt hat.Stengelius Tom.4. Judic. Divin. c. 61. n. 2. & seqq.


O wie bald ist die Jugend verführt! Und wie solle ihm ein Jüngling lassen gesagt seyn die Warnung des weisen Salomons in seinen Sprüchen am 5. Cap. Daß man nemlich dem Liebkosen eines Weibs nicht trauen solle, wann einer nicht wolle betrogen werden! wie der arme Ernestus erfahren; welcher ja anfänglich ihm nicht eingebildet, daß es mit ihme so weit kommen solte: und dannoch hat ihne ein Weib erstlich zur abscheulichen Unzucht verführt; letztlich aber gar dahin gebracht, daß er (wem sollen da die Haar nicht gen Berg stehen?) GOtt verlaugnet, und sich dem bösen Feind mit Leib und Seel ergeben hat.

6. Exempel
Sechstes Exempel.
Ein adelicher Jüngling wird im Ehebruch erdappet, und jämmerlich erstochen.

Es war ein adelicher Jüngling, und eintziger Sohn, den seine Eltern auf eine hohe Schul geschickt, um allda dem Studiren obzuliegen; der sich aber mehr auf das Buhlen und liederliche Leben ergeben; und das mit solcher Aergernuß, daß jedermann mit Fingern auf ihne deutete, und genug von ihm zu reden hatte. Die Benachbarte murreten; die Lehrmeister mahneten; die Befreundte warneten; die Frau Mutter selbst bathe ihren Herrn, er wolte doch, Schand und Spott zu verhüten, dem Sohn ein Biß einlegen. Aber nichts. Letztlich, weil die Aergernuß von Tag zu Tag grösser wurde, kame auch der Prediger selbiges Orts, truge dem Herrn Vatter so glimpflich, als immer möglich, die Sach vor, und erzählte umständlich, was schon da und dort, der gemeinen Sag nach, fürbey gangen wäre; mit angehenckter Bitt, man wolte doch das Feur dämpfen, ehe es in völlige Flammen ausschlagen möchte. Bekame aber von dem Herrn Vatter keine andere Antwort, als diese: der Sohn seye noch jung, man müsse der Jugend etwas übersehen: wann mit der Zeit die Jahr sich vermehren, werde ihm alles für sich selbst vergehen; man solle unterdessen nur ohne Sorg seyn. Es versetzte aber der Prediger und sagte: ich bin zwar kein Prophet; aber ich sorge, GOtt werde mit nächstem den Vatter und den Sohn straffen. Und mit diesem nahme er von gedachtem Herrn Abschied. Es stunde nicht vier Wochen [59] an, da ward der liederliche Sohn von einem Zimmermann in dem Ehebruch erdappet, und samt der Ehebrecherin, des Zimmermanns Weib, jämmerlich erstochen, nach welcher That der Zimmermann sich aus dem Staub gemacht. Die Frau Mutter kame eben dazumahl aus der Kirchen daher. Als ihr nun unter Weegs die traurige Zeitung gebracht worden, fiele sie vor Schröcken in eine Ohnmacht, und mußte nach Haus getragen werden. Da sie aber wieder zu sich selbsten kommen, nahme sie diesen traurigen Fall dermassen zu Hertzen, daß sie nicht aufhörete zu weinen, bis sie ihr die Augen aus dem Kopf geweinet, und darüber blind worden. Was man ihr immer für ein Trost gabe, da halfe doch alles nichts. Sie wiederholete ohne Unterlaß diese Wort: ach! mein Sohn ist tod! Ach! mein Kind ist ewig verdammt. Der sträfliche Vatter aber, als die gröste Ursach des Verderbens seines Sohns, da ihm dieser traurige Fall zu Ohren kommen, wurde mit solchem Hertzenleid überfallen, daß er vor Schmertzen von Sinnen kommen, gantz verwirret hin und her geloffen, und mit Seufzen und Weinen so lang und viel sich selbsten angeklagt, bis er in dieser Unsinnigkeit gestorben, Alardus König S.I. libro, cui Titulus: Der Haus-Vatter c. 12.


O wie viel ist daran gelegen, daß man einem Ubel gleich im Anfang wehre, ehe es weiter einreisse! dieser unbesonnene Vatter hat dem Sohn zu lang zugesehen, und nicht zu Gemüth geführt jenes Sprichwort:gar zu gelind verderbt das Kind. Darum kan er jetzt mit einem seines gleichens klagen:


Hätt ichs zogen, hätt ichs bogen,
Weil das Bäumlein jung noch war!
Wär ohn Sorgen heut und morgen,
Hätt nicht so viel graue Haar.
Jetzt ists gschehen, übersehen,
Grob gefehlt, O treuer GOtt!
Hab zu gwarten aus meinem Garten
Nichts, als Unkraut, Schand und Spott.
7. Exempel
Siebendes Exempel.
Einem widerspenstigen, und auf den Tod kranck liegenden Sohn wird von dem verstorbenen Vatter die Stirn eingeschlagen.

In Franckreich war ein Jüngling, der sich gegen seinen Eltern so widerspenstig erzeigt, daß er sie bis in Tod betrübet, und also frühzeitig unter die Erden gebracht. Nach ihrem Tod schickte es GOtt, daß auch der Jüngling in ein tödtliche Kranckheit fiele, in welcher er einstens erschröcklich zu schreyen angefangen, aus dem Beth gesprungen, und diejenige, so um ihn waren, mit diesen Worten um Hilf angeruffen: auf auf ihr Freund! [60] ergreift das Gewehr: dann sehet! mein verstobener Vatter kommt wider mich angezogen mit einem gantzen Hauffen der Feinden, und will mich umbringen. Dieses geredt, lieffe er der Kammer-Thür zu, und bemühete sich dem Vatter den Eingang zu verwehren. Allein er fiele urplötzlich zu Boden, verkehrte die Augen im Kopf, und schrie mit erschröcklicher Stimm: O wehe! O wehe! mein Vatter hat mir mit einem harten Stein die Stirn eingeschlagen: nach welchen Worten er elendiglich den Geist aufgegeben. Die Umstehende konten zwar niemand sehen; jedoch hörten sie ein solches Getöß, als trunge ein gantzer Hauffen gewafneter Männer in die Kammer hinein. Spec. Exempl. Tit. Mors. Exemplo. 15.


Auf eine solche Wiederspenstigkeit gehörte ein solcher Tod. Die Härtigkeit dieses Jünglings gegen seinen Eltern hat mit einem harten Stein müssen gebrochen, und abgestraft werden. Dann, wie das Sprichwort lautet: auf einen harten Ast, gehört ein harter Keil.

8. Exempel
Achtes Exempel.
Der böse Feind will einen boßhaften Sohn im Schlaf erwürgen.

Man erzählet von einem Jüngling, dessen Boßheit so groß geweßt, daß er sich nicht gescheuet, seinen leiblichen Vatter zu schänden, und zu schmähen. Ja seine Boßheit habe ihn so weit getrieben, daß er so gar den bösen Feind (O verzweifelte Boßheit!) angeruffen, nur damit er die Wüthigkeit wider den Vatter recht auslassen könnte. Als er nun mit dieser Wüthigkeit eingenommen sich einstens über Feld begeben, da begegnete ihm der böse Feind, zwar in menschlicher, aber schröcklicher Gestalt: dann er hatte einen wilden Bart, verwirrete Haar, und truge ein schmutziges, zerfetztes Kleid am Leib. Dieser fragte nun den Jüngling, wo er hinaus wolle, und warum er so verwirrt drein sehe? der Jüngling antwortete, wie daß er allererst mit seinem Vatter eines gezancket, und anjetzo ein Mittel aussinne, sich an ihme zu rächen. Eben mit dergleichen Gedancken, sagte der verstelte böse Feind, gehe ich auch um, und suche mich an einem zu rächen, mit dem ich erst einen Zanck-Handel gehabt. Lasset uns dann mit einander gehen, und die Rach ausführen. Der Jüngling ware dessen gleich zu frieden: giengen also mit einander fort, bis sie gegen einbrechender Nacht ein Wirthshaus angetroffen, in welchem sie eingekehrt, und nach dem Nachtessen in einer Kammer die Ligerstatt genommen. Es hatte aber der Jüngling kaum eingeschlaffen, siehe! da stunde der böse Feind auf, schliche zu des Jünglings Beth hin, ergriffe ihn bey der Gurgel, und [61] war schon an dem, daß er ihn erdroßlen wolte. Der Jüngling, so darüber erwachet, nahme zu allem Glück seine Zuflucht zu GOtt, mit Anruffung des heilwerthesten Namens JEsu: Worüber der böse Feind zwar die Flucht genommen; aber mit solcher Ungestimmigkeit, daß die gantze Kammer davon gezittert, und der Jüngling in solchen Schröcken gerathen, daß er halb tod da gelegn: nachdem er aber wieder zu sich selbst kommen, hat er seine Boßheit bereuet, und forthin ein bessers Leben geführt.Alexander ab Alexandro l 2. Genial. Dierum c. 19.

Mein GOtt! wie kan doch ein Kind, so nächst GOtt das Leben von den Eltern hat, so gar aller kindlicher Liebe gegen ihnen vergessen, daß es selbige schänden und schmähen darf? kan wohl auch etwas gottlosers gedenckt werden? ein solches Kind verdiente, daß man es versteinigen solte; gemäß deme, was GOtt befohlen hat Exodi 21. mit diesen Worten: wer seinem Vatter, oder Mutter flucht, der soll des Tods sterben.

9. Exempel
Neuntes Exempel.
Ein vermessener Sohn streckt nach dem Tod den Armb aus dem Grab herfür.

Zu Rom war ein Jüngling, welcher sich einstens so weit vermessen, daß er seine leibliche Mutter mit Fäusten geschlagen. Es verzoge abe GOtt nicht lang mit der Straf; indem er disen Frevler mit tödtlicher Kranckheit heimgesucht. Wie nun der Krancke sahe, daß seines Aufkommens kein Hoffnung mehr übrig, begehrte er einen Beicht-Vatter, deme er unter anderm auch den begangenen Frevel mit grosser Reu gebeichtet: von welchem er zwar ledig gesprochen worden; jedoch mit dem Beding, daß er sein Mutter des begangenen Frevels halber demüthig um Verzeyhung bitten solle. Allein er starbe, ehe und bevor die Mutter könte herbey geruffen werden. Unterdessen war der Leichnam zur Erden bestattet. Aber was geschieht? des anderen Tags (O Wunder!) sahe man den Armb des verstorbenen Jünglings zum Grab ausgestrecket. Weilen man nun gemuthmasset, der Leichnam müsse etwann nicht tief genug in die Erden verscharret worden seyn, so ward denen Toden-Gräberen befohlen, ihne mit frischer Erden zu überschütten. Nun das ist geschehen. Allein weil man nichts destoweniger auch die fogende Täg den Armb zum Grab ausgestreckt sahe, und solches der Mutter des verstorbenen Jünglings zu Ohren kommen, da gedachte sie, dises Wunder geschehe villeicht darum, weil ihr der Sohn vor seinem Tod keine demüthige Abbitt gethan hätte. Deßwegen gienge sie zu dem Grab, allwo [62] sie den Sohn mit folgenden Worten angeredet: mein Sohn! es solle dir so wohl der Frevel, den du mit deinem Armb wider mich begangen, als auch was du sonsten durch deinen Ungehorsam mißhandlet verzyhen seyn: ruhe nur im Friden. Auf welche Wort der ausgestreckte Armb sich zuruck gezogen, und forthin nicht mehr ausser dem Grab gesehen worden. Erythræus in Exemplis Vitiorum.


O unerhörter Frevel! wie? ein Kind solle dörffen den Armb ausstrecken wider seine leibliche Mutter? die es mit ihren Brüsten gesogen? so oft hat heben und legen? aus- und einwinden? Wust und Gestanck müssen einnehmen? wo wird man Wort genug finden, dise Gottloßigkeit auszusprechen, den Armb solte man einem solchen Kind abhauen; das wäre der verdiente Lohn.

Es sollen auch die Kinder aus diesem Exempel lernen, wie daß GOtt haben wolle, daß wann sie sich vermessen haben, ihren Elteren eine Schmach anzuthun, sie selbige deswegen um Verzeyhung bitten sollen.

Ja es stunde allen Kindern an, daß, ehe und bevor sie zur Beicht und Communion gehen, sie ihren Elteren, die sie mit ihrem Ungehorsam so oft betrübet, eine demüthige Abbitt thäten, und Verzeyhung begehrten. Es solten auch die Eltern selbsten ihre Kinder darzu anhalten, und es ihnen nicht nachlassen. O wie vil gutes wurde daraus erfolgen?

10. Exempel
Zehendes Exempel.
Einem erhenckten ungehorsamen Sohn wachsen gähling graue Haar auf dem Kopf, und ein grauer Bart.

Nicht weit von Valentz, einer Stadt in Hispanien, war vor Zeiten ein Jüngling, den der Ungehorsam gegen seinen Elteren so weit gebracht, daß er sich auf das Rauben und Stehlen begeben; worüber er aber, nachdem er es ein Zeitlang getriben, ergriffen, und gefänglich eingebracht worden. Da hat dann die Obrigkeit das Urtheil über ihn gefället, daß er an Galgen solte aufgehenckt werden. Wie nun das Urtheil an ihm vollzogen worden, und er also am Strick dahienge, sihe, da wuchsen ihm urplölich graue Haar auf dem Kopf, und ein grauer Bart; also daß er einem Greisen gantz gleich sahe; das umstehende Volck über dieses erstaunet, liesse die Sach alsobald dem Bischof des Orts anzeigen: welcher sich dann nicht gesaumet; sondern mit der gantzen Geistlichkeit auf die Richtstatt hinaus kommen: allwo er dem Volck befohlen, mit ihme auf die Knye zu fallen, und GOtt anzuruffen, was er doch durch dieses Wunder anzeigen wolle. Da ist dann[63] unter währendem Gebett dem Bischof von GOtt geoffenbahret worden: wie dieses Wunder an dem erhenckten Jüngling darum geschehen, damit nemlich die Kinder daraus lernen sollen, was Gestalten ihnen GOtt die Jahr abkürtze, wann sie der gebührenden Ehr, und Gehorsam gegen ihren Elteren vergessen. Dann wofern diser Jüngling seine Elteren in Ehren gehalten, und ihnen wäre gehorsam geweßt, so wurde er zu so hohem Alter kommen seyn, als die graue Haar des Kopfs und Barts anzeigten: da er jetzt kaum 20. Jahr erreicht hatte. S. Bernardinus To. 2. Serm. 12.Conc. 1. Quadrages.


Ja fürwahr: nicht umsonst hat GOtt gesagt Exodi 20. Du solst deinen Vatter und Mutter ehren; damit du lang lebest.

Er wolte nemlich alle Kinder versicheren, daß, wann sie diesem Befehl wurden nachkommen, er ihnen langes Leben, Glück und Gesundheit geben wolte. O wie solte das den Kindern ein Antrib seyn, Vatter, und Mutter zu ehren!

11. Exempel
Eilftes Exempel.
Ein Krot springt einem undanckbaren Sohn an die Stirn, und kan nicht mehr davon gebracht werden.

In der Normandey, einer Landschaft in Franckreich, war ein Sohn, der sich an eine adeliche Fräulein verheyrathet hatte. Damit er sich nun standmäßig aufführen konte, hat er seine Elteren dahin beredet, daß sie ihm all ihr Vermögen überlassen; jedoch mit dem Beding, daß er ihnen lebenlänglich ehrliche Kost und Aufenthaltung geben solte: welches der Sohn auch heilig versprochen, und zugesagt. Nun das erste Jahr ist es fleißig gehalten worden, also, daß die Eltern froh waren, daß sie es so wohl getroffen hätten. Das andere Jahr aber gabe es schon schmale Schnittlein ab; weilen der Sohns-Frau daheim zu vil wolte darauf gehen. Damit nichts gemeldet werde von denen sauren Gesichtern, mit welchen sie diese ihre Kost-Gänger ansahe. Das dritte Jahr bauete man gar mit ihnen ab, und mußten die gute Eltern über Hals und Kopf aus dem Haus hinaus, und in ein armes baufälliges Häußlein, gleich gegen über ziehen: wo man ihnen dann auf einem Spänlein die tägliche Nahrung durch einen Diener geben liesse. Da hatten nun die verstossene Eltern Zeit genug, über ihre Unbesonnenheit zu klagen; daß sie nemlich all ihr Vermögen dem Sohn überlassen, und das Beste aus der Hand gegeben hätten. Unterdessen truge es sich zu, daß der Sohn ihme wohl seyn zu lassen, auf einen Mittag eine Ganß in der [64] Kuchel an Spieß stecken, und braten liesse. Wie das die alte Mutter erkundiget, erzählte sie es ihrem Mann, und sprache ihm zu, er solte sich dieser Gelegenheit bedienen, zum Sohn ins Haus gehen, und sich selbst zu Gast laden; damit er auch einmahl genug essen könte. Der hungerige Alte folget, und macht sich auf den Weeg. Wie ihn aber der Sohn von dem Fenster aus gesehen, liesse er geschwind die Ganß von dem Spieß, und auf die Seite thun: gienge alsdann dem Vatter entgegen, und fragte ihn gantz trutzig, was er jetzt zu so ungelegener Zeit für wichtige Geschäft anzubringen hätte? Der liebe Alte verstunde gleich, wie vil es geschlagen, und daß er kein angenehmer Gast wäre; nahme also seinen Weeg traurig zuruck: wordurch er freylich dem undanckbaren Sohn, und der geitzigen Sohns Frau keinen geringen Gefallen gethan; klagte aber unter Weegs diese Grobheit, und Undanck des Sohns dem gerechten GOtt, der zu seiner Zeit das Böse zu straffen weißt. Wie nun der Alte hinweg war, da befalle der Herr, man solte die Ganß wieder an Spieß stecken, und gar ausbraten. Die Köchin kame dem Befehl nach; gienge in das Speiß-Gewölb, und holete die Ganß. Wie sie aber die Schüssel, in welcher die Ganß war, abgedeckt, fande sie eine grosse abscheuliche Krot mitten auf der Ganß sitzen. Die Köchin voller Schröcken, liesse die Schüssel und Brat-Spieß fallen; eilte in die Stuben, und zeigte es dem Herrn, und der Frauen an. Er selbst der Herr, lauft herzu, und nimmt den Augenschein ein. Wie er aber mit einem Stecken die Krot wolte hinweg schlagen, da sprange ihme diese unversehens in das Gesicht, blibe auch an der Stirn so starck kleben, daß sie auf keine Weis mehr könnte davon gebracht werden. Ja (was wunderlich ist) so bald man diese Krot mit einem Stecken wolte wegschlagen, empfande der Sohn solches Hertzwehe, daß er eben gemeint, er müsse davon sterben. Der elende Mensch gantz ertattert, erkennete nunmehr, daß dieses ein augenscheinliche Straf GOttes seye: verfügte sich also zu dem Bischof des Orts, und beichtete mit grosser Reu den Undanck, und Grobheit, so er wider seinen Vatter begangen: deme dann zur Buß auferlegt worden, daß er durch die gantze Landschaft, in welcher sich diese Geschicht zugetragen, herum ziehen, und sein Lasterthat jedermänniglich erzählen solte; damit alle Kinder lerneten, hinfüran ihren Elteren grössere Lieb und Ehr zu erweisen: welche Buß er auch etliche Jahr nach einander verricht hat. Ob er aber endlich dieses Spottes, und der Marter abkommen, davon thut derjenige, so dise Geschicht geschriben, keine Meldung. Cantiprat. l. 2. Ap. c. 7


O wie recht hat GOtt den Undanck, und Grobheit dieses Sohns mit einer abscheulichen Kroten gestraft![65] anzuzeigen, daß nichts abscheulichers seye, als der Undanck der Kindern gegen denen Elteren. Um GOttes willen! was lassen sich die Elteren nicht kosten, ihren Kindern die nothwendige Nahrung und Kleider zu schaffen? wie vil Sinn und Sorgen haben sie nicht? wie manche Nacht bringen sie ohne Schlaf zu? Wann es hernach die Kinder doch nicht erkennen, O wie wehe thuts den Eltern! aber seyen solche undanckbare Kinder versichert, daß sie mit der Zeit von GOtt hart werden gestrafft werden. Er sihet ein Zeitlang zu; aber hernach kommt er nur desto schärffer.

12. Exempel
Zwölftes Exempel.
Der Geist eines verstorbenen Schul-Meisters trohet zweyen muthwilligen Schul-Knaben mit einer feurigen Ruthen.

Es waren zwey freche, und muthwillige Schul-Knaben, die nicht allein gegen ihrem Schul-Meister sich widerspenstig erzeigten, noch die wohlverdiente Straf annehmen wolten; sondern noch darzu durch ihr böses Exempel andere Schul-Kinder verführten, und zu allem Muthwillen anreitzten. Es ermahnte sie zwar der Schul-Meister; er trohete ihnen: aber alles umsonst. Nun was geschieht? Es stunde nicht lang an, da starbe der Schul-Meister. Wenig Tag nach dessen Tod kame sein Geist in die Schul, da die Schul-Kinder eben beysammen waren. Er erschine eben in der Gestalt, die er bey Leb-Zeiten gehabt: hielte aber in der Hand ein feurige Ruthen. Wie er sich nun mitten in die Schul gestellt, sahe er mit ernsthaften Gesicht bald auf die rechte, bald auf die lincke Seiten. Und nachdem er denen Schul-Kindern einen ungemeinen Schrecken eingejagt, wendete er sich endlich zu den gedachten zweyen muthwilligen Schul-Knaben; gienge mit der feurigen Ruthen auf sie zu, und thate dergleichen, als wolte er sie darmit hauen. Auf welches hin er zwar verschwunden, in denen zwey muthwilligen Schul-Knaben aber einen solchen Schrecken hinterlassen, daß sie von Sinnen kommen, gewütet und getobet, und in solchem Stand elendiglich dahin gestorben. Cantiparat. l. 2. Ap. c. 16.


Da sollen die Schul-Kinder aus diesem traurigen Exempel lernen, wie sie sich gegen ihrem Schul-Meister (der ihnen an statt der Eltern gesetzt ist) nicht widerspenstig erzeigen sollen, wann sie ihm wegen ihres üblens Verhaltens Ursach geben, sie darum mit der Ruthen zu züchtigen; damit GOtt nicht Ursach habe,[66] sie in der anderen Welt mit einer noch schärffern Ruthen zu straffen. Das Böse muß einmahl gestraft seyn; damit sich andere darvor hüten.

13. Exempel
Dreyzendes Exempel.
Ein Student stirbt unseelig: weil er die Vor-Bothen des Tods nicht in Acht genommen.

Es war ein Student von adelichen Eltern gebohren. Dieser lage nicht allein dem Studiren fleissig ob; sondern nahme auch in der Tugend, und guten Sitten also zu zu, daß ihm die zeitliche Ding verleydeten, und er allein dem Ewigen nachsinnete. Es kümmerte ihn nichts mehrers, als dieses: es möchte ihn villeicht der Tod einstens übereilen, ehe und bevor er sich zum Sterben recht bereitet hätte; wo er dann die ewige Seeligkeit verschertzen könte. Dessentwegen batte er GOtt Tag und Nacht, er wolte ihn doch nicht sterben lassen, er hätte ihm dann vorher die Stund des Tods zu wissen gethan. Was geschieht? Es erscheint ihm der Heil. Schutz-Engel, und sagt ihm: wie daß GOtt endlich sein Gebett erhört hätte; dann er werde nicht sterben, es hätten ihn dann vor seinem Tod drey unterschidliche Vorbothen gemahnet. Solle also nur zusehen, daß er diese nicht verachte. Dises geredt, verschwande der Engel aus seinen Augen. Wer ware fröher, als diser Student? dann er dachte bey sich selbst also: jetzt kan es mir nicht fehlen: der Tod kan mich nicht übereilen, wie andere: und also kan ich nicht unbereit sterben. Aber eben dieses diente zu seinem Untergang. Dann weilen er sich so sicher zu seyn glaubte, daß es ihm nicht fehlen könte, er möchte auch leben, wie er wolte, so geschahe es in kurtzer Zeit, daß er nicht allein in der Sorg für seine Seeligkeit schläfferig wurde; sondern allgemach mit liederlichen Studenten Gesellschaft machte, durch welche er also verführt worden, daß er alle Zucht und Scham verlohren, und von einem Laster in das andere gefallen. Es mahnten ihn zwar die Elteren; es sprachen ihm zu die Verwandte; es warneten ihn die Obere. Aber alles umsonst. Dann er fertigte sie jederzeit mit dieser Antwort ab: sie solten seinetwegen unbekümmert seyn; dann es seye noch Zeit genug, das Leben zu besseren. Er seye versichert, daß er nicht unbereit sterben wurde; dann GOtt werde ihm vor dem Tod drey Bothen schicken, die ihn mahnen werden, er solle sich zum Sterben bereiten. Also verschobe er die Buß und Besserung des Lebens von Tag zu Tag, und verliesse sich auf die Zusag des Schutz-Engels. Aber sehet, [67] wie wunderbarlich er zu unterschidlichen Zeiten von GOtt gemahnet worden. Dann als er einstens durch einen Wald ritte, da fiele er unter einen Hauffen der Mörder, die mit blossen Degen auf ihn zugiengen; hat auch wenig gefehlt, er wäre von ihnen erstochen worden, wann er sich nicht tapfer gewehrt, und mit Ansporrung des Pferds aus ihren Händen gerissen: wie wohl er nicht wenig Wunden davon getragen. Das ware nun der erste Both, den GOtt diesem Studenten geschickt, sich zum Sterben zu bereiten; nemlich die äusserste Gefahr von den Mördern umgebracht zu werden. Allein der Unglückseelige wolte es nicht erkennen. Darum fuhre er in seinem Luder-Leben fort, wie zuvor. So mahnte ihn dann GOtt das anderemahl auf eine andere Weis. Es begab sich nemlich der Student auf eine Zeit mit seinen Cammeraden zu Schiff auf das Meer. Als sie nun auf disem eine Zeitlang mit gutem Wind und Segel fortgefahren; sihe! da ward der Himmel gähling mit schwartzen Wolcken überzogen, aus welchen Blitz und Donner-Keil fuhren: worauf sich ein solcher Sturm und Ungewitter erhebt, daß alle, so sich im Schif befunden, nichts anders, als den augenscheinlichen Untergang erwartet, und dessentwegen den Himmel um Hülf und Gnad angeruffen. Es war ihnen aber der Himmel so günstig, daß das tobende Meer wiederum gestillet worden, und alle, so im Schif waren, glücklich an das Land kommen. Diese Gefahr nun auf dem Meer war der andere Vorboth, so den Studenten mahnte, er solte sich zum Tod bereiten. Allein auch diesem gabe er kein Gehör, und kehrte sich im geringsten nicht daran. Ware also nichts übrig, als daß ihm GOtt den dritten Vorbothen schickte; und das war ein schwere Krankheit, welche in kurtzem also zugenommen, daß die Artzten dem Kranken das Leben abgesprochen. Es ermahnten ihn derohalben theils seine Eltern; theils der Pfarrer des Orts sagend: jetzt seye es einmahl Zeit, auf das Heyl der Seelen zu gedencken; dann es werde nicht mehr lang anstehen, so werde er sich in der Ewigkeit befinden: solle also bey Zeiten ein reumüthige Beicht ablegen, und durch Empfahung der letzten Weegzebrung sich zu einem guten Tod bereiten. Es gabe aber der Krancke zur Antwort: es seye nicht an dem, daß er sterben werde; dann der Heil. Schutz-Engel werde ihn schon mahnen, wann es Zeit seye: man solle also ohne Sorg seyn. Unterdessen da der Tod immerdar näher herbey ruckte, erschine dem Kranken der Heil. Schutz-Engel; sagte aber zu ihm nichts anders, als dieses: Krancker! es wird bald mit dir aus seyn. Wie der Kranke das gehört, beklagte er sich wider den Heil. Schutz-Engel mit disen Worten: was ist das mein Schutz-Engel? hast du mir nicht versprochen, es werden mich drey unterschidliche Vorbothē mahnen, [68] ehe ich sterben werde, wo ist dein Treu? wo seynd die Vorbothen, auf welche ich gewartet? O wie bin ich von dir hinter das Liecht geführt worden! dann ich spühre wohl, daß es bald mit mir werde aus seyn. Auf diese Klag thate sich der Heil. Schutz-Engel mit dieser Antwort rechtfertigen: wie kanst du dich wider mich beklagen, als hätte ich mein Versprechen nicht gehalten? hast du dich nicht zum Tod bereiten sollen, erstlich? da du unter die Mörder gefallen? andertens: da du auf dem Meer die augenscheinliche Gefahr zu ertrincken vor dir gesehen; und jetzt das dritte mahl, da du mit einer schweren Kranckheit überfallen worden, und zwar also, daß dir die Artzten das Leben abgesprochen; waren das nicht solche Vorbothen, welche dich genug ermahnet haben, du sollest dich zum Tod breiten! ist also nicht mein, sondern deine Schuld, daß du die Buß und Besserung des Lebens bis daher verschoben, da dir die Seel schon auf der Zungen ligt. Solches geredt, verschwande der Heil. Schutz-Engel; der Krancke aber, nachdem er solche Erscheinung und Antwort des Heil. Schutz-Engels denen Umstehenden halb tod, und mit gebrochenen Worten erzählet, gabe er ohne Beicht und Buß seinen unseeligen Geist auf. Bidermann S.J. Acroamatum l. 3. Acroam. 2.


O wie vilmahl schickt uns GOtt gleichsam einen Vorbothen des Tods! so oft wir nemlich sehen eine Leich zum Grab tragen, seyen es hernach Junge, oder alte Leut. Dann gleichwie ein Alter nicht lang leben kan; also kan ein Junger bald sterben. Und dannoch, wie wenig kehren wir uns daran! solte uns nun der Tod in solcher Saumseeligkeit überfallen, und wir also unbereit dahin sterben, wem hätten wir die Schuld zu zumessen? Niemand andern, als uns selbsten. Darum wollen wir öfters an jenes Sprich-Wort gedencken: an jenes Sprich-Wort gedencken: Man solle also arbeiten, als wolt man ewig leben; und also leben, als wolte man alle Augenblick sterben.

14. Exempel
Vierzehentes Exempel.
Christus erscheint einem lasterhaften Jüngling im Schlaf.

Es war ein gewisser Jüngling, der sich der verbottenen Wohllüsten gäntzlich ergeben: ja er führete ein freyes, und liederliches Leben, als wann kein Höll zu förchten wäre. Es sprachen ihm zwar zu die Beicht-Vätter; es ermahnten ihn seine Befreundte; aber alles umsonst. So wußte dann niemand zu helffen, als GOtt allein; welcher sich auch des Jünglings endlich erbarmet, und ihn durch folgendes Gesicht wiederum [69] zu recht gebracht hat, Dann als der Jüngling einstens zu Nachts tief eingeschlaffen hatte, da erschine ihm Christus der HErr, mit vilen Englen umgeben. Er sasse auf einem herrlichen Thron, und sein Angesicht war voller Glantz und Majestät. Als er nun die Augen auf den schlaffenden Jüngling geworffen, wendete er sich zu den Englen, und sagte mit ernsthafter Stimm: was macht dieser freche und lasterhafte Mensch da: wie lang wird er mein Gedult mißbrauchen? also, bald bessere er sein Leben; oder führet mir ihn hieher für Gericht, damit er für seine Lasterthaten den verdienten Lohn empfange. Dises geredt, verschwande Christus samt den Englen; der Jüngling aber, wie er darüber aus dem Schlaf erwachet, war nicht allein voller Angst und Forcht, also daß ihm der kalte Schweiß über den Rucken lieffe; sondern wie er des Morgens in den Spiegel gesehen, hat er gefunden, daß sein Kopf vor Angst und Forcht Eysgrau worden. Woraus er dann handgreifflich abgenommen, daß es kein leerer Traum; sondern eine wahrhafte Erscheinung gewesen. Gieng also in sich selbsten; fiele auf seine Knye nider; batte GOtt um Verzeyhung, und danckte ihm, daß er ihn nicht mit dem gähen Tod (wie er verdient) gestraft; sondern noch Zeit zur Buß und Besserung verlihen hätte. Stellte darauf über sein bishero geführtes liederliches Leben eine genaue Erforschung an; beichtete seine Sünden mit grosser Reu, und lebte forthin gantz Christlich. S. Vincent. Ferrer. serm. in sexag.


O GOtt! wann mancher frecher Jüngling dein Gericht vor Augen hätte, wie bald wurde er sein Leben besseren! und doch wartet selbiges unfehlbar auf ihn. Und wer weißt, ob er nicht ehender darfürgestelt werde, als er ihm einbildet? wie kan dann ein solcher in seinem frechen Leben fortfahren? heißt das nicht, die Langmüthigkeit GOttes mißbrauchen, und ihn gleichsam zwingen, daß er unversehens drein schlage? O entsetzlicher Frevel!

15. Exempel
Fünfzehendes Exempel.
Ein Gespenst erschröckt bey nächtlicher Weil einen lasterhaften Jüngling.

Im Jahr Christi 1591. war in Oesterreich ein Jüngling, welcher sich der Buhlschaft, und unreiner Liebe gantz ergeben hatte. Wie ihn nun einstens ein Fieber überfallen, und er bey nächtlicher Weil wachete, da sahe er einen feurigen Wagen daher fahren, an welchem ein Pferd angespannt, aus dessen Nas-Löchern ein feuriger Dampf [70] gienge; auf dem Wagen aber sasse ein Fuhrmann, dessen Gestalt so erschröcklich, daß einer von dem eintzigen Anschauen hätte sterben sollen. Dieser Fuhrmann nun sagte zu dem krancken Jüngling mit ernsthafter Stimm: nur geschwind besteige disen Wagen, und fahre mit mir der Höllen zu; dann dein verbuhltes Leben hat es schon längsten verdient. Der elende Krancke erschracke anfänglich über die massen; wie er sich aber in etwas erholet, griffe er nach dem Degen, so an der Bethstatt hienge, und schwunge selbigen auf alle Seiten, in Hofnung das Gespenst damit abzutreiben. Wie er aber gesehen, daß nichts helffen wolte, schrye er überlaut, man solte ihm zu Hülf kommen. Die Hauß-Genossene, so über dieses Geschrey erwachet, stunden alsobald auf, und lieffen der Kammer zu, um zu sehen, wo es dem Krancken fehle. Da hat er ihnen dann angezeigt, wie daß ein Gespenst in der Kammer seye, und nicht weichen wolle. Weilen aber die Haus-Genossene nichts sehen konten, besprengten sie den Krancken mit Weyh-Wasser, und sprachen ihm zu, er solte sich mit dem Heil. Creutz bezeichnen: worauf das Gespenst zwar gewichen; aber mit der Betrohung, es wolle bald wiederum kommen, und den Krancken abholen. Wie der Krancke das gehört, gienge er in sich selbsten, und gedachte, einmahl sein bishero geführtes buhlerisches Leben müsse die Ursach seyn, warum GOtt dem Gespenst so viel Gewalt lasse: GOtt wolle ihne also vätterlich zur Buß und Besserung des Lebens ermahnen. Liesse also noch selbige Nacht aus einem nicht weit entlegenen Kloster einen Beicht-Vatter kommen, deme er mit grosser Reu seine Sünden gebeichtet, des ernstlichen Fürsatzes; inskünftig sein Leben zu besseren; worüber er dann die Heil. Absolution empfangen, und darauf von allem Schrecken erlediget worden; weilen sich das Gespenst forthin nich mehr hatte sehen lassen. Bencius in Annal. S.J.


O was hat die Beicht nicht für eine Kraft, den Menschen von den Nachstellungen des bösen Feinds zu befreyen! es ist nicht ohne, daß auch die äusserliche Mittel (als da seynd das Heil. Creutz Zeichen; das Weyh-Wasser, und dergleichen) vil vermögen; aber die innerliche (unter welchen das vornehmste ist, ein durch die Beicht von schweren Sünden gereinigtes Gewissen) thun das meiste.

16. Exempel
Sechzehendes Exempel.
Ein junger Graf ladet eine Todten-Schedel zum Nacht-Essen ein.

Es war ein junger Graf: der hatte zu einem Hof-Meister einen verschmitzten Welt-Mann, von welchem er recht gottlose Grund-Sätze [71] erlernet. Dessentwegen er auch ein freyes Leben geführt, und seinen bösen Gelüsten den Zügel also schiessen lassen, als wann kein GOtt wär, den er zu förchten hätte. Aber wie lang thate es gut? wann eben die Maaß er Sünden voll ist, da straft GOtt; wie dann dieser junge Graf bald erfahren. Dazu gabe Gelegenheit eine Gasterey, so er auf eine Nacht angestellt, und etwelche gute Bekannte dazu eingeladen, damit sie sich fein recht lustig miteinander machten. Also dann einen guten Appetit zum Essen zu bekommen, gienge er mit seinem Hof-Meister gegen Abend spatzieren. Es truge sich aber zu, daß sie über einen Kirch-Hof gehen mußten. Weilen nun dem jungen Grafen eine Todten-Schedel in dem Weeg lage, faßte er einen Verdruß darüber, und stoßte selbige mit dem Fuß für sich hin. Bald aber kehrte er sie mit dem Meer-Rohr hin und her, und triebe das Gespöt damit. Ja er wurde endlich so frech, daß er selbige mit diesen Worten hat anreden dörffen: rest du, Todten-Schedel? ich muß dir ein und andere Frag aufgeben. Auf diese sollest du mir antworten. Erstlich, frag ich dich: ob es wahr, daß die menschliche Seel ein unsterblicher Geist seye? andertens, wann deme also: ob in der anderen Welt die Fromme belohnt; die Böse aber gestraft werden? Hast du Lust, heut auf die Nacht an meiner Tafel zu speisen, so sollest du hiemit darzu eingeladen seyn; da kanst du meine Fragen beantworten. Dieses mit unerhörter Frechheit, und Muthwillen geredt, nahme er samt feinem Hof-Meister den Weeg weiter fort, und gedachte, der Schertz hätte nunmehr ein End, und wäre die Todten-Schedel umsonst zum Nacht-Essen eingeladen worden. Dann was todt seye, das seye todt, und beisse nicht mehr. Nachdem er nun so lang spatzieren gangen, bis es allgemach Nacht zu werden begunte, kehrte er mit seinem Hof-Meister in das Gräfliche Schloß zuruck, allwo die eingeladene Gäst schon versammlet waren, und seiner mit grossem Verlangen erwarteten. Wie er dort ankommen, hiesse er die Gäst willkomm seyn; und weil es ihn hungerte, gab er Befehl, ohne Verzug in der Kuchel anzurichten, und die Speisen auf die Tafel zu tragen. Wie befohlen, also vollzogen. Der junge Graf setzte sich dann so fort mit den Gästen zur Tafel, und sprache ihnen zu, sie wollten ihnen das Essen und Trincken belieben lassen, und gutes Muths seyn; dann dieser Ursach halben wären sie zusammen kommen. Da gienge es dann wacker über Essen und Trincken; man munterte einander auf, man trancke mit grossen Gläsern auf des jungen Grafen Gesundheit, und fienge an allerhand lächerliche Possen zu erzählen. Indem nun alle im besten Muth waren, sihe! da kame der Thorwarth des Schlosses eylends in die Tafel-Stuben hinein geloffen; schnaufte, und ware so voller Forcht, daß er anfänglich nicht ein Wort reden konnte. Als er sich aber [72] ein wenig erhohlet, sagte er mit zitterender Stimm: und stammlender Zungen:Herr Graf! es ist drunten vor der Schloß-Porten, ich weiß nicht, was für ein Gespenst. Es ist nichts an ihm, als Rippen und Bein. Es sihet eben aus, wie man den Tod mahlet. Dieses verlangt nun mit Gewalt eingelassen zu werden. Ab dieser unverhoften Bottschaft erschracken alle, so an der Tafel waren, über die massen: dann es gienge ihnen ein grosses Unglück vor. Damit aber der junge Graf so wohl ihm selbsten (dann auch ihm nicht recht bey der Sach war) als den erschrockenen Gästen die Forcht benehmen möchte, befahle er seinen Dienern insgesamt, mit dem Thorwart zur Schloß-Porten hinunter zu gehen, und das Gespenst zu fragen: wo es herkomme? und was es zu so ungelegener Zeit wolle? Diesem Befehl getrauten anfänglich die Diener nicht nachzukommen; doch weil ihrer mehr waren, faßten sie endlich das Hertz; giengen mit dem Thorwart für die Schloß-Porten hinunter, und fragten das Gespenst, wie ihnen befohlen worden. Da gabe ihnen das Gespenst zur Antwort:saget nur eurem Herrn, dem jungen Grafen: ich seye derjenige, den er heut Abends auf dem Kirchhof zum Nacht-Essen eingeladen. Und wie wohl ich ihm auf seine Einladung nicht geantwortet, noch zugesagt; so seye ich doch jetzt da, und wolle ihm auf die Fragen, die er mir aufgeben, antworten. Wie nun die Diener ihrem Herrn, dem jungen Grafen, diese Antwort zuruck gebracht, da erbleichte er im Angesicht, und der kalte Schweiß lieffe ihm über den Rucken; weilen er für sein Person nichts anders, als ein grosses Unglück zu besorgen hatte. Gabe demnach denen Dienern neuen Befehl, mit gewehrter Hand zur Schloß-Porten hinunter zu gehen, und dem Gespenst den Eingang mit Gewalt zu verwehren, sagend es solle sich zu allen Teufeln fort trollen: es hätte hier nichts zu thun. Die Diener kamen zwar dem Befehl nach, aber aller Widerstand war umsonst: dann das Gespenst drange durch das versperrte Thor hinein, und gienge den graden Weeg der Tafel-Stuben zu; und da es vorher starck an der Thür angeklopft, niemand aber das gewöhnliche Herein sagen wollte, eröfnete es die Thür selbst: gienge mit langen Schritten in die Stuben hinein, und stellte sich hinter des jungen Grafen Sessel. Weil es aber sahe, daß alle voller Forcht und Schrecken waren, sprache es ihnen zu, sie sollten sich an ihrem angefangenen Muth nicht hindern lassen. Was seine Person betreffe, seye es schon lange Zeit, daß es weder gegessen, noch getruncken: wolle ihnen demnach eines zubringen; sie sollten ihm Bescheid thun. Dieses geredt, nahme es einen grossen silbernen Becher, so auf der Tafel stunde, und thate einen starcken Trunck daraus. Allein niemand hatte Lust, ihme Bescheyd zu thun; sondern ein jeder sahe sich um die Thür, wie er [73] möchte hinaus kommen, und aller Gefahr entgehen; wie dann einer nach dem andern, so gar auch der Hofmeister hinaus geschlichen, und also den armen Grafen allein bey dem Gespenst gelassen. Wie sich nun der Graf von allen verlassen gesehen, wolte er von dem Sessel aufstehen, und gleich wie die andere den Ausreiß nehmen. Allein das Gespenst kame ihm vor, und hielte ihn mit Gewalt zuruck: worauf es den jungen Grafen folgender Gestalten angeredt: wisse, daß ich derjenige bin, den du heut Abends auf dem Kirchhof mit unerhörter Frechheit und Muthwillen zum Nachtessen eingeladen. Nun bin ich kommen; und zwar aus GOttes Befehl, dir auf diejenige Fragen zu antworten, so du mir aufgeben. So seye dann vergewißt, erstlich: daß die menschliche Seel ein unsterblicher Geist seye, und so lang leben werde, als GOtt wird GOtt seyn. Andertens: daß GOtt in der andern Welt nichts unbelohnt, noch ungestraft lasse: die Fromme zwar belohnt er mit ewiger Freud; die Böse aber straft er mit ewiger Peyn. Und damit du an diesem allem nicht zweiflen könnest, so schwöre ich dir, daß ich dein Großvatter seye. Und aber, O wehe uns Beyden! was mich betrift ist es schon lang, daß ich in höllischen Flammen brinne: und, O daß ich zu Aschen könte verbrennt werden; damit auf solche Weis meinem Leyden ein End gemacht wurde! aber vergebens ist mein Wunsch: dann so lang GOtt wird GOtt seyn, so lang werd ich leyden müssen: das ist: immer und ewig; ohne End; in alle Ewigkeit! O Ewigkeit! diese allein macht uns Verdammte verzweiflend. Diese allein ist aus allen höllischen Peynen die gröste, und unerträglichste: das Unglück alles Unglücks. Eben dieses Unglück wird auch dich treffen, du Unglückseeliger! weilen du ohne Forcht GOttes gelebt, und gethan, was dich nur gelustet hat. Anjetzo wirst du in der Höll den verdienten Lohn darfür empfangen. Und damit du nicht gehen müssest, so will ich dich auf meinen Armben dahin tragen. Dieses geredt, ergriffe das Gespenst den vor Forcht und Angst zitterenden jungen Grafen bey der Mitte des Leibs, und schmetterte ihn mit solchem Gewalt an die Wand hin, daß das ausgespritzte Hirn an der Wand kleben bliebe; worauf es Leib und Seel zugleich mit sich in den Abgrund der Höllen hinunter geführt hat. Paulus Zehentner S.J. in Promont, malæ spei.


O wie soll die Jungend GOtt dancken, wann sie solchen Lehr- und Zucht-Meistern anvertraut wird, von welchen sie die Forcht GOttes, und gute Sitten erlernen kan! dann so unser junger Graf von solchen Lehr- und Zucht-Meistern einen gehabt hätte, wurde ihn niemahl solches Unglück, und ewiger Untergang getroffen haben.

[74] So ist auch aus diesem traurigen Exempel zu lernen, daß es sich mit den Todten nicht schertzen lasse. Seynd sie in GOtt verschieden, so bette man für sie, und wünsche ihnen die ewige Ruhe. Das ist Christlich, das andere aber gottlos.

17. Exempel
Siebenzehendes Exempel.
Ein Student williget im Todbeth in eine unreine Belustigung; stirbt darauf, und wird verdammt.

In einer gewissen Stadt war ein Student, so zwar dem Studieren nicht unfleißig obgelegen; mithin aber dem schandlichen Laster der Unreinigkeit so ergeben geweßt, daß er endlich eine Gewohnheit daraus gemacht. Er beichtete zwar öfters, allein (wie es eben mit diesem Laster insgemein zu gehen pflegt) es folgte darum keine Besserung darauf. Es sprachen ihm derowegen zu die Beichtvätter; sie schrieben ihm für allerhand dienliche Mittel; vornehmlich aber stelleten sie ihm für die grosse Gefahr, in den Sünden zu sterben, und mithin ewig zu verderben. Allein die böse Gewohnheit hatte schon so tief eingewurtzelt, daß dieses alles nichts verfangen wollte. So schluge dann endlich GOtt die Hand darein, indem er den Studenten mit schwehrer Kranckheit heimgesucht, und ins Beth geworffen. Es hatte auch die Kranckheit in kurtzem also zugenommen, daß die Aertzten an dem Aufkommen des Kranckens alle Hofnung verlohren. Wie nun der Krancke gesehen, daß es müsse gestorben seyn, hat er einen Beichtvatter begehrt, deme er seine Sünden mit grosser Reu gebeichtet, und darauf absolviert worden; also daß der Beichtvatter getröst Abschied von ihm genommen, nicht zweiflend, das Beicht-Kind werde in der nunmehro erlangten Gnad GOttes beständig verharren, und also eines seeligen Tods sterben. Aber wie gehts? die nächste Nacht darauf stirbt das Beicht-Kind. Wie nun den andern Tag dem Beichtvatter dieser Tod angezeigt worden, saumte er sich nicht, für das Beicht-Kind Meß zu lesen. Aber sihe! wie er allbereit über Altar gangen, und die Meß anfangen wollte, da rupfte ihn jemand. Er kehrte sich aber nichts daran; weil er glaubte, es wäre nur ein leere Einbildung; und fuhre also fort. Als er aber das anderemahl gerupft wurde, verwunderte er sich, und wußte nicht, was er gedencken sollte; doch fuhre er fort, in Hofnung, es werde etwann aufhören. Allein wie er auch das drittemahl gerupft worden, und zwar gantz ungestümm, da ward ihm angst, und er gedachte, was doch dieses Rupfen bedeuten müsse. Indem er nun in diesen ängstigen Gedancken steckt, sihe! da erblickt er auf der lincken Seiten des Altars in einem Winckel einen [75] schwartzen neblichten Dampf, aus welchem sich diese Stimm vernehmen liesse: höre auf, O Priester! höre auf mich Meß zu lesen, dann es hilft mir doch nichts. Der Priester erschrack über diese Wort; bezeichnete sich mit dem Heil. Creutz, und fragte: wer bist du dann? Da bekame er zur Antwort: ich bin der Geist des verstorbenen Stu denten, dessen letzte Beicht du gestern angehört. Behüt GOtt! sagte der Priester: so solle dann dir das Meß-Lesen nichts helffen? Nein, antwortete der Geist: dann ich bin ewig verdammt. Wie? fragte der Priester: ewig verdammt? hast du dann nicht redlich gebeichtet, oder hat es an einer wahren Reu und Vorsatz dich zu bessern gemanglet? An diesem allem, antwortete der Geist: hat es nicht gemangelt. Es waren mir in Ansehung des heiligen Sacraments der Beicht alle Sünden verziehen. Aber, O des Unglücks! dann, da ich in die letzte Zügen greiffen wollte, geschahe es aus gerechtem Urthel GOttes, dessen Langmüthigkeit ich so oft mißbraucht, daß mir in die Gedäcthnus kame ein unreiner Wollust des Fleisches, den ich vor diesem gehabt. Weil ich nun ein neues Gefallen darüber geschöpft und eingewilliget; gleich aber darauf abgedrucket, bin ich wegen dieser neuen Todsünd auf ewig verdammt worden. Dieses geredt, ist der schwartze Dampf verschwunden. Bidermann Acroamatum. lib. 2. Acroam. 4.


O wie gefährlich ist es, wann man in dem Laster der Unreinigkeit eine Gewohnheit gemacht, und so oft ein Wohlgefallen darinn gehabt! Dann sollte der böse Feind solches Wohlgefallen einem Tod-Krancken wiederum zu Gemüth führen, wie leicht könnte aus gerechtem Urthel GOttes (dessen Langmüthigkeit man so oft mißbrauchet, und seine Güte verachtet hat) geschehen, daß man sich mit Einwilligung auf ein neues versündigte! dann was einem so oft gefallen hat, das gefallt ihm leicht wiederum. Wenigst wird der böse Feind, wann es mit dem Menschen auf die letzte geht, nicht feyren. Er wird den List, der ihm so oft angangen,wiederum probieren. Sollte ihm nun solcher angehen (wie dann wegen eingewurtzelter Gewohnheit, die man mit Einwilligung in unreine Gedancken gemacht, billich zu besorgen) so wäre es ja mit einem solchen Tod Krancken auf ewig geschehen? wahrhaftig: wann nichts wäre, als diese Gefahr, so sollte sie einen jeden von dem Laster der Unreinigkeit abschröcken.

18. Exempel
[76] Achtzehendes Exempel.
Ein Sohn bekommt von seiner verstorbenen Mutter einen empfindlichen Verweis.

Es war ein Jüngling, der hatte sich entschlossen, GOtt dem HErrn in einem geistlichen Orden zu dienen, ohngeachtet seine Mutter, die frühzeitig in Wittib-Stand gesetzt worden, ihn zum öftern, und zwar mit weinenden Augen gebetten, er wolle sie doch nicht verlassen, indem er ihr eintziger Trost wäre. Allein der Sohn fertigte sie allzeit mit dieser Antwort ab:Mutter! ich hab nur ein eintzige Seel; solche nun muß ich versorgen, damit sie nach diesem Leben möge sicher stehen. Also verliesse er die Mutter, und tratte in einen geistlichen Orden, in welchem er zwar anfänglich GOtt dem HErrn grossem Eifer gedient; mit der Zeit aber so lau und träg worden, daß ihm seine Ordens-Brüder dessentwegen vielmahl zugesprochen, er solle ein bessers Exempel geben. Aber umsonst; dann er hatte schon eine Gewohnheit daraus gemacht. So wußte dann niemand besser, ihn wiederum auf den rechten Weeg zu bringen, als GOtt, indem er einer seits die Mutter aus der Welt abforderte; anderer seits aber dem Sohn eine Kranckheit zuschickte. In dieser nun als der Sohn einstens zu Gemüth führete, was Gestalt er seine verwittibte Mutter verlassen, und dessentwegen vielleicht ein Ursach geweßt, daß sie vor Betrübnußs frühzeitiger gestorben, da ward er verzuckt, und es kam ihm für, als befinde er sich an einem Ort, allwo eine grosse Menge der Menschen, so erst gestorben, versammlet ware; und unter diesen auch seine Mutter: welche alle mit Forcht und Zitteren des höchsten Richters erwarteten, den Sententz entweders der ewigen Seligkeit, oder der ewigen Verdammnuß anzuhören. Als nun die verstorbene Mutter ihren Sohn erblickte, seye sie zu ihm hingangen, und habe ihn mit diesen Worten angeredt; ey! mein Sohn! so bist du auch an diesem Ort, und erwatest mit Forcht und Zitteren, was der höchste Richter über dich für einen Sententz fällen werde? das hätte ich nicht erwartet. Dann wie oft hast du zu mir gesagt, du müssest dein Seel versorgen; damit sie nach dem Tod vor GOttes Gericht möge sicher stehen? was hast du im Closter gethan? wie hast du GOtt gedient? wo seynd die Tugenden, die du darinnen gesammlet hast? stehest du jetzt sicher? hast du ein gnädiges Urtheil zu gewarten? dieses geredt, habe die Verzuckung ein End gehabt, nach welcher er zwar wiederum zu sich selbsten kommen; aber voller Forcht und Schröcken, wegen dem Verweis, den er von seiner verstorbenen Mutter bekommen. Es war auch der Erfolg so gut, daß der Jüngling, nachdem [77] er wieder gesund worden, ein strenges Leben angefangen, und GOtt dem HErrn mit ungemeinem Eifer gedient hat. Es ermahnten ihn zwar seine Ordens-Brüder, er solle ihm selbsten nicht so streng seyn; sonst werde er ihm das Leben abkürtzen. Allein, nachdem er ihnen die gehabte Verzuckung erzählet, fertigte er sie allzeit mit dieser Antwort ab:meine Brüder! Wann ich den Verweis meiner verstorbenen Mutter nicht hab ertragen können; wie wurd ich ertragen können den Verweis, so ich von dem höchsten Richter zu gewarten hätte, falls ich ihm nicht in Strengheit des Lebens diente? wie wurd ich da stehen, wann er mir wurde vorwerfen meinen Undanck; daß ich nemlich die Gnad, mit welcher er mich in den geistlichen Orden beruffen, so schlechter erkennet hätte? nein! ich bin schon einmahl gewitziger worden. Dieses geantwortet, fuhre er in der einmahl angefangenen Strengheit, und heiligem Eifer fort, und triebe es also bis an das End seines Lebens. Dionysius Carthusianus de Quatuor Novissimis Art. 30.


O wie unerträglich wird es einem lauen Christen fallen, wann ihm der höchste Richter nach dem Tod folgenden Verweis wird geben! drey und dreyßig Jahr lang hab ich deinetwegen Hunger und Durst, Hitz und Kälte, Armuth und Verachtung, und letztlich den bittersten und schmählichsten Tod gelitten. Und was hast du wegen meiner gethan? ein liederliches Leben hast du geführt: gesündiget hast du eines sündigens; und meine Gutthaten nich erkennet. Mit einem Wort: du hast nicht gelebt, wie ein Christ leben soll. Ach GOtt! was für ein Donner-Klapf wird ein solcher Verweis in den Ohren eines lauen Christen seyn!

19. Exempel
Neunzehndes Exempel.
Verwunderlicher Ausgang liederlichen Lebens zweyer Studenten.

Am das Jahr nach Christi Geburt, als man zählete 1604. befanden sich zu Löven, einer Stadt in Niederland, zwey adeliche Jüngling; dero Namen wegen ihrem Geschlecht verschont wird. Wir wollen unterdessen den einen Castor; den andern aber Pollux heissen. Diese lagen auf der allda weit berühmten hohen Schul dem Studieren, und zwar der Rechts-Gelehrtheit ob. Da sie noch in den unteren Schulen waren, seynd sie zu aller Gotts-Forcht und Ehrbarkeit auferzogen worden; also, daß sie den anderen Studenten zu einem Exempel der Unschuld und Auferbäulichkeit dienten. Wie sie aber in die obere Schulen kommen, und der Ruthen entrunnen, mithin keine Aufseher mehr hatten, von denen sie inner den Schrancken der Zucht und Ehrbarkeit gehalten wurden, gewohnten sie nach und nach [78] des freyen Lebens dergestalten, daß sie in kurtzer Zeit allem Muthwillen liessen den freyen Zaum schiessen; ja in allerhand Schandthaten und Lastern sich herum wältzten, und mehr dem Luder-Leben, als Studiren oblagen. Eines Tags setzten sie sich zu einer nassen Bursch im Wirthshaus, um sich lustig zu machen, und die schwermüthige Gedancken in dem Wein zu erträncken. Man sitzet also zu Tisch; laßt nach der Schwere auftragen; wechselt die Gläser, und ist gutes Muths. Und damit nur an diesem Freuden-Tag nicht abgienge, berufte man auch Spielleut, die sich mit ihren Instrumenten tapfer hören liessen. Und weil man Täntzerinnen auch vonnöthen hatte, triebe einer unter ihnen bald etliche freche Mägdlein auf, denen nicht allein die Schuh zum Tantzen; sondern auch um ein schlechtes ihr Ehr feil ware. Weilen ihnen aber der Tag nicht klecken wollte, den Durst zu löschen, und ihre böse Gelüsten zu ersättigen, knüpften sie die Nacht auch daran; und brachten also mit Sauffen, Spielen, Tantzen, und anderm Muthwillen die edle Zeit zu. Nach und nach aber, da es nicht weit von Mitternacht mehr ware, wurden unsere saubere Gesellen allgemach müd; bevorab Castor, der in diesem Leben noch nicht sowohl, wie die andere geübt ware. Gienge derohalben zur Stuben hinaus, sich etwas zu erkühlen. Da setzte er sich nun in einem Gang auf einen Banck hin, und trücknete mit dem Fazinet den von dem Tantzen erweckten häufigen Schweiß ab. Er hatte sich aber kaum niedergesetzt, da überfiele ihn, weiß nicht was für ein Melancholey und Schwermuth: welche je mehr und mehr zunahme, je länger er allda verharrete. Und aber kein Wunder; dann sein Gewissen gabe ihm einen Rupf über den andern, und stellete ihm durch schwermüthige Gedancken die Abscheulichkeit der begangenen Sünden vor. Weilen nun Castor seinen Cammeraden zu lang ausbliebe, nahmen sie ein Liecht, suchten, und fanden ihn an gedachtem Ort, aber gantz verändert, langweilig, verdrossen, und voller schwermüthigen Gedancken. Sie wußten nicht, wie sie es verstehen solten; munterten ihn auf; und absonderlich Pollux, der ihm also zusprache: nun: was ist das, Castor? was bedeutet dieses Maulhencken? du wirst uns ja den guten Muth nicht erst auf die letzte verderben wollen? stehe auf; gehe wiederum in die Stuben hinein, und halte auch mit. Ey! Bruder: nur noch eins. Allein Castor wolte sich nicht mehr überreden lassen; sondern entschuldigte sich, wie daß ihm nicht wohl wäre. Nahme also gute Nacht, und gieng nach Haus. Wie er heim kommen, und sich allgemach zur Ruhe begeben wolte, fiele ihm ein, wie daß er sein täglich und gewöhnliches Gebett noch nich verrichtet hätte. Sehet, was die gute Gewohnheit thut. Castor hatte noch in den untern Schulen oftermals gehört, daß nicht leicht einer seye zu Grund gangen, und verlohren worden, welcher täglich beständig mit einer [79] gewissen Andacht unser liebe Frau, als eine Zuflucht der Sünder, verehrt habe. Von selbiger Zeit an nahme er ihm vor, diese Andacht zu verrichten, und alle Tag dieser Himmels- Konigin zu Ehren was gewisses zu betten. Es ware aber ein Rosenkrantz: welchen er bishero noch niemahls unterlassen, ob er schon etwann den Tag übel genug zugebracht hatte. Weilen er sich dann erinnerte, daß der heutige Rosenkrantz noch ausständig, beschlosse er, sich vor nicht schlaffen zu legen, er hätte dann seine Andacht gegen der seligsten Mutter GOttes abgelegt. Nahme derohalben den Rosenkrantz in die Hand, und machte dem Gebett den Anfang mit diesen Worten: heilige Jungfrau! würdige mich, daß ich dich lobe. Es ware aber wohl ein armseliges Betten; weilen er theils schläfrig; theils trümlich im Kopf, die Stuben auf und abgienge. Und dannoch (O verwunderliche Güte GOttes!) dannoch, sage ich, hat das schläfrige Gebett des Castors, die Wolcken durchdrungen, und durch die Fürbitt der seligsten Jungfrauen bey GOtt Gnad und Barmhertzigkeit erlangt. Er hatte aber das Gebett noch nicht zu End gebracht, da hörte er an der Stuben-Thür klopfen. Er fragte demnach, wie gewöhnlich: wer ist draussen? der, so geklopft hatte, gabe zur Antwort: ich bins. Allein Castor fuhre im Betten fort, und sagte: bist du draussen, so bin ich herinn; du kanst eine Weil warten, bis ich dir aufmache, jetzt ist es mir nicht gelegen. Der, so vor der Thür draussen war, sagte hinwiederum, wann du mir nicht aufmachest, so kan ich mir selbst aufmachen. Wie, sagte Castor? wilst du mich trutzen? hast du das Hertz, so komme herein; ich will dir gewiß mit meinem Degenden Weeg wieder hinaus weisen. Draufhin nahme er den blossen Degen, stellte sich mitten in die Stuben, und erwartete, wer dann derjenige seye, so mit Gewalt in die Stuben hinein wolle. Alsobald gienge die Thür für sich selbsten auf, und Pollux sein bester Cammerad, tratte hinein: worüber Castor seiner selbst lachte, den Degen wiederum einsteckte; beynebens aber fragte: hast du auch schon genug, Bruder? warum bist du nicht in dem Wirths-Haus geblieben? und wo seynd die andere hin? Pollux antwortete: ja freylich hab ich genug, mein Castor! dann bald nach deinem Abschied hat der gute Muth ein End gehabt, und hab ich auch wollen nach Haus gehen; bin aber unter Weegs in dem nächsten Gäßlein von zwey Teuflen, in Gestalt zweyer Risen, angegriffen, und erwürgt worden; und jetzt ewig verdammt. Castor nicht anderst, als von dem Donner getroffen, fiele vor Schröcken und Angst zuruck in einen Winckel des Zimmers, und wußte kein andere Hilf, als daß er sich mit dem H. Creutz bezeichnete, und die heilsame Namen JEsus und Maria um Beystand anrufte. Das Gespenst aber fuhre fort, und sagte: förchte dir [80] nicht: es wird dir für dieses mahl nichts geschehen: du sollst aber wissen, daß der andere Riß aus denen zweyen Teuflen auf dich gepaßt habe, und dir eben so wohl, als mir, den Hals wurde umgerieben haben, wann du dich nicht bey Zeiten davon gemacht, und dir durch das Gebett um eine so mächtige Vorsprecherin umgesehen hättest. Maria hast du zu dancken, daß du noch lebest. Damit du aber meiner Verdammnuß halber vergwißt seyest, so siehe mich an. Dieses geredt, verlohr er seine vorige Gestalt, und erzeigte sich gantz abscheulich und erschröcklich. Sein Haupt schiene allerdings feurig, wie eine glüende eisene Kugel, also daß die Flammen zu den Augen auf den Boden heraus spritzten. Er risse auch das Wammes von einander, und entblößte die Brust, so gleichfalls wie ein lauteres Feuer, und hin und her durchlöchert aussahe, wordurch man bis auf das Ingeweid hinein sehen konnte. Feurige Nattern und Schlangen krochen aus und ein, und versetzten mit ihren vergiften Zähnen dem Armseligen bald da bald dort einen Biß. Welches dann ein greuliches Spectacul, und erbärmlicher Anblick war. Nachdem nun Pollux solcher Gestalten auf Anordnung GOttes sich seinem vertrautesten Schul-Gesellen dem Castor dargestelt, thate er noch diese Ermahnung hinzu, mit folgenden Worten: so lerne dann aus fremden Schaden witzig werden, und dich bessern; damit du nicht einstens mir in der Pein zugeseller werdest: Und mit diesen Worten ist der verdammte Geist verschwunden. Wer ware fröher, als Castor, daß er dises leidigen Gasts ledig worden? doch därfte er sich vor Forcht und Schröcken noch nicht rühren; sondern verharrete gvntz mit Schweiß überrunnen, und zitterend auf Händ und Füssen an der alten Stell, bis es zwölf Uhr geschlagen, und er bey denen Vättern Capucinern hat hören in die Mette läuten. Da faßte er wiederum ein Hertz; machte sich herfür, nunmehr gantz nüchter, und einem Todten ähnlicher, als einem Lebendigen; nahme seinen Hut und Mantel, und eilte eines eilens dem Capuciner-Kloster zu: begehrte alsobald bey dem P. Guardian, wichtiger Sachen halber, die keinen Verzug litten, angemeldet zu werden. Er wird vorgelassen, und gefragt, was er verlange? Da erzählete er der Länge nach, was sich mit ihme, und seinem Schul-Gesellen, dem Pollux zugetragen. Der Pater Guardian erzeigte grosses Mitleyden, tröstete den Theils erschrockenen, Theils bekümmerten Castor, so gut er konnte, mit angehängter Ermahnung, der empfangenen Wohlthat von der seeligsten Mutter GOttes die Zeit seines Lebens nicht zu vergessen: verwilligte auch auf inständiges Anhalten des Castors, daß ihm zwey aus seinen Patres bey angezündeter Latern den entleibten Pollux möchten suchen helffen: welchen sie dann auch bald in einem Winckel gedachten Gäßleins gefunden, [81] übel zerkrätzt in dem Angesicht, und am gantzen Leib kohlschwartz; damit an nemlich nicht zweiflen könnte, wer den Pollux erwürgt hätte. Jedoch hebte man das Todten-Aaß in der Stille auf; welches auch hernach nicht weit von dem Capuciner Closter unter die Erden verscharret worden. Wie nun diese traurige Begebenheit fürüber, brauchte es bey dem Castor nicht viel Zusprechens, daß er hinfüro behutsamer mit den Freuden und Wollüsten dieser Welt sollte umgehen. Aller Muth verleidete ihm für sich selbsten. Machte bald den Schluß, der Welt den Rucken zu kehren, und in einen geistlichen Stand einzutretten; und zwar eben in den Capuciner-Orden; in welchen er auch nach inständigem Anhalten und Bitten ist aufgenommen worden; hat darinnen eine Zeitlang gottseelig gelebt, und ist endlich um des Christlichen Glaubens willen in der neuen Welt gemartert worden. Lyræus in Trisagio Alariano.

O wie soll ihm ein jeder die tägliche, und beständige Andacht gegen unser lieben Frauen lassen befohlen seyn! dann wer das thut, wird nicht leicht zu Grund gehen. Diese mächtige Frau wendet ab den göttlichen Zorn; sie lasset nicht nach, bis sie ihre Diener und Dienerinnen mit ihrem Sohn versöhnt hat; sie bringt ihnen zuwegen die Gnad, daß sie in sich selbsten gehen, wahre Reu und Leyd über ihre Sünden erwecken, und endlich die ewige Seeligkeit erlangen. O wie viel habens erfahren! Davon seynd voll alle Bücher. Endlich bekräftiget diese Wahrheit unser Castor, der sein Heyl zuschreiben muß der täglichen, und beständigen Andacht des H. Rosenkrantzes, mit welchem er unser liebe Frau verehrt hat. O daß ihm in dieser Andacht alle nachfolgten! das gebe GOtt.

20. Exempel
Zwantzigstes Exempel.
Ein ungerathener Sohn, so dem Fluchen und Gottslästern ergeben, wird von dem bösen Feind in Stucken zerhacket.

In Franckreich wohnte auf einem Schloß, als einem Wittib-Sitz, eine Hoch-Adeliche Frau, dero ihr verstorbene Herz Ehe-Gemahl neben vielen Gütern, und einer schönen Baarschaft an Gelt, zwey Söhn hinterlassen: beyde gleiches Geblütes und Adelicher Gestalt; aber von sehr ungleichen Sitten und Gebärden: solcher Ungleichheit halber wollen wir den einten Ursinus, den andern aber Placidus nennen. Placidus, ein höflicher Jüngling, war auf nichts mehrers bedacht, als wie er durch seinen unsträflichen Wandel, Erlernung freyer Künsten, und Ritterliche Thaten sein Hoch-Adeliches Geschlecht vermehren, und noch berühmter machen könnte. Die Ehrerbietung und Gehorsam, welchen wohl erzogene Kinder [82] ihren Eltern zu erweisen pflegen, liesse er ihm aufs höchst angelegen seyn. Ein Augenwinck seiner Frau Mutter ware ihm an statt des Befehls. Wo er nur von weitem merckte, daß ihr etwas angenehm wäre, ist er nicht gangen, sondern geloffen. Hingegen wo er immer wußte, daß ihr etwas möchte mißfallen, hat er solches auf alle Weis vermeidet. Ursinus im Gegentheil war gantz anderst geartet, als sein Bruder. Seine Gedancken stunden nur nach Freyheit des Lebens, lustige Gesellschaft, guten Muth, Sauffen, Spielen, Tantzen, und andere der Jugend gefährliche Kurtzweilen, wann man sich nicht inner denen Schrancken der Gebühr und Ehrbarkeit haltet. Um welcher Ursachen er der Frau Mutter ein Dorn im Hertzen war. Sie führte nemlich zu Gemüth die Beleydigung der göttlichen Majestät, und die Aergernuß der gantzen Nachbarschaft. Demnach konnte sie diesem Unwesen nicht länger mehr zusehen: bevorab wollte sie das bey nächtlicher Weil spate Heimkommen keinesweegs mehr gedulden. Sie redet ihm also auf eine Zeit mit ernsthaften Worten folgender Weis zu: Ursin! Ich hätte vermeint die Vernunft, und kindliche Obsicht, so du mir als einer Mutter schuldig bist, sollte dich gantz anderst regieren, als daß du mich immerdar mit neuen Schmertzen belegest. Es geht ja kein Tag vom Himmel, daß mir nicht etliche Klagen wider dich zu Ohren kommen. Und wiewol ich denen Verleumdungen abhold bin, so muß ich doch handgreiflich spühren, daß es nur gar zu wahr ist, was man über dich aussaget. Im Fall aber, daß ich auch zweiflen wolte, so muß ich doch stets dein übles Verhalten selbst mit Augen sehen, wann ich nicht blind bin. Du lebst nicht anderst, als wann du ein Heyd wärest: so gar gibst du kein Christliches Zeichen von dir: und muß ich stündlich in Sorgen stehen, daß nicht etwan der erzörnete GOtt wegen deinen greulichen Gottslästerungen mich, und das gantze Haus straffe. Hast du das von mir, oder von deinem Herrn Vatter seeliger gelernet? Hat er dir deßwegen eine so schöne Erbschaft hinterlassen, daß du selbige durch die Gurgel jagen, oder mit Faulentzen verthun sollest? seynd das Adeliche Thaten, daß du alle Winckel durchlauffest, und denen leichtfertigen Schleppsäcken nachjagest? Pfuy der Schand! ist das die Ehr, die du deinem Geschlecht anthust? ist das der Danck, den du deinem Herrn Vatter unter dem Boden gibest? ist das der Trost, den ich als deine Mutter Wittibstand von dir hab; indem du mir ein Creutz über das ander anthust, und nicht aufhörest, bis du meine graue Haar mit Kummer und Schmertzen wirst unter den Boden gebracht haben? Dieses geredt, vergosse sie einen Bach der Zäher; welche ja billich ein kindliches Hertz, und folgends auch des Ursini hätten [83] erweichen sollen, wann ihn nicht die Bosheit in einen harten Kieselstein verwandelt hätte. Es erholete sich aber die Frau Mutter bald wiederum, und beschlosse die gantze Red folgender Gestalt: Ich ermahne dich jetzt das letztemahl: lasse von dergleichen schlimmen Händlen ab, und nimme dich selbst besser in Acht; absonderlich aber komme mir zu Nachts bey rechter Zeit nach Haus: widrigen Falls sollest du etwas anders erfahren. Das ware nun eine scharffe, aber für den Ursinus recht gegossene Laug. Er liesse sich dieses Zusprechen der Frau Mutter über die massen verschmachen, und konnte sich kaum so lang innhalten, bis sie ihr Red zu End gebracht hatte. Er fuhr mit poltern heraus, und verantwortete sich kürtzlich folgender Weis: Man hätte dieses Ausfiltzen wohl können unterwegen lassen: er wisse schon, was er zu thun habe; und werde man mit Wahrheits-Grund wenig übels wider ihn darthun können: im übrigen wollte er die Frau Mutter gebetten haben, denen Ohren-Blasern nicht zu viel Gehör zu geben: man könne viel lügen, weil der Tag lang ist etc. daß er sich zu Zeiten mit seines gleichen lustig mache, und ihnen eins Bescheid thue, lasse er ihm nicht wehren: er könne nicht alleweil zu Hauß sitzen, und den Ofen hüten. So seyen auch seine übrige Verbrechen so wichtig nicht, daß man einen solchen Lermen daraus mache. Man solle ihn also mit so scharffen Worten inskünftig verschonen, wann man nicht wolle, daß er sich auf ein andere Weis verantwortete. Nachdem er dieses gantz trotzig geredt, und mit etlichen tausend Sacramenten heraus gefahren, wischte er voller Zorn mit Hut und Degen zur Stuben hinaus. Was geschicht? Ursinus, damit er der Alten (also pflegte dieses Unkraut seiner Frau Mutter den Namen zu geben, wann er höflich von ihr reden wollte) zeigte, daß er ihr Zörnen nichts achte, begab sich gleich den andern Tag hernach auf eine Jagd mit einem vertrauten Cammeraden, und seinem Bruder, dem Placido, welchen er, weiß nicht, unter was Vorwand dazu muß beredt haben. Wie sie nun zu bestimmter Zeit bey dem Nacht-Essen sich nicht einfanden, verdrosse es die Frau Mutter über die massen. Demnach gedachte sie, gleich heut den Ernst zu zeigen. Sasse also zu Tisch, und befahle der Köchin und andern Hausgenossenen unter höchster Ungnad, und Verlurst des Diensts denen Söhnen keinen Bissen aufzubehalten: und dafern sie nicht bey guter Zeit nach Haus kämen, alle Thüren zu verriglen, ausser der Haus-Thür, und einer Kammer, worinn ein eintzige Bethstatt und leerer Tisch stunde; alsdann schlaffen zu gehen, und keinem im geringsten Antwort zu geben. Dieser Befehl mußte (wie recht und billich) von denen Hausgenossenen vollzogen werden. Man geht zu Tisch, spület ab, schließt das Haus, geht schlaffen, [84] aber kein Ursinus laßt sich sehen: bis es endlich spath in die Nacht hinein worden; da er dann mit seinen zweyen Gesellen nach Haus gekehrt. Wie er aber gleich von weitem gesehen, daß die Fenster-Läden aufgezogen, gienge es ihm gleich vor, es müsse der Alten Ernst seyn, und werde es heut in ihrem Haus eine kalte Kuchel abgeben. Wie er aber nach angestecktem Haus-Schlüssel die Thür offen gefunden, getröstete er sich noch eines bessern, gienge samt seinen Gesellen die Stiegen hinauf; traffe aber alle Thüren, ausser oben bemeldter Kammer, auf das genaueste verschlossen an. Er klopfte an mit Ungestimme, und begehrte, man sollte aufmachen ins Teufels Namen; und dieses zum zweyten und drittenmahl; aber alles war Mäusel still. Er rufte der Köchin, er schrye der Magd; bekam aber keine Antwort. Er fienge an zu schelten; diesen faulen Häuten zu trohen, und tausend Teuffel auf den Hals zu wünschen, wann sie nicht also bald aufstehen, und ihn einlassen wurden. Wie er nun gesehen, daß alles Schreyen und Klopfen umsonst, und dieses halsstarrige Stillschweigen auf Befehl der Frau Mutter geschehe, und er also seinem Gast kein Ehr anthun konnte, und noch dazu ungegessen schlaffen gehen müßte: fienge er dermassen an zu fluchen, und GOtt zu lästern, daß seinen Gesellen selbst die Haar gen Berg stunden und einem beyde Ohren sausen wurden, wann nur der halbe Theil sollte erzählt werden. Endlich, weilen weder Bitten, noch Fluchen was verfangen wollte, verpfändete er sich mit Leib und Seel dem bösen Geist, wann er diese Schmach werde ungerochen lassen hingehen. Placidus, sein Bruder, wie auch sein anderer Cammerad, wehrten ihm ab, so gut sie konnten, und baten, er solte doch mit dergleichen Reden innhalten, und die mütterliche Straf, die ihn nicht allein treffe, geduldig annehmen; sie wollten darum nicht hunger sterben. Griffen darauf in den Beutel, schossen zusammen, und schickten den Diener, den sie bey sich hatten, in das nächst-gelegene Dorf, in der Eyl ein und andere Speiß bereiten zu lassen, und nicht lang auszubleiben; welches auch geschahe: dann der Diener bald zuruck gekehrt, und etliche gesottene Eyer, samt einem Trunck Wein mitgebracht: welches sie dann alles hurtig aufgezehrt, und sich darauf alle drey in ein Beth zusammen gelegt. Ursinus allein konnte diesen Brocken nicht verdäuen; lage in der Mitte, und bellete noch immerzu eines hinnach, wie ein böser Hund an einer Ketten, den man mit einem Stein getroffen hat. Sie hatten sich kaum nidergelegt, da sprange die Kammer-Thür mit grossem Krachen für sich selbst auf. Und siehe! der böse Geist in Gestalt eines Risen, und in Begleitung zweyer grossen schwartz zotteten Hunden tratte hinein, und forderte mit erschröcklicher Stimm den Ursinus heraus: wo ist derjenige, sagte er, der sich mit Leib und Seel mir verpfändet hat? wo ist er? aber Ursinus wollte [85] sich nicht blicken lassen; sondern versteckte sich unter die Beth-Decke, so gut er konnte, und hebte sich mit beyden Armen an seine Gesellen. Nachdem der böse Geist die Ursach seiner Ankunft, wie gesagt, zu verstehen gegeben, und ihm aber niemand antworten, vielweniger aus dem Beth herfür wollte, trate er zur Bethstatt hin; ergriffe den Ursinus bey dem Schopf, und risse ihn mit Gewalt aus dem Beth heraus: nahme ihn hernach bey der Mitte, und schmisse ihn auf den nächsten Tisch hin. Zoge alsdann ein grosses langes Weyd-Messer von der Seiten, und fienge an, ihme ein Glied nach dem andern herab zu hacken, bis er ihn gantz und gar zu Stucken zerhaut hatte. So oft er aber ihme ein Glied abgenommen, warffe er solches bald diesem, bald dem andern Hund vor; welche als nach einem gar fetten Brocken gantz begierig schnappten, das herab grieffende Blut aufschleckten, und also nach und nach den zerstümpleten Leib mit Fleisch und Bein, Haut und Haar verschluckten. O GOtt! was für ein erschröckliches Verfahren ist dieses? konte auch was grausamers erdacht werden? der verzweifelte Mensch hat zwar unter dieser unerhörten Marter erbärmlich geschryen, und um Hülf geruffen; aber alles umsonst und vergebens. Mußte also eine verfluchte Seel durch einen so greulichen Tod in die Hand des Teufels aufgeben; sein Leib aber ist an den Magen der höllischen Hunden begraben worden. Wie nun dieses blutige Metzgen fürbey, hebte der böse Geist das Weyd-Messer in die Höhe, gleichsam hätte er sein Amt wohl verrichtet, und wendete zugleich seine feurige Augen zu denen noch übrigen zweyen, die ihnen nichts anders einbildeten, als jetzt wurde es auch an ihnen seyn. Aber der böse Feind bekennte mit heller Stimm, daß er aus Verhängnuß GOttes, andern zu einem Exempel mit ihrem Gesellen also verfahren wäre; über sie aber keinen Gewalt hätte: nach welchen Worten er verschwunden. Wie es entzwischen dem Placidus, und dem andern Cammeraden werde um das Hertz gewesen seyn, ist leicht zu gedencken. Gewißlich lagen sie auf keinem Federbeth; wohl aber, wenigist ihrem Beduncken nach auf feurigen Kohlen. Sie zitterten am gantzen Leib mit Angst-Schweiß allenthalben überronnen, und getrauten ihnen eine geraume Zeit kein Wort mit einander zu reden. Wie sie sich aber wiederum in etwas erhohlet, und der Tag allgemach anbrache, sagten sie dem gerechten, und zugleich barmhertzigen GOtt möglichsten Danck: Erzählten alles der Frau des Schlosses, welche sich zwar jämmerlich darüber bekümmerte; doch aber so fast auch nicht verwunderte, als welche schon längst in Sorgen gestanden, es möchte das liederliche Leben ihres übel gerathenen Sohns Ursini noch mit der Zeit keinen guten Ausgang gewinnen. Placidus hat noch über das den erbärmlichen Fall seines Bruders dermassen tief zu Gemüth [86] geführt, daß er bald hernach in einen geistlichen Ordens-Stand getretten, und in selbigem ein gottseeliges Leben geführet hat. Theoph. Raynaudus in Prato Spirituali. Historia. 78.


O daß alle gottslästerliche Zungen, freche Sacramentirer und Flucher allzeit an den blutigen Tisch gedenckten, auf welchem Ursinus ist zerhacket worden! was für ein kräftiges Mittel wurde dises seyn, sie von der bösen Gewohnheit zu schelten, zu fluchen, und GOtt zu lästeren abzuziehen! lassen sie aber gedachten Tisch aus der Gedächtnuß, so sollen sie wissen, daß sie mit dem Ursinus in der Höll gleiche Peyn haben werden.

21. Exempel
Ein und zwantzigstes Exempel.
Ein verstockter Jüngling erweckt noch vor seinem End eine vollkommene Reu und Leyd über seine Sünden; und wird also seelig.

In Brabant (so eine Provintz in Niderland ist) war ein Jüngling, der sich gleich von Jugend auf dem liederlichen Leben ergeben: Ein Spiler, Saufer, und geiler Mensch gewesen. Mit diesem Luder-Leben ware er nicht vergnügt; sondern tribe noch das Diebs-Handwerck darzu: und was er auf der unabgekehrten Banck ertappen konte, das mußte in seinen diebischen Händen kleben bleiben. Weilen derohalben weder Zucht, noch Ermahnung bey ihm etwas verfangen wolte, und die höchst-betrübte Elteren, und Befreunde in Sorgen stunden, er möchte mit der Zeit dem Hencker unter die Händ kommen, und also ihrem gantzen Geschlecht eine unauslöschliche Schand zuwachsen, so überliferten sie ihn der Obrigkeit, mit Bitt ihn heimlich hinrichten zu lassen. Nachdem man den Jüngling scharf examiniret, und nur gar zu vil Ubelthaten an ihm erfunden worden, die den Tod verdienten, ergienge das Urtheil, daß er in einen ledernen Sack eingenähet, und heimlich in einen Fluß solte versenckt werden. Wie man nun dem armen Sünder solches angekündet, und ihn zur Buß ermahnt, da brache er erst in gantz verzweiflete Reden aus, und liesse sich verlauten: er wolte weder dem Richter, noch seinen Elteren verzeyhen, solte er noch einmahl in den ewigen Flammen brennen und braten müssen. Man fuhre aber dannoch mit Vollziehung des ergangenen Urtheils fort: der elende Mensch wurde in einen Sack gestossen, und in einen tieffen Fluß geworffen, also daß man anderst nicht meinte, als er wäre an Leib und Seel zu Grund gangen. Bald darauf in einer Nacht erschine er dem Richter, und stellte sich neben dem Beth. Und als er befragt wurde, wie es in jener Welt mit ihm stunde? Antwortete er: ich [87] leyde zwar überaus grosse Peyn; doch bin ich nicht auf ewig verworffen. Dann wie mir schon das Wasser in das Maul zu lauffen begunte, da hat mich GOtt als ein Vatter der Barmhertzigeit, mit einem seiner Gnaden-Strahlen so weit erleuchtet, daß ich meine Sünden erkennet, und bereuet hab. Es ware mir auch um keiner anderen Ursach leyd, als daß ich meinen GOtt dieses unendliche Gut, so oft und schwerlich beleydiget hätte: des gäntzlichen Fürsatzes, wann ich davon kommen, und mir das Leben solle verlängert werden, ich gewißlich mich ernstlich besseren wolte. Weil ich aber solches nicht mehr hoffen konte, batte ich aufs wenigst, GOtte wolte mir seinem Versprechen gemäß, meine Sünden verzey hen; gleichwie auch ich denen von Hertzen verzeyhe, über welche ich vorher erzörnet, und mit Rachgird angefüllet war. Indem ich nun mit so heylsamen Gedancken umgienge, da trange das Wasser durch den Sack, und versäufte mich. Das zeitliche Leben ist zwar hin: aber der Himmel (wofür ich dem grundgütigen GOtt unendlichen Danck sage) ist mir gewiß. Mit diesen Worten ist er verschwunden. Dieser Richter erstaunte ab denen wunderlichen Urtheilen GOttes; entschluge sich der weltlichen Händel, und tratte in den Carthäuser-Orden, in welchem er gottseelig gelebet, und gestorben. Spec. Exemp. Distinct. 10. Exemplo 15.


O unerhörte Barmhertzigkeit GOttes! O mehr als vätterliches Hertz! Nach so vilen Sünden und Missethaten; nach verschobener Bekehrung bis auf die letzte hinaus: sich dannoch zum Sünder wenden; den Verstand erleuchten; den Willen bewegen; Gnad und Verzeyhung anerbieten; und noch ein seeliges End verleyhen: was für ein Güte ist dieses! was für ein Milde! ist es möglich, daß einer dieses lese, daß ers betrachte; und ihm dannoch daruber das Wasser nicht in die Augen schiesse! O was für ein hartes Hertz müßte er haben? Wenigst wird man folgen der Einladung des königlichen Propheten Davids, welche er an alle Menschen ergehen laßt mit diesen Worten: lobet den HErrn, dann er ist gut: dann seine Barmhertzigkeit währet ewiglich. Psal. 117.

22. Exempel
Zwey und zwantzigstes Exempel.
Ein adelicher Jüngling, nachdem er sich so weit verlohren, daß er so gar Christum verlaugnet, erlangt doch durch Mariä Fürbitt wiederum Gnad und Verzeyhung.

Es war ein adelicher Jüngling: der hatte von seinen Elteren vil Geld und Gut ererbt: aber nach dem Tod seines Herrn Vatters begabe [88] er sich in den Krieg, allwo er in kurtzer Zeit in ein so liederliches Leben gerathen, daß er all sein Geld theils verspihlet, theils durch die Gurgel gejagt; also daß er auf die Letzte seine vätterliche Erb-Güter theils verkauffen, theils versetzen müssen. Wie er nun mit allen fertig war, geriethe er in grosse Melancholie, und Betrübnuß. Gedachte also, heimlich davon zu ziehen, und sich in fremde Länder zu begeben; weil er sich schämte in seiner Heimat Noth zu leyden, und von seiner Freunden und Bekannten Gnad zu leben. Er hatte aber einen Hofmeister, der mit dem bösen Geist einen Pact hatte. Wie nun dieser seinen jungen Herrn so melancholisch sahe, fragte er ihn um die Ursach so schneller Veränderung; als der vorhin allzeit eines so lustigen Humors geweßt wäre. Villeicht betrübe er sich also, weilen er alle sein Geld und Gut verthan habe? Als ihm der junge Herr geantwortet, daß eben dieses die Ursach seiner Betrübnuß wäre; sagte der Hofmeister:O! da ist noch wohl zu helffen, wann ihr mir nur folgen wollet. Und als ihm der junge Herr zu folgen versprochen, nahme ihn der Hofmeister einstens bey nächtlicher Weil mit sich, und führte ihn zu Pferd in einen dicken Wald, und an ein mosiges Ort. Allda machte er einen Creis, oder Ring, und beschwure den bösen Geist herzukommen, und seinem jungen Herrn mit Geld beyzuspringen. Der böse Geist ware gleich da, und sagte: ja ich will deinem jungen Herrn mit Geld beyspringen; aber er muß vorher Christum verlaugnen. Wie der Jüngling das gehört, erschracke er heftig darüber, und weigerte sich auf alle Weis, solche Gottlosigkeit zu begehen. Als ihm aber der Hofmeister zusprache, er solte nicht so zaghaft seyn; sondern gedencken, in was Noth er stecke: wer ihm sonsten daraus helffen werde? Liesse der unglückseelige Jüngling sich letztlich überreden, und (O Gottlosigkeit! wem sollen nicht die Haar gen Berg stehen) verlaugnete Christum seinen Erlöser: versprache hingegen, dem bösen Geist, diesem geschwornen Feind der Menschen, forthin zu dienen. Es war aber der böse Geist mit diesem noch nicht vergnüget; sondern verlangte, daß der Jüngling auch die Mutter GOttes verlaugnen solte: dann diese ist (sagte der böse Geist)die uns am meisten schadet indem sie uns schon öfters die Sünder, da sie schon in unseren Klauen waren, wiederum entrissen; so lang nemlich dise bey ihr Hülf gesucht, und sie um ihre Fürbitt angeruffen. Dann welche aus gerechtem Urtheil GOttes hätten sollen ewig verlohren gehen, solche hat Mariä Barmhetzigkeit wiederum zu Gnaden gebracht. Uber dise des bösen Geists eigene Bekanntnuß erschracke de Jüngling auf ein neues, nachdem er sich aber wiederum erholet, sagte er: ist deme also, wie du selbst bekennest, ey! so will ich eben [89] darum die Mutter GOttes nicht verlaugnen. Wie der böse Geist dieses gehört, nahme er die Flucht: und also mußte der Hofmeister unverrichter Sachen mit seinem jungen Herrn wiederum aus dem Wald zuruck kehren. Da sie aber gegen anbrechenden Tag bey einer Kirchen vorbey müßten, und die Kirchen-Thür halb offen fanden, stiege der Jüngling vom Pferd, und befahle dem Hofmeister selbiges eine Weil am Zaum zu halten; dann er in dieser Kirchen sein Gebett verrichten wolle. Wie nun der Jüngling in die Kirchen hinein kommen, und auf dem Altar ein geschnitzeltes Mariä-Bild mit dem JEsus-Kindlein in der Schooß ersehen, gienge er hin, fiele nieder auf die Knye, und rufte mit weinenden Augen, und aufgehebten Händen unser lieben Frau an, sie wolte doch Erbarmnuß mit ihm haben, und ihm wegen der Gottlosigkeit, mit welcher er ihren allerliebsten Sohn habe verlaugnen därffen, und Gnad, Barmhertzigkeit und Verzeyhung erlangen. Sihe Wunder! die Mutter der Barmhertzigkeit redete in der Bildnuß ihren Sohn mit folgenden Worten an: mein allerliebster Sohn! ich bitte, erbarme dich doch dieses Menschens. Allein (O unverhofte Sach!) das JEsus Kind wendete das Angesicht auf die Seiten, und wolte nichts auf diese Bitt antworten. Als aber die seeligste Mutter zu bitten nich aussetzte, sagte das JEsus Kind: wie? solt ich mich dessen erbarmen, der mich so treuloß hat verlaugnen därffen? er ist meiner Gnad nich werth. Mit was Schrecken der arme Sünder diese Wort werde angehört haben, ist leicht zu gedencken. Allein die seeligste Mutter wolte sich nicht abweisen lassen. Damit sie dann letztlich möchte erhört werden, so stunde (O niemahl erhörtes Wunder!) das sitzende Mariä-Bild von seinem Ort auf; stellte ihr liebes Kind auf den Altar hin; knyete darvor nieder, und sagte: allerliebster Sohn ich bitte, du wollest disem armen Sünder um meinetwegen verzeyhen. Was geschihet? das JEsus Kind hebt alsobald seine liebe Mutter auf, und sagt: liebe Mutter! ich hab dir noch niemahl etwas abgeschlagen. Seye es also, um deinetwegen verzeyhe ich diesem Sünder: Es hat sich aber aus sonderbarer Schickung GOttes zugetragen, daß in selbiger Stund ein Edelmann, so des Jünglings Güter meisten theils an sich erkauft, heimlich in einem Winckel der Kirchen bettete, und alles mit Augen gesehen und mit Ohren gehört, was sich mit dem Jüngling begeben hatte. Dessentwegen als der Jüngling aus der Kirchen hinaus gangen, folgte er ihm auf dem Fuß nach, wünschte ihm einen guten Tag, und stellte sich, als wußte er nichts von allem dem, was sich mit dem Jüngling in der Kirchen zugetragen. Letztlich fragte er den Jüngling mit diesen Worten: Herr! warum habt ihr so nasse und rothe Augen? Der [90] Jüngling gabe zur Antwort: es müsse von einem Fluß, der sich in die Augen gesetzt, herkommen. Ja freylich, sagte der Edelmann, kommt es von einem Fluß; oder besser zu sagen, von einem Bach der Zäher, den ihr in der Kirchen vor der Bildnuß der Mutter GOttes vergossen. Dann ich versichere euch, daß ich alles weiß, was sich mit euch zugetragen. Damit ihr nun sehet, was Mitleiden ich mit euch trage wegen der Noth, in welche ihr gerathen, so will ich euch zu einem Erben aller meiner Güter einsetzen, wann ihr meine Tochter heurathet. Der Jüngling willigte gleich ein, und bedankte sich gegen dem Edelmann, daß er ihm auf solche Weis aus der Noth helfe. Lebte auch hernach viel Jahr glücklich in der Ehe, und danckete unser lieben Frauen ohne Unterlaß, daß sie ihm auf eine so ausserordentliche Weis bey ihrem Sohn Gnad und Verzeihung erlangt hätte.Cæsar. l. 2. Mirac. c. 2.


O wie mächtig ist die Fürbitt der Mutter GOttes bey ihrem Sohn! und wie solte ihro der Sohn etwas können abschlagen, wann sie ihn erinnert, wie sie ihn gebohren; mit ihrer Jungfräulichen Milch getränckt; und so oft an ihr Hertz gedrucket habe? wann der König Salomon gegen seiner Mutter, der Betsabea so viel Ehrerbietung getragen, daß er einstens zu ihr gesagt: bitte, mein Mutter: dann es gebühret sich nicht, daß ich dein Angesicht abwenden solle. 3Reg. c. 2. Wie viel mehr wird es sagen der Sohn Gottes zu seiner Mutter? wie wird er können abschlagen die Bitt, die sie für die Sünder bey ihm einlegt? O grosser Trost für alle Sünder, als welche in Maria bey GOtt eine so mächtige Fürbitterin haben! mit was Zuversicht sollen wir ins künftig in ihrer Litaney sprechen: du Zuflucht der Sünder: bitte für uns!

23. Exempel
Drey und zwantzigstes Exempel.
Eine Jungfrau wird wegen ihrer gleißnerischen Andacht verdammt.

Es war eine Jungfrau: die führete dem äusserlichen Schein nach ein fast heiliges Leben. Sie bettete, und fastete viel: sie casteyete ihren Leib mit allerhand Buß-Werken: sie beichtete und communicirte zum öftern. In Summa: jedermänniglich erbauete sich ab ihrem frommen Wandel. Was geschieht? GOtt schickte ihr eine tödtliche Krankheit zu, in welcher sie sich zeitlich mit denen heiligen Sacramenten hat versehen lassen; worauf sie auch bald verschieden: daß also jedermänniglich darfür gehalten, ihre Seel wäre von Mund auf in Himmel geflogen. Aber wie [91] siehet man dem Menschen so gar nicht ins Hertz hinein! dann siehe! bald nach ihrem Tod erscheint sie ihrem Beicht-Vatter; aber Kohl-schwartz, und entsetzlich anzusehen, also daß der Beicht-Vatter Anfangs nicht wenig darüber erschrocken. Wie er sich aber wiederum erholet, fragte er den Geist, wer er seye? Und was er wolle? da sagte der Geist: ich bin die elende Seel derjenigen Jungfrauen, welche dir vor ihrem letzten End gebeichtet, und von jedermann für andächtig, ja fast heilig gehalten worden. Aber ich war nichts wenigers; sondern im Gegentheil stoltz und hoffärtig; also daß ich andere im Hertzen verachtet, und mir eingebildet, es wäre meines gleichen nicht zu finden. Meine Frommkeit ware eine lautere Gleißnerey, und Scheinheiligkeit. Die gute Werck thate ich zu keinem anderen Ziel und End, als damit die Leut viel von mir halten solten. Weil ich nun auch im Todtbeth diese Gleißnerey nicht abgelegt, und also nur dem Schein nach die heilige Sacramenten empfangen, und darauf gestorben; so muß ich elende Creatur mit dem hoffärtigen Lucifer auf ewig verdammt seyn; und gepeiniget werden. Dieses geredt, ist der Geist verschwunden. Jacobus de Paradiso.


Verfluchtes Laster um die Gleißnerey! was nutzt es, vor denen Augen der Menschen fromm, und fast heilig scheinen; vor denen Augen GOttes aber ein grosser Sünder seyn? darfür wollen angesehen werden, als gehe man zur Beicht und Communion mit behöriger Vorbereitung; mithin aber falsch beichten, unwürdig communiciren: und also zu seinem selbst eigenen, und zwar höchsten Schaden, diese heilige Sacramenten mißbrauchen? O wie werden sich solche Gleißner an jenem letzten Gerichts-Tag schämen, wann ihre Gleißnerey wird an Tag kommen, und der gantzen Welt entdecket werden: sie werden nemlich, zu denen Bergen sagen: fallet über uns: und zu denen Büchlen; bedecket uns. Luc. 23 Dann die Schand wird ihnen unerträglich seyn.

24. Exempel
Vier und zwantzigstes Exempel.
Eine treulose Braut wird an ihrem Hochzeit-Tag unter währendem Tantzen, von dem Teufel weggeführt.

In Sachsen war eine Jungfrau von grossem Vermögen: die hatte einem gewissen Jüngling die Ehe versprochen. Weil aber dieser nicht viel zum besten hatte, sagte er zu ihr: Jungfrau! ich bin ihr wegen der Ehr, die sie mir anthut, indem sie mich vor andern für ihren Bräutigam erwählet, sehr verbunden; allein, ich sage ihr vorhinein, daß [92] mein Vermögen dem ihrigen bey weitem nicht gleichet. Sorge also, sie därfte mit der Zeit eines anderen Sinnes werden, und um einen anderen Bräutigam sehen, der ein grösseres Vermögen hätte, als ich. Es sagte aber die Jungfrau entgegen: das macht nichts. Ich nimme ihn nicht um seines Vermogens willen: sondern, weil er mir vor anderen gefallt. Und damit er kein Mißtrauen in mich setze, als solte es mich der getroffenen Wahl einstens gereuen, so sag ich ihm, daß, wann ich einen anderen, als ihn, heurathen solte, so wünsche ich, daß mich der böse Geist an dem Hochzeit-Tag hinweg führte. Was will er mehr? könnte ich eine kräftigere Versicherung der Treue von mir geben? der Jüngling bedanckte sich, daß sie ihn ihrer Treue halber so theur versichert hätte: versprache im Gegentheil, daß er ehender sterben, als an ihr untreu werden wolte. Mein GOtt! wer solte glauben, daß die Jungfrau hätte können untreu werden? und doch (O Leichtsinnigkeit) ist es geschehen: dann es stunde nicht lang an, so verliebte sie sich in einen andern, und machte mit ihm, unwissend des erstern, Hochzeit. Was geschiehet? da jedermann an dem Hochzeit-Tag lustig war, sasse die Braut allein traurig da. Man munterte sie auf; man sprache ihr zu: aber alles umsonst: Dann ihr böses Gewissen, wegen begangener Untreu, gestattete ihr keine Freud; und noch viel weniger der gethane ensetzliche Wunsch. Man wußte also nicht, was man gedencken solte. Unterdessen da die Hochzeit-Gäst mitten in der Mahlzeit, und am besten auf waren, auch die Musicanten sich treflich hören liessen, kommt einer von denen Aufwartern daher geloffen, und zeigt der Braut an, wie daß zwey Cavalier vor der Stuben draussen wären, die sich der Braut befehlen lassen, und um Erlaubnuß bitten, ob sie nicht auch der hochzeitlichen Freud beywohnen därfen? die Braut ob sie schon bishero traurig da gesessen, wurde wegen der Ehr, so diese Cavalier ihr anthun wolten,in etwas aufgemuntert. Sagte demnach zu dem Hochzeiter, er solle so gut seyn, und die Cavalier in die Stuben hinein führen. Nun der Hochzeiter thate es: bewillkommte die Cavalier; führte sie in die Stuben hinein, und setzte sie zu oberst an Tisch, zur Braut hin. Man sprache ihnen zu, sie solten ihnen Essen und Trincken belieben lassen. Allein sie bedanckten sich, sagend, wie daß sie erst von dem Mittag-Essen herkommen. Sie seyen vielmehr kommen, ihnen die Ehr auszubitten, daß sie mit der Braut därften ein und andern Tantz thun. Worauf die Braut sagte, wie daß sie es für ein sonderbare Ehr hielte, daß solche Herren mit ihr zu tantzen sich würdigten. Demnach wurde denen Musicanten befohlen, ein lustiges Stücklein aufzumachen. Wie sie nun angefangen, nahme einer aus diesen Cavalieren die Braut höflich bey der Hand; führete sie mitten in die Stuben, und thate mit ihr einen und anderen [93] Tantz. Wie die Braut aber im besten springen war, wurde sie urplötzlich von dem Cavalier in der Mitte ergriffen, und in Ansehung ihrer Eltern, Befreundten, und anderen Hochzeit-Gästen, nicht ohne Jammern und Wehklagen zur Stuben-Thür hinaus geführt. Wo sie hinkommen seye, hat man den anderen Tag darauf mit gröstem Schröcken innen worden; da nemlich die verstellte Cavalier (so nichts anders, dann böse Geister waren) sich wiederum sehen lassen, und die von der Braut hinter lassene Kleider zuruck gebracht, sagend, wie daß ihnen GOtt den Gewalt nur über die Braut; nicht aber über die Kleider gelassen hätte. Ist also dieses unglückselige Mensch wegen gebrochener Treu an ihrem ersten Bräutigam in die Höll geführt worden. Recenset Clava Herculis Christiani.


Wie wahr ist es, was man insgemein zu sagen pflegt: Untreu bleibt nicht ungerochen! spiegle dich derowegen an diesem Exempel, unbesonnene Jugend! und lasse dich nicht so leicht in ein eheliches Versprechen ein: dann vorgethan, und nach bedacht, hat schon viel ins Leid gebracht. Hast du es aber mit wohlbedachtem Gemüth gethan, so gedencke: Versprechen macht halten.

25. Exempel
Fünf und zwantzigstes Exempel.
Ein unkeuscher, liederlicher Sohn ersticht sich selbst aus Verzweiflung, mit einem Messer.

Zu Lübeck, einer vornehmen Stadt, war ein Sohn, schön zwar von Gestalt, und reich am Vermögen; aber der Unzucht sehr ergeben. Er verliebte sich demnach in eine Person, so an Schönheit alle andere in der Stadt übertraffe. Ja er liesse sich von ihr dergestalten einnehmen, daß ihn weder die Forcht GOttes; noch die treuhertzige Ermahnungen seiner Befreundten davon abziehen konten. Dannenhero es geschehen, daß er in dem Luder-Leben all sein Geld hindurch gejagt und mithin in grosse Armuth gerathen. Als seine Mutter solches vernommen (dann der Vatter war schon gestorben) halfe sie ihm zwar aus Mitleiden mit einem Stuck Geld wiederum aus der Noth; bathe ihn aber mit weinenden Augen, er wolte sich doch der Gemeinschaft mit gedachter Person entschlagen, und seine Mutter mit so liederlichem Leben nicht länger betrüben. Aber alle gute Ermahnungen waren umsonst; dann er hatte sich schon zu weit in die Gemeischaft mit gedachter Person eingelassen. Wie nun die Mutter gesehen, daß er ihr nicht folgen wolte, schlosse sie auch ihre Händ zu, und liesse ihn in die vorige Armuth hinein rinnen. Das brachte nun den ungerathenen Sohn [94] in eine solche Furie, daß er wider die Mutter (O unerhörte Gottlosigkeit!) den Degen zuckte, und sie damit (unglückselige Feder! die du solche abentheurliche Ding beschreiben must) an der Stell zu entleiben drohete, wann sie ihm nicht ein Stuck Geld darschiessen wurde. Was wollte die betrübte Mutter thun? Aus Forcht und Schrecken gibt sie ihm eben das Gelt, und so viel als er begehrt: verbeißt unterdessen die greuliche Unbild, so ihr der Sohn angethan, aus Beysorg, wann sie sich darüber bey denen Befreundten beklagen thäte, möchte die Sach gar für die hohe Obrigkeit kommen; welche dann mit dem Sohn scharf verfahren wurde. Nichts destoweniger ist endlich die Sach, unwissend, durch wen, den Befreundten zu Ohren kommen, welche dann zusammen gestanden, und dem ungerathenen Sohn seine verübte Gottlosigkeit scharf verwiesen haben, mit Bedrohung, daß, wann er dergleichen ferners wider die Mutter unternehmen wurde, sie ihn insgesamt bey der Obrigkeit verklagen, und die Justitz wider ihn begehren wolten. Was geschiehet? wie unverschamt sonst dieser gottlose Gesell war, so schamte er sich doch wegen dieses Verweises. Raumte also das Haus, und gienge der Mutter aus denen Augen: verfügte sich aber wieder zu seinem Schleppsack, mit welchem er nach und nach alles Gelt im Luder verzehrt, und wiederum so arm worden, daß er weder aus noch an wußte. Dannenhero geriethe er in eine Verzweiflung, in welcher, als er sich einstens gantz allein befunden, nahme er ein langes, und scharf schneidendes Messer, steckte es mit dem Heft starck in eine Wand; risse alsdann den Rock auf, entblößte die Brust und lieffe mit solchem Gewalt auf das Messer zu, daß er ihm das Hertz-Blat durch und durch gestossen, und das Messer so gar den Ruck-Grad durchdrungen. Worauf er zur Erden gesuncken, und nachdem er sich verblutet, seinen unglückseeligen Geist aufgeben. Wie dieses kundbahr worden, ist die gantze Nachbarschaft zugeloffen, und hat über diesen leydigen Fall geseuftzet: vornehmlich die Mutter, als welche in Ansehung des im Blut liegenden Leichnams ihres unglückseeligen Sohns in eine Ohnmacht gefallen, und wenig gefehlt, daß sie nicht auch vor Leydwesen dahin gestorben. Des andern Tags ist der todte Leichnam (welcher sonst den Rechten nach hätte sollen verbrennt werden) der ehrlichen Freundschaft zu verschonen (dann des entleibten Sohns Herr Vatter vormahlen Burgermeister zu Lübeck gewesen) in eine ungeweyhte Erden verscharret worden. Aber gleich den andern Tag darauf hat man gesehen, daß das Grab über Nacht eingesuncken. Aus welchem man gemuthmasset, die leydige Teuffel haben den Leichnam samt der Seel mit sich geführt und in der Hölle begraben. Drexelius in Nicera l. 2. c. 12. ante fin.


O unglückseeliger Tod! O gottloses End! aber was Wunder? wann [95] dieser unkeusche, liederliche Sohn, sonst nichts gethan hätte, als daß er mit seiner Mutter so gottlos umgangen, und sie dergestalten betrübet, wurde er einen solchen Tod mehr, als wohl verschuldet haben. Die Entleibung, so er hat dörffen der Mutter androhen, ist auf ihn selbst gefallen. O wie gerecht ist GOtt.

26. Exempel
Sechs und zwantzigstes Exempel.
Ein Jüngling hoft der Wollüsten in der Welt auf viele Jahr hinaus zu geniessen, und hernach in ein Closter zu gehen; wird aber in seiner Hofnung betrogen.

Es wurde dieser Jüngling von GOtt zum öftern durch innerliche Einsprechungen ermahnt, in sich selbst zu gehen; den verbottenen Wollüsten den Korb zu geben, und in einem Closter Buß zu thun; allein, weil er frisch und starck, schluge er solche Einsprechungen in den Wind, und machte bey sich selbst diese Rechnung: wie? sollte ich mich bey so jungen Jahren der Wollüsten entschlagen? und darfür in ein Closter gehen? ein solches Leben ist für die junge Leut viel zu langweilig. Wie hart ist es keine Freyheit haben und gleichsam eingesperret leben! solche Art zu leben taugt besser für alte, als junge Leut; weilen bey denen Alten ohne das kein Muth mehr ist. So will ich dann meine Freyheit, und mithin der Wollüsten geniessen, weil ich noch frisch und starck bin. Mit der Zeit laßt es sich von dem Closter-Leben, und Buß thun schon noch reden. Anjetzo ist es zu frühe. Wie der böse Feind hinter diese Gedancken (welche der Jüngling ohne Zweifel dann und wann mit Worten gegen anderen seines gleichen wird zu verstehen gegeben haben) kommen, gabe er ihm auf eine Zeit ein, er sollte in das Feld hinaus spatzieren; da werde er den Guggu hören, der ihm mit seinem Geschrey werde anzeigen, wie viele Jahr er noch zu leben habe. Der freche Jüngling folget diesem aberglaubischen Gedancken; gehet den anderen Tag in aller Frühe in das Feld hinaus: und da er den Guggu gehört, rufte er ihm zu und sagte: hörst du, Guggu! sag mir her: wie viele Jahr hab ich noch zu leben? wann du mir es sagest, so will ich dir schönen Danck darfür erstatten, was geschiehet? der Guggu schreyt; und der Jüngling zehlet 22mahl. O ho, sagte er bey sich selbst: hab ich noch 22. Jahr zu leben; was wolte ich so frühe in einem Closter thun, und mich selbst also plagen? so frühe aufstehen, so viel in dem Chor stecken, so viel betten, betrachten, fasten, und in allem der Sinnlichkeit einen Abbruch thun? so will ich dann die Zeit abtheilen, [96] und noch 20. Jahr in der Welt leben, und dero Wollüsten geniessen; darnach will ich ins Closter gehen, und die noch übrige 2. Jahr GOtt schencken, und Buß thun. Dieses also bey sich beschlossen, führte er ein Leben, daß es zu erbarmen war. Essen, Trincken, Spielen, Bulen, Springen, und Tantzen, das war seine eintzige Verrichtugn. In Summa der Bauch war sein Abgott. Aber GOtt hat ihm diese Rechnung verwirret. Dann als der armseelige Mensch kaum 2. Jahr in seinem Luder-Leben zugebracht, überfiele ihn eine tödtliche Kranckheit, die ihm auch den Lebens-Faden abgeschnitten, und ihn in die andere Welt geschickt hat. Wie er werde gefahren seyn, ist leicht zu erachten; indem man von keiner Buß weißt, die er vor seinem End gethan hätte. Prompt. Exempl.

O wie viel hat der höllische Guggu schon betrogen; indem er ihnen die Hofnung eines längeren Lebens gemacht! damit sie also im sündigen fortfuhren, hoffend, sie werden auf die letzte noch Buß thun. Traue doch nicht O Jugend! wann du schon frisch und starck bist; dann der Tod zihlet mit seinen Pfeilen so wohl auf die Junge, als Alte. Zu dem, je mehr du sündigest, je mehr verkürtzest du dir selbst die Jahr deines Lebens. Gedencke nicht also: ich bin noch jung, ich kan noch allezeit Buß thun. Freylich kanst du Buß thun. Es ist aber die Frag, ob du es thun werdest? heut noch verspricht dir GOtt Gnad und Verzeyhung deiner Sünden, wann du heut noch wirst Buß thun: aber er verspricht dir nich den morgigenTag, daß er dich selbigen wolle erleben lassen, damit du noch Buß thun mögest. Wie darffest du dann die Buß bis auf den morgigen Tag verschieben? O Blindheit!

27. Exempel
Sieben und zwantzigstes Exempel.
Einen Jüngling peiniget das böse Gewissen wegen begangener Mordthat dergestalten, daß er sich selbst vor der Obrigkeit angeklagt, und das Tods-Urtheil über sich gesprochen.

In einer Stadt des Teutschlands diente bey einem Wirth ein frischer Jüngling, dessen Amt war, den Wein aus dem Keller zu holen, und denen Gästen aufzuwarten. Mitlerweil warffe er ein Aug auf des Wirths Tochter, des Willens, sie zu heyrathen! worzu auch diese sich nicht ungeneigt erzeigte. Allein weilen ihm das Vermögen abgienge, zu seinem Zweck zu gelangen, bedachte er sich hin und her, wo er etwann ein Stuck Gelt auftreiben möchte. Einsmahls nahme ein reicher Kaufmann, der ein schweres, und mit Gelt angefülltes Felleisen mit sich führte, die Einkehr in dem Wirthshaus, mit dessen Gelt der Jüngling seine verlangte Braut [97] zu erkauffen sich entschlosse. Nach solchem gefaßten teuflischen Anschlag schliche der Böswicht nächtlicher Weil in die Kammer, wo der Kaufmann lage, und schnitte dem guten Mann im Schlaf mit einem Messer die Gurgel ab; verscharrete hernach den Leichnam in den Keller, und gienge alles so listig an, daß niemand den geringsten Argwohn einer so greulichen That auf ihn warffe. Ja solchen Argwohn den Leuten gäntzlich zu benehmen, zeigte er dem Wirth einen erdichteten Brief, und begehrte Erlaubnus, in sein Vatterland zu verreisen, unter dem Vorwand, eine von einem seiner Befreundten ihme hinterlassene reiche Erbschaft anzutretten. Nun er ziehet hin; kommt nach etlichen Wochen mit einem schönen Stuck Gelt wieder; haltet an um die Tochter, bekommt sie; führet sie zur Kirchen, und wird das Hochzeit-Fest mit Freuden vollzogen. Es hauseten auch diese zwey junge Ehleut treflich wohl miteinander. Ihre Wirthschaft nahme zu, das Gelt wuchse in der Truchen, und ward der Zulauf der einkehrenden Gästen je länger je grösser, weilen so wohl sie ein Ehrenliebendes freundliches Weib; als er ein emsiger, kluger, und haußlicher Mann ware. Uber solches hatte nicht allein der Schweher-Vatter eine ungemeine Freud; sondern die gantze Stadt hielte so viel von dem jungen Wirth, daß er zu einem Raths-Herrn erwählet worden. Nun bishero gienge noch alles wohl, dem äusserlichen Schein nach; aber der inwendige nagende Wurm des bösen Gewissens, welches ihm ohne Unterlaß diesen Vorwurf thate: du bist ein Mörder, du hast den Tod verdient, und dergleichen versaltzte ihm alle gute Täg gar übel. Es druckte ihm manchen heimlichen Seuftzer aus dem Hertzen; es machte ihn oft gantz verwirret, mit solchem Gewalt und Angst, daß er sich ent schlossen, lieber zu sterben, als eine so unleidentliche Plag länger zu gedulden. Es stunde auch nicht lang an, daß er seinen Wunsch erlangt: und das bey folgender Gelegenheit. Man hielte auf eine Zeit einen Gerichts-Tag über einen verhaften Dieb und Mörder, um das End-Urtheil über ihn zu fällen. Der junge Wirth samt anderen Raths-Herren wohnte nach altem Herkommen der heiligen Meß bey; verfügte sich alsdann nach Haus, und begehrte an sein Weib ein Fruhestuck, um desto leichter so lange Zeit im Rath ausdauren zu können. Die Wirthin hierzu gantz willig, rüstete ihm einen Kalbs-Kopf zu, und stellte ihm selbigen auf den Tisch vor: weilen sie wohl wußte, daß dieses ein Speiß nach seinem Magen wäre. Er aber entsetzte sich heftig darab; erbleichte in dem Angesicht; fienge an zu zittern am gantzen Leib, und rufte überlaut:thue mir diesen Menschen-Kopf hinweg. Die Wirthin solches sehend und hörend, meinte anderst nicht, als ihr Mann müßte gähling im Kopf verruckt worden seyn; als die wohl wußte, daß sie keinen Menschen-Kopf, sondern einen Kalbs-Kopf gesotten, und [98] auf dem Rost gebraten hätte. Er aber voll der betrübten Gedancken stunde vom Tisch auf, nahme seinen Hut und Mantel, und gienge dem Rathhaus zu. Wie nun die Ordnung an ihn kame, seine Stimm zu geben, redete er gantz vernünftig von der Sach, und erkennete obgedachten Mörder des Tods schuldig: setzte aber noch dieses hinzu, er halte darfür, und erachte, daß man heut nicht nur einen, sondern zwey Ubelthäter hinrichten soll. Er habe eine weit grössere Straf verdient, als dieser Maleficant: es wäre dann Sach, daß die Richter aus sonderbahrer Gnad und Mildigkeit etwas gütigers mit ihme verfahren wurden. Alle anwesende Raths-Herren entsetzten sich ab dieser Red, und konnten ihnen nicht einbilden, daß ein solcher Mann, von deme man nichts, als alles ehrliches wußte, eine That sollte begangen haben, so den Tod verdiente. Allein er erzählete ihnen den gantzen Verlauf: wie mörderisch nemlich er vor so, und so viel Jahren mit einem Kaufmann umgangen. Und zu Bekräftigung seiner Worten begehrte er, man sollte hinschicken in den Keller, an diesem Ort, in jenem Winckel werde man die eingegrabene Todten-Beiner von dem ermordeten Kaufmann noch finden. Nun das geschiehet. Man schickt hin, suchet, grabet, und findet alles, wie er ausgesagt. Worauf er dann (wie er selbst begehrt) zu dem Tod verurtheilt, nebst obgedachtem Mörder (mit Verwunderung der gantzen Stadt über die gerechte Urtheil GOttes) zur Richtstadt hinaus geführt, und geköpft worden.) D Outreman in Pædagogo Christiano Tom. 2. P. 1. c. 3. Sect. 1. n. 3.


Ewiger GOtt! was für ein greuliches Ubel ist es um ein böses Gewissen! wie nagt es! wie zwickt es! wie foltert es! und wie laßt es dem Menschen weder bey Tag, noch bey Nacht so gar kein Ruhe! und gesetzt auch, daß einer, der ein böses Gewissen hat, bisweilen einen Schlaf thun könne; wie bald wachet der nagende Wurm wieder auf, und fangt an, auf ein neues zu nagen und zu beissen; den Verstand mit Verwirrungen; den Willen mit Forcht und Schrecken; das Hertz mit Bitterkeit, den gantzen Menschen mit Tods-Aengsten anzufüllen! was für ein elendes Leben ist dieses, wo man lieber sterben, als noch länger also leben wollte; herentgegen was für ein Trost, was für ein Freud, was für eine Vergnügung bringt mit sich ein gutes Gewissen! wie wohl ist einem solchen Menschen, wann er auch arm ist, wann er kranck ist, wann er verfolgt wird, daß also nichts der Wahrheit so gemäß ist, als was das Sprichwort sagt:


Ein gutes Gewissen,
Ist der beste Bissen.
Wohl redlich! und bringt es auch die Erfahrnuß mit sich.
28. Exempel
[99] Acht und zwantzigstes Exempel.
Aus Zulassung GOttes gerathet ein Student (weil er den göttlichen Beruf in einen geistlichen Ordens-Stand in Wind geschlagen) in die Händ der Mörder: von welchen er in ein Fuhr-Faß eingesperrt, wider ihr Verhoffen auf ein wunderliche Weis ist erlediget worden.

In unserem lieben Teutschland war vor Zeiten ein Jüngling, den seine Elteren zum Studieren auf eine hohe Schul in die Fremde geschickt. Ob sie nun wohl bey Mittlen waren; so schickten sie ihm doch das Jahr hindurch nur so vil Geld, als er für die Kost, und endlich zu einer ehrlichen Kurtzweil vonnöthen hatte: aus Beysorg, er möchte es versauffen; oder sonst unnutzlich ausgeben. Auf solche Weis geschahe es, daß er sich inner den Schrancken der Gebühr, und Mäßigkeit hielte. So lage er auch nicht allein dem Studiren fleißig ob; sondern machte auch in der Tugend, und einem Studenten anständigen Sitten einen solchen Fortgang, daß er ab der Welt nach und nach einen Eckel bekame, und den Heil. Vorsatz machte, nach vollendtem Studieren in einen gewissen geistlichen Orden zu tretten; um darinn GOtt zu dienen, und sowohl des Nächsten, als seiner Seelen-Heyl abzuwarten. Aber, O wie unbeständig ist die Jugend in ihren Anschlägen! und wie bald laßt sie sich verführen! dann sihe, wie seine Schul-Gesellen gemerckt, daß er zum Clösterlichen Leben geneigt wäre, suchten sie ihn auf alle Weis davon abzuziehen. Zu diesem End luden sie ihn öfters ein; jetzt in ein Garten-Häußlein; jetzt zu einer Abend-Zech; jetzt zu einem Karten-Spiel; und endlich auch zu einem Tantz. Weilen er sich nun von ihnen bereden liesse, geschahe es, daß er nicht allein im Studiren; sondern auch in der Tugend nach und nach erkaltete. Er kam also nicht mehr so fleißig in die Schul; beichtete und communicirte nicht mehr so oft, wie vorhin: sondern seine Gedancken stunden meistentheils auf die Gesellschaften, auf das Trincken, Spilen, und Tantzen. In Summa unser Student ware nunmehr gantz verändert, und nicht mehr derjenige, der er zuvor gewesen. Das verursachte nun seine Lehr-Meister, daß sie an die Elteren schriben, und sie mahnten, den Sohn nach Haus zu beruffen, und nach der Vacantz anderstwohin zum Studiren zu schicken: damit ihm also die Gelegenheit verderblicher Gesellschaft abgeschnitten wurde. Welches sie dann auch thaten, und dem Sohn zur Straf seines Unfleißes, und freyen Lebens kaum so vil Geld schickten, als er zu einer Weeg-Zehrung vonnöthen hatte.[100] Also dann machte sich unser Student, ohne Gefährten auf die Heim-Reis; mußte aber unter Weegs durch einen zimlich langen, dicken, und förchtigen Wald passiren. Nun geschahe es, daß er im Wald des Weegs verfehlte, und keinen Ausgang finden könte: welches ihn dann in grosse Sorgen setzte, er wurde villeicht in dem Wald über Nacht zu bleiben gezwungen seyn. Nachdem er also lang herum geirret, neigte sich der Tag gegen Abend, und fiele endlich die Nacht ein. Da ist nun nicht auszuprechen, in was Aengsten unser Student sich befunden, sorgend, er möchte etwann von den wilden Thieren gefressen; oder von den Wald-Gespenstern geplaget werden. Indem er also Schritt für Schritt geht, erblickt er zwischen den Bäumen ein Liecht, welches ihn glauben gemacht, er werde villeicht zu einer Hütten kommen, in welcher sich Hirten aufhielten, so das Vieh thäten hüten. Das munterte ihn dann auf, daß er dem Schein des Liechts nachgienge: ist auch endlich geschehen, daß er zu einer Hütte kommen. Als er nun dort anklopfte, kame mit einem Liecht für die Thür heraus ein altes Weib. Die fragte ihn, wie er daher kommen? wer er seye? und was er zu solcher Unzeit verlange? er antwortete; wie daß er ein Student und auf der Heim-Reis wäre: habe aber das Unglück gehabt, daß er in dem Wald verirret, und bis es Nacht worden, keinen Ausgang finden können. Bitte also, sie möchte ihn über Nacht beherbergen: er wolle ihr im geringsten keine Ungelenheit machen, und gern auf einer Burde Stroh verlieb nehmen. Wann er aber ein Suppen, oder wenigst ein Stuck Brod haben könte, wolte er solches bezahlen; dann er von dem Gehen ziemlich abgemattet, und hungerig seye. Wie das alte Weib gesehen, daß der Student wohl gekleidet, und eines feinen Ansehens, sagte sie zu ihm, ach mein guter Mensch, wie erbarmest du mich! dann wisse, daß dieses ein Mörder-Hürten seye. Darum mache dich geschwind fort! sonst ist es mit deinem Leben geschehen: dann die Mörder seynd nicht längst ausgangen einem Fuhrmann, den sie in dem nächsten Dorf erkundiget, und verstanden, daß er noch diese Nacht mit einem Güter-Wagen durch den Wald fahren werde, aufzupassen, ihn zu ermorden, und was auf dem Wagen ist, mit sich hieher zu führen. Wird auch nicht mehr lang anstehen, so werden sie mit dem Wagen da seyn. Dieses geredt, weinte sie vor Erbärmnuß und Mitleyden gegen dem Studenten; holte ihm ein Stuck Brod aus der Hütten, und zeigte ihm einen Weeg, wo er denen ankommenden Mördern entgehen möchte. Wie dem armen Studenten werde um das Hertz geweßt seyn, ist leicht zu gedencken. Dann er ware gantz allein, und wußte weder Steg noch Weeg. Zudem schröckte ihn nicht allein die Nacht; sondern auch der dicke Wald. So ware [101] er auch abgemattet, und konte kaum mehr fortkommen. Allein die Forcht denen Mördern in die Händ zu gerathen, machte ihm Füß; und kame ihm der Mondschein sovil zu statten, daß er wenigst den Weeg sehen konte. Er saumte sich also nicht; sondern gienge darauf so geschwind, als ihm möglich war: bis er ein gutes Stuck Weegs hinter sich gelegt hatte. Aber, O! Des Unglücks! indem er selbigem zu entgehen verhoft, fallt er ihm mitten in die Händ. Dann sihe! er kame just auf den Weeg, wo die Mörder den Fuhrmann eben unter die Erden verscharreten. So bald ihn diese bey dem Mondschein erblickt, lieffen sie auf ihn zu, packten ihn an, und fragten wer er wäre? und was er bey nächtlicher Weil in dem Wald zu thun hätte? der arme Jüngling, aller erschrocken, antwortete: wie daß er ein Student, und auf der Heim-Reis begriffen, in dem Wald verirret wäre. Bitte also, sie wollen ihn seinen Weeg paßiren lassen. Als die Mörder dises gehört, sagte einer aus ihnen, bey dem noch ein Mitleyden war, zu denen anderen auf Kauder-Welsch: Brüder! was wollen wir usere Händ in dem Blut dieses armen Tropfens waschen? es ist genug: wann wir ihn ausziehen, und ihm das Geld, das er etwann bey sich hat, wegnehmen. Als dann mag er gleichwohl hingehen! Wo er will. Bey Leib nicht, sagte einer aus denen anderen: Dann lassen wir ihn gehen, so wird er uns in dem nächsten Dorf verrathen. Alsdann wird man uns aufsuchen, und nicht nachlassen, bis daß man uns erdappet und zur gebührenden Straffe wird gezogen haben. Es ist wahr, sagt der dritte: allein, ich weiß, was wir thun. Laßt uns ein Fuhr-Faß von dem Wagen herunter wältzen, und den Studenten drein sperren, bis wir gleichwohl mit dem Wagen nach unser Hütten zuruck gefahren, und das Nacht-Essen eingenommen: als dann können wir wieder zuruck kehren, und den eingesperrten aus dem Faß herauslassen, und ihm dem Garaus machen. Solche Reden führten sie untereinander in Kauder-welscher Sprach, nicht glaubend, daß der Student selbe verstehe. Allein dieser hatte sich vor diesem unter anderen Studenten solcher Sprach oft Schertz-weis zu gebrauchen gewohnt. Weilen nun die Meinung des letzteren Mörders von den anderen gut geheissen wurde, sperrten sie den armen Studenten in das Fuhr-Faß, und nahmen den Weeg nach ihrer Hütten zu. Wie sich der Student nun allein befande, fienge er an bitterlich zu weinen, und sein Unglück zu beklagen. Ach! sagte er: in was Unglück bin ich gerathen! O wie werden diese Mörder mit mir umgehen! mit wie vil Wunden werden sie mich umbringen! O daß GOtt erbarme! und was werdet ihr, meine liebe Elteren! gedencken, wann ihr mich nicht mehr sehen werdet? O in was [102] Kummer, Sorgen, und Hertzen-Leyd werdet ihr gestürtzt werden! indem ihr nicht werdet errathen können, wo ich hinkommen oder wie es mir gangen seye. Allein was nutzt dieses mein Klagen? da ist nicht mehr zu helffen. Aus ist ist es mit mir: verlohren bin ich. Es geschiehet mir aber recht, O GOtt! dieses Unglück hast du billich über mich verhenget. Warum hab ich dir nicht gefolget, da du mich innerlich so oft angetrieben, die Welt zu verlassen, und dir in einem geistlichen Ordens-Stand zu dienen. Ich hab gesündiget: ich bekenne es: und ist mir leyd darfür. Ach GOtt verzeyhe es mir: ich hab es nicht besser verstanden. Sihe an mein reumüthiges Hertz, und thue es nicht verachten. Indem er sich also selbsten beklagte, und sein Hertz zu GOtt ausschüttete, sihe! da kame ihm dieser Gedancken: ey! wann schon alle menschliche Hülf hin ist, so kan doch GOtt noch helffen. Warum setze ich dann nicht all mein Vertrauen auf ihn? warum ruffe ich ihn nicht aus gantzem Hertzen an, er wolle mir aus diesem Faß hinaus helffen? wer weißt, ob er mich nicht erhören wird? O! es ist noch keiner geweßt, der auf ihn gehoft, und doch wäre zu Schanden worden. Dieses geredt, thate er ein Gelübd zu GOtt, daß, wann er ihm aus dieser Noth helffen wurde, wolte er ohne längeren Aufschub in denjenigen Ordens-Stand tretten, zu welchem er so oft innerlich angetriben worden. Kaum hatte er dieses Gelübd gethan, da schöpfte er eine grosse Hoffnung, aus dem Fuhr-Faß erlediget zu werden: welches auch geschehen; und zwar auf folgende wunderliche Weis. Indem eben dazumahl der Mond hoch an dem Himmel war, geschahe es, daß etliche vor Hunger heulende Wölf daher kamen, um das Fuhr-Faß herum giengen, und bald oben, bald unten schmeckten, was darinn seyn möchte. Der Student, wie er zum Spund-Loch hinaus gesehen, gedachte bey sich selbst: da werdet ihr mir nicht zukommen, wie hungerig ihr auch seyn möget. Ich bin da vor euch wohl versorget. Da er dieses gedenckte, sihe! da sprange einer aus den Wölffen auf das Fuhr-Faß hinauf, und indem er lang herum geschmeckt, geschahe es, daß er sich nidersetzte, und den Schweif in das Spund-Loch hinein hangen liesse. Der eingesperrte dies sehend, bediente sich dieser unverhoften Gelegenheit; ergriffe den Wolf-Schweif; risse ihn zu sich, und hebte ihn so fest an, daß der Wolf greulich zu heulen angefangen, und dardurch die andere Wölf weg getriben. Allein er machte sich darum nicht loß. Weil er sich aber zuletzt so starck bemühet, daß sich das Fuhr-Faß zu wältzen anfienge, zoge er solches über ein schrofechtige Büchel-Halden (an welcher es gestanden) nach sich: wo es dann durch das gähe wallen und stürtzen bald da, bald dort an einen schrofechtigen [103] spitzigen Stein so starck und gewaltthätiger Weis zerstossen worden, bis endlich die Faß-Reif zersprungen, und mithin auch die Faß-Taugen aus einander gangen seynd. Als der Student sich auf solche Weis ledig gesehen, liesse er den Wolf mit seinem Schweif lauffen, wo er wolte. Der Wolf aber, welcher froh war, daß er mit seinem Schweif davon kommen, eylte mit vollem Lauf nach seiner Höhle, und sahe wohl nicht einmahl um, wer derjenige seye, so das Hertz gehabt, ihn so lang an dem Schweif vest zu halten. Der Student, welcher nunmehr in die Freyheit gesetzt war, danckte GOtt aus gantzem Hertzen, daß er durch seine Vorsichtigkeit so wunderbarlicher Weis aus dem Fuhr-Faß, und mithin aus den Händen der Mördern errettet worden. Saumte sich beynebens nicht, eylends den Weeg zum Wald hinaus zu nehmen: den er auch gegen anbrechenden Tag mit GOttes Hülf gefunden; in dem nächsten Dorf in einem Wirths-Haus eingekehrt, und dem Wirth mit erstaunen den gantzen Handel erzählet hat. Nachdem er sich allda mit Speiß und Tranck erquicket, nahme er den Weeg weiters nach der nächsten Stadt, in welcher ein Closter von demjenigen Orden war, in welchen er zu tretten schon längsten einen Lust gehabt. Dort hielte er inständig um den H. Orden an; wurde aufgenommen, und diente GOtt darinn bis an das End seines Lebens. Wie sich unterdessen die Mörder werden verwundert haben, da sie in ihrer Ruckkehr wider alles Verhoffen weder den Studenten, noch das Fuhr-Faß mehr gefunden, ist leicht zu gedencken. S.J. Libro de fiducia in Deum. c. 15.


Wie wohl hat es GOtt mit diesem Studenten noch gemeint! Er hätte in dieser Gefahr zu ihm können sagen: ich hab dir lang geruffen, und du hast mein Ruffen verachtet, und in Wind geschlagen. Jetzt will ich deiner auch spotten, und zu deinem Verderben lachen. Aber nein; so bald der Student seinen Fehler erkennt, GOtt um Verzeyhung gebetten, den Fehler zu besseren versprochen; mithin sein Vertrauen auf GOtt gesetzt, und ihn um Hülf angeruffen, hat ihn dieser auch nicht stecken lassen. So gütig und willfährig ist GOtt, wann man sich mit gantzem Hertzen wiederum zu ihm wendet. Mithin sihet man auch, wie wahr es seye, was man insgemein zu sagen pflegt: wann die Noth am grösten ist, da kommt GOtt, und hilft.

29. Exempel
[104] Neun und zwantzigstes Exempel.
Ein Vatter zahlet seine undanckbare Töchtern, in Aufsetzung des Testaments gar artig aus.

In einer gewissen Stadt war ein Raths-Herr, mit Namen Johannes Conaxa; reich an Vermögen. Seine verstorbene Ehe-Frau hinterliesse ihm zwey gewachsene Töchteren; die er aber recht närrisch liebte. Dann er ihnen nicht allein durch reichliche Aussteurung zu einem ehrlichen Heurath geholfen; sondern nachdem sie auch schon verheurathet waren, selbige fast täglich mit ihren Männern zu Gast geladen, und niemahl unbeschenckt von sich weggelassen. Damit nun die Töchtern den Vatter in seiner Freygebigkeit, oder besser zu reden, Verschwenderey erhielten, luden sie ihn dann und wann auch zu Gast, und stritten in die Wette, welche aus ihnen dem Vatter am meisten Freundlichkeit, und Gutes erweisen könnte. Sie thaten es auch nicht umsonst. Dann der Vatter dardurch bewegt, und eingenommen, griffe endlich sein Silber-Geschirr, und anderen kostbaren Haus-Rath an, und schenckte ihnen ein Stuck nach dem anderen; bis er sich auf die letzte also erschöpfet, daß er fast nichts mehr hatte, und nunmehr selbst Mangel leiden mußte. Wie die Töchteren von dem Vatter nichts mehr zu hoffen hatten, da hatte ihr Einladen und Freundlichkeit auch ein End. Sie liessen ihn halt gehen, wie er gienge. Geschahe es aber, daß der Vatter dann und wann ihnen zu Haus kante, und gantz erhungert sich zu Gast lude, sahen sie ihn mit schlechten Augen an; und mußte er frohe seyn, wann sie ihme eine gute Zeit wünschten, oder Vatter hiessen: so gar galte er nichts mehr bey ihnen. Dannenhero so etwann in der Kuchel ein Braten am Spieß steckte, fuhren sie damit vom Herd hinweg, und versteckten ihn, nur damit sie dem Vatter nichts müßten darvon geben. Mußte also der gute Vatter mit dem Geschmack vom Braten verlieb nehmen, und mit hungerigem Bauch nach Haus kehren. Da gienge dann dem Conaxa der Verstand auf; bisse unterwegs in die Nägel der Hände, und sagte bey sich selbsten: so so? gehen deine Töchteren mit dir also um, nach dem du ihnen alles angehenckt, und nun ihrentwegen in diese Armuth gerathen? ist das der Danck, daß ich sie so oft zu Gast geladen, und das meine mit ihnen verthan hab? Die anjetzo thun, als kennten sie mich nicht mehr; will geschweigen, daß sie mich auch nur ein eintziges mahl mehr zu Gast luden. Gantz recht: ich will ihnen schon einen Possen reissen, daß sie an den Conaxa gedencken sollen. Dieses geredt, nahme er in der Stille, und unwissend seiner Töchteren, den geraden Weeg zu einem seiner besten Freun den, ihne inständig bittend, er möchte die Freundschaft [105] vor ihn haben, unb ihme ein Summa Geld leihen, mit der Versicherung, soche Summa in wenig Tägen wiederum heim zu stellen. Wie er nun von diesem Freund gedachte Summa erhalten, liesse er seinen Töchtern sagen, sie wolten ihnen belieben lassen, in sein Haus zu kommen, und mit ihm ein Mittag-Süpple einzunehmen; dann ihm ein guter Freund etwas zu essen geschickt hätte. Die Töchteren dies hörend, liessen sich nicht lang bitten; sondern fanden sich zeitlich in ihres Vatters Haus ein. Nun man setzet sich zu Tisch; man isset: machts aber kurtz; dann der Speisen nicht viel waren. Conaxa stunde zu erst vom Tisch auf, und sagte zu denen Töchteren, sie solten nur noch ein Weil still sitzen; er wolle bald wieder zu ihnen kommen. Darauf hin gehet er in die Stuben-Cammer; und nachdem er sie verrigelt, nahme er aus einer Truhen das von seinem Freund entlehnte Geld herfür, warfe einen Thaler und Gulden nach dem anderen auf einen Schreib Tisch hin, als wolte er probiren, ob sie gerecht wären, und also den rechten Klang hätten. Zählete alsdann das Geld sagend: das seynd tausend Thaler, und das auch so viel. Das seynd so viel Gulden: und so fort. Wie die Töchteren am Tisch hörten, daß der Vatter in der Stuben-Cammer Geld zählete, stunden sie alsobald vom Tisch auf, schlichen zur Cammer-Thür hin, und sahen durch eine Klumse auf des Vatters Schreib-Tisch einen grossen Hauffen Geld. Da schaueten sie dann einander an, riben vor Freuden die Händ, und sagten: O wie kommen wir dem Vatter so unverhofter Weis hinter seine Spring! wer hätte gemeint, daß er noch so viel verborgenes Geld haben solte! ja ja; es heißt wohl, alte Füchs, alte List. Allein jetzt liegt es nur an dem, wie wir ihm auf ein neues schön thun; damit er uns auch dieses Geld lasse zukommen. Unterdessen da die Töchteren dieses einander in die Ohren sagen, verschließt der Alte das gezählte Geld wieder in die Truche, und kommt darauf wieder in die Stuben: allwo sich die Töchteren wohl nichts mercken liessen, als hätten sie den Vatter in der Stuben-Cammer hören Geld zählen. Doch sagten sie ihm Danck für das Mittag-Essen, nahmen von ihm freundlichen Abschied, und giengen voller Freuden wieder nach Haus. Kaum aber waren sie weg, da truge Conaxa in der Stille das entlehnte Geld seinem Freund zuruck, und bedanckte sich auf alle Weis, daß es ihm wäre anvertraut worden; verschlosse unterdessen in obgedachter Truchen anstatt des entlehnten Gelds einen anderen Schatz. Des andern Tags darauf in aller Fruhe fanden sich in des Conaxa Haus ein seine Töchteren, und dero Männern; thaten ihm über die massen schön, und fragten, was er guts lebe; wie er die vorige Nacht geschlaffen; und ob sie ihm in etwas dienen könnten? er solte nur befehlen; sie stehen ihm alle Stund und Augenblick zu Diensten. Allein Conaxa gabe ihnen keine Antwort; sondern kehrte [106] sich auf die Seiten, knappete mit dem Kopf, und sagte bey sich selbsten: ja ja diese Freundlichkeit erweisen sie nicht dir, mein Conaxa; sondern deinem Geld, das sie noch hoffen von dir zu bekommen. O wann das nicht wär, wurden sie es wohl bleiben lassen! allein es ist nichts daran gelegen. Aufs wenigst hat es das Ansehen, sie werden mir ins künftig höflicher begegnen, und Guts thun, wo sie können. Es ward auch Conaxa in seiner Hofnung nicht betrogen. Dann die Töchteren luden den Vatter wieder auf ein neues ein, und stritten in die Wette, welche ihm mehr Höflichkeit und Gutes erweisen könnte. Wie Conaxa das gesehen: sagte er: hört ihr, meine Töchteren, und Töchter-Männer! wann ihr mich werdet in Ehren halten, wie es eure Schuldigkeit ist, und mir Guts thun; so lang ich noch lebe, so solt ihrs nach meinem Tod reichlich zu geniessen haben: dann so und so viel Geld hab ich noch im Vorrath. Solte ich aber das Widerspiel erfahren, so werde ich alsdann auch thun, was ich will. Da solte man gesehen haben, wie sich die Töchteren und ihre Männer alles Gutes anerbotten; wie sie ihm geschmeichelt; wie ein jedes am besten bey ihm habe wollen dran seyn. Wie Conaxa das gehört, sagte er: Nun so ver lange ich dann, daß ihr mir vor meinem Tod, und weil ich noch wohl auf bin, so und so viel heilige Messen sollet lesen lassen; daß ihr unter die Haus-Arme Leut so und so viel Allmosen austheilet: damit ich ein glückseliges Sterbstündlein erlange, und dann nach meinem Tod nicht lang auf eure Hülf warten müsse. Die Töchteren, und ihre Männer, als welche hoften, sie wurden nach seinem Tod noch einen grossen Schatz ererben, sagten ihm alles zu; liessen unverzüglich viel heilige Messen lesen, und theilten unter die Haus-Arme grosses Allmosen aus. Eine lange Zeit auf dieses hin wurde Conaxa mit einer tödtlichen Kranckheit überfallen. Wie er gemerckt, daß er sterben müsse, liesse er seine Töchteren für sich kommen, zu welchen er mit gebrochener Stimm also redete: höret, ihr meine Töchteren! dies ist mein letzter Will: wann ich werde gestorben seyn, so sollet ihr mich ehrlich, wie es einem Raths-Herrn gebühret, zur Erden bestatten; mir die gewöhnliche Seel-Aemter halten, und andere heilige Messen nachlesen lassen: koste es hernach, was es immer wolle. Dann jene Truchen, die ihr vor meiner Bethstatt sehet, wird euch die gemachte Unkösten häufig ersetzen. Dieses geredt, griffe er in die letzte Zügen, und gabe in Gegenwart seiner Töchteren den Geist auf. Die Töchteren weinten zwar; aber es war ihnen nicht recht ernst darbey. Sie machten es halt, wie alle undanckbare Kinder, welche mehr weinen, weil ihnen ihre Elteren keine grössere Erbschaft hinterlassen, als daß sie ihnen weggestorben. Doch haben sie dem Vatter die Leich begängnuß [107] halten lassen, wie ers begehrt hatte; und das mit grossen Unkösten. Wie nun die 30. Täg nach der Leich vorbey, und es Zeit war, die hinterlassene Erbschaft untereinander zu theilen, da hätte man sehen sollen, wie sie der Truchen zugeloffen. Ein jedes wollte in dero Eröfnung das erste seyn. Aber siehe! wie sie selbige eröfnet (lache doch keiner, der dieses lieset, oder hört) da fanden sie weder Heller, noch Pfenning darinn; wohl aber an statt der verhoften Thaler und Gulden einen grossen knoßpeten Prügel, auf welchem folgende Wort mit grossen Buchstaben eingeschnitten waren.


Derjenige Vatter, welcher seine Kinder so närrisch liebt,
Daß er ihnen alles anhängt, und darbey seiner selbsten vergißt,
Der solle allein Erb dieses Schatzes seyn.
Also schaffe ich, also verordne ich, also testamentiere ich: das ist mein letzter Will.

Wie die Erben das gelesen, da ist nicht auszusprechen, wie sie sich in das Hertz hinein geschämt haben. Sie sagten wohl kein Wort: sondern zogen in der Stille mit einer Nasen ab, die mehr als ein Spann lang war. Angelinus Gazæus S. J. in Piis Hilar.


O wann alle undanckbare Kinder von ihren Elteren also bezahlt wurden, wie recht geschehe ihnen! geschihet es nicht, so wird GOtt sie darum finden; seye es über kurtz, oder lang.

30. Exempel
Dreyßigstes Exempel.
Ein undanckbarer Sohn gedenckt nicht einmahl seines verstorbenen Vatters in der andern Welt.

Ein wohl vermöglicher Mann in Portugall hatte seinem eintzigen Sohn viel Gelt und Gut hinterlassen, aus Hofnung, der Sohn werde seiner nach dem Tod ingedenck seyn, und ihm Theils durch heilige Messen; Theils durch Allmosen, wann er etwann deren in der anderen Welt sollte vonnöthen haben, zu Hülf kommen. Allein der gute Vatter fande sich weit betrogen, indem der Sohn nichts weniger, als dieses gethan. Das thate nun einem Freund des Verstorbenen so wehe, daß er den Sohn deßwegen mit Worten gestraft, und zu ihm gesagt: er sollte sich in sein Hertz hinein schämen, daß er gegen seinem verstorbenen Vatter so undanckbar seye, der ihm doch so viel Gelt und Gut mit grosser Mühe und Arbeit zusammen gesammlet, und als ein Erb hinterlassen hätte. Allein der Sohn antwortete mit unerhörter Frechheit folgender Gestalten: was frag ich darnach, wie es meinem Vatter in der anderen [108] Welt gehe. Meinetwegen mag er seyn, wo er wolle, das bekümmeret mich wenig. Dann ist er im Himmel, so hat er meiner Hülf nicht vonnöthen. Ist er in der Höll, so kan ich ihm nicht helffen. Ist er aber vielleicht im Fegfeur, so wird er froh seyn, und gern leyden; dieweil er nemlich der Seeligkeit halben versichert ist. Benedictus Pererius in Cap. 50. Genes.


Wer hat jemahl eine so freche Red von einem Sohn gehört? und was hat diese Red wohl verdient? wäre es ein Wunder geweßt, wann sich der Boden eröfnet, und dieses Abendtheur von einem Sohn lebendig verschluckt hätte? gewißlich nicht. Aber GOtt wird ihm ohne Zweifel die Rechnung gemacht haben; und wann er der Höll entrunnen ist, hat GOtt wohl eine sonderbahre Barmhertzigkeit an ihm erwiesen. Unterdessen lassen ihnen alle Vätter in ein Ohr gesagt seyn: daß sie nemlich ihren eigenen Kinder nicht zu viel trauen sollen.

31. Exempel
Ein und dreyßigstes Exempel.
Ein Jüngling, der unter dem Spielen auf sich selbsten fluchet, wird von einem grausamen Gespenst erschröckt.

In Welschland war im Jahr Christi 1586. ein Jüngling der sich dem Würffel und Karten-Spiel unmäßig ergeben hatte. Nun geschahe es einstens, daß, indem er bey nächtlicher Weil mit seinen Cammeraden gantz begierig spielte, und (wie es eben beym Spielen insgemein geht) sich unter ihnen ein Zanck und Wort-Streit erhebte; und aber die andere ihm nichts draus gehen liessen, er gantz frech in diese Wort ausgebrochen: der Teufel soll ihn hohlen, wann deme nicht also, wie er behaupte. Und siehe! kaum hatte er den Wunsch gethan, da erzitterte das gantze Zimmer, wo diese Spieler beysammen waren. Bald darauf liesse sich an der Wand des Zimmers ein erschröckliches Gespenst sehen, welches von einem Winckel des Zimmers in den anderen fladerte; und das mit solchem Schrecken des Fluchers, daß er in eine Ohnmacht dahin gesuncken. Wie er sich aber wieder erhohlet, fiele er auf seine Knye nieder, und bate GOtt mit aufgehebten Händen um Verzeyhung wegen des gethanen frechen Fluchs; mit dem Versprechen, des andern Tags eine heilige Meß lessen zu lassen, wann das Gespenst abweichen wurde. Allein er wurde nicht gleich erhört: dann das Gespenst nicht allein in dem Zimmer noch herum fladerte; sonderen auch das Liecht, so auf dem Spiel-Tisch branne, auszulöschen sich bemühete: welches aber die andere Cammeraden mit Vorhaltung eines Crucifix Bilds verhindert, und vom Liecht abgetrieben. Allein [109] dieses Gefecht mit dem Gespenst daurete die gantze Nacht hindurch, bis endlich der Tag anzubrechen begunnte: da dann auf gegebenes Zeichen des Gebett-Läutens das Gespenst mit erschröcklichem Geräusch abgewichen, und verschwunden. Es hatte sich aber darum der Schrecken bey dem Flucher nicht verlohren; indem er noch immer in Sorgen gestanden, das Gespenst möchte ihn etwann die darauf folgende Nacht auf ein neues schrecken, oder wohl gar weg führen. Damit er sich dann auf allen Fall versicherte, nahme er seinen Weeg in aller Frühe in ein nächst gelegenes Closter: allwo er eine reumüthige Beicht abgelegt, mit dem Versprechen, sein Lebtag nimmermehr einen so frechen Fluch zu thun. Welches er auch heiliglich gehalten, und forthin von fernerem Schrecken, und Beunruhigung des Gespensts erlediget worden. Franc. Bencius in Annal. Soc. Anno 1586.de rebus Collegii Vercellensis.


O wann alle Spieler und freventliche Flucher allezeit an dieses Gespenst gedenckten, wie wurden sie sich besinnen, bis sie auf sich selbsten fluchten! und viel minder dem Teufel, als dem abgesagten Feind der Menschen, ruften; freche Gesellen, ihr dörffet ihm eben nicht ruffen; er kommt wohl vor sich selbsten.

32. Exempel
Zwey und dreyßigstes Exempel.
Die dritte Person in der heiligsten Dreyfaltigkeit, nemlich der heilige Geist, tröstet einen Tod-Krancken Studenten, welcher vorhin an seiner Seelen-Heyl verzagt war.

Es waren zwey leibliche Brüder, die studierten miteinander auf der hohen Schul zu Paris; waren aber von gar ungleichen Sitten: dann der jüngere aus ihnen hatte GOtt vor Augen; studierte fleißig ware sittsam, und flohe alle böse Gesellschaft: der ältere aber thate in allem das Widerspiel. Dann er verzehrte nicht allein die edle Zeit mit Spielen und Sauffen; sondern henckte sich auch an leichtfertige Schleppsäck, mit welchen er so ärgerlich lebte, daß die gantze Stadt Paris von ihm zu sagen wußte. Das thate nun dem jüngeren im Hertzen wehe; indem er aller Orten, wo er hin kame, sich seines Bruders schämen mußte. Demnach ermahnte er ihn ein und andermahl, er wollte doch in sich selbsten gehen, und gedencken, was für ein schwere Verantwortung er ihme selbst bey dem höchsten Richter auf den Hals lade. Allein der gottlose Bruder lachte den jüngeren nur aus, sagend: er wisse schon, was er zu thun habe. So stehe auch dem jüngeren nicht zu, den älteren zu ermahnen. Es setzte aber der jüngere darum nicht aus: sondern sagte mit weinenden Augen: Bruder! [110] du lachest mich zwar jetzt aus, allein es wird die Zeit kommen, da du die Härtigkeit deines Hertzens spät bereuen wirst. Und mit diesen Worten gienge er traurig von seinem Bruder weg; unterliesse aber nicht, GOtt inbrünstig zu bitten, er wolle doch des Bruders Hertz erweichen, und ihme den Geist der Buß geben: welches GOtt auch bald darauf gethan; indem er den ältern Bruder mit schwerer Leibs-Kranckheit angegriffen, und ins Beth geworffen. In dieser Kranckheit nun als der elene Mensch sein voriges Leben zu Gemüth führte, fande er einen solchen Hauffen schwerer Sünden und Missethaten, daß er fast gar verzweifelt. Wie er nun einstens bey nächtlicher Weil gantz allein war, und mit schwermüthigen Gedancken umgienge, siehe! da wurde das Zimmer, in welchem er lage, gähling mit grossem Glantz erleuchtet; und es trate hinein ein Manns-Person, Tauben-weiß und eines gar ehrwürdigen Ansehens. Diese Person nun stellte sich für das Beth des Krancken, und sahe ihn gantz ernsthaft an. Der Krancke erschracke hierüber heftig, und fienge vor Angst am gantzen Leib zu schwitzen. Wie er sich aber ein wenig erhohlet, fragte er den ehrwürdigen, Taubenweissen Mann, wer er wäre? und warum er ihn zu schrecken zu so ungelegner Zeit der Nacht kommen seye? Da bekame der Krancke zur Antwort: wisse, daß ich der himmlische Vatter bin, der dich aus nichs erschaffen, dir eine vernünftige Seel gegeben, damit du deinen Schöpfer erkennest, ihme durch Haltung seiner Gebotten dientest; und ihn aus gantzem Herzen liebtest. Weilen du aber bishero das Widerspiel gethan, und die treue Ermahnungen deines jüngeren Bruders verlacht, und in Wind geschlagen, so bin ich hieher kommen, dir anzudeuten, daß du ein Kind der ewigen Verdammnuß seyest. Mit welchen Worten dieser Ehrwürdige, Tauben-weisse Mann aus den Augen des Krancken verschwunden. Uber dieses angedeute Urtheil der ewigen Verdammnus wurde der Krancke mit solcher Angst und Schrecken erfüllet, daß es mit Worten nicht auszusprechen. Ja es brache der Schweiß am gantzen Leib häuffig herfür; indem der elende Mensch die Vollziehung des ergangenen Urtheils stündlich erwartete. In solcher Angst und Schrecken brachte er die übrige Nacht, wie auch den darauf folgenden Tag zu. In der anderen Nacht erschiene ihm eine andere Manns-Person, mit einer dörneren Cron auf dem Haupt; tragend auf den Schultern ein schweres Creutz, übrigens aber am gantzen Leib voller Wunden. Diese Manns-Person tratte gleichfalls, wie die erstere für das Beth des Krancken hin, schauete ihn ernsthaft an, und fragte: kennest du mich; der Krancke antwortete mit Nein; jedoch geduncke es ihn, es seye zwischen ihr, und der ersten Person keine Ungleichheit. Freylich ja (sagte diese Manns-Person) ist zwischen mir und ihr [111] keine Ungleichheit in der Macht und Herrlicheit. Dann ich bin Christus, der eingebohrne Sohn des himmlischen Vatters; der um deinetwillen die menschliche Natur angenommen; 33. Jahr auf Erden vil Mühe und Arbeit;. Armuth und Verachtung; Hunger und Durst ausgestanden: ja letztlich all sein Blut für dich vergossen, und an einem Creutz den bittersten und schmählichsten Tod gelitten. Weilen du aber dieses alles bishero nicht erkennt, und mir deinem Erlöser gutes mit bösen vergolten, so bin ich gleichfalls kommen, dir anzudeuten, daß du ein Kind der ewigen Verdammnuß seyest. Nach welchen Worten auch diese Person verschwunden; die aber in dem Krancken einen solchen Schrecken hinterlassen, daß er nunmehr nicht wußte, wo er sich hinwenden solte. Also mit Schrecken erfüllet ruft er seinen jüngeren Bruder und erzählet ihm alles, was in 2. Nächt nacheinander begegnet. Scheine also, keine Hofnung mehr übrig zu seyn, wie er der ewigen Verdammnuß entgehen könne. Das ängstigte nun ihn; das triebe ihm den Schweiß aus; das bringe ihn in Verzweiflung. Behüt GOtt! sagte der jüngere Bruder: du mußt darum nich verzweiften. So lang du lebst, kanst du noch Gnad und Barm hertzigkeit von GOtt hoffen. Dann obschon der Vatter und Sohn dir die ewige Verdammnuß angekündet, so haben sie es nur darum gethan, damit du erkennen sollest, wie du aller Gnad und Barmhertzigkeit unwürdig seyest, und nach der strengen Gerechtigeit GOttes nichts anders, als die ewige Verdammnuß verdient habest: weilen du nemlich bishero alle treue Ermahnungen zur Buß und Besserung des Lebens verlacht, und in Wind geschlagen. Aber es ist noch übrig die unendliche Güte GOttes, die keinen Sünder verwirfft, so lang er sich zu besseren gesinnet ist. Thue also noch Buß: wende dein Hertz zu der unendlichen Güte GOttes: bitte sie, daß sie dir deine Widerspenstigkeit des Hertzens aus Gnaden verzeyhen wolle. Beichte mithin mit wahre Reu, Demuth, und Aufmercksamkeit deine Sünden; wer weißt, ob nicht die dritte Person in der heiligsten Dreyfaltigkeit, nemlich der Heil. Geist (welcher die Gütigkeit selbst genennt wird; weilen er zwischen dem Vatter und dem Sohn die Liebe ist) das angekündete Urtheil wiederruffet, und dich, wiewohl unwürdigen, aus lauter Gütigkeit wiederum zu Gnaden aufnimmt, den er Gerechtigkeit nach vewerffen könte. Auf solche Ermahnung faßte der Krancke wiederum ein Hertz, und liesse alsobald einen Priester zu sich kommen; deme er dann alle Sünden mit solcher Reu und Leyd gebeichtet, daß er vor Seuftzen und Weinen die Wort öfters zu unterbrechen genöthiget worden. Nach empfangener H. [112] Absolution liesse er sich auch mit der Heil. Communion und letzten Oelung versehen: worauf er stündlich des Tods erwartete. Wie nun die dritte Nacht herbey kommen, da erschine dem Krancken eine Manns-Person, von Angesicht denen vorigen nicht ungleich. Die Kleidung war hell-schimmerend; und auf seiner rechten Schulter sasse eine Schneeweisse Tauben. Sie gienge hin vor des Krancken Beth, und sahe ihn mit überaus lieblichen und gütigen Augen an. Wie der Krancke das gesehen, fassete er ein Hertz, und fragte:Herr! erlaube mir, daß ich dich frage, wer du seyest? indem du dich würdigest zu mir elenden Menschen zu kommen, und mich mit so gütigen Augen anzusehen, der ich schon zweymahl so heftig erschröckt worden? da antwortete die Person: ich bin der H. Geist, der von dem Vatter und dem Sohn ausgehet, und ein GOtt mit ihnen ist. Ich bin die Liebe zwischen beyden; und darum werd ich die Gütigkeit selbst genennt. Weilen du nun deine Sünden reumüthig gebeichtet, und den Vorsatz gemacht, dich ernstlich zu besseren, wann du von deiner Kranckheit wiederum aufstehen soltest; so bin ich kommen, dir anzudeuten, daß dir deine Sünden aus göttlicher Güte verzyhen seyn. Wie der Krancke das gehört, schwunge er sich aus der Tieffe seiner gehabten Angst un Forcht über sich, und brache voll des Trostes in diese Wort aus: O Heil. Geist! ein Vatter der Armen; ein Tröster der Betrübten; was höre ich aus deinem göttlichen Mund? solle mir dann der Himmel offen stehen, deme der Vatter und der Sohn die ewige Verdammnuß angekündet; und zwar billich: weil ich so oft und schwerlich wider sie gesündiget hab. Solle dann das wider mich gefällte Urheil widerruffen worden seyn? Hierauf sagte der Heil. Geist: sey getröst, und zweifle nicht an deiner Seeligkeit: dann die Buß vermag viel bey dem Allmächtigen. Sie überwindet denjenigen, der sonst unüberwindlich ist. Sie besänftiget seinen sonst gerechten Zorn, und machet, daß seine anegebohrne Güte das jenige Urtheil widerruft, das seine Gerechtigkeit gefällt hat. Ligt jetzt nur an dem, daß du in der Buß beständig verharrest, und dich mit Ubungen des Glaubens, der Hofnung, der Libe gegen GOtt, und anderen Tugenden zum Tod bereitest, so werden wir drey göttliche Personen nach dreyen Tägen wiederum zu dir kommen, und dich zu uns in die ewige Freud aufnehmen. Welches auch geschehen; in dem der Krancke (welcher vorhin alles, was ihme begegnet, seinem jüngeren Bruder erzählet hatte) nach verflossenen drey Tägen seinen Geist in die Händ seines Schöpfers aufgeben, und wegen seiner Buß in die ewige Freud abgeflogen ist. Spec. Exempl. Tit. Confessio, Ex. 29.


[113] Wie gütig ist doch der grosse GOtt! und wie muß man bekennen, daß er nicht verlange den Tod des Sünders; sonderen daß er sich bekehre, und daß er lebe! wie er selbst hoch betheuret Ezech. 33. solte nicht diese Güte den Sünder bewegen, daß er sich ungesaumt bekehre, und GOttes Langmüthigkeit nicht länger mißbrauche? weißt du nicht (redet der Apostel Paulus Rom. 2. einen jeden Sünder an) daß dich die Gütigkeit GOttes zur Buß anleitet? eben darum, daß GOtt so gütig ist, solle dir das, O Sünder! Anlaß zur Buß geben, und du nichts mehrers bedauren, als daß du einen so gütigen GOtt auch nur einmahl hast därffen schwerlich beleydigen.

33. Exempel
Drey und dreyßigstes Exempel.
Eine verzweiflete Tochter stirbt letztlich vor lauter Reu und Leyd, und fahret von Mund auf in den Himmel.

Es war eine freche Tochter: die hatte sich so weit vergessen, daß sie sich von ihrem eigenen Vatter zu einer Blutschand bereden lassen. Wie ihre Mutter hinter diese greuliche Sünd kommen, thate sie die Tochter mit harten Worten überfahren; nennte sie eine leichtfertige, GOttes, aller Ehr, ja des Gesatzes der Natur selbst vergessene Vettel; mit hinzugesetzter Warnung, sie könne sich wohl vorsehen, daß die Blut-Schand nicht weiter an Tag komme; sonst därfte es sie das Leben kosten. Wie die Tochter gehört, daß ihr Blut-Schand der Mutter unverborgen, nahme sie diesen harten Verweis so übel auf, daß sie auf Gelegenheit gedachte, ihre eigene Mutter durch beygebrachtes Gift aus dem Weeg zu raumen: wie sie es dann auch (O verzweifeltes Mensch!) in kurtzem werckstellig gemacht. Der Vatter, so dazumahlen verreißt war, wie er nach seiner Zuruckkunft von der Tochter verständiget worden, was Gestalten sie der Mutter ab dem Brod geholffen, überfuhre er sie gleichfalls mit scharffen Worten; mit vermelden, wann dieser Mutter-Mord solte auskommen, wurde sie durch einen grausamen Tod hingerichtet werden. Die unglückseelige Tochter, welche nicht gedulden konnte, daß sie einen Verweis über den anderen einnehmen müßte, geriethe hierüber in so verzweifelte Gedancken, daß sie sich entschlosse, auch ihren eigenen Vatter aus dem Weeg zu raumen. Welches sie auch über eine kurtze Zeit ins Werck gesetzt; indem sie einstens dem Vatter in dem Schlaf die Gurgel (erschröcke hierüber, O Jugend! die du dieses lisest, und verfluche die greuliche That) mit einem Messer abgeschnitten. Auf dieses hin nahme sie die Flucht; zoge in fremde Länder; und weil sie schon in die Verzweiflung [114] gerathen, ergab sie sich allem Scham-losen Leben, und gabe dem Teufel ein Netz ab, wordurch er nicht wenig gefangen bekame. Es schickte sich aber auf eine Zeit, daß dieses verzweifelte Mensch Fürwitz hälber in ein Kirchen gieng, da eben der Prediger auf der Cantzel die Barmhertzigkeit GOttes so hoch erhebte, daß er sagte: es könne unter dem gantzen Himmel kein Mensch gefunden werden, so tief in die Sünden und Laster versenckt, daß er nicht noch Hofnung seines Heyls schöpfen könne. Diese Worte giengen der armen Sünderin so tief ins Hertz hinein, daß sie gleich nach der Predig zu dem Prediger hingienge, und ihn mit folgenden Worten anredete. Ehrwürdiger Herr! ist es wahr, was ihr auf der Cantzel von der Barmhert zigkeit GOttes geprediget habt? und als der Prediger solches noch einmahl bestättigte, sagte sie: nun wann deme also, so bitte ich euch, ihr wollet meine Beicht anhören. Er thuts: und nachdem er sie völlig angehört, besinnte er sich eine Zeit lang, was er dieser überaus grossen Sünderin, nach Maaß der Vile und Schwere ihrer Sünden auferlegen müsse. Wie die Sünderin das gemerckt, sagte sie: was ist das? mein Herr! vorhin habt ihr die Barmhertzigkeit über alles erhebt; anjetzo aber scheinet es, als woller ihr an meiner Seelen-Heyl zweiflen. Nein, nein, antwortete der Beicht-Vatter: das geschiehet nicht darum; sondern ich finde zum Heyl deiner Seel für rathsam, daß du dich an statt der Buß, so du wegen deinen Sünden verdient, morgiges Tags in meiner Predig wiederum einfindest. Wie diese Sünderin gehört, daß ihr eine so geringe Buß auferlegt werde, entstunde in ihr eine solche Reu und Leyd, ein solches Seuftzen, und Hertz-Klopfen, daß sie vor lauter Leydwesen den Geist aufgabe. Als der Beicht-Vatter dieses mit Erstaunung gesehen, befahle er sie in das Gebett gewisser Ordens-Leuten in einem Closter. Wie nun diese ins gesamt die göttliche Barmhertzigkeit für die verstorbene Sünderin anruften, da hörten sie eine Stimm vom Himmel herunter, dieses Innhalts: es ist nicht vonnöthen, daß ihr für sie bittet: vil mehr wird sie für euch bitten. Julius Mazarinus in Psal. 50. P.I. Discursu 10.

Wie? ein so grosse Sünderin solte von Mund auf in Himmel kommen seyn? da unterdessen so vilen Ordens-Leuten, nachdem sie vil Jahr in Strengheit des Lebens zugebracht, solche Gnad nicht widerfahrt? also ist es. Die Liebe gegen GOtt, aus welcher die Reu und Leyd über die Sünden erweckt wird, kan so zart, aufrichtig, und heftig seyn, daß sie nicht allein die Schuld, sondern auch die Straf der Sünd auf einmahl, und in einem Augenblick auslöschet. Aber eben das ist eine sonderbare Gnad, und Barmhertzigkeit GOttes, welche vil tausend nicht [115] widerfahrt. Es ist halt, und bleibt wahr, was GOtt selbsten sagt Exodi. 33. Ich will mich erbarmen, über die wen ich will. Gehe es aber wie es wolle, so muß man gleichwohl einen Weeg, wie den anderen mit dem Psalmisten David bekennen: daß die Erbarmnussen GOttes alle seine Werck übertreffen. Psalm. 144.

34. Exempel
Vier und dreyßigstes Exempel.
Einem ungerathenen Sohn entziehet die Bildnuß des schmertzhaften Erlösers das Angesicht; laßt sich aber auf dessen gethane Buß wiederum sehen.

Zu Bononien, eine Stadt in Welschland, war ein adelicher Jüngling, mit Namen Johannes, welchen sein Herr Vatter und Frau Mutter, mit sonderem Fleiß zur Tugend, GOtts-Forcht; beynebens aber auch, seinem Alter gemäß, anständigen freyen Künsten und ritterlichen Ubungen liessen auferziehen. Er nahme auch in der Tugend und Geschicklichkeit also zu, daß sowohl seine Lehr-Meister als liebe Elteren eine hertzliche Freud ob ihme hatten. Wie er nun das achtzehende Jahr erreicht, waren seine Elteren gesinnt, ihne in fremde Länder zu schicken; um darinnen etwas sehen zu können, und mithin kluger zu werden. Allein weil dazumahl in Welschland eine Kriegs-Unruhe entstunde, mußten sie ihn zu Haus behalten Unterdessen ware Johannes aus den untern Schulen getretten, und mithin der Zucht seiner Lehr-Meistern entrunnen. Weilen er nun mehr Freyheit, als vorhin hatte, geschahe es; daß er mit der Zeit in böse Gesellschaft geriethe, und mithin auf einmahl (O des Unglücks! alle Tugend und Frommkeit verluhre. An statt des Studierens gienge er spazieren. Anstart des Bett-Büchleins nahme er in die Hand das Karten-Spiel. Von Sauffen, Tantzen, Springen, und anderen Leichtfertigkeiten hier nichts zu melden Mitlerweil merckten die Elteren, daß es mit ihrem Sohn nicht recht hergienge. Die Lehr-Meister mahnten den Herren Vatter: der Johannes wäre nicht mehr der vorige züchtige, fleißige, eingezogene Jüngling; sondern gantz in ein andere Haut gelschoffen Die Benachbarte kamen auch, und sagten: Herr! gebt acht, euer Sohn hangt an keiner guten Gesellschaft: er sauft und spilt zu vil. Die Frauen kamen auch mit Verwunderung zu der Frau Mutter, sagend: Frau! wie kommt uns eine Zeit her euer Sohn so gar gantz anderst vor! sehet ihm nur selbst in die Augen, wie er aussehe. Man sagt, er lauft diesem und jenem Mägdlein nach. Ist wohl schad für ihn: ist sonst vor disem ein so feiner Knab geweßt. Das war nun denen Elteren ein grosses [116] Hertzen-Leyd. Konten nicht wohl anderst; mußten ihn deswengen zu Red stellen.

Der Herr Vatter fuhre ihn einstens nach dem Tisch unverhoft mit folgenden Worten an: wie ists Bub? was muß ich von dir hören? das sagt man von dir: und das wiederum: und das auch. Sage jetzt her: ists wahr? oder nicht? da ware Feur im Tach. Ja wohl. Er? Das Ding gethan haben? ist mir nie eingefallen. Er schauete mit den Augen gen Himmel; schluge mit der Hand auf den Tisch: der Donner (O Frechheit! O Unverschamkeit eines Sohns vor seinem Vatter!) soll ihn in Boden hinein schlagen: der Teufel (O das war zu grob) in tausend Stück zerreissen, wann er in einem halben Jahr eine Karten hab in der Hand gehabt. O! wußte ich (setzte er hinzu) wer diese verlogene Goschen wäre, die mich also angeschwärtzt hat, ich wollte es ihr gewiß machen, daß sie an mich dencken sollte. Das war grob genug über die Schnur gehauen. Ob ihm sein Herr Vatter wegen dieses gottlosen Fluchens mit einer guten Carbatsch den Buckel abgesalbet habe, ist nicht bekannt. Hat er es nicht gethan, so hat er nicht recht gethan. Aufs wenigst wußte er jetzt aus diesem Polderen seines Sohns, von dem man bis dato so grobes nichts gehört hatte, wie viel es beyläuffig bey ihm geschlagen. Von dieser Zeit an wurd dieser ungerathene Sohn nur immerdar schlimmer. Eines Tags, als sein Herr Vatter, nachdem wiederum viel Klagen eingelossen, mit einem Ernst hinter ihn wollte, dörfte ihm Johannes fein hurtig, wie der verlohrne Sohn in das Gesicht sagen: wann ich euch nicht recht thun kan, so gebt mir mein Erbtheil heraus. Was frag ich (O gottlose Zung, welche verdiente, daß man sie ausschnitte!) nach euch: ich will noch schon ein Ort finden, wo ich lieb und werth seyn wird. Ich sags euch vor: hinter den Ofen, und zur Kunckel lasse ich mich nicht setzen. Wie ihm nun der Herr Vatter wegen solcher unerhörter Frechheit im Reden mit einem Stecken eines und das andere versetzte, hatte es wenig gefehlt, daß der gottlose Sohn sich nicht wehrte, und den Stecken wider den Vatter umkehrte. Der Vatter merckte wohl, daß er mit seinem ungerathenen Sohn in die länge nicht werde gut thun. Stiesse ihn also zum Haus hinaus, und sagte: er soll ihm nur sein Lebtag nicht mehr unter das Gesicht kommen. Zu mehrer Bezeugung seines gefaßten billichen Zorns, befahle er das Studier-Stüblein Johannis so lang dieser Galgen-Strick bey Leben, wie er es verlassen, samt allem, was darinnen, zu verschliessen, und niemand mehr hinein zu führen; weil er auch den Boden, welcher dieses Abendtheur getragen, unwürdig schätzte, daß er von einem eintzigen Menschen mehr sollte betretten werden. Das war aber diesem Bürschlein ein schlechter Possen: lachte seine Elteren nur[117] aus: gienge den geraden Weeg hin, und liesse sich unterhalten. Er zoge hinaus in Krieg, und übte sich nicht allein in denen Sachen, die ein Soldat wissen soll; sondern führte beynebens ein so gottloses verruchtes Leben, daß unter seinem gantzen Regiment keiner zu finden geweßt, der es ihm in der Boßheit gleich gethan hätte. Und in solchem üblen Stand brachte er 15. gantze Jahr zu. Unter welcher Zeit er niemahlen gebeichtet, noch communicieret; ja (was noch mehr ist) nicht ein Vatter unser, oder Ave Maria gebettet hat. Und ob er schon von seinen Officieren und Hauptleuten ziemlich hart gehalten wurde, halfe doch alles nichts. Ja man stellte ihn in denen Scharmützlen mit Fleiß oft zuforderst an die Spitze; nur damit er sollte umkommen: allein es wollte nicht gerathen; und hiesse bey ihm wohl redlich: Unkraut verdirbt nicht. Letztlich wurde der Obrist, unter dessen Regiment er stunde, seiner müd, und stunde in Sorgen, es möchte etwann GOtt wegen dieses Bößwichts das gantze Kriegs-Heer straffen. Rufte ihn derohalben zu sich; gabe ihm einen scharffen Verweis wegen seines gar liederlichen Lebens; zugleich aber wegen anderer Diensten, die er als ein wohl geübter Soldat gethan, ein Stuck Gelt in Sack, und schafte ihn fort, sagend: er solle sein Glück anderwärts suchen.


Wie nun Johannes wiederum der Kriegs-Diensten los war, kame ihn ein Begierd an, sein Vatterland noch einmahl zu sehen, und seine Befreundte zu besuchen. Reisete derohalben den graden Weeg nach Haus, und fande seinen Herrn Vatter und Frau Mutter noch bey Leben. Der nach so langer Abwesenheit unverhofte Anblick verursachte in dem vätterlichen und mütterlichen Hertzen allerhand Bewegungen: und konte der Vatter nicht wohl anderst; weilen ihme villeicht der Johannes zu Füssen gefallen, seine Schuld mit weinenden Augen bekennet: Vatter ich hab gesündiget in Himmel und vor dir. Luc. 15. cap. Und noch über das ein so kräftige Fürsprecherin die Frau Mutter auf seiner Seiten hatte; als daß er ihm sein mildreiches Hertz eröfnete, und mit Hindansetzung seines allzugrossen Verbrechens ihn auf ein neues zu Gnaden thäte annehmen. Wie dann auch geschehen.

Nach Erweisung allerhand Liebs-Zeichen, führte man ihn auf sein Begehren, auch in das Studier-Stüblein: welches,wie oben gemeldt, seithero in die 15. Jahr lang niemahlen eröfnet worden. Da sahe es in der Wahrheit wohl übel bestellt aus. Nichts stunde in der Ordnung; sondern alles hin und wieder zerstreut. Alle Fenster und Winckel hiengen voller Spinnen-Geweb. Auf den Bücheren fande man wohl 2 Finger dick Staub. Mit einem Wort. Es sahe eben alles aus, wie es in einer unaufgeraumten Stuben aussehen soll. Bey dem ersten Eintritt in das Zimmer gabe GOtt dem Johannes alsobald [118] einen guten Gedancken ins Hertz:also recht, mein Luder, sagte er bey sich selbst: da hast du einen schönen Abriß deines Gewissens. Also ists auch mit dir bestellt. Aber noch mehr wurde er getroffen, als er zu seinem Altärlein kame, das er vor diesem noch als ein Knab in denen unteren Schulen mit grosser Freud oft aufgerichtet, und veränderet hatte. Als er nun sehen wollte, wie es allda stunde und sonderbahr nach einem schönen Täfelein, welches die Bildnus des schmertzhaften Erlöser in der dörnenen Cron, Purpur-Mantel, und einem Mos-Rohr in der Hand vorstellte, was emsigers umsahe, zoge man letztlich selbiges unter anderen mit Staub bedeckten Bildern hervor. Johannes vor zarter Neigung wollte alsobald darmit dem Mund zufahren, und es andächtiglich küssen. Aber höre Wunder! Das Bild, nicht anderst, als wann es sich weigerte, noch einmahl einen Judas-Kuß zu empfangen, verschwunde Angesichts aus den Augen, mit Verliehrung der Gestalt und Farben; und bliebe dem Johannes nichts in der Hand, als die Ramsamt der blossen Leinwath. Dieses Miracul erschreckte ihn dermassen, daß er lang vor Forcht und Zitteren kein Wort reden konnte. Desgleichen auch der Herr Vatter, und alle Anwesende gantz erstaunet, sahen einander an, und wußten nicht, was dieses bedeuten sollte. Johannes aber erkennte gar bald, daß solches ein klares Anzeigen des göttlichen Zorns, und seines herbey nahenden Tods wäre. Gienge darauf in sich selbst, fienge an, bitterlich zu seuftzen und zu weinen. Wehe mir Armseeligen! sagte er mit zusammen geschlagenen Händen: wann Christus, mein Heyland das Angesicht von mir abwendet, wo werd ich dann Gnad und Verzeyhung erlangen? hatte auch wenig gefehlt, daß er sich nicht selbst vor Kleinmüthigkeit entleibt hätte. Doch gabe ihm der mildreiche GOtt bey solcher Verwirrung tausenderley Gedancken noch so viel Liecht: er solle einen Geistlichen um Rath fragen. Lieffe also gantz bestürtzt zu einem gelehrten geistreichen Mann aus dem Orden des Heil. Dominici, und erzählte ihm den Verlauf der Sachen. Dieser tröstete und ermahnte ihn gantz liebreich, vor allen Dingen sein Gewissen durch ein kindliche General-Beicht zu reinigen, hernach GOtt durch das heilige Gebett, etliche gewisse Bußwerck, und Leibs-Casteyung zu versöhnen: der sich auch gern versöhnen lassen wurde: als welcher nicht wolle den Tod des Sünders, sondern daß er sich bekehre, und lebe. Alsdann nach geschehener Versöhnung wurde die Bildnus des schmertzhaften Erlösers sich schonwiederum sehenlassē. Johannes folgte dem guten Rath: sperrte sich 3. Tag ein: nahme nichts zu sich, als Wasser und Brod: casteyete seinen Leib mit einem härenen Cilicium: geißlete sich täglich bis auf das Blut: schriebe entzwischen seine General-Beicht zusammen; welche er hernach gemeldtem Pater mit höchster Bitterkeit seiner Seelen, und solcher [119] Reu-Bezeugung gethan, daß es schiene, er wurde vor Schmertzen vergehen. Weilen sich aber die Bildnus des schmertzhaften Erlösers noch nicht sehen liesse, geriethe er noch mehr in Angst, sein Buß möchte umsonst seyn. Er sahe die leere Leinwath der Tafel zum öftern mit weinenden Augen an, schluge die Händ ineinander, und führete folgende, oder dergleichen Klag. So bin ich dann allein der unglückseeligste Mensch von der Welt, von deme GOtt seine Gnaden-Augen abwendet? jener unglückshafte Wanders-Mann, der von Jerusalem aus nach Jericho gangen, und unter die Mörder gefallen, hat einen barmhertzigen Samaritan gefunden, der sich um ihn angenommen, und seine Wunden geheylet hat. Uber den armen Lazarum vor des reichen Manns Hausthür haben sich aufs wenigst die Hund erbarmet, und ihm die Geschwär abgelecket. Der bey dem Schwemm-Teich zu Jerusalem liegende, und 38. Jahr Bethligerige Krancke hat endlich einen Menschen gefunden, der mit ihme Mitleyden getragen: nemlich dich, mein JEsu! der du ihn gesund gemacht hast. Und ich liege nunmehr 15. Jahr lang nichr allein kranck an dem Leib, sonder auch an der Seel, voller grossen Wunden, und heßlichen Geschwär; und finde keinen Menschen, der sich meiner erbarme. Ach des Elends! es hat zwar schon längst der Jüdische Landpfleger Pontius Pilatus dich auf einer Altanen allem Volck vorgestellt, und offentlich ausruffen lassen: sehet! das ist der Mensch, der helffen kan. Wo ist aber dieser Mensch jetzt hin? leider GOtt erbarms! ich siehe ihn nicht mehr. Warum mein JEsu! verbirgest du dein Angesicht? und haltest mich noch für deinen Feind? hab ich doch schon gebeichtet: hab ich doch Buß gethan; und bin willig und bereit, alles dasjenige zu vollbringen, was man mir auferlegen wird. Du fällest wohl ein strenges Urtheil wider mich: und scheint, du wollest mich in den Sünden meiner Jugend lassen zu Grund gehen. Nicht also mein gütigster JEsu! nicht also. Verwirf mich nicht von deinem Angesicht. Mache mir vielmehr die Freud, daß ich wiederum möge anschauen dein Angesicht, und steiffe mich in dem ersten Geist der Unschuld und Tugend: damit ich dich dich mit einem neuen Eyfer wiederum lieben und loben könne in Ewigkeit. O himmlischer Vatter! nur dieses bitte ich mit dem rebellischen Absolon: lasse mich des Königs, deines Sohns JEsu, Angesicht wieder sehen; sonst ist es nicht möglich, daß ich länger leben könne.


In solcher Hertzens-Quaal und Angst lieffe er wiederum hin zu seinem Beicht-Vatter, und klagte ihm sein Noth. Dieser hingegen ermahnte ihn zur Gedult und Beharrlichkeit, vorgebend: es wäre eben nicht so viel [120] an Widerkehrung des Bilds gelegen: vielleicht stecke noch ein Butzen in dem Gewissen, welcher noch nicht heraus wäre, und GOtt ein Mißfallen verursachte. Nach langem examiniren und Ausforschung des Beicht-Vatters kame man endlich auf einen groben Brocken, eine schwere, und bishero noch niemahl in dem Beichtstuhl entdeckte Sünd: dessen dann beyde von Hertzen froh waren, und der Johannes nach empfangener heiligen Absolution gleich darauf eine Leichterung seines Gewissens empfande, nicht anderst, als wann ihm ein Centnerschwerer Stein von der Brust weg wäre. Gleich darauf in dem er vor dem Altar unser lieben Frauen seine auferlegte Buß bettete, und dieser schmertzhaften Mutter, als nach GOtt der grösten Zuflucht der Sünder, das Heil seiner armen Seel inbrünstigst anbefahle, ist er vor Mattigkeit entschlaffen. In dem Schlaf gedunckte ihn, er sähe sein Zimmer gantz schön, sauber, glantzend, und von neuem aufgebutzt, und zugleich auch das so fast verlangte Bild des schmertzhaften Erlösers an seinem vorigen Ort. Worüber er erwacht, voller Freuden und Hofnung schnell nach Haus sich begeben, und seinen Traum wahr zu seyn befunden. Da gabe es dann viel andächtige Küssen ab: da erheiterte sich die Stirn; da glantzten die Augen; da lachten die Wangen; da frolocketen Mund und Händ; da regten sich die Aderen; da wallete das Blut; da sprange vor Freuden das Hertz im Leib auf. Das übrige mag man besser gedencken, als aussprechen. Bald hernach hat er mit Bewilligung seiner Eltern die Welt beurlaubt; ist in den heiligen Prediger-Orden eingetretten; darinnen in strenger Buß noch 3. Jahr gelebt; und, nachdem er von einem langwierigen Fieber gantz ausgemergelt worden, mit allen heiligen Sacramenten wohl versehen, in Beyseyn seines Herrn Vatters, und geistlichen Ordens-Brüdern, mit mehr gesagtem Täfelein in der Hand, welches er nimmermehr von sich lassen wolte, unter viel reuigen Zäheren, und Hertz-brechenden Liebs-Seuftzern zu seinem Erlöser, gottselig entschlaffen. P. Joannes Junior S.J. in Quadragesimali Tom. 2. c. 3. §. 4.


Wie leicht wendet GOtt sein Angesicht wiederum zu dem Sünder, wann dieser nur von gantzem Hertzen sich zu ihm bekehrt; ihn um Verzeihung bittet, und Besserung verspricht! es sagt ja GOtt selbsten zu einem jeden Sünder Jerem. 3. c. Kehre wiederum zu mir, so will ich dich aufnehmen. O was für liebreiche Wort! wie sollen sie dem Sünder ein Hertz machen, sich ohne Verzug zu seinem GOtt und HErrn wiederum zu kehren! und wann das nicht geschihet, wie verstockt muß des Sünders Hertz seyn?

35. Exempel
[121] Fünf und dreyßigstes Exempel.
GOtt verhängt über einen Sohn, daß ihm eben derjenige Fuß, mit welchem er vor vielen Jahren seine leibliche Mutter gestossen, ist abgehauen worden.

Ein Edelmann hatte einen Diener, der ihm viel Jahr fleißig und treulich gedient. Nun truge es sich einstens zu, daß der Edelmann durch einen Wald ritte, bey sich habend einen grossen Seckel mit Geld. Wie er nun tief in Wald hinein kommen, suchte er, ob er den Seckel noch bey sich habe. Als er ihn aber nicht mehr fande, fragte er den Diener, der ihm zu Fuß nachgefolget, ob er nicht etwann den verlohrnen Seckel auf dem Weeg ersehen hätte? Da ihm nun dieser mit Nein geantwortet, geriethe der Edelmann auf den Argwohn, der Diener laugne es darum, damit der gefundene Seckel mit Geld ihm bleiben möchte. Dieser Ursach halber ergrimmte er über ihn; stiege vom Pferd ab; zoge den bey sich habenden Sabel aus, und hiebe damit dem armen Tropfen den einten Fuß ab. Als dieses geschehen, liesse er ihn in seinem Blut liegen; stiege wieder aufs Pferd, und nahme den Weeg durch den Wald zurück; in Hofnung, den verlohrnen Seckel wieder zu finden. Der arme Diener, dem der abgehauene Fuß grosse Schmertzen verursacht, erfüllt mit seinem Geschrey und Wehklagen den gantzen Wald. Wie dieses ein Wald-Bruder, so nicht weit von dem Ort, wo dieses geschehen, eine Clausen hatte, vernommen, lieffe er herbey, und fande den Diener, weil er sich ziemlich verblutet hatte, halb todt. Aus Mitleiden nun bewegt, fragte er den Diener, wie ihme gegangen wäre? Und als er von ihm den gantzen Verlauf vernommen, tröstete er ihn, so gut er konte. Weil aber der Diener so schwach war, daß es schiene, er wurde dahin sterben, ermahnte er ihn zu wahrer Reu und Leid über seine Sünden; wie auch, daß er seinem Herrn die unbarmhertzige That verzeihen wollte: Dann auf solche Weis werde ihm auch GOtt seine Sünden gnädiglich verzeihen. Als nun der Diener zu allem sich willig verstanden, hebte ihn der Wald-Bruder auf, nahme ihn auf den Rucken, und truge ihn in seine Clausen. Allwo er ihm den abgehauenen Fuß verbunden, und mit grosser Lieb abgewartet hat. Mithin konte er nicht fassen, wie doch GOtt habe können zulassen, daß der Edelmann so unbarmhertzig mit dem Diener seye umgangen. Fienge demnach an zu zweiflen, ob GOtt auch gerecht, und vorsichtig seye? Indem er mit diesen Gedancken umgienge, erschiene ihm ein Engel vom Himmel, von dem er auf folgende Weis angeredt worden: Was zweifelst du, ob GOtt gerecht, und vorsichtig seye? Steht es nicht geschrieben: HErr, du bist gerecht; und dein Ur theil ist [122] auch gerecht? Psalm. 118. Das weiß ich wohl, sagte der Wald-Bruder, und habe es oft gelesen. Das kan ich aber nicht fassen, wie diesen armen Diener ein solches Unglück habe treffen können, indem er doch von dem verlohrnen Seckel nichts gesehen, und also unschuldig war. Da sagte der Engel: Hüte dich, zu glauben, als wann der Diener gantz unschuldig gewest; und also das Unglück, so GOtt über ihn verhängt, nicht verdient habe. Dann wisse, daß, als dieser Diener vor vielen Jahren mit seiner Mutter auf einein Wagen gefahren, er selbige mit eben dem Fuß, der ihm jetzt abgehauen ist, vom Wagen herunter gestossen. Weilen er sich nun durch diese Unthat an seiner Mutter über die massen schwerlich versündiget, und aber darüber kein solche Reu, wie seyn sollen, erweckt; so hat GOtt aus gerechtem Urtheil dieses Unglück über ihn verhänget; damit er ihm wegen solcher zeitlichen Straf mit der ewigen verschonen könte. Hingegen hat er aus Barmhertzigkeit zugelassen, daß der Edelmann den verlohrnen Seckel mit Geld nicht mehr gefunden; weilen er solches Geld zu allerhand schweren Sünden wurde mißbraucht haben, und mit der Zeit wäre verdammt worden. Letzlich hat es GOtt geschickt, daß den Seckel mit Geld gefunden hat ein frommer, mithin aber armer Mann, der viel Kin der hatte, und nicht zu erhalten wußte. Dem ist dann dieser Fund wohl zu statten kommen. Dann als er den gefundenen Seckel seinem Pfarrer gebracht, damit von der Cantzel möchte verkündet werden: Wer diesen Seckel verlohren, der könne sich darum bey dem Pfarrer anmelden; mithin aber niemand kame, der eine Anforderung dazu hatte: Gabe der Pfarrer den einten halben Theil von diesem Geld dem frommen, und armen Mann; den anderen aber theilte er unter seine arme Pfarr-Kinder aus.

Wie der Wald-Bruder von dem Engel alle Ursachen der göttlichen Verhängnuß verstanden, erkennte er seinen groben Fehler, und bate GOtt mit weinenden Augen deswegen um Verzeihung. Worüber der Engel ihn mit diesen Worten getröstet: Weil du deinen Fehler erkennest, so wisse, daß dir GOtt selbigen auch gnädiglich verziehen hat. Fahre fort, ihm treulich und beständig zu dienen, so wird er dich auch ewiglich belohnen.


Henricus in Dioptra Exemplorum.


Wir klagen oft, wann uns unversehens ein Unglück auf den Hals kommt, und brechen oft voll der Verwunderung in diese Wort aus: Mein GOtt! wie hab ich doch dieses Unglück verschuldet? Allein wann wir gedencken wollten, wie oft und vielfältig wir gesündiget, und doch nicht Buß gethan, wie wir hätten[123] sollen, so wurde das Klagen, und Verwunderen bald aufhören. Vielmehr wurde mancher mit dem gottlosen König Antiochus sagen müssen: 1. Macb. 6. Jetzt kommt mir zu Gemüth das Uebel, so ich gethan hab. Derowegen erkenne ich, daß mir darum dies grosse Unglück begegnet ist. Ja wohl redlich, du unglückseliger König! da hast du aber sollen Buß thun. Und weil du es nicht gethan, hast du dir selbst den zeitlichen, und ewigen Tod zugezogen. Glückselig diejenige, welche die verdiente Straf der Sünden nicht allein erkennen, sondern auch die Sünden von Hertzen bereuen, und darüber Buß thun.

36. Exempel
Sechs und dreyßigstes Exempel.
Ein königlicher Printz will seinen eigenen Herrn Vatter erschiessen.

Carl, der erstgebohrne Sohn Philippi des Anderen, Königs in Spanien, war von Jugend an von heftiger Natur, und hitzigem Geblüt: Weßwegen er keine Zucht annehmen wollen, sondern vielmehr seinem eigenen Willen, als denen guten Ermahnungen seiner Lehr- und Hofmeistern gefolget hat. Dann als das junge und hitzige Geblüt in ihm begunte aufzuwallen, hat er sich nicht der Zucht und Eingezogenheit, sondern der Vermessenheit; nicht der Keuschheit, sondern der Ungebühr; nicht dem friedlichen Wandel, sondern denen Zanck-Händeln; nicht der Ehrbarkeit, so einem königlichen Printzen wohl anstunde, sondern denen Lastern ergeben. Darum er bey nächtlicher Weil, wie eine gemeine Person, in der königlichen Residentz-Stadt Madrit herum geloffen, jedermann angefallen, und zum schlagen heraus gefordert. Ja nicht allein dieses: sondern, weil in der Stadt eine gewisse Gasse, in welcher kein andere, als unerbare Weibs-Personen, die ihren Leib nur vornehmen Leuten feil gebotten, ihre Wohnung hatten, hat er sich schier alle Nacht in ihre Häuser begeben, und sich mit anderen, so von gleicher Neigung waren, in allem Luder umgewältzet. Wegen welcher Ungebühr aber er nicht allein von dem König, seinem Herrn Vatter, sondern auch aus dessen Befehl von seinen Hofmeistern gezüchtiget worden. Weil nun der Printz vermeinte, unbillig zu seyn, daß ein Sohn eines so mächtigen Königs, wie Philipp ware, sollte wie ein gemeiner Schuler gestraft werden, nahme er es sehr übel auf. Demnach je mehr er von dem Herrn Vatter gestraft wurde, je verbeinter wurde er: Risse allen Zügel der Gebühr ab, und ergabe sich aller Leichtfertigkeit. Als er aber darum noch öfters, und schärfer von dem Herrn Vatter gestraft worden, hat er einen solchen Haß und Widerwillen wider denselben bekommen, daß er ihm, wie ein anderer Absalon dem David, nach dem Leben [124] getrachtet: Damit er also frey und ungebunden seinen bösen Begierden nachhängen konte. Also dann hat er heimlich und offentlich angefangen, seinen Herrn Vatter zu verachten; von ihm übel zu reden, als wäre er des Reichs unwürdig; und mithin alles zu thun, was dem königlichen Ansehen zuwider laufte. Einsmahls hat es sich begeben, daß die Fürsten und Vornehmste des königlichen Hofs ein schönes Buch vor sich hatten, in welchem die herrliche Thaten Carls des Fünften, seines Anherrens, verzeichnet und enthalten waren. Als nun der Printz dazu kame, fragte er, was sie da für ein Buch hätten? Diese reichten ihm so gleich mit aller Reverentz das Buch, und sagten, er solle ihm belieben lassen, selbiges zu lesen. Das thate der Printz: Und nachdem er selbiges durchblättert, und alles gelobt, was darinn enthalten war, gienge er davon, vermeinend, jetzt hätte er nunmehr die Gelegenheit bekommen, seinen Herrn Vatter recht zu schimpfiren, und ihn bey diesen Herren verächtlich zu machen. Demnach liesse er ein anders Buch verfertigen, so weit schöner und köstlicher eingebunden, als das vorige, so ihme von denen Herren überreicht worden; in welchem aber gar nichts geschrieben; sondern lauter leere und weisse Blätter waren. Mit diesem Buch setzte er sich mitten in den königlichen Pallast; und nachdem er solches lang durchblättert, überreichte er es denen Fürsten und Herren, so gegenwärtig waren, fragend; was sie gedunckte von diesem Buch? Sie antworteten: Dem Ansehen nach seye es schön, und köstlich eingebunden. Hierauf bate der Printz, sie wollten es aufthun, und sehen, was darinn geschrieben und enthalten wär? Als sie solches gethan, und das Buch lang durchblättert, mithin aber nichts, als das leere und weisse Pappier darinn gefunden, sagten sie:Durchleuchtigster Printz! wir finden in diesem Buch nicht ein Buchstaben geschrieben. Ihr habt recht, sagte der Printz! Das seynd die herrliche Thaten meines Vatters: Nichts ist, was er gethan hat. Lasset mich einmahl zur Regierung kom men; ich will es weit anderst machen. Ueber diese ungebührliche Red des Sohns wider seinen Vatter erstaunten die Fürsten und Herren dergestalten, daß sie kein Wort mehr geredt. Nahmen aber daraus klärlich ab, dieser Printz därfte mit der Zeit entweders dem Reich entsetzlich schaden; oder aber ein unglückseliges End nehmen. Dann wer seinen Vatter verspottet, der wird von GOtt wie der Cham, vermaledeyt, und eilet seinem Untergang zu. Das hat sich auch bald geäussert. Dann weil der Printz wegen seiner unanständigen Aufführung von seinem Herrn Vatter immerzu mit Worten gestraft, und zuschanden gemacht wurde, machte er mit denen Türckischen Gesandten (O verzweifelte Entschliessung!) so dazumahl an dem königlichen Hof zu Madrit waren, eine heimliche Freundschaft; damit selbige ihnen möchten lassen angelegen seyn, den [125] Türckischen Sultan wider seinen Herrn Vatter, den König zu verhetzen: Der ihn dann mit Krieg überziehen, vom Thron verstossen; und herentgegen ihm, dem Printzen, darauf helfen sollte. Es haben es auch die Gesandte zu thun nicht unterlassen, und die Sach so weit gebracht, daß der Türckische Sultan den Printzen nicht allein alles Beystands versichert; sondern ihm auch seine eigene Tochter zur Ehe versprochen hat. Allein, weil der Printz besorget, das Glück därfte ihm vielleicht zuwider seyn, und nichts aus der Sach werden, spannete er alle seine Sinn und Gedancken an, wie er den Vatter möchte aus dem Weeg raumen. Demnach gienge er auf einen gewissen Tag, da der König wegen Schwachheit des Leibs zu Beth lage, mit 2. geladenen Feuer-Rohren, die er unter denen Kleidern verborgen hatte, zu dem Vatter für das Beth hin, sich stellend, als hätte er etwas vorzubringen; nahme aber unversehens das einte geladene Rohr herfür, und wollte schon Feuer auf den Vatter geben; mit dieser gottlosen Stimm aufruffend: Nun must du mir sterben: Weil du dich so oft mir widersetzet hast. Auf diese Stimm ist gleich die königliche Wacht herzu geloffen, und hat den Schuß verhindert. Der König gantz erdattert, rufte überlaut: Du Gottloser! was fangst du an? Leibwacht! geschwind! ergreiffe ihn, und führe ihn weg aus meinem Angesicht in die Verwahrung. Also wurde der elende Printz ergriffen, gefangen genommen, und in Verwahrung geführt. Das gantze königliche Haus war über diese unerhörte That bestürtzt; und die Stadt mit Schrecken und Traurigkeit angefüllt über diesen entsetzlichen Anschlag, so der königliche Printz wider seinen eigenen Herrn Vatter hat wollen ausführen. Die Fürsten, und Vornehmste des Reichs hatten sich zwar unterstanden, den Vatter zu versöhnen, für den Sohn um Verzeihung zu bitten, und für sein Leben anzuhalten; allein der fromme König gabe ihnen kein Antwort, sondern erhebte seine Zäher-volle Augen, und Händ gen Himmel, und sagte:


»O unsterblicher GOtt! soll ein solches Laster in meinem königlichen Haus vorgenommen werden? Soll diese Unthat von königlichem Geblüt geschehen? Soll dieses von dem Haus Oesterreich gehört werden? Soll man diese Missethat in meinem so Catholischen Reich gedulten? Soll ein so schröcklich gesuchter Vatter-Mord ohne gebührende, und exemplarische Straf übersehen werden? Wann einer aus dem gemeinen Volck sich an der Person des Königs vergreift, wird er ein Vatter-Mörder genennt, und grausamlich getödtet; seine gantze Nachkommenschaft auf ewig verbannisirt; aller Ehr und Gütern beraubet: Und soll der Sohn des Königs ungestraft hingehen? Hast du nicht selbst gesagt, gerechtester GOtt! wer seinen Vatter maledeyen wird, soll des Tods sterben? Was muß man dann dem [126] jenigen thun, der seinen Vatter hat ermorden wollen? Wie kan mein Reich bestehen, wann ich des Allerhöchsten Königs, durch welchen alle König regieren, sein Befehl übertrette, um der Liebe meines ungerathenen Sohns willen? Es wird mein Reich untergehen, und zerstöhret werden, wann ich den Befehl des Allerhöchsten, und himmlischen Königs nicht vollziehe. Damit dann dieses nicht geschehe, so nehmet hin diesen Gottlosen, und übergebt ihn (wie GOtt befihlt) denen Richtern, auf daß er sei nen wohl verdienten Lohn empfange; mithin alles Uebel von mir, und meinem Reich abgewendet werde: Damit GOttes Zorn nicht über mich ausbreche; und alles Volck, so dieses hören wird, darüber erschrecke: Mithin nicht ein jeder Rebell angefrischt werde, sich wider seinen rechtmäßigen König und Herrn aufzulehnen; oder ein ungerathener Sohn wider seine selbst eigene Elteren eine solche Unthat und Lasterstuck zu begehen.«


Dieses geredt, gabe der König denen Blut-Richtern Befehl, seinem Sohn das Urtheil zu fällen, und ihn nach allen Rechten abzustraffen. Doch ist auf Bitten und Anhalten der Fürsten, und Vornehmsten des Reichs das Urtheil gemiltert, und der Printz nicht offentlich, sondern in einem Zimmer in ein warmes Wasser gesetzt, ihme die Ader am Fuß gelassen; und also, nachdem er sich verblutet, getödt worden.


Ex Relatione Henrici Doerganck impressa Coloniæ 1614.


Aus dieser entsetzlichen Begebenheit siehet man klar, wie tief die Kinder fallen können, wann sie nichts um die Eltern geben; und bey ihnen weder Wort, noch Streich etwas verfangen wollen. Dann da ziehet GOtt endlich die Hand von ihnen ab, und überlaßt sie ihren ungezäumten Begierden. Wann aber das geschiehet, was kan man von ihnen erwarten? Nichts, als alles Böses. O wie viel hat man traurige Exempel! und O daß die Jugend sich daran spiegelte! wann sie verständig wär, wurde sie nicht allein die Eltern wegen gebrauchter Straf nicht anfeinden, sondern ihnen noch darum dancken: Dann solche Straf ziehet die Kinder vom Bösen ab; macht sie behutsam; und treibt sie an zum Guten: Welches lauter gute Früchten seynd. Darum sagt der weise Salomon in seinen Sprüchwörtern am 12. Capitul: Wer die Straf hasset, der ist nicht weis. Das ist aber der Jugend kein Ehr: Laut dessen was gedachter Salomon abermahl sagt in denen angezogenen Sprüch-Wörtern am 13. Capitul: Schmach kommt über den der sich der Züchtigung entziehet: Wer aber die Straf willig annimmet, der wird zu Ehren kommen.

37. Exempel
[127] Sieben und dreyßigstes Exempel.
Ein Sohn ermordet aus Rachgierd seinen leiblichen Vatter.

In Hispanien war ein Student, welcher dem Studieren nicht unfleißig oblage. Nachdem er die untere Schulen zu End gebracht, und mithin die Eitelkeit und Gefahr des weltlichen Lebens zu Gemüth geführet fassete er den Schluß, in einen geistlichen Ordens-Stand einzutretten; um darinn GOtt zu dienen, und dem Heil seiner Seel mit grösserer Sicherheit obzuligen. Er haltet demnach, ohne Wissen seiner Elteren, die sehr vermöglich waren, in einem gewissen Closter an; wird von dasigem Convent aufgenommen, und mit ihm das Probier-Jahr angefangen. So bald die Elteren dessen verständiget worden, da ist nicht zu sagen, was sie für einen Lermen angefangen. Dann weil dieser Sohn ihr eintziges Kind war, lieffen sie dem Closter zu, und wollten ihn mit Gewalt heraus haben. Weilen sie aber von dem Obern des Closters wegen ihrer ungestümmen Manier bestraft worden, verlangten sie wenigst, mit dem Sohn sprechen zu können: Welches ihnen endlich erlaubt worden. Kaum hatten sie den Sohn ersehen, da fiele ihm einer Seits die Mutter um den Hals; weinete, und bathe ihn, er wollte sie doch nicht verlassen; sondern mit ihr in die Welt zuruck kehren: Der Vatter aber redete ihm folgender massen zu: »Was ist das? Mein Sohn! was hast du angestellt? Wie hast du dich, ohne unser Wissen, mögen in ein Closter begeben? Gedenckst du nicht, daß du unser eintziges Kind seyest? Wolltest du uns, da wir nunmehr alt seynd, verlassen? In Kummer und Betrübnuß setzen? Und uns denjenigen Stab, auf welchen sich unser Alter zu lehnen die Hofnung gemacht, entziehen? Gedencke doch, was du thust, mit was Lieb und Sorg wir dich erzogen; was Mittel wir erhauset; was für schöne Güter vorhanden seyen. Wem werden wir dieses alles hinterlassen, wann du im Closter bleiben solltest? Wer wird unseren Stammen und Geschlecht fortsetzen? Wer in der letzten Kranckheit uns Hilf leisten? Wer im Tod-Beth die Augen zuschliessen? Zu dem Was willst du dich inner die Mauren eines Closters verschliessen? Warum mit Betten, Fasten und Wachen dich abmerglen? Warum dir selbst das Leben abkürtzen? Da du hingegen in der Welt den freyen Luft hättest, und dir allerhand Kommlichkeiten verschaffen köntest? Absonderlich, weilen Mittel genug vorhanden seynd? Wahrhaftig: Wer dieses alles nicht achtet; wer es in Wind schlagt, der ist nicht recht bey Sinnen. Hoffe [128] also, du werdest deinen Verstand brauchen, und mit mir nach Haus kehren.«

Ach! was für eine schädliche Würckung hatte nicht diese Red bey dem Sohn! dann siehe! er liesse sich alsobald erweichen; zoge das Ordens-Kleid aus; vertauschte es mit dem vorigen; und kehrte also in seiner Elteren Haus zuruck. Da stunde es aber nicht lang an, so verheyrathete er sich, ohne die Elteren um Rath zu fragen, mit einer jungen Tochter; die ihm aber ausser der schönen Gestalt, mit welcher sie begabt war, nichts zugebracht; beynebens auch von geringem Herkommen geweßt. Das verdrosse nun die Elteren (besonders den Vatter) nicht wenig. Allein, was wolte er machen? die Ehe war schon vollzogen. Er unterliesse aber nicht, seinen Verdruß so wohl gegen dem Sohn, als der Sohns-Frau an Tag zu geben; indem er gegen ihnen immer zu saure Gesichter machte, und weder dem einen, noch anderen jemahl ein gutes Wort gabe. Das brachte nun den Sohn dergestalten in den Harnisch, daß er auf Mittel und Weeg gedachte, wie er sich des alten Gruntzers möchte loß machen. Was? (sagte er) Ist das der Danck, daß ich dem Alten zu Gefallen aus dem Closter in die Welt zuruck gekehrt bin? Soll ich mich von ihm so weit scheren lassen, daß ich nicht einmahl ein gutes Gesicht, will geschweigen ein gutes Wort von ihm bekomme? Ist das ein Manier von einem Vatter gegen seinem eintzigen Sohn? Hatte ich das vorgesehn, wär ich im Closter geblieben. O wie übel hab ich gethan, daß ich mehr ihm, als GOtt gefallen wol len! Allein es ist schon geschehen. Was soll ich aber anfangen? Soll ich es also gelten lassen? Soll ich und meine Liebste noch länger von ihm also geplagt werden? Sollen wir ihm ein Freud machen, wann er siehet, daß er uns das Leben verbitteren könne? Nein, gewißlich nicht. Seye er versichert: ich will schon Mittel und Weeg finden, wordurch uns beyden Ruhe geschaft werde. Unterdessen liesse er sich nichts mercken, sondern wartete nur, bis sich eine Gelegenheit herfür thäte, seine Rach wider den Vatter auszuführen: Welche auch bald erfolget; und das auf ein Weis, wie jetzt soll erzählt werden.


Es hatte der Vatter ausser der Stadt, in welcher er zu wohnen pflegte, einen Meyerhof. Auf diesen ritte er nun einstens hinaus; entweders, frischen Luft zu schöpfen; oder zu sehen, wie sein Lehen-Mann, den er allda hatte, haushalte, und dem Meyerhof vorstehe. Da bediente sich der Sohn dieser Gelegenheit; eilte dem Vatter heimlich nach; und nachdem er ihn mitten auf dem Feld angetroffen, rufte er mit lauter und trotziger Stimm: Halt still, du alter Gruntzer! und steige bälder als bald vom Pferd herunter. Der Vatter erschracke heftig; wendete sich um; und als er gesehen, daß sein eigner [129] Sohn mit blossem Degen in der Hand auf ihn zulauffe, konte er Anfangs vor Schröcken und Erstaunung kein Wort reden. Dann er merckte wohl, daß sein Sohn nichts Gutes im Sinn hätte. Als er sich aber aus dem Schröcken erholet, sagte er zu ihm: Was ist das? Mein Sohn! (wann du doch verdienest, daß ich dich meinen Sohn nenne?) Was fangst du an? oder was hast du im Sinn? wie? solle ein Sohn mit blossem Degen auf seinen leiblichen Vatter zu lauffen? ihn so trotzig anschreien? ja so gar heissen vom Pferd absteigen? was ist das für eine unerhörte Gottlosigkeit? Der Sohn antwortete: Du hast es schon gehört: Alsobald steige ab; oder ich will dich schon lehren. Wie? sagte der Vatter: Du mich lehren vom Pferd absteigen? du Gottloser! soll ein Sohn also zu seinem Vatter reden? O Himmel! was für eine Straf verdient nicht diese Frevel-Red: Allein der Sohn kehrte sich nichts an diesen Verweis: sondern risse den Vatter mit Gewalt vom Pferd, und warfe ihn zu Boden. Wie der Vatter dieses Tractament (über welches Himmel und Erden sich entsetzen solle) von seinem Sohn erfahren müssen, bathe er ihn, er wolte doch nichts weiters vornehmen. Allein der Sohn antwortete: Was ich mir vorgenommen, das muß nun vollzogen werden. Es seynd allbereits etliche Jahr verstrichen, als du minch aus dem Closter gezogen. Das war freylich eine Sach, über welche du dir hättest sollen ein Gewissen machen. Allein, da war dir wenig daran gelegen, was GOtt dazu sagen, und wie es mir der Seel nach gehen wurde. Weilen nun darzu kommt, daß ich bishero kein gutes Gesicht, will geschweigen ein gutes Wort von dir bekommen können; und du mich also um Seel und Leib hast bringen wollen, wie solte ich dir anjetzo verschonen? wie solte ich Mitleiden mit dir haben können? Nein: jetzt sollest du den Rest haben; damit ich deiner einmahl abkomme. Dieses geredt, stiesse er (O Papier! werde schamroth über diese greuliche That) dem Vatter den Degen gantz unbarmhertzig in den Leib, und liesse ihn in seinem eigenen Blut verzapplen. Weil er nun glaubte, es hätte die Mordthat Niemand gesehen, liesse er den Leichnam gleichwohl an der offenen Straß liegen; er aber machte sich davon, und nahme seinen Weeg wiederum nach Haus.


Allein, wie gienge es weiters? Den anderen Tag, als dieser greuliche Vatter-Mord geschehen, kame das Gerücht in der Stadt aus, es wäre in dem Feld draussen ein Burger umgebracht worden, dessen Leichnam annoch in seinem Blut liege: wer aber der Thäter wäre, könne man nicht wissen. Da solte man gesehen haben, wie der Sohn in Anhörung dieser Zeitung die Händ in einander geschlagen; wie er geweint; wie er lamentirt. Ach! sagte er: Mein liebster Vatter! wel cher [130] grausame Mörder hat dir das Leben genommen? welcher hat seine Händ mit deinem Blut gefärbet? Ach! könnte ich dir das Leben wiederum geben, wie gern wolte ich das meinige darfür aufsetzen! aufs wenigst werd ich nicht nachlassen, bis man den Möder wird erfragt, und dein Blut mit seinem Tod gerochen haben. Dieses geredt, nahme er den geraden Weeg zu der hohen Obrigkeit, und bathe, man wolte doch scharf nachfragen lassen, durch wen diese Mordthat wäre begangen worden? was die Unkösten darüber belange, wolle er selbige alle aushalten. Nun liesse die hohe Obrigkeit ihr die Sach angelegen seyn, etwelche Tag scharf nachfragen; konte aber mehr nicht innen werden, als, daß ein Schaaf-Hirt vorhanden seye, welcher sich vernehmen lassen, was gestalten er vor etlich Tagen auf dem Feld von weitem ihrer zwey gesehen, welche einen scharfen Zanck-Handel mit einander gehabt; doch habe er nicht verstehen können, was es antreffe. Als diser aber eine Zeitlang gewähret, habe er gesehen, daß einer davon geloffen, der einen blauen Mantel, und rothen Rock angehabt: und wann ihn die Augen nich betrogen, von mittelmässiger Statur geweßt seye: mehr könne er nicht sagen. Wie die Obrigkeit das gehört, schöpfte sie einen starcken Argwohn, der Sohn selbsten müsse den Vatter-Mord begangen haben: Dann die Beschreibung seiner Person traffe just ein. Zudem ware bekannt, daß er eine Zeitlang vorher mit dem Vatter nicht wohl gestanden. Damit man aber behutsam in die Sach gienge, liesse die Obrigkeit die Haus-Genossen des Sohns vor sich kommen, und fragte sie aus, ob der Sohn um die Zeit, da die Mordthat begangen worden, zu Haus geweßt; oder nicht? Und als diese mit Nein geantwortet; und noch dazu gesetzt, daß er am Tag des begangenen Mords erst um sechs Uhr gegen Abends nach Haus kommen; und zwar im Angesicht gantz verwirrt, und mit vielem Schweis überrunnen; also, daß er selbige Nacht mit Niemand im Haus ein Wort geredt: Berufte die Obrigkeit auch den Sohn herbey, und sagte ihm; wie daß viel und heftige Anzeigen vorhanden wären, er selbsten, und kein anderer, müsse der Vatter-Mörder seyn. Wie der Sohn das gehört, erbleichte er im Angesicht; fienge an zu zitteren, und konte vor Schröcken kein Antwort darauf geben. Als er nun von sich selbsten überwiesen zu seyn schiene, liesse ihn die Obrigkeit in die Gefängnuß werfen: Da sie ihm dann den Proceß gemacht, und das Urtheil gefällt, daß er nach uralter Gewohnheit, als ein Vatter-Mörder, lebendig, samt einer Schlangen und Güggel solte in einen ledernen Sack eingenehet, und in das Wasser versenckt werden. Allein, weil eine ansehnliche Freundschaft darfür gebetten, ist das Urtheil in etwas gemildert, und er auf ein andere, wiewohl nach dem Verbrechen gemessene Weis hingericht worden. Wo aber nicht auszulassen, was [131] Gestalten er im Ausführen auf den Richt-Platz allen Kinderen beweglich zugesprochen, sie solten sich an ihm spieglen, und wohl hüten, daß, wann sie einen starcken, und stets anhaltenden innerlichen Antrib spürten, GOtt in einem Ordens-Stand zu dienen, sie sich von den Elteren davon nicht sollen lassen abwendig machen; und noch vil weniger den einmahl angetrettenen Ordens-Stand, den Elteren zu Lieb, verlassen: wann sie nicht wollen, daß so wohl die Elteren, als sie von GOtt empfindlich gestraft werden: Wie dann das traurige Spectacul davon vor Augen wäre.

Bidermann S.J. Acroamatum lib. 1. Acroamate. 4.


Was für ein erschröckliches Exempel ist dieses! und wie unverantwortlich ist es, wann die Eltern ihre Kinder, die sie doch von GOtt nur Pfand-weis bekommen, seinem Dienst entziehen; ungeachtet die Kinder genugsame Zeichen ihres Berufs in einen Ordens-Stand haben! sollen die Elteren nicht froh seyn, wann sie ein Kind in einem Closter haben? Erstlich; weil es anstatt ihrer GOtt den HErrn Tag und Nacht lobet, und ihm dienet: ja auch wohl des Nächsten Heyl befördert Andertens: weil es ja im Closter mit mehrer Sicherheit seiner selbst eigenen Seelen Heil würckt, als wann es in der Welt wäre. Drittens: weil es mehr für die Elteren bettet im geistlichen, als weltlichen Stand. Seynd das nicht solche Ursachen, durch welche die Elteren sollen bewegt werden, einem Kind, welches scheint in einen Ordens-Stand beruffen zu seyn, mit Händ und Füssen darein zu helffen? So, glaub ich, werden alle Verständige darfür halten. GOtt gebe! daß es ihnen die Elteren lassen eingehen. O wie vielem Unheyl können sie vorbiegen! herentgegen, zu wie vilem Guten helffen!

38. Exempel
Acht und dreyßigstes Exempel.
Nach dem Tod eines zwar adelichen, aber der Unzucht ergebenen Jünglings, laßt sich ob seinem Grab sehen ein erschreckliches Gespenst.

In Welschland war ein von Stammen und Geschlecht zwar hochadelicher Jüngling; mithin aber schandlicher Sclav seiner Begierden, und ein Leibeigner der Unzucht. Als dieser einstens eine nicht allein mit Schönheit, sondern auch Tugend, Zucht und Ehrbarkeit gezierte, und über das mit dem Gelübd der Keuschheit gegen GOtt verbundene Jungfrau auf der Gassen angetroffen, und etwas stärckers ins Gesicht gefaßt, da sie ungefehr mit einem Bett-Buch unter dem Armb, aber villeicht nicht [132] mit genugsam unterschlagenen Augen in die Kirchen gienge, wurde er gleich mit unzimlicher Lieb gegen ihr gefangen, und traffe an ihren hell-leuchtenden Augen zwey Irr-Stern an, durch deren Glantz seine Vernunft und Zucht bald zu Grund gangen, und in den Wellen unreiner Begierden ersoffen seynd. Dann ob er schon sonst ein gantzes Jahr in kein Meß und Predig kame, fande er sich doch in derjenigen Kirchen zum öftern ein, wohin er wußte, daß sein Holderstock zu gehen pflegte; und stellte sich mit Fleiß an ein solches Ort, wo er seinen fleischlichen Augen ein erwünschte Weyd könte anrichten, und anderer seiner schändlichen Lüsten pflegen; ohne daß ein eintziges mahl umschauete, ob nicht der Teufel hinter ihm stunde, und ein gantzes Schreib-Täfelein voller Tod-Sünden aufzeignete. Von dieser Zeit an gienge ihm diese Jungfrau je länger, je mehr ein. Er laurete ihr so lang auf, und liesse ehender nicht nach, bis er sie letztlich (weiß nicht, mit was Gelegenheit) an einem Ort ihrer Behausung allein erwischt hat. Die keusche Jungfrau bey seinem ersten Anblick wolte gleich die Flucht nehmen: er aber gestattete ihr solches nicht; sondern trohete ihr den Tod, wann sie nicht an der Stell halten, oder mit einigem Schrey sich wurde vernehmen lassen. Fienge alsdann an, sein unziemliches Verlangen vorzubringen. Sie aber widersetzte sich dapfer, und erinnerte ihn, wie daß sie durch das Gelübd der Keuschheit verbunden, ohne GOttes-rauberische Untreu darwider nicht handlen könte, noch wolte. Weil aber dieses nichts verfienge, ersahe sie in ihren Aengsten in dem Zimmer ein andächtiges Unser Lieben Frauen-Bild; deutete mit dem Finger darauf, und sagte mit weynenden Augen:Ich bitte dich durch diese Allerreiniste Jungfrau, du wollest mir ihr etwegen verschonen: Widrigenfalls sollest du wissen, daß diese Jungfrau, unter dero Schutz ich lebe, diese Schmach nicht werde ungerochen lassen hingehen. Allein der vor Geilheit brinnende Jüngling lachte darzu, und sprache Gottslästerischer weis: Und wer ist dann diese gewaltige Jungfrau, welche also zur Rach geneigt ist, und mir ein solche Reu einjagen wird? Dieses geredt, brauchte er Gewalt und beraubte die Jungfrau ihrer Ehr. Der Jüngling hatte nunmehr seiner Begierd ein Genügen gethan, und achtete es wenig, daß er neben begangenem gottsrauberischen Gewalt noch über das die alerseeligste Mutter GOttes gelästert hatte. Aber GOtt, welcher die Ehr seiner Heiligen jederzeit zu verfechten pflegt, hat auch diesen doppelten Frevel alsobald gerochen. Dann kaum war der Jüngling nach Haus kommen, da fiele er Stein todt nieder, ohne eintziges Zeichen der Reu; ohne Empfahung der Heil. Sacramenten. Wie die Seel werde gefahren seyn, ist leicht zu erachten. Die hochansehnliche Freundschaft, welche grosses [133] Leyd-Weesen über diesen traurigen Fall bezeugte, liesse den Leichnam in der Kirchen der Cappuciner beysetzen; welche aus guthertziger Meynung, und weil sie nichts um das wußten, was fürübergangen, den Verstorbenen nach Catholischen Brauch zur Erden bestättigten. Gleich die erste Nacht der Begräbnuß, als ein frommer Pater um die Metten-Zeit etwas frühers in die Kirchen kame, erblickte er ob dem Grab des verstorbenen Jünglings ein erschröckliches Gespenst; darob er sich dermassen entsetzte, daß er schier in eine Ohnmacht gefallen. Wie er sich aber wieder etwas erholet, lieffe er eylends zu dem Pater Guardian hin, und erzählte, was ihm eben jetzt für ein Abentheuer aufgestossen, erbotte sich doch beynebens, wann er ihm solches unter dem Gehorsam befehlen wolte, wieder umzukehren, und das Gespenst zu beschwören. Der Guardian laßt noch etliche aus denen älteren zu sich beruffen, und berathschlagte sich mit ihnen, was zu thun wäre? Sie befinden des gedachten Paters Anerbieten für gut: gehen darauf, nachdem sie sich mit geweyhten Kertzen, und Heiligthümern wohl versehen, samt ihme hin, und finden ebenfalls das oben beschriebene erschröckliche ungeheure Thier auf dem Grab. Der Pater hebt die Beschwörung an: Worauf sich das Gespenst bewegt; die Gestalt verändert; bald wie ein geschüppete gesprengelte Schlang sich ineinander gewickelt; bald wie ein Drach Feur ausgespyen, und endlich folgender Gestalten zu reden angefangen hat. Ich bin der Geist des allda begrabenen Jünglings: wegen eines gebrauchten gottsräuberischen Nothzwangs gegen einer mit dem Gelübd der Keuschheit verbundenen Jungfrau; und ausgestossenen Gottslästerung wider die GOttes Gebährerin immer und ewig verdammt. Mein Leib ist von denen Teuflen auch schon aus diesem Grab weggeführet, und neben dem reichen Mann in der Höllen vergraben worden. Wann ihr das Grab werdet eröffnen, so wer det ihr meine Wort wahr finden. Und mit diesem ist das Gespenst verschwunden. Die Patres alle ertattert, sahen einander an, und erwegten villeicht bey sich selbst, wie so gar anderst die Urtheil GOttes, und der Menschen beschaffen wären. Diesen Jüngling hatte man für einen frommen Menschen angesehen, Mitleyden mit ihme getragen, und den blinden Tod einer Tyranney beschuldiget, daß er ohne eintziges Absehen auf das hoch-adeliche Geschlecht, und junge Jahr, einen von allen schönen Gaaben der Natur, und des Glücks gezierten Jüngling in der besten Blühe seines Alters also tölpisch und bäurisch hinweg geraffet: Da er doch vor denen Augen GOttes eine stinckende, und nur mit Schnee bedeckte Mistlachen der greulichsten Sünden und Lastern gewesen; den nunmehr GOtt, als seinen abgesagtisten Feind, auf ewig verworffen, und der Teuffel in seinen Klauen hatte.

[134] Unterdessen ward bey denen Patres beschlossen, das Grab zu eröfnen. Kaum aber hatte man oben her von der Erden etwas wenigs hinweg gescharret, da gienge ein so unleidentlicher Gestanck heraus, daß etliche mit Verhebung der Nasen sich in die Flucht begaben. Letztlich wurde doch der höltzerne Sarch heraus gebracht; sahe aber gantz kohlschwartz und verbrennt aus, also, daß Niemand zweiflen konnte, daß ihn die Händ der kohlschwartzen Teuflen berührt hätten. Als man den Deckel hinweg ruckte, und nach dem todten Aas umsahe, war keines vorhanden; sondern auf ein neues fuhre ein unerträglicher Gestanck heraus. Und weil man kein ehrliches Orth für ein solches faules Aas finden konnte, wurde es endlich (mit Gunst zu melden) auf den Mist hinaus geworffen. Siehe aber Wunder! zu mehrer Bekräftigung, daß denen höllischen Raub-Vöglen das in dem Sarg liegende Luder über die massen wohl müsse geschmeckt haben, flogen alsobald vier schwartze Raben herzu, welche Zweifels ohne vier verstellte Teufel waren, zerrissen und zerbissen mit ihrem Schnabel die Todten-Bahr, und verschluckten ein abgepicktes Stücklein nach dem anderen, bis nach kurtzer Zeit kein Schifer mehr davon überblieben: Worauf sie, als von einer guten Mastung wohl ersättiget, davon geflogen.Theoph. Raynaudus in Prato spirituali. Historia 85.


O Augen! oder besser zu sagen: O Schrofen! an welche schon so oft das Schif (ich will sagen, das Hertz) eines jungen Menschens getrieben worden: wo hernach die Keuschheit gescheitert, und ein solcher an Leib und Seel jämmerlich zu Grund gangen. O verschreyte Schrofen! wann wird man euch fliehen? Wann man nemlich von fürwitzigem Anschauen fremder Gestalten sich enthalten wird. Die Augen seynd Liechter; ist wahr: aber Irrliechter, die das menschliche Hertz verführen, und ins Verderben bringen. Darum warnet Christus Matth. am 5. Capitul einen jeden Menschen mit diesen Worten: Wann dich dein Aug ärgert (das ist: zur Sünd anreitzt) so reisse es aus (er will sagen: hüte dich vor fürwitzigem Anschauen fremder Gestalt) dann es ist dir besser, daß eins von deinen Gliederen verderbe, als daß dein gantzer Leib in die Höll geworffen werde. Nemlich, fremde Gestalt dringt leicht durch die Augen, und durch diese in das Hertz hinein: aber man bringt sie sobald nicht mehr daraus. Die Erfahrnus gibt (leider!) davon Zeugnus über Zeugnus.

39. Exempel
[135] Neun und dreyßigstes Exempel.
Ein Adeliches Fräulein verübt an einem welschen Baron, der ihren Liebsten umbringen lassen, eine grausame Rach; bringt sich aber darauf selbst auf eine gantz verzweifelte Art um das Leben.

Zur Zeit der Regierung Heinrichs, des Vierten befande sich in Franckreich eine Hoch-Adeliche Familie, so auf einem Schloß wohnte. Dieses lage an einem Schiffreichen Wasser: hatte auf einer Seiten, ohngefehr eine halbe Stund weit davon, ein schattächtigen Wald; auf der anderen schöne Fischereyen, Wayd-Werck, Gärten, Matten, Wisen, und was dergleichen Lustbarkeiten mehr waren, deren die Edelleut in stiller Ruh ausser den Städten auf ihren Güteren geniessen. Ueber alle Ergötzlichkeit aber ist gewesen Flora, ein eintzige liebe Tochter, und Erbin grosser Schätz und Reichthumen, welche nach dem Hintritt ihrer Eltern, heut oder morgen auf sie warteten. Dieser Augen-Trost des Herren Vatters, und der Frau Mutter ware mit allerhand schönen Gaaben des Leibs und der Seelen geziert. Uber das noch in der Neh- und Stick-Kunst; wie auch im Singen und Lauten schlagen eine Meisterin. Allein 2. Mängel hatte sie, welche einem Adelichen Fräulein gar nicht wohl anstehen. Erstlich, eine freche Weiß zu handlen: Andertens, eine zornmüthige Natur. Mithin wurde ihr alles, was sie immer verlangte, gestattet. Wollte sie spatzieren fahren; stunde die Gutschen zu ihrem Dienst schon bespannet. Hatte sie Lust zu spielen; lagen die Würffel und Karten schon auf dem Tisch. Verlangte ihr Hertz nach einem guten Muth zu einem Tantz; liesse man ihr ein neues paar Schuh darauf machen. Fienge sie an mit den Cavallieren zu galanisiren; sahe man ihr droben zum Fenster herunter zu. In Summa: man setzte dieser Tochter nur immerdar süssen Zucker vor, und gabe ihr niemahls den bitteren Wermuth-Saft einer ernsthaften Zucht zu verkosten. Aber Zucker macht Gall. Das hat man an der Flora auch erfahren. Wann ihr das geringste nicht nach ihrem Sinn gienge, lieffe ihr die Gall über. Sie fienge an zu trutzen, den Stutz-Kopf aufzusetzen; also zwar, daß sie dem Herren Vatter nicht mehr schwiege; der Frau Mutter aber ungescheut nicht selten eines überzwerch anhengte: wormit die gute Frau mußte zufrieden seyn, wann sie nur nicht gar von der Tochter geschlagen wurde. Das waren dann gar schlimme Vorbotten ins künftig vieler besorglichen Ubel.


Eines Tags, bey heiterem Himmel, und milden Wetter spatzierte unser Gnädiges Fräulein, die Flora, samt anderen ihren Gespielinen in obgedachten [136] Wald. Nahme Kurtzweil halber die Lauten mit; und fienge gleich bey erstem Eintritt des Walds so künstlich zu schlagen, und mit ihrer zarten hellen Stimm dermassen lieblich darein zu singen, daß ihr es kein Nachtigall wurde bevor gethan haben. Ohne Zweifel wird es ein Bul-Liedlein gewest seyn: dann, was singen freche Töchter anders? Seye ihm aber, wie es wolle, so ist mithin Flora samt ihren Gespielinen ausgesperrt worden. Dann kaum hatten sie sich etwas tieffers in den Wald hinein gelassen, Flora ein und ander Gesätzlein geendet, da liesse sich von weitem sehen ein junger Cavallier, Lusidamor mit Namen, der mit sonderem Vergnügen der Music eine Weil zugehört hatte: hernach mit der Flora in so gute Verträulichkeit gerathen, daß er sie zur Ehe begehrt; Flora auch keinen andern Mann haben wollte. Letztlich ist die Sach so weit kommen, daß man sie wohl hat müssen zusammen geben; wollte man nicht noch vor der Hochzeit einen zum Gevatter bitten. So gehts, wann man jungen Rotz-Mäulern alles gleich thut, was sie wollen: wann sie erwachsen seynd, lassen sie sich nicht mehr biegen. So gehts, wann man mannbare Töchter überall ihres Gefallens hinrollen laßt, und ihnen nicht 10. Hüter für einen bestellt.


Lusidamor, und Flora stunden nunmehr in der Bereitschaft, und ward alle Anstalt zum Hochzeitlichen Fest gemacht. Mit diesem aber wollte ein welscher Baron, Clorisandus mit Namen nicht recht zufrieden seyn; als welcher von der Schönheit Florä eingenommen, ihm selbige zur Ehe-Gemahlin bestimmt hatte. Er war zwar des Lusidamors bester und vertrautister Freund: Allein, so wenig zween Hund, die erst zuvor miteinander geschertzt haben, sich mit einem Bein vertragen können; also wenig bleiben zween Buler lang gute Cammeraden, wann es um ein Weib zu thun ist. Clorisandus sahe wohl, daß sein Beginnen eine vergebene Sach, wann er nicht noch vor der Hochzeit einen Stein in Weeg legte, worüber der Lusidamor den Hals müßte brechen. Geht derohalben hin, bedingt einen Banditen, oder Strassen-Rauber (wollen ihn unterdessen Audifax, das ist, einen kecken Waghals nennen) um ein Stuck Geld; der bey nächster Gelegenheit dem Lusidamor ein Kugel durch den Leib sollte jagen. Wo, wann, und auf was Weis, das redeten sie in höchster Geheim miteinander ab. Wie die Sach nun bester massen eingefädlet war, verfügte er sich zu dem Lusidamor, und der Flora; machte ein langes Compliment; wünschte denen Braut-Personen zu ihrem bevorstehenden Ehren-Tag alles Glück, und erbotte mit sonderbahrer Höflichkeit seine möglichste, wohl geringste Dienst hierzu an. Wußte auch in allem durch listige Schmeichlerey den Schalck so meisterlich zu verdecken, daß er vor anderen zum Brautführer erbetten wurde: welches dann eben das rechte [137] Wasser war, so dieser Betrüger auf sein Mühle zu leiten trachtete.


Wenig Täg vor der Hochzeit stellte er Lusts halber samt dem Lusidamor einen Spatzier-Ritt an: weil sie ohne das die Lieblichkeit des Wetters dazu einlude. Sie mußten durch eben den Wald, von dem schon oben Meldung geschehen, ihren Weeg nehmen. Dahero es eben den Clorisandum die rechte Zeit gedunckte, sein teuflisches Vorhaben ins Werck zu setzen. Versteckte demnach obgedachten Banditen in einen Busch nicht weit von der Straß, mit Befehl, auf gegebenes Zeichen los zu brennen, und alsdann sich eilfertig auf ein Seiten zu machen: er wollte im übrigen die Sach schon also angehen, daß er Zeit und Weil genug haben sollte, das Leben durch die Flucht zu erretten. O des teuflischen Anschlags! alles war nunmehr zum Spatzier-Ritt fertig. Die Pferd gesattelt; und anderes nichts übrig, als daß sie sich von der Fräulein Hochzeiterin beurlaubten: welches auch mit viel eitlem Gepräng und Luft-Reden, nach jetzigem Welt-Brauch, geschehen Flora wünschte ihnen viel Glück auf den Weeg, nebst angehengter Bitt, bald wieder zu kommen: welches ihr dann auch von beyden auf den Abend zugesagt worden. Unterweegs führten diese 2. vertrauteste Brüder, Lusidamor, und Clorisandus, wie ein anderer Abel und Cain, allerhand kurtzweilige Reden: vom Frauenzimmer, Gutschen und Pferden; von allerhand Feder-Wildprät, leckerhaften Speisen, und kostbahrem Zuckerwerck; von prächtigem Kleyder-Geschmuck; neuen Balletten und Täntzen, welche bey der Hochzeit sich würden müssen sehen lassen; und gedachte der arme Lusidamor nichts wenigers, als daß er den ersten Tantz mit dem Tod wurde thun; und daß seinen Leib nicht ein Scharlach, mit guldenen Porten dick verbrämter Rock; sondern sein eignes Blut, und bald hernach die Würm und Maden bedecken wurden. In solchem Gespräch ritte diese lustige Gesellschaft miteinander fort, bis man allgemach zur bestimmten Mörder-Gruben kommen. Da ritte Clorisandus mit allem Fleiß etwas voran, und fienge an zu singen; welches eben das verrätherische Zeichen war. Gleich darauf geschiehet hinter ihm ein Schuß: Lusidamor wird getroffen, fallt vom Pferd: und weil die Kugel nahe bey dem Hertz hinein gangen, wurde er bald darauf gantz Kraftloß, und gabe ein kleines hernach den Geist auf. O Lusidamor! wie wirst du gefahren seyn? So bald Lusidamor gefallen, sprange auch der Clorisandus aller ertattert vom Pferd, und erzeigte grosses Leyd-Wesen gegen seinem allerliebsten Bruder, und bemühete sich aufs höchste, ihme das Blut zu stillen: deßgleichen auch beyde Diener thaten. Bald aber setzte er sich wieder aufs Pferd, und sprengte dem Schein nach, als wollte er dem Thäter nachsetzen, mit blossem Degen im Haag herum; aber gantz auf einer andern Seiten, als er wußte, daß der Mörder seinen Weeg [138] durchnehmen wurde. Er wurde aber bald wiederum von einem Diener zuruck beruffen, mit Vermelden, Lusidamor greiffe schon in die Zügen, und sterbe ihnen unter den Händen dahin. Worauf er dann Sporrenstreichs wieder zuruck gekehrt, dem Lusidamor gantz kläglich zugesprochen, ihm mit Weynen und Küssen um den Hals gefallen, und endlich die Augen zugedruckt. O des falschen Judas-Kuß! solche Maul-Freund, und Schelmen in der Haut gibt es heut zu Tag, leyder! nur gar zu viel: also, daß es vonnöthen, einen jeden zu warnen mit folgenden Worten:


Trau; aber schau, wem?


Nachdem Lusidamor in die andere Welt befördert worden, schickte Clorisandus seinen Diener voran auf das Schloß, der Florä Elteren die traurige Post in Geheim anzudeuten; bis er gleichwohl bald hernach umständlichen Bericht ertheilen wurde. Was dieser für ein angenehmer Both gewesen seye, ist leicht zu erachten. Der Diener kam bald mit einer Senften und Beth zuruck: Worauf man den Leichnam gelegt, und mit grossem Trauren und Klagen in das Schloß gebracht hat. Die Sach liesse sich nicht lang verbergen: Clorisandus selbst in Begleitung des Herrn Vatters, und beyder Diener begabe sich zu der Flora, ihr den kläglichen Tod-Fall so glimpflich, als es seyn konte, anzuzeigen. Sie bande vielleicht eben dazumahl ein schönes Mayen-Büschelein zusammen, welches sie bey nächster Wiederkunft ihrem Lusidamor zu verehren gedachte; unwissend, daß ein anderer solches auf sein Todten-Bahr stecken wurde. Bey erstem Eintritt in das Zimmer war gleich die Frag an den Clorisandum: Wo er ihren Liebsten gelassen hätte? Clorisandus gabe zur Antwort: Gnädiges Fräulein! Er ist gar weit. Es schossen ihm aber zugleich die Zäher in die Augen: Worüber dann der Flora ein Stich ins Hertz gienge, bevorab, weil sie auch in den Angesichtern der anderen ein gleiches trübes Gewölck sahe.Wo ist dann mein Lusidamor? Fragte sie noch einmal? In der andern Welt, antwortete Clorisandus.Ach! Gnädiges Fräulein: Euer Liebster ist todt: Und wollte zugleich anfangen, den gantzen Verlauf erzählen. Aber zu dem ersten Wort: Lusidamor ist todt, war der Flora nicht anderst, als hätte sie der Donner getroffen. Sie sprange aus dem Sessel auf:Wie? Sagte sie gantz erbleicht im Angesicht, und an Händ und Füssen zitterend: Soll Lusidamor todt seyn? Und als man ihr abermahl mit einem traurigenJa, und Achsel-Zucken geantwortet, fienge sie an, erbärmlich zu weinen und zu schreyen; die Händ ober dem Kopf zusammen zu schlagen, das Haar auszurauffen, und mit so Hertz- brechendem Seuftzen über die Grausamkeit des Meuchel-Mörders zu klagen, daß sie einen Stein hätte erbarmen mögen; bevorab als sie des erblaßten Leichnams ansichtig worden: [139] Worüber sie in eine Ohnmacht gesuncken, also, daß man sie für halb todt in ein anders Zimmer hat tragen müssen. Wie sie wieder zu sich selbst kommen, wiederholte sie die vorige Klag, und hatte man genug an ihr zu trösten, und zu hüten, daß sie ihr nicht selbst ein Leid anthate; sonderbar, als man den Leichnam, und mit ihm ihr Hertz, zur Erden bestattete. Da schüttete sie erst den übrigen Rest ihrer bitteren Zäher auf das Grab aus, und mußte nunmehr in der Schoos der Erden ruhen lassen, wornach sie ein so hitziges Verlangen getragen hatte.


Mittlerweil liesse der Schmertz in etwas nach: Die Wangen wurden alsgemach trocken, und fienge nach langem Regen die Sonne wieder an zu scheinen; Worbey der Clorisandus das beste thate, und der Flora noch so fleißig, als zuvor aufwartete. Und damit er ihme desto leichter einen Zugang in ihre Huld- und Gunst-Cammer eröfnete, kleidete er sich gantz prächtig herfür. Welches dann bey der Flora so viel vermögen, daß sie schier allerdings des Lusidamors vergessen, und ihn ihrer Lieb gewürdiget hätte. Ein Ding stunde ihm noch im Weeg. Der nagende Wurm des bösen Gewissens liesse ihm kein Ruhe; sondern hielte ihn in steter Forcht, sein Meuchelmord möchte Heut oder Morgen noch an Tag kommen. Damit er derohalben desto sicherer zur Ehe-Verlöbnuß schreiten möchte, wagte er noch einmahl ein Stuck Geld, und bestellte einen anderen Knecht (wollen ihn Davus nennen) der dem Mörder des Lusidamors das Maul auf ewig stopfen sollte. Dieser findet bald Gelegenheit; trift den Audifax unter einem Baum schlaffend an; entblößt das Stilet, oder spitzige Gewehr, willens, alsobald ihm eines zu versetzen, daran er genug haben sollte. Aber da er den Stoß führen wollte, kame ihn ein Reu an, und dunckte ihn, die höchste Unbillichkeit zu seyn, einen Menschen, der ihm sein Lebtag kein Leid gethan, in dem Schlaf umzubringen. Besonne sich derohalben eines besseren; setzte ihm gleichwohl das Stilet an die Brust, weckte ihn auf, und sagte: Bruder! siehe, dein Leben steht in meiner Hand. Audifax darüber erwachend erschracke gar heftig; bate um Gnad und Lebens-Frist: welche ihm der Davus nicht allein geben; sondern auch noch über das den Urheber, von dem er um so und so viel Geld auf seinen Kopf gedingt worden, entdecket. Weswegen sich Audifax höchstens bedanckt, Davum umfangen; beynebens aber wider den Clorisandum übel geflucht hat, als der ihn eben auch mit Geld bestochen, den Lusidamor umzubringen, und ihme jetzt ein so blutiges Trinck-Geld geben wollte. Davus konte ihm leicht die Rechnung machen, daß er von dem Clorisandus Heut oder Morgen einen gleichen Danck zu gewarten hätte: Wurde bald mit dem Audifax eins; schwuren zusammen, bey nächster Gelegenheit den Welschen bey dem Kragen zu nehmen. Worbey der Audifax für das beste hielte, [140] Davus sollte wieder nach Haus kehren, dem Clorisandus einen blauen Dunst vor die Augen machen, als hätte er seinen Willen nach Wunsch vollzogen: Könte auch nicht schaden, wann er ihme zu grösserer Versicherung einen blutigen Degen wollte weisen; entzwischen aber sollte er den gantzen Verlauf heimlich der Flora entdecken, die zweifels ohne den Tod ihres liebsten Bräutigams nicht ungerochen wurde lassen hingehen. Ich (sagte Audifax) will mich entzwischen auf die Seiten machen: Da und da (und zugleich nennte er ihm ein Dorf)wird man mich können antreffen; und darf mir die Flora nur ein Brieflein zuschicken, wann sie meines Diensts vonnöthen hat. Ich schwöre ihr bey meinem Eyd, nicht minder bey Hinrichtung dieses undanckbaren Mörders mich gebrauchen zu lassen, als ich, leider! keck und vermessen genug ihren unschuldigen Lusidamor ermordet hab. Bey dieser Abred ist es verbliben. Davus nahme seinen Weeg wiederum zuruck; und Audifax einem gewissen Dorf zu. Clorisandus, wie er den Davum ersehen, und von ihm vernommen, was gestalten Audifax also auf die Haut gelegt worden, daß er so bald nicht mehr aufstehen wurde, liesse ihm den Handel gefallen; und war nunmehr ein schwerer Stein von seiner Brust. Beschlosse also, die Flora wieder zu besuchen, und durch Liebkosen das endliche Ja-Wort von ihr zu erzwingen. Unterdessen wurde auch von dem Davus der Flora Bericht erstattet, wie fälschlich und schelmisch Clorisandus mit ihr spielen thäte. Mit was für einem Gesicht, und Hertzens-Stoß sie diese Zeitung werde angehört haben, ist leicht zu gedencken. Zuletzt nach vielen Fluchen und Vermaledeyen, nahme sie ihr auf Einrathen des Davi vor, in dem geringsten nichts dergleichen zu thun; sondern die Rach auf eine gelegnere Zeit zu verschieben. Clorisandus stellte sich bald wiederum bey seinem Liebs-Dienst mit dem gewöhnlichen Fuchs-Wadel ein. Aber sein Schmeichlen und Flattiren ware nunmehr der Flora wenig angenehm. Gleichwohl verbisse sie den Schmertzen, und erzeigte sich freundlicher gegen ihm, als sonst niemahls. Nahme ihre Lauten von dem Nagel herunter, und spielte diesem Liebs-Knecht eines auf: der dann vor Süßigkeit schier zergienge.


Es stunde nicht 8. Täg an, da liesse Flora an einem schönen Sommer-Tag Clorisandum in ihren Garten (der etliche Büchsen-Schuß von dem Schloß entlegen, allerhand schöne Baum-Gewächs, Spatzier-Gäng, und in der Mitte ein schönes Sommer-Haus hatte) einladen. Dahin sollte er sich ohngefähr um 8. Uhr gegen dem Abend in Geheim verfügen: Allda wollte sie eintzig und allein seiner erwarten. Unterdessen hatte sie heimlich um den Audifax geschickt, und das Sommer-Haus also künstlich lassen zurichten, daß ihr der verlangte Vogel unfehlbar wurde ins Garn gehen. Kein angenehmere Zeitung hätte dem [141] Clorisandus nicht können gebracht werden, als eben diese. Er schickte den Diener bald wiederum zuruck, die Flora seiner unfehlbaren Ankunft zu versicheren. Er verstunde, als ein erfahrner Buler, diese Sprach nur gar zu wohl, und bildete ihm anders nichts ein, als jetzt einmahl zu dem erwünschten Zweck zu gelangen, nach welchem er schon lange Zeit vergebens geziehlet hatte. Alle Uhren giengen ihm denselben Tag zu langsam; und alle Viertel-Stund zählte er an den Fingern ab, bis alsgemach die Sonn in das Meer sich versenckte, und der Abend anzubrechen begunte. Da schliche er gantz eintzig und allein (zweifels ohne in verstellter Kleidung, einem fremden Mantel und Hut, damit man ihn nicht können sollte) durch einen Abweeg der hinteren Garten-Thür zu. Die Flora daselbst seiner schon wartend, ersahe ihn vom Fenster des Sommer-Haus herab: Lieffe ihm eilend entgegen; machte ihm auf, und empfienge ihn auf das freundlichst, als ihr immer möglich. Und als er fragte, wer sonst noch vorhanden wäre? Niemand (antwortete sie) als wir beyde allein: Und bate zugleich, ohne weitere Ceremonien auf ein Gläslein Wein, und geheime Unterredung hinauf in das Sommer-Haus zu spatziren, und ohne Prangen an einem fremden Ort den Vorzug zu nehmen. Er sollte ihr nur diese Bitt nicht abschlagen; sie wollte ihm hernach auch etwas zu gefallen thun. Clorisandus, der sonst ehender wider die 10. Gebott GOttes zu sündigen bereit ware, als wider die Regel der Höflichkeit, einem Frauenzimmer vorzugehen, weigerte sich zwar eine Zeitlang, solches Anerbieten anzunehmen. Allein, was wollte er machen? Sein gnädiges Fräulein hatte zu gebieten. Er geht also voran; steigt die Stiegen hinauf; trittet in das Sommer-Haus hinein; wird aber gleich des Tritts von einer mit Fleiß hierzu gerichten Falle zu Boden geschlagen, und von zwey auf ihn fallenden Garn, nicht anderst, als wie ein Vogel auf der Tenne, bedeckt und verstrickt. Audifax, der entzwischen, bis das Traur-Spiel sollte angehen, in einem Winckel verborgen lage, sprange auf ihn zu, und hielte ihm die Händ, daß er sich nicht könte los reissen. Flora aber, wie ein grimmiges Tiger-Thier, wischte mit einem spitzigen Messer über ihn her. Habe ich dich jetzt einmahl (rufte sie mit feurigen Augen, und schaumend vor Zorn) in meinem Ge walt, du grausamer Mörder! der du mir meinen liebsten Lusidamor um das Leben gebracht; und mich in äusserste Betrübnuß gestürtzt hast? Hat er? Hab ich dieses um dich verdient? Aber der gerechte GOtt hat dich mir in meine Händ geliefert. Jetzt will ich dir den verdienten Lohn geben, ob du schon billicher von des Henckers, als meiner Hand sterben solltest. Und mit diesem versetzte sie ihm ein und den anderen Stich in das Angesicht, Schultern, und Arm. Und ob zwar der armselige Mensch durch GOtt, alle Heilige, und das jüngste Gericht um [142] Gnad und Barmhertzigkeit bate, thate sie doch seiner nur spöttlen Gelt aber! sagte sie, du Blut-Hund! du hast auch mit meinem Hochzeiter, und mit mir Mitleiden getragen? Darum ist es ja billich, daß ich dir jetzt auch verschone. Habe nur ein wenig Gedult; es wird bald anderst hergehen. Hierauf risse ihm Audifax den Rock voneinander; Flora aber brachte ein Pfannen voller Glut her; schüttete ihm die brinnende Kohlen auf die blosse Brust, und sprache: Jetzt kanst du dein geile Brunst löschen, du Bestie! da erkühle dich; da büsse deinen Lust: O du! als er aber vor Grösse der Schmertzen hierüber jämmerlich zu schreyen anfienge, wurde ihm der Mund mit einem Schnupf-Tuch verstopft, und ihm der Trost gegeben, es wurde bald besser werden. Wohlan, sagte Flora: Die Lieb ist blind, und hat dich auch so weit verblendet, daß du alle Gebühr auf die Seiten gesetzt, und meinetwegen meinen liebsten Lusidamor erwürget hast. Damit du dann der Liebe gleich sehest, will ich dich auch blind machen. Dieses geredt, stache sie ihm beyde Augen aus. Und weil sie mithin müd wurde, und schon gantz mit Blut bespritzt war, wollte sie dem Metzgen ein End machen. Schnitte ihm derohalben die Brust auf; risse das Hertz heraus, und warfe es ins Feuer: Die Seel aber schickte sie besorglich in die Höll hinunter. Audifax nach vollbrachter greulicher Mordthat empfienge für seinen Lohn einen Beutel mit Geld, hatte die Nacht zum Vortheil, und machte sich ohne sonderbare Mühe aus dem Staub. Flora aber versperrte das Sommer-Haus, verfügte sich nach ihrem Schloß, setzte sich nieder, und verfaßte schriftlich den gantzen Verlauf. Und wie sie mit dieser Arbeit fertig, saufte sie ein Glas voll des stärcksten Gifts aus. Weil sie aber vor Grimmen und Reissen im Leib sich des Schreyens nicht enthalten konte, lieffe eine Beschliesserin, und bald hernach auch der Herr Vatter und Frau Mutter zu; fanden sie aber schon in den Zügen, mit dem Tod ringend, und den Brief in ihrer Hand: Wie sie dann auch gleich darauf ihren unglückseligen Geist aufgeben. Aussen her an statt der Ueberschrift stunden diese wenige Wort in Frantzösischer Sprach:


Gut Nacht, gut Nacht, liebste Elteren.


Der Innhalt bestunde in folgenden, oder dergleichen Worten:


»Vermaledeyte Eltern! hätte ich sollen schreiben; die ihr die meiste Ursach meines Tods seyd. Ich hab zwar länger nicht mehr leben können, nachdem man mir mein Leben, den Lusidamor benommen; wurde aber noch leben, euch und unserer Freundschaft zu Trost, wann ihr mich nicht hättet lieben gelehrt; oder aufs wenigst mein Lieb inner den Schrancken der Gebühr und Ehrbarbarkeit gehalten. Clorisandus hat[143] meinen Lusidamor durch einen Banditen; ich den Clorisandum, (dessen Leichnam ihr in dem Sommer-Haus des Gartens finden werdet) um verdiente Rach einzuholen; mich aber habt ihr umgebracht. Hättet ihr in den ersten Jahren meiner Jugend mir nicht so viel übersehen, nicht allen Muthwillen gestattet, mein zornmüthige und freche Natur gebrochen, wurde es nie so weit kommen seyn. Ey dann! so erndet, und schneidet jetzt ein, was ihr ausgesäet: nemlich den ewigen Fluch, den ein ungerathenes Kind seinen nichts-werthen Eltern geben kan, und ich euch samt 1000. Teuflen auf den Hals wünsche. Ihr jammeret, und weinet zwar über mich; aber euer Reu kommt zu spat, und euere Zäher werden mir das höllische Feuer nich auslöschen. Ach vermaledeyter Vatter! ach verfluchte Mutter! was nutzt mir anjetzo das adeliche Geblüt, das ich von euch empfangen? was euere Reichthum und Schätz, die ihr mir gesammlet? was die gute Täg, die ihr mir gemacht? was die lustige Gesellschaft und Buhlerey, die ihr mir gestattet? und was nutzt euch jetzt euer Zärtlen, euer Liebkosen, euer Fingersehen; und allzu grosse Gelindigkeit gegen mir? als daß ihr dem Teufel ein Kind erzogen; ein Brand-Opfer der Unzucht; einen Schand-Fleck euers Geschlechts; eine grausame Mörderin; eine Feindin GOttes; eine Sclavin des Lucifers; mein und euer ewiges Wehe? verflucht seye die Stund, in der ich gebohren; vermaledeyt der Augenblick, da ich das erstemahl den Lusidamor gesehen; verflucht seye der Clorisandus, ein grosse Ursach meines Verderbens; verdammt, verflucht, und vermaledeyt seyd auch ihr samt mir in Ewigkeit. Gleich jetzt lege ich die Feder aus der Hand, greiffe nach einem Glas Gift, woraus ich euch zur Letze eines zubringe: ihr müsset mir mit nächstem daraus eines in der Höllen Bescheid thun.«


Zu unterst des Briefs stunde gegeschrieben


Euer ungerathene Tochter Flora.


In was Leidwesen, Trauren, und Klagen dieser Brief die Elteren werde gesetzt haben, mag ein jeder für sich selbst leicht gedencken. Das ist gewiß, daß sie ihn in kein Fenster werden gesteckt haben.

Franc. Rosetti, in einem kleinen Büchlein greulicher Mordthaten, so er in Frantzösischer Sprach beschrieben: Und ist der Ordnung nach die 16. Histori.


Blinde, unsinnige Lieb! auf was verzweifelte Gedancken, und Entschliessungen bringst du nicht die junge Leut! O! daß sie bedenckten die Wahrheit jenes Spruchs: Wer anfangt zu lieben, der fangt schon an, unglücklich zu werden: Wie werden [144] sie sich hüten, daß sie von dir nicht verstrickt werden! allein, weil sie so viel Verstand nicht haben, die Gefahr zu überlegen, so liegt euch Elteren ob, gute Vorsorg für euere Kinder zu tragen, und sie durch eine kluge Ernsthaftigkeit inner den Schrancken der Gebühr und Ehrbarkeit zu halten: Damit, wann sie an Leib und Seel solten zu Grund gehen, GOtt nicht von eueren Händen ihr Blut; ich will sagen, die Verantwortung wegen ihrem Untergang von euch fordere. Dann solches Blut wurde um Rach schreien; und mithin die Schärfe der göttlichen Gerechtigkeit wider euch in den Harnisch brringen.

Andere auserlesene Exempel

1. Exempel
Erstes Exempel.
Eines schlimmen Advocaten tägliche Andacht zu unser lieben Frauen verhinderte, daß ihn der Teufel nicht konte wegführen.

Zu Venedig, in Welschland, ware ein Advocat (das ist: ein Rechts-Gelehrter, dessen Amt ist, sich streitender Partheyen anzunehmen, und ihre Rechts-Händel auszuführen) welcher einstens einen wegen seiner Gottseligkeit, und Wunderwercken durch gantz Welschland berühmten Capuciner, mit Namen Pater Matthäus Basus zu einem Mittagmahl einlude. Der fromme Pater erscheint. Ehe man sich zu Tisch setzte, meldete unter währendem freundlichen Gespräch der Advocat: wie daß er einen Affen hätte, der ihm hunderterley Lustbarkeiten machte: er decke den Tisch; lege Teller auf; schwencke die Gläser; und was der gleichen Hausdienst mehr seynd, welche sonst die Dienstbotten zu verrichten pflegen. Der Pater aus göttlicher Eingebung erkannte gleich, daß es der Teufel wäre. Begehrte demnach, man solte ihn lassen herfür kommen. Man durchsuchte das gantze Haus; man rufte; man pfeifte ihm: aber der Aff wolte [145] sich weder sehen, noch hören lassen. Letztlich fande man ihn in einer finsteren Kammer unter einer Bethstatt, wohin er sich versteckt hatte: ohne Zweifel sich förchtend wegen der Gegenwart des gottseligen Paters. Als man ihn nun mit Gewalt herfür treiben wolte, bleckte er die Zähn, und stellte sich wider sein Gewohnheit gantz wild. Der Pater dessen bericht, verfügte sich selbst in Begleitung des Advocaten, und etlich anderer Hausgenossenen an das Ort, und rufte mit heller Stimm: komme herfür, du höllische Bestie! also befihle ich dir im Namen unsers HErrn JEsu Christi. Den Augenblick gehorsamete der Aff, und stellte sich mit zornigen Gebärden dem gottseligen Pater unter das Gesicht: der ihm dann ferners im Namen des Allerhöchsten befahle, unverzüglich zu sagen, wer er wäre? und was Ursachen halber er in dieses Haus kommen? auf welches der Aff mit menschlicher Stimm zu reden angefangen, und gesagt: ich bin der Teufel; und keiner anderen Ursach halber in dieses Haus kommen als die Seel dieses Menschens (da deutete er zugleich auf den Advocaten) der mir schon längsten zugehört, mit mir in die Hölle zu führen: welches ich schon wurde gethan haben, wann mich nicht ein Ding verhindert hätte. Als ihm der Pater befohlen, auch dieses zu bekennen, sagte er weiters: die Andacht, nächst GOtt, zu der Mutter GOttes, die er alle Nacht, ehe er schlaffen gangen, um Hülf angeruffen, hat mich verhindert. Hätte er dieses ein eintziges mahl unterlassen, so wäre er hin geweßt. Allen Anwesenden stunden vor Forcht und Zitteren die Haar gen Berg. Wie dem Advocaten werde um das Hertz geweßt seyn, ist leicht zu gedencken. Der Pater ohne längeres Verweilen befahle dem Teufel auf der Stell, das Haus zu verlassen, und ohne einiges Menschen Schaden seinen Weeg hinzunehmen, wo er herkommen. Der Teufel weigerte sich; mit Vermelden, daß er von GOtt Erlaubnuß hätte, ohne Schaden nicht zu weichen. Der Pater wolte solches weder glauben, noch gestatten; der Teufel aber kurtzum hierinn nicht nachgeben. Da entstunde dann bey allen auf ein neues ein Forcht und Zittern, sonderbar bey dem Advocaten, als der sich am meisten schuldig wußte. Darum ruften alle überlaut: O Pater! verlasset uns doch nicht. Der Pater tröstete sie, und sagte, sie solten gut Hertz fassen; es werde keinem was Leids geschehen. Erlaubte darauf dem Teufel, daß, wann er je ohne Schaden abzuweichen nicht gedacht wäre, so solte er ein Loch durch die Maur machen, und dardurch hinausfahren: welches auch geschehen, nicht ohne Entsetzung der Zuseher. Wie sie nun von diesem höllischen Gast los waren, fielen alle dem Pater zu Füssen, und sagten ihm hertzlich Danck, daß er sie aus so augenscheinlicher Gefahr errettet; absonderlich der Advocat: welchen der Pater liebreich umfienge; ihn das ungerechter Weis gewonnene [146] Gut heim zustellen; ein besseres Leben zu führen; auch das gemachte Loch in der Mauer mit einem Stein, auf welchem die Bildnuß des Heil. Schutz-Engels solte eingehauen werden, zu vermachen ernstlich ermahnte; so wurde er hinfüran wohl sicher seyn: welches dann auch geschehen. Auf dieses hin setzte man sich zu Tisch. Der Pater, welcher begieriger war nach der Seelen-Speis, als des Leibs, wolte sich der Gelegenheit bedienen, den Advocaten, da er noch mit heylsamer Forcht erfüllet war, gäntzlich zu bekehren. Nahme zu diesem End einen Zipfel von dem Tischtuch in die Hand, und sagte zu dem Advocaten: Herr! sehet: dieses Tischtuch ist voller Blut. Mit welchen Worten er zugleich das Tischtuch ausdruckte: und sihe! das helle Blut flosse häuffig herfür: Uber welches neue Miracul der Advocat also ertattert, daß er kein Wort reden konte. Der gottseelige Pater aber fuhre fort, und sagte: sehet! das ist das Blut, das ihr durch euere schlimme Tück aus den Aderen der armen Partheyen gesogen. Wie ist es möglich, daß euch bishero ein eintziger Bissen hat schmecken können? nehmet euch in Acht: dieses Blut schreyet Rach wider euch gen Himmel: thut Buß: es ist Zeit über Zeit. Der Advocat folgte der treulichen Ermahnung des Paters; gab das ungerechter Weis erworbene Gut wieder zuruck: und setzte sich also ausser Gefahr des ewigen Verderbens. Zacharias Boverius Parte prima Annalium PP. Capucinorum.


O Maria! wie mächtig schützest du diejenige, so dich um Hülf anruffen! absonderlich, wann sie dich täglich mit einer gewissen Andacht verehren! O wie groß ist gegen ihnen deine Güte! und wie erkennest du auch den geringsten Dienst, den sie dir erwisen! wohl ein mächtige! wohl ein gütige Jungfrau! zu dieser Jungfrau, O Christliche Jugend! nimme deine Zuflucht: ruffe sie an um Hülf: verehre sie täglich mit einer gewissen Andacht: und du wirst erfahren, wie sie ihr so gar nichts umsonst thun lasse. Oben gedachter Advocat hat es erfahren; und zwar zu seinem ewigen Heyl. Du möchtest aber villeicht gern wissen, was ich dir für eine Andacht rathe, welche leicht, und unser lieben Frau angenehm seye. So höre dann.


Erstens: so oft du hörest die Stund schlagen, bette allzeit zur Ehr unser lieben Frau ein Ave Maria.

Andertens: gehe zu Nacht niemahl schlaffen, du habest dann vorher ihr zu Ehren knyend, und mit aufgehebten Händen, vor ihrer Bildnuß (wann es seyn kan) gebettet, was hier folgt.


Gegrüsset seyest du Königin, Mutter der Barmhertzigkeit: das Leben, Süßigkeit, und unser Hofnung sey gegrüsset. Zu dir schreyen wir elende Kinder Evä. Zu dir [147] seuftzen wir traurende, und weinende in diesem Tahl der Zäher. Eja unsere Fürsprecherin! darum wende deine barmhertzige Augen zu uns. Und nach diesem Elend zeige uns JEsum, die gebenedeyte Frucht deines Leibs. O milde! O gütige! O süsse Jungfrau Maria.

Unter deinen Schutz und Schirm fliehen wir, O Heil. Gebährerin GOttes! verschmähe nicht unser Gebett in unseren Nöthen, sondern erlöse uns von aller Gefährlichkeit: O du glorwürdige, und gebenedeyte Jungfrau!

Gegrüsset seyest du Maria etc.


O Maria Jungfrau rein,
Laß mich dir befohlen seyn.
Steh mir bey in aller Noth;
Und verlaß mich nicht im Tod.

Dieses ist ein leichte; aber kräftige, mithin unser lieben Frauen angenehme Andacht.
2. Exempel
Zweytes Exempel.
Ein Doctor der Gotts-Gelehrtheit laßt sich im Todt-Beth mit dem bösen Feind in einen Glaubens-Streit ein; wird aber überwunden.

Auf der weit berühmten hohen Schul zu Padua, in Welschland, waren 2. Doctorn, welche die studierende Jugend in der GOttes-Gelehrtheit unterwisen: beyde vortreflich an Tugenden und Geschicklichkeit; und darneben die beste Freund untereinander. Der Tod aber zerstörte zuletzt ihre gute Vertreulichkeit, indem er den einen in die andere Welt forderte, nachdem er sich zuvor wohl und gottseelig zu einer so gefährlichen Reis bereitet hatte. Eines Tags, als der andere in seiner Studier-Stuben sasse, und dem Studieren oblage, stellte sich der Verstorbene in der Gestalt und Kleydung, wie er zu Lebs-Zeiten zu gehen pflegte, ihm unter die Augen; aber gantz erschröcklich anzusehen: weil allenthalben die Feur-Flammen, wie aus einem Bachofen heraus schlugen. Der gute Herr Doctor erschrack Anfangs gar hefttig ab einem solchen Gast. Wie er sich aber erholet, fragte er: was dieser klägliche Aufzug bedeute? ob, und wie ihm zu helfen seye? er solle nur begehren von guten Wercken, was vonnöthen wäre; er wolle einen Kosten, keine Mühe noch Fleiß spahren. Hierauf gabe der Geist mit einem tief geholten Seuftzer, und erbärmlicher Stimm zur Antwort; er solle das alles unterlassen: dann es wurde doch nichts nutzen; alldieweil er zum höllischen Scheiterhauffen auf ewig verdammt seye. So bist du dann verdammt? fragte der Doctor. Wie ist es aber möglich, daß ein [148] so tugendsamer Mann, der vor seinem End mit allen heiligen Sacramenten versehen worden, und selbige ja nicht unwürdig wird empfangen haben, auf ewig sollte verlohren seyn? ach! antwortete der Geist: da hat es nicht gefehlt; sondern erst hernach, da es mit mir auf die Neige gieng, kam der böse Feind für das Beth; und weil er wußte, daß ich in der Gotts-Gelehrtheit wohl erfahren war, fieng er an mit mir vom Glauben zu disputiren, und fragte, was ich glaubte? ich antwortete: alles, was in den 12. Articklen des Apostolischen Glaubens enthalten wird. Allein er verlangte von mir, daß ich ihm etliche duncklere Artickel erklären sollte. Das thate ich: und nahme zum Gehülffen die Glaubens-Bekanntnus des heiligen Athanasii; weil ich darfür hielte, daß man kaum anderwärts her ein bessere Erklärung haben könnte, sonderbahr was das Geheimnus der heiligsten Dreyfaltigkeit anlangt. Es wendete aber der böse Feind darwider ein: dem wäre nicht also, wie ich glaub te: und wiewohl ich seine Einwürf nacheinander aufzulösen mich bemühete, so ließ er mir doch nichts draus gehen, sondern brachte mich mit neuen, und verschrauften Fragen so weit, daß ich endlich an einem und anderen Glaubens-Artickel zu zweiflen anfienge; ja so gar in grobe Irrthum von dem Geheimnus der heiligsten Dreyfaltigkeit geriethe: in welchen da ich gäntzlich verstrickt war, griffe ich in die letzte Zügen, und sturbe dahin. Als ich darauf für den Richter-Stuhl Christi gestellt worden, ward ich als ein Ketzer auf ewig verdammt. Dieses geredt, ist er verschwunden. Der gute Doctor liesse ihm solches eine Warnung seyn; widerhohlte zum öftern die Catholische Glaubens-Bekanntnus, um sich wider einen so argen Feind desto besser zu bewafnen. Wie er nun ins Tod-Beth kam, war der Versucher bald vorhanden mit Disputieren, und fragte den Krancken, was er glaubte? dieser antwortete: Ich glaube, was die Catholische Kirch glaubt. Was glaubt aber die Catholische Kirch? versetzte der böse Feind hinwieder. Und der Krancke sprach: sie glaubt, was ich glaub. Und auf solche Weis mußte der unverschamte Teufel mit langer Nasen abziehen. Der Krancke griffe darauf in die Zügen, starbe seeliglich, und erschiene wenig Tag hernach mit frölichem glantzenden Angesicht seinen Freunden, und versicherte sie des Sieges, den er wider die Angrif des höllischen Feinds erhalten, Barocius de præparatione ad Mortem.


Aus diesem Exempel ist zu lernen, wie man sich im Tod-Beth mit dem bösen Feind keinesweegs in Glaubens-Sachen solle in einen Streit einlassen. Dann er ist viel zu verschrauft, und weißt allerhand Ränck, den Menschen damit zu verstricken. Das [149] beste ist, daß man seinen Anfechtungen wider den Glauben kein Gehör gebe; sondern sich einfältig, demüthig, und vest an das halte, was die Catholische Kirch glaubt und bekennt. Dann ihr Lehr kommt von GOtt her, der die ewige Wahrheit ist; und weder fehlen, noch betriegen kan. So hat auch GOtt diese Lehr zu allen Zeiten mit unzahlbaren Wunderwercken, so über die Natur seynd, bekräftiget: welches er nicht gethan hätte, wann solche Lehr nicht unfehlbar wahr wäre; in Bedencken, daß GOtt als die ewige Wahrheit, allein der Wahrheit mit einem Wunderwerck Zeugnus geben kan.

Im übrigen warum GOtt obigen Doctor, ungeachtet er dem Ansehen nach vorhin ein frommer Mann geweßt, im Tod-Beth vom bösen Feind habe lassen überwunden werden, das weißt GOtt allein. Vielleicht ist dieser Doctor in Glaubens-Sachen gar zu fürwitzig und nachgrüblig geweßt, und hat sich wegen seines scharfsinnigen Verstands übernommen. Von solchen aber sagt der weise Salomon in seinen Sprüchwörteren: wer der Majestät (zu fürwitzig) nachforschet, der wird von dem Glantz der Glory unterdruckt werden. Prov. 25.

3. Exempel
Drittes Exempel.
Ein guter Freund erscheint dem anderen nach dem Tod, und versichert ihn wegen Unsterblichkeit der Seel.

Es waren 2. in der Welt-Weisheit geschickte Männer, deren einer Marsilius Ficinus; der andere aber Michael Mercatus hiesse. Diese machten unter sich eine genaue Freundschaft, wegen gleicher Neigung, die sie zur Erlernung der Welt-Weisheit trugen. Es geschahe also, daß sie öfters zusamen kamen, und von der Natur disputirten: absonderlich fande Michael eine Beschwernus, wie man aus der Vernunft die Unsterblichkeit der Seel probieren könnte. Marsilius aber bemühete sich, seines Freundes Gegen-Beweisthum aufzulösen, und sein hin und wieder getriebenes Gemüth zu bevestigen, und in Ruhe zu setzen. Allein Michael wollte sich so leichter Dingen nicht zufrieden geben; sondern gabe dem Marsilius immerdar mit neuen Einwürffen zu schaffen. So sagte dann einstens Marsilius zu dem Michael: weil ich sihe, daß du dich auf die Scharfsinnigkeit deines Verstands verlassest, so laßt uns miteinander einen Pact machen, daß nemlich derjenige, so der erste aus uns sterben wird, dem anderen nach dem Tod (wann es GOtt anderst zulaßt) erscheine, und ihn wegen der Unsterblichkeit der Seel versicheren solle Michael war dessen wohl zufrieden; und also gaben beyde drauf hin einander die Händ. Was geschiehet? es steht [150] nicht lang an, so stirbt Marsilius. Indem nun Michael auf eine Zeit des Morgens Frühe in seiner Studier-Stuben allein war, und die Bücher, so von der Weltweisheit handlen, durch gienge, da hörte er gähling, daß einer auf der Gassen schnell daher geritten käme, und vor der Haus-Thür still hielte; mithin aber überlaut rufte: O Michael! Michael, alles ist wahr, was ich dir von der Unsterblichkeit der Seel gesagt hab, Michael erkannte alsobald die Stimm seines Freundes des Marsilii; stunde demnach von seinem Studir-Tisch auf, lieffe dem Fenster zu: eröfnete selbiges; und da er auf die Gassen hinunter gesehen, erblickte er seinen Freund Marsilium, in Schneeweisser Gestalt, sitzend auf einem gleichfals Schneeeweissen Pferd; der aber selbigem die Sporren gegeben, und in aller Eyl fortgeritten. Es rufte ihm zwar Michael nach mit diesen Worten: Marsili! Marsili! halt still; halt still. Wohin so schnell? allein Marsilius liesse sich nicht aufhalten; sondern ritte fort, und verschwunde darauf. Das machte nun dem Michael sorgfältige Gedancken, was dieses bedeuten müßte? und ob vielleicht sein Freund Marsilius gestorben seye? diesem nach schickte er ungesaumt einen Botten nach Florentz, einer Stadt in Welsch land, wo Marsilius seine Wohnung hatte, und von Michael weit entlegen war; und liesse erkundigen, was es für eine Beschaffenheit mit seinem Freund Marsilio habe? ob er noch lebe? oder villeicht gestorben seye? und sihe! wie der Bott zu Florentz angelangt, vernimmt er, daß Marsilius eben in selbiger Stund, da sein Geist vor des Michaels Haus auf einem Schnee-weissen Pferd erschienen, mit Tod abgangen. Wie Michael solches vernommen, wurde er gantz verändert. Dann er beurlaubte das Studieren auf die Welt-Weisheit, und verlegte sich allein auf die Betrachtung der ewigen Dingen; damit, weil er nunmehro von der Unsterblichkeit der Seel versichert war, er forthin so fromm und gottseelig leben thäte, daß er mithin auch das Heyl seiner Seel versicheren möchte. Welches auch geschehen; indem dieser ohne das vorhin fromme Mann in seiner gottseeligen Weis zu leben beständig verharret, und letztlich seeliglich verschieden ist. Baronius Tom. 5. Annalium, ad Annum Christi. 411.


O wann wir allezeit an die Unsterblichkeit unserer Seel gedenckten, wie wurden wir unser Leben gantz anderst anstellen, und unsere Gedancken mehrentheils nur auf das Ewige verwenden! Christus, unser Herr und Heyland, hat uns genugsam drauf gedeutet, Matth. 16. Indem er sagt: was nutzet es dem Men schen, wann er gewinnen thäte die gantze Welt, wurde aber Schaden leyden an seiner Seel?

4. Exempel
[151] Viertes Exempel.
Ein von Todten auferstandener erzählet, was ihme nach seinem tödtlichen Hintritt aus diesem Leben widerfahren.

Zu Zeiten des heiligen Bonifacii, Bischoffens zu Mayntz (den man sonst der Teutschen Apostel nennet; weilen er Teutschland zum Christlichen Glauben bekehrt; und auch deswegen im Jahr Christi, 755. gemartert worden) ist ein Mensch von Todten auferstanden. Diesen hat ermelter heiliger Bonifacius selbst auf das fleißigst ausgefragt: wie er gestorben? was er in der anderen Welt gesehen? und wie er wieder in diese Welt kommen seye? dem solle der Erstandene weinend geantwortet haben mit folgen den Worten: »Ach! was für ein Unterschied ist zwischen der Erkanntnuß dieses, und des andern Lebens! allhier sehen wir mit unseren leiblichen Augen nur die äusserliche Gestalten der Geschöpfen; dort aber siehet unser Seel auch die innerste Substantz und Wesenheit. In diesem Leben seynd wir gleich einem Stockblinden, der sein Lebtag niemahl gesehen; deme man viel sagt von der Beschaffenheit dieser Welt: wann er sie aber dort einmahl ins Gesicht bekommt, siehet er viel andere Sachen, und gantz anderst, als er ihm zuvor eingebildet. Also ist auch mir widerfahren, da mein Seel um Mitternacht von dem Leib abgeschieden. Dann ich sahe in einem Augenblick die gantze Welt, und das Meer vor mir. Der gantze Erdboden war mit einer solchen Flammen umgeben, daß ich darfür hielte, sie wurde alle Elementen verzehren; wann nicht ihr Gewalt durch die göttliche Hand wäre verhindert worden. Eben diesen Augenblick sahe ich Christum unseren HErrn, mit unaussprechlicher Klarheit, in Gestalt eines Richters; umgeben mit einer unzahlbaren Schaar der Englen. So ersahe ich zugleich eine fast unendliche Menge der Teuflen, deren grausame Gestalt ich nicht genugsam beschreiben kan. Bald darauf kame von allen Orten der Welt eine solche Anzahl der abgeleibten Seelen vor den Richter-Stuhl GOttes, daß ich mir niemahl eingebildet hätte, daß so viel Menschen auf der Welt wären. Da wurde nun eine scharfe und strenge Untersuchung über alle Verbrechen angestellt. Sehr wenig sahe ich, die in dieser Welt heilig gelebt, und ohne Mackel ihr zeitliches Leben beschlossen; diese flogen alsobald mit ihren Sieg-Kräntzlein und Palm-Zweigen der ewigen Seeligkeit zu. Andere, so einer Reinigung bedürftig, wurden in das Fegfeur geschickt, allwo sie gleich wie das Gold durch die Flammen solten geläutert, und endlich der ewigen Freuden theilhaftig werden. Diejenige aber, so in einer [152] Tod-Sünd, und ausserhalb der Gnad GOttes von dieser Welt geschieden, waren erbärmlich anzusehen; indem sie alsobald denen Teuflen übergeben wurden: die dann selbige mit ihren feurigen Hacken, Zangen und Klauen in höchster Grimmigkeit ergriffen, und in den feurigen Teich, so von Schwefel und Pech angezündet war, stürtzten. Ich sahe die unglückselige Seelen in Gestalt der Nacht-Raaben ob dem höllischen Rachen eine Zeitlang schweben, und ihren elenden Stand so bitterlich beklagen, und beweinen, daß es ein steinernes Hertz hätte sollen zum Mitleiden bewegen. Alsdann wurden sie von dem höllischen Rachen sammentlich verschluckt; und nahmen also einen ewigen Abschied von dieser Welt: von denen falschen Ergötzlichkeiten; von Sonn und Mond: an derer statt ihnen hinfür an die Flammen des höllischen Feuers in alle Ewigkeit leuchten solten. Nun, lasse ich einen erwegen, mit was Schröcken und Zittern ich mein Urtheil erwartet habe. Die böse Geister fiengen an, mir alle meine Verbrechen, auch die geringste herfür zu bringen: sie hatten alle meine Wort und Werck, auch die Gedancken auf das fleißigst aufgezeichnet. Von diesen allen mußte ich strenge Rechnung geben. Nichts war mir dazumahl so beschwerlich, als mein eigenes Gewissen: dann diejenige Sünden, so ich vor diesem für gering geachtet, die kamen mir jetzt unaussprechlich groß für. Sie warfen mir vor meine Undanckbarkeiten wider meinen GOtt und HErrn: siehe! sagten sie, ich bin der Wollust, dem du gefolget: ich bin der Ehr-Geitz, dessen du ein Leibeigner warest: ich bin das Silber und Gold, welches du für deinen GOtt gehabt. Wir alle seynd deine Kinder: uns hast du GOtt deinem Erlöser, vorgezogen. Solche starcke Anklagen hatten mir das Hertz dermassen benommen, daß ich nichts anders, als den erschröcklichen Ausspruch meiner Verdammnuß erwartete. Allein zu allem Glück tratte herfür mein Schutz-Engel, und erzählte etliche wenige gute Werck, so ich in Lebs-Zeiten verricht hatte. Niemand kan ihm einbilden, was ich damahlen für einen Trost darob empfangen. Glückselig seynd diejenige Händ, so in diesem Leben reichlich das Allmosen unter die Armen aussäen, damit sie dessen Früchten in dem anderen einsammlen mögen. Endlich ergienge das Urtheil; daß ich, anderen zur Unterricht, wieder in diese Welt kehren solte. Jch muß bekennen, daß ich damahlen unter allen meinen schweren Aengsten, und Beträngnussen, nach dem Schröcken in Anschauung der leidigen Teuflen, und Erwartung der Höllen, keinen grösseren Schröcken eingenommen, als ab meinem eigenen Leichnam, den man zur Erden bestatten wolte. Ist das der Maden-Sack (sprach ich zu mir selbsten) um dessentwegen ich [153] meinen GOtt und HErrn so oft auf die Seiten gesetzt? ist das die stinckende Gefängnuß, die ich der Freyheit, so mir Christus durch sein bitteres Leiden und Sterben erworben, so oft vorgezogen? dannenhero ich auch eine grosse Beschwernuß empfunden, wieder in meinen Leib, der mir wie eine kleine Höll vorkame, zu kehren. Nachdem ich mich aber mit ihm wieder vereiniget, verbliebe ich sieben gantze Täg stumm, und sinnlos: beweinte meine Sünden mit blutigen Zähern; alldieweilen mich das Wasser, solche abzuwaschen, nicht genugsam zu seyn gedunckte. Also befinde ich mich durch sonderbare Gnad GOttes wieder in diesem Leben; damit ich jedermänniglichen den Spruch des weisen Manns mit meinem Exempel erweise, der also lautet«: gedenck, O Mensch, deiner letzten Dingen, so wirst du ewiglich nicht sündigen. Caussinus in Aula Sancta P. 3. l. 3. c. 8.


Wem soll dise Erzählung nicht einen heilsamen Schröcken einjagen? und wie ist es möglich, daß man daran gedencke, und doch sündige? gütiger GOtt! verhüte es durch deine mächtige Gnad.

5. Exempel
Fünftes Exempel.
Ein Verstorbener richtet sich nach dem Tod zu dreymahlen in der Todten-Bahr auf.

Als der heilige Bruno, Stifter des Carthäuser-Ordens, zu Paris auf der hohen Schul studirte, soll sich mit einem auf gedachter Schul, so wohl wegen seiner Tugend, als Gelehrtheit berühmten Doctor nach dessen Tod folgendes zugetragen haben. Als man ihme in Beyseyn einer ungemeinen Menge Volcks in der Kirchen bey der Bahr, in welcher der todte Leichnam mit abgedeckten Deckel lage, und also von jedermann konte gesehen werden, die Leich-Besingnuß hielte, und einer aus denen Geistlichen in Ablesung einer Lection der Seel-Mette zu jenen Worten kame: gieb mir Antwort: siehe Wunder! da richtete sich der todte Leichnam in der Bahr auf, und sagte mit kläglicher Stimm: aus gerechtem Urtheil GOttes bin ich angeklagt worden: worauf er sich wiederum in der Bahr nieder gelegt. Was für ein Schröcken unter dem anwesenden Volck über diese unerhörte Begebenheit werde entstanden seyn, wer wird es können mit Worten aussprechen? jedermann schauete einander voller Forcht und Erstaunung an, und konnte Anfangs vor Schröcken kein Wort reden. Wie aber der Schröcken etwas nachgelassen, tratte die anwesende Geistlichkeit zusammen, und hielte Rath unter einander, was in dieser Sach zu thun wäre? und ob [154] man in der angefangenen Seel-Mette fortfahren solte; oder nicht? da waren dann die meiste der Meinung, man solle damit inhalten, und selbige bis auf den folgenden Tag verschieben: vielleicht werde es sich alsdann zeigen, was GOtt durch dieses Wunder andeuten wolle. Und bey diesem Schluß hatte es auch sein Verbleiben. Unterdessen wurde das Wunder in der gantzen Stadt Paris ausgebreitet; also daß sich des anderen Tags eine unbeschreibliche Menge Volcks in der Kirchen eingesunden. Wie nun die Geistliche die Leichbesingnuß wiederum angefangen, und der Leser abermahl zu jenen Worten kommen: gib mir Antwort: da richtete sich der todte Leichnam das andertemahl in der Bahr auf, und sagte mit entsetzlicher Stimm: aus gerechtem Urtheil GOttes bin ich geurtheilet worden. Auf welche Wort er sich wiederum, wie das erstemahl, in der Bahr nieder gelegt. Das war nun ein neuer Schröcken, welcher das Volck in eine ungemeine Erstaunung setzte; indem es nicht errathen konte, ob das Urtheil für, oder wider den Verstorbenen ausgefallen? demnach wurde die Leich-Besingnuß wiederum unterbrochen, und bis auf den dritten Tag verschoben. Wie nun selbige an ermeltem Tag bey Versammlung fast der gantzen Stadt Paris (so überaus volckreich ist,) auf ein neues angefangen worden, und der Leser abermahl zu jenen Worten kommen: gieb mir Antwort: da richtete sich der Leichnam das drittemahl mit grossem Gewalt in der Bahr auf, sperrete die Augen entsetzlich auf, schauete das umstehende Volck starrend an, holte einen tiefen Seufzer, und schrie mit greulicher Stimm: aus gerechtem Urtheil GOttes bin ich verdammt worden. Uber welches das anwesende Volck nicht anderst erschrocken, als wäre es vom Donner getroffen worden. Dann eine machten vor Erstaunung das heilige Creutz; andere schlugen die Händ in einander: andere klopften auf die Brust, andere heulten und weinten, und nahmen, mit unaussprechlicher Forcht über die Strenge des göttlichen Gerichts erfüllet, den Weeg aus der Kirchen wieder nach Haus, wo sie lange Zeit nichts, als von dieser traurigen Begebenheit zu reden wußten. Unter anderen hatte diese niemahl erhörte Begebenheit den dazumahl zu Paris auf der hohen Schul noch studirenden Bruno dergestalten erschröcket, daß er die Welt alsobald beurlaubt; die Würde einer Domherren-Stell zu Rheims in Franckreich verlassen, und sich in eine Einöde begeben: in welcher er Tag und Nacht die Strenge des göttlichen Gerichts betrachtet; seine Sünden mit vielen Zähern beweinet; mit Betten, Fasten, Geißlen, und anderen Buß-Wercken sich abgemergelt, und hernach den strengen Carthäuser-Orden (in welchem alles Fleisch-Essen für die gantze Lebens-Zeit unter schwerer Sünd verbotten ist) eingesetzt. Annal. Carthus. l. 1. c. 1.

Allem nach mußte dieser verstorbene Doctor ein grosser Gleißner geweßt [155] seyn. Seye ihm aber, wie es wolle, so hat man grosse Ursach, sich vor der Strenge des göttlichen Gerichts zu förchten. Dann anderst seynd beschaffen die Urtheil GOttes; anderst die Urtheil der Menschen. O wie bald ist es geschehen, daß wir uns durch die eigne Lieb, durch die Sinnlichkeit; durch die böse Anmuthungen verführen lassen! dies und jenes für gering halten, das etwann vor GOtt ein schwere Sünd ist! darum sollen wir öfters mit dem David zu GOtt ruffen: Durchstiche mein Fleisch mit deiner Forcht: dann ich hab mich vor deinen Rechten geförchtet. Psal. 118.

6. Exempel
Sechstes Exempel.
Einem, der nur einen Tag im Fegfeuer gelitten, kommt es vor, als hätte er schon viel Jahr darinnen zugebracht.

Es ware auf eine Zeit ein frommer und aufrichtiger Mann, der in eine schwere Kranckheit gefallen, mit welcher er ein gantzes Jahr zu thun gehabt, mit grossen Schmertzen, und Verdrüßlichkeit. Er bate demnach GOtt, er wollte sich seiner erbarmen, und diesem Elend mit einem glückseligen Sterbstündlein einstens ein End machen. Was geschihet? GOtt erhört ihn, und laßt ihm durch den Schutz-Engel folgendes sagen:wisse! daß GOtt dein Gebett erhört hat. Allein laßt er dir die Wahl: entweders noch ein Jahr lang diese Kranckheit auszustehen, und darnach von Mund auf in Himmel zu kommen; oder 3. Täg im Fegfeuer zu leiden. Der Krancke besinnete sich nicht lang; sondern sagte: ich will lieber anjetzo sterben, und 3. Täg im Fegfeuer seyn, als noch ein gantzes Jahr mit einer so schmertzlichen, und verdrüßlichen Kranckheit geplaget werden. So seye es, sagte der Schutz-Engel: es geschehe nach deinem Begehren. Bald darauf greift der Krancke in die letzte Zügen, stirbt, und sein Seel wird in das Fegfeuer geführt. Ueber einen Tag hernach kommt der Schutz-Engel zu der Seel, und fragte sie: nun, wie stehts? was machest du jetzt? und wie kommt dir dieses Ort für? O! sagte die Seel! gar übel. O mein Schutz-Engel! wie bin ich hintergangen worden! du hast mir gesagt, ich müßte nur 3. Täg im Fegfeuer seyn; nun aber leide ich hier schon viel Jahr unaussprechliche Pein und Quaal. Ja wohl nicht, sagte der Schutz-Engel zu der Seel: du bist nicht hintergangen worden; sondern die Schärfe des Feuers macht dir die Zeit und Weil so lang. Dann du sollt wissen, daß du erst einen eintzigen Tag im Fegfeuer zugebracht. Jedoch, wann dich die gethane Wahl gereuet, so ist GOtt der HErr noch [156] so gütig, und will dich mit deinem Leib wiederum lassen vereiniget werden; du must aber die vorige Kranckheit noch ein gantzes Jahr ausstehen. O daß GOtt gebe! sprach die Seel: nicht nur ein, sondern mehr Jahr; ja bis auf den jüngsten Tag will ich auf der Welt leiden, wann ich nur einmahl aus dem Fegfeuer komme. Das ist dann auch geschehen; in dem die Seel mit dem Leib wiederum vereiniget worden; und hat dieser Mensch noch ein gantzes Jahr länger die vorige Kranckheit ausstehen müssen. Der hernach alles, was sich mit ihme zugetragen, andern erzählet; ihrer viel zur Buß und Bekehrung gebracht; letztlich wiederum in GOtt verschieden, und in Himmel aufgenommen worden. Cantiprat. l. 2. Apum. c. 16.

O was ist für ein Unterschied der Peinen in diesem Leben; und jener in dem Fegfeuer! ein Schatten ist es, was man hier leidet, gegen dem, was dorten die Seelen leiden. Dann die göttliche Gerechtigkeit selbst zündet jenes Feuer an; sie schärfet es; sie erhaltet es: und da verschont sie nicht; weilen nemlich die Zeit der Gnaden allbereit verflossen, und anjetzo allein die Gerechtigkeit regiert. Welches jener wohl verstanden, so das Lied von den armen Seelen im Fegfeuer gemacht; da er ihre Klag also anstimmet.


O schwere GOttes Hand,
Wie bist allhie zu Land,
So schmertzlich zu gedulten!
Ach wie muß man so theur
In diesem strengen Feur
Bezahlen alle Schulden!
7. Exempel
Siebendes Exempel.
Ein verstorbener Student erscheint seinem Lehrmeister nach dem Tod in einem peinlichen Mantel, von Pergament.

Auf der hohen Schul zu Paris lehrte vor Zeiten ein berühmter Doctor, mit Namen Silo. Seine Spitzfindigkeit bestunde meistentheils in der Disputir-Kunst: In welcher er also erfahren, daß er diejenige, so mit ihm disputirten, durch verschraufte Beweisthum dergestalten verwicklete, daß sie weder aus, noch an wußten: mithin (wie man zu reden pflegt) in Sack geschoben wurden und sich überwunden zu seyn bekennen müßten. Unter andern Lehr-Jüngern hatte er auch einen Studenten von spitzfindigem Verstand. Dieser fassete die Kunstgrif seines Lehrmeisters dergestalten, daß er in der Disputir-Kunst fast so geschickt, als der Lehrmeister selbst, erfunden wurde. Auf diese Kunst studirte er Tag und Nacht: und war seine gröste Freud, wann er mit spitzfindig ausgesonnenen Beweisthumen einen seiner Mitschuler im Disputiren fangen, und überwinden konte: unterdessen [157] wenig sorgend, seine unordentliche Anmuthungen des Gemüths zu überwinden, und in der Tugend einen Fortgang zu machen. Diese seine Geschicklichkeit nun machte ihn bey dem Lehrmeister sehr beliebt und angenehm; also daß der Lehrmeister mit ihm prangete, und ihn öfters die Zierd seiner Schul zu nennen pflegte. Allein der Lehrmeister mußte diese Zierd bald verliehren. Dann siehe! indem der Student dem Studiren gar zu starck oblage, zoge er sich dardurch eine auszehrende Kranckheit zu, welche in kurtzer Zeit also zunahme, daß der Tod vor der Thür stunde. Wen betrübte dieser Zustand mehr, als eben den Lehrmeister? er suchte demnach den Lehrjung heim, und bezeugte gegen ihm grosses Mitleiden. Ach! sagte er: mein lieber Lehrjung! wie bedaurest du mich, daß ich dich in diesem Stand sehen muß! dann du weißt, wie ich dich wegen deiner Geschicklichkeit vor anderen Studenten geliebt, und geschätzt hab. Du warest die Zierd meiner Schul: du warest mein Freud. Ach! könte ich dir helfen! wie gern wollt ichs thun! dieses geredt, schossen ihm die Zäher in die Augen: kehrte sich damit auf die Seiten, und fienge wider den Tod an also zu klagen: giengest hin, du allgemeiner Menschen-Fresser in ein Haus, wo arme Eltern seynd, die viel Kinder haben, und wissen selbige kaum zu erhalten: oder wo Kinder gefunden werden, die sich von den Elteren nicht ziehen lassen: nehmest da eines nach dem anderen weg: O wie wurden dir solche Elteren darum dancken! aber mir ein so geschickten Lehrjung in der Blühe der Jugend weg nehmen, mithin die gröste Zierd meiner Schul entziehen: was für ein Unbarmhertzigkeit ist dieses: allein weil er sahe, daß alles Klagen umsonst wäre, schickte er sich endlich in die göttliche Verordnung: kehrte sich wieder zu dem Lehrjung, und tröstete ihn mit diesen Worten:mein lieber Lehrjung! schicke dich in den Willen GOttes; und gedencke, wir seyen darum auf die Welt kommen, das wir einstens sterben müssen. Mache also aus der Noth ein Tugend, so wird dich alles ringer ankommen; und wird dein Tod nur desto verdienstlicher seyn. Allein, eines begehre ich von dir: wann es doch muß gestorben seyn, und es GOtt zulaßt, so komme nach dem Tod zu mir, und zeige mir an, wie es dir auch in der andern Welt gehe. Der Lehrjung sagt es dem Lehrmeister zu: womit beyde von einander den Abschied genommen. Was geschihet? die Kranckheit nimmt von Stund zu Stund zu, und der Krancke stirbt dahin. Es steht nicht lang an, da erscheint des Lehr-Jungen Geist dem Lehrmeister. Die Gestalt des Angesichts war bleich; die Augen eingefallen: über die Achsel aber truge er einen langen Mantel, von Pergament; auf welchem alle spitzfindig-ausgesonnene Beweisthum, denen er sich bey Lebzeiten, andere Studenten damit [158] zu fangen, und im Disputiren zu überwinden bedient hatte, geschrieben stunden. Der Lehrmeister erkennte ihn gleich aus dem Angesicht, und fragte ihn: mein lieber Lehrjung! wie geht dir auch in der anderen Welt? sehr übel, antwortete der Geist: dann dieser Mantel beschweret mich über die Massen. Wie kan das seyn, sagte der Lehrmeister? ist er doch nur von Pergament? was ist leichters zu tragen? der Geist antwortete: O Silo! Silo! du solt wissen, daß dieser Mantel von Pergament, mir grössere Beschwernuß macht, als wann ich den grösten Thurn in Paris tragen müßte. Der Lehrmeister verwunderte sich sehr darüber. Allein, was bedeuten die auf dem Mantel geschriebene Beweisthum? fragte der Lehrmeister weiters. Da antwortete der Geist: weilen ich bey Lebs-Zeiten mehr Sorg getragen, wie ich andere Studenten im Disputiren mit verschrauften Beweisthumen überwinden, als das Heil meiner Seel beförderen möchte, so muß ich diesen Mantel zur Straf meiner Eitelkeit, und schnöden Freud, die ich im Disputiren gehabt, antragen: der mir aber einen solchen Schweiß austreibt, dessen brennende Hitz ich mit Worten nicht aussprechen kan. Wie aber der Lehrmeister sich verlauten liesse, er könne ihm dieses nicht einbilden; sagte der Geist zu ihm: so reiche dann deine Hand her; und ich will einen eintzigen Tropfen von diesem brennenden Schweiß darein fallen lassen: was gilts? du wirst mir Glauben zustellen. Der Lehrmeister wollte es doch nicht glauben: reichte also die Hand her: und siehe! ein eintziger Tropf, den er in die Hand empfienge, durchdrunge in einem Augenblick das Fleisch, Bein, und aderechtige Theil der Hand mit so unerträglichem Schmertzen, daß er überlaut aufschrye: ach wehe! ach wehe! ich muß vor Schmertzen sterben. Hab ichs dir nicht vorgesagt? waren die Wort des Geists: ein andermahl seye nicht so unglaubig. Hüte dich auch vor der Eitelkeit, die du bishero in der Disputir-Kunst gesucht, damit du nicht einstens gleiche Straf, wie ich, im Fegfeuer ausstehen müssest. Dieses geredt, verschwande der Geist: der Lehrmeister aber bekame einen solchen Eckel ab der Eitelkeit seiner Disputir-Kunst, daß er sich selbiger gantz und gar entschluge; der Welt Urlaub gabe, und in ein Closter gienge: in welchem er GOtt diente, und seiner Seelen Heil sorgfältig oblage; damit er nach dem Tod nicht erfahren müßte, was seinem Lehrjung begegnet ist. Gazæus in Piis Hilar. Tom. 2.


O hätte dieser Lehrjung zu Gemüth geführt jene nutzliche, und Hertzdurchdringende Reimen, so in dem Lied von den armen Seelen des Fegfeuers enthalten seynd! wie wurde er seine allzu grosse eitle Freud im Studiren gemäßiget haben! höre, Christliche Jugend! wie sie lauten: behertzige sie; und drucke selbige tief [159] in deine Gedächtnuß: dann du wirst daraus keinen geringen Nutzen ziehen.


1.
O wehe der Eitelkeit,
O wehe der kurtzen Zeit,
O wehe der schnöden Freuden!
Ach wie so grosse Pein
Nimm ich darfür jetzt ein!
Ach wie viel muß ich leiden!
2.
Ach hätt ich jetzt die Zeit,
Die ich in Eitelkeit,
So unnütz thät verzehren!
Ach hätt ich nur ein Stund!
Leicht wolt ich mich jetzund
All dieser Pein erwehren.
8. Exempel
Achtes Exempel.
Ein Mörder erlangt durch seine reumüthige Zäher vor dem Tod Verzeihung seiner Sünden.

Zur Zeit des Christlichen Kaysers Moritz, hielte sich in den Gräntzen von Thracien lange Zeit auf ein grausamer Mörder, ja ein Rädelführer der Mörder. Dieser machte alle Weeg und Strassen unsicher, und begienge viel grosse Mordthaten. Letztlich wurde er durch zuthun gedachten Kaysers wunderlich bekehrt, und so zahm als ein Lamm gemacht; also, daß er sich selbst dem Kayser persönlich dargestellt, und um Gnad gebetten; die er auch erlangt hat. Bald aber darauf wurde er von einem tödlichen Fieber überfallen, und in einen Spital überbracht. Wie er nun sahe, daß er von dem Tod übereilt wurde, auch nicht gleich ein Priester vorhanden gewesen, dem er seine Sünden hätte beichten können, ergriffe er dasjenige Mittel, welches in dergleichen Fällen allein einem Sünder noch durchhelfen kan; nemlich die vollkommene Reu und Leid. Er erhebte also sein Gemüth durch den wahren Glauben und Hofnung zu Christo, und sprache (wie es die herumligende Krancke hernach bezeugten) mein HErr! weil ich niemand anderen haben kan, dem ich beichten könte, so beichte ich dir meine Sünden; und begehre nichts anders, als was schon einmahl ein Mörder von dir am Creutz erlangt hat: nemlich Gnad und Verzeihung: und das durch dein unendliche Barmhertzigkeit. Zu Zeugen meiner Reu opfere ich dir auf diese meine Zäher; und begehre nichts anders, als zu sterben in deiner Gnad. O GOtt! seye gnädig mir armen Sünder. Dieses geredt, wendete er sich gegen der Wand des Krancken-Zimmers, weinte mit viel Seufzen und Wehklagen sein Schnupftuch an, und gabe in solcher Reu den Geist auf. Der Artzt des Spitals, ein so wohl gottseliger, als Artzney erfahrner Mann, sahe dieselbige Nacht, eben in der Stund, da der Mörder gestorben, [160] zu des verstorbenen Beth hinzu gehen viel schwartze Mohren, mit langen Zettlen in den Händen, worauf des Mörders begangene Missethaten verzeichnet stunden. Es waren aber auch zugegen zwey andere Männer, in weisser Kleidung; nemlich 2. Engel, deren einer in der Hand eine Waag hielte. Wie man nun die Zettel auf die Waag legte, druckten sie die Waag-Schalen tief unter sich: Worauf die Mohren, nemlich die Teufel, auf den Sententz drangen; daß man der Gerechtigkeit gemäß diese Seel ihnen zuerkennen solte. Da sprach der eine Engel: haben wir dann gar nichts, das wir auf die andere Waag-Schal legen könten? der andere antwortete: was müßten wir haben? es seynd noch nicht 10. Täg verflossen, daß dieser Mensch die Mörder-Grub verlassen. Doch suchten sie in dem Beth herum, und fanden zuletzt das mit Zäher angefeuchte, und nasse Schnupftuch; welches, als sie es auf die Waag gelegt, hat es die Zettel alle überwogen. Darauf die Mohren verschwunden; die Seel aber von den Englen weg geführet worden. Des anderen Tags, so bald der Artzt des Spitals erwacht, eilte er dem Spital zu; fande das von Zähren gantz nasse Schnupftuch: und wie er von denen anderen Krancken vernommen, was sich mit dem sterbenden Mörder begeben, zweifelte er nicht mehr, daß diese Buß-Zäher dem reuenden Mörder wohl müßten zustatten kommen seyn: sagte GOtt Danck wegen des gehabten Gesichts, und machte es ihm auch selbsten fleißig zu Nutz. Mancinus de Passione Domini. l. 2. Dissert. 3.


O was haben die Zäher nicht für ein Kraft, wann sie aus einem reumüthigen Hertzen herfliessen! wie zornig auch GOtt wegen den Sünden geweßt ist, so besänftigen ihn doch die Zäher. Sie fallen ihm gleichsam in die Arm, und verhindern, daß er den Sünder nicht straft nach seinen Verdiensten. Welches aber mehr zu verstehen ist von denen Zäheren des Hertzens, als der Augen. Und dahin deutet der Prophet David, wann er sagt: Ein zerknirschtes, und demüthiges Hertz wirst du, O GOtt nicht verachten. Psalm. 50.

9. Exempel
Neuntes Exempel.
Zu einem krancken, unkatholischen Herren kommen bey nächtlicher Weil 6. verdammte Geister, die ihn schrecken.

Unter der Regierung der Königin Elisabeth in Engelland, von welcher die Catholische hart verfolgt worden, lage zu Londen königlichen Haupt- und Residentz-Stadt in Engelland, auf den Tod kranck ein gewisser Freyherr, gedachter Königin Rath. Wenig Täg[161] vor seinem Tod sahe er bey nächtlicher Weil 6. ihm bekannte Herren, die schon vor etlich Jahren gestorben, zu ihm in das Krancken-Zimmer hinein tretten: alle in gar kläglicher und erschröcklicher Gestalt, so auch vor diesem der Königin Elisabeth Räth waren. Ewiger GOtt! wem solte nicht ein Grausen durch den Rucken gehen? Was werden diese so spath in der Nacht vor des krancken Beth wollen? was für ansehnliche Männer waren nicht diese alle bey Lebs-Zeiten? jetzt aber lauter Sclaven des Teufels, mit schwartzen langen feurigen Röcken angethan, aus welchen die Flammen heraus schlugen: die winselten, und heulten wie die Hund vor Schmertzen, daß einem darvor grausen soll, der es auch nur erzählen hört. Wie dem Krancken müsse zu Gemüth geweßt seyn, kan ihm ein jeder leicht einbilden. Einer aus denen Verdammten ergrif ihn bey der Hand, worüber selbige vor Kälte gantz erstarret, und der Krancke vor Schrecken schier allerdings verschmachtet ist. Aus welchem abzunehmen, daß die Verdammte nicht nur allein Hitz; sondern oftermahls auch Kälte leyden. Warum aber eben diese Hand des verdammten Herren Eiskalt gewesen, da doch der übrige Leib branne, ist nicht leicht zu errathen. Villeicht weil er im Leben eine kalte Hand gegen denen Armen im Geben gehabt; oder weil er sich mit Schmirbalien einnehmen, oder Unterzeichnung ungerechter Befehls-Brief vergriffen hatte. GOtt weißt es, warum? damit es aber der Todt-Krancke auch bald innen wurde, wendeten sich die verdammte Herren insgesamt zu ihm, und sprachen: Richte dich du nur auf die Reis: dann du wirst bald bey uns seyn. Sage auch dieses dem Schatz-Meister der Königin, dem Cäcilio, daß ein eigenes Ort auf ihn in der Höll warthe: wo er samt dir uns einen Gesellen in der Peyn abgeben wird. Dieses geredt, verschwanden sie im Augenblick: liessen aber den sonst Todt-Krancken im Schweiß und Angst ligen: welcher hernach denen, die ihn besuchten, alles treulich erzählte, und mit einem Eyd-Schwur bestätigte. Unter anderen, die ihn heimsuchten, war auch eine adeliche Matron, die ihn gantz sorgfältig fragte, ob deme also wäre, was man von ihm sagte? Und da die ser bestättigte, daß alles nur gar zu wahr seye: bekümmerte sich die gute Frau über die Massen, und fragte weiters: ob dann gar kein Mittel mehr vorhanden wäre, ihm zu helffen? da antwortete der Krancke: es seye kein anderes Mittel mehr übrig, als daß man ihm heimlich einen Catholischen Priester kommen lasse: dann das Gewissen gebe ihm ein, daß keiner ausser der Catholischen Kirchen könne seelig werden. Allein da wolte sich niemand brennen; niemand um einen solchen Beicht-Vatter umsehen: weil solches von der Königin Elisabeth scharf verbotten war. Worauf der verlassene Freyherr erbärmlich zu schreyen[162] angefangen, welches Geschrey aber mehr von einer Verzweiflung, als Bußfertigkeit herkame. Und auf solche Weis gabe er den Geist auf: deme auch Cäcilius, der Schatz-Meister durch einen unversehenen Tod bald auf dem Fuß nachgefolget, und bestättigen helffen, daß es keine Phantasey des Krancken; sondern ein wahres Gesicht gewesen, was er von erstgedachten Geistern so hoch betheuret hat. Pædagogus Christianus P. 1. c. 8. §. 9. n. 6.


O wie vielen Uncatholischen gibt das Gewissen folgenden Rupf: ausser der Catholischen Kirchen kan niemand seelig werden. Dann diese Kirch ist zu jederzeit von GOtt mit unzahlbaren Wunder-Wercken bestättiget worden: da hingegen die Un catholische für sich kein eintziges Wunder-Werck aufweisen können. Wie darffest du dann trauen? Wie kanst du dir eine Hofnung machen auf deinem Glauben seelig zu werden? du gehest irr; du fehlest; und du wirst des Himmels verfehlen, wann du bleibst, wie du bist. Wilst du dann mit blinden Augen dem Verderben zulauffen? Ey; wache einstens auf: ruffe GOtt an, er wolle dich erleuchten: liese die Grund-Sätz des Catholischen Glaubens; oder lasse dich von geschickten Catholischen unterrichten; sonst bist du ewig verlohren. Allein, wie vil kehren sich an solche Rüpf des Gewissens? das zeitliche, die Ehr, die Kommlichkeit geht bey ihnen vor. Weilen aber dieses alles über ein kurtzes ein End nimmt, verliehren solche unglückseelige Leut neben dem Zeitlichen auch das Ewige. O wie werden sie einstens ihre Blindheit beweinen! aber zu spath.

10. Exempel
Zehendes Exempel.
Ein Mägdlein wird ewig verdammt; weil sie aus Schamhaftigkeit ihre unreine Liebs-Händel dem Beicht-Vatter vor dem Tod nicht bekennen wollen.

In Indien (so eines der grösten Ländern in der neuen Welt ist) war ein Mägdlein von 16. Jahren mit Namen Catharina. Diese diente bey einer vornehmen Frauen; war aber so frech und unverschamt, daß sie sich mit jungen Gesellen gemein machte, und mit ihnen sündigte. Es strafte sie zwar ihre Frau öfters mit harten Worten darum; allein es halffe alles nichts: also gar ware sie mit unreiner Lieb schon verstrickt. Unterdessen beichtete sie dannoch zu gewissen Zeiten; meldete aber niemahls das geringste von ihren unreinen Liebs-Händlen: Damit sie nemlich von dem Beicht-Vatter nicht für ein leichtfertiges Mägdlein [163] angesehen wurde. So geschahe es dann, daß sie von GOtt mit schwerer Kranckheit heimgesucht wurde. Dieses veranlaßte sie ihren Beicht-Vatter zu begehren; um ihre Beicht abzulegen. Der Beicht-Vatter kommt; hört sie an: allein sie sagte kein Wort von ihrer unreinen Lieb. Und solche falsche Beicht widerholte sie in selbiger Kranckheit (O Frevel!) zum neunten mahl. Wann nun der Beicht-Vatter wiederum hinweg war, tribe sie vor anderen Dienern und Mägdlein des Hauses nur das Gespött und Gelächter, sagend: Ja freylich: ich hab gewiß sonst nichts zu thun, als daß ich dem Pfaffen meine Liebs-Stückel bekennen solte. Er muß lang warten, bis er etwas davon innen wird. Alsdann brachte sie etwelche unzüchtige Liebs-Possen und verbulte Reden vor, ab welchen sich die Diener und Mägd nicht wenig ärgerten, und sie deswegen bey ihrer Frau verklagten. Diese dann gabe ihr Anfangs einen ernstlichen Verweis, nachgehends aber, ihr ein Hertz zu machen, und sie zu einer vollkommenen Beicht zu bewegen, fragte sie gantz freundlich: was es dann seye, daß sie dem Beicht-Vatter zu bekennen so grosses Bedencken trage? da gestunde sie es ihrer Frauen; erzählte ihr auch, was Gestalten sie, so oft der Beicht-Vatter zu ihr kommen, zur lincken Seiten neben ihr stehen gesehen einen Mohren, der sie stets abgemahnet, sie solle dem Beicht-Vatter nichts von ihren Liebs-Händlen bekennen: dann es lige so vil nicht daran, und seye der Mühe nicht werth, etwas davon zu melden: auf der rechten Seiten aber habe sie neben ihr stehen gesehen die Heil. Büsserin Magdalena, welche ihr zugesprochen, sie solte das Gift der Sünden durch eine aufrichtige Beicht heraus werffen; sonst könne sie an der Seel nicht gesund werden. Wie die Frau dieses gehöret, liesse sie den Beicht-Vatter auf ein neues kommen, und erzählte ihm alles, was ihr die Catharina bekennet hatte. Der Beicht-Vatter bemühete sich auf ein neues, die Krancke zu einer aufrichtigen Beicht zu bereden. Aber alles umsonst. Je mehr man ihr zusprache, je verstockter wurde sie, also daß sie nicht einmahl den Namen JESUS aussprechen wolte. Ein andersmahl, als man ihr das Crucifix vorhielte, um selbiges anzuschauen, und sich dabey zu erinneren, was Gestalten Christus an dem Creutz für sie gelitten, und daran gestorben, sagte sie mit Unwillen: Ich weiß schon, was es ist. Was wolt ihr, daß ich thun solle? ihre Frau antwortete: daß du dich zu Christo, deinem Heyland, bekehren wollest. Dann so du deine Sünden aufrichtig, und mit währer Reu des Hertzens bekennen wirst, so sey versichert, daß du bey ihm Gnad und Verzeyhung erlangen werdest. Allein Catharina sagte darauf: man sollte sie doch mit Ruhe lassen, und nicht also plagen. Wie nun die Frau auf dieses hinweg gangen, redete Catharina von nichts [164] anders, als von ihren Liebs-Händlen: welches sie etliche Täg nacheinander also fortgetrieben, bis sie einstens bey nächtlicher Weil eine von den Mägden des Hauses zu ihr beruffen, zu welcher sie sagte: O wie werde ich, geängstiget, daß ich so oft falsch gebeichtet hab, von selbiger Stund an bis gegen Mitternacht erstarrete sie an dem gantzen Leib; also daß man sie für tod hielte, und schon die Anstalt zur Bergräbnus machen wollte. Allein sie kame unverhost wieder zu sich selbst. Allwo sich dann der Beichtvatter dieser Gelegenheit bedient, und ihr auf ein neues zugesprochen: es seye nunmehr Zeit über Zeit, eine aufrichtige Beicht abzulegen; sonst seye sie verlohren. Aber auch dieses Zusprechen war vergebens; und bliebe die Krancke so verstockt, als zuvor. Drey Stund vor ihrem Tod, als die Bediente des Hauses ihr zusprachen, sie sollte in die einte Hand eine geweyhte Kertzen; in die andere aber das Crucifix nehmen, und den heylwerthisten Namen JEsus anruffen: fragte sie: wer ist dieser JEsus? ich kenne ihn nicht. Dieses geredt, wendete sie sich auf die Seiten des Betts, und führte ein Gespräch mit einem, den man nicht sehen konnte: welcher aber kein anderer, als der böse Geist war. Dazumahl lage in selbiger Kammer noch ein andere Magd kranck darnieder. Diese hielte bey der Frau des Hauses inständig an, man möchte sie doch in eine andere Kammer legen lassen: dann es fahre in der Kammer ein Hauffen der höllischen Gespenstern herum, von denen sie grossen Schrecken einnehmen müsse. Mithin gabe Catharina noch selbige Nacht ihren unglückseeligen Geist auf: das gantze Haus war aber mit so unerträglichem Gestanck angefüllet, daß man den Leichnam zum Haus hinaus und unter den freyen Himmel tragen mußte. Zehen gantze Täg hernach rumorte und polderte der Geist Catharinä dergestalten, daß die Frau samt ihren Bedienten aus dem Haus ziehen mußte; ausser einigen Mägden, welche sie das Haus zu verwahren zuruck gelassen. Als nun eine aus diesen am zehenden Tag in das Speiß-Gewölb gangen, um etwas heraus zu hohlen, da rufte ihr der Geist zu dreymahlen. Uber welches die Magd also erschrocken, daß sie eylends zum Speiß-Gewölb hinaus geloffen. Nachdem aber die andere Mägd sie angefrischt, und ihr zugesprochen, sie sollte sich nicht förchten, sondern den Namen JEsus anruffen, und mit einer geweyhten brinnenden Kertzen zuruck kehren: liesse sie sich überreden, und kehrte in Begleitung zweyer anderer Mägden, die etwas behertzters waren, in das Speiß-Gewölb zuruck; da sie dann von dem Geist ermahnt worden, die andere zwey Mägd von sich zu entlassen, und die geweyhte Kertzen auszulöschen; als welche ihm die Peyn nur vermehre. Die Magd, auf GOttes Schutz trauend, thate es. Und sihe! es erschiene ihr Catharina mit Feur und Flammen umgeben. Sie hatte um ihren Leib ein feuriges Leilach, so bis auf den Boden hinunter hienge: [165] zum Zeichen und Straf ihrer Unzucht. Wie die Magd Catharinam in so erschröcklicher Gestalt vor sich sahe, fienge sie an Händ und Füssen zu zitteren. Der Geist aber sagte zu ihr: Komme her! wie oft hab ich dir schon geruffen? und du hast mir doch nie geantwortet. Die Magd, so vor Forcht schier in ein Ohnmacht dahinge suncken, antwortete mit zitterender Stimm: ach GOtt! wer soll sich vor dir nicht förchten? auf diese Antwort erschiene ein holdseeliger Knab in einem Schnee-weissen Kleyd. Dieser munterte die Magd auf, sie solle ihr nicht förchten, sondern fleißig aufmercken, was ihr der Geist sagen werde; und solches hernach andern auch offenbahren. So bald sie aber werde zuruck gekehrt seyn, solle sie ihr Gewissen durch die H. Beicht reinigen. Alsdann liesse sich der Geist Catharinä mit diesen Worten vernehmen: Wisse, daß ich immer und ewig verdammt bin, und unaussprechliche Peyn in der Höll leyde; und das darum: weilen ich bey Lebs-Zeiten so oft falsch gebeichtet: indem ich zwar die geringere Sünden bekennt, die grössere aber (als da waren meine unzüchtige Liebs-Händel) aus Schamhaftigkeit verschwiegen hab. Lerne aus meinem Schaden vollkommentlich beichten, und wissentlich keine schwehre Sünd verschweigen. Welches alles durch GOttes Gewalt gezwungen, ich dir hiemit hab offenbahren wollen, damit du es auch anderen anzeigest, und sie sich an meinem Exempel spieglen mögen. Dieses geredt, als eben dazumahl mit der Glocken das gewöhnliche Zeichen zum Englischen Gruß gegeben wurde, hat sich der Geist in einen Winckel des Speiß-Gewölbes verzogen, und ist aus den Augen der Magd verschwunden; der Knab aber in dem weissen Kleyd (so der heilige Schutz-Engel war) hat der Magd befohlen, zu den Ihrigen zuruck zu kehren, und ihnen alles, was sie gesehen und gehört, umständlich zu erzählen: welches sie auch ohne Verzug, und treulich gethan hat. Mart. Delrio l. 2. Disquis. Magic. Quæst. 26. Sect. 5.


Unglückseeliges Mägdlein! wie gern wurdest anjetzo einem Beicht-Vatter deine Sünden bekennen, wann du noch köntest Verzeyhung hoffen; allein, es ist zu spath: und werden deine Sünden dannoch am jüngsten Tag, nicht allein zu deiner höchsten Beschämung, sondern auch ewiger Verdammnus vor der gantzen Welt offenbahr werden: welches du alles durch eine aufrichtige Bekantnus hättest verhinderen können. O Blindheit! O Unsinnigkeit.

11. Exempel
[166] Eilftes Exempel.
Einem Ertz-Bischof, mit Namen Udo, wird von einem Engel das Haupt abgeschlagen, weilen er ohngeachtet seines ärgerlichen Lebens, dannoch hat dörffen das heilige Meß-Opfer halten; und mithin die heilige Hostie unwürdig empfangen.

Udo studierte in seiner Jugend zu Magdeburg, einer Stadt in Sachsen; hatte aber einen so harten Kopf, daß ihm nichts eingehen wollte. Man treschete also leeres Stroh an ihm; mußte auch deßwegen seinen Schul-Gesellen zum Gespött und Gelächter dienen. Das betrübte ihn dann über die Massen. Einstens fiele ihm ein, er sollte seine Zuflucht zum heiligen Gebett nehmen: vielleicht wurde ihm GOtt einen gelernigen Kopf geben. Geht also in die nächste Kirch, so zur Ehr des heiligen Martyrers Moritz geweyht war. Dort wirft er sich vor einem Altar, worauf die Bildnus der Mutter GOttes stunde, auf seine Knye nieder, und bittet sie inständig, sie wolle ihm doch bey ihrem lieben Sohn einen gelernigen Kopf ausbitten, und zuwegen bringen. Wie er nun eine Zeitlang in dem Gebett verharret, da überfiele ihn ein tieffer Schlaf. In diesem erschiene ihm die Mutter GOttes, und sagte. Sihe! ich hab dein Gebett erhört, und dir bey meinem Sohn nicht allein einen gelernigen Verstand ausgebetten, sondern daß du auch mit der Zeit mögest Ertz-Bischof zu Magdeburg werden. Wirst du nun diesem Ertz-Bisthum löblich vorstehen, so wirst du auch den Lohn darfür im Himmel einnehmen. Wo nicht, so wirst du an Leib und Seel zu Grund gehen. Dieses geredt, verschwande die Mutter GOttes; Udo aber erwachte aus dem Schlaf, und fande sich mit solcher Wissenschaft erfüllet, daß er seine Schul-Gesellen weit übertraffe: also daß sich nicht allein diese, sondern auch sein Lehrmeister sehr verwunderten, woher ihm doch gähling eine so hohe Wissenschaft müsse zukommen seyn. Wie gehts weiter? nach 2. Jahren wird er von den Dom-Herren zu Magdeburg mit einhelliger Stimm zu ihrem Ertz-Bischof erwählt; und das in Ansehung seiner auserlesenen Wissenschaft und Tugend. Jedermann hofte, er wurde dem Ertz Bisthum löblich, und mit grossem Nutzen vorstehen; wie er es auch eine Zeitlang gethan hat. Allein (wie es eben mit der Zeit geht) weil er täglich Tafel hielte, und wohl lebte, geschahe es, daß er nicht allein in der Tugend erkaltete, sondern seiner selbst so weit vergasse, daß er sich denen fleischlichen Wollüsten ergabe; ja so gar (O GOttes-Vergessenheit!) mit einer Closter-Frau verbottene Gemeinschaft hatte. Dieses liederliche und ärgerliche Leben triebe [167] er viele Jahr aneinander, bis ihn endlich GOtt auf folgende Weis zur Buß ermahnte. Als er sich einstens zu Nachts bey gedachter Closter-Frau aufhielte, da liesse sich in der Cammer eine Stimm hören, dieses Innhalts: Udo, Udo, höre auf, du hast schon lang mit GOtt gespielet: mißbrauche nicht länger seine Langmüthigkeit. Allein er triebe nur das Gespött aus dieser Stimm, und sagte zu der Closter-Frau, sie solle sich von dieser Stimm nicht schrecken lassen: es seye nichts, als ein Betrügerey, die vom bösen Geist herkomme. Also fuhre er in dem Luder fort auch die anderte, u. dritte darauf folgende Nacht; da sich dann allzeit die vorige Stimm in der Cammer wiederum hören liesse. Allein, er ware schon verstockt, und kehrte sich so wenig daran, als wann es ihn nichts angienge. Was geschihet endlich? nach Verfliessung etlicher Monath begabe sich ein frommer und gottseeliger Dom-Herr bey nächtlicher Weil in die Dom-Kirchen, um alldorten seiner Gewohnheit nach dem heiligen Gebett obzuliegen. Weil er nun behertzigte, daß das Ertz-Bisthum Magdeburg mit einem so ärgerlichen Ertz-Bischof versehen seye, bate er GOtt, er wolle dieser Aergernus abhelffen, entweders durch einen frühzeitigen Tod des Ertz-Bischofs, oder aber ihm bessere Sinn und Gedancken geben, damit er sich bekehre, und forthin ein besseres Exempel von sich gebe. Und sehet! wie er also in dem Gebett begriffen war, da entstunde gähling in der Kirchen ein Sturm-Wind, der alle brinnende Amplen auslöschte. Er erschracke, und wußte nicht, was er gedencken solte. Die Haar stunden ihm gen Berg, und er erwartete in dieser Finsternus, was dann endlich daraus werden wollte. Wie er nun also mit Forcht umgeben war, da sihet er in die Kirch hinein tretten 2. Jüngling mit brinnenden Facklen, die giengen zum hohen Altar hin: und stellte sich einer auf die rechte, der andere aber auf die lincke Seiten des Altars. Nach diesem kamen wiederum 2. andere Jüngling, deren einer einen Teppich vor dem Altar auf den Boden ausbreitete, der andere aber stellte zu beyden Seiten des Altars 2. verguldete Sessel herum. Drauf hin gienge einer mitten durch die Kirch in den Chor hinein, führend in der Hand ein entblöstes Schwerd: und nachdem er sich in die Mitte des Chors gestellt, rufte er mit lauter Stimm: O ihr Heilige GOttes, deren Leiber in dieser Kirch begraben seynd, stehet auf aus eueren Gräberen, und kommet für Gericht. Kaum hatte er diese Stimm von sich hören lassen, da kame aus den Gräberen herfür eine grosse Menge der Heiligen, beyderley Geschlechts. Diese alle giengen in den Chor hinein, und stellten sich zu beyden Seiten des Chors in eine Ordnung. Auf diese tratten in die Kirch hinein die 12. Apostel, und mitten unter ihnen Christus der HErr, glantzend wie die Sonn, und mit einer goldenen Cron auf dem Haupt Vor diesem fielen alle Heilige auf ihre Knye [168] nieder, stunden darnach wiederum auf, und erhebten ihn auf den einten vergoldeten Sessel. Hernach kame auch die Mutter GOttes, glantzend über die Stern, begleitet von einer grossen Schaar heiliger Jungfrauen: vor welcher alle Heilige eine tieffe Reverentz machten, und selbige hernach auf den anderen vergoldeten Sessel erhebten. Letztlich tratte herfür der heilige Martyrer Mauritius mit seinen 6666. Gesellen und Martyrer, die sich alle vor Christo dem HErrn niederwarffen, und ihn mit diesen Worten anredeten: O gerechtester Richter, urtheile nach deiner Gerechtigkeit. Da hiesse sie Christus aufstehen, und sagte: Ich weiß schon, was ihr wollet. Lasset Udonem, den Ertz-Bischof herbey kommen. Gleich auf diesen Befehl giengen einige von den Anwesendē hin, und brachten Udonem aus der Cammer, wo er seiner verbottenen Liebe pflegte, herbey. Diesen sahe der H. Mauritius ernstlich an, und sagte zu Christo: HErr, der du ein gerechter Richter bist: urtheile diesen nach deiner Gerechtigkeit. Dann dieser Udo ist kein Ertz-Bischof, sondern ein Unflat, kein Hirt, sondern ein Wolf. Diesem hat deine Jungfräuliche Mutter zuwegen gebracht einen gelernigen Verstand, damit er einstens dem Ertz-Bisthum Magdeburg nutzlich könnte vorstehen; diesen aber hat er mißbraucht, hat sich dem Wolleben ergeben, und sich so weit verlohren, daß er sich mit einer Closter-Frau versündiget, mit grosser Aergernus des gantzen Ertz-Bisthums. Und wiewohlen du ihn zum drittenmahl durch eine Stimm ermahnet hast, von seinem sündigen und ärgerlichen Leben abzustehen; so hat er dannoch diese Stimm und Ermahnung in Wind geschlagen. Also fälle über ihn das Urthel, gerechtester Richter! auf diese Anklag sagte Christus zu den umstehenden Heiligen: Was gedunckt euch von diesem Beklagten? Hierauf sagten alle Heilige, HErr! er hat den Tod verschuldet. Auf diesen Sententz befahl derjenige, so mit dem entblößten Schwerdt in die Kirchē getretten, Udo solle herfür tretten, und den Hals herstrecken. Als Udo das gethan, und jener den Streich führen wollte, ihme den Kopf abzuschlagen, da rufte ein anderer, Halte inn, dann wir müssen vorher von ihm nehmen die heilige Hostien, die er so oft unwürdig, da er das Meß-Opfer hielte, genossen hat. Hierauf hielte ihm einer vor den Mund einen goldenen Kelch, ein anderer aber schlug ihn etlichmahl mit der Faust auf das Genick, mit solchem Gewalt, daß auf einen jeden Streich eine Heil. Hostie aus dem Mund heraus, und in den Kelch sprange; welche dann samt dem Kelch mit grosser Ehrenbiethung zum Altar getragen worden. Letztlich war Udoni auf einen Streich das Haupt abgeschlagen: worauf alle Anwesende verschwunden. Der fromme Dom-Herr, so diesem traurigen Spectacul zugesehen, fande unverhoft [169] in der Sacristey noch ein Liecht. Mit diesem gienge er zum Altar hin zu sehen, ob dises alles etwann nur ein Traum; oder ein wahre Geschicht gewesen. Und sehet! er findet die aus Udonis Mund heraus gesprungene Hostien in einem Kelch auf dem Altar: den Leib Udonis aber auf der Erden ligend mit abgeschlagenem Haupt, von dessen Blut der gantze Boden besprengt war. Da schrye er dann auf:O trauriges Spectacul! O erschreckliches Gericht GOttes! O wie entsetzlich ist es, fallen in die Händ des lebendigen GOttes! dann die er lang gedultig übertragen hat, die straft er mit der Zeit nur desto schärffer. Darauf hin gienge er aus der Kirch nacher Haus, nachdem er die Kirchen-Thür hinter sich wohl verschlossen hatte. So bald der Tag angebrochen, gienge er zu denen andederen Dom-Herren, und erzählte ihnen den gantzen Verlauf der Sach: batte sie auch zugleich, sie wolten mit ihm der Kirchen zugehen, und den Augenschein auch selbst einnehmen. Das thaten sie auch, und sihe! als sie in die Kirchen, und für den hohen Altar kommen, fanden sie wahrhaftig ihren Ertz-Bischof mit abgeschlagenem Haupt auf der Erden ligend, und in seinem Blut schwimmend. Was für ein Forcht und Schrecken bey den Zusehenden werde entstanden seyn, ist leicht zu gedencken. Ein jeder entsetzte sich über das erschröckliche Urtheil GOttes, und dessen Vollziehung: ist auch kein Zweifel, ein jeder werde mit dem David aufgeruffen haben: HErr du bist gerecht? und dein Urtheil ist auch gerecht. Psal. 118. Bredenbach Collation. Sacrar. L. 8. c. 15.


Wie förchtig seynd nicht alle Umständ dieser Geschicht! und wie erhellet daraus die Wahrheit jenes erschröcklichen Spruchs, den der Heil. Paulus gethan hat. 1. Corinth. 11. von denen, so unwürdig die H. Hostie geniessen! wer unwürdiglich isset (nemlich das Brod der Englen; den Leib des HErren in der Heil. Communion) der isset ihm selbst das Gericht. Das hat erfahren der unglückseelige Udo. Er hat das blutige Urtheil seiner Enthauptung wider sich selbst geschriben: und mit disem Urtheil das Urtheil der ewigen Verdammnuß. Jetzt heißt es: So vil er der Gelüsten genossen hat, so vil thut ihm Peyn und Qual an. Apoc. 18. Das ist das End aller deren, so mit GOtt spilen därffen.

12. Exempel
[170] Zwölftes Exempel.
Ein voller Zapf wird in die Höll geführt, allda zu sehen die Peyn der Vollsauffer.

Es war ein lasterhafter Mann, der Tag und Nacht bey Kanten und Gläseren sasse, und den Magen mit überflüßigen Trincken anfüllte Einsmahls als er seinem Gebrauch nach voll und toll nach Haus gieng, und über einen Kirchhof wackelte, auch bald an diesem, bald an einem anderen Grabstein anstossete; erzörnete er sich so hefftig, daß er greulich (wie es eben die Vollsauffer machen) zu schelten und zu fluchen ja so gar GOtt, und seine Heilige zu lästeren angefangen: und das auf eine so erschröckliche Weis, daß letztlich die Todte selbst aus den Gräberen herfür kommen, und wider ihn aufgestanden: unter welchen einer mit Krotten, Schlangen, und Würmen umgeben sich dem Vollsauffer unter das Gesicht gestellt hat. Der volle Zapf hatte das Hertz, den Geist gantz freventlich und unverschamt anzufragen, wer er wäre? die Todten-Larve gabe zur Antwort: ich bin, was du seyn wirst. So komme dann, sagte der verwegene Vollsauffer, heut Abend noch in mein Haus, und isse mit mir zu Nacht: darzu will ich dich eingeladen haben, und deiner gewärtig seyn. Die Todten-Larve ant wortete: Gehe nur hin; ich will mich ordentlich bey dir einfinden, und bald nach kommen. Auf diese Antwort nahme der volle Zapf seinen Weeg weiters fort, und seinem Haus zu. Unter Weegs aber kam ihn ein Schrecken an; daß er die Todten-Larve so freventlich habe dörffen zum Nacht-Essen einladen: dann er konte sich nichts Gutes vorsagen. Demnach saumte er sich nicht bäldist zu Haus zu seyn. So bald er dort ankommen, erzählte er seinem Weib mit Schrecken, was ihme auf dem Kirchhof begegnet, und was er dort für einen seltsamen Gast zum Nacht-Essen eingeladen habe. Befihlt also Thür und Thor des Hauses wohl zu verriglen, und den Gast, wann er käme, beyleib nicht einzulassen. Was geschiehet? es stehet nicht lang an, da kommt der geladene Gast daher, und klopft an. Allein Niemand gabe Antwort. So klopfte er dann das anderemahl an, und das mit solchem Gewalt, daß das gantze Haus darüber erzittert, und mithin Thür und Thor aufgesprungen. Der Geist begibt sich in die Stuben hinauf, und kommt für den Tisch hin, an welchem der Vollsauffer sitzte, und eben das Nacht-Essen einnahme. Da redete dann der Geist den Vollsauffer also an: Hier bin ich, du voller Zapf; weil du mich zum Nacht-Essen eingeladen. Und damit du sehest, daß ich mir nichts umsonst thun lasse, so lade ich dich auch [171] zu meiner Tafel ein. Uber drey Täg sollest du dich eben um diese Stund dabey einfinden. Und mit diesem ist der Geist verschwunden. Wie der Vollsauffer folgenden Morgen ausgenüchtert, und sich erinnert, zu was für einer schlimmen Tafel er von der Todten-Larven seye eingeladen worden, lieffe er vor Forcht und Schröcken der Kirchen zu, beichtete dort seine Sünden mit grosser Reu, und nahme ihm festiglich für, ins künftig ernstlich sein Leben zu besseren, und von dem Vollsauffen abzustehen: worüber er dann die Heil. Absolution empfangen, damit nach Haus gangen, und gleichwohl den bestimmten Tag und Stund erwartet, da er bey der Mahlzeit der Todten-Larven erscheinen müßte. Wie nun die Zeit herbey kommen, wurde er von dem Geist mit Leib und Seel in die Höll abgeholet, zu sehen die Peyn der Vollsauffer. Alldorten sagte der Geist zu ihm: sihe das ist mein Nacht-Essen. Zeigte ihm zugleich Krotten und Schlangen; feurigen Schwefel und Pech: und sagte ferners: da isse nun; da trincke, wann es dich gelustet. Der arme Tropf zitterte hierüber an Leib und Seel, und sorgte, es möchte mit ihm noch übler gehen. Allein der Geist war zufriden, daß er ihm Peynen der Höllen gezeigt hatte. Führte ihn also aus göttlichem Befehl halb todter in sein Haus zuruck; allwo er wegen eingenommener Forcht und Schrecken Eis-grau schine, der vorhin frisch und jung anzusehen war. Er veränderte aber mit der Gestalt auch den Lebens-Wandel; indem er sein Lebtag nimmermehr gelacht, sondern seine Sünden mit vilen Zähern beweint hat. Gotschalcus Holen. Part. æstiv. Serm. 301.


O wann alle Vollsauffer gedenckten an das Tractament, das in der Höll auf sie wartet, wie wurden sie ihre unmäßige Begierd zu trincken inner den Schrancken der Bescheidenheit halten! dann was wartet anderst auf sie, als feuriger Schwefel und Pech? das wird in alle Ewigkeit ihr Tranck seyn: welches ihnen aber den Durst nicht löschen; wol aber noch mehr anzünden wird. Sie werden mit dem verdammten Prasser ein eintziges Tröpflein Wasser wünschen, nur damit ihre feurige Zungen in etwas abzukühlen; aber sie werden es in Ewigkeit nicht erhalten. Gehet nun hin, ihr Vollsauffer, und fahret also fort; aber rüstet euch zugleich auf einen ewigen Durst.

13. Exempel
[172] Dreyzehendes Exempel.
Ein gefangener Bauer wird von dem bösen Geist aus der Gefängnuß in die Höll geführt; allwo ihm die höllische Peyn gezeigt worden.

Zu Sulmona in Welschland war ein Graf; oder besser zu reden, ein rechter Wüterich, als welcher mit seinen Unterthanen sehr streng, und unchristlich umgienge. Ja er hielte sie schlimmer, als seine Hund; massen diesen besser, als denen armen Unterthanen gepflogen wurde. Dann weilen er ein Liebhaber der Jagd war, unterhielte er etliche Kuppel der Jagd-Hunden, denen er manches Stuck-Fleisch hinwarffe; wo die arme Unterthanen unterdessen den bitteren Hunger litten. Nun geschahe auf eine Zeit, daß einer dieser Hunden, der dem Grafen vor anderen lieb war, einem seiner Unterthanen, einem Bauren, weiß nicht was für eine Unruhe und Uberlast anthate. Weilen nun der Baur solchen Hund deswegen tapfer abprüglete, schrye er jämmerlich. Der Graf dies hörend, erzörnte sich wider den guten Mann dergestalten, daß er Befehl gab, den Bauren alsobald in Eisen und Band zu schlagen, und in die Gefängnuß zu setzen. Wie nun der arme Baur aller menschlicher Hülf sich beraubet sahe, überfiele ihn ein solcher Unmuth und Melancholey, daß er aus Verzweiflung den bösen Feind um Hülf angeruffen. Als nachgehends der Kercker-Meister dem Gefangenen zu Essen bringen wolte; sihe! da fande er den Kercker leer, und konte nicht errathen, wie und wohin doch der Gefangene möchte die Flucht genommen haben. Erschracke also nicht wenig ob dieser Begebenheit: und noch vilmehr der Graf selber, da er die Bottschaft davon erhalten: dann er machte ihm deswegen allerhand wunderliche Gedancken. Es waren aber kaum 3. Täg verstrichen, da hörte einstens der Kercker-Meister eine klägliche Stimm, die ihne gedunckte aus der Tieffe des bishero stets verschlossenen Kerckers zu kommen. Er lauft also dem Kercker zu, eröfnet denselbigen; und sihe Wunder! er fande wiederum den Flüchtling; aber gantz verstellet: dann er sahe Kohl-schwartz aus, und die Kleider waren halb verbrennt. Der Kercker-Meister fragte ihn: wo er hingeflohen? und wie er wieder anhero gekommen? der Gefangene aber gab ihm nichts anders zur Antwort, als daß er dem Kercker-Meister mit kläglicher, und gebrochener Stimm sagte: gehe alsobald zum Grafen, und sage ihm, wie daß ich ihm etwas hochnothwendiges zu erzählen habe. Nun das wird dem Grafen hinterbracht. Und weil der Graf begierig war zu hören, was es dann wäre, liesse er den gefangenen Bauren alsobald für sich führen. Da fienge dann der Gefangene [173] mit einem tieffen Seuftzer an also zu reden: »Herr Graf! ich komm daher, als ein Bott, aus der Höll abgesandt, wohin ich bin geführt worden, den Augenschein von den erschröcklichen Peinen daselbst einzunehmen. Dann wisset: wie ich im Kercker gefangen lag, und niemand mich trösten wolte, da hab ich den bösen Geist um Hülf angeruffen. Es erschiene auch dieser ohnverzüglich in abscheulicher Gestalt; faßte mich in der Mitte, und führte mich in den Abgrund der Höllen. O was hab ich dort nicht für erschröckliche Sachen angetroffen, und sehen müssen es waren allda tiefe finstere Gruben; mit feurigem Schwefel und Pech angefüllte Teich; überaus grosse brennende Feur-Oefen. Allda hab ich Fürsten und grosse Herren gesehen, mitten in den feurigen Kohlen liegen, an dero Häls glüende Ketten hiengen. Diese wurden gleich den Sclaven von den Teuflen mit Füssen getreten, unter welchem Tretten diese vorhin grosse Herren ihre geführte Regierungen verfluchten. Es waren allda auch zu sehen geistliche Personen als Prälaten, sitzend auf brennenden Ehren-Stühlen, angethan mit flammenden Rauch-Mäntel: diese verfluchten ebnermassen ihre gehabte Ehren-Stellen, und Würden. Wiederum sahe ich auf einer Seiten etwelche Kauf-Leut, die waren zerfetzt, und zerfleischt bis auf die blosse Beiner, an welchen die höllische Hund nagten. Diese Kauf-Leut verdammten gleicherweis ihre gehabte Reichthümer. Ferners waren allda geile unzüchtige Weibs-Bilder, mit Schlangen und Drachen umwickelt, die ihnen da und dort das Fleisch zerbissen. O was für erbärmliches Geheul setzt es dort nicht ab; welches mein Gehör gantz taub gemacht! O was für ein unleidlicher Gestanck ist nicht allda; der mein Hertz schier ersticket hat! indem ich also die Augen hin und her wurfe, erblickte ich einen gewissen Herrn (und diesen nennte der gefangene Baur mit Namen) den ihr und ich wohl kennen; und der kurtz vorher gestorben. Dieser als ich zu ihm tratte, liesse einen tiefen Seufzer, und zeigte mir, wie er mit stinckenden Eyter und Geschwären angesteckt, und mit Schwefel-Flammen umgeben seye. Alsdann sprach er mit Schauder-voller Stimm zu mir: siehest du in jener finsteren Höle jenen glüenden Sessel? wisse, daß dieser zubereitet seye dem Grafen von Sulmona, wofern er sich nicht bessern wird. Gehe dann, und ermahne ihn; damit er einmahl aufhöre, seine Unterthanen zu plagen, auf daß er nicht auch in dieses Ort der Pein und Qual komme. So man dir aber nicht glauben solte, so setze zu Bestättigung der Wahrheit folgende Erzählung hinzu: es solle nemlich der Graf sich erinneren jenes geheimen Anschlags, den er vor diesem mit ihm in Kriegs-Sachen gehabt: [174] von welchem niemand als er, und ich Wissenschaft habe. Als er dieses ausgeredt, schwiege er still. Und als ich die Hand ausstreckte, den Saum der Kleider zu berühren, schrie er überlaut: laß bleiben; laß bleiben, dann mein Kleid ist lauter Feur: wehe dir! so du es anrührest. Hab also mein Hand zuruck gezogen: und siehe! der Athem allein, und der Dampf war so mächtig und umfressend, daß er sie verbrennt und geschwärtzt hat, wie ihr selbst sehet. Schauet doch, wie viel eyterige Blattern mir aufgefahren, die nun eine stinckende Matery von sich geben; und wie die Würm daraus kriechen, so mir das Fleisch wegfressen.« Auf so erschröcklichen Anblick dieser verbrennten Hand; auf so traurige Zeitung von jenem glüenden Sitz, welches alles der entdeckte Anschlag bekräftigte, erbleichte der Graf im Agesicht; zitterte an Händ und Füssen, und der häufige Schweis brache ihm am gantzen Leib aus: der Gefangene aber wurde alsobald auf freyen Fuß gestellt: welcher darauf nach Haus gienge: den aber niemand aus seinen auch nächsten Befreundten mehr kennte: also gar war er verstellet. Er wandelte forthin seine übrige Lebens-Zeit immer in tiefer Melancholey herum, und konte auf keine Weis mehr getröstet werden. Dann er erschröckte jedermann mit Erzählung seiner traurigen Begebenheit. Wohin er nun kame, beschriebe er jenes greuliche Ort der Peinen; jene feurige Oefen, die nicht erlöschen; jene glüende Ketten, welche diesen elenden Verdammten stets anhangen; jenen unleidentlichen Durst, den man nicht einmahl mit einem Tröpflein Wasser kan abkühlen; jenes Metzgen, Hauen, und Beissen in dem Fleisch; jene häßliche Larven, und Angesichter der Teuflen; jenes Heulen und Klagen; jene Trostlosigkeit und Verzweiflung: und endlich jenes erbärmliche Leben, damit man immerzu sterbe; und jenes erbärmliche Sterben, damit man immerzu lebe. Mit einem Wort: wo man zu keinem anderen Ziel lebt, als daß man immer und ewig brinne und brate; ein Pein und Qual über die andere leide; rase und verzweifle. Damit aber brachte er manchen auf gute Weeg, und verleidete ihnen die Welt-Gelüsten; damit sie nicht in jene höllische Schmertzen geriethen. Ja nicht allein mit Worten, sondern auch in der That selbsten erwiese er in seinen noch wenig übrigen Tägen, daß er nichts anders verlange, als jenes Ort der Pein und Qual auf alle Weis zu vermeiden; als welches ihm solche Forcht und Schröcken eingejagt hatte. Das Gerücht von dieser traurigen Begebenheit hatte sich in selbiger gantzen Landschaft ausgebreitet. Etwelche haben daraus ein Gelächter gemacht; dann es taugte diesen Welt-Vöglen nicht für ihr unordentliches Leben, solche Geschicht zu glauben; und so sie es glaubten, fienge gleich der Gewissens-Wurm an zu nagen. Andere, die von gesunder Vernunft waren, hielten es für eine wahre Begebenheit; als welche mit den Prophezeihungen [175] einstimmte, und mit dem heiligen Evangelio eintraffe. Giengen also in sich selbsten; thaten Buß: damit sie nicht an jenes Ort der Pein und Qual kämen, an welches sie ohne Forcht und Schröcken nicht gedencken konten. Gregorius Rossignolius S.J. in seinen ewigen Grund-Wahrheiten.


Wann grosse Herren, und Obrigkeiten an jenen Spruch im Buch der Weisheit, C. 6. öfters gedenckten: Die Gewaltige werden gewaltige Pein leiden; wie gantz anderst wurden sie mit ihren Unterthanen umgehen! die Obrigkeiten seynd gesetzt zu Gutem der Unterthanen: und also sollen sie diesen Guts thun; und nicht tyrannisch über sie herrschen. Sollen auch gedencken, daß noch einer ober ihnen seye, der sie straffen könne, wann sie die Schrancken ihres Gewalts überschreiten.

14. Exempel
Vierzehendes Exempel.
In einem Closter setzen sich verdammte Geister vor dem Nacht-Essen an die Tisch des Convents.

Zu Neapel einer Stadt in Welschland, ist ein gewisses Closter, dessen Orden ich nicht benamsen will. In diesem hat sich einstens folgendes zu getragen. Als ein Bruder des Closters auf einen Abend in das Convent gieng, den Tisch zu decken, siehe! da nimmt er wahr, daß alle Tisch des Convents mit Geistlichen seines Ordens besetzt wären, welche in der Stille gleichsam warteten, bis man das Nachtessen auftragen wurde. Weil nun der Bruder keinen aus ihnen kennete, als der sie sein Lebtag niemahl gesehen, kam es ihm sehr fremd vor: dann er wohl wußte, daß die Geistliche, so ins Convent gehörten, noch in ihren Zellen wären, und warteten, bis sie das Zeichen zum Nacht-Essen hören wurden. Endlich gieng ihm ein Schauder durch den Rucken; weil er darfür hielte, es müßten Geister seyn. Demnach stunde er nicht lang still, sondern luffe eilend zum Convent hinaus, und dem Prior des Closters zu. Diesem erzählete er voller Schröcken, was er im Convent gesehen hätte. Der Prior glaubte anfänglich, der Bruder müß von Sinnen kommen seyn; oder er gehe etwan im Traum: liesse ihm also nichts aus der Sach gehen. Allein weil der Bruder sagte: er wisse wohl, was er rede; und daß es kein Traum wäre: mithin den Prior bathe, er wolte selbst mit ihm ins Convent gehen, und den Augenschein einnehmen, liesse sich dieser überreden, und gienge in Begleitung des Bruders selbst ins Convent hinein. Wie er nun eben das gesehen, was ihm der Bruder erzählt hatte, kame ihn gleichfalls ein Grausen an: nahme also samt dem Bruder den Weeg eilends zum Convent hinaus, und berufte die [176] Aeltiste des Closters zusammen ihnen voller Schrecken erzählend, was er und der Bruder im Convent gesehen hätten. Nun komme es auf die Frag an, was zu thun seye? dann das seyen Geister; und also müsse man behutsam drein gehen, wann man sie aus dem Convent vertreiben wolle. Da wurde dann einhelliglich beschlossen, der Prior solte in die Sacristey gehen, und dort die priesterliche Kleider anlegen: alsdann das Hochwürdigste Gut aus dem Tabernackel des Altars nehmen, und damit in Begleitung aller Geistlichen des Closters ins Convent hinein gehen, und die Geister durch die Gegenwart Christi beschwören, daß sie sagen und bekennen sollen: wer sie seyen? zu was End sie in das Convent kommen? und was sie wollen? nun das geschiehet. So bald der Prior dann mit dem Hochwürdigsten Gut ins Convent kommen, stunden die Geister zwar alle auf, und neigten sich; zohen aber ihre Münchs-Kappen über die Angesichter herunter, damit sie Christum den HErrn im Sacrament nicht müßten anschauen: auf welches hin sie sich wiederum nieder setzten. Als aber der Prior den Obersten, so diesen Geistern allen vorsasse, anfragte, wer sie wären? stund der Geist auf, und sagte: Wisse, daß wir vor diesem alle deines Ordens-Brüder geweßt, aus welchen die meiste die Stell eines Oberen, als Priors; oder ein anders Ehren-Amt des Ordens, als Magisters, Lectors, und dergleichen vertretten. Nun aber seynd wir alle verdammt; und zwar wegen unserem Ehr-Geitz, Hoffart, Neid, und anderen Lastern, so die Höll verdienen. Es hat aber GOTT aus sonderbarer Gnad gegen euch wollen, daß wir anhero kommen, und nicht allein euch, sondern alle Ordens-Brüder ermahnen solten, daß ihr euch befleisset, vermög eueres Berufs nach der Clösterlichen Vollkommenheit zu streben; wann ihr anderst mit uns nicht auch wollet verdammt werden. Damit ihr aber an unserer Verdammnuß nicht zweiflen könnet, so schauet uns nur recht an. Als er dieses geredt, zogen sie ihre Münchs-Kappen von denen Häuptern herunter. Und siehe! es fuhren aus ihnen feurige Flammen, und sie sahen gantz giüend aus, wie ein feuriges Eisen. Auf dieses schluge der Oberste aus diesen Geistern mit der Hand auf den Tisch: und damit verschwunden sie insgesamt. Antonius Senensis in Chron. FF. Prædicat. in Com. fol. 119.


Wie gefährlich ist es, wann man an demjenigen Ort, welches ein Schul der Demuth seyn soll, dem Ehr-Geitz ergeben ist, andere verachtet; oder sie beneidet, wann sie herfür gezogen werden! und wie ist es möglich, daß man die wahrhafte Tugend erlange, wann man nicht die Demuth zum Grund legt? darum sagt gar schön der heilige Augustinus: Wilt du ein Gebäu der Tugenden anführen? so stehe zu erst um die Demuth, [177] als um das Fundament dieses Gebäues. Und dieses ist was Christus von seinen Nachfolgeren verlangt; indem er sagt: Lernet von mir: dann ich bin demüthig von Hertzen. Matth. 11.

15. Exempel
Fünfzehentes Exempel.
In einem gewissen Schloß werden die nächtliche Polder-Geister beschworen, und vertrieben.

Nicht weit von der berühmten Stadt Brüssel, in Niderland, wurde ein Schloß nächtlicher Weil von den Gespenstern beunruhiget; absonderlich ein gewisser Theil desselben: welcher dessentwegen gar nicht konte bewohnt werden. Der Herr des Orts um dieser Ursach willen nicht wenig bestürtzt, weilen kein eintziges angewendtes Mittel was verfangen wolte, kame eines Tags nacher Brüssel, und auch in das Jesuiter Collegium, um sich in etwas der traurigen Gedancken zu entschütten; und wo möglich einen guten Rath und Hilf zu finden. Unter andern traffe er einen Pater an, Herennius mit Namen; einen Mann nicht weniger von Tugend, als Hertzhaftigkeit. Dieser tröstete den guten Herrn, und botte ihm seine Dienst an, mit Versprechen, sich um das Schloß anzunehmen, und selbiges durch Beystand GOttes von den Polder-Geistern zu befreyen. Der Edelmann nahme so freundliches Erbieten mit Danck an; verfügte sich wider nach Haus, um alle erforderte Anstalt zu machen, und erwartete des Paters auf den bestimmten Tag. Den anderen Tag begabe sich Herennius, seiner Zusag gemäß, mit einem Gesellen seines Ordens auf den Weeg, obgedachtem verschreyten Schloß zu: allwo er mit sonderbaren Freuden und Höflichkeit empfangen worden. Nach eingenommenem Nacht-Essen verfügte er sich samt seinem Gesellen in eben dasjenige Zimmer, welches wegen Ungestümme der Geistern am aller unsichersten war, und nächst an einen grossen Saal stoßte. Gleich nach ihrem Eingang knyeten beyde nieder; verrichteten in der Stille ihr Gebett; stellten ein Crucifix samt dem Weyh-Wasser auf den Tisch; zündeten geweyhte Wachs-Kertzen an; verrigelten zuletzt die Stuben-Thür auf das genauiste, und brachten einen guten Theil der Nacht theils mit eifrigem Gebett; theils mit gottseligem Gespräch zu. Um Mitternacht herum hörten sie in dem Saal ein Geräusch von eisenen Ketten; und gleich darauf etwas gantz ungestümm auf- und ablauffen, und je mehr und mehr dem Zimmer, in dem sie waren, zukommen. Der Pater gedachte wohl, es wurde bey diesem nicht verbleiben: stunde derohalben von dem Gebett auf; legte das Brevier auf den Tisch, und rüstete sich zu dem Beschwören. Entzwischen klopfte man [178] an der Thür starck an; und das zum ersten, anderen, und dritten mahl. Weil aber niemand ein Zeichen zum Hereingehen geben wolte, ward die Thür nach dem dritten Anklopfen für sich selbst, mit einem starcken Widerknall eröfnet. Und siehe! ein erschröckliches Gespenst zeigte sich unter der Thür, fast so lang, als ein Ris: Kohl-schwartz von Leib anzusehen: gantz ausgemergelt, und eingefallen in dem Angesicht; mit zerrauften verwickleten Haaren: deme die Feuer-Funcken zu den Augen ausschlugen; und welches mit auf den Rucken gebundenen Händen eine lange eisene Kette nachschleppte. In solcher entsetzlicher Gestalt, mit ausgestreckter Zungen, und gegen der Erden niedergesencktem Haupt liefe dieses Gespenst in das Zimmer hinein, und stellte sich dem Pater unter das Gesicht: der sich aber im geringsten nicht entsetzte; sondern mit heller und behertzter Stimm den Geist fragte: wer er wäre? und was er an diesem Ort zu suchen hätte? worauf ihm der Geist mit einer tieffen Stimm kurtz geantwortet: Was fragst du mich? der nach mir kommt, wird dirs schon sagen. Mit diesen Worten setzte er sich in einen Sessel, deren etliche gegen dem Pater über in der Ordnung nach einander an der Wand herab stunden. Ohngefehr nach einer Viertel-Stund liesse sich ein anderer Geist mit gleicher Ungestümme vor der Thür hören: kame letztlich nach dreymahligen Anklopfen in fast einerley Gestalt und Aufzug, wie der vorige, hinein, und setzte sich neben ihm in den anderen Sessel nieder. Und als er seiner Ankunft halber, und was Ursachen er das Schloß beunruhigte, von dem Pater befragt wurde, gabe er trutzig zur Antwort: Der nach mir kommt, wird dirs schon sagen. Eben mit solchem Getöß, hin und her lauffen, nachdem abermahls beyläufig ein Virtelstund verflossen, tratte auch der dritte hinein; setzte sich zu den zweyen anderen in einen Sessel hin; und gab auf die vorige widerholte Frag: wer er wäre? und was er da zu suchen hätte? eben diese Antwort: Der nach mir kommt, wird dirs schon sagen. Letztlich kame auch der vierte durch den Saal in das Zimmer; doch ohne sondern Tumult; bleich zwar von Angesicht; aber gleichwohl mit etwas Frölichkeit untermischet. Sein Kleidung war weiß; seine Gebärden sittsam; die Händ in einander geschrenckt, gleich einem Bettenden. In solcher Gestalt gienge er dem Pater unter die Augen, und setzte sich nach den anderen in den vierten Sessel. Wie er nun von dem Pater mit grösserer Ehrenbietung und sanften Worten befragt wurde: wer er wäre? wer diese herum sitzende? und warum sie in diesem Schloß sich aufhielten? gabe er mit einem tieffen Seufzer folgender Gestalt Antwort: Pater! sagte er: Ich bin der verstorbene Vatter dessen, den man für den dermahligen Herrn des Schlosses haltet; und um dessen Willen ihr allhier seyd, uns zu beschwören Diese drey aber seynd meine Vorfahrer. Dieser, so gleich [179] vor mir sitzt, ist mein Herr Vatter; der nächste an ihm mein An-Herr; und der erste mein Uranherr: alle drey waren bey Lebs-Zeiten ungerechte Besitzer dieses Schlosses. Der erste mein Uran-Herr, hat solches gewaltthätiger Weis an sich gezogen, und seinem Sohn meinem Anherrn, der um den gantzen Handel wohl wußte, erblich hinterlassen. Von diesem ist das ungerechte Gut, auf den dritten, meinen Vatter kommen; der solches auch wissentlich behalten, und das Einkommen bis zu End seines Lebens unbillicher Weis genossen hat. Und der Ursachen halber seynd sie alle drey ewiglich verdammt. Kaum hatte er solches geredt, da seynd gemelte drey Gespenster nicht anderst, als wann sie der Donner in die Erden hinein geschlagen hätte, augenblicklich verschwunden. Er aber der vierte fuhre fort, und sagte weiter: Ich hab anfänglich, auf gute Treu und Glauben hin, (nach dem Hintritt meines Vatters aus dieser Welt) die Herrschaft besessen, unwissend, daß einige Ungerechtigkeit vor diesem solte mit eingeloffen seyn. Weilen ich aber über ein Zeit hierüber in Zweifel gerathen, hab ich zwar der Wahrheit auf den Grund zu kommen, Nachfrag gehalten; aber nicht mit rechtem Ernst, wie ich hätte sollen. Bin also zwar nicht verdammt; aber solcher meiner Saumseligkeit halber muß ich so lang und viel in der Pein verharren, bis entweders dem rechtmäßigen Herrn das Schloß wiederum zugestellet wird; oder man sonsten durch einen gutwilligen Vergleich mit ihm ab kommt. Gehet demnach hin, liebster Pater! und sagt meinem Sohn in meinem Namen: nicht er; sonder der rechtmäßige Erb des Schlosses, auf den es durch Erb-Recht gefallen, seye der Hanns, der in dem Stadel treschet. Wann ihm derohalben mein und sein Seligkeit lieb ist, so solle er ohne weitern Verzug die Herrschaft abtretten; oder sonst mit dem Hanns einen billigen und leidentlichen Vertrag treffen. Mit diesen Worten hat er sein Red beschlossen, und ist zugleich verschwunden. Der Pater Herennius, nachdem auch der vierte, und gute Geist sich verlohren, sagte samt seinem Gesellen wegen so erwünschter Verrichtung GOtt hertzlich Danck, und bate gantz inständig um völligen glücklichen Ausgang der Sachen. Darauf begaben sich beyde noch ein wenig zur Ruhe, bis gegen dem anbrechenden Tag. Morgends in aller Frühe schickte der Edelmann einen Diener, um zu erforschen, wie es mit dem Pater, und seinen Gesellen stunde? sie waren aber bald selber vorhanden, und erzählten alles der Länge nach, was sich mit denen Geisteren begeben hättē, nicht ohne mitleidiges Seufzen des guten Herrns, welcher das grosse Getümmel wohl selbst gehört hatte, und deme die Verdammnuß seiner unglückseligen Vätteren tief zu Hertzen [180] gienge. Jedoch war der Schmertz in etwas gelindert, als er verstanden, daß sein Herr Vatter der Seligkeit halber versichert seye; und es anjetzo allein bey ihm stehe, wie bald er demselbigen hierzu verhilflich seyn wolte. Und weil der Pater anfänglich mit der Sprach noch nicht heraus wolte, und nur von weitem drauf redte, sich bemühend, mit allerhand Fragen und Einwürfen den Edelmann zu einer sehr schweren Entschliessung verfaßt zu machen; wurde endlich der Edelmann über gethanes vielfältige Fragen müd, und sagte: Euer Ehrwürden werden mir ein sonderes Gefallen thun, wann sie fein offenhertzig, und unverholen heraus sagen, was sie von dem Geist meines Herrn Vatters im Befehl haben; treffe es hernach an, was es wolle: weilen ich verlange, dessen Willen in allem nachzukommen. Versichere dieselbige, daß sie mir kein unangenehme Zeitung bringen werden, was sie mir immer von meinem liebsten Herrn Vatter werden ausrichten. Mir wird genug seyn, daß ich dessen Begehren vernehme; und mag mir nichts so schweres aufgetragen werden, daß ich nicht noch mehr seinetwegen zu thun erbietig und bereit seye. Ich hab zwar die Schärfe des Fegfeuers nicht versucht; doch empfinde ich sie gleichwohl: weil sie derjenige gedulten muß, der bey Leib-Zeiten mit mir nicht nur ein Fleisch und Blut; sondern auch ein Seel war. Auf dieses Zusprechen deutete ihm der Pater mit allem Glimpf an: wie daß nicht er; sondern sein Knecht, der Hanns, rechtmäßiger Herr des Schlosses, und aller darzu gehörigen Gütern seye. Neben dem: daß zu gäntzlicher Erlösung seines Herrn Vatters erfordert werde, alle vermeinte Recht und Gerechtigkeiten auf ersagte Güter fahren zu lassen: und: daß man dem Knecht die Herrschaft müsse abtretten; oder ihn anderwärts, der Billigkeit gemäß, zufriden stellen. Alles dieses kame dem Edelmann gantz wunderlich vor. Er erstummete eine Zeit lang, als ab einem unverhoften, weit aussehenden Begehren. Tausenderley Gedancken kamen ihm zu Gemüth, und trieben ihn von einer Seiten auf die andere; wie zwey widerwärtige Wind ein Schiflein auf dem Meer. Wie? sprach er bey sich selbst: »Solt ich dann auf einmahl aller Reichthumen und Gütern beraubt werden? was wird mein Hausfrau; was werden meine Befreundte darzu sagen? und wie wird es meinen Kindern ergehen? will ich dann ihnen selbst den Bettel-Stab in die Hand geben? und wie wird es mir anstehen, wann ich an statt dieses meines sammeten Rocks einen wullenen Küttel anziehen, und meinem Knecht, da er am Tisch sitzt, aufwarten soll? fürwahr: das wurde ein gar seltsame Aenderung seyn; und wurde ich jedermann zum Gespött und Gelächter dienen müssen. Aber: seye deme also: das Heil meines Vatters dringt vor: mein [181] eigne Seligkeit ist mir lieber, als Gold und Silber: es ist besser, die zeitliche Güter verliehren, als die ewige; ein Schloß, als den Himmel. Sagen andere darzu, was sie wollen: ich muß die Billigkeit mehr achten, als das Urtheil der Menschen: auch meine Mißgönner können nicht tadlen, was verständige Leut gut heissen: GOtt und die Recht gebieten. Er, der allmögende HErr, welcher so viel Creaturen ernährt, wird auch wissen, meinen Kindern Vorsehung zu thun: er hat tausenderley Weis und Mittel, mir dasjenige anderwärts wieder zu erstatten, was ich um seinetwegen, und aus Lieb zur Gerechtigkeit verlasse Wohlan: hiemit seye es beschlossen: es muß zuruck gegeben werden, was mir nicht gehört.« Hierauf wendete er sich zu dem Pater; und nachdem er sich eine Zeit lang mit ihme berathschlaget, was er dann eigentlich schuldig, und wie man die Sach angreiffen müßte, ward endlich beschlossen, man solte den Knecht, den Hansen kommen lassen, und sein Meinung, wie weit er sich einlassen wollte, von ihme selbst mündlich vernehmen. Solchen nun zu beruffen, wurde ein Diener abgeschickt. Der gute Hanns befande sich eben dazumahl in dem Stadel, und reiterte das ausgetroschene Korn; und bildete ihm nichts wenigers ein, als was sein Herr zu thun im Sinn hatte. Viel mehr glaubte er, daß er beruffen worden, weil ihm sein Herr wolle ein Verweis geben; oder ein neue Arbeit auferlegen, die ihn nicht fast freuen wurde. Gienge also ungesaumt zu seinem Herrn fort, wie er dazumahl angelegt war; ohne Kragen und Wammes; voller Schweiß und Staub; und tratte in die Stuben hinein: worauf ihn der Edelmann also angeredt: Lieber Johannes! bishero hab ich dich gehalten als meinen Knecht: und geliebt als einen treuen Diener: hinfüran wird ich dich einen Herrn tituliren, und mich glückselig schätzen, wann ich dir wird können an der Seiten stehen. Dann siehe! dieses Schloß, und alles, was ich bishero besessen, ist dein: und muß anjetzo sehen, daß mich der Himmel bishero vielmehr für einen Verwalter solcher Gütern, als vollmächtigen Gewalts Haber bestellt habe. Mit diesen Worten stunde er auf, und wolte, der Johannes solte an seiner Stell niedersitzen. Der einfältige Mann wußte nicht, wie er diese ungewöhnliche Reden müßte verstehen: batte darfür, und entschuldigte sich, so gut er konte: letztlich doch, weil mans also befahle, setzte er sich mitten an den Tisch hinan. Wie er aber ausführlich mit allen Umständen berichtet wurde, was sich vergangene Nacht mit denen Geistern begeben hätte; und was Gestalt nach derselben Aussag in vorigen Kriegs-Läuffen das Schloß von seinen Vorelteren an seines Herrns, des Edelmanns Groß-Vätter kommen; dieser aber nunmehro erbietig wär, ihm die Herrschaft abzutretten; oder mit ihm einen [182] gutwilligen Vergleich zu treffen: damit auf solche Weis der Gerechtigkeit ein Genügen geschehe, und dem verstorbenen Herrn Vatter des Edelmanns, wie auch dem Schloß Ruhe geschaft wurde: konte er sich wegen der wunderlichen Glücks-Aenderung in diesen Handel lang nicht finden. Desgleichen bewegte ihn seines Herrn Redlichkeit, und Guthertzigkeit gegen dem verstorbenen Herrn Vatter. Letztlich nach kurtzem Bedacht, weilen er von Jugend auf geschickter war den Flegel, als ein grosses Hauswesen zu führen, ward er bald der Sachen eins: als nemlich

Fürs erst: solte das Schloß mit allen Rechten und Gerechtigkeiten, liegenden und fahrenden Gütern, dem Edelmann und dessen Erben zu ewigen Zeiten eigen verbleiben; weder er aber (nemlich der Johannes) noch seine Nachkömmling sollten hinfüran zu dieser Herrschaft einigen Anspruch mehr haben. Hingegen aber, und

Fürs ander: solle der Edelmann samt seinen Kinderen und Kinds-Kindern eydlich verpflichtet seyn, jährlich eine gewisse Summa Gelds (welche zugleich benamset, und dem Vertrag einverleibt worden) zu seiner des Johannes, und seiner Kinder ehrlichen Unterhaltung von dem Einkommen des Schlosses ausfolgen zu lassen.

Drittens: im Fall daß die Herrschaft durch Verkauffen, oder auf einige andere Weis, solte an Fremde kommen, alsdann solten die Besitzer des Schlosses, gedachte Summa Gelds jährlich zu geben, gleichfalls schuldig seyn. Und hiemit war der Vertrag beschlossen, schriftlich aufgesetzt, und beyden Theilen eine Abschrift davon zugestellt. Hat also der weiseste GOtt ein Mittel getroffen; und einer seits des Edelmanns Aufrichtigkeit und Tugend so weit belohnt, daß ihme das Schloß ohne mercklichen Abtrag, mit weit grösserem Fug, als zuvor, eigen geblieben; anderwärts nichts desto minder der Gerechtigkeit, und seines verstorbenen Herrn Vatters Begehren ein Genügen geschehen; dann von derselben Zeit an das Schloß von denen Polder-Geistern befreyt worden; und zweifelsohne noch heut zu Tag befreyt ist.Theoph. Raynaudus in Prato Spirituali. Historia 87.


Was hat man doch für einen Gewinn darbey, wann man fremdes Gut ungerechter Weis an sich bringt? erstlich thut man sich schwerlich versündigen. Andertens muß man es nicht allein wieder zuruck geben; sondern auch den Schaden, so der andere Theil unterdessen gelitten, ersetzen. Drittens muß man ohne Unterlaß hören diesen Vorrupf des bösen Gewissens: Du bist ein ungerechter Besitzer fremdes Guts; und so lang du es bist, so hast du nichts anders zu gewarten, als die ewige Verdammnuß! O wie bitter! O wie gesaltzen seynd diese Wort! darum ist nichts bessers, als seine Händ von fremden Gut rein behalten.

16. Exempel
[183] Sechszehentes Exempel.
Ein ungerechter Wucherer wird 3. Täg vor seinem Tod in die Höll geführet, und ihm dort sein bestimmter Sitz gezeigt.

Im Jahr Christi, 1219. lebte ein reicher Baur, mithin aber ein Ertz-Wucherer. Als dieser einstens bey nächtlicher Weil ungeschlaffen in dem Beth sich von einer Seiten auf die andere kehrte, und mit seinen wucherischen Gedancken umgienge, hörte er, daß alle Räder in einer Mühle (die zu nächst bey seinem Haus stunde, und ihm zugehörte) wären lauffend worden. Auf dieses hin rufte er gleich seinem Knecht, und befahle ihm, hin zu gehen, und zu sehen, wo es fehle. Der Knecht gehet; ware aber bald wieder da, gantz ertattert, und erbleicht im Angesicht, mit Vermelden, wann ihm sein Meister, der Baur schon 100. Thaler versprechen thäte, wolte er nicht einmahl mehr dahin gehen; also wütet und tobet es in der Mühle als wann alle Teufel darinn wären. Der Baur spottete nur des Knechts, als eines forchtsamen Haasens; stunde selber auf und gienge in die Mühle hinein. Er hatte aber die Thür kaum eröfnet, da traffe er 2. Kohl-schwartze Pferd, und einen Mohren darbey an. Der Mohr ergriffe ihn bey der Hand, und befahle ihm mit ernsthaftem Angesicht und Trohworten, alsobald aufzusitzen, und mit ihme zu reiten. Was wollte der Baur thun? er mußte eben aufsitzen; und siehe! er kam in Begleitung des Mohren in kurtzer Zeit für die Pforten der Höllen. Als er nun in den tieffen Abgrund hinab sahe, erblicket er dort seinen verstorbenen Vatter und Mutter; zwischen ihnen aber einen leeren feurigen Stuhl. Worauf sich der Mohr zu dem Baur wendete, und sagte: Besihe dieses Orth nur wohl; dann es wartet auf dich. Kehre aber jetzt hin, wo du her gekommen; nach 3. Tägen wirst du sterben müssen, und da sitzen in alle Ewigkeit. Darauf ward der Baur durch unsichtbaren Gewalt wiederum in die Mühle geliefert, wo ihn sein Weib des andern Tags halb todt angetroffen, und heim tragen lassen. Nachdem er nun alles erzählt, wie es ihm ergangen, wurde sein Pfarrer herzu geruffen, welcher nach angehörter Erzählung dem Bauren ernstlich zusprache, zu beichten, und sich zu bekehren, mit Vermelden: wie daß dieses nur eine Trohung geweßt wäre, unter der Bedingnuß: nemlich, wann er nicht wurde Buß thun; von ungerechtem Wucher ablassen, und das fremde Gut heimb stellen, habe er freylich nichts anders zu gewarten, als die ewige Verdammnuß, und anderst nicht. Dann GOtt seye barmhertzig, und wolle nicht den Tod des Sünders, sondern daß er sich bekehre [184] und lebe. Es seye noch Zeit, solle also diese nur nicht versaumen. Allein alles dieses Zusprechen war umsonst. Der Baur bliebe verstockt in seinen Sünden, vorwendend, es seye schon verhaußt, und nicht mehr zu helffen. Und in solcher Verzweiflung verharrete er 3. Täg; nach welchen er seine vermaledeyte Seel ausgespyen, und den ihme in denen höllischen Flammen bestimmten Sitz bezogen hat. Cæsar. Heisterbac. l. 2.Mirac. c. 7.


Das tragt zuletzt der ungerechte Wucher ein. Das ist aller ungerechter Wucherer Gewinn, daß sie von GOtt in dem Todt-Beth verlassen werden; folgends in der Verzweiflung dahin sterben, und dem Teufel zufahren. O blinde Leut! thut einmahl die Augen auf, schauet in den Abgrund der Höllen hinunter; höret was eures gleichens Wucherer für ein Klag führen:Verflucht, seye das Geld und Gut, das uns in dieses Feur gestürtzt hat! verflucht die Händ, welche solches Gelt eingenommen, verflucht die Truchen und Kästen, in welche es versperret worden! was haben wir jetzt darvon? nichts als Feur-Flammen, brennenden Schwefel und Pech, wütigen Hunger und Durst, äusserste Armuth, und ein ewiges Elend. Ach wie verblendet waren wir! aber was hilft jetzt uns dieses Klagen? verlohren seynd wir, verzweifelt seynd wir, verflucht seynd wir. Wehe uns derohalben! wehe uns in alle Ewigkeit! Ungerechter Wucherer, kanst du solches Klagen anhören, und im Wucheren dannoch fortfahren? so must du dich auch entschliessen können, immer und ewig mit deines gleichen in dem höllischen Feur zu brinnen und zu braten. Aber besinne dich vorher, was du dem Propheten Isaias auf folgende Frag am 33. Cap. wollest zur Antwort geben: Wer ist unter euch, der bey einem zehrenden Feur wohnen kan? welcher unter euch wird bey der ewigen Glut bleiben mögen?

17. Exempel
Siebenzehendes Exempel.
Ein reicher Wucherer wird nach seinem Tod in einer Capuciner-Kutten begraben; die ihn aber über die Massen brennt.

Zu Genua, einer Stadt in Welschland, war ein Herr, der durch ungerechten Wucher viel Reichthumen zusammen gebracht hatte. Damit er aber nicht müßte zuruck geben, was er auf solche Weis bekommen, und mithin in seinem Wucher könnte fortfahren, unterliesse er viel Jahr alles Beichten und Communicieren. Und damit es nicht offenbahr wurde, erhandelte er durch ein gewisse Practic alle Jahr auf Ostern ein Beicht und Communion-Zettel an sich, und machte dardurch die Leut glauben, als [185] hätte er die Oesterliche Beicht und Communion abgelegt. Was geschiehet? GOtt wirft ihn durch eine tödtliche Kranckheit ins Beth; um ihn also zur Buß zu bewegen. Allein umsonst, dann er ohne Beicht und Buß aus dieser Welt verschieden. Seine Frau, welche nicht gewußt, daß ihr Herr so viel Jahr lang in einem bösen Stand gelebet, war besorgt, der Seel des Verstorbenen auf alle Weis, und so viel ihr möglich, beyzuspringen und zu helffen, wo selbige in der anderen Welt der Hülf etwann vonnöthen hätte. Also dann, weilen sie viel auf den Capuciner Orden hielte, und dessen Vätteren viel Guts thate, hielte sie bey einem Guardian aus diesem Orden inständig an, er wollte doch eine Capuciner-Kutten lassen hergeben, damit der Verstorbene darinn begraben, und mithin des Gebetts, und guter Werck der Brüder aus diesem Orden möchte etwann theilhaftig werden. Nun der Guardian durch die Bitt dieser Gutthäterin des Ordens bewegt, laßt es zu. Worauf der Verstorbene mit einer Capuciner-Kutten angelegt, in das nächste Franciscaner-Kloster (die von ihrer Weis zu leben sonst die Observanten genennt werden; und bey denen der Verstorbene seine Begräbnus hatte) getragen, und in einer Capell (bis man gleichwohl die gehörige Anstalt zur Leich-Begängnus gemacht hätte) beygesetzt worden. Als nun 2. Franciscaner-Brüder bey nächtlicher Weil bey dem Verstorbenen wachten, fienge dieser um Mitternacht an, sich zu rühren, aus der Todten-Bahr heraus zu springen, und mit vielem Polderen auf die Brüder zuzulauffen, sich stellend, alswann er sie anfallen wollte. Diese solches ersehende, nahmen eylends die Flucht, und lieffen voller Forcht und Schröcken dem Guardian des Closters zu, ihme erzählend, was sich mit dem Verstorbenen zugetragen. Der Guardian dies hörend, wollte ihnen anfänglich keinen Glauben zustellen; indem er darfür hielte, es wäre nur eine forchtsame, und leere Einbildung. Als aber die Brüder auf ihrer Aussag beharreten, schickte er 2. andere hin, um sich besser zu erkundigen, ob dem also wäre, wie er berichtet worden? oder nicht? wie nun diese letztere hingangen, und den Verstorbenen in der Capell polderend auf und ablauffen gesehen, zeigten sie es dem Guardian redlich und aufrichtig an. Dieser nun ausser allem Zweifel gesetzt, liesse unverzüglich alle Brüder des Closters in das Convent zusammen kommen; und nachdem er ihnen erzählet, was sich mit dem Verstorbenen zugetragen, ward einhelliglich beschlossen, er sollte sich mit dem Priesterlichen Stol angethan, in Begleitung zweyer Brüder in die Capell verfügen, und dem Verstorbenen im Namen des Allerhöchstens befehlen, ihme in das Convent nachzufolgen. Nun das geschahe; und der Verstorbene (O nicht bald erhörte Sach!) durch den Befehl des Guardians gezwungen, folgte ihm bis in das Convent auf dem Fuß nach. Da wurde [186] dann der Verstorbene im Convent in Gegenwart aller Brüdern des Closters, von dem Guardian beschworen, und mit diesen Worten angefragt; Was fangst du im Closter für ein Polderen an? und was verlangst du von uns? können wir dir helffen, oder nicht? Da antwortete der Verstorbene mit entsetzlicher Stimm:Was beklagst du dich über mein Polderen, verwundere dich vielmehr, daß ich nicht ärger gepoldert habe. Die Ursach meines Polderens ist, weil mich diese Kutten mehr brennt, als das hölische Feur selbsten. Und wann diese Kutten nicht wär, wurden mich die Teufel schon längst in den Abgrund der Höllen geführt haben: dann ich aus gerechtem Urtheil GOttes ewig verdammt bin. Ziehet mir also diese Kutten aus, so werdet ihr inskünftig hin Ruhe haben. Als ihm nun aus Befehl des Guardians die Kutten von den Brüdern ausgezogen worden, ward er in Angesicht des gantzen Convents von den Teuflen mit Leib und Seel weggeführt, und in den Abgrund der Höllen begraben, nachdem er einen unerträglichen Gestanck hinter sich gelassen.Zach. Bover. Demonstrat. 4. de vera Habitus forma.

Daß die Capuciner-Kutten den Verstorbenen also gebrennt, ist kein Wunder. Dann diese ist erstlich ein Kleyd der Armuth, andertens ein Zeichen eines bußfertigen Lebens. Der Verstorbene aber war erstlich ein reicher Wucherer, andertens ein unbußfertiger Sünder. War also unwürdig, solches Kleyd zu tragen, das von ihm dergestalten entunehrt wurde.

Daß ihn aber die Teufel nicht haben können wegführen, bis ihm dieses Kleyd ausgezogen worden, gibt zu verstehen, in was Ehren der Capuciner-Habit, als ein Zeichen der Demuth, und der Armuth solle gehalten werden. Letztlich können alle gottlose Christen ihnen folgende Rechnung machen: hat ein bußfertiges Ordens-Kleyd einen Verstorbnen so unleydentlich gebrennt, weilen es allein durch die Antragung entunehrt worden; wie wird dann solche Christen in der Höllen brennen das unauslöschliche Zeichen eines Christens, das sie in dem heiligen Tauf empfangen; wann sie selbiges mit ihrem gottlosen Leben entunehrt haben? dann wegen solchem Undanck für die empfangene Gnad des Heil. Tauffes, werden sie viel tieffer in die Höll kommen, als andere, die keine Christen geweßt seynd; welches ja erschröcklich anzuhören ist.

18. Exempel
[187] Achtzehendes Exempel.
Einer der seinem Feind bey Leb-Zeiten nicht verzeyhen wollen, holet nach dem Tod den andern zu gleicher Peyn in die Höll ab.

Im Jahr Christi 1570. lebten in einem Closter in Spanien 2. Ordens-Brüder, welche (wer solt es glauben? in grosse Feindschaft miteinander zerfielen, und solche lange Zeit fortsetzten. Die Ursach ist nicht bekannt. Seye es aber geweßt, was es wolle, so hätten sich diese zween gleichwohl ihres Stands erinneren, und nicht so weit verliehren sollen. Allein, wie schluge es letztlich aus? es fiele eben einer aus ihnen mit der Zeit in eine tödtliche Kranckheit. Wie er nun gemerckt, daß es mit seinem Leben geschehen seye, gienge er in sich selbst, und bereuete die bishero geführte Feindschaft. Ehe er sich aber mit den heiligen Sacramenten wollte versehen lassen, verlangte er, daß sein bishero geweßter Feind möchte zu ihm kommen. Nun das geschiehet. Der Todt-Krancke verzeyhet ihm nicht allein alle empfangene Unbilden, sondern thut ihn auch umfangen: zum Zeichen, daß er sich von Hertzen mit ihm versöhne. Allein der andere, der ein trutziger Gesell war, spottete darüber, und sagte zu einem, der hinter ihm stunde: Ja ja, weil er siehet, daß er sterben muß, verzeyhet er mir, sonst wurde er es gewißlich nicht thun. Wie der Krancke diese hönische Red vernommen, stiege sie ihm dergestalten in den Kopf, daß er darüber die gegebene Verzeyhung widerrufte, und diese Wort zusetzte: So? ist es um die Zeit? ey, so will ich dir auch nicht verzeyhen, verlange auch nicht, daß du mir verzeyhest. Dieses war kaum geredt, da verluhre er nicht allein die Sprach, sondern auch den Verstand. Es stunde aber nicht lang an, griffe er in die Züge, und gabe seinen unglückseeligen Geist auf. Wie geht es weiters, der todte Leichnam wird den anderen Tag gleichwohl zur Erden bestattet. Indem aber die Ordens-Geistliche darauf sich in dem Convent versammlet, und das Nacht-Essen einzunehmen zu Tisch gesessen, sihe! da kommt der Verstorbene ohnversehens ins Convent hinein; und zwar mit trutzigem Gesicht, verzauseten Haaren, und feurigen Augen. Und nachdem er sich in die Mitte gestellt, und einen nach dem anderen scharf angesehen, brache er endlich mit entsetzlicher Stimm in diese Wort aus: Weil ich unglückseeliger bey Lebs-Zeiten auf Erden eine unversöhnliche Feindchaft geführt, brinne ich anjetzo nach meinem Ableiben in der Höllen drunten; und werde also brinnen in alle Ewigkeit. Aber auch derjenige, der Ursach daran ist, wird gleichfals über ein kurtzes mit mir brinnen müssen. Alsdann wendete[188] er die Augen auf seinen Feind: und sagte: Stehe vom Tisch auf, du unglückseeliger! es ist genug geessen. Dann wisse, daß der göttliche Richter das Urtheil der ewigen Verdammnuß gleichfalls wider dich ausgesprochen, damit, gleich wie wir einander auf Erden angefeindet, wir solche Feindschaft in der Höll ewig fortführen. Als er dieses geredt, der Bruder aber vor Forcht und Schrecken nicht aufstehen wolte, risse er ihn vom Tisch herfür, zohe ihn in die Mitte des Convents: griffe ihn gantz grimmig an: schluge, stoßte, krätzte, und bisse ihn, wie ein wütiger Hund. Indem sich aber der andere auch wehrte, und mit dem Verstorbenen runge, eröfnete sich unter ihren Füssen die Erden, und verschluckte alle beyde lebendig bis in den Abgrund der Höllen hinunter; also daß von ihnen nichts, als ein unerträglicher Gestanck hinterbliben ist. Als man nachgehends des Verstorbenen Grab visitirt, ist selbiges leer gefunden worden: zu einem handgreiflichen Zeichen, daß Leib und Seel in der Höll beysamen seyen. Francisco Christoval en la Jordana premiere. c. 17. Anno, 1570.


Was für ein entsetzliches Exempel ist dieses! ach! hätten diese zwey unglückseelige gedacht an die Ermahnung des weisen Syrachs, die er thut am 28. Cap. mit diesen Worten: Gedencke an die letzte Ding, und höre auf Feindschaft zu tragen: wie wurden sie gantz anderst geredt; und gethan haben! wann man an den Tod gedenckt, und an das darauf folgende erschröckliche Gericht: ist es möglich, daß man doch nicht verzeyhe? O Blindheit! oder besser zu sagen: O Unsinnigkeit! wann ein Mensch dem andern nicht verzeyhen will; wie darf er hoffen, daß ihm GOtt der unendlich groß ist, verzeyhen werde? man muß also folgen dem Rath oben gedachten Syrachs, welcher also lautet: Vergibe deinem Nächsten, wann er dich beleydiget; so werden dir die Sünden auch nachgelassen, wann du darum bittest.

19. Exempel
Neunzehendes Exempel.
Ein gottslästerischer unbußfertiger Edelmann stirbt verzweifelt, und gehet an Leib und Seel zu Grund.

Im Jahr Christi, 1644. war in Franckreich ein vornehmer Edelmann, der wohnte auf einem Schloß, aller verdrüßlichen Geschäften und Sorgen überhebt, in Mitten der grösten Glückseeligkeit, und Uberfluß aller Sachen. Er hatte zur Ehegefehrtin eine edle, und mit allen Gaaben gezierte Dame, von welcher er auch liebe Kinder erzeugt: [189] hätte auch mit ihr in süsser Ruhe, und allem Wohlergehen die Täg seines Lebens verzehren können, wann er ihm nur nicht selbst immerdar etwas in den Weeg gelegt hätte. Die Natur hatte ihn sonst nicht gar uneben gestaltet, wann er nur auch gute Sitten an sich gezogen hätte. Anderer Lastern zu geschweigen, war das allerschlimmste an ihm, daß, wann er etwann wohl bezecht, von dem Trunck; oder mit leeren Seckel vom Karten-Spil; oder sonst voller Verdruß von der Jagd heim kame, er gemeiniglich dermassen zu schelten, fluchen, und GOtt zu lästeren anfienge, daß es kein Wunder geweßt wär, wann sich schon der Erd-Boden aufgethan, und ihn lebendig verschluckt hätte. Die Edel-Frau samt denen Ehehalten, über welche zum öftern dergleichen Ungewitter, samt einem Hagel der schmächlichsten Worten ausgienge, därften sich nicht rühren; sondern mußten noch froh seyn, wann sie mit gantzer Haut, und ungeschlagen davon kamen. Das war nemlich der Danck, welchen er seiner Ehegefehrtin für ihre Ruh-Warthung im Haus-Weesen gabe. O was für ein grosses Haus-Creutz war dieses! gleichwohl wußte sich die Edel-Frau meisterlich in den Kopf ihres Herren zu schicken, und als ein kluge verständige Dame mit Christlicher Sanftmuth dessen Untugenden zu übertragen: weil sie allbereit zu Genügen erfahren, daß das Stillschweigen am besten seye, wann weder bitten, noch filtzen etwas verfangen will. Sie schwiege, und litte; wie wohl ihr tief zu Hertzen giengen die vilfältige Beleydigungen der göttl. Majestät, und die Aergernussen, so ihre Kinder ab dem bösen Exempel des Vatters nahmen.


Also lebte; also hausete der Edelmann: dessen Tag-Ordnung war, unordentlich, und im Luder-Leben; dessen Gedancken nur von guten Muth und Kurtzweil; dessen Reden unflätig, oder gottslästerlich; dessen Thun und Lassen nichts anders, als: fressen, sauffen, spilen, jagen, huren, buhlen: mit einem Wort: alles thun, was nur der Brief vermag. Aber wie lang währete dieses saubere Leben? so lang, bis die Maaß der Boßheit erfüllt, und er allgemach zeitig war, der strengen Gerechtigkeit GOttes ein Straf-Opfer abzugeben. Die Gelegenheit gabe dazu ein Zanck, den er mit einem anderen von Adel angefangen. Weil es aber dabey nicht gebliben, sondern einer den anderen auf den Degen heraus forderte; geschahe es, daß der Edelmann von seinem Gegner einen tödtlichen Stich bekame; worauf er für halb todt mußte nach Haus getragen werden. Was für einen Jammer diese traurige Bottschaft in dem Hertzen der Edel-Frauen werde angerichtet haben, ist leicht zu gedencken. Sie wußte ihres Leyds kein End noch Anfang vor Schrecken und Zitteren. Nachdem sie sich aber ein wenig erholet, und zum Schloß hinaus eylte, ihrem Herren, wo möglich, einige [190] Hülf, oder den letzten Liebs-Dienst zu erweisen, und ihm die Augen zu zudrucken; sihe! da brachte man ihn eben daher auf einem Beth, besprützet mit seinem eigenen Blut; gantz erbleicht in dem Angesicht, und noch brinnend vor Zorn. Das war nun ein leydiges Schau-Spiel in den Augen der Edel-Frau, welcher auch einem Felsen, will geschweigen einer liebhabenden Ehe-Frau, einen Bach der Zäher hätte mögen auspressen. Und obwohlen sie nicht grosse Ursach hatte, vil zu klagen, sondern zu frohlocken, in Bedencken, daß sie dieses harten groben Manns mit nächstem abkommen wurde; griffe ihr doch, als einer gottsförchtigen Dame, tief in das Hertz desselben gegenwärtiger Zustand, nicht so fast wegen der Wunden, die er empfangen in dem Leib, als wegen der Wunden, die er herum truge in der Seel.

Man lauft eylends um einen Barbierer, und zugleich um einen Geistlichen, in einer nicht weit davon entlegenen Stadt: damit, indem jener das Blut stellete; dieser die Wunden der Seel verbinden solte. Beyde waren alsogleich vorhanden, und wendeten möglichsten Fleiß an, diesen heicklen, und schwürigen Patienten ausser der Gefahr des zeitlichen, und ewigen Tods zu setzen. Den Wund-Artzt liesse zwar der Edelmann zu; aber von dem Beicht-Vatter wolte er nichts hören. Was? sagte er: beichten? fort mit dem Pfaffen. Es thut nicht Noth, daß man ein solches Gescherr anfange: die Gefahr ist noch so groß nicht, und zum beichten ist morgen auch ein Zeit. Ein Cavalier laßt sich durch Vorhaltung einer Todten-Larven nicht gleich schrecken. Ich hoffe, mit nächsten meinem Feind auf ein neues zu begegnen, und ihm zu zeigen, wer aus uns, ich, oder er, der erste müsse in das Gras beissen? auf eine solche Weis redete er, und stoßte zugleich etliche Millionen der Gotts-Lästerungen aus. Also machen es die Prall-Hansen, welche allzeit mit dem Maul bewehrter, als mit der Faust seynd. Wie der gute Geistliche gesehen, daß er nichts ausrichte, verfügte er sich mit seinem Gesellen in das nächste Zimmer; fiele auf seine Knye nieder, und hielte vor der Bildnuß des gecreutzigten Heylands um die Bekehrung dieses Sünders an. Ohngefehr nach einer Viertel Stund fienge der Krancke gähling an, erbärmlich zu schreyen: Pater! Pater! Barmhertzigkeit! Barmhertzigkeit! der Pater lauft eylends herzu, und findet den armen Edelmann gantz verwirrt! der sich in dem Beth hin und her kehrte; die Augen von dem Crucifix, so man ihm vorhielte, abwendete, und den Kopf bald in das Küssen; bald unter das Oberbeth steckte, gleich einem der sein Heyl in der Flucht suchet. Als er gefragt wurde, was er begehre? sagte er mit zitterender, und von vilen Seuftzeren unterbrochener Stimm: Ach Pater? was sihe ich? der [191] Pater strengte ihn an, zu sagen, was er dann sehe? er antwortete ich sihe eine Schrift vor mir. Alle Anwesende, weil sie nichts sahen, vermeinten anderst nicht, als er rede ab. Sprachen ihm gleichwohl zu, er solte die Schrift lesen: denen er auch willfahrte. Es war aber ein Spruch aus der Epistel des Heil. Apostels Pauli zu den Galateren am 6. Cap. und lautete also: Laßt uns Guts thun, weil wir Zeit haben. Das waren eben die Waffen, welche GOtt scheinte demPater von Himmel geschickt zu haben, diesen widerspenstigen Sünder damit zu schlagen, und zu bekehren. Der Pater nahme also die Gelegenheit, dem Krancken bey dieser Schrift die Barmhertzigkeit GOttes zu erklären: was Massen selbige einem jeden Sünder eine gewisse Zeit zur Buß gebe: wann diese aber verwahrloset werde, man hernach vergebens an der Gnaden-Porten des Himmels klopfe. Der mildreicheste GOtt ruffe ihm villeicht mit eben diesen Worten, die er allererst selbst gelesen, zur Besserung des Lebens das letzte mahl: wofern er auf dieses so freundliche Einladen nicht erscheinte, därfte er ihm villeicht so bald keinen Brief mehr nachschicken. Solte sich derohalben zur Buß bequemen, und noch eines aus jenen irrigen Schäflein zu seyn sich befleissen, welche die Stimm Christi, ihres Hirtens anhören, und auf den rechten Weeg sich wiederum leiten lassen. Fienge darauf an, ihn durch eine hertzliche Reu zur Beicht zu bereiten; zu welchem End er ihm vil geistreiche hertzrührende Sprüch vorlase. Aber umsonst, und vergebens. Der Krancke unterbrache gleich die Red, und fragte den Pater: ob er auch gescheid, und ein Gotts-Gelehrter wäre, der von einem schwachen krancken Menschen eine vollkommene Reu und Leyd erforderen därffe; da doch aus tausend Starcken und Gesunden kaum einer selbige zu erwecken im Stand seye? der Pater hielte Widerpart, und erwise, daß solche zwar aus eigenen Kräften zu erwecken unmöglich; durch den Beystand GOttes aber, auch einem Kranckē leicht und wohl möglich wäre. Bekame aber hierauf von dem Krancken keinen anderen Bescheid, als diesen: es lasse sich jetzt da nicht disputiren. Solte sich also hinweg machen, und ihn mit Ruhe lassen.

Entzwischen kommt der Doctor, und vermerckt aus Berührung der Pulß, und anderen Kenn-Zeichen, daß es innerhalb wenig Stunden mit dem Krancken werde geschehen seyn. Ermahnte ihn derohalben der bevorstehenden Gefahr: wie der Tod schon vor der Thür, und das letzte Stündlein bald schlagen werde. Solte sich demnach mit denen heiligen Sacramenten versehen lassen, und sich verfaßt machen, den gefährlichen Weeg der Ewigkeit anzutretten. Alle Anwesende fielen dieser Ermahnung bey, und batten den Krancken insgesamt mit weinenden Augen, er solte ihm doch das Heyl seiner armen [192] Seel besser lassen angelegen seyn, und sich durch eine wahre Beicht mit GOtt versöhnen. Er aber, der Krancke, zörnte hierüber noch mehr, mit Vorwenden: er befinde sich so schwach noch nicht, als man ihn machte: er wolle schon mahnen, wann es Zeit seye, und sich selbst nicht verkürtzen. Mit dieser Antwort wurde der Pater zum anderenmahl abgewisen: deme dann nichts überig war, als daß er sich wiederum in das vorige Zimmer verfügte, und noch inständiger, als zuvor durch das Heil. Gebett bey der göttlichen Barmhertzigkeit um Erweichung dieses unbußfertigen Sünders anhielte. Mittler Weil fiele der Krancke in ein Ohnmacht: da man dann genug zu thun hatte, die allbereit flüchtige Lebens-Geister durch Labung und Kraft-Wasser wiederum einzuholen, und aufzumunteren. Wie er wieder zu sich selbst kommen, fienge er auf ein neues an zu toben, und wie ein rasender Hund an der Ketten zu heulen.Pater (schrye er) mein Pater! geschwind, geschwind, Barmhertzigkeit! Barmhertzigkeit! derPater springt abermahl eylends auf, lauft zu, und findet den Krancken gantz abgemattet, und zapplend, und mit kläglicher Stimm ihme zuruffend: ach! meinPater Barmhertzigkeit! der Pater tröstete ihn mit den liebreichisten Worten, und führte ihm zu Gemüth, wie daß der barmhertzige GOtt, der nicht wolle den Tod des Sünders, sondern daß er sich bekehre und lebe, ihme gantz vätterlich Gnad und Verzeyhung anerbiete, wann er nur solche wolte annehmen. Ach! versetzte der Krancke hinwieder. Es ist zu spath: dann ich sihe abermahl eine Schrift vor mir, die gantz anderst lautet: und zugleich lase er sie, folgenden Innhalts: ihr werdet mich suchen, und nicht finden. Joh. 7. Cap. der Pater wendete möglichisten Fleiß an, ihme solche verzweifelte Gedancken zu benehmen; richtete aber anders nichts aus, als daß der Armseelige nur noch mehr wütete, und in gantz unerhörte Gotts-Lästerungen herausbrache. Von dieser Zeit an hatte er weder Rast noch Ruhe: fienge schon an, inwendig zu faulen, und andere Kenn-Zeichen mehr von sich zu geben seiner allgemach herbey nahenden Verdammnuß. Dann er blibe auf seiner Eigensinnigkeit, und wolte den Beicht-Vatter gäntzlich aus dem Gesicht haben. Dieser aber liesse sich darum nicht abwendig machen; sondern nachdem er zum drittenmahl in mehr gedachtem Zimmer das Heyl dieses gottlosen Sünders Christo dem Herren, und seiner werthesten Mutter durch das Heil. Gebett innbrünstig anbefohlen, beschlosse er den letzten Sturm zu wagen; bevorab, weil nach Aussag des Doctors des Krancken Leben auf die Neige gienge, und zu förchten stunde, daß er nicht vor hefftigen Schmertzen gar von Sinnen kommen, und also zur Buß und H. Absolution möchte untüchtig werden. Fiele ihm derohalben samt allen Anwesenden zu Füssen; batte mit ausgestreckten [193] Händen, und Zäher-vollen Augen durch das Blut JEsu Christi; und durch alles, was ihm lieb wäre: er wolte doch das Heyl seiner armen Seel ihm lassen angelegen seyn; und dieses letzte Stündlein, woran die Ewigkeit hange, zur Buß anwenden. GOtt sey bereit, ihme zu verzeyhen, wann er nur der angebottenen Gnad nicht länger widerstreben wolte. Ach! das waren ja solche Wort, welche auch ein Stein hätten bewegen, und aus einem Felsen Wasser pressen sollen. Aber den Krancken bewegten sie nicht: dann er war härter, als ein Stein und trockner, als ein Fels. Er schrye demnach mit erhebter unnatürlicher Stimm: Es ist aus mit mir: jetzt ist kein Zeit mehr Buß zu thun. Sehet ihr dann nicht, was für ein Schulden- Buch meiner Sünden der Teufel mir vorhalte? Ach! wie viler Ehebrüch? wie viler Gotts-Lästerungen; wie vieler gegebener Aergernussen werd ich beschuldiget! wehe mir armseeligen! jetzt, jetzt schon greift er mich mit seinen grimmigen Klauen an, und reißt mir das Ingeweyd aus dem Leib heraus. Das Urtheil ist schon ergangen. Ewig bin ich verlohren: Dann ich sihe abermahl ein Schrift vor mir, deren Innhalt mir das Marck in denen Beinē durchdringt. Lase zugleich die Schrift, so also lautete: ihr werdet in eueren Sünden sterben. Joh. 8. Cap. Dieses geredt, griffe er in die Züg, und gabe mit ungewöhnlichem, unerhörten, erbärmlichen Zetter-Geschrey, und Zähn-Klapperen seinen vermaledeyten Geist auf. Gleich denselben Augenblick sahe der Todten-Cörper Kohlschwartz aus, und gabe einen so unleydentlichen Gestanck von sich, daß einer nach dem anderen aus denen Anwesenden mit verhebter Nasen sich zur Thür hinaus machte; ausser zweyen Bauren, welche das Todten-Aaß zu begraben bestellt waren.


Der Beicht-Vatter nunmehr selbst einem Todten gleicher, als einem Lebendigen, nachdem er die verwittibte Edel-Frau getröstet, kehrte wieder nach Haus und überlegte unter Weegs mit seinem bey sich habenden Gesellen wehemüthig, was sie beyde gesehen, und gehört hatten. Sie wurden aber bald von einem ihnen nachlauffenden Diener zuruck beruffen, der vor Schröcken und Forcht kaum reden konte. Gleichwohl berichtete er so viel, was gestalten allererst zwey Kohl-schwartze Hund, mit feurigen Augen in des Krancken Zimmer hinein geloffen, den todten Leichnam seines unglückseligen Herrn mit ihren Zähnen angefallen, in die Tatzen gefaßt, und mit grossem Getümmel zu einem Camin hinaus mit sich weggeführt, und von ihm kein Härlein überlassen hätten. Bathe darauf den Pater inständig, er wolte doch wieder zuruck kehren, und die verlassene höchst betrübte Wittib noch mehr helfen trösten und stärcken. Der fromme Geistliche, ob er sich schon ab dieser Post sehr entsetzte, bathe doch GOtt um ferneren Beystand: kehrte mit dem [194] Diener zuruck, und fande in dem Krancken-Zimmer nichts, als den Stroh-Sack, auf welchem der verdammte Todten-Cörper des Edelmanns gelegen: dann der feißte Brocken denen höllischen Hunden zu Theil worden. Es konnte aber der Pater wegen des unerträglichen Gestancks nicht länger dort verbleiben, sondern gienge nach dem Zimmer der mit Trangsal und Bitterkeit erfüllten Wittib; welche er vor einem Crucifix, auf den Knien liegend angetroffen, mit gen Himmel aufgehebten Händen; gantz von Kräften, sinnloß, und verseckt in ein Meer der Schmertzen. Der Pater wolte sie zwar in gegenwärtigem Leid ferners trösten, und zu Christlicher Starckmüthigkeit aufmunteren. Allein sie gabe kein Antwort. Weilen nun der Pater für diesmahl ihr keine andere Hülf leisten konnte, befahle er sie in den Schutz GOttes, dessen gerechte Urtheil sie mit einem tiefen Stillschweigen verehrte und anbetrete. Nahme darauf von denen Hausgenossenen Urlaub, und gienge darvon.


Nachdem nun dieser grausame Strudel fürbey, machte die Wittib noch dasselbige Jahr ihrer Sachen eine Richtigkeit; überliesse ihre noch überbliebene zwey Kinder denen Vormünderen über, welche doch bald hernach sturben; kehrte der Welt den Rucken; begabe sich in ein Frauen-Closter: allwo sie eine Zeitlang gottselig gelebt, und Zweifels ohne auch also gestorben ist: als welche die Kunst, wohl zu sterben aus dem Gegenspiel ihres unglückseligen Ehemanns schon zuvor auf das beste erlernet hatte. Thomas le Blanc. S.J. In seinem hertzhaften Soldaten.


Mit was Recht sagt der heilige Augustinus! das ist die wohl verdiente Straf der Sünd: daß der Sünder dasjenige verliehre, dessen er sich nicht bedienen wollen, da er doch ohne Beschwernuß hätte können. Dann einem solchen heillosen Tropfen geschiehet recht, daß er nimmermehr wisse, was zu thun seye: weil er nicht gut gethan hat, da er doch sein Schuldigkeit wußte. Er verdient, daß ihm die Gelegenheit, sich zu bekehren, entzogen werde, weil er sich der Gelegenheit, da er sie hatte, nicht hat bedienen wollen.


Wohl ein entsetzlicher Spruch! welcher den halsstärrigen Edelmann getroffen; und allen hartnäckigen Sündern, welche die beste Zeit zur Buß unachtsam lassen fürbey gehen, einen gleichen Untergang trohet:Daß sie nemlich in ihren Sünden sterben werden. O unglückseliger! O entsetzlicher Tod! von welchem der David sagt: daß dem schlimmerer Tod seye, als der Tod der Sündern. Psal. 33. weil er nemlich nach sich ziehet den ewigen Tod: folgends ein ewige Pein und Qual. Wer kan ohne Schröcken daran gedencken?

20. Exempel
[195] Zwantzigstes Exempel.
Der Geist eines verstorbenen Herrn erscheint nach dem Tod einer Magd im Haus, und begehrt Hülf von ihr.

Um das Jahr Christi 1581. ist zu Hertzogen-Busch, einer Holländischen Stadt (die aber dazumahl noch unter Spanien gehörte, und Catholisch war) ein gewisser Herr gestorben, welcher bey Leb-Zeiten einen ehrlichen Wandel geführt hatte. Ein Jahr nach seinem Tod erschiene er einer Magd im Haus, in eben denen Kleideren, die er bey Leb-Zeiten getragen. Er war angethan mit einem schwartzen Mantel; hatte das Haupt unbedeckt; hebte aber gleich einem Bettenden die Händ gen Himmel. Nachdem er in solchem Aufzug eine Zeitlang vor den Augen der Magd gestanden, thate er endlich den Mantel von einander. Und siehe! es schlugen allenthalben feurige Flammen herhaus: worüber er verschwunden. Die Magd aber erschracke so heftig darüber, daß sie in eine Ohnmacht dahin gefallen. Nachdem sie sich nach und nach wiederum erholet, und des Verstorbenen hinterlassenen Töchteren im Haus erzählet, was ihr begegnet, ward sie von ihnen gebetten, sie möchte doch den Geist des Verstorbenen, wann er ihr etwann noch einmahl erscheinen solte, anfragen, ob? und wie ihm zu helfen wäre? als aber die Magd sich entschuldigte, wie daß sie ihr vor Forcht solches zu thun nicht getraute, zeigten es die Töchteren dem Pfarrer des Orts an: welcher dann der Magd zugesprochen, sie solte ihr nicht förchten; dann wann sie in einem guten Stand seye, und kein Tod-Sünd auf ihr habe, werde ihr kein Leid widerfahren. Was geschiehet? die Magd laßt sich überreden. Bald darauf erscheint ihr der Geist das andermahl in voriger Gestalt; und redet sie an mit diesen Worten:Warum hilfest du mir nicht? was förchtest du dir? es wird dir nichts geschehen. Die Magd antwortete, wie daß sie bishero voller Forcht geweßt wäre, und deswegen ihn anzufragen ihr nicht getraut hätte. Weil er aber das andermahl zu ihr komme, so soll er nur sagen, was er verlange? sie wolle thun, so viel ihr möglich seyn werde. Da sagte der Geist: wie daß man erstlich für ihn müßte drey heilige Messen lesen lassen. Andertens hätte er einstens, da er kranck gewesen, um vorige Gesundheit wiederum zu erlangen, in eine gewisse Kirchen (die er auch benamset) ein Opfer versprochen, welches er aber bis dahin abzulegen versaumt hätte: dieses müßte noch, und zwar mit nächstem abgelegt werden. Drittens ersuchte er seine hinterlassene Töchteren, daß sie doch fleißg für ihn betten wollen. Und als die Magd, diesem allem treulich nachzukommen versprochen, ist er ver schwunden. Da aber die Magd das versprochene Opfer in die ihr bedeutete [196] Kirchen truge, erschiene ihr der Geist abermahl, und gienge mit aufgehebten Händen vor ihr her. Ja, wie sie mit einander in die Kirchen kommen, und das Opfer abgelegt worden, kniete der Geist neben der Magd vor dem hohen Altar nieder, und thate das Gebett mit ihr verrichten. Nachgehends begleitete er sie wiederum mit aufgehebten Händen nach Haus zuruck, ohne daß er unter Weegs ein Wort mit ihr geredt hätte. Worauf er abermahl verschwunden. Es stunde aber nicht lang darauf an, so kame der Geist das letztemahl zu der Magd, und zwar bey nächtlicher Weil: weckte sie auf, und sagte: stehe eilends auf; dann ich werd mich hier nicht lang mehr aufhalten. Als die Magd aufgestanden, und angekleidet war, führte er sie mit sich in den Hof des Hauses, allwo gähling durch ein helles Liecht alles erleuchtet worden. Da sagte der Geist zu ihr: Gehe hin zu meinem Bruder, der noch bey Leben ist, und sage ihm in meinem Namen: er und die Seinige sollen fein beständig im Catholischen Glauben verharren; dann ausset diesem könne keiner selig werden: sollen auch fleißig für die Verstorbene betten. O wann sie wußten, was die arme Seelen im Fegfeur leiden müssen, wie wurden sie Tag und Nacht für sie betten! was mich anbelangt, hätte ich fünf Jahr lang müssen im Fegfeur lei den: aber wegen dem Gebett, so die Meinige für mich verrichtet haben, seynd mir vier Jahr, und so viel Täg nachgelassen worden; und bin ich jetzt (GOtt Lob, und Danck!) einmahl aus der Pein erlößt, und gehe der ewigen Freud zu. Als die Magd von ihm zu wissen verlangte, wie es diesem und jenem, ihren Freunden und Bekannten, in der andern Welt gehe? antwortete er: wie daß er von GOtt kein Erlaubnuß hätte, ihr solches zu offenbaren. Setzte doch hinzu: sie solle nicht aufhören, für sie zu betten. Als er dies geredt, bedanckte er sich gegen der Magd, und denen Seinigen für alles, was sie ihn zu erlösen gethan hatten, mit dem Versprechen, daß er auch für sie vor GOttes Angesicht treulich bitten wolle. Nach diesen Worten fienge er wie die Sonn an zu glantzen, hebte die Händ gleich einem Bettenden über sich, und fuhre in solchem Glantz freudig dem Himmel zu. Bredenbach Sacr. Collat. l. 8. c. 40.


Was für ein grosses Werck der Liebe ist es, wann man für die Abgestorbene bettet, und auf solche Weis ihre Erlösung befördert! damit sie nicht länger aufgehalten werden, GOtt anzuschauen; ihn vollkommentlich zu lieben, und zu loben! wie seufzen diese arme Tröpflein in dem Fegfeur, bis daß sie ihr letztes Ziel und End, zu welchem sie erschaffen worden (nemlich die ewige Seeligkeit) erreichen! wie gedunckt sie ein jede Stund, eine halbe Ewigkeit zu seyn! wie warten sie auf das Gebett der Glaubigen auf Erden, um dardurch die restierende Straf für die Schuld ihrer Sünden abzahlen zu können! und solte es auch nur [197] in diesen kurtzen Worten bestehen: Tröste GOtt die Abgestorbene: GOtt gebe ihnen die ewige Ruhe! wann man aber noch darzu für sie Allmosen giebt; oder eine Heil. Meß lesen laßt, O wie bald wird ihnen dardurch aus ihrer Pein geholfen! und warum solte man es nicht thun? in Bedencken, daß ein erlößte Seel, wann sie vor GOttes Angesicht kommet, nicht wird nachlassen, so lang und viel für ihren Gutthäter zu bitten, bis auch er mit der Zeit ihr in dem Himmel beygesellet werde. Wie trostreich ist dieses! und wie oft soll man an jenen Spruch Christi gedencken: Selig seynd die Barmhertzige; dann sie werden Barmhertzigkeit erlangen! Matth 5. solche seynd die mitleidige Gutthäter der armen Seelen im Fegfeur.

21. Exempel
Ein und zwantzigstes Exempel.
Der Geist eines verstorbenen Dieners erscheint nach dem Tod seinem Herren, ihne bittend, er, und seine Gemahlin wollen seiner nicht vergessen.

Um das Jahr Christi tausend, ein hundert, und was darüber seyn mag, lebte in Spanien Petrus von Engebert, aus dem Orden des Heil. Vatters Benedicti. Er war vorhin, da er noch in der Welt gewesen, ein vornehmer reicher Herr. Der sich aber, nachdem er aus sonderbahrer Gnad GOttes die Eytelkeit dieser Welt erkannt, in gedachten heiligen Orden, wiewohlen er schon ein ziemliches Alter auf sich hatte, begeben: um darinnen die übrige Zeit seines Lebens besser, als die vergangene zuzubringen. Dieser thate oft unter denen Mitbrüderen Meldung von einer Erscheinung, so ihme zu seiner Bekehrung ein grosser Antrieb gewesen. Den gantzen Verlauf erzählte er auf folgende Weis, und mit diesen Worten:

»Als auf ein Zeit Alphonsus, der jüngere, König in Spanien, wegen eines grossen Aufstands seiner Unterthanen in Castilien, einen Befehl ausgehen lassen, daß eine jede Haushaltung in seinem Reich einen Soldaten stellen, und der Königlichen Armee, um die entstandene Unruhe zu stillen, zuschicken sollte; hab ich diesem Befehl gehorsamlich nachzukommen, einen aus meinen Dienern, Sancius genannt, mit behöriger Zurüstung ausstaffirt, und dem Haupt-Lager zugeschickt. Nachdem der Aufstand gestillet, der Frieden getroffen, und die Soldaten abgedanckt worden, kame Sancius wiederum in mein Haus zuruck, und versahe seinen vorigen Dienst. Ueber wenig Jahr erkranckte er tödtlich, und bezahlte die Schuld der Natur. [198] Ich liesse ihn ehrlich begraben, und was die Christliche Liebe erfordert, für seine Seel fleißig verrichten. Vier Monath lang war alles still im Haus, Niemand aus meinen Hausgenossenen beklagte sich, daß er was gehört, oder gesehen. Als ich aber zu Winters-Zeit nächtlicher Weil in dem Beth wachte, hörte und sahe ich einen Menschen, so bey dem Camin auf der Herd-Blatten die Aschen von der Glut scharrete, also, daß ich die glüende Kohlen wohl sehen konnte. Und obwohlen ich ab diesem Gesicht sehr erschrocken war, hatte mir doch GOtt der HErr so viel Hertz gegeben, daß ich fragen durfte, wer er wäre? und warum er die Glut entdecke? da vernahme ich ein tieffe klägliche Stimm: mein Herr! förchtet euch nicht. Ich bin Sancius, euer armer Diener. Ich gehe samt meinen Gesellen nach Castilien; damit ich meine Sünden abbüsse, die ich allda begangen. Hierauf sagte ich, wann dich der göttliche Befehl dorthin zu gehen verordnet, was machst du dann allhier? mein Herr, antwortete er: verzeyhet mirs. Dieses geschiehet nicht ohne göttliche Erlaubnuß: dann ich mich nicht gar in einem üblen Stand befinde; in welchem ihr mir, wann ihr nur wollet, könnet zu Hülf kommen. Darauf fragte ich ihn: was dann sein Anliegen, und Begehren von mir seye? da sagte er, ihr wisset mein Herr, daß ihr mich kurtz vor meinem Tod an ein Ort geschickt, wo man nicht pflegt heilig, sondern gottlos zu leben. Die Jugend, die Freyheit, das böse Exempel, und die Vermessenheit können einen armen Soldaten, der sich selbst nicht zu regieren weißt, leichtlich in das Verderben stürtzen. Ich hab mich in dem jüngst verwichenen Krieg mit Rauben und Stehlen versündiget; auch so gar den Kirchen-Gütern nicht verschont, darum ich anjetzo schwehrlich gepeiniget werde. Dahero, ach mein lieber Herr, wann ihr mich lieb habt, vergesset doch meiner nicht. Ich begehre von euch nicht grosse Reichthum, sondern allein euer Gebett, und ein kleines Allmosen, welches alles mir in meiner Peyn verhülflich seyn wird. Euer Gemahlin ist mir noch von der letzten Rechnung her 3. Gulden und 20. Kreutzer schuldig, diese verlange ich, daß sie zu Trost meiner Seel angewendet werden.«


»Ich weiß nicht, wie mir unter diesem Gespräch das Hertz gewachsen, daß ich mich unterfangen auch andere Sachen zu fragen. So frage ich dann, Mein! weist du nicht, wie es mit jenem meinem Lands-Mann Petrus Dejaca, so ohnlängst mit Tod abgangen, stehe? Hierauf sagte er: Herr! laßt euch diesen nicht angelegen seyn, dann er allbereit die ewige Seeligkeit erlangt hat; weilen er in nächst geweßter Hungers-Noth viel Almosen geben, und dardurch den Himmel erworben. Der Fürwitz stache mich noch mehr, daß ich ihn [199] fragte, wie es um einen Richter, der mir wohl bekannt, auch ohnlängst mit Tod abgangen, stehe? Mein Herr! antwortete er:sagt mir nichts von diesem armseeligen Menschen, dann er wegen seinen verübten Ungerechtigkeiten ewig verdammt worden. Ich wollte mit diesem noch nicht zufrieden seyn, sondern fragte weiters, in was für einem Stand sich die Seel des Königs Alphonsi befinde? Hierauf hörte ich eine andere Stimm von einem Fenster, das hinter mir war: die sprache: Auf diese Frag kan Sancius nicht antworten: weilen ihm von dieses Königs Stand nichts bewußt. Ich aber, der ich vor 5. Jahren gestorben, kan hierinn einen Bericht geben. Diese unverhofte Antwort brachte mir wiederum einen Schrecken; jedoch kehrte ich mich um, und sahe vermittelst des Mondscheins einen Menschen an dem Fenster lehnen, den ich bate, er wolle mir die Beschaffenheit gedachten Königs anzeigen. Hierauf antwortete er: Ich weiß zwar wohl, daß er nach seinem Ableiben grosse Peyn erlitten; welche doch durch das Gebett der Geistlichen Ordens Leuten bald gelindert worden. Wie es ihm aber weiters ergangen, kan ich nicht wissen. Indem er dies sagte, wendete er sich gegen dem Sancio, so beyder Glut sasse, und sprache: Fort, fort, es ist Zeit. Sancius antwortete ihm nichts dargegen, sondern stunde alsbald auf, und sprach im hinweg Scheiden zu mir mit kläglicher Stimm: Ach mein Herr! ich bitte euch für das letztemahl: seyd meiner ingedenck, und laßt euer Gemahlin für mich verrichten, was ich begehrt hab.«


»Folgenden Morgen hab ich den gantzen Verlauf meiner Frauen erzählt: worauf wir beyde uns beflissen auf das bäldigst u. fleißigst dieser armen Seel zu Hülf zu kommen. Und dieses ist die Erscheinung, so ich gehabt, und bey meinem Gewissen bezeuge, daß ich sie erzählet, wie sie sich in der Wahrheit zugetragen hat.« Petrus Cluniacensis in operibus suis: Ut habet Caussinus in Aula Sancta Part. 3. l. 3. c. 6.


Was können wir nun anderst zu dieser Sach sagen, als daß wir sie mit den Worten des Heil. Augustini, von der Sorg über die Abgeleibte, am 15. Cap. beschliessen. Die heilige Schrift bezeugt uns, daß unterweilen die Verstorbene zu denen Lebendigen gesandt werden. Dann wir insgemein nicht wissen, was sich mit denen Verstorbenen zutragt. So wissen auch die Verstorbene nicht alles, was in der Welt geschiehet; sondern vernehmen solches von denjenigen, die von dieser Welt zu ihnen scheiden; oder aber von denen Englen, von welchen sie unterweilen besucht werden, die ihnen aber mehrer Bericht nicht können geben, als der höchste Richter zulaßt.

[200] Unterdessen, wie ist es möglich, daß man gedencke an die unaussprechliche Peyn der Seelen im Fegfeur; und sich ihrer doch nicht erbarme? für sie nicht bitte? ihnen nicht zu Hülf komme? absonderlich, wann sie nahe Anverwandte auf Erden geweßt seynd? Laßt uns einbilden, wir hören ein arme Seel folgende Klag führen, wie sie im Klag-Lied der armen Seelen ausgedruckt ist:


1.
Ihr meine liebe Freund,
Zu helffen mir erscheint;
Noch heut, und nicht erst Morgen.
Um eure Hülf ich bitt,
Ihr habt ein gut Credit,
Ihr könnt mich wohl ausborgen.
2.
Ihr könnt mir helffen bald,
Es steht in euerm Gewalt;
Ach thut mein Noth betrachten.
Erbarmt euch über mich,
Ich bitt euch hertziglich;
Mein Bitt thut nicht verachten.
3.
Helft mir aus dieser Flamm,
Ich bitt euch allesam;
Thut fleißig für mich betten.
GOtt höret euer Bitt,
Ihr könnt mich bald darmit
Aus meiner Peyn erretten.
4.
Helft mir aus dieser Glut,
Die schmertzlich brennen thut;
Helft mir durch euer Fasten.
Ach thut nur bald darzu,
Ich hab hie gantz kein Ruh;
Kan Tag und Nacht nicht rasten.
5.
Helft mir aus diesem Feur,
Den Armen gebt ein Steur;
Thut Allmos für mich reichen.
Ach helft mir doch behend,
Das Feur sehr heftig brennt.
Ach laßt euch doch erweichen.
6.
Durch euere gute Werck,
Verlang ich Hülf und Stärck;
Und sonderlich durch Messen.
Gedenckt, wie ich so hart,
Darauf mit Schmertzen wart;
Thut meiner nicht vergessen.
7.
Wann ihr die Meß anhört,
Für mich auch Hülf begehrt;
Damit werdt ihr mich stärcken.
Laßt euch befohlen seyn,
Mein Schmertz, und schwehre Peyn;
In allen guten Wercken.
8.
Auch die Communion,
Und was ihr habt darvon;
Den Ablaß thut mir schencken.
Wann ich komm in die Freud,
So will ich allezeit;
Gar fleißig an euch dencken.
9.
Ach bettet all für mich,
Daß GOtt erbarme sich;
Daß er mir Gnad woll geben.
Ach helft mir all darzu,
Daß ich komm in die Ruh;
Und in das ewige Leben.

Wessen Hertz ist so hart, so unempfindlich, das durch solche Klagen nicht erweicht, nicht zum Mitleyden soll bewegt werden? O! der du dieses [201] liesest, und ein solches Hertz hast, seye versichert, daß wann auch du einstens in solche Peyn und Qual kommen sollest, Niemand sich deiner erbarmen werde. Du wirst ruffen, du wirst schreyen, du wirst klagen, du wirst bitten, aber Niemand wird sich dran kehren. Und billich, dann es heißt: Mit was Maaß ihr messet, mit der wird euch wiederum gemessen werden. Matth. 7.Cap. Darum wirst du wohl thun, wann du oben angeführte Klagen öfters liesest, und tief zu Hertzen führest. Dann auf solche Weiß wirst du ehender zum Mitleyden gegen den armen Seelen im Fegfeur bewegt werden, und bey dir selbst also dencken: was ich gern hätte, das mir andere thäten (wann ich in solchem Stand wär) das muß ich ihnen auch thun. Wohl geschlossen.

22. Exempel
Zwey und zwantzigstes Exempel.
Ein regulirter Chorherr des heiligen Augustini streitet in dem Todbeth unermüdet wider die böse Geister, und erhaltet den Sieg wider sie.

Im Jahr 1165. lebte zu Reichersperg, einem berühmten Closter der regulirten Chor-Herren des heiligen Augustini, im unteren Bayerland, ein Ordens-Geistlicher, Arnoldus mit Namen. Dieser erkranckte vor dem heiligen Christ-Tag an einem langsamen und auszehrenden Fieber. Man sahe bald, daß es ihn zum Grab beförderen wurde. Unterdessen so oft man ihn fragte:Wie er lebe? gabe er zur Antwort: GOtt Lob! gantz wohl. Ich bin zwar an Kräften erschöpft; jedoch empfinde ich weiters keine Schmertzen. Im übrigen, gleichwie er sich vorhin, da er noch gesund war, allzeit freundlich, sanftmüthig, und gedultig erwiesen, also thate ers auch in der Kranckheit. Batte mithin seine Mit-Chorherren, die ihn besuchten, sie wolten in dem heiligen Gebett sein Sterbstündlein ihnen brüderlich lassen anbefohlen seyn; dann an dem heiligen Liechtmeß-Tag nächst folgendes Jahrs werde er sterben. Wie er vorgesagt, also ist es auch geschehen. Als nun gedachter Tag anzubrechen begunte, sahe er eines Morgens in aller Frühe die böse Geister um das Beth herum stehen. Da fienge er dann an zu zitteren, zu schwitzen, und zu ruffen: Sehet sehet, liebe Herren Mit-Brüder! das Zimmer ist voller bösen Geister! O was seynd das für Abentheur! die Chorherren gaben ihm auf dieses Ruffen ein Crucifix in die Händ, darmit die böse Geister abzutreiben. Das küßte er dann mit grosser Andacht, druckte es hertzlich an die Brust, und hielte es hernach den bösen Geistern, als einen [202] unüberwindlichen Schild entgegen. Unterdessen knieten die Chorherren nicht ohne Forcht und Schrecken um des Krancken Beth herum, und ruften samt ihm den gecreutzigten Heyland um Hilf und Beystand an. Vornemlich aber begehrte der Krancke, sie solten öfters das heilige Vatter unser, wie auch den Apostolischen Glauben betten; dann diese seyen die stärckiste Waffen wider die böse Geister. So verlangte er auch, mit ihm die Mutter GOttes um ihren Beystand anzuruffen; dann diese werde nicht umsonst genennt:Das Heil der Krancken. Also nachdem er lang gebetten lage er da ganz abgemattet, von dem Streit wider die böse Geister, und halb tod. Nichts destoweniger, so schwach und matt er war, ließ er sich doch von ihnen nicht überwinden: sondern sagte bisweilen: Klagt mich an; klagt mich an, wann ihr könnt: ich hab mich schon längst in der Beicht selbst angeklagt. Mit welchen Worten er wolte zu verstehen geben, seine Sünden seyen ihm durch die Kraft des heiligen Sacraments der Beicht schon nachgelassen worden. Allein die böse Geister hörten darum nicht auf, ihne zu bestreiten. Er herentgegen gabe ihnen im geringsten nichts nach. Und obwohl er so schwach worden, daß er kaum mehr reden konte, versammlete er doch die noch übrige Kräften in so weit, daß er überlaut sagte: Packt euch fort, ihr Dieb; packt euch fort: ihr solt mich nicht überwinden. Wann ich GOtt auf meiner Seiten hab, wer wird mir etwas abgewinnen? wehrendem diesem Streit wider die böse Geister fienge es allgemach an, Tag zu werden. Da befahle er sich auf ein neues in den Schutz der Mutter GOttes, und sagte voll des Vertrauens:Ey! die Mutter der Barmhertzigkeit wird mir bey ihrem Sohn mit einem eintzigen Wort Gnad und Barmhertzigkeit erlangen. Also brachte er in hertzlicher Anrufung der Mutter GOttes den übrigen Tag zu, bis es Nacht worden, da er in etwas schlaffen, und von gehabtem Streit ausrasten können. Als es wiederum Tag worden, war alle Forcht von ihm verschwunden. Ja er sahe nicht nur frölich drein; sondern erhebte auch vor Freuden die rechte Hand in die Höhe, sagend aus dem 121. Psalmen: Ich hab mich erfreut in dem, was mir gesagt worden: wir werden eingehen in das Haus des Herrn. Auf dieses hin deutete er auf das Crucifix und sagte: Sehet! liebe Herren Mit-Brüder: dieser ist unser Heil: dann dieser hat uns durch sein Tod am Creutz erlößt. Bald rufte er auf: O Gehorsam! dardurch anzudeuten, wie getröst ein Ordens-Geistlicher sterbe, der sich bey Leb-Zeiten in der Tugend des heiligen Gehorsams geübt hat. Und nicht lang darnach: O was siehe ich für eine unaussprechliche Glory! wie eitel seynd alle zeitliche Ding! und wie ist alle Trübsal dieser Welt nur für einen Augenblick zu rechnen! und dannoch, wann wir sie mit Gedult übertragen, [203] O was für eine Glory würckt sie uns nicht in dem Himmel aus! darnach thate er, als wolte er auf den ausgestandenen Strudel ein wenig verschnauffen, und sagte: O! die Jungfräuliche Mutter GOttes hat mir bey ihrem Sohn Gnad erlangt. Auf dieses hin stunde es nicht lang an, da richtete er sich in dem Beth über sich, so viel ihm möglich war; streckte beyde Arm aus, und bemühete sich aufzustehen, nicht anderst, als wann ihn einer einladete, ihm nachzufolgen. Weil er sich aber an Kräften zu schwach befunden, sagte er:Ich kan nicht aufstehen; sonst wolte ich gern nachfolgen. Dieses geredt, sancke er wieder ins Beth hinein; redte forthin kein Wort mehr, und gabe über ein kurtzes den Geist in die Händ seines Schöpfers auf. Chronicon Reicherspergense ad Annum 1166.

Was für einen Gewalt laßt nicht GOtt zu Zeiten denen bösen Geistern auch über die Gerechte im Todbeth zu! das geschiehet aber, ihnen dardurch Gelegen heit zu geben, die Cron im Himmel zu vermehren. Sonst ist kein Gefahr, daß er demjenigen im Todbeth verlassen werde, der ihm bey Lebs-Zeiten treulich gedient hat. Vielmehr wird er wahr machen, was er dem Gerechten verspricht in dem 90ten Psalmen mit diesen Worten: Dieweil er auf mich gehoft hat, so will ich ihn erretten: ich will ihn beschirmen; weil er meinen Namen erkennt hat. Er wird zu mir ruffen, und ich will ihn erhören: ich bin mit ihm in der Trübsal; ich will ihn daraus erretten, und glorreich machen. Mit langem Leben will ich ihn erfüllen, und ihm mein Heil zeigen. O wie trostreich seynd diese Wort! und wie sollen sie dem Gerechten ein Antrieb seyn, beständig an GOtt zu hangen, und ihm treulich bis in Tod zu dienen!

23. Exempel
Drey und zwantzigstes Exempel.
Ein edler Herr erlangt durch die Vorbitt des heiligen Martyrers Cäsarii vor dem Richterstuhl GOttes Gnad und Barmhertzigkeit.

Zu Rom war ein edler, und reicher Herr mit Namen Andreas. Dieser lebte nach seinem Gefallen, und liesse ihm fein recht wohl seyn. Wo nur ein Freud, ein Lust, ein Ergötzlichkeit, ein guter Muth aufzubringen war, das müßte ihm werden. In Summa: das Wohlleben war sein vornehmstes Absehen. Doch hatte er diese Tugend an sich, daß er gegen dem heiligen Martyrer Cäsarius ein sondere Andacht truge, und nicht allein die Kirch, in welcher dieser heilige Martyrer verehrt wurde, öfters mit Andacht besuchte; sondern auch zu Zeiten ein Opfer darinn ablegte. Mithin geschahe es, daß er ihm selbst durch sein Wohlleben den frühzeitigen [204] Tod auf den Hals zoge. Er starbe also; doch nicht ohne Zeichen der Reu über das vergangene. Nun der todte Cörper wird in ein Bahr gelegt: man kleidet ihn an seinem Stand gemäß: man ladet zur Leichbegängnuß ein die adeliche Freundschaft: man unterlasset nichts von allem dem, was zur Begräbnuß gehörte. Ein eintzige Nacht war noch entzwischen, daß der Leichnam solte zur Erden bestattet werden. Was geschiehet? indem der Leichnam verwachet wird, fangt dieser um Mitternacht herum an sich zu rühren; nach und nach den Kopf aus der Todten-Bahr in die Höhe zu strecken; mit den Augen hin und her zu sehen: dardurch anzudeuten, daß er wiederum zum Leben erweckt wäre. Was nun bey denen Wächtern, und anderen Hausgenossenen für ein Forcht und Schrecken werde entstanden seyn, kan ihm ein jeder leicht einbilden. Viel, bey denen die Forcht über Hand genommen, flohen davon: andere aber, die etwas behertzters waren, hielten noch Stand; sahen den Auferweckten erstaunend an, und fragten ihn endlich: ob er wahrhaftig vorhin gestorben, und anjetzo wiederum zum Leben erweckt worden? oder aber (wie es bisweilen geschehen) nur ein Zeitlang in einer Ohnmacht gelegen? also daß er die Leut Glauben gemacht, er wäre wahrhaftig gestorben? da gabe der Auferweckte mit einem tiefen Seufzer folgende Antwort; Wisset, daß ich wahrhaftig vorhin gestorben; und wurde ich würcklich in der Höllen brinnen, wann nicht der heilige Martyrer Cäsarius bey dem göttlichen Richter mein sonderbarer Patron geweßt wäre, und mich noch erhalten hätte. Als ihn herauf die Anwesende fragten; was er in der andern Welt gesehen? was er gehört? und wie er wiederum zum Leben kommen wäre? gab er ihnen zur Antwort: »höret! als mein Seel vom Leib geschieden, da bin ich in einem Augenblick für den erschröcklichen Richterstuhl Christi gestellt worden. Um ihne stunden herum viel 1000. Engel. Als ich in mein Gewissen hinein schaute, und darinnen mein vergangenes Leben sahe, stunde ich da voller Forcht und Schrecken, und dörfte meine Augen nicht über sich heben. Unterdessen stunden zur lincken Seiten die leidige Teufel, welche mit höchstem Verlangen auf das Urtheil des Richters warteten. Was ich da für ein Angst ausgestanden; mit was Schrecken ich überfallen worden, wird mir niemand leicht glauben. Aber ich weiß es; weil ichs erfahren hab. Als ich nun nichts anders, als das Urtheil der ewigen Verdammnuß erwartete, siehe! da trittet unversehens für der heilige Martyrer Cäsarius; kommt für den Richterstuhl Christi; fallt nieder auf die Knie, und redet den Richter folgender massen an: Höchster, und gerechtister Richter! lasse dir gnädigst gefallen, die Wundmahlen meines Leibs anzuschauen. Gedencke, O HErr! daß ich um deines [205] Namens willen jene Wunden einstens empfangen; ja Leib und Leben für die Ehr deines Glaubens aufgeopfert hab. Anjetzo bitte ich demüthigst um diese eintzige Gnad: du wollest nach deiner unendlichen Barmhertzigkeit diesem armen Sünder verschonen: weil er sich bey Lebs-Zeiten so oft in meinen Schutz und Schirm befohlen hat. Was geschiehet? die Mutter GOttes, und andere Heilige, so auch zugegen waren, fielen dem heiligen Martyrer Cäsario gleichfalls bey: und der Richter liesse sich besänftigen; schenckte mir die ewige Straf und liesse zu, daß mein Seel wiederum solte zu ihrem Leib kehren. Also bin ich jetzt da, euch zu Gutem: damit ihr euch desto sorgfältiger auf das künftige Gericht bereiten möget. Sehet zu, daß ihr in aller Forcht vor GOtt wandlet; dann ihr wißt weder den Tag noch die Stund, da der HErr kommen wird. Dieses geredt, sancke er wiederum in die Todten-Bahr hinein, und gabe den Geist neuer Dingen auf.« In Vita S. Annonis Archi Episc. Colon. l. 1. c. 35. apud Surium To. 6.Die 4. Decemb.


O wie nutzlich und heilsam ist es, wann man sich einen sonderbaren Patronen aus denen Heiligen GOttes erwählet; ihm das Sterbstündlein anbefihlet; und deswegen zu seiner Ehr täglich etwas gewisses bettet! dann ein solcher Heiliger wird seinem Pflegkind im Tod sonderbar beystehen, und nicht nachlassen, bis er ihm bey GOtt ein wahre Reu über die Sünden; und mithin ein seliges Sterbstündlein wird ausgebetten haben. Das hat gethan an seinem Pflegkind der heilige Martyrer Cäsarius. Und das gabe zu verstehen das gehabte Gesicht des Richterstuhls Christi. Wäre der heilige Cäsarius seinem Pflegkind im Todbeth nicht beygestanden; wurde es nach dem Tod zu spat geweßt seyn. Dann wie GOtt einen nach dem Tod findet, also richtet er ihn. Und da ist kein Zeit der Barmhertzigkeit mehr; sondern allein der Gerechtigkeit.


Sonsten thun diejenige sehr wohl, welche ein seliges Sterbstündlein zu erlangen, alle Nacht unser lieben Frauen zu Ehren ihre Litaney betten. Dann diese ist eine sonderbare Patronin der Sterbenden. O wie vielen hat sie noch in der letzten Stund ein wahre Reu, und durch diese die Seligkeit erlangt! und erlangt es noch täglich! darum soll man folgendes Gebettlein öfters (vornemlich, wann die Stund schlagt) mit Andacht sprechen:

Maria, Mutter der Gnaden! Mutter der Barmhertzigkeit! Beschütze uns wider den bösen Feind:
Und nimme uns auf in der Stund des Tods.
24. Exempel
[206] Vier und zwanzigstes Exempel.
Ein tödtlich-verwundter Soldat wird durch die Fürbitt Mariä so lang beym Leben erhalten, bis er seine Sünden gebeichtet, und darvon absolvirt worden.

Im Jahr Christi 1415. als Kayser Sigismund Krieg wider die rebellische Walachen führte; und aber das Unglück hatte, daß er die Schlacht verlohre, bliebe unter andern verwundten auf dem Platz auch liegen ein gemeiner Soldat; dem Ansehen nach vor diesem ein liederlicher Gesell; aber doch kein schlechter Liebhaber Mariä. Bey dieser Schutzfrauen hatte er allezeit inständig angehalten, sie wolte ihn doch nicht ohne Beicht sterben lassen, welche Gnad er auch folgender Massen erhalten. 2. oder 3. Jahr nach gehaltener Schlacht geschahe es, daß gedachter Kayser mit seinem Kriegs-Volck neben dem Platz fürbey zoge, allwo die Schlacht gehalten worden. Da hörten dann die Soldaten aus einem Hauffen der auf einander liegenden, und bis dahin noch unbegrabenen todten Leibern der Erschlagenen eine klägliche Stimm, dieses Innhalts: JEsus! Maria! JEsus! Maria! alle so diese Stimm hörten, erschracken hierüber, und hielten deswegen still, erwartend, von wem sie dann herkäme, und was sie wolte? und als die Stimm sich abermal hören liesse, giengen sie zu dem Hauffen der todten Leiber hin, sahen hin und her, wo dann die Stimm herkommen müsse. Und siehe! sie erblickten endlich den Cörper des erschlagenen Soldaten, der bis an das Haupt schon gantz ausgedigen war. Wie das noch lebende Haupt die Soldaten mit Forcht und Verwunderung eingenommen, um sich herum stehend gesehen, fienge es an also zu reden: Was stehet ihr voll der Verwunderung um mich her? wisset, daß ich ein Catholischer Christ, und vor diesem unter Kayser Sigmund ein Soldat gewesen; an diesem Ort aber tödlich verwundet worden, und unter denen Todten liegen geblieben: wäre auch gleich gestorben, wann mich nicht die Mutter GOttes so lang beym Leben erhalten, bis ich meine Sünden, in welchen ich gestorben, wurde gebeichtet haben. Dann um diese Gnad hab ich sie gebetten, da ich noch gesund war. Also dann bitt ich euch, ihr wollet doch einen Priester zu mir kommen lassen, der mein Beicht anhöre, und mich von meinen Sünden ledig spreche. Als man ihn gefragt, wie er doch diese unerhörte Gnad um die Mutter GOttes verdient hätte? sagte er: wie daß er im Brauch gehabt, Jährlich die Fest-Täg von unser lieben Frauen in sonderbaren Ehren zu halten, und zu diesem End den Tag vorher in Wasser und Brod zu [207] fasten, damit er auf solche Weis die Gunst Mariä gewinnen möchte. Als man diese Antwort vernommen, schickte man unverzüglich nach einem Priester; den man auch bald in einem nächst gelegenen Dorf gefunden. Dieser bliebe nicht lang aus; hörte das noch lebende Haupt-Beicht, und ertheilte ihm die heilige Absolution. Welches als es geschehen, verliesse die Seel das Haupt, und floge ohne Zweifel den geraden Weeg zu ihrer allergnädigsten Patronin, und Erhalterin in den Himmel hinauf.

Bonfinius in Histor. Hungar. Decade 3. Lib. 3.ad. Annum Christi 1415.


O mächtige Jungfrau! wie weit erstreckt sich deine Güte gegen denen, die dich beständig verehren! O glückselige Liebhaber Mariä! was Hilf! was Schutz! was Trost findet ihr bey dieser mächtigen Jungfrauen! O Himmel! O Erden! ergießt euch in das Lob dieser Jungfrauen. Peiset sie; erhebt sie: aber bekennet auch zugleich, daß sie alles Lob weit übersteige: wie es die Catholische Kirch gern bekennt in denen Tag-Zeiten von dieser unvergleichlichen Jungfrauen, sich folgender Worten gebrauchend: heilige, und unbefleckte Jungfrau! ich weiß nicht, wie ich dich genug loben solle: weilen du in deinem Leib hattest geschlossen denjenigen, den so gar der Himmel nicht hat fassen können. O unvergleichliches Lob! wie gönnen wir dir selbiges von Hertzen! O mächtige Jungfrau! O gütige Jungfrau! seye unser ingedenck: und lasse uns nicht sterben, wir seyen dann mit deinem Sohn versöhnt.

25. Exempel
Fünf und zwantzigstes Exempel.
Ein Ordens-Bruder stirbt fröhlich, und getröst, ohngeachtet er hinläßig gelebt hatte.

Es ware ein gewisser Ordens-Bruder: der hatte viel Jahr zimlich lau und hinläßig gelebt. Er bettete zwar zu seiner Zeit; aber mit schlechter Andacht. Er fastete; aber es war ihm leid, daß er nicht essen dörfte. Er hielte die Regul, und Satzungen des Ordens; aber viel mehr aus Zwang, als aus Liebe zur clösterlichen Vollkommenheit. Und dannoch, da er ins Tod-Beth kam, förchtete er sich so wenig, als nichts; ja er wartete lächlend, und mit Freuden auf den letzten Abdruck. Wie das die umstehende Brüder gesehen, erschracken sie nicht wenig, förchtende, dieser Bruder möchte eines üblen Tods sterben. Darum gabe ihm einer aus ihnen folgenden Verweis: »Bruder! wie darfest du lachen, und fröhlich seyn, indem doch der Tod vor der Thür stehet, und du über ein kleines für den strengen Richter-Stuhl Christi wirst gestellt werden; um allda von deinem gantzen Lebens-Wandel genaue Rechenschaft zu geben? [208] gedenckst du nicht, wie lau und hinläßig du gelebt; wie schlecht du deinem GOtt und HErrn gedient habest? und du lachest noch? weinen soltest du: klagen soltest du; zittern soltest du: aus Forcht, es möchte das Urtheil der ewigen Verdammnuß wider dich ausgesprochen werden. Gedencke was der Heil. Apostel Petrus sagt; Petri 4. wann der Gerechte kaum selig wird, wo wird dann der Sünder bleiben? daß du gesündiget habest, das weißt du. Aber, hast du auch Buß gethan? gehe also in dich selbst; thue Buß, weil du noch Zeit hast: und giebe Acht, daß dich nicht etwann der böse Feind mit einer falschen Hofnung betrüge.« Als der Sterbende diesen Verweis mit Gedult angehört, sagte er: »Es ist wahr, und ich kan es nicht laugnen, daß ich zimlich lau und hinläßig gelebt, und meinem GOtt und HErrn nicht gedient hab, wie ich hätte sollen. Es ist mir aber leid darfür; und bitte deswegen GOtt demüthigst um Verzeihung. Unterdessen kan ich nicht bergen, was mir erst diese Stund begegnet ist. Es kamen nemlich zu mir für das Beth, in Gestalt der schönsten, holdseligsten Jüngling, zwey Engel. Diese hatten in den Händen lange Zettel, auf welchen alle meine Sünden verzeichnet stunden. Sie fragten mich, ob ich nicht diese Sünden begangen hätte? ich antwortete: wie daß ich es nicht laugnen konte; seye mir aber leid darfür; und wünsche, daß daß ich meinen GOtt, das höchste Gut, niemahlen beleidiget hätte. Unterdessen hoffe ich dannoch, an GOtt einen gnädigen Richter zu haben; weil ich mich verlasse auf die Wort Christi des HErrn, der die ewige Wahrheit ist. Dieser aber sagt bey dem Heil. Lucas am 6. Cap. Richtet nicht, so werdet ihr nicht gerichtet werden. Verdammt nicht, so werdet ihr nicht verdammt werden. Vergebet, so wird euch vergeben werden. Nun kan ich mich fürs erst nicht erinneren, daß so lang ich im Closter gelebt, ich jemahl einen Menschen geurtheilt, und durch solches Urtheil verdammt hätte. Dann ich sahe auf meine, und nicht auf anderer Leuten Fehler; schätzte auch deswegen Niemand weniger, als mich selbsten. Fürs ander: wann mir schon ein Unbild ist angethan worden, hab ich doch selbe gern verziehen; ja, so viel möglich, gleich aus dem Sinn geschlagen. Also hoffe ich, Christus der HErr werde mich auch nicht richten; sondern mir gnädiglich verzeihen. Wie die Engel diese Antwort von mir vernommen, zerrissen sie ihre Zettel; zum Zeichen, daß die Schuld meiner Sünden von GOtt ausgelöscht, und mir nachgelassen wäre: auf welches hin sie aus den Augen verschwunden.«

Ey! warum solt ich dann nicht freudig und getröst auf den letzten Abdruck warten? dieses geredt, griffe er in die letzte Züg, und gabe [209] den Geist in die Händ seines Schöpfers auf; nicht ohne Auferbauung der umstehenden Brüder, welche sich über die Gütigkeit GOttes höchstens verwunderten. Anastasius Sinaita, Episc. Antiochen. apud Baronium Tom. 8. Anno 599. n. 10.


Wohl ein trostreiche Begebenheit; welche allen ein Antrieb seyn soll, daß sie den Nächsten nicht urtheilen: und wann sie von ihm ein Unbild empfangen, daß sie solche gern verzeyhen. O was für 2. schöne Tugenden seynd diese, kehre ein jeder vor seiner Thür, er wird Fehler genug finden, die er verbessere, was gehen ihn andere an, über die er nicht bestellt ist; darnach, wann uns GOtt so leicht verzeyhet, ob er schon von uns beleydiget worden, was soll dann ein Mensch gegen dem andern thun? Laßt uns dieses wohl bedencken.

26. Exempel
Sechs und zwantzigstes Exempel.
Ein krancker Herr bereitet sich besser zum Tod; weilen ihm sein Narr die Wahrheit gesagt.

Ein vornehmer reicher Herr hielte unter vielen Hausgenossenen auch einen Narren auf seinem Schloß, der ihm manche Kurtzweil machen müßte. Nachdem er diesen seinen Narren einstens neu von Fuß auf hatte kleiden lassen, händigte er ihm zugleich einen grossen Kolben ein, mit dieser Ermahnung: Hans! gib diesen Kolben bey Leib keinem anderen, als der ein grösserer Narr, als du bist. Das liesse ihm der Narr fleißig gesagt seyn, und war ihm sein Kolb auch um viel Gelt nicht feil. Ueber ein Zeit begabe es sich, daß gedachter Herr tödtlich erkranckte. Da schickte er sich zwar zum Testament machen: allein gleichwie er bey gesundem Leib sich wenig der Armen, und geistlichen Sachen achtete; also liesse er es jetzt auch dabey gelten: schriebe zu Erben aller seiner Güter die nächste Bluts-Freund; des Allmosens aber und anderer gottseeligen Vermächtnussen wurde mit keinem Wörtlein gedacht. So geschahe auch des Beichtens, der letzten Weeg-Zehrung, der heiligen Oehlung kein eintzige Meldung. Entzwischen gienge das Lamentieren und Mumlen im Haus um, der Herr werde bald dahin fahren. Der Narr solches hörend, lieffe eylends in die Kammer für das Beth, und sprach: Herr, ich höre, ihr werdet verreisen. Ist es wahr, der Herr antwortete: Es kan seyn, das Ansehen ist gut darzu. Aber wohin? fragte der Narr: seynd die Pferd schon gesattelt? ist die Gutschen schon gespannt, seyd ihr auch gerüst auf die Reise? der Herr antwortete: ich weiß es nicht. Wie weit aber (fragte der Narr ferners) werdet ihr reisen? und wie lang werdet ihr ausbleiben? [210] vielleicht ein Monath, 2. Monath, ein halbes Jahr, oder ein gantzes Jahr? Der Herr sagte abermahl: Ich weiß es nicht. Wann kommt ihr aber wieder? fragte der Narr zu letztens. Und der Krancke sagte mit einem Seuftzer: Ach vielleicht nimmermehr. So? sagte der Narr: Habt ihr ein so weite Reise vor euch, und wisset selbst nicht, ob ihr wieder kommen werdet, und machet so gar kein eintzige rechte Anstalt zu einer so weiten und gefährlichen Reise? da habt ihr meinen Kolben (und zugleich legte er den Kolben zu ihm auf das Beth) dann ihr seyd ein weit grösserer Narr, als ich bin.


Dieser gute Einfall hatte bey dem Krancken einen solchen Nachdruck, daß er bekennt, der Narr habe die Wahrheit gesagt: hat auch unverzüglich viel Gelt unter die Arme lassen austheilen, und sich besser zum Tod bereitet. Guil. Pepinus Tract. 4. super Confiteor. c. 2.


O wie vielen müßte dieser Narr seinen Kolben geben! sie wissen, daß sie sterben müssen; wissen aber nicht, wann? sie wissen, daß sie in die Ewigkeit verreisen müssen. Sie wissen, daß auf den Tod folge das strenge Gericht GOttes. Machen sie aber auch die behörige Anstalt darzu? enthalten sie sich deßwegen von schwehren Sünden? beichten sie selbige mit wahrer Reu und Aufrichtigkeit, des steiffen Vorsatzes davon abzustehen, und sich zu besseren? thun sie Buß darfür? üben sie sich in Christlichen Tugenden, im Betten, Fasten, Allmosen geben, und anderen guten Wercken, nichts wenigers. Wie getrauen sie sich dann in solchem Stand zu sterben; in die Ewigkeit zu verreisen; und vor dem Gericht GOttes zu erscheinen? heist das nicht sterben, und mithin ewig wollen verderben? kan auch ein grössere Thorheit gefunden werden, als diese ist? damit man dann den Narren-Kolben nicht bekomme, muß man durch ein frommes Leben eine gute Vorbereitung zum Tod machen. Dann insgemein: Wie man lebt, so stirbt man. Zu solcher Vorbereitung aber wird viel helffen, wann man allezeit gedenckt, wie ungewiß die Stund des Tods seye. Wie man ihm deßwegen nicht trauen solle, aus Beysorg, er möchte uns etwann gähling überfallen, da wir in einem bösen Stand wären. O wie förchtig ist dieses! darum warnet uns Christus so wohlmeynend mit diesen Worten: wachet, dann ihr wisset weder den Tag, noch die Stund. Matth. 25.


Liese, O Jugend! folgende Reimen aus dem bekannten Lied von dem Tod, drucke sie tief in dein Hertz hinein, und erinnere dich selbiger zu Zeiten, O was gute Gedancken können sie erwecken!


1.
Der Tod urplötzlich wie ein Dieb,
Thut gähling einher schleichen;
Es sey dir gleich leyd oder lieb,
[211]
Du kanst ihm nicht entweichen.
Sein Pfeil ist Gift, wann er dich trift,
So must dich bald aufmachen;
Er nimmt dich mit, es hilft kein Bitt,
Drum sih zu deinen Sachen.
2.
Vielleicht ist heut der letzte Tag,
Den du noch hast zu leben;
O Mensch! veracht nicht, was ich sag,
Nach Tugend solt du streben.
Wie mancher Mann wird müssen dran,
So hoft noch viel der Jahren;
Und muß doch heut weil die Sonnen scheint,
Zur Höll hinunter fahren.
3.
Darum, mein Seel! sey stets bereit,
Thu allzeit mannlich wachen;
Wann der Tod kommt zu jeder Zeit,
Will dir den Garaus machen.
So kanst du dich fein ritterlich,
Mit ihm in Kampf begeben;
Ein grosse Cron tragst du darvon,
Wann er dir nimmt das Leben.

O Reimen, würdig, daß man sie auswendig lerne, und öfters daran gedencke!
27. Exempel
Sieben und zwantzigstes Exempel.
Ein von Todten Erweckter macht einen streitigen Handel vor Gericht auf Erden aus.

Es hatte der Heil. Stanislaus, Bischof zu Cracau in Pohlen, zur Zeit des Pohlnischen Königs Boleslai, einem reichen Mann, mit Namen Petrus, ein Gut für seine Kirch abgekauft, und das baare Geld darfür ausgezahlt. Der Kaufbrief aber, so darüber aufgesetzt worden, bestunde in so duncklen und zweifelhaftigen Worten, daß man selbigen leicht anfechten konnte. Nachdem nun gedachter Petrus gestorben, und nunmehr 3. Jahr nach seinem Tod verflossen, stache die Erben Petri das verkaufte Gut in die Augen, und forderten von dem Bischof, er solle das Gut wiederum abtretten, als einen Theil der Erbschaft, so ihnen von Rechts wegen zustehe. Und weilen sie wußten, daß der König Boleslaus dem Bischof nicht günstig wär, bedienten sie sich dieser Gelegenheit zu ihrem Vortheil, und machten die Sach bey des Königs-Hof-Gericht anhängig. Nun die Sach wird in Beyseyn des Königs gerichtlich fürgenommen; und der Ausspruch gefällt, der Bischof solle den Kaufbrief aufweisen. Als dieses geschehen, und aber (wie gemeldet) die dunckle Wort des Briefs die Strittigkeit nicht könnten ausmachen, schritte man zu denen Zeugen, die etwann wegen geschehenen Kaufs genugsame Kundschaft könnten geben. Es waren auch deren genug vorhanden. Allein Niemand wollte sich [212] gern dazu gebrauchen lassen; und das aus Forcht, den König für den Kopf zu stossen. Also geschahe der Schluß, Stanislaus sollen denen Erben Petri ihr Gut wiederum zustellen. Was thate der heilige Mann? er begehrte von denen Richtern einen Verschub auf 3. Tag, mit Versicherung, der schon vor 3. Jahren verstorbene Petrus werde selbst für Gericht kommen, und wegen des richtig bezahlten Guts den Handel ausmachen. Der gesammte Rath spricht einhellig ja, lachten ihnen aber die Haut voll an, wegen der wunder seltsamen Versicherung. Unterdessen wendet sich Stanislaus zu GOtt: fastet, wachet, und bettet unabläßlich, er als höchster und gerechtester Richter wolle ihm gnädiglich beystehen, und zu demjenigen, was die Billigkeit mit sich bringe, verhülflich seyn. Als nun der dritte Tag angebrochen, opfert Stanislaus forderist GOtt die heilige Meß; gehet alsdann in seinem Bischöflichen Aufzug zum Grab, allwo der Leichnam Petri ruhete: lasset die Erden ausgraben, und die Todten-Bahr eröfnen. Berühret darauf den Leichnam mit dem Bischofs-Stab, und befihlet ihm, aufzustehen. Ein Wunderding, der so lang verstorbene gehorsamet augenblicklich; steht auf, und folget dem Bischof auf dem Fuß nach, bis in das Zimmer, wo der König samt allen seinen Reichs-Räthen versammlet, mit äusserstem Verlangen der Sachen Ausgang erwarteten. Wer will zweiflen, daß es allerseits ein grossen Schrecken habe abgeben, als aber dieser vorbey, sagte Stanislaus mit heller Stimm: Sehet hier den wieder lebendigen Petrum, da steht er nun vor eueren Augen, der mir das Gut verkauft hat: fraget ihn nun, und lasset euch Antwort geben, ob ich ihm das abgehandelte Gut nicht redlich bezahlt hab, er ist ein Mann, der euch nicht unbekannt ist, sein Grab stehet offen, GOtt hat ihn, die Wahrheit zu schützen, aus dem Grab heraus steigen lassen: ihm ist mehr zu glauben, als allen Sigillen, und allen anderen Zeugen. Hierüber erstaunten die boßhafte Anforderer dergestalten, daß keiner ein einiges Wörtlein mehr vorbringen könnte. Petrus aber fienge alsbald an den gantzen Verlauf zu erzählen, und wie die Sach an ihr selbsten beschaffen war: kehrte sich alsdann zu seinen Gewissenlosen Befreundten, ermahnte sie zur Bereuung ihrer ungerechten Anforderung, und dessen, was sie dem heiligen Bischof Leyds gethan hatten. Nachdem nun solcher Gestalt der Handel durch dieses entsetzliche Wunderwerck geschlichtet, gabe der heilige Bischof Petro die Wahl: ob ihme beliebe länger zu leben? oder wiederum in sein Grab zu kehren? wann ihm das erstere gefällig, wolle er GOtt bitten, daß er ihm das Leben noch auf etliche Jahr hinaus verlängere. Allein Petrus bedanckte sich und sagte: er wolle lieber seinen Leib wiederum mit Erden bedecken, und die Seel den vorigen Weeg hinfahren lassen, als in dieser kummerhaften Welt länger unter so [213] vielen Bedrängnussen wohnen. Es müsse zwar seine Seel länger in denen Flammen des Fegfeuers abbüssen, was ihr noch von begangenen Sünden in seinem Leben unreines anhange; allein er wolle lieber mit dermahligen Versicherung seiner Seeligkeit in solchen Peynen verharren, als ohne Peyn sich wiederum in so viel Gefahr und Unruhen dieses Lebens stürtzen. Batte hierauf den Heil. Bischof, er wolle ihm bey GOtt die Nachlassung der übrigen Straf durch sein Heil. Gebett auswürcken, um desto ehender vor GOttes Angesicht zu gelangen. Weilen dann Stanislaus Petri Willen vernommen, und nicht zu wider seyn wolte, führte er ihn in Begleitung einer unzahlbaren Menge Volcks wiederum zu seinem Grab: in welches Petrus so dann sich hinein gelegt; der umstehenden Gebett für seiner Seelen-Heyl begehrt, und zum anderenmahl verschieden, im Himmel ewig zu leben. Cromerus Histor. Polon. l. 4. circa finem. Et sub initium l. 9.


Wem solte dieses grosse Wunder nicht zu Hertzen gehen, und solte er auch aus den wildesten Barbaren seyn? Welches Hertz kan so verstockt seyn, das nicht zur Lebens-Besserung erweicht werde? Indem es vor Augen sihet, daß ein schon einmahl zur Erden Begrabener, und in denen erschrecklichen Flammen sitzender, nachdem er dem Tod aus dem Rachen gerissen, und aus der unleydentlichen Qual gezogen worden, dannoch lieber wiederum zu seinen Krotten, Würmen und Schlangen dem Leib nach, mit der Seel aber in seinen feurigen Ofen kehren, als noch länger in dieser elenden Welt sich hat aufhalten wollen? wiewohl trift dieser Entschluß ein mit dem Spruch des weisen Sirachs am 30. Cap. allwo er also spricht: Der Tod ist besser, dann ein bitteres Leben! ja, wahrhaftig. Dann wie soll einen dieses gegenwärtige Leben freuen können, in welchem man so vielen Verdrüßlichkeiten muß unterworffen seyn? und das bey täglicher Gefahr, GOtt den HErren schwerlich zu beleydigen? O! wann anderst nichts, als diese Gefahr wär, solten wir den Tod dem Leben weit vorziehen. Was ist glückseeligers, als nicht mehr sündigen können? das geschiehet durch den Tod. O dann! (wenigst dieser Ursach halber) erwünschter Tod!

28. Exempel
[214] Acht und zwanzigstes Exempel.
Ein adelicher Herr, aus Forcht der Justiz hoher Obrigkeit in die Händ geliefert, und durch ein grausamen Tod hingericht zu werden, verdingt sich zu einem Bauren, und gibt (mit Gunst zu melden) einen Sau Hirt ab.

Im Jahr 1308. machten die vornehmste von Adel an des Kaysers Alberti Hof mit einander einen Bund, gedachten Kayser, ab dessen Alter und Weis zu regieren sie allgemach verdrüßig waren, bey nächster Gelegenheit umzubringen. Der Rädelführer diser rebellischen Rott ware Johannes, Hertzog von Schwaben, erst gedachten Kaysers nächster Anverwandter. Unter seinem Anhang befande sich neben anderen auch einer, mit Namen Walther von Eschenbach (so dazumahl ein Freyherrliches Geschlecht in der Schweitz, im Lucerner Gebiet war) ein Mann hohen Ansehens, und grosser Reichthumen. Nachdem sie nun ihren mörderischen Anschlag hemlich miteinander abgelegt, griffen sie zum Werck: und zwar bedienten sie sich der Gelegenheit, als gedachter Kayser von Baden nach Rheinfelden ritte, um seine Gemahlin und seine Tochter, die Ungarische Königin zu besuchen. Dann sie umringten ihn feindthätlicher Weis, da er an nichts weniger gedachte. Der erste, so ihm den Degen in Leib stiesse, ware Johannes. Darauf fielen auch die andere zu: versetzten dem armen Kayser unterschiedliche Hieb und Stich, wie sie könnten zu kommen: stiessen ihn vom Pferd; gaben ihm völlig den Rest, und liessen ihn also in seinem Blut ligen. Mein GOtt! was für eine erschröckliche That war dieses? was für ein Erbarmnuß-würdiger Anblick? einen Römischen Kayser, deme man alle Ehr, Reverentz, und Gehorsam schuldig ist, nicht von gewaltsamer Hand ausländischer Feinden, sonderen von seiner eigenen Befreundten, u. Hofherren Untreu also grausam ermordet, auf offener Straß gantz mit Blut überronnen, und voller Wunden antreffen! könte wohl etwas kläglichers seyn? allein der gerechte GOtt hatte dieses verhängt, allen hohen Häupteren zur Warnung, daß auch sie nicht allein der Sterblichkeit unterworffen; sondern wohl zu Zeiten auch eines gewaltsamen Tods sich zu besorgen haben. Wie gehts weiters? nachdem des Kaysers erbärmlicher Tod erschollen, wurde das gantze Reich höchlich darüber bestürtzt. Man griffe zu den Waffen; schickte allenthalben Parthey-Reuter aus; setzte grosses Geld auf der Thäter Köpf, wann einer sie lebendig, oder tod der Justitz überlieferen wurde. Herentgegen wurden alle diejenige mit schweren Straffen betrohet, welche denen Flüchtigen Hülf leisten, oder Unterschluf geben [215] wurden. Es ware auch solcher Ernst nicht umsonst: indem alle, so an der Mordthat Theil hatten (Hertzog Johannes, und Walther ausgenommen) erwischt; einer da aus einem Winckel; dort ein anderer aus einem Wald herfür gezogen, und mit wohl verdienter Straf angesehen worden. Hertzog Johannes, nachdem er lang im Elend herum gefahren, versteckte sich letztlich in eine Mönchs-Kutten und entranne also dem Rach-Schwerdt: entweders weil er im Closter verborgen gebliben; oder weil man durch die Finger gesehen, und sich mit dieser freywillig angenommenen, und für einen Hertzog strengen Buß genug vergnügen lassen. Walther aber suchte sein Heyl ferners in Füssen. Dann es war ihm nicht verborgen, wie erschröcklich man mit seinen Mitverhaften unterdessen verfuhre, und einen nach dem anderen durch einen grausamen Tod in die andere Welt schickte. Was aber in ihm die Forcht vermehrte, war die Einbildung, die ihm vorstellte die Kettē und Band, die man ihm wurde anwerffen; die finstere Gefängnuß, in die man ihn wurde stecken; die glüende Zangen, mit welchen man ihn wurde zerfetzen; die Radbrechung, in welcher man ihm alle Glider wurde abstossen: vor allem aber die Bildnuß des ermordeten Kaysers, die ihm weder bey Tag noch Nacht einige Ruh liesse. So glaubte er auch, nirgends, weder bey denen Befreundten, noch in denen GOtt geweyhten Kirchen sicher genug zu seyn. Entwiche also von einem Ort in das andere. Unter Tags verkroche er sich in denen Wälderen und Berg-Höhlen; zu Nachts setzte er seine Reis weiters fort; und wußte doch nicht, wohin? veränderte bald die Kleyder; bald Haar und Bart; zitterte ab einem Eschbaum-Laub; erschracke ab seinem eigenen Schatten, und wo er nur jemand von weitem sahe, meinte er anderst nicht, als wären es eben die ausgeschickte Gerichts-Diener, die ihn fangen wolten. Einsmals setzte er sich seinem betrübten Hertzen ein wenig Luft zu machen, in den Schatten unter einem Baum nieder, wo ihn dann ein Geschwader der schwermüthigsten Gedancken überfallen. »So ist dann das (sprache er bey sich selbst) der Zweck meiner Glückseeligkeit nach welcher ich grausamer Mörder getrachtet hab? vorhin war ich ein reicher Herr; anjetzo der ärmeste Bettler. Vorhin in Ehren und Würden; anjetzo ein allenthalben verruffener, verbannisirter, und zum Tod gesuchter Maleficant. Wie? soll ich dann dem Hencker unter die Händ kommen? soll ich mir den Kopf lassen abschlagen? was sag ich, den Kopf abschlagen? Feur und Rad warten auf mich. Mit vier Rossen wird man mich zerreissen, und nicht gütiger mit mir verfahren, als man mit den anderen meines gleichen schon verfahren ist. Das hab ich verdient, muß bekennen; hab auch anderst nichts zu gewarten, wann ich erdappt werde. Werd ich es aber auch können ausstehen? was für Schand (will [216] ich nicht sagen, Peyn und Qual) hat solches auf sich? ach! hätte ich es vorbedacht! jetzt ist es zu spath. Es wäre dann Sach, daß mich mein adeliches Geschlecht wurde erretten; oder meine Befreundte mir Gnad ausbitten, oder meine Reichthum mir hinaus helffen. Aber was Hoffnung kan ich setzen auf mein adeliches Geschlecht? Dem ich einen ewigen Schandfleck angehengt. Auf meine Befreundte? die sich meiner schämen müssen. Auf meine Reichthum? mit denen das Kayserliche Blut nicht kan bezahlt werden. Und was hab ich für Reichthum mehr? meine Güter seynd der kayserlichen Cammer heimgefallen. Das wenige Geld, so ich zu mir genommen, ist allbereit durch so vil Reisen drauf gangen. Nichts ist übrig, als der goldene Ring an denen Fingeren, und der mit Silber verbrämte Rock. Wie kan aber solches, wann ich sie schon versetzte, in die Länge erklecken, und wer weißt, ob mich nicht eben diese Sachen verrathen, und in die Händ der ausgeschickten Gerichts-Dieneren liferen wurden, was fang ich dann weiters an? wo will ich hin? wo die Lebens-Mittel nehmen? wo bin ich sicher?« indem Walther mit solchen kleinmüthigen Rathschlägen umgienge, und mit seinen eigenen Gedancken stritte, da hörte er in denen nächsten Thäleren von Hunden und Pferdten ein Geräusch. Gleich beredte ihn die Forcht: jetzt seye es mit ihm geschehen. Und zwar nicht ohne Grund; dann es war eben ein Hauffen der ausgeschickten Gerichts-Dienern, die ihn aufsuchen solten. Da wurde ihm mehr nicht als daß er Hut, Degen, Rock, und Ring von sich warffe, und eines eylens sich in den Wald hinein verlieffe, und in einer Berg-Höhle verschloffen, um allda ungeessen und getruncken zu übernachten. Bald hernach kamen auch die ausgeschickte Gerichts-Diener an das Ort, wo er die Kleyder von sich geworffen; aus welchem sie nicht uneben geargwohnet, was für einem Herren sie zugehörten. Weilen sie aber selbige neben einem fürüber lauffenden Fluß gefunden, kamen sie auf die Gedancken, Walther müßte sich selbst aus Verzweiflung in dem Fluß ertränckt haben. Kehrten demnach zuruck, und sprengten dieses Gerücht aller Orten aus: weswegen dann auch die hohe Obrigkeit ihm weiters nachzusetzen unterliesse. Zoge aber seine Güter ein; und weil sie die Person selbst nicht haben konte, nahme sie zur ewigen Schmach, und üblen Nachklang die Straf seiner Bildnuß vor. Unterdessen bekame Walther Luft; kroche aus seiner Berg-Höhle herfür: wo ihm aber bey erstem Anblick des Tags-Liechts nichts anders, als Jammer und Elend in die Augen schlugen, und ihm manchen heissen Zäher ausdruckte. Gleichwohl weilen er Unsicherheit halber, und aus Mangel der Lebens-Mittel länger allda nicht zu bleiben hatte, suchte er sein Heyl weiter, [217] und kame letztlich im Würtemberger-Land an. Da fiele ihm zwar ein, was Gestalten bey dergleichen Unglücks-Fällen vor Zeiten etwann Fürsten und Herren mit Schul halten, Sing-Kunst oder einer Handthierung in unbekannter Kleydung eine Zeit lang sich hindurch gebracht hätten, bis gleichwohl das Ungewitter sich verzogen, und die liebe Sonn mit besseren Jahren sie wiederum angeschienen. Allein er ware in keinem dergleichen erfahren. Mithin von Haus zu Haus bettlen, wolte ihm in die Länge auch zu schwer fallen. Zu einem Bauren sich verdingen dörfte er sich auch nicht: weil er weder zum Ackeren geschickt, noch seine zarte Händ des Holtzhackens gewohnt waren. Letztlich nach vilem Berathschlagen, drange ihn der Hunger und äusserste Noth, einen harten Schluß zu fassen, über welchen sich die gantze Welt billich verwunderen, und die Urtheil GOttes verehren solle. Kurtz zu sagen: er gienge hin, und dingte sich auf ein Dorf um einen gar schlechten Lohn in Dienst (mit Gunst zu melden) eines Säuhirtens, und veharrete in solchem verächtlichen Aemtlein bis in sein hohes Alter auf die 35. Jahr. Nach so langem Elend, und betrübten Leben erkranckte er endlich; und der vor diesem pflegte auf linden Federen zu ligen, hatte anjetzo kein anders Beth, als ein arme Burde Stroh. Mithin weil die Schwachheiten je länger, je mehr zunahmen, wolte er samt dem Leben auch die Person ablegen, die er hishero gespilt hatte. Er rufte demnach die Hausgenossene für sich, und redete sie folgender Gestalten an: was es für eine Beschaffenheit mit mir habe, das sehet ihr mit Augen. Mein Leben stehet auf dem äussersten Ziegel des Tachs (wie man pflegt zu reden) und ist um einen schlechten Stoß zu thun, so wird es mit mir geschehen seyn. Doch hab ich vor meinem Hintritt nicht bergen wollen, daß ich nicht derjenige geweßt seye, für den ihr mich habt angesehen. Ich bin jener Walther von Eschenbach, den man schon vor etlich 30. Jahren Vogel-Frey gemacht, und wegen des grausamen Kaysers-Mords, an welchem ich Theil hatte, aller Orten zum Tod aufgesucht hat. Muß bekennen, daß in Erwegung der vorigen Freyheit meines hochadelichen Geschlechts meiner liebsten Ehe-Gemahlin und Kindern; Reichthümer und guter Täg, deren ich genossen, mir dieser verächtliche Stand, Armuth, und harte Dienstbarkeit bitter-schwer gefallen. Allein in Vergleichung des gewaltsamen Tods, Marter und Peyn, neben der offentlichen Schand, so ich von des Henckers Hand hätte müssen ausstehen, war alles lauter Zucker und Hönig. Der Justiz weltlicher Obrigkeit bin ich entgangen; wie ich aber vor der strengen Gerechtigkeit GOttes mit meiner Rechnung bestehen werde, das stehet dahin; und muß ich es gewärtig seyn. Dieses [218] geredt, vergossen die guthertzige Zuhörer aus Mitleiden die Zäher; er aber senckte das Haupt, und gabe bald hernach den Geist auf. Bidermannus S.J. Acroamatum l. 2. Acroamate primo.


O GOtt! wann dieser Edelmann, einer zeitlichen Pein und Marter zu entgehen, (die etwann auf dem Rad 2. 3. Tag gewährt hätte) so viel Jahr in so verächtlichem Stand gelebt; so viel Kummer, Elend, und Betrübnuß, neben dem harten Dienst ausgestanden: was soll man dann nicht leiden? was soll man nicht ausstehen? was soll man nicht gedulten, daß man der ewigen Straf entgehen möge? wie entsetzlich ist es: leiden müssen unaussprechliche Pein? leiden müssen an allen Kräften Leibs und der Seelen? leiden müssen ohne Linderung; ohne Nachlaß; fort und fort; immer und ewig, so lang GOTT GOtt seyn wird, ohne die geringste Hofnung, davon erlößt zu werden? wer dieses zu Gemüth führt, wird sich so sehr nicht verwunderen über das, was jener gottselige, und zugleich hochgelehrte Pater, aus der Gesellschaft JEsu, mit Namen Sebastian Barradius, ein Spanier von sich selbsten bekennt hat: nemlich, als er einstens die Ewigkeit der höllischen Pein etwas tiefers zu Gemüth geführt, da seye ihn ein solche Forcht und Schrecken ankommen, daß er von freyen Stucken von solchem Nachdencken habe aufhören müssen; sonst wurde er vor lauter Forcht verschmachtet, und dahin gestorben seyn. So entsetzlich ist die Ewigkeit der höllischen Pein.

29. Exempel
Neun und zwantzigstes Exempel.
Carl, der Fünfte dies Namens, Römischer Kayser, führt nach abgelegtem Kayserthum 2. Jahr ein einsames Leben; und bereitet sich also zu einem guten Tod.

Was dieser für ein grosser Monarch geweßt seye, ist aus folgendem abzunehmen. Zu Feld ist er gezogen in eigner Person mehr dann 70. mal. Auf die 40. mal hat er in Haupt-Treffen den Sieg erhalten. Nichts zu melden von kleinen Scharmützlen, und darinn gemachten Beuthen, welche unzahlbar seynd. 1800. Städt hat er übergwältiget. Auf die 100000. Schlösser in seinen Gewalt gebracht: und (dessen sich vielleicht keiner aus den Obsiegern zu rühmen hat) alle König und Fürsten; und unter diesen auch den Türckischen Kayser Solimann: 3. Kayser zu Mexico und Peru, neben 18. Königen in dem eintzigen Welt-Theil America, hat er entweders geschlagen, oder in die Flucht gejagt, oder gefangen bekommen. Innerhalb 40. Täg hat er 7. mal dem Feind ein Schlacht geliefert, und jedesmahl überwunden: und diese 7. mal allein auf 140000. Soldaten [219] erlegt: wie hievon bezeugt Avancinus in denen Lobsprüchen von den teutschen Kaysern. Was für Schätz, Reichthumen, Scepter, Cronen er durch solche Dapferkeit erworben habe, wurde viel Zeit nicht klecken zu erzählen. Kurtz zu sagen: dieser eintzige Kayser hat mehr Triumph, oder sieghafte Einzüg verdient, als ihm die Welt seinem Verdienst nach halten könte. Nach so vielfältigen Siegen war noch ein eintziger Feind übrig, nemlich der Tod; deme endlich dieser dapfere Held, als ein sterblicher Mensch hat unterliegen müssen. Aber zu erweisen, daß er ihn nicht förchte, hat er sich bey Zeiten zur Gegenwehr gerüstet, und ist ihm zuletzt auch behertzt unter die Augen getretten; und das auf folgende Weis:


Im Jahr 1556. hat er sich der Beherrschung seiner Reich völlig begeben: und zwar das Römische Reich seinem Herrn Bruder Ferdinand (der schon erwählter und gecrönter Römischer König war) abgetretten; die übrige Erbländer aber seinem Sohn Philipp, dem anderen dies Namens König in Spanien, samt allen Rechten und Gerechtigkeiten völlig überlassen; und für seine eigne Person zum jährlichen Unterhalt von allen vorigen unschätzbaren Reichthumen mehr nicht, als 100000. Ducaten ihm vorbehalten: welches für einen solchen Monarchen wohl nicht zu viel war. Wie nun diese so wichtige Sach zu End gebracht worden, beurlaubte er sein liebes Niederland (dann in diesem war er gebohren, und hielte sich dazumahl darinn auf) und brache auf nach Seeland, allwo er sich zu Schif setzte, und mit gutem Wind nach Spanien über fuhre. Als er dort in einem Meer-Hafen eingeloffen, und auf das Land ausgestiegen, solle er auf seine Knie nieder gefallen seyn, und die Erden geküßt haben, sagend: er verehre selbige, als die allgemeine Mutter der Menschen. Nackend und bloß seye er von seiner ersten Mutter auf die Welt gebohren worden; also wolle er auch in den Leib dieser anderer Mutter (nemlich die Erden) kehren. Das waren seine Wort: welche die Umstehende zum häufigen Weinen bewegt haben. Auf dieses hin liesse er sich in einer Senften nach dem Closter des heiligen Justi (dessen Ordens-Geistliche unter der Regul des heiligen Hieronymi leben) tragen. Dieses Ort, so nicht weit von der Stadt Placentz auf einem sehr fruchtbaren Boden liegt, hatte er ihm wegen des gesunden Lufts, und lustigen Aussehens halber schon längst gleichsam für seinen Wittlings-Sitz auserkohren; allwo er von aller weltlicher Unruhe befreyt, die letztere Jahr seines Lebens zu zubringen vorgenommen. Da er noch in Niederland war, liesse er ihm ein Haus an gedachtes Closter bauen, welches in allem 6. oder sieben Zimmer hatte, und im übrigen auch fast Clösterlich zugerichtet war. Die Fenster des Zimmers, welches er bewohnte, giengen gegen einem Garten hinaus; und also machten ihm zu Frühlings-und Sommers-Zeit die [220] vielfältige Blumen-Bettlein des Gartens; die springende Brünnelein und künstliche Wasserwerck; die wohlriechende Kräutlein und Gewächs eine unschuldige Freud und Ergötzlichkeit. So bald er dort ankommen, hat er die übrige Hof-Leut, deren 60. an der Zahl gewesen, beurlaubt, und mehr nicht, als nur 12. Bediente, samt einem eintzigen Pferd; und von Hausgeräth, so viel er dessen nöthig hatte, für sich behalten; das andere aber alles unter seine entlassene Diener ausgetheilet.


Von dieser Zeit an entschluge sich Carl aller weltlichen Geschäft, und brachte in stiller Einsamkeit 2. gantzer Jahr zu. Den halben Tag nemlich den Vormittag, schenckte er dem Gebett, dem Lesen geistlicher Bücher, und Kirchenbesuchen. Den anderen halben Tag wendete er zu seiner Ergötzlichkeit an: und theilte also redlich mit dem Himmel: gabe GOtt, was GOttes ist; und dem Kayser, was des Kaysers ist. Wenigst gebührte ihm noch der Titul eines Kaysers; wiewohlen er nicht mehr regierte. Seine gantze Ergötzlichkeit aber, so er Nachmittag hatte, bestunde in dem: daß er entweders einen eintzigen Laquey, der neben ihm herlieffe, bey sich habend spatzieren ritte; oder in dem Garten mit Pflantzen und Beltzen der Bäumen umgienge; oder etliche Sonnen-Uhren machte. Also, wie gehört, brachte Anfangs Carl den Tag dieser seiner Einsamkeit zu. Wie er aber an Leibs-Kräften immerdar abnahme, und wohl merckte, daß allgemach das End seines Lebens herbey ruckte, brauchte er erstgemeldte Kurtzweilen gar mäßig, und beflisse sich vielmehr, durch allerhand gottselige Werck zu einem Christlichen Tod sich zu bereiten. Er bettete demnach öfter, und länger, als zuvor: wohnte denen Tagzeiten der Closter-Leut im Chor fleißig bey: lase selbst, und liesse ihm geistliche Bücher vorlesen, vornemlich die, so von dem Leben der Heiligen handelten: Führte anmüthige gottselige Gespräch: reinigte öfters sein Gewissen durch das heilige Sacrament der Buß, und empfienge die heilige Communion: casteyete auch seinen Leib mit einer aus harten Stricklein zusammen geflochtenen Geisel bis auf das Blut. Und diese ganz blutige Geisel hat er seinem Sohn Philipp, dem anderen König in Spanien, Testaments-weis vermacht; der sie hernach gleichfalls in dem Todbeth Philipp dem Dritten überreicht hat: welche noch heutiges Tags (wie man sagt) unter denen Kennzeichen der Oesterreichischen Gottseligkeit aufbehalten wird. Entzwischen nahete die Zeit herbey, zu welcher er den Jahr-Tag seiner Frau Mutter, mildseligisten Angedenckens, zu begehen pflegte. Da kame ihn ein Begierd an, auch seine eigene Leichbegängnuß, wie er wolte, daß sie nach seinem Ableiben gehalten wurde, beyzufügen. Doch wolte er vorher seines Beicht-Vatters Rath darüber vernehmen. Und als dieser zur Antwort gabe, wie daß solches zwar in der Catholischen Kirch etwas [221] neues, und ungewöhnliches wäre, daß man einem, der noch bey Leben, die Leichbegängnuß halten solle; jedoch mithin auch nicht zu laugnen, daß es ein Christlicher gottseliger Gedancken seye: vergnügte sich Carl mit dieser Antwort, und ertheilte alsobald Befehl, ihme in der Kirch ein Todten-Gerüst aufzurichten; die Mauren und Saulen mit schwartzen Tücheren zu bekleiden, und allenthalben brinnende Kertzen anzuzünden. Seine Diener müßten die Klag-Kleider anziehen; desgleichen auch die Priester und Singer in gewöhnlichen schwartzen Kirchen-Kleideren sich einstellen. Er selbst erschiene auf den bestimmten Tag in einem schwartzen Kleid und Klag-Mantel; und nach gebräuchlichem Zusammen-Läuten der Glocken, verfügte er sich in die Kirch; begabe sich auf den Chor; wohnte der gantzen Leichbesingnuß und Seelen-Amt mit grosser Auferbäulichkeit des Volcks bey: und sahe also lebendig (welches etwas unerhörtes) seiner eigenen Leich-Begräbnuß zu. Unter dem Amt der heiligen Meß nach der Wandlung mußte sich der Priester zu ihm kehren; er aber mit einer brinnenden weissen Wachs-Kertzen in der Hand tratte hinzu; knyete an dem untersten Stafel des Altars nieder, und mit gen Himmel gerichten weinenden Augen sprache er folgende Wort: Dich, O grosser GOtt! in dessen Gewalt mein Leben und mein Tod steht, bitte ich demüthigst, daß, gleich wie ich anjetzo diese brinnende Kertzen dem Priester an deiner Statt in seine Händ überreiche; also wollest auch du meine arme Seel in deine Händ aufnehmen: wann es dir selbige aus dieser Welt abzuforderen gefallen wird. Als er solches geredt, übergabe er die brinnende Kertzen dem Priester: darnach legte er sich auf die blosse Erden nieder, und streckte die Arm von sich; nicht anderst, als wann er tod wäre. Ueber welches dann bey allen Anwesenden ein grosses Weinen und Weheklagen erfolget ist, er aber verharrete also liegend, bis er völlig besungen worden.


Das ware nun der Vorbott seines bald hernach folgenden Tods; welcher sich auch gleich den nächst-folgenden Tag darauf durch ein Fieberlein angemeldet, so ihn ins Beth geworfen, und nach und nach also ausgezehrt hat, daß er im Jahr 1558. die Nacht vor dem Fest des heiligen Apostels Matthäi ein Leich gewesen. Er rüstete sich aber gantz ritterlich zum Tod, in Beyseyn des Bischofs von Toledo, wie auch vieler Geistlichen, welche durch ihr eifriges Gebett und Zusprechen ihm in seinem letzten Kampf beygestanden, bis er gantz Christlich und starckmüthig den letzten Hertz-Stoß von dem Tod empfangen; und mit aller Gegenwärtigen höchsten Trost, und bester Hofnung, daß er nach so viel erhaltenen Siegen auch der himmlischen Cron wurde theilhaftig werden, gantz sanftiglich abgedruckt hat. Famianus Strada S.J. de Bello Belgico Decade 1. l. 1.


[222] Was für ein schönes Exempel von diesem grossen Monarchen! ohne Zweifel wird er tief zu Gemüth geführt haben den so nachdencklichen Spruch Christi,Matth. 16. Was nutzt es den Menschen, wann er schon die gantze Welt solte gewinnen; wurde aber Schaden leyen an seiner Seel? welches bald geschehen ist, wann man sich nicht bey Zeiten zu einem guten Tod bereitet. So hat ihn auch nicht wenig bewegt jene kluge Antwort von einem seiner Officiren, der von ihm den Abschied, und Entlassung der Kriegs-Diensten begehrt hat. Es hatte dieser Officier dem Kayser viel Jahr im Krieg gute Dienst gethan, also daß er sich die Hofnung machen konte, zu der Stell eines Obristen befördert zu werden. Als er aber, ohngeachtet dieser Hofnung, dannoch gehling und auf einmahl den Abschied verlangte, verwunderte sich der Kayser nicht wenig darüber; und wolte deswegen die Ursach wissen. Die Antwort des Officiers bestunde in diesen wenigen Worten: Allergnädigster Kayser! man muß zwischen den Geschäften dieses Lebens; und zwischen der Stund des Tods eine Zeit ausklauben: damit man sich auch zu einem guten Tod bereiten könne. O wohl ein kluge! wohl ein Christliche, und von einem Soldaten unerwartete Antwort! welche aber bey dem Kayser ein solches Nachdencken verursacht, daß er sie nimmer konte aus dem Kopf bringen. Ja sie vermöchte bey ihm so viel, daß er sich nicht lang hernach entschlossen seinem Officier diesfalls nachzufolgen, und sich von ihm in der Vorbereitung zu einem guten Tod nicht überwinden zu lassen: welches er auch 2. gantze Jahr hindurch redlich gethan hat.

30. Exempel
Dreyßigstes Exempel.
Ein verzweifelter Sünder wird noch vor seinem letzten Abdruck bekehrt.

In dem Leben des gottseligen Dominici, von JEsu Maria, Carmeliter-Ordens, welcher im Jahr 1630. von wunderlichen Thaten, und auserlesener Heiligkeit berühmt, zu Wien in Oesterreich gestorben, befindet sich folgende Geschicht.

Es hielte sich dieser Wunderthätige Mann auf ein Zeit, da die Pest regierte, in dem grossen Spital zu Valentz in Spanien auf, und wartete allda denen Krancken aus mit grosser Liebe, und Auferbauung der gantzen Stadt. Unter diesem heiligen Liebs-Dienst bate er einstens die Mutter GOttes, die ihm sichtbarlich erschinen, sie wolte doch gedachten Spital in ihren sonderbaren Schutz und Schirm aufnehmen; zugleich auch denen Krancken, so darinnen sterben wurden, diese absonderliche Gnad bey ihrem göttlichen Sohn auswürcken, daß sie [223] doch nicht ohne Buß, und Geniessung der heiligen Sacramenten aus diesem Leben abscheideten. Die mildreiche Jungfrau sagte alsobald zu: und zum Zeichen der erhaltenen Gnad befahle sie ihm, in eine gewisse Cammer des Spitals zu gehen, und alldort einen schon dahin sterbenden, bis hero unbußfertigen, ja verzweifleten Sünder zur Buß anzufrischen. Dominicus kame dem Befehl eilfertig nach; begabe sich in die Cammer, und fande da einen alten Mann, schon in denen Zügen liegend. Diesem als er mit allem Eifer und Kräften zugesprochen, und zur Buß ermahnet, erholte sich der Tod-krancke Mensch gähling; sahe Dominicum mit Entsetzung, und gantz unbeweglich an, und sprache voll der Verzweiflung; er seye schon verdammt, und werde ihm weder Beicht noch Buß, weder einiges andere Mittel zur Seligkeit ersprießlich seyn: Ursach dessen; weilen die höllische Geister denen er sein Leben hindurch gedienet habe, schon zugegen wären, damit sie sein Seel in den Abgrund der Höllen hinunter führen. Dominicus auf das Versprechen Mariä vertrauend, setzte das andermahl an diesen harten Felsen: führte ihm zu Gemüth die unendliche Güte GOttes; und machte ihm eine unfehlbare Hofnung des Heils, wann er nur die noch kurtze Zeit seines Lebens zur Buß anwenden wurde. Und siehe Wunder! urplötzlich ward der Sünder zur Reu bewegt, und dergestalten verändert, daß er mit vielen Zäheren GOttes Barmhertzigkeit angeruffen, seine Sünden bekennt, und offentlich vor allen Umstehenden von sich selbst ausgesagt, daß er 30. Jahr lang seinen bösen viehischen Begierden abgewartet; auch von solcher Zeit an niemahl gebeichtet habe. Dominicus ermahnte ihn, daß es nicht nöthig, seine Sünden offentlich auszusagen; sondern wäre genug, wann er selbige in Geheim thäte beichten. Aber der von Reu nunmehr gantz eingenommene Büsser sagte: Nein: auf einen so grossen und ärgerlichen Sünder, wie ich bin, geziemet es sich, daß er seine Sünden offentlich bekenne. Kan auch diesem innerlichen Antrieb nicht widerstreben, indeme mir vor Grösse des Leids das Hertz allgemach zerspringen will. Unter diesen Eifer-vollen heiligen Ubungen empfienge er die heilige Sacramenten; nach deren Geniessung er gottselig dahin starbe: ward auch gleich darauf seine Seel von der Mutter GOttes ihrem Diener Dominico in grossem Glantz und Herrlichkeit gezeiget. Reitmayr S.J. Festivale. n. 585.


O was vermag nicht die Mutter GOttes bey ihrem Sohn! und wie wahr ist es, was der heilige Bonaventura sagt, Mariam also anredend: O du gebenedeyte Jungfrau! unser Heil steht in deinen Händen. Wem du wilst, und deine barmhertzige Augen auf ihn wendest, der wird selig werden. O was seynd das für Wort! und wie sollen alle Menschen sich erfreuen, und ihnen [224] selbsten Glück wünschen, daß sie an Maria eine so mächtige, so gütige, so barmhertzige Mutter haben, und ihr Gunst erwerben können, wann sie nur wollen! verehre sie dann O liebe Jugend! nimme dein Zuflucht zu ihr; ruffe sie öfters den Tag hindurch mit diesen kurtzen Worten an: O Mutter GOttes! wende deine barmhertzige Augen zu mir. O wie wirst du ihr dardurch das Hertz abgewinnen.

Was vermag hernach nicht bey einem Sünder, die Betrachtung der unendlichen Güte GOttes! wann er bedenckt, wie selbige so langmüthig seye; so liebreich; so geneigt zum verzeihen; und wie sie sich von keiner Viele, noch Schwere der Sünden überwinden lasse! ist es möglich, daß die Härte des Hertzens nicht erweicht werde? daß es nicht Reu und Leid erwecke? daß es nicht das Wasser in die Augen treibe? in Erinnerung, daß eine solche Güte von dem Sünder nicht allein geliebt; sondern verachtet, erzörnet, und beleidiget worden? und das so oft, so schwerlich, und so vielfältig? O der höchsten Unbillichkeit! der H. Augustinus rufte öfters wehmüthig auf: Wehe der Zeit! da ich dich nicht geliebt hab, O du unendliche Güte GOttes! ruffe auch du auf, O Sünder! Wehe der Zeit, da ich dich beleidiget hab, O du unendliche Güte GOttes!

31. Exempel
Ein und dreyßigstes Exempel.
Ein frommer Ordens-Mann kan dem lieblichen Gesang eines unbekannten Vögeleins nicht genug zuhören.

In einem Closter war ein frommer Ordens-Mann: dieser gienge einstens an einem Morgen in aller Frühe im Closter-Garten auf und abspatzieren, bey sich selbst betrachtend die Grösse der himmlischen Freuden: Aus welcher Betrachtung in ihm eine ungemeine Begierd entstanden, solcher Freuden im Himmel ehistens zu geniessen. Allein eines war, das ihm nicht wolte eingehen: wie es nemlich seyn könne, daß, ohngeachtet solche Freuden ewig währen, sie dannoch einem keinen Eckel bringen sollen. Indem er nun dieser Sach nachdenckt, siehe, da hört er auf dem nächsten Baum ein Vögelein über die Massen lieblich singen. Er schaut demnach über sich, und erblicket das Vögelein; konte aber nicht errathen was Gattung es seye: dann er dergleichen sein Lebtag niemahl gesehen. Indem er nun selbiges mit Verwunderung anschaut, und ihm begierig zuhört, floge das Vögelein gähling zum Garten hinaus, und in einen nächst am Closter-Garten gelegenen Wald. Der Ordens-Mann folgte ihm eilends zum Garten hinaus nach, und erblickte es wiederum auf einem Baum sitzend; da es dann auf ein neues zu singen angefangen; und zwar so lieblich, [225] daß der Ordens-Mann sich vor Freuden nicht fassen können; ja gewunschen, ein lauteres Ohr zu seyn, nur damit er die Lieblichkeit dieses Gesangs genug hören möchte. Es sasse aber das Vögelein nicht lang auf diesem Baum; sonderen floge weiter in den Wald hinein: wo es sich jetzt auf diesen, bald auf jenen Baum setzte; jetzt näher herzu, bald weiter weg floge: deme aber der Ordens-Mann alleweil nachfolgte, und ihme mit Erstaunung, und aufgesperrtem Mund zuhörte: bis es letztlich gähling, und mit schnellem Flug so weit in den Wald hinein geflogen, daß es der Ordens-Mann nicht mehr sehen, noch hören konte. Er hofte zwar alleweil, es werde etwann wiederum zuruck fliegen; aber umsonst. Das betrübte ihn nun ungemein, daß seine Freud so kurtz gewährt hätte. Klagte deswegen wider das Vögelein, und brache in diese Wort aus. O liebes Vögelein! wo bist du doch so geschwind hinkommen? ist dann kein Hofnung mehr überig, dich wiederum, wo nicht zu sehen; wenigst zu hören? warum hast du mir die Lieblichkeit deines Gesangs so bald entzogen? hättest aufs wenigst ein Stund; hättest endlich nur ein halbes Stündlein fort gesungen, so wolt ich mich nicht beklagen: aber du hast es gar zu kurz gemacht. Ey ey! was wolte ich geben, wann ich dich nur ein einzi ges mahl noch hören könte: O wie wolte ich meinen Lust büssen! allein, weil er sahe, daß sein Klagen umsonst, und es nunmehr wolte Abend werden, nahme er den Weeg zuruck, und gienge wiederum dem Closter zu. Aber, O Wunder! indem er das Closter wiederum siehet, nimmt er wahr, daß Zeit seiner Abwesenheit, das Closter-Gebäu fast gäntzlich verändert; da und dort ein neue Maur aufgeführt war. Er konte sich demnach nicht genug darüber verwunderen, wie das möglich geweßt seye, indem er erst am Morgen aus dem Closter gangen wär. Das müsse ja ein künstlicher Baumeister geweßt seyn, der in so kurtzer Zeit das Closter dergestalten erneuert hätte. Dessen aber ohngeachtet gienge er der Closter-Porten zu, die er gleichfalls gantz neu fande. Als er nun dort angeläutet siehe! da kam ein Portner herfür, der ihm gantz unbekannt. Der Portner fragte ihn, was er verlangte? dieser antwortete: er verlange in sein Closter. In dieses gehöre er; und seye er ja Kuster darinn. Nehme ihn also Wunder, daß man ihn fragen möge. Der Portner lächlete, und fragte ihn: wie er dann heisse? und als ihm der Ordens-Mann den Namen angezeigt, sagte der Portner, daß keiner im gantzen Closter dieses Namens wäre. Scheine also, er wolle entweders die Leut betrügen; oder aber er müsse nicht bey sich selbsten seyn. Ueber dieses verwunderte sich der Ordens-Mann noch mehr, und wußte nicht, was er gedencken solte. Endlich bate er den Portner, er möchte ihn wenigst für den Abbt des Closters kommen lassen; der werde [226] ihn wohl kennen. Nun das geschiehet. Aber siehe! wie er für den Abbt kame, da kennte keiner den anderen. Und als ihn der Abbt fragte, was er wolle? gab er ihm Antwort, wie dem Portner. Da ihm aber der Abbt nichts daraus gehen liesse, sondern vielmehr darfür hielte, er wäre nicht bey sich selbst, da hat der Ordens-Mann eben gemeint, er müsse vor Verwunderung vergehen. So verlangte er dann auf die letzte, man wolte aufs wenigst die alte Jahr-Schriften des Closters herfür bringen; da werde man seinen Namen, und daß er Kuster des Closters gewesen, aufgezeichnet finden: Der Abbt, unter dessen Gehorsam er gestanden, habe so und so geheissen: und wann dem nicht also, so solle man ihn nur als einen Leut-Betrüger zum Closter hinaus jagen. Der Abbt, welcher begierig war, aus dem Wunder zu kommen, beruft alsbald den Prior des Closters, und das gantze Convent zusammen, und laßt in aller Gegenwart die alte Jahr-Schriften aufschlagen. Da hat man dann endlich nach langem Durchblätteren mit fast unlesentlichen Buchstaben so wohl den Namen dieses Ordens-Manns, als auch des Abbts, unter dem er gelebt, eingeschrieben gefunden. So war auch dabey aufgezeichnet, was Gestalten unter gedachtem Abbt der Kuster des Closters einstens verlohren worden, ohne daß man hätte können innen werden, wo er hinkommen. Und da hat man gefunden, daß dieser Ordens-Mann (O unerhörtes Wunder!) drey hundert Jahr ausser dem Closter geblieben. Wie nun der Abbt samt dem Convent sich hierüber höchstens verwundert, und es fast nicht glauben können, da hat er ihnen den gantzen Verlauf mit dem Vögelein erzählet: und daß er also diese gantze Zeit in Hitz und Kälte; Regen und Wind; ohne Speis und Tranck sich in dem Wald aufgehalten, und seine Freud allein in Anhörung des Vögeleins gehabt hätte. Uber welche Erzählung alle auf ein neues erstaunet, und GOtt in seinem Diener gelobt haben. Er hatte aber seine Erzählung kaum vollendet, da nahme er an Kräften dergestalten ab, daß er wohl gemerckt, das End seines Lebens rucke herbey, und wolle ihn GOtt aus diesem Zeitlichen abforderen. Begehrte demnach, man solte ihn mit denen gewöhnlichen heiligen Sacramenten der Sterbenden versehen. Welches als es geschehen, gab er unter den Armen der umstehenden Ordens-Brüdern den Geist auf, und machte in dem Himmel der ewigen Freud den glückseligen Anfang. Bidermann in deliciis sacris l. 3. ex spec. exemp.


O GOtt! wann diesem frommen Ordens-Mann in Anhörung eines Vögeleins drey hundert Jahr so kurtz seynd vorkommen, als wären sie kaum ein halbes Stündlein geweßt; wie kurtz wird dann erst denen Auserwählten in dem Himmel in Anhörung der englischen Music die Weil vorkommen? O wie ist da so gar kein Gefahr, daß ihnen die Freud, so sie daraus schöpfen, jemahlen verleiden soll! in [227] Bedencken, daß sie ihnen alle Augenblick gantz neu vorkommen wird. Uns aber solle die Weil lang seyn, bis wir zu solcher Freud gelangen werden.

32. Exempel
Zwey und dreyßigstes Exempel.
Ein Verstorbener ladet einen guten Freund, der noch bey Leben war, zu einer Mahlzeit im Himmel ein.

Es waren zwey adeliche Herren, von grosser Tugend und Frommkeit. Und weilen sie nicht weit von einander wohnten, geschahe es, daß sie als gute Freund nicht allein öfters zusammen kamen; sondern einander bisweilen auch zu Gast luden: nicht so sehr Essens und Trinckens halber, als daß sie von himmlischen Dingen ein Gespräch mit einander führen möchten. Nun geschahe es auf eine Zeit, daß einer aus ihnen auf einen gewissen Tag eine kostbare Mahlzeit anstellte, und dazu nicht allein gedachten seinen guten Freund; sondern auch andere gute Bekannte einlude. Allein ehe der bestimmte Tag der Mahlzeit ankommen, starbe unterdessen der eingeladene adeliche Herr, der zur Mahlzeit zu kommen schon zugesagt hatte. Dieses ware freylich demjenigen, so den nunmehr verstorbenen zu Gast geladen, ein sehr betrübter und empfindlicher Streich: Nicht daß er die Kösten auf die Mahlzeit schon angewendet; sondern weil er einen so lieben und werthen Freund verlohren hatte. Nichts destoweniger, nachdem der Verstorbene zur Erden bestattet worden, und der zur Mahlzeit bestimmte Tag endlich ankommen, wolte der, so zu Gast geladen, wenigst die andere gute Bekannte bey sich haben, um mit ihnen eine freundliche Ansprach zu halten, und das Leid in etwas zu vergessen. Nun so kamen dann die eingeladene Gäst zusammen. Man setzt sich ohne vieles Gepräng zu Tisch, und der Gastgeb spricht denen Gästen zu, sie wolten ihnen Speis und Tranck belieben lassen, und thun, als wann sie in ihrem eigenen Haus wären. Aber siehe! indem sie gantz fröhlich seynd, und unter anderen ein Gespräch von künftiger Seligkeit führen, da klopft man an der Stuben-Thür an. Und als der Gastgeb gesagt: Herein, was gute Freund seynd: O unverhofter Gast! da trittet in die Stuben hinein der neulich verstorbene adeliche Herr; siehet aber gantz fröhlich drein, und grüßt nicht allein den Gastgeb, sondern auch die Gäst: mit vermelden, wie daß er nicht komme, ihre Freud zu zerstöhren; sonderen vielmehr mitzuhalten, und das angefangene Gespräch von der ewigen Seligkeit fortzusetzen: und hiemit die Zusag, die er dem Gastgeb bey Leb-Zeiten gethan, zu erfüllen. Dieses geredt, setzt er sich mit Erlaubnuß des Gastgebs an den Tisch, ißt und trinckt, wie die andere; und erzählt ihnen Wunderding von der ewigen Glückseligkeit. Nachdem [228] man aber vom Tisch aufgestanden, bedanckte er sich zu vorderst gegen dem Gastgeb; nahme ihn aber auf ein Seiten, und sagte ihm heimlich, wie daß er ihn anjetzo auch zu einem Gastmahl einlade: wobey er ihm zugleich den Tag bestimmte, und die Weis anzeigte, auf welche er ihn wolte abholen lassen. Nemlich auf den bestimmten Tag werde ein Schnee-weisses Pferd mit Gold und Silber geziert, vor sein Haus kommen: dieses solle er besteigen; ihm den Zaum frey lassen, und unerschrocken fort reuten: dann es werde ihn sicher an dasjenige Ort bringen, wo die Mahlzeit werde gehalten werden. Solle sich also auf die Reis rüsten. Dieses geredt, veschwande er aus denen Augen des Gastgebs. Aus dieser Einladung nahme der eingeladene Gastbeb leichtlich ab, daß diese Mahlzeit nirgends anderst als in der anderen Welt wurde gehalten werden. Machte also dazu die erforderte Bereitung durch andächtige Empfahung der heiligen Sacramenten. Wie nun der heilige Oster-Tag angebrochen (dieser war nemlich die zur Mahlzeit von dem Verstorbenen bestimmte Zeit) siehe! da war das Schnee-weisse Pferd in aller Frühe vor der Haus-Thür des Gastgebs. Es hatte auf dem Kopf einen rothen Feder-Busch. Der Sattel und Deck-Zeug war mit Gold und Silber ausgearbeitet, der Zaum aber, und Steig-Bügel von purem Gold. Mit einem Wort: wann ein Kayser hätte darauf reuten sollen, hätte es nicht köstlicher können ausstaffirt seyn. Da nahme dann der Eingeladene von seinen Hausgenossenen den Abschied; welche ihn auch mit weinenden Augen bis zur Haus-Thür hinunter begleitet, und ihm auf die unbekannte Reis Glück gewunschen. Wie nun dieser HErr das Pferd bestiegen, eilte es mit ihm schnell davon, und führte ihn durch allerhand unbekannte Weeg und Landschaften: bis es endlich mit ihm in ein grünes und annehmliches Thal kommen, in welchem ein herrlicher Pallast, von lauter Edelgestein aufgebaut zu sehen war. Da stunde dann das Pferd vor dem Pallast stockstill: woraus der Herr abgenommen, eben dieses müsse das Ort seyn, wohin er zu einer Mahlzeit eingeladen worden. Und war ihm auch nicht anderst. Dann siehe! nachdem er vom Pferd abgestiegen, da kam ihm aus dem Pallast herunter entgegen der Verstorbene, so ihn eingeladen hatte. Er grüßte den angekommenen Gast auf das freundlichste; nahme ihn bey der Hand, und führte ihn mit sich in den Pallast hinauf, dessen Boden mit purem Gold besetzt war. Und nachdem er ihn ein und andere Stiegen, deren Treppen von lauter Edelgestein waren, hinauf geführt, führte er ihn weiters in einen grossen Saal, in dessen Mitte eine Tafel war, mit köstlichen Speisen, Tranck und Confect übersetzt. Die Schüßlen und Teller, wie auch die Trinck-Geschirr, waren alle von purem Gold, und mit Edelgestein versetzt: an der Tafel aber sassen viel Personen von unvergleichlicher Schönheit, welche sich nicht allein mit Essen und[229] Trincken; sondern auch mit freundlicher Ansprach erquickten. An diese Tafel wurde nun der neu angekommene Gast auf das freundlichste eingeladen: welcher sich auch ungesaumt hinzu setzte, und was von Speis und Tranck noch überig, begierig verkostete. Da fande er dann einen solchen Geschmack, eine solche Süßigkeit, dergleichen er sein Lebtag niemahl verkostet; noch sich hätte einbilden können. Zu dem hatten seine Augen in Anschauung der unvergleichlichen Schönheit so wohl deren, die an der Tafel sassen, als des Orts; wie auch die Ohren in Anhörung der lieblichsten Music eine unaussprechliche Freud: also daß er nunmehr alle Schönheit und Ergötzlichkeit so auf der Welt kan erfunden werden, für ein lauteres nichts; und also für nicht werth hielte, daß man einmahl davon reden solte. Indem er nun aller Freuden voll war, und ihn gedunckte, er hätte kaum angefangen, an der Tafel zu sitzen, da kame der Verstorbene, so ihn zur Tafel eingeladen, zu ihm; stunde hinter seinen Sessel, und sagte ihm in das Ohr: Freund! es ist Zeit; daß du deinen Weeg zuruck nehmest an das Ort, wo du herkommen. Dann dieses Ort, wo du jetzt bist, gestattet denen sterblichen Menschen nicht, länger hier zu bleiben. Saume dich also nicht: dann das Pferd, auf welchem du herkommen, wartet deiner, um dich wiederum in dein Heimat zu führen. Allein der Gast beschwerte sich über diese unverhofte Ausbietung aus einem so glückseligen Ort, und sagte klagend: Wie? wilt du dann, daß ich schon wiederum weggehe; da ich mich doch kaum an die Tafel gesetzt? was ist das für eine Höflichkeit? Was für ein Freundstuck? wann ich allbereit eine oder andere Stund hier wär, wolte ich mich endlich so fast nicht beklagen. Aber da ich kaum ein oder anders Vatter unser lang hier bin, mich schon heissen wiederum weggehen; was für ein fremde Modi ist dieses? darum bitte ich dich, du wollest mich länger hier lassen. Es sagte ihm aber, der ihn eingeladen: Du hast es schon gehört: dieses ist ein Ort, allwo denen sterblichen Menschen nicht gestattet wird, länger zu bleiben. Behüte dich also GOtt; und nimme deinen Weeg zuruck. Wie der Gast gesehen, daß er nichts erhalten könnte, nahme er endlich Abschied, und bestiege das Schnee-weisse Pferd, so vor der Porten des Pallasts auf ihn wartete: welches ihn dann wiederum schnell durch allerhand unbekannte Weeg und Landschaften in sein Heimat zuruck geführt; und so bald der Gast davon abgestiegen, aus den Augen verschwunden ist. Es fande aber dieser Herr in seiner Heimat alles verändert. Dann an dem Ort, wo vorhin sein Haus stunde, war anjetzo ein ansehnliches Closter auferbauet. So kennete er auch keinen einigen Menschen aus denen, so ihm begegneten. Und im Gegentheil wolte ihn auch niemand von denen, so ihm begegnet kennen; noch von seinem Geschlecht, oder Namen im geringsten [230] was wissen. Das erweckte nun in ihm eine solche Verwunderung, daß er nicht wußte, was er gedencken, oder sagen sollte. Endlich geht er zur Obrigkeit des Orts, und bittet, man möchte doch in denen Jahr-Schriften nachsuchen, ob nicht dieses Geschlecht (so er auch nennte) vor Zeiten an diesem Ort berühmt geweßt? und ob nicht einer davon (da gabe er seinen Namen an) aus seiner Heimath in fremde Länder abgereißt wäre? man willfahrt ihm, suchet nach, und findet endlich, daß dieser Herr 200. Jahr von seiner Heimath weg gewesen. Idem Bidermann. loco citato.


Ewiger GOtt, wann 200. Jahr, so dieser Herr an der himmlischen Tafel zugebracht, ihme nicht länger seynd vorkommen, als wann es nur ein oder ander Vatter unser lang gewährt hätte; wie unaussprechlich muß dann die Freud im Himmel seyn? wie süß? wie erquickend? wie vollkommen? der Zucker aber dieser Freud ist, daß sie ewig währet; und kein Gefahr ist, selbige jemahlen zu verliehren: über welches der H. Augustinus also aufschreyt: O Reich der ewigen Seeligkeit! da wird seyn ein unendliche Freud, da wird seyn alles Gutes, und nichts Böses; dieweilen man da besitzt das höchste Gut. Gückseelig diejenige, welche zu so grosser Freud aus diesem Leben allbereit gelangt seynd. Soliloq. c. 35.

33. Exempel
Drey und dreyßigstes Exempel.
Unerhörte Christliche Standhaftigkeit eines Ehe-Herren auf das Zureden seiner Gemahlin.

Henricus, der achte dieses Namens, König in Engelland, nachdem er mit Catharina, seiner Gemahlin (so eine gar gottseelige, und mit allen Tugenden gezierte Fürstin war) lange Jahr in der Ehe gelebt, einen Königlichen Printzen und Printzessin erzeugt, vergasse seiner selbst so weit, daß er sich nicht allein in Annam Bolenam, eine freche und verbulte Person unehrbar verliebte; sondern auch Catharinam, seine rechtmäßige unschuldige Gemahlin, durch eine Ehescheidung von sich verstossen, und sich mit gedachter Anna Bolena offentlich, mit grosser Aergernuß des gantzen Königreichs, hat lassen zusammen geben. Diese seine unehliche Ehe zu beschönen, suchte er die vornehmste Herren seines Reichs, theils durch Versprechen, theils durch Trohungen dahin zu bereden, daß sie seine Ehescheidung als rechtmäßig möchten billichen und gutheissen. Zuvorderst aber suchte er auf seine Seiten zu bringen den Reichs-Cantzler, mit Namen Thomas Morus, einen nicht allein gelehrten und verständigen; sondern auch Ehr, Tugend, und Gerechtigkeit liebenden Mann. Dann so der König diesen Mann hätte bereden könne, daß die [231] Ehescheidung von ihm wäre gut geheissen worden, wurde er wenig darnach gefragt haben, was andere Unterthanen des Reichs dazu gesagt hätten. Demnach liesse ihn der König zu sich kommen, und versichert ihn nicht allein beständiger Königlicher Gnaden; sondern versprache ihm auch grosse Reichthum, wann er die Königliche Ehescheidung wurde gutheissen. Allein Morus entschuldigte sich, sagend: wie daß er solches ohne Verletzung seines Gewissens, und der Gerechtigkeit nicht thun könnte. Wurde Ihro Majestät sonst etwas von ihm begehren, so wollte er thun, was die unterthänigste Schuldigkeit eines treuen Unterthanen von ihm erforderte. Das verdrosse nun den König dermassen, daß er Morum liesse in die Gefängnuß setzen; in Hofnung, diesen Mann durch Schrecken auf seine Seiten zu bringen. Allein, weilen auch dieses umsonst war, liesse der König des Mori Ehe-Gemahlin, mit Namen Aloysia, zu sich kommen. Dero gab er Befehl, alles anzuwenden, daß ihr Ehe-Herr dem König in der Ehescheidung möchte beyfallen. Wurde er das thun, so sollte er aller Königlichen Gnaden versichert seyn. Widrigen Falls wollte er nicht allein alle seine Reichthum und Güter, sondern gar das Urtheil des Tods über ihn fällen lassen. Aloysia liesse ihr den Königlichen Befehl zu vollziehen auf alle Weiß angelegen seyn. Gienge demnach mit ihren Kindern zu ihrem Ehe-Herren in die Gefängnus; allwo sie ihn auf folgende Weis angeredt: »Ach mein liebster Ehe-Gemahl! in was Unglück seyd ihr, ich, und diese unsere liebe Kinder gerathen! vorhin waret ihr in grossen Ehren, und Ansehen; anjetzo in den verächtlichen, und elenden Stand eines Gefangenen. Vorhin stundet ihr bey dem König in Gnaden; anjetzo habt ihr einen Feind an ihm. O harter Unglücks-Streich, allein ihr könnet alles wiederum zurecht bringen, wann ihr nur wollet. Ihr dörffet nur die Königliche Ehescheidung gutheissen, so setzt euch der König nicht allein wiederum auf freyen Fuß, sondern versichert euch auf ein neues seiner vorigen Königlichen Gnaden. Sollet ihr aber wider alles Verhoffen euch nicht bereden lassen, so wisset, daß der König nicht allein alle euere Reichthum und Güter entziehen, sondern gar das Urtheil des Tods über euch wird fällen lassen. Ach! in was Unglück setzt ihr nicht allein euch selbst, sondern auch mich, und unsere liebe Kinder, wie? Mein liebster Ehe-Gemahl! werdet ihr dann zulassen, daß ich euch durch einen schmählichen Tod verliehren solle? Werdet ihr unsere Kinder zu armen verlassenen Waißlein machen? Werdet ihr zugeben, daß wir an den Bettelstab gerathen? Gedenckt doch, wie inniglich wir einander allzeit geliebt haben. Gedenckt an die Ehrerbietung, Liebe, und Gehorsam, so euch diese unsere Kinder erwiesen haben. Sehet, wie betrübt sie vor euch da stehen; wie ihnen die Zäher aus denen Augen schiessen: wie sie die Händ ineinander [232] schlagen: wie sie vor Leydwesen vergehen möchten. Ach! laßt euch doch bewegen, und gebet nicht zu, daß wir umsonst zu euch in diese Gefängnuß kommen seyen. Lasset uns nicht ungetröst von euch weggehen.« Dieses geredt, vergosse die gute Frau samt ihren lieben Kindern einen gantzen Bach der Zähern.


Ach GOtt! wie schnitten diese Reden dem guten Herren in das Hertz hinein! mit was Betrübnus sahe er seine liebe Gemahlin und Kinder an! Wie schosse ihm das Wasser in die Augen; aber dannoch liesse er sich durch dieses alles nicht überwinden, sondern hielte vest an GOtt, an sein Gewissen, und an die Gerechtigkeit. Also dann nach einem langen Stillschweigen redete er seine Gemahlin mit folgenden Worten an: Meine liebste Aloysia! ihr sagt mir wohl von des Königs Gunst, dafern ich nach seinem Gefallen reden sollte. Ihr sagt mir von anerbottenen Reichthumen, die ich zu geniessen hätte. Allein wie lang meynt ihr wohl, liebste Aloysia! daß ich solcher Dingen zu geniessen hätte? Aloysia antwortete: Mein Herr! euerer Leibs-Gesundheit und Stärcke nach wenigst noch 20. Jahr. Auf diese Antwort sagte Morus: So wolltet ihr dann, daß ich die Ewigkeit mit 20 Jahren vertauschen sollte? Wahrhaftig, Aloysia, ihr wurdet kein gute Käufferin abgeben. Wann ihr von etlichen 1000. Jahren gesagt hättet, wurde es sich vielleicht haben hören lassen, Aber nur 20. Jährlein; was seynd sie gegen der Ewigkeit? ein Schatten seynd sie, Nichts seynd sie. Darum bitte ich euch, ihr wollet mir nicht länger beschwehrlich seyn. Dann ihr sollet es nicht erleben, daß ich von GOtt, von meinem Gewissen, und von der Gerechtigkeit dem König zu gefallen, um ein Haar breit werde abweichen. Behüt euch dann GOtt, liebste Aloysia! behüt euch GOtt meine liebe Kinder! in seinen Schutz befehle ich euch. Dieser wird an meiner statt vätterliche Sorg für euch tragen. Noch einmahl: Behüt GOtt! im Himmel wollen wir hoffentlich einander wiederum sehen. Dieses geredt, entliesse er seine Frau samt denen Kinderen gantz trostloß von sich; bliebe beständig, und wollte lieber alles, als GOttes Gunst verliehren. Wie er dann auch seinen Kopf für die Wahrheit unerschrocken dargegeben, und der ewigen Seeligkeit zugeflogen ist. Staplet. in vita.


O mit was Wahrheit konnte dieser gottseelige Cantzler mit dem David sagen Psalm. 76. Die ewige Jahr seynd mir zu Gemüth kommen! In dero Betrachtung verachtete er alles, was zeitlich war. Und also solle es seyn. Was zeitlich ist, das vergeht, was ewig ist, das besteht. Alle Freud auf dieser Welt nimmt ein End, und muß man zuletzt bekennen, was dort geschrieben steht im Buch der Weisheit Cap. 5.Alles ist vorüber [233] gangen, wie ein Schatten. Nur die Freud in jener Welt hat kein End, sondern währet ewig, gleichwie im Gegentheil auch die Peyn ewig währet. O glückseelige Ewigkeit in der Freud; O erschröckliche Ewigkeit in der Peyn; und dannoch wartet aus beyden eine auf uns. Wie sollen wir uns dann lassen angelegen seyn, damit wir die glückseelige Ewigkeit erlangen.

34. Exempel
Vier und dreyßigstes Exempel.
Ein Officier will lieber durch des Henckers Hand das zeitliche, als durch den Tod in einer Todsünd das ewige Leben verlieren.

In dem Welt bekannten langwierigen Krieg, so die Spanier wider die Rebellische Holländer führten, wurde von jenen ein Holländische Stadt belagert, und mit Stucken so hart beschossen, daß sie auf die letzte nicht mehr im Stand war, dem Gewalt der Spanier länger zu widerstehen. Die eintzige Stadt-Thor verhinderten, daß der Orth noch nicht in der Spanier Händen ware. Demnach wurde von dem General der Spanischen Armee ein gewisser Officier, samt einem Hauffen Kriegs-Volck commandirt und beordert, die Stadt-Thor mit Gewalt zu erbrechen, und sich des Orths zu bemächtigen. Allein, nachdem einige von denen Soldaten, so die Stadt-Thor mit Axten aufgebrochen, und darauf in die Stadt hinein marschieren wollten, von denen Feinden, die sich hinter die Stadt-Thor verborgen hatten, erschossen worden; erschracke der commandierende Officier, so sich erinnerte, ein Todsünd auf sich zu haben, dergestalten, als sehe er vor ihm die Pforten der Höllen eröfnet. Weßwegen er sich nicht getraut durch die Stadt-Thor hinein zu marschieren; aus Forcht, er möchte auch erschossen werden. Wie nun die übrige Soldaten die Forcht ihres Officiers vermerckt, wollten sie sich auch nicht in die Gefahr begeben. Kehrten also mit ihm unverrichter Sachen wiederum in das Lager, wo die Armee war, zuruck. Als nun der General der Armee verstanden, daß der commandierende Officier seiner Schuldigkeit nicht nachkommen, und die Gelegenheit der Stadt sich zu bemächtigen, aus Zagheit versaumt, machte er ihm den Proceß, daß er sollte enthauptet werden. Wie der Officier auf die Richtstatt hinaus kommen, und nunmehr von des Henckers Hand den Streich empfangen sollte, seuftzete er, und bekennte offentlich, daß ihm von dem Marsch durch die Stadt-Thor hinein nichts anders hätte zuruck gehalten, als die Erinnerung einer Todsünd, die er weder gebeichtet, noch eine vollkommene Reu und Leyd darüber erweckt hatte. Das habe ihm dann eine solche Forcht eingejagt, daß er lieber habe wollen mit Hindansetzung aller Ehr, durch des Henckers Hand das zeitliche, als durch den [234] Tod in einer Todsünd das ewige Leben verlieren. Hermannus Hugo S.J. de Militia Equestri. l. 3. c. 1.


O wie erschröcklich ist es, in einer Todsünd sterben, dann das heißt sterben als ein Feind GOttes. Was hat ein solcher in jener Welt anders zu gewarten, als das höllische Feuer, mit welchem der erzörnte GOtt die Unbild, so seiner unendlichen Majestät durch ein Todsünd ist zugefügt worden, in alle Ewigkeit auf das empfindlichste straffen und rächen wird? O wie erschröcklich ist dieses, ich sage es noch einmahl: O wie erschröcklich!

35. Exempel
Fünf und Dreyßigstes Exempel.
Ein Todtschläger wird wunderbahrlich durch ein Gespenst verrathen, und der Justitz hoher Obrigkeit in die Händ geliefert.

Zu Stockholm, der Königlichen Residentz-Stadt in Schweden, liesse ein Metzger die Augen zu weit schiessen auf seine Dienst-Magd, dero er auch seine unziemliche Lieb auf allerley Weiß zu verstehen gab. Allein, weilen sie weit eines ehrlicheren Gemüths, als er war, danckte sie ihm kurtz ab, und gab ihm für ein und allemahl den Korb; es wäre dann Sach, daß er sie nach dem zeitlichen Hintritt seines Weibs ehelichen wollte: auf welchen Fall ihro sein Ansuchen nicht entgegen wäre, bis dahin aber sollte er ihm nur keinen Gedancken machen; wann er sich nicht vergeblich mit leerer Einbildung plagen wollte. Der Metzger liesse ihm diesen Schluß nicht übel gefallen. Allein die Metzgerin steckte in einer zähen Haut, und hatte nicht im Sinn, ihnen beyden zu Lieb früher zu sterben. Was dem Metzger etlicher massen eine Hofnung machte, ihrer villeicht bald abzukommen, ware die Pest, welche selbiger Zeit starck in der Stadt eingerissen, und sich allbereit auch in seiner Gassen angemeldt hatte. Allein in sein Haus wolte sie nicht kommen, wie sehr er es auch verlangte. So beschlosse er dann aus Eingebung des bösen Feinds, selbst die Pest zu seyn, und ihr in der Still den Garaus zu machen. Er liesse eine Todten-Bahr zurüsten, um sich dero im Fall der Noth zu bedienen, und wartete jetzt nur auf Gelegenheit seinen boßhaften Anschlag ins Werck zu richten. Eines Tags gienge das gute Weib, weil sie sich was übels auf befande, etwas frühers schlaffen: der Knecht und Magd waren zu allem Unglück nicht vorhanden; er aber in der Stuben gantz allein. Da gedunckte es ihn dann, jetzt Zeit zu seyn, die vorhabende Mordthat zu vollbringen. Schliche derohalben zur Bethstatt hinzu; und wie er spührte, daß das Weib in vollem Schlaf begriffen, spaltete er ihr mit einem Beil die Hirnschal entzwey. Wischte darauf das Blut sauber ab; zoge das Beth [235] neu gewaschen über; legte den Leichnam in die schon vorher bereitete Todten-Bahr; schobe sie für sein Haus-Thür hinaus, damit sie von denen dazu bestellten Todten-Gräbern vor Tags möchte abgeholet, und samt anderen an der Pest Verstorbenen begraben werden. Des anderen Tags sprengte er ein Gerücht aus, die Pest habe urplötzlich sein liebes Weib hingerissen; vergosse zum Schein etliche Zäher; beweinte aber nichts mehrers, als daß er sie nicht schon längst habe beweynen können. Nunmehr ware das ehliche Band durch den Tod zerrissen; die Alte in die Vergessenheit gestellt, also, daß kein Hahn mehr nach ihr krähete: und wußte den Mord Niemand, als der Thäter, und der Allwissende GOtt. Drauf hin legte er bald die Klag ab; liesse ihm sein Magd ehlich trauen, und machte sie zu einer Frau; dero gantze Aussteuer die Jugend, und die Reue die Morgen-Gaab war. Sie hauseten miteinander nicht gar lang, da wurde ihnen aus gerechtem Urtheil GOttes der gute Muth übel genug versaltzen. Dann ein erschröckliches Gespenst fienge an, das Haus zu beunruhigen; absonderlich aber setzte es dem Metzger zu; tribe ihm manche Nacht den Angst-Schweiß aus, und zwange ihn endlich gar, ein anders Haus zu beziehen, ob er schon auch allda wegen seines bösen Gewissens wenig Ruhe fande. Unterdessen wurde zu Stockholm ein Reichs-Tag ausgeschriebe, und die gantze Stadt wegen des grossen Zulaufs mit Fremdlingen angefüllt. Unter anderen verfügte sich auch dahin eine edle Wittib; welche aber reicher an Tugenden, als an Geld-Mittlen war. Dahero, weil sie kein andere Herberg, als um gar grosses Geld haben konte, bezoge sie das verschreyte Haus des Metzgers, welches noch allein unter allen anderen unbewohnt da stunde. Man verhielte ihr zwar nicht, wie es darinn zugienge; sie aber liesse sich nicht schröcken; mit Vermelden: GOtt, welcher der armen Wittwen Beystand seye, werde ihr kein Leyd widerfahren lassen. So miedete sie derohalben um ein schlechtes gedachte Behausung, und begabe sich was frühzeitiges zur Ruhe. Ohngefähr um Mitternacht herum hörte sie vor der Stuben-Thür ein Getümmel: Woraus sie leicht konte abnehmen, wie vil es geschlagen. Waffnete sich also mit dem Gebett, und wolte des Ausgangs erwarthen. Bald hernach wird die Thür mit einem lauten Schnall eröffnet; und der Polder-Geist platzte mit Ungestümme hinein; rumpelte die Stuben auf und ab; warffe eines hin, das andere her, und erzeigte sich wild genug. Die gute Edel-Frau, so viller Streich sie sich zuvor ausgethan, erschracke hierüber nicht wenig; hielte sich Mäußle-still, und das Gesicht gegen der Wand: Erneuerte doch bald wiederum ihr Vertrauen auf GOtt, und liesse dem Gespenst sein Wesen: welches dann nach langem Toben zur Stuben-Thür wiederum [236] hinaus gewischt und verschwunden. Der Wittfrauen aber wurde nicht mehr, als daß sie einen eintzigen Blick unter der Beth-Deck herfür thate, und eines wüsten Abentheuers gewahr wurde; nemlich der Gestalt eines Weibs mit gantz blutigen, und zerspalteten Kopf. Die nächst-folgende Nacht stellte sich das Gespenst noch mit grösserer Ungestümme ein. Weilen selbiges aber die vorige Nacht der Frauen kein Leyd zugefügt, nahme sie das Hertz, und redete es mit den Worten des Psalmisten an: Alle gute Geister loben GOtt den HErren. Psalm. 150. Das Gespenst antwortete mit tieffer Stimm: ich bin ein guter Geist, und lobe GOtt den HErrn. Die Wittfrau fragte weiters: bist du ein guter Geist, warum haltest du dich dann also ungestümm, und in so wüster Gestalt in diesem Haus auf? Hierauf fienge der Geist an, den gantzen Verlauf zu erzählen. Das (sagte er) ist mein Leib: und ich ware bey Leb-Zeiten die ehliche Haus-Frau des Metzgers, deme das Haus gehört. Lange Jahr hab ich mit ihm friedlich gehauset, bis er meines Alters halber an mir einen Verdruß geschöpft, und sich an meine Magd gehänget, die er jetzt würcklich zum Weib hat. Dahero meiner desto eher abzukommen, hat er mir im Schlaf das Haupt, wie du sihest, mit einem Beul gespaltet, und hernach vorgeben, ich seye gähling an der Pest gestorben: in welcher Meynung ohne weiteres Nachdencken man mich auch begraben hat. Aber von der Zeit an kan der Leib nicht ruhen, bis der grausame Mörder von der Obrigkeit seinen gebührenden Lohn empfangen hat. Darum bitte ich dich: gehe den graden Weeg Morgens hin, und zeige solches der Obrigkeit an, damit dieses Haus von mir befreyet, und ich zu meiner Ruhe gelangen möge. Die Wittfrau erzeigte grosses Mitleyden: sagte aber hinwieder: sie wolte es zwar gern thun; sehe aber nicht, wie sie bey der Obrigkeit wurde Glauben finden. Solte sie dann den Metzger in einer so schweren Sach, die Leib und Leben antreffe, verschreyt machen, därfte es ihr übel genug gehen.Wohlan, sagte das Gespenst: ich will machen, daß man dir glauben wird. Begehrte darauf von der Wittfrauen, sie solte ihren Pettschier-Ring von dem Finger abziehen; solchen in die offene Hirnschal hinein werffen, und mit ihrem Haupt-Tuch verbinden; alsdann das Grab (das sie ihr zugleich anzeigte) lassen eröffnen; und sich auf ihren Ring beruffen. Und weil man ihn ihrer Aussag gemäß in der Hirnschal finden werde, so werd auch die Obrigkeit ihren Worten Glauben zumessen. Die Wittib laßt sich überreden; zieht den Ring von dem Finger ab; das Gespenst neigt den Kopf gegen ihr; sie wirft den Ring in die zerspaltene Hirnschal hinein; und nachdem sie dieselbige (welches wohl ein keckes Stuck [237] von einem Weibsbild geweßt; die tausendste wurde ihr nicht trauen) mit ihrem eigenen Haar-Tuch zusammen gebunden, nahme das Gespenst Urlaub, und veschwande. So bald es Tag worden, verfügte sich die Wittfrau zur Obrigkeit; zeigte an, was sich zwischen ihr, und dem Gespenst verwichene zwey Nächt begeben hätte, und gabe den Metzger für den Thäter an. Batte zugleich auch, man solte hinschicken, der Metzgerin Grab lassen eröffnen, so werde man zum Wahrzeichen ihren Pettschier-Ring in der Hirnschal des todten Cörpers finden: einen anderen Zeugen habe sie vor diesmahl nicht. Die Herren des Raths sahen einander an; und so wunderbarlich ihnen die gantze Sach vorkame, konten sie doch nicht glauben, daß eine fremde, ehrliche Matron, die etwann zuvor ihr Lebenlang den Metzger nicht gesehen, dieses aus ihrem Kopf solte herausspinnen. Müsse also etwas an der Sach seyn, bevorab, weil sie sich auf eine so unfehlbare Zeugnuß beruffe. Schickten derohalben hin; liessen durch gewisse hierzu verordnete Personen das Grab eröffnen; und fanden mit höchster Verwunderung alles, wie die Wittfrau ausgesagt hatte. Der Metzger, der ihm nichts weniger traumen liesse, wird in Verhaft genommen; vor Gericht gestellt; bekennte ohne weitere peynliche Frag seine Missethat, und batte allein um Verzeyhung, und um ein gnädiges Urtheil. Man machte mit ihm nicht vil Wesens; faßte bald ein Urtheil ab; übergabe ihn dem Scharf-Richter; der ihn dann durch den Weeg, den alle Dieb und Mörder lauffen müssen, aus dieser in die andere Welt geschickt hat. Mithin ist auf solche Weis der Gerechtigkeit ein Genügen geschehen, und das Haus seines Polder-Geists los worden.Ex Erasmo Francisci, in dem 1. Theil seiner lustigen Schau-Bühne am 916. Blat.


Was für wachtbare Augen hat nicht die göttliche Gerechtigkeit über die Todtschläger! und wie wunderbarlich pflegt sie selbige zu verrathen, und mithin in die Händ der Justitz auf Erden zu lieferen! es muß nemlich erfüllt werden, was GOtt gedrohet hat Genes. 9. mit diesen Worten: wer Menschen-Blut vergießt dessen Blut soll auch vergossen werden. Dann der Mensch ist nach dem Ebenbild GOttes erschaffen. Solches Blut schreyt Rach gen Himmel, und laßt nicht nach zu schreyen, bis dem Todtschläger mit gleichem vergolten worden. Wenigst geschiehet es insgemein. Und wo der Todtschläger nicht am Leben gestraft wird, wird er doch sein Lebtag kein Glück haben.

36. Exempel
[238] Sechs und dreyßigstes Exempel.
Einen untreuen, Geld-gierigen, und noch darzu mit bösem Gewissen auf sich selbst fluchenden Wirth, führt der Teufel lebendig durch den Luft hinweg.

Zu Spandau, einer Stadt in Brandenburg, kame einstens ein fremder Soldat an, und kehrte in einem der besten Wirths-Häusern ein. Es war ihm aber mehr um die Ruhe, als um Essen und Trincken zu thun; weilen er sich etwas übel befande: Kame im übrigen wohl bekleidet auf einem dapfern Pferd daher, und führte ein Felleisen nach sich, welches ihm um etlich 1000. Gulden nicht feil war. Ist wohl zu glauben, er werde sich auf das Beutmachen meisterlich verstanden haben. Dem seye aber, wie ihm wolle: Wenigst hatte er braf Geld, und durfte auch in einem Wirths-Haus einkehren, wo man denen Gästen einen silbernen Löffel vorlegt. Allein es gelustete ihn, weder aus Silber, noch aus Zinn viel zu essen: Dann die Kranckheit nahme überhand, und warfe ihn nach wenig Tägen gar in das Beth. Was wollte er nun anfangen? Er war in der Fremde; kein eintziger bekannter Mensch vorhanden, der sich seiner annehmen, oder Hilf leisten konte. Der Wirth, dem allgemach schon Angst um die Zech ware, machte saure Gesichter, und wünschte, daß er bezahlt; sein Gast aber im Himmel, oder anderstwo wäre. Man truge nimmer so wohl zu Essen und Trincken auf, wie zu vor; gienge auch mit dem Herrn-Titul gesparsamer um. Die gute Wort waren so theur, als der Wein: und wo der Wirth zuvor selbst kommen, und aufgewarthet, schickte er jetzt nur seinen Haus-Knecht. Sahe also der gute Soldat wohl, daß er müßte andere Saiten aufziehen, wann er einen freundlichen Wirth haben wollte. Hingegen erzeigte sich die Wirthin noch etwas mitleidigers gegen ihm; und wo ihr Mann einen Holtzbock spielte, brachte sie den Fehler mit einer bescheidentlichen Manier wiederum herein. Deswegen berufte er eines Tags die Wirthin zu sich, und bate sie, kein Mißtrauen der Bezahlung halber auf ihne zu setzen; dann es ihme, GOtt Lob, an Geld nicht mangle, alle bishero angewendte Unkosten, und was noch ins künftig aufgehen möchte, mit Danck abzustatten. Ja, wann er ihrer Treu versichert wäre, wollte er ihr unterdessen ein solches Pfand einsetzen, wormit sie gäntzlich wurde zu frieden seyn. Und mit diesen Worten zoge er einen mit Geld wohl gespickten Sack herfür, welchen seine schwache Händ kaum mehr erheben konten. Frau Wirthin! sagte er: Nehmet hin diesen Sack mit Geld unterdessen in euere Verwahrung, und behaltet ihn zu einem Unterpfand meiner Erkanntlichkeit. Stirb ich, so ist die Zech schon bezahlt: Komme ich aber [239] wie derum auf, so sollt ihr wegen euer mir geleisteten guten Verpflegung eine schöne Verehrung davon haben. Die Wirthin, wie sie diesen Willkomm gesehen, bedanckte sich gar höflich seiner Zuflucht halber: Verpfändete hingegen Treu und Eyd, das Geld in fleißige Verwahrung zu nehmen: Und was er mehr wolle: Sie werde es ihr lassen angelegen seyn, als wann es ihr eigenes Gut wäre. Dieses geredt, wischte sie flugs mit dem Sack dem Winckel eines Kastens zu.

O du einfältiger Tropf! was hast du gethan? Die Wirthin wird ihro freylich den Sack lassen angelegen seyn, als wann es ihr, nicht aber dein Geld wäre. Hättest doch wenigst in Beyseyn anderer ihr das Geld eingehändiget; damit du für allen Fall köntest Zeugen herstellen. Jetzt ist wohl zu sorgen, du habest es das letzte mahl gesehen.


Wie der Sack von der Wirthin in die Verwahrung genommen worden, zeigte sie dem Mann auch etwas davon an, und ermahnte ihn, gegen dem Soldaten ins künftig freundlichere Gesichter zu machen, wann er ihm von diesem Geld etwas zu erhaschen eine Hofnung machen wolle. Als aber der Wirth gehört daß der Sack nur auf Wiedergeben vorhanden wäre, wollte er sich darauf nicht verstehen; sondern befahle seinem Weib, alles in höchster Geheimnuß zu halten, und ohne sein Wissen und Willen den Sack nicht mehr aus den Händen zu lassen. Aber diese Gedgierigkeit ist dem Böswicht bald genug versaurt worden. Dann der Soldat fienge unterdessen an, widerum zu genesen, und erholte sich innerhalb etlich Tägen so weit, daß er seine Reise konte ferners fortsetzen. Begehrte demnach von der Wirthin sein Geld, und daß man ihm die Zech sollte machen. Das arge Bein thate dergleichen, als hörte sie es nicht; wendete die Red anderstwo hin, und wischte zur Stuben hinaus zu dem Wirth, dem sie still in ein Ohr sagte: Der Soldat wolle sein Geld haben: Was jetzt zu thun seye? Dieser gantz gewissenlose Mann befahle ihr, sie sollte laugnen, daß sie jemahl einen Kreutzer von ihm empfangen hätte: Er wollte bald da seyn, und ihr an die Hand gehen. Sie kommt dem Befehl nach: Und wie der Soldat abermahl, was er schuldig, zu wissen begehrte: Macht sie ihm, mit Erzeigung grosses Leidwesens, die Zech; welche (wie leicht zu ermessen) auf ein ziemliches hinauf geloffen. Als er aber noch einmahl Meldung that seines Gelds, und solches von der Wirthin forderte, damit er zahlen könnte, verwunderte sie sich anfangs: Was für ein Geld? Sie hätte von ihm kein Geld bishero empfangen; hoffe aber jetzund, eines einzunehmen. Da gienge dem Soldaten gleich grün und gelb vor den Augen um. Ey! Frau Wirthin (sprach er) ihr habt ja kein so schwache Gedächtnuß, daß ihr euch nicht solltet zu erinneren wis sen, jenes Sacks voll Gelds, den ich euch [240] erst vor 6. Wochen, da meine Kranckheit wollte überhand nehmen, zu mehrerer Versicherung aufzubehalten anvertraut hab? Da stiege der Wirthin wie einer Indianischen Hennen, der Zorn in den Kopf; fienge an, zu widersprechen, und mit allerhand Schmach-Wort zuzuwerfen, und hoch zu betheuren, sie wußte von seinem Geld nichts; sondern wollte jetzt Geld von ihm haben. Was? Sagte der Soldat dargegen: Seyd ihr ein solche? Wollt ihr mein Geld ablaugnen? Und weil sie also mit einander stritten, kame der Wirth darzu: Und nach verstandener Sach, nachdem man zu beyden Theilen die Schmach-Glocken wacker gelitten, Schelm und Dieb durcheinander geworfen, stiesse er mit Hilf seines Knechts den Soldaten die Stiegen hinab, und zum Haus hinaus. Die Unbild thate diesem ehrlichen Soldaten so wehe, daß er sich nimmer enthalten können. Entblößte derohalben den Degen; führte damit einen Stoß nach dem Wirth, und wurde ihn ohne allen Zweifel durchgestochen haben, wann nicht jener entzwischen die Haus-Thür zugeschlagen hätte, und der Stich so tief in die Thür gangen wäre, daß der Degen darinn stecken geblieben. Da wurde alsbald Lermen. Der Soldat donnerte und hagelte vor der Thür; der Wirth und Knecht drinnen im Haus; die Wirthin lieffe unter das Fenster; schluge die Händ ober dem Kopf zusammen; rufte die Benachbarte um Hilf an: Der Mörder, der Soldat wolle ihr das Haus stürmen, und ihren Mann ums Leben bringen. Man lauft zu: Es kommen die Schergen; nehmen dem Soldaten das Gewehr, und führen ihn, ohne viel krummes zu machen, fort in die Gefängnuß.

Das ist nunmehr ein feiner Handel. Wer wirds aber gewinnen? Der Soldat? Oder der Burger? Man wird Wunder hören: Es wird noch seltsam hergehen. Unterdessen, da der Soldat in der Gefängnuß lage, kame der Wirth mit seinen Zeugen für Rath: Forderte den Soldaten für Gericht, und strengte die Klag hart wider ihn an. »Wie daß er diesen Leut-Betrüger so und so viel Wochen in seiner Behausung unterhalten, mit seiner und der seinigen höchsten Ungelegenheit; denselbigen auf das fleißigist bedient; weder an Speis und Tranck, noch an Artzney, wie es der Artzt verordnet, ihme was ermanglen lassen: Zum Danck aber nichts, als Schand und Schaden davon getragen hätte; indem dieser lose Gesell gantz verschlagener Weis auf einen List gedacht: Und damit er ohne Bezahlung möchte davon kommen, ein Stuck Geld von seiner Haus-Frauen, unter dem Vorwand, als wann er ihr solches bey währender Kranckheit hätte aufzubehalten geben, keinen Scheu getragen zu fordern; und also ihn und sie eines Diebstahls bezüchtiget, und zum höchsten Nachtheil seiner Wirthschaft das Haus übel verschreyt gemacht.

[241] Ueber das, zu geschweigen der groben unerträglichen Schmach- und Schelt-Worten, habe er Gewalt gebraucht; den Degen würcklich entblößt, und einen Stoß auf sein eigne Person nach dem Leben geführt; solches ihme auch unfehlbar wurde benommen haben, wann der Degen nicht zu allem Glück in die vorgeschützte Haus-Thür gangen wäre, dermassen starck, daß er auch darinnen stecken geblieben. Woraus die Herren Richter und Rath ohnschwer zu erachten hätten, was durch diese, und vorhin gemelte Frevel-That einem ehrlichen Burger für Schand, Spott, Schaden, und offentlicher Gewalt wäre angethan worden. Solches alles seye zwar der gantzen Nachbarschaft bekannt; habe doch zum Ueberfluß gegenwärtige Zeugen wollen mit bringen, des ferneren Anbietens, wann es die Noth erfordert, hierüber einen leiblichen Eyd abzulegen.

Jetzt seye er da: Begehre billichen Abtrag, und das Lob und guten Namen, den er bishero bey der gantzen Stadt, und allen Ausländern unversehrt erhalten; dieser Ehrlose Mensch aber nicht ein wenig zu schmäleren sich unterstanden, wiederum abzuholen. Bitte derohalben unterthänigst den Hoch-Ehrsamen Rath, dasjenige bey gegenwärtigem Streit-Handel vorzunehmen, was Urtheil und Recht vermag; damit ehrliche Burger an ihrem Haab und Gut schadlos; an guten Namen ungekränckt, in Fried, Ruhe, und Sicherheit forthin vor dergleichen Land-Fahrern, Maus-Köpfen, und Leut-Betrügern verbleiben mögen.«


Solche Klag brachte er mit grossem Ernst, und Nachdruck der Worten, theils durch einen Beystand, theils selbst mündlich vor.

Dem armen Soldaten hätte entzwischen das Hertz im Leib zerspringen mögen vor Unmuth, als er hörte, auf was für Schraufen man die Lugen stellte. Als man ihm befahle, sich zu verantworten, bemühete er sich zwar, zu behaupten, daß er einmahl der Wirthin einen Sack mit Geld aufzubehalten anvertraut hätte: Allein es war alles umsonst und vergebens, was er immer sagte. Dann, neben dem, daß er viel einen spitzigeren Degen, als Zungen hatte, und also dem Beystand des Wirths mit Worten nicht gewachsen ware, wußte er des Gelds halber keinen Zeugen zu nennen. Das Vor-Urtheil stunde für den Wirth, daß er ein redlicher aufrichtiger Mann; er aber ein Fremdling und Soldat wäre: Bey dergleichen Leuten aber seye es nichts neues, daß sie allerhand listige Stücklein ersinnen, die Zech ohne Geld zu bezahlen. Zu dem, daß er den Wirth und sein Weib mit Schmach-Worten an ihren Ehren grob angetastet; über das den Degen über ihn gezucket, und würcklich einen Stoß nach dem Leben geführt hätte, konte er nicht laugnen; dann die Zeugen stunden darum da. Hatte also der gute Soldat einen verlohrnen [242] Handel: Wurde wiederum in die Gefängnuß geführt, und härter verwahrt, als zuvor: Dem Wirth hingegen die Vertröstung gegeben, die Sach wurde bald einen Ausgang gewinnen. Wormit er dann wohl zufrieden sich nach Haus begeben. Darauf hin liesse der Stadt-Rath den gantzen Handel schriftlich verfassen, und überschickte ihn einem höheren Gericht, um darüber den endlichen Ausspruch und Urtheil zu gewarthen. Weilen derohalben kundbar, daß der Soldat offentliche Gewaltthätigkeit verübt, und etwann sonst was hoch angezogen worden, ergienge das Urtheil, daß er das Leben verwürckt hätte: Und wurde noch dazu in den Befehl hinein gesetzt, ohne Verlust der Zeit die Vollziehung des Urtheils zu beschleunigen. Ware also mit dem unschuldigen Soldaten geschehen, und hatte die Bosheit abermahl über ihre Feind den Fahnen geschwungen.


Aber nur nicht zu frühe lamentirt über die unglückhafte Verhängnuß dieses Menschens. Die Richter haben geurtheilt, wie sie es befunden, und für billich erkennt: Es ist aber noch ein Richter im Himmel, der auch die Richter richtet. Die unschuldige Susanna hat einen Vorsprecher gefunden an dem jungen Knaben Daniel, eben dazumahl, als man sie zur Richtstatt hinaus führte: Unser Soldat wird auch jemand finden, der ihm das Wort führe, ob er ihn schon nicht gesucht hat.

Die Nacht zuvor, ehe dieses unschuldige Blut von dem Geitz und Falschheit des Wirths sollte gestürtzt werden, erschiene dem Soldaten der böse Geist: Deutete ihm an, was Morgen für ein heisses Blut-Bad auf ihn warte; erzeigte beynebens ein grosses Mitleiden gegen ihm. Ich weiß (sagte er) daß du unschuldig bist; ich will dir aber noch helfen; wann du dich mir mit Leib und Seel verschreiben willst. Der Soldat erschracke anfangs über die massen ob der Ankunft dieses fremden Gasts, der so fein in der Stille zur verschlossenen Thür hinein kame. Wie er sich aber etwas erholet, antwortete er folgender gestalt:Packe dich fort, du verfluchter Geist: Behüte mich mein GOtt darvor: Das thue ich in Ewigkeit nicht. Hab ich bishero GOTT nicht gedient, wie ich hätte sollen, so mag ich doch dem Teufel auch nicht dienen. Packe dich fort: Ich brauche keinen solchen Beystand. Der böse Geist liesse sich darum so leicht nicht abwendig machen; sondern wendete dargegen ein: Er sollte gleichwohl auch bedencken, das Leben seye lieb, und einem ehrlichen Soldaten ein grosser Spott, also schandlich unter des Henckers Händen sterben müssen. Wann er aber je sich zu unterschreiben Bedencken truge, sollte er ihm aufs wenigst etwas von seinen Kleidern, oder sonst was verpfänden. Der Soldat zeigte sich standhaftig, und sagte hinwieder; Nein: Auch das thue ich nicht. [243] Wann du einmahl den Zaum hättest, wurdest du auch das Roß wollen haben. Lasse mich mit fried. Ich bin nicht der erste, der unschuldiger Weis gestorben; werd auch nicht der letzte seyn. Ich bedarfte deiner Hilf nicht: Will dir schon ruffen, wann ich dich haben will. Allein der listige Satan setzte noch nicht aus; sondern machte es in der Gefängnuß, wie der Fuchs in der Hennen-Steig. Wann dieser zwey Hennen nicht wohl tragen kan, siehet er aufs wenigst, wie er eine davon bringe. Sagt also zu dem Soldaten: Nun dann, so seye es: Ich begehre nichts von dir. Du erbarmest mich aber: Und damit dein Unschuld an Tag komrne, will ich dir umsonst, und um nichts beystehen, und dir wiederum zu deinem Geld, und auf freyen Fuß helfen. Morgen, wann man dich offentlich für Gericht stellen wird, das Hals-Urtheil anzuhören, will ich unter den Zuseheren auch auf dem Rath-Haus erscheinen. Wann man dir alsdann nach Lands-Brauch einen Beystand erlauben wird, der noch ein gutes Wort für dich rede, so begehre mich: Ich will dir den Handel gewinnen. Damit du mich aber aus dem Hauffen erkennest, werd ich einen blauen Hut und Federn auf haben. Seye wohl gemuther: Es wird alles glücklich ablauffen. Der Soldat wollte auch nicht recht ja sagen. Jedoch war ihm das Geld lieb; sein ehrlicher Namen aber, und Leben noch lieber. Weil er also aus Einfalt, und einer Unwissenheit, die er in solchen Umständen nicht zu vermeiden wußte, darvor gehalten, es seye ihm nicht verbotten, des bösen Feinds Anbieten (bevorab, weil dieser keinen Zins von ihm forderte) anzunehmen, sagte er gleichwohl zu, er wolle sich Morgen seiner Hilf bedienen; jedoch mit diesem Beding, daß er für solchen geleisteten Dienst nicht das geringste zu gewarten haben sollte. Und bey dieser Abred ist es geblieben: Worauf der böse Feind auch gleich verschwunden.


Des anderen Tags erschienen zu bestimmter Zeit die Richter auf dem Rath-Haus. Der Wirth mit seinem Anhang stellte sich bey Zeiten ein. Desgleichen wurde auch der Gefangene in Band und Eisen fürgeführt, das Urtheil des Tods anzuhören. Der fremde Beystand im blauen Hut liesse sich unter dem Hauffen des zulauffenden Volcks auch sehen. Nach etlichen gebräuchlichen Ceremonien fragte der Blut-Richter, ob er des jenigen noch ingedenck und geständig wäre, was er schon vorhin in der gerichtlichen Verhör bestanden? In gleichem auch, wann er sonst etwas zu seiner Rechtfertigung vorzubringen hätte, sollte ihm solches in Gegenwarth erlaubt seyn; Sollte es aber nicht lang machen.

Der Soldat gabe mit kläglicher Stimm zu verstehen, wie daß er ja freylich noch etwas vorzubringen hätte: Weilen er aber der Red-Kunst [244] unerfahren, und besser mit Pulver und Bley, also mit Rechts-Händlen umzugehen wüßte, wollte er gebetten haben, man möchte ihm (wie auch anderen diese Gnad wiederfahren) einen aus denen anwesenden Herren um Beystand anzusprechen, großgünstig gestatten. Welches als man ihm bewilliget, erwählte er zu solchem Amt obgedachten Fremdling mit dem blauen Hut. Der sich dann auch nicht lang weigerte; sondern, nachdem er zum Schein sich mit dem Soldaten auf der Seiten ein wenig unterredet, tratte er behertzt in die Mitte, machte denen Richtern einen Reverenz, und fienge sein Red fast auf folgende Gestalt an.


»Wann mir so leicht wäre, für den Beklagten Wort zu finden, als schwer mir fallt, die Unbilligkeit des Anklägers zu verbeissen, wollte ich euch mit einer langen Red nicht überlästig seyn. Weilen es aber um unschuldiges Blut zu thun ist, werdet ihr mich hoffentlich nicht verdencken, wann ich die nothwendige Beschützung etwas weitläufigers vortragen werde.

Ihr habt gegenwärtigen Beklagten zum Tod verurtheilt: Mit was Recht und Billigkeit, gibe ich euch selbst zu erachten. Des Anklägers Arglist (verzeihet mir, daß ich also rede) hat euch hintergangen. Bin aber vergwißt, ihr werdet nach verstandener Sach auf andere Gedancken gerathen, und nicht zugeben, daß die Unschuld ferners unterdruckt, und die falsche Auflag gehandhabet werde. So viel ich kürtzlich Nachricht erhalten, besteht die geführte Klag wider den Soldaten hauptsächlich in 3. Puncten. Erstlich, daß er schelmischer verschlagener Weis ein Stuck Geld, unter dem Schein eines Pfands, an die Wirthin gefordert; und also eines Diebstahls sie verdächtig zu machen getrachtet. Fürs andere, daß er so wohl die Wirthin, als ihren Mann, ehrlichen Burger, und bey männiglich beliebten Gastgeb mit Ehrenrührischen Schmach- und Schelt-Worten angetastet. Drittens (und das, ihm den Hals bricht) den Degen über den Wirth gezuckt, einen Stoß nach dem Leben geführt; und also offentliche Gewaltthätigkeit verübt habe. Welches alles glaubwürdig zu machen, werden Zeugen, nicht nur ein und der andere, sondern die gantze Nachbarschaft beygebracht. Arglistig und verschrauft genug: Ueber die massen treflich alles eingefädlet. Aber ein Gespunst von lauter schwachen Faden, welcher nicht genugsam, dem armseeligen Soldaten einen Strick daraus zu spinnen; und den ich auf einmahl zerreissen will.


Von dem letzten und vornehmsten anzufangen, laugnen wir nicht, daß der Soldat den Degen über den Wirth gezuckt habe. Ist aber nicht zu beweisen, daß er am ersten Gewalt gebraucht; wohl aber, daß er Gewalt mit Gewalt abgetrieben: Nachdem er nemlich (wie ich hernach [245] erweisen werde) gewaltthätiger Weiß beraubet; von dem Wirth und dessen Knecht, wie ein anderer Schelm und Dieb, erstlich die Stiegen hinab, und alsdann gar zu dem Haus hinaus gestossen worden. Und solle es hernach ein Wunder seyn, wann ein ehrlicher Soldat nach solchem erlittenen Schimpf und Unbild den Degen entblößt? Ein Soldat fechtet mit dem Degen, ein Weib mit dem Maul.


Man möchte aber vorwerffen, er habe einen Stoß mit dem Degen geführt. Ich frage: auf wen? Ich bekomme zur Antwort: auf den Wirth. Ich frage aber wiederum, warum nicht auf seinen Knecht? Wann der Stich auf den Wirth vermeynt geweßt, wurde er gewißlich nicht eben gewartet haben, bis die Thür verschlossen, und er nimmer konnte zukommen. Daß er aber erst alsdann vom Leder gezogen, hat er Schanden halber, wegen des zulauffenden Volcks thun müssen: damit man ihn nicht für ein Ledfeigen hielte, und vermeynen dörfte, als hätte er gar keinen Degen in der Scheid.


Seye ihm aber also, daß der Stoß auf den Wirth an gesehen gewesen, was einer für eine Meynung gehabt habe, darüber pflegt der Richter nicht zu urtheilen, wie ihr selbsten wisset: wann nur im Werck kein Schaden weiter zugefügt wird. Nun aber ist die Wunden der Haus-Thür, und nicht dem Wirth zu Theil worden; welche in Wahrheit so groß und gefährlich nicht ist, daß der Schaden nicht mit wenig Kreutzern möge abgetragen werden. Wann also der Beklagte (wie ich erwiesen) nur gezwungener und getrungener Weiß, und zwar nur um sich zu schützen, darein gangen, und den zuvor erlittenen Gewalt mit Gewalt abgetrieben: wann er den Wirth zu beschädigen nicht vermeynt, wenigst nicht beschädiget hat; so sihe ich nicht, warum man ihm deßwegen das Leben absprechen könne: es wäre dann in eueren Rechten ein Hals-Verbrechen, einer höltzernen Thür einen Stich geben, der nicht blutet: worfür ich euch sorgen lasse.


Aber auf den mittlern Puncten der Klag zukommen, daß er den Wirth, einen ehrlichen Burger, und bey männiglich beliebten Gastgeb, mit Schmach- und Scheltworten an seinen Ehren angetastet, kan seyn: will hierinn meinem Gegner nicht widersprechen. Aber wann? nachdem nemlich die Wirthin schon zuvor mit Schelmen und Dieben grob genug zugeworffen, und der Wirth ihrer losen Goschen mit dergleichen schönen Ehren-Titulen Beyfall gethan. Wie man in den Wald hinein schreyt, geht der Hall wiederum heraus. Wann sie aber je so unschuldige und ehrliche Leut seynd, frage man dann die Wirthin, was sie, nicht unlängst aus des Soldaten Kammer getragen? Wessen ist dann [246] der in dem Winckel eines grün angestrichenen Kastens, gleich gegen dem Beth über in der Kammer stehender, von Gelt angefüllter, und mit fremdem Insiegel verpetschirter Sack, wann er des Soldaten nicht ist? und du Ehrenvoller (ob GOtt will) bey männiglich beliebter Mann, sage mir her: was hast du ungefehr vor einem Monath, wie der Soldat sich wieder zu erhohlen angefangen, dich mit deinem Weib einmahls lang in die Nacht hinein unterredet; als wie du sein Geld dir eigen machen, und ihm mit Gift oder sonsten das Leben nehmen könntest; letztlich aber, sicherer zu gehen, beschlossen, und deinem Weib das Geld abzulaugnen befohlen hast? ist es nicht wahr? kanst du es laugnen, hast du nicht eben zuvor, ehe der Tumult angangen, diesen deinen Befehl wiederhohlt? nemlich, wie der Soldat das Geld begehrt, und dich dein Weib, was zu thun, noch einmahl heimlich gefragt hat? laugne es, wann du kanst, und ein ehrlicher Mann bist. Ein solcher magst du vor diesem gewesen seyn; daß du aber anjetzo ein Lugner, ein Betrüger, ein falscher Ankläger, ein Schelm, ein Dieb seyest, wird aus der Widerlegung des ersten Puncten der geführten Klag erhellen.


Du laugnest, daß du jemahlen von dem Soldaten einen Kreutzer empfangen, und empfindest sehr hoch, daß er in Forderung eines Pfandweiß anvertrauten Gelds dein Weib zur Diebin, und dich zum Schelmen machen wollen. Recht so. Warum soll es aber nicht auch der Soldat hoch empfinden, daß ihr solche Lumpen-Leut abgebt. Wohl ein feines paar Ehe-Volck, wo der Mann ein Schelm, und das Weib eine Diebin ist. Wann ihr nie keinen Kreutzer von dem Soldaten empfangen, warum habt ihr ihn dann so lange Zeit in euerem Haus geduldet, und nicht vielmehr in den Spital mit ihm getrachtet? Warum habt ihr ihn so stattlich gastirt, so unverdrossen bey Tag und Nacht bedienet; du, dein Weib, dein Tochter, Knecht und Mägd, das habt ihr sicherlich nicht umsonst gethan. Und was noch mehr ist: warum bist du bey dem Artzt, und in der Apotheck für ihn Bürg worden, für einen Fremdling? für einen unbekannten Soldaten? das ist sonsten anderer Wirthen Brauch nicht. Wirst gewiß du allein aus allen derjenige seyn, der dies alles einem Ausländer zu Gefallen thue, ehe er sich auch nur ein eintzigesmahl erkundige, wer derselbige seye? ob solchen Kosten der Beutel ertrage, oder nicht? ob man wohl auch der Bezahlung halber versicher seye? warthe ein Weil, bis wir dieses von dir glauben. Es ist gewiß nicht Stadtkündig, was du für ein schindhäriger Kis sen-Pfenning seyest, also daß man leichter der Katz den Speck, als dir einen Kreutzer könnte abjagen.


Jetzt rede, jetzt schwöre, jetzt verantworte dich. Was zitterest? [247] was erstaunest du, dein böses Gewissen macht dich bleich; welche Farb allen Schelmen und Dieben gemein ist, und dein verstelltes Angesicht gibt genugsam zu erkennen, daß du ein verlogner, Ehrvergessener, überwiesener Mann seyest. Aber was braucht es so viel Wort, wo man den Augenschein haben kan; man schicke hin in des Wirths Haus, und lasse nachsuchen, in obgedachtem, grün angestrichenen Kasten gegen der Bethstatt über, in dieses Bößwichts Kammer, zu unterst, rechter Hand in dem Winckel, wie man aufthut, wird man einen verpetschirten Sack voll Geld finden, so diesem unbillicher Weiß beklagten Soldaten zugehörig ist. Und sofern sich nicht alles, wie ich da aussage, also befindet, Hochansehnliche Richter! will ich meinen Kopf verlohren haben.«


Mit diesen Worten beschlosse er sein Red, und wiche etliche Schritt wiederum zuruck auf ein Seiten.


Das ware nun ein gantz unverhofter Streich. Die Richter über so hertzhafte Verantwortung wurden eine Zeitlang allerdings stumm, und sahen einander an: absonderlich dem Wirth wurde hierdurch das Lebendige getroffen. Er hätte vor Gift und Zorn zerspringen mögen, und konnte nicht begreiffen, welcher Teufel doch ewiglich diesem Blauhütler alle Geheimnussen so umständlich müsse entdeckt haben. Man sahe es ihm im Gesicht an, daß es nicht recht hergienge. Herentgegen frolockte der Soldat, und bedanckte sich gegen seinem Vorsprecher, daß er der Wahrheit und Unschuld so treulich Beystand geleisten hätte.


Man befahle denen Partheyen einen Abtritt zu nehmen, und nach gethaner Umfrag wurde beschlossen, die Gerichts-Diener in des Wirths Haus zu schicken, mit Befehl, den Schlüssel von der Wirthin zu obbeschriebenen Kasten zu begehren, oder mit Gewalt aufzubrechen, und einen gewissen verpetschirten Sack mit Geld (den man ihnen mit mehrerem beschriebe) ohnverzüglich anhero zu bringen. Als nun solcher Rath-Schluß auch dem Wirth angedeutet wurde, und man ihn ermahnte, GOtt die Ehr zu geben; und wann er sich schuldig wüßte, die Wahrheit redlich zu bekennen; beklagte er sich höchlich, als über ein unerhörte Sach, daß man ihm auf das blosse Aussagen eines Fremdlings, der nichts mit Grund darthun könnte, wollte lassen Truchen und Kästen eröfnen, worfür er feyrlich protestirt, und gebetten wollte haben. Aber umsonst. Die Vollziehung des Befehls gienge fort: worauf dann der Soldat und sein Beystand starck trangen. Wie nun der Wirth sahe, daß er nichts ausrichtete, fienge er an erschröcklich zu fluchen: GOtt sollte keinen Theil an ihm haben, der Teufel solle ihn zerreissen, wann er, oder sein Weib jemahlen einen Heller von dem Soldaten empfangen. [248] Man ermahnte ihn, zu schweigen, so gar der verstellte Beystand gewarnete ihn, mit Schelten und Fluchen nicht zu laut zu schreyen; der Teufel habe dünne Ohren, man dörffe ihme nicht lang ruffen, er komme für sich selbst schon. Er aber fuhre in seiner verstockten Weiß fort, und betheuerte abermahl mit einem erschröcklichen Fluch: Der Teufel sollte ihn mit Leib und Seel an der Stell hinführen, wann er die Unwahrheit redete. Hierauf fienge der verstelte Beystand an die Gestalt zu veränderen, in dem Angesicht schwartz zu werden, ihme lange Nägel an den Händen, und Hörner auf dem Kopf herfür zu gehen, und mit feurigen Augen und gantz entsetzlicher Stimm sprache er:Nun, so seye es dann, weilen du es also haben willst. Siehe! da bin ich. Und mit diesen Worten ergriffe er ihn bey der Gurgel, und mit erschröcklichem Getöß, Erschüttung des gantzen Gebäues, in Ansehung aller Anwesenden führte er ihn zum Fenster hinaus, über den Platz durch den Luft fort, also daß man kein Härlein mehr von ihm gefunden. Allen Anwesenden stunden die Haar gen Berg: etliche vor Forcht und Zitteren schryen überlaut; andere sancken schier dahin in eine Ohnmacht, andere sahen nach der Thür um, und lieffe einer da, der andere dort hinaus. Auch der Soldat erschracke, und erzählte, was sich vergangene Nacht mit ihm, und dem bösen Feind in der Gefängnus verloffen; und wie weit er sich eingelassen, ihne für einen Beystand zu gebrauchen: hätte aber gleichwohl nicht vermeynt, daß die Sach einen solchen Ausgang nehmen wurde. Unterdessen wurde der Sack mit Geld von denen Gerichts-Dienern auch herbey gebracht, dem Soldaten eingehändiget, und er auf freyen Fuß gestellt, nicht ohne sonderbahre Verwunderung über die Urtheil GOttes, welcher den bösen Geist für einen Werckzeug hätte wollen brauchen, die unterdruckte Unschuld zu retten, und die Boßheit zu straffen. Wie es der Wirthin ergangen, meldet der Geschicht-Schreiber nicht: hab auch ich ferners davon nichts zu berichten. Martinus Delrio S.J. Libro Magicarum Disquisitionum Parte 1 ma. Quæst. 7. Sect. 1.


Was hat diesem Wirth seine Untreu, Geldgierigkeit, und falsches Fluchen auf sich selbst genutzt, als daß er das Gewissen verletzt; GOtt schwerlich beleydiget, einen Unschuldigen in Leib- und Lebens-Gefahr gebracht, sein Ehr und guten Namen dabey eingebüßt, und letzlich mit Leib und Seel dem Teufel selbst ist zu Theil worden? und wann GOtt schon nicht allzeit so erschröcklich straft, so thut ers doch zu Zeiten, und hats auch an diesem diebischen Wirth gethan, anderen zu einem Beyspiel, daß sie sich daran stossen sollten. Und wann GOtt das thäte, O wie wenig wurde man mehr von solchen Lasteren, welche den unglückseeligen Wirth um Leib und Seel gebracht, hören müssen.

37. Exempel
[249] Sieben und dreyßigstes Exempel.
Ein alter Greiß, so vor vielen Jahren einen Todschlag begangen, wird auf ein wunderliche Weiß verrathen.

Zu Lucern im Schweitzerland, ware ein alter Greiß, und (wie man darfür hielte) fromme Einfalt. Der sasse einstens, nach Spitaler Brauch, vor der Haus-Thür an der Sonnen; die ihn vielleicht so bald nicht mehr anscheinen wurde, erinnerte sich aber nicht des teutschen Sprüch-Worts;


Nichts ist so klein gesponnen,
Es kommt einmahl an die Sonnen.

Dieser alte Bößwicht aber hatte einen gar groben Faden gesponnen, den zuletzt der Hencker müste abhasplen. Weilen er also auf dem Bäncklein sasse, und entweders schlummerte, und mit dem Kopf gnappete, oder die Zeit mit Schwätzen vertriebe, begabe es sich, daß ein grosser Hund mit eines Menschen Todten-Kopf zwischen den Zähnen, über den Platz, die lange Gassen herab geloffen kame. Männiglich erschracke ab diesem Spectacul, der Hund aber liesse ihm weder mit Schrecken, noch Trohen die erhaschte Beuth abjagen, sondern trange durch den herumstehenden Haufen Volcks; nahme den geraden Weeg zu gedachtem Spitaler, einem 70. oder 80. jährigen Greisen, legte ihm den kahlen Todten-Kopf in den Schooß, und machte sich ohne einiges Bellen wieder davon. Man verwunderte sich über eine so seltsame Sach, und sahe den Alten starck an. Er aber gantz ertattert und von seinem bösen Gewissen getrieben, stunde auf, und bekennte offentlich: Wie daß er beyläuffig vor 30. Jahren in dem nächst gelegenen Wald einen Studenten habe umgebracht, aus Hofnung, ein Stuck Geld bey ihme zu erhaschen; hätte aber mehr nicht als 3. Kreutzer gefunden, und darauf den Leichnam in ein Gruben geworffen, und eingescharret. Jetzt erkenne er die gerechte Urtheil GOttes, und verstehe von diesem Botten, den ihm GOtt zugeschickt, zu genügen, daß er von dem so unschuldig ermordten Studenten für Gericht beruffen werde. Die Sach kame bald für die Obrigkeit, der boßhafte Thäter wurde eingezogen, gerichtlich befragt, und auf eigene Bekanntnus zu dem Schwerdt verdammt. Stengelius Tom. 4. de Judiciis divinis cap. 52. num. 3.


Gerechter GOtt! wie weist du einen Todtschläger so wunderlich zu finden, und beym Kopf zu nehmen, wann er sich geduncken laßt, als gedencktest du seiner nicht mehr! O nein! du verschiebest zwar unter weilen die Straf, aber du schenckest sie darum nicht. Und was Wunder? Unschuldig-vergossenes Blut schreyt ohne Unterlaß [250] Rach zu dir. Und da muß erfüllet werden, was du gedrohet hast Gen. 9. Wer Menschen Blut vergießt, dessen Blut soll auch vergossen werden.

38. Exempel
Acht und dreyßigstes Exempel.
Vil Erben aus einem gräflichen Geschlecht steigen nach dem Tod auf einer feurigen Leiter in die Höll hinunter.

Es ware ein teutscher Graf; der führte dem äusserlichen Schein nach ein auferbäuliches Leben, welches er auch (wie man glaubte) mit einem guten Tod beschlosse. Aber die Sach verhielte sich gantz anderst. Dann als einsmahls ein frommer Geistlicher für ihn bettete, eröfnete sich vor ihm die Erden; und er sahe in einen tieffen finsteren Abgrund hinab, woraus Rauch und Feuer-Funcken schlugen. Mitten aus den Flammen wurde er gewahr einer bis auf den Ranft herauf angelehnten Leiter, auf deren Staffel vil aus dem Geschlecht dieses Grafens einer nach dem anderen hinabgestigen, also daß der ältiste aus ihnen auf dem untersten; der jüngst-verstorbene aber auf dem obersten stunde. Wie er nun heftig ab diesem Gesicht erschrocken, und die Ursach solcher Peyn von GOtt zu wissen verlangte, hörte er ein Stimm, die ihm sagte: es geschehe solches zur Straf dieses Geschlechts wegen eines geistlichen Kirchen-Guts, so einer der Uran-Herren zu Metz in Lothringen, St. Stephan unbillicher Weis entzogen, und auf seine Erben nunmehr bis auf das 10te Glied gebracht hätte. Weilen derohalben die Erben um den gantzen Handel wohl gewußt, oder hätten wissen können, wann sie nur hätten nachfragen wollen; und dannoch keiner aus ihnen solches Gut zuruck gestellt, darum wären alle verdammt, und mache jedesmahl einer dem anderen Platz auf der Leiter, daß er möge hinnach steigen, so oft einer aus diesem Geschlecht stirbt. Worauf das gantze Gesicht verschwunden. Baronius Tom. 11. ad Annum Christi 1055.


Wem solle hie nicht in Sinn kommen der ernsthafte Spruch Christi bey dem Heil. Lucas am 18. Cap. O wie schwärlich kommen, die wohl bey Geld-Mittlen seynd, in das Reich GOttes! und wiederum: leichter wird ein Cameel durch ein Nadelloch gehen, als ein Reicher in Himmel. Uber welche Wort der Heil. Bernard diesen denckwürdigen Spruch hat: Das Cameel-Thier hat nur einen Buckel, der es beschwärt; der Reiche aber zwey: und also ein grössere Burde: eine voll der zeitlichen Güter; die andere voller Sünden. Die erste Burde wird im Tod abgelegt; die andere (er wolle, oder nicht) muß [251] er behalten; und wird davon in die Höll hinunter gedruckt, wann er sie nicht vor seinem End noch ablegt.

39. Exempel
Neun und dreyßigstes Exempel.
Ein Wucherer will aus Lieb wegen seinem Weib und Kindern ehender verdammt werden, als den ungerechten Gewinn heimstellen.

Es war ein Wucherer der in dem Tod-Beth einen Pater aus dem Franciscaner-Orden zu sich beruffen, und zu besserer Abfahrt eine reumüthige Beicht bey ihm abgelegt hat. Der Pater (wie es dann seyn mußte) ermahnte den Krancken seiner Schuldigkeit: wie er nemlich müßte allen ungerechten Gewinn, den er durch Wucher erworben, denen jenigen heimstellen, so dardurch bebeschädiget worden. Der Krancke, so schwer es ihn ankame, liesse einen geschwornen Schreiber beruffen, und ein förmliche Schrift aufsetzen, Kraft welcher seine Erben, Weib und Kinder solten schuldig seyn, an statt seiner den ungerechten Wucher heimzustellen. Worauf ihm der Pater die Heil. Absolution ertheilt, und wiederum nach Haus gangen. Das Weib, nach verstandener Sach, kame samt allen Kinderen für das Beth: fienge ein erbärmliches Weinen und Klagen an: ach mein Mann, (sagte sie) wo gedenckst du doch hin, daß du dir ein so schwere Burde auflegest, und die jenige, die du bey Lebs-Zeiten so inniglich geliebt hast, erst nach deinem Tod in Schand und Spott stürtzen woltest? wann wir alles wieder zuruck geben solten, worzu dich der Beicht-Vatter verbunden, was wurde uns von aller Verlassenschaft überbleiben? das wäre ja nicht anders; als deinen liebsten Theil, dein eigen Fleisch und Blut an Bettel stossen? ach! so bitte ich dann dich samt deinen und meinen Kinderen durch alles, was dir lieb ist, du wollest dich doch eines Besseren bedencken, und deinen letzten Willen änderen. Was vermag die Lieb nicht? was erhalt ein Weib nicht? wann sie mit Zäheren aufgezogen kommt? der bethörte Krancke, von so kläglicher Gestalt der Seinigen bewegt, liesse die vorige Schrift durchstreichen, und eine neue aufsetzen, worinn er all sein Geld und Gut seinem Weib und Kinderen verschaffte, und nicht die geringste Meldung von einer Heimstellung thate. Als nun der Pater wieder zuruck gekehrt, zu sehen, wie es um seinen Krancken stunde, und dessen, was in seiner Abwesenheit vorbey gangen, verständiget worden, brache er voll göttlichen Eyfers in folgende Wort aus: weil du dein billiches [252] Vorhaben verändert, so wiederruffe ich auch die dir ertheilte Absolution. Er wolte mit diesen Worten so vil sagen: daß ihm die empfangene Absolution, wegen des von neuem gefaßten sündhaften Willens, nicht heimzustellen, was er schuldig war, nichts nutzen wurde zum Seelen-Heyl. Kaum hatte der Pater solches ausgeredt, sihe da floge ein schwartzer Raab zum Fenster herein (oder vilmehr) ein böser Geist in dieses Vogels Gestalt) der die allbereit ausfahrende Seel des verdammten Wucherers in den Schnabel aufgefangen, und in die Höll getragen hat. Chronica Minorum S. Francisci P. 3. l. 5. c. 2.


Was für ein entsetzliche Thorheit um Weib und Kinder willen ewig wollen verdammt seyn; nur, damit man sie nicht betrübe! O du unglückseeliger! was hast du anjetzo von ihnen zu hoffen? werden sie dir helffen? werden sie dich trösten können? seynd sie in einem Stand, wie du gestorben, so dienen sie dir nur zur Vermehrung deiner Peyn. O wie wirst du anjetzo sie; und im Gegentheil sie dich verfluchen! lassen ihnen das alle, die da Weib und Kinder haben, zu einer Warnung dienen. Tragen sie zu ihnen eine solche Lieb, daß sie sich beynebens nicht selbsten in das ewige Verderben stürtzen. Das eigene Heyl gehet allen vor.

40. Exempel
Viertzigstes Exempel.
Ein armer Steinmetz, so lang er in der Armuth gelebt, war er fromm und gottsförchtig, so bald er aber zu unverhoften Reichthum gelangt, ist er gottloß und verkehrt worden.

Um das Jahr Christi 528. zur Zeit Kaysers Justini, des älteren lebte in Thebaide, einer Landschaft inEgypten, ein armer, aber tugendhafter Steinmetz, mit Namen Eulogius. Er war ein sonderbarer Spiegel der GOttes-Forcht, Andacht, Keuschheit, Mäßigkeit, Gedult, und Liebe gegen dem Nächsten; als welcher neben strengem Fasten das wenige Geld, so er mit seiner Handthierung gewunnen, unter die Arme ausgetheilt. Denen Fremdlingen gienge er wie ein anderer Abraham, entgegen, wusche ihnen die Füß, und führte sie in seine Behausung. Nicht weniger erzeigte er sich freygebig gegen denen Haus-Armen seines Fleckens. In Summa: wer alles, was dieser arme Handwercks-Mann denen Nothdürftigen ausgetheilt, überschlagen wolte, wurde vermeinen, er wäre ein wohlhabender reicher Herr gewesen: also reichlich hat ihm seine grosse Armuth eingetragen.


Auf eine Zeit begabe es sich, daß ein Einsidler mit Namen Daniel (so wegen seiner grossen Tugend im Ruff [253] der Heiligkeit stunde) bey diesem Eulogio einkehrte; von dem er nicht anderst, als ein Engel vom Himmel mit grosser Lieb und Dienstbarkeit empfangen worden. Der Einsidler, als ein geistreicher Mann, erkennte alsobald in diesem armen Steinmetz ein so grosse Vollkommenheit, daß er sich nicht genug darüber verwunderen konte; beynebens auch, daß GOtt an allen Orten seine Diener habe. Er gewanne also zu seinem tugendhaften Gastgeb eine solche Liebe, daß er von dieser Zeit anfienge für ihn zu betten, und zu fasten, damit er ihme von GOtt bessere Mittel sich zu ernähren erlangen möchte. Ja sein Eyfer brachte ihn so weit, daß er nicht mehr gedachte, was er begehrte; weilen er sich nicht mehr erinnerte, daß GOtt auch seine grosse Freund, den Eliam, Paulum den Eremiten, und andere, allein mit Wasser und Brod ernähret habe. Er fienge an sich gegen GOtt zu beklagen, daß er den grossen Sünderen überflüßige Reichthum gebe, die sie doch zur Hoffart, Unlauterkeit, und anderen Lasteren mißbrauchten; diesem armen Steinmetz aber, dem alle Gold-reiche Flüß ihre Schätz ohne Unterlaß mittheilen solten, also hart mit der Armuth ringen liesse; dardurch er von seiner Andacht, und gottseeligen Ubungen mercklich verhindert wurde. Als er deswegen auf eine Zeit mit ungewöhnlichen Anhalten, und Fasten (welche sich in die 3. gantze Wochen erstreckt hatte) den Himmel beunruhiget, hörte er von dannen eine Stimm, welche ihn von seiner unbescheidenen Bitt abzustehen vermahnt, und sagte: was bemühest du dich so vil, dem Eulogio Reichthum zu erlangen? es wäre nicht für ihn: dann er wurde samt der Armuth auch sein Gewissen, Tugend und Vollkommenheit verliehren. Höre also auf schädliche Ding für ihn zubegehren. Allein der Einsidler, so allbereit von seinem unzeitigen Eyfer verblendet war, damit er sein Begehren erhielte, antwortete, und sagte: er wisse das Widerspiel. Eulogius seye in der Vollkommenheit schon so weit kommen, daß er sich der Reichthumen nicht mißbrauche; sondern vilmehr denen armen Betrangten reichlicher beyzuspringen bedienen wurde: er wolle sein Leib und Seel für ihn verpfänden.


Hierauf hat GOtt diese des Einsidlers gar zu vermessene Frechheit abzustraffen zugelassen, daß Eulogius in kurtzer Zeit sehr reich, und ein grosser Herr worden; weilen er bald darauf, als er ungefehr in die Erden grube, einen grossen Schatz gefunden. Da hätte einer billich sagen können, daß dieser arme Steinmetz, indem er den Schatz aus der Erden gegraben, zugleich alle seine Frommkeit und Tugend darein vergraben habe; weilen er alsobald ein anderes Leben angestellt. Dann der zuvor in grosser Armuth unter währender rauher und strenger Arbeit das Lob GOttes unabläßlich, wie ein Distel-Vogel unter den Dörneren[254] gesungen, fienge nunmehr an, unter diesem goldenen Last zu seuftzen, angsthaft, verdrüßig, argwöhnisch und kranck zu werden. So vergasse er auch seiner gewöhnlichen Andacht; der Armen, und seiner selbst: indem er den gantzen Tag anders nichts, als sein Gold zählete, und von einer Kisten in die andere trug. Und weilen er in seinem Flecken gar zu wohl bekannt war, und also seinen Stand schwärlich änderen konte, begabe er sich in der Stille nach Constantinopel (so dazumahl die Haupt- und Residentz-Stadt des morgenländischen Kayserthums war) allwo sich unterschiedliche Völcker befanden; damit er desto freyer sein Vorhaben in das Werck stellen möchte. Er fienge an sich stattlich zu kleiden; höflich und sittlich zu werden; mit vornehmen Herren Kundschaft zu machen; den kayserlichen Hof zu betretten; sich unter den Soldaten des kayserlichen Leib-Regiments in den Waffen zu üben: und weilen er Geld vollauf hatte, gewanne er dardurch ihre Gunst dergestalt, daß er in wenig Jahren die Stell des Obersten in dem kayserlichen Leib-Regiment erlangt hatte. Also war dieser arme Steinmetz, der in seinem Haus kaum ein Katz ernähren konte in kurtzer Zeit ein Obrister über die Haupt-Wacht des Kaysers Justini erkläret worden. In diesem Stand gedachte er an den vorigen anderst nicht, als solchen zu vertuschen; noch an die vorige Freundschaft, als selbige zu vermeyden. Er kennete weder GOtt, noch die Menschen mehr, als zu seinem Nutzen und Diensten. Er prangte durch die Constantinopolitanische Gassen, wie ein irrdischer Gott. Seyden und Sammet waren ihm zu schlecht, wann sie nicht mit Gold schwer verbrämet waren. Seine Händ glantzten von Edel-Gestein: und welcher vorher mit harter Mühe kaum so vil zu sammen zu bringen vermöcht, daß er ihm ein Stemm-Eisen konte schmieden lassen, deme seynd anjetzo die silberne und goldene Geschirr zu schlecht, seinen Speichel darein zu werffen. Das Betten war ihm ein Creutz; das Fasten ein Marter; die Kirchen-Gebräuch ein Greuel. Dieser üble Stand kame her aus täglichem, köstlichem, überflüßigem Essen und Trincken; aus unmäßigen Kurtzweilen, und unreiner Liebe. Je schlechter sein Herkommen, und Stamm-Haus ware, je prächtiger und scheinbarer zeigte er sich: wie gewöhnlich zu thun pflegen diejenige, welche aus einem Ochsen- oder Geiß-Stall; oder gar unter einem Banck herfür gezogen zu hohen Aemtern und Ehren erhebt werden.


Indeme sich Eulogius in allerhand Wollüsten, als wie ein Schwein in dem Koth, herum wältzet, erschiene dem Einsidler (der da nicht wußte, wo sein Steinmetz hinkommen) ein erschröckliches Gesicht, durch welches er behend für den göttlichen Richterstuhl gezogen ward. Die höllische Geister hatten ihn mit ihren feurigen Hacken, und glüenden Ketten gantz umgeben. [255] Der strenge Richter sasse in Herrlichkeit auf einem Thron: zeigte ihm mit einem sauren Anblick einen Menschen, der in Rosen vergraben, und von den schnöden Wollüsten gantz verzehrt ware, und sprach: Ist das die Sorg, so du über deines Bruders Seel getragen? Hierauf wendete er sich zu den grausamen Gerichts-Dienern, und sagte: schlagt darauf, und verschonet diesem Widersprecher nicht. Der arme, und vor Schröcken halb todte Einsidler, erkennte alsobald, daß dieser verlohrne Mensch sein Eulogius wäre deme er also ungestüm die Reichthum erbetten, deren er sich aber allbereit mißbraucht hätte: warfe sich demnach vor dem Richter nieder; begehrte mit bitteren Zähern, er wolle mit seinem gerechten Urtheil eine Zeitlang einhalten; dann er kein Mühe noch Arbeit sparen wolle, damit er diesen armen Menschen auf den rechten Weeg bringe: Worauf das Gesicht verschwunden; er aber machte sich geschwind auf, und suchte seinen Steinmetz an dem Ort, da er von ihm zur Herberg aufgenommen worden; aber umsonst: weilen er allda Bericht bekommen, was gestalten er sich allbereit an dem Kayserlichen Hof zu Constantinopel in grösten Ehren und Glück aufhielte. Dieser Bericht bestättigte das Gesicht, so er kurtz vorher gesehen: eilete demnach der Kayserlichen Haupt-Stadt zu, allwo er wahr zu seyn befunden, was er von ihm vernommen hatte; indem er sahe, mit was Herrlichkeit er täglich Ihro Kayserlichen Majestät aufwartete; wie er mit allerhand Geschäften beladen denen Eitel- und Ergötzlichkeiten ohne Maaß ergeben ware; also, daß er einen gantzen Monat täglich um Audientz angehalten; solche aber niemahl erlangen können. Endlich begabe es sich aus sonderbarer Schickung GOttes, daß er solche in seinem innersten Zimmer, ohne Anwesen einiger Person erhalten. Alsobald gab er sich zu erkennen; erinnerte ihn seines Herkommens, seines Handwercks, seiner erlittenen Armuth; zeigte ihm an, was gestalten er ihm durch sein Gebett diese Reichthum und Ehren-Stand, in welchem er sich anjetzo befinde, von GOtt erhalten; verwise ihm behertzt sein grosse Undanckbarkeit, und Untreu gegen GOtt; ermahnte ihn ernstlich zur Buß und Besserung des Lebens, und entdeckte ihm die augenscheinliche Gefahr in welcher er stecke.


Eulogio war dieses eine seltsame Predig; als welcher lieber das Rauschen der sammeten und seidenen Kleider; den Klang lieblicher Saitenspiel, die grosse und höfliche Ehren-Titul hörte, als die Tadlung seines schlechten Herkommens. Fiele also dem Einsidler in die Red, überfuhre ihn mit harten Worten, und stiesse ihn mit grossem Unwillen für die Thür hinaus; fragte die Wacht: was sie für einen Narren bis in sein innerstes Zimmer passiren lassen? darob die Wacht ergrimmet, den armen Einsidler dermassen abgeprügelt, daß er weder gehen, noch stehen mehr konte. Endlich kroche er mit blutigem Kopf, und [256] wohl gesalbtem Rucken davon; und bathe GOtt inbrünstig mit vielen Zähern, er wolle Eulogium der Reichthum und Ehren-Aemter entsetzen, und an deren statt wiederum mit Armuth, Arbeit und Verachtung beladen; weilen kein anders Mittel, als dieses mehr übrig seye, ihne zu seiner selbst Erkanntnuß zu bringen. Er wurde auch von GOtt erhört; weilen der Kayser Justinus in kurtzer Zeit mit Tod abgangen; Justinianus aber, sein Nachkömmling eine andere Leibwacht bestellt, und Eulogium seines Diensts entlassen; welches dann in ihme einen Widerwillen gegen ermeltem Kayser erwecket; der auch ein Ursach seines ferneren Untergangs gewesen ist: indem sich in wenig Tagen ein grosse Aufruhr wider den neuen Kayser in der Stadt erhebte, als wolte sich das gantze Orientalische Reich samt der Hauptstadt unter über sich kehren.


Die Ursach war diese: zwey der vornehmsten Herren masseten sich des Reichs an; und zwar deswegen: weil ihnen von dem verstorbenen Kayser Justino kein genugsames Vergnügen wegen ausständigen Schulden geschehen. Sie zogen nicht wenig vornehme Herren an sich (unter welchen sich Eulogius auch befande) und erbitterten das gemeine Volck wider Justinianum, unter diesem Vorwand: Er bringe ungewöhnliche Aufklagen auf; er werbe aller Orten Soldaten; fülle die Stadt mit Wehr und Waffen, wie auch aufrührischen Völckern an, unter dem Schein, die Stadt zu beschützen; in der That aber selbige auszuplündern, mit Mord und Jammer anzufüllen. Allein der Kayser Justinianus kame dieser Aufruhr vor; liesse die Rädelführer gefangen nehmen, und um den Kopf kürtzer machen. Eulogius, so mit ihnen (wie vermeldet) unter der Decken lage, wolte dieses Tractament nicht erwarten; machte sich bey Zeiten aus der Stadt; brachte nichts, als sein boshaftige Haut davon, da unterdessen all sein Vermögen in die Kayserliche Schatz-Cammer gezogen worden. Der arme Tropf wußte nichts mehr zu beissen, noch zu nagen; ergriffe widerum sein Stemm-Eisen; verkroche sich in ein unbekanntes Ort, damit seine Sünd und Laster nicht weiter bekannt wurden; hebte mithin an, mit seinem Handwerck das tägliche Brod wiederum zu verdienen, und sein ärgerliches Leben durch Buß-Werck zu verbesseren.


Unterdessen richtet es die göttliche Vorsichtigkeit so wunderbarlich, daß der Einsidler Daniel abermahl über Feld reisete, und ungefähr seinen bekannten Steinmetz antraffe; der ihn anjetzo viel demüthiger, als zu Constantinopel empfienge, und anhörte. Zu diesem sagte der Einsidler: Was ist das? mein Eulogi! hat die Comödi ein End? hast du die Faßnacht-Kleider abgelegt? Auf dieses antwortete Eulogius aller schamroth: Er bekenne seine Schuld, und grosse Undanckbarkeit gegen GOtt, dessen Gutthaten er höchlich mißbrauchet hätte; und dafern er wiederum [257] für ihn betten wolte, solle er doch nicht begehren, daß er wieder nach Hof, allwo er sein Unschuld verlohren, kommen möge; sondern allein, daß er nicht so hart mit der Armuth ringen müsse: er wolle solcher Gutthat sein Lebtag nicht mehr vergessen. Der Einsidler antwortete ihm: Mein Freund! du wirst mich ferner nicht mehr betrügen: deine Thorheiten haben mich kluger gemacht, als ich zuvor ware. Obwohlen die Armuth beschwerlich ist, so ist sie dir doch zu deiner Seelen Heyl sehr nothwendig. Derohalben seye mit dem Stand, in welchem du gebohren, zu frieden, und begehre keine Reichthum mehr; als welche dir zu keinem anderen Ziel und End dienen, als dich in das zeitliche und ewige Verderben zu stürtzen.

Caussinus in seiner heiligen Hofhaltung dritten Theil, ersten Buch, 10. Capitel.

Wie kommt da auf den Buchstaben heraus, was der Apostel sagt. 1. Tim. 6. Die da reich wollen werden, fallen in Versuchung, und in den Strick des Teufels, und in viel unnütze und schädliche Begierden, die den Menschen ins Verderben, und in die Verdammnuß sencken! darum sollen sich die Armen nicht beklagen; sondern mit ihrem Stand, in welchen sie von GOtt gesetzt worden, zu frieden seyn; in Bedencken, daß sie mit der Armuth sicherer in den Himmel kommen; da hingegen die Reiche in grosser Gefahr stehen, wann sie die Reichthum (wie gemeiniglich geschehen pflegt) mißbrauchen: dann Gut macht Ubermuth.

41. Exempel
Ein und viertzigstes Exempel.
Ein tapferer Kriegs-Held kommt durch wundersame, und traurige Begebenheiten um seine Frau Gemahlin, zwey Söhnlein, Bediente, und Kriegs-Leut; samt grossen Reichthum.

Emanuel Sosa, ein tapferer, und erfahrener Kriegs-Held, hat zwar durch viel rühmliche Thaten, so er seinem König in Portugal, als Commendant über ein berühmten Meer-Hafen, und See-Stadt in Ost-Indien, treulich geleistet; hernach aber durch wundersame und traurige Begebenheiten seinen Namen der Nach-Welt zur Gedächtnuß hinterlassen. Als er auf dem Gipfel des Glückstands, worzu ihme sein eigene Tugend, und Tapferkeit den Weeg gebahnet, stunde, entschlosse er sich, dessen ruhig, und in seinem Vatterland zu geniessen. Stiege demnach im Jahr 1553. mit seiner hochedlen Gemahlin Eleonora, einer Tochter des Unter-Königs in Ost-Indien, zwey Söhnlein, Bedienten, Kriegs-Leuten, neben grossem Reithum, so er in Indien gesammlet, zu Schif, und liesse die Segel nach Portugall fliegen. Wind und Wetter waren ihnen Anfangs sehr [258] günstig; bis sie zu den äussersten Gräntzen des Welt-Theils Africä gelangt seynd. Allda schiene es unversehens, als wann Himmel und Erden wider sie zusammen geschworen hätten. Die West-Wind fiengen an zu brausen; das schwartze Gewölck sich zu sammlen; der Himmel zu donneren, und zu blitzen; das Meer sich aufzublähen; die Wasser-Wellen wie grosse Berg aufzusteigen; das Schif nicht allein zuruck, sondern bald in die Höhe, bald in die Tiefe dergestalt getrieben und geworfen zu werden, daß man augenblicklich nichts anders, als den erbärmlichen Untergang zu gewarten hatte. Sie bemüheten sich zwar, das Schif-Ancker fest zu machen; allein es wolte nichts helfen. Also mußten sie sich werfen und schwingen lassen, wie, und wohin es der Ungestümme gefällig ware. Als nun der Mastbaum und Segel zu Schanden gerichtet, auch das Schif an vielen Orten durchlöchert war, triebe sie ein Sud-Wind zu einem gefährlichen Meer-Hafen; wohin sie aber eben dieser Ursach willen nicht länden wolten. Nach gepflogenem Rath setzte sich Emanuel samt seiner Gemahlin, Kindern, und Bestem, was er hatte, in ein Neben-Schiflein, und ware äusserst bemühet, das Land zu erreichen. Unterdessen aber erhube sich bey denen, die im Schif verblieben, ein erbärmliches Jammeren und Heulen; und weilen das allenthalben beschädigte Schif zu sincken begunte, ward ein jeder besorget, so gut er vermöchte, sein Leben zu retten. Manche trachteten mit Schwimmen ans Land zu kommen; wurden aber von den Trümmern des Schifs, Kisten und Kästen, so im Meer herum schwebten, gequetscht, und mercklich verhindert. Andere hatten zu ringen mit den Wellen und Winden, bis sie von denselben überwunden in die Tiefe gestürtzt wurden. Das Heulen und Jammeren ward des Brausens und Sausens halber von Niemand vernommen, als von denen, die es selbsten angienge; die aber ihnen selbst so wenig helfen konnten, als diejenige, denen es nicht zu Ohren kame. Viertzig Portugesen, und siebentzig andere Lands-Gebohrne hat das unersättliche Meer verschlucket; die übrige aber haben durch unterschiedliche Mittel, wiewohl kümmerlich, das Land erreicht.


Demnach Sosa mit seinem kleinen Häuflein auch an das Gestatt kommen, sahe er allbereit viel todte Cörper deren, so das Meer dahin geworfen, daher schwimmen; gleichsam begehrten sie zur Erden bestattet zu werden: andere aber, so halb tod, oder hart verwundet, schrien um Hülf und Labung. Der betrübte Held ertheilte beyden, so viel möglich, seine willfährige Hülfleistung; wiewohl ihm dieser elende Zustand das Hertz fast entzwey schnitte. Er begrube die Verstorbene; erquickte die Schwache und Ohnmächtige, sprache allen Muth und Hertz ein, die von GOtt gesandte Verhängnuß mit Christlicher Gedult zu übertragen: worinn er auch selbst samt seiner Gemahlin allen anderen mit dem Beyspiel vorgienge. [259] Sie aber von so treu-meinender Red ermuntert, übergaben sich insgesamt seinem Gefallen, und gelobten an; ihme, als ihrem Herrn und Hauptmann überall, und in allen Dingen zu folgen, wo er sie auch hinleiten, oder was er immer von ihnen begehren wurde. Nach Verweilung von 13. Tagen zogen sie Ost-wärts gegen einem bekannten Fluß in das Land hin ein, zu sehen, ob sie allda einige Hilf antreffen, und zur Fortsetzung ihrer Reis möchten angewiesen werden. Der Schif-Herr, Andreas Vatz, gienge voran mit einem grossen Creutz in der Hand; ihme folgte Emanuel, sein Gemahlin Eleonora, und die Kinder: hernach 80. Portugesen: 100. Kriegs-Knecht: endlich die übrige Schif-Bursch, Diener, und Mägd, samt den Krancken, und Beschädigten, so diesen elenden Hauffen beschlossen. Sie mußten manches von den Mördern, und wilden Thieren unsicheres Ort durchreisen: jetzt über hohe abhängige Berg-Felsen; bald in tieffe Thäler sich hinab lassen; durch unwegsame sandige Wüsten ziehen; über angeloffene Ströhm, und morastige Pfützen setzen, nicht ohne 1000. Ungemach, und stete Gefahr des Lebens. Jedoch zeigte sich Eleonora über ihr weibliches Geschlecht hierinn sehr großmüthig, und behertzt, als welche diesen so beschwerlichen, und fast 100. Meil langen Weeg mehrentheils zu Fuß abgelegt; auch (ihre Bediente zu entheben) die Kinder selbst auf den Armen, oder Rucken dahin getragen hat.

In solcher Müh-vollen Beschwernuß verflosse fast ein gantzer Monath, nach welchem die Nahrung, und nothwendige Lebens-Mittel begunten abzunehmen; dannenhero sie sich eine Zeitlang mit denen von dem Meer ausgeworffen, und allbereit stinckenden Fischen ernähren; da aber auch diese nicht vorhanden, oder erklecken wollten, mit den unzeitigen Früchten, wilden Kräutern, und Baum-Blättern, ja wohl auch mit dem Aas wilder Thieren, deren gebratenen Gebein, und im Wasser erweichten Häuten zu frieden seyn mußten. Etliche, bey denen der Hunger all zu starck anhielte, aus Begierd, etwas anzutreffen, verzogen sich etwas in Wald; wurden aber unter Weegs von der Schwachheit überfallen, und seynd selbsten den wilden Thieren zur Speis worden. Niemand trunge dieser schmertzliche Zustand empfindlicher in das Hertz, als eben dem unglückseligen Sosa, welches bey so ungütigem Anstoß (wie unschwer zu gedencken) leichtlich hätte mögen zu Trümmer gehen. Aber durch eigene Schwachheit andere nicht kleinmüthig zu machen, und dergestalt in beyden das Elend zu vergrösseren, wußte er nicht allein seinen Unmuth meisterlich zu verdecken; sondern auch anderen Muth und Gedult einzureden; bevorab, weil er sahe, daß seine Gemahlin ein zartes, und des Ungemachs gantz ungewohntes Frauen-Bild, die Bitterkeit des Unglücks mit beständigem Muth verkostete, ihre Kinder selbst auf dem Rucken truge, Früchten und [260] Blätter für die Hungerige sammlete, und sich nicht einmahl wider GOttes Verhängnuß beklagte.


Es verflossen bey dieser Mühe- und Leid-vollen Reis 4. gantze Monath: da gelangten sie endlich bey obgedachtem Fluß an; wurden auch daselbst von einem Heydnischen Mohren-König, der sich über ihr Unglück, und elenden Stand gantz mitleidig erzeigt hatte, nicht allein freundlich empfangen, sondern auch mit allem Behuf, und Lebens-Mitteln gutwillig versehen. Weilen er auch ehedessen der Portugesen Hilfleistung erfahren, oder derselben noch inskünftig bedürftig war, wollte er sie aus tragender Zuneigung, und danckbarem Gemüth gantz treulich gewarnet haben, daß sie sich vorsehen, auch nicht weiter begeben; sondern bey seinem Hof verweilen, und der Gelegenheit, so sich etwann ereignen möchte, nach Portugal zu seglen, erwarten wollten: weilen von nächst gelegenen König, dahin sie ihren Weeg nehmen wollten, ihnen nichts, als Unheil, und augenscheinliche Lebens-Gefahr bevorstunde. Je freundlicher aber dieser Heid sich gegen Sosa erzeigte, je verdächtlicher fiele ihm dessen Anerbieten, und wohlmeinende Warnung; aus Beysorg, unter diesen Rosen (wie es dann öfters geschehen) möchte etwann ein Gift verborgen seyn, und sie davon unverhoft beschädiget werden. Also schlagt der Menschen Klugheit zum öfteren aus, sich selbst zu betrügen; und was zu forderist ersprießlich seyn könnte, wird durch ungegründeten Argwohn geflohen. Weilen nun der gutwillige Mohren-Fürst mit allen Rathen, und Warnen seine Gäst vom Untergang nicht abziehen konte, gabe er ihnen auf innständiges Anhalten etliche Schiflein, den nächsten Fluß hinab zu fahren, und endlich überzusetzen. Also gienge Sosa neben 100. und 20. seiner Gefehrten, so von 600. noch übrig waren, zu Schif, und erreichten erst am fünften Tag das Land, allwo er bey nächtlicher Weil ausgestiegen. Des anderen Tags zeigte sich ein Geschwader von 200. Mohren, so geraden Weegs auf sie zu ritten: weilen sich aber die Portugesen zur Gegenwehr stellten, und die Feuer-Rohr sehen liessen, hielten die Mohren still, und erforschten durch einen, den sie voraus gesendet, wer, und woher sie dahin gelangt wären. Sosa liesse ihnen zur Antwort ihr Unglück wissen; reichte ihnen etwas von schlechtem Eisen-Geräth, und begehrte hinwiederum einige Nahrung darvor. Die Barbaren entschuldigten sich, daß sie dermahlen nichts bey Handen härten; wollten sie aber ihnen in die Stadt, und zum König folgen, so wurde ihnen nicht allein nichts feindseliges, sondern alles gutes wiederfahren.


Die äusserliche Freundlichkeit dieser Heyden betroge damahls den sonst klugen Helden, daß er ihren Worten Glauben gabe, und samt den Seinigen (jedoch in guter Ordnung, und bewaffnet) der Stadt zu zoge. Als [261] der König (deme unterdessen alles hinterbracht worden) sie dergestalt, das ist, bewaffnet daher kommen sahe, begunte er sich in etwas zu förchten: damit er sie aber desto leichter in sein Netz bringen möchte, liesse er sich durch etliche Abgeordnete entschuldigen, daß er sie anjetzo der Gebühr nach, und zu Hof nicht bewürthen könte: Alldieweilen ihre Rüstung seinen Leuten schröckbar, und zuwider wäre: von denen sie in solchem Aufzug nicht wurden bedient werden. Wofern sie aber Wehr und Waffen von sich legen, und als vertraute Freund mit ihme umgehen, und handlen wollten, sollte ihnen alle Lieb und Ehr, so wohl von seiner Person, als von seinen Untergebenen wiederfahren; sie in unterschiedliche Flecken ausgetheilt, und mit allerhand Nothdurft nach Genügen versehen werden.

Allen gedunckte dieser Vortrag gut, und thunlich zu seyn; allein der klugen Eleonorä fiele alles verdächtig: welche sich doch aller anderer Meinung nicht widersetzen wollte, noch konte. Also wurden die Gemeine hier und dort in die Flecken vertheilet; Sosa aber, sein Gemahlin, und etliche Bediente, bis in die 20. Personen, in die Stadt und Vestung eingeholet.


Der Tyrann vermeinte nun, das Gewild im Garn zu haben, und ihm den Garaus zu machen. Demnach liesse er die Diener und Schif-Leut von seinen Untersassen sehr übel halten; den Sosa aber samt den Seinigen alles dessen, was vom Schifbruch noch übrig war (allein die Kleidung, und das Leben ausgenommen) berauben, auch dergestalt als See-Rauber vom Hof, und aus der Stadt verstossen. Dazumahl verdoppelte sich das Leid in den Hertzen dieser betrübten Gesellschaft, nicht allein wegen gegenwärtigen elenden Zustand, darein sie sich ohne Hofnung einiger Hilf gesetzt sahen; sondern, und vielmehr, weilen sie dem treulosen Anerbieten des verstellten Tyrannens Glauben zu gestellt, und sich mit Dargebung der Waffen zu allem seinem boshaften Ansinnen bloß gegeben hatten. Aber kaum da sie auch diese Wunde mit der Gedult, und Gleichmüthigkeit auszuheilen gedacht waren, da überfiele sie ein andere Mohrische Truppe, entzoge ihnen mit Gewalt die noch allein übrige Kleidung, und liesse sie gantz nackend auf dem freyen Feld sitzen, und weheklagen.


Niemand empfande diese Unbild schmertzlicher, als eben Eleonora, dero fast eisene Gedult bey so gewaltigem Stoß sich dazumahl in etwas hat krümmen lassen. Sie runge mit den unverschamten Raubern, und bemühete sich mit Händ und Füssen zum wenigsten das Unter-Kleid zu erhalten; und, da solches nichts verfienge, fiele sie den Mördern zu Füssen und bate mit heissen Zähern, ihro so viel zu vergönnen, daß sie sich ehrlich bedecken möchte. Aber eins halfe so viel, als das andere. Dannenhero ihrer eigenen Schamhaftigkeit, und anderer Ehrerbietung zu steuren, sprange [262] sie auf einen Sand-Haufen, machte allda eine Grube, und versenckte sich darein bis zu der Gürtel; den übrigen Theil des Leibs verdeckte das herab hangende Haar ihres Haupts. Sie rufte zwar unabläßlich nach ihrem Ehe-Herrn; weilen er aber von den Mohren hinweg geführt sich nicht mehr sehen liesse, wendete sie sich zu dem Schif-Hauptmann, und allen anderen Bedienten mit nachfolgender Klag, und Urlaubs-Red:

»Geliebteste Freund! ihr habt bishero mir, und meinem Gemahl, euerem Herrn, dermassen treue, und beharrliche Dienst geleistet, daß wir nicht mehr von euch hätten begehren, noch erwarten mögen. Nun aber, weilen es GOttes unerforschlicher Rath also verordnet, daß uns dieselbe nicht mehr erspriessen können, so will ich euch hiemit euerer Pflicht entlassen, und entlediget haben: Damit ein jeder sein Leben fristen, und sich, so gut er vermag, in Sicherheit setzen möge. Wofern aber dem einem, oder anderen aus euch das Glück wiederfuhre (wie ichs dann von Hertzen wünsche) daß er nach Portugal gelangen sollte, so bitte ich inständig, er wolle die Meinige, so etwann hierum forschen möchten, von allem, so uns begegnet (besonders von diesem unglückseligen End, welches ich durch meine vielfältige Missethat verdient) ausführlichen Bericht ertheilen.«

Hierauf schwiege sie ein Zeitlang still, als hätten ihr die aufwallende Schmertzen die Stimm verlegt. Bald aber erhebte sie ihre Augen gen Himmel, und gosse mit heissen Zähern gegen demselben folgende Wort aus.


»O GOTT! der du HErr über mein Leib und Leben bist. Dein Verhängnuß ist gerecht; und deine Urtheil seynd gantz billig. Nackend und bloß bin ich auf die Welt kommen; nackend und bloß verlaß ich sie wiederum. Ich küsse, und verehre deine göttliche Hand, welche mich also gezüchtiget hat. Scheide auch gern von dieser Welt: weil du es also gebietest. Dann mir ist dein heiligster Will über alles. Was mir das Sterben konte bitter machen, seynd diese zwey kleine Kinder, die mir an meiner Seiten verschmachten. Aber, du bist ein Vatter der Waisen. Dir übergiebe ich sie zum Leben; oder zum Tod. Dann auch dieses will ich deiner göttlichen Vorsorg heimgestellt haben. Lasse dir auch die Seel meines Ehe-Gemahls, so er etwann verschieden, anbefohlen seyn; und dann endlich die Meinige, welche ich in deine vätterliche, Händ willig aufgebe. Und obwohlen dies in einem wilden, und unchristlichen Land geschiehet; so weiß ich doch, daß kein Ort in der Welt zu finden, dahin sich dein grundlose Barmhertzigkeit nicht erstrecke.«


In dem sie dieses redete kam Sosa, der den Mohren entrunnen war, eilends daher geloffen; zu sehen, wie[263] es mit den Seinigen stunde. Als er nun Eleonoram, samt den zwey Söhnlein in einem so elenden Stand angetroffen, stunde er ein Zeitlang redloß, und gantz unbeweglich; gleichsam, als hätte ihn der übermäßige Schmertz in einen Stein verwandelt. Demnach warfe er sich gantz trostlos in den Sand, als wollte er samt ihnen den Geist aufgeben. Sein Gemahlin, so auch allbereit die Red verlohren, sahe ihn mit betrübten, und halb sterbenden Augen an, von ihm den letzten Abschied zu nehmen, welches ihm dann viel tieffer, als alle vorher gehende traurige Fäll ins Hertz schnitte. Endlich stunde er wiederum auf; begabe sich in das Gehöltz des beyliegenden Walds; um zu sehen, ob noch einige Nahrung anzutreffen, wormit er seine zwey Kinder, so neben der Mutter erhungerten, laben, und ihnen das Leben erhalten möchte. Obwohlen ihn nun die vätterliche Liebs-Sorg nicht lang in diesem Geschäft verweilen liesse, fande er doch bey seiner Wiederkunft allbereit eines aus beyden vom Tod übereilet; welches er zwar mit eignen Händen zur Erden bestattet; aber vor Leid fast sich selbsten mit eingescharret hätte. Bald hierauf lieffe er abermahl in den Wald, für das andere Kind noch einige Erquickung zu suchen; allein vor Angst und Sorgfalt, die Mutter und das Kind möchten etwann Zeit seiner Abwesenheit vor Elend verschmachten, kehrete er mit leeren Händen zuruck, und fande (leider!) allda, was er so ängstig geförcht hatte; das ist, beyde tod: die Mutter, und das zweyte Söhnlein. Da ergosse sich der Schwall aller vätterlichen, und ehelichen Betrübnuß, welcher bishero in den Schrancken der Starckmüthigkeit sich noch eingehalten hatte, völlig heraus, daß man hätte vermeinen mögen, er wurde vor Schmertzen dahin fallen, und sich samt ihnen beerdigen lassen. Jedoch, weil es anderst nicht seyn konte, zoge er die letzte Kräften zusammen; begrube mit Hilf zweyer Diener, von deren kläglichen Jammeren die Gegend erschallete, die verstorbene Leiber, und begabe sich nach vollendter Begräbnuß wiederum in den Wald, entweders seinem Leid und Wehe-Klagen allein Platz zu geben; oder einen Aufenthalt seines Lebens zu suchen. Man hat aber von selbiger Zeit an ihn niemahls mehr ersehen, noch erfragen mögen: ob er etwann von den wilden Thieren verzehrt; oder von den Barbaren seye aufgerieben worden.


Von der grossen Anzahl dieser Reisgefährten haben 26. das Leben davon gebracht, und seynd nach geraumer Zeit von einem Portugesischen Steurmann, so der Orten angelangt, und selbe als Sclaven (wie sie sich haben verdingen müssen) um ein Stuck Geld gekauft, und nach Portugal übergeführt worden: allwo sie diesen kläglichen Zufall der Welt kund gemacht haben.

[264] Hatzart, im Anderren Theil seiner Kirchen-Geschichten, von Abißinien, oder Ober-Mohrenland, 8. Capitel.


Allerweiseste Vorsichtigkeit GOttes! wie erstaunlich seynd deine Verhängnussen! und wie wunderbarlich lassest du die Sachen durcheinander lauffen! Sosa gedachte, seines Glück-Stands ruhig, und in seinem Vatterland zu genüssen. Aber da hat es geheissen, was man im Sprüchwort zu sagen pflegt:


Der Mensch denckts;
GOTT wendts.

Allein, wann uns zu fragen erlaubt ist, O grosser GOtt! warum hast du es gewendet? warum verhindert? vielleicht darum: weilen du vorgesehen, daß Sosa durch seinen Glück-Stand übermüthig werden, und selbigen zu seiner Seelen Verderben mißbrauchen wurde. O liebreiche! O Anbettens-würdigste Vorsichtigkeit! wie gut meinest du es mit uns! und wie angelegen ist dir unser Seelen Heil! Gelobt seyest du in Ewigkeit.

42. Exempel
Zwey und viertzigstes Exempel.
Unsinnige Lieb eines Ehe-Brechers, und einer Ehe-Brecherin.

Um das Jahr Christi 1191. unter der Regierung Philippi Augusti, Königs in Franckreich, lebte ein Edelmann, mit Namen Reginald: der verliebte sich in die Frau Gemahlin eines andern Edelmanns (den man den Herrn von Fayel hiesse) mit solcher Heftigkeit und Innbrunst, daß er schier darüber zu einem Narren worden. Die Frau (wollen sie Cordula nennen) ware ihrem Buhler mit nicht geringer Gegen Lieb gewogen. Lebten also diese beyde ein Zeitlang im Ehe-Bruch; doch also heimlich, daß es Niemand wußte, als der allwissende GOtt: der auch schon die Straf zubereitete, die er mit nächsten beyden zu Haus schicken wurde. Mit der Zeit (vielleicht aus Beysorg, der Herr von Fayel möchte den Braten riechen) faßte Reginald andere Gedancken, und entschlosse sich, in den Krieg zu ziehen. Cordula wolte ihn, als den anderen Theil ihrer Seel, ohne ein Denck-Zeichen nicht von sich ziehen lassen. Verehrte ihm demnach, zu Bezeugung ihrer beständigen Treu, einen von zarter Cammer-Leinwath, mit Perlein gestickten Schleyer, samt einem aus ihren Haaren geflochtenen Knopf, mit diesen Worten: Hab dir das; und vergisse meiner nicht. Diesen nahme Reginald an, als das liebste Kleinod von der Welt, und zoge damit freudig in den Krieg. Es stunde nicht lang an, da geriethe er in einen feindlichen Hauffen, mit dem er sich [265] schlagen mußte. Er setzte zwar tapfer hinein; wurde aber gähling verwundet; und das tödtlich: also, daß er selbst vermerckte, daß er sterben müßte.


Ohne Zweifel wird er jetzt in sich selbst gangen seyn; seine unsinnige Buhlschaft verflucht; um einen Beicht-Vatter geschickt; mithin das mit so vielen Todsünden befleckte Hertz mit bitteren Buß-Zäheren abgewaschen, und seinem Schöpfer, dem er es so lange Zeit entzogen, mit einem tief-geholten Seufzer wiederum eingehändiget haben. Wenigst hätte er also thun sollen; wolte er anderst seiner Seelen Heil nicht verschertzen. Aber der verzweiflete Mensch gienge mit gantz anderen Gedancken um. Vernehme man ein Frevel-That, ob welcher billich die schamlose Frechheit selbst schamroth werden solte. Er berufte seinen Diener zu sich für das Beth, und redete ihn mit folgenden, oder dergleichen Worten an:


»Was es für ein Beschaffenheit mit mir habe, das siehest du. Die Artzten haben mich verlassen; die Schmertzen und Leibs-Schwachheiten nehmen zu, und verspühre ich bey mir selber wohl, daß mein Stündlein bald schlagen werde. Wie aufrichtig du es jederzeit mit mir gemeinet; wie treulich und fleißig du mir gedienet, das erkenne ich mit Danck: und ist mir nur leid, daß ich von dem Tod übereilet, dein Wohlverhalten nicht genugsam belohnen kan. Bishero hab ich dir, als ein Herr, gebotten; jetzt aber, als ein Tod-Krancker, bitte ich dich, daß du mir nur den letzten Dienst noch erweisen, und in einem Stuck willfahren wollest.«

Als nun der Diener mit nassen Augen zu allem sich urbietig, was sein Herr befehlen wurde, erzeigt, fuhre der Edelmann ferners fort.


»So bitte ich dich derohalben; ja ich beschwöre dich, daß du folgendes gewiß werckstellig machest. So bald ich werde tod seyn, so schneide meinen Leib auf; nimme das Hertz heraus; wasche es sauber, und balsamire es, damit es nicht stincke: mache es alsdann samt diesem Haar-Knopf, und Hand Brieflein zusammen in ein Trüchlein ein; nimme den Weeg gerad nach der Cordula; überliefere ihr dieses letzte Pfand meiner Liebe, und versichere sie, daß gleichwie ich bey Lebs-Zeiten ihr getreuer Diener allzeit verblieben, also auch in beständiger Treu gegen ihr gestorben sey. Das übrige wird das Hand-Brieflein geben.«


Der Diener neigte das Haupt; und gelobte seinem Herrn theur an, daß er alles bey einem Pünctlein ausrichten wolle. Reginald aber ward bald hernach ein Leich. Wie er werde gefahren seyn, kan ihm ein jeder leicht einbilden. Dann was für ein Gottlosigkeit ware es, im letzten Sterb-Stündlein, im letzten Augenblick, da man mit dem Tod ringt, sein Hertz einem losen Schleppsack vermachen? O unerhörter Frevel! unter dessen [266] kommt der Diener dem Befehl des Herrn nach; nimmt das Hertz aus dem Leib; balsamirts, machts ein, reiset damit der Behausung Cordulä zu. Er ware auch nicht weit mehr davon; da begegnete ihm zu allem Unglück Fayel der Cordulä Gemahl, in einem Wald. Und weil man ihn stracks erkennet, wurde er auch gleich angepacket, und gefragt: Woher kommst du? wie so gar allein? wo ist Reginald? wo willst du weiter hin? was führst du in dem Felleifen? Der Diener gabe auf alles ordentlich Antwort: weil er aber auf die letzte 2. Fragen mit der Sprach nicht recht heraus wolte, sondern einige Zeichen der Forcht spühren liesse, merckte Fayel gleich, daß er nichts guts im Schild führte. Bedrohete ihn demnach, bey dem Kopf zu nehmen, und gleich in die Gefängnuß zu setzen, wann er nicht alsobald die Wahrheit bekennen wurde. Weil nun der Diener auf frischer That erwischet ware, fienge er an, um Gnad zu bitten; zoge das Trüchlein samt dem Hand-Brieflein heraus; lieferte solches dem Fayel ein, und zeigte beynebens an, wie daß er von seinem verstorbenen Herrn hätte Befehl empfangen, selbiges der Frauen Cordulä, als ein Erb-Geschänck, einzuhändigen. Wie Fayel den gantzen Handel verstanden, liesse er den Diener seinen Weeg fort reiten; er aber kehrte mit dieser so unerwarteten Beut wiederum auf das Schloß zuruck.

O Cordula! sauset dir das lincke Ohr noch nicht? So rüste dich doch zu einem harten Strauß. Du bist verrathen; deine schandbare Liebsstücklein seynd am Tag: dein Herr Gemahl kochet schon an der Rach. Feurige Augen; Blitz- und Donners-Wort, Schwerdt, Strang, Gift, oder noch ein härterer Tod wartet auf dich. O hättest du dich bey deinem Nehe-Kiß, Stick-Nadel, Spinn-Rocken, oder Garn-Haspel zu Zeiten erinnert jenes Sprüch-Worts:


Nichts ist so klein gesponnen,
Es kommt einmahl an die Sonnen.

Wie wurdest du in dich selbst gangen seyn, und der verfluchten Buhlschaft aufgekündet haben! aber jetzt ist es zu spat. Willst du es laugnen? das geht nicht an. Man hat dir die Hand schon im Sack erwischt. Allein Fayel ist nicht so wild, als man wohl hätte sorgen können. Wie geht er dann die Sach an? Er kommt nach Haus; trittet beyseits in ein Zimmer; eröfnet das Trüchlein; erhebt den schönen Schatz; liset den Buhlbrief; und hat nunmehr handgreifliche Zeugnuß der Untreu seiner Frauen. Nachdem er sich lang hin und her bedacht, mithin die Gall schon mächtig aufbranne, und der rechtmäßige Zorn allerhand hitzige Vorschläg thate; beschlosse er doch zuletzt, die Sach glimpflich anzustellen, und die Verantantwortung [267] des schuldigen Theils auch noch anzuhören. Gienge darauf mit fröhlichem Gesicht zu der Cordula, deutete ihr an, wie daß ihm heut ein sonderbahres Glück wiederfahren, und er gedacht wäre sich lustig zu machen. Er wolle selbst in der Kuchel alles anschaffen, sie solle sich unterdessen aufmunteren, und der grösten Freud, die ihr auf Erden könnte zu Theil werden, zu ihrem gäntzlichen Vergnügen geniessen. Was aber? und wie? das wolle er ihr hernach offenbahren.


Cordula, so den geringsten Argwohn von dem, was in dem Handel war, nicht hatte, willigte in alles ein, was ihrem Herrn beliebig wäre. Darauf hin rufte er den Koch zu sich; befahle unter Betrohung höchster Ungnad, wann er anderst thun, oder von solchem Geheimnus das geringste offenbahren wurde, das Hertz des Reginalds in kleine Stücklein zu zerhacken; ein Gehäck von bestem Gewürtz, so gut er könnte, daraus zu machen, und neben anderen Speisen aufzusetzen. Es geschiehet. Fayel sitzt zu Tisch, und die Cordula auch. Man tragt auf, schenckt ein, beyde essen, trincken, und seynd guts Muths. Und als man das bewußte Gehäck auf die Tafel brachte, setzte solches Fayel seiner Gemahlin vor, mit Vermelden, wie daß er ihr solches zu sonderbahren Ehren, und aus grosser Liebe hätte lassen zubereiten; solle ihrs also geschmecken lassen, werde hoffentlich kein böse Speiß seyn. Cordula nahme solches mit höflichem Danck an, wußte nicht, woher diese ungewöhnliche grosse Freundlichkeit ihres Herrns käme; griffe zu, und asse alles aus. Der Herr fragte darauf, ob es gut gewesen? in allweeg antwortete Cordula: die Zeit meines Lebens hat mir kein Speiß bessr geschmecket. Auf diese Antwort eröfnete der Herr das Trüchlein, zeigte ihr den Haar-Knopf, den Cammer-Schleyer, die daran hangende Perlein; befahle ihr den Brief zu lesen, fragte sie, ob sie die Handschrift auch kennete, und ob diß nicht das Pittschaft des Reginalds wäre? Als nun hierüber die Frau gantz im Angesicht erbleicht, und vor Schrecken schier in ein Ohnmacht gesuncken, verwiese ihr der Herr erst mit aufgezogenen Runtzlen an der Stirn, feurigen Augen, erhebter Stimm, u. den schärffisten Worten ihr Untreu, u. sprache: Freylich ja, du Ehr-Pflicht-Vergessene! kennest du diese Hand, und diese Haar, hab ich solches um dich verdient? haltest du also die so theur angelobte und geschworne eheliche Treu? nimmest du also meine und deines adelichen Hauses Ehr in acht, daß du mit Hindansetzung aller Gebühr deinen Leib einem andern, einem doll-kühnen, unsinnigen Edelmann, der nunmehro tod ist, geschenckt hast? Recht so, du hast aber deinen Lohn zum Theil schon empfangen, die noch übrige verdiente Straf will ich mir vorbehalten. Weißt du auch wohl, was du gefressen hast, das Hertz des Reginalds, dieses ehebrecherischen, [268] verfluchten Bößwichts, das dir lieber, als mein Hertz ware, das hast du gefressen. Und weil es dir so wohl geschmeckt hat, so nimme für dißmahl vorlieb mit einer solchen Speiß, bis etwas bessers hernach komme.


Cordula vor Angst, Traurigkeit, Lieb, Gift und Zorn wußte lang nicht, was sie sagen sollte. Nachdem sie sich aber ein wenig erhohlet, gabe sie gantz unverschamt folgende verzweiflete Antwort: Habt Danck, Herr! sprache sie: für ein so kostbares Tractament. Ich bekenne mein Schuld, diese Speiß hab ich mehr geliebt, als mein Leben, als mein eignes Hertz! O süsse Speiß, wann jemahlen zwey Hertzen eines gewesen, so seynd sie es jetzt; indem ich das Hertz meines aller liebsten Reginalds genossen, und meinem Hertzen einverleibt hab. Weilen er aber nun tod, will es sich nicht geziemen, daß ich länger lebe. Ihr habt mir sein Hertz zu essen geben; das solle auch mein letzte Speiß geweßt seyn; dann es wäre ein Schand, wann ich auf ein so gute Speiß etwas schlechters mehr versuchen sollte. Dieses geredt, begabe sie sich in ihr Zimmer mit vielem Weinen und Weheklagen, wegen des unglückhaften Todfalls des Reginalds. Und obschon ihr Herr sie tröstete, und ihr Verzeyhung anerbotte, im Fall sie forthin treu verbleiben wollte, so ware doch alles vergebens. Dann sie verharrete auf ihrem Schluß; und kein Mensch konnte sie mehr bereden, einige Speiß zu sich zu nehmen, sondern gantz rasend vor bitterem Unmuth, und mithin verzweiffelte gottlose Reden ausstossend, hungerte sie sich selbst aus, verschmachtete nach etlichen Tagen, und fuhre besorglich demjenigen nach, sich mit ihme in der Höllen zu zerreissen, den sie also thorecht und eydbrüchig auf Erden geliebt hatte. Claudius Fauchetus, ex quadam Chronica Franciæ, ad Annum 1191.


Verfluchte Unzucht, was wirst du nicht noch ersinnen, die Leut in die Hölle zu stürtzen, wie ist es aber möglich, daß man diesem Laster sein Hertz ergebe, welches doch von GOtt erschaffen worden, daß es ihn allein lieben sollte? O wie hat diese Blindheit nach seiner Bekehrung bedauret der H. Augustinus, da er also aufschreyt: Mich armseeligen! mein Hertz, das dich O GOtt! allein hat lieben sollen, hab ich leyder auf die Eytelkeit gewendet Soliloq. c. 1. Was ist aber eytlers? was schnöders? ja, was schandlichers, als die unzüchtige Lieb? und wegen dieser soll der Mensch sein Hertz von GOtt dörffen abwenden? O der höchsten Unbild, die man ihm anthut, wahrhaftig derjenige ist nicht werth, daß er ein Hertz habe, welcher selbiges GOtt entziehen, und herentgegen einer schnöden Creatur schencken darf.

43. Exempel
[269] Drey und viertzigstes Exempel.
Ein Cavalier fallt aus gerechtem Urtheil GOttes, wegen begangener Ehr-Abschneidung, in das greuliche Laster der stummen Sünd; und mithin in den Ehe-Bruch: stirbt aber als ein Büssender.

In dem Königreich Peru (so in dem Welt-Theil America liegt, und der Cron Spanien unterworffen ist) ward in der Stadt de la Plata: will auf Spanisch so viel sagen, als: die Silber-Stadt gebohren, und in dem Schooß des Glücks auferzogen Antonius Pantoja, deme seine liebe Elteren nach ihrem zeitlichen Hintritt aus dieser Welt neben dem Hoch-Adelichen Geblüt ein herrliches Vermögen, Häuser, Land-Güter und ein ansehnliche Paarschaft an Gelt hinterlassen. Ueber das hatte er von Natur einen starcken, gesunden, wohl gebildeten Leib, und noch viel ein edlere, mit hohem Verstand, Tugend, und Geschicklichkeit begabte Seel. In den ersten Jahren seiner Jugend übte er sich so wohl in den freyen Künsten, als auch in der Fecht-Reit und Tantz-Schul, und machte sich also in allerhand Ritterlichen Stand-mäßige Ubungen verfaßt. Wer ihn etwann zu Pferd, oder in der Rüstung sahe, hätte geschworen, er sehe den bravesten Cavalier und Soldaten von der Welt: also wußte sich dieser junge Ritter in alle Sättel zu schicken, und seinen Unterfahungen überall ein Form und Nachdruck zu geben. Und, damit nur nichts abgienge an zeitlicher Glückseeligkeit, hatte ihm der Himmel ein Wunder-schönes, und tugendhaftes Fräulein zur Ehe geschencket: die wir Margareth nennen wollen. Bey dieser hätte Antonius mehr dann goldene Jahr erleben können, wann er sein Glück besser in Ehren gehalten, und zuletzt nicht einen Unflath für die Schönheit erwählt hätte; dann er war in die Länge mit seiner Margareth nicht vergnügt, sondern wendete mittler Zeit seine Lieb anderwärts hin; und wurde nicht allein zu einem Ehe-Brecher, sondern (welches ein Schand zu sagen) zu einem abscheulichen Sodomiten. Solches Laster triebe er ein geraume Zeit in höchster Geheim, ohne daß jemand den geringsten Argwohn wider ihn schöpfte, weil man von einem so tapferen Cavalier, als Pantoja war, weit ein besseres gedachte, und höhere Gedancken hatte.


Ehe und bevor er aber in solches Luder hinein ranne, faßte er (weiß nicht, aus was Ursach) einen grossen Haß und Grollen wider ein gewisses Frauen-Closter, welches mir Ehrerbietung halber nicht nahmhaft machen wollen. Damit er derohalben seinen Grimmen und Rachgierd desto besser könte auslassen, sprengte er in der Stadt ein falsches Gerücht aus, als wann ein gewisse Closter-Frau selbiges [270] Ordens, sich spöttlich wider ihren Stand übersehen, und weiters nichts Jungfräuliches mehr an ihr, als die Kleydung hätte. O Ehr-abschneidische Zung! was für ein grausamer, blutiger Stich war dieses? durch so greuliche Verleumdung wurde die fromme Jungfrau gantz unschuldiger Weiß allenthalben sehr übel verschreyt; wordurch dann auch ihren geistlichen Brüdern, und Ordens-Genossenen ein nicht geringer Schandfleck angehenckt wurde. Wie man dann bald Leut findt, die, was man von den Geistlichen ärgerliches ausgibt, für die ewige Wahrheit auffangen, und weiters bringen, um hierdurch ihre Laster zu bemäntlen und zu beschönen; indem sie auch diejenige gleicher Schandthaten bezüchtigen, von denen sonst jedermann einen Tugend-Spiegel erwartet, welches dann ein sonderbahrer List des Teuffels ist, der hierdurch Glaub, Trauen, und Zuversicht zu den Geistlichen aufzuheben suchet.


Pantoja hatte sich nunmehr auf solche Weis an seinen Feinden erkühlet; aber GOtt den HErrn, der ab dem Ehrabschneiden ein höchstes Mißfallen hat, schwerlich erzörnt, der dann mit der Straf länger nicht verziehen wollte; sondern alsobald seinen gerechten Zorn diesem gottlosen Menschen zu verstehen gabe. Es stunde kaum etliche Monath an, da ward Antonius wegen eines stummen Lasters gerichtlich angegeben; und nach reiffer Erwegung einiger Umständ von dem Königlichen Hof-Gericht dem Rumor-Meister Befehl ertheilt, den Pantojam in aller Still in Verhaft zu nehmen. In obgedachtem hohen Rath befanden sich dazumahl gegenwärtig etliche gute Freund des Pantoja, welche, gleichwie sie sich höchlich verwunderten über die unsinnige Buhlschaft eines sonst so verständigen Herrns; also ihme Freundschaft halber wohl gönnen mögen, wann er sich gegenwärtiger Gefahr entziehen, und mit gantzer Haut davon kommen wurde. Derohalben liesse einer aus ihnen noch denselbigen Tag des Antonii Frau Gemahlin den wider ihren Herrn ergangenen Rathschluß andeuten, mit diesem Zusatz: Er sollte sich wohl vorsehen, ehe daß man sich seiner Person bemächtigte; widrigen Falls wurde man der Gerechtigkeit den Lauf lassen, und ihm das Leben absprechen.


Das ware nun für die arme Margareth ein unerwartete, und gantz betrübte Zeitung, als welche gantze Schlösser auf die Treu und Redlichkeit ihres Gemahls gebaut, und ihr nichts wenigers eingebildet hätte, als daß derselbe jemahls so schandlicher Weis an ihr eydbrüchig sollte werden. Zorn, Rachgierd, Schmertzen, Mitleyden, und dergleichen Anmuthungen mehr überfielen zugleich das Gemüth dieses Frauen Bilds, und bestritten es von allen Seiten so starck, daß sie lang nicht wußte, wohin sie sich lencken sollte; ob es besser wäre den Ehr-vergessenen, meyneidigen [271] Sodomiten auf den Scheitterhauffen zu liefferen, oder aber ohngeachtet seiner Treulosigkeit ein Erbarmnus zu haben, und ihm durchzuhelffen. Nach langem Streit erhielte der süsse Zwang ehelicher Liebe die Oberhand, und weil ihr Gemahl nicht zugegen war, sie auch mit ihm nicht sprechen konnte, setzte sie sich nieder, ergriffe die Feder, und schriebe mit wenig Zeilen einen Brief, ohngefehr folgenden Inhalts.


»Ihr müßt euch nicht befremden, daß ich den gewöhnlichen Titul eines liebsten Schatzes nicht voran setze, weilen ihr euch selbst dessen unwürdig gemacht. Wann ihr den Brief naß überkommt, gedencket nur, daß er mit meinen Zähern geschrieben worden. In was für ein Meer der Schmertzen stosset ihr mich nicht, gottloser Mann! was für einen Spott thut ihr nicht meinem, und euerem Adelichen Geschlecht an! euere Schandthaten, und Sodomitische Geilheiten seynd entdecket, und werdet ihr allenthalben zum Tod aufgesucht. Was mich betrift, verzeyhe ich euch gern euere Untreu, und bitte GOtt, daß er euch auch verzeyhen, zur wahren Erkanntnus und Bereuung euerer Sünden bewegen wolle. Saumet euch nicht, die Flucht zu ergreiffen, wann euch anderst die Ehr eueres Haus, und euer eigenes Leben lieb ist.«


Mit diesem Schreiben fertigte sie eylfertigst einen ihrer Dienern ab, mit Befehl, schleunigst fortzureiten, weilen die Sach keinen Verzug litte.


Pantoja befande sich dazumahl auf seinem Land-Gut, einem von der Silber-Stadt 6. Meil gelegenem lustigen Orth. Der Diener ritte gegen dem Abend eylends fort, und reysete die gantze Nacht durch. Dannoch trift ihn Margareth (die vor Kummer und Weinen dieselbige Nacht kein Aug hatte können zuthun) mit anbrechendem Tag im Vorhof des Haus wiederum an, und meynt Anfangs, er seye von der Reiß schon wieder zuruck kommen. Allein sie mußte das Widerspihl vernehmen; indem der Diener sagte, wie alle seine Mühe, des Land-Gut zu erreichen, für dißmahl vergeblich gewesen, weilen ihm nemlich ein erschröckliches Gespenst, ein feuriger Mann ein Hindernuß über die andere in den Weeg gelegt hätte; und jetzt da zu einem Morast, dort zu einem Fluß, bald zu einem Wald, bald zu einer Gruben geführt; also daß er weder hinter noch für sich mehr gewußt, und also gedrungen worden, wiederum nach Haus zu kehren. Margareth fertigte alsobald den Diener mit einem andern Schreiben fast des vorigen Inhalts wiederum ab; ausser daß sie die Ursach dessen spätheren Ankunft dem Brief einverleibte, und zuletzt noch einmahl bate, so lieb ihm die Ehr ihres Adelichen Geschlechts, ja sein selbst eigenes Leben seye ungesaumt sich den Händen der Gerichts-Dienern zu entziehen. Die Reis laufte bey dem Tag besser ab, [272] als bey der Nacht. Der Diener kommt bey guter Zeit auf dem Land-Gut an, und überliefert das Schreiben. Wie nun Pantoja dasselbe eröfnet, und den Innhalt ein und das andermahl durchlesen; über das auch, was dem Diener unter Weegs begegnet, vernommen, erschracke er Anfangs gar heftig; tratte darauf beyseits in ein Zimmer, und berathschlagte mit sich selbst, was zu thun wäre? Da ihn dann die Einbildung und Forcht des Tods in einen Irrgarten der Gedancken führete, woraus er so geschwind den Weeg nicht finden konnte. Endlich, nachdem er alles wohl ausgeecket, und sein greuliche Missethat in den Boden hinein verflucht, fassete er einen gantz unverhoften Entschluß, nicht allein keinen Schritt zu weichen, sonderen der Gefahr erst recht unter die Augen zu gehen. Er kam aus dem Zimmer mit fröhlichem Angesicht herfür, befahle die Fuß-Eysen, welche er seinen Sclaven auf dem Land, wann sie ein Verbrechen begangen, anschlagen liesse, herbey zu bringen; und sagte hiernächst zu dem Diener: »Derjenige, welcher dein gestrige Ankunft anhero so wunderlich verhindert hat, will mich Zweifels ohne meiner schweren Mißhandlungen wegen zur Straf ziehen. Wolan: ich will, und kan GOtt nicht widerstreben: seine Urtheil seynd gerecht. Hab ich gesündiget, so will ich auch büssen. Darum begehre ich, daß man mich in die Eysen schlage. Muß doch gleichwohl bekennen, daß die Schand des schmählichen Tods, so auf mich warthet, und die Betrübnus meiner Frau Gemahlin mir viel härter falle, als der Tod selbst. Bitte allein GOtt aus demüthigstem Hertzen, daß hierdurch noch auf dieser Welt ein guter Theil der Straf, so ich durch meine Sünden verdient hab, möge ausgelöscht werden.« Dieses geredt, stiege er mit angeschlagenen Fuß-Eysen zu Pferd, und an statt, daß er über Berg und Thal, über Stauden und Stiegel hätte sollen durchgehen, eylte er den geraden Weeg der Stadt zu.


Sein Ankunft bekümmerte seine Gemahlin, und Befreundte noch mehr, die ihme mit gantz beweglichen Worten den grossen Schandfleck, den er seinem Hoch-Adelichen Geschlecht wurde anhencken, wann er als ein Maleficant sollte zur Richtstadt hinaus geführt werden, und unter des Henckers-Hand sterben, vor Augen stellten. Baten beynebens eines Bittens, wann er je nicht bedacht wäre, die Flucht zu ergreiffen, (damit er sich vielleicht nicht eben darum schuldig gebe) aufs wenigst die That zu laugnen, und seinen Handel durch das Recht auszuführen; welches so gar schwehr nicht fallen wurde; angesehen seine Ankläger nur Indianer, ein verachtetes schlechtes Volck, die Richter aber meisten Theils ihm günstig wären, und selbst wohl gedulden möchten, wann er sein Verbrechen nur mit einem kleinen Schein der Unschuld könnte beschönen; im übrigen [273] sie auch gern ein Färblein darzu wurden herleyhen, und ihme durchhelffen. Dann, wer ihn überzeugen werde, die Sach seye ja in Geheim geschehen; allein alles umsonst. Pantoja hatte einmahl beschlossen zu sterben, und diesen Fürsatz liesse er ihm so geschwind nimmer aus dem Hertzen reissen; Zweiffels ohne aus innerlichem Antrieb eines guten Geists, der ihn aus solche Weiß wollte in dem Himmel haben, den er etwann sonst nicht wurde finden, wie dann bey andern Uebelthätern mehr geschehen. Er sagte offentlich, und unverhohlen, daß er die stumme Sünd begangen, und klagte die Obrigkeit selbst an, daß sie also saumseelig mit der Sach umgienge: und so lang möchte durch die Finger sehen. Weßwegen die Obrigkeit genöthiget wurde, nach ihme greiffen zu lassen; dessen dann Pantoja gar wohl zufrieden ware, und nur ein Monath lang um Lebens-Frist anhielt, keiner anderer Ursach halber, als sich mit GOtt durch ein ernstliche Buß zu versöhnen, und desto besser zu dem Tod zu bereiten. Welches sein Begehren auch Statt und Platz gefunden.


In die Gefängnuß tratte er ein, wie ein Büssender. Er redete gar wenig mit den Leuten: sein Gespräch war inwendig mit GOtt: brachte die meiste Zeit des Tags zu mit Betten, Ablesung Geistlicher Bücher, und dergleichen gottseeligen Ubungen. Wann aber die Nacht herbey kame, fienge an er mit dem busfertigen David sein Ligerstatt mit Thränen zu waschen; sein zerknirschtes Hertz zu GOtt auszugiessen, und um Verzeyhung zu bitten. Er beichtete zum öfteren seine Sünden, und empfienge das Hochwürdige Sacrament des Altars, so oft es ihm nur gestattet wurde. Seinen Leib casteyete er mit Fasten, und anderen dergleichen Strengheiten; geisselte sich zu mehrmahlen bis auf das Blut; wordurch er sich dermassen ausgemercklet, daß man bey seiner Ausführung schier nur einen lebendigen Schatten noch überig fande.


Entzwischen näherte sich der Tag seines Tods herbey; der ihme dann sonders willkomm war. Ein unzahlbare Menge Volcks lieffe von allen Orten zu, der Ausführung zuzusehen; welche dann in der Wahrheit kläglich war anzuschauen. Ohngefähr um 9. Uhr des Tags kame ein Gerichts-Diener, und deutete ihm an, sein Stündlein hätte geschlagen, und er sich nunmehr zum Sterben müßte verfaßt machen: deme er behertztes Muths zu verstehen gabe, wie daß er bereit wäre. Tratte darauf ohne Verzug, in Begleitung seines Beicht-Vatters, aus dem Dominicaner Orden, und einem anderen Geistlichen herfür. Vor ihm gienge her ein Hauffen mit Lantzen und Streit-Kolben gewaffneter Männer. Diesen folgten etliche Schergen, deren einer an einer langen Stang die Ursach des Tods, auf einer daran hangenden Tafel mit diesen Worten [274] geschrieben truge: Antonius Pantoja, ein Sodomit. Gleich darauf führte man auf einem mit schwartzen Tuch bedeckten Maulthier den armen Maleficanten selbst gleichfalls mit schwartzer Kleydung angethan, samt einem Strick um den Hals. In der Hand hielte er ein Crucifix; welches er mit unverwendten Augen, und solcher Reu-Bezeugung immerzu anschauete, und kußte, daß darüber vilen Zusehern die Zäher aus den Augē schossen. Und zwar noch vil mehr da er bey seinem Haus vorbey ritte, u. seine Frau Gemahlin der zugefügtē Schmach halber inmüthig um Verzeyhung batte.m »Glück zu! rufte er mit weynenden Augen, hertzliebste Gemahlin! ich eile nun, wie ihr sehet, zu dem Tod; den Schandfleck, wormit ich euch, und mein gantzes adeliches Geschlecht beschimpffet habe, wiederum auszulöschen. Verzeyhet mir um der Liebe Christi willen: verzeyhet mir; und erbettet mir von GOtt Stärcke in diesem meinem letzten, und harten Streit.«


Als man aber mit ihm auch bey dem Frauen-Closter angelangt, welches er vor diesem, wie oben gesagt, durch ein Ehrabschneidung ziemlich schwartz gemacht, batte er seinen Führer still zu halten, und auch anderen das Stillschweigen zu gebieten; weilen er allda etwas nothwendiges vorzubringen hätte. Worauf dann ein tieffes Stillschweigen erfolget ist; er aber hat die Umstehende also angeredet: »Alle die (sagte er) welchen meine Schandthaten zu Ohren kommen seynd, sollen wissen, daß derselben Anfang und Ursach geweßt seye die Ehrabschneidung, wormit ich dieses so heilige und keusche Closter verschreyet hab. Welchen Frevel der höchste GOtt, und gerechtiste Richter solcher Gestalt an mir gerochen, daß ich nach Abweichung seines göttlichen, und kräftigen Beystands gleich den anderen Tag darauf in diesen unflätigen Sünden-Koth gefallen, und mich darinn so lang gewältzet, bis mich das Gericht in Verhaft genommen. Spieglet euch an diesem meinem Exempel, und lasset die Keuschheit der GOtt verlobten Jungfrauē mit falscher Nachred ungelästert. Sehet! mit was für einer schändlichen Schmach ich solche Mißhandlung muß büssen.« Nach diesen Worten schwiege er ein Weil still; schrye aber über ein Kurtzes mit lauter Stimm: JEsu stehe mir bey. Fiele auch hierauf mit Zitteren, und Schrecken in eine so starcke Ohnmacht, daß man meinte, er wäre schon todt. Jedoch hat man ihn mit Anstreichung eines kräftigen Balsams bald wieder erquicket, und sein Beicht-Vatter mit eyfrigen Zusprechen ihm ein neuen Muth gemacht. Wie er wieder zu sich selbst kommen, bekennte er mit einem lauten Seuftzer, wie daß er einen erschröcklichen Teufel gesehen, der ihm auf das Frauen-Closter gedeutet, mit Vermelden, es seye nahe darauf gestanden, daß er um der eintzigen Ehrabschneidung [275] ewig wäre verdammt worden. Als ihn nun sein Beicht-Vatter abermahls getröstet, batte er noch etlich mahl gedachteCloster-Frauen um Verzeyhung, und setzte seinen betrübten Weeg nach der Richtstatt fort.


Ausser der Stadt stunde ein von Holtz und Stroh hoch aufgerichter Scheiter-Hauffen; und in Mitte desselben ein höltzener Pfal, woran man den armen Maleficanten, der vor Betrübnuß und Kummer schon halb todt war, mit Stricken anbande: darauf an 4. Orten den Scheiter-Hauffen ansteckte, und ihn also lebendig verbrennte. In welcher schmertzhaften Glut er dannoch weit glückseeliger, als vormahlen in dem sodomitischen Unzucht-Feuer gesessen: weil er die scharffe Züchtigung mit Gedult angenommen; beständiglich bis in sein letztes End in der Bußfertigkeit verharret; mit heller Stimm, und Hertz-brechenden Seuftzern GOtt ohne Unterlaß mit Gnad und Verzeyhung angeruffen; und also zweifels ohne durch diese zwar hart-brennende, aber nur zeitliche Flammen, das höllische und ewige Feuer ausgelöscht hat. Brulius in Historia Peruana l. 9. c. ult.


Also geschiehet es oft aus Verhängnus GOttes, daß der Ehrabschneider in eben die jenige Sünd fallet (oder noch in ein ärgere) mit welcher er seinen Nächsten angeschwärtzt, und verläumdet hat. Mithin wärePantoja bey nahe verdammet worden, wann er nicht einen offentlichen Wiederruf gethan hätte: und da hätte sein strenges in der Gefängnuß geführtes Leben, ja der schmertzhafte Tod selbst nichts darfür geholffen. Also nothwendig ist es, daß der gute Nam, den du einem anderen genommen, wieder ergäntzt, und zugestellt werde: da hilft nichts darfür. Darum hüte dich vor Ehrabschneiden.

44. Exempel
Vier und viertzigstes Exempel.
Ein frommer Kieffer wird aus eines Drachen-Gruben wunderbarlich erlößt.

Zu Lucern, im Schweitzerland war ein frommer Kieffer: der gienge einstens im Wintermonat in einen Wald hinaus, um darinn Holtz für Faß-Taugen auszusuchen. Er kam aber so tief in Wald hinein, daß er auf die letzte nicht mehr wußte, wo er den Weeg zuruck nehmen müßte. Demnach wendete er sich bald auf diese, bald auf jene Seiten, in Hofnung, endlich einen Ausgang zu finden. Allein umsonst. Mithin, als er den gantzen Tag irr gangen, fiele die Nacht ein. Da wurde er dann gezwungen in dem Wald zu übernachten, welches ihn nicht wenig betrübt; [276] bevorab, weil es Winter-Zeit war. Weil es aber nicht anderst seyn konte, sahe er ihm ein bequemes Ort aus, wo er sich nieder legen, und schlaffen möchte; dann er von seinem Herumschweiffen in dem Wald ziemlich müd war. Nachdem er nun die Nacht hindurch geschlaffen, und des anderen Tags in aller Frühe erwacht, stunde er auf, und machte sich wiederum auf den Weeg, in Hoffnung, endlich aus dem Wald hinaus zu kommen: es müßte dann gar alles Unglück sich wider ihn verschworen haben. Weil es aber noch ziemlich düster war, und er den Weeg nicht recht sehen konte, kame er zu einer etlich Klafter tieffen Gruben, in welche er stürtzte. Wiewohl er nun von einer ziemlichen Höhe hinunter gefallen, ist er doch am Leib weiters nicht verletzt worden; weilen nemlich die Gruben einen lettichten Boden hatte. Allein weilen er im Fallen voller Angst und Forcht war, ist ihn ein Ohnmacht ankommen. Nachdem er sich aber daraus erholet, und mithin um sich herum gesehen, wo er seye, nahme er wahr, daß er sich in einer so tieffen Gruben befinde, aus welcher er menschlicher Weis sich nicht mehr schwingen wurde. Dann, weilen diese Gruben einem runden und weiten Schöpf-Brunnen gleich, die Wände aber von glatten Steinen waren, wußte er sich nirgends anzuheben, und mithin die Höhe zu besteigen. Da rufte er dann GOtt, und seine wertheste Mutter aus gantzen Hertzen an, sie wolten ihm doch aus dieser äussersten Noth hinaus helffen. Allein es gefiele GOtt, den Kieffer zu Vermehrung seiner Verdiensten noch länger zu probieren. So geschahe es dann, daß, indem der Kieffer in denen Wänden der Gruben da und dort eine tieffe Höhle ersahe, in eine derselben hineinschlieffen, und darinn sein Ligerstatt nehmen wolte, zwey erschröckliche geflügelte Drachen gegen ihme herausgeschossen: über welches der arme Mann also erschrocken, daß er sich eylends in die Grub zuruck gezogen, GOtt und sein werthiste Mutter auf ein neues angeruffen, sie wolten ihn doch nicht verlassen. In welcher Bitt er auch von GOtt erhört worden: in dem ihn zwar die Drachen mit ihren Leiberen umrungen; ihm aber weiters kein Schaden zugefügt. Wie nun dem armen Kieffer in dieser Gesellschaft der Drachen werde zu Muth geweßt feyn; was er werde gedenckt haben; was Angst und Forcht in ihm werde erweckt worden seyn, wer will es beschreiben? wer mit Worten aussprechen? und dannoch hat er in dieser Gruben und Gesellschaft müssen zubringen ein gantzes halbes Jahr. Aber da wirst du (der du dieses lisest) bey dir selbst gedencken, wie dieser Mensch so lange Zeit sich habe können beym Leben erhalten. So höre dann, und erstaune darüber. Er nahme wahr, daß die Drachen sich mit nichts anders erhielten, als daß sie täglich die Wände der Gruben, aus welchen eine gesaltzene Feuchtigkeit heraus schwitzte, abschleckten. [277] Da gedachte er bey sich selbsten: O! können die Drachen durch dieses Abschlecken sich erhalten, so werd ich es auch können. Demnach folgte er ihnen nach: und sihe! es gabe ihm so viel Kraft, daß er ein halbes Jahr kein andere Speis noch Tranck genossen, als gedachte saltzige Feuchtigkeit. Da hätte man wohl sagen können, daß die Natur mit wenigen zu friden seye; wann nicht andere Ursachen wären, welche uns überweisen, daß hier etwas übernatürliches unterloffen seye. Nun, wie gienge es weiters? Nachdem der Winter fürbey, und sich eine warme Frühlings Witterung anmeldete, floge einer aus denen Drachen zur Gruben hinaus, um sich in dem Wald eine andere Nahrung zu verschaffen. Wie der Kieffer das gesehen; gedachte er bey sich selbst: O! hätte auch ich mit dir können hinausfliegen, wie glückseelig wurde ich geweßt seyn! Gutiger GOtt! verschaffe doch ein Mittel, daß auch ich aus dieser Grub hinaus komme. Indem er also mit diesen Gedancken umgehet, schwunge auch der andere Drach seine Flügel, um zur Grub hinaus zu fliegen. Wie der Kieffer das gesehen, hielte er sich (O! wer entsetzt sich hier nicht über die Kühnheit dieses Manns?) an den Schweiff des Drachens; und floge also mit ihm zur Gruben hinaus. Wie dieses geschehen, liesse er den Drachen fliegen, wohin er wolte; er aber kame mithin auf den rechten Weeg, der nach Lucern gienge. Diesen nahme er dann ungesaumt unter die Füß, bis er zu den Seinigen (welche ihn längst für todt gehalten) wiederum nach Haus gekommen; denen er auch, mit ihrer höchsten. Erstaunung erzählet, wo er so lange Zeit sich aufgehalten, und auf was Weis er aus seiner Gruben erlößt worden. Damit er aber jedermänniglich kund machte, daß er seine Erlösung Niemand anderst, als GOtt, und nach ihm seiner werthisten Mutter zuzuschreiben habe, liesse er ein Meß-Gewand verfertigen, auf welches sein Ausflug samt dem Drachen aus der Gruben, zu einem ewigen Angedencken der Nachkömmlingen künstlich gestickt wurde: welches Meß-Gewand noch heutiges Tags in St. Leodegari Kirchen zu Lucern denen Fremdlingen zur Erstaunung gezeigt wird. Unterdessen wendete sich der fromme Kieffer mit gantzem Hertzen zu GOtt, und danckte ihm Tag und Nacht für die wunderbarliche Erlösung. Weil er aber in gedachter Gruben so lange Zeit ohne menschliche Speis gelebt, mithin sein Magen gäntzlich verderbt worden; ist er nach zwey Monath seeliglich in dem HErrn verschieden. Athanasius Kircher S.J. in Mundo subterraneo. Tom. 2. l. 8. Sect. 4.


Wie weißt GOtt so wunderbarlich zu helfen, wann er seine Allmacht zeigen will! diese hat er gezeigt, da er den frommen Kieffer so lange Zeit in der Drachen-Grub erhalten hat. Dann wie leicht hätte er von ihrem vergiften Athem können angesteckt, und getödtet;[278] oder von ihnen lebendig verschluckt werden? wie bald hätte er aus Mangel menschlicher Speis und Tranck verschmachten können? Aber wegen seiner Frommkeit hinderte GOtt, daß ihm weder die Drachen schaden, noch der Mangel menschlicher Speis und Tranck den Tod konte bringen. Also schützt GOtt die Fromme, und zeigt, daß er sich ihrer annehme. Was für ein Antrieb ist dieses, fromm zu seyn.

45. Exempel
Fünf und viertzigstes Exempel.
Drey edle Gebrüder werden wunderbarlicher Weis in ihr Vatterland übersetzt.

Um das Jahr Christi 1132. herum, waren in Franckreich drey edle Gebrüder, die als Ritter unter einem Kriegs-Hauffen, so aus dem Frantzösischen Adel bestunde, in das heilige Land zogen; um selbiges aus den Händen der Türcken zu erretten. Als sie sich aber wider selbige in einem Treffen zu hitzig hinein gelassen, seynd sie von ihnen umringet, gefangen, und nach Cairo (so die Haupt-Stadt in Egypten ist, und an dem Fluß Nilus liegt) geführt, und dasigem Sultan (ist so viel, als ein Fürst der Türcken) in die Händ gelieffert worden. Nachdem solcher verstanden, daß diese junge Herren aus Franckreich gebürtig, und edle Ritter wären, suchte er selbige theils mit Versprechen, theils mit Bedrohungen dahin zu bringen, daß sie den Christlichen Glauben abschwören solten. Aber sie blieben beständig, und waren bereit, ehender Leib und Leben zu lassen, als an Christo meineidig zu werden. Das verdrosse nun den Sultan dergestalten, daß er selbige unverzüglich liesse in ein finstere Gefängnuß stecken. Weil er aber ein eintzige Tocher, Ismeria mit Namen, hatte, so eine Prinzessin nicht allein von aus bündig schöner Gestalt, sondern auch treflichen Verstand, und ungemeiner Beredtsamkeit; beynebens in dem türckischen Gesatz von Jugend auf mit allem Fleiß unterrichtet, und erfahren war; hofte er, sie wurde endlich die Ritter überreden, dem Christlichen Glauben abzusagen, und den Türckischen anzunehmen. Demnach befahle er ihr, in die Gefängnuß zu gehen, und allem ihrem Verstand aufzubieten, damit die Ritter zum Abfall möchten gebracht werden. Nun Ismeria kommt dem Befehl nach; gehet in die Gefängnuß; grüsset die Ritter, und fangt an von dem türckischen Gesatz ein langes und breites her zu sprechen; mit vermelden, wie selbiges die Wollüsten des Leibs so gar nicht verbiete: und also mit beyden Armen solle umpfangen, und angenommen werden. Solten sie das thun, wurden sie nicht allein aus der Gefängnuß entlassen, sondern auch von ihrem Herrn Vatter, dem Sultan, mit grossen Gnaden angesehen [279] werden. Allein die edle Ritter zeigten ihr einer Seits das Lugenwerck, und viehische Weesen des türckischen; ander Seits aber die Wahrheit, Vernunft, und Heiligkeit des Christlichen Gesatzes so klar, daß sie nach und nach zu wancken angefangen; und letztlich gar das türckische Gesatz, samt dessen Urheber, den lugenhaften Mahomet, verflucht und verworfen hat. Auf dieses hin kehrte sie zu ihrem Vatter, dem Sultan, zuruck, und thate dergleichen, als hätte sie gute Hofnung, die Ritter zu überwinden, und auf ihre Seiten zu bringen. Welches dann der Sultan mit solchem Vergnügen angehört, daß er Befehl ertheilt, die Ritter forthin in Speis und Tranck besser, als bishero, zu tractiren. Das gabe nun der Ismeriä Gelegenheit, die Ritter in der Gefängnus öfters zu besuchen, und mithin in dem Christlichen Glauben sich vollkommentlich unterrichten zu lassen: wie dann auch geschehen; indem Ismeria in kurtzer Zeit so viel gelernet, daß nunmehr Christus, und sein heiliges Gesatz ihr Hertz völlig eingenommen hatten. Zu dem gewanne sie, weiß nicht was für ein hertzliche Liebe gegen der Mutter GOttes, wann ihr die Ritter von selbiger etwas erzählten: wann sie ihre unversehrte Jungfrauschaft; wann sie ihr mildreiches Hertz; wann sie ihre beständige Guthertzigkeit gegen denen Menschen herfür strichen. O! sagte sie: Wann ich doch ein geschnitzeltes Bild, welches diese Jungfräuliche Mutter, mit ihrem liebsten Kind auf denen Armen, vorstellte, haben könnte: wie wolte ich es umpfangen, verehren, und an mein Hertz drucken! Ey! ihr edle Ritter: ist es möglich, daß mein Wunsch erfüllet werde? Die Ritter antworteten: wann sie nur ein Stuck von guten Holtz hätten, das sich leicht arbeiten liesse, so getrauten sie ihnen, ein solches zu verfertigen. Als Ismeria dies gehört, gienge sie hin, suchte ein solches Holtz; und nachdem sie eines gefunden, brachte sie solches denen Rittern, samt einem Stemm Eisen, und anderen dazu erforderten Werckzeug. Worauf sie von ihnen Abschied genommen. Da sahen nun die Ritter einander an, und wußten nicht, was sie anfangen solten. Dann sie sich auf die Bildhauer-Kunst so viel verstunden, als nichts. Indem sie nun voller Sorgen waren, und hin und her gedachten, wie sie die Begierd der Ismeriä erfüllen möchten, fielen sie auf ihre Knie nieder, und ruften Unser Liebe Frau an, daß sie ihnen so viel Kunst und Geschicklichkeit vom Himmel wolte erwerben, als nöthig wär, ein solches Mariä-Bild zu verfertigen, welches der Printzessin Ismeriä gefallen wurde. Kaum hatten sie diese Bitt gethan, da überfiele sie ein sanfter Schlaf; in welchem da sie begriffen waren, stiegen die Engel vom Himmel herunter, und brachten mit sich ein schönes Mariä-Bild, welches sie mit ihren Händen verfertiget hatten. Und nachdem sie nicht allein die Gefängnuß mit ungemeinem Glantz erleuchtet, sondern auch mit himmlischen Geruch angefüllet, stimmten [280] sie eine Music an, dergleichen unter den Menschen nicht gehört wird. Da geschahe es dann, daß einer aus denen Rittern an dieser Music erwachte, Augen und Ohren aufsperrte, und den nächsten mit den Ellenbogen stossend, fragte:Bruder! was ist das für eine Music? was bedeutet dieser Glantz, der die Nacht in den Tag verwandelt? und woher kommet die Lieblichkeit des Ge ruchs? Als nun auf diese Frag die andere auch erwachet, stunden sie mit Schröcken erfüllet auf; und indem sie sich in der Gefängnuß umsahen, erblickten sie ein auf der Erden stehendes Mariä-Bild, samt dem JEsus-Kindlein auf den Armen, von welchem der ungemeine Glantz, und himmlische Geruch herkame. Was nun die Ritter in Ausehung dessen für ein Frolocken gehabt; was Freuden-Zäher sie vergossen; was Danck sie GOtt, und seiner Mutter erstattet haben; wer wird es mit der Feder beschreiben? wer mit dem Mund können aussprechen? sie warfen sich vor dem Mariä-Bild nieder auf die Knie, kußten und verehrten selbiges: und weil dies alles bey eitler Nach vorbey gangen, haben sie eben gemeint, es seye unmöglich, den anbrechenden Tag zu erwarten. Kaum aber war dieser angebrochen, da kame Ismeria in die Gefängnus, um zu erfahren, wie weit die Ritter mit Verfertigung des Mariä-Bild kommen wären? und siehe! in dem sie hinein trittet, findet sie die Ritter noch vor dem Bild auf der Erden kniend, und mit Freuden-Zäher übergossen. Verwunderte sich zugleich ab dem ungemeinen Glantz, und himmlischen Geruch, mit welchen die Gefängnus erfüllet war. Als sie aber von den Rittern verstanden, was sich bey nächtlicher Weil zugetragen hatte, konnte sie sich selbst vor Freuden nicht fassen. Sie frolockte; sie fiele dem Bild zu Füssen: und nach dem sie es mit einem Kuß verehrt, und an ihr Hertz gedrucket, stunde sie auf, und truge es voller Freuden in ihr fürstliches Zimmer: Allwo sie es auf einen Tisch gesetzt, darvor nieder gekniet, und Unser Liebe Frau mit weinenden Augen gebetten, sie wolte ihr doch verhülflich seyn, daß sie samt denen Rittern aus ihres Vatters, des Sultans Haus mit der Flucht entrinnen, und an ein sicheres Ort kommen; mithin den heiligen Tauf empfangen, sich zum Christlichen Glauben bekennen, und GOtt ungehindert dienen könnte. Kaum hatte sie dieses Gebett verrichtet, da fiele sie in einen süssen Schlaf. Und siehe! die Mutter GOttes erscheint ihr, und redet sie an mit folgenden Worten: Wohlan, mein Tochter! deine Bitt solle erfullet werden. Morgiges Tags nimme sammt denen gefangenen Rittern die Flucht: dann ich will euch in eine weit entlegene Landschaft führen, allwo diese meine Bildnuß solle verehrt, du mithin getauft werden, und den Namen Maria bekommen. Als sie dieses geredt, und ihr Ismeria die Füß kussen wollen, ist Unser Liebe Frau verschwunden; Ismeria aber mithin aus dem Schlaf erwachet. Sie stunde [281] demnach auf, und ware bedacht wie sie die Sach müßte anstellen. Das schwerste war, auf was Weise ihr Vatter, der Sultan, möchte hintergangen werden. Zu diesem End stellte sie sich noch immerdar und machte dem Vatter die Hofnung, als wolte sie die Ritter mit nächsten dahin bereden, daß sie sich zum türckischen Glauben bequemen wurden; damit ihm also der Argwohn der vorhabenden Flucht möchte benommen werden. Unterdessen sammlete sie in höchster Geheime zusammen alles, was sie von Gold, Perlein, und Edelgesteinen in ihrem Schatz-Trüchlein verschlossen hatte: und nachdem der andere Tag angebrochen, gienge sie gegen Abend zu denen Rittern in die Gefängnuß, und sagte zu ihnen: Wohlan, ihr edle Ritter! laßt uns die Flucht nehmen; dann die Mutter GOttes wird unsere Weegweiserin seyn. Kaum hatte sie das geredt, fielen denen Rittern nicht allein die Ketten und Band von den Füssen; sondern es eröfneten sich auch alle zugeschlossene Thüren von sich selbst, und durch verborgenen Gewalt. Wie sie das gesehen, giengen sie zur Gefängnuß hinaus. Und obwohlen sie mit der Ismeria den Weeg mitten durch die Stadt Cairo nehmen mußten, konnten sie doch von denen Innwohnern nicht gesehen werden. Also hatte GOtt ihre Augen verblendet. Nachdem sie nunmehr vor der Stadt draussen waren, eilten sie dem Fluß Nilus zu, an dessen Gestatt sie ein Schiflein antraffen, und in selbigen einen überaus schönen Jüngling, welcher sie ungesaumt über den Fluß gesetzt hatte. Daß dieser Jüngling ein Engel geweßt seye, ist bald errathen. Nachdem sie über den Fluß waren, frolockten sie, und wünschten einander Glück, daß sie nunmehr kein weitere Gefahr hätten. Giengen also fort, bis Ismeria (welche mehr in Gutschen zu fahren, als über Feld zu Fuß zu gehen gewohnt ware) ermüdet, und nicht weiter gehen konte. Da setzten sie sich dann unter einem Cypreß-Baum nieder; und weil die Nacht einbrache, mußten sie allda ihre Liegerstatt nehmen. Es stunde auch nicht lang an, da überfiele sie der Schlaf: zu welcher Zeit das Mariä Bild, so Ismeria unter dem Cypreß-Baum nieder gesetzt hatte, für sie gewachet, und folgendes Wunder angestellt hat. Es mußten nemlich auf den Befehl Mariä die Engel mit einer hell leuchtenden Wolcken sich auf die Erden hinunter lassen. Und nachdem die Schlaffende samt dem Mariä-Bild von dieser Wolcken aufgenommen worden, erhebten die Engel selbige in den Luft, und trieben sie die gantze Nacht hindurch viel hundert Meil Weegs über unterschiedliche Länder und Königreich fort, bis sie damit gegen anbrechenden Tag in Franckreich, und zwar an dasjenige Ort kommen, allwo die Ritter zu Haus waren, und auf dem Land ein adeliches Schloß hatten. Da liessen sich dann die Engel samt der Wolcken abermahl auf die Erden herunter, und thaten in einer grünen Wiese, bey einer Brunnquell, die Schlaffende abladen: sie aber verschwanden [282] samt der Wolcken, und liessen die Schlaffende in ihrer Ruhe unverstöhrt. Als nun der Tag angebrochen, thaten die Schlaffende endlich erwachen. Indem sie aber sahen, daß sie sich nicht unter einem Cypreß-Baum, wie gestern zu Abends, sondern bey einer Brunnquell, wo viel Weyden stunden, befinden, konnten sie sich nicht genug darüber verwunderen: dann sie nicht wußten, was sich mit ihnen im Schlaf zugetragen hatte. Als sie sich nun allenthalben umsahen, und ratheten, an was für einem Ort sie dann wären, hörten sie nicht weit von ihnen einen Hirten, so unter einer Weyden sasse, und das Vieh hütete, auf seiner Pfeiffen eines aufspielen. Diesem dann giengen sie nach; und nachdem sie zu ihm kommen, fragte ihn Ismeria (die voran gangen, und geglaubt, sie wäre noch in Egypten, ihrem Vatterland) in türckischer Sprach: Freund! sagt uns doch: was ist das für ein Ort, da wir uns befinden? der Hirt, so diese Sprach nicht verstunde, wußte Anfangs nicht, was er sagen sollte. Endlich sagte er in frantzösischer Sprach: Ich verstehe nicht, was ihr sagt. Als die Ritter ihr Mutter-Sprach gehört, fragten sie den Hirten: Was ist das für ein Dorf, so wir vor uns sehen? und wem gehört dieses Schloß zu, das nicht weit davon liegt? Da antwortete ihnen der Hirt, was an der Sach war. Wie die Ritter verstanden, daß sie sich nicht allein in Franckreich, sondern auch auf ihrem Land-Gut befinden, da ist nicht auszusprechen, was erstlich in ihnen für eine Verwunderung; hernach aber für ein Frolocken entstanden. Ey! sagten sie: daß GOtt, und seiner Jungfräulichen Mutter im Him mel gedanckt seye! dann es ist mit uns ein Miracul geschehen, dergleichen nicht bald gehört worden. Laßt uns dann eilends zu unserem Mariä-Bild so wir bey der Brunn-Quell stehen lassen, zuruck kehren, und vor selbigem unsere schuldigste Danckbarkeit abstatten. Dieses geredt, kehrten sie zur Brunnquell zuruck: und siehe! das Wasser ware unterdessen also aufgeschwollen, daß es das Mariä-Bild ringsweis umgeben, und benetzet hatte: wordurch dann geschehen, daß es von dem Bild eine übernatürliche Kraft bekommen, durch welche (so man davon getruncken) allerhand Kranckheiten feynd geheilet worden. Das hatte dann die Ritter bewogen, daß sie zur Ehr des Mariä-Bilds an diesem Ort eine Kirch aufzubauen versprochen: welches auch bald darauf geschehen. Ja es wird dieses Bild noch heut zu Tag von denen andächtigen Christen verehrt, nicht ohne vielfältige Wunder-Werck, welche GOtt dardurch sowohl zum Heyl der Seel, als des Leibs würcket. Nun, wie gienge es weiters? als die Ritter ihrem Schloß zu eilten, um zu vernehmen, ob ihre Frau Mutter noch bey Leben wäre, sahe diese eben zum Fenster heraus: und wie sie ihre Söhn aus dem Angesicht erkennt, da ist nicht auszusprechen, mit was Freud ihr Hertz erfüllet worden; [283] indem sie nicht anderst geglaubt, als ihre Söhn wären in dem heiligen Land schon längst umkommen. Dannenhero lieffe sie ihnen freudig entgegen, fiele ihnen um den Hals, kußte sie, und konte vor Freuden eine lange Zeit kein Wort reden. Nachdem sie sich aber erholet, fragte sie alles aus: wie ihnen so lange Zeit gangen? und auf was Weis sie wiederum in ihr Vatterland kommen wären? und nachdem sie von allem verständiget worden, warfe sie ihre Augen auf die Ismeriam; aus dero ungemeinen Schönheit sie gleich geurtheilt, sie müßte von hohem Stammen seyn, und als sie darüber den Bericht eingenommen, fiele sie ihr gleichfalls um den Hals, und kußte sie vor Freuden. Führte sie hernach samt den Söhnen in das Schloß hinauf; allwo sie ihnen ein stattliches Tractament zugerichtet, welches man billich ein Freuden-Mahl hat namsen können. Es stunde auch nicht lang an, daß Ismeria den Heil. Tauf empfangen, und darinn den Namen Maria bekommen: über welches die Frau des Schlosses sich also erfreut, daß sie Ismeriam nicht anderst, als ihre eigene Tochter gehalten, und geliebt hat. Ismeria aber diente GOtt, und seiner Jungfräulichen Mutter im Stand der Jungfrauschaft bis an das End des Lebens. Cazæus in piis Hilar. in Præludio. Ex Annalibus Melitensium.


Wer siehet nicht aus dieser Gelegenheit, daß es GOtt angenehm seye, wann man die Bilder seiner Jungfräulichen Mutter verehrt? dann so es anderst wäre, so frage ich: wurde er durch die Engel ein solches Bild im Himmel haben verfertigen lassen? wurden Ismeria, und die Ritter, so selbiges verehrt, durch die Engel über so viel Länder in Franckreich übersetzt worden seyn, wurde GOtt in gedachtem Reich bey dem Mariä-Bild so viel Wunder gewürckt haben? und dannoch därfen die Ketzer die Verehrung der Mariä-Bilder verwerfen. Was Unverschamheit ist dieses! was Halsstarrigkeit! ja: was Gottlosigkeit! kehre dich nicht daran, Catholische Jugend! sondern folge dem uralten Gebrauch der Catholischen, und allein Seeligmachenden Kirchen, welche zu allen Zeiten die Mutter GOttes in ihren Bildern verehrt; und eben darum von GOtt unzahlbare Gutthaten so wohl der Seel, als des Leibs (und das gantz wunderbarlich) erlangt hat.

46. Exempel
[284] Sechs und viertzigstes Exempel.
Ein adelicher Jüngling wird seinen Elteren durch den H. Niclas wunderbarlicher Weis wiederum zugestellt.

Als vor Zeiten die Türckische Meer-Rauber an dem Fest des Heil. Niclas an den Gräntzen des Welschlands einen feindlichen Einfall gethan; mithin alles, was sie angetroffen, weggeraubt, haben sie auch gewaltthätiger Weis mit sich weggeführt einen Jüngling, so von adelichen und reichen Elteren gebohren war. Es lebten diese Eltern lange Zeit im Ehestand, ohne daß sie mit einer Jugend begabt worden; bis sie endlich durch die Fürbitt des heiligen Niclas ein Söhnlein (nemlich gedachten Jüngling) erhalten. Deswegen pflegten sie zu schuldigster Danckbarkeit alle Jahr das Fest des Heil. Niclas mit sonderbarer Andacht zu begehen; indem sie nach verrichtem Gebett in der Kirchen denen armen Geistlichen ein Mittag-Mahl gaben; unter andere Arme aber ein reichliches Allmosen austheilten. Eben an diesem Fest (wie gesagt) wurde der adeliche Jüngling von denen Meer-Raubern nach Babylon (einer Stadt in Egypten, nicht weit vom Nil-Fluß gelegen) geführt, und dasigem Sultan zu einem Aufwarter verehrt. So bald ihn dieser gesehen, gefielen ihm so wohl die adeliche Sitten, als schöne Leibs-Gestalt; also, daß er ihn, nach eingenommener langer Prob von seiner Treu, zu seinem Mundschenck gemacht hat. Das ist: er mußte dem Sultan zur Tafel dienen, und ihm zu trincken reichen. Nachdem er nun diesen Dienst fast ein Jahr lang versehen, und das Fest des Heil. Niclas allbereit wiederum eingefallen, erinnerte er sich, was gestalten seine liebe Eltern zu Haus dieses Fest mit sonderbarer Andacht begiengen. Das triebe ihm dann das Wasser in die Augen, daß er nicht auch dabey seyn konte. Das erpreßte aus seinem Hertzen manchen tiefen Seufzer; welches zu verbergen ihme fast unmöglich fiele. Als er nun an gedachtem Fest dem Sultan bey der Tafel aufwartete, und ihm einen grossen silbernen, und vergoldten Pocal, oder Becher, von dem köstlichsten Wein, welcher an der Tafel herumgehen sollte, mußte einschencken, da konte sich der adeliche Jüngling nicht enthalten, daß er nicht einen tiefen Seufzer aus dem Hertzen gehen liesse. Der Sultan, so dieses vermerckt, fragte ihn gleich: Warum seufzest du? was hast du für ein Anligen? Der Jüngling antwortete: Großmächtiger Fürst! warum sollte ich nicht seufzen; indem heut bey uns Christen das Niclas-Fest begangen wird, an welchem ich in meinem Vatterland gefangen, und hieher gebracht worden? das solle mir ja billich zu Hertzen gehen? [285] was ist das für ein Niclas (fragte der Sultan) von dem du redest? ist es viel leicht einer aus denen Haus-Götzen, den die Christen verehren? kein Haus-Götz (antwortete der Jüngling) sondern ein grosser Heiliger im Himmel ist der Heil. Niclas. Von diesem haben mich meine Eltern erbetten, und mich ihme aufgeopfert. Diese verehren ihn nun heutiges Tags mit sonderbarer Andacht; speisen auch zu seiner Ehr die arme Geistliche; und theilen unter andere Arme ein reichliches Allmosen aus. O daß auch ich bey ihnen wäre, und solcher Andacht beywohnen könte! da fiele ihm der Sultan in die Red, und sagte: was erzählest du da für Mährlein; und was machest du aus deinem Niclas? was wird er dir helfen, wann du ihn lang verehrest? Kaum hatte er diese Wort geredt, siehe! da erschiene der Heil Niclas mitten in dem Saal, allwo der Sultan mit andern vornehmen Herren des Reichs an der Tafel speisete. Er hatte auf dem Haupt eine Inful; in der rechten Hand einen goldenen Bischofs-Stab, und war mit einem von Gold und Edelgesteinen gestickten Bischöflichen Ornat angethan. Nachdem er nun den Sultan, und andere Herren an der Tafel scharf angesehen, ergriffe er den adelichen Jüngling, da er den Pocal mit Wein noch in der Hand hielte, bey einem Haar-Schopf; truge ihn daran zu einem offenen Fenster des Saals hinaus, und führte ihn viel hundert Meil Weegs durch den Luft frisch und gesund bis in sein Vatterland; ja gar in das Haus seiner Eltern, da sie eben mit denen armen Geistlichen am Tisch sassen, und das Mittagmahl einnahmen. Mit was Verwunderung der Elteren dieses geschehen seye, als sie ihren Sohn, wider alles Verhoffen, aus so fernen Landen, und zwar mit einem silbernen und vergoldten Pocal in der Hand, vor sich gesehen; was für ein Frolocken bey ihnen entstanden: was Freuden-Zäher sie vergossen; wer wird es aussprechen? die Frau Mutter, so ihn zuerst gesehen, sagte zu ihrem Herrn: Liebster Gemahl! siehe! unser Sohn ist da. Dies geredt, stunde sie eilends von ihrem Sessel auf, und war so begierig, den Sohn zu umfangen, und zu küssen, daß sie fast den Tisch samt allen Trachten unter über sich gekehrt hätte. In welchem Stuck dann auch die andere ihr nachgefolgt seynd. Also groß war die Freud, und das Frolocken. Nachdem der Willkomm fürbey, mußte der Sohn zu obrist an den Tisch hinsitzen, und allen Anwesenden erzählen, wie er anhero kommen und wie ihm Zeit seines Ausbleibens ergangen wär. Welches dann der Sohn gethan, und mit seiner Erzählung die Zuhörer mit gröster Verwunderung erfüllet hat. Alsdann nahme er den Pocal mit Wein, aus welchem bishero nicht ein Tropfen verschüttet worden, und trancke es seinen lieben Eltern zu mit Bitt, sie wollen samt ihne dem Heil. Niclas Danck sagen, [286] der ihne so wunderbarlicher Weis frisch und gesund aus dem Gewalt des Sultans erlößt, und in sein Vatterland zuruck gebracht hätte. Das thaten dann nicht allein die Elteren, sondern auch die anwesende Gäst, und mußten bekennen, daß sie ihr lebtag keinen köstlicheren Wein, und mit grösserer Freud, als diesen getruncken hatten. Was unterdessen der Sultan in Egypten werde gedacht haben; wie er werde zufrieden geweßt seyn, daß ihm der Jüngling samt dem silbernen und vergoldeten Pocal aus seinem Gewalt entrissen worden, das mag ein jeder bey sich selbst gedencken. Was die Eltern, und den Jüngling anlangt, blieben selbige dem Heil. Niclas lebenlänglich mit aller Andacht zugethan, und vergassen nimmer mehr der Gutthat, so er ihnen erwiesen hatte. Cazæus in piis Hilar. To. 2. Ex ejusdem vitæ per P. Ribadeneiram.

Aus dieser Gelegenheit ist abermahl zu ersehen, wie nutzlich es seye wann man die Heilige GOttes verehrt; um Hilf anruft; sich in ihren Schutz befihlet, und sein Vertrauen auf ihre Vorbitt setzet. Dann, so es GOtt angenehm ist, wann wir die fromme Menschen auf Erden ersuchen, daß sie GOtt für uns bitten wollen; um wie viel angenehmer wird es ihm seyn, wann wir seine Heilige in dem Himmel um ihre Fürbitt anruffen? dann weil diese seine liebst Freund seynd, und solche seyn werden in alle Ewigkeit, so wird er ihnen ja ehender willfahren, als denen Menschen auf Erden, die der ewigen Seligkeit halber noch nicht versichert seynd? und da sollen die Ketzer nicht sagen, als wußten die Heilige im Himmel nichts um uns Menschen auf Erden. Dann GOtt offenbaret es ihnen, wann wir sie anruffen, und auf solche Weis belohnt er ihre Verdienst, die sie auf Erden gesammlet haben. Fahre also fort, Catholische Jugend! die Heilige um ihr Vorbitt anzuruffen; dann du wirst erfahren, daß du es nicht umsonst thust. Verehre den Heil. Niclas, als einen sonderbaren Patronen der Jugend; und er wird sich deiner annehmen. Seiner Wunderthaten seynd viel zu viel, als daß man sie laugnen konte: wie es dann bezeugt die Catholische Kirch, indem sie sich gebraucht folgenden Gebetts:


O GOtt! der du den Heil. Bischof Niclas mit unzahlbaren Wunderthaten gezieret hast: wir bitten dich durch seine Verdienst, daß du uns auf seine Vorbitt von denen höllischen Flammen befreyen wollest. Durch JEsum Christum, unsern HErrn. Amen.

47. Exempel
[287] Sieben und viertzigstes Exempel.
Ein Bedienter wünscht im Todbeth, daß er mehr GOtt, als seinem Herrn auf Erden gedient hätte.

Es war ein gewisser Bedienter, der einem Marggrafen viel Jahr fleißig, und treulich gedienet hatte: weswegen er auch von seinem Herrn inniglich geliebt wurde. Als er auf eine Zeit erkrancket, suchte ihn sein Herr heim, und bezeigte gegen ihm grosses Mitleiden, sagend: »Mein guter Mensch! wie bedaurest du mich, daß ich dich in solchem Zustand sehen muß! du weißt, was grosse Lieb ich allzeit gegen dir getragen, wegen denen treuen Diensten, die du mir so lange Jahr her geleistet hast. O! Könte ich dir helfen, wie gern wollt ich es thun! sage mir nur, was du vonnöthen habest, ich will keine Unkösten sparen.« Wie der Bediente das gehört, sagte er: »mein Herr! wann ihr je meine treue Dienst belohnen wollet, so verschaffet, daß ich entweders nicht jetzt sterben müsse; oder eine Stund lang von meinen Schmertzen befreyet werde; oder, wann ich je verscheiden sollte, in der anderen Welt eine eintzige Nacht eine, gute Herberg habe.« Der Herr antwortete: »mein guter Mensch! das seynd Sachen, die nicht in meinem, sondern GOttes Gewalt stehen. Begehre etwas, das in meinem Vermögen ist, so will ich thun, was ich kan.« Als der Krancke diese Entschuldigung gehört, kehrte er sich zu zu denen, die um sein Beth herum stunden, fienge an bitterlich zu weinen, und sagte! »O ihr gute Freund! wie übel seynd meine Dienst angelegt worden! dann sehet! ich kan von meinem Herrn nichts erhalten von allem dem, was ich von ihm begehrt hab. Darum rathe ich euch, daß ihr ab meiner Thorheit witziger werdet, und dem jenigen HErrn dienet, der euch nicht allein von Schmertzen befreyen, sondern auch mit ewiger Freud belohnen kan. Wer ist aber dieser anderst als unser lieber HErr GOtt? O köntet ihr mir durch euer Gebett das Leben erlängeren, mit was Eifer wollte ich ihm dienen! allein, das ist mehr zu wünschen, als zu hoffen. Aufs wenigst bedaure ich in meiner Seel, daß ich ihm so hinläßig gedient hab. Diese Reu und Leid hoffe ich, werde meine Hinläßigkeit ersetzen.« Dieses geredt, gabe er bald darauf seinen Geist auf nicht ohne Auferbauung deren, so um sein Beth herum stunden. Belvacensis in speculo morali.


Was dieser Bediente in seiner Kranckheit gewunschen, das soll man thun, weil man noch gesund ist; und öfters jenen Spruch des gottseligen Thomä von Kempis zu Gemüth führen: daß nemlich alles auf Erden [288] eine lautere Eitelkeit seye; ausser GOtt lieben, und ihm allein dienen. O was Trost bringt dieses einem Sterbenden! und mit was Hofnung erwartet er die ewige Belohnung!

48. Exempel
Acht und viertzigstes Exempel.
Thomä Mori Reichs-Cantzlers in Engelland, Christliche Starckmüthigkeit, so er in Aufnehmung eines Unglücks-Streichs erwiesen.

Als in dieses Herrn Abwesenheit durch ein Feuers-Brunst ein Theil seines Haus, samt denen Korn-Scheuren, voll des besten Getrayds, abgebrunnen, und in die Aschen gelegt worden; mithin seine Gemahlin Aloysia ein grosses Jammeren machte, und ihm den erlittenen Schaden in einem langen Brief, der mehr mit Zähern, als Dinten geschrieben war, zu wissen thate, liesse er an sie diese wenige Trost-Zeilen zur Antwort ablauffen.

Meinen Gruß voran liebste Aloysia!

»Ich vernimme aus eurem Schreiben, was gestalten unsere Korn Scheuren durch Feuers-Noth verunglückt worden. Ist wohl schad um das liebe Getrayd. Weilen es aber GOtt also gefallen, müssen wir diesen Streich nicht allein gedultig, sondern auch willig annehmen. Was wir verlohren, das hat uns GOtt geben: jetzt hat ers wieder genommen. Der Namen des HErrn seye gebenedeyt: seinem Willen wollen wir uns nicht widerspenstig erzeigen. Wir haben nicht Ursach deshalben zu murren, sondern alles wohl aufzunehmen, und ihm Danck zu sagen, gehe es wohl, oder übel. Ja, wann wir die Sach recht überlegen wollen, so hat uns GOtt durch gegenwärtigen Verlust eine grössere Gutthat erwiesen, als wann er uns weiß nicht was vor einen Gewinn beschehret hätte; weil er besser weißt, als wir, was uns nutz seye. Derohalben seyd wohl getröst, mein liebste Aloysia! und verfüget euch alsobald mit dem gantzen Hausgesind in die Kirchen, dem gütigen GOtt schuldigsten Danck zu erstatten, so wohl um das, was er uns entzogen, als was er uns gelassen hat. Beliebet es ihm, so kan er, was noch übergeblieben, bald vermehren: will er noch mehr nehmen, bin ich dessen auch zufrieden. Was dem HErrn gefällig, das geschehe: ihr aber, liebste Aloysia! lebet wohl.«

Von Hof aus, zu Wodstock

Den 13. Septemb. An. 1529.


Stapletonis in vita Thomæ Mori.

[289] Mein GOtt! was für ein Saft der Gottseligkeit ist in diesem kurtzen Trost-Schreiben begriffen! was edle Gedancken, was Stärcke! was Standhaftigkeit! wann der gedultige Job selbst dieses Schreiben angegeben hätte, wurde er auch starckmüthiger geredt haben? O edles Gemüth! O Hertz, das sich allein auf GOtt gegründet hat! O More! würdig, daß dich die gantze Welt bewundere, und dein Starckmüthigkeit bis an die Himmel erhebe! lerne, lerne, Christliche Jugend! von diesem grossen Mann, wie du dich mit der Zeit drein schicken sollest, wann GOtt einen Unglücks-Streich über dich verhängen sollte. Ueberlise dieses Schreiben, und du wirst erfahren, was Trost es dir bringen werde.

49. Exempel
Neun und viertzigstes Exempel.
Ein frommer Priester erkennt durch ein Gesicht den innerlichen Stand dreyer Mägdlein, da sie seiner Meß beygewohnt.

Es war ein frommer Priester, der lase täglich Meß: jedoch etwas längers als andere: indem er seiner besonderen Andacht pfloge. Als nun auf eine Zeit drey Mägdlein seiner Meß beywohnten, sahe er unter währendem Meßlesen erstlich von dem Himmel herunter steigen einen Engel, haltend in der rechten Hand einen Crantz, aus rothen Rosen zusammen geflochten, welchen er einem aus diesen Mägdlein auf den Kopf gesetzt. Bald darauf einen anderen, mit sich bringend einen Crantz von gelben Rosen, den setzte er gleichfalls einem andern Mägdlein auf den Kopf. Letztlich aber hatte er wegen des dritten Mägdleins ein gantz anderes Gesicht. Dann er sahe, was gestalten die böse Geister gegen ihr ein Compliment machten, gleich wären sie tantzende Jüngling, welche mit unverschamten Gebärden selbiges zu aller Geilheit anreitzten. Sobald die Meß aus ware, rufte der Priester die drey Mägdlein zu sich, und fragte ein jedes, mit was Gedancken es doch unter der Heil. Meß seye umgangen? dann er hätte ihnen was wunderliches zu sagen. Da bekennte ihm das erste, und sagte: es habe unter der Heil. Meß betrachtet, was gestalten die Juden Christo dem HErrn eine dörnere Cron so tief in sein Allerheiligstes Haupt hinein gedruckt hätten, daß ihm das Blut häufig über die Stirn und Wangen herunter geloffen. Da habe es dann aus Mitleiden bey sich selbst gesagt: Ach mein JEsu! wie viel hast du für mich gelitten! und wie wenig leide ich dir zu Lieb! O mich Undanckbare! da sagte der Priester: das ist die Ursach, daß dir unter der Heil. Meß ein Engel vom Himmel einen Krantz von rothen Rosen aufgesetzt hat. Dann durch [290] die rothe Farb der Rosen wurde bedeutet die rothe Farb des Bluts Christi. Fahre fort, mein Tochter! in solcher Betrachtung; habe Mitleyden mit dem leydenden JEsu, so wird er dich auch seiner Freuden im Himmel theilhaftig machen.


Hernach fragte er das anderte Mägdlein, was es unter der Heil. Meß für Gedancken gehabt hätte? und es bekennte, daß es ihme Christum den HErrn eingebildet, wie er noch als ein Kind in der Krippen gelegen. Da habe es dann seine zarte Händlein mit tieffester Ehrerbietung gekußt, habe ihm schön gethan, selbiges auf seine Armb genommen, an das Hertz gedruckt, und mit Freuden-Zähern benetzt. Recht, sagte der Priester: darum hat dir ein Engel vom Himmel unter dieser freudigen Betrachtung einen Krantz von gelben Blumen aufgesetzt: dann diese ist ein Freuden Farb.


Was hast aber du, fragte der Priester das dritte Mägdlein, unter der Heil. Meß für Gedancken gehabt, das Mägdlein bekennte rund heraus, und sagte:ich hab bey mir selbsten gedenckt: O was ist doch dieser Geistliche für ein Kertzen-Brenner! wie lang blättert er in dem Meß-Buch herum! es sollte einer glauben, er buchstabire ein Wort nach dem anderen. Ach! wann er doch einmahl fertig wär, so könnte ich auf den Tantz-Platz gehen, das wäre mir über essen und trincken. So so! sagte der Priester: jetzt nimmt es mich nicht wunder, daß dir die böse Geister unter der H. Meß ein Compliment gemacht haben. Du bist halt ein Welt Kind, und gedenckst an nichts anders, als an Springen und Tantzen, und dergleichen üppige Freuden, wordurch die böse Geister schon viel in ihr Netz gebracht haben. Hüte dich also, und folge vielmehr denen anderen zweyen Mägdlein nach: damit auch du mit ihnen in dem Himmel gleicher Freuden mögest theilhaftig werden. Und mit dieser Auslegung und Warnung entliesse der Priester die Mägdlein von sich. Godschalcus Holenius Serm. 100. Parte æstiva.


O wann man oft sehen könnte die Gedancken, welche von denen, so der H. Meß beywohnen, im Hertzen geführt werden, was für ungereimte Sachen würden heraus kommen? wie viel gedencken an nichts wenigers, als an die Gegenwart Christi auf dem Altar, wie viel tausend der Englen ihm aufwarten, wie sie auf ihre Angesichter aus tieffester Ehrerbietung fallen, und ihn anbetten; ist aber das die Ehr, die man GOtt schuldig ist, ist das die Andacht, die man bey diesem göttlichen Opfer haben solle? O Schand! O Verantwortung! O Gericht, das auf solche warthet.

50. Exempel
[291] Fünftzigstes Exempel.
Schwehrer Streit, so ein Jüngling im Tod-Beth wider den bösen Geist ausgestanden.

Um das Jahr Christi 1586. erkranckte zu Padua, einer Stadt in Welschland, ein Jüngling auf den Tod. Wie er gemerckt, daß kein Hofnung des Lebens mehr übrig, liesse er sich zeitlich mit den gewöhnlichen Sacramenten der Sterbenden versehen; damit er auf den Tods-Kampf wider den bösen Geist gerüstet wäre. Indem er nun also da liegt, laßt sich der böse Geist in abscheulicher und schröcklicher Gestalt vor ihm sehen; um hierdurch den Krancken zu schröcken, und verzagt zu machen. Kaum hatte ihn der Krancke ersehen, da schreyt er überlaut: Sehet! sehet! der böse Geist ist da. Gebt mir gschwind das Crucifix, damit ich ihn verjage. Als er solches von denen Umstehenden empfangen, bate er sie, sie wollten doch für ihn betten, damit ihm der böse Geist nicht möchte beykommen. Welches dann die Umstehende auch fleißig gethan; also, daß der Krancke eine weil ruhen konnte, es stunde aber nicht lang an, da liesse sich der böse Geist das andertemahl sehen. Weßwegen dann der Krancke die Umstehende auf ein neues um ihr Gebett ersucht, sagend, der böse Geist wolle ihm das Crucifix mit Gewalt aus denen Händen reissen. Als ein Geistlicher, der ihm beystunde, solches gehört, besprengte er den Krancken mit dem Weyh-Wasser, sprache ihm zu, er sollte den Schild des Glaubens ergreiffen, und sein Vertrauen auf die göttliche Barmhertzigkeit setzen; dann diese werde ihn nicht verlassen. Der Krancke thuts, und sihe! der böse Geist mußte wiederum abweichen. Allein er kame zum drittenmahl, und weil er mit seiner Abscheulichkeit nichts konnte ausrichten, zeigte er sich nunmehro in einer gantz poßirlichen Gestalt, und triebe allerhand Gauckler-Spihl vor dem Krancken, ihne hierdurch vom Gebet abzuhalten, oder wenigst darinn irr zu machen. Weil sich aber der Krancke nichts daran kehrte, verdrosse es den bösen Geist dergestalt, daß er ihn nicht allein mit Fäusten hart schluge, sondern ihm auch Händ und Füß also zusammen bande, daß er sich nicht mehr bewegen konnte; worauf er die Flucht genommen. Nach diesem Streit, (welcher zwey Stund lang gedauret) erfolgte bey dem Krancken ein grosse Ruhe. Wie er aber gemerckt, daß ihm Händ und Füß vom bösen Feind wären gebunden worden, verlangte er mit dem Weyhwasser besprengt zu werden. Und siehe, des bösen Feinds unsichtbahrer Gewalt wurde aufgelöset; und konnte sich der Krancke nunmehr wiederum frey bewegen, wie er wollte. Das erweckte nun in ihm ein [292] solche Freud, daß er GOtt dem HErrn für den erhaltenen Sieg ohnabläßlich Danck sagte, und in solcher Dancksagung letztlich seinen Geist in die Händ des Schöpfers aufgabe. Der Streit aber, so der Krancke mit dem bösen Feind gehabt, verursachte bey denen Umstehenden eine solche Veränderung im Gemüth, daß viel ihr Leben gebessert haben; sorgend, sie dörften einstens im Tod-Beth, gleich dem verstorbenen Jüngling mit dem bösen Geist zu streiten haben: und das villeicht mit gröster Gefahr, von ihm überwunden zu werden. Annales Venetorum, ad Annum Christi 1586.


Was wendet nicht der böse Gest für Gewalt an, den todt-krancken Menschen anzufechten, und zu schröcken, damit er ihn ins Verderben stürtze; und wie wahr ist, was der Job sagt am 41. Cap. Es ist kein Macht auf Erden, die man mit ihm vergleichen möge. Aber diese seine Macht wird gebrochen durch das Vertrauen, so der Todt-Krancke setzt auf die göttliche Barmhertzigkeit, durch Fürhaltung der Bildnus des gecreutzigten Heylands, welcher den bösen Geist am Creutz überwunden; durch Besprengung des Weyhwassers, welches von dem Gebett, so die Kirche darüber spricht, grossen Gewalt hat, den bösen Geist abzutreiben. Welche Mittel ein Tod-Krancker wohl in Acht nehmen solle, damit er wider den bösen Feind den Sieg erhalten möge.

51. Exempel
Ein und Fünftzigstes Exempel.
Ein Oesterreichischer Printz wird wunderbahrlicher Weiß aus äusserster Lebens-Gefahr errettet.

Maximilian, der Erste dieses Namens, Römischer Kayser, aus dem glorwürdigsten Haus Oesterreich entsprossen, als er noch ein junger Printz, hatte kein grössere Freud, als im Gembs-Jagen. Es seynd aber die Gembse wilde Geissen, die sich auf hohen Bergen, und schroffigen Felsen aufhalten, und im Springen von einem Felsen zum andern so geschwind seynd, als flogen sie im Luft. Nun geschahe es, daß, als dieser junge Printz sich im Tyrol (welches sehr gebürgig ist) aufhielte, und samt seinen Hof-Herren mit einer solchen Gembs-Jagd sich erlustigte, er auf einem überaus hohen Felsen sich dergestalten verstiege, daß er weder hinter noch für sich mehr konnte. Dann, sahe er über sich, so ware vor ihm der Gipfel des Felsens, der sich nicht besteigen liesse; sahe er unter sich, so schwindelte ihm vor der entsetzlichen Tieffe, in welche er stürtzen, und in Stuck zerfallen mußte, wann er den Felsen wiederum absteigen wollte. Das machte ihn nun nicht allein erstaunend, sondern füllte ihn auch mit einem ungemeinen Schauber an; indem er nicht sahe, wie man ihm [293] könnte zu Hülf kommen. Dann das Ort, wo er stunde, viel zu hoch war, als daß man selbiges mit Leitern besteigen, oder dem armen Printzen einige Seiler hätt zuwerffen können. Da verwarffe er dann seine Keckheit, welche ihn in solche Gefahr gesetzt hatte. Dann er sahe nichts anders vor, als die Nothwendigkeit, auf diesem schrofigen Felsen vor Hunger und Durst zu crepiren, und elendiglich dahin zu sterben. Wie nun die Hof-Herren ihren Printzen unten am Felsen in solcher Gefahr gesehen, da ist nicht auszusprechen, wie sie sein Unglück bedauret, und beweint haben; vornehmlich, weil hier weder zu rathen, noch zu helffen war. Als demnach der arme Printz in diesem elenden Stand nunmehr zwey gantze Tag und Nacht ohne Speiß und Tranck verharret, gabe er sich in den göttlichen Willen, schluge das gegenwärtige Leben in die Schanz, und war allein für das Ewige besorget. Zu diesem End schrye er zu seinen Hof-Herren von dem Felsen herunter, weilen es je um sein Leben geschehen seye, so wollen sie aus dem nächsten Dorf einen Priester mit dem Hochwürdigen Gut lassen herbey kommen, der ihm solches von weiten zeigen sollte; damit, weil er selbiges doch nicht empfangen könne, wenigst seine Seel in dessen Anschauung erquickt, und getröst werde; welche er auch in die Händ seines, in dem heiligen Sacrament gegenwärtigen Heylands, auf das kräftigste, als ihm möglich, befehlen wollte. Nun das ist geschehen, und hiemit die gottseelige Begierd des armen Printzen erfüllet worden. So bald in der Nachbarschaft das Geschrey erschollen, in was Gefahr der arme Printz sich befinde; da entstunde bey allen treuen Unterthanen ein solches Klagen, Jammern, Weynen, daß nicht davon zu sagen. Jedermann lieffe denen Kirchen zu, in welchen das Hochwürdige Gut ausgesetzt, und dabey das allgemeine Gebett von vielen Seufftzen und Weynen verrichtet wurde: damit doch der barmhertzige GOtt den armen Printzen aus der Gefahr erretten wollte. Ist auch solches Gebett nicht fruchtloß abgeloffen. Dann siehe! indem der arme Printz mit den Gedancken des künftigen Lebens beschäftiget ist, hört er hinter ihm ein starckes Geräusch. Er verwundert sich, was es bedeute solle. Schauet also zuruck, und sihet an der Wand des Felsens zu ihm hinauf kletteren einen wohlgestalten Jüngliing in Baurs-Kleydern. Dieser risse mit grossem Gewalt ungeheure Schroffen aus dem Felsen heraus, um hierdurch den Zugang zu dem Printzen zu bahnen. Wie er endlich zum Printzen hinauf kommen, reichte er ihm die Hand, und sagte: Printz! seyd getröst, und förchtet euch nicht, dann ich bin kommen euch aus der Gefahr, in der ihr seyd, zu erretten. Folget mir nach, ich will euch auf die Ebene, wo euere Hof Herren seynd, hinunter bringen. Der Printz folgte, ob ihm schon der Jüngling nicht bekannt war. Und siehe! er wird durch so wunderliche Weeg geführt, daß er selbst nicht gewußt, wie ihm geschiehet, [294] bis er endlich sich auf der Ebene befunden. Da sollte man gesehen haben, mit was Freuden ihm die Hof-Herren zugeloffen, wie sie ihm Glück gewunschen, was für Freuden-Zäher sie vergossen, mithin aber inständig bittend, er wolle ihnen doch erzählen, auf was Weis er von der erstaunlichen Höhe des Felsens herunter kommen wäre. Das thate der Printz. Indem er aber auf den Jüngling, der ihn errettet, deuten wollte, war er nicht mehr vorhanden. Ueber welches sich der Printz nicht wenig verwundert; dann er ihn reichlich zu beschencken gesinnet war. Weil er nun glaubte, der Jüngling habe sich etwann unter dem von allen Orthen herzu lauffenden Bauren Volck verlohren; werde sich aber schon wiederum sehen lassen, setzte er sich zu Pferd, und ritte unter dem Geschrey des frohlockenden Volcks seiner Residentz zu. Den Tag darauf liesse der Printz aller Orten ausruffen, daß man demjenigen Jüngling, der ihn errettet hatte, sollte nachfragen; dann er sollte reichlich beschenckt werden. Allein alles Nachfragen war umsonst, wiewohl der Printz die Gestalt, und Kleydung des Jünglings gantz genau beschrieben hatte. Woraus dann jedermänniglich mit bestem Grund geschlossen, es müsse ein Engel geweßt seyn, von GOtt geschickt, diesen noch allein übrigen Printzen zu Fortpflantzung des glorwürdigsten Hauses Oesterreich beym Leben zu erhalten. Bayerling in Theatro vitæ humanæ, sub verbo: Eucharistia.


Wer will zweiflen, daß GOtt durch diese wunderhahrliche Errettung habe wollen belohnen die hertzliche Andacht, so gedachter Printz nach dem Exempel seiner Anherren zu dem Hochwürdigen Gut getragen? dann wie löblich war es an diesem Printzen daß er anderst nicht sterben wollen, er hätte dann vorher seinen in dem heiligen Sacrament des Altars gegenwärtigen Heyland angebettet, und seine Seel in dessen Hände befohlen? O Gottseeligkeit, welche dem Glorwürdigsten Haus Oesterreich angebohren! weßwegen auch GOtt selbiges schon etliche Hundert Jahr bey dem Scepter des Römischen Reichs erhalten. Und, O daß ers noch ferner erhalte! das ist der Wunsch aller deren, so von der Oesterreichischen Gottseeligkeit, Milde, Gerechtigkeit, und Liebe gegen denen Unterthanen, wo nicht die Erfahrnus eingenommen, wenigst davon gelesen, oder gehört haben.

52. Exempel
[295] Zwey und fünftzigstes Exempel.
Ein Edler Printz führt einen unschuldigen Wandel, und stirbt voll des Trostes.

In dem vorigen Jahr hundert lebte in Paraquarien (einem Land in der neuen Welt) ein edler Printz, dessen Wandel so unschuldig, daß der Priester in Anhörung seiner Beicht erstaunte, und fast vor unmöglich hielte, daß ein Mensch von Kindheit in der Wüsteney, und mitten unter denen Laster-vollen, ja halb viehischen Heyden erzogen, dannoch so weit von allen Sünden sollte entfernet seyn, als hätte er gelebt in einer Gesellschaft, in welcher er nichts anders, als lauter Exempel der Tugenden gesehen, die ihn zur Nachfolg angetrieben. Nun hatte GOtt an dieser ungewöhnlichen Unschuld ein so grosses Belieben, daß er ihn durch den Tod aus diesem Zeitlichen in das ewige Leben versetzen wollte. Hierzu gabe Gelegenheit die Sucht der Pestilentz, welche fast das gantze Land überzogen, und unter andern auch diesen gottseeligen Printzen ergriffen; der sich aber deßwegen im geringsten nicht entsetzt, sondern allein besorgt war, einen Priester zu haben, der ihm die heilige Sacramenten der Sterbenden reichte, und seine Seel durch geistliches Zusprechen zum Abdruck geschickt machte. Welches er dann auch nach Wunsch erhalten. Als die Kranckheit anhielte, sagte er öfters mit fröhlichem Angesicht, er förchte ihm nicht zu sterben, verlange auch nicht länger zu leben, sondern nur dieses wünsche er, daß der Allerheiligste Willen GOttes, als seines allerliebsten Vatters, und Schöpfers vollkommentlich an ihm erfüllet werde. Wohl ein heiliger Wunsch, ein auferbäuliche Red, es schiene, als wäre er von Jugend auf in einem Closter erzogen, und zu allem Guten angewiesen worden; also geistreich waren seine Gespräch, und inbrünstig die Anmuthungen zu GOtt. Nachdem er die Heilige Sacramenten der Sterbenden mit grosser Andacht empfangen, rufte er seine Kinder, und Gemahlin vor sich, und ermahnte sie mit gantz eyfrigen Worten zu einem recht Christlichen Lebens-Wandel, darinn sie bis auf den letzten Athem verharren, auch lieber alle Marter ausstehen sollten, als den wahren, und so liebreichen GOtt im geringsten beleydigen, oder einen Finger breit von seinem göttlichen Gesatz abweichen. Versprache ihnen hinwiederum, daß auch GOtt seines Theils nichts an ihme ermanglen, sondern mit aller Gnad, und erwünschter Beyhülf ihnen beystehen, und als ein treuer Vatter, und Schutz-Herr versorgen werde. Als er ihnen solcher Gestalt zugesprochen, und Abschied genommen, rufte er zu sich den Priester, [296] von dem er mit denen heiligen Sacramenten auf den Weeg in die Ewigkeit versehen worden, und sagte: Pater, ihr sollet wissen, daß, als ihr mir den Fronleichnam unsers HErrn JEsu Christi gebracht, ich gesehen hab vor euch hertretten zwey Knaben, von überaus schöner Gestalt, und liebreichen Gebärden mit zwey weissen brinnenden Facklen in Händen. O wie holdseelig war ihr Angesicht wie schön und köstlich ihre Kleidung, sie lagen die gantze Zeit mit höchster Ehrerbietung aus ihren Knyen, und lächelten mich an mit unaussprechlicher Freundlichkeit. Unter währender solcher Red überfiele ihn eine so freudige Süßigkeit, und inbrünstiges Verlangen GOtt anzuschauen, daß er mit himmlischem Trost übergossen, gantz sanftiglich darinn entschlaffen, und seine Seel in die Händ ihres Schöpfers geliefert hat.Hazart S. J. in der Paraquarischen Kirchen-Geschicht c. 3.


O GOtt! wann ein Mensch, so mitten unter den lasterhaften Heyden erzogen worden, dannoch gottseelig und tugendhaft gelebt, wie viel mehr sollen es thun diejenige, welche unter denen Christen leben, so viel gute Exempel an ihrem Nächsten sehen, so viel nutzliche Predigen hören; und wann das nicht geschiehet, was für eine Verantwortung machen sie ihnen vor GOtt, wahrhaftig! je mehrer einer Gelegenheit hat Gutes zu thun, und es doch nicht thut, je strenger wird auch sein Gericht seyn.

53. Exempel
Drey und fünftzigstes Exempel.
Ein Christlicher König in Japonien (so da im Welt-Theil Asia liegt) bereitet sich gar gottseelig zu einem glückseeligen Tod.

Nachdem dieser König, mit Namen Bartholomäus, vier und zwantzig Jahr lang, um des Christlichen Glaubens willen von seinen eigenen Unterthanen, so da Heyden waren, viel Bedrängnussen erlitten, und aber in seinem Christlichen Eyfer jederzeit beständig verblieben, hat ihn eine beschwehrliche, und halb jährige Kranckheit angestossen, wordurch ihn GOtt seines Hinscheidens erinneret. Diese Zeit hindurch übte er sich in steter Andacht, und machte seine fromme Seel durch öfteren Gebrauch der heiligen Sacramenten allerdings tauglich, selbige seinem Schöpfer mit schuldigster Danckbarkeit einzuhändigen.


Als die Kranckheit überhand genommen, berufte er zu sich alle seine fürstliche Kinder; insonderheit seinen recht-erblichen Sohn, mit Namen Sanchetz, so nunmehr ein Christ [297] war, und redete ihn mit diesen letzten, und sehr bedencklichen Worten an:

»Es seynd nunmehr 24. Jahr verflossen, daß ich bin ein Christ worden. Da ich zu regieren angefangen, fande ich in meinen Reich aus meinen Unterthanen keinen einigen Christen. Nun aber, so vil mir bewußt, hinterlasse ich keinen eintzigen Heyden. Das hat mich zwar vil Schweiß und Beschwernuß gekostet; welches ich doch alles glücklich überstanden. Was mich nun kräncket, ist dieses: ich möchte etwann aus eigener Schuld nicht also gelebt, noch meinen Unterthanen vorgeleuchtet haben, wie das Christenthum erfordert. Derowegen solst du mein getreuer ältister Sohn Sanchetz! und rechtmäßiger Reichs-Erb mit deinem Fleiß ersetzen, was ich unterlassen hab. Dieses aber lasse dir zu vorderst angelegen seyn, daß sich deine Geschwistert mit keinem ehlich verbinden, als der ein wahrer Christ, und von der gantzen Christlichen Gemeinde für tugendsam und gottseelig geachtet werde. Lasse dir auch sonderbar angelegen seyn die GOtts-Häuser; und schütze mit aller Macht die Christliche Lehrer. Du aber mein jüngster Sohn, Line! und ihr geliebte Töchter! haltet euren ältisten Bruder, dem ich das Reich samt der Obsorg über euch hinterlasse, in Ehren. Euere geliebte Mutter solle hinführo von euch mehr geliebt und geehrt werden, je mehr sie meines Trostes beraubet, all ihr Hofnung auf euere kindliche Treu, als einen vesten Stab ihres erlebten Alters setzet. Letztlich wann mein Seel von dem Leib wird aufgelöset seyn, so bettet für sie sammentlich bey dem allmächtigen GOtt: lasset lesen das Heil. Meß-Opfer: gebet reichlich Allmosen, und zeiget disfalls euere kindliche Treu und Liebs-Neigung gegen euerem Vatter. Dieses ist das letzte Verlangen eueres sterbenden Vatters. Hiemit bitte ich unseren GOtt und HErrn, daß er euch mit seinem Heil. Seegen also begnaden, und erfüllen wolle, damit wir einander nach diesem zeitlichen Elend einstens glücklich in dem Himmel sehen mögen.«


Als nun der Tod herzu nahete, seegnete er seine Frau, und Kinder mit dem letzten Abschied, bittend, ihn anjetzo allein zu lassen, und sich in die Haus-Capell zu begeben, alldorten ihm von dem barmhertzigen GOtt ein glückseeliges End zu erlangen. Bald sagte er zu denen Anwesenden, die bey ihm verbliben: liebe Freund! ich habe die Meinige beurlaubet, auf daß ich desto mehr mich mit meinem GOtt vereinigen möge. Dannenhero bitte ich euch insgesamt, daß ihr mich forthin keines Dings erinnert, als allein der unendlichen Güte GOttes. Hinweg mit allen unnützen Geschäften dieser Welt. Kein anderer [298] Gedancken soll in meinem Gemüth aufsteigen, als allem von dem Himmel, und himmlischen Dingen.


Ein Christlicher Edelmann, so zu gegen war, fragte ihn, ob seine Majestät im übrigen nichts zu befehlen hätte an dero Sohn, den Fürsten Sanchetz? da antwortete der König: ich hab euch nicht anhero beruffen, die Sorg für meine Kinder vorzutragen; sondern mich allein GOttes, und göttlicher Dingen zu erinneren. Auf dieses hin wendete er sich zu einem Priester mit Bitten, er wolle ihm ohne Unterlaß von nichts anders sagen, als von denen göttlichen Vollkommenheiten: ihn beynebens auch erinneren der unzahlbaren, und überaus grossen Gutthaten, die ihm GOtt erwisen; absonderlich des bitteren Leydens, und Sterbens Christi seines Heylands: in dessen Vorstellung er in Zäheren fast gar zerflosse. Letztlich nach öfteren Verlangen, mit welchem er seuftzte nach der glückseeligen Ewigkeit; nach vilen Anmuthungen, mit welchen sein Hertz gegen GOtt entbranne, umfienge er mit beyden Armen das Bild des gecreutzigten Heylands; rufte mit zarter Innbrunst JEsum und Mariam an, und übergabe in ihre Händ seinen gottseeligen Geist im Jahr 1587. den 14. May. P. Hazart S. J. in seiner Japonischen Kirchen-Geschicht c. 3.


Was für ein schönes Exempel von einem Sterbenden! nichts anders hören wollen, als was von GOtt ist! nichts anders zu Gemüth führen, als seine unendliche Güte; damit das Hertz mit selbiger vereiniget werde, in göttlicher Liebe abdrucke, und dorten im Himmel GOtt vollkommentlich, und in Ewigkeit lieben möge! von solchen, die also sterben, sagt der Heil. Johannes in seiner Offenbahrung am 14. Cap. Seelig seynd die im HErrn sterben. Hinweg also mit allem unnützen Geschwätz vor einem Sterbenden, als dessen Anmuthungen gegen GOtt nur verhindert werden. Da, da solle man keinen Augenblick versaumen, sich in der Liebe gegen GOtt zu üben, und aus solcher Liebe Reu und Leyd über die Sünden zu erwecken, damit man von einem sagen könne: er ist in GOtt verschiden. Einen solchen Tod haben genommen alle Heilige. Diesen müssen wir nachfolgen, wann wir ihnen im Himmel wollen beygesellet werden.

54. Exempel
Vier und fünftzigstes Exempel.
Die Seel eines verstorbenen Vatters erscheint dem Sohn erst nach vil Jahren, und begehrt Hülf von ihm.

Als im Jahr Christi 874. des Kaysers Ludwigs, bey genannt des Frommen Sohn zur Fasten-Zeit dem Heil. Gebett, und anderen Tugend- [299] Wercken eyfriger, als sonsten oblage, hat es sich zugetragen, daß ihm bey nächtlicher Weil, da er schlaflos im Beth lage, sein verstorbener Herr Vatter erschiene; aber mit bleichem Angesicht, und erbärmlich seuftzend. Indem nun der Geist ein Weil vor der Bethstatt gestanden, brache er endlich gegen dem Sohn in diese Wort aus: Sohn! ich beschwöre dich durch unseren HErrn JEsum Christum, daß du mir wollest helffen aus denen Peynen, in welchen ich aufgehalten werde; damit ich doch einstens die ewige Ruhe erlangen möge. Nach welchen Worten der Geist verschwunden ist.


Was Mitleyden diese Wort bey dem Sohn werden erweckt haben, ist leicht zu gedencken: in Erwegung, daß diese Erscheinung erst 34. Jahr nach dem Tod des Kaysers geschehen; und also dessen abgeleibte Seel 34. Jahr lang (O was für eine Zeit!) hat müssen im Fegfeuer leyden; ohngeachtet man ihn bey Lebs-Zei ten wegen seiner Gottseeligkeit, und tugendsamen Wandel nicht anderst, als Ludwig den Frommen zu namsen pflegte.


Die Ursach aber, warum er so viel Jahr hat müssen im Feg-Feuer leyden, war diese: weilen er aus angebohrner Gelindigkeit zu denen Sünden und Lastern, welche unter seiner Regierung bey denen Unterthanen im Schwang giengen, zu viel durch die Finger gesehen, und selbige nicht mit solchem Ernst, wie sie verdienten, abgestraft hat. Unterdessen war das Mitleyden des Sohns gegen seinem verstorbenen Herrn Vatter so groß, daß er des anbrechenden Tags kaum erwarten können. Alsdann aber liesse er unverzüglich an alle Clöster des Reichs Schreiben abgehen, in welchen er die Ordens-Leut ersucht hat, für seinen verstorbenen Herrn Vatter eyferig zu betten; damit er doch bäldigst möchte die ewige Ruhe erlangen: welches dann auch fleißig geschehen; und zweifels ohne die abgeleibte Seel dardurch zur erwünschten Ruhe wird befördert worden seyn. Brunneri S.J. Annales Bojorum P. 2. ad Annum 874.


Wer solle sich hier nicht entsetzen ob der Strenge der göttlichen Gerechteit; als welche so viel Jahr lang nicht zugelassen, daß des verstorbenen Kaysers abgeleibte Seel die geringste Hülf von dem Sohn solte begehren können; sondern vielmehr wollen, daß sie mit Leyden solte abzahlen, was ihr in Ansehung des Gebetts der Lebendigen auf Erden wurde geschencket worden seyn? da hat wahrhaftig GOtt zeigen wollen, wie streng er in der anderen Welt mit grossen Herren, und anderen Obrigkeiten verfahre, wann sie nicht ihrem Amt gemäß, denen Sünden und Lastern durch gebührende Straf vorbiegen; oder selbige verminderen. Darum sagt der Heil. Geist im Buch der Weisheit am 6. Cap. einem [300] Geringen (nemlich denen Unterthanen) widerfahrt Barmhertzigkeit: Aber die Gewaltige (nemlich die Obrigkeiten) werden gewaltige Straf leyden.

55. Exempel
Fünf und fünftzigstes Exempel.
Einer Tochter wird der unterschiedliche Zustand ihrer verstorbenen Elteren in der andern Welt gezeigt.

Es lebte vor Zeiten in einer Einöde ein zimlich alte, und in der GOttes Forcht wohl gegründete Jungfrau. Als diese einstens von einem frommen Alt-Vatter besucht, und gefragt wurde, wie, und was gestalten sie zu einem so guten Wandel gelangt wäre? gabe sie ihm mit vielem Seufzen folgende Antwort:


»Ehrwürdiger Vatter! als ich noch jung war, hatte ich einen gar ehrbaren, sanftmüthigen, und sittsamen Vatter; welcher aber fast jederzeit kranck und schwach war. Er lebte so eingezogen, daß er gar selten von seinen Mitburgern, welche in eben demselben Dorf wohnten, gesehen wurde. Er bauete seine Felder gar fleißig an, und brachte sein gantze Lebens-Zeit in Mühe und Arbeit zu. Wann er Gesundheit halber konnte, trug er seine Früchten gemeiniglich auf dem Rucken nach Haus. Jedoch war er die meiste Zeit kranck, und Bethliegrig. Dem Stillschweigen war er dermassen ergeben, daß er von denjenigen, so ihn nicht kenneten, für einen sprachlosen, und stummen Menschen gehalten wurde.«


»Hingegen hatte ich zur Mutter ein über die massen fürwitziges, und unkeusches Weib. Sie war so geschwätzig, daß es schiene, als wäre ihr gantzer Leib, und alle Glieder nichts anders, als ein lautere Zung. Sie zanckte mit jedermann. Dem Wein- und Vollsauffen wie auch denen Gesellschaften leichtfertiger Manns-Personen war sie starck ergeben. Alles, was wir im Haus hatten, verschwendete sie, als ein leichtfertiges Weib; also daß unser wiewohl zimlich grosses Vermögen, nicht erklecken möchte: dann das gantze Haus-Weesen war ihr von meinem Vatter anvertraut, und überlassen. Ihren schnöden Leib thate sie dergestalten mißbrauchen, und feil bieten, daß wenig Männer im gantzen Dorf waren, welche nicht von ihrer Geilheit zum Fall gebracht wurden. Sie wußte nichts von keiner Kranckheit, oder Schmertzen; sondern ihr Lebtag war sie allzeit frisch und gesund. Endlichen aber hat es sich begeben, daß mein Vatter, nach einer langwürrigen Kranckheit, dieses zeitliche Leben geseegnet hat. Nun war er kaum todt, da erhube sich ein solcher [301] ungestümmer Wind, ein solches Donnern und Blitzen, mit untermengten Platz-Regen, daß es Tag und Nacht niemahlen aufhörte; also daß mein armer Vatter drey gantzer Tag unbegraben mußte auf seinem Bethlein liegen. Die Leut im gantzen Dorf schüttelten die Köpf darüber, und hielten darfür, dieser Verstorbene müsse ein gottloses Leben geführt haben; weil ihn die Erde nicht einmahl zur Begräbnuß wolte aufnehmen. Nichts destoweniger, damit der Leichnam nicht auf dem Beth verfaulete, und durch seinen Gestanck die, so im Haus waren, vertriebe, haben wir endlich mit harter Mühe, in allem Regen, und bey noch währenden ungestümmen Wetter, meinen Vatter, so gut als wir konnten, zur Erden bestattet.«


»Nach dem Tod des Vatters gebrauchte sich meine Mutter einer noch grösseren Freyheit, als zuvor. Dann sie mißbrauchte ihren Leib dergestalten, daß sie unser Haus zu einem gemeinen Huren-Haus machte, und so fort in allen unziemlichen Wollüsten lebte. Unterdessen da ich noch jung, unser Vermögen aber im starcken Abnehmen war, ist endlich auch mein Mutter ohn alle Forcht GOttes dahin gestorben, und hat gleichwohl eine so ansehnliche Leich-Begängnuß gehabt, daß es schiene, als wolte ihr der schöne Himmel, und das gute Wetter selbst mit der Leich gehen. Nach ihrem Tod als ich nun zimlich erwachsen war, und mich die fleischliche Begierden zu bestreitten anfiengen, thate ich eines Tags gegen Abend hin und her gedencken, und mich besinnen, welchem aus beyden verstorbenen Eltern ich in meinem Lebens-Wandel solte nachfolgen. Ich lobte zwar meinen Vatter, daß er so züchtig, nüchtern, und sanftmüthig gelebt; weilen er aber all sein Lebtag nichts Gutes genossen, sondern die gantze Zeit in Kranckheit und Trübsaal hatte müssen zubringen, ja nach seinem Tod kaum konnte begraben werden, sagte ich bey mir selbsten: wann sein Wandel GOtt so gefällig gewesen, wie kommt es dann, daß ihn so viel Ubel überfallen? wer möchte Lust haben, fromm zu leben wann er nichts anders, als Kranckheit, und Trübsaal zu gewarten hat? ist ja besser, ich lebe, wie mein Mutter gelebt hat. Sie gestattete ihrem Leib allen Wollust: kein Laster ware so groß, das sie nicht wagen durfte: und dannoch wiederfuhr ihr nicht allein nichts Widerwärtiges bey Lebzeiten, sondern auch nach dem Tod bliebe ihr das Glückgünstig. So will ich dann ihr nachfolgen, und mir lassen wohl seyn, so lang ich kan. Wie mir nach dem Tod gehe, soll mich nicht viel anfechten. Da ich mich nun auf solche Weis zu einem leichtfertigen Lebens-Wandel entschlossen hatte, kame die Nacht herbey; und mit dieser überfiele mich ein tiefer Schlaf. [302] Gleich darauf sahe ich neben mir stehen einen grossen langen Mann, und erschröcklich von Angesicht. Dieser sahe mich gantz zornig an, und fragte mich mit ernsthafter Stimm: sage her! was führest du für Gedancken in deinem Hertzen? über diese Frag wurde ich dergestalten erschröckt, daß ich ihn nicht mehr därfte anschauen; will geschweigen eine Antwort geben. Er aber hiesse mich, bälder als bald zu bekennen, wessen ich mich entschlossen hätte. Widrigenfalls solte es mir übel genug gehen. Diese Schröck-Wort machten mich nicht allein am gantzen Leib zitteren; sondern verwirrten mich dermassen; daß ich mich meiner vorigen Gedancken nicht mehr erinneren konnte. Wußte ihm also nichts anders zu antworten, als daß ich gar nichts wußte. Er aber, da ich laugnete, führte mir alles wider zur Gedächtnuß, was ich vorher in meinem Hertzen gedacht hatte. Nachdem ich also überwiesen war, nahme ich mein Zuflucht zum Gebett; bath um Verzeihung, und erzählte ihm die Ursach, welche mich zu solchen Gedancken verleitet hatte. Er aber sprache zu mir: Komme her! und siehe vorher deinen Vatter und Mutter: und erwähle hernach einen Lebens-Wandel deines Gefallens. Dieses geredt, nahme er mich bey der Hand, und führte mich davon. Und erstlich zwar kame ich auf ein grosses Feld, allwo viel herrliche Lust-Gärten, köstliche Früchten, allerhand Bäum, und (kurtz zu sagen) eine unbeschreibliche Anmüthigkeit war. Dorten begegnete mir mein verstorbener Vatter mit fröhlichem Angesicht; welcher mich umfienge kußte, und seine Tochter nennte. Ich meiner seits fiele ihm ebenmässig um den Hals, und bathe ihn, daß er mich an diesem Ort bey sich behalten wolte. Er aber gabe mir zur Antwort: anjetzo, mein Tochter! kan es nicht seyn. Wirst du aber meinen Fußstapfen getreulich nachfolgen, so sollest du über eine kurtze Zeit hieher beruffen werden. Indem ich nun in meinem Bitten verharrete, und mit Gewalt allda verbleiben wolte, nahme mich mein Führer abermahlen bey der Hand, und sprache; komme her! jetzt will ich dir auch deine Mutter zeigen, welche dort im Feur sitzt, auf daß du dein Leben darnach anzustellen wissest. Er brachte mich also von dannen in eine finstere ud forchtsame Höle. Allda zeigte er mir einen feurigen Ofen, mit angezündeten Schweffel und Pech: und ober dem Ofen etliche abscheuliche Gespenster. Als ich nun hinunter schaute, erblickte ich alsobald meine unglückselige Mutter, welche bis an den Hals in dem Feur-Ofen versenckt war. Sie kirrete mit den Zähnen vor Schmertzen, heulte und schrie so erbärmlich, daß es mir durch Marck und Bein trunge. So bald sie mich ersehen, schrie sie mir zu, und nennte mich ihre Tochter Wehe mir (sagte sie) mein Tochter! wehe [303] mir! dieses alles leide ich wegen meinen sündigen Wercken: dieweil ich nemlich dasjenige, was man mir von dem nüchteren und vernünftigen Leben sagte, verachtet, und für eine lautere Narrethey gehalten. Ich glaubte nicht, daß mir mein Huren und Ehebrechen eine solche Straf; meine Vollerey und Geilheit ein solche Pein solte auf den Hals ziehen. Aber anjetzo erfahre ich es mehr, als viel. Ach! wie muß ich die genossene kurtze Süssigkeit so saur bezahlen! ach! wie wird die Verachtung GOttes an mir so peinlich abgestraft! dann es haben mich alle, und zwar die ewig währende Ubel ergriffen. O mein Tochter! jetzt ist es Zeit zu helfen. Gedencke, was gestalten ich dich auferzogen, und ernährt habe. Seye nun erkanntlich darum, und erbarme dich deiner armseligen Mutter, die in diesem Feur brinnet, und bratet. O der unerträglichen Schmertzen! O der grausamen Pein! O Feur! O Feur! wie brennest du! wie marterst du! wie durch dringest du Marck und Bein! Seel und Leib! ach! reiche mir doch dein Hand her, und ziehe mich aus diesem feurigen Ofen. Eile, eile, mir zu helfen! dann ich kan es nicht mehr ertragen. Als ich mich nun entschuldigte, wie daß ich ihr wegen denen anwesenden greulichen Gespensteren nicht helfen könnte, schrie sie noch erbärmlicher, als zuvor: ach, mein Tochter! lasse doch deine Mutter nicht umsonst so erbärmlich weinen und schreyen. Gedencke der Schmertzen, welche ich bey deiner Geburt erlitten, und verachte nicht mich elende, die ich vor Pein und Marter verschmachte. Auf dieses Zuschreyen meiner Mutter empfande ich ein so hertzliches Mitleiden, daß ich nicht allein die häufige Zäher vergosse, sondern auch erbärmlich zu heulen anfienge. Weilen nun die Leut im Haus darüber erwacht stunden sie auf, zündeten ein Liecht an, und kamen mich zu fragen, warum ich doch ein so erbärmliches Heulen angefangen hätte? ich aber erzählte ihnen alles, was ich gesehen hatte. Und darauf hab ich mich entschlossen, dem Lebens-Wandel meines verstorbenen Vatters nachzufolgen, dann ich nunmehr durch die Barmhertzigkeit GOttes genugsam unterrichtet worden, was für Peinen auf diejenige warten, welche auf dieser Welt ein gottloses Leben führen. Damit sagte ich der Welt ab, und begabe mich in diese Einöde, um darin GOtt zu dienen, und meiner Seelen-Heyl abzuwarten; damit ich nicht meiner unglückseligen Mutter, und ihres gleichen, in jenem peinlichen Ort beygesellt werde.«

Rosweidus in Vitis PP. l. 6. libello 1. de Prævidentia, seu Contemplatione. §. 15.

Warum GOtt vielmahl denen Gottlosen Glück gebe, die Fromme aber leiden lasse, ist ein Geheimnuß seiner unendlichen Vorsichtigkeit. Er [304] thut nichts, laßt auch nichts zu ohne höchste Weisheit, und Gerechtigkeit. Er belohnt zu seiner Zeit das Gute; straft aber auch zu seiner Zeit das Böse. Darum solle man denen Gottlosen um ihr Glück und Wohlfahrt nicht neidig seyn: weil sie es theuer genug, und zwar ewig werden büssen müssen. Dann wie der Heil. Bernardus sagt: welche nicht auf dieser Welt mit denen Frommen gegeißlet werden, müssen dort in der Höll mit denen bösen Geistern gegeißlet werden. O wie förchtig ist dieses! hingegen wie trostreich, wann der Heil. Paulus sagt Hebr. 6. Welchen der HErr liebet, den züchtiget er! er sucht ihn heim mit Armuth, Kranck heit, Verfolgung, und anderen Trübsalen; und das aus vätterlicher Liebe: damit er ihn dardurch verbessere, von Sünden reinige, und ihm Gelegenheit zur Gedult, und anderen Tugenden an die Hand gebe.

56. Exempel
Sechs und fünftzigstes Exempel.
Die Gedächtnuß an eine zugefügte Unbild hindert den Zugang in die himmlische Gesellschaft.

Als der Heil. Anno, Ertz-Bischof zu Cölln, einstens bey nächtlicher Weil in der Ruhe lage, hatte er einen Traum, der ihm sein glückseliges Hinscheiden aus dieser Welt vorsagte. Dann es kame ihm vor, als gienge er in einen Pallast hinein, der von lauter Edelgestein auferbaut wäre. In diesem sahe er versammlet viel heilige Bischöf, die er eintweders gekennt, da sie noch bey Leben waren, oder wenigist von ihrem Heil. Wandel durch andere berichtet worden. Alle diese waren angethan mit Bischöflicher Kleidung, und schimmerten wie die Sonne. Sassen mithin auf herrlichen Thronen, als wollten sie Gericht halten. So gedunckte es auch den Heil. Anno, als wäre er ihnen in dem Aufzug, und schimmerenden Glantz nicht ungleich, ausgenommen, daß er auf der Brust einen schwartzen Flecken wahr nahme, den er aber vor Schamhaftigkeit mit der Hand zu bedecken suchte: damit selbiger denen anwesenden Heil. Bischöfen kein Mißfallen erweckte. Mithin, weil er sahe, daß noch ein herrlicher Thron übrig, so für ihn bestellt wäre, freuete er sich sehr, und wollte ihn würcklich besteigen. Allein einer aus den anderen Bischöffen stunde von seinem Thron auf; gienge ihm entgegen, und sagte: gemach, gemach, Anno! dann weil deine Kleidung mit einem schwartzen Fleck bemackelt ist, so wollen die Ehrwürdige Vätter nicht haben, daß du in ihrer Versammlung einen Sitz einnehmen sollest. Als nun Anno gantz betrübt, und mit weinenden Augen müßte zuruck weichen, gienge ihm gedachter Heil. Bischof nach, und sagte:Anno gedulte dich, und [305] wasche vorher ab den schwartzen Fleck, den du auf der Brust hast, so wirst du nach wenig Tägen in diesem Pallast deine Wohnung haben, und in unsere Gesellschaft aufgenommen werden. Dieses ausgeredt, hatte die Erscheinung ihr End. Auf dieses hin, als Anno gegen anbrechendem Tag aus dem Schlaf erwacht, erzählte er den gehabten Traum einem seiner vertrautisten Freunden, und fragte ihn, was er meinte, daß selbiger zu bedeuten habe? dieser antwortete: so viel mich gedunckt, bedeutet der schwartze Fleck, den du auf deiner Brunst wahrgenommen, nichts anders, als die Gedächtnuß der Unbild, so dir von denen Burgern zu Cölln zugefügt worden; als welche dich zur Stadt hinaus vertrieben. Solche Gedächtnuß hättest du aus Liebe gegen GOtt schon längst sollen ausschlagen und denen Burgeren vollkommentlich verzeihen. Weilen es aber nicht geschehen, und du bishero der zugefügten Unbild zu viel, und mit unordentlicher Betrübnuß deines Hertzens nachgedenckt hast, must du dich nicht verwunderen, daß dieses Nachdencken deinem sonst Heil. Wandel einen schwartzen Fleck hinterlassen hat. Als Anno dies gehört, erkennte er seine Schuld mit tiefister Demuth, und berufte ohne Verzug alle diejenige Burger in Cölln, von welchen er beleidiget worden; mit Befehl, ihnen alles zuruck zu geben, was ihnen zur Straf ihrer Mißhandlung abgenommen worden. Und auf solche Weis hat sich Anno mit ihnen völlig ausgesöhnet. Surius die 4. Decemb. in Vita S. Annonis.

O GOtt! Wann die blosse Gedächtnuß an eine zugefügte Unbild, vergesellschaftet mit einer unordentlichen Betrübnuß, den Zugang hindert in die himmlische Gesellschaft; was wird dann thun ein darüber gefaßter Grollen? was eine Rachgierigkeit? gehe nun hin, und sage mehr mit etwelchen unverständigen Menschen: Es solle verzihen; aber nicht vergessen seyn. Das ist ja närrisch geredt. Ey! man muß verzeihen, wie GOtt dem büssenden Sünder verzeiht. Nun redet der Prophet. Isaias am 38. Cap. zu GOtt also:Du hast alle meine Sünden hinter deinen Rucken geworfen: das ist: du hast ihrer vergessen, und gedenckst nicht mehr daran. Und was hat einer davon, wann er immerdar an die zugefügte Unbild gedenckt? nichts, als daß er sich selbst damit plagt, und die gemachte Wunde erneuert. Herentgegen, selbige aus dem Sinn schlagen, wie großmüthig ist dieses! und wie ruhig ist man dabey!

57. Exempel
[306] Sieben und fünftzigstes Exempel.
Ein Edelmann wird durch Zerspringung eines Glas mit Wein des bevorstehenden Tods gewarnet, und zum Beichten angetrieben; stirbt aber ohne Beicht dahin.

Im Elsaß lebte in dem vorigen Jahrhundert auf einem Schloß ein vornehmer Edelmann, welcher ihm recht wohl seyn liesse. Sein Brauch war, nach eingenommenen Mittag-Mahl entweders eine Weil in der Stuben auf- und abzugehen; oder zu einem Fenster hinaus zu schauen, und mit Besichtigung seiner nicht weit von dem Schloß herum liegenden Dorfschaften die Augen zu ergötzen; bald aber darauf sich auf ein Ruhe-Bethlein zu legen, und ein Schläflein zu thun. Es mußte aber allzeit auf einem Tischlein, so neben dem Ruhe-Bethlein war, ein grosses Crystallenes Glaß mit dem besten Elsasser-Wein stehen; damit er nach gethanem Schläflein einen guten Zug daraus thun, und sich damit laben möchte. Als er sich nun einstens, seiner täglichen Gewohnheit nach, auf das Ruhe-Bethlein gelegt, da fiele ihm (weiß nicht, aus was Ursach) ein ernsthafter Gedancken von der Ewigkeit ein. Dieser nahme nach und nach sein Gemüth dergestalten ein, daß er nicht einschlaffen konte. Er bemühete sich zwar, solchen Gedancken mit Anschauung des auf dem Tischlein stehenden crystallenen Glas zu vertreiben; aber umsonst Dann siehe! gedachtes Glas zersprange von ihm selbst, und ohne daß es von jemand angerührt worden, mit starckem Knall in viel Trümmern; also daß der köstliche Wein über das Tischlein hinab flosse. Weil ihn nun über diese Begebenheit ein Schröcken ankommen, gabe er mit einem Glöcklein, so neben dem Ruhe-Bethlein war, seinen Dienern ein Zeichen, daß sie zur Aufwarth kommen sollten. Diese stellten sich gleich ein, und fragten den Edelmann, was er zu befehlen hätte? da erzählte er ihnen mit zitterender Stimm, was sich mit dem crystallenen Glas begeben hätte. Und setzte hinzu: er sorge (wiewohl er dermahlen kein Kranckheit an sich spühre) die Zerspringung des crystallenen Glas wolle nichts anders andeuten, als daß es auch mit seinem Leben bald werde ein End haben. Die Diener trösteten ihn, und sagten: er sollte diese traurige Gedancken ausschlagen: das Glas seye von ohngefähr zersprungen; und habe also nichts zu bedeuten. Dann wie bald könne sich etwas von ohngefähr zutragen, an welches man niemahl gedenckt habe? das seye ja nichts neues; und lehre es die tägliche Erfahrnuß. Zu dem pflege man ja im Sprich-Wort zu sagen: Glück und Glas, wir bald bricht das? Ein eintzige [307] gähe Aenderung des Lufts von Hitz, oder Kälte, könne ein Glas springen ma chen. Dieses also geredt, thaten sie die Scherben des zersprungenen Glas auf ein Seiten, und stellten ein anders dergleichen mit Wein angefüllt auf das Tischlein hin; mit angehängter Bitt, der Herr wolle sich zur Ruhe legen, und der Sach nicht mehr nachdencken: worauf sie aus der Stuben abgetretten. Allein es war darum die Traurigkeit von dem Edelmann nicht auch abgewichen. Dann er sagte bey sich selbst also: Weil doch das Glück mit dem zerbrechlichen Glas verglichen wird, wer weißt, ob nicht auch mein Glück, das ich so viel Jahr genossen, werde einen Bruch bekommen? vielleicht ist es der Heil. Schutz-Engel geweßt, der das Glas zerbrochen; um mich dardurch zu gewarnen, es därfte auch mit meinem Leben bald ein End haben. Dann viel seynd, denen der Heil. Schutz-Engel ein Zeichen ihres bevorstehenden Tods gegeben. Indem er nun eine halbe Stund mit solchen Gedancken zugebracht, siehe Wunder! da zerspringt auch das anderte Glas, und lauft der Wein wiederum über das Tischlein hinunter. Wie der Edelmann das gesehen, erschrickt er noch heftiger, als das erste mahl. Giebt also wiederum ein Zeichen mit dem Glöcklein: auf welches nicht allein die Diener, sondern auch des Edelmanns Frau herzu geloffen. Und als er befragt worden, was er verlange? gabe er Befehl, man solle ihm aus einer nicht weit entlegenen Stadt, aus einem gewissen Closter, lassen einen Beicht-Vatter kommen: dann es einmahl mit seinem Leben geschehen seye; in Erwegung, daß auch das anderte Glas mit Wein zersprungen wäre. Die gute Frau, welche sich über diese Reden heftig entsetzte, sprache ihrem Herrn zu, er wolle doch nichts daraus machen: dies alles habe geschehen können von ohngefähr. Allein weil sie ihm es nicht ausreden konte, versprache sie, dem Befehl nachzukommen, und einen Beicht-Vatter abhohlen zu lassen. Unterdessen, damit ihrem Herrn die gefaßte Einbildung möchte geringert werden, befahle sie das dritte Glas mit Wein auf das Tischlein zu setzen; selbiges aber vorher wohl zu besichtigen, ob es nicht irgends möchte einen Spalt haben? als dieses geschehen, und man das Glas unversehrt befunden, wurde der Edelmann in etwas gestillet. Dessentwegen auch die Frau unterlassen, nach einem Beicht-Vatter zu schicken. Was geschiehet? indem sich der Edelmann zur Ruhe bequemen wollte, siehe abermahl Wunder! da zersprange auch das dritte Glas, mit starckem Knall. Ueber dieses erschrickt der Edelmann auf ein neues, und zweiflet keineswegs, dieses müsse das letzte Zeichen seyn, daß es mit seinem Leben bald aus seyn werde. Ersucht also nicht allein seine Frau, sondern auch die Diener, durch das jüngste Gericht, sie wollten sich doch nicht saumen, ihme einen Beicht-Vatter kommen zu lassen; dann von seinem [308] Leben seye eine kurtze Zeit übrig: diese wolle er nicht versaumen; sondern ihme noch zu Nutz machen, und mithin der Warnung des Heil. Schutz-Engels folgen. Allein, weil die Frau samt denen Dieneren glaubten, der Herr müsse im Verstand etwas verruckt worden seyn, unterliesse sie es eben, nach dem Beicht-Vatter zu schicken. Mithin geht die Zeit fürüber, und rucket die Nacht herbey. Da fienge dann der Edelmann gähling im Angesicht zu erbleichen; die Puls-Ader gienge gantz schwach; und die Kräften nahmen immer zu ab. Da glaubte endlich die Frau samt denen Dieneren, es müsse einmahl Ernst seyn. Demnach wurde eilends ein Diener zu Pferd nach der Stadt geschickt, einen Beicht-Vatter abzuholen. Aber, O wie unerforschlich seynd die Urtheil GOttes! dann siehe! wie wohl die Stadt nicht weit entlegen war, und nur ein kleines Wäldlein entzwischen lage, geschahe es doch, daß der ausgeschickte Diener (so vielleicht von einem Gespenst verführt worden) die gantze Nacht in dem Wäldlein irr geritten, und erst mit anbrechendem Tag den Weeg hinaus gefunden hat: worauf er zwar in die Stadt kommen, und einen Beicht-Vatter abgeholet: allein zu spat; weilen der Edelmann um Mitternacht schon mit Tod abgangen war. Da hatte dann der Beicht-Vatter, als er auf das Schloß kommen, genug zu thun, daß er die hinterlassene Frau samt denen Dieneren tröstete. Ein so grosses Gewissen machten sie ihnen darum, daß wegen ihrer Schuld der Edelmann ohne Beicht dahin gestorben. Wie er aber werde gefahren seyn, das weißt GOtt. Stengelius in Ovis Paschal. Embl. 75.


O wie viel seynd, denen GOtt innerlich zuspricht, und sie anmahnet, in sich selbst zu gehen, zu beichten, und Buß zu thun; schlagen aber solches Zusprechen und Anmahnen in den Wind! was Wunder ist es alsdann, wann GOtt solche Leut in ihren Sünden laßt sterben, und verderben? O wie mancher wird dorten in der anderen Welt mit jenem Kriegs-Helden, da er die Gelegenheit, sich einer Stadt zu bemächtigen, versaumt hatte, sagen müssen: Da ich hab können, hab ich nicht wollen; da ich aber hab wollen, hab ich nicht können. Nemlich: da ich die Gelegenheit hatte, zu beichten, wollte ich nicht; da ich aber wollte, konte ich nicht. Darum mahnet der DavidPsal. 94. Heut, wann ihr sein Stimm (nemlich GOttes) hören werdet, so verstopfet euere Hertzen nicht. Wann nemlich GOTT durch innerliche Einsprechung an unserem Hertzen klopft, sollen wir ihm aufmachen; sonsten därfte er nicht mehr klopfen, und uns mithin ewig lassen zu Grund gehen.

58. Exempel
[309] Acht und fünftzigstes Exempel.
Ein Hertzog von Oesterreich entkommt glücklich aus Lebens-Gefahr.

Als Carl der V. Römische Kayser, und zugleich König in Spanien, um das Jahr Christi 1548. beschäftiget war die Unruhen in Teutschland zu stillen, bestellte er zu einem Regenten, oder Reichs Verwalter von Spanien, Maximilianum, Ertz-Hertzogen von Oesterreich, einen zwar noch jungen, aber mit grosser Klugheit, und anderen fürstlichen Tugenden begabten HErrn: welcher auch nachmahlen Römischer Kayser worden. Nun geschahe es, daß dieser Ertz-Hertzog einstens in der Gegend von Granada, einer Stadt inSpanien, eine Jagd anstellte. Als ihm nun in dem Wald ein Gewild aufstiesse, setzte er ihm so hitzig nach, daß er sich letztlich von seinen Hof-Bedienten, so ihn auf die Jagd begleitet, gäntzlich verlohren; mithin bis gegen der Nacht im Wald irrend herum geritten, und den Ruck-Weeg zu den Seinigen nicht mehr finden können. Weil er dann in Sorgen stunde, er möchte bey nächtlicher Weil von den wilden Thierē angefallen werden, bemühete er sich, ein Ort zu finden, wo er sicher ausruhen möchte. Und sihe! er erblickt von weitem ein Haus. Diesem dann ritte er zu: und weil er allda von dem Hirten, so darinn wohnte, dem Schein nach freundlich empfangen worden, stige er vom Pferd, und nahme in diesem Haus den Einkehr. Es wohnte aber darinn neben dem Hirten sein Sohn, ein starcker, und verwegener Kerl, vor dem sich einer wohl vorzusehen hatte: wie auch des Hirten Weib, samt einer kleinen Tochter: und eine junge Sohns-Frau, welche kurtz vorher Hochzeit gemacht, und ins Haus kommen ware. Der Ertz-Hertzog sahe wohl, daß er in diesem Haus eine schlechte Kuchel haben wurde. Machte also aus der Noth ein Tugend, und verlangte, man solte ihm aufs wenigst eine Suppen köchen Und das geschiehet. Und indem man damit beschäftiget ist, stehet der Ertzhertzog in der Kuchel um den Hert herum, sich beym Feur zu wärmen; nicht wenigers gedenckend, als daß ihm ein Unglück solte auf den Hals kommen. Mithin wurde dannoch daran geschmidet. Dann weil ihn die Leut im Haus nicht kenneten; aus der köstlichen Kleydung aber leicht konten abnehmen, er müsse ein vornehmer reicher Herr seyn, der ohne Zweifel einen Beutel mit Gold bey sich habe, da entstunde in ihnen die verfluchte Geldgierigkeit, die sie antriebe, diesen Herrn im Schlaf zu ermorden, und sich also mit seinem Raub zu bereichen. [310] Demnach, als er die Suppen asse, richteten sie ihm ein Beth in einer abgelegenen Kammer zu, welche aber mit einer wurmstichigen, und zerlöcherten Thür übel verwahrt, und deswegen leichtlich konte eingestossen werden. Die Junge Sohns-Frau, welche aus den Winckeren ihres Manns, und des Schwähers leicht konte abnehmen, daß sie auf den Ertz-Hertzog einen bösen Anschlag hätten, warnere ihn heimlich aus Mitleyden, er solte sich diese Nacht hindurch wohl vorsehen; dann ihre Hausleut hätten nichts guts im Sinn. Der Ertz-Hertzog, welcher der Gefahr leicht hätte können vorbiegen, wann er sich nur hätte wollen zu erkennen geben, bedanckte sich wegen dieser treuhertzigen Warnung, und sagte, er wolle sich schon verfaßt machen, daß sie ihm so leicht nicht solten zukommen. Sie solte unter dessen nur ihn sorgen lassen: er habe Hertz und Muth genug. Als ihm nun von dem Hirten und seinem Sohn in die Cammer gezündet worden, und jene ihren Weeg zuruck genommen, verrigelte der Ertz-Hertzog die Thür, so gut er konte. Ja zu mehrerer Sicherheit ruckte er vor die Thür einen Kasten, so in der Cammer stunde; nahme eine geladene Pistol in die Hand, und erwartete gleichwohl, bis die untreue Leut wider ihn wurden Gewalt brauchen. Was geschiehet? indem der Hirt, und sein Sohn glaubten, dieser Herr werde Müdigkeit halber nunmehr im besten Schlaf seyn, gienge der Hirt vor die Cammer, und bemühete sich, die Thür aufzumachen. Weil er aber wider alles Verhoffen fande, daß sie wohl verriglet, wurde er wild, und rufte, man solle ihm alsobald die Cammer eröfnen; dann er hätte eine Beth-Decke aus dem Kasten heraus zu nehmen. Allein der Ertz-Hertzog antwortete:pack dich fort mit deinem ungestimmen Begehren. Ich muß jetzt schlaffen. Mir ist nicht gelegen, daß ich aufstehe, und dir aufmache. Der Hirt ward auf diese Antwort zornig; fienge an zu fluchen und zu schelten, und wolte die Thür mit Gewalt einstossen. Ja er drohete den Gast umzubringen, wofern er ihm nicht alsobald wurde aufmachen. Allein weil sich der Ertz-Hertzog nichts daran kehrte, brauchte der Hirt samt seinem Sohn Gewalt, und war schon an dem, daß sie die Thür einsprengen wollen. Als der Ertz-Hertzog gesehen, daß er nunmehr in höchster Gefahr des Lebens wäre, stellte er sich in Positur, gabe mit der Pistol durch die zerlöcherte Thür Feur auf den Hirten, und schosse ihn zu todt. Darauf hin ruckte er den Kasten hinweg, machte die Thür auf, gienge mit blossen Degen auf des Hirtens Sohn los, und legte ihn auf die Haut. Einen Knecht aber, so dem Sohn wolte zu Hülf kommen, jagte er mit dem Degen in die Flucht. Allein es war darum der Ertz-Hertzog noch nicht ausser aller Gefahr. Dann als des erschossenen Hirts sein Weib zu dem Tumult [311] kommen, und ihren Mann samt dem Sohn todter auf der Erden ligen gesehen, fienge sie an dergestalten zu heulen, und zu lamentiren, daß die im Wald herum zerstreute Hirten mit knospeten Prüglen und Aexten herzu geloffen, das Haus umgeben; und nachdem sie von dem Weib die Ursach ihres Heulens und Lamentirens verstanden, den Gast, so den Hirten samt dem Sohn auf die Haut gelegt, zum Tod heraus begehrt haben. Der Ertz-Hertzog, welcher der Wuth dieses Gesindels nicht gewachsen war, gedachte, jetzt wäre es Zeit, daß er sich müsse zu erkennen geben. Gienge also für die Haus-Thür hinunter, und sagte: wisset ihr Hirten daß ich Maximilian, Ertz-Hertzog Oesterreich, und euer dermahliger Regent von Spanien bin. Hütet euch also Hand an mir anzulegen: widrigen Falls soll mein Tod an euch durch die grausamste Peyn gerochen werden. Wann ihr aber meinen Worten nicht glauben wolt, so führet mich aufs wenigst in die nächst gelegene Stadt für die Obrigkeit. Und wann ich für den Regenten von Spanien nicht erkennt werde, so will ich mich aller Straf unterwerffen. Die Hirten, weil sie theils aus seinen Reden und Gebärden, theils aus seiner Großmüthigkeit unschwer abnahmen, er müsse der Regent von Spanien seyn, stunden sie zwar ab ihn umzubringen. Allein weilen sie seinen Worten nicht allerdings traueten, banden sie ihm mit einem Strick die Händ, wie einem Maleficanten auf den Rucken zusammen, und führten ihn also in die nächst gelegene Stadt für die Obrigkeit. Es waren aber kurtz vorher allda an kommen des Ertz-Hertzogs Hof-Bediente, welche ihn zu suchen ausgeschickt worden. Als nun diese gesehen, auf was unverantwortliche Weis ihr Herr von den Hirten daher geführt wurde, hatte es wenig gefählt, sie hätten mit ihren Rohren Feuer auf die Hirten gegeben, und selbige über einen Hauffen geschossen, wann es nicht der Ertz-Hertzog verhindert hätte. Als ihm nun die Händ vom Strick aufgelößt worden, erzählte er den gantzen Handel, wie ihm in dem Wald, und des Hirten Haus ergangen wär. Worauf des erschossenen Hirten sein Weib samt dem Knecht (als welche von dem vorhabenden Mord Wissenschaft gehabt) gefänglich eingezogen, und durch den verdienten Tod hingericht; die junge Sohns-Frau aber wegen ihrer treulichen Warnung reichlich beschenckt worden. Ex Historiographia Apodemica Davidis Frölichii.


Verfluchte Geld-Gierigkeit! zu was verleitest du nicht die Menschen! du vertilgest ihnen alle Treu, alle Lieb; alles Absehen auf GOtt, auf das Gewissen, auf die Seel, auf das Ewige. Aber wie oft betrügst du selbige? daß sie eben nicht allzeit bekommen, was sie verhoft haben; wohl aber das Leben, die Seel, den[312] Himmel einbüssen; wie der untreue Hirt samt seinem Sohn erfahren. O höchst bedaurlicher Verlurst! verflucht seyest dann, du Betrügerin! du Mörderin! du Stifterin alles Unheyls, Leibs und der Seelen!

59. Exempel
Neun und fünftzigstes Exempel.
Ein mitleydiger Edelmann ersauft in einem tieffen Schöpf-Bronnen; sein Seel aber wird von den Englen in Himmel getragen.

Es war auf einem Landgut ein reicher Edelmann. So reich er aber an Vermögen, so arm war er an Tugenden: ja er steckte voller Laster. Jedoch hatte er eine sehr tugendsame Frau, welche viel auf die arme Ordens-Geistliche hielte. Diese sprach dann ihrem Ehe-Herrn öfters zu, und sagte zu ihm: weil er jeder Frommkeit so wenig nachfrage, solte er wenigst die arme Ordens-Geistliche in Ehren halten, und ihnen Guts thun, wann sie etwann über Feld reisend zu ihm ins Schloß kommen, und um die Herberg anhalten wurden; dann das seye ein Allmosen, welches ihme GOtt villeicht mit der Gnad der Bekehrung belohnen wurd. Nun liesse ihm der Edelmann dieses nicht mißfallen. Als derohalben auf eine Zeit zwey solche arme Ordens-Geistliche bey ihm einkehrten, wurden sie von ihm nicht allein freundlich empfangen; sonderen auch mit einem Mittag-Essen stattlich bewirthet. Unter währenden Essen sagte der Edelmann zu ihnen: »Nun ihr Patres! lasset euch Essen und Trincken belieben: dann ich gönne es euch von Hertzen. Allein ihr müsset mir eine geistliche Lehr geben, die mir zu meiner Seelen-Heyl dienen könne; aber kurtz: dann ich habs nicht gern, wann man mir lang prediget. So seye es dann, sagte einer aus diesen armen Geistlichen: weil es der Juncker also verlangt, will ich ihm eine solche Lehr geben, daß, wann er selbiger nur folget, ihm die ewige Seeligkeit gewiß wird zu theil werden. Und da will ich meine Seel darfür verpfänden. Hierauf sagte der Edelman: Pater! laßt mich diese Lehr vernehmen: ihr solt versichert seyn, daß ich selbiger folgen werde. Höret dann (versetzte der Geistliche) jene Wort, so unser lieber Hyland gesprochen Matth. am 7. Alles, was ihr wollet, daß euch die Menschen thun sollen, das thut ihnen auch. Und wiederum jene Lehr, so der alte Tobias, da er sterben wolte, seinem Sohn gegeben: nemlich diese: siehe zu, daß du nimmer einem andern thust, was du nicht wilst, daß dir von einem andern widerfahren solle. Tobias am 4. Capitul. Wann [313] ihr nun dieser Lehr folget, so werdet ihr ohnfehlbar seelig werden. Das ist eine gute Lehr, sagte der Edelmann zu dem Geistlichen, allein ich möchte gern eine Erklärung darüber haben. Hierauf liesse sich der Geistliche folgender Weis vernehmen.«


»Juncker! ihr seyd ein vermöglicher Herr, und habt viel Bediente in euerem Schloß. Nun verlangt ihr ja, daß sie euch, als ihrem HErrn die schuldige Ehr er weisen, und treue Dienst leisten? Ist recht. Also müßt auch ihr eurem GOtt und HErrn seine gebührende Ehr geben, und ihm durch Haltung seiner Gebotten treulich dienen; wie auch zu gewissen Zeiten in der Kirchen dem GOttes-Dienst beywohnen.«

»Wiederum: wurdet ihr es nicht gern haben, wann man euch das eurige ungerechter Weis thäte wegnehmen; und so es geschehen wär, woltet ihr ja, daß man euch wiederum zuruck stellte? ist billich. Also müßt auch ihr gegen andere thun wann ihr ihnen das ihrige abgenommen.«

»Letztlich: wann ihr soltet arm; oder kranck werden; oder sonst in eine Noth kommen, wurdet ihr es ja gern haben, wann man euch thäte beyspringen? da ist kein Zweifel Allein: wie ihr woltet, daß andere gegen euch wären, also müßt ihr auch gegen ihnen seyn. Das gibt uns das Liecht der Natur ein, weil es der Vernunft gantz gemäß ist.«

»Wahrhaftig (antwortete der Edelman) dem ist also, wie ihr sagt. Die Lehr ist kurtz; aber auch nutzlich. Und darum will ich selbiger mit GOttes Gnad treulich folgen.«

Damit hatte der Discurs ein End und stunde man vom Tisch auf: nach welchem sich die Geistliche gegen dem Edelmann wegen eingenommenem Mittag-Essen, und empfangenen Ehren bedanckt; und ihren Weeg weiters genommen. Als sie aus dem Schloß weg waren, fienge der Edelmann an nachzusinnen, wem er möchte unrecht gethan haben? und siehe! da fande er, daß er disem ein Haus; jenem einen Acker; einem anderen einen Garten abgedruckt. Demnach liesse er in seinem Dorf ausruffen, daß alle zu ihm kommen solten, denen er das ihrige abgedruckt hätte; dann es solle ihnen alles zuruck gestellt werden: welches auch treulich geschehen. Allein, weil er nunmehr einen guten Theil weniger, als vorhin hatte, wurde er darüber etwas melancholisch, und schwremüthig. Diese Melancholy nun zu vertreiben, ritte er mit seinen Bedienten in den nächsten Wald hinaus; um allda mit Jagen sich zu ergötzen. Allein, weil ungefähr ein starcker Regen eingefallen, mußte er bald ohne etwas gefangen zu haben, den Weeg zuruck nehmen. Nun siehe! in dem Ruck-Weeg kame er zu einer Mühle, welche durch das anlauffende Wasser also übel zugerichtet [314] worden, daß der Müller nicht im Stand war, selbige ohne Gehülfen wiederum zu verbesseren. Da gedachte der Edelmann bey sich selbsten also: wann mir ein solches Unglück begegnet war, so hätte ich es ja gern, wann man mir zu Hülf käme? ey! so will ich dann dem Müller durch meine Bediente helffen lassen: welches auch ohnverzüglich geschehen.


Bald darauf begegnete ihm auf dem Weeg ein Krancker übel aussehender Bettler, der vor Schwachheit kaum gehen konte. Diesen redete er an, und sagte: O du armer Tropf! ich siehe es dir wohl an, daß du kranck bist, und kanst vor Schwachheit nicht fortkommen. Aber seye getröst: meine Bediente sollen dich nach meinem Schloß tragen: allda will ich dir so lang lassen abwarten, bis du wiederum gesund wirst: wann es anderst GOttes Will ist. Wie gesagt, also ist es geschehen. Dann als der Edelman bald darauf samt dem Krancken im Schloß angelangt, sagte er zu seiner Frauen: sehet! meine Liebste! da hab ich diesen krancken Bettler lassen hertragen. Traget Sorg für ihn, und lasset ihm nichts abgehen. Dann er thut mich erbarmen. Und warum nicht, setzte er hinzu: wann ich in seinem Stand wär, wurd ich es auch gern haben, wann man sich meiner erbarmen thäte. Die Frau, welche ohne das gegen denen Armen sehr mitleydig war, erfreute sich, daß dieser krancke Bettler ihrer Obsorg anbefohlen worden: dann sie betrachtete in diesem Bettler die Person Christi, darfürhaltend, was man einem Armen thue, das thue man Christo dem HErrn selbst: wie es dann auch in der Sach selbst nicht anderst ist. Sie kochte ihm also zu Nacht; und machte ihm ein gutes Beth zu nächst an der Schlaf-Kammer ihres Herrns. Was geschiehet? nachdem der Edelmann, und die Frau ihr Nacht Essen ein genommen, und sich in die Ruhe begeben, da fienge der Krancke um Mitternacht an zu seuftzen, und kläglich zu ruffen: ach, wie dürstet mich! O! könte ich nur einen Krug mit Wasser haben; für was für eine Gnad wolte ich es schätzen! der Edelmann erwachte über dieses klägliche Seuftzen; fragte also seine Frau: wo es herkomme? und was es bedeute? die Frau antwortete: sie glaube wohl, es komme vom Krancken her. So laßt uns dann hören, sagte der Edelmann, was sein Verlangen seye? kaum hatte er diese Wort ausgeredt, da rufte der Krancke abermahl: ach ich muß vor Durst sterben. Ist dann niemand so mitleydig und barmhertzig, der mir einen Krug mit Wasser bringe: ach mich armen und verlassenen Menschen. Diese Wort schnitten dem Edelmann also tief ins Hertz hinein, daß er unverzüglich aufstunde, sagend: ey! wann ich einen solchen Durst litte; wie gern hätte ich es, wann mir jemand zu trincken brächte! so [315] muß ich es dann diesem Krancken auch thun. Diß geredt, legte er geschwind seinen Schlaf-Rock an, und suchte in der Finster einen Krug. Als er solchen gefunden, gienge er damit einem tieffen Schöpf-Brunnen, so im Schloß war, zu. Weilen er aber kein Liecht zu sich genommen, ist es geschehen, daß er samt dem Krug in den Schöpf-Brunnen hinunter gefallen, und darinn ersoffen. Die Frau wartete unterdessen, bis ihr Herr wurde zuruck kom men. Weil es aber nicht geschahe, hielte sie darfür, er müsse nicht gesinnt seyn mehr in die Ruhe zu gehen, sondern wolle des anbrechenden Tags erwarten; den Krancken aber unterdessen mit einem frischen Trunck Wasser erquicken, und ihm tröstlich zusprechen. Und das glaubte sie um desto leichter, weil sie den Krancken nicht mehr ruffen gehört, welches aber nicht darum geschehen, als hätte er zu trincken bekommen, sondern weilen er vor Schwachheit nicht mehr ruffen konnte. Allein, weilen auch bey anbrechendem Tag kein Edelmann sich sehen liesse, wußte sie nicht, was sie gedencken sollte. Befahle also denen Bedienten, im gantzen Schloß zu suchen, wo dann ihr Herr wäre? allein, weil diese von der Frauen gehört, daß ihr Herr in der Nacht ohne Liecht mit einem Krug dem Schöpf-Brunnen zugangen, geriethen sie gleich auf die Gedancken, er müsse vielleicht in selbigen gefallen, und darinn ersoffen feyn. Und siehe! was ihnen ihre ängstige Gedancken eingegeben, das hatte sich auch in der That also befunden. Dann als sie in den Schöpf-Brunnen hinunter gesehen, und den todten Leichnam ihres Herrn erblickt, fiengen sie an überlaut zu schreyen, und die Händ ober dem Kopf zusammen zu schlagen. Als die Frau solches gehört, lieffe sie voller Angst und Schröcken herbey, um zu vernehmen, was sich dann zugetragen hätte? und nachdem sie verstanden, daß ihr Herr in dem Schöpf-Brunnen ersoffen, sancke sie vor Leydwesen in eine Ohnmacht, und hatte wenig gefehlet, sie wäre dahin gestorben. Allein nachdem sie sich wiederum erhohlet, und in den Willen GOttes ergeben, wurde auf dero Befehl der todte Leichnam ihres Herrn aus dem Schöpf-Brunnen herausgezogen. Aber siehe Wunder! er hatte um den Hals ein goldenes Band, auf welchem diese Wort eingegraben zu lesen waren: Ehe dann sein Leib in dem Wasser erkaltet, ward seine Seel von den Englen in Himmel getragen, weilen er sein Leben in den Wercken der Barmhertzigkeit geendiget.


Als die Frau solches verstanden, fiele sie vor Freuden auf ihre Knye nieder, hebte Händ und Augen gen Himmel, und sagte: O barmhertziger GOtt, ich dancke dir, daß du mir einen solchen Mann gegeben, von dessen ewiger Seeligkeit ich versichert bin. O! gibe mir die Gnad, daß ich ihme einstens in dem Himmel beygesellt werde. Welches ohne Zweifel auch erfolget ist, weilen diese Frau nach Austheilung ihrer Gütern [316] unter die Arme, forthin Christo allein bis an das End ihres Lebens gedienet hat. Hungarus, Minorita, in Expositione Symboli, quæ Gemma Fidei dicitur. Serm. 70.


O wie soll dieses Exempel einen jeden antreiben, gegen den Armen, und Krancken mitleydig und barmhertzig zu seyn; es sagt ja Christus Matth. am 5. Cap. Seelig seynd die Barmhertzige, dann sie werden Barmhertzigkeit erlangen; wiederum sagt der H. Geist in den Sprüch-Wörtern bey dem Salomon am 15. Cap. Wer sich über den Armen erbarmet, der leyhet dem HErrn auf Wucher: und er wird ihm sein Lohn wiederum vergelten. Ist so viel gesagt, als GOtt vergelte die Werck der Barmhertzigkeit doppelt, hier und dort. O unaussprechliche Freygebigkeit GOttes.

60. Exempel
Sechzigstes Exempel.
Albertus, zugenamset der grosse, aus dem Prediger Orden, erlangt durch Unser Liebe Frau grosse Wissenschaft in natürlichen Dingen; verliehrt sie aber eine Zeit vor dem Tod wiederum.

Als dieser im Orden noch ein junger Frater war, und der Wiessenschaft näturlicher Dingen obliegen sollte, wollte ihm selbige gar nicht eingehen. Dann er hatte einen schwachen Verstand, und Gedächtnus. Das betrübte ihn dann über die massen; indem er sehen mußte, was gestalten seine Schul-Gesellen alles so leicht fasseten; er aber für einen dummen, und ungeschickten Menschen gehalten wurde. Damit er aber andern nicht länger müßte zum Gespött dienen, nimmet er ihme vor, das Closter zu verlassen, und heimlich durchzugehen, welches auch geschehen wäre, wann nicht unser liebe Frau (zu dero er eine sonderbahre Lieb und Andacht truge) sich seiner erbarmet hätte. Dann in selbiger Nacht, da er die Flucht aus dem Kloster nehmen wollte, überfiele ihn ein tieffer Schlaf, in welchem er folgendes Gesicht hatte.


Es kame ihm vor, als hätte er wircklich eine Leiter an die Kloster-Maur gesetzt, und stiege die Staffel hinauf. Als er nun in der Mitte war, da ersahe er zu oberst der Maur vier himmlische Jungfrauen, von ausbündiger Schönheit, welche warteten, ob er sich erkühnen wurde weiter hinauf zu steigen. Und als er dannoch fortfuhre, stiessen ihn zwey aus ihnen mit Gewalt zuruck, hoffend, er wurde von seinem unbesonnenen Vorhaben abstehen. Allein, er liesse sich nicht abschröcken, ob er schon das andertemahl zuruck gestossen worden. Also dann bemühete er sich, die Leiter das drittemahl zu besteigen. Aber da redete ihn die dritte aus denen Jungfrauen [317] an, und fragte ihn mit diesen Worten: Was hast du im Sinn, du unbesonnener Jüngling, was wilst du anfangen, wilst du das Kloster verlassen, wo gedenckest doch hin; siehest du nicht, daß du deinem Verderben zulauffest? Albertus antwortete: soll es ein Wunder seyn, wann ich das Kloster verlasse, was nutze ich darinn, das Studieren geht mir doch nicht ein; und muß ich meinen Schul-Gesellen nur zum Gespött dienen. Ist ja für mich besser, ich seye in der Welt draussen, und lebe ruhig darinn? Auf diese Antwort sagte die Jungfrau: das ist noch kein genugsame Ursach, das Kloster zu verlassen. Vielmehr demüthige dich wegen deiner Ungeschicklichkeit, so machest du dir einen Verdienst im Himmel. Wann du aber je ein so grosse Begierd hast etwas zu lernen, warum suchest du nicht anderstwo Hülf; Ja antwortete Albertus: wer wird mir helffen, auf Erden finde ich Niemand, zu dem ich ein Zuflucht könnte nehmen. Als die Jungfrau das gehört, deutete sie mit dem Finger auf die vierte Jungfrau, und sagte: Siehe! diese Jungfrau kan und wird dir helffen, wann du sie nur anruffest. Albertus diß hörend, erhube seine Augen zu der ihm gezeigten Jungfrau, und nahme wahr, daß selbige an Schönheit die andere weit übertraffe. Konnte also leicht erachten es müsse Unser liebe Frau seyn. Darum er auch mit dem Steigen ingehalten, und die Jungfrau mit grosser Hertzens-Freud betrachtet hat. Diese aber fragte ihn mit folgenden Worten: Was verlangest du von mir, wilt du etwann vortreflich werden in der Wissenschaft göttlicher oder natürlicher Dingen; du darffest es nur sagen, so solle deinem Verlangen ein Genügen geschehen. Auf dieses freygebigste Anerbieten sagte Alberturs: O unvergleichliche Jungfrau, weilen du dich so freygebig anerbietest, so nehme ich es mit höchster Erkanntlichkeit an. Bitte demnach, du wollest meinen Verstand also schärffen, damit er die Wissenschaft natürlicher Dingen leichtlich ergreiffen, und behalten möge. So seye es dann sagte Unser Liebe Frau: dir geschehe nach deinem Verlangen. Allein, weilen du die Wissenschaft natürlicher Dingen denen Göttli chen vorgezogen, sollest du selbige zur Straf deiner Unbesonnenheit vor deinem Tod auf einmahl verliehren, und wiederum ein Unwissender werden, wie du vorhin warest. Dieses geredt, verschwande sie samt denen anderen Jungfrauen, und hatte damit das Gesicht ein End.


Als nun Albertus hierauf erwacht, und folgenden Tag wiederum in die Schul kame, zeigte es sich gleich, daß er keinen leeren Traum gehabt. Dann als er seinem Lehrmeister zuhörte, konnte er gleich alles fassen. Ja er fienge an von der Beschaffenheit natürlicher Dingen so geschickt zu reden, [318] daß sich der Lehrmeister samt seinen Lehr Jüngeren nicht genug darüber verwunderen konnte. Dann der vorhin ein Unwissender geweßt, ware nunmehr ein Meister; und zwar in so vollkommenem Staffel, daß der nicht allein auf hohen Schulen mit grossem Ruhm, und Zulauf der Lehr-Jünger seine Lehr vortruge, sondern auch seines gleichens in der Wissenschaft natürlicher Dingen selbiger Zeit nicht hatte. Nun wie gienge es mit der Zeit, höre, nachdem er viel Jahr die Schulen mit seiner Wissenschaft angefüllet, geschahe es auf eine Zeit (und das drey Jahr vor seinem Tod) daß er die Wissenschaft natürlicher Dingen seinen Lehr-Jüngern mit Erstaunung vortruge. Allein da er mitten in der Rede war, verliesse ihn gähling die Gedächtnus samt aller vorgehabter Wissenschaft; also, daß er nichts mehr davon zu sagen gewußt, und wiederum so unwissend worden, als er vor diesem war. Ueber welches dann seine Lehr-Jünger anfänglich zwar heftig erstaunet, weilen sie aber vorher öfters von ihm gehört, daß ihm auf die letzte also gehen werde, veränderte sich die Erstaunung in ein hertzliches Mitleiden, welches sie auch mit Vergiessung der Zäher, wegen Verlust eines so vortreflichen Lehr-Meisters bezeugt haben. Worauf sich Albertus von ihnen berlaubet, und sich in sein Clösterliche Zill verschlossen, worinn er drey Jahr lang ein einsames Leben geführt, und durch Ubung allerhand Tugenden sich zum Tod bereitet hat. Ist auch nach Verfliessung solcher Zeit mit solchem Ruhm der Gottseeligkeit gestorben, daß er von der Catholischen Kirchen in die Zahl der Seeligen im Himmel eingeschrieben worden. Ex Annalibus Dominicanis apud Hieron. Platum. l. 2. de statu Religioso. c. 33.


O Maria! was Sorg tragest du für diejenige, welche dir mit Liebe und Andacht zugethan seynd, so bald du siehest, daß sie Noth leyden, kommest du ihnen zu Hülf. Du lassest nicht zu, daß sie dir umsonst sollen gedient haben. Wohl ein liebliche Mutter! wer sollte dir nicht gern dienen? O Christliche Jugend! komme, komme, erwähle Mariam für deine Mutter. Liebe sie, verehre sie, begibe dich unter ihren Schutz. O wie wohl wirst du versorget seyn, liegst du dem Studieren ob, und findest da und dort eine Beschwernus, O! so ruffe sie an, als den Sitz der Weisheit, und sie wird dir gewiß zu Hülf kommen.

61. Exempel
[319] Ein und sechzigstes Exempel.
Ein untreuer, undanckbarer Gesell fallt eben in die Gruben, die er seinem grösten Gutthäter gegraben.

Zur Zeit des Türckischen Kaysers (insgemein Sultan genennt) und grausamen Verfolgers der Christenheit, Selims, waren die Meer-Rauber mit ihrem Streiffen, und starcken Auslauffen auf dem Mittelländischen Meer denen Christen um die Insul Corfu, (so dermahlen denen Venetianern zugehörig) sehr beschwehrlich. Unter anderem köstlichen Raub, so sie erschnappt, befande sich auch ein Christlicher Jüngling, Lamprinus mit Namen. Dieser war von gedachter Insul gebürtig, so Edel von Geschlecht, als schön von Gestalt. Ein Bild, deme die Tugend und heroische Tapferkeit aus den Augen heraus schiene. Eine Blum, so mit Rosen und Lilien stritte. Mit dieser ihrer Beut fuhren die Raub-Vögel Constantinopel, der Haupt- und Residentz-Stadt des Türckischen Kayserthums zu, und verehrten sie dem Türckischen Kayser Selim; in Hofnung, kein schlechtes Trinckgeld darvon zu tragen; wie sie dann auch in ihrer Hofnung nicht betrogen worden. Als nun Lamprinus in den Händen dieses Christen-Feinds war, stunde es an dem, daß er dem gemeinen Brauch nach, samt anderen seinen Lands- Leuten auf die Fleisch-Banck sollte gelieffert werden, weilen den Augen des Blut-Hunds kein lustigeres Schau-Spiel konnte angerichtet werden, als wann er die arme Christen Heerd-weiß, wie die unschuldige Lämmer nidermetzgen sahe. Aber die ausbündig schöne Gestalt (welche, weiß nicht was für ein heimliche Kraft hat die Gemüther einzunehmen, und dazumahl bey Lamprino in ihrer ersten Blühe stunde) hat auch dieses grimmige Panther-Thier besänftiget, und zahm gemacht; also zwar, daß ihme Selim das Leben zu schencken sich anerbotten, wann er den Christlichen Glauben verlaugnen wollte. Das ware nun ein schwehre, wichtige Sach, welche aber Lamprinus dazumahl ein junges Herrlein v. 15. Jahren eben so genau nicht überlegte, sondern aus natürlicher Forcht des Tods angelobte, dem Befehl des Kaysers in allem zu gehorsamen. Gedachte doch beynebens, sich nur äusserlich also zu stellen, inwendig aber und im Hertzen allein den wahren GOtt anzubetten. Hierauf wurde er beschnitten, und aus Befehl des Kaysers an dem Türckischen Hof unter den Edel, Knaben erzogen; welche er, gleichwie an der Gestalt, also auch an Tapferkeit und Erlernung allerhand Ritter-Spielen so weit übertroffen, daß er gar bald vor allen anderen das Hertz des Kaysers an sich gezogen, durch dessen Gunst er von einem Ehren-Staffel [320] zu dem anderen erhoben, in gar kurtzer Zeit die Stell eines Cammer Herrns erlangt hat. Aber seine Erhöhung deuteten andere zu ihrer Beschimpfung aus, und konnten es nicht wohl verkochen, daß ein Ausländer, und zwar ein Christ, von dem man nicht wußte, aus was für einer Eich er herfür geschloffen, ihnen um den Kayserlichen Hof so wohl verdienten, und getreuen Dienern solte vorgezogen werden. Doch mußten sie die gewöhnliche Hof-Suppen, so der Neid und Ehrgeitz anzurichten pflegt, wieder ihren Willen hinein fressen, und durften sich mit keinem Wörtlein wider Lamprinum auch nur von weitem verlauten lassen; wolten sie anderst ihren Herrn, den Kayser, nicht aus der Wiegen werfen.


Unter andern Mißgönnern des Lamprini befande sich der geheime Secretari des Kaysers, Zelim mit Namen; eines verschmitzten Hirns; aber wunder-seltsamer Kopf. Dahero er einstens auf einmahl bey seinem Herrn, dem Kayser, die Brühe verschüttet, und in höchste Ungnad gerathen; also daß er seines Diensts entsetzt, ftündlich, ja augenblicklich anders nichts, als den Strick von dem Tyrannen zugewarten hatte. In dieser seiner äussersten Noth wußte er kein andere Zuflucht, als bey Lamprino zu suchen. Allein das Bitten Kame ihn hart an; mußte doch gleichwohl den Mantel nach dem Wind kehren, und an dieser Gnaden-Pforten anklopfen. Er wartete ihm demnach an einem gelegenen Ort auf; und als er ihn, seinem Anbringen Gehör zu geben, geneigt sahe, brachte er in einer zierlichen Red (welche aber mit vielen Schmeichlereyen unterfüttert war) sein Anliegen vor. Sie lautete also: Lamprine! weilen mir bewußt, daß du alles bey dem Kayser giltest, und sein Aug-Apfel bist, der dir nichts abschlagen kan; als bitte ich dich durch diese sonderbare Gunst, dir wollest mir, als deinem unwürdigsten Sclaven (also nennte sich nach Schmeichler Art diese Hof-Katz) noch dieses letzte Freund-Stuck erweisen, und durch dein mächtige Vorbitt mich bey dem Sultan wiederum aussöhnen, mit der Versicherung, daß ich solche Gutthat tief in mein Hertz eingraben, und selbiger nimmermehr vergessen werde. Lamprinus hatte ein Hertz, so weich, als ein Wachs; und gleichwie er durch eigene Erfahrung erlernet, was es seye, in Unglück gerathen, also wußte er mit dergleichen elenden Personen auch Mitleiden zu haben: liesse sich also erbitten, und versprache sein Bestes zu thun. Nahme darauf bald die Gelegenheit, und brachte mit solchem Ernst und Nachdruck des Secretari Angelegenheit vor, als wann es sein selbst eigene Sach wäre. Der Sultan gabe ihm einen Verweis, und sagte: »Was gedenckst du, daß du für einen solchen Mann, der den Strick schon zehen mahl verdient hat, eine Vorbitt einlegest? O! wann du ihn zu Genügen kenntest, wurdest du es wohl bleiben [321] lassen. Ja es ist zu besorgen, daß, wann ich ihn begnadige, solches meiner Cron zum Nachtheil; dir aber, als seinem Vorsprecher, zum eigenen Verderben, und Untergang gereiche.« Weilen aber dessen ungeacht Lamprinus mit unterthänigster Bitt um Gnad anhielte, liesse sich der Kayser endlich bereden, und wurde der Secretari gleich darauf in sein voriges Amt und Würde wiederum eingesetzt. Allein dieser Secretari ware beschaffen, wie ein Glas, das einen Spalt hat. Schütte man hinein den besten Wein, oder Saft, so wird doch in kurtzer Zeit alles wiederum ausrinnen. Aeusserlich stellte er sich zwar gantz freundlich, und danckbar gegen dem Lamprino: inwendig aber glostete der alte Grollen, und verdrosse ihn heimlich in der Haut, daß er diesem Ausländer auch nur einmahl hätte müssen aufwarten. Beschlosse also, nachdem er sich in seinem Dienst wiederum vest gesetzt, den Lamprinum bey nächster Gelegenheit aus dem Sattel zu heben.


Unter denen Kebs-Weiberen des Sultans befande sich eine, Tamulia mit Namen; welche vor diesem auch aus der Christen-Land entführt, dem äusserlichen Schein nach eine Türckin; innerlich aber eine Christin, und des Lamprini (wie hernach wird zu hören seyn) nächste Landsmännin ware. Diese hatte schon vor allem anderen Frauen-Zimmer ihrer Schönheit halber den Vorzug. Dannenhero der Sultan sich auch mehr gegen ihr, als andern, geneigt erzeigte. Und damit ihr nur nichts Leids widerfuhre, überliesse er sie, als er einstens wichtiger Geschäft halber verreisen müssen, der Obsicht und Verwahrung seines getreuestens Dieners, nemlich des Lamprini über; mit Befehl, auf sie nicht weniger, als auf den grösten Schatz des Kaysers, Acht zu haben. Welchem Befehl Lamprinus um desto lieber nachkame; weilen er schon anderwärts in Erfahrung gebracht, daß Tamulia mit ihm einerley Glaubens, einerley Lands, einerley Geblüts, ja seine leibliche Schwester wäre; obwohlen solches weder dem Kayser, noch jemand anderen offen, und bekannt ware.


In Abwesenheit des Sultans bekamen diese beyde Hertzen, Lamprinus, und Tamulia Luft, grössere Verträulichkeit zu pflegen, und ihrem Wunsch nach, eines dem anderen seine Gemüths-Regungen in der stillen Einsamkeit eines Zimmers zu entdecken. Bald bedaureten sie mit einander ihr Unglück, welches sie von ihrem lieben Vatterland entführt hätte bald danckten sie dem Himmel, der sich gleichwohl auch in dem Elend gegen ihnen mehr, als günstig, erzeigte. Ein andersmahl unterredeten sie sich mit einander in Glaubens-Sachen; und vollbrachten etwann unter einem Fenster, mit dem gefangenen Daniel, ihr Gebett, den höchsten GOtt demüthigst bittende, er wolle ihnen doch durch sein allmögende Kraft und Würckung aus ihrer Gefangenschaft, und [322] Machometischen Greuel hinweg auf ein grünes Zweig, und in die vorige Freyheit helfen; damit sie seinem heiligsten Namen gebührende Ehr erzeigen, und unter seinen Glaubigen mit Mund und Hertz ihn loben, und preisen möchten. Solches ihr ernstliches Verlangen bestättigten sie mehrmahlen mit einem so häufigen Regen der Zähern, daß sich die herumstehende marmelsteinene Saulen des Kayserlichen Pallasts hätten darüber erbarmen mögen. Das gantze Gespräch wurde gemeiniglich mit einem liebreichen Hand-Kuß beschlossen. Sie konten aber ihre Sach so heimlich nicht anstellen, daß nicht auch der Secreteri etwas davon innen wurde; der in Abwesenheit seines Herrns, des Sultans, mehr dann sonst ein offenes Aug auf Lamprinum hatte, und etwann ein und das andere mahl durch das Schlüssel-Loch zusahe, da er eben mit der Tamulia gedachter massen guter Verträulichkeit pflegte. Solche Gelegenheit nahme der treulose Verräther wohl in Acht; weil sie ihm treflich diente, den Lamprinum bey dem Sultan anzuschwärtzen, und in Verdacht zu bringen, als wann er die Tamulia nur gar zu viel gehütet hätte; wohl wissend, daß der eifersüchtige Geist des Sultans solches zu seiner höchsten Beschimpfung wurde aufnehmen. So bald derohalben der Sultan von seiner Reise wieder zuruck kommen, und sich mit ihme, als geheimen Secretari, eines gewissen Geschäfts halber in einem Zimmer allein unterredete, wendete er mit Gelegenheit die Rede anderstwo hin; und beklagte Anfangs nur insgemein; »daß bisweilen die Monarchen und König mit schlechtem Danck, und nicht geringer Gefahr sich, und die ihrige denen Ausländern anvertrauten; als welche ihre Treu nur ums Geld thäten bieten, und so lang sich eingezogen hielten, so lang sie ihren Herren unter den Augen wären.« Sultan der arge Fuchs, merckte gar bald, es müßte in seiner Abwesenheit etwas fürüber gangen seyn: bedrohete derohalben den Secretari, ihme nichts im geringsten zu verhelen. Worauf der Secretari die Achsel zoge, gantz bestürtzt, und gleichsam darzu gedrungen, was er mit Augen von Lämprino und der Tamulia gesehen, umständlich (doch mit einem mercklichen Zusatz) erzählte; der Innhalt bestunde kürtzlich in dem: Lamprinus hatte wider alle Gebühr und Aufsehen auf dero hohe Person, der Tamulia nur gar zu viel aufgewartet. Ob aber die That selbst erfolget seye, das wußte er für keine Gewißheit auszugeben; obwohlen er daran keinen Zweifel truge. Solches, was es immer seyn möchte, habe er in seinem Gewissen eine Schuldigkeit befunden, Ihro Majestät unterthänigst zu hinterbringen.


Das ware nun der schöne Danck, welchen dieser undanckbare Gesell seinem Erhalter, und grösten Gutthäter auf Erden, dem Lamprino gabe. Daß er, was sich zugetragen, und er gewiß wußte, dem Sultan zu Ohren [323] gebracht, wird nicht getadlet: ware ein wichtige Sach, und er seinem Herrn anzudeuten schuldig Daß er aber aus Neid und Haß mehr daraus gemacht, als es ware, und zwey unschuldige Seelen einer Sach beschuldiget, daran sie nie gedacht hatten, hat er sich schwerlich wider die Gerechtigkeit, und Liebe des Nächsten vegriffen, und ist dem hierdurch beleidigten GOtt auf ein neues in die Straf gefallen; da er kaum ein kleines zuvor dem Strick entgangen.


Der Sultan erschracke heftig ab dieser unerwarteten Zeitung. Konnte nicht wohl glauben, daß Lamprinus, von dem er nie das geringste von einer Untreu verspührt, jetzt auf einmahl seiner Schuldigkeit vergessen, und wider seinen Kayser also schändlich sich vergriffen haben solte. Anderwärts kame ihm nicht glaublich vor, daß der Secretari also verwegen seyn, und ohne Grund ihme wider den Lamprinum, deme er sonderlich verpflichtet war, in einer so wichtigen Sach eine Unwahrheit vortragen därfte. Seye ihm, wie ihm wolle, es müsse etwas darhinter stecken. Nachdem er sich eine Weil bedacht, und die Farb im Angesicht vielfältig verändert, sagte er letztlich dieses wenige:Hörest du, Zelim! du weißt, was du mir, was du dem Lamprino schuldig bist. Werd ich darhinter kommen, daß du einen Verleumder abgebest, so schwöre ich dir bey dem Mahomet, und bey meinem Scepter, daß kein Marter und Pein solle gefunden werden, die ich dir nicht wolle lassen anthun. Deinen Leib will ich denen Hunden vorwerfen; und dein Seel durch den grausamsten Tod in die Höll hinunter schicken. Finde ich aber dich hierinn treu, und den Lamprinum schuldig, so solle auch dir dein Lohn, und ihme die verdiente Straf nicht ausbleiben. Halte alles in Geheim: ich selbst will hinfüran mehr, dann zwey Augen, auf Lamprinum und Tamuliam haben. Der Secretari neigte das Haupt zur Erden, zum Zeichen der Unterthänigkeit: und ware ihm genug für diesmahl, daß er den Zundel so wohl zugericht hätte, welcher mit allernächstem solte Feur geben.


Von dieser Zeit an machte ihm der argwöhnische Sultan allerley Calender, und kochte in seinen Gedancken nichts Gutes für den Lamprinum: worbey dann die Eifersucht am meisten Holtz zutruge. Wann er etwann allein in seinem Zimmer sich befande, oder in einem Lust-Haus spatzieren gienge, stellte ihm bisweilen die Einbildung vielerley Phantaseyen vor. Was? sagte er bey sich selbst: »Lamprinus? Tamulia? wer hätts gemeint? Lamprinus? den ich meiner Gunst gewürdiget, und so hoch aus dem Staub der Erden erhoben, sollte sich erkühnen, das Kayserliche Beth zu entunehren? Pfui der Schand! aber nein. Lamprinus ist so keck nicht: er liebt, und förchtet mich: hab noch nie kein Untreu von ihm erfahren. Der Secretari [324] wird aber ja nicht lügen? die Jugend ist frech: die Gelegenheit macht den Dieb; und hat auch diesen jungen Menschen zu einem Rauber meiner Ehren gemacht: er ist schuldig. Vielleicht ist ers aber nicht? was verziehe ich dann lang? Warum werfe ich ihn nicht alsobald an die Folter? Hab ich dann keine Geissel und Peitschen; keine glüende Zangen und Hacken mehr, die Wahrheit durch die peinliche Frag heraus zu pressen? ist aber besser, still mit, der Sach umgehen. Ich will mein Haupt ehender nicht sanft legen, bis ich auf den Grund kommen. Eintweders Lamprinus, oder der Secretari soll ein Schlacht-Opfer meines« Zorns seyn: Also tobte der Sultan bey sich selbst: und ware sein Gemüth gleich einer Wasser-Wellen, so von zwey widrigen Winden hin und her getrieben wird. Es stunde nicht lang an, da brache das Feuer aus: eintweders weil der Sultan selbst gähling einen freundlicheren Augen-Winck erblicket; oder sie sonst etwann in einem verträulichen Gespräch beysammen erdappet: da ware es geschehen. Er liesse unverzüglich den Secretari für sich ruffen; bey dessen erstem Eintritt in den Saal er gleich in diese Wort heraus brache: Nunmehr stelle ich deinen Worten Glauben zu, nachdem ich durch eigenen Augenschein, leider! nur gar zu wahr befunden, was du mir neulich des Lamprini und Tamulia halber vorgetragen. Aber der treulose Sclav wird solche Frechheit hart genug müssen bezahlen, und innerhalb wenig Stunden ein Speis der Löwen seyn. Nicht ist auszusprechen, was diese Vertröstung für ein kühles Thau dem Secretari abgeben. Er konte sich vor Freuden nicht fassen, als er sahe, daß sein Anschlag auf den Lamprinum einen so glücklichen Ausschlag gewunnen: wünschte dem Kayser lange Regierung, und daß alle seine Feind also möchten zu Schanden werden; und striche davon.


Unter anderen Fürstlichen Raritäten und Lustbarkeiten ware ausser der Stadt Constantinopel ein Thier-Garten von Löwen, Bären, Tigern, und anderen Thieren; welche zu des Kaysers Lust bisweilen an einander gehetzt wurden. Kaum ware der Secretari zu dem Saal hinaus, da liesse der Sultan den Thiermeister beruffen, und ertheilte ihm in Geheim Befehl, daß er des Tritts ohne Ansehen der Person, und weitere Umfrag, denjenigen sollte den Löwen fürwerfen, der heut am ersten zu ihm kommen, und fragen wurde:Ob er des Kaysers Befehl vollzogen hätte; oder nicht? der Thiermeister verspricht, dem gemessenen Befehl nachzukommen. Worauf alsobald auch Lamprinus geholet wurde. Diesen, nachdem er eins und das andere gefragt, so zur Sach nicht gehörig, schickte der Kayser in den Thier-Garten, mit Befehl, den Thiermeister zu fragen, ob er, was gebotten, schon vollzogen hätte; oder nicht? er verlange, noch heut[325] eine Antwort zu wissen. Lamprinus gienge zwar hin: aber doch kame ihm des Kaysers Befehl etwas seltsames vor; als von deme er bishero niemahls zu einem so schlechten Botten-Dienst wäre gebraucht worden, so ein jeder Laquey besser, dann er verrichten konte. Vielleicht hatte er auch aus den Augen, und verstellter Red des Tyrannen einiges Zeichen des wider sich gefaßten Grimmens gemerckt. Aufs wenigist weissagte ihm sein Hertz nicht viel Gutes, und sein Schutz-Engel mahnte ihn heimlich, in Vollziehung des auferlegten Befehls nicht zu fast zu eilen. Tratte demnach unter Weegs ein wenig beyseits in ein kleines lustiges Wäldlein; und nachdem er seinen Gedancken Luft gemacht, auch den Rock obenher etwas eröfnet, fienge er sein Gebett mit hertzlichem Seufzen folgender Gestalt gegen dem Himmel auszuschütten:


Christe JEsu! sagte er: du Erforscher meines Hertzens: du weißt, wie aufrecht ich es mit dir meine. Und ob ich schon dem äusserlichen Schein nach mich anderst stellen muß; daß es doch nicht von Hertzen gehe; sondern ich in der That selbst keinen andern GOTT weder erkenne, noch anbette, ausser dir, meinem Erlöser und Seligmacher. Siehe nicht an meine Missethaten, so ja freylich den Tod tausend mahl verdient haben; sondern vielmehr deine unendliche Barmhertzigkeit, mit welcher du die Sünder aufnimmest; deren ich der grösten einer bin. Ich bitte dich aus tiefesten Hertzens Grund wann je etwann (wie ich beförchte) ein Unglück auf mich wartet, du wollest selbiges gnädig abwenden, und nicht zulassen, daß diese Türckische Hund also ungescheuet in dem Blut deiner Glaubigen, für welche du gestorben bist, umwulen; sondern eröfne mir vielmehr die Porten dieser so harten Dienstbarkeit, und heimlichen Nachstellungen meiner Mißgönnern zu entrinnen; damit ich wiederum zur Freyheit der wahren Kindern GOttes gelangen, und dich samt allen Auserwählten in Ewigkeit loben und preisen möge, Amen. Also erzählte der betrübte Lamprinus den schattächtigen Bäumen des Walds sein Anligen, und empfienge gleichwohl in etwas einen Trost, als er vermerckte, daß die herumstehende hohle Bühelein ein Mitleiden mit ihm erzeigten, und das letzte Wort Amen (es soll geschehen) durch einen Wiederhall zuruck gaben. Bewafnete darauf sein Stirn, Mund, und Brust mit dem Zeichen des Heil. Creutzes, und nahme seinen Weeg dem Thier-Garten zu. Entzwischen ware dem verrätherischen Secretari Zeit und Weil lang, bis man ihm die Bottschaft brächte, Lamprinus wäre von den grimmigen Thieren zerrissen, und aufgefressen worden. Stunde immerdar in Sorgen, es möchte der ergangene Befehl widerruffen werden und den Sultan eine gählinge Reu ankommen; [326] weil er nur gar zu wohl wußte, wie sehr Lamprinus ihm an das Hertz gewachsen wäre. Aber, wie er hörte, daß man ihn für den Sultan beruffen, und denselben bald hernach dem Thier-Garten zugehen sahe, wurde ihm aller Zweifel benommen. Als er derohalben bey einem gleichen meinte, jetzt möchte er ohngefähr den Rest bekommen haben, eilte er Fürwitz halber, und nur aus dem Wunder zu kommen, gantz allein dem Thier-Garten zu. Und als er den Thier-Meister vor der Garten-Thür müßig antraffe, fragte er, ob des Sultans Befehl schon wäre vollzogen worden? der Thiermeister gedachte nicht anders, als eben das wäre der rechte Brocken für seine Löwen: gabe demnach zur Antwort, er sollte sich nur ein wenig hinein bemühen, und selbst den Augenschein einnehmen. Der Secretari anderst nicht vermeinend, als er wollte seinen Augen ein angenehme Weyd finden, wann er die halb-verzehrte blutige Beiner des Lamprini konte anschauen, tratte hinein; wurde aber alsobald von dem Löwen-Meister, und seinen Knechten angegriffen, und ungeachtet seines Protestierens, denen Löwen vorgeworfen, and von ihnen in Stucken zerrissen. Da hat es wohl redlich geheissen, was David sagt am 7. Psalm. Er ist selbst in die Gruben gefallen, die er einem anderen zubereitet hat. Untreu trift gemeiniglich seinen eigenen Herrn. Und der gerechte GOtt laßt es vielmahl geschehen, daß undanckbare, heimtückische, betrügliche Leut mit ihren eigenen bösen Anschlägen erschlagen, und zu Grund gerichtet werden.


Ein, und die andere Stund hernach kommt auch Lamprinus, und fragt, ob des Sultans Befehl vollzogen wäre? deme der Thiermeister gantz höflich mit Ja geantwortet, und die noch übrige Kleider von dem Secretari gewisen; und zugleich erzählet, was er in dem Befehl gehabt, und wie sich der Secretari vergebens widerspenstig erzeigt hätte; vorgebend, wie daß dieses Spiel nicht ihme, sondern einem andern von dem Sultan vermeint wäre. Lamprinus gedenckte ihm seinen Theil; nahme bald von dem Thiermeister Abschied, und sagte GOtt aus dem innersten seiner Seelen Danck, daß er ihn aus dieser augenscheinlichen Lebens-Gefahr, und gelegten Fall-Stricken erlediget hätte; und batte noch um ferneren Beystand. Gienge darauf in den Hof-Stall, und liesse ihm eines aus den besten Pferden sattlen; unter dem Vorwand eines wichtigen, und ihm allein von dem Sultan anvertrauten Geschäfts: setzte sich darauf; gienge durch, und kame in kurtzer Zeit an den Christlichen Gräntzen in Sclavonien an: allwo er sich vor allen Dingen mit der Christlichen Kirchen durch die Heil. Beicht wiederum versöhnt; hernach dem Sultan einen Brief zugeschrieben, worinnen er die Ursach seiner Flucht angezeigt, und sich höchstens beklagt über die Treulosigkeit [327] des Secrtari, welchen GOtt seiner Undanckbarkeit, und falscher Verleumdung halber so denckwürdig gestraft hätte. Wie sehr ihm aber von diesem Böswicht Unrecht geschehen, könten Ihro Majestät ohnschwer aus diesem abnehmen: »Daß die Tamulia (um derent willen er zweifels ohne von dem Secretari in solches Spiel wäre gebracht worden: sonsten er sich durch aus nichts schuldig wußte) seine leibliche Schwester; und also sie gepflegter grösserer Freundschaft halber ja nicht zu verdencken seye. Und damit seine Majestät sehen, wie des Lamprini Treu, und schuldigster Respect gegen dero hohe Person noch immerdar aufrecht, und unverfälscht grüne, schicke er samt diesem Schreiben das Pferd dessen er sein Leben zu ertretten vonnöthen gehabt, wiederum zuruck, und bedancke sich noch einmahl, ja zu tausend mahl um die vielfältig und mit recht Kayserlicher Mildigkeit ihme erwisene Gutthaten; demüthigst bittend, die Tamulia seinetwegen nichts entgelten zu lassen.«


Entzwischen kommt die Flucht des Lamprini: und der Tod des geheimen Secretari aus: worüber der Sultan theils zörnte; theils wohl auch die wunderliche Schickung des Himmels erkennte; welcher allem Ansehen nach der Unschuld die Hand reichen, und den undanckbaren, ungerechten Verfolger in diejenige Fall-Strick hätte leiten wollen, welche er einem anderen heimlich gelegt hatte. Bald hernach empfangt er des Lamprini Brief; ruft die Tamulia für sich, und fragte sie, ob sie dem Lamprino verwandt wäre? sie beantwortete die Frag mit ja, und bekennte, frey rund, wie daß sie sein Schwester wäre; obwohlen sie solches zu offenbaren bishero ihr nicht getraut hätte. Hierüber schossen dem Sultan die Zäher in die Augen, und bedaurte sehr hoch, daß er dem treulosen Ohren-Blaser Secretari zu viel geglaubt, und seinen liebsten Lamprinum in solche Betrübnuß und Lebens-Gefahr gestossen hätte. Befahle hiernächst der Tamulia, ihme zu schreiben, und (wo möglich) zu bereden, wieder umzukehren. Ja er selbst verfertigte ein eigenes Hand-Brieflein an ihn ab, und erbotte ihm alle Kayserliche Gnad, wann er wieder wollte zuruck kommen. Aber umsonst. Lamprinus wolte nicht mehr trauen. So gienge auch der Kayser bald hernach mit Tod ab, und vermachte in dem Testament der Tamulia grosse Reichthum und Schätz. Und weil sie wiederum nach ihrem Vatterland Verlangen truge, machte sie solches ihrem Bruder zu wissen; der dann von Solyman, des verstorbenen Sultans Nachfolger im Reich, sicheres Geleit erlangt; auf Constantinopel verreißt; und seine Schwester nach Corfu in ihr Vatterland übergeführt: deme sie hernach ihre Reichthum überlassen, in ein Closter gangen; ein bußfertiges Leben geführt, und endlich samt ihrem Bruder (der in der Welt geblieben; ihr aber, und ihren geistlichen Schwesteren reichliche [328] Unterhaltung verschaft) Christlich in dem HErrn entschlaffen ist. Stengelius de pœna Talionis c. 12. §. 6. ex Novellis Joan. Baptistæ Giraldi, impressis Venetiis Anno 1584.


Eine fast gleiche Begebenheit ist auch oben unter den frommen Kindern erzählt worden. Allein Curiosität halber ware es der Mühe wohl werth, auch diese der Christlichen Jugend bekannt zu machen; auf daß sie ab aller Undanckbarkeit bey Zeiten ein Abscheuen fasse. Lasse sie ihr gesagt seyn den Spruch Kaysers Antonii Aurelii, den man einem Undanckbaren könnte auf das Grab setzen. Undanckbar sterben ist der allerehrloseste Tod. Einen solchen Tod hat genommen der undanckbare Secretarius. Liebe Jugend! liebst du die Ehr, so stosse dich an solche schmähliche Grabschrift! und gibe acht, daß du allezeit danckbar lebest, und nicht undanckbar stirbest.

62. Exempel
Zwey und sechtzigstes Exempel.
Einem Gefangenen kommt die Zeit in der Gefängnus vor, als wäre sie eine halbe Ewigkeit.

Peckius, ein hertzhafter Mann, zoge sich (was Ursach, ist nicht bekannt) auf den Halß den Haß und Feindschaft eines gewissen Edelmanns, so auf einem Schloß wohnte. Dieser Edelmann nun liesse durch seine Diener dem Peckius aller Orten aufpassen, damit er ihn möchte zu Handen bringen; welches auch endlich geschehen. Dann, als Peckius einstens über Feld ritte, und durch ein hohle Straß mußte, wurde er von des Edelmanns Dienern (so sich verkleydet, und alldort versteckt hatten) unversehens überfallen, angepackt, gleich einer Katz in einen Sack gesteckt, und auf des Edelmanns Schloß gebracht. Da liesse ihn der Edelmann so fort in einen tieffen und finstern Thurn setzen, wohin weder Sonn noch Mond kamen; sagte aber Niemand von seinen Hausgenossenen was davon, ausser einem eintzigen treuen und verschwiegenen Diener. Diesem gabe er Befehl, dem Gefangenen täglich an einem Stricklein nur ein wenig Brod und Wasser in den Thurn hinunter zu lassen; nicht so fast, daß der arme Gefangene länger leben, als täglich gleichsam sterben sollte. Unterdessen, weilen Peckius auf die bestimmte Zeit nicht nach Haus kame, wurde ihm von seinen Leuten aller Orthen nachgefragt; konnte aber nirgends erfragt werden, ausser daß zuletzt sein Pferd, auf welchem er ausgeritten, in gedachter hohlen Strasse mit Blut besprengt gefunden worden. Woraus man dann gemuthmasset, er müsse mörderischer Weiß umgebracht worden seyn. Darum man fleißig nach dem Thäter geforschet, seynd auch ihrer zwey, von [329] denen man wußte, daß Peckius nicht längst einen Zanck-Handel mit ihnen gehabt, eingezogen worden. Als man sie nun darüber examinirt, und gefoltert, bekennten sie zuletzt (wiewohlen nicht mit Wahrheit, sondern allein aus Forcht länger gemartert zu werden) daß sie den Peckium ermordet hätten. Worauf sie dann beyde verurtheilt, und hingerichtet worden. Unterdessen mußte der arme Peckius 19. gantzer Jahr in seiner Gefängnus zubringen; allwo er so lange Zeit weder schlagen, noch läuten gehört, kein Tag-Liecht gesehen, mit keinem Menschen ein Wort gesprochen, ja nicht einmahl gewußt, an was für einem Ort der Welt er seye, oder wer ihn in diese Gefängnus habe setzen lassen. Dann ob er schon täglich ein Stücklein Brod, und Krüglein mit Wasser bekame, so wußte er doch nicht durch wen es geschehe; indem des Edelmanns Diener, so das Brod und Wasser in aller Stille an einem Stricklein in die Gefängnus hinunter gelassen, von dem Gefangenen nicht konnte gesehen werden; nach zuruck gezogenem Stricklein aber in der Stille, und ohne ein Wort zu sprechen, wiederum davon gienge. Wußte also der arme Gefangene nicht, ob es Tag oder Nacht, noch wie lang er in dieser Gefängnus aufgehalten werde. Lebte mithin in immerwährender tieffen Melancholey, und Traurigkeit, Hunger und Durst, und mußte die Kleyder am Leib verfaulen lassen. O traurige Gefängnus, O langweilige Nacht, O Seuftzer, die dieser arme Gefangene aus seinem Hertzen gestossen, O Zäher, mit welchen er sein Elend beweynt, O Leben, das er hundertmahl mit dem Tod hätte vertauschen mögen, mithin ward Peckius von seinen Leuten zu Haus für tod gehalten, und seine Gedächtnus nach und nach in die Vergessenheit gestellt. Nachdem endlich 19. Jahr in dieser finsteren, traurigen, und elenden Gefängnus von dem armen Gefangenen zugebracht worden, ware der Edelmann des Schlosses mit Tod abgangen. Ach GOtt! wie wird es anjetzo unserem Peckius ergehen? Höre, des verstorbenen Edelmanns hinterlassenen Erben kame der Lust an, das Schloß da und dort erneueren zu lassen. Demnach liesse er Maurer und Zimmerleuth kommen, welche der Arbeit sollten den Anfang machen. Wie nun diese mit Niederreissung der Mauren beschäftiget waren, mithin auch an den tieffen Thurn kamen, in welchem der arme Peckius so viel Jahr elendiglich zugebracht, hörten sie ein erbärmliches Seuftzen und Weynen, über welches sie sich anfänglich entsetzt, und nicht gewußt, was sie gedencken müßten. Wie sie aber einander Muth und Hertz gemacht, mithin den Thurn erbrochen und eröfnet; siehe, da erblickten sie einen Menschen, der mehr einem Todten, als Lebendigen gleich sahe; dann er war vor Hunger gantz eingeschmurret, und zusammen gezogen, in dem Angesicht tod bleich, und eingefallen, am gantzen Leib aber mit Haar überwachsen, und mit langen [330] Näglen an denen Fingeren, in Summa: ein rechtes Wunder-Thier. Nachdem man sich genug an ihm ersehen, ward er gefragt, wer er seye, was Lands? wie er an dieses Ort gekommen, und wie lang er sich da aufgehalten; da zeigte er zwar seinen Namen und Vatterland an, auf die andere Fragen aber wußte er nicht zu antworten, und das wegen schon oben angezeigten Ursachen. Allein der Diener, so ihm täglich Wasser und Brod an einem Stricklein in den Thurn hinunter gelassen, und noch vorhanden war, entdeckte den gantzen Handel, worauf der arme Gefangene aus dem Thurn heraus geführt; auf freien Fuß gestellt, und ihm in sein Vatterland zu kehren erlaubt worden; wo er dann seinen Leuten mit ihrer Erstaunung erzehlt, wie ihm ergangen, und wie ihm die Zeit von 19. Jahren, so er in der Gefängnus zugebracht, nicht anderst vorkommen, als wären sie eine halbe Ewigkeit; welches man ihm, in Betrachtung aller Umständen auch leicht geglaubt hat. Drexelius S.J. in Gymnasio patientiæ P. 2. c. 2. §. 3.


Ewiger GOtt! wann diesem Gefangenen 19. Jahr seynd vorkommen, als wären sie eine halbe Ewigkeit; wie wurden sie ihm erst vorkommen seyn, wann er sie in einem feurigen Ofen eingesperrt zugebracht hätte? was Schmertzen, was Traurigkeit wurden sie ihm verursacht haben, wer will es aussprechen; allein, was seynd 19., was seynd 100., was seynd 1000. Jahr gegen der gantzen Ewigkeit, welche die Verdammte in dem höllischen Feur müssen zubringen? O wie lang, O wie unerträglich wird ihnen die Weil vorkommen, wann sie nach 100000. Millionen der Jahren sehen werden, daß sie sich noch am Anfang der Ewigkeit befinden, daß sie noch keinen Schritt weit in der Ewigkeit fortgeruckt seyen? wann es immerzu heissen wird: Jetzt fangt euer Peyn erst an! O erschröckliche Sach! wie traurig ist es, auch nur daran zu gedencken? will geschweigen. wann man diese unglückseelige Ewigkeit mit den Verdammten in der Höllen erst erfahren müßte; wie recht hat dann der gottseelige Cardinal Bellarmin diesen Spruch gethan: O Ewigkeit! wer dich betrachtet, und doch ab dir nicht erschröcket, der hat entweder kein Glauben, oder keinen Verstand.


Wohl geredt. Zum Beschluß, und damit diß alles dem Gemüth tieffer eingedruckt werde, laßt uns hören, was der gottseelige Pater Hieremias Drexelius, aus der Gesellschaft JEsu, von der Ewigkeit gesungen.


1.
Die Ewigkeit, die ewige Zeit,
Die kränckt mich in dem Hertzen;
Die ewig Zeit, die Ewigkeit,
Bringt mir groß Angst und Schmertzen.
2.
O lange Zeit, ohn alle Zeit,
O End, das nie aufhöret;
[331]
O du ewige Ewigkeit,
O Zeit, die ewig währet.
3.
Wohlan, steig in die Höll hinab,
Nicht daß du drinn solt brinnen;
Sondern das Feur vor Augen hab,
Damit ihm mögst entrinnen.
4.
Ach GOtt, was ist die Ewigkeit,
Der immerwährend Schrecken;
Daran kein Monath, kein Jahr-Zeit,
Noch tausend Jahr erklecken.
5.
Ja, da tausendmahl tausend Jahr,
Ein End mögen erlangen;
Wann ein Zihl ist verloffen gar,
Thut gleich ein neues anfangen.
6.
Das ist zur Ewigkeit die Bahn,
Darauf man kommt geloffen;
Zum Ewigen doch Niemand kan,
Ein Wiederkunft verhoffen.
7.
Ein Ding ist das End und Anfang,
Im ewigen Verderben;
O Leben schnöd, wie der Tods-Zwang,
O Tod, ohn alles sterben.
8.
Geh hin, du Hurer in die Höll,
Doch wirst nicht mehr entrinnen;
Geh hin du Fraß, du schlimmer Gesell,
Da must du ewig brinnen.
9.
Der Höllen Einfahrt ist gar gut,
Kein Ausfahrt ist vorhanden;
Wen die Höll einmahl verschlucken thut,
Der bleibt in ihren Banden.
10.
Wer seelig wird, hat allzeit Freud,
In dem himmlischen Leben;
Wen GOtt verdammt, hat ewigs Leyd,
Und muß in der Peyn schweben.
11.
So wird auch solcher Freuden-Tag,
Im Himmel ewig währen;
Hingegen der Verdammten Plag,
In der Höll nie aufhören.
12.
Allda muß der Verdammten Schaar,
Viel heisse Zäher schwitzen;
Und samt den Teuflen immerdar,
Im höllischen Feur sitzen.
13.
Wohl auf ihr fromme GOttes-Knecht,
Singt und thut euch erfreuen;
Und laßt nun der Gottlosen Geschlecht,
Ewig heulen und schreyen.
14.
Dem Himmel zu ein jeder eyl,
Weil er uns noch steht offen;
Jetzt ist noch rechte Zeit und Weil,
Nach dem Tod ists verloffen.
63. Exempel
[332] Drey und sechzigstes Exempel.
Dem Heil. Augustino erscheint die Seel des verstorbenen Heil. Hieronymi in einem ungemeinen hellen Liecht.

An dem selbigen Tag, und in selbiger Stund, als der Heil. Hieronymus mit Tod abgangen, befande sich bey nächtlicher Weil der Heil. Augustinus gantz allein in seinem Studier-Zimmer, allwo er in aller Stille zu Gemüth führte, wie groß auch die Glory und Freud der Auserwählten in dem Himmel seyn müsse. Dann er hatte im Sinn, ein Buch davon zu schreiben. Weilen er aber gewohnt war, in schweren Sachen den Heil. Hieronymus, als einen in göttlicher Wissenschaft sehr gelehrten, und erfahrnen Mann, Raths zu fragen (dann also machen es auch die gelehrtiste Leut, wann sie demüthig seynd; wie der H. Augustinus war) und darüber seine Gedancken zu vernehmen: so setzte er sich an sein Schreib-Tischlein nider; nahme die Feder in die Hand, und fienge an ein Send-Schreiben an gedachten Heil. Hieronymus aufzusetzen. Er hatte aber kaum die erste Linie geschrieben, siehe! da eröfnete sich gähling die Thür des Zimmers; und es kame hinein ein ungemein-helles Liecht, dergleichen Augustinus sein Lebtag niemahl gesehen. So wurde auch zu gleich das Zimmer mit einem so lieblichen und angenehmen Geruch erfüllet, daß es mit Worten nicht auszusprechen. Ueber diese unverhofte Begebenheit erstaunete Augustinus dergestalten, daß ihm darüber die Kräften am Leib und Gemüth vergiengen. Dann er wußte nicht, daß GOtt zu eben dieser Stund seinen Diener Hieronymus durch den Tod aus dieser Welt zu sich abgefordert hatte. Indem er nun das vor sich stehende ungemein-helle Liecht mit höchster Verwunderung anschauete, und gantz begierig erwartete, wo es dann herkomme, und was es bedeuten wolle; da hörte er aus selbigem eine Stimm, die sich also verlauten liesse: Augustine! mit was vor Gedancken gehest du um? was für ein Buch willst du zusammen schreiben von der Glory, und Freud der Auserwählten in dem Himmel? vermeinst du, dasjenige in ein Buch hinein zu bringen, was kein Aug gesehen? kein Ohr gehört? und kein menschlicher Verstand in dem sterblichen Leib hat fassen können, was GOtt denen hat zubereitet, die ihn lieben? Höre nur auf; dann du unterfangest dich einer unmöglichen Sach. Ehender wird sich das weite und fast unermeßliche Meer in ein kleines Grüblein (welches doch unmöglich) lassen ausschöpfen, und einschrencken, als daß du nur den mendisten Theil jener Glory und Freud, deren die Auserwählte im Himmel genüssen, mit [333] der Feder wirst beschreiben können. Auf Erden wirst du nicht finden, was allein im Himmel anzutreffen ist. Befleisse dich viel mehr durch ein heiliges Leben zu verdienen, was auf dich im Himmel wartet. Dieses ausgeredt, verschwande das Liecht, und liesse Augustinum vertieft in seiner Erstaunung. Dieser aber, nachdem er sich wiederum erholet, erkennte bald, daß dieses Liecht die Seel des Heil. Hieronymi müsse geweßt seyn; als welche ihren sterblichen Leib verlassen; und nunmehr der himmlischen Glory und Freud genosse. Wie dann Augustinus bald darauf von dem seligen Ableiben des Heil. Hieronymi schriftlich berichtet worden. S. Aug. l. 22. de Civit. DEI.


Wie recht sagt gedachter Heil. Augustinus von der Glückseligkeit, welche GOtt denjenigen, so ihn lieben, vorbereitet hat: daß man sie zwar erlangen; aber nicht aussprechen könne! so gar übersteigt sie allen so wohl englischen, als menschlichen Verstand. Mit was hitzigen Begierden soll man dann nach dieser Glückseligkeit trachten? lise, lise, Christliche Jugend! folgendes Lob-Gesang: und du wirst erfahren, was es für Wünsch in deinem Hertzen erwecken können.

Lob-Gesang,
Von der ewigen Glückseligkeit:

So gemacht hat Petrus Damiani, der Römischen Kirchen Cardinal, aus den Schriften, und Bücheren des Heiligen Augustini.

1.
O du Brunn des wahren Lebens,
Voller Lust, und Lieblichkeit!
O wie oft nach dir vergebens
Seufze ich in meinem Leib!
Ach! wann wird zu dir einst fahren
Meine Seel aus diesem Land?
Sie bisher in vielen Jahren
Bleibt in gar betrübtem Stand.
2.
Ach! daß möchten bald zerspringen
Die zustarcke Lebens-Bänd!
Daß die Seel hinauf möcht schwingen
Sich zu ihrem Zihl und End!
Ich gezwungen hie muß bleiben;
Gern wolt fahren hald hinauf.
Mein Begierden starck mich treiben,
Zu vollenden meinen Lauf.
3.
Kan nicht länger ausgeschlossen
Von demTrunck des Brunnen seyn,
Der von Anfang ausgegossen
Giebt nur lauter Freuden-Wein.
In der Höh ist er gegründet,
Und bauet ein solche Stadt,
Da nur Lieb und Freud sich findet,
Da man nichts zu förchten hat.
[334] 4.
Da die Mauren, und die Porten
Glantzen, wie der Sternen-Schein;
Da die Palläst aller Orten
Edle Stein, und Perlein seyn;
Da die Weeg, und alle Strassen
Nie von Regen werden naß;
Ja seynd über alle Massen
Glitzend, wie das Gulden-Glas.
5.
Nichts von Winter da man leidet,
Keine Wind zu schwere seyn;
Aller Schnee die Felder meidet,
Blitz und Donner halten ein;
Steter Frühling da sich zeiget,
Prangt mit seinen Garten-Schätz,
Gar kein Dorn da sich ereignet,
Alle Frucht bleibt unverletzt.
6.
Blumen seynd dort auserlesen,
Nichts veränderns ihren Stand,
Laub und Gras bleibt unverwesen,
Haltet immer grün das Land.
Balsam, Hönig häufig fliessen,
Und bereichen Berg und Thal;
Auch an Bäumen zu genüssen,
Hangen Früchten ohne Zahl.
7.
Nie zum Untergang da neiget
Sich der helle Sonnen-Schein;
Immer auch der Mond sich zeiget
Unverändert, voll und rein;
Auch die Sternen nicht mehr leiden,
Daß mans treib zur dunklen Wacht,
Von dem neuen Liecht nie scheiden,
Fliehen immerzu die Nacht.
8.
Gottes Lamm! bist d'Sonn, und Monde,
Du der G'stalt giebst allen Schein;
Von dir kommt die Freud und Wohne,
Alle durch dich selig seyn.
Deiner Freuden Glantz darneben
Wird durch dich den Sternen gleich:
O wie freut uns herrlich z'leben
Alle samt in deinem Reich!
9.
Mit den Palm- und Lorbeer-Zweigen
Zierlich tretten sie hervor,
Ihren Sieg darmit zu zeigen;
Du selbsten führst ihren Chor.
Groß Frolocken wird gehöret,
Weil gelegt ist aller Krieg:
Nichts die sichre Freud zerstöhret;
Ewig ihnen bleibt der Sieg.
10.
Nicht der Geist wird mehr verletzet
Durch des Fleischs Betrüglichkeit:
Dies sein Stachel nicht mehr wetzet
Zum gewohnten Seelen-Streit.
Seynd einander wohl gewogen,
Wunder-seltsam seynd verbaart;
Weil der Leib auch angezogen
Nunmehr hat der Seelen-Art.
11.
Solche Freud ist gleicher massen
Bey der Auserwählten Schaar:
Freuden-Fest auf allen Gassen
Alle halten immerdar;
Keinen thut der Neid verwunden,
Eins ist aller Glück und Ehr;
D'Lieb sie also hat verbunden,
Als wann nur ein Person da wär.
12.
Was GOtt einem hat gegeben,
Allen macht die Lieb gemein:
Was g'mein, ein jeder es eben
Hat, als wär es seyn allein:
Keiner kan da Spaltung leiden;
Dann es ist der Liebe Reich:
[335]
Seynd die Cronen schon verscheiden,
Macht die Lieb doch alles gleich.
13.
Diese Lieb vom Geist entzündet,
Immer bleibt in ihrer Glut;
Dann in GOtt sie ist gegründet,
In der Lieb, und Höchstem Gut.
Aller Hertz in ein verleibet
Hat dein göttlich Gütigkeit;
Darum stets bey allen bleibet
Die gewünschte Einigkeit.
14.
Keine Plag sie wird berühren,
Nichts den Leib wird machen matt:
Ja gar nichts wird seyn zu spüren,
Was vom Tod nur Namen hat:
Alle in der Jugend blühen,
Und frolocken immerdar:
Keine Sorg sie kan bemühen,
Noch erwecken graue Haar.
15.
Was den Menschen je erfreuet,
Haben sie im Ueberfluß:
Was der Mensch hingegen scheuet,
Weit von ihnen bleiben muß:
Aus dem Brunn des Lebens fliesset
Alles Guts ohn Unterlaß,
Dessen Jedermann geniesset
Ohne Zihl, und ohne Maaß.
16.
Also frölich immer leben
Die so liebe GOttes Freund,
Gern sich aller Ding begeben;
Nur mit GOTT zu frieden seynd.
Speis und Tranck nach Wunsch sie haben;
Keiner Durst, noch Hunger leid;
GOtt mit seinen besten Gaaben
Sie erquickt in Ewigkeit.
17.
Frölich seynd sie, und thun klingen,
Geben ihrem GOtt die Ehr,
Auf das immerwährend Singen
Sie zu singen wünschen mehr;
Lieblich viele Instrumenten
Mit dem Singen stimmen ein,
Der süß Music-Spiel Regenten
GOttes liebe Freunde seynd.
18.
O wie grosses Gut wird geben
Denen, so aus dieser Welt
GOtt beruft zu jenem Leben,
Und den Englen zugesellt!
Da sie frölich immer sehen
Unter ihnen Sonn und Mond,
Da sie ewiglich bestehen,
Bey erlangter Ehren-Cron.
19.
Ach! zu welchen Freud und Ehren
Werden GOttes Freund erhebt!
All mein Wunsch und auch Begehren
Nur nach diesen Gütern strebt.
Alle Güter dieser Erden
Seynd doch lauter Eitelkeit;
Können nicht verglichen werden
Mit dem, was uns GOtt bereit.
20.
JEsu! wollest mir erwerben
Die so grosse Freud und Ehr;
Gern alsdann ich jetzt wollt sterben,
Und auf dein Begehren mehr.
Meine Seel hast du versöhnet
Mit dem liebsten Vatter dein.
Laß sie auch von dir gecrönet
Deines Reichs ein Mit-Erb seyn.

Amen.
64. Exempel
[336] Vier und sechtzigstes Exempel.
Godoleva eine unschuldige Matron, wird von ihrem Ehe-Herrn über die massen hart gehalten; erlangt aber durch ihre unüberwindliche Gedult endlich die Marter-Cron.

Godoleva (ist so viel gesagt, als Gottlieb) ware eine Tochter Wifridi, und Oginä, adelich an Tugend und Geschlecht; und gebohren in dem Boloniensischen Gebieth, unweit Cales in Franckreich. GOtt hatte sie begabet mit auserlesener Schönheit des Leibs, und solchem Gemüth, welches nicht auserlesener hätte seyn können. Beydes brachte ihr grossen Ruhm bey jedermann: dessen auch ein reich und adelicher Herr in Niderland, Nahmens Bertulphus, benachrichtiget, den Elteren mit Bitten und Schmeichlen so lang in Ohren lage, bis sie ihm die liebe Tochter zur Braut zusagten; den Ehe-Vertrag vollkommentlich einrichteten, und unterzeichneten, und dem Bräutigam das tugendliche Kind unter stattlichem Gepräng der Heimführung in sein Vatterland folgen liessen. Nun sagt man zwar, das weibliche Geschlecht habe lange Haar, und kurtze Sinnen: sey der Unbeständigkeit unterworffen von der Natur: es zeiget sich aber in täglicher Erfahrnuß, daß eben so unbeständig seye die Gunst, und Gewogenheit aller Menschen insgemein: dessen sich zwar nicht zu verwunderen, indeme nach Aussag des Heil. Jobs der Mensch nimmer in einem Stand verbleibt. Solches aber im Beyspiel vor Augen zu legen, wie abscheulich das menschliche Gemüth sich änderen könne; wie unersättlich bey allem Zeitlichen; wie unvergnügt es sich nach allen Wohllüsten des Leibs befinde, gibt Bertulphus den Augenschein, welcher sich aus brennender Liebe der massen gerissen und beworben, gerennet und geloffen, geseuftzet und gebetten, gedienet und aufgewartet, geschencket und versprochen, bis ihm die gottliebende Godoleva zu Theil worden, daß man hätte schwören sollen, Lieb, Fried, und Freud werde dieses Ehe-Volck bis ins Grab begleiten, aber weit gefehlt! Godolepha kame kaum ins Haus, da kehret sich Bertulphi wanckelmüthiges Hertz schon um, und zeiget ohne einige Ursach, gleich den ersten Tag solchen Widerwillen, Haß und Abscheu von ihr, daß er sie nicht einmahl wollen vor Augen sehen. Seine gottlose Mutter schürte das Feur noch mehr an, und gabe einen höllischen Blaßbalg ab, den Brand in völlige Flamm zu bringen; hielte dem Sohn mit bissigem Verweiß vor, daß er sich mit einer Ausländerin behenckt; gleich als wären im Vatterland nicht eben dergleichen wackere, schöne und reiche Jungfrauen zu finden gewesen. [337] Mit einem Wort: das fromme Kind mußte bey erstem Antritt der Thür-Schwell sehen, daß alle Sonnenblick der Freundlichkeit auf einmahl zuruck weichen, und verschwinden, und sie in das Haus, gleich als in ein finsteres, und nichts als Donner und Hagel drohendes Gewölck hinein gehe. Was solte die so übel hinter das Liecht geführte Godoleva anfangen, die Gedult ware das beste Mittel. Um diese bate sie GOtt aus innerstem Hertzen, er wolle ihr schwaches Gemüth stärcken, auf daß sie weder im Hertzen, noch Angesicht einige Ungedult mercken liesse. Es kame entzwischen zum Hochzeit-Fest. Dieses währete drey Täg; aber (O unerhörte Sach!) ohne Hochzeiter. Dann um diese unschuldigste, und mithin ohne Ursach angefeindete Hochzeiterin nicht anzuschauen, machte sich der grobe Bertulphus unsichtbar, und ware keinen Tritt zu seinen Gästen kommen. Also gieng ihre drey tägige Ehren-Zeit ohne einige Freud in lauter Kummer hin; und folgte auch nach selbiger kein bessere Stund. Dann er sönderte sich von ihr gäntzlich ab; nahme die Wohnung bey seinen Elteren, und liesse sie gantz verlassen, und allein in dem Haus schalten und walten, wie sie wolte.


Wohl ein betrübter Anfang der unglückseeligen Ehe! die vergifte Schwiger-Mutter; der unwirsche Ehe-Herr konte aus Haß ihren Namen nicht hören. Keine Freund und Bekannte waren um und um zu finden. GOtt, als der beste Freund und Tröster, bliebe noch alleinig bey ihr; unter dessen Seegen un Beyhülf fienge sie so dann in ihrer Verlassenheit die Haushaltung an, und führete auch dieselbige so rathschlägig, ehrbar, und auferbäulich fort, daß niemand einigen Mangel ausstellen, noch Tadel beybringen könte. Nachdem nun solches eine Zeit gewähret, rauchete entzwischen Bertulpho seine Feindseeligkeit nicht allein nicht aus; sondern (O des Unmenschens) entzündete sich vielmehr also GOttes- und Ehr-vergessen, daß er (ohngeachtet des hohen Geschlechts, ehelicher Pflicht, und grosser Tugend seiner frommen Ehe-Liebsten) ihr einen Knecht ins Haus beorderte, ihm aufs schärffist anbefehlend, er solte Godolevä zum Unterhalt des Tags mehr nicht geben, als ein Stücklein trockenes Brods, und zwar auch dieses nur zu gewissen Stunden; sie solcher Gestalten desto empfindlicher, und bis aufs Marck zu peynigen. Der GOttes vergessene Knecht bey seinem Herrn (wie es solches Heyl Ehr- und Gewissenlose Gesind im Brauch hat) wohl daran zu seyn, kame dem Befehl fleißig nach: legte seiner Heil. Gebieterin, sehr schmahle Bislein Brods vor: samt etlich Körnlein Saltzes, und wenigem Wasser: begegnete ihr beynebens mit rauhesten Worten, gröbsten Gebärden, und unhöflichen Verfahren dermassen unchristlich, gleich als wäre sie nicht seine gebietende [338] Frau, sondern die schlechteste Dienst- Magd, Leibeigene; ja gar ein verwürfflicher Hund. Die gedultige Godoleva stunde all dieses mit unbegreifflicher Sanftmuth aus: sagte GOtt Danck; theilte jederzeit ihr Bislein Brod mit den Armen bis auf den letzten Brosam, und liesse niemahlen das wenigste Zeichen der Ungedult spühren; ja erzeigte sich bey allem Schmähen, Kolleren und Polderen gegen diesem ungeschliffenen Kerl mit Zucker-süssen, und goldenen Worten dermassen liebreich, daß ein steinernes Hertz sich darüber hätte erbarmen; und erweichen lassen sollen. Bertulphus, in Ersehung, daß bey diesen Verfahren die Gedult seiner Ehefrau noch nicht brechen wolle, setzet noch härter an, und befihlt dem Knecht, ihr forthin die Portion zu schmähleren, und nur die Helfte des Brods vorzulegen. Es ware aber bey ihr ein Thun, sie danckte GOtt eben wie zu vor, und legte den Armen von diesen Wenigen dannoch einen Theil allzeit zuruck: vergnügte sich entzwischen mit dem Heil. Gebett, und stillete ihren Hunger mit Betrachtung himmlischer Dingen, welches ihr über alles Wohl-Leben ware.


Es daurete diese Tyranney eine ziemliche Zeit, und vergienge beynebens kein Tag, wo die gottlose Elteren Bertulphi durch ihr teuflisches Anhetzen ihr nicht ein neues Creutz zuschnitzelten: waren dannoch endlich mit dieser Marter nicht vergnügt; sondern kamen so weit, daß sie den Sohn anstifteten, er solle trachten, dieses Haus-Creutz gar vom Hals zu schieben; und weil es ja von selbsten nicht in die Gruben fallen wolle, so solle er ihr einen kräftigen Stoß versetzen, davon sie nimmer aufstehen wurde. Ward demnach der Schluß geschwid gemacht, Godoleva solte sterben; und zwar von der Hand ihres eigenen Ehe-Manns. Allein stunde ihm nur noch eines im Weeg, worauf das Absehen zu haben; nemlich ihre adeliche und mächtige Elteren, und Verwandschaft, welche den Mörder von der grausamen Unthat noch abschröckten. Die unschuldige Dienerin spührete, aus denen täglich anwachsenden Plagen wohl, daß es endlich ihr Leben kosten werde; wird also schlüßig, dasselbe zu retten, und heimlich davon zu gehen. Nimmt derohalben ein eintzige Magd zu sich, entlauffet mit blossen Füssen zu ihren Eltern, und erzählet ihnen wehemüthig nach der Länge: auf was Weiß ihr tyrannischer Ehe-Mann mit ihr verfahren wäre. Diese (wie billig) entsetzten sich höchstens ob solcher Tyranney; wurden wider Bertulphum gewaltig entrüstet, und trugen mit ihrem frommen Kind ein hertzliches Mitleyden; gehen auch alsbald zu Rath, wie der Sach zu helffen; und nehmen Balduinum den Grafen in Flanderen, und den Bischof zu Nimegen, als Godoleva Vetteren zum Beystand, welche durch ihr hohes Ansehen ins Mittel tretten, und den Wütterich dahin zwingen solten, daß [339] er seine Heil. Gemahlin wiederum annehme; und zwar mit theuerem Versprechen, ihr forthin kein Leyd mehr anzufügen; sondern mit ihr (als einer von Tugend und Adel so hoch bewehrten Matron gebühret) in beharrlichen Frieden, Lieb- und Ehrbezeugung aufs beste zu leben. Beyde Herren nehmen sich der Sach eyfrigst an, beruffen Bertulphum, und thun mit scharffen Verweisen, Trohen, und Zusprechen ihr Aeusserstes. Das verstockte Unthier, aus Beysorg, man därfte ihm ein anders weisen, und an ihm selbsten wahr machen, was er wider seine unschuldige Godolevam in Sinn habe, stellte sich überaus reumüthig; nimmt sie unter vielen Zeichen der Reu und Lieb wiederum an, und verspricht goldene Berg; behaltet aber indessen den Schalck im Busen, und die Mord-Gedancken im Hertzen mit bestem Vorsatz, so bald sich nur ein bequeme Gelegenheit hervor thun werde, ihr den Hals zu brechen; es geschehe gleich über kurtz oder lang. Nach gethaner Angelobung, und getreuer Versicherung einer solchen Beywohnung, als einem Ehrliebenden Ehe-Mann gebührt, reissen beyde in getröster Hoffnung der Elteren und Verwandten wiederum nacher Haus. Die gewitzigte Godoleva aber nahme den Abschied mit Angst-vollem Hertzen; gesellete sich ihrem nunmehr zucker-süssen Bertulpho, als ein gedultiges Schäflein bey; aber zwischen Forcht und Hofnung, und setzte ihr Vertrauen auf GOtt. Doch schwindelte ihr beynebens immerdar, er werde den reissenden Wolfs-Balg schwerlich abgelegt, sondern nur hineingekehrt, und mit der Schaafs-Haut so lang sich bedeckt haben, bis er den Kopf aus der Schlingen gezogen: und fande sich in dieser Meynung auch nicht betrogen. Indem sie kaum aus den Augen der Elteren, und in seinem Gewalt, da gienge das vorige Creutz schon wiederum an; und ware zwar dieses letztere ärger, als das erste. Dann der mörderische Unmensch hielte sie für verächtlicher, als ein Fuß-Hader, und liesse täglich und stündlich mehr Anzeig gegen ihr verspühren, wessen Ausgang sie sich endlich werde zu getrösten haben. Weilen dann die englische Godoleva je sehen, und mit Händen greiffen mußte: daß Chrysam und Tauf an ihm verlohren, auch gar keine Hofnung mehr zu machen, daß er seinen unmenschlichen Sinn jemahlen änderen werde, machte sie ihr allgemach die Rechnung, er werde nicht aussetzen, bis er sie mörderisch ins Grab bringe; noch seine Wuth sich stillen lassen, als mit ihrem unschuldigen Tod. Ihre Zäheren seyen zu Auszulöschung seines Hasses bißhero zu wenig gewesen; also werde nun ihr unschuldiges Blut daran müssen, das teuflische Haß-Feur zu löschen; dieses seye einmahl der Weeg, den ihr die Vorsehung GOttes vorgeschrieben, auf welchem sie solle in den Himmel gehen. Gibt sich also gedultig darein: haltet sich vest an ihren lieben GOtt; schliesset, bey ihm getreulich bis auf den[340] letzten Bluts-Tropfen zu verharren, und die herrliche Marter-Cron mit Freuden zu erwarten, an deren Zubereitung ihr mörderischer Bertulphus allbereit arbeite, und von keinen anderen, als von diesem treulosen Ehe-Mann ihr werde aufgesetzt werden. Es gienge dieser betrübte Zustand einigen Frauen zu Hertzen; suchten sie bisweilen heim, sprachen ihr einen Trost zu, und erzeigten ein hertzliches Mitleyden, daß das Kleinod ihres vornehmen Geschlechts einem so wilden Schwein seye vor die Füß geworffen worden; ihr schöne Gestalt von diesem Unthier nicht besser in Ehren gehalten werde; ihr junges Leben so erbärmlich müsse zu Grund gehen, welches alles, ja aller Billigkeit nach verdiene, daß sie solte geliebt, geehrt, und mit dem Edelsten aus dem gantzen menschlichen Geschlecht versorget, und auf Händen gleichsam getragen werden, auch in aller erdencklicher Ergötzung des Ehe-Stands mit lieben Erben begabet leben. Die mannhafte Godoleva aber zeigte dargegen alles dessen den wenigsten Kummer; dieweil sie schon längst alles menschliche Hochachten, Lieb, Freud, Vergnügen und Wohlergehen im Ehe-Stand aus dem Hertzen geschlagen; sich allein mit GOtt tröstete, von diesem weit höher- und heiligere Freuden in ihrer Seel empfunde, und mit solchen Gnaden angefüllet ware, daß sie aller Welt Ergötzlichkeiten leicht vergessen könnte. Dahero auch diesen ihren Zusprecherinnen unverholen, und ohne einige Gemüths-Zerstöhrung vorsagte, es werde nicht mehr lang anstehen, daß Bertulphus ihr werde seine Händ gewaltthätig anlegen, dieselbe in ihrem Blut waschen, das Leben mörderisch nehmen, und ihr mithin in den Himmel helfen.


Indessen setzte der böse Feind dem gottlosen Bertulpho durch seine GOttes-vergessene Mutter täglich heftiger, und mit diesen Worten zu: Wohin solcher Aufschub ziele? was er einmahl beschlossen, solle er bald ins Werck setzen; es koste ja nur eines Topfen Gifts: oder einen Zug, mit einem Strick, oder einen Messer-Stoß, so seye er alles seines Creutzes überhoben: und was des giftigen Einblasens mehr ware. Der treulose Ehe-Mann hätte zwar lieber gesehen, daß Godoleva durch sein immerwährende Peinigung ausgesterbet, und endlich aus Hunger und Kummer dahin gefallen wäre. Weilen aber diese beglückte Sonn gar zu lang nicht scheinē wolte, und ihn jede Stund ein Jahr zu seyn dunckte, lasset er endlich seiner Wuth den völligen Zaum schiessen, und bestellet zwey seiner Bedienten, ihr bey Nacht den Weeg in die Ewigkeit zu zeigen, und den Garaus zu machen. Greift jedoch die Sach mit folgenden Gelimpf an, auf daß sie es nicht wahr nehme, und sich vielleicht wiederum in Sicherheit setze. Nemlich er kommt ohn alles Verhoffen, und giebt ihr goldene Wort, sagend, es erforderen seine Geschäft: daß er eine Reise nacher Brüssel [341] vornehme. Nun erkenne er ihre grosse Tugend; es reue ihm von Hertzen sein strenges Verfahren, und bitte, ihm alles angefügte Leid zu verzeihen; er seye vest entschlossen, forthin mit ihr in Einigkeit zu leben, und wünsche mehrers nicht, als ihr in allem zu dienen, und was sie nur vergnügen könne, zu willfahren. Solches auch im Werck selbsten darzuthun, habe er allbereit seinen zwey Dieneren, die er werde zuruck lassen, anbefohlen, sich alles Fleisses umzuthun, eine emsige, getreue und höfliche Aufwarterin für sie zu erfragen, dero sie sich in allem bedienen könne. Nimmt mithin (O du falsches Hertz) einen höflichen und liebreichen Abschied, mit Versprechen, in wenig Tägen wiederum bey ihr zu seyn; in der Sach selbsten aber die erfreuliche Bottschaft zu erwarten, daß seine Mord-Anschläg vollzogen, und die fromme Godoleva glücklich erdroßlet seye; mithin er sich alsdann vor der Welt mit verstellter Traurigkeit anstellen könne, als wäre er Engel-rein; habe weder Schuld, noch die mindeste Wissenschaft von diesem schweren Verbrechen gehabt. Also ziehet der boßhafte Heuchler mit liebreichen Angesicht; aber Mord-brennenden Hertzen fort. Wenig Täg hernach sehen die zwey hinterlassene; Meuchel-Mörder die Gelegenheit aus, schlichen bey eitler Nacht, da alle im Haus in tiefer Ruhe waren, in der unschuldigen Matron Schlaf-Zimmer; reissen sie im Unterkleid aus dem Beth; werfen ihr einen Strick um den Hals; ziehen denselben vest zusammen, droßlen, und schleppen sie geschwind in den vorbey rinnenden Fluß, das vielleicht noch glimmende Lebens-Liecht völlig auszulöschen. Ziehen alsdann den Leichnam alsbald wiederm heraus; legen selbigen ins Beth, und decken ihn fleissig zu; in Hofnung, solcher Gestalt werde diese grausame That verschwiegen bleiben, und sie als die Thäter nie werden ans Tag-Liecht kommen. Es gienge auch der Anschlag eine Zeit lang von statten; dann jedermann vermeinte, der Kummer habe der betrangten Matron endlich das Hertz abgestossen; und waren so gar eben die ruchlose Bößwicht die erste, welche das gröste Leidweesen wegen ihrer verstorbenen Frauen führten. GOtt aber, dessen allsehendes Aug niemand blenden kan, zeigte bald, wie kostbar der Tod seiner frommen Dienerin vor seinem göttlichem Angesicht seye; und machte mit vielen Wunderthaten kund, daß sie keines natürlichen, sondern eines gewaltsamen Tods, als eine Martyrin, ihr Leben gelassen. Dann die Stein, wormit das Zimmer, in welchem der Mord vorgegangen, gepflastert ware, änderten ihre Farb, und nahmen eine solche Weisse an, als wären sie mit Schnee bedeckt; oder aus dem schönsten weissen Marmel gehauen; und wer von denselben mit sich nacher Haus truge, befande sie verändert in kostbare Edelgestein; oder Schnee-Weisse Perlein. Das Wasser, welches ihr nach der Droßlung den letzten Athem verlegen müssen, empfienge die übernatürliche Kraft, daß, wer von demselben verkostet, [342] von Stund an aller Kranckheit befreyet wurde. Die eigene Tochter ihres mörderischen Bertulphi, welche er von der ersten Ehe-Frau erzeuget, und blind aus Mutter-Leib kommen ware, benetzte ihre Augen mit diesem Wasser, und schwemmete damit ihre Blindheit unverzüglich hinweg.


Mithin meldet ein glaubwürdiger Scribent, der Frauen-Mörder Bertulphus habe nachmahlen (O der unermeßlichen Barmhertzigkeit GOttes) seine Sünden bereuet, und ein seliges End genommen; und seye des gantzen Unheils einige Urheberin sein eigene gottlose Mutter gewesen. Ohne allen Zweifel hat seine heilige Godoleva ihm solches reumüthiges Hertz durch ihre Fürbitt von GOtt erhalten, dessen unergründliche Urtheil bey dieser Trauer-Geschicht anzubetten, und zu bewunderen; nicht aber zu untersuchen, noch in Erwegung zu ziehen seynd: dieweil die Anfänger wissen, daß der allwissende GOtt die unschuldige Godolevam mit diesem unmenschlichen Hencker, u. ungeheuren Thier Bertulpho nur zu diesem End habe ehelich wollen verbinden lassen, auf daß durch ihn ihre Tugend geprüfet; ihre Gedult bewehret; ihre Lieb gegen GOtt geläutert; ihr Hertz von der Welt völlig abgezogen werde; und alsdann durch den gewaltsamen Tod die Marter-Cron in dem Himmel erwerbe, als eine Martyrin auf Erden verehret werde; und alle unschuldige Ehefrauen, die von ihren tyrannischen Männeren dergleichen Trangsaalen erdulten müssen, sie als einen Gedult-Spiegel sich zur Nachfolg vorstellen können; auf daß auch sie gleicher Cronen, und ewigen Lohns im Himmel würdig werden. Bibadeneira S.J. ad diem 5. Julii.

65. Exempel
Fünf und sechtzigstes Exempel.
Eustachii, und seiner Gemahlin Theopistä Gedult wird von GOtt auf eine nicht minder Wunder-volle, als harte Prob gesetzt; die aber letztlich mit dem Marter-Kräntzlein geziehrt worden.

Eustachius ware von Geblüt hochadelich; und von der Kunst zu kriegen so wohl, als Tapferkeit ein berühmter Held. Führte als noch ein Heyd den Namen Placidus. Dieser lebte im ehelichen Stand, und erzeugte in demselben zwey männliche Erben. Wußte zwar nichts von dem wahren GOtt, und lage stäts als ein Kriegs-Mann in dem Feld; führte doch beynebens jederzeit einen so rühmlichen Wandel, daß man keine Untugenden an ihm spührte; sondern ware vielmehr der löblichen Sitten, und vieler Tugenden wegen jedermann lieb und werth. Seine eintzige Freud, so oft die Waffen feyerten, und Friedens-Zeit ware, bestunde im Jagen; [343] und wann kein anderer Feind obhanden, zoge er wider das Gewild zu Feld in die Gebüsch und Wälder. Einstens, da er in dergleichen Lust-Ubung begriffen, liesse sich ein Hirsch von ungewöhnlicher Grösse blicken. Placidus ereifferte sich, denselben zu fällen, und entfernete sich in hitzigem Nachsetzen von seinen Jägeren und Bedienten bis tief in den Wald hinein. Da ihn nun die götttliche Güte solcher gestalt von den Seinen abgezogen hatte, siehe! da kehrete sich das flüchtige Thier gähling um, und stellte sich ihm entgegen; aber mit einem höchst-verwunderlichen Aussehen. Dann es erschiene zwischen dessen Gehirn augenblicklich die Bildnuß Christi an dem Creutz in Sonnen-hellen Glantz, welche ihn auf folgende Weis angeredet: Placide! warum verfolgest du mich? ich bin Christus JEsus, der dir zu lieb gestorben, und suchet dich nun selig zu machen. Der begierige Jäger erschrickt bis in das innigste Marck der Beinen, und fallet gleichsam aller Sinnen-loß vom Pferd; erholet sich doch über ein kleine Weil, und fraget gleich einem anderen Saulo: HErr! was wilst du, das ich thun solle? Die Bildnuß antwortet: Verfüge dich in die Stadt, und schaue um einen Christlichen Priester, der dir samt Weib und Kind den Heil. Tauf gebe: alsdann komme wiederum auf diese Stell ein weiteres zu vernehmen.


Placidus kommt dem Befehl hurtig, und freudig nach; empfangt mit den Seinigen den Heil. Tauf, und erwählet für sich den Namen Eustachius; für die Gemahlin Theopista (sonsten vorhin Trajana genannt) für den älteren Sohn Agapius; und den jüngeren Theopistus. Eilet auf solches jenem Ort wiederum zu, allwo ihm der HErr erschienen, zu hören, was sein fernerer göttlicher Will wäre. Begiebt sich alsdann ins Gebett, sich, und all das Seinige dem Dienst GOttes aufopferend; und bittet, GOtt wolle ihn nun mit seiner allerheiligsten Gegenwart wiederum würdigen, und seinen gnädigsten Befehl zu verstehen geben. Da erscheinet ihm der Welt-Heyland: zeiget forderst ein Wohlgefallen an dem, was allbereit geschehen; setzet alsdann folgendes hinzu: Es stehet dir ein mannhafter Kampf bevor. Du wirst zu meiner Ehr, und deinem Heyl, gleich meinem Diener Job, vom bösen Feind angefochten, und mit den schwersten Betragnussen gequälet werden, förchte dir aber nicht; streite tapfer, und lasse den Muth nicht sincken: ich versichere dich meines Beystands, und verspriche dir nach dem Sieg eine immerwährende Glory im Himmel, und auf Erden. Verschwindet hierauf, und lasset Eustachium allein; hinterlasset ihm aber solchen Trost, Stärcke, und Großmüthigkeit in dem Hertzen, daß er mit Freuden nacher Haus kehret, sich auf alle Anfäll des bösen Feinds gefaßt machet, und ein so vestes Vertrauen auf das himmlische Versprechen setzet, als wäre der Sieg würcklich [344] in seinen Händen. Seine liebste Theopista wußte von allem diesem Handel nichts; alldieweilen sie aber das Ungewitter weniger nicht, als betreffen wurde, erachtet er rathsam ihr zu offenbaren, was für ein schwerer Streit beyden aus Verordnung GOttes bevorstehe; auf daß sie als ihn eine Gottsförchtige und verständige Frau sich desto besser darnach zu richten wisse: alldieweilen ein vorgesehenes Uebel sich leichter übertragen lasset.


Es vergiengen wenig Täg, da gienge der Scharmützel an. Der erste höllische Anfall ware durch die entsetzliche Pest. Diese überfiele sein Haus und alles, was ihm zugehörte; vergiftete und erwürgte nicht allein seine Bediente, Knecht, und Mägd, sondern auch alles groß- und kleine Viehe, und setzte den frommen Eustachium in so betrübten Stand, daß nicht nur alle Bekannte; sondern auch die allerliebste Freund, welche vorher unabläßlich ihn ehreten und bedienten, jetzt von ihm wichen, ihn verliessen, und sich stelleten, als wann sie ihn nicht mehr kenneten; ja in das Angesicht verachteten. Wohl ein schwerer Strauß ware dieses! Eustachius aber stunde, als ein Felß. Weilen nun Haus und Hof mit tödlichem Gift angestecket; Menschen und Vieh dahin gefallen; jedermann ihn über die Achsel anschauete, befande er rathsam; oder sich vielmehr gedrungen, auf eine Zeit aus dem Land zu ziehen, und irgendswo, wo es immer seyn möchte, sich in einem Wincklein niederzulassen. Bricht deswegen bey stiller Nacht mit seiner frommen Theopista, und beyden Kindern auf, und nimmt den Weeg in Egyptenland, allda sein übriges Leben zu schliessen.


Sie setzten die Reis fort bis zu einem Meer-Port; finden gewünscht ein Seegel-fertiges Schif, welches selbige Stund abdrucken wolte; und bedienen sich dessen nach dargelegten Schif-Lohn, den man von ihnen forderte. Kaum aber hatten sie den Fuß hineingesetzet, da erblicket der Herr des Schiffes die keusche Theopistam, und verliebt sich in ihre ungemeine Schönheit solcher gestalt, daß er bey sich schliesset, sie ihrem lieben Eustachio zu entführen, ja machet wegen gähling aufbrenender Liebes-Wuth wenig Wort; reisset sie ihm mit Gewalt von der Seiten zum Schif hinaus, wie sehr auch der ohne dem betrübte Ehe-Herr jammerte, mit Fußfälligem Bitten sie zu retten suchte, und sich mit Händen und Füssen darwider setzete. Inzwischen werden die Ancker oder Schif-Hacken gehoben, das Schif lauffet vom Port; Theopista bleibet zuruck in den Händen des ehebrecherischen Schiffers; und Eustachius wird nunmehr mit seinen nunmehr Mutterlosen, heulend- und weinenden Waislein, ohne Theopistam, als welche sein halbes Hertz, Freud, Trost und Leben ware, davon geführt. O unbeschreibliches Hertzenleid! wer kan genug ermessen den Kummer, so wohl einer, als [345] anderseits zwischen diesen beyden geliebten Ehe Leuten wird gewesen seyn? sie waren zwar nun geschieden; aber GOtt scheidete nicht von ihnen. Diesen hatte Theopista noch zum starcken Schutz. Dann als der gottlose Schiffer sie nöthigen wolte, seinen geilen Lust mit ihr zu büssen, mußte er das Schand-Beginnen mit dem Leben büssen; indem er von GOttes Gewalt, das ist, vom Schlag getroffen, des gähen Tods dahin fiele, ehe er sie berühret hatte; wie unten solle erzählet werden.


Die gnädigste Rettung hätte Eustachio noch zum Trost dienen können; aber GOtt offenbahrte ihm dieselbe nicht; sondern liesse ihn zu mehrerer Prob seiner Tugend in dem Kummer die Schiffart vollbringen, und das Schmertz-volle Gemüth nach der Ländung nicht allein mit sich ans Ufer tragen; sondern vergrösserte ihm das Leid mit einem neuen, und gantz unverhoften Creutz, wie allbereit zu vernehmen steht. Eustachius stiege achzend und seufzend aus dem Schif, fassete seine Kinder auf die Arm, und wanderte in das unbekannte Land hinein, unwissend, wo er sich hinkehren sollte. Wendete entzwischen sein traurendes Hertz zu GOtt, dessen gethanes Wort ihm nie aus dem Sinn entfiele; rufte ihn um Verleihung der Gedult, und Beharrlichkeit seiner Liebe an. Nachdem er nun lang hin und her geschwebet, stosset ihm endlich ein reissender Fluß auf, über welchen er zu setzen genöthiget ware; aber weder Brucken, noch Schif finden konte, deren er sich hätte bedienen können. Fassete also nach langem hin- und her Gedencken das Hertz, lasset eines aus den Kindern am Rand, setzte das andere auf die Schultern; waget sich ins Wasser; schwimmet (wie er dann ein starck und behertzter Mann ware) glücklich hindurch, und ladet die liebe Burde an dem Ufer ab. Saumet auf solches nicht, die Ruckkehr zu nehmen, das hinterlassene Brüderlein auch abzuholen. Aber (O grosses Hertzenleid! O unermeßliche Urtheil GOttes!) da er in der Mitte des Strohms ist, muß er mit Augen sehen, daß ein ungeheurer Löw herzu lieffe, und das arme Waislein darvon trage, ohne daß er ihm hätte helffen, oder dem schnell in den Wald eilenden Thier dasselbe abjagen können. Befihlet es also GOTT; nimmt diese neue Wund mit gröster Gedult an, und eilet zuruck, wenig das schon übersetzte Kind davon zu bringen. Siehe aber! er kommt so weit im Wasser, daß er das Ufer fast betretten solle, da springt ein Wolf aus einem Gebüsch heraus, packet das unschuldige Kind auch an, und rennet damit auf und davon.


Wie wunderlich seynd doch die Urtheil GOttes! wer kan die vielfältige Weeg ergründen, durch welche die höchste Majestät seine geliebte Seelen führet, sie zu prüfen, zu crönen, und glorwürdig zu machen? Hab und Gut Eustachii waren verlohren; alle Ehr und Ansehen hin; Freund und [346] Bediente entzogen; die Gemahlin entführet, und nunmehr der übrige Trost des Lebens, nemlich, die liebe Kinder auf das allerbedaurlichste entrissen, indem nichts anders zu gedencken, als, daß gleich die erste Stund kein Gebein mehr davon werde übrig geblieben seyn: und dannoch liesse der großmüthige Held das Hertz nicht sincken; verharrete Eisen-vest auf seiner Standhaftigkeit, und gründete seine Hofnung auf dasjenige, was ihm GOtt vorgesagt, und verheissen hatte. Nun ware ihm nichts mehr übrig, als das eigene, und zwar elende Leben. Was aber anzufangen, auf daß er dieses erhielte? indem die äusserste Armuth vorhanden; und er keinen Bissen Brods, keinen Heller Gelds in all seinem Vermögen fande? es konte anderst nicht seyn: wollte er sich des Hungers erwehren, so mußte nur die Hand an eine Arbeit gestreckt werden. Er verfügt sich demnach in das nächste beste Dorf, Badiso genannt, und verdinget sich zu einem reichen Bauren für einen Knecht; dienet diesem um den nothwendigen Unterhalt 15. gantzer Jahr: ackert, grabet, mistet, bauet, und lasset sich zu allem gebrauchen, was die Feld- und Haus-Arbeit erforderte, in gröster Gedult, unverdroßnen Fleiß, mannhaften Langmüthigkeit, und unverruckten Hofnung zu GOtt: welcher zwar zu Zeiten lang hinaus zu verschieben pflegt; endlich aber das Verweilen mit doppleten Gewinn, Freud und Trost ersetzet, und die verschobene Cron unschätzbar vermehret. Welches auch Eustachius erfahren, wie ferners wird gemeldet werden.


Zwischen so vielen Jahrs-Fristen, da Eustachius den Pflug im Feld, und Trischel im Stadel, an statt des Regierungs-Staabs, den er vor diesem als ein Feld-Obrister geführt, ereignete sich, daß Trajano, der nunmehr die Römische Cron truge, ein Krieg eines gefährlichen und weiten Aussehens, auf den Hals fiele; herentgegen mit keinem wohl-erfahrnen und bewehrten Heers-Führer versehen ware. Da fallet ihm endlich auf vieles Nachsinnen bey, daß er vor Jahren, da es unter den Kaysern Tito Vespasiano auf die Juden loß gienge, neben einem nahmhaften Helden (Namens Placidus) im Feld gestanden, welcher den Krieg ausbündig verstanden, und mit der Faust so wohl, als klugen Hirn die Sach jederzeit treflich anzugreiffen gewußt. Dieser dann bedunckte ihn, der tauglichste zu seyn, deme er das gantze Heer zum sichersten anvertrauen, und den gewissesten Sieg hoffen könte. Forschet demnach alsobald, wo Placidus sich dermahlen aufhalte? erfahrt aber, daß ihn das widerwärtige Glück samt Weib und Kindern aus dem Land getrieben, und durch tausenderley Bedrangnussen in die elendeste Bedürftigkeit gesetzt. Wer weißt, in was für einem Winckel der Welt er sich werde verkrochen haben? dessen ungeachtet, änderte Trajanus sein Vorhaben nicht; sondern schicket ohne Verzug seine Bothen und Ausspäher durch alle Land, [347] Placidum aufzusuchen: weilen er auf diesen sein gröstes Vertrauen einmahl vest gesetzet hatte. Die Abgeordnete durchstrichen nahe und ferne Länder, suchen und forschen mit höchstem Fleiß so lang und viel nach, bis sie ihn endlich erfragen; zu ihm eilen, aber die Gestalt dermassen geändert, armselig, mager, verwildet; dessen Kleidung zerlumpt, und elendig finden, daß sie wohl von ihm erkennet wurden; ihn aber nicht erkenneten, bis ihnen nach genauer Betrachtung einige Wundmahlen ins Gesicht kommen, welche er vor diesem aus dem Krieg gebracht, und noch hin und her in dem Angesicht zu sehen waren. Geben sich demnach voller Freuden zu erkennen; machen das Kayserliche Verlangen kund; ziehen ihm den Bauren-Kittel ab, und geben ihm an dessen statt die kostbare mitgebrachte Kleidung, samt der Kriegs-Binden, sich damit anzuziehen.


Eustachius schlaget dieses Anerbieten nicht aus; leget das Kriegs-Gewand willig an, und begiebt sich mit ihnen auf den Weeg nach dem Kayserlichen Hof: dann GOtt hatte sein Hertz berührt, die Verrichtung auf sich zu nehmen: alldieweilen nunmehr die Stund herbey kommen, das vor Jahren ihm angethane Versprechen zu bewerckstelligen, und nach so langwierigen überstandenen Ungewitter endlich die helle Glücks-Sonne ihm wiederum scheinen zu lassen. Da er nun zu Rom angelangt, ware Trajanus voller Freuden; empfangt ihn auf das liebreichest; ernennet und stellt ihn bald als das obriste Kriegs-Haupt vor, mit Ueberlassung alles Gewalts, welcher zu solchem hohen Amt gehörig, in versicherter Hofnung, nun werde es nicht wohl fehlen können, daß der Feldzug nicht einen erwünschten Fortgang habe, und der Sieg den Römern zufalle. Also trittet Eustachius die Herrschung an, nimmt das Heer in Augenschein; befindet eine Nothwendigkeit, die Zahl der Kriegs-Knechten zu vermehren, und lasset in Eil derselben noch so viel darzu anwerben, als ihn bedunckte nöthig zu seyn, dem Feind unter die Augen zu gehen. Ziehet mithin zu Feld, waget eine blutige Schlacht, schlagt den Feind bis aufs Haupt, verherget alles mit Feuer und Schwerd bis in den Grund, und kehret mit reicher Beut wiederum in das Lager, den tapfern Kriegs-Knechten eine Ruhe zu geben, und sie mit Freuden ihres Raubs geniessen zu lassen.


Solches geschahe in einem Dorf, welches GOtt zu einer Schaubühne auserkohren, allda seine unbegreifliche Vorsehung vorzustellen, und der Welt zu zeigen, was gestalten kein menschliches Vorhaben so mächtig seye, seinen göttlichen Rath und Willen umzukehren. Dieser Ort mußte es seyn, das so viel Jahr hinaus lauffende Traur-Spiel mit aller Welt Verwunderung dermahl eins durch ein unverhoftes höchst erfreuliches End zu schliessen. Der Verlauf ware folgender: indem das Kriegs-Heer fröliches [348] Muths, und (wie gewohnlich) die Soldaten hin und her in Camerathschaften beysammen sassen, die Zeit mit Kurtzweilen hinzubringen, geriethen etliche zusammen, welche auf unterschiedliche Erzählungen fielen, was jedem Zeit seines Lebens wunder- und denckwürdiges begegnet wäre. Einer aus ihnen brachte auf die Bahn, er wäre adelichen Stammens, und von einer ausbündig schönen Mutter gebohren; der Vatter seye nach Ueberfluß in Reichthumen gestanden, und ein Feld-Obrister gewesen: das Unglück aber habe die Eltern dergestalten überfallen, daß sie durch Pest und viele Trangsalen alles verlohren, aus dem Land gezogen, und ihn samt noch einem Bruder, welcher über die massen schön von Angesicht gewesen, als kleine Kinder mit sich hinweg geführet haben. Nun seye es geschehen, daß sie in einem Schif gefahren, aus welchem hernach der Vatter weinend gestiegen; die Mutter aber verlohren worden, daß er sie nicht mehr gesehen. Auf dieses habe sie der Weeg zu einem schnell-lauffenden Fluß getragen, allwo der Vatter seinen jüngern Bruder auf die Schultern gefasset, und durch das Wasser geführt; ihne entzwischen, als den ältern, an dem Ufer sitzen lassen, alsdann ihn auch abzuholen. Es hätte sich aber begeben, daß einerseits ein Löw; an dem andern Gestatt aber ein Wolf herzu geloffen, und beyde davon geschleppet. GOtt habe ihn gleichwohl bewahret, daß ihm von dem Thier kein Leid widerfahren; indem ein Hirten-Gesind, so in der Nähe gewesen, hinzugeeilet, dem Löwen den Raub abgejagt, ihn mit sich genommen, und aus Mitleiden bis in dieses Alter ernähret habe. Nun kümmere ihn nichts mehr, als daß er keine Nachricht haben könne, wo doch seine liebe Eltern, und Bruder müssen hinkommen seyn. Dieser Erzählung hörten alle Anwesende aufmercksam zu; und unter andern der verlohrne Bruder selbsten, welchen Agapius so sehr bedaurete; dann indem dieser sich gleichmäßiger Begebenheit mit seinem Bruder, Eltern, und sich selbsten zu entsinnen wußte, und das Geblüt gleichsam anfienge aus Freuden in ihm aufzuwallen, zweifelte er gar nicht, dieser müsse sein lieber Bruder Agapius seyn. Sprang demnach vor Freuden auf; konnte sich weder aus Verwunderung fassen, noch auch die Zäher einhalten; sondern fiele Agapio um den Hals, und sagte: O mein allerliebster Bruder! ich bin Theopistus dein jüngerer Bruder, den ein Wolf von dir gerissen, da der Löw dich davon truge. Dich haben die Hirten; mich aber das Bauren-Volck dem Thier aus dem Rachen gezogen; und eben auch aus Mitleiden bis zu diesem Alter mir die Nahrung gegeben.


Die gantze Gesellschaft erstaunte über die seltsame Begebenheit der unvermutheten Erkanntnuß beyder Brüder, und bezeugte selbsten mit Glückwünschung eine grosse Freud. Bey diesem aber bliebe es nicht. Die Vorstellungen der unendlichen Allmacht [349] GOttes waren noch nicht völlig vor Augen. Es mußte Theopista, die getreue Mutter auch noch offenbar werden, und die billige Verwunderung um ein namhaftes vergrösseren. Diese machte sich in obgedachtem Dorf, dem Ansehen und Aufzug nach als ein verächtliche Magd hinzu, und stunde eben damahls, als die freudige Erkanntnuß zwischen den Brüderen vorgienge, in ihrer schlechten Kleidung an dem Hauffen, und hörte obangeregte Erzählung mit an; spitzte aber bey Namsung des Feld-Obristen, der erfolgten Armuth, der Entweichung aus dem Vatterland, des Verlusts der Mutter, gewaltig die Ohren; erwegte alles und jedes, und wußte endlich nichts anders daraus zu schliessen, als diese Jüngling müßten einmahl ihre liebe Kinder seyn. Es rührte sich auch alsobald das mütterliche Hertz, und gabe mit heftigem Klopfen die Anzeig, daß sie nicht mehr zweiflen könte, sie sehe wahrhaftig ihr Fleisch und Blut vor Augen. Geschahe ihr solchem nach, als erweckte man sie aus dem Grab zum Leben: fassete das Hertz, drange unter den Hauffen der Soldaten hinein; fiele bald diesem, bald dem anderen Sohn um den Hals, und rufte mit heller Stimm, unter Vergiessung häufiger Freuden-Zäher: O meine Kinder! meine Kinder! ich bin eure Mutter! ich bins, die euch aus dem Vatterland auf diesen meinen Armen getragen! ich habe euch in das Schif gesetzt! ich bins, die euch allda entzogen worden! und gabe ihnen (kurtz zu sagen) so viel Anzeigen, daß beyde sie, als ihre liebste Mutter erkenneten, bekenneten, und ihr tausend Freuden-Bezeugungen erwiesen. Verfüget sich auf solches zu dem Feld-Herrn Eustachio, giebt ihm zu verstehen, wer sie wäre; was für ein goldenes Glück sie mit Erfindung ihrer Kinder beseliget habe, und haltet bittlich um die Gnad an, zu erlauben, auf daß sie, besserer Sicherheit halber, möchte mit dem Kriegs-Heer ins Vatterland reisen, wohin nunmehr ihr eintziges Verlangen stehe. Indem sie nun, ohne weiteres Nachdencken, in ihrem bittlichen Vortrag auf das eifrigste begriffen, siehe abermahl Wunder über Wunder! da stellet die Güte GOttes ihr das Angesicht ihres allerliebsten Eustachii dermassen erkanntlich vor, gleich als sage man ihr in ein Ohr, und ermahne ihr Hertz, dieser wäre ihr Ehe-Herr Eustachius. Lasset jedoch nichts mercken; sondern wendet die Red allgemach auf alles und jedes, was so wohl im Glück-Stand zwischen beyden vorgangen, als was sie mit einander gedultigst in dem Unglück ertragen, bis der ehebrecherische Schifmann sie von einander getrennet habe. Auf diese Wort brachen beyden die Zäher aus den Augen; die Hertzen entzündeten sich, und könte die Zung vor Freuden mehr nicht hervor bringen, als in der ersten gähehitzigen Umhalsung; O mein liebster Eustachi! meine liebste Theopista! was alsdann bey Empfang der beyden Kinderen für Verwunderung, für Liebs- [350] Bezeugungen, für freundlichste Wort, Gebärden, und tausenderley Anmuthungen werden erfolget seyn, überlassen wir dem Nachdencken des Lesers; dieweilen es unmöglich solches zu beschreiben. Dieses allein seye genug gesagt, daß sie alsbald samtlich auf die Knie gefallen, und GOTT, als ihrem gütigsten und allmächtigen Schützer und Erretter hertzinniglich gedancket haben, daß er die Kinder aus den Rachen der Thieren; die Mutter aus den Händen des Schiffers; den Vatter aus den schwersten Kümmernussen gnädigst gerissen, und nunmehr nach so vielen Jahren so vätterlich, und wunderthätig wiederum zusammen gefügt habe.


Nachdem nun dieses alles vorbey, lasset Eustachius das Zeichen geben zum Aufbruch; nimmt mit seinem siegreichen Kriegs-Heer den Zug nacher Rom, und haltet allda auf gewöhnliche Art seinen triumphierlichen Einzug auf das prächtigste. Der Kayser Hadrianus (dann Trajanus ware schon Tods verblichen) empfienge ihn zwar mit all-erdencklicher Ehr-Bezeugung, stellte sich auf das danckbarste ein für die gehabte Mühewaltung, und Erhaltung des Siegs; beehrte ihn mit vielen Gaaben und Gnaden; die gantze Stadt wünschte ihm Glück; und erschalleten die Freuden-Rüf auf allen Gassen und Strassen. Allein daurete solches nur ein kleine Zeit. Dann kurtz hernach stellete der Kayser ein herrlichen Fest-Tag an, mit kostbarem Opfer, den Göttern seine Danckbarkeit für den verliehenen Sieg abzustatten. Hierbey müßten alle erscheinen, von dem Höchsten bis zum Niedrigsten, und ware der Kayser selbsten gegenwärtig. Eustachius aber gienge alleinig ab, deme doch vor allen gebühret hätte, den Göttern um das empfangene Kriegs-Glück danckbar zu seyn. Als man nun dessen Ursach beybrachte, welche auch an sich selbsten anders nichts ware, als daß nemlich Eustachius die Götter verachte, und Christum allein anbette, fiele augenblicklich alle Kayserliche Huld dahin, und sancke der Feld-Herr tieffer in die Ungnad, als höher er zuvor in Gnaden gestanden. Da wurde er alsbald nicht allein aller Ehren entsetzt, sondern auch samt seiner Gemahlin, und Söhnen in Verhaft gezogen, und in Kurtzem, ohne ferneres Bedencken, den grimmigen Löwen vorgeworffen; die ihnen aber kein Leid angefügt, sondern als zahme Lämmer sich zu ihren Füssen gelegt: ab welchem Wunder Hadrianus dannoch sich nicht besänftigen lassen, sondern nach damahligen allgemeinen Wohn der blinden Heyden, vestiglich geglaubt, es müssen den Löwen unfehlbar die Rachen durch Zauber-Kunst gesperret, und der Muth genommen worden seyn, deswegen er in noch heftigerer Verbitterung einen aus Ertz gegossenen Ochsen glüend zu machen, und sie in denselben zu verschliessen befohlen, auf daß sie solcher Gestalt allgemach gebratten, und zu Aschen verbrennt würden. Die Heil. Martyrer bezeichnen [351] sich vorher mit dem heiligen Creutz; sagen GOTT für alle empfangene Gnaden Danck, und bitten, er wolle sie gleich anderen Heiligen Blut-Zeugen zu einem angenehmen Brand-Opfer auf- und annehmen; auch allen und jeden, die von seiner göttlichen Majestät in ihren Namen etwas begehren wurden, gnädiglich willfahren. Worauf eine Stimm vom Himmel sich hören lassen, ihr Bitt seye erhört, und die Stund herzu kommen, die Cron der Seligkeit zu empfangen. Steigen solchemnach freudig in den glüenden Ochsen, und verblieben 3. Tag in demselbigen verschlossen. Nach welcher Zeit, da man die Thür wiederum eröfnet, finden sich die Heil. Leiber zwar entseelet; aber unversehrt, glantzend, und ohne einiges Brandmahl, und gleichsam schlaffend. Ueber welchem Wunder sich viel aus der Heydenschaft bekehrt; die übrige samt dem Tyrannen zu Schanden worden. Dieses Leiden ereignete sich im Jahr Christi 120. des Kayserthums Hadriani im ersten. Ribad. qui supra.

66. Exempel
Sechs und sechtzigstes Exempel.
Hermenegildi, eines Königlichen Printzens, gründliche Verantwortung gegen seinem Herrn Vatter Leovigildum, König in Spanien, wegen falscher Beschuldigung, als strebte er ihme nach der Cron: der aber dannoch, ohne Ansehen seiner Unschuld; und zwar fürnemlich um des Catholischen Glaubens willen hat müssen das Leben lassen.
Großmächtigster König, allergnädigster Fürst, und Herr Vatter!

Die Erweisung meiner Unschuld ist viel leichter, als der Betrug meiner Ankläger. Ich hatte zwar nächst GOTT all meine Hofnung auf Euer Königliche Majestät, als meinen Herrn Vatter, gesetzt; damit ich dem grossen Neid, der mich in diesen armseligen Stand gesetzt, entgehen möchte. Ich vertraue mich Dero Gewalt, Weisheit, und Verwaltung der Gerechtigkeit, bey welcher ich Hilf wider meine Ankläger finden solte. Nun aber sehe ich, daß Ihro Majestät selbsten wider mich seynd. Sie haben mich von der Königlichen Tafel lassen hinwegführen, in Verhaft nehmen; des Königlichen Purpur-Kleids berauben, und als einen Leibeigenen, so das Leben verwirckt, mit eisenen Banden beladen. Dahero ich in Sorgen stehe, daß, indem ich mich rechtfertige, ich Euere Majestät selbsten anklagen, und der unbillichen Gewaltthätigkeit bezüchtigen [352] müste: welches ich für die gröste Peyn, die ich sollte ausstehen, halten würde. Weilen es aber Euer Majestät mir befehlen, will ich meine Beschwerden mit wenig Worten vorbringen; nicht zwar, daß ich verhoffe etwas hierdurch zu erhalten, dann die Sachen also beschaffen seynd, daß ich die Billigkeit zu erlangen schlechte Hofnung hab; sondern allein darum, damit solche Euer Majestät recht erkennen, und ich meinem Gewissen ein Genügen thue. Geschehe alsdann, was GOtt der HErr über mich aus billichen Ursachen verhänget hat. Wann meine Ankläger allein mir das Leben zu benehmen suchten, wollte ich es ihnen willig gestatten. Weilen sie aber mich durch falsche Beschuldigungen meiner Ehr und guten Namens zu berauben sich unterstehen, so bitte ich Euer Königl. Majestät unterthänigst, Sie wollen Ihro belieben lassen, mich ein kurtze Zeit mit Gedult anzuhören.


Die Klag, so man wider mich führt, ist kein neue, sondern ein alte, so Gorzintha, Euer Königl. Majestät Gemahlin unsere Stief-Mutter vor vielen Jahren angesponnen, damit sie mich samt meinem vielgeliebten Bruder Neccaredo aus dem Weeg raumen, Euer Majestät der Männlichen Erben berauben, und sich in den Königlichen Thron setzen möchte. Wollte GOtt, ich könnte meine Frau Mutter, mildseeliger Gedächtnus von den Todten erwecken, damit sie dieser Klag beywohnen, und für mich reden könnte, ich wollte ihr gern stillschweigend zuhören. Sie wurde Euer Majestät zu Gemüth führen, was Gestalten sie eine kurtze Zeit vor ihrem Hintritt mich, samt meinem Herrn Bruder hertzlich umfangen, und Euer Majestät durch die eheliche Treu und Liebe gebetten, Sie wollen uns Ihro lassen bester massen anbefohlen seyn. Ich befande mich damals in einem solchen Alter, daß ich mein Elend nicht erkennte. Nichts destoweniger, als ich sahe, daß Euer Majestät die Zäher vor Schmertzen vergossen, thate ich es auch, und wußte nicht, warum. Euer Majestät nahmen mich beyseits, und verbotten mir das Weynen, trösteten mich, und versprachen, sie wollen mir forthin an statt meiner Frau Mutter seyn. Nachdem ich etwas erwachsen, haben mich Euer Majestät zum Mitgehülffen des Reichs gnädigst angenommen. Niemand ware damahls lieber als Hermenegildus. Alles mußte durch ihn versichert werden. Wann ein Krieg zu führen war, mußte Hermenegildus der Feld-Obrist seyn. Sollte ein Fried beschlossen werden, da waren dessen Articul dem Hermenegildo übergeben. Niemand zweiffelte, Hermenigildus, als der Aeltere, und Liebste, wurde mit der Zeit dem Herrn Vatter in dem Reich nachfolgen. Was Ihro Königl. Majestät nur redeten, und thaten, da war Hermenegildus die Ursach ihrer Ergötzlichkeit. Was für ein Sorgfältigkeit hatten Ihro Majestät nicht angewendet, daß sie mich mit einer ansehnlichen Printzessin möchten vermählen; bis sie endlich eine erkundiget,[353] welche eines Königs Tochter in Franckreich ware. Um diese bewarben Sie sich um mein Person mit grossen Unkösten, und Königl. Scheinbarkeit. Ach armseelige Printzessin, was hättet ihr gesagt, wann ihr gewußt, daß ihr einmahl einem solchen kläglichen Schau-Spiel müßtet zusehen? man hielte mich damahls für den glückseeligsten Fürsten dieser Welt, weilen mir ein solche Gemahlin zu Theil worden, ab deren Tugenden, guten Eigenschaften, und schöner Gestalt sich Niemand genug verwunderen konnte. Ich muß es bekennen, daß ich sie hertzlich lieb habe, nicht allein wegen ihrer ehelichen Treu, sondern vielmehr wegen ihres grossen Eifers, durch welchen sie mich von dem Arianischen Irrthum zu dem wahren Catholischen Glauben gebracht hat.


Bald hierauf fienge Gorzintha an, Euer Majestät Hertz zu besitzen, sich in alle Geschäft einzumischen, und durch ihre listige Griff dergestalten zu verändern, daß sie in kurtzer Zeit Dero Freundschaft in einen Haß, die Verträulichkeit in ein Mißtrauen, die Sicherheit in eine Unruhe, und die Mildigkeit in eine Gewaltthätigkeit verkehrt hat. Diese hat mich dermassen verfolgt, daß ich an Dero Hof keine Ruhe, kein Geschäft, keinen Fried ohne Gefahr haben können. Dieses konnte ich alles mit Gedult übertragen. Weilen sie sich aber einer That, so besser einem wilden Barbaren, als einer Königin anstunde, unterfangen; bekenne ich, daß ich solche vor Schmertzen nicht vorbringen kan. Genug ist es, daß ich es mit einem Wort andeute, daß nemlich sie meine Gemahlin, so eine Königliche Printzessin ist, ohne Ursach hat auf den Boden werffen, mit Füssen tretten, bey den Haaren hin- und herziehen, blutig schlagen, der Kleider berauben, binden, und bey kalter Winters Zeit in das Wasser tauchen lassen, damit sie ein solche Peyn ausstehe, deren die alte Tyrannen kein grössere dem weiblichen Geschlecht zur Marter erfinden könnten. Wann ich nun solche unmenschliche That mit dem Schwerdt hätte rächen wollen, wurde mir dieses kein Mensch für übel ausgelegt haben. Jedoch hab ich mich des gewöhnlichen Stillschweigens bedienet, und dieselbe von Hof nach der Stadt Sevilien, die mir Euer Majestät zu meinem Heyrath-Gut überlassen, abgeschickt, damit ich im Frieden leben könnte.


Sie aber Gorzintha, als hätte ich mich schwerlich vergriffen, indem ich nicht länger gedulden mögen, daß man mich gäntzlich um das Leben bringe, fienge an Lärmen zu blasen und mich durch das gantze Reich als einen Feind, Verräther, und Verbannten auszuruffen. Wollte GOtt, daß Ihro Majestät damals Ihro nicht zu viel geglaubt, und mich Unschuldigen hätten lassen zur Verantwortung kommen, so würde ohne Zweifel alles besser hergangen seyn. Weilen sie aber alsbald ein grosses Kriegs-Heer zusammen gezogen, und mich in meiner [354] Stadt Sevilien belagert, hab ich aus Nothwendigkeit dasjenige Mittel ergreiffen müssen, welches so gar die unvernünftige Thier aus natürlicher Neigung gebrauchen, sich wider den Gewalt zu beschützen. Ich hab die Waffen ergriffen, nicht Euer Königl. Majestät damit anzufallen, sondern allein mich wider die Stief-Mutter, die mich tod haben wollen, zu erretten. Da ich endlich auch gesehen, daß ein Schlacht geliefert, und beyderseits viel unschuldiges Blut müßte vergossen werden, hab ich mein Recht beyseits gesetzt, und den Schluß gefaßt, mich auf Euer Majestät Gnad und Ungnad zu ergeben. GOtt und die Engel wissen es, was massen ich mich mit Zäher überronnen, vor einem Crucifix niedergeworffen, damit ich einmahl bey Ihro in Gnaden möchte aufgenommen werden.


Hierauf haben Ihro Majestät mir meinen lieben Herren Bruder zugesandt, mich Dero Gnaden zu versichern, deme ich Glauben zugestellt, und mich als bald zu Ihro verfügt, vor Dero Füssen niedergeworffen, meine Gebrechen erkennt, um Gnad demüthigst gebetten, von Ihro selbst vom Boden aufgehebt, und mit solcher Freud und Höflichkeit empfangen worden, daß ich zu fernerer Versicherung mehr nicht hätte erforderen können. Nun seye mir gnädigst erlaubt Euer Königl. Majestät meinen geehrtisten Herren Vatter in aller Unterthänigkeit zu befragen, woher diese grosse Veränderung erwachsen seye? wer diese Freud in ein Leyd, diesen Frieden in einen Krieg, und diese Verträulichkeit in einen bösen Argwohn verändert habe? wann Sie dieses, was Sie in Ihrem Gewissen befinden, eröfnen wollten, müßten Sie nothwendiger Weiß bekennen, daß aller solcher Ueblen Gorzintha unsere Stief Mutter, die einige und wahre Ursach seye; dann, weilen sie mich durch die Waffen nicht hat können unterdrucken, will sie mich allbereit unter dem falschen Schein der Gerechtigkeit hinrichten. Dieses ist mein Verbrechen, um dessenwillen ich in diesem Buß-Kleyd allhier in schweren Ketten beladen, alle Augenblick auf den scharfen Befehl, so über mich ergehen solle, mit Verlangen warte.


Diese Verantwortung war so wohl gegründet, daß, wann der König nicht allbereit von seinen unordentlichen Anmuthungen völlig wäre eingenommen gewesen, er die Unschuld seines Sohns leichtlich hätte er sehen können. Allein, weilen die Religion die fürnehmste Ursach war, welche Hermenegildum verhaßt machte, fragte ihn der König, ob er Catholisch sey? in allweg (antwortet Hermenegildus) bin ich Catholisch; und zu diesem allein seeligmachenden Glauben bekenne ich mich freywillig, und offentlich. Dieser Glaub ist es, ab welchem die Richter erschröckt werden, die darüber Beklagte sich erfreuen, und alle Peyn gedultig ausstehen. Ich zwar hielte es für die gröste Ehr, wann ich [355] für diesen glorwürdigen Namen tausendmal könnte sterben. Derohalben, wann es Euer Majestät beliebt, daß man mich deßwegen mit aller erdencklichen Marter umbringe, will ich durch göttliche Gnad gestärckt, alles mit Gedult und Freuden ausstehen, verhoffend, durch solche Marter in den Himmel zu kommen.


Diese Antwort nun ware dem König, als einem, der mit dem Gift der Arianischen Ketzerey angesteckt war, Antrieb genug den Sohn tödten zu lassen. Nachdem er ihn dann wiederum in die Gefängnus zu führen Befehl ertheilt, schickt er über ein kurtze Zeit bey nächtlicher Weil (so eben die Oster-Nacht ware) zu ihm einen Befehlshaber samt dem Scharfrichter in den Kercker, und lasset ihm sagen, mithin habe er die Wahl, aus zweyen eines zu erwählen; entweders den Königl. Scepter, oder aber das Schwerd. Den Scepter zwar, wann er sich zu der Arianischen Religion bekennen; das Schwerd aber, wofern er in der Catholischen verharren werde.


Hermenegildus antwortet, er habe dißfalls seinen Willen allbereit genugsam erkläret, er wolle tausendmahl lieber sterben, als die Catholische Religion, welche er mit genugsamen und wichtigen Vorbedencken angenommmen, wieder verlassen. Da sprach der Befehlshaber, den der König zu Hermenegildo in den Kercker geschickt: Es haben uns Ihro Königl. Majestät, Dero Herr Vatter anbefohlen, im Fall, daß ihr auf dem Catholischen Glauben würdet verharren, wir seinen Befehl an euch vollziehen sollten. Was für einen Befehl? (fraget Hermenegildus)daß ihr (antwortet der Befehlshaber) diese Nacht, und an diesem Orth sollet enthauptet werden. Hierauf knyete Hermenegildus nieder, und sprach Ach GOtt! mein HErr! ich sage dir ewigen Danck, daß du mir an statt eines gebrechlichen, elenden, und mühseeligen Lebens allbereit durch diesen Befehl ein edles, glückseeliges und glorwürdiges in alle Ewigkeit mittheilen willst.


Alsdann begehrte er von dem Befehlshaber eine Gnad, er wolle ihm nemlich einen Catholischen Priester zulassen, damit er beichten, und die H. Communion, als die letzte Wegzehrung empfangen möchte. Hierauf antwortet ihm der Befehlshaber: dieses seye ihm von seinem Herren Vatter vor allem aufs höchste verbotten. Wann es ihm aber beliebe, werde alsbald ein Arianischer Bischof zugegen seyn. Behüte mich GOtt (sprach Hermenegildus) vor einem Arianischen Bischof, dessen falsche Sect und Irrthum ich allbereit verflucht hab, und selbige bis in den Tod verfluchen werde. Weilen mir aber mein Herr Vatter diese Gnad (so man auch dem grösten Uebelthäter wiederfahren [356] laßt) abschlagt, beruffe ich mich auf die Zeugnus meines Gewissens.


Hierauf thate er seine Beicht vor GOtt. Fienge an eine gute Weil für seinen Herren Vatter, seine Stief-Mutter, und alle seine Verfolger zu betten. Alsdann befahle er GOtt, seinem Schöpfer die Seel. Rufte die seeligste Mutter GOttes, die heilige Engel, samt allen Auserwählten zu Fürbittern an, und bate dem Scharf-Richter das Haupt dar, welches er ihm mit einer Axt in einem Streich abgeschlagen, die Seel aber floge mit dem Marter-Cräntzlein geziert dem Himmel zu. Causini S.J. Heil. Hofhaltung erster Theil.

67. Exempel
Sieben und sechzigstes Exempel.
Ein Possenreisser wird nach seinem Tod wiederum lebendig, lebt aber forthin in strenger Buß.

Dieser ware aus der Stadt Speyer, seiner Handthierung ein Färber. Es ware kein Mahlzeit, wo dieser Fatz-Vogel nicht darbey war, denen Leuten einen Spaß und Gelächter zu machen. Wie geht es mit der Zeit, er wird tödlich kranck. Und da er nummehr halb todt da lage, erhohlte er sich in etwas, und fienge an zu schreyen: Wehe mir! wehe mir! der ich die Zeit meines Lebens mit Possen-Reissen so übel zugebracht hab, jetzt gehe ich in die Ewigkeit, und (wie ich sorge) der Verdammnus zu. Die Umstehende sprachen ihm zu, er solle nicht verzweiflen, sondern seine Zuflucht zu der göttlichen Barmhertzigkeit nehmen, als welche unendlich groß seye. Allein er sagte, er wäre solcher Barmhertzigkeit nicht würdig. Doch hat man ihn endlich nach vielen Zusprechen so weit beredet, daß er gleichwohl gebeichtet, und die letzte Weegzehrung empfangen, nach welcher er auch gestorben. Was geschiehet? gegen 2. Uhr Nachmitternacht, als die, so bey der Leich hätten wachen sollen, entschlaffen, richtete sich der vorhin Todte auf, warffe die Leilach, in welche er eingewickelt war, hinweg, und fienge laut an zu schreyen: über welches die Schlaffende erwachet, vor Forcht und Schröcken zum Haus hinaus geloffen, und das Wunder in der Nachbarschaft angezeigt, weßwegen des Morgens in aller Früh die gantze Stadt herzugeloffen, wo man ihn dann unterschiedliche Sachen gefragt, wie er nemlich wiederum lebendig worden, was er in der anderen Welt gesehen, und was die Ursach seines Schreyens seye? allein er gabe kein eintzige Antwort, bis ihme ein ankommender Priester das Heil. Creutz-Zeichen über den Mund gemacht. Da er dann nichts anders sagte, als: Ach wehe! ach wehe! eylete darauf in [357] die nächste Kirch, allwo er vor einem Altar 2. Stund lang gebettet hat. Alsdann stunde er wiederum auf, und erzählte männiglichen Wunderding von der Höllen und Fegfeur. Nachmals hat er noch 12. Jahr lang gelebt, aber alle Gemeinschaft der Menschen geflohen, und ist niemahlen mehr lachend gesehen worden. Hat auch alle diese Zeit in einem gar strengen und bußfertigen Wandel zugebracht, und ist aus seinem Mund niemahl ein eintziges müßiges, vielweniger eiteles Wort mehr gehört worden. Nach welcher Zeit er endlich das anderemahl aber gottseeliglich gestorben. Anonymus ex Ord. S. Franc. in libro, cui Titulus: Kleinod der edlen Zeit.

68. Exempel
Acht und sechzigstes Exempel.
Ein Vatter wird wegen dem üblen Verhalten seines Sohns umsonst ermahnt, dieser aber erbärmlich ermordet. Worüber der Vatter vom Verstand kommen, und die Mutter, so ein fromme Frau war, sich blind geweynet.

In einer gewissen Stadt befande sich ein adelicher Jüngling von löblichen Sitten, so lang als er noch bey denen Jesuiten in den Schulen war. Nachdem er aber diese, und eben darum viel Gelegenheit zur Andacht und Gottesforcht, welche er allda hatte, zu End des Studierens verlassen; begabe er sich auf ein so freches Leben, daß er mit offentlicher Aergernus der Stadt das Haus eines Burgerlichen Ehe-Weibs öfters besuchte. Dem Herren Vatter wurde solches zu mehrmalen hinterbracht. Weilen aber dieser sein eintziger Sohn war, und über das auf denselben 3. überaus stattliche Erbschaften warteten, liebte er ihn inniglich, und förchtete sich deswegen, den Sohn mit einem ernstlichen Verweiß zu betrüben. Gabe derowegen zur Antwort:Ey man muß mit meinem Sohn Gedult haben, junge Leut machen es nicht anderst. Es wurde zwar dieser Vatter von einem Prediger aus einem geistlichen Orden, seinem guten Bekandten gebetten, er solle doch der vätterlichen Liebe nicht zu viel Platz geben, und den Sohn vom Bösen abhalten. Er gabe aber kein andere Antwort, als diese: Das seye eben junger Leuten Thun und Lassen. Man müsse mit dem Sohn Gedult haben. Da widersetzte aber der Geistliche: Wie? Gedult haben? Herr! gebt wohl acht, daß GOtt nicht euch und den Sohn mit nächstem straffe. Bey dieser Warnung liesse es der Geistliche bewenden, und redete forthin wegen dieser Sach mit dem Vatter kein Wort mehr. Aber innerhalb 3. Wochen ist dasjenige, was er gleichsam prophezeyt hat, wahr worden; indem der Jüngling in obgedachtem Haus von des Weibs Ehe-Mann erdappt, und ohne Absehen [358] auf den Adel, und alles Bitten samt dem Weib unbarmhertziglich ermordet worden. Worauf der Thäter das Haus verschlossen, und die Flucht genommen. Als folgenden Tag in der Nachbarschaft dieser Todschlag ruchtbar worden, und diese schlimme Zeitung der Mutter des Jünglings, so ein sehr fromme Dame war, zu Ohren kommen, fiele sie vor Leyd in eine Ohnmacht, und fienge an, nachdem sie sich in etwas wider erhohlet, mit solchem Hertzenleyd zu weynen, daß sie in wenig Tägen das Gesicht verlohren, und blind worden, immerdar schreyend Ach mein armer Sohn ist in der Höll, der armseelige Vatter aber, nachdem er gleichfalls die unglückliche Zeitung vernommen, wurde aus Verhängnus göttlicher Gerechtigkeit von einer Unsinnigkeit überfallen, in welcher er die Kleyder zerrissen, eine schwartze Tracht angezogen, und durch die Stadt hin und her, gleich einem, der vom bösen Feind besessen, ohn Hut geloffen ist. Er stoßte da und dort den Kopf an die Mauren, zerkratzte ihm selbst das Angesicht mit denen Näglen, und starbe nach weniger Zeit unglückseelig in der Unsinnigkeit. Engelgrave S.J. in luce Evangel. Part. 2. Dom. 6. post Pascha.

69. Exempel
Neun und sechzigstes Exempel.
Drey Buhlerische Jüngling vermeynen, sie warten einer vornehmen Dame auf, so aber ein teuflisches Gespenst war, von welchem sie schändlich betrogen, und erbärmlich zugerichtet wurden.

Diese giengen einstens zu Paris bey nächtlicher Zeit langer Weil halber in der Stadt herum. Gähling sehen sie von weitem daher kommen eine Dame, dero ein Knab mit einer brennenden Fackel vorleuchtete; sie stunden still, und weilen diese Person, als sie näher zu ihnen kommen, mit einem schwartzen Flor völlig bis auf die Füß bedeckt war, fragten sie, wer sie seye? und wohin sie bey dieser Zeit gehe, nach Haus (antwortete die verstellte Dame) und setzte hinzu, sie seye eben vorher in dem Pallast eines gewissen Cavaliers mit ihrem Ehe-Herrn bey der Nacht gewesen, aus Verdruß aber wegen des langen Sitzens, und der gar zu grossen Freyheit mit dem Frauenzimmer zu handlen, eben jetzt davon gangen, ohne vorher jemand zu sagen, daß sie nach Haus gehen wollte. Die 3. freche Jüngling haben sich gleich anerbotten, sie Ehren und Sicherheit halben bis nach Haus zu begleiten, welches die Dame gern angenommen. Sie giengen derowegen mit ihr, waren guter Ding, und schertzten auf dem Weeg, bis daß sie nach einem zimlichen Gang zu der Porten eines ansehnlichen Pallasts kommen seynd.Dieses ist meine Wohnung (sagte die Dame) lude zugleich die Jüngling ein, solche ihre Wohnung zu besehen; welches diese [359] unvorsichtige Leut gar nicht ausgeschlagen. Giengen also hinein, und kamen gleich in einen grossen Saal, welcher mit taffeten Umhängen und allerley Mahlereyen geziert war, allwo man ihnen zu trincken gebracht, womit sie sich erquickt haben. Unterdessen zohe die Dame den Flor vom Angesicht hinweg, und da stunde vor ihnen eine überaus schöne und wohlgestaltete Fräulein. Als aber die zaumlose Jüngling durch liebkosende Wort ihre unreine Begierden gegen ihr zu verstehen gabe, veränderte sie in einem Augenblick die Gestalt, und es stunde nunmehr vor ihnen nicht mehr ein schönes Fräulein, sondern ein häßliches und stinckendes Todten-Aas. Und in demselbigen Augenblick, als dieses Gespenst samt dem Pallast verschwunden, hörte man in der Nachbarschaft über diese unglückseelige Jüngling eine Menge Stein und Balcken herab fallen, unter welchen 2. derselben gleich todt geblieben. Der dritte aber ist des Morgens frühe in einem Winckel der Stadt, wo aller Unflath hingeführt wird, wie ein Sterbender am gantzen Leib zitterend gefunden worden; dem auch kein besserer Orth gebühret hat. Idem Engelgrave in cit. luce. P. 1. Dom. 4. post Pent.

70. Exempel
Siebentzigstes Exempel.
Aus dreyen unkeuschen Jünglingen wird einer von denen bösen Geisteren lebendig gebraten; denen anderen zwey aber wird verschont: weil sie GOtt um Verzeyhung gebetten, und sich zu besseren versprochen.

In Niderlanden wohnten beysamen drey in denen Lastern gantz gleiche Jüngling, welche also aneinander hiengen, daß sie auch nicht einen Augenblick könten abgesöndert seyn. Nachdem diese einen gantzen Abend in unzüchtigem Luder-Leben miteinander zugebracht hatten, begaben sich alle drey in eben einer Cammer, mit einer von der Unkeuschheit gantz besudleten Seel in das Beth, des Willens zu schlaffen. Da eröfnete sich aber um Mitternacht mit einem erschröcklichen Geräusch die Cammer-Thür. Sie erwachten hierüber, und ersahen mit Erstaunung den bösen Geist in Gestalt eines Risen, von erschröcklichen Aussehen, gleich einem Jäger gekleidet, in die Cammer hinein tretten, welchen zwey andere böse Geister, in Gestalt der Köchen mit einem langen Brat-Spieß in der Hand begleiteten. Diese umgaben einen aus obgedachten Jünglingen; rissen denselben mit Gewalt aus dem Beth heraus; trieben ihm den Brat-Spieß durch den Leib, und steckten ihn also daran, welcher indessen seine Cammeraden, so diesem Spectacul gleichfals ertattert zusahen, vergebens [360] um Hülf anruffe. Gleich darauf zündeten die bösen Geister unter dem Camin ein grosses Feuer an, und brateten fein gemach, und grausamlich den Angespißten in Angesicht seiner zweyen Cammeraden, welche nach ihme eben eine solche Straf erwarteten; indem einer aus den höllischen Geisteren immerdar die Augen auf sie warffe, und sagte: gleich jetzt werden wir es euch auch also machen. Unterdessen thaten dise zwey nichts anders, als GOtt um Verzeyhung bitten; seine Barmhertzigkeit anruffen, und ernstliche Besserung ihres Lebens versprechen. Es hat ihnen auch GOtt deswegen verschonet, und verhindert, daß ihnen nichts geschehen: wie dann die böse Geister im hinweggehen selbst bekennt haben. Das ist einmahl gewiß, daß sie in der Fruhe den Leichnam ihres Cammeradens unter dem Camin in Wahrheit todter, und gebraten gesehen; worüber sie ihre Sünden mit aufrichtigem Hertzen bereuet, von solchen ihre Seel alsobald durch die Beicht gereiniget, und forthin durch ein heilige Veränderung des Lebens sich GOtt ergeben haben. Delrio S.J. in Dist. Mag. l. 3. P. 1. Quæst. 7.Sect. 2.

71. Exempel
Ein und siebentzigstes Exempel.
Ein adeliche Frau wird verdammt; weil sie in der Beicht etliche abscheuliche, und wider die Natur lauffend Sünden verschwiegen die sie mit ihrem Ehe-Herrn begangen hatte.

Diese Frau hielte man dem äusserlichen Schein nach für fromm, und gottsförchtig: dann sie gabe reichlich Allmosen; wohnte dem GOtts-Dienst fleißig bey, und hielte eine ordentliche Haushaltung, wie es einer Christlichen Frauen gebührt. Alle Hausgenossene erhielte sie in der Forcht GOttes. Die Täg ihres Lebens lauften mithin vorbey, und der Tod nahete herzu. Sie beichtet; empfangt alle hierzu gehörige Sacramenten; stirbt darauf und hinterlaßt einen löblichen Namen. Neben anderen ihren Kinderen hinterliesse sie eine fromme eingezogene Tochter, welche täglich für ihre verstorbene Frau Mutter zu GOtt gebettet, damit sie zur ewigen Ruhe gelangen möchte. Nach etlichen Tagen, als sie in ihrer Cammer gantz allein war, und ihr Gebett verrichtete, höret sie gähling vor der Thür draussen ein Getümmel, über welches sie heftig erschrocken. Indem sie nun ihre Augen gegen der Thür wendet, geht selbige auf, und da ersihet sie in abscheulicher Gestalt ein feuriges Schwein, welches einen unleydentlichen Gestanck von sich gabe. Es war auch das Gespenst so entsetzlich anzusehen, daß die Tochter vor Schröcken dem Fenster zugeloffen, willens sich hinunter zu stürtzen, um also der vor Augen[361] schwebenden Gefahren zu entgehen. Allein sie ward davon abgehalten durch eine Stimm, die ihr also zurufte: halte still, Tochter! halte still! es ward auch die Tochter von GOtt gestärckt, daß sie still hielte, um zu vernehmen, was das Gespenst etwann sagen wolle. Da sprache dann dieses: ich bin deine unglückseelige Mutter, welche zwar nach dem Urtheil der Menschen fromm gelebt; allein wegen etlichen abscheulichen, und wider die Natur lauffende Sünden, die ich mit deinem Vatter begangen, und aber aus verdammlicher Schamhaftigkeit nie gebeichtet hab, bin ich vom gerechten GOtt zum ewigen Feuer verdammt worden. Höre also auf, für mich zu betten: dann es hilft mir nichts. Alles ist umsonst und verlohren. Als sie dieses geredt, sprange sie auf die Bänck und Stühl, und hinterliesse zum Gedenck-Zeichen ihre eingebrandte Fußstapfen; wormit sie aus den Augen ihrer Tochter verschwunden. Die Tochter hierüber höchst betrübet macht sich alsobald aus dem Haus hinweg, gehet dem nächsten Closter zu, und erzählet dem daselbstigen Fasten-Prediger alles, was sich hatte zugetragen. Diser gehet mit ihr dem Haus zu, um den Augenschein einzunehmen, und von allem die völlige Wahrheit zu erfahren; er besihet die von dem unflätigen Gespenst eingebrandte Fußstapfen, und empfindet den üblen Gestanck, der in der Cammer verbliben. Diesen reiniget er mit dem geweyhten Wasser, und priesterlichen Seegen; die Tochter aber der unglückseelig verdammten Frauen tröstet er, und muntert sie auf zu der wahren Tugend, damit sie sicher wandle, und entgehe den erschröcklichen Peynen der ewigen Verdammnuß. Christoph. de Vega S.J. in libello Tragicorum Exempl. de Confessione.

72. Exempel
Zwey und siebentzigstes Exempel.
Ein junge ledige Weibs-Person wird durch ein förchtliches Gesicht von dem leichtfertigen Tantzen abgehalten.

Diese Person war dem Tantzen also ergeben, daß, ob sie schon bey solchem ihr Ehr einmahl verlohren, nichts destoweniger durch kein Ermahnen konte davon abgehalten werden, bis sie endlich durch übernatürliche Bedrohungen von dem barmhertzigen GOtt davon abgezogen worden. Dann, als sie einsmahls in dem Tantzen so ermüdet, daß sie nach Haus, und der Cammer zugeloffen, allwo sie sich in etwas zu verschnauffen, auf ein Beth hingeworffen, und lachend gesagt: ach! wie bin ich so müd! damahls aber kein Mensch, als sie allein zu Haus ware, da eröfnete sich die Cammer-Thür, und es gienge hinein ein alter und ehrbarer [362] Mann, der hielte in der Hand einen übel zerhauten Menschen-Fuß, von welchem das Blut häuffig herunter tropfete. Mit diesem näherte er sich zu ihr, und hielte ihr selbigen vor das Angesicht mit diesen Worten: du ehrloses, und GOtt-vergessenes Mensch! was beklagst du dich ab der Mattigkeit deines Leibs? siehest du, wie du mich mit deinen geilen und unzüchtigen Tantzen zugerichtet? sie hest du, wie du meine Füß verwundet? wirst du von deiner Leichtfertigkeit, und Muthwillen nicht abstehen, so will ich dich dem Satan übergeben, ewiglich mit ihm in dem höllischen Feuer zu tantzen. Nach welchen Worten er vor ihren Augen verschwunden. Das Mensch gehet hierauf voller Forcht und Schröcken zur Beicht, weinet heftig über ihre Leichtfertigkeit; bittet mithin den Beicht-Vatter, diese Begebenheit offentlich auf der Cantzel (jedoch ohne sie zu benamsen) als eine Wahrheit, die sie mit einem Eyd bekräftiget hatte, zu erzählen: damit wo möglich alle junge Leut von dem geilen und leichtfertigen Tantzen möchten abgehalten werden. Wenigst hat diese Person sich forthin dessen gäntzlich entschlagen; ja ein eingezogenes und bußfertiges Leben geführt. Ex lib. Edles Kleinod der Zeit.

73. Exempel
Drey und siebentzigstes Exempel.
Eine ehebrecherische Frau muß ihren eigenen Liebhaber aufhencken; worauf sie samt dem erhenckten lebendig eingemauret elendiglich hat verschmachten müssen.

Dieser Liebhaber war ein Jüngling, welchen der Ehe-Herr der ehebrecherischen Frauen, ein welscher Edelmann auf frischer That erdappet hatte. Hierüber ergrimmet, sperrt er ihn also gleich als einen Gefangenen in die Cammer, wo die Ubelthat geschehen. Darauf ruft er in Eyl seine Diener zusammen, und laßt ihm durch sie mit einigen Pferd-Zügel Händ und Füß also zusammen binden, daß er sich nicht rühren konte. Alsdann befahle er, daß man innerhalb der Cammer in dero Backlen einen starcken Nagel solte einschlagen, eine Leiter daran stellen; die Frau aber mit Besteigung der Leiter das Amt dessen Henckers verrichten, und ihren eigenen Liebhaber aufknüpfen. Eine Dienst-Magd, gleichwie sie zu der Sünd eine Unterhändlerin und Gehülffin gewesen, also mußte sie auch in diesem schmählichen Amt ihrer Frau eine Mithelferin abgeben; dann eine allein wäre zu schwach gewesen. Beyde dann (wie wohl überaus ungern, und mit weinenden Augen) haben den unglück seeligen Jügling, nachdem sie ihm einen Strick um den Hals gelegt, an der Leiter, so gut sie konten, [363] hinauf gezogen, und das übrige von dem Strick um den Nagel gewunden. Darauf sprange eine aus ihnen dem Unglückseeligen auf die Achslen, und auf den Halß; die andere aber zoge ihn bey den Füssen so lang, bis sie ihn endlich mit harter Mühe durch einen grausamen Tod erwürgt haben. Hierdurch aber ward die Rach des ergrimmten Edelmanns noch nicht ersättiget; sondern er liesse noch darzu das völlige Beth mit dessen Ausziehrung unverzüglich verbrennen; alle schöne Mobilien und Hausgeräth aus der Cammer tragen, und allein in einem Winckel so viel Stroh, als für einen Hunds-Stall erkleckt hätte, hinstreuen. Alsdann befahle er so wohl die Thür, als die Fenster der Cammer mit Stein und Kalch zu vermauren, und hat also seine Frau, samt der Dienst-Magd bey dem abscheulichen, und noch an dem Strick hangenden Todten-Cörper gelassen. An diesem Ort wurde ihnen täglich durch ein kleines Loch ein wenig Brod und Wasser gereicht. Es nahme aber der üble Geruch des nach und nach faulenden Cörpers also überhand, daß sowohl die Frau als die Magd wegen des unleydentlichen Gestancks (zu welchem noch eine tieffe Melancholey geschlagen) in kurtzer Zeit ausgesterbet, und verschmachtet seynd. Da hat es wohl geheissen: süß getruncken; aber blut-saur bezahlt. Balinghen S.J. in Triumpho castitatis. c. 7.

74. Exempel
Vier und siebentzigstes Exempel.
Ein Römische Matron lasset sich ihre eheliche Keuschheit zu retten, von einem, der ihr hinterlistiglich nachstellte, grausamlich erwürgen.

Diese ware von einem gleichfalls Römischen Herrn eine Zeit lang auf nichts gutes angesucht, und gereitzet. In welchem doch die junge Frau nicht allein seinem verfluchten Willen nicht beystimmen; sonderen dergleichen unehrbare Ansuchungen so gar auch nicht anhören wollen. Und ob sie gleichwohl noch öfters von dem boßhaften Nachsteller angeloffen wurde, mit Anerbietung reichlicher Geschencken, und kostbahren Kleinodien, so antwortete sie doch allzeit mit dem Mund: nein auf keine Weis, in dem Hertzen aber: packet euch fort mit euren Schanckungen hin, wo Treu und Ehr ein End haben. Ich hab schon meinen lieben Ehe-Herrn, an dem ich treu seyn werde bis in Tod. Als nun der boßhafte Mensch gesehen, daß ihme der Sack schon für die Thür geworffen, und mit gutem nicht leichtlich etwas auszurichten wäre, hat er sich entschlossen, was er mit Lieb nicht könte bekommen, solches mit Gewalt zu erzwingen. Er bestache demnach in Geheim eine ihrer vertrautesten [364] Cammer-Mägden mit einem namhaften Stuck Gelds, und unterrichtete sie, was sie thun solte. Diese Cammer-Magd tratte dann eines Tags in aller Fruhe zu ihrer Frau, mit Bitt, sie wolte ihr belieben lassen, weil es so annehmlich Wetter, und der Weeg so gut, ein kleine Wallfahrt zu St. Sebastian, ausser der Stadt Rom zu verrichten, und sie auch mit ihr gehen lassen. Die edle Frau, so ohne das der Andacht sehr ergeben ware, liesse ihr das Ansuchen gefallen; und das um so viel mehr, weil es auf selbigen Tag keinen grossen Zulauf des Volcks abgabe. Verhofte demnach ihrer Andacht desto ungehinderter, und eyfriger abzuwarten. Gehen also diese zwey auf St. Sebastiani Haupt-Kirch zu, so etwann von Rom beyläuffig drey Viertel Stund entlegen. Allda verrichtete die edle Römerin ihr Gebett und Andacht. Wie nun diese verricht war, sagte die Cammer-Magd: ach gestrenge Frau, ich möchte gern auch die Kruften, und Gewölber der Heil. Martyrer sehen, und alldort betten. Gar gern, sagte die tugendsame Frau, warum dann nicht? dann schier jedermann, wer St. Sebastian besucht, der besucht auch der Heiligen nächst daran ruhenden Martyrer Kruften, das wollen dann auch wir thun. Gehen alsogleich der nächsten finsteren Kruft zu: doch also, daß die Cammer-Magd etwas hinter der Frau blibe, und still hielte. Ach was soll ich hier weiters sagen? halt still! halt? du keusche Matron, gehe nicht hinein; und warum nicht? ja, es ist ein finsteres Ort. Ist alles wahr. Es hatte sich aber in diesem finsteren Ort versteckt der boßhafte Nachsteller ihrer Ehren, welchen die eben sowohl verruchte Magd zuvor in der Fruhe in Eil, und ihrer Frau aller Sachen unwissend, berichtet und bestimmt hatte, er solte sich nur dorthin verstecken: zu der und der Stund wolle sie ihr Frau liefferen, und alsdann solle er endlich haben, nach welcher er schon so lange Zeit ein Verlangen gehabt hätte. Und das Spiel wäre auch zu End kommen, wann beyderseits einerley Sinn gewest wäre. So bald dann die edle Römerin in die Kruft hinein kommen, schleicht und trittet dieser ehrvergessene Bößwicht herfür. Und als er sich nur allein bey ihr befunden, fienge er an sie freundlich ist zu bitten, seinem unerträglichen Verlangen Statt und Platz zu geben. Die edle keusche Frau aber verfluchte, und verspye solches Ansuchen. Er setzt aber mit Bitten und Versprechen nicht aus; ey! (schrye sie) darvor behüte uns GOtt; er fangt an zu trohen, half alles nichts. Darauf hin setzt er ihr zu mit grausamen Schlägen; zu diesem Handel lauft auch ihr boshafte Magd herbey, und schlagt in ihre Frau eben so starck, als der andere Bößwicht. Die keusche Matron gibt sich doch nicht, wehrte sich also mit ihren schwachen Kräften nach allem ihrem Vermögen, ihre Ehr zu retten, die sie dann auch erhalten. Indem nun der angemaßte [365] Ehren-Rauber, als auch die GOttes- vergessene Magd eines Theils wohl gesehen, daß der keuschen Frau niemand was abgewinnen wurde, noch könnte; anderen Theils aber wohl erachteten, solte sie wieder lebendig nacher Haus kommen, und den Verlauf der Sachen den Ihrigen offenbahren, so wurde die gantze adeliche Verwandschaft aufstehen, Rach und Straf auswürcken, haben sie beyde einander noch weiters geholffen, und die edle von jedermann verlassene Frau sammentlich erwürget und erdrosselt. Den Leib haben die zwey mörderische Personen aus Schröcken nicht weggeschleifft; sondern alldorten auf dem Platz ligen lassen; der Todschläger aber, damit er nicht erdappt, und gefangen wurde, ist ausgerissen, und hat sich etwann unter die Banditen, oder Strassen-Rauber begeben. Mit der Cammer-Magd aber gienge es anderst zu; sie wolte fliehen, und konte aber nicht, dann aus Verhängnuß der göttlichen Rach mußte sie an dem Ort, wo sie zu der Erdroßlung ihrer Frauen geholffen, stockstill stehen, damit sie alles bekennte, und die Wahrheit an den Tag käme, welches dann auch bald geschehen. Dann den unschuldigen Leichnam hat man gefunden, und die Magd noch bey ihr stehend, und diese zwar ist Hand-vest gemacht, und nach aller Sachen Bekanntnus als eine Todschlägerin hingerichtet worden, mit der Frau aber ist es also hergangen.

So bald zu Rom, und in umgräntzenden Orten diese oberzählte Sach lautbar worden, hat man sich alsobald aufgemacht, nicht allein bey ihrer hoch-adelichen Freund- und Verwandschaft; sondern von allen Ständen, geistlichen und weltlichen, den ehrwürdigen Leib mit gebührender Solennität abzuholen. Viel tausend beyderley Geschlechts lieffen aus der Stadt Rom, und von anderen Orten zu, und kamen dem Leichnam entgegen. Es ware aber kein Leich, sondern ein wohlverdienter Triumph, und Ehren-Proceßion für erlangten Sieg wieder den ausgestandenen Anlauf des Fleisches, der keusche Leib wurde seinem adelichen Stand gemäß zierlich und köstlich angethan, und nach welschem Gebrauch nicht allein männiglichen zum Beschauen fürgestellt, sondern auch auf dem darzu bereiteten Sarch, oder Bahr zu oberst gelegt. Ihr Haupt war geziert mit einem gantz frischen Lorbeer-Kräntzlein, nicht allein als einer Obsiegerin; sondern auch als einer Martyrin, als welche gestorben wegen Verthätigung der ehelichen Keuschheit, für welche sie bis in den Tod hinein gestritten, und ihr Leben gelassen, welches sie wohl hätte erretten können, wann sie hätte sündigen wollen. Dieselbige gantze Proceßion hindurch einen zimlich langen Weeg bis zur Begräbnuß, und weiters durch die gantze Stadt Rom hinein, ware ein solches Weinen und Zäher-vergiessen, daß unter so viel tausenden beyderley Geschlechts [366] nicht ein eintzige Person gewesen, die nicht ihre Augen voll der Zäher, nach Haus gebracht hätten.


Bisselius S.J. in libello, cui titulus, Digitus Dei. Das ist: Hertz-berührender Finger GOttes.

75. Exempel
Fünf und siebenzigstes Exempel.
Eine Frantzösische Dame, mit Namen Mazia, welche mit Ehe-brecherischer Lieb gegen einem Advocaten verstrickt war, macht sich aus Forcht, gerichtlich eingezogen zu werden, aus Franckreich in Welschland, allwo sie ihr Leben zwar in grossem Elend, jedoch aber büssend zugebracht, und endlich beschlossen hat.

Nachdem der ehebrecherische Buhler, der Advocat seine eheliche Haus-Frau zu Nachts im Beth erdrosselt, damit er die Maziam, mit welcher er schon lange Zeit der ehebrecherischen Liebe gepflogen, heurathen möchte; er aber wegen solcher Mordthat, deren man ihn hat überzeugen können, eingezogen, und nach gefälltem Urtheil lebendig geviertheilt worden; da besorgte die Mazia, es därfte ihr auch nicht viel besser ergehen: alldieweilen sie geschehen lassen, daß der Advocat zwey von ihren leiblichen Söhnen durch verwegene Kerls, die er heimlich mit Geld bestochen, hinterlistiger Weis um das Leben gebracht. Nachdem sie nun vernommen, daß diese ihre Händel der Obrigkeit verrathen worden, und ihr deswegen starck nachgefragt, und nachgesetzt werde, packte sie bey nächtlicher Weil ihr Geld und köstlichere Sachen ein; und machte alles in ein Felleisen zusammen. Darauf aller ihrer Haus-Leuten unvermerckt, macht sie sich noch bey finsterem Himmel in aller Stille davon, was giebst, was hast. Allein indem sie sich schon auf den Weeg begeben, gedachte sie: Wo jetzt hinaus? in Savoyen werd ich kümmerlich sicher seyn, und ein bleibende Stadt haben; man möchte mich in mein Heimat zuruck lieferen. In solchem zweifelhaften Anstand kam ihr endlich für, was oft anderen Reisenden begegnet, die im Weegscheiden nicht wissen, wo hinaus, und welche Seiten sie erwählen sollen. Es stehet aber etwann ein Marter-Saul am Anfang des Scheidweegs mit einer höltzenen geschnitzelten Hand, welche auf den besseren und tribneren Weeg deutet. Also waren von dem Ort, wo sich die flüchtige Mazia befande, zweyerley Fußtrieb. Der einte zur lincken Hand gienge nach Genf, einer ertzcalvinischen Stadt, in welcher sie vielleicht einen sicheren Unterschlauf hätte finden mögen, wann sie die Catholische Religion wurde abgeschworen haben. Der andere Fußtrieb gienge nach Genua ins Welschland; allda sie aber der Landssprach nicht wurde erfahren seyn, als welche gantz welsch ist. Wie nun dem, so hat ihr GOtt innerlich in ihrem Gemüth [367] gedeutet auf die rechte Seiten, und gegen Genua zu, damit sie alldorten für ihr sündliches Leben ernstliche Buß solte würcken. Und sie hat auch dem innerlichen Antrieb gefolget, indem sie durch hertzliche Reu in sich selber gieng, und durch eine rechtgeschaffene Beicht aus ihrem elenden Seelen-Stand heraus kroche. Hat sich demnach aufgemacht, und sich um einen fremden, und ihr vor diesem gantz unbekannten Diener umgesehen, der ihren Plunder nachtruge um das Geld und Besoldung, die sie ihm versprochen hatte. Diese zwey zogen also auf Genua zu; zu denen sich ohne Zweifel auch der dritte, nemlich der Satan, wird geschlagen haben: also zwar, daß der Diener der Maziä Felleisen truge; die Mazia den überaus grossen Last ihrer so viel hundert oder tausend Lasteren; der Satan aber das über die massen schwere Schulden-Buch ihrer begangenen Missethathen. Diese aber hat sich nicht lassen abwendig machen, ob sie gleichwohl zum öfteren bey ihr selbsten ohne Zweifel gedachte, daß sie tausend Tod verdient hätte, und viel Ursachen zu verzweiflen. Doch munterte sie sich auf: und vielleicht mit diesen Worten, deren sich ein jeder Sünder, der Buß thun will, bedienen kan: Es wäre kein Wunder, wann ich mich selbst zu tod kümmerte, wann ich nicht wußte, daß GOtt barmhertzig, und überbarmhertzig seye, als welcher nicht begehrt den Tod des Sünders; sondern, daß er sich bekehre und ewig lebe: Bey welchem das Chananäische Weib; der offene Sünder Zachäus, die Stadt- und Landverschreyte Magdalena; Manasses der gottlose König; Maria aus Egypten, die Welt-Verführerin, und andere viel tausend Gnad und Verzeihung erlangt haben. Ach! (schrie sie auf) lasse mich auch eine aus diesen seyn.


Als sie aber nach Genua kommen, und alldort niemand kennte, noch auch von jemand erkannt wurde, wer sie wäre (bis erst nach ihrem Tod) hat sie sich alldorten in eine ums Geld gedingte Herberg begeben; und bald die Kirchen, ja auch den Beichtstuhl, und einen tauglichen Beichtvatter gefunden, der ihrer Sprach erfahren ware. Allda hat sie ihren Sünden-Last abgelegt, und sich dem Bußstand, und andächtigem Kirchen-Besuchen eifrigst ergeben. Damit sie aber forthin ihr Lebtag immer mehr und mehr zu büssen hätte, hat GOtt verhänget, daß dald darauf zur Straf ihrer grossen Unthaten auch ihres Dieners Diebs-Finger erfolgten. Dann, als sie eines Tags sich in die Kirchen verfügte, dem GOttes-Dienst und Bereuung ihres vorigen bösen Lebens abzuwarten, hat sich dieser hinter ihr Geld und Schatz gemacht. Alles bis auf den letzten Heller entzwackt, und sich damit aus dem Staub gemacht, so weit, daß ihn bis auf den heutigen Tag noch niemand hat erfragen können. Waren also der Maziä alle ihre Lebens-Mittel dergestalten entzogen, daß sie sich forthin von dem Bettel hat [368] ernähren müssen. Und, damit sie, als an einem fremden Ort, denen Leuten nicht gar zu beschwerlich wäre, hat sie (O harter Streich für eine vor diesem so vermögliche Frau!) denen Burgeren zu Genua angefangen um den Lohn zu arbeiten, mit Spinnen, Nähen, Waschen, und Holtztragen. Welches sie alles für ihrer Sünden Abbüssung gethan, und GOtt aufgeopfert hat. So weit war es mit ihrem Adel kommen! bis sie letztlich (so viel bewußt) in grosser und beharrlicher Bußfertigkeit eines natürlichen Tods, wiewohl in gröstem zeitlichen Elend, verschieden ist.

Bisselius S.J. in cit. Libello.

76. Exempel
Sechs und siebentzigstes Exempel.
Ein eifersüchtiger Edelmann bringt sich selbst in die Grub, die er aus falschem Argwohn einem vermeinten Buhler hat graben wollen.

Eudoxus, ein adelicher Jüngling in Franckreich, suchte öfters Adrasti, eines in seiner Nachbarschaft wohnenden alten Edelmanns junge Herren Söhn heim; dieweil sie grosse Liebhaber des Jagens, und Vogel-Fangs waren. Adrastus hatte sich nicht lang vorhin auf ein neues mit Irene, einer noch jungen, und wohlgestalteten Wittib verheurathet, welche eben, wie ihre Stief Söhn, eine sonderbare Liebhaberin der Jägerey, und des Vogel-Fangs ware. Auch Adrastus liesse ihm solche unschuldige Ergötzlichkeit nicht mißfallen: Bey solchem Jäger-Lust aber (wie es in dergleichen Umständen leichtlich geschehen kan) erzeigte sich Eudoxus dann und wann gegen der Frau Irene etwas freundlichers, als dem Adrastus lieb war. Darum fienge dieser an in seinem Hertzen zu eiferen, und zu argwohnen; getraute sich doch nicht sein heimliche Gemüths-Kranckheit an Tag zu geben: theils, weilen sein Eifersucht und Argwohn keinen rechten Grund hatte; theils weil er besorgte, er möchte seine erwachsene Söhn, welche den Eudoxum inniglich liebten, und dem Vatter wegen abermahligen Heurath nicht gar geneigt waren, wider sich verhetzen. Gedachte also heimlich und in der Stille sich von dem vermeinten Buhler Eudoxus loß zu machen. Zu diesem End bestache er seinen Koch mit Geld, daß selbiger dem Eudoxus in einer Speiß Gift beybringen solte. Der Koch (wie es billig ware) weigerte sich Anfangs, wider einen so liebreichen, und wohlgesitteten Jüngling sich zu vergreiffen. Endlich doch stellet er sich, als wolte er seinem Herrn willfahren; warnet aber den Jüngling, und entdecket ihm in Geheim die Boßheit seines Herrn. Eudoxus bedanckt sich für dises Freund-Stuck, belohnet selbiges mit freygebiger Hand, und bringt hiemit den Koch auf seine Seiten. Der eifersüchtige Edelmann zeigte sich von selbiger[369] Zeit an, um seinen Schalck zu verdecken, gegen dem Jüngling sonderbar freundlich, und vertreulich; lude selbigen öfters zu seiner Tafel; absonderlich, wann er mit ihm, und den Seinigen den Tag mit Jagen, und Vögel-Fangen zugebracht hatte. Als nun der Koch nach seines Herrn Befehl ein Speis vergiften solte, hat dieser an statt des Gifts ein Schlaf-Pulver genommen, wie ihn der Eudoxus unterrichtet hatte. Eudoxus asse von der ihm bekannten Speis etwas mehrers; nicht aber seine Mit-Gespanen, die bey ihm waren. Dann weil diese schon vorhin etwas von dem Handel innen worden, wolten sie die Speis nicht einmahl berühren. Kurtz nach vollendter Tafel überfiele den Eudoxus ein gewaltiger Schlaf. Seine zwey Gespanen trugen ihn für todter nach Haus, und machten ein Geschrey. Eudoxus habe bey der Tafel des Adrasti Gift bekommen. Der Koch wird alsobald von Gerichts-Dieneren Hand-vest gemacht, bekennt auch gleich, es hab ihm sein Herr befohlen, ein gewisses Pulver unter die Speis zu thun; weilen ihm aber solches verdächtig fürkommen, habe er darfür ein Schlaf-Pulver gebraucht. Auf diese Aussag ward auch Adrastus gefänglich angehalten, und so scharf von den Richteren examinirt, daß er weder ein, noch aus wußte; sondern plat heraus sagte, daß er dem Eudoxus, als einem verdächtigen Ehebrecher zur billigen Straf Gift habe wollen beybringen lassen. Die Forcht und Kummer wegen bevorstehender Straf zoge dem Edelmann ein heftiges Fieber über den Hals, welches ihn bald in das Grab brachte. Der unschuldige Eudoxus befande sich nach geendigtem Schlaf wohl auf. Der Koch entdeckte vor Gericht die gantze Sach, wie sie an sich selbsten ware, und wurde auf freyen Fuß gestellt. Der Edelmann allein mußte wegen seinem falschen Argwohn, und Eifersucht aus billiger Verhängnuß GOttes die Gruben füllen, die er einem Unschuldigen hat graben wollen. Dieses ist der Lohn der eifersüchtigen Narren.

Camusius in Tragœd. Histor. 36.

77. Exempel
Sieben und siebentzigstes Exempel.
Ein fromme Matron bringt durch freundliche Manier zuwegen, daß ihr Ehe-Herr verspricht, das übermäßige Spielen zu lassen.

Diese Matron hatte einen sonst ziemlich guten; aber dem hohen Spielen zu viel ergebenen Ehe-Herrn. Das nahmhafte Gut hatte deswegen schon mercklichen Schaden gelitten, nicht ohne billige Betrübnuß und Schmertzen der guten Frauen. Einstens zur Faßnacht-Zeit erwartete sie mit grossem Verlangen bis in die spate Nacht diesen ihren Herrn, nicht ohne Sorg und Kummer, selbiger werde abermahlen bey dem Spielen [370] sich verweilen, und vielleicht nicht wenig verliehren. In solchen schwermüthigen Gedancken wirft sie sich vor einem auf ihren Bett-Stuhl stehenden Crucifix auf die Knie, und verspricht, sie wolle sich dem leidenden Heyland zu Lieb überwinden, und den nach Haus kommenden Herrn ohne eintziges Zeichen eines Unwillens mit freundlichem Angesicht empfangen, solte er auch noch so viel verspielet haben; bittet aber inständig, Christus der HErr wolle ihm gefallen lassen, ihrem Ehe-Herrn die kräftige Gnad zu verleihen, daß selbiger hinfüro das unmässige Spielen lassen wolle. Als endlich bey tiefer Nacht der Herr nach Haus kom men, erzeigte er sich gantz verdrüßlich; machte finstere Gesichter; stampfte mit den Füssen, und gabe hiemit genugsam zu verstehen, daß ihm das Glück abermahl ungünstig gewesen. Die tugendsame Matron, ihres gemachten Fürsatzes ingedenck, lasset in ihrem Angesicht nichts, als Fröhlichkeit verspühren; empfangt ihren Herrn mit aller Höflichkeit, und bittet, er wolle seinen Verdruß fahren lassen: und wann dessen Ursach das unglückliche Spiel seye, wolle sie ihren Geschmuck von Perlen und Edel-Gestein hergeben, damit die gemachte Schuld bald möchte bezahlt, und mithin sein Ehr und Reputation erhalten werden. Diese unverhofte Wohlgewogenheit der Frauen, zuvorderst aber die innerliche Gnad GOttes, haben dem Herrn das Hertz also erweicht, daß er von freyen Stucken vor gedachtem Crucifix nieder gekniet, und GOtt ernstlich versprochen, das übermäßige Spielen hinfüro zu lassen. Welches er auch heiliglich gehalten. Worauf der Geld-Kasten dieser adelichen Haushaltung mercklich zugenommen, und zu vielem Allmosen, und anderen guten Wercken ihnen gedient, und erkleckt hat. Da sehe man, was die gute Manier einer Haus-Frauen vermag. Seyfridt S.J. in Expos. 4ti. Præc. Decal.

78. Exempel
Acht und siebentzigstes Exempel.
Eine Schwieger verfolget ihre Sohns-Frau mit allen Kräften; stürtzt sich aber hiedurch in ihren selbst eigenen Untergang.

Nicht weit von dem Pyrenäischen Gebürg (welches Franckreich von Spanien unterscheidet) wohnte auf einem Schloß ein adeliche, und vermögliche Wittfrau, Armilla genannt. Diese hatte einen eintzigen Herrn Sohn, mit Namen Cyriacus, welcher etliche Jahr in denen Schulen, und hernach bey Hof zugebracht. Nachdem er wieder nach Haus kommen, wolte er sich keiner ernstlichen Geschäften annehmen; sondern brachte die Zeit allein mit Kurtzweilen und Faullentzen zu. Unterdessen (wie es gemeiniglich im Müssiggang den jungen Leuten widerfahret) ward er von der schädlichen [371] Liebs-Kranckheit angegriffen. Die Frau Mutter hatte unter ihren Aufwarterinnen ein zwar von gutem Geschlecht herstammendes; mithin aber armes Mägdlein, Leonis mit Namen. Ihr auserlesene schöne Gestalt, und Eingezogenheit; wie auch die tägliche Gegenwart, und holdselige Ansprach haben das Hertz des Cyriaci also eingenommen, daß er dieses Mägdlein zu heurathen sich gäntzlich entschlossen. Solches Vorhaben (wie einem ehrlichen Kind wohl ansteht) entdeckt er seiner Frau Mutter. Diese aber setzt sich starck darwider, und will einem so armen Heurath keineswegs beystimmen. Allein der Sohn weicht nicht; sondern laßt sich verlauten er wolle der Frau Mutter (dafern sie ihme in seinem vorgetragenen Heuraths-Geschäft länger wollte verhinderlich seyn) ein Stuck Geld zur jährlichen Unterhaltung geben, und selbige aus dem Schloß anderstwohin verschicken. Hierauf getrauete sich Armilla nicht länger offentlich zu widerstreben, sondern lasset es dem äusserlichen Schein nach gutwillig geschehen; nimmt aber gar bald auch selbst, dem Sohn zu Trutz, einen jungen Mann, Lucianus mit Namen zur Ehe, aus welchem sie hofte, noch einmahl Mutter zu werden; verfolgte mithin die unschuldige Leonis mit allen Kräften, und hielte selbige verächtlicher als zuvor, da sie noch ihre Aufwarterin gewesen. Cyriacus mag solcher Verfolgung länger nicht zusehen, bittet demnach die Frau Mutter, sie wolle mit ihrem jungen Mann eine andere Wohnung suchen: er wolle ihnen mehr, als die Schuldigkeit erfordere, zu ihrer standmäßigen Unterhaltung, herbey schaffen. Solches Begehren legte ihr Armilla zum Schimpf aus, und zörnete wider die Sohns-Frau (als von welcher sie glaubte, daß des Sohns Begehren seinen Ursprung habe) so heftig, daß sie selbige in Abwesenheit des Cyriaci bey nächtlicher Weil samt ihren zwey saugenden Zwilling-Kindlein in dem Beth er würgen liesse. Dieses aber ware dem vor Rach und Zorn rasenden Weib noch nicht genug; sondern sie laßt das Schloß versperren; ergreift die Waffen, und stellet sich mit ihren Leuten zur Gegenwehr, der gäntzlichen Resolution, den wiederkehrenden Sohn mit einem Hagel-Geschütz abzutreiben, und also des Schlosses allein Meister zu werden. Cyriacus wurde des Tods eigen gewesen seyn, wann ihm nicht ein getreuer Mensch entgegen gangen, und ihm von allem gewisse Nachricht ertheilt hätte. Der hierüber nicht wenig bestürtzte Sohn suchet bey der hohen Obrigkeit Schutz, Hilf, und Beystand, welche ihm auch alsobald eine genugsame Rott tapferer Kriegs-Leuten zugegeben. Diese umringten das Schloß, daß niemand weder hinein noch hinaus konte; werfen gar bald durch untergraben einen mercklichen Theil der Ring-Maur über einen Hauffen, und bemächtigen sich des Schlosses mit stürmender Hand. Der treulose Stief-Vatter Lucianus ist in währendem Streit von einer Musqueten- [372] Kugel getroffen, todter geblieben; Armilla aber, die mörderische Schwieger hat sich zu todt gefallen, da sie durch das Fenster auf einer Leiter (als welche geschlipfert) entfliehen wollte. Camusius in tragœd. Histor. 12.

79. Exempel
Neun und siebentzigstes Exempel.
Ein Ehemann wird von seinem frommen Weib öfters, wiewohl vergebens zur Andacht ermahnt; endlich aber durch einen förchtlichen Traum erschröckt, und gebessert.

Wann das fromme Weib sagte: mein lieber Mann! jetzt wollen wir miteinander zur Heil. Meß gehen; antwortete er: Gehe nur mein Weib, und bett für dich und für mich: ich bin verhindert. Wann sie sagte: heut wollen wir beyde beichten und communicieren; sprache er: für diesmahl bin ich gar nicht bereit: beichte und communiciere für dich, und für mich, so hast einen zweyfachen Nutzen. Wann sie ihn ermahnte, siehe, das Volck geht Hauffen-weis zur Predig, zur Proceßion etc. da ware die trutzige Antwort: was plagst du mich? höre einmahl auf von deinem hofmeistern; sonst machest du mir den Kopf toll; siehest du nicht, daß ich kein Zeit hab? gehe hin, bette für dich und mich, bis du genug hast. Endlich wolte GOtt die Bemühung des frommen Weibs nicht länger lassen fruchtlos abgehen, indem er ihrem Mann in einem lebhaften Traum vorstellte, als wäre er und sein Weib gestorben, und für die Himmels-Porten kommen, allwo das Weib willfährig eingelassen; er aber mit diesen trotzigen Worten abgewiesen worden: Bleibe draussen: dann weil dein Weib für sich und dich gebettet, gebeichtet, und andere gute Werck geübet, ist sie auch für dich zu den ewigen Freuden eingangen. Weil sie also in allem deine Stelle jederzeit vertretten, so wird sie es auch jetzt, und auf ewig im Himmel thun. Darum packe dich nur fort, im Himmel ist kein Ort für dich. Als nun der höchst-beängstigte Mann aus dem Schlaf zu sich kommen, hielte er den Traum für ein himmlische Warnung; entschlosse sich sein Leben zu besseren, und ergabe sich mit allem Ernst der wahren Andacht nach dem löblichen Beyspiel seines frommen Weibs. Wohl ein glückseliger Traum, der so viel Gutes gewürckt hat!Casalicchius S.J. Cent. 2. Histor. 6.

80. Exempel
[373] Achtzigstes Exempel.
Ein anderer bringt durch einen bescheidenen Fund sein widerspenstiges Weib zum gebührenden Gehorsam.

Dieser lude sein Weib auf eine Zeit gantz freundlich auf seinen Mayer-Hof hinaus, und truge ihr sein Reit-Pferd an, Willens ihr zu Fuß nachzufolgen. Das Weib laßt ihr die Höflichkeit gefallen; bedanckt sich für das anerbottene Pferd, dessen Gebrauch sie nicht gewohnt ware; und zeigt sich willfährig zu Fuß hinaus zu gehen. Unter Weegs auf freyem Feld, allwo niemand zu gegen ware, fangt der Reuter an, dem Roß mit Fleiß den Sporren zu geben, und mit der Peitschen fort zu treiben: weil sich aber dieses etwas widerspenstig erzeigte, wird der Mann hierüber sehr zornig; steigt eilends vom Pferd; poldert heftig wider selbiges; zieht ein Pistol herfür, und schießt es damit zu tod; nimmt ihm den Sattel ab, und befihlt dem Weib mit gelinden Worten, selbigen ohne Verzug auf dem Kopf nach Haus zu tragen. Das Weib voll des Schröckens, und Verwunderung, daß ihr Mann sein ihme sonst so geliebtes, anjetzo aber nur ein wenig stutziges Pferd, an der Stell erschossen, widersprache kein Wörtlein, sondern nahme den Sattel alsobald auf den Kopf, gienge damit gutwillig nach Haus, und getrauete sich forthin nicht mehr (wie sie es bishero öfters gethan) ihrem Mann widerspenstig zu seyn, besorgend, es möchte auf sie ein sehr hartes Tractament warten. Idem Casalicchius Cent. 2. Hist. 32.

81. Exempel
Ein und achtzigstes Exempel.
Caroli des Grossen, Römischen Kaysers mildes, und zugleich kluges Verfahren gegen einem seiner Hof-Bedienten, der sich in eine seiner Kayserlichen Prinzeßin verliebt hatte.

Eginardus, dieses Kaysers geheimer Secretarius, hatte seinen unordentlichen Anmuthungen den Zaum zu weit schiessen, und etwas höhers gehen lassen, als sein Stand und Herkommen ertragen möchte. Er ware etwas zu freundlich mit einer Prinzeßin, des Kaysers Tochter. Diese liesse ihr ihn, wegen seiner Höflichkeit, und schönen Naturs-Gaben so wohl gefallen, vermeinend, solche solten dasjenige ersetzen, was ihme an dem Stand und Herkommen abgienge. Darum liesse sie ihn unterweilen [374] bis in ihr Zimmer kommen, allwo er sich eine gute Zeit mit Schertzen und Possen-reissen aufhielte.


Nun geschahe es auf eine Zeit in dem Winter, daß er sich in der Prinzeßin Zimmer bey nächtlicher Weil also lang aufhielte, daß entzwischen ein tieffer Schnee gefallen, welches er erst gegen anbrechendem Tag vermerckte, da ihn die gewöhnliche Geschäften, und schuldige Dienst ermahneten, einen Aufbruch zu ma chen, und nach seiner Schreib-Stuben zu kehren. Weil er aber bey dem Kayserlichen Zimmer vorbey paßieren mußte, stunde er in Sorgen, wann er aus der Prinzeßin Zimmer heraus gienge, von dem Kayser, welcher fruhe aufzustehen gewohnt hatte, vermerckt zu werden. Zu dem hatte die Prinzeßin ein sonderbares Bedencken, man möchte unter Tags zweyerley Tritt aus ihrem Zimmer in dem Schnee in Obacht nehmen. Dannenhero sie beyde in grossen Aengsten und Sorgen stunden. Endlich nach langem Sinnen und Rathschlagen, fiele der Prinzeßin dieses Mittel ein, beyde von der bevorstehenden Gefahr zu erretten. Sie nahme diesen ihren Holder-Stock Eginardum auf ihre Achslen, und truge ihn durch die Länge des Kayserlichen Hofs bis in des Eginardi Schreib-Stuben; daß man also am folgenden Tag keine andere Fußstapfen, als die ihrige vermerckte. Vermeinte also, der Sach geholfen zu haben, daß ferners kein Hahn darnach krähen solte. Nun sagt ein heiliger Vatter, die Liebe habe einen so starcken Rucken, daß, wann sich die gantze Hölle liesse aufladen, sie von der Liebe ohne Beschwerde wurde getragen werden. Jedoch habe sie mehr Frechheit, ihre Händel anzuspinnen, als Klugheit, selbige zu verbergen. Und GOtt der HErr, der alles siehet, lasset nicht leichtlich zu, daß solche Thorheiten allzeit verborgen bleiben: wie dann diesen beyden ergangen, indem der Kayser eben diese Nacht mit studieren zubrachte; und als er gegen Tags der Prinzeßin Thür aufgehen hörte, wolte er wissen, was dieses bedeute. Gienge demnach zum Fenster, und ersahe diesen schönen Aufzug. Er verwunderte sich sehr darüber; wolte aber sie damahls nicht beschreyen, damit er sie mit besserer Gelegenheit vermahnen, und gütlich abstraffen möchte.


Folgenden Tags, als die Prinzeßin samt anderen vornehmen Fürsten und Herren an der Kayserlichen Tafel sassen, auch Eginardus, seines ihm obliegenden Diensts halber, gegenwärtig war, gabe der Kayser eine Frag auf: was derjenige Diener für ein Straf verdiene, der sich einer Kayserlichen Prinzeßin an statt eines Maulthiers bediene; und sich mitten in dem Winter durch einen tieffen Schnee tragen liesse? ein jeder sagte seine Meinung, und ware keiner, der ihn nicht zum Tod verdammte. Die arme Prinzeßin samt ihrem Eginardo erbleichten im Angesicht, wurden so weiß, als der Schnee, [375] und konten ihnen nichts anders einbilden, als man wurde sie ohne weiteren Proceß zum Tod führen.


Unterdessen fienge der Kayser an zu lächlen, und sprache zu dem Secretarius: Eginarde! wann du je ein so grosse Lieb zu dieser Prinzeßin, unserer Tochter getragen, soltest du zuvor uns, die wir in dieser Sach zu gebiethen haben, darum begrüßt haben; und nicht mit solchen heimlichen Practicken, dardurch du den Tod verschuldet, umgangen seyn. Damit du aber unserer Kayserlichen Mildigkeit ein Angedencken habest, schencke ich anjetzo dir, und deiner Tragerin das Leben.


Diese beyde arme neue Eheleut gedunckte es, als wann sie in einem Augenblick aus der Tieffe der Höllen bis an den Himmel wären erhoben worden. Sie erkenneten ihr Verbrechen, und bedanckten sich aufs höchste für diese unverhofte Kayserliche Gnad. Alle Gegenwärtige konten sich ab einem so milden, und klugen Urtheil nicht genugsam verwunderen.


Es ist ungezweifelt, daß Carolus in dieser Tugend sehr vortreflich gewesen, und hierinn dem Rath des H. Ambrosii, den er auf ein Zeit dem Sipinnio gegeben, gefolget seye. Dieser Sipinnius hatte einen Sohn, der sich auf jetzt gemeldte Weis, ohne sein Vorwissen, mit einer, die seinem Stand nicht gleich war, verehelicht. Hierinn zweifelte der Vatter, ob er es also geschehen lassen solle. Befragte sich derohalben bey dem Heil. Ambrosio um einen Rath. Ambrosius antwortet mit Ja darzu: dann (sagte er) wann ihr sie beyde aufnehmet, machet ihr sie besser, wann ihr sie aber verstosset, so werden sie nur ärger. Jedoch solle diese Mildigkeit der Elteren denen Kinderen keinen Anlaß geben, daß sie ohne Vorwissen ihrer Eltern sich versprechen, und bisweilen einer gantzen Freundschaft grosse Ungelegenheit verursachen.

82. Exempel
Zwey und achtzigstes Exempel.
Der Geist einer verstorbenen jungen Weibs-Person erscheint einem jungen Edelmann, gegen welchem sie bey Lebs-Zeiten mit unreiner Liebe entzündet ware.

Zu Trallis in Phrygien (so eine Provintz in klein Asien ist) hat sich ein junge ledige Weibs-Person, mit Namen Philenion befunden, deren Eltern Democrates, und Chariton waren. Diese war der Hofart, unreinen Liebe, und weltlicher Uppigkeit sehr ergeben. Damit aber GOtt ihren Hochmuth unterdruckte, liesse er sie in ein schwere Kranckheit fallen, [376] die ihro alle Schönheit also benahme, daß sie in kurtzer Zeit vielmehr einem Todten, als Lebendigen gleich sahe. Sie branne am gantzen Leib mit einem hitzigen Fieber; aber noch viel stärcker von unreiner Liebe: war auch kein Mittel solche doppelte Brunst zu löschen. Die äusserliche Hitzen nahmen überhand; vielmehr aber die innerliche gegen einem jungen Edelmann, der sich damahls in fremden Landen befande. Sie därfte aber, und wolte dieses niemand vertrauen. Wurde also von diesen beyden Flammen verzehret, und von dem Tod in die andere Welt geschickt.


Die Eltern beklagten diesen unverhoften Tod ihrer Tochter über alle massen schmertzlich, liessen sie samt allem dem, was sie insonderheit lieb gehabt, auf das köstlichste zur Erden bestatten. Nach sechs Monathen kame der junge Edelmann (so Machates genannt war) aus der Fremde in sein Vatterland zuruck, und nahme seinen Einkehr bey Democrate, seinem Freund, der Verstorbenen Vatter. Als er nächtlicher Weil in der Schlaf-Cammer ruhete, erschiene ihm die Verstorbene in der Gestalt, die sie bey Leb-Zeiten gehabt; grüßte ihn freundlich, und gabe ihm allerhand Zeichen der Liebe. Machates empfande anfänglich einen grossen Schröcken, bevorab, weilen er es für ein Gespenst hielte; jedoch weilen es sich oft sehen liesse, auch kein Ungelegenheit verursachte, machte er mit ihr Gemeinschaft, und versprache ihm endlich die Ehe. Auf eine Zeit, als er sich etwas längers in der Cammer aufhielte, befahle Chariton (die Mutter) einer Magd, zu sehen, ob Machates sich vielleicht übel auf befinde. So bald sie die Thür eröffnet hatte, sahe sie Philenon lebhaft in den Kleyderen, die sie bey Leb-Zeiten getragen, bey dem Edelmann auf dem Beth sitzen, worüber weil sie sehr erschrocken, lieffe sie zuruck, und zeigte dem Herrn und der Frauen an, was sie gesehen hätte. Diese konten es nicht glauben; sondern vermeinten, die Magd wäre etwann im Hirn verruckt worden. Schaften sie demnach mit Unwillen ab, als eine, so die allbereit zugeheilte Wunden wiederum eröffnen, und die vergangene Schmertzen erneueren wolte. Die Magd aber liesse sich mit diesem nicht abweisen, sondern bekräftigte alles, was sie gesehen, so viel ihr möglich war. Dahero die Mutter bewegt worden, die Sach selbst zu erkundigen. Begabe sich derohalben nächtlicher Weil unvermerckt in des jungen Edelmanns Cammer, konte aber die gantze Nacht nichts gründliches vermercken.


Und weilen sie (nach der Weiber Art) sehr begierig war, aus diesem Wunder zu kommen, verfügte sie sich den folgenden Tag zu dem Jüngling in sein Zimmer, und bate ihn auf das höchste, er wolle ihr anzeigen, wer diejenige Person seye, mit welcher er in seinem Beth Sprach gehalten. Machates über diese unerwartete Anfrag erschrocken, wolte anfangs mit [377] der Sprach nicht heraus. Weilen er aber vermeinte, daß er verkundschaftet worden, bekennte er, daß er sich allbereit mit Philenione, ihrer vielgeliebten Tochter, in ein eheliches Versprechen eingelassen, seye auch die Sach so weit kommen, daß die liebe Eltern solches vernünftiglich nicht verhinderen sollen. Indem er dieses redet, zohe er einen goldenen Ring samt einem Schleyer, welchen er von ihr auf zukünftige Ehe empfangen, herfür (dermassen hatte ihn der böse Geist verblendet) und zeigte ihr beyde vor.


Die Mutter erkannte alsbald den Ring und den Schleyer, und wußte vor Verwunderung und Freuden nicht, was sie thun solte. Bald fiele sie ihm um den Hals, bald kußte sie den Ring und Schleyer; und begosse sie mit ihren Zäheren. Hierauf seynd alle Hausgenossene herzu geloffen, und haben sich über diese ungewöhnliche Sach sehr verwundert. Ein Sach war, so der Mutter noch schmertzlich vorkame, daß sie nemlich die Tochter nicht persönlich sehen, noch mit ihr reden konte. Dahero sie ihren vermeinten Tochtermann, den sie als einen Engel vom Himmel annahme, auf das höchste gebetten, er wolle ihr die Tochter zeigen, damit sie sich mit ihro völlig erfreuen, und allen Zweifel hinweg legen möchte.


Machates verpflichtet sich, ihro hierinn ein Genügen zu thun. Als derohalben Philenion nach gewöhnlichem Brauch in Geheim, mit ihme zu handlen erschienen, schickte er seinen Diener, deme er ein gewisses Zeichen gegeben, zu der Mutter: welche alsbald samt ihrem Ehe-Herrn sich in des jungen Edelmanns Cammer verfügten, und ihr Tochter beym Leben, und guter Gesundheit (wie sie vermeinten) ersahen. Beyde wußten abermahl vor Freuden nicht, was sie thun sollten. Konten nichts reden, fielen ihr um den Hals, grüßten und kußten sie. Die Tochter aber erbleichte im Angesicht: schöpfte einen tieffen Seuftzer, und sagte: Ach! meine Eltern, wie theur müßt ihr diesen euren Fürwitz bezahlen: indem ihr meinen Tod zum andern mahl beweinen müsset. Dieses geredt, fiele sie tod zur Erden, und liesse einen unleidentlichen Gestanck zuruck, davon das gantze Haus angefüllet worden. Die Eltern fiengen an wegen neuem Schröcken und Forcht also zu weinen, und zu klagen, daß es die Benachbarte leichtlich hören konten. Und weilen sie die Ursach solches Jammerens nicht wußten, lieffen sie in das Haus, und fanden sie samt dem jungen Edelmann bey der Leiche: konten sich auch ab solcher unerhörter Sach nicht genugsam verwunderen. Mithin zogen sie andere nach sich, daß endlich fast die gantze Stadt dieses wunderliche Spectacul gesehen.


Die Obrigkeit des Orts liesse der Verstorbnen Grab eröfnen, um zu erkundigen, was es mit ihrem vor sechs Monathen vergrabenen Leib für ein Beschaffenheit habe. Man fande [378] aber denselbigen nicht, sondern allein ein Trinck-Geschirr samt einem goldenen Ring, den sie von dem Machates empfangen hatte. Dannenhero der Magistrat befohlen, den andern Leib, so der Geist aus dem Luft an sich genommen, und noch in der Cammer in einer abscheulichen Gestalt, und unerträglichen Gestanck lage, ohne alle Ehr und Aufzug in ein heimliches Ort zu werffen. Machates aber entrüstete sich ab diesem Betrug dermassen, daß er sich selbst um das Leben brachte.

Es wäre hier viel von denen Umständen, so die geistliche Scribenten von den Bescheinungen der verdammten Seelen beybringen, zu sagen. Allein es solle genug seyn, daß wir aus dieser Begebenheit ersehen können, was massen GOtt der HErr die Lasterhafte straffe. Dann wo müßte man den vorigen Leib der Verstorbenen, nachdem er in dem Grab nicht mehr gefunden worden, anderstwo, als in der Höllen suchen, allwo diejenige, so die unreine Liebe mit sich in die andere Welt tragen, immer und ewig brinnen müssen. Idem Causinus lib. cit. ex Phlegone, qui eventui ipsius interfuit.

83. Exempel
Drey und achtzigstes Exempel.
Ein unsinniglich verliebter Edelmann wird auf einmahl dergestalten verändert, daß er forthin an nichts anders gedencken, noch von etwas anders reden konnte, als allein von der Liebe, welche man GOtt in Ansehung seiner unendlichen Güte und Schönheit, die alles übertrift, schuldig ist.

Dieser ware Raymundus Lullius aus der Insul Majorica, so in dem Mittelländischen Meer ligt, und zu dem Königreich Spanien gehört. Er ward an dem Hof seines Königs erzogen, und mit der Zeit einer aus den fürnehmsten Hof-Herren. Niemahlen hat man einen Menschen gesehen, der mehr zur sinnlichen Liebe geneigt war, als er. Seine gantze Jugend hatte er in dieser Eitelkeit zugebracht; seine Beschäftigung ware kein andere, als verliebte Reimen dichten, in welchen er seine Liebs Anmuthungen ausdruckte. Endlich fiele er in eine heftige Anmuthung gegen einer gewissen Dame, die er nicht konnte aus dem Sinn schlagen. Was geschieht? als er einstens zu Pferd gesessen, und selbige von weitem auf der Gassen erblickt, da sie eben der Kirchen zugienge, allda ihrer Andacht abzuwarten, sprengte er ihr mit dem Pferd nach, und rennte mit selbigem so gar (O Vermessenheit) bis in die Kirchen hinein ohne eintziges Ansehen des geweyhten Orts, dann er hatte keine Augen etwas anders, als diese Creatur zu sehen, welche sein Hertz gantz eingenommen hatte. Es entstunde aber über diesen ärgerlichen Frevel unter dem anwesenden Volck [379] ein grosses Getümmel, welches den verliebten Narren unter vielen Schmachworten zur Kirchen hinaus jagte, und ihme mit der verdienten Straf drohete. Die gute Dame empfande hierüber ein solches Mißfallen, daß sie sich entschlossen, diese unsinnige Lieb durch einen List zu curieren; weil sie doch durch das Fliehen nichts konnte ausrichten. Demnach berufte sie den verblendeten Liebhaber (mit Vorwissen und Bewilligung ihres Ehe-Herrns) zu sich in ihr Haus. Dieser stellte sich dann bey ihr mit Freuden ein; weilen er es für die gröste Gnad hielte mit dieser seiner Creatur sprechen zu können. Als er aber ihr unter das Gesicht kommen, redete sie ihn mit diesen Worten an: Mein Herr Raymund, was hat er doch heut für ein ärgerliches Narren-Stuck, ja höchst sträflichen Frevel begangen? weißt er auch, was er so unsinniglich an mir liebt? ich will es ihm zeigen. Hiemit eröfnete sie ihre Brust, welche von dem abscheulichen Krebs halb durchfressen war, und aus welcher das stinckende Eiter heraus flosse. Siehet er (sagte sie)was er bishero an mir geliebt hat? da, da büsse er seinen Lust in Ansehung dieses abscheulichen Ge schwärs, ich glaube, er habe allbereit mehr als genug. Raymundus entsetzte sich über diesen unverhoften Anblick, und wendete seine Augen mit Grausen davon ab. Die Dame aber setzte noch hinzu: Sehe er doch Raymunde, wie sehr er betrogen worden, ist ja zu bedauren, daß er so viel edle Stunden mit fälschlich eingebildeter Schönheit einer Creatur zugebracht, die er doch nicht gefunden; mithin aber sich der göttlichen Liebe beraubet hat, über welche ihm doch nichts hätte seyn sollen? ich bedaure selbst an seiner statt sein Unglück, und wünsche ihm hinfuhro bessere Gedancken, und einen gesunden Verstand. Auf diesen zwar ernstlichen, mithin aber wohlgemeynten Verweiß der Dame, befande sich Raymundus auf einmahl gantz verändert. Er bedaurte selbsten inniglich seine Blind und Thorheit, in welcher er sich dergestalten verlohren hatte. O wie schad ist es (sagte er) um die verlohrne Zeit! O hätte ich selbige GOtt zu lieben angewendet, was hätte ich jetzt für ein Freud, was für einen Trost, was für einen Gewinn! Ey, so will ich dann das Verlohrne, mit GOttes Gnad wiederum einbringen. Dieses geredt, nahme er von der Dame höflichen Abschied, und bate, sie wolle ihm seine begangene Thorheit verzeyhen, er habe es eben nicht besser verstanden. Auf dieses hin gienge er nach Haus, suchte zusammen, was er in seinem Vermögen hatte, und theilte alles unter die Arme aus. Flohe alsdann in ein kleine Einsidlerey, allwo er durch stätes Gebett, Fasten, und Betrachten von GOtt also erleuchtet worden, daß, obwohlen er vorher nichts gestudirt hatte, unter die Gelehrtiste konnte gezählet werden. Mithin ware er von der Liebe [380] JEsu also eingenommen, daß er auf offener Gassen sein Lob sunge, und da etliche, so ihne gekennt hatten, als er noch in grossem Ansehen bey Hof gestanden, ihne gefragt, ob er den Verstand verlohren? gabe er ihnen zur Antwort: Ist es nur dieses, das ihr zu wissen verlangt, so wisset dann, daß mein Geliebter mir meinen Willen genommen, und ich hab ihme meinen Verstand geschenckt, also daß mir nichts mehr übrig geblieben, als die Gedächtnus, damit ich mich seiner erinneren möge. Und mit diesem bin ich zufrieden; verlange auch weiters nichts, als daß ich allein an ihn gedencke, dann er ist der eintzige Gegenwurf meiner Liebe. Dannenhero, wann man ihne fragte: wem gehörst du zu? da ware die Antwort, der Liebe, woher kommst du? von der Liebe, wohin gehest du,zu der Liebe; wer hat dich gebohren, die Liebe; wo wohnest du, in der Liebe; von was lebest du, von der Liebe. Darum schätzte er diejenige des Lebens unwürdig, welche anderst als vor Liebe gegen GOtt sturben. Das machte dann, daß er alle Gelegenheit suchte, wie er möchte gemartert werden, um hierdurch gegen GOtt seine innbrünstige Lieb zu bezeugen. Welches dann auch endlich geschehen, nachdem er 40. gantzer Jahr sich in nichts anders, als in der Liebe GOttes geübet hatte. Als er nunmehr das 80ste Jahr seines Lebens erreicht, und unzahlbare viele Trangsalen und Verfolgungen mit beständiger Gedult ausgestanden, thate er eine Reiß in Africam, und suchte die Mahometaner zum Christlichen Glauben zu bekehren. Er hatte aber kaum den Anfang mit seiner Lehr gemacht, da laufte das Volck zusammen, und warf so lang auf ihn mit Steinen zu, bis er darunter begraben worden. Er lage auch unter diesem Steinhauffen aller Welt unbekannt, begraben; bis es dem lieben GOtt gefallen hat, daß etliche Kaufleut, die aus seiner Heimat waren, zu Schif in selbige Landschaft kommen. Allwo sie dann nächtlicher Weil ober dem Steinhauffen eine feurige Saul in der Luft gesehen. Aus Fürwitz nun angetrieben, und zu erfahren, was diese Saul bedeute, warffen sie die Stein auseinander, und siehe! da finden sie den Leichnam des Ehrwürdigen Alten, welcher ihm ein so triumphierliches Grab durch die Marter zubereitet hatte; den sie dann mit Freuden in ihr Schif genommen, und mit sich in die obermeldte Insul Majorica zuruck geführt haben, allwo er von den Einwohnern des Orts von langer Zeit her andächtig verehrt wird. Causinns Tom. 2. seiner Heil. Haushaltung.

84. Exempel
[381] Vier und achtzigstes Exempel.
Ein Heydnischer König in Bulgarien wird durch ein Gemähld, in welchem das letzte Gericht mit allen Umständen so förchtlich als künstlich entworffen war, also erschröckt, daß er sich zum Christlichen Glauben bekehret hat.

Zur Zeit der Kayserin Theodorä, so mit ihrem jungen Printzen das Constantinopolitanische Reich verwaltete, begabe sich ein frommer Ordens-Mann, Methodius genannt, so ein Italiäner und Kunstreicher Mahler ware, an den Königlichen Hof der Bulgaren, welchen der König mit Namen Bogoris, sehr freundlich und liebreich, obwohlen noch ein Heyd, und der Christlichen Liebe unerfahren, empfangen hatte. Man hatte zwar unterschiedliche Mittel, diesen König zu dem Christlichen Glauben zu bekehren, angewendet; aber alles umsonst, dieweil er in den weltlichen und sinnlichen Eytelkeiten dermassen vertieft war, daß er den vernünftigen Ursachen, die man ihme vortruge, kein Gehör gabe. Gleichwie man aber gern siehet, was man liebt; also befahle er Methodio, er solle ihm in seinem neuen Pallast ein sonderbahres Kunst-Stuck von einem Gejagd (dann ihme nichts über hetzen und jagen ware) verfertigen, unterweilen aber etliche erschröckliche Figuren einmischen.


Methodio fiele alsbald ein gutes Concept ein, diesem hartnäckigen Heyden ein heylsame Forcht einzujagen. Nahme den Pensel in die Hand, und an statt des Gejagds fienge er an das letzte Gericht auf das künstlichste zu mahlen. In diesem ware der Himmel mit schwartzen Wolcken umhenckt, aus welchem ein zorniges Wetter herfür brache. Das Meer mit blutigen Wellen erschröcklich anzusehen; aus der Erden schlugen aller Orthen feurige Flammen herfür; in der Mitten sasse der strenge Richter in seinem Thron, auf einem Regenbogen, mit einer unzahlbaren Menge der Englen umgeben; vor dessen Füssen lagen die von den Todten auferweckte Menschen auf ihren Knyen zitterend, und mit einem erbärmlichen Anblick den Ausspruch ihres ewigen Heyls, oder Unheyls erwartende. Unten her erwarteten die Teuffel in unterschiedlichen Gestalten der Vöglen, Thieren, und Meer-Wunder, auf das allergrausamst gemahlet, mit ihren Hacken, Zangen, Ketten und Klauen des Richters Befehl, damit sie ihren Grimmen wider die Verdammten auslassen möchten. Aus dem höllischen Rachen brache ein feuriger Strom, samt einem dicken Rauch herfür, der sich ansehen liesse, als wollte er den Himmel verdecken, und die Erde mit Gift anfüllen.

Indem er dieses Kunst-Stuck verfertigte, wurde er zu unterschiedlichenmahlen [382] von dem König befragt, wie ihm die Arbeit von statten gienge? ob er sie bald vollenden werde? er aber hielte ihn so lang er konnte, auf; damit die Wirckung desto kräftiger wurde, mit Vermelden, daß er ein solches Kunst-Stuck zurichte, dergleichen er sein Lebtag niemahl gesehen; er auch selbsten niemahl unter Handen gehabt habe.


Endlich ware der Tag, an welchem das Werck seinen Meister sollte zu erkennen geben, bestimmt. Der König erschiene samt seinem gantzen Hof. Jederman laufte zu, und wollte seinen Fürwitz an diesem Kunst-Stuck büssen. Als man den Vorhang wegzoge, und die Arbeit sich sehen liesse, stunde der König samt seinen Hof-Herren eine gute Zeit mit Verwunderung darvor. Endlich wendete er sich zu dem Mahler, und sprache: was ist dieses vor ein Gejagd? hierauf nahme Methodius Gelegenheit, ihme das letzte Gericht, die Straf der Gottlosen, und die Belohnung der Frommen zu erklären, welches er also beweglich vorbrachte, daß sich der König in kurtzer Zeit ergabe, das Heydenthum verliesse, und den Christlichen Glauben bekennete.


Wann nun die Farben und die Gemähld eine solche Wirckung haben, was wird dann erst die wirckliche Eröfnung des letzten Gerichts selbsten thun? O GOtt! wie leichter kan man sich dieses einbilden, als mit Worten aussprechen. Causinus Tom. 1. in gemelter Hofhaltung.

85. Exempel
Fünf und achtzigstes Exempel.
Des Heil. Apostels Pauli fürtrefliche Verthädigung seiner selbst vor dem Römischen Rath wider seine Lands-Leut, die ihn bey dem Kayser fälschlich verklagt hatten.

Gnädige Herren.


Ich schätze mich anheut glückseelig, daß mir GOtt diese Gnad gönnet, mich in eurer Anwesenheit zu rechtfertigen über alle Puncten, in denen mich meine Lands-Leut angeklagt haben, dann die grosse Fähigkeit, und das aufrichtige Verfahren dieses hoch-ansehnlichen Raths in Entscheidung der Strittigkeiten des gantzen Kayserthums seynd mir meines Orts gar wohl bekannt. Dannenhero fange ich an nach einer lang ausgestandenen verdrießlichen Reiß, und tausend Widerwärtigkeiten, nun wiederum Athem zu schöpfen, indem ich mich vor dem Richterstuhl des Kaysers gestellt sehe, zu dem ich appellirt habe. Bitte aber demüthig, mich [383] mit Gedult und Billichkeit anzuhören, wie sie gewohnt seynd gegen denen, die unterdruckt worden.


Meine Ankläger wissen wohl, was ich von Jugend auf für ein Leben geführt hab, und daß mich GOtt zu Tharsis in Cilicien (so mit Burgerlichen Freyheiten dieser Haupt-Stadt der Welt einverleibt ist) hat lassen gebohren werden. Ingleichem, wie ich in der Religion meinen Voreltern gefolget, in einem guten und offenhertzigen Gewissen vor GOtt und den Menschen wandlend, ohne jemand zu beleydigen.


Ich bekenne, daß ich, gemäß meiner glaubwürdigen Sect die veste Hofnung geschöpft hab auf die Unsterblichkeit der Seelen, und allgemeine Auferstehung der Menschen, so vermittelst der unfehlbaren Verheissungen des lebendigen GOttes (deme nichts unmöglich ist) bestättiget wird. Ich bin ebenfals begierig geweßt, alle Gewohnheiten meines Gesatzes zu beobachten. Der Eifer, von dem ich deßwegen branne, machte mich glauben, daß ich Ursach hätte die Christen zu verfolgen, und nachdem ich von den hohen Priestern darzu die Commission übernommen, suchte ich sie genau auf, um selbige zu erhaschen, zu feßlen und zu peynigen.


Der Grimmen triebe mich so weit, daß ich nicht vergnügt war, ihnen in dem Juden-Land eine starcke Verfolgung zu erwecken, sondern ich gienge noch weiter in fremde Städt, wohin sie ihre Zuflucht nahmen, um sie zu der Marter zu liefern. Da geschahe es dann, daß ich mich auf dem Weeg nacher Damasco, einer zimlich berühmten Stadt, da ich nichts als Feur und Troh-Wort wider die Christen ausspyhe, von einem so glantzenden Liecht umgeben sahe, daß es die allerfeurigste Strahlen der Sonnen übertraffe, und aus diesem Liecht eines Menschen-Stimm sich vernehmen liesse, die mich bey meinem Namen nennte, und befragte, warum ich mich unterstünde, ihne zu verfolgen? ich rede vor GOtt und vor euch, meine gebiethende Herren, mit aller Redlichkeit, und gestehe, daß ich mich hierüber sehr bestürtzt befunden, und von deme, der mich angeschrien, zu wissen verlangt hab, wer er seye? darauf er mir geantwortet, er nenne sich JEsum; und es werde mir theur genug stehen, wann ich mich wider den Sporn setzen wolte. Und alsbald, da ich samt meinen Leuten vor Schrocken zur Erden lage, befahle er mir, aufzustehen, mir bedeutend, daß er mich zu seinem Volck, und allen Einwohnern des Welt-Kreyses abordnen wolte, damit ich von ihme Zeugnuß gebe, sie aus dem Gewalt der bösen Geistern zu erledigen, und an das Liecht versetzen; auch die Mittel an die Hand geben solte, Verzeihung ihrer Sünden, und durch den Glauben (der in Christo JEsu bestehet) die Erbschaft der Heiligen im Himmel zu erlangen. Deswegen, meine Herren! konte ich mich dem himmlischen Gesicht [384] nicht ungehorsam erweisen; sondern rüstete mich unverzüglich das Wort GOttes zu verkündigen, und jedermänniglich zu ermahnen, sich durch Buß-Werck zu GOtt zu wenden. Und sehet da! dieses ist all mein Verbrechen; aus welchem erhellet, daß ich nichts wider das Gesatz, nichts wider den Tempel, und nichts wider den Kayser mißhandlet hab; sondern allen Unterthanen des Reichs, die mich verstanden haben, unabläßlich gerathen, dem Kayser einen vollkommenen Gehorsam zu erweisen. Nichts destoweniger bin ich von etlichen neidigen Juden im Tempel angehalten, und der Pöbel wider mich verhetzt worden, der mich in Stucken zerfetzt hätte, wann mir nicht die Kayserliche Soldaten wären zu Hülf kommen. Dann GOtt hat mir das Leben bis jetzt erhalten, um meinen Dienst zu vertretten; die mir aufgetragene Geschäft abzulegen, und denen Völckerschaften die Zeitungen ihres ewigen Heyls überbringen zu können.


Gnädige Herrn! so viel ich spühre, so seyd ihr grosse Eyfferer des heydnischen Glaubens, ihr habt Götzen-Bilder, und prächtige Tempel. Man muß aber nicht gedencken, daß GOtt, welcher der allereineste Geist, und ein Erschaffer Himmels und der Erden ist, in denen von Menschen-Händen gebauten Templen sich einsperren lasse; oder ihrer Wercken zu Erfüllung seiner Glory vonnöthen habe. Nein, keinesweegs; dann er selbst derjenige ist, der das Leben, den Athem, das Wohlweesen, die Ehr, die Bequemlichkeiten, und alles anderes uns verleyhet, was wir in der Welt hoffen können. Er ist es, der aus einem eintzigen Mann, nemlich dem Adam als dem ersten aus den Menschen, diesen gantzen grossen Hauffen der Völckern hervorgebracht hat, wovon mit einer beharrlicher Erbfolge die Runde des Erd-Krayses bewohnt bleibet. Er ist es, der denen Zeiten den Lauf bestimmet; denen Reichen die Schrancken stecket, und seinen Sitz in einem unzugänglichen Liecht aufrichtet. Er spricht uns allen einen großmüthigen Fürwitz ein, ihne zu suchen, und Mühe anzuwenden, um ihne zu finden, und gleichsam mit Fingern zu berühren, wann es seine Beschaffenheit zuliesse, ihne mit Händen zu fassen, und er ist nicht weit von einem jeden aus uns, sondern wir haben das Leben, die Bewegung, und das Weesen in ihme. Ja, damit ich mit dem Vornehmsten aus euren Reimen-Dichtern rede: Wir seynd aus dem Geschlecht GOttes.


Demnach geziemet es uns nicht, daß wir die göttliche Natur schlechter, als uns machen; sie mit unempfindlichen Dingen in Vergleich setzen; als etwann mit Gold, Silber, Stein, und andern durch die Kunst oder Ersinnung der Menschen ausgearbeiteten Materien. Gewißlich, GOtt hat diese Unwissenheit der sterblichen Menschen von oben herab mitleydig angesehen, und ihnen seinen Sohn, die weesentliche Aehnlichkeit seiner Schönheiten, [385] und das Kennzeichen seiner Glory, wahren GOtt und wahren Menschen auf diese Welt gesendet, welcher um unserer Sünden willen gestorben, um uns in seinem Blut abzuwaschen, und auf ein neues zu gebähren; dessen Wort nichts als Mirackul gewesen; also zwar, daß er in Betrachtung seiner Auferstehung auch über den Tod triumphierte: und eben durch ihn wird der himmlische Vatter am letzten Gerichts-Tag die Lebendige und Verstorbene urtheilen, und vor dem Thron seiner Majestät werden wir sammentlich erscheinen müssen, um den Lohn für Gutes und Böses, so wir in unserem Leben gethan haben, einzunehmen.


Dieser allmächtige Monarch der Englen, und der Menschen laßt ihm das Hertz nicht abgewinnen durch das Fleisch und Blut der Thieren, weder durch den Geruch des Rauchwercks, wohl aber durch die Ubung der Gerechtigkeit, und der Reinigkeit unserer Leibern. Darum meine gebiethende Herren! gleichwie er euch in der Würde über andere Menschen erhöhet, also seyd ihr auch absonderlich verbunden, ihne im Geist, und in der Wahrheit anzubetten, die Gerechtigkeit nach dem Befehl ihro Kayserl. Majestät Hand zu haben, und die Unschuldige von der Verfolgung der Hochmüthigen zu erlösen, auf daß, wann ihr wahrhafte Nachfolger GOttes werdet, ihr auch einstens euren Theil an seiner Glory erlangen möget. Ex Causini Tom. 2.


Diese Verthätigung hatte bey dem Römischen Rath einen solchen Nachdruck, daß Paulus von aller Schuld ledig gesprochen, und auf freyen Fuß gestellt worden: ja, es wurde ihm auch erlaubt, in Rom das Evangelium zu verkündigen; welches allen einen solchen Muth machte, daß auch diejenige selbst, die es vorhero verlassen, wiederum angenommen, Buß gewürckt, und auch andere zu solcher durch ihr Exempel kräftig bewegt haben.

86. Exempel
Sechs und achtzigstes Exempel.
Kaysers Carl des grossen, merckwürdige Ermahnung, die er kurtz vor seinem Tod an seinen Sohn Ludwig gethan, da er ihm, als seinem Nachfolger in der Regierung die Kayserliche Cron auf das Haupt setzte.

Mein lieber Sohn, heut ist der Tag, an welchem ich dem Kayserthum absterbe, und der Himmel mich in deiner Person gleichsam wiederum laßt gebohren werden. Wann du glücklich zu regieren verlangest, so förchte GOtt, welcher der Ursprung der Kayserthümer, und ein vollmächtiger [386] HErr aller Herrlichkeiten ist. Halte seine Gebott, und befleisse dich, selbige mit unverbrüchlicher Treu zu halten. Nimme dich sorgfältig um die Beschützung der Kirchen an; liebe deine Brüder und Schwestern, und erweise dich gegen deine Bluts-Verwandten gut und dienstwillig; lasse dir deine Unterthanen zärtiglich befohlen seyn, als wie ein Vatter seine Kinder, und seye allzeit ein Tröster und Schirmer der Armen. Straffe die Missethäter: hingegen belohne diejenige die sich wohl verhalten. Verordne keine Statthalter, Richter und Beamte, als solche Leut, die geschickt, und ohne Tadel seynd; und im Fall du taugliche, und tugendliche Personen zu solchen Aemtern bestellt hast, so setze selbige nicht ab, du habest dann die allerbillichste Ursach darzu, Befleisse dich, der erste zu seyn, von welchem alle ein gutes Exempel nehmen, und führe vor GOtt und denen Menschen einen unsträflichen Wandel. Causinus Tom. 2.

87. Exempel
Sieben und achttzigstes Exempel.
Ein vornehmer reicher HErr an dem königlichen Hof in Persien wird um des Christlichen Glaubens willen aller seiner Reichthumen gewaltthätiger Weiß beraubt: welches er doch mit grosser Gedult übertragen, und im Glauben beständig verbliben ist.

Diesem Herrn, mit Nahmen Suenes, schickte der König, so ein Heyd war, solche Preß-Reuter zu, die ihn in kurtzer Zeit um Haab und Gut (dessen er sich nicht zum Pracht, sondern zur Andacht gebrauchte) endlich auch an den Bettelstab gebracht. Er aber, weilen er zu Gemüth führete, was gestalten der höchste GOtt selbst um unsertwillen die Armuth auserwählet habe, übertruge solche Gewaltthätigkeit mit grosser Gedult, und tröstete sich mit diesem, daß, obwohlen man ihn aller zeitlichen Schätz und Güter beraube, man ihne doch des grösten Schatzes, des wahren Glaubens nicht berauben könne. Damit ihn aber der König empfindlicher angriffe, liesse er ihm seine Kinder vor den Augen zu Leibeigenen an Ketten schmiden, und hinweg führen, welchen der Vatter mit weinenden Augen also zusprache: ihr meine Kinder! behüte euch GOtt; und sehet, daß ihr den Glauben, den ihr von mir erlernet, niemahls verlasset. Ubergebet williglich anderen die Reichthum und Ehren dieser Welt: dann ihr werdet reich und edel genug seyn, wann ihr an eurem HErrn und GOtt werdet treu verbleiben. Der Glaub wird euch die Zäher abtrocknen; euer Armuth bereichen, euere Band glorwürdig, und eueren Tod herrlich machen. [387] Diese Verfolgung ist ein fürübergehendes Wetter, darauf ein solcher Tag erfolgen wird, der weder Finsternuß, noch End, sondern ein ewiges Liecht, Glory und Herrlichkeit haben wird. Diese Standhaftigkeit, so die gantze Welt hätte sollen zur Verwunderung bewegen, hat die Heyden sehr verbittert, und weilen man im Sinn hatte, ihne nach und nach gleichsam durch ein schwaches Feuer zu verzehren, übergabe man ihme samt den benommenen Gütern einem aus seinen gewesten Dienern, so der grausamste, und untreueste an seinem Herrn war. Suenes aber aller hertzhaft achtete es nicht, sondern sagte: man hat mich zwar aller zeitlichen Gütern beraubt, JEsum Christum aber wird man mir nicht nehmen: diesen allein erkenne ich für meinen HErrn, sowohl in der Dienstbarkeit, als Freyheit, in Glück und Unglück, im Leben und und im Tod, so lang ich ein Haar auf meinem Kopf, und einen Bluts-Tropfen in meinen Adern haben werde, so lang werde ich mich wider die Hölle und Gottlosigkeit setzen. O unerhörte Starckmüthigkeit! dann in so langwieriger Peyn und Marter hat man kein eintziges ungebührliches, oder einem Christen übel anständiges Wort aus seinem Mund gehört. Also muß man die Höll und den Teufel mit Füssen tretten; und sich der ewigen Güter theilhaftig machen. Causinus To. 2.

88. Exempel
Acht und achttzigstes Exempel.
Die Erzehlung von dem Leben des H. Einsidlers Antonii ist Augustino ein starcker Antrieb zu seiner Bekehrung.

Pontianus, ein Africanischer Edelmann, welcher ein kayserlicher Hof-Herr war, und sich eine Zeit lang zu Mayland aufhielte, suchte einstens Augustinum heim; und da er in dessen Zimmer getretten, sahe er ohngefehr auf seinem Tisch liegen die Sendschreiben des Heil. Pauli. Pontianus, so ein andächtiger Herr ware, und wohl wußte, daß Augustinus vorhin in Lesung weltlicher Bücher sehr fürwitzig gewesen, fienge an zu lächlen, weilen er sahe, daß Augustinus nunmehr mit einem Apostel die Zeit vertreibe. Allein Augustinus gabe ihm zur Antwort, er habe nicht Ursach sich zu verwunderen; dann dises jetzt seine vornehmste Ubung seye. Als ihn derohalben der Edelmann in einem solchen guten Willen sahe, fienge er an, unterschiedliche andächtige Sachen zu erzählen. Unter anderen thate er Meldung von dem Leben des Heil. Einsidlers Antonii, ab deme sich Augustinus und Alipius sein Freund hoch verwunderte: weil sie von diesem grossen Heiligen niemahl etwas gehört hatten. Also wenig waren sie fürwitzig, dasjenige zu wissen was niemand unbekannt seyn konte, [388] als nur denjenigen, die sich selbst zu allen Zeiten nicht wissen wolten. Der andere führt sein Gespräch fort, und erzählt ihnen von den Versammlungen der Ordens-Leuten, welche schon dazumahl starck im Schwung, und von männiglichen hoch geachtet waren; und setzte hinzu, wie daß zu Mayland in der Vorstadt ein von dem Heil. Ambrosio erbautes Closter wäre, in welchem grosse Exempel zu finden seyen. Beyde, Augustinus und Alipius hörten ihme aller schamroth zu, daß sie eines so grossen Schatzes, der gleichsam zu nächst an ihrer Hausthür ware, keine Erkanntnuß hätten; indem sie allein die Bücher und Schriften derjenigen, so allbereit in den höllischen Flammen sitzen, thäten durchblätteren. Als dieser fromme Edelmann sahe, daß sie ab solchen Reden ein Wohlgefallen hätten, fuhre er fort, und sprache:


Auf eine Zeit, als ich mich mit dreyen vom Adel, meinen guten Freunden zu Trier befande, und der Kayser samt seinem gantzen Hof einmahl Nachmittag einem Turnier zuschaute, kame uns ein Lust an, ein wenig in etliche bey der Stadt gelegene Gärten spatzieren zu gehen. Zwey aus uns kamen ungefehr zu einer kleinen Hütten, in welcher sie etliche Einsidler, und ein Buch von dem Leben des Heil. Antonii fanden. Der eine nimmt das Buch, liset, und verwundert sich darüber, und wird darvon dermassen entzündet, daß er sich in seinem Hertzen entschlosse, sein Leben zu änderen. Und weil er sich nicht mehr enthalten konte (dermassen voll ware er von der Liebe GOttes; der Reu und Leyd wegen seinen Schwachheiten) kehrte er sich gegen seinem Gesellen und sprache: wohlan! was suchen wir mit aller unserer Mühe und Arbeit? wohin zielt all unser Ehrgeitz? zu was End tragen wir diese Waffen? was begehren wir mit so viel Sorgen zu erlangen? nemlich, damit wir in Gnaden seyen bey einem Menschen, welcher leichter als der Luft; gebrechlicher als das Glas; unbeständiger als der Rauch. O GOtt! durch was Gefahren begeben wir uns in eine noch grössere Gefahr? auf was für einer Leiter steigen wir auf einen Thur von Eis, darauf wir allzeit unseren Fuß auf einen schlipferigen Ort zum gäntzlichen Untergang setzen. Nun kan ich, wann ich nur will, ein Freund GOttes seyn.


Er liset in dem Buch gantz entzündet fort; und bald darauf schreyet er noch einmahl auf, als wann er gantz verzuckt wäre: es ist nunmehr geschehen, ich hab meine Band zerrissen, und gleich von dieser Stund an, und an diesem Ort bin ich entschlossen GOtt zu dienen. Gehet hin, mein guter Freund! wollet ihr mir nicht nachfolgen; aufs wenigst werdet ihr euch meinem Vorhaben nicht widersetzen. Der andere aber gabe unverhoft diese Antwort: behüte mich GOtt, daß ich euch auf einem so guten [389] Weeg, und ehrlichen Kampf verlasse; und mich selbst einer so glorwürdigen Belohnung beraube.


Also wurden sie gleichsam in einem Augenblick aus edlen Rittern zu Einsidlern. Entzwischen suchten wir sie, ich und mein Gesell, und fanden sie derselbigen Hütten. Wir gaben ihnen einen Verweiß, daß sie sich also lang hatten suchen lassen, und sagten, es wäre nunmehro Zeit, den Spatzier-Gang mit dem Tag zu enden. Sie aber antworteten aller ernsthaft, sie hätten allbereit ihre Wohnung gefunden; wir mögen wohl unsern Weeg hinnehmen, wohin wir wollen, sie seyen gäntzlich entschlossen, von dannen niemahl mehr zu weichen. Ich vermeynte zwar von Anfang als schertzten sie mit uns. Als ich aber dieses, was geschehen war, vernommen, und der Sach etwas tieffers nachgedacht, befande ich wahrhaftig, daß sie gantz andere Leut worden. Wir schamten uns, sie zu verlassen; und fanden uns doch nicht starck genug zu seyn, ihnen nachzufolgen. Endlich mußten wir mit vielen Zäheren voneinander scheiden, und sie in ihrer geistlichen Ruhe verlassen. Im heimkehren brachten wir diese Bottschaft zweyen adelichen Jungfrauen ihren Hochzeitern, welche von gleichem Geist entzündet darein gern verwilliget, und ihre Jungfrauschaft GOtt dem HErrn dazumahl als das hochzeitliche Fest hätte sollen gehalten werden, verlobt haben. Causinus Tom. 1.

89. Exempel
Neun und achtzigstes Exempel.
Ein Beamter, weil er seine Unterthanen hart gehalten, und gepreßt, zeiget nach dem Tod seinen Befreundten an, wie daß er ewiglich verdammt seye.

Als dieser mit Tod abgangen, hat man dessen Leichnam in die Kirchen gesetzt, bis gleichwohl seine Befreundte in seinem Haus zusammen kommen, und seiner Begräbnuß beywohnen könten. Mittlerweil, als die arme Schul-Kinder bey der Todtenbahr für den Verstorbenen ihr Gebett verrichteten, sihe! da richtet sich der Verstorbene in der Todtenbahr auf; gehet zur Kirchen hinaus, und seinem Haus zu. Er nimmt den Weeg die Stiegen hinauf, trittet in die Stuben hinein, und stellt sich mitten unter seine klagende Befreundte. Alle (wie leicht zu gedencken) erschracken heftig, sahen einander an, und hielten ein tieffes Stillschweigen: bis endlich einer aus ihnen des Hertz gefaßt, und zu dem Verstorbenen gesprochen: Alle gute Geister loben GOtt den HErrn. Der Verstorbene antwortet: aber ich in Ewigkeit nicht. Und warum nicht? (ware die Frag an ihn) bist du dann verdammt? [390] Ja (ware seine Antwort) und zwar darum: weil ich meine Unterthanen gar zu hart gehalten; wider alle Billichkeit gepreßt, und mithin viel fremdes Gut an mich gebracht hab. Als er dieses ausgeredt, erhube sich gähling ein starcker Sturm-Wind, welcher ihn zum Fenster hinaus, und in den Hof des Hauses hinunter gerissen, allwo er still gestanden, und den Himmel erbärmlich angesehen; mithin in diese Wort ausgebrochen: ach: das ist das letztemahl, daß ich den Himmel anschaue, forthin wird es in Ewigkeit nicht mehr geschehen. Nach welchen Worten er verschwunden, und der Höllen zugefahren. Rübler S.J. In seinem Wunder-Spiegel, anderten Theil.

90. Exempel
Neuntzigstes Exempel.
Ein frommer Türck wird wunderbarlich zum Christ-Catholischen Glauben bekehrt; dessen Wahrheit zu bezeugen er auch eine grausame Marter aussteht.

Ein frommer Armenischer und Catholischer Priester der Griechischen Kirchen (welche ihren Priesteren, wann sie anderst keine Ordens-Leut seynd, den Ehestand zulaßt) hatte ein eheliche Tochter, so ihme, da sie im sechszehenden Jahr ihres Alters war, von Meer-Rauberen verführt, und einem Türckischen Scherif (ist der Namen eines vornehmen Herrns bey denen Türcken) zu einer Sclavin verkauft worden. Diese mit Christ-Catholischen Tugenden; wie auch schöner Leibs-Gestalt, und höflichen Sitten begabte Jungfrau gefiele dem Scherif so wohl, daß er sie ihm verehelichet hat. Allein mußte sie, ihrem Ehe-Herrn zu Gefallen, nach Türckischer Glaubens-Art leben; in ihrem Hertzen aber, gleichwie sie beständig bey der Catholischen Religion verbliebe, also hatte sie einen Abscheu ab dem Türckischen Greuel; liesse auch mithin nicht nach GOtt inniglich anzuruffen, daß er sie doch aus diesem gefährlichen Stand erlösen wolle.


Inzwischen begabe es sich, daß diesem Scherif nach etwelchen Jahren samt vielen von Meer-Rauberen entführten gefangenen Christen auch ein alter Mann zu einem Sclaven verkauft worden, unwissend, von wannen, und was Stands er wäre. Wie dann auch des Scherifs Gemahlin denselben bey seiner Ankunft im geringsten nicht kennete; jedoch aber gegen ihm ein so heftige Neigung spürte, daß sie sich selbst darüber nicht genug verwunderen konte. Nimmt derowegen die Gelegenheit, von ihm auszuforschen, was Lands, Stands und Handels er wäre. Die aufrichtige Wahrheit, so er bekennte, gabe [391] ihr Anlaß zu muthmassen, dieser alte Mann därfte etwann ihr leiblicher Vatter seyn. Jedoch hielte sie diesen Argwohn bey ihr selbst in Geheim, so lang, bis sie ein andere Gelegenheit ersehen, ein mehrers, und umständlichers von ihm zu erkundigen. Als der fromme alte Mann ihro wiederum die aufrichtige Wahrheit eröfnet hatte, fienge er unter Vergiessung häufiger Zäheren umständlich zu erzählen, wie daß ihm von so und so viel Jahren seine leibliche Tochter (die er auch mit Namen nennete) wäre entführt worden, welche doch in allen seinen Widerwärtigkeiten sein eintziger Trost geweßt seye. Nun aber, da er sie verlohren, seye mit ihr alle Freud verschwunden. Dieser Ursachen wegen lebe er jetzt in stätem Kummer und Betrübnuß, welche ihm mehr, als seine Gefangenschaft zu Hertzen gehe. Ueber diese Erzählung ward die Scherifin in ihrem Hertzen also gerührt, daß sie dem alten Mann um den Hals gefallen, und in diese Wort ausgebrochen: Ich, ich bin dein Tochter, die du also bedaurest; und du bist mein hertzallerliebster Vatter. Jetzt nachdem du mich vor so vielen Jahren verlohren, hast du mich wiederum gefunden. Worüber der gute Alte also erstaunet, daß er in eine Ohnmacht dahin gesuncken. Als er sich aber nach und nach wiederum daraus erholet, und die Scherifin genau in das Gesicht gefasset, erkennte er, daß diese, und kein andere seine leibliche und hertzliebste Tochter seye: bate also, dieses alles in höchster Geheimnuß zu behalten, damit weder ihro, noch ihme eine Ungelegenheit daraus entstehen möchte. Welches auch die Scherifin aufs genaueste beobachtet hat. Dann, wiewohl sie diesen ihren erkannten Vatter viel besser, als andere Sclaven hielte, wußte sie es doch mit diesem zu vermäntlen, daß es in Ansehung seiner grauen Haaren, und hohen Alters geschehe.


Ueber ein kurtzes befiehlt der Scherif diesem seinem eignen, aber noch unbekannten Schwäher hinaus auf sein Land-Gut zu gehen, und alldort die Schaaf zu hüten. Wiewohl nun dem guten Alten diese Absönderung von seiner liebsten Tochter sehr schwer fiele, so hatte er doch diesen Trost, daß er draussen im Feld von den Leuten entfernet, die Gelegenheit hatte seinem priesterlichen Stand nach täglich die Heil. Meß zu lesen, worzu ihm dann die Scherifin alle Nothwendigkeiten vorsichtiglich übermachte. Hierzu gabe ihm Gelegenheit die Höle eines Bergs, in welcher er seine Andacht verrichten konte: welches er auch mit grossem Eifer thate.


Nun begabe es sich auf eine Zeit, daß der Scherif ins Feld hinaus gienge, um seine Heerd zu besichtigen. Und als er gesehen, daß diese sich bey der Höle des Bergs aufhalte, gienge er auch dahin; siehet aber von weitem einen wunderlich-schönen Glantz aus der Höle herfür gehen. Ja, was noch mehr zu bewunderen, als er näher [392] hinzu kommen, siehet er, daß die gantze Herd Schaaf in schöner Ordnung mit gegen der Erden geneigten Kopf auf den vorderen Füssen, wie kniend da liege. Es stunde nemlich dazumahl der zum Hirten-Dienst gewidmete Priester eben an dem Altar, und war in dem Heil. Meß-Opfer begriffen. Und weilen er schon consecriert hatte, war er in der Andacht also vertieft, daß er seinen ankommenden Herrn, den Scherif anfänglich nicht wahrgenommen, bis er ihn endlich neben der Seiten ersehen, worüber beyde bestürtzt wurden. Der Priester zwar, daß er als ein Sclav in diesem Werck erdappet worden; der Scherif aber, daß er so wunderliche Ding zu sehen hatte, so wohl an der auf den Knien liegenden Herd der Schaafen, als an der auf dem Altar liegenden, und immerfort den zierlichsten Glantz von sich werfenden Heil. Hostie. Fragte demnach ernstlich, was das wäre, welches so heftig glantzte? der erschrockene Priester hatte aus dieser Frag wohl gemerckt, daß ein grosses Wunder mußte geschehen seyn. Erzählt ihm alles aufrichtig, wie daß er nicht allein ein Catholischer Christ; sondern auch ein Priester seye. Die Hostie aber auf dem Altar, welche aber einen so schönen Glantz von sich gebe, und von der Herd auf den Knien liegend mit zur Erden geneigtem Kopf verehret werde, seye nichts anders als der wahre, und lebhafte Leib und Blut JESU Christi, des eingebohrnen Sohns GOttes, und allgemeinen Erlösers des gantzen menschlichen Geschlechts. Der Scherif hierüber erstaunend begehrt einen Particul von der Heil. Hostie, sagend, wie daß er selbige ehrenbietig mit sich nach Haus tragen, und in einem mit Tappezereyen ausgezierten Saal aufbehalten wolle. Welches ihme dann der Priester (als welcher keine Entunehrung besorgte) ohne Widerred zugelassen. Und als selbige von dem Scherif in den Saal gebracht worden, ward selbiger also erleuchtet, als wann die Sonne selbst zugegen wär. Wordurch dann der Scherif in seinem Gemüth also erleuchtet worden, daß er sich entschlossen, ein Christ zu werden; wiewohl er vorsahe, daß ihm hierüber Leib- und Lebens-Gefahr wurde auf den Hals gezogen werden. Demnach beruft er den Priester von der Herd zu sich nach Haus, und eröfnet ihm sein Vorhaben, mit innständigem Begehren, daß er sich seiner annehmen, in der wahren Christ-Catholischen Lehr unterweisen, und zu einem vollkommenen Christen machen wolte. Als dieses mit höchstem GOttloben, insonderheit der Frau Scherifin geschehen, und ihr Herr Ehegemahl den Heil. Tauf empfangen hatte, wird ihm umständlich hinterbracht, wie daß dieser Priester der Frau Gemahlin leiblicher Vatter, und hiemit des Herrn Scherifs Schwäher seye, welches dann allerseits die Freud verdoppelt, und ist der Saal von dem Herrn Scherif zu einer Haus-Capell bestimmt worden.

[393] Dieser neubekehrte Herr fienge gleich darauf an seinen Eifer für die Ehr der Christ-Catholischen Religion zu zeigen, indem er zu dero Ehr in Türckischer Sprach zierliche Reimen verfasset hatte. Allein, er wurde von Freunden gewarnet, sich bey Leib nicht für den Urheber dieser Reimen auszugeben; sonsten därfte ihm ein grosses Unglück über den Hals kommen. Es ward aber dieser Herr darüber nur eifriger, und bekennete vor männiglich, daß er dem Glauben nach nunmehr kein Türck, sondern ein Catholischer Christ seye.


Da konte er aber ihm schon selbst vorsagen, daß er nichts anders, als eine grausame Marter zu gewarten hätte. Zu welcher, damit er sich gefaßter machte, befiehlt er dem Priester, seinem Schwäher-Vatter, wie auch seiner liebsten Gemahlin, alle seine kostbare Sachen einzupacken, sich damit in die Flucht zu begeben, und den Weeg in ihr Vatterland zu nehmen: welches dann unter Hertz-brechenden Seuftzeren, heissen Zäheren, und kläglichen Abschied geschehen ist.

Als dieses kaum vorbey, da langten schon die Gerichts-Diener von dem Türckischen Cadi (will sagen, von dem Unterrichter) an, so den Scherif gefangen nahmen, und für Gericht führten, mit heftiger Anklag, wie daß er ein Lästerer ihres Mahomets, und Türckischen Glaubens seye, ja so gar für einen Christen sich ausgebe.

Der Cadi fragt ihn, ob er dieser Klagen geständig seye? worauf der Scherif unerschrocken mit Ja geantwortet: und noch hinzu gesetzt, daß er als ein Christ leben, und sterben wolle. Der Cadi hierüber ergrimmet, laßt diesen Christlichen Bekenner auf gut Türckisch abprüglen, und in Kercker stecken, hoffend, er wurde sich eines anderen besinnen: welches der Cadi des folgenden Tags theils mit allerhand Schmeichlereyen; theils auch mit Bedrohungen zu erpressen sich bemühete. Als aber der Scherif weder durch eins, noch das andere sich bewegen liesse; sondern je länger, je mehr aufrufte, daß er ein standhafter Christ verbleiben wolle, da ward das Urtheil gefällt, daß, wann man zuvor allerhand Peinigungen an ihm wurde probiert haben, er alsdann lebendig solte geschunden werden: welches dann auch auf offentlichem Platz an ihme vollzogen worden. Unter welcher grausamen Marter dieser Blut-Zeug Christi in dem angenommenen Catholischen Glauben, sich im geringsten nicht änderte.


Alle in grosser Menge anwesende Zuschauer erstauneten ab der unüberwindlichen Standhaftigkeit; das um so viel mehr, da sie sahen, wie der Scherif auch nach abgerissener Haut noch stehen verblieben; ja so gar sein eigne Haut über die Achsel genommen, und nach dem Ort, wo er solte enthauptet werden, getragen hat.

[394] Als er in dieser erbärmlichen Gestalt neben einem grossen Stein vorbey gienge, rufte er drey Finger aufhebend mit lauter Stimm vor männiglich auf: O GOTT! wann der Christ-Catholische Glaub, den ich angenommen, der wahre und allein seligmachende Glaub ist, so bitte ich, daß dieser Stein so lind werde, damit ich meine blutige Finger hinein stecken könne. Welches dann auch geschehen, Und bleiben noch heut zu Tag die Maal dieser eingedruckten Fingeren in dem Stein, in dessen Löcher die vorbeygehende Christen ihre Finger hineinzulegen pflegen. Endlich, als diese Eindruckung geschehen, und schon alles fertig war, ihme auf der Richtstatt das Haupt abzuschlagen, da gabe er seinen Geist auf in die Händ seines Schöpfers, ehe und bevor der Scharfrichter das Schwerd hat brauchen können. Angelo di Milano nelle Fioretti Istorici.

Item Michael Feburne in seinem neuen Türckischen Schau-Platz; so auf Befehl Innocentii des Eilften gedruckt worden.


Wie solle nicht diese Begebenheit zu schanden machen die Calvinisten, welche die Gegenwart Christi unter denen consecrierten Gestalten des Heil. Sacraments des Altars laugnen därfen? so gar die unvernünftige Thier mercken diese Gegenwart; diese unglückselige Menschen aber wollten es nicht mercken. O Blindheit! O Verstockung! erleuchte sie, barmhertziger JEsu! damit sie dir jene Ehr erweisen, welche dir in diesem Heil. Sacrament in allweg gebühret; und damit sie mit uns Catholischen von Hertzen sprechen:


Gelobt sey JEsus ohne End,
In dem heiligen Sacrament.
91. Exempel
Ein und neuntzigstes Exempel.
Ein unschuldiger Jüngling, zu dessen Ermordung alle Anstalt gemacht war, wird von GOtt nicht allein wunderbarlich beschützt; sondern noch darzu wider aller Menschen Verhoffen eines Kaysers Tochter-Mann.

Conrad, dieses Namens, der anderte Römische Kayser, liebte die Gerechtigkeit so sehr, daß er keinem Menschen was Stands und Würde er auch immer war, das Leben schenckte, welcher wider ihn rebellisch, untreu, und meineidig worden. Nichts destoweniger strebte ihm Lupold ein Schwäbischer Reichs-Graf heimlich nach dem Leben. Weilen aber nichts so klein gesponnen, welches nicht komme an die Sonnen, als er vermerckt, daß man hinter seinen verrätherischen Anschlag kommen, und der Kayser [395] davon berichtet worden, nahme er mit seiner Gemahlin die Flucht in den Schwartzwald, von welchem nicht weit sein Schloß gelegen war. In diesem Wald fande er ein alte zusammen gefallene Mühle, in welcher er sich verborgen, auch mit scharfer Buß den göttlichen Zorn besänftiget, und also der Kayserlichen Rach entgangen. Lupold bliebe lange Jahr also verborgen, bis endlich Conrad in selbige Gegend kommen, in welcher, da er einem Hirschen begierig nacheilte, hatte er sein Hofstatt, und den Weeg verlohren. Er irrete also unter denen dicken Bäumen, und Gesträuß herum, bis endlich die Nacht eingefallen: da er dann zu eben selbiger Mühle kommen, in welcher sein Verräther Lupold verborgen war. Conrad kennete den vor Hunger ausgemergelten Lupold nicht mehr. Sein eingefallenes, runtzeltes Gesicht; sein verwachsenes Haar und Bart verstellten die vorhin bekannte Gestalt dermassen, daß er vielmehr einem Kohlbrenner, als Grafen gleich sahe. Lupold herentgegen kennete den Kayser Conrad nur gar zu wohl, welchen er jetzt unter sein Tach aufgenommen. Deswegen war Lupold die gantze Nacht ohne Schlaf, indem er bey sich zweifelhaftig berathschlagte, ob er sich dem Kayser zu erkennen geben, und um Gnad bitten: oder ihn im Schlaf ermorden; oder (ohne sich zu erkennen zu geben) ihne bey anbrechendem Tag entlassen solte. Er ware des Wald-Lebens nunmehr verdrüßig; mithin aber um Gnad zu bitten, ware gefährlich. Entschlosse sich also, noch länger verborgen zu bleiben.


Aber GOtt wolte die Sach wunderbarlich entdecken. Dann eben selbige Nacht, da Kayser Conrad bey Lupold, unter einem Tach war, geschahe es, daß Lupoldi Gemahlin Söhnlein zur Welt gebohren, bey dessen Geburt sich dreymahlen ein Stimm vom Himmel zum Kayser mit diesen Worten vernehmen lassen:Conrad! du solt wissen, daß dieses Söhnlein, das du jetzt schreyen hörest, mit der Zeit dein Tochter-Mann seyn werd. Was diese Wort in dem Gemüth des Kaysers für seltsame Gedancken werden erweckt haben, kan ihm einer leichtlich einbilden.Was? (sprache er bey sich selbst) solle ich mit der Zeit meiner Kayserlichen Tochter einen Bauren-Sohn zur Ehe geben? solte dieser alle meine Güter, und Reichthum besitzen? das wird in Ewigkeit nicht geschehen. Deswegen beschlosse er, seinen hitzigen Zorn mit dem unschuldigen Blut zu löschen. Er meinte eben, er könne des anbrechenden Tags-Liechts nicht erwarten; weilen er ohne das auf einem harten ungewohnten Beth lage. Da es aber Tag worden, suchte er im Wald seine verlohrne Hofstatt, von welcher er gleichfalls sorgfältigist gesucht, und endlich auch durch der Jagd-Hunden Gespur, und Bellen gefunden worden. Kaum hatte er die Hofstatt erreicht, befahle er zweyen seiner Hof-Herren auf das schärfiste, sie sollten [396] jene Wohnung suchen, in welcher er verwichene Nacht beherberget worden. Sie vermeinten nichts anders, als der Kayser werde selbige Haus-Leut reichlich belohnen wollen; als welche ihn unter ihr Tach aufgenommen. Aber gantz das Widerspiel kame heraus, indem er ihnen unter angedroheter Leibs- und Lebens-Straf befohlen, das in verwichener Nacht gebohrne Kind zu ermorden: und zu einem Kennzeichen der vollbrachten Mordthat das Hertz des Kinds zu überbringen. Die zwey bestimmte Hof-Herren mußten also wider ihren Willen gehorsamen. Suchten demnach die angezeigte Wohnung, und fanden in selbiger das unschuldige Kind in der Schoos seiner Mutter. Was bey diesen betrübten Eltern die unverhofte Zeitung, kraft welcher sie ihres eintzigen Trosts solten beraubt werden, für ein Hertzen-Leid werde verursacht haben, ist leichter zu gedencken, als mit Worten zu erklären. Ist das die Kayserliche Belohnung, dieweil wir ihm die Nacht-Herberg gegeben? (schrye auf die weinende Mutter) soll dann mein Söhnlein nicht einen Tag beym Leben verbleiben? was hat doch das unschuldige Blut gesündiget? ermordet viel mehr uns Eltern; damit wenigst in dem Kind unser Gedächtnuß überbleibe. Die himmlische Stimm hat dich, O grausamer Kayser! zu solchem Blut-gierigen Zorn veranlasset: aber du streittest nicht wider die Menschen; sondern wider GOtt selbst, dessen Schutz wir unser Kind anbefehlen: weilen wir doch solches anderst nicht von deinem rachgierigen Gewalt erretten können. Auf diese klägliche Red gabe die betrübte Mutter dem saugenden Kind den letzten Beurlaubungs-Kuß, und benetzte mit ihren mütterlichen Zäheren dessen zarte Wängelein. Durch welche grosse Liebs-Neigung auch die Abgesandte zum Mitleiden bewegt worden. Weilen sie aber aus Forcht des Kaysers dem Kind das Leben nicht schencken durften, es wäre dann Sach, daß sie sich ihres eignen berauben wollen, rissen sie das Kind (O wer kan solches ohne Mitleiden anhören?) aus der mütterlichen Schoos; und mußten also die betrangte Eltern zusehen, wie man die lebendige Leich aus dem Haus trage.

Das allerseits verlassene Kind konte von niemand, als von GOtt allein beschützt werden, welcher dem Gerechten, und Unschuldigen auch die Verfolgung kan zu Nutzen machen. Die schöne zarte Gestalt, und Holdseeligkeit des Angesichts begunte nunmehr die Abgesandte zur Barmhertzigkeit zu bewegen, durch dessen liebreiche Anblick die Hertzen beyder Hof-Herren also erweicht wurden, daß so oft einer die Hand wollte an das Schwerd legen, selbige von heimlichen Naturs-Gewalt gleichsam zuruck gezogen wurde. Deswegen einer zum anderen sagte: ich kan mich einmahl zu dieser Mordthat nicht entschliessen: ich will meine Händ mit diesem unschuldigen Blut nicht [397] beflecken. Wurde also der Schluß gemacht, das Kind auf den nächsten Waasen hinzulegen, und es gleichwohl der göttlichen Vorsichtigkeit zu überlassen. Nachdem das arme Kind also dahin gelegt worden, waren sie besorgt, was sie dem Kayser für ein Hertz an statt des kindlichen überbringen solten. Aber nachdem sie einen an der Hand mit sich geführten Jagd-Hund los gelassen, laufte dieser den gantzen Wald durch, und brachte zu den Füssen seiner HErren einen Haasen. Dem haben sie dann (dieser Gelegenheit sich bedienende) das Hertz ausgeschnitten, und selbiges dem Kayser überbracht; welcher selbiges ansehend ihre Treu gelobt, und sie reichlich belohnet hat.


Sehet aber die wunderbarliche Vorsichtigkeit GOttes! dann durch das Schreyen und Weinen des Kinds ist ein teutscher Fürst, mit Namen Ernestus, welcher in selbigem Wald irr geritten, zu dem Waasen auf welchem das Kind lage, hingelockt worden. Welcher dann selbiges aus Mitleyden aufgehebt, und heimlich mit sich nach Haus getragen. Und weilen seine Gemahlin niemahl kein Kind erzeugt, vermeinten sie beyde, dieses Söhnlein seye ihnen von GOtt zu einem Erben ihres Geschlechts, und Fürstenthums zugeschickt worden.


Damit aber diese Begebenheit einen besseren Fortgang hätte, berathschlagte sich Ernestus mit seiner Gemahlin, sie solte sich bey eitler Nacht stellen, als wann sie ein Söhnlein gebohren hätte; zu welchem End sie dann gewisse Leut mit Geld bestochen hatte, dieses Vorgeben bey anderen glaubwürdig zu machen. Ernestus machte gähling ein Freuden-Geschrey von der neuen höchst-erwünschten Geburt; und hatte alles einen glücklichen Ausgang. Dann es versamlete sich des anderen Tags der hohe Adel um Glück zu wünschen; (und wie man zu schmeichlen pflegt) rufte man das Kind aus, als sehe es dem Fürsten Ernestus gantz gleich. Ernestus und seine Gemahlin, nachdem sie die Stelle des Vatters und der gebährenden Mutter arglistiglich vertretten, liessen das Kind tauffen, und ihm den Namen Heinrich geben, welchen sie dann in tugendsamen Wandel, und adelichen Ubungen auferzogen. Es wußte auch Heinrich von keinen anderen Elteren, als von Ernestus und seiner Gemahlin.


Als er das zwantzigste Jahr erreicht, wurde er wegen seiner sonderbaren Tugend und Geschicklichkeit, wie auch hohen Adel an dem kayserlichen Hof angenommen; von allen beliebt, und hochgeschätzt, theils wegen vortrefflichen Naturs-Gaaben, theils auch wegen angebohrner Freundlichkeit, mit welcher er aller Menschen Hertzen einzunehmen wußte.

Die öftere Gegenwart dieses jungen Heinrichs erweckte wiederum bey dem Kayser die schon einmahl vergangene Forcht, dieser seye vielleicht eben das Kind, welches er zu ermorden befohlen. [398] Deswegen entschlosse er sich, den Heinrich tödten zu lassen. Weilen dann die Kayserin dazumahl zu Aachen in Westphalen vom Kayser entfernet ware, schriebe er ihr mit eigner Hand einen Brief, mit dem Befehl, sie solte dessen Uberbringer alsobald ermorden lassen, so lieb ihr das eigene Leben seye. Heinrich mußte der Uberbringer dieses Briefs seyn, unter dem Vorwand, als wolte der Kayser dieses geheimiste Geschäft keinem anderen anvertrauen. Heinrich sich keines Bösen, oder Lebens-Gefahr besorgend, kame dem kayserlichen Befehl schleunig nach, und ritte Tag und Nacht auf der Post.


Unter Weegs aber, weil er von der Reise sehr abgemattet war, kehrte er um Mittags-Zeit bey einem Dorf-Priester ein; und nachdem er das Mittagmahl eingenommen, legte er sich auf ein Beth hin, ein Stündlein lang auszurasten. Als nun der Priester sahe, daß aus dem Sack des Schlaffenden ein kayserlicher Befehls-Brief hervorgienge, stache ihm der Fürwitz zu wissen, was in selbigem enthalten wäre. Gienge also in aller Stille zu dem Schlaffenden hin, nahme den Brief unvermerckter Dingen heraus, und eröfnete solchen ohne Verletzung des Sigills. Als er aber daraus verstanden, daß dieser wohlgestaltete, und Tugend-volle Jüngling solte ermordet werden, erschracke er heftig darüber. Gienge also aus Erbarmnuß hin, und kratzete alles aus, was dem unschuldigen Jüngling schädlich war; schriebe aber darfür (ohne Zweifel aus liebreicher Anordnung GOttes) hinein, was zu des Jünglings höchstem Glück dienlich war; und das mit solcher Geschicklichkeit, daß es niemand mercken konte. Dann er des Kaysers Hand-Schrift vollkommentlich nachzumachen wußte. Die Wort aber waren diese: wisset, meine liebste Gemahlin, daß es mein ernstlicher Befehl seye: sobald ihr diesen Brief werdet empfangen haben, dessen Ueberbringer mit unserer kayserlichen Tochter zu vermählen; wann er ihr anderst gefallen wird. Nachdem dieses geschehen, steckte er dem Schlaffenden den Brief wiederum unvermerckter Dingen in den Sack. Nach vollendtem Schlaf aber beurlaubte sich der Priester von dem Jüngling, und batte ihn, er wolle seiner mit der Zeit als ein kayserlicher Tochtermann in Gnaden ingedenck seyn. Heinrich lachte hieruber, als über eine Schertz-Red, und bedanckte sich höflich für das eingenommene Mittagmahl. Alsdann eylete er der Kayserin zu; welche, weil sie keinen Betrug vermerckte dem kayserlichen Befehl nachzukommen, kein Bedencken getragen; sondern den Uberbringer des Schreibens noch denselbigen Tag nicht ohne offentliches Freuden-Fest mit ihrer kayserlichen Tochter (als welche im ersten Augenblick dieses adelichen und überaus wohlgestalteten Jünglings mit Liebe entzündet war) hat vermählen lassen. Godefridus Viterbiensis [399] ad annum Christi 1168. penes quem sit fides. Da ist wahr worden, was das Sprüchwort sagt. Was einem GOtt beschehret, das muß ihm werden. Und wiederum: wider GOtt gilt weder Rath noch That. Ist nichts gewissers.

92. Exempel
Zwey und neuntzigstes Exempel.
Eine Verleumderin wird auf eine unverhofte Weiß zu Schanden gemacht; und noch darüber aus gerechter Straf GOttes vom Teufel besessen.

Um das Jahr Christi 240. ware zu Alexandria in Egypten ein Heidnischer Statthalter, Philippus mit Namen. Dieser hatte ein verständige und sittsame Tochter, Eugenia genannt, welche er an dasigen Burgermeister zu verehlichen gesinnet war. Es begabe sich Eugenia auf die Erlernung der freyen Künsten, welche dazumahl zu Alexandria im Flor waren: und erkennete mithin nach und nach die Wahrheit des Christlichen Glaubens. Dannenhero sie sich, ohnwissend ihres Herrn Vatters tauffen lassen. Weil sie aber besorgte, deswegen von ihm, als welcher ein Heyd war, nicht allein hart verfolget, und mithin nicht allein zum Ehestand; sondern auch den Christlichen Glauben abzuschwören gezwungen zu werden, ersonne sie, dieser Gefahr zu entgehen, ein Mittel, welches ohne sonderbare Eingebung GOttes zu ergreiffen, nicht erlaubt ist. Dann sie kleydete sich an wie ein Manns-Bild, und nahme in solchem Aufzug den geraden Weeg einem Mönchs-Closter zu, allwo sie für dessen Vorsteher gelassen zu werden begehrt hat. Als sie dieses erhalten, warffe sie sich zu dessen Füssen, und batte inständig, für sie die Gnad zu haben, und ihn (also wollen wir hinführo von Eugenia reden: dieweil sie ein Jüngling, und mannliches Geschlechts zu seyn scheinte) unter seine Ordens-Brüder aufzunehmen. Der Vorsteher in Ansehung des gross Eyfers, mit welchen dieser verstellte Jüngling anhielte, und also Hofnung war, es wurde mit der Zeit aus ihm ein frommer Ordens-Bruder werden, nimmt ihn auf. Als er das Ordens-Kleyd empfangen, fieng er an ein so exemplarisches Leben zu führen, daß sich alle Ordens-Brüder an ihm spieglen mußten. Der böse Feind, welcher sich schamte, von dieser Jungfrau überwunden zu seyn, erweckte diesem verstellten jungen Mönch ein entsetzliches Ungewitter. Dann der Vorsteher des Closters befahle dem jungen Mönchen eine gewisse krancke adeliche Fräulein, Melantia mit Namen, zu besuchen, und mithin GOtt zu bitten, daß er ihr die vorige Gesundheit wiederum zustellen möchte: welches auch geschehen. Allein die erlangte Gesundheit war ein Anfang einer tausend gefährlichern Kranckheit, [400] als die vorige war. Dann weilen Melantia nicht anders glaubte, als daß der verstellte junge Mönch in der Wahrheit ein Manns-Bild seye, entbrannte sie gegen ihm in solche Lieb, daß sie ihre unziemliche Begierd ihme zu eröffnen kein Bedencken truge. Allein sie wurde von ihm geschwind mit diesen Worten abgefertiget: wo gedencket ihr doch hin, adeliches Fräulein? wisset ihr nicht, daß das Christenthum alle Unlauterkeit verbietet; absonderlich uns Mönchen, als die wir uns durch ein theures Gelübd zu einem keuschen Leben verbunden haben?


Wie nun Melantia auf solche Weis abgefertiget worden, und sie sich hiemit für beschimpft hielte, gedachte sie hin und her, wie sie diesen vermeinten Schimpf rächen wolte. Sie gienge demnach zu dem Stadt-Richter, und klagte, wie daß der junge Mönch sie hätte Noth züchtigen wollen. Der Richter laßt ihn deswegen ungesaumt vor Gericht forderen; der junge Mönch (nemlich Eugenia) erscheint, und siehet (O GOttes wunderbarliche Anordnung!) daß der Richter ihr leiblicher Herr Vatter ist; von dem sie aber, weil sie wie ein Manns-Bild gekleydet, und wegen geführten strengen Leben ziemlich abgemergelt war, nicht erkennt wurde. Von diesem dann ward sie mit nach folgenden Worten hart überfahren: was für eine Klag muß ich wider dich vernehmen, du verruchter Mönch? ist das die schöne Lehr, so dich dein Christus gelehret hat, daß du nemlich ein adeliches Fräulein mißhandlen und schänden wollen?


Eugenia (der verstellte Mönch) ohne sich zu verthätigen antwortet: die Schrift sagt, es seye eine Zeit zu schweigen; und eine Zeit zu antworten. Bishero hab ich geschwigen, jetzt aber, da es die Ehr unsers Seeligmachers angeht, muß ich reden. Hierauf reisset sie ihren Rock von der Brust auf, und zeiget, daß sie kein Mannsbild (wie man sie darfür gehalten) sonderen wahrhaftig ein Weibsbild seye. Darauf sagte sie: ey! Melantia, bin ich wohl eine solche Person, welche da fähig ist dessen Lasters, dessen ihr mich beschuldiget? die unglückseeligeMelantia vermeinte eben vor Schamhaftigkeit zu sterben: dann sie von allen, so diesem Gericht beywohnten, verschimpft, gelästert, und als eine Ertz-Verleumderin ausgescholten worden. Ja aus gerechter Straf GOttes ward sie noch darzu von dem Teufel leibhaftig besessen. Der Stadtrichter erkennte mithin, daß Eugenia sein leibliche Tochter seye. Wurde darauf ein Christ, und erlangte so gar einige Zeit hernach samt seiner Tochter die Marter-Cron. Metaphrast. 25. Decemb.


Da siehet man, wie GOtt das Laster der Verleumdung zu Schanden Mache, und die Unschuld errette. Darum wollen diejenige, [401] so unbilliger Weis verleumdet werden, ihr Hofnung nur auf ihn setzen, und sie werden erfahren, daß er sie nicht werde lassen unterdruckt werden.

93. Exempel
Drey und neuntzigstes Exempel.
Ein türckischer Printz erzählt von sich selbst, wie wunderlich er zum Christlichen Glauben seye bekehrt worden.

Zu Fetz, einer Africanischen, und Königlichen Stadt der Barbarey hatte ich das erstemahl das Tag-Liecht angeschauet. Mein Herr Vatter ware König und Herr dieses Königreichs. Es hat das Ansehen, meine Geburt müßte dem Gebett meiner Frau Mutter zugeschrieben werden. Dann sie hatte zu GOtt ein Gelübd gethan, daß, wann sie ein Söhnlein gebähren wurde, wolle sie selbiges dem Dienst seiner göttlichen Majestät aufopferen. Wie sie dann auch nachgehends solchem Gelübd würcklich (wenigst ihrer Meinung nach) ein Genügen gethan hat. Als ich nun das fünfte Jahr meines Alters erreicht hatte, ward ich denen Lehrmeisteren übergeben, mich im Mahometanischen Glauben zu unterrichten. Es hat sich aber öfters ein wunderliche Sach zugetragen. Nemlich, da ich in der gottlosen Sect unterrichtet wurde, verfluchte ich selbige in dem Gemüth, und hatte darob ein hertzliches Abscheuen. Dannenhero mir selbige nach und nach je länger je mehr verleidete. Ja es hatte sich einstens zugetragen, daß ich die heiligste Namen JEsus und Maria ausgesprochen, da ich doch nicht wußte, was sie bedeuten. Und als ob solches mein Frau Mutter gehört, gabe sie mir deswegen einen ernstlichen Verweiß, und wolte wissen, wo, und von wem ich solche Namen gehört hätte? und als ich ihr aufrichtig bekennt, wie daß ich selbst nicht wisse, warum mir diese Namen in den Sinn kommen; noch was sie bedeuten, da warnete sie mich, solche Namen nicht mehr auszusprechen: dann solche wurden ausgesprochen von denen Christen, als abgesagten Feinden des Mahometanischen Glaubens. Dieses ware nun Ursach, warum sie mich zu Nachts nirgend anderswo, als in ihrer Kammer wolte schlaffen lassen. Es truge sich aber zu, daß ich bey nächtlicher Weil helle Liechter um mich herum gesehen, ab welchen, weil ich erschrocken, bemühete ich mich unter der Beth-Decke zu verbergen; aber umsonst: dann ihr Glantz hatte so gar die Decke durchgedrungen. So sahe ich auch öfters vor meinen Augen die schönste Frauen-Bilder in Schnee-weissen Kleideren.


Als ich nun das vierzehende Jahr meines Alters erreicht, bathe ich meine Eltern, daß sie mich verheurathen wolten. Es verzoge sich aber ein gantzes [402] Jahr, bis solches geschehen. Und das wegen der Heuraths-Verträgen; wie auch wegen denen Vorbereitungen, die man auf das hochzeitliche Fest zu machen hatte. Da hab ich mich dann mit einer schönen und ansehnlichen Printzessin verheurathet. Allein mein Hertz fande kein vollkommenes Vergnügen. Es gienge mir aber ab mein Jesus, der allein das menschliche Hertz vergnügen kan, mithin als es geschehen, daß ich mit meiner Gemahlin zwey Töchterlein erzeuget, kame mich die Begierd an, eine Wallfahrt nach Mecha (einer Stadt in Arabien, allwo des Mahomets Grab ist) zu verrichten, und selbiges nach Gewohnheit der Türcken zu verehren; damit ich diejenige Gaaben erlangen möchte, von welchen diese verblendete Leut traumen lassen. Die vornehmste Ursach aber war diese: weil ich gehört hatte, daß, welcher solche Wallfahrt unterliesse, entweders als ein Jud; oder als ein Christ sterben wurde. Solcher Gefahr nun zu entgehen, fassete ich den Entschluß, gedachte Wallfahrt würcklich anzutretten. Allein es ist nicht auszusprechen, was gestalten mein Herr Vatter, meine Gemahlin, und die vornehmste Herren des Reichs sich meinem Vorhaben entgegen gesetzt. Ja mein Herr Vatter kame so weit, daß er mir alles abschluge, was ich zur Reise vonnöthen hatte. Underdessen branne ich vor Begierd abzureisen. Und jemehr war ich darinn bevestiget; also, daß ich mich endlich resolviert, wann ich auch aller Mittlen entblößt wäre, abzureisen. Als ich aber gebetten ward, die Reise wenigst auf ein Jahr hinaus zu verschieben, hab ich mich endlich dazu bereden lassen. Unterdessen ist meine Gemahlin mit einem Söhnlein niederkommen.

Endlich, nachdem ich mit gröster Mühe alle Hindernussen überwunden, hab ich (wiewohl es mein Herr Vatter ungern gesehen) die Reise angetretten: dieweil sich wenigst meine Frau Mutter meiner erbarmet, und mir mit der Weeg-Zehrung an die Hand gegangen. Ich kame also zu erst nach Tunis, einer gleichfalls Africanischen, und Königlichen Stadt in der Barbarey, allwo ich von dasigem König, als meines Herrn Vatters sonderbaren Freund, herrlich empfangen worden. Habe mich allda wegen heftiger Ungestümme des Meers etliche Täg aufgehalten.


Währender solcher Zeit kame mir bey nächtlicher Weil im Schlaf vor, als sehe ich vor mir einen Mann in einem weissen Kleid, der mich durch unterschiedliche Gassen der Stadt herum führte. Diesen fragte ich, wohin er mich führen wolte? und er antwortete: In Christliche Landschaften: dann in solchen will GOtt haben, daß du dein Leben beschliessen sollest. Dieses Gesicht hab ich meinen bey mir habenden Gefehrten erzählt. Die mir aber solches ausgeredt, sagende, es wäre nichts anders, als ein Betrug vom Teufel, der mich zu verführen suche. Ich verachtete auch solches Gesicht [403] innerlich in meinem Gemüth: dann ich sagte bey mir selbst: Wie kan das seyn, wann ich von hier meine Reise weiter nach Mecha fortsetze? allein, als ich mit meinen Gefehrten auf die Höhe des Meers kommen, da fielen wir denen Christlichen Maltheser-Ritteren in die Händ, die uns dann als Gefangene mit sich weggeführt haben. Wir hätten uns zwar sowohl wegen der Anzahl unserer Schiffen, als auch Erfahrenheit der Soldaten widersetzen, und vielleicht erwehren können. Allein GOtt hat es also haben wollen, daß wir gefangen wurden. Und diese Gefangenschaft hat mir auch zur wahren Freyheit ausgeschlagen.


Also wurde ich nach der Insul Maltha (so auf dem Mittelländischen Meer liegt) gebracht; allwo ich mich aber nicht zu erkennen gabe. Allein ich ward von einem meiner Gefehrten verrathen, daß ich ein gebohrner türckischer und königlicher Printz seye. Man liesse mir also nicht zu, daß ich mich ausser der Insul (wie sonst gewöhnlich andere Gefangene thun müssen) aufhalten durfte: sondern man führte mich unverzüglich für den Groß-Meister der Herren Maltheser-Ritteren; die sich dann um mich herum stellten, und fragten: woher, und was Stands ich seye? denen ich dann alles aufrichtig bekennt hab.

Allein mein Aufenthalt in dieser Insul ware sehr traurig; indem ich stäts an mein liebes Vatterland, liebe Eltern und Anverwandte gedachte. Es fiele mir über die massen schwer, mit denen Christen, als des Mahomets abgesagten Feinden umzugehen. Jedoch tröstete ich mich eines theils mit dem, daß ich die Gelegenheit hatte, meine mitgefangene Türcken, welche in ihrem Glauben allgemächlich zu wancken begunnten, zu stärcken: dieweil ich in denen Thorheiten meiner Sect sehr wohl unterrichtet war: ich schriebe demnach ein Buch zusammen wider die heiligste Lehr Christi, welches freylich ein greuliche Sünd war. Ich hoffe aber diese seye mir durch den heiligen Tauf nachgelassen worden.

Nun wie gienge es weiters? es waren nunmehr fünf Jahr verflossen, daß ich mit solchen Geschäften umgangen. Ich suchte zwar, wie ich wiederum könnte frey werden. Allein ich sahe nicht, auf was Weis solches geschen könnte. Dann mein Vatterland ware allzuweit entlegen; und ware niemand, der mich aus dieser Gefangenschaft auslösen konte, als der König zu Tunis, dessen Obsorg ich von meinem Herrn Vatter, da ich zu wallfahrten abgereißt ware, bin recommendirt worden.

Der Groß-Meister der Insul wolte anfänglich nicht sagen, wie viel Löß-Geld er für mich, und meine mitgefangene Türcken fordere. Jedoch hat er sich endlich verlauten lassen, daß er eine Summa von achtzig tausend Gulden verlange, welche auch der König zu Tunis erlegt hat. Unterdessen erschiene mir bey nächtlicher Weil die heiligste Jungfrau, und Mutter meines HErrn JEsu Christi. [404] Die sagte dreymahl zu mir: Ich will dich zu meinem Sohn annehmen. Als ich hierauf erwacht, gedachte ich, dieses werde etwann nach meinem Tod geschehen. Ich schriebe demnach an König zu Tunis, daß er meiner Zuruckkunft gewärtig seyn wolte. Er schriebe mir auch zuruck, und ermahnte mich, daß ich es bäldist thun solte.

Allein, da ich mich öfters zur Abreise fertig machte, fande ich allerhand Beschwernussen. Endlich, als es schon an dem ware, daß ich abreisen wolte, geschahe es, daß ich die vorgehende Nacht schier gantz Schlaf-loß zubrachte. Da fragte ich mich dann selbsten: Was wolten doch so viel Beschwernussen, und Widerwärtigkeiten bedeuten? es scheint einmahl, GOtt fordere etwas anderes von mir. Da ich mit diesen Gedancken umgehend eingeschlaffen, kame es mir in dem Traum vor, als sehe ich vor mir einerseits ein schwartzes; anderseits aber ein feuriges Meer. Und nachdem ich durch das schwartze hinaus geschwummen, seye ich in das feurige gerathen. Da schrye ich dann überlaut: HErr GOtt! hilf mir. Auf dieses hin sahe ich auf einem hohen Berg einen Mann, der mir die Hand reichte, und mich aus dem feurigen Meer an das Ufer setzte. Diesen Mann fragte ich, wer er seye? und er antwortete: Ich bin der Heil. Tauf, so lang ich dir abgehe, kanst du nicht selig wer den. Und das ist die Ursach, warum dich GOtt durch so viel Hindernussen in den Christlichen Landen aufgehalten: damit du nemlich in die Zahl der Christen kommen mögest. Als ich hierüber erwacht, gedunckte es mich, ich seye ein gantz anderer Mensch. Darum achtete ich weder meines Vatter-Lands, noch meiner Eltern mehr. Ich verfluchte auch meinen vorigen Entschluß, nacher Mecha zu wallfahrten; und sorgte allein, wie ich möchte ein Christ werden. Und diese meine Veränderung ist geschehen vor dem Fest des Heil. Antonii von Padua im Jahr Christi 1656.


Wem werd ich nun zu Genügen beschreiben können das Frolocken der Maltheser-Ritteren, samt ihrem Groß-Meister? wie auch die Freud meines Hertzens, die ich empfunden, indem ich zu Gemüth geführt, wie süß es seye, dir, O mein Jesu! zu dienen? und daß deine Gebott süsser seyen, als das Hönig? darum fiele meinem Gehör nichts beschwerlichers, als wann mir diese Wort in den Sinn kamen: Wallfahrten nach Mecha. Türck und Mahomet.

Unterdessen hatte ich den grösten Streitt mit meinen mir zugegebenen Bedienten, welche immerdar sagten, ich seye von meinem Herrn Vatter ihrer Treu und Obsorg anbefohlen worden; und also därfen sie ohne mein Person nicht in mein Vatterland zuruck kehren. Allein GOtt gabe mir die Gnad, in dem angenommenen Christenthum zu verbleiben. Und da sie mich fragten: wie ich mich erhalten werde; indem ich von meinem Vatterland: [405] wie auch von dem König zu Tunis nichts zu hoffen habe? gabe ich ihnen zur Antwort: so wolle ich dann bettlen gehen.

Da ich nun also dem Streitt mit meinen Bedienten ein End gemacht, gienge ich zu einem gewissen Herrn in der Insul, dem ich meinen Entschluß entdeckte. Dieser dann in Anhörung meiner Beständigkeit im Christenthum hebte vor Freuden die Händ gen Himmel, und danckte GOtt wegen meiner so wunderbarlichen Bekehrung, und nahme mich an Sohns-statt auf; befahle auch seinen Haus-Genossenen, mir in allem zu dienen, und im geringsten nichts abgehen zu lassen. Bald darauf recommendirte er mich denen Jesuiten, damit sie mich im Catholischen Glauben vollkommentlich unterrichten solten. Welches als es geschehen, haben sie mir am Tag ihres Heil. Ordens-Stifters Ignatii den Heil. Tauf mitgetheilt.


Nachgehends aber haben mir die Verfolgungen der meinigen nicht wenig zu schaffen gegeben. Dann neben dem, daß sie mir nach dem Leben getrachtet, erhielte ich von meiner Gemahlin ein zärtliches Schreiben, in welchem sie mir theils den tödtlichen Hintritt meines Herrn Vatters; theils ihr höchste Ungedult angezeigt, mit welcher sie meine Zuruckkunft erwartete, als eines rechtmässigen Nachfolgers in dem Königreich Fetz.

Allein ich stritte wider alle diese Anlockungen, gabe zur Antwort, daß ich nichts anders, als allein GOtt suche; und mithin alles Zeitliche in Wind schlage. Bald darauf begabe ich mich in den Orden der Jesuiter, in welchem ich mein Leben mit gröstem Trost zubringe.

Bis hieher lautet die Erzählung des Printzens, deme in dem Orden der Namen Baltasar von Lojola ist beygelegt worden.

Als er in kurtzer Zeit so wohl in Wissenschaften, als Frommkeit grossen Fortgang gemacht, begabe er sich auf das Geschäft, die Mahometaner zum Christlichen Glauben zu bekehren. Da er nun in solcher Arbeit eine geraume Zeit mit unbeschreiblichen Eifer, und mühsamen Hin- und Herreisen als Missionarius zugebracht, und mithin seine Kräften völlig erschöpft hatte, fiele er in eine tödtliche Kranckheit, in welcher er mit dem Heil. Apostel Paulus nichts anders wünschte, als von den Banden seines sterblichen Leibs aufgelößt zu werden, und bey Christo zu seyn. Wie er dann auch in den Willen GOttes gäntzlich ergeben, wiewohl noch in besten Jahren seines Alters, sein Leben beschlossen, und hoffentlich zu den ewigen Freuden abgeflogen ist.

Thyrsus Gonzalez, olim Præpositus Generalis S.J. in Manuduct. Mahomet. Part. 2. l. 2. c. 8.


O der unendlichen Güte GOttes. Wie wunderbarlich hat sie diesen Printzen an sich gezogen! welcher, wann er in seinem Irrthum verharrend sein Leben geendiget hätte, ewiglich wäre zu Grund [406] gangen; und folgsam, wie andere Verdammte in der Hölle, den lieben GOtt, aus verzweifleter Raserey, ewiglich wurde gelästert haben, deme er jetzt (wie zu hoffen) im Himmel ewiges Lob und Danck erstattet.

94. Exempel
Vier und neunzigstes Exempel.
Ein Verstorbener wird auf Mariä Vorbitt wiederum lebendig, damit er seine bey Lebs-Zeiten begangene Sünden besser untersuchen, und mit wahrer Reu und Leid beichten möge.

Ein edler Indianer hatte vor seinem Hinscheiden aus dieser Welt zwar bey Zeiten seine Sünden gebeichtet; über selbige aber nur obenhin eine Reu und Leid erweckt. Was geschieht? nachdem er verschieden, wird er wiederum lebendig, und richtet sich auf, mit grossem Schröcken derjenigen, so um ihn herum stunden. Gleich darauf ruft er, man solle eilends lassen einen Beicht-Vatter kommen: dann er nicht länger, als drey Täg noch leben werde. Unter andern sagte er: wie daß er in Gegenwart der Mutter GOttes, und seinem Heil. Schutz-Engel vor dem Richter-Stuhl Christi gestanden, und von dem bösen Feind hart seye angeklagt worden; auf die Vorbitt Mariä aber (dero Verehrung er bey Lebs-Zeiten vermuthlich beygethan gewesen) seyen ihm drey Täg vergonnet worden, sein Gewissen durch fleissigere Nachforschung, und aus gantzem Hertzen erweckter Reu und Leid zu reinigen. Welches er auch gethan; indem er seine Beicht auf ein neues, nach vorher mit grossem Fleiß angestellter Untersuchung unter häufigen Zäheren abgelegt hat. Als ihn nachgehends seine Lands-Leut (die Indianer) gefragt, ob der Glauben, so ihnen die von Ihro Päbstlichen Heiligkeit zugeschickte Priester verkündigten, der wahre und allein seligmachende Glauben seye? antwortete er: in allweg seye dieser der wahre Glauben. Allein, wann die Christen nicht darnach leben, wie es selbiger ausweise, werden alle zu den höllischen Peinen verurtheilt werden. Darum ermahne er sie, die kostbare Zeit wohl in Acht zu nehmen, und wann sie selbige unnutzlich hätten lassen fürbey streichen, mit guten Wercken wiederum einzubringen. Den dritten Tag darauf liesse er sich in eine Kirch, so den Namen von unser lieben Frauen hatte, tragen, allwo er nach empfangener heiliger Communion, als der letzten Weegzehrung auf die gefährliche Reise in die Ewigkeit, unter hertzlichen Seufzer zu GOtt, und seiner werthesten Mutter seinen Geist auf ein neues aufgegeben.

[407] Conveldt S.J. apud Nadasi in Eremo divini amoris. n. 209.


Es ist freylich bald gebeichtet, aber mit was Fleiß man sich vorher darzu bereitet; und ob die Reu und Leid recht von Hertzen gangen, da ist die Frag. O da muß man nicht schlauderisch seyn; sondern gedencken, das seye ein Geschäft, woran die ewige Seligkeit hanget.

Gespräche zwischen dem Heil. Schutz-Engel, und seinem Pfleg-Kind

1. Gespräch
Erstes Gespräch.
Schutz-Engel.

Weil du mir von dem lieben GOtt bist anbefohlen worden, Sorg für dich zu tragen, damit du auf dem Weeg seiner Gebotten unaufhörlich fort wandlest, und mithin die ewige Seligkeit, zu welcher du erschaffen worden, erlangest; so hoffe ich, du werdest mir treulich folgen, wann ich dir etwas rathen werde, so deiner Seelen-Heil befördern kan.

Pfleg-Kind. Ach ja! mein Heil. Schutz-Engel. Dann, weil ich von dem ersten Augenblick meines Lebens an so viel Gutthaten von dir empfangen hab, so wurde ich ja undanckbar seyn, wann ich dir nicht folgen solte. Was rathest du mir aber?

Schutz-Engel. Ich rathe dir, daß nächst GOtt Mariam sonderbar verehren sollest. 1. Weil sie die Mutter GOttes ist. Was ist billichers, als daß ihr Menschen die Mutter eures Erlösers verehret? 2. Weil sie diejenige, von welchen sie beständig verehret wird, nicht leicht zu Grund gehen lasset. Wie trostreich ist dieses euch Menschen nicht anzuhören?

Pfleg-Kind. Ja mein H. Schutz-Engel, ich will dir folgen; dann die beygebrachte Ursachen gehen meinem Gemüth ein, und ich befinde mich dardurch nicht wenig bewegt; allein, auf was Weis kan ich die Mutter GOttes sonderbar verehren?

Schutz-Engel. 1. Wann du ihr nachfolgest in der Reinigkeit und Demuth: dann diese Tugenden liebt sie vor andern. 2. Wann du ihr zu Ehr öfters sprechen wirst den Englischen [409] Gruß, und zwar nicht allein, wann Morgens, Mittags, und Abends das Zeichen mit der Glocken darzu gegeben wird; sondern auch so oft du hörest die Stund schlagen, ist ja kein schwere Sach?

Pfleg-Kind. Welcher Catholischer Christ solte sich darüber beschweren? allein, wer hat diesen Gruß abgelegt?

Schutz-Engel. Der Ertz-Engel Gabriel, so einer aus den vornehmsten der Englen im Himmel ist, und zwar hat er ihn abgelegt im Namen der allerheiligsten Dreyfaltigkeit, mit diesen Worten: Gegrüßt seyest du Maria, voller Gnaden, der HERR ist mit dir. Die Wort aber du bist gebenedeyt unter denen Weibern, und gebenedeyt ist die Frucht deines Leibs, hat gesprochen aus Eingebung des Heil. Geists die Heil. Elisabeth, als sie von Maria ihrer Baas, welche den Sohn GOttes unter ihrem Jungfräulichen Hertzen truge, ist heimgesucht worden. Wiewohl den erstern Theil dieser Worten auch gesprochen hat der Ertz-Engel Gabriel, und ist also von der Heil. Elisabeth nur wiederholet worden. Den Beschluß hat gemacht die Catholische Kirch mit folgenden Worten:Heilige Maria, Mutter GOttes, bitt für uns arme Sünder jetzt und in der Stund unsers Absterbens, Amen.

Pfleg-Kind. Solle dann die Mutter GOttes durch diesen Gruß sonderbar verehret werden?

Schutz-Engel. Freylich ja, dann gleich nach diesem Gruß, da Maria dem Engel auf folgende Weis geantwortet: siehe! ich bin ein Magd des HErrn: mir geschehe nach deinem Wort, ist sie von dem Heil. Geist überschattet worden, und hat ohne Verletzung ihrer Jungfräulichen Reinigkeit den Sohn GOttes empfangen. Was grössere Ehr und Freud hätte ihr wiederfahren können? Nun aber dieser Freud wird sie erinnert, so oft man den Englischen Gruß spricht. Es wollen auch diese Wort: Gegrüßt seyest du Maria so viel sagen, als: freu dich Maria. O diese Freud, welche Maria dazumahl gehabt, ist unaussprechlich.

Pfleg-Kind. Ich möchte wohl eine Begebenheit hören, woraus zu ersehen wäre, wie der Englische Gruß der Mutter GOttes sonderbar angenehm seye.

Schutz-Engel. Vernehme folgende, wie sie von glaubwürdigen und Catholischen Scribenten erzählt wird, welches ich auch von mehreren nachfolgenden will verstanden haben.

Begebenheit.

Im Jahr Christi 1608. hat es sich zugetragen, daß ein Lutheraner schwerlich erkrancket; und weil er gemerckt, daß seines Aufkommens kein Hofnung seye, liesse er zu sich beruffen einen Catholischen Priester. Es [410] hatten sich zwar seine Befreundte viel bemühet, dieses zu verhindern, mit Bedrohung, daß sie ihm alles, was er hatte, wollten hinweg nehmen. Allein er bliebe beständig auf seinem Begehren, und sagte, es liege ihm nichts an den zeitlichen Gütern, wann er nur die ewige nicht verliehre; welche er zu erlangen hoffe durch den Beystand eines Catholischen Priesters. Als nun dieser zu ihm kommen, und ihn um die Ursach gefragt, warum er nicht vielmehr einen Prädicanten begehrt habe? da gabe er zur Antwort: Wohl Ehrwürdiger Herr, wisset, daß mir verwichene Nacht (am Fest der Unbefleckten Empfängnuß Mariä) die Mutter GOttes erschienen ist, welche zu mir folgende Wort gesprochen: weil du mich oftmahl mit dem Englischen Gruß verehret hast, so bin ich kommen, dir anzudeuten, daß du in eben derjenigen Nacht dein Leben beschliessen werdest, in welcher ich den Sohn GOttes auf die Welt gebohren hab. Deswegen ergiebe dich in die Schoos der Catholischen, und allein seligmachenden Kirchen, und lasse dich nach Catholischem Brauch mit den Sacramenten der Sterbenden versehen; hernach will ich wiederum kommen, dich abzuholen, und dein Seel mit mir in Himmel zu nehmen. Der Priester sich hierüber verwunderend, fragte, wie dieses seyn könne? dieweil er ein Lutheraner sey? die Lutheraner aber machen sich ja um die Mutter GOttes nicht verdient, daß sie ihnen erscheinen, und so herrliche Ding verkündigen solle? auf diese Frag antwortet der Krancke: Es ist wahr, wie ihr sagt, allein ihr müsset wissen, daß ich auf eine Zeit in eure Predig kommen, in welcher ihr euch unter andern habt verlauten lassen, wie angenehm es der Mutter Gottes seye, wann man sie mit dem Englischen Gruß verehre. Dieses liesse ich mir dann gesagt seyn; und deswegen hab ich von selbiger Stund an die Mutter GOttes täglich des Morgens und Abends kniend mit dem Englischen Gruß siebenmahl verehret, und dieses ist alles, was ich ihr zu Ehren gethan hab. Mein GOTT! wie wenig aber war dieses? und dannoch (O wie groß ist Mariä Gütigkeit!) hat sie sich gewürdiget, mir armen Sünder zu erscheinen, und mich der ewigen Seligkeit zu versichern. Nun dann, Wohl-Ehrwürdiger Herr! so gelangt an euch mein demüthige Bitt, ihr wollet mich in eurem Catholischen Glauben, den ich jetzt durch GOttes Gnad erkenne, kürtzlich, und so viel nöthig, unterrichten, und mir die heilige Sacramenten der Sterbenden ertheilen. Als dieses geschehen, ist er in der heiligen Weyhnacht (wie ihm vorgesagt worden) voll des Trosts in dem HErrn verschieden.Auriemma S.J. nel Theatro Mariano.

2. Gespräch
[411] Zweytes Gespräch.

Schutz-Engel. Wie gefallet dir die erzählte Begebenheit? verstehest du nicht genugsam, daß der Mutter GOttes nichts angenehmers seye, als wann man sie mit dem Englischen Gruß verehret?

Pfleg-Kind. Ich verstehe es freylich, und ich dancke dir, daß du mir solche Begebenheit erzählet hast. Ich werde mir selbige zu Nutzen machen. Unterdessen höre ich, daß ein unzahlbare Menge der Catholischen die Mutter GOttes verehre mit einem Gebett, das man den heiligen Rosenkrantz nennet, woher hat dieses Gebett seinen Ursprung?

Schutz-Engel. Von der Mutter GOttes selbst. Diese hat es gelehrt den Heil. Dominicus, den Stifter des Prediger-Ordens, und hat ihm befohlen, solches Gebett allen Catholischen Christen zu verkündigen, wie er dann auch gethan hat; und das mit unaussprechlichem Nutzen vieler 1000. Menschen. Mit der Zeit ist wegen solchem Gebett eine Bruderschaft entstanden, in welche sich viel 1000. und aber 1000. Hauffenweis haben einschreiben lassen, und ist heut zu Tag wohl die vornehmste Bruderschaft in der Catholischen Kirchen.

Pfleg-Kind. Warum wird aber dieses Gebett ein Rosenkrantz genennet?

Schutz-Engel. Dieweil aus so vielen Ave Maria, als schöne und wohlriechende Rosen der Mutter GOttes ein Krantz geflochten wird, mit welchem man sie zu crönen, und zu verehren verlangt. Und zwar seynd diese Rosen von dreyerley Farben, nemlich weisse, rothe und gelbe. Die weisse bedeuten die freudenreiche Geheimnussen, deren man die Mutter GOttes bey jedem Englischen Gruß, oder Ave Maria, erinnert. Die rothe bedeuten die schmertzhafte, und die gelbe die glorreiche Geheimnussen.

Pfleg-Kind. Ich möchte diese Geheimnussen wohl wissen.

Schutz-Engel. Die Freudenreiche seynd diese. 1. Daß Maria den Sohn GOttes empfangen hat von dem Heil. Geist, und also ohne Verletzung ihrer Jungfrauschaft. 2. Daß, als sie mit dem Sohn GOttes schwanger gehend ihre liebe Baas Elisabeth heimgesucht, von dieser aus Eingebung des Heil. Geists, ist gepriesen worden, daß sie unter den Weibern, die Frucht aber ihres Leibs JEsus über alles gebenedeyt seye, was im Himmel und auf Erden ist. 3. Daß sie als ein unverletzte Jungfrau den Sohn GOttes auf die Welt gebohren. 4. Daß sie ihne dem himmlischen Vatter im Tempel aufgeopfert. 5. Daß sie ihne, nachdem er von ihr verlohren worden, in dem Tempel nach 3. Tagen wiederum gefunden hat.

Die schmertzhafte seynd diese: 1. Daß Christus ihr liebster Sohn, wegen unseren Sünden am Oelberg[412] Blut geschwitzet, hat. 2. Daß er eben dieser Ursach wegen grausamlich gegeißlet. 3. So schimpflich als schmertzlich mit Dörneren gecrönt worden. 4. Daß er sein eigenes Creutz hat müssen auf die Richtstatt hinaus tragen. 5. Daß er für uns an das Creutz mit Näglen geheftet, in höchsten Schmertzen, und äussersten Verlassenheit daran gestorben ist.


Die glorreiche Geheimnussen seynd diese: 1. Daß Christus aus eigener und göttlicher Kraft glorreich von Todten auferstanden. 2. Daß er aus selbst eigener Kraft triumphierlich gen Himmel gefahren. 3. Daß er den versprochenen Heil. Geist in Gestalt feuriger Zungen nicht allein über die Apostel, sondern auch über seine liebe Mutter gesendet. 4. Daß er seine liebe Mutter mit Leib und Seel in Himmel aufgenommen. 5. Daß er sie im Himmel, als eine Königin gecrönet, und über alle 9. Chör der Englen erhoben hat.

Pfleg-Kind. Was für eine Meinung machen diejenige, welche in der Bruderschaft des Heil. Rosenkrantzes seynd; ehe sie diesen zu betten anfangen?

Schutz-Engel. Sie sprechen etwann also: Zu deiner Ehr, O heiligste Jungfrau, und Mutter GOttes! will ich jetzt betten den Heil. Rosenkrantz. Erstlich für alle lebendige und abgestorbene Brüder und Schwestern aus der Bruderschaft des Heil. Rosenkrantzes. Andertens, daß du mir bey Christo JEsu, deinem Sohn, wollest erlangen Gnad und Barmhertzigkeit, Besserung des Lebens, und ein seliges Sterbstündlein. Nun verlange ich ein jedes Ave Maria auszusprechen mit solcher Ehrerbietung, wie solches ausgesprochen hat der Ertz-Engel Gabriel, da er dich grüssete im Namen der heiligsten Dreyfaltigkeit.

Pfleg-Kind. O wie angenehm ist dieses alles anzuhören! unterdessen bin ich begierig, von der Würckung dieses Gebetts eine Begebenheit zu vernehmen.

Schutz-Engel. Aus vielen ist folgende die merckwürdigste.

Begebenheit.

Um das Jahr nach Christi Geburt, als man zählete 1604. befanden sich zu Löwen, einer Stadt in denen Niederlanden, zwey adeliche Jüngling, dero Namen wegen ihrem Geschlecht verschont wird. Wir wollen unterdessen den einten Castor; den andern aber Pollux heissen, diese lagen auf der allda weit berühmten hohen Schul dem Studieren, und zwar der Rechts-Gelehrtheit ob. Da sie noch in den untern Schulen waren, seynd sie zu aller Gottsforcht und Zuchtbarkeit auferzogen worden; also daß sie den andern Studenten zu einem Exempel der Unschuld und Auferbäulichkeit[413] dienten. Wie sie aber in die hohe Schul daselbst kommen, mithin keine Aufseher mehr hatten, von denen sie in den Schrancken der Zucht und Ehrbarkeit, wie in den untern Schulen zu geschehen pflegt, gehalten wurden, gewohnten sie nach und nach des freyen Lebens dergestalten, daß sie in kurtzer Zeit allem Muthwillen liessen den freyen Zaum schiessen, ja in allerhand Schandthaten und Lastern sich herum weltzten, und mehr dem Luderleben, als studieren oblagen. Eines Tags setzten sie sich zu einer nassen Bursch ins Wirthshaus, um sich lustig zu machen, und die schwermüthige Gedancken im Wein zu ertrincken. Man sitzet also zu Tisch: lasset nach der Schwere auftragen; wechselt Gläser,und ist guts Muths. Und damit nur an diesem Freuden-Tag nichts abgienge, berufte man auch Spielleut, die sich mit ihren Instrumenten tapfer hören liessen. Und weil man auch Täntzerinnen dabey vonnöthen hatte, triebe einer aus ihnen etliche freche Mägdlein auf, denen nicht allein die Schuhe zum Tantzen, sondern um ein schlechtes auch ihr Ehr feil ware. Weilen ihnen aber der Tag nicht klecken wollte, den Durst zu löschen, und ihre böse Gelüsten zu ersättigen, knipften sie auch die Nacht daran; und brachten also mit Sauffen, Spielen, und Tantzen, und anderem Muthwillen die edle Zeit zu. Nach und nach aber, da es nicht mehr weit von Mitternacht ware, wurden unsere saubere Gesellen allgemach müd; bevorab Castor, als welcher in dieser Weis zu leben nicht so wohl, als die andere geübt war, gienge derohalben zur Stuben hinaus, sich in etwas abzukühlen. Da setzte er sich dann in einem Gang auf einen Banck hin, und trocknete mit dem Fazinet den vom Tantzen erweckten häufigen Schweiß ab. Er hatte sich aber kaum niedergesetzt, da überfiele ihn, weis nicht was für eine Melancholey, welche je mehr zunahme, je länger er allda verharrete, und aber kein Wunder, dann sein Gewissen gabe ihm einen Schupf über den anderen, und stellte ihm durch schwermüthige Gedancken die Abscheulichkeit der verübten Sünden vor. Weilen nun Castor seinen Cameraden zu lang ausbliebe, nahmen sie ein Liecht, suchten und fanden ihn an gedachtem Ort; aber gantz verändert, langweilig, verdrossen, und voller schwermüthigen Gedancken; sie wußten nicht, wie sie es verstehen sollten; sie munterten ihn also auf, und absonderlich Pollux, der ihm also zusprache: Nun, was ist das, Castor? was bedeutet dieses Maulhängen? du wirst ja den guten Muth nicht erst auf die Letzte verderben wollen: allegro stehe auf, und gehe wiederum in die Stuben hinein, und halte auch mit. Ey Bruder, nur noch eins. Allein Castor wollte sich nicht überreden lassen; sondern entschuldigte sich, wie daß ihm nicht recht wohl wäre. Nahme also gute Nacht, und gienge nach Haus. Wie er dort ankommen, und sich allgemach zur Ruhe begeben wollte, da fiele ihm [414] ein, wie daß er sein täglich und gewöhnliches Gebett noch nicht verrichtet hätte. Sehe man doch, was die gute Gewohnheit thut! Castor hatte noch in denen untern Schulen oftermahls gehört, daß nicht leichtlich einer seye zu Grund gangen, welcher täglich (und also mit beständiger Andacht) unser liebe Frau, als eine Zuflucht der Sünder verehrt habe. Von selbiger Zeit an nahme er ihme vor, diese Andacht zu verrichten, und alle Tag dieser Himmels-Königin zu Ehren etwas gewisses zu betten. Es ware aber ein Rosenkrantz, welchen er bishero noch niemahls unterlassen, ob er schon etwann den Tag übel zugebracht hatte. Weilen er sich dann erinnerte, daß der heutige Rosenkrantz noch ausständig, machte er den Schluß, sich nicht schlaffen zu legen, er hätte dann vorhero seine Andacht gegen der seeligsten Mutter GOttes abgelegt. Nahme derohalben den Rosenkrantz in die Hand, und machte dem Gebett den Anfang mit diesen Worten: Heiligste Jungfrau! würdige mich, daß ich dich lobe. Es ware aber wohl ein armseeliges Gebett: weilen er theils schläfferig, theils trümlich im Kopf, die Stuben auf und abgienge. Und dannoch (O wunderliche Güte GOttes!) dannoch sage ich, hat das schläfferige Gebett des Castors die Wolcken des Himmels durchdrungen, und durch die Fürbitt der seligsten Jungfrauen bey GOtt Gnad und Barmhertzigkeit erlangt. Er hatte aber das Gebett noch nicht zu End gebracht, da hörte er an der Stuben-Thür klopfen. Er fragte demnach (wie gewöhnlich) Wer ist draussen? der, so geklopft hatte, gabe zur Antwort: Ich bins. Allein Castor fuhre im Gebett fort, sagte aber vorher:bist du draussen: so bin ich herinnen, du kanst eine Weil warten, bis ich dir aufmache, jetzt ist es mir nicht gelegen, ich muß vorhero mein Gebett vollenden. Allein der so vor der Thür draussen war, sagte hinwieder; Wann du mir nicht aufmachest, so kan ich es selbst. Wie? (sagte Castor) wilst du mich trotzen? ich will dir gewißlich mit meinem Degen den Ruckweeg weisen. Dieses geredt, nahme er den blossen Degen, stellte sich mitten in die Stuben, und erwartete gleichwohl, wer dann derjenige seye, welcher mit Gewalt in die Stuben hinein wollte. Alsobald gienge die Thür von sich selbst auf, und Pollux, sein vorhin bester Camerad tratte hinein, worüber Castor seiner selbst lachte, und den Degen wiederum einsteckte; beynebens aber fragte: Wie ists, Bruder? hast du auch schon genug? und wo seynd die andere hin? ja freylich (antwortete Pollux) hab ich genug, O Castor! dann bald nach deinem Abschied hat der gute Muth ein End gehabt; und hab ich auch wollen nach Haus gehen; bin aber unter Weegs in dem nächsten Gäßlein von zwey Teuflen in Gestalt zweyer Risen angegriffen, und von ihnen erwürget worden; und jetzt ewig verdammt. Castor nicht [415] anderst, als wäre er vom Donner getroffen, fiele vor Schröcken und Angst zuruck in einen Winckel des Zimmers, und wußte kein andere Hülf, als daß er sich mit dem Heil. Creutz bezeichnet, und die heylsame Namen JEsus und Maria angeruffen; das Gespenst aber fuhre fort, und sagte:Förchte dich nicht, Castor! es wird dir für dißmahl nichts geschehen, du solst aber wissen, daß der andere Riß aus den zweyen Teuflen auf dich gepaßt habe, und dir eben so wohl, als mir den Halß würde umgerieben haben, wann du dich nicht bey Zeiten davon gemacht, und dir durch das Gebett um eine so mächtige Vorsprecherin, wie die Himmels-Königin ist, umgesehen hättest. Dieser, dieser hast du zu dancken, daß du noch lebest. Damit du aber meiner Verdammnus halben versicheret seyest, so schaue mich nur recht an. Dieses geredt, verlohre er sein vorige Gestalt, und ware nunmehr erschröcklich anzusehen. Dann sein Haupt schiene, wie eine glüende Kugel, und es spritzten die Flammen aus den Augen auf den Boden heraus. Hierauff risse er das Wammes voneinander, und entblößte die Brust, so gleichfals feurig und durchlöchert ware, also daß man bis auf das Inngeweyd hinein sehen konnte, aus welchem feurige Nattern und Schlangen aus und ein krochen, und mit ihren vergiften Zähnen dem Armseeligen bald da bald dort einen Biß versetzten; welches dann ein erbärmlicher Anblick ware. Nachdem nun Pollux solcher Gestalten (nach GOttes Anordnung) sich seinem vorhin vertrautesten Schul-Gesellen vorgestellt, thate er noch diese Ermahnung hinzu, mit folgenden Worten: So lerne dann aus fremden Schaden witzig werden, und dich bessern, damit du nicht einstens mir in der Peyn zugesellet werdest. Mit welchen Worten der verdammte Geist verschwunden. Wer ware froher, als Castor, daß er dieses leydigen Gasts ledig worden? doch durfte er sich vor Forcht und Schröcken noch nicht rühren; sondern verharrete ganz mit Schweiß überronnen, und zitterend an Händ und Füssen an der alten Stell, bis es 12. Uhr geschlagen, und er in dem nächsten Franciscaner-Closter hat hören in die Mette läuten. Da fassete er wiederum das Hertz, machte sich herfür, nunmehro gantz ausgenüchtert, und ähnlicher einem Todten, als Lebendigen; nahme seinen Hut und Mantel, und eylte eines Eylens gedachtem Closter zu: begehrte alsobald für den P. Guardian wichtiger Sachen halber, die keinen Verzug zuliessen, gelassen zu werden. Der Guardian kommt, und fragt, was er verlange bey so eytler Nacht, da sonst jederman in der Ruhe wäre? da erzählte er ihm dann der Länge nach, was sich mit ihme, und seinem gewesten Schul-Gesellen, dem Pollux zugetragen. Der Guardian erzeigte grosses Mitleyden; tröstete den theils erschrocknen, theils bekümmerten Castor, so gut er konnte, mit angehengter Ermahnung, der empfangenen [416] Wohlthat von der seeligsten Mutter GOttes die Zeit seines Lebens nicht zu vergessen. Verwilligte auch, daß ihm zwey aus denen Patres des Closters bey angezündeter Latern den entleibten Pollux möchten suchen helfen; welchen sie dann auch bald in einem Winckel gedachten Gässleins gefunden, übel zerkratzt, und am gantzen Leib kohl schwartz: damit man nemlich nicht zweiflen könnte, wer den Pollux erwürget hätte. Jedoch hebte man das Todten-Aas in der Stille auf, welches auch hernach nicht weit von gedachtem Closter unter die Erden verscharret worden. Wie nun diese traurige Begebenheit fürüber, brauchte es bey dem Castor nicht viel Zusprechens, hinfüran denen Freuden und Wollüsten dieser Welt abzusagen, dann aller Muth verleitete von ihm selbsten; machte auch bald den Schluß, der Welt den Rucken zu kehren, und in einen geistlichen Orden zu gehen; und zwar eben in den Franciscaner-Orden, in welchem er auch nach inständigen Anhalten aufgenommen worden; worinnen er eine Zeitlang nicht allein gottseelig gelebt; sondern gar endlich um des Christlichen Glaubens willen in der neuen Welt, wohin er von seinen Oberen, die Heyden zu bekehren geschickt worden, die Marter ausgestanden hat. Lyræus S.J. in Trisagio Mariano.

3. Gespräch
Drittes Gespräch.

Schutz-Engel. Wie kommt dir die erzählte Begebenheit vor?

Pfleg-Kind. Ich erstaune über die Gütigkeit Mariä, daß sie ihr einen so geringen Dienst (als da ware ein schläfferiges Gebett) nicht hat lassen umsonst thun.


Schutz-Engel. Es ist wahr, der Dienst war gering, allein er ware beständig. Dann gleichwie Castor sich niemahlen vorhin schlaffen gelegt, er hätte dann zuvor U.L. Frau zu Ehren den Rosenkrantz gebettet; also hat er es auch jetzt gethan, wiewohl er gantz schläfferig war. Weilen er sich dann überwunden, und ihm selbst Gewalt angethan, hat die Mutter GOttes solche Uberwindung nicht wollen unbelohnt lassen. So viel ist daran gelegen, daß man die einmahl angefangene Andacht gegen die Mutter GOttes beständig fortsetze, und niemahlen unterlasse, ungeachtet aller Hindernus, die sich möchte in den Weeg legen. Dann obschon das Gebett etwan aus menschlicher Schwachheit (wie es vielmahl geschiehet) nicht gar andächtig und aufmercksam ist, so ersetzt doch diesen Mangel die Beständigkeit.


Pfleg-Kind. Das ist wohl trostreich für uns schwache Menschen. Aber hier fallt mir ein, gehört zu haben, daß etwelche der Mutter GOttes [417] zu Ehren alle Sambstag das Jahr hindurch zu fasten pflegen.

Schutz-Engel. Deme ist also.

Pfleg-Kind. Warum aber an denen Sambstägen? was solle dieses bedeuten?

Schutz-Engel. Es geschiehet darum, dieweil der Sambstag sonderbahr gewidmet ist, die Mutter GOttes zu verehren.

Pfleg-Kind. Und woher kommt das?

Schutz-Engel. Höre: In einer Kirch zu Constantinopel war vor uralten Zeiten ein Bildnus U.L. Frau, vor welcher ein Vorhang fürgezogen, der die gantze Bildnus bedeckte; alle Freytag aber um die Vesper-Zeit ist dieser Vorhang von einer unsichtbaren Hand hinweg gezogen worden; also daß jedermänniglich die Bildnus hat sehen können bis auf die Vesper-Zeit am Sambstag, um welche Zeit der Vorhang wiederum auf vorige Weis fürgezogen worden, und die Bildnus bedecket hat, welches Miracul Ursach gegeben, daß die Catholische Kirch die Tag-Zeiten von U.L. Frau am Sambstag zu singen, und zu betten verordnet hat.

Pfleg-Kind. Lasse dir belieben eine Begebenheit zu erzählen, wie angenehm es U.L. Frau seye, wann man ihr zu Ehren am Sambstag fastet.

Schutz-Engel. Höre nachfolgende: Nicht weit von Trient, einer Stadt, so an den Gräntzen des Welschlands gelegen, in einem Wald, ware ein so verruchter Mörder und Strassen-Rauber, daß er keines eintzigen Durchreisenden verschonet. Nun schickte es GOtt, daß als einstens ein Ordens-Geistlicher durch diesen Wald seinen Weeg genommen, der Mörder selbigen angepackt, und mit sich tieffer in den Wald hineingeführt, hoffend, bey ihme Geld zu erhaschen. Der Geistliche fragte ihn in dem Hineinführen, wer er seye, und was er also allein im Wald mache? der Mörder antwortet hierauf: Du solst wissen, daß ich ein solcher Mörder bin, von dergleichen ihr vielleicht niemahls werdet gehört haben. Worauf ihne der Geistliche weiters gefragt: Ist es wohl möglich, daß du dem Ansehen nach schon ein alter Mann, die grosse Gefahr deiner Seel nicht förchtest? Mit nichten (antwortete er) förchte ich diese Gefahr, eben so wenig, als ein unvernünftiges Thier. Auf diese Antwort verlangte der Geistliche, er sollte ihm sein Leben erzählen. Der Mörder, welchen GOtt durch diesen Geistlichen auf den Weeg des Heyls wollte führen, fienge an also zu reden. Ihr sollt wissen, daß, als ich noch ein Bub gewesen, ich keinem meines Alters in der Boßheit gewichen; und da ich erwachsen, bald da, bald dort etwas gezwackt, so ich zum Spielen und Schlecken angewendet hab; wie ich aber zu meinem männlichen Alter kommen, hab ich mich zu denen Mörderen und Strassen-Raubern gesellet, unter welchen ich so keck worden, daß ich für den Aergsten in dieser Landschaft gehalten werde. [418] Der Geistliche fragte ihn weiters, ob er dann nicht auf solches Leben bevorstehende höllische Peyn förchte? der Mörder versetzte: keinesweegs. Dann, was mein Seel betrift, weiß ich schon, daß selbige verlohren ist. Ueber solche verzweiffelte Antwort sagte der Geistliche: Wann ich dir aber den Weeg zur Seeligkeit zeigen wurde, wolltest du mir Gehör geben, und demjenigen nachkommen, was ich dir sagen würde. Von Hertzen gern (antwortete der Mörder)sagt es nur frey heraus. Nun dann (sagte der Geistliche) so verlange ich mehr nicht von dir, als daß du zu Ehren U.L. Frau alle Sambstag fasten, und selbigen Tag niemand ein Leyd zufügen wollest, auf solchen Fall versichere ich dich, daß dir die Mutter GOttes bey ihrem Sohn die Gnad der Bekehrung erlangen werde. Der Mörder sagte ihm alles zu, und verspricht, auch seine Mitgesellen dahin anzuhalten, daß sie am Sambstag niemand was Leyds zufügen sollen. Nun begabe es sich, daß, als einstens an einem Sambstag gantz allein ohne Gewehr im Wald herum gienge, er von ausgeschickten Gerichts-Dienern der Stadt Trient überfallen, gebunden, und in die Stadt geführt wurde; da man ihm dann einen kurtzen Proceß gemacht, und zum Tod verurtheilt hatte. Worauf er nach der Richtstadt hinaus geführt, und ihm das Haupt abgeschlagen worden; da er vorhero seine begangene Missethat offentlich, und mit solcher Reu und Leyd bekennt, daß jederman sich darüber verwundert, und nicht fassen können, woher ihm ein solche Gnad der Bekehrung, und Unerschrockenheit den Tod zu leyden, kommen seye; welches aber alles geschehen ist auf die Vorbitt U L. Frauen, zu dero Ehren er alle Sambstag gefastet, auch sich von Todschlag und anderen Lasteren gäntzlich enthalten hatte. Welche Andacht, wie sehr sie der Himmels-Königin gefallen habe, aus diesem erschienen, daß der Leichnam, den man auf der Richtstadt begraben, bey nächtlicher Weil mit vielen Liechtern umgeben, von 4. wunderschönen Jungfrauen wiederum erhebt, in eine mit purpurfarbenen Tuch bedeckte Todten-Bahr gelegt, und von dannen nach der Stadt getragen worden. Dero die 5te, so die schönste war, mit einer brinnenden Kertzen nachgefolget. Da sie nun zum Stadt-Thor kommen, setzten sie die Todten-Bahr mit dem köstlichen Bahr-Tuch nieder, und die Schönste, so die Mutter GOttes war, rufte denen Thor-Wächteren, so wegen dieses Gesichts voller Schrecken waren, also zu: Gehet hin zu eurem Bischof, und deutet ihm an, daß er diesen enthaupteten Leichnam in der Dom-Kirchen mit allen Ehren begraben lasse. Widrigen Falls solle er zusehen, was ihm gesche hen werde. Dann ich (die Himmels-Königin) will es also haben. So bald es Tag worden, wurde dieser Befehl dem Bischof angezeigt, welcher als er mit der gantzen Priesterschaft zum [419] Stadt-Thor kommen, die Todten-Bahr eröfnet, und des Mörders abgeschlagenes Haupt mit dem Leib wunderthätiger Weiß vereiniget gefunden, hat nicht allein er, sondern auch alles Volck, so zugegen war, sich höchstens darüber verwundert, worauf er den Leichnam mit allen Ehren begraben lassen. Als dieses Miracul allenthalben kundbar worden, daß der Mörder wegen gehabter Andacht des Sambstäglichen Fastens so grosse Gnad von der Himmels-Königin erlangt, fienge jedermänniglich in selbiger Landschaft an, zur Ehr der GOttes-Gebährerin am Sambstag zu fasten, und sich sorgfältiger, als andere Täg von denen Lastern zu enthalten; wie auch früher Feyerabend zu machen. Cæsarius in Dialogis.

4. Gespräch
1. Begebenheit
[420] Merckwürdige Begebenheiten,
Woraus zu ersehen, wie nutzlich es seye die göttliche Mutter andächtig und beständig mit dem Gebett des Heil. Rosenkrantzes, oder wenigst mit gewisser Zahl des Englischen Gruß täglich zu verehren.
Erste Begebenheit.
Ein lasterhafter Jüngling wird mittelst des Heil. Rosenkrantzes-Gebett wunderbarlich bekehrt.

Als dieser sündhafte Jüngling auf eine Zeit eine eyfrige Predig von Kraft, und Gnaden des Heil. Rosenkrantzes angehöret, hat er dardurch eine solche Neigung und Eyffer zu dieser Andacht empfunden, daß er ihme vorgenommen, täglich wo nicht einen gantzen H. Rosenkrantz, wenigst zu Ehren der 15. Geheimnussen des H. Rosenkrantz andächtig zu betten, und niemahlen zu unterlassen: was geschiehet? als er einsmahl zu Nacht schlaffen gienge, kommet ihme gantz lebhaft vor, als sehe er vor sich viel höllische Geister, die ihn mit Gewalt wollten hinwegführen; er wollte sich aus allen Kräften widersetzen, konnte aber ihnen doch nichts abgewinnen. Als ihn nun die höllische Geister (seinem Geduncken nach) schon in die Klauen gefaßt, und er anderst nicht gemeynt, als seye es aus mit ihm, und mußte er der Höllen zu, da siehet er gähling auf der Seiten stehen eine überaus schöne Jungfrau, mit einem holdseeligen Kind auf den Armben, zu welcher er die Händ ausstreckte, und sich so fest an ihr Kleyd hielte, daß ihn die Geister nicht konnten hinweg ziehen. Allein die Jungfrau sahe ihn ernstlich an, und sagte: Ey du frecher Mensch, wie darfst du dich an mein Kleyd halten? packe dich fort, wohin du gehörest; dann du hast durch dein lasterhaftes Leben nichts anders, als die Höll verdient. Je ernsthafter die Jungfrau sich stellte, desto stärcker hielte er sich an ihr Kleyd [421] und bate inständig, sie wolle ihn doch in dieser äussersten Noth nicht verlassen. Die Jungfrau lasset sich endlich erbitten, und kehret sich mit freundlichem Angesicht zu ihm, sprechend: Wann du mir und meinem Sohn forthin treulich dienen, und unseren Rosenkrantz, wie du angefangen, beständig und mit Andacht betten; auch mithin dein Leben besseren willst, so sollst du aus dieser Noth erlößt werden. Als er nun williglich alles versprochen, befahle die Jungfrau denen höllischen Geisteren, ihne los zu lassen. Worauf sie im Augenblick von ihm gewichen, und mithin verschwunden seynd. Wie er nun aus dem gehabten Gesicht erwachet, und wiederum zu sich selbsten kommen, befande er sich gantz abgemattet, den Leib mit Schweiß überronnen, und die Wangen von häufigen Zähren noch gantz benetzt. Geht also in sich selbst, überdenckt sein bißhero übelgeführtes Leben, erweckt darüber Reu und Leyd, geht darauf in die Kirch, und beichtet seine Sünden. Ja bey diesem bliebe es nicht, sondern er machte bald darauf den Schluß, forthin GOtt und seiner Jungfräulichen Mutter in einem geistlichen Stand zu dienen, in welchem er auch bis ans End des Lebens gottseeliglich verharret ist. Ex libro authentico, cui titulus: Schatz-Kammer des H. Rosenkrantzes. Part. 2. cap. 2. Exemp. 12.

2. Begebenheit
Zweyte Begebenheit.
Ein verzweifleter Sünder kommt durch das Gebett des Heil. Rosenkrantzes wiederum zu recht, und beschließt sein Leben seeliglich.

Diesen Menschen konte niemand weder durch heylsame Ermahnungen, noch durch andere Mittel zu recht bringen. Als der seelige Alanus aus dem Orden des Heil. Dominici dessen berichtet worden, truge er gegen diesem unglückseeligen Menschen grosses Mitleyden, u. bemühete sich deswegen auf alle Weis, ihn wiederum auf den rechten Weeg zu bringen. Allein alles umsonst. So versuchte er dann das letzte Mittel; und dieses war die Andacht zu der Mutter GOttes in der Bruderschaft des Heil. Rosenkrantzes, von welcher Andacht er schon viel Proben erfahren und gesehen hatte. Er redete ihn demnach folgender Gestalten an: es ist ja hoch zu bedauren, daß du alle heylsame Ermahnungen so liederlich verachtest. Nun aber wirst du nicht laugnen können, daß du, als ein Christ, die Mutter deines Erlösers zu verehren schuldig seyest. Ja freylich (antwortete der Sünder) bin ich es schuldig. Wohlan (sprache Alanus) so thue dann eines, das dir leicht, und der Mutter [422] GOttes angenehm seyn wird; lasse dich einschreiben in die Bruderschaft des H. Rosenkrantzes, und bette selbigen fleißig, so versichere ich dich, daß dir wird geholffen werden. Der Sünder folget dem Rath; begibt sich in die Bruderschaft des Heil. Rosenkrantz, fanget ihn an zu betten, und ist darauf in kurtzer Zeit in ihm ein solche Veränderung erfolget, daß er nicht allein ein starcke Hofnung zu der unendlichen Barmhertzigkeit GOttes geschöpft; seine Sünden bereuet und gebüsset; sondern sich auch in allen Tugenden, und guten Wercken geübet, und endlich sein Leben seeliglich beschlossen hat. Ex cit. lib. Exemp. 14.

3. Begebenheit
Dritte Begebenheit.
Ein Weibs-Person erlangt durch den Heil. Rosenkrantz die Gnad, eine vollkommene Beicht zu thun.

Diese, nachdem sie in ihrer Jugend eine gewisse Sünd begangen, hatte sie selbige lange Zeit aus sträflicher Schamhaftigkeit in der Beicht verschwigen; und ihr mithin vermessentlich (man mercke es wohl: vermessentlich, damit ihr niemand hierein nachfolge) eingebildet, GOtt werde ihr aus Barmhertzigkeit solche Sünd auch ungebeichtet gnädiglich verzeyhen. Was geschiehet? Als sie auf eine Zeit von der Kraft des Heil. Rosenkrantzes eine Predig angehört, und vernommen, daß man auch die Gnad, Huld und Fürbitt der Mutter GOttes leichtlich erlangen möge, hat sie ihr fürgenommen, sich in dessen Bruderschaft einschreiben zu lassen, selbigen fleißig zu betten; jedoch ohne Vorhaben, ihre viel und grosse Sünden zu beichten. Aber sehe man, was dies einschreiben vermöget; indem man theilhaftig wird des Gebetts so vieler tausend und tausend Brüder und Schwesteren, welche für diejenige bitten, so in Sünden verharren, damit sie bey GOtt möchten wiederum zu Gnaden kommen, dann die Nacht vor ihrem Tod ist ihr Christus am Creutz erschienen, und hat sie mit folgenden Worten angeredt: siehe, was ich vor dich gelitten, schaue an diese Wunden, welche ich deinetwegen empfangen! was hab ich mehr thun können? und dannoch bist du so verstockt, daß du deine verschwiegene Sünd noch nicht beichten wilst. Es erforderet meine Gerechtigkeit, daß ich dich auf ewig zur Höllen verdammen solte. Aber wegen der Fürbitt meiner gütigsten Mutter, und wegen dem Verdienst des Heil. Rosenkrantzes, den du (obwohlen im Stand meiner Ungnad) täglich gebettet: und endlich wegen dem Gebett so vieler Brüder und Schwesteren des Heil. Rosenkrantzes, will ich Barmhertzigkeit an dir erweisen. Darum [423] beichte deine Sünd aufrichtig, und thue Buß darfür, dann morgen frühe wirst du vor meinem Gericht erscheinen, und von deinem gantzen Leben müssen genaue Rechenschaft geben. Damit du aber noch auf dieser Welt gereiniget, und ohne Mackel in den Himmel eingehen mögest, so wirst du inwendig in deinem Leib Schmertzen des Fegfeuers empfinden. Dieses geredt ist Christus verschwunden. Da nun das Weib schon für tod gehalten worden, kame sie wiederm zu sich selbst; empfande aber in ihrem Leib ein so unerträgliche Hitz, als wäre sie voller Feur. Darauf begehret sie unverzüglich einen Beicht-Vatter, deme sie mit grosser Reu und Leyd alle und jede Sünden, besonders aber diejenige, welche sie so lange Zeit höchst sträflich verschwiegen hatte, gebeichtet: und mithin auch angezeigt, wie daß ihr Christus geoffenbahret habe, daß sie des anderen Tags sterben wurde. Wie sie dann auch auf die benannte Zeit, nachdem sie vorher mit den Sacramenten der Sterbenden versehen worden, gestorben ist. Nach ihrem Tod aber hat man ihren Leib durch und durch verbrennt gefunden, als wann er im Feuer gelegen wäre. Ex cit. lib. Exempl. 21.

4. Begebenheit
Vierte Begebenheit.
Eine Kinds-Mörderin wird durch Kraft des Heil. Rosenkrantzes, nachdem sie lebendig unter die Erden vergraben worden, wunderbarlich beym Leben erhalten.

Nachdem sich diese, als ein leichtfertige Dirn, mit einem Kerl, der nicht besser als sie ware, verfehlet, und vermerckt, daß sie grosses Leibs worden, lebte sie in stetten Sorgen, ihre Schand-That möchte auskommen. In diesem schweren Anligen gehet sie in die Kirch, und kommt eben in eine Predig, in welcher dem Volck die Kraft des Heil. Rosenkrantzes ausgelegt, und unter anderen auch gesagt wurde, daß alle diejenige, welche sich in schweren Anligen befinden, und sich der Mutter GOttes in der Bruderschaft des Heil. Rosenkrantzes befehlen, daraus wurden erlediget werden. Diese Wort fassete diese betrübte Person tief zu Gemüth; liesse sich in die Bruderschaft einschreiben, und bettete den Rosenkrantz mit grossen Eiffer. Endlich kame die Zeit der Geburt herbey, und sie gebahre in aller Geheim ein Söhnlein. Weilen sie dann sahe, daß niemand von der Sach wußte, entschlosse sie sich, das Kind (O Grausamkeit!) umzubringen, welches sie auch aus Antrieb des bösen Feinds in das Werck gesetzt, und nach begangener Mordthat das Kind heimlich begraben hat; GOtt aber, der das Unrecht nicht ungestraft laßt, [424] wolte nicht, daß diese unmenschliche That solte verborgen bleiben; sondern liesse zu, daß es der Obrigkeit kund und offenbar wurde; derowegen sie, als eine Mörderin ihrer eigenen Leibs-Frucht gefangen, und durch die Folter gezwungen worden, daß sie ihre entsetzliche That selbsten bekennt, und deswegen zum Tod verurtheilt worden. Das Urtheil aber ware, daß sie lebendig unter die Erden solle vergraben werden; welches auch an ihr vollzogen worden. Uber viel Stund hernach, als jedermann vermeint, sie wäre schon verstickt, und tod, da hörte man aus dem Grab eine Stimm schreyen:helffet mir! ach helffet mir! dann ich lebe noch. Als die Leut solches gehört, kame sie ein grosser Schröcken an, ruften also einen Priester zu diesem Wunder-Werck, und wurde endlich ein grosser Zulauf zu dem Grab. Das Grab wird demnach eröfnet, und die Person frisch und unverletzt gefunden. Weil nun jedermann über dieses Mirackul sich höchstens verwundert, und zu wissen verlangt, wie sie beym Leben habe verbleiben können, da vernahme man von ihr, daß dieses allein geschehen seye wegen der Andacht, die sie getragen zu der Mutter GOttes, und ihrem Heil. Rosenkrantz. Sagte auch, daß sie vor ihrem End nicht recht gebeichtet hab; weswegen sie ewiglich wäre verdammt worden. Es habe sich aber die Mutter GOttes in das Mittel gelegt, und bey ihrem Sohn so viel zu wegen gebracht, daß sie vollkommentlich habe beichten können. Ferners sagte sie zu dem umstehenden Volck: O wann ich euch erzählen solte die entsetzliche Peynen, welche auf mich gewartet haben, so wurden euch die Haar gen Berg stehen. Von diesen aber allen bin ich allein durch das Gebett des Heil. Rosenkrantzes erlediget worden. Diese Person hat hernach noch lang gelebt, und ihr Leben in beständiger Verehrung Mariä, und Andacht ihres Rosenkrantzes zugebracht. Ex cit. lib. c. 3.Exemp. 28.

5. Begebenheit
Fünfte Begebenheit.
Der Englische Gruß von einem lasterhaften Edelmann täglich gebettet, verhindert, daß ihn der böse Geist nicht konte wegführen.

Dieser hatte neben einer offenē Landstraß ein Schloß, auf welchem er allen, so vorbey reiseten durch seine Bediente nachstellen, und selbige ohne alle Barmhertzigkeit ausplünderen liesse. Doch hatte er diesen löblichen Brauch, daß er die Mutter GOttes täglich mit dem Englischen Gruß zu verehren pflegte; welche Gewohnheit er keinen Tag, mit was Geschäften er auch immer beladen war, unterliesse. Nun begabe [425] es sich auf eine Zeit, daß ein gottseeliger Ordens-Mann daselbst vorbey reisete, welchen die Bediente gedachten Edelmanns gleich anpackten, und ihn ausplünderen wolten. Er batte sie aber, sie wolten ihn doch für ihren Herrn kommen lassen: dann er hätte mit ihm von wichtigen Sachen zu reden. Wie er nun für den Edelmann kommen, bate er ihn, er wolle alle seine Bediente, so in dem Schloß waren, lassen herbey kommen: damit er ihnen eine heylsame Lehr vortrage. Der Edelmann bewilliget in sein Begehren; und gibt also Befehl, daß sich alle einstellen sollen. Das geschahe dann. Alle erschienen; ausser des Edelmanns Kam mer-Diener. Da batte der Ordens-Mann, man solte auch diesen herbey führen. Nun der kommt; allein sobald er den Ordens-Mann gesehen, verkehrte er die Augen im Kopf, und stellte sich gantz unwürsch und zornig. Aus welchem der Ordens-Mann aus göttlichem Eingeben gleich erkennet, wer er seye. Fanget also gleich an, ihn zu beschwöhren, und befihlet ihm in Kraft des allerheiligsten Namens JEsus, offentlich zu bekennen, wer er seye, und warum er sich bey dem Edelmann aufhalte. Da antwortet er mit greulichem Geschrey: weil du mich durch den ausgesprochenen Namen beschwörest, so muß ich (wie wohl ungern und wider meinen Willen bekennen) daß ich kein Mensch, sondern ein höllischer Geist seye, und mich aus Befehl meines Obersten des Lucifers nunmehr in die vierzehen Jahr lang in menschlicher Gestalt bey diesem Edelmann aufgehalten, auf ihn acht zu geben, wann er einen eintzigen Tag den englischen Gruß wurde auslassen. Dann in solchem Fall hätte ich von GOtt den Gewalt bekommen, ihne mit Leib und Seel mit mir in die Höll zu führen. Solches aber hab ich bishero nicht ins Werck setzen können; dieweilen er alle Tag (keinen ausgenommen) Mariam mir dem englischen Gruß verehret hat. Als der Edelmann solches gehört, fiele er dem Ordens-Mann zu Füssen, und versprache Besserung des Lebens. Der Ordens-Mann aber wendete sich zu dem bösen Geist, und befahle ihm sich alsobald hinweg zu packen, und an ein solches Ort zu begeben, allwo er keinem Menschen schaden könte. Auf diesen Befehl verschwande der böse Geist; und der Edelmann wurde aus der Gefahr des ewigen Verderbens errettet. Ex. cit. lib. c. 15. Exempl. 3.

6. Begebenheit
[426] Sechste Begebenheit.
Ein hartnäckiger Sünder wäre zur ewigen Verdammnuß verurtheilt worden, wann er nicht täglich hundert Ave Maria gebettet hätte.

Dieser, ob er schon zum öftern zur Buß und Besserung des Lebens ermahnt worden, fuhre er doch einen Weeg wie den anderen in seinem bösen Wandel fort. Endlich fallt er in ein schwere Kranckheit, und wird im Geist verzuckt. Da sahe er wie die höllische Geister vor dem höchsten Richter stunden, und heftig auf das Urtheil der ewigen Verdammnuß wider ihn drangen. Er sahe aber auch unser liebe Frau daher kommen, und dem Richter etliche Zettelein darreichen, auf welchen alle Ave Maria geschrieben stunden, die von diesem Sünder gebetten worden; herentgegen aber brachten die böse Geister gantze Bücher herfür, in welchen alle seine Sünden aufgezeichnet waren. Als nun beyde Theil auf die Waag-Schüssel gelegt worden, sahe man daß die Sünden dieses elenden Menschen die Zettelein, so von Maria aufgelegt worden, weit übertroffen haben. Da sprach dann der Richter:diese Seel hat nicht den Himmel, sondern die Höll, und ewige Verdammnuß verdient. Maria aber sagte: es ist wahr, mein allerliebster Sohn: allein gedencke doch, daß du aus meinem Jungfräulichen Leib die menschliche Natur angenommen, in welcher du für das gantze menschliche Geschlecht dein Blut vergossen, und den schmählichen Tod des Creutzes ausgestanden hast. Nun begehre ich mehr nicht, als ein eintziges Tröpflein deines vergossenen Bluts, dieser Seel darmit hinaus zu helffen. Da sagte der Sohn: mein liebste Mutter! wie solte ich dir dieses versagen können? nimme dann hin, was du begehrt hast. Darauf hat Maria (wie es die ängstige Seel gedunckt hatte) ein Tröpflein aus der Seiten ihres Sohns genommen; und als sie es auf die Waag-Schüssel gelegt, hatte es alle Sünden überwogen. Auf welches hin die Teufel entsetzlich zu schreyen angefangen, und in diese Wort ausgebrochen: O! diese Frau ist gegen den ihrigen gar zu barmhertzig. Nach welchen Worten sie auch die Flucht genommen; der Sünder aber, nachdem er Buß und Besserung des Lebens versprochen, und wiederum zu sich selbst kommen, hatte er männiglich alles erzählt, was er gesehen, und nachdem er die vorige Gesundheit erlangt, begabe er sich in ein Closter, würckte Buß, und verblibe die gantze Zeit seines Lebens ein danckbarer Diener Mariä. Ex. cit. lib. Exempl. 15.

7. Begebenheit
[427] Siebende Begebenheit.
Ein verzweifelter, und so gar dem bösen Feind schon verschriebener Mensch, kommt durch Mariä kräftige Fürbitt bey GOtt wiederum zu Gnaden.

Dieser Mensch ware anfänglich von grossen Mittlen; kame aber durch Unglück nach und nach in die äusserste Armuth: worüber er sich dermassen bekümmert, daß er des zeitlichen Verlursts halben verzweifelt; GOtt (O des entsetzlichen Frevels!) und den Heil. Tauf verlaugnet, und sich mit seinem eigenen Blut dem Satan, (aus Hofnung, dieser werde ihn wiederum zu den vorigen Mittlen verhülflich seyn) verschrieben hat. In diesem unglückseeligsten Stand kommt er einstens in eine Predig, so ein Pater aus dem Dominicaner-Orden gehalten, und höret von der Cantzel herunter, was es für ein Elend sey, wann man sich in des Teufels Gewalt befinde; und wie grausamlich er mit einem solchen umgehe. Herentgegen wie groß GOttes Barmhertzigkeit seye; wie lange Zeit er auf die Bekehrung der Sünderen warte; und wie viel er ihnen Mittel an die Hand gebe, durch welche sich auch die gröste Sünder bekehren, und von des Teufels Gewalt ledig machen können: zu letzt aber sagte er, wie unter solchen Mittlen eines aus den vornehmsten seye die Andacht gegen der Mutter GOttes; benanntlich aber das Gebett des H. Rosenkrantzes.

Diese Predig gienge dem armseeligen Sünder also zu Hertzen, daß er anfienge eines Theils sein Elend zu erkennen, anderen Theils aber, in trauriger Erwegung, wie daß er GOtt verlaugnet, und deswegen zu ihm zu kommen sich unwürdig schätzte, seine Zuversicht und Hofnung zu Maria, als eine Fürbitts-Mittlerin, und Zuflucht aller Sünderen, wann sie sich nur bekehren wollen, zu nehmen. Liesse sich demnach in die Bruderschaft des Heil. Rosenkrantzes, von dessen heilsamer Kraft er viel gehört hatte, einschreiben; und rufte mithin die Mutter der Gnaden und Barmhertzigkeit in seinem Elend, und armseeligsten Stand um ihr Hülf an. Allein der Teufel triebe über dieses alles nur das Gespött; warffe ihm die gegebene Handschrift vor, und sagte, so lang diese vorhanden seye, werde ihn alles Seuftzen und Betten nichts helffen; dann er seye ewiglich verlohren. Der arme Sünder liesse darum die gefaßte Hofnung nicht fallen; sondern verfügte sich mit grossen Vertrauen in eine der Mutter GOttes geweyhten Capell; knyete vor derselben Bildnuß nieder; klagte mit heissen Zäheren seine Noth; bettete auch mit aufgehebten Händen so lang, bis daß (O milde! O kräftige Vorbitt Mariä bey ihrem Sohn!) vor seinen[428] Augen die Handschrift, in welcher er sich zuvor mit seinem Blut dem Satan unterschrieben hatte von der Bildnuß herab gefallen, und er gäntzlich versichert worden, daß alles, was er dem Satan schriftlich versprochen hatte, zernichtet und ausgelöscht worden; und er durch Mariä kräftige Vorbitt mit GOtt vereiniget, und wiederum zu Gnaden aufgenommen seye.Joannes Bonifacius S.J. in Hist. Virginali l. 2. c. 15.

8. Begebenheit
Achte Begebenheit.
Ein Ehebrecherischer Graf in Franckreich wird durch den Psalter den ihm seine Gemahlin bey nächtlicher Weil ohne sein Vermercken unter das Haupt-Küssen gelegt, wunderbarlicher Weis zur Bekehrung veranlasset.

Dieser Graf die Ehr seines Ehe-Beths auf die Seiten setzend, hatte sein Leben mit so vielen Lasteren angefüllet, daß er durch kein Mittel, noch Zusprechen davon konte abgehalten werden. Deswegen seine Gemahlin sich darüber ärgerend, den Entschluß gefaßt, ihrem Herrn zu Trutz, und sich an seiner Untreu zu rächen, ein gleiches Leben zu führen, der verbottenen Lieb auch das Rädlein lauffen zu lassen, bey sich verzweifelter Weis gedenckend: gelte es dem Herrn, so gelte es auch der Frau.


Aber siehe Wunder! indem sie mit solchen Gedancken umgeht, begiebt sie sich aus lauter Melancholey in ihre Schlaf-Cammer, setzt sich auf einen Sessel, und wird mithin vom Schlaf überfallen. Währenden diesem Schlaf wird sie in die Hölle verzuckt, und siehet, was für entsetzliche Pein und Qual diejenige ausstehen müssen, welche die Ehr ihres Ehe-Beths befleckt haben. Worüber sie einen solchen Schröcken empfunden, daß, nachdem sie erwachet, sie fast von Sinnen kommen; bis sie sich endlich erholet, ihre ehebrecherische Gedancken geändert, dem H. Dominicus (so damahls noch bey Leben war) zugeloffen, und gebeichtet hat: der ihr dann kein andere Buß (wie sie selbst bekennt) als nur einen eintzigen Psalter zu betten auferlegt hat. Sie aber mit diesen nicht zufrieden, liesse sich noch darüber in die Bruderschaft des Heil. Rosenkrantzes einschreiben, dero vorgeschriebenen Psalter sie 15. Täg aneinander gebettet: welches dem gedachten Heil. Mann (der auch für das Heil des Grafens besorgt war) Gelegenheit gegeben, ihr zu rathen, diesem ihrem treulosen Herrn den Psalter, den der Heil. Mann selbsten an seiner Gürtel truge, 3. Nächt nacheinander, ohn sein Vermercken, unter das Haupt-Küssen zu stecken, und im übrigen JEsu, und Mariä seiner werthisten Mutter, die gantze Sach zu überlassen. Was geschiehet? O [429] wunderbarliche Würckung des Psalters! da der Graf die erste Nacht (wiewohl unwissend den Psalter unter dem Haupt-Küssen gehabt) hat er die Abscheulichkeit seiner Sünden erkennt, und am gantzen Leib so erbärmlich gezittert, daß er mit Zäherfliessenden Augen seine Gemahlin um Beystand anzuflehen genöthiget worden.


Die anderte Nacht kame ihm vor, als seye er schlaffend für den strengen Richter-Stuhl GOttes beruffen, und aller seiner begangenen Mißhandlungen halber angeklagt worden, und das mit solchem Ernst, und genauer Versicherung, daß, als er aus dem Schlaf erwachet, vor Forcht und Schröcken schier dahin gestorben. Woraus dann erfolget, daß er seine Gemahlin in besseren Ehren gehalten, und mit ehelicher Treu geliebt hat.


Endlichen und in der dritten Nacht wird er im Geist verzuckt: da er dann gesehen, und einiger massen auch in etwas empfunden hat jene unaussprechliche Pein und Plag, so diejenige ausstehen müssen, welche im Ehebruch gelebt haben. Wie ihm bey so bewandter Sach werde um das Hertz gewesen seyn, kan sich ein jeder leichtlich einbilden. Ohne Zweifel wird er darfür gehalten haben, es seye mit seinem Heil gethan, und werde er immer und ewig in den höllischen Flammen brinnen und braten müssen. GOtt aber schicke ihm einen Engel, der ihm seine bishero begangene Laster mit scharfen Worten verwiesen; mithin aber angezeigt, daß noch Gnad vorhanden, und letztlich diese Wort gesprochen: Dancke dem grundgütigen GOtt, der sich deiner erbarmet hat; sonst wärest ewiglich verlohren. Siehe aber zu, daß du hinfüro dein Leben ernstlich besserst, und dir den Psalter der allerseligsten Mutter GOttes, durch welchen du (wiewohlen er allein deinem Haupt unterlegt worden) dem ewigen Untergang entronnen, lassest anbefohlen seyn, und deine Gemahlin treulich liebest. Also kame der Graf aus dem Land der Finsternuß zurück; aber gantz verändert. Das erste, so er vornahme, ware dieses, daß er seine bishero so übel gehaltene Gemahlin um Verzeihung gebetten, und ihr forthin getreu zu seyn versprochen. Hernach verfügte er sich samt allen denen Seinigen zu dem H. Dominicus, und liesse sich in die Brüderschaft des Heil. Rosenkrantzes einschreiben; er zeigte auch einen solchen Eifer, daß er den Psalter nicht allein mit möglicher Andacht forthin gesprochen; sondern auch selbigen niemahlen aus den Händen gelassen. Verkündigte noch dazu aller Orten die Vortreflichkeit dieser Andacht, durch welche er erlangt, daß er mit seiner Gemahlin in aufrichtiger Treu und Liebe gelebt, und mit ihr nicht wenig Kinder erworben hat. Seynd auch beyde in Beyseyn der Himmels-Königin auf einen Tag- und Stund gottseliglich verschieden, und zu Paris in [430] der Haupt-Kirschen bey unser lieben Frauen in einem Grab beygesetzt, und beerdiget worden. Nierembergius 8. J. in Trophæo Mariano. 1. 4. c. ex Alano.

9. Begebenheit
Neunte Begebenheit.
Ein gewisser Mann, welcher er hätte ertrincken und in Sünden sterben sollen, wird wegen der Andacht, so er gegen unser lieben Frauen getragen, beym Leben erhalten.

Es hatte sich auf eine Zeit zugetragen, daß 3. Männer auf der Donau im Schif gefahren, und mitten in dem Fluß einen Schifbruch erlitten: und da 2. aus ihnen hinaus geschwummen, ist der dritte gäntzlich untergangen, und hat in der Tieffe des Wassers ein Stimm gehört, die also lautete: Siehe! O Mensch, jetzt soltest du ertrincken; und weil du tödtliche Sünden auf dir hast, ewiglich zu Grund gehen. Weilen du aber bishero der Mutter GOttes mit Andacht zugethan gewesen, und sie fleißig verehrt hast, wird dir das Leben geschenckt, damit du beichten könnest. Unterdessen, da seine 2. andere Gesellen etwelche Fischer bestellt, den ertrunckenen Leib zu suchen, und heraus zu fischen; selbigen aber nicht gefunden, und nach 3. Tägen unverrichter Sachen vom Suchen gäntzlich abgelassen, und nunmehr nach Haus kehren wollten, da sahen sie ihn am Gestatt aus dem Fluß heraussteigen: welcher dann ihnen, was sich mit ihme zugetragen, und warum er beym Leben erhalten wor den, treulich erzählet, und gleich darauf einen Priester gesucht, deme er alle seine Sünden reumüthig gebeichtet hat. Und dieser Priester ware der Ehrwürdige Pater Pelbart, aus dem Orden des Heil. Francisci, welcher bezeugt, daß er diese Begebenheit aus dem Mund dessen, so beym Leben erhalten worden, erzählen gehört habe. Aus welchem er dann schliesset, daß denen, welche U.L. Frau mit beständiger Andacht zugethan seynd, wenigst noch vor ihrem End die Gnad, Buß zu thun ertheilt werde; mithin der ewigen Verdammnuß entgehen, und in Himmel kommen mögen. Welches in Wahrheit sehr trostreich anzuhören ist. Doch solle niemand die Buß freventlich bis in das Tod-Beth verschieben. Dann das wäre überaus gefährlich. Pistorius (Georg.) Conc. 20. de Maria Matre admirabili ex Pelbarto.

[431]
10. Begebenheit
Zehente Begebenheit.
Ein Verstorbener, welcher wegen seinen Sünden hätte sollen verdammt werden, und aber täglich den Rosenkrantz gebettet, wird durch die Fürbitt der Mutter GOttes erhalten, daß er seine Sünden hat beichten können.

Dieser, ob er schon in den Wollüsten der Welt gantz versoffen ware, so truge er doch gleichwohl grosse Andacht zu der Mutter GOttes, und bettete ihr zu Ehren täglich den Rosenkrantz. Mit der Zeit fallt er in eine schwere Kranckheit, daran er auch gestorben. Als er nun etliche Stund da gelegen, ist er gähling wiederum zu sich selbsten kommen, und zum Leben erwecket worden. Ruft also zu denen, so um ihn herum stunden, man solle ihm unverzüglich einen Priester kommen lassen, deme er beichten könne. Die Umstehende, so hierüber heftig erschrocken, willfahren dem Jüngling. So bald nun der Priester ankommen, sagte der Jüngling mit lauter Stimm vor allen Gegenwärtigen: Wisset, daß ich bin geführt worden für den Richterstuhl Christi, allwo mich die höllische Geister wegen 3. Sünden heftig angeklagt haben, um derentwillen auch das Urtheil der ewigen Verdammnuß über mich hat ergehen sollen. Weilen aber die Mutter GOttes entzwischen kommen, und ihren allerliebsten Sohn für mich gebetten, mir, weilen ich ihr zu Ehren täglich den Rosenkrantz gebettet, noch so viel Zeit zu lassen, damit ich meine Sünden hertzlich bereuen, und Buß darüber thun könnte: ist mir solche Gnad auch zugesagt worden. Meine Sünden waren diese; 1.daß ich den Zehenden meiner Gütern denen Priestern entzogen. 2. Daß ich mit meinen Gesellen erlichen armen Geistlichen Fisch entfremdet. 3.Daß ich mit meinen Jagd-Hunden den armen Leuten das Getreid verderbt hab. Als er dieses geredt, und den erlittenen Schaden aus seinen hinterlassenen Güteren zu erstatten ernstlich verordnet, ist er über ein kleine Zeit mit GOTT versöhnet, das andermahl verschieden, und mithin durch die Fürbitt der Mutter GOttes erhalten worden. Cantiprat. lib. 2.Apum. cap. 19. Part. 8.

11. Begebenheit
[432] Eilfte Begebenheit.
Ein grosser Sünder wird durch einen eintzigen Anblick Mariä auf einmahl bekehrt.

Dieser ware in allerhand Gattungen der Sünden so vertieft, daß man hätte glauben mögen, er hätte sowohl seiner selbst, als seines Schöpfers gäntzlich vergessen. Seine gantze Andacht bestunde in einem eintzigen Englischen Gruß, den er täglich zu betten pflegte. Als er einstens bey nächtlicher Weil tieffer in den Sünden, als in den Federen gleichsam begraben lage, erscheint ihm Maria, die Mutter GOttes im Schlaf, und giebt ihm einen eintzigen gnädigen Anblick, worauf sie alsobald verschwunden. Nachdem er erwachet, ware ihm nicht anderst, als hätte er ein neues Hertz, welches nunmehr zu allem Guten sich geneigt befande. Seine Gedächtnuß ward auf einmahl also erleuchtet, daß er alle seine Sünden gleichsam vor sich sahe, als hätte er sie kurtz vorher begangen. Er wolte gern in die Kirchen gehen, und beichten; die Schwachheit aber, die ihm zugestossen, wolte es nicht zulassen. Deswegen begehrte er zu sich einen Pater aus der Gesellschaft JEsu, Willens, seine Sünden von Jugend auf zu beichten. Der Pater wolte eine Zeit lang verziehen, auf daß der Sünder sich besser auf eine so lange Beicht besinnen möchte. Dieser aber sagte, wie daß er durch Beyhilf Mariä also bereitet wäre, daß er keines Aufschubs vonnöthen hätte. Und dem ware auch in der Wahrheit also. Dann er hatte sein Beicht so ordentlich, nach der Gattung, und Zahl der Sünden eingerichtet, als hätte er lange Zeit darauf gedenckt. So liesse er auch beynebens einen solchen Schmertzen spühren, und so häufige Zäher rinnen, daß der Beicht-Vatter ihn zu absolvieren kein Bedencken truge. Er versprache auch, wann ihm GOtt das Leben verlängern wurde, wolte er in einen geistlichen Orden tretten. GOTT aber nahme den guten Willen fürs Werck an, und berufte ihn den 5. Tag hernach aus diesem zu dem ewigen Leben ab. Nierembergius S.J. in Trophæo Mariano l. 4. c. 37.

12. Begebenheit
Zwölfte Begebenheit.
Ein Jüngling wird durch beständige Andacht zu unser lieben Frauen zur Besserung seines liederlichen Lebens gebracht.

Dieser ware von adelichen Geschlecht; ist aber durch böse Gesellschaft also verführt worden, daß er das mehriste von seinem Erbtheil mit Spielen, Trincken, und anderem Muthwillen verzehrt; doch aber [433] wider die Keuschheit niemahlen etwas zugelassen. Sein Herr Vetter sprache ihm auf eine Zeit ernstlich zu mit diesen Worten: Schäme dich, daß du den Adel deines Geschlechts mit so liederlichen Leben befleckest. Wann du nun wollest, köntest du zu grossen Ehren und Glückstand kommen. Allein der Jüngling lachte nur darüber, als über ein Kinder-Schröcken. Darauf sagte sein Herr Vetter: Weil ich doch siehe, daß du ein leichtsinniges Gemüth hast, so thue mir wenigst nur eines zum Gefallen. Was dann (fragte der Jüngling) bette nur alle Tag (antwortete sein Herr Vetter) 50. Ave Maria. O! (sagte der Jüngling) wann ich alle Tag nur eines mit Andacht sprechen wurde; solte das nicht genug seyn? Ey (fuhre sein Herr Vetter fort) setze die andere auch hinzu, auf daß dich Maria in ihren Schutz nehme. So sey es dann (sagte der Jüngling)es solle auch hiemit versprochen seyn: ich will es thun. Ueber ein Jahr fragte ihn sein Herr Vetter: Wie ist es? bist du deinem Versprechen nachkommen? Ja (antwortete der Jüngling) und ich wolte nicht, daß ich es unterlassen hätte: dieweil ich anjetzo bey weiten nicht mehr zu dem liederlichen Leben, wie vor diesem, geneigt bin. Das andere Jahr ward der Jüngling also gebessert, daß sein Herr Vetter vor Freuden aufschrie: gebenedeyet seye die Mutter der Barmhertzigkeit, welche dich in ihren Schutz aufgenommen, und zu einem besseren Leben hat angetrieben. Siehe! wie glückselig bist du: dieweil du meinem so heilsamen Rath gefolget hast. Als nun bald darauf der Jüngling, mit Rath und Hilf seines Herrn Vetteren, sich mit einer adelichen Fräulein versprochen; die Hochzeit angestellt, und bey der Mahlzeit alles in Freuden war, erinnerte sich der Hochzeiter, wie daß er selbigen Tag den Rosenkrantz noch nicht gebettet hätte; stehet also (mit vorgehender höflichen Entschuldigung gegen den Gästen) vom Tisch auf; begiebt sich in ein Neben Zimmer, und fangt an zu betten. Da erscheint ihm die Königin der Jungfrauen mit herrlichen Glantz in einem Kleid, in welchem 100. und 50. Ave Maria (so viel nemlich einen gantzen Psalter ausmachen) eingestickt waren, und spricht zu ihm: Siehe, wie ich mir gefal len lasse jene Ehr, die du mir durch dein Gebett erzeigt hast. Du hast zwar eine geraume Zeit deines Lebens in allerhand Muthwillen zugebracht; jedoch weil du die Jungfrauschaft niemahlen befleckt, so zeige ich dir aus mütterlicher Liebe an, daß du alsobald von einem Fieber werdest angefallen, und über den dritten Tag, als eine Jungfrau zu mir gelangen; wie dann auch geschehen. Die Fräulein Hochzeiterin aber ist durch diese Begebenheit dergestalten bewegt worden, daß auch sie (der Jungfräulichen Mutter GOttes zu gefallen) die Jungfrauschaft gehalten, und ihrem [434] Bräutigam gottseliglich zur ewigen Belohnung (wie zu hoffen) nachgefolget ist. Alanus Ord. Prædic. l. de Rosario. c. 55.

Einige Begebenheiten, die sich wegen anderen Andachten gegen U.L. Frau zugetragen
1. Begebenheit
Erste Begebenheit.

Um das Jahr Christi 860. befande sich auf dem Berg Monserat in Catalonien, einer Provintz in Spanien, ein Einsidler mit Nahmen Johannes Guarin. Dieser führte ein überaus strenges Leben, und ware beynebens eines so reinen Gewissens, daß er sich niemahl mit einer schwehren Sünd bemackelt hatte. Lucifer, der höllische Feind, war ihm wegen so grosser Tugend sehr mißgünstig; deßwegen sendete er aus Zulassung, und verborgenen Urtheilen GOttes (denen wir nicht fürwitzig nachforschen, sondern dieselbe mit tieffem Sillschweigen verehren sollen) auf die Erden zwey Teuffel. Einer aus diesen nahme an sich die Gestalt eines Einsidlers, dieser gehet hin, seine Wohnung zu nehmen nicht weit von der Höle des Guarins; und damit er ihn desto leichter könnte hinter das Liecht führen, ist er einsmahl zu ihm kommen, und hat mit ihm von geistlichen Sachen geredt; ihne zugleich gebetten, er wolle es ihm nicht verdrießlich fallen lassen, wann er ihn bisweilen in seiner Einsidlerey wurde heimsuchen; damit einer dem andern möchte einen Trost geben. Guarin, weilen er anfänglich den Betrug nicht merckte, hielte diesen verstellten Einsidler für einen heiligen Mann, und ware bey ihm in nicht geringem Ansehen. Der andere von dem Lucifer ausgesandte Teuffel hatte den Befehl in die Tochter Gottfrids, eines Grafen von Barcellona in Catalonien zu fahren, welche er erschröcklich plagte. Man fienge an ihn zu beschwöhren: allein er antwortete aus dem Mund der Besessenen, er werde nimmermehr aus ihr fahren, bis daß Guarin, der auf dem Berg Montserat ein heiliges Leben führe, ihn wurde ausgetrieben haben. Der Graf dieses hörend, schickte alsobald seine Bediente aus, diesen heiligen Mann aufzusuchen; und als er das Orth erfahren, wo er sich aufhalte, eylete er mit seiner Tochter dahin, und bate den Diener GOttes, er wollte doch mit seiner Tochter Mitleyden haben, und sich ihrer erbarmen. Guarin über dieses Begehren des Grafens befande sich nicht wenig beschämt, und bekennete [435] frey, er wäre nicht würdig, daß er diese Gnad von GOtt erhalten sollte. Nichts destoweniger von dem inständigen Anhalten des Grafens überwunden, begabe er sich in das Gebett, und da er selbiges noch nicht gar vollendet, hatte der böse Geist schon aufgehört die Besessene zu peynigen. Gottfrid, weil die Sache nach Wunsch abgeloffen, ware voller Freuden, und bedanckte sich zuvorderst gegen GOtt; und dann auch gegen dem Guarin. Weilen er aber etlichemahl von dem Teuffel selbst sagen gehört, daß er zwar wegen dem Gebett des Guarins aus der Besessenen fahren; bald aber auf ein neues wieder zuruck kehren werde, hat er den Einsidler gebetten, er möchte doch die Tochter nur auf 9. Tag lang noch bey sich behalten. Allein der Einsidler theils wegen Enge der Wohnung, theils, weilen solcher Aufenthalt seinem einsamen Leben nicht anständig ware, entschuldigte sich aufs beste, als er konnte. Jedoch so wohl das Ansehen des Grafens und starckes Anhalten, als auch die Zäher der besessenen Tochter haben ihn endlich dahin vermögt, daß er seinen Willen darein gegeben. Als nun solcher gestalt Gottfried seine Tochter dem Einsidler hinterlassen, hat er sich in die nächste Stadt begeben, von dannen er von Zeit zu Zeit seine Laqueyen abgeschickt, die Tochter zu besuchen, und ihr zuzutragen, was sie von Speiß und Tranck vonnöthen hatte. Guarin redete indessen viel mit der Besessenen von Sachen, das Heyl der Seelen betreffend, und ermahnte sie ein vestes Vertrauen auf GOtt zu setzen, dann dieser könne sie völlig vom bösen Feind erledigen. Merckte aber nicht, daß er durch so langes Zusprechen ihm selbst zu viel traue. Der Teuffel feyrete indessen auch nicht: indem er das Gemüth des Einsidlers mit unreinen Gedancken anfüllete. Guarin zeichnete sich zwar mit dem Zeichen des Heil. Creutzes, und nahme seine Zuflucht zum Gebett, weil aber der Streit mit dem Fleisch nur immerdar mehr zunahme, machte er den Entschluß, die Gelegenheit aus dem Weeg zu raumen, und sich um ein andere Wohnung umzusehen; doch hat er dieses Vorhaben ehender nicht wollen werckstellig machen, er hätte dann zuvor seines nicht weit von ihm wohnenden Mit-Gespahnen, und verstellten Einsidlers Rath eingehohlet. Gehet derohalben hin, sich mit ihme zu unterreden. Dieser verstellte Einsidler aber hatte ihm den Abzug auf alle Weiß mißrathen, als eine Leichtsinnigkeit. Dann (sagte er) wie kan einer gecrönt werden, wann er nicht vorher tapfer und mannlich gestritten hat. Er brachte auch noch mehrer Ursachen herbey, durch welche Guarin endlich bewegt worden, seine vorige Wohnung im geringsten nicht zu verlassen. Kehrt derowegen wiederum zuruck. Draufhin aber von dem Fleisch noch mehr, als jemahlen geschehen, versucht, wußte er seiner Sach keinen Rath zu schaffen. Er bittet demnach die Diener des Grafens, sie sollten doch seine Tochter wiederum zurucknehmen. Aber alles ware [436] umsonst, weilen diese Befehl hatten ihme nicht nachzugeben. Demnach machte er ihm auf ein neues den Entschluß davon zu fliehen, allein, als sein Mitgespahn, der verstellte Einsidler, solches vernommen, mißriethe er es ihme auf alle Weiß. Endlich von der Versuchung überwunden, der Forcht GOttes, und des so viel Jahr hindurch geführten strengen Lebens vergessend, thate er der Gräflichen Tochter Gewalt an, und versündigte sich mit ihr. Als dieses geschehen, begibt er sich wiederum zu seinem Mit-Gespahnen, erzählt ihm den gantzen Verlauf der Sach, und fragt ihn um Rath, was er jetzt zu thun hätte. Dieser ermahnt ihn sein Vertrauen auf GOttes Barmhertzigkeit zu setzen, als welche des Sünders Tod keinesweegs verlange; und setzte noch dieses hinzu: »Dermahlen ist dein Sünd noch verborgen, doch wird selbige bäldist an Tag kommen. Was wird nicht für ein entsetzliche Aergernus daraus entstehen? ich will dir aber einen Rath geben, wie du selbiger mögest vorkommen. Gehe hin, und nehme der Gräflichen, und von dir geschändten Tochter das Leben, und verscharre sie an einem abgelegenen Orth. Auf solche Weiß wird dein Sünd verborgen bleiben.« Der elende Mensch, welcher die Gnad GOttes verlohren hatte, liesse sich letztlich zu dieser Mordthat bereden; gehet also in seine Höhle zuruck, und da er die Gräfliche Tochter schlaffend gefunden, nimmt er ein Messer, und schneidet ihr, ach der Grausamkeit! damit die Gurgel ab. O du arme Tochter! nachdem du deiner Ehr beraubt worden, so mußt du noch darüber auch dein Leben einbüssen? also ist es geschehen. Darauf ist sie von dem Mörder an einem abgelegenen Orth in die Erden verscharret worden; wie dieses der verstellte Einsiedler vernommen, sagte er zu dem Mörder: Jetzt ist es geschehen um dich, und bleibt dir nichts übrig, als daß du auch dich selbst umbringest, dann du weder bey GOtt, noch bey den Menschen Barmhertzigkeit zu hoffen hast. Als er dieses ausgeredt, verlohre er die vorige Gestalt eines Menschens, und zeigte sich in der Gestalt des lebendigen Teuffels: worauf er mit hinterlassenem gewöhnlichen Gestanck verschwunden ist. Was wollte nun Guarin anfangen? sollte er dem gegebenen verzweiffelten Rath folgen? »Nein (sagte er) hat mich der Teuffel betrogen, so will ich ihn auch betrügen. Es ist wahr, daß ich mich der Barmhertzigkeit GOttes unwürdig gemacht: mein Sünd ist über die massen groß. Allein GOttes Barmhertzigkeit ist unendlich grösser; so will ich dann nicht verzweiflen; dann dieses wäre noch ein weit grössere Sünd, als die vorige. Ich halte mich an die Wort des Psalmisten Davids Ps. 50. da er zu GOtt also redet: ein zerknirschtes und demüthiges Hertz wirst du, O GOtt nicht verachten.« Dieses bey sich also geredt, machte er sich heimlich aus dem Staub, und nahme seinen Weeg auf Rom zu, theils[437] dem Zorn des Grafens zu entgehen, theils seine Sünden an diesem Orth zu beichten. Wie nun die 9. Täg verflossen waren, begabe sich der Graf samt den Seinigen nach dem Berg Monserath, um seine Tochter abzuholen, und mit sich nach Haus zu führen; dieweil er der völligen Meynung war, jetzt werde sein Tochter von dem bösen Geist gäntzlich befreyt seyn. Da er sie aber nicht fande, schickte er seine Bediente hin und wieder aus, selbige aufzusuchen, wo sie doch möchte hinkommen seyn; hier wird dem Leser überlassen zu gedencken, was bey der Frau Mutter der Gräfin für ein Jammern und Klagen, unter dem Volck aber für Reden werden entstanden seyn: unterdessen ist Guarin zu Rom angelangt, allwo er dem Pabst selbst seine erschröckliche Sünden mit grosser Reu und Leyd, wie auch mit Vergiessung häuffiger Zäher gebeichtet hat. Der ihm dann zur heylsamen Buß auferlegt hat, daß, weil er sich nicht anderst, als ein unvernünftiges Vieh verhalten, so solle er gleich dem unvernünftigen Vieh mit den Händen auf dem Boden gehen, und den Himmel niemahl anschauen. So solle er sich auch allein mit Kräutern und Wurtzlen speisen, und in solcher Buß so lang verharren, bis er verstehen wurde, daß ihm GOtt seine Sünden verzyhen habe. Diese Buß hat er auch williglich auf sich genommen; ist wiederum (ohne daß es jemand innen worden) auf den Berg Monserat zuruck kommen; da er gleich dem Vieh nichts anders, als Kräuter asse, auf blosser Erden schlafte, und seine Sünden unaufhörlich beweynte. Er wurde auch mit der Zeit so haarig und ungestaltet: daß er einem wilden Thier gantz gleich sahe. Und in solchem Stand hatte er 7. gantzer Jahr zugebracht. Weilen aber der gütige GOtt einstens wollte ein Zeichen geben, daß ihme die bisherige Buß des Guarins angenehm seye, liesse er die Sach auf folgende Weiß an den Tag kommen. Der Graf stellte einstens bey obgedachtem Berg eine Jagd an, und da er zu einem an dem Berg rauschenden Wasser kommen, hielte er daselbst ein wenig still; befahle aber seinen Jägern, die Höhe des Bergs zu besteigen, und das Gewild aufzusuchen. Diese dann kamen unverhoft zu der Höle des Guarins, allwo die Jagd-Hund zwar zu bellen anfiengen; jedoch in die Höle nicht hinein giengen. Wie die Jäger dieses vermerckt, giengen sie auch hinzu, und ersahen in der Höle den Guarin, den sie für ein wildes Thier gehalten; diesen zogen sie heraus, warfen ihm Strick an, und brachten ihn, als ein Wunderthier für den Grafen. Der Graf befahle das Thier in einen besondern Stall zu führen, und mit Kräutern zu speisen, bis er wurde Gelegenheit haben, selbiges denen bey ihm zuweilen ankommenden Gästen zu zeigen. Es stunde nicht lang an, da gebahre die Frau Gräfin ihrem Herrn ein liebes Söhnlein; dieser Gelegenheit bediente sich der Graf, und seine Freud zu bezeugen, liesse er eine kostbare Mahlzeit zubereiten, zu welcher alle [438] in seiner Gegend herum wohnende vornehme Leut eingeladen wurden. Als nun die Gäst gutes Muths waren, liesse der Graf denen Gästen ein Kurtzweil zu machen, das Wunder-Thier herzuführen. Mithin kame auch herbey die Kindswarterin, des Herrn Grafens Söhnlein, so dazumahl erst drey Monat alt war, auf dem Arm tragend, als nun dieses seine Aeugelein auf das Thier gewendet, sagte es mit deutlichen Worten: Bruder Guarin! richte dich auf, und stehe gerad: dann GOtt hat dir deine Sünden verziehen. Auf diese Wort richtete sich Guarin auf, fiele aber gleich auf die Knie nieder, und danckte GOtt hertzlich um die Gnad, auf welche er so lange Zeit mit Schmertzen gewartet hatte. Der Graf samt denen Gästen erstaunten hierüber dermassen, daß sie essen und trincken stehen liessen, erwartende, was dieses bishero vermeinte Thier reden wurde. Alsdann erzählte Guarin mit vielen Zähern übergossen, was sich mit ihme zugetragen; und wie die gräfliche Tochter von ihm nicht allein geschändet, sondern auch wäre umgebracht worden. Hernach wendete er sich zu dem Grafen, und redete ihn an mit diesen Worten: »Herr Graf! sehet, ich bin bereit zu allem dem, was ihr mit mir werdet anordnen; ich verdiene den Tod, dieweil ich also vermessentlich Hand an eurer geliebten Tochter gelegt, und selbige nicht allein um ihr Ehr gebracht, sondern sogar (O Grausamkeit!) ermordet hab. Ich biete euch dar mein Blut, damit abzuwaschen die Macul, die ich eurem hochadelichen Geblüt und Stammen angehenckt hab.« Diese Wort giengen dem Grafen dermassen zu Hertzen, daß er sich des Weinens nicht enthalten können. Draufhin sagte er: »Nun Guarin! weil dir GOtt verziehen hat, so wurde es mir nicht anständig seyn, wann ich mich an dir rächen wolte. Dieses allein verlange ich von dir zu wissen, wohin du meine geliebte Tochter begraben habest: damit ich ihre Gebein mit meinen Zähern benetzen möge.« Guarin führte den Grafen zur Begräbnuß; und als man die Erden ausgegraben (O Wunder über Wunder! da findet man die gräfliche Tochter nicht allein lebendig und gesund, sondern auch an Schönheit unvergleichlich; ausser daß man an der Kehle noch sehen konnte einen rothen Schnitt, zum Zeichen, daß allda das Messer angesetzt worden. Die Tochter richtete sich aus dem Grab auf, und redete ihren Herrn Vatter, den Grafen mit folgenden Worten an: »Mein liebster Herr Vatter! durch Mariä Fürbitt lebe ich noch, sie hat mich 7. Jahr lang unter der Erden beym Leben erhalten; und dieses darum: als ich von diesem (da zeigte sie auf den Guarin) gewalthätiger Weiß bin angefallen worden, und ich nur allein gewesen, also, daß mir niemand hat können beyspringen, hab ich meine Zuflucht zu der Mutter, der allerseeligsten Jungfrau, dero Bildnus vor kurtzer Zeit auf diesem Berg gefunden worden, [439] genommen, und sie gebetten, sie wolle mich doch in dieser äussersten Noth nicht verlassen; wie sie mir dann auch treulich beygesprungen, und mich bis hieher durch ein vorhin niemahl erhörtes Wunder frisch und gesund erhalten, wie ihr mich vor Augen sehet. O was Danck bin ich dieser so gütigen, und zugleich mächtigen Jungfrau schuldig! es ist wahr, mein liebste Tochter (sagte hierauf der Graf) wir beyde können Mariä nicht genug dancken um diese allen Danck übersteigende Wohlthat. Lob und Ehr seye ihr in Ewigkeit. Allein, jetzt ist es Zeit, daß wir miteinander nach Haus kehren, und deine Frau Mutter mit deiner unverhoften Ankunft erfreuen. O wie vielmahl hat sie innerhalb so viel Jahren nach dir geseuftzet! wie viel heisse Zäher hat sie deinetwegen vergossen! ich lasse alles gelten (sagte die Tochter) aber ich bitte euch, mein liebster Herr Vatter, lasset mich doch an diesem Orth verbleiben; dann hier will ich Mariä dienen, und ihr mein Leben aufopfern; dieweil ich selbiges ihrer mächtigen Fürbitt bey dem allmögenden GOtt zuschreibe.« Der Herr Vatter willfahrte ihr: und damit er zu ihrem Vorhaben ein bequemere Gelegenheit verschafte, hat er an gedachtem Orth ein Closter lassen aufbauen, in welchem sie mit grossem Eyffer und Andacht GOtt und seiner werthesten Mutter bis an das End ihres Lebens gedienet hat.

2. Begebenheit
Zweyte Begebenheit.

Josius, ein gottseeliger Ordens-Mann hatte im Brauch alle Tag nach der Metten den Nahmen Mariä mit 4. Psalmen zu verehren, so viel nemlich Buchstaben sich in diesem befinden. Als er aber auf einen Tag in der Metten nicht erschienen, schickte der Obere des Closters nach ihm, die Ursach seines Ausbleibens zu vernehmen. Und siehe! als man in sein Zellen hinein kommen, da fande man ihn Tods verblichen. Aus seinen Augen und Ohren aber, wie auch aus dem Mund waren frische Rosen gewachsen, auf deren Blätteren der Nahmen Mariä geschrieben stunde; aus welchem Wunder man leichtlich abnehmen können, wie diese Verehrung des Nahmens Mariä der Mutter GOttes so wohl müsse gefallen haben. Wer diesen Nahmen verehren will, der bette zu Nachts, ehe er einschlaft, fünfmahl den Englischen Gruß; vor einem jeden aber spreche er dieses kurtze Gebettlein:


O Maria dein süsser Nahm sey gebenedeyt,
Von nun an bis in Ewigkeit.

Die Andacht ist zwar kurtz, geschiehet aber hierdurch der Mutter GOttes grosses Wohlgefallen.
3. Begebenheit
[440] Dritte Begebenheit.

Es giengen auf eine Zeit drey Pilgram nach einem Heil. Ort wallfahrten, sie müßten ihren Weeg durch einen Wald nehmen. Zween aus ihnen, so voraus gangen, fielen unter die Mörder, von welchen sie erstlich ihrer Kleider; darnach auch des Lebens beraubt worden. Der dritte, welcher langsam nach ihnen gienge, und seiner Gewohnheit nach die kleine Cron U.L. Frau zu betten angefangen, fiele gleichfalls diesen Mördern unter die Händ. Und da sie ihn ermorden wolten, bathe er sie um GOttes willen, ihme so viel Zeit zu lassen, daß er das zu Ehren der Heil. Jungfrauen angefangene Gebett vollenden möchte; so er auch von ihnen, (wiewohl schwerlich) erlangt hat. Was geschiehet? unter währendem Gebett erbarmet sich die Mutter der Barmhertzigkeit über diesen ihren andächtigen Diener, und erscheinet ihm klarer, als die Sonn, sitzend auf einem herrlichen Thron, zwischen der Heil. Catharina und Lucia, welche beyde dieses armen Pilgrams Patroninnen waren. Diese wurden auch von denen Mörderen gesehen, welche vermerckt haben, daß aus dem Mund des Bettenden auf ein jedes Vatter unser ein rothe, auf ein jedes Ave Maria aber ein weisse Rosen gienge. Diese Rosen klaubte die Heil. Catharina auf Befehl Mariä zusammen, und überreichte sie der Heil. Luciä, welche selbige an ein goldenen Schiene mit silbern Fäden gebunden, und daraus ein schönes Kräntzlein geflochten. Nach vollendtem Gebett, und gemachten Kräntzlein setzte es die Himmels-Königin diesem ihrem andächtigen Diener auf das Haupt, und verschwande mir ihren Jungfrauen gen Himmel. Die Mörder aber giengen in sich selbsten, erzählten dem von ihnen Uberfallenen, was sie gesehen, und zeigten ihm das von Rosen zusammen geflochtenes Kräntzlein. Dieses hatte Ursach geben, daß der Pilgram um GOtt, und seiner Jungfräulichen Mutter andächtiger zu dienen, in ein Closter gangen, die Mörder aber sich bekehrt, und forthin ein frommes Christliches Leben geführt haben.

Franc. la Croix. S.J. in Hortul. Mariano cap. 8.


Wilt du nun wissen lieber Leser, in wem dieses Cron-Gebett bestehe? vernimme es: drey Vatter unser zur Ehr der allerheiligsten Dreyfaltigkeit; nach einem jeden aber vier Ave Maria: um hierdurch GOtt Danck zu sagen für die Gnaden, die er der seligsten Jungfrauen, und durch diese der Welt erwiesen hat. Zwey für Ausreutung der Ketzereyen, und anderer Sünden, durch welche die Kirch GOttes betrübt wird. Drittens einen seligen Tod allen denenjenigen zu erlangen, so diese Cron alle Tag betten. In diese Gesellschaft kan sich einer selbst einverleiben, wann er nur drey Vatter unser, zwölf Ave Maria bettet, nach Meinung deren, so diese Andacht zu beförderen begehren.

4. Begebenheit
[441] Vierte Begebenheit.

Carl ein Printz aus Schweden, und der Heil. Brigittä Sohn pflegte nach dem Exempel seiner Frau Mutter Mariam auf unterschiedliche Weis zu verehren. Nun ward er in seinem noch blühenden Alter durch einen unverhoften Tod aus dieser Welt abgefordert. Als seine Frau Mutter (welche sich dazumahl in dem heiligen Land aufhielte, und die von den Fußstapfen Christi geheiligte Oerter verehrte) dessen verständiget worden, erschracke sie heftig ob diser traurigen Bottschaft, und ward vornemlich besorget wegen seiner Seelen Heyl: in Bedencken, daß er ein junger frischer Herr gewesen; junge Leut aber allerhand Sachen wagen därfen. Demnach rufte sie inniglich die seligste Jungfrau an, sie wolte ihr doch offenbaren, was es mit der Seel ihres Sohns Carl für ein Beschaffenheit habe; wie er aus dieser Welt abgeschieden; und ob er auch selig worden? währendem diesem Gebett erscheint ihr die seligste Jungfrau, zu ihr sprechend: Mein liebe Brigitt! an der Seligkeit deines Sohns habe keinen Zweifel: dann ich hab mich seiner im Tod-Beth angenommen; ihn selbsten besucht, auch also gestärckt, daß er von keiner Anfechtung hat mögen überwunden werden. Und damit er nicht etwann vor Schröcken kleinmüthig wurde, hab ich eine grosse Anzahl der höllischen Geisteren, die ihn anfechten wolten, durch mein Gegenwart aus seinem Zimmer verjagt, und sein Seel, so bald sie vom Leib abgeschieden, in meine Arm aufgenommen, und mit mir in den Himmel hinauf geführt.

Osorius To. 4. Conc. ex Revel. S. Brigittæ.

5. Begebenheit
Fünfte Begebenheit.

Ein adelicher Jüngling ward vor seinem letzten End verzuckt, und für den Richter Stuhl Christi gestellt. Nachdem er aber wiederum zu sich selbsten kommen, erzählte er neben anderm auch folgendes: Wisset, daß es mit meiner Seelen-Heyl sehr gefährlich gestanden: aber die Gütigkeit Mariä ist mir zu Hülf kommen. Ich ward nemlich von dem höllischen Geist geführt für den strengen Richter. Da kamen dann auch andere Geister herbey, welche mich wegen allerhand Lastern anklagten, also, daß der oberste unter ihnen mich schon wolte in den Abgrund der Höllen mit sich führen. Als ich mich nun gantz verlassen sahe, und mich für verlohren hielte, da ist mir die Mutter der Barmhertzigkeit zu Hülf kommen; und nachdem sie sich mit ernstlichem Gesicht zu den höllischen Geistern gewendet, sprache sie: was habt ihr mit dieser Seel [442] zu thun, die mir so viel Jahr in meiner Bruderschaft gedient hat? packt euch alsobald fort, wohin ihr gehört. Auf diese Wort (gleich als vom Donner getroffen) nahmen die Geister die Flucht; der Jüngling aber ist seines Heyls versichert mit grossen Freuden aus dieser Welt verschieden.


Franc. Bencius S.J. in Annal.

6. Begebenheit
Sechste Begebenheit.

In Indien (so eines der grösten Ländern in Asien ist) hat es sich im Jahr 1524. zugetragen, daß ein gewisses Weib an der Pest gestorben. Als man nun selbige begraben wolte, da hörte man in der Todten-Bahr ein klägliche Stimm: Wehe mir! wehe mir! die Todten-Gräber erschracken, und wolten schon davon lauffen. Weilen aber das Weib die Stimm wiederholte, und bathe, man solte sie doch um GOttes willen aus der Todten-Bahr heraus heben; dann es werde niemand das geringste Leid widerfahren, liessen sich die Todten-Gräber bereden; sprachen einander Muth und Hertz zu; schnitten das Leilach, in welches der Leichnam eingenähet war, auf und fanden das Weib wahrhaftig von Todten auferweckt: welche dann inständig gebetten, man möchte ihr doch einen Priester kommen lassen, deme sie beichten könnte. Nun das geschiehet. Ehe aber der Priester ihr Beicht anhörte, fragte er sie, was sich mit ihr zugetragen hätte? da sagte sie: Denselbigen Augenblick, nachdem ich verschieden, bin ich von einem Jüngling, der da glantzete wie die Sonne, für einen herrlichen Thron geführt worden, auf welchem Christus gesessen, umgeben von seiner Jungfräulichen Mutter, und anderen Heiligen; wie auch vielen Englen. Daselbst hatte sich auch sehen lassen der höllische Geist, von deme ich wegen allen meinen Sünden angeklagt worden. Weil nun weder ich noch mein Schutz-Engel etwas darwider einwenden können, bin ich genöthiget worden, in dieser äussersten Noth Hülf zu suchen, bey der seligsten Jungfrauen. Diese dann hatte sich erweichen lassen, und ihren liebsten Sohn gebetten, er wolle mir so viel Zeit vergönnen, damit ich meine Sünden beichten, und darüber Buß thun könnte: und diese Gnad hat sie mir ausgebetten, dieweil ich vor wenig Tägen einem Armen, den mein rauher Mann aus dem Haus geschaft, zur Ehr der Mutter GOttes hatte ein Allmosen geben. Auf dieses hin hat mir der Richter drey Täg vergönnet; vorher aber den höllischen Geistern befohlen, mich scharf zu geißlen. Und als dieses geschehen, ist mein Seel mit dem Leib wiederum vereiniget worden. Nach dieser Erzählung legte sie ihre Beicht mit Vergiessung häufiger Zähren ab; und nachdem sie drey Täg in stäter Ubung des Glaubens, der Hofnung, [443] und der Liebe gegen GOtt zugebracht, ward sie abermahl mit der letzten Weeg-Zehrung, und heiliger Oehlung versehen. Worauf sie mit grossem Trost ihren Geist auf ein neues aufgegeben.


Ex litt. Indiæ Orient. de anno 1524.

7. Begebenheit
Siebende Begebenheit.

Als Kayser Sigismund, welcher im Jahr Christi 1437. gestorben, mit seinem Kriegs-Heer über ein Gebürg gezogen, ist ihme unter Weegs neben anderen ein Soldat erschlagen worden. Wie er nun wiederum zuruck kommen, hörte er samt seinem gantzen Kriegs-Heer in derselbigen Gegend, mit grosser Verwunderung ein sehr klägliches Heulen. Und wie aus Befehl des Kaysers die Soldaten unter den Stauden und Gesträus nachsuchten, fanden sie in einem Busch einen Todten-Cörper schier gar verwesen, von welchem das klägliche Heulen herkame. Wie sie ihn nun angeredt, und gefragt, wer er seye, und warum er so erbärmlich heule, hat er überlaut aufgeruffen: O die ihr um mich herum stehet, laßt mir doch einen Priester kommen, damit ich ihm beichten könne. Hierauf erzählte er ihnen, wie daß er unter dem Kayser Sigismund ein Soldat gewesen, und an diesem Ort vor etlich Jahren erschlagen worden, seye auch schon an dem gewesen, daß er wegen etlicher Sünden, die er nicht gebeichtet, noch gebüßt, hätte sollen ewig verdammt seyn: weil er aber in seinem Leben der seligsten Jungfrau und Mutter GOttes fleissig gedient, und selbige verehrt habe, seye ihm von GOtt in Ansehung dero Vorbitt diese Gnad und Barmhertzigkeit wieder fahren, daß sein Seel aus dem Leib, wiewohl er schier gar verweesen, nicht scheiden, sondern zur Beicht kommen, und ewiglich selig werden solle: wie dann auch geschehen, und die Seel gleich nach abgelegter Beicht und Absolution vom Leib seliglich verschieden, und die klägliche Stimm weiter nicht gehört worden. Worüber der Kayser Sigismund samt allen Anwesenden GOtt in seiner Mutter gelobt hat.


Pelbartus in stella Coronæ l. 12. p. 2. a. 1.

8. Begebenheit
Achte Begebenheit.

Es ware ein adeliche, mithin aber erarmete Wittib, die hatte einen eintzigen Sohn. Weil sie nun diesen standmässig nicht erhalten konte, brachte sie es durch hohe Patronen zuwegen, daß er bey einem fürstlichen Hof zu einem Edel-Page angenommen wurde. Ehe er aber abreisete, ermahnte sie ihn, keinen Tag vorbey gehen zu lassen, er hätte sich dann der [444] Mutter GOttes treulich anbefohlen, und sie wenigst mit einem Ave Maria gegrüßt. Weilen aber die Jugend ohne vätterlichen Zaum schwerlich in den Schrancken gehalten wird, und zu dem an fürstlichen Höfen die Gelegenheiten nicht ermanglen, in allerhand Laster gestürtzt zu werden, hat auch dieser junge Mensch sich dem freyen Leben ergeben; also zwar, daß der Fürst genöthiget worden, ihn von Hof zu schaffen. Weil er nun die Mittel nicht hatte, sich weiters standmässig zu erhalten, hat er sich zu Strassen-Raubern gesellet, unter welchen er mit der Zeit der Rädelführer worden, und grosse Verbrechen verübet hat. Diese seine Freyheit aber hatte nicht lang gedauret; indem er von ausgeschickten Gerichts-Dienern eingezogen, und zum Strang verurtheilet worden. Indem er nun in der Gefängnuß seinen unglückseligen Stand; wie auch den Schandfleck, den er seiner adelichen Freundschaft zugefügt, und zugleich den Schmertzen, welchen seine Frau Mutter hierüber empfinden wurde, mit heissen Zähern beweinte, da erscheint ihm bey nächtlicher Weil der böse Geist, und sprache ihm zu, den Muth nicht sencken zu lassen: dann er wolte ihn auf freyen Fuß stellen, wann er nur (O verfluchtes Begehren!) GOtt verlaugnen wurde. Zu dieser verzweifleten Vermessenheit den Jüngling zu bereden hat es nicht viel bedärfen: dann sein junges Leben durch einen so schändlichen Tod zu verlieren, fiele ihm über die massen schwer. Als er nun (O höchstes Unglück!) dem bösen Feind das Wort gegeben, wolte dieser noch weiters haben, daß er auch die Mutter GOttes verlaugnen solte. Als der Jüngling diese Wort gehört, erschracke er heftig: dieweil er sich erinnerte, was gestalten ihm seine Frau Mutter so starck eingebunden hätte, sich täglich der heiligsten Jungfrauen treulich zu befehlen, und sie mit einem Ave Maria zu grüssen. Dieweil er dann solches (wiewohl unter so vielen Lasterthaten) noch niemahl unterlassen, schluge er dem bösen Feind sein verfluchtes Ansuchen behertzt ab. Befahle sich also auf ein neues der heiligsten Jungfrauen, und sprache den englischen Gruß. Hierüber wurde der böse Feind rasend, und wiche von ihm ab. Der Jüngling aber empfande über seine Sünden ein solche Reu, und Leid (absonderlich, daß er mit äusserster Vermessenheit GOtt verlaugnet hätte) daß er die noch übrige Nacht mit vielem Weinen und Seuftzen zugebracht; auch nicht nachgelassen U.L. Frau anzuruffen, sie wolle ihn doch in diesem höchsten Unglück nicht gäntzlich verlassen. Bey anbrechendem Tag dann verlangte er eilends einen Beicht-Vatter; deme er mit vielen Seufzen und Weinen seine Sünden gebeichtet, und darauf dem Galgen zugangen. Als er unterweegs neben einer Capell, in welcher die Bildnuß Mariä, ihr liebstes Kind auf den Armen haltend, verehret wurde, hat er sich ihr hertzlich anbefohlen, und sie mit diesen Worten angeredt: O Maria! du Zuflucht aller Sünder, [445] die sich von Hertzen bekehren wollten, verlaß mich doch nicht in dieser äussersten Noth. Gedencke, daß ich niemahlen keinen Tag unterlassen, daß ich mich dir nicht anbefohlen, und dich wenigst mit einem Englischen Gruß verehrt hätte. Und erst kürtzlich in der Gefängnuß (wiewohl mir der böse Feind heftig zugesetzt) dich keineswegs habe verlaugnen wollen. Ach! wegen dieser Treu komme mir zu Hilf, und verlasse mich doch nicht gäntzlich. Was geschiehet? O niemahl erhörtes Wunder! O Mariä mildreiches Hertz! O Güte! O Barmhertzigkeit, der arme und betrübte Sünder hat diese Wort kaum ausgesprochen, da neigte die seligiste Jungfrau das Haupt gegen ihm, als wollte sie hierdurch anzeigen, daß sie ihm beyspringen wolle. Als der Sünder dieses gesehen, fassete er noch mehrer Hertz: bate derowegen die Gerichts-Diener, daß sie ihm doch erlauben möchten, näher zur Heil. Bildnuß zu gehen, und dero Füß andächtig zu küssen. Als ihm solches gestattet worden, und der Sünder sich zu den Füssen neigte, streckte die Bildnuß die Hand aus, ergreiffet des zum Tod verurtheilten Jünglings Hand, und hielte ihn so vest, daß ihn die Scherganten mit keinem Gewalt davon abziehen konten. Als das zulauffende Volck dieses gesehen, schryen alle insgesamt auf: Gnad Gnad, Barmhertzigkeit! die Scherganten, so ihn aufzuknipfen den Befehl hatten, gaben der Obrigkeit ungesaumt Bericht davon, und fragten, was sie bey diesen Umständen weiters zu thun hätten. Als der Richter dieses vernommen, befahle er den Jüngling alsobald los zu lassen, und auf freyen Fuß zu stellen; dieweil dieses ein augenscheinliches Zeichen seye, daß ihm die seligste Jungfrau das Leben wolle geschenckt haben, auf daß er ihr noch ferners dienen könne. Welches er auch (wie nicht zu zweiflen,) wird gethan haben; wiewohl die Begebenheit weiters nichts meldet. Auriemma supra cit.

9. Begebenheit
Neunte Begebenheit.

Ein Knab von 10. Jahren hat oft von seinem frommen Lehrmeister in der Schul gehört, daß unser liebe Frau sich gegen diejenigen im Tod-Beth sehr günstig erzeige, von welchen sie täglich verehret wurde; und sollte es auch nur auf ein kurtzes Gebettlein ankommen, dieses liesse ihm der Knab gesagt seyn. Deswegen gewöhnte er sich, die Mutter GOttes täglich Morgens und Abends, ja auch, wann er in die Schul, oder daraus gienge, auf diese Weis zu verehren: Gegrüßt seyest du Mutter der Barmhertzigkeit. Diese wiewohl kurtze Verehrung, wolte [446] die barmhertzige Mutter nicht unbelohnt lassen. Dann, als der Knab unverhoft mit einer tödlichen Kranckheit überfallen worden, und das End seines Lebens herbey nahete, erschiene sie ihm mit lieblichem Angesicht, und fragte ihn mit diesen Worten: Mein Knab! kennest du mich nicht? wisse, daß ich die Mutter der Barmhertzigkeit bin, welche du so oft gegrüßt hast. Auf diese Wort richtete sich der Knab auf, streckte beyde Arm gegen ihr aus, und sagte: O Mutter der Barmhertzigkeit! nimme mich mit dir in Himmel hinauf. Und mit diesen Worten endigte er sein Leben. Wer will zweiflen, daß er nicht in die Arm dieser barmhertzigen Mutter aufgenommen, seye in den Himmel getragen worden? Author proxime cit.

10. Begebenheit
Zehente Begebenheit.

Es ware ein armes, mithin aber frommes Hirten-Mägdlein; dieses mußte die Schaaf hüten. Nun ware nicht weit von dem Weidgang ein altes Kirchlein, in welchem unser liebe Frauen Bildnuß stunde; in dieses Kirchlein begabe sich das Hirten-Mägdlein, wann die Schaaf auf der Weyd waren. Da hatte es sein Freud und Trost, wann es die Bildnuß Mariä verehren, und vor ihr betten konte. Weil aber die Bildnuß nicht sonderlich geziehret war, pflegte es oft zu sagen: O Maria! du heiligste Jungfrau, wie gern wollt ich zu deiner Zierd etwas beytragen, wann ich nicht so arm wäre: wenigstens will ich thun, was ich kan. Alsdann suchte sie auf dem Feld herum allerhand Blumen zusammen, flochte daraus einen Krantz, und setzte selbigen der Bildnuß auf. In Verehrung solcher Bildnuß, und Besuchung des Kirchleins ist sie lange Zeit fortgefahren, bis es GOtt gefallen, sie mit einer tödlichen Kranckheit heimzusuchen, und zu sich in den Himmel abzufordern. Da sie nun bey dem nächst gelegenen Dörflein in einem armen Hüttlein kranck darnider lage, und ihres Endes erwartete, hat es sich zugetragen, daß zwey fromme Ordens-Geistliche eben auf besagtes Dörflein zureiseten; sie mußten aber den Weeg durch einen Wald nehmen. Weil sie nun vom Gehen ziemlich müd waren, sagte der einte zu dem andern: Mein lieber Mit-Bruder, ich kan einmahl vor Müdigkeit nicht weiter fortgehen, erlaube mir also unter dem nächsten Baum ein wenig auszurasten. Nun der ander hat nichts dargegen. Er setzte sich dann auch nieder; und damit ihm die Zeit nicht lang wurde, nahme er ein geistliches Buch aus dem Sack, und lase darinn. Indem er nun also eine Zeit lang fortgelesen, und der andere unterdessen eingeschlaffen, da siehet er gegen ihm daher kommen eine Schaar der schönsten Jungfrauen, auf das zierlichiste gekleidet; [447] unter diesen aber ware eine, so die andere alle an Schönheit und majestätischen Ansehen übertraffe. Weilen er nun sich hierüber verwunderte, und nicht wußte, was er gedencken solte, fragte er die schönste aus ihnen: Holdseligste Jungfrau! sie erlaube mir zu fragen, wer sie seye, und wohin sie mit dieser Schaar den Weeg nehme? da bekame er zur Antwort: wisse, daß ich die Mutter GOttes bin. Die Schaar aber, so mir nachfolget, seynd alle Jungfrauen, die ihre Schnee-weisse Reinigkeit unverletzt erhalten, nun gehe ich hin, zu besuchen ein armes Hirten Mägdlein, das in dem nächsten Dörflein auf den Tod kranck darnieder liegt. Dieses will ich belohnen; weil es mich, da es noch gesund war, in einem alten Kirchlein, in meiner Bildnuß viel und oft besucht, und verehrt hat. Dieses geredt, verschwande die gantze Schaar aus den Augen. Hierauf weckte der wachende seinen schlaffenden Mitbruder auf, und erzählte ihm was er gesehen hatte. Dieser aber sagte. Eben dieses hab ich auch im Schlaf gesehen. Wolan! lasset uns den Weeg wiederum unter die Füß nehmen, und dem nächsten Dörflein zu gehen, auf daß wir das sterbende glückselige Mägdlein sehen mögen. Als sie nun in dem Dörflein ankommen, fragten sie die Baurs-Leut, so ihnen daraus zu erst entgegen kommen, wo dasjenige Bauren-Häuslein seye, in welchem sie gehört hätten, daß ein armes Hirten-Mägdlein auf dem Tod kranck darnieder liege. Und als man ihnen solches gezeigt, giengen sie hinein, und fanden das Mägdlein (O des armen Tröpfleins?) auf einem Strohsack liegend. Nachdem sie selbiges freundlich gegrüßt, und ihr Mitleiden gegen ihr bezeuget, bedanckte sich selbiges gegen ihnen, setzte aber hinzu, und sagte: Ehrwürdige Herren! entdecket euere Häupter, und bittet Gott, daß ihr sehen möget die himmlische Gesellschaft, die sich hier einfindet. Auf diese Anmahnung haben sie sich also bald auf ihre Knie niedergelassen, nach kurtzem Gebett eben diejenige Erscheinung gehabt, dero sie schon zuvor in dem Wald genossen hatten. Es stunde die heiligste Jungfrau nächst bey der Sterbenden mit einer guldenen Cron in der Hand! sprache dem Mägdlein zu, gutes Muths zu seyn; dann der Himmel stehe ihr offen. Auf diese Wort hin fienge der Chor der Jungfrauen so lieblich an zu singen, daß die Seel des glückseligen Mägdleins vor Freuden von dem Leib aufgelößt; von der Jungfräulichen Mutter gecrönet, und in den Himmels-Saal eingeführt worden. O des glückseligen Ends! O Belohnung derjenigen, welche Mariam verehren! Author proxime cit.

11. Begebenheit
[448] Eilfte Begebenheit.

In Engelland war ein Jüngling, mit Namen Wilhelm Vidius. Dieser liesse dem freyen Leben, und unordentlichen Begierden den Zaum ziemlich schiessen, doch hatte er im Brauch, die Mutter GOttes täglich mit wenigen Andachten zu verehren. Wie gehts? als er auf eine Zeit bey nächtlicher Weil eingeschlaffen, erwachte er gähling; fienge aber an am gantzen Leib zu zitteren, und zu schwitzen; ja in ein lautes Geschrey auszubrechen. Einer von seinen guten Cameraden, so nächst ihm einem anderen Beth lage, erwachte ab dem Schreyen, und fragte den Wilhelm, was ihm fehle, und warum er also aufgeschryen? allein dieser war vom Schröcken dergestalt eingenommen, daß er ihm nicht konte antworten. Nachdem er sich nach und nach aus dem Schröcken erholet, sagte er: wisse, daß ich allererst für den Richterstuhl GOttes bin citiert worden. Da hab ich sollen genaue Rechenschaft ablegen von meinem gantzen Leben. Allein ich wußte nicht, was ich auf so vieles Anklagen der höllischen Geistern, welche alle meine begangene Sünden auf einem Papier verzeichnet für Gericht gebracht, solte antworten. Es hatte also das Ansehen als wolte der Richter das Urtheil der ewigen Verdammnuß wider mich aussprechen. Als ich nun sahe, daß ich solte nach der Hölle geschleppt werden, rufte ich die Mutter GOttes, sie möchte mir doch in dieser äussersten Gefahr zu Hilf kommen. Welches sie dann auch gethan, und mich durch ihre mächtige Fürbitt erlediget hat. Daß dieses kein lerer Traum gewesen, zeigte augenscheinlich das von den höllischen Geistern hinterlassene Papier in der Hand des Wilhelms. Er konte also kaum erwarten, bis es Tag wurde. Als dieser angebrochen, laufte er samt dem Papier eilends einem Beicht-Vatter zu, und legte bey ihm alle seine Sünden mit grosser Reu und Leid ab. Und nachdem er davon absolvirt worden, verrichtete er nicht allein die ihm auferlegte Buß; sondern führte auch forthin ein so strenges Leben daß sich Jedermann darüber verwunderen müssen. Also nutzlich ist es, wann man die Mutter GOttes täglich (ich sage täglich) mit einer gewissen Andacht, so kurtz sie auch seyn mag, verehret. Dann es laßt ihr diese gütige Jungfrau nichts umsonst thun.Auriemma supra cit.

12. Begebenheit
[449] Zwölfte Begebenheit.

Es war ein reicher, mithin aber in dem Sünden-Koth bis über die Ohren, und zwar viel Jahr lang versenckter Edelmann. Diesem schickte GOtt ein tödtliche Kranckheit zu, ihme hierdurch Gelegenheit zu geben, in sich selbst zu gehen, und an das Heil seiner Seel zu gedencken. Allein nichts geschahe weniger, als dieses. Als nun die Heil. Brigitta, so damahls lebte, dessen verständiget worden, hatte sie mit dem elenden Stand dieses Sünders grosses Mitleiden. Begabe sich demnach in das Gebett, und rufte zu GOtt, er möchte ihm doch belieben lassen, diesen Sünder zu bekehren. Verharrete auch so lang mit ihrem Anflehen bey der göttlichen Barmhertzigkeit bis ihr endlich Christus erschienen, und zu ihr gesagt hat, sie solle ihren Beicht-Vatter zu ihm schicken, der den Krancken zur Buß ermahne. Nun dieser geht hin, und thut sein Bestes. Allein der verstockte Gleißner gabe ihm zur Antwort! er seye ein Christ; und als ein Christ wolle er auch sterben. Seye auch durch GOttes Gnad in solchem Stand, daß er des Beichtens nicht vonnöthen habe. Brigitta wird auf ein neues von Christo befehlt, den Beicht-Vatter noch einmahl zu dem Krancken zu schicken: dieser aber bekame von dem Krancken kein andere Antwort als die vorige. Das drittemahl lasset sich Christus bey Brigitta abermahl sehen, und zeiget ihr an, daß dieser halsstärrige Sünder die Wahrheit nicht rede: solle also dem Beicht-Vatter bedeuten, daß er dem Krancken folgende Bottschaft bringen solle:JEsus Christus der Sohn des lebendigen GOttes, lasset dich wissen, daß du einen Teufel bey dir habest, der dich nicht will reden lassen, was zu deinem Heil nothwendig ist. Derohalben sollest du diesem kein Gehör geben; sondern Reu und Leid über deine Missethaten erwecken, und selbige aufrichtig beichten, so werdest du bey GOtt Gnad finden, und Verzeihung aller deiner, wiewohl fast unzahlbahrer und überaus schweren Sünden, erlangen. Als diese Bottschaft bey dem Krancken abgelegt worden, da ist nicht auszusprechen, was gestalten er dardurch bewegt worden, indem er gähling in diese Wort ausgebrochen; wie dann? solte ich von GOtt noch Verzeihung meiner Sünden erhalten, der ich so viel Jahr lang nichts anders gethan, als gesündiget hab? O der unermessenen Barmhertzigkeit! warum zerspringt mein Hertz nicht vor Liebe gegen einem so gütigen und barmhertzigen GOtt? jetzt, jetzt bin ich gantz verändert. Es ist beschlossen, ich will wiederum zu GOtt kehren, von welchem ich so treuloser Weis abgewichen, und mich vom bösen Feind so schändlich hab betrügen lassen. [450] Geschwind, geschwind, ich will beich ten, damit ich dem Befehl Christi nachkomme; hoffe auch, er werde mir seinem Versprechen gemäß, nach seiner unendlichen Barmhertzigkeit, alle meine wiewohl fast unzahlbare (O ich erschröcke, wann ich daran gedencke:) und überaus grosse Sünden verzeihen. Auf dieses hin hat hat er noch selbigen Tag 4. unterschiedliche mahl unter Vergiessung häufiger Zähern, und vielfältigen Seufzen gebeichtet. Folgenden Tag hat er die himmlische Wegzehrung empfangen; und den 5ten aber mit größter Andacht seine Seel in die Händ ihres Schöpfers aufgegeben. Nachdem er gestorben, ist Christus der Heil. Brigittä erschienen, und ihr gesagt: Wisse mein Tochter, daß die bekehrte Seel in dem Fegfeuer ist, sie wird aber über ein kurtzes bey mir im Paradeis seyn. Als Brigitta dieses gehört, hat sie sich nicht wenig entsetzt, indem sie nicht fassen konte, wie doch ein Mensch eines so gottlosen und verruchten Lebens mit bereutem Hertzen habe sterben können. Allein Christus halffe ihr aus dieser Verwunderung, indem er hinzusetzte: »Wisse abermahl meine Tochter, daß die Andacht gegen meiner liebsten Mutter diesem Sünder die Porten der Höllen verriglet habe; dann er hatte im Brauch, sich öfters mitleidig zu erzeigen, so oft er zu Gemüth geführt, das unaussprechliche Hertzenleid, welches die Seel meiner liebsten Mutter gleich einem zweyschneidigen Schwerd durchschnitten hat, da sie neben dem Creutz stunde, und mich nicht allein voller Wunden und Schmertzen daran hangend, sondern auch in äusserster Verlassenheit sterbend hat ansehen müssen. Dieser Ursach halben hat er Heil gefunden, und ist selig worden.« Auriemma supra cit. ex Revelat S. Brigittæ.

Dieses ware freylich für diesen Sünder ein unerhörtes Glück, von welchem er ihme nicht einmahl hätte sollen traumen lassen. Allein es ist ihme gelungen; und darum solle keiner vermessentlich auf solches Glück warten. Die Gerathene (sagt das Sprichwort)seynd die beste: wie leicht aber hätte es diesem Sünder können fehlen? Auf GOttes Barmhertzigkeit solle man hoffen, aber nicht darauf sündigen: dann eben darum wurde man sich derselben unwürdig machen. Jedoch siehet man aus dieser Begebenheit, wie angenehm es Christo seye, wann man sich nicht allein seines bittern Leidens und Sterbens, sondern auch des Hertzenleids, so darüber sein liebste Mutter in ihrer Seel empfunden, mitleidiglich erinnert. Zu diesem End ist sehr dienlich folgendes Klag-Lied, so der Heil. Pabst Gregorius solle gemacht haben über das Hertzenleid, so Maria in ihrer Seel empfunden, als sie neben dem Creutz stunde, und also lautet:


[451] 1.
Christi Mutter stund voll Schmertzen,
Bey dem Creutz, und weint von Hertzen,
Da ihr lieber Sohn dran hieng.
2.
Voll der Peine, voll der Quäle
Ware ihr betrübte Seele,
Sie ein scharfes Schwerdt durchgieng.
3.
O wie traurig und versehret,
War die Mutter hoch-geehret,
Wegen ihres Sohns allein.
4.
Dann sie klagt, und sich betrübte,
Als sie sahe den sie liebte
Stehn in Spott, in Leid und Pein.
5.
Welcher Mensch sollt doch nicht weinen,
Wann er seh die Mutter reine,
In so grosser Quaal und Leid.
6.
Wer sollt doch mit ihr nicht trauren,
Diese Mutter höchst bedauren,
Der bedenckt ihr Traurigkeit?
7.
Für die Sünden aller Menschen
Sah sie JEsum in Tormenten,
Und von Geißlen gantz verwundt.
8.
Sie sah ihren lieben Sohne
Hangend an des Creutzes Throne
Sterbend um die neunte Stund.
9.
Eja Mutter, Bronn der Liebe!
Mach, daß mich dein Schmertz betrübe,
Daß ich allzeit traur mit dir.
10.
Mach mein Hertz in Liebe brennen,
Die Pein deines Sohns erkennen,
Daß ich ihm gefallen mög.
11.
Mutter! deines Sohnes Schmertzen
Wollst eindrucken meinem Hertzen,
Daß ich stets gedenck daran.
12.
Mach, daß alle Streich und Wunden,
So dein Sohn für mich empfunden,
Ich im Hertzen allzeit führ.
13.
Mach mich hertzlich mit dir weinen,
Und Jesu Peinen,
Jetzt, und auch zu aller Frist.
14.
Zum Creutz will ich mit dir gehen,
Neben dem Creutz bey dir stehen;
Dann dies mein Verlangen ist.
15.
Jungfrau, der Jungfrauen Crone
Mir erwerbe Gnad beym Sohne,
Daß ich allzeit traur mit dir.
16.
Daß ich anders nichts thu achten,
Als des Sohnes Pein betrachten
Und sein Marter trag in mir.
17.
Mach, daß mich sein Streich verwunden,
Und das Creutz mir mache Schrunden,
Zu erzeigen meine Pflicht.
18.
Daß ich in der Lieb gefirmet,
Durch dich Jungfrau werd beschirmet,
An dem strengen jüngsten Gericht.
[452] 19.
Mach, daß mich das Creutz behüte,
JEsu Tod erfüll mit Güte,
Mich bewahr in GOttes Hand.
20.
Wann mein Leib wird endlich sterben,
Mach, daß mein Seel mög erwerben,
Die erwünschte Seligkeit.

Bartholomäus von Crepena, einer Stadt in Welschland, wiewohl er noch als ein Welt-Mensch in vielen Lasteren vertieft war, hatte gleichwohl im Gebrauch, dieses Klag-Lied täglich mit innerstem Mitleiden zu sprechen, und deswegen durch Mariä mächtige Fürbitt die Gnad seiner Bekehrung erlangt; indem er in den Orden des Heil. Francisci getretten, und darinn bis an sein End fromm, und in strenger Buß gelebt hat, wie zu lesen in der Chronic gedachten Ordens.NB. Wem aber dieses Klag-Lied zu lang fallet, der mag darfür sprechen folgendes Gebettlein.


Heiligste Jungfrau und Mutter GOttes! gedencke an das unaussprechliche Hertzenleid, welches gleich einem zwey-schneidenden Schwerd dein Seel durchschnitten, als du deinen allerliebsten Sohn hast sehen müssen lebendig am Creutz hangen: am gantzen Leib erbärmlich verwundet, und mit Blut überronnen: Händ und Fuß mit groben Näglen durchschlagen; also, daß die Aderen mit unaussprechlichen Schmertzen zerrissen worden: und er in solcher Pein und Marter 3. gantze Stund lebendig gehangen, his ihm endlich die Schmertzen das Hertz abgestossen, und er seinen Geist in die Händ seines himmlischen Vatters hat aufgegeben. O des traurigen Anschauens! O wie zitterte und bebete dein zartes und mütterliches Hertz! O in was für einem Meer der Bitterkeit war dazumahl dein liebe Seel versencket! O Mutter! O Jungfrau! Unschuld! was für ein Mitleyden hab ich mit dir! durch dieses unaussprechliche Hertzenleyd bitte ich dich, du wollest mich deinem für mich gecreuzigten Sohn, dessen Marter durch die deinige gewaltig vermehret worden, befehlen, und ihn erbitten, daß doch sein bitteres Leyden und Sterben an meiner armen Seel nicht verlohren gehe: der mit dem Vatter und Heil. Geist lebt und regiert in Ewigkeit. Amen.


Wer will zweiflen, daß ein solches mitleydige Erinneren der Mutter GOttes überaus angenehm seye? wann er jemahl gelesen, oder gehört hat, wie sie sich einstens gegen der Heil. Brigitta beklagt hat mit diesen Worten: Tochter! ich wende meine Augen hin und her, um zu sehen, ob ich auch Menschen auf der Welt finden könne, die sich meiner Schmertzen mitleydiglich erinneren. Allein ich siehe, daß viel seynd, die nicht einmahl daran gedencken, und also meiner gäntzlich vergessen. Aufs wenigst [453] wollest du meiner nicht vergessen. Wer kan, lieber Leser! solche Klag ohne Mitleyden anhören? ach wie unempfindlich müßte einer wohl seyn! mithin wisse, daß dem Heil. Evangelist Johannes in einer Verzuckung geoffenbaret worden, daß diejenige, welche sich öfters mit Andacht erinneren des Hertzen-Leyds, so die Mutter GOttes mit ihrem lieben Sohn gehabt, da sie ihn am Creutz hangend, und daran sterbend sahe, sich in ihrer Sterb-Stund des sonderbaren Schutz-GOttes, und der kräftigen Gnad, vollkommene Reu und Leyd über ihre Sünden zu erwecken, und mithin dero völlige Verzeyhung zu erlangen, werden trösten können. O Gnad über alle Gnad! hast du diese, was geht dir ab die Seeligkeit zu erlangen? Casparus Tausch S.J. in Matre Dolorosa Praxi 1. §. 5.

13. Begebenheit
Dreyzehende Begebenheit.

Es war ein frommer Mensch, welcher die Mutter GOttes täglich mit dem Heil. Rosenkrantz verehrt hatte; und das mit solcher Andacht, daß sie ihm auf eine Zeit erschienen, und ihn mit diesen Worten angeredet hat: mein treuer Diener! du erweisest mir zwar täglich einen angenehmen Dienst durch das Gebett des Heil. Rosenkrantzes. Doch würde mir dieser Dienst noch angenehmer seyn, wann du nach Vollendung dieses Gebetts zur Ehr meiner liebsten Mutter Annä noch ein Vatter unser und Englischen Gruß hinzu thun würdest. Wisse zugleich, daß diejenige: von welchen sie meinetwegen sonderbar verehrt wird, in ihren Nöthen; besonders aber im Tod-Beth Hülf und Trost zu hoffen haben. Dieses liesse ihm der fromme Mensch gesagt seyn, und thate, zu was er ermahnt worden. Wie nun der Beschluß seines Lebens herzu nahete, und er des Todes stündlich erwartete, erzeigte er gähling ein freudiges Angesicht, und sagte zu den Umstehenden:sehet, sehet, es kommt an die Heil. Mutter Anna samt ihrer gebenedeyten Tochter, der Heil. Jungfrau Maria. Und da Beyde hinzunaheten, sagte die gebenedeyte Jungfrau: siehe! hier seynd wir Beyde, dir die Höll zu verriglen damit du nicht hinein kommest: dieweil du nemlich diese meine Mutter sonderbar verehrt hast. Jetzt folge uns nach dem Himmel zu. Dieses geredt, seynd beyde verschwunden; der Sterbende aber ist ihnen mit Freuden nachgefolget. Auriema supra cit.

Wilst du lieber Leser die Heil. Mutter Annam sonderbar verehren, so magst du folgendes Gebettlein, wo nicht täglich wenigst jeden Dienstag, als welcher sie zu verehren sonderbar gewidmet ist, sprechen: [454] »O Heilige Mutter Anna! ich erfreue mich mit dir, daß du Mariam gebohren hast, aus welcher aufgangen ist die Sonne der Gerechtigkeit, Christus JEsus, unser HErr und GOtt. O wie seelig, und aber seelig bist du wegen dieser deiner Tochter! dieweilen ihres gleichen die Welt vorhin niemahl gesehen, noch ins künftig hin mehr sehen wird. Dieser dann, wollest du mich, O heilige Mutter befehlen, auf daß sie für mich bitte bey Christo JEsu, ihrem geliebten Sohn, der mit dem Vatter und Heil. Geist lebt und regiert in Ewigkeit, Amen.«

5. Gespräch
Fünftes Gespräch.

Schutz-Engel. Siehest du nicht die Ursach, warum ihr Menschen-Kinder nicht allein Mariam, sondern auch ihre Mutter, die Heil. Annam verehren sollet? nemlich darum: dieweilen von dieser ein solche Tochter gebohren worden, welche ein Mutter worden Christi JEsu, des Erlösers der Menschen.

Pfleg-Kind. Ich siehe es freylich, und erkenne die Billigkeit der Ursach. Mithin aber fallet mir eben jetzt ein, gehört zu haben, daß alle fromme und ihres Heyls beflissene Christen die Mutter GOttes nicht allein mit täglichem Gebett des Heil. Rosenkrantzes; sondern auch mit der so genannten Lauretanischen Litaney, in welcher die Catholische Kirch ihr allerhand Titul beylegt, verehren: nun möchte ich wohl wissen, welche ihr aus allen die angenehmste seyen.

Schutz-Engel. Diese 3. »Wunderbarliche Mutter. Trösterin der Betrübten. Königin aller Heiligen.«

Pfleg-Kind. Woher weiß man dieses?

Schutz-Engel. Aus bewehrten Historien der Catholischen Scribenten; benanntlich aus der Begebenheit, die sich 1640. zu Luxemburg, einer Stadt in denen Niderlanden, hat zugetragen. Dann, als ein andächtige Person selbiges Orts durch ihr Gebett eine Seel aus dem Fegfeuer erlöset, ist ihr diese freudig und in grossem Glantz erschienen; und nachdem sie für die Erlösung hertzlichen Danck abgestattet, hat sie ihr neben anderen wunderlichen Dingen auch die drey Titul geoffenbaret.

Pfleg-Kind. Warum ist der erste Titul der Mutter GOttes so angenehm?

Schutz-Engel. Dieweil sie nicht allein ein Mutter GOttes worden; sondern auch zugleich ein unverletzte Jungfrau verblieben: welches ein solches Wunder ist, dergleichen von Anfang der Welt niemahl erhört worden; auch ins künftig hin nicht mehr wird erhört werden. Dieses dann ist ein Sach, welche der Mutter GOttes nicht allein die höchste [455] Ehr so einer Creatur widerfahren kan; sondern auch eine unaussprechliche Freud bringet.

Pfleg-Kind. Warum ist ihr der zweyte Titul so angenehm?

Schutz-Engel. Dieweil die Mutter GOttes eine grosse Freud hat, wann sie die Betrübte trösten kan. Dann sie weiß, daß ihr geliebter Sohn, da er am Creutz hienge, euch Menschen alle insgesamt ihr anbefohlen hat, daß sie an euch solle ein Mutter seyn. Was hat aber ein Mutter nicht für ein Freud, wann sie ihren Kinderen beystehen, und sie in ihren Angelegenheiten trösten kan? Wer wird solche Freud können aussprechen?

Pfleg-Kind. Und warum ist ihr der dritte Titul so angenehm?

Schutz-Engel. Dieweil sie siehet daß sie an Verdiensten, und Gnaden alle Heilige (O wer solle hier nicht erstaunen) insgesamt übertrift; und deswegen über alle Engel und Menschen im Himmel erhebt ist, von denen sie als ihre Königin mit Jubel und Freuden verehrt wird.

Pfleg-Kind. Wie kan ich sie mit gedachten Titlen verehren?

Schutz-Engel. Wann du also sprichst: »tausend und aber tausendmahl seye gebenedeyt, heiligste Jungfrau Maria! wunderbarliche Mutter: Trösterin der Betrübten: und die Königin aller Heiligen. O daß du von allen Menschen auf Erden auf solche Weis verehrt wurdest! dann du bist es würdig, O heiligste Jungfrau!«

Pfleg-Kind. Das ist wohl schön. Ich bedancke mich, mein H. Schutz-Engel für allen guten Rath, und Unterweisung, so ich von dir bishieher emfangen hab. Ach lasse mich dir allzeit befohlen seyn.

Schutz-Engel. Der angenehmste Danck wird mir seyn, wann du mir folgest. Thust du dieses, so solle es an meinem Schutz nicht manglen, bis daß du wirst kommen in unser Gesellschaft: in welcher dir die Mutter GOttes nach dem Elend, mit welchem die Welt angefüllet ist, wird zeigen JEsum, die gebenedeyte Frucht ihres Leibs, und du dich mit ihr ewiglich wirst erfreuen. Unterdessen: Gelobt sey JEsus Christus.

Pfleg-Kind. In Ewigkeit.

6. Gespräch
Sechstes Gespräch.
Schutz-Engel.

Aus dem neulichen Gespräch, das ich mit dir gehalten, hast du zur Marianischen Andacht nicht wenig können aufgemuntert werden. Vielleicht aber möchtest du gern noch ein mehreres vernehmen.

Pfleg-Kind. Ja freylich, mein Heil. Schutz-Engel! ich bitte darum.

Schutz-Engel. Es ist mir ein Freud, wann ich sihe, daß du begierig [456] bist etwas zu lernen, so zur Hochachtung, und Vermehrung der Ehr unserer Himmels-Königin (was es immer seyn mag) beytragen kan.

Pfleg-Kind. So möchte ich dann wissen, warum diese Himmels-Königin in dem so benannten Salve Regina, oder: gegrüßt seyest du O Königin genennt werde ein Mutter der Barmhertzigkeit?

Schutz-Engel. Darum: dieweil sie gebohren hat Christum den HErrn, welcher die unendliche Barmhertzigkeit selbsten ist. Zu dem, so ist es ihr angebohren gegen euch Menschen mitleydig zu seyn, ehe und bevor sie von euch angeruffen wird. Wie viel mehr, wann ihr zu ihr kommet, und sie vertreulich anruffet, daß sie euch in euren Armseeligkeiten wolle zu Hülf kommen?

Pfleg-Kind. Das ist in Wahrheit Trost-reich. Ich möchte hierüber wohl eine Begebenheit vernehmen.

Schutz-Engel. Lasse dir dienen folgende

Begebenheit.

Als der Heil. Odo, ein Vorsteher des Closter Cluni in Burgund, einstens durch einen Wald paßierte, in welchem sich etwelche Mörder aufhielten, und ihne einer ersehen; mithin sein liebreiches und freudiges Angesicht wohl in die Augen gefasset, da gienge er in sich selbst, und warffe sich zu seinen Füssen, demüthig bittend, er wolle sich doch seiner, als eines armen Sünders erbarmen. Als ihn hierauf der Heil. Mann fragte, was dann sein Verlangen seye? da sagte der Mörder: er verlange nichts anders, als in sein Closter aufgenommen zu werden. Setzte auch hinzu diese Wort: Ehrwürdiger Vatter! wann ihr mir meine Bitt versaget; so gehe ich den geradē Weeg meinem ewigen Verderben zu. Geschiehet aber dieses, so wird GOtt mein Seel von euren Händen forderen, und ihr werdet für selbige müssen Rechenschaft geben. Als der Heil. Mann diese Wort gehört, ward er zum Mitleyden bewegt, und schickte ihn nach dem Closter, in welches er verlangt hatte: allwo er dann das Mönchs-Kleyd angezogen, und solche Zeichen der Buß von sich gegeben, daß er in kurtzer Zeit ersetzt, was er vorhin gesündiget, und mithin durch die Buß seine Sünden ausgelöscht hat. Dann als er bald darauf in ein tödtliche Kranckheit gefallen, liesse er den Heil Odo ersuchen, daß er sich würdigen möchte, zu ihm zu kommen; deme er dann sagte: wie daß ihm die Mutter GOttes erschinen seye, die ihne gefragt mit diesen Worten: kennest du mich? und als er mit nein geantwortet, da habe sie gesagt: ich bin die Mutter der Barmhertzigkeit. Hierauf habe der Krancke versetzt; allergnädigste Frau! was befihlt sie mir, als ihrem unwürdigsten [457] Diener? und sie habe geantwortet: nach drey Tägen wirst du bey meinem Sohn seyn. Welches auch geschehen ist; indem er auf die benannte Zeit sanftiglich in dem HErrn entschlaffen, und in die ewige Ruhe aufgenommen worden: welches dem Heil. Odo einen solchen Trost verursacht, daß er forthin Mariam niemahl anderst, als die Mutter der Barmhertzigkeit genennt hat. Surius 18. Novemb.

7. Gespräch
Siebendes Gespräch.

Pfleg-Kind. Ist Maria ein Mutter der Barmhertzigkeit? so wird sie ohne Zweifel auch seyn eine Trösterin der Betrübten.

Schutz-Engel. Du schlüssest gantz recht.

Pfleg-Kind. Kan ich auch hierüber eine Begebenheit vernehmen?

Schutz-Engel. Nicht nur eine; sondern mehr, wann es vonnöthen wäre. Aus vielen solle diese dir genug seyn.

Begebenheit.

Ein arme, und zugleich fromme Wittfrau hatte zwey Töchteren, die sie kaum erhalten konte. Deswegen führte sie selbige auf eine Zeit mit sich in eine Kirch, worinn ein geschnitzlete Mariä-Bildnuß verehret wurde. Da schlosse sie der Töchteren Händ in die Händ des Bilds, sprechend: diese meine Töchteren, O Mutter der Barmhertzigkeit, übergibe ich dir hiemit in deine Händ, und bitte dich, du wollest hinführo ihre Mutter seyn, und sie bey ihrer Jungfräulichen Reinigkeit erhalten. Dann ich muß immer in Sorgen stehen, daß selbige Armuth halber nicht etwann in Gefahr kommen. Darauf kehrte sie nach verrichtem Gebett mit ihnen wiederum nach Haus. Unter Weegs begegnet ihr ein unbekannter Jüngling. Der überreicht ihr ein Seckel, in welchem hundert Cronen (so ein schöne Summa Gelds ausmacht) enthalten waren mit offenhertziger Bezeugung, daß er diese Summa ihrem verstorbenen Mann annoch schuldig verblieben seye.

Die Mutter mit nicht geringer Befremdung, und untermengter Hertzens-Freud nimmt den Seckel zu sich. Kleydet daraus ihre Töchteren etwas ehrlichers, und versihet sie auch im übrigen mit allem anderen, was sie ihnen nöthig zu seyn erachtet. Da waren dann gleich etliche Schalck-Augen und Ehr-vergessene Zungen, welche ausgaben, als wann die fromme Töchteren solches Geld durch unehrliche Händel erhalten hätten: welche Verleumdung denen keuschen Mägdlein viel weher thate, als ihre vorhin erlittene Armuth, und höchstbedrangte Dürftigkeit.

[458] Wem solten sie aber ihr Anligen anvertrauen und klagen, als der Jungfrau aller Jungfrauen, dero sie als einer Mutter übergeben waren? lauffen also zu ihr gantz bestürtzt, und klagen ihr Noth mit weinenden Augen: wie daß sie nemlich von falschen Zungen wären verunglimpft, und bey den Leuten verschreyt worden. Halten also flehentlich um Hülf an, damit sie doch denen Leuten möchten aus ihren bösen Mäuleren kommen.

Maria könte, als eine Trösterin der Betrübten, diese ihro anvertraute, und betrübte Töchteren nicht ansehen, daß sie sich ihrer nicht erbarmet hätte. Befihlt demnach zweyen englischen Geisteren, daß sie sich in der Kirchen bey dem offentlichen GOttes-Dienst, da alles Volck wurde versammlet seyn, sich solten in den Lüften sehen lassen mit zierlich geflochtenen Kräntzen, und selbige denen mit grösten Unfug verschreyten frommen Töchteren auf ihre Häupter setzen. Welches sie dann gethan, und zwar mit diesen Worten: diese Kräntz schickt euch zum Beweisthum euerer unversehrten Jungfrauschaft Maria, JEsu, und euere Mutter. Auf welches sie aus den Augen des Volcks verschwunden, mit Hinterlassung in den Gemütheren der Anwesenden der ehrlichsten Meynung von diesen Jungfrauen, die eben dazumahl gegenwärtig, und knyend in dem Gebett begriffen waren. Welche Begebenheit dann etwelchen frommen Leuten Anlaß gegeben, daß sie ein Closter haben bauen lassen, in welches sich diese Jungfrauen verschlossen, und Maria, als ihrer Mutter eyfrig bis an ihr End gedient haben. Leonardus Mayr in stemmate Mariano 21. May.

8. Gespräch
Achtes Gespräch.

Pfleg-Kind. Ich bin vergnügt mit dieser Begebenheit, aus welcher ich sattsam verstehe, daß Maria seye einTrösterin der Betrübten. Aber mir fallt noch ein, daß sie genennt werde ein Zuflucht der Sünder. Solte sie sich dann auch dieser annehmen, nachdem ihr lieber Sohn von ihnen so oft, und schwerlich ist beleydiget worden?

Schutz-Engel. Ja auch dieser. Jedoch wann sie in sich selbsten gehen; ihre begangene Sünden hertzlich bereuen, und sich besseren wollen. Die aber in ihren Sünden boßhafter Weiß verharren wollen, wie könten sie hoffen, daß Maria wurde ihre Zuflucht seyn? vielmehr wurde sie selbige, als ihres Schutzes unwürdige, von ihrem sonst mildreichen Angesicht verstossen.

Pfleg-Kind. Billich. Dann was Vermessenheit ist dieses, bey dieser göttlichen Mutter Hülf suchen, da solche verbeinte Böswicht gleichsam das blutige Messer noch in der Hand haben, mit welchem sie den göttlichen Sohn dieser Mutter tödtlich verwundet, und selbigen zu verwunden noch nicht wollen aufhören?

[459] Schutz-Engel. Du sagst recht. Darum soll der Sünder bey Zeiten in sich selbsten gehen, und seine Bekehrung nicht von Tag zu Tag verschieben. Damit nun dieses geschehe, wird freylich darzu erfordert eine sonderbare, und kräftige Gnad GOttes, durch welche das Hertz des Sünders erweicht werde.

Pfleg-Kind. Wie wird aber der Sünder solche Gnad von dem erzörneten GOtt, der sein Richter ist, hoffen können?

Schutz-Engel. Durch Mariä Fürbitt. Dann ob schon der Sünder nicht würdig ist, von GOtt erhört zu werden, so siehet er doch nicht so sehr an dessen Unwürdigkeit, als die Fürbitt seiner Jungfräulichen Mutter, dero er nichts abschlagen kan.

Pfleg-Kind. O wie trostreich ist dieses! und wie soll sich der Sünder nicht saumen, seine Zuflucht zu Mariam zu nehmen!

Schutz-Engel. Freylich ja. Bevorab, weil sie sich auf eine Zeit gegen der Heil. Brigitta ihrer andächtigen Dienerin mit diesen Worten hat vernehmen lassen: ich bin eine Zuflucht der Sünder, die sich bekehren wollen.

Pfleg-Kind. Lasse dir belieben, von Mariä Willfährigkeit gegen den Sünderen, welche unter dem schweren Last ihrer Sünden seuftzen, und selbigen gern ablegen wolten, eine Begebenheit zu erzählen, aus welcher ich besser verstehen möge, wie billich sie eine Zuflucht der Sünder genennt werde.

Schutz-Engel. Folgende wird dir so viel zu verstehen geben, daß du dich darüber nicht wenig verwunderen wirst. Höre demnach:

Begebenheit.

Es ware eine junge Weibs-Person (aus Sicilien gebürtig, wir wollen ihr den Namen Lollia geben) schön zwar von Leibs-Gestalt; aber eines unzüchtigen Wandels-Dann, damit sie diesen freyer führen könte, begabe sie sich nach Venedig, allwo sie ihre Jugend viel Jahr in einem (mit Gunst zu melden) Huren-Haus zugebracht, und mithin von ihren Liebhaberen, denen sie ihren Leib feil gebotten, viel Geld, und Gelds-werth bekommen. Nachdem sie sich nun ziemlich besudlet hatte, kame ihr die Lust an, wiederum in ihr Vatterland zu kehren. Macht sich demnach eines Tags von Venedig hinweg mit einem wohlbekannten Kerl, der sich anerbotten hatte, ihr Weeg-Führer zu seyn, und sie an End und Ort zu bringen, wohin sie verlangte. Dannenhero er sich mit einem guten Degen wider die Strassen-Rauber aufs beste versehen hatte. Unter Weegs macht ihr Lollia über ihr bis dahin so lange Zeit geführtes sündige Leben allerhand schwermüthige Gedancken. Und weil das Gnaden-reiche [460] Ort Loreto (nemlich das H. Haus, in welchem, da es noch zu Nazareth im Land Juda gestanden, Maria gebohren worden) nicht gar weit ab dem Weeg ware, sagte sie zu ihrem Kerl, er solte sie nach gedachtem Ort führen: dann sie seye gesinnet, alldort gegen der Mutter GOttes ihre Andacht zu verrichten, und mithin eine Beicht von ihrem gantzen Leben abzulegen. Der Kerl sagte, es seye ihm ein Ding: er stehe ihr zu ihren Diensten. So gienge dann die Reise fort; und ist wohl zu glauben, Lollia werde unter Weegs nicht allein an Mariam gedacht; sondern auch über ihre begangene Sünden hertzlich geseuftzet haben.

Indem sie also fort reisen, kommen sie zu einem grossen Wald, welcher nicht weit von Loreto ligt, und den sie zu passieren hatten. Als sie in dessen Mitte hinein kommen, und der Kerl wohl gewußt, daß Lollia einen reichen Geld-Schatz mit sich führte: er auch gesehen, daß um und um niemand, sondern sie beyde gantz allein wären, da gabe ihm der böse Feind diese Gedancken ein: siehe! was für eine Gelegenheit hab ich da, bald reich zu werden? wer wird es sehen? kein Hahn wird darnach krähen. Ziehet also hinterrucks den Degen aus, und führt schon den Streich. Lollia, als sie dieses vermerckt, schreyt überlaut: Heilige Maria von Loreto, komme mir zu Hülf. Allein der Mörder hauet dessen ungeachtet zu, und verwundet sie so hart, daß sie von dem Maul-Esel, auf dem sie gesessen, herunter auf die Erden fiele. Richtete sich aber geschwind auf, und laufte in ein Gestäud hinein, sich darin zu verbergen. Der Böswicht nicht faul, lauft ihr nach; Lollia aber schrye zum öfteren:Heilige Maria von Loreto komme, ach! komme mir zu Hülf. So viel sie aber schrye, so viel Wunden versetzte ihr der Mörder, bis sie endlich zur Erden fiele. Weil er nun sahe, daß sie noch ein wenig athmete, hauete er sie vornen in den Hals; und wie er vermeint, daß sie nunmehr todt wäre, sagte er: da hast du den Rest gar: du wirst wohl nicht mehr aufstehen. Laßt sie also liegen: ziehet ihr die kostbare Kleydung aus, und nimmt zu sich alles Geld, und Gelds-werth, das sie bey ihr hatte, und lauft damit davon.


O arme Lollia! in was unglückseeligem Stand bist du? da schwimmest du in deinem Blut. Die Seel ligt allbereit auf der Zungen. Und weil du mit viel tausend Sünden beladen, wirst du den graden Weeg in die Höll hinunter fahren. Aber, O unverhoftes Glück! dann siehe! in dieser äussersten Gefahr der ewigen Verdammnuß laßt sich sehen mit himmlischen Glantz umgeben, und in einem Schnee-weissen Kleyd die Himmels-Königin. Diese sagt zu der Lollia: Habe gut Hertz, es wird bald besser werden. Setzt sich darauf (O Gnad! O Liebe!) neben ihr nieder, umfangt sie freundlich, und nimmt die halb-sterbende in ihre[461] Schoos; berührt mithin ein Wunden nach der andern; heylet in einem Augenblick alle insgesamt, und erfüllet sie zugleich innerlich mit himmlischem Trost. Auf dieses hin steht die Himmels-Königin von ihr auf, und sagt: Siehe! jetzt bist du geheylet, gehe nun deine Strassen fort, und sündige künstighin nicht mehr; damit dir nichts ärgero widerfahre. Nach welchen Worten sie augenblicklich verschwunden. Ach! wer ware getröster, als Lollia? sie vermerckte, daß alle Wunden an ihrem gantzen Leib geheylet, und völlig zugewachsen, fallt derowegen auf ihre Knye nieder, und danckt Mariä ihrer barmhertzigen Nothhelfferin, aus gantzem Hertzen. Darnach aber kratzte sie am Kopf, und sagte: Ich bin zwar geheylet, wie will ich aber nach Loreto kommen, es hat mir ja der Mörder nichts als mein Unterröcklein überlassen. Ach! hätte ich nur ein Kleydlein, wie schlecht es immer seyn möchte, daß ich auch ehrlichen Leuten dörfte unter die Augen kommen.


Indem sie sich also beklagt, und jammeret, siehe, da kommen durch den Wald daher etliche Maul-Esel-Treiber, und finden Lolliam an dem Weeg sitzen. Und weil sie um ihren Hals herum einen Blutrothen Ring sahen, fragten sie, was dieser bedeute, und was sie hier im Wald mache? und als sie ihnen den gantzen Verlauf erzählet, warffen sie ihr aus Mitleyden eine Sattel-Decke zu, mit welcher sie sich bedeckt. Setzten sie auf einen ihrer Maul-Eselen, bis sie zu der nächsten Stadt kommen, allwo Lollia etliche schlechte Weiber-Kleyder erbettlet; alsdann ihren Weeg weiter nach Loreto fortgesetzt, alldort von ihrem gantzen Leben eine reumüthige Beicht abgelegt, und das Wunder, so mit ihr geschehen, aller Orthen ausgebreitet hat.


Sie aber hatte keinen Lust mehr in ihr Vatterland zuruck zu kehren, sondern verharrete alldort aus Liebe gegen GOtt und Mariam die übrige Zeit ihres Lebens in aller Andacht. Hat auch so wohl durch ihren gottseeligen Wandel, als Erzählung obgedachter Erscheinung viel Leut zu grösserer Andacht gegen der Mutter GOttes, und Hofnung auf ihren Schutz, den sie allen Sünderen, dafern sie sich besseren wollen, willfährig anerbietet, nicht wenig aufgemuntert. Bisselius S.J. in Phænom. Historicis, & Turselinus ejusdem Soc. in historic. Lauret.

Pfleg-Kind. O mit was Vergnügen und Zuversicht auf Mariam, als einer Zuflucht der Sünderen, hab ich diese Begebenheit angehört.

9. Gespräch
[462] Neuntes Gespräch.

Schutz-Engel. Ihr Menschen habt freylich Ursach einen grossen Trost zu schöpfen, daß Maria euer Zuflucht ist, ungeachtet, daß ihr Sünder seyd. Allein ihr müßt darum diese Zuflucht nicht mißbrauchen, und darauf hin sündigen.

Pflegkind. Es ist wahr, dann Maria hätte billiche Ursach sich darüber zu beschweren.

Schutz-Engel. Du sagst recht, dann so oft ihr schwehrlich sündiget, erneuert ihr das Leyden ihres Sohns, und creutziget ihn (so viel an euch ist) wiederum auf ein neues. Das heißt ja diese Mutter betrüben.

Pflegkind. Es ist nicht anderst. Vielleicht hat sich hierüber eine Begebenheit zugetragen, in welcher sich diese liebe Mutter über solche Sünder beschwehrt hat.

Schutz-Engel. Ja freylich; und zwar eine, welche verdient wohl in der Gedächtnus aufbehalten zu werden.

Pflegkind. Ich möchte sie wohl vernehmen.

Schutz-Engel. Ich erzähle sie mit allen Umständen, wie sie sich hat zugetragen.

Begebenheit.

Es war ein lasterhafter Soldat; hatte aber ein frommes Weib, welches ihne beredt, alle Sambstag zur Ehr unser lieben Frauen zu fasten, und so oft er von Haus gienge, jederzeit den Englischen Gruß zu sprechen. Als er nun auf eine Zeit von Haus gienge, nach Gewohnheit seine böse Gelüsten zu erfüllen, und den Weeg durch ein Kirchen nehmen mußte, ersahe er darinn ein geschnitzletes Mariä-Bild, tragend auf den Armben ihr liebes JEsus-Kindlein. Da knyete er dann vor dieser Bildnus nieder, um den Englischen Gruß zu sprechen. Er hatte aber kaum angefangen, da sahe er, daß das Kindlein voller Wunden war, aus welchen das Blut häufig in der Mutter Schoos herunter flosse. Der Soldat hierüber erschrocken schreyt überlaut: O Frau! wer hat das gethan? wer hat deinen lieben Sohn so erbärmlich verwundet? da versetzte Maria: du, und deines gleichen Sünder; ihr, ihr seyd es, die meinen lieben Sohn auf ein neues so erbärmlich geißlen, zerfleischen, ja grausamer mit ihm umgeht, als vor Zeiten die Juden gethan haben.


Als nun der Soldat sich seiner vielfältigen und schwehren Sünden auf diese Antwort erinnert hatte, seuftzete er hertzlich darüber, und sagte: O Mutter der Barmhertzigkeit bitte [463] doch für mich. Sie antwortete aber: Ja, ja, ihr Sünder nennet mich ein Mutter der Barmhertzigkeit, beynebens aber höret ihr nicht auf, aus mir zu machen eine Mutter der Schmertzen. Es ist wahr, sagte der Soldat: ich kan es nicht laugnen; allein gedencke, daß du seyest eine Fürsprecherin der Sünder, darum bitte für mich. Auf diese Wort wendete sich die Mutter zu ihrem Sohn, und sagte: O mein allerliebster Sohn! erbarme dich dieses Sünders, welcher demüthig um Verzeyhung bittet. Der Sohn aber gabe ihr zur Antwort: mein allerliebste Mutter! lasse es dir nicht schwehr fallen, wann ich dich nicht erhöre; dann auch ich hab meinen Vatter am Oelberg gebetten, er wolle doch den bitteren Kelch meines bevorstehenden Leydens von mir hinweg nehmen; und er hat mich noch nicht erhört. Da sagte die Mutter: erbarme dich dannoch: dann wiewohl dieser Sünder es nicht verdient, so thue es doch wegen meiner, weil ich für ihn bitte. Der Sohn aber hierauf gabe zur Antwort: und ich hab auch den Vatter zum andernmahl gebetten, und bin doch nicht erhört worden. Hierauf sagte die Mutter: gedencke mein allerliebster Sohn aller Mühseeligkeiten, Schmertzen und Betrübnussen, die ich deinetwegen ausge standen, und schencke mir diesen Sünder. Der Sohn versetzte abermahl: Allerliebste Mutter! lasse dir abermahl meine abschlägige Antwort nicht schwehr fallen? dann ich hab den Vatter auch zum drittenmahl gebetten, und er hat mich doch nicht erhört. Als die Mutter diese Antwort erhalten, setzte sie ihren Sohn auf den Altar hin, und wollte einen Fußfall thun, damit sie dem Sünder möchte Verzeyhung ausbitten. Wie der Sohn das ersehen, sagte er: Dieses seye fern von dir, mein allerliebste Mutter: dann es steht dem Sohn zu, die Mutter zu ehren. Ich schencke also diesen Sünder deiner Barmhertzigkeit, die du gegen ihm tragest; der sonst verdient hätte verdammt zu werden, wann ich nach Erforderung meiner Gerechtigkeit handlen wollte. Als nun der Sünder in grösten Aengsten stunde, was die Sach für ein End wurde nehmen, da sagte Christus: meiner Mutter zu lieb und gefallen verzeyhe ich dir deine Sünden. Zum Zeichen aber, daß ich mit dir versöhnet seye, so komm her, und küsse meine Wunden. Und als der Sünder dieses gethan, siehe! da waren alle Wunden des JEsus-Kindlein geheylet. Er aber diese Barmhertzigkeit tief zu Gemüth führend danckte der Mutter GOttes mit Freuden; und gienge mit Bewilligung seines Weibs in ein Closter, in welchem er Buß thate, und bis an sein End darinn verharrete. Pelbart in Stellar. l. 12. Part. ult. c. 7.


Pflegkind. Aus dieser Begebenheit ersihe ich zu Genügen, wie der Sünder sich hüten solle die Zuflucht [464] Mariä nicht mißbrauchen, und darauf hin zu sündigen: dann das wäre ein höchst-sträfliche Vermessenheit, und könnte wohl geschehen, daß er sich der Mildigkeit Mariä unwürdig machte.

10. Gespräch
Zehentes Gespräch.

Schutz-Engel. Wann aber der Sünder mehr aus Gebrechlichkeit, als Boßheit gefallen ist; mithin aber über seine Sünden seuftzend Mariam um ihr Fürbitt anruft, da ist nicht auszusprechen, wie geneigt sie ist, für ihn zu bitten, damit er bey ihrem Sohn Verzeyhung seiner Sünden möge erlangen.

Pflegkind. Ich möchte hierüber wohl eine Begebenheit vernehmen.
Schutz-Engel. Folgende wird dich in Verwunderung setzen.
Begebenheit.

Es war ein grosser Sünder. Als dieser auf ein Zeit in ein Kirchen kommen, und in selbiger die Bildnus Mariä ersehen, da besinnete er sich, ob er selbige anruffen sollte, um durch ihre Fürbitt bey ihrem Sohn Verzeyhung seiner Sünden zu erlangen. Da er nun eine Weil still gestanden, brache er endlich in diese Wort heraus: O Frau, wann ich dich anruffen sollte, stehe ich in Sorgen, es wurde umsonst und vergebens seyn. Dann du wirst einen so grossen Sünder, wie ich bin, nicht erhören. Damit nun die gütigste Jungfrau ihme dieses Mißtrauen benehmen möchte, erschiene sie ihm sichtbarlich, und sagte:Stehe still, und begehre von mir, daß ich meinen Sohn für dich bitten solle. Da sprache der Sünder:O Frau! von Hertzen gern. Allein es seynd meiner Sünden so viel, daß es mir vorkommt, als seye ich schon verdammt. Es versetzte aber die Jungfrau: und wann du gleichsam schon verdammt wärest, so weiß ich mich deiner doch zu erbarmen, wann du nur dich zu besseren ernstlich gesinnet bist. Christoph. Wratislau S.J. in stimulis Marianis c. 24.

Pflegkind. O milde! O gütige Jungfrau! wie unaussprechlich ist deine Neigung, für uns arme Sünder zu bitten? wer sollte dann ein Mißtrauen in dich setzen, und sich wegen dem Last seiner Sünden abschröcken lassen, wann er nur in sich selbsten geht, und vom sündigen abstehen will? Wem sollen nicht vor Freuden die Zäher in die Augen schiessen, wann er hört, daß du dich weißt zu erbarmen auch derjenigen Sünder, die sich selbst schon für verlohren halten.

11. Gespräch
[465] Eilftes Gespräch.

Schutz-Engel. Ja, deme ist also. Dann es sagte einstens diese gütige Jungfrau zu der heiligen Brigitta: es seye kein Sünder so groß, deme sie nicht helfen könne, und wolle. Es wäre dann Sach, daß ihne GOtt gäntzlich verworfen hätte. Welches aber keiner darfür halten solte, so lang er noch Mariam verehrt, und liebt. Dann sie ist ein mächtige Jungfrau, wie sie in der lauretanischen Litaney von der catholischen Kirch genennt wird.

Pflegkind. An welchen aber erzeigt sie am meisten diese ihre Macht?

Schutz-Engel. An denjenigen, welche in der Bruderschaft des heiligen Rosenkrantzes seynd, und selbigen nicht allein fleissig, sondern auch mit Andacht, das ist, mit Aufmercksamkeit, betten.


Pflegkind. Ich hab zwar von Kraft dieses Gebetts schon in den vorigen Gesprächen nicht wenig gehört. Doch möchte ich noch eine Begebenheit hierüber vernehmen.


Schutz-Engel. Folgende solle dich vergnügen.

Begebenheit.

In Hispanien befande sich ein gräfliche Tochter, mit Namen Benedicta: wunderschön von Leibs-Gestalt; aber mithin leichtfertig. Dann bey allen Täntzen war sie die erste. Als sie das zwantzigste Jahr erreicht, ward sie von einem Kriegs-Officier ersehen, der sich in sie verliebt, und selbige mit Liebkosen, und Schanckungen in so weit verführt, daß sie sich von ihm schwängeren lassen. Wie sie nun von ihren Elteren angestrengt worden, zu bekennen, von wem sie das Kind aufgelesen habe, da sagte sie vor männiglich: Du, O Vatter, bist derjenige, von dem ich es aufgelesen. Und du, O Mutter, hast Gelegenheit darzu gegeben: dann ihr habt mich zu aller Uppigkeit auferzogen, und zu allen Täntzen gelassen. Was Wunder ist es also, daß ich mich hab verführen lassen? so habt euch dann das Kind: das möget ihr gleichwohl ernähren, und auferziehen. Kurtz zu sagen, ich nimme meinen Weeg weiter, und will bleiben, wie ich bin. Auf dieses hin vagirte sie in gantz Spanien herum, und bothe ihren Leib einem jeden Liebhaber feil. Und dieses Handwerck triebe sie sieben gantzer Jahr lang fort: unter welcher Zeit sie sich gewaltig bereichet hat.


Der heilige Dominicus, welcher ihr Bluts-Verwandter war, und zu selbiger Zeit lebte, als er von diesem Schand-Leben seiner Baasen berichtet [466] worden, betrübte sich sehr hierüber. Suchte also Gelegenheit, ihro zuzusprechen, und sie auf besseren Weeg zu bringen. Und als er sie einstens angetroffen, sagte er zu ihr: Meine Baaß! du hast der Welt schon lang gedient, ich bitte dich, du wollest einmahl deinem GOtt und Schöpfer dienen. Allein dieses schamlose Mensch bliese dieses alles nur über ein Dach hinaus. Als der heilige Mann gesehen, daß er mit seiner sowohl gemeinten Ermahnung nichts ausrichtete, sagte er: O Baas! es werden nicht drey Täg anstehen, so wird GOtt zwischen mir und dir urtheilen. Wie er gesagt, also ist es auch geschehen. Dann der heilige Mann gienge davon, begabe sich in das heilige Gebett, und bathe GOtt, er wolte diese gantz verkehrte Tochter mit einer zeitlichen Straf heimsuchen, damit sie nicht dort in der Höllen müßte ewiglich gestraft werden.


So wurde sie dann in der ersten und anderen Wochen närrisch, und unsinnig; welcher Gelegenheit dann sich ihre Bediente zu Nutzen gemacht; sie alles ihres Gelds beraubt, und sie in höchster Armuth sitzen lassen. In der dritten Wochen ward sie von jedermann verlacht, und verspottet. Ja so gar die Kinder auf der Gassen warfen mit Koth und Stein auf sie zu, und ware beynebens kein Mensch, der sich ihrer angenommen und sie beschützt hätte. In der vierten Wochen ward sie geschlagen mit einem so häßlichen Aussatz, daß sie alle ihre vorige Schönheit verlohren; das Fleisch an ihrem Leib verfaulet, und so unleidentlichen Gestanck von sich gegeben, daß niemand bey ihr bleiben können. Letztlich mußte sie drey gantzer Jahr lang in diesem Jammer und Elend liegen; wo ihr dann aller Orten Löcher an dem Leib ausgebrochen, und Würmen darinnen gewachsen, von welchen sie erbärmlich zernagen, und zerbissen worden.


Doch wolte sie sich noch nicht ergeben; indem sie gantz wütend worden, und nichts thate, als schelten und fluchen. Der heilige Dominicus, als er sie in diesem Stand besehen, sprache ihr zu, und ermahnte sie, diese Straf zur Abbüssung ihrer Sünden mit Gedult zu übertragen; dieweil sie ja nichts bessers verdient habe. Und, wann sie sich nicht unter der mächtigen Hand GOttes demüthigen und besseren wurde, sagte er ihr das letzte Urtheil mit diesen Worten: O du Unglückselige! entweders mußt du in kurtzer Zeit sterben, und den geraden Weeg der Höll zufahren; oder dich Mariä der Jungfräulichen Mutter GOttes befehlen, und dir vornehmen, täglich ihren Psalter zu betten. Jetzt hast du die Wahl.


Benedicta durch dieses ernstliche Zusprechen Dominici erschröckt, ergiebt sich endlich: laßt sich in die Bruderschaft des heiligen Rosenkrantzes einschreiben: macht den Anfang, und bettet täglich mit Andacht den gantzen Psalter, und erlangt durch die Fürbitt Mariä so viel, daß sie in der ersten [467] Wochen wiederum zu ihrem vorigen Verstand kommen. Zu End der anderen Wochen ward sie von dem spanischen Adel mit Güteren und Einkommen beschenckt. In der dritten Wochen hörte man alle Nacht die englische Geister singen, und jubilieren wegen der Buß, so Benedicta vorgenommen, und ihre Sünden beweinet hat, wordurch sie vor den Menschen in Ansehen gesetzt, und besucht worden. In der vierten Wochen kame erst die Mutter GOttes, und bestriche mit ihren Jungfräulichen Händen den gantzen Leib dieser Büsserin, wordurch aller Aussatz vertrieben, und die verlohrne Gestalt so wunderlich erneuert worden, daß sie weit schöner und holdseliger, als jemahl vorher anzusehen war. Endlich die fünfte und sechste Wochen ist das von ihr ergangene böse Geschrey völlig vergangen; herentgegen im gantzen Königreich Spanien ihre Schönheit und Tugend dermassen berühmt worden, daß so gar der König in Castilien, (welches das eigentlich Spanien ist) sich offentlich vor seinen Ständen und Hof-Herren vernehmen lassen, daß er Benedictam, und kein andere zu heurathen gesinnet seye. Wie dann auch unverzüglich nicht allein das Versprechen geschehen; sondern auch die Hochzeit selbst, samt dem Beylager mit königlichem Pracht gehalten worden.


O der verwunderlichen, und unverhoften Veränderung! wer hätte vor etlichen Wochen vermeint, daß aus einer so verschreyten Person eine solche Königin werden solte? diese Veränderung kame nemlich her von dem Hertz-berührenden Finger GOttes, auf die mächtige Fürbitt seiner Jungfräulichen Mutter: weilen Benedicta ihr so eifrig hat lassen angelegen seyn, unser lieben Frau zu Ehren ihren Psalter zu betten. Ja nicht allein hat Benedicta diese Andacht angenommen; sondern sich auch bemühet, daß selbige durch gantz Spanien ist ausgebreitet worden. So hat sie auch die Kirchen, so nächst GOtt seiner Mutter aufgerichtet, und geweyhet worden, mit noch mehr und reicheren Stiftungen, als vorhin, versehen.


Endlich, nachdem sie viel Jahr in aller Andacht und Tugend vollführt, ist sie von der Mutter GOttes ihres Hinscheidens aus dieser Welt hundert und fünfzig Tag vorher (so viel nemlich der Marianische Psalter, den sie jederzeit so andächtig und fleissig gebettet, in sich einschliesset) erinnert worden, damit sie sich zeitlich zu einem glückseligen End bereiten möchte. Wie sie dann ihr Leben, nicht ohne Nachruhm, sonderbarer Tugend und Gottseligkeit beschlossen hat.Alanus de Rupe in suo Psalterio. cap. 61.


Pfleg-Kind. Ich bekenne es, daß ich diese Begebenheit mit grossem Vergnügen, und Trost meiner Seel angehört hab. O was für ein mächtige Jungfrau ist Maria! und wie reichlich vergeltet sie die Ehr, die man ihr anthut durch das andächtige Gebett ihres Psalters! wer solte sich dann [468] nicht in ihre Bruderschaft lassen einschreiben, und sich glück selig schätzen, ein Glied so vieler andächtigen Brüderen und Schwesteren zu seyn, welche Maria in ihren sonderbaren Schutz und Schirm aufnimmet?

12. Gespräch
Zwölftes Gespräch.

Schutzengel. Du sagst gantz recht, allein muß man in dem Dienst Mariä beständig seyn. Und wann man einmahl in die Bruderschaft des heiligen Rosenkrantzes eingeschrieben ist, in dem vorgeschriebenen Gebett fleissig fortfahren. Dann was ist das für eine Andacht, heut Mariam mit dem heiligen Rosenkrantz verehren; Morgen aber solchen unterlassen?

Pfleg-Kind. Es gedunckt mich auch, daß diejenige, welche so unbeständig seynd, sich der Gunst Mariä wenig zu erfreuen haben. Und vielleicht hat sich hierüber eine Begebenheit zugetragen, die mir noch nicht bekannt ist.

Schutz-Engel. Ja freylich ich will sie dir nicht bergen; und ist folgende:

Begebenheit.

Thomas von Kempten in Niederlanden, ein regulirter Chor-Herr des heiligen Augustini, als er noch gar jung ware, hatte er im Brauch, Mariam täglich mit gewissen Gebetten (und das eine Stund lang) zu verehren. Da er aber zum Studieren kommen, kürtzte er diese Stund ab; damit er mehrer Zeit zum Studieren hätte. Allein diese Unbeständigkeit ist ihm in einem Gesicht von unser lieben Frau empfindlich zu verstehen gegeben woden. Dann es kame ihm vor, als befinde er sich unter seinen Mitschuleren, denen unser liebe Frau in schönster Gestalt erschienen, und einen jeden aus ihnen liebreich umfangen hat.

Thomas hofte nichts anders, als daß diese Gnad auch ihm wurde wiederfahren. Aber es kame gantz anderst heraus. Dann unser liebe Frau sahe ihn ernstlich an, und sagte: Lasse dir nur nicht in Sinn kommen, daß ich dich umfangen werde. Dann, warum hast du die stündliche Andacht, mit welcher du mich vor diesem täglich verehrt hast, abgekürtzt? warum bist du darinn nicht fortgefahren? bin ich etwann nicht mehr so liebwürdig, als vor diesem? als sie dieses ausgeredt, ist sie aus den Augen verschwunden.


Thomas giegne hierauf in sich selbst; bekennete reumüthig seine Unbeständigkeit? Erneuerte seinen vorigen Eyfer, und verharrete darinn bis an das End seines Lebens. Ist darum glaubwürdig, er werde nach seinem gottseeligen Hinscheiden aus dieser Welt von Maria in dem Himmel auf das liebreichiste umfangen worden [469] seyn. Thomas Kempensis de se ipso sermon. ad. Novitios.


Darum unterliesse der Heil Franciscus Salesius, Genfischer Bischof, seine tägliche Andacht, den Heil Rosenkrantz zu betten, niemahlen mit wie vielen Geschäften er auch überladen war. Nun truge es sich auf einen Tag zu, daß er bis Abend alle Händ voll zu thun hatte; und ihme also die nächtliche Ruhe höchst vonnöthen war. Und als deswegen sein geheimer Schreiber zu ihm sagte: er solte sich der nothwendigen Ruhe bedienen, und den gewöhnlichen H. Rosenkrantz bis auf den anderen Tag verschieben, und also diese Versaumnuß wiederum herein bringen, da sagte er: mein guter Freund, diejenige Andachts-Ubungen, welche ihre bestimmte Zeit haben (als da ist, täglich den H. Rosenkrantz unser lieben Frau zu Ehren betten) die soll man nicht unterlassen, noch aufschieben, wann es schon schwer fallt. Und also hat er noch, (wiewohl ziemlich abgemattet) den Heil. Rosenkrantz gebettet, ehe und bevor er sich in die Ruhe begeben; wiewohl er gemeiniglich an einem Rosenkrantz zu betten eine gantze Stund zubrachte wegen andächtiger Betrachtung der Geheimnussen, so dieses Gebett in sich enthaltet. Barry S.J. in anno sancto pro 9. Octob.


Ist dieses nicht ein schönes, und überaus lobwürdiges Exempel von diesem Heil. Bischof?

Pfleg-Kind. Ja fürwahr. Dieses solle mir hinführo ein starcker Antrieb seyn, meine tägliche Andacht gegen unser lieben Frauen niemahlen zu unterlassen, noch auf den anderen Tag zu verschieben; es mögen auch Hindernussen sich in den Weeg legen, was für eine wollen. Die Lieb, und Hochachtung, die ich gegen der Mutter GOttes trage, sollen alle Hindernussen überwinden.

Schutz-Engel. So ist es recht. Das gefallt mir, daß du ein so gutes Gemüth hast. Seye versichert, daß dich die Mutter GOttes in ihren sonderbaren Schutz nehmen wird.

13. Gespräch
Dreyzehentes Gespräch.

Pfleg-Kind. Das hoffe ich. Allein es kommt mir bisweilen ein Scrupel, so in diesem bestehet: weil ich nicht allzeit mein Gebett mit solcher Aufmercksamkeit und Andacht verrichte, wie es eben seyn solte, da förchte ich, es möchte etwann der Mutter GOttes nicht gefallen.

Schutz-Engel. Da frage ich: kommt der Mangel der Aufmercksamkeit her aus freywilliger Nachlässigkeit? oder nur aus menschlicher Schwachheit, wider deinen Willen? geschieht das erste, so ist freylich das Gebett der Mutter GOttes nicht angenehm: dieweil es nicht geschiehet mit solcher Andacht, wie es ihre Würdigkeit erfordert. Geschiehet [470] aber das andere, so ist das Gebett eben so angenehm, als wann es mit Aufmercksamkeit verrichtet wurde.

Pflegkind. Das ist wohl trostreich. Lasse dir gefallen dieses mit einer Begebenheit zu bekräftigen.

Schutz-Engel. So höre dann.

Begebenheit.

Es war eine fromme Closter-Jungfrau, diese mußte vor ihrem Hinscheiden aus dieser Welt sechs Täg lang heftige Schmertzen ausstehen, und mit dem Tod ringen. Nach ihrem Tod erscheint sie einer aus ihren gewesten Mitschwestern, und sagt zu ihr: O Schwester! wann mir zugelassen wurde, wiederum in das vorige Leben zu kehren, wie gern wollte ich noch einmahl die vorige Schmertzen, und Tods-Angst ausstehen, wann ich nur ein eintziges Ave Maria sprechen könnte; wiewohl mit geringer Andacht (jedoch im Stand der Gnad GOttes) geschehen sollte. Also gefällig ist der Mutter GOttes dieser Englische Gruß; und so groß ist der Lohn, welchen man für diese Andacht im Himmel einnimmt. Heroldus in Chronico Ordinis S. Dominici.

Pflegkind. So bette ich eben auch bisweilen mit geringer Andacht, doch bemühe ich mich zu thun, so viel mir menschlicher Weiß möglich ist. Kommt das Werck nicht allezeit mit meinem guten Willen (aus menschlicher Schwachheit) nicht übereins, reuet es mich von Hertzen; und so bald ich den begangenen Fehler vermercke, bemühe ich mich auf ein neues mit grösserer Aufmercksamkeit zu betten.

Schutz-Engel. Das ist genug, und seye deßwegen nicht ängstig.

14. Gespräch
Vierzehentes Gespräch.

Pflegkind. Wie ist es aber? wann einer den gantzen Rosenkrantz (nach Anweisung der Bruderschaft) betten solte, gilt es nicht, selbigen (besserer Aufmercksamkeit halber) abzutheilen.

Schutz-Engel. Das steht dir frey, du kanst 2. oder 3. Gesätzlein auf einmahl, und hernach die übrige betten. Wiewohl es (den Ablaß der Bruderschaft zu gewinnen) sicherer ist, wann du den gantzen Rosenkrantz auf einmahl bettest.

Pflegkind. Welches ist aber die leichteste Manier, die Mutter GOttes zu verehren?

Schutz-Engel. 1. Wann du, so oft die Stund schlagt, mit Andacht den Englischen Gruß sprichst. 2. Wann du dieses thust, so oft das Zeichen zum Englischen Gruß gegeben wird, und dreymahl das Ave Maria bettest, mit [471] vorhergehenden Worten: Der Engel des HErrn, etc. Siehe! ich bin ein Magd des HErrn etc. Und das Wort ist Fleisch worden, etc.

Pfleg-Kind. Ich möchte von dieser letzteren Andacht eine Begebenheit vernehmen.

Schutz-Engel. Spiegle dich an folgender.

Begebenheit.

So oft der H. Mayländische Bischof Carolus Borromäus Morgens, Mittags und Abends gehört hatte das Zeichen zum Englischen Gruß geben, fiele er auf seine Knye nieder, und bettete zu dreymahlen mit grosser Andacht den Englischen Gruß auf die Weiß wie du oben vernommen hast. Ja, wann er auch in einer Gutschen gefahren wäre, wurde er (und wer wolte zweiflen?) nicht unterlassen haben auszusteigen, und niederzuknyen; wann es auch die kothige Erden hätte seyn müssen.

Pflegkind. O des höchstlöblichen Exempels von einem so vornehmen Kirchen-Prälaten.

Schutz-Engel. Ja freylich. Und sollen sich diejenige ins Hertz hinein schämen, welche unter dem Läuten zu solchem Gebett auf der Straß, wo sie seynd, fortgehen dörffen. Darum höre ein andere.

Begebenheit.

Als auf eine Zeit ein Portugeß bey Abends-Zeit nach Haus gienge, und eben dazumahl das Zeichen zum Englischen Gruß gegeben wurde, da knyete er nieder nach seiner Gewohnheit, Willens zu dreymahl den Englischen Gruß zu sprechen. Kaum aber hatte er die Knye gebogen, siehe, da floge ober seinem Kopf hin eine Kugel, so einer von seinen heimlichen Feinden nach ihm abgeschlossen hatte, welche ihn, wann er fort gegangen wäre, unfehlbahr wurde getroffen, und auf die Haut gelegt haben. Drexelius in Rosis Marianis part. 2. c. 4. §. 2.

15. Gespräch
Fünfzehentes Gespräch.

Pflegkind. Jetzt hab ich einen zimlichen Bericht eingenommen, wie ich unser liebe Frau verehren solle. Bitte du für mich, mein H. Schutz-Engel, den lieben GOtt, daß er mir ein kräftige Gnad gebe, damit ich demjenigen fleißig und beständig nachkomme, was ich von dir gelernet hab.

Schutz-Engel. Ich werde es thun, so lang du meinen Einsprechungen [472] folgen wirst. Unterdessen seye getreu an dem lieben GOtt in Haltung seiner heiligen Gebotten. Dann das ist das nothwendigste, in den Himmel zu kommen, Wer aber die Mutter GOttes beständig verehret, dem wird sie auch durch ihre mächtige Fürbitt bey ihrem lieben Sohn kräftige Gnad ausbitten, seine Gebott zu halten. Und wann das geschiehet, so wirst du mit mir in ewiger Glückseeligkeit leben.

Pflegkind. O daß mir dieses wiederfahre! wie will ich mit dir den lieben GOtt lieben, loben und preysen, und das in alle Ewigkeit! Unterdessen möchte ich wohl ein Lied haben, worinn die Mutter GOttes zum Beystand im Todbeth angeruffen wird. Dann so ich diesen Beystand haben wurde, steht es mit meiner Seeligkeit auf guten Weegen.

Schutz-Engel. So seye es. Und zwar wird folgen des nicht undienlich seyn. Die Melodey ist, wie in dem Lied: Wo ist JEsus mein Verlangen?

Lied.
1.
Wann mein Schiflein wird anländen,
An dem Port der Ewigkeit;
Wann sich wird das Leben enden,
Wann wird seyn der letzte Streit;
O Maria steh zur Seiten,
Laß mich dir befohlen seyn;
Leit mein Schiflein, hilf mir streiten,
Hilf, O liebste Mutter mein.
2.
Wann mich meine Freund verlassen,
Und ich keinen Trost mehr find;
Wollst mich liebreich dort umfassen,
Nicht gedencken meiner Sünd;
O Maria mich errette,
Steh mir bey, verlaß mich nit;
Wann die Waage instehn thäte,
Komm zu Hülf, diß ist mein Bitt.
3.
Wann ich von dir müßte scheiden,
Gehen in die ewige Peyn;
Laß mein Seel nicht Schifbruch leyden,
Laß mich dir befohlen seyn;
O Maria Brunn der Gnaden,
Reich mir deine Gnaden-Händ;
Laß die Feinde mir nicht schaden,
Deine Augen zu mir wend.
4.
Zu dir setz ich mein Vertrauen,
Von dir will nicht lassen ab;
O mein Trost auf dich will bauen,
Bis ich liegen muß im Grab;
Ewig, ewig will dich lieben,
Ewig will dein eygen seyn;
Laß im Tod mich nichts betrüben,
Hilf O liebste Mutter mein.
Von denen wunderbarlichen Gaaben und Freyheiten, so GOtt seiner würdigsten Mutter verliehen hat
[473] Von denen wunderbarlichen Gaaben und Freyheiten, so GOtt seiner würdigsten Mutter verliehen hat.
1. Ist sie von Ewigkeit her zur Seeligkeit verordnet worden.
2. Erwählet zu einer Tochter GOttes des Vatters.
3. Zu einer Mutter GOttes des Sohns.
4. Zu einer Gespons GOttes des Heil. Geistes.
5. Bewahret von aller Macul der Sünd.
6. Geziert mit allen Tugenden.
7. Versprochen, und erwartet von Anfang der Welt.
8. Vorbedeutet in dem alten Testament.
9. Bestimmet zu einer Königin und Frau der gantzen Welt.
10. Bestellet zu einer Patronin des gantzen menschlichen Geschlechts.
Von dem Leben Mariä, von ihrer unbefleckten Empfängnus an, bis zur Geburt Christi
Von dem Leben Mariä, von ihrer unbefleckten Empfängnus an, bis zur Geburt Christi.

1. Ist sie von ihrer Mutter Anna, nachdem diese lange Zeit unfruchtbar gewesen, ohne Macul der Erbsünd empfangen werden.

2. Gebohren worden zur Zierd und Trost der gantzen Welt.

3. An dem 15ten Tag nach ihrer Geburt mit dem süssesten Namen Mariä benamset worden.

4. Als ein Kind von 3. Jahren GOtt dem HErrn im Tempel aufgeopfert worden.

5. In dem Tempel bis in das 14te Jahr auferzogen worden; in welchem sie ein Englisches Leben geführt hat.

6. War sie die erste aus den Menschen-Kindern, so GOtt dem HErrn die Jungfrauschaft verlobt hat.

7. Ist sie mit dem Heil. Joseph, als dem treuesten und keuschesten Gespons, vermählet worden.

8. Von dem Ertz-Engel Gabriel gegrüßt, von dem Heil. Geist überschattet, und mit dem Sohn GOttes schwanger worden.

9. Ist sie in Begleitung des Heil. Josephs über das Gebürg gangen, und hat ihre liebe Baas Elisabeth heimgesucht.

10. Nachdem der H. Joseph nicht wissend, daß sie vom H. Geist überschattet worden, und sie deswegen verlassen wolte, ist sie von dem Engel für unschuldig, und gantz rein erkläret worden.

Von der Geburt Christi an, bis auf Mariä Reinigung
[474] Von der Geburt Christi an, bis auf Mariä Reinigung.

1. Wartete sie mit gröster Begierd auf die Geburt Christi.

2. Reisete sie von Nazareth nach Bethlehem, allwo sie von allen Herbergen ausgeschlossen worden.

3. Alldort nahme sie ihre Einkehr in einem armen Stall, welcher von der Geburt Christi sollte berühmt werden.

4. Hat sie Christum, ihren eintzigen Sohn gebohren, ohne Verletzung ihrer Jungfrauschaft,

5. Hat sie Christum auf dem Heu liegend angebettet.

6. Auf ihren Arm genommen.

7. Mit ihrer Jungfräulichen Milch gesäuget und ernährt.

8. In Windelen eingefetschet, und denen frommen Hirten gezeigt.

9. Ihme in der Beschneidung den süssen Namen JEsus mit besonderer Verehrung beygelegt.

10. Ihne den H. drey Königen zur Anbettung dargereicht.

Von der Reinigung an, bis sie von ihrem Sohn, da er zum Leyden gienge, Abschied genommen
Von der Reinigung an, bis sie von ihrem Sohn, da er zum Leyden gienge, Abschied genommen.

1. Hat sich Maria im Tempel aus Demuth unterworffen dem Gesatz der Reinigung, dero sie wegen ihrer unverletzten Jungfrauschaft im geringsten nicht bedürftig war. Mithin allda ihren Sohn dem himmlischen Vatter aufgeopfert.

2. Ist sie mit ihrem Sohn, und dem Heil. Joseph wegen obhandener Ermordung der unschuldigen Kindlein in Egypten geflohen.

3. Nach Herodis Tod wiederum aus Egypten in ihr Vaterland zuruck gekehrt.

4. In der Stadt Nazareth genosse sie den süssesten Gesellschaft ihres göttlichen Sohns.

5. Nachdem sie ihn im 12ten Jahr seines Alters mit ihrem höchsten Schmertzen verlohren, hat sie ihn nach 3. Tägen im Tempel mit Freuden wiederum gefunden.

6. Samt dem Heil. Joseph hatte sie an Christo einen gehorsamen Sohn.

7. Sie bediente ihn 30. gantzer Jahr auf das treulichste, und vertrate gegen ihm die Stell einer demüthigen Magd.

8. Dem Heil. Joseph, ihrem getreuesten Gespons, stunde sie samt ihrem Sohn im Tod-Beth treulich bey, und tröstete ihn mit ihrer süssesten Gegenwart.

9. Auf der Hochzeit zu Cana in Galiläa hatte sie von Christo ihrem Sohn das erste Miracul erlangt, indem er das Wasser in Wein verwandelt hatte.

10. Sie folgte ihrem Sohn 3. gantzer Jahr nach, da er mit Unterweisung [475] der Menschen beschäftiget war, und sein Lehr mit Miracul bekräftigte.

Von dem Leben Mariä zur Zeit des Leydens und Tods Christi
Von dem Leben Mariä zur Zeit des Leydens und Tods Christi.

1. Als ihr Sohn mit den Apostlen das letzte Abendmahl halten, und sich zum Leyden und Tod bereiten wollte, nahme sie von ihm mit höchster Traurigkeit den letzten Abschied.

2. Als man ihn gefangen genommen, fälschlich angeklagt, erbärmlich gegeisselt, mit Dörnern gecrönt, und zum Tod verurtheilt, wurde sie von allem berichtet.

3. Als er das Creutz truge, und dem Calvari-Berg zugienge, kame sie ihm entgegen.

4. Als man ihn mit Näglen an das Creutz geheftet, hörte sie mit höchsten Schmertzen die grausame Hammer-Streich.

5. Als er samt dem Creutz in die Höhe aufgerichtet wurde, sahe sie ihn mit unaussprechlichem Mitleyden an.

6. Als er ihr den H. Johannes zu einem Sohn anbefohlen, hatte sie nicht allein ihn, sondern auch uns alle zu ihren Kindern angenommen.

7. Als sie sahe ihren Sohn unschuldiger Weis am Creutz sterben, hatte sie ihn bitterlich beweinet.

8. Da er würcklich gestorben, hatte sie sehen müssen, wie seine allerheiligste Seiten mit einer Lantzen durchstochen worden.

9. Als man ihm vom Creutz abgelöset, hatte sie ihn mit gröstem Schmertzen auf ihren mütterlichen Schooß genommen.

10. Nachdem sie ihn in dem Garten Getsamani hat helffen in das Grab legen, gienge sie vom Grab gantz traurig zuruck, und begabe sich in die Einsamkeit ihres Bett-Kämmerleins.

Von der Auferstehung Christi an, bis Maria in Himmel aufgenommen worden
Von der Auferstehung Christi an, bis Maria in Himmel aufgenommen worden.

1. Ist sie von ihrem Sohn, da er von Todten auferstanden, zuerst durch seine glorreiche Erscheinung erfreuet worden.

2. Hat sie ihn gesehen glorreich gen Himmel fahren.

3. Hat sie samt denen Apostlen den H. Geist in Gestalt feuriger Zungen empfangen.

4. Hat sie unter dem H. Meß-Opfer, sie die Apostel verrichtet, den Tod ihres Sohns zu Gemüth geführt.

5. Hat sie ihren Sohn in der Heil. Communion, besonders aus den Händen [476] des H. Johannis, öfters in ihr Hertz empfangen.

6. Hat sie ihr die Sorg, damit der wahre Glaub ausgebreitet, und die Unglaubige bekehrt wurden, emsig lassen angelegen seyn.

7. Hat sie gegen dem End ihres Lebens stets nach ihrem Sohn geseuftzet, und auf das innbrünstigste bey ihm zu seyn verlangt.

8. Hat sie vor lauter Liebe gegen GOtt ihren Geist süßiglich, und ohne allen Schmertzen aufgegeben.

9. Ist sie auf den Schultern der Apostlen zu Grab getragen worden.

10. Ist sie vom Tod zum Leben erweckt, mit Leib und Seel glorreich in Himmel aufgenommen worden.

Mariä Crönung geschehen von der Heiligsten Dreyfaltigkeit
Mariä Crönung geschehen von der Heiligsten Dreyfaltigkeit.

1. Von GOtt dem Vatter hat sie empfangen die Cron des Gewalts.

2. Von GOtt dem Sohn die Cron der Weisheit.

3. Von GOtt dem Heil. Geist die Cron der Gütigkeit.

Mercke hier lieber Leser, daß die Mutter GOttes einstens der Heil. Mechtild geoffenbahret habe, sie wolle allen denjenigen im Tods-Beth treulich beystehen, von welchen sie bey Lebzeiten eyfrig um Hülf angeruffen, und folgende Gebettlein von ihnen täglich mit Andacht gesprochen werden.


1.


Maria, Mutter der Gnaden; Mutter der Barmhertzigkeit, du auserwählte Tochter GOttes des Vatters, ich bitte dich durch die Cron des Gewalts über alle Creaturen, welchen du von ihm empfangen; du wollest mir in meiner Sterb-Stund zu Hülf kommen, mich in dem wahren Glauben bestättigen, und wider alle Anläuf des bösen Feinds beschützen, Amen.


Ave Maria etc.


2.


Maria, Mutter der Gnaden, Mutter der Barmhertzigkeit, du auserwählte Mutter GOttes des Sohns; ich bitte dich durch die Cron der Weisheit, welche du von ihm empfangen hast, du wollest mir in meiner Sterb-Stund zu Hülf kommen; mich in der wahren Hofnung bestättigen, und wider alle Anläuf des bösen Feinds beschützen, Amen.


Ave Maria etc.


[477] 3.


Maria, Mutter der Gnaden, Mutter der Barmhertzigkeit, du auserwählte Gespons GOttes des Heil. Geistes, ich bitte dich durch die Cron der Gütigkeit, welche du von ihm empfangen, du wollest mir in meiner Sterbstund zu Hülf kommen, mich in der wahren Liebe bestättigen, und wider alle Anläuf des bösen Feinds beschützen, Amen.


Ave Maria etc.

Ex Caussini Soc. JEsu. Die Christiano.

Unterschiedliche zugleich aber curieuse Begebenheiten

1. Begebenheit
Erste Begebenheit.
Von einem alten, und reichen Wirth, den etliche Beutel-Schneider auf eine sehr listige Weis bestohlen haben.

Dieser hatte bey seiner Wirthschaft viel Geld und Gut zusammen gebracht; gienge ihm auch von aller zeitlichen Wohlfahrt nichts ab, als seine liebe Hausfrau, die ihm durch den Tod unlängst entrissen worden. Weilen er nunmehr schon alt, und den einen Fuß (wie man pflegt zu reden) im Grab hatte, gedachte er seine übrige Jahr in Ruhe und Wittibstand zuzubringen, und die Wirthschaft samt allen Güteren seinen Kinderen, deren er eine ziemliche Anzahl hatte, aufzubehalten. Bey diesem alten Kautz dann nahmen einstens den Einkehr drey verwegene Gesellen, oder Beutel-Schneider; sprachen ihne um die Herberg an, und bitteten, er wollte ihnen ein eigenes Zimmer eingeben, dann sie wollten sich etliche Täg da aufhalten. Wie ihnen solches bewilliget worden, verlangten sie, man sollte ihnen nur wacker auftragen, und hergeben, was zu bekommen; dann an der Bezahlung wurde es nicht manglen: Wie sie dann auch gethan, und jede Mahlzeit mit Thaleren, und Ducaten ausgezahlt. Der Wirth dies sehend, gedachte bey sich selbst: O solche Gäst taugen für mich; sie müssen gewißlich vornehme Edelleut oder Grafen seyn, weil sie wohl gekleidet, und mit so guter Müntz versehen seynd. Er warthete ihnen demnach möglichist auf, liesse sich keine Mühe noch Fleiß reuen: Führte sie gantz höflich im gantzen Haus herum, von einem Gast-Zimmer ins andere, und zeigte ihnen alles, was zu sehen war. Sie aber, als abgeführte Kerls, gaben auf alles wohl acht; besichtigten des Alten seine Schlaf-Kammer, und Schatz-Kasten, wie auch die Kammer-Thür, wie solche verwahrt, mit Schloß und Banden versehen; wie, [479] und auf was Weis man hinein kommen, und den Alten überfallen möchte. Als sie demnach einstens zum Nacht-Essen giengen, liessen sie ihnen das Beste auftragen, und nur recht wohl seyn. Als aber der Wirth sich in die Ruhe begeben, trancken sie noch eine gute Weil, und waren rechtschaffen lustig. Stellten sich hernach, als wollten sie auch die Ruhe nehmen; und nachdem sie die Aufwarter abtretten lassen, unterredeten sie sich miteinander, wie sie den Alten überfallen, und den Schatz von ihm bekommen möchten. Wurden darauf eins, daß sie sich alle drey verkleiden wollten; wie sie dann auch gethan. Als nun der Wirth im besten Schlaf war, und starck schnarchete, giengen sie für sein Schlaf-Kam mer, und eröfneten die Thür. Der erste, mit Namen Andreas, hatte sich weiß angekleidet, und stellte sich, als wäre er der allgemeine Menschen-Fresser, der grimmige Tod, vor dem Gesicht habend eine Todten-Larve; über den gantzen Leib bis auf die Fuß-Sohlen hinab ein weisses Leilach: In der rechten Hand aber einen spitzigen Pfeil; und in der lincken ein Sand-Uhr. In diesem Aufzug gienge er für das Beth hin, und redete den Schlaffenden mit tieffer, und ernsthafter Stimm auf folgende Weis an: Wache auf: Richte dich zum Sterben: Dann die Stund ist vorhanden; die Uhr ist ausgeloffen. Auf auf! und mit mir davon. Dieses geredt, erschüttelte er die Bethstolle mit solchem Gewalt, daß der Schlaffende darüber erwacht, und in einander gefahren. So bald er die Augen nur ein wenig eröfnet, und den erschröcklichen Tod vor sich stehend gesehen, zitterte er am gantzen Leib; heulte, und bate um Fristung des Lebens, wenigst nur auf einen Tag. Allein der Tod schüttelte den Kopf darüber; spannte seinen Bogen, legte den Pfeil auf, und sagte mit voriger tieffer, und ernsthafter Stimm:


Kein Ries, kein Held auf dieser Welt
Ist mir bisher entgangen.
Meinst du, ich werd in meim Gezelt
Mit dir allein viel prangen?

Siehest du diesen spitzigen Pfeil? Mit diesem hab ich schon viel tausenden den Garaus gemacht. Ich verschone keinem; auch König und Kayser nicht. Arm, oder Reich; ist mir alles gleich, alle müssen daran. Fort mit dir: Nimm hin den Tupf, und letzten Schupf: Aus ist es mit deinem Leben. Kaum hatte der verstellte Tod dieses ausgeredt, da kame der andere Beutelschneider, Matthias genannt, der die Person und Gestalt des leidigen Teufels an sich genommen. Der rauschete, und rasselte mit einer dicken und langen Ketten daher, und fragte mit rauhen Worten: Wo ist der alte Kautz? Wo ist er? Huj auf! und mit mir davon: Kein Stund ist mehr übrig. Der Ofen ist schon geheitzt: Da kanst du dich wärmen. Fort mit dir ins höllische Feuer: Du hast nichts anders [480] verdient mit deinem sündhaften Leben. Wie viel Geld hast du zusammen geschachert? Wie vielen das ihrige abgedruckt, und mit Unrecht eingenommen? Wie oft das Wein-Faß mit der Wasserstang heimgesucht? Wie oft doppelte Kreiden gebraucht? Wo gehören dergleichen anderst hin, als in die Höll? Dieses geredt, ergriffe er den erschrockenen, und halb todten Mann mit seinen Klauen, und wollte ihn zu sich reissen. Der Wirth schreyet; ruft GOTT, und alle Heilige um Hilf an: Verspricht, alles Geld und Gut da und dort in die Kirchen, und unter die arme Leut auszutheilen, wann er nur diesmahl aus der Gefahr komme. Dies alles hatte Conradus, der dritte Gesell, wohl vorgesehen; deswegen vor der Thür draussen Achtung geben, die Gestalt und Kleidung des Schutz-Engels an sich genommen; darauf die Kammer-Thür eröfnet, sich mit freundlichem Angesicht für das Beth des Alten gestellt, mithin den verstellten Tod und Teufel weggejagt, und den Alten auf alle Weis getröstet. Als solches der Tod-schwache gesehen, weinte er vor lauter Freuden; bate den Schutz-Engel, er wollte ihn doch in dieser äusseristen Noth nicht verlassen; er wolle gern thun, was er ihm befehlen werde. Conradus, der verstellte Schutz-Engel, täschelte den Alten mit freundlichen Gebärden auf die Achsel; gabe ihm mit sanften Worten einen kleinen Verweiß, daß er dem Zeitlichen zu viel nachgestrebt: Fragte ihn darauf, ob er aber Willens seye, sich zu besseren, und das ungerechte Gut wieder heimzustellen? Und als der Alte solches bejahet, zugleich die Schlüssel zu allen Kästen und Schatz-Truchen von sich geben, und dem verstellten Engel eingehändiget, wendete sich dieser gegen seinen Cameraden, dem verstellten Tod und Teufel, sagend, sie sollten sich aus der Kammer fort packen: Der gute Mann habe zwar viel Sünden, und ungerechtes Gut auf sich gehabt; habe sich aber gebessert, und werde nicht allein das ungerechte Geld wiederum zuruck geben, sondern noch über das ein reichliches Allmosen für die Arme herschiessen, und damit seine Sünden abzahlen. Der verstellte Teufel und Tod wollten nicht weichen, sondern schryen: Es ist umsonst: Er wird solches in Ewigkeit nicht thun: Es ist ihm gleichsam angewachsen: Er wird keinen Heller zuruck geben: Darum wollen wir ihm den Garaus machen. Ey ja wohl! sagte der verstellte Schutz-Engel: Er wird solches gleich jetzt thun in Gegenwart meiner. Und damit ihr sehet, daß ihm Ernst seye, so will ich mit denen Schlüßlen, die er mir zu diesem End übergeben, die Schatz-Truchen aufsperren; alles und jedes wieder zuruck geben. Dieses geredt, gienge er mit Einwilligung des Alten hin, sperrte alle Schlösser auf, und nahme heraus, was er von Gold und Silber angetroffen, so viel er ertragen konte. Desgleichen thaten auch der verstellte Tod und Teufel; renneten in der Finstere hin und her, [481] und raften beynebens alles Geld zusammen: Mit welchem sie hernach zur Kammer hinaus witschten, und sich aus dem Staub machten. Der Alte merckte unterdessen wohl, was vorbey gienge; weil er aber voller Schröcken, und der gäntzlichen Meinung war, das seye eine Schickung von GOtt, der ihn auf solche Weis zur Buß anmahnen wollen, liesse er alles gelten, und war froh, daß er mit dem Leben davon kommen. Bidermann S.J. in Utopia. l. 5.

Wann halt der Tod kommt, verliehrt man nicht allein Geld und Gute so ungerechter Weis zusammen gescharret worden; gemäß jenem, was Sophar sagt im Buch Job am 20. Cap. Er wird die Reichthum die er gefressen hat, wiederum aus speynen; sondern auch die See. Dann es bleibt bey dem Ausspruch des Heil. Augustini: So lang man das ungerechte Gut nicht zuruck gibt, wird die Sünd nicht nach gelassen. O harter Bissen, an den schon mancher erstickt ist!

2. Begebenheit
Zweyte Begebenheit.
Ein liederliches versoffenes Weib überlistet ihren gleichfalls liederlichen versoffenen Mann.

In Welschland, in dem Groß-Hertzogthum Hetrurien, in der Stadt Aretzo befande sich ein liederliches Paar Ehe-Volck. Der Mann ware schier alle Tag voll; und das Weib selten nüchter. Trancke er gern, so trancke sie nicht unlieber. Und neben dem Trunck über Tisch liessen sie ihnen unter Tags zum öfteren eines einschencken; und wollten doch nicht darfür angesehen seyn, als ob sie verschwenderisch hauseten. Pfui! du rußiger Kessel, wie siehest du aus? Helf dir GOTT: Ich meine, man wird mit dem Feg-Wüsch über dich kommen: Sprache einstens die Pfanne; und sahe doch eben so schwartz und schmutzig aus; also auch da. Der Mann wollte das stete Klepperen ausser dem Haus an seinem Weib nicht leiden, und überfuhre sie deswegen mit Worten und Streichen hart genug. Allein wann er einen Teufel heraus schlug, schlug er sieben andere dargegen hinein. Sie schwiege ihm kein Wort: Wehrte sich, so gut sie konte, und erhielte allezeit, wenigist mit dem Maul, die Oberhand. Sobald der Mann dem Haus den Rucken kehrte, liesse sie auch die Kunckel, und das Nehküsse stehen, und suchte ihre Nachbäurinnen, und gute Bekannte nach einander heim. Ob es allzeit bey einem Mäßlein blieben seye, kan man nicht sagen; doch zweiflet man starck daran. Das gabe dann nun eine feine Haushaltung ab. Bald kame er später nach Haus; [482] bald sie, aber beyde wohl bezecht. Solchen Unform nun gäntzlich aufzuheben, trohete ihr der Mann, sie nicht mehr in das Haus einzulassen, falls sie noch einmahl sich verspäten sollte. Allein sie lachte darzu, und hielte dieses Trohen nur für einen Blitz aus dem Hafen. Es war aber Ernst. Dann bald hernach, als es schon wohl finster gegen der Nacht war, und diese Stürtzerin weiß nicht wo noch herum fuhre, versperrte und verrigelte der Mann das Haus; trohete auch denen Ehehalten mit schwerer Straf, wofern sich jemand aus ihnen unterstehen wurde, aufzumachen; oder der Leyrerin einige Antwort zu geben. Also sasse man zum Nacht-Essen, und erwartete der Ausgeschlossenen Ankunft mit Verlangen; damit man etwas zu lachen hätte. Da es nun ziemlich dahin finster war, zottelte sie alsgemach daher; steckte den Schlüssel still an, und vermeinte also unvermerckter Sachen ins Haus hinein zu witschen. Allein der Schlüssel wollte nicht aufmachen, dann der Rigel war fürgestossen. So fienge sie derohalben an zu klopfen, an der Glocken zu reissen; allein umsonst und vergebens. Sie rufte dem Knecht, sie schrye der Magd; Andreas! Ursul! aber auch diese hatten die Sprach verlohren. Weil sie also mit guten Worten nichts ausrichtete, fienge sie an zu blitzen, und zu donnern, mit groben Schelt-Worten zuzuwerfen, dies und jenes zu trohen, wofern man nicht alsobald wurde aufmachen. Aber da ware es so viel, als sagte man: Helfe dir GOtt, es ist niemand daheim. Endlich eröfnete der Mann das Fenster, und hiesse sie ins Henckers Namen weiter gehen, heut Nacht seye kein Herberg für sie im Haus. Da stiege ihr erst die Hitz recht in Kopf: Wie (sagte sie) du mir den Spott anthun, und mich gar nicht in mein Haus lassen? Ey! so will ich mich an dir auf ein solche Weis rächen, daß die gantze Welt davon zu singen, und zu sagen haben solle. Das übrige Poldern und Lästern mag ihm ein jeder selbst einbilden. Wer einmahl gesehen hat, wie das wilde Feuer krache, praschle, und tobe, wann es ein altes Schindel-Tach ergriffen, der kan ihm leicht einbilden, wie dieses Weib vor der Haus-Thür werde gewüthet haben. Allein der Mann liesse sie bellen, und wüthen, und gabe nichts darum. Nicht weit von dem Haus stunde ein Schöpf-Bronn; zu diesem verfügte sich das vor Gift und Zorn brinnende Weib, und schrye zum Fenster hinauf: Nun wohlan, weil es je muß gestorben seyn, so ruffe ich Himmel und Erden als Zeugen wider nicht an, du Mörder! daß du ein Ursach meines Tods seyest. Wirst du mir nicht alsobald aufmachen, so will ich mich in diesen Bronnen hinab stürtzen. Der Mann glaubte nicht, daß es Ernst wäre, sondern lächlete darzu, und sagte: Das wäre recht, mein Brandenwein-Fäßlein! so köntest du dir einmahl genug löschen. Wie das Weib also sahe, daß sie nichts ausrichtete, erdachte sie folgenden List.[483] Neben dem Schöpf-Bronnen lage ein grosser schwerer Stein; diesen lupfte sie mit allen Kräften auf den Ranft des Bronnens hinauf, und rufte überlaut: Nun so will ich dann sterben, O GOtt! seye gnädig mir armen Sünderin: Und zugleich liesse sie den Stein in den Bronnen hinunter plumpen. Der Mann, so in der Finstere nicht sehen konte, was geschahe, meinte anderst nicht, weil er den Stein plumpen gehört, als sein Weib hätte sich wahrhaftiglich in den Bronnen gestürtzt: Wollte ihr demnach, wo möglich, zu Hilf kommen, vergasse aber im Schröcken die Haus-Thür nach sich zuzumachen. Unterdessen duckte sich der arge Balg; und indem der Mann auf einer Seiten zum Bronnen sich nahete, und gantz kläglich hinab schrye: Ach mein Weib! was fangst du an? hebe dich an den Wasser-Aimer, ich will dich wieder herauf ziehen; schliche sie auf der andern Seiten hinum, geschwind zum Haus hinein; die Thür zu, die Stiegen hinauf, und unter das Fenster: Fragte gleichfalls mit lachendem Mund, und grossen Gespött: Wie stets, mein Herr! möchte er gern herein? ja freylich, morgen fruhe, aber heut nicht mehr. Das ware dann ein rechtes Faßnacht- Spiel, worüber der Mann hätte mögen rasend werden; mußte doch wohl bekennen, daß ihm diesmahl sein Weib zu gescheid worden, und ihn mit baarer Müntz bezahlt hätte. Etliche Nachbaren, welche heimlich bey dem Fenster der Comödi zugesehen, und zugehört, nahmen sich endlich der Sachen an, gaben dem Weib gute Wort, bis sie auf gewisse Bedingnuß, und gegebene Versicherung, daß ihr dieses Possens halber kein Leid widerfahren sollte, das Haus eröfnet: Worauf sie dann miteinander in die Stuben hinauf getretten, und nach beyderseits angehörten Klagen die Sach zu einem gütlichen Vergleich vermittleten; Kraft dessen der Mann sollte gehalten seyn, den Trunck zu mäßigen, und dem Weib im Haus-Regiment einen grössern Gewalt zulassen, als bishero geschehen; Sie hingegen sollte das Haus fleißiger hüten, und ihrem Mann gute Wort geben, so wurde es forthin besser mit ihnen stehen. Welches beyde angelobt, und auch gehalten; haben auch von dieser Zeit an wohl und friedlich miteinander gehaußt. Masen. S.J. utilis curiositas de felicitate vitæ humanæ. cap. 3. pag. 66.


Närrische Eheleut! wie mögen sie sich doch selbst also plagen? ist ja genug, daß der Ehestand ohne das eine schwere Burde ist: Wollen sie ihnen selbige noch schwerer machen? wo ist die Vernunft? diesem nun könte leicht vorgebogen werden, wann der Mann eine gute Bescheidenheit zu brauchen wußte. Allein er muß zuerst sich selbst regieren können; welches ja nicht geschehen kan, wann er sich dem Trunck zu starck ergiebt, durch welchen ihm der Verstand entweders völlig benommen, oder doch wenig ist geschwächt wird. Andertens muß er das Weib [484] in der Haushaltung auch etwas gelten lassen. Dann wo dieses nicht geschiehet, hat sie zu denen Haus-Geschäften weder Lust, noch Lieb. Folgends laßt sie alles hangen, wird liederlich, und lebt halb verzweiflet: So viel liegt an des Manns Verstand und Bescheidenheit; welche ihm eingeben sollen des Weibs Schwachheit so viel nachzusehen, als sich thun laßt: Dann gemäß dem Sprich-Wort:


Wer nachgeben kan,
Der ist auch ein Mann.
3. Begebenheit
Dritte Begebenheit.
Einem Caminfeger tragt der Fall aus dem Camin ein unverhoftes und stattliches Mittagmahl ein.

Es wanderte einstens ein Welscher Caminfeger aus seiner Heimat, und kam in eine halb Calvinische Stadt, in welcher er alle Gassen durchgelossen, und nach Gewohnheit überlaut geruffen; Camin-Feg! Camin-Feg! wer will Camin-Feg, der kan mir haben. Ein Calvinist, als er dieses Ruffen gehört, liesse den Caminfeger zu sich kommen, und bestellte ihn, das Camin seines Haus zu fegen; mit dem Versprechen, daß er ihm wollte den gebührenden Lohn darfür geben. Der Caminfeger, welcher froh war, daß er Arbeit bekommen, packte alsobald seinen bey sich habenden Bündel aus; zoge die Schuh ab; schürtzte sich um mit einem Vorfell; steckte darzwischen das Feg-Eisen; zoge über den Kopf und Schultern seinen Caminfeger-Gugel; sprange auf den Herd hinauf; nahme eine Leiter, und setzte sie an das Camin. Ehe er aber die Leiter bestiege, und der Arbeit den Anfang machte, bezeichnete er sich nach uraltem Catholischen Brauch mit dem Heil. Creutz: damit die Arbeit wohl von statten gienge. Der Calvinist, weil er nach Art aller Uncatholischen das Heil. Creutz-Zeichen nicht leiden konte, rumpfte darüber die Nasen, runtzelte die Stirn, und fragte den Caminfeger Spott weis: Was bedeutet dein Creutz machen? Du willst gewiß die Mucken damit abtreiben? Der Caminfeger, diese Spott-Red verachtend, gab ihm kein Antwort; sondern stiege erstlich an der Leiter bis an die Balcken des Camins: Rutschte alsdann mit dem Rucken und Füssen an den Wänden bis zu oberst in das Camin hinauf, und machte in GOttes Namen der Arbeit den Anfang. Unterdessen da er in der Arbeit begriffen war, gedachte der boshafte Calvinist, dem Caminfeger, wegen gemachten Creutz-Zeichen einen Possen zu reissen. Lieffe also dem Stall, so an dem Haus war, zu; nahme (mit Gunst zu melden) eine Schaufel voll Mist; gieng damit [485] dem Herd zu, zoge aus der Aschen glüende Kohlen herfür, legte den Mist darauf: und erweckte damit einen solchen Rauch, daß der arme Caminfeger hätte ersticken mögen. Es rufte zwar dieser: Wet der Tifel! was ist das? Was mackest du für ein Rauck auf der Herd? Wander du nicht aufhörst, ick nicht kan fort macken. Lasser du der Narren-Possen bleiben; oder feg du der Camin: Du Hesel du.


Indem nun der arme Caminfeger wegen unerträglichem Rauch nicht wußte, was er sollte anfangen, streckte er, um frischen Luft zu schöpfen, den Kopf zum Camin hinaus, und ersahe zu allem Glück zunächst ein anders Camin von eines benachbarten Catholischen Hauses. Da hube er dann in aller Eil von beyden Camin-Tächlein die Ziegel weg; schlufte mithin aus dem ersten in das andere Camin, und fienge darinn an zu fegen, was giebst, was hast; ohne daß der Herr des Hauses etwas davon wußte; will geschweigen, daß er ihn dazu bestellt hätte. Der Herr hatte eben dazumahl Gäst bey sich, die er mit einer stattlichen Mahlzeit tractirte. Wie er nun das Fegen in seinem Camin gehört, gedachte er bey sich selbst: Was ist das? Wer fegt in meinem Camin? Ich hab gewißlich niemand dazu bestellt? Es wird ja kein Hex seyn, so der höllische Bock daher geführt, und im Camin abgesattelt hat? Er spitzte also samt den anwesenden Gästen die Ohren, und wußte nicht, was er gedencken sollte. Unterdessen fuhre der Caminfeger in seiner Arbeit fort, bis ihm endlich vor Müdigkeit die Füß entwischt, und er mithin mit grossem Gerümpel auf den Herd hinunter gefallen: Da er dann ohne Zweifel wegen dem harten Fall wird gesagt haben: O bhüt mir GOtt! wie ist der Tifel so hart! der Herr, so bald er dieses Gerümpel gehört, stunde von dem Tisch auf, und eilte samt den Gästen der Kuchel zu: um zu sehen, wer dieses Gerümpel erweckt hätte. Wie sie nun den Caminfeger auf dem Herd sitzend ersehen, glaubten sie nicht anderst, als seye es der lebendige Teufel selbsten. Erschracken demnach dergestalten, daß sie die Flucht nicht allein zur Kuchel, sondern so gar zum Haus hinaus nahmen, mit Hinterlassung des stattlichen Mittagsmahls in der Stuben. Der Caminfeger dies sehend, gedachte bey sich selbst: Fliehet nur, so weit ihr wollt; mag es wohl leiden: Wann mir nur das Glück so wohl will, daß ich in diesem Haus etwas zu essen, und zu trincken finde; dann ich viel hungerig und durstig bin. Auf dieses hin richtete er sich von dem Herd auf, und nahme seinen Weeg durch die Kuchel der Stuben zu. Diese fande er dann nicht allein offen, sondern auch den Tisch darinn mit allerhand köstlichen Speisen und Tranck besetzt. Das war nun ein Sach, von welcher der Caminfeger ihm nicht einmahl hätte därfen traumen lassen. Er bediente sich also mit Freuden dieser Gelegenheit: [486] Und damit ihn niemand daran hindern könnte, verriglete er die Stuben-Thür, setzte sich an den Tisch, legte sich mit beyden Armen hinein, asse und trancke, was und so viel ihm beliebte, und liesse ihm also rechtschaffen wohl seyn. Unterdessen erholte sich der entflohene Herr des Hauses samt denen Gästen wiederum aus der Forcht, kamen also in das Haus zuruck, Willens sich wiederum an den verlassenen Tisch zu setzen, und das Mittagmahl gar zu endigen. Weil sie aber die Stuben-Thür verriglet fanden, kame sie ein neue Forcht an, und wußten nicht, was sie gedencken sollten. Unter dessen sahe einer aus ihnen durch ein Klumsen der Thür in die Stuben hinein und erblickte den Caminfeger am Tisch sitzend, und im vollen Sauß und Brauß lebend. Da sagte er dann zu dem anderen: Ha ha! jetzt wissen wir, was wir in der Kuchel für einen Teufel gesehen haben: Es ist halt ein Caminfeger, der unbedingter das Camin des Hauses gefeget hat; der vertrittet nun unsere Stell in der Stuben, isset, und trinckt wacker drauf. Laßt uns dann anklopfen, und vernehmen, was dieses für ein Comödi seye: Dieses geredt, befahle er dem Caminfeger unverzüglich die Stuben-Thür aufzumachen, wann er nicht wolle, daß man selbige mit Gewalt aufsprenge, und ihne halb zu tod schlage. Als nun der Camin-Feger die Thür aufgemacht, fragte ihn der Herr des Hauses, wer er wäre? wie er in das Haus gekommen? und mit was Unfug er sich habe därfen nicht allein an den Tisch setzen, sondern auch nach seinem Belieben den Bauch mit Essen und Trincken anfüllen, als wann das Mittagmahl seinetwegen wäre angesehen worden? Der Caminfeger machte sein Compliment, bittete um Verzeihung, und erzählte den gantzen Handel, wie ihm ergangen, und was ihm der Calvinist für einen Possen gespielt hätte; für welchen ihm aber ein stattliches Mittagmahl wäre zu Theil worden. Als der Herr des Hauses samt denen Gästen das gehört, hatten sie darüber einen solchen Spaß, daß sie eben gemeint sie müssen ihnen Lung und Leber heraus lachen. Der Caminfeger aber beurlaubte sich darauf, und erstattete höchsten Danck für das wider alles Verhoffen genossene stattliche Mittagmahl; gienge alsdann zu dem Calvinisten, der ihm den Possen gerissen, und forderte den versprochenen Lohn, nicht anderst, als hätte er das Camin seines Hauses völlig gefeget: Welchen Lohn ihm der Calvinist auch nicht hat abschlagen därfen. Gazæus S.J. in piis Hil. tom. 2. ex relatu boni viri.


Wie wohl hat dieser Caminfeger gethan, daß er sein Arbeit mit dem Heil. Creutz-Zeichen angefangen! vielleicht wurde er von dem Rauch, den ihm der boshafte Calvinist gemacht hatte, erstickt worden seyn. Wie unverhoft ist ihm hernach ein stattliches Mittagmahl zu Theil worden! mit diesem hat GOtt die Catholische Andacht belohnen roollen. Sagen [487] die Uncatholische, was sie wollen: Einmahl durch das Heil. Creutz ist uns alles Heil zugeflossen; und fließt uns noch täglich zu. Fange also, liebe Catholische Jugend! all dein Thun und Lassen mit dem Heil. Creutz-Zeichen an; und du wirst erfahren, daß dir alles wohl wird von statten gehen. Fliehe mithin die Bosheit der Uncatholischen, welche das heilig Creutz-Zeichen verlachen, und gedencke, daß ihr Lehr eben darum zu verwerfen seye.

4. Begebenheit
Vierte Begebenheit.
Ein Schwörer laßt sich bereden, als hätte ihn GOtt mit der Blindheit gestraft, und dieses Bereden war Ursach, daß er nachgehends vom Schwören abgelassen.

Es kamen einstens drey junge Cameraden; die setzten sich nach dem Nacht-Essen in einer Schlaf-Kammer an einem Tisch, und spihlten mit Karten. Einer aber aus ihnen war so unglücklich, daß er alle Spiel verlohre: welches ihn dann also verdrossen, daß er greulich zu schwören anfienge. Es mahnten ihne zwar die andere ab: allein es halffe nicht allein nichts; sondern er fuhre fort, nur ärger zu schwören. Endlich nachdem er alles Geld verspielt, stunde er vom Tisch auf; und weil es schon spat Nacht war, begabe er sich in die Ruhe. Die andere wünschten ihm zwar eine gute Nacht; mahnten ihn aber, er solle nicht einschlaffen, er hätte dann GOtt vorher um Verzeyhung gebetten, wegen dem greulichen Schwören, mit welchen er ihn beleydiget habe: widrigen Falls hätte er nichts anders, als die verdiente Straf zu gewarten. Mit dieser Ermahnung liessen sie ihn ins Beth gehen; sie aber blieben beysamen, und setzten das Karten-Spiel fort. Es stunde nicht lang an, da schlieffe der Schwörer ein, und fienge an, starck zu schnarchen. Wie die andere das gehört, sagten sie zusamen: laßt uns diesem Gesellen einen Possen spielen; damit wir ihm ins künftig das greuliche Schwören verleyden mögen. Zu diesem End löschten sie das Liecht aus, also daß alles in der Schlaf-Kammer dick finster war. Darauf hin thaten sie dergleichen, als wann sie immerzu im Spielen fortfuhren, Warffen demnach die Karten aus, zanckten miteinander, welcher aus ihnen mehr ausgeworffen, und fiengen zu letzt ein solches Geschrey an, daß der Schlaffende davon erwachet. Und wie er gehört, daß dieses Zancken und Schreyen unter den Spielern wegen Auswerffung der Karten entstanden, mithin aber wahrnahme, daß in der Kammer alles dick finster, sagte er zu ihnen: ihr Narren! wie könnet ihr in der Finstere wegen Auswerffung der Karten miteinander [488] zancken? Ihr sehet ja nichts? Folgsam kennet ihr auch die Karten nicht. Die Spieler aber sagten zu ihm: halts Maul: was soltest du wissen? Du schlaffest ja noch halb; lasse uns machen, und schlaffe du fort: das wird besser für dich seyn. Diese Wort machten den Schwörer glauben, die Spieler müssen ein Liecht haben, welches er vielleicht wegen schläfferigen Augen nicht habe sehen können. Demnach liesse er sie fort spielen, und schlieffe mithin wiederum ein. Es stunde aber nicht lang an, da fiengen die Spieler auf ein neues an der Karten halber überlaut zu zancken; indem ein jeder behauptete, er habe so und so viel Augen ausgeworffen. Ruften also dem Schlaffenden, er solle aufwachen, und Schidmann seyn. Als dieser darüber erwachet, und gehört, was sie an ihn begehrten, sagte er: seyd ihr doch nicht Narren? Wie kan ich einen Ausspruch thun, welcher aus euch beyden mehr ausgeworffen? Zündet vorher ein Liecht an: alsdann will ich sehen, was ein jeder für Karten hab. Die Spieler sagten; was brauchts ein Liecht anzünden? siehest dann das Liecht nicht vor dir? Nein fürwahr, antwortete der Schwörer, ich siehe nicht den geringsten Glantz von einem Liecht. Wie? (fuhren jene fort zufragen) du siehest nicht den geringsten Glantz? Ihr habts schon gehört (antwortete der Schwörer) was ich gesagt hab. Hol mich der Guggu! wann es anderst ist. Wie die Spieler diese Antwort vernommen, thaten sie dergleichen, als wann sie höchst darüber bestürtzt wären. Ach! sagte einer aus ihnen: es ist mir vorgangen, GOtt werde dich straffen, wegen deinem greulichen Schwören. Ohne Zweifel hat er dich darum lassen blind werden; jetzt bist ein armer Tropf: was wilst anfangen? Wie der Schwörer das gehört, fienge er an bitterlich zu weynen, und sagte: ach! so bin ich dann blind? O GOtt! verzeyhe mir, was ich gethan hab: ich bekenne meinen Fehler. Indem er also sein Unglück bejammerte, thate einer aus denen Spieleren (um ihme noch ängster zu machen) dergleichen, als hielte er ihm ein brinnende Kertzen vor die Augen, um zu sehen, ob vielleicht selbige mit einem Häutlein überzogen wären? Weil aber nichts wenigers, als dieses an der Sach gewesen, sagte er: ach! wie hat er so helle Augen! und siehet doch nichts! wahrhaftig, das ist eine handgreifliche Straf GOttes. Aber was ist zu thun? du mußt dich halt dieser Straf, als welche du wohl verdient hast, in aller Unterthänigkeit unterwerffen: wer weißt, ob sich GOtt deiner nicht wird erbarmen, und dir das vorige Gesicht wiederum geben? Nach ertheiltem diesem Trost, begaben sich die Spieler auch in die Ruhe; der Schwörer aber seuftzete zu GOtt, und thate ein Gelübd über das andere, sein Lebtag keinen Schwur mehr zu thun, wann er das Gesicht wiederum bekommen solte. Als er sich nun mit langen Seuftzen abgemattet, schlieffe er wiederum ein. Da es aber [489] Tag worden, und aus dem Schlaf erwacht; mithin die Augen aufgethan, und alles, was in der Kammer war, gesehen, erstaunete er darüber, und glaubte vestiglich, es wäre ein Mirackul mit ihm geschehen: und das um so viel desto mehr; weil ihn die andere in seinem Glauben stärckten, und ermahnten, nicht allein GOtt hertzlich zu dancken, sondern auch die Gelübd, so er gethan, heiliglich zu halten. Deme er auch fleißig nachgekommen; alldieweilen er forthin fromm gelebt, und sein Lebtag kein Schwur mehr gethan. Avantures plaisantes; ou Recreations Francoises. Tome II. a Cologne 1722.


O daß allen Schwöreren ein solcher Poß gespielet wurde; wie hätten sie darum zu dancken! dan ein solcher unschuldiger Betrug wurde bey ihnen mehr zuwegen bringen, als bis dato die Trohungen der Höll nicht vermöcht haben. Unter dessen wolle ein jeder bey sich selbst also gedencken: wann mich GOtt hätte lassen blind gebohren werden, für was grosse Gutthat wurde ich es gehalten haben, wann er mir nachgehends das Gesicht ertheilt hätte! und wie wurde ich mich gehütet haben, ihm solche Gutthat nicht mit Schwören, oder anderen Sünden zu vergelten! nun hat mir GOtt diese Gutthat schon in meiner Geburt gethan. Wie solle ich dann selbige erkennen, und mich hüten, darfür nicht undanckbar zu seyn! welches aber geschehen wurde, wann ich auch nur einen eintzigen ärgerlichen Schwur thäte. Darvor wolle mich GOtt behüten.

5. Begebenheit
Fünfte Begebenheit.
Ein Dieb rettet sich durch Erfindung eines artigen Lists aus der Gefahr gehenckt zu werden.

Es war ein gewisser Fürst; dieser gienge einstens bey nächtlicher Weil in seinem Saal, da der helle Mond am Himmel schiene, in der Stille auf und ab, entweders weil er nicht schlaffen konte, oder einem wichtigen Geschäft nachzudencken hatte. Es ware aber in diesem Saal ein Kasten, in welchem das Fürstliche Silber-Geschirr verwahrt wurde. Da truge es sich zu, daß einer aus denen fürstlichen Bedienten aus seiner Schlaf-Kammer daher kame; und weil er glaubte, der gantze fürstliche Hof wäre in der Ruhe, schliche er in den Saal hinein, zoge aus dem Sack einen Dietrich herfür, steckte selben in das Schlüssel-Loch, und reibete darmit so lang hin und her, bis er den Kasten eröfnet: da er dann ein und andere Silber-Geschirr heraus mausete, und nach wiederum zugemachten Kasten darmit fort wolte. Allein wie der Fürst [490] dieses von weitem gesehen, rufte er: holla Kerl! was ist das? wilst du dei-Herrn bestehlen? warthe nur, du sollest Morgen deinen verdienten Lohn darfür bekommen. Der Bediente dies hörend, erschracke heftig, weil er ihme nichts wenigers eingebildet, als daß der Fürst bey spater Nacht solte in dem Saal seyn, liesse also das Silber-Geschirr stehen, nahme eylends die Flucht, und laufte der Kammer zu, allwo die andere Mit-Bediente tief eingeschlaffen waren. Der Fürst, so den Dieb wegen der Ferne nicht erkennen mögen, schliche ihm auf dem Fuß nach, und begabe sich in eben gedachte Kammer, hoffend, den Dieb noch ausser dem Beth anzutreffen. Allein dieser hatte sich geschwind, ohne daß die andere Schlaffende wären aufgeweckt worden, schon wiederum ins Beth gelegt. Wie nun der Fürst in die Kammer hineingetretten, sahe er, daß alle Diener in ihren besondern Betheren lagen. Da gedachte er bey sich selbst: was ist jetzt zu thun? wie werd ich darauf kommen; welcher aus diesen Dieneren das Silber-Geschirr hat stehlen wollen? Indem er also in Gedancken stehet, fallt ihm ein, er solle von einem zum anderen herum gehen, und einem jeden Diener mit der Hand auf die Brust greiffen, um zu erfahren, welchem aus ihnen wegen eingenommener Forcht das Hertz klopfe? dann dieser und kein anderer müsse der Dieb seyn. Als er nun von einem zum anderen herum gangen, kame er auch zu dem Beth des Diebs, welcher sich mit feinem Schnarchen angestellt, als wäre er tief eingeschlaffen. Allein der Fürst erkennte ihn gleich an dem Hertz-Klopfen. Da gedachte er abermahl: was muß ich jetzt anfangen? soll ich ihn aufwecken, und ein Liecht begehren, daß ich ihm in das Gesicht zünde, und ihn also kennen möge? so wecke ich auch andere auf, und gibt es ein Getümmel ab. Gehe ich wiederum davon? so bleibt mir der Dieb unbekannt, und kommt ohne Straf durch. Letztlich fallt ihm ein, er solle dem Dieb mit einem Scherlein an der lincken Seithen des Kopfs ein Haar-Locken wegschneiden, aus diesem werde er ihn des anderen Tags vor anderen leichtlich erkennen mögen. Dieses gethan, schliche der Fürst wiederum zur Kammer hinaus, und begabe sich in die Ruhe. Wem ware ängster, als dem Dieb? Dann er gedachte bey sich selbst: jetzt bin ich verrathen, jetzt ist es aus mit mir. Komme ich Morgens vor den Fürsten, so wird er mich als einen Dieb lassen aufhencken: will ich entlauffen? so finde ich alle Thür und Thor verschlossen. Ach in was Aengsten stecke ich; da er also hin und her gedenckt, fallt ihm ein: wie wäre es, wann ich einem jeden aus denen anderen Dieneren auch ein Haar-Locken an der lincken Seithen des Kopfs mit einem Scherlein wegschneidete? auf solche Weiß könte der Fürst nicht daraus kommen, welchem er aus uns das Haar weggeschnitten? mithin könte auch keiner gestraft werden. Gleichwie ihm dieser listige Gedancken [491] eingefallen, also hat er ihn auch vollzogen, ohne daß es die Schlaffende mercken können. Mithin ware er von der Angst erlediget, und schlieffe darauf ruhig, bis der Tag angebrochen. Als nun ein jeder aus dem Schlaf erwachet, und aufgestanden, kame der Befehl, daß alle Diener, keiner ausgenommen, solten vor dem Fürsten erschienen: die Diener verwunderten sich, was dieses bedeuten solte? sorgten aber alle, sie werden vielleicht wegen einer begangenen Hinläßigkeit einen Verweiß bekommen. Indem sie sich nun für den Fürsten gestellt, sahe er, daß einem jeden aus ihnen an der lincken Seithen des Kopfs ein Haar-Locken weggeschnitten ware: dieses kame ihm dann gantz wunderlich vor, wie es doch müsse zugegangen seyn. Allein er argwohnete gleich, diesen Possen müsse der Dieb gespielet haben, damit er nemlich vor anderen nicht möchte erkennet werden. Liesse also wegen diesem sinnreichen List den gefaßten Zorn fallen, und fienge an hertzlich zu lachen; und das um so viel desto mehr, weil die Diener insgesamt einander mit Verwunderung anschauten, und heimlich lachten; indem sie nicht errathen könten, wer ihnen diesen Possen gerissen, daß aber mit gestutzten Haaren vor dem Fürsten da stunden. Unter dessen hätte der Fürst gern gehabt, daß der Diener sich selbst solte zu erkennen geben mir dem Versprechen, daß ihm kein Leyde widerfahren solte: allein dieser gedachte, es wäre für ihn besser, einer wisse es allein, was er angestellt habe, als daß andere auch Kundtschaft darvon hätten. Ihm war also genug, daß er sich durch Erfindung eines so artigen Lists aus der Gefahr gehenckt zu werden, gerettet hatte. Bidermanni S.J. Utopia l. 4. n. 19.


Also kan bisweilen ein Missethäter die Menschen mit List hintergehen, und der verdienten Straf entrinnen: aber vor GOtt gehet das nicht an, dann er siehet alles. Bilde dir nicht ein, als wann ihm verborgen seye, was du in der Finstere gesündiget hast, er ist ein Liecht, das alles entdecket; ja er durchdringet so gar die innerste Gedancken deines Hertzens: so unfehlbar er also das Gute belohnet, so unfehlbar straffet er das Böse. Und dieser Straf kanst du anderst nicht entgehen, als du bereuest deine Missethat, und thust Buß darvor.

6. Begebenheit
Sechste Begebenheit.
Ein Weib beredet ihren versoffenen Mann mit List, als wann er gestorben, und wiederum wäre lebendig worden.

In Niederland ware ein Weib, die hatte zu einem Mann einen rechten Weinschlauch; dann er steckte Tag und Nacht in denen Wirths-Häuseren, [492] und trancke so lang, bis er voll, oder sonst bezecht genug ware. Wann er aber auszahlen solte, geschahe es vielmahl, daß er mehrer versoffen, als der Beutel zu bezahlen vermöchte. Weßwegen er dann jetzt den Mantel, jetzt den Hut in denen Händen der Würthin zuruck lassen mußte. Will nichts sagen von denen Schelt-Worten, mit welchen ihm diese gezwagen hatte: nahme er dann den Weeg nacher Haus, so trümmlete er bald da, bald dort an ein Haus hin, ja fiele oft mitten in das Koth hinein, und kame voller Unflat nacher Haus, wie (mit Gunst zu melden) ein garstige Sau. Allein wie gienge es, wann er zu Haus angelangt? da ware niemand vor ihm sicher: Nicht das Weib, nicht die Kinder, nicht die Ehehalten, sondern wen er antraffe, auf den fluchte er, oder schluge darein; also daß sich die Kinder vielmahl in den Ofen verschloffen, nur damit sie denen Streichen entgehen möchten. Kame er dann in die Stuben, warfe er Stühl und Schemmel über einander, oder wann es ihm nicht geschmeckte, was man ihm auf den Tisch zu essen aufgesetzt, schmeissete er Schüssel und Teller zum Fenster hinaus. Was solte nun das Weib anfangen? sie bittete ihn, sie wehrte ihm, sie vergosse die Zäher vor ihm: Wann aber dies alles nichts helfen wolte, schalte sie ihn aus, fiele ihm zu letzt in die Haar, und raufte mit ihm so lang herum, bis sie mit blauem Angesicht, und abgedroschenem Buckel von ihm abliesse, nachgehends aber die Nachbarschaft mit Heulen und Klagen anfüllte. Dieser Unform des Manns einmahl ein End zu machen, hat sie endlich diesen List erdacht: Als der Mann auf eine Zeit seiner Gewohnheit nach volltruncken zu Haus angelangt, geflucht und gepoldert, hernach in die Kammer getrümmlet, und sich auf das Beth hin, wie ein Sau auf die Streue gelegt, mithin in einen tiefen Schlaf gefallen, und zu schnarchen angefangen, gienge das Weib hin, nahme 2. Strick, bande dem Mann Händ und Füß darmit zusammen, lupfte ihn gantz sanft vom Beth herunter, und legte ihn mitten in die Kammer auf den Boden hin: Alsdann deckte sie ihn zu mit einem Leylach, und stellte auf bey den Seiten, zu oberst und zu unterst, angezündete Kertzen (wie man nemlich bey einem Verstorbenen zu thun pflegt) darauf hin fienge sie an zu heulen und zu klagen, als wann ihr Mann gestorben wäre: wordurch dann ihre Nachbäurinnen zu ihr ins Haus kamen; um sie über den Tod (wie sie glaubten) des Manns zu trösten. Da fiele sie dann auf den Boden zu ihrem Mann hin, und führte verstellter Weis folgende Klag: Ach! mein Mann! ach mein Mann! so bist du dann gestorben? und das so geschwind? wider alles Verhoffen? O mich verlassene Wittib! O ihr Vatter lose Kinder! allein der Mann schlieffe immer fort, und vernahme nichts von diesem Klagen. So fienge dann das Weib auf ein neues an, und schrye endlich so laut, bis der Mann darüber erwacht, und aus Verwunderung, was dieses Klagen [493] bedeute, die Augen nach und nach aufgethan. Wie er aber durch das Leylach die angezündete Kertzen neben sich gesehen, und wahrgenommen, daß ihm Händ und Füß gebunden wären, als wolte man mit ihm dem Grab zufahren, da kame ihn eine solche Angst und Forcht an, daß er schier in Ernst dahin gestorben wäre. Er getraute sich demnach nicht einmahl sich zu regen; sondern hörte nur dem Klagen des Weibs zu: um die Ursach ihres Klagens zu vernehmen. So fuhre dann das Weib in ihrer Klag fort, und sagte: Ach! mein Mann! so bist du dann jetzt in der Höll darunten, und sitzest bey deines gleichen vollen Zapfen? Ach! hättest doch vor deinem letzten End noch beichten, hättest wenigst Reu und Leid erwecken, und mit dem offenen Sünder an deine Brust klopfen können; so wärest du der Höll noch entgangen. Aber anjetzo, da du in einem bösen Stand, und gantz unchristlich gestorben, ist dir nicht mehr zu helfen. Du bist verdammt, und bleibst verdammt in alle Ewigkeit. Wie der Mann alle Wort des Weibs mit grosser Aufmercksamkeit vernommen, da ist nicht auszusprechen, wie sich die Angst und Forcht bey ihm vermehrt habe. Dann er glaubte gäntzlich, er wäre gestorben, und käme nunmehr lebendig aus der Höll zuruck. So sagte er dann mit schwacher und zitterender Stimm: Weib! Weib! das Weib dies hörend, stellte sich, als wurde sie mit ungemeinem Schröcken überfallen; Fragte also gleichfalls mit zitterender Stimm: Was ist das, mein Mann? lebst du dann wiederum. Ja, antwortete der Mann: ich lebe und komme aus der Höll zuruck. Wie fragte das Weib ferners: du lebst wiederum, und kommst aus der Höllen her? in Ernst? oder werde ich betrogen? in Ernst, antwortete der Mann. Darum bitte ich dich, mein liebes Weib! löse mir die Strick an Händ und Füssen auf; damit ich aufstehen könne. Weil nun der Mann dem Weib so gute Wort gab, und gantz bekehrt zu seyn schiene, lößte sie ihm eben die Strick auf, und halfe ihm, daß er sich aufrichten könnte. Alsdann hebte er die Händ gen Himmel, und sagte: O mein GOtt! was für ein grosse Gnad hast du mir erwiesen, daß du mich wiederum hast lassen lebendig werden! O was hätte ich in alle Ewigkeit für Pein und Qual müssen leiden, wann du dich meiner nicht erbarmet hättest! also dann zur Erkanntnuß für diese unaussprechliche Gnad gelobe ich dir von dieser Stund an, daß ich mein Lebtag kein Tropfen Wein mehr trincken wolle, dazu helfe mir mit deiner Gnad und Beystand. Was er angelobt, das hat er auch heiliglich gehalten, und forthin recht fromm und gottsförchtig gelebt. Wie unterdessen das listige Weib in Anhörung des Gelübds werde heimlich gelacht haben; wie ihr das Hertz im Leib vor Freuden werde aufgesprungen seyn; was sie werde gedenckt haben; wer wird es aussprechen? ist ihr auch nicht zu mißgönnen, daß ihr der Possen angangen; weil so viel Gutes daraus [494] entsprungen ist.Gazæus S.J. in piis Hilar. ex. Relatis Viri probi.


Wolte GOtt, daß alle Wein-Schläuch, und dem Vollsauffen ergebene Luder zu Gemüth führten die Höll, so auf sie wartet, wie bald solten sie bekehrt werden! nun sagt es ihnen der Apostel vor; daß nemlich die Trunckene das Reich GOttes nicht besitzen werden. 1. Corinth. 6. Und was Wunder? die Trunckenheit benimmt dem Menschen den Verstand, und macht ihn gleich dem unvernünftigen Vieh. So reitzt sie auch an zur Geilheit und Unlauterkeit, welche ein recht viehisches Laster ist. Darum warnet der David Psal. 31. Werdet nicht, wie ein Roß und Maulthier, die kein Verstand haben: Dann diese seynd geile Thier. Letztlich, ein Trunckener legt sich schlaffen, wie das Vieh. Dann er hat den Gebrauch der Vernunft nicht mehr. Solte er nun in solchem Stand vom Tod übereilt werden (wie dann leicht geschehen könnte) wurde er nicht ewig verdammt seyn? ohne Zweifel: Weil er nemlich aus Mangel des Verstands vor dem Schlaf kein Reu und Leid hat erwecken können. O dieses solle ja endlich allen denen, so dem übermässigen Sauffen ergeben seynd, einen heilsamen Schröcken einjagen!

7. Begebenheit
Siebente Begebenheit.
Einige Kerls verkauffen die Haut eines Thiers, ehe sie solche vorher gefangen.

In einer gewissen Landschaft des Teutschlands solle sich auf eine Zeit ein grosser und grimmiger Bär aufgehalten haben, welcher den Innwohneren grossen Schaden zufügte. Diesem Uebel nun abzuhelfen, erbotten sich drey junge Kerls, an dem Bären ihr Heil zu versuchen. Zuvor aber giengen sie in ein Wirths-Haus, und verlangten von dem Wirth, daß er ihnen brav zu essen und zu trincken aufstellen sollte; dann sie wären resolvirt, den Bären zu fangen, und ihm (dem Wirth) die Haut zu verkauffen. Nun der Wirth laßt an sich nichts ermanglen. Da nun die Kerls wacker darauf geessen, und getruncken hatten, giengen sie in den Wald, in welchem der Bär sich aufhielte. Allein, da er ihnen frühzeitiger, als sie verhoft, unter die Augen kommen, überfiele sie ein solche Angst und Forcht, daß keiner an den Bären sich wagen därfte; sondern alle drey bemüheten sich aus dem Staub zu machen. Und zwar hatte sich einer aus ihnen geschwind auf einen Baum hinauf gemacht: Der andere lieffe volles Laufs dem nächsten Dorf zu: der dritte aber, weil ihm die Zeit zu kurtz worden, legte sich ungesaumt auf die Erden, sich mit [495] Innhaltung des Athems an sich verstellend, als wann er tod wäre. Dann er vielmahl zuvor gehört hatte, daß die Bären diejenige Menschen nicht angreiffen, wo sie kein Zeichen des Lebens an ihm verspühren. Gleichwohl lauft der Bär auf ihn zu, wältzt ihn hin und her, um zu erkundigen, ob er noch lebe, oder nicht. Und als er keinen Athem an ihm verspühren könte, liesse er ihn gleichwohl, als wann es ein todtes Aaß wäre, liegen; er aber nahme den Weeg zuruck in den Wald hinein. Wie der Kerl vermerckt, daß er nunmehr aus aller Gefahr seye, richtete er sich wiederum auf, und hatte keinen Lust mehr, den Bären zu fangen. Der andere aber, der sich auf den Baum hinauf retirirt hatte, stiege auch wiederum herunter, und wünschte seinem Cameraden Glück, daß er noch mit dem Leben davon kommen; fragte ihn aber beynebens, wie es ihme auch vorkommen seye, da er also von dem Bären hin und her gewältzet worden? Da antwortete dieser: Es ist mir halt vorkommen, als wann mir der Bär in das Ohr hinein sagte, und mich warnete, ich sollte hinführan keine Bären-Haut verkauffen, ich hätte dann zuvor den Bären gefangen. Ex relatu Frid. IV. Imperat. ad quendam Legatum Gallicum.


Eine gute Lehr für diejenige, welche etwas versprechen därfen, ehe sie es haben. Man kan ja keinem geben, was man nicht hat? Also soll mans auch nicht versprechen. Ein Pralerey, ja ein Narrheit ist es, wordurch solche Leut sich anderen zum Gelächter und Gespött ausstellen.

8. Begebenheit
Achte Begebenheit.
Zweyen blinden Bettleren werden ihre schmutzige Hüt, in welchen sie viel Geld eingenäht hatten, listiger Weis vom Kopf weggenommen.

Zu Zeiten des Heil. Antonini, Ertz-Bischoffen zu Florentz, einer Stadt in Welschland, ware daselbst ein ehrlicher und frommer, mithin aber armer Burger: Dann er hatte etliche schon mannbare Töchteren, denen er nichts zur Aussteur geben konte; mußte also besorgt seyn, daß sie nicht etwann Armuth halber anderen ihr Ehr um Geld möchten feil biethen. Dieser Ursachen halber gienge er zu gedachtem heiligen Ertz-Bischof, klagte ihm die Armuth, und hielte um eine Beysteur an. Der Heil. Mann rathete ihm, er solle täglich in aller Fruhe in dasige unser lieben Frauen Kirchen gehen, ihr zu Ehr etwas gewisses betten, und sie mithin anruffen, sie als ein Helferin der Christen wolle ihr doch die Armuth seiner Töchteren lassen befohlen seyn, und Mittel schaffen, daß sie durch einen[496] ehrlichen Heurath möchten versorgt werden. Wann er dieses werde thun, soll er nur gute Hofnung haben, unser liebe Frau werde sein Gebett erhören, und denen Töchteren verhilflich seyn. Nun der arme Burger thate es; und zwar mit vielfältigem Seuftzen und Weinen vor unser lieben Frauen Bildnuß. Was geschiehet? Als er einstens in aller Fruhe, und vor Tag der Kirchen zugienge, und aber selbige verschlossen fande, kniete er vor der Kirchen-Thür nieder, und verrichtete allda sein Gebett in der Stille mit grosser Andacht. Indem er also bettet, kamen daher zwey blinde Bettler, denen ihre Weiber vorgiengen, und sie an einem Stecken führten. Und nachdem sie bey dem Vorschopf der Kirchen angelangt, nahmen die Weiber ihren Weeg zuruck nach Haus, und liessen ihre blinde Männer allein, sitzende gegen einander auf den Bäncken des Vorschopfs, und erwartende, bis jemand der Kirchen zugienge, und ihnen ein Allmosen reichen wurde. Da sie nun also gegen einander sassen, und glaubten, daß sie gantz allein wären, sagten sie: O wie wohl ist uns bey unser Blindheit! wie viel Geld hat sie uns schon eingetragen! wie schwer seynd unsere schmutzige Hüt von den eingenähten Ducaten! wer wurde sie darinn suchen? man pflegt zwar zu sagen: Ein blinder Mann, ein armer Mann; aber bey uns findet es sich nicht also. Eben darum, daß wir blind seynd, seynd wir nicht arm. Dann wem giebt man mehr Allmosen, als eben einem blinden Mann. Der arme Burger, so bishero in der Stille vor der Kirchen-Thür sein Gebett verrichtet, und durch kein Zeichen seine Gegenwart mercken lassen, als er solche Reden von denen Blinden gehört, stunde er auf, schliche in der Stille näher hinzu, und stellte sich in die Mitte der Bäncken, auf welchen die Blinde gegen einander sassen. Die Blinde, welche an nichts wenigers gedachten, als daß ein eintziger Mensch ausser ihnen zugegen wäre, fuhren in ihrem Gespräch folgender Weis fort. Der erste sagte: O Hanns! wann du wußtest, wie schwer mein Hut von Ducaten wär, was wurdest du darzu sagen? Und du, Jacob! sagte der ander: Wann du das Gesicht hättest, und köntest sehen, wie viel Ducaten ich in meinem Hut eingenäht herum trage, wie neidig wurdest du mir darum seyn! Jacob dies hörend, sagte: Wohlan, Hanns! bekenne es: Wie viel hast du dann Ducaten in deinem Hut eingenäht? Hanns antwortete: Jacob! seye du der erste: Alsdann will ich dir auch gestehen, wie viel ich habe. Indem sie also die Wort gegen einander wechselten, muß ein Fleder-Mauß vorbey geflogen seyn, und ein Geräusch gemacht haben: Aus welchem sie geargwohnet, vielleicht seye jemand vorhanden, der ihnen zuhöre: Weßtwegen sie dann Mäußle-still schwiegen; aus Forcht, ihr Geld möchte verrathen werden. Nachdem sie aber eine Zeit lang darauf nicht das geringste mehr gehört, mithin die [497] Forcht verschwunden, fuhre Jacob in seiner Red fort, und sagte: O Hanns! solltest du mir nicht neidig seyn, wann ich dir bekennte, daß ich wenigist 200. Ducaten in meinem Hut eingenähter herum trage? das ist ein schönes, sagte der Hanns. Allein das Glück hat mir noch besser wollen; dann ich mit unser Kunst, den Leuten beschwerlich zu seyn, 300. Ducaten erbettelt, und diese Summa in meinem schmutzigen Hut eingenäht hab. Wie der arme Burger diese Reden mit Erstaunung angehört, wußte er anfänglich nicht, was er thun sollte. Endlich fiele ihm dieser Gedancken ein; den er auch ins Werck setzte: Er schliche näher zu den Blinden hin; nimmt ihnen mit beyden Händen zugleich ihre Hüt vom Kopf hinweg, und macht sich aus dem Staub. Wie die Blinde gemerckt, daß ihnen die Hüt weggenommen worden, da sollte man gehört haben, was diese für ein Geschrey und Zancken angefangen; indem ein jeder glaubte, der ander aus ihnen müsse ihm listiger Weis den Hut weggenommen haben. Weßtwegen sie dann einander aufsuchten, mit ihren Stecken herum fuchtelten, und einer zum anderen sagte: O du Schelm! du Dieb! giebe mir meinen Hut wiederum, oder wann ich dich bekomme, so will ich dich schlagen, daß man dich von mir wegtragen muß. Indem nun diese also mit einander zancken, und fechten, geht der arme Burger mit der Blinden Hüten zum Heil. Ertz-Bischof, und erzählt ihm den gantzen Handel. Der Ertz-Bischof laßt alsobald von einem seiner Bedienten, die Hüt visitiren, und die Naten eröfnen: Und siehe! da findet man in allem 500. Ducaten, wo ihm kein Mensch eingebildet hätte, daß in so schmutzigen, abgeschabenen Hüten ein Heller sollte gefunden werden. Der Ertz-Bischof dies sehend, erzörnte sich, wie billich, über diese verstellte Bettler, und gabe Befehl, selbige alsobald für ihn zu führen. Wie man nun zu ihnen kommen, und gefunden, daß sie einander abklopften, gebotte man ihnen Fried, und zeigte ihnen mithin den Befehl des Ertz-Bischofs an. Wie die Blinde den Befehl vernommen, konten sie sich nicht genug verwunderen, was Ursach sie so fruhe für den Ertz-Bischof müßten. Doch hatten sie kein schlechte Hofnung, ein reichliches Allmosen zu bekommen. Allein sie fanden sich weit betrogen: Dann als sie ohne Hüt, und allein mit Mäntlen bedeckt; über das noch mit zerrauften Haaren, und blutigen Nasen für den Ertz-Bischof kommen, überfuhre er sie nach Verdiensten mit diesen Worten: Ihr nichtswerthige Gesellen! wie därfet ihr das Allmosen heischen, nachdem ihr durch euere Ungestümmigkeit so viel Geld zusammen gebracht? Heisset das nicht, anderen Armen, das Allmosen vor dem Maul weg stehlen? Ihr hättet wahrhaftig verdient, daß man euch wacker abprüglen, und hernach auf die Galeere schmieden sollte. Allein ich will noch den gelinderen Weeg gehen. Laßt [498] euch gleich wohl wiederum nach Haus führen; aber untersteht euch nicht mehr vor der Kirchen-Thür zu bettlen, wann ihr nicht wollt, daß ich auch euere Mäntel durchsuchen, das Geld, so vielleicht darinn eingenähet, wegnehmen, und selbiges anderen Armen, die es besser vonnöthen haben, geben lasse. Wie den Blinden mit dieser scharffen Laug abgezwagen worden, durften sie wohl kein Wort dawider sagen, sondern waren froh, daß ihnen aus Gnad noch ein und anderer Ducaten gelassen worden, womit sie nebst ihren leeren Hüten nach Haus gekehrt seynd. Dem armen Burger aber überliesse der Ertz-Bischof das übrige Geld alles, um damit seine arme Töchteren ehrlich auszusteuren. Welcher dann auch dem Ertz-Bischof höchstens darum gedanckt; mithin in Unser Lieben Frauen Kirch zuruck gekehrt, der Mutter GOttes wegen so unverhofter Weis erworbener Geld-Summa gleichfals schuldigen Danck erstattet, und forthin der Sorg für die Armuth seiner Töchteren enthebt worden. Gazæus S.J. in piis Hil. ex vita S. Antonini, Archiepiscopi Florentini.


Wer will zweiflen, daß GOtt in Ansehung des täglichen Gebetts, so der arme Burger zu Unser Lieben Frauen verricht, und sie um Hülf angeruffen, zugelassen habe, daß die Blinde sich selbst verrathen, und mithin um das unbillicher Weiß erbettelte Geld kommen seynd? und das zu ihrer verdienten Straf. Dann wer sich arm stellt, und doch nicht ist (wie auch diese Blinde bey so grosser Geld-Summa nicht geweßt seynd) mithin dannoch bettelt, der thut Sünd. Dann er stihlt anderen, die in der Wahrheit arm seynd, das Allmosen ab; und ist also schuldig es denen Armen auszutheilen. Darum hat es GOtt des armen Burgers Töchteren, die es nöthig hatten, lassen zukommen.

9. Begebenheit
Neunte Begebenheit.
Ein Calvinischer Prädicant will einen Propheten abgeben, den jüngsten Tag zu verkündigen.

Im Hertzogthum Cleve war ein Calvinischer Prädicant, mit Namen Campanus, der wollte einen Propheten abgeben. Diesemnach, als er einstens in dem offenen Feld bey dem Fluß Rur das Bauren-Volck versammlet, und ein langes und breites von der Cantzel herunter geschwätzt, juckte ihn gehling die Haut, daß er in diese Wort herfür brache, O ihr arme Bauren, die ihr so oft meine Predigten angehört, was muß ich euch verkünden? Wisset, und seyd versichert, daß noch ein eintziger Monat übrig ist, so wird der jüngste Tag seyn. Indem er diß sagte, donnerte [499] es aus den Wolcken, mit welchen dazumahl wegen grosser Hitz der Himmel überzogen war. Dieser Gelegenheit gebrauchte er sich dann, und sagte: Hört, hört, diß Donneren ist ein Vorbott, daß die Welt nicht lang mehr stehen werde. Die arme Bauren dieses hörend, glaubten dem Prädicanten, fiengen vor Forcht an zu zitteren, schlugen die Händ ineinander, und schryen um Barmhertzigkeit gen Himmel. Der Prädicant aber, um die Erschrockene zu trösten, sagte zu ihnen: Meine liebe Bauren, förchtet euch nicht, trocknet euere Zäher ab, dann auf euch warthet eine unbeschreibliche Freud im Himmel. Wann ihr euch nur fest an Calvini Glauben haltet, kan euch der Himmel nicht fehlen. Ihr werdet mit Butz und Stihl hinein kommen. Wie die Bauren das gehört, fasseten sie wiederum Hertz, und glaubten eben dem Prädicanten, was er ihnen vorschwätzte; oder (besser zu reden) vorloge. Der Glaub nun, so die Bauren an den Prädicanten vermercken liessen, munterte ihn auf, daß er in seinem Geschwätz fortfuhre, und sagte: Ihr arme Bauren, wann der jungste Tag so nahe vor der Thür ist, was wollt ihr euch forthin mehr also plagen und abmatten? Was wolt ihr zu Acker fahren? Was wollt ihr säen? Was wollt ihr so viel sauren Schweiß vergiessen? Das Feur, so vom Himmel wird fallen, wird doch alles verzehren. Was wird euch alsdann euer Mühe und Arbeit, was euer Sinnen und Sorgen nutzen? Ey, warum lasset ihr euch nicht wohl seyn, weil ihr noch könnet? Gebt der Mühe und Arbeit Feyrabend: Ihr habt auf einen Monath hin noch genug zu essen und zu trincken. Die Bauren hörten diesem Zusprechen mit aufgesperrtem Maul zu: Also meisterlich wußte ihnen der Prädicant den Halm durch das Maul zu ziehen. Dessentwegen fuhre er weiters fort, und sagte: O ihr alte Tätel, die ihr über ein halb Pfund Blut in euerem Leib nicht mehr habt, lasset euch ein gutes Glaß mit Wein belieben, so bekommt ihr eine Kraft davon, und habt besseren Muth auf eueren letzten Hintritt. Und ihr alte Mütterlein, seyd wohl getröst, dann im Himmel werdet ihr goldene Kuncklen haben, an welchen ihr lauter goldene Fäden der Freuden spinnen werdet. Was aber anlangt euch andere Männer und Weiber, Jungesellen und Mägdlein; gehet zusammen, und macht euch lustig: Lasset Spielleut kommen, springet und tantzet freudig miteinander herum, ihr werdet auf Erden so bald nicht mehr zusammen kommen, dann der jüngste Tag ist vor der Thür. Wer meinem Rath folget, der gehe mit mir ins Wirthshaus; da wollen wir trincken und essen, lustig und fröhlich seyn, und also den jüngsten Tag unerschrocken erwarten. Wie? wollten wir die Schuncken, so im Camin hangen, Wein und Bier, mit welchen die Keller angefüllt seynd, im Feur, so vom Himmel fallen wird, lassen verzehrt werden? Ey? da müssen wir wohl Narren seyn. Lasset uns essen und [500] trincken, weil wir können; und mithin alle Forcht beyseits setzen; Dann so lang wir uns an Calvini Glauben halten, haben wir uns nichts zu förchten. Also versichert seynd wir, und haben den Himmel am Schnürlein. Lasset uns dann der Gelegenheit bedienen; dann der jüngste Tag ruckt immerzu näher herbey. Da war es des Zusprechens bey den Bauren nicht viel vonnöthen. Dann weil ihnen der Prädicant mit dem Exempel vorgienge, machte keiner Bedencken ihme nachzufolgen, als Schäflein ihrem Hirten. So nahme dann der Mann sein Weib, der junge Gesell sein Liebste an Arm, und lausten häufig denen Wirthshäusern zu. Da laßt man auftragen, was zu bekommen war; da schenckt man ein so wohl Wein als Bier, da bringt mans einander zu auf gut Glück hin, damit man mit Roß und Wagen möge in Himmel hinein fahren. Man singt, man pfeift, man jauchzet, man springt, man tantzt; In Summa, es gehet zu, als wann des Muthes-Heer in den Wirthshäusern das Lager aufgeschlagen hätte. Und wie mans angefangen, also triebe man es fort von einem Tag zum andern, damit man das Handwerck nicht etwan vergessen möchte. Und wann endlich die Nacht eingefallen, trümmelte da ein Paar, dort ein anders nach Haus, und legte sich zu Beth, wie (mit Gunst zu melden) ein Sau in die Streue. Die herum liegende Oerther, so von diesem Sausen und Brausen, Springen und Tantzen, Jauchzen und Schreyen nicht allein Wind bekommen, sondern mit eigenen Augen zugesehen, mußten über diese Unsinnigkeit theils lachen, theils Mitleyden tragen. Dann ob man schon die bethörte Leut abmahnte, sie sollten nicht so verschwenderisch alle auf einmahl verthun, sonst dörfte sie die spate Reu ankommen, so fuhren sie doch einen Weeg fort, wie den anderen, sagende: sie wußten schon, warum sie es thäten. Unterdessen gienge der halbe Monath vorbey, mithin aber wollte sich doch kein Zeichen am Himmel sehen lassen, des vor der Thür stehenden jüngsten Tags. Was sollte man dann anfangen? Der Seckel hatte nunmehr bey so langem Schlemmen und Demmen den Schwindel bekommen, und wollte nicht mehr klecken. So mußte man dann nothwendig das Haus-Geräth angreiffen, damit man Geld lösete; Und dahin ist es auch kommen. Dann da verkaufte einer einen Ehrinen Hafen, dort eine Meßine Pfannen; Da einen kupfernen Napf, dort eine zinnene Schüssel, ja so gar dem Saltz-Büchslein auf dem Tisch wurde nicht verschont. Alles mußte daran, was nur konnte verkauft werden; damit man also wiederum anknüpfte, wo man es gelassen hatte. So gienge es dann wiederum an Sauffen und Fressen, wie vorhin, in getröster Hofnung, der jüngste Tag werde nicht mehr lang ausbleiben; absonderlich da der Monath zu End gienge. Dann da lauften die Bauren Hauffenweis aus den Häuseren in das freye Feld hinaus, [501] und erwarteten allda einen gantzen Tag und halbe Nacht mit aufgesperrtem Maul, bis ein Zeichen am Himmel erscheinen wurde, des nunmehr vorhandenen jüngsten Tags. Weil es nun eben dazumahl eine warme Zeit war, und mithin an dem Himmel zu blitzen anfienge, da glaubten die Bauren, jetzt werde ihres Prädicanten Prophezeyhung erfüllet werden. Erhebten also ein grosses Geschrey, und Frolocken, daß einmahl die erwünschte Zeit ankommen, da sie mit Stiefeln und Sporen wurden in Himmel hinein rumplen. Allein weilen auf das Wetterleuchten weiters nichts erfolgte, mithin die Bauren sahen, daß sie betrogen wären, fiengen sie an zu murmelen, und nach dem Prädicanten zu fragen. Allein dieser hatte sich einen Tag vorher, nachdem er den Bauren das ihrige zu verzehren braf geholffen, auf und davon gemacht, förchtend, seine Betrügerey möchte ihm übel belohnt werden. Was bliebe nun den Bauren übrig? Nichts, als daß sie nach ihrer Schlemmerey müßten den Bettelstab in die Hand nehmen, und das Brod forthin im Land von Haus zu Haus heischen. Worüber sie dann denen Catholischen zum Gespött und Gelächter dienten; absonderlich, wann man hörte, was Gestalten sie über ihren Prädicanten fluchten, daß sie von ihm so schändlich betrogen worden, allein es ward ihnen darum nicht geholffen. Der Prädicant bliebe ein verlogener Prädicant, sie aber an Bettelstab gebrachte Bauren. Gazæus S.J. in piis Hil. ex Lindano lib. 1. cap. 9. de fugiendis Idolis.


Wie halt die Calvinische ein Glauben haben, also haben sie auch Propheten. Was Wunders? Ein böser Baum kan keine gute Früchten bringen. Wie sie aber Propheten haben, also haben sie auch Lehrer. Dann wie sollten diejenige können die Wahrheit lehren, welche in ihrer Lehr weichen von jener Kirchen, die nach Zeugnus des Apostels Pauli ein Saul und Grundvest der Wahrheit ist. 1. Tim. 3. Nun ist diese allein die Catholische Kirch: Dann diese, und kein andere wird laut der Zusag Christi Joh. 16. von dem H. Geist gelehrt alle Wahrheit. Wer also ausser der Catholischen Kirchen ist, kan die wahre Lehr nicht haben. Bedaurens würdige Schäflein, denen solche Lehrer zu Theil werden, von welchen der Apostel sagt, daß sie widerstehen der Wahrheit: seyen Menschen eines verkehrten Sinns, und vom Glauben verworffen. 2. Tim. 3. Also seynd beschaffen alle diejenige, so es mit Calvin, Luther, und anderen Ertz-Ketzeren halten. O daß GOtt sich ihrer erbarme, und ihnen das Liecht des wahren Catholischen, und allein seeligmachenden Glaubens aufgehen lasse.

10. Begebenheit
[502] Zehente Begebenheit.
Etlichen, so sich in einem Wirthshaus voll gesoffen, kommt selbiges nicht anders vor, als eine auf dem Meer herum fahrende Galeere.

Zu Straßburg, einer Stadt im Elsas sollte es sich vor Zeiten zugetragen haben, daß ihrer etliche aus der jungen Bursch sich an einem Morgen in einem Wirthshaus zusammen gesetzt und also im Wein gezecht, bis sie darvon voll und toll worden. Ja es kame ihnen das Wirths-Haus nicht anderst vor, als wäre es eine Galeere, in welcher sie auf dem Meer, so von Sturm-Winden wäre erregt worden, und ungeheure Wellen thäte aufwerffen, herum führen, mit äusserster Gefahr Schifbruch zu leyden, und mithin zu ersauffen. Und was Wunder, daß sie es ihnen also eingebildet haben, als bey welchen die Vernunft gleichsam in dem Wein herum schwimmete? Was also die Schifleut, so auf dem Meer fahren, und wegen gähling entstandenem Sturmwind in Gefahr des Schifbruchs seynd, zu thun pflegen, das thaten diese Gesellen auch; indem sie vom Tisch, an dem sie getruncken, eylends aufstunden, die Stühl auf ein Seiten ruckten, und mit aufgehebten Händen und lauter Stimm gen Himmel ruften, GOtt wolle sie doch nicht lassen zu Grund gehen. Lauften darnach in dem Haus von einem Winckel in den andern, wo nemlich die Forcht sie hin treibte; Da begabe sich einer in den Keller, vermeynend, er befinde sich auf dem Schifboden, dort ein anderer in ein Kammer, und verstopfte die Klumsen der Wänden mit Lumpen, damit das Meerwasser nicht möchte hinein rinnen. Wiederum kletterte einer ins Camin hinauf, der gäntzlichen Meynung, es wäre der Segelbaum, schaute mithin zu oberst hinaus, um zu erfahren, was für ein Gestirn am Himmel wäre. Ein anderer lieffe in die Stuben, und hebte das Ohr an die Fenster um das Sausen der Sturmwinden zu vernehmen; indem er aber das Fenster aufmachte, und über die Gassen hinüber ein Haus ersahe, mithin sich einbildete, es wäre ein schrofiger Felsen des Meers, schrye er überlaut zu den andern Cameraden: O ihr Leut, lasset doch geschwind den Segel herunter, sonst fahren wir auf einen Felsen, und wird mithin das Schif zu Grund gehen Saumet euch doch nicht, dann die Gefahr könnte nicht grösser seyn. Durch dieses Schreyen wurde die Forcht bey den andern noch grösser, und weil es sie gedunckte, die Wasser-Wellen wurden das eingebildete Schif überdecken, und in die Tieffe versencken, warffen sie alles zum Fenster auf die Gassen hinaus, was sie meynten, daß selbiges beschweren könnte; Nemlich Krüg, [503] Kandten, Teller, Stühl, und was sich halt hinaus werffen liesse, damit nemlich das eingebildete Schif erleichtert, und mithin die Gefahr zu ertrincken vermeydet wurde. Wie nun die Benachbahrte dieses Getümmel gehört, lauffen sie auf die Gassen, und für das Wirthshaus hin, und wie sie sahen, daß die volle Bursch mit Auswerffen noch beschäftiget waren, ruften sie; Was ist das, ihr Leut? was fangt ihr für ein Getümmel an? seyd ihr etwan gar von Sinnen kommen? die volle Bursch diß hörend, glaubten anders nicht, als die ruffende Benachbarte müssen Meer-Fisch seyn. Aus Forcht also, von ihnen verschluckt zu werden, warffen sie alles nach ihnen zum Fenster hinaus, was sie erwischten. Als endlich der Schultheiß der Stadt, von diesem Getümmel berichtet, herbey kame, um selbiges zu stillen, hielten sie gäntzlich darfür, er müsse der erdichtete Meer-GOtt Neptunus seyn. Hebten also die Händ gegen ihm auf, und baten, er wollte sie doch aus dieser Gefahr des Schifbruchs erretten, mit dem Gelübd, ihm ein Danck-Opfer abzustatten, Falls sie wiederum auf das trockene Land kommen sollten. Der Schultheis diß hörend, sahe wohl, daß diese Leut von Sinnen kommen. Befahle demnach, sie in ein Schlaf-Kammer zu führen, damit sie allda ausruhen, und den übermäßig zu sich genommenen Wein ausdämpfeu konnten. Welches dann auch geschehen, und seynd diese volle Bursch, nachdem sie genug geschlaffen, endlich wiederum zu sich selbsten kommen. Gazæus S.J. in piis Hil. ex Richeom in Pictura Spirit.


Wie schandlich ist es, wann die edle Vernunft dem Wein unterliegen muß! dann, was ist diß anders, als freywillig dem unvernünftigen Vieh gleich werden? Könnte sich auch der Mensch, als ein Ebenbild GOttes, mehr entunehren, als er auf solche Weiß thut? Aber hören die Weinschläuch, was ihnen der Prophet Isaias sagt c. 5. Wehe euch, die ihr mächtig seyd, Wein zu trincken, und starcke Männer miteinander euch voll zu sauffen! wehe euch in Ewigkeit! dann für euer unmäßiges Sauffen werdet ihr müssen einen ewigen Durst leyden.

11. Begebenheit
[504] Eilfte Begebenheit.
Ein Edelfrau in Deutschland erwiese denen Calvinischen Prädicanten, die alles dem unvermeydlichen Verhängnus zuschrieben, einen artigen Schimpf; indem sie selbige verstellter Weis zu einem Mittagmahl eingeladen, aber mit hungerigem Bauch wiederum nach Haus hat kehren lassen.

Diese Edel-Frau hörte oft mit Unwillen die Calvinische Prädicanten von der Cantzel herunter schreyen, daß alles, was sich auf dieser Welt zutrage, aus einer unvermeydlichen Nothwendigkeit geschehe, weilen nemlich (wie sie vorgeben) von Ewigkeit her schon alles beschlossen worden. Folgends, stehe es nicht in des Menschen Willkur diß zu thun, oder jenes zu lassen; welches aber eine falsche, ketzerische, und von der Catholischen Kirchen verdammte Lehr ist. Hierüber nun gleichsam eine Comödie anzustellen, ladete gedachte Edel-Frau auf einen gewissen Tag etliche solche Prädicanten samt ihren Frauen auf ein Mittagmahl ein. Und damit sie einen rechten Appetit nach guten Bißlein möchten bekommen, geschahe die Einladung drey Tag vorher. Die Eingeladene sagten zu, und meynten eben, sie können die Zeit nicht erwarten, bis sie dieses Gastmahls genießten. Als nun der dritte Tag angebrochen, da stellte sich ein jeder Prädicant mit seiner Frau ein, welche dann alle von der Edel-Frau aufs freundlichste bewillkommt, und in den Eß-Saal geführt worden, mit Bitt, sich zu gedulten, bis man die Speisen auftragen wurde. Nun war der Saal mit kostbaren Teppichen umhänget, und die Tafel in der Mitte nicht allein gedeckt, sondern auch mit allem, was darzu gehörte, versehen. Unterdessen, damit die Zeit bis zum Essen vertrieben wurde, gienge da ein Paar, dort ein anders in dem Saal auf und ab spatzieren, und führten mithin ein Gespräch, was Gestalten sie aus einem unvermeydlichen Verhängnus in diesem Haus zusammen kommen wären, um darinn Gast zu seyn. Das seye schon von Ewigkeit her also beschlossen worden, und habe also seyn müssen. Indem sie solches Gespräch miteinander führten, gienge die Edel-Frau bald zum Saal hinaus, bald hinein. Jetzt brachte sie ein Saltz-Büchslein herbey: Jetzt zählte sie die Teller ab, setzt richtete sie die Sessel in eine Ordnung, bald thate sie ein anders; nur damit unterdessen die Zeit fürbey gienge. Alsdann rufte sie in die Kuchel, man sollte das Feur auf dem Herd recht schieren, damit die Speisen desto ehender theils gekocht, theils gebraten wurden. Und nachdem sie verstellter Weiß bald diesen, [505] bald jenen Befehl ertheilt, sagte sie endlich zu denen Gästen: Nun, ihr Herren Geistliche! samt eueren Frauen: laßt euch belieben, nieder zu sitzen: ich will alsobald lassen auftragen. Die Gäst, welche hungerig waren (dann sie hatten sich schon drey Tag lang auf dieses Gastmahl gesparet, und desto weniger zu Haus geessen) liessen sich nicht lang bitten, sonderen nahmen gleich Platz ein: wo dann ein jeder Prädicant seine Frau an der Seiten hatte. Da sie nun also beysammen sassen, kame ein Diener nach dem andern in den Saal hinein. Dieser truge in einem Korb Gläser daher; jener einen Schwenck-Kessel mit Wasser, die Gläser damit auszuschwencken, ein anderer ein Dutzet Teller, selbige denen Gästen unter dem Essen vorzulegen, wann sie etwann frische wurden vonnöthen haben. In Summa: Es hatte das Ansehen, man wurde bald auftragen. So geschahe es dann, daß die Prädicanten wiederum ihr voriges Gespräch fortsetzten; mit Vermelden, wie daß es also habe seyn müssen, daß sie in diesem Haus zusammen kämen, um darinn ein stattliches Mittagmahl einzunehmen. O! sagte einer: Wie will ich mir Gesottenes und Gebrattenes schmecken lassen; dann es hungert mich, wie einen Wolf. Ein anderer: O! wie will ich von dem ausländischen Wein, den die Frau des Haus in dem Keller hat, Bescheid thun; dann ich trincke gern etwas Gutes. Unterdessen schlagte es auf der Uhr 1. 2. 3. mithin wurde doch nichts aufgetragen. Es lauften zwar die Diener aus und ein, und sagten immerdar: Nur ein kleine Gedult: es wird bald etwas kommen: bald bald. Aber nichts wenigers geschahe, als dieses bald. So wurden dann die Gäst endlich müd, und sagte einer aus den ältesten Prädicanten: Was ist doch das? wie lang werden wir auf das Mittagmahl warten müssen? ich höre in der Kuchel das Feuer auf dem Herd braschlen; ich höre den Bratspies gehen; und dannoch kommt nichts auf die Tafel. O wann doch bald etwas aus dem versprochenen Bald wurde! wahrhaftig, es wäre einmahl Zeit; sonst wird aus dem Mittagmahl ein Abendmahl werden. Gebe man wenigst einem jeden ein Stuck Brod, und Glaß mit Wein; so könnte man es noch erleiden. Aber uns also hungerig und durstig da sitzen lassen, ist ein schlechte Manier. Die Edel-Frau, so dieses Klagen von weitem gehört, tratte mitten in den Saal hinein, und redete ihre eingeladene Gäst mit gantz sittsamer Stimm folgender Massen an: Ihr Herren Geistliche! samt euren Frauen: verzeihet mir, daß ich euch so lang umsonst hab aufgehalten. Ich, als ein Mensch, kan fehlen, und betrügen. Daß aber der Schluß, so von Ewigkeit her ist gemacht worden, fehle und betrüge, das könnet ihr so wenig machen, als ich. Wie vielmahl hab ich euch Herren Geistliche von der Cantzel herunter schreyen gehört: alles, was sich auf dieser Welt zutrage, seye unvermeidlich; weilen nemlich alles von Ewigkeit her schon beschlossen worden: Folglich müsse es also seyn. Nun, [506] daß ich euch verstellter Weis auf ein Mittagmahl eingeladen, das hat also seyn müssen. Daß ich aber in der Kuchel nichts, als ein Feur auf dem Herd aufmachen; nichts weder sieden, noch bratten; ja nicht einmahl wenigst Brod und Wein habe lassen auftragen, ist mir so leid, als euch. Aber, was könnet ihr; was kan ich darfür? es hat also seyn müssen; dann es von Ewigkeit her schon beschlossen worden. Allso werdet ihr ungeessen und getruncken wiederum müssen nach Haus kehren. Das ist das Verhängnuß, welches unvermeidlich ist; wie ihr selbst wohl wisset. Hiemit viel Glück nach Haus. Dieses geredt, machte sich die Frau zum Saal hinaus, und liesse sich nicht mehr sehen. Mußten also die Prädicanten, samt ihren Frauen, hungerig und durstig nach Haus kehren; und zwar mit einer Nasen, die ihnen so lang hätte mögen werden, als etwann ein Rechen-Stil seyn mag. Was sie aber unter Weegs der listigen Edel-Frauen werden auf den Buckel gewunschen haben, ist leicht zu gedencken. Allein, was fragte sie darnach? sie lachte ihr die Haut voll, daß der List so wohl angangen war. Cazæüs S.J. in piis Hilar. ex Florim. & Garasso.

O wie wohl seynd diese Prädicanten bezahlt worden! wann es ihnen allzeit auf solche Weis gienge, wie bald wurden sie mit ihrem unvermeidlichen Verhängnuß zu Haus bleiben! was wollen sie doch mit dieser ihrer ungereimten Lehr? soll dann der Mensch keinen freyen Willen haben, dies zu thun, oder jenes zu lassen? soll dann alles aus Nothzwang geschehen? warum sagt dann GOtt der HErr Eccl. 17. Er hat dir Wasser und Feur vorgelegt: Strecke dein Hand aus, zu welchem du willt. Vor dem Menschen ist Leben und Tod; das Gute, und das Böse: welches ihm gefällt, das wird man ihm geben? Um GOttes willen! kan auch etwas deutlichers für die Freyheit des menschlichen Willens in göttlicher Schrift gefunden werden? warum wollen es dann die Prädicanten nicht verstehen? Antwort: Darum, weil sie entweders blind, oder halsstärrig seynd. Seye es aber, was es wolle, so bringt sie eines in das ewige Verderben, wie das andere. Dann, wer nicht glaubt, der ist schon gerichtet. Joh. am 3. Das ist: Er verschließt ihm selbst den Weeg zum Himmel.

12. Begebenheit
Zwölfte Begebenheit.
Ein Baur, nachdem er seine Trunckenheit das erste mahl ausgeschlaffen, laßt sich bereden, ein Hertzog zu seyn: das anderte mahl aber erkennet er sich ein Baur zu seyn, wie er allzeit gewesen.

Philippus, zugenamset der Gute, Hertzog von Burgund, und Graf in Flanderen, gienge einstens ausser der Stadt Brügge in Niederland, allwo [507] er sein Residentz-Schloß hatte, zur Sommers Zeit nach dem Nacht-Essen, in Begleitung seiner Hof-Herren, und Laqueyen ins Feld hinaus spatzieren. Und siehe! sie traffen an einer Straß einen Bauren schlaffend an. Er hatte nemlich in gedachter Stadt so viel Bier getruncken, daß er davon voll und toll worden. Weil ihn dann die Füß den übrigen Weeg nach seinem Bauren-Hof nicht mehr tragen wollten, hatte er sich an der Straß nieder gelegt; allwo er dann tief eingeschlaffen, und zu schnarchen angefangen. Der Hertzog dies sehend befahle seinen Laqueyen, den Bauren aufzuwecken; damit er nicht müßte im Feld über Nacht bleiben, allwo ihm etwann ein Unglück möchte widerfahren. Allein, wie starck die Laqueyen an ihm rupften, die Arm und Füß hin und her zogen, konnten sie ihn doch nicht aufwecken; so tief hatte ihn die Trunckenheit eingeschläffert. So gabe dann der Hertzog Befehl, man solle den Bauren, wie er also da liege, nach seinem Residentz-Schloß tragen, ihm die Kleider ausziehen, und (ohne ihn aufzuwecken) nicht allein in die Hertzogliche Kammer, sondern auch Beth hinein legen; damit er darinn seine Trunckenheit aus schlaffen möge: des andern Tags wolle er schon eine Comödi mit ihm anstellen. Nun das ward alles vollzogen, ohne daß der Baur mithin daran erwacht wäre: so liesse man ihn dann schlaffen bis den andern Tag. Unterdessen befahle der Hertzog seinen Laqueyen, vor der Kammer-Thür zu hören, was der Baur sagen wurde, wann ihm der Schlaf vergangen wär. Alsdann solten sie hinein gehen, tiefe Reverentz machen, und Hertzogliche Kleider mit sich nehmen, ihm selbige anzulegen; solten sich aber hüten, daß keiner lache, sonst wurde die Comödi nicht angehen. Was sie nachgehends weiters zu thun hätten, wolte er sie es schon wissen lassen: das liessen die Laqueyen ihnen fleissig gesagt seyn. Des anderen Tags nun, als der Baur aus dem Schlaf erwacht, und nunmehr nüchter war, streckte er die Arm, und gähnete ein und andermahl; wie es nemlich faule Leut zu machen gewohnt seynd. Wie er aber mit noch geschlossenen Augen nach dem Leylach und Ober-Beth griffe, und fande, daß alles überaus zart war; mithin auch merckte, daß er in lauter Pflaum-Federn geschlaffen, verwunderte er sich, und sagte: Das ist ein anders Beth, als das Meinige zu Haus ist. Selbiges ist ein elende, bestrichene Schwarte; dieses aber mit lauter Pflaum-Federen angefüllt. Das verursachte nun, daß er endlich die Augen aufthate, um zu sehen, wo er dann seye? und was das für ein Beth seyn müsse? da sahe er, daß die Bethstatt gantz vergoldet; das Oberbeth mit zärtester Leinwat überzogen; die Umhäng von lauter Taffet und Seiden, und die gantze Kammer mit kostbaren Teppichen geziert war. Hierüber nun wurde er gantz erstaunet, und wußte nicht, was er gedencken, oder sagen solte. Endlich sprach er: Was ist das? wo bin ich? wie bin ich hieher kommen? wache [508] ich, oder traumt es mir? ich bin ja ein Baur? wie kommt es dann, daß ich in einem solchen Beth liege? Indem er also mit ihm selbsten redt, klopften die Laqueyen an der Kammer-Thür. Weil sich aber der Bauer, als an einem unbekannten Ort nicht getraute zu sagen, man solte hinein kommen, machten die Laqueyen die Thür auf, tratten in die Kammer, und vor das Beth hin, machten eine tieffe Reverentz, und sagten: wann ihro Durchläuchtigkeit diese Nacht hindurch gesund und ruhig geschlaffen, sagen wir dem höchsten GOtt Danck darfür. Unterdessen seynd wir hier Ihro Durchläuchtigkeit unsere unterthänigste Aufwarthung zu machen. Hier seynd für Ihro Durchlauchtigkeit die Kleyder, sie därffen nur gnädigst befehlen, wann sie sich selbiger bedienen wollen. Der Baur dis Compliment hörend, sahe sie eine Zeit lang ohne eintziges Wort zu reden, gantz starrend an, und gedachte bey sich selbst: wie? bin ich auf einmahl Ihro Durchläuchtigkeit worden? Ich glaube es traume diesen Leuten, es müsse dann seyn, daß ich bishero nicht gewußt, daß ich ein grosser Herr wäre; seye ihm aber, wie es wolle, so will ich eben den Titul Ihro Durchläuchtigkeit annehmen, und mich als einen grossen Herrn bedienen lassen. Es kan mir ja nichts schaden; darauf sagte er: ja, ja, ihr kommt gantz recht. Es ist Zeit, daß ich aufstehe, weil es schon lang Tag ist; kommet nur mit denen Kleyderen her. Alsdann giengen die Laqueyen hin, und zogen ihm die hertzogliche Kleyder an. Nachdem er nun völlig angekleydet, und sich in einem Spiegel ersehen, wie ihm die Kleydung anstehe, brachte man ihm Wasser die Händ zu waschen. Wo ihm dann einer aus denen Laqueyen mit unterhebter silberner, und vergoldeter Platte das Wasser aufgosse; ein anderer aber die Zwehel darreichte, die Händ damit abzutrocknen. Als dieses fürbey, kamen auch die Hof-Herren in die Kammer hinein, machten ihre Reverenz, und fragten: ob es Ihro Durchläuchtigkeit nicht gnädigst beliebte zur Tafel zugehen; indem es schon um Mittag herum seye? Der Bauer gabe mit Neigung des Haupts zu verstehen, daß es ihm schon recht wäre. So gienge man dann zur Tafel: an welcher der Baur ihm zwar Essen und Trincken tapfer schmecken liesse; aber mithin kein Wort redete. Trancken etwann die Hof-Herren eines aus einem silbernen und vergoldeten Pocal, auf glückliche und langwierige Regierung Ihro Durchlauchtigkeit, bedanckte sich der Baur allein mit Neigung des Haupts. Mithin legte er sich mit beyden Ellenbogen auf die Tafel hinein, als wann er das Korn verkauft hätte; schmatzete (mit Gunst zu melden) wie ein Schwein; ja vergasse sich so weit, daß er wohl zum öfteren die Nasen an dem Ermel abwüschte. Was unterdessen die Laqueyen bey der Aufwarthung für einen Spaß werden gehabt haben, wer wird es aussprechen? O wie hätten sie vor Begierd [509] zu lachen zerspringen mögen, so oft sie den Bauren in denen hertzoglichen Kleyderen (die ihm, wie einer Sau, der Peltz anstunden) angesehen, Teller vorgelegt, eingeschenckt, Reverentz gemacht, den Titul Ihro Durchlauchtigkeit gegeben! allein das Lachen ward ihnen verbotten; damit nemlich die Comödy nicht zerstört wurde. Mithin sahe der Hertzog diesem Spiel hinter einem Umhang mit gröster Freud zu, und lachte in der Stille, daß ihm die Augen übergiengen. Und wie hätte es anderst seyn können? Dann wer hat jemahlen eine solche Person, wie dieser Baur gespielet? Nun, wie gienge es weiter? und was nahme diese Comödi letztlich für ein End? Wie der Baur genug geessen, liesse er ihm den kostbaren Wein, von deme man häuffig eingeschenckt, dermassen schmecken, daß er nach und nach truncken davon worden, und wie ein gestochener Bock darein gesehen; ja letztlich nichts mehr um sich selbst gewußt hat. Wie der Hertzog das gesehen, gabe er Befehl, den Bauren von der Tafel wegzuführen, ihm die hertzogliche Kleyder aus, hingegen seine vorige anzuziehen, und wiederum an eben diejenige Straß zu legen, von welcher er den vorigen Tag weggetragen worden, um alldort die neue Trunckenheit, wie die erstere auszuschlaffen. Das ist dann auch geschehen: wie der Baur an selbigen Ort wiederum erwacht, die Augen eröfnet, und gesehen, daß er in seinem Bauren-Kittel an einer Straß liege, da verwunderte er sich auf ein neues, und sagte bey sich selbst: So so? Ist das das weiche Feder-Beth, in welchem ich gelegen? seynd das die hertzogliche Kleider, die man mir angezogen; aufs wenigst gedunckte es mich also. Wo ist der hertzogliche Respect, der mir erwiesen worden? ich hätte darfür geschworen, es verhielte sich alles in der Sach selbsten also. Aber anjetzo halte ich darfür, es müsse nur ein Traum geweßt seyn. O kurtze! O eytle Freud! als ein Baur bin ich von Haus ausgangen, und als ein Baur werde ich wieder dahin kehren. Also ist es auch geschehen, und hat er zu Haus seinem Weib für einen Traum erzählt, was ihm unter Weegs in der Wahrheit begegnet ist. Gazæus S.J. in piis Hilar. ex Ponti Heuteri lib. 4. rerum Flandr.


O wie vielen Welt-Menschen gehet es, wie diesem Bauren! sie kommen etwann zu Ehren, zu Reichthum, zu Wollüsten: und da gedunckt es sie, sie seyen glückseelig. Aber, wie ist so gar nichts darhinter! als ein eytles, kurtzes, unbeständiges Weesen: und darum ein eingebildete Glückseeligkeit. Darum sagt der David Psalm. 72. wie ein Traum verschwindet, wann man aufstehet; also wirst du, O HErr! ihr Bildnuß (nemlich ihre eingebildete Glückseeligkeit) zu nichten machen. Was bleibt von dem Traum überig? Nichts als eine traurige Gedächtnuß, daß man seye betrogen worden. Das saftigste, so man hievon[510] sagen kan, ist, was der geistreiche Thomas von Kempten, aus dem Orden der regulirten Chor-Herren des H. Augustini von der Nachfolgung Christi c. 1. schriftlich hinterlassen hat. Nemlich: alles ist eytel, ausser GOtt lieben, und ihm allein dienen.

13. Begebenheit
Dreyzehente Begebenheit.
Listiger Betrug eines geitzigen und schäbigen Kaufmanns wird mit List bezahlt, und abgestraft.

Zu Mantua, einer Stadt in Welschland, langte an ein Kauffmann, reich zwar an Geld, aber gantz entblößt an Tugend; als welcher Redlichkeit und Treu schon längst verhandlet hatte. Dieser unter dem hin und her lauffen verlohre einen Sack mit Geld von 400. Reichs-Thaleren; nachdem er über ein Weil des Verlusts gewahr wurde, durchsuchte er ängstig alle Weeg und Steeg über welche er gangen; allein umsonst und vergebens. Weilen er nun der Sach anderst nicht zu helffen wußte, verfügte er sich zu dem dermahligen Marggrafen Gonzaga gantz betrübt, klagte ihm den Verlust, und würckte ein offentliche Schrift aus, Kraft deren dem Erfinder Befehl ertheilt wurde das gefundene Geld nach Hof zu liefern; zum Danck solle er 40. Reichs-Thaler haben. Das Gluck wolte einem armen frommen Weib, welches gegen dem Abend auf dem Weeg begriffen ware nach einer Capell zu U.L. Frauen, alldort ihr Gebett zu verrichten, und unter anderem eyferig zu bitten um ein Aussteur für ihre noch eintzige liebe Tochter, welche sie gern ehrlich ausheurathen wolte, und aber nicht vermöchte. Im zuruck kehren stoßt sie mit dem Fuß an etwas; vermerckt, daß es ein Sack voll Geld wäre; hebt ihn auf, schiebt in ein: und gehet darmit nacher Haus. Wie sie aber den Befehl des Marggrafen vernommen, und mit fremden Geld ihr Gewissen nicht gern beschweren wolte, brachte sie den Sack samt dem Geld unversehrt nach Hof. Der Marggraf nicht wenig ab der Redlichkeit dieses Weibs erbauet, bevorab, als er vernommen ihre grosse Noth zu Haus, schickt nach dem Kaufmann, und nachdem sich dieser ungesaumt eingefunden, stellte er ihm sein Geld wiederum zu. Der Kaufmann erfreute sich zwar höchlich des so bald gefundenen Sacks halber; weil es ihm aber ander seits aus angebohrnem Geitz schwer fiele, die versprochene 40. Reichs-Thaler davon herzuschiessen, gedachte er auf einen List: zehlte also sein Geld in Gegenwart des Marggrafen, kratzte im Kopf, und klagte, wie daß 34. Thaler mangleten, welche ihme das Weib müßte davon gezwackt haben. Der armen Tröpfin thate die Unbild wehe, daß sie für ihre Redlichkeit [511] keinen anderen Danck solte haben: rufte Himmel und Erden zu Zeugen ihrer Unschuld an. Wie (sprache sie) du ehrvergessener Mann? haltest du mich für eine solche? wann ich das hätte wollen thun, hätte ich ja eben so leicht den gantzen Sack behalten können? auf solche Weis hätte ich ja weder GOtt, noch dem Teufel gedient? dann GOtt will daß man alles, der Teufel aber daß man nichts solle heimstellen. Die gantze Red beschlosse sie mit einem Bach der Zäher: welche der Weiber beste Vorsprecher seynd.


Der Marggraf merckte den Betrug des Kaufmanns wohl: und ob er schon eine scharffe Straf verdient hätte, wolte er doch für dismahl List mit List bezahlen. Gabe demnach den Ausspruch. Weilen der Kaufmann in der offentlichen Schrift nur 400. Reichs-Thaler angegeben hätte, die da vorhanden wären, seinem Vorgeben nach aber 34. hätten sollen drüber zugegen seyn, so müsse der gefundene Sack einem anderen zugehören, und entzwischen der Erfinderin bleiben, bis der rechtmäßige Herr an Tag käme: er aber solle sich alsbald trollen, wolte er nicht Eisen und Band, und was noch ärgers erfahren; und hinführan lernen, besser sein Versprechen halten, und eines Fürsten Ansehen mit falschem Angeben nicht also spöttlich ansetzen.

Und also ward dieser Handel ausgemacht; dem armen Weib reichliche Vorsehung gethan, und der schäbige Geitz abgestraft. Bonciarius in Antologia illustrium exemplorum Decade 2. Exemplo 2.


Wie vorsichtig ist doch GOtt für die Arme, wann sie fromm seynd! er hätte freylich diesem armen, und zugleich frommen Weib auf eine andere Weis helffen können; aber es hat ihm erst erzählte beliebt, zu zeigen, daß nichts auf dieser Welt sich zutrage, welches er nicht zu einem gewissen Zihl und End zu leiten wisse, dem Frommen zu Gutem; dem Bösem zur Straf. Was für eine Boßheit ware es, aus verfluchtem Geitz, nicht allein sein Versprechen nicht halten; sondern eine arme und fromme Tröpfin noch zu einer Diebin machen wollen? aber da ist die Bosheit des Kaufmanns gestraft; hingegen die Redlichkeit des frommen Weibs belohnt worden, nicht blinder Dingen, und ungefehr, sondern aus allerweisister Anordnung göttlicher Vorsichtigkeit.

14. Begebenheit
[512] Vierzehende Begebenheit.
Wunderlich-artige, und aus dem Stegreif ausgesonnene Lob und Trost-Predig, so ein Ordens-Mann zu Strassen-Raubern gehalten.

Nicht weniger lustig, als wunderlich ist, was sich mit einem Pater aus der Gesellschaft JEsu, mit Namen Niclas Bobodilla, einem Spanier zugetragen. Er war ein Mann eines weit aussehenden Verstands, grosser Geschicktlichkeit, und anbey eines gantz lustigen Humors. Einsmahls, als er von Neapel aus nacher Vetlin auf der Reis begriffen, und durch einen Wald seinen Weeg nahme, sahe er eine Rott Strassen-Rauber gegen ihm ankommen. Dem Pater waren diese Vögel nicht unbekannt, welchen man fein geschwind ein Stuck Geld hinwerffen muß, wann man nicht will, daß sie einem die Haut gar über den Kopf abziehen. Weilen er aber als ein armer Ordens-Mann vielleicht nichts, als sein Brevier bey sich hatte, brauchte er einen List, und stellte sich, als thäte er sie nicht mercken; gienge demnach seinen Weeg munter fort. Als aber die Strassen-Rauber zu ihm kommen, umringeten sie ihn, und fragten: wo hinaus? wer er wäre? und was er bey sich trage? Der Pater nicht anderst, als wann er seine beste Bekannte, und werthiste Freund angetroffen hätte, grüßte sie, biethete ihnen die Hand, und gab auf alles gantz poßierlich Antwort. Sagte zu letzt: wie daß sie von ihm, als einem Priester, und Prediger anders nichts zu gewarthen hätten, als ein Lob- und Trost-Predig, die er ihnen zu Ehren gern halten wolte: und solches um desto mehr; weil er wohl wußte, daß sie vieler Verhindernuß halber selten im Jahr in die Predig kommen könten. Wann sie derohalben so viel Zeit nehmen wolten, stunde er bereit. Die Strassen-Rauber sahen einander an, und könten sich nicht genugsam verwunderen ab der Keckheit, und unerschrockenem Gemüth dieses Manns. Nach einigem Verweilen antwortete ihm der Vornehmste unter ihnen: wie daß ihnen sein Anerbieten nicht entgegen wäre, solte es aber kurtz und gut machen: widrigen Falls wurde er ein schlechtes Trinck-Geld davon tragen. Hierauf stellten sie sich in ein Ordnung: und zwar etliche mit gespannten Feuer-Rohren; andere mit blossen Degen in der Hand. Und diese Mörder-Rott solte jetzt der Pater loben; wohl ein gefährliches Predigen bey so heicklichen Zuhöreren: ein eintziges Wort, das sie unrecht werden aufnehmen, wird dem Prediger den Hals brechen. Dannoch schickte sich dieser Pater behertzt zur Sach, stunde unter einem Baum auf einem grünen Bühel, an statt der Cantzel, und fienge nach Anruffung göttlichen Beystands, die Predig folgender Gestalt an:


[513] Im Namen GOtt des Vatters, und des Sohns, und des Heil. Geists, Amen.


Ihr habt unser Weis und Manier zu handlen: Spricht der Heil. Apostel Paulus zu den Philippensern am 3. Capitul.

Viel-werthiste Zuhörer!

Wann ich mich umsiehe, und sowohl das Ort, wo ich stehe, als andere Umständ, in denen ich reden solle, zu Gemüth führe, zweifle ich starck, ob ich jemahlen, Zeit meines Lebens, solche Zuhörer, und eine solche Gelegenheit zu predigen mehr haben werde. Dann ich stehe auf einer Cantzel, wie vor Zeiten der grosse Vorlauffer, und Heil. Tauffer Christi Johannes, welche kein andere ware, als ein grüner Bühel unter einem Baum in dem Wald: Von dannen er die Buß geprediget, und auf das Lamm GOttes, welches hinnimmt die Sünd der Welt, mit dem Finger gezeigt hat.

Sollte mir demnach auch nicht schwer fallen, euch zu Trost an diesem Ort ein Predig zu verfassen: Und bin ich nicht so sorgfältig, was ich sagen wolle; als wie ich euer schuldigstes Lob in so enge Schrancken der Zeit möge einschliessen. Weilen es aber euch also beliebet, will ich in aller Kürtze aus den angezogenen Worten des Heil. Apostels Pauli erweisen, und darthun: Daß ihr Christo dem HErrn, unserem liebsten Erlöser und Seligmacher in vielen Stucken, wo nicht in allen, gantz ähnlich und gleich seyet; welches ja das gröste Lob ist, so ihr von mir erwarten könnet. Höret mich nun auch mit Gedult an.


1. Von der Zeit an, da Christus der HErr die menschliche Natur an sich genommen, und in unbekannter Kleidung auf Erden herum gewandlet, ist erfüllt worden, was der Prophet David am 18. Psalm sagt: Nemlich, er ist aufgesprungen, wie ein Ries, zu lauffen seinen Weeg.

Das wird auch an euch erfüllt: Dann von der Zeit an, da ihr euch zu verkleiden, Haar und Bart zu veränderen, und bald in Gestalt eines Herrns, bald eines Baurens zu erscheinen angefangen habt, was macht ihr nicht für wunderliche Sprüng, Berg auf, Berg ab; durch Felder und Wälder; durch Stauden, und Dorn-Hecken, absonderlich wann ihr vermerckt, daß euch die Schergen mit den Spur-Hunden nachsetzen, und gern das Wild im Garn hätten? Kein Ries konte mit euch in die Wett lauffen.


2. Christus, der Welt-Heyland, wann er sich den gantzen Tag abgemattet, von einem Dorf zu dem anderen herum gezogen, was hat er zu Nachts oft für ein Herberg gefunden? wir wollen ihn selbst reden hören. Matthäi am 8. spricht er also: Die Füchs haben ihre Löcher, und die Vögel des Lufts ihre Nester: Des[514] Menschen Sohn aber hat nicht, wo er sein Haupt könte hinlegen.

Ich nimme die herumstehende Berg und Bäum zu Zeugen, ob es euch vielfältig um ein Haar besser ergangen? Wie oft ist euer Beth ein Gesträuß; euer Ligerstatt die harte Erden, euer Polster ein grüner Wasen gewesen? Wie oft habt ihr bey einfallendem Ungewitter, Sturmwind, oder Platz-Regen, in einer hohlen Eich, oder unter einem abhängigen Schrofen einer Berg-Wand müssen verlieb nehmen? will nichts melden von anderen grossen Ungelegenheiten, die ihr Sommer und Winter in der Wildnuß ausstehen müßt.


3. Christus, der santfmüthige Sohn Davids, ist oft und gern mit den Sünderen umgangen: Hat sich vielfältig bey denen Publicanen aufgehalten, mit ihnen geessen und getruncken.

Das thut ihr auch: Die ihr mit einander esset und trincket, und wie Brüder vertreulich handlet. Wann aber je einer unter euch ohne Sünd seyn sollte, der hebe den Finger auf, damit keinem zu kurtz geschehe.

4. Christus (wie er selbst bekennt) ist nicht kommen, den Frieden auf Erden zu senden, sondern das Schwerdt.

Das ist eben auch euer Meinung, wo ihr hinkommt: Wenigst euer Wehr und Waffen geben solches zu verstehen.

5. Christus hat immerdar etwas wider die reiche Leut gehabt: Ihnen oft gedrohet, und nichts gutes weisgesagt, laut jener Worten, Lucä am 6. Wehe euch Reichen! die ihr eueren Trost, und gute Täg in dieser Welt habt. Und Matthäi am 19. sagt er: Leichter geht ein Cameel durch ein Nadel-Loch, als ein Reicher ins Himmel-Reich. Dieser Spruch hat schon Manchem den Angst-Schweiß ausgetrieben.


Es wird aber auch den Reichen nicht bald so angst und bang, als wann sie unter die Strassen-Rauber gerathen, da heißt es wohl redlich: Wehe euch Reichen! dann so euch ungefehr ein reicher Kaufmann, oder sonst wohlhäbiger Reisender aufstoßt, könnt ihr euch schwerlich enthalten, daß ihr ihm nicht das Felleisen ein wenig ringer macht, und ihn Ritter zu Fuß schlagt, wann es gar gnädig abgeht.

6. Christus hat gewollt, daß, wann man einem den Rock nimmt, er auch den Mantel solle dahinden lassen.

Das wünscht, und wollt ihr ja auch; und nichts mehrers? will einer nicht, so muß er wohl.

7. Christum den HErrn haben viel gehaßt, und waren ihm abhold.

Euere gute Freund seynd gleichfalls bald gezählt: Niemand ist, der euch nicht hasse und verfolge. Die Fürsten der Priester, die Pharisäer und Schrift-Weise, der gesamte Jüdische Rath, geistliche und weltliche Obrigkeit ergrimmten bisweilen wider JEsum, und suchten ihn zu fangen. Ihr seyd auch kein Stund sicher. [515] Endlich wie man ihn in den Banden gehabt, wurde er grausamlich gepeiniget und gemarteret. Jedermänniglich Wunsch ware es, daß man ihn nur fein bald tod sehen möchte: Wie er dann letztlich als ein Ubelthäter hinaus geführt, ans Creutz geheftet, und getödtet worden. Eben so günstig ist euch der Pöbel auch. Hohe und niedere Stands-Personen wünschen von Hertzen, daß man euch nur bald an dem Galgen, oder auf dem Rad erhöht sehen möge. Sollte man nun euer habhaft werden, wurde es zu Neapel, und anderer Orten an einem: Nur fort; fort mit ihm; Creutzige, creutzige ihn, sicherlich nicht ermanglen.


So habt ihr dann in vielen Stücken mit Christo, was eueren Lebens-Wandel antrift, eine Gleichständigkeit.

Ich aber zum Beschluß meiner Predig wünsche von gantzem Hertzen, daß ihr nach dem Beyspiel des rechten Schächers ihme auch in dem Tod möget gleichförmig werden. Und gleichwie dieser Mörder sich noch vor seinem End bekehrt, Buß gethan hat, und von dem Creutz in den Himmel hinauf gestiegen ist; und solches alles durch Gnad und Beyhilf des selbst gecreutzigten und sterbenden Heylands, der nicht will den Tod des Sünders, sondern daß er sich bekehre, und lebe: Also auch ihr, und wir arme Sünder alle, uns noch vor unserem letzten End bekehren, und mit Christo in das Paradeiß der ewigen Freud, und Glückseligkeit gelangen mögen. Amen.

Also predigte dieser Pater denen Strassen-Rauberen in dem Wald. Rauscher S.J. in Dominicali 3.Dom. 8. post Pentec. Conc. 2. ex Engelgrave.

Wohl eine seltsame Lob-Predig, wo Schimpf und Ernst beysammen waren, womit er so viel ausgericht, daß sie ihm nicht allein das Leben geschenckt, und ohne eintzige Beleidigung von sich entlassen; sondern noch darzu ihre Sünden mit hertzlicher Reu gebeichtet, und ein besseres Leben zuführen angefangen haben.


Es ist aber aus dieser Schimpf- und Ernst-Predig folgender Schluß zu machen: Daß man an allen Dingen etwas zu loben finde; und auch unsers Nächsten Fehler und Mängel, wo nicht durchgehends entschuldigen, aufs wenigst zum besten auslegen könne, wann man nur will. Die Strassen-Rauber verdienen ja freylich für sich selbst kein Lob, sondern des Henckers-Strick; oder noch was ärgers. Dannoch Bobadilla hat sie gelobt, und ihre Buben-Stücklein nur überzwerch, und poßirlich berührt; weil solche Bescheidenheit, und Klugheit die Umständ erforderten. Hätte er sie bey einer anderen Gelegenheit angetroffen, wurde er ihnen weit anderst gezwagen haben: Hertz und Maul hatte er genug,

Wer eines anderen Sünd siehet, oder weißt, ihn aber weiter nicht angeht, der schweige still darzu. Was [516] dich nicht brennet, das blase nicht, sagen unsere Teutsche im Sprüch-Wort; und wohl. Dann wer etwas blaset, das ihn nicht brennet, der verbrennet eben darum das Maul.


Wann aber je einer etwas darzu zu reden hat, der sehe nicht nur auf den begangenen Fehler, sondern auch auf die Umständ und Tugenden des Uebertretters, und lege ihms zum besten aus. Sage er etwann:Mein GOtt! wie bald ists geschehen? O was gebrechliche Menschen seynd wir! ist sonst ein so guter, frommer redlicher Mann. Ist mir leid, daß er eben da so übel eingangen: Man hat ihn darzu gebracht: Es ist im Rausch geschehen: Die Anfechtung ist so groß gewesen: Er wirds sobald hinfüro nicht mehr thun. Das, das heißt einem anderen ein Sach zum besten auslegen: Gemäß jenem Spruch Christi des HErrn, Lucä 6. Urtheilet nicht, so werdet ihr nicht geurtheiler: Verdammet nicht, so werder ihr auch nicht verdammet.

15. Begebenheit
Fünfzehente Begebenheit.
Einem Ordens-Mann begegnet eine wunderliche, und zugleich lächerliche Begebenheit.

Zu Rom im Welschland hat es ein gewisses Haus, in welches man hinein thut diejenige, denen es ein paar Finger ob der Nasen fehlt, und welche von den Welschen Pazzarelli benamset werden. Diese pflegt man an gewissen Tägen in der Wochen aneinander gekupplet in einer langen Reyhe nach der Kirchen zu führen, damit sie von denen andächtigen und mitleidigen Burgeren der Stadt ein Allmosen bekommen. Viel Leut werden aus Fürwitz gezogen, diese Aberwitzige zu sehen, und zu hören, was sie für närrische Grillen im Kopf führen. Einige erzählen Sachen, die niemahlen geschehen seynd, noch jemahlen geschehen werden; und aber mit so närrischen Umständen, daß einer eben meint, er müsse ihm einen Buckel lachen. Einige hingegen bringen bisweilen so ernsthafte Ding vor, daß einer grad meinen sollte, sie wären die klugeste Raths-Herren von Venedig. Nun truge es sich auf eine Zeit zu, daß ein Pater aus der Gesellschaft JEsu, mit Namen Gabriel Vasquez, ein vornehmer Gottsgelehrter (der sich damahls zu Rom aufhielte, und die Krancke in denen Spitählern heimzusuchen ausgangen war) ohngefähr in gedachtes Haus der Aberwitzigen hinein gerathen. Kaum hatte er den Fuß hinein gesetzt, da kame ihm entgegen ein alter Mann, mit einer Brillen auf der Nasen; deme aber sein Schnee-weisser Bart ein Ehrwürdiges Ansehen machte. Dieser bewillkommete den Pater auf das freundlichste, und erbotte sich von sich selbst, ihm alles [517] zu zeigen, was in dem Haus seltsames zu sehen, und zu hören wäre. Der Pater bedanckte sich gar höflich, und sagte, er wolle dieses freundliche Anerbieten eben mit Erkanntlichkeit annehmen. Da führte ihn dann dieser Alte zu allerhand Zimmer. Ein jedes hatte ein Fensterlein vor dem Eingang, durch welches man sehen konte, was ein jeder aus den Aberwitzigen machte; welche aber wegen ihrer Tobsinnigkeit an Ketten gelegt waren. Nachgehends zeigte er ihm an unterschiedlichen Orten einige andere, die da frey und ungebunden waren. Aus diesen mußten einige Holtz, andere Wasser tragen: andere aber sonst arbeiten, was sie gelernet hatten, da sie noch bey gesunder Vernunft waren. Da sagte dann der Alte: Sehet Pater! das ist das Haus der Narren. Da seynd einige, die hat die schwartze Gall; andere die übermäßige Traurigkeit; andere der Korb, den sie von ihren Liebsten bekommen, zu Narren gemacht. Und da ist unter ihnen ein grosser Unterschied. Einige seynd in allen anderen Sachen verständig, ausser in einer gewissen Materi. Fangt man von dieser an zu reden, da kommen sie gleich aus dem Häuslein, und verliehren sich gäntzlich. So bald man aber davon zu reden aufhört, und auf ein anderen Discurs kommt, da finden sie den verlohrnen Faden wiederum. (Aber da gedachte der gute Alte nicht, daß er von sich selbst ein Fabel erzählte; wie auf die letzte solle gehört werden.) So fuhre er dann fort, und sagte weiters: Hier sitzt seiner Einbildung nach ein Grundgelehrter Weltweise. Indem er nun allzeit über sich schauend den Auf- und Niedergang des Gestirns am Himmel ergründen wollte, mithin nicht Achtung hatte auf das, was ihm vor der Nasen lage, fiele er einstens in ein Grub hinein, und verletzte den Kopf dergestalten, daß ihm ein Rädlein darinn zerbrochen, und er also zu einem Narren worden. Dorteu ist einer, der durch das beständige Reimen-Dichten das Hirn verruckt hat. Höret doch, Pater! was er für ungereimte Reimen daher singt. Aber laßt uns weiters gehen: Da sehet ihr, wie dort einer im Winckel sich förchtet, und zittert. Der Narr meint, er seye von lauter Glas. Darum ruft er voller Aengsten: O daß doch niemand an mich stosse! sonsten werd ich zu Trümmern gehen. Dorten geht einer auf einer Spatzier-Laube gantz gravitätisch, und wie ein Spanier, auf und ab, haltend in der Hand einen höltzenen Scepter. Dieser bildete sich ein, er seye ein König, und schickte jährlich über Meer gantze Kriegs-Flotten an welchen die Wohlfahrth von gantz Europa gelegen seye. In diese Narrheit hat ihn gebracht der Ehrgeitz. Er hofte in seinem Dorf Schultheiß zu werden; weilen ihm aber die Hofnung fehl geschlagen, hat er darüber den Verstand verlohren, und ist zu einem Stultus, will sagen zu einem Narren worwen. Aber da kan ich mit Stillschweigen nicht umgehen, euch, mein Pater! [518] einen lustigen Handel zu erzählen. In diesem Häuslein sitzt ein recht boshafter Narr; gehet nur nicht zu nahe hin, sonst därfte es eueren Ohren und Nasen übel ergehen. Es ist nicht gar lang, daß einer von seinen Anverwandten kommen, ihn heimzusuchen, nachdem er innen worden, daß man ihn in dieses Narren-Haus eingesperrt habe. Als man das Fensterlein des Häusleins eröfnet, streckte der Narr den Kopf heraus, und erzählte dem heimsuchenden Anverwandten mit vielem Weinen und Klagen sein Elend: Wie er nemlich wider alle Billichkeit, als ein Narr, in dieses Häusle wäre eingesperret worden, indem er doch mehr Verstand hätte, als diejenige, so ihn für einen Narren hielten. Da müsse er nun unzahlbar viel Elend ausstehen, und seye doch niemand, der ihm ein Wort zum besten rede. Demnach wollte er ihn, als seinen lieben Anverwandten gebetten haben, zu der Obrigkeit des Orts zu gehen, und inständig anzuhalten, daß er doch möchte wiederum auf freyen Fuß gestellt werden. Darfür wollte er ihm Lebenslänglich obligirt seyn. Der Heimsuchende versprache, alles zu thun, was ihm möglich wäre; gienge auch gleich, nachdem er sich beurlaubet, hinweg. Allein der Narr rufte ihm zuruck, und sagte, er hätte ihm noch etwas geheimes in ein Ohr zu sagen. Der Heimsuchende liesse sich bereden; und weil er nichts widriges argwohnete, hielte er den Kopf nochmahlen zu dem Fensterlein, aus welchem der Narr heraus sahe, um also besser zu vernehmen, was ihm dann geheimes ins Ohr wurde gesagt werden. Allein der Narr ergriffe ihn an beyden Ohren, und risse daran so starck, daß der Ergriffene mußte um Hilf ruffen. Worauf wir dann zusammen geloffen, und dem Narren gedrohet, nachzulassen, wann er nicht wollte von uns jämmerlich abgedroschen werden. Da sagte dann der Narr zu seinem Anverwandten: Lerne, lerne, wann du gescheid bist, hinführan mit deinen Ohren nicht mehr so nahe zu einem Narren hinzu gehen, wann du nicht willst, daß er sie dir abreisse. Solches geredt, liesse er ihn gehen, und sagte kein Wort mehr: Sein Anverwandter aber zottelte davon mit Ohren, die nunmehr um ein Spang länger als vorhin waren. Dergleichen Ding erzählte der Alte mit solcher Geschicklichkeit und Ordnung, daß der Pater gäntzlich darfür hielte, er wäre ein recht gescheider Mann, allein indem der Pater sich beurlaubte, und hinweg gienge, da kame ihm entgegen ein schöner holdseliger Jüngling, tragend in der Hand einen Krug, willens aus dem Bronnen, so mitten in dem Hof des Hauses ware, Wasser zu schöpfen. Als der Alte diesen erblickt, rufte er dem Pater nach und sagte: Pater! haltet doch ein wenig still, ich hab euch noch etwas zu sagen. Gedencket doch was dieser Jüngling für ein Narr ist; er bildet sich gäntzlich ein, er seye der Ertz-Engel Gabriel, welcher vor Zeiten Mariä der [519] Jungfrauen die fröliche Bottschaft gebracht, daß sie solle Mutter GOttes werden. Aber das ist bey ihm nichts, als ein leere Einbildung, und Aberwitz, dergleichen niemahl gehört worden; dann ich schwöre euch bey dem hohen Himmel, daß ich der himmlische Vatter seye, und auch dazumahl gewesen seye. Also weiß ich zum besten, ob ich diesen Jüngling zu Maria der Jungfrauen als ein Bottschafter abgeschickt habe, oder nicht. Das ist einmahl gewiß, daß er im Himmel unter denen Englen niemahlen ist gesehen worden; wie darf er sich dann für den Engel Gabriel ausgeben? O wann ich mit seiner Jugend nicht Mitleiden truge! wie wollte ich ihn diesen Augenblick in die Höll hinunter stürtzen! allein genug von diesem. Unterdessen lebet wohl, mein Pater! der Pater gienge davon, und könte sich nicht genug verwundern, wie doch dieser Alte, der vorher so gescheid geredt hatte, sich auf einmahl so weit habe verliehren können, daß er nur gar zu klar an Tag geben, er müsse der gröste aus allen Narren seyn. Cazæus S.J. in piis Hilar. ex P. Carassi la Doctrine curieuse l. 1.


Also giebt es viel Menschen, welche in zeitlichen Sachen Verstand genug haben: Sie wissen zu hausen, sie wissen ihren Vortheil zu machen, sie wissen den Schaden zu wenden. Aber wann sie an ihrer Seelen Heil gedencken, wann sie ihr Gewissen untersuchen, wann sie Reu und Leid über ihre Sünden erwecken sollen, da seynd sie wie die Narren; da haben sie kein Verstand, kein Wissenschaft, kein Ubung. Ihre Gedancken seynd nur gerichtet auf das Zeitliche, nicht auf das Ewige, nur auf die eitle, nicht auf die wahre Güter, nur auf solche Sachen, die zum ewigen Verderben, nicht aber zur ewigen Seligkeit führen. Und O wie groß ist die Zahl solcher Narren! unter solche gehört jener Reiche von Adel, von welchem der Hochgelehrte, und gottselige Cardinal Bellarmin, aus der Gesellschaft JEsu, erzählt, daß, als er diesen auf dem Tod-Beth liegenden Herrn heimgesucht, und ihn ermahnt, Reu und Leid über seine Sünden zu erwecken; dann diese seye in solchen Umständen das eintzige Mittel, die Seligkeit zu erlangen: Es werde auch GOtt ein zerknirschtes demüthiges Hertz nicht verachten: Da fragte jener: Was ist die Reu und Leid? ich weiß nicht was ihr von mir verlangt. Und als der Cardinal sagte: Das verlange ich, daß ihr ein hertzliches Mißfallen erwecket, weil ihr wider GOtt den HErrn gefündiget; und daß ihr einen steiffen Vorsatz machet, wann ihr wiederum solltet aufkommen, ihne nicht mehr zu beleidigen: Daß auch dieses Mißfallen erweckt werde aus Liebe gegen GOTT, der euch so viel gutes erwiesen, welches ihr ihm doch nur mit bösem habt vergolten. Da antwortete der Tod-Krancke; Ich verstehe euch nicht, ich kan diese Sachen nicht fassen; auf welche Antwort hin er bald darauf seinen unglückseligen Geist aufgegeben. [520] Lasse mir das einen der grösten aus allen Narren gewesen seyn, wann er schon im übrigen in weltlichen Sachen eine grosse Klugheit von sich hat spühren lassen.

16. Begebenheit
Sechzehende Begebenheit.
Clotildis, Königin in Franckreich, Wittwenstand, Betrübnuß, und Ableiben.

Diese heilige Königin, so Clodoväi des ersten Königs in Franckreich Gemahlin ware, hatte oftermahlen mit grosser Andacht von GOtt mannliche Erben zu Fortpflantzung der Catholischen Religion begehrt; und obwohlen sie in diesem Fall ein gute Meinung gehabt, hat sie doch aus göttlicher Verhängnuß (welche ihre Auserwählte in dem Feur der Trübsal zu probiren pflegt) an ihren Söhnen ein starckes Fegfeur ausstehen müssen. Sie beflisse sich zwar solche in der Jugend zu aller Andacht und Gottsforcht zu erziehen; weilen sie aber nach des Herrn Vatters (nemlich Clodoväi) Humor mehr zum Kriegen als Betten geneigt, waren, so bald sie erwachsen, und aus der Frau Mutter Zucht und Aufsicht kommen, haben sie solche Händel angefangen, welche Ihro das Hertz in tausend Stuck hätten zertheilen mögen.

Es begabe sich, daß Sigismund König in Burgund, deme Clotildis einen Theil des Reichs erhalten, sich nach dem Ableiben seiner Gemahlin, von welcher er einen jungen Printzen, mit Namen Sigericus, erzeugt hatte, in ein Cammer-Dienerin verliebt hatte, die er auch endlich zur Ehe genommen, wiewohl mit grossem Unwillen Sigerici seines Sohns, als welcher nicht gedulten könnte, daß diese Dienerin in denen königlichen Kleideren seiner verstorbenen Frau Mutter wie ein Pfau sich spreitzte, und spiegelte. Als solches die Dienerin (als nunmehr Sigerici Stief-Mutter) vermerckt, fassete sie einen solchen Haß wider ihn, daß sie sich entschlossen, ihn durch ein falsche Anklag hinzurichten. Klagt ihn alsobald bey Sigismund seinem Herrn Vatter an, als stellete er ihme nach dem Leben: Sigismund mit unordentlicher Liebe und Ehrgeitz damahlen verstrickt, glaubte dieser Schwätzerin ohne weitere Nachfrag, liesse ein stattliche Mahlzeit zurichten, und nachdem er diesem seinem unschuldigen jungen Printzen tapfer mit Trincken zugesprochen, liesse er ihn durch gewisse bestellte Diener in ein Kammer führen, als solten sie ihn auskleiden, und zum Schlaffen befördern, mithin aber erbärmlich erdroßlen, und ums Leben bringen. Nachdem diese Mordthat geschehen, Sigismund aber in sich selbst gangen, und der Sach was bessers nachgefragt, befande er, daß er seinen Sohn unverantwortlicher Weis als einen unschuldigen hätte lassen [521] hinrichten, welches ihme nunmehr hertzlich leid ware: bekennete offentlich sein schweres Verbrechen, und thate darüber sehr strenge Buß; GOtt aber, der gemeiniglich die Sünd zwar nachlasset, ihme aber die Straf vorbehaltet, liesse ihm durch seinen nächsten Bluts-Verwandten das Reich samt dem Leben benehmen, allen denenjenigen zu einem Exempel, die sich von unordentlicher Liebe und Ehrgeitz verblenden lassen.


Die Erben Clodoväi (die Söhn Clotildis) hatten allbereit das Reich unter einander vertheilt; weilen aber ihrem Sinn nach solches zu eng ware, gedachten sie selbiges so weit zu erstrecken, als sie mit ihren Waffen gelangen möchten. Dahero, als Clodomirus der Erstgebohrne die Beschaffenheit des Burgundischen Reichs verkundschaftet, bezoge er selbiges mit einem grossen Kriegs-Heer; und weilen er einen schlechten Widerstand funde, bemächtigte er sich dessen mit leichter Mühe, bekame Sigismundum gefangen, und führte ihn mit sich zuruck nach Orleans. Entzwischen hielte sich Godemarus ein Bruder Sigismundi mit etlichen Regimenteren in denen Bergen auf, und als er vermerckt, daß die Frantzosen zuruck gezogen, und ein kleine Guarnison hinterlassen, überfiele er sie, schluge sie aufs Haupt, und machte sich zum König. Als solches Clodomirus verstanden, liesse er alsbald vor grossem Grimmen Sigismundum samt seiner Gemahlin und Kinderen, die er von ihro erzeuget, enthaupten, und dero todte Leiber in ein tiefen Brunnen werfen; zoge mit seinen Völckeren eilends auf in Burgund, selbiges ihme auf ein neues unterwürfig zu ma chen. Die Burgunder, als sie dessen Bericht bekommen, zogen ihme entgegen, passeten ihme auf, und als sie ihn in einem Scharmützel unbekannter Weis niedergemacht, im Ausziehen aber der Kleideren an seinem langen Haar erkannt, haben sie ihm das Haupt abgeschlagen selbiges auf eine Lantzen gesteckt, und seinem Kriegs-Heer für ein Schauspiel vorgewiesen; hierauf aber den Weeg wiederum zuruck genommen.

Dieser leidige Fall betrübte diese fromme Königin Clotildem sehr, weilen sie diesen Erstgebohrnen Clodomirum mit sonderbarer Sorg auferzogen; vornemlich aber, weilen sie vernommen, daß er also grausam mit Sigismundo, und denen seinigen verfahren, und darauf unversehener Weis ums Leben kommen wäre. Darum sie nicht wenig seiner Seeligkeit halben in Sorgen stunde: Sie tröstete zwar sich selbst, als viel ihr möglich, und bewafnete sich wider andere dergleichen Zuständ, welche sie vorsahe.

Clodomirus hinterliesse drey junge Printzen in einem sehr zarten Alter, diese nahme die heilige Clotildis zu sich, damit sie solche in aller Frommkeit und Tugend möchte auferziehen. Vornemlich aber, weilen sie sahe, daß sie gute Naturen, und bishero einen guten Grund zu der Frommkeit gelegt [522] hatten. Dannenhero sie ein grosse Hofnung auf sie setzte, als welche die Catholische Religion, so von Clotilde mit grosser Mühe in Franckreich gepflantzet worden, erhalten solten. Indeme sie aber mit solchen Gedancken umgienge, machten ihnen Childeberrus und Clotarius, ihre Söhne gantz andere; indem sie muthmasseten, ihre Frau Mutter unterstunde sich diese junge Encklen in dem Reich vorzuziehen. Dannenhero sie sich aus teuflischer Eingebung und grossem Ehrgeitz entschlossen solche mit guter Gelegenheit aufzureiben, und aus dem Weeg zu raumen. Die unschuldige junge Printzen hielten sich bey ihrer Anfrauen Clotildis als junge Hüntein unter denen Flüglen der Bruthennen auf, die allen Fleiß anwendete, damit sie ihro nicht zu weit aus denen Augen kämen, und unter Böse gerathen möchten. Diese sonderbare Sorg ware vorgemelten zweyen Brüderen wohl bekannt, dahero sie unter dem Schein, ihren Encklen ein Recreation zu machen, solche auf eine kleine Zeit von ihrer Clotilde zu sich begehrt. Die fromme Königin, so ihro die grausame Mordthat, welche sie an ihnen vollziehen wolten, nicht einbilden könnte, bewilliget es ihnen, aus Beysorg, wann sie ihnen solches abschluge, sie möchten darüber entrüstet werden: Jedoch empfande sie alsbald darüber einen innerlichen Schröcken.

Die unschuldige Printzen giengen mit lachendem Mund gleichsam als drey junge Lämmlein zu dem Schlachtbanck, in der Hofnung, sich bey ihren Herren Vetteren, von welchen sie also freundlich eingeladen worden, lustig zu machen. Diese eitle Freud aber ward alsbald verkehrt in ein grosses Leid; dann so bald sie denen grausamen Tyrannen unter die Händ kommen, schickten sie einen Diener mit einem Dolchen, und einer Scheer zu ihrer Frau Mutter, der Heil. Clotilde ab, welcher sie befragen solte, was ihr lieber wäre, ihre drey Encklen tod, oder wie Mönchen geschoren zu sehen.

Auf welches die gottselige Königin gantz erschrocken geantwortet: Ich will sie lieber todt, als geschorne Mönchen sehen. Diese Antwort haben ihr etliche übel ausgelegt, und darfür gehalten, sie wäre aus einem Ehrgeitz angetrieben worden, als hätte sie diese junge Printzen ihren eigenen Söhnen in dem Reich vorziehen wollen: Welcher aber diese Wort recht erwegen, und nach Meinung der heiligen Clotildis verstehen will, wird befinden, daß sie habe andeuten wollen, man solle diese junge Printzen nicht wider ihren Willen in einen geistlichen Orden zwingen, sie wolle lieber, daß solche wohl sturben, als in einem geistlichen Stand übel lebten. Der Diener, so seiner Herren Neigung wohl wußte, brachte ihnen diese Antwort zuruck, nicht aber ohne erdichteten Zusatz, welcher das grausame Vorhaben mercklich beförderte.

Clotarius, als wäre er vom Teufel besessen, ergreift Theobaldum den Erstgebohrnen Printzen, wirft ihn auf den Boden, und stosset ihme den Dolchen, [523] den er darzu gerüstet, durch den Leib. Als solches Guntarus der andere junge Printz sahe, warfe er sich Childeberto seinem Vettern zu Füssen, wendete sich mit einem erbärmlichen Geschrey zu ihm, umfienge seine Knie, und sprach: Ach Herr Vetter! erhaltet mich doch bey dem Leben? ach! was hab ich verschuldet. Childebertus zitterte, und seufzete über solche Wort dermassen, daß, obwohlen er zu dieser Mordthat den Anschlag gegeben, zum Mitleiden bewegt wurde. Dannenhero er seinen Bruder gebetten, er wolte weiters nicht fortfahren. Clotarius aber grimmiger als ein Tigerthier gabe ihm zur Antwort: Wie Bruder! wilst du mich an dieser That anjetzo verhindern, zu welcher du selbst den Anschlag gegeben hast. Stosse ihn alsbald hinweg, oder ich durchstosse beyde mit einander. Childebertus ab solcher Grimmigkeit erschrocken, stoßt das arme Herrlein von sich hinweg, und übergiebt es diesem Hencker, welcher selbiges ohne alle Erbärmnuß alsbald erdroßlet hat.


Unter diesen jungen Herrlein ware Clodoaldus der jüngste von einem guten Freund des Clodomiri heimlich entzogen, und in einen geistlichen Ordens-Stand gebracht, in welchem er zu solcher Vollkommenheit gelangt, daß er alle Scepter, Cronen und Eitelkeiten dieser Welt (von welcher bishero ein unzahlbare Menge der Menschen unter falschen Schein zeitlich und ewig betrogen worden) mit grosser Starckmüthigkeit williglich verachtet, und dardurch würdig worden allhier in dieser Welt als ein Heiliger verehrt, und in dem Himmel ewig gecrönt zu werden. Und dieser ist der heilige Claudius, der nicht weit von Paris noch zu unseren Zeiten verehret wird.


Wer mag ihme nun die grosse Schmertzen, so die betrübte Clotildis empfunden, als sie diese unmenschliche That ihrer ungerathenen Söhnen vernommen, nach Genügen einbilden? in Bedencken, daß diese heilige Königin einen unaussprechlichen Haß auch wider die mindeste Sünd hatte; anjetzo aber sehen mußte, daß sich diese ihre Söhn also schwerlich vergriffen, und die göttliche Majestät also sehr beleidiget hatten. Obwohlen aber ihro solche leidige Zuständ tief zu Hertzen giengen, erhielte sie doch die innerliche Ruhe des Gemüths, ergabe sich in den göttlichen Willen, und erkennte seine wunderbarliche Vorsichtigkeit. Sie selbst begabe sich an den Ort, allwo diese grausame That verübt worden, legte die Leiber der unschuldigen Kinder zusammen, damit sie ehrlich begraben wurden, und sprach: Ach liebe Kinder! ich beweine eueren Tod nicht so sehr, weilen ihr in euerer Unschuld, wie der gerechte Abel von dieser Welt zu den himmlischen Freuden verhoffentlich zu eurem Anherrn gefahren; sondern vielmehr die unverantwortliche Mordthat euerer nächsten Bluts-Freunden, welche euch also erbärmlicher Weis als gottlose Cain und Herodes haben hingericht. Sie mögen sich nun befinden, wo sie wollen, [524] so wird ihnen der nagende Wurm ihres lasterhaften Gewissens eine schlechte Ruhe lassen. Sie sollten aufs wenigst ihrem lieben Herrn Vatter mildseeligster Gedächtnus solche Unehr nicht angethan, eueren zarten Gliederen, und unserm hohen Alter verschont haben. Oder wann sie diese grausame Mordthat haben vollziehen wollen, hätten sie solches in meiner Gegenwart thun sollen, auf daß ich zum wenigsten euere Aeugelein beschliessen, euch zusprechen, und euere letzte Wort hätte aufzeichnen mögen. Ach! ich hab nicht vermeynt, daß, als ihr vor wenig Stunden bey mir Abschied genommen, es das letztemahl seyn wurde. Man hat euch gewaltthätiger Weiß ehender in die andere Welt geschickt, als ihr die Boßheit dieser erkennt habt. Darum ihr glückseelig, und auf Erden aller Trübseeligkeit enthebt seyd; Lasset mich als euer betrübte Anfrau befohlen seyn, auf daß ich euch mit der Begräbnus die gebührende Ehr anthun möge. Auf diese Wort liesse sie die Begräbnus ihres Herrn Gemahls eröfnen, und als sie ihn noch unverweesen befunden, fienge sie an starck zu weynen, und sprach: Ach! hochgeehrter Herr Gemahl, wie sehr habt ihr mich in diesem Leben geliebt; ach wann wollet ihr mich einmahl zu euch beruffen? hier sehet ihr euere Encklen, welche in ihrer Unschuld mordthätiger Weiß von ihren nächsten Bluts-Befreundten unseren Söhnen hingerichtet worden. Ach wie glückseelig seyd ihr, daß ihr vor einem so erbärmlichen Schauspiel eueren Abtritt von dieser Welt genommen habt. Meine Sünden seynd allein die Ursach, daß mir GOtt also lang das Leben fristet, damit ich solche durch dermassen grosse Schmertzen abbüssen, die ich mir niemahlen hätte einbilden können. Ich will sie noch weiters mit Gedult übertragen, so lang es ihme wird gefällig seyn.


Diese Heil. Königin verharrete gleichsam Tag und Nacht bey dieser Begräbnus, damit sie aber solchen grossen Schmertzen in etwas mildern, und GOtt ihrem HErrn desto besser dienen möchte, hat sie sich endlich entschlossen, den königlichen Hof zu verlassen, und sich nacher Touron zu dem Grab des Heil. Martini zu begeben, allwo sie vielmehr ein Englisches als menschliches Leben zu führen angefangen. Obwohlen aber die grosse Glückseeligkeiten einen Menschen, so in der Gottesforcht wohl gegründet ist, nicht leichtlich stürtzen mögen, verändern sie doch bisweilen denselben, und machen ihn in etwas empfindlich. Dann gleichwie ein Immlein in dem Hönig, so es gemacht, nicht also behutsam kan umgehen, daß es nicht bisweilen die Flügelein darein fallen lasse; also auch geschiehet es nicht leicht, daß ein fromme GOtt-lieben de Person lang in zeitlichen Ehren und glückseeligen Stand lebe, und darab nicht ein eyteles Wohlgefallen und sinnliche Ergötzlichkeit bisweilen empfinde; so bald aber sie mit einer Wiederwärtigkeit heimgesucht wird, [525] gehet sie in sich selbsten, lernt sich erkennen, und suchet in dem innersten Kämmerlein ihres Hertzens GOtt den HErrn.


Auf solche Weis verhielte sich die H. Clotildis, nachdem sie den Hof verlassen, und sich in ein Einöde begeben, allwo die Berg und Thäler, Flüß und Wälder sie zu dem Lob GOttes ermahneten. Dieses Leben kame ihr nach einer solchen Unruhe, in welcher sie sich bey Hof befande, nicht anderst vor, als das Himmel-Brod, dessen sie in der Stille mit grosser geistlicher Ergötzlichkeit genosse. Sie redete allda mit ihrem Schöpfer, gleichsam wie Moyses, von Angesicht zu Angesicht, und reinigte ihre Seel mit steten Zäheren, damit sie destoweniger in der andern Welt abzubüssen hätte.


Diese gottseelige Königin, so vor diesem ihrem Stand gemäß in Silber und Gold aufgezogen, gienge jetzt in einem wollenen Rock daher; die zuvor von dem Glantz der Edelgesteinen scheinte als die Sonn, hatte jetzt ihren Lust in denen Buß-Kleyderen; die sich zuvor beflissen ihre natürliche Schönheit zu behalten, damit sie ihrem Herrn Gemahl gefalle, schiene jetzt vor strengen Bußwercken gantz eingefallen, und ungestaltet; die vorhin zu Hof gewöhnlich mit königlichen und Fürstlichen Personen handlete, hatte jetzt ihre Ergötzlichkeit mit Wittfrauen, Waisen, und Armen; gienge gewöhnlich zu Fuß in die Kirchen, es wäre dann Sach, daß ihr solches die Leib-Artzten wegen Schwachheit des Leibs verbotten. Dero zuvor viel Hof-Herren und Damen stets auf den Dienst warteten, lage jetzt schier ohne Unterlaß bey denen Füssen der Armen, welchen sie als Eben-Bilderen GOttes Gutes thate. Die sich zuvor der königlichen Einkünften annahme, beraubte sich anjetzo auch der nothwendigen Sachen, damit sie denen Dürftigen möchte zu Hülf kommen. Die zuvor ihre Ergötzlichkeit in Erbauung schöner Palläst gehabt, richtete anjetzo, so viel ihr möglich war, Kirchen und GOttes-Häuser auf. Diese Heil. Fürstin schiene damahlen gleich dem Mond, wann er in der Finsternus steht, dieweilen sie gegen der Erden gantz dunckel und verfinstert war; gegen dem Himmel aber nur desto mehr schimmerte und glantzte.


Indeme sie dieser süssen Ruhe genosse, kame ihr abermahl ein leydige Zeitung, die sie wider nach Hof berufte, damit sie den Mißverstand, der sich zwischen ihren zweyen Herren Söhnen erhoben, und in einen gefährlichen Krieg ausbrechen wollte, stillen und aufheben sollte. In dieser neuen Trübsal verfügte sich die so sorgfältige Mutter zu der Begräbnus des Heil. Martini, und sprach mit heissen Zäheren: mein GOtt und HErr! dir ist mein Hertz bekannt, daß ich nicht aus Forcht der Arbeit, noch Mangel des Hertzens mich von Hof begeben, sondern allein, weil ich ein Mißfallen ab dem üblen Verhalten meiner Söhnen[526] hatte, denen ich kein anderes Mittel zu helffen wußte, als das Gebett, so ich für sie zu verrichten im Sinn gehabt; Dannenhero liege ich allhier vor der Begräbnus eines von deinen grösten Heiligen, und bitte dich durch seine gröste Verdienst, du wollest dich über meine ungerathene Söhn erbarmen, sie vereinigen, und Gnad verleyhen, damit sie ihren Fehler erkennen, alle Gewaltthätigkeit abstellen, und die Unterthanen im Frieden regieren. Wann es dein göttlicher Will ist, daß ich mich wider nach Hof begeben, und sie vereinbahren solle, will ich dieses von Hertzen thun, und mich zu deiner Ehr, und allgemeinem Ruhstand des Reichs aufopffern, weilen ich aber vernünftig vermuthe, ich werde in dieser Sach durch mein Gegenwart wenig ausrichten, bitte ich dein unermessene Güte, du wollest allhier mein Gebett aufnehmen, und mich an diesem Orth zu deinem Dienst erhalten.


Höchlich ist es zu verwundern, daß (wie von männiglich beobachtet worden) zu der Zeit, in welcher die Königin diesem Gebett oblage, beyde Söhn und König, so allbereit zu Feld gezogen, ihre Absehen geändert, Bottschaften zueinander geschickt, die den Frieden behandlen sollten, welcher auch damahlen im Feld beschehen, und ausgeruffen worden, worauf beyde Kriegs-Heer ohne Blutvergiessung und mit allem Vergnügen wieder nach Haus gezogen. Als solches die Heil. Clotildis vernommen, danckte sie GOtt, und fuhre in ihrer Weis zu leben bis in ihr hohes Alter beständig fort. Endlich aber, als sie durch ein Offenbahrung den Tag ihres Ableibens erkannt, berufte sie ihre zwey Söhn Childebertum und Clotarium zu sich. Unter diesen beyden ware Clotarius der grausamste; dahero er auch vom Pabst Agapeto wegen vielen grossen Verbrechen gezüchtiget worden, als welcher ihme ein offentliche Buß auferlegt hat; Nachdeme sie nun beyde ankommen, redete sie Clotildis mit folgenden Worten an.


Ich war beynahe Willens ohne euer Vorwissen aus dieser Welt zu scheiden, nicht zwar, daß ich einen Widerwillen gegen euere Person trage, sondern wegen etlichen Verbrechen, welche ohne Buß nicht mögen gerechtfertiget werden. GOtt weiß es, daß, obwohlen ihr den gebührenden Respect, den ihr mir aus natürlichem Gesatz schuldig waret, beyseits gesetzt, ich doch niemahlen mein mütterliches Hertz von euch abziehen hab mögen, welch es ich auch mit mir bis in das Grab tragen will. Ich hab euch zwar vor euer Geburt oft und starck von GOtt dem HErrn hegehrt, weilen ich aber in diesem Fall etwas ungestümmer gewesen, hat er mich billich hernach gezüchtiget. So kan ich mir auch nicht einbilden, daß jemahlen ein Mutter solchen Fleiß in Erziehung ihrer Kinder angewendet habe, als ich mit euch, damit ihr einmahl dem Reich mit Ehren und Nutzen vorstehen möchtet. Ich hatte die [527] Hofnung, daß wann ihr mit der Zeit zu euerem Verstand kommen wurdet, ihr solche Gutthaten mit Danck erkennen; vornemlich aber nach dem schmertzlichen Hintritt eueres Hochgeehrten Herrn Vatters mildseeligster Gedachtnus, ihr mir ein Trost in meinem Wittibstand und hohen Alter seyn wurdet. Allein in diesem habt ihr mich sehr betrogen, indem ihr euch dermassen vergriffen, daß ich es lieber stillschweigend übergehen, als die alte Wunden erneuern will.


Ihr habt euch unterstanden euer Reich durch den Raub anderer Völckeren zu vermehren, und euern Thron mit der Mordthat euerer nächsten Blutsfreunden zu befestigen; in diesem aber grob gefehlt, dieweil ihr in dem ersten wider alle Billichkeit, in dem andern aber wider das Gesatz der Natur gesündiget. Ich bezeuge anjetzo, indem ich den gefährlichen Weeg zu meinem Schöpfer und Richter antrette, ihme von allen meinen Wercken Rechenschaft zu geben, daß ich lieber wollte an euch zwey arme fromme Bauren, als lasterhafte König erzogen haben. Sehet ihr nicht, daß die köstliche Edelgestein an euern königlichen Cronen wegen euerer unmenschlichen Grausamkeit ihren Glanz verlohren? Wann ihr einmahl in diesen Stand werdet gerathen, in welchem ich mich anjetzo befinde, was wird euch euer Purpur-Kleyd, so ihr mit unzahlbaren vielen Lastern bemacklet habt, nutzen, als daß ihr es mit einem andern verwechslet, aus welchem aller Orthen die erschröckliche höllische Flammen häuffig herfür brechen, welches euch so wenig verzehren, als die Ewigkeit ein End nehmen wird.


Derohalben ihr meine liebe Herren Söhn, gehet um GOttes Willen in euch selbst, erkennet einmahl euere grobe Verbrechen, thut wahre Buß, und kehret wieder auf den rechten Weeg, welchen ihr verlassen habt. Nehmet ein Exempel ab euerem Herrn Vatter mildseeligsten Angedenckens, was massen ihm die göttliche Vorsichtigkeit sein Reich erweitert, erhalten, und befestiget hat. Sehet hingegen die unglückseelige Könige, unsere Blutsverwandte, was gestalten sie der ihrigen entsetzt worden, weilen sie nemlich denen Sünden und Lasteren ergeben waren. Der kleine Schatten wahrer Andacht, welchen ihr noch behalten, hat bishero die göttliche Rach, so euch gleichfals euer Reich entziehen wollen, ingehalten; wofern ihr aber von euerm unbußfertigen Leben nicht werdet abstehen, wird sie der Gerechtigkeit den Lauf lassen, weilen ihr die Barmhertzigkeit so oft verachtet habt.


So wäre dann endlich dieses mein Rath, daß ihr euch wieder miteinander brüderlich vertragen, und in guter Verständnus leben sollet: dann wann ihr mit dem Hertz entzweyet seyd, wird euer Reich nicht lang bestehen mögen. Ertheilet eueren Unterthanen die Gerechtigkeit [528] beschweret sie nicht mit neuen Anlagen, und erhaltet sie im Frieden. Hiemit nimme ich von euch den Abschied; lasset euch in euerem Gebett meine Seel befohlen seyn, den Leib aber legt in die Begräbnus eueres Herrn Vatters: dieses ist mein letzter Will.


Indeme die Heil. Königin ihren Söhnen also zusprache, sahe sie, daß selbige, die sonst härter als ein Marmel-steinene Saul zu bewegen waren, anfiengen bitterlich zu weynen, und sie ihro gern wolten antworten, solches aber wegen Uberfluß des Schmertzens, und der Zäheren nicht konten: aufs wenigist knyeten sie bey dem Beth nieder, kußten ihr die Hand, und nahmen also von ihr den Abschied. Hierauf liesse sie den Fürhang zwischen ihnen, und allen weltlichen Sachen vorziehen, damit sie desto ruhiger allein mit GOtt ihrem HErrn handlen möchte; und als sich die Schwachheiten vermehrten, thate sie mit halb-gebrochener Stimm die Bekanntnus des wahren Catholischen Glaubens, und bezeugt, daß sie in diesem sterben wolle. Alsdann begehrt sie die Heil. Communion, und letzte Oelung, welche sie mit gröster Andacht empfinge. Die übrige kurtze Zeit ihres Lebens brachte sie in dem Gebett und Lob GOttes zu. Endlich überantwortete sie ihre H. Seel ihrem Schöpfer den 13. Tag des Brachmonats um die erste Stund in der Nacht, indem sie jenen Versicul aus dem 24. Psalmen Davids sprache; zu dir, O HErr! hab ich meine Seel erhebt: mein GOtt! auf dich vertraue ich, lasse mich nicht zuschanden werden.


Die Histori meldet, daß die Kammer in welcher sie verschieden, alsobald mit einem grossen Liecht erfüllet worden, und ihr Leichnam einen sehr lieblichen Geruch von sich gegeben habe, woraus die Anwesende ihre grosse Heiligkeit abgenommen. Sie wurde nach ihrem Begehren neben ihrem Herrn Gemahl zu denen Füssen der H. Genovevä beygesetzt, welches sie für eine grosse Gnad erkennt, daß sie ihre Ruhestatt bey einer solchen Heiligen haben möchte. Ihre Gedächtnus wird in gantz Franckreich sehr ehrlich gehalten, und von dem gemeinen Volck unter dem Nahmen der Heil. Glothen verehrt. Caussinus in seiner Heil. Hof-Haltung, anderten Theil, 4. Buch, 9.Cap.


Aus diesem allem haben die Elteren zu ersehen. 1. Wie sie sich mit Clotilde in leydigen Zuständen in dem göttlichen Willen ergeben, und seine wunderbarliche Vorsichtigkeit erkennen sollen, wodurch sie die innerliche Ruhe des Gemüths erhalten werden. 2. Wann ihre etwann ungerathene Kinder weder um gute, noch ernsthafte Wort etwas geben wollen, kein kräftigeres Mittel seye, als selbige in dem Heil. Gebett GOtt eyserig anbefehlen, und inständig bitten, daß er ihren bösen und erharteten Willen [529] durch sein kräftige und alles vermögende Gnad erweichen, und zum Guten neigen wolle. Und da muß man nicht aussetzen, bis man von GOtt erhört wird; die Beständigkeit des Heil. Gebetts bringt alles zu wegen.

Anmerckung.

Clotildis ware ein Encklein Gundebaldi Königs in Burgund, welcher ihren Herrn Vatter Chilpericum und dessen Gemahlin grausamst hatte hinrichten lassen, da Clotildis noch ein zartes Jungfräulein war. Wann sie nun an den Tod ihrer lieben Elteren gedachte, könte sie sich zwar der bitteren Zäheren nicht enthalten, doch fande sie keinen grösseren Trost, als in den 5. allerheiligsten Wunden unsers lieben HErrn.

Mein GOtt und mein HErr! sprache sie, ich erkenne, und lobe deine göttliche Vorsichtigkeit, die mich in diesem Alter, in welchem andere Jungfrauen auf denen Rosen pflegen spatziren zu gehen, mit Gallen und Wermuth vätterlich abspeiset. Du hast gar wohl erkennt, daß mein Ubermuth auf ein solche Weiß solte abgestraft werden, damit ich deiner unendlichen Gerechtigkeit genug thäte. Meine Augen schwimmen ohne Unterlaß in den Zäheren wegen der grausamen Mordthat, so an meinem Herrn Vatter und Frau Mutter verübt worden; und obwohlen ich alle Nächt gantze Bäch der Zäheren vergiesse, mag doch deren nicht ein eintziges Tröpflein ihre Leichnam berühren. Dein Nahm, O HErr! werde zu jederzeit geheiliget: von dir begehre ich allein Kraft und Stärcke, damit ich dieses, was du billich über mich verhängest, mit Gedult über tragen möge. Es will sich nicht geziemen, daß ich in dieser Welt ohne Creutz lebe, weilen ich siehe, daß dein gantzes Leben ein immerwährendes Creutz gewesen. Man spricht mir zwar zu, ich solle des Leyds vergessen, und mich nach der Welt-Lauf fröhlich machen: wie ist es aber möglich, daß ich neben den Babylonischen Wasser-Flüssen die Freuden-Gesang des himmlischen Jerusalems singe. Dannenhero ich all mein Freud und Ergötzlichkeit in dieser Welt bey denen Füsse meines gecreutzigten HErrn suche, und bekenne, daß ich die übrige Zeit meines Lebens allein nach seinem allerheiligsten Willen beschliessen möge.

Ach was für Wort von einem zarten Jungfräulein! mit was Verstand, Demuth und Resignation begleitet! mit Gold und nicht mit Dinten verdienen sie geschrieben zu seyn.

17. Begebenheit
[530] Siebenzehende Begebenheit.
Boetii Leben, Gefangenschaft, und Tod.

Boetius ein Zierd des Römischen Reichs hat diesen Ehren-Titul, daß er bey Leb-Zeiten die freye Künsten über sich gebracht, und die Römische Hoheit mit sich in das Grab getragen. Er ware aus dem hochadelichen Geschlecht der Manliorum, so vor uralten Zeiten die Vornehmste in der Stadt Rom waren, gebohren; auch mit Reichthum und zeitlicher Wohlfahrt auf das beste versehen: er hatte einen solchen Verstand, daß sich ob ihme alle Kluge auf das höchste verwunderten: sein Wandel ware so unschuldig, daß er billich einem köstlichen Perlein ohne Mackel zu vergleichen. Kurtz zu sagen: Boetius ware wegen seinen vortreflichen Eigenschaften bey jedermann in solchem Ansehen, daß nicht leichtlich einer nach Erbauung der Stadt Rom ihme in der Ehr, Geschicklichkeit und Tugend gleich gewesen. Er ware von dem Römischen König Theodoricus nicht allein das drittemahl zu dem Römischen Burgermeister-Amt erhoben, sondern auch seine junge Söhn durch eine sonderbare Gnad von gemeldtem König mit dem Titul der Burgermeisteren begabt worden. So bekennt auch Boetius selbst, daß, wann man je von den zeitlichen Ehren ein Freud schöpfen möge, er Ursach genug darzu habe; indem er seine 2. Söhn in einem Triumph-Waagen, mit Begleitung des gantzen Römischen Raths, und Frohlockung des Volcks sahe in der Stadt herum fahren. Eben an diesem Tag bedanckte er sich gegen dem König vor allen Römischen Raths-Herren wegen der grossen Ehr, so er seinen Söhnen, und gantzen Stammen angethan, dermassen zierlich, daß ihme Theodoricus alsbald ein goldene Cron als dem König der Wohlredenheit aufsetzen liesse. Gleichermassen sagte er auch Danck dem Römischen Volck; indeme er mitten unter zwey neuen Burgermeisteren auf dem grossen Platz erschienen, und ihme zur Erkanntnus solcher allgemeinen erwiesenen Ehr unterschiedliche Schanckungen austheilete. Die Freud ware bey ihme so groß, daß ihme die Zäher häuffig über die Wangen herab gerönnen.


Die grosse Glückseeligkeit vermehrte seine Gemahlin, welche eine aus denen klugsten und tugendhaftesten Römischen Matronen ware, so jemahlen in Rom gefunden worden. Damit Boetius solche kürtzlich wohl beschreiben möchte, sprache er: sie seye ihrem Herrn Vatter Simmachus in allem gleich gewesen: von welchem er sie als ein köstliches Kleynod zur Ehe bekommen. Dieser Simmachus ware dazumahlen ein Römischer Raths-Herr im hohen Ansehen, [531] und wegen seiner sonderbahren Tugend und Klugheit die Zierde des Römischen Reichs genannt. Wann aber einer der Menschen und zeitlichen Ehren Unbeständigkeit aus keinem anderen Zeichen könte abnehmen, wurde ihm diese Histori eine genugsame Unterweisung geben. Dahero unser Leben billich einem Schif gleich, so ohne Unterlaß von den Wasser-Wellen hin und her getrieben; endlich aber von einem Sturm-Wind an einen Felsen geworffen, und zu Trümmeren geschlagen wird. Dann weilen Theodoricus sahe, daß Boetius wie die Morgen-Röthe im Römischen Reich aufgienge, fienge er an, ihne mit schelen Augen anzusehen. Und weil er diesem Mann an Klugheit nicht gewachsen ware, faßte er wider ihn ein Mißtrauen, und zoge erstlich an sich zwey Fremdling, mit welchen er hinführan alle Geheimnussen seiner Regierung auskochte; die er auch deswegen zu denen vornehmsten Aemteren der Stadt Rom erhebte. Und diese waren Conigastus, und Trigilla, beyde Ehr- und Geld-geitzige Männer, so des Königs Nahmen bey jedermann sehr verächtlich, und verhaßt gemacht; und mithin alles Unheyl nach sich gezogen. Fürs andere liesse Theodoricus durch Anstiftung dieser beyden die gewöhnliche Reichs-Anlagen vermehren, und mit grosser Ungestimme einfordern. Fürs dritte hefahle er in einer grossen Hungers-Noth alles Getreyd, so um die Stadt Rom erwachsen, auf die Königliche Kösten, zu Unterhaltung der Soldaten zu liefern; für welches er einen sehr geringen Werth bezahlte. Endlich liesse er die vornehmste, vermöglichste Herren des Römischen Raths unter dem Vorwand, als hätten sie sich wider ihro königliche Majestät mit Worten vergriffen, ihrer Haab und Güteren berauben.


Es unterstunde sich zwar Boetius Theodoricum wider auf den rechten Weeg zu bringen; weilen er aber befande, daß er keiner heylsamen Ermahnung fähig, wolte er damahlen seine Ehr und guten Nahmen an seiner Person nicht verliehren, sondern fienge an wie ein brüllender Löw wider die Weis und Manier so zu Hof gehalten wurde, zu reden; bevor aber denen schädlichen Anschlägen gedachter zweyen geheimen Räthen sich mannlich zu widersetzen. Wordurch er genugsam zu erkennen gabe, daß er willig und bereit seye für die Beschützung der Gerechtigkeit Leib und Leben aufzusetzen. Trigilla, so des gantzen Reichs in zeitlichen Sachen Verwalter, und Thodorici Abgott war, unterstunde sich zwar solche verübte Unbillichkeiten, insonderheit aber das Getreyd betreffend, mit einer klugen Vorsichtigkeit zu beschönen; Boetius aber widerlegte ihm solche offentlich, erklärte die äusserste Noth der Stadt und Landen, begehrte auch dessenthalben bey dem König Audientz, damit er ihm diese persönlich vortragen möchte.


[532] Theodoricus, in welchem noch ein Funcken der Billichkeit glostete, wolte in diesem Fall nichts an seinem Amt erwinden lassen: entschlosse sich demnach Boetium und Trigillam in seinem Zimmer über diesen Puncten streitten zu hören; unter welchen Boetius die Unbillig- und Ungerechtigkeit dermassen mit klaren und unwidersprechlichen Ursachen erweisete, daß Theodoricus ihme beygefallen, den Befehl aufgehebt, und den zugefügten Schaden zu erstatten befohlen hat, welches Trigillä samt seinem Gesellen Conigasto über die massen empfindlich vorkame. Dahero sie auf eine neue Weis gedachten den König noch mehr wider Boetium und den gantzen Römischen Rath zu verhetzen. Aus dieser Ursach wurden Paulinus und Albinus zwey edle Raths-Herren, so hohe und ansehnliche Aemter mit grossem Lob verwaltet haben, wegen dieser zweyen falschen Anklag, sehr unbillich gehalten. Als derohalben Boetius sahe, daß die Gewaltthätigkeiten täglich überhand nahmen, und die Sach so weit kommen, daß er länger nicht mehr schweigen solle, redet er Theodoricum vor dem gantzen Römischen Rath behertzt auf folgende Weis an:

Durchläuchtigster König, Allergnädigster Herr!

Wir befinden uns, leyder! in einer solchen Zeit, in welcher es leichter zu schweigen, als von der Beschaffenheit des Reichs (ohne daß man etliche Personen verletze) etwas fürzubringen ist; inmassen mir nicht unbewußt, daß der Vortrag, so von mir oder einem anderen des gemeinen Weesens Wohlstands Liebhabenden an diesem Ort geschehen möchte, denenjenigen verdächtlich vorkommen werde, welche uns auch unsere Gedancken bey Ihro Majestät übel auslegen. Unterdessen muß man bekennen, daß es sehr schwer falle, bey gegenwärtigen Reichs-Stand still zu schweigen; weilen uns die Natur zu keinen Crocodillen gemacht, welche zwar Augen zu weinen, aber keine Zungen zu klagen haben.


Wann ich die Beschaffenheit des Römischen Reichs bey mir erwege, befinde ich, daß dieses jetziger Zeit schier alle Zierd und Vollkommenheit verlohren, und nichts als den blossen Nahmen behalten; daß wir auch in diesem allgemeinen Anligen (welches wir alle samtlich solten nach bestem Vermögen aufheben) nichts anders thun, als was gewöhnlich zur Zeit eines gefährlichen Wetters zu geschehen pflegt; indeme ein jeder allein für sich bittet, damit sein Hauß von dem Donnerstreich nicht getroffen werde, gehe es unterdessen anderen, wie es wolle. Also sehen wir, daß viel Herren des Raths, welche wegen ihren tragenden Pflichten die Gerechtigkeit mit Worten und Wercken solten handhaben, sich mit deme begnügen, wann sie durch ein schädliches Stillschweigen bey ihren Ehren und Güteren verbleiben mögen; leyde und [533] übertrage unterdessen der arme Mann und das gemeine Weesen, was sie wollen.


Meine Person belangend, weil ich durch GOttes Gnad aus solchem Stammen gebohren, der allem Schmeichlen abhold, und mich in solchem Amt befinde, in welchem mein Stillschweigen dem gemeinen Wohlstand schädlich seyn möchte, will ich mich befleissen meinen tragenden Pflichten ein Genügen zu thun, und mein Gutachten unverholen eröfnen: Damit ich aufs wenigst den Schatten der alten Römischen Freyheit erhalte, wann ich je die Billich- und Gerechtigkeit, so jetziger Zeit schwerlich bedrängt wird, nicht kan erlangen.


Wann ich diejenige glückselige Zeit, in welcher Ihro Königliche Majestät die Verwaltung des Römischen Reichs, zu welcher sie nicht ohne sonderbares Miracul beruffen worden, angetretten, bey mir selbsten was tiefers zu Hertzen führe, befinde ich, daß solche weit entwichen; dann ich mir nicht einbilden kan, daß jemahlen unterschiedliche Metallen durch das Feuer besser miteinander vermischt worden, als wir aus unterschiedlichen Landen damahlen durch die Lieb vereiniget waren. Was ware dies für ein Einhelligkeit? was für eine Vergleichung unter denen Ständen? wie fleißig nahme man die Gesätz in Obacht? wie gutwillig waren die Unterthanen? wie ruhig befanden sich die Städt? wie glückselig stritten die Kriegs-Heer? wie schleunig gienge alles von statten? Es hatte das Ansehen, als wann GOTT dem HErr Ihro Majestät Kriegs-Fahnen und Befehl ein heimliche Kraft mitgetheilt hätte, durch welche dieses im Frieden, jene aber in dem Streit ohne Unterlaß obsigten; und obwohlen beyde von Natur einander zuwider, vergleichten sie sich doch dermassen, daß sie den Triumph-Wagen, in welchem Ihro Majestät sassen, stet und sicher fortzogen.


Ach Durchläuchtigster Fürst und Herr! wo seynd solche gute Zeiten hinkommen? wer hat uns dieser Glückseligkeit beraubt? vielleicht vermeinen Ihro Majestät die Ernidrigung des Römischen Raths, deme bishero alle glorwürdige Kayser ein sonderbare Ehr erweisen, diene Ihro zu ihrer Hoheit? Allein wann sie die Sach was reifers erwegen, werden sie befinden, daß der Wohlstand dessen Ihro Majestät und Herrlichkeit vielmehr vonnöthen seye, als die Blätter einer Rosen, dero Zierd und schöne Gestalt zu erhalten. Mir wäre leicht die grosse und vielfältige Uebel, so aus denen bösen Rathschlägen gewöhnlich erfolgen, allhier beyzubringen, wann mir nicht bewußt wäre, daß Ihro Majestät solche durch eigene Erfahrnuß in guter Gedächtnuß hätten, welche Ihro die Bosheit aller Menschen niemahlen benehmen wird, wofern sie sich des himmlischen Liechts, mit welchem GOtt dero Verstand reichlich begabet hat, [534] gnädigst bedienen wollen. Das Römische Volck ist einem Kraut, so Basilisck genannt wird, billich zu vergleichen: Welches, wann es sanft berührt wird, einen lieblichen Geruch von sich giebt; wann man es aber hart drucket, sticht, und vergiftet es die Hand, die es angreift. Gleicher massen, wann Ihro Königliche Majestät gegen uns mit voriger Milde und Güte verfahren, werden sie die alte Ehrenbietung und Dienstwilligkeit als einen annehmlichen Geruch von uns zu gewarthen haben; wann aber durch unerträgliche Gewaltthätigkeiten, wie es sich ansehen laßt, uns bezwingen wollen, ist zu besorgen daß solche an statt eines lieblichen Geruchs die Würckung eines schädlichen Gifts der verbitterten Gemüther, und eines gefährlichen Aufstands in uns erwecke.


Uns ist gar wohl bewußt, daß unsere Feind Ihro Majestät ohne Unterlaß in denen Ohren liegen, und vorgeben, als wann wir Ihro die gebührende Ehr nicht erzeigten. Wie unbillich und unergründlich sie aber solches thun, ist es GOtt bewußt, deme nichts verborgen ist; inmassen wir dero Königliche Authorität auch damahlen, als sie von bösen Zungen vieler boshaften Menschen starck angefochten, und verkleinert waren, bey uns in steter guter Beobachtung erhalten haben. Derohalben wollen sich Ihro Majestät gnädigst entschliessen, uns bey unseren alten Freyheiten, so wir von unseren lieben Vorfahren ererbt, zu lassen, und solchen bösen Räthen kein Gehör geben, welche ihr schlechtes Herkommen durch Unterdruckung unserer Hoheit erheben, und uns auf unseren Häupteren herum gehen wollen; die darfür halten, sie können ihr schädliche Verwaltung nicht besser beschönen, als wann sie unsere Augen ausstechen, damit wir ihre Fehler nicht sehen; und die Zungen ausreissen, damit wir ihnen die Wahrheit nicht sagen können.


Welcher jetziger Zeitreich gebohren wird, oder sonst ein ehrliches Vermögen hat, muß sich vor diesen wie die Taube vor dem Habicht förchten. Ebener massen, wer mit vortreflichen Eigenschaften ein Amt verwaltet, machet ihm solche zu Feinde. Mit einem Wort, alles, was groß ist, kommet diesen verdächtlich vor: Scheinet also kein bessers Mittel zu seyn, die Sicherheit zu erlangen, als wann einer sich unwissend und unmündig stellet.


Wir haben uns bishero gegen Ihro Majestät dermassen gehorsamlich verhalten, daß wir auch so gar denen Gedancken kein statt gegeben zu erforschen, was gestalten sie die Gnaden und Aemter austheileten; daß also sie in diesem Fall viel freyer waren, als die Sonne, da sie ihre Strahlen herum schiesset. Wir befleissen uns die Bildnuß Ihro Majestät so wohl auf dem Eisen, als dem Gold zu erkennen, und zu verehren. Weilen wir aber, leider! jetziger Zeit [535] nicht ohne sonderbare Empfindlichkeit sehen, daß die beste Einkommen des Reichs unter solche Händ gerathen, welche mehr Pech als Fleisch haben, können wir vernünftig nichts anders thun, als daß wir Ihro Königlichen Majestät unterthänigist vortragen, was die Kleinmüthige nicht därfen, die Nasenweise nicht wollen, die Arme leiden, die Fromme beklagen, und die Böse aller Orten ausbreiten, indem sie sprechen.


Durchläuchtigster König und Herr! wann werden wir einmahl jene heilsame Sprüch, deren sie sich vor diesem zum öftern bedient haben, wiederum hören, indem sie sprachen: Man müsse zwar die Schaaf zu seiner Zeit scheren, ihnen aber die Haut nicht gar über die Köpf abziehen. Wann der Esel zu fast beladen wird, falle er unter dem Last nieder. Ein Fürst solle ihme kein grössers Einkommen begehren, wann er seiner Unterthanen guten Willen hat. Nun aber beklagen sich alle Städt und Länder wegen der unerträglichen Gewaltthätigkeit etlicher gewissen Personen, deren Geitz unersättlicher als das Feuer, und der Abgrund ist.

Allhier will ich unsere grosse Unglückseligkeiten weiters nicht ausführen, weilen ich unlängst diese in Ihro Majestät Zimmer nach Genügen erkläret, indeme ich die handgreifliche Noth der Länder dermassen erwiesen, daß sie alsbald Befehl ertheilt, solche aufzuheben. Wann sich nicht etliche befindeten, welche ohne Unterlaß Ihro Majestät guten Willen umkehrten, wurden sie Zweifels ohne allen ein sattsames Genügen thun.

Derohalben wollen Ihro Majestät ihnen allergnädigst belieben lassen ihre Augen wiederum, wie vor diesem, zum Trost des armen bedrangten Unterthanen aufzuthun; dann auf welche Seiten sie solche wenden, werden sie nichts als die äusserste Nothwendigkeit ansehen. Sollte dies nicht ein unbilliche Sach seyn, daß bisweilen die Leibeigene milder von ihrer Herrn, als das Römische Volck von ihrem König, von deme es sich jährlich erkauffen muß, gehalten werden? welchem es auch derjenigen Güteren, deren es beraubt worden, Rechnung thun, und also einen doppleten Schaden leiden muß.

Von dem gemeinen Mann ist man zur Unterdruckung der Obrigkeit geschritten, und hat vermeint, man könne die Römische Wiesen nicht besser abmähen, als wann man zuforderst die schöne voraus schiessende Blumen ausreisse. Dahero wurde Paulinus aller seiner Güter beraubt; Albinus in die Acht erklärt. Ihr Verbrechen ware kein anders, als daß sie reich und mächtig waren; konten auch kein andere Sicherheit, als in ihrer Armuth und Ernidrigung zu hoffen haben.


Wer siehet nicht, daß solche Weis zu handlen das Römische Reich, deme Ihro Majestät allbereit in die 30. Jahr vorgestanden, in das äusserste Verderben stürtze? wann man über [536] die Unholden, so die Bronnen vergiften, billich klaget; wie können wir schweigen, wann wir sehen, daß der Bronnen aller Anschlägen des gantzen Römischen Reichs, so Ihro Majestät Hertz ist, von Ehr- und Geldgeitzigen Leuten vergiftet, und verkehrt wird? aus welchem nothwendiger Weis ein allgemeiner Untergang aller Ständen herfür quellet.


Dahero wollen Ihro Majestät ein Exempel von Ihro selbsten, und voriger Weis zu regieren nehmen; die schädliche Schmeichler von Hof abschaffen, und denen guten Räthen, durch welche sie bishero alle Glückseligkeiten empfangen, fleißig nachkommen, und sich erinnern, daß sie von GOTT beruffen seyen die Menschen und nicht das Vieh zu beherrschen; die Unterthanen in dem Hertz zu tragen, und nicht mit Füssen zu tretten; ihnen durch ein gutes Exempel vorzuleuchten, und nicht mit Unbillichkeit zu beladen; sie als ein Vatter zu lieben, und nicht als Leibeigene zu tractiren: Daß sie dem Volck zu einem Trost, und nicht zu einem Schröcken gegeben worden. Dahero, wann sie ihre Macht betrachten, sollen sie zumahlen auch ihr Schuldigkeit beobachten, und dahin geflissen seyn, daß Ihro Majestät Herrlichkeit mehr durch die Milde und Gütigkeit, als durch die Strenge und Gewaltthätigkeit erkennt werde, damit wir von Ihro denjenigen tröstlichen Spruch, dessen sie sich vor diesem oft bedienet, wiederum hören mögen: Ein guter Fürst soll nichts mehrers förchten, als daß er von seinen Unterthanen nicht zu fast geförchtet werde.


Diese Red verursachte unterschiedliche Bewegungen in dem Hertzen der Unterthanen; der König zwar konte sich ab solcher unerwarteter Freyheit nicht genugsam verwundern, und das innerliche Mißfallen verbergen. Dahero er mit wenig Worten antwortete: Er wolle in dieser Sach bessern Bericht einnehmen; alsdann dem Rath wegen angezogenen Beschwerden mit nächstem ein Genügen thun.


Trigilla und Conigastus, die Ursächer solcher Verbitterung sahen wohl, daß sie von Boetius mit lebhaften Farben entworfen waren; dahero sie sich entschlossen Boetium mit nächster Gelegenheit aus dem Weeg zu raumen. Zu diesem End fiengen sie auf ein neues an den König mit falschen Bedencken wider ihn zu verhetzen, und gaben ihme vor, sie wären vergwißt, daß Boetius einen Aufstand wider ihn anspinne, welcher zu Constantinopel durch den Pabst Johannem samt seinen Mitgefährten, und zu Rom durch Paulinum und Albinum starck befördert werde; inmassen solches leichtlich aus ihrem steten Brief-Wechslen und öfteren Zusammenkunften abzunehmen. Damit sie aber ihrem bösen Vorhaben möchten einen Schein geben, haben sie ein Schreiben aufgesetzt, mit falschem Pettschaft versiglet, in welchem Boetius alles dasjenige vorbrachte, was ihnen [537] zu ihrem Vorhaben dienstlich ware. Solches bekräftigten sie mit falschen Zeugen, und überantworteten es dem König.

Als Theodoricus solches gelesen, und die Zeugen darüber angehört, wollte er keinen andern Bericht vornehmen, sondern verfügte sich alsbald in den Rath, truge das Schreiben in der Hand, erzeigte in denen äusserlichen Gebärden, was er in dem Hertzen hatte, und fienge an auf folgende Weis zu reden.

Edle, weise und günstige Herren.

Die letzte Red, so Boetius an diesem Ort gehalten, ware nichts anders, als ein Zeichen zu dem Aufstand wider unsere Person. Dahero wir uns nicht mehr verwundern, warum er mit solcher Zierlichkeit sich unterstanden unsere Verwaltung der Fehleren und Gewaltthätigkeiten zu bezüchtigen, inmassen solches darum geschehen, damit er die Herren sammentlich wider uns aufwicklete, und verbitterte. Eines aber kommt uns wunderbarlich vor, daß er sich hat därfen ein solche edle, gerechte, und uns wohl-geneigte Versammlung wider uns zu verhetzen, und seinen Widerwillen wider unsere gute Beamten mit solcher Frechheit an diesem Ort Männiglichen kund zu machen. Alle unsere Königliche Gaben und Gnaden, die wir Wohlverdienten mittheilen, seynd ihm ein Spieß in den Augen, und ein Nagel in dem Hertzen; wird also die gute Speis, die er niesset, in seinem Magen in ein Gall und Gift verkehrt. Die wir aus billichen Ursachen zu hohen Aemteren erhoben, mag er nicht gedulten, und haltet es für ein Unbillichkeit, daß wir ihme einen Mit-Regenten verordnen. Er beklagte das gemeine Anliegen des Volcks, als wann er dessen ein allgemeiner Vatter wäre. Alles, was nicht in seinen Seckel gehet, muß der Gemeind durch ein Gewaltthätigkeit entzogen seyn.

Wann die Barbarer das gantze Römische Reich unter über sich gestürtz hätten, vermeinen wir nicht, daß er grössere Klagen hätte führen können, als er wider unsere Verwaltung gethan hat, welche doch durch GOttes Gnaden denen goldenen Zeiten zu vergleichen, wann man die Regierung unserer Vorfahrer beobachten will. So bekennen auch unsere liebe Unterthanen, daß unsere lange Verwaltung die gröste Ursach ihrer Glückseligkeit seye. Er mußte aber einen Vorwand seiner Schalckhaftigkeit haben: dahero er sich des Namens eines allgemeinen Beschützers des Volcks anmassete, damit er uns von unserer Reichs-Verwaltung verstossen möchte. Wann je der Ehrgeitz zu ersättigen wäre, haben wir ihm solche Gnaden erwiesen, so auch die Aller-Ehrgeitzigste hätten erfüllen können: Inmassen wir ihn nicht allein zu hohen Würden und Aemteren erhoben, sondern auch seine junge Söhn mit dem Titul der Burgermeistern durch ein sonderbare Ehr gewürdiget; indem [538] wir aber solches thaten, wurden wir denjenigen gleich, welche das End an einem Circul, und den Boden in einem Abgrund suchen.


Wir haben seine Verbrechen ein lange Zeit mit Gedult übertragen, und die Klagen, so wider ihn einkommen, für ungründliche Afterreden gehalten, und solche in uns viel schmertzlicher empfunden, als wann wir mit dem Hinfallenden behaftet wären. Weilen er aber solche grosse und vielfältige Gnaden, die er von uns empfangen, beyseits gesetzt, und seiner Natur gemäß Böses für das Gute vergolten, gelanget an euch Herren! unser vernünftiges Begehren, sie wollen uns als ihrem König diejenige Gerechtigkeit erfolgen lassen, welche sie dem Mindisten in unserm Reich nicht wurden abschlagen.


Wir seynd zwar nicht mit solcher Wohlredenheit, wie er, begabt, durch welche wir seine vielfältige böse Anschläg wider unsere Person der Gebühr nach allhier möchten vorbringen; jedoch erachten wir, GOtt habe uns einen solchen Verstand mitgetheilt, durch welchen wir die helle Wahrheit leichter erkennen mögen. Damit sie aber den Grund unserer Worten besser vernehmen, so wollen sie die Zeugnuß unserer lieben Unterthanen, welche die Verständnuß wider uns nach Genügen erklären werden, persönlich anhören, und dieses Schreiben von seiner Hand geschrieben, und mit seinem Pettschaft verschlossen, ablesen, in welchem er Justinianum den Kayser von Constantinopel zu unserm Verderben beruffet. Die Herren wollen hierin schliessen, was sie für das billichste erachten werden; inmassen wir nichts anders begehren, als was das Recht und Billichkeit mit sich bringen.

Hierauf liesse er drey Zeugen, so aber Gewissen-und Gottlose Gesellen, hinein beruffen, sie nach der Strenge über diejenige Articul, die sie ihme zu Hof bekennt, fragen: Alsdann übergabe er ihnen auch den Brief, der von Cypriano einer arglistigen Hof-Katz gestellt worden, zu lesen. Entzwischen wollte er von einem bessern Bericht, oder fernerer Nachfrag nichts anhören.


Der unschuldige Boetius befande sich unterdessen nicht anderst, als der gerechte Naboth vor Zeiten, unter der Versammlung der Gottlosen. Er bemühete sich zwar fast seine Unschuld zu erweisen, wurde aber nicht angehört, sondern Theodoricus drang starck auf der Raths-Herren Meinung und Ausspruch: Etliche, die nicht wollten im Verdacht seyn, als lagen sie mit Boetio unter der Decken, redeten hart auf ihn, und vermeinten, seine Verdammung werde ihnen zu Erhaltung ihrer Sicherheit dienlich seyn: Andere, die seine Feind waren, brachten ihr Erachten wider ihn mit grosser Unordnung vor; Wenig waren übrig, die allbereit überstimmet, aus Kleinmüthigkeit dem grossen Hauffen beygefallen. Wurde [539] also Boetius nach Willen und Meinung des Königs zum Elend verdammt.


Unter allen erbärmlichen Zuständen in dieser Welt ist dieser der gröste, wann ein Unschuldiger von denen Lasterhaften solle gerichtet werden; dann unter allen Peinen ist diese die empfindlichste, daß er seines guten Namens, durch welchen er bey allen frommen Nachkömmlingen hätte sollen leben, unbillicher Weis beraubet wird. Dieses widerfuhre dem starckmüthigen Boetio, welcher, nachdeme er für die Ehr GOttes, und Wohlstand des gantzen Römischen Reichs treulich gearbeitet, und sein gantzes Leben mit grosser Mühe zugebracht, gefänglich eingezogen, und als ein Verräther des Reichs nacher Paviam geführt worden. Er begehrte zwar von seinen Freunden, bevorab seinem Schweher Simmacho den Abschied zu nehmen, wurde ihm aber nicht bewilliget. Mit harter Mühe erlangte seine Frau Gemahlin Rusticana diese Gnad; welche als sie ihren Herrn aus einem so hohen Stand in das äusserste Elend gerathen sahe, sich nicht konte enthalten, daß sie ihme nicht mit solchen Worten thäte beurlauben.


Ach! mein lieber Herr! ist das der Danck, den ihr wegen eueren treu-geleisteten Diensten verdient habt? wann je der König euch tod haben will, warum laßt er mich als den andern Theil euers Lebens übrig? Hertz und Muth hab ich genug, daß ich euch in das Elend, ja in den Tod nachfolge.

Indeme sie dieses sprache, fiele ihr Boetius in die Red, und sagte: Mein liebste Gemahlin! die Stund ist noch nicht vorhanden, daß ich sterben soll, sondern allein was weniges für die Gerechtigkeit zu leiden. Dahero sollt ihr euch meinetwegen nicht so fast bekümmern, weilen dieses ein Anzeigen ist, daß uns GOtt lieb habe, und unter seine Freund zähle. Die gute Zucht, die ihr von euerm Herrn Vatter, und die vielfältige Unterweisung, so ihr von mir empfangen, trösten mich, daß ihr diesen unerwarteten Zustand mit Gedult werdet übertragen. Es will sich nicht geziemen, daß unsere Klagen der Heyden Kleinmüthigkeit gleich seye. Laßt uns derohalben unseren Trost von dem Himmel suchen, weilen je der zeitliche Bitterkeit vermischet ist.


Hierauf wendete er sich zu seinen Kinderen, welche vor Weinen und Klagen nichts reden konnten, und sprach: Meine liebe Kinder! hinführan werdet ihr GOTT den HErrn besser für eueren Vatter erkennen. Befleisset euch der wahren Tugend, so zu jeder Zeit das beste Erbtheil unsers Stammens gewesen; dann alle zeitliche Güter und Ehren seynd nichts als Staub und Aschen; allermassen ihr dieses an meinem gegenwärtigen Zustand augenscheinlich abnehmen möget. Tröstet euere liebe Frau Mutter durch eueren Gehorsam, [540] und setzet all euer Hofnung auf GOtt den HErrn: Vielleicht werdet ihr mich bälder sehen, als ihr es vermeinet.

Diese Wörter waren lauter Pfeil in denen Hertzen seiner Gemahlin und Kinderen; von welchen sie ohne Zweifel sehr verwundet wurden. Dann obwohlen man sich untersteht ein grossen Schmertzen auszulöschen, verbleiben doch allzeit etliche Nachwehe davon noch übrig.


Die grosse Veränderungen haben gewöhnlich diese Eigenschaft, daß sie uns wie unversehene Wasser-Wellen überfallen, und ehender versencken, als wir sie erkennen. Der fromme Boetius befande sich zwischen 4. Mauren in dem Elend ausserhalb Rom, welches ihme bishero zu einem Schau-Platz seiner Herrlichkeit gedienet, von seinen Freunden entäussert, seiner Bücheren und guten Gelegenheiten beraubt, als ein Schlacht-Opfer, welches stündlich auf das Messer des Metzgers wartet. Im Anfang war er (inmassen er selbst in einem Schreiben bekennt) mit einer schweren Traurigkeit überfallen, in welcher er seine Unschuld, die also starck angefochten war, beklagte. Er führte zu Gemüth sein grosses Glück, in welchem er sich vor diesem befande; sein getreue Gemahlin und liebe Kinder, die seinetwegen viel mußten ausstehen; die unbilliche Klagen, die seine Widersacher wider ihn geführt; die Undanckbarkeit des Raths, welcher ihn wegen seiner treuen Diensten verdammt; die Grausamkeit, mit welcher der Sententz vollzogen war; die Beraubung seiner Haab und Güter: den Verlust seiner Ehr und andere dergleichen Sachen, so einem, der in die Königliche Ungnad gefallen mögen empfindlich vorkommen.

In diesem elenden Stand beklagte er sich über den Tod, daß er so viel junge und glückseelige Menschen, die das Leben über alles lieben, ohne alle Erbärmnuß hinrisse, ihme aber seine Augen, so ohne Unterlaß in dem Wasser schwimmen, nicht beschliessen wolle. Aus deme wir dann abnehmen, daß dieser starcke Held was Menschliches in seinen natürlichen Anmuthungen erlitten habe; hingegen aber auch daß er durch den rechtmäßigen Gebrauch seines Verstands alle unordentliche Neigung unterdruckt, und in seiner Gefangenschaft einen grossen Schatz der Gedult gesammlet habe. Sein köstliches Büchlein vom Trost, welches er in dieser geschrieben, ist allen Gelehrten bekannt, in welchem er die Weisheit, so ihne wegen gegenwärtigen Zustand tröstet, also redend einführt.


Bist du dieser, welchen ich mit meiner Milch ernähret, mit auserlesenen Speisen erhalten, und bis zu dem männlichen Alter gebracht habe? Ich hab dich mit allerhand Waffen nach Genügen versehen, mit welchen du dem unbeständigen Glück begegnen köntest, wofern du dich deren recht gebrauchen wurdest. Kennest du dann mich nicht? warum bist du also still? kommt dieses [541] aus einer Schamhaftigkeit oder Unverstand her? willst du nichts reden? der arme Mensch ist mit der Schlafsucht behaft, so ein bekannte Kranckheit derjenigen ist, welche denen falschen Blendungen unterworfen seynd. Er wird mich aber baldwiederum kennen, wann ich ihme die Augen eröfnen, und von denen bösen Feuchtigkeiten der irrdischen Sachen reinigen werde.


Also erwachete Boetius, und hielte mit dieser Königin der Künsten ein wunderbarliches Gespräch, welches er schriftlich verfasset, zudeme der günstige Leser gewiesen wird, mich begnügend mit etlichen Lehr-Puncten, so ihme die Traurigkeit benommen, und in seinem Zustand sehr behülflich gewesen, damit wir nach seinem Exempel lernen die Trübsalen mit Gedult übertragen.


Erstlich befragte ihn diese Weisheit, was er von der göttlichen Vorsichtigkeit halte? und ob er vermeyne, daß die Welt ungefehr, oder mit Vernunft regiert werde? Hierauf antwortete Boetius: Behüte mich GOtt, daß ich jemahlen ein solche Thorheit gerathe, und darfür halte, alles in dieser Welt geschehe ungefehr; dann ich wohl weiß, daß er das Haus dieser Welt, welches er mit sienen Händen erbauet, verwalte, und nichts ohne seinen Willen oder Zulassung geschehe. Da sprach die Weisheit: so kan ich mich dann ab deme nicht genugsam verwundern, daß ein Mensch, wie du bist, solche Meynung von der göttlichen Vorsichtigkeit habe, beynebens aber mit dieser Kranckheit behaft seye. Mein Freund! du solst wissen, daß du in dieser Welt als ein Kugel eingetretten, mit welcher die göttliche Vorsichtigkeit nach ihrem Gefallen spielet; dahero du mit Gedult übertragen sollest, was sie dißfals mit dir verordnet. Du solst dich nicht unterstehen ihro Maaß und Verordnung zu geben, sonsten möchtest du sie beleydigen, sondern als ein Baursmann, der seinen Saamen in die Erden geworffen, der Zeit des Schnitts erwartet. Du solst auch nicht fürwitziger Weiß der Frommen und Gottlosen Glückseeligkeit erforschen; dann was vermeynest du, daß GOtt dem Unschuldigen für eine Unbillichkeit zufüge, wann er diesen unter seine Freund zählet, welchem er die Himmlische Cron durch viele Trübsal und Creutz dieser Welt begehrt köstlicher zu machen. Ist dir nicht bewußt, daß sich etliche Fisch befinden, welche in den stillen Wässeren absterben, in den springenden und rauschenden aber frisch bleiben, und zunehmen? Alle tapfere Christliche Helden bedienen sich dieser sicheren Landstraß zu dem Himmlischen Jerusalem, und ergehet ihnen nicht anderst, als der Sonnen, welche nach langem Ungewitter viel lieblicher aus den Wolcken herfür trittet, als sie hinein gangen. Was vermeynest du, daß die Gottlose aus dieser Welt Glückseeligkeiten für einen Nutzen schaffen? Könnte auch was armseeligers [542] erdacht werden, als daß solche der Seelen nach in unvernünftige Thier verändert werden.


Du sagst: sie thun, was ihnen beliebet, darum seynd sie glückseelig. Ich antworte, und sage: Eben wegen dieser Ursachen seynd sie unglückseeliger, weilen sie dieses thun, was sie wollen: dann wann Böses wollen arg ist, so ist Böses thun noch ärger. Dahero wann ich einen Gottlosen der Strenge nach straffen wollte, wurde ich ihne weder, zu dem Galgen noch Rad, ja so gar auch nicht zu dem höllischen Feur verdammen, sondern mit Silber und Gold, mit Ehren und Wollüsten überhäuffen; und nachdem er sich in diesen als ein Schwein in dem Unrath umgewältzet hätte, ihme die Schönheit der Tugend, und den Verlust der himmlischen Freuden zu erkennen geben: welches ihn vielmehr als obgedachte Uebel peynigen wurde.


Fürs ander befragte ihn diese Weisheit, ob er wisse, wer er wäre? und als Boetius ihr antwortete: er seye ein ehrlicher Mann, der unlängst mit grossen Reichthumen begabt gewesen, und ansehnliche Aemter versehen habe; da sprach die Weisheit: Ich sihe wohl, daß du dich nicht recht erkennest; indeme du die Reichthumen und Ehren-Titul also kläglich anziehest. Wann dir GOtt an statt des Bluts hätte Gold lassen in deine Anderen fliessen, dich mit Edelgesteinen übersetzen, und in hohen Aemtern gebohren werden, könntest du vielleicht eine Ursach dich zu beklagen haben. Weilen du aber vor wenig Jahren, die du dir leichtlich zählen kanst, nackend und blos von deiner Mutter Leib ausgangen, nichts anders als Weynen und Klagen vermöcht, wie darffest du dich der Beschaffenheit eines Monarchens anmassen, und darfür halten, du seyest arm, wann du nicht alles besitzest, was sich in dieser Welt befindet? hast nicht einen ehrlichen Schwäher den Simmachum, so einer aus denen vornehmsten Raths-Herren des gantzen Römischen Reichs ist? eine Gemahlin, so billich einem Perlein zu vergleichen? feine und wohl erzogene Kinder, welche eine grosse Hofnung von sich geben? stehe, was dir noch übergeblieben; diese arbeiten dich aus deinem Verhaft aufs bäldist loszumachen.


Eines mißfallet mir sehr an dir, daß du den geringen Verlust der zeitlichen Güteren also fast beklagest. Wer befindet sich in dieser Welt also glückseelig, daß er gantz nichts zu leyden habe? Mancher besitzt grosse Reichthumen, schämet sich aber seines schlechten Herkommens. Ein anderer ist zwar von hohem Adelichem Stammen gebohren, hat aber das Vermögen nicht sich seinem Stand gemäß zu erhalten. Ein anderer hat an diesen beyden Stucken keinen Abgang, ist aber bey seinem Fürsten und Herrn in Ungnaden. Ein anderer hat einen guten Heyrath getroffen, bekommt aber keine Erben. Ein anderer hat [543] zwar Erben, seynd aber also beschaffen, daß er sie lieber nicht haben wollte. Werden also sehr wenig gefunden, welche mit ihrem Stand zufrieden seynd. Ueber diß seynd die Glückseelige gewöhnlich die empfindlichste, daß sie bisweilen wegen einer geringen Ursach in den Harnisch schlieffen, und jedermann todt haben wollen.


Wie viele schätzten sich die glückseeligste zu seyn, wann sie den halben Theil deiner Verlassenschaft besitzten? dieses Orth, welches du ein Elend nennest, ist anderer ihr Vatterland. Daß also nichts gäntzlich armseelig zu nennen, es bilde ihm dann einer in solches ein. Damit du aber wissest, in welchem die wahre Glückseeligkeit bestehe, frage ich dich: Ob du was köstlichers, als dich selbsten habest? Nein, antwortest du: Wann du derohalben dich selbsten recht beherrschest, kanst du einen solchen Schatz besitzen, dessen dich das Glück nicht berauben kan.


Fürs dritte, erklärte ihm diese Weisheit die Eytelkeit zeitlicher Gütern, und spricht: was beklagen wir uns wegen verlohrnen Silber und Gold, so von dem Rost verzehrt, über seidene und sammete Kleyder, so von den Schaben zernagt, über unsern Leib, so von den Würmen gefressen, über die Häuser und Höf, so einmahl auf einen Hauffen fallen, über die Edelgestein, so aus dem Wasser herkommen, und einmahl wiederum zu Wasser werden?

Was ist diß für eine Thorheit, die Einsamkeit, welche von denen frömmsten und heiligsten Menschen allezeit geliebt, und in Ehren gehalten worden, als ein Straf ausnehmen, und sich für unglückseelig achten, wann uns nicht eine lange Reyhen Diener, deren Laster und Verbrechen wir verantworten müssen, nach uns ziehen? man beunruhiget Himmel und Erden, damit man der Armuth entgehe; entzwischen seynd die Reichthümer nichts anders als ein Rauch von dem Feur, welcher die Händ, so ihn berühren, rußig und übel schmeckig machen.


Was ist diß für ein Aberwitz, daß viele sich alsdann für glückseelig halten, wann sie grosse Geschäft, in welchen sie den Schlaf, das Leben, und oft sich selbsten verliehren, zu verwalten haben, da sie doch wohl wissen, daß man ihnen gewöhnlich in keiner Sach ein Genügen thun könne, und daß ihr Gnad leichter als ein Feder, ihr Ungnad schwerer als das Bley seye geduncket dich nicht ein solcher seines Verstands beraubt zu seyn, welcher aus einer langwierigen Gefangenschaft erlöset, alsobald mit Bitten und Begehren anhaltet, man solle ihn wieder in Verhaft nehmen? O Boeti! gedenckest du nicht, wie vor Zeiten Seneca unter Nerone, Papianus unter Antonio ein solche Einsamkeit gewünscht hätten? weilen sie aber sich aus den Banden, mit welchen sie verstrickt waren, unbescheidener Weiß begehrten loßzumachen, haben sie sich selbsten in ihrem Elend [544] begraben. Siehe! du bist anjetzo aller Sorg enthebt; du sitzest zu Pavia, so ein vornehme Stadt Welschlands ist, in einem Zimmer mit Bücheren ziemlicher massen versehen; kanst denen Studien, deren du von Jugend auf gewohnt, abwarthen. Warum machest du nicht aus der Noth eine Tugend, und ergibest dich der göttlichen Vorsichtigkeit gantz und gar.


Zum vierten hielte ihm die Weisheit die Nutzbarkeit vor, so aus der Trübsal entspringt, und sagte: die Glückseeligkeit ist aufgeblasen, schlipferig und unbeständig; hingegen die Trübsal nüchter, klug und bedachtsam. Jene führt uns unter dem Schein einer Ergötzlichkeit in unzahlbar viele Fehler; diese ist eingezogen und wahrhaft, jene bethöret uns, diese unterweiset uns, jene verunreiniget uns, diese waschet uns, jene bindet uns, diese löset uns auf, jene entäussert uns von dem höchsten Gut, und erfüllet uns mit Eytelkeiten, diese vereiniget uns mit dem Ursprung alles Gutes, ziehet uns von denen zergänglichen gleichsam mit einer Hacken ab, und führet uns zu der Betrachtung der Ewigkeit. Jene schmeichlet uns, diese zeigt uns den Unterschied zwischen den falschen und wahren Freunden.


Dahero mein Boeti, gedulde dich ein kleine Zeit, und wann dich dein Trübsal hart ankommt, so gedencke, daß solche gleichfals wie dein Glückseligkeit fürüber gehen werde. Das letzte Stündlein, so dir dein Leben vielleicht bald wird enden, wird zugleich ein End alles deines Leydens seyn; inmassen diß also von der göttlichen Vorsichtigkeit verordnet ist, daß die grosse Glück- und Unglückseeligkeiten nicht lang währen sollten, damit die sterbliche Menschen nicht mit unsterblichen Uebeln gepeiniget werden.


Endlich führet ihne die Weisheit zur Beschauung der ewigen Güteren und göttlichen Vollkommenheiten, in welche er sich gäntzlich versencket, indeme er erkannt, daß alle Geschöpf in GOtt als ihrem Schöpfer vielmehr als das Wasser in einem Schwamm, die Erden in dem Luft, und alle Elementen von dem Firmament beschlossen werden. Er sahe in ihm alle Ehr, Würde, Reichthum, Tröstung, Ergötzlichkeit und Seeligkeit. Er gienge mit seinen Gedancken in denen Abgründen göttlicher Vollkommenheiten als in einem irrdischen Paradeyß spatzieren. Jetzt betrachtete er die Unendlichkeit, bald die Unveränderlichkeit; jetzt die Ewigkeit, bald die Allmacht; jetzt die Weisheit, bald die Heiligkeit; jetzt die unendliche Grösse, bald die Vorsichtigkeit; jetzt die Barmhertzigkeit, bald die Gerechtigkeit; die Gütigkeit, die Langmüthigkeit, die Unbegreiflichkeit, und das End aller Sachen.


Von dannen begabe er sich zu Christo seinem gecreutzigten Heyland als dem König aller Betrübten, zu denen [545] HH. Martyrer, als Blut-Zeugen Christi, und hielte sich für glückseelig, daß er seine wenige Zäher mit ihrem vergossenem Blut vermischen könnte.


Auf solche Weis linderte er seine Schmertzen, machte ihm seine Gefangenschaft zu einem Kram-Laden vieler Heroischen Tugenden, und zeigte, daß solche auch unter den Banden ihre Freyheit erlangten. Die hohe Berg haben diese Eigenschaft, daß, indeme sie unten her grünen, und Frucht bringen, auf dem Gipfel mit Schnee und Eiß bedeckt seynd. Gleichermassen erhalten die tapfere Christliche Helden unter währender Trübsal ihre Gemüther in der Liebe GOttes frisch und lebhaft, und bringen die auserlesenste Früchten allerhand Tugenden herfür.


Daß unterdessen Boetius eine lange Zeit in der Gefangenschaft seye aufgehalten worden, ist abzunehmen aus der Vorred eines Buchs, welches er an diesem Orth geschrieben; indeme er sich ab der Strenge und Grausamkeit des Königs Theodorici beklagt, durch welche er an denen Kräften so wohl der Seel als des Leibs sehr geschwächt worden, bis er endlich sein Leben durch den Tod geendet hat. Dann des Boetii Widersacher (bevor aber Cyprianus und Basilius seine Ankläger) fiengen auf ein neues an bey dem König um die Vollziehung der Straf anzuhalten, damit sie diesen, welchen sie angefangen unbillicher Weiß zu verfolgen, gäntzlich um das Leben bringen möchten. Zu diesem End erlangten sie, daß dem Verwalter der Stadt Paviä die Commission aufgetragen wurde Boetium über diejenige Articul, so wider ihn einigegeben worden, zu befragen. Und der König selbst liesse ihm durch gedachten Stadt-Verwalter sein königliche Gnad anerbieten, wann er den gantzen Verlauf seiner wider ihn angesponnenen Aufruhr treulich entdecken wurde. Auf diesen des Stadt-Verwalters Vortrag antwortete Boetius also:


Der Herr wolle dem König zuwissen machen, daß mich meine graue Haar, und das Gewissen in einen solchen Stand gesetzt, in welchem ich wider die rechte Vernunft und Billigkeit weder durch Trohwort, noch Versprechungen was thun könne: und indem er den Verlauf meiner wider ihn erdichteten Verständnus begehrt von mir zu vernehmen, könne ich dieses ihme vielweniger als ein Meer-Wunder, so niemahlen gewesen, vorweisen. Setzet er dann einen Zweifel in diejenige Zeugen, so wider mich verhört worden, daß er die Ursachen meiner Verdammung von mir selbsten vernehmen muß? Billich kan und er meinen falschen Anklägeren keinen Glauben geben; weilen dieses mir zu meiner Ehr und Unschuld sehr dienlich ist: indeme ich von solchen Ehr- und Gewissenlosen Menschen angeklagt worden, durch dero Zeugnus auch die gröste Uebelthäter könnten gerechtfertiget werden. Basilius ein Schuldenmacher [546] von Hof verstossen, wurde mit Geld erkauft, damit er mein Blut verkauffen möchte. Der alle Treu und Glauben bey der gantzen Welt verlohren hatte, wird als ein rechtmäßiger Zeug zu Unterdruckung meiner Unschuld zugelassen. Opilio und Gaudentius, so wegen unzahlbar vielen Missethaten des Lands verwiesen worden, welchen man auch zu Ravenna aus Befehl des Königs die Stirn mit einem glüenden Eisen gezeichnet hätte, wofern sie nicht heimlich entwichen wären, wurden an dem Tag, an welchem sie begnadet worden, wider mich als Zeugen angehört. Aus einem jeden Holtz schnitzlete man Pfeil mich darmitt zu erschiessen. Die gröste Uebelthäter wurden durch meine Anklagung gerechtfertiget: Man hatte die Ehr eines Römischen Burgermeisters beyseits gesetzt, und wider ihn solche Zungen verhört, die auch nicht zur Verdammung eines Leibeigenens sollen zugelassen werden. Aus welchem ich dann abnehme, daß mein Elend vorbedacht, das Leben mir allbereit abgesprochen, und man ferner nichts, als einen zierlichen Vorwand, durch welchen meine Verfolger als Eyferer der Gerechtigkeit beschönen mögen, suche.


Der König Theodoricus will in diesem Fall gar zu klug angesehen seyn, indeme er alle Weis und Manier ersinnet, seinen Fehler zu bemäntlen. Dahero mag ihme der Herr in meinem Namen berichten, daß ich dieses zu thun im Sinn gehabt, warum ich verdammt worden; nemlich, daß ich den Römischen Rath in dem Wohlstand zu erhalten mich bemühet habe; obwohlen dieser solche Gutthat wenig erkennet: daß ich die Catholische Religion, als das Mittel zu meiner und aller Menschen Seeligkeit, so viel mir möglich ware, in ein Sicherheit, und das Römische Volck in die alte Freyheit habe setzen wollen. Und gleichwie ich mich anjetzo in einem solchen Stand befinde, in welchem ich mir die Freyheit durch kein Unwahrheit zuerkauffen begehre; also lasse ich derohalben geschehen, daß man mich wegen jetzt vermelten Ursachen meines Lebens beraube: Wollte auch, daß es auf das bäldiste geschehe, weil ich in diesem Stand ein grosses Verlangen darnach trage.


Ab dieser des Boetii Freyheit zu reden verwunderte sich der Stadt-Verwalter nicht wenig, und berichtete den König mit einem Zusatz, was er zur Antwort bekommen hätte; dahero die Sach bald ein End gewonnen. Unterdessen bemühete sich Rusticiana nach allem Vermögen des Königs Zorn zu stillen, und ihren Herrn Gemahl aus dem Elend loszumachen. Und weilen ihr wohl bewußt ware, daß Amalazuntha, Theodorici Prinzeßin, ein milde und barmhertzige Fürstin, in diesem Fall viel vermöchte, hatte sie diese um ihre Fürbitt ersucht, welche ihr auch in kurtzer Zeit die Audientz bey ihrem Herrn Vatter zuwegen gebracht. Als sie derohalben samt ihren Söhnen vor dem König erschienen, [547] fienge sie an auf folgende Weis zu reden.

Allergnädigster Fürst, und Herr!

Mann Ihro Königliche Majestät sich würdigen aus ihrem Thron der Glory den Staub der Erden anzusehen, so wollen sie ihre barmhertzige Augen allergnädigst auf diese armselige und trostlose Person, so den Schatten ihrer vorigen Glückseligkeit nicht mehr hat, fallen lassen. Ich bin, leider! nicht mehr die alte Rusticiana, in dero Lustgärten die fruchtbare Palmbäum und allerhand wohlriechende Blumen der Ehren und Ergötzlichkeit gewachsen; inmassen mir solche das Unglück alle Weeg genommen, und nichts als den blossen Namen samt den Schmertzen der gegenwärtigen, und Forcht der zukünftigen Ublen übergelassen.


Ich därfte schwören, daß mein Herr Gemahl niemahlen was wider Ihro Königliche Majestät oder Person schriftlich oder mündlich gehandlet habe, sondern daß aller Mißverstand von den falschen Anklägeren den Anfang genommen, welche allen Fleiß angewendet seine Unschuld bey Ihro Königlichen Majestät, dero Nutzen er vielmehr, als der seinigen gesucht, verdächtlich und verhaßt zu machen. Ich weiß wohl, was er mir zum öftern gesagt, und was massen er diese seine Söhn, so bey Ihro Königlichen Majestät, um das Heyl ihres lieben Herrn Vatters, zu Füssen ligen, zu Dero Diensten auferzogen habe.

Wann die Gerechtigkeit kein statt mehr findet, so beruffen wir uns zu dero, Barmhertzigkeit. Durch diese wollen Ihro Königliche Majestät ihnen allergnädigst belieben lassen, diese arme bedrangte Person aus den Sturm-Winden der unerträglichen Betrübuussen heraus zu reissen. Wir haben allbereit dero Macht nach Genügen erfahren; nun lassen sie uns auch dero Milde verkosten.

Das unersättliche Feur, obwohlen es alles verzehrt, lasset doch die Aschen übrig. Es werden sich ohne Zweifel Ihro Königliche Majestät von diesem Element nicht überwinden, und auf das wenigst die Aschen unserer vorigen Glückseligkeit überlassen. GOtt der HErr ist ein sonderbarer Tröster aller Betrübten. In diesem mögen Ihro Königliche Majestät nachfolgen, wann sie mir armen betrübten Frauen meinen Gemahl, so mir das Liebste auf der Welt ist, wiederum los lassen, und in seinen vorigen Stand setzen. Solche Gnad wollen wir alle die Täg unseres Lebens mit unterthänigster Schuldigkeit erkennen.

Durch diese Wort hätte die armselige Rusticiana bälder ein Tigerthier zu dem Weinen, als Theodoricum zu der Barmhertzigkeit bewegen können. Dahero er sie mit Unwillen abgeschaft, und diese wenige Wort gesprochen: Wir wollen der Gerechtigkeit ihren Gang lassen. Und weilen Cyprianus, und Basilius ärger als zwey lebendige Teufel, den Argwohn der [548] erdichteten Verständnuß bey diesem forchtsamen König von Tag zu Tag vermehrten, und vorgaben, als wann Boetius allbereit die Picken in der Hand hätte, und mit Kayser Justino die Stadt Rom belagerte, ist er dermassen darob ergrimmet, daß er ohne weitern Proceß den vorgedachten Verwalter der Stadt Paviä abgefertiget mit Befehl Boetium alsbald durch den Tod in die andere Welt zu schicken: damit er sich hinfüran vor ihme nicht zu förchten habe.


Der fromme Boetius hatte sich fleissig zu dieser Reis durch Betten und Empfahung der H.H. Sacramenten bereitet; dahero er denen zweyen, so ihme den Tod ankündeten, unerschrocken geantwortet: Die Herren mögen ihrem Befehl nachkommen, dann ich mir nichts anders einbilde, als der Tod werde mich aus dieser Gefangenschaft los machen. Hierauf begabe er sich zu dem Gebett, befahl GOtt seinem Schöpfer die Seel, welche er in dieser Gefängnuß als in einem Feur-Ofen geläutert; damit sie ohne allen Verzug zu denen himmlischen Freuden abfliegen möchte. Alsdann verfügte er sich behertzt an den Ort, an welchem er die Marter solte überstehen; so aus Befehl des Königs geheim war damit das Volck, um dessen Wohlstand er sich beworben, kein Aufstand erweckte. Als er nun solchen Ort ersehen, sprache er:

Dieses ist mein Kampf-Platz, welchen ich ein lange Zeit begehrt hab: allhier protestire ich vor meinem GOtt und HErrn; vor allen Heiligen und Auserwählten GOttes, und vor der gantzen Welt, daß ich in meinen Verrichtungen nichts anders als die Ehr GOttes, und den gemeinen Wohlstand des Römischen Reichs gesucht habe. Und obwohlen mein Unschuld anjetzo gewaltthätiger Weis unterdrucket wird, bin ich doch getröster Hofnung, es werde ein Zeit kommen, in welcher sie meine Feind zu Schanden machen werde. O Rom! wolte GOtt, daß du mit meinem Blut gäntzlich gereiniget wurdest, und ich der letzte seye, der für deinen Wohlstand das Leben lassen muß! ich begehre denjenigen, so mich verdammet, nicht anzuklagen, sondern vielmehr, daß GOtt sich über ihn erbarmen, ihme seine Augen eröfnen, seinen Fehler, mein Unschuld, und meiner Ankläger Betrug zu erkennen geben wolle. Dieses ist mein Lohn, welchen ich den Tag meines Lebens durch meine treu-geleistete Dienst gesammlet hab. Also besoldet die Welt ihre Soldaten; GOtt aber, deme ich anjetzo mein Leben, Leib, Seel und alles, was mir zugehörig, befehle, der mein Hertz erkennet, wird mir solchen in der andern Welt, zu dero ich allbereit fertig bin, reichlich in alle Ewigkeit erstatten.


Boetius hatte in seinem Elend einen eintzigen Diener, der zwar eines adelichen Herkommens, aber arm an Reichthumen war, als er diesen wegen seines Zustands mit Zäheren überronnen sahe, sprache er zu ihm: Lasse dir meinen Hintrit nicht also sehr zu [549] Hertzen gehen, sonderen beweine vielmehr die Armselige, und sage meinem Herrn Schwäher, meiner Frauen Gemahlin, und meinen lieben Kinderen, ich habe nichts wider ihre Ehr und guten Namen verwürckt, sie sollen derohalben auch nichts wider die meine durch unmässiges Klagen und Trauren thun; sondern vielmehr dieses mein Ableiben für ein sonderbare Gab GOttes annehmen. Sie werden sich erinnern, was ich ihnen oftermahlen gesagt: Man müsse die Ruhe nicht in diesem, sondern in dem andern Leben suchen, in welches ich nun hingehe ihnen ihre Oerter zubereiten.


Hierauf wendete er seine Augen und Seufzer wieder zu GOtt, und liesse die Gerichts-Diener ihr Amt verrichten, die ihme dann das Haupt mit einem Schwerdt abgeschlagen: Er aber hat nach empfangenem Streich das Haupt in die Händ genommen, ist darmit für den Altar des Kirchleins, so nächst an diesem Ort war, gangen, allwo er ein gute Weil sich wiederum seinem HErrn und Schöpfer befohlen, bis er endlich den Geist aufgegeben. Sein Leichnam ward in der Kirchen des heiligen Augustini (deme er mit sonderbarer Andacht zugethan gewesen) begraben. Seinen Namen hat die Catholische Kirch (wie Baronius bezeuget) unter die Zahl der H.H. Martyrer gesetzt; inmassen er mehrern Theils für Beschützung derselbigen wider die Arianer gemartert worden. Das Ort seiner Gefängnuß ware auch in grosen Ehren gehalten, und die Begräbnuß mit vielen Reimen gezieret: deren Uberschrift war diese:


Boetius im Himmel oben,
Und in der Welt ward hoch erhoben.

Nicht lang nach dieser grausamen That liesse Theodoricus Simmachum Boetii Schwäher auch hinrichten, und beyder Güter seiner Königlichen Schatz-Kammer einverleiben; ab welchem sich die gantze Stadt Rom aufs höchste entsetzt. Rusticiana verhielte sich in diesem sehr schmertzlichen Umstand als ein wahre Christliche Heldin, verehrte diese zwey als H.H. Martyrer, strafte sich selbsten, wann ihro etwann ein Zäher ihrenthalben entfiele, tratte behertzt für den König, und beklagte sich wegen dieser unmenschlichen Grausamkeit.


Die göttliche Rach ist nicht lang ausgeblieben, inmassen Theodoricus alsbald von seinem eigenen Gewissen und Einbildungen der ermordeten unschuldigen Raths-Herren dermassen geänstiget worden, daß er weder Ruhe noch Schlaf haben könnte. Und indeme man ihm unter währender Mahlzeit ein Fischkopf aufsetzte, sahe er diesen für das Haupt Simmachi an, welchen er vor wenig Tagen seinem Tochtermann in der andern Welt Gesellschaft zu leisten tyrannischer Weis hat hinrichten lassen. Und obwohlen man unterschiedliche Mittel anwendete, ihm diese Einbildung zu benehmen, wolten doch solche nichts unterfangen, sondern er fienge an am gantzen Leib zu zittern, und schreyen, als wann man [550] ihne niedermachen wolte. Dahero wurde er von der Tafel in das Beth getragen, in welchem er mit grossem Weheklagen seinem Artzt bekennt, er habe unschuldiges Blut vergossen, in welchem er allbereit schwimmen, und ertrincken müsse, welches auch geschehen; inmassen er von Sinnen kommen, und in wenig Tagen durch ein hitziges Fieber verzehrt, mit einem grossen Register der schweresten Verantwortungen in die andere Welt vor den strengen Richterstuhl GOttes abgefordert worden. Was gestalten er mit seiner Rechnung bestanden, ist uns nicht bewußt. Allein sagt der H. Gregorius, er habe von einem glaubwürdigen Mann vernommen, daß an dem Tag, an welchem Theodoricus zu Rom verschieden, etliche vornehme Personen in der Insul Lipara von einem frommen Einsidler, den man für Heilig hielte, befragt worden, ob sie wußten, daß König Theodoricus mit Tod abgangen? und als sie ihme antworteten, sie wußten diß zwar aber dieses, daß als sie vor wenig Tagen von Rom abgereist, er sich in guter Gesundheit befunden habe, sprache er: das glaube ich; ihr sollt aber wissen, daß er heutiges Tags gestorben, vor dem Richterstuhl GOttes erschienen, verurtheilt, verdammt, und in dieses Feur, so wir des Vulcani Hafen nennen, geworffen seye worden.


Als nun diese wieder zu Rom ankommen, haben sie befunden, daß eben zu dieser Stund, in welcher ihnen der Einsidler solches gesagt, der unglückselige König Theodoricus todts verfahren seye. Aus welchem dann die gantze Stadt Rom mit grossem Schröcken die gerechte Urtheil GOttes erkennt, und das unschuldige Blut Boetii beklagt hat.

In der Regierung ist ihme Athalaricus, sein Enckel nachgefolgt. Weilen er aber sehr jung, verwaltete Amalazuntha sein Frau Mutter eine Zeit lang das Reich, welche der verwittibten Rusticianä die Güter Boetii aus königlichem Fisco wieder erstatten lassen.

Diese Rusticiana erstreckte ihre Jahr bis zu der Regierung Kaysers Justiniani, welcher durch seinen Feld-Obristen Belisarium die Schweden aus dem Reich vertrieben. Unter diesem hat gemelte Wittib die Bildnussen Theodorici, so viel sie deren bekommen mögen, zerreissen, verschlagen, und verbrennen lassen.


Ach GOtt! der du alle Ständ regierest, und die Säulen der Himmel erschüttest, was ist der Mensch, der sich deinen unergründlichen Anschlägen widersetzet? Dieses erscheinet an Theodorico, welcher den gerechten Weeg deiner himmlischen Leitung verlassen, etlichen GOtt- und Gewissen-losen Menschen angehangen, durch dero Verblendung er seines Reichs, des zeitlichen und ewigen Lebens beraubt worden. Und obwohlen er eine Zeit lang glückseelig und scheinbar gewesen, ist er doch nicht anderst als der Rauch im Luft [551] verschwunden, und hat einen üblen Gestanck hinter sich gelassen. Hingegen ist Boetius, der deinen Gebotten, und göttlicher Leitung fleißig nachkommen, zu der ewigen Glory, in welcher er sich anjetzo mit allen deinen Auserwählten erfreuet, aufgenommen worden, und hat allen Nachkömmlingen einen ewigen Nahmen hinterlassen.

Anmerckung.

Dieser Theodoricus ware ein natürlicher Sohn Theodomiri Königs in Schweden, welchen er von einer mit Nahmen Aureliana erzogen. Er hatte neben grosser Wissenschaft im Kriegs-Weesen gute Eigenschaften zu der Regierung: daß er aber glücklich regiert, hatte er denen guten Räthen und Verleitung Boetii zu dancken. Aus welchem dann sein grausame Undanckbarkeit gegen diesem seinem grossen Gutthäter zu erkennen ist. Der Religion nach ware er ein Arianer, so eine der verfluchtisten Ketzereyen auf der Welt ist, weil sie Christo dem HErrn die GOttheit absprechen darf. Was wunders dann, daß seine Regierung ein so unglückliches End genommen? Glückseelige Catholische! die nicht allein Christum für ihren GOtt und HErrn erkennen; sondern oft (und O wie billich ist das) mit Andacht zusprechen:


Gelobt sey JEsus Christus!
In Ewigkeit, Amen.
18. Begebenheit
Achzehente Begebenheit.
Ein Christlicher General ringt mit gröster Lebens-Gefahr mit einem ungeheuer grossen Bären, den er aber zuletzt mit einem bey sich habenden Stilet glücklich erlegt hat.

Als die Europäische Christen unter Anführung Gottfrids, Hertzogs von Bullion, Anno 1096. einen Feldzug in das Heil. Land gethan, und die Stadt Antiochia eingenommen, haben sie sich eines Tags in denen lustigen Felderen der Landschaft Pisidia gelagert, um alldort von dem langwirigen und beschwerlichen marschiren auszurasten: allwo sich dann einige mit Jagen, andere auf ein andere Weis erlustiget haben. Nun war dort herum ein der wilden Thieren halber so verschreytes Wäldlein, daß sich niemand von denen Benachbarten hinein wagen därfte. Aus diesem Wäldlein hörte man im Lager auf einen Abend ein förchtliches Geschrey, so von dem herum ligenden Gebürg mit einem Wiederhall zuruck geschlagen wurde. Man verwunderte sich darüber, und fragte ein jeder, was doch dieses Geschrey bedeuten müsse. Indem nun jedermann mit Erstaunung erfüllet war kommt aus dem Wäldlein herfür ein [552] Soldat, so zu der Christlichen Armee gehörte, im Angesicht gantz erbleicht, und der wegen einer Wunden, so er in die Schenckel bekommen, kaum gehen könte. Dieser zeigte immerdar mit der Hand auf das Wäldlein zuruck, und sagte endlich zu denen, so auf das Geschrey herzu geloffen: O ihr meine Cameraden! was für ein traurige Zeitung muß ich euch bringen; wisset, daß unser Hertzog in gröster Gefahr ist von einem wilden Thier, das ihn angepackt, in Stucken zerrissen zu werden. Die erschrockene Soldaten, als sie dieses gehört, lauften gleich in das Lager zuruck, machten Lärmen, und erfüllten alles mit Forcht und Schrecken. Da hätte man sollen sehen, wie alles dem Wäldlein zugeeilet, sowohl den Officieren als gemeinen Soldaten, als welche den Hertzog inniglich, und wie ihren Vatter liebten. Allein sie wußten nicht, wo sie ihn suchen mußten; nachdem sie dann eine Weil in dem Wäldlein herum geloffen, kamen sie endlich zu einer Höhle, vor welcher sie alles voller Blut, und abgeschälter Beiner sowohl von Menschen als wilden Thieren gefunden, wie auch das Pferd, auf welchem der Hertzog auf die Jagd geritten, so aber wegen vielen empfangenem Bissen und Wunden verschmachtet dahin fallen wolte. Nicht weit davon lage auf der Erden ausgestreckt ein todter Bär von ungeheurer Grösse, dessen blosses Anschauen vielen einen Schröcken einjagte. Neben dem Bären lage der Hertzog sowohl in seinem eigenen als des Bären Blut schwimmend: das Angesicht war gantz er blassen, der Mund offen, die Augen zugeschlossen, und wußte man nicht, ob er noch beym Leben, oder schon todt ware. Alle, die ihn ansahen, fiengen an bitterlich zu weinen, und fielen zu ihm auf die Erden durch Berührung der Puls-Ader zuerkundigen, ob noch ein Leben vorhanden oder nicht? und da sie dessen noch ein Zeichen gefunden, zogen sie ihm die Kleyder aus, damit sie ihm die Wunden verbinden möchten. Hernach machten sie ein Trag-Beth von abgehauenen Stauden, und trugen ihn darauf in das Lager zuruck: was allda für ein Schröcken, Trauren, Weinen, Jammern bey allen entstanden, wer wird es mit Worten können aussprechen? Ach! klagten sie, so ist dann unser General tödtlich verwundet? so werden wir dann unsers liebsten Vatters beraubt werden? und zwar da er sich mitten in dem Lauf seiner Victorien befande? O des traurigen Verhängnuß! hat er dann nicht in einer Schlacht wider den Feind streitend, und manchen, wie er gewohnt, mit seiner tapferen Hand erlegend, ein Ruhm-würdigen Tod nehmen können, sondern von einem wilden Thier müssen erlegt werden? Ach Unglück! wie grausam bist du? also lautete das Wehe-Klagen unter der Christlichen Armee. Nachdem ihme nun die Wunden verbunden worden, hat man wahrgenommen, daß diejenige, so er von dem Bären empfangen, eben [553] so gefährlich nicht seye; wohl aber die, so ihm von einem Stilet beygebracht worden. Man fragte also den Soldaten, so diese traurige Zeitung angedeutet, was sich dann mit dem Hertzog zugetragen hätte? die Antwort ware diese: höret! als der Hertzog diesen Abend zu Pferd in das Wäldlein geritten, hat er mich ungefähr, da ich ein Bürdelein Holtz gesammlet, und aber eben jetzt die Flucht zum Wäldlein hinaus nehmen wolte, weil nemlich ein ungeheur grosser Bär, welcher schon viel, die sich in dieses Wäldlein gewagt, zerrissen, mich verfolgte; da sag ich, hat der Hertzog mich erblickt. Und weil mir das Thier schon auf dem Rucken ware, schrye ich überlaut GOtt und alle Heilige um Hilf anruffend. Damit ich aber das Thier aufhalten, und dessen Zähn entgehen möchte, lauffete ich um einen dicken Baum herum: indem ich nun also selbigem zu entgehen flohe, ersahe ich zu allem Glück den Hertzog zu Pferd sitzend, und schrye: O Ihr Durchläucht! kommen sie mir doch zu Hilf, sonst bin ich verlohren. Da ich nun also schrye, wurde ich von dem Thier ergriffen, und zu Boden geworffen; als der Hertzog dieses gesehen, wird er zum Mitleyden bewegt, und entschließt sich, auch mit Gefahr seines eigenen Lebens den Bären von mir abzutreiben. Er hatte bey sich kein anderes Gewehr als ein Stilet: als er dieses aus der Scheyd gezogen, gibt er dem Pferd den Sporren, und schreyt das Thier an, in Hofnung selbiges zu erschröcken. Allein dieses kehrte sich nichts daran, sondern gabe mir einen tieffen Biß in den Schenckel. Der Hertzog dieses sehend, führte zwar mit dem Stilet einen gewaltigen Streich auf das Thier, aber umsonst, weil selbiges mit dem Kopf auswiche. Also dann angereitzt, und erwildet verlaßt es mich, und macht sich hingegen mit brummender Stimm an dem Hertzog, richtet sich auf die hintere Füß, blitzt mit feurigen Augen, und sperret den Rachen auf, daß auch das blosse Ansehen des ungeheuer grossen Leibs einen mit tödtlichem Schröcken hätte überfallen sollen. So groß aber das Thier ware, so listig und boßhaft ware es zugleich. Jetzt thate es ein Sprung wider den Hertzog, bald sprange es zuruck; jetzt wiche es dem auf sich geführten Stilet aus, jetzt fiele es mit seinen Zähnen und Bratzen des Hertzogs Pferd an. Der Hertzog zörnte über die Boßheit, und bemühete sich dem Thier das Stilet in die Brust zu stossen. Allein solches verhinderte sowohl die Geschwindigkeit des zuruck lauffenden Thiers, als auch die Schwachheit des verwundeten Pferds. Als derohalben der Hertzog von dem Pferd absteigen wolte, ergriffe ihn das Thier bey denen Kleyderen, reißt ihn vom Pferd herunter, umfaßt ihn mit beyden Bratzen, und wirft ihn zu Boden; legt sich so dann mit dem gantzen Last des Leibs auf ihn, und will ihm mit aufgesperrtem Rachen die Gurgel abbeissen. Als ich dieses gesehen, und [554] zu helffen bey mir keine Waffen hatte (will nicht sagen, daß ich am Schenckel schwerlich verwundet, und deswegen unkräftig ware) nahme ich die Flucht zum Wälblein hinaus, in dem Lager die äusserste Gefahr anzuzeigen, und schleunige Hülf zu begehren.


Bishieher des Soldatens Erzählung, mehrers wußte er nicht zu sagen: was wolte man nun thun? oder was Raths? man fande nichts bessers als daß man den Himmel für des Hertzogs Heyl anflehen solte; welches dann auch von dem gantzen Christlichen Heer geschehen, und das mit so glücklichen Erfolg, daß der Hertzog nach und nach wiederum zu sich selbsten kommen, die Augen eröfnet, und die um sich Herumstehende zu erkennen angefangen. Denen er den völligen Verlauf der Sachen mit folgenden Worten entdeckt hat: wisset: daß, nachdem ich GOtt um Hülf angeruffen, ich mich von dem Bären so weit los gemacht hab, daß ich ihm das bey mir habende Stilet in die Brust gestossen, und ihn auf solche Weis erlegt hab. Allein, da ich mich aufzurichten bearbeitet, ist mir das Stilet zwischen die Schenckel kommen, welches mir dann die so gefährliche Wunden beygebracht.Waha labores Hercul. Christiani lib. 4.

19. Begebenheit
Neunzehende Begebenheit.
Ein junger Türck, nachdem er sich tauffen lassen, und mit einer Christin verheurathet hatte, fallt meineydig vom Christlichen Glauben ab, kommt aber darüber elendiglich ums Leben.

Ein junger von Damascus (so eine der grösten, reichsten und prächtigsten Städten im Heiligen Land ist) gebürtiger Türck, etwann 13. Jahr alt, da er in einem Kaufmanns-Schif auf dem Meer fuhre, ist er von den Maltheseren gefangen, und einem spannischen Ritter geschenckt worden, welcher denselben mit sich nach Spannien geführt, und nachdem er ihne in dem Christlichen Glauben so weit hat unterweisen lassen, daß er endlich den Heil. Tauf hat angenommen, wie seinen Sohn geliebt hat.

Als nach etlichen Jahren gedachter Spannier bey dem Kriegs-Heer in Flandern (so eine Niederländische Provintz ist) zu dienen beordert worden, nahme er den neu-getauften Jüngling mit sich, welcher wegen seinen vortreflichen Eigenschaften, zuforderst in Ansehung seines Heldenmuths zu End des ersten Feldzugs, auf Vorbitt seines so günstigē Herrns die Stell eines Rittmeisters bey der Spannischen Armee erlangt hat. Sein erstes Quartier ware ihm zu Brüssel (so eine der grösten, schönsten, und Volck-reichisten Städten[555] in Niederlanden ist) angewiesen. Die gute Meinung, so man von ihm geschöpft hatte, daß er ein tapferer Soldat seye, hat ihm den Eintritt in die vornehmste Häuser und Gesellschaften zu gemeldtem Brüssel eröffnet. Er ware damahls beyläufig 25. Jahr seines Alters: nirgends ware er angenehmer, als in einer Behausung einer reichen Frauen von Amsterdam (einer der vornehmsten Städten in Holland) welche auf eine Zeit lang samt ihrer Tochter nacher Brüssel kommen ware.


Sowohl die Mutter, als die Tochter waren gut Catholisch, und sahen den Türckischen Hauptmann, welcher sich für einen Spanier ausgabe, so gern bey sich, daß, als er zu Ende des Winter-Quartiers die Tochter zur Ehe begehrte, die Mutter leichtlich eingewilliget hat. Die Hochzeit ware zu Brüssel mit Gutheissung der gantzen Stadt gehalten: Die neue Eheleut haben lang ohne Kind vergnügt beysamen gelebt; nach zehen Jahren aber ward ihnen ein Söhnlein gebohren.

Nach einiger Zeit kame den neuen Vatter, den jedermann für einen Spannischen Edelmann hielte, eine Lust an sein Vatterland in Syrien zu sehen doch nicht anderst als mit Weib und Kind, die er alle hertzlich lieb hatte. Darum beredete er seine Gemahlin, als empfinde er innerlich einen starcken Antrieb aus blosser Andacht samt ihr und dem Söhnlein nach Jerusalem zu reisen, damit er allda die Fußstapfen, und das H. Grab Christi verehrte, von dannen aber in Spanien auf seine Güter, und in sein vorgeschutztes Vatterland zuruck reisete. Sie ware bald zu einer so beschwerlichen Reis beredet; ja sie hat ihm zu Gefallen auch eingewilliget, gantz heimlich ohne Vorwissen der Frau Mutter aufzubrechen, damit sie ihrem Vorhaben von keinem einigen Menschen möchte verhindert werden.


Sie setzten sich demnach samt ihrem Söhnlein gantz unvermerckt auf ein holländisches Schif, und kamen über die Atlantische Meer-Enge zwischen Africa und Spanien glücklich an, allwo ihnen drey barbarische Raub-Schif begegnet seynd, von welchen sie zweifels ohne wurden zu Sclaven gemacht worden seyn, wann nicht der vermeinte Spanier nach erhaltener Losung die feindliche Schif besteigen, sich dem barbarischen Capitain in arabischer Sprach mit Offenbahrung seines wahren Vatterlands zu erkennen gegeben, und nicht allein seine Freyheit, sondern auch die Erlaubnus sich samt Weib und Kind auf gedachtes Schif hinüber zu ziehen erlangt hätte mit fernerer Versicherung, ihne mit den seinigen in kurtzer Zeit entweder nacher Syrien (so ein grosses Land in Asien ist, und Palästina, oder das Heil. Land in sich begreift) oder wenigstens bis nacher Alexandria in Egypten zu liefern, allwo die Gelegenheit nacher Spanien zu schiffen niemahls abgienge. [556] Er kame mithin auf das holländische Jagd-Schif zuruck, damit er seine Ehe-Frau samt dem Söhnlein abholete. Sie wolte sich zwar Anfangs einem barbarischen See-Rauber auf keine Weis anvertrauen, bis er ihr erwisen hätte, daß sich auf dergleichen Raub-Schif viel geschwinder als auf einem Christlichen Schif in das gelobte Land kommen wurden. Doch gedachte sie endlich, sie könte nicht gescheider thun, als wann sie sich ihrem Mann völlig überliesse, welcher den Handel besser, als sie verstehen müßte.


Allein sie hatte einem meineydigen Schelmen getrauet, welchem die Barbaren nimmer wurden verschont haben, wann er nicht vorher in gedachtem Gespräch den barbarischen Hauptmann versichert hätte, daß er den Christlichen Glauben im Hertzen verlaugnet habe, und hinführo den türckischen Glauben offentlich bekennen wolte; ja nur deswegen nacher Syrien reisete, damit er daselbst die übrige Zeit seines Lebens als ein Türck zubringen möchte. Doch batte er gemeldeten barbarischen Hauptmann, die Sach bey sich zu behalten, damit sein Weib den Betrug nicht mercken könte; welche dann ohne was Böses zu gedencken aus dem holländischen in das barbarische Schif mit ihrem Söhnlein hinüber gestiegen, und bald hernach zu Algier in Africa angelangt ist. In dieser Stadt giengen ihr nunmehr die Augen auf, als sie sehen mußte, daß ihr Ehe-Herr nicht allein beständig bey denen Türcken stecke, sondern auch ihre Sprach hurtig rede, und sich mit denenselben zum Gebett in die Moscheèn (so der Mahometaner Kirchen seynd) begebe. Doch könte ihr nicht einmahl traumen, daß er ein gebohrner Türck wäre, sondern sie besorgte sich nur, die Mahometaner möchten ihn, wann er länger zu Algier bleiben solte, verführen. Deswegen drange sie starck darauf, daß er ihr eine Gelegenheit nach Jerusalem fortzufahren eilends bestellen möchte in gäntzlicher Hofnung, die Besuchung Heil. Oerter wurde seinen Catholischen Glaub in Sicherheit stellen.


Er gabe ihr nach; sie giengen miteinander unter Segel, und kommen in kurtzer Zeit zu Alexandria an, allwo er heimlich abermahl die Moscheén besucht, und mit denen Türcken Gemeinschaft gepflogen hat. Weilen er aber die Sach nicht so genau verbergen könte, daß seine Gemahlin nicht wäre darhinter kommen, ist diese in solche Betrübnus gefallen, daß sie Tag und Nacht bitterlich weinete, aus Sorg, ihr Mann der vermeinte Spanier möchte an statt der vorgenommenen Wallfahrt den Glauben verliehren. Darum hat er seiner betrübten Gemahlin sich aufrichtig eröfnet, daß er nemlich ein zu Damascus gebohrner, nachmahls von denen Maltheseren Gefangener, und nach Spanien verschenckter reicher Türck seye. Er erzählte ihr alle seltsame Umständ seines Lebens, wie [557] auch sein Vorhaben bey dem Mahometanischen Glauben in seinem Vatterland bis in den Tod zu verharren. Was sie aber und das Söhnlein belangte, wurden zwar beyde mit ihm nach Damascus auf seine Güter kommen, doch in ihren Catholischen Glauben, und dessen freyer Ubung nicht gekränckt, sondern vielmehr darbey beschützt, auch sonst mit allen Gemächlichkeiten überflüßig versehen werden.


Dieses ware nun ein harter Donnerstreich, welcher das Hertz der guten Holländerin dergestalt geschmettert hat, daß sie vor Erstaunung nicht mehr reden könte; ihre schwermüthige Gedancken tobeten unter einander wie das ungestümme Meer, also daß sie ihr selbst weder zu rathen, noch zu helfen wußte. Doch als endlich ein Strahl des göttlichen Liechts durch das dicke Gewölck sie bestrahlet hatte, befahle sie sich GOtt, und übergabe sich seinem Heil. Willen. Ihr Ehegemahl, der abgefallene, welcher sie zärtiglich liebte, bemühete sich auf alle Weis ihren Schmertzen zu lindern, und sie mit allerhand Ergötzlichkeiten zu trösten. Er gienge mit ihr und dem Söhnlein wieder zu Schif, und langte in Syrien zu Aleppo an, um allda seine Bekannte heimzusuchen.


Die wunderbarliche Begebenheit dieser 2. Eheleuten ware von Alexandria aus nacher Aleppo so fruhezeitig überschrieben worden, daß nach ihrer Ankunft jedermann den verstellten Spanischen Türcken, und seine tugendhafte Holländerin sehen wollte, mit welcher nicht allein die Christen sondern auch die Türcken ein ehrerbietiges Mitleiden hatten, vornemlich da bald hernach ein weit grössere Trangsal über sie kommen ist.


Kaum ware in der Stad Aleppo der Ruf ergangen, daß der neu-angelangte Spanische Türck einen grossen Schatz in Gold und Geld mitgebracht hätte, als gewisse Beutelschneider ihm nach dem Leben zu streben anfiengen, damit sie solchen Reichthum mit einander sicher theilen möchten. Dem seye, wie ihm wolle: Gewiß ist, daß man ihn auf einen gewissen Tag voll der Wunden gefunden habe, ohne erfahren zu können, wer ihn so jämmerlich ermordet hätte.

Ach! wie muß bey Vernehmung dieses Todschlags der ohne dem betrübten Holländerin um das Hertz gewesen seyn? sie befande sich in einem fremden Land mitten unter einem unglaubigen Volck, dessen Sprach sie nicht verstunde, ohne Schutz, ohne Hilf, ohne Trost, ohne Mittel. Nichts bliebe ihr überig als ihr Söhnlein, welches samt der Mutter vor Hunger und Nothdurft wurde verschmachtet seyn, wann nicht die göttliche Vorsichtigkeit sich ihrer angenommen hätte.


Etliche Maronitische Weiber, welche von dem Berg Libanus nacher Aleppo kommen waren, und nach verrichteten Geschäften dahin wollten zuruckkehren, haben die Wittib beredt mit [558] ihnen in dero Vatterland zu reisen, welches fast gantz Catholisch wäre, mit der Versicherung, daß sie bey den Maroniten samt ihrem Söhnlein an Leib und Seel wohl wurde versorget seyn. Sie nahme solches Erbieten für bekannt an, und kame mit diesen Maronitischen Weiberen nacher Antura, allwo ein sehr fromme und wohl bemittlete Catholische Wittib ihr um GOttes willen nicht allein die Herberg in ihrem Haus, sondern auch alle Nothdurft verschaft hat.


In erwehntem Antura ist sie mit denen Mißionarien S.J. zum ersten mahl bekannt worden. Sie hatte daselbsten ein sehr auferbauliches Leben geführt, von ihren Trangsalen aber mit einer solchen Ergebung in den göttlichen Willen geredt, daß die Zuhörer sich der Zäheren nicht enthalten könten. Eine dermassen bewährte Tugend hat ihr die Hochachtung aller Maroniten zuweg gebracht, welche sich in die Wette bemüheten, ihr Gutes zu thun, damit sie ihre Müheseligkeiten leichter vergessen möchte. Sie hat ihr Gewissen einem aus gedachten Mißionarien vertraut, welcher der Mutter so wohl als des Söhnleins Sorg getragen, und dieses letztere auferzogen hat.


Demnach sie sich etliche Jahr zu Antura aufgehalten hatte, ereignete sich ein schöne Gelegenheit mit einer ehrlichen Gesellschaft nacher Holland zuruck in ihr Vatterland zu reisen, mit welcher sie auch mit ihrem Söhnlein nacher Europa fortgefahren ist. Wie es ihnen weiters ergangen seye, hat man bis dato nicht erfahren können; doch ist zu glauben, daß GOtt, der die Seinige niemahls verlaßt, sie glücklich zu ihrem verlangten Ziel werde befördert haben. Stöcklein S.J. neuer Welt-Bott. Tom. 2. Part. XII. n. 276.

20. Begebenheit
Zwantzigste Begebenheit.
Ein Türckisches Mägdlein wird durch Ansprach einer krancken Catholischen Wittfrau wunderbarlich zum Christlichen Glauben bekehrt; um dessentwillen es auch getödtet worden.

Ein Maronitische Wittfrau, welche nicht weit von dem Berg Libanus, (so in Asien zwischen Palästina und Syrien liegt, und auf welchem Cederbäum gewachsen) wohnete, sehr alt, und über die massen kranck; ihr Leib aber so voll der Geschwären, daß, so oft man sie heben, und legen wollte, ihr hierdurch die empfindlichste Schmertzen verursacht wurden: Sie ware beynebens Blutarm, und dannoch so gedultig, daß aus ihrem Angesicht und Gebärden beständig eine Fröhlichkeit ohne einigen Unwillen hervor blickte. Die Weiber in der Nachbarschaft, so oft [559] sie dieselbe heimsuchten, könnten sie nicht genugsam bewundern. Unter diesen fande sich ein Mägdlein von 20. Jahren, welches aus Mitleiden die krancke Nachbarin oftermahl durch seine Gegenwart ergötzt, und ihre (der Krancken) auferbäuliche Gespräch gern angehört hat. Allein dieses zu allem Guten wohlgeneigte Mägdlein, ob es schon von seinen Eltern in dem Türckischen Greuel erzogen worden, liesse ihm dannoch die Tugenden der krancken Wittib also gefallen, daß es dieselbe einstens befragt hat, wie ihr doch möglich wäre, so erbärmliche Schmertzen nicht allein mit höchster Gedult ohne Klag, sondern auch mit Freuden gantz vergnügt zu übertragen? worauf die Krancke geantwortet: Du hast, sagte sie, keine Ursach ab meiner Gleichmüthigkeit dich zu befremden, dann ich leide nicht allein, sondern derjenige, eintzige, wahre GOtt, den ich anbette, hilft mir durch seine Gnad den Last tragen. Ich hab von ihm erlernet, meine Trangsalen zu lieben; weil ich weiß, daß sie mich bey ihm beliebt machen, und daß die Marter, so er für meine ewige Seligkeit ausgestanden, die meinige weit übertrift. Aber du bist unglückselig, indem du nicht gedenckest, daß du sowohl als ich ihm ein so bitteres Leiden verursacht habest. Die junge Türckin wollte wissen, wer GOtt seye, welcher so grosse Peinen für uns gelitten hätte? Da nahme die krancke Maronitin Gelegenheit dieselbe in denen Christlichen Glaubens-Wahrheiten zu unterrichten, welche das Mägdlein begierig angehört, und zu Haus bey ihr selbst allein betrachtet hat. Sie kamen nachgehends öfters zusammen; da waren aber alle ihre Gespräch von der Christlichen Lehr, in welcher die Lehr-Jüngerin täglich zugenommen, und endlich alle Hauptstuck des wahren Glaubens erlernet hat. Indessen wollten ihre Eltern, welche um solche heimliche Abhandlungen nicht das geringste wußten, ihrer Tochter einen Mann geben, welche sich aber auf alle erdenckliche Weis entschuldigte unter dem Vorwand, daß sie keinen Lust zum Heurathen hätte, sondern vielmehr festiglich entschlossen wäre bis in den Tod ledig zu bleiben. Der Vatter hingegen, welchem der Bräutigam sehr anständig ware, versuchte alle gelinde und scharfe Mittel die Tochter zu diesem Heurath zu bereden. Aber alles vergebens: Dann diejenige wollte von keinem andern Bräutigam wissen, welche sich heimlich Christo allein verlobt, und deswegen den Namen Maria Theresia angenommen hatte. Sie überlegte alles mit der krancken Maronitin, doch also verschwigen, daß die Eltern nicht darhinter kommen, noch ihren Mann erfragen könten. Als endlich alles nichts helfen wollte, hat der verzweiflete Vatter seiner einigen Tochter in einer Caffee-Schaalen Gift beygebracht, von welchem sie bald mit einem auszehrenden Fieber, worzu ein Frost und vielmahlige Ohnmacht gestossen, angesteckt, und endlich voller Hofnung des künftigen Lebens und [560] Liebe GOttes mit unbeschreiblichem Trost ist verzehrt worden. Der grimmige Vatter ware durch diesen Tod so gar nicht besänftiget, daß er den Leichnam in einen Sod-Bronnen hat stürtzen lassen; welche That aber GOtt nicht ungebrochen liesse; dann er bald nach seiner Tochter Tod, die nunmehr im Himmel mit der Marter-Cron geziert ware, eines gähen Tods gestorben. Aus welcher Begebenheit wir 2. denckwürdige Beyspiel haben: Das einte der göttlichen Gerechtigkeit gegen dem Vatter; das anderte aber der unendlichen Barmhertzigkeit GOttes gegen der Tochter. Beyde haben sich gegen dem End des Jahrs 1697. zugetragen. Stöcklein S.J. neuer Welt-Bort. Tom. 2.Parte XI. n. 275.

21. Begebenheit
Ein und zwantzigste Begebenheit.
Einen Königlichen Printzen macht die Forcht und Schröcken in einer eintzigen Nacht Schnee-weiß.

Ratislaus ein Königlicher Printz in Pohlen hatte sich weit verlohren, daß er seinen Herrn Vatter, Lessus mit Namen, vom Thron zu stürtzen suchte. Allein dieses Unternehmen schluge ihme übel aus, indem sein Herr Vatter auf eine Zeit Befehl gabe, den Sohn, wann er wohl bezecht wäre, bey nächtlicher Weil aus der Königlichen Residentz in eine weit davon entlegene Steinkruft, die sich unter der Erden ein Meil Weegs in die Länge erstreckte, zu tragen. Zu diesem End waren 4. Kerls bestellt, welche sich vermummen, und wie Teufel ankleiden mußten. Als nun diese dem Befehl nachkommen, und der Printz nach vergangener Trunckenheit in der Kruft liegend aus dem Schlaf erwachet, und aber nicht wußte, wo er wäre, kame ihne ein entsetzliche Forcht und Schröcken an. Er dappete demnach an denen Wänden der Kruft herum, und suchte hinaus zukommen, könte aber nirgends einen Ausgang finden. Mithin wurde die Forcht und Schröcken unbeschreiblich vermehrt, als ihm gedachte 4. Kerls, wie Teufel angekleidet mit brinnenden Facklen, und auf denen Schulteren ein Todten-Bahr tragende entgegen kamen. Es bemühete sich zwar der arme Printz ihnen zu entrinnen, allein umsonst; dann sie setzten ihme die Todten-Bahr in den Weeg, und machten gähling ein Feuer auf, um welches sie sich herum stellten, und allerhand erschröckliche Figuren und Gebärden machten; welches dann den erschrockenen, und halb todten Printzen glauben gemacht, als sehe er vor sich das höllische Feuer, und seye er lebendig in die Höll getragen worden: Und also mußte er in dieser förchtlichen Kruft noch bis auf die nächste Nacht verbleiben. Nachdem er aber gantz abgemattet ein wenig eingeschlaffen, trugen ihn [561] mehrgedachte Kerls, da er noch im Schlaf begriffen, wiederum zur Stein-Kruft hinaus, setzten ihn bey finsterer Nacht auf einen Kutschen-Wagen, und führen ihn, wie er noch mit kaltem Schweiß übergossen, als halb todt in die Königliche Residentz wiederum zuruck. Weilen aber dieses alles in der Finstere geschehen, könte der Printz noch nicht wissen, an was für einem Ort der Welt er sich finde, und aufhalte. Sobald es nun Tag worden, kamen die Königliche Bediente in das Schlaf-Zimmer, legten den Printzen an, und bedienten ihn nach Gewohnheit. Aber siehe Wunder! der Printz, so nicht über 22. Jahr alt ware, sahe auf dem Haupt Schnee-weiß aus, und einem alten Mann allerdings gleich. Kurtz zu sagen, er hatte sich dergestallten verändert, daß sein Herr Vatter der König, als er seiner ansichtig worden, sich erstlich des Weinens nicht enthalten können; hernach aber ihme um den Hals fallend diese Wort gesprochen: Mein Sohn! ich vermeinte aus einem rebellischen einen gehorsamen, und treuen Sohn zu machen, allein, wie ich sehe, so hab ich zugleich aus einem Jüngling einen Schnee-weissen Alten gemacht. Engelgrave S.J. Pantaleon in festo Assumptæ Virginis Mariæ §. 4.

22. Begebenheit
Zwey und zwantzigste Begebenheit.
Ein Sohn hatte seinen Herrn Vatter so weit beredet, daß er mit ihm GOtt dem HErrn in einem Closter bis ans End des Lebens gedienet hat.

Es ware ein Edler und reicher Herr, der hatte einen Sohn, den er durch das Kriegs-Weesen und Ritterliche Thaten zu hohen Ehren zu bringen bedacht ware. Als nun der wackere Jüngling aufs beste ausstaffiert schon auf der Kreis nach dem Feld-Lager begriffen ware, und aber unter Weegs ein Einkehr in dem von Bernardi Namen und Heiligkeit berühmten Closter Claravalle genommen, traffe er allda gantz andere Soldaten an, nemlich Geistliche, welche zu dem Kriegs-Fähnlein des grossen GOttes geschworen mit den Waffen des Geists die Höll und Welt bestritten. Von solchem Exempel bewegt änderte der Jüngling durch GOttes Eingebung sein Vorhaben; begehrte von dem Prälaten des Closters aufgenommen zu werden, und hat es auch erhalten.


Wie solches dem Vatter zu Ohren kommen, zörnte er sehr heftig; deutete es zum Schimpf seines Geschlechts aus; eilete Sporrenstreich dem Closter zu, fienge an vor der Porten zu poldern, und zu drohen, Gewalt zu gebrauchen, und das Closter anzuzünden, wofern man ihm nicht alsobald seinen Sohn wurde heraus geben. Der [562] Prälat, so ein gescheider Herr ware, den wilden Menschen in etwas zu besänftigen, kommt herfür, giebt ihm gute Wort, und ladet ihn zu Gast mit Erbietung aller Freundlichkeit. Weilen aber nichts verfangen wollte, sagte er: In allweg mein Herr! sollt ihr euern Sohn alsobald wiederum haben, wann ihr nur einen bösen Brauch, der in euerm Gebiet im Schwung gehet, und dem Sohn allein einen Eckel ab der Welt Eitelkeit verursachet, abschaffen wollet. Freylich ja sagte der Edelmann, ich gehe die Bedingnuß ein: Darauf hin kommt auch der Sohn herfür, und haltet dem Herrn Vatter gleichfalls obgedachte Bedingnuß vor, sagend: Herr Vatter! der Mißbrauch, so mir in euerm Gebiet mißfallet, ist dieser, daß allda die Junge sowohl als die Alte sterben müssen. Wann ihr nun diesen Mißbrauch wollet abschaffen, will ich stracks mit euch nacher Haus kehren, wo nicht, so bleibe ich bey meinem gefaßten Schluß, und an demjenigen Ort, wo ich jung zu sterben kein Sorg, und alt zu sterben ein Verlangen möge haben. Mit diesen Worten hat der Sohn den Vatter also bewegt, daß er gleichfalls seinen Kriegs-Stand geändert, in eben gedachtes Closter eingetretten, und neben dem Sohn um den ewigen Sold, Lohn und Cron ritterlich gekämpft hat. Vincent. Bellovacens. to. 3. Specul. Moral. fol. 693.

23. Begebenheit
Drey und zwantzigste Begebenheit.
Ein adeliche Frau wird in ihrem Anliegen von dem H. Antonio von Padua auf eine gantz verwunderliche Weis getröstet.

Zu Oviedo einer Stadt in Spanien befande sich im Jahr Christi 1729. eine adeliche Frau, Namens Francisca von Aravio, dero Ehegemahl Antonius Danta vor langer Zeit mit einer Schifs-Flotten in Indien (eines der grösten Länderen in dem Welt-Theil Asien) abgeseglet ware. Weil nun seine Frau nach vielfältigem Schreiben keine Antwort von ihm erhalten könte, nahme sie ihre Zuflucht zu dem Heil. Antonius, dessen wunderthätige Bildnuß zu Oviedo in der Franciscaner-Kirch in grossen Ehren gehalten wird, und mit vollkommenem Vertrauen steckte sie diesem Heiligen einen Brief an ihren Herrn in den Ermel, ihne mit vielen Zäheren bittende, er wollte doch bey GOtt durch seine grosse Fürbitt auswürcken, daß solcher Brief ihrem Herrn überbracht, und von ihme wiederum eine Antwort möchte zuruck geschickt werden.


Eines Tags des Morgens fruhe nahme der Sacristan des Closters wahr, daß die Bildnuß des H. Antonii einen Brief in der Hand hätte, welchen er aber nach aller angewendter [563] Mühe nicht könte hinweg nehmen. Unterdessen kame obgedachte gottselige Frau selbigen Morgen ihrer Gewohnheit nach auch wiederum für diese Bildnuß: Und als sie glaubte gantz allein in der Kirchen zu seyn, mithin darfür hielte, der Brief, welchen der Heilige in der Hand hielte, wäre eben derjenige, den sie ihm den vorigen Tag in den Ermel gesteckt hatte, sprache sie mit weinenden Augen, und erhebter Stimm: O mein auserwählter Patron, Heil. Antoni! warum behaltest du doch meinen Brief, den ich dir an meinen Ehegemahl mit so vielen Zäheren übergeben, und anbefohlen hab, so lange Zeit bey dir? woher kommt es doch, daß du mein inständiges Bitten nicht erhörest, noch mich in meiner so grossen Betrübnuß tröstest? Der Sacristan, als er diese klägliche Wort gehört, gienge hinzu, und fragte die Frau um die Ursach ihrer so grossen Traurigkeit. Und da er solche vernommen, ermahnte er sie den Brief, welchen er dem Heiligen nicht vermöchte aus der Hand zu bringen, wiederum zu sich zu nehmen. So bald nun die Frau gegen dem Altar hinauf gestiegen, liesse der Heilige den Brief von sich selbsten aus der Hand, und zugleich aus seinem Ermel 300. Stuck Indianischen Golds fallen, welche ungefähr 228. Florentinische Scudi, oder Thaler ausmachen. Der Sacristan hierüber erstaunend, berufte alsobald alle Patres des Closters zusammen, in dero Gegenwart die Frau den Brief eröfnet, und darinnen ersehen eine Antwort von ihrem Ehe-Herrn folgenden Innhalts:

Meine allerliebste Gemahlin! ich befinde mich schon lange Zeit in Kummer und Sorgen, dieweil ich in währender Zeit, da ich in Indien bin, nichts von euch hab vernehmen, noch hören können. Nun aber lebe ich wiederum gantz getröst auf euer Schreiben, welches ich von einem Franciscaner mit gröster Freud empfangen hab. Ihr beklagt euch darinnen, daß ich euch niemahl eine Antwort gegeben auf euere Brief, in welchen ihr euere treue Lieb mir erzeigt habt. Ich versichere euch aber in der Wahrheit, daß ich niemahl einigen Brief gesehen, noch empfangen habe, als den mir gedachter Franciscaner überbracht hat, durch welchen ich auch diese Antwort mit 300. Stuck Gelds überschicke um euch dessen bedienen zu können bis zu meiner Wiederkunft, welche hoffentlich bald erfolgen wird, wie ich wünsche, und meinen Patron den Heil. Antonium ohne Unterlaß darum bitte. Ich erwarte mit Schmertzen wiederum eine Antwort hierüber, den lieben GOtt bittend, daß er euch bewahre. Ich verbleibe Euer getreuster Ehegemahl.

Antonius Danta.


Liman in Peru den 23. Julii 1729.

Ex Relatione ubique locorum dispersa, à tribus Episcopis ritè examinata, & pro vera agnita.
24. Begebenheit
[564] Vier und zwantzigste Begebenheit.
Christ-auferbauliches Sendschreiben eines neu-bekehrten Chinesischen Fürsten an seine Fürstliche Gemahlin, aus Gelegenheit der Verfolgung wider die Christen in China.

Liebste Gemahlin.


Euere Leibs-Kräften seynd schwach; darum bewahret euere Gesundheit zum besten meines Haus. Unterlasset keinen Tag, meine Kinder und Haus-Genossene in ihrer Christlichen Schuldigkeit zu unterweisen. All unser Thun und Lassen soll also eingericht seyn, als stunden wir vor dem Thron, und im Angesicht GOttes: Das ist, ehe wir eine Sach anfangen, ist vonnöthen, daß wir uns festiglich einbilden, wir befinden uns in seiner Gegenwart. Rufet ihn öfters an um seinen Beystand, dann ohne sein Hilf können wir nichts zuwegen bringen. Rufet an die seligste Jungfrau Mariam, damit sie euch die Gnad erlange die Gebott GOttes genau zu halten. So bald ihr mercken werdet, dieses oder jenes seye ein Sünd, unterlasset es ohne nachsinnen. Fallet ihr etwann aus Gebrechlichkeit, bereuet solche ohne Verschub mit ernstlicher Besserung. Stehet allzeit auf emsiger Hut über euch selbst. Die Hertzens Reinigkeit und Demuth seynd die zwey Haupt-Tugenden, mit welchen Christus und sein Heil. Mutter uns vorgeleuchtet haben; folget ihrem Beyspiel. Ereignet sich ein schwerer Zufall, erholet euch Raths bey euerer älteren Schwägerin, mit welcher ihr in enger Vertraulichkeit leben sollet. Bildet euch nimmer ein, daß alles nach euerm Wunsch gelingen könne. Ueberlasset euch, und alle Ding der göttlichen Obsorg; dann was GOtt thut, ist allzeit das Beste. Erneuert oft den Glauben, die Hofnung und die Liebe, dann diese seynd jederzeit nothwendig, absonderlich in der Sterbstund. Was anlagt die Kranckheit meines Sohns, sollet ihr euch nicht viel bekümmern: Unterwerfet diesfalls euern Willen dem Göttlichen, und erwartet alles von seiner Barmhertzigkeit. Vor allem seyd befliessen unsere Kinder und Kinds-Kinder in dem Christlichen Glauben also zu unterrichten, damit selbiger in meinem Geschlecht allzeit erhalten werde. Bittet GOTT unaussetzlich um diese Gnad durch die Vorbitt seiner Heil. Mutter, dero Verehrung ihr niemahlen unterlassen sollet. Ich kan euch Sach nicht genug anbefehlen. Was mich anbelangt, weiß ich wohl, daß ich ein Sünder, daß ich die Schwachheit selbst bin. Dessen ungehindert giesset GOtt seine Gnaden häufig über mich aus, und vergehet kein Tag, wo ich nicht die Würckung seines Schutzes erfahre. Ach wie schlecht hab ich herentgegen die Absehen seiner Barmhertzigkeit in das Werck gestellt! dann[565] ich mercke, daß ich bis auf diese Stund an die Welt, und das Fleisch angefeßlet bin; hiemit aber sein heiliges Gesatz entunehre. Dieses reuet mich von Hertzen; jedoch hoffe ich auf seine unendliche Barmhertzigkeit, dero ich mich mit zerknirschtem Hertzen gäntzlich überlasse. Kräncket euch nicht wegen meines gegenwärtigen und zukünftigen Zustands; ihr sollet auch nicht einmahl nachfragen, wie es mir gehe. Wir stehen in GOttes Händen, stellen demnach alles seiner Vorsichtigkeit, und dem Schutz seiner seligsten Mutter heim. So nehmet dann, meine liebste Gemahlin! diesen Brief, und haltet fleißig alles, was er in sich begreift. Geben den 10. May 1727. Stöcklein S.J. Welt-Bott im 21. Theil, n. 434.

25. Begebenheit
Fünf und zwantzigste Begebenheit.
Ein Ehe-Herr wird ewig verdammt, weil er gegen seiner Ehe-Gemahlin einen unversöhnlichen Haß getragen.

Thomas von Bergamo, ein gottseliger Layen-Bruder aus dem Capuciner-Orden, besuchte auf eine Zeit einen Grafen von Vicentza einer Stadt in dem Venetianischen Gebiet gelegen, welcher einen unversöhnlichen Haß gegen seiner Ehe-Frauen truge. Diesen beredte Thomas, daß er wenigist äusserlich seiner Gemahlin, zum Zeichen seines abgelegten Unmuths die Hand bietete; das thate er zwar: Allein in dem Hertzen branne entzwischen der vorige Grimmen und Zorn. Was geschiehet? der Graf ist kurtz darauf in die andere Welt beruffen worden. Da nun der Bruder Thomas für ihn bate, erscheint der Unglückselige, sprechend: Du Diener GOttes! höre auf für mich zu betten, ich bin der Graf, so unlängst gestorben, und nunmehr ewig verdammt; weilen ich die getragene Feindschaft gegen meiner Frauen niemahls aus meinem Hertzen gelegt, derowegen über mich das Urtheil ohne Barmhertzigkeit ergangen. Worauf er verschwunden. Jacobus Schmid S.J. im 3ten Theil des Ehren-Glantzes der gefürsteten Grafschaft Tyrol.

26. Begebenheit
Sechs und zwantzigste Begebenheit.
Ein Kind wird auf den Fluch seiner Mutter durch den Teufel weggeführt.

Ein eifriger Prediger aus der Gesellschaft JEsu predigte einstens wider das ärgerliche Fluchen: Unter denen Zuhöreren befande sich auch eine Mutter vieler Kinder, welche diesem schädlichen Laster sehr ergeben [566] war; die sich aber so wenig zur Besserung bewegen lassen, daß sie gleich nach der angehörten Predig, so bald sie nacher Haus kommen, ihrem zwey-jährigen Söhnlein gewunschen, daß es der Teufel holen möchte; alsobald wurde ihr durch unsichtbarlichen Gewalt das Kind aus den Armen gerissen, und durch den Luft hinweg geführt. Die gottlose Mutter vor Schröcken und Leidwesen fast nichts um sich selbst wissend, lauft eilends zu gedachtem Prediger, wirft sich zu dessen Füssen, bekennt ihr Unglück, beichtet reumüthig ihre Sünden mit einem kräftigen Fürsatz keinen Fluch hinführo mehr aus dem Mund zu lassen. Der fromme Priester sich des unschuldigen Kinds und der büssenden Mutter erbarmend, bettet kürtzlich zu GOtt, befiehlt das entführte Kind in der umliegenden Gegend fleißig aufzusuchen; welches auch endlich auf einem Berg unverletzt gefunden worden. Der Ruf dieses entsetzlichen Zufalls ist bald hin und wider erschollen, und hat die Leut von der üblen Gewohnheit zu fluchen gewaltig abgeschröckt. Tann. S.J. in vita Manuelis Teyxeira.

27. Begebenheit
Sieben und zwantzigste Begebenheit.
Ein unschuldiges Kind wird von einem Diener nach ausgesprochenen heiligsten Namen JEsus dem Teufel aus denen Klauen gerissen.

In Schlesien hatte ein Edelmann etliche Gäst zu einer guten Mahlzeit in sein Schloß eingeladen: als aber die Stund herbey kommen, und schon alles aufs beste zubereitet ware, hatten sich alle, weiß nicht aus was Ursachen, entschuldiget; daß also kein eintziger aus ihnen erschienen ist. Weßwegen der Edelmann sich sehr erzörnt, und endlich aus heftigem Grimmen in diese Wort ausgebrochen: Wann keiner mit mir diese Mahlzeit will einnehmen, so kommen dann alle Teufel daher, und seyen meine Gäst. Darauf gienge er vor Unmuth aus dem Haus, und begabe sich in die nächste Kirch, wo der Pfarrer noch in der Predig begriffen ware. Diesem höret er eine Weil zu, damit sein noch in vollem Zorn aufwallendes Gemüth in etwas besänftiget wurde. Unterdessen aber langten in dem Vorhof des Schlosses etliche Reuther an, welche sehr wild, und gantz schwartz aussahen, und die gemeine menschliche Grösse weit überstigen. Diese redeten den ihnen entgegen kommenden Diener an, und befahlen, er solle seinem Herrn ihre Ankunft an deuten, und sagen, die eingeladene Gäst wären nunmehro vorhanden; sollte sich also nacher Haus verfügen, und sie, seinem Versprechen nach, bewürthen. Der Diener merckte gleich, daß hinter diesen Gästen nichts gutes stecke. [567] Lauft also gantz erschrocken nach der Kirch zu seinem Herrn, und kündigt ihm an, was für fremde Herren nunmehr in seinem Schloß angelangt wären. Der Edelmann dieses hörend wußte ihm selbst weder zu rathen, noch zu helfen; zeigte also diesen urplötzlichen Zufall der so unverhoften, aber doch sehr behutsamen eingeladenen Gästen noch unter der Predig seinem Pfarrern an, und ersucht ihn um einen heilsamen Rath, wie er sich in dieser Sach verhalten sollte. Der Pfarrer macht deswegen seiner Predig bald ein End, und befihlt, daß alle Innwohner des Schlosses, sich sollten geschwind aus dem Schloß begeben, und selbiges gleichwohl denen höllischen Gespensteren überlassen, damit sie nicht etwann von ihnen am Leib ergriffen, und weiß nicht, was für einen grossen Schaden leiden müßten. Lauften derohalben alle in grosser Eil und Schröcken davon, so gut ein jeder vermöchte. Aber keiner so wohl aus den Knechten als Mägden gedachte an das junge in der Wiegen liegende und schlaffende unschuldige Kind des Edelmanns, welches allein in dem Schloß, und höchster Gefahr seines Lebens gelassen wurde. Unterdessen nahmen die teuflische Gäst das gantze Schloß ein, fiengen an sich zur Tafel zu setzen, und machten sich dem Ansehen nach lustig: holten eine Tracht über die andere von den Spissen und Häfen aus der Kuchel in die Tafel-Stuben hinauf, und verführten ein solches Schreyen und Johlen, daß die gantze Nachbarschaft sich darüber höchstens entsetzte. Sie begaben sich mithin zu denen Fensteren in unterschiedlichen Gestalten der Bären, Wölfen, Katzen, und abscheulichen Larven-Gesichter; zeigten dem zulauffenden Volck auf die Gassen hinunter gesottene und gebratene Speisen von Fleisch und Fisch, als wann sie alle darzu einladen wollten. Dieses sahe jedermann nicht ohne grossen Schröcken an, samt dem anwesenden Pfarrern und Edelmann; welcher letztere endlich ingedenck ware seines lieben Kinds, und fienge an die Haus-Bediente zu fragen, wo das arme Tröpflein wäre? Niemand wollte darauf antworten, dieweil solches aus Unvorsichtigkeit daheim in der Wiegen ware gelassen worden, welches dann dem Vatter in diesem so entsetzlichen Zufall ein neue und gröste Kümmernuß verursachte. Kaum ware diese Sorg in dem vätterlichen Hertzen entstanden, wurde schon das Kind auf dem Arm eines Teufels zu dem Fenster getragen, und allen auf der Gassen versammleten Leuten mit grossem Hertzen-Leid der Eltern gezeigt. Der Vatter über diesen so erbärmlichen Anblick gantz erstaunt, könte ein Zeit lang kein Wort sagen: endlich aber redete er einen aus seinen Dieneren, deme sonst etwas besonders könte anvertraut werden, an, und ersucht ihn, er möchte doch das Hertz fassen, und dieses verlassene Tröpflein den höllischen Raub-Vöglen aus den Klauen reissen; solche Gutthat sollte ihm reichlich vergolten werden. Wann er aber so viel Hertz [568] nicht hätte, sollte er wenigst sagen, wie die Sach anzugehen, und das Kind in die Sicherheit zu stellen wäre? der Diener antwortete darauf mit diesen Worten: Mein Herr! ich will mich und mein Leben GOtt dem Allmächtigen befehlen, und im Namen des HErrn mich unter die höllische Gespenster hinein wagen, damit ich dem unschuldigen Kind zu Hülf komme, und selbiges durch die göttliche Gnad aus dem Gewalt der Teuflen reisse. Wegen solchem Anerbieten und hertzhaften Willfährigkeit freuete sich der Edelmann sehr, und bate den Diener noch einmahl, er wollte sich doch in diesem zwar schwehren, jedoch Gott gefälligen Liebs-Werck brauchen lassen, worzu er ihm von GOtt dem Allmächtigen alles Glück, Heyl und Seegen wünsche. Der Diener begehrte gleich darauf von dem Pfarrern den Priesterlichen Seegen, und sprache alle Gegenwärtige um ihr Gebett an. Auf dieses hin gehet er keck in das Schloß hinauf, und fallt vor der Tafel-Stuben, allwo die Teufel sich beysammen aufhielten, auf seine Knye nieder, befihlt sich noch einmahl in den Schutz GOttes, und eröfnet unerschrocken die Thür. Aus denen Teuflen sassen etliche an der Tafel, andere giengen in der Stuben auf und ab, oder krochen wie die Schlangen, und anderes Ungeziefer herum. Aber so bald sie den Diener erblickt, lauffen sie alle zu ihm hin, und fragen mit ungeheurem Geschrey, was er hier mache? Der Diener schwitzte zwar vor Schröcken, wurde doch von GOtt also gestärckt, daß er denjenigen Teufel, so das Kind auf dem Arm truge, unerschrocken angeredt, und selbiges von ihm abgefordert. Allein der Teufel weigerte sich, und sagte: Dieser Raub ist nun mein, will solchen dein Herr haben, so komme er selbst, und nehme sein Kind aus meinem Gewalt. Mit dieser Antwort aber ware der Diener nicht zufrieden, sondern redete den Teufel mit hertzhaftem Gemüth also an: Ich verrichte das Amt, so mir aufgetragen worden, und worzu mich GOtt beruffen hat, dieweil ich weiß, daß ihm solches angenehm ist, derohalben vertraue ich auf die Gnad und Kraft GOttes, und nehme dir in dem Namen unsers HErrn JEsu Christi das Kind aus deinen Klauen, welches von mir alsobald seinem Vatter wird zugestellt werden. Mit diesen Worten legte der Diener Hand an, und reißte das Kind mit Gewalt zu sich, welches ihm auch der Teufel überlassen mußte, und wurde nach von dem Diener ausgesprochenen und von ihnen angehörten Namen JEsus so kraftlos, daß selbige nichts als drohen könnten, wie daß sie ihn in viel 1000. Stuck zerreissen wollten, wofern er mit dem Kind davon lauffen wurde. Allein sie könnten weiter keinen grössern Gewalt brauchen, sondern mußten dem Diener den Sieg gewonnen geben, welcher alsobald mit dem Kind aus dem Schloß auf die Gassen dem Vatter zugeeylet, und solches ihm gantz frisch und gesund in die Schooß gelegt hat. Die Teufel hatten sich zwar noch etliche [569] Tag in dem Schloß sehr ungestümm aufgehalten, seynd aber hernach alle verschwunden, und könnte der Edelmann mit allem Haus-Gesind seine alte Wohnung wiederum ruhig besitzen. Delrio S.J.P. 1.Sect. 1. & lib. 1. de lamiis, c. de malitia diaboli.

28. Begebenheit
Acht und zwantzigte Begebenheit.
Ein Verstorbener kommt wiederum zum Leben, und bekennet eine von vielen Jahren her in der Beicht verschwiegene Sünd.

Hans Fontanaz, gebürtig aus einem Dorf, so da in dem Freyburgischen Gebiet in Uchtland liegt, ware durch eine tödtliche Kranckheit schon dahin gebracht, daß er mit allen HH. Sacramenten mußte versehen werden, worauf er würcklich gestorben, nachdem er eine gute Weil zuvor in denen Zügen gelegen, den 12. April im Jahr 1684. wie alle Gegenwärtige, und er auch selbst hernach, da er von neuem zum Leben erweckt worden, ausdrucklich bekennt, und bezeuget hat. Eine Viertelstund ware schon vorbey, als der Verstorbene unversehens wiederum aufstunde, sich ankleydete, die Stuben auf und ab gienge, endlich mit grossem Schröcken denen Gegenwärtigen sagte, man solle ihme seinen Pfarrer noch einmahl kommen lassen, dann er ihm noch etwas zu beichten habe. Immittelst als einer nach dem Pfarrer abgefertiget wurde, erzählte er alles den Gegenwärtigen mit allen Umständen, was er nachmahls vor dem gegenwärtigen Priester erzählt hat. Wem ware diese Zeitung fremder, als eben dem Pfarrer, der kurtz vorhero diesem Sterben den nicht allein beygestanden, sondern ihm auch jetzt schon Verstorbenen die Augen hatte zuschliessen gesehen; Darum konnte er von dem Botten auf keine Weiß dahin beredt werden, mit ihme zuruck zu kehren, daß also der Bott genöthiget war, sich bey des Pfarrers Caplan anzumelden. Dieser folgte dann unverweilen, und kaum ware er in die Stuben hinein getretten, da schrye gleich jener mit lauter Stimm auf: O Herr Caplan, ich ware schon gestorben, und bin vor GOttes Gericht gestanden, allwo ich wegen einer gewissen Sünd, so ich vor 20. Jahren begangen, überzeugt, und zur Höllen verdammt worden: und als ich schon den Teuflen, welche gegenwärtig auf mein Seel warteten, sollte übergeben werden, tratte in solchen Aengsten die Mutter GOttes in das Mittel, widersetzte sich denselben, und warfe sich zu den Füssen JEsu Christi ihres Sohns meines Richters nieder, bate denselben um Fristung meines Lebens, damit meine Seel zu meinem Leib kehren, und ich mich mit dem lieben GOtt, vermittelst vollkommener Beicht, versöhnen könnte. Sie erhielte es auch, und gabe mir darauf Fristung des Lebens [570] auf 24. Stunden hin mit dem Befehl, daß ich innerhalb solcher Zeit die verschwiegene Sünd beichten, und darüber Buß thun sollte. Zu denen bösen Geisteren aber sagte sie, als sie die Seel wollten hinweg nehmen, die Seel seye noch da, und müsse nicht hinweg gerissen werden, bis die Beicht inner halb 24. Stunden wurde abgelegt worden seyn. So viel redete er in Gegenwart des Herrn Caplanen. Ehe aber und bevor derselbige kommen, gabe er neben anderen schon erzählten auf eine ihm gethane Frag, ob es aus Vergessenheit geschehen, daß er die begangene Sünd nicht gebeichtet habe, diese Antwort, wann es aus Vergessenheit geschehen wäre, so wäre ich nicht da. Der Caplan neben anderen solches anhörend wußte anfänglich nicht, wie er sich finden möchte. Nachdem er sich aber ein wenig aus der Verwunderung erhohlete, probirte er ihn auf unterschiedliche Manier, und fragte endlich, ob er nicht etwan mit Betrug umgehe? darauf antwortete jener, er seye niemahlen mit Betrug umgangen, so wenig, als er begehre gleich jetzunder zu beichten. Bate beynebens, daß man diß Wunder allenthalben ausbreiten sollte, anderen zum Exempel und Warnung. Nach einiger darzwischen verloffener Zeit, nachdem gedachter Herr Caplan seine Beicht, um dessentwillen er ersucht wurde, angehört, fragte er den Fontanaz um die Ursach solcher ungemeinen Gnad, welcher zur Anwort gabe, das seye geschehen wegen etwelchen zur Ehr der Mutter GOttes verrichteten Wallfahrten, und sonderlich deren, die er nacher Einsidlen gethan; aber voraus um der letzten willen, welche er dahin bey üblem Wetter, und Schnee mit ziemlicher Beschwerlichkeit hätte verrichtet. Welches letztere auch von seinen Bekannten bestätiget wurde; daß er nemlich von 8. oder 9. Jahren her alle Jahr eine Wallfahrt nacher Einsidlen gethan hätte. Die übrige gantze Zeit nach der Beicht, da er allezeit wie zuvor bey gutem Verstand bliebe, brachte er zu mit grosser Reu über seine Sünden; ermahnete auch die Gegenwärtige zur Forcht GOttes, Haltung seiner Gebotten, und Ubung der guten Wercken, als durch welche Ding die unaussprechliche Peyn der Höllen, welche er samt dem Fegfeur gesehen hatte, vermeydet wurde; und insonderheit zur Verehrung der Mutter GOttes, als dero niemahlen etwas umsonst gethan werde. Zuletzt sagte er zu seinen Befreundten, jetzt sterbe er wohl getröst, und möchte wünschen, daß alle in einem solchen Stand wären, wie er seye. Noch ferners wurde dieses von denen, so gegenwärtig waren, bezeuget, daß er Fontanaz von der Zeit an, da er vor GOttes Gericht erschienen, wegen ausgestandenem Schröcken die 24. Stund hindurch immerdar gezittert, auch neben anderm gesagt, daß, als er vor seinem Richter erschienen, und ihm alle seine Sünden seyen vor Augen gelegt worden, da habe ihm Christus seine allerheiligste Wunden vorgewiesen Casparus Lang in seinem Theologischen [571] Grundriß 2ten Buch, 5ten Cap. 6ten Articul, §. 13. von dem Gotteshaus Einsidlen. Addens, contingentiam hanc ab Ordinaris loci ritè fuisse examinatam, & pro vera agnitam.

29. Begebenheit
Neun und zwantzigste Begebenheit.
Christus weyhet selbst in höchster Person zur Ehr seiner Jungfräulichen Mutter die Capell, in welcher der H. Meinrad das H. Meß-Opfer täglich pflegte zu verrichten.

Nachdem gedachte Capell, welche vorhin des H. Meinradi Einsidlerey ware, von dem H. Benno, so der andere Einwohner erst besagter Einsidlerey gewesen, Baufälligkeit halber verbessert; von dem H. Eberhard aber dem ersten Abt zu Einsidlen in dem Schweitzerland Anno 948. mit einer neu erbauten herrlichen Kirchen umschlossen worden, wollte er selbige nach Catholischem Brauch nunmehr lassen einweyhen. Zu diesem End liesse er den H. Conradum, Bischoffen zu Costantz, dessen Bistum Einsidlen zugehörig ware, gebührender massen ersuchen, er möchte geruhen sich nacher Einsidlen zu begeben, und die neu erbaute Kirchen samt der darinn stehenden Capell einzuweyhen. Und damit diese hochfeyrliche Einweyhung ein grösseres Ansehen hätte, wurde darzu auch eingeladen der Heil. Udalricus Bischof zu Augspurg, als welcher mit dem Heil. Conrado in gar vertraulicher Freundschaft stunde. Und seynd beyde Hochwürdigste, und ihrer Heiligkeit halber Welt-bekannte Bischöf von einer grossen Anzahl der vornehmsten Herrn aus Ober-Teutschland dahin begleitet worden. Ist auch sonst ein ungemein grosser Zulauf des alldort herum wohnenden Land-Volcks darbey gewesen dieser Einweyhung beyzuwohnen.


Conradus kame zu Einsidlen an den 13. Herbstmonath in gedachtem 948. Jahr, und nahme seinen Einkehr in dasigem gleichfals von dem H. Eberhardo neu erbauten Closter. Als er aber mitten in der darauf erfolgten Nacht, wie sein H. Brauch ware, von der Ruhe aufgestanden, und sich in die Capell, die er folgenden Morgen einzuweyhen gesinnt ware, begeben, um alldort sein Gebett und Andacht zu verrichten, siehe Wunder über Wunder, da vernahme er ein überaus liebliche Musik; und als er dieser eine Weil mit Verwunderung zugehört, und sich darauf behend aus der Capell hinaus begeben um zu erkundigen, wo selbige herkommete, da hat er mit leiblichen Augen gesehen, daß Christus der HErr in Beyseyn vieler Englen und Heiligen eben diejenige Gebräuch und Ceremonien in der Capell vollbrachte, welche die Bischöf in Einweyhung der Kirchen zu üben pflegen. Nicht aber Conradus allein, [572] sondern auch der meiste Theil der Religionen des GOttes-Hauses; wie auch noch mehr andere, welche selbiger Zeit dem Gebett und Betrachtung göttlicher Dingen obgelegen, haben gedachte liebliche, ja Englische Music mit Erstaunung angehört.


Von dieser unerhörten Erscheinung aber hat der Heil Conradus folgendes hoch betheuret, und schriftlich mit folgenden Worten hinterlassen: Christus der HErr ist in einem Viol-färbigen Meß-Gewand vom Himmel vor den Altar herunter gestiegen, das Amt der H. Meß zu vollbringen, deme die vier Evangelisten nach Gewohnheit der Kirchischen Ceremonien die Inful auf und abgesetzt haben. Die Englen trugen goldene Rauchfaß, und durchstrichen den Orth mit ihren Flüglen. Neben dem HErrn stunde der H. Kirchen-Lehrer Gregorius den Weyhwadel, St. Petrus aber den Bischof-Stab in der Hand haltende. Der H. Augustinus und Ambrosius befanden sich vor dem HErrn. Die Jungfrau Maria stunde auf dem Altar, und schimmerte wie ein Wetterleich. St. Michael ware der Vorsinger, der Heil. Stephanus hat die Epistel gelesen, St. Laurentius aber das Evangelium gesungen.


Das Sanctus ward also gesungen: Heiliger GOtt in dem Saal der glorwürdigen Jungfrau, erbarme dich unser. Gebenedeyt seye Mariä Sohn in Ewigkeit herrschend, der da kommt, etc.

Das Agnus Dei also: Du Lamm GOttes, erbarme dich der Lebendigen in dich glaubenden: Erbarme dich unser. Du Lamm GOttes, erbarme dich der Abgestorbenen in dir seeliglich ruhenden: Erbarme dich unser. Du Lamm GOttes, verleyhe Fried denen Lebendigen und Verstorbenen in dir seeliglich ruhenden.


Auf das Dominus vobiscum, der HErr seye mit euch, antworteten die Engel: Welcher da sitzt über den Cherubinen, und siehet in die Abgrund.


Auf erzählte Erscheinung hat es sich begeben, daß als nächst folgenden Morgen, nemlich den 14. Herbstmonath, nach allen zu der Weyhung gemachten Vorbereitungen das in grosser Anzahl versammlete Volck auf den Heil. Bischof Conradum wartete, er aber sich nirgends sehen lassen, noch aus der Capell, in welche er nach vollendeter göttlichen Einweyhung hinein gangen, heraus wollte; sondern in selbiger gantz unbeweglich, und ausser sich selbsten knyend verbliebe, mithin die Sach, um derentwillen er beruffen ware, mit männigliches Befremden und Verlangen bis gegen Mittag hin aufgezogen wurde, hat man ihn gemahnt, der vorhabenden Weyhung dermahl eins den Anfang zu machen, und das hierauf mit grosser Begierd warthende Volck nicht länger aufzuhalten. Allein Conradus wollte noch nicht daran, sondern antwortete, [573] es komme ihm diese Sach zu thun unmöglich vor: Ursach dessen, weilen die Capell allbereit vom Himmel herunter eingeweyhet wäre: und dessen seye er durch gehabte klare Erscheinung allerdings versichert, und vergewißt. Obwohlen nun die Heiligkeit Conradi denen, so ihn gemahnet, nicht verborgen ware, haben sie ihm doch solches nicht glauben wollen, sondern gäntzlich darfür gehalten, solche vorgegebene himmlische Weyhung müsse ihm aus einer vorhergegangener tieffen Betrachtung, und Traumweiß vorkommen seyn, und wäre demnach nicht darauf zu gehen. Setzten also mit ernsthaften Worten an ihn, und verlangten kurtzum der Weyhung den Anfang zu machen. Aber, O der wunderlichen Vorsichtigkeit GOttes, Conradus wollte die Einweyhung kaum anfangen, da erschallete von oben herab ein himmlische Stimm, welche mit höchster Entsetzung und Schröcken aller Anwesenden zu dreymahlen hell und überlaut geruffen: Höre auf, Bruder! höre auf! die Capell ist von GOtt gewyhen. Als solches jedermänniglich, so sich in der neuen Kirch, und um die Capell herum einfande, gehört, hat an einer so heitern, und nunmehro vom Himmel herab bestätigten Wahrheit kein Mensch mehr zweiflen dörffen, sondern festiglich darfür gehalten, es habe der Heil. Conradus keinesweegs eine getraumte, sondern wahrhafte Erscheinung hiervon gehabt, und seye die Capell, laut beständiger Aussag Conradi, wahrhaftig von Christo dem HErrn eingeweyhet, und geheiliget worden.


Als dieses alles, wie gedacht, vorbeygangen, liesse Conradus voll eines Heil. Schröckens von der vorgehabten Weyhung ab, und gienge mit seinen ihme aufwarthenden Geist- und Weltlichen Herren aus der geheiligten Capell heraus, die übrige neu-erbaute Kirch unter dem Titul und Namen des glorwürdigen Heil. Martyrers Mauritii, und seiner samtlichen Gesellschaft einzuweyhen, wie dann auch geschehen.


Es ist aber hier mit Stillschweigen nicht umzugehen, daß beym Eingang dieser H. Capell in dem obern steinenen Thür-Pfosten 5. nicht gar tieffe Löcher in einem Stein eingedruckt zu sehen seynd, in welche man durch ein eisenes Gitter die Finger der rechten Hand pflegt einzulegen. Von diesem Hand-Zeichen ist ein alt hergebrachte, und jederzeit fest-geglaubte Tradition, es habe Christus der HErr, nachdem er die Capell obgedachter massen eingeweyhet, zu einem ewigen Angedencken so grosser Gnad dero von ihme selbst verrichteten Weyhung seine göttliche Hand eingedruckt, und gnädigst hinterlassen. Welches um so viel mehr zu glauben, weilen aus Berührung der eingedruckten göttlichen Hand wohl auch Gesundmachungen erfolget seynd. Conradus Hunger in Chronica B.V. Einsidl.

30. Begebenheit
[574] Dreyssigste Begebenheit.
Ein verzweifleter Mensch wird durch ein Mariä-Bildlein von Einsidlen erhalten, daß ihn der Teufel nicht hat können mit Leib und Seel hinweg führen.

Vor ungefehr 40. Jahren ist ein gewisser, sonst ehrlicher Mann durch allerhand Unglücks-Fäll, vornehmlich aber durch Verfolgung von seinen Feinden vor Gericht, nach und nach um all sein Haab und Gut kommen, welches dann dem armen Mann allgemach so schwehr gefallen, daß er je länger je mehr in Traurigkeit und Kleinmuth, ja endlich gar in die äusserste Verzweiflung gerathen; also daß er dem Teufel etlichemahl (O erschröckliche Sach) geruffen, er solle kommen, und ihn auf der Stell, ohne allen Verzug, hinweg nehmen, und in die Höll hinunter führen. Einsmahls, da er diesem bösen Gast in seinem Zimmer ruffet, klopfet jemand vor der Thür daraussen mit aller Ungestümmigkeit an. Der elende Mensch macht auf, und siehet voraussen stehen einen entsetzlichen schwartzen Mann von ungeheurer Grösse, grün und schwartzlecht bekleydet. Er fragt ihn an, wer er wäre? dieser gibt zur Antwort, er seye derjenige, deme der Haus-Vatter geruffen habe, nemlich der Teufel, was man seiner begehre? Wer sollte da nicht meynen, der verzweiflete Mann wäre ab der Gegenwart dieses höllischen Geists erschrocken? oder hätte wenigst auf etliche Jahr Verzug begehrt? Aber, O Verzweiflung! wie weit bringst du nicht den Menschen, wann er dir nicht gleich Anfangs Widerstand thut! der elende Mensch vor Verzweiflung gantz rasend schreyet auf: Komme herein, besinne dich nicht lang, nehme mich hinweg, und führe mich in die Höll hinunter. Ich kan und mag nicht länger mehr leben: Der höllische Geist fangt an vor der Thür zu brummlen, und mit rauher Stimm sprechend: Was hast du im Zimmer oberhalb der Thür? thue es hinweg, wann du willst, daß ich thue, was du begehrest. Hier ist zu wissen, daß ob der Thür ein nunmehr veraltetes Mariä-Bildlein von Einsidlen gewesen, welches vielleicht dieser Mann, da er noch fromm ware, oder jemand anderer aus dem Haus angeklebet hatte. Was thut nun der verzweiflete Mensch? Hört er nicht, daß dieses Bildlein im Weeg stehet, daß ihn der höllische Geist nicht kan hinweg führen? freylich ja hört ers. Allein er ist von der Verzweiflung gantz eingenommen; also dann nimmt er einen Schemel, steigt hinauf, und bearbeitet sich das Bildlein hinweg zu reissen, kan es aber nicht zuwegen bringen. Indem er dann zum zweyten ja drittenmahl angesetzt (O unerhörte Güte, und Barmhertzigkeit Mariä [575] in Einsidlen!) wirft diese mildreiche Mutter einen gnädigen Anblick in das Hertz dieses verstockten und verzweifleten Sünders, jagt ihm einen heylsamen Schröcken ein, und erleuchtet sein Gemüth dergestalten, daß er seuftzend aufschreyt: JEsus und Maria! was hab ich gethan? bezeichnet sich geschwind mit dem Heil Creutz, schlagt die Thür zu, und wird also von diesem erschröcklichen, wiewohl geladenen Gast erlediget. Bald darauf macht er sich auf den Weeg nacher Einsidlen, legt diese und andere schwehre Sünden durch ein reumüthige Beich, ab, und bittet inständig, daß zu schuldigem Lob und Dancksagung gegen Maria in Einsidlen diese in so äusserster Verzweiflung erzeigte und unerhörte Güte und Barmhertzigkeit allen dahin Willfahrtenden sollte kund gemacht werden. Augustinus tadlmann, Benedictinus, in concione habita pro Festo Dedicat. Angel. in Eremo B.V. 1710. 23. Septemb.

31. Begebenheit
Ein und dreyssigste Begebenheit.
Ein reicher, mithin aber gewissenhafter Kaufmann läßt vor seinem End für sich ein Seel-Amt halten, und stirbt gleich darauf seeliglich.

Zur Zeit, als der H. Franciscus Xaverius in Indien denen Unglaubigen den Christlichen Glauben verkündigte, und viel 1000. derselbigen bekehrte, hielte sich in der Jnsul Sanciano, so gegen China ligt, auf ein gewisser Kaufmann, mit Namen Petrus Vellius, welcher allda grosse Handelschaft triebe. Gleichwie nun dieser sehr reich, also ware er auch gegen den Armen und Bedürftigen ganz mitleydig, und theilte unter sie reichliches Allmosen aus. Sonsten, weil er von Natur holdseelig und freundlich ware, machte er sich bey allen, mit denen er umgienge, sehr beliebt. Und ob er schon jederzeit lustigen Humors ware so sahe man doch an ihm keine Ausgelassenheit, also daß so gar gedachter H. Xaverius, den man den Indianer Apostel nennet, ihne seiner Freundschaft würdigte. Weßwegen auch Petrus dem H. Mann sehr zugethan ware; also, daß Xaverius von Petro alles erhalten könnte, was er nur immer verlangte. Nun truge es sich auf ein Zeit zu, daß ein armes Mägdlein, deme seine Eltern frühzeitig gestorben, wegen Schönheit der Gestalt in grosser Gefahr stunde, zu einem liederlichen Leben verführt zu werden. Als Xaverius hiervon benachrichtiget worden, gienge er zu Petro, da er sich eben in dem Haus eines seiner guten Freunden befande, mit dem er in dem Schach spielte. Xaverius redet ihn an, und sagt, Herr Petre! nehmet mir nicht übel [576] auf, daß ich euch zu dieser Zeit überlauffe: es machts die Christliche Liebe, die mich hierzu dringet. Dann sehet! ihr könnet ein grosses und bey GOtt sehr verdienstliches Werck thun, wann ihr zur Aussteurung eines armen Mägdleins ein Summa Gelds darreichen möchtet. Petrus, der, wie schon oben gedacht, von Natur eines lustigen Humors ware, als er Xaverii Anbringen gehört, stellte sich zornig zu seyn, sagte also: Pater ihr kommt mir jetzt gar nicht recht, dann die, so im Spielen verliehren, geben nicht gern etwas aus, die Zeit ist also zum Begehren gar nicht bequem. Freylich ist sie bequem, antwortete Xaverius, dieweil die Spieler zu solcher Zeit gewöhnlich viel Geld vor sich liegen haben. Hierüber stellte sich Petrus noch erzörnter zu seyn, sagte also: Da habt ihr dann die Schlüssel zu meinem Geld-Kasten, und wann ihr meinet, so nehmet grad alles Geld hinweg, wann ich nur Ruhe vor euch habe. Nun waren im Geld-Kasten beysammen ungefehr bey fünf und viertzig tausend Ducaten, von diesen nahme Xaverius nicht mehr als 300. heraus, dieweil er glaubte, diese Summa wurde genugsam seyn, ein armes Mägdlein darmit auszusteuren, und mithin selbiges aus der Gefahr, um ihr Ehr zu kommen, zu erretten. Als dieses geschehen, und Petrus bald darauf den Geld-Kasten visitirt, um zu sehen, wie viel daraus wäre genommen worden, er aber gefunden, daß die Summa im geringsten nicht vermindert worden, beklagte er sich auf eine freundliche Manier gegen Xaverio. Als aber dieser hoch betheuret, daß er drey hundert Ducaten aus dem Kasten genommen hätte, sagte Petrus: Ey! daß euch es GOtt verzeihe; mein Wunsch ware, daß wir die Summa mit einander theilen, und ihr darvon die Helfte nehmen soltet. Als Xaverius vermerckt, daß es Petro Ernst wäre, sagte er: Herr Petre! GOtt, der die Hertzen der Menschen ergründet, nimmt diesen euern guten Willen für ein grosses Werck der Liebe an, und seyd versichert, daß er es euch zu seiner Zeit reichlich werde vergelten. Ich verspriche euch also an GOttes statt, daß es euch an Kommlichkeit des Lebens niemahl manglen werde. Und wann ihr schon bisweilen wegen Unbeständigkeit des Meers werdet Schaden leiden, so werden euch doch euere Freund allzeit mit einem Stuck Gelds wiederum zu Hilf kommen. Zu dem solle euch der Tag eueres Hinscheidens aus dieser Welt für gewiß angezeigt werden. Auf solche Zusag wurde Petrus in einen gantz andern Menschen verändert, indem er nunmehr seine Gedancken allein auf das Heyl seiner Seelen wendete, und unter der Kleidung eines Kaufmanns, wie ein frommer Ordens-Mann lebte. Und dieweil er stäts an das End seines Lebens gedachte, und mithin zu wissen verlangte, wann dann selbiges herbey rucken werde, nahme er das Hertz, und begehrte, von Xaverio ein vorher gehendes Zeichen: da sagte Xaverius zu ihme: Mercket Herr Petre, wann euch das Wein trincken einmahl [577] wird bitter vorkommen, so gedencket nur, es seye noch ein eintziger Tag von euerem Leben übrig. Unterdessen lebte Petrus in erwünschtem Wohlstand bis zu einem hohen Alter, da es ihme mithin an Gelds-Mitteln niemahl manglete; und wann er schon bisweilen wegen Unbeständigkeit des Meers, wie oben gemeldet worden, seiner Waaren halben grosse Gefahr erlitten, so seynd ihm doch allzeit seine Freund wiederum beygesprungen. Nun wie gienge es weiters? Auf eine Zeit geschahe es, daß Petrus von einem seiner guten Freunden zu einem Mittagmahl eingeladen worden, und da man ihm ein Glas köstlichen Weins zugebracht, kame ihm selbiger nicht anderst vor, als wann er lauter bittere Gall wäre. Da gedachte er dann an Xaverii Weissagung, über welche ihme ein Schauder durch den gantzen Leib gienge, wie es halt zu geschehen pflegt, wann man einem gantz unverhofter Dingen den Tod ankündet. Doch erholte er sich wiederum, und gabe das Glas einem andern aus denen Gästen, fragend, wie ihm dieser Wein schmecke. Dieser antwortete, wie daß er ihm nicht besser geschmecken könnte. Allein Petrus wolte sich an diese Antwort nicht kehren: begehrte also, man solle ihm nicht allein ein anders Glas, sondern auch einen andern Wein bringen; vielleicht seye mit dem ersten ein Betrug mit unterloffen. Nun das geschiehet; allein ein jeder Wein kame ihm Gallen-bitter vor: da zweiflete er dann nimmer mehr an Xaverii Weissagung, stunde also von der Tafel auf, und nachdem er sich gegen dem Gastgeb wegen des köstlichen Tractaments gar höflich bedanckt, bathe er um Erlaubnuß nacher Haus zu kehren, unter dem Vorwand, es seye Zeit, daß er sich zum Tod bereite. Alle anwesende Gäst und gute Freund, so dieses gehört, wolten ihm diese traurige Gedancken ausreden, vorwendende, es seye nichts anders, als ein leere Einbildung, solle sie also aus dem Sinn schlagen, sonst möchte er gar vom Verstand kommen. Allein Petrus beharrete auf seinen Gedancken, und beurlaubte sich von allen, als welche er das letzte mahl gesehen hätte. Theilte darauf hin sein Geld und Gut theils unter seine Kinder, theils unter die Arme, und machte Anstalt, daß man für ihn in der Kirch ein Seel-Amt halten solte, zu welchem er alle Freund eingeladen, welche dann auch häufig darbey sich eingefunden, um zu sehen, was dann die Weissagung Xaverii für einen Ausgang nehmen werde. Da liesse dann Petrus, nach abgelegter Beicht, sich mit allen H.H. Sacramenten der Sterbenden versehen; und nachdem er sich in die zubereitete Toden-Bahr hinein gelegt, befahle er dem Seel-Amt den Anfang zu machen. Als dieses vollendet, und der Priester vor der Toden-Bahr die Seel-Vesper vollendet hatte, gienge ein Diener hin, und wolte seinen Herrn aus der Toden-Bahr wieder heraus lupfen; allein da fande er, daß sein Herr wahrhaftig gestorben wäre. Uber welche Begebenheit alle Anwesende [578] theils die Barmhertzigkeit GOttes lobten, theils über Xaverii Weissagung sich verwunderten. Bauhover S.J. in vita S. Franc. Xaverii l. 6.

32. Begebenheit
Zwey und dreyssigste Begebenheit.
Ein Meer-Mann redt und zeigt an, was für wunderliche Geschöpf im Abgrund des Meers verborgen seyen.

Als im Jahr 1619. Christian der Vierte König in Dänemarck, Reichs-Geschäft halben zwey Reichs-Räth nacher Norwegen über Meer abgeordnet, geschahe es, daß als sie nach vollzogener Verrichtung zu Schif nach Haus kehrten, und bey hellem Wetter in dem Schif auf und ab spatzierten, einen Mann zimlich tief im Wasser erblickten, welcher aufrecht gienge, und unter einem jeden Arm ein Büschel Meer-Graß truge. Diesen nun, als ein Meer-Wunder zu fangen, warfen die Schifleut ins Wasser einen eisenen Hacken, an welchem sie einen Schuncken angemacht, und liessen ihn so tief in das Wasser hinunter, daß der Meer-Mann selbigen nicht allein sehen, sondern auch ergreiffen konnte; wie dann selbiger, so bald er dessen ansichtig worden, sich darzu geschwungen, solchen gefaßt, und ablösen wollen; inzwischen aber zogen die Schif-Leut den Hacken immerzu empor, und zu sich, also daß sie den Meer-Mann umfaßten: worauf sie ihn mit ihren Hacken behend in das Schif gezogen, in welchem er eine Zeit lang gelegen, sich bewegt, und wie ein Fisch gewunden hat, aber keine Stimm von sich gegeben. Nachdem er sich nun durch stetes Zappeln zimlich ermüdet, bliebe er endlich gantz still, nicht anderst, als wann er tod wäre. Was seine Gestalt anlangt: ware er anderen Menschen nicht viel ungleich, ausser daß seine Haar, so ihme über beyde Achslen herunter hiengen, mit einer Haut überzogen waren. Als er nun, wie gemeldet, eine Zeit also gelegen, haben eine aus denen, so herum stunden, und den Meer-Mann mit Erstaunung ansahen, gesagt: wie wunderbarlich ist doch GOtt, der solche Creaturen im Wasser erschaffen hat, und erhaltet! hierauf fienge der Meer-Mann an zu reden, und sagte mit deutlicher Stimm: Ja, wann ihr erst wußtet, wie ich es weiß, was für Geschöpf im Abgrund des Meers seynd, wurdet ihr euch noch vielmehr über GOttes Allmacht verwundern. Dann ihr solt wissen, daß unter der Erden, und im Abgrund des Meers noch viel verwunderlichere Geschöpf seynd, als man auf Erden findet. Dieses geredt, sagte er endlich: Jetzt lasset mich ungesaumt wiederum ins Wasser, sonst werdet ihr alle zu Grund gehen. Als die Schifleut dieses mit Schröcken gehört, zogen sie ihn auf den äussersten Ranf des Schifs, wo er sich dann selbst in das Wasser gestürtzt, und seines Weegs davon geschwummen. Theatrum Europæum ad dictum annum 1619.

33. Begebenheit
[579] Drey und dreyßigste Begebenheit.
Der Heil. Maclovius liset Meß auf einem ungeheur-grossen Wall-Fisch, ohne daß er es wußte.

Der Heil. Maclovius Bischof zu Bretagne (einer Landschaft in Franckreich) schifte einstens über Meer, und hatte nach seiner Meinung eine Insul ersehen, auf welche er mit denen Schif-Leuten, deren über 180. waren, ausstiege, willens alldorten das Heil. Meß-Opfer zuverrichten. Aber der Heil. Mann merckte bald, daß er sich sehr geirret hätte; dann ein ungeheuer grosser Wallfisch, deren einer in dem Indianischen Meer bisweilen in der Länge 960. Schuhe hat, in der Dicke und Breite aber wohl eine Weite von 4. Jauchert einnimmt, dessen Rucken mit Moß und anderen kleinerem Gestäud überwachsen ware, hatte das Ansehen gemacht, als wann alldorten eine Insul vorhanden wäre. Der GOttes-Dienst hatte schon seinen Anfang genommen, und wurde schier über die Helfte gebracht, da fienge der Wall-Fisch an sich zu rühren, als wann er weiter schwimmen wolte. Alle wurden dardurch in höchsten Schröcken gesetzt, da sie vermerckten, was für ein grosse Gefahr ihnen zustunde, falls der Wall-Fisch sich in die Tieffe des Meers begeben solte; alsdann nemlich wurde jedermann mit ihme in den Abgrund versincken, und erbärmlich zu Grund gehen. Der Heil. Maclovius erkennte auch, wie bald er samt allen seinen Gefährten in das äusserste Unheyl könte gesetzt werden, und müßte mit ihnen zu grund gehen. Doch aber liesse der Heil. Bischof sein Vertrauen auf die göttliche Allmacht nicht sincken, sondern befahle in dem Nahmen JEsus, welchen er unter denen Gestalten der Heil. Hostie in den Händen hielte, daß der Wall-Fisch so lang solte still bleiben, bis das Heil. Meß-Opfer vollendet, und alle wiederum wurden eingeschift seyn, wie auch geschehen: dann das ungeheur grosse Thier gleich einer Insul, oder wohl-gegründeten Felsen unbeweglich verbliben. Alle konten ohne eintzige Gefahr nach geendigtem GOttes-Dienst zu Schif steigen. Alsdann erst hatten sie beyde, die Schif-Leut und der Wall-Fisch von einander geschieden: dieser ist unter das Wasser gangen, jene aber haben ihre Reise auf dem Meer fortgesetzt. Ex Vita c. 7.

34. Begebenheit
[580] Vier und dreyßigste Begebenheit.
Der Teufel kan nicht hinaus, wo der Ausgang mit dem Heil. Creutz bezeichnet ist.

In einem gewissen Closter wurde auf eine Zeit zusamen beruffen eine Anzahl der Ordens-Geistlichen, welche unter einander gewisse Puncten, die Clösterliche Zucht belangend, abhandlen solten; und da solte sich auch einfinden der Heil. Abbt Leufridus, als ein Vorsteher der geistlichen Versammlung. Allein er ware zu selbiger Stund mit, weis nicht, was für einer Verrichtung beschäftiget, und konte sich deswegen so gleich in dem Capitel-Haus (wie es in denen Clöstern pflegt genennt zu werden) nicht einfinden. Dieser Gelegenheit bediente sich der Teufel, nahme die Gestalt des H. Abbtens an sich, und setzte sich in dessen Sessel mitten im Capitel-Haus nieder. Als nun die Ordensbrüder nacheinander hinein tratten, und ihren Heil. Abbten, wie sie vermeinten, an seinem Ort sitzen sahen, neigten sie sich gantz ehrerbietig gegen ihm, und verfügte sich darauf ein jeder an sein bestimmtes Ort, worüber dann der stoltze Höll-Geist ein sondere Freud hatte (wann doch dieses ein Freud kan genennt werden) dieweilen ihme von eben diesen Ordens-Brüderen, die ihn bishero gar so oft verachtet, und beschimpft hatten, dermahlen so viel Ehr angethan wurde. Endlichen kommet einer frisch von dem Abbt Leufrido daher, und weilen er nicht fassen kan, wie ein anderer, der seinem Heil. Vorsteher der Gestalt nach so gleich sahe, müsse daher kommen seyn, gehet er graden Weegs wiederum zuruck, und zeiget dem Abbten an, was er gesehen hatte. Dieser macht sich so gleich auf, zeichnet alle Eingäng und Fenster des Capitel-Hauses mit dem H. Creutz, ergreift alsdann eine Geisel, und gehet darmit schnurgrad auf den Teufel zu, fangt auch gleich an auf diesen nach aller Schärffe zu zuschlagen. Der Teufel aber will nicht lang verziehen, sondern bemühet sich nach einem und anderen empfangenen Streich mit der Flucht davon zu kommen. Er schiesset von einer Thür zur anderen, und Leufridus ist immerzu mit der Geisel hinter ihme. Jetzt rennet er gegen einem anderen Fenster; kan aber, weil alles mit dem H. Creutz versiglet ist, nicht hinausfahren. Schand und Schläg werden ihm dermassen häuffig aufgeladen, daß, wann er nicht der alles Hasses werthester Teufel gewesen wäre, sich die Ordens-Brüder seiner hertzlich hätten erbarmen müssen. Endlich hat er doch seinen Vortheil noch ersehen, und ist durch das Loch des Gewölbs, dardurch der Strick zum läuten herabhienge, entkommen, weilen selbiges [581] der Heil. Abbt mit dem Creutz nicht bezeichnet hatte; den Strick aber selbsten hat er hinter sich verbrennt, damit, wie der Geschicht-Schreiber hinzusetzt, der Heil. Leufridus, der ihme stets auf dem Rucken ware, sich dieses Stricks zum aufklättern, und nacheilen nicht bedienen könte. In vitis Patrum Occidentis l. 4.

35. Begebenheit
Fünf und dreyßigste Begebenheit.
Ein Engel bringt einem Bischof in einem Christallenen Schälelein das noch nicht frische und wohl-gefärbte Hertz des Heil. Augustini.

Tigisbertus Bischof zu Lyon in Franckreich ein sonderbarer Liebhaber des Heil. Augustini hielte oft bey GOtt mit eyfrigem Gebett an, er wolte ihm doch einen Particul von dem Heil. Leib dieses um die Christliche Kirchen so hoch verdienten Heil. Vatters zuschicken. Eines Tags, als er in seinem Bett-Kämmerlein abermahls inständig um die längst begehrte Gnad an der Himmels-Thür klopfte, überfiele ihn ein Schlaf; und er wurde gewahr, daß ein Engel in das Zimmer tratte, und in einem Crystallenen Geschirr, dessen Füß von purem Gold, das Gefäß aber selbst hin und wider von Edelgesteinen schimmerte, etwas truge; und als er selbiges auf den Altar, so in dem Zimmer ware, gesetzt hatte, rufte er dem Bischof bey dem Nahmen, und sprache: Sigisbert! schlaffest du? alsobald giengen dem Schlaffenden die Augen auf, und er fragte den Engel: wer bist du? und was tragest du? der Engel antwortete: ich bin der Schutz-Engel Augustini, und gleichwie ich dessen bey Leb-Zeiten Sorg getragen, also hab ich auch nach dem Tod sein Hertz vor der Verweesung bewahret; dann GOtt wolte nicht, daß das jenige Hertz faulen solte, welches von der Liebe GOttes so starck gebrunnen, und ein Werckstatt gewesen der höchsten Gedancken und Anmuthungen von der Allerheiligsten Dreyfaltigkeit. Darum stehe auf, und empfange die Schanckung, so dir GOtt zuschickt: und mit diesen Worten ist er verschwunden. Der Bischof richtete sich auf, tratte zu dem Altar hin, und fande in einem Crystallenen Schälelein das Hertz des Heil. Augustini noch so frisch, und wohl-gefärbt, als wann man es allererst aus dem Leib genommen hätte. Er wolte aber dieses Wunder und himmlischen Schatz nicht verborgen halten, sondern berufte die Geistlichkeit und das Volck zusammen, und liesse zur Dancksagung das GOtt! wir loben dich, absingen: worbey sich dann ein neues Wunder zugetragen. Dann, als man unter dem singen zu jenen Worten kommen: Heilig, Heilig, Heilig ist der HErr [582] Sabaoth, da bewegte sich das Hertz, fienge an zu zittern, sich aufzublähen, und gleichsam aufzuhupfen, als wolte es auch mit diesem Lob-Gesang einstimmen. Wie dieses der Bischof, die gantze Geistlichkeit, und das Volck gesehen, ruften sie überlaut: O Heil. Augustine! du Liecht der Kirchen GOttes, bitt für uns. Ist noch nicht genug, sondern es wird dieses Wunder jährlich erneuert an dem Fest der Heiligsten Dreyfaltigkeit. Dann wann man das H. Hertz auf den Altar setzt, so oft man nur das Wort Heil. Dreyfaltigkeit ausspricht (welches dann öfters geschiehet) so bewegt es sich, daß es männiglich sehen kan, wie ein Fisch in dem Wasser, als wann es einen Verstand hätte, und bey Anruffung der Heiligsten Dreyfaltigkeit auch Theil haben wolte: dergleichen Wunder man von keinem anderen Heiligen wird gehört haben.Lancellotus lib. 3. cap. 43. in vita S. Augustini.

36. Begebenheit
Sechs und dreyßigste Begebenheit.
Ein Wirth betrügt einen Edelmann mit einem falschen Spiegel.

Bey einem betrügerischen, und diebischen Wirth nahme auf eine Zeit die Nacht-Herberg ein Spanischer Edelmann, der zwar Hosen und Wammes dick mit Silber verbrämt, und ein goldene Ketten am Hals; aber vielleicht wenig Geld im Beutel hatte: den Wirth stache die goldene Ketten in die Augen; durfte sie aber nicht wohl gäntzlich auf die Seiten raumen, aus Beysorg; sein Haus möchte verschreyt, und er zur Bezahlung angehalten werden: doch weil er vom Geitz verblendet war, konte er sie gar unangefochten auch nicht wohl lassen. Was Rath dann? Höre! er hatte einen falschen Spiegel, der einem die Gestalt des darein Schauenden noch so groß vorstelte, als sie an ihr selbst ware. Dieser mußte ihm helffen den Possen gar aus zu machen. Nächtlicher Weil dann, als der Edelmann eingeschlaffen, schliche er heimlich in die Kammer, und zwackte mit einem Zänglein viel Glieder von der Ketten hinweg; also daß des anderen Tags der Edelmann selbige vor Enge nicht mehr konte an den Hals bringen. Wie er nun hierüber zörnte, und doch die Ursach nicht wußte, woher es käme, rufte er dem Wirth um zu vernehmen, wer die Ketten verwechselt hätte. Der Wirth ware bald verhanden: aber gleich bey dem ersten Eintritt in die Kammer stelte er sich, als erschrecke er ab einem Abentheuer, und sagte: was ist das, gnädiger Herr? was haben sie für einen geschwollenen Kopf? wie so (fragte hinwider der Edelmann) ich befinde mich wohl auf, und hab die Nacht[583] hindurch wohl geschlaffen. Ey! versetzte der Wirth hinwider, das ist nicht möglich; sie haben ja einen geschwollenen Kopf, wie ein Rühr-Kübel. Er ist noch so groß, als zuvor. Was Wunders dann, daß die Ketten zu eng worden? ich will einen Spiegel bringen; der wird ihnen aus dem Zweifel helffen. Dieses gesagt, brachte er gedachten betrügerischen Spiegel her. Wie sich nun der Edelmann darinn ersehen, entsetzte er sich heftig darob, und liesse sich bereden, er müsse verzaubert worden seyn: bathe den Wirth, still zu schweigen, bis er zu Haus sich hätte wiederum curiren lassen; nahme darauf Urlaub, schluge den Mantel um das Maul, und machte sich in der Dunckle, ehe es recht Tag worden, mit langer Nasen davon; dem Wirth aber bliben die abgezwickte goldene Stücklein in der Hand. Bidermann S.J. in Utopia.


Also verfahrt die Welt mit den Kindern der Eitelkeit auch. Sie haltet einen betrügerischen Spiegel vor das Gesicht den jenigen, welche sich des Glücks übernehmen, un selbst gar zu gros schätzen; überall wohl dran, reich, gesund, schön, starck, mächtig und in Ehren seynd. Dann deswegen seynd sie vor GOtt nicht um eine halbe Spann grösser, als der ärmiste Bettler. Dann, was du bist, das bist du; und kanst für nicht grösser ausgeruffen werden, als du in der Sach selbst vor GOtt bist,spricht der geistreiche Thomas von Kempten aus dem Orden der regulirten Chor-Herren St. Augustini. Nur der Untersatz, den ihnen das Glück unter die Füß legt, ist etwas höhers, als bey anderen. Allein ein Zwerg, bleibt doch ein Zwerg, wann er schon auf einem Thurn steht; ein Ris aber bleibt ein Ris, wann er schon in einen tieffen Schöpf-Bronnen hinunter steigt.

37. Begebenheit
Sieben und dreyßigste Begebenheit.
Ein Kayserlicher Trabant weißt seine Mauserey mit einem artigen List zu entschuldigen.

Zu Zeiten Kaysers Leonis, dieses Namens, zu Constantinopel hatte sich zwischen ihm, und seiner Leibwacht folgendes zugetragen. Es hatte dieser Kayser, da er bey nächtlicher Weil aus dem Beth aufgestanden, und sich für das Vorzimmer hinaus begeben, nicht ohne Mißfallen vermercket, daß alle 12. Soldaten, so die Wacht zu halten bestellt waren, sich von der Faulheit tief haben einschläfferen lassen. Darumen er dann zu allen Zwölfen herum geschlichen, und einem jeden ein gewisses Stuck Gold an [584] die Seiten geleget, daraus sie hernach schliessen können, daß solches von dem Kayser selben, nicht zur Beschänckung ihrer Wachtbarkeit, sondern zur Beschämung ihrer Schläfrigkeit müsse geschehen seyn. Einer jedoch aus ihnen, ob er sich schon stellte, als wäre er nicht weniger, als andere seine Mit-Gesellen in tiefem Schlaf vergraben, nahme doch alles wohl in Acht, und nachdem der Kayser wiederum abgetretten, schliche er zu allen in der Stille herum, und klaubete alles Gold fein sauber zusammen. Des anderen Tags wartete der Kayser mit Verlangen auf das Geschrey, so hiervon, wie er nicht zweifelte, zu Hof erschallen wurde. Aber es ware alles still. Eilf Soldaten wußten nichts um alles das, was sich zu Nachts mit ihnen begeben; der 12te aber hielte es für unnöthig, von seiner Mauserey laut zu schreyen. Endlich begehrt der Kayser von diesen seinen Soldaten zu wissen, ob ihnen in vergangener Nacht nicht ein absonderliches Glück zugestanden wäre? Und da die Eilf von nichts zu sprechen wußten, fallet dieser dem Kayser zu Füssen, und spricht also: Großmächtigster Gebieter! ich werde von unterthänigster Schuldigkeit gedrungen, deroselben mein Hertz zu eröfnen. Es ist mir in verwichener Nacht in dem Traum vorkommen, als ob ein hochansehnliche Person, so mich was übernatürliches zu haben gedunckte, mir und meinen 11. Gesellen einen Schatz einlegte, und zwar einem jeden ein gleich-schwere Gold-Müntz. Weilen wir dann eben unser 12. waren, so befande ich mich aus sonderbarer Andacht gegen den 12. Apostlen angetrieben, alle 12. Stuck gantz ehrenbietig aufzuheben, und zu mir zu nehmen. Lebe also der tröstlichen Hofnung, Ihro Majestät werden mich, weil es um die Ehr der Heil. Apostlen zu thun ist, meines Glücks halber nicht verdencken, sondern genehm halten, worzu mir mein Traum in dieser Nacht geholfen hat. Also redete beyläufig dieser Trabant: und ob schon der Kayser wohl merckte, daß deme nicht also wäre, liesse er ihme doch den List gefallen, und endigte sich also die gantze Sach in ein allgemeines Gelächter. Knellinger S.J. in Festivali Conc. de S. Barthol.


Also hat die Wachtbarkeit schon vielmahl grosses Glück; die Schläfrigkeit aber viel Uebels mit sich gebracht. Absonderlich, wann wir reden wollen von der geistlichen Schläfrigkeit der Seelen; dann wo diese einmahl einreisset, geht es zu, als wie auf einem Acker, den man ungebaut stehen laßt. Was wird er anders herfür bringen, als Unkraut? Also auch bringt ein schläfrige Seel, die keinen Fleiß anwendet, sich im Guten zu üben, nichts anders herfür, als Unkraut allerhand Sünden und Laster. Man sagt sonst im Sprüchwort: Faulkeit lohnet mit Armuth. Also auch folget einer schläfrigen [585] Seel auf dem Fuß nach Armuth an Verdiensten, mit welchen sie den Himmel hätte verdien können: so ja zu bedauren ist.

38. Begebenheit
Acht und dreyßigste Begebenheit.
Ein altes, Lutherisches, und in ihrem Irrthum hartnäckiges Weib wir von einem Ordens-Mann artiglich überwiesen, daß sie den rechten Glauben nicht habe.

P. Wolffgang Rauscher, aus der Gesellschaft JEsu, ein vornehmer Prediger, erzählet diese Begebenheit von sich selbst, folgenden Innhalts:


Ein 70. jähriges Lutherisches Weib brachte, in Begleitung einer Catholischen Nachbarin, ihren Enckel, einen Knaben beyläufig bey 15. Jahren, zu mir in das Collegium, mit Bitt, daß ich doch aus dem Convertiten-Geld (so Ihro Churfürstliche Durchleucht aus Bayren, als ein Allmosen jährlich für die Arme zum Catholischen Glauben bekehrte nach Augspurg einem unserer Patrum übermachen, und ich damahls zu verwalten hatte) diesem Enckel ein Kleid wolte machen, und ihm ein Handwerck lernen lassen, so wolte er Catholisch werden; und sie hätte auch nichts darwider, etc. Ich hab aber diese Alte mit folgendem Gegensatz empfangen. Entweders glaubt ihr daß unser, der Papisten Glaub (wie ihr Lutheraner uns nennet) der rechte Glaub seye; oder nicht? Glaubt ihrs nicht, und wollet dannoch eueren Enckel lassen Catholisch werden, so müß ihr wohl ein gottloses Weib seyn, die ihr eueres Kinds Fleisch und Blut also in die Klauen des Teufels um ein paar Hosen, und Wammes woltet überlifferen. Glaubt ihr aber, daß wir Papisten den rechten Glauben haben, so muß nicht nur euer Enckel, sondern ihr selbst auch den Lutherischen Glauben fahren lassen, und den Catholischen, als den rechten Glauben annehmen: Weil nur ein Glaub der rechte ist; und ohne den rechten Glauben kein Mensch kan selig werden, wie der Apostel sagt ad Ephes. 4. v. 5. & ad Hebr. 11. v. 6. Das ware ein Streich, den dieses Mütterlein nicht erwartet hatte; sagte doch gleichwohl: Sie liesse den Catholischen Glauben einen guten Glauben seyn; sie aber wäre schon zu alt darzu, und nicht gedacht, jetzt erst eine Religions-Aenderung vorzunehmen. Ich tribe sie aber weiter, daß in den Weinberg des HErrn (wodurch die wahre Kirch, und Versammlung der Rechtglaubigen bedeutet wird) auch Leut um die 9te und 11te Stund kommen seynd; die aber [586] in diesem Weinberg sich nicht eingefunden, ob sie schon ausserhalb sich viel bemühet, und abgezappelt, haben keinen Lohn empfangen. Also seye ausser der wahren Kirchen auch kein Seligkeit zu hoffen, etc. Auf dieses wußte sie weiter nichts zu antworten, sondern sagte allein, sie wolte es in GOttes Namen wagen, und auf dem jenigen Glauben sterben, worinn sie gebohren, und erzogen worden, etc. Ich zeigte ihr aber handgreiflich, daß es nicht wagen gelte; sondern der Mensch, so bald er vernünftige Bedencken siehet, im Gewissen, und bey Verlurst der Seelen-Seligkeit schuldig seye, nachzuforschen; und wann er befindet, daß er unrecht daran, den Glauben auch noch die letzte Stund im Todbeth zu änderen. Ich getraue mir, durch die Gnad GOttes, ihr kurtz zu erweisen, daß die Lutheraner kein rechte, sondern ein verfälschte heilige Schrift; kein wahres Sacrament (ausser dem Tauf) keinen Gewalt, die Sünden zu verzeihen; das Abendmahl zu reichen; ja keinen rechten Glauben hätten, etc. Und sagte ferners, wann es gleich also wagen, und auf demjenigen Glauben sterben gelten solte, er seye der rechte, oder nicht, in dem man gebohren, und erzogen worden, so könte es ein Calvinist, ein Wiedertäuffer, ein Jud, ein Türck auch wagen. Wäre es aber darum recht? Wäre es sicher? Sie wolte aber weiter nichts hören; wiederholte ihre alte Leyren, sie bleibe bey ihrem Glauben, etc. Weil ich also sahe, daß ich nichts ausrichtete, entliesse ich sie mit diesen Worten, deren sie selbst lachen mußte: So geht dann hin, mein Alte! sehet aber zu, daß euch der Peltz nicht brinnend werde. Prænom. P. Rauscher S.J. Conc. 4. de SS. Angelis Custod.


Hartnäckig auf seinem Sinn bleiben (insgemein davon zu reden) wann man einem schon zeigt, daß er nicht recht habe, ist billich zu tadlen. Aber noch viel mehr in Glaubens-Sachen, da man doch des Irrthums überwiesen wird. Dann das ist ein Ketzerische Art, dabey man die Seligkeit einbüsset.

39. Begebenheit
Neun und dreyßigste Begebenheit.
Ein Wald-Bruder will auf einmahl ein Leben gleich den Englen führen; erfahrt aber bald, daß er einem Menschen gleich leben müsse.

Es waren 2. Wald-Brüder, die hatten lange Zeit in einer Zell beysammen gelebt, und GOtt mit grossem Trost ihrer Seelen gedienet. Einer aus ihnen, der Hänsel genannt; weil er klein von Statur war, hatte auf eine Zeit ein wunderliches Concept im Kopf. Es wolte ihm nemlich seine bisher geführte Lebens-Art nicht mehr gefallen; sondern glaubte, [587] er müsse nicht mehr wie ein Mensch, sondern wie die Engel leben. Dann (sagte er) was ist das für ein verächtliches Weesen, daß wir Menschen, deren Seel ein unsterblicher Geist ist, so wohl, als die Engel seynd, uns mit Speis und Tranck, wie die unvernünftige Thier erhalten sollen? Ist das unserer Seel nicht ein Schand? Der andere Bruder hörte diesen Reden zu; und weil er nicht errathen könte, wo sie hinaus wolten, stunde er in Sorgen, der Hänsel möchte zuletzt wiederum in die Welt kehren wollen. Als er aber die Sach genauer bey sich überlegte, kame es ihme vor, es müssen nur fliegende Gedancken, und ein unmäßige Begierd seyn, auf einmahl heilig zu werden. Liesse es also gelten, hoffend, dieses Concept wurde schon wiederum vergehen. Allein der Hänsel warse sein Ober-Rock hinweg, und sagte, er bedärfe dessen nicht; weil auch die Engel keine Kleider hätten. Machte sich also fertig, den Weeg in eine weit-entlegene Wüste zu nehmen. Wie nun der ander gesehen, daß Ernst daraus werden wolle, bemühete er sich auf alle Weise, sein Mit-Brüderle davon abzuhalten. Allein umsonst. Der Hänsel bliebe hartnäckig bey seinem Concept, und es mußte nach seinem Kopf gehen, es möchte hernach heraus kommen, wie es wolte. Also dann nahme er den Weeg unter die Füß, bis er an ein Ort kommen, wo er gehoft, von allen Menschen abgesöndert zu leben, und sich mit nichts anders, als mit Betrachtung himmlischer Dingen zu speisen. Allein er hatte in solchem Leben kaum 6. oder 7. Täg ohn geessen zugebracht, da kame ihm der Hunger dermassen in Bauch, daß er es nicht länger erleiden könte. Kratzte also im Kopf, und sagte: O du närrischer Hänsel! wessen unterstehest du dich? Meinst du, der du ein Mensch bist, du werdest ohne irrdische Speis leben können, gleich den Englen, die solcher nicht bedärfen; eben darum, daß sie pure Geister seynd? So kehre dann zuruck, und lerne hinfüran, keine solche hohe Concept mehr zu haben, als köntest du, den Englen gleich, ohne Speis leben. Dieses geredt, nahme er den Weeg zuruck, und kame wiederum zu seines Mit-Bruders Zell: Wo er dann anklopfte, und eingelassen zu werden begehrte. Allein jener, so darinnen war, gabe kein Antwort. Doch endlich nach vielfältigem Anklopfen sich stellend, als wann er aus dem Schlaf erwacht wäre, fragte er: wer ist draussen? wer klopft an meiner Thür? Da antwortete der Hänsel: Ich bins, der Hänsel, dein Mit-Brüderle. Ja wohl, Mit-Brüderle (sagte der ander) das kan nicht seyn. Dann dieser hat sich neulich von der Gesellschaft der Menschen gäntzlich abgesöndert, und befindet sich nunmehr unter den Englen. Ey! Bruder (sagte der Hänsel) schertze nicht länger, und mache mir auf. Dann ich bin einmahl der Hänsel, wie du sehen wirst. Laß mich doch nicht länger stehen; dann es frieret, und hungert, [588] mich. Es ist wahr, daß ich gehoft hab, ohne menschliche Speis zu leben, wie die Engel: Aber ich siehe wohl, es geht nicht an. Ich bin ein Mensch; und also kan ich ohne Speis nicht leben. Auf diese demüthige Bekanntnuß hat ihm der ander die Thür endlich aufgemacht; wo dann der Hänsel sein Ober-Kleid wiederum angezogen, und den Hunger mit einem Stuck Brods gestillt hat. Einen solchen Ausgang nahmen des Hänsels hoch-fliegende Gedancken. Gazæus S.J. in piis Hilar. ex vitis Patr.

So geht es einem, der fliegen will, und hat keine Federen. Er muß halt in der Nidre bleiben, und sich nicht weiter strecken, als es die Decke zulaßt. Sonst hat er nichts anders, als Spott und Schand zu gewarten. Darum mahnet der weise Syrach: Was zu hoch ist, das suche nicht. Eccle. 3. das ist: So mahnet auch Salomon: Seye nicht zu viel gerecht.Eccl. 7. Das ist: In allen Tugenden halte die Mittel-Straß, und fliege mit deinen Gedancken nicht zu hoch. Maaß ist in allen Dingen gut. Wo man aber zur Richtschnur die Vernunft hat, da wird die rechte Maaß gehalten.

40. Begebenheit
Viertzigste Begebenheit.
Zwey fürwitzige Ordens-Brüder werden von einem in einer Wüste wohnendem Alt-Vatter, ihres Undancks halber, artiglich bezahlt.

Ehebais ist ein gewisse Landschaft in Egypten. In dieser zählte man zu alten Zeiten über 1000. Mönchs-Clöster. In einem dieser Clöstern kame auf eine Zeit 2. Ordens-Brüder der Lust an, zu sehen, wie die Alt-Vätter in der nächst-gelegenen Wüste lebten. Nachdem sie nun von ihrem Abbt die Erlaubnuß erhalten, begaben sie sich eines Tags vor Aufgang der Sonnen in besagte Wüsten, und als sie eine Zeit mit einander fortgangen, ersahen sie von weitem ein Wald-Bruder Häuslein. Diesem dann giengen sie zu, und als sie dort angelangt, und angeklopft, kame zu ihnen heraus ein Ehrwürdiger Alt-Vatter, und als er verstanden, daß diese 2. Brüder kommen wären, ihne heimzusuchen, erfreute er sich über ihre Ankunft, umfienge sie mit beyden Armen, und führt sie mit sich in sein Häuslein, und weil sie von langem Gehen müd waren, hiesse er sie auf einen Banck niedersitzen. Und da sie also ausrasteten, bereitete er unterdessen ein warmes Fuß-Wasser, mit welchem er ihnen nach Gewohnheit der Alt-Vättern, die Füß waschte. Als dieses geschehen, und nunmehr die Mittag-Zeit herbey ruckte, gienge er in sein Küchelein, und bereitete [589] ihnen ein Mittag-Essen, so gut er es im Vermögen hatte. Nemlich, Suppen, Kraut, und allerhand Früchten aus seinem Gärtelein. Ja er setzte ihnen auch ein Glas von gutem Wein vor, den ihm ein guter Freund kurtz vorher verehrt hatte. Nun die Brüder liessen ihnen alles wohl geschmecken. Und wie sie zu Mittag, also seynd sie auch auf die Nacht tractirt worden. Als es nun Zeit war, die nächtige Ruhe zu nehmen, wünschte ihnen der Alt-Vatter ein gesunde, und ruhsame Nacht: Er aber begabe sich in sein Schlaf-Kämmerlein, und verrichtete alldort in der Stille sein Nacht-Gebett. Unterdessen sagten die 2. Brüder (welche nicht glaubten, daß sie von dem Alt-Vatter könten gehört werden) zusammen. So, so? Leben die Alt-Vätter so wohl in der Wüsten? Wer hätte es gemeint? Wir haben in unseren Clöstern nicht, was sie haben. Ja wohl ein so gutes Glas mit Wein? Der unserige könte wohl nicht schlechter seyn. Dieses Gespräch der Brüdern hatte der Alt-Vatter in seinem Schlaf-Kämmerlein mehr, als wohl vernommen. Derentwegen als es Tag worden, und die Brüder nach abgelegter (aber nur dem Schein nach) Dancksagung, sich beurlaubet, fragte sie der Alt-Vatter, wo sie dann weiters hin wolten? Und als sie geantwortet, zu einem anderen Alt-Vatter, von dem sie gehört, daß er auch in dieser Wüste, und zwar nicht weit von dannen wohne, sagte dieser: Gut, gut. Sagt ihm in meinem Namen, daß ich ihn freundlich grüssen lasse; Er solle aber diesen Tag den Salat nicht zu viel wässeren. Die Brüder giengen mit diesem Befehl also fort, und kamen gegen Abend zu dem Wald-Bruder-Häuslein, wohin sie verlangt hatten. Da traffen sie dann den anderen Alt-Vatter in seinem Gärtlein an, da er eben das Unkraut ausreutete. Diesen grüßten sie, und legten den ihnen mitgegebenen Befehl ab, er solte nemlich den Salat nicht zu viel wässeren. Der Alt-Vatter verstunde gleich, was diese Wort sagen wolten, führte also die Brüder in sein Häuslein hinein, bewillkommte sie, und sagte: Wiewohl ich euch nicht könne, so seyd ihr mir dannoch angenehme Gäst. Allein ehe wir mit einander ein mehrers sprechen, wollen wir vorhin zu GOTT unser Gebett verrichten. Er fiele also auf seine Knie nieder, und wie er gesehen, daß die Brüder desgleichen thaten, fienge er ein langes Gebett an, welches er mit vielem Seufzen unterbrochen, und wohl anderthalb Stund sich hinausgezogen hatte. Als dieses vollendet, deckte er den Tisch; setzte aber nichts anders auf, als ein schwartzes rauhes Brod, und etwas von überbliebenen Kraut, welches schon ein Tag vorher gekocht worden. Dazu ein wenig Saltz und Eßig, samt einem Bröcklein alten Käses. Alsdann sagte er mit rauher Stimm: Also leben wir arme Vätter in der Wüste. Das ist unser täglich Tractament. Ihr aber in den Clösteren lebt gegen uns, wie Herren. Die Brüder [590] hatten kaum ein wenig von dem, was aufgetragen worden, verkostet, da müssen sie schon wiederum aufstehen, und mit dem Alt-Vatter das nächtliche Examen machen, und über ihre begangene Fehler Reu und Leid erwecken. Hernach wise er ihnen für ihr Beth die blosse Erden, und sagte: Da könnet ihr euer Nachtläger nehmen; ich hab es auch nicht besser. Was wolten die Brüder machen? Sie wußten für dieses mahl kein andere Herberg zu finden. Also dann machten sie aus der Noth ein Tugend. Sie hatten aber kaum ein wenig, und zwar hart genug geschlaffen, da mußten sie schon in aller Frühe, ehe die Sonnen aufgangen, mit dem Alt-Vatter ein langes Morgen-Gebett verrichten. Alsdann führte er sie in sein Gärtlein, und gabe einem jeden ein Schauffel in die Hand, und strengte sie an, alles Unkraut ihm helfen auszureuten. Und nachdem sie gearbeitet, daß ihnen der häufige Schweiß über das Angesicht abgeloffen, ware ihnen kein anders Mittagmahl aufgestellt, als den vorigen Tag geschehen. Darum nahmen sie Abschied, und sagten, sie wären schon genug bey ihm gewest; er solte sie in GOttes Namen wiederum entlassen. Nein, nein, meine Brüder, (sagte der Alt-Vatter) ich lasse euch so bald von mir nicht hinweg; ihr müßt mir wenigst noch 8. Tag lang verbleiben, und mit meinem armen Tractament verlieb nehmen; ihr werdet mir damit einen grossen Gefallen thun. Dann ich siehe, daß ihr wohl arbeiten könnet, Aber die Brüder wolten sich nicht überreden lassen, als welche schon genug Hunger gelitten hatten. Darum, als der Alt-Vatter sich in sein Bett-Kämmerlein hinein begeben, und darinn sein Gebett verrichtete, warfen sie ihre Schauflen, welche sie wiederum zur Arbeit hätten brauchen sollen, hinweg, und machten sich heimlich davon. Da sie dann mit hungerigem Bauch in ihr Closter wiederum zuruck kommen seynd. Gazæus S.J. in piis Hilar. ex vitis Patr.


O wie recht ist diesen Gesellen geschehen! was für ein Undanck gegen dem ersten Alt-Vatter, der sie so freundlich aufgenommen, und so freygebig, nach seinem Vermögen tractirt hatte; ja so gar den Wein, so ihm verehrt worden, an seinem Maul ersparet, damit er selbigen den Gästen könte aufsetzen; hernach den guten Mann verschreyen wollen, als wann er köstlich lebte, und wider den Stand eines Wald-Bruders! O Knöpf! aber an keiner Rosenstauden.

41. Begebenheit
[591] Ein und viertzigste Begebenheit.
Es wird zu errathen aufgegeben, welches das gröste Creutz seye, so den Menschen in diesem Leben aufgelegt wird.

Es ward auf eine Zeit ein geistliches Schauspiel gehalten, in welchem neben anderen Vorstellungen auch diese geschehen. Einer aus den Comödianten, so die Person eines Engels vertratte, brachte auf die Schaubühne allerhand Creutz, und botte sie den Menschen feil. Auf der umgekehrten Seiten eines jeden Creutzes stunde geschrieben, was es für ein Creutz wäre. Auf einem das Wort Armuth, auf dem andern das Wort Verachtung; auf dem dritten das Wort Kranckheit, und so fort an. Doch liessen sich alle noch schon ziehen. Letztlich brachte einer heraus ein großmächtiges, blocktes schwehres Creutz, um welches zwar viele feil schätzen und darauf boten; welches aber kaum einer oder der ander ertragen könnte, und als man es recht bey dem Liecht besichtigte, stunde darauf mit grossen Buchstaben geschrieben: ein böses Weib. Worüber dann bey den Zuseheren ein grosses Gelächter entstanden; haben auch viel mit Neigung des Haupts zu verstehen gegeben, daß deme also seye; nemlich, und in allweg, das schwehreste Creutz seye ein böses Weib. Stengelius S.J. de Judiciis divin. tom. 2. c. 30.


Hier werden die Weiber gantz anderst reden, und vorgeben mit gleichem Fug, das schwehreste Creutz seye ein böser Mann. Ist also noch disputirlich, welches das gröste und schwehreste Creutz auf der Welt seye. Jener wurde nicht übel rathen, welcher sagte, das gröste Creutz seye, das ihm einer selbst macht. Dann es ligt an dem, wie man ihm die Sach einbilde, und wie mans aufnehme. Und das gibt die Erfahrnus. Vielmahl geschiehet es, daß, was einem schwehr fallt, kommt dem andern leicht vor; und wo einer weinet, da lacht der ander; und könnte mit hundert Exempeln erwiesen werden, wann es vonnöthen wäre. Allein genug von dem, was wollen wir den Kopf darüber verbrechen.

42. Begebenheit
Zwey und viertzigste Begebenheit.
Ein Ordens-Mann bezahlt gar artiglich ein Lutherisches Weib, von welcher er offentlich beschimpft worden.

Im Jahr Christi 1591. hatte es sich zu Regenspurg zugetragen, daß, als einstens P. Conrad Vötter, aus der Gesellschaft JEsu, [592] Dom-Prediger selbiges Orths über die öffentliche Gassen, und bey eines Handwercks-Mann Laden vorbey gienge, und von gedachten Manns Weib ersehen worden, diese mit dem Finger auf Ihn gedeutet, und überlaut aufgeschryen: Wolf, Wolf, sehet, liebe Mit-Burger, wir haben einen Wolf in der Stadt. Als sie diese Wort öfters wiederholete, stunde der Pater still, zoge an der Stirn die Runtzlen auf, und, als wann er über diese Schmähwort erzörnt wäre, sagte er: Holla, wie darfst du mich so schmählich einen Wolf heissen, da ich doch nicht sage, hab es auch bis dato zu keinem Menschen jemahls gesagt, daß du zu Nürnberg als ein verschreyte Hur von dem Hencker mit Ruthen seyest ausgehauen, und der Stadt verwiesen worden. Kaum hatte er dieses gesagt, da warffen die Handwercks-Gesellen, so in der Werckstatt arbeiteten, den Werck-Zeug aus den Händen, und machten sich zum Haus hinaus, vorgebende, daß sie bey keiner Meisterin arbeiten wollten, welche Ehrlos wäre. Die Schand, und zugleich der Schaden, thaten dem Meister im Haus so wehe, daß er sich alsobald zum Stadt-Richter begabe, und nicht allein über die Unbild, so seinem Weib angethan worden; sondern auch über den Schaden, der seinem Hausweesen hierdurch erwachsen, gewaltiglich klagte. Verlangte also, daß der Verleumder nicht allein die verletzte Ehr und Schaden wieder um ersetzen, sondern auch abgestraft werden sollte. Der Richter gabe zur Antwort, wie daß er in dieser Sach keinen Ausspruch thun könnte, er hätte dann vorher den beklagten Theil auch angehört. Sollte also wiederum nach Haus kehren, mit der Vertröstung, daß er des andern Tags beyde Theil anhören, und alsdann, was billich und recht, sprechen wollte. Unterdessen berichtete er den Oberen des Beklagten, was für Klagen wider selbigen waren eingekommen. Werde also geschehen, daß er sich zum Rechten einstellen müsse. Der Obere beruft alsobald den Pater, und gibt ihm zu verstehen, was er von dem Stadt-Richter hätte vernehmen müssen. Der Pater, nachdem er den gantzen Verlauf der Sach selbst erzählt, begehrte Erlaubnus, daß er selbst zu dem Stadt-Richter gehen dörfte; dann er sich dergestalten verantworten wolle, daß weder dem Stadt-Richter, noch dem Collegium hierdurch die geringste Ungelegenheit erfolgen solle. Nachdem er die Erlaubnus erhalten, und zum Stadt-Richter kommen, traffe er bey ihm an so wohl den klagenden Burger, als die, so zu Zeugen des Handels waren erbetten worden, welche die Sach auf alle Weis vergrösserten. Er sagte also mit aller Freundlichkeit, wie daß er gegenwärtig seye, sich über die vorgebrachte Anklagen zu verantworten, wiewohlen er als ein Geistlicher vor einem weltlichen Richter zu erscheinen nicht schuldig seye. Jedoch seye er da mit friedliebendem Gemüth, damit dem Streithandel der Faden möchte abgeschnitten werden. Sollen demnach[593] so wohl der Burger, als die Zeugen, zuhören, wie er dem Handel ein End machen wolle. Als nun die klagende Parthey es zu vernehmen sich nicht ungeneigt erwiesen, erzählte der Pater nach der Ordnung, was Gestalt er einer seits von dem Weib ein Wolf genennt worden; er aber seiner seits ihr also begegnet wäre, daß sie das Maul zu halten, Ursach genug gehabt habe. Kaum hatte der Burger die Erzählung angehört, nicht aber fassend, wo solche hinaus wollte, sahe er die Zeugen freudig an, und sagte: Ha ha! jetzt haben wir des Beklagten eigene Bekantnus. Was brauchts jetzt viel probirens mehr? Ihr, Herr Stadt-Richter, urtheilet aus diesem selbst, ob der Beklagte seine Schmach-Reden entschuldigen könne. Hierauf sagte der Pater: Herr Stadt-Richter, sehet doch, wie diese Leut euch mit einer nichtswärtigen Klag überlästig fallen. Sie verstehen nicht einmahl Teutsch; sonst wurden sie ihre Klag wohl unterlassen. Wie? hab ich nicht ausdrücklich diese Wort geredt: Ich sage es nicht, hab es auch bis dato zu niemand andern gesagt, sage es auch jetzt nicht, sondern wünsche vielmehr, daß inskünftig nichts dergleichen mit Wahrheit von ihr könne gesagt werden. Seye sie also, wie ihr Mann sagt, ein ehrliches Weib. Allein kan ich nicht sagen, daß sie höflich seye, und eine Manier zu brauchen wisse, sonsten wurde sie mich keinen Wolf geheissen haben. Sag mir her, der du ein ehrlicher Handwercks-Mann bist, sihe ich dann mehr einem Wolf, als dein Weib einer Hur gleich? Der Burger wurde auf diese Frag schamroth, und wußte nichts darwider einzuwenden. Diejenige aber, so zugegen waren, hatten Ursach genug darüber zu lachen. Und also hatte aller Streit ein End, und zogen die Partheyen wiederum nach Haus. Dieser Handel aber hat den Magistrat bewogen, ernstlich zu verbieten, daß hinfüro niemand der Religion halber mit Schmäh-Worten sollte verunglimpft werden, als wie dem ehrlichen Pater geschehen. Ignat. Agricola S.J. Part. 2. Histor. Provinc. S.J. German. Super n. 45.


Obwohlen wir Catholische von unsern Glaubens-Gegnern vielmahl mit schmählichen Reden verunglimpft werden, so begegnen wir Ihnen doch nicht mit gleicher Müntz, sondern bedienen uns allein einer sinnreichen Manier, und stopfen ihnen damit das Maul. Aus welchem Unterschied leicht zu ersehen ist, ob ihr, oder unsere Religion mehrer zur Bescheidenheit anführe.

43. Begebenheit
[594] Drey und viertzigste Begebenheit.
Ein armer, mithin aber pralender Edelmann wird auf ein curieuse Weiß zu schanden gemacht.

Es hatte dieser kein halbes Roß, will geschweigen ein gantzes im Stall; und dannoch kame er allezeit mit Stiefel und Sporren in die Stadt, spatzierte ein Gassen auf, die andere ab, als wann er, weiß nicht was für ein dolles Pferd geritten hätte. Die Obrigkeit des Orts, diesen Unform aufzuheben, und männiglich einen Spaß zu machen, forderte ihn für Gericht, und hielte ihm vor, wie daß er eines Todschlags beschuldiget werde; sollte sich demnach wohl vorsehen, wie er sich in einer Sach, die Leib und Leben betreffe, verantworten wolle. Dem Edelmann ware das ein unwerwarteter Streich: laugnete die That, und begehrte, man sollte ihm den Kläger unter Augen stellen. Man sagte ihm aber hierauf: das Verbrechen seye offentlich geschehen, und so viel Kläger und Zeugen vorhanden, als dazumahl zugesehen haben, wie er vor dem Stadt-Thor einen muthigen Hengst getummelt, zugleich aber ein kleines Kind zu todt geritten, etc. Und ob er schon auch dieses widersprache, setzte man ihme doch mit allerhand Fragen starck zu; brauchte unter andern auch für einen halben Beweiß seine Stifel und Sporren, nebst ernstlicher Betrohung, ihn alsobald setzen zu lassen, und die Wahrheit durch die Folter zu erpressen, wofern er nicht alles gütiglich bekennen wurde, etc. Mithin machte man dem guten Herren so bang, daß er Himmel und Erden zu Zeugen nahme, der Thäter müsse ein anderer seyn; er aber könne mit seinem gantzen Dorf beweisen, daß allbereit 10. Jahr kein Roß in seinen Stall kommen wäre, den Acker-Bau aber, und andere Zufuhr hätten nur die Ochsen verrichten müssen, etc. Hierüber entstunde ein unsägliches Gelächter; und nachdem er einen Abtritt genommen, bald aber wiederum in die Rath-Stuben hinein geruffen wurde, gabe man ihme zu verstehen, dem Rath seye wegen seiner stattlichen Verantwortung ein Genügen geschehen; jedoch werde ihm hiemit zugleich bedeutet, daß, weilen er je kein Roß in die Stadt zu reiten vermöchte, sollte er forthin die Stiffel und Sporren auch zu Haus am Nagel hangen lassen.Drexelius S.J.p. 3. Phaetontis. c. 5. §. 2. in Ostentrice lingua.

O wie spöttlich ist dieser Edelmann zu schanden worden, das haben aber auch alle andere seines gleichen zu gewarthen, die sich, weiß nicht wie, spreissen, und ist sauber nichts darhinter. Ist es nicht schön, sich rühmen einer Sach, die man hat; so ist es gewißlich spöttlich, sich eines Dings rühmen, das man nicht hat.

44. Begebenheit
[595] Vier und viertzigste Begebenheit.
Einem alten Raths-Herren wird ein artiger Possen gespielet.

Es hatte sich vor Zeiten in Engelland zugetragen, daß etwelche Beutelschneider erdappt worden. Diese wurden dann vor den königlichen Rath, deme dazumahl der berühmte Morus als Reichs-Cantzler vorstunde, gestellt, und scharf examinirt. Allein sie wollten nichts bekennen; und je grösser der Schelm unter ihnen war, für desto unschuldiger wollte er gehalten werden. Neben dem Reichs-Cantzler sasse ein alter Rathsherr, der zu einer jeden Klag, so die Bauren, denen ihre Beutel abgeschnitten worden, wider die Dieb vorbrachten, den Kopf schüttelte, und wider sie zornig heraus brache: was klagt ihr viel, ihr liederliche Gesellen? Ihr seyd selbst schuldig, daß euch die Dieb euere Beutel abgeschnitten. Warum habt ihr sie nicht besser verwahrt, so wurdet ihr euere Beutel sammt dem Geld noch haben. Warum tragt ihr solche offentlich, und laßt sie an einem schwachen Nestel herab hangen, alswann ihr damit prangen wolltet. Ist es ein Kunst solche unter dem Gedräng des Volcks auf dem Marck abzuschneiden? Der Reichs-Cantzler erdachte bey sich selbst: so so, will dieser einen Patronen nicht der beschädigten Bauren, sondern der schelmischen Dieben abgeben? Gut, gut; ich will schon etwas erdencken, daß er anderst wird reden müssen. Stunde also von seinem Sitz auf und sagte zu den Raths-Herren. Verzeyhet mir, meine Herren, daß ich einen Aufbruch mache; dann es fallet mir bey, daß ich zu Haus ein höchst wichtiges Geschäft auszumachen hab. Unterdessen wollen wir die Dieb in die Gefängnus werffen, und bestermassen verwahren, mit nächstem aber wiederum vorkommen lassen, und alsdann sprechen, wie wir sie schuldig werden befunden haben. Kaum ware Morus nach Haus kommen, da liesse er in aller Stille, und daß es niemand mercken konnte, aus der Gefängnus zu sich kommen denjenigen Dieb, aus dessen Angesicht er zuvor abgenommen, daß er der verschlagniste aus allen seyn müsse. Zu diesem sagte er: Hast du gehört, wie gestern jener alte Raths-Herr, so neben mir gesessen, dich und deines gleichen entschuldiget; hingegen wider die Bauren, denen ihr die Säckel abgeschnitten, heraus gefahren ist? Freylich (antwortete der Dieb) hab ichs gehört; darum hab ich dem guten Alten gewunschen, daß er noch viele Jahr in guter Gesundheit möchte leben. Morus fragte weiters: Hast du nicht auch gesehen, wie dieser Alte an einer Schnur einen seidenen Säckel tragt, mit Geld angefüllt? Auch das (antwortete [596] der Dieb) und da hab ich bey mir gedenckt: O daß mir das Glück so günstig wäre, daß ich diesem Alten seinen Säckel abschneiden könnte! er sollte mir drum noch dancken: dann er hätte nicht mehr so schwehr daran zu tragen. Morus fahrt fort, und fragt: getrauest du dir aber diesen Säckel abzuschneiden, daß es der Alte nicht mercken soll? O ja (antwortete der Dieb) wann man mir nur Gelegenheit macht zu ihm zu kommen. Freylich (sagt Morus) ich will dir selbst Gelegenheit darzu machen, es solle dir auch darum nichts geschehen. Als nun auf diese Zusag der Dieb hingangen, wo man ihm die Gelegenheit angewiesen hatte, kame er den anderen Tag wiederum vor Gericht, da das Urtheil wider die Dieb sollte gesprochen werden. Da rufte dieser mit heller Stimm: Herr Cantzler, und ihr Herren Beysitzer, ist es mir nicht erlaubt, einem aus euch heimlich etwas ins Ohr zu sagen, woran viel gelegen ist? Ja freylich (sagte der Cantzler) und zwar wem du willst, du sollest die Wahl haben. Da gienge dann der Dieb zu dem Alten hin, machte tieffe Reverentz, neigte sich zu seinem Haupt, und schwätzte ihm nach der Länge und Breite in das rechte Ohr: wie daß in der Stadt Londen sich aufhalte ein Dieb, der alle andere zum Beutel-Schneiden unterrichte. So, so (sagte der Alte) es ist gut, daß ichs weiß. Allein kennest du diesen, so gut als mich selbsten (antwortet der Dieb) und wann man mich von meinen Banden loß macht, will ich gleich hingehen, ihn aufzusuchen, und hieher zu führen. Was mich anlangt (sagt der Alee) so gehe hin, und stelle uns den Dieb, von dem du redest. Indem nun der Alte dergleichen mit dem Dieb redet, ersihet dieser den Vortheil, und schneidet dem Alten, ohne daß er es in acht genommen, den Seckel ab. Hierauf gabe er dem Canzler ein Zeichen, wie daß der Possen angangen wäre. Da sagte der Cantzler: Ihr Herren, ehe wir auseinander gehen, seyen sie so guthertzig, und spendieren etwas zusammen zu einem Allmosen für die arme Leut, so in der Stadt herum gehen. Dieses gesagt, griffe er zu erst in seinen Seckel, und nach ihm auch die andere, und zoge ein jeder etwas nahmhaftes zum Allmosen heraus. Als aber der Alte auch in seinen Seckel greiffen wollte, da fande er, daß ihm selbiger abgeschnitten wäre. Da sagte er dann: O GOtt, was ist das? So ist mir dann in aller euer Gegenwart mein Seckel abgeschnitten worden? Ey, der Schelm, der Dieb muß hangen, und sollte er 1000. Leben haben. Erzörnet euch nicht also, mein Herr Alter, sagte hierauf der Cantzler. Habt ihr nicht gestern denen Dieben zum Besten; denen Bauren aber zum Nachtheil geredt? Lernet ein andermahl anderst reden. Auf dieses hin befahle der Cantzler dem Dieb, daß er den Beutel dem Alten sollte zuruck geben. Worüber bey allen Anwesenden ein Gelächter entstanden. Ueber des Cantzlers Klugheit aber mußte[597] man sich billich verwunderen. Stapletonus in Vita. c. 13.


Daß man den Leuten zum Besten rede, die aus Schwachheit gesündiget haben, ist nicht unrecht. Daß man aber Leuten die Stange halte, die auf Schelmereyen bedacht seynd, und ihren Nächsten beschädigen, kan niemand gutheissen.

50. Begebenheit
Fünftzigste Begebenheit.
Lächerlicher Poß, so ein Spitzbub einem blinden Bettler gerissen.

Dieser Bettler (so ein Spanier war) hatte in Dienst angenommen einen Armen; aber zugleich losen Stricks-Buben, (Lazarillus mit Namen) der ihn über Gassen an einem Stecken führen solte. Es wäre viel zu erzählen, was für allerhand Ränck und kleine Schelmen-Stücklein dieser Lecker angefangen; weswegen er dann auch manchen harten Rupf, und trockene Stöß von seinem Herrn davon getragen. Wie ihms aber der Blinde dahin wolte zu braun machen, entschlosse er sich, hinter der Thür Urlaub zu nehmen: dann die Besoldung ware ohne das nicht gar groß; doch auch zur guten Letze dem blinden Mauß-Kopf einen Possen zu reissen, und sich also an ihm zu rächen. Sie giengen eines Tags durch die Stadt, und kamen zu einem Bächlein, das durch die Gassen ranne. Gleich gegen über stunde ein Saul: da sprach der Lazarillus zu dem Blinden: Vatter! da seynd wir bey einem kleinen Bächlein. Du wirst springen müssen; hebe die Füß fein wohl auf: ich will vorhinüber gehen, und dich auffangen. Stelte alsdann den Blinden gerad gegen der Saulen über; und rufte ihm zu: Vatter! jetzt spring, so starck du kanst. Der einfältige Mann folgte dem Schelmen, sprange nach allen Kräften; stoßte aber zugleich an gedachter Saulen mit dem Kopf dermassen starck an, daß er herwieder geprellet, in das Wasser gefallen, und Wasch-naß worden; dessen ihm dann Lazarillus die Haut voll lachte, und davon kaufte.Rauscher S.J. in Dominicali 2. Conc. Quinquages.

Ein solcher loser Gesell ist der Teufel, der manchen Blinden in Glaubens-Sachen oft lang bey der Nasen herum führt, aber ihme nie keinen grösseren Possen reißt, als zuletzt im Todt-Beth. Gewiiß ist es aus bewehrten Geschichten, daß der böse Geist dem Menschen mit Anfechtungen nie stärcker zusetze, als im Sterb-Stündlein. Da hat er dann gut gewinnen, wann er einen in Glaubens-Sachen niemahls recht unterwiesenen antrift. Er wird ihm bald mit disputiren an einen Stock führen, daß er den Kopf übel verstosse, und nicht in einen Bach, sonderen in den höllischen-reissenden Fluß hinunter plumpfe.

51. Begebenheit
[598] Ein und fünftzigste Begebenheit.
Eines Soldaten lächerliche Red nach erfundenen todten Leichnam seines Cameradens.

Dieser fande auf eine Zeit unter den erschlagenen auch seinen liebsten Spieß-Gesellen: den zoge er dann mit grosser Leyd-Bezeugung aus dem Hauffen heraus; setzte ihn auf einem Stuhl um zu sehen, ob er noch ein Zeichen des Lebens an ihm finden möchte. Er hube ihm den Kopf in die Höhe; aber der Todte liesse ihn gleich wiederum sincken. Er schauete ihm in die Augen; fande sie aber gantz trüb, und gebrochen. Er schrye ihm in die Ohren; aber der wolte nicht antworten. Er griffe ihm an die Brust; und diese war Eißkalt. Er richtete ihm bald den lincken, bald den rechten Arm auf; aber der Todte liesse einen, wie den andern fallen. Er schittelte ihn, rutschte mit ihm auf dem Stuhl hin und her; hebte ihn auf; lupfte ihn auf die andere Seiten; setzte ihn wiederum nieder. Alles umsonst, und vergebens. Letztlich wendete er sich zu den Umstehenden, und sprach: Man siehet wohl, daß ihm etwas fehle. Prænominatus Rauscher cit. Dominicali in Festo Pentec.


Freylich wohl fehlte ihm etwas, hasts errathen; und zwar das vornehmste fehlte ihm: kein Seel war mehr da. Also gehet es mit unserem sittlichen Leben auch. Gleichwie der Leib stracks zu Boden fallt, so bald die Seel entweicht; also muß nothwendig die Seel alle Kraft verliehren, und gleichsam sterben, so bald der heilige Geist entwichen ist. So lang der heilige Geist vorhanden, und führet uns durch sein Gnad, leitet, anweiset, mitwürckt; da lebt alles, und gehet alles recht her. So bald dieser von uns weichet, und seinen gnadenreichen Einfluß entziehet, da ist alles lahm, alles tod; lauter Irrthum, lauter Finsternuß, Sünd, Laster, Greuel, und ein erbärmlicher Fall über den anderen.

52. Begebenheit
Zwey und fünfzigste Begebenheit.
Ein todter Ris erschreckt ein gantzes Dorf der Bauren.

Alanus Copus schreibt, wie daß vor Jahren etliche Sicilianische Bauren in ein tieffe Berg-Höle hineingangen, und zu End derselben einen grossen Risen in der Hand mit einem Spies, wohl eines Baums dick, auf einem Stein sitzend angetroffen, worab sie heftig erschrocken, [599] eilends zuruck, und dem nächsten Dorf zugeloffen, und den Bauren, was ihnen für ein Abendtheuer aufgestossen, angedeutet haben. Worauf die gantze Mannschaft sich mit Spiessen, Drischlen, und Gablen bewaffnet, und zu dem Ort der Höle verfügt, willens mit gesamter Hand den Risen anzugreiffen. Sie trangen mit grossem Geschrey in die Höle hinein; wurden nicht ohne Schauder und Hautgrußlen des Ungeheurs gewahr, fragten, was er da machte? Forderten ihn zum Kampf heraus, etc. Wie aber der Ris weder sich bewegte, noch Antwort gabe, merckten sie erst, daß er todt wäre: und als ihm einer einen Stoß gegeben, sihe! da zerfiel im Augenblick der gantze Ris zu kleinen Stäublein: welches ihnen dann Anzeigen gabe, dieser Cörper müßte eines schon vor 100. und mehr Jahren allda begrabenen Risens gewesen seyn: und gienge die gantze Schlacht in ein Gelächter aus. Citatus Rauscher in Dominicali 3. Conc. 1. Quadrag.


Ein solcher Ris ist der Teufel auch, groß und erschröcklich anzusehen. Allein wann man nur ein gutes Gewissen hat, und sich gleich Anfangs widersetzt, nicht einwilliget, so werden alle seine Anschläg bald zu nichts; sein Gewalt wird gebrochen, wie bewaffnet er auch ist. Mit einem Finger kan man ihn umstossen; mit einem Schmachwort: troll dich Satan, kan man ihn versagen. Mit einem Creutzlein, einem Agnus Dei, einem Tropfen Weyh-Wassers muß er weichen.

53. Begebenheit
Drey und fünftzigste Begebenheit.
Ein Müller will lieber seinen Streitt-Handel fahren lassen, als mit Gefahr viel Geld zu verthun, einem Advocaten unter die Händ kommen.

Nicht weit von einer! gewissen Stadt hatten ihre Aecker beysammen ein Müller, und ein Baur, und zwar so nahe, daß nur ein kleine Wisen darzwischen lage, worauf des Müllers Nusbaum stunde. Dieser Müller ware ein so hauslicher Mann, auf den man das bekannte teutsche Rätzel gar füglich deuten konte.


Rath, wer ist dieser?
Rath, was ist das?
Hat er eins, so trinckt er keins:
Hat er keins, so trinckt er eins.

Die Antwort hierauf ist diese: ein solcher wunderlicher Trincker seye ein Müller. Hat er Wasser, so trinckt er keins; dann er kann Tag und Nacht mahlen, und das tragt ihm so viel ein, daß er an statt des Wassers Wein trincken kan. Hat er aber kein Wasser, so kan er nicht [600] mahlen, und folgendes treibt ihn die Noth, das Maul an dem Wasser-Krug zu reiben.


Nun dieser Müller hatte Wasser genug, und ein starckes Gewerb. Darum liesse er das Wasser wohl bleiben; und wann man ihn haben wolte, mußte man ihn bey dem Wein suchen. Diese Gelegenheit nahme der Baur, sein Benachbarter wohl in acht; machte ein Furchen nach der anderen, und ackerte unvermerckter Dingen mit der Weil so weit in die Wisen hinein, bis des Müllers Nußbaum auf seinen Grund und Boden kam. Da merckte der Müller erst den Possen: kame dieses unredlichen Stückleins halber den Bauren an, mit was Fug er ihn so vortheilhafter Weis über ackerte? Der Bauer widersprache es, vorgebend, der Nußbaum wäre jederzeit auf seinem Acker gestanden. Da spinnte sich der Handel erst recht zwischen Beyden an. Der Müller trohete, die Sach für die Obrigkeit gelangen zu lassen, und wider ihn an gehörigen Ort zu klagen; verfügte sich auch wenig Tag darauf in obgedachte Stadt, und fragte gleich unter dem Thor nach dem besten Advocaten um; den man ihm auch kund machte. Aber der Baur war ihm schon vorkommen. Gleichwohl als der Advocat den gantzen Verlauf vernommen, sagte er: lieber Müller! ich wolte dir gern dienen; weil ich aber schon die andere Parthey angenommen, kan ich nicht. Habe gut Hertz; du hast ein gerechte Sach. Ich will dir ein Vorschrift machen an einen anderen Advocaten, der verstehet den Handel so wohl als ich: der wird dir auf meine Recommendation wiederum zu deinem Nußbaum helffen. Der Müller nichts als froh, griffe gleich nach dem Beutel schosse gleich ein halbs Thälerlein her: der Advocat machte ihm ein Vorschrift in lateinischer Sprach, und fertigte ihn damit ab. Unter Weegs kame den Müller ein Begierd an, zu wissen, was doch in diesem Zettel stehe, weil er vielleicht den Braten geschmeckt hatte. Wartete also, bis die Studenten selbiges Orts aus der Schul giengen; batte also einen aus den Grösten, er solte ihme doch sagen was in dem Zettel geschrieben seye. Der Student dollmeschte ihm alles redlich, dieses Innhalts: Bonus dies! Herr Bruder. Mir ist gestern ein guter fetter Vogel aufgesessen; da schick ich ihm auch einen. Rupfe er den Seinigen, und ich den Meinigen, so können wir beyde miteinander zu Nachts essen. Wie der Müller das hörte, wischte er den Bart; gienge darauf zum Wein, trancke ihm einen dicken Rausch an; torcklete alsdann die Gassen der Stadt hinab: jauchsgete mit dem Zettel in der Hand, und rufte überlaut: Nußbaum hin, Nußbaum her. Den Handel lasse ich fahren. Müßte ich wohl ein Narr seyn, daß ich mich von dem Advocaten rupfen liesse. Rauscher S.J. in Dominicali 2. Conc. 4. post Pont.

[601] Dieses ist zwar eine lächerliche Begebenheit; erkläret aber wohl, wie man mit den armen unverständigen Partheyen bisweilen umgehe. Wehe denen Gewissen-losen Advocaten! O was für eine Verantwortung laden sie ihnen auf den Hals! welcher Beicht-Vatter wird sie absolvieren können, so lang sie nicht erstatten desjenigen Schaden, den sie über den Dölpel geworffen? O gefährliches Amt, wo man das Gewissen genau beobachtet!

54. Begebenheit
Vier und fünftzigste Begebenheit.
Der Weiber Fürwitz wird auf eine artige Weis zu Schanden gemacht.

Ein vornehmer Fürst hatte auf ein Zeit ein stattliches Panquet angestellet. Als nun unter demselben allerhand curieuse Discurs vorgefallen, kame man unter anderen auch auf den Fürwitz der Weibern zu reden. Da dann ein vornehmer von Adel sich unterstunde zu sagen, es seye heut zu Tags der Weiberen Fürwitz um alle Ding zu wissen, so groß, daß wann sie vor Zeiten wären im Paradeys gewesen, sie nicht allein einen Apfel von dem verbottenen Baum verkostet; sonderen gar alle und jede Aepfel desselben Baums wurden aufgezehret haben. Weil nun etliche adeliche Damen, die bey diesem Panquet zugegen waren, diese Red sehr übel aufnahmen (wie er dann solches ihme vorher schon wohl eingebildet hatte) als sagte er weiters, um seine Wort zu bestättigen: villeicht wurde man dessen, aus einer ungefähr ereignenden Begebeit eine augenscheinliche Prob sehen, ehe man von der Tafel wurde aufgestanden seyn. Er saumte sich also nicht lang, sondern stunde von der Tafel auf, als wann er sonst etwas zu verrichten hätte; befahle seinem Diener, dem Koch anzudeuten, daß er eine zierliche Pastetten zubereiten, und so geschwind, als es immer möglich seyn wurde, auf die Tafel bringen, jedoch vorher ein lebendiges Vögelein darein verschliessen solte. Was geschiehet? der Koch verrichtete aufs fleißigste, was ihme war anbefohlen worden. Die Pastetten wurde auf die Tafel gesetzt, jedermann verwunderte sich über des Kochs künstliche Hand; und wußte doch niemand (ausser dem Fürsten, und etlich wenig Anderer, so davon Wissenschaft haben müßten) was darin verborgen wäre. Indem nun die Pastetten eige gute Weil von den Gästen, insonderheit aber von denen Weibs Personen mit fürwitzigen Augen betrachtet worden, waren diese nicht zufrieden, an selbiger allein die Augen zu weiden; sondern verlangten auch zu wissen, was doch vor eine Speis darinn verschlossen wäre. Es [602] gienge aber die Sach gäntzlich nach Wunsch des Edelmanns, und wurde allen, so mit dem Trantschieren beschäftiget waren, ernstlich gebotten, daß keiner aus ihnen die Pastetten aufschneiden solte, ob es gleich die Damen begehren wurden. Weil dann niemand sich darzu wolte gebrauchen lassen; die Weibs-Personen aber starck darum anhielten, als könnten sie sich länger nicht enthalten, sondern machten sich insgesamt über die Pastetten her, um selbige zu zerschneiden, und zu sehen, was doch immer gutes zu essen darinn verborgen wäre. Es war aber kaum der Deckel eröfnet, und abgehebt, da floge das darinn verborgene Vögelein heraus, und davon. Wie solches der Fürst, und andere Hof-Leut gesehen, entstunde in dem gantzen Saal ein überlautes Gelächter. Und weil sich die fürwitzige Damen durch diesen List nicht wenig confundirt, und beschamt sahen, als erfreuete sich der Edelmann hierüber am allermeisten, dieweil er das weibliche Geschlecht wegen ihrer Curiosität, und Fürwitz zu so bequemer Zeit überwisen und convincirt hatte. Adamus Webber Can. Reg. in Arte bene discurrendi.


Es mögen sich jetzt die Weiber so schön machen, als sie wollen, so können sie es doch nicht laugnen, daß sie den Fürwitz von der Eva im Paradeyß ererbet haben. Dieser folgen sie gäntzlich nach. Sie wollen um alles wissen, es mag sie hernach angehen, oder nicht. Ist aber eine Gattung des Unverstands. Darum lautet das Sprüchwort: Weiber tragen lange Röck, und haben kurtzen Sinn. Wie besser wäre es, wann sie ihnen liessen gesagt seyn den Spruch des Heil. Vatters Chrysostomi. Nicht alles wissen wollen (absonderlich was unnütze Ding seynd) ist die gröste Weisheit.

55. Begebenheit
Fünf und fünftzigste Begebenheit.
Einem Weib wird ein treffliches Mittel vorgeschrieben, wie sie verhinderen könne, daß ihr Mann nicht viel rumore.

Ein Weib klagte einem klugen und verständigen, wie daß ihr Ehemann fast täglich wohl bezecht nach Haus komme, erschrecklich rumore, und alles zu unterst und oberst kehre. Diese kluge Mann hörte ihre Klagen gedultiglich an; gedenckte aber gleich dabey (wie es dann in der Sach selbsten auch also ware) daß der tolle und wohl-bezechte Ehe-Mann vielleicht durch die Geschwätzigkeit seines Weibs noch toller und rasender wurde. Er versprache ihr demnach nicht allein ein gutes Mittel, sondern gabe ihr solches in die Hand mit diesen Worten: sehet da! mein [603] gute Freundin! nehmet dieses Fläschlein mit Wasser mit euch, und wann euer Ehe-Mann wohl bezecht wird nach Haus kommen, so nehmet ohne Versaumnus ein Maul voll von diesem Saft (es war aber nichts anders, als ein gemeines Bronnen-Wasser) haltet selbiges so lang in dem Mund, bis ihr euch werdet in die Ruhe gelegt haben. Da werdet ihr erfahren, was dieser Saft für ein treffliche Kraft habe, und wie euer sonst stürmischer Ehemann so wenig mehr rumoren werde. Das Weib gehorchte diesem guten Rath, brauchte das Mittel, wie ihr gesagt worden, und verspürte davon die Würckung, die sie ihr nicht eingebildet hatte. Sie stellte sich demnach bey ihrem Rathgeber ein, und begehrte inständig zu wissen, was doch dieses für ein Saft seye, und wie hoch dessen Werth komme. Jener antwortet, O mein gute Freundin, man kan diesen Saft aus dem nächsten Bronnen schöpfen: Dann was ihr dem Wasser zugeeignet, das ist euerem Stillschweigen zuzuschreiben. Cit. Weber in arte bene discurrendi, ut paulo ante insinuatum.


Wer bey sich verspühret, das er ein geschwätzige, und zänckische Zungen habe, der verschaffe ihm dieses Wasser, und halte es fleissig in einem zugeschlossenen Mund, so wird er davon die erwünschte Würckung erfahren. Dessen erinnert uns der weise Salomon Prov. c. 17. Wer das Wasser lasset auslauffen, der ist ein Anfang des Haders. Mit welchem übereinstimmt der Heil. Vatter Gregorius, wann er sagt: Das Wasser lasset man aus dem Mund, wann der Zungen-Fluß sich ergiesset.l. 5. Moral. c. 11.

Auserlesene, mithin aber serieuse Begebenheiten

1. Begebenheit
Erste Begebenheit.
Ein halsstärriger Sünder stirbt gantz unbußfertig.

Es lage auf den Tod kranck ein gewisser grosser Sünder. Wie er nun selbst merckte, daß das letzte Stündlein bald schlagen wurde, durchgienge er ein wenig mit seinen Gedancken das bishero zugebrachte Leben, und brachte einen so grossen Wust allerhand schwerer Sünden zusammen, daß ihm gerad selbst darüber graussete. Die herumstehende gute Freund, weil sie einige Zeichen der Zagheit an ihm verspührten, sprachen ihm tröstlich zu, und riethen ihm ein, die Gnaden-Thür göttlicher Barmhertzigkeit, weil sie noch offen stunde, zu ergreiffen, und durch ein recht geschaffene Beicht das Gewissen zu reinigen. Allein seine zweifelhafte Reden gaben ein gantz anders zu verstehen, und weissagten anders nichts, als den gewissen Untergang. Gleichwohl zoge die Gütigkeit GOttes ihre Hand noch nicht gäntzlich von ihm ab. Christus selbst erschiene ihm in gantz lieblicher Gestalt; erbotte ihm sein Gnad, und Verzeihung, wann er nur seine Sünden ernstlich bereuen, und einem Priester beichten wolte. Der Kranke aber beschwerte sich dessen, und wolte nicht daran. Hierauf machte der Heiland vornen her den Rock auf; entblößte die Brust; zeigte ihm die Wunden der Seiten, wie auch der Händen und Füß, mit vermelden, daß ihm aus diesem Brunnen werde das Heyl heraus fliessen, wann er nur einen bereitfertigen Willen zum Schöpfen hätte, und das Sacrament der Buß, als ein vorgeschriebenes Mittel ergreiffen wolte. Allein auch solches Anerbieten schluge der verstockte Mensch aus. Letztlich, weil nichts helfen wolte, griffe der Heiland mit der Hand in die Wunden der Seiten, füllete sie mit Blut an, und warfs dem verzweifelten Bößwicht ins Angesicht; zum Zeichen, daß er ihn auf ewig verworfen hätte, und damit verschwande er. Worüber auch der Krancke in die Züg gegriffen, und in der Unbußfertigkeit gestorben ist. Godescalcus Holen. Serm. 58. part. Hyem.

2. Begebenheit
[605] Zweyte Begebenheit.
Ein Mutter klagt über den unzeitigen Tod ihres Sohns unmässiglich.

Eine vornehme Gräfin sasse auf einem Schloß, als ihrem Wittib-Sitz, und hatte bey sich ihren Herrn Sohn, einen so wohl von Leibsgestalt, als vortreflichen Gaaben der Natur, und allerhand Tugenden gezierten Jüngling, der nicht unlängst aus den Ländern mit höchstem Vergnügen der gantzen Freundschaft anheim kommen, und nunmehr mit einem gleichem Stands und Geblüts hochadelichen Fräulein zur Ehe-Verlobnuß wolte schreitten; und also seinem Stammen-Baum etliche junge Zweiglein zu setzen. Die gantze Zeit des Braut-Stands hindurch hienge der Himmel voller Geigen, und schiene, als hätte die Fröhlichkeit selbst in dem Schloß dieser Frau Gräfin den Einkehr genommen, der Vermählung und Hochzeit beyzuwohnen. Also lustig und freudig gienge es zu. Aber wie seynd so gar anderst die Urtheil und Rathschlüß GOttes, als der Menschen beschaffen! dann wenig Täg vorher, ehe der Handstreich geschehen, fiele der angehende Hochzeiter in ein hitziges Fieber, und ware in wenig Tägen eine Leich. Nicht auszusprechen ist, wie sehr die Frau Mutter diesen Streich empfunden. Derjenige Toden-Pfeil, welcher ihren lieben Sohn getroffen, hatte auch ihr Hertz verwundet; weil ihr Hertz gantz an das Seinige gewachsen, ja, (besser zu reden) beyde ein Hertz waren. Nachdem der Artzt dem Krancken das Leben abgesprochen, schickte man um die Geistliche, die um der Seelen Heyl sich solten annehmen; weil es doch mit der leiblichen Gesundheit verhauset war. Zwey Patres aus der Gesellschaft JEsu waren bald vorhanden; beyde trösteten nach bestem Vermögen den Krancken; hatten aber mehr Mühe mit der Mutter als mit dem Sohn, als welcher sich auf die Reise in die Ewigkeit bestens schickte, und bald hernach auch glücklich abdruckte. Wie solches die Frau Mutter ersehen, wußte sie ihre Leids kein End. Sie fienge an, erbärmlich zu weinen und zu schreyen; die Stuben auf und ab zu lauffen; Himmel und Erden um Hülf anzuruffen, und das gantze Haus mit Seuftzen und Weheklagen anzufüllen. Ach! daß es GOtt geklagt seye (sagte sie) so ist dann mein liebstes Kind tod? Ach! mein Sigismund, wilst du mich, deine Frau Mutter, also verlassen? und mit diesen Worten warfe sie sich auf den todten Leichnam, kussete, halsete ihn, und schüttete einen gantzen Bach der Zäheren über sein erblaßtes Angesicht aus, und rufte ohne Unterlaß Sigismund! ach! Sigismund. Mein Hertz! lebest du dann nicht mehr? Die Umstehende wolten sie mit glimpflichen Worten bereden, von so unmässigen Trauren abzustehen, [606] und sich in ein anderes Zimmer zu begeben. Sie wolte aber nicht; sondern fienge ihr Klag auf ein neues an; Ist das das schöne Braut-Beth, mein liebster Sohn, das ich dir zubereitet hab? so muß ich dann Blumen und Kräntz, so nunmehr zur Hochzeit fertig, auf deine Toden-Bahr streuen? O Tod, du grausamer Mörder! wie hab ich dieses um dich verdient? warum hast du nicht die Mutter genommen vor dem Sohn? oder aufs wenigst den Sohn samt der Mutter? warum scheidest du uns von einander, die wir allzeit einerley Hertz gewesen? wo ist anjetzo die Fortpflantzung seines Stammens? wo die Ehr auch meines Geschlechts? wo das Liecht meiner Augen? der Stab meines Alters? mein Trost? mein Aufenthalt im Wittib-Stand? ach! wie wird es mir armen Wittib gehen? Indem sie also jammerte, und die Schmertzen je länger je mehr zunahmen, wurde sie auf Einrathen der Patrum mit Gewalt durch die Diener hinweg, und in ein anders Zimmer gebracht; worüber sie halb von Sinnen kommen, und in solcher Verwirrung in freventliche Klagen wider GOttes. Anordnung herfür gebrochen, als welcher ihr den Sohn nicht länger hätte gönnen mögen. Darauf sie in ein Ruh-Bethlein hin gesuncken, und in ein Ohnmacht gefallen. Wie sie bald wieder gelabet, und zu sich selbst kommen, redete sie die Patres gantz bescheidentlich an; bathe auch zugleich um Verzeihung, wann ihr etwann ein ungereimtes Wort entfallen wäre: weil sie einmahl vor Schmertzen nicht gewußt hätte, was sie redete. Und als man sie der obgedachten freventlichen Klagen wider GOttes Anordnung erinnerte, erzeigte sie grosse Reu darüber, und sagte mehr nicht, als diese Wort: So hat dann der unbarmhertzige Tod auch diese so schöne, und junge Blum schon abgebrochen? Diese Wort fassete ein Pater auf, und versetzte hinwieder: Gnädige Frau! jetzt haben Euer Gnaden recht von der Sach geurtheilt. Wegen dieser ihrer Red seye ihnen hiemit versprochen ein Nagelneues Lied, welches erweisen wird, daß dieser blinde Schnitter, der Tod, sich mit Gras und Heu-Blumen nicht vergnügen lasse; sondern auch in der König und Fürsten Gärten hinein platze, und die Sichel auf die Narcissen, Rosen, und Tulipanen wetze: Und dieses müssen wir gedulten; und dem lieben GOtt nicht einreden, der es also befiehlt, und am besten weißt, wann es Zeit ist, und was uns nutz ist. Hierauf hat er die Frau Gräfin wohl getröstet verlassen; er aber seinem Versprechen gemäß das kunstreiche und vielen bekannte Gesang verfasset, dessen erstes Gesätzlein also lautet:


Es ist ein Schnitter, heißt der Tod,
Hat Gwalt vom grossen GOtt.
Heut wetzt er das Messer,
Es geht schon viel besser:
Bald wird er drein schneiden,
Wir müssens nur leiden.
Hüt dich schöns Blümelein.

Albertus Kurz S.J. citatus à P. Rauscher in Dominicali 1. Conc. 15.

[607] Da ist aber zu mercken, daß nicht das Weinen einer Mutter über den Tod ihres Sohns; sondern nur das übermässige Weinen verbotten werde; damit es ihr nicht ergehe, wie jener, von welcher Cantipratanus schreibt, daß sie gar zu unmässiglich ihren verstorbenen Sohn beweint habe; der ihr aber einstens erschienen mit einem Geschirr voller Wasser auf dem Rucken, von dessen Schwere er gleichsam im Gehen verhindert wurde. Wie sie ihn nun in solcher Gestalt gesehen, und erkannnt, fragte sie ihn gantz mitleidig, was dieses bedeuten solle; und ob sie ihm nicht helfen könnte? hierauf gabe der Geist zur Antwort: Meine Mutter! wann du mir helfen wilst, so höre auf zu weinen: dann dieses Geschirr voller Wasser seynd deine Zäher, welche mir nichts nutzen. Bette vielmehr für mich: giebe Allmosen, und lasse Messen lesen. Das wird mir weit ersprießlicher seyn. Und mit diesem ist er verschwunden.

3. Begebenheit
Dritte Begebenheit.
Der Heil. Schutz-Engel bringt einen tödtlich verwundeten Jüngling an ein sicheres Ort, damit er verbunden, und geheilt möchte werden.

Im Jahr 1554. befande sich in der Stadt Valenza in Spanien, ein adelicher Jüngling; Ritter-Ordens, Antonius von Pisa mit Namen. Diesem auf einer Reise nach Castilien begegneten sieben seiner abgesagten Feinden. Man kan auf einen in das Garn verstrickten Hirschen nicht so geschwind seyn, als gedachte Gesellen von Leder gezogen, und sich unter einander zur Mordthat anfrischten: haue, und stiche zu, bis er genug hat. Antonius die Gefahr ersehend, befahle sich inbrünstig mit einem kurtzen Schuß-Gebettlein der Himmels-Königin, zu dero er ein sonderbare Lieb und Andacht truge, daß sie ihm doch in dieser äussersten Noth beyspringen, und ihn wenigst ohne Beicht nicht wolle sterben lassen. Drauf hin gienge das Metzgen an. Einer versetzte ihm einen Hieb in den Arm; der ander in die Achsel; der dritte spaltete ihm den Kopf; der vierte gabe ihm einen Stich in den Bauch, daß das Ingeweid heraus schosse; der fünfte nahe zu dem Hertz, wie sie halt in der Furie zukommen könnten, in allem über die hundert Streich und Stich: und liessen ihn letztlich, da sie ihn sahen in die Züge greiffen, mit viel Schmach- und Läster-Wort in seinem Blut liegen. Da ware es dann Zeit, daß die mildreicheste Mutter GOttes sich ihres Pflegkinds solte annehmen Schickte ihm demnach einen Engel (ware ohne Zweifel sein heiliger Schutzengel) gleich einem adelichen Ritter, gantz weiß gekleidt, auf einem gleichfalls gantz weissen, dollen Pferd. Dieser [608] nahme den Verwundeten zu sich auf das Pferd; hielte ihn mit den Händen, und sprache ihm zu, wohl behertzt zu seyn; es werde bald besser werden; und brachte ihn endlich in das Haus eines ihm nächst Befreundten, mit Bitt, seiner treulich zu pflegen; der ihn auch alsobald erkennte, und mit grossem Mitleiden, und möglichster Liebe aufnahme: wie man aber nach dem Uberbringer umsahe, ware keiner mehr vorhanden. Es wurden die allererfahrneste Wund-Artzten beruffen; aber keiner wolte sich seiner annehmen, aus Beysorg, er möchte ihnen unter den Händen dahin sterben. Wie nun Antonius anderst nicht vermeinte, als es wäre um ihn geschehen, berufte er den Pfarrer des Orts, verrichtete mit grosser Reu und Leid seine Beicht, und bereitete sich zu dem Tod. Ohngefähr um Mitternacht klagte er mächtig den Schmertzen eines zerquetschten Arms, und weil er kein andere Linderung hatte, rufte er abermahls die Mutter GOttes um Beystand an: Ach! Maria du eintzige Zuflucht und Trost der Sündern, verlaß mich nicht. Stehe mir bey, barmhertzigste Mutter, es seye gleich zum Leben, oder zu dem Tod. Dieses geredt, tratte denselben Augenblicklick in Ansehung aller Gegenwärtigen in das Zimmer ein ansehnliche Matron hinein, grüßte ihn freundlich, nahme ihn bey dem Arm, und zugleich allen Schmertzen hinweg. Uberstriche hernach alle verwundete Glieder mit einer köstlichen Salb, und heilte ihn zur Stund so glücklich, daß man so gar kein Masen hernach einiger Wunden gesehen.Pojerus S.J. in der dreyfachen Cron der Mutter GOttes. Tract. 3. c. 9.

4. Begebenheit
Vierte Begebenheit.
Einen alten, zugleich aber fromm- und einfältigen Schifmann erhalten die heilige Engel in einem auf dem Meer entstandenen Ungewitter, daß er nicht zu Grund gangen; sondern an dem Gestatt, wohin sein Schiffahrt gerichtet war, angeländet ist.

Dieser ware noch ein angehender Neuling mit Namen Valgius, den man in Christlichen Hauptstucken unterrichten mußte, damit er mit nächstem möchte getauft werden, gähling bekame er Befehl von Honorio dem Kayser in Occident, daß er zu Winters-Zeit bey gar schlimmen Wetter samt anderen Schifleuten aus der Insul Sardinia nach Welschland Getreid solte helfen überführen. Die Schif waren nicht weit mehr vom Land, als gähling ein Ungewitter sie von einander zerstreuet, und eines da, das ander dorthin geworfen hat. Viel giengen zu Grund. Das Schif, darin sich Valgius befande, geriethe auch dahin in Gefahr. Weswegen seine Schif. Gefährten sich in kleine Schiflein aus dem Last-Schif begeben, [609] und in solchen das Land zu erreichen getrachtet haben. Bey nebens vergassen sie des Valgii, der zu unterst des Schifs mit Wasser-ausschöpfen beschäftiget ware. Unterdessen nahme das Schlagen der Wellen, und Walcken des Schifs je länger je mehr zu, also daß Valgius herfür kroche, zu sehen, wie es mit seinen Schif-Gefährten stunde; traffe aber keinen Menschen mehr an, wo er dann anderst nicht meinte, als es wäre mit ihm geschehen, und daß er bald ein Speis der Wallfischen werden wurde. In solcher Angst und Schröcken des Tods wurde er sechs gantzer Täg, und Nächt samt dem Schif auf dem Meer hin und her geworfen; hatte doch von denen, die ihn im Christlichen Glauben unterwisen hatten, schon so viel erlernet, daß man in äusserster Noth bey Christo, und den heiligen Englen Hülf suchen solte. Diesen befahlen er sich dann auch auf das innbrünstige an. Und siehe! da er weiter nicht, als zwey Finger breit von dem Tod und Wellen runge. Stellte sich Christus samt einer Schaar der Englen auf dem Schifein; tröstete ihn; gabe ihm Speis und Tranck, mit vermelden, daß er bald das Land erreichen wurde; doch wäre vonnöthen, daß er den Segelbaum abhackte; welches Valgius auch thate. Bald mußte er das Schif so, bald anderst wenden; jetzt das Wasser ausschöpfen; jetzt ein andere Arbeit verrichten, wobey ihme doch die heilige Engel Gesellschaft leisteten. Wann nun der gute Alte vor Mattigkeit dahin zu schlaffen begunte, nahme ihn Christus auf seine Schooß, und in die Arm; wann es wiederum Zeit zu ruderen war, weckte er ihn auf. Ein andersmahl unterrichtete er ihn in Glaubens-Sachen, schöpfte ihm einen neuen Namen, und nennte ihn Victor. Der gute fromme Valgius liesse mit ihm umgehen, wie es dem Schif-Patron, Christo gefällig ware; brachte auf solche Weis drey und zwantzig Täg auf dem Wasser zu, und laufte endlich gantz glücklich in den Hafen Calabriä ein. Wo er dann dem Heil. Bischof Paulino, was ihm auf seiner Reiß mit Christo und den heiligen Englen begegnet, umständlich erzählet, welcher mit fliessenden Zäheren alles angehört, den lieben unschuldigen Alten getauft, und die gröste Freud gehabt hat, wann er ihm nachgehends etwann begegnet ist Barrus S.J. in Blanditiis sanctis Hagiophili. c. 3.

5. Begebenheit
Fünfte Begebenheit.
Glückliche Ankunft, und glorwürdiger Einzug dreyer Japonesischer Königen Abgesandten zu Rom, den allgemeinen Vatter der Christenheit zu verehren.

An den äussersten Gräntzen Asiä, gegen Aufgang der Sonnen liegt das grosse Wasser-Land Japon, welches man billich ein Welt der Inßlen [610] nennen kan. Wird in 66. Königreich abgetheilt, welche alle von einem Kayser mit vollem Gewalt beherrschet werden. Ist allerseits umringet mit Gebürg; reich an Silber-Aderen, Fischen, und Thieren; aber gesparsam an Früchten, so mehrentheils bestehen in Getreid und Reiß. Dieser dienet ihnen zur Speis; und ausgepreßt zum Tranck. Ware unseren Vorfahrern unbekannt, und ist erst entdeckt worden von den Portugesen ohngefähr um das Jahr 1539. als sie durch Sturm und Ungewitter dahin gerathen. Nun war dazumahl die gantze Insel mit der Finsternuß des Heydenthums, und der Abgötterey überzogen. Der erste, so bey dem Liecht des Glaubens, mit welchem die Christliche Lehrer Japon bestrahleten, von Cosmas Turrianus, aus der Gesellschaft JEsu, im Christlichen Glauben unterwiesen, ware aus den höheren Stands-Personen der König von Omura, in dem Heil. Tauf Bartholomäus genannt, desen Eifer, den Glauben durch sein gantzes Reich zu beförderen unter tausenderley Beschwernussen; Standhaftigkeit in den Verfolgungen bis in Tod; herrliche Sieg wider die Rebellen und Feind der wahren Religion seynd nicht zu beschreiben. Aus viel 1000. Heydnischen Clösteren und Götzen-Templen bliebe kein eintziger in seinem gantzen Gebiet stehen, den er nicht niedergerissen, oder zu einem besseren Gebrauch der Christen verordnet hätte. 70000 seiner Unterthanen hat er mit Klugheit, und guter Manier zum Christlichen Glauben gebracht; die Widerspenstige aber alle vertrieben, also, daß im Jahr 1579. acht Jahr vor seinem seligen End in dem gantzen Königreich Omura nicht ein Fußstapfen mehr einiges Irrthums zu spühren geweßt. Ware also Bartholomäus ein unbewegliche Saul Japonischer Kirchen; ein Durchleuchtiges Beyspiel der Heiligkeit, welches an Glantz herrlicher Tugenden und Heldenthaten auch den alten Christlichen Fürsten nichts nachgegeben.


Das gottselige Exempel Königs Bartholomäi zoge, gleich einem Magnet, viel andere Fürsten und Königliche Personen, beyderley Geschlechts, nach sich. Neben anderen auch den König von Bungo, deme in dem Heil. Tauf der Namen Franciscus zu Theil worden. Er ware ein recht gottseliger Fürst, allen schweren Zufällen gewachsen. Und nachdem er ein Exempel von allerhand Tugend, und auserlesener Christlichen Gottseligkeit von sich gegeben, ist er im 9ten Jahr seines Christenthums, seines Alters im 58. mit sehr empfindlichen Schmertzen und Traur des gantzen Lands gestorben, und mit allen Ceremonien nach Catholischen Brauch zur Erden bestattet worden.


Der 3te und unter den Japoniern der Vornehmste, welcher von Pater Alexander Valignanus, aus der Gesellschaft JEsu, im Jahr 1570. den Heil. Tauf empfangen, ware Protasius zu Arima. Ein treuer Beschützer[611] der Christenheit zur Zeit der Verfolgung: Der sich anerbotte auch sein Leben, Ehr, Haab und Gut für den wahren Glauben aufzusetzen.


Nun diese 3. König, Bartholomäus, König zu Omura; Franciscus, König zu Bungo; und Protasius, König zu Arima, die vornehmste Saulen Japonesischer Christenheit, als sie in Erfahrnuß gebracht, was gestalten P. Alexander Valignanus, Visitator Japonesischer Kirchen, nach eingenommenem Augenschein des Christlichen Weinbergs, und dessen glücklichen Fortpflantzung, seine Ruckreis nach Rom verordnet hätte, dem P. General des Jesuiter-Ordens, seines verrichten Amts halber völligen Bericht zu erstatten, etc. Entschlossen sie sich ihme von ihren nächsten Anverwandten 4. Reis-Gefährten beyzufügen, welche an ihrer statt sich zu den Füssen des allgemeinen Vatters der Christenheit werfen, schuldigsten Gehorsam anerbieten, und als neu-erworbene Schäflein seiner vätterlichen Obsicht anbefehlen solten. Pater Valignanus verwilligte gar gern in diesen gottseligen Anschlag: Theils, weil er sahe, daß solches zum höchsten Trost Ihro Päbstlichen Heiligkeit, und denen Christlichen Fürsten in Europa, ja Männiglichen zu lehrreicher Erinnerung dienen wurde, wann sie gewahr wurden, wie das göttliche Gnaden-Liecht aller Orten sich ausgiesse, und annoch aus der Dunckelheit des Heydenthums König zu der Erkänntnuß des Heylands beruffen werden: Theils auch, weil er dieses für das bequemeste Mittel erachtete, den hochmüthigen Japonesern ihren Irrwohn zu benehmen, welche niemahlen glauben wolten; das anderstwo auch Leut; sondern Europam für ein hungeriges Land hielten: Weil dessen Innwohner, nemlich die Europäer, einen so weiten Weeg durch mancherley Ungemach, und Gefahren bis nacher Japon auslieffen; von welcher Einbildung sie zweifels ohne wurden abstehen, wann diese durch eigene Erfahrnuß der Japoneser widerlegt wurde.


Franciscus, König zu Bungo bestimmte für seinen Abgesandten Don Mancio Ito, einen schönen, beynebens auch bedachtsamen Printzen, welcher in der ersten Blühe seiner Jahren, deren er kaum 15. nach sich gelegt, schon ein mannbare Ernsthaftigkeit spühren liesse. Protasius, König zu Arima, erwählte Don Michael Cinga: Und Bartholomäus, König zu Omura eben diesen Michael, als seinen Enckel, einen Jüngling sittsamer Gebärden, guter Vernunft, und gleichen Alters mit dem vorigen. Diesen beyden, als der Gesandschaft vornehmsten Häupteren, wurden beygesellet Don Julianus Nacura, und Don Martinus Fara, beyde von hochadelichen Häuseren, und grosser Dapferkeit. Darzu kamen noch 2. edle Dienst-Knaben samt einem Hofmeister. Da nun alles reisfertig, eilten sie mit P. Valignano nach dem Meerhafen zu Naganzui, und stoßten [612] vom Land den 20. Tag Hornung im 1582. Jahr. Den ersten Lauf nahmen sie nach Sina, und erreichten den 18. Tag Macaum, ein Portugesische Meer-Stadt. Der Bischof und Statthalter samt dem gantzen Volck empfiengen sie mit höchstem Ehren- und Freuden-Gepräng, und genossen ihrer angenehmen Gegenwart bis in den 10ten Monat, bis ein gewisser, und ihr Reis zu beförderen vorträglicher See-Wind, der sich nur einmahl im Jahr spühren laßt, zu wehen anfienge. Bey so benöthigtem Aufenthalt, wie auch die übrige Reis hindurch übten sich die guten Printzen in Erlernung der lateinischen Sprach, welche ihnen in Europa so nutzlich, als nothwendig seyn wurde. So bald gedachter Wind sich angemeldet, brachen sie von Macao den letzten Tag Christmonats auf, und gelangten durch viel Sturm, und Meer-Wellen, wovon viel grosse Lastschif gesuncken und gescheiteret, nach 2. Monat zu Malaca, der äussersten Handel-Stadt in Indien, schadloß an. Von dannen zoge sie der Wind nacher Tricandur, Corino, Goa, und viel andere Ort mehr, bis sie nach Verfliessung 2. gantzer Jahr endlich zu Lisbon in Portugall frisch, und gesund eingeloffen den 10ten Augustmonat des 1584. Jahr. Von dorten eilten sie nach Toledo, und von daraus gienge die Reise nach der Königlichen Haupt-Stadt Madrit, die sie den letzten Weinmonat erreicht haben. Sie wurden gleich anderen Königlichen Gesandten sehr prächtig eingeholet. König Philipp der Andere zuckte die Hand, die sie mit demüthigem Kuß verehren wolten; fiele ihnen freudig um den Hals, und mußten seine junge Printzen desgleichen thun. Als sie mit eigener Ansprach das Ziel vorhabender Gesandtschaft entdecket, wurde das überreichte Sendschreiben dreyer Japonischen Königen in Spanischer, und Japonischer Sprach überlaut abgelesen, dessen vernommenen Innhalt Philippus mit hertzlichem Anzeigen der Freud stracks begegnete: Wie daß er gedachte König in seinem Hertzen verschlossen habe, und höchst-erfreut wäre, daß ihre gewünschte Zuneigung durch so ehrwehrte Gesandtschaft ihme kund gemacht worden: Seye auch gäntzlich der Hofnung, die allbereit erwachsene Freundschaft werde zu beyderseits Christlichen Aufnehmen täglich einen mehreren, und glücklicheren Fortgang gewinnen, etc. Länger konte er seiner Hoheit nicht verschonen. Gabe derowegen der zarten Anmuthung den Zaum; handelte mit ihnen gantz freundlich; betrachtete ihre Kleidung von Fuß auf; nahme die Säbel in die Hand; erforschte ihre Lands-Gebräuch, und Herkommen, etc. Alles mit so liebreicher Gemeinschaft, und freundlicher Zuneigung, daß sich jedermann darüber verwunderte: Alldieweilen man an Philippo, einem so gar ernsthaften Fürsten, vorhero niemahlen dergleichen verspührt hatte. Hernach befahle er, ihnen seine Schätz und Kunst-Kammer, voll der kostbaresten Raritäten zu weisen; darauf [613] nach dem Königlichem Gebäu Escurial, einem rechten Wunder der Welt, abzuführen, herrlich bewürthen; mit allerhand Freuden-Spiel zu erlustigen; beschließlich beyzubringen, was zu dero hohen Ehren, und seiner Majestät hochgeneigten Willen gereichen möchte.


Nachdem sie eine Zeitlang allda sich erquicket, seegneten sie mit hertzlicher Beurlaubung der Spanische Hof, eilten dem Welschland, und der gantzen Christenheit Haupt-Stadt zu, wohin ihrer Ankunft halber schon unterschiedliche Botten abgeflogen waren.


Das vätterliche Hertz des allgemeinen Hirtens, welcher dazumahl ware Gregorius der 13te sehnete sich entzwischen mit höchstem Verlangen nach diesen neugebohrnen Schäflein, und fiele ihm der Aufschub ihrer Gegenwart um so viel schwerer, je länger je mehr selbige herzunahete. Als er vernommen, daß sie zu Aquapendente, einer ihme bottmäßigen Stadt, angelangt, befahle er, ihnen 200. bewehrte Fuß-Knecht zuzuordnen, damit sie mit mehrerem Ansehen das Kirchen-Gebiet durchwanderten. Es schluge aber noch ein viel grössere Menge Volcks darzu, aus Begierd, diese Fremdling zu sehen, also, daß sie fast allenthalben von mehr, als 1000. Menschen begleitet daher zogen. Gregorius fertigte entzwischen einen Reit-Botten nach dem anderen ab, die ankommende Printzen seines innbrünstigen Verlangens zu versicheren, und hierdurch ihre Ankunft zu befördern. Wie sie der Stadt genäheret, kamen 3. Scharen wohl-bewafneter Reiter ihnen entgehen, von denen sie bis nach Rom begleitet worden. Und ob sie schon sich beflissen, in höchster Stille einzuziehen, des Vorhabens, den offentlichen Einzug auf ein bequemere Zeit zu verschieben, war doch schon theils bey dem Thor, theils auf allen Gassen, wo sie durch müßten, ein unzahlbare Menge Volcks. Der erste Gang ware zu dem Profeß-Haus der Gesellschaft JESU, bey dessen Thür-Geschwell der Pater General Claudius Aquaviva des Jesuiter-Ordens mit 200. seiner Geistlichen auf sie wartete, und sie mit so zarter Gemüths-Neigung empfangen, daß keiner der Freuden-Zäher sich enthalten können. Nach abgelegter trostreicher Bewillkommung wurden die Abgesandte in die Kirchen geführet, und offentlich mit Absingung des Ambrosianischen Hymni GOTT Danck gesagt, daß er die nun anwesende Printzen von den äussersten Erd-Gräntzen der Welt durch so manigfältige Reis-Ungemach, und Lebens-Gefahr zu ihrem Zweck gebracht. Allwo sie dann auch denselbigen Tag geblieben, gespeist, und geschlaffen haben, nach dem sie 3. Jahr, ein Monat, 2. Täg auf der Reis gewesen, und 7000. Meil Weegs nach sich gelegt haben.


Nun weiters. Obschon die Herren Abgesandte gäntzlich des Entschlusses gewesen, keinen äusserlichen Pracht, [614] oder offentlichen Einzug in die Stadt Rom zu halten, sondern in Christlicher Demuth, und aller Stille sich zu den Füssen Ihro Heiligkeit zu begeben; so lautete doch Gregorii, und der Herren Cardinälen Rathschluß gantz anderst: nemlich, wie daß ihr offentlicher Einzug zur Hochschätzung, und billichem Ansehen des Römischen Stuhls; im Gegentheil zu nicht geringer Beschämung der Uncatholischen gereichen wurde, etc. Seynd also in einer Gutschen nach dem Pallast Julii des 3ten abgeführt, und hieraus durch die berühmte Stadt-Pforten del Popolo genant, welcher aller Abgesandten gemeiner Eingang ist, mit folgendem Pomp eingezogen.


Den Vortrab hatte die Päbstliche Leibwacht, welche in zierlicher Hof-Farb daher ritte, und ein Anzahl Schweitzerischer Fuß Knecht nach sich zoge. Denen folgten die Bedienten und Höflingen der Cardinälen, alle mit Viol-Farber Kleydung. Nechst diesen die Abgesandte der ausländischen Fürsten, und Königen, so viel dazumahl anwesend, neben der Römischen Reuterey, die mit vorgehenden Heerpaucken und Trompeten-Schall angefrischt wurde. Hierauf sahe man eine schöne Ordnung der Cammer- und Hof-Bedienten Päbstlicher Heiligkeit: hernach die 3. Japonesische Abgesandte zu Pferd, so mit schwartz sammeten Decken bekleydet; anderwärths aber herrlich gezieret waren. Ihr liebreiches Ansehen vermehrte den Glantz der Kleydung, welche bestunde in einem dreyfachen Leib-Rock, der von dem feinesten Seyden-Zeug, und nach Japonesischer Arth mit Vöglen, Blumen und Laubwerck künstlich eingewirckt, vornen her frey und offen, beyder seits mit weiten Ermlen bis zur Erden hinab flosse. Der Hals war mit einem zarten, und kunstreich gewebenem Schleyer eingebunden, das Haupt bedeckte ein wollständiger Turbant, die Seiten bewehrt mit einem Säbel, so mit Perlein und köstlichen Edelgestein besetzt einen wunderschönen Glanz von sich gabe. Zu erst ritte Mancius, Enckel des Königs in Bungo, von 2. Ertz-Bischöffen begleitet. Nach ihme Michael, nächster Vetter zweyer Königen zu Omura, und Arima, gleichfals zwischen 2. Bischöffen: und endlich Martinus, der 3te Abgesandte, beyderseits von Adels-Persohnen umgeben, den gantzen Aufzug beschlosse der Römische, zumahl auch ausländische Adel, so von aller Gegend beyzuwohnen sich versammelt hatte. Alle Strassen wimmelten vor Menge des Volcks, alle Fenster waren angefüllt mit Zuseheren: man vernahme nichts anders, als freudiges Glück-Wünschen, und höchstes Verwunderen über so Freud- und Ehren-werthe Ankunft dieser Christl. Printzen.


Demnach man bey der Engelburg angelangt, da Gregorius samt allen Cardinälen ihrer gewärtig, wurden sie mit Lösung alles Geschützes feyrlich eingeholet, und durch die unzahlbare Menge des Volcks (dann die gantze [615] Stadt schiene sich allda gesammlet zu haben) zu dem Päbst. Thron hinein geführt. Bey erstem Anblick des heiligsten Vatters warffen sie sich sammentlich zur Erden, und verehrten mit demüthigem Kuß die Füß seiner Heiligkeit. Er aber fiele ihnen zu 3 mahlen um den Hals, hertzigte sie mit Vätterlicher Neigung, und zerflosse fast in Freud-Thränen. Desgleichen auch die Herren Cardinäl, und andere hohe Anwesende hohe Prälaten redeten mehr mit Zähren, als mit Worten.


Nach geschehenem Gruß-Gepräng fienge Mancius an, und nebst ihme Michael der vorgenommenen Reiß, und allbereit glücklichen Ankunft erhebliche Ursachen in eigener Lands-Sprach vorzutragen, als nemlich: daß sie allein vorhanden wären, den schuldigen Gehorsam im Namen ihrer Principalen und Anverwandten Königen in Japon, Francisci Königs zu Bungo; Protasii Königs zu Arima, und Bartholomäi Königs zu Omura Ihro Päbstl. Heiligkeit, als dem obersten Kirchen-Hirten Christlichen Schaaf-Stalls demüthigst anzubieten, mit beygefügter Bitt, er wolle sie seiner Vätterlichen Obsicht, als getreue Glieder dem sichtbarlichen Leib Christi einverleiben. Als solches von Gregorio mit lieblicher Gegen-Red beantwortet, wurden die Königliche, und von dem Päbstl. Secretario aus dem Japonischen ins Welsche übersetzte Sendschreiben vor männiglich abgelesen, aus welchen die tieffe Ehrenbietigkeit gegen Ihro Päbstl. Heiligkeit, und der Eyfer in der Catholischen Religion sattsam zu ersehen war.


Nach abgelesenen Königlichen Schreiben brachte auch P. Caspar Gonzales, ein Jesuit, seine an den Römischen Pabst, und Anwesende Cardinäl wohl-ge stellte Red-Verfassung im Namen der Abgesandten vor, deme Ihro Päbstl. Heiligkeit durch einen Cardinal in lateinischer Sprach antworten liesse. Und hiemit hat diese Versammlung ihre Endschaft genommen.


Was hierauf für ein stattliches Tractament, Ehr, und Kurtzweil denen Herren Abgesandten nicht allein von dem Päbstl. Hof, sondern auch aller ausländischen Fürsten Legaten die 3. Monath hindurch (dann so lang seynd sie zu Rom verblieben) erwiesen worden; was sie alles von Raritäten in Heiligen und Profan-Sachen gesehen, wie sie so wohl zu Rom, als auch in der Ruckreiß zu Ferrara, Venedig, Mantua, Mayland, und anderen Orthen für sich, und ihre Principalen von kostbahren Geschäncken, neben allerley höchsten Ehren-Bezeugungen erhalten, wäre zu lang zu erzählen. Jedannoch eines kan ich nicht umgehen, und ist der zeitliche Hintritt Gregorii des Pabsts, der sich im April begeben, da die Herren Abgesandte noch zu Rom sich befanden; welches bey ihnen wohl grosses Leyd verursachet. Unter welcher Zeit auch einer aus ihnen, nemlich [616] Julianus erkranckt. Da hätte man sollen sehen die Sorgfalt, und Liebe der gantzen Stadt. Gregorius selbsten todt-kranck, ware nicht vergnügt, daß er ihm seine Leib-Aertzt zusandte; sondern schickte täglich einen seiner Hof-Bedienten, zu erforschen, wie es mit Juliano stunde. Und das thate er noch ein Stund vor seinem Tod: und da er vernahme, daß es sich mit ihm zur Besserung schickte, preisete er GOtt, schluge gantz wohl getröst die Händ zusammen, und sprache: jetzt bin ich schon vergnügt; jetzt will ich gern sterben, wann nur mein Julianus lebt.


Gregorio, diesem so klugen, und um die gantze Christenheit hochverdienten Pabst ist durch rechtmäßige Wahl auf dem Stuhl Petri nachgefolget Sixtus der 5te, der nicht mit geringerer Ehr und Lieb, als sein Vorfahrer, die Herren Legaten umfangen; auch mit Schreiben und ansehnlichen Geschänck an gedachte 3. König sie wiederum abgefertiget hat. Worauf sie von Rom Abschied genommen den 30. Tag Brachmonat noch selbigen Jahres, und aus Welschland nacher Spanien und Portugall den Ruckweg gesucht. Beurlaubten allda Europam, und kehrten mit vollen Seglen wiederum nach Indien. Letztlich hat sie der Seehafen Nangazaqui in Japon den 21. Heumonaths im Jahr 1590. glücklich wiederum empfangen. Sie fanden ihre Frauen Mütter noch bey Leben, wie auch beyde König zu Bungo und Arima. An statt Bartholomäi aber, Königs zu Omura, der entzwischen mit Tod abgangen, seinen Sohn und Nachfolger im Reich Sanchez, bey denen P. Valignanus die Päbstl. und anderer Europäischen Fürsten Geschänck abgelegt. Das letzt war das best. Dann die fromme Fürsten, die nunmehr von weltlichen Ehren und Freuden verkostet, was ein ehrliches Gemüth wünschen kan, und aber ein Eitelkeit über Eitelkeit in allen befunden, haben endlich einen Eckel ab allem Zeitlichen bekommen, Christi Dienstbarkeit der Fürsten Freyheit vorgezogen, haben alle 4. eyferigst in die Gesellschaft JEsu einzutretten verlangt, und seynd nach vielem Bitten und Anhalten von P. Valignano darein aufgenommen worden. Einer daraus, nemlich Julianus Nacaura, nachdem er 42. Jahr lang mit Predigen, und andern Seelen-Dienst in seinem Vatterland viel Gutes geschaft, ist des Marters-Palms würdig geachtet worden, indem er unter der Regierung des Wüterichs Daifusama bey den Füssen aufgehenckt, und mit dem Haupt in aller seits verschlossene finstere Gruben bis an die Knye gesenckt (welches ein neu-erfundene grausame Tortur in Japon ist) also hangend bis auf den 4ten Tag beständig verharret, und dergestalten GOtt seinem Belohner zur ewigen Cron zugeflogen. Das ist ja ein Geschicht, welche verdient mit goldenen Buchstaben in das Denck-Register ewiger Zeiten einverleibt zu werden.Rauscher S.J. ex Hazart Ejusd. Soc. Conc. 3. in Festo. 3. Regum.

6. Begebenheit
[617] Sechste Begebenheit.
Denckwürdiger Schifbruch, so sich im Mohrenland mit etlichen Ordens-Geistlichen zugetragen im Jahr 1585. beschrieben von Petro Martinez, Soc. JEsu.

Sechs aus der Gesellschaft JEsu, und 2. des H. Dominici, neben einer Menge allerhand Kaufleuten, und Königlichen Bedienten aus Portugall giengen den 10. April-Monaths im Jahr 1585. zu Lisboa unter Segel, und hatten zwar Anfangs eine nicht unglückliche Schiffarth, so bald aber die Nacht eingefallen, fiengen die Wind also an zu wüten, und das Meer zu toben, als wann beyde zu unserem Untergang sich verschwohren hätten. Die Wellen schlugen mit gantzem Gewalt in das Schif hinein, der Mastbaum und Segel giengen zu Trümmeren, das Schif selbsten wurde von den Winden so gefährlich herum gedrähet, daß wir augenblicklich vermeinten zu versincken. Mit dieser Ungestümmigkeit rungen wir 3. gantzer Tag und Nacht, und hatten nicht mehr Hofnung uns zu retten, als diejenige, welche des Untergangs vergewisset seynd. Die einige Zuflucht war zu GOtt, und seinen Heiligen, deren Namen auf unterschiedliche Lob-Zettul geschrieben unter dem Volck ausgetheilet worden; damit ein jeder denselben, der ihme zukommen, um Hülf anruffen sollte. So bald der Zettul, deme der Jungfräulichen Mutter Mariä Nahm eingedruckt, herfür gezogen war, wendete sich gleichsam in einem Augenblick der Wind von dem vorderen Theil des Schifs, welches fast gantz zerschlagen ward; die Ungestümme begunte sich zu verziehen, die Wellen zu legen, und das darauf gestillete Meer gestattete uns so viel, daß wir der Himmels-Königin, dero heilige Bildnus am Fuß des Mastbaums angeheftet war, schuldigsten Danck leisten, demnach den Schif-Zeug wiederum in die Ordnung richten, und solcher gestalt unsere Schiffahrt fortsetzen könnten. Das Wetter war doch unbeständig, und der Luft mit dickem Nebel verfinstert, bey welchem wir die Insul Madera, und die Canarien vorbey gefahren, endlich das Eiland Guinea ins Gesicht bekommen, und zu der Insul St. Jacob, davon auch unser Schif benamset war, angelanget seynd.


Die ungewöhnliche Hitz, so bey Guinea anzuhalten pflegt, warffe fast alle Schifs-Genossene zu Boden, also daß das Schif einem Siechenhaus ähnlich denen Ordens-Leuten gewünschte Anlaß ertheilet, ihren Eyfer und treue Dienst denen Presthaften zu erzeigen, bis sie selbst unterliegen, und sich des Tods zu erwehren fremde Dienst zulassen mußten. Sonsten ward alles im Schif sehr ordentlich [618] abgetheilet. Einer hatte die Obsicht über die leibliche Nahrung; der andere sorgte um die Hülf-Mittel und Artzneyen; der dritte nahm sich um die Seel-Sachen an, und wurde also den Krancken beyderseits gedient. Zu einer Zeit lase man den Unwissenden die Christliche Glaubens-Gründ vor; zur anderen das Leben eines Heiligen. Jeden Sonntag geschahe ein Predig zu dem Volck, und wurden die mehreste nach gereinigtem Gewissen mit dem Brod des Lebens abgespeiset. Die Stell der Bücher, und Rosen-Kräntz, und anstatt der Fluch und Läster-Wort hörte man allein das Lob-GOttes, und seiner Heiligen. Mit einem Wort, das lästerliche Schif-Leben verlohre allhier seinen Namen, welches sonst nachfolgenden Unglücks ein Ursach hätte seyn können.


Bey dem Guineischen Meer-Gelände begunte der Himmel sich auf ein neues zu erzörnen, und uns mit schröckbaren Blitz und Donnern zu betrohen. Gleichwohl geriethen wir über die eben-Nacht-Linie, und gewannen den also genanten allgemeinen Wind, womit wir eine Zeitlang fort geschiffet. Den 11. Brachmonath, da wir die Insul St. Martin vorbey fuhren, zeigten sich etliche Vorspiel unsers Unglücks, so bald hernach gefolget. Ein Wall-Fisch ungeheuerer Grösse, und dem Ansehen nach gantz Kohl-schwartz, schwunge sich unversehens aus der Tieffe herfür, verjagte alle kleinere Fisch, so dem Schif nach schwummen, und entwiche nicht von uns, bis es (leyder) daran war, daß wir ihm zur Speis werden solten. Ja kurtz zu ehe wir gescheitert, tratte er voran, und warffe ein grosse Meng Wassers in die Hohe, gleich als frohlockte er ob unserem bald folgenden Untergang zu dem, als zu einer verlangten Mahlzeit er hiemit anderen Fischen die Losung gabe. Mit diesem schröckbaren Gefährten zieleten wir nach der Insul Tristana, und Cugna, fanden uns aber zu End des Brachmonaths unter dem 33. Grad der Himmels-Höhe, zu nächst an der Sudspitze, von dar uns ein starcker West-Wind fünf Tag nach einander fortgetrieben, und nach zerissenen Seil und Stangen gezwungen, die grosse Segel einzuziehen, und allein mit den Kleinen daher zu fahren, bis wir endlich den 37. Grad erreicht, und den 27. Heumonaths den Meer-Schooß der guten Hofnung, zwar mit sehr verschiedenen Wetter vorbey geseglet. Dann bald erfuhren wir ein ungemeine Meer-Stille, worbey kein Schritt weit fortzufahren ward; bald fiengen die Wind an zu toben, als ob sie alle von den Ketten los gelassen worden, das Meer wider uns anzuhetzen; bald zeigte der Himmel seinen Zorn mit schröckbaren Blitzen und Donneren, also daß wir bey so mercklicher Aenderung im Zweifel stunden, ob es nicht thunlicher wäre, der Insul St. Laurentii, dahin wir unsern Strich nahmen, zu oder selbe vorbey zu fahren. Wir fanden am 16ten Tag [619] Augustmonaths die Sonnen-Höhe auf 23. Stuffen, und ein Drittel, und entschlossen uns die Segel den Winden gäntzlich zu übergeben, in Hofnung noch selbe Nacht, weil das Wetter nun günstig 40. Meil nach uns zu legen, und gedachtes Drittel zu übersteigen, dieweilen der Aufseher des Schifs in dem Mast-Korb ein Geschwader der Vöglen dahinwärths hatte fliegen sehen, auch sonsten den graden Weeg fortzuschiffen nicht wohl möglich, wegen allzugrossem Gewalt der Wasser-Wellen, von denen kurtz vorher das Schif St. Peter genannt, in die Tieffe getrieben ward; ruckwärths aber ein noch gefährlicher Wirbel uns mit dem gewissen Untergang betrohete.


Da wir nun also mit guten Wind, und noch besserer Hofnung einigen Meer-Hafen anzutreffen, dahin fuhren, und fast alle sich zur Ruhe begeben hatten, lieffe das Schif aus aus gerechter Verhängnus GOttes, mit vollen Segel an einen von den Wellen bedeckten, und darum nicht vermerckten sehr spitzigen Stein-Felsen mit so starcken Gewalt, das ob schon etliche, so diesen Unfall noch zeitlich erachtet, mit möglichsten Geschrey vermahnten, man solte das Schif wenden und ableiten, jedoch, weil die Stimm wegen der Wasser-Wellen schröckbarem Getös nicht könte vernommen, viel weniger der Gewalt des Schifs so eilends eingehalten werden, es endlich am Boden von einander gieng, und alles, was darinn war, ins Wasser setzte. Das Ort des Schifbruchs war ein holer harter, und von Corallen rings um bespitzter erdloser Stein Felsen, mit vielen kleinen Stein-Hügelen umsetzet, die sich beym Anlauf des Mers bedecken und nach Abfluß dessen wiederum sehen lassen. Und sahe man wohl, daß GOtt in seinem gerechten Zorn der Barmhertzigkeit nicht vergessen, indem wir eben zur selben Zeit gescheitert, als das Meer zugenommen, folgends das Schif zu höchst des Felsens getrieben worden; da sonsten, wann der Unfall im Ablauf des Meers geschehen wäre, nicht einer dem Tod hätte entgehen können.


Was aber für ein Jammeren, und Heulen bey solcher der Sachen Beschaffenheit entstanden seye, ist leichtlich zu ermessen; besonders, da fast alle in höchster Ruhe gelegen, und von dem eintringenden Wasser urplötzlich ermuntert, und aufgejagt wurden. Sie wanden sich mit äusserster Bemühung aus den Wellen heraus, krochen mit Forcht und Zitteren, etliche gantz ungekleydet in dem zerbrochenen Schif herum; und weilen neben der Nacht ein dicker Nebel eingefallen, und die wenige Klarheit, so uns etwann das nächtliche Stern-Liecht ertheilen könte, gäntzlich verdunckelt, hielte sich einer da am Mast-Baum; ein anderer dort am Anckerseil; der dritte an einem Brett, Kiste, oder Waar-Ballen, so von dem unteren Theil des Schifs in die [620] Höhe getrieben worden, solcher Gestalt, so vil möglich zu retten. Da dann alle insgesamt von den anlauffenden Wellen gähling überschwemmet; und bedeckt wurden mit so beweglichem Geschrey, daß es die Felsen hätte erweichen mögen. Die dicke Finsternus verursachte, daß man nicht sehen konte, ob etwann auf dem Felsen einiges Oertlein zu finden, dahin man sich verziehen, und bis zu Anbrechen des Tags sicher seyn könte. Weilen auch das Schif immerzu mehr und mehr Wasser schöpfte, beynebens von den Wellen stets geschlagen, und noch mehr zertrimmert wurde, stunde allen der gewisse Tod vor Augen, zu welchem sich ein jeder nach Möglichkeit gefaßt machte. Wir, so Priester waren, schryen allen insgemein mit heller Stimm zu, daß sie dem erzörnten GOtt ihre Schuld abbitten, über ihre Verbrechen hertzliche Reu erwecken, und durch aufrichtige Buß und Andachts-Werck sich an GOtt verloben solten. Da hörte man etliche, weil jedem insonderheit nicht beyzukommen, mit heller Stimm ihre vormahls begangene gröbste Fehler erzählen; andere Himmel und Erden um Hülf anruffen; manche grosses Gut und Schanckungen; andere einen H. Lebens-Stand, oder sonst was sonderbares GOtt dem Herren angeloben.


In solchem Jammer fande uns das allgemach anbrechende Tag-Liecht, und zeigte uns mit seinen Strahlen das Elend, darinn wir waren, noch viel heller. Denn, wohin wir unsere Augen warffen, sahen wir nichts als Luft und Wasser, und in diesen das zerbrochene Schif, worinn Sack und Pack, und aller aus Portugall mit genommener Reichthum zur Beut herum schwumme; aber niemand einigen Lust machte, sich darum zu bewerben. Also ist es viel besser und tröstlicher, auf dem Land arm, als auf dem Meer reich seyn; und haben alle Schätz der Welt zum öfteren nicht so viel Werths in sich, daß sie eines in Gefahr stehenden Menschens Leben davon erretten, und in Sicherheit setzen mögen. Ob es nun mit unserem Leben schiene, gethan zu seyn, so war doch die Lieb desselben bey vielen dermassen groß, daß sie lieber alles versuchen, und kein Gefahr noch Ungemach scheuen wolten, dasselbe noch ferner zu erhalten. Manche banden sich in ein Stuck des zerbrochenen Schifs, und ergaben sich also den Wellen: andere warffen sich auf einen Theil des Mastbaums, und schwummen auf Glück und Unglück dahin: etliche hefteten zwey oder drey Schif-Trumm zusammen, und liessen sich also von den Wellen dahin tragen. Aber aus diesen allen, weilen sie die Sach übereilet, und zu so ungewisser, vielleicht auch langwieriger Reis, wenig Vorrath mit sich nehmen können, haben mehren theils (massen nicht einige Nachricht von ihnen eingebracht worden) vermuthlich, wo nicht vom Gewalt des Wassers, wenigst vor Hunger verschmachten, und [621] selbst den Fischen zur Speis dienen müssen. Andere brauchten Weil und Klugheit, und entkamen folgender Gestalt.


Der erste, so sein Heyl versuchte, war der Schif-Herr selbst, welcher nebst 8. Gefährten, und was sich zum Unterhalt füglichst mitnehmen liesse, in das neben angebundene Schiflein getretten, zwar Anfangs der Meinung, auch für andere in der Gegend einen Unterschlauf zu suchen, und sie dahin zu übersetzen; endlich aber aus Beysorg, es wurden alle, falls er widerkehren solte, sich des Schifleins bedienen wollen, folgends beyde in Gefahr setzen, sich gäntzlich dem Wind überlassen, und nach der Insul Sofala, welch 60. Meil von dar entlegen, seinen Strich eingenommen. Das Ruder mußte ihm zum Mastbaum; ein Leylach statt des Segels; 2. Degen zur Stangen, und ein rauhe Beth-Decke zum Wind-Fähnlein dienen; mit welchen Zeug er nach gethanem Gelübd der Mutter GOttes zu Guada Lupa vom Felsen abgestossen, und sich auf das hohe Meer begeben. Es hatte das Ansehen, als wolte die himmlische Schutz-Frau auch dazumahl kund machen, wie so gar sie willfärig wäre, den Beängstigten beyzustehen, und daß sie selbe weit besser und sicherer, als der gewöhnliche Nord-Stern durch die Wellen, und Meers-Ungestümme zum gewünschten Port fortleiten könte. Dann obschon gleich des anderen Tags das Meer sich begunte aufzulehnen, und seine Wellen in das Schif zu werffen; auch die ungeheure Wall-Fisch, deren daselbst ein grosse Menge, zum öfteren dasselbe in Gefahr setzten; dazu die Nahrung, so ohne dem sehr gering, und täglich allein in zwey Stücklein eingemachter Quitten, so man von dem Schifbruch gerettet, und etlich Tropfen Weins mit Meer-Wasser vermengt bestunde, so kame ihnen schon den 4ten Tag gegen über Sofala ein festes Land ins Gesicht, dahin sie, weilen es ihnen unbekannt, sich nicht getrauet anzuländen, und also noch 4. Tag neben dem Land fortgeseglet, damit sie ein Strom möchten antreffen. Endlich da sich das Meer abermahl begunte zu erzörnen, seynd sie, grösserer Gefahr zu entgehen, an nächstem Gestatt, deren eines Trilinda, das ander Gualimane mit zerlöchertem, und von Wasser halb angefülltem Schiflein ausgetretten.


Die gröste Sorg, so bald sie das Land erreicht, ware, nach süssem Wasser umzusehen, welches, so bald sie es angetroffen, warffen sie sich mit gantzem Leib zu dem Bronnen, und schiene es, als könnten sie davon nicht abgesöndert, oder ihr Durst gestillet werden. Zwey, so das Schiflein verwahrten, ersahen von fern einen Cafer, der sie mit zusammen geschlagenen Händen freudigst bewillkommet, und ihnen etliche Fischlein zugeworfen. Als sich dieser mit einem aus gedachten Zweyen, um Feur zu hohlen, auf die Seiten gemacht, kamen ungefehr [622] 200. andere gleichfalls wilde Mohren dahin, so zwar Anfangs als Friedgesinnte Pfeil und Bögen von sich gelegt, auch die vom Bronnen widerkehrende mit gleichem Freuden-Gepräng, wie jener, empfangen; jedoch ihre verborgene Tücke bald haben sehen lassen; indem sie erstlich den Sand am Ufer rein durchsuchet, und alles, was die Schifbrüchige darunter verborgen, benantlich 30. Degen, und anderen Waffen-Zeug mit den Näglen herfür gekratzt, hernach das Schiflein gäntzlich ausgeraubet, und alles Geräth, so gar den kleinen Segel zerstuckt, und von ihren Weiberen in Körben davon tragen lassen; endlich allen insgesamt die Kleyder ausgezogen, und nicht so viel, womit sie ehrbar bedeckt seyn möchten, oder einen Hut wider die unleydentliche Sonnen-Hitz übergelassen haben. Die elende und gantz beträngte Christen-Schaar, weil sie noch das Leben davon gebracht, verlohre die Hofnung nicht, GOttes unbegreifliche Barmhertzigkeit ferner zu erfahren; schickte also einen Hauffen vorhinaus, zu sehen, ob nicht etwan ein Portugesischer Meer-Hafen oder Vestung anzutreffen, und folgten die übrige allgemach hinnach. Es verschafte GOtt, daß jene 6. Meil Reisens den bekannten Strom Qualimene, auf welchem die Portugesen mit den Innwohneren von Sena, Teuta, und Monomotupa Kauf-Gewerb zu treiben pflegen, ersehen, und alsobald ihren Nachfolgeren wissen lassen. Der Schif-Herr setzte zu erst in ein Schiflein, so er ungefähr angetroffen, mit etlich wenig hinüber, deme stracks die andere gefolget durch Beyhülf der Mohren, welche jenseits des Wassers sich zu diesem Hülfs-Dienst erbitten lassen; sonsten hätten die letztere unfehlbar in dem Lett verschmachten, oder von dem anlauffenden Meer müssen überschwemmt werden. Von hier geriethen sie zu einem Meer-Hafen, deme Franciscus Brociado ein Edler, und vermögender Kauf-Herr mit Obergewalt vorstunde, auch über alle Wasser-Ström der Aethiopischen Landschaft Cuama im Namen des Königs in Portugall zu gebiethen hatte. Er war zwar unlängst gen Sofala, das ist, 30. Meil von dar, über selbes Strom-Gelände, einigen Bericht einzuhohlen, abgereißt; seine Sclaven und Bediente aber in Ansehung dieser elenden, gantz nackenden, von der Sonnen-Hitz ausgedorreten, und von den Schnacken hart gestochenen, und hierin den Aussätzigen gantz ähnlichen Menschen-Schaar, brachten alsobald Kleyder und Nahrung herbey, sie zu laben, und zu bedecken. Gleiche Willfährigkeit widerfuhre ihnen von einem anderen zwar Mahometanischen, jedoch den Portugesẽ sonders geneigten Landmann, der in selbiger Gegend seinen Wohnsitz hatte, und sie nicht allein mit aller Nothdurft versehen, sondern ungesaumt etliche Schiflein zubereiten, und sie nach Luabo abführen lassen. Daselbst seynd sie von erstgedachten Brociadi Sohn liebreichst empfangen, auch endlich zu Brociado selbst nach Sena übergeführt[623] worden. Dieses waren die Abentheur des ersten Hauffens; nun wollen wir sehen, was Gestalten es den anderen am Orth des Schifbruchs ergangen.


Es zeigte sich ungefähr, so weit ein Stuckkugel reichen kan, ein schrofiger Hügel, wohin, so viel man erachten konnte, sehr viel Trümmer des geschelterten Schifs getrieben, und aufgehalten wurden. Dieses machte vielen die Hofnung durch so gewünschtes Mittel der Gefahr zu entkommen; deren dann viertzig etliche Bretter eilends zusammen geheftet, und sich darauf in das Meer geworfen, vorgedachten Hügel zu erreichen. Ob sie nun wohl glücklich dahin gelangt, so fanden sie sich doch in ihrem Anschlag betrogen; theils, weil das Wasser bey dem Zunehmen des Meers fast ein halbe Klafter hoch den Hügel überstige; theils weil die Wellen mit so starckem Gewalt daran schlugen, daß es nicht möglich, daselbst anzuländen, will geschweigen, zu verharren. Jedoch kamen ihnen die dahin getribene Schif-Tafeln, und ein halb zubereitetes Schiflein, so kurtz vorhero wegen allzu grossen Last gesuncken, und eben dahin gelanget war, treflich zu statten. Hierein tratten etliche von jetzt gedachtem Schiflein, spannten Tuch und Leinwat, so gleichfalls dahin geschwummen, zum Segel auf, und trachteten also zu einem anderen Felsen-Hügel, welcher drey Meilen von dar sich sehen liesse, und einiges Anzeigen gabe, daß unfern davon festes Land anzutreffen wäre. Aber auch allhier fande sich nichts anders, als ein eitle, und mit spitzigen Corallen reichbesetzte Stein-Klippe, wohin aus gütigster Verordnung GOttes vielerley Bretter, Kisten, Ballen, und anderes Geräth angeflossen war, den Ankommenden zu ihrem Behuf dienlich zu seyn. Sie sandeten mit Freuden, was ihnen zur Schiffahrt ersprießlich seyn konnte, und fanden unter anderen zwey See-Karten, deren eine den Weeg vom Gebürg der guten Hofnung gen Portugall; die andere von eben diesen Meer-Busen nach Indien zeigte, deren sie sich bey dieser Gelegenheit treflich bedienen konnten. Diesem nach schlugen sie die tauglichste Trümmer zusammen, richteten drey Mast-Bäum auf, spanneten anstatt der Segel angeflossene Sammet-und Seiden-Stuck daran (also köstlich war diese, jedoch so elende Schiffahrt) sammleten darein, was von Eß-Waaren vorhanden, und gedachten also auf dem unglückseligen Element des Wassers ihr Glück zu versuchen.


Da sich nun ein jeder dieser Hülf bedienen, und keiner von dem Schiflein wolte ausgeschlossen seyn, fienge dasselbe vor allzu schweren Last allgemach zu sincken, wodurch sie gezwungen wurden, wiederum zu dem Felsen zu kehren, und sich eines anderen Raths zu erholen. Der Unterbefehlshaber, so bey diesem Hauffen, und vor anderen angesehen war, unschwer erachtend, daß das Schiflein über sechzehen Personen nicht wohl einnehmen möchte, [624] gebrauchte sich eines Arglistes, der ihm zwar Anfangs gelungen, jedoch hernach sehr übel bekommen. Er vermahnte in Geheim diejenige, denen er gewogen war, sich allgemach in das Schiflein zu begeben; dem Steur-Mann aber gebotte er, nach erfüllter Zahl unversehens, als wäre das Seil gebrochen, vom Hügel abzustoffen, auch nicht mehr dahin zu kehren, ob man ihn gleich mit den schärffesten Bedrohungen (dann dieses thate er verstelter Weis, um den Schalck zu verdecken) dazu andringen wurde. Als nun solches geschahe, erhube sich bey den Verlassenen ein erbärmliches Klagen, und Jammeren, indem sie sich so listig hintergangen, und dazu aller Hülf entblößt, und folgsam ihren ehisten Untergang gleichsam vor Augen sahen. Manche warfen sich eilends ins Meer, den flüchtigen nachzuschwimmen, deren zwar einer und anderer das Schiflein erreicht, und aus Mitleiden darein genommen; die mehresten aber, darunter ein vornehmer Kaufmann, von den Wellen überwältiget, und elendiglich in die Tiefe seynd gezogen worden. Uber alles ward billig zu bedauren der Sohn vorgedachten Unterbefehlshabers, welcher die Zeit versaumt hatte, in das Schiflein zu tretten, und also von fern seinen Vatter hinweg ziehen, dieser ingleichem seinen Sohn verlassen, und in den Rachen des Tods gesetzt, mit nassen Augen hat ansehen müssen. Zwar hatte er gleich Anfangs vermercket, daß sein Sohn nicht im Schif wäre, als welcher mit seiner Verweilung das Volck aufgehalten, und gleichsam beredet, so lang sie ihn als einen Bürgen bey sich hätten, der Vatter nicht abseglen wurde; jedoch glaubte er vestiglich, der Sohn, so bald sie abgestossen, wurde hinnach schwimmen, und also leichtlich, und vor anderen aufgenommen werden. Als er sich nun in seiner Meinung betrogen sahe, ware er zwar heftig daran, daß man umkehren, und seinen Sohn in das Schiflein nehmen solte; weilen aber solches nicht wohl thunlich, und die vorige Gefahr obhanden, müßte er geschehen lassen, was nicht mehr zu verbesseren stunde. Also segnete er seinen geliebten Sohn mit viel hundert Blick, und häufigen Zäheren, als welchen er Zeit seines Lebens nicht mehr zu sehen verhofte; dieser hinwiederum beurlaubte seinen liebsten Vatter mit hertzlichem Sehnen, und Nachsehen, mit gefaßtem Schluß, auf den rauhen, und öden Felsen dem Leben selbst gute Nacht zu geben.


Nach so traurigem Abschied schwebten jene zwölf gantzer Täg auf dem Meer herum; bey welcher Zeit, weilen alle Speis und Tranck vergienge sich etliche des unleidentlichen Dursts zu entledigen, aus verwirrtem Sinn, selbigen in dem gesaltzenen Meer zu stillen, freywillig darein versenckt haben. Die übrige lagen fast alle halb tod dahin; alldieweilen der wenige Vorrath gäntzlich aufgezehret, und nichts übrig war, das Leben zu erhalten, als die wenige Wein-Hefen, so sie mit Meer-Wasser vermenget zum Leib [625] nahmen; welches doch auch, falls sie nicht bald ans Land kämen, keineswegs erklecken konnte. Sie wurden zwar die letzte fünf Täg mit einer ungewöhnlichen Music von allerhand Stimmen, welche, als wäre sie im Schiflein selbsten, gantz vernemlich, und in lieblicher Melodey die Lobsprüch der seligsten Jungfrauen absungen, mercklich erquickt, so gar, daß einer, den es gedunckte, als mangle dem Gesang an einer Grund-Stimm, selbe von sich hinzugefügt, und mit den unsichtbaren Singeren (so ohne Zweifel englische Geister gewesen) die Himmels-Königin fröhlichst geprisen hat. Nach so tröstlichem Vorbott bekamen sie endlich das so sehr verlangte Land ins Gesicht und obwohlen sie mit aller Bemühung nicht vermöget, bey Tags-Zeit dahin zu gelangen, so drungen sie doch auch bey eitler Nacht, ohngeachtet aller Gefahr, so ihnen aufstossen möchte, um nicht vor Durst zu verschmachten, immerzu fort, bis sie dasselbe erreichten. Der erste, der sich hinaus wagte, war obgedachter Befehlshaber, der unfern vom Gestatt, wiewohl in der Dunckele, eine Grub in die Erden gegraben, und zu grossem Glück süsses Wasser angetroffen hat. Auf sein Freuden-Geschrey krochen alle vor Durst gantz kraftloß auf Händ und Füssen dahin, labten sich mit der Süssigkeit dieses gleichsam himmlischen Getrancks, und entschlieffen insgesamt bey dem Brunnen.


Frühe Morgens sahen sie sieben Mohren um sich, welche ihnen auf ihr bittliches Anhalten (so allein mit äusserlichen Gebärden geschahe) etliche dürre Wald-Aepfel zugeworfen, auch nachgehends, weilen das Wasser gantz trüb, und unflätig war, von einem Brunnen zwey Meilen davon, durch ihre Weiber herbey bringen lassen. Sie mußten aber diesen geringen Dienst sehr theur bezahlen. Dann, obwohlen sie einem jeden aus diesen Barbaren von ihrem eigenen Haupt einen Hut verehret, so waren doch diese damit nicht zufrieden, sondern nahmen auch das, was man ihnen nicht dargereicht, und liessen ihnen kaum so viel, daß sie sich ehrbar bekleiden könnten. Einer aus diesen, ein betagter Greiß, deme ihr Elend das Hertz bewegt hatte, nahme sie in sein Hütten, setzte ihnen ein Handvoll halbgesottener Bohnen, und etwas von gedörrten Wald-Früchten vor, die sie doch ohne stätte Mithülf des Wassers nicht zu Leib nehmen konten. Sie mußten bald selbst die Nahrung suchen, und selbe von Hütten zu Hütten erbettlen mit lächerlichen Gebärden, welches doch mehr, als alles demüthige Bitten thate, die Barbaren zu bewegen, ihnen mit einiger Hülf-Leistung an die Hand zu gehen.


In dieser Nothdürftigkeit verharreten sie sieben Täg, und hatten keinen anderen Trost ihres Elends, als daß sie dasselbe mit Seuftzen und Zäheren nach Genügen beweinen konten. Da rührte der barmhertzige GOtt abermahl das Hertz obgedachten Greisens, daß er einen seiner Verwandten [626] mit dem Unter-Befehlshaber zu nächst-ermeldten See-Vogt Brociado abgefertiget, von dem er wußte, daß ihnen unfehlbar wurde geholfen werden. Hierob aber erhube sich ein noch viel grösseres Jammeren und Klagen bey denen, so daselbst in den Händen der Barbaren verharren, und diesen treuen Schirmer von sich lassen solten. Sie erachteten eines Theils wohl, daß durch ihn ihre Erlösung könte zuweg gebracht werden; anderen Theils aber mahlte ihnen die Forcht das äusserste vor, im Fall er vielleicht durch List eingeführt, oder auf dem Weeg solte ermordet werden, sie inzwischen in den Händen der Barbaren verlassen, auch endlich in Gefahr des Lebens gesetzt wurden. Deutlich zu reden, sie liebten gleich den Krancken die Gesundheit; scheueten aber die Bitterkeit, so in der Artzney verborgen lage. Nun dieses Bedencken abzulencken, schwure er ihnen einen theuren Eyd, treulich allen Fleiß anzuwenden, damit sie bey so gefährlichem Zustand von Brociado die gewünschte Hilf, und Handbietung ehest erfahren möchten.


Kaum daß er 2. Tag-Reis nach sich gelegt, kame ihm ein Bedienter von mehrbesagten See-Vogt entgegen, mit freundlichem nachforschen, ob nicht irgends Portugesen von einem Schifbruch ans Land geworfen, und seines Herrns Hilf bedürftig wären. Fügte hinzu, er habe ein Schreiben an sie, welches er dem ersten, so ihme aus ihnen begegnen wurde, überreichen solte. Die allzugrosse Freud, womit er von so unverhofter Bottschaft übergossen wurde, benahme ihm eine Zeitlang die Red; demnach langte er nach dem Schreiben, benetzte es mit vielen Zäheren, und lobte GOtt in seiner unbegreiflichen Güte; besonders, da er sahe, daß nunmehr die Mohren selbst, aus ehrerbietigem Absehen zu dem See-Vogt, ein Schiflein bereit hielten, ihne über den Strom zu setzen, und durch das Land zu begleiten. Unweit von dem Wohn-Platz Brociadi kamen 4. Sclaven mit einer Tragbahr daher, ihn auf den Schulteren, weil er gantz ermüdet war, dahin zu tragen. Es hatte sich ihnen ein Boots-Knecht zugesellet, welcher bey oberzähltem Schifbruch neben anderen auf einem Floß entkommen war, und anjetzo sich zu erkennen gabe. Gedencke einer, mit was Verwunderung er diesen Menschen angesehen, und seine Abentheur vernommen habe. Die Zäher fielen ihm vor Freuden aus den Augen, und wußte er nichts anders vor Entsetzung zu antworten, als daß er die unermessene Barmhertzigkeit GOttes ohne Unterlaß lobprise. Also gelangte er endlich zu dem See-Vogt, der ihn mit gleich-freudigem Hertzen empfangen, und mit aller Nothdurft freygebigst versehen hat. Er liesse auch alsobald auf erhaltenen Bericht des elenden Stands, darinnen die übrige lagen, etlich Stuck Leinwath neben allerhand Weiber-Geschmuck von Sena bringen, schickte es mit vielen Eß-Waaren zu den Cafren, sie mit [627] jenen, als einer Schanck-Gaab zu vermögen, die angehaltene Christen desto ehender frey, und von sich zu lassen; mit diesen aber die arme Christen zu laben, und zu bevorstehender Reis zu stärcken. Solcher Gestalt wurden auch diese in die Freyheit gesetzt, und traffen bey Brociado diejenige an, so zu Qualimene, wie schon gemeldet worden, in einem zusammen geflickten Schiflein ans Land gerathen. Mit was Frolocken nun diese beyde Partheyen einander umhalset, welche unlängst zuvor auf der traurigen Stein-Klippe ihr Elend beweint hatten, ist schwerlich zu beschreiben. Es stiesse aber noch ein andere gleich-frölich Bottschaft hinzu, die ihnen anzeigte, wie daß auch jenes Schif, welches sie vermeint nebst dem Grösten gescheitert zu haben, mit 57. Schifbrüchigen glücklich zu Loranga angelandet, auch diese allbereit im Anzug wären, dahin zu kommen. Sie giengen ihnen alsobald entgegen, und traffen sie an von Hunger und Elend ausgemerglet, ja den Todten-Cörperen viel ähnlicher, als den annoch lebendigen Menschen. Ihre Errettung ware gantz wunderbarlich, und geschahe folgender massen.

Demnach die traurige Nacht unsers Schifbruchs (schreibt ferners Martinez) von dem anbrechenden Tag-Liecht verjagt worden, und ein jeder, wie oben gemeldet, sich des Untergangs zu erwehren beflissen war, auch etliche in dem Schiflein, so dem Schif pflegt anhängig zu seyn; manche auf den Mastbaum, Kisten, und Ballen; andere auf den zusammen gehefteten Schif-Trümmeren sich von den Wellen hinweg tragen liessen, ware auch Odoardus Melo, ein Spanischer von Adel, aber in Indien gebohren, nebst anderen beschäftiget, von den noch übrigen Bretteren ein Schiflein zu verfertigen, wodurch sie die gewisse Tods-Gefahr mit der ungewissen verwechslen, und sich der Vorsehung GOttes überlassen wolten. Was Bemühung aber solches gekostet, ist nicht wohl zu erzählen. Sie mußten bey Anlauf des Meers bis an die Brust im Wasser stehen, sich von den Wellen schlagen und werfen lassen, die Schif-Trümmer, damit sie nicht fortgetrieben wurden, mit höchster Sorg erhalten; auch also mit schmaler Nahrung, und starcker Arbeit Tag und Nacht dem Werck obliegen: jedoch entfiele ihnen das Hertz nicht, und brachten es den 3ten Tag zum End. Sie zwungen das Schiflein an 6. Orten mit grossen und kleinen Seilern zusammen, belegten den Boden mit Schachtlen, und Faß-Brettlein, verstopften die Klumsen mit eigenen Hemdern und Lumpen, verpichtens mit Käß an statt des Griechischen Pechs; und weilen dannoch das Wasser in grosser Menge hinein drunge, mußten sie 2. Täg und Nächt bemühet seyn, dasselbe auszuschöpfen. Dessen alles ungeacht, richtete Odoardus eine Stang in die Höhe, bande an statt des Segels ein Stuck-Tuch daran, und rufte uns Ordens-Leut, damit wir mit ihm auf gut Glück dahin fahren wolten. [628] Wir stunden im Zweifel, was hierinn füglichst zu thun wäre; in Bedencken, daß viel ohne Hofnung einiger Hilf, und gleichsam dem Tod übereignet auf der Stein-Klippe verharren müßten; andere aber sich bemüheten, auf kleineren Flössen, die sie ingleichem zusammen geheftet, davon zu kommen, wie auch Odoardo in solcher Begebenheit ein geistliche Beyhilf höchstens vonnöthen wäre; es thate aber Odoardus selbst, deme zu gehorsamen sich alle anerbotten, endlich den Ausspruch, daß keiner aus uns auf den Felsen verbleiben müßte, als welche (wie er sagte) unfehlbar verderben, hierdurch aber so viel 1000. Seelen, zu deren Hilf wir aus Europa dahin gesandt wären, derselben wurden müssen beraubt seyn. Jedoch liesse er zu, daß wir jene von ihren Sünden absolvirten, und uns bey den Ausfahrenden austheilen möchten, mit denenselben gleiches Glück oder Unglück zu erfahren. Er selbst nahme 4. zu sich, und gabe das Schiflein den Wellen über. Wir fuhren dahin mit sehr betrübten Hertzen und sahen mit innersten Mitleiden, was gestalt manche, so uns nach schwummen, von dem Schiflein, damit es nicht überladen wurde, abgetrieben, auch bald darauf beydes vor Schmertz und Schwachheit elendiglich versuncken. Sechs derselben warfen sich auf einen Mastbaum; wurden aber samt dem Holtz von den Wellen umgetrieben, und gleich den vorigen in die Tiefe gestürtzt.

Da wir nun gantz mitleidig von dar gewichen, und längst der Stein-Klippe daher fuhren, erkannten wir unseren, und vieler anderer Irrthum; in dem an statt der Bäumen, so wir allda zu seyn vermeinten, nichts als hoch-gespitzte Felsen, und an statt der Erden weisse Corallen, beydes in einer langen Reihe hinaus gezogen, anzutreffen war. Jedoch mußten wir die erste Nacht allda verweilen, und hatten abermahl ein neues Gezänck mit denen, welche ebenfalls auf Bretter, Bäumen, und Flössen dahin gelangt, und sich unsers Schifleins zu bedienen gedachten. Einer drunge mit Gewalt hinein, mußte aber bald wiederum neben 12. anderen, so das Loß getroffen, hinaus; alldieweilen sonst das Schiflein von so grossem Last, nemlich mehr, dann 60 Personen, unfehlbar hätte sincken müssen. Da erhube sich dann abermahl ein klägliches Geschrey, nicht allein bey jenen, so von dem Schiflein ausgeschlossen, und auf dem Felsen ohne Hofnung einiger Hilf verharren mußten; sondern auch bey diesen, welche davon schiften, und den Verlassenen, wie hoch sie es auch verlangten, in so augenscheinlicher Lebens-Gefahr nicht beyspringen konten; liessen ihnen allein etwas von unseren Vorrath, und versprachen, ehest wieder zukehren, so bald wir einigen Unterschlauf wurden angetroffen haben. Uns folgten 2. grosse, und viel kleine Flöß, deren einer auch glücklich gelandet. Die andere 3. trugen die Wellen gen Sofala, und verlohren [629] sich endlich aus unseren Augen. Wir behalfen uns der Land-Karten, und des gewöhnlichen Anweisers, unseren Strich gen Mozambique richtende; wobey uns das Wetter dermassen günstig war, daß wir 8. Täg nach einander ohne einige Ungestümme fortgeseglet, auch hierum die unermessene Güte GOttes ohne Unterlaß zu preisen hatten: Alldieweilen das übelgehefte Schiflein auch dem geringsten Gewalt der Winden oder Wellen keineswegs gewachsen, und also stets in Gefahr stunde, von dergleichen Unfall angefochten zu werden. Die Nahrung ward ingleichem sehr schmal, und gering, die Andacht aber desto eifriger, und gewanne es das Ansehen, als wäre bey diesen sonst ganz irrdischen Menschen aller Lust und Verlangen nach dem Zeitlichen ganz erstickt, und erloschen: Alldieweilen viel 1000. Thaler, so sie gerettet, auf dem Schif-Boden ausgestreuet lagen; jedoch nicht einer veranlaßt wurde, sich darum zu biegen, oder selbe auf zu klauben. So gar hatte die Sorg des in Gefahr stehenden Lebens alle Sinn eingenommen.

Da wir nun also glücklich vom hohen in das enge Meer gerathen, stiesse ungefähr das Schiflein an einen verborgenen Stock, oder Klippe, mit so grossem Gewalt, daß es häufig begunte Wasser zu trincken, und wir uns des Untergangs kaum verwehrt hätten; wann nemlich von so augenscheinlicher Gefahr unser Sorg nicht verdopplet, die Klumsen mit Sammet-Tuch (dann nichts anders verhanden war) und das Wasser durch ängstigen Fleiß der Arbeiter eilends wäre ausgeschöpft worden. Hierauf ziehleten wir abermahl gen Mozambique; wurden aber mit Gewalt davon ab- und gen Sofala getrieben; folgends gezwungen, weilen die Nahrung begunte zu schwinden, und die mehreste vor Durst und Mattigkeit dahin lagen; auch die Tiefe des Wassers nicht mehr, als 9. Klafter ware, nächstes Land einzufahren. Da wir nun hierüber äusserst bemühet waren, überfiele uns die finstere Nacht. Wir sammleten, das Schiflein zu befestigen, von dem zerstreuten Gold zu 300. Spanische Realen, banden es nebst etlichen Stuck-Eisen in einen Sack, und sencktens an statt des Anckers in die Tiefe. Folgenden Tags ersahen wir das Land mit freudigen Augen, allda wir auch endlich, jedoch nicht ohne Gefahr, geländet. Dann unfern davon erhube sich ein urplötzlicher Wind-Sturm, als gereuete es das Meer, daß es uns also unversehrt hätte durchkommen lassen; deme aber zeitlich zu entgehen wir alle Segel ausgespannt, und also mit grossem Gewalt auf den Sand getrieben, ja samt dem Schiflein ins Wasser seynd gesetzt worden. Wir krochen alle, so schwach und ausgemerglet wir waren, an das Gestatt, und preißten GOtt auf gebogenen Knien, um so wunderbarliche Errettung, die er uns so gnädiglich wiederfahren lassen. Demnach stunde unser gantze Sorg nach [630] dem süssen Wasser, damit unseren unleidentlichen Durst, und dahin fallende Kräften zu erquicken. Etliche Mohren, so uns von fern ersehen, weil wir sehr Zahlbar, das ist, 57. waren, getraueten sich nicht, wie hoch wir es auch verlangten, herzu zu nahen, bis sie sich zu 200. zusammen gerottet, und mit gewafneter Hand auf uns ankommen. Manche aus uns, wie schwach sie auch waren, griffen nach dem Degen, den unbillichen Gewalt, so viel möglich, abzulencken. Als sie aber hierüber etliche Pfeil in den Leib bekamen, ergaben sich die übrige freywillig, und wurden insgesamt von den zornigen, und blutgierigen Barbaren aller Kleider beraubt, und 2. gefänglich davon geführt. Worauf füglich die Nacht eingefallen, theils unsere Blosheit zu bedecken; theils alle fernere Wüterey wider uns zu verhinderen. Wir zogen fast die halbe Nacht neben dem Meer-Gelände daher, in Hofnung, etwann einen Wasser-Strom, und nebst demselben einen Portugesischen Kaufmann anzutreffen, bis wir vor Durst und Mattigkeit dahin fielen, und einer sich da in die Erd vergrube; ein anderer mit Baum-Blätter sich bedeckte, und also gezwungen wurden Ruhe und Rast zu suchen, wo sie nicht anzutreffen war. Und in der Wahrheit, es gelustete uns auf so harten Polsteren wenig zu schlaffen; dannenhero kaum, daß der Morgen angebrochen, tratten wir unsere Reis wiederum an: und weilen selbige Gegend mit wilden Cafern dick besetzt ist, geriethen wir abermahl in ihre Händ, und wurden als ein Vieh-Heerde in ihre Wohnstatt getrieben. Da erfuhren wir wohl redlich, was der Heil. Paulus selbst an seiner Person erfahren, da er von sich Meldung thut 2. Corinth. 11. mit diesen Worten: in Frost, und Blösse, in Hunger und Durst, in Mühe und Arbeit. Unser Speis war in Wasser gesottener Hirsch-Brey, so klein ausgemessen, daß etliche, ihren Hunger zu stillen die Kleyen sammleten, und nach Europäischer Weis in der Aschen ausbachten; auch mancher sich für glückselig hielte, wann ihm ein Stuck davon zu Theil wurde. Die Tag-Hitz war dermassen groß, daß unsere Leiber, als wärens mit dem Aussatz geschlagen, erdorret, und angesengt wurden. Hinwiederum hielte die nächtliche Kälte dergestalten an, daß, wann wir nicht Feuer angesteckt hätten, selbe uns unerträglich geweßt wäre. Also sehr haben sich jene verstossen, welche diesen Erdstrich wegen allzu grosser Hitz für unbewohnlich gehalten.


Indem wir nun eine Zeitlang dies Ungemach erfahren, und sich niemands finden liesse, der unser Freyheit halber gen Mozambique, oder Qualimene möchte abgefertiget werden, kame eines Xechi Sohn (also werden die mindere Befehlshaber benamset) der Sect nach ein Mahometaner, und 8. Meil von dar beym Fluß Loranga wohnhaft, ungefehr dahin, zwar unsere Erledigung, jedoch mit seinem Vortheil zu erhalten: Wie dann dergleichen [631] Leut fremden Nutzen ohne eigenen Aufnahm zu suchen nicht gewohnt haben. Weilen aber das Löß-Geld von den Cafren allzu hoch gesteigert wurde, liesse er von dem Kauf ab, und zoge sich unverrichter Sachen in seine Wohnstatt. Wir sandten ihm etliche Mohren nach, innständigist bittende, sich unser zu erbarmen, nebst treuen angeloben, daß alles, was er hierinn leisten wurde, von den Portugesen zu Mozambique, oder anderwärtig, mit doppelter Vergeltung solte ersetzt werden. Er wolte sich auch auf dieses nicht bereden lassen. Als aber bald hernach 2. Ordens-Brüder, Emanuel Herera, und Adrianus, jener aus unser Gesellschaft, dieser aus dem Orden des H. Dominici, so wir einhelliglich erwählet, und zu diesem End dahin geschickt, damit sie um gedachte Gunst-Erweisung zu erlangen heftig darauf dringen solten, liesse er sich endlich erweichen, und brachte so viel Stuck Leinwath zusammen, als die Mohren für unsere Erledigung gefordert hatten.


Inzwischen solches beym Zecho abgehandlet wurde, ergriffe uns zu Haus ein neue Gefahr, so fast alle so gut gemachte Anstalten auf einmahl zu Grund gerichtet hätte. Etliche aus uns, denen dies Elend allzuschwer fallen wolte, machten sich heimlich, und bey nächtlicher Weil unvermerckt davon, wodurch die Barbaren, als sie folgenden Tags die Zahl vermindert sahen, dergestalt seynd erzörnt worden, daß sie die übrige insgesamt etlich und 30. mit vielen Troh- und Schmäh-Worten in einen so engen und niedrigen Kercker zusammen gesperrt, in welchem man nicht aufrecht stehen, sondern einer über den anderen liegen mußte, und über das noch 2. davon ausgeschlossen, aber deswegen mit groben Schlägen gantz jämmerlich abgedroschen worden. Der Hunger, so wir zu leiden hatten, war sehr groß; die Hitz aber noch weit grösser, also daß wir uns in einem brennenden Kalch-Ofen, ja wohl im Fegfeuer selbst zu seyn gedunckten. Ueber alles fielen uns höchst empfindlich die Schmäh- und Lästerungen, so das wilde Mohren-Gesind, die Schuld der Flüchtigen dergestalt zu rächen, ohne Unterlaß wider uns ausgosse; daß wir also viel heftiger, als jemahls zu GOTT schryen, und die gelobte Andachten verdoppelten, dieses Elends einsmahl ledig zu werden.


Nach etlich Tägen gelangte einer von obgedachtem Zecho mit dem gewünschten Loß-Geld bey uns an, den wir als einen vom Himmel mit häufigen Zäheren empfiengen, auch alsobald von der so elenden Herberg, darinn wir so viel Ungemach erlitten, mit freudigen Hertzen Abschied nahmen. Er führte uns theils zu Land, theils zu Wasser, jedoch bey einer ungemeinen Hitze, zu seinem Herrn, der uns zwar liebreichst angenommen, jedoch seines geringen Vermögens halber nicht nach Nothdurft hat versehen können. Wir mußten uns täglich [632] mit einer Hand-voll Reiß, oder Hirsch beschlagen lassen, und, ob schon etliche in andere Herberg verlegt wurden, manche auch das Brod von Haus zu Haus begehrten, kame doch dasselbe so klein heraus, daß es zur Erhaltung des Lebens nicht erklecken wolte. Dannenhero die mehreste vor Schwachheit dahin lagen, auch bald darauf viel derselben, darunter 4. von unser Gesellschaft, welche auf Flössen bey Sofala angeländet, aus Mangel der Hilf-Mittlen ihr Leben haben lassen müssen.


Da wir nun in solchem Zustand GOttes Verordnung noch ferner gewärtig waren, ersahen wir den 1ten Tag Winter-Monats (ungezweifelt durch Fürbitt der Auserwählten GOttes, um deren Beystand wir unabläßlich zu GOTT schryen) ein Schif mit vollen Seglen von Mozambique auf Cuama zu fliegen, dessen Steurman, wie uns nachmahls erzählt worden, befehliget war, die bey dem Fluß Loranga gescheiterte, und von den Cafren noch angehaltene Portugesen aufzunehmen. Er fande sich sehr bald an jenem Ort, da er mit 1000. Seufzer erwartet wurde, legte bey Zecho das vorgestreckte Loß-Geld ab, und führte uns glücklich dahin. Nach 50. Meil Reisens gelangten wir zu dem Strom Luabo, und trafen daselbst unsere Schif-Genossene an, so wohl diejenige, welche auf den Flössen, als die sich in den Schiflein, wie oben gedacht worden, errettet hatten. Mit was beyderseits Trost und Vergnügen solche Zusammenkunft geschehen, wird derjenige erachten können, der einsmahl mit ungehofter, jedoch höchstverlangter Zeitung urplötzlich ist erquickt worden. Bald hierauf geriethen wir zu obbelobtem See-Vogt Brociado, der uns frolockend, und als seine eigene Kinder empfangen, eine Zeit lang recht Christlich, das ist, willfährigst bewirthet, und letztlich von dar nach Mozambique hat abführen lassen. Allhier legten wir einen Theil unserer angelobten Andachten GOtt dem HErrn ab, giengen mit blossen Füssen, ja krochen mehrentheils auf den Knien zur Schloß-Kirch der Jungfräulichen Mutter GOttes, und wurden von einer Menge des Volcks, so mit unserem ausgestandenem Elend Erbarmnuß hatte, dahin begleitet. Nach Verfliessung etlicher Monat lieffe ein Schif aus Portugall in den Hafen, welches mit 12. aus unserem Orden unter Anleitung Pater Agres Sosa nach Ost-Indien seglete, denen wir uns beygesellet, und also mit sehr gutem Wind, und in kurtzer Zeit nach Goa gelangt seynd, zu End des Herbst Monats im Jahr 1586. bishero Petrus Martinez.

7. Begebenheit
[633] Siebende Begebenheit.
Herrlicher Glaubens-Kampf eines Christens, worinn der wahre Christ-Glaub wider die Unglaubige obgesieget hat.

Petrus, ein Spanier, von Madrit gebürtig lebte eine Zeitlang, seiner Handthierung abzuwarten, zu Marocco (so eine Stadt in Africa, im Westlichen Theil der Barbarey) und ward wegen etlichen Kennzeichen, daraus man ihn für keinen Christen erachten konte, insgemein der Hameter genennt. Er bekame aber endlich ein Mißfallen über sich selbsten, aus gehabter Erfahrnuß, daß er unter den Unglaubigen, der ihme obligenden Gebühr nach, nicht Christlich genug leben könte; ja fast jederzeit einen verstellten; GOtt aber mißfälligen Wandel führen müßte. Dieser Ursachen halber entschlosse er sich mit etlichen anderen, denen er sein Vorhaben entdeckt, ehest von dar, und wiederum in sein Vatterland zu ziehen. Seine Gefährten waren der Spanische Zahlmeister allda, ein Portugeser, und ein Mohr, mit denen er sich beritten gemacht, und den 27. Christmonaths (es war Donnerstag) im Jahr 1579. Frühe Morgens unvermerckt von der Stadt gewichen. Nicht weit davon stiessen ihnen 2. Mohren auf, von denen sie zwar höflichst gegrüßt worden, jedoch dabey den Argwohn gehabt, es möchte von diesen ihr Anschlag in der Stadt kundbar, oder durch falsches Angeben bey dem Gericht hinterstellig gemacht werden. Nachdem sie sich unter einander Raths erholet, ward geschlossen, die angefangene Reis zwar fortzusetzen; jedoch von der Landstraß abzuweichen, und also den vermuthlichen Nachstellungen zu entgehen.


Sie zogen dann in möglichster Eil abwegs den nächsten Berg in Meinung, nach Fez zu gelangen; wurden aber von der Nacht, und zugleich von einem urplötzlichen Platz-Regen überfallen, wodurch sie die gantze Nacht irrgehend kümmerlich 4. Meil nach sich gelegt, und bey anbrechenden Tag unfern Azamor den Kundschafteren unverhoft in die Händ gerathen. Man führte sie Anfangs in den nächst-gelegnen Flecken, von dar aber auf des Königs Befehl nach Marocco, woselbst sie den 6ten Tag Jenners angelangt, und erstlich in eines Burgers Haus eng verwahret, hernach anderen Gefangenen seynd beygesellt worden. Sie wurden zwar insgesamt sehr hart gehalten; jedoch schiene Petrus vor anderen die Ziel-Scheibe zu seyn, dahin der Saracener Zorn, und Rachgierd seine Pfeil abfliegen ließ. Ihme allein legte man an Händ und Füß schwere Eisen an, und zoge sie ruckwärts an einen Feuer- [634] Rohr zusammen, daß er sich fast nicht regen konnte.


Inzwischen ward ihm vom König durch einen Unter-Botten angedeutet, daß, wann er sich zu der Mohren-Sect bekennen wollte, seine Majestät ihme nicht allein das geschehene gnädigst nachsehen, sondern auch forthin mit sonderbahrer Gnaden-Gunst wollte gewogen seyn. Petrus versetzte unerschrocken, daß er jederzeit ein Christ gewesen, und solchen Glauben niemahl verlaugnen werde; obwohlen er aus menschlicher Forcht und Schwachheit vielleicht anderst zu muthmassen Anlaß gegeben. Gehe hin (sprach er zu dem Abgeordneten) und vermelde dem König, daß ich weder am Leib beschnitten, noch im Hertzen wanckelmüthig seye, und die Christ-Lehr, so ich von Jugend auf in Spanien bekennt, annoch in meiner Sees eingedruckt habe, welche mir zu benehmen kein menschlicher Gewalt jemahls starck genug seyn werde. Und obwohlen ich leicht erachten kan, daß mir deßwegen viel ungleiches bevor stehe; so weiß ich doch beynebens, daß mir hierdurch der Weeg gebahnet werde zur ewigen Seeligkeit, welche ich höher achte, als alle Schätz und Reich der Welt. Hierauf wendete er sich zu den Anwesenden, deren viel unlängst das Christenthum verlassen, und zur Mahomets-Sect übergangen waren. Kehret doch (sprach er zu ihnen) liebste Brüder! kehret wiederum zu euerem GOtt, von dem ihr so schändlich abgewichen seyet, und ausser dem ihr euerem Untergang unumgänglich zueilet. Bittet den himmlischen Vatter durch seinen eingebohrnen Sohn JEsum Christum, daß er euch die Missethat gnädigst nachsehe, und über euere Seelen sich erbarme. Die Meinige übergibe ich ihm gantz und gar, und bitte die hochgelobte Jungfrau, samt allen Heiligen, daß sie bey ihm meine Fürbitterin seyn wolle. Ihr sehet (sprach er ferner) wie nahend ich bey dem Tod bin, welches mich verpflichtet, euch anjetzo die Wahrheit nicht zu verhelen. Wisset demnach, daß alles ein eitles Gedicht und Fabel-Werck seye, was ausser der wahren Christlichen Kirche geglaubt wird. Durch die Forcht das Zeitliche zu verliehren, verliehret ihr das Ewige; ja wohl auch GOtt selbsten, der euch an jenem Tag zu Red stellen, und genauest beurtheilen wird. Und was für eine Entschuldigung wird uns alsdann schirmen können, alldieweilen der HErr selbsten vorlängst betheuret hat: der mich verlangnet vor den Menschen, den werde ich verlaugnen vor den Englen GOttes. Sehet euch wohl vor, damit der so ungewisse, als schröckbare Todt euch nicht übereile, nach welchem kein Mittel noch Fürbitt übrig seyn wird, euch von dem ewigen, und unglückseeligen Feur zu erledigen.


Als er solches geredt, wendet er sich zu den Mohren, und sprach: euch aber, O unglückseelige! bitte, und ermahne ich im Namen des allmächtigen GOttes, und seines Sohns JEsu [635] Christi, daß ihr euch mit gantzem Hertzen zu ihm bekehret, und den bishero gepflogenen Irrthum durch das allein seeligmachende Heyl-Wasser des Taufs, ohne den ihr verlohren gehet, wollet abwaschen lassen. Mich belangend, lebe ich der gäntzlichen Zuversicht, eben dieser mein geliebtester Heyland JEsus Christus werde diese meine Bekanntnus in Gnaden aufnehmen, und mich jener Seeligkeit, zu dero ich erschaffen bin, Kraft der hohen Verdiensten seines bittern Leydens fähig und theilhaftig machen; durch welche ich ihn auch demüthigst bitte, er wolle diese mir vorstehende Marter so scharf und schmertzhaft seyn lassen, als jemahls eine der heiligen Martyrer gewesen ist; beynebens meine Vernunft und innerlichen Sinn bis zu dem letzten Athem erhalten; auch endlich Gedult und Stärcke ertheilen, den peinlichen Tod, so mir zubereitet ist, dapfermüthig zu überstehen.


Mittler Zeit war des Spanischen Gesandtens nächst Anverwandter und Vetter gen Hof angelangt, dem Marockischen König ein Sendschreiben einzuhändigen, und hielte bey dem Kämmerling um eheste Verhörung an. Als solches dem Tyrannen angezeigt worden, aus Beysorg, möchte unter diesem Vorwand einige Fürbitt, so er schwehrlich wurde versagen können, für Petro eingelegt werden, befahle er dem Hauptmann seiner Leibwacht, durch einen geheimen Weeg, damit er von dem Spanier nicht gesehen wurde, von Hof weg zu gehen, und das End-Urtheil an Petro ungesaumt zu vollziehen. Hierauf ward der Bekenner Christi eilends nach dem Richt-Platz geschleppt, welcher unterweegs nicht abliesse die abtrinnige Christen und Juden, so ihme in grosser Anzahl gefolget, mit Christlicher Freyheit zu ermahnen, daß sie sich doch zu GOtt bekehren, und vor einem so glücklichen Tod, dergleichen er nun antrette, kein Abscheuen tragen sollten. GOtt, wofern sie an ihn glaubten, wäre mächtig genug, sie zu stärcken, und ewig seelig zu machen, da sie hingegen von dem Lugner Mahomet, und seinen betrüglichen Schriften betrogen, auch endlich nichts, als ihr Verderben wurden zu gewarthen haben. Er mußte aber diese seine Freyheit zu reden theur genug bezahlen. Dann neben vielen groben Schlägen, womit er unterweegs angesehen wurde, zoge man ihm auf dem Richt-Platz die Zung heraus, streifte ihm das Ober-Kleyd herab, und heftete beyde Händ mit 2. grossen Näglen, ungefehr 4. Elen hoch von der Erden an ein Thor, in Gestalt des gecreutzigten Heylands, dessen er so oft und eyferig gedacht hatte. Die Peiniger vermeinten ihm solcher Gestalt die Red verlegt zu haben: er aber, wiewol Zungloß, und also hangend schrye mit heller Stimm: O gütigster GOtt! gedencke meiner. Dann die Nägel mir keine Nägel, sondern angenehme Blumen, keine Dörner, sondern Rosen, kein hartes Eisen, sondern köstliche Perlen und Edelgestein zu seyn geduncken. Demnach [636] wurden ihm die Füß gleichfals mit 2. Näglen durchlöchert, und angeheftet, von ihme aber nichts anders vernommen, als: O HErr, und GOtt! du weißt, daß ich bey allen diesen Peinen nicht den geringsten Schmertzen empfinde; ja vielmehr mit gantz himmlischer Süssigkeit übergossen werde. Nach diesem redete er fast nichts mehr zu den Umstehenden, sondern allein mit GOtt, und gosse vor ihm mit zarter Andacht sein Gebett aus, bittend den himmlischen Vatter durch die Verdienst seines eingebohrnen Sohns JEsu Christi, er wolle ihn mit standhafter Gedult bis in den Tod stärcken, auch mit seinem Gnaden-Liecht dergestalt erleuchten, damit er ihn vor denen Feinden des Glaubens unabläßlich preisen, und endlich in seiner Huld abdrucken möchte.


Das Rach-Feur, welches in den Gemütheren der Mohren, und abgefallenen Christen unabläßlich branne, wurde von diesen Worten noch vielmehr angeflammet, besonders, weil sie ihn ohne Zungen reden, mit so freudigen Gebärden alles übertragen, und noch dazu ihren Irrthum schelten, und straffen hörten. Etliche stopften ihm den Mund mit ihren Schuhen, die sie mit Gewalt hinein drungen; andere hammerten mit groben Knüttlen auf seine Schienbein; er aber empfienge alles mit höchster Gedult, sprechend: Gedencket nicht, daß mir einiges Ubel von euch widerfahre. Verübet frey an mir, was euch beliebet, es wird mir nur alles zu grösserer, und ewig währender Vergeltung gereichen. Um dieser Red willen setzten ihm die Gerichts-Diener noch heftiger zu, und hiessen ihn den Mahomet anruffen, als der vor anderen Heiligen zu ehren, und zu loben wäre. Worab er etwas entrüstet versetzte: laßt mich doch mit diesen Gedichten unbelästiget; dann jener nicht leichtlich überwunden wird, der JEsum zu einem Schirmer, und seine Jungfräuliche Mutter samt allen Heiligen zu Fürbittern hat. Da forschten sie, wer ihn also verkehrt, und zu so grossem Irrthum verleitet hätte. Nicht ich (wendete Petrus ein) sondern ihr, denen die Wahrheit unbekannt, und die ihr als Blinde euerem Verderben zueilet, gehet irr von der rechten Straß: welches mich dann viel empfindlicher quälet, als alle Pein und Marter, so ihr mir anthun möget. Hierauf fienge das wilde Mohren-Gesind noch mehr an zu rasen, und schlugen ihm einen ungeheuren Nagel durch die Stirn, daß das Haupt dem Thor angeheftet wurde. Petrus aber lösete es mit kleinem Schüttlen wiederum ab, und neigte es zur rechten Seiten mit sehr liebreichem und freudigen Angesicht: bald erhebte er die Augen gen Himmel, und redete etwas, so niemand verstehen, jedoch ein jeder genugsam abnehmen konnte, daß er zu GOtt bettete, hiernechst zogen die Gerichts-Knecht den Nagel mit grossem Gewalt (dann er das Bein, und gantze Hirn durchdrungen) wiederum aus dem [637] Kopf heraus, und schlugen ihm selbigen durch den Hals, damit das Haupt dem Thor angenaglet blibe. Aus welcher Wunde zu erst das Blut geflossen, da vorhero nicht ein Tropfen aus allen anderen zu erzwingen geweßt. Der hertzhafte Bekenner Christi verharrete eine Zeit lang also gecreutziget mit unaussprechlicher Gedult, und frohlockendem Angesicht, als verkostete er allbereit jene Freuden, die auf so herrliches Leyden zu folgen pflegen. Endlich wendete er seine halbsterbende Augen wiederum gen Himmel, dahin schon das Gemüth vorangewandert, und übergabe in solchen Gebärden die Seel in die Händ ihres Schöpfers. Der Leichnam blibe gantz weiß, und unversehrt, ohne Striemen oder einige Wundmahlen, hielte das lincke Aug offen, das rechte verschlossen, und blibe also eine Zeit lang zum Schau-Spiel der Menschen.


Dies war das End dieses tapferen Christ-Heldens, von dem so bald der Tyrann Luft bekommen, obgedachten Vettern des spanischen Gesandten vor sich gelassen, und als dieser hiervon Meldung gethan, ihne zu stillen, den Leichnam des Martyrers übergeben hat. Die Christen nahmen ihn stracks von dem Thor, an welches er genaglet ward, herunter als wolten sie ihn ausser der Stadt in dem gemeinen GOttes-Acker zur Erden bestatten; übersetzten ihn aber in Geheim in ihre Capell, so der Jungfräulichen Mutter GOttes geweyhet war, allwo bis dahin kein Todter begraben worden. Des anderen Tags versammleten sich daselbst alle, so gar die gefangene Christen, hielten ein herrliches Lob- und Ehren-Fest, dabey ein Ordens-Mann, so der Marter selbst beygewohnet, wie alles und jedes sich zugetragen, ausführlich erzählet, und die innerste Kleydung des Martyrers denen Verlangenden Stückel-Weis zur Verehrung ausgetheilt hat. Sie haben auch nachgehends sich nicht gescheuet den glorwürdigen Tag seines Hintritts monatlich zu feyren, obschon die Mohren, und Mahometaner hierüber nicht geringen Unmuth gefasset. Hazart S.J. in der africanischen Kirchen-Geschicht am. 5. Cap.

8. Begebenheit
Achte Begebenheit.
Gottseeliger Hintritt eines Greisen.

In Mexico, oder Neu-Spanien (so eine grosse Landschaft in Nord-America ist) war um das Jahr 1612. ein erlebter Greis, der in einem Flecken ein fast einsidlerisch Leben führte: und da er von einem Ordens-Mann, was sein Thun und Lassen wäre, befragt worden, gabe er zur Antwort: ich lebe zwar dem Leib nach auf der Erden; mein Gemüth [638] aber ist stets in dem Himmel. Was er redete, oder gedachte, war von GOtt, oder göttlichen Dingen. Er erzählte, daß ihm die Auserwählte des Himmels in grossem Glantz und Herrlichkeit vorgestellt worden, darunter einer gewesen, so den übrigen allen an Schönheit bevorgienge. Der Ordens-Mann zeigte ihm einen Abriß, darauf die himmlische Glori entworffen war, und fragte; ob das jenige, was er gesehen, diesem etlicher massen gleich wäre? Wie? (gabe er zur Antwort) dieses alleinsoll ich gesehen haben? O! weit ein mehrers.

Weit ein mehrers. Er fügte hinzu, daß forthin alle seine Sinn und Gedancken allein stehen wurden nach GOtt, und seiner Jungfräulichen Mutter, bis er von den Banden des Fleisches aufgelöset, sich mit ihnen ewiglich erfreuen wurde. Wer solte unter den Dörnern der wilden Heydenschaft, in welcher dazumahl noch viel lebten, dergleichen reine, und himmlische Tugend-Früchten gesucht, oder zu finden gehoft haben?Hazart S.J. in der Mexicanischen Kirchen-Geschicht am 3ten Cap.

9. Begebenheit
Neunte Begebenheit.
Ein Spanier wird in äusserster Lebens-Gefahr von GOtt wunderbarlich, und so lang erhalten, bis er seine Sünden hat beichten können.

Im Jahr Christi 1600. hat es sich zugetrage, daß ein gewisser Spanier mit Namen Franciscus Lopez auf dem Meer in der Gegend eines felßigen Gebürgs einen Schifbruch erlitten. Als ihn aber der flüchtige Schif-Knecht meuterischer Weis überfallen, hat er sich zwar dapfer gewehrt, und seine Gegner eine Zeit lang aufgehalten; mußte doch endlich nach viel empfangenen Wunden sich ergeben. Worauf er von ihnen über die Höhe der Felsen hinunter gestürtzt worden, in Hofnung, daß sein Leib solte zerschmettert werden. Allein GOttes wundersame Gnaden-Hand erhielte ihn dannoch bey so hohem Fall beym Leben; und lage der elende Mensch zu unterst der Stein-Klippen, ohne etwas zu verkosten; darzu mit verwundetem, ja allbereit Wurm-vollen Leib 13. gantzer Tag, nichts anders seuftzend, und bittend, als daß ihm GOtt so viel Zeit verleyhen wolte, daß er seine Sünden bey einem Priester ablegen, und mit Christlicher Bußfertigkeit aus diesem Leben hinscheiden möchte. Inzwischen kame ein Schif, welches neben dem Gestatt, allwo der elende Mensch mit dem Tod runge, vorbey fuhre, und starck drauf ruderte, daß es von dem Gebürg wegkommen möchte. Allein, was die Schiffende auch für Mühe angewendet, wolte es ihnen doch nicht gerathen. [639] Sie forschten also nach, woher die Hindernus kommen möchte. Und sihe! da kommt ihnen zu Ohren Francisci jämmerliches Klagen. Aus welchem sie geschlossen, es müsse etwann ein Mensch in Tods-Nöthen seyn. Dannenhero liessen sie einen Priester aus St. Francisci Orden in einem Schifflein an das Land führen, um zu sehen, wer derjenige elende Mensch seyn müsse, der so jämmerlich klage. Der Priester kommt zu ihm, und findet einen anderen Job auf einem Mist-Hauffen, mit Geschwär und Eyter am gantzen Leib überhäuffet. Er fragt ihn dann, ob er vielleicht sein Gewissen durch das Sacrament der Beicht reinigen, und von seinen Sünden absolvirt zu werden verlange? ach! ja, antwortete Franciscus. Dieses allein verhindert, daß ich nicht sterben kan; wiewohl mein halb-verfaulter Leib zum sterben zeitig genug ist. Darauf hin machte er mit einem Finger, der allein von der Fäulung noch überig ware, das Zeichen des Heil. Creutzes, und beichtete alle Sünden, die ihm bewußt waren, deutlich und ausführlich. Kaum hatte er von dem Priester darüber die Heil. Absolution erhalten, da gabe er mit hertzlicher Dancksagung um so erwünschte Wohlthat mit gäntzlicher Vergnügung seinen Geist in die Händ des Schöpfers auf. Da hat man aber vermerckt, daß nach geschehener Beicht sein Leichnam ein gantz andere, und so schöne Gestalt bekommen, daß die Umstehende darüber in höchste Verwunderung gesetzt, und zu zarter Andacht bewegt worden.Hazart S.J. cit. præc. Cap.

10. Begebenheit
Zehende Begebenheit.
Ein Französischer Kaufmann waget sich mit all seinem Haab und Gut auf das Meer; leydet aber Schifbruch, kommt um alles, und muß voller Elend wiederum nach Haus kehren.

Dieser Kaufmann, Samson genannt, war von GOtt mit guten Mittlen versehen, und hatte zu seiner, und der Seinigen reichlichen Unterhaltung durch glückliches Gewerb zu Land einen schönen Reichthum erworben. Aber sich noch mehr zu bereichen, liesse er sich durch unmäßige Begierd so weit verleiten, daß er bey sich beschlossen, den tückisch und falschen Meer-Wellen sein Leben, Glück, Haab und Gut zu vertrauen. Und ob ihm schon zum öfteren in seinem Gemüth grosse Unruhen entstanden, welche ihm auf alle Weis das gefährliche Meer zu versuchen widerriethen, auch ihme die augenscheinliche Gefahren des Tods, und der Armuth vor Augen stellten, so schluge er doch dieselbe alle leichtsinnig in Wind, und der einmahl gefaßte Schluß, die Handelschaft auf dem[640] Meer zu probieren, mußte vollzogen werden, ob gleich dardurch all sein Vermögen in die gröste Gefahr gesetzt wurde. Und die grosse Begierd, auf einmahl grossen Gewinn zu erhaschen, verblendete sein Gemüth dergestalten daß er nicht gedachte, wie er auch auf einmahl sein Leben einbüssen, Weib und Kinder ins äusserste Elend stürtzen könte. Es liesse also dieser Samson mit grossen Kösten ein Schif erbauen; wagte sowohl zu dessen Ausfertigung, als Beladung all sein Vermögen auf, und kaufte neben dem besten Wein viel kostbahre Waaren zusammen, welche er alle dem Schif, oder vielmehr dem tobenden Wasser anvertraute, ja auch sich selbst damit in Engelland zu schiffen, von Haus hinweg, und auf das weite Meer begabe. Als er nun in bester Hofnung, bald einen reichen Gewinn zu machen, dahin seglete, entstunde ungefähr ein grosse Ungestümme, und abscheuliche Finstere auf dem Meer, welche dem Steur-Mann nicht allein das Ruder entrisse, sondern auch die Augen dergestalten verduncklete, daß niemand mehr wußte, wo aus, und wohin man fuhre. Bald stunde das Schif auf den höchsten Wellen gantz in der Höhe; bald lage es in der Tieffe darunten, und wurde also bald hin, bald her von den Wellen gleich einer Ballen geworffen; bis endlich in diesem verwirrten Stand das Schif zu einer Insul kame, und allda an deren Stein-Klippen durch den Sturm-Wind also angetrieben wurde, daß von dem gantzen Schif nichts mehr übrig war, als etlich 100. Trümmer, auf denen sich allein der Gewinn-süchtige Samson, und noch 5. Schif-Leut durch schwimmen errettet, und an die rauhe Felsen gelangt seynd. Weilen aber nichts allda zu finden war, so dem Samson, und seinen Schif-Leuten zur Nahrung dienen konte, waren sie zwar dem Tod des Ertrinckens entgangen; den Tod aber vor Hunger und Durst zu sterben hatten sie vor Augen. Dann die Stein ihnen zu hart, als daß sie sich beissen liessen; das Meer-Wasser aber gesaltzen. So wußten auch die Schif-Leut, daß dieses getruncken den Durchbruch und Scharbock verursache; mithin den Tod nur desto ehender befördere. Nachdem dann das Meer von seinem Toben und Wüten nachgelassen, und nach seiner Gewohnheit zu Abends abgeloffen, haben sie angefangen unten an den Felsen zu suchen, ob sie dann gar nichts finden könten, das zur Speis diente, haben sie nichts anders angetroffen, als Meer-Muschelen, welche, als sie selbige eröfnet, fanden sie darinn eine gewisse Art der Schnecken, die ihnen dann zur Speis; der darinn aber befindende Saft, den Durst zu stillen, dienen mußten. Weilen aber dieses alles ein ungesundes Weesen war, machte es einen um den anderen kranck, bis nach und nach dis Schif-Leut davon gestorben. Samson dann war nun gantz allein, und blibe ihm von allem seinem Reichthum, und verhoften Gewinn nichts übrig, als daß er seinen Reis-Gefährten [641] durch den Tod bald nachzufolgen hatte. Doch bettete er Tag und Nacht zu GOtt, und rufte ihn eyferig um Hülf an; welcher ihm dann auch seine vätterliche Mildigkeit erzeigte, und täglich einen Fisch an den Felsen ausschwimmen liesse, welchen Samson aussaugte, und auf solche Weis sich über 4. Wochen erhielte. Da dann endlich durch GOttes Schickung bey stillem Wetter etliche Fischer dahin gefahren, den Samson erblicket, zu ihnen in das Schif genommen, und an das Land gesetzt haben. Wo dann Samson mit einem grossen Sack voll Elends, an statt des grossen Gewinns nach Haus gekehrt, allda seinen zu Haus noch übrigen kleinen Kram samt betrübten Weib und Kinderen angetroffen, und nachgehends noch 10. Jahr in mühesamer Sorgfalt zugebracht, und schmal genug hat leben müssen. Doch hatte er diesen Gewinn von seinem Unglück. daß er nunmehr fromm, demüthig, und mitleydig gegen den Armen worden, und forthin mehr nach den ewigen, als zeitlichen Reichthumen getrachtet hat. Conferent. Polit. de Anno 1708.

11. Begebenheit
Eilfte Begebenheit.
Ein barbarischer Sclav rächet sich grausamlich gegen seinem Herrn.

Ein reicher und wohl begüterter Herr hatte einen gefangenen Jüngling aus der Barbarey, welcher, damit er nicht entfliehen könnte, in des Herrn Schloß mit Schellen, und eisenen Banden bey seiner Arbeit herum gehen mußte, welches ihn dann sehr hart ankame. Und ob er schon öfters auf allerley Weis und Weeg sich besonnen, wie er etwann aus seinem Elend entrinnen möchte; so wolte ihm doch kein rechte Gelegenheit hierzu die Hand bieten. Und wann er den Herrn ersuchte, daß er ihm die Freyhet schencken; oder doch wenigst der eisenen Feßlen befreyen, noch mit gar zu harter Arbeit beladen, und auch sonst gnädig halten möchte, so erhielte er nicht nur allein keine Linderung; sondern bekame öfters wohl empfindliche Schläg, und wurde sein Elend nur verdopplet: Welches dann das Gemüth des Jünglings höchstens verbitterte: und weilen er neben der Arbeit immerhin in dem Unwillen so wohl, als in dem Alter zunahme, auch endlich zu mannbarem Alter und Stärcke kame, so fienge bey ihme an die Rach und Verzweiflung sich einzufinden. Dann, weilen er sein junges Alter, wie auch die schwere Arbeit von Tag zu Tag mehr behertzigte, und hiervon keine Erledigung zu hoffen hatte, so machte er den Entschluß, daß er lieber verzweiflend einmahl sterben, als länger in so beschwerlichem Ungemach leben wolte. Derohalben dann gedachte er, seinem Herrn auch zugleich einen solchen Schaden [642] zuzufügen, durch welchen er die von ihm erlittene Schmachen, und Unbilden rächen möchte. Weilen er dann in dem Schloß, wann sein Herr mit anderen seinen Dieneren auf die Jagd, oder sonst spatzieren ausgienge, zum öfteren bey der Frauen, denen Kindern und Mägden gantz alleinig zu Haus gelassen wurde, und niemand von ihm, sonderlich, weil er in Band geschlossen war, etwas Ubels besorgte, als gedachte er einstens, wann sein Herr wiederum ausgienge, ein schöne Gelegenheit zu haben, sich an seines Herrn Frau und Kinderen zu rächen. Erwartete also mit grossem Verlangen auf ein recht bequeme Zeit.


Dieweilen nun der Herr nicht weit von dem Schloß einen sehr lustigen, und wohl erbauten Mayerhof hatte, und die Witterung bey schöner Sommers-Zeit so wohl den Herrn, als die Frau auf den Mayerhof hinaus einlude, auch alle andere Bediente mit der Herrschaft sich hinaus begaben, und nur allein der barbarische Sclav samt der Kinds-Magd, und zwey jungen Herrlein zu Haus gelassen wurden, da gedachte er, sich zu rächen die beste Gelegenheit zu haben. Weilen nun das Schloß rings um mit einem tiefen Wasser-Graben umgeben war, und nur ein eintzige Bruck zum Eingang hatte, welche man von innenher aufziehen, und den dabey stehenden Thurn verschliessen konnte, zoge der Sclav vor allen die Bruck auf, und versperrte das Schloß, daß niemand weder aus-noch eingehen möchte. Alsdann lauft er nach der Kinds-Stuben, und reisset der Kinds-Magd beyde junge Herrlein aus den Händen, eilet auch damit zu dem Thurn, welcher die Bruck- und das Schloß-Thor verwahrte. Die Kinds-Magd voller Schröcken und Angst heulete, und schrye jämmerlich, wolte auch eilends zum Schloß hinaus, Hülf zu suchen. Allein die Bruck war aufgezogen, und konte aus dem Schloß nicht hinaus kommen; mußte also gleichwohl mir Schmertzen erwarten, was der Sclav noch weiters anfangen wurde, bis die Herrschaft nach Hauskäme.


Als nun der Herr und die Frau sich mit Spatzieren genugsam erlustiget haben, und mit ihrer Dienerschaft nach Haus eileten, auch zur Bruck des Schlosses ankommen, fanden sie wider alles Verhoffen, die Bruck aufgezogen Hörten mithin die Magd erschröcklich heulen, und jammeren, auch ihre zwey Kinder sehr laut schreyen und weinen, daß sie also gantz erschrocken eines das andere ansahen, und nicht wußten, was dieses bedeuten solle. Bis endlich der Sclav zu oberst des Thurns herab schauete, und ihnen bedeutete, daß er nicht gesinnt wäre, sie in das Schloß einzulassen.

Der Herr ergrimmte hierüber, drohete dem Sclaven allerley Straf und Pein, wann er ihne nicht alsobald in das Schloß einlassen wurde; dieweilen aber der Sclav zu den Drohungen nur lachte und spottete, und ihme entgegen versetzte, daß er ihn nimmermehr einlassen wurde, so schwure der [643] Herr dem Sclaven den Tod. Der Sclav aber entgegen fragte den Herrn spöttlend, und lachend, was er ihm versprechen und geben wolte, wann er ihn in das Schloß einlassen wurde. Weilen ihm aber der Herr nichts, als Schläg, jo so gar den grausamsten Tod für seine Schalckheit zusagte, so verletzte der Sclav, er glaube, daß der Herr bald andere Saiten aufziehen, und ihm gar gern, weiß nicht was, versprechen wurde, wann er wußte, was ihm bevor stunde, da wurde der Herr in dem gefaßten Grimm und Zorn dermassen bestättiget, daß er alsobald Befehl ertheilt, von allen Orten und Enden, grosse Bäum, Holtzwerck, und Leiteren herbey zu bringen, damit man also mit Gewalt das Schloß besteigen könnte.

Aber unterdessen, als der Herr alle Anstalten machte, das Schloß mit Gewalt zu besteigen, da liesse sich der Sclav auf dem Thurn wiederum sehen, welcher in seinen Armen ein kleines Söhnlein des Herrn und der Frauen hielte, und ihnen solches hinaus zeigte. Da dann das unschuldige Kind seine Elteren ersehend, erbärmlich zu Vatter und Mutter schrye, und die Handlein zusammen schluge.


Als nun die Elteren dieses ersehen, gedachten sie gleich, daß solches auf eine Rach gemeint wäre, und daß nunmehr der Sclav, wegen bishero gegen ihm geführten harten Verfahren, sich an diesem unschuldigen Kind zu rächen gedencke. Derohalben fielen so wohl der Herr, als die Frau, samt dem gantzen Haus-Gesind auf ihre Knie, schryen und bathen mit aufgehobenen Händen er wolte doch dem unschuldigen Kind verschonen, so solle er nicht allein seine verlangte Freyheit, sondern auch ein ansehnliche Summa Gelds also gleich zur Vergeltung haben. Allein solches Bitten erweichte den Sclaven im geringsten nicht; sondern der ausgekochte Grollen, den er bishero in seinem Hertzen verborgen hatte, brache nunmehr mit allem Gewalt heraus. Und weilen er sahe, daß nunmehr diejenige auf ihren Knien lagen, und ihme die beste Wort gaben, auch flehendlich um Gnad bitten mußten, welche vorhin so unbarmhertziglich über ihn geherrschet hatten, übernahme er sich dergestalten, daß er dem Herrn und der Frau mit den allerschmählichsten Worten begegnete, ihnen ihre so unbarmhertzige Gemüther mit trotzigem Ernst vorruckte, und ihren Schmertzen desto empfindlicher zu vergrösseren, endlich auch das grössere Söhnlein hervor nahme, und solches ihnen von dem Thurn herab zeigte, mit dem Bedrohen, daß er gleich jetzt beyde von dem Thurn in den Schloß-Graben hinunter werfen wolte.

Wie bey dieser Sach denen höchstbetrübten Elteren werde zu Gemüth gewesen seyn, kan ihm niemand leichter einbilden, als der selbst liebe Kinder hat, und weißt, daß sie ihm so lieb, als sein eigenes Hertz seynd. Weilen dann diese adeliche Elteren ihr eintzige Hofnung auf diese zwey Söhnlein [644] gesetzt hatten, als welche mit der Zeit das adeliche Geschlecht vermehren, und die eintzige Erben ihrer Reichthumen seyn wurden, so ware ihnen dieses Bedrohen des Sclavens ein härterer Streich, als wann man sie zum Tod verurtheilt hätte. Die Mutter risse ihr selbst die Haar aus, schluge die Händ ober dem Kopf zusammen, heulete und weinete, daß man unter ihre Zäheren die Händ hätte waschen können. Unter welchen erbärmlichen Gebärden sie den erbitterten Sclaven mit so demüthigen und beweglichen Worten bathe, dem armen und unschuldigen Kind zu verschonen, daß auch ein harter Stein hätte sollen erweicht werden. Der Vatter aber warfe sich auf den Boden, weltzte sich vor Unmuth und Leid, als der verwirflichste Sclav vor dem Angesicht des grimmigen Barbaren, und demüthigte sich dergestalten, als ob er der verächtlichste Knecht; der Sclav aber der gröste Monarch der Welt wäre. Bekennte auch beynebens alle seine Fehler, daß er den Sclaven so hart gehalten hätte, und bathe mit tiefester Unterthänigkeit um Verzeihung; sagte auch, daß, wann er doch eine Rach wegen deren Unbilden, so ihm angethan worden, nehmen wolte, so solle er ihn, seinen Herrn, als den schuldigen, und nicht die unschuldige Kinder, ermorden; betheurte auch mit einem hohen Schwur, GOtt und die gantze Welt zum Zeugen nehmend, daß, wann er vor diesmahl denen unschuldigen Kinderen verschonen wurde, so wolte er ihn aller seiner Reichthumen theilhaftig machen, und die Zeit seines Lebens für seinen allerliebsten Freund halten.


Der barbarische Sclav das grosse Leid und Schmertzen der höchstbetrübten Elteren ersehend, wurde im geringsten nicht erweicht, sondern vielmehr in seinem Vorhaben gesteift; weilen er sahe, daß er ein solches Mittel, sich an seinen Beleidigern zu rächen, erfunden hätte, welches ihnen tiefest zu Hertzen drange. Derohalben dann, so gedachte er solches würcklich zu vollziehen, und damit den Anfang zu machen. Nahme also erstlich das kleine Söhnlein in seine lincke Hand, hebte solches in die Höhe, daß es die Elteren recht sehen konten; ergriffe alsdann mit der rechten Hand ein scharf geschliffenes grosses Messer, und schnitte darmit dem unschuldigen Kind die Gurgel ab: fangt das warm herausfliessende Blut gantz blutdurstig mit der Hand auf, besprengt und wascht sich selbst darmit in Ansehen der Elteren, dardurch zu zeigen, daß das unschuldige Blut ihrer Kinder nunmehr ihme zu einer Abkühlung dienen müsse vor die so lange Jahr ausgestandene Beschwerden und Trangsalen. Und, damit er die Tragödi gäntzlich zu End bringen möchte, so nahme er das nunmehr ermordete Söhnlein, und stürtzte es von dem hohen Thurn mit Gewalt in den tiefen Wasser-Graben hinunter. Worauf er mit dem grösseren, und zweyjährigen Söhnlein auf gleiche Weis verfahren: Welches dann die Elteren dergestalten [645] schmertzte, daß sie vor Leydweesen nichts mehr um sich selbst wußten. Ihre Bediente aber hatten unterdessen von der Nachbarschaft unterschiedliche Bäum und Leiteren zusammen gebracht, und machten allbereit die Anstalt, das Schloß zu besteigen, und an dem grausamen Mörder durch die schröcklichste Peinen sich zu rächen.


Aber der in Verzweiflung gantz vertiefte Sclav, welcher wohl wußte, daß nunmehro keine Gnad vor ihn zu hoffen wäre, sondern die grausamste Pein und Straf auszustehen hätte, gedachte, sein Leben durch einen kürtzeren Weeg zu endigen. Derohalben dann warffe er nochmahlen seinem Herrn und Frauen ihre Unbarmhertzigkeit, die sie gegen ihm verübet, sehr nachdrucklich vor; frolockte hierauf, und erzeigte grosse Freud, daß er sich zu rächen so schöne Gelegenheit gefunden hätte; nahme alsdann das blutige Mord-Messer, stache solches durch seinen eigenen Leib, und stürtzte sich alsdann selbst von dem hohen Thurn in den Wassergraben hinunter Unerhörte Rach! entsetzliche Verzweiflung! Bidermann S.J.l. 2. Acroamat.

12. Begebenheit
Zwölfte Begebenheit.
Ein in bösen Gewonheiten eralteter Sünder stirbt gantz verzweiffelt.

Ein Graf in Steurmarck, Friederich mit Namen, hatte mit eigener Hand seine Frau Gemahlin ermordet, um desto freyer seinen fleischlichen Gelüsten abzuwarthen. Er führte gantze Heerden leichtfertiger Schleppsäck mit sich herum, und diesen nicht vergnügt, schändete er den ehrlichsten Burgeren ihre Weiber, raubte die geistliche Güter an sich, gabe allen losen Buben und Mausköpfen Unterschlauf, und führte viele Jahr ein solches Leben, das nicht ärger hätte seyn können. Gleichwohl in dem Jubel-Jahr 1550. den Ablaß zu gewinnen, verfügte er sich, schon ein Mann von 90. Jahren, nacher Rom, und kame wieder frisch und gesund von dannen nach Haus. Aber wie? frömmer oder schlimmer, wie halt das teutsche Sprichwort sagt: fliegt ein Ganß übers Meer, so kommt ein Ganß wieder her. Er fuhre nemlich in seinem alten Luder fort, wie zuvor. Als man sich nun dessen verwunderte, und ihm darüber zusprach, sagte er mit lachendem Mund: mein Schuster hat auch Rom gesehen, und doch flicket er jetzt wieder Schuh und Stifel, wie zuvor. Einer aus den vertrautesten predigte ihm von dem Grab, und bate um GOttes willen, er sollte doch ans Sterben gedencken, die Grub werde ihm nicht mehr lang ausbleiben, etc. Er antwortete: das thue ich ohne das schon vor hinein. [646] Ich bin jetzt schon darauf bedacht was ich mir für eine Grabschrift wolle verfassen lassen. Nemlich diese:


Das Grab eröfnet mir die Thür zur Höllen.


Was ich dort finden werde, weiß ich nicht, wohl aber, was ich hier verlasse. Nemlich Reichthum, gute Täg, Ueberfluß im Essen und Trincken, und einen solchen Wollust, der mich nie ersättiget, sondern an Kräften erschöpft hat, etc. O der verzweiffelten Red, weißt du nicht, gottloser Mensch, was du in der Höllen finden werdest? Hast du es dann nie gelesen, nie in der Predig gehört, so will ich dirs sagen; Feur-Flammen, glüenden Rost, eisene Hacken, Peitschen, Folterramen, Schwefel, Pech, Hunger, Durst, Schmertzen, Finsternussen, Würm, Schlangen, Gestanck, Weinen, Zähn-Klapperen, rasende Gesellschaft, Gespenster, Schreck-Gesichter, Donner, Blitz, die leydige Teufel, Gotteslästerung, Verzweiflung, und das auf ewig. Bald hernach ist dieser Graf gestorben: und ob schon der Geschichtschreiber nicht meldet, wie er gefahren, ist doch leicht zu gedencken, das Grab, wie er selbst vorgesagt, werde ihm ein Porten zu der Höllen abgeben haben. Und ist gantz gewiß, daß aus 100. die in einem gewissen Laster (bevorab des Geitzes, und der Unkeuschheit) eine Gewonheit haben, kaum einer finde aus dem Grab ein Thür zum Himmel, wohl aber fast alle ein offenes Thor zu der Höllen. Aeneas Sylvius in Europa c. 21. & ex Ev. le Blanc S.J. in Psalm.

13. Begebenheit
Dreyzehende Begebenheit.
Margaretha von Cortona wird wunderbarlich bekehrt.

Diese war mit einer wundersamen schönen Leibs-Gestalt begabt, einem zwar kostbahren Kleinod, das sie aber in ihrer Jugend gar spöttlich im Koth herum gezogen hat. Sie war gefangen von unreiner Lieb, und lebte heimlich viele Jahr lang allzu verträulich mit einem Jüngling; welches ihme den Tod, ihr aber das Leben brachte. Eines Tags, als dieser von seinem Holderstock frölich nach Haus gienge, nahme er ein kleines Bolster-Hündlein mit sich; so aber über etliche Täg wieder auskommen, und seiner vorigen Frauen, der Margaretha zulaufte. Wider Gewohnheit stellte sich dieser Bott gantz traurig; winselte, heulte, bellete, und gab mit allerhand kläglichen Gebärden ein Zeichen, seine Frau sollte ihm folgen, und gehen, wohin er sie würde führen. Sie thuts. Das Hündlein laufte voran, bis sie zu einem liederlich-ober einander geworffenen Scheiter-Hauffen kommen. Da stunde es still, fienge noch kläglicher zu bellen [647] und zu heulen an. Bald schluffe es hinein, bald wieder heraus, und das so lang, bis Margaretha von dem Fürwitz verleitet, etlich Scheitter Holtz auf ein Seiten geruckt. Und sihe Wunder! wider alles Verhoffen fande sie was köstliches. Was da? einen Schatz. Glück zu Margaretha. Du bist in keinem bösen Zeichen ausgangen. Was gebe nicht mancher darum, wann er mit so geringer Mühe einen Schatz erheben konnte? aber, was ware das für ein Schatz? daß er so gar köstlich nicht seyn müßte, gabe der üble Gestanck zu verstehen. Ja: es ware ein gantz kostbahrer Schatz, und zwar Margarethä liebster Schatz; wenigst, wie sie ihn selbst zu nennen pflegte, wann sie von zarter Liebs-Neigung nicht mehr wußte, was sie sagte. Kurtz: es ware ihr Buhl. Diesen fande sie todt, gantz übel verstaltet, und schon halb faul, also, daß ihm die Würm häuffig über das Angesicht krochen. Gleichwohl erkennte sie ihn; und konnte ihr leicht die Rechnung machen, daß er von einem seiner Mit-Buhlern erschlagen, und an dieses Orth wäre geworffen worden. Sie stunde gantz ertattert ein geraume Zeit still, sahe ihn an, wendete doch bald wieder vor Grausen das Angesicht ab. Letzlich brache der Schröcken und Schmertz in ein jämmerliches Weinen und Wehklagen aus. So ist dann (sprach sie bey ihr selbst) mein liebster tod? ist das der annehmliche Gegenwurf meiner Augen? die eintzige Vergnügung meines Hertzens, woran ich Tag und Nacht gedacht, und um dessentwillen mein Ehr, GOtt und den Himmel in die Schantz geschlagen hab? siehe da, du thorrechte Liebhaberin, wornach du so hitzig gestrebet, so inbrünstiges Verlangen getragen hast. Ein heßliche Toden-Larv, einen stinckenden mit weisser Haut überzogenen Misthauffen, ein abscheuliches Luder, einen mit Würmen und Unrath gefällten Maden-Sack hast du geliebt. Jetzt ist auch dieses hin, was es halt immer ware. Ach! wie wird erst der armen Seel ergangen seyn? Du, du bist der Stein des Anstossens. Du, du Unglückseelige! die Ursach seiner Verdamnus. Wie wäre ihm aber, wann dich GOtt zu gleicher Straf ziehen sollte? woltest du ihm in der Höllen-Glut auf ewig Gesellschaft leisten, gegen dem du so oft mit unziemlicher Lieb entbrunnen bist? Ach, nein, nein. Gütiger GOtt, nur das nicht. Ich bitte von innersten Hertzens-Grund, der du mir bishero so vätterlich verschonet hast, du wollest mir auch Gnad verleyhen, meine Sünden noch auf dieser Welt abzubüssen, damit ich sie nicht büssen müsse in dem höllischen Feur, etc. Dieses geredt, kehrte sie wieder nach Haus. Und gleichwie sie es der Magdalena nachgethan hatte im Sündigen, also thate sie es ihr auch nach in der Buß, mit solcher Reu-Bezeugung, daß sie zu einem grossen Staffel der Heiligkeit gelangt, und unter die Zahl der seeligen Weibs-Bilderen gesetzt worden. Alphonsus Villegas in vita B. Margarethæ.

14. Begebenheit
[648] Vierzehente Begebenheit.
Ein liederlicher Jüngling, der alles das Seinige verschwendet, kommt durch Beyhilf der Heiligen Mutter Annä wiederum auf ein grünes Zweig.

Zur Zeit Gregorii des 5ten Römischen Pabsts, und Stephani, Königs in Ungaren truge sich zu nachfolgende Begebenheit. Zu Noceria einer Volck-reichen Stadt in dem Neapolitanischen Gebiet begunte Emericus des Burgermeisters Sohn, den verlohrnen Sohn zu spielen, und das reichliche Vermögen, so er von seinen durch die Pest hingeraften Elteren ererbet, in dem 20ten Jahr seines Alters im Luderleben zu verschwenden. Die Befreundte schämten sich ihres Vetters. So gabe ihm auch GOtt bald zu verstehen, wie schwartz er in des Himmels-Register eingeschrieben wäre. Ein Sturmwind risse ihm das Haus darnieder; der Donner schluge in die Scheuren, und verbrennete das Getraid; ein Wasser-Guß versäufte ihm das Vieh; und der Jammer blitzte ihm allenthalben unter die Augen. Die Glaubiger, denen er schuldig war, kamen daher, und trugen ihm allen Haus-Rath hinweg; also daß dem armen Emerico nichts mehr überig bliebe, als ein Rantzen voller Sünden, und der Bettel-Stab. In dieser äussersten Noth der Schand zu entgehen, entschlosse er sich, an ein weit entlegenes Ort zu fliehen, und eine Reis nach Compostell in Spanien anzustellen; machte sich auch in Pilgrams-Kleidung heimlich aus der Stadt, und auf den Weeg. Wie er aber gleich den ersten Tag nichts in seiner Taschen fande, gienge ihm sein elender Stand dermassen zu Hertzen, daß er auf freyem Feld auf die Knie niederfiele, Händ und nasse Augen gen Himmel erhebte, GOTT innbrünstig um Verzeihung batte, und zugleich um Erleuchtung anhielte, was er doch für einen Heiligen um Hilf anruffen solte, etc. Und siehe! der Heil. Apostel Jacobus, den er jederzeit sonderbarlich verehrte, erschiene ihm in Gestalt eines Pilgrams, tröstete, und unterrichtete ihn, daß er sein Vertrauen nehmen solte zu der H. Mutter Anna. Diese verehre (sprach der Heil. Apostel) als einen solchen Rebstock, von deme ist hergeflossen der Wein der Frölichkeit des Lebens, nemlich Maria, die gebohren hat JEsum Christum, durch welchen die gantze Welt ist erfreut und erlößt worden. Auf solche Weis sprach der Heil. Apostel seinem Pfleg-Kind zu. Emericus, theils vor Freud, theils vor Verwunderung wußte nicht, was er sagen, oder gedencken solte; da unterdessen sein Gutthäter, und bester Weegweiser aus den Augen verschwunden. Er liesse ihm die gute Ermahnung gesagt seyn; suchte in seinem grösten Leid [649] ein Erquickung bey angedeutetem geistlichen Rebstöck, nemlich der H. Mutter Anna, und dessen Trauben (will sagen) bey Maria, durch innbrünstiges Gebett; reisete seinen Weeg fort, und kame durch der Heil. Annä Beyhilf nach viel ausgestandener Gefahr zu Wasser und Land wiederum auf ein grünes Zweig, und zu solchen Mittlen, daß er nach seiner Wiederkunft in sein Vatterland nicht allein alle seine Schulden abzahlen können; sondern ihm noch ein Ehrliches übergeblieben, und er zu hohen Ehren erhebt worden. Henr. Engelgrave S.J.P. 2. Cœli Empyr. in festo S. Annæ, paulo post Exord.

15. Begebenheit
Fünfzehente Begebenheit.
Drey vermummte hoch-adeliche junge Herren kommen erbärmlich ums Leben.

Im Jahr Christi 1470. begabe es sich, daß drey junge Grafen von Hohenlohe zu Waldenburg auf dem Schloß eines ihrer Blut-Freundes ein Faßnacht-Spiel anstellten. Diese nach eingenommener stattlichen Gasterey, dem Anwesenden Frauenzimmer eine Kurtzweil zu machen, zogen wüste, zottete, von Pech und Hartz gantz abscheulich-gemachte Faunus-Kleider an, und sprangen also vermummt gähling in die Tafel-Stuben hinein. Warfen auf einen Tisch ein paar Würfel, um zu sehen, was einem jeden durch das Glück aus dem Frauenzimmer für ein Liebste wurde zu Theil werden. Weil aber einem der Würfel unter den Tisch gefallen, und ein Laquey mit brinnender Fackel (dann es war Nacht) denselben etwas unbehutsames herfür suchte, ein Funcken davon in das Kleid des zu nächst bey ihm stehenden jungen Grafens fiele; da dann das Kleid gar bald Flammen fassete, und wegen tauglicher Materie gleich hell um sich zu greiffen, und auf zu brinnen anfienge. Dem jungen Grafen wurde nicht mehr, als daß er anfienge, um Hilf zu schreyen, sich auf dem Boden umzuweltzen, und, wo möglich, wenigst auf solche Weis die heiß-brennende Flammen zu erstecken. Die, so an der Tafel sassen, meinten Anfangs anderst nicht, als es wäre nur ein verstellte Weis, das Frauenzimmer zu schröcken, und das Feuer wäre also zugerichtet, daß es dem Leib nicht schaden könte. Wie sie aber den Ernst gesehen, sprangen sie von der Tafel auf, und wolten den armseligen Grafen erretten helfen: und weil auch die andere 2. Vermummte unbehutsam zugriffen, wurden sie gleichfalls vom Feuer angesteckt, und waren nun alle 3. ein lauterer Brand, und zugleich die gröste Gefahr, daß nicht auch das Schloß angezündet wurde. Eberhardus (dann [650] also hiesse der Herr des Schlosses) dem vielleicht das Unglück vorgangen, und diese gefährliche Mummerey mehr geschehen lassen, als gern gesehen hatte, vorsichtiglich längst vorhin auf allen Fall einen grossen Zuber mit Wasser stellen lassen, deme dann jetzt alle zugeloffen mit den nächstbesten Geschirren, die sie erdappen können; fanden aber mit höchster Verwunderung keinen Tropfen darinn. Andere eilten zu dem Bronnen des Schlosses; allein der erste, so wiederum zuruck kame, fiele von dem obersten Staffel der Stiegen, und schüttete alles Wasser aus: der ander erwischte ein zerlechnetes, oder zerspaltenes Kübelein; und bevor er in die Tafel-Stuben hinein kame, ware schon alles ausgeronnen. Ebenfalls bemüheten sich auch die andere vergebens. Die arme junge Herren aber schryen unterdessen, heulten, zappelten, und weltzten sich mit unsäglichen Schmertzen in den Flammen herum beyläufig bey 3. Stund, und waren ohne eintzige ersprießliche Hilf nach abgebrenntem Haar, Haut und Fleisch eine Leich: Zu einem erbärmlichen Spectacul und Witzigung aller deren, die bey den Mummereyen in der Faßnacht etwann gar zu grossen Muthwillen treiben: Dann es scheinet, daß GOtt mit Fleiß, anderen zu einem Beyspiel, diese erschröckliche Abstraffung vorgenommen habe. Wo es dann wohl geheissen, was geschrieben steht Prov. 14. Das Lachen wird mit Schmertzen vermischet; und das äusserst von der Freud wird mit Traurigkeit befangen. Majolus Tom. 4. Dierum Canic. Colloq. 7.

16. Begebenheit
Sechszehente Begebenheit.
Ein Raab laßt sich mit deutlicher Stimm vernehmen von der Ewigkeit.

Zu Erfurt in Thüringen hatte ein Burger einen heimischen, und zu allerhand Spässen abgerichten Raaben in seinem Zimmer, der ihme oft viel Kurtzweil machte. Eines Tags vermerckte er, daß dieser Vogel, sein Kostgänger, etwas traurig sich stellte, in dem Winckel hockete, einen Peltz machte, und den Kopf in die Federen steckte, als wann er schlaffen, oder gar verrecken wolte. Er munterte ihn auf mit Wisplen, Pfeiffen, und sprach zu ihm, er solte ihm sagen, wo ihm fehle? Worauf dieser sich wiederum auf die Füß gerichtet, die Flügel zusammen geschlagen, und mit deutlicher Stimm jene Wort aus dem 76. Psal. ausgesprochen: ich hab denen verflossenen Tägen nachgedenckt, und mir die ewige Jahr zu Gemüth geführt. Und mit diesen Worten ist er zum Fenster hinaus, und davon geflogen, daß man ihn hernach nicht mehr gesehen hat. Kein Mensch zweifelte, [651] es müsse ein höllischer Geist hinter der Gestalt dieses Vogels gesteckt seyn, welchen GOtt gesandt, dem Innwohner des Haus einen Schröcken einzujagen, und ihn auf heilsame Gedancken zu bringen: Welches geschiehet, wann man ernstlich an die Ewigkeit gedenckt. Zehentner S.J. de Verme malæ Conscientiæ l. 4. c. 1. §. 6.

17. Begebenheit
Siebenzehente Begebenheit.
Ein verdammter Geist zeiget an, was die Verdammte in der Hölle am meisten bedauren, und beweinen.

Humbertus aus dem Orden des H. Dominici, ein ansehnlicher und grundgelehrter Mann, schreibt in dem Buch (dem er den Titul gibt de 5. Donis) daß auf ein Zeit ein frommer Ordens-Mann bey nächtlicher Weil unter dem Gebett und Betrachtung ein gantz klägliche Stimm gehöret habe. Als er nun umsahe, woher diese Stimm komme, da näherte sich selbige je länger, je mehr, mit erbärmlichen Heulen und Klagen. Hierauf fragte der Geistliche, wer also weine, und was dieses Jammeren bedeute? Alsobald bekame er diese Antwort: Ich bin einer aus der verdammten Schaar der Höllen. Warum wimselst du aber so gar kläglich? fragte der Geistliche weiters. Da gabe die Stimm ferneren Bericht, und sagte: Du solst wissen, O grosser Freund GOttes! daß ich, und andere Himmels-Verwisene nichts mehrers bedauren, und beweinen, als daß wir die edle Zeit so liederlich verzehrt haben. Dieses geredt, verlohre sich die Stimm allgemach wiederum, und hinterliesse dem frommen Geistlichen ein gute Unterweisung. Idem, qui paulo ante, cit. Auth. l. 4. c. 3. §. 1. n. 12.

18. Begebenheit
Achtzehente Begebenheit.
Ein Verdammter giebt eine Prob von dem höllischen Gestanck.

Zwenn von Adel hörten einstens einem Prediger zu, da er eben von der Höllen-Pein handelte. Nach der Predig überlegten sie mit einander, was sie erst gehört hatten. Einer verachtete, und verlachte diesen, seinem Beduncken nach allzu viel aufschneidenden Prediger, als der nur bloß sein Wohlredenheit zu zeigen, und dem Pöbel einen eitlen Schröcken einzujagen den Teufel also schwartz, und die Höllen also heiß machte. Der andere hingegen, als wäre dieses allein auf ihn, und seine Besserung geredt, [652] begunte denen Sachen nachzudencken, und damit nicht etwann dermahl einstens ihme solcher Jammer auf den Hals wachsen möchte, ernstlich zu sorgen. Diese heilsame Forcht nahme je länger, je mehr zu, bis er das sichere zu spielen, samt den Sünden durch ein rechtschaffene Beicht auch die Welt hinter den Rucken gelegt, und in einen geistlichen Stand eingetretten: Welches dann seinem Cameraden neue Materi zum Gelächter geben hat. Ueber ein Zeit hernach fallt der erste, der Verachter des göttlichen Worts in ein schwere Kranckheit, die von Tag zu Tag zunahme, bis endlich alle Hofnung zu genesen verschwunden. Unter anderen guten Freunden und Bekannten kame auch obgedachter Prediger: Tröstete den Krancken, sprache ihm zu, sich bereit und fertig zu halten, den weiten Weeg der Ewigkeit anzutretten, und führte ihm noch einmahl zur Gedächtnuß die Predigen von der Höllen, deren er einstens ein Zuhörer gewesen. Weilen aber der Krancke annoch auf seiner Meinung halsstärrig verharrete, als machte man aus der Sach zu viel, batte ihn der Prediger, er wolte ihm doch (wann es GOtt zuliesse) nach seinem Tod erscheinen, und eigentlich Bericht ertheilen, was es mit der Höllen für ein Beschaffenheit habe. Der Sterbende sagt zu, und halt es auch. Nicht lang hernach bey nächtlicher Weil stellt er sich dem Prediger für das Beth in gantz trauriger kläglicher Gestalt. Der Prediger richtete sich auf den Elenbogen auf, und fragte, wie es um ihn stehe. Gar übel, antwortete der Geist mit einem lauten Seufzer; gar übel: dann ich aus gerechten Urtheil GOttes ewig verdammt bin. Worauf der Prediger mit erschrockenem Hertzen weiters fragte, ob dann in der Wahrheit so grausame Peinen in der Höllen zu finden, als die Prediger machen? O, der du mich fragest, antwortete der Verstorbene, auch aller Menschen Zungen sammentlich können weder zählen die Menge, noch die Grösse der höllischen Peinen. Könte ich dessen ein Prob haben, fragte der Prediger. Gar wohl, antwortete das Gespenst, so fern es mir GOTT zulaßt. Begehrest du aber solchen Beweiß im sehen? Nein, sprach der Prediger; dann ich sonst von Natur gar forchtsam bin. Wilt du etwas von meinen Peinen empfinden? Versetzte das Gespenst hinwieder. Auch das nicht, antwortete der Prediger. Wilt du etwas davon verkosten; oder, was verlangst du? Fragte abermahl der Geist. Auch solches begehre ich nicht, sprach der Prediger; weilen ich ein gar blöden Magen hab; sondern mache, daß ich im Geruch etwas fühle. Hierauf breitete der Verdammte seinen Mantel aus, und verschwande. Und siehe da! ein so unleidentlicher Gestanck, und unbeschreiblicher Dampf bricht herfür, daß alle des Ordens Mönche darüber erwachet aufsprangen, im Closter herum zu lauffen, Jammer und Noth zu schreyen anfiengen, endlich auch gezwungen wurden, das Ort auf ein Zeit zu verlassen, damit [653] sie nicht etwann gar um das Leben kommen möchten. Wann nun eines eintzigen verdammter Leib einen so unerträglichen Gestanck von sich geben kan, was werden dann thun so viel tausend Millionen der verdammten Cörperen. Stanihurstus S.J. de 4. Novissimis.

19. Begebenheit
Neunzehente Begebenheit.
Ein alter Greiß giebt noch im Tod-Beth zu verstehen, was Gestalten er vor diesem, da er noch frisch und gesund war, gern nach neuen Zeitungen gefragt habe.

P. Wolfgang Rauscher S. J. ein berühmter Prediger erzählt von sich selbsten, wie daß er gedachtem alten Greisen, seinem Beicht-Sohn zugesprochen, da er im Todbeth lage, und männiglich auf sein Seel wartete. Ehe und bevor er gar ligerhaft wurde, setzte man ihn täglich bey schönem Wetter in einem Sessel für die Haus-Thür hinaus an die Sonnen, nur damit er den Leuten aus den Füssen käme. Der gute Alte war vor diesem auch ein frische Haut, und seiner Kunst nach ein treflicher Spilmann; wie er dann das Geigen dermassen in die Uebung gebracht, daß ihme stets der Arm davon zitterte, und er auch in seinem höchsten Alter, so wohl wachend, als schlaffend, unaussetzlich bis in die letzte Züg die rechte Hand, damit er vormahls den Figelbogen geführt, auf- und ab- bewegte. Jetzt liesse man ihn vor der Thür sitzen, von männiglich verachtet, und würdigten sich kaum die Hausgenossene, ihme die Hand zu bieten, wann er etwas vonnöthen hatte. Wie dann ihn sein eigene Tochter aus Unachtsamkeit die Stiegen hat lassen einfallen, welcher Fall ihme über einen und anderen Tag hernach gar den Rest gegeben. Nun (wie gedacht) dieser Alte sasse vor der Haus-Thür an der Sonnen, und konte man ihm kein grössere Freud machen, als wann einer aus den Fürbeygehenden einen Ständerling bey ihm hielte, und neue Zeitungen erzählte. Also gern hörte er Zeitungen; und das bis in sein letztes End. Er ware schon mit den H. Sacramenten der Sterbenden versehen, auch zum letzten Kampf (so viel man menschlicher Weis wissen kan) wohl verfaßt, als ihn ein starcke Ohnmacht überfiele, aus welcher er sich doch wiederum, ohngefähr nach einer Viertel-Stund erholet, und alle Umstehende kennete. Mittler Weil, da andere den Leib stärckten mit Kraft-Wasser, bemühete sich der Pater, die Seel mit etwelchen geistlichen Trost-Sprüchen zu laben. Er aber gleich, als wann er wieder in ein Ohnmacht sincken wolte, schwige eine Weil still; gähling aber wendete er sich gegen dem Pater, und mit gantz deutlicher [654] Stimm, daß es auch andere vernommen, sprache er: Pater, was haben wir guts Neues?


Mein GOTT! was thut nicht die Gewohnheit in einer Sach! dieser Alte, der schon mit einem Fuß in dem Grab stunde, wolte noch neue Zeitungen hören. Der Pater begegnete ihm gar bald, und sagte ihm die beste Zeitungen von dem Himmel, wohin er hoffentlich bald wurde abfahren, etc. Er aber redete kein Wort mehr; sondern griffe in die Züg, und ward nach wenig Schupferlein eine Leich. Præfatus Rauscher in Festivali, 1. Con. 2. à princip. Exord. in Comm. Fidel.

20. Begebenheit
Zwantzigste Begebenheit.
Gottseliger Hintritt aus diesem Leben eines Knabens von 16. Jahren.

Dieser Knab war gebürtig aus Maragnan einer Insel in Sud-America. Nachdem er aus der Heydenschaft bekehrt, und durch den Heil. Tauf der Christlichen Kirchen einverleibt worden, ist er bald darauf mit einer tödlichen Kranckheit überfallen worden, in welcher er ein so zarte Andacht spüren lassen, daß er vielen Anwesenden die Zäher aus den Augen gepreßt hat. Dann, als man ihm das Heil. Creutz-Bild Christi in die Händ gereicht, umfienge er dasselbe mit beyden Armen, und sagte: so lang ich dieses Creutz bey mir habe, wann gleich aller höllische Gewalt mich anfallen solte, wird er mir doch im geringsten nichts abgewinnen, noch mich bestürtzen können. Da man ihn fragte, ob er dann den Tod nicht förchte? gabe er zur Antwort: Nein, nein. Ich wünsche nichts anders, als gen Himmel zu fahren, und daselbst ewig anzusehen GOtt den Vatter, Sohn, und Heil. Geist. Was er gewunschen, das hat er auch erlangt; indem sein unschuldige Seel bald darauf dem Himmel zu geflogen. So geschehen ohngefehr um das Jahr 1614. zu Paris in Franckreich. Hazart S. J. im 2ten Theil seiner Kir chen-Geschichten von Maragnan c. 5.

21. Begebenheit
Ein und zwantzigste Begebenheit.
Heller Spiegel Christlicher Starckmüthigkeit in Trübsal.

Dieser ware Justus Ucondon, so herstammete von dem vornehmsten Geschlecht in gantz Japon, einem aus vielen Insulen bestehenden Land im äussersten Asien. In dem 13ten Jahr seines Alters wurde er von seiner gottseeligen Frau Mutter für den Altar in die Kirchen geführt, [655] allwo, er sich mit einem Gelübd verbunden, die Abgötterey nach allen Kräften zu verfolgen, und auszureuten. Die Blühe seiner Jugend brachte er in unterschiedlichen Höfen der Fürsten zu, und erhielte in diesem gefährlichen Saltz-Wasser vieler fleischlichen Menschen das Perlein der Unschuld und Keuschheit gantz, und unversehrt; worüber sich ja höchstens zu verwunderen. Unter seinem Gebiet zählte er bey 30000. der Unterthanen; aber keinem Unglaubigen gestattete er einigen Wohn-Sitz. Wegen seiner Tapferkeit und mannlichen Faust wurde er von seinem Kayser zur obersten Feld-Herren-Stell erhoben; und glantzete also in dem Japonischen Reich, wie die helle Mittag-Sonn an dem Himmel. In einer Nacht war alles aus. Jacuinus Kayserlicher Leib-Artz, und geschworner Christen-Feind hebte Ucundonum bey dem Kayser unter währender Tafel, als dieser mit Portugesischem Wein was unmäßigers sich angetruncken dermassen hinein, als ob er die meiste Schuld hätte, daß der Christen-Töchter des König-Reichs Arima sich nicht nach Hof begeben wolten, seiner Majestät nach Belieben aufzuwarten, etc. Worüber der Kayser dermassen ergrimmet, daß er noch dieselbe Nacht einen seiner Bedienten geschickt, Ucundono die Ungnad anzukünden, und die Wahl zu lassen, unverzüglich entweder den Christlichen Glauben fahren zu lassen; oder mit Verlurst aller Ehr und Güter das Elend zu erkiesen. Die Antwort des theuren Ritters Christi ware diese: kehret wider zu dem Kayser, meinem allergnädigsten Herren, sprach er: meldet ihm meinetwegen, daß ich das Elend erwähle vor dem gottlosen Irrthum. Was anbetrift mein Haab und Gut, Ehr und Ansehen, ja mein eigenes Leben, das will ich sammentlich ehe tausendmahl in die Schantz schlagen, als den wahren Glauben, so ich angenommen, wiederum verwerffen, oder meinen Heyland JEsum Christum verlaugnen. Etliche vermelden, er habe sich selbst zu dem Kayser verfügt, und mit freymüthiger Innbrunst sein Leben für den Christlichen Glauben dargebotten. Da aber der Tyrann das Schwerdt gezuckt, habe er dasselbe liebreich umfangen, gekußt, und den Hals dargestreckt. Bey welcher Großmüthigkeit der Kayser erstaunet zwar ingehalten; aber ihne von sich geschaft, und ernstlich anbefohlen ohne Verzug das Land zu raumen.


Anbey ist zu mercken, daß das Elend in Japon viel beschwerlicher falle, als bey uns Europäern. Dann erstlich wird der Schuldige aller Ehren und Aemter entsetzt. Fürs ander dessen Güter in Beschlag genommen: welcher Verlurst sich auf die Elteren, Ehegemahl, Kinder, Bluts-Verwandte, ja auf alle Bediente erstreckt, unangesehen sie des Verbrechens die geringste Schuld nicht haben. Drittens wird der Sententz des Tods beygesügt: dessen Vollziehung der Vertriebene zu jederzeit, da es dem Kayser [656] beliebig, muß gewärtig seyn. Lebt also in steter Beysorg einer unglücklichen nachkommenden Bottschaft: das ist, er stirbt täglich. Ein solches Elend bezoge dann auch Justus Ucondon, und kame ehender in der Stadt Agasci an, als seine Verwandte dieses Orts, davon Luft überkommen. Sein schlechte Kleydung verursachte bey allen ein Verwunderung; absonderlich bey seiner Ehegemahlin, Herren Vatter Darius, und Herren Bruder Tarojemondon: fragten demnach, was diese unverhofte Aenderung auf sich habe? Als sie nun berichtet wurden, wie daß er Catholischer Religion halber durch Kayserlichen Befehl ins Elend verwiesen seye, etc. wurde das gantze Haus nicht mit Jammeren und Weheklagen; sonderen mit Frohlocken erfüllet. Der alte Vatter erhebte Händ und Augen gen Himmel, sagte dem Allmächtigen GOtt innbrünstigen Danck, daß er sein Geschlecht würdig geachtet, in welchem vor gantz Japon ein helles Kenn-Zeichen Christlicher Standhaftigkeit erwiesen wurde. Demnach fiele er seinem geliebten Sohn um den Hals, hertzigte ihn mit zarter Umfahung, und rufte überlaut: O liebster Sohn! du bringst uns eine erwünschte Zeitung. Es geht allerdings wohl. Seye nur behertzt; wir folgen dir mit Freuden. Wohlan! laßt uns alsbald dahin gehen wohin wir von GOtt beruffen werden. O daß uns dieses Glück begegne, daß wir nach Verlurst unserer Güter auch das Leben für Christum aufsetzen mögen! gleiche Freudens-Zeichen erzeigten die übrige Haus-Genossene alle, samt hätten sie einen fröhlichen Ehren-Tag zu begehen. Eilten darauf sammentlich in die Kirchen: sangen das gewöhnlicke Lob Gesang des Heil. Ambrosii: Herr wir loben dich, und wünschten einhellig, für Christum ihr Leben darzu geben.


Nach vollendten Danck-Opfer kehrten sie wiederum nach ihrer Behausung; banden etwas von nothwendigen Haus-Geräth zusammen, und machten sich fertig zum Abzug. Dazumahl hatte die Stadt Agasci nicht Augen genug, ein so wunderliches Schau-Spiel anzusehen. Darius ein alter Greis, der seine weisse Haar mit ungewöhnlichen Frolocken erjüngerte. Ucondon, und Tarojemondon, seine beehlichte Söhn samt ihren Gemahlinnen und Kindern: gestern Fürsten; heut Bettler; zuvor die vornehmste des Lands; nun verworffene ins Elend, giengen daher zu Fuß durch die Gassen, beurlaubten sich von dem zulauffenden Volck, und zogen alle samtlich zur Stadt hinaus. Ihnen folgte ein grosse Anzahl der Bedienten, so die angelobte Treu bey ihren Herren und Frauen mit dem Leben zu vollziehen gedacht waren. Die Männer waren beladen mit kleinen Reis-Bündelein, das Weiber-Volck mit den unmündigen Kindern; welche sie lieber im Elend Christlich erziehen, als im Heydenthum begehrten glückseelig zu sehen. Das ware ja ein so klägliches Spectacul, daß [657] auch die harte Felsen zum Mitleyden hätte können bewegen; sie aber giengen mit so scheinbarer Freud des Hertzens daher, als solten sie ein herrliches Sieg-Gepräng mit ihrer Gegenwart zieren. Nach langem Umschweif durch rauhe Weeg, Berg und Thal, finstere Wälder und Einöde, liessen sie sich letztlich in einer dem Fürsten Augustine zu gehörigen Landschaft nieder, die er ihnen selbst zum Wohnsitz anerbotten: baueten allda auf offenen Feld ein schlechtes Hüttlein auf, worinnen dieses gottseelig Haus-Gesind ein zwar armseeliges, doch mit viel himmlischen Tröstungen untermengtes Leben in 20. Jahr lang geführet.

Nachmahlen, als nach dem Tod des Wütterichs Taycosama, dem Nachfolger im Reich Daifusama, wiederum ein Gedancken an Ucondon, und dessen Elend kommen, berufte er ihn zu sich nacher Meaco, zu sehen, ob dieses nunmehr durch so viel Ungemach abgemattetes, aber dannoch beständiges Felsen-Hertz nicht dermahlen eins zu gewinnen wäre. Der gottseelige Held stelte sich zwar nach langer mühsamer Reis und ausgestandener Gefahr bey Hof gehorsamlich ein; gabe aber auch diesem Tyrannen so wenig Hofnung seiner Aenderung, als wenig ihm der vorige in der That selbst abgewunnen hatte. Wurde demnach zum 2tenmahl des Lands verwiesen, und nach Hangazaqui in ein neues Elend verjagt. Er aber nach kurtzem Aufenthalt allda entschlosse sich aus gantz Japon zu weichen, damit dieses sein gottloses undanckbares Vatterland nach seinem Ableiben auch seine Gebein nicht besitzen solte. Mit diesem Vorhaben gienge er samt seiner Gemahlin, Kindern und Enckeln zu Schif im Jahr 1614. und segelte mit gutem Wind nach Manila einer Spanischen Meer-Stadt ab. Der Ertz-Bischof, Statthalter, Adel, und gantze Gemeind zogen ihm entgegen, und empfiengen Justum, wie einen Engel, der vom Himmel gesandt. Man botte ihm auch im Nahmen Philippi Königs in Spanien ein jährliches Einkommen an, sich und die Seinige nach Erforderung seines hohen Stands besser durchzubringen. Er weigerte sich aber mit demüthigen Danck unter Vor wand, daß einem des Glaubens halber vertriebenen Christen kein Pracht gezieme, sondern zustehe, in Armuth zu leben. Diesem zu folg schafte er durch Hand-Arbeit ihme, seinem Weib und Kindern die tägliche geringe Nahrung; 40. Tag nach seiner Ankunft ist er den 13. Tag Hornung im 1615ten Jahr von GOtt durch einen seeligen Hintritt aus dem Elend in das himmlische Vatterland beruffen worden. Hat den Seinigen, und uns allen anstatt der zeitlichen Güteren recht heroische Christliche Tugenden, bevorab ein innbrünstige Lieb zum Creutz, und unüberwindliche Standhaftigkeit in Trübsal zur Nachfolg hinterlassen. Sein Leib ruhet in der Kirchen der Societät JEsu zu Manila; [658] die Seel aber in der ewigen Wohnstatt des Himmels. Hazart S.J. in seinen Japonensischen Kirchen-Geschichten.

22. Begebenheit
Zwey und zwantzigste Begebenheit.
Ueberaus harte, und Mitleydens-würdige Prob, so ein Graf mit seiner Ehegemahlin vorgenommen, um zu erfahren, ob sie sich gäntzlich nach seinem Willen schicken werde.

In Piemont (so ein Fürstenthum in Welschland ist) ware vor Zeiten ein vornehmer Graf mit Nahmen Gualterus, welcher viel Dörffer und Schlösser unter sich hatte. Und wie er ein junger Herr war, hatte er sein eintzige Freud im Jagen. Deswegen fragte er dem Frauen-Zimmer wenig nach; ja er liesse ihm nichts wenigers traumen, als daß er sich einstens verheurathen wolte. Also lieb ware ihm der freye Leib. Bey dem aber ware denen Unterthanen nicht geholffen; als welche gern von ihm einen Erben gesehen hätten, von dem sie mit der Zeit möchten regiert werden. Deswegen verordneten sie aus ihrem Mittel einige Abgesandte an ihn, mit demüthigster Bitt, er wolte sich doch belieben lassen, eine Braut zu erwählen, mit welcher er zum Trost der Unterthanen einen Erben erzeugen möchte Gualterus, wie er das gute Absehen seiner Unterthanen erkennt, sagte ihnen zu; jedoch mit diesem Beding: er möchte ihm eine Braut erwählen, wie es ihm gefiele, dero solten sie allen Respect er weisen, und wider diese Wahl im geringsten nicht klagen. Wie sie ihm nun diese Bedingnuß zugesagt, war er auf nichts anders bedacht, als wie er eine Braut finden möchte, die sich in allem nach seinem Willen schicken wurde. Nun, wie solle es gehen? Er ritte einstens spatzieren auf eines seiner Dörfferen hinaus. Da erblickte er ungefähr bey einem Bronnen ein Bauren-Mägdlein, das eben jetzt ein Gelte mit Wasser nach Haus tragen wolte. Wie er sie nun genau ins Gesicht fassete, wurde er in sie dergestalten verliebt, daß er sich entschlosse, dieses Bauren-Mägdlein für sein Braut zu erwählen, und kein andere. Dann ausser dem, daß sie schön von Angesicht, zeigte sie zugleich in ihren Gebärden eine solche Zuchtbarkeit, daß man sie nicht ansehen konte, ohne sie zu lieben.


Gualterus liesse weiters nichts vermercken, sondern ritte wiederum nach Haus, und liesse gleich einen Schneider kommen, welchem er befahle, ein hochzeitliches Kleid zu verfertigen für ein Jungfrau, ohngefähr von achtzehen Jahren, von solcher und solcher Postur. Und damit er das Maaß recht nehmen könnte, liesse er eine Jungfrau von seiner Hofstatt herbey ruffen, welche just die Statur, Länge, [659] und Rane zu haben schiene, wie das von ihm ersehene Bauren-Mägdlein. Wie nun das hochzeitliche Kleid verfertige war, liesse er sich gegen seine Dienerschaft verlauten, sie solte an einem Nachmittag in Bereitschaft, ihm seine Braut abholen zu helfen. Das ware nun an dem Hof etwas neues, und erwartete jederman mit gröster Begierd, von wannen dann diese Braut müßte abgeholet werden. Nun Gualterus reutet mit seiner gantzen Hofstatt, unter welcher viel ansehnliche Herren, wie auch einiges Frauen-Zimmer war, auf das Dorf hinaus, in welchem er das Bauren-Mägdlein das erstemahl ersehen hatte. Und nachdem er sich erkundiget, wer ihr Vatter seye, laßt er ihn samt der Tochter zu sich kommen. Nun diese erscheinen: und nachdem beyde vor dem Grafen, als ihrem rechtmässigen Herrn die gebührende Reverentz gemacht, fragte Gualterus den Bauren: ist das nicht dein Tochter? ja, Ihro gräfliche Excellentz, (antwortete der Baur) das ist mein Tochter. Was befehlen sie weiters? da nahme ihn Gualterus auf ein Seiten, und sagte: Wisse, daß ich in dein Tochter verliebt bin. Wie? (fragte der Baur) Ihro gräfliche Excellentz sollen in mein Tochter verliebt seyn? Ja. In ein Bauren-Mägdlein? das hindert nichts. Und sie noch für ein Braut erwählen? Zweifle nicht daran Ey! das kan ich nicht fassen. Ich glaube, Ihro Excellentz schertzen mit mir. Nein: es ist mir ernst. Nun (sagte der Baur) wann es ernst ist, so hab ich nichts zu sagen, als daß ich mich unwürdig schätze, einen solchen vornehmen Herrn für einen Tochter-Mann zu haben. Wie heißt aber dein Tochter? (fragt hierauf Gualterus) Griseldis, (antwortete der Baur) Nun, Griseldis (fahrt Gualterus fort) bist du zufrieden, wann ich dich für meine Braut erwähle? das gute Mägdlein stunde da voller Schamhaftigkeit, und wußte anfänglich nicht, was sie antworten solte. Nachdem sie sich aber in etwas erholet, sagte sie: Ihro Excellentz, Herr Graf! sie seynd mein hochgebietender Herr; ich aber ein armes Bauren-Mägdlein. Wie solte ich mir können einbilden; daß ich ihnen lieb seyn könnte. Der Unterschied zwischen ihnen, und mir ist viel zu groß. Du hast es schon gehört (sagte Gualterus) ich verlange dich, und kein andere. Wann es ihnen ernst ist, Herr Graf (antwortete das Mägdlein) so kan ich ihnen nicht widersprechen. Allein, ich weiß mich selbst nicht zu finden. Es kommt mir vor, als wann es ein Comödi wär. Nun, nun, jetzt ist alles richtig (sagte Gualterus) allein, das begehre ich von dir, wann du mein Gemahlin seyn wirst, daß du mir in allem dem, was ich dir sagen werde, gehorsam seyn, und in keiner Sach widersprechen sollest. Ja, Ihr Excellentz (sagte das Mägdlein) weil ihr mich euerer Liebe würdiget, ist es billig, daß ich euch in allem gehorsame, und in keiner Sach widerspreche. Da habt ihr mein Wort. So ist es recht (sagte Gualterus) jetzt verlange ich nichts weiters. Draufhin [660] liesse er seine Hof-Herren, und Frauen-Zimmer herbey kommen, und sagte zu ihnen: Sehet! dieses Bauren-Mägdlein habe ich mir zu einer Gemahlin auserwählet. Jetzt, wann ihr mich lieb habt, sollet ihr gegen sie allen Respect tragen, als gegen euere rechtmässige Gräfin. Und, nachdem alle, dem Befehl des Grafen nachzukommen angelobt, befahle er dem Frauen-Zimmer, so zugegen war, dem Bauren-Mägdlein die Kleider aus- und darfür das gräfliche Hochzeit-Kleid anzuziehen. Wie nun das geschehen, steckte ihr Gualterus einen goldenen Ring an den Finger; umfienge sie hertzlich; setzte sie hernach auf einen weissen Schimmel, und ritte mit ihr in Begleitschaft seiner gantzen Hofstatt seinem Schloß zu, auf welchem das hochzeitliche Fest unter Glückwünschung und Frolocken des gantzen Hofs feyrlich begangen worden.


Wie geht es weiters? Griseldis wußte sich nach und nach dergestalten in die Hof-Manier zu schicken, daß sich Jedermann verwunderte. Mit ihrer Sittsamkeit, und freundlichen Gebärden zoge sie nicht allein aller Liebe, sondern auch Ehrenbietigkeit an sich. In Summa: man liebte, und ehrte sie. In solchem Stand, als sie fast ein Jahr zugebracht, gebahre sie ihrem Herrn ein Töchterlein von solcher Schönheit, daß man es nicht genug anschauen konte. Da gedachte es nun den Grafen, Zeit zu seyn, Griseldin zu probiren, und zu erfahren, ob sie sich, ihrem Versprechen gemäß, nach seinem Willen schicken werde; oder nicht. Er nahme sie also auf ein Zeit, da sie das Kind von der Milch entwöhnt hatte, beyseits, und redete sie mit ernsthaftem Gesicht also an: Griseldis! du weißt, was Gestalten ich dich aus dem verächtlichen Bauren-Stand zu einer Gräfin erhebt, und zu meiner Gemahlin genommen hab. Nun kan ich sagen, daß ich dich inniglich liebe, und die geringste Klag wider dich nicht hab. Allein der Adel, und meine Unterthanen können sich dazu nicht verstehen, daß sie das von dir gebohrne Fräulein mit der Zeit für ein rechtmässige Erbin erkennen sollen. Also wanckelmüthig seynd sie unterdessen worden; da sie doch meiner Vermählung gantz anderst geredt haben. Was ist jetzt zu thun? ich muß halt sehen, wie ich das Kind aus dem Weeg raume; sonst möchten mir mit der Zeit viele, und grosse Ungelegenheiten auf den Hals kommen. Was sagst du darzu? wirst du dich wissen, drein zu schicken? erinnerst du dich, was Gestalten du mir bey dem Heuraths-Contract versprochen, du wollest dich in allem nach meinem Willen schicken, und mir keineswegs widersprechen, es möchte auch seyn, was es wolte? Freylich ja (antwortete Griseldis) weil es dem Herrn Grafen gefällig, also zu disponiren, so habe ich nichts darwider. Meine Schuldigkeit ist, daß ich mich unterwerfe, und ihn schalten und walten lasse nach seinem Gefallen. Auf diese Antwort liesse der Graf durch einen seiner Dieneren das junge Fräulein von der Mutter [661] abforderen; die es ihme auch ohne Seuftzen überliesse, wiewohl sie ihr nichts anders einbilden konte, als das unschuldige Kind werde etwann ertränckt werden. Ehe sie aber selbiges dem Diener überliesse, sahe sie es eine Weil hertzlich an, gabe ihm alsdann einen süssen Kuß, bezeichnete es mit dem heiligen Creutz, und sagte mit unverändertem Angesicht: Behüte dich GOtt, mein Liebes! das ist das letzte mahl, daß ich dich sehe.


O GOtt! was für einen Gewalt brauchte es, die mütterliche Lieb und Affection zu überwinden, daß Griseldis weder seuftzete, noch das Angesicht veränderte? Gualterus liesse das Kind in einer Wiegen eingemacht nach Bononien, einer Stadt in Welschland, übertragen, allwo sein Schwester war, die einen Grafen, mit Namen Panicius, hatte. Diese ersuchte er durch ein Schreiben, sie wolte ihr das Kind also lassen angelegen seyn, als wann es ihr eigenes wäre; solte es auch, als von hochadelichen Elteren gebohren, auferziehen; aber niemand das geringste offenbaren, wessen Kind es wäre, noch woher es ihr überschickt worden.

Unterdessen konte Gualterus an seiner Griseldis keinen Abgang weder an voriger Liebe, noch Gehorsam vermercken, also, daß er sich hierüber höchstens verwunderte. Mithin verflossen in solchem Zustand vier Jahr, da Griseldis gesegneten Leibs war, und ein Söhnlein gebahre von ungemeiner Schönheit, mit grossem Frolocken der Unterthanen, denen von allem dem, was sich mit dem erstgebohrnen Fräulein zugetragen, das geringste nicht bewußt ware. Nachdem dieses junge Herrlein nach und nach auferwachsen, und nunmehr das zweyte Jahr erreicht hatte, wolte Gualterus seine Griseldin auf ein neues probieren, ob sie im Gehorsam, und Gleichförmigkeit mit seinem Willen noch beständig wäre; oder nicht. Er thate also dergleichen, als wann ihm zu Ohren kommen wäre, wie daß seine Unterthanen sich in heimlichen Gesellschaften verlauten liessen, sie wolten auch das junge Herrlein keineswegs für einen rechtmässigen Erben der Grafschaft erkennen; indem die Ungleichheit zwischen dem Grafen und seiner Gemahlin dem Stand nach viel zu groß wäre. Er sehe also nichts anders vor, als einen gefährlichen Aufstand, welchem vorzukommen nichts rathsamers wäre, als wann auch das junge Herrlein auf die Seiten geraumt wurde: Welches er ihr hiemit habe anzeigen wollen, damit der Schmertz in ihr nicht vergrössert wurde, wann sie vorher nichts davon gewußt hätte.


Ach! was ware dieses wiederum für ein bitterharte Prob? aber Griseldis veränderte weder das Gesicht, noch das Gemüth, sondern sagte: Herr Graf! ich wiederhole noch einmahl, was ich schon längst gesagt hab: Daß ich nemlich nichts wolle, als was ihm beliebet. Gualterus sich über diese Beständigkeit verwunderend, gienge mit ernsthaften Gesicht von ihr hinweg, und schickte gleich einen Diener, [662] welcher das junge Herrlein von ihr solte abforderen. Griseldis nahme es in ihre Arm, sahe es eine Weil lieblich an; druckte es an ihre Brust; bezeichnete es mit dem heiligen Creutz, wie sie bey Abforderung des ersten Kinds gethan; gab ihm zuletzt einen süssen Kuß, und überliesse es dem Diener ohne einiges Zeichen, daß sie deswegen betrübt wäre. Welches, als es Gualterus vernommen, überschickte er das junge Herrlein gleichfalls nach Bononien, damit es allda solte auferzogen werden, ohne jemand davon etwas zu offenbaren, wessen, und woher dieses Kind wäre.

Es thate zwar Gualterus nachgehends, wann er bey der Tafel sasse, oftermahls Meldung von beyden Kinderen. Griseldis aber gabe nicht einmahl hierüber ein Zeichen von sich, daß sie hierüber betrübt wäre. Mithin kame ein Geschrey aus, als wann Gualterus einen Eckel ab der Griseldis bekommen, und beyde Kinder hätte erträncken lassen, damit er sich von ihr könnte scheiden lassen. Gualterus bediente sich dieser Gelegenheit, und liesse unter das Volck aussprengen, wie daß er würcklich einen Expressen nach Rom an Ihro Päbstl. Heiligkeit abgeschickt, und wegen besorglichem Aufstand seiner Unterthanen hätte lassen anhalten, damit er von der Griseldis möchte geschieden werden, und sich mit einer anderen gräflichen Stammens verheurathen därfte. Ja das Geschrey gienge, die Erlaubnuß wäre würcklich erhalten worden: welches aber alles erdichtet ware.

Wie meinen wir, daß der guten Griseldis werde zu Gemüth gewesen seyn? sie bezeugte sich hierüber gar nicht bestürtzt; sonderen erwartete, was ihr Gualterus in solchen Umständen befehlen werde. So liesse er dann selbige in Beyseyn seiner gräflichen Anverwandten vor sich kommen, da er sie mit folgenden Worten angeredt: Griseldis! ich gestehe es, daß ich dich allzeit geliebt hab, als meine Gemahlin. Allein ich werde gezwungen, mich von dir scheiden zu lassen, um dem Aufstand meiner Unterthanen vorzukommen; als welche verlangen, daß ich mich mit einer anderen Person vermählen solle, die gleiches Stands mit mir seye. Und ist solche schon auf dem Weeg; die ich auch stündlich erwarte. Hoffe also, du werdest dieser weichen, und dich wiederum in deines Vatters Haus begeben. Ich kan es nicht laugnen: das ist für dich ein überaus harter Streich. Allein ich kan die Sach nicht änderen. Darum mache aus der Noth ein Tugend, gedencke, daß auf dieser Welt kein beständige Glückseligkeit zu finden seye. Auf diese Wort sagte Griseldis: Herr Graf! ich gedachte allzeit, daß zwischen euch und mir ein gar grosser Unterschied wäre, und ich also vielmehr euere Magd, als Ehegemahlin seyn solte. Im übrigen bin ich bereit, auf eueren Befehl, wiederum in meines Vatters Haus zu kehren. Man bringe mir nur meine vorige Bauren-Kleider, so lege ich diese gräfliche wiederum ab. Auf diese Starckmüthigkeit der Griseldis konte sich Gualterus des [663] Weinens nicht enthalten. Also nahme sie ihren Weeg gantz alleinig nach ihres Vatters Haus zu, über die offentliche Strassen, und in Ansehung vieler Menschen, die ein hertzliches Mitleiden mit ihr hatten, und sich der Zäheren nicht enthalten konnten.


Der gute Vatter, als er wider alles Verhoffen seine Tochter gantz alleinig, und zwar in vorigen Bauren-Kleyderen dem Haus zugehen sahe, fienge an hertzlich zu weinen, und endlich in diese Wort auszubrechen: Du armes Kind! was ist das? in was für einem Aufzug kommst du daher? was soll das bedeuten? Ach! ich komme auf die Gedancken, du seyest von deinem Grafen verjagt worden Griseldis antwortete, ja, mein lieber Vatter, deme ist also: warum aber (fragte dieser weiters?) gelt, du bist ihm nunmehr verleydet, und sihet er ein andere lieber, als dich? Nun in GOttes Namen. Was wollen wir machen? Gewalt geht vor Recht. Wo werden wir klagen dörffen? der Herr ist zu vornehm. Allein es ist mir gleich anfänglich die Sach verdächtig vorkommen, und bin deswegen in Sorgen gestanden, diese Liebe werde nicht lang dauren. Darum hatte ich gewunschen, daß dich der Graf niemahlen gesehen hätte. Man sagt ja nicht umsonst, wilst du heyrathen, so heyrathe deines gleichen. Dieses geredt, umhalsete er die Tochter, und sagte: mein liebes Kind, komme nur wiederum in dein vorige Wohnung, ich will dich schon erhalten, daß dir nichts abgehen solle. Bist du mir jemahls lieb gewesen, so bist du es jetzt noch mehr. Griseldis sagte! mein liebster Vatter, ich kan dir nicht genug dancken für die Liebe, so du gegen mir tragst. Gleichwie ich vorhin dein gehorsame Tochter gewesen, also werde ich es auch forthin seyn. Ich überlasse mich unterdessen gäntzlich der göttlichen Vorsichtigkeit, dero es beliebt hat, also mit mir zu disponiren. Mittler weil gienge das Gerücht, daß die neue Braut des Grafens innerhalb wenig Tagen von Bononien in Begleitschaft eines jungen Herrn Grafens, der sich für ihren Vetter ausgabe, ankommen, und das Hochzeitliche Fest ohne Anstand werde vollzogen werden. Der Graf befahle demnach, daß Griseldis sich unverzüglich zu ihm nach Hof verfügen, und mit anderen Mägden des Hofs (Odes unverhoften, und überaus harten Befehls) das Schloß auskehren sollte. Griseldis saumte sich nicht, sondern gesellte sich zu anderen Mägden, nahme einen Beesen in die Hand, und halffe ihnen alle Zim mer des Schlosses auskehren.


O was für ein Schauspiel, Griseldis, vorhin die Gräfin, vor welcher das Hof-Gesind gewohnt war die Knye zu biegen, steht jetzt da mit einem Beesen in der Hand, gleich einer verächtlichen Dienst-Magd: Ach! wer sollte diese Veränderung ohne Vergiessung der Zäher können ansehen? Als nun der Graf nach vollendeter [664] Vermählung (so aber nur dem Schein nach geschehen) samt der neuen Braut sich an die Tafel gesetzt, und gesehen, was gestalten Griseldis der neuen Gräfin aufgewartet, und die Knye vor ihr gebogen, fragte der Graf: nun, Griseldis, wie gefallt dir diese meine neue Braut? ist sie nicht ausbündig schön, ziehet sie nicht aller Augen auf sich? ja, Herr Graf (antwortete Griseldis) sie ist ein Muster aller Schönheit, und wünsche ich nur, daß ihr lange Jahr mit ihr in allem Vergnügen lebet, welches ich auch hoffe, weilen sie gleiches Stammens mit euch ist. Und also werdet ihr kein Ursach haben, einen Eckel ab ihr zu schöpfen, wie ich hab erfahren müssen. Da konnte sich der Graf in Ansehung dieser Starckmüthigkeit nicht länger enthalten, sondern aus Mitleyden entdeckte er ihr das gantze Spiel, das er angestellt hatte. Fiele ihr also um den Hals, und sagte: meine liebste Griseldis, ich hab deinen Gehorsam lang genug probiert. Jetzt ist es Zeit, daß ich anderst mit dir rede. Du allein bist mein liebste Ehegemahlin, und ich weiß von keiner anderen. Dann diese Person, so du vor meine Braut ansihest, ist dein leibliche Tochter. Und dieser junge Herr, der sich für ihren Vetter ausgegeben, der ist dein leiblicher Sohn. Du hattest bishero geglaubt, als wären Beyde ertränckt worden. Aber nein, es ware nur ein angestelltes Spiel. Die sihest du vor dir lebendig, und in bester Gesundheit. Ueber diese Erzählung hatte es wenig gefehlt, Griseldis wäre vor Verwunderung und Freuden in eine Ohnmacht dahin gesuncken. Als sie sich aber aus der Verwunderung erhohlet, fiele sie der Tochter und dem Sohn um den Hals, kußte und druckte sie unter Vergiessung der Freuden-Zäher an die Brust, mit solcher Zärtigkeit, daß sie kaum von ihnen konnte geschieden werden.


Von dieser Zeit an lebte der Graf mit Griseldis noch viel Jahr, in höchster Lieb und Zufriedenheit; ihren alten Vatter aber nahme er zu sich an seinen Hof, liebte und hielte ihn in Ehren, als seinen Schwäher, so lang er lebte. Petrarcha de obedientia & fide uxoria.

23. Begebenheit
Drey und zwantzigste Begebenheit.
Höchst auferbäuliche Lebens-Art eines berühmten Feld-Obersten.

Dieser dapfere Held (mit Namen Bucicoti, so unter der Regierung Caroli des 4ten Königs in Franckreich gelebt hat) machte bey Zeiten sein Testament, und ordnete darinn alle seine Andachten, Geschäft und Güter. Alle Tag vollzoge er daran einen Theil, indem er alles dasjenige [665] verrichtet, so viel ihm möglich ware: dann er hierinn nicht auf ungewisse Zufäll anderer Leut Andachten warten wollte, gleichwie diejenige thun, die ihren Verstand verlohren, und niemahls was Gutes thun wollen, als allein: wann sie sich in solchem Stand befinden, in welchem sie gar nichts mehr thun können. Dieser barmhertzige Herr fragte mit sonderbahrem Fleiß nach den Haus-Armen, die sich zu bettlen schamten. Ihre Namen hatte er auf einem Zettul seines Zimmers verzeichnet. Seine Allmosen theilte er da und dort aus, denen armen Ordens-Leuten, denen Wittwen und Waisen, denen dürftigen Soldaten, und sonderlich denenjenigen, so Alters und Kranckheit halber der Arbeit nicht mehr konnten obliegen.


Er suchte die Spitäler heim, und gabe reichlich, und so viel in seinem Vermögen. Er versahe sie in dem Hausrath, Kleyderen, und anderen nothwendigen Sachen. Wann er über die Gassen gienge, hatte er die Hand im Seckel; theilte den Armen dasjenige selbsten mit, was ihm möglich war; dann er daran einen sonderbahren Lust hatte. Niemahl sahe man ihn frölicher, als wann er viel hatte ausgegeben. Dieses ware seine Kurtzweil, und sein gröste Ergötzlichkeit. Er truge ein sonderbahre Andacht zur Gedächtnus des bitteren Leydens und Sterbens unsers HErrn JEsu Christi; und so viel es seyn konnte, asse er an dem Freytag nichts, als Obs und Gemüß. Ja er legte so gar ein schlechteres Kleyd an, indeme er auch aüsserlich diejenige Ehrerbietungen wollen zu erkennen geben, die wir dem rosenfarben Blut JEsu Christi zu erzeigen schuldig seynd.


Uber die gebottene Fast-Täg fastete er auch noch gemeiniglich am Samstag, an welchem die Gedächtnus der allerseeligsten Jungfrauen Mariä begangen wird. Bey seiner Tafel asse er mehr nicht, als von einer einigen Speiß. Und, wiewohl er viel Silber-Geschirr hatte, liesse er doch ihme nur in Zinn und irdenen Geschirren auftragen; indem er offentlich scheinbar und köstlich, innerlich aber ein Feind alles weltlichen Prachts ware. Weilen in dem Hof dieses frommen Feld-Obersten der Ueberfluß in Essen und Trincken also wohl in Schrancken gehalten wurde, war alles in guter Ordnung. Er hatte einen sehr löblichen Brauch, seine Schulden auf das bäldeste zu bezahlen; und so viel ihm möglich, ware er niemahls was schuldig.


Indeme dieser Herr seine Schulden ordentlich bezahlte, erzeigten ihm seine Bediente alle Ehr. Man hätte nicht dörffen einen einigen Fehltritt begehen in seinem Hof. Niemahls hätte er das mindeste Laster, oder einen lasterhaften Diener gelitten, wann er gleich durch ihn ein gantzes Königreich zu gewinnen gehabt. Die Gottslästerung, das Schwören, die Unwarheiten, das Spielen, die [666] Zänck und Hader, und alle Unzuchten waren von seinem Pallast, als wahre Abentheur ausgeschlossen. Wann er an einem seiner Haus-Genossenen einen groben Fehler vermerckte, beurlaubte er ihn alsobald; damit die andere das Ubel von ihme nicht ererben möchten. Doch verschonte er seinem Namen, so viel es möglich war, und breitete dessen Sünden und Fehler nicht aus. Bey der Tafel redete er wenig, sondern liesse ihm gewöhnlich schöne Exempel derjenigen Tugenden, die sich in dem Leben deren von Adel befanden, erzählen, ohne daß er von seinen eigenen Thaten (ausser selten, und das bescheidentlich) Meldung thate. In dem heiligen Ehestand lebte er in höchster Keuschheit, und hatte ein solches Abscheuen ab allerhand Unlauterkeiten, daß er auch nicht einen Diener in seinem Hof gedulden wollte, der ein unreines Aug hatte. Dann, als er auf eine Zeit durch eine Gassen der Stadt Genua ritte, und eine edle Frau bey einem Fenster sich zeigte, die Ihro die Zöpf flechtete; ein Edelmann aber, der ihme aufwartete, solche ersehen, darüber still stunde und aufschreye: Was für ein schöne Person ist diese! sahe ihn sein Herr mit einem ernsthaften Angesicht an, und sprache: es ist nunmehr genug, dann in meinem Hof sollte sich auch nur ein unkeusches Aug nicht blicken lassen.

Er stunde gewöhnlich am Morgen frühe auf, und brachte ohngefehr 3. Stund in dem Gebett und Gottesdienst zu. Nach dessen End gienge er in den Rath, welcher sich bis zu dem Mittag-Essen verzoge. Nach der Tafel gabe er allen denjenigen, die ihrer Geschäften halber mit ihm reden wollten, Gehör, allwo man seinen Saal voll der Leuten sahe, welche er bald abfertige; indem er einem jeden mit sanftmüthiger und vernünftiger Antwort zu seiner Willfahrung begegnete. Von dannen verfügte er sich zum Brief-Schreiben, und Ordnung der Geschäften; und wann er anders nichts zu verrichten hatte, gienge er in die Kirchen zur Vesper, nach der Heimkunft thate er wiederum was Gutes, und darauf in Vollziehung des übrigens, was sein Amt betraffe, endigte er den Tag.

An Sonn- und Feyr-Tägen gienge er entweders zu Fuß etwan an ein heiliges Orth wallfahrten, oder liesse ihm das Leben der Heiligen GOttes, oder andere geistliche Historien vorlesen, um seine Sitten besser nach der Tugend zu richten. Wann er über Land reisete, hatte er eine trefliche gute Ordnung; damit er mit seinem Gesind niemand überlästig wäre. Und so gar in des Feindes Land gestattete er nicht, daß man den Priesteren, und andern Geistlichen Ungelegenheit zusügte. Caussinus S.J. in seiner Heil. Hofhaltung, 2ten Buch. 4. Capitel.

24. Begebenheit
[667] Vier und zwantzigste Begebenheit.
Ein Kayserlicher General-Feld-Marschall-Leutenant rüstet sich gottseeliglich zur Sterbstund.

Dieser fromme Herr (mit Namen Galassus, von Trient gebürtig) hatte lange Zeit bey GOtt angehalten um die Gnad, ihme sein herzunahendes Sterbstündlein auf einige Weiß wissen zu machen. Er wurde auch seines eyfrigen Gebetts erhört folgender Gestalt, welches etwas ausserordentliches, und die Natur zu übersteigen scheint. Galassus hatte sich damahls zu Trient niedergelassen, und zur Ruhe begeben, Willens, seine letzte Lebens Täg, und durch so viel Feld-Züg abgenutztes Alter in der Einsamkeit, und GOttes-Dienst allein zuzubringen.


Vorher aber ist zu wissen, daß er schon lang von dem schmertzlichen Stein, und vielen anderen Zuständen sehr geplagt worden; doch unter anderen hatte ihn etliche Täg vor seinem Tod das Zahn-Wehe über die Massen gequälet, also daß er verlangte, man sollte ihm den Zahn heraus heben, weilen aber der Leib-Artzt vermerckt, daß selbiger gar zu tief eingewurtzelt, und mit dem frommen Herrn, der ohne das mit anderen Unpäßlichkeiten beängstiget war, noch grössere und gefährlichere Schmertzen durch Heraushebung des Zahns verursacht möchten werden, beschlosse man, solchen unverruckt zu lassen. Folgende Nacht darauf macht sich der Zahn (es war ein Stock-Zahn) von sich selbst ohne eintziges Wehethun ledig, welchen Galassus aus dem Mund nachgehends heraus stürtzte.


Als in der Frühe der Kammer-Diener sich in des Krancken-Zimmer begabe, hube er den Zahn von der Erden auf, und zeigte solchen seinem Herrn, welcher, da er den Zahn genau betrachtete, wahrnahme, daß auf solchem ein schwartzes † (so ohne Zweifel von keiner menschlichen Hand bezeichnet) gebildet wäre nicht anderst, als wie man den Verstorbenen auf der Todten Bahr zu mahlen pflegt. In Betrachtung dieses so seltsamen Zeichen kommt ihm gleich zu Gemüth, es könne nichts anders seyn, als ein klarer Vorbott seines anruckenden Sterb-Stündleins, und brache in diese Wort heraus: O, ich verstehe schon, was dieses Creutz bedeuten will. Rüstet sich darauf zum Tods-Kampf durch eine General-Beicht von dem ersten Alter an, mit vollkommener Ergebung in den göttlichen Willen, und Ubungen der vornehmsten Tugenden; als hätte er ihm in diesem seinem Todbethlein eine Tugend-Schul eröfnet, in welcher man die wichtigste Kunst auf Erden, nemlich recht, und Christlich zu sterben [668] lernen könnte. Denen Umstehenden (worunter vornehme von Adel, und Kriegs-Officier waren) triebe vor Zärtigkeit dieses Spectacul die Zäher in die Augen; ja auch manche Ordens-Männer, so gleichfalls zugegen waren, wünschten ihnen mit Galasso gleiches Ends von GOtt theilhaftig gemacht zu werden. Auf solche Weis, für die Ewigkeit wohl bereitet, gienge der Gottsförchtige Herr mit Tod ab im Jahr 1647. den 25. April. Jacob Schmid S. J. in dem Tyrolischen Ehren-Glantz 4ten Buch.

25. Begebenheit
Fünf und zwantzigste Begebenheit.
Ein Calvinischer Fürst hat kurtz vor seinem Tod einen förchtlichen Traum.

Dieser Fürst ware der bekannte Printz Wilhelm von Oranien, so der Urheber der Niederländischen Rebellion wider Philippum den 2ten König in Spanien, rechtmäßigen Herrn der Niederlanden gewesen. Diesem kame in dem Traum für, als sehe er vor sich Carolum den 5ten Römischen Kayser, der lang vorher mit Tod abgangen. Dieser redete den Printz also an: Kennest du mich, Wilhelm? Bist du nicht derjenige, so von dem 12ten Jahr deines Alters an meinem Hof erzogen worden, und zu grossem Ansehen kommen? Ich war ein Anfänger, und die eintzige Ursach alles deines Glücks und Wohlfahrt. Wie mißbrauchest du anjetzo aller meiner dir erzeigten Gutthaten? Wie widerspänstig bist du wider Philippum, meinen Sohn, König in Spanien, deinen rechtmäßigen Herrn? Diesen beraubest du seiner Authorität und Ansehen, auch der Niederlanden selbst, wider deinen gethanen Eyd und Pflicht. Ja nicht allein das: sondern du beraubest auch GOtt seines Diensts, und ihm gebührender Ehr, so ihm in den Kirchen der Catholischen, wie auch in denen Clösteren der Religiosen (so du verjagt) von so langen Zeiten her erwiesen worden. So bist du auch von der Catholischen, Apostolischen, Römischen Religion, und eingepflantztem Glauben (ausser welchem doch kein Seligkeit zu hoffen) meineidig abgefallen; wie nicht weniger von deinem König selbst, als deinem Obersten, und höchsten Gewalthabenden Fürsten und Herrn. Jetzt wisse, daß ich dich wegen diesem allem vor dem höchsten Richterstuhl GOttes anklagen, und die verdiente Rach wider dich begehren werde. Wehe dir! wehe dir in Ewigkeit! dann wie wirst du dich verantworten können? über diesen Traum ist der Printz aus seinem Schlaf mit solchem Schröcken aufgesprungen, als wann ihm ein gantzer Berg, ja die gantze Welt auf seinem Hertzen gelegen, und darum mit Schweiß also überronnen, [669] daß er sein Leinwath-Gewand zu verwechslen gezwungen war. Des Morgens, wie auch zu Mittag über der Tafel hatte er alles erzählt, was ihm in dem Traum vorkommen wäre, welches ihn dann also geängstiget, daß er solle getrachtet haben, sich mit dem König in Spanien wiederum zu versöhnen, wann ihn nicht denselbigen Tag noch der Tod überfallen, und gantz unverhoft aus dieser Welt hinweg genommen hätte, indem er von einem Burgundischen Edelmann, aus einem Antrieb, den er glaubte, daß er von GOtt käme, mit einer Pistol so mit 3. Kuglen beladen war, durchschossen worden. O mit was für einem Last der schweristen Verbrechen ist er vor GOttes Richter-Stuhl erschienen! wehe dir, du unglückseliger Printz! wehe dir in alle Ewigkeit! dann du nicht gestorben in dem Catholischen, und allein seligmachenden Glauben; als welchen du treuloser Weis verlassen hast. Wo liset man aber, daß du hierüber einige Reu und Leid erweckt habest? Wo? wo? nirgends. Solle nicht diese Begebenheit alle deines gleichen von dem Catholischen Glauben treuloser Weis Abgefallene erschröcken, und schwitzen machen? Hazart S.J. im dritten Theil seiner Geschichtenex Anonymo Tumultuum Belgicorum Scriptore.

26. Begebenheit
Sechs und zwantzigste Begebenheit.
Unseliger Tod Henrici des 8ten Künigs in Engelland.

Es hatte dieser Herr Anfangs seiner Regierung keinem klugen und gottseligen Fürsten was nach gegeben. Er hat sich dem ausbrechenden Schwarm des Lutherthums starck widersetzt; wider den Luther selbst ein Buch in Druck lassen ausgehen, und deswegen von Ihro Päbstlichen Heiligkeit Leone dem 10ten den Titul eines Beschützers des Glaubens erhalten. Er ware ein sonderbarer Liebhaber und Beförderer gelehrter Leuten; eiferig und beständig auch nach seinem Abfall in Verehrung des Altars, welches er in seiner letzten Kranckheit mit gebogenen Knien angebettet, wiewohl er von einem Calvinischen Bischof davon abgemahnet wurde. Hätte auch sonst viel Löbliches an sich gehabt, wann er nicht solche Gaben der Natur und des Glücks je länger je mehr durch ein lasterhaftes Leben verduncklet, und zuletzt gar ausgelöscht hätte. Diese machten, daß er mit der Zeit einen Verdruß ab seiner frommen Königin und Frauen Catharina, Caroli des 5ten Römischen Kaysers Frauen Mutter Schwester, überkommen ein scheinbaren Vorwand, die Ehescheidung von dem Päbstl. Stuhl zu erpressen, herfürgesucht; aber des gerichtlichen Ausspruches nicht erwartet; sondern in eigener Sach vorgegriffen, und an ihrer Statt Annam [670] Annam Bolenam zur Ehe genommen, ohnerachtet er zuvor mit ihrer Schwester und Mutter in Unzucht gelebt hatte, über welche Blutschand er noch darzu das Gespött getrieben: Dero er aber nach etlichen Jahren, weilen sie im Ehebruch erdappt worden, das Haupt abschlagen lassen. Nach dieser hat er ihm noch viel andere beygelegt, wormit doch sein ausgelassene Geilheit nicht vergnügt, sich in allerhand andere Schandthaten ausgegossen: Ist letztlich gar vom Catholischen Glauben abgefallen; hat der Ketzerey Thür und Thor eröfnet, und sich selbst für das Haupt (O gottloser, und vorhin niemahls erhörter Frevel!) der Engelländischen Kirchen aufgeworfen. Hierzu schlugen noch 2. andere Haupt-Laster, der Geitz, und die Tyranney: Jenes tribe ihn an, die geistliche Kirchen-Güter an sich zu ziehen, Clöster, und andere gottselige Stiftungen zu berauben: Diese gabe ihm das Schwerdt in die Hand wider allerhand Stands-Personen, Geistliche und Weltliche: Weilen sie seine ärgerliche Handlungen nicht billichen wolten, zu verfahren: Wie er dann über die 1000. jämmerlich hinrichten lassen; worunter Cardinäl, Hertzogen, Ertz-Bischöf, Bischöf, Grafen, Freyherren, Ritter, Dom-Herren, Aebbt, Vorsteher der Clösteren, Ordens-Männer, Priester, und Layen beyderley Geschlechts gezählt werden. Zu geschweigen erst allerhand neue Geld-Schätzungen, Pressuren, Steur-Anlagen, womit er seine Unterthanen beschwert, und ausgesogen hat. Also hielte Henricus Haus, und wurde mit ihm von Tag zu Tag ärger, bis ihn ein schwere Kranckheit ins Beth geworfen, daran er auch gestorben ist. Es begunte zwar das Gewissen sich alsdann zu rühren, und er Gedancken zu fassen, sich wieder mit der Catholischen Kirchen zu versöhnen; ist aber aus der Sach selbst nichts worden; und ermangelte nicht an Schmeichleren, welche ihm solches wiederum ausredeten. Er hat zwar den Franciscanern ihre bis dahin verschlossene Kirchen wiederum zugestellt auch darinnen auf Catholische Weis Meß zu lesen befohlen: Aber mit diesem wenigen ware darum der so viel andern geistlichen Güteren zugefügte Schaden nicht erstattet. Er hat auch in seinem Krancken-Zimmer dieses heilige unblutige Opfer verrichten lassen, und unter einer Gestalt das Hochheilige Sacrament des Altars, als die letzte Weegzehrung, ehrentbietig empfangen: Daß er aber hertzlich seine Sünden bereuet, gebeichtet, von einem Gewalt-habenden Priester davon entbunden, und des geistlichen Bannes entlassen worden, liset man nicht: wohl aber, daß er in seinen grösten Leibs-Schmertzen keinen anderen Trost gehabt, als einen Trunck Wein, den er begehrt, und auch erlangt hat. Bald darauf wendete er sich gegen den Umstehenden, und sprache mit einem lauten Seufzer: Nun haben wir alles verlohren. Ja fürwahr, alles hat Henricus verlohren: Ehr, Reich, guten Namen, Leib, Leben, und besorglich [671] auch die Seel: Welches noch ein anderen Umstand glaubwürdig macht; dann kurtz, ehe er in die Züg griffe, hörte man ihn zum öfteren diese Wort wiederholen: Mönch! Mönch! Mönch! gleichsam sehe er vor sich diejenige Geistliche, die er in grosser Anzahl Tyrannischer Weis verfolgt, vertrieben, um Gut und Blut gebracht, nunmehr aber um Rach wider ihn schryen. In solchen Schmertzen, Gewissens-Aengsten, und Verwirrungen gabe er den Geist auf.

Also hat sich verändert Heinrich der 8te König in Engelland, der aus einem frommen zu einem last erhaften Fürsten; aus einem milden Regenten zu einem Wütterich; aus einem eifrigen Catholischen zu einem giftigen Ketzer; aus einem Beschützer der Kirchen zu einem Verfolger der Kirchen worden. Also hat er gelebt; also ist er gestorben.


Also erkaltet man im Geist; also nimmt man nach und nach in Tugenden ab, und in Sünden zu; also fahrt man in die Höll hinunter. Rauscher S.J.P. 3.Dominicalis pro Dom. Sept. ex Florim. Ræmundo P. 2. c. 1. & 5.

27. Begebenheit
Sieben und zwantzigste Begebenheit.
Thomä Mori, Weiland Engelländischen Reichs-Cantzlers gottsförchtiger Lebens-Wandel, und für die Ehr des Catholischen Glaubens starckmüthig-ausgestandener Tod.

Dieser vortrefliche Mann war gebohren zu Londen, der Haupt-Stadt in Engelland, aus adelichen Geschlecht. Sein Vatter ware Ritterlichen Stands, Johannes Morus mit Namen, gegen welchem sein Sohn Thomas ein solche kindliche Ehrenbietigkeit getragen, daß er auch schon würcklich mit der Würde eines Reichs-Cantzlers bekleidet in dem Pallast West-Münster in Versammlung und Gegenwart aller Land Ständen vor ihm auf die Knie niedergefallen, um seinen Seegen zu empfangen: Welches er auch, unangesehen seines hohen Amts und Würdigkeit täglich zu thun nicht unterlassen, ehe und bevor er Abends spat sich zu der Ruhe begeben. Ein herrliches Beyspiel allen rechtgeschaffenen Kinderen, was für Ehrenbietigkeit sie denen schuldig seyen, von welchen sie Blut und Leben empfangen haben.


Als er noch ein Jüngling war, und seinem Studieren oblage, hatte er im Brauch seinen Leib mit einem härinen Kleid umzugurten, und ihn also inner den Schrancken der Gebühr zu halten. Er schlafte bisweilen auf blosser Erden, oder auf einem flachen Brett; und war sein nothwendige [672] Ruhe mit 4. oder 5. Stunden abgemessen. Und ob er zwar dem Fasten und Abbruch, auch dem vielen Wachen ergeben war, so wußte er doch dieses alles so fein und artlich zu verbergen; daß solches sehr wenig, die um ihn waren, haben mercken können.

Nach löblich-vollbrachtem Studieren, als ein junger Mann von ungemeiner Gelehrt- und Geschicklichkeit hat er 14. verschiedene Aemter eben so viel Jahr lang zum Besten des Reichs, und gemeinen Weesens verwaltet, mit solchem Vergnügen des in vorgehender Begebenheit gedachten Königs Heinrich des 8ten, daß ihn dieser zur Würde eines Reichs-Cantzlers erhoben, welchem Amt er so lobwürdig vorgestanden, daß er von Männiglich geliebt und gelobt war: Dieweil er nemlich die Gerichts-Händel mit höchster Gerechtigkeit administrirte; wie aus folgendem klärlich zu ersehen ist.


Sein eigener Tochtermann, Aegidius Heron, führte einen Gerichts-Handel, welchen Morus nach Recht und Billichkeit entscheiden solte. Als er aber gemerckt, daß dieser Handel auf keinem guten Grund stunde, hat er ihn in der Stille freundlich ermahnt, davon gutwillig abzustehen. Als aber der Tochtermann solche Erinnerung nicht annehmen wolte, sondern den Rechts-Handel fortsetzte, hat Morus mit Hindansetzung aller natürlichen Neigung den Ausspruch wider seinen eigenen Bluts-Verwandten gethan. O daß sich die Richter der gantzen Welt hierüber spieglen wolten!

Mit dieser so löblichen Gerechtigkeit stimmte überein seine Andacht und Gottsförchtigkeit. Sein erstes Werck bey anbrechenden Tag vor allen anderen Geschäften war die Anhörung der Heil. Meß, welche Andacht er so vestiglich hielte, daß, obwohlen er zu Zeiten 2. oder 3. mahl vor dem König zu erscheinen beruffen wurde, er doch, ehe und bevor das Meß-Opfer vollendet war, dem Befehl zu folgen unterlassen, sprechend zu denjenigen, die ihn zu schneller Unterbrechung seiner Andacht trieben, er hätte nur einem grösseren, und höheren Herrn seinen schuldigen Dienst zu erstatten, als sein König wäre: Müßte also nothwendig zuvor denselben vollbringen. O Gottsförchtigkeit! würdig, daß sie auch von denen grossen Herren dieser Welt gelobt werde! wann sie anderst gedencken wollen, daß sie gegen GOTT mehr nicht seynd, als ein Hand voll Staub und Aschen.


So oft Morus von Hof nach Haus gekehrt, pflegte er sich alsobald in seine Haus-Capell zu verfügen, um sein Gemüth zu reinigen, wann ihme etwann von den Hof-Geschäften einige Mackel, oder Gebrechen angeklebet.


Unangesehen, daß er Reichs-Cantzler war, hatte er in seiner Pfarr-Kirch sich neben seinem Pfarrer mit einem Chor-Rock angethan, gesetzt, und [673] die Kirchen-Gebett abgesungen. Und als ihn jemand hierüber getadelt, daß dieses vor seine Würdigkeit unanständig wäre; und wann solches dem König solte zu Ohren kommen, es ihme gewißlich hoch mißfallen wurde: antwortete Morus, er seye versichert, daß derjenige Dienst, so er dem Herrn aller Königen leiste, seinem König nicht mißfallen könte. Es war auch seine Gewohnheit, daß er dem Priester zum Altar gedienet, und in den offentlichen Umgängen, so in seiner Pfarrey gehalten wurden, sich nicht gescheuet, das Creutz vorzutragen, da er schon mit der Würde des Reichs–Cantzlers geziert ware.


Mithin war er so mild und barmhertzig gegen den Armen, daß er alle Strassen und Winckel durchloffen, und sie in ihren eigenen armen Behausungen aufgesucht, das Allmosen mitzutheilen, nicht nur mit 2. oder 3. Groschen; sondern oftermahlen 3. oder 4. Gold-Cronen: oder wann ihm solches in eigener Person, wegen Viele der Geschäften unmöglich fiele, hat er derenthalben seine Hausgenossene abgesandt; hat auch oft die Arme an seine selbst eigene Tafel geladen, und sie gantz freundlich und mit grosser Fröhlichkeit besprochen. Ja ein arme Wittib, so in Gerichts-Händlen alles das ihrige eingebüßt, hat er in sein eigenes Haus genommen, und sie auf seine eigene Unkösten Lebenlänglich erhalten. Endlich hat er allen Wittiben in Gerichts-Processen umsonst gedient.

Als Reichs-Cantzler gienge er oftermahls in die offentliche Versamlungen mit einem härinen Kleyd heimlich angethan; und geißlete sich alle Freytag, wie auch an allen Quatember-Tägen, und Feyerabend der lieben Heiligen.

So war er auch in allen seinem Handel und Wandel so redlich und aufrecht; auch ein so grosser Verachter der Reichthumen, daß er in allen seinen Aemteren, so er vom 20ten Jahr seines Alters bis auf das 50te bedienet, nicht mehr jährlich als 60. Gold-Cronen vorgeschlagen; da doch ein anderer in solchen Aemteren innerhalb 5. Jahren wohl 60000. wurde vorgeschlagen und gewonnen haben.


Was sein Haus-Weesen belangt, konte selbiges mit Wahrheit ein wohleingerichtete Schul der Christlichen Vollkommenheit benamset werden. Die erste und gröste Sorg ware die Gottsförchtigkeit. Man hörte da weder Zanck noch Hader, noch einiges ungebührliches Wort; viel weniger schelten, schwören und fluchen. Bis auf den geringsten Diener thate ein jeder sein Amt mit aller Vollkommenheit und Gebühr, gantz emsig und treulich. Man sahe da niemand mit Karten, Würflen, noch anderem verbottenen Spiel umgehen. Zu Abends, ehe man sich zur Ruhe begabe, mußten alle Haus-Genossene sich in einem Saal versammlen, um für die Lebendige, und Todte zu betten, und solches beschliessen mit dem Gruß an die allerseeligste Jungfrau [674] und Mutter GOttes mit dem Salve Regina: Gegrüßt seyest du Himmels-Königin. Täglich über Tisch hat eine seine Töchteren aus der Heil. Schrift so lang müssen vorlesen, bis ihr ein Zeichen gegeben war, damit inzuhalten. Auf welches hin die meiste Zeit mit Fragen und Antworten zugebracht wurde, wie die schwereste Stellen der Heil. Schrift zu verstehen, und auszulegen wären.


Da er also sein Leben in aller GOtts-Forcht zubrachte, hat es sich zugetragen, daß der König aus gottlosem Frevel angefangen, sich für das Ober-Haupt so wohl in geistlichen, als weltlichen Sachen durch sein gantzes Reich aufzuwerffen. Wie ihm nun viel von seinen Unterthanen hierin geschmeichlet, wolte er vernehmen, ob ihm auch Morus in dieser Sach beyfallen wurde. Es wurde ihm also der Eyd aufgetragen, den König für das Ober-Haupt der engelländischen Kirchen zu erkennen. Allein Morus weigerte sich solches zu thun, vorwendend, wie daß solches Begehren sowohl wider das göttliche Recht, als Aussprüch der Heil. Vätteren, und Kirchen-Versammlungen lauffe. Bitte demnach, man wolte ihn mit solchen Andringen verschonen: dann er niemahl etwas thun wurde, so wider GOtt, und sein Gewissen wäre. Allein der König unterliesse nicht alle erdenckliche Mittel anzuwenden, dieses standhaftige Hertz zu brechen, und nach seinem Sinn zu biegen; welches doch alles vergebens und umsonst gewesen. Endlich ward Aloysia, seine Gemahlin zu ihm gesandt, ob sie nicht etwann mit Zäheren und Weinen (welches der Weiberen gewöhnliche Waffen seynd) wie auch durch die Liebe, mit welcher ihr Morus zugethan war, etwas zu wegen bringen könte. Wo sie ihm aber zugleich bedeuten solte, daß, wofern er sich nicht nach des Königs Willen schicken wurde, er nicht allein in dessen höchste Ungnad; sondern auch grosse Gefahr das Leben zu verliehren kommen wurde. Solle demnach mit ihr und seinen lieben Kindern Mitleyden tragen, und seines Lebens nicht vergessen, welches er noch viel Jahr lang in Ehren, und Kommlichkeiten zubringen konte. Auf dieses Zusprechen fragte sie Morus: wie lang dann, mein liebste Aloysia! wie lang vermeint ihr, daß ich noch leben könne? noch 20. Jahr (versetzte sie) wann es GOtt also beliebet. Wie? (sagte hierauf Morus) so verlangt ihr dann, daß ich die lange Ewigkeit mit 20. Jahren vertauschen solle? Ey! mein Aloysia, ihr seyd wohl unvorsichtig, und verstehet euch wenig auf die Kauf-Mannschaft. Wann ihr mich aufs wenigst versicheren köntet noch auf 20000. Jahr hinaus mein Leben zu erstrecken, liesse es sich vielleicht noch hören. Aber auch alles dieses, was wäre es gegen der unendlichen Ewigkeit zu rechnen? Gehet demnach fort, woher ihr seyd kommen. Ihr werdet mich in Ewigkeit nicht überreden. Mit diesen Worten hat er sie entlassen, und abgefertiget.

[675] Als mithin der König verstanden, daß diesem standhaftigen Hertz nichts abzugewinnen seye, branne er im Zorn auf, und befahle; daß man ihm den Proceß machen solte; welches dann auch von dem königlichen Rath geschehen, als welcher Morum zum Tod verurtheilt hat. Hierauf ist er in die Gefängnuß geführt worden: wo sich aber auf dem Weeg ein klägliches Spectacul ereignet, daß vor lauter Traurigkeit die Hertzen aller Zusehenden hätten in Stuck u. Trümmer zerspringen mögen. Dann als Margaretha, die ältiste Tochter Mori, welche ihren Vatter unaussprechlich liebte, verstanden, daß über ihn das Urtheil des Tods wäre gefällt worden, ist sie ihm ungesaumt entgegen geloffen, entweders von ihm den letzten Abschied zu nehmen; oder wenigst seiner noch einmahl ansichtig zu werden, und diesen letzten Trost ihren Augen zu vergönnen. Darum sie dann das andringende Volck mit Gewalt durchbroch, und die Soldaten-Wacht zertheilt hat. So bald sie nur ihren Vatter gesehen, und erreicht, fiele sie ihm um den Hals, und nachdem sie ihn ein geraume Zeit (ohne eintziges Wort zu verliehren) mit beyden Armen geschlossen, und vest gehalten, hat sie. endlich mit Zäheren gantz übergossen mit halb gebrochener Stimm aufgeschryen; ach mein allerliebster Vatter! unter diesem so kläglichen Umfangen, und Umhalsung sprache Morus zu seiner Tochter; Margaretha! O Margaretha! mein liebes Kind schicke dich doch zur Christlichen Gedult. Warum wilst du dich also quälen und betrüben? siehe das ist der Willen GOttes. Du hast vor längst schon alle Heimlichkeit meines Hertzens verstanden. Hat ihr zumahlen, auch zum letzten Abschied den vätterlichen Kuß gegeben. Kaum aber war sie 9. oder 10. Schritt von ihme entfernet, da sie durch Liebs-Gewalt angetrieben, wiederum zuruck, und zu ihrem Vatter geloffen; ihme um den Hals gefallen; aber vor Traurigkeit also bestürtzt, und mit Zäheren überflossen, daß sie vor Schmertzen gantz Sprach-los kein eintziges Wort aussprechen konte. Und ob gleich Morus sich gantz standhaftig erzeigt, konte er sich doch nicht enthalten, daß ihm nicht die Zäher aus den Augen geschossen, zu guter Letze aber nichts anders gesprochen, als allein dieses: Margaretha! Mein liebes Kind! bitte GOtt für mein Seel. Bey diesem so erbärmlichen Schau-Spiel seynd allen denen, so zugegen waren, die häuffige Zäher aus den Augen geschossen, und kan man leichtlich erachten, was für ein scharf-schneidendes Schwerd das Hertz Mori durchdrungen habe, als er sein liebste Tochter, die er mehrer als seinen eigenen Aug-Apfel geliebt, um den Hals liegen gesehen, mit Zäheren gantz übergossen, mit welchem sie die graue Haar ihres liebsten Vatters benetzt hatte. Nichts destoweniger sahe man bey allen diesen [676] Trübseeligkeiten in dem Angesicht Mori keine unanständige Schwachheit, oder ungebührende Verzagenheit.


Nachdem nun entzwischen 5. Täg verstrichen, ward dieser tapfere, und unüberwindliche Christliche Held offentlich vorgestellt, und nach dem Platz geführt, wo er des Tods sterben, und seinen unvergleichlichen Geist aufgeben solte. Er truge die Bildnuß seines gecreutzigten Heylands in den Händen. Sein Kleyd und Aufzug war schlecht. Die Augen erhebte er gen Himmel wo sein Hertz und Gemüth schon längst waren. Mitten auf dem Weeg ward ihm zur Labung von einer barmhertzigen Frauen-Person ein Trunck Weins anerbotten; dessen er aber sich bedanckte, und solchen anzunehmen weigerte, sprechend: Christus seye in seinem bitteren Leyden nicht mit Wein; sondern mit Gall und Eßig getränckt worden. Als er nun das Toden-Ge rüst erreichet, ergriffe er die Hand eines Herumstehenden, und sprach: guter Freund! helft mir, damit ich die Stiegen hinaufsteigen möge. Seyd versichert, daß ich euch im herabsteigen kein Mühe mehr machen werde. Als er schon droben stunde, ward ihm verbotten, zum Volck zu sprechen. Sprache demnach mit kurtzen Worten: liebe Brüder! ich betheure, daß ich sterbe, als ein getreuer Diener GOttes, und des Königs; und in der Catholischen Religion. Nach diesem fiele er auf die Knye, und bettete mit heller Stimm den Psalmen Davids: erbarme dich meiner, O HErr! nach welchen er wiederum aufgestanden. Da aber der Scharf-Richter hinzugetretten, und ihn um Verzeyhung gebetten, fiele er ihm um den Hals, und steckte ihm ein Gold-Cronen in die Hand, sprechend: du wirst mir jetzt eine grössere Gutthat erweisen, als mir jemand auf der Welt jemahls bis auf diese Stund erwiesen hat. Da er ihm hernach die Augen verbinden wolte sprache Morus komme nur: ich will dir selbst helffen. Dieses vollbracht, legte er sein Haupt auf den darzu bereiteten Block, da ihm dann selbiges durch den Mord-Beyl auf einen Streich abgeschlagen worden. O glorreicher Tod dieses vortreflichen Manns! O unauslöschliche Schand Henrici des Königs, der seine Händ in einem so edlen, und unschuldigen Blut hat waschen därffen! wie ungleich ist jetzt beyder Zustand in der andern Welt! O wie ungleich! Morus in dem Himmel. Henricus (besorglich) in der Höllen. Dann was wartet auf einen Verfolger des wahren und allein seeligmachenden Glaubens anders, als das höllische Feuer? Hazart S.J. Part. 3. seiner Engelländischen Kirchen-Geschichten.

Lächerliche, Meistentheils aber Sinn-reiche Reden, und Antworten

[677] Lächerliche, Meistentheils aber Sinn-reiche Reden, und Antworten, Welche Zwischen unterschiedlichen Leuten vorgefallen.

1.

Ein armer Mann bettelte zum österen bey einem Reichen von Adel um einem Heller; bekame aber meistentheils anstatt des Allmoosens nichts, als einen Hauffen der Schelt-Worten. Einsmahls aber empfande dieser Edelmann grosse Schmertzen an dem einten Knye: Weßtwegen er dem Armen ein Allmosen gab, und zu ihm sagte, er solte für ihn betten, damit er bald wiederum möchte gesund werden. Allein anstatt dessen seuftzete der Arme in seinem Gebett zu GOtt, und wünschte, daß dem Edelmann das andere Knie auch wehe thun solte: damit er desto freygebiger wurde.


2.

Ein Frantzoß hatte einen Welschen auf den Degen heraus gefordert, weil sich dieser seines Wappen angemasset. Als sie nun auf dem Platz erschienen waren, fragte der Welsche seinen Gegentheil: Was führest du in deinem Wappen? Der Frantzoß antwortete Einen Ochsen-Kopf. So ist es dann nicht nöthig (sagte der Welsche) daß wir uns darum schlagen: dann in meinem Wappen stehet nur ein Kuhe-Kopf.


3.

Es kame einer zu einem gewissen Herrn, von welchem er drey Viertel Korn entlehnen wolte. Zu diesem sagte der Herr: Gehe nur auf den Korn-Boden, und nimme so viel Korn, als du verlangst. Als nun dieser kein Korn fande, hinterbrachte er solches dem Herrn. Darauf fragte dieser: Hast du dann dasjenige, was du verwichenes Jahr von mir entlehnet, nicht wiederum auf meinen Korn-Boden geliefert? wohlan! so messe es dir selbsten zu, daß du keines allda findest.


4.

Alls einer seinen Schuldner, deme er ein grosse Summa Gelds geliehen, in der Toden-Bahr liegend gesehen, sagte er: Wahrhaftig, dieser Mensch ist nur darum gestorben, damit er mich nicht bezahlen müsse.


[678] 5.

Als einige Cavaliers mit einander stritten, welcher am ersten solte die Stiegen hinuneer gehen, mithin ein lustiger Schreiber denen häufigen Complimenten wolte Platz machen, geschahees, daß er durch einen Fehltritt unversehens die Stiegen hinunter bürtzlete. So bald er aber wieder aufgestanden, rufte er hinauf: Ihr Herren, wollen sie nicht bald nachfolgen? worüber ein Gelächter entstanden, und der Präcedentz-Streit ein End hatte.


6.

Ein armer Schlucker wohnte in einem Haus, in welchem nichts zu finden ware. Einsmahls schleichte bey Nacht ein Dieb hinein, welcher mit der Hand überall herum langte, um zu erfahren, ob nichts daselbst zu stehlen wäre. Als der Arme solches merckte, sagte er: Greiffe nur herum, so lang du wilst, ich will gern sehen, ob du dasjenige bey Nacht hier finden werdest, was ich beym Tag nicht finden kan.


7.

Als einer bey einem Gastmahl ware, wurde ihm ein Becher Wein zugebracht, in welchem er, da er ihn an den Mund setzte, eine todte Fliegen fande. Solche nahme er heraus, warfe sie aber, als er getruncken hatte, wiederum hinein. Als man ihn nun um die Ursach fragte, gabe er zur Antwort: Ich meines Theils bin kein Liebhaber von den Fliegen, wer weißt es aber, ob nicht vielleicht jemand in der Gesellschaft ist, der einen Lust darnach hat.


8.

Es hatte einer seinen Diener zu einem Krancken geschickt, welcher an einem Aug blind ware. Als nun der Diener zuruck kame, und fragte, wie sich der Krancke befinde, antwortete jener, er seye gestorben, und habe er ihn sterben gesehen. Hierauf fragte der Herr, ob ihn das Sterben auch schwer ankommen seye: Der Diener antwortete, nicht so schwer als andere, dieweil er nur ein Aug hat därfen zuthun.


9.

Einer sagte zu dem anderen: Ich muß wohl lachen, wann ich höre, daß du mich wollest über den Dölpel werfen. Ich wolte dich alle Tag hundert mahl auf dem Marckt verkauffen. Worauf der andere zur Antwort gabe: Das getraute ich mit dir nicht zu thun, wann ich dich schon auf hundert Märckt truge. Wormit er andeuten wolte, es seye sein Gegentheil nicht so viel werth, daß man ihn verkauffen könnte.


10.

Als einer einen armen Mann fragte, wovon er lebte? da gabe er zur Antwort: Ich weiß es nicht. Wann du mich aber fragest, wovon ich sterbe, so sage ich, vom Hunger.


11.

Ein geitzige Frau vermischte ihren Dieneren den Wein mit gar zu vielem Wasser. Als nun einer derselbigen mit vollen Backen über Tisch wacker darauf frasse, sagte sie aus Kargheit zu ihm: Wann wird deine Mühle einmahl still stehen? da antwortete er:


[679] Das wird sobald nicht geschehen: dann ihr machet, daß es uns an Wasser niemahls manglet.


12.

Einer rühmte sich, er werde niemahls müde, seinen Freunden zu dienen: Worauf ihm geantwortet wurde: Du wirst niemahls müde, weil du niemahls anfangest.


13.

Es hatte einer eine Wunde am Kopf bekommen, weilen er zwischen zweyen Zanckeren hat wollen Frieden machen. Als nun ein berühmter Artzt gesehen, daß der Barbierer mit einem Instrument in die Wunden hinein langte, um zu erfahren, ob vielleicht das Hirn verletzt wäre, da sagte ihm der Artzt: Wie bist du nicht so einfältig weißt du nicht, daß wann er ein Hirn gehabt hätte, so wurde er darvon geblieben seyn?


14.

Man fragte einen, wie man es machen müsse, daß die Leut ein Verlangen nach einem trugen, wan man gestorben wäre? da gabe er zur Antwort, man müsse viel Schulden hinterlassen.


15.

Ein Herr fragte einen Narren, den er mit sich führte: Wie viel meinest du, daß man Körb haben müsse wann man diesen Berg, den wir vor uns sehen, abtragen wolte. Darauf antwortete der Narr also: Herr! wann einer einen Korb hätte, darein die Helfte des Bergs gienge, der brauchte nur zwey Körb.


16.

Ein Maurer fiele zu seinem Unglück von einem hohen Dach herunter, und traffe einen Mann, welcher auf der Erden sasse, dergestalten, daß derselbe starb. Dannenhero der Sohn des Ertödteten den Maurer alsobald für Gericht forderte, und ihn des Todtschlags beschuldigte. Der Angeklagte aber vertheidigte sich folgender massen: Mein Freund! ich wil für das, was geschehen ist, gern büssen. So steige dann selbst auf das Dach hinauf, von welchem ich herunter gefallen, und ich will mich dorthin setzen, wo dein Vatter gesessen ist Alsdann falle auch du von oben herunter, und bringe mich gleichfalls um.


17.

Es wurde in einer Gesellschaft berathschlaget, ob es zur allgemeinen Wohlfahrt besser wäre, wann man in dein Städten gar keine Artzt hätte? worbey das Exempel der Stadt Rom angeführt wurde; welche sich ungefehr sechs hundert Jahr ohne dergleichen Personen erhalten. Mitten unter dem Gespräch kame ein sinnreicher Welsch darzu, welcher sagte: Ich bin der Meinung, und halte darvor, daß die Artzt sehr nöthig seynd; indem sonst die Anzahl der Menschen also anwachsen wurde, daß die Welt nicht weit genug für sie wäre.


18.

Ein Welscher ware dermassen geitzig, daß er keinen Wein aus dem Keller holen liesse, wann derselbe nicht zuvor angefangen, saur zu werden. Als dannenhero sein Diener von einem gefraget wurde, was sein Herr zu Haus mache? gabe er zur Antwort: Erwartet, bis der Wein saur werde.


[680] 19.

Ein gewisser Herr gienge einstens durch ein Straß, und sahe einen Jüngling aus einem verschreyten Haus gehen, welcher schamroth wurde, weilen ihn dieser Herr gesehen hatte. Dieser aber sagte zu ihm: Sohn, schame dich nicht, wann du aus einem solchen Haus heraus gehest, wohl aber, wann du hinein gehest.


20.

Als einer diesem Herrn mit einer weitläuftigen Red überlästig ware, und zuletzt zu ihm sagte: mein Herr! ich bin euch villeicht mit allzu vielem Reden beschwerlich gewesen, da antwortete er: O nein, dann ich hab nicht Achtung geben, was du gesagt hast.


21.

Als einer gefragt wurde, was er meynte nöthig zu seyn, daß Mann und Weib einig und ohne Streit miteinander lebten? antwortete er: hierzu wurden nur zwey Ding erfordert: nemlich, daß der Mann taub, und die Frau blind wäre; diese zwar, damit sie viel unziemliche Ding nicht sehe, so der Mann thut; jener aber, damit er die Frau im Haus nicht brumlen höre.


22.

Als ein Beamter sahe, daß er auf Angeben einiger Hof-Bedienten von seinem Fürsten übel gehalten wurde, nahme er sich vor seinen Abschied und ruckständige Besoldung zu forderen. Hierzu fande er aber kein andere Gelegenheit, als da der Fürst auf ein gewisse Zeit eylfertig verreysen müßte, über welches er voller Unmuth ware. Nichts destoweniger machte sich der Beamte herzu, und bate um Erlaubnus, ihme nur drey Wort zu sagen. Worüber der Fürst noch mehr erbittert wurde, und mit Fluchen und Schwören zu ihm sagte, er sollte sich wohl vorsehen, daß es nur drey Wort wären, sonsten würde es übel mit ihm ablauffen. Dahero jener geschwind antwortete: Geld oder Abschied. Ueber diese kurtze Bitt wurde der Fürst dermassen vergnüget, daß er ihn lieb gewanne, und reichlich belohnte.


23.

Eines Artzten Ehe-Frau gedachte, sie könnte ihren Mann nicht besser rühmen, als wann sie sagte, es wären viel Fürstliche und vornehme Stands-Personen in seinen Armen gestorben. Er aber antwortete; es wäre besser, sie wären in seinen Armen gesund worden.


24.

Ein Uebelthäter bekennte alles, da er vor Gericht um sein Verbrechen befragt wurde. Sagte aber, er habe noch etwas schlimmers gethan: als man nun wissen wolte, was solches wäre? antwortete er: daß ich mich hab hieher führen lassen.


25.

Einer wurde gefragt, wem man ein Geheimnus am sichersten vertrauen könnte? welcher antwortete: einem Lugner. Dann wann ers offenbahret, so glaubt ihm niemand.


26.

Eben derselbe sollte sagen, welche Unterthanen die Unglückseeligste wären? [681] worauf er zur Antwort gabe: diejenige, welche vielen Herren un-terworffen seynd. Dann viel Säck seynd schwerer zu füllen, als einer.


27.

Ein Kaufmann verkaufte einem etwas, welcher sagte, der Preyß seye allzu hoch, man müsse ihn nicht so theur bieten, weil er ein guter Freund wäre. Worauf der Kaufmann antwortete: mein Herr, man muß von den Freunden etwas gewinnen, weilen die Feind nicht in Laden kommen.


28.

Als einstens auf dem Meer ein grosses Ungewitter entstunde, und eben dazumahl ein starck beladenes Schif darauf begriffen war, befahle der Schif-Patron, daß ein jeder seine schwehreste Sachen ins Meer werffen sollte, um das Schif hierdurch zu erleichteren. Solchemnach fassete einer von den Reysenden seine Ehe-Frau, in Willens, selbige ins Meer hinaus zu werffen. Und als er um die Ursach gefragt wurde, gabe er zur Antwort: er habe nichts unter seinen Sachen, die ihn so sehr beschwehren, als seine Frau.


29.

Als ein Abgesandter vor einem König eine lange Red thate, fragte er zuletzt den König, was er dem hohen Principal, von dem er abgesandt worden, vor eine Antwort bringen sollte, nichts anders (gabe er zur Antwort) als daß du immerfort geredt, ich aber still geschwiegen.


30.

Einer rühmte sich gegen dem anderen, und sagte: ich hab mehr vergessen, als du gelernet hast. Dieser aber antwortete: ohne Zweifel hast du auch die Demuth vergessen.


31.

Ein Baur kame in eine gewisse Stadt in Teutschland, allwo ihn ein Burger fragte, was er daselbt thun wollte? als nun jener antwortete, er wollte Recht hohlen, welches bey den Teutschen so viel heisset, als bey der Obrigkeit klagen, so fuhre ihn der Burger in Schertz an, und sagte: packe dich fort, wir haben selbsten nicht viel Recht allhier übrig, und also keines zu vergeben.


32.

Eine Frau fragte, wie sie es machen müsse, wann ihr Mann zu zancken, und zu schelten anfienge? worauf ihr der Rath gegeben wurde, sie solle den Mund voll Wasser nehmen, und selbiges nicht ehender ausspritzen, biß der Mann stillgeschwiegen.


33.

Es war ein Koch bey einem Edelmann in Diensten, welcher sehr gesparsam Haus hielte. Dannenhero jener sich entschlossen, seinen Abschied zu begehren. Als ihn nun der Herr fragte: ob ihm dann der Dienst nicht anständig wäre, und ob er seinen Lohn nicht richtig bekommen hätte? da antwortete er mit ja; fügte aber hinzu, er trage Sorg, er werde seine Kunst vergessen, wann er länger bey ihm verbleiben wurde.


34.

Als ein armer Sünder, welcher gehenckt werden sollte, sahe, daß jedermann zulieffe, sagte er zu ihnen:


[682] liebe Leuth, eylet nicht so sehr, ihr werdet doch ohne mich nichts ausrichten.


35.

Einer setzte dem anderen ein klein Glas voll Wein vor, und rühmte darbey, daß der Wein 16. Jahr alt wäre. Worauf jener antwortete: Fürwahr, bey solchem Alter ist er noch sehr klein.


36.

Als ein dicker Mann zu einer Stadt hinein ritte, sagten einige Spötter zu ihm: ihr macht es gantz anderst, als andere Menschen, indem ihr euer Felleisen vornen her führet. Worauf er zur Antwort gabe so muß man es in dem Vatterland der Dieben machen.


37.

Ein Herr befahle seinem Diener bey einem Metzger, mit Namen David, Kuttel-Fleck zu kauffen, und hernach zu dem Herrn in die Predig zu kommen. Dieses thate der dumme Knecht, und als er eben in die Kirchen hinein tratte, sagte der Prediger, was sagt David? worauf jener antwortete: die Kuttel-Fleck seyen schon verkauft.


38.

Alldieweil ein gewisser Richter nicht gern haben wollte, daß ein Hencker, den er von weitem her hatte hohlen lassen, seine Mühe umsonst sollte angewendet haben, so sagte er zu den Beysitzeren des peynlichen Gerichts: ihr Herren! ich wäre zwar wohl der Meynung, daß der Angeklagte sollte losgesprochen werden. Weil aber der Hencker schon angelangt ist, so wird es rathsamer seyn, wann wir den Gefangenen hencken lassen, sonsten wird man den Hencker ein andermahl nicht wieder bekommen, wann man seiner benöthiget ist.


39.

Als sich einige Dom-Herren beklagten, daß ihr Organist auf der Orgel so übel schluge, sagte dieser zu seiner Entschuldigung: ihr Herren, der Balgtretter, den ihr mir zugegeben, ist schuldig daran.


40.

Durch ein Städtlein, welches vor kurtzem noch ein Dorf gewesen, nunmehro aber das Stadt-Recht bekommen hatte, reysete ein Student, welcher aber die Einwohner Burger zu heissen vergasse. Als sich nun dieselbe hierüber beschwehrten, liesse er diese stachelte Frag an sie ergehen. Als ich vor einem Jahr durchreysete, waren nur Bauren hier, wo seynd dann dieselbe hinkommen?


41.

Ein alter Hauptmann, welcher sehr dick und schwehr von Leib war, ritte einsmahls in Gesellschaft eines jungen Fürstens, und einiger anderen jungen Herren ins Feld, und sasse auf einem kleinen Pferd, auf welchem er sehr hin und her wanckte, weilen ihn bereits das hohe Alter druckete. Mit diesem wollte der junge Fürst seinen Schertz treiben, und sagte zu ihm: fürwahr, wer euch also zu Pferd sehen sollte, der wurde euch den Gebärden und der Gestalt nach für einen leibhaften Metzger halten. Und nicht ohne Ursach [683] verständiger, und verwegener Jüng-Ursach antwortete der Hauptmann: dann ich führe anjetzo Kälber auf den Marckt. Worauf der junge Fürst versetzte: ich bin in Wahrheit redlich bezahlt, ihr seyd mir nichts mehr schuldig.


42.

Ein einfältiger Mensch legte einen leeren Wasser-Krug an statt eines Polsters unter den Kopf, weilen ihm nun derselbe zu hart war, füllete er selbigen mit Stroh. Und als er um die Ursach gefragt wurde, antwortete er: damit ich desto weicher darauf liegen möge.


43.

Als einsmahls eine gar grosse Menge Volcks auf einem Schif war, entstund ein grausames Sturm-Wetter, also, daß jedermann das Leben hinschätzte. Weil nun einer vonder Gesellschaft sahe, daß keine Hofnung übrig wäre, aus der Gefahr zu entrinnen, machte er seinen Rantzen, so mit Brod und gerauchtem Fleisch angefüllt war, auf, und fienge an wacker zu essen, da immittelst die andere weynten. Dannenhero der Schif-Patron zu ihm sagte: mein Freund, was macht ihr? sehet ihr dann die Gefahr nicht, darinnen wir schweben? ja, ich sehe sie wohl, gabe jener zur Antwort. Und weilen ich weiß, daß wir bald genug zu trincken bekommen werden, so kan ich ja nicht besser thun, als daß ich zuvor esse; um also ein gutes Fundament zulegen, dann es ist mir unmöglich nüchtern zu trincken.


44.

Eine Frau klagte wider ihren Mann vor Gericht, weilen sie von ihm sehr übel wäre gehalten worden. Allein der Beklagte stellte sich unerschrocken vor dem Richter, und sagte zu seiner Verantwortung: als er bey seiner Frau beym Tisch gewesen, seyen sie in eine Zwistigkeit gerathen; worauf sie gesagt, es solle alles kurtzum nach ihrem Kopf gehen. Hierauf habe er geantwortet, weilen sie es also verlangte, so seye er auch damit zufrieden, und zu solchem End habe er ihr alles nach dem Kopf geworffen, was er auf dem Tisch gefunden.


45.

Ein armer Reisender gienge zu der Mittagszeit in ein Wirthshaus, und weilen er noch ziemlich wohl bekleydet ware, fragte ihn der Haus-Knecht, ob er mitspeisen wollte? dieses beantwortete er mit ja, und stillete seinen Hunger so gut als andere, welche noch so reich waren. Als es aber zur Zahlung kam, und sein Antheil auch eingefordert wurde, sagte er, er habe kein Geld, und als der Wirth antwortete, so habe er auch nicht essen sollen, versetzte er mit trotzigen Gebärden, das wäre schön, wann ich kein Geld hätte, und noch darzu nicht essen sollte, so wäre ich ja dopplet geschlagen? worüber der Wirth lachte, und ihm die Zech schenckte.


46.

Als einsmals ein kluger Mann in einer Gesellschaft ware, und seiner Art nach still schwiege, sagte ein unling [684] zu ihm: Ihr schweiget deßwegen still, weilen ihr nicht recht klug seyd. Worauf der kluge Mann zur Antwort gabe: ich habe niemahls keinen Narren gefunden, welcher hätte schweigen können.


47.

Als einer des anderen wegen seiner Leibs-Stärcke spotten wollte, und er ihm sagte: Du hättest einen guten Dräscher abgeben, ergriffe ihn der andere fluchs bey der Hand, und sagte: Da hätte ich den Flegel schon bey der Hand.


48.

Ein schwartz-Kopf sagte zu einem roth-Kopf: Wann du zu einer Feur-Maur heraus schauen solltest, so wurde jedermann dencken, es stehe dieselbe in vollem Brand. Jener aber bliebe die Antwort nicht lang schuldig, sondern erwiderte: Und wann du hernach aus selbiger schauen solltest, so wurden alle Leut dencken, das Feuer seye gelöscht.


49.

Ein Prediger wurde gewahr, daß ein gewisser Burger unter der Predig eingeschlaffen war, wie er dann weidlich schnarchete. Nicht weit aber von ihm sassen zwey Weiber, welche ziemlich laut miteinander plauderten. Zu diesen wendete sich der Prediger, und sagte: Ihr Weiber! redet nicht so laut, damit ihr den Herrn dort nicht aufwecket.


50.

Ein guter Freund wollte einen andern besuchen, und als er nahe zu seinem Haus kame, sahe er denselben zum Fenster heraus schauen. Gleichwohl sagte dessen Tochter, ihr Vatter wäre ausgangen. Worauf einer zur Antwort gab: Mein Kind! sage deinem Vatter, wann er ein andermahl ausgehet, daß er den Kopf nicht zu Haus lassen solle.


51.

Einer sagte, alle Müller wären Dieb. Solches hörten einige von diesem Handwerck, und verklagten ihren Widersacher. Zu welchem der Richter sagte, er habe Unrecht gethan; dannenhero solle er den Mülleren ihre Ehr wieder geben. Worauf der Beklagte antwortete: Ja, ich hab sie alle gescholten; also ist es billich, daß ich ihnen auch allen die Ehr wieder gebe. Allein diese, welche anjetzo gegenwärtig seynd, müssen sich so lang gedulten, bis der Herr Richter alle Müller zusammen beschieden hat.


52.

Es spatzierte einsmahl ein lustiger Kerl mit einem Cammer-Diener, und gienge ihm auf der rechten Seiten. Weil nun der Cammer-Diener etwas hoffärtig ware, so sagte er: Hörst du, Kerl! ich kan nicht leiden, daß mir ein Narr zur rechten Hand gehe. O antwortete der andere, das kan ich gar wohl leiden: Und hiemit liesse er ihm die rechte Hand.


53.

Ein Schweitzer dienete an König Carls Hof in Schweden; und nachdem er zu Kriegs-Diensten befördert worden, nach geendigtem Krieg aber abgedanckt wurde, bliebe ihm der König 600. Thaler schuldig. Ob er [685] nun schon seine Bezahlung mit gebührendem Respect forderte, so wurde doch der König hierüber sehr unwillig, und sagte: Ich will dir 600 Teufel auf den Kopf geben. Hiermit gienge der übel- belohnte Schweitzer nach seiner Herberg und wollte seinen Weeg weiter nehmen. Weil er aber über die Einforderung seiner Schulden 300. Thaler verzehrt hatte, und die Wirthin bezahlt seyn wollte, sagte er zu ihr: Ich will dir 300. Teufel auf den Kopf geben. Dieses veranlaßte die Wirthin ihn bey dem König zu verklagen; welcher einen Diener hinschickte, und ihm die Bezahlung auferlegen liesse. Dannenhero der Schweitzer zur Antwort gabe: Ich habe von dem König 600. Thaler gefordert; darvor hat er mir so viel Teufel auf den Kopf gegeben. Hiervon hab ich nun die Helfte (so viel ich nemlich verzehrt hab) der Wirthin überlassen. Kan sich also nicht beklagen, weil ich sie mit des Königs Müntz bezahlt habe. Als der König die artige Antwort gehört, befahle er, man sollte dem Schweitzer das Seinige, und der Wirthin das Ihrige auch mit barem Geld bezahlen.


54.

Ein liederlicher Student sagte, er studire nur 2. Tag des Jahrs nicht gern, nemlich den Winter und den Sommer. Und als er befragt wurde, was er dann im Frühling und Herbst mache? antwortete er: Das seynd meine Nächt, und alsdann schlaffe ich.


55.

Es verwiese ein Vatter seinem Sohn, daß er schon so lang in der Schul gesessen, da doch andere in einem Jahr wären daraus kommen. Dessen habe ich mich nicht zu schamen, antwortete der Sohn, dann mein Schulmeister sitzt schon über 20. Jahr darinnen.


56.

Einer, der von dem anderen die Stiegen hinunter geworffen worden, sagte ohne Bewegung des Gemüths: Es ist ein Ding, ich hab doch ohne das die Stiegen hinunter gehen wollen.


57.

Einer wurde von seinem Pfarrer gestraft, daß er so wenig, oder gar nicht in die Predig komme. Worauf jener antwortete: Herr! ihr seyd mein sehr guter Freund: Nun habe ich allzeit gehört, man solle gute Freund nicht zu viel überlauffen.


58.

Als ein Edelmann Dachsen jagte, truge es sich zu, daß ein einfältiger Baur einen Dachs bis vor seine Höle verfolgte, und hinein griffe in Meinung selbigen zu fangen. Allein das verfolgte und bißige Thier faßte seinen Feind dergestalt bey der Hand, daß derselbe überlaut zu schreyen anfienge. Immittelst eilete der Edelmann hernach, und fragte: Hast du den Dachs? der Baur antwortete: Nein Juncker! ich hab ihn nicht aber er hat mich.


[686] 59.

Ein gewisser Herr hatte einen kurtzweiligen Tisch-Rath. Diesen fragte er einsmahls, wie mans machen müsse, daß in einem Augenblick 4. Narren zusammen kommen? worauf der Tisch-Rath antwortete: Herr! wir müssen alle beyde zugleich in einen Spiegel hinein schauen.


60.

Einer fragte, für wen die Bauren am meisten betteten? dem wurde zu der Antwort gegeben: Für der Edelleut ihre Pferd; dann wann diese verrecken sollten, so wurden sie auf denen Bauren reuthen.


61.

Einer rühmte sich, daß die Leut allemahl weineten, wann er sich von einem Ort hinweg begäbe. Dieses geschahe aber deswegen, weil er allzeit etwas mit sich nahme, das ihm nicht gehörte.


62.

Etliche Diebe wollten zu Nacht in eines Kaufmanns Laden einbrechen; welches aber die Diener, so darinnen lagen, gewahr wurden, und sagten: Die Herren wollen ein andermahl wieder kommen, dann dieses mahl seynd wir noch nicht eingeschlaffen.


63.

Ein Magd sagte zu ihrer Frau: Warum verschliesset ihr alles dergestalt vor mir? ich bin ja keine Diebin? Worauf die Frau antwortete: Ich thue es darum, auf daß du keine Diebin werdest, wann du keine bist.


64.

Ein Fürst spöttlete über einen seiner Hof-Herren, den er in vielen Gesandtschaften gebraucht hatte, und sagte zu ihm, er sehe einem Ochsen gleich. Allein dieser antwortete: Ich weiß nicht, wem ich gleich sehe. Dieses aber weiß ich wohl, daß ich die Ehr gehabt Euer Durchläuchten Person bey vielen Gelegenheiten vorzustellen.


65.

Als Kayser Carl der Fünfte von einem gefragt wurde, was er für Mittel wider das Podagran gebrauchte, gabe er zur Antwort: Gedult, und ein wenig Schreyen seynd meine Artzneyen.


66.

Ein Einaugiger traffe einen Bucklichten des Morgens sehr fruhe an, und sagte zu ihm: Kerl! du hast heut ziemlich fruhe aufgepacket. Freylich ist es noch fruhe, antwortete der Bucklichte, weilen du nicht mehr als ein Fenster aufgemacht. Durch das Fenster das sehende Aug verstehend.


67.

Zwey Reisende, welche einen Müller sahen, der auf seinem Mehlsack sitzend gantz langsam vor ihnen herreuthete, nahmen sich vor denselbigen zu vexiren. Dannenhero sie sich zu ihm auf beyden Seiten näherten, also, daß sie ihn in der Mitten hatten, und fragten, ob er ein grösserer Dieb, oder ein grösserer Narr wäre? worauf er antwortete: Jch weiß es in Wahrheit nicht; ich halte aber darvor, [687] ich seye zwischen beyden in der Mitte.


68.

Einer wurde gefragt, warum er seine Tochter einem seiner Feinden zur Ehe gegeben? worauf er antwortete: Ich dachte, ich könte ihm kein grössers Uebel erweisen, als wann ich ihm eine Frau gäbe.


69.

Ein Knab forderte einsmahls über Tisch von seinem Vatter Fleisch; worüber ihn dieser schalte, und sagte, es seye unhöflich, wann man also über Tisch forderte; und sollte er warthen, bis man ihm etwas gäbe. Als nun der arme Knab ein andermahl sahe, daß jedermann über Tisch speisete, und daß man ihm aus Nachläßigkeit nichts gabe, sagte er: Lieber Vatter! ich bitte euch, gebet mir ein wenig Saltz Der Vatter fragte ihn hierauf, was willst du darmit machen? ich will das Fleisch darmit saltzen, welches ihr mir geben werdet, antwortete der Knab. Also erfahrete der Vatter, was seinem Kind fehlete, und gabe ihm etwas auf den Teller.


70.

Als einer gefährlich kranck darnieder lage, beynebens aber mit sehr viel Schulden beladen ware, sagte er zu seinem Beicht-Vatter: O wann mich GOTT nur so lang noch leben liesse, bis ich alle meine Schulden bezahlt hätte! da antwortete der Beicht-Vatter: Wann dieser Wunsch aus einer guten Meinung herkommt, so hoffe ich, GOtt werde ihn auch erhören. Als der Krancke dieses vernommen, kehrte er sich zu einem seiner Freunden, so auf der Seiten des Beths stunde, und sagte: Wann das geschehen soll, O so bin ich versichert, daß ich nimmer sterben werde.


71.

Es kame einer auf eine Zeit zu einem grossen Schuldenmacher, und sagte: Er könne es nicht fassen, wie einer doch ruhig schlaffen könne, der anderen Leuten viel schuldig seye. Da antwortete dieser: Das kan ich für mein Person wohl fassen. Aber das kan ich nicht fassen, wie meine Glaubiger, denen ich so viel schuldig bin, ruhig schlaffen können, indem sie doch wissen, daß ich sie mein Lebtag nicht bezahlen werde.


72.

Als einstens ein gewisser Herr, der sehr ungern bezahlte, wann er jemand etwas schuldig war, zu einem Hutmacher in den Laden kommen, suchte er ihm einen schönen Hut herfür, und sagte: Meister! gebt mir diesen Hut ein Zeit lang auf die Borg, ihr sollt darfür bezahlet werden. Allein der Hutmacher antwortete: Mein Herr! Ich kan nicht. Wie, fragte der Herr: solltet ihr mir nicht so viel trauen? da bekame er zur Antwort: Herr! verzeihet mir, ich bin halt des Gelds benöthiget: Zudem bin ich nicht gewohnt vor meinem Hut viel Reverentz zu machen. Durch welches er wollte zu verstehen geben, er müßte diesem Herrn oft und viel mit dem Hut unter dem Arm aufwarten, bis er von ihm bezahlt wurde. Das [688] lasse er aber wohl bleiben, und wolle kein solcher Narr seyn.


73.

Einer, der von Natur einaugig war, sagte zu einem anderen, der beyde Augen, und ein gutes Gesicht hatte: Mein Freund! ich will mit dir 10. Thaler wetten, daß ich mehr sehe als du. Der andere lachte hierüber, und sagte: Es bleibt darbey, es wird sich zeigen, wer es gewinnen werde. Da sagte der Einaugig, ist es nicht wahr, ich siehe an dir 2. Augen; du siehest aber an mir nur eines, so hab ichs dann gewunnen.


74.

Als Pabst Alexander der Siebende auf dem grossen Vorplatz St. Peters Kirch zu Rom ein herrliches Gebäude wollte aufführen lassen, schickte ihm der dazumahl in gantz Welschland berühmte Werck-Meister Dominicus Berninus durch sein Söhnlein einen Entwurf, um zu erkundigen, wie selbiger dem Pabst gefallen wurde. Als nun der heiligste Vatter selbigen gesehen, bezeugte er darüber ein sonderbares Vergnügen; zoge deswegen ein Schub-Lädlein mit Ducaten herfür, und gabe dem Knäblein Erlaubnus einen Grif darein zu thun, und so viel Ducaten heraus zu nehmen, als es mit beyden Händlein fassen könte. Das Knäblein aber, welches mehr Witz hatte, als man sich einbildet, sagte: Ich bitte Euer Heiligkeit, sie wollen selbsten hinein greiffen; dann sie haben grössere Händ, als ich. Mit was Gefälligkeit der Pabst diese witzige Rede aufgenommen, laßt man einen jeden gedencken.


75.

Ein gewisser Herr hatte einen schönen Lust-Garten. Diesen zu sehen kamen zu ihm einige Edel-Leut, und als sie in den Garten geführet worden, brache ein jeder von Blumen, und Früchten ab, was ihm beliebte, also, daß man hätte sagen können, es wäre ein halbe Pländerung geschehen. Bey dem Abschied aber bedanckten sie sich gegen dem Herren, und sagten unter anderen zu ihm: Herr! ihr habt einen schönen Garten: jedoch ist es rathsam, selbigen wohl zu bewahren, und niemand hineinzulassen, damit er nicht verderbt werde. Ich bedancke mich vor die gute Erinnerung, antwortete der Herr: ihr hättet mir es aber sagen sollen, ehe ihr seyd herein kommen.


76.

Ein Edelmann befande sich einsmahls auf seinem Landhaus, welcher, als er einen seiner Freunden sahe vorbey reisen, selbigen bey seinem Nahmen rufte, und ihn batte bey ihm einzukehren, weil ein Ungewitter bevorstunde. Allein jener bedanckte sich, und setzte seine Reis fort. Als ihn aber ein starcker Regen überfiele, kehrte er zuruck, klopfte an dem Landhaus an, sagte: Herr es hat mich gereuet. Worauf der Edelmann zur Antwort gab, und mich auch. Also, daß der Reisende ein andere Herberg zu suchen genöthiget wurde.


[689] 77.

Ein Geitziger beklagte sich über einen anderen, als habe derselbe von ihm ausgesagt, daß er seine alte Schuhe verkauffe. Jener aber stellte sich, als ob er sich entschuldigen wolte, und sagte: wer dir solches von mir ausgesagt hat, der lügt in seinen Hals hinein: sondern ich hab allein gesagt, daß du alte Schuhe kauffest: nicht aber verkauffest.


78.

Als einige Ubelthäter solten gehenckt werden, wolte der Schergen Hauptmann haben, daß ein gewisser Zimmermann den Galgen verfertigen solte, welcher sich aber dessen weigerte. Nachdem nun der Stadthalter solches erfahren, liesse er ihn vor sich forderen, und sagte zu ihm: wohlan, bist du derjenige, der sich unterstehet, mir ungehorsam zu seyn? worauf der Zimmermann mit Forcht und Zitteren antwortete: ach Herr! verzeyhet mir dismahl: dann ich hab nicht gewußt, daß der Schergen-Hauptman den Galgen für euere Herrlichkeit bestellte; sonsten hätte ich ihn gern gemacht. So aber ware ich der Meinung, er wolte ihn für einen Dieb haben.


79.

Einer fragte einen Bauren, der aus der nächsten Stadt kame: was sagt man in der Stadt von mir? gibt es keine Lugen darinn? worauf dieser antwortete: man sagt in der Stadt, du seyest ein ehrlicher Kerl.


80.

Einer gab dem anderen die Schuld, daß er niemahl die Wahrheit redete. Worauf jener antwortete: du thust mir unrecht; dann ich rede meistentheils Gutes von dir.


81.

Ein berühmter Bildhauer hatte sich eines Tags auf sein Beth zur Ruhe gelegt, als einer seiner Arbeits-Leuten Geld vonnöthen hatte, und sich dannenhero zu ihm verfügte, sprechend: Meister! schlaffet ihr, oder nicht? der Bildhauer fragte hinwieder: was wilst du dann, wann ich schlaffe; oder nicht schlaffe? jener antwortete: Geld will ich haben. Worauf der Bildhauer erwiederte: so packe dich dann fort; dann ich schlaffe


82.

Ein Artzt sagte zu einem gesunden, und frischen Greis: mich wundert, daß ihr zu so hohem Alter gelanget seyd. Worauf dieser antwortete: wundert euch nicht, dann ich hab von euch niemahl kein Artzney eingenommen.


83.

Ein einfältiger Reisender, welcher von Paris kame, sagte, er könne nicht viel Bericht darvon geben: dann er habe die Stadt vor den Häuseren nicht sehen können. Zu dem so sturben auch da selbst so viel Leut, daß man unter hundert verschlossenen Kram-Läden nicht einen eintzigen finden wurde, welcher offen wäre.


84.

Eine Frau, welche für jung wolte gehalten werden, gabe vor, sie seye erst dreytzig Jahr alt. Da sagte[690] einer: es ist wahr; dann ich habe solches schon vor 20. Jahr gehört.


85.

Gaulard war ein poßierlicher Franzos, und hatte die lustigste Einfäll. Einsmahls traffe ihn sein Artzt nach Mittags auf dem Beth an; welcher ihm dann den Mittags-Schlaf widerriethe, sagend: Nachmittags schlaffen, wäre ungesund. Worauf Gaulard antwortete: ach! ich hab mich nur darum schlaffen gelegt, damit ich nicht därfte müßig gehen: dann ich muß immerdar etwas zu thun haben.


86.

Als er sich einsmahls über ein Wirths-Haus beklagte, allwo man ihn in eine Kammer gelegt hatte, deren Wänd gantz durchlöchert waren, also daß man allenthalben durchsehen konte, sagte er: das ist die schlimmste Kammer von der gantzen Welt: dann man siehet die gantze Nacht den Tag darinn.


87.

Als ein gewisser Herr ihm mit kläglichen Worten erzählte, daß ihm die Maul-Würffe ein schöne Wisen verderbt hätten, sagte er zu ihm: hierwider ist leichtlich ein Mittel zu finden: ihr därffer die Wise nur mit Steinen pflasteren lassen.


88.

Als er eines Tags sahe, daß sein Pferd, darauf sein Diener sasse, mit einem schweren Fell-Eisen beladen war, sagte er: du bist wohl ein unbarmhertziger Kerl gegen dem armen Thier. Köntest du dann das Fell-Eisen nicht ein wenig auf deine Schulteren nehmen, damit das Pferd nicht so schwer zu tragen hätte?


89.

Als er sahe, daß ein Mahler mit einem Gemählde beschäftiget war, auf welchem er zwey Personen gegen einander vorstellte, sagte er zu dem Mahler: ich bitte euch, mahlet mich auf diesem Bild in einem Winckel, wo man mich nicht siehet: damit ich hören könne, was diese zwey Personen mit einander für einen Discurs führen.


90.

Ein Soldat starbe ohne Beicht. Dahero der Hauptmann den anderen Soldaten vorstellte, was massen er ungebeichtet dahin gefahren, und sich versaumt hätte. Weswegen er sie wolle ermahnet haben, bey guter Zeit auf das Heyl ihrer Seelen bedacht zu seyn. Auf diese Ermahnung stunde einer unter den Soldaten auf, und sagte: Herr Hauptmann! ich hab mich wohl vorgesehen, und mich keinesweegs versaumen wollen: dann, ich hab schon vor 7. Jahr gebeichtet.


91.

Ein liederlicher Student solte sich verantworten, warum er so unfleissig im Studieren wäre. Da entschuldigte er sich auf folgende Weis. Der Winter ist zu kalt; der Sommer zu warm; der Herbst zu neblich, und der Frühling zu fruhe zum Studieren.


92.

In einer finsteren Nacht gienge [691] ein Blinder mit einer Laterne über die Strasse, und truge einen Krug voll Wasser, dem begegnete ein trunckener Bold, und sagte: du einfältiger Tropf, ich hätte gemeint, die finstere Nacht, und der helle Tag wäre eines so gut für dich, als das andere. Der Blind antwortete, ich trage die Laterne nicht vor mich, sondern vor dich, und deines gleichen vollen Zapfen, damit sie nicht an mich stossen, und verursachen, daß ich meinen Krug zerbreche.


93.

Es schalte einer einen faulen Bauren mit folgenden Worten: du bist nicht werth, daß dich die Sonne anscheine. Ja, versetzte der Baur, es ist wahr: darum hab ich mich in den Schatten gesetzt.


94.

Einer sagte zu dem anderen: du hast einen Schalck im Hertzen. Den aber dieser mit folgenden Worten bezahlte. Eben jetzt hatte ich an dich gedacht.


95.

Einige Bauren beklagten sich gegen ihrem Hertzog, daß sie von seinen Soldaten wären beraubt worden. Hierauf fragte der Hertzog, ob sie ihnen noch etwas hätten übrig gelassen? Als nun die Bauren diese Frag mit ja beantworteten, da versetzte er: so seynd es dann nicht meine Soldaten gewesen; sonst hätten sie gewißlich alles mitgenommen.


96.

Ein Geitzhals liesse ihm jederzeit 2. volle Schüsselen auf den Tisch bringen, wiewohl er nicht mehr, als eine davon anrührte. Eines Tags brachte sein Diener nur eine; die andere aber liesse er zuruck. Dahero der Geitzhals im Zorn sagte: du Bößwicht! wo ist die andere Schüssel? dieser aber antwortete mit unerschrockenen Gebärden: ey! sie ist schon so oft hierher kommen, daß ich glaubte, sie wurde den Weeg schon ohne mich finden.


97.

Ein bekannter Spötter kame einsmahls nach Hof, allwo die Damen bey seiner Ankunft sagten: wohlan: jetzt werden wir unsere Mängel hören. Keinesweegs, antwortete jener; dann ich pflege nicht gern von solchen Dingen zu reden, die schon in der gantzen Stadt bekannt seyn.


98.

Ein Baur batte seinen Nachbaren, er möchte ihm seinen Esel leyhen. Der Nachbar aber, welcher hierzu schlechten Lust hatte, wendete vor, er habe denselben schon einem anderen geliehen; daher seye es ihm leyd, daß er ihn nicht eher darum angesprochen. Indem er aber solcher Gestalt sich entschuldigte, fienge der Esel an im Stall zu schreyen. Worauf der Baur sagte; ha ha! ich höre deinen Esel schreyen: der sagt anderst, als du. Jedoch wurde jener nicht sonderlich schamroth, sondern antwortete: wie? glaubst du dann mei nem Esel, mehr, als mir?


99.

Als man einsmahl über Tisch von einem Stern-Gucker redete, welcher [692] zuvor etwas vorgesagt, so nicht eingetroffen hatte, liesse sich einer in der Gesellschaft also vernehmen: Ihr Herren! ich hab niemahls keinen Stern-Gucker gesehen, der viel Hirn gehabt hätte. Sie seynd alle Narren zusammen. Dieses hörte ein Aufwarter, welcher, als er einen Kalbs-Kops auf den Tisch tragen solte, das Hirn unter Weegs verzehrt, und gefressen hatte. Dahero sagte sein Herr zu ihm, da er den Kalbs-Kopf transchirte; Was ist das? hat dann dieser Kopf kein Hirn gehabt? Nein, Herr! antwortete jener: Dann das Kalb war ein Stern-Gucker.


100.

Zwey gute Freund, welche einander lange Zeit nicht gesehen hatten, kamen ungefähr wiederum zusammen: da dann einer den anderen fragte, wie er sich befinde? Worauf der andere zur Antwort gabe: nicht gar zu wohl; und daß er sich verheurathet habe, seitdem sie einander nicht gesehen hätten. In Wahrheit, dieses ist eine gute Zeitung, antwortete jener. Nicht gar zu gut, versetzte dieser; dann ich hab ein zänckisches Weib geheurathet. Dieses ist schlimm sagte jener. Auch nicht gar zu schlimm, antwortete dieser; dann sie hat mir braf Geld zugebracht. Auch nicht gar zu gut, antwortete dieser; dann ich hab Ochsen darvor gekauft, welche mir alle, weiß nicht, was Ursach, dahin gefallen. Das ist traurig, anzuhören, sagte jener. Nicht gar zu traurig, antwortete dieser; dann ich hab die Häut davon theurer verkauft, als die Ochsen gekostet hatten. So habt ihr euch dann eueres Schadens wiederum erholet, sagte jener. Nicht sonderlich, antwortete dieser: dann ich kaufte darvor ein Haus, welches mir aber abgebronnen ist. Dieses ist in Wahrheit ein grosser Schaden. Worauf dieser zur Antwort gab: Nicht sonderlich; dann mein Weib ist zugleich damit verbronnen.


101.

Ein Edelmann befahle seinem Diener, er solte ihn des Morgens um sechs Uhr aufwecken; dieser aber thate es um vier Uhr; und als ihn der Herr um die Ursach fragte, gabe er zur Antwort: Ich hab nur wollen sagen, daß ihr noch zwey Stund zu schlaffen habet.


102.

Einer sagte, der Wein habe zwey böse Eigenschaften. Erstlich, wann man ihn mit Wasser vermische, verderbe man ihn. Fürs ander, wann man ihn nicht mit Wasser vermische, verderbe man sich damit selbsten.


103.

Ein Frantzoß sagte, es wundere ihn, daß die Städt und Dörfer in Teutschland nicht alle Jahr abbrinnen. Als er um die Ursach gefragt wurde, antwortet er: Weil man so viel trunckenen Bolden die Liechter anvertraue. Dieses hörte ein Teutscher, welcher erwiderte: Hieraus ist zu sehen, daß ein trunckener Teutscher kluger ist, als ein nüchterner Frantzoß.


104.

Ein reicher Kaufmann machte Anstalt, einen grossen Spital aufzubauen, um die Krancke darinnen zu[693] unterhalten. Als solches ein lustiger Kerl sahe, sagte er: Der Spital seye viel zu klein. Und als jener fragte, warum? gabe dieser zur Antwort: Wann alle diejenige hinein kommen sollen, welche ihr arm gemacht habt, so wird nicht die Helfte davon Platz genug darinn haben.


105.

Als einer von seinen Freunden getadelt wurde, daß er des Morgens so lang im Beth liege, gabe er zur Antwort: ich bin kaum erwacht, da kamen vor mein Beth zwey Personen, nemlich die Emsigkeit, und die Faulheit. Eine ermahnet mich zum Aufstehen; mit Vermelden, ich solle den Tag nicht im Beth zubringen. Die andere wendet ein, ich solle der Ruhe des Leibs pflegen; weil es nicht gut seye, daß sich der Mensch jederzeit müd mache. Indem nun die erste ihre Meinung behaupten will, und die andere darauf antwortet, bin ich ein Richter, welcher ihre Streitt-Händel anhöret; und also warte ich immerdar, ob sie zuletzt wurden einig werden. Daher kommt es, daß ich in Erwartung des Ausganges so langsam vom Beth aufstehe.


106.

Es fienge ein alter Greiß an sich der Krucken zn bedienen. Als solches ein anderer sahe, sprach er: Dieser gute Mann wolte so gern zum Tod gelangen, daß es scheint, ob seyen ihm hierzu zwey Bein nicht genug.


107.

Ein verständige Person pflegte diejenigen, welche keine Wort machen, sondern thun, was sich gebühret, dem Feigen-Baum zu vergleichen, welcher Früchten, und keine Blühe bringt.


108.

Als einer gefragt wurde, warum die kleine Leutlein hertzhafter wären, als die andere? gabe er zur Antwort: weil sie weniger zu beschützen haben.


109.

Als ein Edelmann aus eitlen Hochmuth immerdar ein goldene Ketten um die andere um den Hals henckte, und so damit hergehend pragte, sagte einer: Anderen Narren ist ein eintzige Kette genug; dieses Edelmanns Narrheit aber ist so groß, daß er vieler Ketten vonnöthen hat.


110.

Als einsmahls unter den Artzten die Frag entstunde, was den Augen am besten thäte; und eine den Fenchel, andere aber die Brillen rühmen, da sagte ein verschmitzter Kopf: Es seye den Augen nichts nützlichers, als der Neid: Weil er mache, daß man anderer Leut Sache weit grösser und vollkommener ansehe, als sie in der That seyen.


111.

Als sich einer gegen seinem Freund beklagte, daß er auf dem Meer Schifbruch erlitten, sagte der andere: Wann dieses der erste Schifbruch ist, so hüte dich vor dem zweyten; ist es aber der zweyte, so beklagst du dich mit Unrecht, in dem du die Untreue des Meers schon zuvor hättest erkennen sollen.


112.

Es schalte einer den andern im Schertz einen Dieb, welchem der Gescholtene antwortete: Das kan nicht[694] seyn: Dann man siehet den Hencker und den Dieb niemahls bey einander, als wann dieser zum Galgen geführt wird.


113.

Als man einen fragte, wie man es machen müsse, daß man hoch geachtet wurde? Antwortete er: Wann du zu einer Gasterey kommst, so must du nicht, wie ein Holtz-Bock, da sitzen.


114.

Als das Regiment in einer vornehmen Stadt durch die üble Verhaltung des Adels in die Händ des gemeinen Volcks kommen, wolte einer von solchen Edelleuten einen unter den neuen Regenten schimpfieren, und sagte zu ihm: Wie wirst du und andere deines gleichen, die ihr nur gemeine, und unwissende Leut seyd, eine so vornehme und edle Stadt regieren können? Da gabe er zur Antwort: Ein jeder aus uns weißt, wie ihr regiert habt. Wann wir nun allzeit das Gegentheil thun, so können wir nicht fehlen.


115.

Als einer einen Jüngling gar ehrbar und in schönem Tuch gekleidet sahe, der aber garstige Wort, und Zotten redete, sagte er zu ihm: entweders rede Wort, so deinem Tuch gleich seynd; oder trage ein Tuch, das deinen Worten gleich ist.


116.

Einer fragte, woran es den Fürsten am meisten mangle? Da bekame er zur Antwort: An Leuten, so die Wahrheit reden.


117.

Einer sagte, es seye besser zwischen Feinden, als Freunden urtheilen. Dann unter den Freunden werde man unfehlbar einen Feind; unter den Feinden aber einen Freund bekommen.


118.

Ein Kaufmann handelte mit einem Mahler, daß ihm derselbe ein umgekehrtes Pferd mahlen solte, welches die Füß in die Höhe strecke, mit dem Rucken aber unten liege. Als nun der Mahler das Pferd sehr künstlich mahlete, jedoch aufrechts, und auf den Füssen stehend, da wolte es der Kaufmann weder annehmen, noch bezahlen. Damit aber der Richter zeigte, was massen zum öfteren um nichts werthe, und vergebliche Dinge gezancket wurde, nahme er das Gemähld in die Hand, und thate nichts anders, als daß er es umkehrte. Worauf er dem Kaufmann auferlegt den Mahler zu bezahlen.


119.

Als eines Bauren Sohn seine Studier-Jahr zu End gebracht, und sich wieder bey seinem Vatter aufhielte, lage ihm derselbe öfters in den Ohren, er solte doch seine Kunst einmahl sehen lassen; dem aber der Sohn allzeit zur Antwort gabe, es seye die Zeit noch nicht vorhanden. Einsmahls aber truge es sich zu, daß er, nebst seinem Vatter und Mutter zu Tisch sasse, und 3. Eyer vor sich stehen hatte, da sagte er: Nun hab ich endlich eine Gelegenheit überkommen, eine Prob meiner Kunst von mir sehen [695] zu lassen. Ich will erweisen, es seyen hier 5. Eyer, ob gleich nur 3. in der Schüssel erscheinen. Als der Vatter fragte, auf was Art und Weise solches geschehen könte? Da fuhre er also fort: Wo 3. seynd, da seynd auch 2. es seynd aber hier 3. darum seynd hier auch 2. daraufhin fuhre er weiters fort, und sagte: 3. und 2. aber machen 5. derohalben weil hier 3. und 2. seynd, so seynd auch hier 5. der Vatter gabe dieses alles zu, und sagte: Wohl! mein Sohn, ich lobe deine Spitzfindigkeit. Ich will aber von diesen Eyeren 2. vor mich nehmen, und das 3te deiner Mutter geben. Die übrige 2. kanst du vor dich behalten.


120.

Die Herren von Hirschau (so ein Städtlein ist, von deme sonst allerhand lächerliche Begebenheiten erzählt werden) gaben einsmahls einem Fürsten das Geleit, und führten denselben bis an die Porten des Städtleins. Als er daselbst angelangt, batte er sie insgesamt, sie solten nun wieder nach Haus kehren; dieweilen sie ihren Ehren schon ein Genügen gethan hatten; der Burgermeister aber antwortete: Durchläuchtigster Fürst! wir wollen Euer Durchleucht nur bis zum Galgen begleiten, und alsdann wieder nach Haus kehren.


121.

Eines grossen Herrns Schalcks-Narr hatte einsmahls etwas schlimmes gestiftet. Demnach wurde einem Diener Befehl ertheilet, ihn ins Gefängnuß zu legen. Der Narr mußte mit fort, wie ungern er auch daran kame. Er sahe aber in der Gefängnuß kein andere Ligerstatt, als die blosse Erden. Dannenhero wolte er durchaus nicht hinein gehen, bis man ihm ein Streue machte, um sich darauf legen zu können. Als aber der Diener solches verrichtete, und mit Zubereitung der Ligerstatt beschäftiget ware, da schlosse der Narr die Thür der Gefängnuß hinter ihm zu, und sperrte ihn ein, von dem er doch selbst hätte eingesperrt werden sollen. Ueberbrachte darauf die abgezogene Schlüssel seinem Herrn, der eben dazumahl mit anderen Gästen noch zur Tafel sasse, und sagte: Es hat mich viel Mühe gekostet, bis ich diesen Schelmen ins Gefängnuß gebracht, und eingesperrt hab. Der Herr verwunderte sich, und sagte: Wie? so hast du dann denjenigen eingesperrt, der dich gefänglich hat einsperren sollen? O ho! versetzte der Narr. Wer habens auf solche Weise beyde nicht recht verstanden.


122.

Als einem die Zeitung gebracht wurde, wie daß sein Weib ertruncken wäre, laufte er eilends zum Gestatt hinaus, setzte sich in ein Schiflein, und fuhre den Fluß aufwärts, sie zu suchen. Als man dessen lachte, und ihn ermahnte, abwerts zu fahren, wann er den Leichnam finden wolte, gabe er zur Antwort: Nein fürwahr: Ich kenne mein Weib besser, als ihr. Sie ist allzeit (GOtt tröste sie) zu Lebs-Zeiten eines widrigen Sinnes gewesen: Vielleicht ist [696] sie auch nach ihrem Tod aufwerts geschwummen.


123.

Bey einer Mahlzeit spöttelte einer des gegenwärtigen Doctors, und fragte: Mein Herr! wie weit ist ein Doctor, und ein Narr von einander? Der Doctor war gleich beschlossen, und sagte: So weit, als der Herr von mir sitzt, so weit ist ein Narr von dem Doctor.


124.

Einer hatte in einem fremden Haus einen heftigen Zanck-Handel angefangen, und als er davon nicht abstehen wolte, nahme ihn der Herr des Hauses beym Arm, führte ihn zur Stiegen, und gabe ihm mit dem Fuß einen Stoß über etliche Staffel hinunter. Mitten auf der Stiegen kame ihm ein Diener entgegen, der warfe ihn auf Befehl des Herrn bis auf den untersten Staffel. Als solches der Sohn, so ungefähr bey der Haus-Thür stunde, gesehen, stoßte er ihn gar zum Haus hinaus. Als der arme Tropf ein wenig verschnaufet, und sich wiederum aufgerichtet, sagte er: Wie geht doch in diesem Haus alles so ordentlich zu, wann ein Tumult darinn entstehet!


125.

Ein vornehmer von Adel, der sich nicht wenig eingebildet, kame einstens an den Hof des Kaysers Ferdinandi des 2ten und schertzte mit anderen Hof Herren. Als der Kayserliche Hof-Narr solches vermerckt, gesellte er sich zu diesem von Adel, und wolte auch mit ihm schertzen. Allein jener liesse es sich verdriessen, und sagte: Scherre dich weg: Ich mag mit keinem Narren schertzen. Aber ich, antwortete der Narr. Durch welche Antwort er die hohe Einbildung des von Adel nicht wenig gedemmet hatte.


126.

Zu einem grossen Kerl sagte einer: nun, so hab ich mein Lebtag keinen so grossen Narren gesehen, wie du bist. Jener aber bezahlte ihn geschwind, und sagte: So must du dich dann niemahls in einem Spiegel gesehen haben.


127.

Ein nasser Bruder hatte von dem vielfältigen Wein-Sauffen nach und nach eine rothe Nasen bekommen. Zu diesem kame einer, der sich anerbotten, ihm solche Röthe zu vertreiben, wann er ihm ein gewisses Geld geben wurde. Allein jener bedanckte sich, und sagte: Mein rothe Nasen hat mich viel Geld gekostet: Da müßte ich wohl ein Narr seyn, wann ich, diese Farb zu vertreiben, neue Unkösten anwenden solte.


128.

Man fragte einstens einen Deutschen, warum er den Wein nicht auch mit Wasser vermischte, wie andere zu thun pflegen? Da antwortete er: Es hätte ihm ein Sternseher vorgesagt, er werde einsmahls im Wasser ertrincken: Darum hüte er sich davor, so viel er könne.


129.

Ein gewisser Herr hatte einen Diener, zu dem er vielmahl sagte, er [697] wäre der König unter den Narren. Weil nun über die Schmachred der Diener endlich unwillig worden, sagte er: Wolte GOtt! ich wäre der König unter den Narren, so wurde ich an Macht alle Monarchen dieser Welt übertreffen; und ihr soltet darunter nicht der wenigste seyn.


130.

Ein Baur batte einen Advocaten, er wolte ihm doch ein Unterricht geben, was er antworten solte, wann er einen Streitt-Handel hätte: Er woll ihm gern für solchen Unterricht 2. gemästete Gäns zur Erkanntnuß geben. Der Advocat gabe ihm zur Antwort: So oft man dich dieses, oder jenes beschuldiget, sage allzeit: Herr! das ist nicht wahr. Als nun der Advocat bald hernach den Bauren wiederum antraffe, sagte er zu ihm: Baur! du hast mir 2. Gäns versprochen. Wo seynd sie? Wie? (fragte der Baur) ich habe euch 2. Gäns versprochen? Herr! das ist nicht wahr. Also ward der Advocat in seinem eigenen Unterricht gefangen, und mußte die Gäns dahinten lassen.


131.

Einer pflegte oftermahls mit sich selbst zu reden, als wann er, weiß nicht was, für Händel auszumachen hätte. Als solches ein anderer vermerckt, sagte er zu ihm: Kerl! giebe wohl acht, daß du mit keinem Narren redest.


132.

Es fuhre einstens ein gewisser Herr mit seinem Diener auf einem Fluß, welcher wegen schrofigen Felsen, die in selbigem da und dort hervor rageten, verschreyt ware, weilen nemlich schon viel Schiffe deswegen gescheitert hatten. Diesem nach sagte er zu seinem Diener: Kerl! giebe wohl acht, wann ich etwann einschlaffen solte, ehe wir zu gedachten Schrofen kommen, daß du mich vorher aufweckest. Der Diener sagte zu; weil er aber seinen Herrn süßiglich eingeschlaffen sahe, mithin das Schif vor den gefährlichen Schrofen schon fürbey gefahren war, weckete er endlich den Herrn auf. Als aber dieser gehört, daß er nicht zu rechter Zeit aufgeweckt worden, entbranne er in Zorn, und sagte zu dem Diener: Wehe dir! wann ich ersoffen wäre, ich wolte dir meinen Degen durch den Leib gestossen haben.


133.

Einer rupfte dem anderen vor, daß er schon öfters gelogen hätte. Es ist wahr (sagte jener) dann ich hab schon öfters löblich von dir geredt, ohne daß du es verdient hättest.


134.

Es kame einer in ein Wirthshaus eben zur Zeit, als die Wirthin selbiges mit Zancken und Polderen angefüllt hatte. Weilen dann der Gast hierüber ungedultig worden, und wiederum davon gehen wolte, sagte der Wirth zu ihm, guter Freund! ihr müßt wohl einen heicklichen Magen haben. Es seynd schon 32. Jahr, daß ich dieses Zancken und Polderen übertragen hab; und ihr soltet es nicht [698] eine Stund lang übertragen können? über welche Red nicht allein der Gast, sondern auch die Wirthin lachen mußte.


135.

Als man einen fragte, wie viel gute Weiber in der Welt wären? da sagte er, es wären nur 2. die einte hätte man verlohren; und die andere könte nicht man nicht finden.


136.

Ein anderer wurde gefragt, was die Weiber verschweigen könten? Die Antwort war: Das allein was sie nicht wissen.

Erzählung der zehen Egyptischen Plagen, aus welchen mit Erstaunung zu ersehen ist

Die 1. Egyptische Plag
Die erste Egyptische Plag.
Wasser in Blut verwandlet.

Nachdem in dem göttlichen Rath beschlossen, und vest gestellt war, das schwere Joch Pharaonischer Dienstbarkeit von dem Hals der hart- gedruckten Kindern Israels wegzunehmen, und sie aus Egypten in ein besseres Land zu führen, liesse GOTT diesen seinen Willen und Befehl dem Pharao durch seine Diener Moyses und Aaron vortragen, mit angehengter Bedrohung, im Fall, daß er ein eintzige Hindernuß in den Weeg legen wurde, es an Mittlen nicht ermanglen solte, die Entlassung mit Gewalt zu erzwingen. Der abgöttische König, der um keinen fremden GOtt, viel weniger um einen Herrn wissen wolte, gabe trutzigen Bescheid: Ich (sprach er) bin Herr in meinem Reich, und laß mir keinen anderen einreden; werde auch Israel nicht entlassen. Hierauf giengen folgende Plagen an, wie sie in dem Buch Exodi, oder Auszugs aus Egypten an verschiedenen Capitlen zu lesen seynd.

Die erste Plag war Blut. Dann so bald der Moyses in Gegenwart, und Ansehung des Königs mit dem Stab in den Fluß Nilus schlug, wurde nicht allein derselbige; sondern auch alles andere Wasser in denen Bronnen, [699] Krügen und anderen Geschirren durch das gantze Land in Blut verwandlet. Die Fisch stunden ab, die Leut wurden verhindert im Kochen, Baden, Bachen und anderen Haus-Nothwendigkeiten. Viele hatten nichts zu trincken, Wein und Milch war nicht genug da. Wolten also die arme Egyptier die 7. Täg hindurch (dann so lang hat diese Plag gewähret) samt Weib, Kindern und Vieh nicht Durstes sterben, mußten sie neue Bronnen graben, und also ein trübes Wasser mit ihrer sauren Arbeit theur genug bezahlen.

Die 2. Egyptische Plag
Die zweyte Egyptische Plag.
Die Frösch.

Den ersten Streich auf die gottlose Egyptier hat der Moyses geführt, und das Wasser (wie gehört) in Blut verwandlet. Den anderen Streich thate der Aaron (dardurch anzudeuten, daß Geistliche und weltliche Obrigkeit von GOtt Macht und Gewalt habe, die Missethaten zu straffen) Aaron (sage ich) streckte die Hand aus über den Fluß Nilus, und alsobald wurde derselbe mit Fröschen angefüllt: diese dann stiegen (gleich als auf gegebenes Zeichen) wie ein gantzes Kriegs-Heer, aus dem Wasser heraus, hupften in die Häuser der Egyptier, sprangen auf den Tisch, auf das Beth, auf die Kleyder, ja so gar in Speiß und Tranck hinein, und besudleten alles mit ihrem Frosch-Laich und Füssen, Das ware die andere erschröckliche Plag der Egyptier, wordurch alle äusserliche 5. Sinn gepeiniget wurden: die Augen mit Ansehen solcher heßlichen kothigen Thieren; die Ohren mit Anhören des steten Quatzgen einer so leydigen Music bey Tag, bey Nacht, der Geruch wurde gequälet von dem Gestanck, welchen diese unflätige Mooß-Hupfer von sich gaben; sonderbahr wann man sie erschluge. Der Geschmack empfienge einen Grausen bey Niessung Speiß und Trancks, worinnen er so leydige Brocken fande: das Betasten truge Abscheuen von dem Anrühren; indem diese unverschamte Thierlein den Leuten so gar in das Angesicht sprangen, und einer kaum einen Fuß irgends hinsetzen konnte, daß er nicht auf einen Frosch tratte. Ein grosse Plag in Wahrheit war dieses.

Die 3. Egyptische Plag
[700] Die dritte Egyptische Plag.
Mucken und Schnacken.

Die 2. erste Egyptische Plagen kamen von dem Wasser her. Jetzt greift der erzörnte GOtt seine Rebellen auf dem Land an. Aaron der Hohepriester auf Befehl des Herrns schluge mit seinem Stab in den Staub; und den Augenblick stiegen davon in die Höhe auf, und bedeckten, wie ein schwartze dicke Wolcken, das gantze Egypten-Land, wunderliche, klein wintzige Thierlein, dergleichen man vor nie gesehen hatte. Diese bißige Mucken griffen die Egyptier allenthalben an, bissen, stachen eine um die ander auf sie zu, und machten sie halb unsinnig.

Die 4. Egyptische Plag
Die vierte Egyptische Plag.
Fliegen.

Die vierte Egyptische Plag, der vorigen nicht gar ungleich, womit GOtt das gantze Egyptische Land überzogen, waren allerhand Fliegen. Diese löseten gleichsam die Schnacken ab, fülleten der Egyptier Stuben und Kammern ein; griffen Menschen und Vieh an, sassen den Leuten in das Gesicht, flogen in die Augen, Ohren, und Nasenlöcher hinein, und konnte sich niemand deren erwehren, sondern Menschen, Roß, Kühe und Hund lieffen durcheinander gantz rasend, und unsinnig vor ungeheurer Plag.

Die 5. Egyptische Plag
Die fünfte Egyptische Plag.
Pestilentz.

Weil der halsstarrige Pharao sich noch nicht geben, und das Volck Israel kurtzum nicht entlassen wollte, kame ihm und seinen Unterthanen die fünfte Plag über den Hals. Lagen also die Matten und Wisen hin und wieder voller Todten Aaas. Woraus ein unleydentlicher Gestanck, grosses Jammeren und Klagen bey dem gemeinen Mann erfolget ist.

Die 6. Egyptische Plage
[701] Die sechste Egyptische Plage.
Blatteren.

Es wäre ja einmahl genug, und Zeit gewesen, daß nach so viel schon empfangenen schwehren Streichen der König Pharao die Augen hätte sollen aufthun, und sich weiter dem Befehl GOttes nicht wiedersetzen. Aber gerad das Widerspiel ist erfolget. Des Pharao Hertz ist nur mehr darüber erhartet; er hat den Kopf aufgesetzt, und hat das Israelitische Volck nicht entlassen. Darum wollte die göttliche Rach noch schärffer gegen ihm, und den Seinigen verfahren, und ihnen näher auf die Haut kommen. Moises nahme auf Befehl des Herrn ein Hand voll Aschen aus dem Camin, warffe ihn gegen dem Himmel über sich, und den Augenblick fuhren dem König, wie auch den übrigen Menschen und Vieh abscheuliche Blatteren und stinckende Geschwär auf, nicht allein an der Haut, sondern auch in dem innersten Gedärm und Inngeweyd; also daß sie unsägliches Brennen und Stechen empfangen, und vor Schmertzen weder recht stehen, weder sitzen, noch liegen konnten. Doch auf eingelegte Fürbitt des Moyses und Aarons bey dem Herrn waren die Wunden heil, und die abscheuliche Blatteren und Geschwär, welche dem König Pharao an dem Leib auf gefahren, wiederum vergangen; darum verhoften die Abgesandte auch, der König würde nun einmahl sein Versprechen halten, und dem Israelitischen Volck das Joch der Dienstbarkeit auflösen; aber der halsstarrige König wollte noch nicht daran.

Die 7. Egyptische Plag
Die siebente Egyptische Plag.
Donner und Blitz.

Drum schüttete GOtt seinen Zorn noch mehr über Egypten-Land aus. Und sihe! der gantze Himmel wurde mit schwartzen Wolcken überzogen, die Blitz, als Vorbotten des hernach folgenden Ungewitters machten den Anfang, worauf gleich ein grosser Sturm, der den Staub Thurn hoch über sich warffe, entstanden. Alsdann hebte es dermassen erschröcklich zu donneren und zu krachen an, daß man meinte, es würde alles unter und über sich gehen; fiele auch ein dicker mit Feur vermischter Hagel herunter, der alle Kräuter in den Gärten, die Aest von den Bäumen, die Früchten auf dem Feld, Menschen und Vieh, was ausser den Häuseren angetroffen wurde, in Grund und Boden hinein schluge.

Die 8. Egyptische Plag
[702] Die achte Egyptische Plag.
Heuschrecken.

So bald wiederum ein wenig die Sonne angefangen zu scheinen, hat der König Pharao des trüben Wetters und seiner Zusag vergessen. Und ob er schon eine politische Beicht gethan, und sich schuldig geben mit diesen Worten: Ich hab gesündiget auch dißmahl, der Herr ist gerecht, ich aber und mein Volck ist gottloß, so ist es doch bey den blossen Worten verblieben. Dann (wie der heilige Text sagt) sein Hertz ist noch mehr erhartet, als zuvor jemahls, und er hat die Israeliter ihrer Gefangenschaft nicht entlassen. Der HErr GOtt Israels wiche aber diesem harten Stein auch nicht, sondern kame mit der rechten Plag über ihn. Moyses hebte seinen Regiments Stab in die Höhe, und gabe gleichsam Befehl. Und alsobald entstunde ein warmer Wind, der wehete Heuschrecken in so grosser Menge und Anzahl daher, daß sie das gantze Erdreich in Egypten bedeckten, und alles Laub und Graß in kurtzer Zeit fein sauber auffrassen.

Die 9. Egyptische Plag
Die neunte Egyptische Plag.
Finsternuß.

Der Pharao hatte noch nicht genug Stöß, und wolte seinen halsstarrigen Nacken noch nicht zum Gehorsam biegen. Moyses mußte sein Hand gegen dem Himmel ausstrecken, und es überfiel das gantze Land ein so dicke Finsternus, die man auch greiffen konnte. Das versteht sich nach unserer Weis zu reden, die wir, wann wir in ein finsteres Orth kommen, herum dappen, und hin und her greiffen, als wann sich die Finsternus greiffen liesse. War also diese Finsternus dermassen groß und erschröcklich, daß ihm kein Egyptier 3. gantzer Täg getrauete, auch nur einen Schritt weiter zu gehen, sondern wo ein jeder war, sasse, stunde, oder lage, da bliebe er hocken mit Forcht und Zitteren. Darzu kamen noch abscheuliche Gespenster, die sie erschröckten; neben dem bösen Gewissen, das ihnen ihre Laster vorhielte, und bis auf den Tod ängstigte.

Die 10. Egyptische Plag
[703] Die zehente Egyptische Plag.
Kinder-Tod.

Algemach, allgemach schickte sich der Pharao zum Gehorsam. Solchen aber endlich zu erpressen war noch ein Streich vonnöthen, der ihme das Lebendige getroffen. In einer Nacht liesse der Herr alle Erstgeburt erwürgen durch das gantze Egyptische Land, Menschen und Vieh, von dem erstgebohrnen Sohn an des Königs selbst, der auf dem Thron sasse, bis auf den erstgebohrnen der schlechtisten Dienst-Magd, die in der Mühle das Rad zoge, wie die Schrift redt. Kein Haus war zu finden, worinn nicht ein Todter lage. Wie nun dieses Jammers die Egyptier gewahr wurden, erhebte sich ein erbärmliches Weynen und Heulen aller Orthen. Der König liesse den Moysen und Aaron noch bey der Nacht ruffen, denen er den Tag zuvor den Hof bey Lebens-Straf verbotten hatte. Und nicht allein erlaubte er, sondern befahle ihnen, und allen Israelitern samt Weib und Kindern, und aller ihrer Fahrnus frey fort zu ziehen, wo sie hin wolten. Dann es stoßte ihn, und die Seinige eine Forcht an, sie möchten alle zu Grund gehen.


Jetzt mein lieber Leser, was machest du dir über die erzählte Plagen für Gedancken? kommen sie dir nicht erschröcklich für? allein, was meinest du, daß sie seyen gegen den höllischen Plagen? Ach! ein Schatten; ja so viel, als nichts seynd sie. Das geringste, das sie leyden, ist mit keinen Worten zu beschreiben. Willst du wissen, warum? darum nemlich, dieweil es ewig währet. Ewig eingesperrt seyn, ewig brennen, ewig Durst leyden, ewig verzweiflen. Ach! was für ein Qual ist dieses, O daß wir dieses öfters bedenckten, wie wurden wir uns förchten, zu fallen in die Händ des lebendigen GOttes; O GOtt, wie bist du zu förchten, theils wegen deiner Allmacht, theils wegen deiner unendlichen Gerechtigkeit, die nichts Böses ungestraft laßt hingehen.

Lehrreiche Fabeln

1. Fabel
Erste Fabel.
Ein zartes irdenes Schälelein tantzt mit einem tolpeten eisenen Dreyfuß, und wird von ihm unter dem Tantzen zerbrochen.

In Abwesenheit einer gewissen Herrschaft, in einem vornehmen Haus kamen an einem Feyrtag die rußige Häfen, schmutzige Kessel, schwartze Pfannen und rostige Dreyfüß an dem Heimgarten zusammen, und klagten einander die Noth. O liebe Brüder, sagte der Kessel, wie haben wir einen so schweren Dienst, wann jedermann feyret, müssen wir herhalten. Wie kommt es doch ewiglich, daß es heut in unser Kuchel so kalt hergeht, und noch kein Feur auf dem Herd ist. Ich verwundere mich eben selbst auch, sprache der Hafen, das ist mir wohl etwas seltsames, daß ich heut so trocken bin, sonsten füllet man mich in aller Frühe mit Wasser an, siedet Kraut und Fleisch in mir, und muß den gantzen Tag bey dem Feur stehen. Wann ich schon schwitze, fragt man doch wenig darnach. Und ich, sagte die Pfanne, weilen mich gestern das Kuchel-Mensch so schön ausgebutzt, hab ich anderst nicht vermeynt, als man werde heut Küchlen bachen. GOtt lob! daß ich gleichwohl einmahl im Jahr einen Feyrtag hab. Man geht sonst grob genug mit mir um, und wann ich mein Bestes gethan, viele Stund ob dem Feur gestanden, Rauch und Dampf verschluckt, da kommt man erst bey dem Abspühlen mit einem gestumpeten Besen und Reib-Eisen über mich, reibt und rüblet mich so lang und grob, bis mir die Haut abgeht. Darum sihe ich so dünn, mager und dürr aus. Was wolt ihr klagen, sprach der Dreyfuß: Ich weiß von bösen Tägen zu erzählen. Euch nimmt man nur zu Zeiten her: ich muß alle Tag daran. Man stellt mich hinein mitten ins Feur, stoßt mich mit Scheitteren und Schier-Hacken hin und her, von einer Seiten zur anderen. Und wann ich schon gantz glüend bin, schont man mir doch nicht. Ich muß gerad nur euer Narr seyn; Kessel, Pfannen, und Häfen (wie es der Köchin in Kopf kommt) setzt sie auf mich, und wann ich nur ein wenig da stehe, schilt und flucht sie noch darzu über mich; und wann alles aus ist, wirft man mich, wie einen Hund in einen Winckel, und sihet mich nicht mehr an, bis man mich wiederum braucht. Ich diene allbereit über die 12. Jahr in diesem Haus, und wann ich nicht drey Füß hätte, konnte ich es in die Länge nicht mehr ausstehen. Ich werd je länger je schwächer, und gehe halt auch in das alte Eisen. Aber sagt her, wo ist [705] unser Herrschaft? wo die Diener, Köchin und Magd, daß so gar niemand zu Haus ist; so viel ich hab hören mummlen, antwortete der Hafen, so seynd sie bey einer Martins-Ganß, u. werden vor Mitternacht nicht heim kommen. Das wär gut für uns, versetzte der Dreyfuß hinwieder, so hätten wir heut gut leben; wer weiß, wann es wiederum geschiehet? Gehen sie zur Martins-Ganß, so gehen wir zum Tantz. Kommt, laßt uns lustig seyn, und miteinander ein Täntzlein thun: doch mit dem Geding, daß, so bald sich die Haus-Thür nur reget, gleich ein jeder maussel-still an sein Orth sich wiederum begebe. Die übrige rußige Gesellen liessen ihnen den Vorschlag gefallen, allein der Spilmann gieng noch ab. Hierzu erbotte sich der Schierhacken, nahme das Reib-Eisen an statt des Geigen-Bogens her, und machte eins auf. Alsobald gienge der Tantz an; und weilen sie die Stuben offen fanden, hupften sie mit einander hinein, und sprangen lustig im Kreiß herum. Es stunde aber oben auf einem Gestell ein schönes, aus bester Erden glaßiertes Schnee-weisses Schälelein. Das ware den anderen gewaltig verdächtig, es möchte etwann sie verrathen, und ihnen bey der Herrschaft böse Händel machen. Damit sie derohalben sicher wären, laden sie selbiges gleichfals zum Tantz ein. Das Schälelein machte Anfangs ein trutziges Gesicht, und sprach: was? ihr grobe Rilpen! meint ihr, ich werde mich an euch reiben? Ja wohl nicht: ihr seyd nicht meines gleichen. Der kupferne Kessel antwortete hierauf, und sagte: nicht so stoltz, Jungfer Schälelein! ich bin so wohl rund, als ihr, wann ich schon nicht so schön bin. Ihr seyd nur aus Leim gemacht; und also müßt ihr es für ein Ehr halten, wann euch kupferne, messene, und eisene Geschirr neben sich hinkommen lassen. Ihr meint, ihr seyd besser, als wir: weil man euch auf den Händen tragt, und auf den Herren-Tisch stellet. Herren Gunst, und Nägelein-Wein riechen über Nacht aus. Man achtet aber euer eine Zeit her auch nicht so gar vielmehr. Der Staub, so Finger-dick auf euch ligt, macht, daß ich schier wetten wolt, man habe euch ein gantzes Jahr nicht mehr angesehen. Es ist nicht ohne, sprach das Schälelein, wie du sagst: allein ich möchte darum mit euch nicht tantzen: ihr springt mir gar zu grob; ich bin schwach und zart: wie bald möchte ich einen Stoß bekommen? wann es euch nur um das zu thun ist, antwortete die Pfanne dargegen, so ist der Sach bald geholffen. Wir wissen mit adelichen Personen schon eine Manier zu brauchen. Könnt ihr doch allein tantzen: oder wir wollen euch den Vortantz thun lassen, wie es euch gefällt. Verschmähet uns nur nicht; wir gehören ja alle ins Haus. Fein geschwind: was besinnt ihr euch lang? haltet mit, wer weißt, wann wir wieder also zusammen kommen. Das Schälelein wolte noch nicht recht ja sagen. Weilen aber alle andere mit gleicher Bitt anhielten, ließ es sich endlich überreden: stiege herunter; [706] tantzte eins allein: und weil es mittler weil lustig wurde, mischte es sich hernach auch unter die rußige Bursch hinein, und wagte ein und den anderen Gang im Kreis herum: gehling aber und unvermerckter Sachen, sprange der tolpete Dreyfuß auf das arme Schälelein hinauf und brache es mitten entzwey. Wie die Herrschaft nach Haus kommen, fande sie die Trümmer auf der Erden. Da war Jammer und Noth: und da man fragte, wer es gethan hätte? wolte niemand was darum wissen. Die Thäter hatten sich schon wiederum in ihre Winckel begeben, und war niemand unschuldiger, als sie. Rauscher S.J. Dominicale 2. Conc. 1. post Dom. 6. Epiphan.


Also gehet es, wann man sich unter böse Gesellschaft mischt. O wie manche unschuldige Seel ist schon verführt worden! darum, wer sicher darein gehen will, der fliehe solche Gesellschaft, und halte gäntzlich darfür, daß nichts gewissers seye, als was das gemeine Sprüchwort sagt: wer sich unter die Kleyen mischet, den fressen die (mit Gunst zu melden) Säu.

2. Fabel
Andere Fabel.
Ein arge Katz stiftet mit ihrem Ohrenblasen Mißtrauen zwischen einem Adler, und wilden Schwein, wordurch sie beyde ins Verderben gebracht hat.

Es wohnten beysammen in einem hohlen Eich-Baum drey unterschiedliche Thier: ein Adler, ein Katz, und ein Wildschwein. Der Adler hatte sein Nest zu oberst auf dem Baum: die Katz in der Mitte: und das Wildschwein zu unterst. Doch lebten sie lange Zeit fridlich unter einander, bis sie alle drey Junge bekamen. Der Katz kame am allerersten ihrer Nachbarn Thun und Lassen verdächtig vor: förchtete ihr, das wilde Schwein möchte so lang unten wühlen, bis der Baum umfiele; der Adler aber gähling einmahl in ihrer Abweesenheit über die Junge herwischen. Was Raths? Höre was dieser verschlagene Katzen-Balg erdacht habe. Sie kriechete in der Still zu dem Adler hinauf, unter dem Schein, ihne Ehrenhalber zu besuchen: sagte ihme auch in Geheim, und höchsten Vertrauen, was sie unlängst von dem Wildschwein vernommen: wie daß nemlich selbiges dem gantzen Vogel-Geschlecht abhold wäre, und nicht gedulten könte, daß eben der Adler das vornehmste Ort innhaben solte, da doch von Alters her dem Wildschwein das Beste im Wald gebührte. Um welcher Ursach willen es nicht nachlassen wolte, so lang mit Wühlen die Wurtzel zu untergraben, bis der Baum umfalle, und das Adler-Rest vernichtet werde. [707] Ich solte mir gleichwohl auch um ein andere Herberg umsehen; dann es wolte hinführan den Eich-Baum allein innhaben. Ach liebe Frau Nachbarin! wie wird es uns gehen? der Adler bedanckte sich um dieses treue Freundstuck; versprache ihr, sich hierüber zu bedencken; und hernach ihr auch sein Gutduncken zu entdecken, wie man etwann dem Unheyl vorkommen möchte. Kaum war das arge Vieh (die Katz) von dem Adler hinweg, da mauete sie auch in der Still zu dem Wildschwein hinab, grüßte selbiges, und sprach: mein liebe Nachbarin, habt mir es nicht für übel, daß ich euch überlauffe: ich weiß meinem Sachen weder Hülf noch Rath. So thut ihr mich auch erbarmen samt den Eurigen. Dann höret, mein goldene Nachbarin, was muß ich euch doch sagen? aber ihr müßt bey leib nicht dergleichen thun. Ihr wisset selbst wohl, was es um die Vögel für ein leichtfertiges Volck seye, welches alle andere Thier verachtet. Das hab ich diese Täg an dem Adler handgreiflich spühren müssen, indem er ein langes Gespött über meinen grauen Balg, eueren Rüssel, Bürste, und kothige Füß getrieben hat: endlich sich auch verlauten lassen, er wolle keine solche Nachbarschaft länger neben sich mehr gedulten: ich könte zwar noch eine Zeit lang da verharren; aber euch wolle er bey nächster Gelegenheit über die Junge wischen, und euch schon zwingen, die Heerberg zu raumen. Also schwätzte die lose Katz dem Wildschwein die Ohren voll an; und richtete mit ihrem Ohrenblasen so viel aus, daß ihm weder der Adler von dem Nest, noch das Wildschwein aus dem Loch heraus trauete; sonderen beyde samt den Jungen verhungeret, und der Katzen zu einem Raub worden. Es hat aber dieses schlaue Vieh den Rest auch bald überkommen, indem es über kurtze Zeit hernach von denen Jagd-Hunden in Stuck zerrissen worden, Rauscher S.J. Dominicale 1. Conc. 1. post Pascha.


Wolte GOtt, es gebe nicht auch unter den Menschen eine solche Art der Ohrenblaser! die da unter dem Schein der Freundschaft daher kommen, und beynebens nur ihren eigenen Nutzen suchen: mithin gute Verträulichkeit zerstöhren, und Feindschaft unter Fried-liebende Hertzen stiften. Solche verruchte Leut kan man mit rechtem Fug des Teufels Blas-Balg nennen; als welche das Feur der Uneinigkeit unter anderen anblasen. Aber hören sie, was der weise Syrach schreibt, und wann noch ein Funcken der Forcht GOttes bey ihnen ist, so erschröcken sie darüber. Die Wort lauten also: Ein Ohrenblaser soll verflucht seyn: dann er hat schon unter vielen den Frieden zerstöhrt. Eccl. 28.

3. Fabel
[708] Dritte Fabel.
Ein Fuchs wird von einem Bauren, den er aus Lebens-Gefahr errettet, übel belohnt.

Zur Zeit (auf welche man aber mit Zuruckrechnen nicht kommen wird) da nemlich die unvernünftige Thier noch ihre Sprach redeten, war ein Baur: der wolte einstens in ein Stadt auf den Marckt gehen, um allda zu verkauffen, was er von seinem Mayerhof mit sich genommen. Er mußte aber durch einen dicken Wald gehen. Nun geschahe es, daß er, weiß nicht, aus was Unachtsamkeit verirrete; mithin von weitem ein erbärmliches Geheul hörte, als wann jemand um Hülf schrye. Da stunde er dann im Zweifel, ob er den Weeg zuruck suchen, oder aber dem Geheul nachgehen solte, um zu erfahren, was es dann bedeute, und ob er villeicht jemand könne zu Hülf kommen. Endlich aus Mitleyden bewegt, gienge er dem Geheul nach, und kame nach einem Umweeg zu einem Felsen. In diesem war eine Höhle, und vor derselben ein grosser Stein, so den Ein- und Ausgang verhinderte. Aus dieser Höhle nun liesse sich das Geheul vernehmen. Wie der Baur gantz leiß hinschliche, hörte das Geheul auf. Bald aber vernahme er folgende klägliche Bitt: O! seyest du, wer du immer wollest, und den der Weeg hieher getragen: ich bitte dich, hilffe mir aus dieser Höhle hinaus, in welche mich das Unglück gesperrt hat; sonst muß ich hier Hunger sterben, und elendiglig darauf gehen. Solte ich diese Gnad von dir erhalten, so seye versichert, daß ich dir darum Leben-länglich werde verbunden seyn. Ja du sollest von mir den Lohn zu gewarthen haben, mit welchem die Menschen insgemein das Gute zu belohnen pflegen. Dem Bauren schossen vor Mitleyden die Zäher in die Augen. Doch ehe er sich zu helffen anbotte, wolte er wissen, wer dann in dieser Höhle seye? wie er hinein gesperrt worden? und wie endlich der Sach zu helfen? hierauf bekame er zur Antwort: ich bin ein Mensch, und schon halb gestorben, indem ich ohne meine Schuld von meinen Feinden in diese Höhle versperrt worden, damit ich hier Hunger sterben solte. Und weil ich schon sechs Tag keinen Bissen zu essen bekommen, wird es bald gar mit mir geschehen seyn, wofern ich nicht erlößt werde. Du darffest nur den grossen Stein von der Höhle weg wältzen, so wird mir geholffen seyn. Was den Lohn anlangt, hast du schon gehört, daß ich mich gegen dir einstellen werde, wie es die Menschen insgemein zu thun pflegen, wann man ihnen Gutes erwiesen hat. Der Baur, welcher ein gutes Trinck-Geld zu bekommen hofte, liesse sich nicht [709] länger bitten; setzte aber diese Wort hinzu: ich hoffe, du werdest dein Wort halten, und den guten Dienst er kennen, den ich dir thun werde. Dieses gesagt, wältzte er den Stein von der Höhle hinweg: und siehe! indem der Baur begierig ist zu sehen, wer aus der Höhle herfür kommen werde, da kriecht heraus ein abscheulicher, grosser, gespreckelter Drach; das ist: eine der grösten Schlangen. Der Baur, so in Ansehung dieses Drachens über die Massen erschrocken, wolte allbereit die Flucht nehmen. Allein der Drach verlegte ihm den Weeg. Wie der Baur das gesehen, faßte er das Hertz, und sagte: hörest du? Ich hoffe du werdest deiner Worten noch ingedenck seyn, und dich gegen mir danckbar einstellen. Gedencke, aus was für einer Noth ich dich errettet habe. Der Drach antwortete: Er hab seiner Worten noch nicht vergessen; wolle selbige auch treulich halten. Wie nun der Baur hofte, der Drach werde ihm aus der Höle ein Goldstuck herfür bringen; dieser aber darfür den Rachen aufsperrte, und den Bauren verschlucken wolte, schrye der Baur überlaut, und rufte Himmel und Erden zu Zeugen an, daß dieses nicht der Lohn seye, den er verdient habe. Er hab den Drachen vom Tod erlößt; und jetzt wolle er seinen Gutthäter verschlucken, und ihm das Leben nehmen: Das seye ja der gröste Undanck von der Welt? Allein der Drach sagte zu ihm: Du einfältiger Baur! weißt du nicht, daß die Menschen insgemein ihren Gutthäteren das Gute mit Bösem vergelten? Wie kanst du dich dann beklagen, wann ich dich verschlucken will? wann du aber je meinest, ich habe Unrecht, so wollen wir die Sach für den nächsten unpartheyischen Richter kommen lassen: Und wann dieser den Ausspruch wider mich fällen wird, so will ich den Handel verlohren haben. Der Baur, welcher den Handel zu gewinnen hofte, war dessen zufrieden. Sie nahmen also den Weeg mit einander weiters durch den Wald fort, und kamen endlich auf ein eben Feld hinaus. Da traffen sie einen alten Jagd-Hund an, so mit einem Strick um den Hals an einen Pfahl gebunden war. Diesen nun erwählten sie für ihren Schied-Mann, und bathen ihn, er wolte ihren Streitt-Handel anhören. Der Jagdhund hatte es für eine Ehr, daß ihn diese zwey für einen Schiedmann erwählten; fragte also: In wem dann ihr Streitthandel bestehe? Und als der Drach selbigen erzählt, sagte der Hund: Ich bin zwar kein Rechts-Gelehrter; hab mich vor diesem auf nichts anders, als auf das Jagen begeben: jedoch hab ich in meinen alten Tagen zu meinem Schaden so viel gelernt, daß ich mir getraue, in euerem Handel leicht einen Ausspruch zu thun, wann ihr mich nur mit Gedult anhören wollet. Als nun die streittende Partheyen ihme solches versprochen, setzte er sich auf seine hindere Füß, und hielte mit aufrechten Leib zu ihnen folgende Red: Ich weiß die liebe Zeit noch wohl, daß ich bey meinem Herrn [710] auch etwas golten hab. Dann ich ihme nicht allein treu, und wachtbar geweßt; sondern hab ihm auch auf der Jagd treflich gedient. O wie manchen Fuchs hab ich aus seiner Höle; wie manchen Haasen aus seinem Gebüsch; wie manches Rehe aus seinem Lager getrieben! welche hernach meinem Herrn in den Schuß geloffen. Wie manches mahl bin ich ungeheissen des Morgens in aller Frühe in den Wald hinaus gerennt, und hab nicht nachgelassen, bis ich einen Haasen erjagt, und selbigen auf den Mittag meinem Herrn in die Kuchel zuruck gebracht hab! anjetzo da ich alt worden, und nicht mehr zum Jagen tauge, gedenckt mein Herr nicht mehr an die gute Dienst, die ich ihm gethan; sondern anstatt, daß ich gehoft, er werde mich Leben-länglich unterhalten, hat er mich auf dieses Feld führen, und an einen Pfahl binden lassen: Allwo ich stündlich gewärtig seyn muß, bis der Hencker kommt, und mir den Rest giebt. Das ist nemlich der Lohn, den ich von meinem Herrn für meine gute Dienst bekomme. Aus diesem könnet ihr nun selbst ersehen, wer aus euch beyden recht habe: Wie der Baur das gehört, sahe er wohl, daß sein Handel verlohren war; konnte also eine Zeit lang kein Wort reden. Endlich berufte er sich auf einen anderen Schiedmann, sagend: Der Hund seye vor Alter halb kindisch, und könne also keinen vernünftigen Ausspruch thun, es gebe anderwärts Schiedmänner, welche die Sach besser verstunden, und einen gantz anderen Ausspruch thun wurden. Der Drach wolte anfänglich den Handel nicht auf längeren Banck hinaus ziehen lassen; jedoch weil er glaubte, es könnte ihm nicht fehlen, ließ er es endlich geschehen. Nahmen also die Partheyen, nachdem sie den Jaghund beurlaubet, ihren Weeg weiters fort, und kamen endlich auf einen grünen Wasen, auf welchem sie ein Roß wühlend angetroffen: Wie das Roß die Partheyen von weitem ersehen, wühlete es gegen ihnen, und war begierig zu wissen, zu was End selbige auf den Wasen kommen? Und nachdem die Partheyen näher hinzu kommen, fragte es selbige, was ihr Verlangen wäre? Da fienge der Baur an, den Handel zu erzählen, und bathe das Roß, es möchte ihm gefallen lassen, den Ausspruch zu thun: Ob nemlich die Menschen insgemein das Gute mit Bösem zu vergelten pflegen? Das Roß, als es gehört, daß es tüchtig erkennt werde, einen Schiedmann abzugeben, bedanckte sich anfänglich für die gute Meinung, die man von ihm hatte; hernach erzählte es seinen gantzen Lebens-Lauf, was treue Dienst es nemlich von jungen Jahren an seinem Herrn gethan; in wie vielen Feldzügen es sich gebrauchen lassen; wie unerschrocken es sich in die gröste Gefahren hinein gewagt; und wie glücklich es seinen Herrn daraus zuruck gebracht. Nichts zu melden, wie es sich jetzt auf die Jagd; jetzt auf einen Spatzier-Ritt; jetzt auf langwierige Reisen gebrauchen lassen. Anjetzo aber da es eraltet, und ausgebraucht seye, gelte es so wenig [711] bey seinem Herrn, daß er ihm nicht einmahl den Haber mehr wolle geben lassen. Ja, um seiner abzukommen, habe er es auf diesen Wasen treiben lassen, allwo es nichts anders zu gewarten habe, als daß man es dem Hencker überlassen werde, der ihm den Garaus mache, und die Haut über die Ohren abziehe. Diesen, und keinen anderen Lohn habe es für seine so viel Jahr geleistete treue Dienst zugewarten: Und aus diesem seye der Schluß bald gemacht, welche aus bey den Partheyen recht habe. Der Baur dieses hörend, protestirte wider dieses Urtheil, und sagte: Wie daß sowohl das Roß, als der Hund, wegen ihrem kindischen Alter kein vernünftiges Urtheil fällen könnten. Zudem so befinden sich beyde in dem Unglück, welches nicht zulasse, daß ihr Urtheil unpartheyisch seye. Man müsse also den Handel noch für den dritten Schiedmann kommen lassen, der da fähig wäre, einen reiffen, und unpartheyischen Ausspruch zu thun: Und bey diesem solle es alsdann sein Verbleiben haben; falle es hernach aus, wie es wolle. Der Drach, welcher wohlmerckte, daß der Baur durch dieses nichts anders suche, als den Handel zu verlängeren, wolte schier rasend werden; sagte also: Er wolle sich nicht länger am Narren-Seil lassen herum ziehen, sondern ihm selbst mit Verschlingung des Bauren Recht verschaffen. Allein weil ihm der Baur zu Füssen gefallen, und mit weinenden Augen gebetten, so viel Gedult mit ihm zu haben, bis der Handel dem dritten Schiedmann zu erörteren vorgetragen worden; liesse sich der Drach endlich erbitten, und verschonte dem Bauren aufs weitere hinaus. Unterdessen da dieses fürbey gehet, kommt aus dem nächsten Busch herfür ein Fuchs, der allem dem, was der Baur mit dem Drachen hatte, fleissig zugehört. So bald er den Bauren und Drachen erblickt, stellte er sich, als wolte er die Flucht nehmen. Der Baur aber rufte, und bathe den Fuchs, er wolte doch still halten; dann es werde ihm kein Leid geschehen; Und das um so viel desto mehr, weil er ihnen in einem wichtigen Handel dienen könne. Der Fuchs dies hörend hielte still, und fragte den Bauren, was es dann für ein Handel wäre? Da erzählte der Baur alles der Ordnung nach, und bathe den Fuchs, er wolte doch den Handel reif überlegen, und unpartheyisch darein gehen; keinem was zu Lieb, noch zu Leid reden. Der Fuchs stellte sich auf diese Erzählung, als finde er grosse Beschwernuß, in einem so verwirrten Handel einen Ausspruch zu thun. Sagte derowegen: Er könne keinen Schiedmann abgeben, er hätte dann vorher mit einer jeden Parthey besonders, und in Geheim gesprochen. Das geschahe dann, und zwar sprache er zu erst mit dem Drachen auf der Seiten in aller Still: Hernach schrye er überlaut: Drach: du hast einen gewonnenen Handel, allein ich muß den anderen Theil auch anhören. Der Drach schwunge vor Freuden die Flügel; der Baur aber schätzte sich hin, und hatte wenig gefehlt, [712] daß er nicht vor Schröcken dahin gestorben. Als ihn nun der Fuchs auf die Seiten genommen, stellte er ihm vor die augenscheinliche Gefahr, von dem Drachen verschluckt zu werden: Dann einmahl pflegen die Menschen insgemein die Gutthaten nicht anderst, als mit Bösem zu vergelten. Seye also anderst nicht zu helfen, als durch Erfindung eines Lists, auf welchen er wolle bedacht seyn. Allein der Baur müsse ihm den täglichen Zugang in seinen Hännen-Stall versprechen, und ihn mit den Hännen nach Gefallen umgehen lassen. Wie der Baur gehört, daß noch ein Hofnung, mit dem Leben davon zu kommen, überig seye, versprach er dem Fuchsen, was er nur begehrte. Auf dieses hin sagte der Fuchs zum Bauren, er solle jetzt auf alle Wincker fleißig Achtung geben, und thun, was er ihn heissen werde. Dieses erinnert, stellte sich der Fuchs in die Mitte, und sagte: Er hab jetzt mit beyden Theilen gesprochen, und geduncke ihn, der Handel werde bald geschlichtet seyn. Allein eines seye; daß er vorher wissen müsse: Nemlich, was es für eine Beschaffenheit habe mit der Höle, in welcher der Drach verschlossen gewesen. Der Drach sagte, das könne leicht seyn; er solle nur mit ihnen zuruck gehen, da wolle er ihm die Höle selbst zeigen. Nun das geschiehet: Wie sie zur Höle kommen, thate der Fuchs selbige gantz genau betrachten: Bald schlufe er hinein; bald kame er wieder heraus, und sagte, das seye wohl ein förchtige Höle. Allein das könne er nicht fassen, wie ein so grosses Thier, als der Drach seye, in einer so engen Höle sich habe aufhalten können. Es müsse einmahl ein andere Höle, als diese, gewest seyn. Der Drach beheurte hoch, daß es eben diese Höle seye; und wann er es nicht glaube, so wolle er wieder hinein schlieffen. Gantz recht, sagte der Fuchs; das wird den Handel am besten ausmachen. So schluffe dann der Drach in die Höle hinein; der Fuchs aber gienge vor der Höle daraussen auf und ab, und sagte: Das hätte ich mir mein Lebtag nicht eingebildet, daß ein so grosses Thier in einer so engen Höle sich aufhalten könte. Allein jetzt muß ich es selbst mit meinen Augen sehen; wahrhaftig, viel Sachen geschehen, die wir uns nicht einbilden können. Indem nun der Fuchs also die Zeit mit seinem Gespräch zubringt, giebt er dem Bauren mit dem Schweif ein Zeichen, daß er den vor der Höle liegenden Stein unverzüglich vor das Loch der Höle wältzen solle. Der Baur thut es, und versperrt also den Drachen wiederum in sein voriges Loch: Welcher zwar wider diesen gebrauchten List sich höchstens beklagte, mit der Protestation, daß ihm hierinnfalls das gröste Unrecht von der Welt geschehe. Allein weder der Baur, noch der Fuchs kehrten sich im geringsten an diese Klagen; vielmehr lachten sie ihnen die Haut voll, daß der List angangen, und nahmen mithin ihren Weeg zuruck: Auf welchem sich der Baur gegen dem Fuchsen nicht genug [713] bedancken können, daß er ihn aus so augenscheinlicher Gafahr des Tods errettet hätte, mit Versicherung, daß er solche Gutthat Lebenlänglich erkennen wollte. Der Fuchs erfreute sich über die Dancksagung des Baurens; mahnte ihn aber, er solle niemahl vergessen des Lohns, den er ihm versprochen. Behüt Gott! sagte der Baur: Wann ich das thäte, wurde ich ja der undanckbariste Mensch von der Welt seyn. Ich schwöre dir also, daß ich dir bey nächtlicher Weil 20. Täg an einander den Hännen-Stall wolle offen lassen. Da sollen alle Hännen zu deinem Dienst stehen. Und damit du sicher aus und eingehen könnest, will ich meine Hund einsperren. Dieses also theur versprochen, nahme der Baur vom Fuchs Urlaub, und weil es schon spat Abends war kehrte er nach seinem Meyer-Hof zuruck. Unter Weegs aber führte er zu Gemüth, was er dem Fuchsen versprochen, und sagte bey sich selbst: O was bin ich für ein Narr gewesen, daß ich dem Fuchsen so viel zugesagt! wann ich ihm eine und andere Hänne hätte lassen zukommen, wäre es genug gewest. Aber 20. Täg an einander ihm den Hännen-Stall überlassen, was wird er mir nicht für einen Schaden thun? Wie werd ich das über mein Hertz bringen? Nein, nein: Versprechen hin, versprechen her: Ich hab keine Hännen, die der Fuchs fresse. Und was wurde mein Weib darzu sagen, wann sie wußte, was ich dem Fuchsen versprochen? wurde sie mich nicht als einen Bärnheuter ausschelten, und die Hännen alle auf ein Seiten thun? Was also sie thäte, das will ich selbsten thun; wie er geredt, also hat er auch gethan. Dann so bald er nach Haus kommen, mußte man alle Hännen aus dem Stall thun; den Stall aber offen lassen. Alsdann befahle er einem Knecht, der ihm am getreuisten war, sich mit einem knoßpeten Prügel zu versehen, im Hännen-Stall zu verstecken, und fleißig zu wachen; dann um Mitternacht herum werde ein Fuchs kommen, des Vorhabens, eine und andere Hänne zu erwürgen. So bald dieser werde in den Stall hinein getretten seyn, solle er ihm mit dem Prügel einen solchen Streich versetzen, daß er des Aufstehens vergesse. Das liesse ihm der Knecht gesagt seyn, und versprache, dem Befehl fleißig nachzukommen. Wem ware unterdessen die Weil länger, als dem Fuchsen? Er meinte eben, er könne nicht warten, bis es Mitternacht wurde; also wässerten ihm die Zähn nach dem Hännen-Fleisch, mit welchem er den Magen anzuschoppen verhofte. Wie es nun um Mitternacht ware, eilte der Fuchs dem Meyerhof zu. Und da er gemerckt, daß nicht allein keine Hund vorhanden, sondern auch der Stall offen, war er voller Freuden, und lobte den Bauren, daß er sein Versprechen so redlich gehalten hätte. Tratte also gantz sicher in den Stall hinein, und schmeckte hin und her, wo die Hännen wären. Aber, O wie befande er sich so schandlich betrogen! dann siehe, der im[714] Stall verborgene Knecht giebt ihm mit dem knopfeten Prügel einen solchen Gruß, daß er um und um trimmelte. Indem sich der Fuchs umsiehet, wer ihm diesen unverhoften Willkomm gebe, und mithin den anderen Streich bekommt, versteht er erst, daß er verrathen, und der Baur an ihm untreu worden. Da klagt er dann, und sagte: Ach! so ist das der Lohn, den mir der Baur versprochen? O wie ist mein Gutthat so übel erkennt! hätte ich mich seiner nichts angenommen, so müßte ich anjetzo nicht zu tod geschlagen werden. Kaum hatte er diese Wort ausgeredt, führte der Knecht mit dem Prügel den dritten Streich auf des Fuchsen Kopf: Wormit er ihn auch erlegt hat. Bidermann S.J.I. 1. Acroam.


O wie vielmahl geschiehet es, daß es die Jugend gegen ihren Lehrmeisteren nicht anderst macht, als wie der Baur gegen dem Fuchsen! die Lehrmeister sprachen kein Mühe und Arbeit, damit die Jugend etwas lerne, und mit der Zeit etwas aus ihr werde. Aber die Jugend, an statt daß sie es erkennen, und darfür danckbar seyn sollte, redet ihren Lehrmeisteren oftermahls übel nach; zieht sie durch die Hechel, und macht sie bey denen Leuten verächtlich: Welches so viel ist, als wann sie an ihnen ein Todschlag begienge. Dann ja bekannt, daß uns Ehr und guter Nam so lieb, als das Leben selbsten seye. Wer also denen Lehrmeisteren übel nachredt, der thut sie gleichsam tödten. Hüte dich, liebe Jugend! vor solchem Undanck: Dann das ist ein Laster, welches dich nicht allein bey GOTT und denen Menschen verhaßt, sondern auch Ehrloß macht.

4. Fabel
Vierte Fabel.
Eine glückliche Haushaltung wird durch Uneinigkeit zerstöhrt.

Es war ein Specht, ein Maus, und eine Bratwurst; diese geriethen einstens in eine Gesellschaft zusammen, mietheten auch nach gemachter guter Bekanntschaft ein Haus, in welchem sie beysammen wohneten, und lange Zeit nicht allein friedsam mit einander lebten, sondern auch an Güteren zunahmen. Des Spechts Arbeit ware, daß er täglich mußte in den Wald fliegen, und Holtz herzu tragen. Die Maus mußte Wasser holen, das Feuer auf den Herd anmachen, und den Tisch decken. Die Bratwurst mußte kochen: In solcher Ordnung nun, und Austheilung der Geschäften führten sie eine solche Haushaltung, daß ihnen recht wohl, ja nur gar zu wohl beysammen ware. Dann, wem zu wohl ist, der trachtet immerzu nach etwas neues. Diesem zufolg, als eines Tags dem Vogel [715] unter Weegs, da er eben mit Holtz beladen aus dem Wald zuruck floge, ein gewisser Kerl begegnet, deme er seinen Wohlstand erzählet, sagte jener: Du hast wahrhaftig keine Ursach, dich deines Wohlstands zu rühmen; vielmehr bist du ein armer Tropf, indem du dich täglich mit Holtztragen mußt abmatten, da unterdessen die andere zween zu Haus die beste Täg haben. Du bist wohl ein Narr, wann du es länger also leidest. Dann, wann die Maus ihr Feuer angemacht, und Wasser getragen, begiebt sie sich in ihr Kämmerlein zur Ruhe, bis man sie heißt den Tisch decken. Die Bratwurst aber bleibt bey dem Hafen, siehet zu, daß die Speis recht koche; und wann es bald Essens-Zeit ist, schwingt sie sich ein und andermahl durch den Brey, oder Gemüß, so ist es schon geschmaltzen, und zugerichtet, wie es seyn soll. Kommst du nach Haus, und legst dein Burde ab, so sitzen sie zu Tisch, und nach eingenommener Mahlzeit legen sie sich auf ihr faule Haut, und schlaffen bis den anderen Morgen: Du aber mußt wiederum in den Wald hinaus fliegen, und Holtz zusammen tragen. Wie der Vogel auf solche Weis verhetzt, und angestiftet worden, wollte er nicht mehr ins Holtz hinaus; sondern sagte zu denen anderen: Hört ihrs, ich bin schon lang euer Knecht gewesen, und hab so zu reden nur euer Narr müssen seyn; aber es ist Zeit, daß wir ein andere Ordnung machen, und die Aemter verwechslen, so wirds alsdann recht seyn. Die Maus und die Bratwurst batten zwar darfür, sagende: Wann die Ordnung sollte geändert werden, seye billich zu besorgen, ihr Wohlstand werde bald ein End haben. Allein weil der Vogel den Kopf einmahl gesetzt, mußte es gewagt seyn, es möchte hernach gehen, wie es wollte. Sie werfen also das Loos unter einander, welches folgender Weis ausgefallen: Die Bratwurst mußte das Holtz tragen, die Maus wurde Koch, und der Vogel mußte Wasser holen. Was geschiehet? Die Bratwurst gieng ins Holtz, der Vogel machte unterdessen das Feuer auf dem Herd an, und wartete, bis gleichwohl die Bratwurst wurde heim kommen, und für den anderen Tag Holtz bringen. Allein die Bratwurst bliebe so lang aus, daß dem Vogel und der Maus nichts Gutes vorkame. Also dann, aus dem Wunder zu kommen, floge ihr der Vogel ein gutes Stuck Weegs entgegen. Aber siehe! unter Weegs trift er einen Hund an, welcher die Bratwurst angepackt, und aufgefressen hatte: Der Vogel beschwerte sich zwar über dieses Verfahren, als über einen offentlichen Raub. Allein der Hund verantwortete sich mit dem, wie daß er bey der Bratwurst falsche Brief gefunden; deswegen sie das Leben verfallen hätte. Der Vogel, welcher mit dieser Antwort verlieb nehmen mußte, nahme das Holtz, so die Bratwurst nacher Haus hat tragen wollen, auf sich, kehrete darmit traurig zuruck, und erzählte der Maus, was er gesehen, und gehört [716] hatte. Das machte nun beyde sehr bestürtzt; doch damit die Haushaltung nicht gar aufgehebt wurde, vergliechen sie sich mit einander, mit dem Versprechen, ihr bestes zu thun, und bey einander zu bleiben. Allein als die Maus nach Art der Bratwurst sich in den Hafen, und durch das Gemüß schwunge, bliebe sie darinnen stecken, und mußte darüber das Leben lassen. Wie der Vogel daher kam, und das Essen auftragen wollte, da war kein Koch vorhanden: Hierüber gantz bestürtzt, warfe er das Holtz von sich, rufte und suchte seinen Koch (die Maus) konte ihn aber nicht finden. Unterdessen kame in der Kuchel aus Unachtsamkeit Feuer ins Holtz; also daß eine Brunst entstunde. Der Vogel, so zu löschen besorgt war, eilte Wasser zu holen: Indem er aber aus einem tieffen Schöpf-Bronnen mit einem Eymer Wasser schöpfte, entfiele ihm der Eymer, und zoge ihn mit sich in den Bronnen hinunter; in welchem er auch ersauffen mußte. Und auf solche Weis nahme die Anfangs glückliche Haushaltung ein trauriges End; und das allein aus Uneinigkeit, so aus dem Neid entstanden; indem eines dem anderen seine Kommlichkeit mißgönnte. Philander von Sittenwald im 2. Theil seiner Straf-Schriften.


O wie wahr ist das Sprüchwort, welches sagt:Fried nährt; Unfried verzehrt! dann wo Fried ist, da ist auch Glück und Seegen. Wo aber Unfried ist, da nimmt alles den Krebsgang. O daß alle, so eine Haushaltung führen, ihnen solches liessen gesagt seyn!

5. Fabel
Fünfte Fabel.
Eine Lerch kundschaftet alles wohl aus, damit ihre Junge wohl versorgt seyen.

Die Lerch hatte ihr Nestlein in einem Acker, wo das Korn etwas frühers zeitig wurde. Die Junge waren noch übel gefiedert; und doch die Zeit der Ernde allbereit vorhanden. Weßwegen die Mutter etwas sorgfältigers, als sie um die Nahrung wollte ausfliegen, ihre Junge gewarnet: Sie sollten sich fein still zusammen halten, und fleißig aufmercken, was die Leut im Fürübergehen mit einander redeten; ihr auch nach ihrer Wiederkunst alles treulich erzählen, die Junge sagten zu; die Alte floge fort: Kaum ware sie hinweg, da kame der Herr des Ackers samt seinem Sohn: Und wie er die schöne volle Aeheren sahe, sprach er: GOtt Lob! das Korn steht wohl, und ist zeitig zum Schnitt. Gehe also hin, mein Sohn, zu denen Nachbaren, und guten Bekannten, und spriche sie in meinem Namen an, daß sie Morgen kommen, uns den Dienst thun, und [717] das Korn abschneiden wollen. Hierüber erschracken die Junge gar heftig; und so bald die Mutter nur heim kam, floderten und zwitzerten sie herum, und erzählten mit kläglicher Stimm, was sie in ihre Ohren hinein gehört hätten. Die Mutter hingegen tröstete sie, und sagte: Meine Kinder! es ist kein eintzige Gefahr, dann die Benachbarte pflegen sich nicht zu übereilen, wann sie umsonst einen Dienst thun sollen. Des anderen Tags floge die Mutter wiederum aus, und hinterliesse denen Jungen die vorige Warnung: Sie sollten nemlich auf das Gespräch deren, so fürbey giengen, wohl acht geben. Der Haus-Vatter samt seinem Sohn war auch bald wiederum vorhanden, und wie er vermerckt, daß nichts geschehen, sagte er: Jetzt siehe ich, wie wenig man sich auf die Bekannte und Benachbarte zu verlassen habe. Gehe aber hin zu unseren nächsten Bluts-Freunden diesen und diesen, und ersuche sie, daß sie doch Morgen gewiß allhier sich einfinden, und das Korn abschneiden wollen; solchen Dienst werde ich in einem anderen erwidrigen. Dieses alles erzählten die junge Lerchlein gar fleißig, mit angehenckter ängstiger Bitt, daß sie doch an ein anders sicheres Ort möchten getragen werden. Allein die Mutter hiesse sie ohne Sorg seyn, sagend, es werde sicherlich nichts geschehen: Dann Freund in der Noth gehen 70. auf ein Loth. Blieben also diese Nacht, und nächst folgenden Tag die Junge samt der Mutter in dem alten Nestlein. Den dritten Tag, wie der Haus-Vatter sahe, daß das Korn noch stunde, und auch die nächste Befreundte nicht zu erbitten gewesen, sprache er: Nun wohlan, mein Sohn: Weil es je seyn muß, richte du zwey wohl geschliffene Sichlen: Eine für mich; die andere für dich. Morgen (wills GOTT) in aller Frühe wollen wir selbst zur Sach thun; und soll uns auf den Abend kein Aeher mehr stehen bleiben. Als dieses die alte Lerch mit ihren Jungen vernommen, truge sie selbige ohne eintzigen Verlust der Zeit an ein sicheres Ort: Und das gantze Feld-Korn lage des anderen Tags zu Boden. Aulus Gellius lib. Noctium Atticarum. c. 29.

Eine schöne Lehr für die Haus-Vätter, der Emsigkeit halber: Daß, wann sie ein Sach werckstellig zu machen verlangen, sie selbst Hand anlegen müssen; sonsten gleich alles ins Stecken gerathe. Und da wird wahr das Sprüch-Wort, welches sagt:


Wer sein Sach will haben recht,
Der muß selber seyn der Knecht.

Ein andere Lehr ist zu nehmen von der alten Lerche: Wie man nemlich alles fleißig auskundschaften solle, wo sich die Gefahr eines grossen Uebels zeiget; damit man ihme selbst, und denen Seinigen vor Schaden seye. Und da wird man der Sach nicht bald zu viel thun, wann man schon allen Fleiß vorkehrt: Dann:


Fleiß fallt nicht auf dem Eis.

6. Fabel
[718] Sechste Fabel.
In einem schönen herrlichen Gebäu stritten einstens alle Theil des Haus um den Vorzug.

Es war ein schönes herrliches Gebäu, in welchem alle Theil des Haus lange Zeit friedlich beysamen gewohnt, bis sie sich (weiß nicht durch wessen Anstiftung) von einer stoltzen Einbildung, und Regiersucht einnehmen lassen; also daß die Stube nichts mehr um die Kammer, die Kammer nichts um die Stube gabe. Die Stiege wolte höher, als das Tach; das Speis-Gewölb über die Kuchel; das Camin vornehmer, als das Fenster seyn. Ware also ein lauterer Unfried, Zanck und Hader im Haus; ein jeder Theil wolte Herr seyn, und vor anderen den Vorzug haben.

Die Haus-Thür vermeinte, ihr gebühre der Vorzug. Dann (sagte sie) für wen wäre das gantze Haus, wann niemand weder aus- noch eingehen konte? wurde man nicht glauben, die Pest regiere darinnen? bin ich nicht diejenige, welche nächtlicher Weil die Dieb ausschließt? wo sonst die Herrschaft nicht ruhig schlaffen könte? und wem fragt man mehr nach, als eben mir? indem man wissen will, ob ich wohl verschlossen seye, oder nicht?

Allein die Stiegen wolte nicht weniger seyn. Was nutzte die Thür (sprach sie) wann kein Stiegen in die obere Zimmer wäre? über eine Leiter hinauf steigen, wäre so gefährlich, als beschwerlich. Hingegen seynd meine breite, und nicht hohe Staflen zum steigen gar bequem. Auf der Stiegen empfangt man die liebste Gäst; über die Stiegen führt man sie höflich hinauf: und deme man eine sonderbare Ehr erweisen will, dem gibt man freundlich das Geleit über die Stiegen hinab.

Die Stuben machte hierüber ein saures Gesicht, und sagte: was solt ihr zwey gegen mir seyn, du kothige Stiegen, und du Wurm stichige Thür? mich hat jedermann in Ehren: den man bey der Hand in die Stuben führt, der ist lieb und wehrt. In mir isset und trinckt man; in mir stellt man Mahlzeiten an, und macht sich lustig. Im Winter laßt man alles stehen, und eylet der Stuben zu.

Das Fenster hielte Widerpart, und sprach: was wäre ein Stuben, ja das gantze Haus ohne Fenster? fürwahr nichts anders, als eine wüste, finstere Keichen. Es müste ja jedermann ersticken, und halb verblinden? ich laß die Sonnen ein: ich theile das Liecht mit zur Arbeit, Essen, Lesen, Schreiben etc. durch mich gehen die schlimme Dämpf hinaus; und der gesunde Luft hinein. Ich eröfne der Herrschaft, und allen Hausgenossenen ein freyes Ausehen auf die Gassen[719] hinaus: soll mir nicht deswegen der Vorzug gebühren?

Die Kammner spreitzte sich auch, und sagte: wann jedermann müd und matt ist, sucht er seine Ruhe bey mir, und findet sie auch durch einen süssen Schlaf. Herr und Frau tragen ihre Geschäft zwischen den Wänden der Kammer aus. Ich bin der Schatz-Meister, die Schatz-Truchen alles Gelds, und Silber-Geschmeids, Kleydung und Leinwath seynd bey mir in der Verwahrung etc.

Die Kuchel lächlete dazu, und sprache: was wäret ihr alle auf einen Hauffen zusammen ohne mich? Hunger müßte die Herrschaft, Kinder, und Ehehalten sterben, wann ich nicht täglich zu seiner Zeit richtig die Speisen auf den Tisch liferte. Ich bereite Pasteten und Torten, Gesottenes und Bratens, Schwartz- und Feder-Wildprät, oder wo sonst ein guter Bissen vorhanden ist, auf das beste, und wohl-geschmacktiste zu etc.

Wie so stoltz? rußige Kuche! wie so stoltz? Fragte das Speis-Gewölb. Was hast du Guts als von mir? es müßte das Feur lang auf dem Herd brinnen, bis du auch nur mit einer geschmaltzenen Wasser-Suppen der Herrschaft köntest aufwarthen, wann ich dich nicht so reichlich mit allem Vorrath thäte versehen. Eyer, Schmaltz, Butter, Saltz, Mehl, roh- und gesaltzenes Fleisch, und was halt den Namen einer Speiß hat, muß ich herschaffen. Du hast für dich nichts, als schmutzige Häfen und Pfannen, etliche Koch-Löffel; Rauch mehr als dir lieb ist; und über das Grillen, Katzen und Mäuß zu Kost-Gänger. Pfui! wie magst du so viel aus dir selbst machen?

Als das Dach merckte, daß es um die Ober-Herrschaft zu thun wäre, nahme es sich der Sach ernstlich an, und sagte: ihr solt wissen, daß jedermann unter meinem Schutz wohne. Daß es nicht einregne, nicht einschneye; die Sonn denen Leuten nicht zu starck auf den Kopf steche; der Schaur und Hagel niemand treffe, um das hat man mir zu dancken. Und wo ist jemahl erhört worden, daß der Obere seinen Unterthanen nachgehen solle? Derohalben, wer sich noch länger meines Schutzes zu bedienen gedacht ist, der soll sich zum Gehorsam bequemen; oder noch heut das Haus raumen.

Was? sagte der Camin: ich soll dein Unterthan seyn? bin ich nicht höher als du bist? ich brauch weder Fach noch Dach; stehe frey da in dem Luft, und laß den Rauch hinaus, von dem sonst jedermann ersticken müßte.

Also strichen auch andere Theil ihre schöne Eigenschaften, und hohe Verdienst herfür, und wolte ein jeder der Vornehmste seyn. So gar der gestumpete Besen bedunckte sich etwas zu seyn, und rühmte sich, daß er das Haus auskehrte, und sauber hielte: welches ja nichts seye. Uber solches Geschrey und Tumult, weil es schiene, es därfte gar zu einer Aufruhr kommen, und alles unter über sich gehen, ersuchte derjenige, so die [720] Aufsicht auf das Haus hatte (das ist: der Pfleger) etliche Benachbarte um Beystand: welche dann bald vorhanden ware, und ihr bestes thaten, Frid zu machen. Aber kein Parthey wolte weichen, noch das geringste von ihrem vermeynten Recht vergeben: bis sie nach langem Gezänck endlich der Sachen so weit eins worden, daß sie einen aus den Benachbarten, der sie der Klugste zu seyn gedunckte, für einen Schiedmann erwählten, welcher den Ausspruch thun solte, was ihm billich und recht zu seyn vorkommen wurde; die andere solten dessen Zeugnuß seyn. Man setzte sich also nieder, und in Beyseyn des Herrn Pflegers wurden die Partheyen verhört, und zugleich einem jeden streitenden Theil ein und der andere Fehler angedeutet, der ihn zum Regiment untüchtig machte.

Man fienge an von der Haus-Thür, und gabe ihr zu verstehen: sie seye gar zu partheyisch, und gebe nicht fleissig genug auf ihr Amt acht: schliesse zwar die Dieb aus; aber nicht die Buhler, Schmarotzer, Spil-Gurren, und anderes schlimmes Gesindlein: stehe oft viel Stund Angel-offen, wo sie billich solte zu seyn, damit die Bettler nicht so gleich hinein lauffen.

Der Stiege wurde bedeutet: Es schickte sich gar nicht, daß sie ihr von einer Ober-Herrschaft solt traumen lassen, als welche von den Maurern und Zimmer-Leuten unter die Füß wäre verordnet worden. Zu dem seye sie oft gar finster und schlipfeig, und allzeit ein Gefahr, daß nicht fremde Leut fallen, Händ und Füß abbrechen, bevorab, wann etliche mit einem guten Dampf von Wein gar zu spat heimgehen. Die freundliche Complimenten, die man auf der Stiegen mache, gehen sie nichts an. Es seye dem Haus-Herrn nicht allzeit ernst; sondern es hiesse nur, so bald mancher den Rucken gekehrt: behüt dich GOtt draussen: hierinn ist dir nichts geschehen.

Der Stuben wurde gesagt, sie seye zwar ein feines Zimmer; wisse aber kein Mäßigkeit zu brauchen: bald seye sie zu kalt, bald zu warm: gebe denen Fliegen und Schnacken, welche denen Innwohnern sehr überlästig fallen, und alle Wänd besudlen, Unterschlauf: stincke oft ärger, als ein Baur zwischen den Zehen! jage auch die faule Knecht und Mägd hinder dem Ofen nicht herfür.

Dem Fenster wurde verwisen, daß es einer Haus-Gemeind das gröste Ubel verstatte: nemlich den Müßiggang: indem Mancher, und Manche gantze Stund müßig unter dem Fenster liege, und die edle Zeit mit Fürwitzen übel zubringe: schliesse sich auch nicht allzeit recht zu, indem es durch das Schetteren seiner lucken Scheiben, wann ein Wind geht, die Leut aus dem Schlaf aufwecke.

Der Kammer liesse man endlich gelten, daß sie eine Schatz-Meisterin seye; allein es mangle ihr an der Gerechtigkeit, und anderen einem Regenten höchst nothwendigen Tugenden. Sie verberge gar oft fremdes [721] gestohlnes Gut, gebe der Hurerey, Ehebrüchen, und allen Lasteren einen Unterschlauf. Was eine Obrigkeit oder Herrschaft an ihren Unterthanen straffen solle, das müsse sie selbst nicht thun.

Der Kuchel wurde abgedanckt, mit Vermelden, wann die schmutzige Häfen, rußige Kessel, Pfannen und Dreyfuß eine Obrigkeit verlangten, möchten sie endlich zukommen, aber vor nicht.

Das Speiß-Gewölb wurde gelobt wegen der Vorsichtigkeit, und gemachter guter Anstalt an allerhand Vorrath ins Hausweesen, und ihm also die nächste Stell des Kuchelmeister-Amts versprochen, allein von der Ober-Herrschaft solle es ihm nichts traumen lassen: es schmecke gar übel nach Unschlit und Schmeer, wie die schmutzige Hosen eines Sudel-Kochs, der eben vom Bratwürst machen daher kommt, und die Händ daran abgewischt hat etc.

Dem Dach zeigte man den Unterschied zwischen dem Hut, und dem Kopf. Der Hut stehe zwar auch hoch oben, könne aber aus Mangel der Witz anderer Glieder Haupt nicht seyn. Mancher habe einen feinen Hut, seye aber wenig Hirn darunter. Zudem, wann ein Haus zu Grund gehen wolle, fange dessen Untergang gemeiniglich von dem Dach an, welches sich nicht überall recht verschliesse, sondern da und dort dem Regen freyen Paß gestatte; wovon hernach die Balcken nothwendig faulen, und das Haus einfallen müssen.

Das Camin bekame einen starcken Verweis wegen seines Ehrgeitzes, daß es als ein armer Luftschlucker ein Rauchfang, ein auswendig abgeweißter, und innwendig von Ruß schwartzer Gleißner, der des Fegens so oft vonnöthen habe, sich eines Regiments anmassen dörfte.

Den letzten und besten Butzer bekame der gestumpete Besen wegen seiner unleydentlichen Hoffart. Was? sagte der erwählte Schidmann, du liederlicher, kothiger, gestumpeter Besen? Darfst du dir einen Gedancken von einer Ober-Herrschaft machen? Geschwind packe dich in einen Winckel, und seye froh, wann dich nicht heut noch die Kuchel-Magd ins Ofen-Loch hinein wirft etc.

Also wurden die streitende Partheyen verhört, also abgefertiget, alle zu Fried und Einigkeit ermahnt, es sollte ein jeder auf sich, und sein Amt acht geben, nach keiner höheren Ehren-Stell trachten, worzu er doch nicht tauglich seyn wurde, sondern mit seinem Stand zufrieden seyn, und demjenigen fleißig nachkommen, worzu er gleich Anfangs bey Aufrichtung des Hauses von denen Baumeisteren verordnet wor den; so wurde es mit ihnen allen wohl stehen. Welches sie dann auch zu thun angelobet.

Der Pfleger erzeigte hierüber ein sonderes Vergnügen, bedanckte sich freundlichst wegen der nachbarlichen Lieb und Beystands dessen Erbietens, solches bey einer anderen Gelegenheit zu erwidrigen; und wollten diese schon allbereit wieder nach Haus [722] kehren. Indem sie aber die Stiegen hinab, und bey dem Keller fürüber giengen, sprange ein Reif an einem Faß, mit so lautem Schnall, daß der Pfleger eylend zulieffe, zu sehen, ob nicht ein Schaden geschehen wäre. Die Benachbarte folgeten hinnach, fanden aber weiter nichts, sondern der Pfleger liesse ein Glaß voll des besten Weins heraus, und brachte seinen Schidmännern eins zu. Sie thaten Bescheid, lobeten den Trunck, und der Pfleger sagte ferners, wie daß er dem guten Keller darum zu dancken hätte: im Sommer seye er Eiß kalt, und im Winter warm: und also könnte er allezeit einen frischen Trunck haben. Die Benachbarte verwunderten sich hierüber. Und einer aus ihnen sprache: Herr Pfleger, wann je ein Theil des Hauses sollte die Oberhand haben, so gebe ich dem Keller wegen seinen guten Eigenschaften meine Stimm. Der Pfleger sagte: er wäre auch dieser Meynung. Als man aber den Keller selbsten fragte: ob er nicht Lust hätte, höher anzukommen? Schüttelte er den Kopf, und gabe damit zu verstehen, wie daß er nichts, als das unterste Orth suchte: welche Demuth dann alle sonderes vergnügte, und ihn eben darum der Ehr würdig achteten, weilen er alle Ehr so großmüthig verachtete. Rauscher S.J. Festivale 2. in der Zugab von der guten und schlimmen Haushaltung.


Wäre diese Uneinigkeit, so allein aus stoltzer Einbildung und Regiersucht entstanden, nicht bey Zeiten gestillt worden, wurde sie den unfehlbaren Untergang des gantzen Hauses nach sich gezogen haben. Dann Hoffart gehet vor dem Fall. Das ist: wo die Hoffart regiert, da ist der Fall am nächsten. Also nache seynd diese miteinander verknüpft. Herentgegen wo Demuth ist, da gehet ihr die Ehr auf dem Fuß nach. Demuth wird von jedermann geachtet, Hoffart von jedermann verachtete. Wie solle dieses Bedencken jedermann in der Demuth erhalten.

7. Fabel
Siebente Fabel.
Ein Esel muß seine Ehrsucht mit der Haut bezahlen.

Der vierfüßigen Thieren-König, der Löw, lage in seiner schattenreichen grünen Residentz, nemlich in einem dicken Wald sehr kranck an der Gelbsucht, und wollte ihm kein eintzige angewendte Artzney weder von Kälbernem, noch Kitzlein-Fleisch recht zuschlagen. Hierüber nicht wenig bestürtzt, beruffte er seine vornehmste Räth nacher Hof, sich über seinen gefährlichen Zustand mit ihnen zu unterreden. Es erschienen der Elephant, der Bär, das Pferd, der Hirsch, und andere Thier mehr von grossem [723] Ansehen und Tapferkeit; brachten auch nach gehaltener Umfrag allerhand gute Vorschläg auf die Bahn welche zu dessen Königs Genesung gantz vorträglich und dienlich waren. Allein, so bald der Rath entlassen worden, kehrte der Fuchs alles um. Dieser vertratte eine Zeit her zu Hof die Stelle eines Secretarii, oder geheimen Schreibers. War auch dem König wegen seiner Geschwindigkeit und Arglists sehr lieb. Weilen er dann den steten Zugang in das innere Gemach des Krancken hatte, beynebens denen grossen Thieren aufsätzig war, beredte er den König, ihren Räthen nicht zu viel zu trauen. Dann (sagte er) es ist ihnen um nichts wenigers, als um Ihro Majestät Wohlfahrt zu thun, sondern unter dem Schein getreuer Beamten suchen sie ihren eigenen Nutzen; wie sie sich nemlich des schuldigsten Diensts und Gehorsams entschütten, selbst zu Fürsten machen, ein freyes Leben führen, und mit denen Unterthanen ihres Gefallens handlen möchten. Der Elephant übernimmt sich seiner Weisheit, der Bär ist von Natur ein grober Gesell, und gantz gewixt Meutereyen anzufangen, das Pferd überaus starck, der Hirsch geht gar zu hoch, und tragt scharffe Waffen. Und so von anderen zu reden. Wann nun diese miteinander sollten eine Bündnus machen, und einer sein Witz, der ander seine Stärcke, der dritte die Waffen herleyhete, der vierte keck angrieffe; so wäre es bey jetzigem verwirrten Reichs-Weesen und Unpäßlichkeit des Haupts bald geschehen, daß ein Auflauf entstunde, und es dem König selbst Reich und Leben gelten dörfte. Wie redlich es diese Räth mit ihrer Majestät meynen, mögen sie selbst erachten; Indem sie ihnen nicht einmahl gestatten, einen frischen Luft zu schöpfen, und an statt, daß sie sollten auf eine geschmackte angenehme Speiß bedacht seyn, den Lust zum Essen wiederum zu erwecken, nur ein langes Fasten vorschreiben, wodurch sie ja nichts anders suchen, als daß die Kräften von Tag zu Tag ab, und die Kranckheit zunehmen, sie aber bey ereignetem Tod-Fall (welchen doch der gütige GOtt gnädiglich verhüten wolle) ihre eigene Angelegenheit und Nutzen desto besser beobachten mögen. Solches hab ich eine Schuldigkeit zu seyn erachtet, ihro Majestät in aller Unterthänigkeit zu hinterbringen.


Der König liesse ihm die Treu des Secretarii gefallen, und hatte von dieser Zeit an auf seiner Räth Thun und Lassen ein wachtbares Aug, gabe auch sein Mißfallen bey einer anderen Raths-Versammlung etliche Täg hernach deutlich genug zu verstehen, mit Befehl, auf bessere Mittel, und solche Speiß bedacht zu seyn, welche tauglich wären, die so sehr verlangte Gesundheit bäldist zu beförderen; widrigen Falls hätten sie nichts, als seine Ungnad zu gewarthen. Die Herren Räth baten um Frist, hierüber sich zu bedencken, und mit denen Leib-Artzten zu unterreden, und gleich folgenden [724] Tag ihr Gutachten seiner Majestät unterthänig zu eröfnen, welche kurtze Gedenck-Zeit sie dann auch erlangt haben. Es bedurfte aber nicht viel Nachfragens. Der Elephant mit seinem langen Rüssel riechte den Bratten gar bald, daß ihnen kein anderes Thier, als der arge Secretarius, der schlaue Hennen-Dieb, der Fuchs, diesen Streich gethan, und sie bey dem König so übel hinein gehebt hätte. Schwuren derohalben zusammen, und wurden bald eins, ihre Stimmen auf eine gewisse Artzney also einzurichten, welche dem König wenig nutzen; dem Fuchsen aber richtig den Halß brechen sollte. Nach gemachtem Schluß verfügten sie sich wiederum nach Hof, und trugen dem König vor: es beduncke sie, die beste und ersprießlichste Artzney wider gegenwärtigen Zustand seye das Hirn und Hertz eines Esels. Das wäre ja eine linde Speiß genug? Und wann man sie gantz warm thäte geniessen, wurde im Augenblick alle Kranckheit verschwinden. Der König liesse ihm solchen Vorschlag gefallen. Als man aber weiters fragte, wer den Esel bereden werde, daß er sein Hirn und Hertz willig hergebe, sagten sie einhelliglich: hierzu beduncke sie, der geheime Secretarius, der Fuchs am tauglichsten zu seyn, als welcher mit seiner Beredsamkeit, und tausend List das plumpe Thier leicht dahin vermögen wurde. Wann man es nur einmahl nach Hof brächte, wurde man leicht können zu Streichen kommen; es wäre um einen Druck zu thun, so wurde der Esel den Rest, und der König sein Hirn haben. Der Löw kame zwar ungern daran, daß er einen so getreuen Diener von der Seiten lassen sollte. Doch weil er den gesamten Rath nicht wollte für den Kopf stossen, und ihm sein Gesundheit lieb ware, wurde dem Fuchsen die Commißion aufgetragen, mit Versprechen einer höheren Ehren-Stell, wann er ein so wichtiges Geschäft wohl ausführen wurde. Der Fuchs zeigte zwar schlechten Lust hierzu, weilen er die Beschwernus wohl vorsahe, gleichwohl durfte er sich nicht wohl länger sperren; tratte demnach wider seines Bauchs willen die Reyse an.


Als er ein wenig für den Wald hinaus kommen, begegnete ihm der Esel auf einer grünen Wiesen. Dessen ware er dann mehr als froh, schliche hinzu, machte ein Compliment mit dem Schweif, grüßte ihn freundlich, und sprache: lieber Herr Esel, wie so gar allein, der Esel antwortete: Laß den Herrn-Titul aus: ich bin kaum ein halber Knecht. Aber was macht ihr so gar allein auf dieser Wiesen? fragte der Fuchs noch einmahl. Weilen man mir (sprach der Esel) zu Haus kein Futter gibt, muß ich gleichwohl meine Nahrung im Feld suchen? Wie so, fragte der Fuchs weiter: habt ihr dann einen so kargen Herrn, der euch nicht genug zu essen gibt, und dannoch vielleicht Arbeit genug aufladet? Du hast es errathen, sagte der Esel. Wann ich den gantzen Tag arbeite, daß mir die Rippen krachen, ist [725] Prügel und Peitschen mein Lohn; und das Heu, so die Kühe und Schaaf überlassen, für mich viel zu gut; wäre noth, ich freß nur Haberstroh. Warum nehmt ihr nicht hinter der Thür Urlaub, und sehet euch um einen besseren Herren um? sprach der Fuchs. Wo einen finden? antwortet der Esel. Ist einer geitzig, so ist der ander schindhärig. Keiner gibt dem Esel Kost, wie ers gern hätte. Folgt ihr mir, versetzte der Fuchs hinwieder: ich will euch einen besseren Herrn zuweisen, bey dem ihr genug zu essen haben sollet. Wohin, fragte der Esel, willst du mich führen? nach Hof, antwortete der Fuchs. Nach Hof? fragte der Esel; Behüt mich GOtt darvor: ich bin gar ein schlechter Hofmann: darzu weder vom Adel, noch gelehrt: ich taug nicht an Hof. Ey! sagte der Fuchs hingegen: ihr kennet, wie ich sihe, euere schöne Gaaben, die ihr von der Natur habt, selbst nicht. Ihr seyd jung und starck, habt eine helle Stimm, lang gespitzte Ohren, die ein Zeichen eines guten Hirns und gelehrigen Kopfs seynd. Und ob ihr schon kein Weltweiser seyd, so gebt ihr doch einen guten Practicierer ab, weilen ihr euch heimlich so fein um ein Futter umzusehen wißt. Gute Practicirer aber seynd heut zu Tag viel werther, als andere. So kan ich auch nicht glauben, daß ein so ansehnliches Thier, wie ihr seyd, nicht von Adel seyn solle. Ihr könnet (wann ihr zuruck dencken wollet) euer Geschlecht leicht von 100. Ahnen her probiren. Doch seyet dessen unbekümmert, man wird euch das Wappen schon visiren. So soll euch auch nicht abschröcken die schlechte Hof-Weiß, die ihr bißhero erlernet. Was Wunder? Ihr seyd euer Lebtag nicht viel unter vornehme Leut kommen, man riblet und hoblet einen schon ab, und werdet ihr in der Kunst bald ein Meister werden. Was sollt ich gegen euch seyn? gleichwohl so klein ich bin (ohne Ruhm zu melden) vertritt ich doch die Stell eines geheimen Secretarii. Ihr seyd noch zu höheren Dingen gebohren, und werdet ohne allen Zweifel durch euere lobwürdige Verrichtungen zu grossen Ehren und Reichthumen gelangen. Darum folget meinem Rath, und kommt mit mir: ich will euch bey dem König selbst anmelden, und euch bald ein Ehren-Dienstle zuwegen bringen. Der Esel liesse ihm solches Anerbieten gefallen: und weilen er viel von seinem guten Geschlecht und Gaaben der Natur hörte, stiege ihm die Ehrsucht in den Kopf. Entschlosse sich endlich, nach dem er ihm zuvor noch eines, und das andere ausgedinget, sein Glück zu versuchen, und die Gelegenheit hoch anzukommen, nicht aus Handen zu lassen, gienge also mit dem Fuchs nach Hof.


Bey der ersten Audientz, als er den König in solcher Majestät unter seinen Hof-Herren sitzen sahe, da stiege ihm die Hitz erst recht in den Kopf, und gedachte bey ihm selbst: O wann ich halt auch zu einem so grossen Herrn werden könnte! wie aber der Löw ein saures Gesicht machte, [726] und mit brüllender Stimm die Ursach seiner Ankunft von ihm forschte, erschracke er über die Massen, und an statt der gebührenden Reverentz kehrte er dem König den Rucken, und laufte mit vollem Trab wiederum seiner Wisen zu; Das schmertzte aber den König nicht wenig. Der Fuchs entschuldigte sich, er hätte sein Bestes gethan. Gabe zugleich dem König eine Erinnerung, wie daß er fort hin, wann er wieder jemand einen Zorn faßte, solches ihme nicht müßte lassen anmercken; es werde jetzt schwehr fallen den Esel das andermahl nach Hof zu bringen. Jedoch, wann es seine Majestät gnädigst befehlen wurden, wollte er noch einen Versuch thun, und an seinem Fleiß nichts erwinden lassen. Der Löw bekennte, daß er sich hierinn übersehen hätte: wünschte dem Fuchsen Glück auf den Weeg, mit dem Versprechen, diese seine Mühewaltung stattlich zu belohnen.


Also zoge nun der Fuchs zum anderenmahl hin, und besinnte sich unterweegs, wie er jetzt die Sach anzugreiffen hätte. So bald er nun von weitem den Esel ersehen, legte er seinen Gruß ab, und fragte: warum er doch also schnell sich von Hof hinweg begeben? Der Esel gabe ihm wenig gute Wort, hiesse ihn seinen Weeg weiter zu nehmen, mit Vermelden: er habe schon genug gesehen, wie es bey Hof hergienge, und daß keiner, der nicht wohl verschlagen und durchgetrieben, dort stehen könne. Die Ungnad und tückische Gesichter, so er alldort verspührt, werden ihm eine Witzigung seyn, so bald keinen Fuß mehr dahin zu setzen; die Freyheit seye besser, als eine goldene Dienstbarkeit. Aber der Fuchs wendete dargegen ein, es seyen Fürsten und Herren der sauren Gesichter halben nicht zu verdencken, die wichtige Geschäft und Reichs-Sorgen gestatteten ihnen nicht allezeit ein fröliches Gesicht zu machen. Er solle nur ein wenig zu Hof erwarmen, und ein schlechtes sich nicht gleich schröcken lassen, so werde er bald hervor kommen, Ehr und Reichthum erlangen, und sein gantzes Geschlecht mit einem unsterblichen Namen verewigen. In Summa der Fuchs wußte mit seinem Schmeichlen dem Esel die Ohren dermassen zu jucken, daß er von der Regiersucht angereitzt, ihm noch einmahl nach Hof gefolget, allwo er auch von dem König gantz freundlich empfangen worden. Ueber etliche Täg hernach, als der Esel sich bey dem Aufwarten einstellte, thate der Löw einen Sprung auf ihn, Willens ihme den Garaus zu machen. Aber der Poß gienge nicht an, der Esel ware geschwinder, entwischte in schneller Eyl, und rennte seiner Wisen zu: war also nicht die Kuhe, sondern der Esel das andermahl aus dem Stall. Das verdrosse den Löwen über die massen, und schamte sich schier, daß ihn ein Esel nunmehro zum zweytenmahl sollte zu gescheid worden seyn. Weilen aber die Herren Räth samt denen Artzten auf ihrer Meynung verharreten, einmahl [727] kein anderes Mittel seye vorhanden, seiner Majestät von ihrer Unpäßlichkeit abzuhelffen, als das Hirn und Hertz eines Esels; so wurde dem Fuchsen zum drittenmahl auferlegt, den Esel noch einmahl nach Hof zu liefern; koste es, was es wolle. Der Fuchs entschuldigte sich zwar auf alle Weiß, kratzte hinter den Ohren, und wendete die Unmöglichkeit vor. Aber umsonst und vergebens; er mußte fort mit Bedrohung Königlicher Ungnad, wofern er nicht gehorsamete, und die Sach aufs beste ausrichtete: welches dann eben die rechte Laugen war, womit die Hof-Herren und Räth diesem Fuchs-Schwäntzler zu zwagen gedacht waren; indem sie sich gäntzlich beredeten, er wurde entweders von dem Esel eines für die Ohren bekommen, oder vom König mit Schand und Spott von Hof geschaft, und auf solche Weiß der ihnen neulich erwiesene Schimpf gerochen werden; aber was vermag ein arger Fuchs nicht.


Er kam zum drittenmahl zu dem Esel auf die Wisen: Der ihm aber nicht allein kein gutes Wort gabe sondern einen Betrüger und Verräther scholte; als der viel verspreche, und beynebens nur einen Einfältigen übel einzuführen, und um Leib und Leben zu bringen gedacht wäre. Und hat eben genug zu thun gehabt, daß er ihm nicht eins versetzte: Dann er drehete sich gehling um, und schluge zwey, dreymahl mit beyden hinteren Füssen gegen ihm aus. Der Fuchs zuckte die Achsel, und sprach: Herr Bruder Esel! ihr müßt nicht urtheilen, ehe ihr die Verantwortung angehört; sonst seyd ihr kein gerechter Richter. Was Mangel habt ihr an meiner Person gefunden? Hab ich euch nicht eine gnädige Audientz bey dem König ausgebracht? hab ich nicht euere gute Gaben, die ihr von der Natur bekommen, höchlich angerühmt? hat man euch nicht, als einen lieben Gast, im Hof-Stall unter des Königs Leib-Pferdten stattlich bewirthet? wo ist euch jemahlen solche Ehr wiederfahren? hat euch nicht das Futter wohl geschmeckt? daß ihr aber zum anderen mahl selbst gleich wieder umgesattelt, und Reißaus genommen, ist nicht meiner Untreu, sondern euer Zagheit zu zumessen. Danck dirs der Schinder (sprach der Esel) mit deinem Hof-Stall und Futter. Ich achte die Suppen nicht, die man einem mit so sauren Gesichteren versaltzet, und einer noch darzu Leibs und Lebens nicht sicher ist. Was hat der Sprung bedeutet, den der Löw, dein König, auf mich gethan hat? gelt? wann er ihm angangen wär, man wurde dem armen Esel samt dem Gast-Hüttlein die Haut über den Kopf abgezogen haben? meinest du, ich seye eines so ungeschliffenen Hirns, daß ich deine Tück nicht mercke? O! man merckts bald, daß man einen nicht gern hab, wann man ihn die Stiegen einwirft. Darum gehe mir nur bey Zeiten aus dem Gesicht; oder ich will dir den Weeg weissen. Nicht so zornig, Herr Esel! nicht so zornig, sagte der Fuchs hinwieder: Ist um einen Bericht zu thun, so werdet ihr allen [728] Argwohn fallen lassen. Aus dieser euer Red nimm ich ab, daß ihr den Hof-Brauch noch nicht zu Genügen verstehet. Auf das saure Gesicht hab ich euch schon neulich Bescheid und Antwort ertheilt: was das Springen anbelangt, solt ihr wissen, daß mein König auf euch habe wollen spatzieren reutten. Und solches hättet ihr sollen für die gröste Ehr schätzen; massen in Welschland, und anderer Orten Fürsten und Herren nicht auf Pferden, sondern auf Eßlen reutten. Weil seine Majestät aber Kranckheit halber noch schwach, ist ihnen der Sprung mißlungen, da sie sonst des Tummlens treflich wohl erfahren, und in einem Sprung im Sattel seynd; jetzt verdrüßt sie die Schand mehr, als euer Flucht und wann ihr nur wiederum zuruck kehren, und euch wolt brauchen lassen, so sollet ihr eueren begangenen Fehler im geringsten nicht zu entgelten haben; sondern erst recht lieb und werth, und die nächst ledige Ehren-Stell euer seyn. Und ich bin keiner anderen Ursach halber anhero gesandt worden, als euch dessen im Namen des Königs zu versicheren. Was besinnet ihr euch lang? ist ja besser ein reicher Edelmann zu Hof, als ein armer Baur auf dem Land? Du redest nicht übel von der Sach (antwortete der Esel) wann dir nur auch zu trauen wär. Jch hab zwar (wann es eine solche Beschaffenheit hat, wie du sagst) des Reuttens halber kein Bedencken: dann ich starck genug bin; und ja lieber einen König, als ein Burde Holtz, oder Müller-Sack trage. Allein ich sorge: lasse ich den König einmahl aufsitzen, so wird er mich anstatt des Zaums bey den Ohren nehmen, dessen ich doch gar nicht gewohnt bin. Wo gedenckt ihr hin? sprach der Fuchs; das wär dem König ein Schand, und ein Zeichen, daß er nicht reutten könnte, wann er sich anstatt des Zaums an eueren Ohren einheben wolte. So därft ihr an meiner Treu nicht zweiflen: dann ich schwöre euch bey meinem Schweif (der mir um tausend Thaler nicht feil ist) daß euch nichts dergleichen im geringsten widerfahren solle. Sondern diesen Rath giebe ich euch, so ihr euch anderst (wie ich mich dessen gäntzlich versiehe) entschliessen wolt, euch bey Hof wiederum einzufinden, daß, wann ich euch ein Zeichen geben wird, ihr, aus Ehrenbietigkeit gegen der Königlichen Majestät, auf die fordere beyde Füß nieder kniet, damit der König desto leichter aufsitzen könne, und alsdann keines Sprungs, der euch schröcken möchte, vonnöthen seye: Worbey jedermänniglich zu ersehen haben wird, daß ihr nunmehr, Trutz allen, einen recht geschaffenen ausgemachten Hofmann abgebet.


Solches und anderes Geschwätz-Werck mehr machte der arge Fuchs dem Esel vor; striche auf ein neues seine schöne von der Natur empfangene Gaben, und sonderbar den schwartz-Sammeten Strich, den er über den Rucken herab hätte, als ein klares Kennzeichen des Adels herfür; also daß der einfältige Narr ihme Glauben [729] zugestellt, zum dritten mahl nach Hof kommen; und gleich bey dem ersten Eintritt in den Königlichen Pallast, auf geschehene Erinnerung des Fuchsens, nieder gekniet, und seinen Rucken zum Reuten unterthänig anerbotten hat. Welcher guten Gelegenheit dann sich der Löw bedient, aufgesessen, und den Esel zwar nicht bey den Ohren, wie er vorhin besorget; sondern bey dem Kopf genommen, ihme einen und den anderen tödtlichen Biß und Riß in die Gurgel versetzt, daß er darüber zu Boden gesuncken, und diese letzte Wort vor seinem End mit einem lauten Seuftzer hören lassen: Wehe mir armen Esel! warum hab ich einem Fuchsen geglaubt? Das war aber zu spat: Er bekame seinen Rest.


Uber diesen glücklichen Erfolg, und gute Verrichtung wurde der Fuchs von dem König sehr geprisen, und beschenckt. Und weilen er keinem anderen trauen wolte, befahle er ferners dem Fuchsen, den Esel auszuweiden, und dessen Hirn und Hertz in einer Schüssel wohl warm, und unverweilet auf die Tafel zu bringen. Der Fuchs kam dem Befehl nach, zoge das Aas auf ein Seiten, und weidete es aus. Wie er aber gewahr wurde, daß der Esel ein so schönes Hirn, und so frisches Hertz hätte, übernahme in der Lust, und frasse beydes auf. Laufte alsdann zu dem König hin, und erzählte ihm als ein sonderbares Wunder: Wie daß er zwar den Esel ausgeweidet, aber weder Hirn, noch Hertz bey ihm gefunden hätte. Der König konte solches nicht wohl glauben, sagte demnach: Wie? der Esel? ein so grosses Thier? kein Hirn, kein Hertz haben? Ja, einmahl, sprach der Fuchs, so ist ihm; und kommt mir, wann ich eins mit dem anderen überlege, gar nicht wunderlich vor: laßt sich auch, meines Erachtens handgreiflich dartun und beweisen. Dann hätte er ein Hertz gehabt, so wurde er nicht zweymahl so spöttlich und zaghaft davon geloffen seyn; hätte er ein Hirn gehabt, so wurde er das dritte mahl nicht nach Hof kommen seyn. Auf solche Weis speisete der listige Fuchs seinen König mit leeren Worten ab; drehete seinen Mißgönneren eine lange Nasen: Welche nun auf andere Mittel mußten bedacht seyn, wolten sie anderst mit ihrem Rath dem König von seiner langwierigen Krankheit abhelfen, er aber kame mit guter Beut hinaus. Rauscher S.J. Dominicale 2.Conc. 34. aus Antonii Guevara guldenen Sendschreiben 2. Theil.


Keine Leut zeigen mehr, daß sie dem Esel gleich seyen, als diejenige, die sich von der Ehrsucht einnehmen lassen. Dann, was suchen sie anderst, als ihren eignen Untergang? Wer hoch steigen will, bekommt leich den Schwindel, und fallt nur desto tiefer. Darum ist nichts sicherer, als in der Niedere bleiben, und mit dem Stand, in welchen uns GOtt gesetzt hat, verlieb nehmen.

8. Fabel
[730] Achte Fabel.
Drey ertzfaule Steig-Bettler bekommen ihren verdienten Lohn.

In einer gewissen Stadt hielte man einen Jahr-Marckt: Worauf von allen Orten und Enden (wie es zu geschehen pflegt) unterschiedliche Kaufleut und Fremdling zogen. Neben anderen hatten auch ihr Absicht dahin drey abgeführte, gewixte Steig-Bettler, der gäntzlichen Hofnung, allda einen guten Schnitt zu machen. Einer war blind, der andere krumm, der dritte halb nackend und blos: Unter Weegs machten sie ihre Händel mit einander aus, wie sie eines und das andere angehen wolten. Solchem nach ruckten sie mit ihren Krucken, Karren, und Stühlen fort, und schlugen ihr Lager bey einer Brucken, worüber alle müssen, so auf den Marckt in die Stadt wolten: Deren sie dann wohl keinen unangebettelt vorbey passieren liessen, der ihnen das Bruck-Geld nicht redlich bezahlen müßte, wolte er anderst ihren bissigen Mäuleren und Klemperlein entgehen.


Die Bruck war sehr gefährlich, über einen tiefen reissenden Fluß geschlagen, lang, aber schmal; von denen fürüber Reisenden gantz abgenutzt. Dahero auch viel mit Gutschen und Pferden in Unglück gerathen; je schwerer der Wagen war, je härter kame man hinüber: Weswegen die meiste Roß und Wagen am Gestatt stehen liessen, und zu Fuß mit einem schlechten Räntzlein auf dem Rucken hinüber giengen. Gehling kame ein Sturm-Wind daher, der hebte alle Bretter und Balcken auf; deckte die gantze Brucken ab, und warfe alles, was er darauf antraf, in das Wasser. Es wurde zu lang werden, wann ich alle Unglücks-Fäll, so die Reisende an diesem Ort betroffen, und meisten Theils, wann sie in die Stadt auf den Marckt wolten, erzählen wurde. Komme also wiederum zu unseren drey Bettleren, welche manchen fürüber Reisenden einen Possen rissen; aber letztlich auch wohl seynd ausgezahlt worden.


Unter anderen, so dem Marckt zueilten, ritte auf einem tollen Pferdt samt etlichen Dieneren daher ein dem Ansehen nach reicher Kaufmann, deme auch ein schwer beladener Wagen folgte: War aber in der Sach selbst nur ein Gauckler. Diesen überfielen die drey Bettler mit gesamter Hand; legten ihr elende Waar vor ihm aus: Als Krucken, höltzerne Schüßlen, halbbedeckte Schinbein, und was dergleichen nothhaftes Weesen mehr war, so ja einen Stein zum Mitleiden hätte bewegen sollen. Nichts aber ware über ihre zerlumpte Kleidung, wordurch ihre Armuth und Bloßheit zugleich schiene: Dann man sahe, daß ihre Kittel mit Fleiß also zusammen geflickt waren, damit allzeit ein Fleck neben das Loch komme. In solchem kläglichen Aufzug nun lauften sie gedachtem [731] Gauckler den Weeg ab, und baten mit erbärmlichen Wimßlen und Heulen um ein Allmosen. Der Gauckler merckte bald, wo es diesen Kunden fehle: Nemlich unter denen Achslen, daß sie nicht arbeiten möchten; sprach demnach zu ihnen: Wohlan, wie ich siehe, so seyd ihr 3. saubere Gesellen zusammen, die sich zu todt feyren, und eben so gern arbeiten, als die Katzen Hächlen lecken. Was wollt ihrs lang laugnen? ich kenne die Bettler nur gar zu wohl. So seye es dann hiemit euch versprochen, welcher aus euch drey der fauleste ist, dem will ich ein reichliches Allmosen geben. Wo habt ihr euere Bettel-Brief? lasset sehen, wie lauten sie? das war nun eine seltsame Bedingnuß: Die Bettler sahen einander an und gedachten heimlich: Dieser Herr müsse gewiß eines lustigen Humors seyn, der ihnen so geschwind hinter ihr Sprüng käme; weilen sie aber auch auf Schwänck und Possen gewixt waren, wurden sie bald eins miteinander, und sprach der Krumme an statt der anderen: Gestrenger Herr! wir haben zwar unserer Kunst halber keine Lehr-Brief aufzuweisen; vermeinen auch, wir haben deren nicht nöthig, weil uns ohne das männiglich gern glaubt. Wann es euch derohalben also beliebt, und ihr unsere Mühewaltung mit einem reichlichen Allmosen zu belohnen bedacht seyd, so wollen wir uns gleich mündlich erklären, welcher der fauleste aus uns seye. So sagt dann an, sprach der Gauckler, ihr sollt es zu entgelten haben. Es wollt aber keiner anfangen: Nicht der Blinde, dann, sprach er, es ist unerhört, daß die Blinde voran gehen, wollen also heut keinen neuen Brauch aufbringen. Und es ist gleichfalls unerhört, versetzte der Krumme dargegen, daß die Krumme die erste seyen; ist genug, wann sie allgemach hinten nach hincken. Und der halb Nackende sprach: Die Nackende können sich auch nicht übereilen; dann bis sie ihre Kleider alle zusammen suchen, geht es lang her; doch, wann man es also haben will, so will ich gleich der erste seyn, gewinne ich nichts, so hab ich doch auch nicht viel zu verliehren. So seye es dann hiemit, mein Herr! wann ihr je mein Natur und gute Eigenschaften zu wissen verlangt.


Ich bin so faul, daß, wann ich in dem kältisten Winter den gantzen Tag daraussen im Schnee also blos, wie ich jetzt bin, gehocket wäre, und gewiß wußte, daß ich die Nacht hindurch verfrühren müßte, so wollte ich doch nicht einen Fuß aufheben, in ein warme Stuben zu kriechen, wann ich schon eine haben könte.


Du bist ein fauler Tropf, sprach der Gauckler: Aber was du mein Krummer?


Ihr Gestreng! antwortete der Krumme, jetzt kan der Blinde gehen, weil ihm schon einer ist vorgangen, ich will hernach kommen. Gar gern mein Krummer, sprach der Blinde, folget darum nicht daraus, daß der[732] letzte allzeit der beste seye. Die Tugend haltet das Mittel-Ort, und ist auch meine Tugend in der Faulkeit so groß, daß wann ich 5. Tag lang nichts getruncken hätte, und deswegen vor Durst unaufhörlich nach einem Bronnen rufte; endlich einer sich meiner erbarmete, und mich zu einem Röhr-Bronnen hirführte, das Rohr auch schon in der Hand hätte, also daß es mehr nicht bedärfte, als das Maul aufthun, und trincken; so bin ich doch so faul, daß ich ehender Durststerben, als das Maul nur ein wenig aufthun wollte.


Du bist fürwahr auch ein fauler Gesell, sagte der Gauckler.


Und ich, ihr Gestreng, sprach der Krumme, bin so faul, daß, wann ich in einem Beth läge, und mir von einer zu nächst brinnenden Kertzen ein Funcken auf das Ober-Beth fiele, woraus ein Brunst entstehen, und ich samt dem Beth und gantzen Haus verbrinnen sollte, bin ich doch so faul, daß, ob ich schon mit einem eintzigen Finger den Feuer-Funcken auslöschen könte, ich mich doch so viel nicht bemühen wollte. Ja wann das Feuer allgemach angienge, wollte ich mich erst auf die andere Seiten umkehren; und wann schon alles in vollen Flammen stunde, getrauete ich mir erst recht einzuschlaffen, und mir traumen zu lassen, als lege ich in einem kühlen Thau auf lauter Rosen, und wohlriechenden Blumen.

Ey! du krummer Maus-Kopf, sprach der Gauckler: Hab mein Lebtag gehört, je krümmer, je dümmer: Du hast es gewonnen, deines gleichen ist nicht auf Erden, du kanst mit allen Ratzen und Murmur-Thierlein in die Wette schlaffen: Warfe ihm darauf einen funckel-neuen Thaler hin. Die andere zwey Bettler schryen aber auch, sie hätten etwas verdient, und hielten so lang mit Ungestümme an, bis der Gauckler sich erbitten, und von seinem Wagen eine Truchen eröfnen liesse, daraus er beyden etwas geschenckt: Dem Blinden in einem Lädlein, dem Nackenden in einem Papier eingewicklet, doch mit dem Beding, daß sie es erst eröfnen sollten, wann sie ihn nicht mehr sehen wurden: Welches sie dann gar gern zu thun versprachen. Kaum war ihnen der Gauckler aus dem Gesicht (der neben der Brucken an einem hohen Berg hinritte) da rutschten die zwey zusammen, und konten es vor Freuden und Begierd kaum erwarten, was ihnen doch dieser freygebige Herr ewiglich schöns müsse geschenckt haben: Wie ein jeder das Seinige aufthate, fande der Blinde in dem Lädlein einen vom besten Glas hellen Spiegel; der Nackende aber in dem Papier eingewicklet eine Seiffen-Kugel, wormit man die Fleck aus denen Kleideren auswascht. Da war Feuer im Dach, und merckten sie wohl, daß der vermeinte Kaufmann ihrer nur gespottet hätte. Was muß ich mit dem Spiegel thun? sprach [733] der Blinde, siehe ich doch nichts. Und wie werde ich, sagte der Nackende, mit der Seiffen-Kugel die Maasen und Fleck aus dem Kleid waschen? hab ich doch keins. Und weil sie der Krumme nur auslachte, und mit ihnen den Thaler nicht theilen wollte, wurde sie uneins; geriethen Anfangs mit Worten, Schelten und Fluchen, letztlich gar mit Streichen hinter einander; und warf der Nackende dem Krummen die Seiffen ins Gesicht; der Blinde zerschlug ihm den Spiegel am Kopf, und auf solche Weis waren beyde hin.


Es konten aber die fürüber Reisende diese Gugelfuhr, und ungestümmes Anfordern dieser Bettleren länger nicht leiden, sondern verklagten sie bey der Obrigkeit; welche dann ihre Schergen ausschickte mit dem Befehl, diese lose Schelmen in Eisen und Band zu schlagen, und auf die Galeren zu liefern. Wie der Nackende die Schergen daher kommen sahe, sprang er ins Wasser, und wollte über den Fluß schwimmen, ist aber versoffen. Der Blinde, weil er niemand hatte, der ihm den Weeg zeigte, und dannoch fliehen wollte, fiele in ein Gruben, und brache den Hals. Der Krumme mit seiner Steltzen wollte über einen Zaun springen, und dem Wald zu, ist aber im Hinüberspringen an einem Zaunstecken hangen blieben, und erdappt worden, deme man dann den Küttel wohl ausgestaubt: Und weil man neben dem Thaler, den ihm der Gauckler geschenckt, auch sonst hin und wieder grosses Geld bey ihm eingenähet gesunden, hielte man ihn Anfangs für einen Dieb: Hernach, weil das Geld nicht gut war, für einen falschen Müntzer; schluge ihm ein Schellen an den Fuß, warf ihn auf einen Karren, und witschte mit ihm dem Meer zu, allwo er zu anderen seines gleichen Maus-Köpfen an die Ruder-Banck geschmidet wurde. Und hiemit wurde das Land von diesem Ungeziefer geraumt. Rauscher S.J. Dominical. 2. Conc. 1. Fer. 3. Paschat.


O wann allen faulen Steig-Bettleren, die anderen so wahrhaftig arm seynd, das Brod gleichsam abstehlen, solcher Lohn zu Theil wurde, wie bald sollte man ihrer loß werden! allein wann sie schon von den Menschen nicht zur Straf gezogen werden, so wird dannoch GOtt zu seiner Zeit sie darum finden. Lang geborget, ist nicht geschenckt.

9. Fabel
[734] Neunte Fabel.
Eine Jungfrau erhaltet wider die Nachstellungen ihrer Brüderen den Sieg.

Es war ein junger Printz, welcher, nachdem er etliche Feld-Züge wider seine Feind gethan, und nach erlangtem Sieg mit guter Beut, in Begleitung seiner Ritterschaft wiederum auf der Ruckreis nach Haus begriffen war, auf den Marckt einer gewissen Stadt zu wollte. Wie das Geschrey in der Stadt auskommen, laufte man von allen Orten, Märckt, und Dörferen herzu: Jedermann wollte diesen jungen Fürsten sehen; er sasse auf einem goldenen Wagen, mit kostbarer Kleidung angethan; so schön von Gestalt, daß man ihn schöner nicht hätte mahlen können. Und was männiglich erfreute, war seine mit Majestät vermischte liebliche Freundlichkeit, indem er in dem Durchziehen bisweilen mit Fleiß still hielte, damit man ihn genug sehen, und er die Bitt-Schriften, die man ihm allenthalben häufig überreichte, aufnehmen möchte.


Unter anderem zulauffenden Volck kame ein arme Tochter aus einem baufälligen Häuslein von dem Spinnen, mit der Kunckel noch in der Hand, daher; aber einer ausbündigen schönen Gestalt. Solche als der Printz ungefehr unter dem Hauffen ersehen, rufte er sie zu sich, und fragte sie um ihren Namen: Diese, dero die Schamhaftigkeit ihre Wangen holdselig färbte, buckte sich tief, und sprach: Mein Namen ist Rosina Liliet. Wohl ein schöner, und einer Jungfrauen aufs best anständiger Namen (versetzte der Printz) als welcher von Rosen und Lilien entlehnet ist. Fragte hernach weiter nach ihrem Vatterland; und sie antwortete, wie daß sie aus der Stadt gebürtig wäre, in welcher allbereit Marckt seye. Der Printz verwunderte sich, und sagte: Wann du von einer so ansehnlichen Stadt gebürtig, was machest du dann auf dem Gäu, eine so schöne und wackere Jungfrau? Sie aber gab ihm zu verstehen: Wie daß sie vor so und so viel Jahren von dem Feind verjagt, durch die Armuth dahin gerathen wäre: Wer seynd aber deine Elteren? Fragte der Printz ferners. Liliet antwortete: sie hätte ihren Ha. Vatter nie gekennt; der gemeinen Sag aber nach, seye er ein vornehmer edler Herr gewesen, und weil ihr auch der Tod die Frau Mutter frühzeitig hinweg gerissen, seye sie von ihrer nächsten Baas auferzogen, und ernähret worden: aber schlecht und elendiglich genug. Bey dieser halte sie sich noch auf und müsse mit Spinnen das Stücklein Brod suchen. Hast du aber auch Brüder und Schwester? Hielte der Printz weiter mit Fragen an. Keine [735] Schwesteren, antwortete Liliet: Wohl aber fünf Brüder. Was Kunst, und Handthierung? Fragte der Printz; und Liliet sagte hinwider: Einer ist ein Mahler; der andere ein Musicant; der dritte ein Gärtner; der vierte ein Koch; der fünfte ein Kirschner. Das ist gut, sprach der Printz lächlend: Bey so viel kunstreichen Meisteren kanst du nicht verderben. Ach! ihr Durchläucht, antwortete Liliet: Die Kunst bey ihnen wär schon gut; aber sie seynd schon nicht weit her: Was sie gewinnen, ist alles gleich verthan; mir fragen sie wenig nach, und lassen mich halb Hunger sterben: Dieses geredt, überlieffen ihr die Augen von Zäheren. Der Printz merckte wohl, Liliet müsse eines vornehmen Geschlechts seyn: Wurde mit Lieb, und Mitleiden gegen ihr entzündet; zoge einen goldenen, und mit köstlichen Edelgestein versetzten Ring von dem Finger, schenckte ihn der Liliet, mit Vermelden: Das gebe er ihr zu einem Angedencken; er wolle ihrem Geschlecht und Vatterland nachfragen, und wann er sie von einem guten Namen (wie er nicht zweifle) entspressen zu seyn befinden, und sie unterdessen den Ring nicht verliehren, noch verkauffen werde, wolle er sie bey seiner nächsten Wiederkunft gar aus der Armuth heraus heben, und zu seiner Gemahlin erkisen. Wer war fröher, als Liliet? Sie empfieng den Ring mit einem ehrenbietigen Kuß, buckte sich tief zur Erden und bedanckte sich mit den allerhöflichsten Worten: Wie daß sie dieser allerhöchsten Gnad, und recht Königlicher Freygebigkeit die Zeit ihres Lebens nicht vergessen wolle; es werde ihr auch dieser Ring lieber, als die gantze Welt seyn. Darauf nahme der Printz seinen Weeg weiter, und Liliet ihrem Haus zu: Witschte geschwind mit dem köstlichen Pfand in die Truchen, woran sie ein neues Schloß legen, und selbiges auf das beste verwahren liesse.


Sie konte aber die Sach so geheim nicht halten, daß nicht ihre fünf Brüder davon Luft bekommen hätten: Die sich dann mit einander unterredet, wie sie der Liliet den Ring abschwätzen wollten. Den ersten Anwurf thate der Mahler: Dann als sie eines Tags in die Mahler-Stuben kam, redte er sie folgender Gestalten an: Liliet! lasse sie mich doch auch einmahl ihren schönen Schatz sehen; ich hab es schon innen worden, was für ein köstliche Verehrung sie von dem Printz bekommen; gefallt mir selbige, will ich sie ihr abhandken: Darfür biete ich ihr alles an, was mein Pemsel vermag. Was sie nur von Bilderen, Landschäftlein, und dergleichem verlangt, das solle sie aufs künstlich und zierlichist gemahlt haben. Liliet antwortete: Hab schönen Danck, Herr Bruder! so höre ich wohl, ihr wollt mir nur eitle Farben für Gold und Edelgestein geben? so kindisch bin ich nicht, daß ich einen solchen Tausch treffe. Zeithero ich meinen Geliebten recht in das Gesicht gefaßt, hab ich ihn der massen [736] meiner Gedächtnuß eingedruckt, daß ich ab keiner andern Abbildung ein Gefallen mehr tragen kan. Euere Mahlereyen seynd Phantaseyen. Was nutzt einem ein gemahltes Landschäftlein in dem Zimmer an der Wand, wann er sonst kein Hand breit Erden eigenthumlich im Land hat? braucht eueren Pemsel anderwärtig hin, bey mir ist euer Kunst nicht angelegt.


Der andere Bruder, der Musicant, nachdem er die Nacht zuvor der Liliet als einer angehenden Hochzeiterin eines aufgespielet, und sie ihr dieses gefallen lassen, nahme er bey anbrechendem Tag Gelegenheit seine Sach anzubringen. Jungfrau Schwester! sagte er: Ich weiß es wohl, die Jungfrauen gehen gern zum Tantz, und hören die Spielleut gern. Dannenhero erbiete ich zu dero Dienst mein Geigen und Figelbogen, Harpfen und Lauten: Befehle sie nur, was ich ihr für Stücklein aufmachen solle, an mir wird es nicht manglen. Allein sie muß mir auch etwas in die Geigen schencken: Was soll es um ein Ringlein seyn? Bruder! ihr seyd mir wohl ein Einfalt, sprach Liliet, ihr wollt meine Ohren mit einem schnöden Klang kitzlen, und ich sollte euch darfür eine goldenen Ring an den Finger stecken? ihr könnet mir einen besseren Spielmann als Krämer abgeben; um ein solches ist mir mein Ring nicht feil. Die Jungfrauen gehen gern zum Tantz, ist wahr, aber wär oft besser, sie giengen nicht darzu. Ich für meinen Theil achte des Tantzens nicht viel, und kan meine Schuhe sonst ohne Tantzen zerreissen. Bey dem Tantzen geschiehet bald ein krummer Sprung, der einer Jungfrau nicht wohl anstehet. Die Tantzer seynd jetzt gar zu grob und unverschamt, und hat genug zu thun, daß ein Jungfrau mit Ehr davon komme. Wann ihr auf künftigen meinen Ehren-Tag mit euerer Kunst etwas verdienen könnet, mag ich euch solches gern gönnen, und mein Liebster wird es auch beichnen: Es muß eben nicht allzeit ein Ducaten, oder Thaler in die Geigen seyn, will geschweigen erst ein kostbarer Ring. Ich bekenne es, und lobe euch darum: Ihr seyd ein treflicher Lautenist, aber mein Ring ist mit über 7. Lauten.

Wie nun diesem Spielmann die Saiten abgesprungen, wagte es der dritte Bruder, der Gärtner. Er sahe eines Tags die Liliet in den Garten eintretten, stracks war er da, bande ein Büschelein von schönen und wohl-riechenden Blumen zusammen, und wartete darmit auf. Da solches die Liliet mit Danck angenommen, führte er sie in dem Garten herum durch unterschiedliche grüne Gäng, zeigte ihr die springende Wasser, die seltsamste Frücht und Gewächs der Bäumlein und Blumen. Er deutete ihr auf die angesähete Bethlein von allerhand Salat, Spinat, Rettich, Cucumeren, Kölrüben, Wersich, Cardiviol, Artischecken, und anderes Kräutelwerck: Weisete ihr auch die junge Peltzer, Bäum und Rebstöck, so voll der Früchten und Trauben [737] waren, und gabe ihr die Wahl abzubrocken, und zu nehmen, was ihr beliebte: sie möchte auch schicken, und in ihr Haus holen, was, und so viel sie gelustete, stehe alles zu ihren Diensten, wolle schon borgen; solle es auch mit der Zeit auf ein namhaftes hinaus lauffen, ihr Ring wäre ihme unterdessen Pfand genug. Die Liliet bedanckte sich des guten Anerbietens: bekennte zwar, daß es eigentlich ein Arbeit für die Jungfrauen wäre, mit Blumen brocken, und Kräntzlein binden gern umgehen. Doch hab sie bishero keinen Gärtner gekennt, der seine Waar so theur, und zwar einer Schwester angeschlagen habe. Was er in seinem Garten von Salat, Cucumeren, Retich, und dergleichen Kräutelwerck habe, dessen ihr Magen gewohnt seye, könne man auf dem Marckt um etlich wenig Kreutzer kauffen: daß man aber einen goldenen mit Edelgestein versetzten Ring um eine so schlechte Sach geben solte, seye ein Unsinnigkeit, begehren; und ein Narrheit geben. Dieses geredt, griffe sie gantz unwillig nach der Thür, und gienge davon.


Der vierte Bruder, der Koch, wolte auch einen Versuch thun, und obschon dreyen aus seinen Brüderen der Streich mißlungen, hoffte er doch er wurde ihm noch angehen. Er traffe eines Tags die Liliet um die Oesterliche Zeit herum auf der Gassen an, da sie eben gantz züchtig aus der Kirchen gienge, grüßte, und ladete sie auf einen Eyer-Käß folgender massen: Jungfrau Schwester! sprach er: wie siehet sie um GOttes willen so übel aus; als wann sie die Fasten hindurch nichts, als saures Krant geessen hätte! komme sie zu mir in mein Kuchel-Stüblein: wir wollen etwas bessers finden. Ich weiß wohl, daß man ihr zu Haus schlecht auf die Schüssel schlagt. Versetze sie mir ihren Ring, und sie soll hinführan eine bessere Kost haben. Gesottenes und Brattens; von Schwartz und Feder-Wildbrät; Fisch und Fleisch; Pasteten und Torten: sie darf nur in der Kuchel schaffen, so wird alles bereit seyn: Maul, was wilst? mein Bruder! antwortete Liliet: ob es schon bey mir die mehrere Zeit eine kalte Kuchel absetzt, nimm ich doch gern mit Schlechtem verlieb; die Gewohnheit kan viel verdäuen, und schmeckt mir ein saures Kraut besser, als manchem ein Reb-Hun. Steht auch nicht wohl, wann die Jungfrauen gar zu geschleckig seynd: daß ihr aber für eine fette Koch-Suppen einen goldenen Ring begehrt, handelt ihr, wie ihr es versteht: ich aber lasse euch euer Gesottens und Brattens; Roth und Schwartz-Wildbrät, und behalte meinen Ring.


Der fünfte Bruder, der Kirschner, war noch übrig: und gleichwie er seiner Handthierung gemäß mit allerhand Beltz umgienge; also war er ein verschlagener Fuchs. Der Winter ruckte herbey, und die Liliet war nicht nach dem besten gekleydt: das machte ihm die Hofnung, was seinen [738] Brüderē nicht von statt gegangē, möchte etwann ihm gelingen. Er gienge ihr zu Haus: brachte einen gantzen Arm von allerhand Schlieffer, Stützle, und Beltz-Werck nach allerhand Mody und Form zubereitet: des Erbietens, daß sie möchte heraus klauben, was ihr beliebte. Doch weil sein Arbeit eine theure Waar, wurde es nicht zu viel seyn, wann sie für ein und das andere Stuck ihren Ring wurde lassen ausfolgen. Liliet mußte des Gispels lachen: machte es kurtz mit ihm, und sprach: Bruder! wann ihr Geld lösen wolt, müßt ihr euch mit euerer Waar im Spital bey denen alten Weiberen anmelden. Eine Jungfrau, wann sie arbeiten mag, bedarf keines Beltz. Im Sommer wär er mir zu warm; im Winter zu schwer: im Frühling brauch ich ihn nicht: im Herbst mag ich ihn nicht, ist also der Kauf schon gemacht. Kramer, leg ein, da lösest du heut nichts.


Auf solche Weiß erhielte Liliet wider alle Nachstellungen ihrer Brüder den Sieg. Nicht lang hernach kame der Printz, seiner Zusag gemäß wieder zuruck, fragte gleich nach seiner Liliet: und weil er sie von hoch-adelichem Geblüt gebohren, in Aufschlagung der Namens-Bücheren befunden; auch nunmehr ihr Tugend und Treu in so fleißiger Bewahrung des an vertrauten Liebs-Pfand sattsam probiert, befahle er sie königlich zu kleyden: vermählte sich mit ihr, setzte sie zu sich auf seinen goldenen Waagen, und führte also seine Braut nach Haus. Rauscher S.J. Dominicale 2. Conc. cit. Fer. 3. Paschatis.


In einem sittlichen Verstand kan durch den Printzen verstanden werden Christus der HErr, welcher durch sein Leyden und Tod den höllischen Feind überwunden. Durch die Liliet, die Seel eines frommen gerechten Menschens. Durch die fünf Brüder ihre fünf äusserliche Sinn: die Augen, die Ohren, der Geruch, der Geschmack, und die Betastung. Das Kleinod in dem goldenen Ring ist die heiligmachende Gnad, welche uns Christus durch sein Leyden und Tod erworben, und wormit er ihm unser Seel vermählt. So lang der Mensch diesen Ring nicht verliehrt durch ein Tod-Sünd, noch ihm selbigen von seinen fünf Brüderen abschwätzen laßt, ist er glückseelig, wann er schon sonsten nicht viel zum besten hat. Verwahrt er dann dieses Kleinod, die Gnad GOttes, so lang, bis Christus die Seel durch den Tod aus dieser Welt abfordert, so führt er selbige, als eine liebe Braut mit sich zur himmlischen Hochzeit: erhebt sie aus der Armuth, aus einem schlechten zu einem Fürsten-Stand: worinn sie mit unaussprechlicher Freud und Glückseeligkeit samt ihrem Bräutigam, und allen Auserwählten in Ewigkeit verharren wird. O des ewigen Glücks! O der ewigen Freud!

10. Fabel
[739] Zehende Fabel.
Philautia, das ist, die eigene Lieb, vermacht Testamentweis dem grösten Narren, so man in der Welt finden wurde, ein betrügliches Schatz-Trüchelein, als ein Erb-Geschenck.

Schlaraffen-Land, aller Narren Vatter-Land ist ein Ort, wo Treu und Ehr ein End hat. Dieses Königreich beherrschte Philautia, ein arges, verschlagenes, eigennutziges Weib; führte beynebens ein so prächtiges, wohllüstiges Leben, daß wo nur was köstliches zu finden, oder seltsames zu erdencken war, selbiges man ihr mit grösten Kösten mußte herschaffen. Gleichwohl verfuhre sie gegen ihren Unterthanen zimlicher massen glimpflich, dieweil sie auch wenig fande, die sich zu ihrem Dienst nicht willig und bereit erzeigten. Wolte sich aber einer widersetzen, oder ihren wunderseltsamen Befehlen nicht alsobald nachkommen, waren gleich Feuer, Schwerdt, Galgen, Rad und glüende Zangen da. Sie hatte drey Söhn, lauter frische, wackere Printzen, die sich in den Humor ihrer Frau Mutter meisterlich wußten zu schicken, und ihr in allem nachschlugen. Aus ihren Bluts-Freunden war ein eintzige Schwester noch vorhanden, aber ein lautere Andächtlerin: mit dieser witschte man fein bey Zeiten ins Closter, damit sie den übrigen Hof an seinem guten Muth, kostbaren Panqueten, Täntzen, Comödien, Jagden, und anderen Kurtzweilen, wormit sich Philautia täglich erlustigte, nicht irr machte.

Unterdessen ruckte das Alter, und samt dem Alter das End der Philautiä herbey. Ein schwere Kranckheit warffe sie in das Beth: und was man immer für Mittel brauchte, wolte doch das Drucken der Brust, und Seitenstechen nicht nachlassen. Man konte ihr auch schwerlich einige Medicin beybringen: weil sie aus natürlichen Abscheuen kein eintziges bitteres Tranck, oder Artzney wolte brauchen; darum kame es auch gar bald mit ihr auf die Neige. Wie sie nun sahe, daß sie sterben müßte, machte sie ein Testament, berufte ihre Söhn und Hof-Herren für das Beth, und redete sie folgender Gestalt an.


Liebste Söhn, und getreue Diener! in was für ein Meer der Schmertzen mich das neydige Glück vermittelst schwerer Kranckheit gestürtzt habe, sehet ihr mit Augen. Diejenige, die ihr bisher als ein Königin verehrt, und als ein Göttin angebettet habt, empfindet anjetzo nur gar zuwohl, daß sie sterblich seye; und kan vor Angst und Wehethum kaum mehr so viel Athem ziehen, ihren liebsten Kinderen, und getreuesten Unterthanen abzugnaden. [740] Euch meine Printzen, erkläre ich hiemit für rechtmäßige Erben meines Reichs, und Länderen: was aber für ein Provintz einem jeden bestimmet seye, wird gegenwärt ges Testament, das alsobald nach meinem Tod soll eröfnet werden, klar geben. So bin ich auch euer meine Hof-Herren, samt und sonders fleissig ingedenck gewesen, und wird mir, Gespärigkeit halber keiner in das Grab schnaltzen. Eins ist, das ich noch an euch vor meinem End begehre, und dessen ich mich gäntzlich gegen euch versiehe; wann ihr anderst noch gegen unser Person einige Lieb und schuldigen Respect traget. Die junge Printzen antworteten mit Zäher-vollen Augen: wie daß gegenwärtiger Zustand ihrer liebsten Frau Mutter ihnen sehr schmertzlich falle, und wann sie, mit was Verlurst es immer wäre, ihr das Leben fristen könten, sie gewißlich nichts wurden ihres Theils erwinden lassen. Im übrigen möchte man nur befehlen: sie, und alle Anwesende stehen bereit, den Befehl auf das Nägelein zu vollbringen: gelobten ihr auch solches mit einem theuren Eyd an: worüber dann die Königin ein sonderes Vergnügen erzeigte. Zoge darauf ein schönes mit Gold und Silber reichlich geziertes Schatz-Trüchlein herfür; und überreichte solches samt dem Testament ihrem ältesten Herrn Sohn: ersuchte auch die anwesende Hof-Herren, ihme bey Vollziehung ihres letzten Willens mit Rath und That an die Hand zu gehen. Dieses Trüchlein, sagte sie ferners, hab ich einer in dem Testament ernennter Person vermacht, als ein Erb-Geschenck: das soll ihr also uneröfnet, wie es da ist, eingehändiget werden. Nach Empfang dessen haltet sie dahin, daß sie selbiges in euer Gegenwart eröffne, und was sie darinn finden wird, das lasset sie ungehindert davon tragen: da habt ihr den Schlüssel darzu. Hieran werdet ihr unseren gnädigsten Willen vollziehen Lebet wohl. Die Printzen gantz bestürtzt, kusseten der Frau Mutter die Hand! die Hof-Herren neigten das Haupt, und versicherten sie noch einmahl ihrer aufrichtigen Treu: dargegen wurde die Königin je länger je schwächer; griffe in die Züg, und starb dahin.


Nachdem die Königliche Leich zur Erden bestattet worden, war des Schlaraffischen Hofs erste Bemühung, das Testament zu eröfnen, und selbiges gemäß dem letzten Willen der Philautiä zu vollziehen. Alle fanden ein sattsames Vergnügen, und konnten die rechte Königliche Freygebigkeit ihrer verstorbenen Frauen nicht genugsam preisen. Wie sie aber auf das obgedachte Erb-Geschenck kamen, wurden sie gewahr, daß dieses schöne Schatz-Trüchlein vermacht wäre dem grösten Narren von der Welt. Sie verwunderten sich über die massen: einer schaute den andern an, aber keiner wollte Erb seyn. Und ereignete sich ein neue Beschwerde, wo man unter so vielen Narren eben den Größten finden müßte; angesehen in dem[741] Testament weiter keine Erläuterung vorhanden war.


Als man sich nun hierüber miteinander unterredt, und die Frag herum gehen lassen, kam durch die mehrere Stimmen der Schluß heraus: man müßte gewisse, und hierzu taugliche Herren Commissarien oder Befehlshaber verordnen; welche durch die gantze Welt reisen, auf der Leut Thun und Lassen gut acht geben, und etliche vornehme Narren-Stuck aufzeichnen sollten: alsdann könnte leicht ein Ueberschlag gemacht, und wem das Trüchlein vermeynt wäre, ohnschwehr ein Urtheil abgefaßt werden. Dieser Vorschlag wurde für genehm gehalten, die Commissarii auch alsobald ernennet, lauter gewixte ausgestochene Gesellen, welche einem gleich an der Nasen ansahen, wann er um einen Streich zu viel, oder zu wenig hatte. Allein der Zeit halber, wann die Reyse sollte angehen, konnten sie nicht allerdings eins werden. Einer schluge die Fastnacht vor, mit Vermelden: Narren zu suchen wäre diese die bequemste Zeit, weilen man sie gleich alle beysammen ober einem Hauffen antreffe. Deme hielt aber ein anderer widerpart, und sprach: meines Gedunckens fügt sich zu unserem Vorhaben kein Zeit im Jahr weniger, als die Fastnacht; dann ob man schon die Narren alsdann beysammen antrift, so seynd doch bißweilen die gescheidiste Leut in der Fastnacht die gröste Narren; könnte man also die Rechte von den Vermummten schwehrlich unterscheiden, wann werden wir dann reysen, sagte der dritte. In der Fasten gewißlich auch nicht, wo gar übel zu zehren ist, sonderbahr in Catholischen Ländern. Dann obschon in grossen Städten (weilen viele aus den Burgeren ohne Erlaubnus heimlich Fleisch essen) die Fisch wohlfeil zu bekommen; so geht es doch gar hungerig her auf dem Geu, wo einer auch um sein Geld bisweilen keinen guten Trunck Wein findt, will geschweigen was anders. So seynd auch über das etliche Wirth so vortheilhaftig, daß, wann ihnen gähling ein Gast kommt, der wohl Batzen hat, sie ihm dermassen die Zech machen, daß sein Beutel das gantze Jahr des Scherens nicht mehr bedarf. Was dieses betrift, versetzte der vierte hinwieder, hätte ich wenig Bedencken, dann ein geitziger Wirth tragt das Schermesser allezeit bey sich, und scheert einen am Fleisch-Tag so wohl, als am Fasttag. Aber einer anderer Ursach halber finde ich die Fasten-Zeit zu unserer Reyse untüchtig, angesehen, wann wir zu dieser Zeit etliche ihrer begangenen Narren-Stuck halber aufzeichnen sollten, dörften sie sich vielleicht ausreden, und denen Stockfischen, den manche mit Löflen gefressen haben, die Schuld geben; als welche Speiß gar hart zu verdäuen, und gemeiniglich das Hirn und Geblüt mit groben schwehrmüthigen Dämpfen und Feuchtigkeiten anfüllt. Derohalben wann ich gut zum Rath bin, so lasse man ihme Osteren belieben. Dann um diese Zeit seynd die Leut wegen der langwitigen [742] Fasten fein nüchter, und im Kopf wohl aufgeraumt, dermassen und gestalt, daß einer wohl ein gute Gaab von Natur haben muß, der nach der Fasten gleich zu Osteren ein Narren-Stuck begeht. Alle fielen dieser Meynung bey, und wurde von den Herren Abgeordneten die Reise gleich den Oster-Montag noch selbiges Jahr angestellt.


Den ersten Tag traffen sie nichts an, das in ihren Kram taugte; weilen sie noch auf dem Grund und Boden ihres weisen Schlaraffeu Lands ritten. Aber gleich den anderen Tag Morgens Frühe, da die Sonn eben aufgehen wollte, ersahen sie einen Botten auf einer Stiegel sitzen, und ein wenig ausrasten. Den grüssen sie freundlich, und fragten: woher so starck? Der Bott schnauffend und schwitzend sagte: wie daß er schon etliche Tag und Nächt lieffe, und gar ein wichtiges Geschäft von einem grossen Herren (den er auch nennte) auszurichten hätte. Als aber die Herren Abgesandte zu wissen begehrten, wohin seine Reyse dann gienge? wischte er mit der Hand die Stirn und Barth, und sprach: Botz 1000. gute Jahr, ich hab es vergessen zu fragen, wo ich hin müsse? Kehrte darauf stracks wieder nach Haus sich zu erkundigen und zu fragen; wohin? und wo er die Brief ablegen müsse? Diesen Botten schriebe man auf, als einen rechten Stock-Narren, der Tag und Nacht mit seinem Spießlein auf der Achsel, und Räntzlein auf dem Buckel umlieffe, und doch nicht wußte, wohin.


Den dritten Tag nicht weit von einer Stadt begegnete ihnen ein Baur, der kam eben von einer Hochzeit daher: jauchtzete, und ware gutes Muths, sasse aber beynebens auf einer Schind-Gurre, welche so elendiglich daher gienge, daß einer alle Augenblick meynte, sie wurde zu Boden fallen, und Roß und Mann beysammen bleiben; bevorab weilen der Reuter eben so fast wacklete, als das Roß. Diesen Spanischen Reuter, weilen sie sahen, daß er nicht wie andere die Sporren an den Stiefelen, sondern auf dem Hut truge, redeten die Schlaraffische Abgesandten auch an, und fragten: was Ritter-Ordens er wäre? Der Baur, so bezecht er auch war, gabe doch zur Antwort, was müßte ich für ein Ritter seyn, meine Herren? Lieber GOtt! ich bin halt ein Ritter, der seinem Edelmann gar oft an die Frohn-Dienst reiten muß. Warum tragst du aber die Sporren auf dem Huth? Fragten die Commissarii weiter. Ey! ihr Herren, sehet ihr dann nicht, was ich für ein schwaches Roß hab? Wann ich die Sporren sollte brauchen, wurde es eben grad gar in der Mitte voneinander fallen. Es hat so zu thun, daß es hebt, bis ich heim komme. Weilen ich aber die Sporren auf dem Huth trage, so weiß ich gewiß, daß ich ihm keinen Schaden thue. Dieser Baur wird auch aufgeschrieben, als der mit den Sporren [743] nicht recht umzugehen wußte. Etliche Tag hernach gabe es nichts, als etliche kleine Närrlein, die man aber nicht sonders achtete. Drum setzten die Abgeordnete ihre Reiß fort über Berg und Thal, durch Felder und Wälder, bis sie in ein schönes grosses Dorf kamen.


Sie merckten bald aus dem ausgesteckten Fähnlein auf dem Thurn, es müsse allda Kirchweyhung seyn, dann ihnen der Catholischen Ceremonien und Gebräuch nicht gar unbekannt waren. Sie sitzten demnach ab, giengen in die Kirch hinein, zu erfahren, wie doch die Leut an den hohen Festen sich bey dem GOttes-Dienst einzustellen pflegten; traffen aber keinen Menschen, als den Meßner an, der eben mit einer Burde Schlüssel in der Hand aus der Sacristey daher kam, Willens, die Kirchen zu sperren. Diesen ruften sie zu sich, und fragten: ob es heut da Kirchweyh seye? Ja, sagte der Meßner: es ist Kirchweyhe, und sie fragten weiter: ob man dann kein Vesper halten werde, weilen es eben um Vesper Zeit wäre? Ja wohl Vesper, antwortete der Meßner: wo denckt ihr hin meine Herren? der Tag ist viel zu heilig, man hat heut kein Vesper, die Bauren gehen jetzt zum Wein, die Knecht zum Dantz, für wen müßte man die Vesper haben; dieser Meßner wurde auch der Abgesandten Schreib-Täfelein einverleibt, weilen er meynte, eben darum, weilen der Tag so heilig, sollte man kein Vesper halten.

Ueber etliche Wochen reiteten sie einer Stadt zu, und fanden vor dem Thor bey der Brucken einen ziemlich erwachsenen Buben an dem Gestatt des Fluß stehen, und anglen: als sie nun diesen fragten, wie das Fischen von statt gehe? bekamen sie zur Antwort: es gehe gar schlecht her, und er habe heut noch keinen eintzigen Fisch gefangen, und stehe doch schon 4. Stund da. Wie so, fragten die Commissarii weiter: ist villeicht das Wasser nicht Fischreich? sie mußten aber das Widerspiel vernehmen, wie daß nemlich das gantze Land aus diesem Fluß allein mit Fischen genugsam versehen wurde; also daß man vor Menge viel 1000. mußte diegen machen, und an fremde Orth tragen. Da merckten die Herren Commissarii dann bald, wo es diesem Angler fehten möchte; begehrten also, er sollte ihnen weisen, was er anköderte. Da nun der Bub die Ruthen über sich zoge, fanden sie nichts daran, als den blossen Angel ohne Köder. Sie stellten ihn hierüber zu Red, was er für ein künstlicher Fischer wäre? ob er dann meynte, die Fisch werden ihm anbeissen, wann er den Angel nicht mit einer Leber, Regenwurm oder Heuschrecken verdecken wurde; der Fischer-Bub gabe zur Antwort, meine Herren! verzeyhet mirs, ihr verstehet den Handel nicht. Mein Vatter ist ein Fischer, und gibt doch seinen Fischen auch nichts, die er daheim im Kalter hat, sondern müssen froh seyn, daß er ihnen die Herberg so lang vergunnt. Wollen sie zu fressen [744] haben, mögen sie ihre Kost selbst mit sich bringen; ist ja genug, daß ich sie anbeissen lasse, wann das Wasser nur trüb genug wäre, was gilts, sie wurden schon anbeissen. Dieser Fischer-Jung mußte denen Herren aus Schlaraffenland auch ins Narren-Register, weilen er mit dem Angel ohne Köder Fisch zu fangen vermeynte.


Noch lächerlicher ist, was ihnen nicht lang hernach in einem kleinen Städtlein begegnet, dessen Nam mit Fleiß verschwigen wird. Es ware schon um die zwölfte Stund, als sie da angelangt, willens zu Mittag zu speisen. Die Wirthin bewillkommete ihre Herren Gäst gar freundlich, entschuldigte aber zugleich ihren Mann, daß er nicht könnte aufwarten: er seye Burgermeister, und sitze samt anderen, unerachtet es Sonntag seye, von sieben Uhr an im Rath; hofte doch, er werde bald da seyn. Unterdessen da man das Essen bereitete, kam auch der Wirth, und bediente seine Herren Gäst mit sonderbarer Freundlichkeit, welches dann vor einem Wirths-Haus der beste Schild ist, fremde Gäst an sich zu ziehen, weil jedermann gern bey der einfachen Kreiden einkehrt; wo man um einen leidentlichen Preis die Gäst mit freundlichen Gesichteren, neben einem freundlichen Trunck, und ein und anderer guter Tracht abspeißt. Die Herren Abgesandte fragten den Wirth, was für ein wichtiges Geschäft vorgefallen wäre, daß sie sich an einem Sonntag so lang auf dem Rathhaus aufgehalten hätten? Gnädige, großgünstige Herren! antwortete der Wirth, etwas gar wichtiges: ist zwar nichts geheimes, darf es wohl sagen, weil es überall schon bekannt ist. Zu dem machen wir Raths-Verwandte allhier weiter kein grosse Sach auf Stillschweigen, sondern was Vormittag im Rath ist abgehandelt worden, das erzählen wir hernach zu Haus über Tisch: So gehet uns fein nicht viel auf die Land-Botten. Ein geschwätzig Weib ist über alle Post-Pferde: was sie heut von ihrem Mann hört, das weißt Morgen die gantze Stadt; übermorgen das gantze Land. Was aber heut auf dem Rathhaus so viel zu schaffen gegeben, ist dieses: Wir haben die vorige Wochen einen hencken lassen. Heut seynd wir zusammen, uns ein wenig mit einander zu berathschlagen, ob ers auch verdient habe, oder nicht? Nun ist durch die mehrere Stimmen heraus kommen, daß er einmal unschuldig gewesen. Tröst ihn GOtt: ich hab ihm auch einen guten Schub in den Himmel geben. Das liessen ihnen die Herren Commissarii gefallen, und fanden für gut, den Bürgermeister und Rath nacher Schlaraffenland zu citieren, als taugliche Leut, die vielleicht den nächsten Zuspruch zu dem Königlichen Erb-Geschenck bekommen möchten.


Nach etlich Wochen kamen sie bey einer See-Stadt, oder Meer-Hafen an, und hielten sich eine geraume Zeit allda auf. Was sie alles von grossen [745] und kleinen Narrenstucken darinnen angetroffen, wäre viel darvon zu melden. Allein es wird genug seyn nur eines eintzigen noch zu gedencken. Dieser war ein Holländischer Schif-Knecht, der eben von dem Stockfisch-Fang daher kame. Nachdem das Schiff angelädet, und er samt anderen dahin vom Austragen müd, und fertig ware, sahe er ihm um ein Ort zum Schlaffen aus. Er warfe sich aber der geraden Weeg nieder auf den Boden, und legte anstatt des Polsters ein leeres Fäßlein unter den Kopf: streckte alle Viere von sich, und fienge schon alsgemach dahin an zu schlaffen, und Bretter zu schneiden. Einer aus den anderen Bots-Knechten, sein guter Bekannter, gienge hinzu, gab ihm mit dem Fuß eins in die Seiten, weckte ihn auf, und sprach: Narr, was thust? hast du nie gehört: Wer ihm wohl bethet, der liegt wohl? ist doch Stroh genug da: warum legst du dir nicht ein und den andern Schaub unter? wirst zehen mah besser liegen. Der faule Tropf ließ ihm diesen Rath gefallen; und nachdem er sich ein und das andere mahl umgekehrt, wie ein fauler Hund hinter dem Ofen, stund er auf: Nahme zwey Schaub Stroh, legte sie unter das Fäßlein, und den Kopf wieder auf das Fäßlein hinauf, der Hofnung, nunmehr sanfter zu liegen. Wie er aber nichts spühren konte, sondern sein Polster eben so hart ware, wie zuvor, ward er zornig, und sagte: Bin ich nicht ein Narr? weiß ich dann nimmer, wie man die Strohsäck einfüllet? das Stroh muß man hinein schieben: was solls gelten? es wird linder werden. Schobe darauf alles Stroh in das Fäßlein hinein, und legte sich in GOttes Namen wiederum auf das Fäßlein nieder, als wann er ihm nun auf das beste gebethet hätte. Die Herren Commissarii solches ersehend, geschwind mit ihrem Schreib-Täfelein heraus, zeichneten alles auf, und bestimmten ihm einen gewissen Tag, an dem er sich in Schlaraffenland wurde einzustellen haben. Stiegen darauf in ein Schif, das eben nacher Schlaraffenland abzuseglen in Bereitschaft stunde, und langten bey gutem Wind innerhälb eines Monats-Frist glücklich wiederum in ihrem Vatterland an.


Sie verliehrten kein Zeit; sondern erstatteten dem König, und dem gesamten Rath ihrer Gesandtschaft halber schuldigen Bericht. In gleichem stellten sich die beschriebene Mitwerber zu bestimmter Zeit ein. Als man nun alle fleissig besichtiget, und mit sonderer Lust eines jeden verübtes Narren-Stuck vernommen, wurden zwar alle ihrer treflichen Gaben halber gelobt, und die Vertröstung gegeben, ihrer zu seiner Zeit in Gnaden zu gedencken; dermahlen aber wurde durch die mehrere Stimmen das königliche Erb-Geschenck, das Schatz-Trüchlein, obgedachtem Wirth zu erkennt: dieweil er, als Burgermeister, ein so weise Anleitung im Rath gebraucht, daß gleichwohl eines Beklagten Unschuld noch an Tag kommen, nachdem er schon am Galgen erworget. Die andere [746] alle hiesse man abtretten, und den Wieg weiter nehmen. Niemand war fröher, als dieser Wirth, als ihm das so kostbare Schatz-Trüchlein samt dem Schlüssel eingehändiget wurde. Er bedanckte sich aufs höchste, des Erbietens, die überaus grosse Freygebigkeit, der verstorbenen Königin Philautiä Zeit seines Lebens anzurühmen: wolte auch schon mit dem Trüchlein unter dem Mantel zur Stuben hinaus; wurde aber angehalten vermög des Testaments, das Trüchlein in Gegenwart des schlaraffischen Hofs zu eröfnen; damit die sonders grosse Freygebigkeit der Philautiä männiglich kund wurde. So steckte er dann den Schlüssel an, und machte das Trüchlein auf. Aber siehe! kaum hat er das Schloß, welches wie ein Feur-Rohr zugericht war ein wenig verruckt, da gab es Feur; und das angezindete Pulver, wormit allein das Trüchlein angefüllt gewesen, fuhre dem armen Wirth mit einem lauten Knall ins Angesicht heraus, verbrennte ihm Haar und Bart, machte ihn kohlschwartz, und erschröckte ihn noch darzu dermassen, daß er vor Dunst und Schröcken rücklings auf die Erden fiele, und so wüst, als ein Teufel, aussahe. Inwendig auf einer Seiten des Trüchleins, das gleichfalls in Stuck zersprungen, stunden diese Wort geschrieben: Das ist der Narren Erbtheil. Der gute Wirth, der kaum mehr den Hut zu finden wußte, will geschweigen den Kopf, beschwerte sich hart über diesen groben Possen; als der seinem Beduncken nach einen anderen Danck um den schlaraffischen Hof verdient hatte. Allein er wurde nur ausgelacht, und sich wegzutrollen geheissen, wolte er nicht eines grösseren Unglimpfs gewärtig seyn, mit diesem Zusatz: Die Philautia lohne keinen anderst: Für solche Narren gehöre ein solcher Kolb. Mußte also der elende Mensch seinen Weeg weiter nehmen, und wußte doch nicht, wohin; sondern mit Schand und Spott, in Hunger und Kummer, darzu noch mit grossen Schmertzen wegen des Brands im Angesicht, stige er in den Wälderen, und auf dem Gebürg herum, und klagte den herumstehenden Felsen sein Noth. GOtt schickte es aber wunderlich, daß ihn endlich ein Hirt seuftzen und weheklagen gehört: Und nachdem er den gantzen Verlauf der Sachen verstanden tröstete er ihn, nebst angehenckter Ermahnung, forthin kluger zu handlen, und dem schlaraffischen Hof nicht mehr zu trauen. Uber das zeigte ihm der Hirt einen Brunnen, bey welchem, als der verwundte Tropf den Wust des Angesichts, und der Kleider abgewaschen, griffe er in sein Taschen hinein, zoge ein Salben heraus, mit welcher er seinem Vorgeben nach die schadhafte und raudige Schaaf zuheilen pflegte, überschmierte ihm das Angesicht: worvon er alsobald eine Linderung empfunden, und endlich in kurtzer Zeit gantz und gar gesund worden. Wie nun solches geschehen, zeigte ihm der Hirt den Weeg aus dem Wald hinaus: gab ihm noch ein und das andere Anzeigen, wo er vorbey müßte, also [747] daß er nicht wohl mehr irren konte; sondern nach wenig Tägen wieder zu Haus seyn wurde, welches dann auch geschehen. Weßtwegen dann der nunmehr aller Gefahr befreyte Wirth dem barmhertzigen Hirten nicht genug dancken konte: Erzählte seinem Weib und Kinderen alles, was sich mit ihme in Schlaraffen-Land zugetragen: verfluchten sammtlich die betrügerische Königin Philautia samt dem gantzen schlaraffischen Hof: Und er beschlosse, hinfüran kein solcher Narr mehr zu seyn, und so bald nicht mehr zu trauen.

Sittliche Ausdeutung dieser Fabel.

Das Schlaraffenland ist die Welt: worinn es wohl redlich zugeht, wie in Schlaraffenland: lustig, traurig; falsch, schelmisch, liederlich, und närrisch genug.

Philautia, das ist: die eigene Lieb, wird billich ein Königin benamset: dann wo ist ein Ort, wo ein Stadt, wo ein Haus in der Welt, worinn die eigene Lieb nicht herrsche? wo man sie aber wider Recht und Billichkeit herrschen laßt, führt sie einen zu letzt gar übel ein; wenigist in einen Irr-Garten schwermüthiger Gedancken, sündhafter Wort, und Werck, wo nicht gar in die Höll.

Die frische, wackere, junge Printzen und Söhn dieser Königin, der eigenen Lieb, seynd die drey vornehmste innerliche Kräften der Seelen: die Gedächtnuß, der Verstand, und der Will.

Ihre Hof Herren, und Räth seynd die äusserliche fünf Sinn: das Sehen, das Hören, das Riechen, das Verkosten und Betasten. Diesen allen ist von Natur mit gut leben, und Ergötzlichkeiten angeholffen.

Die Unterthanen seynd mancherley Creaturen: die alle und jede Zeit der eigenen Lieb (wo sie einmahl die Oberhand bekommen) müssen zu Diensten stehen.

Die Schwester der Philautiä ist die Liebe GOttes, und des Nächsten; aber einer gantz anderen, und der Philautiä widerwärtigen Natur. Dann GOtt lieben, und den Nächsten von GOttes wegen, gern betten, Allmosen geben, und männiglich Guts thun, seynd Sachen, auf welche sich die eigene Lieb nicht versteht: gleich als gehörten solche Sachen nur in die Clöster.

Es ernennt aber die eigene Lieb, für ihren Erben keinen anderen, als den grösten Narren von der Welt: weil ja der gröste Narr von der Welt ist, welcher wegen einer schnöden Creatur, und zergänglichen Weesens GOtt, den er über alles lieben solte, auf ein Seiten setzt, und der eigenen Lieb dient, die einem zu letzt so übel lohnt. Das thun aber alle Tod-Sünder, wie bekannt.

Die ausgeschickte Commissarii, oder Befehlshaber, Narren aufzusuchen, seynd die Teufel. Diese durchreisen die gantze Welt: und zeichnen alle Narren-Stuck, alle Sünden auf [748] in ein Register, daraus einstens vor dem Richterstuhl GOttes den Menschen zu überweisen.

Dem ersten Narren, dem Botten, seynd gleich alle diejenige Jüngling, welche sich nicht besinnen, was für einen Stand sie mit der Zeit wollen antretten: ob sie geistlich werden; oder weltlich verbleiben wollen?

Dem Bauren jene, welche das Fleisch dieses unbändige Roß nicht wollen ansporren durch die Leibs-Casteyungen, damit es fort gehe auf dem Weeg der Gebotten GOttes.

Dem Meßner jene, welche in dem GOtts-Dienst gar träg und saumseelig seynd. Denen der Tag zu heilig ist, daß sie in die Meß, in die Predig, will geschweigen an einem hohen Fest in die Vesper kommen.

Dem Fischer-Buben jene, welche sich keine Mühe wollen kosten lassen, die zur Seeligkeit vorgeschriebene Mittel zu brauchen; und wollen doch in Himmel kommen: da doch Christus sagt: das Himmelreich leyder Gewalt; und die Gewalt brauchen, reissen es an sich. Matth. 6. Cap.

Dem faulen Schif-Knecht jene, so ein böses Gewissen haben. GOtt geb, wie ihnen solche lind bethen, was sie immer unterlegen, wird doch ihr böses Gewissen sie nicht schlaffen lassen.

Letztlich dem Wirth seynd gleich jene unbesonnene, unvorsichtige Leut, welche in ihrem Handel und Wandel, auch in gar wichtigen Sachen, die Leib und Seel antreffen, gantz blind darein gehen. Nichts ausdencken, nichts überlegen: ist es aber recht? ist es kein Sünd? werd ich nicht anlauffen? wird es nicht offenbar werden? werd ichs können vor GOtt, und der ehrbaren Welt verantworten? sondern gantz unbedachtsam, wie die Fliegen einem Mucken-Glaß zufliegen, obschon Gift darinn ist: wann es nur süß ist: hernach, wann es geschehen, und die Kuhe aus dem Stall ist, zu jammeren anfangen, und halb verzweiflen wollen. Ach! daß GOtt geklagt seye! wer hätte ihms eingebildet? ich hätte ehender Leib und Seel verpfändet: das hab ich wohl nicht gemeynt. Da schaut ihr unbesonnene!Weynen ist ein Butter Milch, sagen wir Teutsche im Sprich-Wort. Habt ihr euch wohl eingebrocket, so esset jetzt aus.

Was hat aber der gröste Narr letztlich für ein Danck? Feur, Schwefel, und Sturm-Wind wird solcher Narren Erb-Geschenck seyn Ps.10. Nichts bessers haben die Sünder zu gewarten. Und werden noch über das die Welt nach ihrem Tod quittiren, und auf ewig des himmlischen Vatterlands sich verzeyhen müssen: es seye dann Sach, daß der gute Hirt Christus noch sich eines solchen elenden Tropfens vor dessen gäntzlichen Untergang erbarme; ihm aus dem Wald seines verwirrten Gewissens heraushelffe: den Augen-Bronnen eröfne, mit dessen Wasser vermittels einer wahren Reu und Leyd man alle Mackel und Sünden auswaschen kan. Es werden auch die Wunden der Seelen bald heyl werden, wann erst gedachter Hirt in seine heiligste Seiten hinein greift, und [749] ein Hand voll Blut heraus nimmt: von welchem kostbaren Blut die Heil. Sacramenten ihre Kraft zu Vergebung der Sünden her haben. O! wann das geschieht, so kommt man bald aus dem Wald, und auf den rechten Weeg zur Seeligkeit zu: allwo man sich in dem wahren Vatterland mit allen Englen und Heiligen GOttes in Ewigkeit erfreuen wird. Rauscher S.J. Festivale 2. In der Zugab von der guten und schlimmen Haushaltung.Fer. 3. Paschatis Conc. 1.

11. Fabel
Eilfte Fabel.
Die Hasen hielten sich für die forchtsamste Thier auf Erden; veränderten aber die Meynung, nachdem sie gesehen, daß sie von denen Fröschen geförchtet wurden.

Die Haasen in Erwegung, daß sie von denen Jägeren und Hunden so hart verfolgt, und allenthalben zum Tod aufgesucht wurden, schrieben einen Reichs-Tag aus, um sich untereinander zu berathschlagen wie dem Ubel vorzubiegen, und der allgemeine Schaden zu wenden wäre. Als nun die ältiste des Volcks, und die vornehmere Haasen-Geschlechter versammlet waren, thate einer, der wegen seiner Beredtsamkeit, und langer Erfahrnuß vor anderen das Ansehen hatte, den Vortrag mit folgenden Worten: Liebste Freund, und Raths-Genossene! (sprach er) es kan euch nicht unbekannt seyn, in was grosser Noth und elenden Stand sich unser uraltes, adeliches, ja königliches Haasen-Geschlecht dermahlen befinde. Die Nachstellungen, wodurch man uns zum Tod aufsucht, seynd dermassen viel und grausam, daß mir die Haar gen Berg stehen, wann ich mich deren erinnere. Es darf sich ja kein ehrlicher Haas, auch zu denen Zeiten, da wir allem Jäger-Recht nach, sicher und befreyt seyn solten, ausser seinem Lager mehr blicken lassen, daß man ihm nicht da und dort aufpasse, und den Ruck-Weeg verbiete. Ja, was sage ich, ausser dem Lager? solten wir uns auch Klafter tief unter die Erden eingraben, so wurden uns doch die meisterlose Hund bey denen Ohren herfür ziehen, und ihren Herren zum Raub einlifferen. Man treibt uns über Berg und Thal; durch Hecken und Stauden; von einem Wald in den anderen: und ist kein Gesträuch so dick, das man nicht durchsuche; um uns aufzujagen, und zu ermorden. Was für grosse Niderlagen geschehen nicht immerdar in unserem Geschlecht? was für klägliche Zeitungen lauffen nicht fast täglich ein von allerhand Grausamkeiten, welche die Menschen und Hund an unserem Geschlecht ausüben? da schießt man einen Lauf hinweg; da jagt man einem gar die Schröt ins Hertz hinein; da zerknirschen einen [750] die Hund den Ruckgrad; da reissen sie einem anderen die Brust entzwey: oder geschiehet es etwann, daß einer dem Jäger lebendig in die Händ gerathet, und mit tieffister Unterwürffigkeit um Quartier bittet, so ist es das erste, daß man ihn zum Tod verdammt, und dem unschuldigen Haasen das Genick abschlagt. O des grossen Jammers! wem solle unser Unglückseeligkeit nicht zu Hertzen gehen? aber eben dieses ist, leyder! was unser Elend zum allermeisten vergrössert, daß nemlich unser Unglück niemand, als uns allein zu Hertzen geht. Wann wir nicht selbst Mittel und Weeg ausfinden, der Noth abzuhelffen, so haben wir uns anderwerths her keiner Hülf zu vertrösten. Nun, so sagt dann euere Meynung, liebste Freund! wie gedunckt euch, daß das Ubel zu wenden seye?

Nach diesem Vortrag stunde einer aus denen hertzhaftigeren Haasen auf, und sprache:


Mich zwar hat es schon längst wunder genommen, daß wir unserem Schaden so lang zugesehen, und wider unsere Feind noch niemahl die Waffen ergriffen haben. Unserer Zaghaftigkeit haben wir unser Unheyl zuzuschreiben, und die Flucht, so wir gemeiniglich, ehe daß der Streit angeht, nehmen, führt uns dem Tod zu. Mancher Hund wurde den Muth fallen lassen, und sich nicht getrauen den Haasen anzufallen, wann ihme dieser mit seinen feurigen Augen und erschröcklichem Bart behertzt unter das Gesicht stunde. Seye es, daß wir von Natur etwas schwach, und dem Feind an Kräften nicht gewachsen seyen, so könnte doch die Witz und Menge unsers Volcks diesen Mangel leicht ersetzen. Ist demnach mein Gutachten, daß wir uns zusammen rotten, und so bald wir das Jägerhorn wiederum blasen hören, mit gesamten Kräften dem Feind entgegen ziehen, ihme ein Schlacht liefferen, und allen unseren Unterthauen bey Leib- und Lebens-Straf die Flucht verbieten.


Allein dieser Meynung wollte keiner aus denen übrigen Haasen beyfallen; dann ein jeglicher förchtete seinen Balg, und wußten alle nur gar zu wohl, daß sie denen Hunden weder an Muth noch Stärcke gewachsen wären. Waren demnach einhellig darwieder, vorgebende: dieser Rath wurde das gantze Haasen-Geschlecht auf einmahl auf die Schlachtbanck lieferen, und denen Zähnen der Hunden zu zerreissen dargeben. Solches als der behertzte Haaß, der den Rath gegeben hatte, gehört, auch gesehen, daß seine Meynung schimpflich verworffen wäre, gienge er voller Unmuth und Verzweiflung aus der Rathstuben hinaus, und henckte sich

an den nächsten Baum auf.


Nach diesem stunde ein anderer auf, und redete die Raths-Versammlung folgender Gestalt an:


Bekannt ist euch ihr Herren, daß das beste Mittel, uns Haasen hinaus [751] zu helffen, die Flucht seye. Zum Streiten seynd wir nicht gebohren, aber zum Fliehen hat uns die Natur schier geflügelt gemacht. Jedoch eben in der Flucht sihe ich etwas, daß uns zum Schaden gereicht, und schon viel aus uns dem Tod in die Händ gespielt hat. Unsere lange Ohren (neben dem, daß sie uns beschwehren, und die angebohrne Flüchtigkeit nicht wenig hinderen) geben Anlaß, daß uns die Hund darbey ergreiffen, und desto vester anhalten können. Manches armes Häßlein wäre mit dem Leben davon kommen, wann es seine Ohren hätte können dahinten lassen. Mein Rath demnach wäre, daß wir uns alle die Ohren stutzten; dann auf solche Weiß wurden wir zur Flucht behender, und vor dem Angrif der Hunden sicherer seyn. Was solle es seyn? diese Tracht ist ohnedem nicht mehr gangbar, ja bey der Welt verachtet; tragt auch, ausser dem Esel, kein anderes Thier mehr lange Ohren.


Auch dieser Rath ward nicht gut befunden, und setzten sich sonderbahr die ältere Haasen darwider, vorgebend, man müsse keine neue Tracht ins Land einführen; es wurde ihren Vorelteren in dem Grab wehe thun, wann sie wissen sollten, daß sich ihre Nachkömmlinge der langen Ohren schämten, und von dem alten Brauch und Herkommen abgewichen wären.


Diese und dergleichen mehre andere Meynungen wurden auf die Bahn gebracht; aber ohne Frucht: dann keine fande man für genugsam und ersprießlich, denen armen Haasen aus der Noth zu helffen. Dannenhero, indem sie sich eines Theils für die forchtsamste und armseeligste Thier auf Erden hielten, an derer seits aber kein Mittel fanden, ihr Elend zu ringeren, fielen sie alle in Verzweiflung, und entschlossen sich einhellig in dem nächsten See zu erträncken, vermeynende, das rathsamste zu seyn, durch einen kurtzen und leichten Tod einer langen Forcht und betrangtem Leben den Faden abzuschneiden. Also dann machten sie sich auf, und lieffe die gesamte Haasen-Schaar gantz-verzweiflet dem Wasser zu. Indessen, als die Frösch, welche neben dem See an der Sonnen heraus gesessen, das Geräusch der ankommenden Haasen vermerckten, erschracken sie, und sprangen aus Forcht eylends in ein Rohr-Busch, und ins Wasser hinein. Wie dieses die Haasen wahrgenommen, hielten sie ein wenig still, verwunderten sich, und liessen es ihnen gefallen, daß sie durch ihre Ankunft unter denen Fröschen so grossen Lermen und Schrecken verursachen können. Stoßten darauf die Köpf zusammen, und sprachen: so gibt es dann noch forchtsamere Thier in der Welt, als die Haasen seynd? Ey so haben wir dann nicht Ursach zu verzweiflen, und uns für das armseeligste Geschlecht auf Erden zu halten. Brüder, wir kehren wiederum in unsere Wälder, und lassen uns das Leben noch länger belieben. Und also geschahe es, die Forcht und Schwachheit [752] der Fröschen machte denen Haasen einen Muth, und verursachte, daß sie sich hinführo ihrer Zaghaftigkeit schamten.Reitmayr S.J. Dominicale n. 467. ex Pacciuchelli, locum tamen non citat.

Sittliche Auslegung.

Durch die Haasen werden verstanden jene forchtsame, zaghafte und kleinmüthige Christen, welche in Erwegung ihrer Schwachheit, und aus ängstiger Forcht ihrer Feinden schier verzweiflen wollen, vermeynende, es seyen keine schwächere und armseeligere Creaturen zu finden, als sie seyen. Die unsaubere Frösch aber, so in denen Pfützen und Kothlachen sich aufhalten, seynd die höllische Feind; wie sie dann der Heil. Johannes in der heimlichen Offenbahrung in dieser Gestalt aus dem Rachen des höllischen Drachen hat sehen heraus steigen. Diese Frösch seynd noch viel schwächer als die Haasen, und die Teufel viel armseeliger als die Menschen. Dann, nachdem sie Christus durch seinen Tod und Auferstehung überwunden, hat er diesen Fröschen alle Kraft benommen; so gar, daß sie jetzt vor denen Haasen (das ist: vor denen sonst schwachen und forchtsamen Menschen) fliehen, und sie förchten müssen. Und das geschiehet, wann sich eine Christliche Seel gegen dem bösen Feind unerschrocken erzeigt, und mit starckmüthiger Hofnung auf GOtt bewafnet, hertzhaft unter die Augen stellt. Er kan uns wohl anbellen, er kan wüten, und an der Ketten reissen wie ein Hund, aber beissen kan er keinen, als der freywillig zu ihm an die Ketten hingeht, und in seine Versuchungen einwilliget: seynd die Wort des H. Augustini. Serm. 167. de tempore.

12. Fabel
Zwölfte Fabel.
Von einem Vatter und Sohn, die mit ihrem Esel über Land gereiset, und niemand haben recht thun können.

Ein alter Vatter und junger Sohn reyseten miteinander über Land, und hatten bey sich einen Esel. Unter Weegs kamen sie zu einer Stadt, in dero Durchzug der Vatter auf dem Esel daher reitete; der Sohn aber vorhergehend denselben bey dem Zaum führte. Dieses wollte denen Innwohnern der Stadt nicht gefallen, schmäheten darwieder und sagten: sehet! dieser Alte, der noch bey guten Kräften ist, laßt ihm wohl seyn, und tragt kein Mitleyden mit seinem Sohn, der noch ein schwacher Jüngling ist. Er reitet daher, als wann er weiß nicht was für ein grosser Herr [753] wäre; den Sohn aber laßt er zu Fuß gehen, als wann er sein Diener wäre. Dieses hörte der Vatter alles in seine Ohren, derowegen als sie zur Stadt hinaus kommen, sprache er zu dem Jüngling: Sohn! ich hab gefehlt, hinführo mußt du auf dem Esel reiten, ich aber zu Fuß gehen, dann das Widerspiel, wie du selbst vernommen, will denen Leuten nicht gefallen. Als sie nun zum nächsten Flecken kommen, stellten sie die Sach also an; der Sohn setzte sich auf den Esel, der Vatter aber gienge zu Fuß, und führte ihn. Aber dieses ware bey der Welt schon wiederum gefehlt; sehet nur (sprachen die Burger des Fleckens zusammen) was dieses für ein undanckbarer Sohn ist, seinen eigenen Vatter, der schon alt und kraftloß ist, laßt er zu Fuß gehen, und er, dem das Gehen hundertmahl besser anstunde, sitzet auf dem Esel. Nun auch diesen Fehler zu verbessern, setzten sie sich beyde auf den Esel, und reiteten also durch das nächste Dorf. Wie die Bauren das sahen, stutzten sie darüber, sprechende: seynd das nicht unbärmhertzige Leut, welche dem armen Thier so gar nicht schonen, es wäre mit einem genug beschwehrt, und jetzt muß es beyde tragen. Diesem Urtheil wußten sie anderst nicht zu begegnen, als daß sie hinführo den Esel leer daher führten, und sie (der Vatter und Sohn) beyde zu Fuß giengen. Auf solche Weiß dann zogen sie wiederum durch ein Stadt; aber da wurden sie von jedermann verlacht; seynd das nicht seltsame Leut (sprachen die Innwohner des Orths) haben einen Esel, und brauchen ihn nicht, beyde, oder doch einer nach dem andern könnten darauf reiten, sie aber gehen beyde zu Fuß, und matten sich vergebens ab. So bald sie zur Stadt hinaus kommen, sprache der Vatter: was haben wir doch heut für eine unglückseelige Reyß, mein Sohn! daß wir denen Leuten so gar nicht recht thun können, reitest du oder ich, oder keiner, so ist es allezeit gefehlt. Auf keine Weiß können wir die Welt befriedigen, was thun wir dann? mir fallt noch eines bey, mein Vatter (sagte der Sohn) wann wir zur nächsten Stadt kommen, wollen wir den Esel auf unsere Schulteren nehmen, und tragen; dieses vielleicht werden die Leut gutheissen, und uns ungetadlet lassen. Aber da haben sie gar alles verderbt; dann als sie den Esel also ungereimt auf denen Achslen daher trugen, wurden sie von jedermann (wie es dann für dißmahl billich ware) für Narren ausgeruffen. Reitmayr S.J. Dominicale. n. 571.


Wie wahr ist, was man insgemein pflegt zu sagen:Derjenige müßte fruhe aufstehen, der jedermann gefallen wollte: warum! viel Kopf, viel Sinn. Was ist dann zu thun? Man muß thun, was recht ist; und die Leut reden lassen. Man muß lang reden, bis man ein Loch in dich hinein redt.

13. Fabel
[754] Dreyzehende Fabel.
Der arme Esel muß ein schlechtes Verbrechen mit der Haut bezahlen.

Ein arbeitsamer Esel wurde bey einem Fluß auf die Weyd getrieben zur Zeit, als sich bey solchem ein Wolf und Löw eingefunden. Ungefehr machten sie miteinander einen Ueberschlag über ihr gantzes Leben, und wurden von dem bösen Gewissen ihrer Mordthaten erinneret. Gedachten also, selbiges durch eine rechtschaffene Beicht zu reinigen, beichteten mithin einander, und erzähleten ihre Mordthaten nach der Länge; wußten aber selbige so meisterlich zu verkleineren und zu vermäntlen, daß einer den anderen nach geringer auferlegter Buß lossprach. Der einfältige Esel, so die wilde Natur dieser Thieren nicht erkannte, kame herbey, und wurde angestrengt zu beichten. Der arme Tropf besinnet sich eine Zeit lang; endlich sprache er: was soll ich armes Thier doch gesündiget haben, deme der Muthwillen zum Bösen durch Stöß und Schläg genug benommen wird? Hab ich doch vor Arbeit nicht Zeit, auf etwas Böses zu gedencken. Ich wußte nicht, was ich beichten sollte. Nichts, nichts, sagten die andere Thier! du must ein für allemahl beichten, dann heut ist ein grosses Fest und ein Beicht-Tag, der alten Thieren gebotten ist. Wie der Esel gesehen, daß es seyn muß, fienge er mit guter langsamer Red seine Bekanntnus an, und sagte: Ich will nicht hoffen, daß mir für übel werde ausgedeutet werden das wenige, was ich mehr aus Noth als Boßheit gethan hab.


Bisweilen bin ich wider meinen Herrn ungedultig gewesen, wann er mich zu schwehr beladen. Ich bin auch über gar zu langer Arbeit faul worden. Ich hab bisweilen wider das Futter gemurret, welches aber so klein und wenig gewesen, daß ich einsmahls genöthiget worden, meinem Herrn das Stroh aus den Schuhen zu fressen, welches er, um selbige butzen zu lassen, hinein gesteckt hatte. Ja, das bekenne ich: weiter aber weiß ich nichts.


Ha ha, sagten die andere Thier: jetzt kommen wir einmahl aus dem Wunder. Wir haben bis auf diese Stund nicht gewußt, woher doch so mannigfaltige Straffen, welche der erzörnte Himmel über unser Land ergehen lassen, herkommen. Aber jetzt wissen wir den Thäter. So hören wir wohl, du bist jenes gottlose Thier, das seinem Herrn hat dörffen das Stroh aus den Schuhen fressen? gut für uns, daß wir endlich den Himmel versöhnen können. Weist du was? sterben must du, damit wir den gefaßten Zorn des Himmels besänftigen. [755] Dieses geredt, zerrissen sie den armen Esel in Stucken, und frassen ihn auf. Gerardus Pauli S.J. in seinen Sonntäglichen Predigen.


Wer siehet aus diesem Gedicht nicht die Art vieler Menschen, welche ihre eigene gröbste Laster nicht sehen; mithin fremde, wiewohl kleine Verbrechen zum höchsten anziehen? Ey! schalckhafte Gemüther, warthet nur, GOtt wird euch noch finden.

14. Fabel
Vierzehende Fabel.
Die Ameiß beklagt zu spat ihre stoltze Begierd Flügel zu bekommen.

Diese bekame einstens einen Verdruß, daß sie nur immerdar auf der Erden müßte herum kriechen, und nicht wie die Vögel sich in den Luft hinauf schwingen könnte. Dahero bate sie ihr von dem Himmel diese Gnad aus, daß ihr doch möchten Flügel wachsen. Was geschiehet, ihre Bitt wird erhört. So bald nur die Ameiß wahrgenommen, daß ihr Flügel gewachsen, hat sie alsbald angefangen sich zu schwingen, und zu probieren, ob sie auch fliegen könnte; verlaßt demnach den Ameiß-Hauffen samt ihrer gantzen Freundschaft, und fliegt erstlich auf die niedere Gestäud, hernach auf die Bäum, zuletzt aber gar in die Höhe des Lufts. Und nachdem sie eine gute Weil prallirend herum geflogen, nimmt sie endlich ihren Sitz auf einem hohen Tannen-Baum, allwo auch dazumahl nicht weit davon eine Nachtigall ihr Losament hatte, und mit ihrem süssen Schall den Luft erfüllte. Die Ameiß, als sie solche annehmliche Stumm in ihren Ohren klingen hörte, konnte sich nicht enthalten selbige um ihren Namen zu fragen. Flieget demnach näher hinzu, redet die Nachtigall an, und fragt: mein wer bist du, die Nachtigall singt und springt lustig herum, und gibt zur Antwort: Ich bin ein Wald-Vögelein, und erlustige mich zu dieser annehmlichen Frühlings-Zeit in diesem Wald. Kaum hatte sie diese Wort ausgeredt, da floge fürbey ein Immlein. Das liesse sich aber bald nieder in ein Blumreiche Wiesen, und saugte alldort den süssen Saft der Blumen aus. Die Ameiß, aus Vorwitz veranlasset, fragt sie auch: wer bist du? das Immlein antwortete: ich bin ein kleines Thierlein, fliege nicht hoch, und halte mich in der Nidere auf; habe auch keine Stimm zum singen; nehme also meine Aufenthaltung nicht in den Wälderen, sondern erlustige mich in denen Blumreichen Wiesen und Gärten; suche überall die süsse Blümlein heim, sauge den Saft daraus, und mache Hönig und War [756] zu grossem Nutz der Menschen. Als die Ameiß das gehört, übernahme sie sich, und verachtete das Immlein, sagend: ich wolte disfalls mit dir nicht tauschen: dann ob ich schon kleiner bin, als du, so kan ich doch so hoch fliegen, als die Nachtigall; ja wann ich ihre Stimm hätte, wolte ich sie übertreffen. Du machest zwar Hönig und Wax; wirst aber oft darinn erwürget, mußt jämmerlich darinn zu grund gehen, sterben und verderben. So bin ich dann glückseeliger, als du; weil mir kein solche Gefahr zu förchten ist. Das Immlein hörte den grossen Ubermuth der Ameiß mit Verdruß an, und fragte sie hinwieder: mein! sag mir her: bist du vergwißt, daß du von aller Gefahr sicher seyest? ja freylich, antwortete die Ameiß: da kan mir niemand schaden; da bin ich Schuß frey: weil ich gar klein bin: ist auch an meinem Leib kein Nahrung zu suchen, wie bey den Vögelen, und Feder-Wildprät. Gefallt es mir auf diesem Baum nicht, so fliege ich auf einen anderen. Ha ha widersetzte das Immlein: warte nur: es ist noch nicht aller Tag Abend kommen: wann du schon Schuß-frey, und sicher bist vor den Nachstellungen der Menschen, so wirst du doch von oben herunter angefochten mit Regen, Schaur und Hagel; die können dir bald den Garaus machen. Ja auch grosse Hitz, und scharffe Kälte können dir den Rest geben, und dich von dem Thron deiner eingebildeten Hoheit herunter stürtzen.

O sagte diese Ameiß: das glaube ich nicht: will der Gefahr schon vorkommen. Allein, was geschiehet? nicht lang darauf, als der Sommer zu End gelossen, hingegen der rauhe Winter eingetretten, und so viel Schnee eingefallen, daß die Vögel auch in dicken Wälderen, und Hecken sich kaum genug vor dem Frost erwehren könten, da war der stoltzen Ameiß auf dem Baum dermassen angst und bang, daß sie weder aus, noch an wußte. Wünschte derowegen nichts anders, als daß sie wiederum in ihrer alten Wohnung seyn möchte; damit sie gleichwohl nicht Hunger sterben müßte. Demnach verlaßt sie den Baum, begibt sich herunter auf die Erden zu ihriger vorigen schlechten Behausung, und klopft an. Wer da? wer klopft? Fragt die Portnerin. Gut Freund, antwortet die geflüglete Ameiß. Wer bist du dann? Fragte die Portnerin weiters. Ich bin deine Freundin, ja dein liebste Schwester, gabe jene zur Antwort. Kurtz: ich bin jene Ameiß, die neulich Flügel bekommen, und in Luft geflogen. Was bringst du dann mit dir? fuhre die Portnerin im Fragen fort. Nichts (war jener Antwort) als meine leere Flügel, mit denen ich mich auf die hohe Bäum geschwungen, und mit dem Singen der Wald-Vögelein erlustiget hab. Nunmehr aber, weilen der liebliche Sommer schon längst verstrichen, die Bäum mit Schnee bedeckt, und unwohnhast gemacht, mithin also kein Wohnung mehr hab; als bitte ich gantz demüthig [757] / du wollest mich wieder in meine alte Herberg einlassen; ich will meinen Schwestern kein Unruhe machen. Nein, nein, sagte die Portnerin: weil du Flügel hast, so gehörest du unter die Vögel des Lufts, und nicht unter die Ameißen. Fliege hin, wo du her bist kommen. Hier wird niemand eingelassen, als der sein Speiß mit sich bringt. Hoch-gefiederte Gäst schicken sich nicht daher in dieses enge Ort. Du bist der Höhe schon gewohnt. Bleibe also in der Höhe, und lasse uns in der Nidere zufrieden.

Als solches die unglückseelige Ameiß angehört, liesse sie einen tieffen Seuftzer, und verfluchte ihre Flügel, sagend: ach! jetzt erkenne ich (aber zu spat) was mir meine Flügel genutzt haben. O wie besser, und nutzlicher wäre es mir gewesen, wann ich niemahlen in die Höhe kommen, sondern in der Nidere gebliben wäre! dann jetzt siehe, und erfahre ich, daß es viel sicherer seye, sich bey der Wurtzel, als in der Höhe des Baums aufhalten. Ein kleine niedrige Wohnung ist frey von Sturin-Winden, und aller Gefahr: hohe Nester seynd denen Donner-Keilen, Hagel-Steinen, und Sturm-Winden unterworffen. Da ich mein Glück in der Höhe zu finden vermeinet, hab ich mein Unglück gefunden, mich selbst in Untergang gestürtzt, und muß also des Tods eigen seyn. Andreas Strobel Parte 3. Ovi Paschalis, Discursu 2.

Die sittliche Lehr, so diese Fabel mit sich bringet, stimmet übereins mit jener, welche neulich aus der siebenden Fabel von des Esels Ehrsucht gezogen worden. Welche dann an besagten Ort noch einmahl kan gelesen werden.

15. Fabel
Fünfzehende Fabel.
Die Ambsel hatte gar wohl gethan, daß sie es nicht mit denen Spatzen gehalten.

Als einstens ein Schaar Spatzen bey einer Stauden fürbey geflogen, und alldorten eine Ambsel angetroffen, welche Würmlein auf der Erden suchte, da sprache ein Spatz zu ihr: du arme Närrin, wie verzehrest, und bringest du allda deine Zeit in der Einsame so langweilig zu! und nährest dich mit Käferen und Würmlein, da du es noch weit besser haben köntest, wann du nur, wie ich, mit anderen halten woltest! dann wir fliegen von einem Trayd-Acker auf den anderen, und essen uns dort mit dem besten Waitzen voll an. Ist er abgeschnitten, so becken wir die Aeheren in denen Hälmen aus. So gar, wann er im Kasten, finden wir ein Loch, dardurch wir hinein schlieffen, und darbey uns mästen. Leben also in einem ewigen Freß-Montag, da du unterdessen eine stäte Quatember-Fasten halten mußt. Die Ambsel sagte: mein Spatz! wie wirst du [758] es aber verantworten, daß du selbst nicht arbeitest, und nur der Geilheit obliegest; darneben von dem, was die arme Leut mit ihrem sauerem Schweiß heraus bringen, auf ein so raub- und diebische Weiß dich nährest? darauf der Spatz antwortet: ich thue es aber nicht allein; sondern alle. Dann bey uns Spatzen ist es also durchgehends der Brauch. Mein! halts auch mit uns. Die Ambsel wolte aber nicht, sondern sagte: ich bin mit meiner Einsamkeit, und schlechter Nahrung zu frieden, und dabey, weil ich niemand schade, desto sicherer. Darauf die Spatzen alle sie ihrer Einfalt halber auslachten, und fort flogen, in der gewohnten Trayd-Scheur sich zu mästen. Darinn aber der Bauer schon allenthalben Netz aufgerichtet, und aufgelauret. Und wie sie alle darinn waren, liesse er die Netz bey allen Löcheren fürfallen, und erschluge die Spatzen alle, daß nicht mehr, als einer, und eben der, so mit der Ambsel geredet, darvon kame, aber auch mit einem guten Streich, dardurch ihm der andere Fuß abgeschlagen worden. Also verletzter hupfte er fort, thate die höchste traurige Zeitung mit grossen Heulen und Klagen der erfolgten Niederlag der Ambsel erzählen, und seine Missethat verfluchen. Jordanus Capuc. Domin. quinquagesimæ.


Liebe Jugend! lasse dir diese Fabel zu einer Warnung dienen. Wann dich andere zu gefährlicher Zusammenkunft einladen, und dich bereden wollen, du soltest auch mithalten. Jetzt seye es zum Exempel. Faßnacht-Zeit: O! so gibe ihnen kein Gehör, sondern führe dir zu Gemüth, was der weise Salomon sagt Prov. 1. Mein Kind! wann dich die Sünder locken, so seye ihnen nicht zu Willen: wann sie sagen, komme mit uns: wandle nicht mit ihnen: halte deinen Fuß zuruck: dann ihre Füß lauffen zum Bösen, und machen betrügliche Anschläg wider ihre Seeligkeit. Wann sie endlich sagen, Andere halten auch mit, so gibe ihnen zur Antwort: da mögen sie zusehen, was sie thun. Wo es eine Gefahr ist, GOtt den HErrn schwerlich zu beleydigen, da kan, und will ich nicht mithalten. Dann was wäre dis anderst, als mit anderen die Seeligkeit verschertzen wollen: ist das nicht die gröste Unsinnigkeit? oder besser zu sagen, die gröste Gottloßigkeit?

16. Fabel
Sechzehende Fabel.
Ein Hahn bezahlt des Fuchsen List mit gleicher Müntz.

Es hatte sich auf eine Zeit zugetragen, daß die Hennen unter Anführung ihres Hahnen einen hohen Baum bestiegen. Da kame hervor geloffen ein hungeriger Fuchs; dieser grüßte den Hahnen gar freundlich, [759] und sagte: Was machest du auf dem Baum droben? weißt du nichts um die gute Zeitung, so alle Thier angehet: Nein, antwortet der Hahn. Ich möchte selbige wohl aus deinem eigenen Mund vernehmen, wann es dir nicht zuwider ist: Da sagt der Fuchs, ich will dich der grossen Freud theilhaftig machen: Wisse demnach, daß alle Thier eine Zusammenkunft gehalten, in welcher ein ewiger Fried und Einigkeit unter ihnen beschlossen worden; also daß inskünftig keines von dem anderen sich einer Nachstellung, oder Schadens mehr solle zu förchten haben. So lasse dir dann gefallen mit deinen Töchteren herunter zu steigen, damit wir uns dieser Freud unter einander theilhaftig machen. Der Hahn, so den Betrug vermerckt, wolte List mit List bezahlen, und sagte: Das ist mir wohl ein freudige Zeitung. Kaum hatte er dieses ausgeredt, da richtet er sich auf, streckt den Hals in die Höhe, und stellt sich, als sehe er mit Verwunderung etwas in der Weite. Als der Fuchs die Ursach dessen zu wissen verlangte, antwortet der Hahn: Ich siehe zwey grosse Hund mit aufgesperrtem Rachen daher lauffen. Der Fuchs dies hörend sagt: So nimme ich den Abschied von dir, dann es ist Zeit, daß ich mich aus dem Staub mache; wie er dann auch alsobald die Flucht ergriffen. Da fragte der Hahn, warum er also fliehe, wann unter denen Thieren ein ewiger Fried geschlossen worden? der Fuchs schaute zuruck, und sagte, es ist nicht ohne; allein ich weiß nicht, ob diese zwey grosse Hund sich auch in der allgemeinen Versammlung eingefunden, oder nicht. Auf solche Weis hatte der Hahn List mit List bezahlt. Poggius in facetiis.


Also giebt es noch heut zu Tag Leut, welche freundlich grüssen, und wohl hundert mahl sagen:Vôtre Serviteur! schuldiger Diener; aber nur mit dem Mund, gehet nicht von Hertzen; indem sie nichts anders suchen, als andere zu betrügen, und ihnen zu schaden, gemäß deme, was man zu sagen pflegt:Wann man einem ungemein schön thut, ist es ein Zeichen, man habe ihn schon betrogen, oder wolle ihn noch betrügen. Von solchen Leuten muß man sich hüten, und List mit List bezahlen, damit sie daheim bleiben, wann sie gewahr nehmen, daß man ihren List und Falschheit mercke.

17. Fabel
Siebenzehente Fabel.
Ein Fuchs ziehet sich durch listige Entschuldigung aus der Gefahr von dem Löwen zerrissen zu werden.

Der Löw lage einstens in seiner Höle schwerlich kranck; und weilen solche an einem unsauberen und finsteren Ort gelegen, ware sie mit unleidentlichen Gestanck angefüllt. Nun begabe es sich, daß ein Wolf, ein [760] Bär und ein Fuchs zusammen kommen, und sich entschlossen den krancken Löwen, als ihren König heimzusuchen. Der Bär trittet demnach der erste in die Höle hinein, legt sein Traur-Compliment ab, und sagt, wie daß er wegen der Unpäßlichkeit seines Königs Leid trage. Der Löw bedanckt sich wegen solcher Höflichkeit; und nachdem er ihm eine Zeit lang von allerhand Sachen discuriert, sagt er: Mein! was haltest du von meiner Herberg? riechest du keinen Gestanck? ich für meine Person, weil ich des Geruchs schon voll, und immerdar in dieser Höle mich aufhalte, kan nichts spühren: will also hören, was du darzu sagest. Der gute Bär, welcher vorhin wenig zu Hof gewesen, und nicht wußte, was gestalten das Schmeichlen der Hof Leuten gröste Kunst wäre, sagte die liebe Wahrheit unverholen heraus mit diesen Worten: Allergnädigster Herr, und König! ich verwundere mich sehr, wie doch ihro Majestät an einem so stinckenden Ort sich mögen aufhalten. Wann einer auch die gesundeste Natur von der Welt hätte, müßte er bey so unerträglichen Gestanck die Gesundheit verliehren. Ein frischer Luft hilft viel zur Gesundheit. Uber diese aufrichtig-gemeinte, und wahrhafte Antwort erzörnte sich der Löw dermassen, daß er den armen Bären ergriffen, und jämmerlich zerrissen hat Der Wolf sahe diesem Traur-Spiel mit erschrockenem Hertzen zu; hofte also den Handel durch Schmeichlerey besser zu machen: Indem er nun in die Höle hinein trittet, und gleicher Gestalten des Geruchs halber befragt wird, antwortete er: Allergnädigster Herr, und König! es kommt mir nicht anderst vor, als wäre ich in einem Lust-Garten, in welchem lauter wohlriechende Violen, Rosen, und Nägelein-Blumen seynd. O was für ein lieblicher Geruch! ich wünschte, daß ich ein lautere Nase wäre; nur damit ich dieses Geruchs nach Genügen möchte theilhaftig werden. Das ware mehr, als viel geschmeichlet. Allein der Löw hielte diese Antwort für ein Gespött, welches ihn dann dergestalten verdrossen, daß er den Wolf mit gleicher Müntz, wie den Bären bezahlte. So kame dann letztlich die Frag an den Fuchs: Das listige Thier, nachdem es gesehen, daß weder mit der Wahrheit, noch mit Schmeichlen etwas zu gewinnen wäre, entschuldigte sich der Antwort halber folgender massen: Allergnädigster Herr und König! Ihro Majestät wollen mir gnädigst verzeihen, daß ich ihnen nicht antworten kan, wie sie es gnädigst verlangen: Dann weil ich schon von etlichen Tagen her den Pfnüsel, oder die Schnuppe hab, ist mir die Nasen also verstopft, daß ich im geringsten nichts riechen kan, sonsten wolte ich freylich mein Urtheil auch eröfnen. Durch diese listige Entschuldigung gewanne der Fuchs so viel, daß ihm der Löw nicht könnte zukommen: Truge also seinen Balg unverletzt davon. Herodotus lib. 3.

[761] Da mag man sich wohl lassen gesagt seyn das Sprichwort: Wo man mit der Löwen-Haut nicht kan durchdringen, da muß man den Fuchs-Balg anziehen.

18. Fabel
Achtzehente Fabel.
Ein Wolf gräbt ihm selbst durch übles Nachreden eine Grub.

Gedachter Löw lage auf ein andere Zeit in seiner Höle abermahl kranck. Nun kamen zu ihm allerhand Thier, zu bezeugen gegen ihrem König ihr hertzliches Mitleiden; ausser dem Fuchs, welcher, weiß nicht was Ursach daheim bliebe. Da gabe es dann allerhand Reden, durch welche er bey dem Löwen in Verdacht kame, als wäre er ein Verachter seines Königs, und ein untreuer Vasall; absonderlich aber wußte der Wolf, als des Fuchsen abgesagter Feind, seine Zähn wider ihn zu schärfen. Einsmahls war der Wolf allein bey dem Löwen, gegen welchem er sein Mitleiden auf ein besondere Art bezeugte, und unter anderen auch diese Wort gebrauchte, wie daß er bereit wäre Leib und Leben aufzusetzen, nur damit dem krancken König wiederum möchte aufgeholfen werden. Mithin brache er wider den Fuchsen aus, und verkleinerte ihn bey dem Löwen dergestalten, daß dieser einen theuren Eyd schwure, sich an dem Fuchsen seines Ausbleibens halber zu rächen. Zu allem Glück war damahls der Fuchs auch vorhanden, stunde heimlich verborgen ausser der Höle des Löwens, und gedachte auf einen List, wie er den Hals aus der Schlingen ziehen, hingegen aber den Wolf darein bringen möchte. Als er nun den List ausgesonnen, gehet er in die Höle hinein, macht sein Compliment, und wartet nicht, bis er seines Ausbleibens halber befragt wurde; sondern fangt an mit verschrauften Worten vorzutragen, wie daß er aus Mitleiden gegen dem krancken Löwen, als seinem Herrn, und König bewogen eine geraume Zeit gantz Teutsch- und Welschland durchreiset, nur damit er bey allen der Artzney Verständigen ein Mittel erfragen möchte, durch welches seinem König wiederum möchte aufgeholfen werden. Da habe er dann gehört, daß, weil die Kranckheit dem König theils vom hohen Alter, theils von erkälter Brust zugestossen, so wäre kein besseres Mittel dem Ubel zu steuren, als wann der Löw über seine Brust legen wurde einen Wolfs-Balg; dieser aber müßte von frischem Blut noch warm seyn, und also aufgelegt werden. Auf solche Weis wurde die erkältete Brust wiederum erwärmt, und der Krancke mithin die vorige Gesundheit erlangen. Widrigen Falls seye er des Tods eigen. Das ware nun dem Krancken ein grosser Trost, in Bedencken, daß er einen Wolfs-Balg zu bekommen, nicht weit gehen därfte. Wie der [762] Fuchs gesehen, daß der Löw sich aufmuntere, sagte er zu dem Wolf: hast du dich nicht vor wenig Stunden anerbotten, Leib und Leben aufzusetzen, nur damit unserem König wiederum möchte aufgeholffen werden? da hast du nun die schönste Gelegenheit im Werck zu zeigen, was du mit Worten anerbotten hast. Wie dem Wolf auf diese Erinnerung werde ums Hertz gewesen seyn, kan ihme ein Gescheider leicht einbilden. Der Löw nahme den Rath für bekannt an, zoge dem Wolf den Balg über die Ohren herunter, und brauchte selbigen auf des Fuchsen Rath auf seine Brust. Æsopus in fabulis.


Also siehet man, daß mancher oft in eben diejenige Gruben falle, die er einem anderen gegraben hat.

19. Fabel
Neunzehende Fabel.
Der Fuchs kommt ums Leben, dieweilen er dem treuen Rath des Hahnens nicht hat folgen wollen.

Der Fuchs hatte einstens grossen Appetit, sich mit Hüner-Fleisch anzuschoppen. Kommt demnach für einen Hüner-Stall, und verlangt von dem Hahnen, so die Wacht hielte, eingelassen zu werden. Allein da hieße es: man laßt niemand ein; hier ist kein Hüner-Fleisch für den Fuchsen; der Stall ist versperrt; vor der Thür ist draussen. Mußte also der Fuchs für dißmahl mit hungerigem Bauch abziehen. Des anderen Tags kommt er wieder; weilen er aber auch wie zuvor abgewiesen worden, und also leer davon gehen müssen, gedachte er bey sich selbsten, wie er doch die Sach anstellen müsse, damit er seinen Zweck erreichen möchte. Indem er also hin und wieder gedenckt, nimmt er wahr, daß neben dem Hüner-Stall ein Loch seye. Lauft also hinzu, und will hinein schlieffen. Allein, weilen er zu dick ware, wollte ihm der Tuck nicht angehen. Was sollte er dann anfangen; er resolvirte sich drey Tag lang zu fasten, damit er dünner, und mithin zum Durchschlieffen bequemer wurde. Nun so kommt er dann in den Stall hinein, und sagte: guten Morgen Herr Hahn, grossen Danck Herr Fuchs, erwidrigte der Hahn. Was gutes? ich möchte halt gern sagt der Fuchs einmahl genug Hüner-Fleisch essen. Beyleib nicht, warnet ihn der Hahn, sonsten wird es dich das Leben kosten. Ich will es nicht hoffen, erwidriget der Fuchs: unterdessen will ichs wagen auf mein Gefahr hin. Dieses geredt, schnapt er nach einer Hennen, rupft und frißt sie. Daß dirs der Hencker geseegne, sagte der Hahn, jetzt ist es genug, zu viel ist ungesund. Ja wohl ungesund, antwortet der Fuchs, da hat es kein [763] Gefahr. Erwischt also die zweyte Hennen, und macht ihrs nicht besser, als der ersten. Nicht, nicht, rufte der Hahn, das ist zu grob. Ja wohl nicht, sagte der Fuchs: alle gute Ding seynd drey, darum will ich es noch einmahl wagen, hoffentlich wird es mir keinen Schaden bringen. Wie der Hahn dieses gehört, fienge er an so laut zu krähen, bis die Bäurin im Haus dem Stall zugeloffen um zu sehen, warum der Hahn ein solches Geschrey mache. So bald der Fuchs die Bäurin erblickt, wollte er die Flucht zum Loch hinaus nehmen, allein, weilen er sich zu viel angeschopt hatte, könnte er nicht mehr durch das Loch kommen. Da ihm dann die Bäurin mit einem Scheit Holtz den Garaus gemacht; ehe er aber crepieret, klagte er nichts mehrers, als daß er dem treuen Rath des Hahnens nicht gefolgt hatte. Steffan. Ordin. Prædicat, in suo Sonitu tubæ.

Wie es dieser Fuchs gemacht, also macht es auch mancher Sünder. Der Hahn (will sagen der Prediger) warnet von der Cantzel: Wage es nicht mehr O Sünder, sonsten wird es deiner Seel das Leben kosten. Allein der Sünder kehrt sich nicht daran, sondern waget es so lang mit Sündigen, bis endlich die Bäurin (will sagen der Tod) kommt, und dem Sünder den Garaus macht; mithin aber die Seel in die Höll hinunter schickt, allwo der Sünder freylich nichts mehrers klagt, als daß er der treuen Warnung des Predigers nicht gefolget hat. Aber da ist es zu spat, und wird in alle Ewigkeit zu spat seyn. Ach der Unbesonnenheit, wie theur mußt du büssen, und wirst doch nimmer abgebüßt werden.

20. Fabel
Zwantzigste Fabel.
Eine arme Mauß wird von dem Frosch betrogen.

Dieser machte der Mauß, da sie sich am Gestatt eines Flusses befande, und gern gesehen hätte, wann sie hinüber gesetzt wäre, ein langes Geschwätz von dem Pracht, Reichthumen und herrlichen Pallast, den sein König unter dem Wasser hätte; ladete sie zugleich ein den Augenschein davon einzunehmen, mit Versprechen, er wolle ihr einen sicheren Schifmann an das andere Gestatt abgeben; solle sich nur unerschrocken auf seinen Rucken setzen, und keiner Gefahr besorgen. Aber, O des Betrugs! so bald die Mauß aufgesessen, und der Frosch ein wenig von dem Gestatt abgefahren, senckte er sich in die Tieffe, und liesse die arme Mauß elendiglich ertrincken.


Also verfahret die Welt mit uns Menschen. Sie macht ein langes Geschwätz daher von ihrem Pracht und Ehren, von ihren Freuden und [764] Lustbarkeiten, von ihren Güteren und Reichthumen. Sie ladet uns in ihre Schooß ein mit denen freundlichsten Worten: Kommet her, und geniesset meiner Güter, die ich euch anerbiete: ich will euch dahin zu einem sichern Führer dienen. Aber traue man ihr nur nicht, wann man von ihr nicht, wie die Mauß will betrogen werden. Die Erfahrnus zeigt es täglich.

21. Fabel
Ein und zwantzigste Fabel.
Die Fortuna (das Glück) erhaltet wider den Tod der Präcedentz halben den Sieg.

Zwischen der huldreichen Fortuna, das ist: dem Glück und dem abscheulichen Tod erhebte sich einsmahls ein Streit, der Präcedentz halben. Der Tod tratte mit langen gravitätischen Schritten auf den erschlagenen Leibern und gecrönten Häupteren herein, rühmte sich seiner Macht über alles; und deßwegen gebühre ihm, und keinem anderen der Vorzug, das Glück schalte ihn einen Tyrannen, deme man nur aus Noth Zwang gehorsamete, nicht aus Liebe; da hingegen aller Menschen Hertzen sich dem Glück gern und willig unterwurffen.


Nach langem Wort-Wechsel wurde die Sach endlich von dem erdichteten Jupiter dahin verglichen, daß beyde Partheyen sich den folgenden Tag auf offenem Schau-Platz der Welt stellen sollten; und welcher Parthey der meiste Hauffen der Menschen wurde nachlauffen, die sollte forthin die Präcedentz haben.


So bald nur die Sonne auf bestimmten Tag mit ihren hellen Strahlen die Erden zu beleuchten angefangen, hörte man die Trompeten in der Luft erschallen, worauf alle Innwohner des Erdkreyses zusammen geloffer, etwas Neues zu vernehmen. Jupiter der Richter samt anderen erdichteten falschen Göttern und Göttinnen, als Beysitzern, liesse sich auf einem ober den Wolcken stehenden goldenen Thron nieder; die streitende Partheyen fanden sich gleichfalls ein. Das Glück kame daher in einem kostbahren Königlichen Geschmuck in Begleitschaft der 4. Jahrs Zeiten, und 12. Stunden des Tags mit lieblichem Angesicht, lebhaften Augen, lachendem Mund und annehmlichen Gebärden, als die gleichsam des Siegs schon vorhinein vergewißt wäre. Es erschiene aber auch der langfüßige Tod, und stellte sich gegen über. An statt des Talars hatte er ein von den Schulteren bis auf die Knoden über den Rucken herab fliessendes Leilach; auf dem Haupt an statt der Cron, ein geflügelte Sand-Uhr; an statt des Scepters in der rechten Hand eine Sensen; an dem Hals vor der [765] Brust über zwerch hienge ein Bogen; an der lincken Seiten ein Köcher voller Pfeil; an der rechten an einem ledernen aus einer Menschen-Haut geschnittenen Riemen hienge ein Sichel. An statt der Augen steckten 2. Krotten tief in dem Kopf. Die Schlangen und Natteren krochen zu den dürren Rippen (die allenthalben herfür strotzten) aus und ein ware auch im übrigen an ihm nichts zu sehen, als ein lauteres Bein-Haus, ohne Haut und Fleisch. Mit einem Wort: ein grosses, ungestaltetes, wüstes, abscheuliches Abentheur. Und in solcher Gestalt, mit grimmigen Angesicht, und trutzigen Gebärden tratte der Tod auf den Schau-Platz. Mithin liesse der Jupiter durch einen Herolden denen Anwesenden anzeigen, wozu diese Zusammenkunft angesehen, und ernstlich gebieten, ohne Verlurst einiger Zeit auf gegebenes Zeichen, einem aus diesen beyden, der Fortun (dem Glück) oder dem Tod nachzulauffen, zu welchem sie mehr Lust und Lieb hätten. So bald nur der Stoß in die Trompeten geschehen (dann das war das Zeichen) laufte die Fortun (das Glück) dem Aufgang; der Tod dem Untergang zu. Wie er aber umsahe, wurde er gewahr, daß ihm fast niemand nachlieffe, ausser etliche Krippel, und alte Spitaler-Mütterlein, die schon längst des Lebens verdrüßig waren; aber auch bald müd wurden, und zuruck blieben, mit vermelden, ihr Vorlauffer eile ihnen zu geschwind, etc. Dessen dann alle erdichtete falsche Götter lachen müßten. Hingegen der Fortun (dem Glück) laufte fast die gantze Welt nach, mit solchem Eilen, und Gedräng, daß, weil ein jeder bey ihr der nächste seyn wolte, viel gar verdruckt wurden. Worauf der Jupiter allen Streitt, seinem Amt gemäß, aufgehebt, und (wie billich, der Fortun (dem Glück) den Vorzug zuerkennt hat. Dessen ware aber der Tod über zufrieden; beklagte sich gegen dem Jupiter, daß er ihm ein so abscheuliche Gestalt geben hätte, worüber sich die Menschen so sehr entsetzten, und ihm deshalben nicht nachlauffen wolten, etc. ergriffe alsdann in Grimmen sein Sensen, und mähete einen grossen Hauffen der Leut nieder, die sich auf der Fortunä Seiten begeben hatten. Aber der Jupiter befahle ihm einzuhalten, und liesse ihn wegen dieses Greuls, weil weil man ihn an dem Leben nicht straffen konte (dann er hat keines) in ein tieffe Grub unter der Erden werffen, und mit nichts anders, als Luder aus dem Schindloch, Krotten und Schlangen abspeisen: die Frau Fortuna aber zoge wohl vergnügt mit fröhlichem Sieg nach Haus. Rauscher S.J. in Dominicali 3. Conc. 2. post Pascha.


Also seynd nemlich alle Menschen beschaffen. Sie lauffen lieber dem Glück, als dem Tod nach. Und ob man schon bisweilen in einer Betrübnuß dergleichen Wunsch höret: O wann ich nur sturbe! O wann doch der Tod käme, und holete [766] mich! so ist man doch gantz anderst gesinnet, wann es zum Sterben kommt, und mithin Ernst werden will; jedermann findet eine Ausred, der Tod eile ihm zu fast; er sehe gar zu wüst aus. Und doch muß es seyn. Wider den Tod ist kein Kräutlein gewachsen.

22. Fabel
Zwey und zwantzigste Fabel.
Ein Hafen meydet die Gesellschaft des Dreyfußes.

Auf eine Zeit seynd miteinander einen Fluß hinunter geschwummen ein gantz neuer irdener Hafen, und ein aus Ertz gleichfalls frisch-gegossener Dreyfuß. Da wiche nun der Hafen, so gut er konte, dem Dreyfuß aus dem Weeg, und wolte diesen Gefährten nicht an seiner Seiten haben. Dieses aber verschmachte den Dreyfuß nicht wenig, und sagte endlich zu dem Hafen: was fliehest du mich? bin ich doch nicht schwartz? worauf der Hafen: ja ich siehe kein Schwärtze, noch Ruß an dir: und wann sonst nichts anders wäre, hätte ich kein Bedencken mit dir in Gesellschaft zu schwimmen. Aber. Was aber? fragt gleich der Dreyfuß. Meinest du vielleicht, ich begehre dir sonst auf andere Weise zu schaden? nein, fürwahr; ich hab nichts böses im Sinn. Seye versichert, ich werd dich mit Anstossen nicht verletzen. Worauf der Hafen gleich wiederum: lieber Dreyfuß! ich hab an deinem guten Willen gantz keinen Zweifel. Freylich begehrest du mir nicht zu schaden. Aber der Wasser-Stoß ist ziemlich starck. Und gleichwie wir vor den Wellen, also seynd wir auch vor dem Unglück nicht sicher. Besser ist es, wir begeben uns von einander, und schwimme ein jeder Theil besonders, so haben wir uns keines Unglücks zu besorgen. Knellinger S.J. in Festivali n. 418.


Ja, gar recht. Von ein ander, von ein ander, was ungleiches Geschlechts ist. Hat es doch (leyder!) eben zu thun, daß die, so gleiches Geschlechts seynd, wann sie gar zu gemein werden, ein ander nicht verführen. Gar zu gemein, macht unrein.

23. Fabel
Drey und zwantzigste Fabel.
Die Tags-Zeit wird sinnreich vorgestellet.

Mercurius, wie ein vornehmer Comödiant sinnreich gedichtet, solle einstens die Sonne gesehen haben daher fahrend auf einem vergoldeten Heer-Wagen, in einem königlichen Thron sitzend. Es wurde aber der Wagen gezogen von den zwölf Stunden des Tags, zierlich angekleydet, [767] als wann sie Göttinnen wären; jedoch mit diesem Unterschied, daß die erste 4. Stunden von gar kleiner; die andere 4. von etwas grösserer; die letzte aber von gar grosser Postur waren. Mercurius, deme dieser Aufzug fremd vorkame fragte gar höflich, wer sie wären? Und was dieser Auf- und Einzug bedeuten solle? Die Antwort ware: wir alle stellen vor die Zeit des Tags. Wie kan das seyn? widersetzte Mercurius: es seynd ja alle Stunden gleich, keine länger, oder kürtzer, als die andere? in euerem Aufzug aber zeigen sich die erste 4. Stunden klein, wie Zwerglein; die andere etwas grössers, wie gestandene Menschen; die dritte aber groß, wie Risen. Wie könnet ihr dann die zwölf Stunden des Tags vorstellen? es ist nicht ohne (sprechen die 12. Stunden) du aber sollest wissen, und es als ein Zeitungs-Trager, allenthalben kund machen, daß durch unsere unterschiedliche Postur angezeigt werde der Gebrauch der Zeit, und Stunden. Nemlich wir vier klein wintzige Stunden, werden gebraucht zur Andacht, zum Gebett, zur Betrachtung geistlicher Dingen etc. Wir mittelmäßige Stunden werden angewendet zur Hauswürthschaft: zum Kauffen und Verkauffen, und die Leibs-Nahrung zu schaffen, zu welchen Verrichtungen auch mehr Zeit angewendet wird, als zum Betten. Wir grosse Risen-Stunden aber werden gebraucht zu denen Mahlzeiten, auf denen Tantz-Böden, bey den Karten und Würffel-Spielen; bey der müßigen Schwätz-Gesellschaft, wo man thut mit Schwätzen viel Zeit verschertzen, und mit parlieren viel Zeit verliehren. Leo Wolf Ord. Recollect. S. Francisci in suo Rugitu Leonis.

Ach! sagt der Heil. Bernardus: also gehen die Täg des Heyls vorbey, und niemand ist, der es zu Hertzen nehme.

24. Fabel
Vier und zwantzigste Fabel.
Disput zwischen einem Alten und dem Tod.

Dieser Alte solte mit dem Tod einen Pact gemacht haben, daß er ihn nicht hole, er habe ihm den zuvor 2. oder 3. Bothen geschickt, und zum Sterben lassen anmahnen. Als dieser Mensch nun auf ein hohes Alter kommen, ist er gefährlich erkrancket; ware auch der allgemeine Menschen-Würger der Tod schon verhanden, ihne aus dem Leben hinweg zu nehmen. Der arme Mensch bittet den Tod, er wolle ihm doch so viel Zeit lassen, daß er ein Testament könne machen, und anderes, was ihm zu so schwerer Reis vonnöthen seyn werde, disponiren. Was? sagt der Tod: du hinläßiger Alter? was hast du dann in deinen so vielen Lebens-Jahren gethan? hab ich dir nicht hierzu Zeit genug gelassen? habe ich dich [768] nicht oft genug dieser Reis erinneret? O Tod! sagte hinwieder der Alte: ich kan mich einmahl nicht erinneren, daß du mich deshalben habest ermahnen lassen. Was? sagte der Tod: können die alte Greiß auch lügen? siehe! ich habe dich so oft ermahnt, als oft ich nicht nur einige deines gleichen Alte, sondern auch viel jüngere aus dem Leben hab hinweg genommen? welche du begleitet hast, da sie seynd begraben, und in die Erden verscharret worden? welche alle sagten: heut an mir: morgen an dir. Uber das, du vergessener alter Tropf, habe ich dich nicht ermahnet, da dir deine Haar seynd grau worden? da dir die Leibs-Kräften seynd entwichen? da dir das Gesicht ziemlich vergangen? da dir die Augen und Nasen angefangen haben zu rinnen; habe ich dich nicht ermahnet, da ich so oft mit Catharr-Flüssen bey dir hab angeklopft; du aber hast es nicht verstehen wollen. Also dann:


Es muß nur seyn, gib dich darein,
Mit mir mußt du jetzt ringen.
Der Lebens-Lauf hört bey dir auf,
Du mußt mit mir von hinnen.
Idem Leo Wolf, qui supra.

Gedachter Alte hat noch mehr seines gleichen, welche, ob sie schon täglich sehen, wie der grimmige Tod die Menschen anfalle, und nicht allein denen Alt-Betagten, sondern auch Jünglingen und Knaben den Lebens-Faden abschneide; dannoch so wenig sich daran kehren, als hätten sie einen Brief darfür, daß sie sicher seyen, sich verlassende auf ihre Jugend und Gesundheit, gleich denjenigen, von denen Isaias sagt c. 28. daß sie sich haben verlauten lassen mit diesen Worten: Wir haben einen Bund gemacht mit dem Tod. Aber, O wie betrügen sie sich selbsten!

25. Fabel
Fünf und zwantzigste Fabel.
Das Pferdt sucht Rach wider seine Feind, und wird darüber zum Sclaven.

Dieses genosse seiner Freyheit, und waltzte sich nach Belieben auf einer grünen Wisen. Weilen es aber gähling (weiß nicht, was Ursachen) einen starcken Zorn auf etliche andere Thier gefaßt, gienge es zu den Menschen hin, Hülf und Rath zu begehren. Dieser sagte ihm seine Dienst zu, doch mit dem Geding, daß es auch seine eigene Kräften, und Leibs-Stärcke wölte anspannen. Hierzu aber wolle allerdings vonnöthen seyn, daß es ihne lasse aufsitzen. Wie nun das Pferd dessen kein Bedencken getragen, fuhre der Mensch weiter im Begehren fort, mit vermelden: Damit er vest sitzen möge, und nicht so leicht abgeworfen werde, müsse das Pferd ihme [769] auch einen Sattel samt den Stegreifen auflegen lassen; Zaum und Biß im Maul gedulten lernen, auch kein sonderes Abscheuen ab den Sporren haben: Dieweil der Zaum, es künstlich bald auf diese, bald auf jene Seiten zu lencken; die Sporren aber zum Anfrischen höchst nothwendig wären. Wann es nun solche Bedingnussen alle wurde eingehen, wolte er ihn ungesaumt zu der Feinden Niederlag und Verderben bester massen an die Hand gehen, etc. Nach kurtzem Bedacht verwilligte das einfältige Pferdt in alles. So brachte man den Sattel her, und umgürtete es wohl; man zaumt es auf; der Reuter legte die Stiefel und Sporren an: sasse auf, und ritte anfänglich gantz gemächlich fort: worüber das Pferd mehr ein Wohlgefallen, als Beschwernuß erzeigte Bald aber hengte er den Zaum, sporrete das arme Roß nach allen Kräften an zum Lauffen, also, daß es darüber gantz ermüdet, und mithin Schweis und Blut häufig herab flosse. Als es nun solcher Tyranney halber sich beklagte, antwortete der Reuter: Nur fort mit dir: du bist jetzt mein Sclav; was ich dir vor Arbeit werde auflegen, das mußt du verrichten; wo nicht, wollen wir noch ein Peitschen darzu finden: geschiehet dir eben recht, warum hast du mich lassen aufsitzen? Da giengen dem armen Pferd die Augen erst auf und seuftzete über seine harte Dienstbarkeit; aber zu spat. Aristoteles in Rhetorica.


Das widerfahret uns bey den Versuchungen auch. Wir haben unseren freyen Willen, wann wir ihn nur auch zu brauchen wußten, so wurde uns weder Teufel, noch Menschen viel schaden können. Aber mancher laßt sich vom Teufel hinreuten, wo er hin will: sagt zu allem gleich ja; laßt einen jeden gleich aufsitzen; thut nicht den geringsten Widerstand. So kan er dann auch her nach einen schweren Fall nicht so fast dem bösen Geist, als ihme selbst beymessen.

26. Fabel
Sechs und zwantzigste Fabel.
Zwischen dem Moß-Rohr, und Eich-Baum erhebte sich ein Streitt, wer stärcker aus ihnen seye.

Dem Eichbaum roche solche Vermessenheit gewaltig in die Nasen, daß ein schwaches Rohr sich unterstehen durfte, mit ihme der Stärcke halber einen Zanck anzufangen; brache demnach in allerhand Laster-Wort wider dieses Mißgewächs aus. Das Rohr schwiege zwar dazumahl still, und erwartete der Gelegenheit. Nicht lang hernach entstunde mit vielem Sausen und Brausen ein gewaltiger Sturmwind. Und weilen der Eichbaum sich nach allen Kräften widersetzte, wurde er von der Wurtzel ausgerissen, [770] und umgestürtzt; das Moß-Rohr aber, weilen es sich auf alle Seiten boge, neigte, und nachgabe, bliebe unverletzt stehen. Wie der Scharmützel fürüber, und das Rohr den Eichbaum an dem Gestatt der Länge nach liegen sahe, und ihm niemand mehr aufhelfen konte, spottete es desselben weidlich, und fragte, wer stärcker seye? Der nach vollendter Schlacht liege, oder stehe? etc. Æsopus in Fabulis.


Freylich ja ist es kluger gehandelt, nachgeben, als sich einem grösseren Gewalt widersetzen, deme man doch nicht gewachsen ist, massen das Rohr gethan hat.

27. Fabel
Sieben und zwantzigste Fabel.
Der Wolf verspricht kein Thier mehr aufzufressen; haltet aber sein Versprechen keinesweegs.

Ein Hirt hatte einstens im Schaaf-Stall einen Wolf erwischt, den er jetzt gleich todt schlagen wolte. In dieser Gefahr bathe der Wolf um Verzeihung, und sprach: O mein lieber Hirt! schencke mir doch das Leben; dann ich verspriche, daß ich nimmer kommen, noch einen Schaden zufügen werde. Ja, ja (sagt der Hirt) du wirst freylich nimmer kommen, wann ich dich jetzt todt schlage. Wann ich dich aber solte ledig lassen, wer wolte dir trauen därfen? Nein, nein (erwiderte der Wolf) da sollest du an meinem Versprechen nicht zweiflen; dann es reuet mich von Hertzen, was ich gethan hab. Darum will ich mich auch ernstlich besseren. Solte aber der Hunger bey mir gar zu groß seyn, verspriche ich aufs wenigst, über sieben Heller keinen Schaden zu thun. Ist ja ein Bagatelle, und kan sich niemand darüber beschweren. Was thut der Hirt? weil der Wolf sich so reumüthig erzeigt, und wenigst keinen mercklichen Schaden mehr thun will, laßt ihn der Hirt eben lauffen. Kaum ware der Wolf in seiner Freyheit, begegnet ihm ein feister Hammel. Da gedachte er: Das wär ein gutes Bißlein für mich. Allein, was hab ich dem Hirten versprochen? solte ich wohl zu einem treulosen Schelmen werden? Was mache ich mir aber viel Scrupel darüber; indem ich allein versprochen, über sieben Heller keinen Schaden zu thun? nun schätze ich diesen Hammel mehr nicht, als drey Heller werth zu seyn. Also dann kan ich keiner Untreu beschuldiget werden. Dieses gesagt, zerrisse er den Hammel, und frasse ihn auf. Des anderen Tags begegnete ihm ein fette Kuhe samt ihrem Kalb. Da war dann die Anfechtung wiederum groß. Wie? (sagte der Wolf) solte ich mich da überwinden lassen, wie wurde ich bey dem Hirten bestehen, wann es ihm zu Ohren kommen wurde? ich muß halt bey meiner Manier, ein Sach zu [771] schätzen bleiben, so hat es kein Gefahr. Ich schätze also die Kuhe vier und das Kalb drey Heller werth zu seyn, und nicht mehr. Ist also noch nicht über sieben Heller. Ist ja nicht übel gerechnet? so frisse ich dann die Kuhe samt dem Kalb. Bellarminus in Postilla Conc. de Festo Paschatis.


Diesem Wolf können verglichen werden unzahlbar viel Sünder. Sie versprechen ihrem Pfarrer, als ihrem Seelen-Hirten, in dem Beichtstuhl, sie wollen nicht mehr thun, was sie Böses gethan haben, wann man sie nur ledig spreche: dann sie seyen jetzt recht bereuet. Was thut der Seelen-Hirt? er glaubt ihnen halt, weil sie sich so reumüthig stellen, hoffend, es seye ihnen ernst, und sie werden sich von keiner Gelegenheit zu sündigen mehr verführen lassen. Spricht sie also loß, und glaubt nicht, daß sie werden treuloß werden. Allein, was geschiehet? wann sich wiederum ein Gelegenheit zu sündigen neiget, in welcher man gemeiniglich gefallen ist da heißt es: O da ist kein Gefahr obhanden; in dem doch die Erfahrnuß das Widerspiel lehret. Mithin fallt man wiederum, bis man endlich gar in den Abgrund der Höllen fallt. O Blindheit, welche macht, daß man den Betrug nicht siehet!

28. Fabel
Acht und zwantzigste Fabel.
Zwey Mäuse suchen einander heim.

Es truge sich auf eine Zeit zu, daß ein Stadt-Maus ins Feld hinaus spatzierte, und ein andere Maus, die sich auf einem Bauren-Hof aufhielte, heimsuchte. Von dieser ward jene zwar freundlich bewillkommet; bekame aber zum Tractament nichts anders, als ein Bröcklein schwartzes Brod. Da sagte die Stadt-Maus: Mein liebe Schwester! ich siehe wohl, daß du auf diesem Bauren-Hof mit schlechter Kost versehen bist. Komme du mit mir in mein Stadt-Losament, da will ich dich anderst tractieren. Dann da bin ich mit allerhand guten Bißlein versehen. Komme nur; du sollest dich darüber verwunderen. Die Feld-Maus dieses hörend, laßt sich überreden; dann sie ware begierig, auch einstens ein gutes Bißlein zu verkosten. Sie spatzieren also mit einander der Stadt zu, und als sie in das Losament kommen, befande sich alles, wahr zu seyn, was von den guten Bißlein erzählt worden. Da sagte dann die Feld-Maus: O Schwester! wie wohl ist dir in diesem Losament! wie stattlich lebest du! ich aber bin gegen dir ein arme Schluckerin, indem sie aber von einem und dem anderen herum geschleckt, und jetzt da, jetzt dort angebissen, siehe! da kommt unversehens die Haus-Katz, und hatte wenig gefehlt, daß wenigst eine aus ihnen wäre aufgefressen worden, wann sie sich nicht eilends davon gemacht, [772] und in ihre bekannte Löcher verschloffen hätten. Beyde waren so erschrocken, daß sie fast von Sinnen kommen. Nachdem sie sich aber wiederum erholet, nahme die Feld-Maus von der anderen mit wenig Worten Urlaub, sprechend: Gehabe dich wohl, mein Schwester! ich mag dir deine Schleckerbißlein wohl gönnen. Aber bey dir möchte ich nicht länger wohnen. Dann ich wäre keinen Augenblick meines Lebens versichert. Ich bin mit meiner schmalen Kost auf dem Bauren-Hof wohl zufrieden, und ist mir besser bey einem Bröcklein schwartzen Brods (da ich unterdessen ausser der Lebens Gefahr bin, weilen vor Armuthey bey uns nicht einmahl eine Katz ist) als wann ich die besten Bißlein zu geniessen hätte, müßte aber dabey in steter Gefahr und Sorgen seyn, der Katz in die Klauen zu kommen, und von ihr aufgefressen zu werden. Nein, das Leben ist mir lieber als alle deine Schlecker-Bißlein. Behüt mir GOtt meinen Bauren-Hof. Dieses geredt, nahme sie ihren Weeg wiederum ins Feld hinaus. Æsopus in fabulis.


Vielmahl ist ein wohlhäbiges Haus angefüllt mit vielen Sorgen, wo man beförchtet, es möchte nach und nach das Einkommen nicht erklecken, und also verlangt man immerdar mehr zu haben. Da hingegen arme Leut gantz vergnügt leben, indem sie mit dem wenigen, das sie haben, zufrieden seynd, und also sich weiter mit keinen Sorgen bekümmern, bey sich gedenckende, was man im Sprüchwort sagt: Mit vielem halt man Haus, mit wenigem kommt man auch aus.

29. Fabel
Neun und zwantzigste Fabel.
Der Pfau macht sich durch böses Exempel verächtlich bey dem Feder-Volck.

Als dieses das erstemahl seiner ansichtig worden, hat es Ihne für seine Obrigkeit gebührend respectirt und geehrt. Dann warum sollte man nicht ehren einen so schönen Vogel, von so ansehnlicher Statur, vielfärbigen glantzenden Federn? den die Natur selbst gecrönet, die Gravität mit langsamen Schritten begleitet, und mit mehr Augen im Schweif versehen, als 6. einfältige Hennen im Kopf haben; Jung und Altes, Hahn und Hennen folgten ihme gar gern nach, spatzierte er im Hof herum, gaben sie ihme das Geleit. Floge er auf die Maur, schwingten sie gleichfals ihre Flügeln, scharrete er im Sand, so scharreten sie auch, butzte er den Schnabel, butzten sie ihn auch. Mit einem Wort, was der Pfau thate, [773] das thaten sie ihm nach. Wie sie aber wahrgenommen, daß er ohne Scheu auch zum Kleyen-Trog hinzu gienge, und sich auch im übrigen so gemein machte, als wann er auch ein schlechter Mistkratzer wäre, verachteten sie ihn, und nascheten hinführo desto freyer, weilen sie sahen, daß es ihr Regent, der Pfau auch thate. So viel vermag das böse Exempel. Æsopus in fabulis.


Also machen es die Unterthanen, als welche in ihrem Thun und Lassen keine andere Richtschnur haben, als das Wohl- oder üble Verhalten ihrer Vorgesetzten, und was das schlimmste allezeit thun sie es ihnen ehender nach im Bösen, als im Guten. Dannenhero ist der Vatter, ein Herrschaft, ein Obrigkeit übel gesittet, und begehet einen Mißtritt, wird der Sohn, der Knecht, der Burger, und so von andern zu reden, bald auch auf die Seiten ausfahren, und seine Unthat mit dem Beyspiel des Vatters, der Herrschaft, der Obrigkeit beschönen; thuts doch mein Vatter auch, ist doch mein Herr auch nicht besser, thuts doch die Obrigkeit selbst, etc. Erzeigt sich die Obrigkeit saumseelig bey dem Gottesdienst, Amt und Predig, so lassen es die Burger auch bey einem gleichen bleiben. Ist der Herr der Unlauterkeit ergeben, so seynd gewißlich die Diener keine Engel. Spielt der Vatter gern, so wird der Sohn unfehlbar die Würffeln, oder ein Karten im Sack haben. Gehet der Meister oft zum Wein, so reibt der Lehrjung auch schon nicht mehr gern das Maul am Wasser-Krug.

30. Fabel
Dreyßigste Fabel.
Der Fuchs getraut sich nicht den krancken Löwen heimzusuchen, durch dieses Mißtrauen aber erhaltet er sich beym Leben.

Der Löw stellte sich auf eine Zeit kranck, welches, als es die andere Thier vernommen, glaubende, daß es kein verstellte Kranckheit wäre; kamen sie ihn heimzusuchen, und ihr Mitleiden über seine Unpäßlichkeit zu bezeugen. Allein sie wurden alle von dem Löwen zerrissen und aufgefressen. Endlich kame auch der Fuchs daher; der Löw dieses sehend, ruft ihm: Fuchs komme her, und suche mich auch heim, wie andere Thier gethan haben. Der Fuchs antwortet: es wäre freylich meine Schuldigkeit, Euer Majestät auch meine unterthänigste Aufwartung zu machen. Allein ich weiß nicht wie mir ist; ich getraue mir nicht recht. Warum nicht, fragt der Löw: der Fuchs antwortet: es ist halt, wie es ist? Wie ist es dann? fragt der Löw weiters; des Fuchsen Antwort ware: es erschrecken mich die Fußtritt anderer Thieren; dann ich mercke, daß alle zwar in Euer Majestät Zimmer [774] hinein, aber keines mehr heraus gangen. Æsopus in fabulis.


Also muß man allezeit vorsichtig seyn; man muß die Augen wohl für die Füß setzen, damit man nicht anlauffe. Viele sehen den Anfang einer Sach an, gedencken aber nicht, was sie für ein End nehmen möchte. Der Anfang ist oft gut, das End aber unglücklich.

31. Fabel
Ein und dreyßigste Fabel.
Der Esel wolte gern ein Roß seyn.

Diesen stache einsmahls der Neyd; dann als er seinen armseeligen Stand zu Gemüth führte, wie er täglich mit schwehrer Burde beladen wurde, nicht halb genug zu essen hätte; und noch darzu viel Schmachwort, harte Stöß und Schläg ausstehen müßte: hingegen ein dolles Pferd gantz frey auf einer grünen Wiesen herum springen, und nachdem es genug gegraset, sich hin und her waltzen sahe, seuftzete er darüber und sprach: O wie viel glückseeliger bist du als ich! O daß ich auch also frey wäre; O wann ich auch eine so gute Weyd, schönen vollen Leib, so hüpschen Kopf und langen Schweif hätte; wie er aber kurtz hernach den Reuter sahe in Stiefeln und Sporren hingehen, das Roß bey dem Kopf nehmen, ihm ein eisenes Biß in das Maul, einen schwehren Sattel, Felleisen und Mantel auf den Rucken legen, alsdann den Reuter aufsitzen, mit der Peitschen darein schlagen, und das gute Roß dermassen ansporren, daß ihm zu beyden Seiten das Blut häuffig herab flosse, auch über ein Zeit erfuhre, daß dieses Roß in einem Scharmützel von einer Kugel durchschossen auf dem Platz geblieben, und von den Raben gefressen worden, wünschte er ihm, kein Roß mehr zu seyn, sondern sein Lebenlang ein Esel zu verbleiben, und mit dem wenigen Futter, so schlecht es auch wäre, vor gut zu haben. Æsopus in fabulis.


Solche Esel gibt es noch heut zu Tag viele, welche andere um ihr Glück, Stand und Amt beneyden, worzu sie doch weder Hirn, noch Geschicklichkeit haben; ihnen aber nur selbst hierdurch vergeblich die Ruh des Hertzens, Lust und Freud, deren sie geniessen könten, wann sie mit ihrem Stand vergnügt seyn wollen, thorrechter Weiß zerstören.

32. Fabel
[775] Zwey und dreyßigste Fabel.
Ein verruchter Bößwicht wird von einer Ampel vor Gericht angeklagt und überwiesen.

Dieser wurde für Gericht gefordert, und bey dem höllischen Richter Rhadamantus (wie ihm solchen Namen die Heyden angedichtet) verschiedener Buben-Stücklein halber verklagt. Weilen aber fast alles in Geheim geschehen, laugnete der Thäter alles, was man ihm immer vorwarffe, über Spitz und Knopf hinaus; wie dann der losen Schelmen Brauch ist. Und weilen der Kläger mit genugsamen Zeugen nicht aufkommen konnte, wurde der Beklagte schier allerdings loßgesprochen, und auf freyen Fuß gestellt. Letztlich fiele dem Richter ein, man sollte des Beklagten Ampel, dero er sich bey nächtlicher Weil bedient hatte, herkommen lassen; vielleicht wurde diese eine Erläuterung der Sachen geben können. Nun es geschiehet; die Ampel wird hergebracht, der Beschuldigte Ihro unter die Augen gestellt und gefragt, ob sie diesen Menschen nicht kennte: hierauf fienge sie folgender Gestalt an zu reden:


Gerechtester Richter, wolte GOtt, daß ich diesen Menschen nicht kennte, so wurde ich grosses Leydwesens überhebt seyn. Was sag ich aber, diesen Menschen, ein grausame Bestia und Abentheur hätte ich sagen sollen, dergleichen die Erden nie getragen hat. O wie oft hab ich gewunschen, daß doch ein Wind zu dem Fenster hinein tringen, und mich auslöfchen wurde, nur damit ich so greulichen Schandthaten nicht zusehen müßte. Ich begehrte von dem Himmel, daß mein Liecht in Blitz, und mein Feur in Donnerkeil verändert wurde, diesen Bößwicht an der Stell zu erschlagen. Ich spitzte meine Flamm, und schwunge sie wie ein zweyschneidendes Schwerd auf alle Seiten, willens ihn anzufallen; aber ich ward an dem Dacht angebunden, und das Oel wegen seiner angebohrnen Gütigkeit gestattete mir solches nicht. Weilen ich dann weder eines, noch das andere in das Werck zu setzen vermöchte, sondern wider meinen Willen so viel unbilliche Sachen ansehen mußte, kan ich mir anders nichts einbilden, als der Himmel habe mir darum das Leben gefristet, damit ich wider dieses Unthier noch einstens Zeugnus geben könnte. So bezeuge ich dann hiemit 1. Daß ich diesen Gesellen gesehen hab oft um viel Geld spielen, und darunter betriegen. Zugleich auch gehört ihn lügen, schelten, fluchen, und wider GOtt erschröckliche Lästerungen ausstossen. 2. Allerhand Bul-Brief schreiben. 3. Oft lang in die Nacht hinein verbottene Bücher lesen. 4. Hurerey, Blutschand, und andere [776] Unlauterkeiten begehen, das und noch mehr, so mir jetzt nicht alles beyfallt, hab ich gesehen. Und weilen ich anderst nicht konnte, zwitzete ich doch zum öfteren, und spritzte meine Funcken aus, der Meynung, es sollte etwann einer das Beth ergreiffen, und dieses Schand-Luder samt den Federn verbrennen. Aber die göttliche Rach hat ihn billich bis hieher aufbehalten, und mit blutigen Haaren für euer Gericht gezogen, seinen verdienten Lohn zu empfangen. Also redete die Ampel, und der Stab ward über den Uebelthäter gebrochen. Lucianus in Dialogis.


Dieses ist zwar nur eine Fabel, aber erklärt uns gleichwohl so viel, man könne ein Sach so heimlich nicht angehen, daß uns nicht einer in das Spiel sehe. Die Mauren und Wänd können uns nicht genugsam verhüllen, das Liecht, bey dem wir sündigen, macht uns aufmährig. Können wir unsere Mißhandlungen vor den Menschen eine Zeitlang vertuschen, so wird doch das göttliche Liecht, Christus, wann der Tod die Wand unsers Leibs, wird weggeraumt, und unser zeitliches Leben ein End haben, selbige gleich erblicken und abstraffen in dem besonderen Gericht, noch mehr aber uns zu schanden machen an dem jüngsten Tag, da aller Menschen Gewissen werden offen stehen. Man muß also den schönen Spruch des H. Augustini wohl zu Gemüth fassen, da er also sagt: GOtt muß man förchten im verschlossenen Zimmer so wohl, als auf offenem Marckt. Brinnet die Ampel, so siher er dich, brinnet sie nicht, so sihet er dich dannoch. Gehest du in deine Kammer, so geht er dir nach, und sihet, was du thust; schliessest du dich gleichsam in dein Hertz ein, und willst es keinen Menschen wissen lassen, so sihet er es, und weiß es besser, als du selbst. Derohalben förchte GOtt, der dich überall ertapen, und den Augenblick auf frischer That in die Höllen stürtzen kan. Serm. 46. de verbis Domini.

33. Fabel
Drey und dreyßigste Fabel.
Die Mäuß halten wider die Katz einen Rathschlag.

Man sagt, daß sich die Mäuß auf eine Zeit versammlet haben, um zu rathschlagen, wie sie denen Nachstellungen der Katz im Haus entgehen möchten. Dann (sagten sie) wir schlupfen vielmahl kaum aus unseren Löcheren herfür, da ist uns die Katz schon auf dem Hals, und gibt uns den Rest, nachdem sie zuvor grob genug mit uns geschertzt hat. Da waren dann viele aus den jungen Mäusen, die sich für klug hielten, [777] sagende: sie seyen der Meynung, es wäre kein besseres Mittel, als wann man der Katzen ein Schellen anhenckte; dann auf solche Weiß wurde die Katz durch das Schellen ihre Gegenwart gleich verrathen; mithin wurden die Mäuß kein Gefahr haben von ihr ertappt zu werden. Allein eine aus den alten Mäusen, die nunmehr einen grauen Bart um das Maul hatte, stunde von ihrem Sessel auf und sagte: ihr gute Kinder, es ist nicht ohne, das vorgeschlagene Mittel ist sinnreich, allein, welche aus uns getraut ihr, der Katz die Schellen anzuhencken, ohne Gefahr von ihr aufgefressen zu werden. Ex Gabr. Faetno.


Also kan einem bald ein Gedancken einfallen, der sinnreich ist; allein, wann man ihn soll ausführen und ins Werck setzen da steht man am Berg, und zeigt sich eine Beschwehrnus über die andere, an die man nicht gedenckt hat. Ist also ein grosser Unterschied zwischen dem Rathgeben und dem Werck, zu dem man gerathen hat. Folgends gehört ein anderer Kopf zu dem Rathgeben, und ein anderer zum Vollziehen.

34. Fabel
Vier und dreyßigste Fabel.
Wunderlicher Gerichts-Handel.
Der sich zwischen etlichen Tugenden, als Klägerinnen, einer, und zwischen dem edelsten Metall, dem Gold, anderer Seits solle ereignet haben; dessen Ausspruch GOtt, als dem höchsten Richter heimgestellt wird.
Religion oder GOttes-Dienst.

Erste Klägerin.


Allmächtiger GOtt und höchster Richter, wie sehr ich mir Euer Majestät Glory, Ehr und Namen lasse angelegen seyn, davon weißt die gantze Welt zu sagen; und bezeugen die allenthalben hin und wieder aufgerichtete ansehnliche Kirchen und Altäre zu Genügen, wann ich auch kein Wort rede. Aber was mich an Dero schuldigstem Dienst nicht wenig verhindert, und ich deßwegen gezwungen worden Euer Majestät mit Klagen zu belästigen, ist das meyneidige, und nunmehr für Gericht gestellte lasterhafte Gold. So lang es vorlieb nahme an dem untersten Saum des Priesterlichen Kleyds, allwo ich auf Euer Majestät Befehl (Exodi 39. [778] v. 23.) goldene Glöcklein und Granat-Aepfel untereinander anhenckte, stunde es mit mir noch wohl; dann das geschahe theils damit man den Priester gehen hörte, wann er in das Heiligthum eintratte, theils auch darum: der gantzen Welt zu bezeugen, daß eines Priesters wenigste und schlechteste Sorg seyn solle das Gold (Oliva S.J. in Cap. 9. 1. 1. Esdrä) gleichwie man gering achtet den untersten Saum des Rocks, darauf man oft mit Füssen trittet, oder ihn doch vielmahl im Koth herum ziehet. So lang (sag ich) das Gold an einem so schiechten Orth vorlieb genommen, stunde es wohl mit mir. Aber nachdem es sich nach und nach in kleine Haus-Götzen hat lassen umgiessen, seynd so gar einer unschuldigen Rachel Händ nicht allerdings rein davon kommen, welche ihrem Vatter Laban die goldene und silberne Götzen-Bilder entfremdet hat, worüber grosses Gezänck entstanden, und sie, die Rachel selbst in Leib und Lebens-Gefahr gerathen ist. Bey dem ist es nicht geblieben; der Ehrgeitz dieses Klumpens wuchse je länger je mehr, bis gar ein goldenes Kalb daraus worden, welches die Israeliter in der Wüsten, und hernach auch unter der Regierung des Königs Jeroboam auf der Höhe des Gebürgs, und in den Wälderen angebettet haben. O Uebermuth dieses Erdklotzes, der sich auch für einen GOtt aufwerffen, und die Ehr, so Euer Majestät allein gebührt, ihme freventlich unverschamter Weis hat dörffen zumessen. Was ist es Wunder, daß der grosse Eyferer meines Wohlstands, der Moyses, die Gesatz-Taflen vor Zorn und Unmuth auf die Erden geschmitzt und zerbrochen hat? Das Gold, aller Abgötterey war schuldig daran. Alsdann nemlich hat der Moyses die so schätzbare, und von dem Finger GOttes selbst überschriebene Taflen des Gesatzes an einem Stein zerschmettert, da er das goldene Kalb in der Höhe stehen sahe: weilen er gar vernünftig geurtheilet, daß bey denjenigen Leuten, welche Gold für GOtt anbetteten, die Gebott GOttes wenig verfangen; ja wohl gar umsonst seyn wurden. Von der Zeit an hat die Abgötterey allenthalben eingerissen, und ist so weit kommen, daß der König Crösus in Lydien keinen GOtt mehr wolte anbetten, er wäre dann von Gold. Jetzt gibt es so verblendete Leut, welche das Gold anbetten, ob es schon die Bildnus eines Götzens nicht hat. Dem Gold zu lieb wagt man alles. Um einen und andere Ducaten schwört mancher 1000. Eyd. Um das Gold seynd die geistliche Pfrunden feil. Des Golds wegen bricht man in die Kirchen, und begeht mit Entführung der geweyhten Geschirren einen gottsrauberischen Diebstahl; woran dieses hochtragende Metall vielmahl schuldig ist, als welches viel lieber auf der Tafel eines Königs Balthasars prangen, als von ungewaschenen Händen manches Priesters sich berühren; oder etwann von dem Meßner Jahr und Tag ungebutzt im Winckel eines Kasten stehen will. So gar [779] (wo kommts nicht hin? ewiger GOtt!) wegen des Golds bricht man die Gräber auf, und beraubt die Verstorbene. Wie dann einer so verwegener That sich unterfangen hat ein edler, aber sehr frecher Jüngling (dessen Sophronius ein alter Scribent Meldung thut) welcher bey nächtlicher Weil das Grab wiederum eröfnet einer reichen Jungfrauen, die man dahin in köstlichem Kleyder-Geschmuck begraben hatte, und ihr fein sauber alles, was von Gold und Silber war abgezogen. Ich geschweige vieler anderer Mißhandlungen, damit ich es nicht zu lang mache, und anderen Klägeren nicht vorgreiffe. Daß allein, was ich bishero vorgebracht, kan genug seyn, mir das Recht zu ertheilen, und diesen Ubelthäter (das Gold) den Verdiensten nach scharf abzustraffen.

Ehrbarkeit.

Anderte Klägerin wider das Gold.


Dero anstatt eines Advocatens die Schamhaftigkeit an der Seiten stunde. Diese gab unter anderen vielen Inzuchten die gantze Schuld dem Gold, daß sich hin und wieder so viel Schleppsäck aufhalten. Wäre das Gold und Geld nicht (sprache sie) so findete dergleichen Lumppen-Gesind kein Herberg; will geschweigen erst einen Herren-Tisch. Die gemeine Frauen-Häuser und heimliche Schliefwinckel in grossen Städten haben ja kein andere Fundation und Einkommen, als dort und da ein Dupplonen, oder Ducätlein. Jene allgemeine babylonische Hur (mit Gunst zu melden) welche der Heil Evangelist Johannes in seiner heimlichen Offenbahrung auf einer Bestie sitzend gesehen, hatte einen goldenen Kelch in der Hand, woraus sie allen ihren Liebhaberen zu trincken gabe. Viel tausend noch heut zu Tag lauffen zu, und thun daraus einen Suf. Und weil das Getranck einem für sich selbst nicht schmecken kan (dann es ist Gift: wie der Heil. Ambrosius sagt über den 1ten Psalm.) reitzt aufs wenigst der Glantz des Golds einen zum Trincken an. Siehet man jetzt, wer die meiste Ursach der Unzucht und Schandthaten seye? doch muß ich auch zugleich bekennen, daß das Gold nicht alle Schuld habe. Es braucht nicht allzeit ein Dupplon, oder Ducaten. Es ist vielen um ein schlechters jetzt der Leib feil. Pfui der Schand!

[780]
Freygebigkeit.

Dritte Klägerin wider das Gold.


Diese beschwerte sich wider das Gold, wie daß selbiges am allerersten den Nahmen Schatz erdacht habe; auch ein so enge Verbündnuß mit solchem gemacht, vermög deren zwischen beyden beschlossen worden, die meiste Zeit nur in den eisenen Truchen grosser Herren eingesperrt; oder gar unter der Erden vergraben zu verbleiben; dieweil kein gutes Geld mehr unter die Leut kommt. Und obschon diejenige, welche ihr Gold vergraben, damit verfahren, als mit ihrem eigenen Gut; handlen sie doch gantz unbarmhertzig und thorrecht. Ihnen nutzen sie nichts (wie Theodoricus der König zu sagen pflegt) und uns, ihren Nachkömmlingen, die wir nichts darum wissen, gehen sie zu grund. Wäre es nicht besser, es spatzierte bisweilen mit mir ein, und das andere Ducätlein in das Haus eines wohl verdienten Manns, als daß es in dem Winckel einer schwartzen Truchen Jahr und Tag verborgen ligt? ich schäme mich, wo ich hinkomme; so gar mager und hungerig siehe ich aus, daß mich fast niemand mehr kennen will. Ich gedencke noch wohl der guten Zeit, da es anderst gewesen. Jetzt, nachdem sich das Gold also zu verstecken angefangen, geschiehet mir, und vielen anderen zu kurtz. Dann, weil man das Gold nicht angreiffen will; das Silber aber selbst ins Hausweesen, oder zum Sauffen, und Spielen braucht, werden die Schulden nicht bezahlt. Der jährliche Zinß bleibt ausständig; Bierbräu, Metzger, und Becken müssen lang borgen; Schuster, Schneider, und andere Hand-Wercker lang mit ihrem Flick-Zettel hinnach lauffen, bis man ihnen auf einem Spänlein Geld gibt; und auch dieses nicht gantz: sondern halb abbricht.

Justitz, oder Gerechtigkeit.

Vierte Klägerin wider das Gold.


Die Freygebigkeit hatte noch kaum geendet, da fienge die Justitz mit einem tieffen Seuftzer an, als die sich schier am meisten von dem Gold beschwert, und verletzt befande. Sie brachte gantz beweglich vor, wußte auch mit Brief und Zeugen zu beweisen, wie daß nemlich das Gold den Dieben lange Finger; den Vormunderen heimliche Schlüssel zu dem Geldkasten ihrer ihnen anvertrauten Waißlen; denen Testaments-Vollzieheren lauter Schnecken-Füß; denen Advocaten ein neues Recht; und denen Richtern zu viel lange Bänck machte, auf welche sie ihr Urtheil in Endscheidung der Gerichts-Händlen verschiebten. Ach! (sprache sie) seithero die goldene Handschuh aufkommen kan ich nicht mehr fortkommen. Andere Tugenden fahren auf einem Triumph-Wagen daher; vermögen Gutschen und Pferd. Ich hab mich allzeit eines schlechteren beholffen; bin zu Fuß [781] gangen, nur alles schmiereu zu vermeiden; damit meine Räder, wann ich einen Wagen hätte, keines Schmierens bedärften. Jetzt steckt es sich oft, wann man nicht schmiert, ob ich schon zu Fuß gehe. Wer aber gleich Anfangs das schmieren nicht sparet, dem fliegen Klafter lange Willkomm entgegen; das Ja-Wort steht schon unter der Thür, ehe die Ansuchung, oder Bitt recht angeklopft hat. O du allvermögendes Gold, O du verfluchtes Gold, hätte ich sagen sollen! du bringst mich noch ins Verderben. Recht hin; Recht her: wo das Gold zu reden anfangt, gilt alles Einwenden nichts (wie der Heil. Gregorius von Naziantz sagt) es überredet den Richter, ob es schon kein Wort sagt: der Augenschein hat dieses zum öfteren erwiesen. Wo ist einē zu kurtz geschehē, daß nicht das Gold den Handel verschnitzelt hat? wo wird einer bald verurtheilt, der mehr Ducaten, als sein Gegen-Part zeigt? wer erhaltet nicht aufs wenigst einen gütlichen Vergleich, den man nach verlohrnen Handel von Rechtswegen auch zu denen Unkösten anhalten, und verurtheilen solte, wann er eine goldene Ketten, oder mit köstlichen Stein versetzten goldenen Ring zum Unterhändler braucht? mit einem Wort: es hat sein Verbleiben bey jenen bekannten Reimen:


Das Silber samt dem Gold
Macht alle Händel krumm,
Bricht es nicht gar das Recht
Reibts ihm ein Ohr doch um.

Die Justitz hatte noch mehr vorzubringen; weilen sie aber zugegen sahe Treu und Glauben, zwey leibliche Schwesteren, brache sie ab, und machte diesen Platz, wohl wissend, daß ihre Klag von diesen zwey Klägerinnen in vielen Stucken wurd bestättiget werden. Hierauf fienge die Treu an also zu reden:

Treu und Glauben /

Die letzte Klägerinnen wider das Gold.


Gerechtister Richter! etc. Es seynd zwar von denen anwesenden Partheyen wider diesen Böswicht, das Gold, schwere Klagen genug mit allem Grund und Wahrheit vorgekommen. Aber, wann man erwegen will den allgemeinen Schaden, welcher Land und Leut huet zu Tag von dem Gold zugefügt wird, weiß ich nicht ob sich jemand mehrer beschwerd befinde, als Treu, und Glauben; ich und meine Schwester. Seithero die Teutsche ihre Wammes und Gürtel weg gelegt, und einen fremden Kopf aufgesetzt, seynd wir fast nirgends mehr sicher, weder zu Friedens-Zeiten, noch im Krieg. Es ist alles ein verwirrtes Weesen durch einander. Man verspricht viel; und halt wenig. Man richtet Verträg auf; und bleibt nicht darbey. Man unterschreibt sich; und laugnet seine eigene Hand ab. [782] Man gibt Brief und Siegel her; und laßt doch nicht gelten. Man schwört auf die Heil. Evangelien; und thut just das Widerspiel. O! was Zeiten! was für Sitten haben wir erlebt! wir seynd verkauft; wir seynd verrathen bey dieser verkehrten Welt, wo wir hinkommen: und wird nur gar zu wahr gemacht des alten Comödianten Spruch: man traut, man glaubt heut zu Tag kaum der Treu selbst mehr; oder thut mans, so geht es doch ohne Betrug nicht bald leer ab. Und an diesem Unweesen allem ist niemand schuldig, als das diebische, verrätherische Gold. So weit kommt es schier: wann man ein Stuck Golds zeigt, dem ist Treu und Glauben schon feil; etlich wenigen, welche bey uns noch Stand halten, hierdurch nichts benommen. So gehts im Frieden zu; ist leicht zu gedencken, wie es im Krieg gehen werde. Viel hundert mahl schon ist der Spruch des Königs Philippi in Macedonien wahr worden, indem er zu sagen pflegte: seye ein Schloß so hoch gelegen, auch von Natur und Kunst so starck bevestiget, als eines seyn kan, wann es nur so weit ein Thürlein offen laßt, daß ein Maul-Esel mit Gold beladen hinein kan, so ist es hin. Wegen des Golds werden die geheime Rathschläg der Fürsten entdeckt; gantz veste Städt und Länder dem Feind verkauft; die Unterthanen wider ihr rechtmäßiges Haupt zur Rebellion aufgewicklet; alle Verräthereyen werden um ein Stuck Golds zu wegen gebracht. Und ob man schon zur Aufrichtung solcher gottlosen Tractaten die Feder an statt der Dinten in Zäher und Blut so vieler tausend Menschen einduncken muß, achtet man es doch nicht, wann nur das Streu-Sand golden, und das Pittschier, das man aufdruckt, ein Edelgestein ist. Mancher braver Soldat siehet mit unerschrockenen Augen einen blossen Degen an; den blossen Glantz des Golds kan er nicht erdulten. So bald man ihm Ducaten zeigt, wird er gleich verblendet, und williget in solche Sachen ein (ach leyder!) daraus dem Vatterland alles Unheyl erfolget. Das ist heut zu Tag gewiß: so bald man aus silbernen Stucken (will sagen, silbernen Becher und Pocal) mit goldenen Kuglen (verstehe Ducaten und Dupplonen) Vresche schießt da fallen gleich Mauren und Bollwerck über einen Hauffen. Solches, und noch viel anderes Unheyl mehr stiftet das allenthalben verschreyte Gold. Was zitterest? was erstaunest du? warum erbleichest? warum förchtest dir? gibe Antwort. Ist es nicht wahr? sehet! es schweigt still; und eben darum (der Juristen Regel gemäß) gibt es sich schuldig. Derohalben, gerechtister Richter! lasse das verdiente Urtheil ergehen: das erfordert die Billichkeit: das bitte ich; das erwarten wir, und alle Anwesende Partheyen.


Bisher hast du lieber Leser! allerhand Klagen wider einen Maleficitzen angehört. Jetzt vernehme auch [783] des beklagten Golds Verantwortung. Dann, wo man nicht beyde Theil anhört, kan man kein vernünftiges, noch gerechtes Urtheil fällen. Nachdem dann obgedachte Partheyen nach einander ihre Klagen abgelegt, gabe der Richter dem beklagten Gold (welches bis dahin bey seinen Füssen gelegen) einen Winck, sich zu verantworten: welches sich dann aufgerichtet, und folgender Gestalt zu sprechen angefangen.

Verantwortung des Golds

Wider die ihm aufgeburdete Mißhandlungen.


Großmächtigster König, und Herr, etc.


Wann ich vor einem anderen, als euer Majestät Richterstuhl stunde, wurde ich in Erwegung meines starcken Widerparts mir nicht getraut haben gantz allein, und ohne Beystand zu erscheinen. Dann ob ich mir schon keines Lasters bewußt, und deswegen gantz frey, und unerschrocken reden werde; ist es doch über die massen schwer, sein Unschuld genugsam zu er weisen, wo man die Tugenden selbst zu Anklägeren hat. Dieweilen ich aber denjenigen zum Richter erhalten, der die Gerechtigkeit selber ist, soll mir gar nicht schwer fallen, alle mir aufgeburdete Mißhandlungen mit sattsamen Grund und Beweißthum abzuleinen.

Und zwar fürs erste, überhaupt auf alles zu antworten. Wer siehet nicht, daß die Schuld, die mir zugemessen wird, nicht mein! sondern gewisser Personen sey. Und weil man den Thäter nicht allzeit haben kan, will man den Werckzeug radbrechen. Aber was kan das arme Gold darfür, daß es hin und wieder in der Welt so viel Schelmen und Dieb abgiebt? nehme man bey dem Kopf, die sich vergriffen haben; nicht ein unschuldiges Metall, das sich nicht wehren noch widersetzen kan; sondern mit sich muß umgehen lassen, wie es dem, der es in der Hand hat, gefällig ist. Was einer nicht hinderen kan, das laßt er geschehen. Solte es aber mir frey stehen, mit Schelmen und Verrätheren nach Belieben umzuspringen, solte sicherlich schon längst keinem mehr nach Gold der Lust ankommen seyn. Aber der Ordnung nach von einer Auflag zuranderen zu kommen, und von der letzten anzufangen:


Ist es gantz lächerlich, daß Treu und Glauben aus meiner bleichen Farb und langem Stillschweigen mich gleichsam für überwisen erkennen wollen. Ich hab geschwiegen, bis das Reden an mich kommen: jetzt werd ich mehr reden, als meinem Gegentheil lieb ist. Ich hab ein bleiche Farb nicht wegen des bösen Gewissens (dann GOtt Lob! mich dieses im geringsten nicht anklagt) sondern aus Beysorg, und eingejagter[784] Forcht, etwann abermahl von diebischen Händen entzuckt zu werden. Eine Daub, die einmahl mit harter Mühe dem Habicht entgangen, zitteret, wann sie einen Stoßvogel von weitem siehet. Nicht ich; sondern Schelmen und Verräther seynd dran schuldig, wann zu Frieden- und Kriegs-Zeit Treu und Glauben so schlecht in Ehren gehalten wird. Wann es aber je um das Gold ein so schädliches, und dem gemeinen Wohlstand des Vatterlands so nachtheiliges Weesen ist, warum hat man mich dann aus so weit entlegenen Orten beruffen; und da ich nicht kommen wolte, mit bewafneter Hand gezwungen? mir ware wohl in der Schooß meiner Mutter, der Erden. Warum hat man mich beunruhiget? gantze Kriegs-Heer der Bergknappen hat man wider mich ausgeschickt, die mit Pickel und Hauen die Berg durchgraben, und nicht nachgelassen haben, bis nach viel empfangenen Schlägen ich mich ihnen endlich ergeben hab. O wie oft hat mein Mutter da und dort eine Bergwand eingeworfen, und die Rauber erschlagen? wie oft ihnen Basilisken, Schlangen, und andere Thier entgegen geschickt, in Meinung, sie zu erschröcken? wie mancher schädlicher Erd-Dampf hat sie angewehet, und billig zuruck halten sollen? ich selbst, da ich die Gefahr merckte, hab mich unter das Kupfer, meine nächste Baase, verborgen unter das Koth vermischt, und also gleichsam fremde Kleider angelegt, damit man mich nicht kennen solte. Aber alles umsonst. Die Begierd, mich zu haben, ware so groß, daß man mich auch in der Gestalt, in welcher man mich antraffe, in schlechten Baurs-Kleideren (so zu reden) auf Schubkärrlein fortgeführt hat. Und da ich ans Tagliecht kommen, und mein Nam und Geschlecht nicht gleich anmelden wollen, hat man mir mit dem Feur gedrohet, auch würcklich darein geworfen; und ist noch über das mit Feilen und Bürsten über mich kommen, und hat mich von allem Unrath so lang gesäubert, und gebutzt, bis ich diejenige schöne Gestalt überkommen, die ja auch einem Blinden gefallen soll? aber, warum ist anderer Leuten Augen ein Schalck, dieweil ich schön bin? man sagt aber, ich helfe zu allerhand List und Betrug in burgerlichen Contracten und Handlungen; befördere Schelmen-Stücklein im Frieden; Verrätherey im Krieg, und seye kein Vestung vor mir sicher, die ich nicht dem Feind in die Händ spiele. Ja, das sagt man: ist bald gesagt; aber noch lang nicht erwiesen. Warum erzählt man nicht viel mehr die grosse Nutzbarkeiten, die man zu Fried- und Kriegs Zeiten von mir hat? ist es Fried, so erhalte ich denselbigen durch Handel und Gewerbschaft der Kaufleuten. Ist es Krieg, so kan man ohne mich den Krieg nicht glücklich fortsetzen. Daß aber Betrug und Verräthereyen zuweilen unterlauffen, das hat man der Untreu der Verrätherin zuzuschreiben. So weit ist von mir, gerechtester Richter! daß ich einigen Vorschub zur Verrätherey geben solte, daß man schier kein [785] besseres Mittel hat, solche zu verhinderen, als mich; wann man nemlich den Verrätheren zerlassenes Gold eingiessen wolte, ihren teufelhaften Geitz einmahl zu ersättigen. Zu solcher gantz billigen Abstraffung meineidiger Verrätheren bin ich alle Stund willig und bereit, mich brauchen zu lassen, wann es solte vonnöthen seyn, und man den verlohrnen Schmeltz-Tigel noch wird finden können. Urtheilen jetzt Ihre Majestät, ob man mich mehr mit Fug einiger Verrätherey beschuldigen möge.

Zu der anderen Auflag zu kommen, welche die Justitz wider mich führt, nimmt mich sehr Wunder, wie ein so hohe, und sonst der Billigkeit so beflissene Tugend also hitzig habe mögen aufschneiden. Bald macht sie einen Schreiner; bald einen Seckler aus mir, als wann ich alle Bänck in die Rathstuben, und Handschuh für die geldsüchtige partheyische Richter machte. Geschiehet mir aber in beydem Gewalt, und Unrecht. Eben also unverantwortlich ist es, was man mir, und meinem Befreundten dem Silber mit jenen Spott-Reimen vorruckt:


Das Silber samt dem Gold
Macht alle Händel krumm,
Bricht es nicht gar das Recht
Reibts ihm ein Ohr doch um.

Nun aber kan ich GOtt zu Zeugen nehmen, daß nicht ich an den krummen Händlen Schuld habe; sondern der unersättliche Geitz etwelcher Beyständ, und Richteren, denen wohl bisweilen um etwas schlechters, als um Ducaten und Dupplonen das Recht feil ist. So geldsüchtig, und reich zu werden ist bisweilen die Begierd etlicher Richtern (bisweilen, und etlicher sage ich: Den Guten nichts zum Nachtheil geredt) daß sie auch (wie der hochgelehrte Oliva S.J. in c. 2. l. 2. Esdrä reden darf) den Judas wurden vom Strick erledigen, wann er ihnen die weggeworfene 30. Silberling (dieses wenige Blut-Geld) wolte lassen zukommen, etc. Nicht ich derohalben, allerweisester Richter! sondern der Geitz bieget das Recht, und handelt wider alle Billigkeit.

Eben das antworte ich der Freygebigkeit: welche freylich ja nicht so gutthätig mehr sich erzeigen kan, wie vor diesem; weil die Geitzhäls mich also in die Truchen versperren, und in die Keller und Wälder vergraben. Was kan aber ich darfür, wann man einen Unschuldigen in die Keichen wirft? Nachdem ich einmahl das Präg in der Müntz empfangen, wolte ich freylich lieber dem Menschen zum Dienst seyn, als nur in der Truchen eines schindhärigen Kissen-Pfennings schimlicht werden.

Die wider mich geführte Klag der Ehrbarkeit betreffend, hat solche auch keinen Bestand. Es liegt am Tag, daß die Leichtfertigkeit die gemeine Frauen-Häuser gestiftet habe, und solchen Vettlen in grossen Städten Kost und Herberg aushalte; nicht ich. Eben darum, weil es so viel Geld kostet, solte es einem das Buhlen verleiden, wann nicht der Muthwill und Geilheit vieler jungen Leuten allzu groß [786] wäre. Daß der babylonischen Huren-Pocal aus Gold gewesen, ist mir leid genug. Aber was waget ein unverschamtes Weib nicht, wann sie einmahl von Liebhaberen den Zulauf überkommt. Doch ist derjenige ein Narr, welcher dem Gold zu Lieb aus einem Geschirr trinckt, worin er weißt, daß Gift seye.

Nun aber auch die erste Auflag der Religion abzuleinen, welche den meisten Schein der Wahrheit hat, gestehe ich gar gern, daß durch mein Geschlecht die Abgötterey auf Erden seye eingeführt worden. Wer hat aber die Schuld? Die Materi, die sich gleichgiltig haltet (weil sie sich nicht kan widersetzen) und eben so gern, ja lieber ein andere Form und Gestalt wolte annehmen? oder der Meister, der nur ein Kalb daraus macht, da er etwann einen Cherubin hätte giessen sollen warum hat der Aaron einen so schlechten Goldschmied abgeben? ihme, als dem Obersten Priester ist es zu gestanden, alle Aergernuß zu verhinderen; dann mir, als einem schlechten, und zu dem untersten Saum des Rocks verordnetem Metall, wolte es nicht gebühren, einem hohen Priester Maaß und Ordnung zu geben. Du, mein Religion! hättest ihm, und dem Jeroboam sollen darüber ein grösseres Gewissen machen; den Zorn GOttes besser vorstellen, etc. So wäre alle Abgötterey verhindert worden. Mit der Rachel kommt man mir eben recht. Wann hat sie sich an den goldenen Götzen-Bildlein ihres Vatters vergriffen? Text her; Schrift her. Um dieselbige Zeit nemlich ist es geschehen, da der Laban auf seinem Land-Gut mit dem Schaafscheren umgienge. Mercks: Die Rachel hat ihren Vortheil ersehen, und ist über die goldene Haus-Götzen hergewischt, da ihr Vatter mit dem Schafscheeren beschäftiget ware Hatte aber der Laban diese Bildlein vielleicht wenig geachtet? mit nichten. Sie waren ihm so lieb, daß er ihrenthalben, und nicht wegen seiner 2. entführten Töchteren, dem Jacob mit grossem Unwillen nachgesetzt. Warum hat er sie dann nicht besser verwahret? Antwort: Dieweil er dem Schaaf-Scheren nachgangen. Wohl ein schöne, erhebliche Ursach! dann wo der Geitz gar zu emsig ist, da gehet es bey der Religion kaltsinnig zu. Die Schaaf gehen vor; GOtt nach. Stehle man die Götzen, wann man nur Woll hat. Wo dem Geitz zu warm ist, da frieret die Religion. Und hiemit haben meine Gegner auch ein Antwort auf die übrige vorgeworfene, aber niemahls erwisene Mißhandlungen; nemlich Verkauffung geistlicher Pfrunden, Kirchen-Raub, Eröfnung der Gräber, und dergleichen. Welche alle ich mit wenig Worten verneine; dann nicht ich, sondern Geitz und Hochmuth haben es gethan. Im übrigen hat sich fürwahr die Religion wider das Gold nicht zu beschweren; sondern vielmehr gegen selbigem sich dankbar einzustellen. Dann wer hat den Tempel zu Jerusalem ausgezieret? wer den Bunds-Kasten überzogen? aus was für einer Materi war dann der vor dem Heiligthum stehende Leuchter [787] von sieben Amplen? aus wem die zwey grosse Cherubin, so den Gnaden-Thron hielten? Aus wem schier alle Opfer-Geschirr, Gold, Gold, aus purem Gold. Auch jetzt im neuen Testament lasse ich mich zum GOttes-Dienst brauchen. Gehe einer hinein in die Kirchen der Christen an vielen Orthen (aufs wenigst an denen, wo den Reichen nicht auch das Schaaf-Scheren lieber, als die Zierd des Altars ist) so wird er sehen, was an vornehmen Festen von Leuchteren, Bilderen, Mayen-Taflen, Kelchen, Monstrantzen, von Antipendien, Pluvialen, Meß-Gewändteren und anderem Kirchen Ornat, am meisten schimmert, Gold oder Silber seye.


Will nicht anregen, daß ich mich zu kleinen dünnen Blätlein werde schlagen lassen, nur damit man die Altär und Bildnussen der Heiligen fassen und vergulden könne. Ich geschweige so vieler 1000. Schläg, die ich von des Goldschmids Hammer empfangen werde. Ich gedencke nicht des feurigen Ofens und Schmeltz-Tiegels, darinn man mich zu mehrmahlen wird werffen, des langweiligen Feilens, Polirens und Ausbutzens, biß ich die rechte Form etwann eines Crucifix oder Kelches überkomme. Welches alles ich gern und gedultig, ohne eintzige Wiederspenstigkeit der Religion zu lieb, theils schon ausgestanden hab, theils noch inskünftig auszustehen bereit bin. Was hat man dann wider mich zu klagen? habe ich nicht meine Unschuld bis dato wider alle mir, und meinem Geschlecht zugemessene Unbild genugsam wiederlegt? doch alles dem Gerechten, freyen Urtheil Euer Majestät gäntzlich heimgestellt, dero Ausspruch ich in aller Unterthänigkeit erwarte.


Anjetzo wirst du lieber Leser wollen hören, wie dieser Ausspruch laute. Allein, weilen er uns eigentlich nicht bekannt ist, werden wir die Vernunft müssen zu Rath ziehen, welche uns muthmassen macht, das Gold seye ledig gesprochen, jedoch unter dieser Bedingnus, wann man selbiges zur Nothwendigkeit des Hausweesens anwende; das übrige aber unter die Arme austheile. Dann auf solche Weiß gibt der gerechteste Richter denen Tugenden nicht unrecht, weilen ihm wohl bewußt, daß ihre Klagen nicht so sehr wider das Gold, als dessen Mißbrauch gangen. Mit welchem Ausspruch dann beyde Partheyen wohl zufrieden seyn können, und werden die Tugenden auf ein neues des Schlusses seyn, forthin so viel ihnen möglich, beste Oösicht zu haben, damit dieses edle Metall den Geitzigen, den Dieben, Verrätheren, und anderen nichtswerthen Leuten nicht viel in die Händ komme, sondern zur Nothdurft, Kirchen-Zierd, und Beyhülf der Armen angewendet werde. Rauscher S.J. in Festivali 1. Conc. 2. de 3. SS. Regibus.

[788] Bericht an den Catholischen Leser.

Folgendes Examen, weilen es einer Fabel gleich ist, kan es den Vorhergehenden den Beschluß machen. Jedoch kommen darin viele Sachen vor, die zum Grund die pur lautere Wahrheit baben, was zur Verthädigung Catholischer Lehr eingemengt wird.

Schriftmäßiges Examen

Das 1. Capitel
Das erste Capitel.
St. Petrus. St. Paulus. St. Jacob. Martin Luther.

St. Peter. Wer da? Wer klopfet an der Himmels Porten? Luther, gut Freund. St. Peter. Wer ist gut Freund? Luther. Doctor Martin Luther. St. Peter. Ho ho! Doctor Luther? Ja wohl gut Freund. Du bist der Mann darnach, daß du St. Peters guter Freund seyest. Luther. Wie da, H. Peter. St. Peter. Packe dich von dannen. Ein ausgesprungener Mönch, der an seinen Gelübden meyneidig, vom geistlichen Stand flüchtig, vom Glauben abtrinnig, und ein Feind der Catholischen Wahrheit ist, kan mein Freund nicht seyn. Packe dich derowegen geschwind vom Himmel hinweg, oder ich werde dir Füß machen. Luther. Ach Heil Peter! ach gütigster Fürst der Apostlen! St. Peter. Fort mit dir, oder ich nehme meine Schlüssel, und schlage sie dir um die Ohren herum Luther. Ach guldener St. Peter, zörne nicht, sondern erbarme dich meiner. St. Peter. Luther, packe dich geschwind fort, oder ich lasse dich bey den Füssen wie eine todte Sau fortschleppen. Luther. O Petre, O barmhertzigster Portner des Himmelreichs! St. Peter. Freylich des Himmelreichs, welches dir aber auf ewig verschlossen ist. Luther. O würdigster Statthalter Christi! St. Peter. Dessen [789] du ein abgesagter Feind warest auf Erden. Luther. O du Grundsaul der Catholischen Kirchen. St. Peter. Welche du untergraben und einzureissen dich bearbeitet hast. Luther. Heiliger Petre, es ist zwar wahr, ich gestehe es: aber es reuet mich von Hertzen. St. Peter. Ja, jetzt reuets dich. Das Liedlein hättest du ehender singen sollen. Aber indem die Kuhe gestohlen ist, da machest du den Stall zu. Luther. O guldener Himmels-Portner, mache mir doch die Thür auf. St. Peter! mein! Wörtle doch nicht nicht viel. Es ist vergebens, ich mache nicht auf. Und wann ich schon aufmachen wollte, so hilft es dich doch nichts; du könntest nicht herein kommen. Luther. Warum das, Heiliger Petre? St. Peter. Erstlich, weilen die Himmels-Porten gar klein und eng ist: du aber hast deinen Wanst also angefüllet, und deinen Bauch also gemästet daß du durch ein so enge Thür nicht kanst hinein kommen. So bist du auch der Mann nicht, der es um mich verdienet hat, daß ich deinetwegen die Thür einreisse, und eine neue grössere mit grossem Unkosten bauen lasse. Neben deme, wann ich dich schon mit Gewalt hinein zoge, wo wolltest du deine Herberg aufschlagen? an was für ein Orth meinest du, daß du gehörest? unter die Menschen, oder unter die Engel? Luther. Unter die Engel begehre ich nicht, ich will mich begnügen lassen, wann ich der Unterste unter den seeligen Menschen bin. St. Peter. Das dancke dir ein spitziges Höltzlein. Glaube es wohl, du liessest dich begnügen. Aber so gut wird es dir nicht gehen. Dann unter welchem Chor der Heiligen wolltest du der Unterste seyn? Im Himmel seynd entweders unschuldige Kinder, oder Patriarchen, oder Propheten, oder Apostlen, oder Martyrer, oder Jungfrauen, oder Beichtiger, welche ihr Leben in scheinbahren Tugenden und Heiligkeit beschlossen haben. Nun aber gehörest du unter keinen oberzehlten Chor. Dann kein unschuldiges Kind bist du. Luther. Das weiß ich wohl. St. Peter. So bist du auch zu jung darzu, daß du ein Patriarch seyest Luther. Das gestehe ich. St. Peter. Bist du dann ein Prophet? Luther. Ach nein! ich hab zwar einer seyn wollen, aber meine Prophezeyhungen waren schier lauter Lugen. St. Peter. Bist du dann ein Apostel, oder Martyrer. Luther. Auch nicht St. Peter. Bist du ein Jungfrau, Luther. O GOtt! nein. Ich habe ja eine Frau gehabt. St. Peter. Ey! sage, du habest eine Hur gehabt, und deßwegen kanst du nicht zur Hochzeit des unbefleckten Lamms gelassen werden. Doch bist du vielleicht ein Beichtiger? Luther. Das ware es, was ich seyn wolte. Ich bin ein Beichtiger, oder besser zu reden, ein Bekenner Christi. St. Peter. Freylich warest du kein Beichtiger, dann du hassest die Beicht, wie der Teuffel. Du warest zwar ein Bekenner, aber kein heiliger Bekenner, gleichwie die waren, welche bey mir im Himmel sich erfreuen. Luther. [790] Das solte mir ein Wunder seyn. St. Peter. Wann du dein Leben mit ihrem Leben vergleichen willst, wird dir das Verwunderen bald vergehen. Die liebe Heilige haben mit Fasten und Abbruch den Leib ausgemergelt, du aber hast dich täglich wie ein dicke Wurst angefüllet und geschoppet. Die Heilige haben in Zucht und Reinigkeit, du in Wollust und Geilheit das Leben zugebracht. Jene haben mit Betten und Betrachten, du mit Fressen und Sauffen (aus deinem bekannten Catechismus-Glaß) Tag und Nacht verschlissen. Jene haben in Demuth und Widerwärtigkeit um der Seelen-Heyl willen gelebt; du hast nicht allein in Hoffart und Widerspenstigkeit gelebt, sondern auch so viel 1000. Unterthanen zum Ungehorsam, Aufruhr und Rebellion angereitzt. Jene haben in Haltung der Gebotten GOttes mit Zacharias und Elisabeth Lucä c. 1. ohne Klag vor GOtt und den Menschen gewandelt, du aber hast sie für unmöglich zu halten ausgeschryen, und deßwegen zu halten dich nicht beflissen. Jene haben mit allerley guten Wercken ihren Beruf gewiß gemacht, und den Himmel zu verdienen sich bemühet, du hast alle gute Werck als untauglich, ja schädlich verspottet und verworffen. Ist deme nicht also? Kanst du ein eintziges Wort davon laugnen, so sage es nur kecklich. Luther. Nein, ich muß alles gestehen. Doch bleibe ich bey dem: ich bin ein Bekenner Christi, und bin es allezeit gewesen. Ich hab den Glauben und die Verdienst Christi mit Hertz, Zungen und Feder vor der gantzen Welt offentlich bekennet. Ich hab geglaubt an das bittere Leyden und Sterben Christi. Ich hab geglaubt, daß Christus mein Erlöser für mich gestorben und überflüßig genug gethan habe. Ich hab geglaubt, daß durch sein heiliges Blut mir alle meine Sünden nachgelassen und verzyhen seyen. Und mit diesem Glauben bin ich also vergnügt, daß wann ich schon die Sünden der gantzen Welt begangen hätte, ich dannoch nicht könnte verdammt werden, wann mir mein Glaub steif bleibt. St. Peter. Ist dann der Glaub allein genug ohne die Liebe? Luther. Ja freylich. St. Peter. Auch ohne gute Werck? Luther. Freylich ohne einiges gutes Werck. St. Peter. O Martin, O Martin! der H. Vatter Augustinus in dessen Orden du zuerst gelebt, hat dich nicht also gelehret. Dann er spricht also: der Glaub mit der Lieb, ist der Glaub eines Christen; der Glaub ohne Lieb, ist ein Glaub der Teuflen. Hörest du das? Luther. Was frage ich nach Augustino? Ich halte mich an die Bibel. St. Peter. An die Bibel? Martin, ich bin ein Apostel, und weiß die Bibel auswendig, und meyne auch, ich verstehe sie besser, als du; habe aber noch nie darinnen gelesen, daß der Glaub allein seelig mache. Welcher Apostel hats geschrieben? Luther. Der H. Paulus. St. Peter. Mein, wo? Luther. Zu den Römern am 3. sagt er: wir halten dafür, der Mensch werde gerechtfertiget durch den Glauben, ohne [791] die Werck des Gesatzes. St. Peter. Er sagt zwar durch den Glauben; aber nicht durch den Glauben allein; und zwar ohne die Werck des mosaischen Gesatzes; aber nicht ohne die Werck der Liebe. Mein lieber Mit-Bruder Paulus handlete dazumahlen wider die Juden, welche an die mosaische Ceremonien und Gebräuch also angebachen waren, daß sie meinten, man könne ohne dieselbige nicht zur Seeligkeit gelangen. Deswegen sagt Paulus, wir werden gerechtfertiget ohne die Werck, nemlich des mosaischen Gesatzes. Womit er dann die Werck der Liebe, Andacht, Barmhertzigkeit, etc. gar nicht ausschließt. St. Paulus. Was gibts hier für ein Disputation? wer pranget mit meiner Epistel zu den Römern? St. Peter. Da kommst eben recht, St. Paule! siehe! da kommt einer aus der unteren Welt daher, welcher, wiewohl er nichts, als den Glauben an Christum mitbringt, begehrt er doch in den Himmel gelassen zu werden, vorgebend, du habest den Glauben ohne die Werck den Himmel versprochen. St. Paulus. Wer ist der Mann, der mir solche Lehr aufburdet. Bist es du? wie heißt dann? Luther. Doctor Luther heisse ich. St. Paulus. Potz! bist es du? O Luther! du bist bekannt, wie ein böser Pfenning. Wann alles wahr ist, was ich böses von dir gehört hab, so wirst du wenig Spring im Himmel machen. Luther. Um Verzeyhung, heiliger Paule! wann ich fragen darf; was sagt man dann von mir? ich weiß mich nichts sonderliches Böses zu entsinnen. St. Paulus. Nichts Böses? ich wurde heut nicht fertig, wann ich alles erzählen wolte. Du magst sehen, wie du dich verantwortest. Ich will allein anzeigen, was wider mich lauft. Nemlich, daß du meine Epistel, welche ich geschrieben, und die mir der Heil. Geist in die Feder angegeben, nicht allein mit ungereimten, ungegründeten, und falschen Auslegungen gedrähet und geschändet, sondern auch mit erdichteten, und aus deinem schwermischen Schwindel-Hirn verfälschet hast. Andere Text hier zugeschweigen, so kanst du nicht laugnen, daß du den Spruch zu den Römern: wir halten dafür, der Mensch werde gerechtfertiget durch den Glauben, verfälscht, und das Wörtlein Allein (durch den Glauben allein) darzu geflickt hast. Steht das einem ehrlichen Bidermann zu, die apostolische Lehr, ja das Wort GOttes verfälschen? Luther. Heiliger Paule! ich bitte dißfalls demüthigist um Verzeyhung: ich meinte, das wäre der eigentliche Sinn und Verstand dieser Worten. St. Paulus. Ja wohl, ich meinte. Hattest du dann nicht gelesen, was ich zu den Corinthern geschrieben, da ich ausdrucklich gelehret, daß wann schon einer Wunderwerck thäte; wann er schon in Feuer verbrennt wurde; wann er schon all sein Haab und Gut unter die Arme austheilte; wann er schon einen Glauben hätte, daß er Berg versetzte, hätte aber die Liebe nicht, so [792] wurde alles dieses ihm zur Seeligkeit nicht helffen. Liese die klare teutsche Wort, Cor. 13. Item, hattest du nicht gelesen, was ich zu den Galatern geschrieben. Gal. 5. In Christo JEsu gilt weder die Beschneidung, noch die Vorhaut etwas; sondern der Glaub, der durch die Liebe würcket, deren du beraubt bist. So packe dich derohalben nur geschwind von dannen. Luther. Heil. Paule! ich hab geirret: es ist mir leyd von Hertzen. St. Paulus. Leyd hin, Leyd her. Es hätte dich reuen sollen im Leben; jetzt aber ist es zu spat. Dein eintzige Reu gilt kein Pfifferling mehr. Du aber, lieber Mit-Bruder Petre! lasse bey Leib den Kerl nicht herein wischen. St. Jacob. Was gibts hier für ein Geschrey? über wem zörnest du also, lieber Paule? St. Paulus. Hier steht der saubere Vogel, Martin-Luther, und meinet: ich solle ihm verhilflich seyn, daß er im Himmel eingelassen werde. Ist das nicht ein vermessenes Begehren? St. Jacob. Ist Luther da? der abtrinnige Mönch? der Ertz-Ketzer? der mein Apostolisches Send-Schreiben ein strohene Epistel gescholten hat? ja, er schickt sich in den Himmel, wie ein Geiß-Bonen in ein Balsam-Büchslein. St. Paulus. Gelt? Luther! der sagt dir die Meinung? St. Jacob. Trolle dich von dannen, oder ich will dir zeigen, was du für einen Lohn verdient habest, da du mich also entunehret, und meine Catholische Epistel so freventlich verworffen hast. St. Peter. Hörest du Luther! was die Himmels-Fürsten für ein Urtheil über dich fällen? sie finden kein Haar gut an dir. Gehe hurtig auf eine Seite, damit dir nicht etwas ärgers widerfahre.

Das 2. Capitel
Das zweyte Capitel.
Mercurius. St. Peter. Calvinus. Lutherus.

Mercurius. GOtt grüsse euch Petre. St. Peter. Was bringst du da für eine dürrbeinige, ausgedörrte Larven her? Mercurius. Das ist ein verschlagener Spitz-Kopf, ein durchtriebenes Hirn. St. Peter. Wer ist er dann? wie heißt er? Mercurius. Er heißt Johann Calvinus, der jüngsthin zu Genf an der Laussucht gestorben. Luther. Ja, das ist ein sauberer Vetter; das ist der rechte Sacrament-Schwärmer, Heiliger Peter! es ist ein Ehrloser, nichtswerthiger Ertz-Ketzer. Wann ich solcher Haaren wäre, wolte ich wohl an den Himmel nicht gedencken. St. Peter. Ich kenne den Vogel schon an den Federn Calvinus. Wohlan Petre! mach mir die Thür auf, daß ich in Himmel gehe. St. Peter. Ey, wie so herrisch! man wischt nicht also in den Himmel herein, wie ein Pfeiffer in das Wirthshaus: es gehört mehr darzu. Calvinus. Mach auf, mach auf, ich muß alsobald hinein: geschwind. St. Peter. Wie geschwind dann kommst hinein? gelt so geschwind, als ein Kuhe in ein Mauß-Loch schlieft. Calvinus. Mache nicht viel Wort: ich gehöre in den [793] Himmel, und muß gleich hinein. St. Peter. Wahrhaftig, heut wird nichts daraus. So gedunckt mich auch nicht, daß du hinein gehörest. Dann Todschläger, Ehebrecher, Bubenschänder, und Unzüchtige, etc. werden das Reich GOttes nicht besitzen. Siehe! was hier ob der Himmels-Thür mit goldenen Buchstaben geschrieben steht: nichts Beflecktes und Unsauberes wird hinein gehen; du aber bist auf allen Seiten mit Sünden befleckt, ja ein lauterer Unrath. Calvinus. Das hindert alles nichts: kein Sünd kan mich aus dem Himmel ausschliessen. Mercurius. Das muß mir ein Kuhe lachen. Calvinus. Ich kan so wenig der Seeligkeit beraubt werden, als Christus JEsus selblt. St. Peter. O gottslästerliche Zung! was sagst du? Calvinus. Ich bin ja zum ewigen Leben auserwählt und prädestinirt. St. Peter. Ja wohl prädestinirt. Da inwendig hinter der Thür ist ein Buch, darinn alle Namen der Prädestinirten eingeschrieben; deinen Namen aber, wie wohl ichs tausendmahl durch und durch gelesen, hab ich noch nie gefunden. Calvinus. Ich hab ja vestiglich geglaubt, daß ich zur Seeligkeit prädestinirt seye. St. Peter. Hast du es geglaubt, so hast du gefehlet, und hast geglaubt wie die Ketzer zu glauben pflegen. Und mein! wie hast du es glauben können? was man glaubt, das muß von GOtt geoffenbahrt seyn. Wo hat aber GOtt geoffenbahrt, daß Johann Calvinus prädestinirt seye? weiter: so hat mein lieber Mit-Apostel Paulus zu den Römern am 8. geschrieben: daß, welche GOtt prädestinirt hat, die hab er beruffen, daß sie gleichförmig wurden der Bildnuß seines eingebohrnen Sohns. Du aber, wo hast du dich jemahlen dieser Gleichförmigkeit beflissen? siehe! ob du nicht dem Belzebub gleicher, als Christo gewesen seyest. Christus war demüthig, sanftmüthig, und ein Spiegel aller Tugenden: du aber warest hoffärtig, rachgierig, grausam, mit allerhand Laster behaft und verschreyt. Dein Cammerad, Martin Luther weißt von deinen gebührenden Titlen aufzuschneiden. Luther. Nein, ich wußte schier nicht, ob ich ihn eigentlich tituliren könte. Das, was man von einem Knaben-Schänder, Wüterich, Mörder, Ketzer-Bruth, und gantz verzweifelten Menschen sagen kan, ist alles zu gering für ihn. Calvinus. Siehe da! der großkopfige Maul-Christ, der dickbauchige Weinzapf, der tolle Bier-Schlauch will an mir armen Tropfen zum Ritter werden. Mercurius. Ey! was für ein feines paar Männer ist das! die könte man in einer Pfeffer-Mühle zerreiben, und dem Teufel in sein Toback-Büchslein schütten: wie wurde er davon niessen! wie solte es krachen! St. Peter. Höre Mercuri! führe diese zween Gesellen geschwind zu dem höllischen Schifmann Charon, und sage ihm, er solle sie über den höllischen Fluß Cocytum führen; damit sie diesseits keine schlimme Händel mehr anspinnen, jenseits aber den höllischen Richtern überantwortet werden. Luther. Ach heiliger Petre! verschone zum wenigst meiner. Lasse mich um[794] GOttes willen in den Himmel; ich will gern im hintersten Winckel hinter der Thür sitzen, und Maus-still seyn, und keinem kein Leyd thun. St. Peter. Nein, es soll keiner aus euch herein kommen: es seynd gar viel Päbst im Himmel, welche ihr ärger, als den Teufel hasset. Ihr köntet euch mit ihnen nicht vertragen. So gibt es auch gar viel junge Nonnen, und schöne Jungfrauen hierinn. Ich wußte nicht, ob ihr euch enthalen wurdet. Iht waret auf Erden disfalls so gar schlipferig, daß euch auch im Himmel nicht wohl zu trauen wäre. Calvinus. Ey heiliger Petre! was sagst du? wir wolten uns besseren, St. Peter. Ja wohl besseren, wie ein alter Wolf. Der verändert zwar die Haar, behaltet aber seine Haut allzeit. Letztlich leydet man im Himmel keinen Haß noch Zorn. Dann auf dem schönsten Haupt-Platz im Himmel, allwo die Heilige alle Tag zusammen kommen, stehet mit grossen Buchstaben geschrieben: Kein Haß oder Groll, sondern lauter Liebe seye im Himmel, als welcher da ist das Reich der Ruhe, des Friedens, der Einigkeit: Ihr aber seyd wie zween bissige Ketten Hund: bald murret ihr, bald bellet ihr, bald beisset ihr einander: es ist ein ewiger Zwispalt unter euch. Deswegen trollet euch geschwind in die Höll hinab: da möget ihr kratzen und beissen, nagen, zancken und haderen, so lang ihr wolt, in alle Ewigkeit. Calvinus. Ist dann keine Hofnung übrig, in die ewige Freud zu kommen? St. Peter. Nein, kurtz zu sagen: Es ist kein Hofnung übrig. Und damit ihr es augenscheinlich erfahret, so frage ich euch: Habt ihr die Gebott GOttes gehalten? Luther. Nein: sie seynd unmöglich zu halten. So wenig, als ich einen Haasen erlauffen werde mit meinem dicken Bauch, so wenig kan man die Gebott halten. St. Peter. Wohlan. Aus deiner eigenen Bekanntnuß, und aus dem Mund Christi urtheile ich dich, du böser Knecht. Christus sagt Matth. 19. Wer meine Gebott nicht haltet, der kan zum Leben nicht eingehen. Das seynd die Wort Christi. Ihr aber habt die Gebott GOttes nicht gehalten. Ergò, so könnet ihr ins Leben nicht eingehen. Calvinus. O wehe! dieser Schluß ist böß. St. Peter. Aber wahrhaftig, und gerecht! Item frage ich euch: Habt ihr auch gute Werck gethan? Calvinus. Nein; dann unsere Werck seynd lauter Todsünden. Luther. Es war mit unserem Thun verlohren wir verdienen nichts als Zorn. St. Peter. Wohlan: Wer lauter böse und Zornswürdige Werck begehet, der wird ins ewige Feur geworfen werden, Joh. 15. Ihr aber habt, euerer Aussag nach, lauter böse und Zorns-verdiente Werck gethan. So werdet ihr in das ewige Feur gestürtzt werden. Calvinus. Das müßte wohl der Teufel seyn. Mercur. Ja, nicht viel besser. St. Peter. Mercuri! führe sie hin, wohin sie gehören. Calvinus. Ach gnädigster Himmels-Portner! daß du diesen schmeerbäuchigen Bachus mit seinem grossen Kappis-Kopf zur Höllen hinab schickest, da thust du nichts, als billiges; in Bedencken, daß er aus lauter Unsinnigkeit,[795] und aberwitzigen Grollen wider den Pabst seine Ketzerey auf die Bahn gebracht, und das arme Völcklein verfürt hat: ich aber habe meine Sachen viel gelimpfiger angegriffen; hab meine Erneuerung viel spitziger gedrähet, und also artig auf die Schraufen gesetzt, daß mancher Doctor zu thun gehabt, bis er nur auf die Haut kommen. Hoffe also, ich werde noch Gnad finden; absonderlich, weil ich mich theur und hoch verschwöre, daß ich nach Möglichkeit mich danckbar gegen dir einstellen wolle. Wann es dir beliebig, will ich dir an der Porten aufwarten: und wann du vielleicht anderwärths beschäftiget wärest, will ich unterdessen die Himmels-Schlüssel in Verwahr nehmen. St. Peter. Ja freylich: das hiesse der Katz den Speck vertrauen. Nein, ich traue dir nicht. Du möchtest deine spitzköpfige Calvinisten von Genf, und aus Franckreich herein lassen. Das gebe hernach unfehlbar böse Händel. Luther. So nehme dann mich auf zu einem Diener. Als ein guter Teutscher will ich dir mit teutscher Redlichkeit aufwarten, und die Schlüssel verwahren. St. Peter. Nein, nein: ich müßte förchten, du liessest den Teufel selbst herein: weil du sowohl mit ihm bekannt bist, und so viel Saltz-Fässer mit ihm ausgeessen. Ich traue nicht: es ist ein Vogel wie der ander: der Diebs-Hencker wird euch bald rupfen. Mercuri! führe sie hurtig fort. Mercur. Soll ich sie dann ohne Unterscheid fortschleppen? Einen, als wie den anderen? St. Peter. Ja, ja: es ist keiner um ein Haar besser, als der andere. Jedoch weil Calvinus etwas spitzfindiger in der Schelmerey geweßt ist, so giebe ihm das Privilegium, daß er auf einer alten Gurren reuten därfe; Luther aber, der nur plump darein platzet, solle zu Fuß gehen. Nur also fort mit euch.

Das 3. Capitul
Das dritte Capitul.
Charon. Mercurius. Calvinus. Lutherus.

Charon. Woher, woher, Mercuri! bey dem staubigen Wetter? was ist das für ein spanischer Aufzug, daß einer zu Pferd in die Höll hinunter postiere? was ist dies für ein alle modischer Reuter? Mercurius. Guten Abend, lieber Altvatter! hier bringe ich Johann Calvinum, welcher schon manche Squadron verdammten Seelen voran geschickt hat. Charon. Potz! ist das der spitzbärtige Calvinus? Geschwind aus dem Sattel; hier laßt man keinen zu Pferd tummlen, oder turnieren, wann es schon der Kayser von Constantinopel selbst wäre. Alsobald herunter mit dir. Warte ich will dich beym Kragen erdappen. Da liegst du. Calvinus. O Jammer! wie geht es hier zu! Charon. Seye nur zufrieden: das ist erst der Willkomm: es wird noch ärger kommen. Jetzt fallen alle Blätter auf dich; bald werden gantze Bäum auf dich platzen. Aber was sehe ich? was ist das für ein Brandmahl? wer hat dir die frantzösische Lilie aufgedruckt? [796] Mercur. Wer wirds gethan haben, als der Hencker? Charon. Wie da? Mercur. Weißt du das noch nicht. Das wissen alle Kinder zu Noyon in Franckreich. Es ist dieser Vogel einsmahl in einer so schandlichen Unzucht erdappet worden, daß er das hitzige Fieber auf dem Scheiterhauffen verdient hätte. Doch haben ihm die Blutrichter die Straf gemiltert, und allein die glüende Lilie eingedruckt. Charon. Pfui Belial! diesen Unflat hättest du nicht auf einem Gaul, sondern auf einem garstigen Hund, oder auf einem stinckenden Bock hieher führen sollen. Das wäre ein rechtes Tummel-Pferd für ihn geweßt. Oder, wann ichs gewußt hätte, wolte ich meinen dreyköpfigen Cerberum gesattelt, und ihm entgegen geschickt haben. Auf dem hätte er herein galoppiren können. Wer ist aber dieser mit seinem ungeheuren Bauch? Mercur. Das ist Doctor Martin Luther, des Printzen Lucifers guter Bekannter. Charon. Wie siehet er aus? was für einen geschornen Kopf hat er? Mercur. Ja, er ware anfänglich ein Mönch. Als ihn aber das muthwillige Fleisch zur Begierlichkeit angetrieben, hat er seine Kappe an den Nagel gehänckt, ist aus dem Closter gesprungen; und damit er bey der Geistlichkeit bliebe, hat er ein GOtt geweyhte Nonn verführt, und unter dem Prätext des Ehestands zu einem Kebsweib angenommen. Charon. Ho, ho! ists ein solcher Kerl? ich hab dergleichen Mönchen schon viel herüber geführt; seynd aber nichtswerthige Vögel, und viel ärger, als der gemeine Mann gewesen Mercur. Das ist ein altes. Je besser der Wein ist, je schärfer wird der Essig daraus. Je frommer sie im Kloster waren, je schlimmer seynd sie draussen. Das ist gemeiniglich ihr Leyren. Anfänglich seynd sie still im Closter; bald darauf werden sie frech. Darnach springen sie aus dem Orden, lauffen zu den Ketzeren, und werden endlich Prädicanten. Da haben sie den Bettel beysammen. Charo. Pfui! Mercuri! was hat Luther für einen stinckenden Athem? er hat gewiß Knoblauch gefressen. Es stinckt ihm auch die Hefen aus dem Rachen heraus. Mercur. Man muß ihm das verzeihen: er hat sich erst gestern mit Fressen und Sauffen also angefüllet, daß ers noch nicht verdäuen können: Du aber, lieber Charon! siehe zu, daß du sie geschwind über den Cocytum hinüber bringest; dann ich hab zu eilen, und muß alsbald wieder fort. Charon. Ja wohl eilen ich bring sie heut kaum hinüber, wann du nicht bleibst, und ein wenig Hand langest. Mercur. Warum das? Charon. Den dürrmauligen Frantzosen will ich bald drüben haben; aber die dicke Mast-Sau die kan ich ohne Gefahr nicht ins Schiflein laden. Mercur. Meinest du wohl, daß er so schwer seye? Charon. Ich wolte lieber einen ungarischen Ochsen einladen. Ich könnte mit ihm zu Grund gehen. Das wäre mir ein schöner Handel, um eines Ketzers willen sich in Gefahr stürtzen. Mercur. Seye zufrieden; er solle dir den Fuhrlohn bezahlen. Ich selber will dir einen halben Gulden geben: man giebt ja von Wagen und Pferd nicht mehr? Charon. [797] So wahr ich ein ehrlicher Mann bin (ist hoch geschworen) ich wolte nicht ein spanischen Thaler nehmen, diesen dicken Bachus in mein Schif zu nehmen; er druckts zu Boden. Er hat ja einen Kopf, wie ein Saltzscheiben? Backen, wie ein Sackpfeiffen? der Bauch ist, wie ein fudrig Faß? die zween Füß wie zween Rührkübel? sehet nur seine Finger an. Der Daum ist dicker, als mein Arm. Nein ich nimme ihn nicht in mein Schif. Mercur. Wie bringen wir ihn dann hinüber? Charon. Hier hab ich ein grobes Schif-Seil. Mit dem will ich ihn hinten ans Schif binden; da muß er mir halb schwimmen, und ich will ihn halb fortziehen. Allons! Calvine herein; da setze dich auf das Brett nieder, und sitze mir still. Regest du dich aber, so solst du erfahren, wie ich dir deinen Spitzkopf mit dem Ruder denglen will. Du aber, Luther! giebe den Hals her. Luther. Ach! binde mich nicht zu hart; ich kan ohne das kaum schnauffen. Charon. Ich wills hübsch machen; seye nur still. Der Strick ist schier zu kurtz; er geht kaum um den dicken Hals herum. Luther. Ach! ich erstick, ich erstick. Charon. Seye gutes Muths, wir wollen bald drüben seyn. Mercur. Schmeisse auf ihn zu, daß er fortschwimme. Luther. O wie ist das Wasser so kalt! ich erfriere, ich erfriere. Charon. Warte nur ein wenig; in der Höll wirst du dich bald erwärmen. Mercur. Halte das Steur-Ruder: ich will mit dem Fahrbaum das Schif fort treiben. Mercur. Das geht hurtig fort: wir seynd herüber. Charon. Heraus, Calvine! helft, helft alle, daß wir den Luther, den dicken Balg heraus ziehen. Ziehet, ziehet. Jetzt ist er heraussen. Sehet! wie er aussiehet; sehet! wie er zittert, wie ein Espen-Laub. Mercur. Wie gefallts dir hier? Calvine! Calvinus. Gar übel: die Haar stehen mir alle gen Berg. Mercur. Warum das? Calvinus. Es dunckt mich, ich sehe schon die trutzige Gesichter der Höllen-Richter. Es dunckt mich, ich höre schon den unwiderruflichen Sententz, den sie wider mich fällen werden. Es dunckt mich, ich empfinde schon die unbarmhertzige Streich der wüttenden Megärä. Ich förchte, ich sterbe vor Schröcken. Mercur. Du darfst dir nicht forchten, daß du sterbest: dann Sterben wäre dein gröstes Glück. Calvinus. Giebts dann kein Ort mehr hier, da sich einer verbergen kan? Charon. Ach! nein. So finster als es hier scheint, so offenbahr ist doch hier alles. Calvinus. O Jammer! O Elend! O Pein! O ewige Qual! Charon. Luther! wie schweigest du so still! Luther. Ich hab noch nicht verschnaufet. Charon. Höret, ihr zween Cameraden! ich will euch einen guten Rath geben. Sehet ihr diesen breiten gebahnten Weeg? der gehet gerad der Höllen zu. Gehet nur geschwind fort, sonst kommt die Megära mit ihren Schlangen-Peitschen, und geiselt euch also, daß ihr springen müßt, wie die Dantz-Bären. Sehet ihr, wie sie dort her rennet? sehet, wie ihr die Augen funcklen, ärger als der Katzen. Sehet, wie ihr die Schlangen um den Kopf wüten. Wie sie ihr Geisel schwinget. Gehet flux fort. Luther. [798] Ach Mercuri! ich hab die letzte Bitt an dich. Mercur. Sags geschwind, was ists? Luther. Ich hab auf Erden noch viel bekannte Freund, und liebe Sauf-Brüder, die ich zur Ketzerey, und allem Luder gebracht hab. Sags ihnen doch, wie es mir ergehe: damit sie sich bekehren, und nicht auch in solches Elend gerathen. Mercur. Sie haben Catholische Prediger genug: wann sie diesen nicht glauben, so werden sie auch mir nicht glauben. Gute Nacht. Lasset euch in der Höllen nichts Böses traumen.

Das 4. Capitel
Das vierte Capitel.
Megæra. Calvinus. Lutherus.

Megära. Wie schlenckert ihr zween daher, als wann euch die Lenden wären eingeschlagen! als wann ihr baumwollene Bein, und wächsene Knochen hättet. Lauffet; oder ich will euch Füß machen. Calvinus. Wir haben gar einen schlechten Lust zu eilen. Megära. Lust hin, Lust her. Hier heißt es nicht, ich will; sondern, ich muß: das ist euere wohl verdiente Buß. Luther. Wo geht dann der Weeg hin? Megära. Gerad an das höllische Gerichts, Haus: da wird der Oberrichter mit seinen Schriften sich einfinden, und nach reiffer Erforschung euer Missethaten die verdiente Straf abmessen, und ernennen. Sehet! das ist die Haupt. Porten der Höllen. Luther. O wehe: ist das das Haupt-Thor? kein Camin in Westphalen ist so russig, als dieser Eingang. Hier ist aber kein Thür. Megära. Das weiß ich wohl; dann die Höll stehet Tag und Nacht offen. Aber dort neben liegen zwo von hartem Ertz gegossene anderthalb Spannen-dicke Thüren. Mit diesen wird die Hölle nach dem Jüngsten Tag also verschlossen werden, daß in Ewigkeit keiner heraus, und niemand hinein kommen könne. Luther. Was bedeutet der so glatt-geschliffene Spiegel, der neben diesem Thor hangt? spieglen sich dann auch die Teufel, wie die Weiber? wie die hoffärtige Jungfrauen? Megära. Nein, man bekümmert sich hie nicht um schöne Gestalt. Man giebt nicht Acht auf die weisse und rothlechte Backen. Es ist alles Kohlschwartz, rußig und unsauber, sondern es müssen sich hierin spieglen alle, die in die Höll hinein gehen, ehe sie für das Gericht gestellt werden. Der Nam dieses Spiegels heißt das Gewissen. Da Luther! siehe hinein. Was sihest du? Luther. Pfuy der Schand! was sehe ich in diesem Spiegel! Megära. Was siehest du? sage an, Luther. Ich schäme mich. Megära. Sags, oder ich schlage auf dich, wie auf einen Stockfisch. Luther. Ich sihe eine mastige aber unflätige Sau. Megära. Wer ist dieselbe? Luther. Ich dencke wohl, ich seye sie selber. O wehe! der Spiegel hat auch eine Zungen. Er wirft mir alle Sünd und Laster vor. Megära. Lügt er aber? Luther. Es ist alles wahr, was er sagt. Megära. Was sagt er dann? Luther. Ey! was [799] wolte er sagen? ich mag meine eigene Schand nicht offenbahren. Megära. Sags hurtig, oder die Stöß fallen auf dich, wie die Staren in den Weinberg. Luther. Er sagt, Martin Luther seye ein Abtrinniger, Ehr- und Gewissens-vergessener Mensch, ein unflätiger, unkeuscher, Gott-schänderischer, aufrührischer Kopf, Seelen-Mörder und Ertz-Ketzer. Megära. Da bist du wohl beschrieben, besser, als wann dich ein Mahler hätte abgemahlt. Siehest du sonst nichts im Spiegel? Luther. Ich sehe viele 1000. Seelen, welche Schwarmweiß als wie die Hornissen und Roß-Kefern auf mich zu fliegen, und mich stechen wollen. Megära. Weißt du wohl, was das für Seelen seynd? Luther. Ich weiß es nur gar zu wohl. Es seynd die arme Bauren, die ich zum Bauren-Krieg angehetzt, und also auf ein jämmerliche Fleischbanck geliefert hab. Megära. Siehe weiter fort im Spiegel, es gibt noch mehr zu sehen. Luther. Ich sehe noch viele Millionen Seelen, welche ich mit meiner verführischen Zungen und vergiften Feder in Irrthum, Ketzerey, und ewige Verdammnus gebracht hab. Diese alle schreyen Rach wider mich, und begehren mein ewiges Verderben. Ach hätte ich dieses vorher gesehen und bedacht! Megära. Das dancke dir ein Eul. Vorgethan und nachbedacht, hat manchen in groß Elend bracht. Nun Calvine, du stehest auch da, als wann du keinen Lust zu diesem Spiegel hättest. Wende dich um, sehe hinein, was sihest du? Calvin. Ich sehe einen spitznasigen Fuchs-Kopf mit scharffen Wolfs-Zähnen. Megära. Wer muß der seyn? Calvinus. Wer wirds seyn, als ich selber? Megära. Hörest du auch die Zung, die in dem Glas redet? Was sagt sie? Calvinus. Sie sagt: Calvinus seye ein schlauer, heimdückischer, Blutgieriger Wüterich, ein unverschamter Bubenschänder, ein Gottslästerlicher Ertz-Ketzer und Verführer des gantzen Franckreichs. Megära. Wie schmeckt dir das Calvine? Gelt? es seynd schöne Wort? Was sihest du aber, Calvin? Calvinus. Ich sehe ein unformliches ungeheures Gespenst, es hat ein Spanisches Ansehen, ein verbrennte Haut und erschröckliches Angesicht, das trohet mir mit beyden Fäusten, und will mich todt haben. Megära. Das solle wohl Michael Servetus seyn, welchen du wegen einiger falschen Lehr zu Genf hast auf den Scheitterhauffen werffen, und offentlich verbrennen lassen; da du doch 100mahl öfter das Rad und Feur verdient hättest. Du sollest Wunder erfahren, wie dich dieser Spanier in der Höll zerzausen wird. Siehest du nicht den Schwarm der Geister, welche alle die Zähn gegen dir blecken, und dich mit feurigen Speichlen verspeyen wollen? Calvinus. Ich weiß es leyder wohl, das seynd die arme durch mich verführte Seelen. Es ist verzweiffelt, ich bin verlohren. Verflucht seye das Studieren, das viele Studieren hat mich daher gebracht. Megära. Ach nein, nicht das viele Studieren, sondern deine Geilheit, deine Hoffart, dein verbittertes Gallen-Hertz, das hat dich hieher gebracht. [800] Aber es ist geschehen. Sehet da! die Rach GOttes kommt daher, die citiert euch für Gericht. Gehet hin, habt ihr euch wohl eingebrockt, so werdet ihr auch wohl ausessen.

Das 5. Capitel
Das 5. Capitel.
Nemesis oder Rach, Æacus, Minos, Rhadamanthus.

Nemesis. Gerechter Richter: hier stelle ich euch vor zwey Uebelthäter, dergleichen die liebe Sonn niemahlen beschienen hat. Aeacus. Wer seynd sie? was haben sie dann so viel Ungewöhnliches verwircket? Nemesis. Dieser heißt Martin Luther, ein Teutscher, aus Sachsen gebürtig. Jener aber heißt Johann Calvin, ein Frantzos, von Noyon in der Picardie; Beyde seynd abtrinnige, meyneydige Apostaten, Kirchen-Feind, und Ertz-Ketzer. In Verfolgung der Catholischen Kirchen seynd sie zwar Brüder und gute Freund, wie Herodes und Pilatus; aber in anderen Sachen seynd sie einander Spinnen-Feind. Aeacus. Was antwortet ihr auf diese Anklag? Nemesis. Was wollten sie antworten? sie stehen da, wie zwey vom Galgen gefallene Dieb. Ihr Gewissen hat sie schon überzeugt. Es ist nichts mehr übrig, als daß man ihnen ihre wohlverdiente Straf abmesse, und ankündige. Aeacus. Man muß doch den alten Gebrauch halten, und worinn sie sich fürnemlich vergriffen, offentlich darthun. Sage an, sie können sich hernach entschuldigen, wann ihnen zu viel sollte geschehen. Nemesis. Ich hätte zwar 1000. Galgenmäßige Stücklein zu erzählen, aber der Zeit zu gewinnen, will ich allein zweyer Anregung thun.

Das Erste betrift beyde miteinander. Das Zweyte geht jeden besonders an. Und zwar seynd sie beyde Ketzer, ja nicht allein gemeine, sondern Ertz-Ketzer, als welche nicht allein alles Gift, was sie aus ihrem eigenen Schwindel-Hirn heraus spinnen können, sondern die längst widersprochene und verworffene Irrthum zusammen geklaubt, und daraus eine neue Lehr geschmiedet. Es ist schier kein unflätiger Ketzer-Pful, da sie nicht einen Unrath heraus gezogen. Solches zu erweisen, darf man nur ihre Schriften lesen. Was kan man mehr begehren? Aeacus. Das ist ein erheblicher Punct. Man wird schier eine neue Höll für diese Kerle bauen müssen; die alte ist zu schlecht für sie. Aber laßt uns die Klagen alle anhören. Nemesis. Die zweyte Klag gehet jeden besonders an. Und zwar von Martin Luther hab ich diß zu sagen, daß er ein so grobes unverschamtes Maul, und so ungereimte Stallbubische Zotten im Mund und Feder geführt, daß er billich von vielen der Sau-Märte genennet worden, welches aus seinen eigenen Schriften zu ersehen ist. Aeacus. Sein Maul [801] muß gewiß ein heimliches Gemach gewesen seyn, daraus solcher Unrath heraus kommen. Nemesis. Das ist sein Pfeffer, mit welchem er seine Bücher gewürtzt hat. Keine andere Complimenten weißt er zu gebrauchen Aeacus. Was hast du dann wider Calvinum? Nemesis. Dieser ist noch ärger; dann wiewohlen er mit so plumpen Possen nicht heraus platzet, so übertrift er doch Lutherum in den GOtts-Lästerungen, die er wider GOtt und Christum hat ausgegossen. Man lese nur seine Schriften, da werden einem darüber die Haar gen Berg stehen. Calvinus. Es ist wahr, ich hab zu viel geschrieben, aber Luther hats nicht viel besser gemacht. Luther. Was willst du mich armen Tropfen abermahl in die Brühe bringen? meine Wort mögen lauten, wie sie wollen, ich meynte es darum nicht also. Calvinus. Du magst es meynen, wie du willst, deine Wort seynd so ungehobelt, als die Meinige. Aeacus. Leg man es aus wie man will; hätte mans mir wohl ausgelegt, so wäre ich nicht an Galgen kommen, sagte jener Dieb, da er die Leither hinauf stiege. Nemesis. Meine Anklag ist fürgebracht, ihr werdet nun das Urtheil zu fällen wissen. Aeacus. Was habt ihr für euch zu reden? Calvinus. Barmhertzigkeit, Barmhertzigkeit! Aeacus. Wann ihr sonst nichts habt, könnet ihr wohl stillschweigen. Hier weiß man nichts von Barmhertzigkeit. Gerechtigkeit, Gerechtigkeit hat hier ihr Reich. Minos! was meynest du! Was soll man mit Ihnen anfangen? Minos! Wann man allhier hätte den Stall Augiä, welcher 5. Jahr lang nicht ausgemistet worden, in welchem doch etliche 1000. Ochsen gestanden, oder, wann wir einen unflätigen Saustall hätten, so wäre ich der Meynung, daß man diese unsaubere Gesellen in den Mist vergraben, und mit ewigen Gestanck peinigen und quälen solle. Dieweil aber kein solcher Saustall vorhanden, ist mein Rath, daß man sie in den Hundsstall Cerberi einschliesse: und zwar den Luther hinten an, dieweilen er allezeit so unsauber gewesen; den Calvinum aber (als welcher neidiger und bißiger ist) vornen her anbinde. Der Luther wird dahinten schon etwas zu essen finden; Calvinus aber solle vornen den ewigen Hunger leyden, und wie ein Ketten-Hund die verdammte Seelen, die von der oberen Welt herab kommen, anbellen und erschröcken. Das ist mein geringe Meynung. Aeacus. Du aber Rhadamant, was haltest du davon? Rhadamant. Ich halte darfür, dieweil diese zwey Ketzer ihre falsche Neuerung aus den alten Ketzern zusamen geflickt haben, soll man sie beyde mit 4. Stricken ausdehnen, darnach Stuckweiß zerhacken, und die zerhackte Stuck unter die alte Ketzer und Ertz-Ketzer, auch fürnehmste Teuffel austheilen, damit sie von und mit ihnen ewiglich gebraten und gepeiniget werden. Aeacus. Meines Erachtens seynd die bißher erzählte Tormenten viel zu gering für die zwey Bößwicht. Dann wann man sie schon in den unsaubersten Stall Augiä oder Cerberi [802] solte einschliessen, wurden sie das gar nicht achten, weilen sie ihr gantzes Lebenlang an solchem Unflat ihre gröste Freud gehabt, und lieber, als Balsam gerochen haben. Daß man sie aber zerstümmle, und die Stücker herum schicke, wurde auch nicht angehen, und möchte vielleicht eine Unruhe erwecken, indem ein jeder seinen Kopf haben wollte; sie aber sollten sich noch wohl rühmen, daß man ihre Gebein, wie Heil. Reliquien austheilte. Derohalben dann, damit wir näher zur Sach kommen, muß man vor gewiß halten, daß diese Schwärmerey, welche diese zween unruhige Köpf angefangen haben, ärger seye, als jemahlen einige Sect oder Spaltung gewesen ist. Kein Arius, Macedonius, Nestorius, Manes, Eutyches hat so viel 1000. Seelen in die Verdammnus gebracht, als Luther und Calvin. Sehe sich einer in der Höll nur ein wenig um, zähle er die alte Ketzer, so wird er gleich finden, daß selbiges Häuflein gar gering seye gegen den Lutheranern und Calvinisten. Rhadamant. Es ist zwar mehr, als wahr, und hab mich oft darüber verwundert; hab doch die Ursach nicht ergründen können. Dann wann man die Sach recht bedenckt, so haben etliche alte Schwärmer viel abscheulichere Fehler gelehrt, als diese. Aeacus. Die Ursach ist diese, dieweilen selbige Irrthum entweders nicht lang gewehret, oder nur in einem Winckel der Erden gesteckt seynd. Minos. Ja wohl. Hat nicht die Arianische Sect nach Zeugnus Hieronymi schier die gantze Welt eingenommen? Haben nicht Nestorius und Eutyches gantz Asiam und Africam mit ihrer gottlosen Lehr beschmissen, und ist noch auf den heutigen Tag nicht ausgerottet. Aeacus. Diesem ist zwar nicht ohne, doch haben jene nur in etlichen geheimen tiefsinnigen Speculationen gefehlet, unterdessen aber dem gemeinen Mann, der solche zu verstehen nicht fähig ist, alle Mittel zur Seeligkeit frey gelassen; Luther aber und Calvinus haben den Weeg zum Himmel gerad abgehauen. Minos. Wie das? Aeacus. Die beste Mittel den Himmel zu erlangen, und der Verdammnus zu entgehen, seynd die H. Sacramenten. Dann daß wir von der Erbsünd können abgewaschen werden, ist der Tauf. Damit man im Glauben bestättiget werde, ist die Firmung. Damit man von täglichen Sünden absolviert werde, ist die Buß. Damit man zu dem Todt-Kampf gestärckt werde, ist die letzte Oelung; und also von anderen Sacramenten zu reden. Diese hochwürdige Geheimnussen haben die alte Ketzer fast meistentheils unberührt gelassen; auch das ordentliche Priesterthum und Bischöfliche Weyhung im Schwang erhalten. Luther aber und Calvinus habens als ein Päbstliches Mährlein verlacht und verworffen. Den Tauf erkennen sie zwar, doch lehret Calvinus, man könne wohl ohne ihn seelig werden. Mit dem Sacrament des Altars prangen sie zwar mächtig, weilen sie aber keine ordentliche geweyhte Priester haben, ist ihr [803] Brod kein Sacrament, sondern ein Spiegelfechten, und gemeines Becken-Brod. Rhadamant. Wer häts meynen sollen, daß die Verwerffung der Sacramenten solchen Schaden bringen sollte? Aeacus. Freylich meynt mans nicht, aber die Erfahrnus lehrts uns. Wie viele 1000. Arianer, Nestorianer, Eutychianer haben ihren Irrthum aus Einfalt und Unwissenheit nicht erkennt, und also hierdurch nicht gesündiget: wann sie aber sonst was Böses gethan, haben sie gebeichtet, seynd absolviert und in Stand der Gnaden gesetzt, und seelig worden! aber ein Calvinist oder Lutheraner, wann er schon aus Unverstand, oder unsträflicher Grobheit die Wahrheit nicht erkennt, und hierdurch sich nicht versündiget; jedoch wann er sich sonst vergreift (welches leyder nur gar zu gemein ist, sonderlich bey jenen, die da sagen, man könne GOttes Gebott nicht halten) wann, sag ich, jener in ein Todsünd fällt, da glaubt er an kein Beicht, oder Sacrament der Buß. Er hat keinen Priester, der ihn absolviere. Wie will er dann seelig werden? es könte zwar seyn, daß er ein vollkommene Reu und Leyd über seine Sünden, aus pur lauterer Liebe GOttes erweckte, und also Verzeyhung erlangte. Aber das ist ein gar schweres Ding, und zu hoch vor den gemeinen Mann, der manchesmahl diese Wörter nicht gehört, will geschweigen, verstanden, oder practicirt hat. Deswegen bleibts bey dem: weil Luther und Calvinus die Weyhung, Priesterthum, und andere Sacramenten abgeschaft, haben sie den Weeg zum Himmel gerad abgeschnitten. Rhadamant. Weil aber nun dem also, was ist die Schluß- Red, und endlicher Sententz? Aeacus. Dieweilen hier gegenwärtige, rechtmäßig angeklagte, und darüber, angehörte Sünder, Martin Luther, und Johann Calvin, sträflicher und ärger befunden worden, als jemahlen einiger Ertz-Ketzer, so sollen ihnen auch schärffere und auserlesenere Tormenten abgemessen werden. Und zwar erstlich sollen sie beyde mit glüenden Ketten aneinander gebunden durch die gantze Höll zu allen Ketzeren-Gefängnussen geführt, und dann ein jeder von der Megära mit ihrer Schlangen-Peitschen bis aufs Blut und Ohnmacht gegeiselt und zerhaut werden. Nachdem aber wollen wir sie in den untersten Pful und Kothlacken der Höllen, wo des Cerberi, und aller Unrath hinab stürtzet, und mit anderen in der Höllen bräuchlichen Peynen ewiglich abstraffen. Rhadamant. Es ist wohl geurtheilet. Ich stimme mit übereins. Minos. Sie haben dis, und ein mehrers verdient. Doch das seye genug. Calvinus. O Ketzerey! O Höll! O Verzweiflung! verflucht seye die Stund, da ich gebohren bin. Luther. O Jammer! O Ewigkeit! wirds dann niemahlen besser werden? ach hätte ich mich den letzten Tag meines Lebens noch bekehrt! Aeacus. Jetzt ist es verzweifelt. Also wird es ergehen allen denen, die GOtt bey Lebzeiten verachtet, und seine Gespons, die Catholische Kirch, auf Erden bestritten und verfolgt haben: und das ohne Ende.

Anhang bestehend erstlich in Freuden-Geschichten von der Heil. Beicht

Vorred an den Leser
Vorred an den Leser.

Dieser Anhang Freuden-Geschicht von der Beicht: zu Erspriessung deines grossen Nutzens, und sicherer Seelen-Freud, ist dir zugeschrieben, vielgeliebter Leser.

Da findest du das Hochzeit-Kleyd, die neue Schuh, den goldenen Ring, welchen der gütigste Vatter dem verlohrnen und wiederum gefundenen Sohn darreicht: neben dem, ein herrliches Freuden-Fest, ein edle Mahlzeit, ein erschallende Tafel-Music, darzu alle Sünder beruffen, alle Büssende eingeladen werden: dannoch nicht irrdische, sondern himmlische Freuden findest du allhier, welche nicht in der Empfindlichkeit, sondern in Frolockung des Geistes; mehr dann ein aufquellender Bronn, in einem Lust-Garten erquicken, und erfreuen. Alle Heil. Engel, welche der Göttlichen Majestät, nemlich dem Ursprung aller Freuden aufwarthen, frohlocken allhier vielmehr über einem Sünder, als über neun und neuntzig Gerechte, welche der Buß nicht bedürftig.

Andere Freuden seynd gleich der Baum-Blühe, die von leichten Wind abgerissen, vertragen wird: oder aber gleich den Feld-Blumen, welche abgehauet, verwelcken. Pflantze schön blühende Freuden nach Belieben, dein Hertz zu erfreuen: kleyde dich wie der reiche Prasser, schmucke dich gleich wie die Königin Jezabel, trincke aus dem goldenen Kelch der babylonischen Frauen, durchgehe die grün-lustige Felder des Wollusts, besitze und fahre auf dem goldenen Wagen des scheinbaren Glücks: lasse dir von Meer-Fräulen und Wald-Göttinen [807] ein Ergötzliches singen und klingen: endlichen wirst mit dem weisen König Salomon ruffen und klagen: ich hab alles angesehen, was unter der Sonnen geschieht, und siehe, es war alles Eitelkeit, und Bekümmernuß des Geistes. Ecclesiastes 1. vers. 14. Nichts destoweniger trachtet man nach den eitlen Freuden, und die aufrichtige Freud wird verachtet, wie es der, welcher, sonsten nicht weinen kan, dannoch beweinet, durch seinen weheklagenden Jeremia cap. 2. v. 13. Ihr Himmel entsetzet euch darüber, und ihr Porten des Himmels lasset euch groß Wunder seyn, spricht der HErr, sie haben mich den Brunn des lebendigen Wassers verlassen, und Cisternen für sich gegraben, zerbrochene Cisternen, die kein Wasser halten können. Das ist: mein Volck, meine mir Glaubende haben ihnen zergängliche, und zerfliessende Freuden, und Erquickungen gemacht, Erquickungen und Freuden, daraus kein Ersättigung, kein Vergnügung kan geschöpfet werden. Der Brunn des lebendigen Wassers Christus unser HErr, demnach seine fünf Wunden zu einem immer quellenden Gnaden-Brunn worden, höret nicht auf die Sünder zur Buß zu beruffen, kommet, willkommet, spricht er: kommet zu mir alle, die ihr alle beladen seyd, mit dem Last der Sünden, ich werd euch erquicken. Ohne Verschub richtet euch, und verrichtet ein vollkommene Beicht, durch alle fünf angezeigte Abtheilung, und ihr werdet schöpfen und geniessen, das lebendige Wasser der göttlichen Gnaden mit Freuden: wie es der Prophet weissaget, dann ihr werdet mit Freuden Wasser schöpfen aus den Bronnen des Heylands. Isaiæ. c. 12. v. 3.

Alle andere Freuden seynd unvollkommen, werden aus kothigen Cisternen, die vollkommene Freud, wird aus dem hellaufquellenden Gnaden-Brunn, in der Sacramentalischen Beicht geschöpfet. Komm, und schöpfe diese Freud, geliebter Leser! erkenne, bereue, und bekenne deine Sünd, folgends befleisse dich eines guten Gewissens, das allein verursachet ein [808] heiteres Gestirn, ein lachenden Mund, ein fröhliches Hertz, ein vergnügte Seel, ein lustiges Leben, ein sicheren Tod.

Derowegen verlaß alle nichtswerthig- und betrügliche Freuden, strebe nach der Sicherheit eines guten Gewissens: lese diese Freuden-Geschichten, und vermehre sie mit einer aufrichtigen Beicht: beichte vollkommentlich einmahl von gantzem Verlauf deines Lebens: fallet es dir schwer, und traurig solches zu thun, thue es dannoch, überwind dich selbsten: und wisse sicherlich, das Versprechen der ewigen Wahrheit: deine Traurigkeit wird in Freud veränderet werden Joan. 16. v. 10. Thue dieses, so wirst du leben. Luc. 10. v. 28.

1. Abtheilung
Das 1. Capitel
Das erste Capitel.
Erste Freuden-Geschicht.

Margaretha von Cortona, bittet GOtt um Gnad, ihre Sünd zu erforschen, auf daß sie ein vollkommene Lebens-Beicht verrichte.


Margaretha von Oddo genannt, gleichwie Magdalena von Betania ein Meer-Fräule vieler Anreitzungen, wird nach sündhaft zugebrachten neun Jahren gleichförmig ein Büsserin. Ihr holdseelige Gestalt, ansehnlicher Kleyder-Pracht, liebreiche Art, waren nicht wenigen ein seidener Fall-Strick, forderist einem Edel- Mann, dene sein Reichthum muthig, die Freygebigkeit aber angenehm gemacht. Demnach sie die Geschanck angenommen, hat er ihren Willen und Hertz eingenommen, daß sie mehr diesen, als andere Liebhaber zugelassen. Einsmahls gieng dieser Cavalier mit keinem Diener, sondern von seinem Hund begleitet, aus: wird unversehens von einem seiner Feid erlaueret, angefallen, und um sein blühendes junges Leben gebracht. Der Mörder, demnach er die unreine Seel in Abgrund gejaget, wirft den Leib unter einen Scheitter-Hauffen, dieser soll die Mordthat bedecken, auch dem im Himmel schreyenden Blut das Maul stopfen. Uber ein Zeit kommet der verlassene Hund nach Haus, heulet und klaget, will weder mit Liebkosen erlustiget, oder befriediget werden: er fasset, und ziehet Margaretham bey ihrem Rock leitet, und führet sie auf das Ort, allwo der todte Leib unter dem Scheitter-Hauffen verborgen: da fand sie den Schatz ihrer unziemlichen Lieb; der entseelte Leib kommet ihr ehender mit dem Gestanck in die Nasen, als mit seiner Wunden, und Abscheulichkeit in die Augen. Margaretha ertatteret darüber, der unbußfertige Verstorbene verwundet ihr Hertz zur Buß, der todte Leib macht ihr graußlich alle Menschen-Lieb, und erweckt in ihr einen Geist allen Wollüsten abzusagen.

Sie verfüget sich in ihres Vatters Haus schamroth und reumüthig: ihr Herr Vatter vermerckt, und erforschet [810] die Ursach ihrer Traurigkeit, nimmt sie, gleich dem gütigen Vatter, welcher den verlohrnen Sohn aufgenommen, vätterlich an: entgegen wolte die Stief-Mutter keinen solchen Schand-Fetzen leiden, verstosset sie aus dem Haus, daß sie von Lavian nach Cortona entweichen müssen. Allem ihren Geschmuck, ihre adeliche Kleyder, und Bequemlichkeiten achtet sie nicht, verlasset alles, allein betrachtet sie, der begangenen Sünden loß, und in Kraft wahrer Buß der göttlichen Gnaden fähig zu werden. Zu Cortona bey den minderen Brüderen St. Francisci Ordensbeichtet sie von gantzem Verlauf ihres Lebens. Aber, in nicht wenig Stucken ermanglet bey ihr die Vorbereitung zur Beicht: gleichwie manche Kauf-Leut Pausch-weis handlen, also wolte sie den Schulden-Last ihrer Sünden abhandlen, ohne genaue Erforschung aller sündlichen Gedancken, Wort und Werck auch Unterlassung vieler guten Werck: was massen der Kirchen-Rath von Trient Sess. 14. Can. 7. erforderet. Man soll alle und jede Todsünd erforschen, auch deren Umständ, welche die Sünd unterscheiden: also ist nothwendig, in der Vorbereitung zur Beicht, dieses alles wohl bedencken.

Margaretha vermeynt es doch aufrichtig, verharret schlecht gekleidet in äusserlicher und innerlicher Buß, und bereuet täglich knyend unter einer Bildnus des gecreutzigten HErrn ihre Sünd, bittet inniglich die grundlose Barmhertzigkeit um Gnad. Die Bildnus des Gecreutzigten beweget sich, und sie höret darvon ausgehen eine himmlische zu ihr sprechende Stimm, was begehrest du Armseelige? mit zerknirschtem demüthigen Hertzen antwortet Margaretha, nichts begehre ich, als dich allein mein HErr JEsu! Gleich gieng in ihrer Seelen auf die Morgenröth tröstlicher Hofnung, sie habe Gnad gefunden, dieweilen sie recht und vollkommentlich gebeichtet. Aber hinführo etwas vertreulicher in der Andacht war ihr Begehren und Wunsch vom Himmel, nicht mehr armseelig, sondern ein Kind GOttes genennet zu werden. Gar bald widerredet der gecreutzigte HErr dieses ihr Begehren: Du bist annoch ein böses Kind, armseelig, so lang du nicht vollkommentlich von gantzem deinem sündlichen Leben beichtest. Ach! was ist doch dieses? gnadenreicher Heyland, ist dann meine gethane Beicht nicht vollkommen verrichtet worden? heulet und klaget sie voller Schröcken: also wohl bin ich arm und armseelig, nothdürftig und elend: O Liecht der Welt, der du die Finsternus vertreibest, JEsu der du alles erkennest, und ansihest, deinen Augen ist nichts verborgen, erkläre mir die Finsternus aller meiner schweren Sünden, auf daß ich durch eine vollkommene Beicht recht gereiniget, deiner Erbarmung würdig, dein liebes Kind und Tochter möge genennt, und angenommen werden. Dieses[811] war ihr flehentliches Bitten, Kraft dessen sie nach Begehren erlanget eine innerliche Erleuchtung den abscheulichen Wust aller ihrer Sünden zu erkennen.

Gleichwie das Natter-Gezücht, oder Schlangen-Brut, weilen es oft still, sich nicht viel rühret, und beweget, mehrmahlen ohngeachtet, ohne genaues Nachsehen übersehen wird, also werden auch manche Sünden aus Mangel der genauen Erforschung übersehen, indem sie annoch in dem Grund verbleiben, nicht ausgetilgt, mit der Zeit zu nagenden Würmen erwachsen.

Mit aufgebutzter Hoffart und beliebter Geilheit schleichen hinein Aergernussen, Anreitzungen, Wächlichkeiten, Verschwendung, Frechheiten, etc. und noch mehr dergleichen Sünd, welche, wann man gleich die Hoffart und Geilheit beichtet, verschwiegen bleiben.

Margaretha in genauer Nachforschung ihres Gewissens, erkennet und unterscheidet alle ihre Sünd, verfüget sich bald auch zur Beicht. Beichtet acht Täg hindurch täglich ein geraume Zeit; ihr Beichtvatter Frater Juncta Benagnates (welcher ihr Leben beschrieben) bezuget, daß ihr Bericht ein wunderlich erleuchte Beicht gewesen. Sie wurde gereiniget durch die Buß und Kraft der Loßsprechung, als in einer Wiedergeburt neu gebohren.

Zu Steiffung dieser ihrer vollkommenen Beicht wollte sie ihr Hertz mit dem Heiligthum des Hochwürdigsten Sacrament des Altars versieglen. Es geschiehet; sie empfahet mit Andacht den zarten Fronleichnam unsers HErrn, und gleich höret sie eine göttliche Stimm in ihrem Hertzen erschallen, Margaretha mein liebes Kind. Dieses war der gewünschte Morgen-Stern ihrer Freud und innerlichen Vergnügung. Demnach verbliebe sie in strenger Buß, beichtet sehr oft mit beflissener Vorbereitung und Erforschung ihres Gewissens. Sie sturbe im Jahr 1297. den 22. Hornung. Im Tod wurde ihr Angesicht holdseelig, und gleichsam Englisch rein; es wurde ein lieblicher Geruch gespühret, und eine gewisse sehr tugendliche Persohn sahe, wie die Seel Margarethä zur selben Stund mit etlichen aus dem Fegfeur erlösten Seelen gen Himmel gefahren. P. Joan. Bolandus Tom. 3. Februar.

Hie vermercke, das Aug sihet nichts ohne Liecht, also auch der Verstand, welcher das Aug der Seelen ist, sihet nichts ohne göttliche Gnad, welche den Menschen erleuchtet. Dannenhero erleuchte O GOtt unsere Finsternus. Dieses ist das Liecht, welches jenes Weib, welche ihren Groschen verlohren, anzündet, durchsuchet, und kehret alle verborgene Winckel aus jenen wiederum zu finden. Luc. 15. v. 8. Also durchsuche dein Gewissen, bevor der HErr selbsten ankomme, die Stadt Jerusalem, das ist aller und jeder Menschen Thun und Lassen mit Lucernen zu erforschen.

Das 2. Capitel
[812] Das zweyte Capitel.
Die zweyte Freuden-Geschicht.

Protasius König in Arima wird vom Himmel ermahnet wegen einer nicht beobachten Sünd.


Arima ein Königreich in gewaltigem Eyland Jappon, hatte einen König, welcher samt seiner Königin den Christlichen Glauben angenommen, von P. Alexander Valignano S.J. getauft worden. Dieser König erwählet ihme den Namen Protasius, die Königin den Namen Lucia, damit sie Christlich also genennet, Christlichen Exemplen nachfolgen. Aber ihr Exempel selbsten hat alsobald gebracht einen anbrechenden Schein, daß vier tausend Innwohner der Stadt in das helle Liecht des Christlichen Glaubens, und in das Tag-Liecht der sicheren Hofnung das himmlische Vatterland der Seeligkeit zu erlangen eingeführt, unterricht, getauffet worden.


Die Kraft des Taufs nimmt hinweg die Erbsünd, und reiniget von vorher begangenen Sünden; die Buß reiniget die würcklich nach dem Tauf begangene Missethaten. Der König Protasius und Lucia die Königin gantz eyferig, nach empfangenem Tauf verschuben nicht auch der andern Sacramenten oder göttlichen Gnaden-Zeichen und Bedingnussen theilhaftig zu werden, mit reumüthiger Bekanntnus der Sünden, und im Genuß des Fronleichnams unsers HErrn wollten sie betheuren, daß sie nimmer den Götzen der Heyden, sondern dem eingemenschten GOtt vertrauen.

Diese Andacht wird immerzu wiederholet: auch in unterlauffenden vielen Geschäften, in solche Gewohnheit gebracht, daß mehr den Reichs- und Kriegs-Geschäften, als dem Geschäft, daran der Seelen Seligkeit hanget, nachgeforschet worden.


Es war zwar Arima das Königreich, durch Aufruhr eines Götzen-Pfaffen, Riogozus genannt, in Verwirrung gebracht, weilen der Christliche GOttes-Dienst zu, der heydnische Götzen-Dienst abgenommen. Die Finsternuß rüstet sich wider das Sonnen-Liecht, und das lugenhafte Fabelwerck, wider ewige Wahrheit: doch verfechtete der Himmel den neuen Christlichen König, daß er mit acht tausend, fünf und zwantzig tausend Mann geschlagen, Riogozum den Aufrührer getödtet und die unlängst verlohrne Stadt Xiambara wiederum eroberet. Wahr ist es, dergleichen grosse Geschäften machen grosse Hindernuß sich selbsten zu versammlen, und das Gewissen zu erforschen: dannoch weilen das zeitliche Glück gegen der ewigen Glückseligkeit unvergleichlich, also ist solches allen anderen vorzuziehen. Nemlich in [813] der Vorbereitung zur Beicht, in Erforschung des Gewissens, solte uns auch kein hochwichtiges Geschäft verhinderen.


GOtt, der alles ansiehet, erkennet, und unterscheidet, erkläret solches Protasio dem König in einem Gesicht. Protasius war bey der Nacht in sanfter Ruhe, schlaffend, und schlaffet doch nicht, in Ansehen, wie vom Himmel zwey hellscheinende Männer von herrlichem Angesicht herunter gestiegen, ihme eine gewisse Sünd verwisen haben: Was massen er die Vorbereitung zur Beicht ohne weitere Nachforschung seines Gewissens verrichtet: dann indem die rechtschaffene Beicht das gewaltige Hauptwerck ist jedes Christen, dahero soll es mit beflissener Obacht vorgenommen, und verrichtet werden. König Protasi, beredeten ihn diese zwey himmlische Männer, du hast dich mehrmahlen verhindern lassen, deiner höchsten Schuldigkeit nachzukommen, an Sonn- und Feyertagen dem GOttes-Dienst abzuwarten, dem heiligen Meß-Opfer, welches ein versöhnend Danck- und Gnaden-Opfer ist, beyzuwohnen: Dergleichen Hinlässigkeiten hast du weder in der Vorbereitung zur Beicht beobachtet, weder in der Beicht gemeldet. Laß dir diesen keinen Traum, sondern eine Warnung seyn, welche dir hiemit aller Herrschendē vollmächtigster HErr angedeutet. Urkund dessen, wird in wenig Zeiten in diesem deinem Reich ein Christliches Zeichen gefunden, welches diese unsere Gesandschaft, und gütliche Ermahnung bestättigen wird.

Folgenden Tag wird P. Petrus Gomius ein Priester aus der Gesellschaft JEsu zum König beruffen, des nächtlichen Gesichts berichtet: Der Priester steiffet den König, daß mehrmahlen GOtt mit den Königen, und anderen im Traum geredet, und sie ermahnet habe; doch ist das versprochene Zeichen auch zu erwarten; und indem hell und klar ist, daß der allmächtige GOtt an bestimmten Tägen zu bedienen, was in diesem ermanglet, soll in der Vorbereitung zu der Beicht angezogen werden.

Es verflossen kaum sechs Monat im Jahr 1589. den 24. Christmonats, ist zu Obama in einem drey Meil Weegs von der Stadt Arima entferneten Flecken, ein wunderliches Creutz in einem Baum, nach allem Ansehen von keiner menschlichen Hand gemacht, erfunden worden. Der König solches zu erkennen, reiset eilends nach Obama, ergreiffet und besichtiget es mit Freuden, bringt es nach Arima, da müßte es mit klarem Gold, und durchsichtigen Crystall verfasset, ein ewiges Denckzeichen werden dessen, was ihne der Himmel hat erinnert.

Mittler Zeit kommt dieser König durch einen unchristlichen Rath, welchen er seinem Herrn Sohn gegeben, in greuliche Sünd und Unglück. O wie wahr ist der Ausspruch Jobs! Es verbleibet der Mensch nie in einem Stand, Job. 14. c. neulich tugendlich, bald boßhaftig. Protasius gehet zwar in sich selbst in Erforschung [814] seines Gewissens, wolte, und konte nimmer das angerathne Unrecht vertilgen. Das war das Schwerdt, welches er selbsten geschmiedet, und geschliffen zu seinem Tod. Protasius wurde beraubt seiner königlichen Herrlichkeit, in das Elend vertrieben, und endlich aus Befehl des japonischen Kaysers hingerichtet. Folgends im Jahr Christlicher Anzahl 1612. wurde er mit Christlichem Gepräng bestättet, in Gegenwart seiner nunmehro verwittibten Königin. Und weilen er gantz reumüthig gestorben, hat sich nach glaubiger Aussag zugetragen, daß ein wunderliches priesterliches Gesang, vermuthlich durch himmlische, und englische Zusammenstimmung gehöret worden. Niemand aus der priesterschaft war beywesend, und dannoch war der gegenwärtigen Christen glaubliche Meinung, die Engel des HErrn (welche sich mehr erfreuen über die Sünder, die Buß thun, als über neun und neuntzig der Gerechten) haben dieses Freuden-Gesang bestimmet. Joan. Bolandus tom. 1. die 5.Febr. de 26. crucif. in fine in annotationibus.


Was vom Himmel dem König Protasio gesagt worden, sey allen gesagt. Niemand gehe ohne Gewissens-Forschung zur Beicht. Grosse Mahlzeiten, Jagden, Fischereyen, strenge Brief-Schreibung, die dich, und deine Bedienten von aufgesetzten GOttes-Dienst verhinderen, wird kaum oder gar nicht in die Erforschung des Gewissens, in die Vorbereitung zur Beicht gebracht. Keines aus den göttlichen Gebotten wird mit den Himmelfarben Vergißmeinnicht, als eben allein das Dritte vorbedeutet. Memento, sey ingedenck, daß du den Sabbath heiligest. GOttes-Dienst gehe vor allen Herren- und Frauen-Dienst: das forsche, und bedencke.

Das 3. Capitel
Das dritte Capitel.
Die dritte Freuden-Geschicht.

Isabella Königin in Hispania. Die Verabsaumung und fremde Sünden seynd zu erforschen.


Isabella Königin und rechtmäßige Erbin der Spanischen Königreich und Länder, ein Schwester Königs Heinrich des vierten, verehliget mit Ferdinand König in Aragonia wollte einsmahls Ximenes dem Cardinal aus St. Francisci Orden der strengeren Observantz beichten. Dieser wird beruffen mit Bericht Ihro Majestät der Königin Beicht zu hören. Der Beruf gefiele ihm nicht, wollte, konnte doch nicht entgehen, wohl wissend, grosse Herren und Frauen haben grosse Verantwortung, deme [815] mehr gegeben worden, von deme wird mehr geforderet. Dannoch weilen er ein aufrichtiger Mann auf der Wahrheit, als Grundvest aller Tugenden bestunde, befihlet sich GOtt, gehet nach Hof, mit diesen Gedancken nun trag ich in meinem Gewalt die Schlüssel des Himmels und der Höllen den Himmel aufzusperren oder zu schliessen. Isabella fallet ihme zu Füssen,verrichtet mit Demuth ihre unschuldige kurtze Beicht; der Beichtvatter aber befragt sie, ob nichts mehr übriges, ob sie erforschet habe die Sünd der Verabsaumung, wie dann auch die fremde Sünd? Er fragte, ob sie nicht etwann Todsünden in ihrem Gewissen habe? Mordthaten, Ungerechtigkeiten, Gotteslästerungen; sie erbleicht und erschrickt ob allen diesen, nichts dergleichen sprach sie, hab ich jemahlen gedacht, weniger verbracht; er aber wiederlegt solches mit strengem Eyfer, sprechend: Euer Majestät seynd von GOtt gesetzt ein Mutter der Armen, Wittwen und Waisen, und dannoch viel tausend leyden äusserste Noth, sie seynd der Spiegel alles Frauen-Volcks, und dannoch was für freche und prächtige Trachten werden gestattet und übersehen. Ihr wird anvertrauet die Gerechtigkeit, alles was recht ist zu erkennen, unterdessen geschehen viele Scheltwort, Diebstähl, Raubereyen, Ehebrüch, Mordthaten und mehr dergleichen sträfliche Sünden und Laster, welche bekannt, ungestraft durchgehen; deßwegen ist eine Königin mit Gold und Edelgestein gecrönet, daß sie dem König aller Königen die Ehr gebe, nichts destoweniger viele Gottslästerungen gehen im Schwung, mit Fluchen und Schelten wird gemeiniglich GOttes Nahm verunehret; viele abgesagte Feind unseres Glaubens, Juden und Mohren werden in diesem Königreich gestattet.

Niemahls ware die Königin also bestürtzet, als in diesem, was ihr mit solchem Vorwand dieser Beichtvatter vorgehalten. Nach verrichter Beicht und Communion vermerckten ihre Cammer-Bediente, Frauen und Fräulein etwas ungewöhnliches in dem Angesicht der Königin; sie brach auch bald heraus, und erzählet ihren Vertrauten, was dieser Cardinal für ein scharffer Beichtvatter, indeme er sie erinneret vieler Sünden der Versaumnus, und fremder Sünden; was Böses wissentlich ungestraft im Königreich geschiehet, und was Gutes, welches billich geschehen solte, verabsaumet wird, das lehnet und leget sich auf das Gewissen der Königin, sagt er, und seine Reden durchdrungen mein Hertz und Seel gleichwie ein zweyschneidendes Schwerd. Ich bekenne es aber, wann ich jemahlen, so hab ich jetzt eine tröstliche Hofnung geschöpft seelig zu werden; wann ich mir nur in der Vorbereitung zur Beicht solcher guten Anleitungen werde gebrauchen.

Isabella die Königin wurde demnach nicht wenig veränderet, so weit sich der Himmel mit Gutthaten gegen ihr, so weit hat sie sich gegen denen nothleydenden Wittwen und Waisen ausgebreitet, in Handhabung der [816] heiligen Satzungen, in Schwunghaltung der Gerechtigkeit, in Ausrottung der Ketzereyen, in Bevestigung des allgemeinen Christenthums war sie folgends sehr beflissen. Ihr Eyfer hat aus gantzem Königreich alle Juden und Mohren, einmahl hundert vier und zwantzig Tausend Geschlechter abgeschaft und vertrieben. Die vollmächtige gewaltige Glaubens-Forschung, genennt Inquisitio gneralis, hat sie ihrem Herrn Gemahl Ferdinand König in Aragonia vor ihrem Tod anbefohlen, und überlassen einzuführen, und in Schwung zu bringen. Wollte GOtt! alle grosse Herren und Frauen erkenneten ihre Schuldigkeit, und nehmeten an dergleichen ersprießliche Beichtvätterliche Ermahnungen und Anleitungen das Böse auszurotten, und das Gute fortzupflantzen. Relation m.s. Episc. Neostad. de Rozas, olim Madriti Commissarii in negotio Canonizationis hujus Servi DEI, Cardinalis Ximenii, ad instantiam Academiæ Complutenis. cujus dictus Cardinalis erat fundator, ut ultimum decerptum ex P. Bussieres. Den Ausspruch St. Pauli hat ein aufrichtiger Seelsorger im Hertz und Mund. 2. Cor. 7. v. 9.

Ich erfreue mich jetzt nicht darum, daß ihr seyet betrübet worden, sondern daß ihr zur Buß seyet betrübet worden. Dann ihr seyet nach GOtt betrübet worden, auf daß ihr von uns in keinen Dingen Schaden leydet. Dann die Traurigkeit, die nach GOtt ist, würcket Buß zur beständigen Seeligkeit.

Das 4. Capitel
Das vierte Capitel.
Rechte Erforschung zu der Beicht entgehet der strengen Erforschung des jüngsten Gerichts.

An jenem Tag, da der HErr kommen wird zu richten, werden erschröckliche Bücher eröfnet werden; spricht Hieronymus, alles Verborgenes wird an Tag kommen. Calender weiß, alles von Jahr zu Jahr, von Stund zu Stund, von Augenblick zu Augenblick aufgemerckt dem allergerechtisten und allwissenden Richter vorgestellet werden. Wehe mir Elenden, ruffet der H. Bernardus: an jenem Tag, wann die Bucher werden eröfnet werden, in welchen alle meine sündliche Gedancken und Werck in Gegenwart des HErrn werden abgelesen werden. Da werde ich mit geneigtem Haupt in Angst und Schröcken aus Ursach meines bösen Gewissens zu Schanden stehen, als man mir sagen wird: sihe dieser Mensch und seine Werck. Der hundert jährige Heil. Abbt Elias bekennet drey Dinge, welche ihme in der Betrachtung Kummer gemacht, erstlich die Entscheidung der Seel aus dem Leib, [817] zum zweyten die strenge Erforschung aller meiner Missethaten; drittens der unwiderrufliche Ausspruch, welcher vom gerechtisten Richter wird ergehen; in diesen Gedancken zittert mein Hertz, er schaudert mein Leib, bekümmert sich mein Seel. Ich hab gebeichtet, ja vor der Beicht sehr genau mein Gewissen erforschet, dannoch bin ich nicht gewiß, ob ich der Lieb oder des Hasses werth bin. Ex vitis Patrum.

Zu diesem und dergleichen genauen Erforschern ihres Gewissens spricht der HErr: Förchtet euch nicht ihr kleine Heerde, dann es hat eurem Vatter wohlgefallen euch das Reich zu geben. Luc. 12. v. 32. Eure Sünd hat der HErr hinterrucks geworffen; er wird eurer Missethaten nimmermehr gedencken, eurem Gehör wird er Freude geben, und es werden die gedemüthigten Gebein aufhupfen, die Barmhertzigkeit GOttes wird ihr in Ewigkeit singen. Weilen ihr euch gerichtet, so werdet ihr nicht gerichtet werden, dann es stehet geschrieben: wann wir uns richteten, freylich wurden wir nicht gerichtet. 1. Cor. 11. v. 31.

Aus göttlichem Befehl wurde ein schönes Wasch-Gefäß im Salomonischen Tempel von reinen Spieglen, welche das Frauen-Volck darzu gegeben, zugericht. Exod. 38. v. 8. Wer Verlangen hätte sich zu reinigen, der müßte bevor sich umsehen und selbsten wohl betrachten; das geschahe zur äusserlichen, aber was soll nicht geschehen zur innerlichen Reinigung? Als Rosalia noch eine eytle Fräule in Vätterlichem Haus zu Palermo gewesen, erforschte sie täglich in dem Spiegel die Reinigkeit ihrer Augen, Wangen, Nasen und Lefzen, die Heiterkeit des gantzen Angesichts: mein Rosalia, du bist zwar Jungfräulich in vielen unschuldig, aber dein Absehen menschlichen Augen zu gefallen, benimmt dir viele schöne Stunden, was in dir innerlich ungestaltet ist, auszumusteren; deine gar zu eytele Gedancken seynd ein rußiger Staub, welcher deine Seel verschwärtzet.

Einsmahlen war Rosalia in ihrem Aufbutz, aber gähling veränderet sich der Spiegel, die Haar in Dorn, das fröliche in ein trauriges Angesicht, sie sihet nicht mehr sich selbst, sondern den blutfliessenden gecreutzigten König und Bräutigam der Auserwählten, ja der redlose Spiegel fanget an zu reden: Rosalia mein Angesicht ist verspyen, meine Haar ausgerauft, du aber spieglest dich in Eytelkeit. Sie erschracke darüber, und gedachte bey ihr, was soll oder kan ich thun? der, welcher die Gedancken erkennet, antwortet aus dem Spiegel: Leg ab deine Eytelkeit, bewahre die Jungfrauschaft, richte dich und verrichte eine gute Beicht.

Und flugs vergehet die lebhafte Gestalt des Gecreutzigten. Ehr Entschluß folget gar bald, fort mit allem Werckzeug der Eytelkeit, fort mit der Perlenschnur, Ohrgehäng und Hand-Ring, fort mit allem Goldstuck, Purpurfarb und stoltzen Kleydungen, auf ihre Knye und Angesicht niederfallend, [818] beredet sie sich selbsten, hinführo spiegle dich meine Seel in den Satzungen GOttes, das thäte sie, und dieses klaget sie mit Weinen, und nach Erforschung des Gewissens verfügte sie sich zur Beicht; bewehret auch ihr Beicht, in die Wüsten entfliehend, damit sie der Eytelkeit und Gefährlichkeit entgehen möchte. Ex vita Pragæ impress. Lauda filia Sion, jubila Israel, & exulta in omni corde filia Jerusalem, abstulit Dominus judicium tuum. Sophoniæ 3. Wiewohlen du Tugend liebende Rosalia dich acht Täg vor deinem Tod sehr bekümmert hast, sprechend: Ach! wie erschröckt mich die Peyn der Höllen, wer gibt mir annoch vor meinem End, daß ich alle meine Sünden erkenne, bereue und beichte. Dieses ihr innigliches Verlangen wurde erhöret; der Priester Cyrillus, ihr Vetter kommt wunderlich von Palermo zu ihr, höret auch an ihr offenhertzige Beicht vom gantzen Verlauf ihres Lebens, er befunde, daß sie ihre Sünd zum allergenauisten erforschet und kläglich angezeigt habe: Ihr Unschuld war groß, und dannoch war ihr Reumuth viel grösser, wird also von allen ihren Sünden, in Kraft der Priesterlichen Lossprechung gereiniget, stirbt auch gar bald darauf den 4. Septembris 1159. Nun Rosalia lobe den HErrn, du bist eine Tochter Sion, eine reine Jungfrau, frolocke und hupfe auf in deinem Hertzen du Tochter des himmlischen Jerusalem, der HErr hat von dir genommen dein Gericht; nemlich, weilen du durch genaue Erforschung dich selbsten geurtheilet und beichtend angeklagt, dannenhero wirst du am jüngsten Tag nicht geurtheilet werden.

O unglückseelige Spieglung zum eytlen Wohlgefallen! O seelige und überseelige Spieglung zur Reinigkeit der Seelen!

Doch ist nicht rathsam, daß viele Beicht-Spiegel gebraucht werden: es ist genug einen haben nach dem Gutbeduncken des Beichtvatter. Der H. Graf Elzearius war von Jugend auf Tugendlich erzogen, dannoch im siebenzehenden Jahr seines Alters siehet er in einer Verzuckung in der Stadt Aquis alle begangene Sünden, als einen erschröcklichen Wust, er entsetzet sich darüber, weilen er zuvor aus Mangel der Erforschung sich niemahlen selbsten recht in seinen Verbrechen erkennet, folgends aber sich zu erkennen beflissen. So oft er sich zur Beicht gerichtet, so oft betrachtet er mit gar zu genauer Erforschung sein Gewissen, daß endlich einsmahls ein göttliche Stimm vom Himmel erschallet: Elzeari kümmere dich nicht zu sehr in Nachforschung deiner Sünden, meine Barmhertzigkeit ist unendlich grösser als deine und alle Boßheit. Surius 27. Sept. Die H. Büsserin Thais hat zur Erkanntnus ihrer selbsten, an statt des Beicht-Spiegel gehabt den Heil. Einsidler Paphnutius, die Egyptische Maria, den Zosimas; also kan mancher geistreicher Beichtvatter auch die Beicht-Kinder erleuchten, daß sie in die Erkanntnus ihrer selbsten, und demnach [819] aller ihrer verübten Bosheiten kommen, und mit Hugone a sancto Victore aufschreyen: O maculæ veteres! O maculæ fœdæ, & turpes! quid tam diu hæretis? abite, discedite, & ne præsumatis oculos dilecti offendere: Pfui alte, schändlich und stinckende Mackel, und Befleckung; wie lang, wie lang werd ich mich abscheulich machen, fort mit euch, verstellet mich nicht also, daß ich deme mißfalle, deme ich schuldig bin allweg zu gefallen. Die gewaltige Frau, von welcher die Sprüchwörter Salomonis erzählen, war eine genaue Erforscherin ihres Hauses, considerat semitas domus suæ, sie beobachtet alles, nicht allein ihr selbst eigenes, sondern auch der Zugehörigen Thun und Lassen, damit sie nicht etwan von eigner, noch von fremder Sünd, oder auch in Ermanglung des Gutens sträflich wurde: dermassen soll ein jeder, welcher beichten will, auf seines Hauses Schuldigkeit Achtung haben, alles cum debita & diligenti præmeditatione, wie der H. Tridentinische Kirchen-Rath erfordert, Sest. 14. Can. 7. mit nothwendiger, und beflissener Nachforschung das Gewissen erforschen. Geschiehet dieses, so ist deme, der mit solcher Vorbereitung beichtet, am jüngsten Tag kein strenges Gericht zu besorgen, sondern ridebit in novissimo die: an jenem Tag wird er lachen: Prov. 13. Tunc exultabunt ligna sylvarum a facie Domini. quoniam venit: quoniam venit judicare terram. Ps. 95. v. 11. als dann werden vor Freuden springen alle Bäum der Wälder vor dem Angesicht des HErren, dann er kommt, er kommt den Erdboden zu richten: nemlich die, welche in Wildnussen, und Einöden vor Zeiten, der Zeit aber in Clöstern, oder in abgesönderten Kämmerlein Buß gethan, sich recht zur Beicht erforschet: jene werden: in jenem letzten Richts-Tag im Angesicht des Richters frolocken, vor Freuden springen, und lachen. Tunc laus erit unicuique a Deo. 1.Cor. 3. Eines jeden Lob wird alsdann offenbar werden vor GOtt: ihre Sünden werden ihnen nicht vorgehalten, zur Schand, sondern ihr Buß wird gelobet werden, zur Freud, dieweilen sie sich selbsten durch Erforschung des Gewissens geurtheilet haben, werden sie nicht geurtheilet werden.

Das 5. Capitel
Das fünfte Capitel.
Die Anruffung der Mutter GOttes hilft zur guten Erforschung.

Ein Spanier beichtet Patri Joanni Eusebio Nierenbergio, Priestern der Gesellschaft JEsu.


Die gut, und böse Gewohnheiten legen sich hart an, mehr als ein Winter-Grün in das Gemäuer. Die tugendliche, und sündhafte Gewohnheiten [820] werden ein anligendes Gewand, welches nicht als mit Gewalt kan abgezogen werden. Der ein gute Gewohnheit anleget, verbleibt im Hochzeit-Kleid, der aber ein böse, ziehe sie aus, wie ein Schlang ihren Balg; nicht mit Zärtlen, sondern mit Bezwingen. Geschiehet solches nicht, so steckest in einer üblen Haut, tibi insanabilis animus est scelera sceleribus contexens, du verwicklest dich dermassen in der Bosheit, daß die antreibende Ursach zu sündigen nichts ist, als Sündigen, satis tibi est, magna ad peccandum causa peccare. Senecal. 1. de ira cap. 16.

Dieses hat endlich dannoch bey Zeiten erkennet ein grosser Sünder in Spanien, welcher Sünd mit Sünd überhäuffend, durch viel Jahr ein lang geschweiftes Gewand vieler Sünden angezogen. Er kam so weit, daß er nicht nur gewöhnlich, sondern GOtt zu Trutz gesundiget: ausser der Ketzerey war er mit allen anderen Sünden behaftet, mit der Liverey des Teufels angethan. Damit er aber in seiner Bosheit kein Ketzer erscheinte, sprach er täglich ein Ave Maria, die Mutter GOttes zu begrüssen.

Es begab sich aber in einer Nacht, daß dieser Sünder im Beth liegend nicht schlaffen konte: verdrüßlich war ihm die finstere Nacht ohne Liecht, das Ligen ohne Schlaffen; nichts erschröcket ihn, als sein sündhaftes Gewissen: gedachte auch nicht auf einige Erforschung des Gewissens, sein Gemüth war finsterer als die Nacht.

Augenblicklich wird die Nacht heller als der helliste Tag, die Jungfräuliche Mutter unsers HErrn erscheinet ihme schön wie der Mond, auserwählet wie die Sonne, und erschröcklich wie ein wohlgeordnetes Kriegs-Heer: das Liecht, welches von ihr heraus gieng, erleuchtet nicht nur allein das Zimmer, und die Augen, sondern das innerste des Hertzens, alle begangene Bosheiten nach dem Unterschied, und Anzahl zu erkennen. Kaum siehet er an die gnadenreiche Mutter der Barmhertzigkeit in ihrem freundlichen Anblick, so war sie wiederum vergangen: doch verblieb in ihme Forcht und Lieb, Forcht wegen seiner Sünden, Lieb wegen guter Hofnung durch aufrichtige Beicht Gnad zu finden. Er erinneret sich des Greuls seiner Bosheit, beweinet, und bedauret seine veralt-und verharte Gottlosigkeit, seufzet gegen Himmel anbettend die grundlose Barmhertzigkeit, und anruffend die tröstliche Vorbitt Mariä.

Im Anbrechen des Tags wird ein Beicht-Vatter erfordert, aus Schickung GOttes war dieser P. Joan. Eusebi Nierenberg ein geistreicher Mann: diesem eröfnet er erstlich die Jahr seines Alters, den Anfang seines boshaften Lebens: durchgieng demnach alle Gebott GOttes, und der Kirchen: was er inn- und äusserlich, auch mit Aergernuß und Versaumung gesündiget, erkläret er, wie auch alle seine böse Gewohnheiten mit erforderlichem Unterschied, und Anzahl. Alles beichtet er so offenhertzig klar, als jemahls ein Schriftgelehrter [821] vollkommentlich beichten kan. Wunderlich war dem Beicht-Vatter diese also klar vorgetragene Beicht; er fragte aber nach solcher Erforschung, und Erkanntnuß der Sünden, und vernimmt die oberzählte Erscheinung der Mutter GOttes: es erspriesse, ruffet darauf der Büsser, und grüne in allen grossen Sündern ein tröstliche Hofnung: die mit Gnaden erfüllte Mutter Christi verschmähet keinen. Was mir geschehen ist, wisse und erkenne die gantze Welt, der Beicht-Vatter habe Erlaubnuß von mir alles dieses kundbar zu machen.

Er kunte sich wohl auch der Wort des Heil. Bonaventuræ in Psalt. B.V. in Psal. 39. gebrauchen. O heiligste Jungfrau du hast angehöret das Gebett des Sünders, du hast ihn aus dem See der Müheseeligkeit geführt, und aus der Gruben des Feinds: Seine wenige, und schlechte Andacht hast du angesehen, durch dein Vorbitt ihme ein also vollkommene Erkanntnuß seiner Sünden erworben, daß er aus dem Abgrund der Verzweiflung mit gnädiger Hand gezogen worden: die heylsame Salben der Hofnung hast du ihme angewendet, kein Abscheuen getragen, bis er dem erschröcklichen Richter versöhnet worden.Joan. Euseb. Nierembergius in vita S. Ignatii Hisp. c. 33. Pædagogus Christian. tom. 2. p. 1. c. 4. §. 3.

2. Abtheilung
Das 1. Capitel
Das erste Capitel.
Vollkommene Reu, und Leyd eines Edelmanns.

Im Lehr-Buch der Heil. Vätter, von göttlicher Vorsichtigkeit, num. 3. wird folgende Geschicht eingeführt.


Unter anderen Brüdern (welche sich dem geistlichen Leben, und dem Gehorsam St. Antonii des Abbten ergeben haben) war einer Paulus der Einfältige benamset. Sein Einfalt war ein liechtes viel sehendes Aug seiner Seelen, daß er in Menschen die gut, oder üble Beschaffenheiten gesehen. Einsmahls befand er sich bey der Kirchen-Pforten sitzend in der Betrachtung, mit was für einer Meynung die Leut in die Kirchen eingehen. Er sahe nicht wenig mit hellscheinendem Angesicht in Begleitung ihrer Engel, einen aber abscheulich, in Begleitung zweyer Teufel hinein gehen: dieser aber angefeßlet, und sein Schutz-Engel folget ihm nach, anzusehen, als ob er betrübt, gleich einem Morgen-Stern mitten des Nebels wäre. In Ansehen dessen, fieng Paulus an bitterlich zu weinen, schlug sich selbsten auf die Brust, jammeret, und klaget, gleichwie Jeremias der Prophet die gequälte Stadt Jerusalem beklaget hat, also beweinet er [823] jenen Sünder. Was ist die Ursach solches Wolckenbruchs deiner Augen? was hat die Einfalt deines Hertzens betrübet, die Heiterkeit deines Gemüths verfinsteret? fragten nicht wenig den Bruder Paulum: gehe ein, sprachen sie, in den Tempel, frolocke im Lob des HErrn: stehet es doch geschrieben, nichts wird den Gerechten betrüben, geschehe ihme, was immer woll. Er aber verharret vor der Kirchen-Porten, und seines Weinens war kein End bis zur Vollendung des GOttes-Diensts. Demnach beobachtet er die aus der Kirch gehende, absonderlich den, welcher seines Weinens die alleinige Ursach gewesen. Er erblicket ihn gar bald gäntzlich verändert, Schneeweiß, und glantzend: nun gieng ihm der Heil. Schutz-Engel mit fröhlicher Heiterkeit zu Seiten: entgegen traureten beyde Teufel, und folgeten von weitem.


O unaussprechlicher Abgrund, der Gütig- und Barmhertzigkeit GOttes! ruffet Paulus. Sein Weinen verkehret sich ins Lachen, sein Betrübnuß in innerliche, und äusserliche Freud. Er stellet sich auf einen höhern Staffel, ruffet das Volck, sprechend:Kommet, und sehet die Werck des HErrn: GOtt will, daß alle selig werden: kommet, und sehet, wie mächtig er ist die Sünden zu vergeben. Das Volck lauffet von allen Seiten zu, Paulus erzählet, was er wunderlich gesehen: beredet auch denjenigen, daß er GOtt die Ehr gebe, und offenbarte den Zustand seiner seltsamen Veränderung. Damit aber die Barmhertzigkeit GOttes, welche über alle göttliche Werck hoch erhoben ist, noch weiter erhöhet wurde, bekennet dieser, daß er ein grosser Sünder, sich viel Zeit ärger als ein Schwein im Koth vieler Sünden umgewältzet, tief hinein gesuncken seye: heut aber mit den Worten des Propheten Isaias, welche in der Kirch von der Priesterschaft abgelesen worden, innerlich beweget, ja verwundet, sich gegen GOtt bekehret, GOttes Gütigkeit reumüthig angebettet, und angeruffen habe mit Vertrauen, in Abstraffung seiner Sünden, und Verbesserung seines Lebens die verlohrne göttliche Gnad wiederum zu finden. Die Wort des Propheten waren diese: Waschet euch, reiniget euch, thut eure böse Gedancken hinweg von meinen Augen: höret auf Böses zu thun. Wann dann eure Sünd so roth wären wie Scharlachen, so sollen sie doch weiß werden wie Schnee, und wann sie auch rosenfarb wären, sollen sie doch weiß werden, wie Wolle. Isai. 1. v. 16.

Dieser Ausspruch, sprach er, hat mich aus einem Sünder einen Büsser gemacht. Es schmertzet mich über alles, daß ich wider GOtt, und seine Gebott gesündiget: wasmassen das Wasser beym Feuer siedend aufwallet, also ergieng es mit meinem Hertz, und Seele. Eimnahl für allemahl sagte ich nun ab aller meiner Boßheit, mit steiffem Vorsatz, nächstens ohne Verschub [824] meine Sünden bey dem geordneten Beichtvatter abzulegen. Das war mein kräftiges Vornehmen, mit welchem ich aus der Kirch gleich jetzt gegangen. In Anhören dessen, preisete das anwesende Volck den HErrn, dessen Barmhertzigkeit vom Geschlecht zu Geschlecht über die Sünder, welche Buß thun, ausgegossen.

Dieser Sünder konte im Eingang der Kirchen wohl sagen: Die Band der Sünden haben mich umgeben; Psalm. 118. v. 61. herausgehend aber, du hast meine Bande zerrissen, O HErr! Lob-Opfer will ich dir opferen. Psalm. 117. v. 15.

Die vollkommene Reumüthigkeit ist über alle alchimische Gold-Kunst: Kraft dieser wird aus einem Höllen-Brand ein liechter Stern des Himmels. Dann, was kan trostreicher seyn einem Sünder, welcher annoch Frist hat Buß zu thun, als die sichere Verheissung GOttes, quâcunque horâ ingemuerit peccator, omnium iniquitatum ejus, non recordabor amplius: Wann der Gottlose Buß thut, und sich bekehret von allen seinen Sünden: Ich will nicht gedencken an alle seine Missethat. Solt ich ein Wohlgefallen haben am Tod des Gottlosen? spricht GOtt der HErr durch Ezechielem am 18. v. 21. und nicht vielmehr daran, daß er sich bekehre, und lebe?

Das 2. Capitel
Das anderte Capitel.
Unvollkommene Reu.

Landelinus.


Es seynd nicht wenig, welche mit Reumuth bedauren ihre Missethaten, doch nicht aus Anleitung göttlicher Lieb, oder Forcht, sondern allein aus zeitlichen, und menschlichen Bewegungen: Dero Reumuth bewehret nicht die zu Gnaden bringende Buß. Der Vollsauffer bereuet sein Trunckenheit wegen des Kopfwehe, welches daraus entstanden: ein verführte Jungfrau beweinet den Verlust ihres Ehren-Kräntzlein wegen des Verräthers, den sie in ihrem Leib tragt: Jener Dieb, und Mörder verdammet sein Diebstahl, und Mörderey; weilen er vor der Welt zu Schanden stehet, und dem Scharfrichter zu Theil wird. Dergleichen Reumuth, indeme er auf GOtt kein Absehen hat, ist nicht kräftig genug in der Beicht die Vergebung der Sünden zu erhalten. Die Boßheit, und Untreu, weilen sie GOtt den Schöpfer und Erlöser beleidiget, muß die bewegliche Ursach seyn unseres Reumuths.

Landelinus betheuret diese Wahrheit. Dieser war ein frantzösischer Edelmann von Valle bey Camerich gebürtig, zu Zeiten Königs Dagobert. Surius beschreibet den gantzen Verlauf dieser Geschicht. Den 15. Braelj-Monats. Seine Elteren vertrauten [825] ihn dem heiligen Bischof Autbert, als seinem Götten, der ihne aus der Tauf gehebt. Landelini blühende Jugend, und zarte Unschuld bewahret der Bischof mit mehr dann vätterlicher Lieb, und Treu. Der Knab erwachset, und nimmt zu in Wissenschaften, und Tugenden: die Jahr der Erwählung hat er nunmehr erreicht, der Bischof verlangte ihn in geistlichen Stand zu bringen, die weltliche Freund wolten ihn in weltlichem haben: wie Schad wäre es, ein so schöne Blühe den Freuden der Erden entziehen: Lieber Bruder, sprachen sie, was wilst du im Closter müssig sitzen? brauche den Welt-Lust, Ehr, und Reichthum, welche dir an die Hand gehen. Jungen Leuten ist leicht etwas lustiges aufgepfiffen, welches ihnen gefallt. Derowegen entlauft Landelin dem Bischof von dem sichern auf den gefährlichen Weeg: durchstreicht mit muthwilliger Gesellschaft in seiner Freyheit, die geliebten Felder aller Wollüsten, wird mittler Zeit ein Strassen-Rauber. Was sein verkehrtes Hertz angespunnen, und mit vielen Ubelthaten in das Werck gestellet, wolte er mit einem gedichten Namen verbergen, Maurosius genamset.


Viel Zeit flüchtig von Christo dienete er den Sünden, und war ein Werckzeug des Teufels. Unterdessen mit mehr dann vätterlicher geistlicher Lieb bedauret Autbert der fromme Bischof den bösen Landelin, höret nicht auf für ihn, als den verlohrnen Sohn, die grundlose Barmhertzigkeit GOttes zu bitten: er bekümmeret sich über ihn, beweinet ihn, als einen Todten: und GOtt, der ansiehet das Gebett der Demüthigen, hat des Bischofs Gebett angesehen, und erhört.

Bey nächtlicher Weil war Landelin mit seinen geschwornen Diebsgesellen in würcklicher Beraubung eines Hauses; der vermögliche Haus-Herr vermerckte die Mauser, ergreiffet mit seinen Bedienten Wehr, und Waffen, dringet auf die ungeladene böse Gäst, sie entlauffen, einer aber bleibt im Stich, und stirbt also verwundet dahin mit doppeltem Tod in der Ubermaß seiner Sünden übereilet. In Landelino verursachet dieser seines Rott-Gesellen Tod wehemüthige Gedancken: ja bey nächtlicher Stille hörete er ein erschröckliches Geschrey, und siehet des ermordeten Seel von höllischen Gespenstern gefangen, wasmassen sie in den Abgrund der Höllen, in die Versammlung der ewigen Peinen gestürtzet wurde: Es erschallet darauf eine englische Stimm, Landelin, sprach sie, wilst du dergleichen Unglück entgehen? verlasse die Werck des Sathans: thue Buß, nimm an die Ritterschaft des HErrn, folge dem guten Rath Autberti. O GOtt! es überfalle mich nicht dergleichen Unglück ruft Landelin: Es eröfnet die Höll ihren Rachen über mich, tief in vielfältige Sünden bin ich gesuncken, und meiner Missethaten seynd mehr, als Sand-Körnlein auf dem Ufer des Meers: Ach wehe meiner Boßheit! wie bedaure ich mich selbsten, daß ich von GOtt abgewichen, in Gefahr stehe der ewigen Verdammnuß.

[826] Mit also klagenden Seufzen macht er sich auf, reiset eilends nach Camerich, wirft sich dem Bischof Autbert zu Füssen beichtet alle seine Sünd und Laster. Der Bischof wohl ein gütiger Vatter nimmt den verlohrnen Sohn zu Gnaden an: eröfnet ihme die Brunn-Ader der göttlichen Barmhertzigkeit, reiniget ihn durch die sacramentalische Absolution, und erfreuet sich über sein Buß mehr, als der einen verlohrnen Schatz wiederum gefunden. Darauf ersetzet er büssend sein übles mit gutem Exempel, er hungeret seinen Leib aus, bettet inständig, und wachet in weltlicher bis er die geistliche Kleidung durch sein beharrliche Buß verdienet. Reiset dreymahlen nach Rom vollkommenen Ablaß zu holen, erhaltet vielfältige Gnaden, wird zum Priester geweyhet, stiftet etliche Clöster: Pabst Martinus verordnet ihn zum Abbten des Closters Crispinum. Sein strenge Buß erhebet ihn zur Heiligkeit, bis er in Frieden geruhet.

Felix, quem faciunt aliena pericula cautum: Glückselig der, welcher durch fremden Schaden witzig wird. Landelinum hat seines Rott-Gesellen Unglück zur Buß, zur Heilig- und Seligkeit gebracht. Die Forcht, daß er nicht gleiches Falls um Leib und Seel kommen möchte, hat in ihm die Reu über die Sünd, wie aus einem Stein das Feuer geschlagen. Unvollkommen war anfänglich diese Bereuung gleichsam aus dienstlicher Forcht erzwungen: Mittler Zeit ist sie in beständiger Bußfertigkeit worden zu einer vollkommenen, welche aus kindlicher Forcht, in göttlicher Lieb entzündet worden: Charitas foras mittit timorem 1. Joan. 4. v. 18. diese Lieb hat die dienstliche Forcht ausgeschlossen: dahero, eben allwo die Sünd hat überhand genommen, allda ist auch die Gnad überschwänglich grösser worden. Ad Rom. 5. v. 20.

Das 3. Capitel
Das dritte Capitel.
Vollkommene Reu mit Verlangen zu beichten.

Francisca ein Spanische Ehe-Frau.


In Hispanien war Francisca mit einem hochedlen Ritter vereheliget: diese Frau wird einsmahls in Abwesenheit ihres Herrn Gemahl, von einem leibeigenen Mohren überfallen, und gewaltthätig die Zarte von Groben geschwächet. Diese Schandthat zu versieglen, ziehet er nach verübter Boßheit einen Dolchen aus, drohend, wofern sie von dem, was geschehen ist, nicht schweigen solte, wird dieser Dolch mit ihrem Blut gefärbt, sie ein, für allemahl schweigen machen. Nach Abtrettung des Bößwichts verschliesset sich Francisca, beweinet gleichwie Lucretia ihr Unglück: drey Täg asse sie [827] nichts, ihr Speis, und Tranck war Weinen, und Trauren. Entschliesset in Zusammenstimmung ihrer grimmigen Gedancken dem gedroheten Dolch mit Gift vorzukommen, nicht sich, sondern den Ehebrecher umzubringen; im süssen Tranck trincket der Mohr den Tod. Folgends nahm die betrübte Bitterkeit eine kurtze Abkühlung ihres grimmigen Zorns; aber kein End. Der Mohr war schon todt, aber vom Mohren fühlete sie ein Kind im mütterlichen Leib, als ob der Tode in ihr mit schwartzer Mohren-Farb lebendig wurde. Ein grimmige Kühnheit erwecket die andere: auch das ungebohrne unschuldige Kind soll die Sünd des Vatters mit unzeitigem Tod bezahlen. Mit eingenommener Artzney wird das Kind vertrieben: so weit hat diese Frau der Grimm, und die Schamhaftigkeit angetrieben, ja noch weiter; wann einer Sünd die Porten geöfnet wird, quâ data porta ruunt, alsobald dringen sich viel andere hinein. Beyde Mordthaten verschwige sie in ihren Beichten, willens mit Gelegenheit einem Unbekannten solche einsmahls zu beichten. Aber, ach wie ungewiß seynd der Menschen Vornehmen! dieser hat es zwar, doch nicht allerding nach Begehren gelungen. Auf dem Land wohnhaft, wird Francisca tödtlich kranck, schickt um einen Unbekannten; findt aber keinen Beicht-Vatter: endlich wird ein Einsidler Waldbruder zur Krancken gebracht, dem bekennet sie die zwey Mordthaten, und den Mißbrauch der Sacramenten, weilen sie mehrmahlen gebeicht, und ihre tödtliche Missethaten aus Schamhaftigkeit verschwiegen: Sie bereuet ihre Sünd aus inniglicher Lieb GOttes des höchsten Guts: der verlohrne Himmel, und die verdiente Höll waren nicht ihres Reumuths Bewendung, sondern allein, daß sie den liebwerthesten HErrn, den alle Geschöpf lieben sollen, beleidiget hat. Der Waldbruder hatte weder priesterlichen, weder beichtvätterlichen Gewalt: dannenhero war ihr Beicht kein sacramentalische Beicht; aber ihre Bereuung, ein vollkommene Bereuung die göttliche Gnad zu erwerben. Also in Anruffung der grundlosen Barmhertzigkeit, und in Vertrauen auf die überflüssige Erlösung Christi gab sie auf ihren Geist.


Kurtz hernach kommet aus Welschland in Hispanien Vincentius Ferrerius, ihr leiblicher Bruder, Prediger-Ordens, ein sehr heilig- und eifriger Mann: welcher seine drey Frauen Schwestern, nicht also nach dem Geblüt, als nach dem Geist, vorderist diese Franciscam geliebt hat, indem er vielmehr dero Christliche Tugend, als weltliche Herrlichkeit angesehen. Dieser vernimmt den Tod seiner Frauen Schwester Franciscä: wünschet derowegen ihrer Seelen das ewige Liecht, und Leben, höret auch nicht auf GOtt für sie zu bitten. Einsmahls da er Meß gelesen, unter währendem Amt der heiligen Meß, siehet er in einer Verzuckung sein verstorbene Frau Schwester in brenn- und braßlendem Feuer mit einem schwartzen Mohren- [828] Kind, welches sie Stuckweiß frasse, welches doch wiederum alsobald heraus wuchse, damit sie dieses fressen, doch nicht gantz auffressen konnte. Was ist dieses für ein erschröckliches Spectacul, gütigster Heyland? Aber Francisca gab sich ihrem also seufzenden Brudern gar bald zu erkennen. Ich bin Francisca deine Schwester, bey meinen Leb-Zeiten hab ich solche, und solche Todsünden begangen, (erzählet ihm beynebens den gantzen Verlauf) welche ich einem, den ich für einen Priester und Ordens-Mann gehalten, mit wahrer Reu gebeichtet habe. So bald aber ich gestorben, bin ich für den Richterstuhl GOttes kommen, da wollte mich der Teufel durchaus haben, dieweilen ich von meinen Sünden nicht bin absolviert worden, entgegen mein H. Schutz-Engel nahm sich meiner an, sprechend: HErr diese Seel hat ihre Sünden mit vollkommener Reu und Leyd bereuet. Wiewohlen sie in Erwählung des Beichtvatters geirret, so hat sie doch ihres Theils alles dasjenige gethan, was zu Erlangung deiner Barmhertzigkeit nöthig. Der Teufel mußte also entfliehen, und ein gnädiges Urtheil fiel auf mich, daß ich bis am jüngsten Tag im Fegfeur solte gereiniget werden, doch kan mir geholffen werden durch das Meß-Opfer, und dein Gebett; wann du nun lieber Bruder, GOtt für mich bitten wirst, und das Versöhn-Opfer durch gewisse H. Messen opfern, werde ich geschwind dem Fegfeuer entzuckt, mein Ziel die Seeligkeit erreichen.

Als sie dieses geredet, verschwande sie, Vincentius aber fieng an auf ein neues inständig mit Gebett, Bußwerck und gewissen Heil. Meß-Opfer GOtt zu versöhnen. Wie sehr er nun seiner Schwester hiemit genutzet, hat sie ihme zu verstehen geben, indem sie ihm mit grosser Glory unter vielen Englischen Chören erschienen; für sein Vorbitt und Versöhn-Opfer gedancket. Ex vita S. Vincentii Ferrerii, alphabetum animarum purgatorii littera B.


Pœnitentia sera rarò vera, ist der Ausspruch S. Augustini. Diese Frau hat gleichwohl noch Zeit gewunnen den Himmel zu gewinnen, du aber geliebter Leser beichte allezeit aufrichtig, verschiebe nicht deine Buß, gewohne aus lauter Liebe GOttes zum öftern reumüthig deinen Sünden abzusagen. Ach! was fröliches wirst im Busen tragen? testimonium bonæ conscientiæ, Zeugnus genug, ein unverhinderlichen Paß-Brief, die grüne Hofnung seelig zu werden.

Das 4. Capitel
[829] Das vierte Capitel.
Vollkommene Reu erstrecket sich auf eigene und alle Sünden.

Camilla von Veranis.


Camilla, Fräulein Tochter Julii Cäsaris, Fürsten von Verano, aus dem Geschlecht der Cameriner, und Joannä Malaiesta, ergötzet sich von jungen Jahren in Ablesung der Trauer- und Martyr-Geschichten des Leydens Christi, doch zugleich dem eitlen Aufbutz ergeben; die Geschmuck und prächtige Kleyder-Trachten waren ihr Absehen und belieblicher Augen-Lust, die Gedancken vom Closter-Leben verdrießliche Mucken. Sie wollte GOtt lieben und die Welt nicht beleydigen, die Welt lieben und GOtt nicht beleydigen, die Andacht und Eitelkeit vergleichen.

Sie höret die Fasten-Predigen, welche P.F. Franciscus de Urbino gethan, eyfrig wie Elias, und nachdrucklich wie Johannes, seine Werck waren mehr Englisch als Menschlich, dahero hatten seine Wort Geist und Leben. Und wiewohlen in Haupt-Kirchen nicht gebräuchlich am Char-Sambstag einige Predig zu halten, haltete doch jetzt gedachter Pater eine Predig im Jahr 1458. dero Innhalt dieser war: daß Jener, welcher beichtet ohne Vorsatz alles das zu verlassen, was eine Gelegenheit gibt einiger Todsünd, nicht kan absolviert, noch gültig communicieret werden, dann es wäre ein verdammlicher Mißbrauch der Sacramenten. Die Predig rühret ihr das Gewissen, ihre vielleicht gar zu freche Trachten waren denen unbehutsamen Augen und Hertzen zum Anstoß und Fall: dieweilen sie solche nicht wollte lassen, wollte sie diese auch nie beichten; sie bemäntlete ihre Bosheit mit gemeiner Ausred, es ist der Brauch. Gleichwohl entschliesset sie heut noch auch dieses zu beichten für Ostern, und folgends morgiges Tags communicieren.


Hier beliebe es dem Leser ihre selbst eigene Erzählung zu vernehmen.


Am Char-Sambstag hab ich meinem BeichtvatterFratri Oliverio gebeichtet von meinen gar zu eitlen hoffärtigen, wie dann auch frechen Kleyder-Trachten hab ich mich angeklagt, mit dem Zusatz, wiewohl ich vielmahl, so hab ich doch niemahlen dieses gebeichtet. Er aber beredet mich: mein Kind, Morgen erlaube ich ihr nicht, den zarten Fronleichnam unseres HErrn für Ostern zu geniessen, ernstlich und fleißig muß bevor das gantze Gewissen erforschet werden, in allem was sündlich geschehen, oder Gutes unterlassen worden, folgends komme sie die andere Wochen, und klage sich an mit zerknirschtem demüthigen Hertzen[830] in allen ihren Missethaten, welche durch ihren Lebens-Lauf geschehen, schamroth bin ich worden auf diese Ermahnung, mich kümmerte, daß ich am Oster-Sonntag, da jedermänniglich gespeiset wird, ungespeiset vom Tisch des HErrn abgehalten wurde. Acht Tag darnach hab ich in St. Peters-Kirch von gantzem meinem Leben gebeicht; F. Oliverius höret mich an, und speiset mich darauf mit dem Hochwürdigen Gut. Ich bekenne es mit vollkommener Reu und Leyd habe ich diese meine Beicht verrichtet; dann GOttes Gnad hat in mir gewürcket, daß ich durch die Fasten-Zeit immerzu hertzlich alle Sünden bereuet habe. Alsdann war ich wenig erleucht, ich hab nicht jedes kleines Verbrechen, wie nun, ausgewogen. Es begegnet mir die gewünschte Gelegenheit das erstemahl mit P. Francisco von Urbino geistreichen Prediger zu reden. Er fragte: ob ich wolte Geistlich werden, meine Antwort ware nein: dieses merckte ich, daß es seinen Geist hat betrübet, er sprach: nun ist sie gesund worden, hinführo sündige sie nimmer, sie wandle im Frieden.

Demnach hat GOtt der HErr an mein Hertz heftiger angeklopfet, nicht mehr von weiten, gantz nahend mit mir geredet. Ich verstopfte meine Ohren, wollte nichts hören, der Geist GOttes aber redet nicht äusserlich, sondern innerlich mit mir, und drohet mir: bin dann ich nicht derjenige, welchen deine Seel verlanget; gehe nur fort und weyde unter den Welt-Kindern, dein Ziel wirst du nicht erreichen. Es ringet ein andersmahl mit mir mein Fleisch, und mein Geist, ich wollte, und wolte doch nicht; in diesem Streit wurde mir also ängstig, daß ich durch und durch geschwitzet, da erscheinet mir der gewaltige Richter auf seinem Richterstuhl, welcher wider mich das Urtheil gefället. Die Freyheit meines Willens war mir nicht genommen, ungezwungen ergab ich mich. Alsobald entgienge mir alle Angst, und gleich einem geblumten Ruh-Bettlein zeiget sich in mir die Erwählung Geistlich zu werden.

Diese ist die Erzählung schriftlich von ihr selbsten verfasset, und ihrem geistlichen Vatter eingereichet.

Ihre vollkommene Reumüthigkeit beweget und begleitet sie zur aufrichtigen Beicht, und mit der zu sonderlichen göttlichen Gnaden, daß sie der Eitelkeit entgangen, und der Heiligkeit sich ergeben, fort und fort ihre und alle Sünden der Welt verworffen und verdammet hat. Merck allhier den Ausspruch des goldenen Munds: Impossibile est compuctionem cordis vigere in deliciis; contraria enim hæc sunt invicem, & peremptoria, illa enim Mater fletus, hæc Mater est risus, illa cor constringit, ista dissolvit. Joan. Chrysost. hom. in Matth. Unmöglich ist, daß das Hertz reumüthig in Freuden schwebe; ein streitiger Gegensatz ist, Freud und Leyd vereinbaren; die eytle Freud ist ein Mutter des Lachens, das büssende Leyd ist ein Mutter des Weinens. Aber seelig die, welche [831] weinen und Leyd tragen, dieweilen sie die göttliche Gnad verschwendet, GOtt beleydiget; ihr Leyd wird in Freud verändert werden.

Das 5. Capitel
Das fünfte Capitel.
Grosse Reumuth zweyer Frauen.

Nach Christlicher Jahr-Zahl 1250. lebte Bertoldus aus den Mindern-Brüdern, ein Regenspurger, geistreich und streng in sich selbsten, auch in Predigen. Keine Kirch war groß genug das Volck zu fassen, welches von dem Wort GOttes, das aus seinem Mund geflossen, gezogen wurde; Sechzig Tausend Menschen höreten ihm zu, und vielen war seine Predig, gleich einem Morgen-Thau über das Gras, vielen ein blitzendes Donnerwetter, diesen GOttes Gericht und die ewige Verdammnus zu förchten, jenen ein Erquickung, GOtt und die Tugend zu lieben.

Einsmahlen prediget er wider das schändliche stinckende Laster der Unkeuschheit. Seine Wort durchdrungen wie goldene und feurige Pfeil, also daß ein Weib, welches in solchen Sünden gewesen, sich darüber bestürtzt, die grundlose Barmhertzigkeit GOttes innerlich angeruffen, in schmertzlicher Reumuth ihrer Sünden unter dem Volck gähling niedergefallen und gestorben. Der Fall beweget den Prediger und das Volck für die jetzt gleich Verstorbne GOtt zu bitten. Nach vollendetem Gebett wird die Todte wiederum lebendig, bekennet, daß sie mit Unkeuschheit ihren Leib und Seel beflecket, wider GOtt schwehrlich gesündiget habe; dann die Predig entzündete in ihrem Hertzen solche Reu und Leyd, daß sie vor Schmertzen wahrhaftig gestorben, dieser eintzige Gedancken, du hast GOtt das höchste Gut beleydiget, hat mir mein Hertz abgestossen, sprach sie. Mein Leib war todt, meine Seel aber ward hingebracht zum Richterstuhl GOttes, dannoch wegen der inniglichen Reu und Leyd ist mir der strenge Richter gnädig worden, daß ich wiederum zum Leben kommen, und beichten konnte. Dannenhero, wann sie zuvor aus Reu, so ist sie jetzt vielmehr zerknirscht gewesen in der Beicht, welche sie verrichtet, Gnad und Glory erlanget. Henricus Spondanus anno Eccl. ad annum 1250. item Antonius.

Cantacuzenus l. 3. c. 27. erzählet von einer anderen verehlichten Frauen, welche bey ihrem Ehemann in Verdacht gekommen. Der Spur forschet er nach, als ein Jäger dem Wild, befand etwas, doch nicht alles; entgegen rechtfertiget sie sich mit Lugen und Schwören, es blickte doch etwas unverschamtes aus ihrem Angesicht. Dann, Heu! quam difficile est crimen non prodere vultu! Ovid. in Metam. de Calisto. Ach! wie hart läßt sich die verübte Bosheit [832] verbergen: so du Böses thust, wird dann nicht alsobald die Sünd zugegen in der Thür seyn? spricht der HErr Gen. 4. v. 7. Der Mann drohet seinem Weib Feur, und Brand zu erfahren, das was der Argwohn vorwendt, wird sie in Berührung des Feurs wie ein Salamandra unverletzt bleiben, so werd ich sie wie Kayser Heinrich seine Kunegund ehren; geschiehet es aber, daß sie sich verbrennet, so jag ich sie dahin, wo sie ewig brinnet. Diese Droh-Wort giengen aus dem Mund eines solchen Manns, welcher die ehliche Treu mehr liebt als sein, und seiner Ehefrau Leben. Laut jenes Salomonischen Sprüchworts, der Eyfer, und Grimm des Manns wird am Tag der Rach nicht schonen: er wird sich auch von niemand erbitten lassen, noch sehr viel Gaaben zur Erlösung annehmen. Prov. 6. v. 34. Ein bittere Reu, die im Gemüth dieser Frauen aufwallet, gibt ihr den besten Rath, GOtt um Gnad, und Barmhertzigkeit zu bitten: dahero eylet sie zum Bischof, sie fallet ihm zu Füssen, beichtet reumüthig den Ehebruch samt allen ihren Sünden: erkläret und klaget ihr Noth, was massen ihr Ehemann mit glimmenden Feur ihr gedrohet, er wolle erfahren ihr Schuld, oder Unschuld. Der Bischof war ein Gewalt-habender, doch nicht heiliger Beicht-Vatter, nichts destoweniger war sein Rath heilig, sein Loßbündung kräftig, und sein Trost wunderbarlich.

Nach verrichter Beicht, als die Frau nach Haus kommen, begegnet ihr der Mann entzündet von Grimm der Eyfersucht, nöthiget sie ein glüend entzündetes Eysen, zu Bewährung ihrer Unschuld anzugreiffen: bezwungen ergreift sie solches, und siehe Wunder, ohne alle Verletzung. Darauf erlöschet aller Grimm, und Argwohn dieses Manns, er umfanget, und liebet sie folgends als den Schatz seines Hauses, und die Freud seines Lebens. Spondanus ad annum 1341. O GOtt! wie wunderbarlich machst du auch die Schuldigen in Kraft der Sacramentalischen Beicht unschuldig.

Diese zwey Geschichten beweisen die vollkommene, und unvollkommene Bereuung der Sünden. Die vollkommene errettet jenes Weib von ewiger, die unvollkommene aber diese Frau von zeitlicher Straf. Die vollkommene hat vor, die unvollkommene mit der Sacramentalischen Beicht sehr gewaltige Wirckung. Tröstet euch alle büssende Sünder in jenen Worten des HErrn, welche er durch seinen Propheten verzeichnet hat. Ich bins, ja ich bins selbst, der ich deine Ubertrettung austilge um meinetwillen, und will an deine Sünd nicht mehr gedencken. Isaiæ 43. v. 25.

Mit allen diesen war nothwendig, daß die Frau sich zeigte dem Priester, und ihm anzeigte alle grosse Sünd: die andere aber müßte sich vor dem Bischof in der Beicht zu Schanden [833] machen, damit sie nicht vor ihrem Ehemann zu Schanden stunde. Und dieweilen dieser ein nicht zuläßliches, sondern verbottenes Mittel zur Prüffung ergriffen, also ist es nicht seiner Klug- oder Künheit, sondern der Frauen ihrer Bußfertigkeit gelungen. Zur Beicht- und Büssenden spricht der HErr, ich hab mein Kleid ausgebreitet, und deine Schand bedeckt. Ezech. 15. v. 8. Ach! wie seelig seynd die, denen ihre Missethaten erlassen, und deren ihre Sünd bedecket. Psal. 31. v. 1.

Das 6. Capitel
Das sechste Capitel.
Exempel eines Edelmanns.

P. Georgius Gobat S.J. tr. 6. de vera contr. casu 3. erzählet folgendes Exempel von einem Hoch- und Wohlgebohrnen Ritter, Johann Conrad von Bodmann benamset: sein uraltes Geschlecht hat den ansehnlich, aber sein Tugend ansehnlicher, und herrlicher gemacht. Die Zierd seines Lebens war der grosse Verstand, und die Nüchterkeit. Johannes der Tauffer ware dessen sonderlicher Vorsprecher, und Schutz-Heiliger aus Ursach, dieweil seines Geschlechts Namen, und Stammen durch Vorbitt dieses Heiligen erhalten worden: als im Schloß Meckingen ein überhand nehmende Feuers-Brunst entstanden, der letzte dieses Geschlechts, noch ein Kind in einem Kessel über ein Fenster tief hinunter, mit augenscheinlicher Lebens-Gefahr geworffen, in Anruffung dieses Heiligen erhalten worden. Nun dieser jetzt benennte Ritter, als er vermercket, daß das zerbrechliche Gebäu seines sterblichen Leibs bald zerbrechen, und zusammen fallen wolte: die Kranckheit machte ihn schwach, sein Tugend aber starck und vorsichtig, er eylet vorzukommen, damit ihn nicht der Tod übereylete. Beruffet nach Meckingen aus der Stadt Constantz einen Beicht-Vatter aus der Gesellschaft JEsu, drey Wochen vor seinem Ableiben im Jahr 1625. Alle seine Gewissens-Händel handlet er mit diesem ab, beichtet ihm nicht nur ein, sondern mehrmahlen mit Demuth, und zerknirschtem Hertzen: er bedauret sein grosses Leyd mündlich, und schriftlich mit diesen Worten. O liebwerthester GOtt! wie abscheulich bin ich mir selbsten, dieweilen ich mit solcher Vermessenheit so vielmahl deine Gütigkeit beleydiget, so schändlich gesündiget. Von nun an verlange ich durch den Lauf meines Lebens, und durch die lange Ewigkeit dir der unendlichen Gütigkeit zu gefallen. Beynebens erkläre ich mich, so es ohne Beleydigung seyn konte, und so du mein GOtt ein Wohlgefallen daran hättest, so geschehe es, stürtze mich in den Abgrund [834] der Höllen. In solcher Anmuthung seuftzet er in die Wunden des Gecreutzigten, wie auch gegen dem Himmel, und ruhet in Frieden. Inden er sich zur Höllen angetragen, wurde er in Himmel erhoben: dann ein zerknirscht-gedemüthigtes Hertz wird GOtt nicht verschmähen. Dermassen suchet Gnad alle sündhafte Menschen-Kinder mit Bereuung, und Bekanntnuß euerer Sünden: wann ihr den HErrn euren GOtt suchen werdet, so werdet ihr ihn finden, so fern ihr ihn von gantzem Hertzen suchet, und mit Beängstigung euerer Seelen. Deuteronom. 4. v. 29.

Aurelius Augustinus vor Zeiten ein Sünder, folgends ein offener Büsser, hat GOtt seinen HErrn gesucht, und gefunden: mit gantzem Hertzen hat er ihn gesucht, und mit Beängstigung seiner Seelen gefunden. Wer ihme will nachfolgen, lese die offene Bekanntnuß seiner Sünd; ach wie reumüthig ist diese: er lese seine Betrachtungen, auch sein Hand-Büchel, da wird die Lieb GOttes entzündet, und in der Bereuung der Sünden die Eitelkeit in die Aschen gelegt.

In seinem hohen Alter gestellet auf den hohen Leuchter des hyponischen Bisthums, wohl ein helles, und eyfrig-brinnendes Liecht war sein treuhertziger Ausspruch, niemand sterbe ohne Buß. Sein Schlaf-Kammer ließ er ausspalieren mit sieben würcklichen Stucken: nemlich mit sieben in grossen Buchstaben geschriebnen Buß-Psalmen, damit ihm allweg durch die Augen zu Hertzen, in die Seel gienge die wahre Bußfertigkeit in stätem Reumuth. Er sprach, gib meinem Hertzen, O HErr! daß ich dich liebend meine Sünd erkauft: die erkaufte nicht mehr widerhole, und begehe: gib meinem Geist vollkommene Reu und Leyd, und entzünde das Feur deiner Liebe. Med. c. 1. Ich will mich erinneren meiner verübten Schandthaten, und der fleischlichen Verweesenheit meiner Seelen: nicht die, sondern dich zu lieben mein GOtt. Aus Lieb deiner Lieb thue ich dieses, ingedenck meiner boßhaftigen Irrgäng in der Bitterkeit meiner Erinnerung, damit du mir süß werdest, du unverfälschte Süßigkeit, du glückseelige und sichere Süßigkeit. 2. Confess. 1.

Das 7. Capitel
Das siebende Capitel.
Mit vollkommener Reu und Leyd ohne Beicht, doch mit Verlangen zu beichten, seynd viel seelig worden.

Zwey Exempel seynd allhier beyzubringen. Das erste ist, welches sich im Jahr Christi 1280. im H. Krieg zugetragen. St. Ludwig König in Franckreich, demnach er in Africa die gewaltig berühmte Stadt [835] Carthago eingenommen, Tunet belägeret, in scheinbarer Hofnung den Creutz-Fahnen des Christlichen Glaubens weit auszubreiten, wird von der einreissenden Pest-Sucht ergriffen: stirbt mit viel tausend seiner Französischen Mannschaft, welche mit ausgerüstem Eyfer das geliebte Vatterland verlassend, ihres Königs guten Meynungen nachgefolget. Eben auch Kayser Conrad samt hundert zwantzig tausend gewafnetē Männern, in diesem Krieg zu Eroberung des H. Lands begriffen, leydet unaussprechlichen Schaden, verliehrt sein gantze Mannschaft bis auf zwölf tausend, aus Ursach, dieweilen die Griechen das Meel für das Brod mit Kalch, und Gips untermenget, daß alle, welche darvon genossen, sterben müssen. Wiewohlen St. Bernard aus Verordnung Pabsts Lucii des anderten,Bullam cruciatæ verkündiget, mit Wort und Wercken diesen heiligen Krieg einzugeben geprediget, mit so gewaltigem Nachdruck, daß die Elteren ihre Kinder, und die Frauen ihre Männer von diesem nicht abhalten konten. Einsmahls gleich nach also gethaner Predig wurden gantz wunderbarlich die Blinde sehend, die Lahme gehend, die Gichtbrüchige in die zwantzig Personen geheylet, zur Bekräftigung, daß GOttes Willen diesen Krieg einzugehen, und sichere Hofnung zu fassen seye, vielfältigen Sieg zu erhalten: und dannoch ist meister Theil elendiglich geblieben. Viel aus diesen in Fühlung der Kranckheiten haben Sacramentalisch gebeicht, indem Priester genug zugegen gewesen, viel aber sturben übereylet, indem das Gift der Pest, oder aber das Grimmen des Magens gäh überhand genommen: nichts destoweniger seynd meistentheils seelig gestorben. Ein solcher Eyfer der Lieb GOttes, und seiner Ehr, wie dann auch ein solche Bereuung der Sünden, war unter diesem Christlichen Volck, daß niemahlen zuvor dergleichen zu sehen, und zu hören gewesen: viel Anzeigen hat man befunden dero Seeligkeit.

Dieser Heil. Krieg hat viel Klagen in Teutschland, und Franckreich verursachet; viel Mütter seynd ihrer Kinder, viel Frauen ihrer Männer beraubet worden. Aber alles dieses hätte allen ein unaussprechliche Freud seyn sollen: dann die Heilige Johannes und Paulus Apostlen seynd zum öftern erschienen den geistlichen Brüdern zu Cassumario, welche Jünger waren des Heil. Bernard, und haben ihnen ein grosse Freud verkündiget, daß mehrern Theils alle, welche in diesem Heil. Krieg gestorben, seelig worden; die eben im Frieden in ihrem Vatterland in ihren Sünden verdorben wären. Goffridus in vita S. Bernardi. Das andere Exempel ist: das in Pædagogo Christiano zu lesen tom. 2. p. 1. c. 14. wie im Jahr Christi 1489. zu Brüßel in Niderland ein zehrende Pest eingerissen, welche drey und dreyßig tausend Menschen aufgeriben, deren alle, ausser zweyen seelig gestorben. Einer verweiflet, der andere wolte durchaus nicht beichten.

3. Abtheilung
Das 1. Capitel
Das erste Capitel.
Der Vorsatz entgehet der Gefahr zu sündigen.

Babilas, Cometa, und Nicosia Comödianten.


Der steiffe Vorsatz deren, welche beichten, wird in der Geschicht des ansehnlichen Babiä, und zweyer wohlgestalten Frauen Cometä, und Nicosiä, vorgestellet.

Die Comödi fanget an: und zwar im Vorspiel singet die ewige Weißheit zum angestimmten Harpfen-Klang. O ihr Menschen Kinder, warum liebet ihr die Eitelkeit, und suchet das Lugenwesen?


O ihr Menschen! O ihr Sünder!
O ihr blöd, und böse Kinder!
Wo denckt ihr doch einmahl hin?
Ach! wie schwinden Tag, und Zeiten,
Nur im Schertz, und Eitelkeiten:
Wo habt ihr doch Witz, und Sinn?

Zu Tarso in Cilicia trittet Babilas zum öftern in der Schau-Bühne hervor: deme folgen Nicosia, undCometa vielfärbig angethan, und geschmucket: sie lassen sich sehen, und hören, werden also allem Volck mit ihren Gauglereyen in ihren Comödi-Spiel singend, und tantzend bekannt, angenehm, und beliebet. Der Fürwitz wird theur bezahlet, Babilas wird in einfliessenden Gelds-Mittlen reich: der Reichthum verursacht üppiges Wohlleben nach Belieben. Das gewähret Jahr, und Jahr: sie zwar alle drey waren nach dem Catholischen Glauben Christen, führten doch keinen auferbäulich, Christlichen Wandel. GOtt, welcher nicht begehrt den Tod des Sünders, ist langmüthig in seiner Gedult: ach wie lang wartet er, bis daß er endlich erwartet den Sünder zur Buß. Babilas befand sich einsmahls am Feyertag in der Kirch: da wird im Heil. Evangelio mit durchtringender Stimm gesungen: thut Buß, dann das Himmelreich ist nahe herbey kommen. Matth. 3. Diese Wort klingeten ihm in Ohren, und wurden ihme zu einem zweyschneidenten Schwerd, welches Hertz und Seel verwundet. Alsobald erwecket er innerlich einen kräftigen Vorsatz nicht mehr zu sündigen, alle gefährliche Gelegenheiten zu meyden, sich zu entfernen von jenen Personen, welche ihne mit ihrer Lieblichkeit bezaubert haben. Fort mit allen Gauglereyen, und Comödien! bishero bin ich ein Schau-Spiel gewesen der thorrechten Welt, ein Augen-Lust des menschlichen Fürwitz, ein Abscheuen des Himmels, ein Greul der Englen, ein Werckzeug des Teufels: hinführo aber werd ich ein Schau-Spiel werden der Bußfertigkeit;[838] ein immerwährender Feind meiner Gelüsten, ja ein geschlachter Bock meiner Sünden: nimmermehr werde ich umkehren zum Schwein-Trog der Unreinigkeit, wann ich nur einsmahls zugelassen werde zum Ursprung der Gnaden.

Mit dergleichen Anmuthungen gehet er nach Haus, erkläret denen Frauen seinen unverhinderlich gefaßten Vorsatz; Dieser unverhofte Entschluß erwecket in beyden jämmerlichen Platz-Regen vieler Zäher, welcher demnach er vergangen einen heitern Himmel gebracht, indeme sie gleichsam aus einem Mund und Hertzen erwählet und gesprochen: seynd wir mit dir den breiten Weeg, welcher zum Verderben führet, geloffen; so wollen wir nun mit dir den engen, welcher durch Bußfertigkeit zur Seeligkeit begleitet, eingehen. Babilas ware vor diesem ein Stein der Aergernus, diesen Frauen zu manchem Fall, nun aber ein Grundstein zur Aufrichtung. Sein Vorsatz bleibt fest, doch nicht sicher genug, so lang er sich von diesen nicht entscheidet, und entfernet. Dann der Vorsatz sich zu besseren ist eine gleißnerische Spiegelfechtung, wann er nicht die sündliche Gemeinschaft hinweg raumet. Nicosia du warest meines Hertzens Scylla, Cometa aber meiner Seelen Charybdis, Sturm und Würbel seyd ihr gewesen, darinnen ich mehrmahlen Schifbruch gelitten, euch liebend, liebte ich die Gefahr meines Untergangs; der gnädigste Vatter der Barmhertzigkeit seye hinführo euer Vatter, und GOtt, der euch behüte, begleite mich auf das Gestatt der Seeligkeit.

Mit solcher Urlaub wiche er ab von ihnen, gienge zur Beicht, schlieft in einen härinen Rock, erhaltet einen Stadt-Thurn zur Wohnung, und läßt sich darein mit eisenen Rieglen und dicken Gemäuer verschliessen. Da hielt er gefangen den Muth seines Fleisches, und fande die Ruhstatt seines Geistes.

Die also verlassene zwey Frauen wolten von Gauglereyen und Comödien-Spiel nichts mehr wissen noch hören; giengen derowegen ein den heylsamen Rath, gleichwie einsame Turtel-Täublein zu weinen und zu klagen, daß sie so sehr gesündiget, so schändlich Leib und Seel verunehret haben.

Sie machen den Vorsatz die zarte Kleyder, und mit diesen die böse Gewohnheiten abzuziehen, die und alles schätzbares zu verkauffen, den nothleydenden Armen zu vertheilen. Es geschicht. Folgends unterreden sie sich mit einem geistreichen Beichtvatter, deme bekennen sie reumüthig ihre Missethaten, vertrauen doch nicht ihren jetzt entzündten Eyfer, sondern dessen Bescheidenheit. Zur Bestättigung ihres Vorsatzes erwählen sie also in der Stadt, als ob sie in der Einsidlerey in einer Wüsten wären, zu leben; erhalten auch neben dem Stadt-Thurn, allwo Babilas verschlossen, zwey schlechte Zellen aufzubauen, ihr übriges Leben darinnen zuzubringen. Es wurde also alles werckstellig, daß Babilas gar wohl, was der Römische Wohlredner sagen konnte: dummodo [839] murus inter me & te inter sit: Cicero sagt diese Wort seinem Gegentheil, Babilas diesen Frauen, mir ist und bleibt es gar recht, wann nur eine unzerbrechliche dicke Mauer mich von euch entscheidet.

Im lustigen Blumen-Feld unterschiedlicher Geschichten weiset Sophronius auf diesen büssenden Babilas, Cap. 32. und erzählet, daß er mit ihme geredet, und gefunden, daß er demüthig, in seinem Vorsatz unbeweglich seye.

Derohalben wann ihr etwann heut die Stimm des HErrn hören werdet, verstocket nicht eure Hertzen, sondern thut Buß, dann das Himmelreich ist nahe herbey kommen.

Eine Römische Fräule hatte eine grosse Verträulichkeit mit einer jungen Schlangen, die Schlang schleichet ihr nach, sie wicklet sich in ihre Füß, und liebkoset sie, daß sie angegriffen, ihr keinen Schaden viele Zeit zugefüget; einsmahls ungefehr, als die junge Schlangen die Fräule schlaffend zu Beth gefunden, schlinget sie sich ins Beth, umwicklet sich nach Gewohnheit um die Fräule, wird aber gedruckt, alsbald ergiftet, beisset und verletzet sie diese Fräule dermassen, daß kein Artzney die giftige Wunden heylen, keine menschliche Hülf vom Tod erretten konnte. Also gehet es denen, welche mit der Sünd gar zu grosse Gemeinschaft und Verträulichkeit gebrauchen. Besser hat ihme gethan jener, welcher in Oesterlicher Beicht sich vorgenommen die Sünd, wie das Angesicht einer Schlangen zu fliehen; dem begegnet sein Buhlschaft, begrüsset ihn mit gar zu grosser Verträulichkeit, sprechend: erkennet er mich nicht, ich bin seine Geliebte, abgewendet ihr geantwortet hat, ich bin nicht mehr der, welcher ich vor meiner Beicht vor Ostern gewesen, hinführo werde ich sie nimmermehr erkennen. Also recht. Der gute Vorsatz nicht mehr zu sündigen entfernet sich von der Gefahr und Gelegenheit, indem er vom Himmel den antreibenden Geist GOttes anhöret: Fuge dilecte mi! fliehe, fliehe mein Geliebter! Cant. S. Sicut à facie colubri fuge peccatum: fliehe für den Sünden, wie für dem Angesicht einer Schlangen. Eccl. 12. v. 2.

Das 2. Capitel
Das zweyte Capitel.
Der Vorsatz erfordert Versöhnung.

Ein dollsinniger Mann verwundet den König.


Im Königreich Catalonia zu Barcellona ware ein dollsinniger Mann, der ließ ihm bey Tag und Nacht etliche Jahr von Cron und Thron traumen, er wolte den König umbringen mit des Königs Blut, ihme [840] einen Königlichen Purpur-Mantel zu bereiten. Ferdinand der Catholische König in Aragonia und Hispania wird unversehens von diesem überfallen, mit einem Stillet in Halß gestochen, schwerlich verwundet, ja er wäre todt geblieben, wann der vergoldte Halß-Ring, welchen der König nach Kriegs-Brauch angetragen, den gewaltigen Stich nicht abgetragen hätte. Det Meuchelmörder wäre alsobald umgebracht worden, wann man nicht besorget hätte zu erforschen, ob etwann ein angespunnene Verrätherey hierunter verborgen. Der Uebelthäter wird angehalten, und ausgefragt, bekennet rund heraus keine Feindschaft noch einigen Haß habe er gegen den König, sondern aus innerlichen Antrieb ohne einiges andern Mitwissen habe er dieses gethan, willens was er angefangen, zu vollenden, sein Absehen sey König zu werden. Vernünftig scheineten seine Reden, bis er sein Absehen erkläret; dieses war der Schwindel-Geist seines Ehrgeitzes.

Nach allen Rechten war sein aufgeblasener Uebermuth, und vermessene Uebelthat sträflich, dannenhero verurtheilet zum Tod, als ihm seine Verurtheilung angekündiget worden, widersetzet er sich einige Versöhnung durch Abbitt mit dem König, oder durch die Beicht mit GOtt einzugehen. Verbitterte Gemüther wolten seinen zeitlichen und ewigen Tod, doch nicht Christliche. Isabella aber die Königin ließ ihr keinen so unchristlichen Gedancken einfallen, verordnet zwey Ordens-Priester, dieses armen Sünders Gemüth zu gewinnen, auf daß er zur Beicht bereitet, die Königliche, folgends in der Beicht auch die göttliche Gnad erwerben konnte. Der Geistlichen Mühe war eyfrig, aber des Uebelthäters Ehrgeitz verstockt. Die Wunden des Königs war der Königin höchst schmertzlich, es schmertzet sie doch auch dieses Menschen Bosheit. Die geistliche Vätter setzten nicht aus mit Bitten und Verweisen, mit aller Gedult und Lehr; GOtt sahe an dieser und der Königin flehentliches Gebett, der Uebelthäter wird erleuchtet, sein Marmorsteines Hertz wird endlich erweichet, den Ehrgeitz und bösen Willen lasset er fallen. Und damit er, Kraft einer aufrichtigen Beicht, von allen seinen Sünden entbunden werden möchte, ergibt er sich alles das bevor zu thun, was nothwendig erfordert wird. Nun aus einem Blutgierigen Löwen in ein sanftes Lämmlein veränderet, gab er mit Reden und Gebärden zu verstehen, wie hertzlich er bereue, daß er wider zwey ja drey Majestäten so greulich gesündigt, den König und die Königin, wie dann auch GOtt beleydiget habe. Indem er den Schaden nicht konnte, als mit demüthigster Abbitt ersetzen, willkührig mit scharffer Peyn hingerichtet zu werden, ließ er duch die zwey Ordens-Priester solche Abbitt erstatten. Der verwundte König nahme sie so gnädig an, als das beste Pflaster seiner Wunden, sie erfreuet auch gar sehr die Königin. Demnach hat er seine Beicht reumüthig verrichtet, [841] von seinen Sünden losgesprochen tapfer der wohlverdienten Straf sich ergeben; ist also ohne Zweifel der ewigen Straf entgangen. Joann. Eus. Nieremb. in Theopolit. l. 1. pag. 2. cap. 6.

Dieser arme Sünder ist nachkommen dem Befehl des HErrn, vor dem Versöhn-Opfer, das ist, vor der Beicht, gehe hin, und versöhne dich. Matth. 5. v. 24. Der König aber jenen Befehl, liebet eure Feind. Doch ohne Rachgierigkeit habe die Gerechtigkeit ihren Lauf.

Allein das Gold, percussum non sonat, das edleste Metall, wann es geschlagen wird, giebt es keinen Klang: Also wann der geschlagen wird, den die Christliche Tugend edel macht, der wird weder widermurren, noch drohen: gleichwie der HErr selbsten, der seinen Adel von der Gottheit gezogen, da er gelitten, nicht gedrohet. Nicht nur die, welche andere beleidiget haben, sondern auch die beleidiget worden, sollen der gäntzlichen Versöhnung nachtrachten. Das erfordert die Lehr, und das Exempel des HErrn: Und St. Paulus zu den Colossern am 3. v. 13. ermahnet:Einer übertrage den anderen, und vergebet einander, so jemand über andere zu klagen hat.

Hier taugt folgende Geschicht, welche im Leben St. Burgundophorä zu lesen.

Gibitrudis ein Closter-Frau, Burgundophorä Lehr-Jüngerin, wurde nach ihrem Tod mit grosser Verwunderung bald wiederum lebendig: Erzählet, wie es ihr vor dem Richter-Stuhl GOttes ergangen. Als sie gleich jetzt vom Heil. Engel dahin gebracht worden, begegnet ihr ein Stimm, welche ihr angekündiget, daß sie ihr neuliche Beicht unvollkommen mangelhaft verrichtet, einige Abwendung ihres Gemüths gegen etlichen Mitschwestern, welche sie mit Schmäh-Worten angegriffen, behalten habe: deswegen soll sie wiederum ins sterbliche Leben umkehren, sich mit denen, von welchen sie beleidiget worden, vergleichen mit einer besseren Beicht der göttlichen Gnaden theilhaftig machen. Darüber lebte sie noch sechs Monat, bittet alle die, von welchen sie beleidiget worden um Verzeihung, verzeihet ihnen gutwillig: Verrichtet demnach mehrmahlen ihre Beichten ohne allem Mangel vollkommentlich. Erkennet, und weissaget den Tag ihrer Abforderung: wird von einem Fieber ergriffen, stirbt heilig, und alsobald ergiesset sich ein lieblicher Geruch aus dem todten Leib, zum Zeichen, daß ihr reine Seel in süssen Geruch vor das Angesicht GOttes aufgenommen worden. Anno Christ. 610.


Was Gibitrudis ihrer Tugend halber in kleinen Beleidigungen leichtlich hat thun können, das hat Catharina Königin in Engeland gebohrne Infantin aus Spanien, mit Uberwindung ihrer selbsten, in grossen, offentlichen, überhäuften Beleidigungen Christ-löblichsten gethan. 1. Sie verzeihet Henrico dem Achten, demnach sie ihm über zwantzig Jahr ehelich treu gewesen, daß er sie aus dem Ehe-Beth verstossen, [842] in ihren Lebzeiten ein andere geheurathet. 2. Sie verzeihet ihm, daß er ihr alle königliche Ehr, auch den königlichen Namen mit Verbietung, niemand soll sie Königin nennen, hinweggenommmen. 3. Verzeihet sie ihm, daß er der siebenzehenjährigen Printzessin ihr Recht zum Königeich, als einer, welche beyder natürliche, nicht eheleibliche Tochter wäre, abgesprochen. 4. Neben andern mehrern Schmäh- und Verspottungen, welche ihr hin und wieder geschehen, verzeihet sie ihm, daß er ihr ihren Beicht-Vatter Patrem Joannem Forestum einen alten Franciscaner, welcher ihre Tugend mit seinem Geist allezeit gesteiffet, so unbarmhertzig entzogen, und in offentliche Gefängnuß geworfen. Das hat sie vom Jahr 1533. bis 1535. in ihrem betrübten Leben (wiewohl sie nach Billigkeit, und Möglichkeit ihr Ehr allezeit verfochten) dreymahl alle Wochen beichtend mit Hertz und Mund, vor dem Tod aber schriftlich in einem an König geschriebenen Brief mit diesen Worten gethan:


Allerdurchleuchtigster König, werthester Herr Gemahl.


Dieweilen sich die Stund meines Ableibens herbey nahet, erforderet die Lieb, mit welcher ich Euer Majestät allezeit geliebet, daß ich sie mit wenigen erinnere ihrer Seelen Seligkeit, diese sollen sie allen Gütern der Welt, und allen zergänglichen Dingen vorziehen etc. etc. Sie wissen, in was für grosse Widerwärtigkeit sie mich, sich selbsten aber in noch grössere Sorgen gesetzt haben. Ich aber verzeihe es Euer Majestät von Grund meines Hertzens, damit ihnen auch GOtt alles verzeihe etc. GOtt ist mein Zeug, vor allen sterblichen Sachen verlangen meine Augen Euer Majestät noch einmahl zu sehen. Geben zu Cumbalton, den 6. Jenner 1535. Catharina.


Nach geschriebenen, und überschickten Brief wurde sie gar bald aus dem unglückseligen, in das selige himmlische Engeland, ein Obsigerin der Untreu, und Rachgierigkeit, forderst ein Obsigerin ihrer selbsten zur immerdar verbleiblichen Cron der Glori beruffen, und abgesordert den 6. Jenner. Henric Spond. Annal. Eccl. tom. 2. 1536. item Anton. Bruodinus.

Das 3. Capitel
Das dritte Capitel.
Der Vorsatz verzeihet den Beleidigern.

Zwey junge Herren, und ein Jungfrau.


Abbitten, und mit dem, welchen man beleidiget hat, Versöhnung suchen, ist ein rechtmässige Schuldigkeit nach Erforderung der Christlichen Lieb, und Gerechtigkeit. Aber mit dem, von welchen man beleidiget[843] worden, sich versöhnen, der Feindseligkeit mit Freundlichkeit begegnen, und das Unrecht ohne Haß, und Rachgierigkeit mit Gedult übertragen, ist ein gewaltig heroische, mehr himmlische, als irrdische Tugend. Vor der vollkommenen Beicht muß es doch geschehen; dessen beybringet ein schönes Exempel Sacchinus Hist. Soc. l. 6. fol. 282.

Zu Rothomago hat Pater Possevinus S.J. alle Freytag in der Fasten die Gefangene besucht, und mit Christlicher Ermahnung getröstet. Unter den Gefangenen waren zwey edle junge Herren, samt einer ehrbaren Jungfrau, weiland dero ihrer Frauen Mutter Bediente. Die junge Herren waren im Glauben Hugenotisch: die Jungfrau aber Catholisch. Diese waren mit falscher Inzücht überwiesen, als ob sie ihren ältesten Herrn Brudern (dessen entseelter Leib in einem Brunn gefunden worden) ermordet hätten.

Nach Ostern wird über alle drey das Urtheil vom Leben zum Tod gefället. Die junge Herren waren hoch von Person, vom zierlichen Angesicht, gantz adelich: neulich abgesagte Feind, nun Freund unsers Catholischen Glaubens, vom obgedachten Pater unterrichtet, und bekehret. Diese beruffen jetzt genennten Priester zu sich, klagten ihm, sprechend: Mein Pater, mit Unrecht seynd wir drey zum Tod verurtheilet: sterben müssen wir, wiewohl ohne Schuld: wir bitten, der Pater stehe uns bey, weilen der Pater uns zum seligmachenden Glauben, so wird er uns auch zur Seligkeit bringen.

Der Pater beredet sie, erstlich ihre Unschuld dem aufzuopfern, der gantz unschuldig für uns am Creutz gestorben: darnach, denen Anklägern, und Richtern hertzlich zu verzeihen. Welches die Jungfrau aufrichtig, die zwey junge Herren gantz großmüthig gethan. Demnach verrichten sie ihre Beichten, werden von ihren Sünden loßgesprochen, und durch die göttliche Gnad gestärcket, betheuren ihr Unschuld vor dem Volck, und wasmassen sie allen denen verzeihen, welche zu ihrem so scharfen Tod mit gewürcket haben, und sterben durch die Hand des Scharfrichters.


Es verstriche ein kurtze Zeit, und die Unschuld der Hingerichten kommet an das Tagliecht: der Ubelthäter, welcher den Aeltesten aus den Brüdern aus Haß in Brunn gestürtzet, wird verrathen, eingezogen, zur scharfen Frag gestellet, bekennet, daß jene unschuldig, er allein schuldig, auch gern sterben wolle nach seinen strafmässigen Verdiensten.

O wie wunderbarlich ist die Vorsichtigkeit GOttes! Nichts ist so klein gespunnen, es kommt an die Sonnen. Die Unglückseligkeit dieser jungen Herren hat sie zur Glückseligkeit des Catholischen Glaubens gebracht: und der Verlust des zeitlichen, hat ihnen das ewige Leben gewonnen: ihr Beicht mit dem Vorsatz die falsche Innzücht gedultig ohne Rach, und Haß zu leiden, hat ihnen die immergrünende fröhliche Marter-Cron erworben.

[844] Vor der Beicht müssen alle Fackel der Furien abgelöscht, die liecht- und brinnende Ampel der Christlichen Lieb angezündet werden. Die Feindseligkeit, und Rachgierigkeit müssen in Kraft des Vorsatzes sich zu bessern abgeschaft, und vertilget werden: entgegen Versöhnung, Einigkeit, und Fried in das Gemüth eingeladen, wie ein heller Frühlings-Tag anbrechen.

Das 4. Capitel
Das vierte Capitel.
Der Vorsatz sich zu bessern wicklet sich aus allen Ungerechtigkeiten.

Isabella Königin in Hispania.


Zum drittenmahl erscheinet in diesen Freuden-Geschichten von der Beicht, diese Königin Isabella: ein rechtmässige Erbin der spanischen Königreich. Im ersten Theil, da sie einsmahls dem Cardinal Ximenes Ertz-Bischöffen zu Toledo gebeicht, hat sie gelernet, wasmassen sie ihr Gewissen zu erforschen schuldig, welches sie in diesem dritten Theil so hell erzeiget, als ein angezündtes Liecht auf einem goldenen Leuchter, welches einen königlichen Saal erleuchtet.

Im andern Theil hat sie ihren Königreichen, ja der gantzen Welt erwiesen, daß in ihr jenes alte Sprüchwort kein Ort gefunden, welches spricht: Vindictâ nemo magis gaudet, quàm fœmina: Wann jemand sich in der Rach erfreuet, erfreuet sich das weibliche Geschlecht. Welcher ihren Ehe-Gemahl meuchelmörderisch verwundt hat, dessen Tod verlangt sie nicht, sondern sein Bekehrung, und Buß.

Nun aber wird ihr Vorsatz alle Gerechtigkeit zu erfüllen in einem Brief, welchen sie eigenhändig ihrem ordinari Beichtvatter geschrieben, gleichwie die Sonn mit ihren goldenen Strahlen die gantze Welt, forderst grosse Herren, und Frauen, damit sie, da es noch Tag ist, auf dem Weeg der Gerechtigkeit wandlen mögen, erleuchten.

Ihr Beichtvatter war Ferdinand von Valavera Bischof zu Granata, diesem schreibt sie mit nachfolgenden Worten.


Hoch-Ehrwürdiger Geistlicher Vatter.


Wiewohlen mein Herr der König nächst beym Tod gewesen, hab ich doch den Tod mehrmahlen, und viel bitterer verkostet, als wann ich etwann aus anderen Ursachen wäre gestorben. Bevor ich aber einigen Vorgeschmack so bitterer Hinscheidung wiederum einnehme (so bitte ich GOtt, er wolle dergleichen Unheil gnädigst abwenden) viel anderst wünsche ich bereitfertig gefunden zu werden zur Abreis von der Welt, als ich neulich gewesen bin. Gantz inständig begehre ich Richtigkeit zu machen in allen [845] meinen Schulden: euer Hoch-Ehrwürdigen befihle ich alles: seynd sie an dem, daß sie meinetwegen noch etwas aus arbeiten wollen, wasmassen sie in viel anderen hochwichtigen Geschäften es mit bestermassen gethan: so bitte ich durch die Lieb unseres HErrn, sie wollen etliche Tag anwenden, mir meine Schulden, und Schuldigkeiten zu beweisen. Allweeg, was ich schuldig bin, will ich bezahlen, in aufgenommenen Geldern, in Besoldung meiner Hof-Bedienten: so, und wie in verwichenem Kriegs-Lauf der zugefügte Schaden zu ersetzen: die alten Königlichen Cammer-Schulden, wie auch das Müntz-Haus zu Abula betreffend, ja alles, was Euer Hochwürden befinden werden, das verzeichnen sie mir nach ihrem guten Beduncken, was ich abstatten, richtig machen, zustellen, und bezahlen solle. Euer Hoch-Ehrwürden schicken mir in allen dem, was mein Gewissen beschweren kan, ausführliche Verzeichnung, und benennen alles, was mein Schuldigkeit erforderet. Viel lieber wird mir dieses seyn, als alles, was ich auf der Welt kan verlangen. Aus solcher Wissenschaft werd ich mich sehr befleissen, alle Gerechtigkeit zu erfüllen. Euer Hoch-Ehrwürden richten dieses nur bald, wann sie wollen, daß ich noch länger im Elend dieses Lebens verbleibe. GOtt verleyhe alles zu seiner grösseren Glori.

Barcinona den 30. Decemb.

Isabella.


Kraft dieses Briefs wolte die Königin von ihrem Seelsorger vernehmen.

1. In Aufnehmung der Gelder, ob kein Wucherey unterloffen, was sie schuldig zu bezahlen?

2. Ob der Lidlohn der Hof-Bedienten rechtmäßig? ob die Wohlverdiente mit Versorgung zu unterhalten? oder auch mit reichen Gaaben zu begnaden, und abzufertigen?

3. Demnach im Kriegs-Lauf Land und Leut Schaden gelitten, was massen dieser Schaden zu ersetzen, und gut zu machen?

4. Ob die alten Cammer-Schulden völlig mit dem Zinnß zu bezahlen?

5. Ob im Müntz-Haus zu Abula einige Untermischung, und Zusatz eines unwerthen Metalls die Müntz unwerth gemacht, daraus mercklicher Schaden unter dem Volck entstanden eben auch diese Ungerechtigkeit, wie es möglich, daß ersetzet, und abgestattet werde.

Der Vorsatz von Ungerechtigkeiten abzustehen, ersucht dergleichen geheimen Rath nicht von andern, als von gewissenhaften Seel-Sorgern und Beicht-Vättern. Discite justitiam moniti. Wie gut ist es, sich aus Ungerechtigkeiten auswinden, und demnach in der Gerechtigkeit wandlen.

Das 5. Capitel
[846] Das fünfte Capitel.
Kirchen-Raub wird der Kirchen zugestellt.

Ragnerus Hertzog in Lothringen Anno 913.


Demnach Ragnerus wider alles Recht die Kirchen Güter angegriffen, ausgeraubt, an sich gezogen: GOtt gleichsam beneydet um das, was geopfert, der Kirchen gewidmet worden: ungeacht der Göttlichen Straffen, welche jene Hand aufschreibt, die des Babylonischen Königs Baltasar Mißbrauch der Kirchen-Geschirr aufgschrieben: ein zimliche Zeit in Ungerechtigkeiten versessen: ist er durch öftere Ermahnung eines geistreichen Seelsorgers, forderist durch die Langmüthigkeit GOttes beweget, den heylsamen Vorsatz eingangen, sich des vielfältigen Kirchen-Raubs zu entscheiden, GOtt und der Kirchen die benommene Haabschaften zuzustellen, offentlich durch ein besiglete Schrift, und heimlich durch ein Sacramentalische Beicht göttliche Gnad zu suchen, und zu finden.

Nach gepflegten vielfältigen Rath mit Einwilligung Ihro Heiligkeit Pabsten Johannes des Zehenden hat er zur Abstattung seiner verübten Ungerechtigkeiten folgende Stiftungen, Kraft eines offenen Briefs mit aller Fertigung gemacht.


Urkund dessen ist allen Gegenwärtigen und Zukünftigen zuwissen: daß ich Kirchen-Rauber Ragnerus, Herr des Ober-Lothringen, und untern Mosel-Strohms, Ardnams, Haßbanien, Buillon, Elsaß, der Metter, und Verduner unwürdiger Fürst, und Hertzog, Kraft dieses meines gegenwärtigen Briefs: aus Lieb des bittern Leydens unsers HErrn JEsu Christi, mit dessen Blut ich erlöset worden, und der seeligen Jungfrau Mariä seiner Mutter, zu Ehren der HH. Apostel Peter, und Paul, und des glorwürdigen Apostel Matthiä, wie dann auch der HH. Bischof und Beichtiger Eucharii, Valerii, und Materni: freywillig, aufrichtig, ohne Gefährde mit grosser Reu, und Zerknirschung meines Hertzens, das was ich mit Unrecht an mich gezogen, stelle ich zu, und gib dem Ehrwürdigen Vatter, und Abbten, auch den geistlichen Brüdern des Closters Eucharii, welches nun das Closter St. Mathiä genennt wird, ausser Trier an der Mosel gelegen, die Herrschaft Petersdorf mit allen zugehörigen Orten und Mayrschaften: und die Renthen von Coursan, jenseits der Mosel. Hoffentlich werden sie, dieweilen sie bey Tag und Nacht [847] vor dem Angesicht des HErn stehen, ihme stäts aufopferen, das Opfer des Lobs für mich grösten Sünder die Barmhertzigkeit GOttes zu erbitten, etc.

Damit aber dieser, mein bis in Tod bestättigter Will kräftig gehalten werde, hab ich diesen in Beyweesenheit meiner annoch lebenden HErren Söhn, und meiner getreuen Land-Ständ selbst unteschrieben, und mit meinem eingedruckten anhängenden Wappen fertigen lassen. In Trier den 9. May, im Jahr 913. Ex Baronio Annal. Eccl. ex monumentis Trevirensis Eccl.


Bey diesem Exempel ist zu mercken, daß es nicht genug, das ungerechte Gut nach dem Tod zustellen, oder aber auf weitere Zeit verschieben, oder mit wenigem viel Unbillichkeit ersetzen wollen. Dieser Hertzog Ragnerus hat abgemessen sein Unrecht, mit der Maß der gerechten Zustellung, viel besser als Heinrich König in Engelland der Achte dieses Namens, welcher die Plünderung etlich hundert, ja tausend Kirchen ersetzen wollen mit Zustellung einer zu Londen. Ich förchte, ich förchte, spricht Sanderus im Jahr 1546. drey Wochen vor dem Tod Luthers:


Unus mille decem templorum sustulit annus,
Quam timeo in Pœnam, vix fatis unus erit.

Ein Rebhun setzt sich über die Eyer, die es nicht gelegt hat, also der Reichthum mit Unrecht zusammen bringt, der wird sie verlassen müssen mitten in seinen Tägen. Jerom. 17. v. 11. De male quæsitis non gaudet tertius hæres. Ungerechtes Gut thut kein gut, es erspriesset nicht auf den dritten Sprossen. Wilst du deinen Kindern Reichthum überlassen? so besitze gerechte: diese erspriessen aus guter Wurtzel. Joan. Chrysost. in Ep. S. Paul. ad Ephes.

Das 6. Capitel
Das sechste Capitel.
Der Vorsatz soll auch das ererbte ungerechte Gut ersetzen.

Ein Sohn eines Wucherer.


Guilielmus Paraldus von der Wucherey, erzählet von einem reichen Vatter zweyer Söhn: welcher in letzter Kranckheit vom Seel-Sorger wegen des Wuchers, den er getrieben, vermahnet, daß er, indem es noch Zeit ist, sich des ungerechten Guts entscheiden solle: thut er dieses nicht, so kan er weder von Sünden losgesprochen, weder seelig werden. Die zwey erwachsene Söhn bitten gleichermassen ihren HErrn [848] Vattern. Er aber widerredet er mit diesen Worten: meine Kinder, das kan ich nicht thun, soll ich dann auf den Bettelstab, ihr aber ins Spittal kommen? die gute Söhn sprachen, unsertwegen sorg sich der Herr Vatter mit nichten: schweiget, sprach er: ich vertraue mehr auf GOttes Barmhertzigkeit, als auf zerbrechliche Menschen-Hülf, sein Gütigkeit ist unermeßlich.

Schöne Wort wie klares Gold, doch schwerer als Bley. Der Ausspruch S. Augustini Epist. 54. ad Macedonium, item Jus Canonicum c. 1. causa 14. quæst. 6. kan dannoch nicht verkehrt werden: es bleibt darbey; non dimittitur peccatum, nisi restituatur ablatum. Ungerechtes Gut muß zugestellet, sonsten kan die Sünd nicht vergeben werden. Wer sich bemühet um flüchtig Geld, muß ohne Geld zur Erden; er sammlet fleißig, doch für andere ein, und stirbt allein.

Der Vatter verharret, und stirbt in seiner Meynung, niemand mehr untreu, als ihme selbsten. Groß war das Erbtheil, aber grösser das Bedencken solches anzunehmen. Ein Bruder beredet den andern: mein Bruder, wir wollen nicht theilhaftig werden, und Erben seyn der Ungerechtigkeit unsers Vatters: ungerechtes Gut ist süß, aber bringt den Tod. Dieses brüderliche aufrichtige Zusprechen verwirft der andere Bruder mit diesem Vorwand: hat der Vatter gewuchert, ist die Sünd sein, mein ist das Erbtheil; ich muß meine Lebens-Mittlen haben, das Künftige gibt die Zeit. Der andere Bruder ingedenck der guten Ermahnung, welche der Seel-Sorger im Tod-Beth seinem Vattern gegeben, nahm zwar sein Erbtheil, aber gab es aus Lieb der Gerechtigkeit auf gehörige Ort zu Abstattung des Wuchers, den Uberfluß vertheilet er unter die nothleydende Arme: wird also arm, und geistliche vergwist des Himmelreichs,dann, seelig seynd die Armen im Geist, dann ihr ist das Reich der Himmlen.

Wie alle Sachen ein kurtze Zeit gewähren, also gewähret nicht lang das Leben des weltlichen Bruders, er stirbt, und fahret unglückseelig seinem Vatter nach. Der geistliche Bruder wurde berichtet wegen des Todfalls, bedauret den zeitlichen, aber besorget vielmehr den ewigen Tod des Brudern. Er nahm ihm vor, und verharret in Casteyung, und vielfältigen Gebett. Einsmahls in seiner Andacht begriffen, eröffnet sich gähling ein erschröcklicher Abgrund, hierin ersihet er in quälender Peyn seinen verstorbenen Vatter und Bruder, die höret er unaufhörlich gegeneinander streitten, und ruffen: seye verflucht, deinetwegen bin ich verdammet, dir hab ich zeitliches Gut, mir hab ich ewige Peyn gesammlet. Im Gegenwurf mit Zetter-Geschrey schrye der Sohn, du seye verflucht, deinetwegen bin ich verdammet, dein ungerechtes Gut hab ich gebraucht, und mißbrauchet [849] zu sündigen, das hat mich in diese immerwährende Noth gebracht. Ach! wie jämmerlich ware dieses erschröckliche Fluch-Gefecht zu sehen und zu hören; hundert tausendmahl widerwärtiger, als wann zwey in ihrem Gift entzündete Nattern widereinander streiten. Der Fromme konnte nimmer helffen diesen, welche das unwiderrufliche Urtheil mit so gerechter Hand getroffen, die Gerechtigkeit GOttes bettet er an, und dancket GOtt, daß er dem gefährlichen Mammon der Ungerechtigkeit entgangen; er psalliret in seinem guten Vorsatz, Die Mäschen ist zertretten, und ich bin errettet worden. Dann laqueos posuit in divitiis: der uns die Fallstrick geleget hat in Reichthum, der soll uns das verbleibende ewige Erbtheil nicht verhinderen. S. Aug. Solil. c. 16.

Das 7. Capitel
Das siebente Capitel.
Der Vorsatz sich zu bessern gibt einem jeden das Seinige.

Nicolaus Esterhazy, Palatinus in Hungarn.


Nicolaus Esterhazy zu allen Zeiten Graf zu Forchtenstein und Galanta, nach erkannter Catholischer Wahrheit von 1600. Jahr angefangen, ein abgesagter Feind des Lutherthums, lernet nach alter Glaubens-Lehr recht beichten. Sein Herr Vatter drohet ihm zwar die Enterbung, dieweil er Catholisch worden, er aber verhoffet vom himmlischen Vatter das ewige Erbtheil, beflissen nicht nur Christlich, sondern gut Catholisch zu leben; bewähret seinen Glauben mit Beichten, und Communiciren, und beredet seine zwey Herren Brüder Daniel und Paulus benamset, den engen Weeg der Seeligkeit einzugehen, auf Catholisch alle begangene grosse Sünd, nach dem Unterschied und Anzahl zu beichten, und folgends die Glaubens-Bekanntnus zu verrichten.

Dieser Herr wurde mittler Zeit dannoch Erb seines Herrn Vattern, darauf vom Kayser Matthia zum geheimen Rath erkiesen, vom Kayser Ferdinand dem Zweyten zum Richter der Cumanier im löblichen Königreich Hungarn verordnet, demnach bald im Jahr 1625. mit Beystimmung aller Wahlen Palatinus auserwählet, und angenommen. Was die erste Lehr der ewigen Weisheit, das war sein Grundvest und Haupt Regul; Sapientiæ 1. v. 1. Liebet die Gerechtigkeit, ihr, die ihr Richter seyd auf Erden. Er liebte sie als die Brust-Wehr seines Hertzens, und das Schwerd seiner Tapferkeit, und da er andern das Recht ausgesprochen, wollte er selbsten alle Gerechtigkeit erfüllen. Ursach dessen, als er im Nachsehen seiner Schriften (allwo aller rechtmäßiger Zuspruch und Abspruch[850] verzeichnet war) gefunden, daß das gewaltige Schloß Regez mit allen gehörigen Dorfschaften, ein zu Friedens-Zeiten reich erträgliche Herrschaft, mit Unrecht auf seine Vorfahrer kommen, forschet er nach, welchen es eigenthumlich zuständig, und befande, daß es einem armen Edelmann, mit Namen Frantz Alaghi, gehörig; derowegen beruffet er ihn samt etlichen vornehmen Herrn zur Mahlzeit, trinckt ihm eines zu auf ein grosses Stuck, er solle diesen Trunck seegnen, mit Lust und Freud annehmen, und Bescheid thun. Nachdem der Palatinus getruncken, überreichet er ihme das goldene Trinck-Geschirr, und zugleich in einer vergoldeten Schalen die Schriften und Schlüssel des Schloß Regez, sprechend: diese Herrschaft ist Euer, alle Beywesende sollen zu allen Zeiten Zeugnus geben, daß ich Euch diese Herrschaft mit allen Gerechtigkeiten heimstelle; das ist das grosse Stuck, auf welches ich euch einen guten Trunck zugebracht. Die Nutzung, welche ich, und meine Vorfahrer so viele Jahr gehabt, ist euch nach Billigkeit eben auch zu ersetzen, hoffentlich werden wir uns dieses Falls vergleichen.

Allen der Mahlzeit Beywesenden war dieser Trunck seltsam, niemand seltsamer, als der zugleich die herrliche Zugab erhalten. Er nahm es mit Danck und Freuden an; dermassen vergnüget mit der Herrschaft, daß er keine Ersetzung der Nutzung anfordern wolte. Frey ohne einigem Nachtheil liesse er es dem Palatino, sprechend, dieweilen ich ohne strittigem Rechts-Handel die Herrschaft Regez eingehe, will ich weiter keine andere Anforderung eingehen. Das Heyl, welches dem Haus Zachäi, ist dem Esterhazischen Haus wiederfahren, das verbleibe, und stamme noch weiter fort. Ein anderer hätte gesagt, der Habich ist mein lieber Vogel, wann er schon ein Raub-Vogel ist, und hätte ihn nicht fliegen lassen; du aber hast die Gerechtigkeit geliebt, und die Ungerechtigkeit gehasset, darum hat dich GOtt, dein GOtt mit Freuden-Oel gesalbet. Ps. 44. v. 8. Henricus. Laimerm. in aulam S. Equitis in præfatione. item Concio funebris.

Das 8. Capitel
Das achte Capitel.
Guter Vorsatz vertilgt die Aergernus.

Ein Mahler bey den Carmelitern.


Unehrbahre Gemähl, Bilder, Schriften, Lieder, auch Ketzer- und Zauberische Bücher, und Zeichnungen haben ein sehr schädliches Gift in sich, nicht nur Augen und Ohren, auch Hertzen und Seelen zu vergiften. Die seynd zwar gehörlos, stumm und ohne Leben, es lebt doch in [851] ihnen Cupido und Asmodäus, und haben anreitzende Verzauberungen. Aber wehe der Welt wegen der Aergernus, wehe auch dem Menschen, durch den Aergernus kommen. Matth. 18. v. 7.

Ein vortreflicher Mahler bey denen PP. Carmelitern, abgeschrauft von vielen Gefährlichkeiten, mahlet nichts, als heilige Gemähl, damit er allein im Guten seine Zeit anwendete. Diesen bekümmert ein Gemähl, welches er in der Jugend zur Aergernus der fürwitzigen Augen gemahlen, und vergeben. Sein Kummer klaget er in der Beicht seinem Beichtvatter mit dem Vorsatz, solches nicht allein bedaurend, sondern auch wann er es erhandlen konnte, dem Feuer zu opfern. Unterdessen verbliebe es ansehnlich in eines vornehmen Herrn Behausung; mit allen seinen Zähren konnte er nicht auslöschen jenes sein Gemähl, wiewohlen er vielmahl darüber geweinet.

Die Täg seines Lebens fliessen zum End, er beicht und bekennet alle seine Missethaten, sein Vorsatz war gut, seine Tugend löblich, sein Tod Christlich. Dannoch hat es wenig gefehlet, daß er nicht zur Höllen verdammet worden. Er erscheinet, und erkläret die Gefahr, die er vor dem Richterstuhl GOttes ausgestanden, da nicht wenig Verdammte ihr Verdammnus auf mich gelegt, sprach er zum P. Dominicus à JEsu Maria, dann mein Gemähl war ihnen zur Aergernus und Fall; diese schryen wider mich aus der Tieffe, aus der Höhe aber kommen mir zu Hülf viele Heilige, dero Bilder ich gemahlen zur Andacht des Volcks, diese erhielten mir die Gnad, daß ich so lang brinnen sollte, so lang mein Gemähl nicht verbrennet wurde. Er bittet diesen geistreichen Pater, einen gewissen Edelmann, welcher das Gemähl gehabt, zu bereden, er wolle es alsobald verbrennen; aus göttlicher Verordnung werden ihm seine zwey Söhn in einem Monath sterben, und er selbsten wird ihnen gleich nachfolgen, ein strenges Urtheil eingehen, wofern er solches zu thun sich weigern werde.

Der P. Dominicus eyferet die Aergernus zu vertilgen, und dieser Seelen zu helffen. Er beredet und beweget den Edelmann, jenes Gemähl eylends zu ver brennen; dannoch sturben ihm die zwey Söhn zur Straf der vorgestellten und behaltenen Aergernus. Er aber selbsten verbliebe im Leben, thut Buß, erhebet H. Bilder zur Abstraffung jenes unziemlichen Bilds, und wurde durch den verstorbenen Mahler lebendig zu einem heiligen Leben, und zum Ebenbild GOttes erneueret. Vita P. Dominici Carmelit. item F. Joseph Carmel. l. 4. c. 25. pereant ne perimant: dergleichen Aergernus sollen vertilget werden, daß sie uns nicht vertilgen.

4. Abtheilung
Das 1. Capitel
[853] Das erste Capitel.
Beschaffenheit eines guten Beichtvatters.

D. Johannes Nepomucenus.


Ein Vätterliche und Mütterliche Lieb und Treu wird erforderet gegen den Kindern, forderist gegen den Beicht-Kindern. Vatter und Mutter lassen zwar ihnen mit nichten das Maul sperren, gleichwie es der Beichtvatter schuldig ist zu thun, indem er geordnet ist, und annimmt ein Beichtvatter zu seyn, so verbindt er sich mit einer unzerbrechlichen Verschwiegenheit,weniger dasjenige zu wissen, was er in der Beicht gehört, als was er nicht weiß. Wie solches aus folgender Geschicht zu erkennen.

Der seelige Johannes, aus dem Marckfleck Nepomuck in Christlicher Jahr-Zahl 1340. gebürtig, wohl ein guter Hirt, ein Richtschnur aller Beichtvätter, gleich einer Henn, welche ihre Junge, also versammlete er seine Beicht-Kinder, seine Flügel waren sein ausgebreitete Lieb, und seine heilige Lehr.

Kayserin Johanna, Albrechts, Hertzogs in Bayern, zugleich Grafens in Holland Tochter, Kaysers Wentzel Lobwürdigste Ehe-Gemahlin, demnach sie alle Tugend eines guten Beichtvatters gefunden in diesem, war sie ihme zur Reinigkeit des Gewissens, und zur Versicherung der Seeligkeit offenhertzig vertrauet; sie beichtet ihre innerste Gedancken und Anmuthungen, wiewohlen ihre Sünden nur läßliche, keine Todtsünden waren, so ware doch ihr Reumuth voller Zäher, und ihre Unschuld gleich der Morgenröth.

In Ansehung so zarter Andacht fraget der Römische Kayser Wenceslaus Piger benamset, Johannam die Kayserin, was bedeuten Euer Lieb denn ihre vielfältige Seuftzer und Thränen, die Seuftzer seynd Verräther einer verborgenen Lieb, die Thränen seynd Zeugen eines betrübten unvergnügten Hertzens. Sie antwortet, allergnädigster Kayser, Euer Majestät fassen keinen argen Gedancken, die Lieb meiner Schuldigkeit ist GOtt im Himmel, auf Erden die Lieb meiner Ehr und Ehe. Dieweilen diese Antwort ihne nicht vergnüget, sucht er Gelegenheit aus dem Beichtvatter zu forschen, was doch die Kayserin beichtet mit diesem Vorwand, zu Erhaltung einer guten Ehr seye forderist in Fürst- und Königlichen Häusern nothwendig, daß die Geheimnus des Hertzens dem Haupt unverborgen seyn sollen. Entweder ist ein Eyfersucht, die sie verwendet oder aber eine fremde Lieb, welche sie anreitzet, vielleicht will sie ihre unziemliche Begierden mit ihrer Andacht vergleißnen, diese Fragen beantwortet Johannes sprechend: Euer Majestät [854] wollen das Schloß des grösten Geheimnuß, welches die ewige Weisheit verschliesset, eröfnen, vom Beichtvatter wissen, was die Kayserin gebeichtet, kein goldener, auch kein eisener Schlüssel kayserliches Gewalts wird solches vermögen. Der Kayserin scheinbare Tugend erfreuet das böhmische und römische Reich. Aber mit dem wurde der Fürwitz, und das freventliche Urtheil des Kaysers nicht hintertrieben. Die Wunden des Fürwitz wurde mit viel Kratzen grösser: und das gallsüchtige Aug des freventlichen Urtheils sahe die schöne Lilien, und Rosen an, wie verwelckende Blumen. Ein andersmahl wolte der Kayser mit Versprechung oder Drohung vom Beichtvatter wissen, was die Kayserin gebeichtet: Der Fürwitz bringt Erfahrnuß, und der Argwohn kommt auf den Grund, sprach er: Johannes entgegen, der Fürwitz ist verdammlich, nach St. Zenonis Ausspruch, curiositas rerum efficit non peritum, machet nicht erfahren, sondern strafmässig: wolte, und konte weiter nichts reden. Darauf befahl der Kayser dem Scharfrichter (welchen er sein Gevattern zu nennen pflegte) zu beruffen, Johannem an die Roß-Rahm zu spannen, den oberen Leib entblössen, und brennen: diese Marter brachte heraus die Fette des Leibs, kein Geheimnuß des Hertzens, JESUS und MARIA, kein anders Wort wurde von ihme erzwungen: Das beichtvätterliche Stillschweigen wurde mit Gedult bewähret, die kayserliche Boßheit mehr, und mehr erhitzet: dahero er ihne auf eine bestimmte Zeit, bey abendlicher Dunckle mit Stricken gebunden, von der Prager-Brucken in die Moldau stürtzen, und versencken lassen. Das geschahe den Abend vor dem Auffahrts-Tag unseres HErr im Jahr 1383. Der Kayser wolte zwar dem heiligen Beicht-Vatter im Wasser sein Mordthat in die Vergessenheit begraben, aber konte solches mit nichten zuwegen bringen, das unschuldige Blut schrye gen Himmel: der Himmel aber, der Johannis reine Seel über alle Stern erhoben, hat seinen Leib im Wasser wunderlich verehret. Die Moldau ware ergossen, und helleuchtende Flammen, wie Stern schwebeten ob dem Wasser, zum schönsten begleitend den entseelten Leib.

Das pragerische Volck sahe solches Wunder, unwissend, was sich mit der Kayserin Beichtvatter zugetragen: die Kayserin selbsten nahme den Augenschein vom Kön. Schloß hinab sehend, berichtet auch in der Eil dem Kayser, wie wunderlich die Moldau mit Sternen erleuchtet. Der Kayser erkennet gleich, daß eben dies sein Unstern seye, erschröckt darob und hielt sich drey Tage etwas verborgen.


Bey anbrechendem Tag fande man den heiligen Leib am Ufer auf dem Sand. Alsobald wird bekannt, was geschehen, und was die ob dem Wasser schwebende Flammen bedeutet haben. Der Kayser verordnet den Leib unbekannt in ein verschwigenes Ort zu verscharren, aber ein lieblicher Geruch, [855] welchen man gespühret, ließ solches nicht zu, dieweilen durch solchen viel Volck gezogen worden, daß die Dom-Herren mit gewöhnlichem Kirchen-Gepräng ihne erhoben, auf den Schloßberg Ratschin in der Haupt-Kirchen begraben müssen. Das Ort der Begräbnuß entdecket einen köstlichen Schatz, der kommt ans Tagliecht, indem der heilige Leib unter die Erden kommen. Bohuslaus Balbinus S.J. ex munusc. & impressis.

Der einen solchen Beichtvatter, hat wahrhaftig einen köstlichen Schatz gefunden, welcher köstlicher ist als Gold, und Edelgestein.


Confessor dulcis, affabilis, atque suavis.
Prudens, discretus, miris, pius, atque benignus.

Der Beichtvatter sey kein saurer Cato, kein erschröcklicher Rhadamant: sondern 1. Liebreich. 2. Leutselig. 3. Annehmlich. 4. Verständig. 5. Bescheiden. 6. Sanftmüthig. 7. Andächtig. 8. Gütig. Beynebens auch 9. Gedultig. 10. Mitleidig. 11. Barmhertzig. 12. Verschwiegen. Das war das köstlichste Brust-Stuck der zwölf Edelgestein, Rationale genannt, welches diesen heiligen Johannem Nepomucenum gezieret, und alle Beichtvätter werth, und ehrwürdig machen, und zieren soll.

Das 2. Capitel
Das zweite Capitel.
Ein guter Beichtvatter beruffet die Sünder zur Beicht.

P. Bernardus Colnagus.


Von Bernardo Colnago der Gesellschaft JEsu Priestern wird gelesen, was massen er sein Predig-Amt mit dem Beichthören zusammen gestimmet in jenem, wie ein erhebte Posaun sich hören lassen, in diesen das anmüthige Klag-Lied der Turtel-Tauben angehöret. Er predigte von der Buß, und vollkommenen Beicht, berufte die Sünder: Kommet zu mir alle grosse Sünder, die ihr auch von vielen Jahren belästiget seyet, kommet zur Abladung der schweren Burd, daß ihr euch zeitlich, und ewig frolockend erfreuet in der Barmhertzigkeit GOttes. Er sprach, gesetzt es wären etlich Zuhörer, die fünftzig oder sechtzig Jahr gar nicht, oder nicht aufrichtig gebeichtet hätten: kommet, saumet euch nicht, brauchet die annehmliche Zeit, mit einem Wort, werfet von euch die Burd eurer Laster.

Nach vollendeter Predig eileten zu ihm viel, dieweil er so liebreich eingeladen: unter andern einer, welcher fünf und zwantzig, ein anderer, welcher fünftzig Jahr den Beichtstuhl, gleich einem Nothstall eines Scharfrichters geflohen: eben diese fanden nach verrichter Beicht drey unvergleichliche Sachen, Trost, Freud und Fried, dergleichen sie niemahlen [856] in ihren Sünden gefunden. Sie vermeinten vorhero ein Unmöglichkeit ihre Sünden genug erklären, doch in einer, oder anderthalb Stund wurd alles sattsam verrichtet: sie sprungen, wie lang verstrickte, nun abgelößte Hirschlein, und fliegeten frey, wie aus des Habichts Kreillen gerissene Tauben.

Das 3. Capitel
Das dritte Capitel.
Wem man beichten solle.

Was geordnet ist, das ist recht, doch ist ein Zweifel, wem man aus vielen beichten soll? den besten Schneider erwählest für dein Braut-Kleid, den besten Rechts-Gelehrten deine Güter, den besten Leib-Artzt deine Gesundheit zu behaupten. Ach! erwähle nicht unrecht dein Seel, und Seligkeit, das ewige Leben, den werthesten Lohn, welcher GOtt ist, zu behaupten. Merck, was zu lesen in dem Leben St. Basilii.

Ein weibliche Person, nach begangener Sünd schamroth, wolte gern, aber wußte nicht, wem sie solte beichten, ja jene Sünd mündlich aussprechen, war ihr gleichsam unmöglich, dero niemand als sie bewußt war. Sie schreibt ihr Sünd auf ein Papier, gehet hin, und übergiebt solche dem heligen Basilio zu übersehen: der heilige Basilius eröfnet das Papier, findt es weiß, bis unten, allwo ein Sünd verzeichnet war: schliesset das Papier, giebt es ihr wiederum zu Handen, und schicket sie zu Ephrem, welchen er heiliger, und einen mehr erfahrnen Beichtvatter schätzet, als sich selbsten. Ephrem befand auf dem Papier nichts, als eben auch jene aufgeschriebene Sünd, er schicket sie wiederum zuruck, solche Schrift Basilio noch einmahl einzureichen, Basilius wurde das beste darbey thun. Die büssende Frau reiset zuruck, aber befand Basilium unterdessen gestorben, und ein todte Leich, welche die Priesterschaft, nach Kirchen-Brauch besungen; sie wolte ein, und dem andern beichten, nemlich Basilio, und Ephrem, aber weder einer, oder der andere hat sie von ihrer Sünd loßgesprochen; niederfallend auf ihre Knie, leget sie das Papier, worin ihre Sünd verzeichnet gewesen, auf den todten Leichnam des heiligen Basilii: einer aus der Priesterschaft eröfnet solches, befand aber ein gantz weisses Papier, darauf kein Spur einiges Buchstabens, oder Schrift. Wiewohl GOtt so wunderlich gewisen, daß ihr die Sünd vergeben seye: dannoch war sie verbunden solche zu beichten. Erwähle dir also einen guten Beichtvatter, daß du kein Abscheuen, oder Bedencken habest einem jedwedern, Gewalt-tragenden Priester zu beichten. Quid erubescis ö Homo confiteri? fragt S. Augustin. in Psal. 66 Peccator sum sicut tu: confidere ergo homo homini [857] peccatori. Quid times confiteri? id quod per confessionem scio, minus scio, quàm id, quod nescio. Confiteri times? qui non confitendo non potes esse occultus, elige, quod vis, si non confessus lates, inconfessus damnaberis. O Mensch! warum schämest du dich zu beichten? ich bin sowohl ein Sünder als du; derowegen dann, beichte O sündiger Mensch einem sündigen Menschen. Was förchtest du Beichten? was ich durch die Beicht weiß, das weiß ich weniger, als das, was ich nicht weiß. Förchtest du deine Sünd zu beichten, ungebeichtet wirst du doch nicht verborgen bleiben: erwähle was du wilst: bleibst du ohne Beicht verborgen, ungebeicht bist ewig verlohren.

Das 4. Capitel
Das vierte Capitel.
Ein Jungfrau beichtet dem seligen Heinrich Suso.

Dem allwissenden GOtt, und dem verordneten Priester muß man beichten. Theresia erzählet in ihrem von ihr beschriebenen Leben cap. 40. Was ihr GOtt einsmahls in einer Erscheinung gewiesen: Er erscheinet ihr kugelrund gantz durchsichtig, wie ein klarer Diamant, welcher grösser war dann der Umkreiß der gantzen Welt: in diesem war alles zu sehen, was von Menschen offentlich, oder heimlich geschiehet. Und wer ist es, welcher diesem allwissenden GOtt nicht beichten wolte? Freylich wohl, spricht mancher mit dem büssenden David: Ich werde wider mich bekennen meine Missethaten dem HErrn, aber keinem andern, GOtt allein bin ich willkürig zu beichten, hat doch St. Anscharius GOtt gebeichtet. Dieser Bischof zu Hamburg sahe einmahls Christum den eingemenschten GOtt, welcher von ihm erforderet die Beicht seiner Sünden: Sage an deine Missethaten, damit du gerechtfertiget werdest, beredet et ihne:Mein HErr, antwortet Anscharius, du erkennest alles, und nichts ist dir verborgen, warum erforderst dannoch meine Beicht? Der HErr giebt die Ursach, damit die Menschen durch die Beicht ge rechtfertiget werden. Anscharius beichtet derowegen alle seine Sünd, ausführlich nach allen Unterschied, und Anzahl: und höret alsobald die tröstliche Stimm des HErrn: förchte dir nicht, ich bin der die Sünd austilget. Boland. 3. Febr. tom. 1. Auf diese Weis möchten nicht wenig GOtt allein, oder einem Heil. Engel, oder anderen Heiligen im Himmel, aber keinem andern Priester beichten.

Ein edle Jungfrau eben dieser Meinung, wolte Johanni dem geliebten Jünger des HErrn beichten. Im Schloß wo sie wohnhaft gewesen, war ihr mehrmahliges Betten und Bitten, O heiliger Johannes hilf mir aus meinen Sünden! Johannes der ewigen [858] Weisheit wohl bestelter Cantzler, wohl wissend, was unveränderlich geordnet ist, erscheinet ihr, leitet sie ab von ihrem Wunsch, und führet sie ein, einem Priester Dominicaner-Ordens mit Namen Heinrich Suso generaliter zu beichten. Dieser wurd ihr in einer Erscheinung gewisen, sitzend unter einer Dorn-Stauden, welche bewafnet war mit viel Dorn, und geziert mit viel Rosen; der mit frisch und fröhlichen Rosen gecrönte Bräutigam, JEsus stunde in Mitten des Busches, ein holdseliges Knäblein schön über alle Menschen Kinder, dessen Lust war Rosen abbrechen, und mit diesen den frommen Beichtvatter erfreuen: Eine um die andere warf er ihm zu, bis er unten und oben sich endlich unter lauter Rosen gefunden. Nun wohlan, gehe hin beichte diesem Beichtvatter, seynd dir deine Sünd stechende Dorn, so wisse dein Beicht wird dir bringen fröhliche Rosen, zeige dich dem Priester. Diese edle Jungfrau Anna genannt, laßt ihr diese Anleitung ihres heiligen Johannes gefallen, verfügt sich zum Closter, beruft P. Heinrich Suso, fallet ihm zu Füssen, beichtet offenhertzig alle ihre Sünd, wird loßgesprochen, und erkennet darauf, wie ihr gereinigtes Gewissen ihr zu einem Rosen-Bethlein tröstlicher Freuden worden. Ex vita P. Henr. Susonis. Ulmæ 1365. 25. Jan.

Das 5. Capitel
Das fünfte Capitel.
Die Tod-Sünd nach dem Unterschied und Anzahl zu beichten.

Ein Ritter, St. Agnesen von Montepolitiano Vetter.


Richardus König in Sicilia, Hertzog von Andegau, ein frommer Christ und zu seiner Zeit nicht nur der edelste, sondern auch vortreflichste Mahler, hat seine anmüthige Gedancken auf zarten Pergament mit lebendigen Farben abgebildet, welche noch heutiges Tags in dem übergebliebenen Schatz der Hertzogen von Lothringen zu sehen. Unter diesen Mahlereyen ist eine, welche die Gefährlichkeit alle Todsünden aufrichtig zu beichten vorstellet. Ein zarte Weibs-Person mit Buß-Kleidung angethan, trägt ein schwären niederbiegenden Last, wandert von einem in das andere Land, über ein gefährliche Brucken, die mit ungleichen Briglen über ein reissenden Bach gelegt, unweit einer Mühl: der Müller siehet ihr zu, wartet ihrer den Last von ihr zu nehmen, solchen zu zermahlen. Ach! wie behutsam beobachtet sie einen jeden Tritt, mit zitterenden Hertzen besorget sie, daß kein Fehl-Tritt geschehe. Hier siehest du Hoch-Ehrwürdiger Vatter, wie mein Hertz und Seel beschaffen ist, wann ich beichte: schuldig bin ich alle Todsünden nach Unterschied und Anzahl zu beichten, indem beängstige ich mich keinen Fehltritt zu thun. Mit solchem Gemähl und Beyschrift erkläret sich dieser [859] König seinem Beicht-Vatter dem Ertz-Bischoffen zu Toulon im Jahr 1455. und wahrlich gar billich, dieweil ein also gefährliche Brucken zu überschreiten, in welcher viel tief gefallen, viel gantz und gar zu Grund gegangen: entgegen aber welche ohne Fall behutsam überschritten, seynd ein ausgebreittes, schön, grün, fruchtbar, und fröliches Land, der sichern Hoffnung eingangen. Cogitavi vias meas, & converti pedes meos. Psal. 118. Demnach ich mich meines üblen Wandels erinneret, hab ich mich bekehret, und sehr gesorget, wie ich über die gefährliche Brucken durch ein aufrichtige Beicht kommen möchte. Was dieser König, eben das soll ein jeder beicht- und büssender Sünder sorgen: doch zugleich ein Zuversicht fassen, daß eben der, welcher alle Tritt abzäblet, seinen Engelen befohlen in allen Weegen uns zu bewahren. Niemand habe deswegen einiges Abscheuen zu beichten, ermahnet St. Agnes von Montepolitiano, in einem Schreiben zu ihrem Herrn Vettern, sondern beobachte nur wohl, daß er einsmahls ohne Fall darüber komme.

Der Verlauf dieser Geschicht ist in dem Leben dieser Heil. Jungfrauen zu ersehen, nach Beschreibung Raymundi de Capua c. 4. den 20. April.

In Welschland im Schloß Portzen befand sich dieser Cavalier, deme sein Gut und Herrlichkeit in die Freyheit, sein Lieb und Treu gegen seiner Frau Muhme in die Freygebigkeit geführt; wegen seiner Frau Muhme war er ein grosser Wohlthäter des Closters, da sie GOtt gewidmet gewesen. Die Closter-Frauen batten vor ihn, absonderlich aber diese seine Muhme Agnes, dero GOtt einsmahls angezeigt, in was üblen Stand er sich befinde. Der Abgrund der Höllen eröffnet sich, in welchem für diesen ihren Herrn Vettern, ein besonders Ort von höllischen Gespenstern zubereitet worden. Sie aber erkühnet sich zu fragen: Allergnädigster Erlöser, soll dann mein Vetter in dies ewige Unglück kommen? ist doch dein Gütigkeit gegen seiner Boßheit unvergleichlich grösser: Die Antwort erfolgt, dreyßig Jahr hab ich erwartend gewartet sein Buß und Beicht, aber wiewohl er gebeichtet, sein Buß war ohne Reu, seine Beicht ohne Besserung. Darüber seuftzet Agnes, O barmhertzigster Heyland, laß nicht für diesen dein göttliches Blut entrinnen. Kaum geschahe diese Offenbarung, sendet Agnes einen eignen Botten zu ihrem Herrn Vettern mit Bericht, er wolle ohne Verzug alsobalden zu ihr kommen, sie hätte ein höchstwichtiges Geschäft mit ihme allein abzureden. Ohne allen Verschub, macht er sich flugs reißfertig, kommet zu der, die ihn beruffen, fraget, was doch das höchst-nothwendige Geschäft, Ursach dessen er so eylends abgeforderet worden? Agnes erkläret ihm solches: lieber HErr Vetter, über ein gefährliche Brucken muß er gehen, von der Sünd zur Buß: dreißig Jahr seynd vergangen, und in dreißig Jahren hat er nicht einmahl recht gebeicht: der Rachen der Höll hat sich[860] über ihn eröfnet, und die höllische Feind lauren auf seinen Fall und Untergang, nichts als eine Beicht kan ihn erretten. Mein Ermahnung schlag er nicht in Wind, er verlach sie nicht als einen Weiber-Traum, GOtt hat mir alles dieses geoffenbaret. Dieses geistreiche Zusprechen gieng ihm zu Hertzen: er verwilliget, nach genugsamer Vorbereitung alles zu beichten. Dem bestelten Beicht-Vatter legt er sich zu Füssen, klaget sich an in allen verübten Tod-Sünden, allen Unterschied und Anzahl derselben erkläret er nach Möglichkeit sattsam: er klaget an, wie vielmahlen er sich des Sacraments der Buß mißbraucht, dannoch communicirt habe. Ohne allen Fehl-Tritt, ist er diese Beicht hindurch gangen, daß er vom Priester die Loßsprechung erhalten. Darauf grünet sein gute Hofnung über alle grüne Felder, die der HErr geseegnet: sturb auch nach wenigen Zeiten, und seiner Muhme wurd seiner Seelen Seeligkeit geoffenbaret, was massen er durch diese Beicht der höllischen Verdammnuß entgangen. Derowegen bitte der büssende Sünder. O HErr bestätige meine Gänge auf deinen Wiegen: damit meine Fußstapfen nicht beweget werden. Psalm. 16. v. 5.

Das 6. Capitel
Das sechste Capitel.
Wie man den Unterschied, und Anzahl der Tod-Sünden beichten soll: etliche Exempel.

Weltkündig ist, daß der höchste Hirt der Christenheit Marcellinus Römischer Pabst schwerlich gefallen, den Götzen der Heyden Weyhrauch geopfert, wider das erste göttliche Gebott, ärgerlich gesündiget: dann auch die Stern des Himmels stehen nicht sicher, die Pfeiler der Kirchen, die goldene Häupter seynd abgefallen. Doch alsobald, gleichwie Petrus erblicket, ihm die vorkommende Gnad dessen, welcher nicht will den Tod des Sünders, sondern daß er sich bekehre und lebe: bereuet derowegen und beweinet bitterlich sein schändliche Missethat: und damit er durch die Beicht und Buß mit GOtt und der Kirchen versöhnet wurde, reiset er nach Sinvesta, allwo er dem versammleten Kirchen-Rath offentlich, einem verordneten Priester aber heimlich seine Sünd gebeichtet, von Bann und Sünden losgesprochen worden.


Die Form seiner Beicht müßte also gestellet werden.


Ich hoher Priester der gantzen Christenheit, bin mit gröster Aergernuß der Glaubigen vom Glau ben abgefallen: der Marter zu entgehen, und dem Kayser zu gehorsamen, hab ich den Götzen geopfert, das ist einmahl, wolte GOttes wäre keinmahl geschehen.

[861] Nach erhaltener Absolution oder Entbindung, reiset er wiederum nach Rom, und zu Abthuung der gegebenen Aergernuß, bekennet er sich vor dem Kayser einen Christen, und zwar das sichtbarliche Haupt der Christenheit: zu Abstraffung aber seiner Sünd, ergibt er sich vor allem Volck zur Marter, und wird enthaupt den 26. April. Brev. Rom.

Theophilus Kirchen-Probst zu Adan, dieweilen sein Missethat kuntbahr, kan auch mit nachfolgenden Geschichten darthun, wie die Tod-Sünden mit ihrem Unterschied und Anzahl in der Beicht müssen vorgebracht werden.


Auf diese Weiß müßte er sich dem Beicht-Vatter erklären.


Ich bekenn vor GOtt, und euch Priester: daß ich die heiligste Dreyfaltigkeit einmahl verlaugnet, und dreymahl den Teufel mir zu helffen angeruffen, mich ihme einmahl mit eigenen Blut mit Leib und Seel eigen verschrieben: aus Hochmuth und Grimmen, weilen ich meines Amts entsetzet worden, in solche Verzweiflung gerathen, und in die ser bis in drey Täg verharret. Durch die Vorbitt der Mutter GOttes, bitt ich um Verzeyhung, absage dem bösen Feind, und ergib mich der grundlosen Barmhertzigkeit GOttes.

Wunderlich wird die blutige Verschreibung vom Satan erzwungen, und Theophilus von seinen Sünden absolvirt. Lipom. Tom. 3.

Offenbahr ist durch bewehrte Geschicht Schreiber, was Bernardinus Ochinus von Siena gesündiget, dahero dienet er uns mit seiner Beicht gar wohl.

Dergestalten müßte er sich anklagen.

Ich grosser Sünder beichte und bekenne vor GOtt, Maria der Mutter GOttes und allen Heiligen: daß ich oft und viel gesündiget. Einmahl bin ich abtrinnig worden vom geistlichen Ordens-Stand, indem ich meinem GOtt ergeben, Priester Oberer, und der Heil. Schrift Gelehrter gewesen: etlich Jahr 2. oder 3. bin ich also abtrinnig geblieben. Zum andern, als General eines Löbl. Ordens, bin ich nicht nur von dem Orden sondern auch vom Catholischen Glauben meineydig worden, und 15. Jahr im Ketzerischen Irrthum geblieben. Mein Ruhm-Sucht und Ehr-Geitz war in mir von Jugend auf, durch diese hab ich mich übernommen im Predigen, in Wissenschaften, und in Obrigkeiten; des Luthers und Calvini Bücher hab ich, wiewohlen sie verbotten und gefährlich waren, gele sen, ihre Meynung an mich genommen, und annoch im Closter-Leben 3. und 4. Jahr mit diesem umgangen, solche in die 20. mahl in den Predigen, 30. oder 40. mahl in Gesprächen bey geistlichen und weltlichen Leuten vorgetragen, nicht wenig zum Fall gebracht. Also wird er zu Genf, als[862] Calvinus noch im Leben war, gebeicht haben.

Der Catholische Beicht-Vatter legt ihm auf den Irrthum offentlich zu widerruffen, und den Catholischen Glauben zu bekennen: wird, nachdem er dieses zu thun versprochen, von Bann und Sünden entbunden. Was ihm auferlegt worden, hat er mehrmahlen bekennet, und gantz tapfer gethan; dannenhero er auch aus Anstiftung der Genffischen Burger, von seinen Lehr-Jüngern mit Stileten in dem Beth, da er kranck war, aus Haß gegen dem Catholischem Glauben, darzu er sich wiederum bekennet, ermordet, dermassen mit der Marter gecrönet, seelig in die Ewigkeit gefahren. Nicolaus de Ponte. Brancarius Neap. Zachar. Boverius anno 1534.

Jener Kriegs-Knecht, welcher zehen Jahr nicht gebeichtet, vom heiligen Xaverio mit unaussprechlicher Freundlichkeit darzu beredet worden, hat sich in seinen Sünden auf diese Weiß anklagen müssen.

Ich sündhafter Mensch hab 10. Jahr die Beicht vernachläßiget, diese Jahr kaum 2. oder 3. mahl jährlich dem Heil. Meß-Opfer beygewohnet, keine Predigen angehöret, wochentlich selten ein Vatter unser gesprochen: alle meine Reden waren mit Schwur, Fluch, und Schelt-Wort gewöhnlich vermenget: täglich hab ich 20. oder 30. mahl von vielen Leuten gescholten und geflucht: eben so oft meistentheils lugenhaft geschworen, mir selbsten geflucht täglichen die 3. oder 4. mahl, etc. mit meinem Schelten, Schwören, und Fluchen, anderen Anlaß gegeben eben in dergleichen Reden heraus zu brechen, täglich zehen oder zwölff mahl öfter oder weniger etc. Xaverius höret mit Gedult sein gantze Beicht, beweget ihn zur Bereuung aller Sünden und zur Besserung des Lebens, richtet ihn auf zur Vertrauung in die grundlose Barmhertzigkeit GOttes: und vergibt ihm alle Sünd in Kraft der Sacramentalischen Loßsprechung. Ex vita S. Xaver Bart. & Jo. Maffœus.

Demnach wird dieser büssende Sünder ein geistlicher Ordensmann, lebt, und stirbt seelig. l. 1. §. 44.Maff. l. 2. c. 7.

Anzuzeigen, was massen man die Sünden im 4. 5. 6. und 7. Gebott dem Beichtvatter erklären solle, ist allhier beyzubringen jenes junge Weib, von welcher Jacobus de Vitriaco schreibt. Was von ihren grossen Sünden kundbar ist, kan also in Beicht-Form gesetzet werden. Ich größte Sünderin der Welt gebe mich schuldig, daß ich mit groben Worten in die hun dert oder mehrmahlen meine Mutter verunehret, sie ein halbes Jahr stets gehasset, ihr nach dem Leben gestrebet, mit den Gedancken sie umzubringen, 4. oder 5. Tag umgangen, bis daß ich ihr Gift gegeben, sie umgebracht. Den Vatter hab ich trutziger Weiß mit Reden und Gebärden in die zwantzigmahl betrübt, und weilen [863] er mir mit Schlägen getrohet, bin ich ihm mit Gift vorkommen, und hab ihm vergeben. Bevor hab ich blutschändlich mit meinen allernächsten Verwandten 10. oder 12mahl gesündiget, beyläuffig 100mahl mit ledigen Manns-Personen, mit verheyrathen 30mahl ehebrüchig mich vermengt. Ich hab auch einen grossen Diebstahl begangen; Demnach ich meinem Vatter und Mutter vergeben, hab ich alles Geld und das Beste von köstlichen Sachen zu mir genommen, flüchtig alles in der Fremde mit Hoffart und Uppigkeit verzehret, und verschwendet. Dieser Diebstahl ist zu Schaden meiner Geschwistrigten geschehen. Beynebens hab ich mehr dann 1000. verzweiflende Gedancken zugelassen; doch vertraue ich nun auf GOttes Barmhertzigkeit, welche vorgestriges Tags der Prediger über alle göttliche Werck gepriesen. Diese wird von allen ihren Sünden losgesprochen, stirbt folgenden Tag gleich nach der Predig. Die Geistlichen versammlen sich in der Closter-Kirchen, allwo sie gebeichtet, betten für sie, hören aber gar bald eine himmlische Stimm: Nicht bettet für sie, sie bettet für euch. Julius Mazarinus in Psal. 10. p. 1. disc. 10.

Im fünften Gebott hat sehr gesündiget die Engelländische Königin Helfridis, eine Stiefmutter Königs Edwardi, und rechte Mutter Eithelredi, den zum Thron, jenen in das Grab zu bringen, stiftet sie einen Meuchel-Mord.

Diese Unehr wird dem König zu gröster Ehr, dann der todte Leichnam leuchtet alsobald mit augenscheinlichem Wunder. Helfridis die Königin will zu Pferd darzu eylen, wird aber wunderlich zuruck gehalten, indem das Pferd keinesweegs fort gehet, gehen ihr Hertz und Augen über, verlaßt Burg und Pracht, schlieft in ein Trauer- und Buß-Kleyd, verwidmet sich zu Warenvelle ins Frauen-Closter und beichtet:durch meine Anstiftung ist der König mein Stief-Sohn meuchelmörderisch umgebracht worden. In Beneydung seines und Beförderung meines leiblichen Sohns Glücks, hab ich bis in das dritte Jahr täglich 3. 4. oder 5mahl allerley Gedancken zugelassen, den König zu vertilgen. Dreyßig oder viertzigmahl hab ich meinen Vertrauten und etlichen Hof-Bedienten mit Reden und Gebärden Anlaß gegeben, solches werckstellig zu machen, daß es auch endlich geschehen, etc. Diese und alle meine Sünden reuen mich von Hertzen. Ihre Beicht findt Gnad, und ihre Buß verharret bis in den Tod.Beda de gestis Anglorum. Anno 978. Im 6. Gebott haben die unterschiedliche Sünden, die wider dieses Gebott geschehen, ihren eignen Namen, von denen S. Paulus meldet: daß weder die Hurer, noch die Ehebrecher, noch die Weichlinge, noch die Knaben-Schänder, noch die Trunckenbolten, [864] etc. das Reich GOttes besitzen werden. 1. Cor. 6. v. 9. Diese und dergleichen Sünd, welche ich nicht erkläre, müssen doch dem Beichtvatter nach dem Unterschied und Anzahl erkläret werden.

Im siebenden Gebott wird weiter kein Exempel beygebracht, genug ist zu wissen aus dem, was im obern Theil eingeführt worden, daß diese Sünd nach aller Gerechtigkeit erfordere, die Zuruckstellung der entnommenen Sachen, die Ersetzung des Schadens, oder verhaltnen Gewinns. Non dimittitur peccatum, nisi restituatur ablatum.

Vom achten Gebott kan jenes Exempel genug seyn, welches Georg. Stengel de divinis judic. Tom. 3. c. 49. n. 9. erzählet vom Herrn Brudern Caroli des Grossen, welcher mit falscher Zeugnus Hildegard die Königin angegeben, nicht allein um Ehr, und alle Sachen, sondern ins Elend, ja mit ihrem eheleiblichen Kind in die gröste Noth gebracht hat.

Carolus dazumahl noch nicht Römischer Kayser, sondern König in Franckreich nach erhaltenem Sieg wider die Sachsen, kehret in sein Reich, vernimmt von seinem Herrn Brudern eine erdichte Untreu: Hildegard seine Ehe-Gemahlin hätte in blinder Lieb ein unehliches Kind empfangen und gebohren. Der Zorn des Königs entzündet sich heftig, Hildegard solle bald ihre blinde Lieb mit blutigen Augen bezahlen, wird ins Elend verstossen, mit ihrem gantz jungen Printzen, mit Königlichem Befehl, daß ihr die Augen ausgestochen werden.

Die unschuldige Frau, weiß kein Rath noch Hülf, als dem allwissenden GOtt ihre Noth klagen und befehlen. Die Befehl tragende verschonen den schönen Augen der Königin, machen einen Hund nieder, dessen Augen sie dem König brachten mit falschen Bericht, daß diese die ausgestochene Augen der Königin Hildegard, welche ohne Augen ihr Unglück im Elend beweinet.

Aber der gerechte GOtt erhaltet, und begleitet mit seiner Gnad die Königin nach Rom, allwo sie als ein in der Artzney Wohlerfahrne, vielen unterschiedlichen presthaften Leuten wunderlich geholffen. Entgegen aber wird des Königs Herr Bruder aus göttlichen Urtheil mit der Blindheit gestraffet. Sucht und findt nirgend einige Hülf, als zu Rom bey dieser bekannt, und unbekannten Artztin. Diese doch wolt ihm kein Hand zu helffen anlegen, bevor er nicht seine der Welt verborgene, GOtt aber gar wohl bekannte Sünden und Missethaten bereuet, und gebeichtet hätte.

Er gehet in sich selbsten, bequemet sich dem Allwissenden abzubitten, was er boßhaftig gesündiget, er beichtet mit grosser Reumuth: freylich hab ich mit falscher Inzucht die Königin bey dem König als eine Ehebrecherin angeben, mit unterschiedlichen Ehrabschneidungen ihr unrecht gethan: welches gegen dem König dreymahl, gegen anderen [865] in die hundermahl geschehen. Ich hab verursachet durch diese meine falsche Zeugnuß, daß sie mit ihrem Kind verstossen, ihr die Augen ausgestochen worden. Ich hab auch andere drey mit Geld und Anreitzung bestochen, falsche Zeugnuß zu geben, welches auch in die zwantzig mahl geschehen. Ach wie bethaure ich alle meine Sünd. Was muß der Beicht-Vatter hierauf sagen? es sey dann daß dieser Person die Ehr zugestellet, das zugemessene Unrecht von ihr abgelehnet, sie bey allen wiederum als unschuldig erkläret werde, so kan die Nachlassung der Sünd nicht geschehen, weder die Gnad der Sacramentalischen Buß haften.

Der büssende Kayserliche Herr Bruder verspricht nach Möglichkeit alles dieses zu thun. Verfüget sich demnach zu der Artztin, wird wunderlich durch Handanlegung der Hildegard sehend: erkennet gar bald seine Gutthäterin, welche er mit so schändlichen Ubelthaten verfolget hat: bekennet offentlich dem König und allem Volck sein verübte Untreu, falsche Zeugnuß und strafmäßige Boßheit. Hildegard kommet zu ihren Ehren, und voriger königlicher Herrlichkeit, bittet vor den Ubelthäter, verzeyhet und erhaltet ihm das Leben. Ex Nicodemo Frischlino in annalibus Campedunensibus.

Im neunten Gebott kan die Egyptische Büsserin Maria bekennen, wie oft, wie oft sie sich in unzüchtige Begierden verwilliget, gegen Unverheyrathe, alle Wochen durch 17. Jahr, 20. 30. mahl öfter oder weniger; gegen Verheyrathete 12. oder 15. mahl. Gegen GOtt Verlobten 3. oder 4. mahl; gegen Verwandten in zwey bis drey Jahren, in allem etwann 10. oder 12. mahl. Vide Surium 9. Aprilis. Also lang sie in Sünden der Unzucht gelebt, so lange Jahr leydet sie in ihrer Buß Anfechtungen, überwindet doch alle: beichtet dem Heil. Vatter Zosimas, und sturb seelig.


David ein Ertz-Dieb und Mörderer wird endlich ein büssender Mönch; mußte dergestalten beichten jene Sünden, welche wider das zehende Gebott geschehen seynd, also. Von jungen Jahren an, beyläufig im 17. oder 18. Jahr, hab ich diebische Anschläg gehabt, bis in mein graues 56. jähriges Alter. Stündlich ein und zweymahl gedacht ich, und verwilliget meinen Nächsten das Seinig zu entfremden, theils diebischer, theils raubischer Weiß. Was ich nur angesehen, das mir gefallen, hab ich begierig verlangt, unbillich zu entnehmen: meine Anschläg hab ich mit meinen 30. Rott-Gesellen solche werckstellig zu machen, wochentlich, vier, fünf, ja fast täglichen, ein oder zweymahl abgeredet. Ja bin ich gesinnet gewesen (wofern ich nicht zur Buß wäre auf und angenommen worden) dieses Closter und Kirch zu plündern und zu verbrennen, etc. Nun aber ruf ich die Barmhertzigkeit GOttes an, und vergib [866] mein übriges Leben der Buß. Nach etlich verstrichenen Zeiten erscheinet diesem Büsser ein Heil. Engel, verkündiget ihme ein grosse Freud: David deine Sünd seynd dir vergeben, hinführo wirst du Wunder-Zeichen würcken: er aber wolt es nicht glauben, dahero erstummet er wie Zacharias, doch in Psalliren konte er gar wohl alles aussprechen, vor und darnach gantz redloß, und GOtt würcket Wunder-Ding durch ihne bis in sein gottseeliges End. Sophronius prati spirit. c. 134.

Das 7. Capitel
Das siebende Capitel.
Durch ein vollkommene Beicht wird ein gewisser Diener holdseelig.

Von der Mater Paula Centuriona Carmeliter-Ordens erzählet, Andreas Alberti in Theopiste. cap. 18. daß sie aus Welsch- ins Teutschland nach Wien in Oesterreich reisend, einen gewissen Bedienten zum Reiß-Gefährten gehabt, dene sie nicht nur einmahl gleich einem teuflischen Gespenst abscheulich gesehen: schwartze Raben floderten um ihn, und bedeuten genug der Closter-Frau, in was für einem sündlichen Stand dieser Mensch seye. Sie weinet und klaget in ihrem Hertzen über ihne, fand auch keinen bessern Rath, als mit einem Brieflein ihn zur Beicht ermahnen: mit wenig aber kräftigen Worten schreibt sie ihm, er soll in sich gehen, was er etwann Ubels gestiftet habe, alles dem Vatter der Barmhertzigkeit abbitten, und alles dem Priester beichten. Sie reicht ihm dieses Brieflein zu Handen, welches er nicht nur gelesen, sondern zu Gemüth gefasset; bald mit allen erforderlichen Umständen gebeichtet, daß er darnach so viel mehr lieblich erschienen, so häßlich er zuvor angesehen worden. Also hat er den alten verteufleten Menschen abgezogen, und den neuen Chrisilichen angelegt, daß er gleich einem Engel worden.

Daraus erkennt man, was für ein Zierd der Beichtende anlegt: da heist es: Confessio & pulchritudo in conspectu ejus. Psalt. 95. Das Kleyd welches also in dem Bach der Zäher und im Blut des Lamms gewaschen, und gereiniget wird, wird weisser dann der Schnee, und die Seel wohlgestalter als Blumen. St. Augustin. fragt: wilst du holdseelig vor dem HErrn erscheinen? beichte und ziehe ab das befleckte Kleyd der Sünden. Der König David sagt nicht die Schönheit, und Bekanntnuß ist vor den Augen des HErrn, sondern bevor gehet die Bekanntnuß der Sünden, und darauf folget die schöne Holdseeligkeit. Du bist ungestalt, häßlich, beichte, auf daß du schön, holdseelig werdest. Liebest du die[867] Schönheit? so laß dir erstlich belieben die Bekanntnuß deiner Sünden, alsdann wird auch folgen die Schönheit. In Psalt. 95.

Das 8. Capitel
Das achte Capitel.
In Zweiflen, ob es ein oder kein Sünd seye, soll der Beicht-Vatter gefraget werden.

Ein Hoch-Edle Römische Frau.


Unweit Rom befand sich ein Hoch- und Wohlgebohrne Wittfrau, in ihrem herrlichen Eigenthum wohllebend prächtig: ihr Herr Bruder Latinus benamset, vermahnet diese, den gar zu eytlen Pracht fallen zu lassen, in wittiblicher Ehrbarkeit zu prangen, sie solle doch mehr der Tugend als der Hoffart nachstreben. Aber die vielfärbige, gestickt und gebrämte Kleyder, die Spiel-Gesellschaften und Freyheit gefallen ihr besser, als solcher gar zu geistlicher Closter-Rath. Sie pranget nur mehr, je mehr sie ermahnet wurde: sie vermeinte, daß sie ihren Adel nicht übersteige mit ihrem Kleyder-Pracht, weder mit ihrer Freyheit ihrer Ehr einiges Unrecht thue. Auf dem Land und in der Stadt Rom, war diese Frau gleichgiltig, nach wollüstlichen Belieben herum schweiffen; bis sie einsmahls zu Rom, im Haus ihres Herrn Bruders erkrancket, so weit gekommen, daß von ihrem Aufkommen gezweiflet worden. Ihres Herrn Brudern Sorg gieng vielmehr auf das ewige als zeitliche Heyl: mit vielfältigen Zu sprechen bittet er, sie wolle von Grund ihr Hertz reinigen und aufrichtig beichten. Ihr Antwort war: mein Herr Bruder, ich hab unlängst gebeichtet, was will oder kan ich so oft beichten? demnach er dannoch nicht nachgelassen sie weiter zu vermahnen und gleichwohl nichts gerichtet, ersucht er die schwedische Catharina der H. Birgitten Tochter (welche eben auch zu Rom wohnhaft ware,) weilen sie mit der Krancken etwas bekannt, ein grossen Eyfer hätte dero Seelen Seeligkeit zu beförderen, so wolle sie mit nachdrucklichen Worten ihr zusprechen, dann der Tod klopfet an, das göttliche strenge Gericht ist vor der Thür, und in einem Augenblick kan sie in Abgrund, daraus kein Errettung, fallen, sie soll, da es noch annehmliche Zeit ist, beichten, dem ewigen Unglück entgehen, um Gnad zu GOtt flehen. Ach wie eyferig thut solches die tugendliche Catharina, gewinnet aber nichts, als jene Antwort: ich hab unlängst gebeichtet, was will oder kan ich so oft beichten? ein Stahl-hartes Hertz, wie diese krancke Frau hat, kan kein Mensch sondern GOtt allein erweichen, dannenhero beredet den Herrn Latinum Catharina [868] lasset uns für sie GOtt bitten; Catharina knyet nieder wie dann auch Latinus, ruffet gegen Himmel, und erinneret GOtt seiner unermessenen Gütigkeit, mit innbrünstigen Betten: unter dem Gebett erhebet sich aus dem Wasser-Strohm Tybur ein Kugel-runde schwartze Wolcken, die schwinget sich über das Haus, allwo die Krancke sich befande; verneblet mit solcher Finsternuß alle Wohnung, daß keines das andere sehen konte: die äusserliche bedeutet die innerliche der Krancken, ja auch äusserliche Finsternuß, welche sie, wann sie nicht beichtet, zu erwarten hat. Aus der Donner- und Hagel-trohenden Wolcken sauset und prauset ein erschröcklicher Sturm-Wind, daß das Haus erzitteret, das anligende aber zu Boden gefallen: dieses Ungewitter war ein Vorbott des entzündeten Zorn GOttes, deme vorzubiegen, ruffte die Krancke:liebe Catharina sie stehe mir bey, und verlasse mich nicht: die berufte verweilet gar nicht, höret die Krancke welche voller Schröcken gewesen ihr Klagen, beredet sie nun zu einer solchen Beicht, dergleichen sie nicht gethan: vielgeliebte Frau sie traue nicht ihrer eignen Lieb, welche entweder mit Entschuldigung schmeichlet, oder aber mit Schmeichlen entschuldiget: in Zweiflen muß der Beicht-Vatter gefragt werden. Ach ja! verwilliget die Krancke, das will ich thun. Als der Beicht-Vatter zugelassen worden, gehen ihr Hertz und Augen über, und ein innerliches Liecht auf viel zu fragen, und zu erkennen, was sie zuvor nie für ein Sünd erkennen, weder fragen wollen: sie bekennet und beweinet ihr Thorheit und strafmäßige Unwissenheit, in gar vielen Sünden, welche sie für eytle Schertz, und Kurtzweil für den gemeinen Brauch, da sie doch Mißbräuch waren, gehalten. Vollkommentlich verrichtet sie ihr Beicht, nicht mit einer zu frieden, sondern läuteret und reiniget mit mehrern ihr Gewissen. Lebet folgends nicht mehr lang, doch mit gantz und gar veränderten Meynungen: wird mit der allerheiligsten Weeg-Zehrung des zarten Fronleichnams, und mit der letzten Oelung begnadet, wanderet also mit frölicher Hoffnung in das ewige Leben. Ex vita S. Cath. Sueciæ 24. Martii c. 6.

Die Red GOtt des erzörneten HErrns ist erschröcklich, seine Wort seynd Sturm und Donner-Feur: es rede mit uns Moyses der sanftmüthige, auf daß wir nicht sterben. Niemand erwarte und erharte in seinen Sünden so weit, bis der Zorn des HErrn ergrimme: die sanfte Red und Einsprechung des H. Geistes (welche durch eyfrige Seelsorger geschiehet) bewege, der Seelen Seeligkeit bester massen zu versorgen.

Zu Tolet in Spanien befande sich einer, welcher viele Zeit mit Bemäntlung etlich seiner Sünden mehrmahlen gebeichtet; dieser wird bey der Nacht mit einem flammenden Schwerd, das er über sich ausgezogen, ihme trohend gesehen, erschröckt, [869] fand also erschrocken keinen bessern Rath, als die Beicht, welche er gleich versprochen, anderst als zuvor bestermassen zu verrichten, und alsobald nach geschehenem Versprechen kehret das flammende Schwerd in die Scheiden, und der Sünder wendet sich zur Buß und Besserung seines Lebens. Annuæ Tolet. 1584. Soc. JEsu.

Es geschehen immerzu Beichten nur obenhin, oder von geringen, nicht aber von hochwichtigen Sachen, welche man zu Zeiten bemäntlet, zu Zeiten übersiht, auch gar zu oft ohne einiges Fragen für kein Sünd halt, oder entschuldiget. Der in vorfallenden Gewissens-Zweiflen gute Nachfrag halt, der ergreift ein sicheres Schnürlein, aus dem Labyrinth, oder verführenden Irrgarten dieser Welt glücklich zu kommen.

Das 9. Capitel
Das neunte Capitel.
Drey Eigenschaften der Beicht.

Die Beicht sey demüthig, redlich, lauter.


Demüthige deine Seel vor dem Priester, lehret Ecclesiasticus Cap. 4. v. 7. äusserlich, mehr aber innerlich demüthige dich vor dem Priester: falle auf deine Knye, neige das Haupt, klopfe an die Brust, sprich, oder gedencke gleich dem verlohrnen Sohn: Ich hab gesündiget in Himmel, und vor dir O GOtt! nun bin ich nicht werth dein Sohn genennet zu werden. Oder mit dem offenen Sünder, welcher unterist im Tempel mit niedergeschlagenen Augen an das Hertz klopfend gesprochen: HErr sey mir armen Sünder gnädig. Oder aber gleich der büssenden Magdalena werffe dich dem Priester zu Füssen, damit du in der Bekantnus Gnad findest bey demjenigen, welcher die Demüthigen ansihet und erhöhet.

Alcuinus ein geistreicher Sitten-Lehrer gab Carolo dem Grossen diese Lehr, Euer Majestät müssen zur Zeit ihrer Beicht, ihre Herrlichkeit ablegen, zu Boden fallen, der Beichtvatter muß sie eine Zeitlang liegen lassen, darnach andeuten sich aufzurichten. Libr. de divinis officiis.

Constantina Kayserin beruffet am Charfreytag ihren Beichtvatter Joachim Abbten des Closters Florentz, willens zu beichten. Sie sitzet in ihrem herrlichen Sitz, dabey ein niederer Sitz für den Beichtvatter gerichtet war, dahin deutet sie, wo er niedersitzen und sie anhören solle; der getreue Seel-Sorger weigeret sich nieder zu sitzen, sprechend: So Euer Majestät in ihrem Sitz sitzen, so ist meine Schuldigkeit stehen, und dero Befehl vernehmen, will sie [870] aber beichten, so ist ihre Schuldigkeit knyen, meine Verrichtung sitzend, und sie anhören und loßsprechen von ihren Sünden. Und diese Wort fanden eine gute Statt. Vita B. Joachimi Abb. Florenns 29.Maji Franc. Boertius.

Eine Neapolitanische Fürstin knyet nieder auf einen sammeten Polster, ihre Beicht zu verrichten, dessen wird der Beichtvatter gewahr (der sie nie vorhero angehöret) weigerte sich ihre Beicht anzuhören, beredet sie den Polster hinweg zu thun. Seine Kühnheit macht keinen Verdruß, sondern erhaltet, daß sie den Polster weggeworffen, auf blossen Boden knyend, demüthig gebeichtet und allein diesen für ihren sichern Seel-Sorger und Beichtvatter erwählet.

Zu allen Zeiten war der Brauch, die Häupter mit Aschen bestreuen, den Leib mit Loden bekleyden, die Füß entblössen, mit verwachsenen Bart, und einen Strang am Halß äusserlich, die innerliche Bußfertigkeit erzeigen, das erfordert die Christliche Kirch nicht für nothwendig, doch eine äusserliche, ein Zeichen der innerlichen Demuth, Kraft dero sich niederbiegen, auch die, welche die Welt tragen.

Der Demuth folge die aufrichtige Redlichkeit: man muß sich anklagen, nicht entschuldigen, und verträulich sprechen: Meine Missethaten werde ich wider mich bekennen, etc. Ottmayr ein Teutscher zu Kentibrut in Türckey, weilen er mit Sünden besessen, wollte ihn auch der Teufel besitzen, dann aus einem besessenen Weib, welches beschworen worden, wollte er aus- aber in diesen einfahren, Ottmayr wird dessen von dem Priester berichtet, spricht und entschliest alsobald, wider sich seine Missethaten zu bekennen, entscheydet sich seiner Sünden, und verschliesset durch eine aufrichtige Beicht dem Teufel allen Eingang, Bolland. in vita B. Mauri Arch. Mogunt. 4.Febr. Tom. 1.

Der Sünden im Busen trägt, dem laufet nach Spott und Schand; und eben den will der Teufel vor GOtt und der Welt zu Schanden machen; einsmahls ruffet dieser höllische Feind, aus einer andern besessenen Person, von einem gewissen Herrn, jener benannter Herr darf sich vor mir nicht blicken lassen. Freylich erkennet dieser Herr, was für einen Last Sünden er im Busen traget, wollte derowegen sich bevor er gebeichtet, nicht sehen lassen: aber nach der Beicht, welche er bey dem H. Ertz Bischof Landfranco zu Candelberg verrichtet, erscheinet er vor der besessenen Person, und der Teufel konnte ihne nicht zu schanden machen, sondern müßte ruffen: Wer hat dir dein Schwärtze abgezogen? wer hat dich geweißnet? das hat die Kraft der redlichen Beicht gethan, dieses ist die Würckung der Sacramentalischen Buß. Vita B. Landfranci 28. Maji. Baertius Tom. 6.

Die Entschuldigung in unsern Sünden ist ein schädliches Erbtheil, das von unsern ersten Eltern uns zufallet. Adam leget sein Sünd auf das Weib, Eva auf die Schlangen, GOtt erforderet [871] von ihnen die Beicht ihrer Sünd, welche sie nicht laugnen, sondern entschuldigen. Nicht also müssen die Sünden gebeichtet, und mit der Entschuldigung beschämet, sondern ohne Entschuldigung redlich angeklagt werden. Laßt uns derowegen allezeit vor der Beicht mit dem büssenden König GOtt bitten: Neige mein Hertz nicht auf boßhafte Wort in Sünden mit Entschuldigung sich entschuldigen. Psalm. 140. v. 4.

Die dritte Beschaffenheit einer guten Beicht ist, daß sie pur lauter geschehe, forderist in dem, das wider das 6. und 9. Gebott gesündiget worden.

Die wirckliche Sünden in der Geilheit, wie auch die böse Begierden und Beliebungen der unzüchtigen Einbildungen müssen zwar benennt, ja auch der Unterschied der Sünden und die Anzahl angezeiget, doch so viel es seyn kan, keusch ohne anreitzige Beschreibung vorgebracht werden. Vide Jacob. Marchantium tr. 5. de condit. confess. cond. 3. in candelabro mystico.

Das 10. Capitel
Das zehende Capitel.
Die Todsünd muß man, die läßliche kan man beichten.

Als Johannes Dei der barmhertzigen Brüder Stifter mit dem Marggrafen von Tariffa in Hispanien die Krancke besucht, setzet er sich bey einer tod-krancken und sterbenden Frauen nieder, und ermahnet sie, indem sie viele Jahr eine Todsünd verschwiegen, nemlich daß sie durch Artzney freywillig ihr eigen Kind im Mütterlichen Leib getödtet, sie soll doch Zeit und Weil gewinnen, wiewohlen sie diese Sünd tausend und tausendmahl bereuet, so kan sie nicht seelig werden, wann sie es nicht beichtet. Aus Prophetischem Geist hat dieser H. Mann dieses erkennet, und GOtt bittend erlanget, daß sie noch vor ihrem End recht alle ihre Todsünden gebeichtet, und mit dem büssenden Schächer an ihrem End Verzeyhung und Gnad gefunden.

Einem andern Krancken redet er scharf zu Hertzen, sprechend: Du gottloser Mensch, weißt du nicht, daß man schuldig ist alle Todsünden beichten, warum hast du dannoch deine grosse Sünd verschwiegen? siehe, der Teufel wartet auf dich, so du in deiner Boßheit verharrest, und nicht beichtest: der Krancke verantwortet sich: Woher sagest du mir dieses? Johannes der heilige Mann, mit dem Geist der Weissagung erfüllet, beredet ihn: Laugne nicht, hast du dann nicht zwey Weiber, welche beyde im Leben? und hast du nicht noch ein anderes schweres Laster (welches ich nicht nenne) begangen? als er dieses gehöret, bittet er um einen Beichtvatter, deme er alles redlich gebeichtet, und sich also aus der Gefahr der ewigen Verdammnuß [872] errettet. In vita S. Joannis Dei Germanica cap. 19. Viennæ edita 1691.

Welche sich in Todsünden befinden, erwarten nicht solche, sondern nehmen an die innerliche Ermahnungen, die in unserm Gewissen der heilige Geist nicht ermanglet vielfältig zu erwecken.

Die Beicht erleucht, die Sünd entzündt.

Gut ist es auch die läßliche Sünden beichten, dann diese seynd Vorbotten der Todsünden. Darum sollen sie nicht gering geschätzet werden. Zosimus und Servatius zwey Mönch und Priester, beichten alle Nacht einer dem andern. Der Teufel setzet sich einsmahls in Beichtstuhl, horet als ob er Servatius wär, Zosimi Beicht, nichts als läßliche Sündē, spricht er das seynd nur Narradeyen. Aus diesem wurd er gleich erkennet, daß er der listige Teufel sey.

Keine Todsünden hätte die heilige Catharina der heiligen Birgitten Tochter, dannoch beichtet sie ihre läßliche, welche mehr ein Ubereilung, als Boßheit waren.

Forseus ein heiliger Mann, wurd vor seinem Tod verzuckt, und vor den Richter der Lebendigen und Todten gestellet, in vielen läßlichen Sünden angeklagt, überwindet aber seine Ankläger mit dem, daß er sie nicht unterlassen zu beichten; darauf frolocketen die heiligen Engel mit ihme. 16. Jan. vita.

St. Jacobus Alemanus aus einem Kriegs-Mann, ein tapferer Ordens-Mann unter dem Fähnlein St. Dominici, beichtet oft auch die läßliche Sünden: als er aber seinen Tod vorgesehen, verrichtet er ein vollkommene Lebens-Beicht, darauf wird er verzuckt in ein Blumen-reiches Freuden-volles Paradeis, welches kein menschliche Zung kan aussprechen, kein Sinn begreiffen, da höret er die Zusammenstimmung der englischen Music, welche sich über alle recht beichtende Sünder erfreuen, wurde auch dieser ewig zu geniessen, eingeladen. 11. Octobris Annus Cælestis.


Der Teufel verstellet sich einsmahls in die Gestalt eines jungen Cavaliers, gieng zur Beicht, bekennet alle seine grausame Sünd, mit allen Unterschied und Anzahl, dero waren mehr als Sandkörnlein des Meers: der Beichtvatter erkennet bald den Teufel, und fraget, warum beichtest du? er antwortet, ich hab gesehen die mit schweren Last beladene, welche zur Beicht gegangen, seynd ohne Last geringeret davon gegangen, das geschehe mir auch: Es geschehe, verspricht der Beichtvatter, wann du täglichen dreymahlen sprechen wilst, diese wenige Wort: Der du mich erschaffen hast, erbarme dich meiner: Das wolte und konte er nicht thun. Dahero verblieb er der alte arme Teufel ewiglich. Guil. Petin. Mercant. tr. 5. cad. myst.

5. Abtheilung
Das 1. Capitel
[874] Das erste Capitel.
Die Straf der Sünd wird nicht allzeit gäntzlich mit der Sünd vergeben.

Diese auferlegte Buß ist ein erfüllender Theil dieses Sacraments: solche wird auferlegt, dieweil nicht allemahl mit Vergebung der Sünd die Straf vergeben, sondern mit Vergebung der Todsünd, die ewige in ein Zeitliche verändert wird.

Dem ersten Menschen ist zwar die Sünd, aber nicht die Straf vergeben worden: Es wurd ihme gesagt: im Schweiß deines Angesichts wirst du dein Brod geniessen. Dem Volck, welches wider GOtt den HErrn in der Wüsten gemurret, ist die Sünd, nach flehentlichen Begehren Moysis, nachgelassen, aber die Straf vorbehalten worden: Ausser Josue und Caleb, soll niemand das gelobte Land betretten. Von begangenem Ehebruch, und Mordthat wird König David loßgesprochen, dannoch ist die Straf nicht ausgeblieben, das liebe Söhnlein mußte in unzeitigen Tod verblühen. Dannenhero, damit die vorbehaltene zeitliche Straf leichtlich in wenigen abgebüsset werde, wird aus Anordnung des HErrn, denen Beichtenden einige Buß auferleget: Nach Ermahnung des gesammten Kirchen-Raths zu Trient, welcher den Beichtvättern mit diesen Worten zuspricht Sess. 14. c. 8. Die Priester des HErrn, sollen den Büssenden nach Maaß der Sünd, so viel es seyn, taugliche und heilsame Buß-Werck, wie es die Bescheidenheit, und GOtt der heilige Geist eingeben wird, auflegen damit sie nicht, indem sie sehr geringe Buß-Werck gegen sehr schweren Sünden auflegen, fremder Sünden theilhaftig werden. Es stehet bey dem weisen MannEcclesiastico cap. 5. v. 5. geschrieben: de propitiato peccato noli esse sine metu: Von wegen vergebener Sünd, sey doch nicht ohne Forcht, nimm an die vom Beichtvatter auferlegte Buß, verrichte selbige, wann sie schon beschwerlich, so ist sie doch heilsam.

Sehr schwere Bußwerck wurden vor Zeiten den Büssenden gegeben.

B. Petrus Damiani I. 1. Epist. 10. erzählet, daß er mit einem Pilgram geredet, welcher vom Priester, nach verrichter Beicht die Buß empfangen, seine übrige Leb-Zeiten in immerwährender Klag, und steter Pilgerfahrt zuzubringen. Sein Verbrechen bekennet er ohn allen Scheu, und schätzet sich einer viel grössern Buß werth und schuldig. Meinem guten Freund, sprach er, hab ich kein Hülf geleistet, als ungefähr auf dem Weeg, da er von einer zweyköpfigen Schlangen, gerungen, einen Kopf mit einer Axt, welche er in der Hand gehabt abgehauet, darauf die Schlang heftig ergiftet, ihn umwunden, in ihr Höle unter die Erdenge schlossen: Er schrye jämmerlich [875] zu mir, aber vergebens um Hülf, die Forcht, welche in mir war, hat aller Freundschaft vergessen. Oft betrachte ich, spricht Petrus Damiani, als sehete ich diesen Menschen mit der Schlangen beysammen unter der Erden, kein Mittler ist darbey, keine Errettung ist zu erwarten, O steinhartes Hertz, welches sich nicht erweichet. Die Sünd dieses Büssers konnte genugsame Entschuldigung vorwenden, dieweilen in augenscheinliche Gefahr sich begeben, keine Schuldigkeit ist, dann der Schröcken in dergleichen Begebenheiten findet keinen Rath, doch beichtet er dieses ohne Entschuldigung, und nimmet an die Buß ohne Widerredung.

Johann Guarrin, wegen zweyer Todsünden, welche er nach vielen Jahren seines Einsidler-Lebens zu Rom gebeichtet, erhielt diese Buß so lang auf Händen und Füssen, gleich einem unvernünftigen Thier zu kriechen, bis ihme GOtt anzeigen wird, daß ihm auch die wohlverdiente Straf seiner Sünd vergeben seye, welches nach sieben Jahren durch ein unmündiges Kind wunderlich geschehen. Paulus Segneri in pœnit. inst.

Auch groß und gewaltige Herren, haben groß und gewaltige Bussen angenommen. Kaysers Theodosii kundbar schwäre Sünd, mußte mit kundbarer schwehrer Buß abgestraffet werden. S. Ambrosius Mayländischer Bischof heisset ihn, demnach er seine Schuld bekennet, dieweilen er gleich wie David gesündiget, auch wie David büssen. Abbt Romoaldus mit heiligem Eyfer bewafnet, befahl dem beicht- und büssenden Kayser Otto, dem Dritten dieses Namens, mit blossen Füssen bis auf den Berg Gargano zu wallfahrten. Johannes Ertz-Hertzog von Oesterreich, demnach er seinen Herrn Vettern Kayser Albrecht den ersten ermordet, wird vom Pabst Bonifacio dem Achten mit dieser heylsamen Buß abgestraft, ohne Zulassung weltlicher Freuden, in Mönch-Kleydung zu leben: büsset derowegen sein Sünd zu Pisa bis ans End. Henricus der andere dieses Namens König in Engelland, dieweilen er den Ertz-Bischof zu Candelberg Thomam in der Kirch hinrichten lassen, nach Bereuung und Bekanntnuß seiner Sünd, ergibt sich der verordneten Abstraffung, entblösset seinen Rucken, wird erstlich vom Bischof, folgends von 80. Geistlichen gegeißlet. Potamio einem Bischof zu Bracara, dieweilen er ein Weibs-Person berühret, wurd vom zehenden Kirchen-Rath zu Tolet zur Buß auferlegt, nimmermehr sein Leben-lang einiges hohes Priester-Amt, sondern die gering und niderste Kirchen-Dienst verrichten, O tempora! O mores! O ausgewechslete Zeiten! O veränderte Sitten. Der Zeit scheuet man, die grosse und kaum verrichtet man die kleine Bussen. Jenige, welche diese und dergleichen auferlegte Sünden-Straf von Priestern angenommen, haben glücklich nach dem Schifbruch, die andere Tafel erreichet und ergriffen, bis daß sie angeländet, in die Sicher- und Seeligkeit gekommen.

Das 2. Capitel
[876] Das anderte Capitel.
Der Bescheidenheit des Beichtvatters wird überlassen eine schwehre oder geringe Buß aufzulegen.

S. Vitalis Abbt, gibt kleine Buß.


St. Vitalis Abbt, führt in Welschland, in einer ausgeholten Stein-Ritzen, nach Ordnung St. Basilii ein Mönch-Leben, hätte auch Priesterlichen und Beichtvätterlichen Gewalt. Der süsse Geruch seiner Heiligkeit ziehet an sich nicht allein Bienlein und Pfas-Hennen, sondern auch Hund, Füchs und Wölf, fromm und böse Leut; die Böse wolten fromm, die Fromme noch frömmer werden. Viele beichteten ihm, welche mit grossen Sünden beladen waren, und wie trauriger sie kommen, je frölicher giengen sie nach verrichter Beicht. Die Aussag ware, St. Vitalis ladet ab, aber ladet nicht auf, vergibet grosse Sünden, aber gibt keine grosse Busen, er läßt die, welche ihm gebeicht, in Freud und Frieden lauffen, welches vielen zum Beichten einen Lust, vielen eine Verwunderung gemacht.

Ursach dessen kommet Leontius de Petra, und Hilarius de Galaso, zwey Geistliche, unweit von ihm wohnende H. Vätter zu ihme vorzuhalten, was massen er die Bosheiten der Beichtenden gar zu gütig mit geringer Genugthuung abmesse. Sie gehen in seine Einsidlerey, begrüssen und beichten, warum sie hinkommen, die Lieb GOttes und der Eyfer bereiteten ihnen den Weeg, sie sprachen zu ihme: Geliebter Vatter Vital, du bist eine Zuflucht der Sünder, dann viele seynd, welche dir beichten, aber kein Ausrotter der Sünden, dann mit geringen Bussen werden abgefertiget, welche dir gebeichtet haben. Er vernahme ihre Lehr, und entschuldigte sich bevor nicht, bis er ihnen einige Richt zu essen zugerichtet und vorgesetzet. Diese Richt ware eine schlechte Speiß, dieweilen er nichts bessers zu geben, noch selbsten zu geniessen hätte, nicht nur die Speiß, sondern auch der Geruch ware bey den Gästen widerwärtig, sie wolten darvon weder essen, weder kosten, stunden auf, und begaben sich auf freyen Luft. Dessen wird Vitalis gewahr, beredet derowegen sie: diese meine Speiß, welche ich euch angerichtet, riechet euch übel, und will euch nicht wohl schmecken, und wie wolt ihr, daß grosse und widerwärtige Bussen denen Beichtenden wohl schmecken sollen? welche Christus unser Heyland zur Buß beruffet, entbürdet er von Sünden, und erquicket sie mit Gnaden. Den verlohrnen wiederum gefundenen Sohn, nimmet der barmhertzige Vatter an, kleydet und ersättiget ihn kostbahr, und schaffet ihme nicht hungerleydende [877] Fasten zu verrichten, und grobe Buß-Kleydung anzulegen. Ja niemand aus allen büssenden Sündern, hat der HErr mit scharffen Worten jemahls angeredet, niemahls mit belästigten Bußwercken überladen. Geringe Bussen geben Anlaß mehrmahlen zu beichten, und mit dem Beichtvatter freundlich und verträulich zu handlen.

Als sie dieses vernommen, konnten sie seine gute Meynung nicht widerreden, lobten GOtt, und wandleten im Frieden.

Orphei Saiten-Spiel und liebliches Singen hat die Luftkündige Vögelein und wilde Thier angezogen, wie das alte Fabelwerck dichtet. Aber eben dieser H. Abbt Vitalis hat die wunderliche Anzügigkeit; (weilen er gegen allen Sündern, welche zu der Buß geschritten, liebreich und annehmlich gewesen) gleicher Weiß und wahrhaftig gehabt; die Vögelein des Lufts fliegeten ihm zu, die wilde Thier verliessen ihre Wildnus und Schlief-Orth, giengen zu ihme, liebkoseten ihm, nahmen auch von seinen Händen die Speiß, höreten und folgeten seinen Reden, bald ruffet er diese, bald schuf er sie ab, andern Platz zu machen, wurden doch nie ohne Seegen von ihm entlassen. Also verbliebe dieser H. Abbt Vitalis ein Zuflucht der Sünder, und ein Freund der wilden Thier, diese wolte er nicht fangen, sondern in ihrer Freyheit lassen, jene wolte er nicht beschwehren, sondern in die Freyheit der Kinder GOttes bringen. In vita 9. Martii. Hentschenius. Soc. JEsu.

Das 3. Capitel
Das dritte Capitel.
In gewissen Begebenheiten können kleine Bussen auferlegt werden.

Es lehren die Schrift-Gelehrten, daß zu Zeiten grossen Sündern kleine Bussen mögen gegeben werden. 1. Aus Ursach grosser innerlichen Reu, oder Zerknirschung des Hertzens. 2. Wegen gewisser Leibs- oder Seelen Gebrechlichkeit. 3. Wann die Gnaden-Porten des Jubel-Jahrs, oder der Schatz-Kasten aller Verdiensten, durch vollkommenen oder unvollkommenen Ablaß eröfnet wird: alsdann können gnädiger die Beichtvätter, den Beicht-Kindern verschonen.

P. Cotton von 4. letzten Dingen des Menschen, erzählet von einer Welt-liebenden Fräulein, welche Christlich glaubend, hie der Welt Lustbarkeit, dort die unverwelckliche Freuden geniessen, nach diesem in dem ewigen Leben keinen Schaden leyden wollte, daß diese einsmahls gebeichtet, in etlichen auferlegten Bussen Entschuldigungen so weit vorgewendet habe, bis ihr der Beichtvatter zur geringen Buß diese wenige Betrachtung auferlegt: meine Tochter, so oft sie[878] ihre zarte Händ waschet, betrachte sie mit einem Gedancken: daß nach wenig Zeiten ihre Händ verwesen, von Würmen und Motten werden verzehret werden: das nehme sie an zu ihrer heylsamen Buß; das nahm sie doch endlich an: gedachte auch immerzu unter dem Händwaschen darauf, daß sie nach und nach von einer Welt-Docken, ein Tugend-Fräule, den Frauen-Zimmer ein Spiegel der Andacht worden.


Einem jungen edlen Herrn, deme alle weltliche Freuden zu Diensten waren, deme waren alle geistliche Ermahnungen und Gewissens Händel gantz und gar zu wider: seinen Beicht-Vatter, welcher ihm einsmahls heimgesucht, batte er nichts vorzubringen, was Forcht und Sorgen, auch traurige Gedancken erweckt, doch gab er ihm nach Besichtigung aller herrlichen Bequemlichkeiten, in Ansehung seiner schönen Liger-Stadt diese Buß, welche er ihm allein ins Ohr geredet; zu Abbüssung seiner Sünden, vergeß er nicht des Spruchs Isaiä: Motten werden dein Lager seyn, und Würme werden dich bedecken. cap. 14. v. 11. das soll ihme zu Gemüth gehen, nicht traurige, sondern fröhliche Gedancken machen: die urplötzliche Forcht, und Sorg, wird ihm die ewige Sicherheit und Freud erwerben.

Selten gieng folgends dieser junge Herr zu Beth, daß ihm dieser Gedancken nicht einfiele, ja nicht allein einfiele, auch heylsame Begierden erweckte, alles weltliche zu verlassen, und sich dem geistlichen Stand zu ergeben. Entschliesset demnach, nicht dem verweßlichen Fleisch, sondern der glückseeligen Auferstehung, abzuwarten: begibt sich in Prediger-Orden, und suchet sein Heyl. Platus l. 3. c. 58.

Es finden sich nicht wenig Beicht-Vätter, welche in Bedencken des Spruchs St. Augustini: es ist kein Sünd die ein Mensch gethan hat, welche nicht auch der andere Mensch thun kan, so etwann jener Herrscher, durch welchen der Mensch worden ist, ermanglet: mit allen Sündern Mitleyden tragen, und mit allen Büssenden liebreich umgehen. Wie lang, auch wie liebreich, freundlich hat St. Xaverius, jenen zehen Jahr unbußfertigen Sünder zur Buß und Beicht beredet und gebracht? auch mit keiner scharffen Buß abgeschröckt, sondern allein ihne betten heissen ein Vatter unser, und englischen Gruß. Dieses hat St. Xaverius gethan, und thun es annoch auch nicht wenig Beicht-Vätter, welche dem Lamm GOttes nachfolgen, jenes Lamm, welches sanftmüthig hinnimmet die Sünd der Welt.

Guilelmus Parisiensis, welchen der geistreiche Gerson mehrmahlen rühmet, erkläret hierinn sein Meynung; sicherer ist es denen, welche beichten, ein geringe Buß, welche sie verrichten, auflegen, und sie mit solcher ins Fegfeur; als mit einer schwären, welche sie nicht verrichten, [879] in die höllische Verdammnuß schicken. Et si erramus modicam pœnitentiam imponentes, nonne melius est, propter misericordiam rationem reddere, quam propter crudelitatem? ubi Pater familias largus est; ut quid Sacerdos ejus austerus? vis apparere sanctus? circa vitam tuam sis austerus, circa alienam benignus. Ex divo Chrysostomo, aut rectius ex auctore imperfecti operis in Matth. Hom. 43. Geschiehet es, daß wir fallen in Auflegung geringer Buß: ist es dann nicht besser wegen geleister Barmhertzigkeit, als wegen verübter Strengheit Rechenschaft geben? indem der Haus-Vatter freygebig, warum solte sein Priester so streng seyn? wilst du heilig angesehen werden? sey streng in deinem, und gütig in andern ihrem Leben. Die erfahrne und gute Beicht-Vätter beweisen hierdurch ihr unaussprechlich grosse Lieb, dann es ist kein grössere Lieb, als sein selbst eigene Seel für die Beicht-Kinder setzen. Sie ruffen zu GOtt, mit dem Fürsten des auserwählten Volcks: dieses Volck hat ein überaus grosse Sünd gethan: entweder verzeyhe ihnen O HErr! diese Missethat, oder aber tilge mich aus, aus dem Buch das du geschrieben, Exodi 32. v. 32.


Thomas Cantipratanus erzählet mit was für Lieb, und Bescheidenheit Petrus de Corbœl Sononensischer Ertz-Bischof mit den büssenden Sündern gehandlet. Es beichtet ihm einer, welcher seiner vätterlichen Treu schändlich vergessen, seiner Tochter das Ehren-Kräntzlein ihrer Jungfrauschaft mit Gewalt genommen, derowegen begehret er ein lebenlange Buß: all sein Haab und Gut setzet er darauf, solches unter die Armen auszuspenden, willkürig nimmer zu trincken was truncken macht, nimmer zu geniessen, von Fleisch und kostbarlichen Speisen. Sein Reu über seine Sünd war groß wie das Meer, und sein Leyd wie sausende Wasser-Wellen zur Zeit des Ungewitters.

Das klägliche Weinen des Sünders, beweget eben auch den Ertz-Bischof zum Weinen; tröstet doch ihne, daß unvergleichlich grösser GOttes Barmhertzigkeit, als alle Sünd der gantzen Welt: und dieweil er eine langwürige strenge Buß inständig verlangt hat, so legt er ihm auf ein sieben jährige. Hochwürdiger Vatter, widerredet der Büsser, die Buß ist viel zu wenig gegen meinem Verbrechen, solte ich hundert Jahr leben, so wolte ich hundert Jahr büssen. In Ansehen dessen, wohl wissend, daß GOtt ein zerknirschet und gedemüthigtes Hertz nicht verschmähet, veränderet er ihme die sieben-jährige in ein dreytägige Buß, sprechend: drey Tag faste in Wasser und Brod. Der Büsser ergiesset sich hierauf noch mehr mit Leyd-Klagen und Weinen, daß der Ertz-Bischof vor Verwunderung und Freud ihme anbefohlen, ein alleinigesVatter unser etc. zu betten: mit dem Zusatz, vertraue, deine Sünd seynd dir vergeben. Da fallet der[880] Büsser ohnmächtig nieder, verbleichet, und stirbt bey den Füssen des Beicht-Vatters. Jacob Marchanti, cant. myst. tr. 3. propos. 3.

O GOtt meines Heyls: so du gewolt hättest Brand- und Schlacht-Opfer, hätte ich dir solche gegeben: aber an diesem hast keinen Lust, ein zerschlagener Geist ist vor dir ein angenehmes Opfer.

Dieser glückseelige Tod dieses Büssers erwecke alle Sünder zum Leben der Buß.

Von einem andern Beicht Vatter erzählet obgedachter Marchantius in hort. past. cant. myst. tr. 5.item spec. exempl. verbo desperatio. Dieser hat einen krancken verzweifleten Sünder mit grosser Lieb und Bescheidenheit, in ein gutes, ja sicheres Vertrauen gebracht, daß er vollkommentlich gebeicht, ein geringe Buß angenommen, von Sünden loßgesprochen, gestorben, und seelig worden.

Dieser fromme Seel-Sorger wurd nicht von Krancken, sondern von des Krancken Haus-Genossen beruffen, und berichtet, was massen sein Hertz Stein hart, sein Gemüth in verzweiflender Kleinmüthigkeit. Im Eintritt erfahret er dieses, dann die Wort dieses Krancken: grösser ist mein Sünd, ruffet er, als ich Gnad finde. Einige Beicht kan ich weder anfangen, weder vollenden, meine Sünd gleich dem Sünd-Fluß haben mich überschwemmet. Ist es wohl möglich, daß ein alter Wolf seine reissende Art lasse? Der Beicht- Vatter hingegen eröfnet ihm die unendliche Barmhertzigkeit GOttes, die Brunnquellen der göttlichen Gnaden, welche aus den Wunden Christi fliessen zur Reinigung der Seelen. Er wolle ihm belieben lassen mit einer offenhertzigen Beicht sich zu erklären. Der krancke Sünder ruffet, das ist mir unmöglich, ich kan und mag durchaus nicht beichten. Nach vielfältigen Zusprechen und Bitten, wendet ihm der Beicht-Vatter jenes Mittel vor, welches ihm die antreibende Christliche Lieb eingerathen: er sprach, alles was ich mein lebenlang Gutes gethan, alles dessen will ich mich berauben, und dir alles überlassen, und schencken: meine Verdienst sollen dein seyn, deine Sünd aber, welche du dein Lebenlang begangen, sollen mein seyn, und auf mein Leib und Seel fallen. So es GOtt also gefället, diese Abwechslung anzunehmen, diesen Tausch richtig und gut zu heissen: ach ja, so laß ich mich ein, redet der krancke Sünder: der Beicht-Vatter bietet ihm dar die Hand, und mit einem Hand-Streich wurd die Abwechslung bestätiget.


Aber nun muß ich wissen was mein ist, erfordert der Priester: der Krancke rund heraus bekennet ihm seine überhäuffige Missethaten, wohlan fragt ferner der Priester, was haltest du von allen diesen Missethaten? die Antwort erfolgt: ach! wären sie nie geschehen: wohlan schliesset der Priester: dein Kranckheit sey dein Buß, meine gute Werck seynd dein Eigenthum, [881] deine Sünd mein Last, welchen ich übertrage. Der Sünder wird absolvirt, gehet ein den Weeg alles Fleisches und stirbt. Nach einem Monat offenbahret er sein Seeligkeit, und erkläret, was massen des liebreichen Priesters Verdiensten ihme nicht benommen, sondern verdopplet worden.

Nemo ergo diffidat, nemo veterum conscius delictorum, prœmia divina desperet: novit Dominus mutare sententiam, si tu noveris emendare delictum. S. Amb. Ep. 1. 2. in Luc. c. 1. in fine. Derowegen soll niemand einiges Mißtrauen haben, niemand, wiewohlen mit viel alten Sünden beschwäret, soll verzweiflen. Der HErr kan seinen Ausspruch veränderen, wann du deine Missethaten kanst verbesseren.

Das 4. Capitel
Das vierte Capitel.
Alle Bussen, seynd gegen der Sünd gerechnet, gar zu klein.

Philipp, Graf zu Namur.


In Jahr-Brieffen unserer Gesellschaft in Bœtica, 1652. wird von einem Sünder gelesen, welcher beichten und nicht beichten wolte. Der Geist GOttes trieb an innerlich, äusserlich aber der Ruf der Prediger: doch umsonsten. Die Beicht der Sünden wurd gehemmet, von der Schamhaftigkeit und die Buß, von der Beschwernuß. Dahero schub er auf seine Beicht von einer Zeit zur anderen, bis ihme GOtt bey nächtlicher Weil angezeiget, wie gefähr- und erschröcklich die Sünd, wie entgegen nutz- und verdienstlich die Beicht und Buß.

Er sahe einen grossen hohlen Felsen, welcher in zweyen Orten eröfnet war, daraus waltzet sich ein vergifte gewaltige Schlangen, auf einer, auf der anderen Seiten aber flog hervor ein Hönig-machender Bienschwarm. Die Schlang ergiftet, diesen mit sich in ihr Gruben und Höhl zu bringen; er förchtet seinen Leib, mehr aber seiner Seelen. In diesem Schröcken erwachend, eylet er aus dem Beth und Haus, sucht und findt einen Beicht-Vatter, deme er die Gefahr seiner Verdammnuß, so er nicht beichtet; wie auch die Süßigkeit der göttlichen Gnad, so er beichtet, ausführlich erzählet.

Dieses seye zum Vorspiel dieser Freuden-Geschicht.

Philipp Graf zu Namur, ein von Königlichem Geblüt herstammender gewaltig mächtiger Herr, ein Sohn des Grafen in Flandern, und Bruder des Königs in Griechenland, wie auch Schwager Königs in Franckreich, mit Sanft- und Demuth begabter [882] Catholischer Herr, welcher sein Glück in die Freyheit, sein Muth in die Lustbarkeit, und seine Wollust in manche Sünd geführt, findet endlich in Ablauf seines Lebens, wie alles Eytelkeit über Eytelkeit ausser Buß thun, und GOtt lieben.

Der Wurm des Gewissens bisse ihn mehr als ein Schlangen, demnach er viel gesündiget, trohet auch ihm den ewigen Tod der Höllen, hingegen machten ihm viel Büsser ein gutes Hertz und Hofnung.

Mit zunehmender Kranckheit nimmt auch zu die Angst des Gewissens, er wolte beyzeiten vorkommen, damit er nicht etwann übereylet wurde. Schicket in ein gewisses Cistercer Closter um den Abbt, willens deme zu beichten, der Abbt verweilet nicht, kommet und höret seine offenhertzige Beicht, welche der Graf mit vielem Seuftzen und Weinen gantz reumüthig verrichtet. Zur Genugthuung hat ihme der Abbt eine gewisse, nicht beschwehrliche Buß auferlegt, und folgends von allen Sünden aufgelöset. Meine Sünd ist zu groß, meine Buß ist zu klein, gedacht der Graf, beruffet dahero einen andern Abbten, eben auch Cistercer-Ordens, eine schärffere Buß zu erhalten, aber eben mit gleicher Bescheidenheit entbindet ihne dieser, gleichwie der vorige. Annoch nicht vergnüget, schicket er um den dritten und vierten Abbten, beichtet einem um den andern, erfordert eine scharffe heylsame Buß, aber erhaltet eine geringe. Bedaueret derowegen bey seinen Bedienten offentlich, ich hab gesündiget über die Zahl der Sand-Körnlein des Meers, entgegen ist meine mir auferlegte Buß klein, gleich einem Senft-Körnlein, welches das kleineste ist unter dem Saamen. Doch wiederhohlte er mehrmahlen bey diesen Abbten diese Bekanntnus seiner Missethaten, und nahm einen Strang um seinen Halß, diese ersuchend gut zu heissen, daß man ihn durch die Gassen der Stadt vor allem Volck herum schleiffen sollte.Unverschamt gleich den Hunden hab ich gelebet, gleich den Hunden soll ich sterben, sprach er.

Wider diesen Grafen war die Aussag des Volcks, er habe seines Herrn Bruders Fräulen Tochter dem König in Fanckreich verkauft. Dieser üble Nachklang war Balduwino seinem Brudern und allen Frommen ein Greuel, Philippo aber dem Grafen ein kümmerliche Noth. Hab dann ich diese Kinder den edlesten Schatz unseres Geschlechts, minder dann Geld und Gold geschätzet? klaget er wehemüthig, indem sie zu Christlichen Tugend-Fräulen hätten sollen auferzogen werden, seynd sie den eytlen Meer-Fräulen zu Theil, und zu Gespilin worden: wer? dann ich selbsten hab diese unverantwortliche Untreu verwürcket. Tag und Nacht halleten, und widerhalleten dergleichen Klagen. Ursach dessen wolte er nicht mehr in seiner beharrlichen Behausung verbleiben, läßt sich in das armseeligste Häußlein seiner Stadt tragen, bey dem Gnad zu finden, welcher sich gewürdiget im Stall gebohren, am [883] Creutz gemartert zu werden, da endet er sein bußfertiges Leben; in jenen Zeiten ein unvergleichliches Exempel der Bußfertigkeit. GOtt, welcher den Büsser crönet in der Barmhertzigkeit und Erbarmnuß, hat diesen Grafen bald nach dem Tod, demnach er in St. Albani Kirch begraben worden, mit Wunder-Zeichen gecrönet, indem sehr viel bey seinem Grab Heyl und Kraft gefunden.

Die alte Schlang hat diesen mit vielen Sünden verwickleten Grafen in die Höll der ewigen Pein bringen wollen, da entgegen der Geist der Bußfertigkeit ihne heraus gewicklet, daß er durch seine Bußwerck viel Verdienst, gleich den Hönig machenden Bienlein gesammlet.

Dieser vier Beichtvätter lobwürdige Bescheidenheit, ist allen Beicht-Vättern zur Nachricht, mit denen, welche sich gutwillig zu strengen Bussen antrangen nicht allezeit gar zu streng zu verfahren.


Ein jeder Beichtvatter habe ein starcke, aber kein weiche Lieb: er habe den Eifer, doch ohne Wütten: er sey gütig, übersehe doch nichts; nach Lehr S. Gregorii in pastor. P. 2. c. 6. sit amor, sed non emolliens: sit rigor, sed non exasperet: sit zelus, sed non immoderatè sæviens: sit pietas, sed non plus, quàm expediat, parcat.

Hiebey ist zu mercken, wasmassen alle Buß-Werck, gegen einer Tod-Sünd unvergleichlich kleiner: was in thebanischen, und palästinischen Wüsten von so vielen Büssern Gutes geschehen, von allen Mönch und Nonnen jemahlen tugendliches zur Straf der Boßheit geübet worden, mit allen heiligen Wercken, und Strengheiten der Auserwählten: hat in der Wag-Schüssel mit einer Todsünd weniger Gewicht, als ein Feuer-Funck gegen allem Bley und Stein; ein Stäublein gegen der Welt-Kugel: ein Tröpflein gegen allem Gewässer, ein Pünctlein gegen allen Himmels-Circklen. Niemand erkühne zu sagen mit dem HußländerJob. cap. 6. Wolte GOtt, daß meine Sünden, damit ich den Zorn verwürcket habe, und das Elend, das ich leide, auf die Waag geleget wurden. So wurde das Elend schwärer anzusehen seyn etc. Dann die Todsünd hat ein unendliche Boßheit in sich, weilen GOtt einer unendlichen Würdigkeit beleydiget worden. Nichts destoweniger hat die auferlegte Buß im Werck selbsten, ein mehrere Würckung, in Kraft des Sacrament der Buß, dero sie zugeeignet wird.

Das 5. Capitel
Das fünfte Capitel.
Pabst Innocentius, leget auf ein geringe Buß einer schweren Sünderin.

Das Amt des Beichtvatters ist dreyerley, 1. einesRichters, 2. eines Vatters, 3. eines Artztes. Und zwar eines Vatters in Mitten, zwischen [884] dem Richter, und Artzt: damit nicht etwann die Straf zu scharf, die Artzney zu bitter: Er gehe mit dem Sünder um, gleich wie unser liebreiche Heyland umgegangen: Er soll dem Samariter mit Oel gemischten Wein in die Wunden einfliessen.

Innocentius der Dritte dieses Namens Pabst, höret das klägliche Geschrey einer Frauen, welche mit ihrem Fätschenkind um Gnad und Ablaß zu finden, bey dem Obristen Hirten der Christenheit, nach Rom gekommen. Offentlich bekennet sie ihr grosses Verbrechen, erlanget auch ein vätterliche Buß und Vergebung. Der Verlauf wird von Cælario lib. 2. Illustr. Mirac. cap. 11. auf folgende Weis beschrieben.


Im Jahr 1216. das ist, in letztem Jahr seines Pabstthums, ist ein Frau mit unziemlicher Begierd, gegen ihrem erwachsnen Sohn so weit gekommen, daß sie ihn, und sich in ein greuliche Blut-Schand gebracht, schwanger worden, und nach Verlauf neun Monaten, einen andern Sohn, welcher des ältern Sohn und Bruder, ihr Sohn und Enckel zugleich gewesen, auf die Welt gebohren. Gleich einem starcken Wein wurd diese Sünd hinein getruncken, aber demnach hat sie wie ein Schlang gebissen. Das Gewissen gab ihr keine Ruhe, beisset und naget ohne Unterlaß bey Tag und Nacht: solcher ängstiger Noth war kein andere Zuflucht oder Hülf, als bey dem Beichtvatter, dieser befande nothwendig und heilsam, sie nach Rom zum Obristen Priester zu schicken. Wie beschwerlich, so willkürig nahm sie diese Buß auf sich, noch ein beschwerlichere bey dem Gnadenstuhl des höchsten Seel-Sorgers abzuholen.

Das Pfand ihrer Lieb und Leid, ihr eingefätschtes Kindlein trug sie mit sich, bis sie Rom die Hauptstadt der Welt erreichet hat. Da bewerbet sie sich Ihro Päbstlichen Heiligkeit vor Augen, und Füssen zu kommen: Aber die Menge des durchdringenden Volks verhinderte überall. Dene sie mit Durchdringen nicht konte, den wolte sie mit lautem Geschrey erreichen, ruffend: Heiligster Vatter Barmhertzigkeit, Barmhertzigkeit über ein grosse Sunderin. Das Geschrey war mit einem kläglichen Wehemuth vermenget, durchdrang Ohren und Hertzen. Männiglich siehet um, woher solches kommet, machet auch ihr Raum bis sie zum Pabsten genahet. Alsobald fallet sie auf ihre Knie nieder, bekennet vor allen die verübte Blut-Schand, beweisend, daß jenes, welches sie auf den Armen getragen, das Kind seye ihrer greulichen Ubelthat: Ach! wie schmertzet mich mein Sünd, heiligster Vatter, wieviel tausendmahl wolt ich lieber nimmer meinen GOtt beleydiget haben klaget und ruffet sie. Nach vernommener offentlicher Beicht, wurd der Pabst zu einem vätterlichen Mitleiden bewegt, legt ihr nichts anders auf, als sie solle die Tracht ihrer Kleidung verändern, und in einer kurtzen Zeit wiederum kommen. Demnach sie solches gethan, anstatt ihrer Kleider, [885] schlechte, doch weise leinene angeleget, kommet sie zum zweytenmahl zum Pabsten, bittet flehentlich um Entledigung und Ablaß, erhaltet auch alles nach Begehren, mit diesem Ausspruch: deine Sünd seynd dir vergeben, wandle im Frieden.

Dergleichen Sünd haben zwar vor Zeiten ihre aufgesetzte Straffen gehabt, welche sich in die fünfzehen Jahr erstrecket haben: Dieweilen aber die Reu und Leid dieser Frauen so bitter und groß, wie das Meer, so ist die Bescheidenheit des Pabsten so hell, und ring wie der Himmel gewesen.


Einem Fürsten der Heil. Römischen Kirch, wolte diese des Pabsten Gütigkeit nicht gefallen, beredet Ihro Päbstliche Heiligkeit, sprechend, in Gegensatz einer so schweren Sünd, und einer so geringen Buß scheinet es kein gerechter Ausspruch, eine solche Sünderin nur mit Veränderung der Kleider zu entlassen: Der heiligste Vatter antwortet, GOtt der alles erkennet, urtheilet zwischen mir und dir: so ich gesündiget, so straffe er mein ungerechtes, oder aber dein freventliches Urtheil, so du gar zu streng eifferest.

Es geschiehet, diesen Fürsten ergreiffet gar bald der böse Feind, peiniget und quälet ihn, daß er sein Schuld erkennet, dermassen theur büssen und bezahlen müssen. Mit dem Gebett der gantzen Gemein, wurd er endlich von seinem so üblen Gast erlediget, zugleich gewitziget, mit den büssenden Sündern gnädiger zu verfahren. Memento Domine David, & omnis mansuetudinis ejus. Mit Sanftmuth gewinnt man die Gemüther. Valerius l. 6. c. 5. Seleucus der Locrenser König wolte lieber ein Aug, als daß sein Sohn beyde solt verliehren. Joannes Eusebius Nierembergius nahme einen Theil der Buß auf sich, damit seine Beicht-Kinder nicht beschwäret, sondern auch getröstet wurden, er bath GOtt dero Leibs-Gepresten theilhaftig zu werden, und wurd erhöret. Nicht mit Trompeten und Heerpaucken, sondern in lieblichen Harpfen-Klang, wurde der Plag-Teufel vom König Saul vertrieben.

Das 6. Capitel
Das sechste Capitel.
Nicht verschoben, sondern alsobald soll die Buß verricht werden.

Die Bereuung der Sünden, soll gleich jetzt der Beicht vor, der Genugthuung nachgehen.


Von einem jungen Cistercer-Mönch erzählet mehr gedachter Cæsarius l. 3. c. 5. und bewehret diese Geschicht durch Aussag eines Dom-Herrns zu Münster.

Weyland P. Prior zu Seywelt, von der Ungestimmigkeit des Teufels einen Besessenen zu erlösen, beruffen, gehet in Begleitung eines jungen Mönchs, mit seinem guten Gewissen [886] ausgerüstet dahin, und als er nahend darbey kommen, ruffet der Sathan: den jungen Mönch förcht ich nicht, etlich Stücklein weiß ich von ihme. Dieser Ruf macht ihm einen, aber keinen grossen Schröckē, weilen er sich nur etlich läßlich einschleichenden kleinen Sünden schuldig gewußt: verfügt sich derowegen zuruck, reumüthig diese seine Sünden zu beichten: nach verrichter Beicht eylet er geschwind dahin, und erkühnet den Sathan zu fragen, ob er ihme noch einiges Stücklein vorrupfen konte?zweifle nicht antwortet der Teufel: dann die Geisel ist ausgeblieben: der junge Mönch versammlet seine Gedancken, und befindt, daß er die auferlegte Buß verschoben: gehet noch einmahl ins Closter solche zu verrichten. Demnach konte er ihm weiter nichts vorrupfen.

Die auferlegte Buß soll nicht verschoben werden, damit nichts in der Sacramentalischen Buß ermangle.

Es geschiehet zwar, daß manche Beicht-Vätter, aus gewissen Ursachen solche Bussen aufgeben, welche sich auf ein Zeit lang erstrecken, damit die Büssende ihrer sündlichen Neigung, oder bösen Gewohnheit sich mehr und öfter erinnern, und solcher sich abthun mögen.

Einen im Sumpf der Geilheit steckenden, wurd durch die Buß auferlegt, wochentlich, ein oder zweymahl, in kalten Winter, in einem Weyer, oder tieffen Wasser ein Stund lang zustehen, die muthige Hitz der Unkeuschheit abzukühlen. Was die Unbescheidenheit des Beicht-Vatters auferlegt, das hat der einfältige Büsser mit Gefahr seines Lebens verrichtet. Doch kan niemand dessen Thun schimpfen, und jenes seinen Eyfer gut heissen.

Einen hochgebohrnen Ritter, welcher zu einem Königlichen Freuden-Fest und Fürstlicher Tafel eingeladen worden, am Dienstag, an welchem er sein Andacht verrichtete, gab der Beicht-Vatter die Buß, jenen Tag keinen Wein zu trincken: diesem Cavallier war diese kein geringe, doch weilen er die Nüchterkeit liebte, ein geliebte Buß, am Tag der Frölichkeit nichts vom Saft der Frölichkeit verkosten. Er verbleibt darbey, mit der Gnad, welche ihm die Sacramentalische Buß eingegossen, vergnüget.

Hierbey wünsch ich hertzlich allen Beicht-Vättern die werthe Tugend des Heil. Abbten Antonii. Dieser fragt einsmahls seine versammlete Brüder, welche die werthiste Tugend seye, die alle bewerth machet? Die Aussag ergieng auf den Glaub, auf die Lieb, auf die Demuth, auf die Beständigkeit, etc. Geliebte Brüder, ihr sagt zwar recht, aber ihr habt die Tugend aller Tugenden hiemit nicht benennet: die Tugend aller Tugenden ist die Bescheidenheit, welche St. Paulus nennet, rationabile obsequium, die vernünftige Dienstleistung.

Mit Bescheidenheit soll der Beicht-Vatter hören, fragen, solche Bussen auflegen, welche von keiner Tod-Sünd unterbrochen, (so viel es seyn kan) bald mögen verrichtet werden.

Das 7. Capitel
[887] Das siebende Capitel.
Neben auferlegter Buß, können andere freywillig angenommene, oder zuständige Beschwernussen, und Widerwärtigkeiten, beygesetzt werden.

Es ist zwar gar zu wahr, daß die auferlegte mehr, als die angenommene Bussen, vor GOtt gültig, dieweilen jene ein, diese kein Theil seynd dieses Sacraments. Dannoch ist es sehr gut, auch andere die uns treffen, oder die wir standmäßig freywillig annehmen, beybringen.

Kayser Moritz, wie auch Kayser Andronich, im Morgenländischen Kayserthum rechtglaubende Christen, beichteten zwar ihre genugsam der Welt bekannte Sünd, und erhielten vom Priester einige Genugthuung, haben aber auch das, was das gerechte Urtheil GOttes wider sie verhänget, mit bußfertiger Gedult beygetragen.

Ach wie wütterisch hat Andronich gesündiget, da er Xenä zwölf jährigen Sohn, hat meuchelmörderisch erdroßlen, und in die Tieffe des Meers versencken lassen.

Auch die Sünd Mauritii war erbärmlich groß, mit 12000. Thaler solte er, und wolte nicht 12000. gefangene Christen erretten.

Diese zwey, nach verrichter Beicht wurden vom Himmel ermahnet, zu erwählen, hier allwo die Barmhertzigkeit annoch den Vorzug hat, oder aber alldorten, wo die Gerechtigkeit herrschet, gestraffet zu werden? hier straffe, dort verschone, erwählten beyde.

Nicetas Choniates im Büchel von der Ewigkeit schreibet vom Kayser Andronich, wasmassen er den H. Apostel Paulum mit Andacht verehret, in seinem Sendschreiben sich mehrmahlen ersehen. Die in der Hof-Kirchen vorgestelte Bildnuß dieses Heiligen, hat kurtz vor der Verfolgung, hell-liechte Zäher augenscheinlich geweinet, welches, als der Kayser gesehen, erkannt er gleich, daß er jener Ubelthäter seye, über welchen Paulus der Heil. Apostel so betrüblich weinet. Im zweyten Jahr seiner Regierung, nach Christlicher Zahl im Jahr 1185. wurd er von Angelo Isaacio überwunden, vom aufrührischen Volck gefangen, offentlich verspottet: nach ausgestochenen einem Aug, und abgestossener Hand, am Haupt geschoren, auf ein schindhäriges Cameel gesetzet, zur Verschimpfung herum geführt, zwischen zwey Saulen an Füssen aufgehencket, von drey muthwilligen schlechten Gesellen durchstochen. Sein mehrmahlen widerholter Ruf, seines reumüthigen Hertzens, war in allen seinem Leyden: HErr GOtt erbarme dich! HErr GOtt erbarme dich meiner. [888] O Andronich! in deinem Leyden bist unglückseelig, in deiner Gedult seelig, und überseelig.

Den Kayser Moritz hat eben auch dergleichen Unglück getroffen, der gecreutzigte Blut-fliessende JEsus erscheinet ihm im Schlaf mit Verweisung seiner Unbarmhertzigkeit, demnach er schätzbarer gehalten das Geld, als die Erlösung der Christen: Nun ruffet gen Himmel jenes Christen-Blut wider dich, und mein vergossenes Blut für dich, erwähle hier oder dorten abzubüssen, beredet ihn der Heyland, welchem er flehentlich mit der Antwort begegnet: O HErr zeitlich, aber nicht ewig straffe. Deine Beicht und Buß findt Gnad, doch nicht ohne Straf, redet folgends Christus der HErr vom Creutz. Darauf überfallet ihn Phocas, demnach er sich in die Flucht, nicht der Straf zu entgehen, sondern die Uebereylung beförchtend begeben, dieser verurtheilet ihn vom Leben zum Tod, im Jahr Christi 602. als er das 6 sigste Jahr seines Alters erreichet hatte. Er sturb mit scheinbarer Reu, in oft geseuftzten Ausspruch: HErr du bist gerecht, und alle deine Gericht seynd gerecht. Vitæ Imp. in fine sæculi 6.

Noch mehr andere dergleichen löbliche Exempel konnten beygebracht, zur Auferbauung erzehlet werden, welche Kürtze halber unterlassen werden.

Doch soll nicht verschwiegen bleiben, was vor wenig Jahren sich in Ungarn mit einer vornehmen Gräfin zugetragen. Sie war einer grossen Boßheit schuldig, dieweilen sie ihrem jungen Herrn Vettern eingerathen, so lang vom Catholischen Glauben abzuweichen, sich Lutherisch zu erzeigen, bis er ein grosses Erbtheil von seinem hoch erlebten Anherrn erhalten, welches demnach es geschehen, wolte er nicht mehr umkehren, sondern in der Freyheit auf dem leichten und breiten Weeg wandlen, Lutherisch verbleiben. Ach des üblen Raths, welches dem Einrathenden das übliste Unheyl bringet. Welche ihn in diesen Abgrund geführt, konnte ihn nimmer heraus ziehen. Sie bethauret unaufhörlich ihr, und ihres jungen Herrn Vettern eigne und fremde Sünd, beichtet, und bekennet dem Beichtvatter ihre vermessene Schuld, erhaltet zwar eine, aber keine genugsame Buß, dahero hat sie GOtt gebetten, er wolle ihro einige Betrangnus zur Straf auflegen, neben dem was ihr der Beichtvatter aufgelegt, einen zehrenden Krebs bekommet sie an ihrer Brust, welchen sie als ein Kleinod von der göttlichen Hand angenommen.

Eine andere sündiget in der Uebermaß der Müttetlichen Lieb, sie liebet ihr Töchterlein mehr als ihre Seel, was sie für ihre Seel nicht hätte gethan, das hat sie für ihr kranckes Töchterlein gethan, ein gantzes Jahr alle Samstag hat sie für diese in Wasser und Brod gefastet. GOtt gibt dem Töchterlein die Gesundheit, der [889] Mutter ein innerliches Liecht, daß sie das, was sie für ihr Töchterlein gethan, ihrem Beichtvatter erkläret, und erkennet, daß sie das, was sie nie aus Liebe GOttes, aus Lieb ihres Töchterlein gethan habe. Dahero schliesset sie also: Hab ich ein Jahr lang aus Lieb meines Töchterlein alle Samstag in Wasser und Brod fasten können, so will ich mein Lebenlang aus Liebe GOttes eben also fasten und meine Sünd abbüssen. Joan. Rho.


Noch vielmehr fröliche Geschicht von der Beicht, seynd allenthalben in Büchern zu finden etc. mit diesem wenigen vergnüge sich der Leser, und lese dieses Büchel, und bringe hervor dergleichen würdige Früchten der Buß. Hoffentlich wird eben dieses kleine Büchlein ein Brünnlein werden vielen Sündern zur Erquickung, und wird sich ergiessen in einen Wasser-Strohm, ja in ein helles Liecht, und in die Sonne, welche Himmel und Erden erfreuet. Dieses hat vor Zeiten Mardochäus im Traum, ich aber in meiner tröstlichen Hofnung vorgesehen, Fons parvus crescet in fluvium, & in lucem, solemque convertetur, & in aquas plurimas redundabit. Esther. 10. v. 6. Erstlich etliche wenig Zäher, welche aus den Augen-Brünnlein quellen, werden sich ergiessen in eine beständige Buß, und werden mit steter Reumüthigkeit zu einem Fluß werden, und in ein scheinendes Liecht, und klare Sonne veränderet, mit gutem Exempel dermassen hell leuchten, daß viele zur Beicht und Besserung des Lebens hierdurch angezogen, sich vielfältig vor denen Beichtvätteren ausgiessen werden.


Ach Freud über alle zergängliche Freud, mit wenig Wasser der Buß, das unaufhörliche Feuer der Höllen ehender auslöschen, ehe es anfanget zu brennen. Die beflissene Bußfertigkeit soll keinen rauschenden Bach, sondern einem Fluß gleich seyn, welcher das Erdreich erquicket, nicht ins Meer, sondern in das Paradeiß der beständigen Freuden fliesset. Was helles Liecht haben so viele Büsser und Büsserinnen, dero Leben Surius und Rosweidus beschrieben gegeben? wie scheinbar ware ihre Tugend, sie scheinet annoch heller als die Sonne in ihrem Aufgang, wann sie die Finsternus der Nacht vertreibet, und den trüben Nebel unterdrucket. Derowegen alle Sünder und Sünderinnen werden zu Büsser und Büsserinnen veränderet, durch eine vollkommene Beicht, dann das Himmelreich ist nahe herbey kommen.


Was auch noch mehr ist, das Reich GOttes ist unter euch, die ihr die Höll der Sünden ausgeleeret, und den Himmel der göttlichen Gnad hinein gelassen. So lang der Sünder unbußfertig, so lang hat er eine innerliche Höll, dann die Gottlosen haben keinen Frieden: non est pax impiis Isa. 57. mit eigner Erfahrnus bekennet [890] es Augustinus: wende dich zur Rechten, wende dich zur Lincken, wende dich über sich, wende dich unter sich, allenthalben ist kein Rast, überall ist alles hart. Auch der berühmte Liedler Claudianus singet allen Sündern zu, was massen ihnen nicht einige Sicherheit zu finden.


Erigite immanes scopulos, sustollite turres,
Cingite vos fluviis, vastas opponite silvas,
Garganum alpinis, Apeninumque nivosum,
Permistis sociate jugis, & rupibus Hemmum,
Addite Caucascis, imponite Pellion Ossæ,
Non dabitis murum sceleri.

Machet ihr Sünder was ihr wolt, ihr traget euer Höll im Busen: nichts kan, und wird euch in die Sicherheit bringen, als eine aufrichtige Beicht und bestättigte Buß.


Entgegen erspriesset den Büssenden nach verrichter Beicht das Paradeyß des innerlichen Wollusts, der Himmel mit dem Reich GOttes kommet nahe herbey, ja es ist unter ihnen. Sie seynd aus Höllenbrand Stern, aus Leibeignen des Teufels Kinder GOttes, und Erben seines Reichs worden.

O glückseelige Buß, du erlösest von Banden, vergibst die Sünden, heylest die Zerknirschung, erfreuest die Traurigen, den Schwachen gibst du Kraft, vertreibest die Teufel, erhöhest die Demüthigen, bekleydest mit dem Hochzeit-Kleyd, was verlohren bringst du wiederum, den Todsünder erweckest zum Leben, und erweckest die Ehr der Kinder GOttes.


Du allein bringst zuwegen die Frölichkeit des gereinigten Gewissens, dadurch wird aus der Wüsten ein Lustgarten, ein mehr dann blumenreiches goldenes Ruh-Bethlein, du stimmest an die Freuden-Lieder der Engel, du eröfnest den Schatz-Kasten der Gnaden, du erbauest die Stadt GOttes, du bist die Arch des Bunds, der Tempel des Friedens, der innerliche Himmel, die Wohnung des H. Geistes.

O glückseelige Buß.

Gloria nostra hæc est, testimonium conscientiæ nostræ, S. Paulus 2. Cor. 1. v. 12. Diß ist unser Ruhm, das Zeugnus unseres Gewissens, nemlich, diß ist der Himmel, oder eine himmlische Freud, die Zeugnus, daß unsere Gewissen in Kraft der Sacramentalischen Buß gereiniget worden.

Freuden-Lied
[891] Freuden-Lied,
Nach verrichter Beicht.

P. Joannis Dilati, Societatis JESU.


GOtt sey Lob, ich hab verrichtet,
GOtt sey Danck, ich hab gebeicht;
Meine Boßheit ist vernichtet,
Ach! wie wird mein Hertz so leicht.
GOtt hat mir die Sünd vergeben,
Ey so thu ichs nimmermehr,
Jetzund will ich anderst leben,
Lieber GOtt zu deiner Ehr.

2.
Vatter Himmels und der Erden,
Ich war dein verlohrnes Kind;
War nicht werth gezählt zu werden,
Unter deinem Hof-Gesind;
Du von weiten brachst entgegen,
Deinen Vätterlichen Gruß;
Im Umgang hast mir gegeben
Dein gar süssen Frieden-Kuß.
3.
Vor dir bin ich gfallen nieder,
Hab bekennt viel üble Sprüng,
S'Unschuld-Kleyd gabst du mir wieder,
Samt dem neuen Gnaden-Ring,
Ja mich besser zu erheben,
Hast du nicht ein Kalb geschlacht,
Sondern JEsum selber geben,
Dessen Fleisch die Hochzeit macht.
4.
Als mich auf der Sünden-Strasse,
Höllen-Mörder fielen an,
Die halb tod mich liegen lassen,
Kommet mein Samaritan,
Wein und Oel giest in die Wunden,
Und mich auf sein Maul-Thier legt.
Uebergibt mich wohl verbunden,
Daß der Haus-Knecht meiner pflegt.
5.
Wie ein Schaaf war ich entwichen,
Aus des guten Hirten-Stall,
[892]
Wölf und Löwen nach mir schlichen,
Suchten mich zum letzten Fall,
JEsus hört nicht auf zu lauffen,
Bis er einmahl mich erjagt,
Und zu seinem lieben Hauffen,
Mich auf seiner Achsel tragt.
6.
Mit der Salben seiner Gnaden,
Heylt er mir den bösen Grind,
Laß mich in dem Heyl-Brunnbaden,
Für den Aussatz meiner Sünd,
Durch das Blut das er vergossen,
Bin ich nun gesund und rein,
Um die Gnad, die ich genossen,
Will ich ewig danckbar seyn.
7.
An die grobe Laster-Ketten,
Ich vorhin geschmiedet war,
GOtt den Fall-Strick hat zertretten,
Mich entbunden der Gefahr,
Von dem wilden Höllen-Drachen,
Hat mich GOttes Lieb entzuckt,
Daß er mich mit seinem Rachen,
Nicht wie andre hat verschluckt.
8.
Wie viel tausend Engel waren,
Nur mit einer Sünd behaft,
Die doch keine Gnad erfahren,
Seynd zur Höllen abgeschaft,
Und ich, der ich mehr verschuldet,
Bin noch nicht hinab gestürtzt,
GOtt hat mich so lang geduldet,
Und die Buß-Zeit nicht verkürtzt.
9.
Wie viel tausend Seelen braten,
Die vom Leben abgeschift,
Und noch nicht so sehr gerathen,
In die Sünd, so ich gestift,
Gleichwohl bin ich noch auf Erden,
Und den Himmel hof ich noch:
Da sie doch gepeynigt werden,
Mit dem schwehren Höllen-Joch.
10.
O ihr Seelen, die von Banden,
Dieses Leibs GOtt abgelößt;
Die ihr euers überstanden,
Und nun ewig seyd getröst,
Danckt dem Heyland meinetwegen,
Daß ich noch zu Gnaden komm,
Und erlangt mir seinen Seegen,
Daß ich immer bleibe fromm.
11.
O ihr Engel, die ihr droben,
Euch der Sünder Buß erfreut,
Helft mir meinen Heyland loben,
[893]
Der in Freud kehrt all sein Leyd.
Der mich nach der Sünd verschonet,
Der mich Krancken wieder heylt,
Der mich nach der Buß belohnet,
Und mit neuer Gnad betheilt.
12.
Lob und Ehr mit Hertz und Zungen,
Sey dem Vatter und dem Sohn,
Und dem heilgen Geist gesungen,
Einem GOtt im gleichen Thron.
Dessen Allmacht, Weißheit, Güte,
Mir allhie die Sünd vergeb,
Und hinführo mich behüte,
Biß ich ewig seelig leb.

Anhang bestehend zweytens in Trauer-Geschichten

Vorred
An den günstigen und seiner Seelen liebhabenden Leser.

Ein erschröcklich doch heylsames Büchlein hast allhier geliebter Leser, welches ich aus dem Welschen an das Teutsche Liecht gebracht. Erschröcklich ist es, weilen dir darinnen greulich verdammte Gespennster begegnen werden, heylsam, weilen es sichere Mittel an die Hand gibt das ewige Heyl zu versorgen. Wie kurtz ist unser ablauffendes Leben, in dem es erschröcklich ist zu gedencken, daß wir zwischen dem Himmel und der Höllen wanderen, bald ewig seelig oder verdammet: Warum setzet uns GOtt in dieses ungewisse und gefährliche Mittel? Will zwar, und begehrt uns seelig zu machen, entweders durch ein unschuldig Christliches, oder bußfertiges Leben; so wir aber sündigen, und halsstärrig in der Boßheit verharren, oder keine würdige Früchten der Buß herfür bringen, so ist es schon geschlossen über uns, wir seynd ewig verdammet. Willst du die Ursach wissen, warum unmittelbahr und unvermeydlich uns vorstehe, zur Rechten die ewige Seeligkeit, zur lincken Seyten die ewige Verdammnuß, wohin wir täglich eylen, auf einer Seyten in Glück oder Unglück immerdar zu verbleiben; diese eintzige Ursach ist es, damit wir mit grosser Sicherheit uns befleissen die ewige Seeligkeit zu erlangen, und der ewigen Verdammnus zu entgehen.

Es ist eine grosse Sicherheit in der rechtschaffenen Beicht und Buß begriffen zu seyn; förchtest du die ewige Verdammnus? [896] Ach! wer hat Vernunft, und wolte es nicht förchten, so folge dem geheimen Rath dieses Büchleins: Timor Consiliarios facit, die Forcht macht gute Rathgeber. Diese Forcht gibt dir den Rath, du sollst aufrichtig mit zerknirschtem Hertzen alle deine Sünd bekennen demselben, welcher ein göttlicher Gewalts-Trager ist dir alle deine Sünden zu vergeben. Hoffest du die ewige Seeligkeit, Ach! wer ist, der da glaubt den Worten Christi, und wolte nicht hoffen seelig zu werden; aber Spes alit, & fallit, die Hofnung ist manchem in den Brunnen gefallen, viel seynd in Abgrund gefallen des äussersten Verderbens, die ihnen grüne Hofnung gemacht durch einen äusserlichen sittlichen Wandel, durch einen gleissenden Schein der Tugend, durch andere gute Werck, welche alle ohne wahrhafte Buß keinen Verdienst gehabt, GOttes Gnad zu überkommen, und seelig zu werden. Willst du sicher handlen von der breiten Strassen, welche zu der Verdammnus führet, abweichen; Lese mit Gottesforcht dieses erschröckliche Büchel, und folge dem hierinn begriffenen geheimen Rath, verrichte einmahl eine vollkommene General-Beicht von deinem gantzen Leben. Willst du wandlen in die Freyheit der Kinder GOttes, und wanderen auf dem engen Gang-Steig der Auserwählten, mit guter Hofnung lese dieses Büchlein, und folge dessen geheimen Rath, in allen und jeden Beichten, die du verrichtest, verdamme alle Sünd, und mache allezeit einen steiffen Vorsatz, die grobe Sünden, und nähere sündliche Gelegenheit behutsam zu vermeyden. Laß dir rathen, was du willst, nichts ist sicherer gerathen, als vollkommene Reu der begangenen Sünden, rechtschaffene Buß, und die würdige Bußfertigkeit.

1. Abtheilung
Das 1. Capitel
Seltsame Begebenheiten, und Unglückseelige Zufäll von der Beicht.
Das erste Capitel.
Da bewiesen wird, wann die Beicht ungültig, übel gemacht worden, daß ein Christen Mensch schuldig ist diese zu wiederhohlen, samt allen anderen nachgefolgten Beichten.

Erstlichen, wann der Beichtende nicht hätte erforschet sein Gewissen, und kein Fleiß gebraucht sich der begangenen Sünden zu erinneren, mit welchen er lange Zeit belästiget ohne Beicht gelebt. Dieses falls wann der Beichtvatter dem Beichtenden nicht hilft, und mit Ausfragen den Mangel der Erforschung ersetzet, so ist die Beicht übel gethan, ein Sacrilegium oder Mißbrauch des Sacraments. Dann also wird leichtlich ein Todsünd durch sträfliche Vergessenheit ausgelassen, als wann es mercklich mit Wissen und Willen geschehen wäre.

Zum anderen. Wann der Beichtende unter währender Beicht, grob in einer tödtlichen Sünd hätte gelogen.


Drittens. Wann boßhaftig ein verübte, oder vermeinte Todsünd verschwiegen wurde. Dann, so die Sünd dazumahlen nicht, aber nach der Beicht, als ein schwäre Sünd erkennet wird, so ist es genug ohne Wiederholung [898] der vorgethanen Beicht, diese allein zu beichten.

Viertens. Wann die Beicht geschehen wäre, ohne nothwendige innerliche Zubereitung, welche seyn muß ein wahre Reu der begangenen Sünden, und ein kräftiger Vorsatz, sich zu bessern? darzu gehörig ist, verlassen und fliehen die nähere Gelegenheiten zu sündigen: ermanglet dieses, so ist die Beicht ungültig.


Fünftens. Wann der Beichtende excommuniciret, das ist, wohl wissend mit einem Bann verhaft ist, und nicht achtet, bevor er sacramentalisch beichtet von dem Bann entbunden zu werden.

Sechstens. Wann der beichthörende Priester keinen, oder einen durch Verbott gehinderten Gewalt hätte: und der Büssende dannoch wissentlich sein Beicht bey diesem abgelegt.

Diese seynd die sechs Ursachen, vorige Beichten zu wiederholen, demnach in allen jeden jetzt gedachten Zufällen ein dergestalt beichtende Person von Sünden nicht entbunden, und absolvirt worden: und aus Ursach des grossen Mißbrauchs dieses Heil. Sacraments geschieht, so oft man also beicht, ein schwere Todsünd, ein Sacrilegium: welches in dieser und jener Welt GOtt scharf zu straffen pfleget, so man nicht umkehret, rechtschaffene Buß zu würcken. Dieses beweisen hell und klar viel erschröckliche Geschichten, welche aus dem Leben der lieben Heiligen GOttes, und aus andern bewährten Bücheren gezogen werden. Da ist es nothwendig, sich anzuklagen, indeme was verschwiegen, auch wie oft der zarte Fronleichnam Christi in dergleichen Sünden ist genossen worden; alles dieses ist nothwendig, deutlich in der Beicht vorzubringen.

Das 2. Capitel
Das zweyte Capitel.
Zwey sehr merckliche Stuck.

Das erste ist: gesetzt es kommet jemand zur Beicht, ein in vorigen Beichten schamhaftig verschwiegene Sünd zu beichten: der Beichtvatter höret ihn gedultig an, er leget ihm nicht auf, daß er ein andersmahl komme. Dann die Schamhaftigkeit ist vielmahlen so groß, daß sie verhinderet, wiederumen zu kommen. Viel wohl erfahrne-Beichtvätter thun dieses, auf daß sie nicht in traurige Sorgen gerathen: Vernünftig kan man muthmassen, daß sonsten dergleichen Leut unbußfertig sterben, nicht mehr solches auch in der Gefahr des Tods beichten wurden. Dahero wann der Beicht-Vatter nicht versichert ist, aus Umständ der Person, oder der Gelegenheit, daß sie ein andersmahl wiederum kommen wird, solle er die Entbindung von den Sünden nicht aufschieben.

Das andere, was zu mercken ist, daß die Beichtvätter wohl unterricht, und gelehrt seyn sollen, in was für [899] Zufällen die Beicht ohne Bekanntnuß aller Sünden geschehen könne, nemlich in Gefahr des Schifbruchs, oder im Anfang einer Schlacht, oder wann die Beicht geschiehet durch einen Dollmetsch, oder so zweyer Krancken Beicht gehört wird, welche in einem Beth liegerhaft, nicht mögen gesöndert werden. Gleichfalls soll man auch allhier mercken, wann der Seelsorger nun das hochwürdige Sacrament des Altars, als ein Reißzehrung einem Sterbenden darreichen will, und zuvor in der Beicht ein Sünd gestehet, welche in jungen Jahren verschwiegen worden, und es Aergernuß brächte, wann sich der Priester länger aufhaltete. Also auch, wann ein Verdacht oder Aergernuß erfolgete, so am Heil. Antlaß-Pfingsttag die Communion ausgelassen wurde: Oder wann ein Ehe-Frau ihren Gemahl oder die Tochter ihr Frau Mutter, oder ein Magd ihr Frau förchteten.

Das 3. Capitel
Das dritte Capitel.
Der Innhalt des Büchleins.

Wiewohlen viel dergleichen Zufäll geschehen, wie im ersten Capitel angedeutet worden, in welchem die Beicht ungültig: doch seynd wir nicht gesinnet zu beschreiben, alle dergleichen Geschichten, weilen es zu weitläufig wurde, sondern allein aus zweyen Ursachen herrührende, wollen wir beybringen.

Erstlich, wann ein Todsünd bedachtsam, wissentlich, und mit Fleiß verschwiegen, und aus eitler Forcht, oder aus Schamhaftigkeit, in der Beicht unterlassen wird. Das ist, der Begrif des ersten Theils.

Oder wann jemand beichtend keinen steiffen Vorsatz hat, sein Leben zu besseren; von diesen wird der andere Theil dieses Büchlein handlen.

Weilen nemlich forderist aus diesen zweyen Ursachen dieses grosse Ubel, und Unheyl gemeiniglichen erfolget. Hierin bemühet sich der höllische Feind also sehr daß dieselbigen, welche in unterschiedlichen Orten nicht haben vielfältig Beicht gehöret, diese Wahrheit nicht genugsam erkennen.

Die ungelehrt-einfältige Leut führet der Satan an, daß sie glauben, der Beichtvatter därfte aus Wissenschaft der Beicht etwas offenbahren, also daß sie förchten, sie möchten in einen grossen Schaden gerathen: und zu Zeiten wurtzelt die Thorheit so tief in das Hertz der Unwissenden, daß sie hart das Widerspiel glauben; wiewohlen sie zwey oder dreymahl in denen Predigen dessen seynd berichtiget worden.

Die Verständigen zu verführen gebraucht sich der böse Feind der Schamhaftigkeit, indem diese sprechen, ich weiß gar wohl, daß der Beichtvatter mich nicht kan anklagen, weder offenbahren, aber ich wurde schamroth, wann ich solte ein so schändliche und [900] greuliche Sünd bekennen, daraus erwachset ein so grosse Schamhaftigkeit, daß hierdurch mehrmahlen ein Anlaß gegeben wird, solche in der Sterb-Stund zu verschweigen.


Woher, wird jemand fragen, kan dieses abgenommen werden? Ich antworte, weilen bewußt, daß vielmahlen es sich zugetragen, daß ein Person vom heiligen Geist angetrieben ein Generalbeicht anstellet und spricht: Zwantzig Jahr seynd verflossen, daß ich aus schamhaftiger Weis diese Sünd verschwiegen, da ich todkranck gewesen, mit der Heil. letzten Oelung versehen worden; gäntzlich war ich entschlossen, ohne Offenbahrung dieser Sünden zu sterben, wiewohl mir bewußt, daß meine ewige Verdammnuß hierauf erfolgen solte: unendlichen Danck sag ich dem langmüthigen GOtt, und seiner gnadenreichen Mutter, daß sie mir Zeit und Gnad verliehen, dieser erschröcklichen Thorheit zu entgehen.

Das 4. Capitel
Das vierte Capitel.
Der Urheber dieser Verschweigung in der Beicht ist mehrmahlen der böse Feind.

Johannes von goldenen Mund, Chrysostomus genannt, redet weislich in der dritten Red-Verfassung von der Buß, Pudorem & verecundiam dedit Deus peccato, confessioni fiduciam: invertit rem Diabolus, & peccato fiduciam præbet, Confessioni pudorem & verecundiam. GOtt hat die Sünd mit Purpur-Farb bekleydet, das ist, mit der Schamhaftigkeit, damit wir also uns zu sündigen schämten: die Beicht und Bußfertigkeit aber, hat GOtt mit grüner Farb, als nemlich mit guter Hofnung bekleydet, damit der Mensch in Kraft dieser Hofnung hertzhaft wurde, seine Sünd rechtschaffen zu beichten der arglistige schleichende Teufel verwechslet die Farben: er bekleydet die Sünd gründlich, mit frischer Hofnung in die Gütigkeit GOttes, damit die Sünd vollzogen; entgegen bekleydet er die Beicht mit rother Farb der Schamhaftigkeit, damit die begangene Sünd verdecket, und nicht gebeichtet werde.

Der Heilige Antonius erzählet, was massen dieses von GOtt einem geistlich- und Heil. Vorsteher geoffenbaret worden: welcher, da er ein Frau Beicht gehöret, welche in der Beicht ein böse, doch beliebte Empfindlichkeit aus Schamhaftigkeit verschwiegen: da sahe er auf ihrer Seiten einen Teufel, den er gefragt, was machest du allhie? er antwortet, ich verrichte ein göttliches Gebott: wie da? fragt noch weiter der Heil. Mann, wie bist du ein fromm und H. Teufel worden? was ist das für ein göttliches Gebott, welches du hattest? der Teufel gibt abermahlen die [901] Antwort, ich stelle zu dieser Frauen, was ich ihr genommen, ich hab ihr genommen die Schamhaftigkeit, daß sie unverschamt gesündiget, nun stelle ich ihrs wiederum zu, daß sie die begangene Sünd aus Schamhaftigkeit nicht beichte.


Das ist, die boshaftige Art des reissenden Wolfs, ein Schäflein bey der Gurgel zu ergreiffen, und heftig zu fassen, auf daß es nicht schreye und plärre, und also errettet werde. Was für ein guter Rath ist darwider; schreyen, dann das Geschrey machet den Wolf zaghaftig: den Mund und die Aussprach will der böse Feind verhalten, und es bedarf grossen Gewalt, diesen zu eröfnen, die Sünd auszusprechen, erravi sicut ovis, quæ periit, mit dem büssenden David spreche der in Gefahr stehende Sünder, ich hab geirret, gleich einem verlohrnen Schaaf. Durch ein offenhertzige Bekanntnuß der Sünd, wird die Schamhaftigkeit überwunden. Beichte redlich deine Sünden die Schamhaftigkeit zu überwinden. Thust du dieses nicht, so habe Sorg, GOtt möcht zulassen, daß kein annemliche Zeit dir zu finden wäre, ein gute Beicht zu verrichten, indeme die Täg und Stunden der Gnaden-Zeit entfliehen. Ein gewisse Weibs-Person, welche bis in die Tods-Gefahr ihr Beicht verschoben, hat dieses mit unersetzlichen Schaden erfahren. Es erzählet solches Pater Ignatius Blanck, ein eyfriger Seel-Sorger. Die eytle Nacht war in mittlern Lauf, da ware dieser Pater zu einer krancken Frauen beruffen, er gieng eylends dahin, sie zu besuchen, und befand sie in grosser Gefahr des Tods: nach Gestalt seines Eyfers feyret er nicht, sondern beredet sie dermassen: Frau gar bald werdet ihr sterben, gar bald werdet ihr in die Ewigkeit abreisen müssen: es quälet aber mein Seel ein innerliche Forcht, indeme mich bedunckt, ihr möcht etwann vor Zeiten ein oder mehr schwäre Sünden verschwigen haben in euren Beichten, wann ihr solche nicht beichtet, so ist es mit euch verhauset, ohne Vermittlung werdet ihr ewiglich verdammet: die Krancke antwortet, es ist daran, daß ich so bald sterbe, mein Pater, ich bekenne die Wahrheit, durch viel verflossene Jahr habe ich alle meine Beichten übel verrichtet, ein Todsünd habe ich aus Schamhaftigkeit verschwigen: nachdeme sie dieses geredet, gleich darauf ziehet sie die Zungen tief in Gurgel, es entfallet ihr die Red, von dem Tod wird sie ergriffen, und übereylet. Prudentes ægri medicos non verentur in occultis quidem corporis partibus, spricht St. Patianus, die verborgene und geheime Leibs-Schäden, wird ein vernünftiger Krancker dem Artzten offenbaren, und dieses zu thun kein Abscheuen nehmen, deine Sünd bey einem allein zu entdecken, wohl wissend, daß dessen Mund versieglet und gesperret daß er keiner lebendigen Seel, etwas von deinen Sünden, auch dir selbsten nicht, ohne deine Bewilligung kan offenbahren.

[902] Nun du mein geliebte Schwester, die du etwann ein geheime Sünd aus Schamhaftigkeit verschweigest, bekenne mir es redlich, und berede dich selbsten, was woltest du lieber? dem Beicht-Vatter, in höchster Geheim deine begangene Sünden beichten, oder zulassen, daß diese im Schall der Trompeten, auf einem Volck-reichen Platz ausgeruffen wurden? erwähle eines aus beyden, nach deinem Belieben, und sey versichert, daß Christus der HErr mit allen Sündern diesen unveränderlichen Pact gemacht: oder aber sollen sie ihre Sünd wie schändlich und geheim sie immer seynd dem Beicht-Vatter bekennen und beichten, damit er diese urtheile, und sie von diesen loßspreche, und entbinde; oder aber er wird dieselbe am jüngsten Tag im Schall der Posaunen offenbahren, und sie kundbar machen vor allen Völckern zu dero grösten Spott und Schand, da sie den Berg und Felsen ruffen werden, fallet doch über uns, und bedecket uns: und wird also erfüllet werden die Weissagung des Propheten Nahum, welcher in seinem dritten Capitel also spricht, Revelabo pudenda tua in facie tua, & ostendam in gentibus nuditatem tuam. Ich, spricht GOtt der HErr, werde am freyem Platz deme schamhafte bemänlete Sünden entdecken. O! wie ein grosse Schand wird es dir seyn, wann du dich zu schanden gemacht wirst ansehen? in jenem grossen Schau-Platz der gantzen Welt, vor dem Angesicht des strengen göttlichen Gerichts, in dem Thal Josaphat, umgeben und bekleydet mit höllischem Feur, aus Ursach, weilen du jene Todsünd hast verschwiegen. Ach höre an die Schamhaftigkeit, welche dir mit dem Ausspruch des gelehrten Tertulliani also zuspricht: pro te mihi melius est perire, mache dein Schamhaftigkeit zu schanden, wann du beichtest: dann tausend und tausendmahl ist es besser, im Angesicht schamroth, als im Gewissen gedruckt werden.

Das 5. Capitel
Das fünfte Capitel.
Ein Mägdlein von sechzehen Jahren wird verdammet, weilen sie ihre Sünd verschwiegen.

P. Martinus Delrio Tom. 1. lib. 1. q. 28. Sect. 5. In der Beschreibung von denen zauberischen Nachforschungen, gedruckt zu Lion in Franckreich, 1604. erzählet folgende Geschicht, gezogen aus den Jahr-Brieffen der Gesellschaft JEsu, im Jahr 1590. in dem Königreich Peru. Dieses wird hoffentlich den jungen Leuten, forderist denen Mägdlein sehr nutz- und dienlich seyn, aus fremden Schäden witzig zu werden.

Jetzt obgenennter Scribent setzet zu seiner Erzehlung, daß dermassen [903] vielfältige Bezeugnuß dessen seynd beygebracht worden, daß daran mit nichten zu zweiflen. GOttes Vorsichtigkeit hat dieses zugelassen, damit die neuglaubige Christen wohl zu Sinn und Hertzen fasseten die vollkommene Bekanntnuß aller Todsünden in der Sacramentalischen Beicht, welches zu thun die Indianer, als Inwohner jenes Königreichs, ein grosse Beschwärnuß haben: und weilen dieses Mägdlein die Sünd, welche sie in der Beicht verschwiegen, ihren Gespäninen mit Lust erzählet, hat der gerechte GOtt gemacht, daß die billiche Straf eben jenen vor das Angesicht gestellet, vor welchen die Sünd so unverschamt ist gerühmet worden. Felix, quem faciunt aliena pericula cautum. Glückseelig die, welche mit fremden Schaden witzig werden. Die Geschicht hat sich also zugetragen.

In jenen Länderen ware ein indianisches Mägdlein, in blühender Jugend, von sechzehen Jahren, die diente bey einer hochadelich vornehmen Frauen, welche mit ihrem frommen auferbäulichen Wandel, und heylsamen Rath diese ihre Dienerin auf den Christlichen Glauben gebracht, sie tauffen, und mit dem Nahmen Catharina nennen lassen. Es wachset mit dieser, bey ihren jungen Jahren die Freyheit auf, und wurde gar zu frey, ja gantz frech in ihren Gebärden: wiewohlen sie von der Herrschaft deswegen scharf vermahnet, und zu Zeiten auch gestraft worden. Die böse Anmuthung hat also überhand genommen, daß sie gar zu lieblich gehandlet, und freymüthig zugehalten mit etlich gar zu vermessenen und kecken Jünglingen: sie unterliesse doch nicht die gewöhnliche öftere Beicht und Geniessung des hochwürdigen Sacraments: fleißig haltet sie die hochheilige Zeiten zu beichten, aber allzeit verschwig sie die mehriste, nemlich ihr schändliche Lieb und Unzucht, zu scheinen vor dem Beicht-Vatter als ein reine Jungfrau. Den ersten Tag des Monats Augusti wird Catharina von einer Kranckheit angegriffen, im Jahr 1590. bald schickt sie um den Beicht-Vatter, und gleich wie sonsten verrichtet sie ihr Beicht geschwind mit Verschweigung der groben fleischlichen Sünden: welches in währender Kranckheit in die neunmahlen ebenfalls geschehen. Nachdeme sie auf diese Weiß ungültig gebeichtet, und der Beicht-Vatter nach Haus gekehret, ruft sie ihr Gespännin zu sich, und triebe ein Gespött aus dem, was der Beicht-Vatter mit ihr abgehandlet: freylich wohl, sprach sie, ich hab gewiß nichts zu thun als den Pfaffen meine Geheimnuß zu offenbaren, ich war gleich recht darzu gerichtet? was ist das so vielfältige Fragen? ich hab mich wohl behütet, daß ich mich nicht hab verrathen: dergleichen Spott-Reden mehr gosse sie aus, daß ihre Gespänninen sich darüber geärgert, und alles der Frauen angezeiget. Die Frau erschrack, eylet doch der Krancken zu, verweiset ihr erstlich mit scharffen Worten ihr Boßheit, dann dieses zu thun stehet zu einer jeden Frauen, der Dienst-Leut Sünd abzustraffen, [904] damit sie nicht fremden Sünden theilhaftig werde) hernach spricht sie ihr zu mit sanft- und liebreichen Worten, sie bittet sie inniglich mit freundlichen Angesicht, ein rechtschaffene General-Beicht zu machen, sie fragte auch, was für Sünden sie dem Beicht-Vatter verschwigen hätte: die Krancke fanget an, ohne Scheuh alle ihre in der Beicht verschwiegene Sünd der Frauen zu erzählen, mit diesem Zusatz, daß, so oft sie in diesem ihrem Zustand gebeichtet, sie allenmahlen einen abscheulichen Mohren zu ihrer lincken Seiten stehen gesehen, welcher sie beredet hat, jene Sünden nicht zu beichten, daran wäre nicht viel gelegen, es wären keine hochwichtige Sachen, allein wann sie es beichten solte, wurde sie bey dem Beicht-Vatter ihren guten Namen verliehren, er wurd sie nimmer in guter Meynung, als die tugendliche Beicht-Tochter, sondern als ein boshaftes Laster halten: entgegen zur rechten Hand habe sie scheinbar gesehen die H. Büsserin Maria Magdalena, welche inständig ihr zugesprochen, ein vollkommene Beicht von gantzem Verlauf ihres Lebens anzustellen. Als die Frau dieses gehöret, befahl sie also balden den Beicht-Vatter zu beruffen, deme sie allen Verlauf ordentlich zu bester Nachricht erzählet: der gute Pater, damit er allein mit der Krancken reden, und sie aus den Maschen des Teufels erretten konte, schaffet alle ab, bemühet sich vielfältig mit beweglichen und eyfrigen Zusprechen: aber härter als ein Marmel-Stein war ihr Hertz, je mehr der Pater sie ermahnet, je weniger sie wolte bekennen, also halsstärrig, daß sie den heiligsten Namen JEsus nicht wolte aussprechen: ja die Bildnuß des Gecreutzigten wurde ihr vorgehalten, sie wolte doch dieses verehren, und bedencken, wie unser HErr Christus der ewige Sohn GOttes für sie, und ihre Sünd gelitten: sie erzörnet darüber, und sprach zornmüthiglich: weiß dieses alles zuvor, was wolt ihr mich plagen? ihr Frau antwortet darauf, mein Catharina, wir wollen euch nicht plagen, sondern wir begehren von euch nichts als ein bußfertiges Hertz, und ein aufrichtige Beicht: mein Frau, sprach entgegen die Krancke, bemühet euch nicht umsonsten, ich bitte euch, laßt mich zu frieden. Darauf gieng die Frau kümmerlich hinweg, die Krancke aber fienge an unzüchtige Buhl-Lieder zu singen.


Dieser Streit des Beichtvatters, und der Frauen mit der widerspenstigen Krancken, damit sie doch zu einer vollkommenen Beicht beweget wurde, hat gewehret bis auf ein gewisse Nacht, in welcher sie ihre Frau und ihre Gespänninnen eylends geruffen, in folgende Wort heraus gebrochen: wehe mir Unglückseeligen! Ach wie naget mich das Gewissen. Was für eine tödtliche Traurigkeit ängstiget meine arme Seel, dieweilen ich diese gantze Zeit, welche ich gehabt, nicht hab wollen recht beichten. Darauf schwiege sie still, verbliebe unbeweglich ohne [905] Zeichen des Lebens, bis in die halbe Nacht, daß sie für todt gehalten worden, und man redete schon von dero Begräbnus. Als sie aber wiederum zu sich kommen, ruffet man den Beichtvatter. Sie beichtet, doch nicht besser als vor diesem, dann sie diejenige Sünd abermahlen verschwiegen. Nach dreyen Stunden, eine kleine Zeit vor ihrem Tod wurde sie von ihren Gespänninen ermahnet und gebetten, sie solle die Bildnus des Gecreutzigten in die Händ nehmen, und den HErrn JEsum anruffen. Sie aber fraget, wer ist JEsus? Ich kenne ihn nicht. Darnach setzte sie sich auf in dem Beth, und fangt an gegen den Füssen mit einer unsichtbarlichen Person zu reden, und weilen auch in jenem Zimmer eine andere Dienst-Magd kranck gelegen, bate sie die Frau anzubefehlen, anderst wohin getragen zu werden, weilen sie greuliche und abscheuliche Sachen vor ihren Augen gesehen, welche ihr einen solchen Grausen verursachen, daß sie in jener Kammer nicht könnte verbleiben.

Endlich ist in Verlauffung dieser Nacht, die armseelige Catharina gestorben, und jenes Zimmer dermassen mit Gestanck eingenommen, daß so gar das gantze Haus darvon erfüllet worden, also daß nothwendig gewesen den Leichnam unter den freyen Himmel zu stellen. Bald darnach ist der Frauen ihr Herr Bruder bey dem Arm ergriffen, und aus seiner Kammer mit unsichtbaren Gewalt gerissen worden. Eine Dienstmagd ist dermassen schwehrlich, unwissend von wem, an ihren Rucken geschlagen worden, daß etliche Täg lang die Streich der empfangenen Schläg sichtbarlich geblieben. Es war in dem Haus ein leitsames frommes Pferd, dieses ist also sehr tobend worden, daß es ausgerissen, wütend hin und wieder ausgeschlagen, und alles über und über geworffen. Die Hund, als ob sie wütig wären, verbrachten ein jämmerliches und erschröckliches Geschrey. Demnach der todte Leichnam zu der Erden bestättiget worden, gienge ein Fräule in das Zimmer der Catharinä, die sahe niemand, doch wurde ein Geschirr, welches auf dem Kasten gestanden, auf sie geworffen. Viele Leut aus der Stadt haben gesehen Dach-Ziegel und andere Ziegel hin und wieder werffen, daß etliche Ziegel-Trümmer in die 2. welscher Meil-Weegs ausgeflogen, und mit erschröcklichem Sausen, ohne Vermerckung eines Handwurfs ausgesprenget worden. Ein andere Fräule in Gegenwart mehrer Personen ist niedergeworffen, und bey einem Fuß geschleiffet worden. Niemand war zu sehen, doch geschahe dieses eine ziemliche Weil.

Den 7. Sept. wolte eine Gespahnin der Verstorbenen ihre eigne Kleyder aus dem Kasten nehmen, und selbige anlegen, da ersihet sie lebhaft vor sich die Catharinam stehen, welche die Hand ausstrecket, ein Geschirr zu ergreiffen, wie sie dieses sihet, entlauffet sie eylends voll des Schröckens, und höret nach sich einen gewaltigen [906] Wurf, daß das geworffene Geschirr in tausend Stucken zersprungen. Nachfolgenden Tag unter dem Abendmahl, welches nach Befehl der Frauen im Lustgarten geschehen, wird ein Ziegel-Trumm mit grossem Gewalt in ein Richt geworffen, daß aus Forcht und Schröcken allen Umsitzenden, der Lust zum Essen vergangen. Dieser Frauen vierjähriges Söhnlein fanget einsmahls an heftig zu schreyen, Ach! meine Frau Mutter, meine Frau Mutter, die Catharina troßlet mich, sie will mich erwürgen; dieses Knäblein wurde von diesem Quälen erlöset, demnach ihme Heiligthum angehänget worden. Alle diese Begebenheiten waren eine nothzwingende Ursach, daß die Frau in Verlassung dieser eine andere Behausung angetretten, bey ihrer Frau Muhme wolte sie wohnen: doch ihren Dienst-Leuthen, welche etwas behertzter waren, befihlt sie die Obsicht aller Sachen, und liesse dieselbe in Verwaltung des Haus.

Den zehenden Tag dieses obgenennten Monaths befand sich eine aus diesen in einem Gewölb des Haus, die höret sich dreymahl von der Catharina ruffen, sehr verzagt wurde sie in Anhören dessen, wird doch von ihren Mit-Gespänninen aufgemunteret, ein Hertz zu fassen; die reichten ihr dar eine gesegnete angezündete Wax-Kertzen, sprechen ihr zu, sie soll GOttes Hülf und Beystand anruffen, und nicht abweichen. Sie verbleibt samt zweyen Jungfrauen in dem Gewölb, aber die Catharina, deren Stimm von allen gehört und erkennet worden, wolte niemand mit ihr leyden, begehret derowegen, die andere zwey sollen abtretten, mit ihr allein hatte sie Geheimnussen abzureden, die geweyhte Kertzen soll sie ablöschen, weilen diese ihr peinliche Schmertzen mitbringen.

Es geschieht alles nach ihrem Begehren, sie verbliebe allein, und Catharina kommet sichtbarlich zu ihr in einem erschröcklichen Brand von unten bis oben, mit stinckendem Feur, umgürtet mit einer acht oder zehen Finger breiten Gürtel, welche auch als ein Vortuch abgehangen, dieses war das Zeichen der quälenden Peyn des unzüchtigen Wandels, den sie unbußfertig verbracht. Die gute Jungfrau zitterte aus Forcht am gantzen Leib in Ansehen dieses verdammten Geists, GOtt aber gab ihr die Stärcke, daß sie die Verstorbene in dieser erschröcklichen Gestalt sehen, und was diese reden wurde, anhören konnte. Komm her, sprach Catharina, gehe näher zu mir, warum versagest du mir die Antwort, demnach ich dich mehrmahlen hab geruffen? Mein JEsus (antwortete die Jungfrau gleichsam ausser sich selbsten) wer solte nicht erstummen und erschröcken vor dir, die du mit Feur umgeben? Da sie diese Wort geredet, erscheinet ihr ein holdseeliges Knäblein weiß bekleydet, dieser entnimmt ihr allen Schröcken und Forcht, macht ihr ein tapferes großmüthiges Hertz, und ermahnet sie, sie wolle mit Fleiß anhören, was die Unglückseelige aussagen wird, damit dieses alles der [907] Welt offenbahrt werde; nach der Verhör aber soll sie sich nicht saumen eine vollkommene General-Beicht mit demüthigen und zerknirschten Hertzen zu verrichten.

Nach dem fangt die Catharina an zu reden mit diesen Worten: du sollst wissen, daß ich immer und ewig verdammt bin in das höllische Feur, weilen ich in meinen Beichten verschwiegen hab meine schwehre Sünden, und mich allein von läßlichen angeklagt; meine kleine Ungeduld, mein Murren und vergebliche Wort, und dergleichen hab ich gebeichtet, entgegen meine Unzucht und böse Begierden, und schwehre Todsünden hab ich verschwiegen. Dahero gebe Achtung auf dich, was du thust, verrichte deine Beichten vollkommentlich, verschweige nichts, schäme dich nicht deine Sünd dem Beichtvatter zu bekennen. Wisse aber, daß GOtt mir auferlegt deßwegen dich zu ermahnen, und dich zu erinnern, du wollest eben dieses deinen Gespanninen offenbahren, damit mein unersetzlicher Schaden andern zu einer nutzlichen Lehr gereiche. Unterdessen gieng der Tag in den Abend, und es wurde zum Englischen Gruß nach Gewohnheit gelitten, da ist das augenscheinliche Ansehen dieser Verstorbnen verschwunden, und das zierliche Knäblein gewißlich ein Engel GOttes sprach zu der Jungfrau, sie soll dahin gehen, wo ihre Gespännin waren, und ihnen ordentlich den Verlauf erzählen, in allem was sie wahrhaftig gesehen und gehöret.

Diese Geschicht ist im gantzen Land erzählet und ausgeschrieben worden, darvon viele Seelen, welche in Verschwiegenheit ihrer Sünden gesteckt, grossen Nutzen die Sünd recht zu beichten empfangen.

Nun aber möchte jemand einwerffen und sprechen: es ist gar zu schwehr dem Beichtvatter alles, auch das innerste und verborgniste zu beichten, und bey diesem alle gute Meynung verliehren. Ich antworte, was Wunder ist es, daß ein Feigenbaum eigentliche Frucht bringe, nichts als Feigen, und ein Dornbusch nichts als Dornen; die Natur neiget sich darzu, männliche und weibliche Personen, welche in gefährlichen Gelegenheiten und boßhaften Anfechtungen leben, was für ein Wunder ist es, wann diese dergleichen üble Früchten bringen, je grösser der büssende Sünder, je grösser ist die Freud des Beichtvatters. Gleichwie der Weidmann sich sehr erfreuet, in Ueberwindung eines tapferen Wildstuck, und der Fischer wann das Netz so sehr erfüllet, daß ihm auch der Arm zitteret. Dannenhero hat ein Beichtvatter dieses Sprüchwort gehabt, niemahlen sprach er, hab ich grösseren Trost und Freud meiner Seelen, als wann ich mich befnde gleich dem H. Ertz-Engel Michael mit einem Teufel, das ist: mit einem grossen Sünder zu meinen Füssen.

Das 6. Capitel
[908] Das sechste Capitel.
Ein andere Fräule wird verdammt, aus Ursachen einer schamhaftigen Sünd, welche sie in der Beicht verschwiegen.

Umsonst seynd alle gute Werck zu Vermehrung der göttlichen Gnaden, und untauglich zu Erwerbung des Himmelreichs, wann die Sünden in beichtlicher Bekanntnuß können, und sollen gebeicht, und dannoch verschwiegen werden. Wann ein Kercker-Meister vergewiset, daß der Gefangene wohl verschlossen, da tragt er die Schlüssel an seiner Gürtel, er achtet es nicht, daß jener in eiserne Band geschlagen, oder handvest von Henckers-Knechten gehalten werde, es gilt ihm gleich, der Gefangene singt oder springt, er spiele und lache, alles dieses macht dem Kerckermeister kein Sorg. Mercke wohl, dieser Kerckermeister ist der böse Feind, der Sünder ist der Gefangene, die Schlüssel des Kerckers seynd das Sacrament der Buß, so lang als die Porten verschlossen, man bette tausend und tausend Rosenkräntz zu Ehren Mariä, man gebe reiches Allmosen zu Trost der Nothleidenden: man höre an die heilige Meß-Opfer zur Bekanntnuß des Glaubens: dieses alles achtet der böse Feind nicht, weilen er kein weitere Sorg hat, dann er ist versichert, so lang als die Porten verschlossen, so lang wird der Sünder nicht entgehen. Dieses wird hell erkläret in nachfolgender Geschicht, welche erzählet wird von P. Alphonso de Andrada in seinem Weegweiser der Tugend im 2. Buch, c. 12. §. 3.

Als P. Johannes Ramiretz ein Priester aus der Gesellschaft JEsu, und Lehr-Jünger des geistreichen Magister Johann Avila, in einer spanischen Stadt, mit inbrünstigem Eyfer nach seiner Gewohnheit das Predig-Amt verrichtete, war er einmahls zu einer Fräulein, welche von ihrer Frau Mutter von Kindheit auf sehr tugendlich erzogen worden, die Beicht zu hören beruffen. Die Mutter und die Tochter beichteten gemeiniglich bey den Patribus Jesuiten, wochentlich alle Samstag zu Ehren der hochgelobten Jungfrau, und Mutter GOttes Mariä, alsdann empfiengen sie das hochwürdige Sacrament des Altars. Nachdem die Frau Mutter gestorben, verbliebe die Tochter nicht allein in gewöhnlicher Andacht, sondern ergabe sich anderen Bußwercken, dem Fasten und Allmosen: hörete vielmahlen an die Predigen des P. Johan. Ramiretz, mit welchen sie nicht wenig im Gemüth entzündet, und zur Tugend beweget worden. Ein grosses Verlangen hatte sie ihm zu beichten, GOtt schicket es, daß sie kranck worden, da wurd der Pater beruffen, der eilends in ihr Behausung kommen, sie redet ihn gleich an mit diesen Worten: Ehrwürdiger Pater, mein Kranckheit ist zwar der Zeit nicht gefährlich, doch verlange ich bey Zeiten das Heyl meiner Seelen zu versichern; ich bitte den Pater mit [909] demüthigen Hertzen, es beliebe ihme meine Beicht mit Gedult anzuhören, dann mein Verlangen ist von einer ziemlich langen Zeit dem Pater mein Gewissen zu eröfnen: Alsbald war der Pater gutwillig wohl zufrieden. Die Fräule fanget an zu beichten, sie erzeigt auch grosses Hertzenleid mit Vergiessung vieler Zäher, darob sich der Pater verwundert, und sehr getröstet befunden: Er absolvirt sie in Kraft seines priesterlichen Gewalts von ihren Sünden, redet ihr mit geistlichen Worten gantz trostreich zu, und macht ihr ein gutes Hertz, darnach nimmt er die Erlaubnuß nacher Haus zu gehen. Es begabe sich aber dazumahlen etwas seltsames, welches des jetztgedachten Pater sein Gespann von weitem zusehend vermerckt: nemlich, unter währender Beicht kommet ein schwartz- und rauhe Hand von der Maur heraus, ergreift die Gurgel, und würgete die beichtende Fräule, gleich als wolte sie diese ertroßlen. Dieses Gesicht verursachet dem Gespann des Paters vielfältiges Nachdencken, und grossen Schröcken, bis daß er endlich nach Haus kommen, da berichtet er den Obern alles dessen, was er augenscheinlich gesehen. Der Obere befraget ihn zwey, dreymahlen, ob dem also sey, und ob er dieses mit seinem Eydschwur bezeugen wolte? Er antwortet, dieses was ich ausgesagt, ist also wahr, als es jetzt wahr ist, daß ich mich allhier befinde: Erstlichen zwar, sprach er, zweiflete ich, ob es nicht ein Blenderey und Spiegelfechtung, aber darnach hab ich mit grösserer Aufmercksamkeit dahin gesehen, und augenscheinlich vermerckt dieses, was ich ausgesagt, bin auch willig solche Wahrheit mit einem Eydschwur zu bekräftigen. Der Obere liesse alsobald den Pater Ramiretz zu sich ruffen, und wiewohlen schon die vierte Stund in der Nacht abgeloffen, schickt er den Pater wiederum, die krancke Fräule zu besuchen, berichtet ihm allen Verlauf dessen, was der Gespann gesehen, und ausgesagt, der Pater wolle mit guter Weis die Krancke bereden, sie solle erforschen, ob sie etwas im Gewissen habe, welches sie ängstiget, sie wolle doch dasselbige ohne Scheu beichten. Der Pater Ramiretz feyret nicht, sondern in Gesellschaft gemeltes Gespann verfügte sich flux wiederum zu der Krancken, ehe aber, als er in jene Behausung kommen, höret er ein klägliches Geschrey, und gleich da er zum Eingang gelanget, begegnet ihm ein Diener, welcher die traurige Post gebracht, daß die Fräule gestorben seye: Bald nach der Beicht ist ihr alle Kraft zu reden, und alle Empfindlichkeit entgangen, daß sie nimmer konte das hochwürdige Sacrament, als die Weegzehrung zur Ewigkeit empfangen. Der Pater gieng dannoch hinauf, besichtiget die Verstorbne, und nicht mit kleinem Hert zen-Leid kehret er wiederum nacher Haus in das Collegium, und erinneret den Obern alles dieses, was sich zugetragen. Alle Patres bestürtzten sich darüber, forderist der Pater Ramiretz beweinet bitterlich diesen Todfall und vor Leid verwundet in seinem Hertzen gieng er zu [910] dem allerheiligsten Sacrament des Altars, inbrünstig für die Seel der verstorbenen Fräule zu betten. Demnach er etlich Stund mit grossem Eifer gebettet, höret er ein erschröckliches Getümmel, nicht anderst, als wann eiserne Ketten zersprenget wurden, und indem er seine Augen erhebt, siehet er ein Person mit vielen Ketten eingeschlossen, umgeben mit Feur-Flammen, welche ein tümperes Liecht von sich wurfen, tiefe Traurigkeit, und jämmerliche Betrübnuß mitbrachten. Der Pater, weilen er mit GOtt vereiniget war, nahme darüber kein sonderes Abscheuen, stehet behertzt von seinen Knien auf, redet sie an, und fraget, wer sie seye? Sie beantwortet die Frag, sprechend: ich bin die unglückselige Fräule, dero Beicht du heut angehört, ich bins, um welche du GOtt vergeblich bittest: dir muß ich es jetzt bekennen, daß, nachdem mein Frau Mutter gestorben, ein junger Herr, deme all mein Thun und Lassen sehr wohl gefallen, in mich verliebt gewesen, dieser hat mir so vielfältig nachgestellt, wiewohlen mein Widerstand anfänglich starck war, ist doch nach und nach so schwach worden, daß ich endlich in sein Belieben verwilliget. Diese von mir begangene Sünd war über diemassen schwer meinem Gewissen, so war dannoch mir viel schwerer die Schamhaftigkeit, mit welcher der stumme Teufel mein Hertz eingenommen, daß ich diese nie konte beichten; ängstige Forcht der höllischen Pein nagete stets mein Gewissen, und nun mit meinem höchsten Schaden empfind ich, was ich hab geforchten. Vielmahlen nahm ich mir vor, mich darvon zu erledigen, und recht zu beichten, aber die Schamhaftigkeit und die Forcht haben mich allzeit abgehalten: mein Sorg war, ich wurde bey dem Beichtvatter meinen guten Namen verliehren, und gleichwohl genosse ich das Heil. Sacrament des Altars, ich unterliesse nicht gute Werck zu üben, auf die Weis, wie mich mein Frau Muter auferzogen, und wohl unterricht. Meiner Frauen Mutter Andacht hat GOtt angesehen, und deswegen euch in diese Stadt gesendet, damit ich in Anhören eurer Predig meiner Seelen Heyl solte würcken. Ich hab zwar euren Predigen zugehöret, welche gleich denen durchdringenden Pfeilen mein Hertz verwundet, kräftig hab ich mirs fürgenommen euch zu beichten, dahero hab ich euch zu mir zu kommen beruffen lassen, aber mein Beicht allein mit Bekanntnuß meiner kleinen und läßlichen Sünden verrichtet. Ach! hätte ich auch meine grobe Todsünden gebeichtet. Vielmahl seynd sie mir zwar in Mund, und auf die Zungen kommen, aber die Schamhaftigkeit hat mich überwunden: Und leider, das ist die Ursach meiner Gefangenschaft in der ich bin, und werde in der ohne alles End in peinlichem Feur verbleiben, wie ihr mich nun ansehet, also wird unendlich mein Elend mich quälen. Euer Gebett ist umsonst, lasset es nur seyn, dann es kan mir niemand mehr helfen. Was ist aber, sprach und fraget der Beichtvatter, was euch zum mehresten peiniget? darauf [911] antwortete sie, wehe mir, weilen ich so gar mit leichter Mühe meine Sünd hätte können beichten, und also die ewige Seeligkeit erwerben, dieses hab ich nicht gethan: da ich es jetzt bekenne, so hilft es mich nichts mehr, wehe mir ewiglich! demnach sie dieses geredet, ist sie in erschröcklichem Ketten-Geräusch verschwunden. Der Pater Ramirez verblieb im Grund seines Hertzens betrübt, verschwig doch alles dieses viel Jahr dem adelichen Geschlecht dieser Fräulein zu verschonen. Dann gleichwie ein grosser Schand-Fleck ist einem adelichen Geschlecht, wann jemand wegen grosses Verbrechen zum Galgen verurtheilet, viel mehr wann jemand aus gerechtem Urtheil GOttes zum ewigen Feur verdammet worden. Nach verloffenen viel Jahren eröffnet er endlich ohne Benennung der Person allen Verlauf, allen forderist der Jugend zu einer Lehr, damit aus keinem Bedencken, einige Todsünd jemahlen in der Beicht verschwigen werde. O ihr alle, die ihr dieses leset, oder anhöret, gehet doch in euer Gewissen, durchsuchet fleißig, ob nicht etwas darinn zu finden, was euch drucket, oder ängstiget. Ach beichtet es kecklich: dann was hat dieser Fräulein geholffen? ihr Fasten, Betten, Allmosen und Buß-Werck? war alles vergebens, aus Ursach, weilen sie nicht vollkommentlich gebeichtet.

Das 7. Capitel
Das siebende Capitel.
Ein andere Weibs-Person, wird auch wegen Verschweigung ihrer Sünden verdammet, und ihr Cörper von höllischen Geistern hinweg geführet.

Voriger Author führet ein andere Geschicht ein, welche von P. Francisco Rodriquez beschrieben worden, und sich mit einem Ehrwürdigen Ordens-Mann und Priestern zugetragen, dieser war aus dem Löblichen Orden des Heil. Francisci in dem berühmten Closter St. Jacob zu Alcaca von Henares im Jahr 1589. Dieser fromme Mann, als er nun den herzunahenden Tod vermercket, bittet er die älteste Ordens-Vätter, sie wollen zu ihme kommen: es geschiehet, sie kommen bey dem Krancken zusammen, darunter auch P. Frater Alphonsus Ponze ein vornehmer Mann, der diese Aussag darnach ausgebreitet. In Gegenwart dieser, erkläret er sich mit folgenden Worten.


Ehrwürdige Vätter, da ich nun spühre, daß die Täg meines Lebens sich erfüllen, vor meinem Hintritt in die Ewigkeit, finde ich nutzlich vielen irrenden Seelen, daß ich euch erzähle, was sich mit mir zugetragen in einem Closter unsers Ordens. Einsmahls, da ich wolte Meß lesen, mich darzu bekleydet und gerichtet, im Antritt des Altars werd ich ermahnet, [912] etlich kleine Hostien für etlich Communicanten aufzulegen, welches ich gethan, und hab diese im Verlauf der Heil. Meß verwandlet, mit solchen etliche Personen zu speisen, dann da es Zeit war, wendete ich mich um, und wolte das Hochwürdige Sacrament darreichen, aber ein an dem Geländer unter andern knyende Weibs-Person winckte, und rufte mir, bittet auch, bevor als ich sie communicire, sie Beicht zu hören, weilen sie in voriger Beicht etwas vergessen hätte: ich antwortete ihr, daß es der Zeit nicht seyn kan, sie soll nur das Hochwürdige Sacrament geniessen, darnach werde ich sie gutwillig anhören. Sie folget meinem Rath, empfangt das Hochwürdige Sacrament des Altars, alsobalden, da sie vom Knyen wolte aufstehen, sincket sie wiederum auf die Seiten nieder, und stirbt also dahin in Ansehen des Volcks. Glückseelig schätzten viel aus denen Umstehenden einen solchen Tod, gleich dazumahlen die Schuld der Natur bezahlen, wann der gröste Werth empfangen worden. Ich aber war bis in Tod bekümmert, weilen ich sie vor der Communion nicht Beicht gehört, indeme sie es doch von mir begehrt. In unser Closter Kirchen, in ein gewisse Capellen ist diese verstorbene Weibs-Person zur Erden bestättiget worden. Bald darnach triebe mir mein betrübtes Hertz bittere Zäher aus den Augen, ich verfügte mich in mein Cellen, GOtt für ihre und meine Missethaten Gnad und Verzeyhung zu erbitten. Es war das Zeichen zum Schweigen gegeben, da nahm ich in folgender Nacht die Geisel zu handen, und wolte mein Leib casteyen, und kaum fieng ich an, da erscheinet vor mir ein helles Liecht, darfür ich mich entsetzte: mitten heraus erschallet ein Stimm, welche mich also angeredet. Bekümmere dich nicht, das verstorbene Weib wolte dir nichts wichtiges beichten, laß ab für sie GOtt zu bitten, dann der gerechte Ausspruch ist über sie unwiderruflich ergangen, sie ist ewiglich verdammet, nicht zwar aus Ursach jener Sünd, welche sie dir vor der Communion zu offenbaren verlanget, sondern weilen sie durch viel Jahr etlich Todsünden in der Beicht schamhaftiger Weiß verschwiegen, und also ohne Vorsatz diese zu beichten, ist sie verschyden. Dahero ist von GOtt ihr langwürige Vermessenheit gestraft worden, daß sie alsobalden nach Empfangung des Hochwürdigen Sacraments, welches sie doch, aus Verhängnuß GOttes nicht konte verschlünden, gähen Tods gestorben. Das Urtheil ist nunmehr ergangen, daß sie an Leib und Seel in Abgrund der Höllen gepeyniget werde: diese Peyn ist allein verschoben so lang als nicht die Heil. Hostia aus dero Mund genommen wird, deswegen befihlt dir GOtt, solche heraus zunehmen.


Unterdessen wird das Grab eröfnet, und mir in die Hand ein Schauffel geben, mit welcher ich ohne grosse Mühe der Verstorbnen Lieb entdecket, [913] dero Angesicht glantzte aus Ursach der im Mund ligenden Heil. Hosti: diese erhebte ich, und alsobalden verstellet sich das Angesicht in erschröckliches Abscheuen. Obbemeldtes Liecht leuchtet mir vor, als ich die erhebte Heil. Hosti in gewöhnlichen Sacrament-Kasten getragen, und alldorten bewahret: nach dieser meiner Verrichtung liessen sich zwey groß- und grimmige Hund sehen, die faßten den Toden-Cörper, und entführten ihn durch die Luft hinweg. Dieses alles hat sich mit mir zugetragen, welches ich zu Unterrichtung vieler hab offenbaren wollen. Nach dieser Abred bittet er die Umstehende, sie wollen sein Seel in die grundlose Barmhertzigkeit GOttes befehlen, er aber hat bald darauf seinen Geist in die Händ seines Schöpfers aufgeben.

Wolte GOtt! es spieglete sich alle Jugend in dergleichen Begebenheiten, weilen es die gröste Nothwendigkeit ist, rechtschaffen und vollkommentlich beichten. Viel seynd gute Werck, als vielmahlen Mariam begrüssen, und sie mit dem Rosenkrantz crönen: nohtleydenden Armen Hülf leisten, und mit Darreichung eines Allmosen erfreuen; mit Abbruch und Fasten den muthigen Leib in die Dienstbarkeit, und in den tugendlichen Gehorsam bringen: doch sollen alle diese, und andere fromme Werck (gleichwie das zeitliche Geschmeltzwerck gegründet wird auf das Gold) auf wahre Buß und Beicht gegründet werden.

Das 8. Capitel
Das achte Capitel.
Ein Königliche Prinzeßin, wird wegen einer verschwiegenen Tod-Sünd verdammet.

GOtt redet durch den Mund des gedultigen Job Cap. 4. v. 1. Daß die, welche Boßheit aussäen, werden nichts anders als Boßheit einsammlen, welchen Spruch Theophilactus auf die, so in der Beicht ihre Sünd verschweigen, ausleget. Gleich wie ein ausgesätes Körnlein, also verwehret sich hundertfältig ein verschwigene Tod-Sünd, weilen nach einer solchen Verschwiegenheit viel hundert ungültige Beichten und Communionen verrichtet werden. Aus folgender denckwürdigen Geschicht wird dieses genugsam erscheinen, Pater Franciscus Rodriquez aus der Gesellschaft JEsu erzählet, in seinem aus unterschiedlichen Geschicht-Schreibern zusammen getragnen Histori-Buch, was folgt.


Hugobertus ein König in Engelland hatte eine Tochter, welche inniglicher schöner Gestalt, und also hohes Verstands gewesen, daß sie ein Wunderwerck der Welt genennet worden. Unterschiedliche hohe Fürsten ersuchten diese zur Ehe, doch so oft als sie ihr Herr Vatter der König deßwegen gefragt, so oft er zeiget sie eine Unlust, [914] und Traurigkeit ihres Hertzens, das wohl abzunehmen gewesen, daß der Ehestand ihr zuwieder seye. Der König liesse derohalben ab sie der Zeit weiter zu betrüben; er sendet seine Bottschafter, und berichtet die Fürsten, welche um diese angehalten, daß die Königliche Prinzeßin seine Tochter in blühendem Alter etwas zu schwach seye, dahero er es für besser und rathsamer befinde, solche dißmahlen noch nicht zu verehelichen. Nach verflossenen etlichen wenig Jahren wurden abermahlen von jenen hohen Fürsten Bottschafter abgesendet, die Königliche Princeßin zu werben. Der König als Herr Vatter beredet zwar vielfältig die Prinzeßin seine Tochter, sie woll doch ihr belieben lassen den Ehestand einzugehen, sie habe die Wahl, und konnte einen aus diesen hohen Fürsten und Potentaten erkiesen; sie entgegen verbleibt fest in ihrem gefaßten Vorsatz, ihr Antwort ware, sie konnte in kein Ehe verwilligen, aus Ursach, weilen sie ihr ewige Jungfrauschaft dem himmlischen Bräutigam GOtt dem HErrn verlobet. Als der König dieses verstanden, hat er eine herrliche Gesandschaft zu dem höchsten Bischof der Christlichen Kirchen abgefertiget, der Pabst wolle aus wichtigen Ursachen in seinem hohen Gewalt diese Prinzeßin von ihrer Verlobung mit Gnaden entbinden; Ihro Päbstliche Heiligkeit dispensirten nach Begehren des Königs. Dahero der König seine Tochter die Prinzeßin wiederum ersuchet, demnach die Entbindung ihres Gelübds geschehen, sie wolle sich nun erklären, welchen sie ihr aus denen Fürsten zum Bräutigam auserwählet? sie aber verbliebe standhaftig bey ihrem einsmahl gefaßten Schluß, und sprach: Allergnädigster Herr Vatter, ich bitte ihro Majestät, sie tragen mir nicht auf den Ehelichen, dann ich hab mir den Jungfräulichen Stand auf ewig erwählet. Der König fraget sie, ob sie villeicht ein Clösterliches Leben zu führen gesinnet? sie antwortet: dieses verlange sie nicht, aber ihr Wunsch wäre abgesöndert zu leben, mit etlichen Hoch-Adelichen Fräulein ihre Jahr zuzubringen; dahero bittet sie demüthigst den König ihren Herrn Vatter, er wolle allergnädigst dieses erlauben, in einer gewissen Stadt eine taugliche Behausung darzu anschaffen, auch gewisse jährliche Einkommen zur Unterhaltung vermachen. Dieses verwundet erstlichen das Vätterliche Hertz, doch vermercket er nach und nach, daß dieses nur eine Wunden seye der Liebe, welche ihne also überwunden, daß er ihrem Begehren nichts versagen konnte, er schaffet ihr an gewisse Renten, eine stattliche Behausung, und ein auserlesenes Frauen-Zimmer von Hoch-Adelichen Tugend-liebenden Fräulein, auf daß sie nach ihrem H. Wunsch ihr Leben anstellen, und vollziehen möchte.

Als nun die Königliche Prinzeßin sich abgesondert, und in ein solches Leben, nach selbst eigenem Verlangen eingeschlossen, war ihr erster Gedancken, den sie zu Hertzen genommen, die baufällige GOttes-Häuser zu erheben [915] und neue zu erbauen, Clöster und Spitäler zu stiften, eines zwar nahend bey ihrer Behausung, in welchem sie den Armen und Krancken zu dienen pflegte. Ihr Leben, das sie geführet, war ein heller Glantz aller Tugenden. Ausgenommen den Sonntag fastet sie täglich durch den Verlauf des gantzen Jahrs, mit rauher häriner Kleydung war sie angethan, viele Stunden verharret sie in dem Gebett, ihren zarten Leib marteret sie mit strengen Bußwercken, in allen Tugenden wandlet sie also rühmlich, daß sie als ein Wunderwerck der Natur, nunmehr auch ein Wunderwerck der göttlichen Gnad zu seyn geachtet wurde. In Führung eines so heilig-scheinenden und auferbäulichen Lebens, wird sie vom Tod überfallen und stirbt. Eine edle Frau, welche durch etliche Jahr diese als obriste Hofmeisterin erzogen und bedienet, stunde in grossem Verlangen zu wissen, wie es mit ihr nach verlittener Sterblichkeit in jener Welt ergehe? sie bittet inständig, und auf das demüthigst, GOtt wolle ihr doch solches offenbahren, und ihr Gebett wurde erhöret, einsmahls da sie in ihrem Nacht-Gebett wachete, wird ungestümmig die Porten ihres Zimmers geöfnet, viele höllische Gespenster tretten herein, und in mitten unter diesen ersiht sie eine Seel in Gestalt einer Weibs-Person mit vielen feurigen Ketten gefangen, bekleidet mit lebendigen Scorpionen, aus welchen ein grösserer und grimmiger ihr Hertz heftig gequälet, mit unaussprechlicher Peyn, daß sie gantz wehemüthig und jämmerlich geheulet. Die fromme Frau erschrickt und entsetzet sich darüber gar sehr, aber die arme Seel ruffet die Frau mit Namen, und sprach ihr zu mit diesen Worten: entsetze dich nicht, du must wissen, ich bin die Tochter des Königs Hugobert, vor diesem deine gute Freundin; ob dieser Red erschrack sie noch heftiger, und wendet sich zu GOtt, sprechend: O HErr GOtt wo ist dein gerechtes Urtheil? wo ist deine unermessene Gütig- und Barmhertzigkeit? wie ist es möglich, daß ein so ehrbahres Leben also streng geurtheilet, eine so tugendliche Seel ewig verdammet werde? Ach GOtt! wer wird dann seelig werden? die Verstorbene wiederleget diese Wort, sprechend: Höre und wisse, alle Schuld der Verdammung ist mein, GOtt hat keine Schuld daran, sondern er befihlt mir, und zwar zu meiner Schand, andern aber zu einer Witzigung, daß ich allen Verlauf offenbahre.

Dir ist nicht unbekannt, was massen ich mich von Jugend auf der Schriften und Bücherlesen hab ergeben? wann ich selbsten etwas müd worden, liesse ich mir von einem Edelknaben vorlesen, gegen diesem war ich etwas verliebt. Einsmahls nachdem er mir ein Zeitlang vorgelesen, begehrt er gantz demüthig und liebreich meine Hand zu küssen, welche ich ihme gern dargereicht; darauf zu andern Zeiten geschahe dieses zum öftern, und zwar drey oder viermahlen hab ich es zugelassen, und er küsset mir die Hand mit absonderlicher Liebs-Neigung, ja er [916] haltet und drucket mir diese länger, und weilen er gesehen, daß ich ihme dieses zugelassen, hat er ein mehreres gewaget, und da er meine Schwachheit und schlechten Widerstand vermerckt, bin ich mit ihme zum Fall kommen, und hab also den Schatz meiner Jungfrauschaft verlohren.

Nachdem ich diese Sünd vollbracht, hab ich meinem Beichtvatter mit diesen Worten gebeichtet: Ehrwürdiger Vatter, ich klage mich an, daß ich, weiß nicht was, ein Frechheit mit einem Edelknaben begangen: er fahret mich an mit Unbescheidenheit, was ist das? Ihro Durchlaucht, etwas solches? darauf bin ich schamroth worden, und ziehete meine Beicht zuruck, sprechend: ich hab es nur in Gedancken gehabt. Der Beichtvatter noch unbescheidner als zuvor, sprach wiederum: was vermeinen Ihro Durchlaucht? auch nicht in Gedancken; verzagt bin ich worden durch dieses, und hab bey mir beschlossen die Sünd zu verschweigen, ich sprach: es hat mir nur getraumet. Also hab ich meine Beicht ohne rechte Beicht verrichtet, ich bin von meinen Sünden loß, und dannoch nicht loß gesprochen, sondern mit einer viel grösseren Todsünd verbunden worden, als ich vorhero begangen. Folgends, damit mir GOtt meine Sünd gnädig verzeyhen solle, habe ich angefangen reiche Allmosen zu geben, viele strenge Bußwerck habe ich geübet, hoffend GOttes Barmhertzigkeit zu erwerben; GOtt der HErr aber belohnte mir alle meine gute Werck mit sehr beweglichen Einsprechungen und innerlichen Antrieb, daß ich doch einsmahls beichten solte jene verschwiegne Sünd. In meiner endlichen Kranckheit hat mir GOtt mit gütigen Worten zu Hertzen geredet, und mich ermahnet, daß diese Kranckheit die letzte seye, an der ich sterben wurde; Dahero solle ich eine gute Beicht verrichten, er seye willig mir alle meine Sünd gnädig zu vergeben. Alle Artzney-Gelehrte haben mir das Leben abgesprochen, ich hörte so gar eine Stimm von dem Himmel, welche mir zugeruffen: Beichte, es ist zwar spat, doch ist es annoch Zeit. Ein Beichtvatter liesse ich mir ruffen, deme fieng ich an zu beichten, und sprache: Ach! wie bin ich eine grosse Sünderin, der Beichtvatter antwortet mir, das seynd Anfechtungen des bösen Feinds, ich solte es nicht achten, bald darauf ist die Stund meines Abschieds kommen, und ich bin verschieden. In dem Augenblick, in dem ich verschieden, bin ich aus gerechtem Urtheil GOttes denen höllischen Geistern übergeben worden, welche mich in den Abgrund der grösten Peyn gestürtzet, in der ich leyde und ewig leyden werde. Nachdem sie dieses ausgeredet, ist sie plötzlich verschwunden in erschröcklichem Getümmel, gleich als ob die Welt solte übereinander fallen, sie erfüllet auch die Cammer mit unleydlichem Gestanck, welcher zur Zeugnus der Unglückseelig- und Häßlichkeit dieser von GOttes Angesicht verworffenen Seel viel Täg lang verblieben. Dessentwegen dann wurde die Obrist-Hofmeisterin [917] gantz tief betrübet, als wann alle Bitterkeit eines Meers über ihr Hertz wäre ausgegossen, in Verständnus, daß ihr so inniglich geliebte Frau in ein unaufhörliches Unglück gestürtzet, ewig sey verdammet worden.

Die dieses lesen, sollen erstlich beobachten, was daran gelegen, daß die liebe Jugend weislich unterrichtet werde, was massen vielmahl aus kleinem Anfang grosse Sünd erwachsen. Wohl sollen sie vermercken, daß nothwendig seye alle und jede Todsünd aufrichtig beichten. Wegen einer in der Beicht verschwiegenen Sünd hat diese Prinzeßin die grosse Anzahl vieler guten Werck, welche sie die Zeit ihres Lebens geübet, und was das mehriste und unerschätzlichiste ist, das Heyl ihrer Seelen auf ewig verlohren. Forderist aber ist wohl zu erwegen, wie viel es daran gelegen zu einem frommen und witzigen Beichtvatter gerathen, aus Mangel eines guten Seel-Sorgers ist diese Prinzeßin der Seeligkeit beraubt, und aus Ursach seiner Unbescheidenheit zur höllischen Peyn verdammet worden.

Es ist wahrhaftig sehr zu beweinen, für seine Reichshändel sucht jener Herr den erfahrnisten Rechtsgelehrten, für ihre Hochzeitliche Kleider suchet jene Frau den kunstreichisten Schneider, und zu Versorgung der Seel (welche das beste ist unter allen erschaffenen Sachen) sucht selten jemand einen aufrichtig sicher handlenden Beichtvatter, sondern oft ist man zufrieden mit einem, sey wer er da wolle, welcher an statt, daß er sie in das himmlische Vatterland, zum ewigen Erbtheil, zum ewigen Untergang und Verderben begleitet.

Das 9. Capitel
Das neunte Capitel.
Die in der Beicht verschwiegene Sünden werden von GOtt mit grosser Schand geoffenbahret.

Ich beschreibe diese Geschicht aus Ursach, weilen allezeit dero Erzählung sehr nutzlich gewesen, daß ein wohlerfahrner Prediger zu sagen pflegte, Kraft dieser seyen vielmehr Früchten der Seelen, als durch viel hundert Fasten-Predigen, eingebracht worden. Dahero ist ein Geistlicher und eyfriger Vorsteher beweget worden ein gewisses jährliches Einkommen zu machen, damit dieses Exempel zu gewissen Zeiten in Versammlung des Volcks in seinem Gotteshaus mit nachdrucklichen Worten nach aller Wahrheit erzählet oder abgelesen wurde.

P. Antonius Daurultius, parte 3. tit. 48. erzählet samt anderen Bücher-Schreibern, welche er anziehet, von einer Frauen, welche viele Jahr lang einen Ehebruch in ihren Beichten verschwiegen. Es begab sich aber, [918] daß ungefehr alldorten, wo dieser Frauen wohnhafte Behausung war, zwey Religiosen Dominicaner Ordens vorüber ihren Weeg genommen: Einer aus diesen war ein päbstlicher Gewaltstrager, oder Pœnitentiarius, der andere ein geistlich-gottsförchtiger Mann. Diese Gelegenheit lasset diese Frau ihr wohl gefallen, alsobalden nimmet sie ihr vor, alle ihre Sünd rechtmässig zu beichten, dann sie vermeinte, es werde zum besten seyn, ein fremden unbekannten, der sich nicht über einen Tag aufhalten wird, zu erbitten, ihr Beicht mit Gedult anzuhören. Die Frau beschickt denPatrem Pœnitentiarium, sie laßt ihn darumen gar demüthig erbitten. Er weigert sich mit nichten, sondern gutwillig kommet er, und höret sie an, und sie beichtet ihme ordentlich fort. Aber unter währender Beicht brachte der geistliche Reißgespann des Beichtvatters sein Zeit im Gebett zu, nicht weit von dem Beichtstuhl befande er sich in der Kirchen, und nahme augenscheinlich wahr, wie von dem Mund der beichtenden Frauen, viel Krotten eine nach der andern heraus, und in der Kirchen herum gesprungen; darnach ersiehet er, wie ein geflüglete Schlang auf der Zung der Beichtenden mit dem Kopf heraus wolte, aber wiederumen sich zuruck hinein gezogen: Geschwind kehreten die heraus gesprungene Krotten wiederum um, und springen auf die beichtende Frau, dringen sich in den Mund hinein, woher sie kurtz zuvor seynd ausgangen. Nach vollendter Beicht, saumet der Pönitentiarius sich nicht, sondern setzet mit seinen geistlichen Gefehrten die Reiß fort. Auf dem Weeg, ezählet dieser dem Pater Beichtvatter alles, was sich in währender Beicht augenscheinlich zugetragen. Wunderlich, und zugleich kümmerlich war dieses dem Pater Beichtvatter zu hören, sein Hertz kräncket sich, indem er muthmasset, daß die Frau nicht rechtschaffen alles gebeichtet, er förchtet sehr, ein Todsünd seye verschwiegen worden. Der geschwind geschloßne Rath war, umzukehren und dieser armen Seel heilsame Hülf zu leisten. Aber leider! als diese zwey Dominicaner dahin geeilet, und ankommen, befanden sie diese Frau eines gähen Tods verschieden. Wie wehmüthig war ihnen dieses zu hören und zu sehen: drey Tag wolten sie weder essen noch trincken, hielten also ein strenge Fasten, und ein inständiges Gebett, GOtt wolle der Seel dieser gähling verstorbenen Frauen Barmhertzigkeit erzeigen, oder ihnen kund machen, wie es mit ihr in der Ewigkeit ergehe. Nach verflossenen dreyen Tagen erscheinet die unglückselige Frau auf einem erschröcklichen Drachen sitzend, zwey giftige Schlangen umschweiffeten ihren Hals, und zerbeisseten ihre Brüst: ein grimmige Viperen sitzet ihr auf dem Kopf, die Augen waren von zwey Krotten eingenommen, feurige Pfeil durchdrungen ihre Ohren, aus dem Mund schlugen heraus die Flammen: zwey rasende Hund zerbeisseten und nageten die Finger. Sie aber mit entsetzlichem Seuftzen fanget an zu reden: Ich bin jene [919] Unglückselige, welche du vor drey Tagen Beicht gehöret; dieselbige bin ich, aus dero Mund so viel Krotten gesprungen, so viel Sünd ich gebeichtet: die geflüglete Schlang, welche von deinem Gespann, da sie vom Mund heraus wolte, gesehen worden, war mein Unzucht, welche ich niemahlen gebeichtet: deswegen sie, samt allen vorhero übergebenen Krotten wiederum in mich eingangen: Bald darnach hat mir GOtt gähling mein Leben genommen, und mich in alle Ewigkeit verdammet. Von der Viperen auf dem Haupt wird gepeiniget mein hoffärtig- gekraust- und geschmucktes Haar; die Krotten, welche auf den Augen sitzen, peinigen meine freche Augen-Winck, und fürwitzig-verliebtes Umsehen: die feurige Pfeil, die meine Ohren durchgehen, peinigen das boßhaftige Anhören unehrbarer Reden, und Lieder, wie dann auch das Anhören der Ehrabschneidung: Die Flammen, welche aus meinem Mund herausschlagen, quälen mein üppiges Küssen, und Murmlen: Die zwey Schlangen, die meinen Hals umschweiffen, und meine Brüste zerbeissen, seynd die Straf, weilen ich mich mit unziemlicher Lieb hab lassen umhalsen: die schwartz- und hungerige zwey Hund, welche meine Händ zernagen, peinigen das unzüchtige Berühren, und Greiffen, samt aller meiner üblen Würckung zu meiner Pein: der Drach, auf welchem ich sitze, dieser ist mein gröste Straf, er quälet meine schändliche Belustigung, ermarteret unaufhörlich das innerste meiner Seelen. Wehe! mir Elenden, kein Mittel, kein Gnad, kein Barmhertzigkeit ist übrig, mir zu helfen: nichts als Qual, und ewige Pein haben mich festiglich ergriffen. Ach! unvorsichtige Weiber, wie viel werden aus euch verdammet, und zwar meistentheils aus Ursach vielerley Sünden, welchen ihr ergeben. Erstlichen, aus Ursach euer unkeuschen Empfindlichkeit: Zum andern, wegen eures gar zu übermüthigen Prachts, und Aufbutzens: Drittens wegen etlicher aberglaubischen Zauber-Künsten: Viertens wegen gewisser in der Beicht verschwiegenen Sünden. Kaum hat sie diese Wort ausgeredet, da eröfnete sich die Erden, und der Drach stürtzet sie in Abgrund der Höllen, allwo sie immerdar wird gepeiniget werden. Denen schwangeren Frauen, welche gewaltig hart ihre Kinder gebähren, pflegt man also zuzusprechen: Mein Schwester, entweder gebähren, oder sterben: eben dergleichen Wort sage ich zu einer jeden schamhaftigen Seel, welche gleichsam schwanger ist vom Last der Sünden, und hart darzu kommet, daß sie recht alles beichte, mein Christliche Seel, da heißt es entweder gebähren, oder sterben? gebähren durch ein vollkommene Beicht, oder sterben des ewigen Tods.


Es geschieht zu Zeiten, daß ein ehrbare Jungfrau, ein Tochter hochgeehrter Elteren, von einer kuplerischen Gespannin oder Dienstmagd bethöret, in böse Gesellschaft kommet, und verspühret wird, daß sich endlich diese [920] ehrbare Jungfrau schwanger befindet; sie verblümlet es, wie sie immer kan, doch kommet sie in einen Verdacht. Die Frau Mutter macht ihr seltsame Gedancken, dann sie siehet, daß die Tochter immerzu erbleichet, daß sie den Lust zum Essen verliehret, sie ruffet sie beyseits in die Cammer; komme her mein schönes Züchtl, was ist dein Anliegen? wie empfindest du dich? vertrau es mir, als deiner lieben Mutter, mein Kind, kein Mensch soll etwas darvon wissen, dein Vertrauen soll ein gewisse Hülf finden; auch deinem Herrn Vatter will ich nichts darvon sagen. Mein Frau Mutter! was vermeint, oder glaubt die Frau Mutter von mir? Ich wolt daß der Donner und Hagel zerschlagten, daß mich die Teufel hinführten: Halt dein loses Maul, schweig und schwör nicht, spricht die Frau Mutter. Aber was wird endlich daraus werden? GOtt weißt, ich weiß es nicht, spricht die Tochter; vielleicht seynd es Verstopfungen, oder ich hab etwann ein Kirbeskoch geessen, das mich also aufblähet: oder in die Nüchter hab ich zuviel Wasser getruncken. Nun so sey es, nimm Artzney ein, brauch den Stahelsaft, darauf übe dich im Gehen: Es geschiehet alles, und die Zeit dieser Tochter kommt nahend herzu. Auf ein Freuden-Fest wird sie eingeladen, und geführet, da spielet man und tantzet, aber es ergriffen sie die Schmertzen, welche sie zwar verbeisset, Meinungs, solche zu vertuschen: Es dringet ein tödtlicher Angstschweiß heraus, sie findet jetzund kein Rath, sie weiß nicht, was sie thun solt; die Schmertzen nehmen zu, und weilen sie diese nicht kan erdulten, noch verbergen, schreyet sie vor Wehe. Das Freuden-Fest wird zerstöhret, alle lauffen zu, vermeinend, ein tödlicher Zustand hätte sie überfallen, aber da alle in mitleidender Sorg herum stehen, hören sie das Weinen eines neugebohrnen Kindleins. Darüber verwundern sich alle, die Befreundte werden schamroth, die Eltern zu Schanden. Vor Hertzenleid fallt die Mutter ohnmächtig zu Boden, dem Vatter kommet es zu Ohren, er zürnet darüber, gleich einem grimmigen Löwen, er eilet dahin, als ob er in einer Schaubühn vorstellen wolte die verlohrne Ehr, welche ihm durch die Schandthat jener Tochter entgangen: er zuckt einen Dolch, und weilen ihn niemand kan erhalten, stosset er ihr diesen in den Leib, und bringt sie um ihr junges Leben. Die Frau Mutter kommet wiederum zu sich, und da sie ansiehet die ermordete und verblichene Tochter, heulet und weinet sie, als wolte sie zerrinnen. Ach! unglückselige Tochter, wie übel hast du deiner Eigensinnigkeit gefolget: du hast deiner treuen Mutter nicht wollen glauben, hab ich dir nicht alles gutmeinend vorgesagt? wie viel besser wäre es gewesen, wann du mir alles hättest bekennet: mütterlich hätte ich für dein Ehr gesorget, und die so grosse Unehr unsers Hauses vehütet. In was für einen Schandfleck, und Unglück hast du dich gestürtzet, um viel besser wäre es gewesen, wann du mir allein in Vertrauen deinen Zustand [921] hättest geoffenbaret: ich hätte leichtlich ein gutes Mittel gefunden, dich aus aller dieser Noth, und Elend zu erretten: jetzund ist es umsonst, indeme die gantze Stadt ärgerlich davon redet, deine Elteren zu schanden stehen, und dein Unglück mit deinem so unglückseeligen Tod bezahlest.


Nicht anderst ergehet es denen, die ihr Todsünd in der Beicht vertuschen, oder verschweigen: peccatum, cum conceptum fuerit, generat mortem, wann die Sünd empfangen wird, alsdann gebähret sie den Tod. Dann wiewohl die empfangene oder begangene Todsünd verschwiegen wird, so laßt sie sich doch nicht verbergen, durch ein gewisse Traurigkeit wird sie gespühret von denen, bey welchen man wandlet. Die treueste Mutter aus allen, ist die göttliche Barmhertzigkeit, diese beredet uns Mütterlich, wir sollen alle unsere Tod-Sünd dem Beicht-Vatter in Geheim vertrauen, es wird alles auf das beste vermittlet werden. O wie unrecht! handleten wir, so wir dieser mütterlichen Treu nicht wolten nachkommen. Am jüngsten Tag in Zergehung Himmels und Erden, da alle Menschen in dem Thal Josaphat werden versammlet, und vorgestellet werden, alsdann werden die Schmertzen der Gebährenden ankommen, dolores parturientis venient ei: alle vermäntlete Tod-Sünd und vertuschte Schand-Thaten werden entdecket, zu ewig währendem Spott und unendlicher Straf der Sünder, der gantzen Welt geoffenbahret werden.

Das 10. Capitel
Das Zehende Capitel.
Ein seltsame Geschicht von einer verehelichten Frauen, welche verdammet ist worden, weilen sie etliche Sünd verschwiegen, welche sie mit ihrem Ehe-Mann begangen.

Seraphinus Ranni beschreibet folgende Histori. In einer gewissen welschen Stadt befand sich ein verheyrathete edle Frau, ihr Ruf war nach äusserlichen Schein, löblich und heilig: dann sie eröfnet die Hand zu reichen Allmosen, beywohnet fleißig dem GOttes-Dienst, hatte ein ordentliche Haushaltung, massen es einer Christlichen Frauen gebühret, alle ihre Haus-Genossen erhielt sie in der Forcht GOttes. Die Täg ihres Lebens-fliegeten nun darvon, und der Tod nahete herzu: sie beicht, und empfienge alle hierzu gehörige Sacrament, bald darnach vollendet sie den Lauf ihres Lebens, und verlasset der Stadt ein rühmlichen Nahmen. Neben anderen ihren Kindern hinterliesse sie ein fromm eingezogene Tochter, welche GOtt, und ihrer Seel gnädig zu seyn, gebetten. Nach verwichenen etlich wenig Tagen, allein in der Cammer verrichtet diese ihr [922] Gebett, und höret gähling an der Thür ein grosses Getümmel, welches ihr Forcht, und verzagte Gedancken eingejaget. Sie wendet ihre Augen dahin, und ersiehet in abscheulicher Gestalt ein gantz feuriges Schwein, welches ein unleydentlichen Gestanck von sich gabe: dermassen erschröcklich war dieses Gespenst, daß sie vor Schröcken dem Fenster zugeeylet, sich hinunter zustürtzen in Meynung der vor Augen schwebenden Gefahr zu entgehen. Doch wurde sie darvon abgehalten, durch eine also ruffende Stimm: stehe still Tochter, stehe still, und sie von GOtt gestärcket, fasset ein Hertz, stehet still, und höret alles an, was das Gespenst zu ihr redet. Ich bin, sprach sie, dein unglückseelige Mutter, welche zwar nach dem Urtheil und Ansehen der Welt ein unsträfliches Leben, in grosser Auferbäulichkeit geführt, nichts destoweniger wegen greulich unzüchtigen Sünden, die ich mit deinem Vatter begangen, und schamhaftiger Weiß nie gebeicht, bin ich vom gerechten GOtt zum ewigen Feur verdammet worden. Laß ab von deinem Gebett, mir ist kein Hülf mehr übrig, alles ist vergebens. Die Tochter fasset ein Hertz, fraget sie, was der Verdammten gröste Peyn seye? das beantwortet sie, sprechend: 1. Forderist beraubet seyn des Angesicht GOttes. 2. Die lebhafte Einbildung der Ewigkeit, in welcher wir unvermeydlich in schwären Peynen gepeyniget werden. 3. Unser stätes Thun ist nichts, als GOtt und sein Urtheil fluchen und vermaledeyen, ohne alle Hoffnung in Tod, ohne Tod leben und leyden. Weiter sprach sie, so bald als ich bin verschieden, ist meine Seel von bösen Geistern geführet worden vor den Richter-Stuhl GOttes, der strenge Richter sahe mich an mit erzörntem Angesicht, er verurtheilet, und verdammet mich mit dem Ausspruch der Vermaledeyung, und plötzlich stürtzten mich in Abgrund die versammlete Teufel, da werde ich unendlich gepeyniget. Als sie diese ihre Red geendet, sprang sie auf die Bänck und Stühl, verlasset zum Denck-Zeichen die eingebrennte Fuß-Stapfen, und verschwand aus den Augen ihrer Tochter. Dieses alles betrübet höchst die Tochter, welche die eingebrennte Fuß-Stapfen verdecket, füget sich in die Kirchen, ruffet dein Prediger, der die Fasten hindurch in jener Stadt geprediget, erzählet ihm alles, was sich zugetragen. Der Prediger verfüget sich in das Haus den Augenschein einzunehmen, und alles dessen Wahrheit zu erfahren: er besiehet die von dem unreinen Gespenst eingebrannte Fußstapfen, er vermercket den üblen Gestanck, welcher in der Cammer verblieben: diese reiniget er mit Besprengung des Weyh-Wassers und mit dem Priesterlichen Seegen, die Tochter dieser unglückseeligen verdammten Frauen tröstet er, und munteret sie auf zu der wahrhaften Tugend, damit sie sicher wandle, und entgehe den greulichen Peynen der ewigen Verdammnuß.

[923] Allhier ist denen Verehlichten wohl zu mercken, daß auch die Ehe-Leut schwärlich sündigen können in ihrem Ehestand: sie sollen ihre Augen eröffnen, und verstehen, was sich ihrem Stand gemäß gebühret. In den Zweifflen sollen sie einen bescheidenen gelehrten Beicht-Vatter Raths fragen, zu wissen, was ihnen zu, und was ihnen nicht zugelassen: dann fürwahr, auch sie selbsten können sich volltrincken in dem Wein ihres eigenen Weingartens.

Das 11. Capitel
Das eilfte Capitel.
Das klägliche Ende einer Closter-Frauen, weilen sie in der Beicht ein grosse Sünd verschwiegen.

Es erzählet der Heil. Antonius: es war ein Wittfrau gantz allein in ihrer Freyheit mit reichem Vermögen: welche zwey Stuck die gefährlichste zu seyn pflegen einer Seel, so mit GOtt innerlich nicht vereiniget ist: diese wiewohl sie erstlich nach ihrem wittiblichen Stand eingezogen gelebt, ist sie doch bald hernach erlauet, indem ihr eines frechen Jünglings freundliche Lieb begegnet. Der böse Feind hat diesen angereitzet, daß er mit kecker Frechheit mehrmahlen bey dieser Wittfrauen Haus vorüber gangen, das Haus-Thor und die Fenster mit Höflichkeit begrüsset. Die Frau erzeigte anfänglich einen Verdruß darüber, doch weilen dieser Jüngling nicht nachgelassen ihr höflich aufzuwarten, und viel schönes zu versprechen, hat sie ihn in ihr Haus eingelassen, und bald darauf mit ihme zu dem Fall kommen.


Nach begangener Sünd vergieng ihr aller Lust zu fasten, Allmosen zu geben, zu beichten, und zu communiciren: dann die Unzucht ist jene Verwüstung, von welcher der gedultigiste Hußländer Job also spricht: Omnia eradicans genimina, sie wurtzlet aus alle Ersprießlichkeit. Der arglistige Teufel, welcher ihr entnommen die Schamhaftigkeit, und die heilige Forcht, daß sie gesündiget, stellte ihr diese wiederum zu, daß sie sich geschämet, die begangene Sünd zu beichten, wiewohlen sie nicht unterlassen mehrmahlen zu beichten, und zu communiciren. Dannoch das beängstigte Gewissen zu Ruhe zu bringen, vermeinet sie, ihrer Sünd Verzeyhung zu erwerben mit vielē guten Werckē. Sie fienge an wiederum zu fasten, und strenge Buß-Werck zu üben: und damit sie sich gantz dem GOttes-Dienst ergebe, hat sie entschlossen ein Closter-Frau zu werden.

Die Closter-Frauen nehmen sie alsobald mit Freuden auf, weilen sie ein Frau von hohen Ansehen, und löblichen Ruhm gewesen: im Closter hielte sie alle Ordnung, sie ware die erste im Chor, allen Gehorsam verrichtet [924] sie auf das beste, sie eyfferet vor allen in der Ubung der Bußwerck: doch konte sie sich nicht überwinden, die Sünd einmahl zu beichten, sondern allein von eytler Ehr, als ein Vögelein an einen Seiden-Faden gebunden, wurd sie abgehalten, indeme sie vermeint, daß es sich nicht wohl thun lasse, daß ein Frau ihres gleichen sich beschuldigen soll, einer so grossen Gebrechlichkeit, welche bey dem Beicht-Vatter seltsame Gedancken, und ein üble Meynung verursachen möchte.


Es verlauffeten etlich Jahr mit der hinfliegenden Zeit, und dieses Closters würdige Mutter endet den Lauf ihres Lebens, seegnet ihre geistliche Ordens-Kinder, und stirbt. Das neue Loß aller Schwesteren in Ansehen ihres Eyfers, und heilig scheinenden Wandels gieng auf diese, sie zur Obristen Vorsteherin dieses Closters zu erwählen, in Meynung, sie wird in Kraft ihres frommen Lebens alle desto mehr zur Vollkommenheit vermögen, je eyfriger sie mit guten Exemplen allen vorleuchten wurde. Es geschahe dem also: dannoch jene Sünd wurde fort und fort in allen Beichten verschwigen. GOtt der langmüthige HErr, ermahnet sie endlich mit einer schweren Kranckheit, in welcher sie auch gestorben. Die Artzney-Gelehrten sprachen ihr bald das Leben ab, und da sie kein Artzney-Mittel gefunden, welches mehr würckte, erkennten sie nichts übriges zu seyn, als geistliche Mittel, nemlich den Gebrauch der HH. Sacramenten: nichts destoweniger, verbleibet es beym vorigen. Wer nicht zur Zeit der guten Gelegenheit rechtmäßig alle Sünd beichtet, wird zur Zeit der tödlichen Kranckeit weder mögen, noch wollen solche vollkommentlich beichten, und solches laßt GOtt zu, zur Straf der verborgenen Hoffart; dann was ist es anderst, nicht recht wollen alle Sünd in der Sacramentalischen Beicht bekennen, als ein verborgene und äusseriste schädliche Hofart?

Diese Tod-krancke Oberiste Vorsteherin dieses Closters hat zwar gebeicht, und communicirt, sich reyßfertig zu machen in die Ewigkeit, aber gleichwie vorhero, hat sie auch jetzund jene Sünd verschwiegen. O elendes Weib! auch ihr letzte Beicht verrichten, ohne rechtmäßige Sünd-Bekanntnuß, was ist das für ein Greuel! von einer Christlichen Seel? von einer GOtt geweyhten Closter-Frau? von einer geistlichen Obrigkeit.

Ein Gottsförtige Closter-Frau dieses Closters, batte sie als ein gute Freundin, sie wolle ihr belieben lassen, mit gnädiger Bewilligung GOttes, nach dem Tod zu erscheinen, und kund zu machen, wie es mit ihr in jener Welt stehe? sie versprach ihr solches zu thun. Letztlich sturbe diese Obriste des Closters, alle trugen ein gemeines Leyd wegen Verlurst ihrer Würdigen, und nach ihrem Vermeinen also heiligen, und eyferigen Mutter: wie es der Heil. Antonius erzählet, verhoften alle Wunder-Werck nach ihrem Tod zu [925] sehen: aber, aber, ach! was ist es für ein grosser Unterschied zwischen dem menschlichen, und göttlichen Urtheil? nachfolgende Nacht, als jene Closter-Frau im Chor war, hörte sie ein grosses Getümmel, und da sie umher siehet, nimmt sie wahr ein Gespenst, welches erbärmlich geheulet, mit Anzeigen grosser Peyn, in der es stunde: hierdurch wurd diese Closter-Frau voller Schröcken, und sehr betrübt, doch gestärcket von GOtt, fasset sie ein Hertz, und fraget, wer es sey? ich bin sprach das Gespenst, die Seel der gestriges Tags gestorbenen Obristen dieses Closters: zum höllischen Feur bin ich ewig verdammet.

Unser Obristin? sprach die Closter-Frau, die ein so streng und bußfertiges Leben, und also heiligen Wandel geführet, soll immerdar zur Höllen verdammet seyn? ja es ist also, antwortet die Seel, weilen ich im weltlichen Stand einmahl Unzucht getrieben, und allein aus Forcht der Schand und einer verborgnen Hoffart hab ich niemahlen das Hertz gefaßt, diese meine Sünd zu beichten. Offenbahre dieses alles deinen geistlichen Mitschwestern, es ist nicht noth für mich zu bitten, oder Meß zu opfern, alles ist vergebens, und alsobald in einem erschröcklichen Getümmel, ist sie verschwunden.

Das 12. Capitel
Das zwölfte Capitel.
Eine Frau wird verdammet wegen eines bewilligten unehrbahren Gedancken, den sie nicht gebeicht.

Viele werden zwar verdammet, aus Ursach der würcklich begangenen und nicht gebeichten Sünden, viele auch werden verdammet aus Ursachen der nicht zwar würcklich begangenen, aber in Gedancken verwilligten Sünden, welche sie nicht gebeicht haben. Dieses zu bekräftigen führet ein eine denckwürdige Geschicht Joannes Rausinus in seinem Buch Itinerarium paradisi genannt, die Weg-Begleitung zum Himmelreich in seinen geistlichen Ermahnungen von der Buß.

Es ware eine Frau, also sittlich und tugendlich in ihren scheinbar guten Wercken, daß der Bischof selbiger Stadt sie als eine heiligt Frau geschätzet. Einsmahls hat es sich zugetragen, daß sie ihre Augen auf einen aus ihren Bedienten geworffen, und gar bald liesse sie ihr Gemüth von einem unehrbahren Gedancken einnehmen, darein sie auch bey ihr selbsten verwilliget. Aber gleichwie dieses ihr Verlangen nie nicht in das Werck gestellet, ist es auch nie nicht von ihr gebeichtet worden, in Meynung, ein solcher Gedancken seye nicht zu achten, wiewohlen ihr mehrmahlen das Gewissen gedrucket, und dieses als ein nagender Wurm beunruhiget, voraus in der letzten zustehenden Kranckheit, in welcher sie gestorben. Die Schamhaftigkeit drunge allezeit vor, daß sie [926] diese Sünd niemahlen in der Beicht geoffenbahret.

Ihr Beichtvatter der Bischof, nachdeme sie verschieden, gabe den Befehl, ihren Leichnam in seiner eignen Bischöflichen Capellen zu begraben, weilen er von ihr alles heiliges und unschuldiges geglaubet. Den nachfolgenden Tag stunde der Bischof früh vor anderen auf, begabe sich in seine Capellen, und sihe, die Verstorbne begegnet ihm in Gestalt eines grossen Feurs, gleich einem feurigen Ofen. Er lasset sich doch nicht abhalten, sondern er gehet fort in die Capellen, und ersihet auf der Todten-Bahr der gestrigen Tags begrabnen Frauen einen Cörper ausgedehnet, darunter ein starckes Feur herfür geschlagen. Es verwundert sich der Bischof über dieses Gesicht, und erkennet, daß eben diß der Leib seye seiner Beicht-Tochter, jener Frauen, welche selbiges Orts begraben worden. Damit er aber dessen besser verständiget wurde, hat er sie im heiligen Namen JEsu Christi, und in dem gebenedeyten Namen Mariä beschworen, sie wolle es doch aussagen, wer sie seye, und warum sie so erschröckliche Peyn leyde? sie beantwortet diese Beschwörung und diese Frag sprechend: Ich bin deine gewesene Beicht-Tochter, wegen eines unzüchtigen Gedanckens, in welchen ich verwilliget, und niemahlen gebeichtet, bin ich ewig zum höllischen Feur verdammet.

Hier geduncket mich höchst nothwendig zu seyn, jedermänniglich zu berichten, wie leichtlich es kan gesündiget werden in böser Begierd, und in innerlicher Bewilligung mit einem Gedancken, forderist in unzüchtigen Einbildungen. Dieses wird mit der nutzlichen Lehr des H. Gregorii des Pabsten sehr gut erkläret. Dieser H. Kirchen-Lehrer beweiset drey Staffel in boßhafter Begierlichkeit. Der erste wird genenntSuggestio, die Anfechtung, der andere Delectatio, die Belustigung, der dritte Consensus, die Bewilligung, wann uns in unsern Gedancken etwas unzüchtiges einfallet mit einer gähen Begierd, wann aber dieser Anfechtung unverzüglich alsobald widerstanden wird, ohne freywillige Belustigung, alsdann sündiget der Mensch nicht allein nicht, sondern sein Widerstand ist bey GOtt verdienstlich. Aber wann die Anfechtung hinein schleicht bis zu einer empfindlichen Belustigung, wiewohl das Gemüth nicht mit völliger Bedachtsamkeit, noch mit gäntzlicher Bewilligung dahin gehet, alsdann ist es nicht gar ohne Sünd. Wann es aber so weit kommet, daß die Anfechtung und Belustigung bedachtsam, völlig gemerckt, und der Willen dardurch eingenommen wird, also zwar, daß das menschliche Gemüth nachgedenckt, dasselbe verlanget, sich freywillig darinnen aufhaltet, und gleichsam dieses böse Verlangen innerlich verkostet, da ist es eine tödtliche Sünd, eine Sünd, welche im neunten Gebott wird begriffen.

Dieses alles hat GOtt einem seiner getreuen Dieneren Franciscaner Ordens Johanni Alverno genannt, durch eine [927] Erscheinung erkläret; wie solches in Jahr-Brieffen Seraphischen Ordens zu lesen p. 2. lib. 6. c. 18. GOtt wolte zu verstehen geben diesem frommen Mann, wie die Menschen von fleischlichen Begierden angefochten, Theils überwunden werden: etliche allein, die zuweilen in läßliche, zuweilen auch in tödtliche Sünden fallen. Er sahe unzahlbar viele höllische Geister, welche unaufhörlich mit gezwungener Mühe viele Pfeil abgeschossen, Theils fliegeten eylfertig wieder zuruck wider die Teufel, daß sie flüchtig geschryen, weilen sie überwunden werden, Theils hat viel der Menschen getroffen, doch ohne grossen Schaden, indeme sie nicht eingangen, sondern zur Erden abgefallen. Nicht wenig der Pfeil giengen doch mit dem Spitz in das Fleisch hinein, Theils durchdrungen den gantzen Leib. Dieses nemlich waren jene, welche gäntzlich vermerckt, und völlig in boßhafte Begierden verwilliget haben.

Das 13. Capitel
Das dreyzehende Capitel.
Eine seltsame Geschicht von Pelagio.

Nicht allein die Weibs-Personen werden verführt von der Verschwiegenheit ihrer Sünden in der Beicht, auch die Manns-Personen seynd mehrmahlen also verführt worden. Dahero werden alle und jede vermahnet von der grossen Versammlung der Christlichen Lehrer im Tridentinischen Concilio Sess. 14. cap. 5. Si enim erubescat ægrotus vulnus Medico detegere, quod ignorat, medicina non curat. Wann der Krancke sich schämet die Wunden den Artzten zu entdecken, da ist kein Artzney, welche heylet. Dann gleichwie wann einer mit einem Dolch vier tödtliche Wunden empfangen, und drey zwar dem Wund-Artzt zu heylen eröfnet, aber die vierte aus Schamhaftigkeit verdeckt, nichts darvon meldet; diesem wurde kein Pflaster, kein Balsam und anderes Artzney-Mittel, welches den drey Wunden angewendet wird, zu der Heylung der vierten Wunden helffen, sondern die verdeckte und verschwiegene Wunden, wurd ihne um das Leben bringen. Eben also ergehet es deme, welcher eine tödtliche Sünd schamhaftig in der Beicht verschweiget, wann er schon alle seine Sünd beicht.

In der Aderlaß, wann die Ader mit einer kleinen Wunden geöfnet wird, alsdann dringet heraus allein das zärtere Geblüt, und das grobe und unreine verbleibet darinnen, und sie ist mehr schädlich als nutzlich denen, die also zu Ader gelassen. Beichten allein mit halb offenen Mund, macht daß das gröbere von den Sünden darinnen verbleibet, und also brechen nur heraus die kleine Mängel, und läßliche Sünden, zur höchsten Schädlichkeit der Seelen. Weder das gelassene, [928] weder das verstockte Blut macht eine Ringerung einem Krancken, weder die gebeichte Sünd seynd verzyhen, weder die ingehaltene grobe Sünd loß gesprochen.

Dahero dienet jenes, was in Jahrs-Brieffen der Benedictiner erzählet wird, von einem der genannt war Pelagius. Es war in einem Marckfleck ein ehrlicher Baursmann verehlichet mit einer seinem Stand gemäß frommen Bäurin, diese erzieheten einen Sohn, dene sie Pelagius nenneten. Diese gute Elteren hielten ihn in der Forcht GOttes, und liessen ihn in Christlichem Wandel wohl unterrichten. Pelagius wachset auf in Jahren, und tugendlichem Leben nahm er fast zu; Es wurde ihme auch eine kleine Heerd von Schäflein anvertrauet zu weyden, bevor aber sein selbst eigene Seel zu versorgen. In jener Gegend wohnte ein Priester, und führte ein Einsidlerisch Leben, zu diesem solle er fleißig kommen, der Heil. Meß beywohnen, und den Gottesdienst nie nicht unterlassen, sondern sich dem göttlichen Schutz andächtig befehlen. Diese Lehr gaben ihme die Seinige, und er folgte allen diesen nach, er unterliesse keine heilige Meß, er gieng mehrmahlen in jene Einsidlerey, und verharrte alldorten in dem Gebett. Pelagius war in allen umliegenden Orten wohl bekannt, unter allen Hirten ein lebendiges Bild der Christlichen Tugend, für einen Heiligen von allen angesehen, und gehalten. Etliche Jahr lang hat er dieses Leben rühmlich geführt, unterdessen seynd ihme seine liebe Elteren abgestorben; darauf verkauft er seines Vatters Haus, und die darzu gehörige Gründ, samt der kleinen Heerde der Schäflein, die er geweydet. Es lustet ihne in der Einsidlerey allein GOtt zu dienen, in diese ergab er sich gantz und gar; Er richtet ihm auf, und ziehret bestermassen eine Capellen samt einem Altar, da verbliebe er ein Einsidler, und der Ruf seiner Heiligkeit gieng aus, und nahm zu im gantzen Land. Der höllische Feind beneydet diese so scheinbare Tugend, welche Pelagins in jungen, ja so wenig Jahren überkommen, dahero setzet er sich diesen zu bestreiten und anzufechten. Er mahlet ihm in seinen Einbildung vor, unreine Wollust, erwecket in ihme fleischliche Begierden, Pelagius nahme seine Zuflucht bey GOtt, verlanget in seinem Gebett himmlischen Beystand und Stärcke, den unreinen Gedancken genugsamen Widerstand zu thun. Der unreine Geist liesse doch nicht nach anzufechten, wiewohl er zwey, drey und mehrmahlen abgetrieben worden: Er kommt bald wiederum mit geilen und fleischlichen Lüsten, bildet ihm aber und abermahlen vor unzüchtige Wollüst des Fleisches. Pelagius wird nach und nach verdrossen, diesen bösen Gedancken immerdar zu widerstehen; Einsmahls verwilligte er in seinem Hertzen, in eine unzüchtige Begierlichkeit, die ihne überwunden. Gar bald darauf überfiele ihn eine schwehrmüthige Traurigkeit, die ihne stets beunruhigte, und ängstige Gedancken [929] in seinem Gemüth erweckte. Er redet mit ihme selbsten: Mein Pelagi, was hast du gethan? wie bald bist du verführt worden? kurtz zuvor warest du ein Kind GOttes, jetzund bist du ein Gefangener des Teufels; eine rechtschaffene Beicht und Buß ist vonnöthen, so du wilst von deiner Sünd entbunden werden. Aber wie kan ich meine Sünd beichten? soll es bekannt werden, daß ich mich in also unzüchtige Begierlichkeit hab eingelassen, wie werde ich meinen guten Namen und Ruf verliehren? Diese Gedancken gleich als bittere Meer-Wellen trieben sein Gemüth hin und her, er gehet zu dem Ausgang seiner Einsidlischen Wohnung, und es wanderet zur selbigen Stund allda vorbey einer, mit Pilgrams-Kleydern bekleydet, dieser redete ihn an, und sprach: Pelagi warum laßt du dich von so tieffer Traurigkeit einnehmen? Es geziemet sich nicht, daß einer, der einem so gütigen GOtt dienet, solte von einer bestürtzenden Traurigkeit bekümmert werden; hast du GOtt beleydiget, so thue Buß, beichte alle deine Sünden, und GOtt wird dir es verzeyhen. Lieber Freund fraget Pelagius, woher bin ich dir bekannt. Ich kenne dich gar wohl, antwortet der Pilgram, du bist Pelagius, welcher im gantzen Land als ein Heiliger wird gepriesen: hast du ein Verlangen dieser Traurigkeit zu entgehen, beichte rechtschaffen, der Fried und das heitere Gemüth wird wiederum bey dir wohnen, und die Frölichkeit deiner Seelen wird dir abermahlen scheinen. Da verwunderte sich Pelagius über diese Ansprach, und über alles, was der Pilgram geredet, er sahe bald da bald dorthin rings herum, und kein Pilgram liesse sich mehr sehen, dann er war verschwunden. Dieses erkennet er alsobalden eine treuliche Ermahnung zu seyn, welche vom Himmel gesendet worden, sein Schluß macht er darauf, scharffe und zwar so würdige Buß zu thun, welche den barmhertzigen GOtt versöhnet; damit er aber dieses bestermassen konnte werckstellig machen, begibt er sich in ein nicht weit davon gelegenes Closter, in welchem eine heilige Ordnung gehalten, und ein strenges geistliches Leben geführt wurde. Da ruffet er den Obern des Closters, eröfnet ihme seine gute Meynung. Pelagius, sprach er: bin ich, mein höchstes Verlangen ist, aufgenommen zu werden in dieses Closter, dahero ist meine demüthige Bitt um die geistliche Einkleydung. Der Abbt erfreuet sich samt allen seinen Mönchen, daß Pelagius, dene die gantze Gegend für einen heiligen Mann geschätzet und ausgeruffen, sich in diese geistliche Versammlung begeben wolte; Er nahm ihne an, und bekleydet ihn bald mit gewöhnlicher Mönchs-Kleydung. Pelagius schickte sich vortreflich wohl in alle Ordnung, der erste war er im Chor, die schlechteste und verachteste Arbeit war ihm die liebste, solche befleißte er sich mit geneigter Demuth zu verrichten, mit Geißlen und Buß-Kleydern, auch mit öfteren Fasten casteyet er seinen Leib. Ueber eine Zeit da fallet er [930] in eine schwehre Kranckheit, und vermerckt in seinen Gliedern, daß die Täg und Stunden seines Lebens erfüllet werden, der Tod schwebet ihm vor Augen, in dem Gewissen aber, welches ihm GOtt, der gütige HErr durch innerliche Vermahnung gerühret, tobet immerdar die verschwiegne Sünd, es war in ihme stets der heilige Antrieb, diese mit zerknirschtem Hertzen zu beichten. Dannoch von blinder Forcht und Schamhaftigkeit gantz und gar eingenommen, hat er sich diß zu thun nicht überwunden. Die letzte Beicht hat er zwar von allen seinen andern Sünden dem Schein nach mit grosser Bußfertigkeit verrichtet, darauf das hochwürdige Sacrament des Altars, als die Wegzehrung in die Ewigkeit empfangen, und ist also gestorben. Die Geistliche des Closters vermeynten, sie hätten ein heiliges Pfand an dem Leichnam Pelagii; eine herrliche Leich-Begängnus stelleten sie an diesen zu begraben, sehr viel Volck aus dem gantzen Land lauffet zu, dieser Bestättigung beyzuwohnen, und dem verstorbenen Pelagio, als einem H. Freund GOttes sich zu befehlen. In folgender Nacht, da nun der Sacristan aufgestanden, seinem Amt nachzukommen in die Metten zu läuten, gieng er durch die Kirch, wendet die Augen gegen dem Grab Pelagii und sihet, daß der todte Leichnam ausser der Erden gelegen; vielleicht sprach er bey sich selbsten, ist Pelagii Leichnam nicht wohl in die Erden eingescharret und begraben worden; nimmt den todten Leib und begrabet ihn auf ein neues, sagt doch weiter nichts von allem diesem. In nachfolgender anderen Nacht begab sich eben dieses, darauf der Sacristan gemerckt, daß die Erden den Cörper von sich geworffen; verwundert sich über diese seltsame Begebenheit, zeiget es dem Abbten an, erzählet ihm den gantzen Verlauf, was gestrige und heutige Nacht geschehen.

Der Abbt befihlt alsobald, man solle alle Mönchen des Closters zusammen in die Kirch beruffen, abermahlen den Leichnam Pelagii zu bestättigen, und GOtt zu bitten, er wolle seinen göttlichen Willen zu verstehen geben, ob etwann Pelagii Cörper herrlicher aufzubehalten, oder zu erheben seye. Alle verrichten einhellig ein demüthiges Gebett, nach diesem wendet sich der Abbt gegen dem Verstorbenen, und sprach mit heller Stimm: Pelagi, weilen du allweg in deinen Lebszeiten gehorsam gewesen, ich befehle dir, zeige mir gehorsamlich an, was da seye dein Begehren? Will villeicht GOtt der HErr, daß dein Cörper zu grösserer Ehr erhoben und aufbehalten werde? gib Antwort, und erkläre den Willen GOttes.

Der Todte mit tief und traurigen Seuftzen gantz erschröcklich, fanget an zu reden und spricht: Ach wehe mir Elenden, wegen einer Sünd, die ich in meinen Beichten verschwiegen, bin ich zur höllischen Peyn verdammet, so lang als GOtt wird GOtt seyn werde ich leyden; nahe dich zu mir, siehe an meinen Cörper, der Abbt gehet hinzu und sihet, wie der Cörper [931] gleich einem glüenden Eisen angezündt gewesen: kaum weichet er wiederum ein wenig darvon, da sprach der Verstorbene, entferne dich nicht hinweg, sondern nimme zuvor aus meinem Mund, was darinnen ligt. Der Abbt nahet abermahlen zum Cörper, und findet im Mund das Hochwürdige Sacrament des Altars, welches Pelagio zur Weeg-Zehrung in die Ewigkeit, kurtz vor dem Tod, geben worden. Der Abbt nimmet es heraus gantz unversehrt, hebt solches auf zu einer Gedächtnuß dieser kläglichen Geschicht, und verwahret es absonderlich in einem Heil. Ort. Da sprach endlich der Verstorbene, GOtt will nicht zulassen, daß mein Leib in ein geweyhtes Erdreich soll gelegt, sondern unter ein Mist-Hauffen begraben werden. Dahero hat der Abbt ihne aus der Kirch an ein wüst und wildes Ort tragen, und alldort einscharren lassen. Ohne Ehr soll der Leib begraben werden, wann die Seel aus gerechtem Urtheil GOttes, in den höllischen Flammen ist begraben worden. Ach! wie leicht hätte dieser elende Mensch seine Sünd beichten und abbüssen, dem unwiderruflichen strengen Urtheil der Verdammnuß entgehen, und annoch das ewige Heyl erwerben können! weilen ers aber verschwiegen hat, ist sein Verderben sein eigene Schuld.

Hier fraget der gelehrte Tertullianus de pœnit. An melius est damnatum latere, an palam absolvi? Was ist besser gehandlet, ein verborgener Bößwicht seyn, und verbleiben? oder ein vor dem Beicht-Vatter bekannten Bößwicht, und von aller Boßheit loßgesprochen werden; weigerest du dich aber, spricht er weiter, dein Sünd zu beichten, so fasse zu Hertzen die höllische Peyn, welcher du nicht wirst entgehen, es sey dann daß du das nothwendige Mittel der Beicht und Buß ergreiffest, diese erschröckliche Peyn, wann du die betrachtest, wird ohne Zweifel dich darzu vermögen. Dann es ist kein anderes Mittel nicht zu finden, der höllischen Peyn befreyet zu werden, als die wahre Reu, und aufrichtige Beicht, und Bekanntnuß aller Tod-Sünden. Das unvernünftige Vieh erkennet aus natürlichen Antrieb, die heylsame Mittel wider ihre Kranckheiten, suchet und braucht diese alsobald, und wird darvon frisch und gesund. Der mit einem Pfeil verwundte Hirsch, sucht eylfertig das Diptum-Kraut Dictamnus, genannt, geniesset solches, und der Pfeil fallet aus seiner Wunde. Die Schwalben suchen das Schell-Kraut, Chelidonia genannt wider die Blindheit ihren Jungen damit werden sie sehen: und der Sünder, der da weißt, daß das einige heylsame Mittel sey die aufrichtige Beicht, wolte der nicht nachtrachten, sondern von der entfliehen.

Das 14. Capitel
[932] Das vierzehende Capitel.
Je mehr die Sünd verborgen wird, je mehr wird sie geoffenbaret.

Es ist allhier wohl zu mercken, daß die gebeichte Sünden, wie wohlen sie am jüngsten Tag werden geoffenbaret werden, werden sie doch zu keiner Schand seyn denen, die solche begangen haben. Freylich ist es gar zu wahr, daß unsere Sünden werden bekannt werden in dem Tag des allgemeinen Gerichts. Omnes nos manifestari oportet ante tribunal Christi, spricht der Heilige Paulus. Und von der Erb-Sünd wird gelesen,pellucidos fieri, das heißt so viel, wir werden durchsichtig werden, gleich einem lauteren Wasser in einem crystallinen Geschirr, an den hellen Sonnen-Schein vorgesetzt, darinn auch das kleiniste Sand-Körnlein gesehen wird. Ja wann gleich diesem nicht also wäre, so ist es ihm doch also, daß die Gerechten sich nicht werden schämen, wegen der begangenen, und gebeichten Sünden.


Mit einer Gleichnuß kan dieses schön erkläret, und verständlich vorgebracht werden. Ein edle Fräule zerreisset unversehens auf einen Nagel ihren Handschuh, leget ihn doch an, und siehe darunter scheint bey diesem Riß herfür ein goldener Ring mit einem klaren Diamant, oder andern Edelgestein, da wird der Riß, welcher ein Unzifer war des Handschuhs, ein Zier der gantzen Hand, fast also wird es zugehen am jüngsten Tag, nicht allein die begangene Sünden der Büssenden, sondern die Sünden mit der gefolgten Bußfertigkeit, werden kundbar werden, und klar erscheinen. Alsdann wird zwar von Maria Magdalena der Ruf ergehen, das ist die frech und eytle Magdalena, gleich einem aufgerissenen Handschuh, aber in die dreyßig Jahr lang hat sie keines Menschen Angesicht gesehen, und hat durch die langwürige Zeit, in einer Stein-Ritzen: bußfertig ihr Leben zugebracht: da sehet den herausscheinenden Diamant. Von dem Apostel Petrus wird die That ergehen, dieser hat am Antlaß-Pfingst-Tag den HErrn Christum, seinen Meister, dreymahl verlaugnet, das ist ein Riß: doch vier und zwantzig Jahr die Sünd einer Nacht, mit vielen Weinen und Seuftzen abgebüsset, auch hieraus wird das glantzende Edelgestein zierlich gesehen. Von Zachäo wird am jüngsten Tag gesprochen werden, der ist, der fremdes Gut an sich gezogen, sehet das ist ein Riß im Handschuh, dannoch hat er alles vierfach erstattet, und den halben Theil seines Reichthums unter die Armen ausgespendet, da ist der durch den Riß heraus scheinende Diamant, oder Schmaragd, Carfunckel [933] oder Saphir annehmlich anzusehen.


Hingegen die verschwiegene Sünd, diese wird nicht schweigen, sondern die Stimm erheben, mit eigenem Geschrey dem Sünder zu immerwährender Schand offenbaren. Der Heil. Ambrosius vermerckt, was massen das Blut des Abels wider den Cain habe geschryen: Sanguis Abel, sprach GOtt, clamat ad me de terra das Blut Abels ruffet zu mir von der Erden: wiewohlen das Blut Urias nicht geschryen hat wider den David, der doch ein Urheber geweßt seines Todschlags: des Urias Blut als das Blut eines tapferen Kriegs-Mann, hätte vielmehr schreyen sollen, als das Blut des Abels, welcher also sanft gewesen, daß er auch kein Mucken möchte beleydigen. So man die Ursach gründlich erkennen wolte, und wissen, warum das Blut Abels zu GOtt um Rach wider den Cain, entgegen aber nicht das Blut Urias wider den David geschryen? so ist diese, welche angezogener Heil. Kirchen-Lehrer mit folgenden Worten vorbringt: quia Cain non confitebatur, David autem confessus est: dixi, confitebor, adversum me injustitiam meam Domino. Der König David bekennet sein Sünd, und sprach: ich werde wider mich selbsten bekennen mein Ungerechtigkeit meinem HErrn: Cain aber, in dem er sein Sünd nicht wolte bekennen, schreyet das Blut des unschuldigen Abels, und machet der gantzen Welt bekannt: diese Stimm erschallet in den Himmel, alle Engel GOttes sollen darvon wissen, und so lang nicht ruhen, bis daß diese Sünd des Cains dem allwissenden GOtt angeklagt werde. Viel anderst ist es mit der Sünd des Davids ergangen, die schrye nicht gegen Himmel durch das Blut Uriä, sondern sie wird von den Englen, weilen sie demüthig mit grosser Reu bekennet worden, gleichsam in einer tieffen Vergessenheit, begraben.


Und wann alles dieses kein genugsame Anleitung ist, euer Gemüth zu rechtschaffener Beicht zu bewegen, und anzutreiben, so will ich euch mit euerem selbst eigenen Ausspruch überweisen. Gesetzt ein grosser Ubelthäter wäre in Verhaft genommen, dem Richter und Rath vorgestellet, auch in vielfältigen Lasteren überwiesen worden. Dannoch wann von diesem begehret wurde, er soll alle seine Missethaten bekennen, und er wird versicheret, daß er darauf wird loß gesprochen werden: will er aber dieses nicht thun, so wird das scharffe Urtheil wider ihn ergehen, vor allem Volck wird er an dem Richt-Platz hinausgeführet, lebendig und bloß mit Ketten auf ein Scheitter-Hauffen angebunden, mit glüenden Zangen an seiner Brust gebrennet, und zerrissen werden: und zu seiner selbst eigenen, und seiner edlen Freundschaft unaufhörlicher Schand eines also grausamen Tods im Feuer sterben müssen. Gebet allhier euer Gutachten, was einem so ärgerlichen Sünder zu [934] thun wäre, und urtheilet recht, dann wie viel rechter wäre es, allein vor dem Richter und Rath bey sicherer Verschwiegen-Bleibung, die verübte Ubelthaten bekennen, und darvon losgesprochen, als allem Volck zu höchstem Spott und Schand vorgestellet, und also grausamlich hingerichtet werden.


Mich gedunckt, ich höre euch auch allhier sagen, freylich wohl, weilen es um etlich Wort zu thun, soll ein solcher Sünder alle seine Sünd rund heraus bekennen, wohl-wissend, daß mit sicherer Verschwiegenheit alles begraben, und mit barmhertziger Verzeyhung alles losgesprochen kan werden. Er wurde ja so grossem Spott und Schand zu entgehen, sich dieses zu thun nicht weigeren. Da habt ihr das Urtheil wider euch selbsten ausgesprochen: zu entgehen das allerstrengste Gericht, und Urtheil GOttes, wie dann auch alle erschröckliche Peyn der Höllen, solt ihr euch nicht weigeren, euere Sünden der Verschwiegenheit und Barmhertzigkeit eines Beicht-Vatters mit Reu und Leyd zu bekennen, und beichten: dann gleich also wird es GOtt mit euch machen. Wann ihr euere Sünd einem Beicht-Vatter beichtet, so werden diese mit dem Sigill der stäten Verschwiegenheit versieglet, also, daß niemand etwas darvon wissen kan, und ihr werdet in Kraft der Schlüßlen loß gelassen, und in die Freyheit der Kinder GOttes gesetzet: thut ihr aber dieses nicht, so wird zu euer ewigen Schand, euch das schwereste Unglück ergreiffen, und unaufhörlich in der Verdammnuß peynigen.


Noch mit einer anderen Gleichnuß, kan dieses, und zwar besser bewiesen werden. Es geschiehet, daß ein hoher Fürst, oder Herr mit einer künstlichen Uhr beschencket wird, welche alle Stund richtig ausweiset, und an einem inhabenden hellen Glöcklein schlaget, diese ist ihme sehr angenehm, weilen sie mit zierlicher Arbeit kunstreich gemacht, und in sehr kleiner Verfassung ordentlich durch alle Stunden ablauft. Dieser Fürst oder Herr hat einsmals dieses Uhr-Werck etwann auf seinem Schatz-Kästlein in der Schlaf-Cammer ligen lassen: da wird es heimlich von einem Edel-Knaben aufgeraumet, und in den Busen geschoben und vertuschet. Bald erinneret sich der Fürst seiner Uhr, suchet diese, aber befindet, daß sie entfremdt worden: holla spricht er, wo ist unser Uhr? hier ist sie gelegen, wer hat sie vertragen? alle Edel-Knaben antworten, sie wissen nichts darvon. Der Fürst erzürnet darüber, was ist doch dieses, spricht er, kommen auch Dieb in unser Schlaf-Cammer? diese Red machet alle Edel-Knaben schamroth, weilen sie alle, nicht allein von ehrlichen, sondern auch von gut alt-edlen Eltern gebohren, durch diese Red werden sie, als durch ein schwäre Bezüchtigung, sehr mortificiret: und siehe, gähling schlagt das Uehrlein die Stund, und also wird der Dieb, durch den Diebstahl[935] verrathen, da stehet der Dieb vor Schand halb tod, alle andere Edel-Knaben erzörnen wider ihne, das verstohlene Uehrlein muß wiederum an das Tag-Liecht kommen. Wer kan nach Genügen aussprechen den grossen Spott dieses Edel-Knabens, welcher ihme disfalls zugestanden: ein so edel gebohrner junger Herr vor dem Fürsten, und vor der gantzen Hofstaat wird anhören und sehen müssen, wie alle mit Finger auf ihne deuten, und ihne verspotten, sprechend: das ist der verlogene Dieb, welcher unserem Fürsten aus seiner Schlaf-Cammer, ein kunstreiches Uehrlein gestohlen.

Hier ist einem jedwederen zu bedencken, wie gleichermassen eines jeden eigene Sünden ihn selbsten verrathen und anklagen werden: und gleichsam sprechen, dieser ist der jenige, der uns hat begangen, von diesem seynd wir boßhaftig verübt worden. In der heimlichen Offenbarung reden die sieben Donner-Stimmen mit eigener Stimm, Septem tonitrua locuta sunt voces suas, spricht der geliebte Jünger Christ: nemlich die sieben Haupt-Sünd, als sieben Donner-Stimm werden ihre Stimm erheben, und mit greulichen Donner-Worten alle Ubelthäter der gantzen Welt anklagen, überweisen, und zu Schanden machen.

Das 15. Capitel
Das fünfzehende Capitel.
Jetzt eingeführte Lehr wird mit einer seltsamen Geschicht bewiesen.

Von P. Crombetio wird eingeführt in dem Buch de Studio perfectionis folgende Histori. Zu Antorf befande sich ein hochedel- und gewaltiger Cavalier, welcher ein solche Sünd begangen, die ihne also schamroth gemacht, daß er vermeinet, es seye ihm unmöglich, diese ausdrucklich zu beichten: sie peiniget bey Tag und Nacht sein betrübtes Gewissen. Einsmahlen, da er in einer Predig vernommen, daß die Sünden, die man vergisset, und aus Vergessenheit nicht beichtet, dannoch in dem heiligen Sacrament der Buß vergeben werden, gedenckt er auf alle Weeg, wie diese seine Sünd der Gedächtnuß möchte ausfallen, und in die immerwährende Vergessenheit kommen. Er ergabe sich vielfältigen Kurtzweilen, allen Schauspielen, Comödien, und Gauglereyen wohnet er bey: im Spielen, Conversiren, und Mahlzeiten ware sein Unterhaltung: aber alle diese angestimmte Fröhlichkeit konte die Traurigkeit des Gewissens mit nichten vertreiben, es könnte kein so dunckles Geweb gespunnen und gewürckt werden, die Gedächtnuß der verübten Sünd also zu überlegen, daß sie sich nicht allzeit er schröcklich spühren liesse. Auf ein unsinnige Weis fanget er an zu studieren, [936] die Philosophia, und Mathematica, welche Wissenschaften ein tiefes, und aufmerckliches Nachsinnen erforderen: doch disputiret mit ihme fort, und fort das unlustige Gewissen.


Er verlasset sein Vatterland, verfüget sich in fremde Länder, hoffend die Vergessenheit der Sünd, und die Ruhe des Gewissens zu finden: aber war umsonst, seinen Tyrann traget er in seinem Busen mit sich herum: sein eignen Schatten wolte er fliehen, der ihme doch nachfolgte, und mehrmahls erschröckte. In einem Buch, das ihme zu Handen kommen, lesete er einsmahls, wie GOtt vor Zeiten oftermahlen die Sünd vergeben, und verzyhen, wann diese mit zerknirschtem Hertzen vollkommentlich bereuet worden: dahero er mit strengen Bußwercken, als Fasten, härinen Kleidern und Geißlen, wahre vollkommene Reu zu erwecken sich gewaltig, doch gleichfalls umsonsten, bemühet: er befriedigte das Gewissen hierdurch nicht, sondern der Kummer und die Unruhe wird nur grösser, und streitbarer.

Ja er wolte nicht mehr gedulten die grosse Aengstigkeit seines Gewissens, urdrüssig noch länger in stätter innerlicher Pein und Qual zu leben, gedencket, mit selbst eigner gewaltigen Hand ihme ein Strang an Hals zu legen, und seinem unlustigen Leben ein End zu machen. An einem Abend gantz allein fahret er aus in seinen Lustgarten, dieses werckstellig zu machen, was er ihm in seinen Gedancken vorgenommen: nahme derowegen zu sich den Strang, wolte sein eigener Scharfrichter seyn, den innerlichen Scharfrichter des Gewissens zu vertilgen.


GOtt aber, der das irrende Schäflein suchte, schicket wunderlich, daß eben zur selbigen Stund ihme ein bekannter Pater Jesuiter auf dem Weeg begegnet: es gedunckte den Herrn, es wäre eine Grobheit diesen Pater in den Kohlwagen nicht einladen, dahero bittet er ihne gantz höflich, er wolle sich des Wagen bedienen, und ihme belieben lassen gute Gesellschaft zu leisten: der Pater wird durch das freundliche Einladen beredt, steigt in den Wagen zu diesem Herrn, leistet ihme verlangte gute Gesellschaft, mit einem und andern tugendlichen Gespräch. Unter andern führet er auch ein einen Discurs von der rechtschaffenen Beicht, dies Gespräch machte dem Cavalier angst und bang, er erbleichet bis in das Maul, und sprach, mein lieber Pater, wir wollen etwas anders reden, solche Gespräch machen sehr traurige Gedancken, sie erquicken nicht, sondern ängstigen das Gemüth. Gnädiger Herr, sprach hingegen der Pater, wir Geistliche haben diesen Brauch, dergleichen Discurs vorzubringen, sie bringen nicht traurige, sondern ruhige Gedancken, und erquicken das innerste der Seelen. Da seuftzet der Cavalier aus tiefem Hertzen, unterscheidet die Red des Paters, und sprach, solche Discurs würcken dieses, was ihr aussprecht bey denen, welche nichts haben zu verliehren, wann sie allein [937] ihre Sünden einem Menschen beichten. Der gute Pater merckt aus diesen des Cavaliers Reden, daß in dem Gewissen ein nagender Wurm stecket, sprach derowegen ihme also zu: mein Herr verzeyhet mirs, es ist nicht gleichwie ihr vermeinet, Mittel haben wir genugsam wider die Schamhaftigkeit, gleichwie ein jede leibliche, also auch ein jede Seelen-Kranckheit, hat ein gewisses und heilsames Mittel; wann deme also wäre, wie der Pater nun geredet, so fangte ich an noch heut zu leben, und entgienge der Höllen, sprach der Cavalier. Darauf der Pater, Wohlgebohrner Herr, nur frisch auf, wohlgemuth, GOtttes Barmhertzigkeit ist in einer unendlichen Gütigkeit, allein eines ist nothwendig des gantzen Lebens aufrichtige Gewissens-Erforschung.

Unterdessen gelangen sie zum Garten, und der Pater setzet nicht aus, sondern verbleibt in dieser Unterredung, sprechend, ohne grosse Mühe und Arbeit kan dieses geschehen, die Gebott GOttes wollen wir kürtzlich durchgehen, seyd versichert, alles was ihr Ubels gethan, wird euch in die Gedächtnuß kommen: Er sprach, wider dieses Gebott sündiget man mit diesen, und diesen unterschiedlich grossen Tod-Sünden; in jenen mit diesen und diesen, und also fort, bis daß er in dem sechsten Gebott diese und jene greuliche Sünd berühret, auf diejenige Sünd kommen, welche den Cavalier vielfältig geänstiget hat: Als nun der Cavalier diese seine Sünd gehöret, konte er sich nicht enthalten, sondern seuftzet aus dem Grund seines Hertzens, und redet zu dem Pater, ach! mein lieber Pater, dieses ist, was mich so sehr peiniget: ist dieses? fragt gar freundlich der Pater, so ist auch das gute Mittel schon vorhanden: Ich hab den beichtvätterlichen Gewalt, euch von den Sünden loß zu sprechen, bekennet mir aufrichtig auch alle andere euere Sünden, weilen diese allein die Beicht beschwerlich gemacht, so ist es nicht schwer die übrigen auch beichten; dieses hab ich nun gar wohl verstanden, alsobalden wird euch bestermassen zur Sicherheit eueres Gewissens geholfen werden. Der Cavalier fienge an zu weinen, fallet auf seine Knie nieder, beichtet ohne Scheu, und ohne Verwirrung alles übrige, erkennet auch, und bekennet sich schuldig in jener Sünd, erzeiget ein bußfertiges Gemüth, wird loß gesprochen, und aus dem Rachen der Höllen gezogen: Fanget derowegen an ein ruhiges u. gottsförchtiges Leben zu führen, und erfreuet sich jederzeit in der unendlichen Güte und Barmhertzigkeit GOttes.

Das 16. Capitel
[938] Das letzte Capitel.
Beschluß des ersten Theils.

Diejenige, die von der Schamhaftigkeit werden angefochten, daß sie ihre Sünden nicht aufrichtig beichten, sondern vertuschen, sollen sich andächtig befehlen dem glorwürdigen heiligen Abbten Egidio, diesem hat GOtt ein absonderliche Gnad mitgetheilet, daß er dergleichen Personen Fürsprecher sey, welche von eitler Forcht, oder Schamhaftigkeit abgehalten, ihre begangene Sünd dem Beichtvatter zu bekennen, sich schämen: Dieses zu bezeigen, spricht F. Petrus de la Vega aus dem Orden des heiligen Hieronymi in dem Leben des heiligen Egidii, indem er erzählet, daß einsmahls Carolus, der König in Franckreich, von diesem heiligen Abbten begehret habe eine gewisse Vorbitt bey GOtt mit dergleichen Worten: Lieber und frommer Egidi, bitt GOtt für mich, auf daß er mir benehme die Schamhaftigkeit, ein gewisse von mir begangene abscheuliche Sünd zu beichten, oder aber, daß er mir die Gnad gebe, mich selbsten zu überwinden.

Was geschiehet? nächst folgenden Sonntag rüstet sich Egidius, das heilige Meßopfer zu verrichten, da kam ein heiliger Engel vom Himmel herab, leget ein Brieflein auf den Altar, darin aufgezeichnet war die verübte Sünd des Königs, mit dem Zusatz, es sey ihm diese, aus Ursach seiner grossen Reu gnädig verziehen, nemlich darum, weilen er bey sich selbst beschlossen sie zu beichten. Das war ein grosse Gnad, welche dem König der heilige Mann von GOtt erbetten, doch die begangene Sünd müßte er beichten, darüber büssen, und nimmermehr solche thun: zuletzt war hierbey zu lesen, daß GOtt der HErr den heiligen Egidium begnadet habe, in dergleichen Zuständ des Gewissens, ein kräftiger Vorbitter zu seyn.

Mit diesen Worten des heiligen Augustini will ich diesen Theil beschliessen: Humanum est peccare, Christianum à peccato desistere, diabolicum in peccato perseverare: Es ist ein menschliches Thun das Sündigen: Ein christliches Thun ist es, von der Sünd abstehen: ein teuflisches Thun ist es, in der Sünd verharren. Dann die menschliche Schwachheit sündiget gar bald, das christliche Thun erwecket gar bald die Reu, und wahre Buß von Sünden abzustehen: aber verstockt seyn in verübter Boßheit, ist ein teuflisches Wesen, und ein harte Gottlosigkeit.

Die Mauth-Beschauer nehmen in Obacht alle Waaren, welche in die Stadt geführt werden, und gleichwie alles, was angesagt, und beschauet worden, sicher eingelassen wird, also das, was verschwiegen worden, wird alles verlohren: diesfalls aber ist es viel übler, wofern ein Todsünd in der Beicht verschwiegen wird, dann da [939] wird nicht was zeitliches oder leibliches, sondern das ewige Heyl deiner Seelen verschertzet. Wilst du nicht rechtmäßig alle deine Sünd beichten, so hast du kein Himmelreich zu hoffen, der Rachen der Höllen ist offen, dich zu verschlünden: gehe ein in die enge Porten der aufrichtigen Bekanntnuß, oder du wirst eingehen müssen die Porten deines ewigen Verderbens, keinen anderen Weeg kanst durchgehentlich erfinden, als einen aus diesen beyden: ach! gehe jetzund durch die rechte Beicht zu deinem Heyl: GOttes Anordnung wird nimmer verändert, kein andere Christliche Lehr wird dir besser rathen, und dich sicherer begleiten können zu der ewigen Seeligkeit.


Ecclesiasticus cap. 4.


Pro anima tua ne confundaris dicere verum, est enim confusio adducens peccatum, & est confusio adducens gloriam, & gratiam.


JEsus der Sohn Sirachs.


Schäme dich nicht, für deine Seel die Wahrheit zu reden: dann es ist ein Scham, die Sünden mit sich bringen, auch ist ein Scham, die Ehr und Gunst mit sich bringen.

2. Abtheilung
Das 1. Capitel
Das erste Capitel.
Es wird vorgetragen ein hieher gehöriges, und sehr wichtiges Bedencken, das sehr wohl zu mercken.

Viel beichten sehr übel, aus der Ursachen, weilen sie keinen Fürsatz haben sich zu besseren, deswegen seynd sie schuldig alle Beichten zu widerholen, welche sie ohne kräftigwürckende Besserung verrichtet haben. Ohne allen Zweifel finden sich sehr viel, die übel beichten, aus diesen Ursachen, dessen Grund ist aus der Muthmassung abzunehmen. Die Gelehrten streitten untereinander, ob der mehrere Theil der Christen seelig, oder verdammt werde: und wiewohlen die Meynungen unterschiedlich, doch vermeint der meiste Theil der Schrift-Gelehrten, daß mehr seynd aus denen, die den Christlichen Glauben bekennen, die verdammet, als seelig werden. Also zwar, daß aus zwantzig Schrif-Gelehrten, etwann fünf lehren, daß der mehrere Theil der Glaubigen, fünfzehen aber, daß der wenigere Theil seelig werde. Unter diesen Lehreren ist auch der englische Doctor Thomas von Aquin, da er ausleget jene Wort unsers HErrn Christi. Multi sunt vocati, pauci vero electi: viel seynd beruffen, aber wenig auserwählt. Aus allen Heil. Lehrern, ist gleichsam keiner, der nicht eben dieser Meynung wäre, daß auch der glaubenden Christen, der wenigere Theil seelig werde: welches zu gedencken ein erschröckliche Sach ist. Allein der Heil. Johannes Damascenus in einer aus seinen zweyen Sermonen von den Verstorbenen lehret das Widerspiel, doch Canus, Sotus, und Bellarminus muthmassen: daß die angezogene Meynung, daß der mehrere Theil der Christglaubigen solte seelig werden, nicht eigentlich die Lehr seye des Heil. Johannis Damasceni.


Daraus entstehet ein Zweifel, welcher dieser ist: der mehrere Theil der Christglaubigen stirbt mit dem Genuß der Heil. Sacramenten: gesetzt aus dreyßig sterben neun und zwantzig nach verrichter Beicht und nach dem Genuß des zarten Fronleichnams, wie auch nach empfangener letzten Oelung, allem Schein nach folget hieraus, als ob nicht so viel verdammet wurden. Spricht man, daß viel ihre gewisse Sünd zu beichten unterlassen, und solche aus Schamhaftigkeit verschweigen, wiewohlen deme also wäre, so ist es doch nicht glaublich, daß der mehrere Theil der Christen solches thue. Was muß dann für ein [941] Ursach seyn, daß so viel verdammet werden? die, welche besser dieser Frag nachforschen, befinden die Ursach, weilen die Beichtende nicht rechtschaffen aus dem Grund ihres Hertzens sich zu GOtt bekehren: dieses ist, was ich vorgenommen, hie abzuhandlen: nemlich man hat vielmahlen kein steiffen Vorsatz, und rechten Eyfer sich zu besseren, man beicht durch den Lauf des Lebens nur allein obenhin, und nicht mit Würckung der würdigen Frucht der Buß.

Dahero lasset GOtt der HErr zu, daß viel deren im Ablauf ihres Lebens keine bessere Beicht verrichten, und kein hertzlichen Fürsatz machen, das Leben zu besseren. Dieses wird bekräftiget mit dem, was Fraciscus Pezzollus erzählet in dem Büchlein von der Besserung des Lebens, über die Wort des Tridentinischen Concilii, welches meldet, die wahre Reu über die begangene Sünden, bestehe in einem Leyd, und Bedaurung, daß die Sünd begangen worden, mit einem steiffen Vorsatz nimmermehr zu sündigen. In Erklärung dieser Wort erzählet obgemeldter Auctor folgende Geschicht.

Das 2. Capitel
Das zweyte Capitel.
Viel aus denen, die in strittigen Rauf-Händlen sterben, sterben ohne steiffen Vorsatz sich zu besseren.

Vorangezogener Auctor schreibt, daß einsmahls einer zu ihme kommen sey, seine Sünd zu beichten: dieser sprach: ich bitt euch mein Beicht-Vatter, höret an mein Beicht, und prediget alsdann zu dem Volck, das, was ich euch werde bekennen. Einsmahls in einem Rauf-Handel hab ich einen gefährlichen Stich bekommen, fiele zu Boden, und glaubte, daß mein letztes End da seye, die um mich stehende, und zulauffende Leut erschröckten über mich, ruffeten eylends einen Beicht-Vatter, und liessen mich mit den Heil. Sacramenten versehen: der Beicht-Vatter fraget mich ein und das andermahl, ob ich meinem Feind verzeyhe? ich antwortete, ja, ich verzeyhe es ihme; er aber wolte mirs nicht glauben, fraget abermahlen, und redet mir zu, lieber Freund, sprach er, erinneret euch des Christlichen Gesatzes, durch welches wir schuldig seynd, unsern Feinden zu verzeyhen: habt ihr ein Rachgierigkeit in eurem Hertzen, so kan es nicht seyn, daß ihr seelig werdet, sehet, jetzund bald seyet ihr des Tods eigen, was gebet ihr mir für ein Antwort? ich sprach, Pater, ich verzeyhe meinem Feind, und er fraget, verzeyhet ihr in der Wahrheit aus gantzem Hertzen, freylich sprach ich: er aber sprach wiederum, nehmet wahr, GOtt erforschet Hertz und Nieren, er kan mit nichten betrogen werden: er ist der euch das Himmelreich kan geben, wann ihr euere [942] Sünd bereuet, euerem Feind von Grund eures Hertzens verzeyhet; und er ist, der euch mit gerechtistem Urtheil kan verdammen, wann ihr in der Unbußfertigkeit und Rachgierigkeit verbleibet und darin sterbet. Darauf sprach ich: von gantzem Hertzen verzeyhe und vergibe ich meinem Feind; da glaubt er meinem Ausspruch, und gab mir die Absolution. Doch bekenne ich es jetzund aufrichtig, daß ich ihme vorgelogen, in allem, was ich ihme geantwortet habe, dann ich gedachte, so ich dieser Tods Gefahr entgehe, so will ich meinen Feind um das Leben bringen; also äusserlich und innerlich übel beschaffen hab ich die H. Sacramenten in meiner Boßheit empfangen. Aber der göttlichen Barmhertzigkeit hat es beliebet mich noch länger bey dem Leben zu erhalten, und aus höchster Leibs- und Seelen-Gefahr zu erretten; GOtt wolte, daß ich in Anhörung euerer Predigen erkennen solte, diesen meinen elenden Zustand meiner armen Seelen. Nun bekenne ich aus Grund meines Hertzens, daß ich meinem Feind rechtmäßig alles verzeyhe. Und bitte zugleich den Pater, er wolle diese Begebenheit, welche sich mit mir, wie ich erzählet, zugetragen, dem Volck predigen; dann ich bin dieser Meynung, daß alle die, welche in Rauf-Händlen der Tods-Gefahr entgehen, zugleich eingehen solche Anfechtung, gleichwie ich eingangen bin; JEsu Christo meinem gnädigen Heyland sag ich Lob und Danck um die Erleuchtung, daß ich meine Thorheit erkennet habe.

Das 3. Capitel
Das dritte Capitel.
Zwey klägliche Begebenheiten mit zweyen Personen, die ohne steiffen Vorsatz sich zu besseren, abgestorben.

Obangezogener Author in seinem benennten Büchlein von der Besserung des Lebens erzählet folgende Geschicht. Wiewohlen die Gefahr deren, die in Rauf-Händlen sterben, groß ist, indeme sie nicht nachkommen den göttlichen Gebotten den Feinden zu vergeben, sondern in der Rachgierigkeit verstocken, so seynd doch nicht gar zu viel deren, welche also um ihr Leben kommen.

Viel ein grössere Zahl ist deren, welche in unehrbahren Gelüsten und Sünden, ohne steiffen Fürsatz sich zu besseren sterben, aus sehr vielen wird eines, und das andere genug seyn zu erzählen, damit diese Wahrheit bestättiget werde.

In einer Nacht wird an eines gewissen Closters-Porten eylfertig und heftig angeklopfet, und ein Beichtvatter begehret. Der Obere des Closters befihlet es alsobalden einem aus den Priesteren hinzugehen, dieser gehet behend dahin, unter Weegen aber fraget er den Geleitsmann, wer der Krancke seye? zu dem er eylet, er antwortet ihm, es seye einer von den [943] Artzten nunmehro verlassener Krancke, deme kein Mittel mehr übrig. Heut Nacht ist die von den Aertzten ausgesagte Zeit seines Endes, morgigen Tag wird er nicht erleben. Und was zum höchsten zu bedauren sprach dieser Geleitsmann, der Krancke hat ein ärgerliches Leben verbracht, sein Buhlschaft hat er in seinem Haus bis auf die Stund behalten, ich aber hab dieser mit einem Stab müssen den Weeg weisen, und sie darvon treiben, bevor als ich euch Beichtvatter beruffen wollen.

Als der Beichtvatter zu dem Krancken kommen, redet er ihn an, mein lieber Freund, sprach er: ihr seyt nun an dem End eueres Lebens, ihr müßt wandern in die Ewigkeit, und wann ihr nicht mit wahrer Reu und Buß euere Sünden beichtet, so kommet ihr in die ewige Verdammnus; der Krancke erkennet dieses sehr wohl, und sprach: ja mein Beichtvatter, ich bedencke eines und das andere, wie daß sich jetzt mein Leben endet, und wie ich in die Verdammnus kommen werde; aber ist etwann dannoch ein Mittel übrig meiner armen Seel zu helffen? der Beichtvatter antwortet, freylich, so lang als der Mensch lebet, soll er mit nichten verzweiflen Beichtet euere Sünden, dann ich verlange euch heraus zu helffen. Der Krancke fanget an seine Beicht, weinet bitterlich, und gibt alle Anzeigen einer hertzlichen Reu, nach Wunsch verrichtet er die Beicht, zu Trost des Beichtvatters, welcher ihme eine geringe Buß auferlegt. Bald hernach entfallet ihm das Gehör samt der Red, er greiffet in die letzte Zügen; der Beichtvatter befihlet die Seel dieses Sterbenden mit den ordentlichen Kirchen-Gebettern in die Barmhertzigkeit GOttes, bittet eyferig, bis daß die Seel von dem Leib abgefordert worden. Nachdeme er das Seinige gethan, kehret er nach Haus in sein Closter, wolte alsobald als es seyn konnte, für den Abgestorbenen GOtt die H. Meß aufopferen, verfüget sich früh Morgens in die Sacristey, befande aber niemand, der ihne bedienen konnte, er wolte doch die Priesterliche Meß-Kleydung anlegen, vermeynend, daß unterdessen jemand herkommen wurde. Als er das Haupt-Tuch umnimmet, empfindet er ruckwärts, gleich ob es ihm wolte entzogen werden, entsetzet sich etwas darüber, wendet sich um, sihet aber niemand, ergreiffet das weisse leinene Gewand, das ziehet er an, da merckte er wiederum einen heimlichen Gewalt, welcher ihne wolte verhindern, darauf er heftiger erschrocken, bey sich selbsten gesprochen, villeicht hab ich an mir ein Sünd, welche GOtt mißfällig, die mich von dem H. Meß-Opfer abhaltet? Er durchsuchet sein Gewissen, findet annoch nichts, munteret derowegen sich selbsten auf, mit der Gnad GOttes, sprach er: hab ich keine schwehre Sünd an mir, die mich verhinderet von diesem H. Meß-Opfer, dahero soll der höllische Feind keine Macht nicht haben mich von diesem Werck der Barmhertzigkeit abzuhalten. Er fahret fort und bekleydet sich völlig, endlich da er den Kelch [944] zubereitet, sahe er ein Hand, welche ihm diesen entzogen, darauf ihn der Schröcken eingenommen, daß die Haar aufgestiegen, das Hertz geklopffet, und er aus der Sacristey jemand zu finden, geloffen; aber GOtt wolte es also haben, daß er niemand, welcher ihme beystunde, gefunden, dann es war sehr frühe. Gleich dazumahl höret er ein klägliches Seuftzen eines Weinenden, der Anzeigung gabe eines peynlichen Zustands, doch war niemand zu ersehen. Er fasset doch ein Hertz, und GOtt stärcket ihn in der Stund als diß sich zugetragen. Beschwöret derowegen den Geist, in dem Namen des HErrn, sprach er: beschwöre ich dich, bekenne wer du bist, und was ist dein Begehren? da höret er eine Stimm: du Christlicher Priester, was fangest du an? der Priester antwortet, ich will das Meß-Opfer verrichten für die Seel eines Sünders, welcher heut Nachts aus diesem Leben verschieden ist. Die Stimm des unsichtbaren Geistes gibt sich zu erkennen und spricht: ich bin derselbe, von dem du nun redest, vergebens wäre dein Meß-Opfer, unterlaß solches, dann ich bin verdammet. Hast du doch mit Anzeigen grosser Reu gebeichtet, sprach der Beichtvatter, und deine Sünd hast du bitterlich beweinet, ich will auch nicht glauben, du hättest etwann eine ausgelassen. Wahr ist es freylich, sprach der Geist, recht hab ich gebeicht, und kein Sünd hab ich verschwiegen; entgegen fragt der Beichtvatter, wie ist es dann geschehen, daß du bist verdammet worden? die Stimm des unsichtbaren Geistes erzählet, wie es mit ihm hergangen, und sprach: du solst es wissen, daß ich, da mir mein Red und Gehör verfallen, bin angefochten worden von dem bösen Feind, er saget mir vor, wie vergissest du deiner geliebten Freundin? erstlich hab ich Widerstand gethan und gesprochen: Ach GOtt! hätte ich sie nicht gekennet; der böse Feind kommet wiederum, sprechend: sie hat dich inniglich lieb, und du wilst sie so wenig lieben? ich sprach in meinem Hertzen, was hab ich jetzund darvon, daß ich sie geliebet hab? als daß ich und sie der ewigen Verdammnus zu eylen? der böse Feind kommet zum drittenmahl und redet mir also zu: ich verwundere mich nicht, daß du der Zeit also redest, weilen du den Tod förchtest, so du aber ein langes und sicheres Leben noch übrig hättest auf mehrere gute Jahr, woltest du dann deine so lang geliebte Freundschaft nicht wiederum annehmen, wann das wäre, gedacht ich bey mir, daß ich noch ein lang und sicheres Leben übrig hätte, freylich wurde ich zu meiner alten Lieb wiederum umkehren. In dieser Einwilligung bin ich vom bösen Feind überwunden aus diesem Leben verschieden, zu immerwährender Pein der Höllen verdammt worden. Daraus folget der Schluß, daß dieselbige, welche in dem Leben beichten, ohne kräftigen Vorsatz das Leben zu besseren, eben kein bessere Beicht verrichten zur Zeit ihres Ableibens, oder aber der Vorsatz, den solche Leut machen, hat keinen [945] Bestand, währet eine kurtze Zeit, und verliehret sich; das geschiht gemeiniglich, gar selten wird sich das Widerspihl zutragen.

Eben dieser Auctor zu Bekräftigung dieser Wahrheit, daß viel, auch zur Zeit ihres Ableibens, ohne rechtschaffenen Vorsatz beichten, oder gleich wiederum zuruck in die Boßheit kehren, erzählet folgende Begebenheit.


Ein Beichtvatter höret an die Beicht eines von unzüchtigen Liebs-Banden verwickleten Krancken, kurtz vor seinem Hinscheiden bekennet dieser sein Sünd, ein ziemliche Weil bringt er in dieser Verrichtung zu; und siehe, in währender Beicht wendet er seine Augen gegen den Füssen des Beths, allwo er gelegen, und fanget an zu lachen. Der Beichtvatter verwundert sich dessen, ermahnet ihne, jetzt ist kein Zeit zum Lachen, sondern zum Weinen: Ihr erkennet es wohl, was für ein unehrbares Leben ihr geführet, ja der gantzen Stadt ist solches bekannt, und da nun der Tod vor Augen, fanget ihr an zu lachen? Mein Beichtvatter, antwortet, und fraget der Krancke, sehet ihr nicht zu Füssen des Beths meine Geliebte stehen, und er nennet sie mit Namen: Der Beichtvatter verwundert sich darüber, dann er sahe niemand, vermercket doch, wer sich in diese Gestalt verstellet habe, spricht derowegen diesem Sünder ernstlich zu, das ist nicht die, welche ihr vermeint, sondern der höllische Feind, der leidige Teufel, der eure arme Seel will verführen. Darauf sprach der Krancke, ich hab sie sehr geliebt, so laßt es geschehen, daß ich sie nun, da ich sterbe, möge umfangen. Der Beichtvatter eilet zur Porten, um das Weyhwasser, den bösen Feind hiemit aus der Kammer zu vertreiben. Alle entsetzten sich darüber, gehen in die Kammer, aber finden ihn nicht mehr, weder in, noch unter dem Beth, noch anderwärts, wie dann auch sein Leib nimmermehr erfunden, oder gesehen worden.

Das 4. Capitel
Das vierte Capitel.
GOttes Befehl ist, daß wir in der Beicht einen kräftigen Vorsatz haben, das Leben zu besseren und wie dieser Vorsatz beschaffen seye.

Im ersten und vornehmsten Gebott des Gesatzes befiehlt uns die göttliche Majestät, wir sollen ihn über alles lieben: und als er dem sündhaften Menschen befiehlt, daß er sich zu GOtt, aus dem Grund seines Hertzens bekehre, bey Straf der ewigen Ungnad, und Verdammnuß, da gebietet er den steiffen Vorsatz nicht mehr zu sündigen, also daß alle disem Gesatz nachzukommen schuldig seynd.

Dieser steiffe Vorsatz, von welchem wir handlen, ist ein kräftige Erwählung alle Sünd zu vermeiden; welche doch in vielen grosse Beschwernuß bringet; nichts destoweniger ohne diesen [946] Vorsatz kan man kein vollkommene, zu der Beicht nothwendige Reu, und keinen rechtmässigen Eifer, welcher für das Sacrament der Buß erfordert wird, haben.

Aus Abgang dieses Vorsatz geschehen viel ungültige Beichten oder Sacrilegia: dann es nicht genug sprechen, und gedencken, ich wolte nicht mehr sündigen: ich wolte jene Gelegenheit zu sündigen verlassen, sondern der Vorsatz muß einen kräftigen Nachdruck haben, alle Sünd hinfüro zu meiden, und nimmermehr zu begehen, gleichwie zu dieser Stund keinen Willen hast, dich zu stürtzen, oder umzubringen, oder den türckischen Aberglauben anzunehmen, also in Kraft deines Vorsatz solst du dich von allen gottlosen Sünden und Lasteren stäts enthalten. Herentgegen jene, welche keinen wahren Vorsatz haben, machen ihr Beicht zu einem Kinderspiel, sie sündigen und beichten darauf, gleichwie zuvor.

Der heilige Thomas von Aquin lehret daß der kräftige Willen gute Mittel anwendet, und die Vollziehung des Wercks beobachtet, welches der leere Willen nicht thut. Der Leib-Artzt befraget den Krancken, ob er will gesund werden? ja freylich spricht er, das ist die Ursach, warum ich euch beruffen, und zu bezahlen begehre. So sey es dann, laßt uns diese von dem Brand, und Fäule angreiffende Wunde schneiden, und brennen, ohne dem ist nicht möglich euch zu helfen. Ich aber hab keinen Lust zu diesem Mittel, habt ihr keinen Lust zu deme, dann euer Verlangen gesund zu werden ist ein leerer Willen, indeme ihr das einige Mittel nicht wolt annehmen. Auf gleiche Weis fraget der Beich-Vatter das Beicht-Kind, wolt ihr gesund werden? die Antwort erfolgt, ja freylich, dewegen falle ich euch zu Füssen, und beichte meine Sünden: so nehmet wahr, was unser HErr Christus vermahnet, wolt ihr von GOtt Verzeyhung der Sünd, so verzeyhet eueren Feinden alle euch zugefügte Schmach. Lieber Beichtvatter, dieses kan nicht seyn, meinen Feinden verzeyhen fallet mir gar zu schwer, ja fast unmöglich. Da habt ihr den leeren Willen ohne kräftigen Vorsatz, weilen ihr nicht wolt annehmen dieses euch vorgeschriebene, und höchst-nothwendige Mittel, kraft dessen euerer Seelen Seligkeit zu erlangen wäre.


Einem andern wird der Beichtvatter zusprechen: Lieber Freund, das fremde Gut seyd ihr schuldig zuzustellen: die Ehr, welche ihr eueren Nächsten habt entnommen, gebet denselben wieder. Einem anderen wird der Beichtvatter befehlen: fort aus dein Haus mit jener Person, nemlich mit einem Schleppsack, die euch ein stätte Gelegenheit ist zu sündigen. Aber was geschiehet darauf? nichts als mit Entschuldigung begegnen die Beichtende ihrem Beichtvatter, und also wollen sie, und wollen doch nicht die Besserung ihres Lebens, daß sie aus Abgang des kräftigen Vorsatz von ihren Sünden nicht können loß gesprochen werden.

[947] Ein anders Kenn-Zeichen bringet angezogener Heil. Thomas noch weiter vor, und ist dieses: Vornehmen etwas, was doch bedunckt unmöglich zu seyn, werckstellig zu machen, das ist ein leeres, unkräftiges Vornehmen: gesetzt, du nehmest dir vor zu fliegen, und mit deinen Händen die Himmel und Stern zu begreiffen. Dieses Vornehmen ist leer und unkräftig, weilen solches einem Menschen zu thun unmöglich. Also auch beduncket es dir unmöglich zu seyn, daß du in keine Tod-Sünd fallest, nicht zwar durch die Zeit deines Lebens, sondern durch kein Monath, oder auch durch kein Wochen, wie kanst du dann mit diesem deinem irrenden Beduncken ein steiffen Vorsatz und kräftigen Willen haben, nicht mehr zu sündigen? Es geschieht, daß einer in der H. Char-Wochen sein Oesterliche Beicht verrichtet, er hat aber das Absehen, nach verwichenen Oster-Feyertägen in die begangene Sünd umzukehren: der Beicht-Vatter befraget ihn zwar, ob er ein steiffen Vorsatz habe nimmermehr zu sündigen? und er antwortet aber mit verlognem Hertzen, freylich ja, er habe kräftig bey sich beschlossen, von seinen Sünden abzustehen, und sein boßhaftiges Leben zu besseren.


O! wie viel geschehen dergleichen nichts werthe, ungültige Beichten? wievile Sacrilegia geschehen, aus Abgang des wahrhaften Vornehmen, und steiffen Vorsatz, von allen Tod-Sünden abzustehen? dann wo der steiffe Vorsatz ermanglet, da ist kein Entbindung von Sünden, da kan kein Sacrament nichts würcken.

Das 5. Capitel
Das fünfte Capitel.
Ein Wunder-seltsame Geschicht, von einem Studenten, welcher aus Mangel dieses Vorsatz verdammet worden.

Frater Bernardinus de Pussi erzählet, daß zu Paris in Franckreich ein Student in der Blühe seiner Jugend, mit einem unzeitigen Tod von diesem Leben seye abgeforderet worden. Dessen Lehrmeister Herr Doctor Silo, weilen er sein gelernigen Verstand hochgeachtet, beweinet ihn gar sehr, stunde ihm auch zur Zeit seiner Kranckheit bestermassen bey, bis daß er die Schuld der Natur mit gar zu frühen Tod bezahlet. Bevor verrichtet er sein Beicht, und empfahet das Hochwürdige Sacrament des Altars mit Vergiessung vieler Zäher, verliesse also ein scheinende Hofnung seines ewigen Heyls dem Lehrmeister, welcher für den Verstorbenen emsig GOtt gebettet, auf daß er bald aus dem Fegfeuer erlediget wurde: begehret auch mit inniglichen Verlangen zu wissen, in was für einem Stand er nun wäre, und was für einen Staffel der Glory er [948] überkommen habe? doch viel anderst als ihm es der Doctor eingebildet, ist es mit diesem Studenten hergangen. Silo befande sich einsmahls allein in seiner Cammer, da gehet sichtbarlich herein der Verstorbene, umgeben mit einem langen Mantel, oder feurigen Kappen, und seuftzet kläglich: der Doctor Silo entsetzet sich darüber, verbleibet ein Zeit lang in grossem Schröcken, bis daß er ihm selbst endlich sein Hertz aufgemunteret, und gefraget, wer da seye? der Verstorbene antwortete, ich bin dein unglückseeliger Schul-Jünger: was für ein Unglück hat dich getroffen, fraget der Doctor Silo: der Verstorbene antwortete mit greulichen Fluch-Worten: was fragest du mich um mein Unglück? so sey ich dann verflucht, und verflucht der Tag, an dem ich gebohren, und der, an dem ich getauft worden, und der, an dem ich dich hab gekennet, verflucht sey GOtt, der diese Peyn mir auferlegt, und mich auf ewige Zeiten zur Höllen hat verdammet, verflucht seynd die Engel GOttes, die ihn bedienen, verflucht die Heiligen, die ihm aufwarten, und alle die ihn loben im Himmel, und auf Erden. Der Doctor Silo redet darein, sprechend, hast du dann nicht gebeicht? und deine Sünd bitterlich beweinet? ja ich hab sie gebeicht, sprach der Verstorbene, aber ohne Reu, und ohne Vorsatz meine Sünd zu verlassen: dann die Empfindlichkeit, welche ich gehabt, und die Zäher, die ich vergossen, zu End meines sterblichen Lebens, giengen nicht wider meine Sünden, sondern wider den unverhoften Tod, da ich bedauret, ansehend, daß mein Leben entweichet, und daß ich die zeitliche Güter, und die Hofnung dieser zu geniessen, muß verlassen. Du soltest wissen, daß fast alle diejenige gar übel beichten, welche erst zum End ihres Lebens sich richten zu der Buß, und es zuvor nicht gethan haben. Ach! wie grosse Peyn, und Qual leyde ich unter dieser meiner feurigen Kappen, es beschweret mich mehr, als wann der höchste Thurn zu Paris auf mir ligete: Doctor Silo sey versichert, wann es die Menschen so wohl verstunden, als übel es hergehet, sie wurden nicht sündigen. Dahero thue ich dir zu wissen: wann gleich alle Peyn und Schmertzen, Noth, Elend und Marter der gantzen Welt von der Erschaffung an, bis auf diese Stund zusammen getragen wurden, so wär es kein Vergleichnuß, ja es wäre ein erleydentliche Sach gegen den bitteren Schmertzen und Peyn, welche ich alle Stund leyde: und damit du etwas weniges von dem, was ich leyde, versuchest, reich mir die ausgebreite Hand, und empfinde ein Tröpflein meines Schweiß: der Doctor Silo strecket die Hand aus, der verstorbene Lehr-Jünger aber liesse ein Tröpflein des Schweiß von dem Angesicht auf die Hand fallen, da gieng es die Hand durch und durch, als ein feurige Kugel, mit so gewaltigen Schmertzen, daß er vor Ohnmacht halb tod zu Boden gefallen. [949] Der verstorbene Lehr-Jünger verschwindet darauf in einem grossen Getümmel, welches etwann die Teufel gemacht haben, die ihne wiederum zur Höllen geführt.


Uber ein Weil, wird Herr Doctor Silo ausgestreckt zu Boden ligend, von seinen Bedienten und Haus-Leuten gefunden, ohne Empfindlichkeit, mit seiner durchlöcherten Hand in die Ligerstatt wird er getragen, taugliche Labung wird ihme angewendet, bis daß er sich erholet, und wiederum gantz zu sich kommen. Da er nun wohlauf worden, daß er wiederum sein Schul konte betretten, gehet er darein, erzählet seinen Schul-Jüngern warhaftig alles, was sich mit ihme zugetragen, und zu Bekräftigung dessen, hat er ihnen die Wunden seiner Hand gewiesen, allen eyferig zugesprochen, sie wollen die betrügliche Welt, und das verführende Weltwesen verlassen, ihrer Seelen ewige Glückseeligkeit versorgen, und sich in den geistlichen Stand begeben: sie sollen aus dem unerschätzlichen Schadē ihres Nächsten witzig werden. Demnach der Doctor Silo ihnen also zugesprochen, gehet er selbsten darvon, sprechend: linquo coax ranis, cras corvis, vanamque vanis: ad Logicam pergo, quæ mortis non timet ergo. Ich verlasse das ungestimme Meer der Welt, und begib mich auf das sichere Land des geistlichen Stands: ihr alle meine Lehr-Jünger, gleichwie ihr mir gefolget habt in dem ausgebreiten Weeg der Eytelkeit, also folget mir nach in dem schmalen Weeg der Seeligkeit. Er Doctor Silo begab sich in ein Closter, wurde ein frommer Mönch, und viel aus seinen Lehr-Jüngeren folgten ihme nach: etliche doch verblieben in dem weltlichen Stand, deren haben gar wenig, und gleichsam keiner ein gutes seeliges End genommen.

Bedencke, wie jener elende Mensch gebeichtet hat: seine Zäher waren Zäher eines Crocodils. Es ist wohl mercklich das, was vom Crocodil die Natur-Kündiger erzählen: begegnet diesem ein Mensch, zerreisset er ihne, und frisset ihne auf: dann dieses wilde Thier ist überaus begierig das Menschen-Fleisch zu fressen, aber demnach er dieses aufgezehret, nimmt er den menschlichen abgefressenen Kopf in die Krällen, weinet darüber mit Vergiessung vieler Zäher: man sagt doch, daß er allein weinet, weilen kein Fleisch mehr übrig, welches er möchte verzehren. Wohl ein seltsame Ursach des Weinens. Der den Crocodill also sehen solte weinen über den menschlichen Toden-Kopf und Gebein, möchte vermeinen, er hab ein hertzliches Mitleyden, und anmüthiges Klagen dessen, daß ein Mensch tod seye, er möchte, sich verwunderen, und gedencken, daß die Ansehung und Gedächtnuß des Tods, auch dergleichen Bestien bewege: doch weinet diese Bestia allein, weilen sie kein Fleisch mehr am menschlichen Toden-Gebein findet, solches Blut-gierig zu fressen, nicht aber aus einiger hertzlichen Anmuthung.

[950] Dergleichen seynd die Zäher vieler Personen in der Stund ihres Tods, demnach sie sich mit vielen Todsünden ersättiget, nehmen sie in ihre Händ das Crucifix, weinen und seuftzen. Ach! sprechen die, welche solches sehen, wie ein gutes End hat dieser oder jener genommen, wie hat er geweinet? Ach! wie förchte ich, daß diese nicht etwan Zäher eines Crocodills gewesen seynd. Mancher wird seine Wollüsten und Belieben, sein Reichthum und Sachen, sein Ehr und hohes Ansehen beweinen, seine begangene Sünden bringen ihm kein solches Leyd; das sihet man genugsam an denen, welche wiederum von einer schwehren Kranckheit aufkommen, diese kehren bald wiederum zu ihren boßhaften Gewohnheiten, das ist eine Anzeigung, oder eine nicht leichtlich fehlende Muthmassung, daß ihre Buß und Vorsatz sich zu besseren anfänglich nicht wahrhaft und kräftig gewesen.

Das 6. Capitel
Das sechste Capitel.
Was hier erzählet worden, wird bekräftiget mit einer Begebenheit, welche sich zugetragen mit einem, der verdammet worden, weilen er in der letzten Beicht seines Ableibens keinen rechten Vorsatz gehabt.

In obgedachter Stadt Paris hat sich gleichfals zugetragen, was Cäsarius erzählet; zu seinen Lebszeiten war ein Domherr alldorten, welcher ein reiches geistliches Einkommen hatte zu geniessen; der schwebete und schwimmete gleichsam in dem Wolleben und Kurtzweilen, in Gastereyen und Verehrungen, nach aller empfindlichen Vergnügung, also zwar, daß er nicht eine geringe Aergernus der Stadt Paris gegeben hat. Tödtlich wird dieser kranck, der Beichtvatter wird beruffen, er verrichtet eine vollkommene Beicht, die Schmertzen des Tods presseten heraus die bitteren Zäher, und weilen ihm sein letztes Stündlein vor Augen, versprach er dem Beichtvatter Besserung seines Lebens. Demnach er das H. Sacrament des Altars, und die letzte Oelung empfangen, gab er endlich seinen Geist auf, mit allen heiligen Mittlen zur Reiß in die Ewigkeit wohl versehen. Eine herrliche Leich-Begängnus wurde diesem verstorbenen Domherrn angestellet, vornehme Edelleut wolten ihn zu seiner Ruh statt begleiten, der helle Himmel selbsten erscheinet, als ob er diesen verehrete, indem unverhoft eine heitere Zeit eingangen, daß alle gesprochen: O wohl ein glückseeliger Mann, den GOtt im Leben und im Tod ansehnlich gemacht, im Leben zwar durch grosse Güter und Einkommen, durch sein Adeliches Herkommen, durch die holdseelige Gestalt seines Leibs, durch einen so [951] vergnügten Wohlstand; dann mit allen diesē hat ihn GOtt überflüßig beglückt, in dem Tod aber durch eine so ansehnliche und herrliche Begleitung zu der Begräbnus, indem er mit allen HH. Sacramenten, die einem Christen-Menschen höchst nutzlich seynd, zuvor versehen worden, diese hat er also andächtig mit vielen Zäher und Seuftzern empfangen, und ist in Beywesenheit der vorbettenden Geistlichen gestorben. O wohl ein glückseeliger Domherr, dermassen vielfältig von GOtt lebendig und todt begnadet.


Aber, Ach wie weit voneinander seynd die Urtheil der Menschen, und die Urtheil GOttes. Nach etlichen verflossenen Tägen erscheinet dieser einem vertrauten Freund, den er in seinen Lebs-Zeiten gehabt, und machet ihme kundbar, was massen er verdammet seye, und daß er unaussprechliche Peyn ewiglich auszustehen habe. Der vertraute Freund fraget ihne, hast du dann nicht deine Beicht verrichtet, und die H. Sacramenta empfangen? das hab ich gethan, aber es manglete mir die wahre Reu und der Vorsatz mich zu besseren; wiewohlen ich mir vorgenommen von Sünden abzustehen, so hab ich doch in meinem Hertzen eine solche Neigung empfunden, welche mich, wann ich solte gesund werden, gegen meinem vorigen üblen Leben mehr geneigt, als gegen dem Vorsatz mich zu besseren; mich gedunckte, ich konnte doch nicht leben ohne meinen gepflegten Wollust und Wohlgefallen, und in diesen Gedancken hat mir GOtt mein Leben genommen, und mich verworffen in den Abgrund der Höllen.

Wann der, welcher gesund ist, sich nicht übet einen steiffen Vorsatz zu machen, von Sünden abzustehen, und sich zu besseren, wie wird er solches in seiner Sterbstünd vermögen? Derjenige, welcher in einem grossen Jahrmarckt ein tapferes Pferd zu kauffen ausgangen, und unter vielen, die ihme anerbotten worden, ausgesucht doch keines nach seinem Belieben erfunden hat; da er gefragt wurde, wie das Pferd, welches er zu kauffen begehrt, soll beschaffen seyn? antwortete: ich verlange ein Pferd, welches einen schönen Leib eines Pferds habe, aber den Schweif eines Schaafs; alle schmäheten und deuteten darauf, ihne verlachend, als einen unsinnigen Mann, und närrischen Menschen. Mehr seynd auszulachen, und zu verschimpfen jene Sünder, welche leben wollen gleichwie unbändige Pferd, doch zum End ihres Lebens begehren sie gleich zu seyn einem unschuldigen Schäflein, und wollen zur rechten Seiten GOttes unter die Zahl der Auserwählten beruffen werden.


Gib Achtung, daß dir nicht begegne, was einem anderen begegnet ist, von welchem der Heil. Petrus Damianus geschrieben: dieser Mensch hat sich dem Teufel mit dieser Bedingnus übergeben, drey Tag vor seinem Tod soll er ihne seines ankommenden Ends vermahnen, da vermeynet er endlich wahre Buß zu thun in jenen dreyen [952] Tagen. Mit der Sicherheit begaber sich muthwillig in die grüne und blühende Wiesen der Wollust, mit Fressen und Sauffen, Spielen und Buhlen, ja in aller Sündlichkeit brachte er sein gottloses Leben zu. Die Jahr seiner Boßheit werden erfüllet, er nahet zum End seines Lebens, drey Tag vor dem Tod wird er von dem Teufel nach der Bedingnus angemahnet. Die Befreundte kommen, bereden ihne sein Sünd zu beichten und zu büssen; aber wann man von der Beicht geredet, hat ihne ein so tieffer Schlaf überfallen, daß es nicht möglich gewesen ihne aufzumunteren, redete man etwas anders, da war er zimlich munter. Man schreyet ihm ernstlich zu: O du elender Mensch! jetzunder bald bist du tod, deine drey letzte Täg vollenden sich, doch war alles umsonst, indem ihn eine tieffe Schlafsucht eingenommen, bis er gestorben. Bald nach seinem Tod liessen sich etliche wilde Hund sehen, welche den todten Cörper dieses Verstorbenen angriffen und vertragen haben, vielleicht dorthin, wohin die unglückseelige Seel gefahren, in das unauslöschliche Feur der ewigen Verdammnus. Es betrüge sich selbsten niemand mit einem solchen Gedancken, wann ich den herzunahenden Tod werde fühlen, alsdann will ich rechtschaffen beichten und meine Sünd abbüssen. Dieser Mensch ist drey Tag vor seinem End vermahnet, doch unbußfertig gestorben, und verdammet worden.

Das 7. Capitel
Das siebende Capitel.
Die Ursachen, warum der in der Beicht gemachte Vorsatz gebrochen wird, werden hier vorgetragen.

Laßt uns nun ersehen die Ursachen, warum der Vorsatz so leichtlich zerbrochen wird, und warum man so leichtlich wiederum in die alte Sünden auf ein neues fallet; deren seynd viel, und es ist gar wohl der Mühe werth darauf Acht zu haben.

Die erste Ursach ist die Hoffart, wie es am Petro dem Apostel zu sehen, welcher ihme vorgenommen, aber bald seines Vorsatz vergessen, Christum seinen HErrn ein, zwey und dreymahl verlaugnet, weilen er mit einem verborgenen Uebermuth gesprochen: Et si omnes scandalizati fuerint, ego nunquam scandalizabot, wiewohlen alle geärgert wurden, werde ich doch nicht geärgert werden: wann alle sollen entfliehen, Christum verlassen, so werde ich nichts solches thun. Wir sollen demüthig vornehmen, auf die göttliche Gnad, nicht auf unsere Kraft vertrauen: dann ohne die Hülf GOttes werden wir nie was Gutes würcken. All unser Thun wird tadelhaft oder sündlich seyn. Ohne meiner, spricht unser HErr Christus, könnet ihr nichts thun, sine me nihil potestis facere.

[953] Wolt ihr in einer Gleichnus sehen, wie es mit solchen Personen hergehet, sehet an eines Fleischhackers seinen Hund, welcher in einem Winckel voll der zernagten Gebein, umgeben von vielen Mucken liegend sich befindet. Was machst du da, du grober Fleischhacker-Hund? es verdriesset ihn länger in diesem Winckel zu verbleiben, er richtet sich auf, beitlet die Mucken aus, und demnach er ihme selbsten nicht weiß zu helffen, legt er sich wiederum, aber auf die andere Seiten nieder, da kommt der Schwarm der Mucken und Schnacken abermahlen, fangen ihne von neuem an zu beissen, und zu stechen. Gleich diesem Fleischhacker-Hund kommet mir vor, ein fleischlicher Mensch, welcher den fleischlichen Sünden ergeben ist. O du elender Mensch! was machest du in der Fleischbanck des Teufels? du erwartest ein Bein, oder ein Stuck Fleisch, welches dir der höllische Fleischhacker zuwirft. Wirst du aber verdrüßig dieses deines unkeuschen oder unehrbaren Lebens, da richtest du dich auf, erschüttest dich von den Mucken der unehrbaren Gedancken, welche dich peynigen! kaum aber hat ein solcher Mensch durch die Beicht sich aufgerichtet, über ein kleine Zeit fallet er wiederum in seine vorhero begangene Sünden, die unehrbare Gedancken gehen ihm heftig zu, plagen ihn gleichwie zuvor.


Die andere Ursach ist der eigene Nutz. Pilatus ein Römischer Land-Pfleger in Judenland nahme ihme vor, er wolle den fälschlich angeklagten HErrn Christum nicht zum Tod verurtheilen; aber er hat seinen Vorsatz gebrochen, indem sie ihm also zugesprochen, wofern er diesen nicht wurde hinrichten lassen, wurde er aller Welt zu verstehen geben, er sey ein Feind des Kaysers, und er habe sich zu besorgen seines hohen Dienst entsetzt zu werden. Die Philistäer haben die Archen GOttes gefangen, und sie ihrem Abgott Dagon beygesetzet, aber in Kraft der Archen, wurde der Abgott an Händ und Füssen gestimmlet, und der gestimmlete Leib, bis zum Thor der Kirchen zur Erden geworffen. Dis war die Ursach, daß die Philistäer die Archen abgeschaft, hinweg begleiten lassen, weilen nemlich sie dem Dagon so übel ausgewartet. Eben also thun dieselben, welche durch die Beicht den Schatz-Kasten der göttlichen Gnad haben gefangen bekommen; aber demnach sie sehen, daß der ungerechte Mammon, in Vollziehung der Buß soll geworffen werden, wollen sie das fremde ungerechte Gut nicht verlassen, weder zustellen, sie wollen lieber die Gnad GOttes, als den Mammon fahren lassen.

Die dritte Ursach der Zerbrechung der guten Vorsätz pflegt zu seyn die Verzweiflung. Cain erkennet sein Sünd, und es liesse sich ansehen, als ob er davon wolte abstehen, doch sprach er, major est iniquitas mea, quam ut veniam merear, grösser ist mein Boßheit, als daß ich Verzeyhung erwerbe. Judas der Iscarioth bereuet seine Sünd, daß er Christum [954] das unschuldige Blut verkauft: er sprach, wie schwerlich hab ich gesündiget, indem ich meinen Lehr-Meister hab verrathen, und verkauft, die 30. Silberling gibet er zuruck: doch nach allem diesem gehet er hin, verzweiflet, und erhencket sich selbst. Viel seynd, die gleichesfalls wie Cain und Judas in die Verzweiflung gerathen, denen der alte listige Feind der Teufel vorhält, daß der Beicht-Vatter sie, oder nicht wird können, oder nicht wird wollen von ihren Sünden lossprechen: und also bis zum End ihres Lebens verharren diese in der Unbußfertigkeit.


Die vierte Ursach ist die Untreu des Fleisches, welches gleich wie Dalila den Samson anfechtet, und überwindet. Die jenige, welche leichtlich mit diesem übereins stimmet, dieselben verstossen von sich allen geistlichen Trost. Zwey gute Mittel werden diesen allhier angetragen. Das erste ist, anruffen und bitten die reiniste Jungfrau Maria, durch ihre unbefleckte Empfängnuß, sie wolle durch ihre Vorbitt und Beystand uns erhalten in der Reinigkeit Leibs und der Seelen. Das andere ist, die Vermeydung der sündlichen Gelegenheiten.

Unter den alten und neuen Gelehrten war ein strittige Frag, ob der König Salomon verdammet oder seelig worden: etlich, wie bey P. Pineda in dem Buch de Prævio Salomone genannt, zu sehen, sprechen ihn seelig, andere sprechen ihn verdammet, darunter istAbulensis. Das vornehmste Argument dieses zu beweisen, ist, daß der König Josias die Götzen-Bilder, welche Salomon aus Anstiftung der Heydnischen Weiberen, die er unziemlich geliebet, aufgerichtet hat, habe zerstöhret: Excelsa quoque destruxit, quæ ædificaverat Salomon Rex, wie es vermeldet die Heil. Schrift. Wann Salomon der König rechte Buß hätte gethan über die verübte Sünd, so hätte er nach Meynung Abluensis die Götzen, und Götzen-Tempel zerstöhret: er aber hat dieses nicht gethan, weilen sie bis zu den Zeiten des Königs Josias stehen geblieben: dahero kan nicht wohl gesagt werden, daß er rechtmäßige Buß gethan. Die Wahrheit wird mit solchem Beweiß bestättiget. Derjenige thut kein wahre Buß, der in der Sünd verbleibt, und wie wohl er es thun konte, die sündliche Gelegenheit nicht aus dem Weeg raumet: Salomon konte dieses, die sündliche Gelegenheit der Abgötterey aus dem Weeg raumen, hat es nicht gethan, weder ein erforderlichen kräftigen Vorsatz sich zu besseren gemacht habe.

Andere zwey Ursachen wird folgendes anzeigen.

Das 8. Capitel
[955] Das achte Capitel.
Andere Ursachen werden vorgetragen, warum der Vorsatz, das Leben zu besseren, gebrochen wird.

Die fünfte Ursach, warum der Vorsatz nicht werckstellig gemacht wird, ist die Vergessenheit. Bald vergisset man den geschöpften Vorsatz, man setzet ihn bey Seiten, und kehret wiederum zu den bösen Gewohnheiten. Die dieses thun, geduncken mich gleich einer Schaar Schwein unter einem Eichbaum, da diese die Eichel naschen, und gronen, oder da sie sich im Koth umwältzen, geschieht unversehens ein Schuß, alle heben den Kopf in die Höhe, bleiben ein kurtze Weil still, so bald aber der Rauch von Pulver, und der Knall des Schuß vergangen, waltzen sie sich gleich wiederum in dem Koth, gronen und naschen die Eichel wie zuvor. Nicht anderst thun ihm dieselbigen, welche abermahlen und abermahlen in das Koth der verübten Sünden fallen, sie gronen bald wiederum, sie schelten, fluchen, und schwören wie zuvor, sie entnehmen andern Leuten ihr Ehr, und sie vergreiffen sich abermahlen in des fremden Gut. Sie hören etwann ein Schuß, welchen GOtt abschiesset, etwann ein scharfe Predig, ein gähen Tod, etc. Sie erschröcken darüber, so lang als sie es hören, da erheben sie ihr Haupt, sie lassen das Sündigen bleiben: Nachdem aber die Stimm des Predigers, oder die Fasten-Zeit vergangen, kehren sie wiederum zu den vorigen Sünden, sie gronen, und weltzen sich in dem Unflat aller Boßheit. Einer aus diesen höret einem jetzt Verstorbenen ausläuten, er fraget, wer ist doch gestorben? Da zeigt man ihm denselben an, und er spricht: Dieser war mein guter Freund, ich will hingehen, und seiner Todten-Begängnuß beywohnen: Er gehet in das Haus des Verstorbenen, er siehet an das todte Angesicht, bestürtzet sich darüber, und gedencket ihme, dieser Verstorbene hat nun Rechenschaft geben alles seines Thuns, wie wird es mir ergehen, wann es auf mich wird kommen? So sey es, man muß doch einmahlen anfangen Gutes zu thun, und das Boßhafte, nemlich das Fluch- und Schelten, und alle unzimliche Begierden unterlassen: Freylich ein rechtschaffene Beicht will ich verrichten, das alte Buch der Sünden solle verbrennet, entgegen ein neues der guten Werck, gemacht werden. Dannoch kaum seynd die Kertzen dieser Leich ausgelöschet, der Rauch von den Wind-Liechtern in den Luft vertragen, das Klag-Lied der Priesterschaft, und das Glockengeläut vorüber, und haben gleich jetzt aufgehöret, er verrichtet gegen der Freundschaft des Verstorbenen den gewöhnlichen mitleidenden Trostspruch, kehret nach seiner Behausung; findet aber die Tafel nicht [956] zubereitet, oder die Speisen nicht zugericht nach seinem Verlangen, da donnert und haglet er mit Scheltworten einmahl oder zwey, und verflucht den Koch, und die Speis, in die dreymahl, bey hundert Schwur thut er nach einander, und verunehret die heilige Sacrament in seinem Zorn, und tritt also mit Füssen den Befehl des HErrn, und die Gebott GOttes, der ihm doch giebt das tägliche Brod, und reiche Nahrung, das Leben zu erhalten, er ist sein Erlöser, der ihn mit seinem Blut, und Creutz-Tod hat erlöset, und das glückselige Himmelreich so gütig versprochen.

Ein anderer Bücher-Schreiber erkläret dieses mit einer andern tugendlichen Gleichnuß. Er vergleicht die von ihrem guten Vorsatz bald abstehende, und zu voriger Boßheit umkehrende Sünder mit kleinen Kirchlein auf dem Feld, die allem Ungewitter unterworfen, voll mit Spinnen-Geweb, und Feuchtigkeit; darinn unterschiedliche Gewürme vermehret werden. Diese Kirchlein werden jährlich an ihres heiligen Fest oder Tituls-Tag abgestaubet, ausgekehret und gesäuberet auch etwann erneuert. Demnach aber der Festtag verwichen, werden sie gleich wiederum angestaubet, mit Spinnen-Geweb erfüllet, von Würmen und Ungezifer gleichwie zuvor angemistet, an den Mäuren und Dächern von Wintergrün überwachsen.

O ihr öde Kirchlein! Kirchlein des freyen Felds! Aber O ihr sündige Menschen! gebet Achtung, daß nicht etwann euer Seel gleichermassen ergehe: Wie leicht kan es geschehen, daß von einem unversehenen Sturmwind ein solches Kirchlein über ein Hauffen geworfen werde, daß ihr gähling vom Tod gestürmet in das Grab fallet, ohne vorhergehender Beicht und Buß eurer Sünden: Nichts als Noth und Jammer werdet ihr alsdann übrig haben, und euer höchstes Verderben.


Diejenige, die ihr gantzes Leben in Sünd und Missethaten zubringen, thun nichts anders, als eitles Spinnen-Geweb mit ihren schlimmen Gedancken, mit Rachgierigkeit und boßhaften Willen anspinnen. O was ist dies für ein Entweyhung der Seelen! Was vermeinest du? es seye genug einmahl im Jahr das Kirchlein deines Gewissens zu säuberen? und darauf bald wiederum abweichen von aller Sauberkeit: Vermeinest du, es seye gegen GOtt alles also recht, und deiner Seelen nutzlich gereichet, wann du nur einmahl im Jahr beichtest? Ich zweifle gar sehr daran, daß dein büssender Vorsatz kräftig sey, vielleicht ist er nur ein durstiger leerer Willen. Ach! ich wolte wohl gern mich bessern, ich wolte diese und jene sündliche Gelegenheit und Gefahr verlassen: Dergleichen Vorsätz seynd nicht genug, es kehret mehrer darzu.

Die sechste und letzte Ursach, daß der Vorsatz bald zerbrochen wird, ist die Forcht. Es beichten nicht wenig in der Fasten, weilen sie sich förchten der geistlichen Obrigkeit, welche die Beichtzettlen forderen, oder solche, [957] die nicht gebeicht, aus der Christlichen Gemein und Begräbnus ausschliessen, oder excommunicieren. Die beichten zwar, da nun aber die Fasten verwichen, da gehen sie wiederum in den alten Wald, in die sündliche Gelegenheit, sie fallen wie zuvor in ihre verübte Laster. Gleichwie ein junger Mensch ein Wagenhalß, der bey nächtlicher Weil mit verbottenem Gewehr herum ziehet, mit vergiftem Dolch, mit kurtzen Sack-Pistolen, sein Degen ist ein dreyschneidige Hohlklingen, und mit anderen dergleichen Waffen bewafnet. Dieser hörte ein Getümmel, man ruft: wer da? Die Gerechtigkeit, die Rundwacht, als er diß höret, verschließt sich etwann in ein Haus, leget ab die verbottene Gewehr, damit er nicht gefangen und eingezogen werde. Ist die Rundung vorüber gangen, alsobald ergreiffet er seine abgelegte verbottene Waffen wiederumen, nimmet sie zu sich, und gehet seinen Weeg. Er hat zwar die verbottene Waffen abgelegt, aber auch zugleich gedacht, solche bald wiederum zu sich zu nehmen. Also gehet es mit nicht wenigen. Es kommet die Oesterliche Zeit, da ist man verbunden zu beichten, wann es nicht geschieht, wird man von geistlicher Obrigkeit gestraft. Man beichtet zwar, und leget die begangene Sünden zu den Füssen des Beichtvatters, doch ohne steiffen Vorsatz, sie nimmermehr zu begehen: dahero nach verflossener Oesterlichen Zeit, kehren solche zuruck, und begeben sich zu denen schon vorher begangenen Sünden.

Recht hat ein anderer Diener GOttes dergleichen Vorsatz, genennet, Vorsatz eines Räntzels. Sehet an einen Wanders-Mann mit einem Räntzel auf seinem Rucken, dieser kommet zu einem Bächlein, also beladen kan er nicht über das Bächlein springen: was thut er? er nimmet sein Räntzlein, wirft es über das Wasser auf das andere Land, darnach nimmt er ihm selbsten einen Schwung, springt über das Bächlein, ergreift abermahlen sein Räntzlein, und legt es auf seinen Rucken. Nicht anderst machen es sehr viel, die das gantze Jahr hindurch ihre Sünd auf ihren Gewissen tragen, und so fort wanderen. Da nun ankommet die Oesterliche Zeit, alsdann müssen sie über das Bächlein der Buß durch die Beicht wanderen, sie nehmen das Räntzlein ihrer Sünd, und werfen es zum Füssen des Beicht-Vatters: aber seynd die Täg der Beicht-Wochen verstrichen, fangen diese wiederum an, das Räntzlein der Sünden ihnen selbsten auf den Rucken zu laden, sündigen gleichwie vorhero: dann die gethane Beicht, hätte keinen rechtmässigen Vorsatz den Last der Sünden abzulegen, und zu verwerfen.

Das 9. Capitel
[958] Das neunte Capitel.
Ein Frau wird verdammet aus Mangel des wahren Vorsatz in der Beicht sich zu bessern.

In dem Buch genannt Scala Cœli dist. 9. c. 15. Beschrieben von Erico, wird erzählet von einer gut adelichen Frauen, welche den prächtigen Kleider- und Geschmuck-Trachten, auch den weltlichen Eitelkeiten sehr ergeben war, folgender Verlauf.

Diese Frau hat etliche Kinder erzogen, darunter eines vor andern ein tugendlichen Wandel geführt, dem gefallet mit nichten das weltliche Leben: dahero kehret es den Rucken der Eitelkeit, verlasset alles das, was die Welt-Kinder ergötzet, begiebt sich in geistlichen Stand, wird ein Cistercienser Mönch, nimmet in kurtzer Zeit überaus zu in Vollkommenheit seines auserwählten geistlichen Stands. Unterdessen wird dieses frommen Mönchs sein Frau Mutter tödtlich kranck: Der geistliche Sohn kommet zu der Frau Mutter, stehet ihr treulich bey, erfreuet sich auch, daß er sie mit allen heiligen Sacramenten wohl versehen, gesehen sterben. Nachdem nun diese Frau Mutter von diesem Leben abgefordert worden, verrichtet er viel Meß-Opfer und viel inständiges Gebett zu GOtt, und casteyet sich mit strengen Buß-Wercken, damit ihr Seel die ewige Freud und Glückseligkeit, aus dem Fegfeur erlediget, geschwinder erlangen möchte. Indem überfallet ihne einsmahl ein Verzuckung, da siehet er ein Frau reuten auf einem Drachen, mit Feur-Flammen umgeben, auf beyden Seiten stunden bey ihr zwey Teufel, welche sie mit glüenden Ketten angeschmidet hielten: zu End der Ketten, zwey Hacken, die sie durchdringen, ihr Kopf war mit einem Nattergezücht anstatt der Haar bedecket, diese Natteren speißten sich von dem Hirn, zwey Scorpion zerbissen die Augen, zwo feurige Schermäuß hängten als Ohrgehäng an ihren Ohren, daran nagend und beissend: grimmige zwey Schlangen umhalseten, und troßleten sie dermassen heftig, daß sie nicht konte verschnauffen, sie verwickleten sich auf die Brüst, und zerbissen solche; an ihren Fingern waren glüende Ringlein: ihre Füß mit feurigen Ketten angeschmidet, klebeten an dem Bauch des Drachen. Ein Teufel tratte zu ihr, und zerstosset ihr die Zähn in dem Maul mit einem Stein, den er in seinem Handgrif gehalten.

In Ansehung dessen, war der fromme Geistliche mehr tod, als lebendig, und vor Schröcken, mit kalten Schweiß übergossen, konte kein ordentliches Wort aussprechen. Er beschauet dieses Gespenst ein Weil, doch möcht er es nicht erkennen, weilen es stillgeschwiegen. Bald aber darnach fangt es an zu reden, und [959] sprach: ich bin dein verfluchte Mutter, die ich kommen bin, dir anzudeuten, du wollest unterlassen für mich zu betten, und so viel Buß-Werck zu verrichten, dann ich bin zur ewigen Peyn der Höllen verdammet worden. Wie ist dieses geschehen? fragt der Sohn, ihr seyd bestermassen versehen worden mit allen zu dem Tod-Kampf gehörigen Sacramenten: wahr ist es, sprache sie, dannoch wann ich gebeicht, und mich von wegen meines eytlen Prachts hab angeklagt, war mir kein Eyfer mich zu besseren, noch auch ein rechtschaffene Reu und Leyd, daß ich ein so eytles Leben geführet, dahero wurde ich nicht gereiniget von meinen Sünden. Zur Stund meines Hinscheydens, gedachte ich diese Sünd meiner Eytelkeiten auszulassen, und nicht zu beichten, und GOtt liesse dies geschehen zur Straf meines üblen Brauchs, das ist die Ursach meines ewigen Verderbens. Was bedeuten aber, fraget der Geistliche, so unterschiedliche Peyn? darauf sie geantwortet, sprechend, ein jede Sünd hat sein besondere Straf, welche der strenge Richter über mich laßt ergehen. Der Drach peyniget mein Unehrbarkeit, und den empfindlichen Wollust, welchen ich zum öfteren mit bösen Begierden hab gehabt: die zwey Teufel verweisen mir immerdar die Aergernuß, welche ich meinen Hausgenossenen, und Benachbarten gegeben, und sie quälen mich wegen der üblen Meynung, die ich gehabt deinen Vatter zu bedienen, allein darum, daß ich sein Gemüth möchte einnehmen, aus seinen Händen zu bekommen Geld-Mittel, meiner prächtigen Weiß nachzusetzen die Natteren, welche meinen Kopf zerbeissen, straffen an mir alle Haupt-Zier, das geringlete Krausen, die freche Haar-Locken den fürwitzigen Uebermuth. Die Scorpion, welche mit unaussprechlichen Schmertzen die Augen zerstechen, peynigen mein unzüchtiges Umsehen: die Schermäuß, welche an Ohren hangen, seynd die Abstraffung der theuren Ohr-Gehäng, und der Anhörung der geylen Reden: die Schlangen, die mich troßlen, und an meinen Brüsten nagen, und beissen, seynd mir anstatt meiner köstlichen, und viel zu prächtigen Hals-Zier, und bezahlen das zugelassene unkeusche Umhalsen, mit welchen ich mich versündiget: die flammend, und glüende Ringlein seynd anstatt der Diamant-Steinlein, mit welchen ich gepranget: die glüende Fuß-Ketten, marteren die gestickte Stöckel-Schuh, welche ich fürwitzig gebraucht, und peynigen das eytel geschraufte daher gehen. Aber dieser abscheulichste Geist, einer aus den verdammten Teuflen quälet mich mehr dann alle jetzt erzählte Peynen, er schlagt mir das Maul und Zähn mit dem Stein unaufhörlich, weilen ich viel gemurret, unehrbare Wort geredet, und doch in der Beicht das, was ich heraus zu reden schuldig war, nicht geredet, und meine Sünd nicht bekennet. Das ist die Ursach meiner Verdammnuß, nichts kan mir nun helffen, dein bittliches und Buß-führendes [960] Thun ist umsonst. Nach Abredung dessen, ist sie verschwunden: verließ also in kümmerlicher Betrübnuß ihren Sohn, und sie gab allen, mit ihrem unersetzlichen Schaden diese Lehr: man soll doch mit kräftigem Vorsatz rechtmäßig beichten.

Das 10. Capitel
Das zehende Capitel.
Ein Wucherer wegen seines Gewinns, verblibe ein kurtze Zeit in dem Vorsatz sich zu besseren.

Vorhero in dem 7. Capitel, unter anderen Ursachen des kraftlosen Vorsatz sich zu besseren, hab ich eingeführt den eignen Nutzen, das ist den Gewinn, oder das Interesse. Nun wollen wir die obangezogene Wahrheit mit nachfolgender Geschicht erklären.

Es ist zu lesen in dem Geschicht-Buch von Lauretischen Wunder-Wercken der heiligsten Mutter GOttes beschrieben von P. Alphonso von Andrada itinerario gradu 50. §. 15. Ein berühmter Wucherer wurde von einem leydigen Aussatz behaftet, in der Stadt Cheti genannt im Königreich Neapel: alle Artzney-Gelehrte rufte er zu sich, ein guten Rath wider diesen seinen Zustand zu erholen aber weder Artzt, weder vielfältige Artzney konten ihne von der so abscheulichen Kranckheit im geringsten abhelffen. Letztlich setzt er sein Zuflucht zu der Gnaden-reichen Jungfrauen und Mutter GOttes, mit inniglichen Eyfer gegen der Bildnuß Maria zu Laureto, er schöpfte einen wahrhaften Vorsatz sein sündliches Leben zu besseren: dieses mit mehreren zu bekräftigen, sendet er ab einen seiner Diener nach Lauret, hundert Gold-Kronen giebet er ihme, dahin für sein Allmosen dem Heil. Haus zu überbringen: befahle auch das Gnaden-Haus seinetwegen mit Andacht zu besuchen, und die Mutter GOttes demüthigist um Erstattung der Gesundheit zu bitten. Die heiligste Jungfrau erhöret dieses Gebett, und erwirbet ihme die Gesundheit seines Leibs, also zwar daß der Diener, nachdem er zuruck ankommen, seinen Herrn in frölicher Gesundheit gefunden, rein, gleich als ob er niemahlen mit einiger Kranckheit wäre belästiget gewesen.


Die Freud aller Hausgenossen war absonderlich groß: er selbsten schafte an, man soll ihme ein Pferd zäumen und sattlen; er setzet sich zu Pferd, reitet samt anderen guten Freunden in der Stadt herum, zu betheuren das geschehene Wunder, welches sich mit ihme zugetragen, er weiset seine saubere Händ unbeflecket, ohn alles Zeichen des jetzt vergangenen Aussatz. Einer aus seinen vertrauten Freunden gab ihm in dieser Gelegenheit zu verstehen mit dergleichen[961] freundlichen Worten. Mein geliebter Freund, sprach er zu ihm, nun demnach es GOtt dem Allergnädigsten HErrn beliebet hat, durch die Vorbitt der heiligisten Jungfrauen seiner Mutter euch die völlige Gesundheit, in einem so scheinbaren Wunder-Zeichen zu verleyhen: ich bitte euch durch euer selbst eignes Heyl, weilen euere Händ von einem Fleischfressenden Aussatz gereiniget worden; ach! vergreiffet euch nimmermehr in fremdes Gut, verlasset den bishero geübten Wucher, ohne dem könt ihr ehrlich nach euerem Stand mit dem, was euer Eigenthum ist, ein gutes Leben führen: er aber lachend, und verschimpfendt diesen guten Rath seines getreuen Freunds antwortet: mein Herr, wann der Wucher ein so grosse Sünd wäre, so wurd ihn die Mutter GOttes nicht treiben, da sie doch solches mit mir selbsten gethan, und von mir zu Ertheilung meiner Gesundheit, meine hundert Gold-Cronen angenommen, sie gabe mir die Gesundheit, und nahme von mir mein Geld. Alle umstehende Freund ärgerten sich über alle massen ob diesem lästerlichen Ausspruch, verweisen ihm diese greuliche Schelt-Wort, und gaben ihm genugsam zu verstehen, wie sträflich er geredet, daß er von ihrem Zureden gewaltig mortificiret, und gequälet worden.


Demnach er in sein Behausung traurig ankommen, warf er sich bey anbrechender Nacht gantz unlustig in sein Beth, um Mitternacht erwachet er, und fanget an überlaut aufzuschreyen: alle seine Bediente, und sein Ehe-Gemahl lauffen zu, sie befragten ihn, was er empfinde? ach wehe! schrye er fort und fort, ich muß sterben, es ist kein Hülf, kein Mittel für mich vorhanden, der Aussatz hat mich abermahl ergriffen, die Schmertzen nehmen mehr und mehr zu, an meinen Lenden empfind ich ein glüenden Brand, der mir all mein Ingeweyd anzündet, und durchdringet: sein eheliche Frau, wolte ihm seine Lenden mit ihrer Hand erkühlen, sie streicht ihm an den Rucken hinunter, stosset an einen Beutel Geld, in dem die hundert Gold-Cronen waren, welche er unser lieben Frauen zu Loreto überschickt, aber aus Ursach seiner Undanckbarkeit und seines geschwind zerbrochenen guten Vorsatz, wolte die Mutter GOttes solches Geld nicht behalten, sondern es dienete an statt der glüenden Kohlen diesen zu brennen. In Ansehen des Beutels, erschröcket der elende Mensch, ergab sich dem Tod, und sprach, wehe mir Unglückseeligen! die Mutter GOttes ist wider mich erzörnet, verhaußt ist es nun mit mir, ich empfinde schon, daß ich ewig verdammt bin, alle Hofnung auf die Barmhertzigkeit GOttes ist bey mir verzweiflet: mit solchen heulenden Schreyen und Jammeren endet sich sein Leben. Ubergab also seinen Geist den höllischen Feinden, und verliesse sein Freundschaft, wie dann auch seinen Haus-Genossen grosses Leyd, indeme sie ihn vielfältig und kläglich beweinet.

[962] Hieraus ist abzunehmen, wie der eigene Nutz und die Verzweiflung Ursach waren, daß dieser Mann seinen guten Vorsatz so liederlich zerbrochen, dahero ist er unbußfertig gestorben, und hat das ewige Heyl verlohren.

Das 11. Capitel
Das eilfte Capitel.
Mittel in dem guten Vorsatz zu verharren.

Wann jemand bey sich befindet, daß er seine gut geschöpfte Vorsätz, nimmer einige Tod-Sünd zu begehen, mehrmahlen zerbricht, der erwege als ein hochwichtige Sach, wie gefährlich dieses seye, und zwar das allergefährlichste, an dem das ewige Verderben hanget, und ergebe sich folgenden Mittlen, solcher würcklich zu gebrauchen.

Nemlich öfter zu beichten, und das Hochwürdige Gut zu empfahen. Mehrmahlen mit Andacht ein eyfriges Gebett zu verrichten. Er verehre absonderlich die heiligste Jungfrau in ihren Schutz sich befehlend. Er gebe nach seinem Vermögen reichliches Allmosen. Von diesen spricht der König David, und Paulus der Apostel, daß es ein kräftiges Mittel sey, beständig in gutem Vorsatz zu verharren dispersit, dedit pauperibus, justitia ejus manet: er hat ausgestreuet, den Armen geben, sein Gerechtigkeit verbleibet, wiewohlen viel darauf kein Absehen haben. Neben disem will ich noch zwey andere wider dieses Unheyl sehr taugliche Mittel vortragen.


Das erste ist, nicht auf sich selbsten vertrauen, dann es stehet geschrieben, verflucht ist der Mensch, der auf einen Menschen vertrauet, wer aber auf sich selbsten vertrauet, vertrauet auf einen Menschen. Da ist die Vermessenheit ein schleuniger Weeg vieler Sünden. Dahero wann man einen Vorsatz macht nimmer zu sündigen, alsdann soll man sprechen, mit göttlicher Hülf und Gnad will ich mich vorsehen, daß ich in keine schwehre Sünd falle. Maria die heilige Mutter GOttes, meine gnädige Fürsprecherin wird mich von aller Todsünd bewahren, mein H. Schutz-Engel wird mich nie verlassen, sondern mich in allen meinen Weegen begleiten. Auf die göttliche Gnad, auf den Beystand der gebenedeyten Mutter GOttes, und auf den guten Engel, der uns beschützet, sollen wir uns allezeit vertröstlich steuren; wiewohlen etwann ein Jahr verwichen, ohne dem, daß wir in eine Todsünd gefallen; Ja ach! wiewohlen wir villeicht durch mehr Jahr uns enthalten haben von aller Belustigung oder Einverwilligung in einen schlimmen Gedancken, nichts destoweniger in allem Verlauf unsers Lebens, alle Tag und alle Stund seynd wir bedürftig der Hülf von dem Himmel.


Gleichwie eine gläserne an einem Stricklein im Luft hangende Ampel, [963] wann diese hundert Jahr ungebrochen gehangen, nicht sicher ist, daß sie nicht zerbrochen werde, sondern allzeit eines Strickleins bedürftig vor dem Anstoß oder Fall behutsam muß aufgehalten werden; also auch ein Mensch soll sich mit tieffer Demuth betrachten in seiner Gebrechlichkeit, und wie ihme jederzeit höchst nothwendig sey das Stricklein der göttlichen Gnad, auf daß er in keine Todsünd falle, seine Dürftigkeit nie vergessen. Die gläserne Ampel kan nicht sprechen, hundert Jahr bin ich nicht gebrochen, weder zu Boden gefallen so werde ich keines Schnürleins bedürftig, im Luft auch hinführo hangen, und nicht zerfallen noch zerbrechen; niemand aus den Menschen vertraue auf sich selbsten, so lang als er ein gebrechliches Geschirr der Erhaltung und Handhabung GOttes bedürftig ist. Er spreche zum öftern, unter der Hülf des Allerhöchsten will ich wohnen, unter dem Schirm GOttes des Himmels verlang ich zu bleiben; Führe O gütigster Vatter uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Ubel.

Aus diesem Mißtrauen auf sich selbsten erspriesset das andere Mittel, welches da ist die Flucht der Gefahr, und die Abweichung von denen Gelegenheiten zu sündigen; es stehet geschrieben, wer die Gefahr liebet, wird in der Gefahr verderben. Die beste Schwimmer seynd ertruncken; jene, welche Löwen und Tyger-Thier sanft gemacht, und gezämet haben, seynd mehrmahlen von diesen zerbissen und aufgerieben worden. Der König David unvorsichtiger Weiß weydet einsmahls an einem Tod seinen Fürwitz, besichtiget ein verehlichtes Weib, benamse-Bethsabea, und mit diesem einigen Anblick seiner Augen, verursachet er grosse Ungewitter über sein Haus, und Wolckenbrüch eines betrübten Gemüths, das er sein Lebenlang genugsam hätte zu beweinen. Dieses Köings sein Sohn und Nachfolger im Reich Salomon, aus Ursach der unordentlichen Neigung und Wohlgewogenheit gegen denen ausländischen Weiberen, wiewohlen der Allerweiseste wird also bethöret, daß er den wahren GOtt verlassen, und die teuflische Götzen viel Zeitlang angebetten, und sehr gezweiflet wird, ob er dieser Gottlosigkeit wiederum abgesagt, und wahre Früchten der Buß gewürcket habe. Der gewaltigste Held Samson zerrisse einen Löwen, und in Kraft des Geists GOttes schlug er zu Boden, ermordete etliche tausend streitbare Männer mit einem Kinnbacken eines Esels, welchen er an statt eines Schwerds in seiner Hand geführet; doch eben dieser, weilen er stete Verträulichkeit mit der Dalila gepflegt, befande sich verrathen, und seinen Feinden verkauft, welche ihme seine Augen ausgestochen, den zuvor die blinde Lieb hatte verblendet.


Demnach der Heil. Kirchen Lehrer Hieronymus dieses wohl erwogen, hat er aus seinem grossen Eyffer und Verständnus folgenden weisen Spruch ausgesprochen. Ich bin nicht heiliger [964] als der David, nicht weiser als Salomon, noch stärcker als Samson, nun wie kan ich mich in so gefährliche und betriegliche Gelegenheiten begeben, allwo viele Tugend-Männer schändlich seynd gefallen? wie solt ich über diesen grossen Graben springen, da doch viel tapffere Pferd diß nicht konnten. Keine bessere Sicherheit ist dißfalls zu finden, als die Flucht der Gefahr, damit man der sündlichen Gelegenheit entweiche, fliehen in dergleichen Begebenheiten ist überwinden.

Paulus der Heil. Lehrer aller Völcker, gibt uns eben diesen sicheren Rath, fliehet die Hurerey, spricht er. Als Joseph unversehens in sündlicher Gefahr, wicklet sich aus seinem Mantel, verlasset diesen, zu handen der begierigen Frauen, entspringt flüchtig aus der Schlaf-Kammer, und (nach Vermerckung eines Gelehrten) verlanget er nimmer seinen Mantel, weilen er von unkeuschen Händen einsmahlen angegriffen worden. Auf gleiche Weiß der Gefahr zu entfliehen, lasse manche Person ihren Mantel in dem Stich auf den Hörneren eines muthigen Ochsens.

Das 12. Capitel
Das zwölfte Capitel.
Die Beicht bis zum Tod aufgeschoben ist sehr gefährlich. Ein unglückseeliger Zufall eines Beichtvatters und Beichtkinds.

Ein besorgliches Thun ist es mit einer lang gesparten Beicht und Buß, wann man zum endlichen Zeichen des ablauffenden Lebens den Last der Sünden, welche durch üble Gewohnheit ist angewachsen, will ausziehen, und von sich ablegen. Der zur Beicht gehörige Vorsatz das boßhafte Leben abzustraffen, und zu verbesseren, hat alsdann fast keine Kraft, und rechtschaffene Würckung, indem der Leib von der Kranckheit gequället wird. Darauf deuten die Wort des gecrönten Psalmistens: contere brachium peccatoris, quæretur peccatum illius, etc. Zerknirsche den Arm des Sünders, seine Sünd wird gesucht werden. So ein armer Sünder an die Reck-Rahm aufgehenckt und gestreckt wird, bald auf einem, bald auf einem andern Fuß wird er durch schwehre Gewicht gepeynigt, damit er in den Schmertzen seine Missethaten bekenne; doch verordnen die Gesätz der Gerechtigkeit, daß die Bekanntnus, welche im Schmertzen geschiht, ungültig sey, wann der arme Sünder nicht wiederum, nachdem er von der Reck-Rahm herab gelassen worden, was er in Schmertzen gezwungen heraus sagt, ausser dem Schmertzen bestättiget. Also redet der König David,contere brachium peccatoris, zerknirsche den Arm des Sünders. GOtt getreue Christliche Seelen betrachtet einen sündhaften Menschen kranck in seiner Ligerstatt, als in einer peynlichen Reck-Rahm, [965] man schickt und beruft den Wund-Artzt, der soll ihm ein und die andere Ader eröfnen, und bald wiederum aufsprengen, es geschieht, viel heraus fliessendes Geblüt machet ihn sehr schwach, da ligt er gantz kraftloß. Genebrardus liset diesen Spruch des Davids also: contere vites ejus, zerknirsche oder benimme ihm die Kräften; Jansenius aber, frange opes & potentian: zerbreche die Reichthum und den Gewalt. Also gepeyniget und geängstiget wendet er sich zu GOtt, und bittet: Gemach mein GOtt, übereyle mich nicht, friste meine Zeit, daß ich meine Sünd beichte, und mein Leben bessere, dann ich nimm mir kräftig vor nicht mehr zu sündigen. Bald geschiht es, daß die Gefahr des Tods vergangen, die Kräften erhohlen sich, die Kranckheit ist überwunden, es erscheinet wiederum ein fröhliche Gesundheit; aber was vermeint ihr? geschiht etwann das, was mit theurem Vorsatz GOtt zugesaget worden? mit nichten, die heylsame Gedancken und Reden tat in seiner Zeit die schmertzliche Kranckheiten heraus gezwungen, nun aber haben sie kein Kraft, und keine Wirckung. Dieser als er sich wohl und frisch auf befindet, fangt auf ein neues an frisch darauf zu sündigen. Also gehet es wie die tägliche Erfahrnus leyder genugsam beweiset. Allezeit ist besorglich der Vorsatz, den die bittere Angst des Tods heraus presset.


Aber ihr werdet mir den frommen Schächer vorstellen, und sprechen, ist er nicht jederzeit ein boßhafter Mensch geweßt, und zu End seines Lebens ist er gleichwohl mit einer zweystündigen Buß heilig und ewiglich seelig worden. GOttes Hand ist nicht verkürtzet, solches kan auch mit mir hoffentlich geschehen. Wahr ist es, seine eylfertige Bekehrung ist ihme gar wohl von statten gangen, aber ihme allein; entgegen, ach! wie viel seynd verdammet, weilen sie ihr Buß und Besserung des Lebens in ihr Sterbstündlein aufgeschoben? unzahlbar viel deren konnte man vorbringen, gegen dem alleinigen Schächer. Damit man es glaube, daß zur Zeit seines Absterbens dieser Schächer wahrhaftig bereuet habe sein übel zugebrachtes Leben, war nothwendig eines Schwurs, unser HErr Christus mußte solches dermassen bestättigen, und ihme versprechen das Paradeyß, Amen, amen dico tibi, hodie mecum eris in paradiso: wahrlich, wahrlich sag ich dir, heut wirst du bey mir seyn im Paradeyß. Das ist eine solche Sach, welche gar wohl solte betrachtet und erwogen werden. Ueberaus ist es hart zu glauben, daß in der Sterbstund aus einer stinckenden Erden ein reines Geld, oder aus einem Kißlingstein ein Carfunckel, oder aus einem Höllen-Brand urplötzlich ein ewig-glantzender Stern des Himmels solte gemacht werden. Wie ist es glaublich, daß einer, welcher sein Lebenlang in grossen Sünden vertieffet gewesen, indem jetzunder die Reiß-Uhr ausfliesset, recht büsse, und kräftig ihme vornehme, nimmer zu sündigen, [966] und sich also heraus ziehe, aus dem schleimigen Letten seines Unflats. Solches zu glauben war es wohl vonnöthen, daß es Christus die ewige Wahrheit, mit einem hohen Schwur betheurete. Die natürliche Wirckungen nehmen dazumahlen ab, daß man auch das nicht verrichten kan, was doch in steter Ubung gewsen; das Essen, Trincken und Schlaffen will nicht von statten gehen, da die Kranckheit uns beschwehret; und wie kan es seyn, daß man sich gleich zu jener Zeit tauglich mache übernatürliche Wirckung zu verrichten; zuvor möchten diese nicht geschehen ohne sonderbahre Hülf und Gnad GOttes, und dieser, der einen so beschafnen Eyffer nie erwecket und angezündt, will alsdann Reu und Leyd über die Sünd erwecken, die Liebe GOttes in sich anzünden, alle seine Boßheiten zu Aschen verbrennen und vernichten, einmahl für allemahl diesen Vorsatz machen, nimmermehr zu sündigen? wie ist es eine harte Sach dieses zu glauben, auch forderist, weilen ein solcher Mensch sich befindet unwürdig der göttlichen kräftigen Gnad, indem er so übel sein Leben zugebracht, da er so vielmahlen GOtt den Vatter der Erbarmungen nicht wolte anhören, wann er gnadenreich angeklopffet an das sündhafte Hertz, und dieses zu einer würdigen Buß beruffen. Ach! wie undanckbar widerstrebte dieser allen heiligen Einsprechungen.


Es ist eine wohl bedenckliche Sach, daß unter dem Christlichen Volck so viele Manns- und Weibs-Personen gefunden werden, welche durch mehrere Jahr in ihren schwehren Sünden verharren, und dannoch mit jährlicher Oesterlichen Beicht und Beicht-Zettlen bey der geistlichen Obrigkeit wohl bestehen. Meine Meynung ist, ihre Beicht habe keinen rechten Vorsatz sich zu besseren, und das geduncket mich, ist die fürnehmste Ursach des gottlosen Lebens, welches dergleichen Christen verführen. Ich vermeyne doch auch, daß dieses Uebels keine geringe Ursach seye der Beichtvatter, dann so der Sünder sich aufrichtig von allen Sünden anklagt, und verschweiget nicht die gefährliche Gelegenheiten zu sündigen, in welcher er lebet, so ist der Beichtvatter verbunden einem solchen die Absolution zu versagen, wann er von dieser nahenden Gefahr, indem er konnte, dannoch nicht abweichen, und der sündlichen Gelegenheit entgehen wolte. Ehe als ein Rachgieriger sich mit seinem Feind vergleichen, die Aergernus, welche er wissentlich gibet, aufgehebt; ehe als einer zugestellet habe die Ehr, oder das Gut, welches er dem Nächsten unbillich genommen oder abgetragen, und schuldig ist zuzustellen; ehe soll ein solcher beichtender Sünder nicht absolviert, und von seinen Sünden entbunden werden. Ach! wie ein erschröckliche Forcht greiffet mich an, wann ich gedencke, daß deswegen nicht wenig Beichtvätter tödlich sündigen, und verdammet werden.

Laßt uns anhören einen unglückseligen Fall, welcher manchen [967] Beichtvatter eine kümmerliche Forcht wird einjagen. Dessen wahre Zeugnuß giebt uns der löbliche P. Magister Johannes Avila, ein eifriger und apostolischer Prediger in Hispanien in der Landschaft Andalusia, und wird erzählet von Pater Ignatio Blanc. Ein hochedler aber gar freyer Ritter, beichtet zum öftern einem also beschaffenen Beichtvatter, welcher, entweder wegen der guten Freundschaft, die er mit ihme gepfleget, oder wegen der Geschanckungen, die er von ihme empfangen, mit ihme sanfter, und liebreicher umgangen, als sein boßhafte Weis zu leben erforderte. Er beichtet zwar zum öfteren, doch allzeit übel, dann sein Beicht hatte kein nachdrucklichen Vorsatz, alle Sünden zu meiden, und kein hertzliche Reu, daß diese geschehen seynd. Dieser Cavalier sturbe, und wurde zur Höllen verdammet. Dem Beichtvatter war es unbewußt, daß er seye mit Tod abgangen. Dannoch einsmahls wurde er eilends bey nächtlicher Weil zu diesem Cavalier beruffen, und er wird durch gewisse verdeckte, und seltsame Weeg begleitet, bis zu einem Misthaufen: als er mit deme, der geführt, daher gelanget, höret er ein also ruffende Stimm: Erkennest du mich? ich bin der Verstorbene, und aus deiner Schuld verdammte Cavalier: GOtt hat es zwar zugelassen, dein Dissimulieren, und linde Weis mit mir in der Beicht zu handlen, hat mich verführt, indeme du mich meiner Sünden nicht, wie es nothwendig war, scharf gestraffet, noch mir die Absolution versaget, dahero wiewohlen ich meine Sünd gebeicht, waren meine Beichten ungültig, und ein sündlicher Mißbrauch des heiligen Sacraments, kein Reu meiner Sünden, und kein kräftiges Vornehmen hab ich gehabt; aus Ursach dessen befiehlt GOtt mit dir, du sollst mir in meiner ewigen Verdammnuß ewige Gesellschaft leisten: Als dieses ausgeredet worden, umfanget der verstorbene Beicht Sohn seinen Beichtvatter, gleich eröfnet sich die Erden, und verschlinget beyde in den Abgrund. Wehe denen die also beichten, und Beicht hören.

Das 13. Capitel
Das dreyzehende Capitel.
Es wird berkräftiget mit einer seltsamen Geschicht, wie ein grosse Nutzbarkeit sey ein guten Beichtvatter haben.

In der Franciscaner-Chronick wird erzählet, daß in Franckreich zwey vermögliche geistliche Herren, unter einander, sehr gute Freund gewesen: einer ein Abbt, der andere ein Ertz-Diacon in einer Dom-Kirch jenes Königreichs. Ihr reiches Einkommen gienge diesen beyden auf in unterschiedlichen Geschanck-Gaben, in lustigen Freuden-Festen und Kurtzweilen, in köstlichen Getranck, und Speisen, wie auch in andern [968] Ergötzlichkeiten, und emsiger Zärtlung ihres Leibs. Entgegen wenig oder nichts wendeten sie an ihr Seel und Seligkeit zu versorgen: sie lebeten gleich denen Schwalben, welche ein warmes Land suchen, den Winter hindurch, und ein kühles den Sommer hindurch zu verbleiben.

Einsmahls geschahe es, daß diese zwey in grüner Sommers-Zeit auf ein gewises Ort ausgereiset, da sie aber von finsterer Nacht überfallen, auf einem ofnen Feld, allwo nicht weit vom Weeg ein Kirch ware, sie die Reiß nicht fortsetzen konnten, verfügten sich dahm, die Nacht hindurch zu verbleiben und zu ruhen. Der Ertz-Diacon, wiewohlen er eines üblen Wandels gewesen, hatte doch etwas Gutes an sich, und verlanget zugleich den breiten und den schmahlen Weeg zu gehen, auf der Welt die zeitliche Freuden, im Himmel aber nach diesem Leben die ewige, in der Seligkeit zu geniessen. Er beichtet oftermahlen, sein Beicht-Vatter war aus dem Franciscaner-Orden, ein gelehrter, sittsamer, und auferbäulicher Mann, welcher nicht ein geringe Sorg truge seines Beicht-Sohns, ihne recht zu der Seligkeit zu beleithen: sein Rath war heilsam, seine Vermahnungen, die er ihme geben, waren aufrichtig gut, er verweiset ihm die Gefahr seines zärtlichen Wohllebens, und stäts befahl er ihn GOtt dem HErrn. Diese seynd die Eigenschaften eines guten Beichtvatters, an denen jetzt gedachter Beicht-Vatter nichts wolte ermanglen lassen. Wohl ein guter Beichtvatter, welcher ein bewegliche Ursach gewesen ist, der Verbesserung seines Lebens, und auch ein Antrieb, und Ursach seiner Seligkeit: wie solches aus nachfolgenden nächtlichen Gesicht zu erkennen.

Der Ertz-Diacon begabe sich, und pfleget in diesem alten Kirchlein der guten Ruhe, eben auch diese war die Zeit, in welcher der Beichtvatter wachet, und bittet für diesen seinen Beicht-Sohn. Es entschlaffet der Ertz-Diacon, aber in seinem Traum siehet er in jenem Ort, wo er sich befande, in göttlicher Majestät Christum den gerechten Richter in das Gesicht kommen, von himmlischer Hofstatt begleitet; theils deren, welche gericht solten werden, wurden zu der rechten, theils zu der lincken Seiten verfüget.


Da höret er, wie der Abbt, und alle seine Bediente, die mit ihm waren, heftig von den Teuflen in allen ihren Sünden angeklagt wurden: die Verschwendung der geistlichen Rendten, wurde ihm sträflich vorgehalten, daß er vermessentlich diese in Geschanck-Gaben, in Freuden-Festen, und Wohlleben, nach Lust und Belieben zerstreuet, indem er doch solche zur Hülf und Steur der nothleidenden Armen, zur Zier und Verbesserung der Kirchen, und zu Beförderung seiner Seligkeit, wäre schuldig geweßt anzuwenden. Demnach der Richter alle Klag sattsam verhöret, und alle Ubelthaten vernommen, fället er das Urtheil über diesen Abbten, und über seine Bediente, mit dem gerechten Ausspruch der Verdammnuß. [969] Alsobald darauf verfügten sich die höllische Geister diese in die höllische Verdammnuß zu stürtzen. Dieses alles sahe der Ertz-Diacon gar deutlich, voll mit Forcht und Zittern, er schwitzet vor Angst, und als er vermercket, daß die höllische Geister, welche den Abbt und seine Dienst-Leut gestürtzet haben, zuruck kommen, wurde sein Forcht verdopplet, viel grösser: dann sie naheten zu ihme, und wolten ihn samt seinen Bedienten, gleichfalls dahin führen, und in das äusserste Verderben stürtzen. Indeme sie nun ihn Handfest angriffen, und in ihre gewaltige Klauen faßten, gantz rasend fortzuziehen, beduncket ihn, als wann sein Beichtvatter auf jener Seiten ihn behielte, und er selbsten bemühet sich heftig dieser teuflischen Gewaltthätigkeit auszureissen. Das ware ein schmertzlich, und tödtlich hartes Gefecht, entsetzlich, weilen die böse Geister, und der fromme Beichtvatter, um einer menschlichen Seelen wegen, jene zu Verderbung, dieser zu Erhaltung gegen einander gestritten.


Er erwachet vom Schlaf, die Haar stunden ihm gen Berg, das Hertz überschwemmet mit Forcht, klopfet, und tobet, der gantze Leib ware von kaltem Schweis waschnaß, alle Glieder erzittereten, und die Kräften erlahmten, gleich einem, der mit einem erschröcklichen Kriegs-Heer gestritten. Allen diesen gedencket er nach, ob es ein oder kein Traum seye gewesen, was ihme zu thun oder zu lassen seye, doch schlaget er ihm selbsten die Schwermüthigkeit aus, achtet es als ein leeren Traum, welchen die Abmattung des Leibs verursachet: Schicket sich auf ein neues zu ruhen, und einzuschlaffen, wolte auch niemand aus seinen Gefehrten aufwecken: Befiehlt sich in den Schutz-GOttes, und bald gehet ihm ein Schlaf zu, aber zugleich begegnet ihm das vorige Gesicht des strengen Gerichts, darinn er die Verdammnuß des Abbts seines guten Freundes und dessen Diener gesehen. Gähling fahret er in sich selbsten, wird wiederum munter, mit förchtlichem Zittern abgemattet, weil ihm jetzt ein viel grösserer Schröcken als zuvor ankommen. Er schreyet überlaut aus Zaghaftigkeit auf, ruffet seine Diener zu sich: diese erwachten gähling, und bekleidet obenhin, flugs verfügten sie sich zu ihrem Herrn, welcher befiehlt die Reiß fortzusetzen! sie gehen alsobald den Abbten, und seine Diener aufzuwecken, befanden aber alle sammentlich tods verblichen. Der Ertz-Diacon, wie er dessen berichtet wird, erkennet, daß sein Traum kein Traum, sondern ein wahrhaftes Gesicht gewesen seye, und daß er in Kraft des heiligen Gebetts seines Beichtvatters, samt allen seinen Bedienten, vor der Verdammnuß erhalten worden, Darauf wirft er sich nieder auf die Erden, dancket GOtt, und bettet an sein grundlose Barmhertzigkeit, welche also gütiglich ihme das Leben gefristet, und Zeit gegeben hat, die begangene Sünd zu beweinen, und darüber rechtschaffene Buß zu thun: Er macht von jener Stund an ein [970] kräftigen Vorsatz der Besserung seines Lebens, begehrt auch inniglich die Anzeigung, was für einen Stand ihme anzunehmen. Verweilet ein Zeit lang, bis die Anstaltung gemacht worden, die Verstorbene zu begraben, und verfüget sich in die Stadt: Erzählet ausführlich seinen Dieneren alles, was er wunderlich im Traum gesehen, die grosse Gefahr der Verdammnuß zur Höllen, in der sie gewesen: ermahnet sie beynebens zu einem bußfertigen Leben, und zu seiner Nachfolgung in der Strengheit der Buß. Allen gab er den verdienten Lid-Lohn, die Schulden, welche er gehabt, zahlet er nach Billichkeit ab; den Uberrest seines Vermögens theilet er unter die armen Bedürftigen, endlich wird er mit dem geistlichen Ordens-Kleyd des Heil. Francisci eingekleydet, und verharret in Strengheit des Closter-Lebens bis in Tod.


Vielen gab dieser ein heylsamen Rath, voraus denen, welche er zur lincken Seiten des gerechtisten Richters, in der gehabten Offenbarung gesehen, dann unter selben seynd auch zwey aus seinen Dienern gewesen. Aber der Muthwill dieser Leut verblibe bey dem vorigen Ubel-Leben: weder einer, weder der andere fassete diese Ermahnung zu Hertzen, und dahero wurden sie ein Trauer-Spiel der Unglückseeligkeit mit einem üblen Ausgang ihres Lebens. Ihme aber gelunge die Veränderung des eytel boßhaften mit einem bußfertigen frommen Leben zum besten, indem er endlich mit vielen Verdiensten, von der Sterblichkeit abgeforderet, in die Unsterblichkeit gnadenreich gereiset.


Hieraus erkennet man, wie ein unvergleichlich gut, und köstliche Sach seye, einen guten Freund ihme finden, das ist, einen guten Beicht-Vatter, welcher wohl verständig, und behutsam allweg uns beystehe, und helffe. Wehe diesem Ertz-Diacon, wann ihme kein guter Beicht-Vatter hätte Schutz gehalten: glückseelig aber nun, weilen der Beicht-Vatter seines ewigen Heyls ein beförderliche Ursach gewesen.

Das 14. Capitel
Das vierzehende Capitel.
Es werden vorgebracht drey erschröckliche Straffen, über drey Beicht-Vätter ergangen, weilen sie mit denen Beicht-Kindern, nicht nach ihrer Schuldigkeit seynd verfahren.

Vor etlich wenig Jahren, wie mehrer Bücher-Schreiber solches erzählen, die angezogen werden von Pater Alphonso Andrada, truge sich zu nachfolgende Geschicht mit einem Hoch-Edlen Herrn. Dieser hatte einen Beicht-Vatter, welcher seinen Gelüsten sehr beliebig ware. [971] Dann die auferlegten Buß-Werck waren nicht scharf noch bitter, sondern sehr annehmlich, seine Wort schneideten nicht, weder brenneten, sondern waren gar zu freundlich, ohne alle Straffung der Boßheit: folgends lebte dieser Cavalier ein dermassen freyes Leben, den Sünden und Wollüsten ergeben, ohne allen Vorsatz von der Boßhaftigkeit abzustehen, dahero waren seine Beichten, die er verrichtet, kraftloß, ungültig. GOtt der HErr kürtzet ihme die Jahr seines Lebens ab, zu verdienter Straf der übel angewendten Zeit. Er müßte also in frühen Jahren eines unzeitigen Tods sterben; der Beicht-Vatter aber folget ihm aus Verhängnuß GOttes in wenig Tägen hernach. Es begabe sich, daß des verstorbenen Cavalier seine Frau, nach guter Gewohnheit, ihr Gebett in ihrem Bett-Stübel verrichtete: da siehet sie gähling die Gestalt eines erschröcklichen Manns, mit flammenden Feuer umgeben, dieser truge auf seinen Schulteren einen anderen Mann, gleichermassen voll mit Feur, darüber diese Frau ein grossen Schröcken eingenommen. Jener, welcher auf des andern Schulteren getragen wurde, redet sie mit diesen Worten an: förchte dir nicht, dann ich thue dir zuwissen, daß ich dein gewester Ehemann bin; aber dieser, welcher bezwungen ist mich zu tragen, der ist mein gewester Beicht-Vatter: weilen dieser zu Zeiten meines Lebens ein Theil war meiner Sünden, die er von meinem Mund ohne Widerredung und Abstraffung angehöret, ohne Auferlegung heylsamer Buß, und mich vor anderen sündlichen Fall nicht behütet: ja was noch mehr ist, er hat meinen bösen Neigungen und Frechheiten zu viel nachgesehen, und disfalls mir gebahnten breiten Weeg zur Höllen zubereitet. Dahero nach meinem Ableiben befahle GOtt der Gerechte, er soll mir Gesellschaft leisten in der Peyn, deswegen leydet er gleichfalls das was ich muß leyden. Nachdem er dieses geredet, ist das Gesicht beyder verdammten Seelen verschwunden. Hierdurch wurd diese Frau schmertzlich betrübet, und zugleich unterrichtet, sich keinem solchem Beicht-Vatter zuvertrauen, welcher mit sanfter Lieblichkeit, und gar zu vielen Ubersehen in das äusserste Elend verführen möchte.


Obangezogene Bücher-Schreiber bezeugen von einem anderen Hoch-Adelichen Herrn, welcher sein Leben in der muthigen Freyheit, und in dem Laster-Feld der fleischlichen Wollüsten herum geschweiffet, ohne alle Verhinderung des Beicht-Vatters, deme alles bewußt, aber alles gleichgültig gewesen. Der Lebens-Faden dieses Cavalliers wurde abgeschnitten, er sturbe: und wo er unter die Erden begraben worden, da sprung er einsmahls aus dem Grab herauf, das war in der Kirchen, gehet dem Beicht-Vatter zu, welcher sich eben zu dieser Stund, samt etlichen anderen alldorten befande, und redet ihn mit nachfolgenden Worten an: warum [972] hast du mir die Wahrheit nicht vorgesagt? warum hast du mehr als sich gebührte, meine Sünden übersehen? du hast mir nicht geholffen ein vollkommene gute Beicht zu machen, die Absolution, welche du über mich ausgesprochen, war übel: ich waltzte fort in dem Luder meiner Sünden: deshalben bin ich ewig verworffen, zu den immerwährenden Flammen des höllischen Feuers. Nun so ist es ein gerechte Sach, weilen du ein Theil bist gewesen meiner Sünden, so solst du auch ein Theil werden meiner Peynen: da er dieses geredet, greiffet er ihn gewaltthätig an, ziehet ihm Haut und Haar von dem Kopf, schindet ihm den Leib bis auf die Füß. Der elende Beicht-Vatter tobet und wütet in seinem Schröcken u. Schmertzen: und fanget an noch lebendig zu leyden die Peyn der Verdammten, stirbt endlich in diesem Jammer, und fahret nach seinem unglückseeligen Beicht-Sohn in die Höllen, wo heraus nie kein Erlösung zu hoffen.


In der Zeit, da das Königreich Hispanien von den Mohren übergwältiget worden, wurden Histori-Bücher geschrieben von Geschichten des Königs Don Roderici, welcher der letzte aus dem Gothischen Geschlecht gewesen. In einem aus diesen Büchern, welches hoch berühmet, und Rasis genennet wird, zu Toleto im Jahr 1549. gedruckt, und zufinden in dem Bücher-Saal, des Catholischen Königs der Spanischen Königreich Philippi des vierdten: da findet man folgende wunderliche, und erschröckliche Begebenheit.

Als Don Rodericus der König im Feld-Lager sich befande, samt allem seinem Kriegs-Volck, nicht weit vom Fluß Guadalere genannt, und wider die Mohren etliche Scharmüntzel versucht: einesmahls gegen dem Abend begibt sich dieser König aus seinem Gezelt in Begleitung Geistlicher und weltlicher Hof-Herren, welche dem König beygewohnet. Augenblicklich erhebet sich ein Sturm-Wind, welcher in Ansehen aller, die Erden mehr als zehen Klafter tief eröfnet, viel Staub und Sand, als wie ein dunckles Gewülck in die Höhe, bis zu dem Ort, wo der König war, getrieben, ihme vom Haupt seinen Hut, und von seiner Seiten zwey Bischöf hinweg gerissen, nemlich den Bischof von Jaen, und den Bischof von Iliberia. Alle stunden in gleichem Schröcken, und Verwunderung erwartend, was endlich daraus soll werden: sie sehen, wie diese Bischöf in dem Gewülck in die Höhe geführt wurden, und förchteten ihnen ein gähen Herunterfall, oder ein besorgliche Verzuckung. Nach einer halben Stund, durch welche dieser Sturm-Wind in der Höhe geschwebet, leget er sich, und beyde entführte Bischöf leget er zur Erden, auf jenes Ort, wovon er sie genommen: doch waren sie gantz ausgemerglet, daß sie nicht leichtlich, auch von denen Bedienten konten erkennet werden. Nichts mehr als ihre Hemder hätten sie am Leib, ihr Angesicht war [973] ungestalt entfarbet, die Glieder ohne Kraft erliegend, zerkreilet und verwundt waren ihre Leiber, als wann sie durch Distel und Dörnern wären geschleifet worden, sie lagen unempfindlich, ohnmächtig, kein Athem konte man in diesen spühren, und wurden anfänglich für tod angesehen. Die fürnehmste Herren des Königreichs verfügten sich zu diesen, wurffen auf sie ihre Mäntel, um dero unbeschreibliche Blösse zubedecken. Eben auch diese waren in Zweifel, ob sie tod, oder ob noch ein Leben in ihnen zufinden, versuchten dieses zu erkennen, erkennten auch, daß noch ein wenig Hitz und Athem übrig, liessen sie derowegen erheben, und in das Königliche Gezelt übertragen, da sie gelabet, und mit Artzney-Mittel also gestärcket wurden, daß sie nach einer Stund zu sich selbsten kommen.


Der König befragte diese, wegen des Verlaufs, welcher sich mit ihnen zugetragen, was doch die Ursach seye dieser seltsamen Begebenheit, sie sollen diese offenbaren, und was der erschröckliche Sturm-Wind, den alle gesehen, bedeutet?

Der Bischof von Jaen, welcher des Königs Beicht-Vatter gewesen, beredet diese Frag mit folgenden Worten, welche aus der Histori nach alter Weis zu reden, zur grössern Glaubwürdigkeit und Bekräftigung einfältig seynd übertragen worden. Herr ich versichere dich, daß GOtt dem höchsten HErrn wohlgefallen habe, dem Teufel Erlaubnuß zu geben über mich, durch eine halbe Stund, mich mit vielen Ublen zu versuchen, doch daß er mich nicht um das Leben brachte. Und dieses alles darum, weilen ich dir nicht auferlegt hab die Buß über deine Sünd, welche ich vernünftig hätte auferlegen sollen: ich nicht also mit dir geredet in der Beicht, wie es die Schuldigkeit erforderte, dahero hab ich von dir den Last deiner Boßheit nicht hinweg genommen; ich erfordere von dir nichts mehr, als was du selbsten vorgebracht, da ich doch für gewiß gewußt, daß du etliche Sachen ausgelassen hast zu beichten, und hast mir mehrmahlen gelaugnet die Sünd etlicher deiner Bedientē, welche dir übersehen, und nicht verbesseret hast: du vermeinest nicht ein Schuldigkeit zu seyn, etliche in Verträulichkeit zu entlassen, welche kein anders Absehen gehabt, als ihren eignen Nutzen; dahero wurden andere Leut von diesen schwärlich belästiget, und ich, der ich dieses gewußt, hab dir nicht auferlegt zur Buß, du soltest diesfalls vorsehen. Dieses seynd die Ursachen, daß ich ein halbe Stund so viel Peyn und Qual hab ausstehen müssen, dergleichen ich nicht glauben kan, daß jemahlen einem lebendigen Menschen auf der Welt möchten angethan werden. Ich verwundere mich jetzund nicht mehr, als daß ich diese Wort, welche ich geredt hab, aussprechen können, und merck es wohl mein Herr, wann ich so viel gelitten, wegen deren Ursachen, die [974] ich wenig oder nichts geachtet: was soll der, welcher ein grösseren Sünden-Last auf sich hat, nicht förchten?


Nach also beschlossener Rede des Bischofs von Jaen fanget auch an der Bischof von Iliberia die Frag des Königs zu beantworten. Aus drey Ursachen, sprach er: hat GOtt dem Teufel zugelassen mir die Peyn durch diese Zeit anzuthun, und wäre nicht die Fürbitt des H. Petri und Pauli gewesen, so wäre Leib und Seel gestürtzet worden in die Höllen. Aber in Anhörung dieser Fürbitt hat mir GOtt auf fünfzehen Stunden Buß zu thun, das Leben gefristet. Die Ursachen waren diese: die erste, weilen ich als Bischof viele köstliche, und nicht nothwendige Kleydung, welche fürwitzig und eytel anzusehen waren, gekauft, mich zu prächtig gehalten, meine Diener aber und die arme Leut nothleydend und bloß herumgehen lassen? die andere, weilen ich zu kostbarliche Mahlzeiten angestellet, sorgfältig, daß alles wohl geschmack zum besten zubereitet wurde, mit Verschwendung so vieler theuren Speisen und köstlichen Getrancks; die dritte war, weilen ich einem aus meinen Bedienten zu viel Gewalt überlassen, in Erforderung der Rendten, und daß er in Beherrschung deren zu klug und zu handhäbig gewesen, kein Allmosen ausgespendet, und den nothleydenden Armen keine Hülf geleistet.


Es ist die gründliche Wahrheit, daß der Bischof alsobalden diesen seinen Diener zu sich beruffen lassen, ihm sein Thun scharf verwiesen, und den letzten Willen anbefohlen, benanntlich alles und jedes, seinen gantzen Reichthum denen bedürftig verlassenen und nothleydenden Armen ab und auszutheilen. Der Bediente aber wolte solches zu sehr empfinden, und in Ansehung, daß sein Herr bald mit Tod abgehet, schwöret er hoch und theuer, daß dieser von seinem Herrn jetzt benannte Reichthum auch halben Theil nicht vorhanden wäre. GOtt der HErr aber straffet plötzlich mit Donnerstreich vom Himmel herab diesen Lugner, und verzehret ihn zu Staub und Aschen, in Beywesenheit des Königs und des Volcks. Ein heylsame Forcht wurde also dem König eingejagt. Er fanget an zu beweynen seine Sünd sorgfältig, daß die getrohete Straf ihne nicht überfalle. Man truge die zwey Bischöf in ihre Wohnung, welche nachfolgenden Tags mit Erzeigung wahrer Reu und Buß seynd verschieden.


Drey jetzt vorgetragene Straffen GOttes, hab ich bey mir gefunden gut zu seyn der Gedächtnus einzudrucken. Nicht blind sollen die Beichtvätter darein gehen, sondern die Augen eröfnen, und sicher wandlen, nach Schuldigkeit ihrer Verwaltung, weilen dann diesen von GOtt vertrauet seynd die Schlüssel, denen die Himmels-Porten, die ihnen beichten, zu eröfnen, so sollen sie es wohl beobachten, daß sie solche nicht auschliessen. GOtt bedauret in dem Klag-Lied [975] seines Propheten (Thren. 2. v. 14.) sie haben dir deine Missethat nicht geoffenbahret, damit sie dich zur Buß bewegen: Et non aperiebant iniquitatem tuam, ut te ad pœnitentiam provocarent. Dem Beichtvatter stehet es zu der Beichtkinder Gewissen bestermassen zu reinigen, absonderlich, wann diese unwissend seynd, und niemand haben, der ihnen den Weeg der Seeligkeit weiset, und sie einführt zu der wahren Reu und Leyd der Sünden, und in die Verbesserung ihres Lebens, da sie ihnen steif vornehmen, nimmer GOtt zu beleydigen. Dieses soll geschehen mit eyferigem Zusprechen, mit beweglichem Antrieb zu dem guten, sie sollen auch im Gebett diese anvertraute Seelen mehrmahlen, ja inständig GOtt befehlen, und mit einem auferbäulichen Wandel ihnen vorleuchten.


Sehr übel wäre es bestellet mit denen Beichtvätteren, wann sie gleich wurden seyn dem Tauf-Wasser, welches das Kind abwaschet, und darauf selbsten auf die Erden in den Staub rinnet, und zu einem Koth wird, oder gleich denen Zimmer-Leuten, welche die Archen des Noe gezimmert, andere zu erretten, indeme sie doch nicht seynd errettet worden, sondern in dem Sündfluß untergangen, oder gleich demjenigen Stern, der die weise drey König, den eingemenschten GOtt anzubetten, begleitet, und eingeführt hat: er aber ist selbsten daraussen geblieben.

Das 15. Capitel
Das fünfzehende Capitel.
Mehrmahlen und bald nach der Beicht in eine gewisse Sünd fallen, ist zum öftermahlen ein Zeichen, daß der Vorsatz sich zu besseren kein kräftiger Vorsatz gewesen.

Wohl ein erschröcklicher Spruch Christi ist derjenige, in Andencken dessen allzeit die Haut schauret, Nemo mittens manum suam ad aratrum, & aspiciens retro, aptus est regno Dei. Was ist es den Pflug ergreiffen, als beichten? dann gleichwie der Pflug die Erden, also zerschneidet das Hertz die wahre Reu, eröfnet und bereitet es den Saamen der göttlichen Gnad zu empfangen. Nun folget aus dem Ausspruch Christi unsers HErrn, daß derjenige, welcher jetzund beichtet, und bald umsihet zu den vorigen Sünden, solche wiederum begehet, nicht tauglich sey das Himmelreich zu überkommen; warum diß? weilen ein solcher Büssender keinen wahren Vorsatz gemacht sein Leben zu verbesseren. Jeremias der Prophet erkläret dieses, und fragt: ob dann ein Mohr sein Haut verändern kan? oder ein Tigerthier seine Gespreckel? Si mutare potest Æthiops pellem suam, aut pardus varietates suas? ein Tigerthier hat eine gesprenckelte [976] Haut schwartz und weiß, gleichwie ein Brettspiel, dadurch der viel bemacklete Sünder wird angedeutet, er beichtet zwar, und verlangt sich zu reinigen, aber die üble Gewohnheit zu sündigen ist ihme wie ein gesprenckelte Tieger-Haut angewachsen; die Haut wird nicht abgezogen, die böse Gewohnheit wird nicht abgestreiffet, gleich wiederum lassen sich die Sprenckel und Mackel sehen, nemlich der Vorsatz ist unkräftig gewesen, und die Beicht ungültig. Das ist die Frag des Prophetens, ist es möglich einem Leoparden oder einem Tieger seine Haut zu benehmen, alle Sprenckel abzuwaschen, das ist: ist es möglich einem Sünder die üble Gewonheit der mehrmalen begangnen Sünden abzuziehen, und ihn zu reinigen? bey den Lateinern ist ein Sprüchwort über das, wo alle Müh und Arbeit verlohren, was man umsonst sich bemühet zu verrichten, Æthiopem lavat, sprechen sie: oder Æthiopem dealbat, er waschet einen Mohren, der wird doch nicht weiß; also ein Sünder, welcher ein Mohren-Haut durch viele wiederhohlte Boßheiten bekommen, wann er beicht und doch sein Haut nicht ausziehet, wie eine kluge Schlang, so ist alles Waschens vergebens, seine Beicht wird ihne nicht reinigen, aus Abgang des rechtschaffenen Vorsatz.


GOtt beklaget sich durch den Ezechiel capite 8 als er in den Tempel zu Jerusalem geführet worden, da war ein Götzen-Bild Baal, oder Belzebub genannt, welches durch den heiligen Kirchen-Lehrer Hieronymum verdolmetschet wird, Deus Muscæ, Gott der Mucken. Was ist dies für ein Abgott der Mucken, der den wahren GOtt so hoch beleidiget? wann er sich beklagte über die Wepsen, welche mit ihrem Angel, wo sie etwann hinsitzen, stechen und verwunden, so wurde es kein verwunderliche Sach seyn; aber daß ein Mucken, welche nicht sticht, GOtt beleidige, über das ist es sich zu verwunderen. Bedencke man eben dieses reisser, so befindet man den Grund. Was ist es, daß ein Wepsen mit ihrem Angel sticht, einmahl allein, und nicht öfter, thut sie dieses: Entgegen die Mucken ist unverschamt, sie kommet gleich und vielmahl wiederum, sie kützlet und peiniget gar zu oft. Jene Sünder, welche gleich denen Wepsen, einmahl allein GOtt beleidigen, und darnach büssend nicht mehr solche begehen, seynd kein Greul GOtt dem HErrn: aber jene, welche gleich den Mucken, nachdem sie einmahl gesündiget, und durch die sacramentalische Beicht vertrieben worden, dannoch gleich wiederumen das andere, zehende, und hundertmahl zuruck kommen, und fort und fort sündigen, über diese beklagt sich GOtt, die seynd GOtt zu einem Greul.

O üble Mucken! ihr wiederkehrende Sünder, die ihr euren GOtt so vielmahl beleidiget, und seinen Zorn immerfort erwecket, ad provocandum æmulationem, wie oft? wie oft werdet ihr zu eurem Luder wieder umkehren? Höret an, wie der goldene Mund St. Johannes Chrysostomus mit [977] brinnendem Eifer straffet und ermahnet den Muthwill eines solchen Sünders, also sprechend: Noli peccare post veniam, vulnerari post curam, noli sordidari post gratiam. Cogita graviorem causam esse post veniam, renovaturum vulnus pejus dolor post curam, molestius hominem sordidari post gratiam. Servo pejor est, qui patronum post partam libertatem offendit. Nicht sündige nach der Versöhnung, nicht werde verwundt, nachdem du geheilet bist, nicht werde häßlich nach der Gnad. Gedenck, daß die Sünd grösser sey, welche begangen wird nach der Verzeihung, daß die Wund sey schmertzlicher, und gefährlicher, welche erneuert wird, und daß es sey abscheulicher, wann du nach dem Baad der Gnad besudelt bist. Der ist ärger als ein Sclav und Leibeigner, welcher nach empfangener Freyheit seinen Herrn beleidiget.

Wie wunderlich ist das, was der Ehefrauen des Loths geschehen, diese gieng mit ihrem Ehemann aus der Stadt Sodoma, wendet aber auf der Reiß fürwitziger Weis ihr Haupt zuruck, die verlassene, und nun von wilden Feur angezündte Stadt Sodoma noch einmahl zu sehen, da wird sie urplötzlich in ein steinerne Saltz-Bildnuß verändert, und auf dem Weeg stehend gelassen. Vera est in statuam salis, Gen. 19. Der heilige Cyrillus von Alexandria verwundert sich darüber, in Bedenckung, daß dies Weib vorher wohnhaft gewesen in dieser Stadt, sie pflegte der Gesell- und Gemeinschaft jener gottlosen Innwohner, und wiewohlen GOtt dieses wohl gewußt, so ist er doch wider sie nicht erzürnet, und hat ihren Wandel nicht gestraffet; nun aber weilen sie den Kopf gewendet gegen dem, was sie verlassen, wird ihr das Leben genommen, und wird verstaltet in ein steinerne Saltz-Bildnuß. Wolte GOtt! die Sünder, welche zu ihren verlassenen Sünden wieder umsehen, wurden mit diesem Saltz eingesaltzen. Ach! wie viel sündliches Fleisch wurde nach eingesaltzener sacramentalischer Beicht, und Buß nimmer in das Gestanck, oder in die Fäule vorher begangener Sünden kommen: kein Maden oder Wurm, welcher des Sünders Gewissen stäts naget, wurde daraus erwachsen. Zuvor, ehe als du jene Todsünd gebeichtet, warest du in Mitten der gottlosen Stadt Sodoma, und GOttes Zorn hat deiner verschonet, demnach du aber diese rechtschaffen gebeichtet, wende dein Haupt, und deine Augen nicht mehr zuruck auf die sodomitische Brunst, aus welcher dich GOtt barmhertzig errettet hat: wende dich nicht mehr um, vom Berg gegen Sodoma zu sehen, das ist, wende dich nicht mehr um von der Buß, zu voriger Sünd, von GOtt, zu der verübten Gottlosigkeit: dann die Stund, von welcher du nicht vermeinest, wird gähling ankommen, und dich aus diesem Leben abfordern, und vielleicht unversehens mit Gewalt überfallen, daß dir kein Stund, oder viertel Stund übrig seyn wird, deine sündliche Verwürckung abzubüssen.

[978] Wie wahrhaft ist der Ausspruch St. Augustini, solche Leut, welche bald nach geschehenen Verbrechen sich zu vorigen Sünden umwenden, non rumpunt, sed interrumpunt peccata, sie beichten nicht, sondern unterbrechen die Sünd, sie unterlassen zwar das sündliche, aber verlassen es nicht gantz und gar, weilen sie über ein kleine Zeit solches wiederum in ihrer Boßhaftigkeit üben. Mich beduncket, diese seynd gleich denen Menschen, welche auf einem offentlichen Jahrmarckt kauffen, und verkauffen: Der Platz ist voll mit Leut, einer beklagt sich und wurret, der andere schwört und flucht, dieser lüget und betrüget: gähling wird das heiligste Sacrament des Altars vorbey getragen, man läutet und singet nach Gebrauch, kaum höret man dieses, alles Volck schweiget, fallet nieder auf die Knie, klopfet an das Hertz, und bettet an in denen Gestalten des Brods den verborgenen GOtt; aber kaum ist es vorüber getragen worden, stehen alle auf, die Andacht ist aus, der vorige Handel gehet wiederum an, weder dieser, weder jener lasset sein Murren, sein Schwören, sein Lügen, sein Betrügen fallen: man murret, man schwöret, man lüget und betrüget, wie zuvor: dann sie haben ihren Handel nicht brochen, sondern unterbrochen. Also gehet es mit vielen zur Boßheit gewohnten Leuten: einer in Schelten, der ander in Ehrabschneiden, jener in verharter Feindschaft, dieser in unziemlicher Lieb, etc. solche hören den Namen der Fasten, oder des Jubiläums. Auf, auf, schreyen sie, die heilige Zeit ist verhanden, lasset uns vollkommentlich beichten und büssen: Ach! wir wollen doch an das Hertz klopfen, und es zum Guten aufmunteren. Demnach aber die heilige Zeit verwichen, nimmt ein jeder den Ruckweeg zu seinen argen Gelüsten, da heißt es, non rupit, sed interrupit peccata. Nimm wahr, GOtt ist vorüber getragen worden, in Anhörung des Glöckleins hast dein Schuldigkeit erzeigt, an dein Hertz klopfet, ein Beicht verrichtet, aber dein Vorsatz von allen Sünden abzuweichen, erstreckte sich nicht weiter, als auf die heilige Zeit, ist diese verwichen, da verweichet auch dein Vorsatz Gutes zu thun.


Wie wahrhaftig, und wohl mercklich ist der Ausspruch Tertulliani, welcher hieher sehr tauglich ist, er spricht in dem Buch von der Buß, daß diejenigen, die dem bösen Feind durch die sacramentalische Beicht entgangen, und sich mit Christo dem HErrn versöhnet haben, aber bald auf den alten Weeg der Sünden umkehren, faciunt pœnitentiam pœnitentiæ, es reuet sich ihrer Reu: nemlich sie betauren, daß sie ihre Sünd betauret haben. Als ob sie mit ihrem Thun worten sagen: Zweyer Herren Dienst hab ich versucht, ich hab GOtt gedienet und dem Belial: Christus war mein HErr, und ein andersmahl der Teufel, doch hab ich befunden, daß wohl lustiger, und annehmlicher seye dem Belial oder dem Teufel, als GOtt, und GOttes Sohn zu dienen. Was [979] kan lasterhafters gedacht oder ausgesprochen werden? Was die jüdische Halsstärrigkeit am Gerichts-Tag Christi aufgeschryen, das schreyt die christliche Boßheit auf: Es lebe bet Mörder Barabbas, Christus aber soll sterben an dem Galgen des Creutzes.

Das 16. Capitel
Das sechzehende Capitel.
Ein seltsame Geschicht, mit welchem eben dieses wird bestättiget.

Laßt uns anhören einen traurwürdigen Zufall, welcher in unsern Zeiten sich zugetragen, diesen beschreibt ein Pater aus der Gesellschaft JEsu, dessen Zeugnuß aufrichtig, dann er selbsten der Beichtvatter gewesen, der diesem sündigen Menschen beygestanden.

Zu Seviglia befand sich ein Handelsmann, welcher seinem Gewinn nachgereiset, und mit einer geliebten Weibs Person in die Indianische Länder fortzuschiffen sich begeben: Etlich Tag lang ist diese ihr Schiffahrt glücklich abgeloffen, darauf aber entstanden ein grausames Ungewitter, welches die Schifleut genöthiget, die schwere Waaren in das Meer zu werfen: Alle in dem Schif verhandene suchten zu beichten, und schryen um die Barmhertzigkeit GOttes: Darunter auch haben diese zwey Verliebte den Vorsatz gemacht, die unreine Lieb zu verlassen, sie wollen nimmermehr wiederum sündigen. GOtt gebe Kraft diesem Eifer: aber ich förchte, er währet nicht länger, als das trübe Ungewitter. Mit guten Wetter kamen die böse Gelüsten wiederum, man vergisset in schöner Zeit des guten Vorsatzes, welchen der verwichene Donner, und Sturm hat eingejaget. Dann nicht anderst ist es ergangen, wie sich der Wind gelegt, die trüben Wolcken entflogen, und der Himmel ist ausgeheitert worden: sie ländeten zu Manila an, und vollendeten sich alle gute neulich gemachte Vorsätz, es gieng auf ein neues wiederum an, die schändliche, und sündliche Lieb dieser zweyen. Uber ein Zeit, ereignet sich wiederum für diesen Kaufmann ein gute Gelegenheit abzuschiffen, und die Güter in Sicherheit zu stellen: er nimmet gleichfalls mit sich sein Geliebte. Man seglet ab bey guten Wind, die Schiffahrt gehet wohl von statten, etlich Tag und Nacht lauffen glücklich mit sanftem Wind dahin: unversehens überziehet sich der Himmel, das Meer bäumet sich auf, es streiteten zwey widerwärtige Sturm-Wind gegen einander, die Wellen erhebten sich mehr und mehr, Regen und Schauer, Blitz und Donner vermischten den Luft, der Tag gieng ab, die Nacht ziehet auf, und alle Hofnung entfiele den Schiffenden: das Schif stosset an den Felsen mit solchem Gewalt, daß es zu Trümmeren zerbrochen[980] und fast alle untergangen. Der Kaufmann schwimmet in mitten der Wellen, bis daß er ein Tafel vom zerbrochenen Schif erreicht, darauf er sich fest haltend, die Ausflucht, und Erhaltung des Lebens gesucht: Das Weib aber zwischen den Wellen und Tods-Gefahr gantz und gar erbleichet: begegnet eben dieser Schif-Tafel hanget und haltet sich daran, auf dem andern Ort, daß beyde also dem vor Augen schwebenden Tod entrunnen. Diese Noth lehret sie das unzüchtige Leben verdammen. Ach! schryen sie, verflucht seye alle Unreinigkeit unsers sündigen Lebens: aller fleischlicher Wollust sey immerdar vermaledeyt, dann er bringt nichts als Unheyl, und Verderben. O gütigster GOtt! strecke aus dein Hand, uns Sünder aus der Gefahr zu erretten. Ach! wie viel ein anderes Leben werden wir hinfüro anfangen zu führen. Das Ungewitter regierte durch die gantze Nacht, gegen dem Tag aber stillet sich der Himmel, und das Meer: zu anbrechendem Tag-Liecht befanden sich diese zwey nahend bey dem Ufer, und waren mehr den Tods verblichenen, als den Lebendigen gleich, weilen sie dem Rachen des Tods und der Höllen kümmerlich entrunnen: sie leisteten eines dem andern Hülf, so viel als sie konten, sie kehreten zu Land wiederum nach der Stadt Manila.


Nun möchte man vermeynen, diese wurden sich in Clöster und Wüsten verschlieffen, Buß zu thun, den billich über ihre Sünd erzürnten GOtt zu versöhnen, er zwar wurde die Strengheit der Carthäuser, das Weib aber die Marsilianische Höhlen auserwählen, mit Weynen und Betten ihre Seelen zu remigen, und das übrige Leben bestermassen in der Bußfertigkeit zubringen. Nichts wenigers als dieses gienge ihnen zu Hertzen, nachdem alle Gefahr entgangen, und sie sich in der Sicherheit befanden, beliebet ihnen das unzüchtige schändliche Leben gleich wie zuvor, sie wältzeten sich als Schwein in dem sündlichen Koth ihrer Geilheit, gedachten nicht mehr auf den in der Gefahr so hoch und theur gemachten Vorsatz. GOtt der HErr suchte den Kaufmann heim mit einer tödtlichen Kranckheit, der Leib-Artzt wird beruffen, und da er die Puls gegriffen, ermahnet er ihn, daß eine grosse Gefahr vorhanden, er soll bey Zeiten darzu thun, seine Seel und Seeligkeit zu versorgen, er wolle sich mit den HH. Sacramenten versehen, und seinen letzten Willen nach Anordnung seiner Sachen verzeichnen lassen. Ach! wehe was wird mir das Beichten helfen? sprach der Krancke, ich bin des Teufels Eigenthum. Meiner Seel ist nicht zu helfen, meine Sünden seynd nicht zu vergeben. Grausame Wort waren diese in den Ohren der Hausgenossenen und Umstehenden; daher fanden sie gut zu seyn eylends den Beichtvatter aus dem Collegio der Jesuiter zu beruffen.

Der Pater saumete sich nicht, kommet, und besuchet den Krancken, aber [981] der Krancke redet den Pater alsobald an, was wolt ihr euch plagen mein Pater, es ist mit mir verhaußt, ich bin schon verdammet, mein Herr, sprach entgegen der Beichtvatter: was seynd das für kleinmüthige Wort, bekennet mir es, in wem bestehet euer Mißtrauen? Er antwortete: in meinen abscheulichen und greulichen Sünden meines Lebens, darauf erzählet er den Verlauf und allen Zustand seines Lebens, wie vorhero gemeldet worden, und schließlich sprach er: was vermeynet ihr mein Pater, hab ich nicht tausendmahl die höllische Verdammnus verdienet? der Beichtvatter antwortet: mein Herr, wiewohlen es deme also wäre, dannoch ist es nicht die Wahrheit, daß ihr hertzlich bereuet alles, was ihr sündlich gethan habt; euer Wunsch wäre, ihr hättet niemahlen gesündiget, mein Pater, sprach der Krancke, wann dieses mein Wunsch nicht wäre, so wolte ich lieber, ich wäre nie nicht gebohren worden, oder lieber tausendmahl tod gewesen, als jemahlen eine Todsünd gethan, und meinen GOtt beleydiget; gebet mir die Hand darauf, und ich versprich euch die Barmhertzigkeit GOttes, Verzeyhung euerer Sünden, und das ewige Heyl; kann ich dann seelig werden? warum das nicht, ja die Seeligkeit ist versichert; also unterredeten sie sich, und der Pater fienge an ihne darzu zu bereden. Vor allen schaffet er ab das Weib, fort mit ihr aus dem Haus, der Krancke sprach: nur fort mit ihr, Ach! hätte ich diese niemahl gekennet: das boßhafte Weib muste weichen. Darnach beichtet er, mit Anzeigen grosser Reu alle seine Sünden, er wird absolviert, und findet sich sehr getröst, er machet kein End, die Patres der Gesellschaft zu loben. Bald darnach kommet der Medicus oder Leib-Artzt besuchte seinen Patienten, und befindet an ihm eine Besserung, dann aus innerlicher Ruhe der Seelen, empfande auch der Leib eine merckliche Erquickung; also zwar, daß dazumahlen der Zustand keine tödtliche Gefahr gehabt. Solches war allen Befreunden ein fröhliche Zeitung, sie besuchten, und erfreuten sich mit ihme, alle sprachen, wohl ein wunderbarliche Gesundheit ist diese! Ist es dann besser mit mir? fraget der Krancke: bin ich ausser der Gefahr? warum hat man mich so eylends bethöret mit dem Beichten? wie unbescheyden hat man das Weib, die arme Haut aus dem Haus gestossen; geschwind ruffet es, und laßt es herein zu mir kommen; der Schlepsack das Weib kommet wiederum gantz betrübet, weilen sie so schändlich aus dem Haus gestossen worden; was beliebet dir, was wilst du von mir haben? sprach der Krancke: der Pater Jesuiter ist gar unbescheyden gewesen, ich hab es höchst empfunden; jetzt aber, sagt der Medicus mein Leib-Artzt, ich sey ausser der Gefahr; das Weib weynet über den Krancken, der Krancke aber nahme sie bey der Hand, und wolte sie befriedigen, die Angesicht naheten sich zusammen, und er gab einen Kuß dieser seiner Buhlschaft, dem Teufel zugleich [982] gab er sein unbußfertige Seel, stirbt also in den Händen, und in Umfangen der unreinen Lieb, welche ihme worden ist zu einem Stein des Anstoß, darüber dieser elende Mensch in das ewige Verderben ist gefallen.


Von dergleichen Widerruffer, welche ihre Sünd und Sünd-Gefahren wiederum zu sich beruffen, spricht recht und wohl der Heil. Basilius, solche seynd zu vergleichen dem König Saul. Dieser wurde von David mit gut gestimmtem Harpfen-Klang von des Teufels Anfechtung befreyet, dannoch zu Lohn dessen, Nisus est configere David lancea in pariete: bemühet er sich den David mit einer Lantzen an die Wand zu spissen: als wann deßwegen ihme seine Gesundheit wäre ertheilet, und das Leben erhalten worden, damit er beleydigen, oder um das Leben bringen konnte den, welcher ihne so lieblich erhalten hat. Durch unsere Todtsünden werden wir des Teufels Seel und Leibeigene. Christus der Sohn Davids erbarmet sich über uns, und erlöset uns von der teuflischen Sclaverey mit seiner Harpfen des heiligen Creutzes, daran er hangend eine liebliche Music mit seinem Leyden aufgemacht, daß hierdurch unsere Sünden und der höllische Feind verjaget, wir aber in seinem Blut geheylet werden. Und nun an statt der Danckbarkeit wollen wir ihn auf ein neues beleydigen, verspotten, geißlen, mit Backenstreichen schlagen und creutzigen; ist dieses der Danck gegen GOtt? bist du deßwegen deiner Kranckheit, dem Tod und der Höllen entzucket worden, auf daß du deinen Erlöser auf ein neues beleydigen sollest? dieses thust du und auch wir, so oft unsere Buß sich wiederum wendet nach der Sünd.


O Christliche Seel! der HErr Christus ist gar zu sehr bißhero beleydiget und gemartyret worden, mache keine Geissel, schärffe keine Lantzen, giesse nicht ab Gallen und Myrrhen, ihne zu peynigen: Ach! zu keiner Zeit mehr solst du ihn beleydigen.

Das 17. Capitel
Das siebenzehende Capitel.
Die Nothwendigkeit der General-Beicht, welche etlichen zustehet.

Aus dem, was bißhero gesagt worden, kan man schliessen, daß vielleicht unsere gemachte Beichten nicht ungleich diesen vorgesagten seynd gewesen, dahero ist es eine Nothwendigkeit eine vollkommene Lebens-Beicht, das ist: eine General-Beicht zu machen. Gewiß ein witziger Rath thut dieses, wiewohlen es scheinet, als wann allezeit ein kräftiger Vorsatz das Leben zu besseren, in allen verrichten Beichten wäre gemacht worden.

[983] Ein frommer geistlicher Scribent erzählet, daß er viele General-Beichten als Beichtvatter angehört habe, in diesen sagten die Beichtkinder anfänglich, sie verrichteten diese Beicht aus Andacht, nicht aus Nothwendigkeit, dann sie sprachen daß sie allezeit in den vorhergemachten Beichten steif ihnen vorgenommen nimmer zu sündigen; und eben diese zum Schluß ihrer General-Beicht bekenneten, sie wolten nicht nehmen die gantze Welt, daß sie nicht gethan hätten diese ihre General-Beicht, und sagten: nun sihe ich, daß meine Seeligkeit in Gefahr wäre gestanden in meinem Tod, daß ich nicht recht gesehen den Vorsatz, den ich allezeit gemacht hab, mein Leben zu bessern; mich bedunckte zwar, mein Vorsatz sey kräftig gewesen, aber er war zu schwach und ohne Kraft; ich sagte dem Beichtvatter, ich nehme mir vor, fromm ohne Sünd zu leben, doch war mein Eyfer matt, und mein Vorsatz ohne Nachdruck.


Die Bürgerliche Rechten verordnen, daß wann ein Krancker hundert Reichsthaler einem Leib-Artzten verspricht, mit dieser Bedingnuß, daß er ihm von seinem Schaden, oder Kranckheit aufhilft: gesetzt es geschieht dieses, aber bald darnach bricht der Schaden wiederum auf, und die Kranckheit stoßt ihm wiederum an, alsdann ist der Leib-Artzt verpflicht, aus Ursach der ersten Bestellung ihne zu heylen, und zu helffen; dann der Patient nicht allerding recht zu seiner Gesundheit kommen ist, sondern so bald wiederum von dem vorigen Zustand überfallen worden. Solches geschieht denen, die leichtlich wiederum in vorher begangene Sünden nach verrichter Beicht fallen. Da kan man witzig muthmassen, daß dergleichen Sünder fast nie recht von ihrem Schaden oder Kranckheit der Seelen seynd geheilet worden: wo ist ihr kräftiger Vorsatz nicht mehr zu sündigen? indeme sie gleich wie zuvor sündigen, und in der Anfechtung gleich einem Schnee, oder Wachs im Angesicht des Feuers zerschmeltzen.


Die vollkommene Lebens- oder General-Beicht ist etlichen schädlich, etlichen aber nutzlich: jenen bringt es ein irrige Unruhe diesen ein nothwendige Sicherheit. Schädlich ist die General-Beicht denen, welche mehrmahlen generaliter gebeichtet, und dannoch täglich wollen diese wiederholen, dardurch sie nichts anders thun, als ihnen und den Beicht-Vättern ein grosse Beschwärnuß auflegen. Diesen ist es nicht rathsam öfter generaliter zu beichten, sondern sie sollen zu frieden seyn, daß sie einen gelehrt und gewissenhaften Beicht-Vatter angetroffen, welcher ihnen treulich rathet, sie sollen die General-Beicht hinführo unterlassen. Nutzlich ist die General-Beicht denen, welche von GOtt zu dem geistlichen Stand oder zu einer gewissen Veränderung ihres Lebens beruffen werden.


Vielen aber ist es nothwendig, ja höchst-bedürftig zur Seeligkeit eine [984] General-Beicht zu verrichten: thun sie es nicht, so werden sie ewig verdammet. Du verlangest zu wissen, wer diese seynd? Erstlichen dieselbigen, die aus Schamhaftigkeit ein Tod-Sünd in der Beicht verschwiegen haben, oder ein läßliche Sünd, die sie doch ein Tod-Sünd zu seyn vermeynet, und wiewolen sie ihnen unter der Beicht eingefallen, dannoch solche nicht gebeichtet, wissend, daß ein also verschwiegene Sünd ein neue und grössere Tod-Sünd seye, und nichts destoweniger dieses gethan haben. Diese kommen gewißlich in das höllische Verderben, wann sie nicht ein General-Beicht, von der Zeit der verschiegenen Sünd verrichten, und wiederholen alle entzwischen begangene Sünden: wie solches gleich soll erkläret, und bewiesen werden.

Vielleicht seynd entzwischen vier, zehen, oder zwantzig Jahr verflossen, und aus Schamhaftigkeit hast du allzeit ein, oder mehr schwäre Sünden verschwiegen, so oft als du hast gebeichtet, wiewohlen es dir bewußt gewesen, daß ein grosse Schuldigkeit seye, alles in der Beicht zu bekennen: ist dieses geschehen? so bist du verbunden von vier, zehen, oder zwantzig Jahren ein General-Beicht zuverrichten.


Ich hab gesagt, so oft als du hast gebeichtet, dann wann du unter dieser langen Zeit etlich mahlen aufrichtig gebeichtet, und aus lauterer Vergessenheit, jene aus Schamhaftigkeit verschwiegene Sünd auch das Sacrilegium der ungiltigen Beicht ausgelassen, aber alle andere Sünd rechtschaffen bereuet, das Gewissen fleißig erforschet, und ohne alle Boßheit nicht gedacht hast, auf jene ein und andere Sünd: so es sicherlich wahr, daß du nicht schuldig bist, die aufrichtig also verrichtete Beichten zu wiederholen: dann alle diese seynd giltig gewesen, und kein Boßheit ist mit eingeschlichen, sondern ein unsträfliche Vergessenheit. Laut jenes Aphorismi Emmanuelis Sa, in verbo: confessio. n. 9. Qui tenetur iterare confessionem, si ejus rei oblitus confitetur postea aliquoties peccata, quæ facit, validæ sunt illæ confessiones. Der da schuldig ist sein Beicht zu wiederholen, wann er es vergessen, darnach seine Sünd, welche er begehet, beichtet, dessen seine Beichten seynd giltig.

Damit wir aber zu vorgesagtem Vorhaben kommen. Möchte einer sagen, ist dem also, so bin ich schuldig ein General-Beicht von kindlichen Tagen zu machen, nun aber bin ich in fünftzig, oder sechtzigisten Jahr meines Alters: da frag ich, warum solt ichs thun: dann als ich in kindlichen Jahren gewesen, hab ich in der Beicht oft ausgelassen gewisse Sünd; ich gedachte zwar allezeit darauf, doch wolte ich sie nicht beichten. Wie alt aber beyläufig seyd ihr dazumahl gewesen, als ihr diese Sünd habt verschwiegen? ich werde entweder sieben oder acht Jahr, oder etwas mehr, oder weniger gehabt haben: warum habt ihr aber diese nicht gebeicht? mich geduncket [985] es, daß ich noch ein unwissendes unfähiges Kind gewesen, welches die Sünd nicht verstanden. Doch bekennet es aufrichtig, wann ihr diese Sünd begangen, habt ihr euch nicht verborgen? deme ist also, mein Pater, ich gedencke es gar wohl, daß ich Achtung hab geben, damit mein Herr Vatter, mein Zucht- und Lehrmeister mein Verbrechen, oder Missethat nicht solte sehen, oder erfahren. Deswegen sag ich es euch rund heraus, ihr habt dazumahl gesündiget: dann ich frag euch, als ihr seyd zu der Beicht gangen, warum habt ihr nicht den Beicht-Vatter gefragt, ob jenes euer Thun, ein oder kein Sünd wäre? mein Pater, ich schämte mich solches zu fragen. Eben das ist es, was ich euch sage, ihr seyd schuldig in eurem Gewissen ein General-Beicht von gantzen eurem Leben zu verrichten.


Was noch mehr ist, neben dem ist zu wissen, daß ein jede Person, welche wissentlich gebeicht ohne kräftigen Vorsatz das Leben zu besseren, kein giltige Beicht gethan habe, dahero sie auch schuldig seye, von jener Zeit an ein General-Beicht zu thun, ihr Seel und Seeligkeit zu versorgen. Da möchte etwann ein hierinn begriffener Sünder sprechen: ach weh! gehet es dann also her mit dem Beichten? so seynd alle meine in der Jugend gethane Beichten nichtig, und umsonst, dann wann ich gebeicht, hab ich mein Absehen gehabt, wiederum mich in die Gefahr, und sündliche Gewohnheit zu begeben, mein Vorsatz von Sünden abzustehen, war nicht recht geschaffen in allen meinen Beichten, welche ich in meiner Jugend verrichtet. Dannenhero ist es ein vernünftiges, und höchst-nothwendiges Thun, ein vollkommene General-Beicht von kindlichen Jahren aufrichtig zu verrichten.


Mir kommet es vor, ich höre allhier einen also sprechen: mein Pater, die Zeit meines Lebens, so oft als ich gebeicht, so oft hab ich mein Sünd rund heraus bekennet, hab nichts verschwiegen, oder vertuschet: allzeit hab ich gleichfalls einen guten Vorsatz gemacht mein Leben zu besseren: nie hab ich von gantzen Leben ein General-Beicht verrichtet, was gebet ihr mir für ein guten Rath? mein liebes Kind, antworte ich, mein reiffer Rath ist, wer nie kein General-Beicht verricht, der verrichte sie doch einmahl, dann genugsame Antrieb und Ursachen dies zu thun werdet ihr also vernehmen.

Das 18. Capitel
[986] Das achtzehende Capitel.
Es werden vorgewendet etliche Ursachen, welche genugsam antreiben ein General-Beicht zu verrichten.

Die erste Ursach sey diese. Wann es dahin kommt, daß das Sterb-Stündlein herzunahet, alsdann ist das einige Verlangen, sowohl bey Fromm- als Gottlosen, ein General-Beicht zuverrichten. Erstlich zwar die witzig und heilig lebende Leut verrichten solche, als sie nun mercken, daß der Tod herzunahet, wie dieses die Beicht-Vätter, welche ihnen beystehen, vielmahlen erfahren. Man siehet täglich viel fromme Leut sterben, darunter tugendliche Ordens-Personen, auch Gelehrte aus unserer Gesellschaft JEsu, dero sehr viel zuvor mit einer General-Beicht ihrer Seelen Seeligkeit versorgen. Beynebens wann man in einen geistlichen Ordens-Stand eintritt, da macht man allzeit ein vollkommene Lebens-Beicht: ist es aber ein Priester, der sich in unser Gesellschaft begibt, so lasset man ihm nicht zu, durch die erste zwey, oder drey Täg die Heil. Meß zu lesen, indem er sich zur General-Beicht vorbereitet: folgends alle Jahr machen sie eine jährliche General-Beicht von der letzten angefangen. Solches, was ich von unserer Gesellschaft allhier vermelde, ist gleichfals bey andern geistlichen Ordens-Leuten in löblicher Gewohnheit.


In dem Leben des geistreichen Patriarchen von Antiochia, und zugleich Ertz-Bischoffen zu Valenz, Don Joanne von Ribera wird gelesen, was massen er sechsmahl in seinen Lebens-Zeiten generaliter gebeicht habe. Von der Königin Isabella aus dem Borbonischen Geschlecht wird erzählet, daß sie aus gutem Rath, hochgelehrt- und tugendlicher Leuten, solches eben so oft verrichtet. Wann nun die fromm, gottsförchtig, und gelehrte Leut dieses thun, warum wolt ihr es nicht auch werckstellig machen?

Als GOtt das Liecht hat erschaffen, spricht der Heil. Text, sahe er, daß es gut ware. Nach erschaffenem Meer und Erden, sahe er, daß alle Sachen gut waren. Er erschaffet das grüne Graß, und die Bäume, und sahe gleichermassen, daß gut ware: und nachdem er alle Ding erschaffen, durchsihet er alle Geschöpf, die erschaffen, & vidit cuncta, quæ fecerat, & erant valde bona: und er hat alles gesehen, was er gemacht hat, und es war sehr gut. Mein grosses Verlangen wäre, ihr machet es, gleichwie ihm GOtt gethan, ihr solt durchsehen alle eure Particular-Beichten, mit einer General-Erforschung aller euerer Sünden, und ihr werdet entgegen aussprechen können, vidi cuncta, quæ feceram, & erant valde mala: ich hab alles gesehen, was ich gemacht hab, und es war sehr böß. GOtt durchsiehet abermahlen [987] seine Geschöpf, wiewohlen sie gut und vollkommen waren, warum wolt ihr nicht auch abermahlen durchsehen euere Werck, die voller Boßheit und Greuels seynd. Nicht allein die fromme, sondern auch die boßhafte Sünder siehet man, wann es zum sterben kommet, da wollen sie diesem guten Rath folgen. Ein Priester aus unserer Gesellschaft besuchte einsmahls die Gefangene, darunter befande sich einer mit einem Hals-Ring von Eysen an seinem Hals, dieser ruffet dem Pater, und sprach: morgen will man mich aufhencken, heut aber will ich meine Sünd alle auf ein Nagel hencken, und will rechtschaffen beichten alles, was ich mein Lebenlang hab gesündiget: darauf fraget ihn der Pater, lieber Freund, wer hat dich diese Andacht gelehret? O mein Pater, beredet er diese Frag, ein grossen Sprung muß ich thun, vom zeitlichen in das ewige Land, ist es, daß ich in meinem Sprung falle, wehe mir! dieses redete ein Bößwicht: daraus zu ersehen, daß der Frommen und Bösen endliches Verlangen seye, ein General-Beicht vor dem End zu vollbringen.


Die zweyte Ursach soll seyn, weilen ihr nicht wisset, ob euch eine geraume Zeit wird übrig seyn, eine vollkommene des gantzen Lebens Beicht zu verrichten. Viele sterben gähling dahin, andere bethöret mit Schmeichel-Worten von ihren Befreunden, lassen ihnen nicht traumen, daß ihre Kranckheit so gefährlich, sie wollen den Krancken nicht betrüben, und betriegen also eine unbußfertige Seel höchst schädlich. Oft geschieht es, wann nun die Kranckheit überhand genommen, da erligen die Kräften, es ist keine Zeit mehr mit dem Krancken etwas heylsames zu verrichten, es ist unmöglich eine rechtschaffene General-Beicht heraus zu pressen.


Dieses zu bekräftigen, mercket, was sich mit einem Apostolischen Pater aus unserer Gesellschaft im Königreich Aragonia zugetragen. Ein fürnehmer Cavalier vom Königlichen Hof kam zu diesem Pater, und sprach: er wolte sein Gewissen wurtzaus reinigen mit einer General-Beicht: warum das? fragte der Pater, wer ist der geheime Rath, der euch dieses einrathet? er antwortet: mein Pater, bin ich dann nicht ein sterblicher Mensch? alle Stund und Augenblick schleicht mir nach der unvermeidliche Tod, und vielleicht bald werde ich vom Todten-Pfeil durchschossen, in die Gruben fallen, in mein Grab. Wann es aber zum absterblichen Abschied kommet, da werden in einem Winckel mein betrübte Ehgemahl, in dem andern meine Kinder jämmerlich weinen, meine Verwandten werden mich nicht meinetwegen, sondern ihrentwegen heimsuchen, und mich bittlich um ein Erbtheil ansprechen; ich aber mit Kopf und Magenwehe betranget, werde weder essen, weder schlaffen können, mit einem brennenden Durst entzündet seyn, die Gedächtnus des Grabs und die Tod-Angst [988] werden mich quälen und erschröcken, geschieht es, daß ich dazumahlen unbezahlte Schulden habe, wird mir auch dieses neben anderen trüben Gedancken machen; wie ist es möglich alsdann denen heylsamen und bußfertigen Gedancken aufbieten, generaliter zu beichten, daran doch die ewige Glückseeligkeit hanget; was trag ich darvon aus dieser Welt, als mein gut oder böses Gewissen. Mein Habschaft, es sey viel oder wenig, verbleibt auf der Welt, und vielleicht die es erben, werden es liederlich verschwenden, meiner wenig oder gar nicht gedencken. Das ware die weise Unterredung dieses Cavaliers mit seinem Beichtvatter, darauf er eine gute General-Beicht abgelegt.


Die dritte Ursach ist, daß in Kraft der General-Beicht der allerwerthiste Schatz, nemlich die Forcht GOttes, welche ein Anfang ist des frommen Lebens überkommen wird. Folgende Gleichnuß erkläret dieses. Es wanderet ein gewisse Person, und verfehlet den rechten Weeg, sie wird von der finsteren Nacht überschattet, ein klein wenig kan sie noch sehen, sie ist gantz müd, und vom frostigen Abend-Luft erfroren, sie siehet überall herum, wo aus, oder wohin sie sich soll begeben, sie findet endlich zu ihrem vermeinten Glück ein holen Felsen, darein verfüget sie sich, setzet und wirffet sich zur Erden nider, da findet sie ein sanfte Ruhe, der süsse Schlaf nimmet sie ein, sie schlaffet eines Schlafs fort, bis daß der anbrechende Tag mit hellen Sonnen-Strahlen in ihr Angesicht scheinend, sie aufwecket: aldann wischet sie den Schlaf aus den Augen, siehet munter in den holen Felsen das Nacht-Lager an, und er siehet gar bald ein grosse grün- und schwartz gespräglete Schlang mit einem waltzendem Natter-Gezücht, grosse und kleine Krotten, Scorpionen, und anders vergiftes Ungeziffer. Mit was Schröcken ist sie alsdann in Ansehung dessen bis in das Maul erbleichet, bald hebet sie ihre zitterende Glider von der Erden auf, gantz forchtsam trittet sie hinaus aus dieser giftigen Nacht-Herberg, das Hertz war von Schröcken eingenommen, daß der Mund kein Wort möchte aussprechen, doch eylet sie nur fort, und da sie vermeint der Gefahr entgangen zu seyn, steiget sie auf einen Baum, das Land, und die umliegende Gegend zu betrachten, aber sie siehet aus dem wilden Gebürg Wölf und Tatz-Bären mit blutigen Mäulern lauffen, welche von dem nächtlichen Raub, in ihre Schliefwinckel und Höhlen sich begeben: ach! schreyet sie auf: wie nahend bin ich bey dem Tod gewesen, wie vielfältige Gefahr hat mich umringt! der göttlichen Gütigkeit sey unendliches Lob und Danck gesaget, GOtt war mein Schutz und Behütung: hinführo will ich besser Obacht haben, daß ich nimmermehr vom rechten Weeg abweiche. O wie bin ich ein Beyschläfferin gewesen, so giftiger Schlangen und Natteren! dieses seye mir ein stätte Warnung, hinführo sicherer zu wandlen.

[989] Also geschiehet es wahrhaftig, wann man generaliter beichtet: dem Himmelreich bist du zu gewanderet, und durch deine Sünden hast dich durch Abweeg verirret, also hast du dich von dem Schatten des Tods überfallen in die hohe Fels und des höllischen Feinds verfüget, darinn hast du so viel Zeit in deinen Tod-Sünden geschlaffen, bis dich die Sonne der göttlichen Gütigkeit erwärmet, von dem so tieffen Schlaff deiner Boßheit zu der Buß auferweckt: da hast angefangen zu sehen, und zu erkennen die vielfältige Gefahr, in welcher du geschlaffen. Socius fui Draconum: Du hast gesprochen, giftige Schlangen waren meine Gespän, Paulo minus habitasset in inferno anima mea: wenig hat es gefehlet, und mein Seel hätte in der Höllen gewohnet: künftige Zeiten werde ich meinen Wandel besser beobachten, daß ich vom Weeg göttliches Befehls, und Gebotten nicht abweiche.

Das 19. Capitel
Das neunzehende Capitel.
Andere Ursachen werden beygefüget zu diesem Ziel und End.

Diese General-Beicht ist zum vierten sehr tauglich die wahre Demuth zu erlangen, diese Demuth ist der allersicherste Weeg alles Tugend-Wandels, seelig zu werden. Es beliebe auch dieses mit einer Gleichnuß zu vernehmen.

Gesetzt ein Jäger begibt sich in ein Wald, ein Wildprät zu erjagen, er aber trift nichts anders an als etwann ein junges Häßlein, oder ein Wildtauben, schiesset derohalben dieses nieder, hebet es auf, und leget es in sein Jäger-Taschen. Weilen aber dieser Wald ein Aufenthaltung ist der Strassen-Rauber, und Mörder, wird er auf vier Seiten angezündet. Der Jäger betrachtet das aufsteigende, und allenthalben im Wald überhand nehmende gewaltige Feuer: er sieht wie das geflüglete, und andere Wildprät entfliehet, also das gantze Gebürg völlig in Brand, und flammenden Feuer; da lauffen auf einer Seiten darvon, Füchs, Wölf und Tatz-Bären, auf der andern Seiten Dändel und Reh, Hirschen und Gämbsen: alldorten schwingen sich in freyen Luft Nacht-Eul, Sperber und Adler, alles verlasset diese gepflegte Wald-Wohnung: als dann spricht er, aus lauter Verwunderung, ich hätte je nicht vermeinet, daß in dieser Wildnuß so viel groß und kleines Wildprät wäre zu finden. Ich durchforschte diesen Wald mit meinem Feuer-Rohr, ich konte doch nicht auf die Spur kommen. Nun aber, weil das Feuer auf allen vier Seiten so gewaltig eingerissen, da siehe ich erst, wie viel und vielerley Wildstuck darinnen gewesen.

[990] Dergleichen Beschaffenheit hat es mit der General-Beicht, welche nach dem Ausspruch des königlichen Propheten sicut ignis, qui comburit silvam, & sicut flamma comburens montes, gleich einem Feuer, das den Wald verbrennet, und gleich der Flammen, so das Gebürg entzündet. Wann du deine sondere Beichten gemacht hast, bilde dir ein, du hast allein mit einem gezogenen Feur-Rohr dem Wild nachgesetzt: aber durch die General-Beicht relevantur condensa was in Büschen gestecket, kommet alles herfür, alle wilde Thier deiner wilden Sünden, welche verborgen waren, lassen sich sehen, du findest in dir, was du nicht hättest vermeinet: Löwen und Tatz-Bären, Wölf, und Wildschwein: Zorn und Feindschaften, Fraß und Geylheit, Ungerechtigkeit, Neyd, und Faulkeit kommen herfür, und zeigen was für ein Wildnuß voller bestialischen Unthaten in deinem Hertz und Seel gestecket.


Diese wahre Erkanntnuß seiner selbst, ist die rechte Demuth, durch welche man sich in aller Straf würdig erkennet. Es ist mir bewußt von einem solchen, welcher nachdem er seine General-Beicht aufgeschrieben, einen so grossen Haß seiner selbsten bekommen, und so streng wider sein eigenes Fleisch worden ist, daß er sich in einen Saal verschlossen, mehr dann mit zwey hundert Streichen gegeißlet. Er stelte ihm seine Sünden vor Augen, lesete selbe ab, und redete sich also an: wie billich ist es, was GOtt befihlt, wie unbillich hab ich seinen Befehl unterlassen. Ach! du mein sündiges Hertz, was hast wider das erste Gebott GOttes gethan? da nennet er sich selbsten, und straffet sich, ich hab gesündiget, ich will mich peynigen, ich will meinen verkehrten Willen unter das Joch bringen. Bald darauf lieset er die Sünd, welche er wider das andere Gebott GOttes gethan, redet sich gleichfalls an, verweiset ihm selbsten sein Verbrechen, er nimmet zu Handen die Geisel, und geißlet sich erbärmlich: also thät er ihme nach einem jedwederen Gebott GOttes, alle zehen Gebott durchgehend. Diese sein Erkanntnuß, und Züchtigung seiner selbsten, hat diesen Heil. Antrieb gehabt von der wahren Demuth, dann aus der General-Beicht erschöpfet man die allertieffeste Demuth, indem man sich lernet kennen, und hassen.


Die fünfte Ursach, welche uns generaliter zeitlich zu beichten einrathet, ist der Sieg wider den bösen Feind: Dann nicht bald kan ein so gewaltiger Sieg erhalten werden, wider den ärgsten Feind unserer Seelen den leidigen Teufel, und wider allen seinen Anhang, als in Kraft einer General-Beicht. Höret was Cäsarius beschreibet. Zu Bona, in der Stadt befand sich ein Seelsorger, welcher mit einer Frauen-Person viel Zeit in übler Gemeinschaft lebte, diese war genannt Adelheit: Er aber in verdrüßlichem Zustand seines also beschwerten Gewissens, [991] hat sich einsmahls, aus gerechter Zulassung GOttes, selbsten in seinem Haus erhencket. Das Weib, als sie ihn also todt angesehen, wurde dermassen bestürtzt, daß sie ein andere Weis zu leben auserwählet, die Welt verlassen, in ein geistlichen Stand sich begeben: sie sprach, dieser unglückselige Mensch hat nunmehr sein Urtheil angehöret, wo auch von mir bey göttlichem Gericht ist Meldung geschehen, wehe ihm! dann er ist verdammet: Du aber, O sündhafte Adelheit! gib Achtung, daß du nicht auch verdammet werdest, gleich wie du ein Theil bist gewesen seiner Sünd, möchtest du ein Theil werden seiner Straf. Ein neues bußfertiges Leben sanget sie an in dem Closter zu führen, aber es begegneten ihr viel teuflische Anfechtungen. An einem Tag siehet die Adelheit von einem Fenster gegen dem Closterhof hinab, allwo ein Brunn, darauf der Teufel gesessen, welcher da laurete gewaltthätig in seiner Arglistigkeit diese zu ertroßlen, sie aber, da sie sich von dem Fenster zuruck zoge, fiele sie auf ihren Rucken halb todt zu Boden: auf erhörten starcken Fall, lauffet alles, was im Closter lauffen kont, zu, heben sie von dem Erdboden auf, und tragen sie auf ihren Armen in ihr Zellen, und legen sie in das Beth: allgemach erholet sie sich, und da sie allein war in dem Zimmer oder Zellen, wurde sie gleich wiederum vom Teufel angefochten, und zwar mit zarten und verzuckerten Worten, gantz süß und adelich beredet er sie, sie wolle doch dieses also strenge Leben verlassen, indeme sie nichts thun muß als Fasten, der Armuth, und den Buß-Wercken abwarten: Das, sprach er, dienet zu nichts als zu Abkürtzung des Lebens: sie wolle ihr rathen lassen, und sich wiederum in das weltliche Leben begeben, da wird ihr ein beliebiges Glück zustehen mit einem reichen Mann, welcher gut edel von Geschlecht seyn wird, und sittlich von schönen Geberden, was ihr von dem Leben noch übrig, wird sie mit diesem gantz vergnügt zubringen können mit Fröhlichkeit, in zulässigen Kurtzweilen, welche GOtt denen Menschen zur Unterhaltung hat verliehen: Die Adelheit antwortet ihm, nichts kümmert mich mehr, als daß ich deinem verführerischen Räth so lang und lang hab gefolget, pack dich fort, weiche und trolle weit von mir, mein HErr JEsus Christus wird mich gnädig behüten vor deiner Leibeigenschaft, deinen gleißnerischen Versprechen werde ich nimmermehr glauben: darauf stellet sich der Teufel, als ob er müßte niessen, warf aber einen unflättigen Rotz so starck auf die Mauer, daß er auf das Kleid der Adelheit gesprungen, es war anzusehen die stinckende Matery als ein kohlschwartzes Pech, welches so abscheulich war, daß es niemand konte erdulten. Er aber verschwande aus ihrem Angesicht.


Der höllische Feind höret doch nicht auf noch weiter dieser armen Haut, dieser büssenden Seel, der Adelheit mit unterschiedlichen verstelten Gesichteren zu begegnen: Die fromme [992] geistliche Schwesteren ratheten ihr, sie solle das Weyhwasser wider ihn sprengen, andere, sie soll das heilige Zeichen des Creutzes machen: Beydes versuchte sie, aber der Teufel fliehet geschwind, und kommet geschwind wieder. Ein alte Schwester sprach zu ihr, wann der Teufel zunahet, soll sie mit heller Stimm das Ave Maria sprechen: Adelheit thut dieses, und gleich einem Donnerstreich wurde der Teufel geschlagen, trauet nicht mehr zu dieser umzukehren, sondern abfliehend fluchet er, sprechend, brenne das Feuer derselben auf das Maul, die dir dieses gerathen. Von der Zeit an hinfüro gewafnet mit dem Ave Maria, wiewohlen sie den bösen Feind gesehen, oder gehöret, wann er ihr zugeredet, hat sie ihn nicht mehr geförchtet, und nimmer ein Schröcken, wie vorhero, eingenommen. Einesmahls als sie alle diese Begebenheiten einem geistreichen Mann vertrauet, wurd ihr über alle gute Räth der beste geben: Nemlich, er beredete die Adelheit, sie soll ein General-Beicht, von ihrem gantzen Lebens-Lauf thun, mit hertzlicher Reu und Leid alle ihre Sünd erkennen und bekennen, also wird gewißlich geschehen, daß sie von den höllischen Feindseligkeiten loß, guten Fried, und Ruhe ihres Hertzens wird überkommen. Adelheit folget diesem Rath, und als sie sich zur General-Beicht verfüget, begegnet ihr der höllische Feind, widerspricht ihr dieses ihr Vornehmen, fragend, wo gehest hin Adelheit? sie aber antwortet, und fertiget ihne tapfer ab, sprechend: Ich gehe nun, mich und dich zu Schanden zu machen. Und der göttliche Beystand schützte sie, daß sie ein sehr gute General-Beicht, ohne allen Mangel verrichtet hat. Kraft dieser wurde alle höllische Anfechtung, auf alle Zeit vertrieben, sie aber empfande einen trostreichen Frieden ihres Hertzens, dann derjenige Seegen, den unser HErr JEsus Christus über die Büsserin Magdalena ausgesprochen, ist auch über diese kommen: Vade in pace, Gehe hin, wandle im Frieden.

Die letzte Ursach soll seyn, daß diejenige Person, welche ein General-Beicht verrichtet, hoffen kan, daß sie einen rechten Vorsatz habe, das Leben zu besseren, welches ein grossen Seelen-Trost mitbringet. Solches wird mit nachfolgender Gleichnuß ziemlicher massen bewiesen, in einer Begebenheit, welche sich wahrhaftig zugetragen.

Ein sehr reicher Mann in einer gewissen spanischen Stadt wohnhaft, hatte einen Sohn, welcher ein Spieler in folio, und ein Verspieler aus seines Vatters Beutel ist gewesen, er spielet um das baare, aber nicht mit dem baaren Geld, sondern auf gutes Credit, und verschriebene Schuld-Scheine. Ein üble Sach ist es um das Spielen, wann man nur verliehret: Noch ein unvergleichlich üblere Sach, ist spielen und verliehren, nur auf Credit, und gute Rechnung, wann erstlich mit Schuld-Briefflein das Spiel endet, und kein anders Spiel anfanget, bis daß die vorige Spiel-Schuld mit baarem Geld ist bezahlet: [993] wann nicht gesehen wird, was man verliehret, scheinet der Verlurst nicht so groß, noch so betaurlich: aber in Ansehung der grossen Summa Gelds, achtet man den Verlurst desto mehr, mehr man verlangt das Geld zu gewinnen, und nicht zu verliehren. Der Vatter, weilen er seinen Sohn inniglich geliebet, nahme die Schuld-Scheine an, und bezahlet jetzt zwey, jetzt drey hundert Silber-Cronen, alles das, was der Sohn im Spiel verlohren. Einesmahls traffe diesen Sohn ein theures Unglück, er verspielet nicht nur ein, oder zwey, sondern zwölf tausend Silber-Cronen: als der Vatter das Schuld-Schein lein dieses grossen Verlurst gesehen, gieng ihm ein Stich in das Hertz, wurd darüber sehr unlustig: er mercket, daß der schlechte Spiellust gar zu theur müßte bezahlet werden. Ein mühesame Kunst ist es, ein grosse Summa Gelds gewinnen. Entgegen ist es ein schlechte Kunst, solche verschwenden: Er sprach, mein Sohn hat zwölf tausend Silber-Cronen verspielet, wann wird er ein so grosses Stuck Geld wissen einmahl zu gewinnen? ja ich zweifle, ob er diese Summa Gelds mit eigenen Händen auszählen, und zusammenkan rechnen. So wahr als ich ein ehrlicher Edelmann bin, so werd ich dieses Schuld-Scheinlein also lang nicht bezahlen, also lang mein Sohn selbsten nicht alles dieses verlohrne Geld mit selbst eignen Händen auszählet und verraitet, demnach er es so liederlich hat verspielet. Der Unlust des Vatters, und dieser sein Ausspruch wird dem Sohn gar bald vorgehalten: der Sohn saumet sich nicht, versichert von der vätterlichen Lieb, trauet sich gar wohl vor seinem Herrn Vattern zu erscheinen, der Vatter führet ihm zu Gemüth, wie dies ein grosser Verlurst sey, zwölf tausend Silber-Cronen in wenig Stunden, durch unglückseliges Spielen verliehren; er erkläret ihm, daß er nichts will bezahlen, bevor er, der Sohn, selbsten alles Geld zu Haus mit eignen Händen ausgezählet. Weil aber sein Treu und Ehr in Bezahlung dieser Schuld hanget, nimmet er aus einer Truhen vier und zwantzig mit Geld gefüllte Säck, läret sie aus, und weilen in einem jeden Sack fünf hundert Cronen waren, machet dieses Geld ein grossen Hauffen. Wie der junge Herr, der feine Spieler das Geld, welches er auszählen soll, angesehen, ertattert er darüber, und fraget: wird dann mein Verlust so viel Geld aus dem Haus tragen? Zähl es nur, und du wirst es schon finden, sprach der Vatter: und endlich was wird dir erklecken, mit solchem Verspielen wirst du den Bettelstab, und ich ein Spitaler-Mantel gewinnen. Der Sohn thut die Augen auf, erkennet, wie sein Spielen das eigne und seines Vatters Glück möchte verspielen, er verdammet das Spiel, macht einen steiffen Vorsatz, niemahlen mehr zu spielen; fort Karten und Würffel, spricht er: ich nehme einmahl für allemahl Urlaub von euch, ihr werdet mir seyn ein Greuel, ein Pest, eine giftige Schlangen, die werde ich allezeit [994] fliehen, für meinen Haupt-Feind werde ich das Spiel halten, weilen es mich in so grossen Schaden führet, auch die werde ich für keine Freund halten, die mich zu spielen anreitzen, dann sie verlangen nicht mein Glück, sondern mein Unglück, in deme sie frolocken, wann mich das Unglück getroffen. Was er dißmahlen ausgesprochen, das hat er folgende Zeiten auch gehalten, und nicht nur obenhin das Spielen verredet, sondern seinen Vorsatz niemahlen gebrochen. Besser ist spat, als nie einen guten Vorsatz machen.

Gleichermassen ergehet es dem, der generaliter beichtet, er sihet seine grosse Schulden, welche er wider ein jedes aus den zehen Gebotten GOttes gemacht, die Anzahl dieses alles Uebelverschuldens macht einen grossen Berg; da spricht der Beicht und Büssende, Ach! wie viel hab ich verspielet? die zwey köstliche Schätz der Unschuld und Reinigkeit seynd hin; ich hab verspielet so viele göttliche Gnaden, das himmlische Erbtheil, und meiner Seelen Seeligkeit, GOtt selbsten das unvergleichliche Capital, und höchste Gut hab ich verlohren; Maria die Mutter GOttes, aller heiligen Englen und Auserwählten Freundschaft ist von mir so liederlich verspielet worden; wehe mir! dann ich find mich schuldig des höllischen Feuers. Mein Verlust führet mich nicht zum Bettelstab, oder in ein Spital, sondern in unendliche Peyn, in die Gesellschaft der Verdammten, und höllischen Gespenstern, in den Abgrund aller Unglückseeligkeit. Ach! wo hab ich gehabt meinen Verstand? O barmhertziger GOtt! du gnädigster HErr, nimmermehr will ich dich beleydigen, von nun an sey vollendet meine Boßheit zu sündigen, stärcke mich zu allem Guten, ich hab mich beflissen mit der General Beicht meinen grossen Schulden-Last abzulegen, keinen solchen Last will ich mir hinführo aufladen.

Das 20. Capitel
Das zwantzigste Capitel.
Innhalt der obgemelten Nutzbarkeiten.

Die erste Nutzbarkeit ist, daß durch die General Erforschung des Gewissens alle mangelhafte vorhergehende Erforschungen ersetzet werden. Die vollkommene Erkanntnus der Sünden ersetzet die mangelhafte; die vollkommene Reu und Vorsatz ersetzet allen Abgang der bißhero geschehenen Beichten; auch die auferlegte Buß ersetzet alle nachlässig verrichte oder unterlassene Bußwerck.


Die andere Nutzbarkeit ist die allertieffeste Demuth, welche geübet wird mit einem so tapferen Gemüth, in dem der Sünder als ein todter Hund, sich einem Priester zu Füssen wirft: und sich in Erkanntnus seiner selbsten überwindet, [995] indem er sich gleich schätzet einem Misthauffen, ja einem Abgrund aller Boßheit. Kraft dessen er reichlich von GOtt wird begnadet werden in allem Guten zu verharren.


Die dritte Nutzbarkeit ist die innbrünstige Liebe GOttes in Ansehung auf einer Seiten so viel der eignen Sünden, zur andern Seiten der grossen Gütigkeit des langmüthigen und gedultigen GOttes, da er auf unsere Buß gewartet, uns nicht dem teuflischen Gewalt überlassen, daß wir mit dem büssenden König David, wahrhaftig ihme dieses Lob-Lied singen müssen. Nisi quia Dominus adjuvit me, paulò minus habitasset in inferno anima mea: es sey dann daß der HERR mir hätte geholffen, so fehlet es nicht viel, daß meine Seel gewohnet hätte in der Höllen.


Die vierte Nutzbarkeit ist die grosse Gedult, welche überkommen wird die Widerwärtigkeiten auszustehen, dann indem man die vielmahl verdiente höllische Straf ansihet, schätzet man alle Schmertzen dieser Welt unvergleichlich gar gering und leydlich, gleichwie ein zu dem Strang und Galgen verdammter Sünder, die Verweisung des Lands auf ein Jahr mit Danck annehmet, also ein büssender Sünder gibt sich gern in die Gedult, weilen er der ewigen Straf entgangen.

Die fünfte Nutzbarkeit ist, da man eine Großmüthigkeit gefasset, alle böse Neigung abzutödten, die eingewurtzelte Sünden auszutilgen, und das muthige Fleisch mit Strengheit zu bändigen, aus Abgang dessen seynd die vorige Sünd geschehen.


Die sechste ist die Erneuerung des Lebens, und eine vollkommene Veränderung: dann gleichwie ein weiser Leib-Artzt denselben der gesund wird, gewisse Ordnung vorschreibet, damit er vor der Kranckheit gewarnet hinführo gesund lebe; also verordnet der Beichtvatter den Büssenden gewisse Mittel, daß er vor der Sünd, als vor der Seelen-Kranckheit gewarnet, Christlich ohne Sünd lebe, und in der Gnad GOttes verharre. Diese Mittelen seyn der öftere Gebrauch der HH. Sacramenten, die beständige Andacht gegen der heiligsten Jungfrauen und Mutter GOttes, die Flucht der Gelegenheit zu sündigen etc.


Die siebende ist die Ruhe des Gewissens, der grosse Fried und die Freud unserer Seelen, so wohl im Leben als im Tod ohne Bitterkeit und Unruhe des Hertzens. Von St. Eligio, welcher auch Aloi genennt wird, welcher seines Handwercks ein Goldschmid gewesen, erzählet Laurentius Surius in seiner Lebens-Beschreibung folgende Geschicht. Dieser Heil. Mann beichtet einmahl von gantzem seinem Leben, und nach vollendter Beicht knyet er vor einem Altar nieder, wolte sein Gebett verrichten, aber als er dieses thut, höret er eine himmlische Stimm, die zu ihm geredet, alle deine Sünden seynd dir [996] vergeben; und er empfindet auf seinem Haupt einen Tropfen eines lieblichen Balsams herab fliessen, empfienge also einen himmlischen Trost und Süssigkeit, damit er gantz und gar erfüllet worden.

Hieraus entspriesset die endliche Nutzbarkeit, wel che ist der Gewalt und Sieg über alle höllische Geister. Eben dieses ist abzunehmen von dem, was von einem Jüngling in dem Leben des H. Basilii des Grossen wird erzählet. Dieser ware innbrünstig verliebt in ein Jungfräulein, welches als ein wohl erzognes Kind in sein unzimliches Begehren nicht verwilligen wolte. Er nahm derowegen seine Zuflucht bey einem Schwartz-Künstler, diesen ersuchte er, er solle ihme zu seinem Vorhaben dienen: es geschieht, der Schwartz-Künstler beruft mit seiner Kunst den Teufel, der Teufel kommet und verspricht gar bald die Vollziehung mit diesem Beding, wann gemelter Jüngling willig ist eine Verschreibung seiner Seelen, mit eignem Blut und Handschrift aufzurichten; der blind liebende, und gar zu thorecht handlende Jüngling gibt seinen Willen darein, verschreibet sich mit seinem Blut dem Teufel zu einem Eigenthum, wann er ihm zuwegen bringe, was er verlange.

Den folgenden Tag entzündet der Teufel eine solche Innbrunst in dem Hertzen derselbigen Jungfrau, daß sie vor Lieb gleichsam unsinnig worden, sie beredet ihren Herrn Vatter, sprach sie: dieser Jüngling hat mein Hertz eingenommen, ihn und keinen andern verlang ich zu heyrathen, geschieht es nicht, so kan ich nicht leben, dann die Lieb zerbricht mir mein Hertz; der Vatter konnte nicht anderst, verwilliget in diesen Heyrath, welche ihren Fortgang schleunig genommen. Nach geschehener Hochzeit, etliche wenig Freuden-Täg verkehrten sich bald in Leyd, dann den Jüngling truckte kein Schuh, sondern das Gewissen also heftig, daß er in grosse Verzweiflung gerathen, das Betten und Fasten ließ er fahren, keinem Gottesdienst wolte er beywohnen, alle christliche Tugendwerk und Wandel waren ihm gleich wie Gift und Gallen. Seine fromme Ehefrau mit ihrer feinen Weis zu handlen, locket von ihm alles heraus, was sich zugetragen, und berichtet dessen den H. Vatter Basilium, der H. Bischof wohl ein guter Hirt, verweilet nicht, ruft gar bald zu sich diesen jungen unglückseeligen Ehmann, er wolte dieses Schäflein aus dem Rachen des höllischen Löwens reissen, und auf die gute und heylsame Weyde führen; Dahero rathet er ihm eine General-Beicht zu verrichten, er beweiset ihm auch, wie grün und schön die Hofnung seye auf die weit und breite Barmhertzigkeit GOttes, die niemand zu Schanden machet, wer sich dahin vertrauet. Wunder seltsam war das, was sich darauf zugetragen; indem er nun sein Gewissen erforschet, liessen sich die höllische Teufels-Gesichter sehen, weiseten ihm die Zettul, die er ohne Dinten mit eignem Blut geschrieben, er aber liesse sich nicht verhindern, richtet sich auf das Beste zur General-Beicht, und verrichtet diese mit grösser Reu über seine [997] Sünden. Es war diese Sach kundbar unter dem Volck, dahero vermahnet der H. Basilius das Volck, welches in der Kirch zugegen war, andächtig zu betten, und beschwöhret die Teufel unverzüglich den Zettel zuruck zu geben, und sammentlich alle sahen die Zettel im Luft daher fliegen, daß also dieser von der teuflischen Dienstbarkeit, und Seel-und Leib-Eigenschaft der Höllen erlöset worden. Alles Volck frolocket darüber, mit hellem Ruffen, O barmhertziger GOtt! dir sey Lob, Ehr und Danck.

Laßt uns auch mit gebognen Knyen vor dem gecreutzigten HErrn unserm Heyland ruffen, O barmhertzig gütigster GOtt, eröfne die Gnadenfliessende Brunquellen, und deine erquickende Barmhertzigkeit giesse über uns aus! unsere vielfältige grosse Schuld-Brief unserer Sünden legen wir ab zu deinen Füssen, diese haben zwar gehabt in ihren Händen unsere ewig abgesagte Feind, die teuflische Geister, bezwinge sie aber in deinen Gewalt, auf daß zuschanden werden die, welche uns hassen, und vernichte alle unsere Schuld in der Reinigkeit deines göttlichen Bluts.

Verfahre mit uns O GOtt, gleich wie Friederich in Aragonia mit seinen treulosen Untergebnen verfahren ist, dero Gemüther absonderlich des mißtrauenden Adels zu gewinnen, und sie dermahlen zu schuldigem Gehorsam zu bringen. Er ließ aufrichten einen Schild, darinn ware zu sehen ein Rait-Buch, aus dessen Blättern Feuer-Flammen heraus geschlagen, mit dieser Ueberschrift, Recedant vetera. Es welche das Alte. General Pardon, oder vollkommenen Ablaß aller bißhero geschehenen sündlichen Schulden. Der gecreutzigte König aller Ehren Christus hat nunmehro zerrissen das Urtheil unserer Verdammnus: und er spricht uns zu, wir sollen die Rait-Bücher unser Schulden, das ist: alle unsere Sünden zu seinen Füssen demüthig niederlegen, die Flammen seiner göttlichen Lieb, und das Feuer unserer Bußfertigkeit werden diese verbrennen, und es wird heissen, Recedant vetera, fort mit allen alten Verschuldungen, vollkommene Verzeyhung und Vergebung aller vorigen Sünden ist vorhanden, auf ein neues wollen wir ein frommes Leben anfangen.

Auf vorgetragene Ursachen und Nutzbarkeiten bin ich tröstlicher Hofnung, daß niemand, der diese gelesen, unterlassen werde eine General-Beicht, so er sie nie gemacht, anzustellen. Darzu dienlich seyn werden ein wohlerfahrner Beichtvatter, und ein taugliches Büchel. Zum Schluß bitte ich alle Beichtvätter durch die heilsame Wunden JEsu, und durch das mütterliche Hertz Mariä, daß sie diese Mühewaltung GOtt zu lieb auf sich nehmen, und wann etwann ihnen die Zeit manglet, solche General-Beichten anzuhören, so wollen sie doch alle darzu aufmuntern, und mit gegebener Gelegenheit bestermassen darzu unterrichten; wann es gleich geschehen sollte, daß sie nicht ihnen, sondern andern wolten beichten, dann auch deßwegen werden sie reichlich belohnet werden. Amen.

Form und Unform in dem Beicht-Stuhl

Vorred
Vorred,
Von der Kraft und Nothwendigkeit der Beicht.

Die Beicht, sagt Petrus Daminaus, ein hoch erleuchter Cardinal, die Beicht ist ein so grosses Gut, daß ich solches nicht genugsam begreiffen kan; die Beicht ist der gemeine Weeg zum Himmel; die Beicht ist ein Bronnen der göttlichen Gnaden, welcher denen Gerechten sowohl, als denen Sündern offen stehet; die Beicht führet den verlohrnen Sohn wiederum zum Vatter. Confessio sanat, Confessio justificat, Confessio peccati veniam dat. L. 1. c. 17. schreyet auf der H. Isidorus, die Beicht heylet der Seelen Kranckheiten, die Beicht rechtfertiget den Sünder, die Beicht erlangt Verzeyhung der grösten Missethaten: die Beicht verschliesset dem Sünder die Höll, eröffnet ihme den Himmel; es ist dem Menschen nichts nützlichers, nichts nothwendigers, nichts heylsameres als die Beicht, spricht der Heil. Hieronymus in Reg. Monach. die Beicht ist das Heyl der Seelen, ein Wiederbringerin der Gnaden, ein Bestreitterin und Uberwinderin der bösen Feinden, schreibet der Heil. Augustinus de util. pœnit. Als Magister Thomas, ein gottseeliger Mann, und vortreflicher Gotts-Gelehrter aus dem Orden des Heil. Dominici tödtlich kranck lange, sahe er einsmahls in einem Winckel seiner Cammer den Teufel stehen, der auf sein Seel laurete, diesen verdammten Geist redete der Krancke also an: was stehest du da, du Seelen begierige Bestia? ich beschwöre dich durch die Kraft des Allerhöchsten, daß du mir mit Wahrheit sagest, was die Teufel [1000] am meisten verhindere, daß sie denen ärgesten Sündern nicht schaden, und nicht zur ewigen Verdammnuß ziehen können? der böse Geist antwortete: nichts ist in der Kirchen GOttes, welches die Kräften der höllischen Geister mehr schwächet, nichts dem teuflischen Gewalt mehr Menschen entziehet, als die wahre Beicht. Recht geredt: Dann JEsus unser Heyland hat dessentwegen das Heil. Sacrament der Beicht eingesetzt, daß unsere Seelen dardurch von allen Sünden sollen gereiniget, und folglich der Höllen entrissen werden. Massen Christus, da er glorreich von den Todten auferstanden, ist er seinen Jüngern erschienen, hat sie angeblasen, und zu ihnen gesprochen: nehmet hin den Heil. Geist, denen ihr die Sünden werdet nachlassen, denen seynd sie nachgelassen, und denen ihr die Sünden behaltet, denen seynd sie behalten. Joan. 20. das ist, welche ihr von ihren Sünden ledig sprechet, diese seynd von ihren Sünden gereiniget: welche ihr nicht ledig sprechet, seynd nicht gereiniget; sie behalten ihre Sünden, und werden kein Verzeyhung erlangen. Wie solches der Heil. Geist Prov. 18. bekräftiget: wer seine Ubelthaten, sagt er, behaltet, deme wird es nicht wohl ergehen: wer sie aber beichtet, und darvon abstehet, wird Barmhertzigkeit erlangen.

Wann aber die Beicht so kräftig, und auch so nothwendig ist; so will ja auch vonnöthen seyn, daß die Sünder (welche schon längsten vergessen, oder niemahlen verstanden haben, was man ihnen als Kinder in der Kinder-Lehr von der Beicht gesagt) nicht nur wissen, daß sie beichten müssen, sondern auch eine theils wohl anständige, theils höchstnothwendige Weiß erlernen, wie sie recht beichten sollen. Damit aber das Volck solche Weiß und Manier desto lieber erlerne, und leichter fassen möchte, wird deme auf eine angenehme und wohl verständige Weiß eine Unterweisung gegeben, welche bestehet in fünf formlichen, und fünf unformlichen Beichten unterschiedlicher Personen, deren eine jedwedere auf die strenge Frag geführet wird, ob sie recht oder unrecht gebeichtet habe.

Erster Beicht-Form
[1001] Erster Beicht-Form.
Ein gemeiner Burger beichtet also:

Ich armer sündiger Mensch beichte und bekenne GOtt dem Allmächtigen, etc. etc. und gib mich schuldig von einem Monat her, wie folgt:


Ich hab ein Zweifel in Glaubens-Sachen nicht alsobald ausgeschlagen. Einmahl. Ich hab die H. Sacrament gelästert. Viermahl. Ich hab bedachtsam ein Eyd falsch geschworen, und ist dem Nächsten ein schädliche Verleumdung darauf erfolget. Dreymahl. Die Heil. Meß hab ich ohne genugsame Ursach verabsäumet 3. Sonntäg nacheinander. Die erste Wochen in der Fasten hab ich unvernünftig geglaubet, es seye kein Fast-Wochen, hab also am Donnerstag Fleisch geessen, und die andere Täg nicht also, wie die gebottene Fast-Täg gehalten. Ich hab in einer wichtigen Sach meinem Vatter widersprochen, und ihne zweymahl heissen lügen. Ich hab meinem Nächsten von Hertzen ein grosses Unglück gewunschen. Einmahl. Wie auch meinen Kindern alle Tag zweymahl den Teufel, den Hagel, den Tod über den Hals gewunschen. Fast alle Tag hab ich wider meinen Nachbarn einmahl ein grosse Rach bedachtsam in meinen Gedancken geführt. Einem unkeuschen Wunsch mit einer Ehe-Frauen zu sündigen, hab ich nicht gleich, sobald ich es vermercket, Widerstand gethan einmahl. Zweymahl Unzüchtige Wort gegen einer Jungfrau geredt, willens sie zu verführen. Sechsmahl hab ich mich also vollgetruncken, daß ich mein Gewissen nicht hätte erforschen können. Ich hab bishero nur allzeit für meinen Bauch, und nicht für mein Weib und Kinder gesorget, ich hab meinen Taglöhner unbillich einen Batzen abgebrochen. Ich hab auch bey einer Mahlzeit einen silbernen Löffel eingeschoben. Im Spielen einen um 6 Batzen betrogen. Ich hab ein schädliche Lug von einer Dienst-Magd vorgegeben, darum sie vom Dienst verstossen worden, will mich aber befleissen, so viel es seyn kan, daß ich dieser, wie auch andern, denen ich unrecht gethan, den Schaden erstatte, und das unrechte Gut mit nächstem wieder heimstelle.

Diese und alle andere Sünden, welche mir nach fleißiger Gewissens-Erforschung jetzt nicht einfallen, reuen mich von Hertzen, daß ich mein allerhöchstes Gut dardurch beleydiget hab. Ich will aber meinē GOtt mit seiner Gnad nicht mehr beleydigen, bitte derowegen um ein heylsame Buß, und Heil. Absolution.


[1002] Was ist von diser ersten Beicht-Form zu halten?


Antwort. Dieser Burger hat recht, und wohl gebeichtet.

1. Weil er eine gute Manier und Ordnung gehalten, indem er fein ordentlich der zehen Gebotten GOttes nachgangen.

2. Weilen er alle ungereimte Umschweif der zur Beicht unnöthigen Sachen ausgelassen.

3. Weil er die Gestalt und Zahl der Sünden, samt den nothwendigen Umständen klar und deutlich angezeigt.

4. Weilen er sich selbsten anerbotten, das ungerechte Gut wiederum zuruck zu geben, und für den zugefügten Schaden genug zu thun: sonsten hätte er dessen von dem Beicht-Vatter müssen ermahnet werden: will nicht zweiflen, er hab solches aus rechtem Willen gesagt, und werde es mit nächster Gelegenheit in das Werck setzen.

Anderter Form
Anderter Form.
Ein Witt-Frau beichtet also:

Ich arme Sünderin, etc. etc. gib mich schuldig von 3. Wochen her.


Ich bin in meinen täglichen Zuständen ungedultig, und kleinmüthig gewesen, ungefehr zehenmahl. Ich hab in meinem Gebett ausschweiffige Gedancken gehabt, und solche nachläßig ausgeschlagen schier alle Tag ein oder zweymahl. Ich habe unreine Einbildungen gehabt, und ich zweifle: ob ich darein verwilliget fünfmahl: meinen Kindern hab ich aus Zorn, und Ungedult Ueber-Nämen geben alle Tag zwey oder dreymahl. Die Unwarheit viermahl geredt, doch andern ohne Schaden. Dem Nächsten zweymahl übel nachgeredt: ich zweifle, ob ihme ein mercklicher Schaden daraus erfolge. Denen Ehehalten bin ich gar zu streng, und hart gewesen zweymahl. Ich hab mir das Zeitliche gar zu fast lassen angelegen seyn aus überflüßiger Sorg, und Mißtrauen auf GOtt, ungefehr viermahl. In zeitlichen, eitlen und unnöthigen Sachen hab ich die Zeit übel angewendt siebenmahl. Mein tägliches und gewöhnliches Gebett aus Nachläßigkeit unterlassen, viermahl. Den Armen wenig und mit Ungedult Allmosen gegeben.

Diese und alle andere meine vergessene Sünden, etc.


Was ist von dieser anderen Beicht-Form zu halten.


Antwort. Diese Witt-Frau hat eine rechte und förmliche Beicht gethan.

1. Weil sie sein ordentlich ihre Sünden erzählet, und gesagt, was [1003] sie mit Gedancken, Worten und Wercken begangen.

2. Weil die Zahl auch deren läßlichen Sünden hinzugesetzt, dann obwohl solches zu thun kein Schuldigkeit, so ist es doch ein Tugend, und Vollkommenheit eines frommen Christens.

3. Weil sie denen Sünden, so aus eigner Natur können schwer seyn, ein kurtze Erklärung hinzugesetzt, aus welchen der Beichtvatter hat abnehmen können, ob sie schwere oder läßliche Sünden gebeichtet.

4. Weil sie die gewisse Sünden für gewiß, die unzweifelhaftige unter einem Zweifel gebeichtet, welches in Sünden, die tödtlich seyn können, nothwendig soll gehalten werden.

Dritter Form
Dritter Form.
Ein Handwercks-Gesell beichtet also:

Ich klag mich an vor GOtt, und Euer Hochwürden in nachfolgenden Sünden, so ich von drey Wochen her begangen hab.


Ich hab mich freywillig und bedachtsam in unkeuschen Gedancken aufgehalten und in selben mich belustiget einmahl. Ich hab Begierden gehabt, das ist, ich hab gewunschen und begehrt ein Weibs-Person unrein zu betasten, einmahl. Ich hab begehrt mit einer Weibs-Person fleischlich zu sündigen, Zweymahl. Mit einer ledigen (wie auch ich ledig bin) einmahl mit einer Verheuratheten, einmahl mit einer, so das Gelübd der Keuschheit abgelegt, item hab ich einmahl begehrt mit einer Ledigen in einem geweyhten Ort fleischlich zu sündigen. Ich hab unkeusch geredt, und gesungen; ich zweifle, ob es nicht geschehen, mit grosser Aergernuß der Gegenwärtigen, Einmahl. Ich hab GOtt mit Sacramentiren gelästert viermahl. Mich viermahl voll getruncken, daß ich nicht mehr wußte, was ich thät. Ich hab einmahl mit einem gerauft, ihn schwerlich verletzt, doch nicht tödtlich: ich hab aber schon den Bader bezahlt weilen ich der Urheber war dieser Rauf-Händel. Meinem Meister um einen halben Gulden Werth abgetragen; will es ihme, so bald es seyn kan, wiederum gut machen. An einem Feyrtag hab ich ohne Noth eine Stund lang gearbeitet. Ich hab in einer Kirchen etwas merckliches gestohlen, ich will es aber heut noch zuruck geben. Ich hab die Bruderschaft, Vesper, und Predig einmahl versaumet. In Gedancken, Worten und Wercken bin ich hoffärtig, zornig, und etwas rachgierig; unhöflich und muthwillig gewesen.

Diese und alle andere meine nach fleissiger Erforschung vergessene Sünden seynd mir leid, und reuen mich von Hertzen, daß ich GOtt mein allerhöchstes Gut so schändlich, und so schwerlich beleidiget hab: ich nimme mir aber aus gantzem Hertzen vor, meinen liebwürdigsten GOtt nimmermehr [1004] zu beleidigen, absonderlich mit allen Kräften wider die unreine Gedancken zu streiten: Bitte derohalben Euer Hochwürden um ein grosse Buß und Heil. Absolution.


Was ist von dieser dritten Beicht-Form zu halten?


Ant. Dieser ledige Gesell hat ziemlicher massen wohl gebeichtet.

1. Weil er sich am Anfang der grossen Sünden angeklagt, und die kleinere zu End der Beicht erzählet.

2. Weilen er zur Sünd der unreinen Belustigung hinzugesetzt, daß er solche freywillig gehabt: dann ohne diesen Zusatz der Beichtvatter nicht hätte wissen können, ob es nur einfallende Gedancken oder ein vorsetzliche Belustigung gewesen ware.

3. Weilen er ein Unterschied zwischen denen Gedancken und Begierden gemacht, dann ein Begierd ist eben so viel als ein Verlangen, oder ein Wunsch; ein Wunsch aber ist ja gantz etwas anderes als ein purer Gedancken.

4. Weilen er ein Unterschied zwischen der Begierd zu einer Betastung, und zwischen der Begierd zum fleischlichen Werck selbsten gemacht hat, wiederum hat er gar recht ein Unterschied gemacht zwischen der Begierd auf ein ledige, und zwischen der Begierd auf ein verheurathete Person. Uber das hat er gar löblich einen Unterschied gemacht zwischen der Begierd zu sündigen mit einer so verbunden ist mit einem wahren Gelübd der Keuschheit, und zwischen der Begierd zu sündigen mit einer so frey ist von allen Gelübden: zu dem hat er auch recht, und wohl hinzu gesetzt, daß auch er ledig seye; dann alles dieses seynd lauter Umständ, welche die Sünden also verstalten, und veränderen, daß sie dem Beichtvatter zu wissen höchst nothwendig seyn.

5. Ist die Beicht zu loben, weilen er bey einer Begierd oder Verlangen fleischlich zu sündigen, und bey einem Diebstahl hinzugesetzt, daß es in einem geweyhten Ort geschehen, und im Sinn gehabt die Sünd in dem geweyhten Ort zu vollbringen; massen diese Umständ die Sünden wiederum völlig veränderen, und enger machen.

6. Ist gar recht geschehen, daß er sich unter einem Zweifel angeklagt, ob er Aergernuß gegeben oder nicht. Dann die Aergernussen Umständ seyn, welche die Sünden können schwerer machen, ja gar verdopplen.

7. Hat er auch recht gethan, daß er in der Beicht versprochen, er wolle den verursachten Schaden, wie auch alles abgenommene wiederum gut machen, sonsten wie es schon oben ist gemeldet worden, hätte ihm solches der Beichtvatter befehlen müssen.

8. Ist in dieser Beicht löblich, daß er gesagt, wie lang er an einem Feyr-Tag ohne grosse und wichtige Ursachen gearbeitet: dann je länger die Arbeit an dergleichen Tägen fortgesetzt wird, je grösser wird die Sünd.

9. Hat mir wohl gefallen der Beschluß dieser Beicht. Erstlich: Weilen er hinzugesetzt diese Wort: Nach [1005] fleissiger Erforschung. Durch welches er zu verstehen gegeben, daß er den vorgeschriebnen Fleiß bey Erforschung seines Gewissens angewendet hatte; wie es auch dergleichen grossen Sünderen höchst nothwendig ist. Andertens: Bittet er um eine grosse Buß dieser ledige Gesell muß wohl wissen, daß die grössere Bussen mehr auslöschen von der Straf, so ordinari noch überbleibt nach denen auch gebeichten Sünden.

Vierte Form
Vierte Form.
Ein andächtige Jungfrau beichtet also:

Mit demüthigem und zerknirschtem Hertzen gib ich mich schuldig, daß ich arme Sünderin meinen liebwerthesten GOtt von fünf Tägen her also beleidiget hab.


Da ich von dem Schlaf erwachet, hab ich mein Hertz und Gedancken nicht alsobald zu GOtt gewendt, zweymahl. Im Gebett und in öfterer Wiederholung der guten Meinung bin ich schläfrig, nachlässig, und unandächtig gewesen ungefähr einmahl. Die heilige Meß hab ich mit schlechter Andacht angehört, dreymahl: und einmahl unter der heiligen Meß die geistliche Communion unterlassen. Vor dem Essen hab ich auch keine gute Meinung gemacht, dreymahl. Unter dem Essen hab ich mir keinen Abbruch gethan, zweymahl. Unter meiner Arbeit hab ich viel Ding schlauderisch verricht, siebenmahl. Das allgemeine Nacht-Examen hab ich einmahl; das particular, oder sonderbare Examen hab ich viermahl unterlassen. In dem Schlaf hab ich einen unreinen Traum gehabt, denselben aber, so bald ich erwacht, ausgeschlagen. Vor diesem bin ich oft in Worten ungedultig und zornig gewesen, ich hab andern in geringen Sachen übel nachgeredt: Ich hab aber alles schon einmahl gebeichtet.

Diese und alle andere meine vergessene Sünden seynd mir leid, und reuen mich von innerstem meines Hertzens, daß ich mein höchstes Gut beleidiget; absonderlich reuet es mich, daß ich meinen liebwerthesten GOtt so oft mit ungedultigen zornmüthigen Worten verletzt hab: ich nimme mir kräftiglich vor (aufs wenigste freywilliger Weis) die mindeste Sünd mit der Gnad GOttes nicht mehr zu begehen, absonderlich meinen GOtt mit keinem zornigen Wort zu beleidigen; bitte derowegen Euer Hochw. um ein grosse Buß und H. Absolution.


Was ist auf diesen vierten Beicht-Form zu halten?


Ant. Diese Jungfrau hat wohl, und manierlich gebeichtet.

1. Weil sie sein ordentlich durch alle Ubungen des Tags gangen ist.

[1006] 2. Weilen sie sich ihrer gar kleinen Mängel, und Unvollkommenheiten hat angeklagt: dann ich halt darfür, sie habe diese fünf Täg hindurch keine läßliche Sünd gethan, oder doch sich keiner erinneren können.

3. Weilen sie nicht lang gemacht hat, als wie es bisweilen solche andächtige Personen zu thun im Brauch haben, indem sie alle Scrupel, und Phantasien hat ausgelassen, und die unnütze Zweifel, und Fragen auf ein andere Zeit verschoben.

4. Weil sie zum End der erzählten Unvollkommenheiten zwey gewisse, und ungezweiflete Sünden aus dem vorigen Leben hinzugesetzt: ohne welche der Beichtvatter kein genugsame Matery wurde gehabt haben ihr die heilige Absolution zu geben.

5. Weilen sie ihr Beicht so gescheid beschlossen, als wie oben der ledige Gesell: Sie versicherte den Beicht-Vatter, daß sie aufs wenigst ein läßliche Sünd bereuet, und ihr vorgenommen, ihr Lebtag diese läßliche Sünd nicht mehr zu begehen: dann wann man nur läßliche Sünden zu beichten hat, so ist man schuldig aufs wenigst ein läßliche Sünd zu bereuen mit ernsthaften Vorsatz, durch dieselbige läßliche Sünd GOtt in Ewigkeit nicht mehr zu beleidigen.

Fünfter Form
Fünfter Form.
Ein Student aus der andern Schul beichtet also:

Accuso me coram Deo & Reverentia vestra de sequentibus Peccatis:


Von der letzten Beicht, das ist von zehen Tägen her bin ich im Gebett ausschweiffig gewesen alle Tag zweymahl oder dreymahl. Den Namen JEsu hab ich ohne Noth, und Ehrerbietung genennet etlichmahl. Ich hab geschworen, aber nicht falsch fünfmahl mehr oder weniger. Einem aus meinen Vorgesetzten hab ich die Unwahrheit vorgetragen, einmahl. Ich hab einen Bogen Papier gestohlen. Ich hab andern Ubernämen gegeben, etliche mahl. Ich hab die edle Schul-Zeit ohne genugsame Ursach verabsaumet, einmahl, zweymahl hab ich unzüchtige Bilder, wie auch unkeusche Hund aus Fürwitz angesehen, doch alsobald, da ich die Boßheit der Sach vermerckt, die Augen darvon abgewendet. Viermahl bin ich im Essen und Trincken gar zu begierig gewesen.

De his & omnibus meis peccatis, quorum non recordor, Amore Domini & Dei mei doleo, eaque cum divina Gratia emendare propono. Peto igitur humillime salutarem pœnitentiam, & Absolutionem.


Was ist aus dieser fünften Beicht-Form zu halten?


Ant. Dieser Student hat nicht übel gebeichtet.

1. Weilen er sein Beicht lateinisch [1007] angefangen, und lateinisch geendiget, welches ein Zechen ist, daß er in der vierten oder fünften Schul schon völlig werde lateinisch beichten, so ja freylich in einem solchen Studenten sehr lobwürdig ist.


NB. Doch ist auch wohl zu wissen, wann etwann ein Student grössere Sünden zu beichten hätte, und nicht wußte dieselbige lateinisch zu erklären, daß es besser wäre, wann er seine Sünden teutsch sagete, damit er nicht gähling gantz andere Sünden beichtete, als er gethan hätte.

2. Ist diese Beicht recht, weilen er ein rechtmässige Ordnung gehalten, und erstlich gesagt die Sünden wider GOtt, darnach die Sünden wider den Nebenmenschen, und letztlich die Sünden wider sich selbsten.

3. Weilen er fein schlecht, und einfältig gesagt, er habe geschworen, und anderen Ubernämen gegeben, die Schwür aber und Ubernämen in specie nicht benamßt, welche bisweilen von anderen der Länge und der Breite nach ohne Noth mit Verdruß des Beichtvatters erzählet werden.

4. Weilen er auch zu den läßlichen Sünden die Zahl hinzugesetzt, welches ein Zeichen ist eines zarten Gewissens. Bishero hast du gesehen ein fünffachen Beicht-Form, damit aber solcher noch klärer erscheine, so betrachte auch das Widerspiel, das ist einen fünffachen Unform in dem Beicht-Stuhl.

Erster Unform
Erster Unform.
Ein Haus-Mutter beichtet also:

Nachdem der Beichtvatter eine Zeitlang hat warten müssen, bis sie das in dem Beichtstuhl aufgehenckte Bild genug geküsset hat, fanget sie nemlich ihr Beicht an mit diesen Worten:


Guten Tag geb euch GOtt.


Ach hertzliebster Herr Beichtvatter, wie ist es mir abermahl so übel ergangen mit meinem versoffenen Mann! heut acht Tag am heiligen Sonntag ist er mit dem Hans Jacob mit seinem alten Saufbruder in das Wirthshaus gangen, und haben den gantzen Tag (weiß nicht, ob sie Meß gehört haben) von Morgen an bis Nachts gesoffen, und gefressen, bis beyde voll, und toll worden. O mein hertzliebster Herr Beichtvatter, was soll ich thun? ich hab sechs lebendige Kinder im Haus, haben weder zu beissen, noch zu nagen, seynd zerrissen, und zerlumpt: er will nichts thun, nichts arbeiten, nur sauffen, und fressen, muß alles durch sein Diebs-Gurgel, was er hat. O mein goldener Herr Beichtvatter, wie kan ich es länger gedulten, es wäre kein Wunder, ich lief so weit, so weit der Himmel blau ist. Zu Nachts um eilf Uhr kommt er heim. Da war nichts anders [1008] als Fluchen, Schwören, Sacramentiren, Donnern, und Hageln, er wolt alles tod haben, und alles zum Haus hinaus jagen. Die Kinder schreyen oft Mordio! ach mein GOtt! ich hab oft still geschwiegen, es wolt nichts helffen, hab ich die Länge nimmer schweigen können. Daß dirs der Teufel geseegne, du voller Narr, mit deinem Fressen und Sauffen: du Saumagen, wann du nur einmahl den Teufel hinein sauftest, troll dich ins Beth in tausend Teufels-Namen. Du grober Esel, du unflätige wilde Sau. Wer wolt mit dir hausen? O lieber Herr Beicht-Vatter die Obrigkeit ist daran schuldig, warum laßt sie solche Lumpē nicht gleich nach dem Hußaus aus dem Bierhaus heraus reissen: aber wer wird es thun, einer oder der andere, welche die Obrigkeit bestellet, damit sie zu Nacht alle Unförm in denen Wirths-Häusern, und auf denen Gassen aufheben sollen, trincken so gern als mein Mann, lassen ihnen oft mit einer Maaß Bier die Händ binden, und das Maul verstopfen. O guldener Herr! wann nur dieses Wirths-Haus nicht wäre: es seynd ja solche Diebs-Leut in diesem Haus, daß, wann auch die Gäst 5. 6. 7. mahl begehren, man soll die Zech machen, sie dannoch so lang die Zech nicht machen, dis sie aus ihren Gästen lauter voll. Schwein gemacht haben. O hertzliebster Herr Beicht-Vatter! ich bin halt zornig und ungedultig gewesen: es hat aber nicht anderst seyn können: GOtt seye es im Himmel geklagt: ich kans länger nicht mehr leyden: ich hab ja sonsten Creutz genug; meine Kinder wollen mir nicht mehr folgen, mein grosse Tochter ist kein Schuß-Pulver werth, sie mag nicht mehr betten, sie mag nicht mehr in die Predig gehen; lauft mir jetzt schon zweymahl aus dem Haus, weiß nicht wohin: und wann ich ihr dieses widersprich, gibt sie mir zur Antwort: ha! gilt es dem Vatter zu Nachts ausbleiben, so gilts mir auch; O du Donners-Vieh! erst gestern ist der Fräntzl auf der Gassen herum geloffen, hat mit des Metzgers Buben gerauft, und ein Loch in Kopf bekommen. Ich hätte ihn zerreissen mögen; du Sacraments-Schelm, du Teufels-Kind! wie oft hab ich dirs schon gesagt: es geschieht dir recht, warum bleibst du nicht daheim. Bey tausend Element, ich will dich zerhauen, und zerschlagen, daß nichts mehr in dich mag. O mein guldener Herr Beicht-Vatter! ich wolte gern alles sagen, wann ich nur alles wissen konte; ich bin so ungeschickt, kan weder schreiben noch lesen: ach mein GOtt, konte ich nur auch so beichten, als wie andere: andere machen es so lang, und ich bin allzeit so gleich fertig. Noch eins, hätts bald vergessen: vor 14. Tägen hab ich das letzte mahl gebeichtet.


Was ist von dieser Beicht zu halten?


Antwort. Diese Haus-Mutter hat über die massen grob und ungeschickt gebeichtet.

[1009] 1. Weisen sie die Zeit mit überflüssigen Kussen des Bild verzehret: die Bilder werden in denen Beicht-Stühlen aufgehenckt, daß sie in dem Beichtenden gute Gedancken erwecken, und nicht daß sie mit Kussen verschmutzt werden.

2. Weilen sie die Beicht nicht angefangen, und nicht geendiget hat, als wie die vorige Beicht-Kinder.

3. Weilen sie den Beicht-Vatter gegrüßt, und öfter gar zu freundlich angeredet hat, welches wider die schuldige Ehrerbietigkeit ist gegen dein, der sitzet an statt GOttes.

4. Weilen sie mehr andere, als sich selbsten angeklaget.

5. Weilen sie nur zwey Sünden gebeichtet, da sie doch Zweifels ohne wohl mehrer begangen hatte.

6. Weilen sie ein so langes unnöthiges, und verdrüßliches und thörrichtes Geschwätz, und Bloderment gemacht, und mit so vielen Worten mehr nicht gebeichtet, als daß sie aus Zorn, und Ungedult ihren Mann und Kinderen Flüch- und Schelt-Wort gegeben hat.

7. Weilen sie zu End der Beicht gesagt, wann sie das letzte mahl gebeichtet hat, welches sie doch zu Anfang der Beicht hätte sagen sollen.

Anderte Unform
Anderte Unform.
Ein Bauer beichtet von langer Zeit her also:

Im Namen GOttes des Vatters, und des Sohns, und des Heil. Geists, Amen.


Herr, ich weiß nicht mehr, wann ich das letzte mahl gebeicht hab. Das erste Gebott du solst glauben an einen GOtt. O Herr, ich hab allzeit an einen GOtt geglaubt. Das andere Gebott, du solst den Namen GOttes nicht eytel nennen: ich hab Sacrament, Chrysam, Gotts-Chrysam geflucht, aber nicht geschändt. Das dritte Gebott, du solt den Feyertag heiligen: wann ich gekönt hab, bin ich allzeit zur Meß gangen. Das vierte Gebott, du solst Vatter und Mutter ehren; hab weder Vatter noch Mutter, hätte wohl mehr für sie betten sollen. Das fünfte Gebott, du solst nicht tödten: ich bin niemand feind. Das sechste Gebott, du solst nicht Unkeuschheit treiben: O Herr, mein junge Jahr fichten mich an; ich weiß nicht, ob ich alles recht beicht hab oder nicht. Das siebende Gebott, du solst nicht stehlen: Herr, ich hab mein Lebtag nichts gestohlen. Die fünf Gebott der Christlichen Kirchen. Das erste, die aufgesetzte Feyertäg halten: Herr, das hab ich schon gesagt. Die sieben Tod- oder Haupt- Sünden. Die Sündē in dem H. Geist; die vier Sünden,[1010] die in den Himmel schreyen; die neun fremde Sünden. Herr das hab ich nicht gethan. Herr, jetzt weiß ich nichts mehr.


Was ist auf diese Beicht zu halten?


Antwort. Dieser Bauer hat eine närrische und ungeschickte Beicht gethan.

1. Weilen er keinen andern Eingang der Beicht gemacht, als nur das Creutz allein, zu dem hat er nicht gewußt, wann er das letztemahl gebeicht, und das allerhöchste Gut empfangen. Welches gar eine sträfliche Sorglosigkeit ist.

2. Weilen er schier den gantzen Catechismum, als wie ein Bub in der Christen-Lehr aufgesagt: es wäre wohl gut, wann dieser Bauer öfters in die Christen-Lehr kommete, und lernete, was die zehen Gebott ausweiseten: er wurde fürwahr vielmehr Sünden in seinem Gewissen finden, wann er solches über gemeldte Gebott wolte erforschen, viel mehr Sünden, sag ich, wurde er finden, als er gebeichtet hat.

3. Weilen er nicht weiß sein Beicht formlich zu schliessen: was gilts der Bauer hat vor der Beicht kein genugsame Reu und Leyd erweckt: ja ich glaub, er wisse gar nicht, was höchstnothwendig sey zum H. Sacrament der Buß. Und also wird vonnöthen seyn, daß der Beicht-Vatter für diesen Bauren ein Christen-Lehr im Beicht-Stuhl halte, wann anderst der Beicht-Vatter dem Bauren, so von einem mittlern Alter ist, mit sicherem Gewissen will die Heil. Absolution mittheilen.

Dritter Unform
Dritter Unform.
Eine Magd beichtet also:
O du ewiger Allmächtiger GOtt!
Ich hab gebrochen dein Gebott;
Ich hab der Sünd so viel gethan,
Daß ichs nie all gedencken kan:
Doch komm ich jetzt zum rechten Mann,
Der mir von Sünden helffen kan:

In Namen GOttes des Vatters, und des Sohns, und des Heil. Geists, Amen.


Vor drey Wochen hab ich das letzte mahl gebeichtet. Ich gib mich schuldig, daß ich hoffärtig bin, ehrwürdiger Herr. Ich gib mich schuldig, daß ich neydig bin, ehrwürdiger Herr. Ich gib mich schuldig, daß ich geitzig bin, ehrwürdiger Herr. Ich gib mich schuldig, daß träg bin, ehrwürdiger Herr. Es schilt eine, es flucht eine. Es ist eins zornig, es ist eins ungedultig; es gibt eins denen Kindern Ubernähmen. Ich hab etwann böse Gedancken gehabt; ich hab etwann übel nachgeredt. [1011] Ich stihl gern; ich bin gern unzüchtig; ich sing gern Buhl-Lieder, ich lauf gern denen Buben nach. Ich hab Hex geschworen, ich hab Narr geschworen, ich hab Teufel gescholten, ich hab Wetter gescholten, ich hab Hagel gescholten. Ich gib mich schuldig aller tödlichen und läßlichen Sünden, die ich weiß, und die ich nicht weiß. Ich hab gesündiget wider GOtt, wider meinen Nächsten, und wider mich selbsten: wider die zehen Gebott GOttes, wider die fünf Gebott der Christlichen Kirchen; in denen fünf Sinnen meines Leibs. Es sündiget eins alle Tag, alle Stund. GOtt sey mir gnädig, hier zeitlich, und dort ewig, Amen.


Was ist auf diese Beicht zu halten?


Antwort. Diese Dienst-Magd hat viel Fehler und Ungeschicklichkeiten in ihrer Beicht begangen.

1. Weilen sie etliche Sprüch, und Wörter gar zu oft widerholet, und also die Beicht also mercklich lang, und verdrüßlich gemacht. Zudem hat sie einen seltsamen, und ungereimten Vorspruch, ja auch einen nichtswürdigen Nachspruch gebraucht, indem sie sich aller tod- und läßlichen Sünden hat angeklagt: behüt uns GOtt vor einer so grossen Boßheit! wann es wahr ist, daß du, mein Magd so viel gesündiget hast, was muß ich dir für ein Buß auferlegen? tausend Psalter, sieben hundert Fasten, sechs und zwantzig Disciplin werden nicht erklecken. Mein! wie kanst du alle Stund sündigen? was thust du dann wann du schlaf fest? die Calvinisten sagen, daß alle unsere Werck Sünden ja Tod-Sünden seyn; bist du dann auch mit dieser Ketzerey beschmitzt?

2. Weilen sie gesagt, ich gib mich schuldig, daß ich hoffärtig bin, geitzig bin, neidig bin. Item ich schilt gern, ich bin gern unzüchtig, etc. Bist du dann auch jetzt, da du dieses redest, hoffärtig geitzig, neydig? hast du dann auch jetzt in dem Beicht-Stuhl ein Lust zu stehlen, oder unzüchtig zu seyn? ey das nicht, sagst du, es wäre grob gefehlt. Also, mein Magd, mußt du dich nicht anklagen, daß du würcklich sündigest, sondern, daß du gesündiget hast; du hättest nicht sollen sagen, ich bin hoffärtig, sondern ich bin hoffärtig gewesen: nicht ich bin geitzig, sondern ich bin geitzig gewesen. Du hättest nicht sollen sagen: ich stihl gern, sondern ich hab gestohlen wenig oder viel. Du hättest nicht sollen sagen, ich bin gern unzüchtig, sondern du hättest sollen sagen: ich hab wider die Reinigkeit also, und also gesündiget, etc.

3. Weil sie gesagt: es schilt eine, es gibt eins den Kinder Ubernähmen etc. Mein Magd sag mir her, was ist das für eine, wer ist dieses eins? ist es dein Schwester, oder dein Bruder? dein Vatter, oder dein Mutter? wann du dieselbe bist, so sage es fein redlich, und sage in dem Beicht-Stuhl fein unerschrocken, ich hab gescholten; ich hab denen Kindern Ubernähmen gegeben.

4. Ist diese Beicht ungeschickt, [1012] weilen sie dieses Wörtlen: etwann, öfters hat eingemischt, und also hat diese Magd ihr gewisse Sünden in dem Beicht-Stuhl ungewiß und zweifelhaftig gemacht. Dann dieses Wörtlein etwann heißt eben so viel, als vielleicht, und also wann du sagest: ich hab etwann übel nachgeredt, so heißt es so viel, als: ich hab vielleicht übel nachgeredt. Das heißt, sich ja unter einen Zweifel anklagen. Wann du ein Sünd gewiß gethan hast, so mußt du nicht hinzusetzen dies Wörtlein etwann. Dann solte solches geschehen, so wurdest du nicht beichten dein Sünd; und wann dieses Wörtlein etwann bey einer jedwederen Sünd solte stehen, könt schier der Beicht-Vatter zweiflen, ob er dich solte absolviren: weilen er konte gedencken, du habest gar kein Sünd gethan.

5. Ist diese Beicht ungeschickt, weil diese Magd gesagt; ich hab Hex geschworen, ich hab Narr geschworen, etc. Ich hab Teufel gescholten, ich hab Wetter und Hagel gescholten etc. Diese Magd muß fürwahr nicht wissen, was eigentlich schwören, und was schelten heisse. Magd mercke es wohl: Schelten ist so viel; als GOttslästeren, oder von GOtt, oder von seinen Heiligen: oder von andern Heil. Sachen übel, spöttlich, schändlich oder verächtlich reden, oder gedencken, und sich in solche Gedancken wissentlich verwilligen, etc. ect. das heißt schelten: Schwören aber heißt hauptsächlich GOtt in einer Sach zu einem Zeugen nehmen etc. also ist es klar, daß du nicht in deiner Beicht sollest gesagt haben: ich hab Teufel, Wetter, und Hagel gescholten. Dann wann du das Wort Teufel, oder Wetter, oder Hagel etc. im Zorn mit einem Wunsch geredet hast, so hättest du in dem Beicht-Stuhl sagen sollen: ich hab mir selbst (oder anderen) im Zorn ein grosses Ubel gewunschen. Seynd aber gemeldte Wort nur pure zornige Wort gewesen ohne Wunsch, so wäre es genug gewesen, wann du gesagt hättest: ich habe zornige und schädliche Wort ausgestossen.

Zudeme ist es auch klar, daß du nicht in der Beicht hättest sagen sollen; ich hab Hex und Narr etc. geschworen, sondern ich hab andern Ubernähmen gegeben.

Vierter Unform
Vierter Unform.
Ein Knecht beichtet von 7. Monat her also:

O Herr, ihr seyd an GOttes statt: ich knye an eines Sünders statt: ich bitt, ihr wolt mich Beicht hören im Nahmen GOttes des Vatters und des Sohns, und des Heil. Geists, Amen.


Im grossen Ablaß hab ich zum letztenmahl gebeichtet. Herr ich schilt, ich schwör, ich fluch, auf mein Eyd auch: Sacrament: hunder Sacrament; [1013] tausend Sacrament; der Teufel; der Hagel; der Donner; der Blitz: ich hab mich voll gesoffen, ich hab mich übergeben; ich hab gestohlen; ich bin bey der Magd geweßt; ich hab am Feyertag unter der Vesper kartet; ich hab am Sonn- und Feyertag denglet. Herr, ich weiß nichts mehr, wißt ihr noch etwas, so sagt mirs.


Was ist auf diese Beicht zu halten?


Antwort. Dieser Knecht hat gar nicht aus der Kunst gebeichtet.

1. Weilen er einen uneschickten Vorspruch gethan, die Zeit der letzten Beicht übel angezeigt, dann er sagte nur, daß er am grossen Ablaß gebeichtet; hätte auch darzu sollen setzen, was es für ein grosser Ablaß gewesen: das End dieser Beicht war zu grob, und liederlich, weilen er gern hätte, daß ihn der Beicht-Vatter ausfrätschlete. Mein guter Knecht, wann dich auch mancher Beicht Vatter solle ausfrätschlen, so kanst du dannoch nicht sicher seyn in deinem Gewissen, wann du nicht zuvor in Erforschung deines Gewissens den gebührenden Fleiß angewendet habest; was aber für ein Fleiß zur Gewissens-Erforschung vonnöthen seye, wird bald darnach erkläret werden.

2. Ist diese Beicht nicht viel nutz, weilen alles untereinander vermischt, und gebutteret, kleine und grosse Sünden ohne Ordnung und Abtheilung.

3. Weilen er weder die Gestalt der Sünden, weder die Zahl der Sünden, weder die nothwendige Umständ der Sünden angezeiget.

4. Weilen er also den Beicht-Vatter ein so grosse Mühe und Arbeit gemacht hat, indem er alles noch einmahl hat müssen recapituliren, und durch unterschiedliche Fragen hat wiederhoeln müssen.

Knecht, gehe fleißig in die Predigen, und Christen-Lehren, und lese öfters die obige fünf förmliche Beichten, oder wann du nicht lesen kanst, lasse dir solche oft vorlesen, und erklären; mit einem Wort: lerne recht Buß thun, sonsten möchte ich mit dir nicht sterben.

Fünfter Unform
Fünfter Unform.
Ein junges Mägdlein beichtet von der letzten Quatember also:

Du Schelm, du Dieb, du Narr, du Esel, du Groß-Kopf, du Maul-Af, du Hex, du Unhold, du Gabelfahrerin, du Wettermacherin, Teufel, Pestilentz, Blut, Blitz, Donner, Hagel, du Bärnhäuter, du Läsch, du Teufels-Kind, du Galgenstrick, du Galgen-Vogel; jetzt nichts mehr. Herr noch etwas: du Calfacter.


[1014] Was ist von dieser Beicht zu halten?


Antwort. Dieses Mägdlein hat kindisch, und närrisch gebeichtet, an welchem die Eltern, oder Kinds-Menscher, oder Präceptores vielmehr schuldig seyn, als das Kind selbsten, weilen sie das Kind nicht besser im Beichten unterricht haben. Die Fehler aber dieser Beicht seynd folgende:

1. Hat das Kind die Beicht übel angefangen, und übel geendet, hat nichts im Anfang, nichts zu End der Beicht gesprochen: aufs wenigist hätte das Kind sollen das Heil. Creutz machen, etc.

2. Hat das Kind nichts gebeichtet, als lauter Ubernähmen, und Schelt-Wort, da doch nicht zu zweiflen, es hätte wohl andere Sünden zu beichten gehabt, wann man es zu Erforschung des Gewissens mehrer unterwisen hätte; als nemlich, daß es Vatter, und Mutter ungehorsam gewesen, oder auch gestohlen habe, daß es in der Kirchen umgaffet, mit denen Wachs-Lichtlein gedäntlet, und die Kirchen-Stühl verbrennet habe. Daß es der Lehr-Meisterin habe vorgelogen; zu Morgen und zu Nacht, vor und nach dem Essen nicht gebettet.

3. Hat das Kind alle Ubernähmen, und Schelt-Wort nur bloß daher gesagt, und hat nicht darzu gethan, daß sie diese Wort geredt habe. Zudem hätte dieses Kind nicht alle Ubernähmen insonderheit nennen, sondern hätte nur sollen sagen: ich hab andern Ubernähmen, und Schelt-Wort angehängt, und also wäre die gantze Beicht fertig gewesen: wann dieses Kind kein Kind wäre, so könte der Beicht-Vatter vermeynen, die saubere Sprüch, und Ehren-Titel wären seiner Person vermeynt.

4. Hat wegen dieser ungereimten Beicht der Beicht-Vatter nicht wohl wissen können, ob das Mägdlein der Heil. Absolution fähig seye, oder nicht, und derentwegen hat er weiter nachforschen, und fragen müssen, ob es so viel Witz, und Verstand habe, daß es seine Sünd genugsam erkennen, bereuen, beichten, und büssen möge.

Da hast du, mein Sünder, die fünf förmliche und fünf unförmliche Beichten, oder den Form und Unform in dem Beicht-Stuhl. Darzu rathe ich dir, du wollest alles nicht nur einmahl, sondern öfters bedachtsam überlesen: dann ich versichere dich, daß du allzeit etwas neues werdest finden, welchs deiner Beicht entweders sehr anständig, oder höchst nothwendig seyn werde.

Weilen ich aber weiß, daß dem gemeinen Volck gleich alles zu weit aus einander stehet, und wenig oder gar nichts rechts könne für sich zusammen bringen, wo nur ein kleines Nachdencken vonnöthen ist, so will ich jetzt aufs wenigist die Haupt-Sach, welche in obgemeldten Beichten hin und wider ist eingesprenget worden, durch einen kurtzen Auszug in fünf der nothwendigisten Puncten klar für die Augen legen, und sage also:

[1015] Erstlich.
Ist nothwendig eine fleißige Erforschung des Gewissens.

In dieser Erforschung muß aufs wenigst ein so grosser Fleiß und Sorg angewendet werden, so groß der Fleiß und Sorg ist eines emsigen Welt-Manns in Nachforschung, und Verrichtung seiner Welt-Geschäften. Geschieht dieses nicht, und bist du etwann ein grosser Sünder, oder einer, der selten beichtet, so setzest du dich in die Gefahr ein gottsräuberische Beicht zu verrichten: damit du aber in diesem wichtigen Puncten vor GOtt sicher stehest, rathe ich dir, das allernutzlichste Nacht-Gebett, welches in fünf kleinen Puncten bestehet.

1. Sage kürtzlich Danck, um alle Gnaden, und Gutthaten, so du von GOtt dein Lebtag, insonderheit durch den heutigen Tag empfangen hast.

2. Bitte mit wenigen Worten den göttlichen Geist, daß er dir zu erkennen gebe, was du heut und die vergangene Nacht gesündiget habest.

3. Erforsche kürtzlich dein Gewissen.

4. Erwecke ein vollkommene Reu und Leid über deine Sünden mit einem ernsthaften Vorsatz dich zu besseren, und deine Sünden offenhertzig zu beichten.

5. Lege dir selbsten eine kleine Buß auf, und verrichte dieselbige.

Also werdest du das allernutzlichste Nacht-Gebett verrichten, und werdest zugleich versichert seyn, daß du den vorgeschriebenen Fleiß, so zu Erforschung des Gewissens, und zu wahrer Buß nothwendig ist, angewendet habest.

Andertens.
Ist nothwendig eine übernatürliche, eine allgemeine und hertzliche Reu, entweders ein Vollkommene, oder Unvollkommene.

Allwo zu mercken, daß es müsse seyn erstlich ein Reu, oder ein Schmertzen, oder ein Leid, oder eine Betrübnuß.

Andertens: Muß die Reu seyn übernatürlich, das ist, wann es dich reuet, oder schmertzet, so muß es dich reuen, und schmertzen wegen einer übernatürlichen Ursach: nemlich wegen GOtt, oder aufs wenigst wegen einer Straf, mit welcher GOtt die Sünden zu straffen pflegt. Exempel-Weis, wann du ein übernatürliche, und zwar ein vollkommene Reu und Leid erwecken willst, so muß es dich reuen oder schmertzen, nur allein darum, weilen du mit deinen Sünden den wahren GOtt, den liebwerthesten GOtt, dein höchstes, und bestes Gut beleidiget hast. Wann dir GOtt [1016] auch dein Lebtag nichts Gutes erwiesen hätte, oder wann er auch dich deiner Sünden halber niemahlen straffen wolte, so müßte es dich dannoch reuen, daß du mit deinen Sünden GOtt (das höchste Gut) beleidiget hast: dann wann auch GOtt dein Erlöser, und Gutthäter nicht wäre, und noch darzu kein Höll, und kein Himmel wäre, so wäre GOtt dannoch aus allen das allerhöchste, und beste Gut, wegen seinen unendlichen Vollkommenheiten, welche niemand haben kan als GOtt, und dessentwegen GOtt allein über alle Geschöpf allzeit zu lieben, und niemahlen zu hassen, oder zu bleidigen ist. Auf diese Weis werdest du ein übernatürliche vollkommene Reu erwecken.

Wann du aber ein übernatürliche unvollkommene Reu und Leid machen willst, so muß es dich reuen aus Forcht, GOtt möchte dich alle Augenblick straffen, entwedrs mit der zeitlichen oder ewigen Straf.

NB. Mercke es wohl: Es muß dich nicht reuen pur allein wegen der Straf, sondern wegen der Straf, so von GOtt herkommt: mit einem Wort, du mußt Leid tragen über deine Sünden, weilen GOtt die Sünden straffet. Und also ist dein Reu ein zwar unvollkommene, doch übernatürliche, und zur wahren Beicht genugsame Reu.

Drittens: Muß dein Reu allgemein seyn, das ist, wann du grosse Sünden zu beichten hast, so muß sich dein Reu auf alle Todsünden erstrecken, du mußst nemlich über alle wissentliche, und unwissentliche Todsünden eine Reu erwecken: hast du aber keine Todsünden zu beichten, so bist du schuldig unter einer Todsünd (wann du beichten willst) daß du aufs wenigst ein, oder die andere kleine Sünden bereuest.

Viertens: Muß dein Reu hertzlich seyn, das ist, es muß dir von Hertzen gehen, oder, welches ein Ding ist, es muß dir ernst seyn; und damit dieses geschehe, so must deine Gedancken wohl beysammen haben, und wohl verstehen, was du in deiner Reu und Leid sagest oder gedenckest. Ist dein Reu nicht also, wie bishero gesagt, beschaffen, so ist es kein Reu, dein Buß kein Buß.

Damit du aber in diesem so wichtigen Puncten nicht fehlest, so erwecke öfters eine Reu aus dem beygelegten Form einer wahren vollkommenen Reu und Leid.

Drittens.
Ist nothwendig ein kräftiger Vorsatz.

In deinem Vorsatz mußt du erstlich haben, einen ernstlichen kräftigen Willen, alle Todsünden mit der Gnad GOttes auf ewig von Hertzen zu hassen und zu meiden.

[1017] Hast du aber keine Todsünden zu beichten, so mußt du aufs wenigst wider ein oder die andere läßliche Sünd einen solchen Haß, und Widerwillen haben, daß du bey dir einen Schluß und Vorsatz machest, du wöllest in Ewigkeit dergleichen läßliche Sünden mit der Gnad GOttes nicht mehr begehen.

Andertens: Mußt du in deinem Vorhaben einen ernstlichen Willen haben, alle Mittel wider die Sünd zu ergreiffen; Exempel-Weis: Die abgeschnittene Ehr mit nächster Gelegenheit zuruck zu geben, das gestohlne Gut ohne Verschub im Geld, oder im Geld-Werth heimzustellen, die Gelegenheit, in welcher du etlichmahl nach einander ein Todsünd begangen, zu melden, deinem Feind von Hertzen zu verzeihen, etc. etc. Ist dein Vorsatz nicht also beschaffen, so ist dein Vorsatz kein Vorsatz, dein Reu kein Reu, und folglich dein Buß kein Buß.

Viertens.
Ist nothwendig eine vollkommene, demüthige, offenhertzige Beicht.

In der Beicht mußt du 1. bekennen, und offenhertzig sagen die Sünden, und nicht die gute Werck. 2. Du mußt dich schuldig geben, und nicht entschuldigen; die Schuld auf dich, und nicht auf andere legen. 3. Du mußt beichten deine Sünden, und nicht die Sünden eines andern; du mußt dich offenbaren, und keinen andern, welches ein Ehrabschneidung wär. Du must beichten deine Sünden, das ist, alle Todsünden, oder, wann du kein Todsünd auf dir hast, aufs wenigst ein oder die andere läßliche Sünd. Du mußt beichten deine Sünden, das ist, du mußt sagen, wie oft diese oder jene Todsünd geschehen. Du mußt beichten deine Sünden, das ist, du mußt aufs wenigst deine Sünden bekennen mit allen denjenigen Umständen, welche die Gattung der Sünd verändern. Exempel-Weis: Ein unreine Antastung oder ein andere Todsünd, welche du in der Beicht wissentlich verschwiegen, oder hast wollen verschweigen, ist ja gantz ein anderē Todsünd, als diejenige Todsünd, welche du redlich aufrichtig gebeichtet hast: dann ein solche verschwiegene Todsünd, will setzen, ein wissentlich verschwiegene unreine Antastung ist ja kein unreine, sondern ein doppelte Todsünd, und folglich gantz ein andere Todsünd. Ich hab gesagt ein dopplete Todsünd, weilen in dieser verschwiegenen Todsünd zwey Gebott schwerlich verletzet werden, nemlich das sechste und das andere Gebott: und also ist diese verschwiegene Todsünd, e.g. eine verschwiegene Antastung ein dopplete Tod-Sünd. Sie ist ein Todsünd wider das sechste Gebott, wie es für sich selbsten klar ist, sie ist auch ein Todsünd [1018] wider das anderte Gebott, weilen in diesem Gebott nicht nur gebotten wird, daß du den Namen JEsu, sondern auch, daß du die HH. Sacrament nicht soltest mißbrauchen, oder verachten, wie du dann allzeit das heilige Sacrament der Buß schwerlich verachtest, so oft du ein schwere Sünd mit Fleiß verschweigest, weilen dein Verschweigen verursachet, daß die Absolution des Priesters fruchtloß abgeloffen, und das Ziel und End (nemlich die Nachlassung der Sünden) nicht erreichet hat, zu welchem End doch Christus das heilige Sacrament der Beicht hat eingesetzt. Mercke es wohl; ich hab gesagt, die Nachlassung der Sünden werde nicht erreichet, wann man eine schwere Sünd soll wissentlich verschweigen: dann wann du in einer Beicht tausend Tod-Sünden soltest beichten, und aber nur ein eintzige bedachtsam verschweigen wurdest, so wäre dir nicht ein eintzige Todsünd nachgelassen. Mithin müssen diese Umständ, daß du nemlich ein Todsünd hast verschwiegen, oder verschweigen wollen, nothwendig in der Beicht geoffenbaret werden, und zwar mit der Zahl, wie oft du die Todsünd verschwiegen, oder verschweigen wollen. Folglich muß man diese Umständ beichten, welche Ursach seynd, daß die Todsünd nicht mehr ein Sünd, sondern ein dopplete, oder ein dreyfache, oder gar ein viel- oder fünffache Todsünd seye.

Die Todsünd ist so vielfach, so viel Gebott und Tugenden oder Recht der Menschen in einer schweren Sach übertretten werden. Hast du mit einer Todsünd nur ein Gebott übertretten, oder nur wider ein Tugend oder nur wider ein Recht des Menschens gehandlet, so ist es nur ein einfache Sünd, welche keine Umständ kan haben, so man in der Beicht soll nothwendig offenbar machen; hast du aber mit einer Todsünd wider zwey Gebott, oder wider zwey Tugenden, oder wider zwey Recht der Menschen gesündiget, so ist es ja ein dopplete Sünd, und folglich müssen die Umständ, welche die Sünden verdopplet haben, nothwendig in der Beicht erkläret werden. Exempel-Weis zu reden:

Wann du lügest, und dein Lug mit einem Schwur bekräftigest, so ist es keine einfache, sondern ein doppelte Sünd; weilen sie ist wider zwey Gebott: wider das andere, und wider das achte Gebott: folglich mußt du nicht in der Beicht sagen: ich hab gelogen, sondern du must die Sünd mit diesen Umständen beichten, nemlich: Ich hab ein Lug mit einem Schwur bekräftiget.

Wann du aber schwörest zu einer Lug, aus welcher einem andern ein mercklicher Schaden zugefügt wird, so ist ein dreyfache Sünd, weilen sie lauffet wider drey Gebott. Nemlich wider das anderte, siebende, und achte Gebott. Der Schwur ist wider das anderte, der Schaden des Nächsten wider das siebende, und die Lug wider das achte Gebott. So mußt du dann auch die Sünd mit ihren Umständen beichten, welche die Sünd dreyfach machen: du must nemlich in [1019] dem Beichtstuhl also sagen: Ich hab die Unwahrheit mit einem Schwur bekräftiget, und dardurch meinem Nebenmenschen einen mercklichen Schaden verursacht.

Ein einfacher Ehebruch, so geschehen zwischen einer verheuratheten und einer ledigen Person, ist auch kein einfache, sondern wegen denen Umständen doppelte Todsünd, also zwar, daß ein jedwedere Person aus beyden ein doppelte Todsünd begangen: dann gesetzt die Manns-Person ist verheurath, so sündigte dieser Ehebrecher ja doppelt: Erstlich wider das sechste Gebott. Andertens wider die Tugend der ehelichen Treu, so er GOtt und seiner Ehefrauen offentlich vor dem Altar auf ewig versprochen hat. Ebenfalls sündiget auch doppelt die ledige Person, so mit diesem Ehebrecher gefallen, weilen sie ein Sünd begangen wider das sechste Gebott, und wider das Recht der Ehefrauen dieses Ehe-Bechers: dann diese Frau hat allein das Recht zu ihrem Ehemann etc. etc.

Also muß auch dieser Ehebruch mit seinen Umstäden gebeichtet werden. Der Ehebrecher (gesetzt er seye verheurathet) muß in der Beicht also sagen; Ich, als ein verheurathe Person, hab mit einer Ledigen fleischlich gesündiget, oder ich hab einen Ehebruch begangen mit einer ledigen Person.

Die Weibs-Person aber (gesetzt, sie seye noch ledig) muß die Sünd also beichten: Ich als eine ledige Person, hab mich mit einer verheuratheten Manns-Person fleischlich versündiget. Oder: Ich, als ein ledige Person hab mich mit einer verheutheren Manns-Person in einen Ehebruch eingelassen.

Sollen aber beyde Personen würcklich verheurathet seyn, so ist es ein doppelter Ehebruch, und folglich beyderseits eine dreyfache Todsünd, weilen ein jedwedere Person aus beyden sich auf einmahl dreyfach versündiget, dann einmahl sündiget sie wider das sechste Gebott, einmahl wider die Tugend der ehelichen Treu, und einmahl wider das Recht der zweyen Ehegatten dieser ehebrecherischen Personen. So muß also dieser dopplete Ehebruch mit seinen Umständen auf folgende Weis gebeichtet werden: Ich, als ein verheurathete Person, hab mit einer auch verheuratheten Person andern Geschlechts, fleischlich gesündiget.


Gleiche Beschaffenheit hat es auch mit der Aergernuß: dann auch die Aergernuß ein Umstand ist, so ein Sünd kan grösser machen, ja wohl auch verdopplenExempelweis. Wann du mit unkeuschen Worten,Discours, oder unkeuschen Gebärden einen, oder zwey, oder mehrere ärgerest ohne böse Meinung den Zuhörer zu verführen, so sündigest du aufs wenigst wider die geistliche Liebe, mit welcher du deinen Nächsten zu lieben schuldig bist, und ist diese Sünd der Aergernuß um so viel ärger, um so viel mehrer Personen du geärgert hast; folglich ist ja dieser unkeusche Discours gantz ein andere Sünd, als ein unkeuscher Discours ohne Aergernuß; ist es aber ein andere [1020] Sünd, so mußt du nothwendig den Umstand, der die Sünd verändert, in der Beicht auch offenbar machen. Mithin, wann du unkeusch im Reden oder Gebärden bey anderen dich erzeiget, und zweiflen kanst, ob du einen aus denen Gegenwärtigen geärgert hast, du in dem Beichtstuhl allzeit sagen sollest: Ich hab unkeusch geredt, oder, ich hab unzüchtige Gebärden vor andern erzeiget, zweifle, ob ich nicht gehling einen oder mehrer geärgert hab. Hast du aber gar im Sinn gehabt, durch unkeusche Discours, oder unzüchtige Gebärden andere zu verführen, und zur unreinen Lieb zu vermögen, so ist die Sünd ohne Zweifel dopplet, weilen sie klar ist wider zwey Tugenden: wider die Tungend der geistlichen Liebe, und wider die Tugend der Reinigkeit: derowegen bist du gezwungen diesen Umstand in dem Beicht-Stuhl zu sagen, daß du nemlich mit unkeuschen Reden, oder unzüchtigen Gebärden gesucht habest einen (oder mehr) zu einer unreinen Sach zu bewegen.

NB. Damit du aber dieses von denen Umständen etwas leichters verstehest, so lese öfters die obangezogene Beicht des Burgers, und des ledigen Gesellens.

Fünftens:
Ist nothwendig, ein geziemende, und heylsame Buß.

Da ist erstlich zu mercken, daß du schuldig seyest alle mögliche Buß zu verrichten: dahero, wann man dir eine unmögliche Buß solle auferlegen, kanst du dem Beicht-Vatter die Ursachen, warumen es dir unmöglich falle, mit gemessener Demuth vortragen, und von ihme eine andere Buß begehren.

Andertens: Wann du auch vor verrichter Buß soltest wiederum in eine Tod-Sünd fallen, so wärest du dannoch schuldig dein auferlegte Buß völlig, und gantz zu verrichten.

Beschluß
Beschluß.

Damit ich dieses Tractätel von dem Form und Unform in dem Beicht-Stuhl endige, wie ich angefangen, nemlichen mit dem höchsten Lob der Sacramentalischen Beicht, so setze ich annoch hinzu zum besondern Nachdruck der Sach die denckwürdigiste Wort des Heil. Chrysostomi: wer kan dich, sagt er: O heylmachende Buß genugsam loben, und preysen? du erlangest von GOtt die Nachlassung der Sünden, du eröfnest das Paradeyß, du heylest die Krancken, du erfreuest die Traurigen, du machest die Toden wiederum lebendig, du gibst[1021] denen Verzweiflenden ein grosses Vertrauen, O glorwürdige Buß! du bist schöner als das Gold, gläntzender, als die Sonn; dich kan die Boßheit nicht überwinden, der Abfall nicht unterdrucken, die Verzweiflung nicht begwaltigen; du bist ein Mutter der Barmhertzigkeit; ein Lehrmeisterin aller Ehrbarkeit. Groß seynd deine Werck, weil du die Gefangene erledigest, die Sünder erquickest, die Ubelthäther von dem Tod errettest, etc.


Weilen dann die Sacramentalische Beicht ein so grosse Sach, und so viel, ja alles daran gelegen, so rathe ich allen, welche in diesem Puncten nicht recht wohl unterrichtet seyn, daß sie gegenwärtiges Tractätel öfters bedachtsam überlesen, und solches fein recht zu verstehen sich befleissen; alsdann wird erfolgen der erwünschte Frucht, theils für die Wohl-Unterrichte, theils für die Aengstige, wie auch die Leichtsinnige Menschen. Die Wohl-Unterwiesene werden darvon haben ihren Trost, sintemahlen sie sehen werden, daß sie alle zur wahren Beicht nothwendige Stuck gehalten, und folglich (menschlicher Weiß davon zu reden) können versicheret seyn, daß sie recht gebeichtet haben. Die Aengstige werden daraus schöpfen ein Hertzens-Ruhe, massen sie daraus erkennen werden, ob, und wo es ihrer Beicht gefehlt: wissen sie gewiß, daß sie gefehlet haben, in einem Essential oder Haupt-Puncten, so dörffen sie es nur einem Beicht-Vatter eröfnen, welcher alsobald sagen wird, wie zu helffen seye, ob ein General-Beicht abzulegen, oder ob nur diejenige Beicht, wo es hauptsächlich gefehlet zu wiederholen, oder nicht. Wissen sie aber nicht gewiß, daß ihre Beichten einen Haupt-Mangel gehabt, so können sie wenigist hinführan allzeit vor der Beicht die fünf nothwendigiste Puncten überlesen, oder sich deren erinneren, daß sie ihre Beicht darnach einrichten, und mithin ohne Scrupel sie auch allzeit sich versicheren können, (so viel ein Mensch sich hierinfalls versichern kan) alle Beicht von dieser Zeit an seyen beschaffen gewesen, wie sie sollen.

Die Leichtsinnige aber werden nach bedachtsamer Ablesung des gantzen Tractätls einen Stich im Hertzen bekommen, weilen sie werden vermercken, daß wahrhaftig viel ihrer Beichten sehr starck gehuncken, und dessentwegen wird mancher, wann er gescheid ist, an Mittel und Weeg gedencken, wie er sein Seel könne in Sicherheit setzen.


Alles zu Trutz der Höllen, und Nutzen der Seelen.

Form
[1022] Form,
Einer wahren vollkommenen Reu und Leyd.

HERR JEsu Christe, wahrer GOtt und Mensch, mein Erschaffer, mein Erlöser, mein Heiligmacher, mein Alles, an den ich glaube, auf den ich hoffe, den ich liebe über mein Seel und Leib, über alle erschaffene Ding: es reuet, und schmertzet mich von Hertzen, daß ich dich, O JEsu! mein höchstes Gut mit meinen Sünden so schändlich beleydiget hab. O mein höchstes Gut! O mein liebreichister JEsu! was hab ich gethan, daß ich dich so oft gehasset, und so selten von Hertzen geliebet hab. Ach wäre ich doch tausendmahl ehender gestorben, als daß ich dein göttliche Majestät nur einmahl verletzet hätte. O wie reuet es mich mein JEsu, allein darum, weilen ich ein so unendlich heiligen, ein so unendlich grossen, ein so ununendlich mächtigen, einen so unendlich liebwerthen GOtt beleydiget hab. GOtt, GOtt hab ich beleydiget, ach! meinen eintzigen GOtt hab ich verletzet, das allein reuet mich; wann ich auch keinen Himmel zu hoffen, und kein Höll zu förchten hätte, so schmertzet es mich: GOtt, GOtt hab ich beleydiget, mein bestes und höchstes Gut hab ich gehasset, dem ich allzeit hätte dienen, und aufwarten, ihne allzeit anbetten, und lieben sollen: meinen GOtt, meinen eintzigen GOtt hab ich beleydiget, das allein betrübet mich. O JEsu! ich hab gesündiget, gesündiget hab ich O GOtt; Barmhertzigkeit, O JEsu! Barmhertzigkeit O GOtt.


Nicht mehr, nicht mehr soll geschehen, was ich bishero so frech gethan; es ist einmahl genug gesündiget, jetzt O JEsu, jetzt ist es genug. Ehender soll mir mein Hertz in Stück zerspringen, ehender will ich tausend Leben verliehren, als GOtt Zeit meines Lebens noch einmahl beleydigen. Jetzt, jetzt ist es beschlossen, (Himmel, und Erden, Engel und Menschen nimm ich zu Zeugen) alle Gelegenheiten, und Gefahren der Sünden mit der Gnad GOttes zu meyden, alle Sünden mit nächster Gelegenheit aufrichtig zu beichten, meinem Feind von Hertzen zu verzeyhen, den abgestohlenen guten Nahmen, und ungerechte Gut (wann ich hierinnfalls soll schuldig seyn) wiederum heimzu stellen, und alle auferlegte Buß williglich zu verrichten. Ich hab gesündiget, so will ich auch büssen. Barmhertzigkeit, O GOtt! Barmhertzigkeit, O JEsu!

Register [2]

[1023] Register
Der in diesem Exempel-Buch enthaltenen merckwürdigsten Materien.
A.

Abbruch, kleiner in den Speisen, wird mir der himmlischen Mahlzeit belohnt 10. seqq.

Abfall vom Christlichen Glauben, wird hart gestraft, 555.

Abgestorbene, begehren Hülf, 196. 198. 299. für dieselbe betten, und dardurch ihre Erlösung beförderen, ist ein grosses Werck der Liebe, 197. 200.

Abschieds-Schreiben, verzweifeltes, einer Tochter an ihre Eltern, 143.

Abbt, gottseeliger, stirbt mit einem frommen Knaben seelig, 11.

Achas, ein siebenjähriger Knab, lebt gottseelig, bestraft ehrenbietig seine Eltern, und stirbt endlich seelig, 1. 2.

Anblick Mariä, ein eintziger, bekehrt einen grossen Sünder, 433.

Andacht, gleißnerische, verdammt, 91. wahre zu unser lieben Frauen, verwahrt einen Advocaten vor dem Teufel, 145. ingleichem einen sonst lasterhaften Edelmann, 420. leichte, und U.L. Frauen angenehme, 147. 206. 471. besondere zu dem Hochwürdigen Gut eines Oesterreichischen Printzen, 294. erhält ihme das Leben, ibid. & seqq. gegen die Mutter GOttes muß fortgesetzet werden, 417. erhält einen Mann in der Gefahr zu ertrincken beym Leben, 431. beständige gegen dieselbe bringt einen Jüngling zur Besserung des Lebens, 433. andere Exempel, die sich wegen verschiedenen Andachten gegen U.L. Frauen zugetragen, 435. seqq. zu der H. Mutter Anna, 455. Mangel derselben im Gebett, in wie ferne er schädlich, 470. seqq.

Anna, Heil. Mutter, hilft einem liederlichen Jüngling auf ein grünes Zweig, 649.

Antonus von Padua, Heil. leistet einer Frauen eine besonders wunderbare Hülf, 563.

Arme, gegen dieselbe mitleidig und barmhertzig seyn, wird mit dem Himmel belohnt, 313. seqq.

Armuth, leibliche ist sehr nutzlich, 253.

Ave Maria, hundert täglich gebettet, bewahren einen hartnäckigen Sünder vor der Verdammnuß, 427.

B.

Barmhertzigkeit GOttes, unerhörte, an einen verstockten Jüngling 87. 88. erlangt der H. Cäsarius einem edlen Herrn, 204.

Bauer, wird geschwind ein Hertzog, und wieder der alte Bauer, 507.

Begierlichkeit, boshafte, hat drey Staffeln, 927.

Beicht, rechtschaffene, hat die Kraft den Menschen von den Nachstellungen des bösen Feinds zu befreyen, 71. Schamhaftigkeit in derselben die Sünden zu beichtenverdammt, 163. seqq. GOtt ermahnet dazu auf besondere Weise, 307. in derselbē Sünden verschweigen, bringt die Verdammnuß, 361. 903. 909. 912. 914. 922. 924. 926. 928. eine vollkommene zu thun, erlangt eine Weibs-Person durch das Gebett des heiligen Rosenkrantzes, 423. ohne Gewissens-Erforschung soll niemand dazu gehen, 815. wem man beichten solle, 857. vollkommene, macht einen Diener holdselig, 867. drey Eigenschaften derselben, 870. wann sie ungültig und übel gemacht, muß sie wiederholt werden, 898. zwey merckliche Stück hievon, 899. Urheber der Verschwiegenheit in derselben ist der Teufel, 901. GOtt offenbahrt die darinnen verschwiegene Sünden mit grosser Schand, 918. mit halbem Mund beichten, was, und wie schädlich es seye, 928. viele beichten sehr übel, weil sie keinen Vorsatz sich zu bessern haben, 941. aus Abgang des steifen Vorsatzes geschehen vile ungültige Beichten und Sacrilegia, 947. bis zum Tod aufschieben, ist sehr gefährlich, 965. General-Beicht, ist etlichen nothwendig, 983. seqq. aber etlichen aber schädlich, 984. Ursachen, die dazu antreiben, 987. 990. 995. Form und Unform in derselben, 1002. seqq. 1008.seqq. was zu einer rechten erfordert werde, 1016.seqq.

Beicht-Spiegel, sollen nicht viel gebraucht werden, 819.

Beichtvatter, Beschaffenheit eines guten, 854. 969. beruft die Sünder zur Beicht, 856. soll in Zweiflen gefragt werden, 868. ein frommer nimmt von einem grossen Sünder alle seine Sünden, und schenckt ihm dagegen seine Verdienste, 881. seq. unbescheidener schadet, 917. 918. unglückseliger Zufall eines Beichtvatters und Beichtkinds, 968. einen guten haben, ist von grosser Nutzbarkeit, ibid. & seqq. drey Beichtvätter, die mit ihren Beicht-Kindern nicht nach ihrer Schuldigkeit verfahren, werden hart gestraft, 971. seqq. sollen nicht blind drein gehen, 975. seqq.

Bekehrung, einem Gottslästerer wird die Gelegenheit dazu entzogen, 191. seqq. wunderbarliche eines Türcken, zum christlichen Glauben, 391. 402. eines türckischen Mägdlein, 559. Margarethä von Cortona, 647.

Beschimpfung, offentliche, wird artig bezahlt, 592.

Beständigkeit im Glauben und in den Verfolgungen wird herrlich gekrönt, 343. seqq.

Betrug, wird mit List bezahlt und abgestraft, 511.

Bildnuß des Gecreutzigten, entziehet das Angesicht einem ungerathenen Sohn, bis auf dessen gethane Buß, 116. seqq. Mariä von Einsiedlen wunderbare Wirckung, 575.

Blut, helles, wird von einem Pater aus einem Tischtuch gewunden, 147.

Böswicht, ein vor dem Beichtvatter bekannter, ist besser, als ein verborgen bleibender, 932.

Buß, auferlegte, soll man verrichten, 874. eine geringe, oder schwere aufzulegen, wird der Bescheidenheit des Beichtvatters überlassen, 877. manchmalen können kleine aufgelegt werden, 878. gegen der Sünd gerechnet seynd alle zu klein, 882. geringe wird einer schweren Sünderin aufgelegt, 884. soll nicht verschoben, sondern alsobald verrichtet werden, 886. freywillige können den auferlegten beygesetzt werden, 888. Bußwerke seynd unnützlich und vergebens, wann die Sünden in der Beicht verschwiegen werden, 924. 929. seqq.

Büssender ein schönes und erbäuliches Exempel dessen, 273. seqq. 367. seqq.

C.

Cappuciner-Kutten, ist ein Kleid der Armuth, und ein Zeichen eines bußfertigen Lebens, 187. brinnet einen verdammten Wucherer über die massen, 185. seqq.

Cardinal, ist liebreich und danckbar gegen eine arme, alte Wittib, die ihn ehemahlen Zeit seines Studirens beherberget hatte, 34. 35. 36.

Catholische, deren werden mehrere verdammt, als selig, und warum, 941. seqq.

Christen, empfangen in der heiligen Tauf ein unauslöschliches Zeichen, welches die gottlose in der Hölle erschrecklich brinnt, 187.

Christus, erscheint einem Jüngling auf dem Richterstuhl, wodurch dieser erschreckt, und zu heilsamer Buß bewegt wird, 69. 70. die Bilder seiner Jungfräulichen Mutter verehren, ist ihme angenehm, 279. seqq. erscheint einer ledigen Weibs-Person, und hält sie vom Tantzen ab, 362. wird, so oft man schwerlich sündiget, auf ein neues gekreutziget, und ihm sein Leiden erneueret, 463. läßt sich einem eitlen Fräulein in einem Spiegel blutfliessend und gekreutzigt sehen, und wirckt dadurch in ihr eine heilsame Buß, 818.

Closter-Frau, und Oberin stirbt unselig, weil sie in der Beicht eine schwere Sünd verschwiegen, 924.

Communion, sich darzu andächtig bereiten, bringt einem frommen Studenten die ewige Seligkeit, 20.

Creutz, heiliges, verwehrt dem Teufel überall den Ausgang, 581. welches das gröste in der Welt, 592.

Crocodill, weint, wann es einen Menschen gefressen, 950.

Cron-Gebett, zu U.L. Frauen, worinnen es bestehe, 441.

D.

Demuth, ist eine nöthige Eigenschaft in der Beicht, 870. 871. ist der allersicherste Weeg alles Tugend- Wandels, selig zu werden; kan auch durch die General-Beicht erlangt werden, 990. 995.

Diebe, betrügen einen alten, reichen Wirth sehr listig, 479. einer rettet sich durch List von der Gefahr gehenckt zu werden, 490. muß auf Befehl einen alten murrischen Rathsherrn bestehlen, 596.

Diener, christlicher, reisset in dem Namen JEsu denen Teuflen ein kleines Kind aus den Klauen, 567.

Dorf voll Bauren wird von einem todten Risen gewaltig erschreckt, 599.

E.

Ehrabschneider fället in diejenige Sünde, womit er seinen Nächsten verleumdet, 270.

Ehrgeitz, zumalen in Clöstern verdammt, 176. seqq.

Eifer, heiliger, eines siebenjährigen Knabens, 1. 2.

Eifersucht, schadet sich selbsten, 369.

Eltern, werden von ihrem siebenjährigen Knaben liebreich bestraft, 1. 2.

Ende, verzweifeltes eines unkeuschen und boshaften Sohns, 94.

Engel, Heil. schlägt einem Ertzbischof, wegen unwürdig empfangener heiligen Hostie, und geführten üblen Leben, das Haupt ab, 167. verfertigen selbsten ein schönes Mariä Bild, 280. erhalten einen frommen Schifmann im Ungewitter, 609. sieheSchutzengel.

Englische Gruß, ist Maria besonders angenehm, 410. seqq. ein lasterhafter Edelmann bettet ihn täglich, dahero ihm der böse Geist nicht schaden konnte, 425. seq.

Errettung, wunderbarliche, eines Printzen, 293. 310.

F.

Fasten, am Sambstag, zu Ehren der Mutter GOttes, ist ihr sehr angenehm, 418. seq. ohne innerliche Mortification gefällt es weder GOtt, noch Maria, 420.

Fegfeuer, nur einen Tag in demselben leiden, düncket einen viel Jahr darinnen gewesen zu seyn, 156. Unterschied der Peinen in demselben, und derer in diesem Leben, 157. in demselben muß ein Student seine gehabte eitle Freude im Studiren sehr hart büssen, 157. seqq. unaussprechliche Pein der Seelen in demselben, 201. ein Verstorbener, aber wieder zum Leben Erweckter will lieber die Peinen des Fegfeuers ausstehen, als sich wieder in die Gefahren und Unruhen dieses Lebens stürtzen, 213. 214.

Flucht, der Gefahr zu sündigen, ist ein Mittel zur Beharrlichkeit im Guten, 964.

Forcht und Schrecken machen einen Printzen schneeweiß, 561. ist öfters eine Ursach, warum der in der Beicht gemachte Vorsatz von vielen gebrochen wird, und warum, 955. seq.

Form, einer wahren, vollkommenen Reu und Leid, 1023.

Freude, himmlische, verleidet nicht, 225. seqq. 228.seqq.

Fürwitz, der Weiber, artig beschämt, 602.

G.

Gastmahl, eines jungen Grafen, höchst unglückseliges, 71. seqq.

Gedancken, unehrbarer, darein verwilligen, verdammt, 926.

Gedult, unüberwindliche, einer getreuen Ehegattin, erlangt endlich die Marter-Cron, 337. seqq. überausmerckwürdige einer Gräflichen Ehegemahlin, 659. seqq.

Geheimnussen, dreyerley, des H. Rosenkrantzes, 412. 413.

Gemähld von dem letzten Gericht ist die Gelegenheit der Bekehrung eines heidnischen Königs, 382.

Gerechte, auch über dieselbe laßt GOtt zu Zeiten im Todbeth denen bösen Geistern Gewalt, um ihnen Gelegenheit zu geben, ihre Cron in Himmel zu vermehren, 202. seqq.

Gerechtigkeit GOttes, hat wachtbare Augen über die Todschläger, 235. 238.

Gericht, göttliches, vor der Strenge desselben hat man Ursach sich zu förchten, 154. seqq.

Gesellschaft, böse, ist gefährlich, 705.

Gespenst, grausames, erschreckt einen fluchenden Spieler, 109. läßt sich ob dem Grab eines unzüchtig gewesenen Jünglings sehen, 132. seqq. verrath einen Todschläger, 235.

Gespräch, gottseliges, verleidet einem jungen Grafen das Hofleben, und bewegt ihn den Dominicaner- Orden anzunehmen, 27. seqq.

Gewaltige, müssen in der Höllen auch gewaltige Pein leiden, 174.

Gewissen, böses, ist ein greuliches Ubel, 97. seqq. Erforschung desselben ist nöthig, und von GOtt zu erbitten, 809. 810. seqq. diese ist nicht zu verschieben, sondern allen Geschäften vorzuziehen, 813. 814. rechte, entgehet dem jüngsten Gericht, 817. die Mutter GOttes anrufen ist ein Mittel darzu, 820.

Glaubens-Sachen, in selben soll man sich mit dem Satan im Tod-Beth in keinen Streit einlassen; wie gefährlich es sonst seye, 148.

GOtt, ist gütig und willfährig gegen den Sünder, wann er sich von gantzem Hertzen wiederum zu ihm wendet, 100. seqq. 110. seqq. 116. seqq. hilft wunderbarlich, 276. seqq. wird wegen seiner unendlichen Güte und Schönheit von einem Edelmann gantz besonders geliebt, 379. seqq.

Gotteslästerer, nimmt ein unseliges End, 189. seqq.

Gotteslästerung, wird an einem ungerathenen Sohn von dem Teufel selbsten erschröcklich gestrafet, 82. seqq.

Gut, fremdes, ungerechter Weis an sich bringen, ist eine Ursach der Verdammnuß, 178. seqq. 251. muß wieder seinem rechten Herrn zuruck gegeben werden, 181. seqq. 847. 848.

H.

Haß, unversöhnlicher, stürtzt in die Verdammnuß, 566.

Heilige GOttes, dieselbe verehren, wie nützlich es seye, 285. seqq.

Heiligkeit, eines neunjährigen Söhnleins verdient in den Chor der Ertz-Engel aufgenommen zu werden, 49. seq.

Hertz, eines adelichen Fräulein zerspringt für Liebe gegen JEsum; und werden in demselben besondere diese Liebe ausdrückende Worte mit goldenen Buchstaben geschrieben gefunden, 8. eines geilen Ehebrechers wird nach seinem Tode seiner unzüchtigen Ehebrecherin zu essen gegeben, 268. seq.

Hofart, zumal in Clöstern verdammt, 176. seq. ist eine Ursach, warum der in der Beicht gemachte gute Vorsatz von vielen gebrochen wird; und warum, 953.

Hoffnung, betrogene, eines den Wohllüsten ergebenen Jünglings, 96.

Höllen-Pein, der Vollsaufer in derselben wird einem Trunckenbold gezeigt, 171. höllische Peinen werden einem gefangenen Bauren von dem Satan gezeigt, 173. einem Wucherer wird darinn der für ihn bestimmte Sitz gewiesen, 184. was die Verdammte am meisten darinnen bedauren, 652. Gestanck derselben davon giebt ein Verdammter eine Prob,ibid. & seq.

Hund, verrathet einen Todschläger, 250.

J.

JEsus-Kindlein, nimmt von einem unschuldigen Knaben das angebottene Brod, und verspricht dagegen ihme das himmlische, 7. ihme seynd die unschuldige Kinder sehr lieb, ibid. & 9. erscheint in der heiligen Christ-Nacht einem frommen Knaben, 8. zeigt dem heiligen Edmund, wie sein Namen zu verehren, und was für ein Nutzen daraus entspringe, 14. siehe Jüngling. Knaben.

Jüngling, läßt sich des Teufels Anfechtung von seiner ewigen Verwerfung nicht abhalten, GOtt in der Zeit zu lieben, und ihme zu dienen: erlangt deswegen die Versicherung seiner ewigen Seligkeit, 21. 22. will seinen heiligen Schutz-Engelauch mit Gefahr Leibs und Lebens mit keiner Lügen beleidigen; erfährt darüber wunderbarliche Hülfe, 41. seq. muß im Todbeth einen harten Streit wider den bösen Geist ausstehen, 292. siehe Knaben.

K.

Kampf des Glaubens herrlicher und siegender, 634.

Keuschheit, eines frommen Jünglings wird mit wunderbarlicher Erhaltung des Lebens belohnet, 37.seqq. wird von einer Römischen Matron auch mit Daransetzung und Verlust ihres Lebens behauptet, 364.

Kinder, dem Dienste GOttes entziehen, ist eine unverantwortliche und sträfliche Sache, 128. seqq.

Kirche, Römisch-Catholische, ausser derselben ist kein Heil. und Seligkeit, 164. seqq.

Kirchen-Raub, wird zurück gestellt, 847

Knaben, zwey, geben dem JEsus Kindlein zu essen, und werden dafür von ihme zu seiner himmlischen Tafel eingeladen, 4. 10. 11. ein unschuldiger bietet dem JEsus Kindlein von seinem Brod an, betrübt sich, daß es von diesem nicht gleich angenommen wird; erlangt aber dafür das Himmelbrod, 6. 7. ein anderer merckt den Unterschied zwischen einer geweihten und ungeweihten Hostie, 9. ein adelicher nimmt die Zucht gerne an, und wird deswegen selig, 12. 45. ein vierzehenjähriger hält ungemein viel auf die Kinderlehr, 25. dessen erbäuliches Ende, 26. eines ungezogenen Seele führen die Teufel in die Hölle, 52. eines sechzehenjährigen gottseliger Hintritt, 655.

Krancke, gegen dieselbe Barmhertzigkeit ausüben wird mit der ewigen Seligkeit belohnt, 313. seqq.

L.

Lebens-Art, auferbäuliche eines Feldobristen, 665. Wandel, gottsförchtiger Thomä Mori, 672.

Lehrmeister, frommer, wird nebst zweyen Knabe von dem JEsus Kindlein zu seiner himmlischen Tafel eingeladen, 4. gegen denselben ehrerbietig seyn, bringt den Kindern grosse Gnade von GOtt, 45. seqq. ein verstorbener drohet zweyen muthwilligen Schulknaben, 66.

Liebe, seltene, eines Sohns gegen seine alte nothleidende Mutter, 43. blinde unsinnige bringt die junge Leute zuletzt auf verzweifelte Gedancken, und Entschliessungen, 136. seqq. eines Wucherers gegen sein Weib und seine Kinder, worüber er aber verdammt wird, 252. seqq. eines Ehebrechers und einer Ehebrecherin gegen einander, 265. gantz besonders zärtliche gegen GOtt eines anfangs in eine Weibs-Person unsinnig verliebten, hernach aber rechtschaffen bekehrten Edelmanns, 379. seqq.

M.

Mahlzeit, himmlische, hiervon bekommt ein adelicher Herr einen Vorschmack, 228. seqq.

Maria, überreicht einem adelich Fräulein ihr JEsus Kindlein, deren Hertz für Liebe gegen dasselbe zerspringet, 7. 8. wird von einer Hirten-Tochter mit dem Heil. Rosenkrantz gezieret, 14. 447. stehet ihr deswegen in dem Tod-Beth nebst vielen heiligen Jungfrauen bey, und nimmt sie endlich in ihre Gesellschaft auf, 15. 16. 448. zeigt sich in ihrer Schönheit einem frommen Studenten, 17. erlangt einem adelichen Jüngling, der Christum verlaugnet, bey ihrem göttlichen Sohn Gnad und Barmhertzigkeit, 88. seqq. ihre Güte gegen die Sünder, die sie beständig verehren, erstreckt sich ungemein weit, 207. 413. vermag viel bey ihrem Sohn, 223. seqq. ertheilt einem Dominicaner grosse Wissenschaft in natürlichen Dingen, 317. seqq. auf ihre Vorbitt wird ein Verstorbener widerum lebendig, seine Sünden besser zu untersuchen und zu beichten, 407. 432. warum, und auf was Weis sie zu verehren, 409. ihr ist der Englische Gruß besonders angenehm, 410. seqq. was für ein Wochen-Tag ihr besonders gewidmet, und warum, 418. durch ihre Fürbitt kommt ein dem bösen Feind verschriebener Mensch wieder zu Gnaden, 428. Verehrung ihres Namens ist ihr angenehm. 440. welche aus allerhand Titelen ihr die angenehmste seyen, und warum, 455. warum sie eine Mutter der Barmhertzigkeit genennet werde, 457. ist eine Trösterin der Betrübten, 458. eine Zuflucht der Sünder, 459. ist ungemein geneigt für die Sünder zu bitten, 465. ist eine mächtige Jungfrau, 466. in ihrem Dienst muß man beständig seyn, 469. will denen im Tod- Beth treulich beystehen, die sie bey Leb-Zeiten um Hülf anruffen, 477.

Meß, heilige, andächtige Anhörung derselben erhält einen Edel-Knaben beym Leben, 23. seqq.

Mißtrauen, auf sich selbst, ist nöthig und heylsam im Guten zu verharren, 963.

Mucken, denen werden die nach der Beicht fortsündigende Menschen verglichen, 977.

Muller, will sich von seinem Advocaten nicht rupfen lassen, 600. 601.

Musa, ein frommes Töchterlein wird von Maria in die Gesellschaft der Auserwählten eingeladen, 2. 3.

N.

Narr, ist seinem Herrn ein guter Lehrmeister zu einer guten Todes-Bereitung, 210.

Nebenmensch, denselbigen beleydiget und beurtheilet ein Ordens-Bruder niemahl, verzeihet ihm dagegen jederzeit willig und gern; und erlangt deswegen, ob er gleich sonst hinläßig gelebet hatte, ein fröhliches und seeliges Ende, 208.

Neid, in Clöstern, bringt die ewige Verdammnuß, 176. seqq.

Nicolaus, der Heilige, bringt einen entführten Jüngling aus der Gefangenschaft wunderbarlich wieder zu seinen Eltern, 285.

Nutz, eigener, ist eine Ursach, warum viele den in der Beicht gemachten Vorsatz brechen, 954.

O.

Oberin, in einem Closter nimmt wegen einer in der Beicht verschwiegenen grossen Sünd ein unglückseeliges und verdammliches Ende, 924.

Ohrenblaser, seynd schädlich und gefährlich, 707.

Ordens-Mann, lau und träger, bekommt von seiner verstorbenen Mutter einen scharfen Verweiß, 77.

Ordens-Geistliche, verdammte, setzen sich im Convent zur Essens-Zeit an Tisch, und entdecken die Ursach ihrer Verdamnuß, 177.

P.

Prädicant, calvinischer, will den jüngsten Tag verkünden, wird aber zu schanden, 499.

Predig, sehr merckwürdige, hält ein Priester aus dem Stegreif an eine Bande Strassen-Rauber, welche ihne deswegen in Friden, und unangefochten fortreisen lassen, 513.

Priester, frommer, sieht durch ein Gesicht den verschiedenen Stand dreyer Mägdlein, die der heiligen Meß beygewohnet, 290. seqq. hält eine sehr merckwürdige Predig an Strassen-Rauber unter freyem Himmel, 513.

Prob, überaus harte, eines Grafen, die er mit seiner Gemahlin vorgenommen, sie zu prüffen, ob sie in allen Stücken ihren Willen dem seinigen unterwerffen wolle, 659.

Psalter, Marianischer, wird einem ehebrecherischen Grafen von seiner frommen Gemahlin unter das Haupt-Küssen gelegt, wodurch er zur Bekehrung bewogen wird, 429. siehe Rosenkrantz.

R.

Rab, redet gantz deutlich von der Ewigkeit, 651.

Rache, grausame, übt ein Sclav an den Kindern seines Herrn aus, 612.

Rede, freche, eines Sohns, von seinem verstorbenen Vatter, 108.

Reichthum, ist sehr gefährlich, 254. seqq.

Reinigkeit des Leibs und der Seelen, soll sich die Jugend angelegen seyn lassen, 33.

Reu, vollkommene und unvollkommene, wie sie unterschieden werde, 823. vollkommene, ibid. 827. 830. unvollkommene, 825. grosse zweyer Frauen, 832. mit vollkommener seynd viele ohne Beicht seelig worden, 835.

Rosenkrantz, Heil. mit demselben zieret eine Hirten- Tochter die Mutter GOttes, 14. 447. wird deswegen von derselben im Tod-Beth mit einer grossen Schaar seeliger Jungfrauen besucht, und in ihre Gesellschaft aufgenommen, 15. 16. 448. errettet einen Studenten von ewigen Verderben, 78. seqq. woher dises Gebett seinen Ursprung und Namen, auch was für Gleichnussen dasselbe habe, 412. 413. dadurch wird ein frecher Jüngling wunderbarlich bekehrt, 421. ein verzweifleter Sünder kommt dardurch zu recht, und stirbt seelig, 422. eine Kinds- Mörderin wird dardurch beym Leben erhalten, 424.

S.

Schamhaftigkeit, in der Beicht, eine verdamliche Sünde, 163. seqq. die damit angefochten werden, sollen sich dem H. Abbten Aegidio anbefehlen, und warum, 939.

Schutz-Engel, Heil. verläßt seine Pfleg-Kinder nicht auch in der größten Gefahr, 41. 42. verspricht einem Studenten drey Vorbothen vor seinem Tod, 67. werden aber von diesem nicht geachtet ibid. & seqq. nimmt sich eines tödlich verwundeten Jünglings gantz besonders an, 608.

Spielen, allzuvieles verdammt einen, 54.

Sohn, undanckbarer, gegen seinem armen Vatter, wird von GOtt deswegen hart gestraft, 64.

Starckmüthigkeit, im Christlichen Glauben, eines siebenjährigen Knaben, 50. unerhörte Thomä Mori, 231. seqq. 289. eines Persischen Herrn in Verfolgungen, 387. in Trübsal, 655.

Student, frommer, verlangt mit Verlurst seiner Augen die Schönheit Mariä zu sehen, 17. wird von seinen Eltern verlassen, von Christo aber aufgenommen, 18. 19. entdecket seinem Cameraden seinen seeligen Zustand, 20. ein der Unzucht ergebener wird vom Teufel umgebracht, 55.

Sünd, Bekanntnuß derselben, 853. Tod-Sünden müssen nach dem Unterschied und der Anzahl gebeichtet werden, 859. wie es geschehen solle, 861. seqq. diese muß, und läßliche kan man beichten, 872. Straf derselben wird nicht allezeit mit vergeben, 875. die man in der Beicht verschweiget, werden von GOTT mit grosser Schand geoffenbaret. 918. dann sie gebähren den Tod, 922. je mehr sie verborgen werden, je mehr offenbaret sie GOtt, 933.seqq. drücken das Gewissen, 936. seqq. dieselbe bekennen macht ein ruhiges und freudiges Gemüth, 938.

Sünder, halsstarriger, stirbt unbußfertig, 605. 645. die nach der Beicht wider fortsündigen, werden denen Mucken verglichen, 977.

T.

Tauf, Kraft desselben, 813.

Tausch, seeliger eines Sünders mit seinem Beicht- Vatter, nach welchem er für alle seine Sünden dessen Verdienste bekommt, und mithin seelig stirbt, 881.

Testament, kluges, macht ein Vatter, und bezahlt damit seine undanckbare Töchter nach Verdiensten, 105.

Teufel, gibt einem Soldaten gegen einen diebischen Wirth einen Advocaten ab, und führt seine Sache solcher Gestalten aus, daß des Soldaten Unschuld erkannt, der Wirth aber wegen seinem gottlosen Fluchen von ihme durch den Luft hinweg geführt wird, 239. seqq. ist der Urheber der Verschwiegenheit der Sünden in der Beicht, 901.

Töchterlein, unschuldiges, desselben grosse Begierd zu communicirten, stirbt nach Empfang der Heil. Hostie für brünstiger Liebe gegen Christo, 5. 6.

Tod, gottseelige Bereitung zu demselben eines Christlichen Königs in Japonien, 297. unseeliger Henrici VIII. Königs in Engelland, 670.

Tod-Sünd, in einer sterben ist sehr erschröcklich, 235. ein Officier will lieber durch Henckers-Hand in wahrer Buß, als in einer Tod-Sünd sterben, 234.

Todte, mit denselben läßt sich nicht schertzen, 71.seqq.

Traum, förchtlicher, bringt einen Ehemann zur Besserung, 373. eines calvinischen Fürsten, 669. göttlicher, 814.

U.

Ueppigkeit, in Kleidern, bringt die ewige Verdammnuß, 53.

Verführung, stürtzt einen Edel-Knaben ins ewige Verderben, 56.

Vergessenheit, bricht den guten Vorsatz, der in der Beicht gemacht worden, und wie, 956.

Verhängnuß, unvermeidliches der Calvinisten, wird von einer adelichen Frauen artlich beschimpft, 505. seqq.

Verleumder, fällt in die einem Unschuldigen gelegte Gruben, 23. seqq.

Verstorbener, aber wieder zum Leben erweckter macht vor Gericht einen Streit-Handel aus, 212.

Verzärtlung, der Eltern ihres Sohns nimmt ein betrübtes und unseeliges End, 59. 358.

Verzweiflung, rührt öfters von der Zerbrechung und Unterlassung des guten Vorsatzes her, der in der Beicht gemacht worden, 954.

Unbild, angethane, an dieselbe mit Verdruß und Widerwillen dencken, hindert den Eingang zu der himmlischen Gesellschaft 305.

Undanck, wird merckwürdig gestraft, 320. seqq. 589. besonderer eines Wucherers gegen die Mutter GOttes, und dessen erschröckliche Straf, 961. seqq.

Ungehorsam, eines Sohns, wird auch nach dem Tod gestraft, 63.

Unreinigkeit, ist ein gefährliches Laster; im Tod- Beth in selbiges verwilligen, stürtzt in die ewige Verdammnuß, 75.

Unschuld, eines frommen Jünglings, läßt GOtt in der Noth nicht stecken, 37. seqq.

Unsterblichkeit der Seelen ist gewiß, 150. worzu sie uns antreiben soll, 149.

Unterthanen, dieselbe hart halten, verdammt einen Beamten, 390.

Untreue, bleibt nicht ungerochen, 92. 293. seqq. des Fleisches zerbricht den in der Beicht gemachten guten Vorsatz, 955. Mittel dagegen, ibid.

Unversöhnlichkeit, stürtzt in die Hölle, 188.

Vorbothen des Tods, dieselbe nicht in Acht nehmen, verursacht ein unseeliges Ende, 67.

Vorsatz, sich zu besseren, 837. entgeht der Gefahr zu sündigen, 838. erforderet Versöhnung, 840. verzeihet denen Beleidigeren, 843. wicklet sich aus allen Ungerechtigkeiten, 845. soll auch das ererbte ungerechte Gut ersetzen, 848. gibt einem jeden das Seinige, 850. vertilgt die Aergernuß, 851. ohne einen steiffen sterben viele, die in strittigen Rauf-Händlen sterben, 942. seqq. noch mehr aber die in unehrbaren Gelüsten und Sünden sterben; zwey klägliche Begebenheiten hiervon, 943. seqq. 948. 951. 959. wir müssen, vermög des göttlichen Befehls, in der Beicht einen solchen haben, und wie derselbe beschaffen seye, 946. muß in gesunden Tagen geübt werden, dann im Tod-Beth ist es nicht wohl möglich, 952. Ursachen, warum er öfters gebrochen wird, 953. wird einem Räntzlein eines Wanderers verglichē und wie, 958. Mittel in demselben zu verharren, 963. Beweis eines unkräftigen, 976. öfters gemachter ist gefährlich, und taugt selten, 980. seqq.

Vorsichtigkeit GOttes, ihre Verhängnussen seynd erstaunlich, und wunderbar, 258. seqq. besondere an einem unschuldigen Jüngling, 395. seqq.

W.

Wallfisch, auf einem solchen wird unwissend gantz ruhig eine Heil. Meß gelesen, 580.

Wandel, gottseeliger, und unschuldiger eines Printzen unter denen Heyden, 296.

Weib, bekommt ein trefliches Mittel, um zu verhüten, daß ihr Mann nicht viel rumore, 603. viele Weiber werden verdammt, aus Ursachen vielerley Sünden, denen sie ergeben, die sie aber nicht beichten, 920.

Widerspenstigkeit, eines Sohns wird von seinem verstorbenen Vatter an ihme gestraft, 60.

Wirth, untreuer, fluchend und GOtt lästerender, wird vom Teufel durch den Luft weggeführt, 249.

Wohlthaten, werden öfters übel belohnt, 709.

Z.

Zäher, reumüthige, erlangen einem Mörder vor dem Tod Verzeyhung seiner Sünden, 160 seqq. Kraft derselben, wann sie aus einem reumüthigen Hertzen fliessen, 161.

Zustand der Seelen nach dem Tod, wie verschiedentlich derselbe seye; denselben erwegen verwahrt vor dem Sündigen, 152. seqq. unterschiedener in der anderen Welt wird einer Tochter, die sich den eytlen und sündlichen Wohllüsten ergeben wollen, in Ansehung ihrer verstorbenen Eltern gezeigt, wodurch sie zu einem bußfertigen Tugend-Wandel angetrieben wird. 301. seqq.


ENDE. [1024]


Notizen
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les-Buch. Augsburg: Matthäus Rieger, 1757.
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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2012). Wenz, Dominicus. Lehrreiches Exempelbuch. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-9C3A-6